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Full text of "Aetas Kantiana"

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AETAS 
KANTIANA 


I 


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THE  LIBRARY 
OF 

THE  UNIVERSITY 
OF  CALIFORNIA 
♦ 

ALUMNUS 
BOOK  FUND 


AETAS  KANTIANA 


Das  kritischc  Werk  Emmanuel  Kants,  1724-1804,  bcdeutet  einen 
cntschcidenden  Wendepunkt  in  der  Geschichte  dcr  dcutschen  Philo- 
sophie;  besscr,  der  Philosophie  iiberhaupt.  Zwischcn  1780  und  1800 
liess  Kant  erscheincn  :  Die  Kritik  der  reinen  Vernunft,  1781;  Die 
Kritik  der  praktischen  Vernunft,  1788;  Die  Kritik  der  Urteihkraft. 
1790;  Die  Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  bhssen  Vemunft, 
1793;  Die  Metaphysik  der  Sitten,  1797.  Nicht  aufgefuhrt  sind  dabci 
jene  unzihligen  Schriften,  die  dazu  bestimmt  wuen,  die  in  dicscn 
gnuidlegenden  Werken  au90BSprochenen  Prinzipien  zu  verteidigen. 

Kant  hatte  nicht  nur  SchiUer  und  Bewunderer.  An  Gegnern  fehl- 
te  es  nicht.  Es  waren  dies  vor  alkm  die  Verfcchtei  des  WolffK^hen 
und  Leibniz*schcn  Rationalismus.  Andererscitz  waren  es  Fichte, 
SchcUing  und  andere  Idealistcn,  die  aus  den  von  Kant  au%esteUten 
Prinzipien  die  extrcmiten  Forderungen  zogen. 

Wenige  Perioden  waren  so  fruchtbar  an  Auseinandersetzungen 
von  Ideen,  an  Versuchen  von  SystembUdungen.  Die  Kant*sche  KritUc 
gab  den  Anstoss  zu  einer  ganzen  phUosophischen,  kritischen  und  po- 
lemischen  Literatur.  Sie  ist  auch  heute  nodi  sehr  miichtig. 

Trotz  der  verschiedenen  und  oftmals  gegensitzUGhen  Stromun- 
gen,  die  sie  charakterisieren,  bilded  die  Aetas  KaUkna  ein  unteUba- 
les  Ganzes  :  etwa  die  ersten  vierzig  Jahie  der  Bewegung.  Dieses  Gan- 
ze,  diese  Aetas  Kantiana,  besagt  eine  enorme  Literatur.  Sie  umfasst 
viel  mehr  als  dic  grossten  Autoien  diesei  Epoche,  sie  seien  nun  kan- 
tianiK;h  oder  nicht. 

Dies  ist  der  Grund,  warum  es  ntttzlich,  ja  notwendig  achien,  die 
Werkc  in  einom  mdgiischt  voUstiindigen  Corpus  zusammenzusteUen. 
Unter  dem  Namen  Aetat  Kaniiaim  werden  also,  im  Neudiuck,  die 
Origlnale  odei  die  beatem  Auigaben  der  lepiiaentativsten  Weike  dei 
iCant*schen  Aeia  pubiizieit  weiden;  mit  Ausnihme,  woUgemeikt, 
der  gioisen  Gesamtauigabea,  dle  leicbt  ziigingilGh  slnd. 


IMPRtSSION  ANASTALTIQUE 

CULTURE  ET  CIVILISATION 

11 S  avenue  Gabriel  Lebon,  BruxeUes 
1968 


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GemeinfafsUche 

Darstellung 

der 

Kaatifcliea  Lebrea 
iiber 

Sitdichkdt,  Freyhek,  Gottheit 
lind  Unsterblichkeit, 

voa 

Aiubcoiiut  Bethmann  Bernharcll, 


Freyberg,  1795. 
in  d«r  Ciwtidwii  liidihiiidlaBg. 


LOAN  STACK 


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V  0  r  r  c  d  e. 


Oie  Abacht  diefcr  Schrift  ist  vorziiglich, 
gebiidetc  Pcrfoneii,   die   theils  diirch 
inaiiiugfiiltige  Gtfchifte,  theilt  diirch  die 
Unbek«nnt(chaft  fiile  der  philorophifchen 
Sprache)  aiifler  Stand  gcfetxt  find ,  die  Kanti- 
fchen  Schriften  oder^andere,  die  eine  ganz 
iRPiiIenrchaft|iche  Einrichtung  habcn»  zu  be- 
niitzcn,  mit  Ideen  bekannt  zti  machen,  die  in 
dcn  Aiigcn  dct  VcrfalTert  vou  groitcr  Widu 
eigkcit  iind.   Er  hatte  fchon  lingtt  alles 
Fhilofophircii  uber  dcn  Jetztcn  Criind  der 
Sittlichkeit  aiifgegebeny  iind  fich  bloft  an  die 
cinzclnen  Gebote  der  Pflicht  gehalccn,  alt  die 
reinc  Moral  atifgettellt  «urde*   Diefe  gab 
ilim  dic  Befriediguiigy  die  er  je  zu  findcn 
gezweifelt  hatte,  und  war  ihm  um  (b  ^WU 


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koQifiitier»  }e  peinJidier  oft  ieiii  Gefi31il 
getve(ea  war,  wenn  ec  das,  was  ihm  offcii* 
baie  Pflicht  fefaien»  voit  andeni  wegvernunf- 
teln  iabf  und  — — >  tnittelbarer  oder  iinmit- 
«dbefer  Weife  «ul  4ie  Epieurifche  Lcfare 
vcrwiefen  wiircle,  ohne  ttn  StaiiJe  zii  fcyn, 
leine  eigeneii  Urdieile  mit  liiiilanglicfaeia 
Grunden  zu  un(erstiitzcn.  In  cinem  ahnli- 
cfaen  Falle  be&nden  ficfa  wafaricfaeinlicfaer 
Weife  nicht  wenig  Menfchcn,  ohne  Mufe 
fu  faaben  die  Kantifcfaen  Jdeen  ficfa  aus  fol- 
chen  Buchern  bekannt  tu  machen,  die  ein 
ibrtgeietites  Nacfadenken  erfordem.  Dieft 
itt  die  erste  Claile  Ton  Perfoneu,  denen  diefi 
Bucfa  bettimmt  ist  Eine  sweytc  ClaiTe  be« 
flteht  atit  folcfaen,  die  an  aller  Pflicht  twei« 
feln»  aber  diefcibe  fiir  fich,  wcnigstens  in 
gcwifler  Ruckficht,  gelten  lafTeny  und  eben 
deswegen  nicht  abgeneigt  fiud  fielchrung 
enxunefamen.  Hiersu  k5nnen  aiicfa  dieieni- 
gen  geiecfaoet  werdeu,  dte»  thrcr  wahreii 


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oder  TOfgeli|tchen  Uibmeiigitiig  tren»  nnr 
dcn  Eingebungen  der  Selbstliebe  folgen  — ^ 
«enn  fie  iloch  «ii£  dcn  Gcdanken  kommen 
Ibllfen,  Tngend  ihren  giiten  Grund 
habcn  konne»  und  dann  eino  Belehnuig  fucb- 
ten,  die  fidi  ohne  grofte  Anstrengung  erhal- 
ten  ilitt.  Fur  diejfe  ChOIe  Ton  PcHbnen  ift 
dnBueh,  wie  dielci  fiyn  foll,  um  ib  Tiel 
nothiger,  da  die  Strcitigkciten  uber  die 
Kenttichen  Lehren  vor  dat  grofie  Publikum 
gckommea  find,  und  dieiet  vcrlcitct  wird» 
fiber  eine  Sadie  abaiii»feehen,  die  et  nur 
von  ciner  Seite  kcnnea  icrnt.  Wie  yieie 
Menlchen  mdgen  nicht  den  S^tteleyen  tiber 
den  categorirchen  Impcrativ  ihrcn 
Bey£di  gegeben  liabett»  obne  ta  «illen,  dait 
cr  nichts  anders  enthalt  als  das  Gebot: 
▼ernunftig  lu  handeln.  Wenn  fie 
gar  nichts  dabey  dachten,  fo  lachtcn  Cic  niir 
Obcr  ein,  fur  fie  icercs,  Wort.  Aiiein  dicA 
ist  nicht  itomcr  der  Fali.   Oft  faHcn  gerade 


diejcnigen»  \telcbe  an  allciu  GninUe  dcv 
Ffliche  tweifelii,  fo  viel  dtvon,  cbfs  e»  «tif 
uneigcnnutziige   Tugend  kiiuveifc; 
iie  Iteheu  allb  nteht  itber  du  Worf,  lbn<lerii 
iiber  die  Saciiey  und  werdcn  iu  ihreu-  Un- 
ftlattbcn  noch  mehr  besfSrkt.  Triumphirten 
iicy  fchon  vor  der  Kantirchcn  Morallebre, 
aicht  ielten»  imn  fie  faheu»  daia  dicfeiiigen» 
vpclcbc  ihre  Grundfaczc  verwarfen»  nichts 
tiber  alJe  Einwendung  erhabenet  dagegen 
vorbriugcti  konntcn;  fo  gefchicht  cs  niin 
noch  mefar»  indem  fie  wahnen»  da6  auch 
das,  was  die  neucre  Phiiorophie  lehrt,  cben 
fo  wenig  Uaitharkeit  habe»  als  alle  vorher- 
gehende.   Menfchen,  die  nach  ilirem  Leben 
ihre  Grundnitze  einriciiten»  auf  anderc  Ge-> 
danken  tn  brtngcn,  darf  man  freylieh  nieht 
fo  leicla  erwarteu.   Aber  dais  die  Meuge 
dieler  Menfchcn  imnier  geringer  werde, 
diefs  iiauu  inau  von  der  \'crL*' citung  dcr  rci« 
nen  Moral  mit  Wahrfcheinlichkeit  hoifcn* 


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Wenn  ct  Ib  ^veit  fekonuneii  feyn  nurd»  CU6 
keiii  Menfch  et  wagen  darf,  cUt  Gefuhl  von 
JLutt  oder  Unltist  alt  (Ut  hoduie  Gefets  fiir 
alle  Handluugen  amugeben,  ohne  fich  ale 
einen  nnvernunfcigen  Menichen  dar- 
futtellen!  fi>  wird  die  noralifehe  Zwei« 
leiibcht  geiwungen  ieyn  fich  su  verbeigen» 
uncl  dadureh  nigleich  eineu  groiiett  Theil 
ahret  Einflullct  verliefem 

Endiich  itt  dieit  Bndi  auch  fMlchen» 
gebildeten  aber  nicht  mif  der  Fhijofophie 
bekanaten,  Perfoneu  bettimmt»  welche  (itt« 
liche  Gute  fur  die  hoehtte  Bettimmung  det 
Menfchen  iulten»  aber  gUuben,  dafs  die 
Lehren,  die  tu  derielben  luhreny  Gluckfelig- 
keittlebren  find,  und  die  Kantifchen  Grund- 
fttse  entweder  lur  mufiige  Speeulationent 
oder  gar  fiir  gefilirlich  halten.  Diefe  Per« 
Ibnen  anf  datjenige  aufmericiam  su  maehen 
wat  aus  ibreo  Grundritzcn  folgt  m\d,  vs9 


—  VI  — 

nioglich»  zu  eiaer  audern  Meiuung  ubci- 

Kants  Morallehre  zu  bringen,  fchieo  dem 

VcrfalTer  cbeufalJs  von  Wiclicigkcit  zu  fcya. 

Ste  bef5rdem  oft  wider  ihren  Willen  die 

Uiiiittlichkeit,  incieiii  fie  Regelu  des  Vcrhal- 

tens  aufetelleny  dte  gar  gemifideucet 

weiden  konnen>  und  hindern  dcn  Eingang 

ibkher»  die  am  meitlen  gefchickt  find» 

Tugend  zu  bcfordcrn. 

Wat  in  Bcziehung  auf  Sittlichkett  gelagc 

worden   ist,  gilt  auch  gr6r$rentheiJs  fiic 

die  Retigion*    Es  war  eine  Zeit  «o  man 

glaubtc,  dafs  alle  Menrchcu  durch  diele  tUT 

IHigend  gdeitet  werdea  konnten.  letst 

icheint  es  nothwendig,  fiir  viele  die  Sache 

umzukehretty  und  fie  durch  Tiigend  sur  Re* 

ligion  zu  fuhren.    Auch  in  dicfer  Rtickiicht 

konnen  die  Kantiichen  Leliren  ausgebreiteten 

Nutcen  haben,  und  bedurfcn  detwegen  eben  (b 

gut  einergcmeinfafsiichenDarsteliung,  alsum 
dem  achten  Begriffe  der  Fflicht  Eangang  su 


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—  VII  — 

vericlialiieii.  Audi  iit  diefelbe  «iedcnmi 
um  fo  noihigcr,  jc  h^iiifigcr  die  Mifsvcrstand- 
ailfe  ubcr  dic  wabreBdcliaffeiiheit  leiierLeh* 
ren  ubcr  Gott  und  UusterbJichkeit  fnid. 

Ob  iiiiii  clie  Abfichten»  dte  diirch  dieies 
Buch  bcfordert  wcrdcn  follen,  nicht  fchon 
durch  fo  vieie  aadere  Schrifteii»  ivelche  die 
Kantiicheii  GrundAtfe  erHuCem,  erreicht 
werden  konnen  —  darf  freylich  der  Verfaf* 
•ler  ntcht  mit  Gewifiheit  enticfaeiden.  Aber  fo 
Tiel  muif  ilim  erlaubt  feyn  zu  iageuy  dais  die 
Erfiihnmg  ilim  hieruber  Zweilel  gelalTen  hat. 
Uiberdielf  muis  feine  Rechtfertigung  in  dcm 
Buehe  felbtt  gefueht  iverdett*  Uegt  demleU 
ben  eine  Form  zum  Gnmde»  dic  fich  noch 
an  keiaem  andem  findet,  oder  iit  die  Aiif- 
fiillung  derfelben  noch  nicht  ebcn  fo  da: 
Ib  kann  der  Verfiich  lelbst,  die  Gnmdtdeen 
dcr  rcincn  Moral  und  der  fich  darauf  beue* 
iMidea  Religion  gemeinfaftlich  danutteJJen» 
ebcQ  fo  wofiig  getadelt  werdcn,  ali  irgend 


—  VIII  — 

ein  Verfucbt  die  Sitcenlehrea  iibeclittipt  ISt 
eine  gewiAe  dalle  von  Menfchen  (6  rona» 
tragen»  wie  jemand  glaubt^  daii  fie  am  bei  tea 
Eiogang  6n<len.  Elne  andece  Frage  aber  iit^ 
ob  iem  VerfaiTcr  dieTes  Buchs  iein  VerTuch 
gelungen  iey»  Htertiber  wird  er  billige 
Urtheilc  gern  fehen  und,  wcnn  iic  ihm  vor 

der  Ausgabe  det  sweyten  Theib  bekannt 

wcrdcn,  willig  bcuutieo. 

Frcybcrg,  dcn  12.  April  1796* 


Notbwendige  Verbeflerungen. 

S.   3.  Z.  $.  1.  fo  ist  fic  cs»  statt:  fo  ist  er  es. 

-  ai.  in  dcr  Note  Z.  4.  I.  nte,  smit  nur. 

*  89-  Z.  9. 1.  von.  stiitt  vor. 

-114.  -  34.  I.  uml  d  i  c  ihrc,  starr  und  ihre. 

•  *77-  -    9.  1.  dicfcp  Willen,  st.  dicfcm, 

-  194.  -  31.  l  <iiberdiefii«  tt.  uberdem. 

-  t04.  -    6. 1.  G 0I  d,  sittt  Gcld. 

-  t07.  -   II.  1.  miiffcj  vatt  inufstc. 

-317.  -  5.  1.  vorhcrgekhc,  sc,  vorhergchn. 

•  2:4.  -    9. 1.  ihm»  stsn  iHn. 

*  934*  -  5.  von  unten,  I.  ■  b  h  s  1 1  e  n,  st. sbhslte, 

-  340.  -  n.  l.  frngcn,  sittt  fragrcn. 

-  149.  -  6,  von  unrcn,  1.  ihtn,  st.  ihn. 

-  258.  -  24,  1.  VorsteU  ung,  SK  Vor^tellungen, 


E1NL£I. 


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EINLEITUNG. 


Gelchlelite  in  die  Vergangen* 
hcit  zuriick  gcht,  iind  Co  weit  clie  Gerchidi» 
te  der  Gegeiiw«rt  fich  uber  die  Erde  cr« 
fireckc,  fteUt  fie  luif  tiberall,  ivo  die 
fchen  in  einiger  Gemeinrchaft  lebeny  eineil 
Udterfchied  dar»  dea  fie  swiiclieii  ilifca 
ftejwiliigeii  Handluiigea  macheii.  Uiberall 
findet  tnan  die  Worte:  gut  und  bore, 
recht  und  unrecht»  erlaubt  und  uu* 
eriaubt,  in  den  Spraehen  ieibtt  derjeni» 
gen  Voikerfchaften»  die  man  ok  unter  dem 
Namen  dcr  Wilden  begrcift,  So  dunkei 
tmd  ib  cingefchrankt  ttun  auch  die  Begrilfi» 
leyn  mogcn»  wclehe  mit  diden  Worten  dio* 
jenigen  McnTchen  verbinden »  die  noch  auf 
A 


dcr  Cistcii  StufFc  der  Cultur  ftehcu,  (o  i<ifst 
lich  doch  oicht  denken»  dais  gar  kcin  Iic« 
griff  damit  verbiiii<len  wcrde.  Ift  ir^cndwo 
dic  Sprache  dcr  AusJnick  dcs  incnrchlichcft 
Gcistcs  f  fo  ist  ^  cs  gcwiis  bcy  dcn  Volkcr- 
fchafcen»  dcrcn  Ideenkrcls  noch  fehr  cin- 
gcichrankt  ist,  Auch  ist  es  nicht  fchwcr 
dic  Handlungcu  zu  dcnkcui  auf  welcUe  jcne 
Bcgriffe  zucrst  angewandt  werdco.  Allei 
was  nothwendig  beobachtet  oder  vennieden 
werdcu  nuifs,  wcnii  nicht  dcr  Zwcck  dcr 
btirgerlichen  Gefcillchaft  vereiteJt,  wcuo  Hc 
nicht  ielbst  ein  Unding  feyn  foU,  ist  in  den 
crstcn  /.ciccn  dcr  Cultur  das  Kccht  uud  da; 
Uurccht, 

Ic  hoher  dic  Stiiffe  dcr  Bildung  ist,  zii 
dcr  iich  ein  Voik  erhobcn  hat,  dcsto  kla- 
ler  und  ausgedehnter  fehen  wir  jene  Be« 
grifKe  werdeh.  Und  diefi  kann  (chon  de?- 
wcgcii  nicht  anders  fcyn,  wei)  fie  auf  eiue 
viel  groisere  Menge  voo  Handhingen  ange* 
wandt  werden,  alt  in  der  Kindheit  einet 
^  u!k$  Statt  tindcn  kd'm.    le  cinfacher  die 


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Veffliiltiii6e  der  GUeder  einei  Volkt  fiad, 
detfo  feltner  komtiit  die  Anweiuluiig  i)er  Be* 

griffc  von  Recht  uiid  IJnrecht  vor;  jc  man- 
nichfaitiger  jene  werden,  dcsto  haiihger  ist 
dieic.  Der  menichiicbe  Geisc  fiihlt  dann 
das  Bedtirfnifi  die  dunkeln  Ideen  aufituheU 
len,  fo  wie  fich  dcr  Krcis  derrelben  erwei- 
tert»  und  ein  Sclirit^  TPomit  er  dem  Lichte 
naher  tritt,  giebt  ihm  auch  Kraft  dcn  £oU 
gcuden  zu  thiin. 

Noeh  ift  aher  ein  Umftancl  ni  bernhren» 

dcr  uicht  wenig  dazu  beytrigt,  dafs  die  Vor- 
ttellungen  von  Sittlidikeit  mit  den  Fort- 
ichritten»  imlche  die  Oiltur  einet  Volkt 
uberhaupt  macht,  faft  gleichen  Gang  halten. 
Ebcn  die  Uriacheny  dic  diefe  befordern, 
find  aiich  )enen  giinttig.  So  wie  die  Men^ 
fchen  in  der  hurgerlichen  GelelUchaft  nicht 
niehr  alle  ihre  Kriiftc  brauchen,  um  die  un- 
entbebriichtten  Bedurfiiiiic  dct  Lebent  lier- 
bey  su  lehaflfen,  begniigen  fie  fich  auch  nicht 
mchr  rait  dicfen.  Auf  die  Erfindung  dcr 
mcchaniichen  Kunste  Iblgt  dieSchopfiing  dec 


freyeii.  Man  crhuht  uiid  vervielfacht  dcu 
Geiiuis  dcr  cnten  Bcdurfiiifie,  luid  fiicht 
dis  Bequcme  itod  Sch6iie» 

Untcr  dcm  Strcben  luich  ib  mMinigfal* 
dgcn  Giitcrny  wird  cs  btld  naturlich  iind 

nothwendig,  dic  Arbeiten  zii  vertheilen. 
Schon  (licTc  Vcrthcilung  dcr  Gcrchifte,  noeh 
mchr  abcr  der  Reichthttm,  der  dadurch  nach 
iind  nach  entsteht,  gicbt  manchem  Glicde 
dcr  Gcrellfchaft  ncuc  Muisc.  Und  i(t  dic 
cnte  haupt(MiUdi  angewandt  wordcn,  die 
leincre  Sinnltchkcit  .lu  weckcn  und  fu  bc* 
friedigen,  fo  wird  die  zweyte,  wcuigstcny 
sumThcii,  dcm  BcdurfniTs  des  Gciftet  gc- 
widmet.  Nicht  mehr  tufricden  mit  dem 
fmiiJichcn  Genufse  verlangt  man  auch  geisti- 
gcn.  Mau  wiii  nicht  Uos  iiiliicn»  rondcm 
auch  wi0en.  Zwey  GegemHnde  muilen  dn 
befonders  dic  Wi(sbegicrdc  rcitzen :  die  Na» 
tur,  deren  Grofse  und  MannigfaJtigkeit  dic 
Aiiimcrkiamkcit  an  fich  reiist—  tmd  der 
Mcnfch»  deflcn  Verstand  und  dcflen  Wille 
iuimcr  wichcigcr  wcrden»  jcmciir  dic  Fahig* 


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ktUtea  dcf  einen  ficb  entwickela»  imd  je* 
iiielir  die  Handlangsweiie  det  andern  Einfluft 

auf  das  Wohl  der  ganzcn  Gcfelirchaft  imd 
eines  jeden  Gliedes  dcrfeibeu  bckommt.  Dec 
Wirkungtkreit  des  WiJlent  ttt  iinterdeilen  fi» 
tveic  gewordeuy  dafs  felhst  die  mannigfal- 
tigsten  Gefetze,  die  ihn  bandigen  folicn^ 
nicht  mehr  hinreichen.  Man  ftngt  aiich  an 
xtt  fuhlen,  dalt»  fo  ▼ollkommen  fie  feya 
raogcn ,  doch  mir  wciuge  Handlungcn  da- 
durch  erawun|en  werden  konneni  und  je^ 
mehr  maa  diefen  Gegenttand  verfolgt^  detto 
mchr  (ieht  man  cin,  dafs  auch  auf  die  Ge- 
finnungen  gewirkt  wcrdcn  mu&,  uud  dafs  es 
Pflichten  glebt»  die  awar  dem  Gewiflen  ei^ 
net  jeden  xu  tiberlaflen»  aBer  nicht  weniger 
wichtig  (ind,  als  diejenigen,  welcheman  nach 
Anleitung  der  burgerlichen  Geietxe  xu  be« 
obachten  hat.  Et  itt  alib  natiirlich,  dafs  Min* 
ucr  auftreten,  wclche  dicHauptpflichtcn  dar- 
xutteiien  unddcmMcnfchcn  ansHerz  zulegen 
fiichen,  Hier  find  wahdcheinlich  in  dcs 
Hauptfache  alle  diejenigen  cinig,  welche 
Sittlichkeit  bcfordern  woilen.  Nachdcm 


6 


•ber  dat  GemSMe  dts  fittlidien  Menlehen 

dem  Anfchcia  iiach  voilendet^  und  von  dem 
gerunden  Verstande  und  dem  unverdorbeuen 
Henen  wiJlig  aulgenonimen  worden  iai, 
vrirft  man  die  Fragc  aiif:  wic  ift  das  Ge^ 
malde  entstanden?  Ist  es  inebr  als  blofscr 
Schein  ohne  WtrkUchkeit?  Wat  ist  denn 
cigentHch  derGmnd»  um  defrenwillen  fcdcr 
Menfch  (ich  dailclbe  ziim  Mustcr  nehmen 
foil  ?  Oder,  um  eigentlicher  lu  reden*  was 
ttt  denn  Pflicht?  was  itt  Sittlichkeit?  Bey 
diefen  Fragcn,  die  mancheu  verwirren,  wircl 
es  nothwendigy  die  Krafite  dcs  Mcnichen  su 
unterfiicheui  und  der  Geitt,  der  lchon  durch 
Ib  manchen  Gegenstand  getibt  worden  ist, 
tnacht  fich  feibst  zum  Gcgenstaiide  fcinct 
tieftten  Forichent. 

