AETAS
KANTIANA
I
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THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
OF CALIFORNIA
♦
ALUMNUS
BOOK FUND
AETAS KANTIANA
Das kritischc Werk Emmanuel Kants, 1724-1804, bcdeutet einen
cntschcidenden Wendepunkt in der Geschichte dcr dcutschen Philo-
sophie; besscr, der Philosophie iiberhaupt. Zwischcn 1780 und 1800
liess Kant erscheincn : Die Kritik der reinen Vernunft, 1781; Die
Kritik der praktischen Vernunft, 1788; Die Kritik der Urteihkraft.
1790; Die Religion innerhalb der Grenzen der bhssen Vemunft,
1793; Die Metaphysik der Sitten, 1797. Nicht aufgefuhrt sind dabci
jene unzihligen Schriften, die dazu bestimmt wuen, die in dicscn
gnuidlegenden Werken au90BSprochenen Prinzipien zu verteidigen.
Kant hatte nicht nur SchiUer und Bewunderer. An Gegnern fehl-
te es nicht. Es waren dies vor alkm die Verfcchtei des WolffK^hen
und Leibniz*schcn Rationalismus. Andererscitz waren es Fichte,
SchcUing und andere Idealistcn, die aus den von Kant au%esteUten
Prinzipien die extrcmiten Forderungen zogen.
Wenige Perioden waren so fruchtbar an Auseinandersetzungen
von Ideen, an Versuchen von SystembUdungen. Die Kant*sche KritUc
gab den Anstoss zu einer ganzen phUosophischen, kritischen und po-
lemischen Literatur. Sie ist auch heute nodi sehr miichtig.
Trotz der verschiedenen und oftmals gegensitzUGhen Stromun-
gen, die sie charakterisieren, bilded die Aetas KaUkna ein unteUba-
les Ganzes : etwa die ersten vierzig Jahie der Bewegung. Dieses Gan-
ze, diese Aetas Kantiana, besagt eine enorme Literatur. Sie umfasst
viel mehr als dic grossten Autoien diesei Epoche, sie seien nun kan-
tianiK;h oder nicht.
Dies ist der Grund, warum es ntttzlich, ja notwendig achien, die
Werkc in einom mdgiischt voUstiindigen Corpus zusammenzusteUen.
Unter dem Namen Aetat Kaniiaim werden also, im Neudiuck, die
Origlnale odei die beatem Auigaben der lepiiaentativsten Weike dei
iCant*schen Aeia pubiizieit weiden; mit Ausnihme, woUgemeikt,
der gioisen Gesamtauigabea, dle leicbt ziigingilGh slnd.
IMPRtSSION ANASTALTIQUE
CULTURE ET CIVILISATION
11 S avenue Gabriel Lebon, BruxeUes
1968
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GemeinfafsUche
Darstellung
der
Kaatifcliea Lebrea
iiber
Sitdichkdt, Freyhek, Gottheit
lind Unsterblichkeit,
voa
Aiubcoiiut Bethmann Bernharcll,
Freyberg, 1795.
in d«r Ciwtidwii liidihiiidlaBg.
LOAN STACK
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V 0 r r c d e.
Oie Abacht diefcr Schrift ist vorziiglich,
gebiidetc Pcrfoneii, die theils diirch
inaiiiugfiiltige Gtfchifte, theilt diirch die
Unbek«nnt(chaft fiile der philorophifchen
Sprache) aiifler Stand gcfetxt find , die Kanti-
fchen Schriften oder^andere, die eine ganz
iRPiiIenrchaft|iche Einrichtung habcn» zu be-
niitzcn, mit Ideen bekannt zti machen, die in
dcn Aiigcn dct VcrfalTert vou groitcr Widu
eigkcit iind. Er hatte fchon lingtt alles
Fhilofophircii uber dcn Jetztcn Criind der
Sittlichkeit aiifgegebeny iind fich bloft an die
cinzclnen Gebote der Pflicht gehalccn, alt die
reinc Moral atifgettellt «urde* Diefe gab
ilim dic Befriediguiigy die er je zu findcn
gezweifelt hatte, und war ihm um (b ^WU
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koQifiitier» }e peinJidier oft ieiii Gefi31il
getve(ea war, wenn ec das, was ihm offcii*
baie Pflicht fefaien» voit andeni wegvernunf-
teln iabf und — — > tnittelbarer oder iinmit-
«dbefer Weife «ul 4ie Epieurifche Lcfare
vcrwiefen wiircle, ohne ttn StaiiJe zii fcyn,
leine eigeneii Urdieile mit liiiilanglicfaeia
Grunden zu un(erstiitzcn. In cinem ahnli-
cfaen Falle be&nden ficfa wafaricfaeinlicfaer
Weife nicht wenig Menfchcn, ohne Mufe
fu faaben die Kantifcfaen Jdeen ficfa aus fol-
chen Buchern bekannt tu machen, die ein
ibrtgeietites Nacfadenken erfordem. Dieft
itt die erste Claile Ton Perfoneu, denen diefi
Bucfa bettimmt ist Eine sweytc ClaiTe be«
flteht atit folcfaen, die an aller Pflicht twei«
feln» aber diefcibe fiir fich, wcnigstens in
gcwifler Ruckficht, gelten lafTeny und eben
deswegen nicht abgeneigt fiud fielchrung
enxunefamen. Hiersu k5nnen aiicfa dieieni-
gen geiecfaoet werdeu, dte» thrcr wahreii
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oder TOfgeli|tchen Uibmeiigitiig tren» nnr
dcn Eingebungen der Selbstliebe folgen — ^
«enn fie iloch «ii£ dcn Gcdanken kommen
Ibllfen, Tngend ihren giiten Grund
habcn konne» und dann eino Belehnuig fucb-
ten, die fidi ohne grofte Anstrengung erhal-
ten ilitt. Fur diejfe ChOIe Ton PcHbnen ift
dnBueh, wie dielci fiyn foll, um ib Tiel
nothiger, da die Strcitigkciten uber die
Kenttichen Lehren vor dat grofie Publikum
gckommea find, und dieiet vcrlcitct wird»
fiber eine Sadie abaiii»feehen, die et nur
von ciner Seite kcnnea icrnt. Wie yieie
Menlchen mdgen nicht den S^tteleyen tiber
den categorirchen Impcrativ ihrcn
Bey£di gegeben liabett» obne ta «illen, dait
cr nichts anders enthalt als das Gebot:
▼ernunftig lu handeln. Wenn fie
gar nichts dabey dachten, fo lachtcn Cic niir
Obcr ein, fur fie icercs, Wort. Aiiein dicA
ist nicht itomcr der Fali. Oft faHcn gerade
diejcnigen» \telcbe an allciu GninUe dcv
Ffliche tweifelii, fo viel dtvon, cbfs e» «tif
uneigcnnutziige Tugend kiiuveifc;
iie Iteheu allb nteht itber du Worf, lbn<lerii
iiber die Saciiey und werdcn iu ihreu- Un-
ftlattbcn noch mehr besfSrkt. Triumphirten
iicy fchon vor der Kantirchcn Morallebre,
aicht ielten» imn fie faheu» daia dicfeiiigen»
vpclcbc ihre Grundfaczc verwarfen» nichts
tiber alJe Einwendung erhabenet dagegen
vorbriugcti konntcn; fo gefchicht cs niin
noch mefar» indem fie wahnen» da6 auch
das, was die neucre Phiiorophie lehrt, cben
fo wenig Uaitharkeit habe» als alle vorher-
gehende. Menfchen, die nach ilirem Leben
ihre Grundnitze einriciiten» auf anderc Ge->
danken tn brtngcn, darf man freylieh nieht
fo leicla erwarteu. Aber dais die Meuge
dieler Menfchcn imnier geringer werde,
diefs iiauu inau von der \'crL*' citung dcr rci«
nen Moral mit Wahrfcheinlichkeit hoifcn*
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Wenn ct Ib ^veit fekonuneii feyn nurd» CU6
keiii Menfch et wagen darf, cUt Gefuhl von
JLutt oder Unltist alt (Ut hoduie Gefets fiir
alle Handluugen amugeben, ohne fich ale
einen nnvernunfcigen Menichen dar-
futtellen! fi> wird die noralifehe Zwei«
leiibcht geiwungen ieyn fich su verbeigen»
uncl dadureh nigleich eineu groiiett Theil
ahret Einflullct verliefem
Endiich itt dieit Bndi auch fMlchen»
gebildeten aber nicht mif der Fhijofophie
bekanaten, Perfoneu bettimmt» welche (itt«
liche Gute fur die hoehtte Bettimmung det
Menfchen iulten» aber gUuben, dafs die
Lehren, die tu derielben luhreny Gluckfelig-
keittlebren find, und die Kantifchen Grund-
fttse entweder lur mufiige Speeulationent
oder gar fiir gefilirlich halten. Diefe Per«
Ibnen anf datjenige aufmericiam su maehen
wat aus ibreo Grundritzcn folgt m\d, vs9
— VI —
nioglich» zu eiaer audern Meiuung ubci-
Kants Morallehre zu bringen, fchieo dem
VcrfalTer cbeufalJs von Wiclicigkcit zu fcya.
Ste bef5rdem oft wider ihren Willen die
Uiiiittlichkeit, incieiii fie Regelu des Vcrhal-
tens aufetelleny dte gar gemifideucet
weiden konnen> und hindern dcn Eingang
ibkher» die am meitlen gefchickt find»
Tugend zu bcfordcrn.
Wat in Bcziehung auf Sittlichkett gelagc
worden ist, gilt auch gr6r$rentheiJs fiic
die Retigion* Es war eine Zeit «o man
glaubtc, dafs alle Menrchcu durch diele tUT
IHigend gdeitet werdea konnten. letst
icheint es nothwendig, fiir viele die Sache
umzukehretty und fie durch Tiigend sur Re*
ligion zu fuhren. Auch in dicfer Rtickiicht
konnen die Kantiichen Leliren ausgebreiteten
Nutcen haben, und bedurfcn detwegen eben (b
gut einergcmeinfafsiichenDarsteliung, alsum
dem achten Begriffe der Fflicht Eangang su
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— VII —
vericlialiieii. Audi iit diefelbe «iedcnmi
um fo noihigcr, jc h^iiifigcr die Mifsvcrstand-
ailfe ubcr dic wabreBdcliaffeiiheit leiierLeh*
ren ubcr Gott und UusterbJichkeit fnid.
Ob iiiiii clie Abfichten» dte diirch dieies
Buch bcfordert wcrdcn follen, nicht fchon
durch fo vieie aadere Schrifteii» ivelche die
Kantiicheii GrundAtfe erHuCem, erreicht
werden konnen — darf freylich der Verfaf*
•ler ntcht mit Gewifiheit enticfaeiden. Aber fo
Tiel muif ilim erlaubt feyn zu iageuy dais die
Erfiihnmg ilim hieruber Zweilel gelalTen hat.
Uiberdielf muis feine Rechtfertigung in dcm
Buehe felbtt gefueht iverdett* Uegt demleU
ben eine Form zum Gnmde» dic fich noch
an keiaem andem findet, oder iit die Aiif-
fiillung derfelben noch nicht ebcn fo da:
Ib kann der Verfiich lelbst, die Gnmdtdeen
dcr rcincn Moral und der fich darauf beue*
iMidea Religion gemeinfaftlich danutteJJen»
ebcQ fo wofiig getadelt werdcn, ali irgend
— VIII —
ein Verfucbt die Sitcenlehrea iibeclittipt ISt
eine gewiAe dalle von Menfchen (6 rona»
tragen» wie jemand glaubt^ daii fie am bei tea
Eiogang 6n<len. Elne andece Frage aber iit^
ob iem VerfaiTcr dieTes Buchs iein VerTuch
gelungen iey» Htertiber wird er billige
Urtheilc gern fehen und, wcnn iic ihm vor
der Ausgabe det sweyten Theib bekannt
wcrdcn, willig bcuutieo.
Frcybcrg, dcn 12. April 1796*
Notbwendige Verbeflerungen.
S. 3. Z. $. 1. fo ist fic cs» statt: fo ist er es.
- ai. in dcr Note Z. 4. I. nte, smit nur.
* 89- Z. 9. 1. von. stiitt vor.
-114. - 34. I. uml d i c ihrc, starr und ihre.
• *77- - 9. 1. dicfcp Willen, st. dicfcm,
- 194. - 31. l <iiberdiefii« tt. uberdem.
- t04. - 6. 1. G 0I d, sittt Gcld.
- t07. - II. 1. miiffcj vatt inufstc.
-317. - 5. 1. vorhcrgekhc, sc, vorhergchn.
• 2:4. - 9. 1. ihm» stsn iHn.
* 934* - 5. von unten, I. ■ b h s 1 1 e n, st. sbhslte,
- 340. - n. l. frngcn, sittt fragrcn.
- 149. - 6, von unrcn, 1. ihtn, st. ihn.
- 258. - 24, 1. VorsteU ung, SK Vor^tellungen,
E1NL£I.
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EINLEITUNG.
Gelchlelite in die Vergangen*
hcit zuriick gcht, iind Co weit clie Gerchidi»
te der Gegeiiw«rt fich uber die Erde cr«
fireckc, fteUt fie luif tiberall, ivo die
fchen in einiger Gemeinrchaft lebeny eineil
Udterfchied dar» dea fie swiiclieii ilifca
ftejwiliigeii Handluiigea macheii. Uiberall
findet tnan die Worte: gut und bore,
recht und unrecht» erlaubt und uu*
eriaubt, in den Spraehen ieibtt derjeni»
gen Voikerfchaften» die man ok unter dem
Namen dcr Wilden begrcift, So dunkei
tmd ib cingefchrankt ttun auch die Begrilfi»
leyn mogcn» wclehe mit diden Worten dio*
jenigen McnTchen verbinden » die noch auf
A
dcr Cistcii StufFc der Cultur ftehcu, (o i<ifst
lich doch oicht denken» dais gar kcin Iic«
griff damit verbiiii<len wcrde. Ift ir^cndwo
dic Sprache dcr AusJnick dcs incnrchlichcft
Gcistcs f fo ist ^ cs gcwiis bcy dcn Volkcr-
fchafcen» dcrcn Ideenkrcls noch fehr cin-
gcichrankt ist, Auch ist es nicht fchwcr
dic Handlungcu zu dcnkcui auf welcUe jcne
Bcgriffe zucrst angewandt werdco. Allei
was nothwendig beobachtet oder vennieden
werdcu nuifs, wcnii nicht dcr Zwcck dcr
btirgerlichen Gefcillchaft vereiteJt, wcuo Hc
nicht ielbst ein Unding feyn foU, ist in den
crstcn /.ciccn dcr Cultur das Kccht uud da;
Uurccht,
Ic hoher dic Stiiffe dcr Bildung ist, zii
dcr iich ein Voik erhobcn hat, dcsto kla-
ler und ausgedehnter fehen wir jene Be«
grifKe werdeh. Und diefi kann (chon de?-
wcgcii nicht anders fcyn, wei) fie auf eiue
viel groisere Menge voo Handhingen ange*
wandt werden, alt in der Kindheit einet
^ u!k$ Statt tindcn kd'm. le cinfacher die
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Veffliiltiii6e der GUeder einei Volkt fiad,
detfo feltner komtiit die Anweiuluiig i)er Be*
griffc von Recht uiid IJnrecht vor; jc man-
nichfaitiger jene werden, dcsto haiihger ist
dieic. Der menichiicbe Geisc fiihlt dann
das Bedtirfnifi die dunkeln Ideen aufituheU
len, fo wie fich dcr Krcis derrelben erwei-
tert» und ein Sclirit^ TPomit er dem Lichte
naher tritt, giebt ihm auch Kraft dcn £oU
gcuden zu thiin.
Noeh ift aher ein Umftancl ni bernhren»
dcr uicht wenig dazu beytrigt, dafs die Vor-
ttellungen von Sittlidikeit mit den Fort-
ichritten» imlche die Oiltur einet Volkt
uberhaupt macht, faft gleichen Gang halten.
Ebcn die Uriacheny dic diefe befordern,
find aiich )enen giinttig. So wie die Men^
fchen in der hurgerlichen GelelUchaft nicht
niehr alle ihre Kriiftc brauchen, um die un-
entbebriichtten Bedurfiiiiic dct Lebent lier-
bey su lehaflfen, begniigen fie fich auch nicht
mchr rait dicfen. Auf die Erfindung dcr
mcchaniichen Kunste Iblgt dieSchopfiing dec
freyeii. Man crhuht uiid vervielfacht dcu
Geiiuis dcr cnten Bcdurfiiifie, luid fiicht
dis Bequcme itod Sch6iie»
Untcr dcm Strcben luich ib mMinigfal*
dgcn Giitcrny wird cs btld naturlich iind
nothwendig, dic Arbeiten zii vertheilen.
Schon (licTc Vcrthcilung dcr Gcrchifte, noeh
mchr abcr der Reichthttm, der dadurch nach
iind nach entsteht, gicbt manchem Glicde
dcr Gcrellfchaft ncuc Muisc. Und i(t dic
cnte haupt(MiUdi angewandt wordcn, die
leincre Sinnltchkcit .lu weckcn und fu bc*
friedigen, fo wird die zweyte, wcuigstcny
sumThcii, dcm BcdurfniTs des Gciftet gc-
widmet. Nicht mehr tufricden mit dem
fmiiJichcn Genufse verlangt man auch geisti-
gcn. Mau wiii nicht Uos iiiliicn» rondcm
auch wi0en. Zwey GegemHnde muilen dn
befonders dic Wi(sbegicrdc rcitzen : die Na»
tur, deren Grofse und MannigfaJtigkeit dic
Aiiimcrkiamkcit an fich reiist— tmd der
Mcnfch» deflcn Verstand und dcflen Wille
iuimcr wichcigcr wcrden» jcmciir dic Fahig*
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ktUtea dcf einen ficb entwickela» imd je*
iiielir die Handlangsweiie det andern Einfluft
auf das Wohl der ganzcn Gcfelirchaft imd
eines jeden Gliedes dcrfeibeu bckommt. Dec
Wirkungtkreit des WiJlent ttt iinterdeilen fi»
tveic gewordeuy dafs felhst die mannigfal-
tigsten Gefetze, die ihn bandigen folicn^
nicht mehr hinreichen. Man ftngt aiich an
xtt fuhlen, dalt» fo ▼ollkommen fie feya
raogcn , doch mir wciuge Handlungcn da-
durch erawun|en werden konneni und je^
mehr maa diefen Gegenttand verfolgt^ detto
mchr (ieht man cin, dafs auch auf die Ge-
finnungen gewirkt wcrdcn mu&, uud dafs es
Pflichten glebt» die awar dem Gewiflen ei^
net jeden xu tiberlaflen» aBer nicht weniger
wichtig (ind, als diejenigen, welcheman nach
Anleitung der burgerlichen Geietxe xu be«
obachten hat. Et itt alib natiirlich, dafs Min*
ucr auftreten, wclche dicHauptpflichtcn dar-
xutteiien unddcmMcnfchcn ansHerz zulegen
fiichen, Hier find wahdcheinlich in dcs
Hauptfache alle diejenigen cinig, welche
Sittlichkeit bcfordern woilen. Nachdcm
6
•ber dat GemSMe dts fittlidien Menlehen
dem Anfchcia iiach voilendet^ und von dem
gerunden Verstande und dem unverdorbeuen
Henen wiJlig aulgenonimen worden iai,
vrirft man die Fragc aiif: wic ift das Ge^
malde entstanden? Ist es inebr als blofscr
Schein ohne WtrkUchkeit? Wat ist denn
cigentHch derGmnd» um defrenwillen fcdcr
Menfch (ich dailclbe ziim Mustcr nehmen
foil ? Oder, um eigentlicher lu reden* was
ttt denn Pflicht? was itt Sittlichkeit? Bey
diefen Fragcn, die mancheu verwirren, wircl
es nothwendigy die Krafite dcs Mcnichen su
unterfiicheui und der Geitt, der lchon durch
Ib manchen Gegenstand getibt worden ist,
tnacht fich feibst zum Gcgenstaiide fcinct
tieftten Forichent.
Man kann aiif diefc Weife in dcr Kennt*
aiit der Pflichten drey Epochen unterichei-
den. In der ersten begnugt man flch mtC
einem ganz dunkeln Gefiihle von Rccht iind
Unrechty uud erstreckt cs nicht vicl weiter»
«It die ttothwendigen Bedsngungen dcr bur»
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gerlichea GefcJifchafty oder bestimtiite Ge-
letxe reicheiu In der sweyten enveitert
inan die Vorstclliingeii von giit imd hofe
tind dchnt l\c aiif iiandhmgen aus» dic nicht
iulseni» ibndera innemOeietfcn tmtcrworfen
werden kdnnen* In derdritteii endiich fragc
niaii nach den Qjyiellen aller dcr einzclncii
Geietse» die dem gefiinden Vcrstande tityor
einleuchten» und fiicht iinxweilclhafccGrund-
fatic, aus dcncn allc PflKhtcii, dcrcn Erfiil-
iung man fiir nothwcndig halt, hergeieitct
werden konneii, Diefe Epochcn find firey*
Jich nicht durch gcnaii bestimmte Grcnzcn
abgerchnitten. Auch iafsc fich bey iLciner
ein bestimmter Zeitraum festfetsen. Ver-
fchiedene V6iker verweilen nicht gleich lan-
ge in jcdcr derfclbcn. So wic iiufscre Ura-
stiiide, hier friihcr dort fpSter» die Cuitur
riberhaiipt %u einer gewitTen Stuffe erhcben»
fo bcforJcni fic , b;ild mchr bald wenigcr,
dic Bestimmthcic und dcn Umfang der Bc.
griffe der Sittlichkeit. Nur von der letzten
Epochc zcigt tmf dic Gefchichce ohngefahr
die Dauer fiir Europa, Sie gicng voc mchr
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als z^ey tatiieiMl lahrea an uud daiiert uoch»
iveiia ni^t KaiiCt Syttem fie beiclilielst.
Schon ni Socratet Zeiten mufiten die
grofien Fragen iiber den Gnind der Verbind^
lichkeit ziir Tugend, iind liber das Wefcn
der Fflicht und dei Rechti au^eworfen wor»
den leyn. Denn darinn beitand ein Zweck
(einer philofophifchen Bemiihungen, dic So-
phistcn« vrelche das Unrecht zum Recht, und
die Pflicht lur gleichsultigen Sache nicht nur
lelbtt nachten, Ibndem auch tu machen
lehrten, in ihrer hloCsc darzustcllen, und
(b ieine Mitbtirger vor den Verfulmingeti
derfelben tn bewahren* Doeh entttanden
erst nach ihm die bestimmten Systcme, wel»
che von Gricchen und iComern angenom-
nen worden find. Sie verfchwanden in
dem barbarifchen Zeitalter, wo die Philo*
fophie von dcr Erde verbannt zu fcyn fchieiiy
mid die Aftertheologie auftrat» um mit Feuer
und Schwerd folche Begrifle von Pflicht und
Recht zu bchaupten, die dcr Vcrnunft wider-
fprechen. AUet Uibel, wat der Geift der
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dMnullgtn RcUgaon uber diie MeoichheU
brachte , floli faft allein aiii dem widernnnU
gen Griinde aller Tiigend, den er aufstelUc
und leider! fo iange l>ehauptete. Ait end-
lichf naeh fatt taniend lahren, dte Vemunfr»
wenigscens in einem Theile von Europa, <ien
ertten entfcheidenden Sieg uber den Aber-
glauben davon trug, ward ihr aueh wieder
das Feld zii freyen Unterfuchungen iiber dic
Sittlichkeie geofiiet* Auf alieu Scicen wurde
diefe wieder theilt aut neuen» theilt aut den-
jenigen Qiiellen hergeleitet, welche fchon
die Griechen» wo nicht erfchdpft» doch an-
gegeben Intten.
In dem ietzt laufenden lahrhundcrte vor-
sugUeh (ind diefe Unterliichungen nieht mir
elfrig verfolgt, fondem auch Co weit ver-
breitet worden, dafs wenigstens die Reful-
tate derfelben int gcmeine Leben ubergegan-
gen find; ob lun Vortheil oder x»m Scha*
den der Tugend fclbst, kann freylich erst
durch DartteUung der verfchiedenen Meintm-
gen tiber den Grund derielbea gini tnichau-
lich geniacht wcrden. So viel aber ist aiich
ohiic dicfc Darstciliing klnTj dafs fic dcr Sitt-
lichkeit iiicht gleichguitig feyii koiineiiy
wenn nian an den niachtigcn Einfltils denkt,
dcn Meiniingcn libcrhaiipt auf dic Handhin*
ger <ler Menfcben haben. Sind nicht die
Greuel der fransofifchcn Revolution tvenig-
stens zum Theil aus Mcinungcn und Grund-
fitzcn entstanden, die fich aiif Sittlichkeit
besichen, tind aus den daniber aufgestcll-
tcn Systcnicn dcr Philofophen flicfscn? Be-
trachtet man fcrner dcn GcisC uafcrs Zeit-
slters tiberhaupty fo wird einem jeden» der
damit vertraut ist» der Zufaninienhang swi«
fchcn dcr Handiungswcifc dcffclbcn und dcu
aiigenommenen (ittlicheny oder vieJmchr un-
littlichen Grimdratzen nicht leicht entgehen.
Diefc flicfscn unstreitig aus dcr Art, wic von
gewiiTeu Philofophen der Griind der Sittlich-
keit gedacht und vorgestellt wird. Ist ihre
Meiming auch nicht , diefclbe far ein Hirn-
gcfpinst zu crkiarcn, fo folgt doch aus ihren
Systcmen» dafs fie nichts bestimmtes iind all-
gcinein verbindendesy fondcrn ein Rcfult^t
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Ton AnUgen^ Umttindcn tind VerhSlcnilTcn
fey, die nicht in der Gewalt des Mcnlchcn
iich befindcn. Diefe Meinung ibt in den fo-
genannCen gefitteten StSndcu bcynabe herr-
lchend geworden. Setit man hienii dic Ah-
nahme des Glaubcns an Gott und Unstcrb-
lichkeit dcr Sccle» ib murs dicieZwcifcirucht
nn allcm was die HandJungen dcr Mcuichcn
ain fichersten leitet, nothwendig einen (ehr
nachthciiigen Einfluls auf ihrcn Charakter
liaben. Daa innere Gefuhl von Recht iind
Unrecht kann twar nie ganz nicdcrgjfchla-
gen, abcr diirch jcnc Meinungen doch fo ge-
lchwjiciit werdcn, dais cs nicht mchr hin«
feielicnd ist» den Reizcn dcr Sinnliciikcit su
widcrstehco.
Philoibphifch ncniit nan das gcgenwSrti-
gc lahrhundcrt, uiid in Verglcichung init
don ▼orhergchcndcn vcrdicnt cs dieicn Na^
ncn. Noch gab cs vielleicht nte eine Zeit,
wo die Vcrnunft, ocJcr wcnigstcns das, \va»
fur Ycruunft gUt» (ich cinen fo wcit hcrr*
(ehenden Thron erbtiite. In etnem gro^n
Striche von Ctiropa ist et fnt ttnniogUch ge»
wordcn, auf aiidere Art als diirch Vcrmmft
atif die Gemulhcr sii wirkcn. An fie mudeu
fich die Mjchte der Erde wenden, wenn fie
Gchor findcn wollcn ; auf fie mnfs der Lch-
rcr dcr Rcligion feinc Lchrcn bauen, wenn
er ihi«en Eingang verfchaffen vpUI; xu ihr
iind diirch fie icheinen (elbtt die erhitxtesten
Lcidcnfchaftcn zu fprccheny und aus ihrcm
Schoolse gieng eine Schwarmerey henror» die
ihrcs gleichen noch nie auf Erden hatte.
In fo einem Zeitalter, ivo die Vemunft
nU dic oberstc Richtcrin allcr Angelcgcnhci-
ten» die dem Menfchen wichtig find, au£i
fettellt wird, und wo fie doeh mit fich firlbst
nicht einig ist, mufs nichts willkoinmner
feyuy als die forgfaitigste Friifung ailcs des-
Es fcheint dics widcrfprechcnd — was ha-
ben Vernunft und Schwanncrey mit cinan-
der gcmcin? — Allein diefe kann nllcr-
dings eine Folge von jencr feyn , wcnn dic
Vemunfcidcen nicht rein von alicm Zufatze
dargestcUc, und eben des Zufaczes wcgen
fidfoh togewandt werden.
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jcnigen, was man fur ihre Auifpnlchc half,
imd dic geuaticste Sclicidun^ der wahicn voii
dcn errGhlichciiett. Nur nach VoUendiing
diefef ehen A) fchweren ab nothwendigen
Gefch^ifts , kann das Rcich der Vernunft auf
festem Gninde stehen» und die Grenie Ui»
ret Gehiels genau abgei teckf «rerden*
Oielct GerchSfit unteraahm Kant und voll-
endete es nach der Meinting ieiner Schtiler
niit eincm Erfolgc, der, friih oder fpat, nicht
nur alle eigentiichen Pliiloibphen, fondem
nile denkenden Menichen uberhaiipt ubet
Sittlichkeit , Gottheit und Unsterblichkeit zu
einem und cbcn dcmfclhen Glaubea veseiiii*
gen vrird.
14
— I OQO I ■■
Darstellung aller Moralfysteme vor dem
Kanti/ciith und der Z^eifd g^^^^n dif
Wahrheit derfelbem
^obald in irgend eincm Manne Jcr GcJan»
kc aii ein Morairystcm entsteht, fo fctzt der-
felbe voraus» dafs unter deit Meiifchen eine
gcvvifle Befchafifenheit ihrer Handlungeii und
Gennnimgen ailgemein fiir gut, und cine an-
derc fiir bofe gehalten wird. Denn das Sys-
tem foll eben erkliren» woher diefes Urtheil
liber gut und bdfe komme, und w^riim
die Mcnfchea» theiJs ftir lich, theils fiir an-
dere fordern» was in dem Worte PfltchA
ausgedriickt wird. Und wenn einige Men-
fchen behaupfen, es gebe keine Pflicht, fo
heifst dieis nicht, es gebe keine Gefinnun*
gen und keine Handlungen, welche deriel-
ben gcraafs gedacht wercicn: fondern der
Begriff der damit verbunden wirdy fey wiiJ-
kfihrlich, ley nur lufSllig eotstanden» und
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kunnc keiue allgcincingultige Handluiigs-
weifc fiir dic Menrchcu bestimmcn. Dieje-
isigen Philoropbcn nun» welche die PAicht
als etwas in der Natur des Menfeheu gcgrun«
dctcsy und folgiich als etwas aligcmcingel-
tendes anfahen» muftten nothwendiger Weife»
wenn fie lich und andem von «lieler geisti-
gen Erfcheinung Rcchcnfchaft gcbcn wolltcn,
ctwas auffuchcu, das iich in allcn Mcnfchen
iindet, und eben des^iegea als der Bestim-
mungsgrund einer allgemeinenDenkungs-und
Handlungsart gcdacht wcrden iLanu. Sie hat*
ten dabey nicht unter einer grofien Menge
▼on Dingen tu i^hlen* Nur Xfieyerley fia-
det fich bcy allcn Menfchen, fiir wclche
Pflicht etwas fe^o kann: das S<|feben nach
angenehmen Empfindungen» odcr die Selbtt-
Itebes und die Fihigkeit nach allgemeinen
Kegelu zu handcln, oder die Vernuiift. Dais
die crste aligemein iehr «irkiam ist, b»*
sweifelt wohl kein Menichy und dafi die aa-
dere, als das untcrfcheidcndc Merkmal dec
Menichheit» ebenialls ais aligemeio vcrbrci*
tet gedachl werden wa&, tit «iclit niiidqi:
lusgcmicbt. Ef wiirde hoehst iSeberlich
feya, luch dca Grundcn der Sittlichkcit zii
firagen, und die Thatigkeie» oder gar dat
Dafeyn der Vemunft nlcht in Betraehtung su
«iehen. Ohnc fic koniitc nicht cinmal cine
Unterruchuug dariiber angestellt werden.
UiberdUefi muft doeh wenigftent gefragt wer-
dcn, ob die Vcrnunft, dic als obcrstc Rich-
tcriu bcy allcr Erkcnntnifs augerchcn wird,
nicht auch fur un(re Handlungen Ge(etze an»
giebt, die eben Co nothwendig (ind alt die-
jenigen , welchc bcy unfcrm Wiflcn cntfchei-
den. Auch wird in den meitten uber Sittlich-
keit au%ettel]ten Syttemen, dieVernunft ent-
wcdcr ausdriicklich gcnannf, odcrstillfchwci-
gend vorausgefetzt. Nur die Bestimmung
der Art ihier Wirkiamkeit itt dat» wat den
wcfentlichen Unterfcbied der Moralfystcme
ausmacht« Wird fie allein als geli^tzgcbcnd»
ohne die geringtte Einmilchung der Selbtt*
liebe, und alt elnzigerBettimmungsgnind der
fittlichcn Handiungeny gedachty — wird ibr
die Seibttiiebe untergeocdnet: Ib enttteht
liieraitf die reiiie MotbI» wckhe Kaat tnent
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gelelirt hat. Alle PhiJolbphen vot ihm ha-
ben enfweder «uadnicklich der Selbstliebe
dcii crsteii Platz angewiefcn, und die Vcr-
nunft nur xum Werkxeuge gemacht, dieGe-
bote der enten atMxuJegen und ausxttfuhren;
oder nahmen (le atis der lelzten dic Geretze
her, vrelche bcy der Pnicht Statt iindeu
IblJen : ib tvaren diefelben doch aJle yoa der
BelchaHlenheit, daft ihte Giilcigkeit und Aus-
fiilurbarXeit nichc anders gcdacht wcrdcu
fconnte, als dafs die Seibstliebe xum hoclisten
Bestimmungiignmde lelbst bcy den edelsten
Handlungca geinacht wtirde. Worinnen der
Unterrchied bey diefcn auf GluckreJigkcit
fich bexiehenden Systemen bestehe, wird fich
beller bey der ausfiihrlichen Darstellting der<-
felben, als im alJgemeinen atigebeu Jairen»
Dide woJien vihs nun vomeJimen.
Das crste fey, das nach feinem Urhcbcr
genannte E) icurifche : AJJe Menfchen» fagte
Bpicur, streben oaeh Vecgniigen» und man
fcann xeigen^ dals alle ilire HandJungcn dar-
B
auf hinsieieii, fo ventcckt auch ilae Abficht
feyn mag. Dafs diefi derFall bey cierBefrie-
digiing liiiiilicher Bc liirfjuisc fcy, leiirhtct
von lclbst eiii. £cy Handltin^en und for;gc-
ieisten Bemtihnngen, dte auf Zwecke gcrich»
tet finJ , welche gleichfalls nur tim dcr an-
genchmcn Enipfuu^uugcn wiUcn als /wcckc
gedacht werden kdnnen, ist diefs eben fo
offenbar. Wcr (ich anstrengt, um grofse
Giitcr nJv.T Ehrcnstcllcn zii crlangcn, u:iJ,
tiui dkrciben zii cricicheuy fogar (ich man*
chen Geiiufs veriagty thut die(s doch nur um
destomehr und bclfer tn genielsen, Dvenn er
fexnc Ablicht erreicht habcii wird. Hs blei-
ben al(b nur die Faile zu untcrfuchen itbrig»
vio das Streben nach Genttis versteckter ist»
Diefe beziehen fich cntwcdcr auf MUfsigkeif,
iclbst iin Vergniigen, oder auf Gerechtigkcic
und Wohlihitigkeit. Weii niin bey diefen
Eigcnichaften theils das Vcrgntigen nicht
gicich fo in dic Augcn falJt, thcils nur weaig
MenfchenEiniicht uudKraft genughaben» um
«» aiith da aiistufpahen und tu verfolgeo»
iiuddoch jcdcm darau gelcgen ist, dafs cs ge-
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fucktund erstiebt Dverde: ibisthier haiipt«
l^ehlich der Gedanke derPflicht an dte Stelle
<les Vcrgniigcns gcfctzt wordea , abcr uichts
desto weniger von dem notbweiidigen Stre-
ben naehGluckieligkeithergenoninien. Daft
dicfe Behaiiptung w;ihr fcy, IdCst fich folgen-
demiarsen zeigcn. Wcnn ich mir cin Ycr-
gntigen veriage» fo bewegt mich entweder
der Gedanke an ein giofseres, datierhafte-
rcs, odcr die VorsteUiing des Schmerzes
dafu> welcher auf dafleibe foJgen wtlrde.
Ich hin X. B. mSisig im Gebrauehe dea
Wcins, weil mich der Rniifch auf cinige
Zeit lum Genufs unfahig niacht, oder gar
Leiden nach fich ateht uud mein Leben»
a|a die Qiielle aller Freuden, verktlrst s
ich bin gerecht und wohhhatig, wcil es
mich ichmerzt andem wehe su ihun» odet
weil ich Vergniigen darinnen finde» die Lei-
den anderer zii raindcm. Nun ist zwar
vrahr, dafs es Handiungen giebt, wovon ei-
gentiich entweder kein Schmeit lu furchteoy
oder kein Vergntigen tu hoffen ieyn (bilte,
und die doch untcrlaiTca oder gcthau wcrdcn.
20
AiJcin hier geht einel a ilchtuigvor* die man
fich aus dentf was in andernFallen gefchiehf»
wo dicRcJc iiicht voiiPflicht ist, lcicht crkla-
rcii k «11111. Es fchincrzt niiih x. B. frcylich»
d»& in dem Kasten einesGeizigen Sch'Atze iin*
benutrt licgen, die einer grofscii Mcngc
Mcnfchcn taiirciid Frendcn vcrfchaffcn konn-
tens ich witrde es auch fehr gerne lehei^
wenn diefelben dasu verwandt w**irden» der
Vcr^inifs Hcs Gcui^cii wirJc niich wcnig
kummcrn: und doch, gcfctzt ich hjitte gar
keine bMrgerliche ^trafe xu furchteuy wiirde
ich die SchStce uiiberfihrt und die leidcndcn
Mcnfchen in ihrcr driickeiidcn Diirfcigkcit
laifcn. £s kann lemer fogar feyny darty
wenn ich die Wahl zwiichen einem faKchen
Zciignifsc iind dcm I oJc hattc, ich dcn lcti-
tcrn wahhc. Abcr iu dicfcm wie in jenen
Palle ist das Streben nach Vergn*lgen» doeh
die Qiielle meiner Handhingsweife. Es geht
mir wie dein Geizigen. iiciiic crstc Abficht
bey dem Erwcrb der Giiter war gewiis, fich
manntgfaltige Freude dadturch iti verlehaf*
fca, uach uud n^ch aber gewohnte er lich
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cin Wohlgcfallen an den blofscn Bcfitz fcincr
ScbaUe zu findcn ; iind cndlich stieg diefi lu
ib einein Gnde^ dait ihm «liefcrBefitt dat
bochffe nnd einzige Vergniigcnivurde, und
aiie Miihfcligkeieen ftir nichts anfchcii licft,
welclie tbm <iie firbaltung deiTeiben sttiof»
Eben diefi iit mein Fall, wenn ich weder ihm
fein Geld nehmen , noch cin falfchcs Zctig-
niiSf &ibft niic Gcfaiir mcinet l^bcnsy ab-
legen will. Alf ich mir Regeln fiir meine
Handliingen fettletztey fah aueh ieh mir anf
das Vcrgniigea, das ich dadurch, entweder
uomittelbar oder mittelbart xu crhalten und
tu fichem dachte. Gewohnhett haben mir
diefclbcn nachher lur andcrn Natiir gemacht,
ich liefolge iie ohnc weiter au dea eigcutlt-
chen Zweck lu denkeo» uiid w^irde mtch f ir
e1enderhalten,wenn ieh meincRegeln, ^ls wenn
ich deu Z^eck derfclbeti aufgebcn follce.^ ) So
*) Hicranf bemht [ener bekannte Ausfpnich s
Dcr ehrliche Mmn is^ der, wekher niche
weifs, dafii er aus Eigennutz htndelt; der
Sehnrke der» welcher vergifst ftinen
Kutzen zu berechncn, £in fehr klciiier Un^
terfehifid !
22
kann ich felbst mein Leben fiir dicfelbetl a\if-
opferoy wic iich mancher Geizige dafieibe
nimm^ wenn ibm leine Schiicse gerattbt wcr-
den, ob er gteich nichts, alt den blofsen Be>
iitz daran fchatzt. *) Uibrigens ist wohl z\i
nerken, daft alJes Vergmlgen finnlicb ift.
Stcb daflelbe als geistig in irgend einerlluck-
ficht zii denken, ist citi WiJcrfpnich, Man
gcbe nur auf (ich felbst acht, wcnn man an-
genehme Emplindung hat. Immer wird maa
dabey dat Spiel feiner Organe, die doch finn*
lichfind, unverkennbar hiiden. Selbst bey
dem Genuitey der vorsiiglich geistig genannt
werden mtiftie, wenn et eineu ibicben glbe»
bey dem Genufse, welcher aus dem Nachden-
ken iiber Walirheit fliefsc, wird man den
4) Ob Epiciir felbtt, die Gerechtigkeitsliebe bit
xurAMfbpferung detLebent fo erkUrt habe^
bleibt unausgemacht, dt unt keine Schri^
ten von ihm ubrig geblieben und feine
Gegner nichc einmal genetgt flnd, ihm nur
cine iblchc Aufopferung zu zu trauen. Seine
ntuem Anhftngcr aber haben ihr System auf
die angefiihrte Art zu retren , und mit dcr
Moglichkcit, dem Scheine nach mocaliich
xu baadeiu, xu vereinigen gefuchi;
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leiebtea Gang de% Blutes, das ungestorte
Spiel der Nervcn, und dic icgchnafsigc Tha-
tigkeit (ier PbanUfie fithlen. MacKt <iie An-
strengung bey der Untcrfuehung cler Wahr-
heit eher Schnicrz als Vergn»'igcn, fo verfol-
ge ich dc gcwifs nur dann, wenn ich am Endc
meiner Arbeit etnen Zweck su erreicheu
denke, der mir eine Freude gew'<ihren wird»
welchc fich iiunicr wicJcr auf inciiic fuui-
Jiehe Nacur l>czieht. Diefs ist noch offenba*
fer bey allen Handlungen, die» wie mau (kgt,
sns dem Henen kommen. Das Herz felbst
bedcntec da nichts ais Gefiihlvcrmcigeii , und
diefs ist doch ohnstreitig eine Wirkung der
Stnne. Aber wahr ist es , da(s die (bgenann-
ten gcistigcn V^crgaiigcn vorzuglich dcr
Zvreck unfcrs Bestrebcns fcyn mulTcny demi
niir durch fie kann man fich die grdfste mog-
liehe Menge angenehmer Gefrihle im Gan-
xen feines Lcbcns, oder, mit cinem Woite,
Cluckfeligkeit vecicbaffen.
Nach allen diefem ist das hochstc Gcfct/
Monl; Strebe nach Gliickieligkeit, und
die etnselnen Regeln dit aus demfelben Ibl*
geti, bezichcii (ich hauptrachlich atif die
Keniuuirs dcrUinge, welchc Vcrgniigcn gc-
wihren oder Mifsvergnugen verurfachem
lemehr man (ich auf <len Werthderfelbenver-
stcht, desto pflichtmarsiger wird raan noth-
vrendiger Weirc handeln. Denn alles kommt
blos darauf an, daft man den Grad der Leb-
haftigkeit iinJ clic Lange dcr Daucr aller an-
genchmen Empfindungen zu berechncn wcifs»
um fich tn jeilem Falle fur das tu bettimmen»
was PAicht und Recht ist, d.h. vras das dauer*
hafceste Verguiigen vcrfchafu
DicresSystem \wurdc bald nach feinerEnt*
stebiing fcbr gcmifsbraucht. Epicur haCte
nicht nur gelehrt, dafs die Zufrieden*
heit hauptrachlich dte Ghlck(eligkeit aus*
niachc, unddafs, wcr dicfe fuche, vorziig-
iich nachjener streben miirre, fondernauch
durch lein Leben befviefen» dais es thm Emst
niit dicfcr Lehrc war. Allein einer feincr
Schiilcr, Aristipp, vergafs den Geist dcs Sys*
tems, und hieit fich an den Buchstabeib
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Sinnliches Vergnugcii war nach iiun haiipt*
richiich in den Gegenitinden tu rucheny
welche die Sinne in dlt lebhafceite Bewegung
feczen. Und Co prcdigtc er und feine Schule
im eigcntlichen Verftande» die Woiluit. *)
Dlefi war der tnordifchen Natur det Men-
fchcn zu fehr zuwidcr , vertrug Hch auch zu
mnig mit der Stiile, die tum NachdeiilLen
erfordert wird, alt dafi ea unter den Pliilo-
fophen viele Anhanger hatte finden follen.
Aiiein dat eigentiich Epicurifche crhieit (ich
nicht nur lange unter den Griechen und Ro-
mern, fondern wurde auch nachher, als ia
den neuern Zeitcn die PhiJofophie, wie an-
dcre WiiTenfclMften» wieder au^nommea
und bearbeitet wurde, auft neue hervorge-
fucht und ausgefchmitciLt. So viel aber auch
Diefem grob-und feinlimiliclifittSyiceme wur-
dc das Stoifchc entgcgcn j^efetzt. Nach der
Zcifordnung wurde alfo nun diefes darzu-
Stcllcn fcyn. Allein di es hicr nicht fowohl
»uf dicfc , als auf dic Vcrwandfchaft der
I.chren flnkCnntnr, fo gche ich zu der voin
«itoraliivUeu Gtfuhl uher.
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gethan wurde» um theils den Stifter und daa
System (elbst von dem Vorwurfe der Unfitt-
lichkcit zu befreyeii, theils zu zcigcn, da(s
nit demielben ficb die edclste Deukungsart
vertrage ; (b ichien es doch unmogtichy die
CnmdCatic dcfrclbcn fiir tiic Fallc annchm-
lich zu machen, vio, nach dcm Gefuhle, der
Menich grois handelt, iind doch nicht der
allergeringste Vortheil iti erwartcn, viel-
mchr alles, felbst das Lebcn, aufzuopfcrn ist.
Da(s die Ge&nnung, die su folchen Handlun*
gcn erfordert wird, blos eine Inconlequenx
Vidie, imd folglich der Vcrnunft glcichfara
verborgen werden mufste, wenn fie sur Be*
obachtiing von Regehi auigefordert wird,
dic fich auf die eigene Gltickfeligkeit besie-
hcttt uud nur ncbenher dic frcmde bcfor*
dem — dieft emporte die Vemimft ebeii
fo (ehr, als das unverdorbene Geluhl. Ef
traten alfo Hutchcfon imd mchrcrc, fowohi
engliiche als iranzofirche und teutrche Philo-
Ibphen mit einer Verbeflcning des Epicuri»
(chca Systems auf^
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Es ist wahr, fagten fie, dic Gl'»ckrelig«
fceit desMcnfchen tsc der lctxte Bettimmings*
grund in alJen ieinen Handtungen , allcin um
diefe zu erreichen, mtincn nicht mir iiber-
haupt die nicdcrn grobfinnlichcn Vergnvlgua-
gen den feinem tmd den geistigem tmtcrge*
ordnet npcrden; fondern es befindet dch in
dem Mcnrchcii noch cin befoudcrcs Gcfiihl.
welches das iittJiche genannt werden kann»
und uns unmittelbar angicbt, was Recht und
Pflicht ist. Diefe zii erfiillen, ist das huchstc
Vergniigen, iind fic vcriiachlafsigcn» hciist
feiner Gliickieligkeit widerstreben. Dielt
moralifchc Gcfihl befiehlt iins vorziiglich,
Rtickficht aiif das Wohl uiiJWch iinfercr Nc-
benmcnfchcn sunchmeuy und den hoclisteii
Wcrth dcm beyziilegcii, was am gcmein-
nutzigste:i ist. Es ist dahcr wahrcr Vorthcil
leinen cigncii aiifzuopfcmy und das Beste an«
deier tu befordern. Auf dic(e Weiie kann
man befriedigcnd crklarcn, wanim wir im
hohcn Grade dic Gcnnnungcn dcsjenigen bil-
Isgen» der rdbst fcin Lebcn der Fflicht mdm
opfert^ und warum ein jcdcr, dcr fich Regehi
in feineni Verfialten fesfictzt , glcicli Anfanfrt
dicfs 2um liochsfcji Gcfctic niachcn kann;
feine Giuckfciigkeit ia cicr £rf<iilung fcinef
innern Verbindlichkeit» in der Befolgang <lei
uioralirciica Gcfiihls zu fuciieu»
Bcy dicrem Systeme ist zn nierkcn, daf<
der moralifche Sinn nichc ais eine Foigc von
der Gefettgebiing der Vemunft» niche als eine
Wirkung dcr dunkcln odcr doch luir klaren
Vorstciiung dcrfelbcn, fondcrn ais fiir fich
bestehend» bloff aus dem Hersen entiprin»
gend , und folglich als unerklHrbar angefehen
wird. Man vcrgleicht ihn mit dem angcbor-
nen Gefithie fur Schouheit iind Schicidich*
keit, oder mit der FShigkeit, die Bindnicke
der aufsern Sinne ^aufziuichmcn und zu cm-
pfindcn, odcr nimmt endlich cincn Instiukt
an» der die angebome Menfchenliebe genannfc
werden konnte, itnd den Trieb des Eigen-
nutzes noch iibcrwiegt. So ist das morali-
fche Gefiihi inmer entwedcr ais unabhSngig
▼on der Vmunft angeiehen» oder doch nicht
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atif eigentlidie Gefetie derfclben zuriick ge-
iiihit wordea. *)
Neiii, wcMiden ajidcre cin, dic Moral ist
nicht einem blinden Triebe, wotu dat fiiora-
Itfehe Gefiuhl gemacht wird, su uberlaiTeiu
Sie hat ihrcn Urrprung in dcr Vcrninift. In
ihr steht deuciich das GcfeU gerchriebca:
Menrch» vervollkommne dieh» d. h. bilde alle
deiaeKrifte imd FShigkeiteo aus, fuche ihncn
den muglichgrofstcu Umfang und dic raog-
lichbestc Richtuog su geben» hierinaea be*
•) So fetzt Gellert, der einem rufaminengcreti»
tcnSysreme folgt, dcn Ausfpruchen d<rVer<-
nunft das moralifclie Gcfuhl als tweyttn
Gcfcugcbcr zur Scitc odcr gar cntgcgen,
indem er fagt: „Aufscrdem Unternclue,
dcii uns dic N cmunft von unfcrn Pflitluen
anbcut, gicbt cs nocli eine anderc Bclchrung,
dic uns das Herz, d-.irch einc an^vcborn»
Empfindung vod dem wa$ gut und bofo ist,
enhetlt;»* S. die iweyte Vorlefung uber die
Moral Und Robinet fagt : ( de la nature,
^ 341.) dieTes Gcfiihl fey nnwillkahrlich,
und fowohl von d«a Subiilitlten der Ver-
nonft, als den Verfpreehuagco der Uigioh,
gaos onabbftogig.
stcht deine Wiirdc uad deiiie Gliickfciigkcil.
Allesdas alCof was entweder unmittelbaroder
mittelbar deine geistigen und k6rperli^:heii
Kriiftc erhilt, starkt, erweitert uiid eih l\t,
was ihre Anwendung erieichtert und ver-
nehrty tu iitchen und cu thun ist Pfiichtt und
dicfs Bcstrebcn , iic zii crfullcn, ist Tugend«
Uuter allen Vcrmcigcn aber, wclchc dcr
Menfchheit su 1 hjil gcworden (ind, ist die
Vernunl^t das vorz^islichste und erhabciiste,
dasjenigc, was allen ubrigcn Maafs iind Rich-
tiing bestimmt. Sie alfo lu horen luid un-
wandethar tu hefolgen , ist die erste und el-
gcntliche Tugcnd «nd in dcm Bcwufst(eyn
(krrelben bcstcht die GlMckfcligkcit Jos Wci-
ien , der erhaben **ber alle VorfUlle dcs Le-
bcns , uber alle Leiden die ihn drncken oder
ihm bevorstehcn, cinc unvcranderlichc R\;hc
imcl eine unterstorbareZufricdenhcit behaup*
tet. Doch nicht nur ieine eigene VoUkom*
jncnhcit bcabiichtigt dcr Weifc. Dicfc ist
nichteinmal gedeukbar» ohne KMckficht auf
VoUkommenheit ieiner Mitmenfchcn. In-
dcm cr auf das Beste dielbr feine Krafte rich-
tcty giebt er ihuen allcn den Umfang und
die Stark«, deren fie fahig fmd. Der Weiie
befiSrdlert alfo die Gltickreligkeit imd Voll*
kommcnheit dcs Menft hLai^Llchle^hts , fa
vreit ;ils fcMnc HanclKmgen nuc inuuec £influ(i»
tuf dafleibe haben koanen.
Dieis «ar entweder gans oder sum Theil
das System der Stoiker, welchcs in dcn
neuern Zciten mehr entwickelt v7orden ist»
und unttreitig Vortuge vor demjenigen hat»
welchef au£ ein blofief Gefubl gegnindet
«rird.
DicfcmSystcmc der Vollkommcnheit steht
cin anderes xur Scitc^ wclcfaes auch auf Vcr-
nunft bentht» das Ideal derlelben aber nidit
in dcni Mcnfchen, rondern in Gott fncht.
Gchorfam gegen diefen ist hier das obcrste
Gefets der Sittlichkeit Er ist der natiir-
liche und noth^ndige Oberherr des Men*
fchcn; feinen Befehlen alfo zu gehorchco,
Ist Pflicht. Mit feinem Willen aber kann
fieh nichts vertragen, nvas ieiner eigenea
Vollkommeiihcic, der Vollkommcnheit fei*
— 33
ner Gerchopfe, und dcn von ihm felbst be-
itimmfcii Vcrlialtiiirieu derfelbea xtiwider
itt. Ailet, wat hiermit streicet, follte ei
aiich nochfo vicl Niitzcn gcwahrcn uJei Scha-
dea briageuy itt verwerAich und pllichtwi-
drigy )i dem eigeneii Vorcheii det Meiifchen
entgegen. Denit du ist das hochste Elend,
fich gegen feinen Schopfer auflehncn und ilim
mifsfalleni weder in diefem noch iii dcm zu«
kunftigen Lehen kann Glfick(eligkeit erreicht
werdcn, wenn das GewilTcn, wclches uns die
Pflicht des Gehoriams gegen iiiifcrn Schiipfer
gebietety verletzt wird« Hier ist nur ne^
benbey angedeutet worden , daft in dem(el-
ben auf die Unsterblichkeit dcr Seele Kiick*
ficbt genommen ist. Aliein fie ist ein Haupt-
fWBkt deflelben. Wurd auch die Hoffnung
ciner kiinftigen Seligkcit nicht ausdriicklich
sum einxigen Bcstimroungsgrunde unferer
fittlichen Handlungen angegeben: fo wird
diefelbe doeh immer mehr oder weniger da-
bey wirkfam gedacht, und von manchen Phi*
loibphen, als der vonuglichstc Antricb lur
Tngcttd» aageielien» Der kunfttge Ziistand
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Ut naeh ihfcn Ldim <Ut hMMe BeitiiBaniiif
<iet Menfthak
Dide vier SyiCeme nitifiteii twn jedes
cinieln fir fioh dargeiteiit werden, fo wie
fie fich bey eimeiiieii Pliiioropheii findeit
Sie aiefien aher in mandien Stueken in ein*
ander» iind werden daher aiich nicht feJteiif
mehr oder wcniger, zufanimen geaoniineny
un theiif das Weien der Sittlichkeit su he>
Mtmnien, theilt tur Erliillunf der Micht tn
erwecken. In allen ist dic c i g e n c GJiick»
leiigkcitentweder aittdnidUich alt der lettte
Gnind dcr Tufend angenonunen, oder dodi
daitir amtmehinen » wcnn maa our dcutliche
Bcgriffe gcJtcn iallea uriii*
Wcnn ich, nach dem Epicttfiichett Itnd
dem Htttchdbniichen Syttcme, die Gifidc»
Ihlifkeit anderer helordere, fo gefchieht dicfs
doch nur, wciJ dicfclbc ali Mittcl zu mcincr
ti^nen angeiehen wird. Und ieibit in den
beyden «ndem, vo man die Vollkommenhdt
ait hocbstcn Zweck der Tugcod dantelit,
C
— 34 —
ist der letzte Bestiinmuugsgrund uniercr mo*
raUrchen HandJungen, aiir demNamen, nicht
dcr Sache nach, von dcm vorhergehcnden
untcrfchicdcn. Dcnn fragtman, wasistVoll-
kommenheit desMeiifcheo» Co bekommt man
stir Antwort: die Voliendete Aiisbildung aller
feincr Kraftc und FUhigkcitcn ; fragt inan
weiter, warum (ie ausgcbiidct werdcn foUen»
fo ist die Antwort : weil iie £u allerley Zwe-
cken gttt find» oder wetl fie Gltickrcligkeit
fchaffen; und dic Vernunft fclbst wird als
das hochste Gut angefehen, weil fie hochst
giucklich macht. F^agt man: warum ibll
ich andcrn Menfchen dicncn? fo wiid wic-
der geantwortct, weil ich dadurch mcine
eigne VoUkommenheitentweder beweifc odec
l>efdrdere, tmd folglich gliicklich werde.
Die Vollkommcnheit Gottes wird femer ent-
weder ausdrucklich darein gefctsty daiser
^e moglichgroiste Gluekfeligkeit der Le.
bcndigcn wiil , und dazu die Welt cingerich-
lct haty odcr man mufs fie, wenn man etwas
bestimmtes dabey denken will» darin fu«
ehen» dafs er alle fiigcnfchaAea befitiet, die
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tu allen tnoglicbea Zwecken htnreicheii,
Unter der crstcn Vorausfcczung ist die Nach«
«bmiuig feiiier VoUkommeiihetC, und der Ge>
hoHam gegen feine Befehle ttiehtt, alt <lie
inugiichgrofstc BeforJcrung der allgemeinen
CluclLieUgkeity wobey unfere eigenc nicht
nur mit interefiirt iit» fondeni auch ala An-
trieb %ur BefSrdening det Endcweeka der
Wcll geclacht wirdj und unter der zweyten
ist tuvor der Zweck lu bestimmen» den Gott
htf der Schopfung der Welt und det Men*
fchen hatte, ehe ich wifTcn kann, worin fein
Wiile besteht, und was ich cu thun habe^
um demfelben nicht sttwidcr su handehi*
Alles aber, wat man Heruber ergnlnden kann,
beiicht (ich cnlwcJcr aiif Ghlckfeligkeit odcr
Sittiichkeit. Sagt man nun, die ictztcre fey
der Haupttweck Gottet mit dem Menichen:
ib muft man doch wtflen wat fie ist, ehe
man fic auf den Willcu Gottes bczieheu kann»
Ibnttdrehtman fich ineiiiemewigenlCreiie.<*)
^ Frage kh wa? isc SictlisKkeic? fo ist dic Aot*
wons Das Besucbcn dcm WiUen Getim gt*
Man benift 6eh ithef «uf dat Gewilfai» wtU
ches bcstimmt genug anzeige» was der Wille
Gottet iey» tind (q kdmoit nun auf daa mora-
Itfehe Geliilil furuek, i^eldiet Befriedigung
verlangt, weil ohne diefelbe keine Ghlckfe*
ligkeit Statt finde, und durch diefelbe der
kochtte Grtd und dle grSfite Dtuer derielhcn
erbtlten wcrde«
So itt die eigene Gludieiigkeit nadl
tUen hither dargesteUten Systemen der Mk^
telpunkty auf den dch alle Handlungen, felbft
die liesten, iiexiehent und (6 itt ieicht tu he-
greifen» wie diele Sytfeme tUe lu einem eio*
zigen gcmacht werdcn konnen , das auf ver*
nunfriger Selbstliebe bcruht. Diefe zu be«
friedigen» ktnn jemand frgen» liiehe tch die
moglichgroitte Summe angeneiimer Empfin*
dimgen fur die ganie Dauer meiner Existcnz
in mir su vereinigen, Tauicod Freuden hie*
ten fich mir von aUen Seiten any aher die
mSis zu handcln , und Irigt tch ; was isr
dcnn der Wille Getlit? ib ist dit Ancnmt*
dic Sialichkcii;
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MhMtttUea fiad femetiiigtidi die k&ietlM,
md Utkn nidit niir dadurch eine gewifle
^«alende Leere lunick, fondcrn tiehen aucJi
oft hochft ichmenhafte Folgen nidi fich.
B^fde Uiliel m Terneiaen, muft iefa mehr
«if dieDauer als auf die Sfarke meincr Lmt
ichcn- Bey diefem Encfchluiie ist et lOar,
dalt «udi die rympathetiTdien Gefiihle, die
luit und Unhft bey dem Gedanken an dic
Freuden und Leiden andcrer in mir crweckcn,
nicht untcrdruckt wcrdcn durlen. Die Dtuer
dielcr Enqpfindungen erietgt reidilich, waf
leh an der Lebhtftigkeit dcs Genufses ver-
liete, fclbtt, wcnn ich grolie Vortheiie atif*
opfisre oder aiien denen entlage, die ich nur
mit Veriettung der Gereehtigkcit erhaltcn
konnfe. Das Bewuisffeyn Unrccht gcthan su
habcn, begleitct mich durcht gnnie Leben»
mid ia6t kainn die Mofliehkeit fibrlg, fro*
ken Muthc dafTelbe zu durchwandcm»
Schmeralofigkeit im phyfifchenibwohi aJf im
aotaliidien Sinne, fkf aiib meln enece Ziel;
mein tweytet Ib yitA wirklichen Gcniifs ins
]>ben xu bringen, alf jcnef erlaubt imd mci-
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~ 38 —
nc Kriftt vertuttcii. Beyde Zwecke fd er«
reiehen, darf ich nichc tinterlalTen dte Mictel
£u gcbratichcn , v/clchc Natur uud Vcrounft
niir vorichreibea. lene inufi ich kennen und
dtefer folgen lernen. Diefi kann aber nicht
anders gefchchcn, als dafs ich allc mcinc
Krafte und Fihigkeicca zu cntwickeln und
nussubilden (iiche. Sollte mm aiich meine
Mtihe in fo (cfn iinbelohnt bleiben , alt ich
nlcht unmittelbar dadurchdicGiiter erreiche,
welche Gefchicklichkeit iind Rechtfchatfen*
lieit veriprechen: fo habe ich ichon Genuft
gcnug in dcr HofFnung, incincn Zweck lu
erreicheny und, ist diefe verfchwunden» an
dem Gefiihle meinet Werths. Geletct end>
iich» diefcf Gefuhly fo feltg es macht, fcy
3i:cht iuiucichendy alle Leidcn aufzuwiegeny
mit denen mieh entweder die Natur oder die
Menfchen belasten : Ib glaiibe ich einen Gott
uikI 'iie Unstcrblichkcit dcr Scele. Dcn
VViilea des cr&ten tu volibringen war meia
fiestreben, indem ich Boles mied und Gutee
tLat. Von ihra hoffe ich iu dcm kiinftigen
Lcben flic \ crgcicung aiicr Muhfeiigiuiteny
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diemich iii diefandruckten» tukl dliel^Hoff-
aitng ist rchon iefct Vorgcnufg fener Sclig«
keit, dic mcirtcr \vnrtct, und hinrcichciid»
nnichin dem Entfclilulse iti ftarken» Ueber
allety felbf t dai^Leben, auff uopfern , als wi£^
fendich ciuc Ungcrcchtigkcit %u bcgchcn.
Iti dicfer Vcrbindiing allcr SystQmc kann
luistrcitig allcs iicgcn, was dcr Mcnfch zu
fciner Ruhe und zu icincr GhickfcJigkeit be*
darfy in ib fem er Ce\h(k dani beyzueragen
vermag. Wodiirch abcr die Mciirchen vcr-
bunden iind» ihre Giiickfcligkeit aiif dicfe
und keine andere Art tu Iticheny iind ob
Pflicht mitderfclbcii cntwedcr nbcrhaiiptotlcr
doch fiir allc Mcnfchcii ia Vcrbindiing stchc,
sst nicht aniser allcin Zweifd gesteilt. Im
Gcgcntheile ivird ▼on nicht vscnigcn Mcit-
fchcn jcue Vcrbindlichkcit als ciii lccrcs Worfc
betrachtet, und dicfcr Zuiamtneuhang als
nichtig angefehen. Wie fie alib jeneSysieme
angreifcn^ wolleu wir nunmehro fchcn.
In allem, fagcn dicjenigcn, wclchc alfgcw
meinc PAichtcn bexweifeluy ist Cliickiclig-
keit der Gegenstand der Stttliclikeie tind die
letzte Triebfeder immer die Selbstliebe»
Atich Ia6t fich Ib der Tbat wedcr der eiat
Boch dle anclefe andlert beffifnmefi. Mm
miifste ganz.ncu in <ler Welt feyn, wenn maii
fvihneii woUte, <!•(• die Menicheii m aa*
demGnliiilen etnen andem Zweck verlblg*
ten. Giebt tnan abcr dtefs nicht luir xii, fon-
dern (licht man auch auf ilieibB Gninde cin
Syttem ▼on Pflichien tu hauen, Ib widefw
^nrtcht man fichoifenbar, imd dieTlufehunf»
welche dicrcn Widerrpnich cncugt, lafst fich
leicht fevstrenen. Wenn ^n Pflicht die
Rede itt, Ib denht man fich ttnftreltif eine
gcvvifTc Nothwendigkcit» etwas zii thtin oder
cu ialTcnv und man denkt cbcn dcsw^gcn xu*
gleich» dafi kein Menlch binlingliche Grun*
de haben konne» fieb von derlelben lofs xu
machen, kiirz, dafs PAicbt eine allgemeine
Verhindiichkeit endiaite. Ihr follen fichalle
Menicben, in jedem Lande, In yedem Stande^
in jcdeia \'crh'altnirsc, untertvcrfen. Nun
will man wiflen, woTBuf denn diefe Verbind-
lachkfit benihe. Da lin aUynBdii gedacht
«Nfd» Ib mufi nwi notliweiidig itiiii Gnmdt
irgeiid etmt liiclieii, dai dlgeniHii vorluiii*
den iit. In diefer Ruckficht ist freylich die
Giuckieliikeit fehr gefehickt» mit derPfUcht
verbtmden tu werden. AUein von eider «n*
dern Seite find diefe beyden Dinge fo iin-
glcichartig» dait et unbegreiflich ist» wie fie
kaben tuiainnien gesteUt «erdea konnem
Denn erfdich itt es ganz fonderbary Glfick*
leligkeit stir Pflicht machen zu wollen. Diefe
febietei^ und |ene hort hm eben to bald att^
alf fle geboten wird % und da tiberdieit fchoB
jeder Mcnfch fiir fich nach angenehmen Em»
pfindungen atrebt» woiu ein allgemeiBea G^
bot dielclbeniuflichen? Wendet nan etwaa
ein, dafs die Pflicht gewifie Vergnugen vor-
sugiich und einc gcwiile Ordoung unter den.
lelbeo ubcfbaiipt gebiete: Ib iat die naturli*
cbe Antwort darauf , daft dielet Gebot ganc
vergehlich iit, und dafs Streben nach Ghlck*
lUigkcit uad Pflicht lchlechterdinga aicht ala
Gmad uad Folge angeleben werdea kSnaeii*
Es mag immer feyn , dafs ein finnlichet Ver-
gnugea aicht Ib viei Werth iiabc» ala ein
gelstigcs , dafs Rtthe tmd Ztifnedenhelt iem
blcndendsten Gliicke und dcr bc2,£ubcrnd-
steu lM%t vonttsiehen iey, und dalsy vscv
klug isty nicht eine kune Freude mit lang*
wicrigen Lciden crkar.fc. Aber fo zii iirthei»
len, oder diefcm Urthcile gemafs zu handcin,
kSngt erttlich nicht von der Willkuhr det
Mcnfchen ah, und zweytcnt l^fst dieie fich
diurch kein Gcbot zii angcnchmen Empfiudiin-
gen irgend einer berondern Art bestiinmen»
|a es tst widerfinnig, diefelben befehlen ni
wollen. Dafs dicfs allcs dcr Natiir dcs Men-
icben und dem Urtheilc dcs gefunden Ver-
itandes gemlfi ist, lafst fich leicht zeigeik
Wie verfchieden find nicht die angebor*
nen Anlagen in verichiedenen Menlehen! Iii
der zartestcn Kinclheit fchon ist bcy dem ei»
nen dic Spiir dcs fcinsteji Vcrstandes fichtbar,
wahrend» dafs ein imderer in eben derfelben
^tumpffinn vcrrith. Hier fchmtegt fich ein
Kind lichevoll an feine Muttcr und an alle,
die es felner Aiifmerkfamkeit wurdigen; ein
fire.iiidUchcr Blick ▼on Ihoen i«t ihm mehr
werth als allc iibrige Frcude» dcren es fahig
2St; und dott fticbt eui anderes alles zu er-
troCteo, Liebe feheiiit (einein Henen ireni(l,
und Ungcstiiin fcinc Liist. Liistern fieht man
liicr ein Kind nach iclidnen und gliinzendett
Dingen streben, ohne fieh durch grobefeLust
davon abbringen zii lafTen, iind dort achtet
ein anderes uur auf diefe, ohne iich um jene
fu bekummenL Hier endlich fiefat man ei*
nen Haulen Kinder ihre FroHehkeit in mun»
tere Bewegungea ausbrechen laiTcn, und dort
fitf t oder fchleicht ean anderet einiam nur
ikiit leiner Verdauung oder mtt ^ielen be*
fchaftigt, dic fcinem Phlcgma angeraeflcn
find, SoUcn, koimca alle diefe verfchiede-
nen angehomen Neigungen ciner ond eben
derfelben Regel unterworfim ^wrden? Lifit
fichs denken, dafs alle diefe Kinder ihrc
Giuekfeligkeit in gleiehe Dinge letien» imd
avf einerley Art su entreben iuchen ivcrdent
Die Unmuglichkeit davon vvird noch (icht-
bacer» wennman hedcnkt» wie verTclLiedea
dlcLage der Menichen iit» che cf von ihnca
abbangt» welchec Regel fk folgen wolkn.
Jene wurde fchon eineu machtigen Einfluis
auf diefe liabeii» wemt auck lUe iiedirlieliea
Anlagea dureluas als gleich gecUelif mrden»
wie viel grofser mufs er aber nichC bey der
ttistreitigen Ungleichheit derielbeti «erden l
Nimme viiii nun nodi hintUy dalt dUe hfir-
gerlichen Verhaltnirse nicht einmal erlaiiben
jenet Ideal von GluckTcligkeit tn verfolgen
oimI oft den Mann an clen ,Pfluf lcbmieden»
den fein grofses Herz und fcin feiner, viel
iimfaiTender Verstand rur Regiemng geibhickt
maditen» «ihrend ilieieibe von einem an*
dem verwaltet wtrl» der keinen Sinn lur fei*
ne oder hohe Freuden hat ; ja , da(s es dem
Staate nachtheilig feyn wurde» wenn der
Mann, der ihm dureh grobe medianifehe Ar-
beic nutxlich isty den feinem Vergnitgen, den
geistigen Freuden nacbgienge: fo ist es au«
genfeheinlich» dafe nicht nnr die fimpfin»
duttgf art einet iedem Menfehen nieht von feip
iierWilikuhr abhangt, fbndera» dafs auch
diejentgen» welche die grofete Gluckfeligkeit
gewihren wurde, nicht dnmal algemein ge<
^ligc luid HQch wcniger befriedigt wird»
Sigt man bleniif ccwiiv avioMn beilelid
cia voRi^lidier Tlidl aer Gluckreligkeit
imii alfo auch der SittlichkeiC^ diii nun fich
feii61iiie» mir iolciie FjKuden lu fudien» die
fich mit dcr eignen Ltge eincf jeaen, mitfei.
ncn Umslanden und burgerlichen Verhilt*
niisen vertcagen: Ib bedentc;^ dieie For«
dcnmg oft noU niehtf anderi/ ale min
Iblle mit oiFenen Augen nicht fchen —
dcon es Ccy nicht gut alies zu £elien. So
ncnig man dieit )e nmi GdcCie maeliea
kamiy der Naehtlieil lcy nodi fo grofs, den
offene Augen zutieheny cben fo wenig kann
man Ibrdern» dafi irgend ein MenlbJi feint
cigene Empfindungiart aUegey eine andere
dafur anndime» und nach derrdben fein Be-
tragen einridite. Auch findet es jedermami
Hcherlich xu verlangen, dafi aiicMenlcfaea
nn einer ond eben derfilben Sache, gleichen
Gefallen finden. Sie firy noch io grofs uod
fth^n» fie gebe dncr gennflen Ciafiie von
Menfbfaea nocfa Ib vid Fiteude» (a ea fiheine
diefcn unbegreiflich , wie andere gefiihlJoa
dabcy hiciben IU>naen: Ib nrcrdcn fie dodi
46
nicht forderiiy dafs jeder fchiechterdings Ver*
gniigeD dgrui haben mulTet und ein Geieti»
welchef dalTelbe gebdte» wilrde fiir die
groictc Tyranaey aogcfchen werden.
Giuckreligkcit bcgehrcn freyltch alleMen*
ichen» aber jeder auf feine Art, fo wie alle
Menichen Speirc bcgehren , uni den Hnnger
ZTi stillcn, abcr nicht cineriey Spei(e iieben.
Das Ellen an und fiir (ich sum Geietf e lu ina«
chen, ware thorichti aber noch thorichter
Tvare es , die Art dcr Spcircii vorziifchrciben.
Ist es alfo wahr, dafs dic Pflicht niir aiif die
moglichgroiste Gliickfeligkeit hinweifst: £a
iit fie etn leeret oder ein fo vieifinnigef
Wort, als dic Ghickfeligkcit feibst. Worin
und wie ein jeder diefe fiichen woile, nuft
ihm und den Umstanden, in denen er fich
befindet , ganzlich tlberfafTen werden , iind
ware es moglich, dais irgcnd jcmand fagte»
er fiiche fie nicht» weil er fie doch oicht fia*
dcn wtlrde, oder ein einriget lebhaftes Ver»
guiigen fey laiurc iangea Lcidcn uicht auizu«
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opliera: fo itt nicht absu(eheii» wie ieiiie iti-
«llvidueUe Art ui haodelii andert ^Rwrden
fcoimey wenn feine Art dic Sachcn zu fe h e n
undsu empfinden, nicht geandert wird.
So lange diefe bleibt, iit es uinronst ihm xu
verbieten, darnach zu handeln«
Man iagt femer» einem |eden Menichen
fey es ins Herz gcpragt was Pflicht ist, und
bey der Verietzuug derfelben» finde cben fo
«enig Giuckfeligkeit Stat^ aU bey der unbe-
friedigren Begierde nach Speife. — So ganr
mag es mit di'efcr Vergleichung feine Kich-
tigkeit wohl nicht haben» fonst wurde wohl
wcder eine Pflicht fe verlettt, noch eine Er-
niuntenmj zur Erfiilhnig derfelbcn fiir noth-
vrendig gehalten werdcn* Und iieht man
nicht eine liemlich grofse Menge Menfchen,
wo nicht gar die mcisten, lieber alle andere
Neigungen befriedigen als dic Ncigung zu
dem, was man fur recht iind fittlichgut halt?
Widerlegt aberdieErfahrujig jene Aligemein*
iicit dcs moraiifchen Gcfiihis, woher weifs
num denn, dafi es fich in aUenMenichcn
— 48 —
olme Unterichied befinde? Wtt Lmt eder
Ualusc errcgt , kann doch fonsC nicht andert
«It in dec £r£ihffuiig gefundtfn werden. Abcr
gefeist, ct ley mk dcm moralilehen GefitUe
wic mit dcm Gcfiihle f ir Schonheic und
Schickiichkeit: Co iafsc fich auch nui dicicr
Vergleichuttg darthun, da6 et amibtiit ley,
Pflichten ftir elle Menfchen «ufzustellen. So
wcnig man fich denkcn kann, dais ungcbil.
dete Uand^erker und i«ndleute einen richtU
gen Siiin fat Sohonhett der Kuntt und der
Natur algemein erhdlten werdcn, obgleich
die Anlagea dazu in ihnen (eyn mogens ib
ivenig lemer dieKunftventiadlgen lelbft mtt
fich fiber die Grundregdn det Gcfchmackt
einig fiad.* cben (6 wenig ist fu crwartcn^
dals aUe Menlcheq» ohne Unccrlchted» Sinii
fur Sittllchkeic haben werden, eben Ib wenlg
ist Einigkeit unter den PhUorophea iibcr dat
Wefen der f dicht su hofek
Noch ist et nicht ausgcmacht, ob et nur
•inen richtigen Gefchmack gebe, oderob
iedet Vdk» {eder Maimi leineii cigneii
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ebea fo richtig xu iiahen berechtigt fey, a)s
Kunstkeimer den ihrigen. Unii ielbst
iinter dieicn streitet man noch ubcr dcn
Z w e c k der rcliQiien Ktinste. Einige fetzen
ihn in die Nachahmung dct Natur, und ver*
langen nldits» ils Vollkommenheit der Dar-
stclliing; andcre ncbmcn Riickncht aiif den
Stoff ckr Bearbeituttgy fchlielsen durciuiut
denjenigen aus, der entweder Gefiihle des
Sdimerzes crrcgt, odcr aiifs iinmoralirchc
tiejt, imd ^ollcn nur VerOnnlichung littJi-
eher EigenTchaften als Haufitiiveek gelteil
lalfttt. So lehwer, wo nieht unmoglieh, tst
et» aus blofsen Gcfiihlen das allcin wabre,
wenn es ja dergleichen giebt , bestinmt und
riehtigantugeben! Und Ibltie dieie Sehwi«.
rigkcit, oder Unmoglichkeit, dcn moralifchen
Sinn iiicht cbenfails trcffeo l Hier» iagt mao
£reylichy find die Menichen durchaus in ik-
jem Urtheile einlg. Aber diefe Bchaiiptung
ist o£Benbar irrig. Zugegcben, dafs iibcrali
wo eintge Cultur ist, auch ein dunkler aJJge*
neiaer Begrif von Fflteht «ngetroiflen werde^
D
wie mau auch Jcn voii ^xhonheit Huclet : fo
ut doch die Anwetidimg delTeiben nicht iibcr-
al) gleich* Hatnian nicht ganze Volker, ja
g.inzeZcitaltcr» durchaw^ von dcin abvvciciica
fehn» was man ietzt £iir Pflicht halt? War
nicht zu der Zeit, als die Maeht der }>lipstli*
chen Hicraichic lich ztnn hochstCn Gipfcl cr-
hob, alles das Pilicht» was Cic gebot, und
alles das Uurecht, was fie vcrdanimte? Wnr«
de nicht felbst Raub ttnd Mord, durch (jas fo-
geuauntc Bcstc tler Kirchc, gcheiligt? Und
noch ie(xt| wo man iich freut iiber Jene Ty*
ranney der Meinnngen geHegt zu haben, mnis
das Wohi des Staats fo manchcs icchtfcrti-
gen, was man fonst mit dem Namen von
Tretilofigkeit und Ungcrechtigkcit belege»
Sieht man fenier auf die Dcnknngsart einzel-
ncr Menickeu» fo ist cbcufaiis ufienbar, dafs
einige raanches sur Pflicht machen, was
andere» aJs folche, verwerfen$ da/s bald
nach dem Grunde dcrfclbcu gar nicht gc-
fragt» bald derieibc ganz verichiedeii an«
gegeben wird. Pflicht ist den Meisten das,
was ihncn cntwcdcr, in dem RcJigions-
unterrichte, oder von ikrea Aekem tind
Vcrwandtcn, alsfolchc vuigcstelltwordcn ist;
und uicht feiteu wird dahero die hochste
Pflicht tn Dinge jgeSttUf wo et deneo» die
nachdenken, iinbegreiflich ise, dafi nur ilber*
haupt von Piliclit dic Rcde feyn kdnne. Aus
allem die(eiii leuchtet eiu> da& neder dai
Streben nach Ghlckfeligkelt uberhaupe, noch
das moralifchc Ccfuhl insbefondcrc, ficher
sur Erkenntnils von Rccht und Unrecht leite.
Der Qrundikts der Vollkommenheit, und der
Gedanke des Gehorfams gegen den Willen
Gottes, koanen ebeu fo wenig als allgemeinc
lichere Qnellen von dem, was Pflicht genennt
wurd, angefehen werden* Denn erstent fiihrC
der Begrif von VoIIkommcnheit wicder auf
den von Gliickfeligkeit zunick, und wie we-
nig dtefer uber Sittlichkeit enticheide» ist
hinlanglich gczeigt worden. Zweytens, ver*
stiinde man unter Vollkommenheit vorziig-
lidi die des Geistes und feiner hdhem Krafte»
fo gdiort xur Erretchung derlelben ein Gr«d
von geistiger Thatigkeit, den die gewohn*
lichenFahigkeiten, iind die Gefch»fcc des U-
— 53 —
bentf tiicht viclen Menlchcn erlatiben. Was
ciidlich tlcii Willcn Gottes betrift : fo fey zii-
gcstandcti , dals c^ natiirlich und gcwuhnlich
isty einen GQtt su glauben i aber wie verfchie«
den find die Vorstelltingen von dielem Wc-
fen, wenn man auch nur die mannigfaltigcn
herrfchenden Religionen in Betrachtungtieht!
Wie weit verlchiejener mtiflen fie noch an-
genommen werden, wenn man bcdcnkt, dafs
nur feltcn bey denen Mcufchen, dic (ich zu
e i n e r Religion bekennen« detitliche tmd volL-
sCSndigc BcgrtfFc von <iemielben angetrofiRsii
wcrdcn! Und dcr Wille Gottes, der auf (b
mannigfaltigeWeiie gedacht wird» follte£in«
heit und allgemeineUibereinstimmung inden
Begrif von Pflicht bringcn? Als Bestiin-
mungsgrund aur Erfullung deflen» wat man
io nennt, mag er wohl t iemlich allgemeinen
Einflufs haben ; abcr als Qiielle dcr E r k e n n t»
nifs von dem, was dic Mcnfchcn zu thim und
m laifai haben, itt er noch weniger ali alle
andere tu empfeMen. Aus ihr flofien die im-
gchcuern I.chrcn, wclchc jcdcn des Todcs
fchuldig erkliirten, 4er oicht eioerley Mci-
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iiuiifr ^ Prietcem uber Gott und feinca
WUlen hatte. Und iit es auch zu hoffen»
dafi mindeniielben nie mehr £o miiibniichea
«erde$ Ib find doch die Begrille vcn Gott
und feinen Willen noch ietzt fo verfchiedcn,
dait die Pflichten» die daraus Bicfsen follen,
keine iligenieine, gleiche Verbtndlichlieit iSr
alle MettTchen enthalten konnen, ielbtt, ^nn
mau nur auf das gegen>«artige Zeitaltcr fieht.
Noch weniger itt fie gedenkbar» wenn nuui
nuf die verlcbiedenen Vorttellungen Riick*
fichtm 111 nu, die Hch die Menfchen in allen
Zcitcn von der Gottheit machcen. Was fikt
Eigcnfirkaften haben nickt Romer und Grie-
chen derielben «ugelchrieben? K5nnen, Ibl-
len diefe auch ais Muster fiir dic Menfchen
«ngeiclien werdenl Und «ird dieii niemand
bebaupten, Ib felgt» dait jene Volker keine
Pflichcen hatten , wctni diefe nur in der Vor«
•teliung der Vollkoinmenheit GottCf xu fu-
cken find. Da dieie ihnen imbekannt war^
fo konnten fie auch ihrcn WiiJen nicht daf
nach bcf timmcnt
— 54 —
Das Reftileat diefer BetracIieungeii tity dafi
Sittlichkeit Auf kcinera festen, allgemcin ancr-
kanntenGrunde steht, indem dieBegrifFe von
derfelben fich nach den Meiniingen des Zeit-
alters, des Landcs, nach den Verhaltmllen
jcdes Standes, jedcs Alters, iind endiich» nach
den befondern natiirlichen AnUgen vnd ct*
vrorbenen KenntniiTen jedes einzehien Men«
fchen richten , und folgiich lucht in der un-
vrandelbaren Natur der Mcnfchheit liegeu.
Ersiehung und Gefetzgebung haben fie von
feher erzeugt und cneugcn fie noch. Beyde
gcwohnen die Menfchen an cinc gewiffe Art,
iiber allc fogenannte freye Haudlungen xu ur-
theilen» und nach diefem Urtheile ihr Ver«
fahren cinzurichten. Ist dic Erziehung und
GefetKgebung gut : fo wird die Gewohnheit^
init gewiifen Handlungen immer den Gedan*
ken von Belohnung und Bestrafung, von gu»
ten und bofcu Folgen lu verbindcn, die Men»
lchen gut und recht(cha£fen machcn. Im
Grunde kommt es hauptfachlich auf das In»
fscre Benehinea an, die innern Triebfedem
mogen (eyn welche ile woilen. Ailein, wahc
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ift ei allerdiiigs, dafs diefe um Co viel nebr
Giitc habcn, je fichcrcr (ie zu allcn Zciten
lud in allen Umstanden xu dem bestimmeii»
,Vfa» man fur fittliehgut b< und daher iit
es gekommen, clafs man dic Denkiingsart,
welche dieie Uibereinstimnuuig ailcr tiand-
lungen bewkt* xiemlich allgemein fur et-
vfM9 an fieh gtitet hSHt und derfelben den
bochsteu Werth ziircbrcibt»
DieferGlaube an die UnmogHchkeit all-
gemein giiltige moraliic hc GnmUratzc aufzu-
tteilen, bat ficb fehr weit verbreitet und
herrrcfat mit dem Epicuriichen Sytteme nn«
ter viclcn Mcurchcn , die zii vcrstandig , luu
gar nicht zu deukeii , fich niir an dat halten,
wat gewohnlich gerchtehty obne einenGnind
findcn zu konncn, wornach das beurtheilt
i;vcrdcn mufs, wat gerchehen foUce. Auch
ist nicbt su laugnen» dait in alien morali-
ichenSyttemen vor demKantilchen, unaufios-
barc Zwcifei ubrig biieben, wclche leicht zn
dem Gedanken fiibreit konnten, daft Pfiicht
our einen conveDtionellcn» nicbt in dem Wcw
— $6 —
icit te menfehliclien Natur gegrun^etea Be>
grif cnthalte. Es ist unstreitig ijvahr, dafi ef
eia Widerrpruch ist, SittUchkeit blofs von
dtm Stieben nacH Gluckleligkeit hcrtuleiten»
und dafty wran diefe fttrRichtfehmur fiir fene
genommcn wird, keine einzige Pflicht ais
allgemetn geltend aufgestelit werden kann;
et iit wahr, dale, wenn dat fittUche GefiShl
fiir dic Qiiellc allgcmciner Gcfetze gehaltcn
und dicfes al« ein fur fich bcf tchcndcr Tricb
angefehen wird, das allgemeine Dafeyn de^
fclben fchwer zii beweifen ist; cs ist wahr,
dais der Begiif von Volikorcmcnheit, an uud
liir fich» weder gel^iickt iit» fiiir alle Meo-
fchen aufier Zweifel cu (etsen, was fle thim
und lalTcn miiffcn , wenn fic dcr Pflicht trcu
leyn woUen» nochy ohne dicEinmifchnng von
GludUeligkeit, akhinbnglicheTriebfeder an.
gcfchcn wcrdcn kanni cs ist endlich wahr,
dafi (chon bcitimmt fcyn muft » was Sittlich«
keit iit , ehe der Wille Gottet cur Trieble.
der gcinacht werdcn kann, iind dafs wir von
diefcm nicht cinmal cine richtige Vorstcllung
haben, ehe wir wiflen wai die Pfiicht gehie-
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«ci. Aberani «lienaiefciiiugegebeiieiiEui.
wen^ttiigeii felgt niche, dafi Sitrlichkeit nicht
in der menrchlichen Natiir gegnittdct isL
Denn ihr Welea iiegt dien da, ivo fie Ib laa.
ge nidit gefuclit «urde» nnd doeh illein zu
finden war — in der reinen Vemunft. Diefe
«ana aiiein (chreibt dat Sittengefett vor, und
Jieifit in G> ^eme die praktilehe Vemtinft.
Ehc diefes Gefetz felbst entwickcit wird,
ist iiicr noch cincm £inwurfe su begegnen»
weleher der Aoaahme det darauf gegrunde-
ten Systen» hinderlich leyn kunnte^ Wenn
dalTelbe , denkt vielleicht manchcr, vom An-
finge der Welt bis auf iettige Zeiten verbor-
Ken gewefen itt; fo fliefit eben daraiit zu-
gleich mit, dafs keinc alJgcmcingiiltigen
Grundriae in der Morai Statt gefunden lia*
ben, und uberhaupt .Statt finden konnen.
Denn tn die Ticfc, wovinnen fic liegcn miif-
fen, konuen doch nur wcuige dringen» und
Pfiidit hdrt auf tu feyn» wat fie (eyn foU»
wcnn nur wenige fich einen richtigefi Bcgrif
von derfelben machen. Darauf ist nun fol-
geodes tu antworteo : £s tst ecftiich ichon in
dler Einleitung angcdeutet wordeiiy claii cUe
Erkenntnifi derPflicht» an und fiSr fich, nicht
fo fchwer ist, als die Eiiificht in den Gnind
derfeiben» nnd ea ivird im foJgenden Ab«
fchnitt gexeigt ^rden, dafs» ^venn die roeii-
ten Menfchen auch nicht vollkommcn deut-
licbe BegrifV^c von Ffticht im allgcmeinen ha"
henp der gefunde Ventand ihnen doch meis-
tentheils in jedem eincelnen Falle bestimmt
genug anzeig^t, worin fie besteht, iind dafs da-
her ihrUrtheily ibbald es auf fremde Uand*
Itmgen geht» ctemlich einstimmig ist. Diefe
Uibcreinstimnuing wird nur durch das Strc
ben luch Giiickfeligkeit und durch die mau-
gelhaften Moraifysteme, ▼onilglich bey de-
nen gehindert, welche nach deutlichen Vor-
stellungen strebeny ohue fie zu crrcichen»
oder die eben desiMgen gam fdfdien» oh*
gleich hellen, BegrifiRm folgen. Fur diele
lctitern ist cs alfo hauptrachlich nothwendig
xu seigcn, worauf der Begrif vou Sitdiciikeit
i>eniht. Dabey ist es, sweytens, nicht su
laiifjnen, dafs auch der gefunde Verstand in
i«;;hwicrigcn FSdlcn iich nicht immer au ra-.
tlieii weiii iind leicht im gefiuhrt wtxden
kaon» weim er nieht ausgemachce tmd be-
fltimmte Gcfctzc dcr Vcriiunft iiir Richt-
ichnur leines Urcheili» vor Augen hat. Diefe
Schwierigkett vrixd mm in dem KanHfchen
Systera gehoben, indem clic Formchiy wclchc
2ur fieurtheiiuug aiicr Sittlichkcit aufgestellt
werden» nichti weniger ali iehwer su faiTen
find. Man kann fie mit den Formeln der
Arithmetik vcrgicichcn, die, bis auf eincn gc-
wiflen Punkt» von jedem Meniclienangewaiidt
werden» ohne» daft er fie zu bewei&n» oder
far aus den Gcfetxen des Verstandes zii cnt-
wickeln im Standc ist. Diefe Vcrglcichung
fuhrt endlich noch auf einen andern Punkt,
der nicht cu uberiehen itt. Ei giebt unttrei»
tig nicht wcnig Rcchenbiicher, die cntvreder
nur den nichsten und fchief aiisgedruckten
oder gar einen ialichen Gnmd Ton den aul^
gestellten richtigen Regeln geben. So langc
man mir dic Jetztcn befolgt, ohne iich wei.
ternm jene tu bektimmern» welches hiufig
der Pall ist» weil fie oft dem gefiinden Ver«
•tande von folbst einleuchteud fciieinen: fo
iit auch das Verfabren beyni Rechnen rich*
ttg. Begnugt man fich aber damit nichtt (o
kami cler fchlecht ausgedriickce, o^er aicht
allgemein palTendc Griind, leicht aiif Sitze
ieicen, <lie su gans £iirchen Rechnungen fiih-
fcn. Eben fi» iit es mit clen MoridQrttemen.
Die VoHehrtlten die daratfi abgeleitet wer-
den« (ind in fchr vielen Fillen richtig, un-
temimmt man ea aber auf dieQrihtdc luntck
tu gehen tmd ielbat Regeht darauf su bauen:
fo gerath maii ebcn fo oft in cia Lab^riiuh,
aus dem luan iich fchwer au helfen wei(a.
In allctt findct fich etwas mehr odcr wetiigcr
wahres , nachdcm die Gefetsc der Vcmunft
dem Geistc ihrer Urhcber, mchr odcr weni-
ger vorfchwebtcn; in allen findet fich aber
auch etwas fiilfdtcs odcr ttnbcstimmtesy tmd
in diefer Riickfieht kann man fagen y allc die
angefiihrten Syiteme stintmcn mit dcm, wel-
ckcs nuf reine Ventunfit gegriindct ist, tibcr*
ein, und alle widcriprechea demielbcn. KeU
nes darf dierem dcn enten Platz streitig ma>
cfacn» abcr keiitci ist uitfihig irgcnd cinca
Flats ttntcr dcnielben «i erhalteii»
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Urtieih Jer^meimn V$mmift Uhr dm
Uirtb dir Li^gc Uterhaupt^ und
d$r mmfchUchm HmMaigcn
inskcfindcrc.
nan Unterfiiehtiiigeii iiifCellty wel-
che Aii^elcgeiiheiten des gemeincnLcbens be*
trefei; fo tst et aothitfeiMUfy cUe Vontelliiii-
fen» die fich dmuf betielien» nient wenigs.
tcns, fo zu nehmen, wie fic dcrgcmcine Vcr-
stand gefafsc hat. Und dieis itm ib viei mehry
je «usgebreiteter fie find, und {e grolser dUe
Ausdehnung ist, welche Jene Angelcgcnheiten
habcn. Dsfs bcydes der Fall vontiglich bcy
der Frage iiber gut und boie» Tugend und
Lasterist» fiUt bey dem ersienAnblick in die
Augen. Sie betrift die alJgemcine Handhmgs-
weife a 11 e r Mcnfchcn. Was istnatiirlicber»
als hierbey die Urtheile der gemeinea Ver-
nunft lu tUthe lu liehen? Ef ist hier nicht
wie mit einer Wincafchaft, die nuc das £i.
— 6a —
genthitm weniger vorzuglicher Kopfe isf»
tind die bisitir bewtiiidrungswnrdigstciiUohe
gediehen feyn ktnn » ohnet dafi der gemeine
Verstand dicfelbe zu fairen, odcr niir die
Gnindbegriffe davon anfiigeben vermag. —
Ei ist hier die Rede von einer Sache die alie
Perfonen, ohue Untcrfchied dcr Fahigkeiteny
angehc, iind die, was noch mehr ist, fogleich
«itlhort das %u (eyn, was fie feyn Mi, vtenA
lie ntchty ihrem Welen nachy in der gemein-
sten wie iu dcr hochsten Vernunft licgt, und
von dcrfclben» fobald (ie nur eitiigermaisen
cntwickeit ist, anerlcannt wird« *)
Wir wollen alfi> (eheiiy was» nachdem ge-
wohnlichcn Urtheile dcrMenfchen^ gut, wiiu-
*^ Einige Entwickelung der Denkkraft mufs im-
mer vorher gehen. Dicfs widerfpricht aber
nicht der Allgeineinheit, welche dcrSittlich-
keit zugefchnebcn wird. Es gicl^t Volker
die nur bis drey zahlen. Dtraus wird abei
wohl nicBiand folgem , daft Tanfcnd nkhts
witfclkhas angebe, nnd daft die M6glichkeit
des ZlUens Qbcr drey, nicfat ip don fdlge-
mtinmi YciBtande li^
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fcheiii- iind achtungiwerth ist$ was fur B««
griffe fie von freyen Han^ungen und voii
PflKliten haben, und wie fic fich das Verhalt-
niis (icc Sittlichkeit lur GliickicUgkeit denken.
Hicrbey miifs tnan aber uicht fowohl das
Urtheil in Betrachtung xiehen» das fie in ihp
ren eignen Handlungen aiisclrucken» ocler
fich iii cin7.clnen Fallen auf ihren cignen Zu-
scand beueht» alsauf das, welches fic uberdie
Handliingen apderer fSUlen» oderfiiir ihre
eignen von andern fiirchten. Denn dadurch
wird uus, theils cine grofsere Menge voii Ur-
theilen, theils mehr Uopartheylichkcit in
dcnrelben gegeben. Der Kreis eigner Hand«
luiiijcn ist fehr eingefchrUnkt gcgen dcn, wel-
chcn dicBeurthoilung zu ihrem Gebiete raacht
und uher alle bekannte Zeiten und Linder
erstreckt. So gern uberdieis federmann fich
fclbst richten njag : fo /wcifclhaft fcheint ge-
netniglich aiidern der Ausfpnich, den etn
)eder uber feine eigne Handlungsweifi» thut.
Aile Mcnfchen denken, dafs fich Parthcylich-
kcAt in dcmfelben zeigeii kuune, und dafs.
— 64 —
«rer fich deritlben nicht fchuldig macheo
wolle, fciii etgnet Urtheil dem aJJgemeinen
imterwerfen mulle. Hierdiireliwird hinfcing-
Hch angezcigt» dafs Begierde und Leidcn-
ichaft den Punkc verriiclien konne» euf weU
efaem clie Handlungen su becnehien find, und
r
darsdieMcnrcheti nurgar tu vielHang haben,
(ich mehc vfic (innliche, als wic vcrniiiiftige
Wefen entuielien* Wili man alfo wiflen, wie
der gemeitttte Vertland den Werth derDinge
fchatzt: io iuviis man fich zn dic Ausfpriiche
der Mcnlchen halten» welche Och catwedcc
nicht unmittelbar auf fie lelbtc besiehen»
oder Tvelche fie offmtlidi ni thun» fich ge-
trauen*
Wenn maa nun alJet wat die Menicheii
ieiiStfen» mit einem Blicke «i ilbeHchatiea
strebt: fo Hndet man, dafs fie gewiffc Dinge
inn ihrer felbsty andere blofs um ihres Ge-
braucht wtllen» icfaitsen, dafi fie xwar in
Abficht der Bettimmtmg det Werthi derfel.
l>en fehr verfchieden denkca und fiihlcn, dafs
fie aber einttimmig eine gewilTe Denk- imd
Handlungtweiie, dat wat man fictlicfae Gute,
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guien Charakter nemic» uber «Uei (chltzeiL
Was nicht atis dierem fliefse, oder 6ch we*
ntgstens mit ihm vereinigen laift» du ist in
abicm Aufen nicht mibediagt gut» uodiviiidl
nicht felten der Vertehtung» odcr gar der
Verabrcheuuog Preii gegeben.
Vergnugen» Ziifriedenheit mit (einem Zti
stande, Gerundheit, Leben find Gegenstande
det Wunichef und Strebena ailerMenicfaen «-»
find» den Anlcliein nacb» ^m» hSchtte^ dat
einzigc Ziel aller Mt*ih und Sorgen des grofs-
tenTheiJf derfelben. £s gicbt fogar nicht
«enig Menl^ben» die geradeiu behauptcn» ct
gebe kein anderci Ziel. VoA doch urtheilen
ielbft diefe durchaus anderf, fobald ihre
eigoe Dcnk- und Handiungfweiie bcy Scite
gefetit, und Ton den AUgeneincn cuf do»
selne Falle ubergegangen wird.
Wer bloff fein Vergnugen fucht, ohne auf
dic Leiden xu achtetty die er dadurch andern
vcnirfiicbt, fvcr ct woU gar in dem Sehadcn
undocr taOd, wlrd vcradiiet odcr gdia6t,
B
Ufid er felbst wird nur noch abichctilicher»
wenn er nit diirren Worfen behauptet, dais
der Menfch kcin hoherss CicKtz, als feiiiVcr-
gniigen kenne. Auch wird nicht leicht fcibst
eitt verdorbner Menfch diefen Grundiktt als
den leinigen atifst<fUcn. So gewdhnlich es ist
zufageii: jcder fcy (ich fcih<>t dcr nachstc: fo
Dviirde doch jeder» der diefs fagt, es fehr
iibel nchmeny wenn man icine Aenlsening in
ilircm gatrzcn moglichcji Umfangc verstehcn
woiite. Eine gcwifTc EinrcUranlLung foll mau
immer dazu denken. Wenn cwey Perfbnen
z. B. um einen imd eben denlelben Vorziig
iich bcmuhuy der ihucn cin Ichhaftcs Vcr-
gnugen machen wurde, nnd fie tati(end Mit-
te! anwendeny denlelben su erhalten: Co wer-
den vielleicht beydc fagen, ciii jcJcr fcy ficii
fclbst dcr nichste. Wollte man diefs aber
dahin deitten, dafi fie es fur erlaubt hielten»
jedes Mittel su gebrauchen, das fic nnr im-
mer zum Zwcck fiihren konnte: fo wiirdett
fie gewiis dagegen auf das starJute fich er*
heben* Gebrauchten fie auch wirklich aJle
inugU< li? verwcrflichc Kunstgriffc, inachtcn
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lie gegcnleitig ihre Reehdchafeilitit» ibie
Gefchicklichkcit verdachtig: fo wiirden fie
doch aimmermehr Vcrraumdung uad An-
ichwSiiiiiig unter die Waffien geretxt wiilen
wollen, clerea fie fieh bedient hatten» um
den Sieg davon zu tragen. Und fo wie
hier jene Regel» felbft nach den Wiileit
deier, die fie tiir Richtichiitir ihrct Verhal-
ten$ machen, niir unter gewiflcn Einfchran-
kungen geitea foil : fo ist Cf uberhaupt mit
allen Regeln» die fieh nur auf eignea Ver«
gniigen der Menfchen besiehen. Handeln
inogen viele wohl fo, alf ob es das eiazige
tmd bdchfte Ziel wire» nach dem fie wa ftre-
ben hStten; aber eingettehn wird ef» ohne
alle Einfchrankung, keincr, wenn cr nicht
auch da f zu feiaem Vergnugcn lecbnety waa
andern Freude nachtt
Oieie Einichrinkuiig if t aucfa daim niehl
su TOgeflen» wenn et au£ etwaa mehr» ali
auf voriibergchende Freuden ankommt, weim
von der ganzen Summe der angenehmen £m*
pfittdung» die man mit demNanen derGJuck-
— 68 —
ieligkeit bexelchnety xnenn von eincr blei-
bendeii allgenKiiiea Zufriedeiilieit die Rede
iie. So grofi dieMenge der Dinge ift, wo
Cf eincm jcden felbst uj^erlafTcn werdeii mufs,
ob er fie iiif Gebiet ieiner GluclLrciigkeit lic-
hen, ob er atif die Erreidiung der&iben let*
ne Zufriedenheit (etien wolle oder nicht: fo
ittdoch cin Funkt nicht xu verkenucn , den
maii» bey alJer Biliigkeit gcgen die verlcbie*
denen Neig iiiigen der Menfcben, doeb nie
ihrer Wiilkiihr iiberlaflen wird. Man for-
dertvon ibnetty ohne Unterlciiied, da6 fie
alle diefenigen untefdnleken» die nur durch
Krinkungen und Beeintrachtigungcn der
Recbte andercr bcfricdigt werden kdniicn.
la, flian behauptet fi>gar •iemlich aligemeiii»
dafs Gliickreligkeit nieht einmal da Statt fin-
den konne, wo man (le auf Kosten der Recht-
fehafienheit xu befordem fiiche. Ob die6
ein Autlprueh der Vemunft £ey , ob fich ket*
nc Ausnahmcn finden, ob nicht, untcr gewif-
fim UmftSUiden, Menichen bey aller ihrcr
UngerechtiglEeit doeh einet bohen Gradt von
/.ufncHcuheit f^hig feyn, ist, bey der Un-
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darehdringlichkcit des mcnfchiichcn Hcrzcnt
und nach gewiflen £rfahningen su urtfaeilen»
freyllcli wohl eine noeh unatufenMchceSache.
Auch giebe cs grofieMenfchcnkcnucr, welche
behaupten, dafs mancher B6£ewicht in dem
Genuif det WohUebent von ieincm GewUlen
nicht im allcrgcringsten beumnihigt ^venle*
Abcr fo vid ist gewifs, dafs nach dcm gc-
meinen UrthciJe der Menfchen» keiu vcrnunf-
tlget Welett Wohlgefallen an einem Iblchen
ungettorten Wohlbefinden haben kann* Wo
kein Zug von iittlicherGiitc ist, da wunfchea
wlr aocb nicht GiucUeiigkeit. Dae(e mit
Verbredien und Latter vereimgt lu lehen,
ist der wtdrigste Anblick fiir jcden, der nicht
feibst die Vemunft zur blofsco Skiavin der
Sinnlichkeit nuicht. Oder wird et ctwa alt
glelchgultig angefehcn, ob der Gufe oder der
Bofc das Ziel feincr Abnchten erreiche ? Ob
Verdientt oder Luderiichkeitdarbel ObGe-
reditlgkeit oder Ungerechtigkeit fiegel Ob
Tugcnd dic Strafc dcs Lastcrs, und dicfes
den Lohn dcr Tugcnd erhaitcl — Wohi-
befinden flrurde untCreitig imm^ auf einer
Scite bcfordert werden. Dicfes allcin kana
es alfo nicht fcyii , vjgs den ersten Anipruch
aiif unfera Beyfall hat«
Wir haben bis ietztGhlckreligkcit in Vcr-
bandung mit Laster tmdVerbrecheiiy be«
trachtee. letzt wollen wir von dte(en )ene
zwar abfoudcrn, aber fic doch nicht iuVerei-
nigungiiiitTugead und edlenXhaten «i«
&inmen denken. Viellcicht konnte 6e dami
cher das ciniigc Ziel racnfchlichcr Wiinfchc
gcnannt wcrden; vicllcicht fchrcibt uns die
Vemunftkeine andem Geletxe vor, als die,
welehe fichaufGliickreligkeit besiehen» wenn
(ic niir nicht zuin offcnbaren Nachthcile lui-
irer Mitmcnfchcn gefucht und erworbenwird*
Man denke lich alfo einen Mann, der kei«
nem Menfehen Unrechty aber auch fur kei^
ncn et\t7as thut; der, im Schoofse dcs Gh'icks,
keines Menlchen unbesablte Dienste verlangt,
aber aiich keinem dergleichen leistet; der
nie fcin Wort bricht , ahcr cs auch nic giebt^
wenn er nicht fcjnes cigncn Vortheiis dabey
gei^ils isl , kurz» der lich lcibst sum Mittek
pufikte aller (einer-Hiitdluiigeii inackt , iiiid
ftm Geld» wie fein Anlehn, ntir fiir fich ge*
braiicht, aber allcs, was (Ich awf fcm WohI«
befinden besieht» fo giit xu bercchtien weifiy
dafi er bis in (ein ipatcsces Altcr eiiier vollen
Geriindheit uud Zufricdenheit gcnicfst : w ird
feine Handhingsvi>'cire gebilligct, iind fciii
Wohlbefinden ali dic gercchtc Folge deriel-
ben angereheii werden ? wird lemand lant
gestcheny da(s er fo cin Maiin feyn iiiochtc?
leh denke, die Antworten auf dicfe Fragen
werden allgeinein verneinend (eyn» iind da«
her bcwcifen, dafs, nach cincm allgcmeinen
AtisfpnichCy dieZufriedenheic mit uufermZu-
stande in keinem FaUe das hochste Gut fcy,
Aachdem wir alicin zii strcben htibcu.
Es g i e b t alfo eine gewiireGemuthsbe(chaf*
fci)heit, dic noch huhcr als dic Ztifriodcjihcit
zu fchatzen ist, und der wir Vcrgnugcii und
Wohlbefinden aiifopfern konnen, ohne Tadei
befurehten zu dtirfen. Die(s ist (b wahr, dais
felbst Lcben und Gcfundhcit, Giitcry oline
welche alle iibrigen liir nichts tu achten (iiiii.
keijien iinbedingtcn Werth haaen» und iinter
gewiflca Umctajulea dahia gegcben vtct6ea
oiiifleB. Ttef veradifet wird der SoUkU ^
es freywillig ist, und doch, um den Tod
oder den Wundea ni entgeha» dem Feindc
deo Rtickea kehrts uad» wena man dieWahl
liit Ewifchen einem falfchen Zeugnifs fiim
Verderben cines noch fo imbedeutenden Man-
aet, und iwiTchea Lcben und GdimdhciC:
Ib ist niemand, der nicht wenigitent denjeni-
gen hoher fchatzc» welcher das erttc verwei-
gert» «It den» welchcr fich dasu vertteht*
Settt nuo der geraeine Verttand lchoa die*
jenigcn Dinge, die wir um ihrer felbst willen
bcgchrcn» nicht fo hoch an» als He beym
ertlea Aahlick ericheiaea» fi» wird es aoch
mehr d iejenigen tiefleu y dte aur alt Mittel
zu jenen anzufehen find. Wcnn man in un-
lcrm Zeitalter die ibgeaaaatea Glticktgutcr:
Macht, Reichthum uad Ehre alt nichttwurw
dige Dinge vcrfchreyen, und fich in Abficht
ihrer Nichtigkeit aiif dat gewohnJiche Ur-
theil der Menlchea besiehea woUte: fo wur-
de man cbcn fo viel Thorheit als Unwiifen*
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Iieie verrathen. Diefe Giiter fiod xu tllea
Zeiten 6u Ziei der meiiten Medchea gewe^
fen, dte ef xii eneiehen nur einige Hofinung
Juteen. Aiich gestehe es jedermann frey, dafs
cr fie Ittr nirldiche Gucer anfieht, die in
nehr alt einer Becrachtung , vorxugliehen
We^th haben. Allein, iinbedingt ise diefer
Wcrth ib nenig» difs lelbst diejenigen, die
ihn «irklich uber allet letxen, nicht den
Schein davon habcn woUen. Nicht Iciche
wird et irgend eioem gleicbgulcig ieyn» wie
inan von dem Mittel denkt» wodurch cr fie
erningen bat, oder ron den Abfichten, woxu
er dc gebraiiche. Wenn aiich nicht immer
Verdienste den Befitx derieiben bey demjeni>
gen rechtlertigen follen» der fie ieibtt er-
warb, fo roll doch der Gnind davon nie eine
That leyn, diemanverwerflich finden iLonnte,
Und find fie nun ofaibar dureh Zu£ill er-
lange worden, fo wird man wenigstens nicht
xugcben wollen , dafs fic gemifsbraiicht wcr«
den; oder ci ibll der Zufidl fidbtt fie dem
Wtirdlgen ertlieilt habem Man fehe in den
ietiigcn fo gcmcia gcwordenen Kampf des
— 74 —
hicU gegen diejenigeti, welche feine Vor-
rechte als ungcgriindpt anfehn, wie (ehr er
felbsty uikI leiuc Schutzrcdner ihrc Krafte
aufbieten, um su zeigen, dais der Unter^
fcbiecl cler StSnde mtch einen Unterfchied der
Einfichtcn uadTiigcnden bcgninde, und dafs,
wie nicht undeutlich in verstehen gcgeben
tvird, mit dcr Hoheit derStandeauch die Ho«
heitdcrTugcnden fallc. Zu folchcn Behaup-
tungen wtirde man feine ZuHucht wohl nicht
nehmen» nvenn man nicht fuhite, dafs nach
dcm Urtheilc aller Menfchcn jene Gh1cksgu«
tcr, wcit cntfcrnt cincn unbcdingtcn Wcrth
xu haben» vielmebr in den HSndco unwiirdi»
ger Beiitzer, fiir dieie fowohl alt fur die
Wclt, zu wahrcn Uibchi wcrdcn konneu.
Diefs ist nicht weniger dcr Fall bey dcn Ga-
ben des Geistet. Gut und wiinichenswerth
fnid unstrcitig in mancher Riickficht Vcr-
stand» Witz, ScharfHnn u. f w. ailein auch
iiber ihren Werth entfcheidet erst der Ge-
brauch. Dienen (ie der Bosheit, fo werden
fic f lbst bofc gcnannt, und kein Menfch
vtiKd jc laut erkl&ren, dafs er fie fclbst dann
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2U bcfitzen wiinfche, wenii cr auch genothigt
ieyniblhe, fie auf <iie KrSUikuog» cxler gar
VeHerben ieioer Mitmenfcheii xu rieh-
ten. la noch mchr ! je starker fich jcne Gei-
stetgaben bey bofen Unternehtniingeu zeigen,
detto abliclieiaiicher finden war dUefe. Wenn
ein Meuchelmorder alle Maaiiregeb genoin.
mcn, alle Anstaltcn getroffeu hat, theils um
6in Opfer nicht tu verfehieu » theils um nn*
cntdeckt zu bleiben: wte viel strafbarer fin*
detmannicht feincThat, als wenn fie von
einemeingc^cHranktenMcnfchcn veriibt wor*
den wSre» der Ibeinen uberlegten Pian daxu
entwnrfe, iind ebcn deswegen ein Opfer der
Gerechtigkeit fast eben fo gcfchwini wiirdi.*,
ais der utigiiickiiche Gegenstand feiner That
ein O^kt feiner Bosheit geworden war. An
diefcm Bcyfpiele kcinnen wir zugleich fehen,
«rie das Urtheii der Menfchcu» ieibst iib^r
Eigenlchaften ausfalle» die man m den Tii-
genden xu rechnen pflegt, und die in gewiA
ler Riickiicht auch dicfea Namen verdieneii.
Muth, EntichioiTonheit, BeharriichlLeit im
Vorfatze gehoren unstxdtig f ur Aiisftihruog
76
jener uberlcgtenThat; werwird Heabcr hier
der Achdingwertbfindeiil Wai fiir herrlicfae
Cigenlehafceii fiml nieht femer MSfilgiing ia
Bcgierden, Sclbstbcherrfchiing , Wohlthatig-
keit uod Menrchedliebei Und gleichwohl
ma& auch hier die Hochlchitiinig» die fie
nit Recht vcrdienen , cingcfchrankt wcrden.
Auch halt (ic kcin Menfch fiir etwas rcblccht-
hin Gutet» ibbeld er aur «if den Mifibiitich
nufineifclani gcmacht wifd, dcm fie unler-
worfcn find.
Wer bcy dcr Mafsigung und Sclbstbcherr-
fchung nur eine einzigc Ausnahme uiacht,
der kann nock ein Boiewicht ieyn» und dat
kalte Blut» nit dem er alt Iblcher handelt,
die undiirchdringlichc Dccke, dic er liher
leine Abfichten und Thaten verbreitet, na-
chen ihn tn unlem Aiigen nieht nur gefthr-
lichcr, fondern auch noch abfchculichcr,
sum bofca Geiste in menfchJicher Gestalt.
liebenswurdag und alJgemein gefchattt
iit dat Beitreben» dem fo mannigfaltigeii
Elende, welches die MenTchen druckt, abni-
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hclfeo : allein der Unterfchied, welchen maii
iclioii imgeiiieiiienLebeii swilcheiiiclaer und
CiUeher WohldiStigkeit madit, seigc hin.
lauglich. dafs (le einer hohern Leitung be-
d«rf. Itt fie nur Temperanientitugeiicl» eiae
Folge Ton larten oder vieimelir lchwachen
Nerven, fucht (ie nur gegenwanige Leiden
«buiheUctt , um dcn Anblick des lammera «i
«eliren» ohne die QyeUe deHelben su ver*
itopfen , ift fie endlich mehr atif Atntelhtng
phyfifcher als moraiifchcr Uibel gerichtee,
iind vermdurt fie wohl gar diele» wahrend fie
fene vermindert: fo wird diefar Wohltfaitif •
kcit entweder ein nur fehr geringer Werth
xugeCchrieben» odcr wohi gar aller Aniprucli
«uf Hochlehlttuog abge^rocfaen. Sdbit der
Verachtung kann He, unter gewi(!en Umstin-
den> nicht entgehen. Man denke fich eine
ganfe tahlreiche Familie in den gidftten lam^
mer» von der H5he dei Gliicka in die tteftte
Armuth gestfirzt, von alien Menfchen verlaC*
fen» durch Kummer und Krankheit in die
Unmdglicfakeit veHettt, fich nur die entea
Bedurlniflc des Lebens zu verlblufien! — fis
— 78 —
kotnme nun ein Mioa, der dem Elendc Auf
einfiul fteucrt» verlinge aber tiim Lohn CeU
ner HOife clie UnTehaM eines aufblilhenden
Madchens, und mache fie wirklich zum Opfer
ieiner LutCe wird ibn fein Wohlcbun ge«
gen die allgemeine Vertcbtung ichiitsen?
Wird cr ihr felbst danii cntgehcn, wenn cr
nacb der StiUung feiuer Bcgierden fortfahrt,
nlcht nur das gemiisbrauchte Gefchdp^ ibn-
dem die ganxe Familie im Wohlttande cu er«
balteii, und ihn fogar, fo weit diefs nttr dem
Reicbthum und der Gewalc moglich itt, iur
ihr gantet Leben xu ficbem? Giebt et Men^
fchcn, die m ihrer Vernunft , oder vielmchr
in ibrer leidigen Dcak- und Handlmigsweife
}ene Verachtung nicht gegcundet finden: ib
frage man einen feden unter ibnen, ob er,
wcnu cr fcibst der Mann ware von dcm die
Rede itty wohl gem feben» oder nur tuge-
ben wiirde, dafi man die Geichichte ofient-
lich bekannt mache, und die Stimme des
Fublikumt dariiber hore ? Dieis wird wohl
keiner woUen. Und fo ist et denn wahr,
dafs, nach dcm IJrtbeile der gemeinen Ver*
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attnft, jener WoblthSctgkeit oieht dcr «Uer*
gcriiigstc Werth ubrig blcibt. Eben fo kann
iie ihrem Vcrdammiingsiirthcile nicht cnt-
gehen, ivenn fie einen Verbrecher hegt, und
der gereehten Strafe entsieht. Auch hiev
wird fie fclbst zum Vcrgehen»
Die Wohlthatigkeit ist, wie wir gerchen
habcn, hauptrachlich daiw nicht mchr als
etwat Gutes tu betrachten» wenn fie nehr
denLeiden einerPerfon abiuhelfen, ala die
iittlichen Eigenfchaftcn dcrrelben zu b^for-
dem fucht. Aber aMch dic MenichenUebe» die
iii ihrem weitem Umfiuige diefe mit befalit»
und dieielben mit Kraft und Nachdnick aut-
tubreiten fucht, ist tiicht unbedingt lobcns-
wurdig. So grofi und gottlieh der Menich
erleheinty der in leinen Worten und Thaten
nicht nur d«s aurscrc Wohl, fonJcrn aucb
dte Tugend dcr Meiifcheu tu ieinem Uaupt'
fwecke macht, und rastlot ni befordem
fltrebt: fo finkt erdoch augcnblicklich von
ieiuer Hohe hcrab, fobald cr zur I- rreichung
ieiaei groften Zweckf jedei Mittel» ohnc
— 80 —
Uaterfchiecl, dienlichfindet» oderwirklichge-
bnttcht MenTcheiigluck iit «im ib maimig*
laltigenBettanddieileii iiifiutiiiieiigefi^t» dait,
wer fich herausnimmt, es durch gewaltthati'
ge Mittel erzielen , hochst walirlcheiiilich
snebr Weh ala Wohl verbieiCen wicd. Ei
«firde allb daducch der Entsweck vMAlt
Allein nicht blofs deswcgeu, fondern haiipt-
ftchlich um der Gefinnung willen» die foiche
Mittel billigen kdnnte, wkd diefe Menfi^hen.
liebe als venverflich angefehen werden.
Kein Menfch der nur fu einigen Gefiihi iei-
aer Kraft gekommen itt» will fich ala ein un*
mundigef Kind adehen lafleny daa tur Be-
fdrdenmg feincs eigenen Besteu, fo lange die
Vemachiiifigung defleiben nicht Nachtheii
lur andere eficugt, dureh die Rutlie ange*
trieben werden mufle. Und (elbst das Kind
ichon macht bey den Strafen , die man ihm
tttferlegt, einen Unterfi:liied swii^en den
Neigiingen, die gewaltfiunerweile einge^
rchriiikt werden muITen , und denen, die fei-
ner Willkuhr tu uberiaflen find. Daft ei ar«
betten lemea mufle^ kana ihin leicht fi> deut*
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lieh feoiaelit ynrien^ daft et Notfaweii*
digkeit davon, imJ, wcim fcius Trighcif,
oder Ccin Spieltrieb» der Arbeit widerstrebtv
die Billigkeit des Zwanges luhlt» den man
leitten Neigungeii anthiiii tmiit \ daft et aher
voniiglich fich xu der Arbeit gefchickt ina-
ehen mti0ef «rovoii» tiach deii Einfichten dcs
Vatert, ihm eintt in der hurgerlichen Gefell-
fchaft die tneisrcn Vorthcile ervvachrcn wcr-
dcn, wozu cs aber weder Ncigung noch Fabig-
heit hat» und daft es dafU geinviiiigeii wer-
den konnes dieft wird ihm lchwer einnnre-
den feyn , und dic vatcrlichc Licbe , aus dcr
^iieStt Zwang fiielst» wird ihm in elnem lehr
ftweideutigen Uchte erlcheinen. Ftihlte et
lie nicht von mehrerem andem Setten wirk-
lich wohJthatig, cs wiirde fie fogar vcrab-
icheoen. Und diels wird in der That be/
erwachfenen Menlehen grofttentkeilt der Fall
fcyn p wenn Menfchenliebe He nothigen wili,
auf eiae andcre Art gliicklich xu ieyn, aJs
fie ct woUeo. Sobald dcijenige» welcher
wohlthunwill» gewilTe Rechie krinkt« atif
F
— 8a —
die kciii MiuiTcb fo leicht Verzicht thiit; ib
verfcherzt er die Acbtiiiig, die leine Abfich*
tcu roiisc ciiiiiufsen wiirdca.
Der Bekebningscifcr des niittlem Zeit-
altcrs war, in ciner gcwiiTcn Riickncht, ein
iobcuswurcliges Bcstreben. Voraus gefetxt,
dais «venigstens einigeder dainaligen Priester,
folltcn neaiich niir eincn fchr gcringcn Theil
aiisgemacht haben , von der Licbc zu ihren
Mitmenfcben befeeit, diefelben zum Befits
iind Gcniifs von dem* was fie (elbst fiir dat
h6chstcG'.it hielten, zii brnigcn fuchtcn: was
konute achtungswilrdiger als dcr Eifcr indie-
fem Bestreben feyn? Er betraf nichts gerin-
geres a!s Ruhe und Zuiriedenbelf in dieter
Wclt, und ewige Gliickfcligkeit in der kiinf-
tigen. Uiid doch wird diefcr Eifer immer
«enigcr geacbtet, imd fogar dem Abieheu
Preis gcgcben. Man dcnkc dabcy nicht, dafs
diefcr Abfcheu blof:» ciaher cntstehe, weil man
Unvernunfc andieStelie der Vernunft
ietzen vrollte. Wenn der Fall aitch iimge-
kehrt warc; fo wiirde die an und fitr fich
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wrlrefliche AbficHt, doeh nie gewalttlilfige
Mittel rechtfcrtigcn. lii diefem Falle konntc
cs indefliBU noch fcheineu , als ob das Bescre*
ben, die Giuckieiigkeit anderer xu t>ef6r-
dern, nur deswegen nicht rechrer Art fey»
weii im Grunde vieJoietir Elcnd als Wohl her-
vorfcbncht werde. Ein enderet Beyfpiel
wird lehreny dafi die blofie Hervorbringung
dcs Lctztcrn, dic aiisgcbrcitcstc Menfchcn-
liel>e> nicht jedes Vcrfalurcn derfelbcn recht-
lertige. Gefetf t «ifo, nan reilse durch ollbu
baren Raub , oder durch listigen Betnig, die
ScbiUe cinesMannes an iich, dcr iie imgc-
nutit in feinem Kasten verichiieisty «ird
«rohl diefeHandlimg gebilligt werden, lelbiC^
wenn man taiifcnd Elende, dic (ich des Huu-
gerk ktum erwehren ikdnueu, dadurch auf
einmal in einen» iiir lie iilier alle Erwarttwg
gehenden, Wohlstand verfctite, wcnn man
ibgar die geraiibtcn Schatzc als Mittel ge-
brauehtey diefe Menichen lamt ihrer xahlrei-
chen Nachkommenlchalt, siv Tugend tu bil-
den? Gleichwohl wird durch jene Handhing
Giiickieligkeit undTugcud befiirdcrt» gleidi-
— S4 —
wuhl ist , wcnii cs mir aiif dic Bcrccliiuiiig
aageiichincL* Einptinduiigen ankotumt, dcr
Verdniit dei Reicheiiy der noch vnh inehr
bchalfcn mag, atf maii ihm ratibte, in Ver«
gleichung niit dea unz^hlig gutcn Folgeii, die
atit dem Raube entftehn, fiir nichtt tu ach>
ten. So kann man die Folgen einer Hand-
hing als hochst wiinrchctibwiirdig anfehen»
und die Haudlung ielbst doch verwerBich
finden» ob fie gteich um der guten Folgen
wiileu unternominen und ausgcfiihrt wurde.
Dieie tetxtern Bcyfpicle veigen, daft naeh
dcm Ausfpriichc dcr gcmeincii Vcrniinft,
felbst in den Eigenfchaftea» welchc dcn (itt-
lichguten Charakter ausmachen, gletchiam
eine Rangordnung Statt finde, nnd daft dte
obente Stelle derjenigen gebiihrc, wclchc
man Glnrechtigk^t nennt. Diefe Tugend
wird f u feder Zeit nnd unter atleii Umstin-
den, achtungswerth gefimden. Sie erhalc
awar wenig Lobfpriiche, aber biofs deswegen»
weil fie ats durchaus nothwendtg gefordert
wird und dcsto griiiser ist dic Strcnge uiit
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— 85 —
der maii dit Gegenthcil derTelbe!! (adclt. c»)
Wcr atiflfer ihr aHct bcf^rsc, was gut, wiiii-
fchciis-iind achtjingsvvcrth ist, dcr wird doch
flie die Welt uberredcn koiineiiy noch wollcny
dafi er der Gcrechtigkcie, als cincr Klcinig-
kcit, nicht bcdiirfe. Sic miid im Gcgcntheil
nach dcoi Urthcilc dcr gcmeinstcn Veraunff,
den Erwcrb und den Gebraiieh der Ghlcks*
giitcr bcstiiniucii , dic Gabcn dcs Geistes lei-
ten» und allc Eigeufchafteu des Tempcra-
mcnti und det Hertent regieren. Wat fiir
Mtihe geben fich nicht iclbst dic Machtigstcn
dcr Erde^ die (ich libcr jcdcs Gefctz iu ihreii
HandJtingen wirklich wegictien, um der
^^) Als Tiigcnd bezicht fich Gerechtigkcic nicht
fluf d:is was man foidcrt, fondern aiifdat
was nian 1 c i s t c r tn dcr crsrcn Bcziehung
fic allcrdings dcm Mifsbrauchc unrcrwor-
fen ; da fctzt man ihr auch dic Billigl<cit
cnrwcdcr entgcgcn, odcr zur Sciic, als noth-
uendigc Gefihrtin. Wcnn mdn abcr in dcr
zweyccn Bczichung dic Bcrcitwilligkeit
neinr, eincm jcUen ?.u kistcn was uian ihm
fchuldig i$t: fo verlicrt dic Gcrccluigkcit
hey dcm gcringscen Yergtofs foglcich ibrc
Ntcur und ihttn Namai.
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Wele gUttben tufnacheii» jdaff bey ibreniioeli
to widerrechtllchen Uncemehmtmgen docfa
Gerfchtigkeit Statt 6ii<ie. Wenn Cic aiich
als Bewegangsgrund lu ahren gewaltiamen
Untemehmnngen mit anluhren » dafi fie da*
diirch fowohl dencn, die ihre Untcrtlianeii
werdcn, als denen, welchen fie dierelben eut-
liehen» eine wahre Wohlthat erzeigen: (6
nimmt doch die Gerechtigkeit smmer die
erste Stelle ein, foJlte fic auch nur in der
entfemtesten Beziehimg mit der Handlmig
stehen» die gerechtfertigt werden mula»
Diefe erste Eigenfchaft des iittlichen Cha^
rakters wird zwar gemeiniglich nur in dem
Verfahrcn gcdacht, das wir gegen anderc be<.
obachten folien. Weim aber aiich der Name
ielten da gebraucht wird, wo iinlre Hand-
lungswcife fich auf unfere eigncn Rechte be-
zieht, und hierin die Gcrechtigkeit fchon
deswegen nicht streng gefordertwerdenkann,
weiJ nur wenige von der Art (mi, dafi fie
nicht aufgcgeben wcrdcn durfcn: fo gicbt cs
doch Falle» wo die(elbe auch gegeo uns iclbst
Digiti
iteobachtetf iind dem Wohltlum durchaiis
vorgesogen wetdeii miiif» Wer der Gliick*
ieligkeic tnderer viel Opfer darbringt , wird
2war im allgemeineti fiir edel gchaltcii, und
iit ct «uch» wean er es nicht aus Eitelkeit
thut, oder aadere Nebenabfichten hat. Wer
aber, aus Ncigung zu cinerPcrfon, ihrallcs
was er hat, aufopfert» uud feiu Vergnugeu
nur darin fecit, thre Wunfche xu befriedi*
gen, verft5ist wider die Gerechtigkeit, die
cr fich felbst fchuldig ist, wcnn er (ich nuthi-
ge Bediirfniise dadiirch entsiehty luid |eneff
Beribn entbehrliche verlchaft» oder» wenn
er fich gar in den driickendstcn Mangcl ver-
{etitp wahrend (ievon fcineuGutemfchwelgt*
Auch erregt ein foiches Verfiduen gewifs all-
gemeinen Unwillcn. Ist der(elbe von dem
Mifsfallen an andcrn unnttlichcn Handlungcu
verichieden: £o kdmmt dieft daher» weil die
Grenienfo imbestiramt find, innerhalb wel-
chcn Wohlthun eingefchrankt werden mufs,
wetm es nicht surUngerechtigkcit gegeu uns
werden ibll, Hienu kommt noch» dais eben
dic Sclbstlicbc^ wclchc Uugcrcchtigkeit gc«
— 88 —
gen ao^m eneugt, deHclben gerade entge-
gen su wirken feheint, wenn wir itngeredit
gegen iins felbst find. Nur al? cin Thor er»
fcheiut uns alfo derjenige» der um anderer
willen iieh {elbst vergiftt Diefe wirl^liciie
oder anfcheinende Vergefrcnheit leiner lelhstt
hort abcr fogleich auf, in unfern Augei|
Thorheit tu feyn, fobald fie etiie Folge der
littlichguten Denkungsart tu leyn ieheint.
Wcuu unfer Wohlstand fich mit dcm cincs
andemmchtvertrSgtt wenn ibgar feinoder
unier Leben hingegeben werden muls» und
auf bcyden Seitcn die Umslande ganz glcieh
gedacht werden : fo (adelt niemand dcn« weU
eher Wohlstand oderLcben lum Besten eiaei
andcm aufopfert* Man findet ihn Ibgar ach-
timgswiirdig, wenn cr fcin Gliick und fein
Leben niebt anders, als durch eine Handlung
nhalten kami » die der Reefatlchifeiheit ni*
widcr ist*
Wenn wir nun alle diele Urtheile uber
dcn Wcrth defTcn was gik, wiinfchcns- und
achtungswerth ist» sui«mDen faitea: Ib er<
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fieht fich daraiis, da(s alicf, wa& fich auC
CiockTeligkeit bexieht, vrenii w et gleich
■oeh Co fehr begehren, doeh, tUein genom.
men . nicht dcn hochstcn , nicht iinbedingteit
Werchhati dafi viele Dinge, ielbft Eigen»
&iiaftea det GeMte% niir unter Vorauiletcung
dncs wiirdigcn Gebraiichs derfclben, wfiu-
ichenswerth Cmdi daft der fittlichgute Cht«
cakter allein den Werth mallenGutem uncl
Eigenfehafien bettininir, dafs imtcr deii Tu-
gcnden , welche diefen Charakter ausmachcny
4ie Gerechtigkeit cUe ertte Steiie einnininit^
^fi ct Iblglicb, bey Beiirtbeilung unferer
Deukungsart nicht auf die guten Folgen der-
Selben» (bndern auf fie reibtt ankdmniti und
dafi fie, wenn fle gut Itt» an und lur fich dei^
hochsten Wcrth hat, und ihr allcin das hc*
wiefeii wird , was man Achtung nennt* Da
auf deo letzten Punkt« alt auf dcs Grund
aller Sittlichkelt, Ib yiel ankominty Ib vlrd
et nicht ubcrfluifig fcyn, dabey ngch etwaa
itt verweiiea.
AUe Mcnfdien fragen nebr odcr wenittt
bcy Handiuugen von Bedeutuog, fic inogeA
— 90 —
gtite odcr bofe Folgen haben, iiach dea
Triebtedern, welcfae dabey «irkten» und be-
itimmen hatipt(ac1ilich nachdieien^nWerth
von jenen. Sclbst dicjcnigen, wclche cntwe-
der §n keine Sictlichkeit zugeben ocicr die-
felbe nur in den Wirktingen einer gewii&n
2iifal]igcn Denkungsart fuchen, vergcffcn bcy
der Beurtheiiung frcmder Uandluugeny iiir
System alle Augenblicke. Wer aus Stols, atit
Eigennutz fchadet oder ntitzt, ^ird gcwifo
tnit andern Augen angefehea, als «rcr wider
feinen WiUen fchadet, oder ans wirklichen
WohlwoU^n dient. Und fi>Ute vrader der
cinc noch dcr andcre das Gluck irgend eines
Mcitfchen fclir storcn odcr bcfurdcrn: fo ist
doch gcwifs das Urtheil iiber beyde gans ver-
fchiedcn. Auch wird daflelbe nichtetwa blois
gcfallty V7cnn cs fich glcichfam aufdringt;
fondeni es fcheiiit aUen denkenden Menlchen
Bedtirfnift tn feyn» iinmer naeh den Bewe-
giingsgiiindcn diefcs odcr jcnes Vcrfahrens zii
ipilren. Sie beweifen hierin ciuen Scharf-
blick, der fo allgemein lcines gleichen nur
dann findct, wetm cs auf dcu Erweib odcr
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die Erhaltung von Glucktgutern inkoinmt
Dat Innre de§ Menichen xu erferichen» mufi
alfo ziemlich allgemein, thcils als eine wich-
tige Angelegenheit angefehen» theila ala eine
iblche mit^er betriebenwerden. Forlchen
wir mm nach den Refultaten aller Urtheile
uber die Triebfedem zu Handlungen , x9cU
che ala fittlichgut angelehen werden foUen:
lo iit eratlieh tu bemerfceny da6 bey allen
denea , welche aus der VorsteHung von An-
aehmlichkeit oderUnannehmlichkeitent^rin-
gen konnen» und ibnit ala erlaubt angeieheii
werden , vou einem fittlichen Werthe derfel-
ben £af t nie die Rede ist, und dafs die Unter*
fiichung uber denfelben erat dann eintriti^
ipenn Handlungen der Sdbatliebe wider%re>
dieui oder doch zu wideripccchcn fcbeiueo,
Dafi ^ Maim ein fiflendieh anvertrautea
Gtit ohne Schwierigkeit zuriick giebt, fcheint
ib fehr in der Ordniing der Dinge lu ieyn>
dafi kainn ein Wort daruber mlobren vML
Dic blorsc Sorgc fiir fcinen guten Nameii^
odcr dic Furcht voc dcm Zwaoge der Obrig-
— 9^ —
keit, Jen cr crfahren wiirJe, vpenii cr die
Ziinickgabe vcrweigerte, werJcn als hiulaiig-
liche BctCinimungigriiiide tu der(elben aiige»
ieheti, und ei wird gar nicht gefragt, ob er
Cic aus GcrechtigkeitsJiebe geleistct h;ibe oder
nichc, weil keine Spur vorhauden ist, auf
der man die eigentltcheTriehleder entdeeken
konnte. Wenn abcr cine anrchnliche Summe
Geld« ohne einet andcm Menichen Wiileii^
▼on einem Manne anvertraut worden «irc»
der durch feinen glcich darauf erfolgten Tod
dcnjentgen, der es erhalten hatte, von alier
iuisem Verantivordichkeit» ieibit von aUcr
Fnrcht vor derielhen heficeytei wenn die Er*
ben dci Vcrstorbenen in guten Vermogens>
umftjindcn und ohne alle Vermuthung einct
Iblchen Depofitmni y^ltatn iind doch der Inn«
haber delTelhen» obgleich arm, nicht nur
nicht «JeuBcfitz des anvertrauten Gutt, fon-
dem nicht einmal denNutscn davon auf eini-
ge Zeit fich lueignete: dann \fird die Frage
uber den moralifchen Wcrth der Handlung
aufgeworfcn werden. Eben dicfelbe lindet
femeiniglich Statt» wenn auf irgend eine
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Weiie dUi Wohl eiaef oder mehrerer Mea*
fchen diirch Aulbpfening von hctdchdadien
Vortheilen, durch grofsen Aufwand von Zeit
und Krafccn , oder gar mit numcherley Ge*
£Uiren befordert wordcn iit.
Ju iblchen FHlen nun itt et unverkennbar»
dafi die Menlchen lchlechlerdingi keine an-
dre Tricbfeder zulaflen, alf die innere Gilte
der Handlung lelbst. Sobald vorausgeretzt
nird, dafi fie um irgend einea Vortheilt wtl-
len, lur den Handelnden gethan wiirde: fo
i$t der moralifche Werth dcrfelben fo gut alt
Temichtet. £r hat ei auf Eitelkeit gethan,
cr will fich ntir grofi» geltend, elnen Nanen
machen, heifst cs nicht felten, wenn man
Handlungeo, £ntwurfen, Einrichtungen ir-
gend etnet Mannet das Verdienit entitehen
will, daf denfelben «nkonnien wtlrde, fobald
nian anuahme, dafs er keine andre Abiicht
gehabt habe , alf daf Gute «u be£5Hem , um
des Cjuten willen. Ef itt lein eignen Vor»
thcil , fagt man ein anJermal , wcnn eigeat*
lich der Vortbeii einet andem hat bewickt
Werdten ibllen. Und Iblehe Aeulseruiigcn
iniifren in der That von grofsem Gewichte
feyn. Denn fie reiien die Empfindiicbkeit
deflen» den fie trefien, in keinem geringen
Crade. Daher die hSufigen Klagen uber die
Bosheit der Menfchen, welche den besten
Handlungen fchlechte Bewegungtgriinde un*
lerlegen. Kdnnte «ber wohl )ene Enpfind-
liehkeie , konnten diefe Klagen Statt finden,
liefs fich das geringste dabey denken» wenn
aieh dem Urtheile der gemeinen Vemunft, ee
nur «uf die Handlung und nieht hanptfileh^
lich auf dic Triebfcder ankiroe? Nach die.
fer wird swar, wie ich oben fiigte, bey den
nUHgliehen Htndlungen, lelten geforicht;
Diefs ift aber nur in fo feme gegnindet, als
iie cinzeln genommen werden. Fafst man
dielelben xuianimea und fieht fie als Beweiie
vwk dem gansen Charakter einer Peribn an,
fo wird jedcrzeit auf dic Triebfeder Riick-
ficht genommen» und nur nach Beichafien*
lieit derielben daa Urdieil uber den Quurak*
tcr bestimmt. Ob cin Kaufmann, der unt
biliig behandeit^ bcy jedem einzcben Vcr-
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kaufe» fich von der Gereditigkeit oder von
dem Gedanken leiten lafTc, dafs c« fein eigner
Vortheil fey, tins nicht zti liberretzen» weil
ivir fonit nicht wieder zu ihm kommen «ur«
den.: diefs laiTen wir gemeiniglich dahin ge-
stclk feyii. Sobald ^^ir aber ihm oder ir-
gend einem andern Manne, Redlichkeit su-
lchreiben: Ib denken vnt ]edeneity dafi er
imter allen Umstinden nleht euf leinen Vor-
thcil, fondcrn auf Gerechtigkcit iind Billig-
keit fehe. Kame et tma nur in den Sinn»
dafi ieine Redlichkeit auf Eigennntz gegriln-
dct fcy : fo konnten wir diefelbe nic anders
als unter der Einfchrinkiing erapfehlen» daia
lein eigner Vortheii nicht ini Spiel kommen
mufite. Waf wilrde man aher wohl von ei-
ner folchen Empfehhing denken? Dcr Atis-
Ipnich: Esist ein redlicher Mann, ibU ilm
ehen von dem Schurken unterlcheiden, der
niir fo langc chrlich handelt, als es mit fei«
nem eignen Vorthcile bcstchen kann. NiUT
unter diefer Vorausfetsung lalst lich die Ver-
wmdening und der Unwille erkllren, die
gemeiniglich dann entitehen, wenn cin^iiU-
— 9» —
|emein fur redlich aogerehner, Mann durch
irgtad eine migerechte Handhing der Mei*
niing wtder^richey die man von ihm hacte.
Lacherlich wiii^de es unsfcheincn, wenn er
lich damit entrchnldigen wolite: der Vor-
theil y den er bey einem ehrlichen Ver£ihren
hatte aufopfern miiflen, fey ihm gar zu grofs»
zu reizend vorgckomineny wir, die Bcvor-
theiiten, iiltten doch keinen (o groiien Scha*
den, alt er (blbf t Ntttten davon ; oder er ha«
he geglaubt, rcinem Rufe nicht zu fchadcn»
es ware aiie Waiirfcheiniichkeit da geweien»
dafi feine Unredliclikeit verborgen bleibea
wiirdc i odcr cs fcy ja liberhanpt die Ehrlich-
keit nur fo lange zu erwartett, als de mit
dem Eigemmtfe bettehen konne, oder end«
lich» der tu hoflende Vordieil habe ihm
mehr Vergniigen gemacht als der GedankCi
ein ehriicher Mann su ieyn. Soiche Ent«
lchuldigungen denkt man wohl ali moglich
bey einem Mcnfchen , den man keinen guten
Ciiarakcer zufchreibt. Wer aber dadurch
selgen «ollte, er fcy doch gut und ehrlicht
den wuide man, m niclit fir cinen wahn*
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Aoiilgeiiy dodi fur eineii h6ehst eliigeieliiSiik*
ten, od^r hochst vemorfcncn Mcnfchen hal-
teiL Isfi dieict alles wahr , fo folgt dar*
eus» dalf mtii iroo der Reehtfchelfeiiheie
dtirchaiis allen Etgeiimrtt entfemt wilTeii wUI»
UD<1 dafs dcr blofsc Gcdanke recht zu thufl»
hiareichend feyn ibil| die Ha&diuiigeii der
Menlehen tu hestiinnien. Ist es ferner nach
dem gcwoKnlichen Urtheile wahr, da(s eiii
reehtfchafFcner Mann gaot andreGefinntmgeii
einflofit als ein Betniger, fsenn aueh «eder
wir felbst, noch andrc, Vortheil von ftfinem
giiten Charakter siehen: fo ist klar» dafs die
Rechtlchatfeoheit» ao iind lur fich» io imleni
Aogen voo grofiein Werdie ist.
Wie hoch gute Gefinnungeo ao fich ge>
fchatxt werden , fieht nan vorzuglich dann,
ssenn Untemehniimgen fchcitcmy dexen
ZweelL oolera Beyfali hat Wurde voraus-
gefirtxty dals derjenige, der fie ausfiihreo
wollte, immer feinen eignen Vortbeii dabey
vor Augeo habe: ib oiulste et uns faos «t*
6
— 98 —
derfiniiig (clieiiieii, ilm mit feineii guteii Ab*
(ichten trostcii zu woUcn , odcr zu denken»
dais cr iich danit tcdften komie. Wer ir-
gend etwas wagt, um lich felbst su beiei.
chcrn, dsr wird bey fchlgcfchlagcuer Hoff-
Quug weder von fich ielbst, noch vou audeni^
damit au^ichtct nverden» dafierdengu.
teii Wiilen gehabt habe zu gcwinnen*, wcr
aber mit einem ctwanigcn Gcwinnste einer un-
gluckiichen Familie aufheifen woUte, deo
konnen &ine Preunde uber den dahcr ent^
ttandcnen Vcrlust, allcrdings mit der gutcii
Abiicht trostcn. Wenn nun in dider
Wcr einen Zweck, der ficH auf ihn felbst b^
zieht, niclu erreiclu, dcr tr6stet fich —
nicht mit dcr gutcn Abficht — fondem
damir, dafs er nichts verfSumt habe, wa»
zu dcmfelb^n fiihrcn konntc. Diefer Trost
bcsteht eigendich daiin, dafs er vernunfrig
gehandelt habe. Das Bcwufstfeyn der Ver-
nttiiftadlsigfceic unferer Handlungen, i«
«Ueaial von Werth. Daher maii fich erkla-
»n kaon, wanun bey bdfen Thaten diefer
Trost fiUt. Die kOfk That Ist fdbst det
Vernunft mwider. Die Uittd, fie ausau-
iuhren» Ma6gm nun noch Ib fthr denfilbcn
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lelbft nldii noch ein Werth bliebe, der audi
ohne gliicklichcn Erfolg bcstcht: wie kounte
<ler GedMke daran irgend eine Benihigung
endialten? wie konnte nian ivvilchen cwey
Perfonen, die cinerley Zweck verfolgteii
iind verfehltea, deii geriiigstcn Unterfchied
denkenl Gleichwohl findet man dieien alJg^
meitt tn den Urtfaeilen der Menichen. Dti-
mouriez und La Fayette habea zu verfchiede-
nen Zeiten die konigliche Wurde in Frank*
reich wieder herxuitellen gerticht» Beyden
mifslaug ihr Unternchinen. Das Ui theii aber
iiber diefe Mannery in fo ferne (ie aiich nur
bey dicfe r That ali handelnd gedacht wer»
den» i$t nicht gleich, nnd der Gniiid diefes
Unterfchicds bezieht (ich biofs aiif die ]3e-
wegungsgrunde su ihrer Handiung. Man
glaubt» der eine habe dat Untemehmen niir
begonnen, um fich fclbst und fein Anfehn zu
retten» der andere aber um dcr Giite der
Sache felbst willen.
gemidi feyn, fo tt(st die Vcmuflfhvldngkeit
dcs Zwecks, das Bewurstfeyn dec Ver»
■unfimfl&igkeit dcrllittcl nicht aufkom-
taeil
— 100 —
Ouiuourics fubk ftch nicht wenig ge-
krSnkt» ilafi cler Chtirfurst von Coln ihm
ofFentlich dieUaUuterkcit feincr Abficht vor-
wirft» luid det ganie Zweck (einer Denkwiir-
digkeiten ist ntir,.clieielhe von fich abiuwSt*
len, iind dera iwider ihn eingenomnicnen
PubliKum tii zcigcn» dafs cs (ich in der Beur«
Cheilung ftiner Bewegungigrunde irre.
Er fetft alibvQraus, dafs (etnCharakter aller-
dings in ciucni rchlcchten Lichtc erfcheinen
mtifite» wenn er bey ieiner letaten Untemeh-
ontng hauptf^chlich auf fich felbtt Rtickficht
^enommcn hitte, Es roll folglich nach dem
Urclieile dcr gcmcinen Vernimfty ielbit
die Edialtung des Lebent, tmd das fo natilr-
lichc 6cstrcbcfi[, einem (cbmaligen Todc su
cntgehen , fitr cinc uniauterc AbHcht bey ei*
iier Handiung gelten, die gebilligt und ge-
wilnfcht wird.
Wcnn man mtn das» was man als giit er*
kemit, nur darum thun SoU, wcil c$ gut ist-«*
Dcnkw. des Gen, Outnourict Vorrcde, S. ii.
Digitized hv GocKyle
vnm ftmer die mdsiichgroiste GluckreJig*
keit der Menichen nicht dasjenige ist , wat
allem andern vorgezogen werden foll, — «
WM IbUen «ir denn thun» um dcn hochsten
Werch < u erreichen,den wir uns geben konnen ?
U n f c r e P f 1 i c h t ! ist hierauf dic Antwort
der gemeinen Vcrnunft. Pflicht itt, nach ih-
len Auslpruchen, dtt hochf te, wat den Men^
lchen in allen feinen Handlungen leiten
foll — und die Bereitwilligkcity feine Pflicht
su thun, macht das Weicn des guten Charak-
ters aus. Wer fiigt: es ist meine Pflicht, fo
oder fo zii handeln, glaiibt jederzeit alles ge-
iagt tu haben» was zu (einer Rechtfcrtigung
dienen kann. Da gelten keine Betrachtiin-
gen mehr iiber Vortheil und Nachtheil ; da
nnifs der fchwcigcn» dcr nichts anders vorzu-
bringen hat, tud nur der reden, welcher
glaubt zeigen cu konnen , es fey nieht Pfficht
was man dafiir halt. VVcr feine Pflicht zu
erfuilen strebt» und um der Pflicht willen
handelt oder nicht handelt» der ist der fitt*
richgute Mcnfch, dcr allcin Achtiing vcr-
dieiit und crhaJt.
FjttBfiUMnng dct oiirsttn Sittengefiizet^
aui dem Bcgriffe der Pflicbt.
J^s gicbt wcnig Menfchen, die bcstimmt
anziueigen wiiTcn, woriii im allgemcinea
Pflicht bestehc, aber alle, die den Gebraiich
tlcr Vernuiift haben, wiffcn in <len meisten
einzeinen Fallcn, wo cs auf Pflicht ankommt,
was fie sii thun oder «i lalTen baben, wenn
i;e diefelbe erfiillen wollen. Nttr <)er bofe
Wille, unJ die Vcriirungcn dcr philofophi-
renden Vernunfty machcn die £utfcheiduug
fchwer. Irrt nch der gemetiie Mann hierin»
fo kCmiiit dicfs cntwcdcr von feiiien fchler-
haftcnNcigiingcn, odcr von dcn Ausrpnichen
dererlenigcn her, die er ffir weifc und giit
halt, un J a!s Richter fiber die Fordenmgen
dcr Silllichkcit anGcht. Wir w ollcn ictit
lehen, ob in dem, was alic Menfchen bcy
Jem Worte Pflicht deutlich oder iiudeutlich
deiikcu, aicht Uhon alics licgc, was zur
Digili
ikudichen Einficlit ia dicNatitt derrelbea
Zuertt iithierbeyanxuaieriwti» dais Pflicht
•letf voa Neigung getreoat» oder derielben
gar entgegen gefetzt \;9ircl. Uiberalj, wo die
letxte offenbar im Spiele ist» und als erlaubt
angelehen wird, erwlhnt mta der erstea fast
gar nichtt Der hajidclnclc uiag wohl biswci-
len da von Fiiicht redcn, wo er eigentlich
nureiaem fianJichen Tricbe lolgt, um vor*
tiifpiegehi , als ob nicht dieier Amdtfrn fene
ihn bestimme: aber er findet nicht leicht
Glaubcn und fetat fich wohi noch gar Spott^
reyen aus. Dafs die Menichen gem gut ellen
und tiinken, dawider hat man ini allgctjnci-
nen nichts cinzuwenden. Man fctat ^es bey
gewiflen Einfchrankungen unter die erlaub-
tcn Dinge. Aber die Pflicht, gut lu elTen
und zii trinken, kunnte nur als cin koinirchcr
Zug auf dem Theater gebraucht werdens fo
wahres ist, daft derjenige, welchcr aus Geitx
fich dic iiiqiiickiiugcn vcrfagt, dcren fcin
kranklichcr Kdrpcr bcdarf, pfiicUttvidrig
fC4 ~
fuoML So wie in diefem FtUe von Pfliehl
ersc <lann <lie Re<Ie ist » venn min fieht, dafr
die naturlichcNeigung nicht zur Bestimmung
det Willens hioreidit: ib ist Cf tn illeo
ehen Fjdlen, wo littiiliehe Triehe «b hinllnf'
liche Bestimmungsgnincle gedacht wercien.
Sein Leben, feine Gefundheit erhalten, fiic
lein Gliiek ibrgen, htt fiir dit ineitten Men-
fchen zu vielReitz in fich lelbst» alsdafi eine
hohere Triebfcdcr dazu nothig fcheinen
foilte. Erst dtnny wtan jener nicht liinres*
ehend ist, wird diefe in Bewegimf gefetit.
Wer die Ncigung zum Lcbcn verloren hat,
wer fich Krtnkbeii durch Schwclgerey zuzu-
siehen tn Ge&hr ist, wcr tus Trlgheit nicht
tuf den Verfall leines Glncks tehtet, hey
deni kann , bey dem foll die Pflicht an dio
Steiie der Neigung treten. Dtbey ist io dea
Ver&hren derMenichen noch diels iiierkwur«
dig , dafs, fo lange eine Ncigung durch eine
tndere eingcAcbrankt oder erhoht werden
ktnut fie gemeiniglich erst diefts Mittel ver«
iuchen , ehe fie mir Vorstellnng der Pfiicht
ubcrgchen. Dxefc nvird tuch dcsto weoiger
bcy einer Stche gebraiicht, je ttirker und je
allgeiDeiDer man eine Neigung dasu alt herr-
lchend denkt. ic geringcr hingegen diefe zti
&ya pflcgt y detto dringeiider wird jenCy und
wo fich nicht leicht ein naturlicher Kang den*
ken lafst, da itt das eigentliche Element der
Pflicht. Hochst rdten wird ihrer daher Er-
wShnung gethan » «enn ci auf eigne Giiick*
leligkett ankonmt, im ofiertten hingegeny
wenn das Wohl anderer befordert werden
ibll* Sogar bey dem lctzten Falle wird man
ciaen grofiea Unterfchied in dem mehr oder
weniger nach den Verhiltntfien 6nden , in
welchen die Menrchen iinter einander stehen.
Uibcrail, wo anh3ngliche Liebe unter ilmen
Statt findet» denkt man wenig an Pflicht. So
ist cs bey dcn gcwohnlichcnBemiihimgcn def
EJtern fiir das Wohl ihrer Kiader i (o bcy
allen Gefillligkeiten» bey allea Aufopfenui-»
gen, ttt denen Perfbnen bereit find, welche
Gefchlechtsliebe vcrbindct. So wurde ct
auch bey dcr SorgfiJt ieyn, welche Gatteii»
Bnlder und Schwettem und Preunde gegen-
fcitig fiir ihr Gliick trageu , wcnn die Erfaik
ning nicht gelehrC hatte» dais wcder Ehd
noch VerwandMchait» noch Freundlichafty ge«
genfeitigc Aufopferungen verbiirgcn. Perfo-
nen, die wir vorziiglich lieben, machen
gleichrain einen Theil von iint felbst aus.
Was wir ftir fie thtin, (cheint fur una ielbsC
gethan zu feyn. lal ware esmoglich, dafs
wir alle Clieder dcs menlchlichenGerchlechti
mlt folcher Liebe umfafsten, wie fie bey
Freunden, Gatten, Eltcrn und Kindern ge-
dacht wird: fo wiirde mau vielleicht deu
Handliingen, die das a]]gemeine Wohl be-
treffen, eben Co lelten Pfliehe tiir Triebfeder
geben , als in den angefuhrten Fillen. Weil
aber eigentliche Neigung gegen jeden ein*
zelnen» unstinbekanntenMenfchen, nichtStatt
findet, werdcn wir vou dcr Pflicht aufge-
fordert» fcin Wohi zu befordern, oder fein
Recht anzuerkennen. Und doch isc felbst
hicr noch Riickfiaht auf die Verfchiedenheit
der Wirkung zu nehnicn» welche von unfern
Handlungen hervorgebracht wird« Mit
Recht ntmnitman an, da(sder Gedanke an
giof^es Elend dcn mcistcu Meafchcnj wo
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nielit alleiiy ein UQangenehmef Gefiihl
cke, tiiid, dafs (ie, umdiefes zii entferncn, fich
nunebe Aiifopfening ge£dlen laiXen. Wenn
ficfa alib einMenich in grofierNoth heBndet,
und voir von ihm felbst, odcr von andern
au%efordert «crden» derielben abtuhelfen:
Ib hegnugt snan fich gemelntglich dat Elend
derfelben in dcr traurigsten Gestalt zii zcigen,
unier Mitleiden zu erwecken, tind tins atif
dieie Art durch eine» den meisten Menfcheo
iiatttrlicheNeigiing, tur WohlthStigkeit m
bestimmen. Man nimmt ferner an , dafs der
Gedanke an aUgemeine GliickieligkeV tun
Vergnugen mache, Kommtesdaher Anfei-
nen Bcytrag ziir Griindiing oder zu Erhal-
tung eincr uffentiicben Anstalt an: fo rciiii*
dert derjetiige, «elcher dam beiiegen «111,
gemeiniglieh die herrliehen Folgen, welche
fie ztim Wohl dcr Menfchheit haben wird,
oder ichon gehabt liat. In beyden Falicn
wird alfo das fympathetifche Gefuhl xuertl
rcge gcmacht, iind oft dann erst, wcnn dai^
ielbe nicht die gchofte Wirkung hervorge*
bracht hat, von der Pf lieht» untai Nebcn*
— lOg —
tnenfchcn lu helfen, gefprochcn. Man nehme
«bcr enciUcb an, es habe fich cia Maim %m
Verrichttiiigen anheilchig gemacht, die we«
der feiiiteNeigrung angemcfren, noch in GchN
barcr Vcrbindiing mit dcm Wohle der
Menfcliheit stehen; fie betreffen nur dieVer-
waltung und Vermehrung von Reichthtimem»
die im Kasteu verfchlofsen gehaiten werden ;
die Geicliafte (eyn femer von der Art, dait
die VernachlSfiigung deHelben nicht ent-
deckt wcrdcn kann, und wcdcr dcn Vcr-
lust des Amts , noch die dahcr entstehenden
Vortheile beiiirchten ialTe: io wird doch die-
fer Mann, fo lange er in (einer Stelle bleibt,
durchaus als vcrbundcn gedachtg die fich
danutf besiehenden Geich3fte tren lu verwal*
ten. Et ist Pflicht, heilat ei da, fein Wort
zu halten, fo lange es ihm gehalten wird,
und dicArbeiten zu verricbten» furdie er be-
nhlt wird. Hieiiuf besiehen fich bey 6fient«
lichen Aemtem die Verpflichfiingen , wclche
ein aufFallcndes Beyipiel an dic Hand gcbcn
Ton dem groiicn Unterfchiede swilchen Nei-
gimg nnd Pflicht. Wenn jemand in Eyd und
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fflidit genonnea wurd, fo tfenat buh alle«
nial 4as, wat er cu thiniy von dein, was er
£u hoffcn hat. Nur jenes macbt map ihra
sur Pflkbt» diefet bingegen bettinmt nan»
unter der Vorantietfung, clalt er fie erfiille^
£ur Belohnung. Kchrte man die Sache um
lind verpflicbtete nan jenanden nicbt darauf,
daft er leln Ant ordentlieh verwalte, foa-
dern, dafs erdic damic verbundene Beroldiing
ordentlicb siebe : fo wurde ein roicbet Ver»
&bren b5ehtt llcberlich lcheinen*
£t itt nerkwurdig» dafi tn den iettigeii
Zeiten» mo nan alle Bettinnungtgriinde xu
Handhingen in dem Bestrcben nach Gltickie*
liglLcit rucbt, dat Wort: Pflicht, immer felt-
ner gehort wird, gleicbian» ab ob nan fieh
vor dcm Worte furchfe. Wiirde dicfe
Furcht wohl Statt finden kcinncn, wcua Ct
nicbt einen Begrif entbidte» der nit jenen
Streben durdiaut niebt alt Eint angeieben
werden kann. Noch bestitnmter wird dicfer
Unterfcbied von nancben Peribnen dadurch
angezeigt» daft fie gerad^u behaupten» c»
110 —
gebe gar keine PflichkeD. Diefe wollen docli
gCTvifs damit nicht (agen , der Meufch fuchp
feiac Neigungcn nicht zu befriedigen, ibo*
dern durch Jene Behaopfiing eben die(e lum
lidditten Gelette macfaen.
Mit 4er Vorttelhtng von Pilicht, wird
cine Art Zwang verbunden, dcr unfere Nci-
gungen einTchrankcn foll» und dcr daher nie
angenehme Empfindung erwcckt, fo lange er
noch nicht zur Handliing beftimmthaty fon-
dern erst noch bestimmen foll. Nur in den
dringendsten Fallen wird dalier dieis icharfe
Mittel von Peribnen gehraucht , die alle ihre
Vorstellungen noch mit einer gewiflen Scho<
nung verbindcn. le hdher in dcn Vcrhilt*
nifien des Inirgerlicfaen Lebent eine Perlbn
steht, dcsto weniger wird der Mann von
Kluglicit fic an ihre Pflicht erinaern. Die
Vorhaltung derielben wird (ellen gut au%e-
aommen. Schon unter unferf Gleichen
Min kdnnte ftgen, die Menichen enpAndcn
<t deswcgcn ^elt lich an Ihre Pfikht crin^
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ist Vorficht dabey nothig, im^ nan kann
xlemlich gewifs fagcn, dafs ohne diefelbe man
gemeiniglich feinen fintzwecky ipvenigttens
far den Augenblick, veriehlen werde* Obere
kingegcii, welche gegeu ihrc Untcrgebenen
jene Schonung fiir unnothig hilten, verwei»
len diele am ofitersten an ihre Pfliehe. Gans
aiiders ist cs, wenn cine Pflicht fchon crfiillt
iit oder erfiiillt zu fcyn fcheint, odcr wena
inan vorauifettt» dat Bettfeben dieielbe xu
erluJlen, leite alle Handlnngen einer Perfon.
Da kann die Erinnerung daran fogar aur
Schmeicheley werden. Zu einem Ftlrsten fa-
gcn^ es &y ieine Pfliche, einea gewilTen Aui*
nern zu IdTcn, weil vorausgtTetat werde,
dafs jcdcr feine Pflicht kenncn mune, und
folglich die Ermnerung daran cinc Bcleidi-
gung fcy. Sehr richtig ; aber tiberdiefs liegt
in der AufTordjrung zur Erfiillun^ dcrfcl-
ben ein Zwang, der einc ganz: anderc Ein-
pfindung erregt, als dcr Verdrufs isr, wel-
cher iiber die anfchcinendc Geringfchatzung
«hres Versttndet cnatchc Die blofsc Vor-
baltung dcr Folgcn ctncr ibndlung fur ihre
Glflckfeligkcit, dicfclbcn mdgcn noch fo
oSbnbtr fcyn, wifd nic fi> flbel genommcn
itft 4k Sftnnening tn Pflichi;
ta. iia
i^nicb nicht lu Aun, odflr eine Anordiiuiig
suruck 301 Dehineny erfbrdm einen lelciien
Muth. Ihn aber bey fehlgefchlagcnen Uucer-
nebmungen danat crosten, cr habe feine
Pflicbt gethan» oder ibm gar fagen, er kenne
kein hoheres Gefctz als diefe, und imter-
werfe ihr allc feinc Ncigungeny dicis viiid
der verfchlagemte und eigennutsigsteHofling
fich nlcht mir erlaubeny fonclcm fogar als
Aeufseningen anfehen, die gefchickt find«
ihm ieines Fiirsten Gunst %a crbalten. *)
Bey den Ncigungen ist die Sache gerade
umgekehrt So lange fie noeh befinedigt
«erdeu konnen» lchineichelt man denfelbeii»
«3 Die h<!chtte Schmeicheley bt es, wenn gefagt
wird, er thue mehr als feinc Pflicht. Auch
diefs beweifst, dafs man bey Pflicht nichc
in GKickfcligkeit denkt. Dcnn fagen, je-
tnand thuc mchr als zu fciner Gliickfclig-
keif crfordcrt wcrdc, hat cntweder gar kci-
nen Sinn, oder es heifst: er fcy fehr begehr-
lich und verlnnge mehr als er vetlangea
(bUte. Welchc Schmeichdey !
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macht aiif das aufmerkfam, was, mtii fie zu
befrieclifeiiy gechaa oder imteriaiXen werdeii
mu&f und kaim %. B. geradetu einer Peribn,
(lienachEhreitrebt, fagen: esverde ihrdSefe
o^er jene Unternehmuog Anfchn verfchatfen.
Ittal»er dieHoffmmg vcreiteJt wordcn, (o
ist et Sehonungy alle Erionerung daran zu
entfernen. Wer hat wohl jc cincm Fiirsten,
der misvergnugt tiber vereitclte Hoffniiog
war» damit beruhigea «ollen» daft er doch
z. B. feine Ruhmbegierde tu befrledigen ge-
fucht habe? Oder, wer hat es wohJ je ei-
Bcm Mcnichen sum Verdienstc gemacht, dais
cr allcn femcn Ncigangen Gcntigc tu thua
strcbe? Selbst dann, wenn das, iii nianchcr
RuckTicht fo gutCy fympathetifche Gefiihl gc-
wccht wordcn tst, um in cincr Handhmg tu
bestimmcn, wird man dcn Mann» der fclne
Ablichten fchlfchbgcn ficht, nicht darait auf-
richtcn wottcn» da(i» man ihm fage; er habc
das Scinige gcthan «~ um 6ch von einem
pcinlichen Gefuhlc tu befrcyen«
H
^ 114 —
Nach^eitt xtir ntiti geiehen haben, dati
nach dcni eenicincn Urthcilc dcr Mcnfchcn,
ujitcr Pflicht nichts augcnehmes gedacbt
mrd^ clals fie vielmehr einen innern Zwang
aiiflcgt, ttnd oft» allen Ncigungen niwider,
dcn Wilicu dcs Meiirchcn bestiinincn roll: fo
liegt hierinnen zii gieicherZeit» daisnian fich
bey dcriclben allemal ejn Gehot otoVerbor,
mit eincm Worte : cin Gcfctz dcnkt, das Ge-
horfam von uns vcrlangt. So oft wir von
Fflicht reden, fi> liegt ttets der Gedankc sum
Grunde» dafi man ccwas thun oder unterlar>
fcn foll. DicRedensartcn: Es ist Pflicht fcin
Wort zu haUen» die Wahrheit au iagen> «e-
der das Lebcn noch das Eigenthum feincr Ne-
benmenlchen zu verletzen, fincl mit dencn:
dcr Mcnfch foll feiu Wori hahen u. f. w.
nach dem Gefiiiilc einet ieden gans gleich
bedciitcnd.
Dieiii SoUen driickt» nach dem gemeincn
Urtheilc der Menichen, etne cignc Nothwen*
digKpit aus, die nian dic inoralifchc ncnnt,
und ihrc cignen Gefetze hat, wcldic fich voa
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dcn Naturgefetzcu haiiptrachlich dadtirch un-
terfcheideo» dais fie uicht eiue unausbleibU*
ehe Wirkung hervorbringeu , rondem einem
Willeo gebieteuy auf denen Bestimmung es
«akommt, ob ihnen gehorcht werdc oder
aieht. Hierbey wird aber nieht getweifelt»
dafs der Wille in Uibcreinstimmung mit dcn
Gcfetzen feyn yrurdc» wcnn uicht SinnJich-
keit und aUeit wai fich auf unfere NeigUDgen
betieht , die Befolgimg derfetben fo (ehwer
machtc, Man denke einc Pflicht, welche
man woUe, wird fie nicht erfuilty fo Jiegt
die Urfache davon immer in dem Widentre*
ben des Menfchen, die Befriedigimg irgcnd
einei Bediirfnt&es aufzugeben» welchcf ent-
weder tn (einer Natur, als Menfchen» oder
fciner befondern EmpBndungsart gcgriindet
jst* Kcin Menfch wiirde durch Schwelgercy
leine Gefundheit untergraben nnd fein Leben
abkurseny wenner fich denKitzel (einerSinne
nicht zum Bcdurfnifse gemacht iutte, Nie-
mand wiirde fich |e entbrechen andem lu
hellen, wenn er nicht irgend etwas von fei*
ncr Ruhe , von feincr Zcit , voa ieiaem Vcr*
— ii6 —
iiiugen aufopfcrii miifste, defTcu Eiubchrung
ihin ttiiangeiiebnie Empfindung machtl
A]s Qiiclle jcncr Gcfctie , die wir in dcn
Pflichten denkcn, und dcucn der Wilie ge-
horchen CoM , tvird allgeniein das Vermogen
ange(ehcn, das uns iibcrhaupt fahig macbt»
mir eine Idee von Gefeczen xiufaaben die
Vernunft. Wer den Gehrauch von diefer
nicht hat, gaiiz junge Kindcr, Bldd- und
Wahnfinnige werden frey von allcn Pflich»
ten geiprochen. Von thnen «rwartet man
nicht Eittficht in die Gefetie der Sittlichkeir,
und noch wcniger Bcstrcbcn dcnrcibcii gemais
zu handchi. Dagegen nimmt man als aiisge»
macht an» daft jeder, der (einer Vemimft
niachtig ist, bcy rciucn ilaudhingcn gewifse
Mfln kann alfo dahcr, dafs die Gefcrze nicht
bcobachtet w«rd«n , kcine Einwendung gc-
gen das Dafeyn derfelbcn nehmen. Denn
mao denkt fie eben von der An, dafs (It
nicht mit den Neigungeo, dic Vergniigen
vcrfprcchen, aiifammcnstiminen » imdniclit
nothwendig be&lgt werden.
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Regeln befolgen foll, die Gefetze heiften,
weil fie als ailgemeiu und nothwendig ge*
dbcfac werdeo. AUgemeinheit iitid Nothwen-
digkett Itnd cwey wefaitliche Eigenfchafren
eines Gefetzes, das nicht von dcr Wiilkiihr
dct Menichen herkonmiC. So deuken wir die
Geletie derNatur, fo die Geietfe luilert Ver-
standes, (o stcllt uns auch der Begrif dcr
Pflicht die Gefetse dar» aiif welche er hin-
weift» und Ib muflen fie (eyii, wenn fie in
der Vemunft wirklich Hcgen.
Diele Geletfe» nach denen lederMcnlch
handeln foll, laffen fich nun aiif iweycrley
WciCe bcstimnicii. Entwcder gcbietet die
VerniHift «n und iiir fich» und verlangt Ge-
horlam ohne weitere Ritckficht auf dat , wat
die Handlungcn fur Folgen hervorbringen
werden» oder fie verlangt niir }ene um dieler
willen. Dii letitere findec nach den Begrif-
fcn, \felche die Menfchen von dem gutcn
Charaktcr und der fich darauf beziehenden
Pllicht haben, gar nicht Statt» Denn der
gute Charaktcr bchalt fexnen volien Werth,
tvetm der Menfcli» dem er sugeicluriebeii
VJird, aiich nicht das allergeringste von dem
wirklich macht, was uach feincm Willcu
«irkltch werden wiirde, im Falle er dat phy«
fifche Vermogen dani hStte. Der giite Cha«
raktcr ist ferner das imbediiigt Gutc, wclchcs
den hdchstea Wcrth hat; und alles, womach
die Menichen itreben» ibll ihm un(ergeord«
net werden. Er foU dcr hochstc Zwcck fcyn
und folglich allc mdgUchen Zwcckc leitcn«
Diefi lconnte aher gar nicht gedacht werden»
wenn es bey der Bestimmung su einer Hand-
lung ziierst aiif die Wirkung derfclben an-
kam^. Denn dann ware die Giiickfeligkeic
daf Hochste» nach welchem fich der gutc
Charakter richten miifste. Endlich ist eben
dasy was dic wefcntUciiste Eigenfciiaft deiTcl-
btn ausmacht» die Gerechtigkeit, ven d6r
Art, dafs Hc nicht immer dic mciste Gliick'*
feligkeit hervoibringt, ibndern im Gegen-
theile oh Taufende im Eiende ia^t, dcncn
dureih eine eineige Verletcung der(e]ben ge«
holfen wcrdcn konnte. W4r follcn noch gc-
iccht icyn» wcwi «uch mclit nur unfetc ci-
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gene Gluckfeligkeif» fouderu felbst die von
Taurciiden «laninter leidet» welcbe wir der-
felben fur weic wiirdiger halten , als den ein-
zigcn , der durch Beraubung nur cinea Thcil
der Reicbtlmnier verliert, dic er ungcnutzt
verfcbliefit Hierauf wciiet uns auch
*) WoUtemin einwenden, es gehe hier elneTSu-
fehung vor, die Gcreehttgkeit bewirke doch
im Ganzen die meiste Gluvkfcligkeit,
fo kann dicfs zwar ah wahr zugcgeben wcr-
den, Allein es frai^tfich nun iminer wiedcr,
warum da, wo diefs nicht dcr Fall ist, keinc
Ausnahmc gemacht wcrdcndarf? I$t dic Gc-
rcchtigkcit nur um dcr allgcmeinen Gluckfe-
ligkcic willcn nothwendig, fo mufs jene auf-
gehoben werden, wenn diefe nicht daout bc.
ftehen kann. In einzdnen Fillen kann man
frcylich immcr noch fagen, dafs felbsc das
Blcnd von Taufcndcn gegen den Wohlscand
von Millionen fur nicbis zu rechnen ist,
Wenn ficb nun aber die Sschc umgekchrt
vcrhalt, wcnn Millionen leiden, wcil Tau«
fcnde zu viel geniefseo, fo ir3re cs Gercch-
tigkeic dic Icrztcrn zu berauben, um dic
erstcrn in Wohlsniul zu verrercen. So
fchlolfcn , fo handcltcn dic Franrofcn und
fo ttiufstcn noch manchc Vcilkcr handcln,
wenn Gcrcchrigkeit nur um dcr daraus
fiiefsenden allgemeiocn Glucltfcli^k<:it wil-
d«r Begrif der Pfliebt. Sie tritt cben dt
haiipt(achlich cin, wo wir kciiie Neigung zii
Ilandlujigen oder su UnterJalTtingen haben.
Sie gebieiet da, wowederSelbftliebe ( im en*
gcrn Sinne) noch Sympathie iinfer Verfahrcn
tu bestimmen, als hiareichend gedacht wird.
Ist allb Sittltcbkeit in der Natur det
Menlchen gegrnndet» fo nnllen die Ge>
fctze, welche ihr &um Grunde Jiegen, nicht
▼on dem Streben» angenebme Enpfindun*
gen in ficb oder in andern xu erweeken,
fondcrn bJofs von der Vcrnuuft hcrgcnom-
len bcdbtcbtct wtrdto mfifttt. Htcnn
immi^ dt& jtder tintdnt Menlch, dcr da-
durch, dalt Gtcccbtigktit du tngmcint
Wohl bcfikdm, gerade dct feinigc zentfirt
ficht» gcr nicht wiifste, warum er Regeln
tncrkemKn foUtt» die f e i n Wohl dem allge*
meinen aufopfem. Wer bcy dem Umsmn
aller Dingc noch etwas zu verlieixn hat,
der wird denfclben freylich nicht wollen,
wer aber nichts verlicrcn, fondern nur gc-
winncn kann, dcm mufs er nicht nur will-
kommcn feyn, fondern auch gcrccht fchei-
nen, wenn Gerechtigkeit kcinen andem
Grund als die m6glichgr6lste Gluckfeli^keic
hat.
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neii «erden, und cUefe Gelette mufleii
hinreichcnd feyn den Willen des Meir*
fchen zu bestimnieiu Aut Pflicht han-
deln» lieilft daher nidittanden, alt nach
etnem Gefetce Jer Vernunft han-
deln, iind zwar, weil die Vorstellung der
Pflicht allein unlereHaiidlungbeitimmen foU,
blofi um 4ei Gefeciei willen.*)
Wenn dnielneHanillungett ala moralilch^
oothwenclig dargeitellt werden Ibllen, Ib
vverdcn Qe gemeiniglich nur auf die nachstea
Regeln zuruckgefiihrt» auf die fie fich grun-
^ Wm dcn gAstigen Genuls betrifr, der da-
her enrstchen foll, dafs man feine Pflicht
erfiinc, fo wird derfelbe an einem andem
Orre betrachtct werden. Hier war es ge-
nug zu zeigen, da(s nach den gemeinen Be*
griffen von Pflicht davon nichts cnthalten
ist, und dafs, nach denfelbcn, aus Pflichc
handeln g»nz etw&s andcrs ist, als um der
angenehmen Empfindung willen htndeln.
£s darf auch tuf die tetztcrcL um fo wcniger
Hfickficht getiommen werden» da fie Bin*
wtn^ttngcn flusgeCetzt is(, die lich niiht
leicht ddcftcn hebm Ufleo.
— laa
den. Es hcifst %, B. man muls eiuem jeden
das Scintgc Jaflcn, man mu(s die Wahrheit
rcdcii, wnJcrn hclfen, fiir eigiies Gliick (br-
gen» feine Krafte uud Fahigkciten iibcn uni
vervollkomDmen ii. f. w. Solche cinielne
Regehi, die allerdings aiis der Vernunft fltef-
fcn, nuifleri fich auf Eine Hauptrcgcl zu-
ruckfiihren laiTen» wenn das» was wir PflichC
nenneny Bedeutnng bekommen (bll. Denn
fonst lafst fich nicht vvuhl Jciikoi , dafs nur
in eiucni Menfcheny gcfchweige in alJcn»
cine und cben diefeibe Handlungswcife Statt
finden konne, dle doch nach der Voraits*
fctzung Statt findcn foJJ. Wareu dic einicJtien
Regehi nicht eincr etnsigen untergeordnet,
fo milisten fie von gletcher Wichtigkeit feyn,
fie kunuten dann einander widcrstreiten, und
fo cfifwcdcr den Willcn unbcstimmt hffen,
oder doch nie als cntfcheidend fitr Recht tmd
Unrecht ange(ehcnwerden. Da librigens un-
ferc Ncigungen, felbst in dcr Vcrnunft, Schein-
griinde zu ihrer Rechtfcrtigung fuchen: fo
istes von grofser Wichtigkeit, eineHaupt-
(cgcl fcstzufctzen y aus wclchcr aJIc bcfon-
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<lm hergeleitef wtrdm, Diefe ift leicht ni
fioden, vjenn man annimm^ dafs die Vernunft
shieni Weien aach» nicht otir in (6 fern fio
fich «uf Erkenntnilty Ibndem auchaiif Hand*
lung bezieht, in ailen Menfchcn gleich fey*
Dieie Vorautieczung itt» naeh dem wat von
der Uibereinstinunung tn ihren Urtheilea
iiber Handhmgcn, die He nicht felbst gethati
haben, oder thun wolieo» ge(agt worden ist»
^er ErCihrung voiifcomttien gemSls» Ware
ihr aber auch dieielbe niwi^er: fo konnte fie
uur dann als ungegnlndet verworfcn werdcn,
wenn in den Menfchen uberhaiipt liein foi-
chet Vermogen tiigegeben wiirde» welches
Vcrnunft hcifst, odcr dicfelbe nichcs mit nn-
fem Haiidliingen lu tbun hatte. Gcrcttt stlCo,
fie leite allein die Menlclien: Ib itt nicht zu
2wcifcln, dafs ihr Wille in gleichen Fliljcn
glcich* und dafs, wcnn fic vicle glcichc Fillo
unter Regeln tuiammen£iireny aueh in'die(eii
vollkommene Uibereinttifflmtmg anxiitrefrea
fcyn werdc. Einc Regel unfcrs Vcrhaltcnt
itt folglich dcr Vcmunft gemalii» wenn man
denken kann, daft fie die allgemeiae Zuttim^
fming alier Menichcn hihen wurde, (o lange
ihr Vorthcil nichc im Spiele ware. Kaim
mnn <iieie Ztuiinitnung nicht erwarten» oder
ksinn man nieht einmal wollen , clals die Re*
gcl, dic maii (ich fclbst fiir fciuc HaudUmgeii
inaehty allgemein angenommen werde; fi»
«ideripricht fie der Venitmft. Wire dai
GcgciUhci! muglich, fo miifstc tnan annch-
ineii, ein veruiiuftiges Wefcn iLonne woUen»
daft einc verinmfrige Regel nieht die Richt*
lchntir andercr vcrnilnftigcr Wefcii wcrdc,
odcr> dafs ein tnivcrniinftigcr Willc vcrniinf<-
tigen Regeln folge. Hieraut laCit fich ein-
iehen, wie uniereHandliingen befchaffen fcyit
niiincn, wcnn (ic fiir vcrniinftig gehaltcn
vrerden folleu. Grunden fie fich auf eine
Regel» die Ctt^ derjenigCy weleher nach der-
fclbcn handclt, nicht allgcmein bcfolgt wiiTcn
vriii : fo find fie der VcrniinfCy und folgJich
der Pfiicht tiiwiders grunden fie fich auf eiiie
Regel, deren Befblgung er jcdcrmann gestat-
tet: fo (ind iie erlaubt, odcr nicht pflicht-
widrig. Da nun die Vemunft ein durchaus
gleiches Verhalten hervorbringen wurdc.
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wciiii unCcr Streben nach angenebnien Enip6a«
dimgeiiy daiTeibe nicbt binderte: fo gebt tbr
Haupf geletx anf EinfehrlnkMng aller tuifeier
Ncigungen, und wird, weil wir derfclben
widerstrebeiii lum Ccbote, das fo latitet :
Handle nie nach Regeln die» oach
deinem WiMefi niche allgeinein» d.
b. nicht Gefctxe werden kunnciiy
oder, handie nnr nach rolchenMazj.
nen, won deeen du woll«n kannt^
dais fie Geredo werdcn.
Dieret Grundgefetx dler Sittlichkeit
folgt auch unmittelbar aus der Vorausfetiung»
dais Pflicht eine allgemeingultige Handliuigt-
weile vorfehreibe» Denn darinn liegt fehon,
dafs die Regehi, welchc die M(^nfchenbey ihren
Handhmgeu befgjgen, und nicbt verwerflich
leynfoUen, allgeneitt gemacht^ oder, nit
einem Worte, Gefette werden kcinnen. Ebcn
deswcgen hat jederMenfcb» dcr gut feyufvill»
jenen Grundiatx vor Augen, wenn er tiher-
legt» wat er lu thnn imd nt Infkn hat, um
feiue Pflicbt xu erfiiJicu. Dadurcb wci(t er
126
in dcn meisten Fallcn beftirarat anziigeben,
wie reine Uandlungen befchaifen Teyn muiTen^
um mit der Sittlichkeit iibeiein xii stimmeiu
Er fetzt fich in dicfer Riickficht an die Stelle
desjenigen, auf dcn fcinc Haudlungcn Ein-
fluls liaben» uimmt dann feinen eignen Wilieii
sur Rlchtfchntir deflen» nvas fener «ollen
odcr nicht wollcn kann, und halt fich fiir
verbiinden» <iaf nicht zu thun» wovon er cin-
lieht, dafi er felbst es ntcht woUen wiirde,
wenn er an des andcrn StcHe ^i^2re. Bcy dieler
Uiberiegung unterfchcidet dcr Mcnfch gcnau
das, was in dem Wiilen aller Meiiicheiiy alt
linnlich vernilnftiger Wefcn, licgt, von dem,
vvas fich nur zufallig darinn bcfindct. Sich
fein Eigenthum nicht nehmciiy feiniAben luid
leine Gelundheit nicht in Gefahr bringen lai^
fcn, wird cin jcdcr wollcn. Wcnn abcr dcr,
velcbcr uber dcn Wiiicn anderer nach feiiiem
eigneti urtheilt, felbit gendgt ware, eiuem
andem das Seinige tu raiiben: Co denkt er
nicht, dafs diefcr fcin Wille auch dcr Willc
aller andern Menfchen fey. Cben ib wenig
denkt dcrjenige, iwelcher beteit tst, grofse
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Aufopfieruitgcii fich lum BetCen andefet ge-
fallen cu laiTen, dafs diefe Bfteitwilligkeit in
ebcn dem Crade, aiich bey allen andern Statt
finden mfifle* Im Gegentbeil findet er wte*
der in fich felbst die Nothwendigkeit,
das Maafs der Hiilfe, wclches irgend cinera
Bedrangten gdeistet werden foU, von der
Einficfat und den Umitinden einet jeden» der
^efelbeleiatenkann, abhingen tu laffen; ob
er glcich denjenigen verachtet, und kaum fiir
einen Menfchen halt» der unter keinen Um*
ftSnden geneigt wSre, andem zu hellen.
Denn dicfs ist ihm wieder unmoglich zu den-
ken» daft eben diefer ganx ielbstfiichtige
Menlch nicht gleichfalls Htilfe wol!en, ja fo>
gar gewifsermafsen fordern wtlrde, wenn er
an der Stelle des Hiilfsbedurftigcn und dicfcr
«n feiner Stelie ware, Der Widerfpnich aber»
der fich fo in einem und ebendemielben Wil-
len beHndcty laCst iich mit der Vernuuftj wel-
che immer in uni wirkt, wenn wir uns der«
lelben Mieh nicht deutHch bewiifit find, auf
kcine Weife vereinigcn. So wird alfo da$,
was uk dem Willen aller Menichen licgt» aum
~ lag —
MaafsstMbe deiTen genommcny was etn jcder
thun foil» wenn er der Vernunft foigen wiii«
Mtt andem Worten heifit diefi; ledermann
halc (Ich fiir verbundcn nichts zti thim, was
dem «ligemeinen Wiiien aiier Menfchen «i*
wider tst, oder, wenn es nieht auf eimeliie
Handhmgen, fondern aiif Gnmdratze aii-
kommt, dic fich auf mchrere zufammen be-
itehen, keine Rcgei fur (eitten Willen festzu-
fetzen, die mtt dem allgemeinen WtUen, und
mit feinem eigaen, in Wideripruche steht.^)
Man denke nicht dafs jencSSrze: Thue nlcht,
was du nichc wiilst dais dii andre thun, und :
thue, was du willsc, dafs dir andre thun ;
voltkMHiaen gltich niit dcm «i%csiclltea
Gcfene der Siidiehkcit find. Sie iidnhcn
wir ils cin Thcil ddrdbcn angcfchcn wcr*
dcn nnd lcidcn obca drcin noeh Ausnchme.
Dcnn cfidich find in dcnfdben nieht die
Pfiichtcn entfaalicn» wdche wir in Rfickfichf
•ttf uns fdbit au bcobachten habcn und
awcytCOS k6nnte der Verbrecher fie ds
Grunde gegeo den Richrer, dcr ihn strafen
wlH, gebrauchen. Diefs letztere findet aber
bey dcm Gefetze der Sittlichkeit nicht Snitr.
Es ist init dem flllgemcinen Willcn nicVir nur
vercinbtr, dafs der Ycrbrecher gt^nafc
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— 1^9 ~
VnA 6it& itl voUkoinmeii ubereijittitniiiend
init jeneiii Grundgefetie der Sittlicbkeit.
Eimelne Beyipiele iverden am betcen lei-
geii, wie raan aus demfelben iromcr finden
kiinne, was gut und bofe , pfliditwidxig und
pfliditmiriig iey.
Wenn jemand iicli dat VertrAuen einct
andem in dem Grade erworben liifCe, daft
diefer ihro, ohneclie geringste iiiirsereSicher-
hcit, einen TheiJ fcines Vermdgent iinter der
Bedingung ubergilie, dafi er et dcnielben
elnem dritten einbindigci und er mm die
Fragc aufwiirfe , ob er wohl verbunden fey,
dieie Bedingung xu erfuiicn, da lieinMenrch
von dielcm Depofitum etivat wifle und auch
der, welcher es ihm anvertraut habe, gcseor-
beti fcy: fo wiirde ihra jenesGcfctz, wenn er
feincFragedamach unterfiichte, rogieicih einc
werde, fondern es Itegt in dem Gefetze fo.
gar dte Tdcc der Strafwurdigkttc aUer Vcr*
ietzung derPfUcht.
I
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bcstiinnitc Autwort gebcii. Entfchlofsc tr
fichy das anvertraiiteGut nieht einzufaaudigen»
fo ivtirclc die Rcgcl, nach <ler er verfuhre, fo
hcifscu: Eiii finvcrtraiitcs Giit ist nur danii
sunick su gebcn, vrcnn inan entwcJcr vou
«uflctt gczwungett) oder durch die Vorent-
haltung tn Iblche Unannehmlichkeiten ver-
wickclt wcrdcn kann, daCs fic das Vcrgnti-
gen, welchcsaus dcm Befitzc derzuriickge»
haltcnen Sachc flicfst, uberwiegeii. Kann
niui dicfe Rc^^el iiach fcincniWillcn zinn all-
g c in c i n c u Gcfctze werdeu I Lafst fich nur
ubcrhaupt dcnkcn, da(s fic zu einem Ge-
fctze tnuge? Dic Antwort anf dic crstc Fra-
ge ht fchon vcrncincnd. WJrc fie cs abcr
auch nicht, fo wiirdc dic Eiufcheidung dcr
zweyten hinreichend fcyn. lene Kcgel, als
(icfctz allgciucia angciionnncn, wiirdc zur
unmittelbarcn Folge habcuy da(s man auf die
angcfiihrte Weife nic etwas anvcrtraue. Die
blof^c iJcc cincs fo anvcrtrauten Giits sliinJe
niir eincni foicbcn Gcictzc iin ollcubarcn VYi-
dcripruchc.
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Die xweyte Anwendiing des Sittengeleteet
bctreffc dicFragc, ob es crlaubt fey zu Itigen.
Uuter gcwifleii Vorausretzuiigeii wird von
manchem Menfchen eine bejaheude Antwort
gcgcben, und (elbst inBtichemy welche die
Sirtenlehrc vortragcu, v;ird die rogenaunte
NothJuge in Schuts genommen. Priift man
aber die RechtmSfiigkeic derielben nach dem
GrunJgrefctze c1i.t Sitdiclikcit, fo Icuchtct die
Vcrwerfliciii^eit dcr Liige augenblicklich etn»
Ein allgemeines Geiets, dai sum Liigen be>
rechtigtc, wtirde voratitfetien , daft kein
Menfch die Wahrheit wilTen wolle oder er-
fahren kunne. Die bJorse Frage darnach
wiirde im WiderJpniche mit ib einem Ge-
{ctzQ stchcn.
*} Die Noihliige foll fieylich mir als Ausnahme
von dcm Gefene gdccn. Wenn inan nun
bedenkt» dafs diefe Ausndune auf Betrach*
mngen beruhr, dievon den Fol((en ber*
gcnoniinen (ind, welche «us der Wahriieic
JUefsen kfinnnn, dals es aber bey der Sitt-
lichkeit nur auf die Vemunic ankommt*
welche alles u-idcrfprechcnde verdammtt fo
fiebtman woUi dafs es nutiancr Aimuhma
Es iey drittenf die Frage : ist ei erlaubt,
aiivlere in ihren Schwachheiten zu besCir-
cinc mirsliche Siche ht Hierzu komait nwi
noch, dflfs derUmftngdcrfelben keineOren-
Mn'hac, noch derNtnirdcrSadienack haben
kann. Wenn man enc augibe, das Liigen
wareerlaubt tn demFalle, di(k man fetn L«-
ben dfldurch rettenkdnnie, fowiirdedann ei-
ner fagen : Ehre fey noch mehr ab Lcben | ein
iweyter : was ist das Lcben ohne Guter die es
an2;cnehm machen ? Ein dricter wiirde irgend
cinc befondere Neigung iiber allcs fctzcn;
\ind fo wiirc wahrlchcinlich nicht einc Sache
iw iindcn, zu dcren Erlangung odcr Erhal-
tung dic Lugc nicht aJs rcchtmafsig anzu-
lehcn fcyn wiirdc Auch widcrfprcchen fich
dic Mcnfchcn offenbar in ihrcm Urrhetlc
iibcr dic Urfachcn, wclche cine LCige rccht-
tatigcn follcn. Allc, wdche dicfclbc fur
gewifle 1'ftUe als zqlftfsig anfchcn, werdcn
gcwifa im Allge^neinen der Meynung fqyn,
iHds dte Ratning das Lebens'etneii von dcn
wiebtigmn angebe. Wie viele unter diefen
flber nennen nickcdenjenigcn, der cine grofse
Uibdtkat wahrfcheinlicbcr Wdfe begangen
kat, und lie abllugnef, cinen vemockten
Bofewickc? So natdrlich fie es findcn fdl-
ten, difs ein Verbrechcr iich etwas nicht aut
Pflicht mache, was fie fdlist nickt dafilr er-
kennen. Alfo einc neuc Aumaknic von der
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— 133 —
ken» tim eigactt Vorthetl daiaus fu tiehen^
SehwMhbetleii find inmer Fehlcr» lie mdsen
AiiBBihme. Ohnc dierelbe wOrde mtn tt
fiberbeupr einem jeden, der ftiner Thtten
wcgen gcKnft weidcn iba, tnr PlUcht nii-
chcn, diefclben abzullugnen. Denn duich
die Scitfe wird das Verbrechen nicht wicder
gut gemacht. Im Gegcnthcil bcnimmt fic
oft dem MenCcbcn aUe Mittel dazu. Mftn
kdnntc alfo fagen, wenn der Mcnlch vorhcr-
fthc» dafs die Strafc, die auf fein Gestiind-
nifs folgcn wiirdc, ihn der Mittel beraubte,
dic Vcrleuung feincr Pflicht wicdcr gut zu
machen, und wcnn er dcn Vorfatz hatte die-
fe» zu thun, io lcy cs wenigstens dann feinc
Micbt Itt liigen, Neue Ausnalinic von dcr
iwcyten Ausnihme! Die Sache liefse fich
felbsc von diererSeicc noch weicer verfolgen.
Wirwollen «bcr sur erttcn luruckkchren und
fragen, wie wcic wohl cin jcder dcm cndem
daslUchc einrtumen werde ihn tu beiagcn?
Wer flufrichtig isc, winl fich eiogeatebcn
mfifren, dafs er die Anwendung jener £r-
laubnifi auf fich I:aum fiir m^glich hfilff,
Keiner will alfo bclogco fcyn und glcich»
wohl das Rccht haben anderc zu bclngcnf
Diefs Jst abcrmals cin Wideifpruch , dct
mit der Vcrnunft nicht bcsichcn kann,
Es ist vicilcicht nicht uberriufsig noch zii
bemcrlien, wie uoUcher der Eiiolg ciner
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noch fo kletn leyii, und kominen aiis euiem
Nichtgebravich, oder einem Mifsbraiich dcr
Vermmft. Dic Frage ist alfo dicfc : Ist C8
erlaubtt fein Betragen £o einziirichtcn» dafi
die Verminft noch weniafcr gebraucht, odcr
noch mchr gerrnUbraucht wcrdc, als es ohnc
ineinen Einfluis gcfchehen wtircic? Die Ant*
ixrort darauf muts verneincnd ausfillen» ivenn
maii bedcukt, dafs vcriuinfiigc Wcfcn kein
Unwahvheit fey, imd wie gcradc dadurch
ofr ein Uibd hcibcyi^efuhvt wcrde, das man
vcrhindcrn wollre. Sehv wohhhStig fchcint
die lugcnhafte Hoffnunj, wclchc cin Arzt
eincm unhsilbaren Kranken zur Gcnefung
gicbt, Und doch wie hOchstnnchtheilig kana
cinc folche Verfichcrung werdeu ! Der Arzt»
der fie fich erlaubc, mufs bey jedem Kran*
ken, der diefs weifs, in Abficht feincs wah-
rcn Zustandcs aUen Glaubtn verlieren, und
der Beruhigung, die er niit Wahrheit geben
kann, tl!e Kraft benchmen. Wie grofs kann
tber nicht der EinAu& eines folchen Mi&«
trtuens tuf den Zuscand eines Kervenkmif»
kenwerden! Ehrlichkelc ist dic bcsiePoIi-
tik, (tg^ mtn (ast fpruchwortlich. Von der
aoengen Wahrhaftigkeic insbefondcit ktna
nun ebca das fagcn*
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«ngemeinet Ge&ts wollen konncn, ipvelches
dlc Unvernunft befordcrt, unJ dafs ein fol-
chet fogar im Wideripruche mit dcr Idee ei-
nct allgemeinen Gcfetfef sCehe, tndcra dicrcif
aus Vernunft flicfst und auf Vernunft zwcckt.
Wer alTo aJJgemeine Geretzc wili, iagt damit
lchon, diais eg Veniimft wid nieht Unver^
nunft wolle.
Hicrmit steht einc anderc Frage in Ver-
hinduttg. Sie ist dieie; Darf ich felbs^ aus
Fkireht vor Unannehmlichkeiten, ftigeben»
dafs irgend cia Mcnfch mir mein rcchtm .isi-
ges Eigenthum entsiehe? Sctst man hier Uup
gercchtigkeit anstatt der suvor genannten
Schwachheit, fo fieht manwohl, dafs allcs
Vorhergc(agtc ooch wcit driogendcr fiir eine
iremeinende Antwort ist.
Endlich dcoke man (ich einen Mann» der
Vermogen genug befitxt, um angenehm leben
zu konnen , ohnc das geringste zu thun , imd
dcr cinctt sCarkcn Hang hat, blofs dcm Vcr-
Sniigen nachtngehen, der fich aber vor dem
Entichluise, denfi^lbcn alleia su befricdigcn.
iiocli fragt, ob Aie Regel, iie er xu befdgen
wiiiifcht, niit cier Pflicht bestchcn konne.
Die Regelu, die sum allgemeioen GeieCze ge-
macht werden mti (Vten, heifsen Ib : Ein Jeder
ihiie niir fo vicl ais zu fciner cigncn angeneh-
oien Existens binrcichty und er lebc mir fiiir
die Gegenwart, ohne an dte mogliche Zu*
kimft zu denkcn. Solchc Gcfctzc kann er als
finnlichvernunftiges Wefen nicht wollcn*
Bey der Bedtirftigkeit feiner Natur kaou et
der Falle fo nianche gchen , wo er anderer
Miihe und Arbeit hedarf, unJ wo cr fich
felbst durch jene Gefette, alJe Hoffmrag auf
uncigetuiutcigenBeystand abgcfchnitten faStte.
lir mufs fcrncr als bediuftigcs Wefen wollcn,
dais feiue Krafte und Fahigkeiten ii> ibm fo
viel als moglich, entwtckelt werdcn» weil Ce
ihiu doch 7M allciley Zwecken ktinftig dien-
lifh feyn konnen. Er nuifs alfo arbcitcn^
theils fiir aiidere, thetis fiir fich, wenn fein
Wille keineu Widerfpruch enthaltcn foU.
«) Mtn ficht hiertus wie der Gnindrttz dcr
eigoen Vervollkommung aus dcm iu%csi«ll-
Digiti
137
Diefe Beyfpiele kdiinen hiareichend feyji^
die Anwendung dei obersten Sittengefetfet
einleuehtencl tti maehen. Die gcmeine Ver-
nunft denkt Hch freylich dalTclbe nicht fo be-
fltinmt in einer allgemeinen Form» und ler-
gliedert tnch bey cler Anwendung dieBegrifFe
nichtgcn;iu. Allein iie richtct iichdoch stcts
nach demfelben» wenn et tuf Urtheile uber
Recht und Unreeht ankommt. Es findet da.
her auch der Mcnfch von der gewohnlichstcii
Fahigkeit, eben fo gut als irgend cin PhiJo-
foph» was pflichtmiftig und pflichtwidrig fey»
wenn er et nur wi(len wil 1. la! man kann
iagen, dafs der lctzte kaum hofTen darf, cs
eben ib gut su treffen» indem fein Urtheil
durch eine Menge fremdery nicht siur Sache
gehorigcr Bcaachtungcn, welche dic gcraei-
ne Vernuufc bcy Scite lafst, leicht vcriirr»
und vou der geraden Rtehtung abgcbrachc
wtrd. In allen angefiihrteuBeyfpielcn hcifscn
allgemein dicMcufchen, wclche uicht lur.U
ten Sittcngcfeae folgt Er tft rifo fthr walu,
aber nkht der hfichste, ant dcm allc Pflirk*
tco htfgeleiiiec werdcn kunnen.
Digitizc
— 138 —
dem SiNengeletxe haticleln, Betruger, Lugiicr,
Schmcichler, Fcighcrzigc, Mufsiggajigcr und
jeder dieter Tieel ibll Miisfallen au ihrem
Verfiihren ausdrueken. Ntir dse Afcerphilo-
fophic wagt es dicfes Mifsfallen iiicdcrtii-
fchlageii» und Perroueay die es vcrdienen,
vro nieht als achtungswurdig» doch als kluge
Weltleiite, vorzustellen , dcncu man nicbts
vorzuwerfeu habe.
Warc cs alfo nicht bcfTcr, wird man viel»
leicht fagcn, die Philofophie, wenigstens im
Moralifthcn» aufkiigebeny und es bey dem ge-
nicincn Vcrminfhirthcil bcwenden zn laflen?
„Es ist cinc hcrrliche Sachc um dicUnfchuIJ,
antwortet hierauf Kant, nur ist auch wieder-
um fchr (chlimm, dals fie fich nicht wohl be«
xvahrcii lafst iind icicht vcrfiihrt wird. Dcs-
wcgea bedarf fclbst die Weisheit, dic fonst
vrohl nichr im Thtm und Lalfen» als im V/IC
fcn bestcht, doch auch der WifTenfchaft,
iiicht um von ihr zii lcrncn, fondcrn ihrer
Vorfchrift Eingang iind Dauerhafcigkeit zii
verlchaiCBik Der Menfch fiihlt in fich ielbf t
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— 139 —
ein machtiges Gegengetvicht gegen alle Ge«
boce der P6ichC9 die ihm die Verniiiift fo
hochachttingswiirdig darstellt, an fcincn Be-
diirfnirsen und Neigungen» deren ganze Bc-
firiedigiuig er unter dem Namen von Gliick-
leligkeie ztifammen&fst. Niin gebietet dte
Vernunfty ohne doch den Neigtingen etwas
dibey lu verbeir»eii, unnjiehJaftlichy mithin
gleichftm mit Zunlcfcfttf tmg tmd Nichtach-
tiing jeaer (b ungestumen, iind dabcy fo bi!-
lig icbeinenden Anij^ruche, ihre Vorfchrif-
ten. Hieraus entlpringt aber etne nattirliche
Dialektik^ das ist, ein Hang widcr jcne strcsi-
geGefetze derPflicht zu vernunfiteln und ihre
Gtlltigkeit, i«enigsten« ihre Reinigkeit und
Strenge, in Zwrifel «i ziehen, imd He, wo
moglich, unfcru Wiinfchcn und Neigungen
aogemelsner zu macheo» d. L fie im Grunde
xu verderben iind um ihre ganze Wurde ztt
bringca, wclclies dcnn doch dic genicine
praktifche Vernunft oicht gut heifien kann.^)'*
Gnindlcgung zur Metaphyfik der Siitfn,
S, 22,
— 140 —
Da (ic nun dic Verfilfchiing dcr Pflicht
nichc gut heiiieii kami » fo ist fchr begreif-
licby warum feit mehreni tntiend lahren fie
feneigtwar, die Enticheiclutig dcs innernWi*
dcrstreits des Mcnrchcn, in dcr Fhilofophic
Stt fuchen. Die Pbiloropbie aber ist mit
lich ielbst ntcht einig. Einige Lehrer der-
fclben, wic wohi der klcincrc Theil, fAvei.
^ln, daif fich der Streit «wifcben den An*
Ipnlchen der Netgung und der Pflteht^ je ent*
fchcidcn lafle ; anderc gcben gar kcincn Un-
terrch^cd in dcnfclbcn zu, und noch andere
giauben» denfeiben beftinimt angegeben tii
haben, wenn fie eigentltch nur Ncigungcn
ttnterfchcidcn , und die ciuen lur Ptiicht, dic
nndem xur Sinnlichkeit rechnen. Bey die(er
Uneinigkelt in einer Ruckfichty und bey dic«
fcr Uibereinstiinnujng in eincr andcrn, ge-
fchiehc cs, dafs der Mcnfch cntwcdcr iich
«uf das Gcfuhl von Pflicht verlafst» ohnc wci-
ter Hillfe von der Fbilofophie tu erwarten,
odcr chcVernunft vcriaugnct undSinnlichkcit
xtim hdchsten Gefetfc macht, oder das Sys-
tm, welchcs cr xur ErkUrnng dcr Si(t-
•
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lichkeit angenoiiiiiieii hat» in der Aui-
libung oft verlaflen muCs, vitaa er nichc
der Pflicht eaiU^cn will.
Handeln tind Wirfen wird durch den aiif*
ieitellteii GriuuKktx der Sittiichkeit wieder
vereinjgt* Schon dailuieh iat viel fewoa*
nen. Er ist ferner foeinfach, iind doch Co
vielbedeiitend. Der gemeinate Verstand kana
ihn faflen, und dat ginse Thua uad Lafleii
derMeniehen kanndamach gerichfet werden.
Jhn trefFen endlicb aiich viele von den Zwet-
feJn, die gegen alie vorhergeiehrte Sytteme
init Reeht erlioben wurden» gar nicht; iind
die tibrigcii kuiuicn zur Befriedigung eioes
jcden geldst werden» der di^Grenien det
menichlidien Wifleni nicht verkennt, und
fich gcuiigen liii t — MenTch tu Ssfu,
143
Ahkihm^ iet Sittengefitut mtiJem Satzi
det Uiderjprucbs^ und Darsteilut^ des
Z^h dtr SittliehMu
£s tst im vorlgen Abfchnitte gezeigt wor-
den, dafs nach dem Urtheile der gemeinen
Vcrmmft nicht nur Pfliclit etwas allgcmcin
yerbindendetist: fondern, dsrs auch indeDi
BegrifTe, clen alle Menichen damit verknii-
pfcn , fchon das oberstc Gefetz der Sittlich-
keit iiegt« Bey der Anwendung deiTcliien auf
einzelne Fille wiirde auf eine Wahrheit hin-
gcwiefen, dic ohnc Beweifs einlciichtct,
nAmlich, da6 cin offcubarcr Widcripnich der
Vcrntinft entgegen ist Wer die6 xugiebl
inid cs auch fiir unfere Handhingen gelten
la(sty der giebt iiicht nur zu, dafs liberhaupt
Sittlichkeit in der menfcblichen Natur ge-
gnindet ist, fondem auch, dafs das aus dem
Bcgriffc der Pliicht entwickcltc Sittengefetz
die oberste Kegei unferer Uandluugen feyn
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foii. Die Wahrheit dieicr Behaiipttingp kaim
Jeicht ge&fit wecdeji. ^
Der GnincUatt dei Wideripnidis, welcher
anzeigt, dafs gans entgegcngeretste VorsteU
lungen iiicht zuglcich wahr fcyn konncn, clafs
cin Urtheil ialfch ist, weicbes widerfprecheii-
de Dinge vereimgt, itt Ton der Vemimft
lucht nur unzcrtrcnnbar, fondern anch von
der Au, dafs alJe iibrigen Grundfatze ihin
untergeordnet werden muflen, und foJgiich
als das obersteGefetc der Vemimft ancuiehen.
In aiien Untcrruchungen, He niogen wichtige
oder nnwichtige Dinge, dieNatiu: iiberhaupt»
oder den Menfchen insbelbndere betrefien,
ist jene Wahrheit entweder das Erste, wovon
nian ausgcht, oder das Letzte, .womit mati
lchJiefsts imd aiies» was aut ihr offenbar
folgt, wird als nothwendig wahr angefehenfo
wie iie fclbst, d. h. es bleibt demjcnigcn, dcr
die(e Walurheiten msteht, nicht eiumai die
Moglichkeit tibrig, das Gegentheil liirwahr
zu halten. Auch glauht, felbst ini gcmeinen
Lcbeu, jeder Meurch allcs gethan lu haben.