Man  kann  aiif  diefc  Weife  in  dcr  Kennt* 
aiit  der  Pflichten  drey  Epochen  unterichei- 
den.  In  der  ersten  begnugt  man  flch  mtC 
einem  ganz  dunkeln  Gefiihle  von  Rccht  iind 
Unrechty  uud  erstreckt  cs  nicht  vicl  weiter» 
«It  die  ttothwendigen  Bedsngungen  dcr  bur» 


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gerlichea  GefcJifchafty  oder  bestimtiite  Ge- 
letxe  reicheiu    In  der  sweyten  enveitert 

inan  die  Vorstclliingeii  von  giit  imd  hofe 
tind  dchnt  l\c  aiif  iiandhmgen  aus»  dic  nicht 
iulseni»  ibndera  innemOeietfcn  tmtcrworfen 
werden  kdnnen*  In  derdritteii  endiich  fragc 
niaii  nach  den  Qjyiellen  aller  dcr  einzclncii 
Geietse»  die  dem  gefiinden  Vcrstande  tityor 
einleuchten»  und  fiicht  iinxweilclhafccGrund- 
fatic,  aus  dcncn  allc  PflKhtcii,  dcrcn  Erfiil- 
iung  man  fiir  nothwcndig  halt,  hergeieitct 
werden  konneii,  Diefe  Epochcn  find  firey* 
Jich  nicht  durch  gcnaii  bestimmte  Grcnzcn 
abgerchnitten.  Auch  iafsc  fich  bey  iLciner 
ein  bestimmter  Zeitraum  festfetsen.  Ver- 
fchiedene  V6iker  verweilen  nicht  gleich  lan- 
ge  in  jcdcr  derfclbcn.  So  wic  iiufscre  Ura- 
stiiide,  hier  friihcr  dort  fpSter»  die  Cuitur 
riberhaiipt  %u  einer  gewitTen  Stuffe  erhcben» 
fo  bcforJcni  fic ,  b;ild  mchr  bald  wenigcr, 
dic  Bestimmthcic  und  dcn  Umfang  der  Bc. 
griffe  der  Sittlichkeit.  Nur  von  der  letzten 
Epochc  zcigt  tmf  dic  Gefchichce  ohngefahr 
die  Dauer  fiir  Europa,   Sie  gicng  voc  mchr 


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8 


als  z^ey  tatiieiMl  lahrea  an  uud  daiiert  uoch» 
iveiia  ni^t  KaiiCt  Syttem  fie  beiclilielst. 

Schon  ni  Socratet  Zeiten  mufiten  die 
grofien  Fragen  iiber  den  Gnind  der  Verbind^ 

lichkeit  ziir  Tugend,  iind  liber  das  Wefcn 
der  Fflicht  und  dei  Rechti  au^eworfen  wor» 
den  leyn.  Denn  darinn  beitand  ein  Zweck 
(einer  philofophifchen  Bemiihungen,  dic  So- 
phistcn«  vrelche  das  Unrecht  zum  Recht,  und 
die  Pflicht  lur  gleichsultigen  Sache  nicht  nur 
lelbtt  nachten,  Ibndem  auch  tu  machen 
lehrten,  in  ihrer  hloCsc  darzustcllen,  und 
(b  ieine  Mitbtirger  vor  den  Verfulmingeti 
derfelben  tn  bewahren*  Doeh  entttanden 
erst  nach  ihm  die  bestimmten  Systcme,  wel» 
che  von  Gricchen  und  iComern  angenom- 
nen  worden  find.  Sie  verfchwanden  in 
dem  barbarifchen  Zeitalter,  wo  die  Philo* 
fophie  von  dcr  Erde  verbannt  zu  fcyn  fchieiiy 
mid  die  Aftertheologie  auftrat»  um  mit  Feuer 
und  Schwerd  folche  Begrifle  von  Pflicht  und 
Recht  zu  bchaupten,  die  dcr  Vcrnunft  wider- 
fprechen.   AUet  Uibel,  wat  der  Geift  der 


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dMnullgtn  RcUgaon  uber  diie  MeoichheU 
brachte ,  floli  faft  allein  aiii  dem  widernnnU 
gen  Griinde  aller  Tiigend,  den  er  aufstelUc 
und  leider!  fo  iange  l>ehauptete.  Ait  end- 
lichf  naeh  fatt  taniend  lahren,  dte  Vemunfr» 
wenigscens  in  einem  Theile  von  Europa,  <ien 
ertten  entfcheidenden  Sieg  uber  den  Aber- 
glauben  davon  trug,  ward  ihr  aueh  wieder 
das  Feld  zii  freyen  Unterfuchungen  iiber  dic 
Sittlichkeie  geofiiet*  Auf  alieu  Scicen  wurde 
diefe  wieder  theilt  aut  neuen»  theilt  aut  den- 
jenigen  Qiiellen  hergeleitet,  welche  fchon 
die  Griechen»  wo  nicht  erfchdpft»  doch  an- 
gegeben  Intten. 

In  dem  ietzt  laufenden  lahrhundcrte  vor- 
sugUeh  (ind  diefe  Unterliichungen  nieht  mir 
elfrig  verfolgt,  fondem  auch  Co  weit  ver- 
breitet  worden,  dafs  wenigstens  die  Reful- 
tate  derfelben  int  gcmeine  Leben  ubergegan- 
gen  find;  ob  lun  Vortheil  oder  x»m  Scha* 
den  der  Tugend  fclbst,  kann  freylich  erst 
durch  DartteUung  der  verfchiedenen  Meintm- 
gen  tiber  den  Grund  derielbea  gini  tnichau- 


lich  geniacht  wcrden.  So  viel  aber  ist  aiich 
ohiic  dicfc  Darstciliing  klnTj  dafs  fic  dcr  Sitt- 
lichkeit  iiicht  gleichguitig  feyii  koiineiiy 
wenn  nian  an  den  niachtigcn  Einfltils  denkt, 
dcn  Meiniingcn  libcrhaiipt  auf  dic  Handhin* 
ger  <ler  Menfcben  haben.  Sind  nicht  die 
Greuel  der  fransofifchcn  Revolution  tvenig- 
stens  zum  Theil  aus  Mcinungcn  und  Grund- 
fitzcn  entstanden,  die  fich  aiif  Sittlichkeit 
besichen,  tind  aus  den  daniber  aufgestcll- 
tcn  Systcnicn  dcr  Philofophen  flicfscn?  Be- 
trachtet  man  fcrner  dcn  GcisC  uafcrs  Zeit- 
slters  tiberhaupty  fo  wird  einem  jeden»  der 
damit  vertraut  ist»  der  Zufaninienhang  swi« 
fchcn  dcr  Handiungswcifc  dcffclbcn  und  dcu 
aiigenommenen  (ittlicheny  oder  vieJmchr  un- 
littlichen  Grimdratzen  nicht  leicht  entgehen. 
Diefc  flicfscn  unstreitig  aus  dcr  Art,  wic  von 
gewiiTeu  Philofophen  der  Griind  der  Sittlich- 
keit  gedacht  und  vorgestellt  wird.  Ist  ihre 
Meiming  auch  nicht ,  diefclbe  far  ein  Hirn- 
gcfpinst  zu  crkiarcn,  fo  folgt  doch  aus  ihren 
Systcmen»  dafs  fie  nichts  bestimmtes  iind  all- 
gcinein  verbindendesy  fondcrn  ein  Rcfult^t 


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Ton  AnUgen^  Umttindcn  tind  VerhSlcnilTcn 
fey,  die  nicht  in  der  Gewalt  des  Mcnlchcn 

iich  befindcn.  Diefe  Meinung  ibt  in  den  fo- 
genannCen  gefitteten  StSndcu  bcynabe  herr- 
lchend  geworden.  Setit  man  hienii  dic  Ah- 
nahme  des  Glaubcns  an  Gott  und  Unstcrb- 
lichkeit  dcr  Sccle»  ib  murs  dicieZwcifcirucht 
nn  allcm  was  die  HandJungen  dcr  Mcuichcn 
ain  fichersten  leitet,  nothwendig  einen  (ehr 
nachthciiigen  Einfluls  auf  ihrcn  Charakter 
liaben.  Daa  innere  Gefuhl  von  Recht  iind 
Unrecht  kann  twar  nie  ganz  nicdcrgjfchla- 
gen,  abcr  diirch  jcnc  Meinungen  doch  fo  ge- 
lchwjiciit  werdcn,  dais  cs  nicht  mchr  hin« 
feielicnd  ist»  den  Reizcn  dcr  Sinnliciikcit  su 
widcrstehco. 

Philoibphifch  ncniit  nan  das  gcgenwSrti- 
gc  lahrhundcrt,  uiid  in  Verglcichung  init 
don  ▼orhergchcndcn  vcrdicnt  cs  dieicn  Na^ 
ncn.  Noch  gab  cs  vielleicht  nte  eine  Zeit, 
wo  die  Vcrnunft,  ocJcr  wcnigstcns  das,  \va» 
fur  Ycruunft  gUt»  (ich  cinen  fo  wcit  hcrr* 
(ehenden  Thron  erbtiite.  In  etnem  gro^n 


Striche  von  Ctiropa  ist  et  fnt  ttnniogUch  ge» 

wordcn,  auf  aiidere  Art  als  diirch  Vcrmmft 
atif  die  Gemulhcr  sii  wirkcn.  An  fie  mudeu 
fich  die  Mjchte  der  Erde  wenden,  wenn  fie 
Gchor  findcn  wollcn ;  auf  fie  mnfs  der  Lch- 
rcr  dcr  Rcligion  feinc  Lchrcn  bauen,  wenn 
er  ihi«en  Eingang  verfchaffen  vpUI;  xu  ihr 
iind  diirch  fie  icheinen  (elbtt  die  erhitxtesten 
Lcidcnfchaftcn  zu  fprccheny  und  aus  ihrcm 
Schoolse  gieng  eine  Schwarmerey  henror»  die 
ihrcs  gleichen  noch  nie  auf  Erden  hatte. 

In  fo  einem  Zeitalter,  ivo  die  Vemunft 

nU  dic  oberstc  Richtcrin  allcr  Angelcgcnhci- 
ten»  die  dem  Menfchen  wichtig  find,  au£i 
fettellt  wird,  und  wo  fie  doeh  mit  fich  firlbst 
nicht  einig  ist,  mufs  nichts  willkoinmner 
feyuy  als  die  forgfaitigste  Friifung  ailcs  des- 

Es  fcheint  dics  widcrfprechcnd  —  was  ha- 
ben  Vernunft  und  Schwanncrey  mit  cinan- 
der  gcmcin?  —  Allein  diefe  kann  nllcr- 
dings  eine  Folge  von  jencr  feyn ,  wcnn  dic 
Vemunfcidcen  nicht  rein  von  alicm  Zufatze 
dargestcUc,  und  eben  des  Zufaczes  wcgen 
fidfoh  togewandt  werden. 


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jcnigen,  was  man  fur  ihre  Auifpnlchc  half, 
imd  dic  geuaticste  Sclicidun^  der  wahicn  voii 
dcn  errGhlichciiett.  Nur  nach  VoUendiing 
diefef  ehen  A)  fchweren  ab  nothwendigen 
Gefch^ifts ,  kann  das  Rcich  der  Vernunft  auf 
festem  Gninde  stehen»  und  die  Grenie  Ui» 
ret  Gehiels  genau  abgei teckf  «rerden* 

Oielct  GerchSfit  unteraahm  Kant  und  voll- 
endete  es  nach  der  Meinting  ieiner  Schtiler 

niit  eincm  Erfolgc,  der,  friih  oder  fpat,  nicht 
nur  alle  eigentiichen  Pliiloibphen,  fondem 
nile  denkenden  Menichen  uberhaiipt  ubet 
Sittlichkeit ,  Gottheit  und  Unsterblichkeit  zu 
einem  und  cbcn  dcmfclhen  Glaubea  veseiiii* 
gen  vrird. 


14 


—  I         OQO       I  ■■ 

Darstellung  aller  Moralfysteme  vor  dem 
Kanti/ciith  und  der  Z^eifd  g^^^^n  dif 
Wahrheit  derfelbem 

^obald  in  irgend  eincm  Manne  Jcr  GcJan» 
kc  aii  ein  Morairystcm  entsteht,  fo  fctzt  der- 
felbe  voraus»  dafs  unter  deit  Meiifchen  eine 
gcvvifle  Befchafifenheit  ihrer  Handlungeii  und 
Gennnimgen  ailgemein  fiir  gut,  und  cine  an- 
derc  fiir  bofe  gehalten  wird.   Denn  das  Sys- 
tem  foll  eben  erkliren»  woher  diefes  Urtheil 
liber  gut  und  bdfe  komme,  und  w^riim 
die  Mcnfchea»  theiJs  ftir  lich,  theils  fiir  an- 
dere  fordern»  was  in  dem  Worte  PfltchA 
ausgedriickt  wird.    Und  wenn  einige  Men- 
fchen  behaupfen,  es  gebe  keine  Pflicht,  fo 
heifst  dieis  nicht,  es  gebe  keine  Gefinnun* 
gen  und  keine  Handlungen,  welche  deriel- 
ben  gcraafs  gedacht  wercicn:  fondern  der 
Begriff  der  damit  verbunden  wirdy  fey  wiiJ- 
kfihrlich,  ley  nur  lufSllig  eotstanden»  und 


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kunnc  keiue  allgcincingultige  Handluiigs- 
weifc  fiir  dic  Menrchcu  bestimmcn.  Dieje- 
isigen  Philoropbcn  nun»  welche  die  PAicht 
als  etwas  in  der  Natur  des  Menfeheu  gcgrun« 
dctcsy  und  folgiich  als  etwas  aligcmcingel- 
tendes  anfahen»  muftten  nothwendiger  Weife» 
wenn  fie  lich  und  andem  von  «lieler  geisti- 
gen  Erfcheinung  Rcchcnfchaft  gcbcn  wolltcn, 
ctwas  auffuchcu,  das  iich  in  allcn  Mcnfchen 
iindet,  und  eben  des^iegea  als  der  Bestim- 
mungsgrund  einer  allgemeinenDenkungs-und 
Handlungsart  gcdacht  wcrden  iLanu.  Sie  hat* 
ten  dabey  nicht  unter  einer  grofien  Menge 
▼on  Dingen  tu  i^hlen*  Nur  Xfieyerley  fia- 
det  fich  bcy  allcn  Menfchen,  fiir  wclche 
Pflicht  etwas  fe^o  kann:  das  S<|feben  nach 
angenehmen  Empfindungen»  odcr  die  Selbtt- 
Itebes  und  die  Fihigkeit  nach  allgemeinen 
Kegelu  zu  handcln,  oder  die  Vernuiift.  Dais 
die  crste  aligemein  iehr  «irkiam  ist,  b»* 
sweifelt  wohl  kein  Menichy  und  dafi  die  aa- 
dere,  als  das  untcrfcheidcndc  Merkmal  dec 
Menichheit»  ebenialls  ais  aligemeio  vcrbrci* 
tet  gedachl  werden  wa&,  tit  «iclit  niiidqi: 


lusgcmicbt.    Ef  wiirde  hoehst  iSeberlich 
feya,  luch  dca  Grundcn  der  Sittlichkcit  zii 
firagen,  und  die  Thatigkeie»  oder  gar  dat 
Dafeyn  der  Vemunft  nlcht  in  Betraehtung  su 
«iehen.    Ohnc  fic  koniitc  nicht  cinmal  cine 
Unterruchuug   dariiber  angestellt  werden. 
UiberdUefi  muft  doeh  wenigftent  gefragt  wer- 
dcn,  ob  die  Vcrnunft,  dic  als  obcrstc  Rich- 
tcriu  bcy  allcr  Erkcnntnifs  augerchcn  wird, 
nicht  auch  fur  un(re  Handlungen  Ge(etze  an» 
giebt,  die  eben  Co  nothwendig  (ind  alt  die- 
jenigen ,  welchc  bcy  unfcrm  Wiflcn  cntfchei- 
den.   Auch  wird  in  den  meitten  uber  Sittlich- 
keit  au%ettel]ten  Syttemen,  dieVernunft  ent- 
wcdcr  ausdriicklich  gcnannf,  odcrstillfchwci- 
gend  vorausgefetzt.    Nur  die  Bestimmung 
der  Art  ihier  Wirkiamkeit  itt  dat»  wat  den 
wcfentlichen  Unterfcbied  der  Moralfystcme 
ausmacht«    Wird  fie  allein  als  geli^tzgcbcnd» 
ohne  die  geringtte  Einmilchung  der  Selbtt* 
liebe,  und  alt  elnzigerBettimmungsgnind  der 
fittlichcn  Handiungeny  gedachty  —  wird  ibr 
die  Seibttiiebe  untergeocdnet:  Ib  enttteht 
liieraitf  die  reiiie  MotbI»  wckhe  Kaat  tnent 


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gelelirt  hat.  Alle  PhiJolbphen  vot  ihm  ha- 
ben  enfweder  «uadnicklich  der  Selbstliebe 

dcii  crsteii  Platz  angewiefcn,  und  die  Vcr- 
nunft  nur  xum  Werkxeuge  gemacht,  dieGe- 
bote  der  enten  atMxuJegen  und  ausxttfuhren; 
oder  nahmen  (le  atis  der  lelzten  dic  Geretze 
her,  vrelche  bcy  der  Pnicht  Statt  iindeu 
IblJen :  ib  tvaren  diefelben  doch  aJle  yoa  der 
BelchaHlenheit,  daft  ihte  Giilcigkeit  und  Aus- 
fiilurbarXeit  nichc  anders  gcdacht  wcrdcu 
fconnte,  als  dafs  die  Seibstliebe  xum  hoclisten 
Bestimmungiignmde  lelbst  bcy  den  edelsten 
Handlungca  geinacht  wtirde.  Worinnen  der 
Unterrchied  bey  diefcn  auf  GluckreJigkcit 
fich  bexiehenden  Systemen  bestehe,  wird  fich 
beller  bey  der  ausfiihrlichen  Darstellting  der<- 
felben,  als  im  alJgemeinen  atigebeu  Jairen» 
Dide  woJien  vihs  nun  vomeJimen. 

Das  crste  fey,  das  nach  feinem  Urhcbcr 
genannte  E)  icurifche :  AJJe  Menfchen»  fagte 
Bpicur,  streben  oaeh  Vecgniigen»  und  man 
fcann  xeigen^  dals  alle  ilire  HandJungcn  dar- 
B 


auf  hinsieieii,  fo  ventcckt  auch  ilae  Abficht 
feyn  mag.    Dafs  diefi  derFall  bey  cierBefrie- 

digiing  liiiiilicher  Bc  liirfjuisc  fcy,  leiirhtct 
von  lclbst  eiii.  £cy  Handltin^en  und  for;gc- 
ieisten  Bemtihnngen,  dte  auf  Zwecke  gcrich» 
tet  finJ ,  welche  gleichfalls  nur  tim  dcr  an- 
genchmcn  Enipfuu^uugcn  wiUcn  als  /wcckc 
gedacht  werden  kdnnen,  ist  diefs  eben  fo 
offenbar.  Wcr  (ich  anstrengt,  um  grofse 
Giitcr  nJv.T  Ehrcnstcllcn  zii  crlangcn,  u:iJ, 
tiui  dkrciben  zii  cricicheuy  fogar  (ich  man* 
chen  Geiiufs  veriagty  thut  die(s  doch  nur  um 
destomehr  und  bclfer  tn  genielsen,  Dvenn  er 
fexnc  Ablicht  erreicht  habcii  wird.  Hs  blei- 
ben  al(b  nur  die  Faile  zu  untcrfuchen  itbrig» 
vio  das  Streben  nach  Genttis  versteckter  ist» 
Diefe  beziehen  fich  cntwcdcr  auf  MUfsigkeif, 
iclbst  iin  Vergniigen,  oder  auf  Gerechtigkcic 
und  Wohlihitigkeit.  Weii  niin  bey  diefen 
Eigcnichaften  theils  das  Vcrgntigen  nicht 
gicich  fo  in  dic  Augcn  falJt,  thcils  nur  weaig 
MenfchenEiniicht  uudKraft  genughaben»  um 
«»  aiith  da  aiistufpahen  und  tu  verfolgeo» 
iiuddoch  jcdcm  darau  gelcgen  ist,  dafs  cs  ge- 


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fucktund  erstiebt  Dverde:  ibisthier  haiipt« 
l^ehlich  der  Gedanke  derPflicht  an  dte  Stelle 

<les  Vcrgniigcns  gcfctzt  wordea ,  abcr  uichts 
desto  weniger  von  dem  notbweiidigen  Stre- 
ben  naehGluckieligkeithergenoninien.  Daft 
dicfe  Behaiiptung  w;ihr  fcy,  IdCst  fich  folgen- 
demiarsen  zeigcn.  Wcnn  ich  mir  cin  Ycr- 
gntigen  veriage»  fo  bewegt  mich  entweder 
der  Gedanke  an  ein  giofseres,  datierhafte- 
rcs,  odcr  die  VorsteUiing  des  Schmerzes 
dafu>  welcher  auf  dafleibe  foJgen  wtlrde. 
Ich  hin  X.  B.  mSisig  im  Gebrauehe  dea 
Wcins,  weil  mich  der  Rniifch  auf  cinige 
Zeit  lum  Genufs  unfahig  niacht,  oder  gar 
Leiden  nach  fich  ateht  uud  mein  Leben» 
a|a  die  Qiielle  aller  Freuden,  verktlrst  s 
ich  bin  gerecht  und  wohhhatig,  wcil  es 
mich  ichmerzt  andem  wehe  su  ihun»  odet 
weil  ich  Vergniigen  darinnen  finde»  die  Lei- 
den  anderer  zii  raindcm.  Nun  ist  zwar 
vrahr,  dafs  es  Handiungen  giebt,  wovon  ei- 
gentiich  entweder  kein  Schmeit  lu  furchteoy 
oder  kein  Vergntigen  tu  hoffen  ieyn  (bilte, 
und  die  doch  untcrlaiTca  oder  gcthau  wcrdcn. 