— 144 —
weun er gezeigt hat, dafs in irgcnd euier
Mcinung ein ofieabarcr Wideripnicii iey<
Oer Gebrauch diciet Gefettefl der Vemunft
fchrankt fich aber nicht auf biofsc E r k e n n t-
ni& cio. Ef findet ieioc Anwendung auch
auf die Handiungen der Menfcben. Dcr-
jenige wird allgemcin als unvcrniinftig an«
gefehen, dcr einen Zweck iii erreicheu
«unichti und doch gertdc dai Gegenthetl
von dem thut, wat sur Errelchung deflelben
fiihrcn kann; und aiif diefes Urthcil haben
die Folgcuy dic fiur ihn daraut entttchcn kon*
nen» gar keinen Einfluit. Et kann unt i . B.
ganz gleichgiiltig feyn , ob cin Menfch ilch
iim die Gunst eines aiidern bewerbe oder
ntcht. Wenn wir aber willen, dait jeneni
allerdingt an derielben gelcgen itt, und
wir fehen, dafs er nicht niir nichts thut»
ooi dai lu erlialten, wat er wunfcht» ibndem
wohl gar durch Reden und Handeln, dea
Mann erbittert, den er xum Frcunde haben
will : fo erregt dicis Verfabreo» an und fiur
iich» MiAbiliigungy und dat, wat unt tu die-
fem Urtheile bettimiBty iit der oieobare
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Wideripnicli twUchcn dem Willcii lui^ der
Handlung. Gchen wir von dicfem bestimm-
tcn Faile auf iblche Falle libcr, wo unf dic
Zwecke 4er Meoichen nicht ansdrucklicli ge>
gehen find: fo werden wir finden^ dafs ein
Mangcl an Verminft ntir da gedacht wird, wo
wir fewiile Zwccke bey alien Meniclien aii
nodiweiidig voraufletfen^ und fie doch den*
felben ziiwider handeln fehn. Den lidstlich-
flen Wein trinken» wemi man weifi » er tdf
vergifiet, wiirde ab der h6ehfte Grad der
Unvemiinft, als Wahnfinn, angefehen wer-
den, wenn ausgcmacbt wire» dafs nur die
Vofttellung ctet angendinien Geichmaekt da*
su hectiininte» well et imt ttnmoglich ist, zu
denken, dafs irgenJ ein Menfch ein angen-
bliclLiidief Vergnugen fiiir ein hdheret Out
«ilehett ibllte, als dai Lehen. Steigt man
Von dem, auf genoncnc Liist unausbleiblich
erCoigenden» Tode iierab lu unvenneidiicher
Krankheit» su langwicrigemVerlutte vonGe»
niifbfahigkeit, zu fp^t eintretenden Uibeln,
und eadiich wcnigf tcni zu wahrrchciniich ab*
K
gekuLSter Lebenslinge: fo betdaiiiien ficli
«uch hiernadi die Gndt det Mangeb an Ver-
niinrt, deumandemjenigenzufchreibt, dLTfich
blo& vom gegenwartigen Vergniigen hinreiisco
iafit^ ohne auf die Folgen deflelben xu (chen*
le wichfigcr, je gcwiffer und jc aiigenfchein-
lichcr diefc lind , dcsto ivcnigcr konnen «ic
denken» dais fie entfveder einer voruberg»»
hendenLust, im blofsen Urtheiley nachge*
fstzt, oder gar unbekamit geblicben feyn roli-
ten. Sind fie aber fehr ent£emt» fi> veriie-
ren fie fishon dadnrch einen grofien Theil
vou ihrcr VVichtigkcit ; iic vverden iiberdiefs
ungcwif» und fchwercr zu erkennen. Dcc
Vorwurf der Unvemunft fchrankt fich daher
auf folchcFalle ein, vso die bofen Folgen
irgend einer genoiscncn Lust, unmittelbar
find» odcr doch von fi» groficr Bcdcutung
fi^yn kounen» dafi fie^ ihrer Entfemcheit und
Ungewifsheit ungcachtcty noch als nothwea-
digc Bcstimmungsgrunde angcfchen werden^
um einem voriibergeheaden Vergnugen wu
cntfagcn
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— 147 —
Alie eimekie Urtheile beiiehea fick
fiiletft auf den Satf , dafs, vnt vernunf-
tig handeln wili, immfr ein grofseres Gut
einem kieiaeni» und ein leiditeref Uibel
einem drCickendern vonjehn miifle, Die>
fer Satz heifst aber im Gnnide nichts au-
derSf alt wer veraiinfcig handehi wiU, darf
keinen Widerlprueh twiichen ieinen Urtfaei*
len und ieinen Handlungen fulaflen. Denn
vorauigefetzt mtifs cloch werdeu, da(s dcr«
{enige, welcher (ich nach dem veHcliiedeneii
Werdie von xwey Gutem, oder nadi dem
verfchiedcncn Driick von zwey Uibchi be-
atimmcn foU, dicfe fowohl als jene kenne,
iind den Unterichied in ilirer Groise einlehe^
Vor dieftr Kemtniis if t eine Wahl nicht ein-
mal gedenkbar. Angenommcn alfo» daft die
Kenntniis dcr Wahi vorausgehe: fo iiegt in
der Einfieht von dem hohem Werthe einea
Gutes fchon die Idee von dcm V oi zugc, Jen
et vor eincm andem lichauptcL Wcr aifo
iagt» et lcy nicht vorzusichen» der be-
hauptct etwas ofienbat widcrlprechendef»
und wer fo handelt, ait ob das kicincre Gut
14S
dat gru&ere iey» deffen Handlimg wUer*
^cht feittein Urtbeile.
Ift ef nuii viabr, daii jener angefuhr*
te Satz alle cinr.elne Urtheilc enchalc, nach
(ieiicii gehandelt werden miirs, vicnn die
Handlungen .ala vemunftig gedacht iverden
(bllenc fo ist hlar» dafs, vtenn Unver«
nunfc in den Handlungen der Menfchen
gefunden wird» lelbit in (6 fem dieieiben
nach ihren Folgen beurtheilt werden,
nicht eigcntlich dicfe uns lum Tadel
hcf timmca , fondern vieJmehr dcr Wider-
ipruchy der fich smichen der Einficht und
den Willen, oder der Handhmg, zcigt. Denn
fobald vorausgefetzt wird, dafs der Handelu-
de die Folgen nicht kenne, oder denlelben tu
bcgegnen wiflen werde» (b lallt der Tadel
ganz wcg; luid ini ersten Fallc tritt an fcinc
StcUe Mitleidcn, Der Gcdanke an jcnc Vcr-
kehrtheit aber erregt allenial einendesto stlr-
kem Unwillcn, jc ofFcnbarcr fie ist. Hr ht
frcylich fchou ziemhch grofs , wenn jcman J
cine Meinung nicht aufgiebtt Ton der fo klar
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— '49 —
fMCfgt «ordco ist» dait fie aiM wider^-
dieiiden Sttieii bcttelie, als, ^afi elnDreyeek
kein Viereck ist; aber diefer Unwille wiirde
cbch nocb koher •teigen» «emi dcr Mano»
derfiehegt, geradetn bcfaauptete, erwolle
das, was wahr i$t, nicht fiir wahr halten;
odcr, cr wolle das , was nach der Vemuttft
gethan werden foU, doch nicht thun. Wir
Ibrdem von )edeni Menlchen» daft er dat,
was er fiir wahr erkennt, nicht fiir faifch er-
jLlirCy ohne im aUergeringiten auf das Ver*
gnugen lu lehen, daa durch eine Iblche Er-
Uining gcfichert wird, oder auf den Ver-
drufs, den die entgegcngefctzte erzeugcn konn-
te. Ob et nungleich wenig {blcheMcnicben
giebt, welche die Verkehrtbeit bif lu dem
aogefiihrten Grade treiben : fo ist doch auf
der andeni Seite nur lu gewiif» dafi unrre
Handlungen mit unlerer Uibeneugung lehr
oft im Widerfpruche stchen, Unfere Sinti-
iichlLeit*) verhindert mclirodcrwcDiger ieue
Zu der Sinnlichkeir, im Gegcofatze dcr Ver-
mmfr» wtrdca allc fiagaapn und Aboei-
Harinonic, wclche fich zvfifchcn unfcpcr Eiti«
ficht imd iinfenu Willen finden vmrdCy wcna
diden bloft die Vernunft be>timmte, Diefe
an und fur fieh betncbtet » kann einen Wi-
derfpruch nicht giit hcifsen, iind fo wurde
der WiUe» der ibr unterworfiea ware, auch
f teti einttimmig mit fich fdbst leyn.
Vernunft ist nach dem Ausfprucbe fe^
|»es Menfchen» der geh6rt lu werden ver-
dtent, weder in Worten noch in Handlungen,
wo ein oifenbarer Widerfpnich Statt findet»
und wer diefen mit Bewufitieyn aufiiimm^
handclt da, wo cr es thut, unvcrniinftig.
Wider diefe Wahrheit konnen auch dic un-
gebundestenZweifler nichts einwenden. Wer
fie laugnete, oder gar zeigen wollte, dafi die
Vernunft auch ganz widerfprechende Dinge,
gungen nut g^ercdinei^ die Lust und Unlost^
wm weleher Art fie iuch fcyn mtfKCn, tnm
unmittdbareo Gegcoscande hal>en. Es g«-
hSn nach diefer Bcsdmmung z. B, die Syn-
gadise cbcnfiiUs m Siaiilichkciei
tlf gleich wahr und glcich gut anrehen k6mi«
te, der hStte doch kein anderes Mitte] als das,
wdchcs cr bestrcitct. Ist das nicht falfch,
was cincn ofFcnbarcn Widcrrpruch cnthalt:
ib ift nichts mehr wahr, und folglich auch
dai wcht wahr, was die^^airchheit dcs Grund-
Lttcs dcs Widcrfpruchs darthun foll.<^)
Worauf fich dicfes obcrstc Gefctz dcr
Vcmiuift griinde, dicfs IjUst (ich nicht wei-
♦) Wcr beliauptct cs fcy gar nichts wahr, dcr
zcigt fchon durch feinc Bchauptung, dafs cr
doch ctwas fiir wahr halt. Der vollendctc
Skeptikcr mufs gar nichts b^haupren — -
und cinen folchcn hat cs noch gar nicht gc-
gcbcn. Dic fchSrfstcn Zweifler der ncucrn
Zeit gebcn die Wahrheic dcr Mathcmatilc
und folglich die oothweodigcn Vernunft.
wahrheiten zu. Ihre Zweifel crefTcn nur die
flus der Erfiihrung heigeldtettn Satzc^ und
die Systcme der Philofophen, welche die
Wflhrheiten Qber Gott, Seele und Wclt als
unahbfingig von dcm Gefctze der Sittlichkeic
iind doch als crkcnnbar darstcUen. Da dieff
nich dcm Kantifchcn Systemc nicht fo is^
fo wcrdcn dadurch auch jcnc Zwcifel cnt-
fernt, die nur die fpekuiadve Ycmunfc
0'ctfeo,
153 —
icT beaiitworten. la es wttrde fiimloi fcyn
diere Fragen lofcu zu woUcn. Denn dieAnt-
vrort muftie fich wieder auf den Satz de$ Wi-
derfpnichs ((utzen, deiTen Gnmd fie doch
angeben foll, oder das, was fich in iinferm
Bewuistfeyn ab die obertce und nothwen*
digste aller Wahrhetten anktindigrts in eine
andere voa ihr abgeleitete Ceticn, d. h. die
Folge sum Grunde machen. Die Vemunft
hat, Co «ie fedes andere in unt liegende Ver-
mogen, ihre eigcnthiimlichc Einrichtimg,
{iber deren Kcnntnifi wir nifht hinaiMgehen
konnen. Wer es nur verfucht» mkennt die
Grcnzen, in weldien nnfer Wiilen einfe«
ichrankt ist.
Sind wir nun gedningen» den Sats det
Wideripnichs nicht nur atif das» was wir er-
licnneu, foadcrn auch auf das, was wir thun
ivoUcn« auttiwcttdcu, und ^endcn wir iha
wirklich bey Beurtheilung der Handlungen
^n: fo entstcht aus dicfcr lettten Anwendung
dasGcbot: widcrfprich dir nicht. So
langc es nur aiif Erkcimtnifs ankommt^ fo be«
foJgcn Wiv dicfcs Gcfetz ohnc Wideilktfcbeii.
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Wir muSea c$ befolgen, weimwur atick oichl
«oUen. Allein bey clen Hnidliiiigen hmbeii
wir dat Vermogen, widerfprcchcnde Diugc
cii vereiiiigeti. Wir kdnnen andcri haudQlii,
«b wir urthciien. Da «llb imiire Sinnlichkeit
ntt der Vemunft nlehc in Hannome steht •
fo wird das Gefetz derfelben, das, bcy cincm
nicht finnlicfaen Wden» bloif iein imveria*
derlichei Verfiihren eutMcken wurdcy fut
uns zum GebotCy wclches jedcn Wider(pruch
in den Gefinnungen und Hendiungen als bofe
darslellc, und fo auigedruefct werden kami:
nimm in deinen Willen nichts wi.
derfprechendcs auf und handle die«
fem Wiilen gemils.«)
♦3 Da jcdcs Gcbot ein Soilen ausdruckt, fo
nennt Kant alle GetK>te der Vcrnunft Irapc-
ntiven. Sie find von zweyerley Arc. £nt>
tiradcr gebiecet dic Vcrauaft uotcr der Vor-
autfeizung , dift der Menidi cbica Zweck
cmidwn wollc; odcr fie g^bictet ohnc Vor-
ausfeiziii^ «uMt •ndcm Zweckt» tls threr
mbtt. Im cfttcn fdl find dic Inpcrttina
hypochctifch odcr bcdingr* in «wcytcn cmo-
gorifch oder unbcdingt. Von dcr ktnwtt
Acc itt dtt Gcbot: widtffpnch dir nichfi.
— 154 —
Dieft Gebot xeigt fchon tn» daii der
Menfch fich clen Innhalt deflelben xur Regel
fcincs Vcrhaltens machca foll. Denn das Gc-
fcu lunu hier nicht, nrie bey der Natury fon*
dem nur dann ieine ErfiiUnng habcn» «eim
cs Maximc vvird. ' ) Wcr fich nach derfelben
jrichtet, dciTcn Vorfatz ist, iinter allcn Kc*
geln» <Ue er fich sur Befriedigung feincr Nei-
giingcn, zur Bewirkung (einer Ghlckleligkeit
macht, kcinc folchc aufzunehmen, dic fchon
nn und fur fich einen Wideripruch enthalt*
Wenn t. B. bes timmt werden foll , ob man
fichs zur Regcl machen konne, in eiuer Vcr-
legenheit mm lugeu» d. h. gerade das Gegen«
Ob dcr VcrfafTcr des dicken Manncs, dcr
fich ubcr den «atc^otilchen Impcrativ
lusiig macht, wohl dainit zcigen will, es fcy
Ilcherlich, Htrmoiuein Gefinnung und Hand-
lung au brtngen, wcil cs die Vcmunft be»
fiehlc? denn diefs ist doch eigendich dcc
Sinn des cttegorifchen Impenitivf.
*^ Einc Regel die man fur fein Vcrhalten bc-
folgen will, hcifst cine Maximc. Das Gc-
Uu muCs Maxlme werdcn, heifst nichcs
«nders, ils min muft cs zur RidicfchQui
feincs Verhtltens inacheo.
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theil von dem xu iageii, was maii ali wahc
erkennt: Co ut oflfenbar, dafi dider klare
Widerrpriich zwifchen Handlung und Er-
kenntnifs mit der Vernunft nicht bestehen
kanm Eben dieics wire der Fall» «emi man
nnferfuchte, ob das Ei^thum eines andern
alsdas «nfrige zii gebrauchen fey. Schon da-
dureh, da6 ich argend eine Sache iiur Eigen-
dium erklSre, leige ieh an, dafi nur der»
dcm ich daifelbe xurchreibe, den Gebrauch
defrelben bestimmen durfe* Das» was ei*
nem andem allein elgen isc, sugleich iur das
feinige erklSreny ist eben ibviel als fagen,
cine Sache fey» und iey auch nicht. Dieis
*} Man hat den Spartancm voigeworfcn , dafs
lie dts Sichlcn criattbi bittcn, und aiancher
SBOfalifdie Zwdikr hat hiciius die Folg*
geaogcn, dals die Bcgriic dcr SittUeM^
nicht nodiwciidig, fondcm wlUkfihrlich
wiien. Dcr Bcgriff dcs Dicbsnhls findcc
abcr da gar nicht Start, wo tlle Gfltcr alf
gcmeinrchafrlich angefehen werden. Wciiis
zwey Perfooen cine und ebendiefelbc Kaflh
haben, fo ist ja eben dadurch besdnuai^
dafs fic von einem wic voil dcnn aiMlcni
gebraucht wcidcn hapiL
— 156 —
abcr ist nach dcn Gefctzen der Veniunft un-
moglich. Wcr alfo dieftf ehrt, dermrd eine
folehe Uimiuglichkeit nicfac tur Richtiehnur
fciucs Verbaiteus machcn wollcn — j.i nicht
cinmti kouncn. Aufser dicicn Wiiier^rii-
eheny die in die Augen fallen» ibbald man
nur jcJe Regcl fo untcrriicht, als ob (ic cin
Satx fey, deCfen Wahrhcit gcphift wcrdcn
toWf giebt es noch andere, die in fb fcm
Statt fiadcn , als dcr Mcnfch cin bedtirltigef
Wcfcn ist. Als folchcs sUcbt er nicht nur
iiberhaupt nach angenehmen fimpfindmigenb
und fncht nnangenehme von Bch xti entfcr-
neny fondcni er will auch die moglichgrofstc
Summevon jenen ertuiten» und von diefen
die Summe «enigiteni fo klein ab mdglieh
machen. Dicfs liiefst aus cinem natiirlichen
Triebe» weicbcn er oiit dcn Tliicrcn gemein
hat. Der Unterichied tivifchen dielen imd
dcnMcnfchcn, licgt nun aber dartnn, dafi
jeue nur tu ciniclnen angcnchnicn Empfin-
dttttgen durch den bioisen lustinkt hingeri^
fenwerden, diefe hingegen denielben nicht
lioth\ceudig folgcu, fonicrr. -liich Vcrglci-
Digiti^cG by ^i.j^>\^l'^
cliuiig dcr Gcgenwart mit der Ziikuaft, dieUt
ciitlmte Aimehiiiiicbkett itiidUiMiiiiehiiilicli*
fceit vorautleheD» fhellf dieler Einfiche fol-
gcn konnen. Hicraiis cutstehn die Regeln
und GnmdOiCte* die fich auf uaier Wohl be*
lichen. & kanii djurin ein doppelfer Wider*
ipnich Statt finden. Hntwcder k6nnen meh-
Tcrc davou xuiammca nicht bcitehen» oder
eine einseloe liizlme widerlprjciit den, wit
ein Welen wie der Menlbh ist, uotcr gcwir.
ica Umscandcn, uothwcodig will.
WcrdasLebcn, als dieQiiellc alJerGliick-
feligkcit, fur das hdcbste Giit hilt, und fich
daher vominiml^ et durcfa alle mogliche Mit*
tei xu erhalten, der kann, ohne mlt (ich
felbst uneiuig zu feyn, nicht lugleich fich
die Rcgci machen, jedet Vergnugen, das
fieh ihm darUetet, su genielfeny Ibllte ec
auch feine Gefundheit iintergrabcn und feia
Lcbea abkCirzen. Wer eia groiscr Mann wer*
den, und allb die Mittd, welche su diefem
Zweckefiihren, anwendcn wollte, und doch
jcdcs ven dicfcn MirccJa durch dic cintelnen
— 158 —
Regcln, er fidi su feiner Handlimgswcife
machty wieder aus dcnfelbcn verwies» dec
ferieth in ofifenbaren Wideri|>ruch mit fich
lelbst Zulinimen konnen iblche wideHpre-
chcnde Regeln nicht besteben; cine von dcr-
ielben muis der andem nothwendtg weicheiu'
Welche nun weichen ibJl, hSngt iehr oft
nicht niir von dcr Einlicht, fondern aiich
ganz vou der Willkitbr eines Menfcben ab«
Allein es giebt auch Sachen, welche er» ver«
moge feinerNttuTy nothwendig wollcn mufi»
und deren Werth in Vergleichung mit an-
dem, theils angenehmen, theils unangeneh-
n^n, fich ib aufdringt» dafi» im blofien Ur«
theiie, dic eine nachgefetzt wird , vvcnn die
andere^ die man notbwendig wiil, auf i^eine
andre Weiie erhaiten werden kann* So ist
ketn Meofchy cler, bcy dem Gebratiefae feiner
Vcrnunft, nicht ein vorubergehendcs Vcr»
gniigen fur geringer balten {oUtCt als die Ge»
lundbeit» oder dss Leben; keinery der vom
Eicnd gcdriickt, odcr in Todcsgcfahr nicht
woUte» dafi er von denfclben befrcyt wiirde»
Regehi allb» die dieiem (eincm Willen wi*
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defftreicai» find ichlechtcrdafigs tu vetlfet*
fo, ivenn auf dae Veniuiift Ruckficht gc-
ooiiiinea wird«
So iirtheilen atich <Ji^ Menfchen immer,
wcnn cs nicbt auf ihre cigne» fbndern auf die
Handlungiweife anderer mkomait* WtU
B. jemand gem Reichthum erfverben, iieht
aber ein, dafs er in feinen Umstandcn ihn
sicht anderiy aU durch groiie Anttrengung
erhaltenkannt Ib kommt ea dariiif an, die
Unannehmlichkcit des Mittcls , mit der An«
nehmlicbkeit det dadurch su erreichenden
Zvecki xu vergleichen« und swiichen beydeii
jtu wahlcn. Wie anch dic Wahl ausfalle, fo
vrird fic als gleicbgiVtig angcrchcn. Wichti-
ger wird fie, fiemi nicht mehr xwifcheii
Reiehthum und groiser Anttrengung, fon«
dcrn zwifchen Wohlstand iind gcwohnlichcr
Arbeit gewahlt urerdcn iblL Hier iit fchoii
faat das allgemeine Urtheii fitr jenen, imd
xver mit dicrem Urthcile nicht ubcrciustimmt,
wird fur Icichtfinnig gchaiten. Indellcn»
wemt es nuc auf eignen Genufi ankomm^
— ibo —
xm^ iemand lieber weniger gcnicfsen, ais or-
deotlkh arbeiten will, So utdM» feioeSache.*)
Wena aber endJich das Leben luir dtireh Ar*
beit erhalten werdeR konntc : fo glatibt nic-
Ipaud mehr, dais die Wahi trcy icy, fondem
es wird fiir Uttveniimft uad Bostttigkeit er*
klirit aidit aiheitea zu woUen*
Eben Ib itc et mit der Hulfe» velche unt
andere Menrchen leistcn , iim unrern Zustand
su verbeiTem. Uuter gewifTen Umstandcn
verdenkt ct uns keiii Menfch» wenn vnx die-
ielbe «usTehLigen. le dringender aber die Be-
dtirfnifse werden, desto wcniger werden wir
entfchuldigt, wenn wir kcine Unterstutcung
«nnehnien wolleni kana endlich ohne dieleU
be Gefuadheit und Leben nicht bcstehen : fo
ist cs kaum gedenkbar, dafs wirHulfe nicht
wunichenj nicht annehmcn loUten.
^ £s mufs hier nicht vergefTen werden, da(s
nur der etgnt Gcnuis in Bcdichcung gcao*
gcn wiid.
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Wct viit om in Abficht imtor iUbft
notliiBieii^ig wonen, kann> viit in diefem
Beyfpiele, oft iiicht anders errcicht wcrdcn,
alt ditrch <Ue Huife anderer. Der Wunicli
der&Rien im Allgemeinen itt aUb «leh in un-
fcrm Willen mit cingefchloflcn. Dicfcr wiir-
de fich aher wider^rechen , ^venn ich 'ver*
langte» dafi mtr etw«t geleittet vrerde^ wat
ich andern nicht cu leitten gefonnen itire.
Dcjin dacbte jedermann fo, wie konnte das,
X9MM ichdochftothmndigwilli jenMlswirldich
«erden? Muft ieh alib woUen» dafi andere
nicht fo gefinnt feyn, wic ich felbstgefinnt bin ;
miift ich fcrncr wollen, dafs meine eignen
lelbttfiichtigett Gefinnungen nicht bekannt
werden: to seige icfa lehon damit an, da6
auch ich bercifwillig fcyn foll andcrn zii hel-
£m. Woilen, dafs Uandiungen, von andcrn
aber nicht von mir, unter gleichen Umttln>
den, gefcheben, heifiteMircn, daftetwasgut,
nothwcndig und auch nicht gtit , nicht noth-
wendig iey) und Gefinaungen heucheln, die
nan nicht hat, itt abennalt ean Wider^^ck
L
l62
Vereiiiigen wir diefe Punkte, Tvelche
theilf attt der Vemunft unniittelbar» theils
aits unierer bedurftigen Natur vennittelst
derrdbeii, flicfscn: Co kommcn wir aiif die
Vorfchrift, welcbe aus den UrtheiJen des ge-
funden Verstandes tiber den Werth der Dinge
fiof!», uiid aU das Grundgeretz dcr Sittlichkeit
aufgestelit vvurde. Es lautete folgender'
mafsen: Handle fo, <lais die Regel»
die du dabey befolgst, nadi deinetn
Wilicu zum aligemeinen Gefetze
gemacht werden kann.*) Da eistlich
^ Dieres GeCetz, welches ntur die Form der
Regeln davstellr, die den Wtllen cittes VCT'
minftigeQ Wefens bestimiren durfen» und
blofs aus der Form d. Ii. der Denkweife un-
ferer Vernunfr, fiicfbr, hcifst dcswe»cn eia
iormales Prinzip der Sittlichkeit. Wenn
hincjejen ein practifchcr Grundfarz irgcnrt
cincn Gcgensrand dcs Bcgehrungsvcrmogcn*
als Bosrimmuntfs^^rund des Willcns voraus.
fetzt (als Gluckrcligkcit und Vollkommcn-
heit) : fo hcifst er m a t e r i a 1, in fo fcrn dcv
Gnindfatz auf cincn zuerreichcnden Gcc^cn
Stand, auf eioe Materic, im Gegenfatze dcv
Form» luAwcisc, SoU aojs«teigt wenlcn, dafs
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elii an und liir fich «iderfprechender Satt
nicht als Gcfctz gcdacht wcrdcn, imd da»,
wat mit dem Willen eines bedurftigcn We-
leni nothwendig verbunden ist, von demlcl-
ben dtirch kein allgemeines Gefett autge.
fchlofsen werdcn kann, fo hcifst jenes Gebot
nichts andcrs» als: jede Regcl» die du dic
machst, tnu& als blofier Sati, keinen Wider*
fpnich cmhalten, und zweytens, dem nicht
widcrstrciten was in deincm Willen, als dem
Willen dnes finnlich vemunftigen Wefens,
iiothwendig liegt.
Wer alfo das, was als das Hauptgebot der
Sittltchkcit aufgcstellt worden ist, nicht da-
fiic erkeuuen woilte, der kountc uur auf
dic Vcraunfc allein als Quelle dcs Sittcnge-
fcczcs anzufehen isc, ohne Rfidtlicht auf ir-
gead cintn sucrrdchenden Zweck, dernur
darchEr&hning erkanm wird, fo kanndiefs
foausgedrfickt werden ; Pnctilche f o rmale
Grundfttse kdnnen anein Gefecze wevden;
materiale lind empiriiGh und ktfnncn
«ben deswegen keine aUgemetneHandlui^
weife bestimmen.
— 164 —
2v;cyci:icy Wcife dic Giihi^cit dcilclben ait-
greifo. Entwcdcr er mufife xeigen, cU6
dcr Gnimifats det Wi<leripruclif kein Gefetz
der Vernunfr, odcr, dafs cr luir auf dic Er-
l^eantnifs dcr Dinge, auf das Wiflen, nicbt
nber auf die Handlungen der Menlclien an«
««endbar iey. Dat ertte ist feblecfaterdings
tinnioglichy uud das zwcyte nur uuter dcr
Bedingung gedenkbar» da6 Vernunft ubcr-
haupt nicbtt mit den Handlungen dcr Men-
fchea zu thun habc, fondern die blofs thieri-
fchc Natur dcrfclben cntfcheides denn ohne
Gefett ist Vernunft nur ein JeererNamc. Cr
kfinnte alfo auch nicht eine einzige Forde-
ning an irgend cincii Menfcheu machen, und
cben fo wenig fiir feine cignen HandJiuigen
eine eintige Regei als unveranderlich an(c>
hen. Wer niir verlangt, dafs ihm keiu
Menfch das Lcbcn nchmc, wer nur ancrkcnnra.
dafs cin grdficres Gut cinem gersngerem vor*
suxiehen &y, der fagt fchon dadureh« dalic
das Grundgcfetz dcr Vernunft die Handlun-
gen dcr Menfchcn lciteu ibJJ. Dalfelbc auf
cinc cinijge Handhuig anwenden, und ibre
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moralirche NothweudigkeU darauf herlehen
hn&t9 JaHelbe alt entleheidend uberhaupt
«nerkennen. Wo Ibllen die Aiisnahmen an-
fangen ? W c r — w a s bestiiumt fie ? — Ist
die Vernunft nicht die Richterin» Co itt
nichtt in den Menichen» dat unter ihnen,
auch mir in einem einzigeu Falle, ein durch-
«ut gleichet Urtheil hervorbringen kdnnte*
Derlenige» tveleher dat Leben einet attdem
geringer als cine Surame Gcldcs fchatzf, oder
durch List und Betrug fich bereichert» kanu
nie von der StralwiirdiglLeit ieiner HandKm*
gen iibeneugt werden, wenn der aufget tellte
Grundratz nicht als allgemeingultig aogcnom*
men wird; und eben fo wcnig kann derjeni-
gc, welcher iiir eine augenblickliche Lutt dat
Ghick fcincs Lcbcns hingicbt, odcr fich fogar
dcni Tode wciht, als unvernunftig gedacht
werden, wenn die Vemunft nicht uberhaupt
dte Handlungen der Menfchen leiten folL
Allcin diefs lctztere behauptet wohl niemand
fo leicht. Et iiegt in dem Bewulstfeyn einet
jeden Menfchen» dafty fo wie leine Erkennt*
nib, atich feiuc iiandlungen von der Veruunft
i60
beitimmt werdeii konnen uiid roUeii. Es iit
diefs eine Thatfache der Vernunft, wie Kant
fagt, iind (ie ist hinriiiglich, iim einzurehen,
wie allc BcgrifFc, die fich auf Sittlichkeit be-
ziehcn> entitauden find«
Wenn die Krafce, die in der Natur dei
Menlehen liegen, fo weit entwickelt find»
dafs er nicht rachr von blofs thierifcher Lust
unwidentehiich hingeriffen wird«* fondern
xur Hervorbringung und zur Sicherunf ange-
nehmer Empfindimg, Regehi und Gnindi^tse
befolgt : fo untcrwirft er heruach feibst diefe
der Prufung eben fo» wie er ntvor die eincel-
nen Gefiihle der Lust und Unhist lufammen
zu falTcn und in Eins zu verbiiidcn fiichte.
Regeln, die in fich ieibit einen Widerfpruch
enthalten, oder doch mit leinem ganten Wii«
Eenstrcitcn, kanncr, .ili. imnlich verniinfti-
ges Wcfen, das nicht blois angeuehmc Ge.
fuhle zu feinem unmittelbarenZwecke macht,
cVi5 nicht nur empfindet, ibndem aitehdenkt,
uud das, iu der letztcn Riickacht wic in dcr
ersten» einer feitgeitellten» in ibiiier Natur
DigilizcG by ^i.j^>\^l'^
— i67 —
liegendeii Nortn uiUerworfeti if t foJche
Regelii kanii derMeoichy ab ein folchee
Wefen, nicht fiir gut halten, w^il cr lie nicht
als wahr zu dcukea vecuug» und dierciben
der EinheiC mdentreiten, aiil welche die
Vemuiilit ia aUen ihien Venichtuiigeii hin.-
weiiftt
Wirft er alfo die Frage anf: was foll ich
in Abficht meiner> was in Abficht andercr
thun» daft ifh nicht niit mir lelbft in unauf*
h5rlicben Wideripruche lebe; fo entttehn
aus der Beantwortimg diefer Frage dic Be-
friife von Recht und Unrecht, von PAicht-
Biaiiigkeit und Pfiichtwidrigkelt, yon Un-
fchuid iind Schuld, von Tugend und Laster.
Der Hauptfache nach Hnd diefe Bcgriffe ubcr-
all gleich» und find et eben defwegen» wcil
fie nicht von der Erfiihning abgezogen, (bn-
dern unmittelbar aus der Vernunft gefloffea
find* Sobald dieie, die in ibrem Wefen bey
allen Menlchen gleich ist, nur to weit ent*
wickelt wird, dafs fic ihnca dieNothwendig-
fccit aligemeingultigcr Gcundnitzc aufdringt:
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— ifig —
fo seigt fie iknen atich» durdi dit Allge*
mcingtiltigkeit, <lie itnyerinderli-
chc Befchaffcnbcit dcrfelbcn. Wird dicfe
hier inehr» dort weniger» imd rdfien gans
ge&fst; (b liegt die Schiild haiipK^ehlich in
dcn Neigungcn , wclche die Menfchen , fo
tineingeichrankt aU mogiicb» mit der Gefeta-
mSfiigkeit au vcreinigen fucken. Dieier fich
zu untci wei fen, fallt der Sinnlichkeit fircy-
lich fchwer. So wie aber dcr Menfch ciue
gttte practiiche Regel» die fich auf angeneb-
me Einpfindiingen betiefat, nicht dadtirch lur
fchlecht erklart , weil er fic iiicbt immcr bc-
folgt: ebeu fo wenig kann er die Geieta*
nafiigkeit demegen, als nichtig aniehn,
wcil feine Neiguiigen ihn verhindern, die-
fcibcn ttets vor Augca zu habcnl Sie licgt
^ der Natur des Menfchen eben to, als
der Trieh nach Vergnugen, nur mit dem
Untcrfchiede, dafs diefer untcrgeordnet feyn,
iind jene immer melir Oewalt uher denieibea
erhalte» fiilL
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Pragtniaiiiiiui» «ontif dMreUbterord*
nungbcnihe, fo kann keine andere Antwort
gcgebeu werden, als : iweil es in imferm Be-
«ultdieyn liegty daft Vmunfc etwat hohem
alf Sianlichkeit irt» .daft die AbhSngigk^t
vou diefer den Menfchcn herabwurdiget, und
da6 die Herrichaft ▼od jener ihn erhebr.
iklle lebloie Dinge, ond alle vemunfcloie We»
len haben nur in fo fern einen Wcrth, als fie
lur £rreichiuig irgend einei Zwecki, i ur fie-
ftiedignng von finnlicfaen Neigungen dienen;
und diefe letztern haben Co vrenig eincn un-
bedingten Werth , dafs es fclbst dcr Wunfch
ciaet ▼erntinftigen Wefent feyn iMnn, ▼on
den(e1ben frey tn leyn. Wie viel Vcrgniigen
eiii jedcr gciuersen wollc, diefs ist an und
fiir (ich etwas gleichgultigesy aber nicht £o,
wie vernunftig er leyn wolle* la! der
Wtinfch, von allcn rinnlichen Ncigungen fich
immer mchr los zu machen, konnte nur des*
wegen bezweifelt werden» weil man keineui
Menfchen dieleHohelt lutrants aber dieVer-
nunft in eiucm Stande dcr Befonnenheit vcr-
liefen xu woUcO) diefii wurde aUgeniein als
— I70 —
eine Erniedrigung ange(eheu «etdca, derctt
keia Mcnfch fahig leyn rolh^)
Dcr Grund dieiies Urtheilsy welches fich
▼ielen Menfchen nur dtirch einGefuhl ankua«
digt, ist luin wohl kciii andcrer als dicfcr»
dafs die Vermmft das eigeutliche Wefea des
Menfchen ausmacht. £r ist das was er
ist , und auch die Natiir ist das was fie lur
ihn ist, haiiptrachlich durch Vernunft. Ohne
fie vermag er wenig oder nichts. Durch iie
liesttmmt er den Werth der Dinge, nacht
fich Zwcckc und findet dic Mittel «ur Aus-
fiihrnng dcrCclbcn, untcri^irft fich dic leblofc
iind lcbendige Natur» veisteht oder findet
*) BUSdfinnige, ja felbst cigentliche Rafendr,
haben idler Wahrfchcinlichkeit nach weic
mehr Genufs, als dic meisten Mcnfchen,
die im Gebrauch ihrcr Vemunft Cnd.
Wie flber mndt man den «mfehen, der zu
|enea zu gehdren wunfchte?
*♦) Diefes Gefuhl von dcr Hohcit der Vernunfc
ist eigentlich das, was man moraUfchfis
Gcfuhl ncant«
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ihfe Gefctfe, macht lich lelbst clie Regela
leinei Verh»]teiit, kaiiii lie fa dlgemeiiieii
Gcfetzcn erheben, und fchreibt fich dcswc-
gcn cine Freyheit tu, die ihn von allen ihm
befcannteii Wefen miterieheidet. *) Einer
iblchen Kraft, die alle fibrigen hit aiif einen
gewiffen Grad lenken kann, und wirklich
lenkt, gebuhrt eia eheo iblcher Vomig, als
der organifirten itnd lebendigen Natiir vor
der todten Mafse. Die Vcrnunft fiir gcriii-
ger lulten» alt die finnlichen Kriifte und alies
waa fie bewirken, hieite: dai Vermogen lu
iirtheilen dem, wat beordieilt wird; die
Kraft allen Dingen ihren Wcrth zu bestim-
men» dem was geichatat wird, das I«eben<>
dige dem Todtcn nachfetxeo.
Das Gefuhl diefer Freyheit fiodet fich in
|cdeni Menfchen mehr oder wcnigcr. Worin
dcr hfichsce BegrttT derfelben bcitehe^ wiid
im Folgcnden gezcigc wcfdcn»
^ Wenn aber der finnliche Theil unfeis Wc
feos urthcHcn kfimue? — dson wlre •»
Vcmunft wid nicht das wss cr in»
I
— 17« —
Ui nuu Venmnfi dat Udchste» was dSee
^fenfch befitie» fieht er fie lelbst fo an: Ib
istklar, dafs dic Gcfctzc, diirch wclchc lic
nur das istp was fie ist, auch iiber alles, was
fonst Gelets heiisea mag» geachtet «trvleit
muiTen, und dafi dat Sittengefetc insbefon-
derc, als dic Richtfchniir unfcrcr Handhingt
aoiuiehn ist$ Ib ist femer Jdar, warum bey
allem Wt^erstreit der Sinnlichkeity bey aller
Unvollkommenhcit der Systemc libcr Sitt-
lichJieit, dic BcgrifFc vou diefcr (ich immcr
dem Menlehen wider feinen WiUen aufdrin-
gcn , und Aehtimg denen nic veriagt worden
ist, welchc uichcs huhcics als PAicht uiid
Fugend kannten.
Mit dieiem UrUieile ilber die Hoheit der
menfchlichen Natur, ist femer verbtuiden»
dafs jeJcr Menfch , vcrmogc fcincs Werths,
fich als Z w e ck anfiehtt und nicht als blolsea
Mittel tu andem ihm firemdcn Zwecken ge«
braticht fcyn will. Er vcrlangt, da(s das was
er fclbst leisten foli» aucli ihmgeleistet wcrde.
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Dalier eiiie ganx «ndere Empfindung entstehi»
«enn yiir von cinem Menfehcn» mlt leinem
Willen, als wcnn y»ir von eineni Thicrc vcr-
ietzt werdcu. Dahcr der Unwille, wcnn viir»
wider unier Wiilen und Willen» lu Dingen ge*
brattcht werdcn, welche iinfie Vemunft nlehe
gut bcifscn kann. Ebcn dadurch, dnfs dcr
Menfch dieie befitat und duxch fie icine
Zwecke beitimmen kcnn, will cr nicht, <lafi
fic von andcrn bcstimmt, noch wcnigcr, dafs
cr £11 rolchcn , die dcn fcinigcn gaus cntgc^
gcngeietxt find» gebraucht werde* Dat» wat
er auf dide Art in Abficht (einer felbst, for*
dcrt, mufs cr auch allea andern Mcnfchcny
alt vemunftigen Weien» sugetteben. Siefind
in feinem Urtheile ebenfallt Zwecke an fich.
Da nun die Sinnlichkcic dicfcm Urtheilc
uber die Wiirdc dcs vcrnuuftigcn Thcils
uniercr Natur widcrttireitet, und fich lelbtt
alt hdchtten Zweck auflringcn will, wel*
chcm dic Vcrnunft blofs als Mittcl dicnen
ibU: fi) lunn dat Sitteogcietx auch fi> aut-
gedrtickt werden: Handle fo» dafi du
die Vernunft, wcder in deiaer
— 174 —
Perfon*) noch in der Perfoii eincs
andern, ala bloises Mittel» fon-
dcrn als Zweck zugleich anilehtt^
und befordere dahcr alle diejeni-
gen ZwcckCy die mic dicfem in
Verbindung stehen. **) Die Anwen-
dungdleiesGeieCies mogen fblgendeBeyfpiele
erlauteru :
Wenn irgend ein Grorser als die GeiAel
eines Landes von rair angcfehen^ imd nuT
durch ieinenTod eine Lindening der man-
nigfaltigen Plagcn gchofik wurde» welche di|s
•) Vemunfilofe Wefen, dae nur «Is Mittd sii
ctwas gur fuid, hctfsen Sachen; ver-
nilnftige Wefcn hingcgen, die lich felbst
dsZweckc anfehen, heificn Pcrfoncn.
♦*) Da dle Vernunft das untcrfcheidcnde Kcon*
zcichcn der Mcnfcliheit ist, fo kann man
auch, nach Kant, das Sitrengefetz fo aus-
driicken: Handle fo, dafs du die Menfch-
heit fowohl in deiner Perfon, als in der
Perfon eines jeden andern, jederzeit zu-
gleich als Zweck, nieiiuls blo(s als Mictel
brauchetc
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Bewohner deiTelbeii freffen, fo fragt fielis?
darf ich dcn wahrcii odcr vermeinten Tyran-
neti meuchelmdrderiicher Weifc umbringenl
Aii tmd liir fich ist et eine aiisgemachte
^achc , dafs iii der biirgerlichcii Gcfelirchaft
kein Menfch gcmordet werden darf. SoUte
sn dem vorliegenden Falle eine Atis nahme ge-
nacht werden, fo konntc dicfs nicht anders
gefchehcn, als dais ich mciae Perfon bloii
snm Mittel maehte, andem einen leidlichen
Ztistand zn ver(chai!en, iind folglich das Sitten-
gefctz verletzte. ®) — Ein zweyter Fall fey
dieler: Ein rediicher imd arbeitiamer Maim
frelbt irgendwo einen Handely der ihn und
feine Faiuilie niihrt, dcr abcr dazu nicht
mehr hinreichend feyn wurde» wenn cin an-
drer Mann Ifich an ehen den Orte» mit eheti
dem Nahnnigszweige befchaftigen iind den
Yorthcii wcnigstcns theiicn woUtc. Nua
Auf diefe Wcife ist jene Fragc Icicht ent-
fehiedcn. VViid, wie es nicht fchen ge-
fchicht, das angcmcinc Beste zum Mafsstab
cmer folchcn Ilandlung gemachr, fo ist nic
auf eine bcstiminte AntwQrt zu kommen.
Iiabc icb gewiflc Keiiiitiii6e, die mir eiaen
gUickliehen Portgang meiner GefehSfce fichem
ipvtircieu, wenn ich mich jenem Orte uic*
teiielse» ich frage mich aber xuvor m>ch,
ob es auch nicht dcr Pflicht zuwider Ceyt
Seheichnuu, dafs, weiin ich ihr trcu fcyn
vriily ich die vernunftigcn Zweclie einci
Menfcheii nicht storen darf : fo ist es gleich
entfchieden, dafs ich fo lange die Abficht
nicht ausfiilircn darf, als uiir uicht allc Mit-
tel fehlen an einem andem Orte, oder auf
eine andere Art mein Leben xu erbalcen.
Diefe beyden Beyfpiele enthalten die Be*
ttrtheihing einer strengen undeiner Ibgcnanii-
ten verdieniciichen Pflicht gcgen andcre.
Folgende «erden fetgen» dais nach dem auf*
gestcllten Geiette audi dic Pflichten gegen
uns fclbsty beurtheilt werdcn kouncn.
Wenn )cmand twifchen Tod und Lebeti
zu wahlen hat, und jcner unausblclblich cr-
folgt, wenn er fich nicht einer fchmerzhaf-
len Operation unterwerfen «iil» diefes aber
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— 177 —
diirch<iiefelbe gerettet werden kann, imd die
Flrage aulgcwoffen wird: itt et gleicfagultify
ob er dat eine oder dat andere wlhle: Ib
muCs (ic verncint werden, fobald bcdacht
wird, dais die vemunftige Natur blois al«
Mittel gebraucbt wetden Ibll, einen Scbnert
abzuwenden. Ihr Dafeyn zii erhalten, muff
ihr Wille feyn, wcnn (ie Hch als hdchften
Zweck betrachtet» und diclenl Willen» der lich
auf lie felbit betiebty der f4nnlieben Na-
tur unterwerfen, hcifst pflichtwidrig handeln.
Hieraus luinn aucb die Frage uber den Selbst*
ttord entlcbieden werden. Wer ihn begebt»
gebrauchl allcmal rcinc Pcrfon blofs als Mit-
tel ftur Abwendung cincs fchracrzvoilcn
standet. SShe er lie ais hochsten ZwedL au»
Ib wurde er fieh nicbt lerstoren wollei^ uni
jcAem zu entgchen.
^ Bcf Beurthcilang dicfcr Frage kinn die
Uttstcrblichkeit dcr Sedc nicbt in Bctroch-
tung gezogcn werdcn. Dcr Gliube dirtn,
wenn cr nur auf dic Vcmunft, und nicht
auf cineOlienbarung gcgiOndet wird, kano
nur aus dcm Sitwngcfctae hngdciict wer-
M
Digitized b\
— 178 —
<!ie PAiefit das teben xu erhalteii, iip-
luittelbar aus deni Bcgriffe voii der verniinfd-
geaNadir, alshdclistemZ«ecke»£»lgt: fioge*
hort fie «I den voUkommenAi Pflicbten. Alt
iiuvollkominene Pflicht vjird das angefeheuy
if at fich auf etnen Zweck besiehe, der nur ali
Mitcel xur Belorderung ctei Hatiptzwecks an«
gefehcn werdeu kann. Wie Jic Eiiirchei-
ditng iiber iblche Pdichten, in Abficht uniirer
leibst, nach jenemGdetxe bewerkttelligt wer-
den konne» vtixd folgendes Bcy(piel leigen.
Zwey Peribnen find uber die Ausluhning
irgcnd einer rechtmarsigen Abficht iiberein-
•^?komaicn , worin fie beyde ihren Vortheil
finden. Allein die £iae glaubt hemach ein-
sufehen > da6 jene Abfipht noch beller dureh
cinen Drittcn crrcicht werJen konnc, als
durch dca, welchcr Anfangs xur Thcilnahme
den. Er darf alfo nicht liber das entfchei-
dcn, was dicfcs an und fur fich betrachtct
als nothwendig darstellt, ebcn fo wcnig aU
dic Folge dcn Grund, oder die Wirkui^
die UrfiKhe bestimmen konn.
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tMftiinmt «ar, liulilt Och swar durdi dfin
Vertrag gebmiden, giebt aber doch nicht im-
dciitlich su verstehen, dais fie dcnfelbeu bc-
reue. — Ob nua defjen&ge» der «li unnfiti
bey der Untemehmim^ angefehen wird» iim
Allgemeinen, fich von dcr Sachc losfagen
konne» itt kcinem Ziveifel unterworfcn. In
irielen Fallen wird es ibgar alsedel angelcken
wcrden. Und in der That ist et fo , wenn
die Ausfiuiuiiiig jener Abricht ohne ihii befler
gelingen wird» und cr durch ieine Loilagung
nichts dabcy einbiifst, als bald vonlbergehen-
de angenehmc Empfindungen. Allein ange«
nommen^ die Vorausfetzung des Unbestandi-
gen iey nieht gcgriindet, und der Andere
miine fic fur blofsen Wahn haltcn; angcnDra-
nen lemer» cs beruhe auf der Unterneh-
mitng der geficherte Lebensuntcrhalt dielcs
letiten, wenigstens auf elnige Zelt, nnd die
Hoffaung dazu konntc nicht durch eine eben
fo bestimmte erfetsr werden, fo fragt fichs:
ist es ihm erlaubt, lein Wort ciiruckzugeben,
blofs weil es ihm unangenehm ist, als ein
cigenmitiiger Mann su erfcheinen» oder weil
es ihm doch angcnehmer (^yn wurdCy feine
UneigeimutsigkeU an den Tag lu Jegen2 D'm
Antwort muis mneinendl ttfOf wenn bedidiC
wird, dafs cin vernunftiger Zweck, um cincs
blofi angenehmen oder unaugeaehmen Ge-
liihlf fnllen, nichc aufgegeben «crden inL
Die Peifon wufde ali Uoficf Mitlel ge«
brauchC.
So kann das Sittengefctz , auf dic zwcyte
Art ausgcdriickt, nicht wenigcr die Pflicht^
angeben, dit der Menfeh fu beobachten
Oicfe Bctnehmng «ird bey dcr Ibgcaannicn
Dclicatefle nur zu fehen angestellt. Feincs
Gefuhl ist eine herrliche Sache , aber ohne
bestimmte GrundAtze ist es demMifsbrauch
nicht wcnig ausgefetzt. — Der obigc Fali
ist nur von derSeite angefchen worden, von
wclcher er eine Pflicht gegcn uns fclbst
auflcgt. Es wiirdc auch cine Pflicht gcgcn
andre cntstchen, wcnn der Mann, dcr feia
Wort zuriickgeben will, einfahe, dafs ohne
ihn die Abficht des Andern nicht fo gut
crreicht wcvdca lcdiinte, b^onders in dem
7iUe, difs cn dcr AoslUhnuig dcifelben
gelegen wflrc
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hit, aJs tinter der zuent ati^ettelicea Fomt.
Aucfa acnke ni«i ntc&t» da6 diele beyden
Formen einen welentlichen U nterfchied dar-
secllca. Das Gefctz ist eins und cbcn daiTelbe,
ttiir voniwey TcricliiedaenSeiten betraehfet*
Wenn, alaflttUdibore, aUeMaitnen vcrbotcn
wcrdcn, die iich nicht als Gcfctzc denkcn
JafTcn, fo licgt dcr Gnind dieict Vcrbott
dari% da6 dieMenlehen, ali Yemunftige We-
fcn, fich nur aljgemcingultige Regcln fiir ihr
Verhalten machen konnen , und dalf foJgJich
der einiekie Menleh, dellen Maxlme nicht
Geleti wetdenkann» dlelelbe, reiner vcrnunf.
tigen Natiir zuwider, bJofs aus fciner finn-
lichen fchopft. Mulii diele jener untetgeoid»
net lacrden» Ib if t das umgdcehrte Verfahren
alf moralilehbSle anzufehen. Hier wird nur
atif dicwerentlichcBerchafrcnhcit dcr RcgeJiip
nahUtch ihre AJJgemeingriltigkeit, gelehen.
£f kaim aber bejreinemGeletxey aulTcr fcinem
Innhalte, noch nach dem Zweck deflfeJ-
ben gcfragt werden. Is t nun der Zweck von
der Art, dafi dureh dle BcfHmmung deflTel.
ben hinlanglich gczeigt wird, was nach dcm
Geft«e> clas fich darauf bcsieht, gethaa imfw
dennurs: foht es genug, dafs dieies deo
Zwcck angebe, Dicfs gcfchicht in dem Vcr-
botCj die vernuiifffge Natur in reiner eignen»
oder in der Perlon eines andem, zum blofien
Mirtcl 7M gebraiichcn. Wer diefem Verbote
gemSfs handchi wiil, dermufs jcden Menfchcny
Co wie fich felbst, als Zweck an fich aniehen»
und durch dieien Gedanken die Preyheit fei-
ner Handltingen .fo einfchraiiken, dafs reiii
Wille feiner verniinfcigen Natur» die ihn alf
Ziveck an fich darstellt, nicht suwlder iey,
imcl mit dcin Willcu ailcr aiulcrcr Mcnrcheu
bestchen koimc. Dtcfs ist abernichts audcrs,
als ; er foli keine Maxime bcfolgen» die nach
feincm Willen nicht allgemcincs Gefets wer-
dcn konnre. Dciin befolgt or diefs Gcbot, fo
fchraiikt cr ct>eu fcine Handliingcn auf folche
ein, die weder rait feinem eignen» noch mit
dcni vcinunftigea \j^illcn aadcrcr Meufcbcn
streitcu.
Hicr ist uoch zii merkcn, dafs, wcnn bcy
dcm Sitccngcfetsc auf cinen Zwcck hinge-
wiefai xtwif dleier nicht fo tu dcnketi tst^
als ob cr, wic die untergcordncteii Zwcckc,
<lie fich «uf unieFe^Gluckrcligkcit beziehen»
erreicht werden folke. Er ist iin Gegen-
theil rchon da, iind das Sittcngefctz fchrcibt
mir vor, demlelben nicht zuwider zuhandeln»
Es ist ein (elbststandiger Zweck, der nieht
bewirkt fondern mtr behaiiptet werdcn
foll. Sicht nian die Verniinft fo aii^ fo falicu
aUe Klagen weg, die }e wider die Einrichtitng
der menfchltchenNatiirgemacht worden Hnd.
Wird abcr dic Vernuiift niir als Mittcl ziir
GliickieJigkeit gedacht, fo ist es allerdings
wahr, dafi ein bloA thierifeher Instinkt
fcr alsVcrniinft gcwefcn fcynwurdc. Durch
iic kann aiich der cinnchtsvollste Mcnfch uic
init Gewifshcit dic Mittel bestimroen, die
ihn xiur Ghlckfcligkcit ftihren werden. Der
llafs dcr dcswcgen biswcilcn auf die Ver-
tmnft geworfen wird, und fich gcradc bcy
denen, welche fie auf die mannigfahigste
Weifc geubt haben, atn oftersten clnfchleichfy
mufs fogleich vcrfchwindco , wenn Cic als
>^weck an fich augcfchcn wird. Gestcht man
ihr diefc Wiirde zii , fo hat auch das Sitten-
gefetz einen festen unerfchtitterlicheu Grund»
uiid alJe Begriffe una Urtheilc^ aieia Abficbt
der Sittlielikeic herHelieiid find» bekaoiiiien
Wahrheit und Bedeutung. Ohne den aufge-
•teilten GtuadfaU liingegen» ttreitet die gc-
meine Vemunft durchaus nit den philofo-
phifchen Spekulationen, und Pflicht und Tu-
gcttd find Wortey die entweder keincn» odcr
cineti ftfar vei Snderlicliea Sinn liaben»
Ihtr iim fntmdbr Grmidfiaz kmm di
SitUngefctz gtdacht tfitrden.
VV«n «^» Siftcngefetz irgenc! ein Grnnd.
{atz aiifgestellc wird, der eiuen auf Gliickc
feligkeit fich betieheiideo Zweek vontii letir»
Ib iit es uomdglich, aUen clen Etnwurfen iti
begegnen, welche gegen daflelbe erhobea
werdeo. Uod dieli baiiperichlicb dei wcgeo»
weil bey der Giaekfelifkeitilebie dlet aiif
Erfahning ankomnit; Erfahrung aber nichc
nur ubcrhaupt nichts als apodictifch gewiit
danteilt» fondern auch im vorJiegenden Falle
ntcht einmal Wahrlcheinlichkeit geben kano.
Sie kann niir fagen, was da ist^ gcwefen ist
und ieyo wird» nicht aber wu geichehtfn
foll» wenn et auch nicht geichieht; und
dafs einGebot in unferer Vernunft liegt, wel-
ches auf ein Soilen hindeutet» ist hia-
•) S. dic Notc S. i6a.
iSnglich gczcigt worden. Ntirdcr» wcfchct
dic Vcrniinft aiifgicbt, kann dicfs Sollcn,
wclches der fonnale GrundiaCc der Sicdich-
keit aufstellty in Zweifel siehcn. WSre cr
nun blofs dcswcgcn von Wichtigkcit, wcil er
volJe Uibcrzeugiing vou dcr Wahrhcit dcr
Fflicht und der Tugend glebt» (o wurde cs
binreichcnd fcyn, ihn dargcstellt tn haben.
Ailcin darin bestcht nicht fcin ganzes Vcr.
dienst, Er bestinmt xu gleicher Zeit das
Welen der Tugcnd, tuid reinigt cUe Bcgri^Fe,
welche dic Philofophic, vor Kants Moral-
lehrc, dainit verbuudeii hat, vonallen fremd'*
artigen Zufatxen. Er ist al(b atich ielbst fiar
dicjcnigcn wiehtig, weichCy durch ein in«
uercs Gefiihl gedningeny an Sittlichkcit glau-
beiiy fie abcrnicht iudcm reinenUchte fehctty
welches allcin ihr den hochsten Werth giebt
ubcrallcs, vvi<s niir dci: GcgcnsJanJ inciifch-
licher Wuafchc fe>'n iiaun. lu dicfer KiicJi-
licht ist uoeh su seigcn iibrig, dafi das Sit-
tengcfctz feine Natiir verliert, wenn ihm der
Tricb zur Ghickfcligkeit zinn Griindc gclcgC
tvird. Dazu diencn foJgcndc Bctrachtungcn*
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i) Sittliehe Gute wird iCn eine noHiweit»
dige Eigenrcliaft jedei Menfchen angereheii,
der ztir Beronncnhcit gclangt ist. Dicfs kaim
fienicht leyny wenn fie nur darauf bin&ichy
die groffte Sunune tngenehmer Empfindun*
gcii zubewirken. Denn dieMittel, dasv^irk-
iich tu machen» vaa dcm Menfchen dai
hoehste und danechaftesce Vergntlgen gewah-
ren wiirdc» Hnd fehr ielten in feiner Gewalr.
Aber gefetzt, es kame niir aiif die Geliunung»
und nicht auf die Emichung dei Toigesteck>
ten Zielfl an : Ib konnte ein Gelets, das ge-
botc, nach dem zu strebcn, was die mciste
Gliickiciigheit hervorbringt, auch deswegeu
nieht bcobachtet werden» wetl cs eine Kennt-
nifs vorausfetzt, die nicht ntnr nicht allen
Meafchen, fondcrn nicht einnial eiacm Ein-
ligen in einer gewiifen Volikomnenheit
su Theil wird. Alles was fich auf fenen
Zweck bczicht, ist ungewifs. „Will jemand
Reicfathtraiy wie viei Sorge» Neid imd Nach-
stelluttg konnte er fich auf den Hals siehenl
Will er viel Erkenntnifs und Einficht, viel-
leicbt konutc das nur lun ein fo icharferes
— 188 —
Auge werdcn, iiin die Uibeiy die fich fSg
ihn iettt noch verbergen» uod doch nicfat
▼ermiedeiiwerdenkonnen, ihm nur unidesto
ichrecklicher zu zeigen, oder fcinen Begier-
den» die ihm ichon genug su fchaffcn mn-
ehen, noch nehr Bediirfniise aufsuburden.
Will er ein langes Lebcn, wcr steht ihm da-
iur, dafs cs ntcht ein langcs Elend (eyn wur*
de? Will er wenigslenf Gefiandheit» wie oft
hat noch Ungemichlichkeit det Korpen vtm
Ausfchwcifiuigen abgehalten, darein unbe«
fchrjinkte Gefundiieit wiirde hahen £ilJen
laflren} Kurt» er itt nicht vermogend, nach
irgend cinem Grundfatzc mit volligct Gcuifs-
heit au bcstimmen , was ihn wahrhaft giucl^
lich nachen werde.^^) Kann nun keia
Menlch die Polgen leiner Handlungen in dem
Gradc vorausfehenj ia weichem er fic voraus*
iehen mufste, wenn er von irgend einer That
je mtt Gewiftlieit fagen wollce, fie ley gut^
felbst in Riickiicht auf fein eignes W^hlbcfin-
*) Kants Grundleguog zur Metaphydk der Sit*
ten, S. 46,
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— 189 —
den: fo itt diefs noch weit tiumoglichery
weim er, iim dai fympathetiiche Geiuhi ni
hefriedigen, aiich aa andfe <leiike$ und }e
grofscr der Krcis ist, den er mit feinem Wohl-
woilen umfaisty detto fchwieriger wird jene
Kemitiiifi. Soll ibgtr da$ allgemeine Wohl
einet ganten Staatt mit in den Grwidiatz der
eignen Giiiclifeligkeit aiifgenommen werden:
ib kami von tattTend Menleheo hochitent ei-
«er mit einiger WahHeheinliehkeit und kei-
ner bestimmt angcbeii, wat dem Staate in
•llen Fillen f utraglich leyn weide, Hierbey
iit ▼orautgeietit wordeny dalt fremdet Wohl
mit in den Gnindfatz der ei^nen Ghickfelig-
keit aufgenommen werde, imd fo miiii et
ttfn, wenn dat Sittengeletf nicht ein leeret
Wort feyn Ibll. Allet aber» wat uber dte
Verbindung unferer eigenen Gh'ickfeligkeit
mit der unierer Nebenmenichen, geia|^ wer«
den kaniiy betieht fich auf Sympathiey atif die
Vervollkommung unfcrcr Krafte uiid aiif den
Wiiien Gottet» und wie vielen Einwendun-
gen die darauf ^grundeten Fordeningen, an
jedctt Menfchen ohne Uotcrfchied> ausge«
— igo —
£etit lind, ist an einem aaderu Orte geteigt
«orden.
Alle diefe Sehiivierigkeiten, welehe ein
Gcictz treffeii, das fich auf Selbstliebe griin-
det» heben dat Weien delTelben «u£> Denn
nieht feder Menfeh kann ci heohachten; er
kanti nicht cinmal bestiramt ^ifTen, was er
xu thun und su lalTen liat» um denfeibea
nicht entgegen su faandeln, und es «ird Toa
ihm yerlangt , dafi er gewilTe Geliihle und
KenntuilTe habe, clie nicht in feiuer Gcwait
stdien. Gans anden Terhalt fichf mit dem
formalen Grundiatie. Dieier verlangt nicht»
dafs ctwas wirklich wcrde, fondern, dafs dcr
Wilie geretKmafsig fey } cr cntiuit in fich ai-
les vns xu wiflen nothig itt, um littlichgut
zu ieyn» und fordert nur» dafi ein vemiinf-
tigcs Wcfcn aiich vcrnunftig handlc, und das,
was fich ihm in feinem Urtheiie ais dasUdch-
ste darstellt» auch in firinen Handlungen auf-
dnicke. Ein folcher Grundratx kaiui ais
allgemeincs Gcfetz gedacht iverden*
S. 47- uod folg.
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S) Dafs alles, was Hchauf angciichine Em*
pfiadiiog bcziebt, nicht imnier gleiche Wir-
kting auf einen tind eben denielben Menlchen
bervorbringt, dafs die Neigiingeii veranderiich
findy wird uicht uur als eiue Thatfachc au«
genommcn» wovon ein jeder» vrelcher au£
fich nnd*andre achtet, die Erfihning hat;
fondern ei wird dicis, an und fitr iich, als
etwas gieichgiiltigef aageichen, woruber
keine Vorlchrift Statt finden kann. Aber
da^', was als giitcr Charaktcr gcdacht wird,
das iiumcr glcich blcibeiiy das foil wedcc
diirch verSndertc UmstSnde» noch durch den
Laiif der /eit, >vandelbar tvcrden. Vcran-
dcrtc Urostinde werden ais der Frobicrstcin
der Tugcnd angcfehcn, und nur dann wtrd
fie fiir 3cht gehalten, wenn der Menich, dem
inaii lic zufchrcibt, im hohcn wie im iiiedcru
Stande, in der lugend wic im Alter, gleiche
Gnindnitie befolgt. Wie diefe Gleichheit
muglich foy , wen» das blofse Vernunftgcfctr
2tir Bestimmiing des Willens, als liinrcicheod
gcdacht wirdy leuchtet fogieich cin, da es
felbst unveiSnderltch sst, und fur fich alieui
ohne irgend einc verSnderliche Neigung
wirkt; wie aber durdi das blofie Streben
nach Gluckreligkcit , wciin dlc cinzclnc Nei-
gungedi die fich danuf beaiehent geichwiche
oder gar mtt andem vertauichtwerden, doch
Gleichheit cles Charakters bcstehe — ist
imbegreiAich. £bea daher, weil oft die
Gmndlage von gtiten Eigenfchaften niir vor-
{ibergehende Neigting ist, vedchwinden fie
mit dteier. Wcr in fcincr lugend wohltba*
tig vnx, weii Sympatliie Befriedigung forder«
te, wtrd im Alter hart und geitzig, wei^n daa
Gefuhl fiir anderer Lcidcn vcrfchwundcn ist;
wer be(cheiden war, weil er die Gimst der
Menlchen erlangen woUte» wird ttols» wenn
er fich nicht mehr damm bekitmmert ; wcr
ilei(sig war, blofs wdl er ein Amt erreichen
wollte, wird unthatig, wenn er et erreicht
hat u. r. w. SoUen WohlthStigkeit, Belchei-
denhcity Flci(s und alic Eigenfchafteny die
wir in dem fittlichguten Meofchen vereinigt
denken» iiicht vortibergehende Bestimmun-
gen dcHclbcn fcyn : fo nitinen fie auf einein
unwan4elbare& Grunde bcniheny uud diefcr
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kann kein andcrer, alt die, fich ininier felbst
gleiche, Vernunft feyn. Hieraiif berubet auch
die BehaupCiiiig, daft die Tiigend nur fiint
ist» Denn fie Drird tlt <Ut Bettrebea der Ver«
nunft KU gehorchen angefeheii. Die ein*
selnen gutenEigenichi&en» die aus demicl*
ben ent^tttngen» und die auch Tugenden ge«
nannt werden, Cmd nur Zweige eines und
eben deflelben Stammes. lede als fiir ficil
bettefaend betrachteat hei6t einen ahgehaue*
neii Aic liir eineo Baum baliea»
3) Die Gefetfe der Sittlichkeit IbUen Ui^
bereinstimmung unter allen Menfchen hervor-
bringen. Aus der Beobachtung derfelbenf
denkt jedermann» «lirde die groifte Haraio*
HoKc und medrc Tugend kann nur in fo
fernc angenonnmen werden, aU nedem Gra-
de der Kraft nach, vcrfchieden ist. Der Bc-
stimmungsgrund des Willcns ist bey dcr ei-
ftcn wie bcy der andern eben derfclbc. Auch
das noch Tugcnd nennen, was blofs auf
Selbstliebe flicfst» und nur tttfftllig mic
dem Sittengeferte Obcreiftfdnunt» heifitdat
Wtfen dcr Tugend anfhebcn,
M
194 —
tile anf firdeit entsCelieii. Wie kSante aber
dicfe dic Wirkung dcr Tiigcnd Teyn, wcnn
eigoe Gluckfeligkeit der letece Zweck der-
felben wSre? Da in diefem Falle jeder nur
fcin cignes Wohlbcfiiidcii zum Gcgenstande
(einer Handltingen nuchte : fo konnte dafTel-
be nitr tufSllig fichnitft den Abfichlen an*
derer vcrtragen. Die Men(chen hitCen nichC
clnen gcmcinrchafcUchen Zweck» fondern je<-
der feinen eignen^ der nur einen gemein*
ichafelichen Namen fuhrte. Eben deswegen,
weil die Scibstliebe cincs jcden oft nur auf
Koccen einea andern befriedigt werden kannt
herricht die Disharmonie» die gehoben wer-
cien foU. Selbst aus der edelsten Neigung,
aus vieiuinfa(rcnder Mcnrchcnliebe, kann iie
enCsCehen. Diefe Neigung isc wie jede an«
dere» druckend , wenn ihr nicht Geniige ge-
than \vcrdcn kaun, und cs ist dahcr garnichts
feltnes» ihr die Gerechtigkeic aiifgeopferC su
iehen. Uiberdem konnen mchc nur tiber
•
■^) Menlchenliebe, «Is NeignnK» isc theils auf
Sympachie, ibeils auf den Tticb fich aber
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dieMittel, roiidern auch iiber dieGcIcgenhcit
gor Wohlcbjitigkctt, Stceit mul Neid ciit«
rpringen* Ef Irage fich ein jedcr» der vor*
Eiiglich Gefallen daran hat, GUlckfeligkeit
ttni fich her lu vcrbreiteii, ob es ihm gleich^
giiltig iey, von wem dit Gitte» dac gelche-
hen foll, gethan werde, von ihm (elbst odcr
von audern; ob es ihm nicbt angenehmet
feyn «iirde, dM Vermogeii» vvelchet ein «i*
derer befittt» und tum gemeinen Besten an»
wendet, felbst zu befitzen und dazu anKuwen<*
den. Itt nun ichon bey einer, dem Anlcheia
Bach* fo uneigenntittigen Neigung in imt ein
Wideistieben andern zu (iberlafTen , was wir
lclbst gern befafsen uud bewirkten : fo mufs
cf bey andern Neigtingent die fich umnittel*
bar auf uns felbft besielieiiy noch iceit s^ker
andre su erheben* (auf Stolz) gtgraodet»
vnd kaan pachologircK heiisen. Es giebt
flber auch eine practifche Mcaichenticbe, die
ihvcn Urfprung blofs in der moralifchen Ver*
bindlichkeit hat. Wer diefe benczr, isc zu<
erst gerecht , und rhut dann fo viel Gutes
als er Kann — weil es fcioe Schuldigkcit
ist» aadem zu hcifcn.
— igO ~
feyu. Das Streben nacb Gluckfeligkeit bringt
«Uby wie Kant iagty eine Einitimniuiig lier«
¥or, die derienigen IbnlicH ist, welehe ein
gewiHes Spottgedicht aiif dic Secleneintracht
sweyer iicli tu Grundc richtenden Chelente^
lchitderts O ! wundervolle Harmo-
nie, was er will, will aiich fie u.f.w.
oder eine Hanuonie des Willens, wic die|e«
nige zwiiciien Carl dem funften nnd Fram
dem ertten, wenn der leftte fagte: wai mcin
Rruder Cari wiil (MayUiid) das will auch
ich haben.
Dieftfs Widcrfpiel der Einstimmung failt
bey dem formalen SittengeCetie ganc weg.
Wenn {eJer Menlch die Vemnnft tum Ii6eh-
«teii Zwecke bcy allen feincn HandUingen
machte » fo wtirden in der Tbat nie entge«
gengeretite AbfichtefrStattfinden; derWille
eines jeden wiirde im scrcMgsten Sinne, der
Wille aller feyn. Nun ist frcyiich auf dieier
Erde eine fo allgemein herrlchende Sittlich-
keit nicht zucrwartcn. Allciu cs ist geuung,
daii» das Gefctz derfdbeu gefchickt ist, die
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— 197 —
Eiattioiinuiig» die nun fich von der allsemei-
nen Beobacfatunf dcr Pflichten verlpricht, t u
i>ef6rdern.
4) Es ift kein Tlieil der Glttckreligkeir,
der nicht der Rechtfchaffenheit au^eopfert
«efden kami und ibii. WSre nim dieie
nichtt «b d«t Streben nach der mogllchgrofi-
ten Stimme angenehmer EmpBndungen: fo
hieiie jenet Urtheii iiichts anderf, al^ man foUe
ein kleinefet Vergnugen» um einei grolaern
willen, hingeben. Bis auf cincn gewifTcn
Grad lafst (ich dic Aufopfenmg fo deiiken.
SoU aber endiich feibst dat Leben der Recht«
fchafSenheit nachgeletst wcrden , fo giebt ci
keinc FreuJe, welche, Cic fey noch fo groit»
hoher su (chatxen fey, alt die Q^eiie ailec
Freuden. Auchwird derjenige allgemein fiir
iinvenuinftig gehaltcn, dcr, um eincr blofseu
Lust «illctt» daa Lebcn wagt oder gar hin«
giebt. Niir dann* wenn die Erhaltung delTeU
ben mit der Gerechtigkeit nicht bestehen
kann, wird dic freywilligc Aufopfcrung ge-
bUligt. Ueber alieit hingeben aJs ieine Pflicht
196
verletzen» das dcnken dic Menfchca als mug«
Itch im<l guts abes aliet hiogebeii, ttm einen
Theil oder vielmehr niditt tu erhalteii» cUe
ist in ihren Augen Uofinn.
Mie dem moralifchenGeliihle, dt Men»
fchenliebc bctrachtet, welche noch die Selbst-
Uebe iiberwiege, witde man wohi fmr EtIlIS*
rung jener Pordentng antretehen, wenn nur
ein folcher fiir fich bestchendcr Trieb ange*
iiommcn oder den Menfchen auf irgcnd eine
Weile geielgt «erden konnte, dafs fie andere
mehr alt fich felbst lieben m u fs t e n. Um
einen Freund, cineo Wohlthater vom Todc
Stt retten» lein eigncs Lcben hingcben, stcllt
man fidi ab mcSglich ttnd ilt edel vor. Eben
diefs fCir einen unbckannten Menlchen aus
JLiebc tbun, streitet fchon mit der alige-
tneinen Denkungtart ^ Einen Frcund
•) Es ist hier nicht von der blofscn Gcfahr dic
Rede, in die fich cin Mcnfch begicbt, um
eincn andern einem gcwifTcn Tode zu ent-
reitTen , fondcrn von eiaer wirklidien Auf^
0|^ftruog des Lcbeos,
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— 199 —
In Wohlftaiid durch Aufopfiening 6t9 Lebens,
bloff aut Zuneigung verleteen, i:vur<Ie nicht
liir giic und rccht angcfchcn wcrdcn. Aiif
eine eben fo iu>stbare WeiTe den Wohistand
cinet firemdea Menfchen retten, itC lcaum gc-
denkbar, iind witrde als hochst iinverniiuftig
betrachtct werden. Aber iieber dcn 1 od
ieiden, als eine Ungerechtigkeic gegen ihn
begehen, ohne zu fragen, wie fich dabey feiu
Gewinnst gegen unfern Vcrlust vcrhakc , das
liiic man nichc atnr nichc fiirverwerflich» Ibn-
dem fogar fiir nothwendig. Woher diefes Ur-
Cheii iiomme, lcidet l^eincSchwicrigkcity wcuu
*5 Hieraus hatten diejcnigcn, wdchc glaubcn,
dals der gute Character nur dcswcgen fo
hoch gefchflnt wecde, weil er der Sdbst»
iicbe «iderer zutrtg^ich lcy, lchon fthen
ItAnnen» wie fehr fie fich hren. Wftre der
Egoismus wtrklieh der Graod der Aefaning,
die man der Reehtichalleohcit encigt: fo
mafste jcdc Aufopfcrung iiir andrcb fic kom-
mc aus cincr Qucnc aus wdchcr fic wollc,
als gut berracluct werden. Dicfs ist abcr
gar nicht dcr Fall, Verzichrleistung auf
unfere Rcchte, wird fchr oft als Schwachhcic
getadelt, und manche Aufopfcrung als cin
hoher Grad dcr Unvemunic sngcfchcn.
^ aoo
die Verounft ah dcr bochtte Zweck des Men*
lchen angefehen vntd, Denn dann wird ih^
rem Gefetze alles iintergeordnct, was fich auf
Freude und Schmerz bezicht»
5) Nach dcm gewohulichen UrtheiJe der
Menfchen wird twar etn Unterfchied i wi-
lehett den Freuden ntgegeben» deren wir
fahig fiiid ; die grobern werden von den fci-
iiern gefchiedeni unddcnjenigcu» dieausdem
Verstande und Henen ilieiseny wird der Vor*
zug vor denen eingerautnt, welche von den
Korperlicheu Sinncn herkoinmen. Wcnu
aber eioe Frage iiber Recht und Unrecht ent*
fchieden werden foll , fo nimnt der geraeine
Verstand auf diefcn Unterfchicd gar nicht
Ruckficht. Der Ausipruch wird gefallt, ohne
tm allergeringsten damach eu fragen, oh
ctwa die feinern Freiidcn cines Mcnfchen
dabey in CoUifion liommcn lionncn. Dicis
Verfahren hat icinen guten Grmtd, wenn das
Sittengefetz fiir fich besteht, ohne Einrai-
fchung irgcnd cincs Gefiibls von Lust, wenn
Tugend ab das Bestreben angefehen wird»
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dcr Vcrnunft zu gehorcheo» und Untugend als
<ler Haag, fich nur angeoehmeEinpfindungett
xu Geietten leiner Handlungen su naehen.
Wird aber felbst die feinste Frcudc dem Sic-
tengeletEe fumGnuide gelegt, vird derganxe
Unterichied^swifchen Togend und Latter nur
von dcr Vcrfcbicdenheit dcr Q^iellcn hergc-
nonmen, aus nelchen das Vergnugen fliefst:
ib ist er ib gut ab aufgehoben» und es kann
in kcincm ciuzigcn Falle fiir alle Mcnfchen
bestimmt angegeben werden, was fie tbun
oder laden follen. Alles hSngt dann von
ihrer Empfanglichkeit fiir gewifTe Freuden
ab. Deon fclbstdiejenigcu» welchc vorziiglich
geistig genannt werden» entfcheiden nicht
iiber Kecht und Unrecht. Gelettt, ein Mann
iiiche fcine hochstc Giuckfeiigkeit im unge-
storten Nachdenken tmd in der £ntwicke>
lung feiner geistigen KrSfte» er werde aber
daran durch eintrctendcn Mangel der noth-
wendigsten Bediirfoifse dcs Lebens gehindert«
und konoe demlelbeo nicht anders als diurch
einen Betrug odcr durch mcchanifche Arbci-
tcn abhdftfn. Was wird er thun, wenn er
909
bey fich felbst deokt: die AuilMlduiig deiner
geistigen Krafte ist das hoehste Ziel, und das
Streben nach dem Vergniigen, welches aus
dem Bcwufstreyn derfeibcn flie&t» ist Tu-
gendl Ist cs ihmEnut mit dielen Behauptun-
gen , Co wird er (chr verfueht feyn f u betrti-
gCQy da die Entwickching feiner Fabigkei-
ten diurch die nechanirche Arbeit unstreitig
leidet. Denkter aber moralifchc Voll-
k o m ni e n h c i t fcy das hochstc ZieJ, fo liegt
ichon darin» dafs Vergnugen nicht der
Zweek der Tugend ist. Denn gewahrte diefe
Vollkommenheit dic hcchste Frciide : fo miifs-
tc cr fich gliicklich fchatzcn, cinc Gclcgcii-
heit zu 6nden, wo er (ich derfelben be^
wufst iverden kann* Wird er fich aber wohl
frcuen, dafs er, um das Sittcngefetz uicht zii
verietzeny mechanifcbe Arbeit thun muisi *)
*^ Dicfs wird an einem andcm Ortc weiter aus-
gcfiihrt werden. — Snebe nach VoHkoni-
inenheir, hcifst dieycrlcy: i) Suchc deincn
aufsern Zustand fo vollkonunen als moglich
xu mschen. 3) Bilde deioc Kiftfce und
F&higkeiten aus. 3) Strebe niehuiocalifcher
VoUkommenheit» Die beyden cistcnR^eln
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Perncr, wemi eininal mgegeben ytiti,
dUft dat Streben nach GluckleligketC der
Gniiid aller PBichteii fey : fo darf man fich
nachhcr gar mcht wundern» mmdM grobtce
Vergntigen eben Ib gut ak die feintte Preiide
«iim hochsten Gefetzc gemacht, und Gcniifs
des Lebens , er bestehe v/oria er wolle, als
cnticheiclend uber aJle Handlungen angelehen
wer^. „ Beruht die Willensbef timmung nur
aiif dem Gefiihle von Annehmlichkeit oder
UnannehmUchkeit» die der Menich aut ir<-
gend einer UHache erwartet: fo itt et ihm
gSnzIich einerley, durch welche Vorstelhings-
art cr a£Eicirt werde. Nur wie turk, wie
heziehen fich auf angen^oie Soiplindung,
und miiircn der dritten iintergeotdnet wer-
den. WSren fie mit derfclbcn vongleicheni
Werihe: fo hSrte dcrjenige nicht Unrccht»
wctcher lieber bctriijcn, al«; die Erwciterung
feincr Kcnntnif«;s aur^cbcn wollte. Ist abcr
moialifche VoIlJtommcnhcit das Hdchste, fo
iT)uf9 imtncr wicdcr gcfi agt werdcn , worin
(ie bcsteht? und dv.nn entweder ganz auf-
gcgcbcn, odci nach dcm rcincn Vcrnunfc*
^cfctzc gciiclitc; wcidca.
— 304 ~
lange, wie Icicht erworbeo tincl oft wicder-
holt diefe Aunchmiichkeic £cy, daran liegt et
ihm, um fidi sur Wabl lu enelchlielfen. So
viic demjenigen, der Gold ziir Aiisgabe
braiichr, gauiiich cinerley ist, ob die Mate-
rie deireiben, daa GfU^ m dem Gebirge
gegraben, oder aui dtm Sande gewaehlen iif»
\7enu es nur alJenthalbcu fiir denreiben Wertb
•ngeoommen wirdi Co fragt kein Menicb»
wenn ei ihm blofi an der Annehmlichkeit dei
Lcbcns gelegen ist, ob Verstandes- odcr Siu-
nesvorstellungeu, fondem uur wie viel
und grolses Vergniigen lie ihm atif die
langste Zcit veHHiafen.'* <>)
Allet Vergnugea itt in £6 £cns gleicfaar-
tig als es aiif einem in iins darauf angelegten
Gcfiibie beruht. Waren die feineru Freiiden
von gans anderer Natur alt die groben: Ib
konnten lie, in Abfieht ihrer Grdlte, eben
fo wenig mit einandcr vcrglichen wcrdcn, als
die Stirke der Vemunft mtt der Starke der
Kaots Critik der practifchen Vcrouoft, S. 43.
L»igiiizea by Googlc
— 305 —
inagneeirchen Kraft* Gleich^ohl wird dicCe
VergleichuDg oh aogeitellt und nach deriel-
ben der Wille betfiiDiDt* So groft fiir nan-
chcn das Vergniigen isf, das geistigc Befchaf-
tigungen gewahren: £o viixd er doch biiweiF
len ein grobfinnlichet liir gi6fier halten, und
wie konnte er diers, wenn dat letztere, reinem
Weien nach» von dem erttem verichieden
wlre. K2nie et alib bey der Monl nur auf
dic Bestimniung der moglichgrorsten Gltick-
fcligkeit an: fo ware Epicurt Behauptung,
dafi finnlichet Vei^ugen alle unfare
Handlungen bettimme» nicht tuwidcrlegen.*)
*} Die Gldchtnigkcit tHet Vergnugens nimmc
demjeolgcn, w«tchet von geisdgtn BciM&
tignngtn herffthn. nichis von fdncm Wer-
tfaa. Bt itc tUtrdingt dem linnlichtn Cini
engtm VcniaDdt) ivcit vorzutidien, nichc
nur, wcil cs voft Ungcrtr Dttttr, und mchr
in dcr Gewilt des Mcnichcn iit, fondcm
auch hayiptfftcfilich , weil jene Befchlfiigttn-
gen ihn zu dcr Bcfonnenheic bringen , die
dcm Gehorfam gegen die Vemunft gunsrig
ist. Aber das Streben nach diefen feinem
Freuden (an und fiir fich) itc nieht dicfcr
Gchoriiiau
906
6) MitderUibertrcttiug des SiCtengcietzes
ist clie Iclee yon StrafWtirdigkeit verbuoden*
Gcbietet niin daffelbe niir, die moglichgrorite
Gliickfciigkeit zii erstreben : fo ist das Mora-
liichbofe nichtf «eiter als Maoiel an Klug-
lieit oder an Kraft» dat, wat angenehme Enu
pfindung wirkt , zu finden und zu erlangeii,
oder die Uibel, die fie serstoren, abutwen-
den. Dann mult aber die bofe Handlung.nicht
nur nicht dcr Strafe, fondern fogar der Ver-
giitung «urdig gehalten werden, imd der-
lenige, der dai Sittengeleti verletat» kami
auf Mitlciden nnd Untersttitfung Anipruch
machen» Es ist daher unter jener Voraus-
letsung lumaturlich» bey einem Kampfe zwi-
fchen guten und bofen Menfchen, Intereilb
an den erstern i\i nehmen. Ihren Gegnern,
aU ichon Elenden» muft man weoigstens d i e
Vortheile «Snlcfaen, dle ihnen der Mangel
an Khigheit noch ubrig lafst. DieGuten, die
fchon dadurch , dafs man fic fiir folchc halt,
lur vorsugiich gitickiiche Menichen eridSrt
wcrden, konnen doch keinen Anlpruch anf
noch hobere Gluckicligkeit maclien, wenn
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— ao7 —
{ene dadureh mir noch elencler mrclen. An
BcJohnung fiir gutc Handlungen ist eben dei-
wegen gar nicht su deuken. Denn guCe
Handltiugen find eben die, «elche glucklieh
inachen; iind wer reinen Vortheil fo gut vcr-
stehc» bedaxf am aiierweiugstea dcc UateS"
•tutfung*
Wendet man hienuf ein» dafii fich der
Bole firiih oder IpSe, unendtiche Letden su-
ziehen werde, und man ihii dciirdbcu durch
hieinere entziehcn mtirs^c : fo kann awar die
Abfichr, ihtt xu beflem» bey der Strafe wohl
Statt finden, aber fie ts t nieht die Hauptrachc.
Ui miifs Gcrecheigkcit in dcr Strafe feyn, ehe
jene Gtite eintreten kann, und fiel diefe
auch gans ^g» £6 mu& der Gestrafte aner*
kennen, dafs ihm nur \viederfahre was recht
Iflt. Auch gestehen die Menfchen» deren
Vergehungen geahndet werden» gemeiniglich
ein, dafs fie eine Zuchtigung mdienen,
ohne im allcrgcriugstcn daran zu Ucnkeo»
dafs die Abficht dabcy iey, fic giticklichcr xit
machcn.
^ aci8 —
CefeUt aber, die Stnfe habe blofi die
Bcflrcning zur Abncht: fo kommt man bcy
dieibr Voraiisrctziing ebenfalls auf Reiiiltate^
die dem gefundeii Verttande durduiiis suwi*
der lind«
Die Leiden» dcncn man dcn Bofcn durch
kieinere entiiehen wiii» findvon meyerley
Art. Sie find entweder yon den ttnmoraU-
fchen Handluugcn unzcrtrennlich , oder (le
koniniett nur von dem Widentande der Men-
lehen her. Dte letztem fallen lur denf enigen
ganz vicg, der zu crhaben in der bfirgerli-
chcn GcrcUfctiaft ist, als dafs He ihn crrei*
chen konnten. Wer aifo bey feinen iinge-
rechten Untemehmungen nicht lu befureh«
tcn haC, dafs ihm cinst von Menfchen vcr-
goiten werde» was er iiinen tufugte» wer
ficfa deut von auflengewtrktenyUibeln tn ent«
ziehcn wcifs, braucht in dicfcr Rtickncht
nicht gebcfTcrt zu werden, und ist folglich
nieht ttrafwurdig. — So denken nun
Wollte man cinwenden, dafs kcirv Menfch»
auch der Machtigste nichr, gegen dicfe Ver-
gclmngficher iiey» und» da& er deswcgen
K.
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~ aog —
ivohl luaacheMachthaber, fo wird aber vtohi
keiner denken woUen» der Grundfaixe der
Moral au6le]lt
Gelien wir tti clen Leiden libery weldie
als iiniTiittelbarc Folgen der bofen Handliin-
gen augeiehen werden konneny und denen
der unmoralifche MenTch dureh SCraien ent-
xogen werden foll : fo kann man fie iintcr
drey Hauptpuiikten ziifamtnenfanen. Sie be-
•tehen entweder in korperlichen Leiden oder
in dem Gedanken an die Veraehtung, der
felbst der Machrigste nicht entgehen konntCy
oder in der Unruhe det Gewifleni. Oie letxte
muis wiederum filr dcnjenigen ganx wegfaU
alt fltraArOrdig gcdacht werde , weil er dtefc
Mdgtkbktic aus dcn Augcn vcrltere: fo
w6rde diefc Einwendung Kraft habcn, wena
nicht unfere ganze Berechnun;; der GlQck-
feUgkeic auf blolser Wahrfcheinlichkeit be-
ruhte , und wenn nicht ofr jene Moglichkeic
weit mehr zu den Unwahrfcheinlichkeicca
gehurre , nls hunderr flndcrc , die man tus
dcin Gefichtc verlieven dnrf , ohne iin nlJcr-
gcringsccn fiir siraCbar angcfchcn au wcrdcn.
o
210
lcn, ^cr tatifend Mkrcl <ti finden weift» um
ieinc Nciguugcii zii befricdigcu , iind recht
und gut nur dasjenige nennt» was ihm ange^
nehme Empfindungen machr. le mehr Klug-
hcit cr bcweist, diefclbcii z.u vcrvielfacheii
uod xu erhoheo» desto bcfrcr muQi cr iich
diinken. Daher kann er auch kaum «Shnen,
d^ifs man ihn verachte. Denn Veraehtung
trift, nach dcr Vorausrctziing, ja nur deii Un-
klugen» der ntcht versteht die Umstande cu
feinem Glucke zu henutcen. Diefelhe konnte
huchstcns mir dann ciiitretcn, wenn fich jeiicr
Miichtigc durch Auslchwcifuugcn kurpcrlichc
Leiden nisoge. Auf diele ist alib hauptCich-
lich Rifckficht cu nehmen , wcnn allgcmci-
nc, fiir allc Mcnfchcn pafscndc, Strafwtirdig-
keit fcstgeietzt werden folly und fie falJt
liberhaupt ganx weg, wenn der Menfchy der
fich ciner bofcn That rchtildig macht, vor
dcu Uibeln zii fciiiitzcn weiTs, um dcrcr wil«
len Ae ais bole angefehen wird* Denn das
Sittengereit wird gar nicht iibertreten, fobald
ilch dcr Mcnfch dcn Foigcn feiner bufcu
Haudiungen durch Klugheit oder Macbt, nt
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eillsiehen weifs* Wie febr diels ailef der
Denkungsart des geiiinden Verseandes wider*
streitcr, bcdarf kainii der Erwahnung» Irrtc
er iich> fo liounte iiberhaupt gar kein Sitten»
gefetx angenonimen «erden. Denn von die-
fem ist dic Strafwiirdigkcit dcsjcnigcn, dcr cs
vcrietzt, unzcrtrcnnbar. Wic kanu fiir eineu
Willen ein Gefetz gedaeht werden» deflen
Uibertretiing gleichgiiltig wlre? Ein Gelefs
aufstcJlcn das bcobachtct werdcn foll und
die Verletzung dellelben doch nicht fiir straf*
mrdig xu halten, ist ein oflenbarer Wider«
fpnich. Das Sollen dcutet auf Nothwcn*
digkeit einerUandhing imd Straflofigkeit def*
len, der fie unterladit^ stellt fie als nicht
nothweudig dar.
Die(er Wideripmch findet bey dem for-
inalen Grundfats der .Sittlichkeit gar nicht
Statt. Nach ihm bestcht dic Tugcnd in dem
Voriatze» die Gebote der Yernunft lu eliren^*
ohne Ruckficht auf irgend einen Vortheil*
Nicht Mangcl an Khigheit, fondern Mangcl
an gutem Wiilcn ist das Moraiifchbofe.
212
kenut iiun der Mcnrch aii , dafs Vcrauuft das
Hdchtce iit, tiiid handdt cv doch ib» ak ley
Sinnlicfakeit hdber alf (ie ; fo kann , Ib muft
er fein Verfahren verdamincn, uud die Ge«
rechtigkeit der Strafen anerkennen» mit denen
daflclbe beJegt wird. Auf der andem Satt
kann cr dcn Vorfatz, fich nicht diirch Lust
iind bnlust be$tiiumen zu laiTen» vou der
Rechtfehaifenheit nicht su iveichen« fie koite
itoch fo viel Mufie und Aufopfcrung, der Be-
lohnung wiirdig hal ten. Wer als bedurftigcs
Weien ieiner Sinniichkeit um der Vernunft
wiDen nicht achtet, dem kann» dem Ibil man
diefs fchwere Gefcb'ift erieichcern. £s iicgt
^^) Bcy den meisten Menfchen, die zurBefon-
nenheit gehingc fiod, kaim min auf diefs
Gefilhl von Stnfwardigfceit des Ungchor-
iams gegoi dis Sinengefetz rechnen, und
ihuen folglich fagen, dafs fie, um ihrer
cignen Roht wtllen, fich des Bfifen enthtl«
tcn muflVn. Aber eine Handlung
ist niclit dcswegcn bdfc, wcil fie
Unruhe machc, fondcrn ftc inacht
Uoruhe, weil fie b6fe ist. Man
mufs das Sittengefetz fchon erkr^nnt habcn,
und auf <lem Wege rur RechtfchaAeoheic
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dieTsy xfle dat Sittengcfeti» lelbit in unlcrer
Veniuiilt alt That^che* Wenii lie Ghlckfe*
Jigkeit zu vcrthcilen hitte, fo wiirHe fic dic-
felbe immer nach dem Graile dec iittlacfaen
Gute vertheUen. Man kann aifo fagen, der
Tiigcndhafie strebe iiicht luccst nach Ghick-
feligkeit, fondcrn nach dem» was ihn dedei-
ben wiirdig maeht.
7) So ttreng et fcheint, aut der ohen ten
Regel uniert Verhaltent aJleNeigung, fclbtt
die feinste, auszufchliefsen ; fo ist diefe docK
der Hohcit dcr menichlichen Natur voJJkom«
men angemeflen. DatSittengefeti allein in(l
lcrt nieht lelten weit mehr Kraft als alle Be-
trachtuugen liber Vorthcii uud Nachcheil« die
«it irgend einer HandJung entipringen kSom
oen. Wena ein Kand irgend eine Ncigung
feyn, wenn man das Wahrc jener Ermah-
nung fuhlen foll. Auch kann jcnes Gefuhl
nie anm Ifaftttabt dtt Sittlichguten genom-
nwn «trdtn. Sben dcswegen, weil man
dtflelbe oft tlt entlcheidcnd toficht, wird
die Pflichc nicht fclten veikannt»
jurchfetfen will, und tnan ihm ntir den Scht*
den vorstellt , der fiir daffelbc daraiis entst<N
hen wilrde, fo wcift es eine Mengc Gninde
dagegen anstiffihren, iind oft iblche» die ttaaii
nur mit Mithe witjerlcgcn hann ; ist aber reiii
Begehren von dcr Befchaffenheit» dafs die Bc-
iriedigung deflciben einem andem den Scha-
dcii ziiftigt, dcji cs fiir ficK nicht gtachtet
hatte, luid fragc uian cs, was es vffohl dcn«
ken wiirde, wenn et an lciner Steile w8ce:
ib erfolgt gcnictniglich cin tiefei Stillfehtvei»
gen, niit nic Icigcfchiagcncn Aiigeii. Ebcii
diefs ist dcr Fali , wenn man ihm auf diefe
Weife lein fchon gethanes Unrecht vorhait,
Uiber aiion Nachtlieii, der fiir dalTelbe dar*
aus entstchcn liaiuiy vrenn es nicht eigcnt^
liche Strafe ist» fahrC es gemciniglich mit
groAen Leichtlinn hin. Man fage ihm z. B.
dafs fein Gcrpicle, dcr belcidigt wordcn isty
feine Gcfciifchaft mcideni odcr doch nicht
mebr fo gcfallig wic vorher (cyn werde, fo
ist dic Antwort : cr wird fchon wicder kom«
men, or wird fchon wieder gut werdcn^ oder
wohl gar ; ich mache mir nichts darausi auf
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dic oben angedeutetc Vorstcllimg abtr cr-
foigt oh gar keine Antwort, foncicrn scille
BeichSmungy oder bochstens Entichuldigiingy
dic voii dem Betragcn des Bclcidigtcii hcrgc-
nommcn wird. Gcgeu die Kichtigkcit dcr
Regel» nach der daf Kind fich bestammen roU»
wircl nie efwas eingewandt, wenn nicht der
Stolz der Eltcrn dafTcJbe fchon auf den Cc-
4anken gebrachc hat» dais ein wefentlichcr
IFnterichied cwirchen ihra itnd (einem niedri«
gcrn Gcfpieleu lcy. Aiif ebcn diefe Art Jaf>c
ilch fafst aiiciii bcy icichtfinnigen jungcn Leiu
ten etwas ausrichten. Alle Folgeu ihrer
Handlungen fiir fic felbst riihren flc oft gar
uicht. laufcud Mittcl stehen ihncn uach
ihrcr Meinung ni Gcbote, itm dcn^elbcn au^-
stiweichcny oder die(elben wied^r gut zu nia-
chen ; oder fic fuid fogar bercit, ciuc Mcngc
Uibcl iibcr iicb ergeheii zu laffen» um nur
ciner LiebJitigsneigung zu folgciu Aber weiin
fie augciiiciicinlich rHichtcn gcgcii anJciC
verlctit habcn« oder BcgriBc fiml zu \ jr-
letzen» konnen fie durch die V^orhaliung des
reinco Sittengcfctzcs fo gcfafst werden» dafs
2l6
Cic der Nothwcndigkeit , ihr Bctragen oder
ihrea fiutfchluis zu aaderny nicht «ider*
scehen.
♦) Es gicbt freylich viclc Handlungen, die nur
um dcr Folgcn willen, welche fur uns felbst
tlaraus cntfpringcn, gut odcr bofe find, und
nur veiinittclsr dcifclbcn «uf das Sitrengcfetz
I)^ogen wcrdcn kdnnen. Aber felbst die
Gercchtigkeic blofs dadurch empfehlen , dals
dit Att^hiing derfclben uns eincn gutea
Kcmen, Frcunde u. f. w. verfchelTc, heiftc
die Sitclichkeit verfllfchen, und fiberdicft
2ur Errcichung emesZwccks, Mitielgebnin»
chen, die wcjt unwirkfamer find ils die
blo(se Vorhaltung det SittcngefetKCs, Wlt
fcUr fchten elfo diejenigcn, die sur Bildung
der lugend Gefchichien aufstcUen, wosu-
falligcr Weifc die Gercchti|>,kci'.slicbe SuffCre
Vortheilc vcrfchafr. Die Vernunik isi swec
oftmSchtiger als jenc Vorfpicgelungen, kann
abcr doch durch Hinweifung auf Eigennutz
in ihrer Wirkfamkeit aufgehaltcn wcrdcn,
und was ist dcnn Erziehung, wenn fie die-
fclbe mehr hindert als befordcrt? Bcy dcr
Wohlthfitigkcit ist vielleicht Anfangs das
fympathctirche Gefiihl nichr aus dcr Acht z\x
lafTen; abcr fogar libcr dairclbe hinausgchea
und wicdcrum auf aulsere Vorthcilc verwei-
fcn, uuil-^dcn grobsten Eigennutz befSrdern,
und moralifche Bildung foll doch darauf
hinzielen» denfdben niederxufchlagcn.
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— ai7 —
Auf <liele That(«elieii gettiits^ find ver«
miitfaHeh maiiche MUimer auf <leii Gedanken
gerathen, das moralifchc Gcfiihl fcy ciiic Lic-
be zu den Menfcheuy die noch der Seihstliebe
vorher^hn und fie an StSrke ubertre£fe. Aua
den angcftihrtcn Erfahrungcn konntc allcr-
dings eiae foiche Folgcriing gezogeu werden»
«enn nieht andere Er£diningen Ib ttark wi-
derfprSchen. Eben die Menichen, welche
anderu nicht Unrecht tbuu woiien, (ind doch
gar nlehts weniger aU geneigt» ihr Recht ge-
gen diefelben anfzugcben, thren eignen Freii-
dcn zucntfagcn, um ahnlichcaudernzunicfsen
su Uiiren. Den Befita deiTen» wts man recht»
maittg erworben hat, an ganc fremde Perfonen
«btreten» oder, irgend ein Gut bcy ganz glci.
chen Auipnichcii darauf, licbcr in andcrn
Handen alt inden retnigeii iehen, Kommt ent-
weder auf dieier Welt gar niche» oder fo feK
ten vor, dafs cs als cunc »Ilgcmcinc Hrfahrung
durchaut nicht angefuhrt wcrdcu kaniu
Gleichwohl multte fie es feyn, wcnn die Lie»
bc zuni mcnfcblichcn Gcfchlechte iiberhaupt
grofsci', aii dic Licbe xu uns fcibst ware*
2l8 —
lenc Thaffaclicn (tnA a!fo blofs als Wirktm-
gen dcs reinea VernunftgeieCics MUiirehen,
und fchUgea die ^inwemlting nieder» daft
uin der Schuachheit dcrMcnfchcii willen den
Gebotcn dcr Pilicht, diirch die Aiireitzung dcr
Selbtdtebe» Nachdruck verfchaft wcrdeo
mufle.
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919
V<m der Reybeit d$s Willcns
Ukrtaift.
Xc<)cr Menfch , Aer niir einlger Uiberlegting
libcr fich ielbst fahig ist, wird fich bewufsty
daft cr nach gewilfini Zwecken wirkcn» und
dafi er» tiir Erreiehnng derielben, leine Vor«
•telhingen, feine Triebe iind feine Gefiihle,
nach freyer Wahi, bis zii einem gewiiTen
Gradelenken^ belebenundunterdruckenkann»
Sobald fich jemand in der gewohnlichsten
Sache des Lebciis vor der Handlung ent*
ichiie6ty die verichiedenen Setten und Fol-
gender(elben cu bedenken : fo leigt er (chon
damit an, dafs dic Vorstellungen, die iich
darauf beKiehen, mehr oder weniger in iei>
ner Gcwalt find » und durch dieie gebletet er^
in ebcM cJem VerhaltniGc, feinen Triebcn
und feinem Gefuhic« Dic fiefriedigung voo
irgend einer Neigung mag noch ib viel Ver-
gniigen verheifsen, fo kann er fie dodi dnrch
irgcud tijic Voi^ccilung abweireo. Wer gera
— aao —
feinen Gaiim kitieltt kaon ficb durch 4ic
Vontellting von den nachtheiligen Folgen»
welchc diefe oder jcne leckerhafte Spcifc fiir
ihn hat, ahhalten lalTen, dierelbe au genief-
fen; ia» dlureh die oft wiederholte VonteL
Iting von jencn Folgcn, kaim er fogar das an^
genehnie Geftihl, das dcr bioise Aobiick
jener Spcife Anlingt in ihm enveckte, gans
nnterdruckcn, und fo am Ende nieht die gc<
riiigstc Bcgicrdc niebr darnach empfindcu»
Cbcn fo kann dcrjenigCy welchcr etnen, dem
Anfchein nach, unwiderftehlichen Hang sur
Fflcgwng der Ruhc fiililt, fich von dcm Gc-
dankcn» dafs fie zu ^cr />eir, als er fich dcr-
Itflben su iibcrlairen wtinfcht» ihn nm die
Gunst feiues Ftirtten bringen wtirde, m el-
ncr Munterkcit iwingoi , dic uicht dic allcr-
Scringfte Mudigkeit durchfchimmern liftt.^^)
•J Der Baron Tott erzfthlt in feinen Dcnkwiir-
digkcitcn iiber die Tiirkcy cin merkwurdi-
ges Bcyfpiel von dcr Kraft , welchc Vorstel-
lungen uber den Korper hflben. Ein vor-
nebmer Tiirke hatt^ (lch in Wein fo be-
Tfiufchc', dafs ihm noch kflum eioige Befin*
nuD&skcafc ubrig blicb> ala ilun fpnMxt
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Hat derMenich diefeGewalt uber dk un*
mittelbar (innlichcn Eindrirckr, tiiiJ tiber (ei«
4i Gefiihley bis lu eincin gewilTen Grade cr«
langt, und ttdlt er vor jederHandluug Uiber-
legiuig tlber dat an, wat er tu ^un oder xu
lafTen hat: fo koniien ihn dabey zweyerley
Vorttellungen bettimmen^ der Gedanke an
Gluckieligkeit, oder der an Geletsmiitigkeit.
Bcy dem erstcn komint es aiif Bcnutzung dcr
Erfahrungcn an, die er entweder aa ficb
lelbtt gemackt hat» oder auf dat Zeugnift an*
clerer glaubt, Wer gar nicht denkt, daft
bore FoJgen aiis eiuer Handhing entstchen
konneoy der wird» wenn fie ihm Vergnugen
vcrfpricht, dieiet lu erhalten luehen. Wer
luiccr mchrercrn Gcgenstaudcu zu wahlca hit,
wurde, dafs cin Polizeyb«amte fich feineia
Haufc nahcre. Augcnblicklich befahl jener,
man folic diefein fagen, er fcy m der Mo-
fchee Dahin gieng er, der zuvor nicht
stehcn konnte, auch wiridich, uud kain
nach einigen Minuten mir rolchcm Anstandc,
und Ib gciiiftt aucilck, daft der Foiiteybe-
amte auch nicht dcn cniftrnietcta Gadan*
k«n to eintn Rturch habeo kenme.