20 


AiJcin  hier  geht  einel  a  ilchtuigvor*  die  man 
fich  aus  dentf  was  in  andernFallen  gefchiehf» 

wo  dicRcJc  iiicht  voiiPflicht  ist,  lcicht  crkla- 
rcii  k «11111.  Es  fchincrzt  niiih  x.  B.  frcylich» 
d»&  in  dem  Kasten  einesGeizigen  Sch'Atze  iin* 
benutrt  licgen,  die  einer  grofscii  Mcngc 
Mcnfchcn  taiirciid  Frendcn  vcrfchaffcn  konn- 
tens  ich  witrde  es  auch  fehr  gerne  lehei^ 
wenn  diefelben  dasu  verwandt  w**irden»  der 
Vcr^inifs  Hcs  Gcui^cii  wirJc  niich  wcnig 
kummcrn:  und  doch,  gcfctzt  ich  hjitte  gar 
keine  bMrgerliche  ^trafe  xu  furchteuy  wiirde 
ich  die  SchStce  uiiberfihrt  und  die  leidcndcn 
Mcnfchen  in  ihrcr  driickeiidcn  Diirfcigkcit 
laifcn.  £s  kann  lemer  fogar  feyny  darty 
wenn  ich  die  Wahl  zwiichen  einem  faKchen 
Zciignifsc  iind  dcm  I  oJc  hattc,  ich  dcn  lcti- 
tcrn  wahhc.  Abcr  iu  dicfcm  wie  in  jenen 
Palle  ist  das  Streben  nach  Vergn*lgen»  doeh 
die  Qiielle  meiner  Handhingsweife.  Es  geht 
mir  wie  dein  Geizigen.  iiciiic  crstc  Abficht 
bey  dem  Erwcrb  der  Giiter  war  gewiis,  fich 
manntgfaltige  Freude  dadturch  iti  verlehaf* 
fca,  uach  uud  n^ch  aber  gewohnte  er  lich 


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cin  Wohlgcfallen  an  den  blofscn  Bcfitz  fcincr 
ScbaUe  zu  findcn ;  iind  cndlich  stieg  diefi  lu 
ib  einein  Gnde^  dait  ihm  «liefcrBefitt  dat 
bochffe  nnd  einzige  Vergniigcnivurde,  und 
aiie  Miihfcligkeieen  ftir  nichts  anfchcii  licft, 
welclie  tbm  <iie  firbaltung  deiTeiben  sttiof» 
Eben  diefi  iit  mein  Fall,  wenn  ich  weder  ihm 
fein  Geld  nehmen ,  noch  cin  falfchcs  Zctig- 
niiSf  &ibft  niic  Gcfaiir  mcinet  l^bcnsy  ab- 
legen  will.    Alf  ich  mir  Regeln  fiir  meine 
Handliingen  fettletztey  fah  aueh  ieh  mir  anf 
das  Vcrgniigea,  das  ich  dadurch,  entweder 
uomittelbar  oder  mittelbart  xu  crhalten  und 
tu  fichem  dachte.   Gewohnhett  haben  mir 
diefclbcn  nachher  lur  andcrn  Natiir  gemacht, 
ich  liefolge  iie  ohnc  weiter  au  dea  eigcutlt- 
chen  Zweck  lu  denkeo»  uiid  w^irde  mtch  f  ir 
e1enderhalten,wenn  ieh  meincRegeln,  ^ls  wenn 
ich  deu  Z^eck  derfclbeti  aufgebcn  follce.^ )  So 

*)  Hicranf  bemht  [ener  bekannte  Ausfpnich  s 
Dcr  ehrliche  Mmn  is^  der,  wekher  niche 
weifs,  dafii  er  aus  Eigennutz  htndelt;  der 
Sehnrke  der»  welcher  vergifst  ftinen 
Kutzen  zu  berechncn,  £in  fehr  klciiier  Un^ 
terfehifid ! 


22 


kann  ich  felbst  mein  Leben  fiir  dicfelbetl  a\if- 
opferoy  wic  iich  mancher  Geizige  dafieibe 
nimm^  wenn  ibm  leine  Schiicse  gerattbt  wcr- 
den,  ob  er  gteich  nichts,  alt  den  blofsen  Be> 
iitz  daran  fchatzt.  *)  Uibrigens  ist  wohl  z\i 
nerken,  daft  alJes  Vergmlgen  finnlicb  ift. 
Stcb  daflelbe  als  geistig  in  irgend  einerlluck- 
ficht  zii  denken,  ist  citi  WiJcrfpnich,  Man 
gcbe  nur  auf  (ich  felbst  acht,  wcnn  man  an- 
genehme  Emplindung  hat.  Immer  wird  maa 
dabey  dat  Spiel  feiner  Organe,  die  doch  finn* 
lichfind,  unverkennbar  hiiden.  Selbst  bey 
dem  Genuitey  der  vorsiiglich  geistig  genannt 
werden  mtiftie,  wenn  et  eineu  ibicben  glbe» 
bey  dem  Genufse,  welcher  aus  dem  Nachden- 
ken  iiber  Walirheit  fliefsc,  wird  man  den 

4)  Ob  Epiciir  felbtt,  die  Gerechtigkeitsliebe  bit 
xurAMfbpferung  detLebent  fo  erkUrt  habe^ 
bleibt  unausgemacht,  dt  unt  keine  Schri^ 
ten  von  ihm  ubrig  geblieben  und  feine 
Gegner  nichc  einmal  genetgt  flnd,  ihm  nur 
cine  iblchc  Aufopferung  zu  zu  trauen.  Seine 
ntuem  Anhftngcr  aber  haben  ihr  System  auf 
die  angefiihrte  Art  zu  retren ,  und  mit  dcr 
Moglichkcit,  dem  Scheine  nach  mocaliich 
xu  baadeiu,  xu  vereinigen  gefuchi; 


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leiebtea  Gang  de%  Blutes,  das  ungestorte 

Spiel  der  Nervcn,  und  dic  icgchnafsigc  Tha- 
tigkeit  (ier  PbanUfie  fithlen.  MacKt  <iie  An- 
strengung  bey  der  Untcrfuehung  cler  Wahr- 
heit  eher  Schnicrz  als  Vergn»'igcn,  fo  verfol- 
ge  ich  dc  gcwifs  nur  dann,  wenn  ich  am  Endc 
meiner  Arbeit  etnen  Zweck  su  erreicheu 
denke,  der  mir  eine  Freude  gew'<ihren  wird» 
welchc  fich  iiunicr  wicJcr  auf  inciiic  fuui- 
Jiehe  Nacur  l>czieht.  Diefs  ist  noch  offenba* 
fer  bey  allen  Handlungen,  die»  wie  mau  (kgt, 
sns  dem  Henen  kommen.  Das  Herz  felbst 
bedcntec  da  nichts  ais  Gefiihlvcrmcigeii ,  und 
diefs  ist  doch  ohnstreitig  eine  Wirkung  der 
Stnne.  Aber  wahr  ist  es ,  da(s  die  (bgenann- 
ten  gcistigcn  V^crgaiigcn  vorzuglich  dcr 
Zvreck  unfcrs  Bestrebcns  fcyn  mulTcny  demi 
niir  durch  fie  kann  man  fich  die  grdfste  mog- 
liehe  Menge  angenehmer  Gefrihle  im  Gan- 
xen  feines  Lcbcns,  oder,  mit  cinem  Woite, 
Cluckfeligkeit  vecicbaffen. 

Nach  allen  diefem  ist  das  hochstc  Gcfct/ 
Monl;  Strebe  nach  Gliickieligkeit,  und 


die  etnselnen  Regeln  dit  aus  demfelben  Ibl* 

geti,  bezichcii  (ich  hauptrachlich  atif  die 
Keniuuirs  dcrUinge,  welchc  Vcrgniigcn  gc- 
wihren  oder  Mifsvergnugen  verurfachem 
lemehr  man  (ich  auf  <len  Werthderfelbenver- 
stcht,  desto  pflichtmarsiger  wird  raan  noth- 
vrendiger  Weirc  handeln.  Denn  alles  kommt 
blos  darauf  an,  daft  man  den  Grad  der  Leb- 
haftigkeit  iinJ  clic  Lange  dcr  Daucr  aller  an- 
genchmen  Empfindungen  zu  berechncn  wcifs» 
um  fich  tn  jeilem  Falle  fur  das  tu  bettimmen» 
was  PAicht  und  Recht  ist,  d.h.  vras  das  dauer* 
hafceste  Verguiigen  vcrfchafu 

DicresSystem  \wurdc  bald  nach  feinerEnt* 
stebiing  fcbr  gcmifsbraucht.  Epicur  haCte 
nicht  nur  gelehrt,  dafs  die  Zufrieden* 
heit  hauptrachlich  dte  Ghlck(eligkeit  aus* 
niachc,  unddafs,  wcr  dicfe  fuche,  vorziig- 
iich  nachjener  streben  miirre,  fondernauch 
durch  lein  Leben  befviefen»  dais  es  thm  Emst 
niit  dicfcr  Lehrc  war.  Allein  einer  feincr 
Schiilcr,  Aristipp,  vergafs  den  Geist  dcs  Sys* 
tems,  und  hieit  fich  an  den  Buchstabeib 


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Sinnliches  Vergnugcii  war  nach  iiun  haiipt* 
richiich  in  den  Gegenitinden  tu  rucheny 
welche  die  Sinne  in  dlt  lebhafceite  Bewegung 
feczen.  Und  Co  prcdigtc  er  und  feine  Schule 
im  eigcntlichen  Verftande»  die  Woiluit.  *) 
Dlefi  war  der  tnordifchen  Natur  det  Men- 
fchcn  zu  fehr  zuwidcr ,  vertrug  Hch  auch  zu 
mnig  mit  der  Stiile,  die  tum  NachdeiilLen 
erfordert  wird,  alt  dafi  ea  unter  den  Pliilo- 
fophen  viele  Anhanger  hatte  finden  follen. 
Aiiein  dat  eigentiich  Epicurifche  crhieit  (ich 
nicht  nur  lange  unter  den  Griechen  und  Ro- 
mern,  fondern  wurde  auch  nachher,  als  ia 
den  neuern  Zeitcn  die  PhiJofophie,  wie  an- 
dcre  WiiTenfclMften»  wieder  au^nommea 
und  bearbeitet  wurde,  auft  neue  hervorge- 
fucht  und  ausgefchmitciLt.    So  viel  aber  auch 

Diefem  grob-und  feinlimiliclifittSyiceme  wur- 
dc  das  Stoifchc  entgcgcn  j^efetzt.   Nach  der 

Zcifordnung  wurde  alfo  nun  diefes  darzu- 
Stcllcn  fcyn.  Allein  di  es  hicr  nicht  fowohl 
»uf  dicfc ,  als  auf  dic  Vcrwandfchaft  der 
I.chren  flnkCnntnr,  fo  gche  ich  zu  der  voin 
«itoraliivUeu  Gtfuhl  uher. 


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96 


gethan  wurde»  um  theils  den  Stifter  und  daa 
System  (elbst  von  dem  Vorwurfe  der  Unfitt- 

lichkcit  zu  befreyeii,  theils  zu  zcigcn,  da(s 
nit  demielben  ficb  die  edclste  Deukungsart 
vertrage ;  (b  ichien  es  doch  unmogtichy  die 
CnmdCatic  dcfrclbcn  fiir  tiic  Fallc  annchm- 
lich  zu  machen,  vio,  nach  dcm  Gefuhle,  der 
Menich  grois  handelt,  iind  doch  nicht  der 
allergeringste  Vortheil  iti  erwartcn,  viel- 
mchr  alles,  felbst  das  Lebcn,  aufzuopfcrn  ist. 
Da(s  die  Ge&nnung,  die  su  folchen  Handlun* 
gcn  erfordert  wird,  blos  eine  Inconlequenx 
Vidie,  imd  folglich  der  Vcrnunft  glcichfara 
verborgen  werden  mufste,  wenn  fie  sur  Be* 
obachtiing  von  Regehi  auigefordert  wird, 
dic  fich  auf  die  eigene  Gltickfeligkeit  besie- 
hcttt  uud  nur  ncbenher  dic  frcmde  bcfor* 
dem  —  dieft  emporte  die  Vemimft  ebeii 
fo  (ehr,  als  das  unverdorbene  Geluhl.  Ef 
traten  alfo  Hutchcfon  imd  mchrcrc,  fowohi 
engliiche  als  iranzofirche  und  teutrche  Philo- 
Ibphen  mit  einer  Verbeflcning  des  Epicuri» 
(chca  Systems  auf^ 


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Es  ist  wahr,  fagten  fie,  dic  Gl'»ckrelig« 
fceit  desMcnfchen  tsc  der  lctxte  Bettimmings* 
grund  in  alJen  ieinen  Handtungen ,  allcin  um 
diefe  zu  erreichen,  mtincn  nicht  mir  iiber- 
haupt  die  nicdcrn  grobfinnlichcn  Vergnvlgua- 
gen  den  feinem  tmd  den  geistigem  tmtcrge* 
ordnet  npcrden;  fondern  es  befindet  dch  in 
dem  Mcnrchcii  noch  cin  befoudcrcs  Gcfiihl. 
welches  das  iittJiche  genannt  werden  kann» 
und  uns  unmittelbar  angicbt,  was  Recht  und 
Pflicht  ist.  Diefe  zii  erfiillen,  ist  das  huchstc 
Vergniigen,  iind  fic  vcriiachlafsigcn»  hciist 
feiner  Gliickieligkeit  widerstreben.  Dielt 
moralifchc  Gcfihl  befiehlt  iins  vorziiglich, 
Rtickficht  aiif  das  Wohl  uiiJWch  iinfercr  Nc- 
benmcnfchcn  sunchmeuy  und  den  hoclisteii 
Wcrth  dcm  beyziilegcii,  was  am  gcmein- 
nutzigste:i  ist.  Es  ist  dahcr  wahrcr  Vorthcil 
leinen  cigncii  aiifzuopfcmy  und  das  Beste  an« 
deier  tu  befordern.  Auf  dic(e  Weiie  kann 
man  befriedigcnd  crklarcn,  wanim  wir  im 
hohcn  Grade  dic  Gcnnnungcn  dcsjenigen  bil- 
Isgen»  der  rdbst  fcin  Lebcn  der  Fflicht  mdm 
opfert^  und  warum  ein  jcdcr,  dcr  fich  Regehi 


in  feineni  Verfialten  fesfictzt ,  glcicli  Anfanfrt 

dicfs  2um  liochsfcji  Gcfctic  niachcn  kann; 
feine  Giuckfciigkeit  ia  cicr  £rf<iilung  fcinef 
innern  Verbindlichkeit»  in  der  Befolgang  <lei 

uioralirciica  Gcfiihls  zu  fuciieu» 

Bcy  dicrem  Systeme  ist  zn  nierkcn,  daf< 
der  moralifche  Sinn  nichc  ais  eine  Foigc  von 
der  Gefettgebiing  der  Vemunft»  niche  als  eine 
Wirkung  dcr  dunkcln  odcr  doch  luir  klaren 
Vorstciiung  dcrfelbcn,  fondcrn  ais  fiir  fich 
bestehend»  bloff  aus  dem  Hersen  entiprin» 
gend ,  und  folglich  als  unerklHrbar  angefehen 
wird.    Man  vcrgleicht  ihn  mit  dem  angcbor- 
nen  Gefithie  fur  Schouheit  iind  Schicidich* 
keit,  oder  mit  der  FShigkeit,  die  Bindnicke 
der  aufsern  Sinne  ^aufziuichmcn  und  zu  cm- 
pfindcn,  odcr  nimmt  endlich  cincn  Instiukt 
an»  der  die  angebome  Menfchenliebe  genannfc 
werden  konnte,  itnd  den  Trieb  des  Eigen- 
nutzes  noch  iibcrwiegt.    So  ist  das  morali- 
fche  Gefiihi  inmer  entwedcr  ais  unabhSngig 
▼on  der  Vmunft  angeiehen»  oder  doch  nicht 


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atif  eigentlidie  Gefetie  derfclben  zuriick  ge- 
iiihit  wordea.  *) 

Neiii,  wcMiden  ajidcre  cin,  dic  Moral  ist 
nicht  einem  blinden  Triebe,  wotu  dat  fiiora- 
Itfehe  Gefiuhl  gemacht  wird,  su  uberlaiTeiu 
Sie  hat  ihrcn  Urrprung  in  dcr  Vcrninift.  In 
ihr  steht  deuciich  das  GcfeU  gerchriebca: 
Menrch»  vervollkommne  dieh»  d.  h.  bilde  alle 
deiaeKrifte  imd  FShigkeiteo  aus,  fuche  ihncn 
den  muglichgrofstcu  Umfang  und  dic  raog- 
lichbestc  Richtuog  su  geben»  hierinaea  be* 

•)  So  fetzt  Gellert,  der  einem  rufaminengcreti» 

tcnSysreme  folgt,  dcn  Ausfpruchen  d<rVer<- 
nunft  das  moralifclie  Gcfuhl  als  tweyttn 
Gcfcugcbcr  zur  Scitc  odcr  gar  cntgcgen, 
indem  er  fagt:  „Aufscrdem  Unternclue, 
dcii  uns  dic  N  cmunft  von  unfcrn  Pflitluen 
anbcut,  gicbt  cs  nocli  eine  anderc  Bclchrung, 
dic  uns  das  Herz,  d-.irch  einc  an^vcborn» 
Empfindung  vod  dem  wa$  gut  und  bofo  ist, 
enhetlt;»*  S.  die  iweyte  Vorlefung  uber  die 
Moral  Und  Robinet  fagt :  (  de  la  nature, 
^  341.)  dieTes  Gcfiihl  fey  nnwillkahrlich, 
und  fowohl  von  d«a  Subiilitlten  der  Ver- 
nonft,  als  den  Verfpreehuagco  der  Uigioh, 
gaos  onabbftogig. 


stcht  deine  Wiirdc  uad  deiiie  Gliickfciigkcil. 
Allesdas  alCof  was  entweder  unmittelbaroder 
mittelbar  deine  geistigen  und  k6rperli^:heii 
Kriiftc  erhilt,  starkt,  erweitert  uiid  eih  l\t, 
was  ihre  Anwendung  erieichtert  und  ver- 
nehrty  tu  iitchen  und  cu  thun  ist  Pfiichtt  und 
dicfs  Bcstrebcn ,  iic  zii  crfullcn,  ist  Tugend« 
Uuter  allen  Vcrmcigcn  aber,   wclchc  dcr 
Menfchheit  su  1  hjil  gcworden  (ind,  ist  die 
Vernunl^t  das  vorz^islichste  und  erhabciiste, 
dasjenigc,  was  allen  ubrigcn  Maafs  iind  Rich- 
tiing  bestimmt.   Sie  alfo  lu  horen  luid  un- 
wandethar  tu  hefolgen ,  ist  die  erste  und  el- 
gcntliche  Tugcnd  «nd  in  dcm  Bcwufst(eyn 
(krrelben  bcstcht  die  GlMckfcligkcit  Jos  Wci- 
ien ,  der  erhaben  **ber  alle  VorfUlle  dcs  Le- 
bcns ,  uber  alle  Leiden  die  ihn  drncken  oder 
ihm  bevorstehcn,  cinc  unvcranderlichc  R\;hc 
imcl  eine  unterstorbareZufricdenhcit  behaup* 
tet.   Doch  nicht  nur  ieine  eigene  VoUkom* 
jncnhcit  bcabiichtigt  dcr  Weifc.    Dicfc  ist 
nichteinmal  gedeukbar»  ohne  KMckficht  auf 
VoUkommenheit  ieiner  Mitmenfchcn.  In- 
dcm  cr  auf  das  Beste  dielbr  feine  Krafte  rich- 


tcty  giebt  er  ihuen  allcn  den  Umfang  und 
die  Stark«,  deren  fie  fahig  fmd.  Der  Weiie 
befiSrdlert  alfo  die  Gltickreligkeit  imd  Voll* 

kommcnheit  dcs  Menft  hLai^Llchle^hts ,  fa 
vreit  ;ils  fcMnc  HanclKmgen  nuc  inuuec  £influ(i» 
tuf  dafleibe  haben  koanen. 

Dieis  «ar  entweder  gans  oder  sum  Theil 

das  System  der  Stoiker,  welchcs  in  dcn 
neuern  Zciten  mehr  entwickelt  v7orden  ist» 
und  unttreitig  Vortuge  vor  demjenigen  hat» 
welchef  au£  ein  blofief  Gefubl  gegnindet 
«rird. 

DicfcmSystcmc  der  Vollkommcnheit  steht 
cin  anderes  xur  Scitc^  wclcfaes  auch  auf  Vcr- 
nunft  bentht»  das  Ideal  derlelben  aber  nidit 
in  dcni  Mcnfchen,  rondern  in  Gott  fncht. 
Gchorfam  gegen  diefen  ist  hier  das  obcrste 
Gefets  der  Sittlichkeit  Er  ist  der  natiir- 
liche  und  noth^ndige  Oberherr  des  Men* 
fchcn;  feinen  Befehlen  alfo  zu  gehorchco, 
Ist  Pflicht.  Mit  feinem  Willen  aber  kann 
fieh  nichts  vertragen,  nvas  ieiner  eigenea 
Vollkommeiihcic,  der  Vollkommcnheit  fei* 


—  33   

ner  Gerchopfe,  und  dcn  von  ihm  felbst  be- 
itimmfcii  Vcrlialtiiirieu  derfelbea  xtiwider 
itt.  Ailet,  wat  hiermit  streicet,  follte  ei 
aiich  nochfo  vicl  Niitzcn  gcwahrcn  uJei  Scha- 
dea  briageuy  itt  verwerAich  und  pllichtwi- 
drigy  )i  dem  eigeneii  Vorcheii  det  Meiifchen 
entgegen.  Denit  du  ist  das  hochste  Elend, 
fich  gegen  feinen  Schopfer  auflehncn  und  ilim 
mifsfalleni  weder  in  diefem  noch  iii  dcm  zu« 
kunftigen  Lehen  kann  Glfick(eligkeit  erreicht 
werdcn,  wenn  das  GewilTcn,  wclches  uns  die 
Pflicht  des  Gehoriams  gegen  iiiifcrn  Schiipfer 
gebietety  verletzt  wird«  Hier  ist  nur  ne^ 
benbey  angedeutet  worden ,  daft  in  dem(el- 
ben  auf  die  Unsterblichkeit  dcr  Seele  Kiick* 
ficbt  genommen  ist.  Aliein  fie  ist  ein  Haupt- 
fWBkt  deflelben.  Wurd  auch  die  Hoffnung 
ciner  kiinftigen  Seligkcit  nicht  ausdriicklich 
sum  einxigen  Bcstimroungsgrunde  unferer 
fittlichen  Handlungen  angegeben:  fo  wird 
diefelbe  doeh  immer  mehr  oder  weniger  da- 
bey  wirkfam  gedacht,  und  von  manchen  Phi* 
loibphen,  als  der  vonuglichstc  Antricb  lur 
Tngcttd»  aageielien»  Der  kunfttge  Ziistand 


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Ut  naeh  ihfcn  Ldim  <Ut  hMMe  BeitiiBaniiif 
<iet  Menfthak 

Dide  vier  SyiCeme  nitifiteii  twn  jedes 
cinieln  fir  fioh  dargeiteiit  werden,  fo  wie 
fie  fich  bey  eimeiiieii  Pliiioropheii  findeit 
Sie  aiefien  aher  in  mandien  Stueken  in  ein* 
ander»  iind  werden  daher  aiich  nicht  feJteiif 
mehr  oder  wcniger,  zufanimen  geaoniineny 
un  theiif  das  Weien  der  Sittlichkeit  su  he> 
Mtmnien,  theilt  tur  Erliillunf  der  Micht  tn 
erwecken.  In  allen  ist  dic  c  i  g  e  n  c  GJiick» 
leiigkcitentweder  aittdnidUich  alt  der  lettte 
Gnind  dcr  Tufend  angenonunen,  oder  dodi 
daitir  amtmehinen »  wcnn  maa  our  dcutliche 
Bcgriffe  gcJtcn  iallea  uriii* 

Wcnn  ich,  nach  dem  Epicttfiichett  Itnd 
dem  Htttchdbniichen  Syttcme,  die  Gifidc» 
Ihlifkeit  anderer  helordere,  fo  gefchieht  dicfs 
doch  nur,  wciJ  dicfclbc  ali  Mittcl  zu  mcincr 
ti^nen  angeiehen  wird.  Und  ieibit  in  den 
beyden  «ndem,  vo  man  die  Vollkommenhdt 
ait  hocbstcn  Zweck  der  Tugcod  dantelit, 
C 


—  34  — 

ist  der  letzte  Bestiinmuugsgrund  uniercr  mo* 
raUrchen  HandJungen,  aiir  demNamen,  nicht 

dcr  Sache  nach,  von  dcm  vorhergehcnden 
untcrfchicdcn.  Dcnn  fragtman,  wasistVoll- 
kommenheit  desMeiifcheo»  Co  bekommt  man 
stir  Antwort:  die  Voliendete  Aiisbildung  aller 
feincr  Kraftc  und  FUhigkcitcn ;  fragt  inan 
weiter,  warum  (ie  ausgcbiidct  werdcn  foUen» 
fo  ist  die  Antwort :  weil  iie  £u  allerley  Zwe- 
cken  gttt  find»  oder  wetl  fie  Gltickrcligkeit 
fchaffen;  und  dic  Vernunft  fclbst  wird  als 
das  hochste  Gut  angefehen,  weil  fie  hochst 
giucklich  macht.  F^agt  man:  warum  ibll 
ich  andcrn  Menfchen  dicncn?  fo  wiid  wic- 
der  geantwortct,  weil  ich  dadurch  mcine 
eigne  VoUkommenheitentweder  beweifc  odec 
l>efdrdere,  tmd  folglich  gliicklich  werde. 
Die  Vollkommcnheit  Gottes  wird  femer  ent- 
weder  ausdrucklich  darein  gefctsty  daiser 
^e  moglichgroiste  Gluekfeligkeit  der  Le. 
bcndigcn  wiil ,  und  dazu  die  Welt  cingerich- 
lct  haty  odcr  man  mufs  fie,  wenn  man  etwas 
bestimmtes  dabey  denken  will»  darin  fu« 
ehen»  dafs  er  alle  fiigcnfchaAea  befitiet,  die 


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tu  allen  tnoglicbea  Zwecken  htnreicheii, 
Unter  der  crstcn  Vorausfcczung  ist  die  Nach« 
«bmiuig  feiiier  VoUkommeiihetC,  und  der  Ge> 
hoHam  gegen  feine  Befehle  ttiehtt,  alt  <lie 
inugiichgrofstc  BeforJcrung  der  allgemeinen 
CluclLieUgkeity  wobey  unfere  eigenc  nicht 
nur  mit  interefiirt  iit»  fondeni  auch  ala  An- 
trieb  %ur  BefSrdening  det  Endcweeka  der 
Wcll  geclacht  wirdj  und  unter  der  zweyten 
ist  tuvor  der  Zweck  lu  bestimmen»  den  Gott 
htf  der  Schopfung  der  Welt  und  det  Men* 
fchen  hatte,  ehe  ich  wifTcn  kann,  worin  fein 
Wiile  besteht,  und  was  ich  cu  thun  habe^ 
um  demfelben  nicht  sttwidcr  su  handehi* 
Alles  aber,  wat  man  Heruber  ergnlnden  kann, 
beiicht  (ich  cnlwcJcr  aiif  Ghlckfeligkeit  odcr 
Sittiichkeit.  Sagt  man  nun,  die  ictztcre  fey 
der  Haupttweck  Gottet  mit  dem  Menichen: 
ib  muft  man  doch  wtflen  wat  fie  ist,  ehe 
man  fic  auf  den  Willcu  Gottes  bczieheu  kann» 
Ibnttdrehtman  fich  ineiiiemewigenlCreiie.<*) 

^  Frage  kh   wa?  isc  SictlisKkeic?  fo  ist  dic  Aot* 
wons  Das  Besucbcn  dcm  WiUen  Getim  gt* 


Man  benift  6eh  ithef  «uf  dat  Gewilfai»  wtU 

ches  bcstimmt  genug  anzeige»  was  der  Wille 
Gottet  iey»  tind  (q  kdmoit  nun  auf  daa  mora- 
Itfehe  Geliilil  furuek,  i^eldiet  Befriedigung 
verlangt,  weil  ohne  diefelbe  keine  Ghlckfe* 
ligkeit  Statt  finde,  und  durch  diefelbe  der 
kochtte  Grtd  und  dle  grSfite  Dtuer  derielhcn 
erbtlten  wcrde« 

So  itt  die  eigene  Gludieiigkeit  nadl 
tUen  hither  dargesteUten  Systemen  der  Mk^ 

telpunkty  auf  den  dch  alle  Handlungen,  felbft 
die  liesten,  iiexiehent  und  (6  itt  ieicht  tu  he- 
greifen»  wie  diele  Sytfeme  tUe  lu  einem  eio* 

zigen  gcmacht  werdcn  konnen  ,  das  auf  ver* 
nunfriger  Selbstliebe  bcruht.  Diefe  zu  be« 
friedigen»  ktnn  jemand  frgen»  liiehe  tch  die 
moglichgroitte  Summe  angeneiimer  Empfin* 
dimgen  fur  die  ganie  Dauer  meiner  Existcnz 
in  mir  su  vereinigen,  Tauicod  Freuden  hie* 
ten  fich  mir  von  aUen  Seiten  any  aher  die 

mSis  zu  handcln ,  und  Irigt  tch ;  was  isr 
dcnn  der  Wille  Getlit?  ib  ist  dit  Ancnmt* 
dic  Sialichkcii; 


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MhMtttUea  fiad  femetiiigtidi  die  k&ietlM, 
md  Utkn  nidit  niir  dadurch  eine  gewifle 
^«alende  Leere  lunick,  fondcrn  tiehen  aucJi 
oft  hochft  ichmenhafte  Folgen  nidi  fich. 
B^fde  Uiliel  m  Terneiaen,  muft  iefa  mehr 
«if  dieDauer  als  auf  die  Sfarke  meincr  Lmt 
ichcn-   Bey  diefem  Encfchluiie  ist  et  lOar, 
dalt  «udi  die  rympathetiTdien  Gefiihle,  die 
luit  und  Unhft  bey  dem  Gedanken  an  dic 
Freuden  und  Leiden  andcrer  in  mir  crweckcn, 
nicht  untcrdruckt  wcrdcn  durlen.  Die  Dtuer 
dielcr  Enqpfindungen  erietgt  reidilich,  waf 
leh  an  der  Lebhtftigkeit  dcs  Genufses  ver- 
liete,  fclbtt,  wcnn  ich  grolie  Vortheiie  atif* 
opfisre  oder  aiien  denen  entlage,  die  ich  nur 
mit  Veriettung  der  Gereehtigkcit  erhaltcn 
konnfe.    Das  Bewuisffeyn  Unrccht  gcthan  su 
habcn,  begleitct  mich  durcht  gnnie  Leben» 
mid  ia6t  kainn  die  Mofliehkeit  fibrlg,  fro* 
ken   Muthc   dafTelbe    zu  durchwandcm» 
Schmeralofigkeit  im  phyfifchenibwohi  aJf  im 
aotaliidien  Sinne,  fkf  aiib  meln  enece  Ziel; 
mein  tweytet  Ib  yitA  wirklichen  Gcniifs  ins 
]>ben  xu  bringen,  alf  jcnef  erlaubt  imd  mci- 


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~  38  — 

nc  Kriftt  vertuttcii.  Beyde  Zwecke  fd  er« 
reiehen,  darf  ich  nichc  tinterlalTen  dte  Mictel 

£u  gcbratichcn ,  v/clchc  Natur  uud  Vcrounft 
niir  vorichreibea.  lene  inufi  ich  kennen  und 
dtefer  folgen  lernen.    Diefi  kann  aber  nicht 
anders  gefchchcn,  als  dafs  ich  allc  mcinc 
Krafte  und  Fihigkeicca  zu  cntwickeln  und 
nussubilden  (iiche.   Sollte  mm  aiich  meine 
Mtihe  in  fo  (cfn  iinbelohnt  bleiben ,  alt  ich 
nlcht  unmittelbar  dadurchdicGiiter  erreiche, 
welche  Gefchicklichkeit  iind  Rechtfchatfen* 
lieit  veriprechen:  fo  habe  ich  ichon  Genuft 
gcnug  in  dcr  HofFnung,  incincn  Zweck  lu 
erreicheny  und,  ist  diefe  verfchwunden»  an 
dem  Gefiihle  meinet  Werths.  Geletct  end> 
iich»  diefcf  Gefuhly  fo  feltg  es  macht,  fcy 
3i:cht  iuiucichendy  alle  Leidcn  aufzuwiegeny 
mit  denen  mieh  entweder  die  Natur  oder  die 
Menfchen  belasten :  Ib  glaiibe  ich  einen  Gott 
uikI  'iie  Unstcrblichkcit   dcr   Scele.  Dcn 
VViilea  des  cr&ten  tu  volibringen  war  meia 
fiestreben,  indem  ich  Boles  mied  und  Gutee 
tLat.    Von  ihra  hoffe  ich  iu  dcm  kiinftigen 
Lcben  flic  \  crgcicung  aiicr  Muhfeiigiuiteny 


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diemich  iii  diefandruckten»  tukl  dliel^Hoff- 
aitng  ist  rchon  iefct  Vorgcnufg  fener  Sclig« 
keit,  dic  mcirtcr  \vnrtct,  und  hinrcichciid» 
nnichin  dem  Entfclilulse  iti  ftarken»  Ueber 
allety  felbf t  dai^Leben,  auff uopfern ,  als  wi£^ 
fendich  ciuc  Ungcrcchtigkcit  %u  bcgchcn. 

Iti  dicfer  Vcrbindiing  allcr  SystQmc  kann 
luistrcitig  allcs  iicgcn,  was  dcr  Mcnfch  zu 
fciner  Ruhe  und  zu  icincr  GhickfcJigkeit  be* 
darfy  in  ib  fem  er  Ce\h(k  dani  beyzueragen 
vermag.    Wodiirch  abcr  die  Mciirchen  vcr- 
bunden  iind»  ihre  Giiickfcligkeit  aiif  dicfe 
und  keine  andere  Art  tu  Iticheny  iind  ob 
Pflicht  mitderfclbcii  cntwedcr  nbcrhaiiptotlcr 
doch  fiir  allc  Mcnfchcii  ia  Vcrbindiing  stchc, 
sst  nicht  aniser  allcin  Zweifd  gesteilt.  Im 
Gcgcntheile  ivird  ▼on  nicht  vscnigcn  Mcit- 
fchcn  jcue  Vcrbindlichkcit  als  ciii  lccrcs  Worfc 
betrachtet,  und  dicfcr  Zuiamtneuhang  als 
nichtig  angefehen.   Wie  fie  alib  jeneSysieme 
angreifcn^  wolleu  wir  nunmehro  fchcn. 

In  allem,  fagcn  dicjenigcn,  wclchc  alfgcw 
meinc  PAichtcn  bexweifeluy  ist  Cliickiclig- 


keit  der  Gegenstand  der  Stttliclikeie  tind  die 
letzte  Triebfeder   immer  die  Selbstliebe» 
Atich  Ia6t  fich  Ib  der  Tbat  wedcr  der  eiat 
Boch  dle  anclefe  andlert  beffifnmefi.  Mm 
miifste  ganz.ncu  in  <ler  Welt  feyn,  wenn  maii 
fvihneii  woUte,  <!•(•  die  Menicheii  m  aa* 
demGnliiilen  etnen  andem  Zweck  verlblg* 
ten.    Giebt  tnan  abcr  dtefs  nicht  luir  xii,  fon- 
dern  (licht  man  auch  auf  ilieibB  Gninde  cin 
Syttem  ▼on  Pflichien  tu  hauen,  Ib  widefw 
^nrtcht  man  fichoifenbar,  imd  dieTlufehunf» 
welche  dicrcn  Widerrpnich  cncugt,  lafst  fich 
leicht  fevstrenen.    Wenn  ^n  Pflicht  die 
Rede  itt,  Ib  denht  man  fich  ttnftreltif  eine 
gcvvifTc  Nothwendigkcit»  etwas  zii  thtin  oder 
cu  ialTcnv  und  man  denkt  cbcn  dcsw^gcn  xu* 
gleich»  dafi  kein  Menlch  binlingliche  Grun* 
de  haben  konne»  fieb  von  derlelben  lofs  xu 
machen,  kiirz,  dafs  PAicbt  eine  allgemeine 
Verhindiichkeit  endiaite.  Ihr  follen  fichalle 
Menicben,  in  jedem  Lande,  In  yedem  Stande^ 
in  jcdeia  \'crh'altnirsc,  untertvcrfen.  Nun 
will  man  wiflen,  woTBuf  denn  diefe  Verbind- 
lachkfit  benihe.    Da  lin  aUynBdii  gedacht 


«Nfd»  Ib  mufi  nwi  notliweiidig  itiiii  Gnmdt 
irgeiid  etmt  liiclieii,  dai  dlgeniHii  vorluiii* 

den  iit.  In  diefer  Ruckficht  ist  freylich  die 
Giuckieliikeit  fehr  gefehickt»  mit  derPfUcht 
verbtmden  tu  werden.  AUein  von  eider  «n* 
dern  Seite  find  diefe  beyden  Dinge  fo  iin- 
glcichartig»  dait  et  unbegreiflich  ist»  wie  fie 
kaben  tuiainnien  gesteUt  «erdea  konnem 
Denn  erfdich  itt  es  ganz  fonderbary  Glfick* 
leligkeit  stir  Pflicht  machen  zu  wollen.  Diefe 
febietei^  und  |ene  hort  hm  eben  to  bald  att^ 
alf  fle  geboten  wird  %  und  da  tiberdieit  fchoB 
jeder  Mcnfch  fiir  fich  nach  angenehmen  Em» 
pfindungen  atrebt»  woiu  ein  allgemeiBea  G^ 
bot  dielclbeniuflichen?  Wendet  nan  etwaa 
ein,  dafs  die  Pflicht  gewifie  Vergnugen  vor- 
sugiich  und  einc  gcwiile  Ordoung  unter  den. 
lelbeo  ubcfbaiipt  gebiete:  Ib  iat  die  naturli* 
cbe  Antwort  darauf ,  daft  dielet  Gebot  ganc 
vergehlich  iit,  und  dafs  Streben  nach  Ghlck* 
lUigkcit  uad  Pflicht  lchlechterdinga  aicht  ala 
Gmad  uad  Folge  angeleben  werdea  kSnaeii* 
Es  mag  immer  feyn ,  dafs  ein  finnlichet  Ver- 
gnugea  aicht  Ib  viei  Werth  iiabc»  ala  ein 


gelstigcs ,  dafs  Rtthe  tmd  Ztifnedenhelt  iem 

blcndendsten  Gliicke  und  dcr  bc2,£ubcrnd- 
steu  lM%t  vonttsiehen  iey,  und  dalsy  vscv 
klug  isty  nicht  eine  kune  Freude  mit  lang* 
wicrigen  Lciden  crkar.fc.  Aber  fo  zii  iirthei» 
len,  oder  diefcm  Urthcile  gemafs  zu  handcin, 
kSngt  erttlich  nicht  von  der  Willkuhr  det 
Mcnfchen  ah,  und  zweytcnt  l^fst  dieie  fich 
diurch  kein  Gcbot  zii  angcnchmen  Empfiudiin- 
gen  irgend  einer  berondern  Art  bestiinmen» 
|a  es  tst  widerfinnig,  diefelben  befehlen  ni 
wollen.  Dafs  dicfs  allcs  dcr  Natiir  dcs  Men- 
icben  und  dem  Urtheilc  dcs  gefunden  Ver- 
itandes  gemlfi  ist,  lafst  fich  leicht  zeigeik 

Wie  verfchieden  find  nicht  die  angebor* 
nen  Anlagen  in  verichiedenen  Menlehen!  Iii 

der  zartestcn  Kinclheit  fchon  ist  bcy  dem  ei» 
nen  dic  Spiir  dcs  fcinsteji  Vcrstandes  fichtbar, 
wahrend»  dafs  ein  imderer  in  eben  derfelben 
^tumpffinn  vcrrith.  Hier  fchmtegt  fich  ein 
Kind  lichevoll  an  feine  Muttcr  und  an  alle, 
die  es  felner  Aiifmerkfamkeit  wurdigen;  ein 
fire.iiidUchcr  Blick  ▼on  Ihoen  i«t  ihm  mehr 


werth  als  allc  iibrige  Frcude»  dcren  es  fahig 
2St;  und  dott  fticbt  eui  anderes  alles  zu  er- 
troCteo,  Liebe  feheiiit  (einein  Henen  ireni(l, 
und  Ungcstiiin  fcinc  Liist.  Liistern  fieht  man 
liicr  ein  Kind  nach  iclidnen  und  gliinzendett 
Dingen  streben,  ohne  fieh  durch  grobefeLust 
davon  abbringen  zii  lafTen,  iind  dort  achtet 
ein  anderes  uur  auf  diefe,  ohne  iich  um  jene 
fu  bekummenL  Hier  endlich  fiefat  man  ei* 
nen  Haulen  Kinder  ihre  FroHehkeit  in  mun» 
tere  Bewegungea  ausbrechen  laiTcn,  und  dort 
fitf  t  oder  fchleicht  ean  anderet  einiam  nur 
ikiit  leiner  Verdauung  oder  mtt  ^ielen  be* 
fchaftigt,  dic  fcinem  Phlcgma  angeraeflcn 
find,  SoUcn,  koimca  alle  diefe  verfchiede- 
nen  angehomen  Neigungen  ciner  ond  eben 
derfelben  Regel  unterworfim  ^wrden?  Lifit 
fichs  denken,  dafs  alle  diefe  Kinder  ihrc 
Giuekfeligkeit  in  gleiehe  Dinge  letien»  imd 
avf  einerley  Art  su  entreben  iuchen  ivcrdent 
Die  Unmuglichkeit  davon  vvird  noch  (icht- 
bacer»  wennman  hedcnkt»  wie  verTclLiedea 
dlcLage  der  Menichen  iit»  che  cf  von  ihnca 
abbangt»  welchec  Regel  fk  folgen  wolkn. 


Jene  wurde  fchon  eineu  machtigen  Einfluis 
auf  diefe  liabeii»  wemt  auck  lUe  iiedirlieliea 
Anlagea  dureluas  als  gleich  gecUelif  mrden» 
wie  viel  grofser  mufs  er  aber  nichC  bey  der 
ttistreitigen  Ungleichheit  derielbeti  «erden  l 
Nimme  viiii  nun  nodi  hintUy  dalt  dUe  hfir- 
gerlichen  Verhaltnirse  nicht  einmal  erlaiiben 
jenet  Ideal  von  GluckTcligkeit  tn  verfolgen 
oimI  oft  den  Mann  an  clen  ,Pfluf  lcbmieden» 
den  fein  grofses  Herz  und  fcin  feiner,  viel 
iimfaiTender  Verstand  rur  Regiemng  geibhickt 
maditen»  «ihrend  ilieieibe  von  einem  an* 
dem  verwaltet  wtrl»  der  keinen  Sinn  lur  fei* 
ne  oder  hohe  Freuden  hat ;  ja ,  da(s  es  dem 
Staate  nachtheilig  feyn  wurde»  wenn  der 
Mann,  der  ihm  dureh  grobe  medianifehe  Ar- 
beic  nutxlich  isty  den  feinem  Vergnitgen,  den 
geistigen  Freuden  nacbgienge:  fo  ist  es  au« 
genfeheinlich»  dafe  nicht  nnr  die  fimpfin» 
duttgf  art  einet  iedem  Menfehen  nieht  von  feip 
iierWilikuhr  abhangt,  fbndera»  dafs  auch 
diejentgen»  welche  die  grofete  Gluckfeligkeit 
gewihren  wurde,  nicht  dnmal  algemein  ge< 
^ligc  luid  HQch  wcniger  befriedigt  wird» 


Sigt  man  bleniif  ccwiiv  avioMn  beilelid 

cia  voRi^lidier  Tlidl  aer  Gluckreligkeit 
imii  alfo  auch  der  SittlichkeiC^  diii  nun  fich 
feii61iiie»  mir  iolciie  FjKuden  lu  fudien»  die 
fich  mit  dcr  eignen  Ltge  eincf  jeaen,  mitfei. 
ncn  Umslanden  und  burgerlichen  Verhilt* 
niisen  vertcagen:  Ib  bedentc;^  dieie  For« 
dcnmg  oft  noU  niehtf  anderi/  ale  min 
Iblle  mit  oiFenen  Augen  nicht  fchen  — 
dcon  es  Ccy  nicht  gut  alies  zu  £elien.  So 
ncnig  man  dieit  )e  nmi  GdcCie  maeliea 
kamiy  der  Naehtlieil  lcy  nodi  fo  grofs,  den 
offene  Augen  zutieheny  cben  fo  wenig  kann 
man  Ibrdern»  dafi  irgend  ein  MenlbJi  feint 
cigene  Empfindungiart  aUegey  eine  andere 
dafur  anndime»  und  nach  derrdben  fein  Be- 
tragen  einridite.  Auch  findet  es  jedermami 
Hcherlich  xu  verlangen,  dafi  aiicMenlcfaea 
nn  einer  ond  eben  derfilben  Sache,  gleichen 
Gefallen  finden.  Sie  firy  noch  io  grofs  uod 
fth^n»  fie  gebe  dncr  gennflen  Ciafiie  von 
Menfbfaea  nocfa  Ib  vid  Fiteude»  (a  ea  fiheine 
diefcn  unbegreiflich ,  wie  andere  gefiihlJoa 
dabcy  hiciben  IU>naen:  Ib  nrcrdcn  fie  dodi 


46 


nicht  forderiiy  dafs  jeder  fchiechterdings  Ver* 
gniigeD  dgrui  haben  mulTet  und  ein  Geieti» 
welchef  dalTelbe  gebdte»  wilrde  fiir  die 
groictc  Tyranaey  aogcfchen  werden. 