— aaa —
der sttcht nach dciien, wclche cntweder die
gro6te, oder die <lauerhafteste Lusc
gewihren. Um dle eine, oder die andere
311 crhalceu, ist oft iange Mithe und grofse
ADStreogung nothwendig» Es miiTs aifo die
UnannefamUckeit der Mittel gegen die An«
nehmlichkcit dci ziierrcichendcn Abficht ge*
haiten werdeu. Es eutsteheu dadurch oft
lehr verwickelteAu^ahem Da nundemMeo-
fchen fo viel auf feine Ghlekfeligkeir an*
konimt: fo ist cs allerdings von Wichtigkeit^
hey jeder Sache^ die Lust oderUnlust hervor*
bringt , aitch im Ailgemeinen au erforfchen»
in wie fern fie rait unfL*rm Strcbcn nach
Gliickfeligkeituberhaupt {ibercinstimmc oder
•ireites und ct ist ein GeichSft derVernunft»
den VVcrth eines jeden Guts, fo viel als mog-
lich, tu bestimmeny und eine Rangordnuug
unter allen Dingen» die fich auf Liist oder
Unlust betiehen» ftstsustellen. Vennittelst
der Erfalirung, fucht fie die Fragen zii bc-
antworten: me ie^haft» wie dauerbaft ein
Vergniigen oder Mifivergnugen fey» «ie
leicht ccworbeni und wie oft wiederholt dat
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cine , und Xfit leielit vemiieilen ote ubcr*
wiindcn daf andcre wcrdeu koune.
Das iJcal dcrCIiickfeligkeit, dasauf diefo
Weifc cntstehCy Kann abcr nichc an alle Meu«
fchen g J e i ch e Gebote enthalten. Die Ver*
lchiedenheit der Anlagen, der Atisblldimg,
dcr Umstande und Verhaltnifsc niacht dio
Regeln» die fich auf Gluckfeligkeit beueheoy
£U blofien Rathfchlagen. Denn es iit un*
moglich, fheils zii wilTen, was fiir jcdcn Meu-
iehen das grdiite Vergnugcn iey» thciJi im*
ner dle Mittel anfugebeu, durch die der
Zwcck crrelcht "nrerden konne. Es koramt
hierbey auf die Empfanglichkeit fur eine ge^
ymffe Art von Liist» und auf die MogHchkeit
an, (ich dierelbe nicht nur uberhaupt, lbn«
dern fo zu vcrfchaficny dafs fic von der gan«
sen Summe angenehmer Empfindungen nidkt
mehr nehme, als fie daxu beytrigt. So lange
alfo ntii* auf dic Amichuilichkeit des Lcbens
Riickficht genommen «ird: fo la&t die Ver-
nunft einem ieden frey, Vergniigen und Mils*
Terguiigeu da zu fiichen» und xu veriaeiden.
— 934 ^
wo iic individuelJeBdchafaiheit feinerNei*
gungen iiAd Verbaltnir$e ihn dif eine ver-
hci(st, uud das audere befiirchtea lUisc.
E$ ist i.B. wohl wahr, d^ds gcistige Frcu-
den von lingererDauer fiud, und oftcrer wie*
derholt werden konnen, alt die finnlichen*
Aber umfonst wiirde dieVernunft fie dcmem-
pfebleny der fie nie gefcbmeckc bat, und,
entweder ieinen Adagen» oder feiner Eraie-
hung und feinen VerhSltnifsen nach , dielel*
ben fieh nicbt zu vcrfchaffcii verraag. Ebcn
ib ist nicbt su laugnen» daft datStreben nach
groiten Dingen mit vieler Mtihe, Sorge und
Unnihe verbunden, und, blofs umderGliick-
leligkeit willen» die dat tu erreichende Ziel
ver(prichty lchwerltch vielen PeHbnen ansu-
rathcii ist. Wer aber alle diefe Befchwer-
licbkeicen nicbt achcet» dem kann et doch
nicht lur Nothwendigkeit gemacht werden,
denZwcck, nachdemer strcbt, aufzugcbcn —
wenn gleicb die WabrfcheiuJicbkeic luir ge-
ring leyn (bllte, dait er ihn enielen werde.
Kurz^ die Vernunfc kaun wcdcr aliciuj uoch
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— aas —
ia Verbindttiif mii £rfahrung» voa irgend ei-
ner Sedie in der Welc, die fich nichf aiif dle
crsten Beclurfnirsc des Lebens bezicht, oder
nicht iiiiinittelbarphyfiichenSchtnen cncug^
init Gewifiheit iehren, daft fie iinnier mit
Luit oder Unlnft irertNtnden icyny odcr daft
fie nothweiidig mehr Vcrgnugcn» als einc
•ndcre gew&hrcn muife. Wcnn nilb der
Menfch, untcr GegentiSlndcn» die fich atif
Annchmlichkcit bcziehen, wahlt: fo hat cr
tigentiich kein nnderefl Geieis eit die Sefirie*
digung ielner NeigiNigCfl.
Aber.gani indert ttt et mit der Erfiiilung
der Pflicht. Daniber itellt die Vcmunlfy wie
wir gcfchcn habcn, ein Gefetz auf , das ohne
Antnahme Gcliorikm fordert, uiid in dem
Bewttfttieyn einet (eden Menfchen licgt, der
den Gcbrauch der Vcrnunft hat. Wic nun
der Menich durch die Vorttcllung einet ent*
&mtenGnCt9 ficb von demGeniilte einer kur*
zen Lust abhaltcn laffen, wie er felbst cinen
groiicn Scluncn frcy wiUig walilcn iuniiy um
P
eiueiu liitigerii iii entgehen; fo foll er ncli
durch dit Vorste]lung <let Sittengefeczef be-
stiminen, keine Handltiiig zu thun, diedem*
ielbcn ziiwidcr isr. Verfprache fie ihm auch
noch fo gro(se und niannigfaltige Lust» fo
foll der Gedanke der Pflichtwidrigkeit ihn an
dcr Vollziehung derfclbcn vcrhiudcrn. Un-
ter den Aniiehmlichkeitcn des Lebens kanu
er nach Gcfallen wihlen, aber unter der Be-
dinginig, <Jafs fic ihn wedcr tinmittelbar noch
mittelbar von der Erfiillnng der Pflicht abhal-
ten. lanochmehr! Es ist nicht genung» daft
fciiic Hanclhingcn dcr Pllicht nicht zuwidcr
iind ; imr bey dcr Ritckficht auf diefc kon-
nen jene als gut angefchen werden. Wenn
zwey Manner gcrecht richten, der eine, weil
ec iich vor dci* Strafc fiirchtct, die ein unge-
rechtes Urtheil nach fich xiehen konnte, und
der andere, weil er liberhaupt kein Unrecht
thun will ; io iiat nur dic Handlung des letz-
tern moralifchen Werth. Denn nicht ibwohl
auf was gefchieht, fondern, warum es
gtfrhicht, komnit Cb bey dcr Sittlichkeit an;
luchf dic Han^lhmg fclbJJt, fondera dcr Willc
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— aa7 —
Ut daSy wat den Menrchen als fiCtUch odct
unfitellch darstellt. Nothwendig fcheint et
dabey freylich nicht, dafs dcr giite Mcnfch
fich in jedem Faile deutlich bcwufst iverde,
diiis er um der Pflicht willen irgend
etw;is thuc oder unterlaffe. Er kann nach
und nach cine gcwiflTc bestimmte Richtung
sum Guten bekommen, die ihn in vielen
Fallcn einer langcn Uiberlcgung liberhebt
AUeiu jc reiner und vollkommener feine Tu«
gend werden foiU desto deutlicher mtiilen
fich ihm auch die Grundnitxe darttellen » die
er zu bcfoJgcn hat, und dcsto mehr mufs er
feinen Verstand liben» fie auf das wirkliche
Leben aiiiuwenden i nur dadurch kann er et
immer weitcr in dem Vorfatze bringen, dem
Sittengeietze gemafs zuhandehi, und, weun
xwi(chen der Erfullung von diefem, und der
Bewirkung feiner Ghlckfeligkeit, tu Wihlen
ist, die erstcie der lctztcrn vorzuziehen.
So fchwer e$ nun auch ist, dicfen Vorfug
immer in ieinen Handluugen auszudriickcu^
Ib fbrdert ihtt doch das Sittengeietx unnach*
iSftlich, iiiid kein Menfeh (pridit den au-
deru vou deni Gcborram gegen daffelbe firey.
Cndchuldigen konnen «ir wohi andere, wenn
wir elnleheny dali ^ SehmerigkeiCen, die
lich gegcii dicPflicht erhcben, fehr grofs find,
entfchuliligen konnen vnr in dierem Falle
auch unt lelbe t. Abcr dUefe Encichuldigun*
gcn betieheu fich immer auf die Schwachheit
der Menfchen, nicht daraiif » dais es gleich-
giiltig rey, oh maB recht thue ocler nichti
nicht darauf , dalt et auiler der Gewalt der
Meiifchen iiberhaupt fey» dcr Pflicht alles auf*
suopfemy wat ihnen aJt finnlichen Wr len an-
genehm itti nicht daranf, dalt et iein Vor*
fati nicht feyn Lonne und nicht fein folle,
dem&lbcA treu lu bleiben. Dic beste £nt-
lchuldtgung die man im Falle einer iibertre-
tenen Pllicht vorhringt, und die allein alt
volle Rechtfertigung angefehen wird, besteht
darioy daft cine andere Pflicht lidhcr ley alt
die verletfte, und dalt beyde nicht hitten
Ciigleich crfiillt werden konnen. Lafet fich
nicht h i e r d 11 r ch irgend eine Handlung be-
ichooigent Ib fucht fie dcr^ welcher -fie ge-
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mmm 20^ —
thaa hat, gemeiniglich su verbergen,*) imd
fiebe dUniit einen Beweit» daft er glaubt, er
habe fie nach dcm Urthcile der Menfchea
nicht nur nicht unternehmcu follen, fou-
iem aueh unterUiGMi konnen» Hhenuf
betiehe fich auch dasMiitvergniigen, dat die»
jenigen empfiudcny \vclchc dcn Vorfatz ha-
ben» fittiichgut su ieyn, wenn lie demicli>en
in irgend einem Punkte untreu gewefen find.
Dafs (ic ihm nicht wiirden habeu treu bleibeu
k 6 n n e n » wenn fie auch allct getlun hatten»
wat in ihier Gewalt t tand» itt lclten odcr nie
♦) Ich fage gemciniglich. Dcnn zu leugnen isc
c> nicht , dafs ganz verwildertc Menfchcn
cmc Ausuahmc machcn. und da(s dic Vcr-
borgenhcit hauptl^chlich dann gefucht wird,
wcnn dic strcngcn Pflichten verlctzc wor-
dcn find. Bcy dcn Gewiircnspflichtcn, wo
cs nicht daiauf ankommt, ctwas bofcs zu
untcrlafTen, fondcrn ctwas giitcs z\i thun,
wird die Schatm lchon dadurch gcfchwachc,
da(s Dflch dem Unhcttc dcr Menfchen viele
Vmstindc io Betnchtong gezogcn wcfdcn
mfiircQ, und dtff dic Entlcheidung dtrftbcr
ciocm jcden fdbst zo <U>crt(iiren ist.
— a3o —
khr Uitheil. Mit diefem wiirde foglcich je-
der Vorwurf vcrfchwindea, dcii fie (ich, in
Ablicht ihres Betragens» macheii. Wer nichc
anJcrs haiidcln koiinte, alf er wirklich
handclCe, muis frcy von allcn Vorwiirfcn gc-
dacht werden. Auch richtet fich dit Bcur-
Aeilung dcr Sittlichkeit oder Unfittlichkeit
irgend eincr That, gani nach dicfera Aiif-
l^iche <ler Vernunft. Uibcrall» wo dcr
Men(ch feiner ntcht mSchtig gedacht wird»
findef keine Zurechmuig dcs Bofen Statt, dai
cr that. In allcn ZiistandeUy wo der Ge-
bratich der Vernunft entwedcr gani aufhort,
oder doch iehr gefchwSeht ist , wird weder
Wort noch That als strafbar iibcrhaiipt, oder
ab fo strafbar angefeheu» wie im Ziutande
der yollen Befonnenheit. Das Erste ist dcr
Fall in Gcmiiths-und Leibeskrankheitcn, das
Zwcytc bcy plocxlichca Uibcrr£fchuogcn, wo
eine feltne G^nwart des Geistes erforderc
wird, tnn starken finnlichen Eindrucken ei-
ucii ^augenblicklichen Entrchlufs entgegen zu
letien. Wenn bcy ibichenGclcgeuhcitea der
MenCch audi oicht gant firey von Schuld ge-
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iprochen wird , fo errcheint doch diircli
die geheoinfe Uiberleguag fehr gemildert.
le vollkoiniiiener hingcgen diefegedachtwer-
den miifs, und je langcr die Zeit ist, wclche
zii einem Eutfchlii(se gegebcn war, desto
ichtiJdiger finden wir den» «elcher fich iiun
Bofen bestimmte. Daher der starkc Unwille
gegen eincn Vcrbrechcr, dcr ticfc Planc zu
leinen Uibelchaten entwirft, und lange 2^it
«ir Ausfilhnuig derfelben gehratieht;
AuiTerdemMangel anBefimnenhelt recht*
lertigt noch cinc ginzliche Unwiflenheit del^
fen, was PdichC ist. Sic xvird aber nur in
wenigeit Fllien^ und in folchen gar nicht an«
genommen» wo fehr wichtige Rechte gc-
krankt werden, deren Anerkeimung als noth-
wendig mit dem geringsten Gebrauche der
VernunfSt verbunden gedacht wsrd. Und in
der That ist cs cinc hochst Icichtc Sachc, in
den roeisten Angclcgenheiten des Lcbent su
willen^ wat Pflicht iey, wenn man ei wiiTen
wilL
— 2^2 —
Alle dicfe angefiulirteii Urtheile find
tinmitcelbar mit dcr Annahme det Sitteo-
gefctzcs verbiincJcii. S o 1 1 man daflclbc cr-
fiillcn, fo tniinen wir Ci auch wenigttcnf in
fo weif erfuUen kdnnen, dafi wir et tur
obcnten Regel aller unferer Handlungea
machcn. Und in dicfer RuckOcht fchrcibt
&8C ein jedcr Menicb dem andent und licli
ielbit einen freyen Willen, d. b. einen
Willen 211, dcfrcn Bcrchaffenheit blofs von
dcm Menrchen relbst abhangt. Dio bloifo
Frage: wna follen wirtbun, fetxtdiefeFrey*
hcit voratis. Wir denken alfo, dafs wir dai
Verroogen haben, zwifchen dein Sittlicbgutca
und Sittlichbdfen oder (da dai letxtere nur
in fo fem vorgezogen wird, alt ea mit an»
gcnchmcn Empfindungen verbunden ist) zwi*
fchen der Pflicht und der Luit xu wililea.
Zwar wird diefer freye Wille auf alle Hand.
hingen uberhaupt bezogcn; abcr in mora-
iifcher Rilckficht kommt ei aur auf die
Wabl xwiiehen Pllicht und angenehmer Em»
pfinditng an. Dcr Willc (welchcr hier nicht
ali dai Vcrmogcn xu waiilen» fondern als
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— 333 —
dat Beitreben gedachf wird» ^sjenige luffu*
ftihrcii, was gew'ihlt worden ist})<^) wird guC
oder boie geDaimt» njich dein cr den Vorfiits
enthilc entweder die Pflicht der Ghlekfelig.
keit, oder diefe jener unterzuordneu. Diefe
Erklimiig kann nicht mehr befireni«len, wenn
die Urtheile der Menlchen iiher den gofen
Charakter, die in dcm ersten Abfchnitt an-
gcfiihrt worden find, wenn «iie fcharfenGren*
sen bedacht werden» welche aie Sittlichkeit
von Gliickreligkeit fcheiden. Nicht ausgc-
fchlofTen, fondcrn nur untergeordoet ibJl
diefe jener werden. Auch lal&n fich nancho
Annehmlichkeiten de« Lebens mit der Tu-
•) Dcr freye Wille wird zwar nicht fcltcn fiir
das Vermdgcn zu wfthlcn gcnommen. Wenn
DUm l.B. von einem Menfcficn, der gans
ven andem ibbflngig i$t, fagt, cr habc kei-
nen Willcn. Um ille Verwirrung zu ver-
m«d€n, iit cs guc dis Vermdgen zu wihlen
von dem Willen zu tKoncn. Diefer
wiid duich Jencs bcsiinimt, feinc Befehsf.
fmheit ist Wirkung tou jcnem ols Urfsche;
D« Vermdgcn tu fviblen hcifst Willkahr
odcr Sponianfiiftt.
— 334 —
gcud vcreinigen, aber dns Einzige, das Hochste
find fie doch nicht, wornach die Meiifchea
•treben folleti. Wie nun dieie Wahl zwt-
fchen dem Giiten iind Bofcn nioglich Tey,
ynie der blo(se Gedanke an GefeUmafsigkeit
den Antrieben des Verguugens widerctehen
konne — (ind iinattflosliche Fragen , dic in
cine Claflc mit denjcnigca gefetzt werden
ntiffent weJche ein Gnindvemidgen unierer
Nattir betreflen. Sobald das Forfchen bii
aiif dicfc gekommen ist, fo ist alles V^crniinft-
len 2u Ende. Nur die Thatiachen, die in
unremi Bewuistfeyn licgcn, konnen atifgc-
stcllt iincl gegen Zwcifcl gefichert werdcn;
das Vermogen worauf fie fich grtinden, wci-
ter tu erkJaren, vermag kein Menfeh. Et
fchcint zwar nicht ganz fo unbegreiflicli,
wie die Vorsteliiing eines entfemten Gutt
uns von einem gegenwSrtigen Genuise ab*
halte, ah, wic dic Vorstellung des Sittengc-
fetzcs iii iins den Vorlatz lebendig machen
konnCy demfeJben tmfcr Vergmlgen aufsn*
opfera. Dcnn in dem ersten Falle verfpricht
nns dic Voxstelliiiig» welchc uns an einem
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GcniilTe hindcrt, doch einen andcrn grorscrn,
uiid«8 ist Aebnlichkeit ia den Vorstelhm{;eiii
in cleiii siveyten hingegen, IbU ofit clat An-
gcnehmc von dcm Unangenehmen vcrdrangt
werden. Aber unerkrarbar ist immer das»
nvM in unferm Gemiithe voigeht, um un$
durch die Zukimft liir die Gcgenwart su
bestinimen ; uucrkiarbar ist es , wie die
Vorttellungen von jener herbey geholt wer-
den k5nnen, um die Vorstelliingen von
diefer xu fchwachcn. Ware nun auch
die Unbegreiflichkeit der Bestimmimg un-
fers Willent snr Erfiillung der Pfliehl noch
grofser, fo darf fie uns cbcu fo wenig hin-
dem» oflenbare Thatfachcn fiiir wahr anzu-
nehmen, als die Unerklarbarkeit uniert gan«
zen Wcfcns uns hindern v^ird su glaubeu,
fUfi wir findt was wir find.
Wer hat ie erforfcht, oder wer wird je
erforfchcn , wie ein Gedanke unfem Korper
in Bewcgung fctzcn, wic dicfcr unfcrm Wii-
len gehorchen konnc? Wie wir durch uufere
Sinne mannigf.ihigc Eigcnfchaftcn an den
Dingcn auITer uiu» crkcnaca i Wic die Unter-
fcheiclung zinrirchen diefcn und ims rdbsty
wie das Bewufsrreyn deiTeii, was in uns vor-
gdity und was wir thuii» moglich (kf ? Wi*
V9ir Vergangenheif, Gegenwart uttdZdnmft
verbinden und trcnnea konncn? Die(s
lind nur einige von den vieien Frageny die
Xtt beintworten eben Ib unmSglieh find alt
diele : wic bestimmen wir uureru Willen nach
dem GedanlKen an GeietsmiiitiglKett? Iit
dat Sittengefetx aufler Zweifel getlellt» Ib
nm[s das, W48 unmittelbar daraus folgt, eben
fo wahr feyn. £i murs iu uua das Vermo-
gen fich befinden, daifelbe cur obenten
Richtfehmtr aller unferer Eeitrebungen tu
niachcn ; und dieres Vermogen ist auch
nach deni Gefiihle einet jeden wirhlich in
Utti. gewifi aber in uns die VortleUung
*) Die(s heilst nur fo viel: was tragen wir
felbsr diztt bey, um um oacb dcr Biw
ktDnraift des Siidichgaten su ricbten. mcht
wk wiritc der Gedtiike der GcfcBiiiiftig.
kctt tnf unfer GcfiiU. Dicit kamicn wir
noch ciDfchcn» wie hn Folgcnden gcmigc
wcidcn wiid*
Digiiizea
licgt, dafi unfer WUle frey itt, und die Be-
ftimmung delTelben bJors von iins ielbtt ab-
hingt: £o crbeben fich doch gegen den Glaii-
ben an diele Freyheie, widitife Schwigrig-
keitcn , die mcht init Stilirchweigen su uber-
gehen find.
Wenn man den Menfchen nur von ieiner
felnmoraiifchen Seite hetnehtel^ und nur auf
dat Rucltfieht nimmt, nvai die Vernunft ge-
bictet, fo Cmd die Gefctze derfelben klar und
un£«eifelhaft. Aliein dieleiben lcheinen anp
dem Geietten lu widerlpredien» die eben fo
gewils in unferer Natur licgen, und ohoe
welche itir nicht die gertngtteKenntniity we-
der Ton unt felbtt, noch von den Dingen auH
fcr uns habcn konnten. Erfahnmgen zu ma-
chen und fie zuverbinden, Schlulte darana
tu slehen und unibe HandJungen damaeh
einturichtcn, wire uns unmoglich, wcnn wir
nicht die Begriife von Uriache und Wirluing
auf attet, wat in der phyfilehen und norali-
fchen Welt gcfchieht, fo atiwendeten, daft
wir die Urfachc von irgcnd einer Erfchei-
~- 338 —
nnn^y felbst «Ic Wirkung von einer andera
Urfache, iind diefe letctefe nicht weniger alt
in ciaer dricten gegruotdet aaCihcn. Auf dicfe
We\fe entstdit eine tinunterbrochene Keue»
wovon immer ein Glied durcfa alle vorker-
gchcnden bcstiramt wird. Nur durch diefe
Verbindung aller Dinge ist es uns geluugen,
clie mecbaniTcfaen und cfaemilchen Naturge*
fctze zu crkenncn , und felbst Gcfetze lu er-
foriclten» nach wclchen die Fahigkeitcn dea
Menfchen ausgebiidet mid retne Triebe ge-
leitet tverden konnen. Wer lchreibt nicht^
iim bey dcn letztcn stebcn zu blciben, dcr
Eraichung, der Staatsvcrfaflung, den man-
cfaerley VerfaaltnKsen» in welcfaen die Men*
fchen leben, dcn grofsten Eintlufs auf die
Sittlichkeit derfelbcn zu? Was wiirden wir
£ir diefeibe tfaun konncn, wenn iie, als Wir«
kung, nicht von den mancherley Anstalteo
abhienge, die zur Bcforderung derfeibcu gc-
macfat wecdenl Werden diefe Fragen nun (6
beantwortet» vne fit der gefunde Verstand
bcantwortcn mufs : fo ist cs fchwcr, mit der
Verfchiedenfacit der Umstinde» iii welchai
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— 339 —
ficli die Menfchen Mndeiiy jenei Vermogen,
zwifciien Giit uiid Bofe frcy 211 wiihlcn, zii
vercinigeti. Auf der eincn Seite ist es o£fen-
bar von lursem Urfaehen abhangig» un<I aiif
dcr audcru wird es doch als unabhiingig aii-
genominen. Daher fchea cinigc Phiiofophco
jenef Gefiihl von der Freyheit det Willens,
als cinc blofse Taufchung an. Wir find uns,
fagcu fic, dcr in unfercr Natur verborgenen
Urfachen xiir Willensbestimmiing nicht bc-
vniift; wtr vcrgleichen bey einem Entichlurse
luirdic nachsten Griiiidc uiidGegengrunde mit
einander, und glauben» fie aus uns felbst iti
lchopfen» wtll wir die gante Reihe von Zii-
staudeii, durch welche wir gegaugeu fiud,
tim aiif dicfc Griinde zu kooimcn , nicht init
einem Blicke uberfehen konnen; in derThat
aber konnen wir fie bey genaiierUiberfegung
gcmeiniglich fo weit verfolgen, dais es ein*
leuchtend wird, wie wenig fie des Menfchen
eignes Werk find. Hangt nun von ihrer
Kraft die Ecstimniuug iinfers Willens ab : fo
sst es oftenbart dafs wir lu jeder Zeit han*
deln^ wte wir handeln muffen« iind die
W«hly cUe tins hey icheiiity iit eben (b noch-
wendig alty nieh dfen mechaailchen Geiecten
<lcr Natur, die Wirkung leblofcr Krafte.
Wenn auch dat Sittcngerccz in dcr Vernunft
liegt» fiigen fie weicer» ib iit et doch nicht
genung ei lu erkettnen ; es gehSrt eine lange
Uibung dazut um diefer ErkennCnifs nur ei-
nigermaiien lu folgen» Wem nun diefe
Uibun^ nseht lu Theil wird y «er von la-
gend auf cine Menge Vorurtbeile einfog, und
die Menichen» die ihn umgaben, nie nach
Recht undUnrecht hiff^nip (bndem ttettNeU
gungen folgen fah , die nur auf Annehinlich*
keiten hinziclte;-» dcr wird auah fclbst nur
nach Vergnugen ttreben. Kurt, konnten wir
genau tngeben » welche Anlagen jedem Men»
fchen angeboren, auf welche Weife iie ge*
richtet und entwickelt «orden wiren» und
aurch welcfae Verhiltnilte letn Schiekial iha
immer fortgcrifTcn hatte: fowiirdc cs uni
mSgiich ieyn, bey jeder Gelcgenbeit feinen
Entfchluit voraut tu lagen. Allei faingt faef
dem Menfchcn nach Naturgefetzen in einer
nothweadigctt Kette suiammeDy und der Yor-
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sug deiTelbea vor dem Thicrc, ist niir der»
daft er mehr oder weniger dai Verm6|ea
hat, gegenw^rttgen finnltchen Anfrieben xu
vriderstehcn , iind feine Handlungen nach
deutUch eingeiehnen Grunden «i bettimmen.
Diefe konnen twtr atu der Vemunft flierieny
ihrc Kraft auf fein Gemuth abcr ist von Din-
gen abhaiigig» weiche uicht in ieiner Gewalt
ftehen.
Gegen diele l«hre lafit fich nun xuent
eine allgemeine Anmerkung machen* Ist et
auf der einen Scite wahr, dafs das Sittcnge-
£stt iu unfcrcr Vcrnunft iiegt , und dafs das*
lelbe dat Verroogen vorautfetzt» demfelben
geroSit tu handelns uncl itt et auf der andem
nicht minder wahr , dafs dic Anwcndung der
Begriflfe von Uriache und Wirkung, in un«
lere Handlungen eineNothwendigkett bringt,
die mit der Naturnothwendigkeit verglichen
werdcn kann: fo steht hier ein Gcfetz der
praotifchen Vemunft gegen ein Gefett det
Ventandet, und Folgerung aua den dneii
— 943 —
gegen Folgerang aiis dem andenL Die Ver-
nunft fagt: Dii follst nur allgemeingillti-
gen Regcia folgcn — wir iniifTen alfo aiich
das Vcrmogen haben, diefem Gebote gemais
fuhandeln.-^ DerVerstand fagt: AlleshSngt
in ciner nothwendigcn J^ette zufaranicn,<>) —
foigUch ist jenes Vecmogeu nur eine Tau*
lchung.
^ Vtnuod im engern Sintte wird von dcr
Vcmunft unterlcliiedcn. Icncr bcztchr fich
unmittelbir auf dcs wss wir cocwcdcr aa
uns fclbsc, odcr sn dcn Dtngcn auflcr uns
wahmchmcn, und bringt dic dadurch crhal-
cencn Vorstellungcn nflch gewifTen in ihm
licgcndcn, Rcgcln zur Einhcit Wenn WIT
2. B. das Aehnliche von allcn einzelnen
Biuincn, Snfluchcrny Grafern u. f w. unter
dem Namen dcr Pflanzcn begrcifer , fo
■wird diefs als ein Gefchaft des Vcrstandes
angefehen. Ebcn fo wird cs ihm zugc-
fchviebcn, dafs wir alles, was wir wahr-
nehmen, in eine nothwendige Verbindung
bringen, und dafs wir uns dcrftlbcn gcmlla
Kcgdnliiir unferVcihsItcnmachcn.— ' Die
Vcrounft bcsicht fich nichc umiittclbsr
auf Etishrung, fondcm auf dss wm dcr
Vcrsttnd hcrvorgebrscht hst, und fucht
dcn von ihm bcwiffcten Eifccontniircn Eln*
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— 243 —
Welchet von diefen Gefeezen foUen vrir
nin aufgeben? Sollen yrir ikgen» dit Ver-
nunft allein kSnne nleht «virkcn, wir leyn
genoihigt, iaitner den Bestimniungsgriindeny
die nicht tinfer Werk find, nachttigebeiil
Oder ibllen wlr «nnehmen» et gebe keine
nothwendige Verbindung aller Dinge I
Man venverfe dat £ine oder dat Andere: ib
•treitec man unlerer Natur etwat ab, dat mit
ihr wefentlich verbundcn ist. Bey dcr Be-
ichranktheit unierer Kenntnifse vtdie es aiib
wohl wei(cr, ansunehmeii» daft der Wtder*
Iprtich twirchen fenen Ge(e(ceu nnr an(chei-
nend Ccy, wenn wir gleich nicht fagen konn-
<en, worauf diefer Schein benihe* Auch
hdt cn gcben. Wenn z B. allet «at der
Vcrttand nach der Eriahning fiber die
BeiMgttng an^cbcn knnn, zufamniengefafsc
iind untcr Gefeae gcbricht wird, nach
denen jede Bewegung erfolgen mufs, ib
Vfird diefs dcr Vernunft zugefchricben,
Durch fie entstcht auch das Ideal der
Gliickfcligkeit, indem fie dic cinzelnen
Regeln des Verstandes , die fich darauf
btziehen^ ordnet und iD£iQt zufammenfiiftt.
— «44 —
vvird diefe Vorau$retziing von den meisten
Meiiiclieii ftUlicliweis^eiMl geoiacht. In eiiier
Rilckficht behaiidelii fie emander gerade Ib,
als wenii ajles auf uoth^endig bestimmende
Uriaclien ankaine» uml in eioer andem febea
fie fich doch alt fireye Wefim an» die, fencr
Urfachen ungeachtet, es in ihrer Gewalt ha-
heup fich su Uandiungen su enticliiieifent
welche gans ihr Werk» und nicht dat Werit
der Noth wendigkeit find. Mit andem
Worten heifst diefs : die Menfchen bcCrachten
fich in Abfidit ihrer Handlungen aut einem
doppelten Gefiehtspunkte; fie fi^en fich ala
finnliche wnd iiberfinnliche Wefenan«
In ib feme fie suderClaiievon jenengehdien»
lind fie den Naturgefetsen unter*
V7 o r f e n , und befinden fich in der Reihe der
Dinge alt Glieder» derenStand von ailen vor-
hergehenden und sugleich ezistlrendeiiy he-
•timmt wird : fo wie fie wieder den Stand der
sugleicU iebenden und nachfolgenden l>e.
•tinmie& Hierbey findet eine bedingteNoth-
tvendigkeit naeh den Begriffen unlers Ver*
staudcs Statt. Die Meufcheu iehen fich aber
Uigiiizea by Google
— H$ —
mukah uberiumliche W«ftii an, die itn
Niturgefctzcn nicht iintc rwor fcn»
nicht blofsp Glieder iu der Reihe der Natiir*
dioge find, ibndeni rdbie aut eigner Kraft
ttnd Bewegiing euie Reihe von Wirkungcn
anzufangcn vcrmogcny und zwar nach ciuein
belbndern Geietse, welchet das Gefeli der
Freylieic fenannt werden kamu
Die Frage itf nun: wai hahen wir fiir
Griinde» die Naturgefette nieht tur alle We*
fcn iibcrhaupt, und folglich auch nicht fiir
unt inihe(bndere, in ailer Riickficht gelten
tu lallen?— Ufit fidi seigen, daft die Verw
kcttung allcr Dingc nur fiir uns, als finnlicheii
Wcfen, Nothwcndigkcit hat: fo wird da«
durch aucb der Wider^pnich gel6tt, weJcber
fich twtfchen xweycn, von unierer Natur un-
Kcrtrcnnlicheo, GefetseotdemAulcheinenach*
befindet
Man kauii fich dic Freyhcit des Menfcheu
«uf dreyerley Weife denken. Wenn nan ikii
— 346 —
ftls eia Wefen befrachtct, dat nicht nothwen-
eineni finnlidien Eindnicke handelt,
fondern Uiberlegung anstelleii kann , ehe cs
fich su einer Handlung bettimmt i diefe Uiber-
legung felbst aber doch als eine Folge von
den befondern AnlAgcn, den Umstanden iind
Verlialtniisen anfieht» die nicht von ihm ab-
lilngen: ib lchreibt man thm comparati-
ve Freyheit lu, in Vergleichungen niit
den Thieren, die awar auch nach Vorstel-
lungen handeln, aber keiner Uiberlegung
fahig find. Geht nian nun von cler compara-
tiven Frcyhcit zu eincr ablolnten liber»
die wir uns nach dem innern Gcfiihle sii»
ichreiben » und vermoge welcher jeder
Mcnfch fi ch a U c i n als den Urhcbcr feincr
moraliichett Handhingen anfieht, und fich
ielbst das GuCe undBofe derfelben sulchreibc:
fo entstcht dcr Bcgriflf dcr practifchcn
F r c y h c i t. Wiil man endlich dic Moglich-
keit derfelben zeigent und gegen die Ein*
vtnrfe retten, welche vondcr Verkettungallcr
Dinge hergenommcn werdcn : fo kann dicfs
nur durch den Gedanken gefchehen, daft «ir
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— 347 —
uns ali Weiea aniclieo» die tiicbt blofs xu
der Natur gehoren» die yon uni erkannfc
v/ird. Dicfe Freyhcit voii Natiirgcfctzen
heifit transcendental, wcil wir da-.
dturch itt eine uberfinniiche Welt verfetzt
werden: fo wie transccndental dcrjcnN
ge Theii dcr Geomctric hciftt» iu welchcm
die behandelten GegenstSnde nicht finnlich
dargcsteUt wcfden kdnnen.
948
iiiU I n»n
Fon dcr transcendentakn FreyhiU
dn Mm/chin.
Denkt man fich trgeni etne Handlttng imd
Iragt der fieToUbrachtey warum er
fie gethan habe: fo gebe er dabcy eine Ab«
iicht an« welche er xvoUc» immer kaim man
wetter firagen» wie dieielbe in ihm entttan-
den iey. Wird der Gmnd davon angefiihrty
fo mufs, nach deu Geretzen uiiferf Verstan-
det, auch dieler anf einen entiemten beto*
gen werden» mid immer ib fort, btt man
endlich zwar nichfs mehr bestimmtes finden
kanuy aber doch immer wieder ecwas ala
Grnnd denken mnit. Die Handlung erlcfaeint
auf diefe Art alt bedtngt nothwendig. Itt
denn aber die Reihc von Grtinden, die man
nngeben kann» binlSnglich» um die Ycrichie-
denen Handlungtweiien der Menfcben in er-
kiaren? Wenn von iwey Pcrfonen, die au£
duerley Weiic enogen worden find, die £ine
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— 349 —
dcn e(]elften, und die Andere einen fehrzwey-
deutigen Character xeigty woher kommt die-
ler UnCerfchted ? Aiit «u iur Ui ladien er
ati^ hergdeitet werden mag : (o sto^t man
endlich aiif folche, dic uns g'inzlich uube«
lumnt find* Niir im AUgemeinen kann mta
lich «uf Temperament, nattlrliche Anlagen
unbekannte Eindriicke u. f. w. beziclicn. Im
Grunde erkllrt dic6 wenig oder nichtSy denu
die Anwendung davon isrst fich nicht aiif
cinen einzigen Menfchen fo machen, dafs man
zur deudichen Einficht kame, wie er dai
geworden ift, wat er ift. Nun iit ei alier
ofienhar, dais jeder Meufchy weleher fich
bcy voliiger Befonnenheit befindct, fich ah
feibstthattg anfieht» und» bey alJem moglicheo
Einfliiis von auifen» sum wenigsten einigen
Antheil an fcinen Handlungen zu habcn glaubt.
Man haite ikm noch fo vicl Bestimmuiigsgruo^
de vor» Ib wird er, wenn er dfnielhen naelw
giebt, doch immerglauben, dafs er fich nicht
blofs leidend dabey verhalte, Er unte^rc!!'?!-
dcf den Zustand in weichem er gleichfain f^i-
neTiXume bey lich vorabe;*zittheiiI*iibt« odar
von aursern Urfachen allein bestimmt \»ir<],
gcnaii von dem , wo er feine Gcdanken fam-
niell» und at» eiguer Be^gung einen Ent«
fchltifs hCst. Besieht man diefe Selbstthitig-
kcit, odcr die Untcrlafrung dcrfelbcn, au£
alles was nach und nach beytragt, den Men-
fchen cn Vollziehung einer That zu brin^n:
fo wird cr dadurch zum wcnigsten Miturhe-
ber derfelben» und diefs wird alJgcmein zu-
gcgebeiu Nun iagt man aber weiter: £ogar
dicfe Scibstthatigkcit ist wicdcr von Griindcn
abiiangig» die nicht in feiaer Gewalt iiod*
Woher weifi mandteisi — Ist es denn noth-
wendig, dafs die innere Th3tigkeit fich nach
cbcn den Gcfetzen richte, nach wclchcn wir
den Zuiammenhang aller Dinge denken! Ist
es nicht moglich, daft irgend ein Wefen, aus
freycr Macht, fcinen Willen bcstimme?*)
Uiber etwas abxu(prechent das wir gar nicht
kennett, ist eine Anmafsung die von der Ver-
•) Dic& wird fo «ttsgedruckt: giebt es nur
CauralitSt dureh Namr? odcr giebt cs auch
Caufaltilt duKh Freyheit?
uiyui^o<j by Google
minft unmogltch gtit geheirsen werden kann;
da roviel gcwiif Uip cU(s, wenn wir dieFrey«
fieit» welche TSulchung leyn IbU, wirUidi
hatten , wir kein andres Gefiihl davon haben
konnten, als wir wirklich habcn. Indeffen
haben die Einwendiingen gegen dieielbe ib
viel Sehein, und finden, aut mehr tlt einem
Grunde, fo lcicht Eingang, dafs es vouWich-
tigkeit'i8t xu seigen» worin denn eigent>
lidi Jene Verkettung alt nothwendig gedacht
wird, und wie wcnig fic dcr Lehre von dcr
Frcyhcit Eintrag thun kann. VVas ficii hicr-
uber sur BestSrkitng unrers Glaitbens an die*
felbe iagen ISfst, kann in folgenden SStseii
sufammcngefarst wcrden.
Allcs was viir von den Dingen aufscr uns,
und von uns fclbst wiilen , die einzige Idee
unlerer Perlonlichkeit ausgenommen, beni-
het auf Wahrnehmung dcfrcn , was jene auf
uns» odcr was wir fclbst wirkcn.
Dicfe Wirkungen w&hrzunehmcn und un-
ter Gefetze su bringen» bediirfen wir der
VoCTtellung von Zeit und Ramn; Raum und
Zeie aber find oicht VerliSldiifte die den 6e-
genstandeii iinrerer Erkenntuifs au fich xu-
kommen, fondern in uni liegent und aue
unf euf fie ubergetragen werden,
Auf unferer Art, die Gefentllnde der
Erkennfnifs zu betrachtcn, beniht alfo die#
fur uns nothwendige, Verbiuduog aller Din-
ge ; und die Natuigeletse besiehen fich nidit
aufdatWeien deHelben» Ibndern ntir auf
unfcre rinnlichen Vorstcllungen
davon.
Wenn wir uof folglich Frcyheit von
Naturgefetsen sufchreiben» (b hciiit
diefi nur : die Wirkungiart der Vemunft
richtet fich uach andem Geletsen ab diejeni-
gen find , welchc dcr Vcrstand auf f i n n I i •
che Voritellungen grundet — Die6
find die Haupcfttst die nun «ealer luigei*
fiihrt wcrdcn follen.
Alle Erkllningen die von den Gegenttln-
den der Natur gcgeben werden kounen , (ind
ib befi^haffcn» dafi fich dieiclben entwcdcr
gcradesu auf dat besidien« wm fic auf ua»
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— «53 —
Ccre Sinne wirken, oder docb durch eineil
Umicbweif auf dieie sitnlckkomfnen* Wena
die Chymie die GnindbetUndtheile der K6r«
pcr augeben viiU, fo kann Qe dis, was (ie am
Ende gefiinden lut» nicht andeis al« didurch
deutlich nuichen» dafi fie Wirknngen der*
felben, entweder aiif iins unmittelbar, oder
gegen einandery tnxeigt. Sie findet i. B*
nach thren letsten Aufiofungen Brden und
Salfe, und beyde werden nurdadureh erklSrt,
dafs jenc ohne Gefchmack und diefe mit Ge«
lchmack vefbunden find; fie findet veriehie-
dene tulbrten» und raache diele, entweder
durch die unmittelbarcn Wirkungen auf un*
lcrn Korper» odcr durch ihr Veriialtniii ge-
gen «inander kenntlich» daa aber wieder
niefat andert, als in Beziehung auf uuire Siu-
ne, angegeben werdcn lianiL
Geht man nicht auf die Bestandtheilc ct-
ner Sache , fondeni auf das Ganze derfeibcnf
wie wir es denken : Co lind auch da alle Bestim«
mungen deflelben von finnliehen Eindriicken
tiergenommcn, So laiige man bcy Jcm
— 354 —
Aeufiern i. E. eines Baumf, f tehen bldbt, (b
Ut diefs lur fich klar. Will man in das Inne«
re delTelbcn dringeu, fo kommt nian entvce-
der auf die Bestandcheile delleiben oder auf die
Geletxe,naeh denen ein Baum erzeiigt, erhatten,
vergrofsert wird. Diefe Gcfetze find zwar
hinreichend iha von audern Diugen zu unter-
leheiden und die Bedingungen ansugeben»
unter vvelchen wir Gebraueh von demielben
machen konnen, iie gninden fich aber immer
8u£ Wahrnelmiungen» und wiirden von dem
Verstande gar nlcht gefunden worden leyn»
ivenn ihm nicht der StofF dazu von dcm aiif*
lem Sinn geiiefcrt wordcn ware.^)
Auiser diefem Vermogen, das uns Vor*
iteUiingeo von der Natiir giebt» haben wit
ein Shnlichesy welches fich unmittelbar auf
uns felbst bczieht, und dcr inureSinn heifsL
*^ Dcr aufsercSinn ist das Vcrmogcn, vcrmirtelsl
der Sinnorgane und ciner inncrn Einpfdng-
lichkcit, Verstellungen vea denDinseo auf*
fer uos zu erhalten.
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Vemiittelst deflelben lchauen mlr gleitlifiiiii
die verrchiedcnen Ziistiindc, in wclchen iicU
un(er Innres bcfindet* Empfiniilungen und
Gedanken werden Gegenstande unlerer Be-
trachtiinfi;, und pcbcn uns den StofT zu dem,
was wir au uns felbst zu erkeuncn vetmogen*
Dadureh erfabren wir die mannigfaltigen
KrSfite und Flhigkeitcn, die in uns iiegen.
Wir bemerkeny dais wir Vorstellungeu von
den Dingen aufser uns luben» da(s ivir die-
lelben l^ewahren, suruckrufen, nach Will-
kuhr trenncn, zufammcnfctzcn und uns glcich-
fam cine neue Welt ichaffen konnen, und
fchreiben uns deswegen einen Suisern
Sinn, *) Gedichtniisy Erinnerung^
H inbiidungskraf t zu; viir bcmcrkcn,
dais wir von vlden einieben Gegeastanden
Diefcr und dcr inncre Sinn, mit allca
T5»higkeirtn, dic fich unmittelbnr darauf be-
zichen, dcr Embildungskraft, dcm Gcdiicht-
nifs dcr Erinnerung, machen zufammcn da$
finnlichc £r k c n n c ni (s verra^^gen im
v^cit^m Vcrsunde aus
du Aehnliche xufkmneiifaireii» al]gemeiae
BegrifiTe bildeti , mehrere davon niit einiinder
vergleichciiy Urtheile dariiber fallcn, Rcgelii
darnach aufttellen u. C vr* und fehen dieA
■lles als einGelchift des Vertfandet an)
wir bcraerken, dafs wir inallein, was wir
cmpfinden und denkent nach dem tctaten
Gninde fragen» dalt wir tn alle Begritfet t^r*
thcile und Regeln, Einttifntniing tind Hartnonie
xu bringen fucheii» und fchreiben uns deswe-
gen Vernunft au. Auf eine Shnliche Art
werdcn wir vcranlafst iins ein Gcfiihls- cin
Bcgehrungsvennogcn uud cinc Willkiihr bey*^
sulegen. Kurz» alle unfere verfchiedenen
Krifte leiten wir aiit den verichiedenen Zu*
standen unfers Gemiiths, und aus dcn ver-
fchiedenen Wirkungen her» die wir in unt
und auller uns hervorbringen. Wie alib die
Kcnntnifs der AufTenwclt von dcn Sinnorganen
und von der innem Empf^nglichkeit fur die
crhaltenen Eindnlcke abhingt: fo beruht die
Kenntnifs iinfcrcr felbst aiif dem Vcrmo-
gcn, die Zustande un(ersGcmiiths zu betrach*
ten» oder auf dem inaern Sinne. Dn
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— »57 —
Einxlge was nicht von demrelben hcrkommt,
ist dat ttiiiDitteibaie Befiruistieyn von iiniem
letit welehet alle ttnlefe Krifte md FSkig*
kciten cnthalt*
Wenn ntm Airunt ketneCrkenntniif mog-»
lich istf viotu uicht entweder der aiifsere,
oder der innere Sinn, clen Stoff gelieferl het,
{o k^nnen wir die Fmfe tttfNrerfen: Sekrei»
ben wir nicht vieJleicht dcn GegenstSnden
ttnlen Wiflens mancke Eigenlckeften und
VerklltniiM cu, ^e eigentlick niekt in iknen
liegen, fondern auf dierelben v o ii ii n s, ver-
ttioge der Einricktung des innern und
Sttfiern Sinnt, ukergetragen werden^
Diefs woUcn viir ietst unterTucken.
Wenn man die GefiikJe von Lust und Un-
kist In Beoraektung siekt» Ib ttreifi jedemann
atis Erfahrung, dafs nicbt allcii Menfchcn
eine nnd ebendiefelhe Sache gleich aoge-
nekm, oder gleick nnangenekm ist, und dais,
obgleich die Urrache diefer Uogleichbeit in
R
den \fcii(chcn tnkl nicht in dcn Stchen licgf,
doch fiicfen die Wirkniig imd dahcr einc Be-
{chafTciihcit ziigcrchrtcbcn wtrd, wobcy man
gcwohdich die EmpfaRglichkcit dafur ganc
aiis dcin Gefichtc vcrlicrt. Eine Mtifik wird
oft fchon gcnaiuit , dic es bey weitem uicht
fiir alie Mcnrchen ia t. Atich ist Qe^ an on4
liSr ficb» nichts als eincVcfhindung vonLuft*
fchwingungen , und die Schonheit, die tnan
iiir xurchrctbtt driickt niir das VcthSUtniit
dericlben «ir Fahigkeit gewifler Pcrfonen
von bcrondererOrganifation aus. Aufler die-
icn Eigcufchaftcn, dte iiun dcn Gcgcnstandcn
dcr Natur ftufchrcibt» imd die etgentltch nur
Verhiltnilse derielben cu ciner befondem Art
von Empfanglichkcit fiir Lnst undUnhist au*
teigen, gtcbt es noch audcrc» dic fich swar
allcnMenichen gleichdarstelleny die aber dc^
fcn ungeachtct nicht dcti Gcgcnstandcn felbst
zukommcny fondcrn cbcnfalls nur ctnc bc*
fondere Art der Wirkiing auf unfere Sinne
ausdn'ickcn. Wer cinigc Kenntnifs von dcr
Phyfik haty kanu nicht zwcifein, dafs die
VorsrclJungl((^ von den verfchiedcneu Farbctt«
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die wir wahrnehinen , blofi cine Polge voa
der Einrichtuiig iinfers Augcs ist. Die Kor<*
per an lich haben die Farben nicht, fie ha*
ben dieielbett nur fiur uns*
Von daefen unbesfveifelten WabrfaeiM
Itoninien ^ir tu den Fragen : find nictit viel*
leicht auch die Vorstciiungen, auf wciche
iich die Naturgeiette beziehen» von der Ar^
dafi fie nicht Eigenfchaften» Verhiltnifi^,
Bestimmungen aiisdnickcn , welchc dcn von
uns crkannten Gegcnstaudeu lukommen, fon-
dem von der Einrichtung unTers 'iufiern
ttttd innern Sinnt abhangent
Alle Katurgcrct2e beziehcii fich auf
Raum und Zeiti die VorBteUungen voit
diefen dtenen {enen gleichiam zum Gninde.
Was mir immcr auf tinfcrc aursCrc Sinne
Vtiiku ietten wir in den Raum — durch den
Gettalt und Grorte, ib wie da» gegenfeitige
Vcrhaltnifs derDinge, bcstimmt wird — und
iii die Z.eit9 diuch wclche die Erfcheinungen
auf einander iblgenf und Verbindtuig unter
— a6o —
cinaii^r bckoninea. Unlere GecUnkeii uiid
Empfiudimgen ietten «ir twar ntdit ia einen
Raum (dcnn es warc lacherlich tu fragen,
wk viel Raum ein Gedanke einnahme) abcc
doch in die Zeit» ohne welche wir unfare
Zusfindc nicht betrachten konnen* Wat iit
nunZeit undRaum? — Siud es wirkiiche We^
len? 6idk kinn mhl nicht leynt clenii
cs lafst fich fchlechtenltngs nichts von ihnen
angebcn, was einer Wirkung abnlich iahe»
und nur voa dieier Ironnen wir auf dai Da-
feyn einer Sache lchlielf en« *) — Sind ei
allgcmeiiic Eigenfchaften oder Verhaltnifse
nller Wcfen, die ibncn zukommeu, oime
RuckfiehC atif unfere Art die Dinge tii
fchatien und cu denken$ oder find ei our Be»
stimmungen, die von unferer eigentbumli-
chen Einrichtiing abhingea! «— Sind ea Vor-
stellungen, die iins von denDingen konunen»
oder wcrdcn fie auf dic(e von uns und aus
*J Wir fflgen wohl , die Zeit zcrstore allcs, abcr
dann meynen wir nicht die Zeic fclbst, fon-
dcro dai» was indorrclbcn unmerklich wirkc
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tins uberg^tragen ? — Diefe Fragcn wollen
«ir tuefft inAbficbt detRaiuns beantworteik
Haben xnir dic Vorstellung des Raiims
von den Gegenstlnden der Sinne hergenom-
men: 16 kann cr nieliti andcn als eine allge»
meine Eigenfchaft oder ein allgeneines Ver-
lialtniifl derfelben aiisdnicken. Dieis stimmt
aber mit miftrer Ar!t^ den Ramn su betracli*
ten, gar niebt uberein. Wir leben ihn als
etwas fiir fich bcstchencies an* Nun ist zwaif
wobl nahr» dafi yrir von liJoisen Beibhaffen-
heitcnundVerhaltniisenlbl^reefaen» als^
ren fie, auch abgerondert von den Dingeuy
welchen fie zukommcii , ctwas fiir ficb > wir
dcnken tins a. B. dic Hartc» dic Scbwere« dic
Grdfie n. C w. Aber um Deutliehkeit mit
dieTen allgemeincn BcgrifTen zu vcrbinden,
muflen wir mehr oder weniger an die Dinge
Idbst dcnkcn, vmi dcnen wir lle hcrgcnom-
racn haben *, und diefs ist bey dem Raum gar
nicht der Fall. Die Vorstclhmg davon isc au
imd fur fieh klar, und wir find fo weit cnt*
hnnt ift -dicfi^lbe ctwas einstnniicfacn» da«
— a6a —
Qidit er lellMC itt^ <Ufi vir den Rauni nodi
tibrig behalten, tvenn fvir aiich a]let wefJen«
kcn, was dic Natiir aiismacht. Der leere
Raum ttt g^ade daa, waa wir gar nicht
wgdenken konnen, und diefer kann denq
doch nicht Eigenfchaft, nicht Vcrhaltiiifs gc»
nannt werden. Weder das eine ooch die an*
deie lunQ da Sfatt findcp, wo nickti ial;
Der Raum wird femer allen firklarungcii
^n Naturdingen» die fiir fich bestehen, sum
Grunde gelegt. So oft nian fie gcnau bcstira.
men will, fo gebrancht man das Wort Korm
per» und denkt fieh hauptCichliehdabey eino
im Ramne einge(chlofine Sache. Er ielbtt
aber wird wedcr ira gemeineu Lebciiy uoch
Ibgar in der WiiTenichaft erklart, die aiJet
aiif Raum grundety und (bnat allef erklirt^«-«
in clcr Geometrie. Dieft warc gaiu fonder«
bar, wenn wir die Voritellung de« Raums aua
der Er&hrung geichopft iiStten. Waa una
diefe angiebt, wird Ibiiit ohne Aninahme er*
klUrt, Trenn cs zum wi(renfchaftlicbeo Ge-
bsancbe gefcbickt genucht werden ibll*
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IKe Schwere z. B. ist eiae allgemeiue Eu
goniehalt aller KSrper» uiid wie genau vird
dielelbe mcht hestimmt. Noch raehr! Auf
dasy was gar nicht erklirt wird, griiudet man
tnwiderrprechlichwahreSatiey x.B* dorRaum
hat nur drey AlnBeiruiigeii ; zwey Dingc kon-
iien nicbt einen und ebendenrelben Raum
eimiehmen. Die Gewiisheit dieler Satze iit
von den fchir&ten Zweiflern unangetastet ge-
blieben, ob iic gleich alles, was uns Erfah*
nmg lehrt, ungewifi cu maehen gefucht ha«
ben. Auch letst diefe in der That nichts |b
aufser Zweifel, dafs man gezwungen ware,
keinc Ausuahmc gelten zu Jaffen. Hatten wir
alfo die Vorstellung des Raums yon den Din*
gcn, die uns umgcben, abgezogen, fo mufstc
uus der Gcdauke frcy bleiben, dafs ia andern
VVeltkdipcm zwey verfchiedne Sachen einen
und ebendenlelben Raum einnehmen konn*
tcuj uad wer kaun dieicn Gedanken CifTcnS
Dcr Raum ist endlich nach irafercr Vor-
stcllung davon unendlich, So unabieh*
lich» felbst fur die angel^amitette EinbiXp
— 96« —
jtm^krafir, fchon dct Raum ifl^ «elehendiCt
tinlern Bmchniingen und Muthriitfiungen er-
reichbaren, Wclteu einnehmen : Ib ist Cf uns
doch unnioglichy ielbft d« demfelbeii Gren*
xen f u (etcen* Er itt liir unt ilber die unab»
(ehbare Fcrne alfer Sonnenrysteme hinaus;
nach dem Jetsten Weltk5rper t tellen wir one
ttoeh leeren Raum vor, Wie aun diefe Voi»
cncilichkeic uns von der Erf^hrwng hcrgekom-
men fey, ii t ungedenkbar. Unmitteibar wird
lie von derlelben nieht gelehrt, tmd diireh
Schhifsc, diedarauf gegrtindet worden wareny
kann (le uns auch nicht bekannt worden ieyn»
Denn in dieiem Falle mufsten wir ea una alt
moglich denken, dafi iinwiflende Menfchen
fich den Raum nicht als unbegrcnzt vorstell-
ten. Uiberdieis haben iich von jehcr die Phi-
lorophen mehr Milhe gegeben, die Unend«
lichkcit dcs Raums zu bcstrcitcn als zu bc«
wcifcn; iind was bitte diejeuigcn, wdclie (te
annehmen» wohl auf den Gedanken einer ibl«
chcn Beh.Miptung fiihren konuen, wenn fie
luohts als dic Erfahrung fiir ficii gehabt liat-
ten } Man Qeht nicht einmal die Mdglichkeit»
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aiif dUdelbe die UneiMUichkeit des Rattini nt
Polgt miii aut aUctt dielSni Betnehhm-
gen, dafs wir die Vortiellaiig vom Riiniie
nichc durch die Erfabnmg crhalcen haben, Co
mnik fie iii u II • felbst liegeiL wird
auch ofeihar, ivenn wir bedenken, dafi efae
wir irgend etwas von den Dingen aufTer
unt wiiTen, ehe wir irgend cinc ErCahrung
madien kdnnen, «ir Ibfaon dle Vorttellung
des Raiinis haben nuCren. Der blofieGedan*
ke» da(s ctwas aulTer uns ist, stellt ihn fchon
lur unt alt nothwendig dar. SoU ich mich
alt verfchieden von einer Sache denken» dte
auf michwirkt: fo geht dicfs nicht anders
an» ais dais ich mich und fie in verfchic-
dene Orte fettes unddiele besicheo fich
otFenbar auf den Raum, ddfen VortteUung
folglich allem, was auf mich wirkt, zuai
Grunde gelegt werden mufi.
Gcht aifo dic Vorsteliuog desiUums aller
Erfahrung vorhcr» und itt fie una lu deriel-
366
ben tinentbehrlich , fo nmCs fie nns angcbo«
reii fcyn , iind cin y^ercntliches Suick unfers
finniichen Erkenntni&wermogens autmachen.
Der Rsiim ist demiiach nicht lelbst Eigcn-
fchaft, fondcru fiir uns ein nothwcndigcs Er*
forderuiisy um an den Gegenscaiiden des Sui^
fern Sinns EigenTchaftco su erkennen$ er ist
nicht rdbst VcrhaltniAi , fondcrn cr machc cs
tms mogUch Verh^lcnifse lu finden,
Sieht man den Raum fo an, Ib begreift
mauy wariuu er allen Erklariuigen der Kor-
Kant driickt dicfs fo aus: „Der Raum ist
nur die J-orm aller Erfcheinungen auflcrer
Sinne, d. i. die fubjedive Bedingung der
Stiinlichkeic, iinicr der tllein uns auffcre
Anichauung m6glich ist.„ — Anfchauung
heiisc jede umnictdbiia VorMdlung, die
wir durch dea inneni oder iuflrcni Sinn
cihalcyn; ficwtrd rein gefuumi; wenn ficin
der Einnchcung dcs Sinncs gegcundct isc^
wic dic Vorscellung des Rcnns, uiid cuk
pirifcht wcnn fic durch iigcnd cincngc»
gcbenen Gegcnstaiid erzeugt wird. leder
Gc^enstind ciner empirifchen Anfchauung
heifir Evfchelaung l in dicCem Siime fiad
auch d> K&per Erichcinungen.
bigiiizca by Googlc
fKvnlt 9am Gruade gelegt mrden ktiifly
ohne felbst clcr Erklaning zu bediirfen , Ond
varum fo viele Sacze , die iich auf dcnfclbea
betieliea» «podictiiclie Gewifiheit baben.
Dcun das, was ein viefentlichcs Sttlek unfinret
Natur ausmacht , mufs an und fiir fich klac
leyn, uad fich jedeni Meofckea aufdrin*
gen , dafi danlber kein Zweilel erboben wer«
den kann. Fiir uns mufs alics, wasunniif-
telbar aus der VortCeUung det Raums foigt»
irollgiilttge Wabrbeit feyn. Fragen wir aber
ob der Raum an und fiir fich etwas
ist» olme Riickficht auf unfere Art, die
Welt m betrachten, fo kann die Antwort
nicht beiahend feyn. Denn ift die VonteK
lung dclTclbcn nicht voii dcn Dingcn auner
unf bergeiiommeny fondem iiegt iie in uo»
lelbst und gehort fie lur Einrichtung unfc^
rcr Natur als nothwendige Bedingung allei
delfen» was wir von der auiscrn Wclt crfah*
ren: fo konnen wir aucb nur als Men»
fchcn vom Raume nnd von ausgedehnten
Dingen rcden. Annehmcn, dafs alle mog-
licfaeWeiendieGegenstlinde ibrec Anfehauung
— a68 —
in Ratim retxen, htefse behaiipten, dars fie
«lle eben dieiielbe iimere Einrichltmf ihret
ErkenntaiitvenDogeiii haben mufiten. Noch
weniger lifiC fieh (agen, dafi die Welt ta
fich im IVamne eingerchlofsen fey. Ntir
die Vontellungen» dle wir von ihr erhal*
ten, liiid lur unt ohoe denlUbeii nidit mof •
iich. Was aber eine befondere Bedingting iin-
lerer Sinnliehkeit iat, lcann nicht ait Bedin*
gung dct Daieynt der Dinge «ngelehen «rer-
den. Die Eigenfchaften dcrfclbcn, die fich
nicht auf unfere Sinne bctiehen» find zwar
fiSr uni unerkennbar» aber lagen, daft dat,
XlMM wir nidit erlahren, aiicK gar nicht feyn
kdnne, ware eine Anniarsung, die bey drr
Eingeichraoktheit unfert Wilfent unveneih-
lich (eyn wurde»
«)Die Welt an fich, hetftc die Welc, wta
und wie fie itt» ohne unloe finnlichen
Vontellungen davon, fo wte roan fagt:
die Mufik an fich {ohne unferc Era-
pf&nglichkeit dafiir) ist eine ZuIaiDmea-
fttzttog voQ Lufifohwinguageo.
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Aiit ahnlichen Griinden viird es uns auch
wahricheiiilidi vorkommen, da£i £clb§t cUfy
WM wir Zfitt nemieii» nicht nothwaiilif eiiie
Bedingung fey, nach der fich dte Vorttellun-
gtn aller denkenden Wefen richteu miinen,
obgleich wir ielbtt an Zcitvcrhiitiii6e aUet
luupfen, V9U uo* su erkenneii mogUdi itt.
Nehnen wir wie4er» wie bey dem Raiini^
cinen Augenblick an, dafs der BegrifF der Zeit
unt aut der£rfahrung kommC: fo ist dteZeit
nichlt andert» ali eine Folge von Welen oder
Brlchelnungen , die fich aitf onfern inneni
odcr unfern aufsern Sinn beziehen; denn Co
oft trir in deniy wai wir wahmehmen^ an Zeit
denken» ib 'lehwebt uof Immer elne Reihe
Von aufciiiander folgcndcn Bcgcbenhettcn vor.
Wire nun die Zeic ntchtt ait die Vorsteiluni;
einer Folg^ von Veilnderungent £o konnten
wir fie allerdingt aut der Erfrhrung hergc-
nommen haben* Alleiu dieis stimmt mit un-
lecer Art, die Zeit su betcachcen, gar nicht
uberein.
— 270 —
Crstens deokcn wir niche verfchiedene
2eitea neben «uiander, ob w gleich ver«
ichiedene Reihen von Erfcheinungen nebea
cinandcr fctzcn. Dic Tnrkcn z. B. bcstim-
men ibr Inhr mch dem Laufe dcs Mouds» dic
tibrigen Buroi^er nacb dem Ltufe dtr Stma^
Fangcn nun bcydcThcile an einem uAd ebea-
demfelbcn Tage eiii iahr au : fo dcnkt jcder-
mann, da& allet, was in demfelben geicbiebt»
bey dcn Tiirkea ttnd bcy den ubrigen Euro*
|>'acru in einem und cbendcmrclbcn Zcitraume
gefchebe. Auf «elche ArC alib die Zeit..be*
atimmt «erde, fo ist und bleibt fie nacb uo»
fercr Vorstellung, eine und ebendie(elbe.
Wir denken fic nicht wic mcbrcrc nebeu cin-
ander fortlaulende Linien, fondem ali eine
cinzigc, und fcbreiben dem Satke, da6 ver-
fchiedene Zcitcn nicht zugleich feyn konnen,
fogar apodictifche Gewifshcit zu» gegen die
licb nie ein Zweifel erhebcn kdmie. Dielt
wiirde gar nicht Statt iinden, wenn wir unt
die Zcit nur ais einc Foige von Vcrandenm-
gen dichten. Denn fagen» ei gebe nicht
verfchiedkne Zeiten xugleich» liie6e dann be*
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haiipten: verfchledcne Reihcn von Erfchd-
nuogen im Uimmel imd auf der ficde^ konn*
tcn nicht «isleich feyn*^
War deoken taa» iweyCent die Zeit noch»
Wenn wir «uch gar keine Verindentng raehr
denken. Wiren Sonnc, Mond und Steriiey
oach welchen wir die Zeit einthellen» vrSre
uberhaupt nichtt mehr» \nt den Wechlel un*
terworfen ist; sttinde attf einmal die ganzc
Natur stille, und bliebeu wir feihst gauz dai^
Viu vrir su der Zeit waren, ohne irgend eine
Verindertmg von innen und aufien tu er£ih«
rcn; warcn wir in cincm, dcm tiefen Schlaf
Iholichcn, Zustaudc: fo ^vurdcn «rir immer
noch an ciiie Zeit in dieiem wechielJoren Zu«
stande denken, wiriVHrdcn cin V o r h c i und
cin Nachhcr in dcinfclbei^ fuchen; er wur-
dc ufls immer noch vike eine fortlaufende lu
nie, nicht «ber wie eiti untheilbarer Punkt
vorkommen. Dafs» es keine Vcrauderinig ge-
bCy koiinenwir dciikcn» dafs abcr dadurch
auch dic Zeit aufgehoben werde» das ist un«
fcrcr Vorstellungsart ganz zuwider.
— 27» —
Wir habcntllbclieVoritelliiiiir «iMr lee-
ren Zeit, Zur Bestitigiing hiervon dcnke
maii an cine ge(ch'afdore Perfon, die fich vor
der LSnge der Zett fitrehte^ ^ Geht ihre
Fiircbt wohl aiif die Lange dcs Wechrdt ih-
cer £inpfinduogcn und Gedankcn, oder nicbt
im Gegentheii «u£ dcn Mangei dicie» Wecb-
lclf ? Sle wuniche die Zeit aufniliillen , oder
zu vertreiben. Das Erste bezieht ficb unmito
tdhar auf die Voritellung der leereii Zeitt
uttd aueh dat Zweyte weiat tnittelbar 4araii£
hin; denn die Zcit wird vertrieben, wenn
niail durch irgcnd cincBcicliSftigung dic Vor-
ateUtittg dcr Lecihcit entfemt. Stellten wir
uni nun die Zeit felbst alf eine Ahwechielung
vor, Co biefse eine leere Zcit: cine wech^
Cellofe Abwechfeiung*
Die Zeit hat endlich fiSr uns licine Grcd*
fen» (o wenig als der Raum. Wena geiehrt
v/ird, alle Dinge baben einen Anfang gchabtt
ib findct dcr Glaubc daran liemlich ieicht
Eingang, aber deu meisten» die ihn anneh-
men, dringt Cch dic Fragc tuf: waa war
Uigiiizea by Googlc
— »73 —
denii vorher? Und wenn cs als moglich
dargestcUt «ird, daft dai Wekali wieder ver-
gehe, Ib wird gefragt: was wird denii nach*
her fcyn? Dic Lange derZcit, dic man riick-
^arti bis %u dem Anfange allcr Dinge» und
vorwSrts bis cudemUntergange derfelben an«
nimmt, hiiulert auch jcne Fragen gar iucht.
Miliionen lahre» auf Miliioncn gehauft, fiil-
len die ^it nicht aut, Wie wir nun die Un«
cndlichkeit derfelbcn aus der Erfahnmg auf
irgend eine Wcifc hcrgenommcn habcn foll-
ten» iafst fich ebcn fo wcnig bcgreifcn» alt
wie uns aus der(elben die UnCndlicbkcit dcs
Rauiiis gckommcn fcy. Stclltcn wiruns liber-
dicfs tlic Zcit ais cinc Folge von Vcrandcnin-
gen vor» Ib wiirdcn jcne Fragcn gar nicht
Stan finden; dennesverstfinde fich vonfelbst,
dafs in dem N i ch t s auch Ikciue Vcrandcnm-
fgfin vorgehen kdnnten.
Aus di^fen Betfachtimgen folgt, dafs ms
die VorstcUung der Zeit nicht aus der Eriah-
rung gcfchupfe habeo konaeo. Dcnn tcas
diefe ulier die Zeit «ngiebt, stiimnt gar iiicht
niit dcm ubcrciii, vvas fic fiir uiis ist. —
Nach der Erfahriing giebt et mehrere Reihen
von Ericheinungen neben einandery und
die Zcit is( iiiir ciue fortlaufenJc Linie. —
Die £r£ihruag fetzt nichts aulTer ailem Zwei-
hl^ und der SaCx» daft wfchiedene ZeiCen
nlcht tugleich iiiid , hat apodictifche Gewi(s-
heit. — — Die Erfahning kaun, in Beziehung
tuf die Zeity niur Reihen von VeiSndeningen
angeben, und die Zeit bleibt, wenn fich
aiich nichts veraadert. — Die Erfahruug
(tellt uni niir luirze Reihen yon Erfcheinun-
gen dar» und die Zeit itt unendlieh.— •
Uiberdiefi bUibt die Zeit nicht luir, vienn
fich nichts vcrandert, fondcrn fogar» wenu
«vir denken, dals oiGhts mchr ii C;
Alles diefes zeigt hinianglich» dais die
Vocf tellung der Zeit mit der VorsCeilung det
Raums, ehierlcy Befchaffenheit hat Wie die
letztere in uns fcyu mufs, che v^ir irgend
etwas aulfer uns erfiihren koniien: ib ist iins
die entere nothwendig, niclit mir iur die
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Kcnntnifs dcr Natiir, fondern aiich fnr die
Kemituirs uiiferec felbi t. Die Zeit isc deni*
Mch iiidit ie]bst VerSiulening» fondern dat»
was jeder Veranderung von uns fum Gninde
gelegt wird i de ist nicht felbst eiue Keihe
von £richeinungen» Ibndern ein notbwendi*
ges Erfordimiis, tn unt und auiTer uns Wir«
kungen wahrzunchmen, aiis welcheu wir eino
Reihe sulamnienretseni fie ist uns angebo*
reut und macht ein welentliches Stuck unicre
finnhchen Erkenntnirsvermogens aiis. Uii-
naittelbar beuclit fich die Zeit auf das, was ia
uns lelbst vorgeht, in ib ferne aber uniere
Znstlnde von den Errcheinungen aufler uns
abhangen , fo ist fie uns auch nothwendig um
dieie wahnuoebmen* ^^)
^ Maa ttelle Ach die VetinderuDgen nodi fo
mimerklich vor» fo mufs man felbst diefe
unendlichkleinen VerSnderungen an dic
Zeit kniipfen, und deakt nicht, dais fie
die Zeit felbst fiod.
m
Sic isr dahcr clgenUicli die Form des in-
nern Sinns — aber ausdcm nnacfuhr-
ten Grunde «igleich die farmale i2e-
Aus diefer Art Zett «u beCradifeiiy
folgt, dafs fic fiir andre Wereu» ais wir lelbiC
6ii<l» nicht nothwendig ttm» ley. Denn da
die Vorttelliiitg derielbeD mcht von den Dtn-
gen aufTcr uns, auch nicht von dem Wechfel
ttnlerer eigoffn ZuiUnde hergenonnnen» ds
fie unt angeboren ist: fi» muiiten tvir anneh-
mcn, dafs alle Wcfen cben diefelbc Einrich-
tuog wie wir hatccn, wcoa fiir fie dic Zeit
ctwaa leyn (bUte. — Es llfit fidi denken»
dafi C8 Weien gicbt, die vermoge der Ein*
richtung ihrcr Augco, nur ganz nahc Gegcn-
ftSnde bemerken» und auf keioe Wei(e» mit
oder ohne kunttliche Werkteuge, elnen wei«
ten Kreis, fo wicwir, zu imifaflcn verrao-
gen. Wenn nun diefe Wefim dachtcny vielci
konne nur naeh und nach gelehen wer*
4eaf und etwire fchlechterdingt Zcit no-
thig» um mehrere Gegenttaiide su bemcrken:
d i n g u n g aller Wahrnchmungen. — Da
dic Vorstellung der Zeit fiir fich bestehf,
ohnc irgend cinen Gegenstand dcrErfahrung
zu bedurfen, fo h<ifs( fic auch etnc reine
Anfchauung.
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— 277 —
fo filr tms, die wir Taiireiide von
Dingcn «uf eininal uberrchauen» ein iehr
liclierlieher Schlufi. Einen Shnlichen wiir-
dlen wir felbst inachcn» wenn wir, die wir
mir die Wirkuogeu der Natiir iind unfere Zu-
tlSiide aaeh uod nach &lIenkonnen, be*
haupcen wollten, iedet We(en fey auf eine
aholiche Erkeantnifs der Welt und feiner
ielbac eingefeluinlLt^ So wie wir nicht allen
Welen Verttancl nnd Vemnnft tulchreibea:
fo konnen wir auch nicht allen vernunftigen
Weica eben daffelbe finnliche £r-
kenntniitTerniogeii suTchrelhen» «el-
diet fttr unt dle Qiielle allcf WiflTent itt*
Diefs thatcn wir aber, wenn wir die Zeit,
iwelche die Bedingung unferer £rkenntniit
itt, lur alle ▼emuiiftige Welen alt aothwen*
dig bctrachceten.
Aut cben diefein Grunde kann man nicht
(ageo , dais allc Diage a n f i ch in dcr Zeit
fiiML Dennivir tngen dieie aut unt auf
dat uber» wat fene f ti r u n t find. Nur f il r
uus gelfiliitht alics in dcr Zeit,— ist der
— 378 —
Wcchfcl cler Dinge da. Es geht hicT tllen
Menfchcn» wie es dencn gieng, die, ia der
Kiadheic det menfchlichen Verttanilet» di«
lebcndige Kraft, welche in ihnen felbit wohn*
te, aiif ieblofc Dinge ribcrtrugen. Weil fic
ielbtt mefar ^ren, «It fie mit ihren Sinnen
ftt fiiflen Tennochten : fo ttelhea fie fidi vort
dafi aiich Baiime, Berge, Fhlfse mehr feyn
mufiten» alt fie (chienen. Auf eine ahnliche
Weife tragenalleMeniehen ihre finnlichen
Vorstelliingen voii den Dinj^ in der
Welt auf das Wefen derfelbcn iiber, und
glauben» dafi dieiet eine wirhliche VerUn«
derung lelde, weil fie dalfelbe nicht ttt
fchaucn, fondern nur die Wirkungea
davon nach und nach zu falTen vermogea.
Die Zeit alt eine blolte Befichafeiheit ua-
fcrer innern Einrichtung, nnd alle Ver!lnde-
rung nur als eine Folge dcrfclben zu den-
kea» hat fireylich noch mchr Schwierigkeit,
als den Raum an fieh fur nichtt %u hal*
tcu. Dcnn diefcr geht nur auf die Diuge auf.
ler imt* Unfere Gedanken ibhlieften wir ia
keinea Raam eia» fic beiieheii fich atieh
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— »79 —
jiiclit alle ttmnittelbar auf denielbeii» und da-
durch habeo wir doch etwas, woran wif fe-
heiiy dsL& er oicht nothwendig fiir alle iiiifcre
Voncdlungen iit. Einem Wechiei hingegen
fiod Ibwohl uniere Gedanken, alt alle Natiir-
erfcheinungen untcrworfen. Die Zcic an fich
alfo fiir niclitt auiTer un» iialtea, fclteint alie
Stutsen niederxtireifseny worauf wir uniere
Kcnntnifse griindcn. AlJein die Schwierig-
keit der Sache iuon die Wahrheit derfelben
nicht aufheben* Wer xum erttenmale hort»
da(s die Farben eigentlich in feinen
Augcn und nicht in den Korperu lie-
gen, denen fie zugeiciirieben werden» der
wird eben fo viel Muhe haben fich davon
211 libcrzcugen, als es den mcisteu Mcnrchen
Miihe kostet zu dcnkcny da(s iUum iind Zeit
niehtt als Formen unieit finnlichen Erkennt*
lufsvermogCAs iiud.
Uibrigens leidet nnfcr Wifieft diirch die dar-
gestcikcn Lehren voni Raumc und von dcr Zcit
nichts. Ftir iins hat dat, wat fich darauf be»
liehlf noch ebcn die Wahrhcit, alt wenn fie
— ago —
^twif wiiklidici wSieii. Weim wir «bcr
laccn h-bcn, dic fich niclit daratif bexiclieii»
ib konnen wir dicfclbcn nicht deswegcn fur
nichtig erltiaceii, weii fie mic den FonDen
iinfers fiimlichcn ErlicinitiiiirFeniiogeiit mdit
lu vercinigcn fiud. Dieft fuhrt iraf lur
Hauptfache, um deferwiUeii wir die Betradi*
tungcn uber Zeit uod Raum aoitentent
Alle iinfefe Kenntnili, unfere Per(onlich«
iieit ausgenommen, beruht auf Wahmeh-
mung dcffen, was dic Gcgenitandc auffcr
um und wai wir felbit wirken. Die Vor-
stelhingen, die wir dadinrch erhalten, neh-
mcu die Formen der Fihigkciten an, ver-
mittelit welcher wir die Dinge in der Wclr,
oder unfere eigenen Zuiande fchauen» daa
hcifst: wir mufTcn verraoge der Einrich-
twig unlen finnlichen Erlunntniisvcrmogcni
ailei, wai wir fchauen» neben oder nach
einander fetien. Hierauf benihen dic
Gcfctie dcr Natur, fo wie wir fic falfcn,
iind die nach denfelben nodiwendigc Ver-
binduug allcr Dingc. Di alfo Grund
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dierer Gcfetze iii iins felbsf, iiiid nicht in
<leo Wcfeti» au£ die wir iie «awenden» liege,
Ib bcfieliea fie fieh niir «tif Vontelliingen»
die wir von allen Dingcn uberhaupt, und
luin Theil von uns felbst habcn, und nicht
aiif daty wat fie uiid wir feJbtt ohne jene
Formen tin(erer Sinnlichkett find. wriff-
ten wir nun nichts weiter von uns, als was
fich auf Raam und Zeit beaiehty ib konnten
«rir nieht iiber dle Erfahrang hlnautfehen.
Allein diefs ist nicht der Fall. Wir haben
Ideen» die nach Naturgefetien gar nicht
hcurtheilt nerden kdnnen. Die Gebote der
Micht letien den Menfchen in eine Ordnung
der Din^c, dic ganz von der verfcbieden isf,
wdche wir in der Natur antrefien. f*Da8
Sollen dnlckt eine Art von Nothwendlg-
Kcit und VerkniipfungderDinge mit Grtindea
auty die ibntt in der gaasea Natur nicht voiw
^ Dieft wird fo attsgcdrfiekt: Die GeTcnc dec
Ntrar gehcn nur anf Erfcheinungen, d. h.
auf die Gegenftllndc unferer KenntaKt, «ia
lic unt crldianeni nicht wie fie tn lich lind«
kommt. Dcr Vcrstand kann in ^itfer nur
erkcmica was da ist, odcr gcvvcHii ist, oder
leyn wird. Es Ut iinitioglich, dafs dartn et-
vas anders feyn roll, als es in allen ^ieien
Zcitverhiltuiflcn in dci- I hat ist, ja das
Sollen» wenn man blos den Laufder Natuc
vor Atigen hat, hat gani und gar keineBedeu->
timg. Wir konncn gar nicht fragcn, was
an der Natur geichehen foll, eben fo we-
nig als was liiir Eigenlchaften ein Zirkd
habcn foll, rondcrn was dAiin gcfchicht
oder was fur Eigenfchaften der lctztere hat."
Et denkt fieh alfi> der Menich durch daf
SittengHctz in eine Welt, dte von der finn*
lichen ganz vcrfchicden ist, und fchreibt
lieh in dicier Ruckficht Freyheie von
den Gefetien der Nitur und dat
Verinogeu lu, feinen eignen zu
Kants Critik dcr rcinea Vemunft, S. 57$*
■■^^) Msn druckt diels aQch Ib atts: der Mcnlch
betnchtet ficb in Abficht dcr Vemunft tlf
cin Wefen tn fich, oder «Is ein Wercn,
yekhes nlcht im K«unte und in der Zcit
elttgeichloflen ist*
Uigiiizeci by LiOOgle
folgen. Die Annahme der Freyheit von
Nattirgefetxen hat auch keine Schwierigkeil
mehr» weno dielelbeii mir alt etoe Folge
unferer finnlichen Voritenungen angefehea
wcrden. Denn jene Freyheit <iem Menfchen
tttichieiben» heiist daiui weiter aichtt ak
glaubeti, <lalt die yemiuift auf eine «ndere
Art wirken konne, alt diejenige ist, \vclche
ittf der Einricktung oniert finnlichen £r«
kenntnilWemiogent beniht. WoUte mtn
wider dieren Gedanken noch Einwendung
nachen» ib wSre dieit ebon fo viel, eb ftenn
man ISugnen wollte, dalt dat Geficht eine
andere Einrichtung habe als das Gehor, oder
dais, wcil dieGefetzc, nach dcnen fie wirken^
mfchieden find, dcr eine odcr dcr «ttdero
Sinn gar nicht exittirea konne,
So ent&mt die Speeuktion ubcr den
Gnind der Naturgefetxe von dcr gewohnl^*
chen Vorttellung dcr Mcnrchen tu feyB
fcheittt: Ib findet man doeh dat Refultat desw
felben in allen Urtheilen uber die Nothwea-
digkeit moxalifchec Uandiiuigctti uod man
— a84 —
kann fagen, dafs jcdcr Menfch, dcr nicht
Pflicht tind Tiisciid fur leere Worte hHlt» die
traiiscendefitale Freyheit steti iror
Atrgcn hat. Aiiircrdcm, was aiis dcm vori-
gen Abfchnitte hierher gchort , verdijnt be-
fonders bemerfct ni werden, daft die darge-
ftclltc Lehrc von der Zeit, wclche den meit»
ten Schwicrigkeiten ausgcfctzt ist, von allcn
Menfcheiiy ^lche glauben, dala die Vemuoft
allc frcywilligc Handlungen letten k5nne
und folle» stlllfchweigend angcnommen
wird. So oft iie Och tind andere alt die ei>
gcntlichen Urheber derlelben betrachten, €o
fehen fie dic Zeit fvir nichts an; die ganze
Reihe von Verinderungen» die fie erfahren
haben» verfchwindea vor ihren Augen, und
fie dciiken nicht, dafs der Grund des Ent-
fchlufset nim Guten oder zum Biifen in ihrett
vorbergehenden ZtiilSndent fondera aJiein m
ihreni Wille licgc. Dcr blofie Gedattke der
Verbiiidiichkcit etwas zu thun oder zu lafTen,
ietst voraiis, da& Zeitbedtngtingen nicht dat
gauzc Wefcn dcs Menichen, nicbt die Ver-
nunft crc£Fcu. Sie wird fo augclchen, alt
iey (te unveflnderlich, vmd mttAt ▼on «lleai»
wat iti der (innUchen Nacur <ies Menfchea
vorfeh^ gar nieht aKictrt.
So lange es mir aufs Handeln ankommf,
Ib <lcnkt fich ^cr Unwiflieadstey wie der
AufgekHrtette, alt ein Weleny datdenGe-
fetzen <ier Natur nicht unterworfen , fondern
den GcictBen der Vemunft tu folgcn vemio*
gend itt. SoU nun aher irgend eine Hand*
huig auf entfemte Griiiide zuriickgcfiihrt,
odcr foU crklart werden» wie der gaoze Cha-
rakter cineaMcnlchenentftanden ut: ib liegt
fchon in der Aufgabe lelhtt, dafi fcne und
diefer, in Bezichung auf die Sinnenwelt be-
trachtet werden* Denn von der Vemunft
kann man nicht lageny dafi fie vorhergehen-
dcr Griinde bediirfe , um die Willkiihr zur
Handlung» odcr vorhcrgchender Zustande^
um den Oiarakter einet Menlchen f u bettiiii-
men. Bey der Unmoglichkeit, die Vernunft
fclbst» oder ihrc VVirkungsart, unraittelbar zu
fthauen, hey der gSnsUchen Verborgenheit
alJcs deffen» waf nicht der Rnum uad dieZeit
986
eialclilielteiif lit et uitf uberhauptttiiilioglidiy
etwas zu erklareii, das lich auf den Men-
(ch.cn, als eiii uberiiiuiliciics Wefeu, beueiiU
Nur, daiser etn iblchet Weienisf, liegtiu fcU
uem unmittelbarcn Bewuistieyn. Was der
Verstand aifo libcr die Griindeeincr Haudlungy
oder uber die Cntftehung einet Ciuurakteri «i
erforichen wmag» beruht auf etner Verbin«
dung nacb Naturgefetzcn. Vcrgaugenheit,
Gegenwart und Zukunft vverden mit einaiider
▼erkniipft, undbeydiefenZeitverhaltnifsen itt
eine bedingceNothwcnciigkeit unvcrmcidlich*
Die Frage: wanim Cud einige Menichen gut
und andere b6fe? kann gar nieht beantwor*
tct wcrdcn , fo lange wir fic als tiberfinnliche
Wefen bctrachten, und gleichwohl muflen
viit fie to betraehteiiy wenn Zureehnung Statt
findcn foll. Sefaen wir fie altNatttrwcfcn an,
von dcncn wir angcbea kduncn, wie fie nach
nnd nach durch Anlagen, Umttlnde und Ver<*
hiltnilte gut oder hoCt geworden find t fo er«
fchcinen fie als nothwcndig bcstimrat, fo lu
leyn wie fie iindi und da waie Zurecimung
gac nieht mdglich. Finden wir diele in der
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Vcrniinft gcgnlndct, fo gcfchieht cs luitcr
dcK doppclten Vorausfetzuug» dais der Cha-
nktor eincs Menicheii nicht von dem 'iursera
Einfliilse, ibndern von cler Sclbstthatigkcit
hauptrichiich bestiraint wcrclc, und dafs cr»
fo wie cr tinf ericheint» mit dem uberein*
•timme, wie wir ihn erkennen wtirden, vnnn
wir iii das Innrc dcs Meafcheu dringen konu-
ten.^) Denn wtr denken unt einen Zuiammen*
hang cwiichen dem» wat von uns in der Sin*
ncnwclt gcfchieht, init dem, was in unfcrcr
uberOnnlicheu Natur liegt. Der Wiiky der
fich in jener auiiert, wird ak der Wille von
dicfcr angcfchcn. Er ist fittlichti k '^^^cr bofc,
nach dcin cr als dcr Willc eincs frcycn vcr«
ntinftigen Weicns angelchca werden kann,
♦) Der Charakter, dcn wir wahrnchmen , heifst
empirifch, und derjcnigc, dcn wir dcn
Grvmd davon anfchcn, hcifst inrclligibel.
lcncn kann mnn auch fchr gut die Sinnes-
art, und diefcn dic Denkungsart ncn-
nen, da dcr crstcrc in der Sinnenwclt wahr-
Jicnommcn , und der lcci:tcrc io det Vccstan-
dcswelr nur gcdacht wird.
— 288 —
oier nieht; Wer das Sittlichgute nidit ni
leinem letften Zweeke mtcht, errehetnt alt
cin Menrch, wclchcr nch fclbst hcrabretzt,
und denGefetten derSinne unterwirlt. Wer
lich von (lie(en imnier fircyer macht» iit dcr
Achtungswiirdige, der fcine hohere Natiir zu
hchaupccn iticht» und die Wtirdc^ altvemunf*
tiget Welen» (einen eignen Geletfen tu lbl«
§<:i\, mit vollcm Rcchtc vcrdicnt.
Da nun alle Zureehntmg atif der Beur*
theihmg der Sinnesart *) beriiht, die wir
aii dem Mcnfchcn wahruchmcn» und doch
auf dic Dcnkungtart defTelhen geht» die wtr
nicht kennen; Ib itt tmt die eigeutliche
Moraiitat der Handluiigen, rdbst dic unicrt
eignen Verfahrent» ganslich verhorgeik
Denn wir konnen in keinem Palle angeben,
wic vicl von dcm Chara^^cr, den wir beur-
theilen» eine Wirkung der Freyheit, wie
viel der bloiten Natur und dem imver&hul*
dctcu Fchler des TemperamcutSy odcr dclTcn
S. die voiige Kott.
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— 289 —
gluckllchen Bcfchaifcnheit zuzufchrcibcn fcy.
Danufl felgt aber nicbt, dait gar keine Zit-
xeefamtng, gar keine SehuM und keln Ver-
dicnst Statt Bndc. Dcn Menfchcn blos nach
dem beurtbeilen, wat er nacb und nach in
der Sinnmielt gewoiden itt, ohne Riiek-
fichtaufdas zu nchmen, was er felbst dam
beygetragen hat, streitct nicht nur mit den
Urtheilen det gefunden Verataudei^ fondem
aueh mit dem, aulTer Zweilel geftellten,
Sittcngerctze, das aufhorcn wiirde ein Ge-
fets xu leyn, wenn die Beobacbtung oder
Verletxung deflelben ala gleichgultig ange*
fehen werden konnte. Atich dringt fich
der Gedanke an VcrJienst und SchuM niit
dem Gefiible der Freybeit |edem Meiifcbeii
atff 9 der im Stande der Belbnncnbeit i$t.
Diefcs imd jenen fur Taiifcfaung crkl';4rcn,
hei&t bebaupten, da(i die Vemunft aiif eben
dielblbe Weife wirken muffe, auf welcbe
dcr finnliche Thcil iinrercr Natiir wirkt.
So otfenbar diefcr Fehlfchiula ist, fo ist cs
doch ichwer denfelbcn 7.tt vermciden, wenn
T
— ago —
cs «iif Erkctintnirs uud niche auf Handlung
ankomnit. Wovon keine finnliche Voritel-
hmgt keine Erfkhning moglteh iie, dai wird
dem Menfchcii fchwcr zii f.ifleii , fo wie es
ihm fcUwct wird xu handehi, wo ihn keine
Aiisfichc auf aogciiehnie Enpfindiing rciCir*
Uiberdiefi frret>r er fo gcrn liber dcn Kreii
hinaus, iu wclchcm fcinc Erkcnntnifs cin-
gefchrankc isc. Wer fich nun nichc genugeti
ISiic tu wifTen, dafs die Vemtmfc wirkc»
foudcrn auch crklarcn wie lic wirkt^
kann dte Vermifchung des Sinnlichen mit
dem Uiberfinnliehen, deflen was im Raiime
uiui lu dor /cit ^jfchieht, rait deni vvas von
diefen Formen uufcrer Erkcnntuifs uuab-
hingig isc» nichc vermeiden» iind er muls
dann dcn einen Theil feiner NaCur gleich»
fam dcm audern aufopfcrn. Es gcht ihm»
wie den meiscen Menfchen, die durch Griiude
von erwas liberreugt werden follcn, das mic
ihreu gcwuhnlichcn Vorstclhmgcn strciceC.
Als d.is Dafcyn dcr Gegenfiirslcr zucrst be-
hauptct wurde, fu frhica dicfs etwas widcr»
(iiiiiiges'. Die Erfahrung hat niiii zwar die
Wahrheit davoo auflcr allen Zweifel gettellt«
iindl ketn Menieh, der fieh ntir einiger
Kemitnirs rtihincii will, darf au diefeui Da*
ieyn sweifeln* Der Giaiihe an die runde
GestaJc der Erde hac fich fatt wie clie aua-
geinachteste Verntiiifcwahrheit verbreitet.
Wenn er aher iiberhaupt nicht mir annehm*
lich gemachty fondem gegen feden Einwurf
Vcrthcidigt werden fbll: fo diirftc diefi
wohl ichwerlich lur Seiriedigung dcs ge-
meinen Verftandes gefchehen. Wie iit ea
moglich, wiirdc inanchcr fragcii , dafs dic
Entgegeiiwohnciiden nichty fo zu fagen» ia
den Himmel falien? Man tiehe doch nur
eine Linie von der ObcrflSche der Erde
durch dcn MittcJpimkt derfelbcn bis an die
entgegengefetxte Seite» ib trift fie auf die
FttiTe der dafigen Men(chen, iind geht von
da weiter bis an den Hinimel ; diefen haben
fie alfo nicht iiber fondern imter fich. Aiif
diefe Einwendung mache man nun noch fo
deutlich, dafs dic BegrifFc von obcn unJ
«nten nur aiif iedea Qn auweudbar fiod#
— "~
m maa fich befindet; dals €c bey {entr ge*
nden Liuie vom Mittclpunkte der Erde an
gerade uingekehrt genommen werden miir-
kUf uud daft fblglich clie Liiue niir in der
Phantafie nicht aber in der Wirkltebkeit
gezogeu wcrdleu kann : fo >wurde durch die
Grtinde» welcbe fiir dide Behatiptungen an-
geftihrt werdeo, der gemaehte Eiowiirf wohl
niedergerchlagen , volle Uiberzeugung aber
nur ielten bewirkt werden, wenn man itch
nicht am Ende auf eine ungetweifelte Er-
fahrung bcritfen konnle. Wohcr dicfcr
Widcrstand?-* dabcr» dalf keine finnliche
VonteUuug von einer linie mogbeh ii^
die ob fie gleieh unimteibrochen fertgehe»
doch in eincm Piuiktc aufhorco, und, ohne
mnnikehren» doch eine gam entgegeo-
gelettte Riditung annehmen IblL Der Ver»
stand kann» nach gegebenen Erfahrungen •
nor die hlothwendigkcit dcr Sache fiuren»
ohne die Moglidikeit derielben lu eriJireii
oder, mit andern Wortcn, ohne fie mit
der iinnlichen Aufchauung zu vercinigen.
Wer nun die letKteie ab eniicbeadend uber
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die Wahrheit anfieht, wird in dicieiii Bef-
i^ieJe eiaeu oflknbafcn Irrihtim aiifiiehiiieii*
Auf cinc gani ahnlichc Wcifc irrt fich der-
jcnigc» wclchcr die Frcyhcit dcs McnTchca
Hufiiet, «mU fie mic der Verkettung aller
Dinge streitety tind weil man keine An-
ichauung von dcr Art habcn kann, wie
Ternitiiftige Wefen an fieh wirlKen*
In beyden Fillen werden, alc entlcheidend
uber dic Wahrheit, VorstcUuugen angefehcn,
die aicht cntfcheiden konnen. In dem enten
Falle folt die Sinnliehkeit uber den Verttand,
in dcm zweyten der Vcrstand ubcr die Vcr-
nunft richten* I^cs von dicicn Vcnnogen
hat feine eigenthumiiche Einriebtung und ei>
nen fich darauf beziehcndcn Wirkungskrcis.
Wird oun das, was in dcm eincn licgt, in
cinen andem gesogen» ib entsteht Irrthum
nnd TSttlchinig— imd twar hattptilehlich
dann, wcnn cin niedrcs Vermcigen iibcr cia
hdhcres entichcidcn ibiJ. IndefiGeo Jtann atich
der Fall eintreten, dafs man die Tatifchiuig
in dcm Sinne fiicbt^ wcnn fic in dem Ver-
ststtdc iicgtt Zum BcyipicU vcrmoge dcr
— 294 —
GefeCic» tiach deueo ficb der Sinn des Ge«
fichtt fichtet, iniiiren «ir eine lange Allee am
Ende ciitwevier vcreiigt oder gar fo fpitzig
icben, dafi lich awey Baiime iii cincii verci-
iiigen. Dat Geficht an und ftir fich triigt tmi
liier nicht. Lin Betrug fende nur dann Statt,
«enn ciuc Abweicbuiig voii dcn Gcfctzen gc-
ichahe» nach velchen viir Vorstelluogen
durch die Augen erhalten. Diefs ist aber in
dcm angefiihrtenBeyfpicle nicht «^erFall. Tm
Gegeniheile vi-^rdc es eiiie Abwcichung von
den Gefeisen des Sehens feyn, wenn die Baii-
mc ciner Allee, vom Anfangc bis ans E«d«
derfcibcn, gleich Wv.'it von cinandcr erfchic-
flciu Kein Menrch denkt an einc Hkufchuiig,
wenn er die Gegenstande in der N£he gr5iser
als in dcr Fcrnc fieht. Ist nun dic angefuhr-
te Erfcbeinimg ein gaoi ahnliclier Fall , >Mr-
um «ird denn da von etner Taufchung der
Sinne gcfprochcn? — Blofs darum, weil wit
nicht bey der cigcnthilmlichcn Wirkungsart
des Gefichts stehen bleiben, ibndem ein Ur.
thcil cinmifchen, das fo lautet: was gleidi
ist» UM& aligieich empfundcnwcrdco. Hicr-
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von ist abcr mir fo viH wahr, dafs dlas Glei-
che an iind fir Hch nicfat ungleich feyn kon-
ne, nicht aber» et auch von nniern Sin«
nen unter allen Umstteden, Ib gefaftt wer«
den miinie. Aiich wilTen vair diefs fehr wohl»
wir vergeflen es aber leicht» wenn dieGieich-
heit undUngleichheit fich auf eine fehrmerk-
liche Weifc darstellt, wie in dcni angefiihr-
ten Beyipiele. Die vorderc Brcitc dcr AJlee
if t nach angettellter Erfibrung» mit der ent*
lemtern gleleh, undweil fie fiehdeiren unge»
achtct als ungleich darstellt: fo glaiibcn wir,
es gehe eine Taufchung des Gefichts vor, da
doch eigentlich nicht Jieles , fondern unfer
Urtheil tatifcht. Das letztere, und nicht die
finnlichc Erfcheiinitig, niufs bcrii htigt werden*
Umgekehrt ware der Fail, weun wir daraus»
dafi twey glcich groitie Sachcn unglcich er>
(cheinen, fchlicfsen wolltcn, das Glcichc
konne^ an und fiir fich» ungicich fcyn. Uod
dtels iit etwas ahnliches mit deui SchJuAey
dals, weil uniere Handlungcti nsch den Na-
curgcfctzcn be.!in^!i:ci!\svenrJig tiiid, iic aucii
«n nod fur fich als nothwendig ange*
— 396 —
fehen wetien muiTen. Uier xicbt der Vcr«
staiid in clic Grciiicti fcines Geblel» wai in
dcm Gcbictc der Vcriuinft liegf. Was als
Er(chcinuttg notbwendig isr, kann in andcrcr
Riickficbt fchr wobl ah nicht notbwendig tn«
gcfchen werdcnj was iiach cincm Natiirge.
fctse erfolgen muis» kanu nach dcm Sittcn-
gefetf e alt unmoglidi betmchtet werden» und
fo aucU umgekehrt. Dcnn fo wle derGnind*
fatx, dtisdas, was glcich ist, nicht iingleich
feyn kann, tuf kcine Wcifc dadurch vcr-
<li9ngt wirdy dtfi lur unllere Sinne gtns glei*
chc Dinge doch unglcich erfcheincn,
ebcn fo wcnig kann dadnrch, dafs dcr Ver-
sttnd tllcs, vts wir von dcr Sinncnwclt wif-
fen , in cuie nothwendige Verbindung (etit,
bcwiefcn wcrden , dafs dcr ganie Mcnfcb nut
als cin ieidcndcs Glicd in dicfcr uuuntcrbro-
chenen Kette der Dinge sti betrtebten fcy.
Dicfs ist cr nur in Abficht des finnlidien»
nicht abcr in Abficht dcs ubcrfinnlichen
Thcils felnes Wefcns. In ihm ist Natur und
Vcrnimft, Notbwendigkcit und Freybcit. —
tr ist im Raume und in dcr Zeit, und er ist
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nigleich uber diefe Sehrankai erfaaben. — •
Er ist frenidca Gefetzen unCerworfeo, iind
iuiiii leiiieii eignen foJgen. Sein Wille
crfcheint ali der Natur untergeordnet; er
kann abcr auch diefc feinem Willen luitcr-
ordncii. — So gcwifs cndlich in (eiaeni
Bewuiicieyn Vemunft hoher iit ali Sinnlich-
keit: fo gewila liegt auch nur dcr nicdre
Thcil fcincs Wcfcns in dcm Gcbicte dcr
Nothwendigkcit» und der hdhcre in deni
Gcbiete der Fxeyheit.
Endc dca er$tea Theilt*
Freybergy
gfdnickt bty loh. Chriit Fricd. Gcrlach.
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Gcmeinfafsliche
Darstellung
Kantifchea Lehren
Sittlichkeit, Freyheit, Gotthdt
und Unsterblichkei^
m
Ambrofitu Bethmatm BeruhardL
//. Thcil.
Freyberf, 1797.
;n d« Ctazifchcn Buchhuidlunji,
Zivey GegenilSiule find et, die dea weienC'*
lichen Inhak jeder Vbnede ausmachen kdn-
nen— Jte Ablieht einet Bachs, und det
Gangy den es numnty iim dieielbe lu errei«
chen. Uiber dicAbiicht diefetBuchf hat fick
VtthfSet in dcr Vortedc ntm mlMi
TheiJe^ hiiiringiich erkiarU hat er dagegeii
iiber dmGang, dca er ia fiteiiUiitarlhehiiii«
gen genoimiien hat» dozt gar iiiditi gelagty
ib findet er ei nothig, bier einige kiirxe Anp
merkungca diruber Toraut su lchictok
Nicht wenig Lefer des ersten Theils wcr«
den geglaiibthaben, der tweyte enthalte Uoft
die Lehre von dem Dalcyn Gotcet und die
Unscerblichkeit der Seelei und Qe wurden
fich daher nicht wenig wundem, swey lange
Betrachtungen uber daf moraiiiche Gcfiihl su
findeoy wenn fie nicht im voraus, thciJs auf
den Grund der Abtheilung, theilt auf die
Nochwcndigkeit dicicr Untcrruchungcn au£«
mcrkTam gemicht wiirdca*
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In dcm ersten Thcile vnr die Abficht, dic
fiahfe Beicliafienlieit det Slttengelffies ni
seigen, und dalTelbe ^uikt Zweifcl zu iieczen.
Hiermit hieng die Betrachtung uber dic Frey.
lieit dct Wllleiis «i£ das geiiaiietfe siiiam.
meni denn dat Geretx tmd dte Frejfheit ma-
chen eiiiaiider gegenfeitig nothweadig, und
•tchen odcr fidkn mit einaiider. In dem
iweyten Theile kommcn nun die Unteriii*
chimgen, theilt uber die Wtrkungen,
«dche daa Gdets auf daa Gemiith dcf Mcn*
fchen hervorbringt, theils uber dic f ojgen^
welche ^ Vemttnft aut det Beitimmuiig dct
Menfebes sur Sittlichkcit sielit.
Wat nun die entern hetrift, deren Be-
irachtung ailein einer voiIittBfen Rechtforti*
gung bedarf: fo war es fireylich in dcm Gan*
gCy wdchea die Uateiittcliuiigeii tm ertteii
Theile oahmen» itnTermeidliclif «u£ dieiel*
kca hinzudcuten } et wurde aber auch imvor*
aus ( S. 202. und 336.) erinneft» daft fie nodi
befondert betrachtet «erden wurden. Din
NothwendigiLeit diefer Betrachtungen an
fich, wird in dem Buche felbsC feteigt;
Hier find al(b nur noch die Grunde ansuiuh*
rcn» wArum (ich der Verfaller (o iange, und
viclleicht, nach dem Urtheile mancher Lefer,
tu lange dabef auigehalten hat.
Man fiudet nicht felten dieErklSrung, dafir
daf moralifcheGcitihl noch inDunfcellieit ge*
hiillt fey} nnd wahrrcheiulich liegt in diefcr
Dunkclheit derGrund, warum in manchem
Buche, welchei KanttLehriatie erlSutert ode»
uiy j^Lj L,y .GoOgle
zum Gru&de legt, ubcr <las moralifche Ge*
aSbl, uad dk dmui ent^riiigeiide Sdbitsii»
friedenheit eatwedec gar nicbtf befriedifci^
dei» oder manchet geiagt wird, was jeaen
LchrAticn wider^cicht. D» «m der Vefu
fifler dielelben deutlich su ilealLen giaubte^
uod ohnc Eiorchraal^ung wahr fand : fo nvat
ct natiiclidi» dafi cr cine cCwif weitlluftigc
AiiieinindcTfetiung von Lehf{)ltseii« die Vie>
lea duakel fchieoen, uod woa Aadern (oach
fciner MeinuQg) nut UnreehC iSr einleitif
crlLlXrt wurden» fSr nutslich und nothig hielt.