Giuckreligkcit  bcgehrcn  freyltch  alleMen* 
ichen»  aber  jeder  auf  feine  Art,  fo  wie  alle 
Menichen  Speirc  bcgehren ,  uni  den  Hnnger 
ZTi  stillcn,  abcr  nicht  cineriey  Spei(e  iieben. 
Das  Ellen  an  und  fiir  (ich  sum  Geietf e  lu  ina« 
chen,  ware  thorichti  aber  noch  thorichter 
Tvare  es ,  die  Art  dcr  Spcircii  vorziifchrciben. 
Ist  es  alfo  wahr,  dafs  dic  Pflicht  niir  aiif  die 
moglichgroiste  Gliickfeligkeit  hinweifst:  £a 
iit  fie  etn  leeret  oder  ein  fo  vieifinnigef 
Wort,  als  dic  Ghickfeligkcit  feibst.  Worin 
und  wie  ein  jeder  diefe  fiichen  woile,  nuft 
ihm  und  den  Umstanden,  in  denen  er  fich 
befindet ,  ganzlich  tlberfafTen  werden  ,  iind 
ware  es  moglich,  dais  irgcnd  jcmand  fagte» 
er  fiiche  fie  nicht»  weil  er  fie  doch  oicht  fia* 
dcn  wtlrde,  oder  ein  einriget  lebhaftes  Ver» 
guiigen  fey  laiurc  iangea  Lcidcn  uicht  auizu« 


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opliera:  fo  itt  nicht  absu(eheii»  wie  ieiiie  iti- 
«llvidueUe  Art  ui  haodelii  andert  ^Rwrden 

fcoimey  wenn  feine  Art  dic  Sachcn  zu  fe  h  e  n 
undsu  empfinden,  nicht  geandert  wird. 
So  lange  diefe  bleibt,  iit  es  uinronst  ihm  xu 
verbieten,  darnach  zu  handeln« 

Man  iagt  femer»  einem  |eden  Menichen 

fey  es  ins  Herz  gcpragt  was  Pflicht  ist,  und 
bey  der  Verietzuug  derfelben»  finde  cben  fo 
«enig  Giuckfeligkeit  Stat^  aU  bey  der  unbe- 
friedigren  Begierde  nach  Speife.  —  So  ganr 
mag  es  mit  di'efcr  Vergleichung  feine  Kich- 
tigkeit  wohl  nicht  haben»  fonst  wurde  wohl 
wcder  eine  Pflicht  fe  verlettt,  noch  eine  Er- 
niuntenmj  zur  Erfiilhnig  derfelbcn  fiir  noth- 
vrendig  gehalten  werdcn*  Und  iieht  man 
nicht  eine  liemlich  grofse  Menge  Menfchen, 
wo  nicht  gar  die  mcisten,  lieber  alle  andere 
Neigungen  befriedigen  als  dic  Ncigung  zu 
dem,  was  man  fur  recht  iind  fittlichgut  halt? 
Widerlegt  aberdieErfahrujig  jene  Aligemein* 
iicit  dcs  moraiifchen  Gcfiihis,  woher  weifs 
num  denn,  dafi  es  fich  in  aUenMenichcn 


—  48  — 

olme  Unterichied  befinde?  Wtt  Lmt  eder 

Ualusc  errcgt ,  kann  doch  fonsC  nicht  andert 
«It  in  dec  £r£ihffuiig  gefundtfn  werden.  Abcr 
gefeist,  ct  ley  mk  dcm  moralilehen  GefitUe 
wic  mit  dcm  Gcfiihle  f  ir  Schonheic  und 
Schickiichkeit:  Co  iafsc  fich  auch  nui  dicicr 
Vergleichuttg  darthun,  da6  et  amibtiit  ley, 
Pflichten  ftir  elle  Menfchen  «ufzustellen.  So 
wcnig  man  fich  denkcn  kann,  dais  ungcbil. 
dete  Uand^erker  und  i«ndleute  einen  richtU 
gen  Siiin  fat  Sohonhett  der  Kuntt  und  der 
Natur  algemein  erhdlten  werdcn,  obgleich 
die  Anlagea  dazu  in  ihnen  (eyn  mogens  ib 
ivenig  lemer  dieKunftventiadlgen  lelbft  mtt 
fich  fiber  die  Grundregdn  det  Gcfchmackt 
einig  fiad.*  cben  (6  wenig  ist  fu  crwartcn^ 
dals  aUe  Menlcheq»  ohne  Unccrlchted»  Sinii 
fur  Sittllchkeic  haben  werden,  eben  Ib  wenlg 
ist  Einigkeit  unter  den  PhUorophea  iibcr  dat 
Wefen  der  f  dicht  su  hofek 

Noch  ist  et  nicht  ausgcmacht,  ob  et  nur 
•inen  richtigen  Gefchmack  gebe,  oderob 
iedet  Vdk»  {eder  Maimi  leineii  cigneii 


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ebea  fo  richtig  xu  iiahen  berechtigt  fey,  a)s 
Kunstkeimer  den  ihrigen.  Unii  ielbst 
iinter  dieicn  streitet  man  noch  ubcr  dcn 
Z  w  e  c  k  der  rcliQiien  Ktinste.  Einige  fetzen 
ihn  in  die  Nachahmung  dct  Natur,  und  ver* 
langen  nldits»  ils  Vollkommenheit  der  Dar- 
stclliing;  andcre  ncbmcn  Riickncht  aiif  den 
Stoff  ckr  Bearbeituttgy  fchlielsen  durciuiut 
denjenigen  aus,  der  entweder  Gefiihle  des 
Sdimerzes  crrcgt,  odcr  aiifs  iinmoralirchc 
tiejt,  imd  ^ollcn  nur  VerOnnlichung  littJi- 
eher  EigenTchaften  als  Haufitiiveek  gelteil 
lalfttt.  So  lehwer,  wo  nieht  unmoglieh,  tst 
et»  aus  blofsen  Gcfiihlen  das  allcin  wabre, 
wenn  es  ja  dergleichen  giebt ,  bestinmt  und 
riehtigantugeben!  Und  Ibltie  dieie  Sehwi«. 
rigkcit,  oder  Unmoglichkeit,  dcn  moralifchen 
Sinn  iiicht  cbenfails  trcffeo  l  Hier»  iagt  mao 
£reylichy  find  die  Menichen  durchaus  in  ik- 
jem  Urtheile  einlg.  Aber  diefe  Bchaiiptung 
ist  o£Benbar  irrig.  Zugegcben,  dafs  iibcrali 
wo  eintge  Cultur  ist,  auch  ein  dunkler  aJJge* 
neiaer  Begrif  von  Fflteht  «ngetroiflen  werde^ 
D 


wie  mau  auch  Jcn  voii  ^xhonheit  Huclet :  fo 
ut  doch  die  Anwetidimg  delTeiben  nicht  iibcr- 
al)  gleich*  Hatnian  nicht  ganze  Volker,  ja 
g.inzeZcitaltcr»  durchaw^  von  dcin  abvvciciica 
fehn»  was  man  ietzt  £iir  Pflicht  halt?  War 
nicht  zu  der  Zeit,  als  die  Maeht  der  }>lipstli* 
chen  Hicraichic  lich  ztnn  hochstCn  Gipfcl  cr- 
hob,  alles  das  Pilicht»  was  Cic  gebot,  und 
alles  das  Uurecht,  was  fie  vcrdanimte?  Wnr« 
de  nicht  felbst  Raub  ttnd  Mord,  durch  (jas  fo- 
geuauntc  Bcstc  tler  Kirchc,  gcheiligt?  Und 
noch  ie(xt|  wo  man  iich  freut  iiber  Jene  Ty* 
ranney  der  Meinnngen  geHegt  zu  haben,  mnis 
das  Wohi  des  Staats  fo  manchcs  icchtfcrti- 
gen,  was  man  fonst  mit  dem  Namen  von 
Tretilofigkeit  und  Ungcrechtigkcit  belege» 
Sieht  man  fenier  auf  die  Dcnknngsart  einzel- 
ncr  Menickeu»  fo  ist  cbcufaiis  ufienbar,  dafs 
einige  raanches  sur  Pflicht  machen,  was 
andere»  aJs  folche,  verwerfen$  da/s  bald 
nach  dem  Grunde  dcrfclbcu  gar  nicht  gc- 
fragt»  bald  derieibc  ganz  verichiedeii  an« 
gegeben  wird.  Pflicht  ist  den  Meisten  das, 
was    ihncn  cntwcdcr,  in  dem  RcJigions- 


unterrichte,  oder  von  ikrea  Aekem  tind 

Vcrwandtcn,  alsfolchc  vuigcstelltwordcn  ist; 
und  uicht  feiteu  wird  dahero  die  hochste 
Pflicht  tn  Dinge  jgeSttUf  wo  et  deneo»  die 
nachdenken,  iinbegreiflich  ise,  dafi  nur  ilber* 
haupt  von  Piliclit  dic  Rcde  feyn  kdnne.  Aus 
allem  die(eiii  leuchtet  eiu>  da&  neder  dai 
Streben  nach  Ghlckfeligkelt  uberhaupe,  noch 
das  moralifchc  Ccfuhl  insbefondcrc,  ficher 
sur  Erkenntnils  von  Rccht  und  Unrecht  leite. 
Der  Qrundikts  der  Vollkommenheit,  und  der 
Gedanke  des  Gehorfams  gegen  den  Willen 
Gottes,  koanen  ebeu  fo  wenig  als  allgemeinc 
lichere  Qnellen  von  dem,  was  Pflicht  genennt 
wurd,  angefehen  werden*  Denn  erstent  fiihrC 
der  Begrif  von  VoIIkommcnheit  wicder  auf 
den  von  Gliickfeligkeit  zunick,  und  wie  we- 
nig  dtefer  uber  Sittlichkeit  enticheide»  ist 
hinlanglich  gczeigt  worden.  Zweytens,  ver* 
stiinde  man  unter  Vollkommenheit  vorziig- 
lidi  die  des  Geistes  und  feiner  hdhem  Krafte» 
fo  gdiort  xur  Erretchung  derlelben  ein  Gr«d 
von  geistiger  Thatigkeit,  den  die  gewohn* 
lichenFahigkeiten,  iind  die  Gefch»fcc  des  U- 


—  53  — 

bentf  tiicht  viclen  Menlchcn  erlatiben.  Was 

ciidlich  tlcii  Willcn  Gottes  betrift :  fo  fey  zii- 
gcstandcti ,  dals  c^  natiirlich  und  gcwuhnlich 
isty  einen  GQtt  su  glauben  i  aber  wie  verfchie« 
den  find  die  Vorstelltingen  von  dielem  Wc- 
fen,  wenn  man  auch  nur  die  mannigfaltigcn 
herrfchenden  Religionen  in  Betrachtungtieht! 
Wie  weit  verlchiejener  mtiflen  fie  noch  an- 
genommen  werden,  wenn  man  bcdcnkt,  dafs 
nur  feltcn  bey  denen  Mcufchen,  dic  (ich  zu 
e  i  n  e  r  Religion  bekennen«  detitliche  tmd  volL- 
sCSndigc  BcgrtfFc  von  <iemielben  angetrofiRsii 
wcrdcn!  Und  dcr  Wille  Gottes,  der  auf  (b 
mannigfaltigeWeiie  gedacht  wird»  follte£in« 
heit  und  allgemeineUibereinstimmung  inden 
Begrif  von  Pflicht  bringcn?  Als  Bestiin- 
mungsgrund  aur  Erfullung  deflen»  wat  man 
io  nennt,  mag  er  wohl  t iemlich  allgemeinen 
Einflufs  haben ;  abcr  als  Qiielle  dcr  E  r  k  e  n  n  t» 
nifs  von  dem,  was  dic  Mcnfchcn  zu  thim  und 
m  laifai  haben,  itt  er  noch  weniger  ali  alle 
andere  tu  empfeMen.  Aus  ihr  flofien  die  im- 
gchcuern  I.chrcn,  wclchc  jcdcn  des  Todcs 
fchuldig  erkliirten,  4er  oicht  eioerley  Mci- 


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iiuiifr  ^  Prietcem  uber  Gott  und  feinca 
WUlen  hatte.  Und  iit  es  auch  zu  hoffen» 
dafi  mindeniielben  nie  mehr  £o  miiibniichea 
«erde$  Ib  find  doch  die  Begrille  vcn  Gott 
und  feinen  Willen  noch  ietzt  fo  verfchiedcn, 
dait  die  Pflichten»  die  daraus  Bicfsen  follen, 
keine  iligenieine,  gleiche  Verbtndlichlieit  iSr 
alle  MettTchen  enthalten  konnen,  ielbtt,  ^nn 
mau  nur  auf  das  gegen>«artige  Zeitaltcr  fieht. 
Noch  weniger  itt  fie  gedenkbar»  wenn  nuui 
nuf  die  verlcbiedenen  Vorttellungen  Riick* 
fichtm  111  nu,  die  Hch  die  Menfchen  in  allen 
Zcitcn  von  der  Gottheit  machcen.  Was  fikt 
Eigcnfirkaften  haben  nickt  Romer  und  Grie- 
chen  derielben  «ugelchrieben?  K5nnen,  Ibl- 
len  diefe  auch  ais  Muster  fiir  dic  Menfchen 
«ngeiclien  werdenl  Und  «ird  dieii  niemand 
bebaupten,  Ib  felgt»  dait  jene  Volker  keine 
Pflichcen  hatten ,  wctni  diefe  nur  in  der  Vor« 
•teliung  der  Vollkoinmenheit  GottCf  xu  fu- 
cken  find.  Da  dieie  ihnen  imbekannt  war^ 
fo  konnten  fie  auch  ihrcn  WiiJen  nicht  daf 
nach  bcf  timmcnt 


—  54  — 

Das  Reftileat  diefer  BetracIieungeii  tity  dafi 

Sittlichkeit  Auf  kcinera  festen,  allgemcin  ancr- 
kanntenGrunde  steht,  indem  dieBegrifFe  von 
derfelben  fich  nach  den  Meiniingen  des  Zeit- 
alters,  des  Landcs,  nach  den  Verhaltmllen 
jcdes  Standes,  jedcs  Alters,  iind  endiich»  nach 
den  befondern  natiirlichen  AnUgen  vnd  ct* 
vrorbenen  KenntniiTen  jedes  einzehien  Men« 
fchen  richten ,  und  folgiich  lucht  in  der  un- 
vrandelbaren  Natur  der  Mcnfchheit  liegeu. 
Ersiehung  und  Gefetzgebung  haben  fie  von 
feher  erzeugt  und  cneugcn  fie  noch.  Beyde 
gcwohnen  die  Menfchen  an  cinc  gewiffe  Art, 
iiber  allc  fogenannte  freye  Haudlungen  xu  ur- 
theilen»  und  nach  diefem  Urtheile  ihr  Ver« 
fahren  cinzurichten.    Ist  dic  Erziehung  und 
GefetKgebung  gut :  fo  wird  die  Gewohnheit^ 
init  gewiifen  Handlungen  immer  den  Gedan* 
ken  von  Belohnung  und  Bestrafung,  von  gu» 
ten  und  bofcu  Folgen  lu  verbindcn,  die  Men» 
lchen  gut  und  recht(cha£fen  machcn.  Im 
Grunde  kommt  es  hauptfachlich  auf  das  In» 
fscre  Benehinea  an,  die  innern  Triebfedem 
mogen  (eyn  welche  ile  woilen.  Ailein,  wahc 


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ift  ei  allerdiiigs,  dafs  diefe  um  Co  viel  nebr 

Giitc  habcn,  je  fichcrcr  (ie  zu  allcn  Zciten 
lud  in  allen  Umstanden  xu  dem  bestimmeii» 
,Vfa»  man  fur  fittliehgut  b&lt;  und  daher  iit 
es  gekommen,  clafs  man  dic  Denkiingsart, 
welche  dieie  Uibereinstimnuuig  ailcr  tiand- 
lungen  bewkt*  xiemlich  allgemein  fur  et- 
vfM9  an  fieh  gtitet  hSHt  und  derfelben  den 
bochsteu  Werth  ziircbrcibt» 

DieferGlaube  an  die  UnmogHchkeit  all- 
gemein  giiltige  moraliic  hc  GnmUratzc  aufzu- 
tteilen,  bat  ficb  fehr  weit  verbreitet  und 
herrrcfat  mit  dem  Epicuriichen  Sytteme  nn« 
ter  viclcn  Mcurchcn ,  die  zii  vcrstandig ,  luu 
gar  nicht  zu  deukeii ,  fich  niir  an  dat  halten, 
wat  gewohnlich  gerchtehty  obne  einenGnind 
findcn  zu  konncn,  wornach  das  beurtheilt 
i;vcrdcn  mufs,  wat  gerchehen  foUce.  Auch 
ist  nicbt  su  laugnen»  dait  in  alien  morali- 
ichenSyttemen  vor  demKantilchen,  unaufios- 
barc  Zwcifei  ubrig  biieben,  wclche  leicht  zn 
dem  Gedanken  fiibreit  konnten,  daft  Pfiicht 
our  einen  conveDtionellcn»  nicbt  in  dem  Wcw 


—  $6  — 

icit  te  menfehliclien  Natur  gegrun^etea  Be> 

grif  cnthalte.  Es  ist  unstreitig  ijvahr,  dafi  ef 
eia  Widerrpruch  ist,  SittUchkeit  blofs  von 
dtm  Stieben  nacH  Gluckleligkeit  hcrtuleiten» 
und  dafty  wran  diefe  fttrRichtfehmur  fiir  fene 
genommcn  wird,  keine  einzige  Pflicht  ais 
allgemetn  geltend  aufgestelit  werden  kann; 
et  iit  wahr,  dale,  wenn  dat  fittUche  GefiShl 
fiir  dic  Qiiellc  allgcmciner  Gcfetze  gehaltcn 
und  dicfes  al«  ein  fur  fich  bcf tchcndcr  Tricb 
angefehen  wird,  das  allgemeine  Dafeyn  de^ 
fclben  fchwer  zii  beweifen  ist;  cs  ist  wahr, 
dais  der  Begiif  von  Volikorcmcnheit,  an  uud 
liir  fich»  weder  gel^iickt  iit»  fiiir  alle  Meo- 
fchen  aufier  Zweifel  cu  (etsen,  was  fle  thim 
und  lalTcn  miiffcn ,  wenn  fic  dcr  Pflicht  trcu 
leyn  woUen»  nochy  ohne  dicEinmifchnng  von 
GludUeligkeit,  akhinbnglicheTriebfeder  an. 
gcfchcn  wcrdcn  kanni  cs  ist  endlich  wahr, 
dafi  (chon  bcitimmt  fcyn  muft »  was  Sittlich« 
keit  iit ,  ehe  der  Wille  Gottet  cur  Trieble. 
der  gcinacht  werdcn  kann,  iind  dafs  wir  von 
diefcm  nicht  cinmal  cine  richtige  Vorstcllung 
haben,  ehe  wir  wiflen  wai  die  Pfiicht  gehie- 


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«ci.  Aberani  «lienaiefciiiugegebeiieiiEui. 
wen^ttiigeii  felgt  niche,  dafi  Sitrlichkeit  nicht 
in  der  menrchlichen  Natiir  gegnittdct  isL 
Denn  ihr  Welea  iiegt  dien  da,  ivo  fie  Ib  laa. 
ge  nidit  gefuclit  «urde»  nnd  doeh  illein  zu 
finden  war  —  in  der  reinen  Vemunft.  Diefe 
«ana  aiiein  (chreibt  dat  Sittengefett  vor,  und 
Jieifit  in  G>  ^eme  die  praktilehe  Vemtinft. 

Ehc  diefes  Gefetz  felbst  entwickcit  wird, 
ist  iiicr  noch  cincm  £inwurfe  su  begegnen» 
weleher  der  Aoaahme  det  darauf  gegrunde- 
ten  Systen»  hinderlich  leyn  kunnte^  Wenn 
dalTelbe ,  denkt  vielleicht  manchcr,  vom  An- 
finge  der  Welt  bis  auf  iettige  Zeiten  verbor- 
Ken  gewefen  itt;  fo  fliefit  eben  daraiit  zu- 
gleich  mit,  dafs  keinc  alJgcmcingiiltigen 
Grundriae  in  der  Morai  Statt  gefunden  lia* 
ben,  und  uberhaupt  .Statt  finden  konnen. 
Denn  tn  die  Ticfc,  wovinnen  fic  liegcn  miif- 
fen,  konuen  doch  nur  wcuige  dringen»  und 
Pfiidit  hdrt  auf  tu  feyn»  wat  fie  (eyn  foU» 
wcnn  nur  wenige  fich  einen  richtigefi  Bcgrif 
von  derfelben  machen.  Darauf  ist  nun  fol- 
geodes  tu  antworteo :  £s  tst  ecftiich  ichon  in 


dler  Einleitung  angcdeutet  wordeiiy  claii  cUe 
Erkenntnifi  derPflicht»  an  und  fiSr  fich,  nicht 
fo  fchwer  ist,  als  die  Eiiificht  in  den  Gnind 
derfeiben»  nnd  ea  ivird  im  foJgenden  Ab« 
fchnitt  gexeigt  ^rden,  dafs»  ^venn  die  roeii- 
ten  Menfchen  auch  nicht  vollkommcn  deut- 
licbe  BegrifV^c  von  Ffticht  im  allgcmeinen  ha" 
henp  der  gefunde  Ventand  ihnen  doch  meis- 
tentheils  in  jedem  eincelnen  Falle  bestimmt 
genug  anzeig^t,  worin  fie  besteht,  iind  dafs  da- 
her  ihrUrtheily  ibbald  es  auf  fremde  Uand* 
Itmgen  geht»  ctemlich  einstimmig  ist.  Diefe 
Uibcreinstimnuing  wird  nur  durch  das  Strc 
ben  luch  Giiickfeligkeit  und  durch  die  mau- 
gelhaften  Moraifysteme,  ▼onilglich  bey  de- 
nen  gehindert,  welche  nach  deutlichen  Vor- 
stellungen  strebeny  ohue  fie  zu  crrcichen» 
oder  die  eben  desiMgen  gam  fdfdien»  oh* 
gleich  hellen,  BegrifiRm  folgen.  Fur  diele 
lctitern  ist  cs  alfo  hauptrachlich  nothwendig 
xu  seigcn,  worauf  der  Begrif  vou  Sitdiciikeit 
i>eniht.  Dabey  ist  es,  sweytens,  nicht  su 
laiifjnen,  dafs  auch  der  gefunde  Verstand  in 
i«;;hwicrigcn  FSdlcn  iich  nicht  immer  au  ra-. 