Hat er fichgeirrt» fo isterbereit, jedegrund-
lifiheZureehtweiiiingaiininelmieib Nurdielb
inuis er noch eriaaero» dais er» um cin^ fir
die Abficht diefesBuch^ sn groise Weidiul^
tighieit stt vcmeideOf nocb lieles weggelalL
km lut, wat cr tm tiugefiihrt liStte» ttnd
^lieicht M einem «udeca Orte aufiuhreit
freyberg» den lo. Miy 1797.
dm ffiorMUfihcH GefilhU^ als dn
Triebfedcr dtr fractifcbcn Vtfmaft.
Jeo Gnmd imd die eigendidie Be-
fchafFcnheit delfen zu iiiiJen , was man Sitt-
lichk.citneaat» fragten wir die Urthcile dcr
gemetnen Vernunft tlber den Werth aller»
lur den Menfchen «richtigen Dinge tiber-
haiipt , tuid feiner Handhingen insberondere \
Und wir fanden» daft diefe Urtheile» weit e^t*
fiemt» den unmittelhar «ngenehmeniEmpfin-
dungen oder den Mitteln dazu den hochstcn
Werth beyzuicgen, dcnfelbca vieimchr in
den guten Charakter letien, ohne wel*
chen felbstder aiigenehmsteZustandy und der
Bcfitz und Gebrauch aller Mtttel denfelbeu
ni erhilten nicht begehrungswerth ley. Als
wir nmi weiter fragtcn^ wa$> nach der Ent*
U
fcheicUing det fur gcfimd gehaltcaen Verstan*
det, der gnte Charakter ley» und in dieler
Ruckficht Hic Eigenfchaftcnbctrachtctcn, wcl»
che gleichfam die Bescandtheile denelbcn aus*
nachen: fanden vrir die Wohltbitigkeit der
Gerechtigkeit ttntcrgcordnet. Dtirch die(e
Untcrordniing wurde cs offenbar, dafs felbst
die Sympathie» deren Befricdigiing aiierdinga
sur eigncn Ghlckfeligkeit gerechnet werdcn
kann, nicht dcn wahren Grund des gutcn
CharaktcTf antmachen konne. DennGerech-
Cigkett mtift oft dann getibt werden, ifena
Syinpathie nicht wenigcr als die eigentliche
SclbstUebe lcidct. Da alfo gar kein tmmito
telbarer Ziilammenhang swifchen dem Stre*
ben nach angenchinen, odcr der Abwendung
iinangcnehincr Einpfindungen , und zwiTchcn
der Handhwgsweife, die dem Menfchen von
giiten Charakter ciige(chrieben wird, angetrof.
fcn wurdc, fo fragten wir wcitcr: wat isC
denn der letxte und hochtteBettimmungt-
gijittd (einet Willentl Die Pflicht, war
hier die Antwort ; und die Entwickehing dcs
Begriffct der PflichC leitetc au£ dai retnc Vec
— 305 ~
auiiftgebot» nur foicbe Rcgcln in un^
ferm Verhalten su beobachCen, die
nach unrerm Willen allgemeioe Ge-
fetzc wcrden kdnncnt
Dm Hauptgebot <ler Sittlichkeit, nach
wdchem alle einselne Maximen» und folglich
alle Handhragen xu betirrheilen find, nnd
groTstentheilt beiirtheiJt wcrJcii, bcruht dem-
rach nicht aiif dcm Triebc nach GliicJsjfelig-
keity rondem auf dem Wefen der Vemunft,
Auch lieft fich leigen, theils, dafs die Ver-
nunft entwcdcr mit den Handluugcn gar
mchtt ftu thun habe» oder ienet Gelefs ali
den Inbegrif aller fittlichen Regeln aufstelle ;
theils, dafs kcin Mcnfch, dcr zur Bcfonnen-
heit gelangt ist» das Sittcngeiets» ais eine in
feinem Bewuisdcyn liegende Thatfiichey ab*
liiugnen konne. Und wurde hierdurch auf
dcr eincQ Scitc alicn Einwendungcn begegnctf
ivelche gegen den Grund der fittlichen Hand-
lungsweife gemacht werden: fo wurde auf
der andcrn uicht wcnigcr dcr Irrthum dcr-
jenigen aufgcdeGkt» welchc auf Selbstliebe
— 304 —
imd Sympadiie eta Geieu fur ^ Handlini*
gen grtinilea su konnen glauben» Diefe na»
tiirlichenTricbe, weit entfcrnt allgcmcingiil^
Cige und imveranderliche Regelu dcs Verhal*
tens an die Hand tu geben, rollen vielmehr
der unbedingfgebiethenden Vemunft unter-
worfen werdcn , fo oft fie nicht ohne Vcr-
letfung f enet GeboU beiriedigt werden kon*
aen. la> eben iveil diefeUnterwerfung nidit
ohne Widerstand feyn kann , wird dic Hand«
lungsweiie, welche aut dcr Vernunft flieist,
sam Gdwte.
Nachdem nun nicht nur der Grund, ibo*
dem aueh tugleich die wahre BeichalSenheiC
dcs Sittcngetcttcs aiifrcr Zwcifcl gefctit wor-
den war» betrachtcten wir ein Vcrmogen des
Menicheny ohne iielches die Gebote der
Pfltcht von gar keinerBedeutung ffir ihn Ceyn
wurden— das Vermugen, fcincn Wiiicn nach
den Vorstellungen von Recht und Unrecht»
von Gut und Boley xn bestimmen. Dabey
war wicdenim nicht etwa das Dafcyn ciner
Krafc su beweiieii» die Gck in einselnen Men*
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ichen auf eine xigveydeutige Weife anknnJigt.
Im Gegentheile ist die Freybeit des Wiliens
ib innig mk dem Bewuii cieyn imiercr Ezif teng»
nlf vernilnftiger Wefeii, verbnn^len, und ItegC
der Bciirtheiliing allcr Handluugen in Rilck*
ficht auf ikre Ciite und Verwerfliciikcit A> uu-
eingercbfXnktauni Grunde» dais nodi nicnuuul
|e das Gcfiihl diefcr Freyhcic gcliiignet
liat. Aile iich darauf beziehenden Spccuia-
tionen uelcn nur daliiny dadclbe liir Tlii»
fchiing zu erkriren, oderals eine Folge eigen-
tbumlicber Krafc zu rechtfcrtigen. Um das
Letztcre su bewerktceiiigen» muitten dic Ein*
wendungen geboben werden, welebe voa der
Verkniipfung aller Dinge nach den Begritfeit
von Urlacbe und Wirlumg,! uiid dcr daraus
entstcbenden bedingten Natumothwendigkcit
aller Handlungen hergenommen werden. Es
wurde tu dicicr Ruciificht gcxcigt» dais et
widerfinnig fty» ettt Vcmogcn dcs Men*
leben deswegcn zu liiignen» weil es mit dcr
Anficbt der Dingc streite» die aus einem a u-
dern Vennogen flielst; dals |edes leine el*
genthuoilichc Einiichtung iiabe» dafs daher
3o6 ~
jecle mit Bcfonnenhcit verbunJenc Handliing
auf der ciDem Seite als bediugt nothwendigy
auf der andern alsdieFoIge derFreyheif» und
der Mcnfch fclbst als ein zufannnengefefztes
Weien, das von Naturgefetzea abhiogig und
unabhSlngig fcy, betrachtet nverden muifti»
Zuglcich folgte aber auch aus dteier DarsteU
lung , dafs cs dein Menfchen unniogiich fey,
von fich, als einem uberfinnlichen Wefefly et*
wasmehr £u erkennen, alsdafsereinrol-
ch e s f e y. Denn um die l^rcyhcit mit der Na«
turuothwendigkeit su vereinigen» wurde ge*
fcigf, dafi Zett und Raum als blofse For*
incn unfcrcr fiiuilichen Erkenntnifs, und alle
Dinge, die wir, vermuge diefer Formen er-
keimen, als Erfcheinungen anzuleheii
find, dcrcn cigcntlicher Grund uns »iner-
forfchlicb bleibt. Wird uns alfo durch das
Sittengefetz die Ausficht in eine liberfinnliche
Wclt erofnet, von den wir felbft Glieder
find : fo konnen wir doch kcine eigcnthche
Erfahrung davon haben» indem diefe stets ia
den Schranken der Zeit und des Raumt
eiugefchlofscu isH und die cigeutliche Mo«
fililic firemcler Ibwolil ab eigner tfiiidluii-
gen blcibt iiiis iii fo fcrn gaiiz vcrborgen» als
vir nie iagen konnen, wie viel die Freyheit,
und wie viei «Ue Natur Antlicii an denlcibca
habe.
Aus der Unmoglichkeit, eine Erfahning
iibcr <lie Wiliensbctdnmuing, alt einem AIlIc
der blofienFreyheif, lu habcn, folgt aueh die
Unmuglichkeit, die freyc Selbstthiitigkeit je
bcgreiflich xu machen. Wenn wiraber nicht
«iiXen konnen» wie ein freyer Wille
moglich fcy , oder, welches eben foviel iagt,
viic er« an und fiir Ci(;h, durch cin Gefetz bc-
•timmt urerde: fo kdnnen urir doch iragen»
wclcbef iit dat Mittel , durch frelchet in der
Sinnenwelt dem Sittengefetze Einflufs auf das
Gcmitth dcs Mcnfclicn , als eincs aulammcfi-
geietxten Wdeiit» verichaft urerde; und diefe
Frage ist von heiner geringen Bedeutimg*
Denn wir follen nicht nur felbst in der SiOf
nenwclt alt frcye Wcicn handcin» ibndem
•uch dat Unfirige bcy trageu , dafi Sittlichkcit
immer mehr verbreitct wcrde ; und das Ver-
&hrcn dabey hSingt doch offcnbar von unfe-
— joe —
rer Einfielit in ^at VerhlUniifi der Venmiilit
xurSinnlichkeit ab. Ohne diefe Einflchc tap-
pen wir gleichfiiiii ini Dtnikelii. Nim £Shct
swar lchon die ^argetlellte Natur der Sitt-
liciikett darauf, dafs allc Bcwcgimgsgrunde
ittm Reeht- imd Wohlthun» die ▼on dcr
Selbstliebe hergeaommen mcrdleii, die eigent-
lich gute GeHnnung nicht gniuden, rondern
oft eiier hindemi und angefuhrte unlaughace
Erfiihnmgen ceigen ubenlieit, daft die Vor>
haltung Jer PBicht oft da Eindnick mache»
allc anderc Trichfedeni nichts vermogen.
AUein eritlicb wird gegen die Befchafienbctt
und Wirkfainkeit dcs Sittengeferzes noch eine
Einwendung gcmacht, die nicht anders ais
diirch eine UnlerfuGhung ubcr dat Vcrhlllt-
nif dcllelben cur Sinnliebkeit gehoben wer»
deo kami ; und zweytens kann durch dieiclbe
alJeineiner moraiiiciicn Schwinnerey voi^
beugt werden» die eben ib icbVdlich itt, alc
das unaufhorliche Hinwcifen auf die Vorthei-
le» «eldie dic Tugend biiweilen xufiUig bcf
lieh liihrt lene Etnwendung Ibll in der ge>
gcnwiirti|;cn Bctrachtuog uad dic moralifche
— 309 —
Schwinnerej ia der folgeadca lueckc^lchla-
fon fieffdcii*
Der MaMh naB» ist fo befchafaif
daft der Betttoiiiiiiiig fehief Willeiit ttett ein
Gefiihl der Lust oder Unlust vorhergebu
Ettpfindct cr niclili, Ib befehrt er «ueh
niehtf ) Odulile find die eigentliehett Trieli-
fcdern zu alJen, was er will tind thut^ tr
liicht entweder dat Angeochme zu erhwgeiiy
oder dat Unangenehine von fidi sn cntfer nen t
iind diefs mufi bcy der moralifchen Willens-
bcstimmimg eben fo gut Statt finden, als bcyi
}edcr andcfiL Auch wird woU licinMcniclif
der auf lein Inneret Aehtung gegebcn hat»
laugnen konnen » dafs bey jeder Unterlaffung
dct Boicn oder VoUbringuog dct Gucco» dic
Empfindung ini Spicle ley. Wcnn nun dat
Sittengefeti nicht nur als ein Produkt der rci-
nen Vernunft, fondcra noch liberdiefs die
Erliillung dcilclben alt nit Unlutt verbunden
vorgestcUt wird, wie iit et noglich sn den»
iLcn, dafs dai reine Sittebgefctx je EinBuft
auf dte Handlungcn dcs Mcnfeiictt habcl Ala
cutfcrnt von allem Gcfiihle, miifs es gleich-
giiltig fcyn ; iitid als mit Unliist verbimdeiiy
mufi cs vtelmehrWidenCMid, altEingaiig fin-
den. Wird dieler Widentand zugegeben, fo
muTs dcrfelbe dochdurch ctwas gebobcn wer»
den, iind dieiet Etwas kaim nichtf andert als
ein Gefiihl feyn , dat man durch Befolgung
dcs Sittcngeretzes zu entfcrnen , oder zu er-
halten fucht. Wenn alib der Menich fieh lur
Ttigend liberhaupty oder zu einielnen Aeufie^
rungcn dcrfclben insbcfondcrc cntfchliefst :
ib hat er gewiis die Ablichty cntweder einca
Schmerz dadurch abz^weiren» odcr ein Ver*
gntigcn zti crlangen, und man kann folglich
gar uicht f»gen, dafs dcr Wiiie von dem Ge-
fetse, foiidcm» daiii er von dem OefKihJe be«
ftimmt wcrdcy welches auf die ErfuUung
oder lucbt Nichterfiiliung dencibcn folgt, und
von dem Menfcben vorauf geiehen winL
Wie thorichty ietzt man daher vielleicht hin*
zu, zuvcrlangcn, dafs dieMenfchen, umcincr
bloften Dcnkform uud cines reinen Vemunft«
gefctzes willen» ihren Begierden und Leiden*
fcbaftcu cutiagea folienl Mau zcigc ibaea
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viclmchr das Elcnd, in das fic fich iurch ile»
felbe stiineo, und den Genufs, den fie durch
die entgegengeietzte Handiungsweife erlan*
gen , vrenn aan fle tm Tugend iind Reeht-
fchaffenheit filhren will. Wer andcrs ver«
fnhrt, wird feinen Zmeck, Sittlichkeit zu ver-
iNreiten» nieerreichen.
Dieie Einwendung kann nnn twar die
Wahrhett delfen» wat hiiher uher die flttlt*
che Natur de$ Mcnfchcn gcfagt worden ist,
au£ keine Weife niedcrfcblagen. Weon das
reine Sittengeleti fchlechterdings nicht abzu-
liugnen , ein auf Lust gegnindetcs hingegen
unzihligenEinwendungen ausgefetzt ist j wcnn
jenes nach der allgemeinen Anficht in allen
FSlIen f vto die finnlichen Neigungen demiel-
ben luwidcr find, um der dahcr critstchcndcn
unangenchnien HnipHndung wiilen als einG^
hoty uiid doch ali das letite und krSftigste
Mittcl zur Hervorhringung gewiiferkandluno
.gen, zu deoen man wcnig oder gar kcinc
Neigung vorausfetzt» hetrachtet wird: fo ist
cio fUfonnenient^ dai fich «if die TcrmeinN
319
lieh erkaunte Natur des Mearchen stutxty
den Urthetleii <ler feineiiien Vemuoft aber»
Ibwohl als der ivefeiidieheii Form derielben
tviJerfpricht , nicht entrcheidend. Auch ist
demfelben fchon an mehrem Orten gcmiC*
lermafien begegnet* Allein» da et ein BedtirT*
nifs Jcs lueiifchlichen Geistes ist, clcn Wider*
ftreit xwifcheu mehrcrn, weaigstens dcm An-
lchein nach entgegengefetxten GrundCitsen
und Thatfachen des Bewufitieynt tn heben»
iindiiiUibereiiistiunnung aufzuldfcn: fokann
dte UnterAichung tiber die fittliche Natur des
Menfchen nicht alt vollendet angeiehen wer-
den, fo langc nichc gezcigt wordeii ist, wie
die unlaugbare Thatiache des Bewuistfeyns,
auf die fich jene Einwcndung stutzt^ mtt den
dargestellten Lehren der reinen Sittliehkeit
%n vereinigen ist. £• foU aifo in diefer Be>
trachtung dargethan werden» wie das Sitten-
gefetf Triebieder fiir Iden finnliehafficirten
Willen wcrden kdnnc, oder mit andern Wor-
«oi, wie das Sittengcfett ieibst die Gefuhle
cneuge, welche den Widerstand der Sinn-
Uchkeit hcben« Geliugt diefe Ahleitung dcf
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— 313 —
Gcfiihls von dem Sittengefetze, fo find atich
die beyden Bebaiiptuiigeii, dalf dai rcine Ver-
niinfcgeleCx der Betttniinungf gnind det giiten
WilJens fcy; imd dafs derWille ohnc Gefiihl
nie xuEnticbitilsen undHafldiungc*; bcscimint
werde, vollkominen vereinbar. Denn tn
bcydcn wird die Sache nur aus verfchiedcueii
GeiichCfpuiikcen angefclien. lu dcr ictzcen
wird die Willens bes Ciinniiing auf daf unmic*
Celbar vorhergehendc GcfuhJ, und in der er-
stca auf dcn Grund dcilelbcn» das Gelctz, be-
sogen. Und nennt man {cnef Gefuiil, ala
yon dem moraliiclien GeleCfe gewirkt» undi
dcmrciben gunstig, das muralifchc, fu
kann mangleichrichtig fagen: derguteWilie
werdevon dem moraliichen Gefetze» und
von dem moraiirchen G c f ii h 1 e bcstimmt*
♦) Um indeflcn dicfe bcydcn Anfichtcn dcs mo.
ralifchen Willens zu unterfcheidcn , ncnnr
man das Gefctz dcn Bestimmungsgrund, und
dat Gefiihl die Ttiebfoder Dieler Unter-
ftbicd, fo fein und Qnbedemend er fckeinfn
nigt itt dock nickc nnr gegrundct, fondcra
auch von Wickcigkeit. Wcnn jemand die
Liebc tum Spiele aufgiebc» wdl er groftfn
— - 3X4 —
Es htkn aber ^ie auf den Gnmd fener Ein-
mendiing gcbaiitcn Schlufse diirch diefe Dar-
stellung von felbst weg. Dcnn in fo fern
dat moralirehe Gefuhl ▼on dem Ge-
f e t ze gewirkt wird, ist jenet mit der deut-
lichen Vorstelhing von dicfem unausbleibiich
verbuuden, und wird auch ohne iweicere Lob-
preiTung feine Ktaft auf daa Gemuth iufiem.
DieHauptfragen» die wir mmzn beant-
wortenhaben, betreffen die Art, wie das
Sittengcfctz fich Eiiigang in das Gemiith cles
MeitTchen Verfchaft, die Abieitung des
Vcrlust erlitten hat: fo istda*; unangcnehine
Gcfiihl, das den Vcrlust bcglcitct, dicTricb-
fcdcr zu fcincm Entfchlufse. Die Unan-
nehmhchkeit dcsGcfiihls aber kann von dcr
VorstcUung des Wctthcs dcs Gcldes an fich,
oder dcs damit zu bewirkcndcn Gutcn her^
Kommen. Und diefe Vorstellung ist der Be-
stimrouQgsgrund zu jeaem Bmfthhifie. Aus
der Verwechfelung der Trtebftdcr nit dem
Bescinunungsgrundc det Wfllens, ist suoi
Theil die Mcinung cntstsnden, dsfs die gsiw
«t Sinlichkeit suf deoi Trlftbt nteh GlOck*
fctiglccii benihs^
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moralirchen G cfiihls von dct Wirkung
des Gc(etzes auf deu iinnltchafRcirten Wille%
uacl endlich die Natur dieiei Gefiuhlt.
Wenn <ier Menfch Cch im Stande der Be-
IbnnenheiC befindet» (6 miilt er die Richttg-
keit und Vcrbindlichl^eit der Regehi, dic fciii
Verhahen» als das eines verniinftigcu Wefens^
leiten follen» nochfvendig anerkennen, ibbald
fie ihm auf eine detittiche Weile vorgehalcen
werdcn. So wenig er denken kann, dafs ct-
«tf wahr iey, was fich felhsc wideriprich^
eben ib wenig kann «r einen offenbarea
Widerfpnich in feinen Willen, und zwi-
ichen feinen Urtheilcn und Handlungcn guc
heiflen. Er kann nichc lur fi e h Rechcc vcr-
langcn, und doch Andern keine zugeste*
hen; er kann nichtHiilfe von feinen MiCmeu*
ichen fiir fich fordem» und es fiir gtit
halcetty dafier ebendiefeHulfe Andern ver-
£ige( er kann nicht ein Gut huher fchatzen
alt einanderet» und es doch billigent dais
durch leine Handlungen das Kleinere den
Vorzug vor dcni G r 6 fs e r n crhaltc. Wcun
m»n (ich niin vorstellc, dafs ein Menfch aii
Iblche ai» dcc Natuc der Vernuaft flicisende
Regeln ni eiiicr Zeit eciiuiert werde, wo er^
denfelhen zuwider, im BegrifFe ist, fich
liu(s tu verrchaffca: fo miirs mit der EinHcht
in ^e Nothwendsskeit deiiielbea uni des Ge»
fettet willeii au&ugebeiiy uiuutbleibliefa ein
unangenehmes Gefiiihl entstehen. Dic Siim-
Jichkeit mufite nickt Sinniiclikeit icyn» wcim
ihn der Verlutt einet Geniiitet, nachdem er,
der Vermmft zuwider, strebte, gauz gleich-
guitig lieit. Einen ihnlichen Schmen ver-
urlacht ^ Gefefix ttett» wenn et xu Hmdr
iui\gen aufFordert, welche keinc Neiguiig auf
ihrer Scite haben» oder irgend einer fogar
tiiwtder find» Denn jede Neigung itt «u£
Gefuhl derLust gegriindet, iind dieUntrr-
druckuug dcrfelben kuiinca wir uos ebeu fo
wenigobiiedieEneugungcinef entgegcii*
•) Wenn ohnc finnliche Antricbe gchandelt wcr-
4en foU , fo isc wenisstcns die Trdgheir ztt
Gbcrwindcn. und dcr Hang dazu gnmdet
fich ebtn&Us ttif Gtiuhi det AanehoUach*
fceit»
— 317 —
fefetiten Geltihls denken, als ivir denkea
konnen » da6 esn bewcgtCT Korper aiilgehal*
ten werdcy ohnc cinc eiifgcgeiigeretzte
fUchtttttg zu erhalcen. Auch ist hinlangUch
gexeigt worden, dafi der gemeine Verstand
da, vfo tim der KechtrchafFenheit willen ir-
gcnd cinc Neigting aiifgegcben» und ohne
finnlichen Antrieb gehandeJt werden mu&,
die Wtllcnsbestinitnting als eine iinangeneh*
nc, mit innerm Zwangc vcrbiindcnc, Sache
anfieht, In fo fcm aiib das Sittengefett alle
imiMNeigungen etnfehrSnki; erregf es nodi-
wcndig ein unangenehtncs Gcfiihi. Niin ist
nicht fu riugtten, da6 Unlusty an und fu>
fieh» kein Antrieb, fotulem ein Hindemift
fiir diejenigen Entfchhifse ist, vvelche dicfe
Unltist erzeiigcn und iinterhai ten Wcnn
aber diefii utumgenehmeGefiihl fo tu(ammen«
gefettt v^rt, dafs der eine Theil gleich-
fam als das Gegcngewicht des andern ange-
lehen werden konttte : fo wurde offcnbar leyn,
dafi die immittelbare Wtrkung des Sittenge-
fctzcs auf iinfer Gefiihisvcrniogen die Hinder-
nifle aus dem Wege raumte, die» nacb unie-
X
— 318 —
fcr EiAficht, dic eiusigc Uriache attimaeheii»
ivanim die Menlcheii nicht immer fictlichgnt
haiideln. Und dafs jencs iinangcnchme Ge-
liihl wirklich folche entgegeiifteheadeTheiie
enchalce^ «srd erhellen» wenn wir die Natur
dcr Sinnlichkcit niher befracKten.
Alle unrere finnlichen Ncigungcn lafTen
fkk imter xwey Hatiptabthetlungen bnngeo^
von dcnen die eine in dem Wohlwollea
gcgen tins fclbst» und die andere in dem
Wohlgefallenaiiunaleibftbetteht. lenet
heifit befottdera Selbstliebe oder Selbst-
fucht, diefcs Eigenliebc odcr Eigen*
dunkel» je nachdem dieie Hauptneigimgeii
entweder iinbestimmt, oder ohne Sditankea
gedacht wcrdcn. Dic crstc dcrfcibca Ver«
^ Ei diif nichs imbonerkt Ueiben» da(s die
Bcitinmiung diefer Wdrter ecwas von dcr-
jenigen abweicht , welche Kant davon giebe,
Er bcgreifc alle Neigungen unter dem Na-
men der Selbstfucht» theilc diefe auf die an-
gef&httt Wcife dn , und nennt das Wohl-
wollen gegen uos Selbstliebe, oder auch
noch bcfonders Eigenliebe , das Wohlgefal-
len an iins abcr Eigcndunkcl, doch unter
dcr Vorausfetzung» dals es ohoe Schraokcn
— 3*9 —
Vtixft die Veruuiift nicht an und iur fick» ibn-
flelit fievieJmehr alinaturlichuiid» Qoch
▼or dem Bewulitreyn det SiHcngefeties, als
rege vor. Atich gestattet fie nicht niir dic Be-
firiedigunf dcr Sclbftliebe in allen den Fillen»
wo die Rechte anderer dadurch ntchr ge-
krinkt \;vcrdeu, fuuderu fordert fogar in deu-
fey. Da Eigenliehc und Sclbsrlicbe, dcr
Etymologic nach, eincrlcy Lcdeurcn konncn,
fo mufs inan fie cnrweder naher bcsrimmen,
odcr auf die VorstcUungcn Riickfichr nch-
nien , welclie nach dcm Sprachgcbrauche da-
mic verbunden werden. Diefcr fcheinr aber
f&r dic obcn angenommene Bcdeurung der
Higenlttbe zu fcyn. Die Selbstfuchc kann
swtr illeidings, aoch naeh dem Sprachgc-
taHiche, allc fiimiiehen Ncigungcn im Qlwr-
tticboMn Giadc unlaircn; doch adgt lie
Sewdhnlich nureine unHngefchrftnkicScIbsi-
liebe an. Und wird Sclbstlicbc voa
dcm WohlwoUcn gcgcn uns, ohne wci*
tere Bestimmung, Eigenlicbe aber von
dcm ebcnfdlls unhcstimmtcn Wohlgefal-
Icn gcbraucht: fo fchciur es natiiriich, diefe
Ilauptncigungen, in fofcrn lie ohne Schran>
kcn f^cdacht wcrdcn, mit dem Namen dcr
Sclbstfucht und dc$ igendunkels
7M belcgeii.
— gao ^
ienigeii dazu auf » io ^chen die Befiriedi*
girog Mitfel werden kana» die Gebote Aet
Fflicht leichter, iinci iti einemgrorsern Uinfan*
ge za erfuilen. In fo fejm iie abcr doch das
Streben nach angenehmen Enplindiuigen ein*
rchrinkt, iind in vielen Fallen Aufopfening
fordert : fo foU die Frage beantwortct wer*
den» wie uberwindet iie den Wideratand det
Sinniichkeit, wie druckt fie dcn Schmerx nie-
der> deii die Aiifopfcrung irgend eines Ge-
niiiret erregt* Die Antwort darauf wird fich
aiii den Betrachtungen ergeben» diewiruber
die Wirkiing der practifchen Vernuafc auf
die £igeniiebe anstelien woiien»
Die zweyte Hauptnciguiig des Menicheit
itt dat Wohlgefaiien an leiner Peribtt.
Die Gegenftinde» die fie befriedigen» find
nichtnur feine, vonderNatur erhaltenenund
dureh Uibung entwickeiteuy Krifte und
FSliigkeiten, die Gabcn*det Geittet und des
Kurpcrs, feiue Ncigungen und fcinc Hand*
iungen» rondern auch feibst rolchc VorzCigc,
die cigentiich aufler ihm liegen» fcin Stand
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in der burgeriichen Gefclifchaft» fein Geld
und Gur, kurs, allet was cr ut, thtit» befitst
und geniefit. Er rechnet (bgar tu feinem
Selhst was nitr in irgend einer Verhindiiiig
init ihm steht. Die Thaten fetner Vorfiihrea
imd leiner Landtleute, dte Vorfuge letner
Verwandcen imd Freundc, macht cr gewirTcr-
nafien su den ieinigen. Und wie oft gef jiiit
er fich lii einem Nichtt, deflen Werthlchi*
tziing und Amalgamirung mit fciner Perfon,
cr, wenu er nicht mehr Kiiid ist, weder an«
dem noch fich ielbtt laut lugettehen getraut!
Aut dieier kunttlichen Autdehnung Heht man
fchon wie stark dcrTrieb ist, der xor Scibst-
fchitsung autfbrderts noch mehr «ber aut
dem Widerttande , der in den meitten Men-
fchen (lchtbar wird, weun Cic etwas aufgeben
follen» dat fie alt eiiien Theil ihret Selbtt an«
icheny oder, wenn ihnea der Unwerih der
Dinge vorgehalten wird, um deren wiilen lie
fich wohlgefaiicQ* Schwer h'iit es von offen-
bar £d(cheii Meinungen abiubringen, weon
He lange imterhalten und dadurch gleichfani
ein Theii der Perfon gewordcn finds fcbwcr
halt cs, vonderWahrheit zuubeneugen, Jaft
das, was aii(Ter uiis uud nur ein Werk dcf
ZufiilJt ist» kcia Gnaiid dcr Selbftrcfaatstiiig
feyn konne^ Und geCettt^ mtn hoffe der Bi«
genlicbc irgcnd etwai zu entzichnj fo wird
nuui 6ck doch, von feinem eigencii Bemifil-
ieyn gedrungen» leicht vontellen» dalf ct
nicht ohne Schnieri von Sciteii der Perron
moglich Ccy, die es verlierca foli. Wic viel
^chonung ilth nicht deiwegen die Klugbeif
an! Und wie ▼iel Ktintte hat nicht die
SchmcicheJey erfiindcn» um dic Guiist derjeui*
gen su gewinnen tind tu erhalten, iQr die
nan nichts ^iter thun kann, ak dafi inaB
fie in dem Ocfiihle ihrcs Wcrths bestarke ?
Aucb itt nicht etwa blofiuntcrdca Vcrfieincr«
ten» enter den Hohen und Reichen die Eigen-
licbc fo wirkfam; dcr gcmeine Mann ist
diurch fic cbcn Co wohl su gcwinncn , und
er itt oft nur detwegen ttdrrilch und un*
sulrieden» weil «an dem» wat er ikgt,
thut, tind istj wcnijg odcr gar kcincn Wcrch
fugetteht.
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— 323 —
Dieicr mlehtigCy ubcr das ganze Lebea
▼erbreitctc Tricb «ird yon der pnctiichoi
Vemiiiift noch mehr eingefchrlnkt» df die
eigentJiche Sclbstliebc. Dicfc wird nur dann
Tcrwcrflich» wcnn iic, dcm GeieUe xuwi*
der» ihre Zwecke durchletit» ohne.Cf lchoa
deiwegen lu fcyn, weil fie ohne dafTcIbe
wirkt j das WohJgcfallcn an dcr Pcrfon hin*
gegen wird gSnslich verworfen, fo lange ct
ohne eine mit dem Sittengefetxe iibereinf ttm*
mende Gcfinnung, wclchc cinc uncrlafsliche
fiedingung allerSelbstichiCziing aat, behauptet
werden foll. Daa Vcrgniigen, alf Vergnu-
gcn, ja fclbst dic ganze Summe angenehmcr
Empfindungen, und der Inhegrif aller Kraft^
die wir in uns und aufler una Kur Bewirkung
deHelben hefitzcn, iufscrlichc und innciliche
Vorztigc find nach dcm Urthcilc dcx practi-
fehen Vemunft gegen den Werth def fite-
iichguten Willenf fur niehtf fu aehten.
Dieicr it t das H 6 c h • t c, was dcr Mcnfch bc-
fitienkann, dif unnachlaislich Nothwen*
dige, waf er belitsen folls und wer die-
fcs fchlechthio NothwcudigCy an tmd fiiir iich
— 334 —
Giitc, iim reincr Siimlichkeit vvillen aiifgiebtf
dcfTeii Selbslfchatziiug ist eben fo nichtigy alt
die SehStsttDg des Rdchthiiiiit ite» venn maii
in dem BeBtc defTelben fich doch nicht die
crsten Bedurfaifse des Lebeus verfchafifen
kanii.
Wtrd Mo das Sittengelets etnem Men-
fchen vorgehalten, der ini Begriife ist, ctwas
Boief su thiuv oder'etwas Gutei su unterla£>
len : Ib wirkt der Schmers uber deii Verlus^
den er durch dieBefriedigimg reinerNeigimg
an feiner Selbstrchatziiiig leiden wurde, dem
Sdimersey welchen die Aufopienmg verur»
iacht, entgegen , und bey dem daher entste-
henden moglichen Gicichgcwichte vvird das
Sittengeiets nicht mehr gehindert, den Wil*
len sum Eat(chlii(se und sur That su bettim-
men. Denn da ohiic dcn Wi(Jcrstaiid <Jcr fmn-
lichen Tricbe die Handlungswcifc dcr Ver«
nunft stets befolgt werden wiirde: fo kommt
Cf bey der ErklSnmg, wie dasSittengeletsEin-
gang gewinne, nur darauf an, zu zeigen, dais
es (elbst jenen Widerstaild hebe. £s hebt ihn
aber tuf die aagefiihrte WciiCf indem et eine
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Kei^ing im «ndeni entgegenstellt , itnd dai
Wohlgefaiien an uiirrcr Pcrfon, ohne Auf-
opfeniiig allei iinrechciiiaisigeii Geiniires» lUh
mogUeh macht.
Wenn auf dicfe Weife ofFcnbar ist, da(f
dai SiCtengefet» durch die Einfchrinkuiig dec
gansen Sinnlichkeit des Menichen fich Ein^
flufs auf feine Handlungsweife verfchafFen
konne : fo iafst fich nicht wenigcr bestimmt
das Gefulii angeben, weiches tn fo fem nio*
ralifch gcnannt cu werden verdient, als et
aus cicmGefctze entfpringt und der iiefoigung
deiTelben beforderiich ist* Denn aus der
vorhergehenden Darstellung £i>lgt uninittel-
bar, dafs diefs Gcfiihl das M i s f a 1 1 c ii an der
ferfon ist» weichcs aus dcr VcrJctzuug des
$ittenge(et<ef entsteht. Bedenken wir nun»
daft dielesMit£dIen Demuthigung heifst,
fowerden wir auch dcn cignenNanien findeu»
den das moralifche Cefiiiiiy sum Unterfchie-
devon jedem andern, liihrt. Denn dieDe»
nuithigiing weist auf das hin, was wir Ach-
t u n g nennen. Wie Niedrigiieit und Hoheit
in Ib fcm nniertrennlieh verbunden find, ali
— S7S —
dk Vontelliiiig dcr eiiieii» «uch die Vorstd*
lung der andeni vorauilett f : Ib fiud tn gleicher
Ruckficht Dcairithigiing und AchCung
iiniertreimlich verlNmden. Dat «w die eine
cneugt» iit eln Gegenf tand der «ndetii. De»
muthigC alfo das Sittcngcfctz, fo gefchicht cs
cben dadurch» dais cs Achtuog fiir fich for*
dert. Oielei Gefulil kami euch ohneUmiief
nus dcrNatur dct Sittengefetset tmd der Sinn-
lichkeit hcrgf lcitct wcrUcn. Denn indcm die
practtfche Vemimft dat Wohlgefidlen an der
Peribn einlchiVnkty tmd £6 den Eif endtin»
hel nicderfchlugty fiihrt fic untnittclbar aiif
dat, wat wir Dcmiithiguug neunen» und da«
dtirch lumGefiihie der Achtung.
Aut diefer Aiileitung det monlifthen Ge-
liihlt itt oilenbar» dafi et gani eigner Natur
ist.**) Alle anderc Cefiihlc gehen dem Gebrau-
clie dcr Yciuimft vorher» imd konocn iwar
ei) Rtnc fflgt daher, diefes Gef&hl fkj nicht pa>
thologifch, ibodcm prtctlfch go*
wirkt.
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— 3^ —
fon jerfelbeii gerldilet, enMitert ote ge-
fchwiicht, abcr nicht hervorgebracht werden,
Dieif betieht fich nicht niir auf die Gefiihle
^ eigentlieh Ibfenannten Sinne» Ibndeni
auch auf folchc, die nicht in cinem befbn-
dern uni bekannten Werkzeuge gegriiadet
find» «It Sympathie^ Furcht, Bemnderung
II. C w. Diefe wie jene Sufiem fieh in der
{riihsten Kindheit. Von dcr inncrn Achtung
hingegen iit keineSpur in derielben ancutrei^
fens fie findet fich erst mit derEntwickeliuig
cler Veraunft, erst dann ein, wcnn dcr Gc-
danke eioet Gefetzes geiaist werden kann»
und iit nit keinen andem GefiiUe als mit
dcinjenigcn zii vcrglcichcn, welchet fieh auf
die W a h r h e i t, als Wahrhcit, bexicht. Auch
diefe beruht auf Gcfetsen, nach welchen wir
in umSliligen FsUen Urtheil fiUlen, ohne ea
uaf cinfallcn zu lafTen, dafs irgcnd cinGcfiihi
xum Grunde iiege. Dafs dic Lchrritte der
Mathematik auf Empfindung benihen, wird
wohl nicniand behaiipten$ aber wirken kSiv
nea iie auf das Gefiihlsvermogen, und fowohi
Unluit ab Luit enciigen» Wer die Qy adra*
— 3*8 —
tttr desCirkdf gefundefi tuhaben gUubt, und
nachher tibeneugt wird, fie nnmogUcli
IMt, hcy dcm kann ein Gcfiihl der Unlnst cin-
treteiiy delTen Stiirke fich nach dem Grade des
Werths richtet, den erauf leine vemieinte
Entdeckimg lcgte. Wic min in die(ero Falle
einc Art von Dciuuthigung dic Wirkung dcr
Denkgefetze ist: fo ist eine Xhnliche Demu-
thi g t m g die Wirkung des Sittengeletces. Wie
dort dic thcoretirch c, Co furdcrt hicrdic
practifche Veniunft Achtung,
Dicfc Vcrglcichung wollenwir fortrctzea»
npeil fie gefchickt i$t, den Gegenstand der ge-
genwlrtigen Betrachttmg su erlMutem. •
Achtung fiir die Wahi hcit nothiget den Men-
fchen» das augenchme Gefiihi aufzugeben, das
ihm cine yermeintet aber als grtuidlos darge-
stellte Cntdecktmg machte. Daft nun an die
Stdlc defTcibcn ininicr ein auderes gefetzt
fserde* vrelcbes in der Achttmg fur die Wahfw
heit eufhalten iey» widerfpricht der innem
Erfahrung. So langc nian noch in einer Un-
tcrfuchung begriffcn ist» kann man wohl eine
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— 339 —
Art von Liist empfinclcn, wenn man einen Irr-
thum entdeekt, in fo fern dicfc Entdeckiing
cinem gewiflenZwecke bcfordcrlicK itt. Wcnn
inan aber cine Untcrfiichuug als gcfchlofleii
anfieht» und das lUfiiltat derielben, «iif wcl-
clict man einen hoben Werth (cttt, doeb wie-
dcr aufgcben mtifs, ohnc dadurch etwas aii-
dert alt die bloite EinAcbt dcs Irrthums zu
erhaltetty wie in deni angefuhrtenFalic: fo
itt cin Gcfiihi dcr Lust unmoglich. Die(ct
itt aiib in dcr Acbtiing fiir dic Wahrhcit lucht
notbwendig enihalted$ lie weitt im Gegen-
theile auf gekrinkte Eigcnliebe bili. Da fie
nunaus dem Gedanken entfpringt, dafs dic
Gefetie det Dcnkcnt die lidchtte unabindcr-
liche Bcdingung enchaltcn, untec dcr allc un-
fcrc Urtheile stehen : fo ist fie (dic Achtung)
dem Weientiicbennach, nicbtt andert» ait der
den Dcnkgdetfen eingeiiumte Vortilg, Ter-
bunden mit der Deniuthiguug, die daraus ent*
Ijpringt, oder, mit andcrn Wortcn, das Ge»
fuhl der Notbwendigkeit die Eigenliebe den
Bcdinguiigcn dcr Vcruunft zu untcrwcrfcn.
— B3Q —
So beCrachtet^ If t die Achtung fur die WahN
htit ein gans anwillkuhrlichet Gefuhl.
Wenn wir eher ^ielelbe irgencl einem Men*
rchen insbcfonclere zii fchreibeuy fo dcnkeu
wir dabey noch etwu» wat von ftiner W ill»
Irdhr abfalngty und meinendann nicfat 6n
Geftihl allein, rondern auch die Wirkung
deficlbeut nlmiich die freye Unterwer*
f u n g unter jene Nothwendigheit» und ein Vbr«
faahen, das aus derfclben entfpringe. Dicfcr
Unterfchied ist in der meurchlichen Natur uur
zu fehr gegrundet. Denn weii die Acfatung
fur die Wafarfadt einen Schmers enrhilr, Ib
fucfat der Mcnich dcmrdbcn dadurch zu ent«
jdien» daii er in den FjUlen, wo cf moglich
itt, leine Irrtfatimer Tertheidtget. Gleicfat
er auch in feinem 'aufsera Benehmeu nicht
ganx jenem Kaifer» der die Geletie.der Sprt»
cfae afage3ndert wiiTen woUte, weil er cinen
Fcbler dagegen begangcn hatte ( denn um Co
etwu xu wollen» muis man ein Kaifcr lcyn):
Ib fiicfat er doch in leinen Meinungen eiue
Scite aufy von welcher He fich cinigerniaafsen
retten lalTcn} und da bcy dccUuvollkommcn-
heit der tnenichlicben Erkenntniis eine Coleta
Seice ia jedem, nicfat uiiiiiitteUiar klaren Irr*
thiiniey mit eiiiem gewillenGrade vonScharl-
iinny Icicht gefiindeu wcrden kann : fo fehlt
«
ei der Eigeniiebe» die felir erfinderiTch is^
nicht an Mittehi» ilur Interefie tu behauptea*
Diefcs mufs man aufgeben, wcnu die Wahr*
heit unbeichrjinlitenEiiigang finden foil. Die
Achtuag lur diefelbe aber druckt ehen dea
niedergefchlagenen Eigend linkei
aus, und ist dadurch cin Mittei zur Vcrmei*
dung det Ircthtniis tmd der Tiulciiung.
Mit dcr Achtuttg fiir das SittengeieU hat
cs eine Shnliche Befchaffenheit Fur daflelbe
findct an uud fiir ftch ebcn fo wcnlg ein Ge-
liiiil StMii, als fiir dic Oenkgeietze ubcrluupt»
Es wirkt aber auf das Empfinduiigsvermogeiiy
weil es einen Widerstand in unfcrcr SinnliclN
kcit findet. Der Schmerz, den uir iu Ab«
licht des eincn TheiJs derleibea erfshrea» ist
Demuthigung; diefe, verhiinden mit der
Hochfchitzung des Gefctzcs, ist Acbtung fur
dafleibe. Maa lunn swar lagea» das Gelithl
— 33a —
dcT Nicdrigkeit unrcrer Ncigungcfl, und iin-
lecer ganzcn (innlichcn Nacur, gehe uber la
dif Gcfuhl der Hoheit det Oefeact, and dct
libcrnnnlichen Theils unfifrs Wefens ; nur ist
dicles Lctztcrc, an und fiiir fich, cben fo we«
flig ein Gduhl der Lutt tu aennett, alf dai
Geliilil derHoheie der Denkgeletse» in Ib
fcrn fic bloft auf daf Erkenncn und nicht Auf
dat Handein aQpefnindc werden. Dai Sii^
fengcfetc mlchaft 6ch allb dureh die Aeh-
fUng, diecf fordert, Eingang in dasGemiith
def Menichcn» nidit in fo £eiti aif in derl4#
•J Wenn «ehrerc Philorophcn fagcn, das Ge-
fahl der Achrung cnthalte T.u«f und Unlust
zuglcich, und fo, in Rnckficht auf das mora-
lifche Gcflihl, Kants Lehrcn wideiTprechen :
fo fchcint es tntr aus den angefiihrten, und
im Folgcnden noch anzufuhrcnden Griindcn,
dafs fie, theils das M6i;;lichc tnit dein Noth-
wendigen, thcils dic Achtung, aU blofses
Gefuhl, mit derjenigen verivechfeln , worin
zugleich die fi-eye Uncerwctlung gedachc
winl. Und fdbsc mit der letztcm ist nur
unter gcwiflcn Bcdtngungen ein angcncli»
mer Gemflihmmand verbundfn, wie in dtr
iblgfndaiBcarfdiniog gcnigt weidcn IS^
cuneangenehnieEai|^nduiigeiithalteii i$t,
fon<lciti in fo fern darin cio weggcraum-
tcp HiiHierni(f det niedergefchlagenc
€igendunkel liegt» und nach der Weg*
riumung diefes HindernifTes , auf die obcn
tngeliihrte Weii^^» das Wohlgefallen «a
unleffer Peribn den Wohlwollen ISruni^
cntgcgcnwirkt. Die Sinnlichkeit erhebt (ich
gegen die Ycrnuoft» «ird tie mit iliren An-
Ijpnlchen auf unbcdingte Befriedigung «hge^
vriefcn: fo hat 6e es nur noch mit (ich felbit
zu thun, und die Wirkung dcs cincn Thciii
hebt die Wirktmg dct andem au( Denn die
Einficht, da6 ohne eine Gdhmung» die mlt
dcm Sittengeretze ubereinstimraty dcr Menfch
lcintn Werth vediere» lchiHgt den Schmen^
welchen die Aufefiferung von Neigungen er-
zeugty durch denjcnigen uicdcr, welcher bey
der Befiriedigung dericiben aui dem Verluate
as letfler Sdbaclfihitxung entitehen wurde^
In Ib £em non Herabletiuttg der finnli*
chen Ncigungen nothwendig ist, ehedat
Sittcngcfctz Einfluis auf dic iinnJicheu Uand-
Y Inngen
— 354 —
lungeii der Menrcheii bekqimiieii luwiy mA
in fo leni ^laher eniifehefide Gefiihl in
der Achtuug fiir das Sictengefetz enthalten
itt» muif diefe «It eine lumachllisise Bedin-
giing dct moralifidien Lebent angefehcn m>
den. £f ist alfo zwar das Gefetz nicht auf
cin Gefiihl« fondern in der wefentlichen Ein«
ticiitunf der Vcmiinft gegrtindet^ wirkt aber
ctn Gduhl , dat dem Vorfiitie, ea sur Rcgd
des Verbaltcns zu machen , vorhergeben
mni^ « odcr» mit andem Worten, dat Gc-
Cctt isc fwar der Bcatimmungfgrund dec
reinvernfinftigen Willens, verfchaft
fich aber Einfliils auf den finnlichaffi-
eirtcii Willcn, vermittdtt dnet Gcfiilil%
das von ihm (elbit hervorgebrtcht «ird.
Wcnn endlich Trlebfcdcr lu Bnl-
fchlnfsen und zu Handlungen alles dasjenigo
genanat wirdl» was cLncn denfelben cntgegen*
gdetitoi Widcntand ubcrwindet: Ib kami
fowohldafSittcngeietf lelbit, altdicAditung
furda^Teibe, wie die Triebfedcr zur Erful-
limg dellelbcii angclchai «cfdcik Inlbfeni
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~ 335 —
nSmlich, ehe der Vorfau tu einem ficdicheii
VerhaJteii entffehea kaim, der Etgeiulunkel
ntedergeichlagen werdcn inufs, und dicfcr
mit dcr Ancrkcrtnung dcs Sitteageietses
nicht betteheii kaim: £o xtumt die^et uiimit.
telhar den Widerttaad, der in dem Wohlge-
falicn an unfcrm finnlichcn Sclbit licgt,
aus dem Wcge, und bewxrkt Aehtung fiir
fich j iii ib lera aher diefe su dem Entfchlufb
fc hewegt, felbtt mit Aufopfcuing des Ver-
gmigcns, deu Gcboteu dcr Pflicht gem^ su
handeJn» itt fie ebeu£Uit alt exne fitttiche
TriehMer ansurehen. Dat Sittengcfett wirkt
A ch t u n g fiir fich , und durch diefe deu
Entfchlufi» daileibe sur M a z i m e su itiachen.
Wie itt et denn aber mit denen , die nur
ihrcn finnlichen Trieben folgcn? Haben iie
denn keiae Achtung lur dat Sittengeiets?
Hieraiif kann man mit ja imd Hein antwor-
tcn. Sic mufs ihuen abgefprochcn wcrdcn,
in ib fcm fie sugleich die Wirkung, die
freye Unterwerf ung, enthllts — ^ fie
muis ihoeu beygelcgt wcrden, in Co fcrn fie
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— 336 —
•If elii blofses Gefiihl betrachtet vfird»
Et iit aiich in dielcr Rtickficht wie mic der
Acbtimg fiir die Wdirlieit. Wir (chreibai
(ie freyltch gewdhnlich nttr deMn tu» welehe
diirch ihr Vcrhalten bcweifen, dzCi ihuen ihre
TOficfidstea Meinttttgeii nieht lieber fincl» wk
die Wafachetti ttttil fpfechen fle ^nett ah^ &
liebcr clic(c , als ihre Eigenliebc aufopfcm.
Allein, fie bcwciien feibit durch die Mittel»
die fie anfiettdett» um der Detnuthiguttf ni
cntgchcii, daff fic die Achtung fiiir die Wahr*
heit wohl fiihleo, und daft fic xwar dcrfclben
Sulaerliehctttgegetthandeln» oderauch inncr-
lich htf fii einem gewifiett Grade entgegen
ftrcbcu» aber, fo peinlich fie imnier fcya
mag» nicht gtns entgehen konncn. £ben A»
iit et mit der Aehtuttg fiir daf Sitteageietf.
Blofs alsGefiihl bctrachtet, muff fie, incinem
gcwiiTca Grade jedem Menfchen bcywohneo»
der den Gebraueh der Vcmuttft liat{ denn
fie ift cin nodiwendigcf Refiiltat det Vcrhll(^
uilTcf dcr Vcmunfc xur Sinnlichkcit. Wcm
fie gam abgehen Ibilte, dcr muitte cQtweder
«ia leinvecnunfiigec odcr ein bloA fimdiebct
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— 337 —
Welcnreyn.^) DerUnterfchiedtwilclietiden
gutgeniinten , imd dem unmoralifchen Men-
ichen bettcht «Ifo, inAbficht det Achtting liir
duSittengeleti, nur<brin» dafi lenerdaidarin
entbaltene fchmerzhafte Gcfiihl nicht vor(etE-
lich unterdriickty fondern fich zum Aatriebe
dienen fi&t, gut oder inimer befler iii wer*
denj dieier hingegen et dureh allerley Mittel
von fich zu cncferuea fuchc. Wle weit
♦) Wic ein reinvemunftiges Wefcn unmictelbar,
ohne Dazwifchinkunft eincs Geiiihls, nach
Gefeizen fich bestimine, konnen wir frey-
Uch gtr nidic einfdicns wohl tber, da(s es
iiicht vtmiictdst dcr Acbcung gefchehe, in
fo ftrn dtefe nlchtnur fiberliaupr cmGefilhlt
Ibodcrn audi dn folcbcs ausdrOdtt, wdchcs
dnen Widcntind dcr Sinnlichkdc amdgi;
Es ist zwar billig, dicjcnigen , wclche das
Sittengefetz ohne VorbehaJt zu erfuUen fu-
chen , von dcnen zu unterfcheiden , welchc
hauptf^chlich ihren Meinungen lebenj in-
deffen mufs nichc vergcHen werden, dafs
fdbit dicfe doch von manchen Uibelthaten,
aus Acbcung fiirsGcfctz, abgchdcen weiden.
Ohnc didclbe wOiden fic ihrcn Bc^erdcn
und LeidenCcfatfttn nodi viet vcm^cr Gc*
wdt tndiun.
— 338 —
c« liiariit gebrachC werdcn konne^ liiit fich
nicht bcitimiiieii. Viclleiefat ist ci unterfuih
f ttgen ocUr vtelniclir iiii90ot6||cii ^
Umstilndcn moglich, <3en Gedanken dcs Ge-
(ctfct gcns ?on ficb tucntfemcn» odcr» mm
flicfi nieht ni5gUe|i tst, doch dis von doB-
fclbcn gcvirkte Gcfiih! ils blofsc Taiifchung
su bctrcchten» uod durch dcn Glaubcn an
cuc Tiufi^ung fieh wirfclidi xu Hulehcn*
Wird aber das Sittcngcfett auf cinc deutliehe
Wcifc vorgchaltcn , fo kann cs im Ziistande
der Bcibmienheit niebt geiilugnct» ib h«ui
ihm dic Aehtiing, die o Terdicnt, nteht ver«
fagt werden, Ncnnt man uun dic Fahigkcit
dicieibc su cmpfinden» das moralifche
Gcfiihl: Ib i$t oHcnbar» dalt didb nn
iiothwcndigcs von dcr mcnfchlielicn Natur
uuzertrcAnlichcs Gefiihi ist.
GefiiHl wird in zweyerlcy Bcdcinung ge-
braucht, als die FShigkcit bcy eincr
VorstcUunj Lust oderUiilust zu habcn, und
als dcr Gcinuths^uscand felbst, dcc
vermittclst dicici* Ftihigkeit entsteht. In dia>
fcr doppelten Bedeutung} wird auch dai no-
KaUfebe Gcfabt gcnennMo»
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— 339
Gaai recht iutceii aUbdUeieiiifei^ ndcho
iallblbe Ib fwCnchteten , nur war cs unmog-
lichy die Einwiirfe Anderer niederzufchla-
fen, ivelche et ala etne hio6e Folge dcr Ge«
wohnheit aniahen» Co lange et ala abgeroo*
clert von der Vernunft, und als fCir fich be-
atehend gedacht «urde, UihercUeia dient ci
nureur Triebfeder, undnichttur Beur-
t h e i 1 u n g der Handlungen» Lust und Un«
luft kottnen» wie hinliogiiGh geseigt wordea
iit, eben Ib wenig lum Malae der Recfatn^
fsigkeie eines gcwirTen Verhaleensy als zum
Maiifc dcrWahrheit genommeawcrdcn. Auf
die onwandelharen Geletie der Vemimft
konmt et bey iener wie bcy diefer an. Auch
kann keinandcrcsCeftihl, alf dieAchtiuig fiir
daa Geleti» noralifch geneant werden»
diefi ft»tgt aui der Natur der Stttlichkeit
Dcnn (ie ist nicht uur ein Produkt der practi*
lehen Vemunfty Ibndem lie wird auch in den
Handlungen und dem ganxen Charakter einea
Menfchen uur dann gedacht , wenn das G c -
feti, oder die aut demlclben entstandenen
Begrife det Gttteo und Bofea lclnen
— 340 —
WiUen bcfdmineiu SoU «|fi> dabey nodi cia
Gefiilil Stett liaileB, Ib nuft et ein Iblcliet
feyn y welchet von dem pefetze felbst abhin-
gig ist. Gibe et ein von demrelben unabiiXB-
giget» Ib mulf te et» wtnn kein «iider Widcr*
ipnich entstehen follte, zu eben derfelbeii
HandJungtweife treibeii» welche ¥00 der Ver*
Binift ¥orgelcfarieben «irdt Iby dalt Ci cnt*
weder unnioglich ^vire, die Vorrchrij&en der
ictztem von den Antrieben des Gcfiihlt zu uo*
terlclielden 9 oder, dalt et aueh ohne Ver*
mmfit wirklam leyn Ic5ttnte. Im ertten Palln
Ojlhuic mau lur Erklirung der Sitxlichkeif
obne alle Urlachc einen doppeiten Gnmd an»
und der iweyte Fcll findet gar nicht Statt^)
^ Wenn in der Nttur irgcn^ dne Brfcheinung
ctklirt werdcn foll , fo ist zwtr ofc ndthig,
fit «if nehr als ein Priozip cntOtk su fiih»
ren ; es wiid tber die Annahme von mehrem
Vrinzipien sren als fehlerhaft angefehen,
wcnn ein einziges hinreicbt. Die Erfchei-
nuagen der ElcktricitSr z. B. wcrdcn voa
Einigcn aus c i n e r , von Andci n aus ciner
d o p p c l r e n Matcrie erklarr. Die Annah-
nie der letzrem ist an und fvir fich nichr :?U
«radcln, abcr verweiflich, wenn fie nicht
Wer der Vennmft oicbt niichiig itt^ wini
«iieh meht ib angelehen, elt ob er tnordilch
handeln konne, und liberdiefs finden viir
iwcht oiir iii ciiiiehieii Meoicheii, ibndem in
dem gimen MeBfehengclchlcchte dif mora*
I i f ch e G c f ii h 1 in ebcn dem Nfafse fich cr-
wcitcrny in wclchein iich die Vcrounft
cntwickelt.^) Niirdai» wMdideaJf eioeFoc^
deniflg dec in ihr enthaltenen Geletcei, alf
Pflichty daritelleo Ibioot erwcckt «uch
nchr AufTchlufiM giebc» alt die Annflhme
einer einzigen ; und unTemunfrig wurde fic
feyn, wenn fie anstatt Auffchlufse zu geben,
nur Verwirrung hervorbtSchtc. Das inora-
lifche Gcfuhl ist auch eine Erfcheiming, die
erklarr wcrden ToU. LSfstfich nun einfehen,
wie au$ dcr Vernunft und Sinnlichkeit das-
fclbe folgr, ohnc Annahme eines fur fich be-
Stehenden Gefuhls: fo ist diefe ganz uber-
fiufsig ; und bewirkt fie (iberdiefs mehr Vcr-
vimiiig ak Deuilicbkeic, fo hac fic nichii
l&r, iind vidci wider ficb,
^ Diefs rdl ebcn oicbt fo vidheirien, ali ob
dai fitrlichc Bettagen der Menlcben un Gan-
aen mic dcr Sniwickelni^ der Vermuift
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— 34» —
Es ist etwas fehr gewohnliehef , dafs bey
ErorteniDg von SCreitfrafen» mm 6iiMhm
bit ftt cinem feniilai Punklie gelangt iit»
mbtt g^biMete Perfonen fich zuletzt aiif ctn
Geftihl benifen, und vorausfetzeny cla(s je<ler
Menich mit ihnen §leid& cnipliwlen mulle^
Wird dieie Berufuog nickt lelten gemii»
braucht, fo findet fiedocheben fo oftdaStatt^
mo die Wahrheit « irUieh «u£ der Seite 4et>
lenigen ttt„welclier fie su fiililen behaupteti
iincl iingcbildcte Perfonen, die nicht deutlich
denkeoy und ebcn dcsvcegen ihre GedanlLen
nieht im Worte lu failen vermdgen» konnen
ihreUtberseugung von Wahriieiten, diedureh
die umnittclbare Anwcndung der Gefetze des
Denkent klar find» nie auf einen andem Grund«
alf anf ein Gefiihl besiehen. Dafi eine ga-
fchchene Sache, im cigentlichen Ver(tande«
glelchen Schrltt halte, wie wohl fich auch
dicfs in einer gewifTcn Riickficht behaupten
lafst, fondem nur, dafs das fittliche Gcfiihl
fich in dem Mafse auf mehrerc Gegenstftnde
crstreckt» als die Urtheile der Vtmunfc fich
crweitera und beuchtigen»
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— 343 —
i^cht ungeicfaehen gemaclil «ervleii koniiey
ffihlt jeder, der nicht iti fagen vsciCs, dafi in
cler Behauptung dcs Gegentheils eiu ofTcnba-
ler Widec^nich ley, itiid daii» wenn dieler
mcht alff ein Merkmal der Unwahrheit aner-
kannt werde, der Menfch uberhaiipc nichts
w erkennen* ▼on nichts Uibeneiigung i»
hahen vemioge. ^ Auf eine )lhttliche Weile
fiihlt man blofs das Unrecht, wenn maa
fienGnind delTclbca nicbt deutlich zudenken
wmag. Wie ea aher von Wichdgkeit iii^
ftlhat damiy wenn es nur auf das Wiflen an-
fct>mmt, danblbe nach deutlichcn GrunJOatzen
lu richf en : fo iit ea voo noch gr66ecer Wieh-
tigkeity die Sittenlehren nicht auf ein hloitef
GefTihl zu bauen , cs thcils fo lcicht irre
fiilireny t)ieils gcliugnct wcrden iiann^ fo
lange nicht die Verhindung deflelben mit den
♦) D9S Gcfuhl fur dic Wahrheit Surscrt fich auf
doppcltc Wcife; wcil fie eincn doppelten
Wideistand finden kann, einen inncm und
einen Aufsem. Bcy dem erstern errcgc fie
Achtung, \)ty dcm zweytcn Unwillen —
eben daruber, dafs ihr dic AchcuDg, wtoig'
lUQi &u{&erliQh vcrfagt vird»
— 344 —
GelcCMn der Venninlt mdSu Zmilel geitellt
if t Etit dtirdi die Einricht in dieren Ziifam-
menhang wird dai Gewifl*eii in ieine voilea
Reehte eingeletxt
Ei ift merkwurdigy daff, «Ihrend die
Fhiloibphen uber die Natur det noralilchen
GeliShlt ftritten» fie Ibwohl» wie }eder andere
cuhivirte Mcnfch, die Achtimg ttets als eine
WirlLung det Geietiet der Freyheit, und nur
de dachteii» wo dellelbe nuttelbar oder un-
mittel vorgehalten wird,
So mandie Geliiiiie liaheo die Tiiiere mit
den Menlehen gemein» alf Neid, Zom,
Fiircht, Liebe, und doch ift et noch keinem
Menfchen eingefallen , denfelben das Gefuiil
der Achtung nisufchreihen. Nieniand belegt
mit diefem Nainen wcder die Empfindungen,
dic fic gegen cinander» noch diejenigcn,
die fie gegen Menfchen iiifiem. Selbtt
die Fureht und dieLtebe, die manche Thiere
ihren Herrn beweifen , und die oft eben die*
Mbm Wirkungen hervorhringen, welche
die Aditung hervorbrlngt» werden ali etwat
L^iyui^u^ Ly GoOgle
— 345 —
Tonderielbeii verichiedeitcs angelekeii* Und
Ib wie von tUen Wefen, die wir keniieii, dle
Menrchen allcin dcrfelben ftir fahig gehalten
werden: fo iind iie et, nach deni allgemeinen
Urtheile» •iich nur in Rucklicbt «if ein Ge-
fetf, deffen Befolgung tlt elne Wirkung dev
Frci^heAt angerehcA wird.
Allef was iins dic Natur sur unniittelba*
rea Befriedigung unferer Triebe» oder alf
Mtttel lu kunftifem Genufie anbietet» alt Pflan*
xen und Tbiere, Geld und Guter» find Gegen^
st^ndc unTercr Ncigung» unfcrs Woblgefal-
hoM, odcr auch iinlcrer eigentlicliett Liebe^
wenn fich dle Ncigung aufThiere betieht)*)
abcr Achtung fiir Speife «nd Trank, ftir Blu-
iiie% Stcine und Tliicrc» haben wir nicht» Cq
grofi aiidi der Werth Ittt den wir den Ge»
genstlnden unierer Lust xufchreiben. Eben
fo wcrdcn alJc Gcfiiiilct wdclic von dcn Qe*
♦J Man fagt wohl von einem Geitzigen, cr habe
nur Achrung fur fein Geld , bezeichnet aber
stetsdadurch ein verkehrtes Gefiihl, dl$ mia
mit MisbiUigung darsteUtQ wili
— 346 —
f eastandeu dcr Nattir meugt werclen , Be«
wnndcrungy ErsCaiinent Furcht» Schieckeo»
inic dem» wat wir Achtuag nenaen» nicht
verwechrelt. Eui Gefiihly da:» dxcfer ahiilich
iity und bitweiien fo genennt wird, erregc
ttur die ganxe Natur, anibfin» fie bey aUcr
ihrer Mannichfaltlgkeit dat Bilcl der innern
fiinhcit ist, dem wir durch Erfiillung des Gc«
Ibtxef der Freyheit nachitKcben ibJlea.
Wenn wir xur Achtung fur irgeud etwaa
nu^efbrdert werden» Ho gelchieht m immer
deswegen, damit wir in Rtfckficht auf <Ue(^
Gegenstand unfcre Neigungen einrchrinkeu,
«nd nidit nach GeCalicn handehi. *) So fbr-
•) lUn Mmt xwir iuch sur Liebe ftr die
Menfchen auf, wobey ei fehetnt« daft die
liebeebcnftUfl abein GtfiU angtffhan wcr-
de« welches fich tuf dn Gefetz beziehc,
Allein die Liebe wird da jederzelt im unci«
gentlichen Sinne genommen. Sie felbst, alt
Gefuhl. Iftfst flch durch keine AufTorderung
«rzwingcn, fondem nur dis, was gefchehcn
ivtirde , wcnn fie da wSre ; und hienuf be«
xieht lich aUb i«ac Aufibrderuog»
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— 347 —
^at mtB lur Aebtimg fur mis ielbft, iiir Aii*
dcrc, fur ^PuUiktini» ftir die Inirgerlieiie
Gerellfchafty fiir die Wahrheit, fiir die
Mefticbheic auf» luid bey «lien dieleii Au£*
fDrderungen liegt der Gecbuike eiuet Geietzee
fum Grunde, das hoher ist, als unfcr Geiiurs^
unierVortbeil» unfer gantes finuliches Selbi^
iind dai von uni» d« vemuiilcigett Welci^ be»
obachtet werden foll*
Bben dielbr Gedtnke liegt der Aditiing
zum Grundc, die uns einseine Perfonen ein
flotou ledcrMealfib kaiui iefaon» alt ibl-
cher» ein Gegenftend dcr Aefatung leyn» in
fo fcm er als Sclbstzwcck uns das Gefctz vor-
lefareibt» ahn niebt blois alt Mittei lur Bc-
firiedlgung unlcrerNeiguiigcn lu gcbnuefaoip
und iii dicfcr RiickHcht gcfchicht dic Auifor-
derung zur Achtung fiir dicMcnfchheit. Wir
faaben aber dieiet Gefubi nocb insbeibndere
fiir folcfae PerTonen, die fidh durch Vorzuge
vor andern auixeichnen. Nun ist fchon an
einem audcrn Orte geteigt mrdco» daia
naefa dcm gemdnen Uctfactlt dcr VcfBfmft
— 348 —
«cdcr Gaben det Glucks noch der Natiuri
we«(er eimeliie Eigeniciufteii det Herteai
noch Vorziige des Verstandes ohne fittliche
Gtite der Achtung wiirdig Godt uad da6 nur
dcffeoige danui Anlprueh niidieit luinii» wel«
cher dic G?bote der Pflicht in cinem vorziig*
lichen Grade xu erfullen strebt. Wir lubcn
aUb Achcting fiir eiae Peribny in Ib fie
diirch ihr Beyrpid tn dieGe(ette derSittlich-
keit crinncrtf und viic imtcrfcheidcu dicii
Gefuhl von alleii endem finpfindungeii» wel*
che Menfehen etnfiofien k5nnen. Erwedtt
ein vcrdicnftvoUer Mann ziigleich Liebc iiad
Bewundcfuttgs £> find dide Gefuhle deswe»
g^en nicbt mtf der Achtuag Bintt odcr von
dcrfelbcn nur dem Gradc nach unterrchiedeoi
wdebet man haupcOlclilich danut ficht» dafi
Liebe uad Bcwuaderuag alltitt Scafl fiadea
li6ancii«
Ucbe beiiebf fich tteti auf Eigentcbaften,
die uns angenehmc Empfindungen machcn»
alt Mimterkeif» Witf« Schdnheif n« £ w. und
rldifet fich nadi der iadivldudkaBe&liaiea-
— 349 —
lieit der Meu(cheii. *) So wie nun Liebe ohne
Achtung fcyn kann, fo ist Achtung in einem
hoiien Gnde mdglich, ohne von Liel>e be-
gieicct f u feyn. Achtung konnen wir demjeni»
gen nicht vcrfagcn, dcr Rechtfcha£Fcuhcit, fie
kofte noch fo viei Aufopfcrung, in «lieu fei-
nen Handliuigen benreist. Gleiehwolil ist es
nichts feltenesy dais inan dcn Umgaiig ciiics
foJchen Mauncs nicht nur uicht fucht» ibn*
dem ibgar abweist, wenn ihm diejenigen Ei-
gcnfchaften, welche den Freudcn der Gefcl-
ligkeit giinstig find, fclJcn, unJ foJchc an-
hHngen» welche diefeiben sc6ren« Dieis ge-
lehieht felbst von Iblchen Peribucn, die nicht
su den B6(cn gchoren. ^^) Wird Licbc als
^ Uebenswfifdigkeit (chrctbt m«n fogar folchen
tefonen lu, denen durch die Beicicbnuog
Ihrss Chtiaktas alle Achning cnnogen wird,
Man fpricht von HebenswMigcn Bafewich-
tem. Caimablcs rouls') Obdicls nun glcich
«bcn nicht zu billigen ist, fo ist cs dodi
nichr widcrfinnig;. Es zcigc eine Fehlcrhaf»
tigkeic der Menichco, aber nicht dcs Aus-
drucks an.
Wcnn nian behauptet, dafs wahre Licbc
nicht ohiia Achtung feyn k6nne : fo druckt
Z
350
eine Wlrkoiig der Tugend angeielieii : Ib fe-
fchieht es iitir in fo fcrn , als diere uuter ge*
wUTen l/mstandeny die Siniiiiie aiigeiieliiiiGr
EiopiinJungeii ra venneEren gerchickt ist.
Dcr Rechtfchaffcne fiicht frcylich fo viel
GluckieUgkeit alt mogUck xu verbreiten» und
liewirkt Ib nickt nur bey denen, welehencr
iinmittelbar angenehrae EmpBndung machtf
ibaderu auch^ vermuge der Sympathie, bey
AndernZuiMtgungy die Qoch dureh die gefeU
tnan einen halbwahren Gedflflken falfch ini»
Die Liabe, fo lange fie dauert, ist immer
wihr. Man wiU aber cigoulich fagen , daft
fie ohne Achtung nidit von Bestand fey ;
wnd davon ist uicdcrum nur fo viel wahr,
dafs fie bcy Vorachtung nichr bcstehen kon»
nc. Mit dicfcr vertragt fich freylich Zunei-
gung nur in fo fern , als fic ein blofscr In-
stinkt ist, als Gcfchlechrs- und Aehernliebe.
Aber Abwcfcnhcir von Vcrachtung, ist eben
fo wenig Achtung, als Abwcfenhcit von
Hafs, Liebe ist. Gleichgulngi^eit hSlt io
beyden Filllen die Mitte , und ist in dem er«
aten bey gcwdhnlichen Menlchtn der Lieba
gar nichc ungunstig. Dfldufch IbK abtr
nicht gcfagt feyn, daft vonagliche Rechr-
(chflfcnhctt, an und ftr fich, nicht anch
Zuncigung erweckcn kdonc»
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lig«n Tiigendcn, Nadigiebigkcit, Gefallig.
keit, Offcnheit ii. f. w. verstdrkt ^ird. Da
cr aber diefe den hohern nachletsea, iind um
derGerechHgkeit willenolf wefae thun mulfl;
da er fich tibcrdiefs in Unistinden befinden
kann» die iiinit-wo nicht aile, doch die mei*
atoi Mittel benehmen, fich angenehm lu ma«
chen: fo fallcn aiich eben fo oft die in dcr
Tugend liegenden Grundc ziirErweckungder
liebe weg» und diefe ist foiglich keine noth*
wendige, ibttdenk nur eine zuf illige Wirkung
dcrfclbcn.
Die Bewunderttng iit iwar nicht (6 luftl*
Ifg. Sie ist im Gegentheile mit einem hohen
Grade von Achtung stets verluiiipft. Denn
dieier findet fur eine Perroa nur dann Statl^
wenn fie» entweder durch dat Ganze ihrei Le.
bcntf oder bey einzehicn Fallcn, eine unge*
WoluilicheSell>ttthiitigkeit leigt» um den Vor*
ichrifien der Vemuttft genaii ni handeln»
und der Tugend entweder vicle kleine^ oder
einzeine groise Opfer bringt. Da nun eine
IblcheRflchtfchafiienheit ala etwat feltenet aa«
geieheu» und Bewunderung von Menfchen
— 35« —
cbcn dsim ecregt wird, wenn fie etwas auiscr*
orJenClichet leigen: (6 Ut dieie Empfin^iiBg
von grofser Achtting iinzertreiiiilieh ; fie itt
aber dcswcgcn mit dcrfclbcn nicht cinc iind
cben daelelbe. Denn aiie kdfperliche und
gclstige Eigcttlcbaften in einem-vonfiglielieii
Gradc, cinc grofsc Gcwandbeie, eine feltcne
Schdnheit, ein Gedachtniis von uogewdim»
lidien Umfrngey il £ w. criegen Bewundo»
rung, aber nicht zuglcich Achtting. Dielb
kann eincnMenfchen noch abgcfprochcn wcr-
den, wenn er auch eiie genannte Eigen(cha£>
ten in fidi vereiirfgt. Grofie Talente lefaei-
ncn zwar eine Aiisnahme cii machcn^ man
kannallerdingtAchtungdafur fiihlen. ,,Allein
da et immer iingewifii bieibt, wieviei dat aa*
gebomc Talent, und wie viel Ctiltur dureii
eigenen Fleiii an der Gcrchicklichkeit Theil
habe: Ib itelk unt die Vemunft die letatere
nnithmafilich alt Frucht der Cultur, mithia
«Is Verdienst vor» welchcs un(ern Eigcndiin-
kel meriilich herabttimmt» und yns daruber
entweder Voiwtirfe macht» oder die Belbl-
gung cincf folchea Scyrpieis in der Art , wie
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— 353
ci mis aosemelTen Ut, auferiegt. Sie af t §1(6
aicht blofte Bewunilentiig diele Achtung, die
wir einer folchen Perfon (eigentlich dcm Ge«
ietic» wis unsfcinBcyrpici vorh'ilt}bcweircni
welchet fich euch dadurch betHtigty daft dec
gcfneinc Haufe <ler Liebhabcr , wenn er dat
Schlechtc det Charakters eines folchcn Man*
nef (wie etwa Voi(airc) fontt woher erknn-
digt tu haben glaubt, alle Acbtung gegen ihn
aufgiebt, dcr wahre Gelehrtc aber fie imraer
noch wenigstcnf im Gcfichcspunktc icincr
Talente fuhJt» weil er felbtt in einem Ge-
fchlftc und Benife vcrwickch ist, wclchcs
dic Nachahmung delTelbcn ihm gewilTerma-
Isen tum Gefetxe macht/*<^) Eben fo ist es,
wenn wir insbe(bndere Achtung fiir den Ver-
stand eines Mannes fiihlen. Wenn librigens
bey eincm fittlichgutcn Bctragcn viel Vcr-
stand gefiinden wird: fo verttirkt dieier die
Achtung theils dcswcgen , weil er dcn Wahn
nicht aufkomroen lifst, dafs blofs natiiriiche
Gutliertigkeit oder Schwachheit der Grund
*) Ktnts Griiik der pnccitdiai Vcmunft» S.|38.
— 354 —
der fitdieheii HaocUiugeii fey, tlieils weil eff
tins tlicBcfoIgiing dcs vorgchaltcncn Bcyfpicli
nothwcndigcr macht, iiidem cr iins mancho
Auifluciit abfchneidet» luid die Thebfeder
iinlert unnioralKchen Benehittensy wir mofea
es noch fo fchr bcfchunigcnj durchipUhct.
So ist Achtnng vcrnunftigcn Wcfcn allein
eigcn, cntstcht erst mit dcr Entwick^lung der
Vcmunlt» «elst auf ein Geiets derfdbenf und
hatdieies relbtt dann iiin Gegcnstande, wenn
es nicht dciitlich gedacbt wird* Dahcr ist
Achtung fiSr Perfonen von ▼onuglicheni Ver-
dienttet Co wenig ein Gefiihl der tmty dale
inan (ich dcrfelbcn meistcnthcils nur ungern
uberlaist. Nicht nur rehrunmoraUrcheMett*
lchen» Ibndem lelbst Iblche» welche w den
belTern gexiihlt lu werdcn vcrdiencn, fuchen»
obne iich dclTcn stets deutlich bcwufst zu
«erden» auf mancherley WeiTc der Demiitht^
gung zu entgchcn , welche ihnen durch llrem*
dcs \^crdienst wicderfihrt. Man richtct cs
mit der grofitenStrengey um irgcnd etwas ta-
dclnwfirdiges ausfindig xu machea. Koaneo
die Handluogeiiy an tmd fiir iicli» otcht geU»
deJe werden, fo nimmt man die Triebledeni
dazu in Anrpnich ; ist diefcn fchvver bcyzu*
kommen y £o fucht man den Tugenden einer
Perfon tbre Untugenden entgegen su ttellen,
um zii zeigcn , dafs Hc nicht den hohen Grad
von Vollkommenheit beiitse, den man ihr
siiichreibt; und find diele Mittel nicht htn*
reichend, ura fich des Gefiihls feiner Unxeiir-
digkeit zii erwchren : fo wird das Sittenge-
iets «ohl gar feibtt sur blofien Vorfchrift det
wohWerstandenen Vortheils herabgeiviirdigt,
oder doch diejenige iiigenfchaft herabgefetzt^
durch die man an feine Fehierhaftigkeit er*
innert wird. Edelmnth, Wahrhaftigkeit,
Standhaftigkeit, Nacbgiebigkeit ii. f. w. hei*
fien dann Guthenigkeit 9 Unklugheit, Uart-
nackigkeit, Scfawachheit.
Wilrde Achtnng ala cin Gefuhi der Luat
angefehen, fo milisten dieRegeln» dieman
in diefcr Riickficht fiir den Umgang giebt^
ganz andera ausfalienf als fie wirklich gege-
ben werden. Sie mtirtten daan hei6en«
— 3$6 —
luclie, wenn du in der Welt gefallen «iUtr,
niekr lobentwiirdlige alt tadelhtfte Handlim»
gen bekannt zii tnachen, iin<l stelle fie Andern
iminer fo vor, daii derUrheber derfelben ini
leliontten Uebte crielieinei fiidie belbadcra
Beweife von Iblchen Tugenden hervonntie-
hen, die derjeoige, welchem du gefalien
wiiltt» entweder gar nicht* oder niir in cip
nem lehr niedrigen Grade befitttt denn }c
mchr cr Schwierigkeitcn bey diefen Tugen-
den f tt tiberwinden findet, detto grolter wird
die Aehtung und folglieh dat damit vcrbim»
dene Vergniigen reyii, das er eiiipfinder. Sind
aber wohl iblclie Regein alt MitceJ, lich in
Guntt sn letien» |e angeprielen worden? fir«
fordert nicht viclmehr die Klugheit gerade
entgcgcngefetzte iii befolgen, und wenigiCeot
yedet Lob Iblcher Eigenlchaften lu mmei-
den, die demjenigen, in delfen Gunit mtm
fich feuen odcr crhalten wili, abgelien?
Den Hang, fremdcf Vcrdlentt in feincn
eignen Augeu zu verkieinern , ist einer von
denFehlem» gegcn dle auch der gutcMenlch
— 357 —
su Umpfen hit. Die Eigenliebe wleitet
ihn gar tu leicht zu deni Gedanken , daG er,
wo nicht volUuMnmeit* doch als Menfch tn
der Uge» in «relcher er fich befunden liet^
iind noch bcfindet, allei ift, wat er ttyn
kann. Entdeckt er min an andern Eigenfchif*
ten» die ihm Vorwtirfe tiber dkn Mangel der-
lelben nuiehen s ib kann ca leieht gelehehen»
dafs er, um dcr Demiithigung zu entgehen,
«1 den Kunitgrifien det Stoliet ietneZuflucht
nimnt Thut er dieft mcht, Ib wifd ihm
vorztigiiche Rechtfchaffenheit auch dann noch
Achtung etnfloiseii» wenn er fich gletch ei>
ner Ihnliehen bewuist iit Denn bey der Un*
vollkoinmenhcit dcr racnfchlichcn Tugcnd
wird er an Andera immer noch Setten ent*
deeken» die ihm tum Mtittcr dtenen» und
Vorwnrie fiber ieine Schwacfaheiten macfaen
konnen. Auch mufs ihm firemdcs Verdientt
in etnem reinem lichte ericfaeinen, da iein
eignes, de ihm die Unltuiterlteit derTrieh*
fcdern bey jenem nicht fo bekannC (eya kanuy
als dte l>ey ieinen eignen.
— 359 —
Qiuthi^iigy dic uns ^vied^rf ahrt y von der
firfaebung» tlie tn einer Verbindung mtt vor»
xtiglich achningswiirdigen Perfonen liegC»
liberwogcn. Sic wcrdcn gleichfam a!s ciii
Tbeil von«ins angefehens was fie erhebt, er-
hebt anch uns, und wat fie herabfettt, iecst
auch uns herab. Uibcrdiefs gewinnen Wtr
durch die Verbinduug mit ihncn , thcils in
Metnung der Weit, theils in unreier ei«
genen. Eben deswegen lehlieisen lich ani vor-
ziiglich gute Menfchcu, biswcilen auch folche
ttti die ihnen in vielen Scucken iehr unahn*
iteh find. Sind wir femer dineh die burger«
lichen Vcrhiltnifse gcaothigt, gcwifTcn Per-
lonen 'iuisere Ehrerhietuog xu bewcifcn : fo
ift es uns lidier mit demKorper augleich den
Gcist, als jenen ohnediefen lu beugen. Fhy-
fifcher Zwang ist noch fchmerilicher als mo-
raiifcher ftir jeden Meoichen» der es aner«
kennt, daft Sufieres Ani^ten stets nach dem
Mafse der ioaeru Vcrdienste fich richtea
ibUte.
ZweyeensisteinUnterichied nimachen twi**
fchca dcr w i r k 1 i ch c a Achtuog und der blo«
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— 358 —
Itt denn aber der Gedanke (an fremdet
Vetdientt jedeneit mit Unlutt verkmlpft?
Wie kanu Achtuiig stets mit Demiithigung
verbundeny und folgJidi ein unangenehmet
Geliihl leyn« wird vielleidit manelier fragen,
da man nicht fcltcn cincii wahren Schmcrz
empfiadety wenn man es aufgeben mufsi
Wer lut je eine Peribn liochgefehlitst, ohne
tief verwiradet fu werden, wenn er nachher
lahy dafs fie dcr bewiefcnen Achtung unwiir-
dig war? Weicher gute Menich fiihlt nicht
Mityergnugen» wenn ilun die Ehrfurcht, die
ihm bcriihmtc Minner einflofsten, durch Dar-
•teliung ihretCharaktert entriiTettwirdl Und
werdcn nicht yorsuglich achtungtwurdige
Perfonen felbstvon (blchen bisweilen gefiicht»
die cs cntweder gar nicht oder nur in einem
fehr niedrigen Grade findi — Diele Fragen
konnen auf folgcnde Weiih beantwortet
wcrdcn.
Erttlich itt ein Unterichied f wifclien dea
Ferfonen fu machen, die unt Achtung ein*
flofsen. Wenn wir mit dcrfclben zugleich
ducch Liebe veKbundea iind; io wird die De«
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— Sfc —
Ifen Brkllruog» daft jeouiid achtinigmur-
dig fey. Diefe heifi teft mir fo viel» Jaft eioe
Pcrfon, bcy manchen Fehlern und Mingcln,
doeh noch £[irviclcMeo(cheo cioBeyfpicl tur
Ntdiahmang vorhakey und kann, in fo fem
wir iin* rdbtt fiir firey voii jenen Fchlern oder
andcro chen fo gro6eo halcen» ohne dat Ge«
ISShl der Deinuthigung bcffeheo, welehcf cnt
daon eintritt, wenu wir oinen h 6 h e r n Grad
voo Tugeod in Aodem bcmerken, als wir
felhtt beatten. Wenn nun eine Pedbo voo
uns fiir achtiingswurdig gehalteo wordeo ist,
olioc ihr deswegen mehr Verdicnst als uos
felbst lusuichreihen» und 6e fich nachherver*
Schelich zeigt: fo ift ein Schmers dariibcr na-
ttirlich. £r fliefst theils aus der Eioficht, da(s
viir uns gettuicht hatteo» tbeils aus dem Mis*
fellen, welches ieder in euiem gewiflcnGmdo
gute Meufch aa einem unmoraliichen Verhal-
ten hat, das cr oicht um feioer cigoen Unfitt-
lichkeit willeo to Sehntx nimmt Uod dic6
fiihrt lurHauptantwort auf jene Ernwiirfc,
Achtuog £ur dasGcfets uod folgUch auch fiiic
dicPeribnen, die uasdai&lbe in ihremBcy*
i^iek vorhalten, entb^t s««r Demuthigiinf»
Jcana aber tugleleh ein Gefuhl der Lust eni*
halten fiir Alle, die fich dem Gefetze iin-
fcrwerfcn, das auf die Wiirde der Mcnfchhcit
liiihrt. Sehen lie daan daflelbe auch in einem
aoch hohem Grade alt von ihnen rdbst be-
folgt : fo kann die daher entstehendc Demii-
thigttng dem JntercfTe weichen, dn die Ho-
heit der menichlichen Naiur einfldrtt. Sie
werden gleichfam felbst iiber dic Sinnlichkeit
erhobcn» indcm ile fehcn» dafs Wefen mit
ihnen» von gleieher Art fich uber dieielbe er-
heben, und dadtirch in clem Zutrauen gc-
stirkty auch cinst cben dicfelbe Hohc zu cr-
reichen. Wer ielbst Achtung verdient» fiu-
det auch Wohlgefallen an der Achtfingswur-
digkeitanderer, fo wie aii dcmGcfctze, durch
delTen ErfiilJung fic crhalten wird. Wch muJf
es ihm aJlb thun» wenn ihm dieJesWohJgefallen
cntrifTen wird, wenn er auf die Gebrechlich-
keit der menfchiichcu Natur fclbst da tii-
ntckgefiihrt wird, wo er fie in ihrer gamea
Wnrde gefunden tu liabea glaubte*
■■^ 362 «ii^
Dieif fiihrt ims nir oihent Betrachtuiig
<ler tDgendiiiien Eiiipfiiidiinfeiiy die atit der
Vorstclliing einer fittlichen Haudiungsweire
an ficb» oder «in der fiefojfung des&lbea
lictvorfehcii»
fm
363
Von dtm moralijchcn Gefukle als cincr
QucUc anienebmrGcmfUbnuttande.
BegriiTe von Recht und Unrecbt liegen
fo yrefentlich !n der Natur de* Menfchen,
dafs cr denrdbca ttets geitiars handclt, v^eou
er durch ein en^egen gefctstet Verfiiureii
nichtsftir feineSinoUchkeit gewinnt.*) Man
fagt daher, der Mcnfch habc cin natiirlichci
Wohlgefalie^ an dcr ^ictlichiuitei l>e-
•timmter aber wurde die Wahrheit ausgo»
dnickt feyn, wenn man mir fa^te, dcrMcnfch
habe cin naturliches Misfallcu an eincr
HandJungsweife, wclche der Einhcit und
Uibereinstimniung in Thaten und Urtheilen
xuwider ist. Wohlgcfallcn dciitct stcts auf
cin angenehmes Gefiihl, uad diefes findet bey
Selbst dann, wenn er boshaft zu handcla
fcheint um boshaft zu handcln , I.ifst ficii
der Grund feines Verhaltens in iigead eiuew
(iluilicheQ Triebe findea.
— I 364 —
dem Gbdlankeii an ein iitdiclies Verhallea an
fich entweder gar nichty oderdoch aof keine
merkbare Weife Statt. In allen den Fillen»
mo die Natur mit der Pflicht in Uibereinstim«
nmif gedacht wiid, haben wir gar kein be*
fonderes Gcfilhl fiir das hieraiis entfpringenclc
Verfahreo. Daii eiucMutcer fiir dicBedurf*
aifie ihrcf Kindet, und ein Hautvater fur
fcinc ganze Familicv anf eine niche fehr muh-
volle Weife, forge, errcgt kcin berondcret
Wohlgefallen $ aber Mitfaiien wiirde
dat Gegentheil eReitgen. Bben £> ist atieh
in dem Menfchen felbst, dcr unter jener Vor*
auslettung handelt, kein merklichct Gefiihiy
dat fich auf fein VerfiJirea in Ib fem betieht,
als es den Begriffcn von Recht ange-
meflen ist; Es ist mit dem Handeln urie mit
dem Denken. Dafi wir die Geietxe des leti-
fern befolgt (ehen, oder felbst befolgen, cr-
rcgt an uud fiir fich kein Vergniigen; aber
Misvergntigen kaon entstehen» wcnnwireine
Verletiung diefer Gefetzc an uns oder andern
bcmerkcn. la, man kann fagea» dafs, wenu
wir die RegeJn der Sittlichkeit stets befolgt
ftheii, und bey der Bccrt>acfacung derielben
lelbst gar keinen Wideritand von nnlem finn*
Hchen NeigiMigffii erfuhieii, aiich gar keiii
Gefuhl in Riickfichr auf jene Regeln Statt fin-
den wtirde. Bm widerfithre uns dann in
Beziehimg aiif iinrcrn Gcist, was uns in Bezie-
hung auf iin(crn Korper widerfihrL So ian»
ge die innern SSIfte in ihrer gewohnlichen Be^
vegung nichr gescort werden , ro fiibien wir
auch nichts von ihrem G^ngC} und felbst dai
Geiuhl derGefundhcit, das (6 angenehm wer-
den hanuy wurde ohne den entgegengefeliten
Zuttand fcbwerlich als ein Gefiihl der Lust
angefehen werden» da et in der That^ an und
§&t lich» uehr Abwefenbett des Schmenei»
ali cin eigeutlicher Gcnufit ist. Wic cs aber
Man kann «wtr mit Recht behaupten, flus
der Uibereinstimmung dcr Narur und der
Freyhcir enrstehe dg? , was man An-
muth nennt, diefs hcbt abcr dic obige Be-
hauptung nicht auf. Denn dic Anmuih iit
eben deswcgen fo rcitzend , weil jcne LTiber-
einstimmung da Statt findct, wo man
Kampf zu fchen und /u denkcn
wohnc ist.
mm^ ^66
dafu Dvirklieli Jitrch den entgegcngelclflcii
Zusftand vsird : (o kann aiich dic Vorstcllim^
eiaet fittlichen Verhakeos elien deiwegen mic
Wohlgefallen beKleitet ieyn, iveil die
cntgegengefetzte Misfallen crregt. Denn
cs iit dem Menfchen natiirlich mitcmgcgcn-
ftehenden Vorftellnngen entgegenste»
hende Gefuhle zti verkmipfcn, wenn die
einc davon JLutt odcr Uolust crrcgt. Eben
demegen fiicht man» um dat Wohlgefallen
•n dem Outen tn er^ckcn, mit demfelben
das Bofe ia Contrast zu stclien; und dicrcc
Contrast ist stets ndthig» wenn nur fiSr die
gcwohnlichen Tugenden, diemit unfinn na*
tiirlichcn Tricbcn ubereinstimmeny eiii In-
terefle eixegt werden foii* Auders yerhHlt
fich die Sache, wenn von folchen Tugendea
die Redc ist, welche u n g e w u h n 1 i ch c An-
strengungerCDrdem; da erregt die Vorstel^
lung der Kraft, ohne tselche fie gar niche
Statt finden konnen, fo wie allcs was grofs
ist» Bewunderung» dic» an ficb^
unner diie angenehme Empfindtuig ist.
Uiberdiers haben die Begritfe von Reclit
und Uiircclit cinen mittclbaren Zufam-
incahang mit der menrchlichen Gliickreiigkeit.
Wena denielben xuwider gebandelc wird» fo
regt fich oft, theils die Selbstliebe, theils die
Sympathie. Das daher entstchcnde iinange
nehme Gefuhl vereinigt fich mit dem Misfal
len an eincr unfittlichen Handlungsweife und
verstUrkt inJiroctc das Wohigefalieu an der
fittlichen* Endiichy Co wentg mit biofsen
Begriilen an ficb LusC oder Unluft ver*
kniipft ist: fu konnen Cic doch fchon da-
durch ein angenehmesGefiihierzeugen» dafi
nan fich mit denfelben befcbaftiget. Denn
wir gcwinncn allc Gegenstandc unfcrcr 1 hitijf-
keit iieb» wenn fic uns zur Entwickelung un*
ImrErkenntniiskrafte helfen» foiltenfie aueh
Anfangs eher Unlust als Lust bey fich fiihren.
So unangcnchm manchc Gcgcnstindc dcr Na-
tur an fich find ; fo verfchwindet doch nicht
nur diefe Unannehmlichkeit fiir den Natur-
forfchcr, fondcrn fie werdea auch oft fiir
ihn Qiieilen dei Vergniigeiis. An ein
fect« welche» dcr Gegenstand feiner Unter«
— 368 —
liiclttiiig geweien ist, imd ihm tu netieii Ent-
aeckungen Terliollen hat, denkt er gewifi
mit Luit, foiltc cs auch Anfangs fcine Augcii
beleidigt haben. Auf ihaliche Weife cnt-
•teht ein Wohlgefiillen an den Bttlicfaen Be-
grifFcn. Ist dic Urtheiltkraft tn denielben
geiibt und entwickelt v/orden: fo werdea
dem Menicfaen dieie Begritfe eben detwegen
lieb , weil die Befehlftigung mif denlhlbea
fciac £rkenutai($kiifte erwcitert.
Man kann aUb in gewUler Ruckfidit wohl
bchauptcn, dic Tugend fey fo fchon, dafi,
wenn Gc ia Pcrfon auf Erdcn crfchica» fio
alleAugen atif fich liehen und aUeHcnea ge*
winnen wiirde. Audi kann die Einbil*
dungtkraft die pcr(oaliche Erfcheiauog
in gewillem Malie erletiett» nnd einGendlde
von der Tugend entwerfen, dat aitf die Bm-
pfindung eben fo zu wirken vennogend ist,
ali ttunde ihre behre Gettalt ia der WirkF
llchkeic vor unt. Die Vorttellung von
dcr harmonifchcn Ordnung allcr Triebe und
Kr^ltes der Gcdanke an die Erhabeahcit ei-
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— 369 —
net Weleni, dat tlle Loekungeii dlet Vergiiu*
gens abwcist, um deu iiiiverindcrlichen Vor-
fcbriflea der Veraunft tu folgen} dae Idee
Yon einer OHming der Dinge» wo allen ver-
ntinftigen Wefen gletche Rechte genchert er-
lcheioen, und ihr Wohl nit ihrer Wurdig-
keit in uniertrennlicheni Zulaininenhange
steht, konnen libcr die Schilderiing dcr Tii-
gend iu ihrem Weien und in ihren Folgcn»
eine Sehonheit ▼erbretten» die mit EtttEuckea
erluilt. Da nun dicfe Annehnilichkeit auf
fittlichen Bcgriffcn beniht, iind aiis dem
Mitfallen an der Perlbn, die denidben
nicht gemSfi handelt, hcrvorgcht; Ib kann
fic allerdings als cinc Folge dcs moraii-
fchen Gefuhla angeiehen werden» in Ib
lem nan unter demlelben die FSbigkeit
denkt , JntcrefTe fowuhl an den Begriffen von
Recht und Unrecht, ala an den Wirlumgea
derlelben tu nehmen. Allein* ehe Empftng*
lichkeit fur Jas Gefiilil cntstcht, welchcs das
Ideai littlichcr Vollkommcnhcit cinfloiit^
mulf eine lange Geivohnlieit moralilcber Be*
iirthciJung vorausgcgangcn feyQ. Dcnn cs
— 370 —
benibt atif eiDem intelleeeuelleit Gniii-
de, uad entstcht ersC mit Entwickeluug dcr
Vernuiift. Auch tft et bekannt genug, «ie
▼iel Muhe et kostet — nieht luf ^ie Be-
griffc von Rccht «ncl Unrecht zu leiten (dcnn
die6 itt der Hauptiache nach ieacht) fon-
dem — Intererreandenlelbeneinsuflo&
fen. la, viele Menfcheu fchcineii fogar an
derMoglichkeit su verzweifehi, irgcnd einev
fittlicfaen Regel andert alt dadurch Eingang
lu verfchaffen , dafs tnan die Befblgung der-
felben mic dcr Ausficbt auf niancherley finn<
licheGtiter verbindet, gleich(ani alt ob fiis
die blofse Schonheit der Tugend gar kein
Sian gcwcckt werdcn kuuutc. So ungegrnn-
det nun eine iblche Vorautfeteung itt, fo be-
tveitt fie doeh fo viel , daft Jener Sinn init
Miihe crregt und gepflcgt v^crdcu mufs,
Gleichwohl itt dcr Sinn fur die Schonheit
der Ttigend uoch nicht die flttliche
Gcfiunuug fclbst. Er macht nur, dift
man iich gern mit der Betrachtung dcr Den-
knngtart nach moraliichen Geieti en unter*
hilt, cinc Ordnimg dcr Dingc licbt, in wel*
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cher die Erfiilliing derfelben gedacht «icii,
uad fie gewift befdrdem wurde» vttm fie
keineo Wi<ientand in dcti finnlichen Neigua«
gcn finde. Es ist daher aiich nichts feltpes,
dais fich Menlehen ao der Schdnheit der Tu»
gend weiden» et gehe die Verfinnliehung der«
felben aiis ihnea fclbst, oder aiis andern her*
▼or» ohne darnach lu atrebea, in ihreo
Ilandlungen auiiudriicken» wat fie in der
Idee bewundem. Die moralifche Welt
ist fiiir iie das, was fur manchc MenTcben die
Feenwelt ist) dieeine wie dieanJcre befcbll^
tigt nur die Binbadungtkralit mit lieblieb^n
Bildcrn, und erregt dadurch ein GefuhJ, das
«old su deo feinem Freuden gereduet urer-
denkann, aber niebt dasfenige ist» «relchca
zur fittlichen Handlungsweifc antreibt;
Ei ist ein grofier Unterlchied, ob nan
die fittliche Handiungsweife tiberhaupt,
oder in Bcziehung auf f i ch, bctrachtet. An
und fiur fich l^nn fie Wohlgefallen erregen»
aber Mtsfalleny in Ib fem man fie ielbtt an-
nehmeu folJ. Wer nun nicht die Kunst ge-
lernthat, einenUnterfchied s«i(chen fieh nad
Andern, zwifchcn der gcdachtcn und der
wirkiichen Wclt, iu Anrehiing dei Sittcnge-
fetset, sn machen» nnd doeh Maximea he>
folgt, die dcmfclbeu widerstreif en , der hiC
vieimelir Widerwillen gegcn ailes, Waf
ihn an Recbt und Uniecht erinnert, ala
Wohlgefallen daran. Diefe Begrift Cfw
rcgcn Mi&falleu an fciner PerCon , und wer-
den detwegen auch lelhtt mit Misfaiieo be»
traehfet. In fo fern alfo dat Siltengefett liir
iins zu einciu G e h o c e wird, ist die Wirkung
deirelben auf unier Gemuih keine angenehme
Enplindung. Denn Liehe tu einem auf una
ielbst fich bezichcndcn Gebote ist ein Widcr-
fprtich, Wir fandendaherauch xwiichen ihr
undder Achtung, «elche dat Sittengelcts
cinnofst, iiach der nienfchlichen Sinncsart,
cineii eben fo gro^n Unterfchiedy als swi-
firhen der Pflicht und der Belriedigimg finn^
iieher Neigungen. Allein, obgleich die Ach-
tung ftir das Sittcngcfctz nicht nothwendig
ein Gefuhi der Lust enthtlt: ib kann fie
tioch auf doppelte Wetfe mit einem aogcneh-
mea Gcniudifiuftande verbuaden ieyn» erft*
licli, iDibfern Ite mit }eiiem Wohlgefal-
I e n aa eincr iiulichen Handlungsweife ver-
einigt itt} und tweytent, in Ib iern fie die
freye Unterwerfunf ausdruckt, welche
(als Wirkung,) zwar von dcin Gefiihle, (als
der Trieb£eder} su unterichetden itt, aber
doeh ebenlalls und voriugltch Achtung
heiftt» Denn da (ierMenfch Wohlgefallcn an
demhat was er thut: (6 kann auch mlt
der fieyen Unteiwerfung, ein angenehmer
Gemiithszustand vcrbunden feyn.
Aus dicfem Grunde find von dcm mora-
Ufchea Gefiihle oder dem Gewiffeny
nach dem Urtheile der gemeinen Vernunft,
cweyerley Wirkungea zu erwarten; Bcstra-
^ng und Belohnung. Wie die ersCe Statt
finde, erhellet aus der vorherfehenden Be-
trachtung. Demuthigung, Misfallen an un*
icrer Perfon* Geffihl luileri Unwerths find ua*
atisbleihlieb mit dem deutlicben Bewufttleyn
verbundcny dafs wir nicht thatcn, was wir
thnn folltem Und hienns tst aucb die
Wirkung des entgegengetetttea Bewufitieyns
— 374 —
leicht ciazufehea. Wer iich dem Gcfetie im-
terwicft» und fo dit BedUngting su crfullea
strebt , imter welcher dic Selbstrchatzung alf
xechtmSisig crfcheint, dcr isl frey von Vor-
vnrfen» und darf einen Bliek in iein Innerei
w a 3 c II. Dieft enetigt den eignen Genu fs, clcr,
um feincs inteilectuellen Urfprungs
trillen» von jedem andem Gefuhle dev Lust
iinterfchieden wird, und Selbtttufrie-
denheit hcilst. Das WoiUgefallen an der
Perfony welchef darin autgedlnlclLt wird, ge*
hort swar an und ftir iich tiir Sinnlichkeits
denn cswird von dcr Vcrnunft eingefchrinlLt}
in ib fem ei aber aus dem Bewufttfcyn einer
«iberwtegendeny diireh That bewiefeneny fitt»
lichen Gcfnuuuig flicfst, hat es cincn i n tc 1-
lectueiien Urfprung. £>enn die littliche
Gefinnung betteht eben darin, dafi der Wille
nicht von fnuilichcn Ncigungcn fondera
Ton eineui Gcfetzc bestimmt werdcy wel-
elies uns in eine, von der reinen Vemunft be«
stimmtcn Ordnung dcr Dinge verlettt.
Wenu wir nun feruer bcdcnken, dafs die
Selbstzttfriedtnheit gar oicbt Stott finde»
kann» ehe die Gewalt Jer Begiedlen <it dem»
was uuraittclbarcs Vcrgmigen gcwahrt, iind
felbst zu den Mitcein delTelben, in einem ge-
wiffen Mafse wenigstensy gebrochen ist: Co
liist iich cinrehcn , dafs in dcr Zufricdcnhcit
mit unf felbst auch auf gewilTe Weiie
diejenige liegt, igvelche lieh anf unfern Zu-
stand aJs finnlichcr Wefcn bczieht. Wcr
icine Beduxfnilsc cingefchfiukt hat, der hat
auch dann noeb Wohlg^alien an leiner Ezis-
tenz, wnn er eineMenge Dingc entbehrt,
vvelche von fo viclcnMenfchen als das huchste
Ziel ihrer Wiinfche angefehen werden. Dat
Bewufitfeyn einer Befreyung von Be-
diirfniffen gewahrt einen Gemifs, der
ebenfallf in der SeJbstsufricdcnheit ausge*
druckt wird, und nieht eigentlich einen
ThcildcrGlilckrciigkcit ausmacht, in (b fern
unter diefer die politive JBcfriedigung rmnli«
cKer Triebe verstanden wird» fondern eia
fchwachcs BiH dcr Scligkeit der Gottheit
ist, Denn dicfcr fchrciben wir eben deswc-
gen die Seligkeit su, weil wir diefelbe ala
irey von alleii Bedilrfoiiren denken mulfco.