tlieii  weiii  iind  leicht  im  gefiuhrt  wtxden 
kaon»  weim  er  nieht  ausgemachce  tmd  be- 
fltimmte  Gcfctzc  dcr  Vcriiunft  iiir  Richt- 
ichnur  leines  Urcheili»  vor  Augen  hat.  Diefe 
Schwierigkett  vrixd  mm  in  dem  KanHfchen 
Systera  gehoben,  indem  clic  Formchiy  wclchc 
2ur  fieurtheiiuug  aiicr  Sittlichkcit  aufgestellt 
werden»  nichti  weniger  ali  iehwer  su  faiTen 
find.  Man  kann  fie  mit  den  Formeln  der 
Arithmetik  vcrgicichcn,  die,  bis  auf  eincn  gc- 
wiflen  Punkt»  von  jedem  Meniclienangewaiidt 
werden»  ohne»  daft  er  fie  zu  bewei&n»  oder 
far  aus  den  Gcfetxen  des  Verstandes  zii  cnt- 
wickeln  im  Standc  ist.  Diefe  Vcrglcichung 
fuhrt  endlich  noch  auf  einen  andern  Punkt, 
der  nicht  cu  uberiehen  itt.  Ei  giebt  unttrei» 
tig  nicht  wcnig  Rcchenbiicher,  die  cntvreder 
nur  den  nichsten  und  fchief  aiisgedruckten 
oder  gar  einen  ialichen  Gnmd  Ton  den  aul^ 
gestellten  richtigen  Regeln  geben.  So  langc 
man  mir  dic  Jetztcn  befolgt,  ohne  iich  wei. 
ternm  jene  tu  bektimmern»  welches  hiufig 
der  Pall  ist»  weil  fie  oft  dem  gefiinden  Ver« 
•tande  von  folbst  einleuchteud  fciieinen:  fo 


iit  auch  das  Verfabren  beyni  Rechnen  rich* 
ttg.  Begnugt  man  fich  aber  damit  nichtt  (o 
kami  cler  fchlecht  ausgedriickce,  o^er  aicht 
allgemein  palTendc  Griind,  leicht  aiif  Sitze 
ieicen,  <lie  su  gans  £iirchen  Rechnungen  fiih- 
fcn.  Eben  fi»  iit  es  mit  clen  MoridQrttemen. 
Die  VoHehrtlten  die  daratfi  abgeleitet  wer- 
den«  (ind  in  fchr  vielen  Fillen  richtig,  un- 
temimmt  man  ea  aber  auf  dieQrihtdc  luntck 
tu  gehen  tmd  ielbat  Regeht  darauf  su  bauen: 
fo  gerath  maii  ebcn  fo  oft  in  cia  Lab^riiuh, 
aus  dem  luan  iich  fchwer  au  helfen  wei(a. 
In  allctt  findct  fich  etwas  mehr  odcr  wetiigcr 
wahres ,  nachdcm  die  Gefetsc  der  Vcmunft 
dem  Geistc  ihrer  Urhcber,  mchr  odcr  weni- 
ger  vorfchwebtcn;  in  allen  findet  fich  aber 
auch  etwas  fiilfdtcs  odcr  ttnbcstimmtesy  tmd 
in  diefer  Riickfieht  kann  man  fagen  y  allc  die 
angefiihrten  Syiteme  stintmcn  mit  dcm,  wel- 
ckcs  nuf  reine  Ventunfit  gegriindct  ist,  tibcr* 
ein,  und  alle  widcriprechea  demielbcn.  KeU 
nes  darf  dierem  dcn  enten  Platz  streitig  ma> 
cfacn»  abcr  keiitci  ist  uitfihig  irgcnd  cinca 
Flats  ttntcr  dcnielben  «i  erhalteii» 


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Urtieih  Jer^meimn  V$mmift  Uhr  dm 
Uirtb  dir  Li^gc  Uterhaupt^  und 
d$r  mmfchUchm  HmMaigcn 
inskcfindcrc. 

nan  Unterfiiehtiiigeii  iiifCellty  wel- 

che  Aii^elcgeiiheiten  des  gemeincnLcbens  be* 
trefei;  fo  tst  et  aothitfeiMUfy  cUe  Vontelliiii- 
fen»  die  fich  dmuf  betielien»  nient  wenigs. 
tcns,  fo  zu  nehmen,  wie  fic  dcrgcmcine  Vcr- 
stand  gefafsc  hat.  Und  dieis  itm  ib  viei  mehry 
je  «usgebreiteter  fie  find,  und  {e  grolser  dUe 
Ausdehnung  ist,  welche  Jene  Angelcgcnheiten 
habcn.  Dsfs  bcydes  der  Fall  vontiglich  bcy 
der  Frage  iiber  gut  und  boie»  Tugend  und 
Lasterist»  fiUt  bey  dem  ersienAnblick  in  die 
Augen.  Sie  betrift  die  alJgemcine  Handhmgs- 
weife  a  11  e  r  Mcnfchcn.  Was  istnatiirlicber» 
als  hierbey  die  Urtheile  der  gemeinea  Ver- 
nunft  lu  tUthe  lu  liehen?  Ef  ist  hier  nicht 
wie  mit  einer  Wincafchaft,  die  nuc  das  £i. 


—  6a  — 

genthitm  weniger  vorzuglicher  Kopfe  isf» 
tind  die  bisitir  bewtiiidrungswnrdigstciiUohe 
gediehen  feyn  ktnn »  ohnet  dafi  der  gemeine 
Verstand  dicfelbe  zu  fairen,  odcr  niir  die 
Gnindbegriffe  davon  anfiigeben  vermag.  — 
Ei  ist  hier  die  Rede  von  einer  Sache  die  alie 
Perfonen,  ohue  Untcrfchied  dcr  Fahigkeiteny 
angehc,  iind  die,  was  noch  mehr  ist,  fogleich 
«itlhort  das  %u  (eyn,  was  fie  feyn  Mi,  vtenA 
lie  ntchty  ihrem  Welen  nachy  in  der  gemein- 
sten  wie  iu  dcr  hochsten  Vernunft  licgt,  und 
von  dcrfclben»  fobald  (ie  nur  eitiigermaisen 
cntwickeit  ist,  anerlcannt  wird«  *) 

Wir  wollen  alfi>  (eheiiy  was»  nachdem  ge- 

wohnlichcn  Urtheile  dcrMenfchen^  gut,  wiiu- 

*^  Einige  Entwickelung  der  Denkkraft  mufs  im- 
mer  vorher  gehen.  Dicfs  widerfpricht  aber 
nicht  der  Allgeineinheit,  welche  dcrSittlich- 
keit  zugefchnebcn  wird.  Es  gicl^t  Volker 
die  nur  bis  drey  zahlen.  Dtraus  wird  abei 
wohl  nicBiand  folgem ,  daft  Tanfcnd  nkhts 
witfclkhas  angebe,  nnd  daft  die  M6glichkeit 
des  ZlUens  Qbcr  drey,  nicfat  ip  don  fdlge- 
mtinmi  YciBtande  li^ 


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fcheiii-  iind  achtungiwerth  ist$  was  fur  B«« 
griffe  fie  von  freyen  Han^ungen  und  voii 

PflKliten  haben,  und  wie  fic  fich  das  Verhalt- 
niis  (icc  Sittlichkeit  lur  GliickicUgkeit  denken. 

Hicrbey  miifs  tnan  aber  uicht  fowohl  das 
Urtheil  in  Betrachtung  xiehen»  das  fie  in  ihp 
ren  eignen  Handlungen  aiisclrucken»  ocler 
fich  iii  cin7.clnen  Fallen  auf  ihren  cignen  Zu- 
scand  beueht»  alsauf  das,  welches  fic  uberdie 
Handliingen  apderer  fSUlen»  oderfiiir  ihre 
eignen  von  andern  fiirchten.  Denn  dadurch 
wird  uus,  theils  cine  grofsere  Menge  voii  Ur- 
theilen,  theils  mehr  Uopartheylichkcit  in 
dcnrelben  gegeben.  Der  Kreis  eigner  Hand« 
luiiijcn  ist  fehr  eingefchrUnkt  gcgen  dcn,  wel- 
chcn  dicBeurthoilung  zu  ihrem  Gebiete  raacht 
und  uher  alle  bekannte  Zeiten  und  Linder 
erstreckt.  So  gern  uberdieis  federmann  fich 
fclbst  richten  njag :  fo  /wcifclhaft  fcheint  ge- 
netniglich  aiidern  der  Ausfpnich,  den  etn 
)eder  uber  feine  eigne  Handlungsweifi»  thut. 
Aile  Mcnfchen  denken,  dafs  fich  Parthcylich- 
kcAt  in  dcmfelben  zeigeii  kuune,  und  dafs. 


—  64  — 

«rer  fich  deritlben  nicht  fchuldig  macheo 
wolle,  fciii  etgnet  Urtheil  dem  aJJgemeinen 
imterwerfen  mulle.  Hierdiireliwird  hinfcing- 
Hch  angezcigt»  dafs  Begierde  und  Leidcn- 
ichaft  den  Punkc  verriiclien  konne»  euf  weU 
efaem  clie  Handlungen  su  becnehien  find,  und 

r 

darsdieMcnrcheti  nurgar  tu  vielHang  haben, 
(ich  mehc  vfic  (innliche,  als  wic  vcrniiiiftige 
Wefen  entuielien*  Wili  man  alfo  wiflen,  wie 
der  gemeitttte  Vertland  den  Werth  derDinge 

fchatzt:  io  iuviis  man  fich  zn  dic  Ausfpriiche 
der  Mcnlchen  halten»  welche  Och  catwedcc 
nicht  unmittelbar  auf  fie  lelbtc  besiehen» 
oder  Tvelche  fie  offmtlidi  ni  thun»  fich  ge- 
trauen* 

Wenn  maa  nun  alJet  wat  die  Menicheii 
ieiiStfen»  mit  einem  Blicke  «i  ilbeHchatiea 

strebt:  fo  Hndet  man,  dafs  fie  gewiffc  Dinge 
inn  ihrer  felbsty  andere  blofs  um  ihres  Ge- 
braucht  wtllen»  icfaitsen,  dafi  fie  xwar  in 
Abficht  der  Bettimmtmg  det  Werthi  derfel. 
l>en  fehr  verfchieden  denkca  und  fiihlcn,  dafs 
fie  aber  einttimmig  eine  gewilTe  Denk-  imd 
Handlungtweiie,  dat  wat  man  fictlicfae  Gute, 


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guien  Charakter  nemic»  uber  «Uei  (chltzeiL 

Was  nicht  atis  dierem  fliefse,  oder  6ch  we* 
ntgstens  mit  ihm  vereinigen  laift»  du  ist  in 
abicm  Aufen  nicht  mibediagt  gut»  uodiviiidl 
nicht  felten  der  Vertehtung»  odcr  gar  der 
Verabrcheuuog  Preii  gegeben. 

Vergnugen»  Ziifriedenheit  mit  (einem  Zti 
stande,  Gerundheit,  Leben  find  Gegenstande 
det  Wunichef  und  Strebena  ailerMenicfaen  «-» 
find»  den  Anlcliein  nacb»  ^m»  hSchtte^  dat 
einzigc  Ziel  aller  Mt*ih  und  Sorgen  des  grofs- 
tenTheiJf  derfelben.  £s  gicbt  fogar  nicht 
«enig  Menl^ben»  die  geradeiu  behauptcn»  ct 
gebe  kein  anderci  Ziel.  VoA  doch  urtheilen 
ielbft  diefe  durchaus  anderf,  fobald  ihre 
eigoe  Dcnk-  und  Handiungfweiie  bcy  Scite 
gefetit,  und  Ton  den  AUgeneincn  cuf  do» 
selne  Falle  ubergegangen  wird. 

Wer  bloff  fein  Vergnugen  fucht,  ohne  auf 
dic  Leiden  xu  achtetty  die  er  dadurch  andern 
vcnirfiicbt,  fvcr  ct  woU  gar  in  dem  Sehadcn 
undocr  taOd,  wlrd  vcradiiet  odcr  gdia6t, 
B 


Ufid  er  felbst  wird  nur  noch  abichctilicher» 
wenn  er  nit  diirren  Worfen  behauptet,  dais 

der  Menfch  kcin  hoherss  CicKtz,  als  feiiiVcr- 
gniigen  kenne.  Auch  wird  nicht  leicht  fcibst 
eitt  verdorbner  Menfch  diefen  Grundiktt  als 
den  leinigen  atifst<fUcn.  So  gewdhnlich  es  ist 
zufageii:  jcder  fcy  (ich  fcih<>t  dcr  nachstc:  fo 
Dviirde  doch  jeder»  der  diefs  fagt,  es  fehr 
iibel  nchmeny  wenn  man  icine  Aenlsening  in 
ilircm  gatrzcn  moglichcji  Umfangc  verstehcn 
woiite.  Eine  gcwifTc  EinrcUranlLung  foll  mau 
immer  dazu  denken.  Wenn  cwey  Perfbnen 
z.  B.  um  einen  imd  eben  denlelben  Vorziig 
iich  bcmuhuy  der  ihucn  cin  Ichhaftcs  Vcr- 
gnugen  machen  wurde,  nnd  fie  tati(end  Mit- 
te!  anwendeny  denlelben  su  erhalten:  Co  wer- 
den  vielleicht  beydc  fagen,  ciii  jcJcr  fcy  ficii 
fclbst  dcr  nichste.  Wollte  man  diefs  aber 
dahin  deitten,  dafi  fie  es  fur  erlaubt  hielten» 
jedes  Mittel  su  gebrauchen,  das  fic  nnr  im- 
mer  zum  Zwcck  fiihren  konnte:  fo  wiirdett 
fie  gewiis  dagegen  auf  das  starJute  fich  er* 
heben*  Gebrauchten  fie  auch  wirklich  aJle 
inugU<  li?  verwcrflichc  Kunstgriffc,  inachtcn 


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lie  gegcnleitig  ihre  Reehdchafeilitit»  ibie 

Gefchicklichkcit  verdachtig:  fo  wiirden  fie 
doch  aimmermehr  Vcrraumdung  uad  An- 
ichwSiiiiiig  unter  die  Waffien  geretxt  wiilen 
wollen,  clerea  fie  fieh  bedient  hatten»  um 
den  Sieg  davon  zu  tragen.  Und  fo  wie 
hier  jene  Regel»  felbft  nach  den  Wiileit 
deier,  die  fie  tiir  Richtichiitir  ihrct  Verhal- 
ten$  machen,  niir  unter  gewiflcn  Einfchran- 
kungen  geitea  foil  :  fo  ist  Cf  uberhaupt  mit 
allen  Regeln»  die  fieh  nur  auf  eignea  Ver« 
gniigen  der  Menfchen  besiehen.  Handeln 
inogen  viele  wohl  fo,  alf  ob  es  das  eiazige 
tmd  bdchfte  Ziel  wire»  nach  dem  fie  wa  ftre- 
ben  hStten;  aber  eingettehn  wird  ef»  ohne 
alle  Einfchrankung,  keincr,  wenn  cr  nicht 
auch  da  f  zu  feiaem  Vergnugcn  lecbnety  waa 
andern  Freude  nachtt 

Oieie  Einichrinkuiig  if  t  aucfa  daim  niehl 
su  TOgeflen»  wenn  et  au£  etwaa  mehr»  ali 

auf  voriibergchende  Freuden  ankommt,  weim 
von  der  ganzen  Summe  der  angenehmen  £m* 
pfittdung»  die  man  mit  demNanen  derGJuck- 


—  68  — 

ieligkeit  bexelchnety  xnenn  von  eincr  blei- 
bendeii  allgenKiiiea  Zufriedeiilieit  die  Rede 
iie.  So  grofi  dieMenge  der  Dinge  ift,  wo 
Cf  eincm  jcden  felbst  uj^erlafTcn  werdeii  mufs, 
ob  er  fie  iiif  Gebiet  ieiner  GluclLrciigkeit  lic- 
hen,  ob  er  atif  die  Erreidiung  der&iben  let* 
ne  Zufriedenheit  (etien  wolle  oder  nicht:  fo 
ittdoch  cin  Funkt  nicht  xu  verkenucn ,  den 
maii»  bey  alJer  Biliigkeit  gcgen  die  verlcbie* 
denen  Neig  iiiigen  der  Menfcben,  doeb  nie 
ihrer  Wiilkiihr  iiberlaflen  wird.  Man  for- 
dertvon  ibnetty  ohne  Unterlciiied,  da6  fie 
alle  diefenigen  untefdnleken»  die  nur  durch 
Krinkungen  und  Beeintrachtigungcn  der 
Recbte  andercr  bcfricdigt  werden  kdniicn. 
la,  flian  behauptet  fi>gar  •iemlich  aligemeiii» 
dafs  Gliickreligkeit  nieht  einmal  da  Statt  fin- 
den  konne,  wo  man  (le  auf  Kosten  der  Recht- 
fehafienheit  xu  befordem  fiiche.  Ob  die6 
ein  Autlprueh  der  Vemunft  £ey ,  ob  fich  ket* 
nc  Ausnahmcn  finden,  ob  nicht,  untcr  gewif- 
fim  UmftSUiden,  Menichen  bey  aller  ihrcr 
UngerechtiglEeit  doeh  einet  bohen  Gradt  von 
/.ufncHcuheit  f^hig  feyn,  ist,  bey  der  Un- 


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darehdringlichkcit  des  mcnfchiichcn  Hcrzcnt 
und  nach  gewiflen  £rfahningen  su  urtfaeilen» 
freyllcli  wohl  eine  noeh  unatufenMchceSache. 
Auch  giebe  cs  grofieMenfchcnkcnucr,  welche 
behaupten,  dafs  mancher  B6£ewicht  in  dem 
Genuif  det  WohUebent  von  ieincm  GewUlen 
nicht  im  allcrgcringsten  beumnihigt  ^venle* 
Abcr  fo  vid  ist  gewifs,  dafs  nach  dcm  gc- 
meinen  UrthciJe  der  Menfchen»  keiu  vcrnunf- 
tlget  Welett  Wohlgefallen  an  einem  Iblchen 
ungettorten  Wohlbefinden  haben  kann*  Wo 
kein  Zug  von  iittlicherGiitc  ist,  da  wunfchea 
wlr  aocb  nicht  GiucUeiigkeit.  Dae(e  mit 
Verbredien  und  Latter  vereimgt  lu  lehen, 
ist  der  wtdrigste  Anblick  fiir  jcden,  der  nicht 
feibst  die  Vemunft  zur  blofsco  Skiavin  der 
Sinnlichkeit  nuicht.   Oder  wird  et  ctwa  alt 
glelchgultig  angefehcn,  ob  der  Gufe  oder  der 
Bofc  das  Ziel  feincr  Abnchten  erreiche  ?  Ob 
Verdientt  oder  Luderiichkeitdarbel  ObGe- 
reditlgkeit  oder  Ungerechtigkeit  fiegel  Ob 
Tugcnd  dic  Strafc  dcs  Lastcrs,   und  dicfes 
den  Lohn  dcr  Tugcnd  erhaitcl  —  Wohi- 
befinden  flrurde  untCreitig  imm^  auf  einer 


Scite  bcfordert  werden.  Dicfes  allcin  kana 
es  alfo  nicht  fcyii ,  vjgs  den  ersten  Anipruch 
aiif  unfera  Beyfall  hat« 

Wir  haben  bis  ietztGhlckreligkcit  in  Vcr- 
bandung  mit  Laster  tmdVerbrecheiiy  be« 
trachtee.  letzt  wollen  wir  von  dte(en  )ene 
zwar  abfoudcrn,  aber  fic  doch  nicht  iuVerei- 
nigungiiiitTugead  und  edlenXhaten  «i« 
&inmen  denken.  Viellcicht  konnte  6e  dami 
cher  das  ciniigc  Ziel  racnfchlichcr  Wiinfchc 
gcnannt  wcrden;  vicllcicht  fchrcibt  uns  die 
Vemunftkeine  andem  Geletxe  vor,  als  die, 
welehe  fichaufGliickreligkeit  besiehen»  wenn 
(ic  niir  nicht  zuin  offcnbaren  Nachthcile  lui- 
irer  Mitmcnfchcn  gefucht  und  erworbenwird* 
Man  denke  lich  alfo  einen  Mann,  der  kei« 
nem  Menfehen  Unrechty  aber  auch  fur  kei^ 
ncn  et\t7as  thut;  der,  im  Schoofse  dcs  Gh'icks, 
keines  Menlchen  unbesablte  Dienste  verlangt, 
aber  aiich  keinem  dergleichen  leistet;  der 
nie  fcin  Wort  bricht ,  ahcr  cs  auch  nic  giebt^ 
wenn  er  nicht  fcjnes  cigncn  Vortheiis  dabey 
gei^ils  isl ,  kurz»  der  lich  lcibst  sum  Mittek 


pufikte  aller  (einer-Hiitdluiigeii  inackt ,  iiiid 
ftm  Geld»  wie  fein  Anlehn,  ntir  fiir  fich  ge* 

braiicht,  aber  allcs,  was  (Ich  awf  fcm  WohI« 
befinden  besieht»  fo  giit  xu  bercchtien  weifiy 
dafi  er  bis  in  (ein  ipatcsces  Altcr  eiiier  vollen 
Geriindheit  uud  Zufricdenheit  gcnicfst :  w  ird 
feine  Handhingsvi>'cire  gebilligct,  iind  fciii 
Wohlbefinden  ali  dic  gercchtc  Folge  deriel- 
ben  angereheii  werden  ?  wird  lemand  lant 
gestcheny  da(s  er  fo  cin  Maiin  feyn  iiiochtc? 
leh  denke,  die  Antworten  auf  dicfe  Fragen 
werden  allgeinein  verneinend  (eyn»  iind  da« 
her  bcwcifen,  dafs,  nach  cincm  allgcmeinen 
AtisfpnichCy  dieZufriedenheic  mit  uufermZu- 
stande  in  keinem  FaUe  das  hochste  Gut  fcy, 
Aachdem  wir  alicin  zii  strcben  htibcu. 