— 376 —
Dahcr ist die Zufricdcnheit , welche aus dcr
Einrchrankiing der Begierden entftebl»
gant andererNatur tls diejenlge, welche mitdtr
Bcfrtedigung dcrfclbcn cnc(pringt. |ene
enthilt iu fich den Keim von Daiier und
Wacfatthum, und sit uber dai ganie Leben
verbreitets diefe einen Kelm von HinftJlig-
fceil und Zcrstoning, und fUUc oft fchon in
dem Angenbiicke fveg» wo nan glauben ibllte
fie iey ToUkominen. Denn dle finnltchen
Nciguugcn wechfcln, wachfcn mit dcr Bcgun-
itigung» und die Gcgenstiade derkibca ge»
iilhren gleichwohl dat, was fie su veri^re^
chen rchcincny oft nm Ib wenigcr, je stSrker
das Verlangcu darnach ist. *}
»J Die Ziifricdcnheir, welche aut der U n a b-
hangigkeit von bestimmenden Neigun-
gen encsteht» kann intellectueU und
diejenige, welcbe aus der Befriedigung
der Neigungen cmnthr, «sthetlfch hcifr
lan. Dic beydcn Gemfitlisanstlnde wetden
swar nlcht fctcen verwtehfelt^ fiod aber m-
fchieden, Dsher such die Fnnaofen swey
befondreWorte daf&r habcn. GontcDfenem
drfiekt dic mtcllecmelle, und Saiiifiidioa
die isihctifcfae Zufiiedenheit sus.
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— 377 —
Geht maB von der Wirkudg <lcr Tugend
auf dcii allgeniesiiefi GeAuthsiuttand det
Menrchen, zu dcr Wirkimg einzclncr mora-
iiTchea Haudliingen, felbtt foicher iiher, flie
grofie Aiifepferung fofdcm: fi> kann maii
auch da einen gewifTen damtt yefhundenen
Genuft denken. Auf dcn Kampfe, der zu
bettehen itar» kann eine Ruhe folgent dio
lchon an und lur lieh tuden angenehmen Em<.
pfindungen fu rechncn ist, und dcren An*
Behmliehkeit noch auf mandierley Weife vetw
mehrt mird. Durch lolehe Handlungen wird
das Wohlgefallen au der Perfon crwcitcrt,
und dat Gefulii der Wurdc crhoht} der
Menlch liehr fieh gleichfim dem Ziele nSher»
dat er dtirdi lein gantet Leben tu verfolgen
entfchlonen ist. So v;ie nun iibcrhaupt der
Sieg uher Hindcmille in jeder Angelegenheit
det Lehent, und die Annlherung tu irgend
cinem Ztele, ivelchem nachgcstrcbt wird, mit
Lutt erfuilen: ib fuiiret auch die bewierene
Kraft bey der Selbttverliugntmg, und die An«
naherung zur fittlichen Vollkommenheit un-
aushieibitch ein angenehinet Gefiihi herbey.
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— 37S —
Bedarf dlc inoralirchc Ilandlimg keines Kaiit«
pfes, Co kantimit ihr doch iu £o fernLitstver-
biiiideiireyn»aUuberhauptclas, «atvrtr chun«
init Wohlgcfallcn begleitet iit» und dieLcick-
tigkeit, iiiit der eine, ronstKarapf erfordcra*
Handlung gethan wird» ebenfiUs eiu
Zeugnils von den Fort(chritcen xum Gutea
ablegt. Uiberdicfs find viele Pflichtcii voa
der Aitf da^s die ErfuJlung derfelbea von
Folgen begleitet vrlrd» die unmittelbar oder
mitrelbar mit Befriedigiing tmferer linnlichen
Tricbe zufammcnhangcn. Wird bey deii
PHichtent dte (ichauf uns felbst beiiehen» die
Erhaitung des Lebens in eiiiem trostlolen Zu*
standc aiisgenoramcn : fo kommt es dabcy je*
derteit darauf an, da(s ctwas erhalten oder
erreicht wcrde, was sur Ghlckfeligkeit un-
fcrcr Fxistcni nothwcndigcr ist, als das, was
aufgcopfcrt werdcn miifs; Durch Mifsickcit
ieine Gefundheit tmd den ungchittderten Ge*
brauch der Kilfte erhalten, durch Arbeitfam*
kcit fich vor M^"gel fchutzen, oder feine
F<fchigkeiten erhohen ik C w. kann niemand
thun» ohne nach uberwitndcflem^ Widerstan*
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dc der Ncigungen, die folchen Zwecken Ein^
trag thtin, Zufriedenheit init (ich felbst zu
empfinden. Auch unter dcn Pflichtcu gegen
Andere gieht ei ihrer vieJe, welche durch
die Befriedigiing der Sytnpathie reichen StoiF
zur Erhohung unferer Gluckrdigkeic gcwah-
ren. Kommt denn nun noch der Bey£ill der
Vemunft fu dem was wir thaten: fo wSchst
oft dcr Genufs in ebcn dem Mafse , in wcl-
ehem iich» vonSeiten leibftiicherNeigungeiis
Hindernifle idgten.
So ftark aher in mancher Ruckficht der
Zuikmmenhang xwifchen Gluekieligkett und
Sittlichkeit ist; fo gewifs aiis dcji morali-
ichen Handiungea vicic angenchme Empfin"
dungen entstebens fo grofi der Werth dei
eignen Genuffet angeietat werden kann , wel-
cher in der Seibstzufriedenheit liegt, und fo
cntulckend das Bild wahcerTugend tst: fi>
mufi man lich doeh htiteny das Sittengelets
dadurch herabzurctzen , dafs man deu Grund
davon in den beibndem Freuden fuchei^ wel-
che die Tugeod gew^hrt» Dcan auf die Be*
— 380 —
hit^igans tin&rer finnlieher Triebe kaim
iinniittelbar gar kein Ge(eez gegriindef
werdeu^ wie geseigt worden ist« Dcr Genuif
aber» welcher in der Seibtttufriedeii-
lieit atisgedrtiektwinl, itt ntir eine Folge
der Beobachtung det Gefetzes , nicht der
Grund deHeibea; denn er betlebt leinem
Wefen oaek in der Preykeit von Vor*
wiirfen und der innern Verachtung,
tUKi obne Gelets wurden ketne VorwiirC^
ffurdekeineVenehttuigStattlinden. Uibetw
dicfs fctzt die Selbstzufi icdenhcit, als ein an-
genehmer Gemuthtzuttand» fiedin-
fungen Toratit » die, im Anfange det morali*
fchen Lcbens, fclten Statt finden, iind cUc fur
keinen McnicheD , iu jedem denkiichen
Falle» Statt finden konnen, wie aim»
iTiehro noch ausftihrlicher gezeigt werden
foll, alt fchon aut der Natur der Sellwtsufne*
denheit erheUt.
Wenn Handlungen gethau oder unterlad
lea werden IblieB» welclie einen Widerttand
ia den finnlidien Ncigungen finden: Ib kann
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ciA Gemiii aut einein rolcbeo pflicht<nai6i|ea
Betrayen niir in Ib feni kervorgeheiv alf te
Menrch Wohlgefallen an dcm hat, was er
thuty und diefes Wohlgefallen von der Ver*
nmiftieJbtt gebiliigec wird, Piefe Annehm*
Kdikett itt ttett uberwiegcttd» wenn et ■nf
Handlungen ankommt, die wir nach Belie-
ben thiin oder lailen luiaocn» ohne <l«t Sit-
tenfefets in terletieni «enn iber diefet
den WiDeii bestimmt, fo gefchieht es nicht
felten, dafs die fireye Unterwerfung, fo groft
dtt Wohlge£dJen an der Tbtt feibtt im All-
gemdnen irorgettellt werden kanit, clodi ktU
neoGenurs gewShrt. Denn foll derfeibe ein*
Iretea, ib muit die Pflicht keiner f ot twir-
kenden Neigong Abbruch tbtm. Wer
der GefchJechtslust, dem Ehrgeitze, derHah-
iiicht ergebea ise, kann auch daoo uocli»
«tenn cr fieb eatfebloflett bat* eioen Gegen-
itand feiner wolltistigen Begierde nicht zu
verfiihren , ein verwerfliches Mittel zur Be«
feiedigttng feinet Elurgeittet» feiner Hablucbt
ttieiitin gebrattebetty von feinen Neigungen
fo gequalc wcrdcnn daft dcr Gcdanke an die
Bb
— 38a —
Selbttvecliiugituiig vor der Bcgierde nadi
deniy waf er aufopferte, fchvrerlkh auf-
koinmt} zeigt ci: lichabcr in ruhigern Auge»
blickeo: fo kann er wiedenioi von der Be-
lchiniuug uber die fehlerhalte Gemtithibe-
fchafFenheit beglcitet , und von WohlgcfalleQ
•n der Perfon entbldlit ieyn. Komnit bicr-
su noch die Erinnerung an efaetnals began*
gcnc Fchlcr, dic mit dcn nciierlich vermie-
denen Aehnlichkcit luben : fo iiftt fichs kaum
denken» dafi die Demtifhigung, die ihm auf
dicfc Weifc doppelt widcrt *ihrt, cin Ge-
fiihl der Lu$t an der WiilensbeFtimmiiiig
ubrig lalfe» «elche die Veranlaflung daiu iatw
Von ^lcher Seite man alfo die Sache be>
trachtet, fo fchcint es ausgcraacht, da(s, Co
lange die Leidenfchaften fortCiliren^ die Ge*
gentt3nde ihrerBelriedigitng ali rcictend dar-
zustellen, und dadurch in dem Innern dca
Menfcbent leibtt nach der Wiiientbettim-
muttgy den Kampf gegcn dieVorfchriften der
Vernunft fortfetzcn, das Wohigefalien an
der Befblgung derleiben wloren gcfaea
muls.
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Wat von eiuzeUien Leidenrchaften gefagt
worden ist, kann atif den Hang «ir Sinnlicb*
keit uberhatipt angewendet werclen. Wenn
«iiefc in dcin Mcafchen noch hcrrfchend ist»
tuid ihr doch von der Vemunft bitweiieA
Ppfer abgedrungen werden t fo iat der
Schmerz iiber erlittcncn Vcrhist gcwohnlich
viel su starky und auch nach der Sclbstver-
ISugnung viel zu tvirkiani» ali dais er von
dem Wohigcfallen an der(elben au^^ogen
vvcrdcn konntc. Niin find wir aber fo be-
ichaffeny dais das Uibergewicht einer
EopfindttngunlemGeniuthsiiistand bestimint.
Als genicuend Konnen wir nicht ange(e-
hcn werdcn, ib lange die U n 1 u s t herrfcht,
tsenn gleich das» woraus dieieibe entsteh^
etwas bey fieh liihrt, das unter andem Um-
ifindcn tinrcr Gefuhlsvcrniogen angenehm af-
ficirt haben wurde. Der Aiiibrach eines Vul-
kans bringt an imd lur fich gewtfi lur die
meisten Mcnfchen eine angenchmc Empfin-
dung hervor; wer tbet dadurch iein Hab
tmd Gut verlierty bey dem wird man auch
uicht einea Schattcn von Vcrgaugen voraus-
984
lctfcii. Mit den fittlieheii Hantlliiiigeii, &
Anfopfimiiig erfordern , baf et dne ihnlidie
Bcwaiidnirs. Dic Hancllung ntl und ftir iichy
ali ein Erseugnirtf luircier Selbftthittgkcif»
kann wohl to betrachtet wcrden , ali fey lie
init Wohl^efallcM bcglcitet; 6ndet fie abcr
in dcr Siaaiicbkett einen Widcntand» der
aiich nach der Willensbettiinniung noch fott"
wirkt: fo ist das Bewufstfcyn, feinc Pflicht
gcthan luiiabcu» kcine Qyellc von Genuiiu
SoU dieler aui irgend eincr fittlichen- Hand-
lung cntfpringen, ro muis fie der Sinnlich-
kcit nicbts entrcifsen, defTcn Veriust aicbt
von demGewiiin fiir dai Wohlgefallen an un*
femi perionlichcn Werthe aufgewogen wer-
4e. Dicfe Bedtngung bcifst mit andeni
Diers wcifs auch jedermann, dcr nur einige
Menfchcnkenntnifs hat, fo gut, dafs es
felbst vertrauten Freunden Uiberwindung
kostet» in moralifcher Riickficht cinander
immer die Wahrhcit zu fagen. Vor leibli-
cher Gefthr unau%efonI<rt au nwnen, fin*
•dct jcdtr nodiwiadig, an dic mondHUw
hingegen wagt raan ofc gar nicht au cr-
innern} nnd wagt man cs, ist ct nidiif
L-y GoOgle
~ 385 —
Worten: <ler Menfch mu(s mcfat nur fittltche
Gelinnungen befitsen» ibndem aueh lchon in
cinera gewifTeii Gradc Hcrr fciner Ncigiingcii
geworden feyn, wenn nach Handiungen, cUe
denftlben suwider find, ntcht dit Gefuhl dcr
Unhist herrfchend bleiben foll. Ersf dann,
wcim cr diurch Natur und Frcyheit, durch
feltcnes, dafs, bey allcr Voificht, durch fol-
chc Vorhalrun^cn die Frhindfchaft gestorr,
odcr doch auf einige Zeit gcfchwacht werdc,
Ein mcrkwiirdtges Bcyfpiel hicrvon hat Swift
gcgcbcn. Hr hattc fcincn rreund Sheridan
niehrcrcinalc gcbctcn, ihn j.i /u wnrncn, wenn
er ctwa ira Alter gcitzig wcidcn follte. Er
wurde «S wtrltlich, und Sheridnn crinncrte
ihn t9 |en« Bine, indcm er ihm zugleich
cine Liite von Ztigtn des bcwiefeoenGcitief
fibergab. Zum Lohne dtlBxc erinnene Swift
fcinen Freund an das Looi von Gilblas, der
um der Erfullung einer ihnlichen Bitre wil-
leo, von feioem Principnl \ crsrofsen wuide,
Wcnn man nun eincn Widcrstand gegen mo-
ralifche Vorhaltungen felbst bcy Menfchen
bcmerkt, die fchon einen gewtifen Grad litt*
lichcr Gefinnung bcfiizcn, wie kann man
dcnn cincn Sinn fur dcn moialifchcn Gcnufs
bcy dcnjenigcn vorausfctzcn, dcrcn Rildung
zur SitUichkeit erst angefsngcn wcrden foil ?
— 386 —
phynrchen imd moralifchcn Zwang, durcli
fremde und eigne Kraft dahin gekommen isr,
6»& er ^ie Neigtingea» die fich auf ieiae
eigne Ghlckfeligkeit befiehen, in Ordnung
gcbracht, und denfeiben durch wlederholte
Slege die Machc benomiDen hat, ieibst oacii
der Willensbettimmung fertxuwirkeny kann
erdes moralifchcn Genufses fahig werden, und
die Selbstsufriedenhcit als ciu Gcfubl dcr
Lust betrachten. Es ist daher nicht su ver-
ivundern, wenn gleich zu bcklagen , dafs fo
viele Mcufchen gar kciucn Siun fiir die An«
aehmlichkeit haben, iie aus dem Gedanken
eincs gcordnetcn und wohlgefiihrtcn Lebent
cntstcht i dcna diefer Sinn geht nicht dem-
felben votfaer» fondern entfpringt erst «ut
demfelbcn.
Atts dieren Betrachtungen folgt» dafs die
Grenxen der Empfinglichkeit lur das foge*
nanntc fittlichc Vergntigcn gar nicht zu be-
ttimmen find, in fo fcra fie von dcr indivt-
duellen Befchallenheit der Menfchen abhln«
gen. Nur dic Bedingung kann man an-
geben, uater der Wohlgefidlen an eidec
mit Aufopferuug verbiindcnen That noch
«Is ein Genuif anxufeben ist i das Suttfindlen
deflelben hSngt theilt von dem phyfiichent
theilb voii <Jcm moralilclicii Cluraktcr jcdc>
Mendhcn ab. Was bey dem Eiuen von gac
ketner Bedeittung mehr ist» dai kann au£ ei-
nen Andcrn von gleichcm Grade der Sittlich-
keitcincn starkca liindruck machcn; Tem«
perament, Stimmung» Sufsere Lage u. C w«
fiiid hicrbcy von groltem Einilufte. Femery
im Anfaiigc des moralifchen Lcbcus ist vicl*
leicbt ichon die Aufopferung einei voniber^*
gehenden Vcrgnugent mit xu grolsem Sehmer-
fC verbunden, als dafs (ic um dcs darauf fol-
genden Wohlgefallent willent alt «iinichens-
vturdig angefehen werden konnte tmd sm
Fortgaiigc \wird vielleicht ein Gut, das maii-
nichfaitige und lcbhaftc Lust zu gcwalircn im
Stande ist, mit Gleichgtiltigkeit um der
PBicht Tvilleu hiiigcgeben. So ver(chie5en
abcr auch dicMenfchcn, thciJs in dcr wcfcnt-
iichent theils in der xufilligen Befchaffenheit
ihrei Charakters find : 1b kann man docfa ket«
— 388 —
Mii Ib firey von BedtiribUfca dcnkco» daA
dle BeobediCuiig dct SHtengeretzef, in iedeoi
deakliclieiiFallc, eincQyelle vonLuitfur ilui
Mde. Der Mealbli vefnag viel» wnaf
Ibgar, lieberleiiie korperlidieFreybeit aii&ii-
geben imd phyfifchen Schmen tu iiberneh*
neii» alt feiner Pflicht cnlfcgeii lu hciideUi
iber dami dielelbe dc eiii 'Mlttel lom Genift
anfehn kann oder foU er nicbt. Diels
£Shrt tur Betr«chtuiig dct Grenten, inncr-
halb welehen dct «im dcrSrfiillnng derPflichi
entstehende Vergmigen eingerchlorsen iit, in
(b fem dieie Greiucn nicht von der Beicbaf-
lcohcit eintelner Menfchen» Ibndcni
von <!er Befchaffenheit det Selbitverllug-
nung abhingem
Wenn ein Mann fich gezwungen fiehf, lein
Aint au£iugeben iind fich deni Mangel auizu*
flittcna iim mcht d«i Wcrkicng pflichtlolec
Bntwurle tu werden; wcnn ein Andcfer lie*
ber tm Kerker rchmachten und feine Pamiiie
tm Elende Uflen» alt fich ni eincm fidlchea
Zeugnific gcbrattchca laHen will: Ib legt je-
— 389 —
der fule Menlek eiaen Wcrch aaf das Be-
wufitieyii derReehtiehitfenheie, welches je.
tien Miiioern beywohnen inu(s. Wer et aber
wegfe fu iifen, in dieleni Bewufideyn iig»
firfats fiirdieOpfer, die fie ihrerPflieht
gebracht hatten, iind ein Lohn, um deflen
wtllen fie giticl(iich m preiien «Irens
wer et WBgte lu Hufiemy nan mufle |ene
Manner uicht unterstutzcn, fie wiren r e ch t«
fchaffene Minner, und aiiiblche fi&nden
fie in der Tngend ihre ganie Gluekfe-
ligkeit: der wiirde gcwifs fiir bofe ge-
halten» und det holinirchen Spottet beiciwi-
diget werden. Geietit aUb» et lUUtcn fieh
eihzelne Menfchen fo von aller Sinnlichkcit
frey gemacht , dais kein Schmen daa Uiber*
gewieht iiber die tmveilnderliclie .Rulie ihiet
Geiatea erhalten k5nnie; fii wbietet doch
die Vefnunft diefe befondere Einpfinduogsart
lumMafiaube fur uniereHandiuQgen <u neh*
mea. Denn wer ea tur Regel leinea Verhal*
tcns niachtey die Tugcndhaften nie ais lei*
dend lu betracliten, ibndem aile trai der
Ke^tichalKniheit wiUen moglicfae Au&pfe»
— 390 —
nnigeii io tnfulehen» als ob ih Jer S^lbitni-
fricdcnhcit hinringlichc Entfchadigiing lage^
wurde £o wenig auf die Zuitimmung allet
Menlehen reehnen honnenp dafi er anifer el»
nigcn libcrrpannfen Kdpfcn gcrade nur dicjc-
nigen auf fcincr Scite habea Mvurde» welche
an gar keine Tof end gUuben.
Fragt man nach dem Grundc der Unni6g«
Itchkeit der allgemeinen Sinttimmung lu je»
ner Regel» (o kann man ihn in dem Geiite
dcs Sittcngcfetzcs Bndcn. Es vcrlangt nicht
die Unterdriickungy fondem dic fiin-
fehr*inkung unicrer Selbftltebe, und ge-
bietet fogar die(e Einfchrlnkung dctwcgcn,
damit allcn Mcnfchcn , aU finnlich ver*
nunftigen Wefois gleiche Rechte an der
Gluekfeligkeit, welehe von der Befrtedigung
finnlichcr Triebe abhingt, gcHchcrt wcrde»
£• fctzt diefe voraus, weil foott keinemMeop
lchen Unrecht gefchehen k5nnte. Denn wel*
chcs Unrccht kann Wcfcn widerfahren , die
in dem Bcwufstieyn ihrer Kechtfchaffenhcit
jedeneit Edati fitr die Aufepfenuig ihm
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Kcigttiig fSndeii, mi folglich uber jedes Be*
diirfnifs erhabcn warcn ? Sind nun aber die
Menrcheit nicht foichc iimienfreyey foiidera
bediirftige Wefen: fo tnufs jede diirch Un«
fittlichkcit Andcrcr crzeiigte Einfchran-
hung der Neigungen als ein Veriust an*
gefehen ijserden, den der Menfch tn ieinen
rcchtmafsigen Anfprtichen auf Gluckfeligkeit
ieidet. Uod folche PHichtcn, weiche biois
detwegen Attfbpferung fordern, weil es un«
ittoralifeheMenfchen giebt, find eben dieje*
nigen, welchc, an iind fiir fich, nie ali
eine Qs^He iiberwiegenden Gentifses angtie*
faen wtedenkonnen oder follen. In ei*
ncr Wclt, wo das Sittcngcfetz allgcmcin be-
folgt wurde, hatte iiein Mcnfch zu fiirchten,
um feiner giiten Gefinnungen wil-
ien, zur Vcrzichtlcistung auf (ein Atnt gcno-
thigct, odcr gar niit feincr Familic ius Elend
veriettt ntwerden; und dieAufopferung, die
in einer ganz nach tnoralifchen Gcfetzen re-
gierten Wclt nicht Statt finden wiirdc, foli
luch nicht £6 angefehen werden, als ob fie
ein Gegenstaod der Lusc feyn kdnnt&
— 39« —
X>'u6 hty Cpiele 9 die d«r Bettimmiiiig der
Gfenfen dei noraliicheii Geiiufies timi Gntn*
de gclcgt wordeii fiad, bczichcn fich atif die
SelbsCverlaugnung» welcbe durch unmit*
telbare Ungerecfatigkeiteo etaieliicr Pev-
fonen gcgen andere nothwendig gemacht
wird. Diefe iinmittelbare Uugercchtigkeit
aber iit nicbt nothwendig, um die firfiUiung
der PAicht «It von Genuff entbl56t» dirtu-
ftellen. Auch mittelbar kanu die Unntt*
Jichkeit eiiifelner Menicbeo tu einer Selbtt-
wliugnung nothigen» welche die Selbtttu-
friedcnhcit dcr Annchniliciikcit bcraubt^ die
tn vielen FHiicn diiout verlHiiiden itt».
Wenn einMann von grofscm Einfliirse die
Nothwendigkeit fiililt, rcinem unwiirdigea
Sobne tu keinem ehfenvoUen Amte beforder-
lich tn leyn ; wemi ein Anderer von lehr ein-
gerchrilnkten Vcrmogensunistandea blofs dcs-
wegen eincn Theii feinet geringen Einkom-
ment der Ertiehung einet hulftbedurftigen
Vcrwandtcn widmen mnfs, weil dicfcr von
dcuen verlaflcn wirdy die et iich in dcr Tiiat
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ttuu Vergnugea macben koiinten, ihrea
Reiehthum zu feiDer Untentiitnmg tu ge*
brauchen: fo wird in beydeii Fallen das Be-
wiirstfeyn, reine Pflichc gcchan zii habcnt
Selbsttufricilenheic erteugen* diefelbe aber
vontittelleny alsob lie dai unangenehme
Gefiihi der Selbstvcrjaiigniing iiberwiege^
wird keinemMenfchen einfaiien. Oenn eine
fblche Vorstellung wurde die Mogliehkeie
des Wunfches nach Gelcgenhciten zu rolchen
PHichten vorausfctzcn , und diefe Moglich*
keit liegt in der menfehlichen Sinuefarc aul
keine WeilSf»
Bisher haben «ir die Uafitclichkeit ein*
lelner Menfehen als die Urfache einer
Selbstverrdugnung bctrachtef, uelchc nichc
mic uberwiegendcn Vergniigen begleicet ieya
kann. Es fliefit aber eine folehe Selbstver-
hlugnung oft atich aiis dcrgegcnwirtigen Eiii-
richtung der Dinge iibcrhaupt, in fo fcru die-
felbe cheils von uberfflHchcigeiL Sinn*
itchkeit erteugt, theils um derlelben wif.
Icn nethweudig gewordcn ist» Obne die
— 394 —
Uibcrmacht uiieingerchrinkter Ncigtiiigeii»
wurde jenei ungeheuie Mif verhaltniif ina Be»
fitse der Mittel sum Genuft entweder gar
nicht Statt findcn, odcr wcjugstcns nicht dic
druckende Noth det Armen sur Folge habeni
ohne Uihermacht der Sinnlichkeit wurde nie
der Ungefchiekte und Unerfiihme dem Ge»
fchickten und Eiofichstvollen zu befehlen ha«
ben. Und wie vieJePfltchten find nicht hioif
deiwegen unangenehmy weil fie dat Strehen
nach den nothwendigstca Lcbensbediirfnirscn
gegen fich liaben, oder weii dat Verdientt
dem Unverdienite fieh unterwerlen muis,
Uibcrdiefs raiilTen blofs iim der Unnttlichkeit
der Menrchen wiileny Hccrc untcrhaltcn und
Ahgahen erJegt werden; und hey dieien
nothwendlgen Einrichtungen ict das Maafi
dclTcu, was von Frcyheit und Mitteln zum
Genufi aufgefordert werden foli, wiederum
oft gar nicht in Verh2ltni(f mit dem» wat |e*
dcs Glied der Gefellfchaft dafiir erhalt. Nun
ijpricht fich xwar, um diefi» Misverhjiitniiiet
willen, der moralilchgefinnl^ Menich nicht
von der Unterwurfigkcit untcr dic burgcrli-
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chen Gefetze frey i in fo fern aber die dahet
enCiteheiuieii Pfliahten Aufopfentogen fbi^
dern» diefeine recbtjnSfiigen Anfpruche
auf Giiickfeligkeit mebr einfchranken » als cs
ohne die unrechtniliftigen Anderer no*
thig wHre, find fie fiir ihn keine Qnelle uber-
\7iegencl angcnehmcr ErapHndung. Dcnn er
wiirde derfeiben gern iibcrhoben reya; und
kein Menich foil die £rlullung iblchev
Pfltchten fo betraditen, alt gewHhrfen fie ei-
nen Genufs, der fiir allc ScJbstverriugnung
enticliidige; er foll im Gegcntheii streben»
Ib viel an ihm ift, eine folehe SelbstverlSug-
uuug immer weniger nothwendig zu machen.
So weist utts das Sittengefets ielbst die
Grcozen an, inncrhaJb wclchen dic Sclbstzu*
fricdenheit als ein bcgehruogswerthcr Gcnufs
vorgesteUt werden luinn. Oiefe Grenten find
die bestimmtesten» aber nicht die einzigcii.
Dafs dcr Mcn(ch feinc guten Ccfuuumgea
durch die That beweiien miifie» fiehC
«r W0I1I9 wenn er nicht gant fiilfche Begril^
voa lugcud hatj als finaiichvemiinftige
WdeD «bcr kiui cr nieGdcfcalieitai ni IbU
chen Pflichten wiiiirchen, dcrcD Erfullung
gar nichtf weiter gewihrt, als das bloiia
Bewufiereyoy leiiie Wurde beliaiiptet tu
liabea* Die Brfaaltung ie» noralifchefi
I^bens kann nit der Erhaltung des leibii»
cben verglicheo werdeo. Iit die letiten
oicht tiideri Bb doreh Mittd no|f ieh, die an
Und fiir fich keinen Rcitz haben , fo muiren
wir fic frcylicb gebraucheni Abcr gem ver-
diiigen wir die AnBekmlidilwit der Mittel
init dcr Behtttptung des Zweckt. Bey der
Erhalcung dct moralirchen Lebent ist die
menicliUehe Sinncfart ebendielelbe. Anch
wendet die Vemunft an und fitr 6ch dawider
fo wcnig etwas ein, dafs iie dicfe Handhmgf*
nrtfiigir in vieicn FSlllen iiir indirecten
Pflicht maeht. Bey derWahl uderer hur-
gcrlichcn Bcstimmung zugleich auf die Nci*
gung lu gewiiicn Geichaften und auf den
Nntf cn Eu lUien» dcn fle der Gdellfchaft
leisten, heist vcrnii nftig handdn. Wird
fo dic ^ictlichkeit mit der cignen oder der
fircmden Giuckfetigkcit vcreinig^ 6> bcfiodct
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— 397 —
fich dcr MeiiTch wohlj wo aber fSr feiae
Siimlicbkeit ga/ keine Befriedigtmg, weder
dureli eigendiehe Seibscliebe, noeli dtirehSyn-
pathie crreicht wird , da isi der cine Thcil
feines Wefenf mit dem andem in einem Strei*
te begriilen, «oiu er eben fi> imig (ydegen-
hcit wiinfchcn kann , als unangcnehme Nah-
nmgsmitecl znr Erhaltung des JciblichenXe-
bcfli* Gleichwohl find die Yolikomme*
a«n Pflicbten von der Art, dafi fie jene Un-
annehmlichkeit oft bey (ich fiihren. Hat jc*
luad einen Vertrag gemacbt» wobey er hio*
terher fieht, daft der Vortfaeil gant auf der
Seite des Andcrn i^ty tmd doch, nach Lage
luul UmsUnden» uicht ia Vergleichung niic
dem Verluite lu feCten ist, den er felbtt da.
bey leidet; fo ist er iwar verbunden, fein
Wort zii halten, aiich vicilcicht cntfchJof-
fta» den Verlust tu verichmcrsen ; aber
gewifi wird cr lieber, mit Einwilligung des
Andern, den Vcrtrag aiifhcben als das angc-
nrhme Geiiihl» welches iu der Seibstiu*
frtedenhett liegt , bdialten wolleu.
Ebcn fo ist es mit alJea Pflichtca wo das, was
Cc
398
siifgeopfcrt werden mufsy ip gar keineia
VcrfaHiciiBiM mit defn tteht, vtn dadurcli cc»
leidit msd.
Zu grolsen Opfcm untcr folchen UmttSii»
den itt gewobnlich cine Unbilligkeit von
irgcnJ eincr Scitc tlic Vcraiilafrung, und cs
fiiiit dann diefe Grenxe d«rs moralirchen Ge*
ntifiet mit der vorher angegebenen in Eint
sufamnien; dieit ist aber nicht immer der
Fail. Deun obgleich cine v o r ii b c r g e h e n«
4e unangenehme Empfindnng fitr gar niehtt
surechnen ist, Ibbald durch Uibcmehmung
dcrrelbcu irgcnd cin Zwcck crreicht vjicd,
der fut unt oder Andere eincn bedeiiteiideii
Einfiuit aufGluckfeligkeit hat: ib itt fiedoch
binrcichend die Veraniairiing dazu als nicht
wunrchcuswurdig darzirstellen, wcnn gar
nichti weiter erreidit wird» ait dat Bewufit«
feyn feine Pflicht nicht verlcfzt cu lnibem
Dieis ist befondcrs dcr Fall^ wcnn jcnc unan*
genehme Empfindung aut imterdKickter Sym»
pathie enttteht Denen die wir lieben, Ce^
f^UigkcitCQ uud Dicnstc abzufcblagcn, wcil
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fie mlt euier itfesgeii Rechtfchaffeiilieit naeht
bestehen konncn , ist eiae Selbsfverriiigniingy
zii der {ich kein Menfch Gclegeaheit wiia»
fchea darf, ohae ielbit feioeGelianungen ver-
^lchtig xu nuichen.
Pflichten» die fiir <iie Aiifopfentng gar
keiney derfelben «ngemeffene Wirkung
verfprechen, gchciren ohne Aiisnahmc zii dcti
fCrengen Pflichteii. Bey dcn unvoli*
kommenen muff jederzeit ein Zweck vor-
lchweben, deffen Errcichiing mchr werth ist,
ah (las, was er aii Aiifwaad von Kriftea uud
Mitteln zinn Genuiiie fordert. Wenn eber
der Zweck verfehlt wurd» dann tritt gewohn-
lich cben der Wunfch ein, welcher fo oft die
Uandiungen der Gerechtigkeit begleitet
Macht auch die gehabte Aiif ficht auf daf <u
LcwirkcnJc Giite, iini Jas Jamit vcrbundene
Bewufstfeyu fittlichcr Geiianung» dais in den
Fillen, wu nur voriibergehendef Vergnugen
fiifgegeben worden isf^ die unangcnehme
i^inpiiaduiig iiber den crlitteucn Verlust bis-
wcilen gar nicht, und bey aroifen Op£erfi
— 400 —
imiiKler gefiihlt wird: fo ist doch wohl
ichwerlich cm Menich nt findent dcr in letf»
tem Falle nieht fern dit noeh ttbrigbleiben<ie-
Vergnugen hingeben w{trcle« weao er dafur
dat wicdcr crhalten honnte» wis cr «i%e-
opfierc hat Dider Wnnieh itt noch ttlrkert
wenn geradc das Entgegengeretzte von
dem erfolgt» wm heabficbtiget wtirde. Wat
blciht dann von 4cr Sclbttnifiriedenheit mehr
iibrig, ali ein negativet WohlgefaN
len an der Perfon» eine Freyheit von Vor*
wurfen» die Troi t gcwilircn kana, aher
kcinGeftihl der Lutt itcf Dcandnlbl»
chcf wird ungcrii aufgegcben.
Iit dcr Mcnlch cndlich Ib glueklicb, daft
die Unfittlichkeit Anderer IKn zu kei-
nem bedeutenden Kampfc roit feiner linnU*
chen Natur auiBbrdcrts bcfindct cr fich tn ca»
ner Lage^ in wclchcr die tf rcngen Pflich-
tcn ihm keine Unlust machen» und wo er dic
Errcichuag leiacr gutcn Abfichtcn nut
Wahrfchcinlichkeit'hofica kana: Ib darfcr
fich doch oicht fchmcichcJo» daii allc
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Hindliiogen, welche (UfSitreogefets votiUim
fbrdert, iibeiyviegeoden Gentift verfpreclien»
odcrgewahrcii. Dcniicrist, cbcnfeincrgliick-
Uchcn Lage wegeo» Eu einer Wohltbitigkeit
verbunden» die» in threm ganien Um-
fange, nichr immcr in Uibereinstimmung
mit feiuem Vergniigea feya kann. Icde ein-
seine fogeminnte ▼erdienstiiche Piiicht
lunn freylich fo vorgettellt fterden» olt ob
fie niit Liisc lohne; cs lifst (ich aber fch^ver*
lidideakeny daft irgend ein Meofch je die
BereitwiUigkeit su allen den Aufopfienin^
gen erlauge , welche die practifcbe Vernmift
alf nothwendig darsteilt.
Wenn die Medbhen, alt ▼ermtnftige We-
{cn, den Anthcil zii bestimmen hatten, deii
jeder an der Giiiciiicligkeit haben roJiy in ib
fem diefelbe von den Gefttien» und von der
Ztifararacnwirkung aller Glicdcr einer Verei-
nigung abbingig ist: fo wiirde cioe voll*
kommene Uibereina timmung hcrr-
lehen) dieie lifft lich aber nicht anderi ali
unter dcr Vorausfctzuog denkeo, da(f jener
Andieil gl«ich gefetity naA, wtan dat
Uibergcwicht dcr Sinnlichkeit als moglich
angcnommea wird, nur iim diefes Uibcrge*
«ichts wilJen, tur Scrife» dieCer Antheil
▼erktimaert werde. Wer allb damaeh nth-
tc, (ich auf Kostcn andcrcr eiiicn grorsem
Antbeii su verlbbafSen» der wiirde, iciion tim
didcf Strebeni willen, fich ibgar det glei»
ohen Antheils unwiirdig uiachen. Denn
diefcr gebuiirt ihm nur alf vemunftigen We*
ien, als etnen Theilhaher an der ailgeoieinen
Gcfctzgehiing, imd Jiefcr Wiirde geht cr ver-»
Itistig, indcni er nicht die Vernuuft hort»
Ibndeni fcine Selbttfucht «v Geletfgebe-
rin aufiEuwerfen ttftht*
Aut dem Gnindfatf e, dafi» nadi der Ver-
nunfty der Genufi unter allen guten Men*
fchcn gleich feyn wiirde, folgt frcylich nicht,
dais diefe Glcichheit iich auch auf die Mit«
tel sur Gluckleligkeit erstcecfce. Unterder
Voja»isrcr?.!ing eincr natiirlichcn, unverfchiil-
dctcn, diirch manchcriey Verhiltniire crzeug-
ten^ und mit der gcgciniartigen Einrichtung
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— 403 —
der Dijige nothvieadig verbundeiieii Ver*
fchiedenheit der Menlchen, wiirde dio
Veniunf t nicht niir eine Mannichfaltig-
keic dcr MittcJ zum Lcbensgenurs, £)ndcra
auch eine gewifle Ungleichhett in dem
M^fie derftflben gut heifien« Wat Einem
Menrchen zuin frohen Lebcn genfigt, ist ei-
nem Andcrn, ohne lein Verichulden» nicht
immer hinreichend. Anch will jeiie G I e i cb-
heit nicht iagcn, clafs nicht einzelnen Men-
fchcn, auf mancherlcy Urlachcn, Vorthei-
le und Vorztige mit Recht eingeiVumt
werden kotinten. Aber alle follen fich doch
eiiicr folchen Einfchrankung der Neigiingen
unterwerfen, welchedic allgemeine gleiche
GluckfeHgkeit moglich machen; und VontT*
ge kunnen nach dcr Vernunft nur untcr dcr
Bcdinguug eingcraumt wcrden, dals da*
liir etwas geleitlet werd^ wai die Gkichheit
wieder hcr«telle«<^)
*) Dafs die Vemunfc tnf diele Gleichheit drin*
gc, fchen wir bcy iedcr Gelegenheit, wo
iich dieMcnfchen freywiUig an gewiflen
Zwccken vftdnigcn* Oluie hiaUngtidie
404
Wenn man fo die Gliickreligkeit als ein
femeuifcluftUchct Gut aniicht, auf welcliet
fecler Menieh, ab mniinftiget Weleii» gki-
chen Anipruch hat, und dat daher zti befor-
clcrn jederzeic Pflicht ttt» fooft nicht die
cignen gerechcen Fordennifen und dk
ttrengen Pflichten darunter leiden; «emi
mau die Vorztige nn Gluckgiitern alt cine
verbindciidil Aulforderung aniiebty fur daa
Bette der Menichhett tu wirken: Ib erhllt
man fiir die vcrdicnstlichcn Pflichtcn
Urfachc wird kein Unterfchicd untcr deti
Gliedcrn einer Gefellfchafc gemacht. Wird
ifgfad Eineaiein Vorsug cingeriumc, Ib
gcrchieht ct in Rfickfichc tuf Verditnt^
Hierbey tst «ber dtc Uogteichheif mir tn«
f ch c i n e nd, nichc wirldich. Denn um dtt
Verdicntcet «illcn» mthr crhtlttn tb
Anderc, heiftt nichit tndert, tb tuf dtr
cincn Sette Erftit ftir das crhalcen, wia mtn
tuf der tndcm tufgeopfert hac; um dct
Vcrdienstes wiUen Vorziige enhcilcn»
heiitc oiit den Lasten die Vonheile in angc-
tneffenes VerhMtnifs ferzcn. Diefs aber,
weit enf^fenn die Gleichheit zu storcn,
geht von dem Gtdankcn der Noihwen-
digkcit dcrfclbcn hcrvor«
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— 405 —
ciaeii Ib «eiten Uoifaiig, difi et woU kcia
Menfth wagcn wird zii behaupteii, dafs in
dcnirelben stets mit den moralirchnothwendi-
gen Handiungcn tuglcich Gennft veibundea
&f. DenndaiSittengefelt ferdert, dat eignc
Entbchrliche dcm fremden Nothwen-
d i gen «uficuopfem s iwiCelien fich leibct itnd
Andem» bey dem Gebnuehe der Gliiciugiiter
tind der Krafte, keinen andern Unterfchied
ftu machcn, ait dcn» weidien die Groiaa
det tu erBeidendcn ZweelKs und die Wiir«
digkeit bestiramen; imd dic Vorziigc,
wcichc aiif dcr ciocn Scite eingeriumt wer«
deuy auf der andem der Menlclilieit nt
TcrgiSfen.
Dafs atis dcr Vernunft eine folche, auf
Gieichhcit dea Gcnuitei liinwirkende Hand-
lungtweiie hervorgebe, kann kein Menich
iaugnen. *) Wird dc alfo nicht wirkJich*
«} DieGlcicMicicdarMtacl inm Gcnu6 auf etoe
gtwiltdrilciga WctliB bewirkcn su woiltn»
ittUnrecht fie ah nAglkhsudenkea» fo
lange dic Mcnfchcn unvollkommen fmd, ist
Chimires die Gleichhetc des Genuftct
Itlbtcabcriubcf6nlcra, ifc Pflicfat, «ic
inid.fia^t vtelJeieht rchoa derGedatikedaiin
Widerseand ; Co klnn der Gnmd davon ntir
in dcr Sclbstrucht licgen» und eben das, wat
diefe su diiin hindert, wat aber nach der
Gefettgebung der Vernunft geiehe-
hcn wtirJc, ist Pflicht. Atich kann raan
dicfelbc in fehr vielen Fillen alf eineArt von
Uoifer Gereehtigkeit vorstellen* Ba iit
namlich keinem Zwcifcl iintcrworfcn, clafs
eben die b ii r g e r li ch c Gcrellfchaft, welche
lur einen grofienTheil der Menichen viel-
laltigenGeniift bereitet, cincm andemTheile
fogar dcnjcaigcn vcrkiimmcrt, dcn er in der
Wiidheit gefunden iiaben wiirde. Wer
allb, vcrmittcltt der Vcreinignng unter Ge«
fctze, rochr erhilt, als cr ohnc dicfelbc ha-
ben wiirdcy ja mchr» als er, wcnn er nureini*
gernKiCsen vcrniinftig denkt, bly einer vott
ihm fclb tt bestimmten Anordmmg der
Din{;c vci l iugcn wiircic, der iibt bey der
Wohithiitigkeit, durchdieery vermit*
in dcm Hsuptj^.cbotc dcs Christcnthums,
fcincn Nachstcn wic fich felbsc
au lifibcn, gclchu wird.
— 407 —
tsUt dt$ ihm zugefdJeneii Uibermaif eiy ^em
Elendle abhilit, blofi eine ArtTon Gereeh.
tigkcit aus; dcnn cr glcbt dasjenigc zii-
riick, was er» nach der Gefetzgebung der
Vernunfit, gleichlani nur itir Verwaltung er-
halten hat, iind hiilt dielcnigen, weichedurch
ebeii (lic Hinrichtnng, dic ihm fo viele Vor-
theile verfchaft» oft alles verlieren» nur ei«
nigermarten lehadlot. Mit^emAu^an*
de von Kraftcn und Fahigkciten zum Besten
Anderer» hat es gieiche Bewandnifs. Durch
die burgeriiehe GeieUfchaft werJen fie ge-
weckt und crhoht, und zuar auf einc Art,
die von Glied zu Giicd am £nde gewuhnlich
eine Aufopferung von Seiten gewifler
Menfchen, vorantibfat; diefe Atifopfening
aber durch dic Dieiistc» dic der Gereiirchaft
geleif tet werden, einigermalien vergftten» itt
Gereefatigkeit im weitetten Sinne.*)
^ DuTch diefe Anficht wiid auch der Einwen*
dung bc^cgnct, die man 5C|;en den weitcn
Umfang dci verdienstlichen Pflichten ctwa
davon hernehmcn konnte, dafs man fein
Vernidgen doch felbtt crworben habc;
— 4C8 —
Die vcrdieaididieii Pflkhicn fiad hkAm
«ur betraehtct wordea» tii wie fecn fie eiae
Woher kamen denn die Rrlite und Mictll
dflzu ^ — Uiberdiefs foUte ratn bedebkca»
di(f 10 dcn metsten FiUen felbit der Er*
verb eines grofsen Venii5gens nicht an*
ders als dadurch Statt finden kann, daCi tuf
der einen Seite eingebufst wird, wes fluf
der flndern erwor ben wird. Die Einbufse
gefchiehc entweder dfldurch, dflfs den Er«
werbgefchiften eine Ausdehnung gege-
ben wird, welche Andcre in eben den Ge-
fchflften nichc flufkominen Ufsc, oder dfl-
durch, difs dtt eigne Arbeit sn cinea
liohen, und dit Arb^ A nderer m ctncn
nicdrigcn Prtife ingclchligen «iid. bloft
weil dic einc nidic abcrfehcn werden
fctnn, nnd dic tndtrc nur nteh dtr Con*
cnrrtni dtr lltnlchtn gdchlttc wird,
dcocn mfln noch cinc Wohlchtt zn tr«
zeigen gUubt, wenn mfln fich von ihrem
Schweifse bereichert. DerLohn foUw
SMh der Gr6fse und nach der Dfluer der «!•
gewflndcen Muhe bcsTii«mr werden. Wena
dief? nun aber bcy dca gcwdhnlichcn Arbei-
cen gar nichc gefchieht, und grdistencheiU
daher der dnickende Mangel fo vieler
Menfchen fluf der eincn Seice, und der
Uiberflufs fluf der flndem encscchc: fo
hat dcrjcnigc , welcher fich im lecztem be-
findec, tiae groise Schuld tn diejeoi-
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— 409 —
«Jlgcineiiie GluckCeligkeit befordera
IbJleti. Betracbcet man fie in Beiidittog auf
Sittlichkeit, die ebenfaJli jeder Men(eh
befordcrn foU, tmd die fehr viele Opfer
nothwendig nacht: ib mixd der Umfang je.
nerPflichten noch mehr vergrdfiert, und bey
diefcr Erweitenins Yif^t (ich noch wenigerals
lUTor die MogiicJikcit dcnken, daiii fur den
M enfchen die Beobachtunf det SittengeletUfl
Jedcncit mit Gcnufs vcrbundcn fcy.
So grofi alfo der Werth der Selbetiulrie*
denheit ift, Ib hoch audi dat Geliibl der
Wurde eincs vernuiiftigcn Wcfcas uud dcr
%tn ruriickzuzahlen, welchc durch den un-
g e r e ch t e n Mafsscab , nachdem der Lohn
cingcrichtec wird , um den frohen Lcbensgc-
nufs gcbfidit wtrdcn. Dit dabcy obwaU
icndt Ungercchcigkcic iit freylich fon dir
Aft, difi ihr iKin intnfcUicbcr Elcbitr «b»
htfftn kmn. Ancb lifit ficb bcbaupctn»
dait bty dtr gtgtnwinigm Siarichtung dtr
Dlngt jmt Ungtrtcbtigktic nicbt giiis vtr*
micdtn werdcn kann ; abcr cben deswtgtn
tst jeder verbunden, lic wifider gut an
machm uad dts an chua wti «r ihun kflnn.
— 4*o —
Freyhcit von bcstimniendeii Neigtingen ange-
fecxt wcrden kaitii: fo iut <ienn docb dteier
Gemifs feine Greiisen. Dcnn Ib wie die
Sclbstziifrit Jcnhcit, abgcfondcrt von al-
iem Gefiiitic» was nicht von der Moraiitit
eiuer Uan<llun|p« fondera von dem Zwecke»
oder dem glticklichen Erfolg derfelben nnd
dcr auf Kaoipf foigenden Ruhc hcrkoinoit»
tii einselnen Fillca niclit aii ein Vcrgnu*
gen betrachtct werdeu kann: Ib macht fie
auch d,inn, \Qcm\ (le ais Fotgc dcs BcwufKt-
leyns uiirerer moralifcben Gcfionun-
gen iiberhaupt belrachtet wird» nicht
einen Thetl unierer Gltickfeligkeit aus,
Deini fo langc loan no:h ctwas von dicfcr
bebjilty mu(s man das Lebcn lieben; bey aller
Rechtfchaifenhett aber kann der Menfch Co
clend werdcn, dafs dcr Tod nicht nfir nicht
gcfciicut, fondern fogar gewuniciu wird*
Nur dann» wenn die moraltichenHaiidlungen
iliicji Zwcck crrcichen, ist in cinzelnen
Fallcn> und ucnn dic phyiilchen unumging-
lichcn Bedtlrfniflc befriedigt findt ist im
Al I g e m ei n e u dte Zufriedenhett init fich
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felbst etne Veredhinf; det Lebenigenufle^
und die Zuiiricdenhcit mie leincm Zusfiinde
niuglicb. Uibcrdicrs i;t Jrr Umfang der
Pflichten ifo vrcit, dtfs icJbtt diejciitgcn, iweU
che, einieln genonnnen, wir klich «1« eine
Qiicllc angenchmcr Enipnudung vorgestcJIC
«erden konnen, doch xufammen eine
SelbstverlXugnunf; fordcrn» dte^ beydemVofw
draiigen finnlicher Ncigungen, ohnc N n t h i -
gung des WiJlcDS» uud olmc Bcyfcitclbtzuog
der Rucfcficht auf Genufs» nicht als mog»
lich gcdacht werden kann. Verkennt man
dicfs alles, fo verfiiih maii m ciiii^ moraJi*
ichc Schw'irmerey, die io mehr siJa eioer
lUickficht iehXdlich «erden kami»
Es ist g^eigt worden, daft die Vernunft
unt die Verbindltchkeit aufiegt, nur
folchc Maxinien zu befolgen , welche als all-
gemeine Gefcue gcdacht werdcn k6nnen«
vnd dafs dle ficUiche Gefinnung in der Ach*
tung fiir dicfcs Gcbot bcstcht , uhnc alle
Kuckficht auf dic aiigcuehmc £nipiiiiduiigf
dle denmt entstehcfa kann. iit ftmer ge»
— 413 —
scift wotdcn, vie die Uuterwerfiiiig imter
«bt Gdets die Selbttxufriedeoheit»
imd maneherley «ngenehnie Gefiihle xnr Fol-
ge haben kaun. Wirc niin dcr daher entstc*
lieiide Ceiiiilf von der BeTchatfenheit, daft er
in der That alt Erfatx fiir jede tm det Sitten*
feletxef willcn ubernomnicney Sclbstvcriaug-
nung betrachtet wrden konnte: fo fiurde
weaigstenf ein Schein xu der Behauptung
dafcyn, dafs feJbst dic Vorfchriftcn , welche
die rcine praccifche Vemunft gicbt» nur
ifittel sur eriubensten Liift nlren. Denn
verwandelte fich auch dcr unbedingte
Ausfpruch der Vernunft: du follst fo haa-
deiiiy inden bedingten: handleib» wenn
du dir den h6ehtien moglichen Genufi vcr-
{ciufFen willst: fo konntc inan wenigstens fa*
gen, die Vernunft verdccke gleichlam ihm
Abfiehteny um fie detto gewiHer xn errei-
chen, und es fey in dcr FHicht nnr ciuc fol-
che Notliigung des Wiiicns, deren unan*
genehmes Gefuhl jederxeit durdidas dafw
auf folgcndc angenehme libcrwogen wcr-
de. Allcin auch jener Schein £Ult weg.
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— 4t3 —
bedenkt» daA dts GtfttZf welchet
eioe gewUTe Handliingfweire unbedltngc ge-
bietet, mgleich verbietct, dcn dahcr
entitebeudea Genuls alt Erfatt fiir alle Au£*
opfoung antttfdien. Denii anf diefe Weiie
bleibt gtr ntchts ubrig, wodiirch man be-
rechtiget wire» die £rfullung der Pflicht alt
ein Mittel tum Genufie vonuitellen,
Tbuc man et deflen ungcachtet, und baut
man ein Morairystcm atif die vcrtncinte
Gliickfcligkeit» die aiis der Beobachtung der
Vorfchriften der practi&hen Verniinft folgt;
fo kann cs nicht anders gerchehen, als indcm
nan den Wcrth der angenehmen Geluhie
tibertreibt, ^che geiettmlftlge Hand-
lungcn beglctten. Die(s thaten die Stoikei-y
«eldic lehrtcn, dafs das Bewuistfcya, frcy
voA alien finniichen Neigungen, erhabea
iiber Schmen und Vergniigcn tu fcyn, die
eiotige Lust gew'ibrc, nach dcr xu strc-
hen, dcf Wciien uad Tugendhaftea wurdif
fty-
So crhaben dicfc Lehre dem erstcn An-
blicke nach fchciat» ib verdient 6c doch den
Dd
— 414 —
Namen thut Schwlrnierey. Denn Ib
kann nun fchon \€dc, nach Gnmdriezen un*
•etooiiiiiieae Uiberfdireitung dcr Greo*
sen ^er oieiifchliehen Vemunft nennen, be»
ronden aber, wenn diefe Uiberfchreitung ein
Gefuhi betrifti und daii auf diefe Weiie
iiis Gremett dcr Vemunlt in dem Stoiftlies
Moralfystem liberfchrittcu wcrdeuy iit of>
fenbar. Nach dcmielbcn liegt der cigeiit-
licfae Beteimmuiiffgruiid lur fittlichea
Handlungfweiie la der Gltickfeligkeit,
welche aus ihr cnt(pringt — und die Ver«
Bunft gebietet unbedioft» ohne Ruckficht
•uf dielHbe; iudi demfelbeB itt dac Wohl«
gcfallen an der Perfon die einzige
lchte QtfcUe der Gluckfeligkcit — und dae
Vemunft ▼echietett ^bllelbe ib xu be*
trachtcn.
Diefe heroifche Schwirmereyy welche die
Seelensfirke luc Triebfeder der Sittlichkett
inaeht, kaim» la mdir dc dner Rtickfich^
nachtheiligen Einfludi auf die fittiiche Biidui^
der Meniclien iiaben. £• iit mir Wenigea
Ssmi liir dae Vcrgniigcn gegcben, wdchefalf
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— 4»5 —
letft«r Zweek betrtchtet wird , imd wer
iieCcn Sinn nicht hat, der ist nach jcncr Lch^
re fireyiich nicht glucUich, «ber auch leinet
VetliaJeeDtwegen mchtveraatworelich. Demi
wenn et mir auf Gefiihle der Liist au-
kommt» io gUubt jeder Menich das Recbt ni
haben» nach Gefallea die Mittel lu der*
jenigen en «Iblen, dic ihm am racisteu
fchmeicheln. Nimmt man abcr auch an, daia
der Sinn fiir jene angenefame Empfindung g»
Handlungen treibe, die dem Sittcngefetzc gc«
mafs (ind; fo ist doch die Gefiunuag in Co
fcru verfaircbt, alt fie nicht auf dem Gedan-
ken der Verbindlichkeit, (bndem auf
dem Screbcn nach Vergnugcn bcniht,
wodurch nicht nur dcr Geist dct Geictsee
au^elioben wird^ Ibndera auch mancfaefley
Verimingen entitehen k5nneii. Damit foU
Dun freylich nicht gelagc wcrden , dafs Men-
ichen» welche jene Meimmg von dem Grunde
•Uer Sittlicbkeit hegen, nicht moralifchgut
bandcln konnten. Bey der Inconfequenx
der menfchlichcn Denk- und Handlungfart
fdcfaicht ei iefag eft, da|f min «ui gant aii>
— 416 —
tett Gcuiideii hand^t» alt maii luch dm
angenoiiiiB^iieii Syftem tu htndeln vofgiebt.
A«ch iit Cf mir dicfcr laconrcqiieni zviiu-
lchccibeQ, dM& die Stotker gfo&tenthcils dus
PAiehten guC bettimmten. Denn bettehf
die wahrc Gluckfcligkcit in Jer Freyheit
von allcn iinniicheu Neigimgen , und ist nur
iim derfeibcn willen der Tugend nachtuitre-
bent fo mulTett davon vide Zweige auige-
fchloflcn wcrdcn, die fich auf dic finnlichca
Triebe beaiehen. Der iit im Grunde der
gfueklichtte» der iiach der gemeinea
Mcinung am meistcn lcidet; dcnn cr hat
dat Bewuiitieyn der Seelcnsfirke im hochstea
Grade. WeiC entfernt aifo dahin lu leheiiy
dafs phydfcher Schmen in der Gegenwarf
und ia dcr Zukunfty fiir uni fclbst und fiir
Andece vermieden «erde» muftten vielmeiir
Mittel in danfelben eidachc «erden. Dala
das stoifche Systcm fo ctwas nie lchrtc, ist
eine Inconiequens, weiche die practifchc
VcrnuttfCt demfidbcn fuwidcry anttcang.
Allcin, wcnn man yrcift, vrelche GewalC Mei-
nungenubccdaf Gcmuthlubeny ibkiuuiman
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itieli denked» dtit ein laU^ei Moralprincip
sur Verkennung der Pfltchten leite ; und
in dcr Tiwt war bey den Alcen iliel^hre voa
dem Selbitmorde ein Ert eugnlfi dei £dlelieii
Moralprineipf. Uiberdieif itt et bekanntge-
nug, dais aus einer, der stoifchen 'ihnlichca
Schw^rmerey» die Tugend in die Ablbado»
ning von der Welt» und in elne IreywUlige
Zufiiguog von Schmerzea gcfeUt ntordcn ist«
Gegen dlele ArC von moralilefaer umA ao*
d3ch(iger Schwannerey, fcheint eine War-
nung in unrern Zciten unnothig zu feyn. In
dem GefiShle der Freyheitvon finnlieiieaNei*
gungen feine GhlckieKgkeit «1 liichen, ist
ietzt der Grundfatz von wcaigen Menfchen.
Man erliennt ei an» dafs der Menfch Bcdurf-
iiiflen unterworfen iit» deren Befriediguag
Gltickieligkeit geWilhrt ; und nian bekJagt die-
jenigen, wdchcn die Mittel dazu fehJciu
Allein man tibertreibt doeh dea Werth dea
fogenannten morallichen Vcignugcns, tmd
uberfchreitet fo die Grenzen der Vcrnuntt
oicht weniget alf die Stoiker. Maa aucht
— 418 —
Sympatliie uaA Eigenlielietuclea dii»
figcii Tricbfeclcrn <ler Sittlichkcit i man
iiicht oft nur Sina fur das Schonc , Gto&e,
Edle feltner Thaten ni eneugen» olme
diefclben als Pfllchten tonuttellen» «nd
ohne daranf zu dcnken , die Verbindlichkeit
lu den tlglichen PAichten fuhlbartunM»
cheni nan Ipricfat vonderTugend nur alf
einer CLuellc befonderer Freiiden,
ohne an den Widerstand tu denken, dcn fie
in unierer Ssnnlichkeit ftndetj man «eitt auf
d^n Genufs hin, den gute Handlungcn getalli»
ren und fordert auf (ich gleichfam in denfel«
ben tu ▼erfenken» ohne an die NokhiieB*
digkeit einei ^esten Blickt auf die Fehiec
und UuvoUkommenheiten zu erin«
nem* Hieraua kann leicht eine phanUitifcho
Denkungsart enfitehen, die weder dem Geiite
des Sittengefetzes angeme(ren ist, noehielhit
den Buchsuben deifclbcn tu erfullen in dem
Ma6e antreibty in «elchem das Gefiihi dec
moralifchen Nothwendigkeit trel»
hen wiirde. Genufs aus jedcr guten Hand»
lung ▼ec^sechen» hei6t cntwedcr eine un*
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— 419 —
mogliche Vollkoiiiineiiheit vanutlctfen^
oder die mogliche nicht sumZiele menlch*
licher Betniihungen aiifstellen. Denn da$ Sit-
tengefets fordert mehr» und der Menfch
vermag mehr» als mit ieinem Streben nach
angeuehmeii Einpfindungen zuraramenstiinmt;
und zu wenig wird immer derjeaige thun,
der nur in fo weit Uine PilichCen xu erfiilien
ttrebt, alt Sympathie und ^igenliebe dabey
befriedigt wcrden. Diefe angcpriefenen
Triebfedem konnen nur ielten da wirkeo»
wo cs mehr auf die Unterlaffung des
Bdfen, als auf VoIIbringung des Guten
ankommt £s giebt daher Menfchea» die zu
jeder 'groisen und edlen That beieit
find , auch wirklich manches thun , was, aus
einem gewinen Gefichtspunkte betrachtet,
preiswiirdig ist, die aber nicht daran den-
ken — das B^fe tu meiden. Diefi» in
feiiicm ganzen Umfangc, ist das Schwerste
fiir den Mcnichen> weil er dadurch unmittel-
bar an Geniifi wenig oder nichts gewinnt»
und dic Befriedigung det Neigungen, die
suffl Bofen leitzen» fo viei Vergniigca ver*
— 4«> —
i^hf.«) Bifeallelie ana Syniptdac
verleitca oft fogar zum Bofcn. Wie viele
leiirige Anhiiiyeff det Revdutioiiigetites mo-
fcn fieh liir edel hallcn, mvl fic bcccU.
find, — ihre Pflicht lu vcrletien.
So verhindert 6mm sCetc Hinwcifcn auf Hand-
Itingcn» tocinen hohcn Gcnule gcwih-
rcn koonen , die yollhriogiing «ler elfengca
ttnd entcn Pflichtcn. Dieif ist aber nicht
dcr cinugeSefaeden, dcr aue 4er noraliichen
SefanfimNrey cnttteht. Die Grundung dcr
Tiigcnd auf fchmclzcnde odcr hochflicgcndc
GeCiifalc, hat auch eine ganx eotgegengcfctxte
Wirknnf ^n dcn, wai fic cn vcHprcchca
Wie weic es bey tina fokheo fihbthaftcn
Grundlige dcs Chanlnaii lait ciQam Man-
tam koamn ktaae. khti dai Seyfpid
w O. Ood, der mic Knft uad Ntchdmdi
dieSchdnhdiderTugcndi dai BdcUgcnde
dcr Rdigion damdkt , •UMndia gute Anstdt
bcMma, uad dabey nidit nnr in einem
fthr hohcn Grada dcr Wollust und dcr
Hahfucht ergeben war, fondcra fich fogsr
dufdi dnan fchiadlirhan gctrug an Galgm
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— 4*1 —
leheiiit Wer nilr nach dem Vergnugen
ttrebt, das aus edlcn HanJlungcii enrrpririG^a
katui» ift fo anzurehen, als folge er einer
Neigung» ieren Befriedigiing» oder Nicbc-
befriedigiing iuf leine Willkuhr ankofn-
ine. Hangc gJeich diejenigc, von wclchcr
hier die Rede itt« niit dem Vcmunfirgcfetxe
su&fnmen; tout doch nicht dwraiif gc-
griindety wenn die Gegenstande derfclben
nickt mit dem GecUnken der Verbind-
Itchkeil ▼ereinigt wcrden; imd ist fiedee
Grundes verhistig, fo ist ihr auch keiu
dauerhafter Einfluii auf das Vcrhaltca
gefichert. Et darf nttr jener Genuit auf ir*
gend etne Weife gestoft, oder Ton einem «n-
dcrn iibcrwogen wcrdeiiy «ric dicfs leicht
ducch ica fehJgcfchJageiien Erfolg mchrerer
Handlungen» und dureh veiVnderte Lagen
iind Uuibtaadc gcrchchen kann: fo ist auch
der edle Sinn mit allen ieincn Wirkungeii
daliui. Was follce den Menfchen, dcm ct
einmal nur um Vcrgniigcn in thim ist, be-
wcgcu, dcm^cibcu auf ciiie Weifc nachzu-
ttreben* ivo er es fi» oft vericbit hat^ und
— 4^3
nidit ittf cine andcre, wo ct e$ weit ficherer
CRciclU? Dieis ist noch nicbt alles. SellMt
Ib Ijflge dcr iogaiaiiiiie edle Sian bkibl^ *)
ist fehr tu (Srthtenf dafi er aielit eiiimal Ib
viel folche Handlungcii hervorbringe, die
wirkiich refar angenehmie Emp6n<liiiigen m
Begletteriniiea liaben koniieii» als blofie
Gedanke der Pflicht. So unwahrfchein-
Ikk die6 vorkomiiien nag, Ib itt et dodi
^erErfahning gemKsy und in Natur
Menfchen gegriindct. Er striiibt fich iwac
oft gegen die Vorstelhtng von blorser Sehul»
jligkeit^ «enncrilir auf iigeiideiiieWeift
entgehen kann, und findet fich dagegen von
ei) Da mtn im Allgcaifiiflcn dat Vorsfiglidie
jn tiner gewiflbi Art e d el nenat, Ib kaaa
dem Menfchen, wekher die ^be Selbft-
fucht abgelcgt hat , und die feinem Freodcn
liebc, euch auf gewine VVcife ein edlcr
Sinn zuj^cfchriebcn werdcn. Wenn cs aber
wahr, dtfs nur derjenige gut ist, welcher
feinc Pflichren zii eifullen strebf , fo har, in
nioralifcher Ruckfichc, nur derjenige den
ichten edlen S?nn, welcher vorziig-
liche Selbstverllugnung, uin der Fflichl
wilUn» beweist.
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— 4»3 —
dem Gedtuken an Verdienit «ngexo*
gen;*) er veniditet mit einem gewiflcn
♦) Verdienst, fluf Moralitat bezogen, wird in
zwcycrley Bcdeutung gebraucht: Es wird
der Schuld und der Schuldigkeit ent-
gegcngefctzt. In der ersicn Beziehuns
driickt cs das tus, was der Menfch aut
freyer Selbstthatigk ei c dazu bey-
tragt, lein Leben dem Sittengefetze gem9(s
ihMklittn, und bcttcht alib tn dcr freycn
Vntctweifiuig unter deflUbe. Dicft hci&t
dciwcgcn Vodicnst, ivtil fic dic ErfiiUunf
dcrBtdingung anzeigt, vntcrdcr vcnitin&
dgc Wcfcn Anfprudi tuf GlAcltfcligHcit mc-
dicn kAincn. Dcnn Schnld «dit tuf
Strflfwiirdigkcit , und diefc lchliefit
den Gedankcn der Gi<ickfeligkeit aus. Der«
fdben wurdig feyn , und fie verdienen, ise
£tns. — Scczt man Verdienst der Schul-
digkcit enrgegcn , fo dcnkt man fich dabey
dic Vollbringung folchcr Handlungcn, ucl-
chc mchr Icisten , als nach p o f i t i v e n Ge-
fctzcn gefoidcrr werden kann , und folglich
in dcr burgcilichcn Gefellfchaft dicHoffnung
zu eincr Vcrgcltung cn-egcn. Dicfe Anficht
hat auch ihrcn gutcn Grund ; nun vcrgifst
inan abcr, dtfi Verdientt det Schuldigkeic
nnr in Ib {ern entgegen lu ftcicn ist» elt
dicfctuf Zwengsgcretzcn bcnihct, leatVcr*
dicMt dcr Pflicht (oder Schuldigkcit) fibcr*
heupc cntgcgen» nnd ittebt n«ch Ibkhni
— 4*4 —
ZwMg was er chim £oil, imd mit Leicbtig-
keity wat er alt eine Quelle von engeiielimer
Empfindung anHeht» Aiich kann es iweck-
m'a{sig feyn, wenn irgend ein EntrcbluG ge»
h&t werden ibllt iler grolie SelbiCmHiig*
Buiig erferJert, den Genuft, der dinnt eBt«
rpringen wird, fo reitzend als rooglich vor-
nisteUen, imd denMenichen gleichlam «nfler
fieh lelhft Bu letien* Denn el liegtfUerdingt
in fciner Natur , dalli er (ich auf diefe Weiie
bisweilen zu grofsen Aufopferungen hinrcil^
fen ISlst. Allein» tuller dem» dals hlo6e6e«
^lc, ohne «uf Begritfe cnMilece GmiMl-
Thtten , dic mehr leislai, tl| nacli dtm 8iC«
ttngefcise in feinem ganzen Utnfunge gefbr*
derr werden kann* Mit diefem Verdknstt
fchmeicheln, fich die Menfchen nur gar zu
gem» und rolltcn doch bedenken, dtls kcl-
ne Handlung preiswiirdig ist, die nichs lat
dem SittengefetEe hergeleitet, nicht als
Pflicht vorgestcllt werden kann. Dentt
mchr thua als dic Vernunft fordert,
heifst es aus Griinden thun, die, wenn fie
ven denfelbea auch nichc ttbtrlitupc, doch
in Btttefaang tiif Slttlicbkcitb dcm
hdcbtttn Zwtckt dct Mcofthtn» vee»
woc^m wadtii»
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— 4a$ —
AiCie» kein glcichforiniges Verbakeu hervor*
bringeiit fo Ut atieh, ini Allgeaieineoy iet
Drang der moralifchcn Nothwendig>
kQit^ wie dcr phynfcheii, von wei( sUrkerer
Gemalt» alt der Drang nach einer gewilTeu
Art von Vergnitgcn, ^nn daflelbe iHvimt
Miihe errungcn, uud durch cine auderc odcr
'ihnliehe Arc erfecat werden kann* Wae oft
wird nieht einGelchift^ su^emirir, imGan*
icu g/enomnicn, Ncigung habcn, Joch un-
(erlaileay vrcil wir uns dazu nicht gans ge*
st imnit fiulilcot daa gewila verrichtet wiir*
de» wenn wir ei von einer unnmginglichen
Nochwendigkeit hiclten. Dicfe ist cin fo
nOchtigcr Sporn» dalt fie auch da nock Kraft
crweckt» wo keine mehr su feyn fchetnf.
So vaie der Kranke, dcn im gcwohnlicKcn
Zustande feine Schwachheit ans Bcttc fcirrlt^
bey Feuenge&hc die entorbeu gefchienen
Lcbcnsgeistcr zu einem Grade aiifcrweckf
fiihlt, dcr ihm fcinc Rcttung mugticU macht :
ebenibkann die Nothwendigkeit» dat
moralifehe Leben ni erhaltea, mit cinem
Nfchdmcke wirkcuj dcr das mugiich macht.
tvat auf blofteii Strcbca muk Vergniig^eii
noglich gewefen ware* Daher gewahrt die
nioraliiche Scbwimierejr niebt eimiMl da^
vnt fie Terijpricbt» uiid iwar itm (6 viel «e*
niger, je leichter cs ist, den Genirfs, vicU
cben fie xur fitdichenTricbfedec macht, aucb
Qhne Tb»i su erfaalteiL
Dai Gefiibl der Selbstrch'itzuiig woria ie«
aer Geauft sitm Tbeii besteht, kaoa «uf
stveyerley Weife cnpieekt werdeat durdi dat
blofse Bewurstfeyn der gtiten Gefinniing, und
durcb TlMtea» die derlelben fenulis fiod»
Itt itt dea letstem keineGelegeabeit uod kei-
ae* phyfifche Kraft da: fo bestitnmc die er-
stere allerdingf den Werth der Pcrfon ganf
nllebu So «abr eine fi»lcbe Beortbellunc
ist, fo muit <locli daber die angefiibrte Be-
dingung nicht vergcfleo werden; tmd die(e
verfeflen Pedbnea» welcbe die Tugend nur
mn deadannii eotfpringendeoGeonflet willrtl
fchitsent (ehr leicht. Die angenehme Enic
pfindnnf » die niif der Vontellang ciner mo*
iBliicbenOrdnung der Dinge verbundea it^
— w —
h&t Mk tielt leicliter dureh Phantanc,
als diirch Thatea erhahcn; und bcy dcc
Selbttgei^Uiigkeit» cu neldier der Haog im
MeafcheD lefar grofi iit, 'dunkt er fieli oft
rchon deswegen gut, nicht gar voUkom-
tueoy wenn er nnr Gefuhi fur groiaeund edle
Thaten het, in Gelchiehten nnd Redeo,
Schaiifpielcn iind Gcdichten, das Schone dec
aufgesteliten Charaktere und Handhingen cm-
pfindet. Geletit fmm, cr fiiclie ieine Ge*
finnung mit der Tlwt fu heweifen: fo
kann diefs Bestrebeu, wenn es nicht «uf mo*
ralilche Nothwendigkeit» ibndeni «if ange*
neiunet Gefiilil gegnindet wird, doeh dureh
den Genuis felbsty dem er fich bey eiiw
feUien Handlungen» odcr bey dem Cedankcn
lciner gamen Lchennieifi» uberlXist» au%««
lialten werden. Wer fich an der Bcrchaiuing
feiiicf Selbst weidet, iind nur die guten
Seiten defleiben aufiiidit, der veriiert auch
dadurch den Antrieb, der in dem Gefulile dec
Unvollkommenheie liegt. Uud diefef
kann fiAweriich hey demjenigen Sutt fioden^
wdcher anrdacauf gewiefia wird^ fich ange-
— 4^8 —
nehme lt.ni^f\ndx.ingcn in verfchafTen* Isf die
AufficlU auf diefe dic eigeiitiiche Triebfcdcr
bey kioM moraliichea Haodluogen: 16 kann
er bey UnterlafTun^ derielliea mir den Vcr*
lutt der Gliicldeligkeit bekbgen, der ihm et-
vorlchwebt. Wie leichc fich nuii dle
MenfeKen ttberhaupt iiber einen Iblehen Ver-
litft su trosten pHcgeny bcJarf kaiim der Er-
wShnungs da(i es aber noch uberdielf
Grunciratt leyn mullet fich daruber «i
trostcn, tlas licgt oifcnbar in der Natur dcr
voraiisgcrctztcnTricbfcder ziirTugencl. Ein
Gut, dat man nieht erretchthat» muft man
tu erreftcn fucbcn} kann man mmdielt im
vorlicgcudcn Falle durch die Erinnerung an
vcfgangene Handlungen» und durch dat
Wohlge6illen» mit dem man leine ed)e Den*
kungsart betrachtet : fo ist nichts vcrnunfti«
ger> alt diefet Mittel lu gebraucheik
Wiegani andert Yeifthrtderjcnige, def
feint hohcre Bettinununi^ nicht aus dcn Au-
gen iterllcttt nnd iwar «obl in der Selbit-
ftufinedenheic dM Ait wn Genula linde^
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— 429 —
xQcaa cr reiiie pflichtmiirsige Denkiingtart mit
Thaten bcwieren hat, abcr dabey nicht vcr-
girfty dafs er Cch dcm Ziele, das er erret-
chen (bll, niir nShern kann, iind bey der
Unterlafriing jcdes Schritts, dcr ihn demrel-
ben hittte naher hringen kunnen» die Atigen
auf feine Unvollkomfnenheit richtet, ohne
fie niit dcm Gedanken der fchon gethaneu
Fortkhritce bcdeckca lu woilcn*
Von welcher Seite man atlo dieGriindtinflt
der Mopal 8'iif Sclbstliebe oder Eigenliebe be-
tracbtet» ib findet man dsibey Steiiie det Aa*
itofies. Nicht nur ist es unmoglieh» aiis dem
blofscn Strebcn nach Gluckfeligkcit jc eine
aligemeingultige Regci abzuleiten, dte von
•llen Menfcbeu belbigt werden foll» fon-
dern es ist aucb naehtheilig, bey den aus der
Vcrniinft hervorgehenden BegrifFen von Recht
und Unrecht» oicht diejenige Triebfeder
xu gebraitchen, welcbe von den Begrifien
fclbst erzeiigt wird, und in einer mit Dc-
mutb verbuodenen Seibstfchitsung
besieht la fogar dai HiDwetien auf dem Ge-
Ee
— 430 —
nurs , tveldier iu clem Bewiifstrcyn der fittli-
cbeii Gefiimutig iiikI det ^ariMch eiiigerichte»
ten Veflialteiit liegt, kaAn einen iehldliclien
Einfluis auf die fittlichc^Bilclung dcs Menfchcn
htben. Denn der Sinn fiir jenen Gcnuis ast
^r dem Diicyn einet gewiflen Grades guter
GeHnnuug gar nicht ni6i;lich , und wird oft
eben deswegen nicht gewcckt, weil man ilin
nicht «It ein Produet det Sittengeletfes
fondem alt den Grund deiTelben betrach-
tet. Hat aber dcr Menfch den Wcrth feines
Dafeynsy tmd dic Hoheit (eincr Nattur eini*
germaisen luhlen lernen» iind ist fo einige
Enipfanglichkcit fiir dic Sclbstzufrie-
denhcit cntstaudcn: fo vcrwandclt man
leicht diefclbe in Seihttgefilligkeit
und Etgendtinkel, wenn man diePflicb-
tcn nur in Bczichung auf den angenehraen
Gemtitbtzuttand bctrachtett dcn die ErfulJung
derielben gew&hren kann. Den Menfcben alt
cin Wefcn vorstellcii, das blols auf dic Bc-
fricdigung fciacr iinnlichen Ncigungen»
lie mogen noch fi» hln feynt sudenken habe,
heifst, ihm eine lu niedrigei— ihnaber
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— 431 —
als eiu iblches denken, das in dcr Frey*
heit von iinnlichcn Neigungen feine einil»
gc Ichce Ghickleligkeit finden konnc, Jiciift»
ihm einc zii hohc Srnfc anwcifen, imd ihn
durch diefe cingebildcte Hohelt felbst dci je-
ntgen beranben, die er crrcichen kann und
f o 1 h Dte Vcrmin ff Itihrt ihn aiif einc Hand*
liingswcifc dic cr ubcr ailcs fetzt, was Vcr-^
gnugen heirsen mag» und die er bey einigcr
QiJtur mit Bewunderung betrachtet, die aber
cin (jebot fiir ihn wird, ueil feine Sinn-
Jichkcit uicht niit derrelbcn libcreiostimmt»
Als folchcs erfiiilt lic ihn daher mit Uolutt»
tmd legt ihm cincn Zwang an , der nur init
Miihc liberwiindcn werden wird. Niin vcr*
mindcrt fich cwar dicfer Zwang in ehen dcm
Gradc, in wclchcm dcr Menfch ftinc Ncigiin*
gcn cinfchrankt und ordnct. Nicht nur thun
die ofc ubcrwundcnen Bcgicrden uicht mehr
cbcn dcn Widentand, den fie Anfimgi tha-
ten, fondern fic wcrden auch mit Vcrachtung
betrachtct, fobald fie von der Art (ind, dalf
fie in cincr fittlichcn Ordnung dcr Dinge gar
kcine Bcfricdi^ uug erwartca dtirfen. la, dcr
— 43» —
Mcnfch kaim cs fo \?cit bringcn, dafs die Er-
fiillttDg Gdettcf die ertte Augelegeiihcii
leiMUbeiitwtfd. ima kein Opfer Ib grofi
ist, dai cr nicht dcrPflicht daniibrlngeii enl-
lehlo6eii iey* Auch entfpriogeii aus dem Be-
mfitleya fowohl diefivGefikinuiig ubetjbaupc^
als dcr cinzelneii Thtteii * die von deHelben
«uigeheA» aogenchtne Geftihle, die ihn ia
That lelir oft fiir dat ichaiUot h«lte%
wat er voii andem Frenden tur Behauptnny
fcincs Hauptiiwccks hingcbcn mufs. Allcin
fo befeligend «uch4ie Selbstzufrieden*
lieit itt> fokann fie dodiyihrerNaturiiicfa»
dcm Mcnfchcn cu feinem Tonen Wohlbefin*
ckn nieht gniigeu. Sie bcruht auf einem in'>
cdlectuellen Grundc^ unddie Giuekfelif*
kcit auf Befiriedigung finnlicbcr Triebe^
von \9clchen fich der Mcnfch, fo lange er
lebty nicht voUkpfnmen fiwy machen luinn<^
und durch dat einsige gedenkbare Mitlel,
wclchcfl dic Moglichkeit dieler Preyheit cnt-
kalty durch den Tod) nlcht frey machen
foll. Er itt alfo» in Ruckfickt auf dat» wat
lur vollkommtnen Zttftiedeakeif mit ieinem
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— 433 —
ZxnUndc gehort, abhangig, in fo fcrii fo-
wohl feine Wunfche, als die Befriedigung
«lorielben, iiif phyfifchen UHachen henthens
und hcy diefer AhhJngigkcit ist cs immoglich
111 dcukcn^ dafs dic ForJcnmgcii dcs Sittcn*
gefetzes in ihm ttecs ciiic folche bcreitwillige
Ergchenheit findcn , dic gar kcincn Zwang
mchr cnthJlt. Dic Fchlcrhaftigkcit fcincr
Mitmeiifchcn und die Natur kdnnen ihm lol-
chePflichfcn auflegcn» wohey cr als finnli^
chcsWcfen t\t fchr Icidct, als dafs dic Sclbst-
xulricdcnhcit noch als cin it bcrwicgenderGc-
niilf angcfehcn wcrden konntc; ist cr aber
Ib glucklich, dafs iwcdcr cimclne Mcnfchcn,
noch dic UnvoUkomincnhcit dcr biirgcrli-
chen Vcrfaifung» noch phyGfchc Uihci, ihm
Pflichtcn auflcgcn, wclchc dic Zufiicdcnhcit
mit (cincm Zustaiide stdrcn : fo ist Jagcgcu
fcinc Vcrbindlichkcit, dem mannichfaJtigcn
Elcnde feincr Mifmcnfchcn ahtiihclfcn, und
ihre Sittlichkcie fowohl als ihrc Glnckfclig.
kcit zu bcfordern, voo fo weitcm Umfangc,
dais cr dicfen verkennen mufk,' wcnn er
wihnt, dafi feine finnlicfaeii Triebe gar kcl-
— 434
«cn Widerstand raehr bcy irg;cnd eiaer vec-
dieastlicheti PiUc^t thim kdoneiif
Blcib^ lum dicfcr Wldcrsfand in jcdctn»
auch dem bcstcn Menrchen, nioglich, iind tst
keiner ficher vor ichmenhafren Aufopfenni-
gen: fo hdrt Jas Sitfengefeex, nach feineni
ganzen Umfange, in dieiem Lcbcn auch
nicht auf, ein GehoC fu feyn» das einen
inoem Zwang auflegtt nnd Unterwerfting
fbrdcrt. In fo fern alfo der Zwang in dcr
P f i i ch t , und die Untervrerfuug in der A di»
tung liir das Gelbtz ausgedrfickt wird, hat
der Menfch stets dahin zu fehcn, da& derGe*
dankc der Pfllcht, und das Gcfiihl dcr Ach-
tuog feine Handiungen ieite. Schmeicheit
er fieh «it einer freywilligen GutartigkeiC
dcs Gcniiithsy die wedcr Sporns noch Ziigcls
bedarf: fo wird er nie den Grad der fittii-
chen Volikomnienheit erreiehen, den er tr»
reichen foll. Man kann zwar fagcn, daf
Gcfiihl dcr Unlust iibcr die Einfchrin-
kung der Sinnliehkclt verwandle fich in die
reittste Lust aa dem erkabenen Vei^d-
— 435 —
gen* nutten in der Siiinenwclt, eine Freyheit
VDo den ihr angemeilenen Neigunfen» alt
beitimmenden Grundeuy fu behatip-
ten> mankaiin auch in gewilTer Ruckfichc fa-
die Achtung lur das Gefeu gehe in
Neigung «i demlelben «ber. Allein, be-
dcutet jcnc Lust nicht cin iinth'itige$ Wohlgc-
fdlen» entwedcr an eincr moralifchenOrdoung
der Dinge uberhaupt, oder an der Erhaben*
heit der menlchlichen Natnr intbdbndere;
fo hat fie Grenzeny und iit gerade dann un-
mdglich» «enn6e« ala grenienloi gcdach^
am grofiten (eyn Ibllte. Daher bedeutet die
Neigung zu dcm Gcretzc nur dcn im Gan-
sen gehobenen Widerttand der finnlichen
Triebe» und dai sur Fertigkeit gewor-
denc Streben, alle Handlungen nach fittlichcn
Maximcn einzurichten. Soll hingegen uater
L i e b e sum Geietze eine ibiche Neigung ver-
itanden werden , deren Gcgenstand }eder£eit
uberwiegende Lust gewabrty wic man
•in der Tiut bey Liebe und Neigung su den»
ken gewohnt iit: (6 letct etne folcheVer-
waudluog dcr Achtung io Licbe eioe Frcyheit
— 436 —
▼00 BedurfnUTeu voriui» die der Meaicti alt
finnliehct Weien» nieht erlangen kaai^
odcr eine Uibereinftimniiin^ diefer Bediirf-
niiTc niic der fittJicheo Gefinnung, Tvelche er
ohne £infchrSinkunf auf dieler Erde nicht
erwarten dart
Wie alfo im An&nge det noralilchen Le-
bent Acbcung lur dai Sittenfefets ▼on fedeni
andern Gefiihle unterfchieden ist, und eine
mit Demuth verhundene Selbatfchltsung aui*
druckts fo mu& fie aqch hcy aller Annihe-
ruhg zur Neigung, ihre eigenthumiiche
N^ttir behalten, und als die einxige ichte
mof alifche Trtebfeder angeiehen «er*
den. mNuu lalTen fich mitderfelben garwohl
fo viel Reitze und Annehmlichkeiten des Lebent
verbiuden» dafi auch um dieier willen alleia
fchon die kltigste Wahl einet rnntinftigen,
und iibcr das gioTste Wohi des Lcbens nach-
denkcnden Epicurieri fich fiiir das fittliche
Wohlverhaltcn eriilSren wnrde, und ei kenn
anch rathfara feyn, diefe Ausficht atlf einen
frohlichen Gcoulis des Lcbcns niic jeocr ober*
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— 437 —
«ten» und fchon fut fich alleia hinlinglich
bestinitiieiideii BeivegiiHkehe xu verbinJen;
«ber nur um den Aulockungen, die das La-
•Cer auf cler Gcgenfeife vonufpiegela nicht
ermangelc, dai Gegeugewicht xu halten,
aidit um hiervon die eigentlicfa bewegende
Krafty auch nicht dcm mindestcn Theile
aach» stt ietten» nenn vonPfltcht dieRcde if(.
Dcna das wiirde ro vicl feyn, als dic uori-
lifche Gefinnung in ihrer Qnelle Terunrei*
nigen zii wollcn. Dic Ehrwiirdigkeit dcr
Pflicht hat nichti mit Lcben^enuft xu fchaf*
fen j fie hat ihr eigenthumliches Gcfctz» auch
ihr eigtnthumlichet Gericht, und wena nan
auch bcyde noch ib (ehr xufiimmenfchuttein
«olltey um fie yermi(cht gleichfam alf Arx-
neymittel der kranken Seele t uxureiehen :
fo fcheiden fie fich doch aisbald von felbst»
und» thun fie Cf nieht» fo fiirkt dat ertte
gar nichtt wemi aber auch dat phyiifche hc^
— 438 —
tia dabey emige Kraft gewoniie» ib wurde
duch das moralifche otuie Rettiing daluu
Kttts Cruik 4«! practifchea VcmuA^ S, i^S,
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Fon dm^ auf MoraHtat gegrundeun
Gknbm an Gm md Unnirb^
In allcn Gnindfitzcn, dic je liber das WefcH
dcr Sicciicbkeit aufgcftelit worden find, hat
inan Riickficht auf die Ghiekftligkeit genom-
mcn. Epicur lcgtc das Strebcn nach derfel-
ben aiicn Maximea zuni Grundc, dic der
Menfch in ftinen HandJungen fu befoigen
habc , und fetzte dtt We(en der Tugend in
das Bcwufstfcyn folcher Verhaitungsregelii,
mlche die moglich grdiste Summe angeneh-
mer Empfindungen gevTihren. Die Stoiker
fchloffcn zwar von den fittlichcn Bcstinimungs-
gruiiden alieSf was lur Sinnlidikeit gercchnet
iHrd, auf, drangen aiif die Befolgiing der
Vorfchriftcn Jcr Vernunft, und fettten 4at
Wc(en der Tugend in das Bewulstfcyu iibcr
^e Sinnlichkeit erhaben tu feyn, konnten
abcr doch fo ifcaig (icl^von dem naturliehea
440
Streben nach angenchaicn Empfindtingen los-
machoi, clalt fie die Tugend ilt die QspeUe
der Gltickleligkeit yon tellfeii, fiben fo. iit
diefc bcy allen andern GrundOltsen der SitC-
iicbkcit la Betracbtiing gezogeo iwordleiiy nnd
«irdl immer in Betraehtuiig gesogen wefden
jTiMfn?»!, fo lange dcr Menfch nicht aufhort
cin bcUiirftiges Wefcn zu feyn. Nua ist abcr
getetgt «orden» claia dat Strebcn nach
Glifckfeligkeit gar keinefittHdienMaii.
nen grundc, und daf« das Bewufstfeyn folchc
fu befoigcn» nieht die Giiickreligkeit
gcfi^hre, deien der Menlch bedurftig itt;
Denn bcy dicfcr konimt cs auf die Befriedi-
guog feincr finniichen Triebe an, welchc fo
wenig. aut der Befolgiuig dei Sitiengelettet
an fidi fllefst, da(s ntcht nur mandie einselne
Pflicht Verkist fiir die Gliickfeligkeit vcrur-
lachet, ibttdem auch dai Gatiie dei geg^
WSrtigen Lebens gerade dcfwegen fur den
Menfchcn voil Elend feyn kann» vreii cr fcine
Fflicht nicbt verictscn will«
Die6 itimmt mit den gemeinen Uriheilen
ib fehr ubcrciii , dah uuu fast nur dicfcu zu
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lolgen braucht , um das Wefentlichc der ei*
genciich moralUchen Gnuuiritze , und die
Wirkting derielbeii ftiif ineiiichliche Ge-
nuith zu findcn. Sittliche Giite, ohne
alJe Ruckficht aiif angenchme Empfindungeii»
iit nach diden Urrheilen dai Hochtte, wor-
nach der Menfeh ttreben foU, tind Gluck<>
feligkeit nicht die nothwcndige Folge
derieiben. Allein et findet docb» nach dec
fewShnlichen Art» diefe heyden Haupl*
awecke allcr menfcMichen Bemuhung fu be*
trachlen, twiichen denfelben eine gewine»
nicht trirkliche, aber von der Vemunft
im Ideal aufgedrungene Verhtndung Statt*
Sowie die Pflicht auf Gefetxen bcruht, die
nicht wirklich hefolgt Wirden, fondent
hefolgtwerden follten; ib wird auch din
Gluckfeligkcit ilicht als cinc Folgc dcr Tu-
gend angefehen , die wirklich daraua ent*
i|Nringty Ibndem die daraut entfpringcii
folltc. Diefs hcifst mit andern Worten :
d€s Tugendhaftc erreichc swar nicht inimet
die Gluckieiigkeity er itt aber derfelben
wurdigy und ivurde fie leett erretchen^
— 443 —
urenn die Natiir mit dem Willen vemunftji*
.f er Wefcn ia Eiasdinmiuif vtisc^
Die Wu r d i g k e i t gluckfelig lu (eyd/
is^ eine Vorstellung, die iich mit dem Sitten-
gelette fiigleich aufdringt» und nach der je*
der ebeu (b unfehlbar ieine Handlungen ein*
iichtct, als iiach dem Sittengefefzc fclbstj
wenn feiue Neigungeo ihn nicht daran hio^
dern. Aus der Nichcbefolgung dieler Ide»
hann eben fo giit Reue iiud Befchiimung ent*
(pringcii, als aus dcr Vcrlctzuug jedcr andero
Vorfchrifit der Vernunft. Daher die Vorfaai*
tung, dafi bey Vertheihuig von Wohlehaten
nichc auf die Wtirdigkcit dcr Pcrroiien Riick*
ficht genonunen worden fey, fast stets als cia
beleidigenderVorwurf angcfehenmd. Und
denkt man bey diefer Wurdigkeit oft dic G c-
f ch icklichkeit: fo denkt maii doch auch
eben ibo6denmoralifchen CheralKter»
der entweder bey gleichen Pihigkeiten den
Ausfcblag gebcn , oder wo es auf dicie nidit
ankommty aUein cntfchciden foiJ#
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— 443 —
Woher dieie Art su urtheileo komnie, iit
sumTbeil am allen vorhergehenden Breraeh*
tiingcii klar, Denkt man dcn UiHiioraiifchca
dcr GliickXeligkcit unwiirdig , fieht man Un«
falle, die thn tre£fen, mtt GleiehgtHtigkett^
und, was ihm Gtites widerfihrt, «ben nichc
mit fondcrlichem VVohlgcfallen, oder gar miC
Misfailen an: fo flieist diefeAnficht unmittel*
baf aus dem Gedanken, dafs der Uibertreter
dcs Gefetzcs Strafe verdienc > denn Strafc und
Gltlckfeiigkeit fchiiefseneinauderaua. Mafire
fieh bey eioer folchen Anllehc der Menfch oft
mchr an , als cr iich anmafsen follte: fu be<'
steht diefs nicht darin, dafs er den Umnora*
lifchen nichc gliicklich wunicht, fondent
darin, dafs er xu emleheidend iiber dieMora-
litit des Charaktcrs abfpricht. Denn nicht
nur in Betiehung auf Andere, ibndem auch
in Betiehung auf fich felbst erkennt es der
Menfch an, dafs cine gewifTe Strafc, womit
Uibelthaten belegt werden, gerecht fey» und
fe gefillig er gewShnlieh gegen fich lelbsC
iit: fo kann er fich doch bcy eincr Verglei-
chung zwifchen feinem auisern uud in-
— 444 —
Mtn Znstaiidc^ nioiif inuaer Atnlpnicltf
cnthaltcn , dafi cr die Vorthetle det letxtern
iiicht verdiene. Wemi ei alfo bcy Verfhei-
lanf ron Gulent mir auf <Ue WM swiiclien
fildieb-uiMl unlittliehgefiaDfen Menlcllefi an-
kommt: fu folgt unmittelbar aus dcr Straf«
wurdigkeit det fiioea» d*(s dcr Voriug
dcni Andem lunierkennen l*ey* Obaber der
gute Menfch, an fich uiid ohne Ver<*
§ 1 c i ch u u g j der Gluckicligkeit wiirdig fey,
oder» inic «idem Wortei^ ein Recht dtrauf
habe, ob diefe Wiirdigkeit ein Bneugnils
dcr Vcrnunfty oder der blofsca Selbstlicbe
lcyt dai lind Ffagen» die eine Betrachlunf
mrdicnen*
Et ift nicht tu liugnen» dais die Wur*
digkeit gludLlelig lu leyn, autdem blolien
Gedanken der Unwurdigkeit entstandea
feyn konnle. Denn dcr mcnrclvUcbeGeist ist
lo lielciiallen» dala er olt dai» iras er in
einer gewiffen Beiiehung, alt o6th«
weadig erkennt, auch an fich fiir noth-
wcndigagficht. Bt istauch nichlauilugnen».
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— 445 —
dafs dic Selbstliebe zu vielea UrCbeUeii vtt*
leitec, <iie bey eincr niheni Betradituiig gir
keine Haltbarkeit hahnu Auf feine Wiinfche
griindet der Meufch fo manche ChiniSre» die,
bey eiiier nSbem BeJeuchtung, Tor der Ver-
nunft alt du erlebetnt, wtt fie itt Abcr die
Idee dcr a b f o 1 u t e n Wiirdjgkcit gliickfelig
xu fcyn ist mit dem Sitcengefeise leibet unser»
trennlidi verbunden, «ie flch leicht leigcn
Denken wir uns eine OrJnung der Dinge,
wae lie ▼on unt» alt veruunftigen Weicn» ge.
killigt werden konnte: Ib wttrden in derfel-
ben entweder gar keine finnlichcn Trie-
be, oder tu irgeiid einem Zwecke da
icyn* Dicier Zweek k^nnte freylieh aiifscr
den Wefcn liegen, deiien fic verliehcn wor-
den wiren, in £o fern dieie Weien bio6 aJf
Mittcl gebnucht wurdcn. Da abcr dat Sit*
tengefetf verbietct, dcn Menfchen als ein
bioises Mittel zu bctrachten, ib fubrt
Ctiuch unautblcibliQh «i demGcdankcnt daft
dcr Zwcek ieincr finnltehen Natur fich auf
t h n f e I b s 1 9 zum Tiieti wenigstensy be£iehe»
Ff
— 446 —
Dicfcr Zweck kaiin alt doppclt gedacht WM^
den: er ist entweder an fich gut, odcr wie-
dkr Bur ilf Mitcel ui cinem hdhera Zwecke
anxulelien. In cler letxternRiickBcht komiett
die nnnlichen Triebc desMenrchen allcrdingi
»U BefiDrdcntngsniittel lu Erreichung (eiiier
hohern Bettimmung, hetrachtet werden, iop
dem fie den Stoff liefern, an wclchem fich
ieine verounftige Natur aiirscrn und ent*
wickdn kann. Auch itt in der Thit maa-
ches Leiden, dem Menlchen wite»
fahrt, als ein rolches Beforderungsmitcel an-
lulehen. Allein, da ihm» alt einem finB-
lichverniinftigen Wefen, dte Zuficie*
denheit mit ieinem innern Ziistande nicht
gnugen kann: fo fbrdert die practifchc Ver-
nunfk lur ihn» wenu er dat Sittengelett cr«
fiillt, die Gluckfeligkeit auf ehen dem
Grunde, aiis welchem iie auf Erfiillung
delTelben dringt. Denn ein Weien ait
«lend» und doch alt Zweck an fieh be>
trachten, ist cin ofFcnbarcr Widcrfpruch,
wenn diefet We(en fich nicht feibst um die
Wurde bringt» su der et von der Vemuaft
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— 447 —
crhoben wird. Dic Befolgiing dcs von ihr
aiMgebendea Geietxes ist aifo die ttnnaeh*
llfiliche» aber auch einiige Bedingung,
uiiter welcher derMenfch, als Zweck an
fich» Anrpnich auf Gliickfeligkeit haC $ und
foJglich kann die Tugend als die Wurdig.
keit gltiekfelig zu fcyn vorgcstciit
vrerden. Dcnn eines Gtirs wiirdig feyn, und
es verdienen isc Eins-; einGut aber verdieneit
heifst nichCs andersy als die Bedingung er^
fiillcn, nnter der es zii Theii werden folL
Die auf foiche Weife von der Vemunft
aufgedrungene Verhindung iwifchen Sitttieh»
keit und Gliickfcligkeit, fiihrt aiif den Begrift:
des volistindigen Guts, *) das die
Man nennt a auch dss h^chstc Gut; bey
wdcher Benennwig eber nicht su vergeOe»
ast, dais es» um vollendet lu feyo, Tu-
gcnd und (^flcUeligkcit begraft, iene tls
die obcrst? Bcdin^ng alies Werths» und
diefe als die nothwendige Folge derfelben»
Dsrin eben bestand der Tmhum der Epicu-
r.1er und dcr Stoiker. difs uie crsten die
Gluckfeligkcit allein, und die lctztcrn
dic Tu?^cnd fllleia zuni ganaen h6Qlu
sten Gute macUtcr
— 448 —
swey Hauptiwecke dei Menrelieii» alf Ele-
mente, begreift, iind der Gegenscand ist, wel-
chea der Menich» alt finnUchveniuafcaget
Weien, lur fich wad fur Anckre» wollen iumI
prunfchcn miirs luid befordcrn foll. Nini
leben wir aber ia einer Wck« wo bey dcc
ttfengitcn EriiiUung der Bedingung, unter
fvelcher <lie GliiddeUgkeit tu Theil werden
foll, dierelbe doch verfehlt werden, iind wo
felbet dat, wik «M fittUchen Grundi^tieft
itim Betten Anderer gethan wird, ra ihrea
Verderben ausfchlagcii kann. BeyderGliick-
ieligkeit kommt aliet auf dcn Erfolf aap
welcher fich in der Sinnenwelt gar nichc nach
den m o r a 1 i f ch e n Gefinmingen richtety
fondern nach der Kenntnifs dcr Naturge-
fette» tiad nach dem phyftfchen Vermd-
gen dielelben lu gewillen Abfichten lu ge-
brauchen. Diefe Kenntniis uod diefes Ver-
mogen aber werden ntcht nnr vielea Men-
fcfaen» ohne thr Verfchulden, tn einem fidir
geringcn Grade lu Theil, fondcrn fic find
auch fiir A 1 1 e fo eingefchriinkty dafs keiner
det fichentErfolgt ietnerBeffluhung um eigne
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— 449 —
tmi Ireinde Gijickreligkeie gcwifs Ccyn kinn.
In fo feni alfo, nach deni Urihciic dcr practi-
iibhen Verouiifr, dte GiiickfeJigkeit aif eine
notkwendigeFoJgederTugend ansulehen itr,
unddoch mitdcrfelbcn auf dicfer Erdc in kei-
nem uothwcndigcn Zuramnieubange steht : fo
isf tu ftirclicen, dafi das vollttSndage
Gut als mit fich felbtt itreitend, imd
foJgUch als unmogJich bctrachtet wrerde.
Ist der Menlch Zweck an fichy kann
fnan fagen , fo folgt frcylich , dafs er nnr
folchc Regcin, die mit feinem WiJlea aJJge-
ineuie Geiette werden konnen, beobachten»
und, ielbst in Beziehung auf Anderc, dic
Sittlichkcit ihreni 'iufserii Wohle vortie*
heu foJJi ei foJgt aber auch, daft er, wenn
cr die Gebote der PAieht erlullty Anfpnich
auf Gliickfcligkeit habe. Findct fich nun
xwifchen der Wirklichkeit dericJben» und
der Wiirdigkeit daiu» kein Zuiammenhang
in der Er^lirung, ja, mufs nian zngebei^
dafs bcy dcr Verfchicdenhcit der Qi.iellen,
woraus die Giuckieligkeit und das fittiiche
— 450 —
Betragen fliefst, jcnc iim diefes willcn, naell
dem blofsen Naturgange, gar nicht zu e&war«
teo iit: Co leigt dte Uninogliclikeit det ciaeii
Bestandthetlt det hdchften Gutt, die Nidi*
tigkeit dcf Grundcs, auf v^clchem et
beniht, uod mit dieicm fiUt audi dat 1110«
talirche Gefett ielbitt<*)
Min htt neuerlich HetTn Kant eine Unbc-
ttimmtheit des Ausdrucks darin vorgewor-
fen , dafs er die Beforderung dc$ vollstandi-
gcn Guts als cin Gebot darstelle, da diefes
Gcbot doch eigentlich nur auf einei^ Bestand-
theil denclben fich beziehe. Diefer Vor«
wurf fcheint ganz wegrufallen, wenn mm
bcdcnkt, dafs das Gebot zwar unmictel«
bar nur auf das geht, was wir felbst lci»
scen kunnen, mitteibtr tber auch iuf
das, wts dtrtnt Iblgt. In ciner ntch mort*
lilchtn GcTeisen gedtchten Wdt wjirdc Tto-
gend und Glflckfeligkeic tb Urfachc und
Wirkung an«uiehen feyn. Ein Gehot,
dtt auf die eittc fich bexicht, gcht mindbar
auch tuf dtt, wtt dtrtuf folgt» hidcm (ic
beydc zttftnuntn eigjrodich nur einen Ge«
genstand tusmschen. Man ktnn alfo mit
Recht fflgen , dafs die Bef drderang des voll-
stiindigen Guis ein Gebot fey. Diefe An-
fichr gcht nothwendig aus der pvactifchen
Vemunfc hervor, da der Grund der. lict-
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So ist die Vcrnunfl nit fich ielbit im
Streiie; und konnte derfelbe auf kelne Weile
gchobeii Nwcrden, fo vjiirde die Sitdichkeit
nllerdiiigs Gcfahr laufcn fiir Chimare su gcl-
(en. Denn mit der Vemunft vertiSgt lich in
der That der GcJanke, dals oin Wefcn, wel-
ches dcr Ghickrcligkeic bediirftig und wCir-
dig ist^ derfelben doch nicht theiihaftig wcr»
de, eben fo wenig, als dafs ein ▼emtinftiges
Wcfen feiner hohcrn Natur nicbt achte, uud
nur nach dcm £rage, wai feiner niedrigeni
«ngenehm ist.*) Et muft allb gezeigt wer-
liclicn Maxitncn eben derfelbe ist, auf wel-
chcni auch das Recht auf Gluckfcligkeit be-
ruht, und folglich, wenn diefer Grund in
eincr Bczichung fiir nichtig gehahcn. wird,
cr auch in der «ndcrn fmken mufs. Diuckt
man das Gebot dcr Sitilichkeit fo aus: bc-
haupie dic Wurde dcr Mcnkhheit, fo ficht
msnt dsfs dtsGeboc beyde Bestandtheile dcs
volbtilndtgen Guts enthilL Dcnn tn der
WOrde licgt eben fowohl dss, was der
Menfch leisten foll» als das ; wis ihm ge*
• bOhrt»
Attch dittkc mtn nicht , dafs diefer Einwutf
etwa nur erkOnsiclt fey. Mtn iindee Ihn
tiglich, wcon gleich in ctwas tnderer Ge-
— 45» —
^ i*»^ Widentieit nur niiter diiar
gewiflea Vonutiettiiiig, abcr ntchc iclilcdi*
terdingf Statt fiade.
Wir habeii lehon eiaeii Ihnliclieii Wider-
sfreit gehoben. Er fand fich zwirchen deni
Gedanken von dcr Naturnothwendig-
iLcit» und dem Ton der Freyheit det
tnlt. Wie oft heifst es nicht : folche Gefin-
nungen pnnen nicht fur diefe Welt ; wer zu
gewifTenhaft ist. kommt fchlecht darin fort;
wif fich andere gegen vn> ciltiibea , dit
kinn mtn fichtnch gegen fietritnbenn Cw*
Bt hetfit femtr nkht fdten, wtnn voa Eta-
fichtnngtn dit Rtde iif » wticht die prtea-
tavt VtmunR tb nodiwtndig dtnttilt: dtt
itt Idctl — gleichfam tlt ob dic fittlicht
VoUkommenheit ntcht ein Ideal wftrt* dtm
wir nachzustreben verbundeo find. ^ Wer
fibrigens in unzihligen F&IIen feine Unheiftt
tuf die, nach der Vemunft, nothwendigo
Verbindung der Tugend und Gliickfeligkeit
griindet, und doch geneigt ist darubcr za
Ifichcln, dafs der Menfch als Seibstzwcck vor-
gestellt wcrdc , der uberlege , ob in feinen
Urthcilen nicht ein ofFenbarer Widerfpruch
fey. Wic kfinnre er den Tugcndhaftcn der
Gliicklcligkeit wurdig erklfiren, wenn er tha
nichtaU Selbstzwcck betrtchtete?
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— 453 —
Willenj. So w iJeriprechend dicfe beyden
Vontellungeii fcbeiaen: fo koniite doch ge*
leigt wefdeo, dalt der Widerlpruch ver»
lchwinde, wenn man ein und ebendafTelbe
Wefen in doppeiter Riickncbt, als rinulidi
ttnd iiberrinnlich betnchte. So wieiine
nun dat Sittengdett lelbtt ni dieier doppel*
teo Anficbc uothigte : fo berecbtiget es uos
htf dsm vorliegenden Widentreite tu einer
Shnlichen. D«6 Tugendgeflnnung Gludtlh-
ligkcit hervorbringe, ist niir in fo fern un*
moglich» alt man die Veriuiupfuiig von Ur«
lache und Wirkung nach der Natiimothwen-
digkeit, als die'einzige nioglicbe Art von ur-
iachlicber Verbindung annimmt. Dieic An-
aahme kann aber lcliieehterdingf mie nichta
hewielen werden. Im Gegentheile weii t uni
das Sittengefetz auf eine von der Sionenwelt
gani verfehiedne Ordnnng der Dinge, inder
wir unferDaleyn alt Intelligenz, undun-
fere Wirkungsart als frey von alicii nnnlichen
Bestimmungtgrunden su denkeu l>efiigc, j*
verhunden find» oh wir unt gleich in der
Siaoenwclt beiiiiclcn, und nacb dcni, was wir
— 4S4 —
von derfelbeii iii etkennen vermogeu, voa
Urfachen abhaiigen, die lucht in iinfcrer Ge-
vraJc Hnd. So wie «lib <lie Verknupfiiog «ller
Dinge nach N«Curge(etien» atif keioe Weile
die Nichtigkcit des Sittengefetzes darthim
kann, fondern diefes im Gegenclieile auf die
UntulIngHclikeiC }ener Verknttpfuiig tur Br-
krjrimg dcflcn , was in dem Menfchcn ist,
hinweisC» undaufden Giaubcn an die Cau*
faliclc durch FreyheiC iiShrt: ebenib
kinn attch die Verknupfiing der Dioge nach
NatiirgcftJticn nicht Uie Uiimoglichkcit dcc
Verbindung twilbhen Tugend und Giiickfew
ligkelcbeweifens rondemdieltf, vonderprae*
tifchcn Vcriuinft aiifgestclltc Vcrblndung
fiibrC im Gegencbeile auf den Glaubfn an dte
Bedingungen, unCer welchen fie als wirk-
lich gcdacht wer (icii kann. ^istatt zu rigen:
Allcft gehc nach Naturgcfctzcn, folglich giebc
es weder Freyheic, noch eine Verbindung twi^
fchen dem Gebrauche derfefben tmd den Fol-
gen davon, mufs man viel;iiehr die Sache um-
kehren, ttnd (agen: die Fceyheit und die Pol-
gen des Gebrauchi derielben lind von unienii
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Wcfen iinzcrtreunliche I<3ecii, foJgiich isC
clie Naturnothwendigkeit nicht die etnxige
Art» naeh weleher uniereEitsteps zu betracb-
tCQ isc.
IsC alfo das SiCteogefeCz eioe unliiigbare
Thatiache der Vernunfti weitt dalTelbe auf
die Wurde der Menrchheit hin , imd dtirch
diefc auf dic nothwendigc Vcrbinduiig der
Tugend nnd GluckTeligkeits hat der Menfch
gerechte Anipruche auf die eine, i»enn er
die audere libc, und kann er doch die Elrful'
lung diefer Anijpruche nach derNacurordnung
nicht erwarten: Co sst er befugt, tn (eioen
Wttnfchcn nichc wenigcr als in feinen Pflich-
teo» zum Uibcrnnnlichen feiue Zuflucht zu
nehmen» um die Moglichkeit su denken» dafs
die Wefen , welche von der Vernunft als der
Cluckfeligkeic wtirdig und bcdtirfcig
vorgestcilt werdeny diereibe auch errei*
chen. Und diefe Moglichkeit findet nur
StatC, wenn das Dafeyn Gottcs iind dic Un-
sterblichkeit der Seele angenoinmcn uird.
So filhret die Moral sur Religion » und hebt
dadtirch den Widerstreit» in welchem, ohne
— 456 —
{enen Glauben» die Vcmiuift mt fieh feibit
fcyn wurde.
Eine Schwierifkeit» dic iich l>eyder« nack
der Vernunlt nothfiendigen Veibindung twl*
fchen Tugcnd tind Gliickfeligkeit findef,
konnte bcy der Ableitung det voUttindigen
GutB aus dem Grunde dec Sittengefetiet iiber-
gangen werden^ verdient aber bter eine Be-
irachtung. Man kann namlich fagen, dat
Sittengdets yerlange eine HeUtgkett det Wil«
leni, die keinem MenCefaen erretclibar leys
fo fchr cr auch nach Vollkoinnienhcit stre-
hcn moge, fo werdc cr doch theiis in dcn
Handluugen ieibtt, theilt in den Beweggriiii*
den dtzu fich mannichfidtige Pehler und Un*
iauterkeitcn vorzuwcrfcn haben; feinc Nci-
guttgen l>ehaiten oft die Oberhand iiber leine
beftre Einficht, oder werden wenigilent da
fuHiilfe gcrufen, wo dcrGedanke der Pflicht
allein ieinen Wilien bcttimmcn iblitci ja, je
beifer derMenlch werde, dettomehr fiShle er
fcinc Schwachheit. Wcnn es allb auch wabr
ky, daff Tiigcnd dcr GludUeligkcit wiirdig
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— 457 —
inachc, fo konne denn doch niir eine folche
Tiigend verstanden wcrden, die Ikh rein voa
M^iigdn wiffes iind da diefe dem Menfchen
niehf moglich (ey » fo £ille anch der Anffmich
anf Ghickreligkcit wcg. Dicfcr Eunvurf hat
alierdingi feinen Grund» Nach der Strenge
der Vemunfe kann nicht eher ein Recht au£
Ghickfcligkcit gedacht \;?crdcn, als bis die
Bedingung» unter der ile eintreien ibli» v o 1 !•
kommen er£Sllt ait} und da woU keiii
Menfch wagen wird, fieh derHciligkeit des
Willcnf su riihnien : fo kann er aiich iioch
kein unbeftreitbarea Recht auf Gluek»
feligkeit aufnreilen. Allein, eben dat Gebot
vollkoniinen zu feyn, bey dcr Unmog-
lifihkeit et auf dieier Erde tu werden» erof-
net unt die ente Auf ficht tur Fortdaiier nach
dem Todc. So vvic dcr Glaubc an dic Frcy-
licit eine nothwcndigc Folgc von dcr Annah-
me def Sittengeietsef itt» weil dieief ohne
jene eine leere» unamlithrbare Idee leynwtir*
dc : fo ist auch zur Rcalifining dcr ganten
Forderung dea Gefetzef der Glaube an die
Unfterblichkeit dcr Sede nothwendig, nur
— 458 —
nut dem Vatet&hMCf 6a& jener den Aii-
f ang dei fittlieheD Lebens, iind diefer dea
Fortgang dcflelbcii bcgnindet. Dcnn ist
demMenicheii» imd uberiiaiipc jedcm finnlich*
▼emunftigen Wefen» fo wie wir ei denken
iniilTcn , <3ie voUkoinnicne Uibercinstimmung
ieiner Gefinnungen luid iiaudluagea nur stuf-
fettweiie moslicfa» und wird fie dock gefor-
dert : fo mufs auch dte Bedingung, unter der
dieErfullung desGebots allein gcdenkbar ist»
•ngenommen worden» und diefe Jkdingung
sst die ins Unendliehe fortdauemde Ezitlienf
und Perlouiicbkeit der rmnlichvemunftigea
Wefen.
le strenger» d. h. je riehtlger man daher
dic Sittlichkeit und die daraus fliefienden An»
ipriiche auf Gluckrcli^kcit bcurtheilt, desto
dringender wird dai Bedtirfnifi» um die Ver*
nunftmit fieh felbttehiig fu mtchen, eine
Fortdaucr dcs Menfcheu nach dcm Todc an-
tunehmen. In iiir aiiein liegt dieMoglich-
keit, die Bedingung vollkommen lu erfiil*
len, untcrder cr der Gluckfeligkeit wiirdig
ist. — Nimmt man die Ecfiiiiung dcr fic*
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dins;inig, tmter der (le tu Theil wer<leii Iblli
nicht fostrenge; fagpt man, es kumic von dea
Mcnfcheii oicht eine HeiJigkeit det Willent
verlaugt werden, ni der ihn feine lindiehe
Nahir iinfihig machc ; das thatige Restrcbcnf
leine Gcfianiingeu imniec reiner, und (ciiie
Handliiiigeii inimergeiettinlisiger zu macheny
kiin, menrchliche Tugcnd niufTe auch
fiir dcu Menfchen hinreichend gcdacht
werden: Ib kann diefe Anficht mit Jer vof'
hergehenden auf gcwifle Weile vereinlget
werden. Zwarist cseine verwci flicheSelbsf-
gefiUligkeity wenn man fich dat Sittengefetr.
alt nachfichtig deiikt, und iii dieler Nacli-
ficht eine Entfchuiciigung ffir die Fchler Hn.
det, die inan nicht ablcgcn wiiJ. Dcau
wird eiiimal eine lolche Nachficht angcnom-
men, fo gieht es gar keineOrenzen, in dencii
fie eingerchlofrcn wcrden kann. Der boA*
Menich findet fich ebca (6 berechtigt, fur
feine Unthateo, in demSchmene, deii ihm
dic UntcrlafTung dcrfclbcu vcrurf^^chcii wurdi.%
ein unuberstciglichct Hiudcjruifs zu denkcu,
als der beflTergefinnte in dem Schmerse* d«»n
— 46o —
dle uaeittgelehiliikte Untervierluiif imtui-
bleiblieh naeh fieh*«ieliC} iumI (6 wtirdle daf
GeieU relbst, ais folchea « au^ehoben wer-
AlleiiH venteht mmt imier aieiifchlicher
Tugendleiiie uabegrenste Aehtung fur
das Sittengefetz , iind ein thitiges Strcben»
denirelbea imiiier gemiiter au baadeia: ib
«ird «llerdingt diie foIcheTtagend mitRechft
als derGluckfeligkeit wiirclig gedacht. Deno
da dic Sittlichkeit in der Gciianung bestcht,
uad dielelhe alt voiicadet aageiehenwiid,
wtm fie eine uneingelcliiSnkteUntenierfitng
unter das Gcfcts ausdnickt : fo crfiillt fie auch
Yollkommea die Bedingung» imtcr urel*
dier Glttckleligkeit Statt findea fi>ll. Dcr
Widerstreit diefes Urthcils mit detn vorher-
fehenden ist nur anfcheiiiend» niclu wirkp
lich» dabeydeaui ▼crfchiedcaea Aafi^
tcn dcs Menrchen entfpringen. Nach der
einen wird cr aJs bcdiirftiges Wcfca fur
uaillhig erkllrt» ia irgead eiaem Zcitpimcte
feiaer Esittcnt Heiligkeit det Willena wirk-
lich xu befitsen» und dcmGcfctse, ohne alle
Abwcaehuof » gemlfi su haadelai aich der
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«B^eni Anlichc wird ihm diefe Hriligkett in
fo fern iiigefchricben , nls dci Griind ziir
moglicheu Errcichimg derfcibcu in dcr fitc-
lichen Gefiimung liegl, und da» Ztel, welchet
Dur in der Uoendlichkeit crreichbar ist, als
f ch o n crreichc gcdncht wird. Dicfc zwcy te
Auficht itt auch nothfvendig mit dem Gedtn-
ken der Frcyheit verbunden. Denn dte Ge-
fiunuDg als cin Product dcrrciben» und die
daher cntstehende Zurechnung steht gar
nieht unter Zeitbedingungen» wie in dem Ca-
pitei voM der Frcyheit gc^cigt wordcu ist. *}
Aui den beyden Urtheilen; der Menich
kann die Bcdingiing nicht vollkommen
erfuiien, untcrder feineAnfpruche aufGiiick*
leligkeit gerecht find, und, der guteMenfeh
crfullt dieie Bedingung, cntstcht ein drittcs
Urthcil, in wcichcm beydc durch gcgcufciti-
fe Einfchrinkuug vereinigt werden. In fo
fem n^mlichdie fittlieheGefinnimg tlberhaupt
aii die Wiirdigkeit giuckfclig zu icyu ge*
*) Erstcr Thcil, S. r8l.
dacht wird» imd doch diele W2rdigkeU fur
dea Menfcheii, «It Siniieiiweleii, dat ZeiN
bedingungen cmterwoifcii ist, Grade
hats fo fordert die Verounft eioeii dem in^
nern Zustande det Menfchen tngemellenen
liufiern Zustand. Und diefe Forderung ist
um (o nothwendiger» d« ohne diefelbc fuc
endliche Wefen gir keme Wurdtgkeit
gluckfclig zu feyn gedacBt vverden konnte.
Denn folite diefe ertt dann eintreteny wenn
die Heiligkeit det Willeni «irklich erreichC
^are: fo vnirdc (iennr in der Unendlich-
keit und folglich gar nicht Statt findea
konncn» welchet der Vemunft vrider^richt.
Finden voir nun endlich zwifchen Tugend
und Gluckleligkeit nicht immer ein angeme£>
fenet VerhSltnifi auf dieler Erde; itt et unt
unmoglich dcnElendcn zuglcich stcts fiir
latterhaft cu erkiaren» konnen wir unt
im Gegentheile det Gedankent nicht enneli*
rcu, dafs in dem gcgcnwirtigen Leben die
Giuckfeligkeit bey aller Wurdigkeic dazu»
|a fogar um der guten Gefinnunf
~ 463 —
Willeii, oftvetldrengelie: fodriiigeiiiii ji«
Verniinfc auch den Gedanken auf, dafs unfere
Existciiz nicht auf das gegenw'irtige Lebea
«iogefchrjiukty fondem nur eine VorbeieU
tung euf ein ktinfriges fey. Zu dem Glaiiben
ati die Unbtcrblicljkcit der Scclc fiihrt uui
aUb» theiis dasGebot felbst» nach derHeiJig.
keit vi itreben, fheila der von demfeihen
unzertrennbare Gedanke, dafs dcr Mcnfch,
als Zweck an fich, £riih oder fpit, die Giuck*
leligkeit erreichen inuire» derea er wtirdig
Ond bedtirftig ist.
Durch dicFortdauer nach demTode wird
der Menich auf doppelte Weife in den Stand
geletzt» lur Erreiehimg fcines ganzen Zwccks
mitznwirken. Es ist ihm untcr dieicr Vor-
aiisfetaung iiidgiich» die fiedingung tu crfuU
len, ttnter der nach der Verniinft die Gliick
feligkeit zti Thcil wcrden foll, und fclbst iio.
mitteibar zu (einem Wohie beyzutragen« So
wie ichon hier auf Erden daa Bewufstfeyn,
iich nicht nach (innlichen Bcwcguugigrunden,
fondern uach alJgemeinenGeietaen lubescim-
men, eineArt von Genuis crxeugt: iblunn
— 464 —
mun Miidiiafiii» dait bef ttaer imiiicr nelir
wMtnden ^njMt ton linnlidim NeigiNi*
gcn die Zu&iedeohei( init fcinem Ziistaade
iamier voilkommiier ieyo» uimI licli imner
ndir ict Seligkeit» umer der niaii eiiie flai»
lichc Unabhangigkcit von Neigiingen iiiid
«KurfmiTen denkt» nihcrn werde. Auch kaoa
dkr Gewimi, der «iif dieft Art aiM den Forf»
ielintten tur moralifchen VollkoMmeiilielt
entsteht, als ichr grois vorgcstclit werdeo*
Aliein» (6 wenig er auf «Ueicr firde iiuwei*
fAntnd Utf £6 wenig kano er et elier leyn,
als bis der Menfch gicichfam feine ganze
Natur Tei^Uiderty uncl ieiiie EodlicliiEeit ati-
gelegt kat. So lange ilim dlele bleibt, baben
wir gar keine Vorstellung davon, dafs cr frey
voo Bedurfiiiireo ieyo koitties uod da die Be-
friedigung von dieien» in dem gegenfVirtigeii
Leben, nicht von felbst mit dem moralirchen
Gcfetze ubereintcimmt: fo kooote auch io et*
nem kunftigen eine Ibniidie Diibamionie
Statt findeir. Um alfo die Moglichkeit zu
denken, dafs dcr Menfch icinen ganzen Zweck
crfeicbe, iit die Vorawiecsung dcr Fortdauer
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— 465 —
naeh dm Tode an fich nicht hiiireicheiid.
Iit fie bloft eineFoIge iler blinden Nttur,
ib licgt darin fiirdcnMcnfchcn fowcnigHo£F-
ming^ das voiUaadtge Gut, dat die Vemunft
ihn tiiin Gegenitande ieines Strebent macht»
Wirklich wcrdcn zu fehcn, dafs dcr Ungliick»
liche eher Vemichtung ais Unsterbiichlceit
wiinlchen mtilste. Denn welchen Gnwd kamt
er habcn, zii glaiibcn, dafs in cincm kunffi-
gea Zustande ihn oicht ein cben folchcs Loos
trcffe, wie ihn hicr traf ? Hat die Natur ihn
hierelend gcmacht, kann fie ihn einst nieht
noch elcndcr oiachen? Kann ihn dic Natur
nicht in eine Lage verletfen» wo die Selbst-
lulriedenheit noch weniger lum Gemilse ge-
rechnet werdcn kann, ais in dcr gegenwarti-
gcn Verbiadung dcr Dinge? Und ieUwt der-
fenige, der fich in diefem Lehen wohl ver«
balten und wohl bchindcn hat, kann eintfn,
icincr fictlicbcn BcfcbafiFeohcit augemciliBneQ
Zustand gar nicht erwarten, wenn er daa
Schlckral fo vieler, eben fo gutcn, vielleicht
noch bcdcrn Mitincnfchcn bemcrkt, iiiid dar*
auf eioen Schiiiis £ur lich felbst lieht. Soll
— 466 ~
alfo der Mrafch hoffen konneny dafs im
G a n X e n (eiMer Existenz fein g a n z e r Zweck
tmUhtintdtp iiiid daft dte Natitr nicht dit
Oliiekreligkeit lertlSre» mralif er durdi ftU
ne (itcUche BefchafFeuheit Anfpnich hat: fo
beclarf er det Glaubent aa ein Weieiiy wd^
diei» alf der Urhebcr luicl derHerrclerNatiir»
diefelbe hiit den moraliichcaGcfiiuiiuigen eiiH
f tinmiig mache.
Die obettte Urlajebe der Natnr ibll miler
Unvermogen lur Erreichimg des vollsandi*
gen Gutf erg^luzeny Vemsittlcr zwifchen Na«
tur und Fkeyheit» twilchen Giuchleligkett
imd Tugend feyn. Um da* Eine thtm, imd
das Andere feyn zii konnen , mufs diefes We-
len nicht nitr alimachtig» Ibndeni ancii
der Voritellung: ▼on Gefetten» ond
dcr Handiung nach derfelben fihig ge«
dacht i;verdeu« Denn wie koome es dea
Gnmd dcr Uibecciinttmittmig swimicn fitt»
lichen Gefinnungen und den angemelTe»
acu Wirkungen der Natur cnthalten»
nena et aicht diele GeCnaungen nach deai
Gelcttet «vf we)iihem didclbea bendM/sn
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— 46? —
r i €ii t e n 9 tmd nach der Vontelluiig von Ge«
letien ni handeln vemidchle. Nun neup
nen wir abcr das Verraogcn Vorstellungen
von GefeUen zii habcii, Verttaud; uud das
Vennogen nach denielben xu handeln» dea
V/illen. Es i$t alfo die oberste Uriache
der Natur, iu fo fcm iie zur Hervorbringung
dei hochaten Gnts vorausgeietzt werden
nittis* einWeien^ das diirch Verstand und
Willcn dcr Urhcbcr dcr Natur ist. ®) Bc
denken wir nun femer, daia es heilig ieyn
mufs, um nie in Verliichung fu gcrathen^
von dcni Gcfctzc abzuweichcn, — ^ all-
«vilTend » um das luncrste dcr Geiumuug zu
crkennen» — allwetiey um die Menfchen in
dic ZustUndc zu verretzen, die ihrem Vcrhal-
ten angcmcfTen (ind; und da£s aus dcn ange-
Itilurten Eigenfchaften Allgenugfamkei^
Allgiite und unwandelbare Gcrech«
tigkcit folgen: fo fchen wir, dais, iu mo-
*) In fo fern das hdchstc Gut , wonuch der
Menfch snreben foll , nur durch di« vemiit-
tclnde Gonheit moglich ist , wird cs als a b -
gelcitec: und die Gottheir fclb^t als d?.^
urfprungliche hdehste Gut beuacii»L
— 468 —
cdiicher Ablloht, die obctttft Urftdie der
Welt ah da» allcrvoUkoinmeuf ce We^
fbtt gedidit vrerden iniiif,
Attf dieft Weife geht der Gleube an dat «
Daieyn Gottes, als eiixes Wefens, c)at alle
mogiiche Vollkommenheiten hefim» nicht
«eniger als der tn die Untterblidikeit dllr
Seele aiis der moralifchen Narur <)e« Mett*
lcbcn hervor. WiU man die Griinde, aut
dettCtt cr beniKt» entkrlften» h ipdit diele
nvr atif eine dreyfSicbe Weiie an. Entw«*
der es muis gezeigt werden dafs es ga»
k«in Sittengefetc gebe^ oder* daTs daflelbcv
(einera Gntnde naeb, ntcbt aiif die Verbin»
dang der Tugelid und Gliickfcllgkeit weife,
oder endlich» daft dieie Verbindtmg unter
tndem» ali den angegebenen Bedingungen»
nioglich fcy. So Jan§^e dic Wahrheit von
den entgegeaslchendca Bchaupcuugen unbe.
iisMifelt ge^ff bleibf, iat et mornlifeh
n o t h w e n d i die Unsterblichkeit der Secle
una das Dafeyn GoCtcs anzuncbmcn.
Diefe Aimthtne kann cin reintr Ver-
nunfcgUub.e het(sttt« dt.clcr GnnMl, anf
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Ware das Sittengefefi auch ni^rdt dbin
Meafcheu felbst, foiidcrii Wefen andcrer Aist
gegfben: lo wiirde er, bey einiger CnltMv
▼an derVernunft gedrungen werden , die Re*
liingiingen aiifziifuchcny unter dcncn thcih
was dat Sittengefets aniiiittelbar fordci^
Iheilfl daf, wat aut der Beobaehtttng iefft^
ben folgt, wirkiich werden konne. ^ Auf
der eineit Seite die Heili^t dei WilleBi^
alfl den Gegemtnnd eiocfl Gobotfly und aitf
der andern die Erfiiliung defTelben als uji-
n 6 g i i ch betrachteni auf der einen Seiie die
Unterweriung unter dai GefetB alt die «tn*
cige Bodiitgnng der Glfickfcligkeit, und
auf dcr audcrn dicfc als uuerreichbat
denken, iind xu harte Widerfpnlcbe» ala daia
der nadidenkende Menfeh lie nlcht ftt ▼erei-
iiigen fuchen follte, \^enn er auch gar nicht
auf fich iclbst Kitckficht nihme. Da aber
ihm felbst jenes Gebot gegeben ist: lo
dcm er beruhr, ir. der praccifchcn Ver*
nunft liegt, und dic Annehmung ciner hochF
sten Intelligenz das Gefcblfc der Khcoreii>
fchen Vemuofc isc
— 470 —
cUs VemuaftbedurfiiUi su der Vereini-
giiiig feiiter miilmeiidlMireii GeJankea nodi
dringeudcr. Er fclhst foU nach dcr Hcilig-
keit det Willeni streben» imd fich jedca Ge-.
nu&y welcker mit derielben nieht bett^ien
>Mnii, ohnc Eirifchi ankiing vcrfagcn. Unter-
Hirfi er fick mm diefem Gebote^ um der in^
«ekn Venditmtg sft entgehen: & kann er t»
doch nicht als xwecklovundalt mit fiehielbtt
Streitend anfchfrfi« Diefe Aniicht abei: wiirde
trovermeidliQh UffOs venn er leine Eziftens
mtl diefef kitne teben eingeichiMEf « und
^e GliickfcUgKeit , auf die er diirch die Etr
liiUupg det Gefetxes ein Recht bekomml* als
uacfteichbar dlehte*
So "tgird die Vcrnunft nur durch denGJau-
htn 'an Gott und Unsterblichkeit einig mit
fich fclbst. Und deswcgcn ift es swarm5g-
Aich« da(s dcr gute Menfch ia feinem Glaii-
ben wanke, aber nicht, dais er in entichifi-
denen Unglauben gerathe. Denn da der
Grundy auf dem fciue ilandliuigsweife bc-
ri^it» eben der fst» auf welehem auch der
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Gliobe an die Portdttief lueh deinTode, imd
an clas Dafeyii einef allweiien Welnirhebers
bcniht: fo kann er diefen Grundy deo cr ia
einer Ruckiicht fut volJgulttg erkennty niehc
Hi einer andem liir nichtig erklSren. Er han*
delt Co, als ob feine Existcnz ubcr den Tod
hinausgebe» und unter der Regiermig einet
ifeifen Welttirhebers stehe, und wurde fieb
fclbstwiderfprechen, wenn cr behauptetc, dio
Fortdauer feiner PerlonlichlBeit und das Da*
feyn dei Gotdieit iey umhoglich. Eben dct*
wegcn liCst Hchs auch gar nicht denkcn, dafs
dic Rcligion von dcr Erdc vcrdr^ingt wcrde.
Ehe dieis gefchehen konnte, miiiste der Ge-
hrauch der Vemunft, nuftte Tbgend tmd
Rcchtfchaffcnhcit vcrfchwindcn.
Der Glaube an das Da(eyn Gottei und die
Unsterblichkeit der Seele ist bisher als e^a
V c r n u n f t b c ci 1 1 1 f n i fs vorgcstellt xfor»
deni uud.fo ist iuderThat die moraiifcho
Nothwendigkeic jenes Glaubens luver*'
«tchcu. Sic fo dcnkcn, als ob fie fclbst
<5 Wslires phyHfchcs Beddrfnifs weist
ini AUgemeUicn auf cincn Mtngd hin^
47»
•iiie Pflichl flndialte» odee nf cfen Gnttid
kr V«tUttJiidiMe hb^Miie^ gMfet oik 4fr
«ut ctneill von der menrchladien Katur un«
seftreiinitdiai Gefuhle entsteht. Ebea
fowtiec VerDunftbedurfnifs ira AlW
gcmetnen tuf «inen Mang^cl hin, der tus
einem nothwendigcnGedankcn cnt-
•rcht. So ist dic ganet Philofophie auf Ver-
nun&bedurfoifse gegriindet. Denn bey ei-
niger Cultur dringen fich dcm Menfchcn die
Fragtn auf: was isi die Welr? was bin ieh
felbar? w«a foli ich cfaun? und was wtrd
•ut mir wccdent So wie nun aber cin phy-
fifcbesBcdftarfidfii iragfUlc werni dwG^U»
wormif «• bciiiiit, beftiedigt titt fil fiOk
auch eiii Vtnuaftbodatfiult wcg, w<m die
Betntnsonaiig dner Qodiwcndigea Wngt tuf
ctne Weife gegebes waden kaiui, dte fiber
aUo 2wciftl «btbcn itt. Mtn fagt dthar
im engem Sinne nur daniif dafs die Uiber*
teugung auf ein VernunfcbcdArfnift
^egtundet fty « wenn die Betntwortung ei*
ner nothwendigen Frage blofe in Bezie-
hung auf cincn gewiffen Zwcck,
«ntfchcidend , nicht aber in jedcr Ruckficht
befricdigend ist. Von dcr Art ist die Beanr-
wortung der Frage liber das Dafcyn Gottet
und die Unstctblichkcit dcr Secle, in fo fcrn
fic fich auf die Noehwendigkeit fitt-
iich zu handtln icutzt, Deswegen
heiUc auch das Furwthrh tlcen eiaec
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— 473 —
menfchlichen Denkiingsart iind mit den Lch-
TtOf auf weiche dcr Glaube ao Gott uad Un-
tcerblkhkeit gegriindet mrde. Denn dai
Dafeyn oder clie Fortdaiier cines Wcfens an-
zuuehmca» ist das Gcfchift der theoreci-
fehen Vemunfr, die nur naeh Grtindea^
nicht n«di Pflicbten fragt; urid da die
Yerhiodiichkeic Ciigcncihaft zu icyn, aus dec
folchen Enrfcheidung nichcWirfen fon-
darn Glaubcn. DitiStr Uniwlchicd isc
•btr nidic fo su vtrsithen, tls oh bty deoi
GltabtndltGrfindtdtrUibtReugung nichc
tbtn dit Ftsrigktic btwirktn kOno-
ttn, wtldic bty dtm Whftn Sonc ihidtc^
fondtro nor fo, daft bty dtm Glaubto di«
Gruodt der Uiberzeugung von andtrtr
Art find, als bey demWilTen. Ich w«is,
dt(s ich rechtfchaffen handeln foll ; denn dio
Rcchtfchaffeoheic beruhc auf etnem Gefecze,
das (lir alle vernunftige Wefen gOU
tig ist — ich glaube nur, dafs es cincn
Gott giebt » dcnn ich kann nicht bcwcifcn,
dals alle verniinfrige Wclen das vollstiindigc
Gut, nur unicr dcr Vorausfctzung cincs mo-
ralilchen Urhebers der Welt als mdglich an-
fthen, Da fie aber {lir mich, -Is Mcnfchen,
in moralifcher Ruckficht, nothwcndig
ist, fokann ich mitRecht fagen : ich felbsc
b 1 n g e w 1 fs , daii cs eincn Gotc gebc«
— 474 —
Gefctigcbung der practifchen Vcrmmft fliefst,
fo bleibt fie stehea, dcr Menlch ley gUubig
Oder ung lHubig. Dnnit ibll aber tiiebcge(agt.
ftyn, cUfi es lceine Pflicht in Bczichunj
auf dcn religiofcii Glaubcn gebc, oder, clais
die Gebote der Pflicht nicht alt Gebote
G o 1 1 e t ▼orstittellen ieyn. Die Belordening
des vollstandigeii Giits ist Pflichtj iind cU
daflclbe mir uoter der Vorausfetsung det Da«
ftyntGottet und derUntterblichkeit derSeele
▼on dcn Mcnfchen als raoglich gcdacht tvci;-
dcn kaim : fo ist allcrdiiigs jeder verbuadeiip
tfaeilty allet ni unterlalTen» wat den iditca
Religionsglauben lchwHchen konnte, theils,
fp vicJ von ihm abhangt, nach eigner Festig*
keit in demfelbea fti ttreben» Femei^ ob^
gfleich die Sittliehkelt auf der cigncn Geletf-
gcbung dcr Vernimft bcruht : fo fiihrt doch
dicfe auch unverm6idiich xu dem Gedanken»
die Gebote der PAicht alt gottliche Ge-
bo tc vorzuitcllcn. Dcna ist die Erreichung
des vollstindigcn Giits nur durch den WiUen
det heiiigen und allmlchtigen Urhebert der
Weltsu erhaltea: fo miifs dcrfclbc auch alt
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— 475 —
das Oberhaupt iind der GefeCsgeber tii denr
Reiehe der Sitten» wie im Reiche der Natur»
betrachtet wcrden. Nur find die gottli-
chen Gcbote nicht fo zti verstchen, als ob
fie willkuhrliche» odcr xufilligo
Verordmingen Wiren. Dafi eine folche Aii<
ficht mit der Wahrhcit uicht libcreiastimme^
kann keinem Zweifel unterworien feytt, weno
der Glaube an Gott (elbst ertt auf der Geietx*
gebung der Vernunft bcrliht. Wcndet man
dagegen ein» dafa ci auch andere Grunde fiic
das Dafeyn einet hoehsten Wefens gebe; (b-
ist dicfs zwar allcrdings wahr ^ fic iiud abcj;
von der Art, dais fic» theils, aliein genom-
ineny keinen festen Glauben grunden konnen,
wie bald gczeigt wcrdcn foll, theils wcnig
oder gar nichts dazu bcytragen^ Gott als deo
gerechten Richter imd Vergelter
vorcnstcllen. Als folcher ist er mir deswe.
gcn fchwcr zu vcrkcnncn, wcil in uns fclbst
ein innerer Richter ist» der auf denAll-
niSchtigen hinweist Lilge nicht in uns cin
Gcfctz, dcflcn Uibcrtrctung als strafwiirdig,
und dcjQfenErfiiilJtmg alsdieaotfawendige aber
— 476 —
atich einiige Bediii^ung der GluckreKgkeit
Cfffehcint: fo wur<ic cs iii der That ganx iim*
Ibiiit feyn» dca Sittenlehrea djultircli Nadw
dnick vcrrcha£kn iii vrollctty daft ffe «Is Ge^
botc Gottes voffestcllt werden. So wic dat
noralilche Gcfuhl flch cuf dat ^ttengelets
grundee» und nur ncck dem Maiie der Ene.
>yick.elung der Vernunft entsteht: fo griindet
ftcb auch die Hdite Furcht vor Gott» dte
jpccht verstandene Liebe, und dat wahra
Vcrtraucn zu ihm auf die iuocrc Geictx*
fcbiuif .
♦) Chrisnis felbst verweist auf das inncre Be»
w u fs t f e y n , als den leczten Richter uber
dii Gttfc und BOfe , und grOndet folgtich
die ReUgioa cbenfblb auf die Gefctzgebung
4er Vcmuoft. Als gOttUchcrGefiuidte giebc
«r dcrielbcn nur nehr Nachdnick» ohnt
doch dicFaichtcn tlc willkdhrllchc Gt-
bcieGottct vonustcllcn. Htftcr mcanclch^
sc, fagt cr» und ihr wcrdct crfthrtn, dtft dc
von Gott fey. Dicfc Erfahrung llitt fich
nur auf zweyerley Weife inachen , entweder
duTch dfts Gcfuhl der Gluckfelig.
keic, die a\is der fiefblgung der Lehrc
flicfstt oder durcli die £ i o f i ch c d e r i n -
nctnNothwcndigkcitdcrfcUicn. Dtt
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— 477 —
Die Furcht vor Gott kann mit dem Gt*
danken dc$ moraiUchea Gefetset cuglei^ §e-
«eekc werden. Daher ist cs ▼lelleieht nutf^
licl^» tinter gewiflen Umstanden, die Sitteo*
IdKren gleich Aafangs alt Gebote Gotccs vonti*
fiellen. *) Nur miifs dabey nicht vcrftumt
Erttc konnce tber Chriscus gar nicht mei-
nen ; denn «r fa^i^te feinen liingern ■usdriick-
licii, dafs fie viel zu lcidcn haben wiir-
den, und macht nur Hotinung rur Gluckfe-
Jtgkpit in eincm kiinftigen Leben, wo*
vun man doch keine Eiiahrung haben kann.
Wird ferner fur die Wahrheii der gfittlichcn
Ofttinbarung ein Ueweis gefucht, fu kCnnen
felbsc diejenigen , wclche dcnlelben in dea
Wundem finden, doch zuUtzc fich nichc enc-
hilccu , «li cia wtlfimlidits Ktnomichsn ei-
ncs Wnndm dic Ahrichc anaagcben, um
dtna willcn ts vtrrichitt «ttidt. Ob nun
abcr dicft Ab6cht dtc Goithcit wMig fcy,
kinn nur nach dcm Bcgnflh btunhtnt wcr-
dcn, dcn uns dit Vtmualk von dtm h6cb«
sicn Wtftn gitbc
^ Diefes V i c 1 1 e i ch t foll abermals keinen
Schatten auf dic Weisheit des Stiftcrs der
christlichen Religion werfcn Er fprach zu
Menfchcn , dic in Gotc glaubcen » und dle
Filichtcn tls Gcbocc defTcIbca beiTicbtctcn.
Wcnn fokht MtoiSdito bdchic wcrdcn (eti-
Hh
478
werdeOy die inncrcNothwendigkeitderfclbcii
fublbar su iDichcD, fonsi itt AbergUube oder
Unglaube tu fiirehtoi. Oemi wer nur di»
pofitivcn Strafen clerGottheit, und nidit
die innere Vcrachtung fcheiit, der
koinme leicht auf den Gedanken, da6 dat
heilige Wefen naeh MenfehenarC dufch
aufsern Dienst tu gewinoeny oder gac dur<:h
Mittel xu beliriediKen fey, welche der Gefets*
gebung derVemunftseradesu wider^^redien^
wic die Gefchichte mit bhitigen Spuren zcigt.
Nicht minder alt der Aberglaube, enuteht
audi leiGht der Unslaube aut der Vemadli*
Imi: Ib kinn dti Vcrftfaren dabey tuiP
dm feyn, «li wcim derGltube tnGott cnt
gtfrOndct, und der crtte Begrif ven Pflicht
heygdmdic werden foU. Dther kann die
Unterfuichung fiber dic bette Art« die Men-
fchen zur Tugcnd zu erziehen, gtr nicht
tb lait der Wtbrhdt der christlichen Reli-
gion deitwegen snreirend tngefehcn wcrden,
weil diefe die Sittenlehren als Gcbote
Gottes darstellc. Da iiberdicfs Chrisrus
fclbst auf das inncre Bewufstfeyn dcs Gefe-
tz?s fuhrt : fo ist cs fogar feiner Lchre au-
wider, daiTelbe tuszufchlieifeii.
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— 479 —
ittftigung det praetifchen Vernttaftiotereflcs.
Denn wer in den Sittenlehren nnr will*
iLuhrliche Gcbote GoCtes iifiht, und gcni
iSsine Neigungen, denlelben luwider» beluup-
ten m6chtey der ergretft «uch begierig alles»
was ibm voii Andern oder von ihm felbst ge-
gen das Dafeyn Gotces eingegeben wird ; und
eotitehen «uch nur Zweifel uber daflelbe, to
find fic oft fchon hinreichend, dic Erfrilliing
des Sictcngefetxes zii hindern. Isc im Gegen-
theilc das practilche Vemunftinterefle ge»
weefct: fo konnen Zweilel tiber dat Daleyn
Gottes un4 die UnsCerblichkcit der Seelc
twar beunruhigen» aber nicfat denGedankea
der innem Veraehtnng aufiieben. Diefa
wirkt aiich dann nochy wenn der Glaube an
die Religiontwahrlieiten wankt; denn uber
moraliiche Verbindlidikeity wenn fie einmal
deutiich eingerehen ist, konnen keine Zwci-
fel eocscehen,
Mit der Achtung fiir daiSittengeletx kanit
ftugleich die Furcht vor Gott geweckt wer-
deu, wic ebea gciagt wordcn isc, uicht aber
cbcnfodie richtig vcritandeneLiebc
— 48o —
miaa«lchteVcrtr*ttcii wihni-
findet fich untcr gunstigco UmtaiiaeD Wi-
«eilcfi Iruh EmpfitngUchkcit ftir dic Empfin.
a„ng, i»elche aoi aem Gcdmnken «n Gott.
al$ dcn Urheher •Uet Gufcii, entttehc, imd
Uebe xu ihm heifst. Auch ist es fehr heil-
lam» aicfe religiofcEmpandiing lu wcckcn.»)
Wenn et ahec fihefhwpt eiii gro(ief Irrthum
ist, dic Bcstimmung dcf Menfchcn auf &attk
GliicklcUgkcit »n Hch cinxufchrankcn: fo
murt eudi ais hSchilc We&ii nicht »b Wohl-
thitcr Cibcrhaupt, roaaeni alt gerediter
Wohlthltcr bctrachtet verdenj imd wt^
fo aie SittlichkeU elt aie Beaingung acr von
ihm ausgcheiiaeii Gluckfcligkeit wrgettellt,
ib ist dic Ucbc zu dem Gcber tllet Gutem
mchtchermogiich, alt bis dcrVorfatx gc
fafit itt, aie Beaiogung fcincr Wohlthatcn
tu crfuUcn. Wcr fich noch nicht hcmltt
Gott lieben htifit iwtr «uA feiuc G«ho«
S«rn «iftUtn; ditfeLi«b« «ber, weit ent.
r^tim Anf«ng« d«t monlifchfn Lcbtnt
mSgllch «ttf«fU, ^»^^*" ^*"**
M«n(ditnnuK mit Einfchtinkung.
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ift, dafi erderielbefi wilrcligztiwenleti tfrebt»
<ier fcheut aiich den Gcdauken an ein allgiiti-
get tber hciliget Wefen» und kann fieh
der befeligCQden Enipfindimg det Dankt ge-
radc iim (o iveniger liberlafTcn, je mchr er
Veranlailiing daxu hat. — Zu dem ichteii
Vertrauen aufGott, wurd ein nocfa grof»
fcrci CrraH erlangfer Herrfchaft liber dicSinn-
iichkeit erfordert./ Denn fo wenig der £in-
flnis det hdchtttn Welent aiif die Schicklale
der Menfchen lelbit in diefein Leben aiif*
Bitrchiiersen ist; fo hat denn doch achtes
Vertrauen lu demielben nur derfeikige»
weleher von feiner VenuitteJttng faotft, nicht,
dafs es ihm in jedcm eintelnen Zeitpiincte
ieinek L^bent — — fondem im Ganxen ieiner
Exittens nach Wunfch iind Willen gefaen;
nicht, dafs cr stets gliicklich feyn— fon-
dern* dais fcibst Ungiiick zu feiuem Besten,
d. h. ttt feiner Vetedlung und Venroilkom-
itiung gereichen werde. Wenn man alfb
gleich lagen kann , dafs die M o r a I in V^er-
bindung mit der Reiigion GliidLfeligkeits*
lehre Sey : fo wiid doch weder dte M o--
— 489 —
ral tB ficby noeh iucli die djurmf ge«
gniiidele Religioa dier fiir ^en Weg tor
Gltickrcligkeit gehalten , bis rchon <3ie {ittli-
chc Ceiioiuuig vorhindca ist. Um diciie hcr-*
vor la bringen» iit das Erite» was dcm
Menfchen vorgehalten weHen mufs, dat Ge-
b o t : du follst niir folche Regeln befolgent
«ciche allgemeine GeieCfe «erden kdmieni
und dieis Geboty et «erde bloft auf die
Geretzgebimg der VernunfC» oder auf den
WiUen Gottea lugletcb gegriindet, wird» in
leinem gansen Umfange, und an fieli»
von keinem Menfchen als Erwerbmittel
der Gluckfcligkeit bctrachtet. — Nur dana
biat dtt dcfielben wiirdig» wenn du jenea Ge»
boterfiiHft» iit der sweyte, mit dem votu
gen verbundeue Gedanke, — Auch in die.
fem liegt nnr die Vernunftbedingunf
der Gltickleligkeitt niditein Mittel fie su
crlangen. Wenn nun aber der Menfch das
Gefcez zur Regei feines Verhaltens gemacht»
dnreb Beobacbtung deifelben den Wertb &u
ner Existent nicht nacb blolt angenebmen
Empfindungcn fclutzcn gclciot^ und duicb
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— 483 —
die B^traehmng «liefet Werths, yermittela
der Keiigion, die HofTiiung crhalten hat» ia
ieiaer ganten Exitteni dat fu ertekheo» tvif
er als finnlichverntinftiget Welen wuniehen
iiiid wolleii foll : fo kann er ciic Moral , die
Anfangt nur Pflichfen aufiegt, nicht eigen*
Duttige Maatregeln an die Haml gtebf , alt
dtii Wcg bctrachfcn, auf dem cr zum GcfiihJ
fciuer Wurde» und sur Autficht aiif cine
Gluckfeligkeit gelangt, die nicht auf dieiet
Erdcnleheti eingcfchrankt ist. Selbsttufrie-
denheit begleitct das Bcwufstreyn feincr gutcn
Gefinnungen und Uandiungen; und itt lie
nicht hinreiehend, ihn fur alle Selbttver-
liugiiung fchadlos zu haltcny oder iiber*
kaupt dat Gefiiiii leiner Leiden auftuwie^
geuy (b gewinnt er wenigttena Trott in
denfclbcn, durch deu Glauben an Gott und
Uastcrblichibcit,
Dmrmttimg mid PrUfung Jcr /pecwhtl^
Vf» Bcrs^cifi fiar dic UmttcrbUcbkiit Jkr
SccU^ unJ das Dafcyn Gotia.
Es itt nicht» 1 i ch e r 1 i ch e r alt die Furcht
vor der Wahrheit» Itgt mehr «k ein Fhito-
foph— > ee itt nichtt geflhrl ieher alt die
Wahrheit, fagcn Andere, und beyde haben
luch dem Simie, den iie mit ihren Ausfpni*
chen Teiiiindeny Recht. Bf ist nichts llchefw
licher, ali die Furcht ▼or der Wahrheif,
wemi man diefe an fich betrachtet, und
etwat anfieh^ daa nothwendig lut dte
nenlchUclien Denkart hervorfoht; et iit
nichti gefUirlicher als die Wahrhtie, wenn
man unter derielhen eintelne wahrn
Sltf e venteht, die^ *nt ihter VefUndnng
mit audern geriffen , allcrdings eincn fch'id»
lichen Eiofluia au£ die DenlL. und Uandlungf.
weife der Menfchen hahen fcdnnen. Ea ial
daii-r unstreicig einc gegruodete moralilcfad
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Klughcitsregel darauf zu rehen, dafs mati
Wahrhcitcn» die von ungebildecen Peribneii
leicht eijifeitig gefaltt uad falich ange»
ivandt werden, nicht in ein Licht stelle, vicU
cbci dicEtnrcitigkeit bcgiinf tigt. Gcht
nan aber «eiter, und fticht nicfat bloft diefe
lchldliche Einfeitigkeit zu vcrhiiten, fon-
dcrn felbst das Wahrc, das ihr «um
Grtinde liegt, entweder gaus tu ▼erbeigen,
oder gar fifr nlchtig lu erUlreo : Ib handelc
man nicht nur unrecht, fondcrn arbeitct auch
oh dem Zwecke» dcn man cfreichen wiil»
gerade entgcgen. Wenn dle Menlchen einmal
auf gewifTe Anfichten, die aus dcr Natur ih»
ret Gcistct iiervorgchen, gc)u>mmco find»
fo itt cs Mangel an Aufiriehtigkeit tmd Aeh»
tting fiir die Wahrheit^ nicht zuzugeben, was
man doch als gegnlndet anfehen mufs, tmd
cs itt iiberdieft in dieiem Verfahrea oft Ua*
klugheit stigleich. Denn ttellt man imttatt-
hafteBehauptungen au^ fo giebt tnanBloiscn»
die felbtt der Abficht» um deren wiJIen man
fie aufttellty fchldlieh werden. Der Gegner
bcQutst dic Blofscn» und glaubt oft dann
— 486 —
ichon das Rccht «uf feiner SdAe suhibeiit
wnn er dat Unfecht «iif dler andern fie-
seigt hat, ohue uaian zii denken^ dafs die
Cnmde» die er ftir feioe Meinung •nfiuhrt,
eben (b unnireicheod ieyn konnen, als die*
jcnigen, dercn Zuringlichkeit er bestreitct.
Wird im Gcgeutbcile das zugcgcben, ivat
ohne Verletsuog der Wahifacic nickc abge»
laugnct werden kann: (b itt (elbaC dano etnq
Verciiiigiuig mQgltchy wetui &c noch fo
ichwei rcheint
Aus dieienLGefichtspunete miift man die
9rufung der Bcweifc fiir da$ Dafeyn Gottes
und die Uniterblichkeit der Seele betrachten*
Pcr gntgefinnte Menich hat ein hohet Inie*
rcfTc bey dcm GJ^uben an die hienlbcr auf-
gcsteilten Lehren. Sic iind ihm von Wick*
tigkeit« nicht nur inBetiehiuig aiif fich felbst»
fondem auch !n Bexiehung aufAodere» und
benihen auf Griindeny dic ihm kein Menfch
entreifsen kaon, LHfst er fich aber dureh die»
lea IntereHe verletlen, fetneo Glaubeo lur
cin Wiffen, xiM kmc Griindc fiir imum-
stolsiiche e w e i f e auszugeben : £b liuft er
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— 487 —
GefAtt denfelbea ibgat die Knft <u beneli-
die fie haben konnen. Wie }ede An-
maifuogy rcitzt ziim Widerstandc aiich die-
jeni^y weJche fich auf die Erkeuntniis uber*
finnlicber Gegenitande beueht. Et itt alib
von Wichtigkcit, lich cincr folchcn Anmas-
fung zu cnthaltcn , um der guten Sachc nicht
su ichadeni und wie fcann tnan diert, wenn
man dat Wahre von dem ErTchlichenen nieht
gu untcrrchciden wcifs J Schon dcswegcn ist
cine Prufimg der Beweife fur datDareyn Got*
tet und dte Untterblichkeit der Seele noth>
wcndig. Sic wird cs abyr noch mehr cladurch,
dait fie vor der Gefahr bewahrt» iclbst in fei^
nem Glauben tu wanken. Denn (6 wie der
Gcgner deflelben mir dadurch tritimphiren
i^ann, dafs cr fcine Wafien auf die Uibcr-
fchreitung der Grenzen menfchiicher Wiflen-
fchaft riehtet: fo fchligt fieh oft der Menfeh
felbst , durch dicfe U i b e r f ch r e i t u u g.
^ Allct wts jemah gegen dat Dtfcyn Gotiet
und dieUntterUickkeic dcrSeelc gcfagt wch>
dcn ttt» trift Bichc unmittclbar dcn religi^
len Glaubcn fdbst, fondero nur dicBcwcifc^
— 488 ~
Steht er das Uoerweiiiidie in feinea Beiuni|ft-
tungeQy wie er fichi in dcr That nicht iin-
mer verbergeo kMon : (b verliert er iiicht kl'
ten dabey •uch dtf atit demGeflchte^ fvet un-
erfchiitterlich fest slcht, odcr hetrachtet et
vieiletcht uie aus dem rechtea Gefichti*
puncte.*) Znr AhfiMuleffunf dci Walrai
wdche dafiir aii%«tflllc «ordtn find , und
ist vitllcicht nur dtiwtgta auf eiojB oft
afflp6rttide Art vot^ttmgen , well von der
Gcgcnpanhcy die fchwachcn. Sciren ihrer
Griinde vorfetxUch in Schatttn gttttUt itt
ftya fchitntn.
Alt Gntnd dtt Glaubtoi aa Gott htt taaa
dlt Nodiwcndigktit mgtadhaft «i ftya. w
Ktat aur iadirtctc tagtCiUirt. Nie hac
mta gtrtdtau fo gefchlofsea: wir foUta tu»
geadhaft ftya, IblgUch tit ct aorhwendig
dat Dafeyn Goties anauathmen; fondem
vielmchr fo : es ist tin Gort. folglich miiflfen
wir tugcndhaft feyn. Wenn man nun den
Einwendungen gegcn dic Bcweife fiir das
Dafeyn Gotres be^^cgncn wolltc: fo war cs
ani Endc ficylich nothwcndig, fich mehr
oder weniger auf da» loiereirc dcr practifchen
Vernunft zu beziehen; nur gefchah es auf
eine Weife, welcht dcutUcht £iaricht un-
indglich iuaci;iie.
— 489 —
von dem FaJfchen» in Ruckficht au£ deit
f trengen Beweis liiir die Fortdauer nach dem
Tode» ibll die ertte Beerachttmg dienen.
Bey einem ttrengen Beweiie fiir die Un*
fterhltchkeit der Seele kommt es daraiif an^
aiis dein Wefcn dcrfclben zii zcipcn, dafs fie,
abgcfondert von dem Karper, iind
ohne die Werkteuge, die ihr mit demfelbea
xum Wahmehmen und stim Denken dienen,
ntcht niir bestche, fondern aiich das Be>
wuTstfeyn ihrer Perfonlichkeit behalte»
oder» mit andem Worten, dafi niche nur ihre
V c r g a n g l i ch k c i t, fondern auch ihre B e -
wufstlofigkeit unmoglioh fey. Dtefca
Bewcts hat man in dcrlliat untemommcn»
und auf folgcnde Wcife gcfiihrt.
Es ist iinmogltch, irgcnd ciw.is, cs lcy
von ciner Art* von welchcr cs wolle, nach
der Narurordnnng al« vernichtet fu
dcnkcn. So zers(urlvir allcs, vvas uns dic
Sinncn^elt darbictct» in unfcrn Augen er*
rcheinen muis; fo trift doch dieie Zcrstor-
barkcit iiichi dic Thcilc fclbst, aus dc-
— —
ntn ^ieDbge iuljtBflieiigelettc fitid, Ibndeni
uur dic Form, unter dcr fic uns zii einer
gewiiTcii Zeit er(cheiiieii. In £o viele Theile
dasHoU dureh det Feuer terlegt «verclen nuig,
fo wilrden fic doch, wenn dic iii der Luft
serstreuten mit denea in der Afche verbuu-
den #erden kdnnten» nach unierer Anficht
der Dinge, aHet autmichen, wat in dem
Holze vor der Auflofung vorhanden \var.
Ehen fi> itt et mtt den Theiien nnTert Kdr-
pert; nteht fie ielbtt, ibndem mir ihre Ver*
haltnifse unter einander, in fo fcrn (le ein
Gantet hiiden» wcrden sentdrt. Die
Theile» die wtr mit unlemSiniien nicht melir
faffen konnen, denken wir doch noch alt
vorhanden.
Bey diefer in unt iicgenden Nothwendig*
keity die Fortdauer ailet dellen« wat itr»
zwar nicht feioer Form, aber doch feinem
Dafeyn luich» su denken» kommt et liejr
der Untterhlichkeit der Seele nur
darauf an , zu zcigen, dafs diefe etwat
fiir fich Bcttehcndct» cbeu fo Unter*
storbaret ftf^ alt dieSlemente dcr Kor«
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— 491 —
pcr in imrcrn Aiigen fmd ; und diefcr Gcdan-
kc, fagc nan, Uegt allcnliDSt in unt. Soviel
£infltift aueh der Korper auf un(ere Gedan*
kcn uiid Empfindungen hat, fo wirJ dcnnoch
unfer Icb, «rclchetdenkt imd empfindet, voa
dem Koiper nodiiwndig gelchteden. Daflel-
be rait irgend cinemTheile des Korpers oder
mit dcm gaoxcn zu vcrwechfclii , ist jcdem
Menicheny der sum deudtchen Bewuiacfi^yn
gelangt, eben ib unmoglich» alt eine An-
rchaiumg davon zu haben. Man denkt zwar
mtt dem Kopfe» imd liiihit mit dem Henen ;
allein man tcellt fich dieleTbeile det Kofpen
mir als den Sitz der zwcy Hauptvermogea
dea Menfchen» nicht aia £ic felbit» und
noch weniger ali dat Ich vor» vielchet fie
beydc befa(st. *} Uud dicler Sitz ist wieder
Dtr mcthtphorircht Gcbrtiieh dcs Kop6 uod
Hctscnt, wtist tbcn fe wtnig anf dit wirk-
licht Vcrwtchftlung dtrFihigkeiiaiiDlt dtin
Thtilt, wo fit ihrtn Sica zu btbcn felwtntn,
als die Bcnennung cincs Sinnorgant itatt dtr
Fahigktit durch daireibe Empfindnng zti er-
hahen, auf tioc Verwcchfelung dcs iufsern
Wetkztngi mit der inntm FShigkcit»
ftr mehi Ib tu wtttheii, alt ob wir irgend
eiaen RaiMH angeben konucen» in ivelcheni
^Seele eiogeichloisenwlre» foadera aiir £sh
d«6 fie tnnHefaft von gewUTea Organea Eio*
drticke ewpfangf, uud auf dicfclben wirkL
WXre iie eigeotUch im Haume» £o miiitten
wirfieali theilbar denken, iinddielt ifl
jcdem Menfchen eben fo unmoglich» alt fie
init dem Korper feibst zu vcrwechfelu. &ie
itt alfo einfaelb und bleibt eben detwefen
scett eine imd eben diefelbe. Ihre Zuttlnde
wechreln woht» aber fie, die diefen Wech-
fel erflhrt, wechfelt nicht. Eben daiTelbe
lcli» welchetEindnleke von atilteaempfangt,
ift luch das , was Cie vergieicht , fich nach
deolelbea bettimmt nod handeit, So find wir
aneh vom Anfange unlert voUenBewufitfeynt»
bis auf jcden Augcnblick, wo wir unt felbtt
betrachten, noch eben daiTeibe lch» dat
durch verlchiedene ZuttSnde gegangeo itt»
verfchiedene Bettimmungen angenommen hat^
aber» feineni Wefen nach, nicht von dem
verTchieden itt, wat et ehedem wari et itt
und bleibt eben dailelbe. la^ man kinn mtt
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iUebt fkitnt «lalf dcr Wechfel ZmOiidt
firmcht Sfite finden wurde, wemi ^ Ich»
weJcbes dcnrdben erfihrt , nicht felbst blci-
bend uitd unveriiiderlich wSre. 0enn ubaw
•U, mo tirir Veillnderungen denken» da letiea
Wir etwas Reharrliches voraus.
Wcutt nuu tn unfcrn Augcn hein Ding»
ntch dem Lmife der NeCtur» in eiu Nichtt
ubcrgehen, rundern nur iii fcinc E 1 c m c n t e
•ufgclost werdeu kann» uurcr Ich aber nichC
nls ein Theii unlSnrt ienlorbtrcn Kdipcrt»
Ibndemtit fSrlicb bettehend» einftch
und beharrlich crrchcint: fo ist dic Fort*
dauer defleiben ntch dcm Todc eben Ib ge*
wilt nlt die Fortdtiicr tller ElencMf «it
ttclcheu dic Korpcr bcttchcn.
So Ituccf dcr fpecttlttive Bcweitt
wclchcr von dcr Untcerblichkcit derSecle ge-
ftihrt wird, und welcher iibcr tlic Zwcifei
crhtben ief n IbiL fietrtehtet mtn nun dic
ciniclnen SStte» tut ffelchen er besteht! fo
ichcint ct ia dcr That, als ob tich gar nichta
dtgeiencinwciidcnlielttsi irgeod etwtt naeh
Xi
— 494 —
dm Laule der Nttur veniSclitet ni
MkeAf ait in der Tliat imniDilidn tlad Ib
if t et auch gane gewUf » daft xdr mSere Seele
ali fur fich bcstehend, alf einfach, und ala
tmraliideflich idehai» GleiGhwohl fiodct
fnaii ttncer Geleiirteii itnd Ungdeiirteii nielit
felcen Aeuiierunf en, ^elche gar keine folche
Uihrrscnfnng von der Uwtcrbiiclikeit aut-
druekent alf itelf enlaiehl^ vicnn cine Wahiw
heitauf unumitorsliche S3tze fichgrun«
det. Wohcr nuig dicit iuunmen? Dic Sitio
Mntp anf vielehe die Unitethiiehkcit dce
Scelegebaut wird, find doch gar nicht fchtrer
tu faiTen» fie iiod vicltnehr mit einer iehE
gcolicn Menge vmi Urthciien ib gcnan ve»»
bunden, daft fie fieh }cdeni denkcnden Men.
fchen aufdringen. Auch die Verbindung je»
ner SiCie crlbrdcrt lceine froiae Anstrengmif;
Wenn nnn ubcrdaefi offienbar ist» daft viein
Mcnfchen nach unumstofslicher Gewifsheit
iiber ilire Fortdauer nacfa dem Tode •trebeny
und doeh diefe Gewilthcit in fenem Befveife
iiicht 6nden: fo muifen wohl darin Fehler
iiegen» die dcniiBiben iciacr Kraft heraubco*
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— 495 —
Dtt Uiuptfehlcr iiegt in der doppeltea Be«
kichnagy in wdcher die Selbttttladif •
ke i t der Seele gebnueht wird. Der Menrch
unterrcheidct lle allerdings von feinem ganzea
Korper fowohl, alt jedem Theile deflelbeat
ttod er luino daher gewifleraiafiea Ikgen , lie
bestehe fiir fich, in fo fcrn damit nur
angexeigt werdea roll, dais in der K6rper«
welt aichtt itt» woraut auf itfead ciao
Wei(e das Denken und das Wolleo er-
klirt werden konne. Dieis mufs jeder
Meoich lugebea. Wer et irerfiieht aut deti
Eigenicliaftea der Korper, He ni5gea tnecha-
nifch oder chymifch betrachtct werden, einea
Gedankea oder eiae WiUensbettininungab.
fuleiten, dcr mufi su boehtt lleherlieben
Vorausfetzungen feine ZuHucht nehmen*
Wenn man aber daraus fchlieist» die Seele
bettehe fo fiir fich» daft fie aiteh obne
korperliehe Organe feyu und vvirken
kdnne» und dauere alfo noch fort, wenn die«
lelbea sentdrt fiad: (o uber(chreitet mandat
Mafi der meal^iebea Erkenntnifi. Uat
hienlber ein unwideriprccliliches Urtheil f u
— 496 ~
ttilcut multtcti vtir du WeCea der Seele knik
nen, odcr, mit andern Worten, dai Ich» ib»
gelbiukrt voii aller Matcrie» rchaiieii ntd
da< Band, wdclict Korper mid Geitt Yerei-
nigt» bcstimmen kdnnen. Da uns aber ginc*
Jich verborgen itt, tvie vicl der Kdrpcr su
^en Veirichciingeii dcr Sede beytilgti de
unrere Existenz und Wirkramkeit ietzt an die
Bedingungen der fiimlichen Werkzeuge ge-
biiiidcn ist: ib itt m tinin5glidi die Seei^ tJe
SubttenSy luerkennen» tnid aitt ihrer &n*
fachheit ibre Fortdauer nach dem Tode zu
beweifen. la, Ib geitiit jcdcr Mcn&b £am
Ich von lelnem Korper unterlSdieidet, Ib ge»
vfiCi ist et ihm unmoglich » eine Vorstellung
davon su liabcnt urie eine geittign
Krafit oluie K6rper fisyn kdnne; Ihhcr
dieAlten, Co oft (ie aucb von der geisti«
gen Natur der Scele redcn» doch rich fo
autdruckettt alt ob fie swar etwat Unfichtbe*
ret aber K5rperltehef fey, oder wohJ gar fra*
gen, ob fie aui Luft oder Feuer bcttche i daher
man in den ncuemZciteq» wo nian mitRedie
eine foiche Anficht vcrworfcn kalf dod^ um
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— 497 —
fich die Fortdaucr der Secie nach iletn Tode
«Is mSglifih lu denkeii» fie
fliclien Seeienorgao tlt unfcrtrennlich vor-
stelle. Hierauf fieht man ofFeiibar, dafs dcr
Menich denvegen» «eil er (eine geistigcThi-
tifkeitTon allem, wu K5rper itt, trennet»
und rein Ich als einfach denkf, nicht zu-
gieich auch einc Uiberzcugung davon ge*
winnt, dafi fie fo fur fich beitehe, alt ob fift
det K6rpert gar nieht bediif4e nnd alt ein-
fiiches Wefen ciistircn l^ouuc, ja muHe*
Gefetst £smer» et habe mit dem gaawii
Beweife fiFineRiehtlgkeit, gcfetit unlbreStele
fey nothxvendig als cin fiir fich bestehen-
«lety einfachcf Wefen subeurtfaeilent weil
wir fie in der Vontellung von dem K(irper
trcnnen s fo hat dieUntterbliehkeit derSeele»
in fo fcrn iie blofs aus dcr Natur dcrrclben be-
wieloi werden ibii» immer noch eine inuttf»
loibare Sehwierigkeit. Alt einfachet
Wcfen kann die Seele freylich nicht aufgelost
und folglich nicht zcrttdrt wcrdcn. Aliein»
mit ihrer Unvcrglngliehkeit Ibll tuglncb ge>
xeigt wcrdcu , dafs fie ihr Bcwuii tieyn nach
— 498 —
dcm Tode behalte) denn ohne da^elbe fili*
et eben Ib ^e, «It danere fie aielit fert Sagt
niau in diefer Riickncht» das Bewtiritreya
konne nicbt verichwindcn, weil <be Seek un-
vei^lnderlieh ley, nnd ab einfiwhei, felglich
unthcilbares Wefeny oicbts vorlieren konne :
ib liat man in fo fern die Er£ihnmg gegea
fidi» ali Jeder Meplcli mhl ipeili« dala dae
Bewufttfeyn verlchiedner Grade llbiff
ist. Von der deutlichseen VQrttellung unfcrs
Seibft herab bii sur dunkdsten» nnd Ton dn
bis fur ▼olligen Bewufttlofigkeit, die wir im
Schlafe und in Ohnmachtcn erfahren, findet
cine Abittifiing Seatt. die nicniand iiugaen
kann. Wie foll alib bewirlen werden, dals
dtireh eine folche Abstufiing im Tode nidit
cine volJige Bcwurstlofigkcit entstchCs die
eben Ib gut Vcfnichtung wtot
Bcdcnkt luan dicis alles , fo mud man au-
geben» dali ein unvmitoliiicher Beweia
lur die Fortdauer unlerer ta^nliehkett ubcr
diefes Erdenlcben hinaus, aus der einfaehen
Situs dcr Scele nicht gefiiliKt wcrdca kann*
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— 499 —
DamU roU abcr nicht gcfagt feya» «Is ob die
aothweniljge Vorttelluog vou uiilenii leh alt
obgeleiidcrt vob imienn Korper» elt Eio«
hcit iind doch dciikcndc Kraft zvi dem
Giaiiben aa die Unst^rblichkeit gar nichto
beyfnge. Im Gcgentheile itc et nicht nuc
gewifi» Mi von jcher AUbndertnig
deiren, was in iius dcnkt und will» dea
Gedanken einer Fortdaiier nach dem Tode
enengt oder verBlirkt hat, Ibndem fie ial
auch cinc unbeiwitigbarc Schutzwebr gegen
den Materialifmus. Denn fo ^rie kein
ilenfch bewei(en kann» daii die Scde ein fiir
fich bcstehendes und folglich tmiCrstorbarcs
Wcfen fcy» weil fic von allcm, wat Aus-
dehnnng heiitt, in unlercr VoiateUung ge»
trennt wird : Ib kann aoch keiner detwegeny
vrcil fie in Vcrbindung mit dem Korpcr steht,
nit Grund behauptcnt dalt mit lctncr 2as*
ttorung auch f ie xu leyn aufliore*
Bcy der letztern Bebauptung ist die An«
niltimg noch viel unrcehtmlUtigcr» alt bey
der erttcm. Denn in Jener vntd dat, wu
tvirklich io dein Meuickea Uegt, ni» tHtsk^
lich «uf dai Wefen dpt Dlof e anf^
^randt, io diefer aber liber dairelbe, deci
menfohlichea Anficht suivider» ab«
ge^rocheiu LSugnen kamidoeh ketaMenftht»
dafi Denken nnd Wollen etwaa iac» n»i
fich aut keiner (ins bekanntenEigeurchaft der
Materie ableiten lilfst, 9mk man fich mm
auf die bloffe M6glidikeit, dafi duich
dat Innere un(erer Organifatioa eine folche
Vortteiluag, alt die uon leittiger Thltigkek
keryorgehe: fi> habe ick nichc mirebendit
Rechf» das Gcgcntheil anximchmen, und midl
ebenfalls atif das U n b e k a n n t e zu berufeny
fondem ich habe fogar vid vor dem Gegner
in (b fem ▼oraut, clt ieh mir lu erkllren
fuche, was in meinem Bcwiifstfcyn licgt, er
abcr die&a Bcwuittleyn ielbtt fiir blolaeTiu.
fchung erklHrt» ohne im geringsten angdien
xu kuancn, wie diefc Tiufchung enttteht.
So hatdie Materialitlt der Seele nocb
weniger fur fich, als die Spirltualitlt
derrcibcu* Geht maa abcr ubcr dat huuu^
Digitized
—
waf wirklich in dem Menrcheo liegt» inclea
naii aut dcr AbfcNidcniiig dcr geifttfeii Thft»
tigkeit von den Wirkungen dcs Korpers, die
«bgefonderte Existenz der Seele bewcifea
will : ib ubcr£chi€itct maa dae Gvcnfcn dcr
ncnrchlidieii Brkeiiatiiilf» iiiid gicbe dcniMa*
terialismus gleichiam das Rechf, auf eine ilhii*
licheUibcrlchreituiif. DcanabgcUugiictkaiui
wicdcnim nidit werdcny da6 wir intr din
Wirkungen dcr Seele inVerbindung mit
der Korpcrwclt crlscnncni und dafii»
fienn auf dcr einen Sette Dcnkcn und WoHcq
keine erklirbarcn Rerultate der materiellen
Organiiation find, dieie doch auf dcr andem
In unftrm gegenwlrtigen Ztntande cur geift^
gen Thtltigkeit nothwendig iit Eriaubt fidi
niin der Vertheidiger der SpiritualicSt der Seeio
eine einfcitigc Anficht» Ib nuls cr ficli
ubcr eine Ihnliche Binfeitigkeit beydcin
Materialisten nicht wundem. Der eine wie
dcr andcre l>etrachtct nidii dcn ganfea
Mcnldicny Ibadera aur ciaca Theil deflel*
ben» und kann daher auch nie auf dic Zu-
•timnung dcrer rcchncn» vdchc dic Doppcl*
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loitigkeit ihcer Natttr nicht vocf eileiL BiM
Vexfeinigung ia den Mcimniiea km nor nn^
ier dcr Bedinfung Statt finden» ^ait ^
Unmogiichkeit, die Koq»er-und Geisterwelt
Stt cfgnindeny cingeiCanden» und alle Einie^
tigkeit in dcn Bdiauptungen vemiedcs
Be dtrf cadlldi nidit mbenMtlit Ueiben»
dafs durch jenen Bevceifs von der Unxer-
etorbarkeit der Seelc, eioseln betrachtet»
menlf gewonncn leyn «Mc» mm cr mnek
Wfls Materie t n f i ch fey , «nffen wtr eben
fo wenig ftls was ein Geist fey. Die eintt
wie den andciti kennen wir nur nach thren
"Wirkungcn und Forraen. Wcnn da-
lier gar nicht bewiefen isr, dafs das, was der
Srfchetnung der Matcrie zum Grunde liegr,
an (ich von ganz andcicr Natur fey, tls dts.
was dic geistigenThfltigkciten hervorbringt :
fo verfchwindec iudi coM grofit Scliwj«ig«
lieit. bey dcr Ftige lUicr dta Mtfgfiehkcit
4» Vccbiodung zwiichcn Kftpcr «nd Gnm,
cs Uaibt kcinc cndcre fibrig Cbdic, wie
fibcriiavpc tScmcuilbhift von Snbmiaacn
mOkUehfty, dcrcn Ldfing «ntticitig auflTcr
dcm Fddc nicnfehlichcr Etfccnnniift licgy>
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MBbeiweifclte Gewifiheit bewixkit.
Denn wenn nim auch aiisgemacht w'ire , da(t
un(er Ich nach dein Tode fortdaucre, und
IblttBewuistfeya bchalte: ib wurde doch §a(
nieht dat daram folgen, wat wir elgent-
licb durch den GJaubeii an die Fortdauer un«
lererEiifCeiis su erreichen riiclteit. Diefe iit
itns nicht an luid fiir fieh wiehtif » fondem
in Rilckficht auf Gluckfeligkeit; und
da(i niit der Fortdauer naoh dem Tode auch
^ engenehnier Zuttend Tcrbunden
fey, bedarf einet neuen Beweilet; denn ia
dem Angefiihrten kommt von der Giiickfelig^
heit gar nichtt vor* Wolite man ftgen» dafr
alle Leiden* denen wlr euf Erden untcrwoc^
fen Onci, aiis dcr BefchafFenheit unfcrs Kor^
pert und dcm Verbaltiiifie deiTcibcn xu den
Dingen auilcr unt herkSmen» und dafi fin
folglich rait Ablegttng des Korpert aiifhoren
mursten : fo \Vire doch zu bewcifin » entwe*
der» dafi dae Secie nicht an ctne nene Vcrbin*
dung mlt den» wat wir Materie nennen» tre*
ten, oder» bey einer qeuen Gemeinrchaft, nur
Qyclicn dcr Lutt «bcr nieht dec Uniwtt an«
— 5^ —
trefen wMe. VuA wer kann bebatiptent er
IV i rfe den ZuttaDd unferer Seele nach deni
Todc und d» Verfailtiiiif derieibea in der
•
Natiir. AUci» wn niiii hierdber nodi ligen
Junn, besieht fich auf die Aehnlichkcit dea
fcgeQwllnigett Lebem mit dem ■ukiiBftifeiit
imd euf dteler Aehnlieiikei» m fidi feht Ib
wenig die aligcmeinc Uibeneugttng von der
kueftigeii Gitiekleligkeit» liervor» dalt» wie
im ▼orhcrgeheiideii Alilchiiitle geieifC ffofi-
den ist, hey einer m6glichen Wahl xwifchea
Scjn und Nichtfeyn, das Eraterc demLetstcpi
▼00 imilhlldiCttMenlehcn nur dcswcgen ▼or*
geiogcn werden wurdcy weil 6e, ihrer Na-
tur nach, von der Ho£Fhuiig zur Erreichunf
«iiiei, aiciit dem ietiigen ihalichen, Ibndem
Mlem Loolec belcht werden. SoU illb dio
HofFmmg zu einem wiinrcbenswerthen Zustao»
^ nach dcm Tode nicht gnmdioi £qfn, fo
mm& nothwendiger Weile eitt Wdett voraiie*
geTetzt werden, das als Herr dcr Welt dcn
lleniehea in ciocn Ibiclien Zuttand verfetxca
lL6tttte uttd woUe. GrSode ich aber mei-
«Ctt Glauben in Riickficht auf dai , wcfwegen
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allein kfa dic Fortdauer nach dem Tode «lin»
lche, auf dteAllniaehttind Weitheit Gottett
fo ist cf von geringer Bedeiitiingy ob ich mei*
ae Seele aa fich alt unsentorbar, oder mieh
tn meiner Perionlichheil nur detwegen ab
fortdauernd betrachte, weil diefe Fortdauer
der Wiile der Gottheit ii t. Nur der Gedanhe
hleilit widitif » dafi mit der Zcrtt5mag mei-
ncs Korpers meine Perlonlichkeit nicht noth-
vrcndig ftugleich zeritort yrerdci und didea
Cedanhcn «ird nie irgcnd cine ^pccuhitiott
au&uhebCB fcrmogen.
In Bcf iehung auf dcn Willen dcr Gotdieit
kann man aufler dem Vechlltnille der Tli*
gend zur Ghickreiigkeit, noch manche Se*
trachtung antcelien» die den Glauben an die
Fortdaucr nach dem Tode ttirhen. Dit
herrlichc Autstattung desMenfchen mit Krif*
ten» die eincr immer vradiicndcn Entwiche*
liing £lhig finds die gcringe Authildung dcr»
felben bey den meisten Menfchen» und das
Unbefriedigende felbst der hochsten Ausbil*
dung bey Wcnigcoi die ZwecUofigkeit dcr
Vernunfty melche felbsc in Ruckficht auf
CluckieligkeU bey «eiteiii HAcht £o fieher
fet akdcr tbieiilclieliiitiakt; dicft find alleib
dingi ebcn fo viele Grunde fur die Unsterb-
licbkcit <lcr Scele. Aber, fie find cf mir imtcr
der VorautictctiiiB einct aliniXchtigen imd aU«
nreifcn Urhebert der WcU. Diefs fuhrt un9
zur DarsteJlung der ttrengen Beweife
inr daa Dafeyn der Gotdiett. Demi ibll dic^
in inorBlil^ier Rucltficbf » nodiwendtge An*
nahme der Unsterblicbkeit der Secle mchr ab
cinGlaubeiierden» tmd ficbdcr apodictiichefli
Gewiliheit ^•enlgctens nihem: Ib itt diefe
Annahcrung mir durch die Gewifsheit mog-
licb» vrclcbe ia dca ficwciTca fiic dai Daicyn
Gottcilieit.
Da6 man fich bey aligemeinf ulti-
gen, imwiderrpreeblidien Beweifen lilr dat
DafeynGottct nicbt auf eine unmittelbare
Anfcbauung beniCen konnc, bcdarf kaum
der ErwXhnimg; Anf Schlufie konunt et an»
imd diefe konncn auf ciacm doppcltcn Grun-
Jebefiihei^iuf dner blofteii Vemunfei
Idecy oder aiif einer Vernunftidee in Ver»
bindung mit £rf«hrung. Bey diefer Ver*
buidiiiig kaan nian luf xweyerley Weife vefw
lelireiii imn Mimut iiiliiiiieh entweder miif
4m Dafeyn und ein einziges GeCett
dkr Stnnemvek fiberhattpt» oder ^ Ein*
riehtueg undGrofte toftlbea intbefiui*
dcrc zii Hulfe, Hieraus enCttehen drey ipe«
culative Bewetfe fiir das Dafeyn Gotte^ weU
che die einiigen QaAf die gefiihrt werdeii
bonnen. *) Denn eufier der Vemunfit un^
dcr £r£idtfung giebt es nichti, das einen Weg
D<r tmc bci&t dcr entologifche, weil
Ontologie die Lehre von dcn nothwendigcti
Bedingungen anzeigt, dic nach dcr Ver-
nunft zurM6glichkfit eines Wefens er-
fordert Wcrdcn , und diefcr Beweis von der
M5glichkeit auf dic Wirklichkeit
fchliefst. Der zwey tt hcifst dercosmolo-
gifcht, weil Cosmologie die Lehre von
dcn tUgcflitiofltt GtTtistn dcr wiildicheii
Wtk tfi» und ditCer Bewdt auf dcs iDge>
intinstt Ninugtfttz gegriUidtc wiid. Dcr
diinthii&t der phyficetheelogifchn
gu irgcnJ fffawr aanlrlidnn UiUimnuiii
oifaca kouiice. Da duq zvvar die Erfihrung
•li bestioijiilodcr uabeitiiniiit gedoin.
«MM «ttte kmt die Venmnlt abcr didii
<3oppclte Anficht nicht vcrtragt: fo ist durcb
)eoe drey Wege der Kreit gcrchlofTen, in wei*
cbem Odi eln Bcmic fir dM Diftm Gomi
cuifiichcn U&U
Der ertle dargimelicHde und m prMendc
Betieis fvird blofi cm Bcgrifien fcfibrf » 8»
licft, iagtmany inderVcrnunftderBegriff dc<
•llervoiilLoniinettttent odcr clier-
recltten Wdent» dat cUc Eigenlcbcften
Tcrcinigt, wekhe fich nicht entwedcr mit*
Celbar oder uamittelbarwiderrprechen» Die»
AiWefoiluumour Bf iia ftrrn dcnnpcfitn
odtr cneb teteoleglfebc; Sr bct dic
ciite BcncDnBiigi wdl aus dcr Binrieb*»
tnng der Natur darDalcyn GcHiS ge»
MgcR wiid, und dic cweyic, wdl cs dabcy
cuf dic Zwcckmlfslgkcit aller Dtngc
cnkonimc, Ttlcologic abct dic lcbvc
iFcn dcn ZwcsImi cuiiiu*
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4nr Bcfriff davoii auf neiiitre Gegantlo^p
Ib wiren ^liefe enmeder verfchieden, odtt
nichc verCchiedcn* Dis ertte kounen fie nidi
dcr Vonuslentti^ ait fich mcht ieyiii deui
ei wiiide fidi Ib ia dcfli Biiieii befinded,
wat iii dcm Andern nicht iw5lrc, wcJches
der Xdceder gr66tciiVoUkoiiiiiieiihcil widcr-
l^cbt* Mehrcte Weleo clib, deaeii didel.
be iiikitne) wiirden mir dtirch die Ver-
fchicdenheit der Oerter zii luitericbei-
deo lcyn» iii dcQCO fic fich beftodeos dteTc
lettt cbcr iporaut, daft fle tni Raume w^rcn,
und raumlichei Dafcyn ist dcm Bcgriffe
dcr grdlftco VoUhooiflieaheit tuwidcr. Derni
ci «eitC iinvcnoeldiich aiif Schranhen»
dcnen dat voJlkomnenttc Wefen nicht untcr-
«rorfen fcyn hann. £• itc £oi§iich eiofach
ttod eiotig to leiflcr Arf.
Dait nuu der Begriff eines fuJchcn Weicns
gedacht wcrdeo kdoae» uod daft es dat We^
lea beteichoe» welchei wir die Gottheif
ncnnen, isr kcincm Zweifci unterworfcu.
Mao gcht aber weiter uod lagt: da der Be-
Kh
— 510 ~
griif dcs allervoUkommensecn Wciens keineii
Widor^nich enthilty da et fol^tdi mof «
lieh ist: foift daflelbeattchwirklich, }«
nothwendig. Dcnn eben das ist nothwen-
dig» was tuit der Vernunft fo unzertrennlich
verbundeii ist, dafi ei ntcht «ufgefaoben ncr-
den kann, ohne fie felbtt aufzuheben. So
find alie Wahrheiten der Matbematik noCh^
wendig» «eil nur deijenife fie ISugnen kani^
der entweder keine Vemnnft hat, oder fie
ntcht gebraucht. Nnn liegt aber der BegriiF
det voUkonnnentten Weiena Ib in iinay dafii
cr mitEntwickelung derVemunft eben fo ge-
wifs entstcht odcr atifgenoramen wird, ala
dte machcmattrchenWahrheiten; imd in dem
Begriiie ehiet Welenf , daa alle Reaiicitea beu
fitzt, liegt auch (chondiefs, dafs es eristirt.
Existirte es nicht» fo wurde thm eine Rea»
litit abgehen; und man kann foiglich dae
allervollkonunenf te WelSm nicht denken, obne
iltm ftugleich dai Dafeyn susuicltretben.
Bey diefim Sehlufie beruht der Sebciii
too Wahcheit, wcaa ja caocff Sutt fiadel^
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■uf dcr Zwcydeutigkeit des Worts Reali*
tat. SetiC man dafiir Eig^nfchaft Voll«
kommenheit, wie man Heiligkeit, Ewig*
keit tin^ sllet nennen kann , wat man dem
hochsten Wcfen zurchreibt: fo fieht tnan fo-
gleich» dafi die Eziitens nicht indemBegrifie
delTelben Kegt. Et exii ttfe oder ei ezittire
nicht, fo bleibt der BegrifTy den ich von ihm
habe» ebenderfelbe. Auch giebt man su, dait
das Dafeyn in kcinem andern BegrilR» an
ilch enthalten fey, und behanptec nur eine
Ausnahmc fiir den einxigen Begriffdca
hochiten Wefimi. Dt man aber keinen an«
dem Gmnd von die(er Autnahme angiebt ala
den, welcher auf der Zweydeutigkeit cinet
Wortt beruht: ib kann man nicht lagen» daif
dieEztttensdet ToIIkommensten Welent
durch den blofsen BegrifF defTelbcn uothwcn-
dig, fondern nur» daft das Xdeal der VoJl-
kommenheit von der entwickelten Vemunft
unxertrennlich fey,
Man hat auch fo gelchlofseo : weil derBe«
friff det hdQbtten Wdent unt angeboren ist,
Ib mti6 er unt aiick von ebeo dielcm boch^
— —
tcen Wefi» eiiigepfliiiit leyn. Da& hicfbey
Jie Gottbeit als fchoii existtrend voraiit*
gerctsC «ird» obgleich das Dafcyn derielbca
ertc bewielen werden ibll, leuchfee sa icbr
in dic Aiigen, alt dafi cine Widerlegiing ci-
QCi foichcu Schlufses nothig ware. Dcr Bc-
xteU attt bloiten Begri£fen bac daker» alleiA
genoninien» nichc 6xe allergcringite Rra&
Auch wirdcer v?ohl niecrdacht wordcu feyn,
«SrC nicbt dat Bedurfiuii dcr Veruuoft vor«
aiitgegartgen» 4en letsten Gnind aller Dinge
iind den Begriif eincs Wdent sti fuchen, wel«
cbct alt dcr letztc Grund aogcfchen werden
kann»*) Diefi fubrt umtur Unterfiicbiuig
des cotmologifehen Betveilct fnr dai
Dafcyn Gottes, Er ist der umgekehrte von
den Yorbergebenden. Antutt tu (agens ci
♦) Auch der danuf gcgrdndete Beweis h«t feinc
Schwierigkeiten , wie bald gczcigt werden
foll. Um nun denfelben auszuweiclicn, h«
mnK verfuchi aus dem blofsen Begnffe von
dem hochsten Wefen auch fein Dafeyn abzu-
letten, ohne zu bcdcnken, dafs auf dicfe
Wcife fclbst die Kraft vcvlorcn geht, dic ia
dem YerQuoftbediuihiire Ue^^t»
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iiegt dcr Be^riff des hochscea Wefciis in unif
IbJglich exiftirt es notbwendig» kehrt man
die Schhtfifolge iiiu, iind fagr : es miirs ehf af
fchlechtcrdings Nothwendiges da rcyn»
folglich eiiftiret <faif •Uervollkonimenftc
We(en; denn diefef kann allein dem BegriiFe
dcr tinbedingten Nothwcndigk.eitGenugc thiin.
Dieler Beweif foll nunmebro auf fiiihrlicher
dargeftelJt werd«n.
Dcr Mcnrch fragt bey allcin, was ist iind
gefchieht» nach demGninde oderderUriache,
Betrachtet er nun (ich nnd alle Dinge tiber*
haupt, io findet er, dafs nichts durch fich
feibft hervorgebty rondern immer auf etwaa
binwetf ty daf nicbt die Sache if t, welehe ent-
steht. Dcswcgcn ficht er allcs was ist, als
sufliilig» d. h. ais etwas an» das ohne die
Exif teni etnef andem vorhergehenden Dinges
nicht da feyn wtirde. Findct cr die nichste
Urfache, fo geht cr von dicfcr» da lie ebcn fo
zuf^iig ift» xu einer xweyten, dritten» vier*
ten bif inf Unendlicbe xunlck » obne trgend
etwas zu fiaden» das uicht auf dcr eincn Scitc
— 5«4 —
cbcn fo gut Wirkung, als auf der andcrn Ur-
facbe ware. Sieht ec oickt auf eia eiiuelaes
Wefen, fondeni auf die Weh: fo ist es nath
dcn BegrifFcn des Verstandcs nothwcndig»
dais er den Zustand tofelben in dem unmit-
telbar vorhergehenden» diefen in einem enl>
ferntern gcgrundct findet u. C w. Dleics be»
stindige Fortrchreitcn rifst ihn aber unbe-
friedigt. Von lahren zu bbren» ▼on lahr-
bunderten lu labrhunderten» von lahrtauleiu
dcn zu labrtaurcndcn luriick lu gchen, —
das ist nocb leicht moglicb; je mebr er aber
die Zablen vergr6fsert» desto fcbwieriger
wird diefcr uach blofscn Natiirgefcticn notb*
wendige Gang. Miilioncn auf Millioncn von
labren, and jede nocb tu fallende Zahl auf
die andere zu hSufen, obne eine Grense su
fiaden» ja ohnc derfelben nin: im roindcstcn
nSher tu kommen» das befiriedigt den Men«
fchen nlcht. Es fcbwindelt ibm nicbc mnr
bcy dem Gcdankcn einer uucrmefslichcn Rei-
be> von der jeder Theil, «enn er aucb nocb
fo grofi genommen fsird» docb nur etwai un-
cndiich Kiciaes gegcn das Ganzc ist.
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ibudeni er fiiulet atich in <ier Uiieniieiilidi-
keit der auf etnaiider folgendeii stett suftUi-
gen Weren nicht das, was er doch Aicht, den
letsten Griind alier Dinge. So kommt
er von den bedingten Uriaclien in der
Welt aiif den Gedauken einer unbeding*
ten, von den xuf^lligen Wefen auf ein
fchlechthin nothwendiget» welchet
den Gnmd feiner Ezistenx nicht in andem,
fondern in fich felbst enthalt. Dadiirch
allein wird er in den Stand gcietst, jene un»
ermefiliche Reihe von tuiUIigen Uriachen fu
fchliefseii, und fich Rechenfcbaft von dem
Dafeyn derfclben su geben.
Aiis der Art, xvie dcr Menfch zu dem Be-
gri£fe cines nothwendigen Wefens gc»
langt, folgt unmittelbar» da6 ea der Urhe*
ber der Weltift, und kemen Theil deHel.
ben ausmacht. Denn das Riickwdrtsrchreitcn
von den bedingten Urfachen in der Welt zu
oiner unbedingten gefchieht eben denvegen»
weil man dcn letzten Grund der Natur
fucht» uiid in derieiben nichta findet, wai alf
— $i6 —
eine unbcdingte Urfachc angcfchcn wcr-
dcn kdimic. Uiberdieit abcr fiicht mao ni
icigefl, cUlc da$ Umeim aucli alle VolU
kommenheiten, (clhit diejcnigcn Eigen*
rdufcen befitzcn mtine» die nicht unmitteibar
luf dem Bcgrifle eiaet Urwefent hcrvov»
ichen» $U Heiligkcit» Gmchtlfkcti» Wcb.
hcit u. L w.
Wom mm dic Fnge Ober dco letiteo
G r II u d aller Dinge allerdingi von dcr Vcr-
mmft eneugt wird, uod diciec ietste Cruiid
amrin demallertollkpwmeattea We-
fen gefinden werden kann: fo fcheint der
Bcwcis fur das Dafcyn Gottei pach aller mog-
lichcn Streoge gefiilirt su leyo» Auch habco
oicht wcolge Mlnncr diefeo Beweit oicht onc
fur den betten» ibndem auch fur dea eimt*
gco» Uibcrseugung erswiogeodeo ge«
hilten. Betrachtet omo cbcr denlclbeo oichc
cinfcitig, fo miifs man gcitehena dafi er nicht
gaax dai leittet» wm cr verfpricht; und die
Schwierigkeiieo dab^ dtifleo oichc fcibof^
gea werden*
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— 5»7 —
£iiie imenaiidie Reihe tnftUiger Weftii
befriedigt den menrdilielien Verttand nichf»
das ist nicht lu liiignen; fic ist fiir ihn tn
f roft. Kaum Jiat er fie «ber gelcbloiien»
findee er fie wieder sn kletn. Er fetie
den Anftng noch fo weit hinaut, fo itt die
ganze Dauer der Welt wiedentm nnr eia an*
tndlieJi kleinet Zeittheilehen der gan-
ten Bwigkeit. Daher kanu er weder die
fuckwSrta gehende unendliche Oener
noch einen, dcr Zett nadi» bettimmten
A n la n g der Welt ertngen. Diefe Schwie.
rigkcit wird noch grofser, wenn maii den
Anfang der Welt auf daa auflcr derfelhen ge*
leiite Urweien betieht. Alt im Befitt aller
Vollkoramenheiten kann ei keiner Vcrande.
ruog unterworfen fcyn. Man lchreibe ihm
•ber dielelbe in, oder man lchfetbe fie Ihm
nicht IU9 Ib komttit man auf cinc Anficht,
der eine andere entgegcnsteht. Itt Wechfel
in ihm, ro ftihrt dieler auf eine Reihe von
ZutHlnden» deren Anfang cbcn fo wcnig, als
der Anftng der zufiliigcn Dinge in dcr Wclt
ge&mden wtrden kannt inid cc wird IbJglich
— 518 —
eine Shnliehe Schwierigkeit herbcygeluhret
alt diejeiiige itt, welche tnan lu lo(en fiichle;
Ut aber kcine Vefinderiing in dcin Urwefen»
Ib iic et ungedenkbar, wie es die Weli» der
Zelt nachf hervorgebraeht habe. Eine
folche Scliopfiing fiihrt iinvenneidlich aiif
den Gedauken von WiUensbescimmung, dec
ein Zustand vorh ergieng und ein anderer
folgte. Um diefe Schwierigkeit cu heben
bat man angenommen, die WeU konne voii
£wigkeit her gefchaffim lejn» nnd (o,
tum Theii wenigstenf, das wieder an%eho*
bcn , worauf man den Beweis fiir das Da(eyn
Gottcf stuuce. Ich fage sumTbeUi demi»
wenn man anch die Daner der We]t gant un-
bestimmt lafst : fo blcibt doch dcr Gedanke
ubrigy dafs etwas unbedingt Nothwen*
diget von aller Ewigkeit her geweien feyn
iniirs , und dalf in der Weit lelbst gar nichtt
Zii fiaden ist, welches den Charakter dcr un-
bedingtenNothwendigkeit iiat. Alleinnimmt
inan detwegen leineZuflucht su einemanileiw
weltlichen Wcfcn, fo findet fich bey die*
ftm ebenfiils einennauadsbaceSchwierigkeiC»
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— 519 —
ht «ino Reihe Ton bedtngten Uriaclieit
tinbegreiflieh , fagen die Gegner, ib ist eta
Wefen, das cl6n Gnind reiner Existcnz in fich
ielbit bat, und diefelbe allen anderu Dingen
urfprunglicb mitgetbeilt hat, eben Ib iinbe*
greiflich. Nimmt man alfo, iim das Dafeyn
der Welt zu crkliircny fcine Zufluchr zu cinem
V/rwefen» imd kann man doch dat Daleyn
dietet Wefens nteht erkliren; fo (ettt man
die Unbegrciflichkeic nur um cinen Schritt
iveiter hinaut» Dieie neue Einwendung lafst
flch in der That auf keine ganx befiriedigende
Weife hebeii. Man mufs zugcben, dafs der
Bcgriff eines aulIerweJtiichcn Urwcreni
wohl den Fragen uber das Daieyn der su*
f ii 1 li g e n W e 1 1 Geniigc thut , abcr uicht
dcncn iibcrfcin cigucs Dafcyn.
Bey diefen unanflosbarcn Schwierigkeitett
blcibt nur fo vicl gcwifs, dafs, da die Frage
nach dem letsten Grunde aller Dinge von der
Vernunft iinfertremilich itt, dte Annahme
cincs Wefens, wclchcs dicfen Grund eti^halt,
auch ia ipeculativer Ruckficht als die Folge
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— 5» —
eioet VcrouafitbeclurfiiUrcs. aber mdit Ib aii-
geieheii werden kaiiny ali ob lie tiber alle
Zweifcl erhaben fey. Es kann auch als na.
turJich vorgestelU werdcn, daf nothweiidige
Weien iiigletch als dat vollkoiiiiiieiitte tu
denken. Denn der BegrlfF elnet Weient, dat
den Grnnd alles Moglichen enthalt, iind
leibftt in keiner Riickiicbt» einer au0er ihm
Uegenden Bedingung bedarf , tsf aueh der
fchicklichste fiir dasjcnige, welches als dci*
Grund aiies Wirklichen» und in diefer
Betiehnng als unbedingc wirken<l betrachtet
wircl. Aber cu laugnen ttt wiedcnim nicKtt
dals die hochste Vollkoniincaheit cinct aull
lerwehiicben Urwcfent aut dem blolseii
BegriffedelTelben nicbt folgt, fQndem in dem
cosmologifchen Beweife auf eine folche
WeiTe dargethan wird, die nichc belriedigend
itt Daft et» alt die lettte Urlache aller Din.
ge, grofsc Macht befi.ien miilTc, ist offenbar;
und Ugt ssun fcrner , es gcbe our xweyerley
Arten su wirkeny die nachNatui^letienund
die nach einen^ freyen Wtllens die ertte
konne iu dem Urhcbcr dcrNatur gar nicht
L>iyui^cj cy Google
gedacht werdeo, folglich befitse er Vefstmd
und Wtlleii; fo letichtet diefi fedetB Men-
rcheiiy der eia aufserweltlichcs Urwefcn an-
nimnit, noch etn* Wenn man nun aher itei-
ter geht» und die gottlichen Eigenichtfien in
ilirer Vollkommcnheit aiis blofsen BegrifFcn
herlciccii will: fo haben die Griinde dafuc
wenig oder keine Kmft. Zuertt liicht nuui
xu zcigcn» dafi dai Uriveien allniSchtig
gcdacbt wcrden maCs, imd atis feiner All-
macht leitet man nachher die Unendlich *
keit leinet Veniattdet, Ibwohl alt die Het-
I i g k e i t feines Wiilens hcr. Aiich hat diere
Ablettung fvenig wider fidi» denn ein Wefen»
daf alles M5gliche vermag, imd nach den
E i n fi c h t e n des Verstandes wirkt, niufs in
dcr 1 hat alies crkcunen und Aligenug-*
f a m k ei t befitxen ; und aut dieiert in Ver«
hindung mit Allwiflenheit» felge unttieitlg
Heiligkeit dcs Willens> Allwcishcity unwan-
delbareGerechtigkeit und aJlumfafleiideGute.
Bt kommt alib hattptftchlich aiif den Beweb
fiir die Allmacht des Urwefens an. Um die-
len su fuiiren» lagt maa ohngcf^hr Ib: die
522
Welc Ut nicht iio(!ivveiiiig fo, wie fie isf,
denn iic kann obiie allcn Widcriprucli andcrt
gedtche werden» alt fie iif s dt fie t1>er von
Gott allen anderii vorgczogcn wortlen ist, fo
nniri fic die besie feyn i uiid veruiochte er die
voUkomuiensce Welt hcrvor xu bringen» fo
reicht fcine Mtcht noch vnit mehr tnr Sch6-
pfung der minder volikoinmcnen hin, folg-
lich iit cr tllmichtig. — Bey diercm Schiuiie
findet ein otfeiibtfer Cirkei Stttr. Wenn dem
Urwcfcn Vcrstand und Wille zugefcbrieben
«rard» ib foigt ifohi gcwiircrmtisen» dtlset
die hette Welt hervorhrtchte« die et hervor
lu bringcn vcrmochte,*) abcr nicht, dafs
cs untcr allen moglichcn iibcrhaupt
die bef te liervocfafftchte. Um ihm die Scho-
^ Ich fage gewiflcnntto ; dtnn inmer Uoibt
noch dic Frage ubrig , ob tt nicht durch
dfne BedMiilft gchindm wnidt» den Ein-
ficbtcn dit Vcistmdef stt ftlgen. Mtnmnlt
ihm tlfo tttch fchon HcUigkcit sufchitihcn,
chc man nur ohncEinlchrliikung behaupren
kann , dt& m die bettc Wdt hervorbrtthic^
dic ci hcrvoniibiingcn vtrmocbtt»
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— 533 —
pfuag von diefer ziizurchreibeuy murs maa
ihm Cehon Allmacht beylegen, und gleicb*
wohl foU dieic fiigenlchafk cfst bewielea
werden.
Beirachtet man daher genau das Verfah-
ren» Wchet in dem coimologirchen Beweiie
fiir das Daieyn Gottet beobaehtrt wird , um
die gdttlichcn Eigenfcbaften in ibrer Vol]ea«
dungdavf uthun» fo bemerfct man einen Spcung
im Sehlieifen. Sae werden nicht aut dem Be«
grifife eincs nothwendigen Wefcns bergeieitct^
wie doch gefchehen follte, ibndern aus dem
Ideal der VollkommenheiC auf daflelbe uber'
getragen. Auch isr aus der Art, %vie man zii
dcm Begriffe cincs aurserwcitlichen UrwdcaB
gelangt» olfenbar» dals ihm nur Iblche Eigen*
fchaften xiigefchrieben werden konnen, die
aiis ieinemWeriLe hervorgchen.*) Dieis vcr-
Weil diefs einleuchtend ist« fo ist es hier
nicht nochig gewefen, alle Cirkelfchlufse
z\x Idfen, die man geroacht hat, um aus dea
BegrifFcn der Nothwendigkeit und ZufsUlig-
keic die h6chste YoUkomaieaheic dsf Unrc-
Dros au bcwolea*
— 5^4 —
tlCtt man «bcr |;anz und thut weitcr nichu,
•b d$& muk diueh vertMckte Cirkel iIm
iehofl alf bewielen vonutietit» tvit ert t noch
bewteren Mrerden foil. Isc ein Gott, fo isc
thai freylicb ^ hochtte VoUkomiiicnhcit tu*
tnlchrelbeii» undl ieiii Werk itt die bette mog-
Jichc Welc , in fo feru in dem Begriffe der
Gottheit fchoa dic Yolikomroenheit cntiul-
tcnift» iagtmMiaber, fie itt die bctie Welt»
folglich itf 6ott dat Yollkommentte Wefen :
fo giebt es kcin aoderct Mittel, dic Wahrheic
der Bchaiiptttng danuthun» aJt durek dle Be»
fehaAMiheit didbr Welt. Didt fiihrt tu der
Darsteilung und Priifung des phy(icotheolo<*
liichcn Bcweiict lur dat Daicya Gottct*
Bey dieremBeweire legt man die Bctrach-
tung der wirklichcn Wclt xum Grunde. £s
findeo ficht iagt man» in derfidben tiberall
deutltche Spuren von einer Anordnung nach
bestimmtcr Ablicht mit gro(ser Wcisheit aus-
fcfiihrt» und dabey ibwohi cine imeiidJiche
lifannichfidtigkeit der Dinge» alt ein tinhe*
grCBzter Umfang des Ganrea. Diefe Anord-
ming ist tlcn Dingcn in derWelt, einzeln ge-
oQiniiica» fo iireiiid, dalf wir in der NaCur
dedelbeii garketneii Gtaad finden» der uni
Anleifitng gabe, zu erkliren, wie fie bey ih.
rer Maanichfalcigkeit imd bey ihrem Umliut-
fe fich von ielbf t tnfiimniengefunden hStten»
mn dat hervor zii bringen, was in unfern Au-
gen Zweck, Endabilcht ist, uod Ideea einet
vemunftigeo Wefena vorauilbtie. Die Efii.
ricbtung der Welt ite airo niebt einer b I i n d-
wirkenden alimiichugeu Natur der
Dinge itnn&hreibeD, fiuideni alt dat Werie
eincf verniinltigeo Wefent dmch Frcy.
heic anzufehen. Zwar koanten mehrere fol-
ehe Urlachen gedaoht werdens in (o Um
nbcr ttoter den Tbeilen der Welt, die wir
kennen, eine wechfelfeitige Bezichwng ficht-
bar ist, die auf Einheit des Plans hinweist»
und wir berechtigt find, von dem wae wtr
Itennen, mit Wahrlcbetnlichkeit auf das zu
fchliefsen, wohio uafereKcuntniire ntchc rei*
d^n: Ibgehtauider EinheitdesPlana
in der Welt aueb die Uiberzeugung von der
iiinheit dei Urhebcrf derfciben hecvor.