Es  g  i  e  b  t  alfo  eine  gewiireGemuthsbe(chaf* 

fci)heit,  dic  noch  huhcr  als  dic  Ztifriodcjihcit 
zu  fchatzen  ist,  und  der  wir  Vcrgnugcii  und 
Wohlbefinden  aiifopfern  konnen,  ohne  Tadei 
befurehten  zu  dtirfen.  Die(s  ist  (b  wahr,  dais 
felbst  Lcben  und  Gcfundhcit,  Giitcry  oline 
welche  alle  iibrigen  liir  nichts  tu  achten  (iiiii. 


keijien  iinbedingtcn  Werth  haaen»  und  iinter 
gewiflca  Umctajulea  dahia  gegcben  vtct6ea 
oiiifleB.  Ttef  veradifet  wird  der  SoUkU  ^ 
es  freywillig  ist,  und  doch,  um  den  Tod 
oder  den  Wundea  ni  entgeha»  dem  Feindc 
deo  Rtickea  kehrts  uad»  wena  man  dieWahl 
liit  Ewifchen  einem  falfchen  Zeugnifs  fiim 
Verderben  cines  noch  fo  imbedeutenden  Man- 
aet,  und  iwiTchea  Lcben  und  GdimdhciC: 
Ib  ist  niemand,  der  nicht  wenigitent  denjeni- 
gen  hoher  fchatzc»  welcher  das  erttc  verwei- 
gert»  «It  den»  welchcr  fich  dasu  vertteht* 
Settt  nuo  der  geraeine  Verttand  lchoa  die* 
jenigcn  Dinge,  die  wir  um  ihrer  felbst  willen 
bcgchrcn»  nicht  fo  hoch  an»  als  He  beym 
ertlea  Aahlick  ericheiaea»  fi»  wird  es  aoch 
mehr  d  iejenigen  tiefleu  y  dte  aur  alt  Mittel 
zu  jenen  anzufehen  find.    Wcnn  man  in  un- 
lcrm  Zeitalter  die  ibgeaaaatea  Glticktgutcr: 
Macht,  Reichthum  uad  Ehre  alt  nichttwurw 
dige  Dinge  vcrfchreyen,  und  fich  in  Abficht 
ihrer  Nichtigkeit  aiif  dat  gewohnJiche  Ur- 
theil  der  Menlchea  besiehea  woUte:  fo  wur- 
de  man  cbcn  fo  viel  Thorheit  als  Unwiifen* 


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Iieie  verrathen.  Diefe  Giiter  fiod  xu  tllea 
Zeiten  6u  Ziei  der  meiiten  Medchea  gewe^ 
fen,  dte  ef  xii  eneiehen  nur  einige  Hofinung 
Juteen.  Aiich  gestehe  es  jedermann  frey,  dafs 
cr  fie  Ittr  nirldiche  Gucer  anfieht,  die  in 
nehr  alt  einer  Becrachtung ,  vorxugliehen 
We^th  haben.  Allein,  iinbedingt  ise  diefer 
Wcrth  ib  nenig»  difs  lelbst  diejenigen,  die 
ihn  «irklich  uber  allet  letxen,  nicht  den 
Schein  davon  habcn  woUen.  Nicht  Iciche 
wird  et  irgend  eioem  gleicbgulcig  ieyn»  wie 
inan  von  dem  Mittel  denkt»  wodurch  cr  fie 
erningen  bat,  oder  ron  den  Abfichten,  woxu 
er  dc  gebraiiche.  Wenn  aiich  nicht  immer 
Verdienste  den  Befitx  derieiben  bey  demjeni> 
gen  rechtlertigen  follen»  der  fie  ieibtt  er- 
warb,  fo  roll  doch  der  Gnind  davon  nie  eine 
That  leyn,  diemanverwerflich  finden  iLonnte, 
Und  find  fie  nun  ofaibar  dureh  Zu£ill  er- 
lange  worden,  fo  wird  man  wenigstens  nicht 
xugcben  wollen ,  dafs  fic  gemifsbraiicht  wcr« 
den;  oder  ci  ibll  der  Zufidl  fidbtt  fie  dem 
Wtirdlgen  ertlieilt  habem  Man  fehe  in  den 
ietiigcn  fo  gcmcia  gcwordenen  Kampf  des 


—  74  — 

hicU  gegen  diejenigeti,  welche  feine  Vor- 

rechte  als  ungcgriindpt  anfehn,  wie  (ehr  er 
felbsty  uikI  leiuc  Schutzrcdner  ihrc  Krafte 
aufbieten,  um  su  zeigen,  dais  der  Unter^ 
fcbiecl  cler  StSnde  mtch  einen  Unterfchied  der 
Einfichtcn  uadTiigcnden  bcgninde,  und  dafs, 
wie  nicht  undeutlich  in  verstehen  gcgeben 
tvird,  mit  dcr  Hoheit  derStandeauch  die  Ho« 
heitdcrTugcnden  fallc.  Zu  folchcn  Behaup- 
tungen  wtirde  man  feine  ZuHucht  wohl  nicht 
nehmen»  nvenn  man  nicht  fuhite,  dafs  nach 
dcm  Urtheilc  aller  Menfchcn  jene  Gh1cksgu« 
tcr,  wcit  cntfcrnt  cincn  unbcdingtcn  Wcrth 
xu  haben»  vielmebr  in  den  HSndco  unwiirdi» 
ger  Beiitzer,  fiir  dieie  fowohl  alt  fur  die 
Wclt,  zu  wahrcn  Uibchi  wcrdcn  konneu. 
Diefs  ist  nicht  weniger  dcr  Fall  bey  dcn  Ga- 
ben  des  Geistet.  Gut  und  wiinichenswerth 
fnid  unstrcitig  in  mancher  Riickficht  Vcr- 
stand»  Witz,  ScharfHnn  u.  f  w.  ailein  auch 
iiber  ihren  Werth  entfcheidet  erst  der  Ge- 
brauch.  Dienen  (ie  der  Bosheit,  fo  werden 
fic  f  lbst  bofc  gcnannt,  und  kein  Menfch 
vtiKd  jc  laut  erkl&ren,  dafs  er  fie  fclbst  dann 


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2U  bcfitzen  wiinfche,  wenii  cr  auch  genothigt 
ieyniblhe,  fie  auf  <iie  KrSUikuog»  cxler  gar 
VeHerben  ieioer  Mitmenfcheii  xu  rieh- 
ten.    la  noch  mchr !  je  starker  fich  jcne  Gei- 
stetgaben  bey  bofen  Unternehtniingeu  zeigen, 
detto  abliclieiaiicher  finden  war  dUefe.  Wenn 
ein  Meuchelmorder  alle  Maaiiregeb  genoin. 
mcn,  alle  Anstaltcn  getroffeu  hat,  theils  um 
6in  Opfer  nicht  tu  verfehieu »  theils  um  nn* 
cntdeckt  zu  bleiben:  wte  viel  strafbarer  fin* 
detmannicht  feincThat,  als  wenn  fie  von 
einemeingc^cHranktenMcnfchcn  veriibt  wor* 
den  wSre»  der  Ibeinen  uberlegten  Pian  daxu 
entwnrfe,  iind  ebcn  deswegen  ein  Opfer  der 
Gerechtigkeit  fast  eben  fo  gcfchwini  wiirdi.*, 
ais  der  utigiiickiiche  Gegenstand  feiner  That 
ein  O^kt  feiner  Bosheit  geworden  war.  An 
diefcm  Bcyfpiele  kcinnen  wir  zugleich  fehen, 
«rie  das  Urtheii  der  Menfchcu»  ieibst  iib^r 
Eigenlchaften  ausfalle»  die  man  m  den  Tii- 
genden  xu  rechnen  pflegt,  und  die  in  gewiA 
ler  Riickiicht  auch  dicfea  Namen  verdieneii. 
Muth,  EntichioiTonheit,  BeharriichlLeit  im 
Vorfatze  gehoren  unstxdtig  f ur  Aiisftihruog 


76 


jener  uberlcgtenThat;  werwird  Heabcr  hier 
der  Achdingwertbfindeiil  Wai  fiir  herrlicfae 
Cigenlehafceii  fiml  nieht  femer  MSfilgiing  ia 
Bcgierden,  Sclbstbcherrfchiing ,  Wohlthatig- 
keit  uod  Menrchedliebei  Und  gleichwohl 
ma&  auch  hier  die  Hochlchitiinig»  die  fie 
nit  Recht  vcrdienen ,  cingcfchrankt  wcrden. 
Auch  halt  (ic  kcin  Menfch  fiir  etwas  rcblccht- 
hin  Gutet»  ibbeld  er  aur  «if  den  Mifibiitich 
nufineifclani  gcmacht  wifd,  dcm  fie  unler- 
worfcn  find. 

Wer  bcy  dcr  Mafsigung  und  Sclbstbcherr- 
fchung  nur  eine  einzigc  Ausnahme  uiacht, 
der  kann  nock  ein  Boiewicht  ieyn»  und  dat 
kalte  Blut»  nit  dem  er  alt  Iblcher  handelt, 
die  undiirchdringlichc  Dccke,  dic  er  liher 
leine  Abfichten  und  Thaten  verbreitet,  na- 
chen  ihn  tn  unlem  Aiigen  nieht  nur  gefthr- 
lichcr,  fondern  auch  noch  abfchculichcr, 
sum  bofca  Geiste  in  menfchJicher  Gestalt. 

liebenswurdag  und  alJgemein  gefchattt 
iit  dat  Beitreben»  dem  fo  mannigfaltigeii 

Elende,  welches  die  MenTchen  druckt,  abni- 


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hclfeo :  allein  der  Unterfchied,  welchen  maii 
iclioii  imgeiiieiiienLebeii  swilcheiiiclaer  und 
CiUeher  WohldiStigkeit  madit,  seigc  hin. 
lauglich.  dafs  (le  einer  hohern  Leitung  be- 
d«rf.  Itt  fie  nur  Temperanientitugeiicl»  eiae 
Folge  Ton  larten  oder  vieimelir  lchwachen 
Nerven,  fucht  (ie  nur  gegenwanige  Leiden 
«buiheUctt ,  um  dcn  Anblick  des  lammera  «i 
«eliren»  ohne  die  QyeUe  deHelben  su  ver* 
itopfen ,  ift  fie  endlich  mehr  atif  Atntelhtng 
phyfifcher  als  moraiifchcr  Uibel  gerichtee, 
iind  vermdurt  fie  wohl  gar  diele»  wahrend  fie 
fene  vermindert:  fo  wird  diefar  Wohltfaitif • 
kcit  entweder  ein  nur  fehr  geringer  Werth 
xugeCchrieben»  odcr  wohi  gar  aller  Aniprucli 
«uf  Hochlehlttuog  abge^rocfaen.  Sdbit  der 
Verachtung  kann  He,  unter  gewi(!en  Umstin- 
den>  nicht  entgehen.  Man  denke  fich  eine 
ganfe  tahlreiche  Familie  in  den  gidftten  lam^ 
mer»  von  der  H5he  dei  Gliicka  in  die  tteftte 
Armuth  gestfirzt,  von  alien  Menfchen  verlaC* 
fen»  durch  Kummer  und  Krankheit  in  die 
Unmdglicfakeit  veHettt,  fich  nur  die  entea 
Bedurlniflc  des  Lebens  zu  verlblufien!  —  fis 


—  78  — 

kotnme  nun  ein  Mioa,  der  dem  Elendc  Auf 
einfiul  fteucrt»  verlinge  aber  tiim  Lohn  CeU 
ner  HOife  clie  UnTehaM  eines  aufblilhenden 
Madchens,  und  mache  fie  wirklich  zum  Opfer 
ieiner  LutCe  wird  ibn  fein  Wohlcbun  ge« 
gen  die  allgemeine  Vertcbtung  ichiitsen? 
Wird  cr  ihr  felbst  danii  cntgehcn,  wenn  cr 
nacb  der  StiUung  feiuer  Bcgierden  fortfahrt, 
nlcht  nur  das  gemiisbrauchte  Gefchdp^  ibn- 
dem  die  ganxe  Familie  im  Wohlttande  cu  er« 
balteii,  und  ihn  fogar,  fo  weit  diefs  nttr  dem 
Reicbthum  und  der  Gewalc  moglich  itt,  iur 
ihr  gantet  Leben  xu  ficbem?  Giebt  et  Men^ 
fchcn,  die  m  ihrer  Vernunft ,  oder  vielmchr 
in  ibrer  leidigen  Dcak-  und  Handlmigsweife 
}ene  Verachtung  nicht  gegcundet  finden:  ib 
frage  man  einen  feden  unter  ibnen,  ob  er, 
wcnu  cr  fcibst  der  Mann  ware  von  dcm  die 
Rede  itty  wohl  gem  feben»  oder  nur  tuge- 
ben  wiirde,  dafi  man  die  Geichichte  ofient- 
lich  bekannt  mache,  und  die  Stimme  des 
Fublikumt  dariiber  hore  ?  Dieis  wird  wohl 
keiner  woUen.  Und  fo  ist  et  denn  wahr, 
dafs,  nach  dcm  IJrtbeile  der  gemeinen  Ver* 


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attnft,  jener  WoblthSctgkeit  oieht  dcr  «Uer* 
gcriiigstc  Werth  ubrig  blcibt.  Eben  fo  kann 
iie  ihrem  Vcrdammiingsiirthcile  nicht  cnt- 
gehen,  ivenn  fie  einen  Verbrecher  hegt,  und 
der  gereehten  Strafe  entsieht.  Auch  hiev 
wird  fie  fclbst  zum  Vcrgehen» 

Die  Wohlthatigkeit  ist,  wie  wir  gerchen 
habcn,  hauptrachlich  daiw  nicht  mchr  als 
etwat  Gutes  tu  betrachten»  wenn  fie  nehr 
denLeiden  einerPerfon  abiuhelfen,  ala  die 
iittlichen  Eigenfchaftcn  dcrrelben  zu  b^for- 
dem  fucht.  Aber  aMch  dic  MenichenUebe»  die 
iii  ihrem  weitem  Umfiuige  diefe  mit  befalit» 
und  dieielben  mit  Kraft  und  Nachdnick  aut- 
tubreiten  fucht,  ist  tiicht  unbedingt  lobcns- 
wurdig.  So  grofi  und  gottlieh  der  Menich 
erleheinty  der  in  leinen  Worten  und  Thaten 
nicht  nur  d«s  aurscrc  Wohl,  fonJcrn  aucb 
dte  Tugend  dcr  Meiifcheu  tu  ieinem  Uaupt' 
fwecke  macht,  und  rastlot  ni  befordem 
fltrebt:  fo  finkt  erdoch  augcnblicklich  von 
ieiuer  Hohe  hcrab,  fobald  cr  zur  I- rreichung 
ieiaei  groften  Zweckf  jedei  Mittel»  ohnc 


—  80  — 

Uaterfchiecl,  dienlichfindet»  oderwirklichge- 
bnttcht  MenTcheiigluck  iit  «im  ib  maimig* 
laltigenBettanddieileii  iiifiutiiiieiigefi^t»  dait, 
wer  fich  herausnimmt,  es  durch  gewaltthati' 
ge  Mittel     erzielen ,  hochst  walirlcheiiilich 
snebr  Weh  ala  Wohl  verbieiCen  wicd.  Ei 
«firde  allb  daducch  der  Entsweck  vMAlt 
Allein  nicht  blofs  deswcgeu,  fondern  haiipt- 
ftchlich  um  der  Gefinnung  willen»  die  foiche 
Mittel  billigen  kdnnte,  wkd  diefe  Menfi^hen. 
liebe  als    venverflich   angefehen  werden. 
Kein  Menfch  der  nur  fu  einigen  Gefiihi  iei- 
aer  Kraft  gekommen  itt»  will  fich  ala  ein  un* 
mundigef  Kind  adehen  lafleny  daa  tur  Be- 
fdrdenmg  feincs  eigenen  Besteu,  fo  lange  die 
Vemachiiifigung  defleiben  nicht  Nachtheii 
lur  andere  eficugt,  dureh  die  Rutlie  ange* 
trieben  werden  mufle.   Und  (elbst  das  Kind 
ichon  macht  bey  den  Strafen ,  die  man  ihm 
tttferlegt,  einen  Unterfi:liied  swii^en  den 
Neigiingen,  die  gewaltfiunerweile  einge^ 
rchriiikt  werden  muITen ,  und  denen,  die  fei- 
ner  Willkuhr  tu  uberiaflen  find.   Daft  ei  ar« 
betten  lemea  mufle^  kana  ihin  leicht  fi>  deut* 


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lieh  feoiaelit  ynrien^  daft  et  Notfaweii* 

digkeit  davon,  imJ,  wcim  fcius  Trighcif, 
oder  Ccin  Spieltrieb»  der  Arbeit  widerstrebtv 
die  Billigkeit  des  Zwanges  luhlt»  den  man 
leitten  Neigungeii  anthiiii  tmiit  \  daft  et  aher 
voniiglich  fich  xu  der  Arbeit  gefchickt  ina- 
ehen  mti0ef  «rovoii»  tiach  deii  Einfichten  dcs 
Vatert,  ihm  eintt  in  der  hurgerlichen  Gefell- 
fchaft  die  tneisrcn  Vorthcile  ervvachrcn  wcr- 
dcn,  wozu  cs  aber  weder  Ncigung  noch  Fabig- 
heit  hat»  und  daft  es  dafU  geinviiiigeii  wer- 
den  konnes  dieft  wird  ihm  lchwer  einnnre- 
den  feyn ,  und  dic  vatcrlichc  Licbe ,  aus  dcr 
^iieStt  Zwang  fiielst»  wird  ihm  in  elnem  lehr 
ftweideutigen  Uchte  erlcheinen.  Ftihlte  et 
lie  nicht  von  mehrerem  andem  Setten  wirk- 
lich  wohJthatig,  cs  wiirde  fie  fogar  vcrab- 
icheoen.  Und  diels  wird  in  der  That  be/ 
erwachfenen  Menlehen  grofttentkeilt  der  Fall 
fcyn  p  wenn  Menfchenliebe  He  nothigen  wili, 
auf  eiae  andcre  Art  gliicklich  xu  ieyn,  aJs 
fie  ct  woUeo.  Sobald  dcijenige»  welcher 
wohlthunwill»  gewilTe  Rechie  krinkt«  atif 
F 


—  8a  — 

die  kciii  MiuiTcb  fo  leicht  Verzicht  thiit;  ib 
verfcherzt  er  die  Acbtiiiig,  die  leine  Abfich* 

tcu  roiisc  ciiiiiufsen  wiirdca. 

Der  Bekebningscifcr  des  niittlem  Zeit- 

altcrs  war,  in  ciner  gcwiiTcn  Riickncht,  ein 
iobcuswurcliges  Bcstreben.  Voraus  gefetxt, 
dais  «venigstens  einigeder  dainaligen  Priester, 
folltcn  neaiich  niir  eincn  fchr  gcringcn  Theil 
aiisgemacht  haben ,  von  der  Licbc  zu  ihren 
Mitmenfcben  befeeit,  diefelben  zum  Befits 
iind  Gcniifs  von  dem*  was  fie  (elbst  fiir  dat 
h6chstcG'.it  hielten,  zii  brnigcn  fuchtcn:  was 
konute  achtungswilrdiger  als  dcr  Eifcr  indie- 
fem  Bestreben  feyn?  Er  betraf  nichts  gerin- 
geres  a!s  Ruhe  und  Zuiriedenbelf  in  dieter 
Wclt,  und  ewige  Gliickfcligkeit  in  der  kiinf- 
tigen.  Uiid  doch  wird  diefcr  Eifer  immer 
«enigcr  geacbtet,  imd  fogar  dem  Abieheu 
Preis  gcgcben.  Man  dcnkc  dabcy  nicht,  dafs 
diefcr  Abfcheu  blof:»  ciaher  cntstehe,  weil  man 
Unvernunfc  andieStelie  der  Vernunft 
ietzen  vrollte.  Wenn  der  Fall  aitch  iimge- 
kehrt  warc;  fo  wiirde  die  an  und  fitr  fich 


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wrlrefliche  AbficHt,  doeh  nie  gewalttlilfige 

Mittel  rechtfcrtigcn.    lii  diefem  Falle  konntc 
cs  indefliBU  noch  fcheineu ,  als  ob  das  Bescre* 
ben,  die  Giuckieiigkeit  anderer  xu  t>ef6r- 
dern,  nur  deswegen  nicht  rechrer  Art  fey» 
weii  im  Grunde  vieJoietir  Elcnd  als  Wohl  her- 
vorfcbncht  werde.    Ein  enderet  Beyfpiel 
wird  lehreny  dafi  die  blofie  Hervorbringung 
dcs  Lctztcrn,  dic  aiisgcbrcitcstc  Menfchcn- 
liel>e>  nicht  jedes  Vcrfalurcn  derfelbcn  recht- 
lertige.  Gefetf t  «ifo,  nan  reilse  durch  ollbu 
baren  Raub ,  oder  durch  listigen  Betnig,  die 
ScbiUe  cinesMannes  an  iich,  dcr  iie  imgc- 
nutit  in  feinem  Kasten  verichiieisty  «ird 
«rohl  diefeHandlimg  gebilligt  werden,  lelbiC^ 
wenn  man  taiifcnd  Elende,  dic  (ich  des  Huu- 
gerk  ktum  erwehren  ikdnueu,  dadurch  auf 
einmal  in  einen»  iiir  lie  iilier  alle  Erwarttwg 
gehenden,  Wohlstand  verfctite,  wcnn  man 
ibgar  die  geraiibtcn  Schatzc  als  Mittel  ge- 
brauehtey  diefe  Menichen  lamt  ihrer  xahlrei- 
chen  Nachkommenlchalt,  siv  Tugend  tu  bil- 
den?  Gleichwohl  wird  durch  jene  Handhing 
Giiickieligkeit  undTugcud  befiirdcrt»  gleidi- 


—  S4  — 

wuhl  ist ,  wcnii  cs  mir  aiif  dic  Bcrccliiuiiig 
aageiichincL*  Einptinduiigen  ankotumt,  dcr 
Verdniit  dei  Reicheiiy  der  noch  vnh  inehr 
bchalfcn  mag,  atf  maii  ihm  ratibte,  in  Ver« 
gleichung  niit  dea  unz^hlig  gutcn  Folgeii,  die 
atit  dem  Raube  entftehn,  fiir  nichtt  tu  ach> 
ten.  So  kann  man  die  Folgen  einer  Hand- 
hing  als  hochst  wiinrchctibwiirdig  anfehen» 
und  die  Haudlung  ielbst  doch  verwerBich 
finden»  ob  fie  gteich  um  der  guten  Folgen 
wiileu  unternominen  und  ausgcfiihrt  wurde. 

Dieie  tetxtern  Bcyfpicle  veigen,  daft  naeh 
dcm  Ausfpriichc  dcr  gcmeincii  Vcrniinft, 
felbst  in  den  Eigenfchaftea»  welchc  dcn  (itt- 
lichguten  Charakter  ausmachen,  gletchiam 
eine  Rangordnung  Statt  finde,  nnd  daft  dte 
obente  Stelle  derjenigen  gebiihrc,  wclchc 
man  Glnrechtigk^t  nennt.  Diefe  Tugend 
wird  f u  feder  Zeit  nnd  unter  atleii  Umstin- 
den,  achtungswerth  gefimden.  Sie  erhalc 
awar  wenig  Lobfpriiche,  aber  biofs  deswegen» 
weil  fie  ats  durchaus  nothwendtg  gefordert 
wird und  dcsto  griiiser  ist  dic  Strcnge  uiit 


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—  85  — 

der  maii  dit  Gegenthcil  derTelbe!!  (adclt.  c») 
Wcr  atiflfer  ihr  aHct  bcf^rsc,  was  gut,  wiiii- 
fchciis-iind  achtjingsvvcrth  ist,  dcr  wird  doch 
flie  die  Welt  uberredcn  koiineiiy  noch  wollcny 
dafi  er  der  Gcrechtigkcie,  als  cincr  Klcinig- 
kcit,  nicht  bcdiirfe.    Sic  miid  im  Gcgcntheil 
nach  dcoi  Urthcilc  dcr  gcmeinstcn  Veraunff, 
den  Erwcrb  und  den  Gebraiieh  der  Ghlcks* 
giitcr  bcstiiniucii ,  dic  Gabcn  dcs  Geistes  lei- 
ten»  und  allc  Eigeufchafteu  des  Tempcra- 
mcnti  und  det  Hertent  regieren.    Wat  fiir 
Mtihe  geben  fich  nicht  iclbst  dic  Machtigstcn 
dcr  Erde^  die  (ich  libcr  jcdcs  Gefctz  iu  ihreii 
HandJtingen  wirklich  wegictien,  um  der 

^^)  Als  Tiigcnd  bezicht  fich  Gerechtigkcic  nicht 
fluf  d:is  was  man  foidcrt,  fondern  aiifdat 
was  nian  1  c  i  s  t  c  r    tn  dcr  crsrcn  Bcziehung 
fic  allcrdings  dcm  Mifsbrauchc  unrcrwor- 
fen  ;  da  fctzt  man  ihr  auch  dic  Billigl<cit 
cnrwcdcr  entgcgcn,  odcr  zur  Sciic,  als  noth- 
uendigc  Gefihrtin.    Wcnn  mdn  abcr  in  dcr 
zweyccn    Bczichung    dic  Bcrcitwilligkeit 
neinr,  eincm  jcUen  ?.u  kistcn  was  uian  ihm 
fchuldig  i$t:  fo  verlicrt  dic  Gcrccluigkcit 
hey  dcm  gcringscen  Yergtofs  foglcich  ibrc 
Ntcur  und  ihttn  Namai. 