Ll
DleU; Art zu fchlicfscn hat in dcr Tlia^
die allgienieine Deukuiigsart iiir iich. Die
Einriohtuiig aller orgautlirten Korper, und
noch niehr der lcbcndigcn Wcfcn, istibbo-
«undcrnswurdig , dafs fic fiir den mcnrchli»
chen Verstand nicht als das Re(ultat einer su*
fallig ziifaniraenftiefsenden Menge niaterieNer
Thcilc erfchcincn kann. Das vollkomnienste
Werk der Kunst ist nnendlich wahrCcheinlip
ehcr dasRefukat von unordentlich durch em-
ander geworfener Atomcn, als das unvolikom^
menste Iniekt* Sind wir nun gendthigt» hey
lenem Verstand und Willen voraustu fettent
fo vtfiirde cs dieVcrnunft bcy fich fclbst nicht
verantworten kottiien, wenn iic, bcy dcr Fra^
ge iiber die Urlaehe der lebendigen V^efoa^
die Art zweckmlifsige Erzeugnifse hervor ni
briogen» die iic kennt, vorbey, und zti diia-
keln und unerweislichen Erkiarungsgriinden^
die lie nieht keimt, ubergehen woHte. Ent-
vredcr mufs dic Anaiogie, dic unfcrcUrthcile
uberali leitet, wenn es auf l&rforfchung unbe^
kannter Dtnge ankommt, auch bey dcm For*
fchca nach dcm Gruudc dcr zwccKiuUfHi^en
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Einri ditung der lebendigen Wclen unier Vt»
theil bestiminen , oder viir tnufTen dic Fragc
iiach jenem Gxunde gar nicht aufwerfcn*
Die\'crniinft verfihrt nach Zweckcn, uiid
firagt stcts uach dcnrclben» fie findct Mittel zu
2ivecken und kann fich nicht enthaltent als
Mittel t\i den(elben alles das anziifchen , waf
bey einer grofscn Mannichfaltigkeit aiif Eiu-
heit htuweist, Wie niannich£dtig aber find
nicht in jedem thieriichen Korper die Werk*
xeiige uiid TricbCy dcren Vcreinigiirtg das Le-
ben moglich macht 1 wie mannich£dtig fijid
niehe itt der Natur die Dinge, die jedem le*
bendigen Wefen nach feincr Art die Erhal-
timg und ein frohes Dafcyn verfcbaflfcn 1
Eine foldie Zulammenstimmung aller eintel«
nen Theile des K6rpers, deren feder an ficU,
nach unfcrcr Einficht, g^r lurhu vcrmag, uui
ein foiches VerhUitnifs dcr lebio(cn Natur su
der lebcndigc:i, fiibrt unstreitig auf deu Ge-
diinken von Abficht. ij( hon ein c i n z i g c <
lebendiges und verstandigcs VVcfen nviirJc,
wenn cs nach feincm Urlprunge fragto, und
— 5*8 —
IbwoU die iimere Ztiiluiiiiieiiietfiifig ftliMi
Korpen» ak fttn VeriAltniif lu den Dingea
auffer fichy in Uiberlegiing zoge, fich dcs Ge-
daakeni «n Zweckni'iisigkeit nicht cndialteii
kdnnen. Dielcr Gedanke wtlrde gar lelir ver»
stirkt werden» wenn es ein ahnliches Wefen
ieiner Art findc, mit dcnien Vercinigung et
lein Geielileeht fortpAanxen konnte. Wemi
es niin nachher feine Kenntnifs uber niehrere
Arten lcbendiger Wcfen aiisbreitete, iind ia
allen eineB bcmiHlcniawurdigen Ban fonokl»
df ein Vcrhllfnllf ihrer THebe lu den Dia-
gen aiifTer ihnen , und die durch den Unter*
ichied dcr Gcfciilechter getroiFcneAnatalt xur
Fortpflamung entcleekte: Ib wilrde lich aiieh
die Vorsteliung der Zweckmarsigkeit ooch
melir erweitern und a tirken. Und nehmeii
vnt nun die MiUiooen too lebeadigen Wcftii
bey denen allen Hch eine folche Anordnung
ihres Innern, eine folche ZufanimeiiitimmuBg
ihrer Triebe mit dcn Mitteln der &haltung,
eln folcher Unterfchied der Gefchlechrery
oder doch uberhanpt Anlage zur Fortpflan*
siing findet wie konaco wir da uat dct
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— 5*9 —
GedlMikeitf der Zweckinifiigkeit efwekreii
und wie konnen wir unter der Voraiit(etiung
von diefer eineni blindcu Ungefiilhr dic
Anoninung der Welt suichreibenf Ordnung»
Zweckiaiftis^eit leitet notfawendig luf dea
Gcdanken einer dcrfelbcn angeincfreoen Ur«
iiclie, eincf vcrstindigen Urliebcrs*
fft dieier Gedanke , als nothwendig mit
uuferer Vernimft verbunden» einmal aufge-
noniniens fo findet er in der nihern Betrach*
fung der Welt einen fo unbegrensten Stoff,
dafs er nie deswcgcn aufgegeben werdcn darf,
weil ef ihm an Nahrung fehJt^ ibndem bioii
deawegen leine Kraft bifwetlen verliert» wetl er
die Nahrung, dic ihm dieWeit anbietet, ver-
fchmiht, yySie erofiiet unf eiaen fo uner-
ineif lichen Sefaauplatc von Mannicli£iltlgkeit»
Ordmmg, Zweckm^ifsigkeit und Schonheit,
nun mag dicfc nun in der Uueadlichkeit def
Raumsy oder in der unbegrenzten Tiieiiung
deflelben Terfolgen, daff ielfaft nach den
Kenntniffen, welchcr unfer fchwacher Ver-
ftand davon hat erwerben konnen» alle Spra*
— 530 —
ehe« libcr fo viele und iiuabrchlich groise
Wiincler» ibr«n Nacb<lntckt alk ZMca ihre
Kraft XII meffcn , undf felbft unfire Gedanken
ihrc Bcgreniuug vermiiTeny (Of daf^fich un*
ier Urtbeil vom Ganxea in etn rpracblofes»
aberdesto bere^ceres Erttaunen aufloieomu&«
Allerwirts fchca wir cinc Kct(c von VVirkun-
gcu uud Urlacheu» von Zwecken uud Mit«
teloy Regelnialsigkeit im Entstehen oder Ver-
gchcn, und iiidcm nichts von Tclbst in den
Zustaad getreten ist, d«riu es fich befindct;
Co weiict er immer bin nach einem andeni
Diuge, als feiner Urfache, welehe gerade
ebcn dicidbc wcitcre Nachfragc nothweadig
macht, £0f dais au£ ibiche Weife das ganxe
All iro Abgrunde des Niehtt verfinken miifitet
nihine man nicht ctwas an, das aufscrhalb
daefem uneodiichen Zufilligeny fiir fich (elbst
itriprunglich und unabhSngig bestehend» daA
fclbc hiclt und als die Urfachc fcincs Ur-
fprungs ibmzuglcich feiueForcdaucr ficherte.
Diefc hochste Ur(ache(inAoiehung aJlerDin*
ge in der Welt) wie groft fol! mau fie den«
ken' Die Wclt keuncu wir uichc ibren gan-
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sen lahaJte nach, noch wcniger Vfiffcn mt
ihreGrofse durch die Vergleichiing mit aJlent
was muglich ist, zti fchatzcn. Was hindcrt
lins aber, dars, cia wir einmal in Abiicht auf
CauUlitSt ein iuTserstes und oberstes Wercii
bedtirfen , wir es nicht xugleich dem Grade
der V^ollkommenhcit uach liber allcs an-
dere Mogliche fetcen follten; «elches
igvirleichty ob swar freylieh nurdurch den
zarten Unirifs eiucs abstractcn Bcgriffsj be«
mrkstcliigen konnen, «enn wir uns in ihm»
alt einer einzigen Substanx, alle mdgliche
Vollkomincnhcit vcrcinigt vorsieilcni vcel-
cher Begrift* der Fcrdcruiig dcr Vemunft in
Eriparung der Principien gunstig, in fich
fclbst kciucn Widcrfpnlchcn untcrworfcn, und
feibst dcr Erweitcrung dcs V cnumftgcbrauchs
mitten in der Erfahrung, diirch die Leitungy
weiche eine folche Idee auf Ordnung und
ZwcckmUr<igkeit gicbt, lutrUgiich, uirgcnd
ater eioer Erfahrung auf entichiedne Art zu-
wider ist.
Dicfcr Be\teis fiir das Dafcyn Gottes vcr-
dient jederzeit mit Achtung genanut xu wcr-
— 53> —
6cn, Er ift Jcr llteite^ klince, miA te ge-
mcincn Menfchcnvcrnunft am nicisccn ange*
nefletie. Er belebc daa Smdtuin der Natur»
fo wie er fellMt von aiefem leia Dafeyn lut»
und dadurch immcr neuc Kraft bekommf. Er
bringt Zviecke und Abachtcti dahin» fie
uoiere Beobachtung nicht von ielbit eiitdecke
hattc, unJ crweitcrt unfcrc Naturkeimtmfie
durch den Leitfaden eincr bcfondem Einhcit,
deren Prinslp aulfcr der Natur itt. Oaefe
Kcnntnifsc wirkcti abcr wieder auf ihreUr-
iache» namlich dic vcranlafTende Idcc, zunick
tmd ▼ennehren den Glauben an einen hoch-
stcn Urheber, bii itt einer «nwidefitdilichen
Uibcrzcugung.
Es wiirde daher nicht aiiein trottlos fon-
dem auch ganx amibnst ieyn» dem Anlehii
diefes Bcweifcs ctwas cntiiehcn «i woUen*
Die Vemunfc, die durch ib machtige und un-
ter ihren Handen wachfendet ob xwar niir
empirifchc Beweisgrundc, unabMig gchobeii
wird, kann durch keinc Zwcifcl fubtilcr ab-
gefogenerSpecuUtion ib niedergedruckt wer-
dcn, da{s fic nicht aus jcdcr grubleriicheii
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UaendolilofleiilieiC gleieh ali einein
dnrch eineuBlick, den fie auf die Wunder
derNatur undderMajeitit des Weltallt wirft^
gefiiTeii nerdeii foUte, um fieh yoii Grofte ni
Grofsc bis «ur allerhochsten, von Bedingung
su Bedingung bis zum obecsten unbedingteji
Urlieber tu erheben.^^^)
So vemiinftm3(iig aber, fo fehr zii era-
pfehlen unii aufzumuntcrn ein folches Ver-
6hren itt» (6 kann maii doeh diefer Beweii*
art nicht An^nidie auf apodietifche Gewift-
heit zufchrcihen. Man muCt vielmehr geste-
hen» da6 die Betrachtung der iweckm'i(iigeii
Etnriehtimg in der Welt gleichlam nur dea
Weg zum Glauben an die Gottheit bahnt, der
Gunit und £remderUnterttutzmigbedarf» und
Iblglieh nicht eine unhedingte Unterwerw
fung erzwingt. Dcnn theils thut das, wai die
Betrachtuiig der Welt an Qch lehren lcann»
demBegrift derGottheit niditGennge, theils
itt et noeh Einwendungen ausgefetzt, die fich
durehblo(se£rfahrunggar nicht heben lalTen»
wie iettt geteigt werdkn foU.
^ Kanti Ckidk dcr reinen Vemtmft, S. 650«
— 534 —
Die Gotthcit ist als das «IlgeougOime,
^Ukommene Wcfen cu betrackten, dat den
Grund der Welt tiiid allc moglichc L igcn-
fchaften nicht in unbestinimt grofseu
Malfe, fondern m ihrer Voliendung ent-
Iillf. Wird diefer BegrifF der Gotthei^ ver-
laffeny fo erhilt mau eincn ro iinbestimiiiteny
daif er weder zu irgend einer Abiicht hinp
reicht, nm deren willen die Frage tlber dat
Dafcyn Gottes von VVichtigkeit fcyn kanii,
nocb den Verstand an fioh befriedigt. Ut
CoH nicht der Urheber alies deflen wat istp
nicht cigcntlichcr Schupfcr dcr VVelt: fo ist
cr in lcincnWcrken abhingig vondemStoflfe»
<3en er su ordnen und zu bcarbeiten hatte»
feine Macht ist eingefchr'inkt, iind wird, wie
bey dcn Altcn, clcm Schickfalc, uutcivporfen,
Denn {o wie der Menfch lelbst feine Ohn*
macht fuhlt, nach der gcgcbenen Befchaffen-
heit dcr Matcrie und dcm VcrhaltniHe der-
itJben zu feiner Kraft, fcine beyden Haupt-
ssvecke liir iich und andere ansziifiihren : fo
ist der Gcdanke einer ahniichen Ohnniacht
in dem hochsten Wefen tmvermeidUcli, wenn
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— 53$ —
ihm aicht Alimacht im unbe(chr'iakt«ste«
Sittne def Wortt sugefefarieben wird. Wie
kanu abcr dann von ihm dcr Mcnfch dic Er*»
$'4nziing fcines Uuvcrmogeus zur Erreichung
det hochsten Guts erwarten? Isc dat hochste
Weien fcmer nicht allgcnugfam und tibcr alle
Verruchung crhabcn, von dcn Gcrctzcn abzu*
weichen, auf welche tinwandeibare Gerech«
tigkeit vmA allumfailende Gilte beruhen» und
umfafst es nicht, in cincr Anrchauiing, alles was
iityWar, und leyn wird: fo wurde ein unein*
gefchrlinktef Vertninen in ihm ebenfallsnicbt
Statt findcn konncn. Es ist alfo no(h\ircndigy
das liochsteWeien als den Grund alierDinge»
ils den InbegriiF aller VoUkommenbeiten xu
dcnkcn, vcenn dic Abficht, um dcrca willen
das Dafeyn derfelbcn dem MenTchen von der
Snfsenten Wichtigkeit ist» erreicfat werden
roll. !Jnd fclbst in fpcculativcr Rrickficht
geht dcr Nutzcn , dcn dcr Gedankc dcr Gott-
heit leistet, verJoren, ivenn ibr nicht der un-
eingefchiSnkte Befits allcr VoUkommcnhei-
ten zugcfchricbcn wird, Hr treibt an, ubcrali
Zweckm'ifsigkeit in der Weit xu fttchen, wt1r-
Digitized b
— 536 —
de aber umfonst dierelbe vennuthen hf&n^
weim (bt mttSndtge Unieren nicht ali im-
tnnfehiHnkter Herr der Natur und alt alhieile
gedachr wiirde. Endlich find dic Attribute
▼on tmbettimniter» obgleicb fehr groiscr» Cfs»
ttaunlieher Maeht tmd Tkcflichkdt fiir dcn
Verstand gar nicht befriedigend. Sic gcben
oicht fiywohl eincn Bcgriff von dcm Gcncu*
ttande, dem fie nigelchricbcn wecdcn, ab
ein Verhaltnifs defTelben zti dem Wefen, von
weJchem er bctrachtet wird. Ein laTektt dat
die Wcike dct MeniUien hetncbten konnte»
wiirde dcmfelben ebenfallt eine entaunliche
Kraft imd einen unermerslichen Verstand fu«
lehieibcn. Man vergrdftere dahcr dco Ge-
genttand dcr Bctraehtunf » oder man verklei*
nere dic Fafsungskraft dcs Wcfens , welchet
ihn dcnkt: Ib UHca dic VorttcUuqgeii von
Vollkommenhcif gleteh grofi aut, weim fio
ntcht diirchaus bestimmt ist , und alles Mog-
liche um£aiit. Glcichwohl fiihrt dic fic«
*) Ebeo wetl em unbcstimmter Grtd ven Voll»
konmenhclt in RQck6clic tuf dv MSchtm
Wcftn» nicht bcfriedigend ist: nehtcc
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— 537 —
traehtung dcr Wdt niir lu dem Gcdankca
einet Wefeiii, dat cUe Wek geocdnet» iind
bey dtefer Ordnung einen hohen» obgletch
fiir unfere Faflungskraft uncndlichcn Grad
von Macht» von Weishek und Gute bewie«
ien hat
Woilte jcmand untcmchmen aus dcc
Zweckmiitigkeit fo viclcr Naturanstaltcn zu
beffeilen, dafi nkkt blo(t die Fomi» fondcm
auch die Matcrie in der Welt Ton einem und
cbendenifelbcn Wcfen hecvorgebracht wor-
«ucK der gemcinc Vmtand nicht iibcr dci»
Sprung von dem hohen, aber unbestimmteil
Grad der gCttlichen Eigenrchaften , dic au9
der Bctrachtung dcr Welt gefchlofTen wei--
den kfinnen , fluf die VoUcndung dcrfelbcn i
und die bedachtig rchreimida Vemunft dce
Philofophea wagt oft «boifilit ditiimSpriing,
ohne dtnn au dcnkcn , dt6 ct efaicr fcf.
Wcnn iibrigens cui fokhtt Verftbren tb tia
Sprung im SchUtfttn vofgtticllt wiid» fai
fo ftm ct iuf tpodicdlcht Gtwi&heit fiih»
fcn foUt ib iit ei doch nicht tls ctdelntwfliw
dlg tn fich iBaufthcn. £s ist im Gegeti-
dltile Ift dtr Nttur der mcnfchlichen Vcr-
nunft gegrandet, und tlt cin Bcduifiiift dcr«
felbtt »1 btcmchtCQ.
— 538 —
dcii fry: fo mufste cr zcigcn, die Diogc dct
Welt wiirden gans untauglicb zuderbeobachp
teten Ordming und Uibereinftimmung ieyn,
fvcnn fic nicht fclbst von dcr hochstcn Wcis-
iicit dazu crfchaffen w'ircn. Gleichwohl ist
«lles, yt*t hiertiber nach der Analogie mit
fneniehllcher Kunst gefagt werdcn kann, bey
iveitem nicht hinreichcnd , mn cinc folche
Behauptung aufler aUen Zweifei su fetzea;
und giebt raan fu, ^aft 6it Abbingigkeit der
Matcric» ihrem Dafcyn nach, nichc aiis dcr
sweekm'iisigen Einrichtimg iu dec WcJt ge«
folgert werdcn kann : fo muls man auch zu«
gebcn, dafs cler gcfiihrtc Bcwcis fiir das Da«
icyn Gottcs als maugcihaft anzuibbeu ist.
Gcfctzt abcr man vrolltc ihmdoch dicAlI-
macht ia fo fcrn zufchreibcu» ais dic Afaterie
olme Cinfchrlnkung flch unter feinen Willeo
l\x fiigen , und jcdc bcabfichtigtc Form anf u-
neiuncn gczwungcn fcy: fo ist diefs doch
ebenfalls nicht mit uugezweifeiten Griinden
fu beweifen. Wahr ist es, deft die fahllofe
Mengc dcr Gefchopfe, dic wir chcils auf der
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ErJe Tvirklich fehen , theiis vermuthen, uni
fli« tagUch wechrelDy einen Grad von Maclit
anzeigt, der tmrere Pafliingskraft ttbertteigt;
v;ahr istes, dafs, wcnn wir jedcn Planeten
als bewobnt» und icden Stem ais cine Sonne^
iim clie fich wieder bewohnte Planeten bewe-
gcn, anfchen, wie wir in dcr That luit hohes
Waiirrcheiiiliclikeit thun konnen» eine Men-
ge yoA lebendigen Gefchopfen hervorgeht»
<Jic keinc Zalil aijszvidriickcn vennag-. Abcc
fo uncndiich grofs dicMacht ist, wdche eine
A>lche Menge von Arten, uud in ieder Art
eine folche Mengc von Iiidividuen nach wn-
wandeibarcn Gefeizen 7u formen vermochtet
fo kann doph weder auf der einen Seite ge>
xeigt werden» wie vfel der StofF felbst(der
als fiir fich bestehcnd angenommcn wird,) zu
diefcr Form beygetragen hat« noch auf dec
andern, da6 felbst diele zahlloie Meoge voa
lcbcndigcn Wcfjn alle Formcn crfchopfty dc*
reu die Matcrie f ihig ist,
Gleiche Unbcstimmthcit findct fich hef
der gdtllicheAWeisheit, in (okiu iic ausdec
— 540 —
'Zwcckm iAigkeit inderWcICgcrchlofTen wcr-
dcn ibll. So uuendlich groiie Weisheic aus
dcn AMtalten hervorlctichtec, wclche wir ia
der Nattir lur Enetiguug, Erhaltung tind Be>
^uckiuig dcr lebcndigen Wefen getrofFeu
(ehen: fo wenif der Mcnicb inr Sunde is^
mit allen feinen Kriften nur einen Schatten
dcr Vollkommcnheic zii erreichen, dic cr
iheilf in der Zuianimcn(etsiing der oif «ni-
fchen K6rpcr> theilt in der Binheic dcrGew
{ecze bemevkt, nach welchen (6 cinc cahilofe
Mcnge dcr organifchcu Wcfcn hcrvorf chcn t
Ib viel umCiiBnid dcr Vertcand ctnct Wcftnc
gedacht werden muft, welchet nach Co etn-
^chen Geretien cine folchc Mannichfaltig*
Kcit hervorhrachtci (6 li&itc fich doch cim
dcm Allen noch nichc miC unhecweilelter Gc-
wiishcit auf cUe Allwiffenheic fcblieisen, cdcr
nuf einc unbetwcifelte Weife xeigen» da6 ia
dcr Welcordnung dic h5ehtie Weitfacic» in
cigcntlichcn Vcrstande des Worcs, ausge-
druckc fey* Um fo etwat danutbun» miirsten
«vir dat Ganxe dcr Welc tiberlchctt, und die
Mchste Wcishcit fclbst bcnuco. Und wie
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eiofciclurSiikt ut aiif der eiueoSeite derKceif
uiifiner Beobacfatiiiig» und cuf der aiideni der
Umfang uiirers VcrstaiiJes! Wic wiJl uiifcr
kurzer Blick das Uneudlicbe meileii, miii mit
Bey(pielen belegeoi
Die Schwierigkeit, die von der Einge-
fcbrinktheit unfers Verstandcs herkomiut, ist
niclit eininal die einiige. fiine niclit minder
groiie erhebt fick aut der Betrachtung dcr
Uibel in der Wclt. Wcnn man auf dercincn
Seite allet dat Gitte preitt» weJchet fie ent-
h%lt: fo darf man aueh atif der andem die
grofse Zahl von Leidcn nicht vergcfTen, wel-
chc die Mcnfchheit von jchcr gedruckt lut^
tuid noch druckt So fehr fich auch die Phi^
lofophen bcftreben, die Zahl imd die StVrke
dicfcr Lcidcn xu vcrmindcrn: fo ist es doch
f anx unmoglich diefelben weg f u philofophi*
ren. M5gen Phantafie und Mitgeluhl dieiel-
bcn vcrgrofscru , und fajfchc Aiincht der Ur-
fachen fovrohl , alt der Wirkungcn, den Ge-
fichtipimct verrucken» aut dem fie au be-
trachten find: fo wurde ei doch in der That
^cm iiieodc Hohn ipiechen iiei6cnj wenn
Mm
— 542 —
tuan es ganz I';(tigneii, oder dcii Grun(.l Jencl-
ben imfiier in der fehJerhaftcii HefchjifFciihcit
6e$ Menfehen, odcr die Folgen davon fchon
fur die gegenwartigc Wclt «Is bcghi-
ckend vorstellend wolUc. V/ic ht es nua
noglich» aus der blofscn Betrachtung derlel-
bca dic Allgiitc iiud iiiiwandclbarc Ccrcchtig-
keic Gottes danuthua ? *)
♦) Herr D. Phrncr fagt in feinen Aphori<nien
(p. 444. zwcyte Ausgabe): Keine Philofo-
phie wtrd je vermogend feyn die Uiberaea>
gung derMenfcbheit von dcmUibcrgewichte
de» Elends merklich zu fchwichen; denn
diefe Uibcneugung felb»t ist eine von dcr
gStdichen Weisheit angeordneie Tftulchung»
Istdiefer Gedanke wahr, fo ist der phyfi-
ootheologifche Bcweis von detn Dafeyn Got-
tcf, den Herr D Plarncr fuhrt, und fuT
voUgultig hilt, docb, nach feiner cignen
ErkUrung, nicht hinrcichcnd ; dcnn er
gnmdet ihn auf die Einrichmng dcr Welt
zur gcofstcn moglichen Giuckfcli^jkcit dcr
lcbendigcn Wcfen, und j;lcichwulil behaup-
tet cr, dafs alles, was dauihcr gefagt wcr-
dsn k^nn, nicht verm^-jend ley , den Glau-
ben an das Uibcrgcwuht dss Elends nicder
zu fchbgcn. — Wic gcwagt ist ubri^ens
die Bcliauptung, diifs die Gottheit den Men*
C^hca 1 4 u f c h e ? Uat «bcr ihre Richcig-
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£s giebt uicht wetiig Menfchen » welcho
bebaupten, das Uibel in der Welt liabe das
Uibergcwtcht. Wird hierbey nicht fowohl
aiif die Menfchheit allcin, als auf alle
lebendige Wefen gefeheo: ib kann did
Behauptung allerdings auf eine Art aiederge-
fchlagen werden , dic fiir dcn, welcher fehen
wiil» volie Uibeneugung hat. Schwieriget
wird fchon der Gegenbeweit, wenn blofi in
Riickficht auf das menfchlicheGcfchlecht, die
Leidcii gegen die Frcudcn abgewogen wer«
den ibiiens ob es gleich moglich iit, hej dec
Betraehtitng aller LSnder und Zeiteny to weit
die Gefchichte iie umfaffen kann, lich fur
dat Uibagewicfat der GiuckieiigiLeit lu cr«
kHrem Wenn tnan aber endlich uotemeli»
nen wolhe zu zeigen, dafs die Existenz jedcf
cinselnen Menfchen» fchon auf diefer Erde»
nehr angenehme alt unangenehrae Gefuhle
enthalte: fo untemlShme mau etwas^ wovon
kcit, ib thot der Meaich, der fich abcr jcnc
Tiulchung erhebc, hfcfasc unfccbt^ diefdbe
m Andera ftfawftcfata» odcr gir tcntfm
ra woUcn»
544
maii cbcii fo vvciug ubcrzeugt fcyn kanii, als
<tavon, dafs fich d«s Ma& der GliickftfligkeU
tiiimer nach dem Mafse der Sietlichkeic rich*
ic. *) Gieichwohl ist dicfc doppchc Uiber-
zeugiiiig fchlechtcrdings nothwcudtg, um die
gcgenwartige Einrichtung der Dinge mn
fich aU vollkomnicii iit bctrachten. Sagt
man» dic Lcidcn fe>cn nothwcndige Foigen
der Einfchrftnkung endlicher Wefen, tmd
der gr5ftten moglichen Vollkommenheic det
Ganzen: fo ist eine foiche Rechtfertigung
gar nicht bcfriedigend» ftenn nichc suglcich
gczeigt wird, dafi aller Einfehittnlitung der
ciidiichcn Wefen ungcachtct, jedcs Indivi-
dmim am Ganzcn feinec fixistena,
nehr angenehme alt unangenehme Empfin*
dung habe. Die ttenfeblidie Vemunfc wiir*
♦) Bdfc feyn. ftgc mtn, tst tuch in der Em>
pfindung dn grfffteres Elend, tls BAfet
leiden. Diefes fiodet IreyUch der Recht-
fchaffene fehr wihr, wcnn es «uf Vcrgld-
chung ankommr ■ isc d^nn aber Leidcn niir
in VergleichMn^ ein Leiden? und hat
denn dcr Sittealo(e da» Gefuhl dcs &cchc-
fchatfcnen ?
^ i.y Google
de fiie tnr Hcrvorbringiiiig eincs eintigen
Wcfcns stimmen, das ohneSchuld elend \v<ire,
blo(s damit Andere gKickfeJig feyii konn*
ttni tind ist cias Ureheil iinierer Verniinft
nicht inchr entfchcidcnd , fo ist es umfonsry
iich aiif dalTelbe bcy der Frage tiber das Da«
leyn Gottes tu benifen. Dahcr wtirde in der
That alles, was zur Rechtfei tigunc: c^cr gott-
Jichcn Vorfehung angcfahrt wcrdcn kaun,
.«enig Gewicht liaben« wenn nicht tulettt die
Eingefchrinkthelt ttnferer Erkenntnift, nnd
dic Hoifnung cines bcffern Lehcns, zu Kiiifc
gentfcn wtirde. In der Zukunft, heifst es»
werden die Sehickiale der Menichen in ihrem
Zufainmenhange erfcheincn, ilnd die Aiis-
gleichungen Statt finden» auf die in der ge*
genwHrtigen Einrichtting um(bnst gerechnet
wird. Auch ist auf der cinen Scite die
Schwachhcit unfcrs Vcrsrandes cine starkc
Atiffordening ttir Befcheidenbeit in iinfcrn
Urtheilcn, und atif der andem der Glanbe an
Unstcrblichkcit, auf cinc Fordcrung der
practifcbcn Vernunft fo gegriindety dafs er
gerade von dencn, die des Trostes bedtirfeoy
— 546 —
und wurdig find, am willigsten aufgenom»
mea trird* Wemi iiiaii aber behauptet, dureh
Bctiachtung der unt bckannten Welt die VoU-
kommenheic dcs Urhebers, fcine AUmacht
und ieine Weisheit hinlinglich su er«
kennen: fo mtiTt roan nicht auf dieEtn*
gcfchriuktheit unfercr Erkenntnirs, imd
auf die ktinftige Auflofung der menfch-
lichen Schickfale verweiien,
Aus diefem Allcn erhcllet , dafs der, auf
die Volikommenheit dcrWelt gegriinJctcBc-
fveii liir daa Daleyn Gottei ebenfalis ntcht
apodictifcheGewtftheit gcwahrt, fon«
dern der Guust bedarf. *) Die Betrachtung
♦) Man fflgr, die moralifchc Gewifshcit fcy ebca
fo p;rofs als die mfithcmatifche ; und dicfs isc
aucii 111 doppeher Ruckficht wahr, Yersteht
min namlicii unter moralifcher Gcwifibcit
diejemge, welche «if moralifchcn Grfindca
teuhtt und wdehe tUcin fo gciumnt wow
dcn foHte: ib ktnn fie tn etnzelneii
Menfchcn chen fo ttirk feyo, tlt die mathe-
mttilchc Sie ktnn tuch tllgcmeln ge-
dtcht werdcttt wenn mtn cine Ibkhe jnt»
ttcht» die tus unzfthligen Grimden flicfst^
uod nichts wider fich htt, tlt cine bloise
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— 547 —
iler WeJt leieei ntir auf den Gednnkeii einei
Weiens, das fie geordnet hat, nicht aber aiif
den, daij e$ dcr Schupfcr derfeiben, oJer,
im eigentlichen Sinne des Wortt, Hcrr der
Natur itt, Und fo wie fetne Allmacht
nicht stren» bcvviefcn ist, fo find auch icme
tibrigcu Eigeoichaften in ilirer VoUendungy
aus dcr Betrachtuq^ der Wel^ nicht auf elne
Mdgtichkelt So wiid gefagr, es fey
moralirch gewifs» dafsdieEinrichtuog
in der Weh nicht eine Folge der von Ewig-
keit hcr fich bewegenden ungleichartigen
Atomen fey, well die Unm6glichkctc diefer
Entstehungsart zwar nicht bewicfen werden
kann, der Gcdanke dcrfelben aber dcr
incnfchhchen Deokuogsart durchaus wider-
fpiicht Ware nun blofs zwifchcn cliier
folchen Entstehungsart , iind zwifchen der
Bildung dcr Welt durch ein verstandi-
gcs Wcfen, zu wiihlen, um das Dafcyn des
Unendlichcn zu bcwciCtn : fo wiirdc die
Gcwifshcit von dcmfelbcn allerdings der
maihematifchcn glcich gcstellt werden kCn-
nen. Der voraubjjtrctzte Wechrdf.ill cr-
lchdpft tber die Moglichkeiten mchr, und
der Bcgriir eines We(ens» welches die Welc
gebildet h«t, ist nicht der ganae Begriff dcr
Gotdieit»
fiai befriedigeoae Weiie abtnleiten, ja Ein-
wenduDgen ausgcfctxe, die aiis ebcn diefer
Betrachtung hergenommen , und durch keine
ttniweifeJhaften Orunde gehoben werden
konnen.
So (ind alfo alle drcy fpeculauvc Bcwcire
liir daa Oafeyn Goltea nicht ganx befriedi-
f end. Wenn aber dieit lugegeben werden
mufs, fo ist dagegen fo viel gewifs, dafs der
Glaube an einen huchft ▼oUkomnieoen Urlie-
ber der Welt, dureb, die naturlieben und
nieht lu iiberrchenden Winke dcr fpeculi-
renden Vernunfc vorbereitet» uod durch das
Interefle der practtlchen Vemunlit voUendet
werden kann. Daft der Menfch nach dem
Grunde aller Dinge frage, und durch diefe
Frage anf den Gedanken einet nothwendigen
Weient konune» itt keinem Zweifel unler*
worfen. Licgcn nun in dem BcgrifTe deflcl-
bcn mehrereEigeofchafceo, die io dem Ideale
dei vollkommeosten Welena enthalten finds
fo ist cs natiirlich, dafs bey denjenigen, wel-
che nicht fo bcstimmt iind» ciue Erganzung
•ut dem Ideale eintrete. Verliert fich der
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Menfeli bifweileiB in der Uabe^iflictikett
ciiies Wefcns, das dcii Grund fciner eignen
und alier tibrigenDiQge ExiiCeni enthitlt, und
«ill er detwegen aJlet Fodchen nach demieU
bcn aiifgcben : fo fiihrt ihii die Betrachtung
der ZwcckmSisigkeit» in der Einrichtung der
Welt, wieder auf einea wei(en Urheber der-
fclbcn zuriick. Sie ist dcr Abdruck cincs
vernunftigcn Geistes ; denn fie if t eine Ord«
nung nach allgemeinenGe&tten, nnd beydie«
fer Ordnung von fo ktinftKcher Zttfinimen-
fetzung, dafs cs dcr nicnrchlichcn Dcnkungf*
art durchaus wideripricht, ein blindef Unge*
fllhr, alf den Grund drn Weltbauf und alles
dcffcn, was ist, zu betrachten. Dringt fich
aber £o der Gedanke eines unfichtbaren We-
lenf aul» wdcfaef der Materie die Form ge-
gcbcn, und iii dicfcr Bildung ciiic, fiir den
Menfchen» unendliche Macht und Wcisheit
geseigt hat: fo vereinigt fich mit die(em Ge-
danken wieder naturltcher Wei(e der, daft
cbcn dicfcs Wcfcn atich dasjcnigc fcy, wcl-
chet den letsten Grund aiJer Dinge enthllt,
und dcm Ideale der grolsteiiVollkommenheit
— 550 ~
entfpricht. Bleibt man alfo bey der m e n fch*
lichea Denkart stebeu, fo ut die Amiahme
eines allniachtigea, allweiien Urhebers ^er
Welt, auch in rpeciilativer Riickficht,
die veniunftigste Meinung. Soil iie aber ein
fester Glaiibe, uad dcr vollendete Begrtff der
Gottheit gef<i(st tind gerechtfcrtiget werden,
fo Jicgt Jie Moglichkcit davon nur in dcm
praetircfaen VemunftintereiTe,
WSrc die Fragc ilber das Dafeyn Gotte»
cuie blofse Frage dcr Speculation» fi> wurde
fie Ttr die wenigsten Menfchen von gioiser
Wichtigkcit feyn*, uiid da dic vollige Bcant-
wortimg dcrfcibcu noch iiberdicfs unauflos-
baren Schwicrigheiten unterworfea ist: ib
witrdc fclbst von denen , die, iim den Kreii
ihrer KcimtnifTc zu vcrmehren, iich in theo«
logifche Uttterfiichungen einiairen« ein grolser
Theil diefelben wieder aufgeben, wenn fie
nicht in Vcrbindung mit dcm Verhalteo und
der Ruhe der Menfchen strmden. So wie nmi
das practi(che VemunftinterelTe die Frage
iiber das Dafcyu Gottcs crst aligemeiizej: wicii-
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tiginaeht! io bfftiniiit f auch dic Beant-
wortung dcrfclben auf cine entrcheiden"
de Weiic. Oa dic bJoff rpeeulativcaGruode
liir daf Dafeyn Gotcei andere gegen (ich ha«
bea, welche nicht ganz nicdcrgeichUgea wer-
den k6nnen : ib find die crtten, wenn fie auch
nach der meofchlichen Denknngiart uber-
haupt das Uibcrgewicht haben, nicht liiiirci-
chend^ cine harCnSckige ZwciCelfucht zu uber*
vinden. So weit aber kann )eder Menicb,
der noch einigen Schein vonVemun ft bchaup-
ten will, gebracht wcrden, dafs er wenigsteus
ein Gleichgewicht dcr ipeculattven Griinde
fiir und wider das Dafeyn Gottes eingestehen
mufs, Wird nun gezeigt, dafs die Annahme
deffelben in practifcher RUckficht nothwen*
dig ist» fo kann auch der hartnHckigste Geg-
ner nichts gegen den .ichtcn Glauben an Gott
einweodcoy wenn er nicht zugleich allcMo*
ralitllt als gnmdlos darzustellen vermag; und
diefs vermag er nicht andcrs , als indcm er
die Vcrnunft fclbst aufhcbt.
Ein folcher hartnickiger Gcgner ist der
Menfch ntcht feiteo gegen fieh lelbst. Er
~ 55^ —
lchwankt voneiiieiiiGedankeii iirai entgegeo*
gcfetzfen, fo Imgc gar ntehtf da itt, wtf den
Eincn rchkchterdings nothweodig macht.
Diefet Schwanken verfchwindet «ber uher-
haupt, fobllld fich auf der einen Seite etn
practifches Intcrcflc zcigt, das auf der aii-
dem fchlt. Denn der Menfch befindet Ctch
iiur dann wohl» wenn Handeln und Denken
mit cinandcr ubcreinstimmcn , und niinint
detwegen oft Meinungen an, 'lic gar nichti
weiter fCit fich haben» als die Uibereinitim-
mung mit feiner Handlungtwetie. Noch
machciger mu(s alfo das practifche Interene
werden, wenn der Zweck, den er verfolgt,
nnnmginglich festgettellt, itnd surErreicfaun*
gen dclTelbcu eine Bcdingung fchlcchtcrdings
nothwendig ist. Denkt daher der Mcofch
I1I06 uber die Moglichkelt, die Freyheit
des Willens mit der Natwrnothwendigkeit eu
vereinigcn, fo kann cr dic t^rcyheit baid glau-
ben, bald nicht gJauben; fobaid er aber die>
fclbe in Beciehung auf dte Handlungsweile
hetrachtet, n nd fo handelt, als ob er eia
freyes Wefen (ey: fo verfchwindet gewdhn*
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— 553 —
lich (lic Kraft ancrGriinde (iit die Natiiriioth-
wendtgkeity als der einitgeo Wirkiingtart in
dcrWele, wie die Kraft derTraumbilder bey
der entgcgciigefetzten Erfahrung im wachen-
den ZiMtande* Eben fo ist ei in Riickiicht
anf den Glauben an daa Dafeyn Goftes. Hat
dcrfclbe dic Handltingsweifc ziim Gnmdc, fo
kann er eine Feitigkeit gewinnen, die jedein
Einwurfe trottt. Auch it t der Reehtlehiffeiie
bcfitgt 211 fagcn : cr wolle aiif alle Vcrniinftc-
lcyen, die den Glaiiben an Gotc waiikend zii
luachen drohen, nicht «chleas £> wenig er
darauf tn antworteiiy oder ihoen lcheinbarere
entgegcn zu stcllcn , im Stande fcyn mochtc.
Denn iein Urtiicil wird von einem IntereiTe
bestimmt, daa er nicht aufgeben darf, ohne
Cch fclbst zu veraclucji, das von kcinem an-
dern uberwogen werden kann» und die Ipe-
eulative Vemiinft wenigttena ebca Ib gur f tir
als w i d e r Hch hat.
Itt auf diefe Wciie dcr practifche Gnmd^
auf den der Glatibc «n Gott beniht» uncr*
ichtftterlicht fo itf er nieht weniger Ib bcm
fcbafien» dait auf dcmielbea aikio dcr be*
— 554
stimnitc Bcgriff von dcr Gotthcit ge-
ctiitzt werden kaDn, delTen der Menfch btf«
aarf. Und in aie&rRuckficht tit (eine Kraft
noch aiisgebreitctcr, als in fo fcrn cr den
Glaubcn an einen weifen Welturhebcr iibcr-
luupt fichert.
Der Ge<lanke eines nothfieiMiigen Wefimf»
welches den ietzten Grund allcr Dinge ent-
hilty ist fo genau mit der menichlichen Deo-
kungsart verbunden» daft die nieittai Men-
fchen gar nicht die Schwicrigkciten fiihlen»
ivelcbe die Speculation dagegeu erhebt, und
die wundervoJle Einrichtung der WeJt, aJa
d?r Abdmck cines verstSndigen Wefens, kann
ihnen fo einlciichtcud gcmacht werden, dafs
auchdaruber keineZweafel entsftehen* Wenn
es aber darauf ankomni^» den Glauben an
eineu m o r a 1 i fc h e u VVeltiirheber zu cr-
weeken, der die Macht und den Willcn hat»
jeden Menfcfaen in folche VcrfaJUtnifle su
fetzen, dafs es ihm inoglich werdc, filr die
Daucr feiner g a n z e n £xistent ieinen g a n*
len Zweck su cneichen: Ib itt neder dcr
Gcdanke an cinen Welturhebct uberhaupty
Digitized
noch die Betrachtuug dencn, was in dcr
Wclr» feineiii Werke» gefchieht, hinreU
chend aiif eine entlcheidendeAntworl zu fiih*
rcn. Diefc hangt stets von dem practifchea
Vermmftinterelle ab. Es iaiat fich nicht ein-
raal denken, dais dcr Gottheit eher die Hei-
ligkeit des Willens beygelcgt werdc, als die
Verminft et dem Menfchen wut Pflicht raacht,
felbtt diefer Heiligkeit nachnistreben. XJnA
da nian von jehcr in der Wclt ein Mifsvcr-
haltniif twifclien l^ugend imd Gliickfciigkcit
tu bemcrken geglaubt hat: €o kann auck
nieht dieBetrachtung deffen, was g e fch i c h
fondcrn dcr Gcdanke derfen, icas fcy n f o 1 1 1 e»
auf den Giauben an einen moralifcbea
Welturheber, gcftibrt haben. So nattir*
lich es ferner ist, die Grofse drr MAcht iind
Weitheit» i«ovon fich dieSpuren in dcr wirk-
lichen Welt finden, bit xur wahren Uncnd-
lichkeit auszudelinen : (o kann dcnn doch
diefc Ausdehnung nur durch das practifche
Vemunfitinterelfe hinl^inglich gercchtfertiget
\rerdcn.
— 556 —
Will mn tHo eineawurdifenBegrilF von
der GoClbclt beybringen, itnd den Glaubca
an dat Dafeyn derielbeo Auf eine unerrchtit-
terliche Weile grtinden : fo emecke und er*
wcitere man c^as IntcrcfTe an der MoraliHt.
Dadurch wird man die Mearchen geichrig
macbent die Gnindwahrbeicen der Religion
aufzunehincn , imd fett in denfelben tu blei-
ben. Dann wcrden dicfe zuriick auf dic iitt«
liehe Gefinnung wirken» und ihr einen ini*
ner grofiem Einfluft auf dat Leben verlcbaf^
kai dann wird cs in mehrals eincr Riickiicht
wabr werden» dadi, wcr an die Tugend —
aucb an Gott» und wer an diefen glaubt» auch
feiuc Paichtcu crfiillt.
Ist ei abcr nicht niededcblagend» dals
dic \ crnunfc die wichtigsten Au%aben ttleht
auf ciue iiber alle Zwcifcl crhabcnc Weife zu
Idlen ▼emtag; dait fie our Glauben da be-
wtrfcen kann, wo apodietifche Gewift^
beit in doppclter Riickficht fo niitzlich
wire ? Wiirden nicht die Menichen» wcnn iie
von Gott und Unitcrblicfakeit auf dne-un*
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— 557 —
wideritehliche Weife uberzeugt wifcn, viel
berfer und viel glueklielier feyfl? — .
Diefe Klage ist fo natiirlich, dafs fic wohl in
den raei&tea Mciifchea» dietiibcx ihre eigene
Bettiniinuog und uber die ihret ganien Ge«
lehlechft nachdenken» luweilen aufiteigt ; ist
fie aber aiich gerccht ? — AJs folche wird iie
ichwerlich erfcheinen kdnneflt wenn fich tcU
gen Isftr» dali felbft dat Dunke], ivelchet den
Urhcbcr dcr Welt und die Aiisficht in die Zu-
kun£t bedeckt, der eigentlichen MoraJitSie
gtinttig itt$ iind dieii liTst fich in der That
leigcn. „ Warc iins die gewiinfchte Einficht
lu Tbcil gcwordcn» £o wiirdco, ttatt des
Slieits, den ietxt die moialilche Gefinnung
init den Neigungen xo fnbren hat, in weU
chcm, nach einigen Niedcrlagcn, doch ail*
tn&hiig iBoralifche St2rke der Seele xu crwer-
henist, Gott und Ewigkeit, nit ihrer
furchtbarcn Majestat uns unablifsig
vor Augen liegen; dcnn, was wir voUkoin-
iDcn beweilen konnen, gtlt, in Anlehung der
Gewirsheit, uns fo vid, als wovon wir ims
durch den Augeoichein veriichera. Dic Uiber*
Na
Digitized
— 558 —
fretung d«s Geietses wurde fireylich vennie*
dcn, das Gcbotcnc gcthau werden $ weil aber
dic Gcrinniing, aus wclchcr Handkingea
gefehehen foUen , durch ketn Gebot mit eio-
geflSfit werden kann , der Stachel der Thl*
tigkcit hier abcr foglcich bcy dcr Hand und
itifserlich ist, dieVernunftalfo iich nicht
allererst enipor arbeiten darf » um Kraft tum
Widcrstandc gcgcn Ncigiingcn dnrch Icben-
dige VorsCcllung der Wurde dcs Gefetzes xu
fammehi: fo wurden die mehresten geieti»
niifsigcn Handhmgcn ausFtircht, nnr wcnige
aus Hoffuiuigy und gar kcine aus PHicht ge*
fchehen» ein moralifcher Werth der Hand-
iungen aber, woraiif doch allein der Werth
dcr Pcrfon, und fclbst der der Wclt in dea
Atigen der hochsten Weisheit ankommt, wur*
de gar nicht eiistiren. Das Vcrhalten der
Meiifchcn, fu lange ihre Natur, wie fic icfzt
ist, bliebe, wiirdc alfo in ciaciu biofsen Me«
chanismui verwandelt werden, wot wie im
MarionettMifpicl, ailcs gut gcsticuliren, abcr
in dcn Figurcn doch kcm i.cbeii anzutreflfcn
feyn wilrde. Nun» da es mit una gant an*
— 559 —
dm beTchafreii isf^ di wir» mit aller Aotfren*
gung der Verminft, iiiir eine fehr dimklc iind
zweydeiitigc Ausliclit in die Zukunft habeny
der WcJtregierer tiiis iein Dakyn imd feine
Uerrlichkeie nur mtithniarten , nicht erbli«
cken oder klar beweifen iafst, dagegcn das
moralifcheGeiets in uns, obne uns etwas mit
Sicherheit au verheifien oder «u drohen, von
uns uneigenniitzige Achtung fordert, iibri-
gens aber, weon diefc Achtung tliatig und
herrfchend geworden» allererst akdann uod
mir dadurch, Ausfichten ins Reich dcs Ui ber-
finnJichen, aber auch nur mit fchwachen BIl*
cken erlaubt: fo kannwahrhaft fittliche, dem
Gefetie unmittelbar geweihte Gefinnung Statt
finden, und das verniinftige Gefchopf des
Antheils am hochsten Gute wurdig werdeii,
das dem moimliTchen Werthe feiner Peribii
und nicht blofs fcincn Haiidhmgen angcmef-
fen ist. Alfo mochte cs auch liierwohi da«
mit feine Richtigkeit habeuy was uns das
Studium der Natur und des Menfchen fonst
hinreichend lchrt, dafs die tinerforfchiiche
Weisheitj duroh die wir eiistiren, nicht mio*
— 5fo —
der iferehningtwiinlig iit iu ^cm, wat fie
tiiis verfagte, aU in clem» was fic uiis zu
Theil werden iieis. «)
) kants Critik der pracnrcKen Vernimi:, ^264^
L>iyKi<ica Uy GoOgle
Fereini^ufig Mer imralifchen Crund-
fdtze.
Wcn.. inaii bcdenkf, d.ifs , fo weit tnaU
Qur ia die Gcfchichte der WiXrciirchafien su-
ruek^heo kaon, tiber die Bcichifenheit un<I
4en Gmnd der Siftlichkeit philofophirt wor-
den ist : fo ist cs in dcr That nicht wcnig
mnderbar, dais es dem Ende dieies lahrhun»
derfs vorbehalten (eyn foUte» tiber eine, dem
Mcnfchen fo nahe licgcndc, und fo wichtigc
Aogelegenheit» GrundHitie aufiustellen» die
allein vollgullige Wahrheic haben. Wird
abcr daher eine Einwendiing gegcn dicKanti-
fchenLchrcn gcnomincn» und denielben blo6
deswegen die Richtigkeit abgefprochen, iHreil
fie fich in den Sehriften der fcharffinnigsten
Mauner allcr vorhcrgehendcn Zeiten ntcht
fioden: fo ist eine folche Einwendung theilt
an fich nichtig, theils, bey nlherer Betrach-
tuug, leibst ailcs Scheias bcraubt. Wcr die
$62
Wabrheit Xucht und iiebc» muis prufeO| und
«twas nicht bloft deswegen venveffen, weil
et neii tind den Meinungen tuwider itt, wel-
che fcharffmnjge Minner auszufchmiickcn ver-
standen haben. Wiren indeiren die neu
aufgestellten Grundritse von der Art, dafi fie
die nienfchliche Denkart iimkehrcn follteny
und dieMeinuogen aller vorhergehenden Zei*
ten d tt r c h a u s iur faUch erkrjrten : (b wiir*
de eln Widcrstandgcgcn fo fchncideude Neiie-
ruogen gewiiTennaisea emfchuldigt feyn.
Denn bey Lehren» wo et nicht auf ^uisere»
lchwer aniiistellendc Er&hrung, oder auf dat
Refultat einer langcn Kette von Schlufseoy
fondem auf das unmitteibare Bewiiistreynund
^ Bs ist unbcgrtiflieh, wie Minncr* die anf
Grfindlichkeiit Aofpnidi mscheo, fichnichc
tcheuen, bto& die Autoritlt der altcn f hilo-
fophie flozuluhren uod zu crklftreo, fie woJ-
lcn fich gar oicht aof dic Uotcrfuchuog dcr
oeuen eintaflcn, gleichwohl «hcr diefclbe sls
lacherlich und venverflichdarstellen. Wenn
in cincin folchen Veifahren Achtung fiir die
Wahrhcit herrfcht: fo isi kein Mcnfch aof
Erdeo, io dem fie otcht herrichc.
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— 563 —
auf die aligemein notbwendige Anweiidung
einen Geietzes ankommt» w3re die lange Ver-
borgcnheit oder Verkehriing deflelben aller-
dings cin bcdciiklicfaes Zcichcn* Dafs diefea
aber der Kantifehen Moralphilofopliie gar
nlcht beygelegt werden konne, ist ein Hatipt-
puncc alier vorhergehendcn Betrachtungen
geweTen. £t itt geieigt worden, daft die«
lelbey weit entfemt mitdenUrtheilen dcs ge-
mcinen Vcrstandet zu streiten , fich aus den-
lelben lierieiten» oder doch mit dcnfelben in
die genauite Verbindung ietzen lafie. Nicht
die allgemeine Denkungsart, fondcrn niir das
Kironneincnt dcrPhilorophcn iiber dierelbefoli
timgeliehrt werdeo. Und (elbtt dem letstem
wird nicht alle Wahrheit abgerprochen,
Ibndcrn nur Einfcitigkeit, oder Uubcstimmt>
heit augefchrieben. Nun muiste man doch
2n der That fonderbare Begrifie von dem
Gangc dcs meurchlichen Gcistes habeUy wenn
man et f iir unmoglich , ja nur fitr unwabr*
lcheinlich hielte» daft er fich durch Einfei*
tigkeit der Grundfatzc und diirch Unbe-
ttimmcheic der fiegri^e verirren, odex von
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— 5^4 —
reinen Vcrirrungcii ziirnckgebracht tveideii
konnc. SolJtc jcmaaci dielen Wahn hegen»
Co darf cr ja niir auf die ib groiie Ver*
f eh t e d e n h e i t der Grundf^f te blicken» wel-
che ubcr die Sittlichkcit aufgestellt wordcii
find. A 1 J e konoen fie doch nicht u n e i n ge*
fehrSnkt wahr fcyn, und als vollendet kaim
doch auch keinc Unterruchimg angefehen
werden» £o lange die Refiiltate derielben
theils mit fich fiflbit, dieils niit der allgenei^
nen Anficht strciten. Dafs dicfer doppelte
Strcit Statt finde, iit gexeigt worden, und
denfirlben aufiuheben, ist die neue Pbilofi>-
phie bcstimmt — • und gefchiekt. Denn fie
zcigt, dafs ailc Partheyen in ciner Ruckficht
Recht» tn einer andem aber Unrecbt haben»
und fchlichtet fo den Streit unter den Philo-
fophen, wie die meisten Strcitigkeiten in
deui Ccbiete der WifiSmichaften fowohl» ala
in dem Gebtete der burgerlichen Angdegen»
hetten gcfchlichtet werden. Nachdera nun
in aiufiihrlichen Betrachtungcn das Wahre
von dem FaMchen in allen» vor Kant ilber die
Sittlichkcit aufgestellten Gnmdfitzen, gcfdiie»
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Jen wordcD ist : fo CoW ietzt noch eiae kurze
Uiberficht der TreniiuDgt*iiiid Vcreiniguiifi»
punete derlelben yon und tnit dem Kantiichen
Grundfatzen aogestellt, und insbefondcre die
Hamonie vondieien mitder cliristiichenMo-
f al gefeige «erden,
Wenn fich die phiiofophiiende Welt ia
xfvey Hauptpartheyen trennt» Ton denen die
eioc waudelbare , und dic andere unwandeU
bare Regeln der SittiichlLeit anninimt, (b hMt
fteylich nur die letste Recht^ in fo fcm fie
abcr dafTelbe anf unhahbare Gninde stiitit,
(o ist die «ndcre auf ihrcr Seite berechtiget,
diefe fiir nichtig su erklSren. Sagt die eine,
«ur ToIIen tugendhaft feyn, weil wir fontc
nicht ghlcklich feyn konnen» odcr weil es
der Wilie der Gottheit itt » ib iat die andece
beftigt» ni erwiedem: eben weil dem Men-
fchcn Allcs auf Gluckfeh^keit ankonimt, diefe
aber von leiner individueiien Beichaffenheit
«bhSogt, fo giebt ei keine allgemeingultigen
Rcgcln, und cs ist in fich widerfprechend,
daa Streben nach Glucldeiigkeit tu einem Ge-
— 566 —
ftote ttt maehen ; oder fie ist befiigt, zii fra*
gen: kann bey deii fo verfchieclnen BegrifTcn
von der Gottheit, vrelche in verichiedenen
Llndern iind lu ycrfehiedenen Zeiten» noch
herrfchen, und von jeher gehcrrfchr habcn»
irgend einc moralirchc Regel als eiu aligemein-
guhiget Gebot Gottcs vorgestellt werdenl
Dicic Cinwiirfe min werdcn dadurch nieder-
gcfchlagcuy dafs das Sitteugerctz aus dcr wc-
fendichcn Form der Vcrpunft abgeleitet, von
dcm Strehen nach Ghtck(e]igkei| gefehieden»
ja dcniiclbcn, in gewilTer Kiickfichty eutge-
genfetfty tind eben deswegen ali ein Gebot
vorgestellt wird.*)
*) Gegen die Schcidung des Sittengefetzes von
illein, was unmirtelbar zu dem Srreben ntcli
GhlckfeHgkctt gehort , hat man den fondcsp
barcn Einwurf gemacht« dafs £&r den Men-
fchcn, als ein zufammengefetztes Wefcnt
luch kcin reincs Vcrnunfrgefctz au^c-
ttcllt werdcn lUn fe. Sind dcnn dic chymi-
fchcn Schcidungcn deswcgcn unnurz , wcil
doch allc Korpcr zufainincngcfetzt find ' leh-
rcn fie nicht viehnchr , wic man aut" die zii-
faminengefetzten Korpcr am bcstcn wiiken
koone ? Uud endhch » wird nicht nach der
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— 567 —
BeCraobtet nan ferner dlc einfelneii
Grttndfiltte uber die Stttlidikeie» (b findet
inan ebenfalls m jeUem einen Vereinigiiiigs-
punct mit dem Kantifchea, und wird dieier
gefafity fo veriehwtndet xugleich der Streit
zwifchen den verrchiedenen l'Artheyen.
Sagt EpicuTy der Menrch handcle nur, um
cntweder eine unangenehme Empfindung xu
entlemen, oder eine angenehme tu erreichen»
uud es komme foJglich bey der Moral allet
auf Gliickleligkeit anx £0 iit iein Vorderfatx
unbedingt suzugcben, aher die FoJgerung
nur mit E i n fc h r a n k u n g. Zur Tr i e b f e-
der ist £reylich bey ieder Handiung Gefiihl
nothig, diefi iit aber bey der Moralitat ganx
eigner Natur, und niit deii p h y f i f c h e n Ge-
fuhien nicht zu vcrwechlcio. Hat mau es daher
in den neuem Zeiten davon geichieden unil
unterdemNamendef moralifehen, aliden
Scbeidung dcs Sitten^cretaei von flllem 2n«
fUligen, tuf die doppdie Ninir dei Men-
Ibhen eben diduieh Euckficht geoooimen»
difs die moralifchcn Hsmdlongen lU Pflich.
tcn vorgcitellt werden?
— 568 —
letzfcn Bewrgttngsgrund *nr Erfiillung der
Pflicht» augefchea : fo kam man der Wahr-
lieit um einen Schritt diherf erreicface fie
•ber nicht ganz , in fo fcrn man den inorali.
fchcn ^inn als unabhangig voa dcr
Vernunft anfah. Dieie enthiic <lat mora*
lifche Gelett» un^ wirkt dadureh lelbtt <lae
Gefiihl , das zur ErfuIIung dcnelbcu antreibty
«ie in einer eignen Abhandlung geieigt «op>
(len itt. Kommt ee allb auf genaiie Bettim-
tnuiig dcr Rcgeln an, y/omach dic BcfchafFen-
heit der Handiungen xu richten itt, ib ent-
hllt Epicurt Mazime nlcht nur nicfati Befrie>
digcndcs, foudcrn ist aueh eine unfelige
Qyelle von faifchcu Vorstelluagen imd Hin-
demiffen der moralilclien Gefinnung. In £>
dagcgcn Epicur unter der Gliicfcieligkeit
dic Scl bstzufricdenheit, als eiae Fol-
ge der Tugendy mit begriff» und die mora»
lifche Gefinnung fehon vorautfett-
te, hattc cr freylichGrund zu bchauptcn, der
Menich handie niir auf Antrieb detSchmertef
oder det Vergniigent, und beiiehe Iblglich
alics auf Gliickreligkeit.
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— 5^ —
Weon ^ie Stoikcr behaupteteii, et kom*
inc bcy clcm RcchthanJcln gar nicht auf Vcr-
gniigea» fooderu auf die unwaodelbaren Vor«
fchriften der Vemiiiift an, fo geben fie «len
Gnind der Sittlichkeit ganc riehtig an. In Co
fern fie aber doch -wicdcrum die Gliickfelig*
keit eben £6, fvie im EpicurifchenSytteinet«lt
Zweck Torhalten > und noch uberdieft in ei»
nen Gemuthszustand fetzen» der dem Men-
ichen unmoglicb xur voUkonmienen Zufiie»
denheit mit leinem Zut tande hinreiehen kann :
Co ist das StoifchcMoralprinzip aiif dcr cincii
Seite doch nicht rein» und deswegec einer
faJichen Auilegung lllhig« und auf der andera
der allgcnicinen mcnfchlichen Sinnesart we-
nig aiiKemelfen. £s mu(f alfo der Zweck»
anf den die Stoiker vcrwiefen, von dee
Qtielle, aus der fie die Sittlichkeit herlet-
teten» gctrennt wcrden; und dann stimuit ihr
Syt tem mit dem Kantifcheut in Ruckficht auf
den Urfprung der Sittlichkeit» iibeiein.
In dem Epicurifchcn und in dcm Stoi*
fclien Syateme Jiegt ein Haiiptfehler darin,
dafi daa eine geradesu, und das andete durck
— 570 —
cincii Umweg aiif GliickfcJigkeit, als dea
iecsten Zweck der Sitdichkeic» yeripveist. Da«
«kireh wlrd et iinmoglieh zu faflen» vile dic
Menfchen daranf gckommcn (ind, crstiich die
fittlichen Handlungen als Pflichten» und daa
Gefetx, au£ dem fie beruhcn» als ein GeboC
vorziistellcn (Jcnn zura Strebcn nach Gh'ick-
ieiigkeit i>edarf es kcines Gehots)i imd zwey*
tens — gute und bofe Handiungen von dea
angenehinen und unangonehmen, Klughett
von Kcchtfchaffcuhcit, und fo manche andere
Begriffe von einander tu unterfcheiden» ja»
noraliiehe Wnrdigkeit der Unwtlrdtgkcat»
und Tugend dcm Lastcr cnfgcgen zu fetzen.
Diefe Febler vermeidet das thcologifche Sys-
tem* indem es auf den Gehoriam gegen Gott
vcrweist , uad dcn Herrn der Natur und des
Menfchcn— zugleich als den Richtcr und
Vergelter der Unterwerfiing imd des Wider*
strebens, unter tind gegen {eine Geietf e, vor*
stcllt. Dafs nun diefe Vorstclhmgsart mit
dem Kantifchen Systeme, in einer gewiifen
Ruekiicht, nicht nur nieht streite, Ibndern
aus dcmrelben hcrvorgehe» ist gczci§; wor-
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den» Sueiit nan aber die Gebote Gottet «!•
vrUlkuhrliche VoHchrifteii aiiy die ihre Kraft
niir durch dcii Gedankcn an Strafe iind be-
iobnung erbalten, und verweist man auf die*
ali die einzigenTriebfedem sur Tugendi
fo vergifst man thcils die Wiirde des Men-
fcbeny der tim dcs blofsen, in ihm felbst lie«
genden Geletief «illcn» handeln kano, und
handeln foll, theili die Unmogltchkeit dle
fittlichen Grundritze ais aligemeingultig auf>
fer Zwei£ei zu ttelien*
Wird fo das Wahre von dem Falfchcnf
oderUnbestimmten in aiienGrundritzen uber
dle Sittlichkeitgeicbiedeny fo flUt nigleich
entwcJer derStrcit untcrdenfelben ganz weg,
oder es wird das Mittei angegebeny durch
welebet lie vereinigt werden konnen. DenA
vms das Erste anbetrift, fo ist l)ey dcn Par-
theyen, wclche die Sittlichkeit biofs in ficzie-
hung auf dat vontellen, vnii unmittelbar
tn demMenfchen liegt, nur derGefichtsptinct
vcrfchicden, aiis wclchcm fic den Unterfchicd
xwifGhen Recht nnd Unrecht betrachten.
— 573 —
Sieht tnan aiif dcn Gemuthszustaud, welchcr
fitte tind bofe Handlungeii begleicen kinn,
Ib findee man mit Epicur die lUifriedenheit
flnd Unzufriedenheit im Zufammenhange mit
der Gluckfeligkeit» imdi fiihrt fo die iittlicben
Handlungen nuf dat Gefuhlmrmdgen uber*
haupt luniefc; betrachtet man den Unter*
fchied, der fich zwifchen der Zufriedeqheit
oder Unxufiriedenheit mit fich lelbtt, und an-
dem tngenehnicn oder tnnngenehnien Oe*
inuthfxustanden findet : fo kommt man auf
dai moralifche Gefuhlt *l* ^on dem
phyfifchen durchau» iinterlchieden ; he-
merkt man endlich, dafs die Wirkung des
moralifchen Gefiihls von dem Gebrauche der
Vemimlt abhingt» nnd dafi uberhaupt nur
in dicrcf allgemeingultige Regeln des Ver-
haltens licgen koaaeny fo findct man den
Grund jeoet Gefiihlf mic den Stoikeni tn der
Gefettgebung der Vemunft. So hingen die
Grundfatze dcr wohlgeiinnten Epicurlier, der
Vertheidiger det moraliichen Geluhli» und
der Stoiker, wie Stufien iiilamnien. Wtrd
nuu aber nach diefeo Gruudritf ea das Strcbcn
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Bich Gluckfeligkeit ia imniittdlMieii Za£m»
meiilitflg mit der Sittlichkeit gebncht, fo
yaixd es dadurch unuioglichy theils dic Ge-
letie det Vernunft Gebote, theili die
Uibertretung oder Befolgung dcrlSftlben df
mit den Folgen begleitet zu denken , welche
«uf derNatur einesGebotf cntfpringcn. Vcr«
«etit daher der Theologe «u£ den Gehorlam
gegen Gott» to leird die Vereinigung zwi-
fchen ihm und deiijeoigen» wdchc fich nicht
in die uberfinnlidie Wdt verfidgett «oUeo»
dadurch moglichy dafi der Zufiimmenhang
Von dicfer mit der Geretzgebung derVcrnunft
gexeigt» und daf Gebot Gottcf , aU daa Gebot
der Veniuiift gereditfertigt wird, ehe cf au£
den Willen Gottcs bczogcn wcrdcn kann»
Und fowohl jcnen Zufammcnhang zu zeigcn»
df dide RechtfertiguDg su hewerkf telligen»
ist dleAbficht allervorigenBetrachtungen ge«
wefea. Wer das Sittengefetz laugnct , hcbt
die vrcfcntlicheEinrichtung dcr Vemnnfc «uf«
tmd verdient dcfwegen keine Widerlegungi
wer es zwar anerkennt, aber uicht als ein
Gebot bcttachtct» vergi(ft daa Widcrftrcbcii
Oo
— 574 —
der Siiinlichkeit gegen dat Geictz, iind dicBe*
diirfugkeit (^iner Naiiir $ x9£r Jiefe atirrkeiiar,
und doch cincji Zufammenh;»n{^ twifchcn dcr
giiteiiGelinauiig uiid der Gliickfeiigkeic, ohne
Vernitctehtng der Gotcheit, und ichon auf die-
fcr Erdc annimmt, dcr vergifst iheils dieVeiw
fcbiedenheic dcr Griindc, auf wcichc die bey«
den Hftitptxweeke det Menfchen beruheny
thcils die Usimogltchkeit, mit diefer Annah-
me die Erf^hnmg zii vcreinigen.
So macht die neuere Philofophie eine Ver-
einigting aller Partheyen dureb einen Grund-
fatz moglich, welcher aiif der cinen Scite
aliet Individuelle ausfcblicfst, und allgemein-
giiltige» besctmmtcRegeln det Verhaltent ent-
hiU, auf der andem aber tu cben den Gcdan-
ken leitet, wclche den iibrigen Mor^ifyste-
neo xum Grunde iiegen.
Der theologifchmoralifche Gnindiats itc
bisher nur im Allgcmeincn bctrachtet wor-
den» ohne Riickficht atif die beibndere Art,
fvie er in der Chriiilichen Religion vorgetra-
gen wird. Die Uibcreinstimtnung «wifcheii
dicier und den Kantifciteu Gruiidiatzea nocli
Digiti^cG by ^i.j^i^^l'^
iu fetgniy dilrCte um fo weniger liberflursig
feyn, da diefclbcn auf der eincn Scite in dic-
lec Riickficht gcinifsbraucht, und auf der an«
dern aI(gefilhrlich(Urgescellc werden* Drey-
fach ist derGefichtspunct, unferwelchenieuie
Disharmonie zwifchen der Christlichen Moral
und der Kantifehen gefiinden werden kann,
Die eine, kannnaniagen, weistoi^ aufGluck-
feligkeit, itnd die anderc nur auf Pflicht ; die
eine verweisr auf Ltebe zuGott und denMen-
fchen , die andere hingegen auf Achtung fiir
ein GefctZ) und erkl^rt zugleich, dafs Liebc
und Acbtung ganz verrchiedencGefiihle Hnd;
die eine endlich stutit fich auf Rcligion, und
die andere inacht diefelbe von fich abhangig.
Wenn nuu gezeigl werden kann , dafi diefe
Satse» nur in einer gewilTen Bexiehung, nicht
nber durehaui cinandcr geradc entgegen ctc«
hen, und dafs felbst diefe Beziehiuig, recht
verstanden, in beydcn Lehren vorkummt: fo
wlid cs auch keincni Zwei£ei unterworfea
bleiben» dafs d.e Chrlstliche Moraly weder
ihrem Inhalte noch ihrem Crunde nachi mit
dcr KaBtifchcn atgcite*
— 576 —
Dafs in icr hetligen Sehrift viel Aiisrpnl-
che vorkomuicii , weiche die Giiickrciigkeity
oder vielm^r Seiigkeic dei Fronmen prei*
fcn, ist gar nichr tu l*iugnen. Wenn nun
aber Christus fclbst feincn Iiingcrn T^igt, daif
«ie viel auf dieier £rde xu leiden haben wiir*
den : Ib kann denn doch nieht die GhlcklS^»
keit hauptrichlich gcmCLnt Tcyn , welche in
dierein Leben tu erreichen isti*) und
♦) Dflfs iibr!gens felbst bcy Vorhaltung der
Pflicht, tils dem hochstcn Bestiininungsgrunde
desWillens, theils, in fo fern fic fich auf uns
felbst bezieht, ofrunmittelbar, theils bey
den Pflichten gegen Andete, mittclbar,
um den Widerstand der fmnlichen Neigun-
gen zu iiberwinden, auf die cigne Gliickfe-
ligkctt Riicklicht gCBoaiaMn wadto muflTe,
odcrktenc, itt cbenfiinft cuidtficMich cn«
gefiihrt wordcn. ( S. 436. ) Wcno mcn clib
klagt» dcft fcit BinAkning dcs Kcntifchcn
Morclprinzipc dic Kcnsclvcnifgc oftdnc ua-
cintgliche Trockenheit licbcn: fo muis mcn
dic SchuJd nichr auf die Lehre feibsr, fon-
dern auf den Mifsbrauch derfelben fchieben*
Der Buchsrabe tddter, nbcr derGeisr machet
lebcndig Fatst man dcn letztcm, fo beliitc
man nicht nur allc die Mitrel, welche ge-
iiciiiciu iindt dcuerhcftea fiindnick cuf lUi
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577
dafs dcrjcnigc, wclcher dcr fittlichen Voll-
koninieuheit nachstrcbt, in Ruckiicht auf fei-
ne gaaie Ezitteiii, glueUelig t u preileii
ist , hiingt mit Kants Lehren fo genaii zuram«
nicti, dafs es wcitcr kciner Aiisfiihrung be-
d«r£. £r (agt ausdrucklich, daft die Moral,
in Verbincliing mit Religion» Gluckfeligkeitt*
lchrc fcy, iind behauptct nur, theils, da(s
dat Verweifen auf die Selbttsufriedenheit we*
atg oder keineti Eindruck auf Menfcben ma-
che, die crst zur Sittlichkeit gefiihrt werden
folieny theiis, dais die iiofifnung zur kiinf*
Hcr7. zu niachcn, fondcrn gcwinnt noch
ncuc dazu, Dadurch, dafs inan feit ciner
zicmlichcn Zcit, dic Christliche Moral der
Epicurifchen anzupafTcn fuchtc , bcrauhte
man fie dcs Nachdrucks, den der Gedsnke
der Pflicht an fich, und in Beziehung auf die
g(^tr!iche Gefct?gcbung auf das menfchliche
GemQfh m mtchcn veimtg; und ttellie
mtn dieChrisdicheMortl tuf der tincn Seiic
aicht tn ihren Rcinhetr vor: (b wtf(tt ntn
ct tuch ktum, fie in ihrem gtostn Umftngt
vorzusrellen, und bertubie fich dtdiirch
tbcnfttlt dtr Mdglichketc, durch dtt gtoie
Erhtbtnheit derRclI ^ioa und des Menlcheo,
tuf dts Gtmuih deffelben lu wirfceo«
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~ 578 —
tigen GlfickfeHgkeie, oder die Fiircht vor
dcr Srrafc, nicht als dic achte rittliche
Tricbfeder an£uieben fty. Wendet man
dagegen ein» dafs eben diefe beyden Behanp.
tiingcn dei Christlichcn Moral widcrfprachen :
fo verhert bey gehurigcr Utuerfcbcidiingdiefe
Einwendung ebenfalls den Schein von Wahv-
heie, den fiebeymerstcn Anblickehabcnkaiio.
Deaa was dcn erstco Punct betrifc, fo darf
tnan nur iii Erwagiing xiehen , dafs die ganie
Art des Vortrags derChristliChen Religion cs
immoglich inacht zii entfchciden , wie vicl
odcr wie wenig Empfanglicbkeit liir die
Selbstsufriedenheit iind den Gedauken einer
kunftigcn Scligkcit bey den Menfchcn Statt
gcfuudcn habc, welche tur Tugeud crmun«
tert wurden. Will man aber ein Urfheil dar^
tiber fillen, fo kann man in den ersren Chri-
stca, wcJche dic strenge Lchre Christi ange«
nommen hatten» jene fimpfinglichkeit mtt
Griind voraitsfetzen. Uiberdiefs ist es offcn-
bar, dafs Chrisfus fclbst cinc gaoz aodcre
Sprachc gegen feine Anhanger, als gegea feine
Fetnde fuhrt. Wo findet man in feinen Re^
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— 579 —
deii aii dtere eiiic Spur der £rhinerung au die
Seligkcif, die lie bey einem verinderfen Ver-
h»\uu erlangen wttrden? Auf ihr Unreckt
verweist cr Cie, utid aiif die Strafeii, dic fie
tu erwarten hSttea, und beobachieteairoeben
den Unterfchied , den Kant alt nothwendig
darstellr. Aber Christus verwcist doch auf
Strafe uud Beluhming» und raacht die einet
wie die andere, lur Triebfeder der Tugend.
Di^fs ist der zwevte Pnncr, i.i wclcheni dic
ChrisclicheMoralderKaatiichv^n zuwider fc^u
£o\\, Diefe letttere lehrt nun 2war erstent»
daft die Furcht vor ktinffigcr phyfifcher
Strafc nicht die a c h t c in o r a 1 i fc h e
Triebfeddr fey» fcbliefst aber diefelbe
alt etn Vorbereitungtmittel tur fittliehen Ge-
linming nicUt aus, fonJicrn dringt zuni Th?il
eben deswegen darauf, dais die Celiote der
Pflicht, welche auf Strafe weiien, nicht tn
bclicbi^cn Regeln det wohlverstandenen Vor-
thciis hernhgerctzt werden. Uud stimmt
nieht hiermit die Cbristliche Lehre vollkoni»
men riberein? Erweckt auch diefeFurcht vor
dcr Strafc, fo untciichctdct (ic doch davoa
-^ 580 —
die Gefinauug, aiif welche fie dringt, xu*
gleich aiitdriicklicb» indem fie dieUebe lu
Gott zurmoralifchcnTriebfcder vorhalt, iind
bioMiietoty Furcht fey nicht in der Iicbe«
Waf tweyfent die Aitfficbt atif die kunf-
tige SeJigkeit betrifFt, fo ist He bey der
l/nvoUkominenbett» in welcber-fie unt erdff*
net wirdy fcbon an ficb alf Triebfeder nicbt
cher xu gebrauchen , als bis die (ittliche Ge-
finnung fchon vorhanden» und die Sinnlich-
keit itt einem gewiflenGrade icbon tiberwun*
den ist. Christiis lehrt abcr auch ausdruck-
lich» dais die Menrchen ohiie Riickficht auf
die kiinftige Belohnung tbre Fflicbteo erful-
len foUen. Tracbtet fiiertt nacb denReiebe
Gottes, fagt er, fo wird cuch das Uibrige
von felbft iu£dien} und dieit iagt er tu
eben den Iiingcni, denen er nicbt verheblt,
dafs fie vid zu lciden haben wiirdcn, und die
foiglich am meisten auiterer Unterttutuing
bedurften. Zeigt ein (blcher Aus fpruehy un-
tcr folchcn Urostanden , nicht ofFenbar an,
dafs die Belohnung awar einc Foige der
iietlacben Gefinntmg, aber nicht dieTrieb*
feder derrdbcn reyarolH Wcnn fcrncr die
Chritteii lu^fordert «erdea» der Heiligkeit
mehntifreben, nnd ihnen hierin die Gottheit
fclbst lum Vorbild aufgcstcllt ^ird: fo lirst
iich doch bey diefer Aufibrdenmg nicht an
eine Gefinming denken» die blofs detwegen
Kraft bat, wcil fic durch dic Ausficht auf
Belohnnng uulerstutKt wird. Kommen «iro
in der heiligen Schrift Slellen voFf suf denen
inaii fchlicfscn konnte, dafs dcr Gcdankc dcr
kunftigcn Vergeiiung zur Triebfeder alier
Sittliehkeit tu machen fey : fo mtiiTen He den
«ngeftihrten Ausfpruchcn gcmafs crklart wcr-
dcn. Und dicfs gcfchicht, V9cnn man zwar
«uf der etnen Seite dat Streben» das Gute
blofi um det Guten oder um des Ge-
fctzcs willcn, aus wclchcni dcr Bcgriff
deiTelben abgeleitet wird, xu vollbringen, ah
die eigentlich fittltehe Gefinnung betrachtet;
aiif dcr andcrn aber doch, uni dcr BeJ irftig-
kett und Schwachheit der meufchlichcn Na-
tur willen» theili die Ausfieht auf kunfttge
/ufammcnstimmung dcr bcydcn Hauptiwcckc
— 589 —
des MenfchcQ als nothwcndig darsteUf» theilt
eben dtefe Aufficht von den Unterstutsangs*
mitteln dcr cigentlich noralifchen Gefinniing
nicht ausfchlicfst. Auf dicfe Weifc wird der
anichetnende Widerstrett der biblifchen Aus*
fpniche niit fich felbst, und mit den Lehrea
der rcincn Moral, io Uibcrcinstinimung auf«
geldit.
Einc glcichcUibereiiistimraung findetfidi
twifchcn dcmHauptgcbotc des Christenthums,
und der obersten Regel allerSitttichkeit, wie
fic von dcr reinen practtfrhen Vei»nunft ange.
gebcQ wird, wenn jenes, theils nach feincr
innem McgUchkeit, theils nach dem unbe^
f weifeiten Sinne anderer Ausfprtiche der het*
ligen Schrift crklUrt wird. Gott (ibcr alles,
luid dcn Nachsten wie (ich fclbst zii lieben»
ist nach dem Ausfpruche Chrssti du Haupt-
gebot, das der Menfch befblgen ibll: und
nach den aufgesteilten Grundritzen der rci-
nen Moral, filhrt auf der etnen Seite die un-
befchrankte Gleichhett der Rechte swifdieii
allen Mcnfchcn^ cbcnfalls auf ein Vechalten,
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— 583 —
vclches nicht anders feyn wtirde, wena wir
«
dtn NichsMn wirklich liehcen» imd aii£
Aer andem dat Oebot, das Gute um der Gii*
tcn willcn iu thun, auf das unnachrifsigcStrc*
bou der Got(hcit ahnJich zu werdeu^ welchcs
Screben unstreitisLiebe xuGott genennt wer-
den kano. Vci glcicht mau alib 'das Hauptgc-
bot des Christenthums rait dcm reinen Ver»
nunfitgebote» in praotircher Ruckficht, £o isC
kein Sehatten von Disbarmonie en finden*
Und wenn nach dcr einen Lehro Liebc, und
nach der andern Achtung» £hrfurchc
lur Triebfeder derSittlichkeiC gemacht wird :
fo YiCst fich auch liier der anfcheiuciide Wii
derstrcit hcbeu.
Was nun crstlich die Liebe w Gou be<
trift , fo ist es an und fiir (ich widerfinnig,
dabey an eigcntiicho Neigung und Wohiwoi-
lcn (pathologirche Liebe) su denken, und
kein Menfch wird es wohl wagen aii behaiip*
tcn, dafs durch jencn bibjifchcn AusJruok dic
Ehrfurcht ausgeichlollen werde. *) Indeaea
♦) Dafs Ehrfurcht vov Gott von der Furcht vor
feiner Strafgercchtigkcit vtrfehiedsn fey, be*
— 584 —
luntt doch auflbrclerDankbarkcit gegcnGott,
«li aenGeber «Hes Gucen, Liebe tu ihm aoch
die bereitwilHge Ergebenheit heit-
fen, mit wclchcr fcinc Gebote crfullt
deni uiia «uf diefc ftcdeiitung wcist dic hci-
lige Schrift bettimnit genug btn. Sie fagt
•mdnicklich, dafs die Liebe in Gott in der
Erfullung feincr Gcbotc bestchc.
VfirA «Ifo In der Ltebe noch ein befondc
rcr Gemiithsfufhind gedaefat, Ib Iwnn et Kein
•ndcrer, als dic uncingcfchranktc Bercitwil-
ligkeit «u jener Erfiiilung fcfn. Nun kanii
•ber eine folcbe BereitwiUigkeit lelbit nicht
im cigeutlichcn Vcrstaude geboten vrerdeni
denn chun wir das , wai wir thun f o 1 1 c n ,
febon fSr unt feibft gern: fo ast das Gebot
iinnGthig i imd thun ^if ef fwir eben nicbt
(ern, fondern mir aus Achtung fiirs Gc-
fets: fo wtlrde es der gehotenen Gefinnung
geradeiu entgcgen wirken. Alf Gebot
dtrf wohl keiner Amfiihrung, aber dcr Er-
«ihttung» diinit nichf der Gedanke eincs
Widcrsireiw, twircKen clncT vorhergehendcn
iind dct ictitgcn Bchau|>tuog. Wurzcl faire.
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Ibll das Gef<:tx Uncerwerfong bewirken» und
gleiehwohl wire der Inhalt Ib, daft et diefe
Utuer\;verfiing wicder ausrchlofse *, denndiefe
weitt allemal auf Zwang, und atebt der be*
reitwilligen Brgebenheit entgegen. Da diefa
eiii ofFcnbarer Widerfpruch ist, fo kaun dic
Auiforderung xur LiebeGottet» nicht fowohl
dteGefinnung felbtty welche darin aui*
gc\inickt vcird, als dai Streben nach der*
fclben, tum Gegenstande haben } tind fo ver-
ttanden hat dieft Gebot einen Sinn, der mU
KatittLehrfttxen vollkoniniett tibereinttininir.
Denn nach denfelben liegt et allcrding$ ia
dem Gange der menlchlichen fimpfindung^
dall die ehrftirehttvolle Schen ▼or deniy waa
von Uns liochgcfchatzt wird, uns aber zu-
gleich an unfere Schwichen erimiertt durch
die immer Wichfende Leiehtigkeit» mit dec
wtr demielben Geniige thttn, fich der Zu'
n e i g 11 n g nabert. Das Gcfetz in reineui gan-
sen Umfange liebeni und jedeneit gern
erf<!lllen, itt die Vollendung der moralifchen
GeHnnung — ist Heiligkeit. Und da diefe
«ttf der ttncn Scite ia der Chriitliehen Lenft
— $86 —
•usdriicklich dem M eafchea xum Ziele geTettC,
imd auf der •ndern doch die ganxe ErfuUung
des Ge(efzes als untnoglich dargesceilt u u J :
fo ift die aogefuhrCe EMinmg des Gebots,
Gott su lieben» unstreitig die richttge. Ge*
gen die Menfchen ferner findet swar eigcnt»
liche Liebe Statt, als Erapfindung abcr
kann fie ebeiifalJs keinOegenstand dcaGebott
leyn. Wird deCTen ungeachtet auf die Liebe
zii den Menfchen gedrnngcMi, fo kann dicfs
tiichts auders bedcuceu» ais auf der eincn Scite
daa lu thtm, wat wir thun wurden, wenn die
Liebe vorhanden w*ire, und auf der andem
tlarnach lu strcben, alle Pflichten gegea An«
dere gern su erfuJieQ*
Macht man endlich den Einwurf gegen
die KauUrche Phiiofophie, dais fie die Reii-
gion auf Moral, dat Chrittcnthum hingegcn
die Moral auf Religion grtindei fo ist diefem
£inwurfc fchon ao einem andern Orte begcg«
net. Chrtttut knupfet allerdingt die Moral
an die fchon vorhandenen ReligionsbegrifTe ;
indcm er aber auf dat ionere Bewu(stli:yu, alt
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— 587 —
dem letsten Richter tiber das Gtite und Boie»
verweiie: fo zeigt er damit hinlSngflieh an»
theils, dafs der Inhalt feiiier Lehre nicht in
VorTcbriften bestehey «elcbe dic GottheiC
nftch ihrcr Machtvollkommenheit w i 1 1 k u h r«
lich aufdringe, thcil<, dafs fclbst der Glaube
an die Gottheit, ais cin heiiigcs Wcrcn» aiu
derGdetigvlNmf dcrVefnuait faenForgehc.
Nach dielcr Auteinanderretsung kann ea
keinem Zweilel unterworlen bleiben, daft
die Kantirche Moralphiiofuphie, weit entfernt
mit den Lehren det Cbriatenthun» tu itrci«
ten» dieielben vielmehr zu befS»tigen» nnd
gegen die Einmifchung falfcher oder unbe-
stinimtcr inoralircher Gnindnitze ru fchutzen
fuche. Dcnn dic Lchrc der Stoiker» vrelche
den lchwaehen und lehlerbaften Menfchen
doch, unter deui Bilde des Weifcny fo vor-
ftcitt, alf konnc 9tf fich felbst genug, gleich
der Gottheit, uber ledetBeditrfnils, und folg-
lich uber jede Verfuchung zum Boreu, cr-
habca icyn» vcrtrigt fich mit dcm Ceiitc dcc
— 588 —
Christentbumf nichti und noch weniger
vertr3gt fiehdimtt die fchlafie Lefave, welche
unmittelbar auf die elgcne Gliickfcligkeic
*) Utn hSlt gcoieiaigiieh di^r, figr K«nt. die
Chriitlichc Verichrift dcr Sicten hthe in An*
f«hung ihrcr Rtinigkcir, vor dem norali»
fchcn Begriffc dcr Stoiker nichts voraus;
allcia dcr Unterfchicd beyder isK doch fchr
fichtbar. Das Stoirchc Syscen nMchte das
Bcwufscfcyn der SeelenstSrke znm Aogel,
um dea fich alle firtlichcn Gefinnungen wen-
dcn folltcn, und, ob die Anhfingcr dcfrdben
zwar von PBichten redcten, auch fie ganz
wohl bcsrimmcen: fo fetzten fie doch die
Tricbfcdcr, und den eigcntlichcn Bcstim-
muny^5gvund dcs Wiliens , in einc Erhcbung
(ier Dcnkungsart, iiber die oicdrige , our
durch Scdenfchwlchc midichihcndc Tfeicb-
feder dcr Shmc. TUgcnd wv ilfo bcy ihnen
eitt gcvdtftr Hcroiim dci (Ibcr die thicri*
fiihc Nccnr dcs Mcdchcn fieh ohcbcndcn
Weifcut dcr ihm fclbsc gcnug iir, sndcm
awir Piliehtcn vodchrcibc, fd^ ebcr Abcr
fie crhibcn, mid kcnicr Verfuchung cnr
Uibcnictung dcs fitdichen Gefetzcs untcr*
worfen m, Oicfes alles aber konnten fie
nichc thun , wenn fie fich dicfcs Gefetz tn
dcr Reinigkeit und Strenge, als c$ die Vor-
fchrift des Evangelii thut, vorgestellt hacten,
(Kants Critik dcr practiichcn Verauoft»
S. «9.)
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— 589 —
ilis letzte Prinzip illes Handetni hinweiic*
Wire dlieie ^ahr» fo mtiftte das Chrifleii*
thttm nieht darauf dringen, Gott tiher atleffy
und die Menfchen wie fich feibft, roudern
feio Selbst uheraliea» mulum deawil*
len Gott und die Menl^en su lieben. Mit
dem Geifte det Christcnthums verti^gt Hch
dag egen der Geist der Kantifchcn Lelire voll-
kommen — }a cf itt ein und eben derlelbe
Geist, welcher in heyden herrfeht. In bey»
den werden die finnlichen Nei^ngeo, als die
cigentliciien Betttmmungsgrunde tu
moralllchen Handlungen, vollig 'aui gel^oA
fea; in bcyden lioinmt cs ;iuf dic Gefinnung,
nicht auf die Wirkuog der Handluogeo an»
in beyden itt die Regel det Veihaltent» auf
fselcher die Moralitit beniht , nicht eioe be-
liebigc, fclbst gewahltc, an Hch gleichgultige
Masime, fondem ein unabXnderitchet Gebot«
dem dte Sinnliehlteie widerstrebti in beyden
iit es zwar dn& Rerultat der Verntinft, aber
doch tugleich ais ein Gehot Gottes tu be«
Iraditen ; in beyden itt dat vorgesteckle Ziel
die iieiliglLeit, iind aur in der Uneadlichkeit
— 590 ~
zu erreichcn; in beyden ist die Gluckfeiig*
keit oicht der Zweck, aber doch die noth-
wendige Folge der TugeiMlt B>d^
^tirch tnenichliche Bemiihung allcin, oder
auf diefer £rdc uoeingerchrSiikt» fondcni uur
^ureh die Vensitlelung der GoCdiei^ uiid in
der Ewigkeit in erhalcen. So wie nio allb
mit Recbc fageu kann, dafs die Lehre det
Chrifteachumi snent die Sittlichkeit in ik-
rem gaiiieii Unfaiige und tn ihrer
ganzen Reinheit, dcm Menrchen ana
Herz gelegt lut: (o kana man auoh mitRecht
behaupten, da6 dieKantilche Philolbphie m-
erst diefe Reinheit rnid dieien Um£ang unein-
gefchrankt anerkannt und bcsticiget hat, Auf
das Imiere dcs Menichen vemeift dis Ckri»
atenthnm, nnd dielet Innere gleicblam aii&
zudcckcn, fo viel als es menfchliche Kriirte
vcrstattent ist das Verdiettst der KantiTchen
Lchren. Sie letien aile Vemunftwalnkeiten»
M\ dencn der Mcnfchbcit ara meistcn gclegcn
isty in cin Licht, das tbcils in voilcr Kiarbcit
Jeuchtety thcils ein Abglaitz dieler Klarhcit
Ist. In jeuem steht das Sattengete felbslb
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and id 6it(em dte damie nothwendige ADnah-
me der UustcrbJichkcit unU des Dafeym der
GoUbciU
Ich tragey kana der MeBfch nach |enen
Lehren fa^en, in mir cin Gcfctz, das icli als
veruunfiiges Wcfen» nichc abJiugnen kanns
ich foll in meinen Handlitngen mir Iblch»
Regeln hefoJgen, die auf dic Hinsrimmung
aJJer verniinfdgen Wereii rechnen konncn»
und die ich, wenn ich eine Wdt einfurich-
tcn hSfite» ohne da(s meine Neigiingen ins
SpicJ kimen» entweder fcblechterdings be-»
folgen tttiitie» tvenn die Zwecke der Wdt
fich nieht sentoien ibllteny oder die ichdoch
lur bcflcrn Erreichung dcrfelbcn befoJgen
fviirde. Dadurch fche ich mich in eine «n*
dere Ordnung der Dinge verletit, alt diejenU
ge isc» XII welcber ich allet nach Naturgeie-
tzen zu richten gewobut bin. In fo fern ich
mich in der mir erkcnnbaren Weit befinde^
bin ich ein blofiet Glied , das von itrfpriing.
li^hen Anlagcny Verhiltnincn und Umstan»
den besiinunt wird» iind wieder Lagcn uiul
UniilXnde (lir Andcre hervoibringt Allcidf
— 59« —
ieh habe aueh <Us Gefuhl einer btyen Selbit»
tb'itigkeit, deren Gnind ich nicht crkennc,
deren Moglichkeit ich nicht cinrehe, die tdi
aber doefa nicht iur TXulcbiiiig baJccii kami»
da lenei Ge(etx etne folebe Freybeie Na*
turgerctien nothwendig fordcrt, indem cs auf
cineHaoclluiigfwetfe dringtt wclche olme 4ie»
felbe unmo^Iicb tvlre» uncl «elcbe icb sn der
mcinigen machcn mufi, wcnn ich nicht in
meincn Angen verabfcbeuungfwiirdig ieya
wilL Werde ichdadiitdi Mif dieHoheit meU
ncr uberfinnlichcn Nattir gewiefen, und eincf
gauz cigncn GcouiTes fihig: fokoitec es micb
diocb Mribe, Jener genllii tu bandebi, und
diefen nur einigcnnaiten alt Erlatx fur die
Opfcr anzufchen, welchc dcr hdhcre Thcii
ineinei Wefeoi dem niedrigea auferlegt. Icb
wunicbe in nnxSbligen Flllen dieier Opfer
liberhobcn zu fcyn, fiihlc cincn damit ver*
bundenen innem Zwang» und muia alibidie
Handlungiweiie» die mir daa Geieti vor*
fchrcibt, ali Pflicht, und raein Bestrebcn,
diefeibe xucrfiiileo» ali Gclioriam , aJs Un»
lcrwerfimg bctncbten. Anch bleibt dieli
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Verhlltnifi ineiiiet Willeni tu iem Gefett e ia
iedem Zeitpiincce meines Lebens, unter jedea
Umftiinilcny unverindertfteben. lenerZwang
«ircl swir immer iehwleiiert imd verfehwin*
dcc in immer mehrern FSllen, jc ofterer ich
}enen Gchorfam beweife. Auch kann meine
Lage Ib gunttig feyn» daft nii£ 3ie Erfiiiiung
meiner Pflichten mriftentheils mittelhar oder
unmittelbar liberwicgeadier Genufs folgt»
Ailein cf fi» weit su hringent <U6 jede vott
dem Gefetie geforderte Han^ung ftett mel*
nen Neigungen uuter allen Umitinden ange-
mcilen iejrat <U6 ich in keinem Falle innera
Wideritand fiihlen» oder von m^er Sinn-
lichkeit mich hinreifsen lalTen follte, dicfy
Vollkommenhcit tu erreichen, bin ich hier
auf Erden nicht im Stan^. Nur darnach sii
ttreben kann unJ foll mein ertterZweek
icyn. Wenn ich uberdiefs micb auch felbst
inUmfiSmien hefindcy wo et mir leicht wirdt
meinePflichten tuerfiillen: foweifi ichdocht
clafs nicbt alle Menfchen» nicht einmal die
. meiften t fich in iblchen Umftlnden bcfinden.
In vieleo itt keine tncleit Wahl «b twiichen
— 594 —
fiteoaiuaRMfaiiehalGeiilidcmSglidi. Gleidi.
vrohl tst der Gedanke eines notbwcudigeit
VerhiikiiUrcs zwifchen Tugend uod Glucki&-
ligkett» voo neiner Denkoogsart umeraenii-
licb. Attf ebcn dem Orunde, aut welebem
ich niich vei bunden fuhle, die Rechte mciaer
Mitnenfchen fiir lidher, «It meiiie Neigungeii
tu halfen, beniht aueh die VorvteUung von
dcr Tugend, als der Wurdigkeit ghickfelig
Stt ieyn» und der nochwendige Gedanke^ daft
Sittlichkeit nur in Verbindung mit Gluckle-
ligkeit die ganze Bestimmung dcs Men*
fchen ausmacht. Soll cr alfo dicle erreichen,
«ie fie der finnliche und uberfinnliche Theti
(Unes Wefent ankundiget : fodatf er dadurch*
dais cr aus Achtung fiir den Einen die drin»
genden Fordemngen desAndem nicht befrie»
diget» der Giuckleligkeit nicht verluttig wer»
den. Um es dahcr fiir moglich zu halten»
daft der Mciiich (eine ganze Bcstimmung er*
reiche, muia ieh ein lukunftiges Leben und
cine vermittelndeGotthcic glauben. Nuruu*
tcr der Vorausfetziuig voa ienem und diefery
kann er die VoUkonimenhcit emicfacii» auf
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die ein iinniictelbaref Gebot dringe,
iiud die GluckTcligkeit, deren Fordeniag
fliittelbar auf cben dielieni Gebote benihe.
Eben diefcr Glaube wird aiich vorbcreitet
oder gesiirktdurdiandereBetraclituiigen» die
ieh uber die Menichheit und uber die Welt
anstclle. Ich untcrfcheide das, was in mir
deukt und will» durchaui von meinein Kdr»
per, und fefae mieh ali cin Weien an, dat
nicht nothwendig mit demfclbcn vcrcinigC
feyn mu($ , um bcstehen und wirkcn lu kou»
nen; ich liabe KrSfte, die einer iminer grolk
femEntwiekelung nndAnwendung fahig findy
und doch hier auf Erden, in Vcrglcichung^
nur einen fehr geringen Grad von Auibildung
erreichen konnen, fa die, bey dem Werthe,
dcm ich nothwendi;^ darauf legc, doch oft
uicht cinmal das Jeisten, was der biinde In»
f linkt in den Thieren leistet. Seh^ ich niui
in dielen eine Zweeknrafsigkcit, die ich in
dem Menichea nicht antreffc, in fo fern ich
ieine Eziitenf anf diciei Leben einichrMie:
16 weiit mieh auch liier die Vcmttnft auf
neine Fortdauer n«ch detn Tode. Nur durcli
diefe fftrd das RIililcl ^ait, wdchet niir
Ibntt dit Mcnlcblieit bletbc ; demi teh kafui
oichc in dem geringern Thcile det Weit
Zweckmiitigkeii^ imd ia dcm bohaniZiiecl^
lofifkea tugleich dgnkcQ.
Diireh die Zweckmliisigkeit ia der Eia*
fiehtung der Welt Ibwohly «If dureh dm Be^
diirfnifs meiner Vcrnunff , cinen letztcn Grund
•llcr Dinge tu dcokcn» den ich in der mir
crkennbiren Wdt gar oidit imtrefc, ^Mrdo
leh auch auf cioeo unendlich wciien und
machtigen Urheber aller Dinge geleitct.
Schon das» W99 ich auf dielcr Erde erlienDe»
libertteigt meine Pefiongtluralts richte ich
aber nieine Augcn gen Himmel , und auf die
Steme» gegen deren Groise und McQge dieib
Erde nur einPunct In dem Weltall ist; denke
ich mir jeden Stern als eiae Sonne, welche
rlanctcn eben fo» wie unferc Sonne dte fio
wngebenden Phuwten erleuditeti denlce ich
mir jeden dcr(elbcn als dcn Aufenthalc lebcn*
digcr Ccfcbopfc, und dicfe mit eincr cben
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— —
fo zweckfuarsigen Einrichtung, in Ruckiicht
Mtf ibre Erteugiiog* firhiicung mni Emib*
ffttng: £6 bekomnie idi dieBegrifie voq einer
Wcisheit iiiid Macht, die fiir mich Unend*
lichkeic haben, iind mich dadurch in den
Glauben an die Allwsffenheit imd All*
machr be$t';irkcn, deffeii ich ziir Errcichung
mciner ganscn ficf timmung bcdar^
Vermig ich endlidi nidit 4ie Aiitfiehf k
die Zukunft zti enthiillen , und die Herrlicli»
keii des Schdpferf in voller KJarlieit tu crkea»
nen$ fo finde ich die Rechtfertigung leiner
Weishcit iibcr die Dunkelheit, in wclcher er
metne Holfnungen liiTett iclbtt in dcr Erlift>
benheit meiner Beftimmnng. Ich Ibll dii
Gefctz, das er mir in vollcm Lichte zeigt*
ohnc Riickncht auf Loho und Strafe, zu cr-
iuJlen» tu lieben strebeny und dadutdi mir
lelbit den Werth verichaflen» der allein mfdi
iiber allc Dinge der fichtbaren Weit erhebty
ttnd gerechte An^ruche auf GluckieJiglMit
trtheilt.
Q.«i
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So bekemnit dat, wai dcr Menfth 4mu
lich sii erkciiiien vermag, mit dcm , was er
«It nothweiulige Bcdinguiii (eiiierHaiidiuoft*
«eile aonehiDeii mtiit, etoen iHiaiifi5tbaren
Zufiimoieuhaiig So itHrkc die nahere Be-
trachtiing der Wclt iincl der Meufchheit den
GUubcn aoGott undUotcerbliclikeit» deo dit
Bcftimmung dei Menfcben tur Tugend notli-
weudig machr. — So rechtfertigt diefc Be-
ftimmung felbit den Scbleyer, «eleber die
Hcfrlicbkeit Gottet und dic Auf licht io dift
Zukunfc bedeckt«
Ende dei sweyteo und letsten Thetlc.
Nothwendige Verbelfenmgeo,
S, lotf, Z 5. von umen, l.dcr statt dtu»
- jli, - 5. diefcl ben, st dicfelbe.
• 117* - 7* V. u. m der Anmerk* Neiguagtn»
st. Mcinungen.
• 944* *»• ttomirrelbar, sc. uaautttl.
• Jf9. -lav.u. Ehrerbietttog, tt Sbrtr-
hicrung,
• 1^1* - 9* Sittlichkeit, st. Sirtlichkeitt.
• 408. -14. bi dtr AttOMtk eiocoi, tK.dMn*
• 439. - 1. V. u. den, st. dem.
' 458, »11. werden» st. wnrdeiL
- 529. -13. fehlt, st. fehlte, •
• 54»* - 5* voritf llcod» sc vomtUau.
Inhaltsanzeige
des
Erstea Theils.
Elaleitiiiif
S. I.
Darsfellung aller Moniryiteme vor dem
Kaniirchen, uiul der Zweifel gcgeo
Urtheile der gemeinea Vemunft tiber
den Werth der Dinge tiberhaupt»
tind der menfchlichcu Handlim-
Cntwickelung det obertlen Sitcengerc
Czct aut dcm BegriiFc dcr Fflicht S. I02.
Ablettimg det Sittengcfetfet aut dem
SattedetWiderfpnicht, iiiidDar-
iCenung dcs Zwecks der Sictiicb-
kcit S. 143.
Nur eia formaler Grund(atz kann alt
Sittengcicu gcdachc ^wcrdcn S. jgf.
dieWahrheitderfeJbcii
S. 14.
gcn iusbefouderc
S.61.
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Vou der Freyhcit dcf Willent fibcr»
htupt S.ai9*
Voit ^er tnnieeiidciitilea Fteyheit
dcf Mcnfcbca S. 24£.
Zweyten Theils.
Voudcm moralifchen Gefiihle, alsdcr
Triebfedet dcr practirchen Vcr*
nuiift $.301*
Von dem moralifchen Gcfuhle, als dcr
Qliellc angenchmcr Gemiichftu-
st^ndc S.363.
Von dcro, auf MonUtHt gcgriiiideteB
Glairhen an das Dafcyn Gottci und
die Unstcrblichkcic der Seelc 9. 439*
Dantellttng und Pnifiinf aller fpeeii*
Utivcn Be««ci(e fitr da« Dafeya
Gottes, uud dic UnstcrblichiLett
derSeele $.484*
Vereii igung allariiiocaUfehenGniiicl-
fitze &561