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Wele  gUttben  tufnacheii»  jdaff  bey  ibreniioeli 
to  widerrechtllchen  Uncemehmtmgen  docfa 

Gerfchtigkeit  Statt  6ii<ie.  Wenn  Cic  aiich 
als  Bewegangsgrund  lu  ahren  gewaltiamen 
Untemehmnngen  mit  anluhren »  dafi  fie  da* 
diirch  fowohl  dencn,  die  ihre  Untcrtlianeii 
werdcn,  als  denen,  welchen  fie  dierelben  eut- 
liehen»  eine  wahre  Wohlthat  erzeigen:  (6 
nimmt  doch  die  Gerechtigkeit  smmer  die 
erste  Stelle  ein,  foJlte  fic  auch  nur  in  der 
entfemtesten  Beziehimg  mit  der  Handlmig 
stehen»  die  gerechtfertigt  werden  mula» 

Diefe  erste  Eigenfchaft  des  iittlichen  Cha^ 
rakters  wird  zwar  gemeiniglich  nur  in  dem 
Verfahrcn  gcdacht,  das  wir  gegen  anderc  be<. 
obachten  folien.  Weim  aber  aiich  der  Name 
ielten  da  gebraucht  wird,  wo  iinlre  Hand- 
lungswcife  fich  auf  unfere  eigncn  Rechte  be- 
zieht,  und  hierin  die  Gcrechtigkeit  fchon 
deswegen  nicht  streng  gefordertwerdenkann, 
weiJ  nur  wenige  von  der  Art  (mi,  dafi  fie 
nicht  aufgcgeben  wcrdcn  durfcn:  fo  gicbt  cs 
doch  Falle»  wo  die(elbe  auch  gegeo  uns  iclbst 


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iteobachtetf  iind  dem  Wohltlum  durchaiis 
vorgesogen  wetdeii  miiif»  Wer  der  Gliick* 
ieligkeic  tnderer  viel  Opfer  darbringt ,  wird 
2war  im  allgemeineti  fiir  edel  gchaltcii,  und 
iit  ct  «uch»  wean  er  es  nicht  aus  Eitelkeit 
thut,  oder  aadere  Nebenabfichten  hat.  Wer 
aber,  aus  Ncigung  zu  cinerPcrfon,  ihrallcs 
was  er  hat,  aufopfert»  uud  feiu  Vergnugeu 
nur  darin  fecit,  thre  Wunfche  xu  befriedi* 
gen,  verft5ist  wider  die  Gerechtigkeit,  die 
cr  fich  felbst  fchuldig  ist,  wcnn  er  (ich  nuthi- 
ge  Bediirfniise  dadiirch  entsiehty  luid  |eneff 
Beribn  entbehrliche  verlchaft»  oder»  wenn 
er  fich  gar  in  den  driickendstcn  Mangcl  ver- 
{etitp  wahrend  (ievon  fcineuGutemfchwelgt* 
Auch  erregt  ein  foiches  Verfiduen  gewifs  all- 
gemeinen  Unwillcn.    Ist  der(elbe  von  dem 
Mifsfallen  an  andcrn  unnttlichcn  Handlungcu 
verichieden:  £o  kdmmt  dieft  daher»  weil  die 
Grenienfo  imbestiramt  find,  innerhalb  wel- 
chcn  Wohlthun  eingefchrankt  werden  mufs, 
wetm  es  nicht  surUngerechtigkcit  gegeu  uns 
werden  ibll,  Hienu  kommt  noch»  dais  eben 
dic  Sclbstlicbc^  wclchc  Uugcrcchtigkeit  gc« 


—  88  — 

gen  ao^m  eneugt,  deHclben  gerade  entge- 
gen  su  wirken  feheint,  wenn  wir  itngeredit 
gegen  iins  felbst  find.   Nur  al?  cin  Thor  er» 
fcheiut  uns  alfo  derjenige»  der  um  anderer 
willen  iieh  {elbst  vergiftt   Diefe  wirl^liciie 
oder  anfcheinende  Vergefrcnheit  leiner  lelhstt 
hort  abcr  fogleich  auf,  in  unfern  Augei| 
Thorheit  tu  feyn,  fobald  fie  etiie  Folge  der 
littlichguten  Denkungsart  tu  leyn  ieheint. 
Wcuu  unfer  Wohlstand  fich  mit  dcm  cincs 
andemmchtvertrSgtt  wenn  ibgar  feinoder 
unier  Leben  hingegeben  werden  muls»  und 
auf  bcyden  Seitcn  die  Umslande  ganz  glcieh 
gedacht  werden :  fo  (adelt  niemand  dcn«  weU 
eher  Wohlstand  oderLcben  lum  Besten  eiaei 
andcm  aufopfert*   Man  findet  ihn  Ibgar  ach- 
timgswiirdig,  wenn  cr  fcin  Gliick  und  fein 
Leben  niebt  anders,  als  durch  eine  Handlung 
nhalten  kami »  die  der  Reefatlchifeiheit  ni* 
widcr  ist* 

Wenn  wir  nun  alle  diele  Urtheile  uber 

dcn  Wcrth  defTcn  was  gik,  wiinfchcns-  und 
achtungswerth  ist»  sui«mDen  faitea:  Ib  er< 


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fieht  fich  daraiis,  da(s  alicf,  wa&  fich  auC 
CiockTeligkeit  bexieht,  vrenii  w  et  gleich 
■oeh  Co  fehr  begehren,  doeh,  tUein  genom. 
men  .  nicht  dcn  hochstcn ,  nicht  iinbedingteit 
Werchhati  dafi  viele  Dinge,  ielbft  Eigen» 
&iiaftea  det  GeMte%  niir  unter  Vorauiletcung 
dncs  wiirdigcn  Gebraiichs  derfclben,  wfiu- 
ichenswerth  Cmdi  daft  der  fittlichgute  Cht« 
cakter  allein  den Werth mallenGutem  uncl 
Eigenfehafien  bettininir,  dafs  imtcr  deii  Tu- 
gcnden ,  welche  diefen  Charakter  ausmachcny 
4ie  Gerechtigkeit  cUe  ertte  Steiie  einnininit^ 
^fi  ct  Iblglicb,  bey  Beiirtbeilung  unferer 
Deukungsart  nicht  auf  die  guten  Folgen  der- 
Selben»  (bndern  auf  fie  reibtt  ankdmniti  und 
dafi  fie,  wenn  fle  gut  Itt»  an  und  lur  fich  dei^ 
hochsten  Wcrth  hat,  und  ihr  allcin  das  hc* 
wiefeii  wird ,  was  man  Achtung  nennt*  Da 
auf  deo  letzten  Punkt«  alt  auf  dcs  Grund 
aller  Sittlichkelt,  Ib  yiel  ankominty  Ib  vlrd 
et  nicht  ubcrfluifig  fcyn,  dabey  ngch  etwaa 
itt  verweiiea. 

AUe  Mcnfdien  fragen  nebr  odcr  wenittt 
bcy  Handiuugen  von  Bedeutuog,  fic  inogeA 


—  90  — 

gtite  odcr  bofe  Folgen  haben,  iiach  dea 
Triebtedern,  welcfae  dabey  «irkten»  und  be- 
itimmen  hatipt(ac1ilich  nachdieien^nWerth 
von  jenen.  Sclbst  dicjcnigen,  wclche  cntwe- 
der  §n  keine  Sictlichkeit  zugeben  ocicr  die- 
felbe  nur  in  den  Wirktingen  einer  gewii&n 
2iifal]igcn  Denkungsart  fuchen,  vergcffcn  bcy 
der  Beurtheiiung  frcmder  Uandluugeny  iiir 
System  alle  Augenblicke.  Wer  aus  Stols,  atit 
Eigennutz  fchadet  oder  ntitzt,  ^ird  gcwifo 
tnit  andern  Augen  angefehea,  als  «rcr  wider 
feinen  WiUen  fchadet,  oder  ans  wirklichen 
WohlwoU^n  dient.  Und  fi>Ute  vrader  der 
cinc  noch  dcr  andcre  das  Gluck  irgend  eines 
Mcitfchen  fclir  storcn  odcr  bcfurdcrn:  fo  ist 
doch  gcwifs  das  Urtheil  iiber  beyde  gans  ver- 
fchiedcn.  Auch  wird  daflelbe  nichtetwa  blois 
gcfallty  V7cnn  cs  fich  glcichfam  aufdringt; 
fondeni  es  fcheiiit  aUen  denkenden  Menlchen 
Bedtirfnift  tn  feyn»  iinmer  naeh  den  Bewe- 
giingsgiiindcn  diefcs  odcr  jcnes  Vcrfahrens  zii 
ipilren.  Sie  beweifen  hierin  ciuen  Scharf- 
blick,  der  fo  allgemein  lcines  gleichen  nur 
dann  findct,  wetm  cs  auf  dcu  Erweib  odcr 


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die  Erhaltung  von  Glucktgutern  inkoinmt 
Dat  Innre  de§  Menichen  xu  erferichen»  mufi 

alfo  ziemlich  allgemein,  thcils  als  eine  wich- 
tige  Angelegenheit  angefehen»  theila  ala  eine 
iblche  mit^er  betriebenwerden.  Forlchen 
wir  mm  nach  den  Refultaten  aller  Urtheile 
uber  die  Triebfedem  zu  Handlungen ,  x9cU 
che  ala  fittlichgut  angelehen  werden  foUen: 
lo  iit  eratlieh  tu  bemerfceny  da6  bey  allen 
denea ,  welche  aus  der  VorsteHung  von  An- 
aehmlichkeit  oderUnannehmlichkeitent^rin- 
gen  konnen»  und  ibnit  ala  erlaubt  angeieheii 
werden ,  vou  einem  fittlichen  Werthe  derfel- 
ben  £af  t  nie  die  Rede  ist,  und  dafs  die  Unter* 
fiichung  uber  denfelben  erat  dann  eintriti^ 
ipenn  Handlungen  der  Sdbatliebe  wider%re> 
dieui  oder  doch  zu  wideripccchcn  fcbeiueo, 

Dafi  ^  Maim  ein  fiflendieh  anvertrautea 

Gtit  ohne  Schwierigkeit  zuriick  giebt,  fcheint 
ib  fehr  in  der  Ordniing  der  Dinge  lu  ieyn> 
dafi  kainn  ein  Wort  daruber  mlobren  vML 

Dic  blorsc  Sorgc  fiir  fcinen  guten  Nameii^ 
odcr  dic  Furcht  voc  dcm  Zwaoge  der  Obrig- 


—  9^  — 

keit,  Jen  cr  crfahren  wiirJe,  vpenii  cr  die 
Ziinickgabe  vcrweigerte,  werJcn  als  hiulaiig- 
liche  BctCinimungigriiiide  tu  der(elben  aiige» 
ieheti,  und  ei  wird  gar  nicht  gefragt,  ob  er 
Cic  aus  GcrechtigkeitsJiebe  geleistct  h;ibe  oder 
nichc,  weil  keine  Spur  vorhauden  ist,  auf 
der  man  die  eigentltcheTriehleder  entdeeken 
konnte.   Wenn  abcr  cine  anrchnliche  Summe 
Geld«  ohne  einet  andcm  Menichen  Wiileii^ 
▼on  einem  Manne  anvertraut  worden  «irc» 
der  durch  feinen  glcich  darauf  erfolgten  Tod 
dcnjentgen,  der  es  erhalten  hatte,  von  alier 
iuisem  Verantivordichkeit»  ieibit  von  aUcr 
Fnrcht  vor  derielhen  heficeytei  wenn  die  Er* 
ben  dci  Vcrstorbenen  in  guten  Vermogens> 
umftjindcn  und  ohne  alle  Vermuthung  einct 
Iblchen  Depofitmni  y^ltatn  iind  doch  der  Inn« 
haber  delTelhen»  obgleich  arm,  nicht  nur 
nicht  «JeuBcfitz  des  anvertrauten  Gutt,  fon- 
dem  nicht  einmal  denNutscn  davon  auf  eini- 
ge  Zeit  fich  lueignete:  dann  \fird  die  Frage 
uber  den  moralifchen  Wcrth  der  Handlung 
aufgeworfcn  werden.   Eben  dicfelbe  lindet 
femeiniglich  Statt»  wenn  auf  irgend  eine 


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Weiie  dUi  Wohl  eiaef  oder  mehrerer  Mea* 
fchen  diirch  Aulbpfening  von  hctdchdadien 

Vortheilen,  durch  grofsen  Aufwand  von  Zeit 
und  Krafccn ,  oder  gar  mit  numcherley  Ge* 
£Uiren  befordert  wordcn  iit. 

Ju  iblchen  FHlen  nun  itt  et  unverkennbar» 
dafi  die  Menlchen  lchlechlerdingi  keine  an- 

dre  Tricbfeder  zulaflen,  alf  die  innere  Gilte 
der  Handlung  lelbst.  Sobald  vorausgeretzt 
nird,  dafi  fie  um  irgend  einea  Vortheilt  wtl- 
len,  lur  den  Handelnden  gethan  wiirde:  fo 
i$t  der  moralifche  Werth  dcrfelben  fo  gut  alt 
Temichtet.  £r  hat  ei  auf  Eitelkeit  gethan, 
cr  will  fich  ntir  grofi»  geltend,  elnen  Nanen 
machen,  heifst  cs  nicht  felten,  wenn  man 
Handlungeo,  £ntwurfen,  Einrichtungen  ir- 
gend  etnet  Mannet  das  Verdienit  entitehen 
will,  daf  denfelben  «nkonnien  wtlrde,  fobald 
nian  anuahme,  dafs  er  keine  andre  Abiicht 
gehabt  habe ,  alf  daf  Gute  «u  be£5Hem ,  um 
des  Cjuten  willen.  Ef  itt  lein  eignen  Vor» 
thcil ,  fagt  man  ein  anJermal ,  wcnn  eigeat* 
lich  der  Vortbeii  einet  andem  hat  bewickt 


Werdten  ibllen.  Und  Iblehe  Aeulseruiigcn 
iniifren  in  der  That  von  grofsem  Gewichte 
feyn.  Denn  fie  reiien  die  Empfindiicbkeit 
deflen»  den  fie  trefien,  in  keinem  geringen 
Crade.  Daher  die  hSufigen  Klagen  uber  die 
Bosheit  der  Menfchen,  welche  den  besten 
Handlungen  fchlechte  Bewegungtgriinde  un* 
lerlegen.  Kdnnte  «ber  wohl  )ene  Enpfind- 
liehkeie ,  konnten  diefe  Klagen  Statt  finden, 
liefs  fich  das  geringste  dabey  denken»  wenn 
aieh  dem  Urtheile  der  gemeinen  Vemunft,  ee 
nur  «uf  die  Handlung  und  nieht  hanptfileh^ 
lich  auf  dic  Triebfcder  ankiroe?  Nach  die. 
fer  wird  swar,  wie  ich  oben  fiigte,  bey  den 
nUHgliehen  Htndlungen,  lelten  geforicht; 
Diefs  ift  aber  nur  in  fo  feme  gegnindet,  als 
iie  cinzeln  genommen  werden.  Fafst  man 
dielelben  xuianimea  und  fieht  fie  als  Beweiie 
vwk  dem  gansen  Charakter  einer  Peribn  an, 
fo  wird  jedcrzeit  auf  dic  Triebfeder  Riick- 
ficht  genommen»  und  nur  nach  Beichafien* 
lieit  derielben  daa  Urdieil  uber  den  Quurak* 
tcr  bestimmt.  Ob  cin  Kaufmann,  der  unt 
biliig  behandeit^  bcy  jedem  einzcben  Vcr- 


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kaufe»  fich  von  der  Gereditigkeit  oder  von 
dem  Gedanken  leiten  lafTc,  dafs  c«  fein  eigner 
Vortheil  fey,  tins  nicht  zti  liberretzen»  weil 
ivir  fonit  nicht  wieder  zu  ihm  kommen  «ur« 
den.:  diefs  laiTen  wir  gemeiniglich  dahin  ge- 
stclk  feyii.  Sobald  ^^ir  aber  ihm  oder  ir- 
gend  einem  andern  Manne,  Redlichkeit  su- 
lchreiben:  Ib  denken  vnt  ]edeneity  dafi  er 
imter  allen  Umstinden  nleht  euf  leinen  Vor- 
thcil,  fondcrn  auf  Gerechtigkcit  iind  Billig- 
keit  fehe.  Kame  et  tma  nur  in  den  Sinn» 
dafi  ieine  Redlichkeit  auf  Eigennntz  gegriln- 
dct  fcy :  fo  konnten  wir  diefelbe  nic  anders 
als  unter  der  Einfchrinkiing  erapfehlen»  daia 
lein  eigner  Vortheii  nicht  ini  Spiel  kommen 
mufite.  Waf  wilrde  man  aher  wohl  von  ei- 
ner  folchen  Empfehhing  denken?  Dcr  Atis- 
Ipnich:  Esist  ein  redlicher  Mann,  ibU  ilm 
ehen  von  dem  Schurken  unterlcheiden,  der 
niir  fo  langc  chrlich  handelt,  als  es  mit  fei« 
nem  eignen  Vorthcile  bcstchen  kann.  NiUT 
unter  diefer  Vorausfetsung  lalst  lich  die  Ver- 
wmdening  und  der  Unwille  erkllren,  die 
gemeiniglich  dann  entitehen,  wenn  cin^iiU- 


—  9»  — 

|emein  fur  redlich  aogerehner,  Mann  durch 
irgtad  eine  migerechte  Handhing  der  Mei* 
niing  wtder^richey  die  man  von  ihm  hacte. 
Lacherlich  wiii^de  es  unsfcheincn,  wenn  er 
lich  damit  entrchnldigen  wolite:  der  Vor- 
theil  y  den  er  bey  einem  ehrlichen  Ver£ihren 
hatte  aufopfern  miiflen,  fey  ihm  gar  zu  grofs» 
zu  reizend  vorgckomineny  wir,  die  Bcvor- 
theiiten,  iiltten  doch  keinen  (o  groiien  Scha* 
den,  alt  er  (blbf t  Ntttten  davon ;  oder  er  ha« 
he  geglaubt,  rcinem  Rufe  nicht  zu  fchadcn» 
es  ware  aiie  Waiirfcheiniichkeit  da  geweien» 
dafi  feine  Unredliclikeit  verborgen  bleibea 
wiirdc  i  odcr  cs  fcy  ja  liberhanpt  die  Ehrlich- 
keit  nur  fo  lange  zu  erwartett,  als  de  mit 
dem  Eigemmtfe  bettehen  konne,  oder  end« 
lich»  der  tu  hoflende  Vordieil  habe  ihm 
mehr  Vergniigen  gemacht  als  der  GedankCi 
ein  ehriicher  Mann  su  ieyn.  Soiche  Ent« 
lchuldigungen  denkt  man  wohl  ali  moglich 
bey  einem  Mcnfchen ,  den  man  keinen  guten 
Ciiarakcer  zufchreibt.  Wer  aber  dadurch 
selgen  «ollte,  er  fcy  doch  gut  und  ehrlicht 
den  wuide  man,  m  niclit  fir  cinen  wahn* 


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Aoiilgeiiy  dodi  fur  eineii  h6ehst  eliigeieliiSiik* 

ten,  od^r  hochst  vemorfcncn  Mcnfchen  hal- 
teiL  Isfi  dieict  alles  wahr ,  fo  folgt  dar* 
eus»  dalf  mtii  iroo  der  Reehtfchelfeiiheie 
dtirchaiis  allen  Etgeiimrtt  entfemt  wilTeii  wUI» 
UD<1  dafs  dcr  blofsc  Gcdanke  recht  zu  thufl» 
hiareichend  feyn  ibil|  die  Ha&diuiigeii  der 
Menlehen  tu  hestiinnien.  Ist  es  ferner  nach 
dem  gcwoKnlichen  Urtheile  wahr,  da(s  eiii 
reehtfchafFcner  Mann  gaot  andreGefinntmgeii 
einflofit  als  ein  Betniger,  fsenn  aueh  «eder 
wir  felbst,  noch  andrc,  Vortheil  von  ftfinem 
giiten  Charakter  siehen:  fo  ist  klar»  dafs  die 
Rechtlchatfeoheit»  ao  iind  lur  fich»  io  imleni 
Aogen  voo  grofiein  Werdie  ist. 

Wie  hoch  gute  Gefinnungeo  ao  fich  ge> 

fchatxt  werden ,  fieht  nan  vorzuglich  dann, 
ssenn  Untemehniimgen  fchcitcmy  dexen 
ZweelL  oolera  Beyfali  hat  Wurde  voraus- 
gefirtxty  dals  derjenige,  der  fie  ausfiihreo 
wollte,  immer  feinen  eignen  Vortbeii  dabey 
vor  Augeo  habe:  ib  oiulste  et  uns  faos  «t* 
6 


—  98  — 

derfiniiig  (clieiiieii,  ilm  mit  feineii  guteii  Ab* 
(ichten  trostcii  zu  woUcn ,  odcr  zu  denken» 
dais  cr  iich  danit  tcdften  komie.  Wer  ir- 
gend  etwas  wagt,  um  lich  felbst  su  beiei. 
chcrn,  dsr  wird  bey  fchlgcfchlagcuer  Hoff- 
Quug  weder  von  fich  ielbst,  noch  vou  audeni^ 
damit  au^ichtct nverden»  dafierdengu. 
teii  Wiilen  gehabt  habe  zu  gcwinnen*,  wcr 
aber  mit  einem  ctwanigcn  Gcwinnste  einer un- 
gluckiichen  Familie  aufheifen  woUte,  deo 
konnen  &ine  Preunde  uber  den  dahcr  ent^ 
ttandcnen  Vcrlust,  allcrdings  mit  der  gutcii 
Abiicht  trostcn.        Wenn  nun  in  dider 

Wcr  einen  Zweck,  der  ficH  auf  ihn  felbst  b^ 
zieht,  niclu  erreiclu,  dcr  tr6stet  fich  — 
nicht  mit  dcr  gutcn  Abficht  —  fondem 
damir,  dafs  er  nichts  verfSumt  habe,  wa» 
zu  dcmfelb^n  fiihrcn  konntc.  Diefer  Trost 
bcsteht  eigendich  daiin,  dafs  er  vernunfrig 
gehandelt  habe.  Das  Bcwufstfeyn  der  Ver- 
nttiiftadlsigfceic  unferer  Handlungen,  i« 
«Ueaial  von  Werth.  Daher  maii  fich  erkla- 
»n  kaon,  wanun  bey  bdfen  Thaten  diefer 
Trost  fiUt.  Die  kOfk  That  Ist  fdbst  det 
Vernunft  mwider.  Die  Uittd,  fie  ausau- 
iuhren»  Ma6gm  nun  noch  Ib  fthr  denfilbcn 


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lelbft  nldii  noch  ein  Werth  bliebe,  der  audi 

ohne  gliicklichcn  Erfolg  bcstcht:  wie  kounte 

<ler  GedMke  daran  irgend  eine  Benihigung 

endialten?  wie  konnte  nian  ivvilchen  cwey 

Perfonen,  die  cinerley  Zweck  verfolgteii 

iind  verfehltea,  deii  geriiigstcn  Unterfchied 

denkenl  Gleichwohl  findet  man  dieien  alJg^ 

meitt  tn  den  Urtfaeilen  der  Menichen.  Dti- 

mouriez  und  La  Fayette  habea  zu  verfchiede- 

nen  Zeiten  die  konigliche  Wurde  in  Frank* 

reich  wieder  herxuitellen  gerticht»  Beyden 

mifslaug  ihr  Unternchinen.    Das  Ui  theii  aber 

iiber  diefe  Mannery  in  fo  ferne  (ie  aiich  nur 

bey  dicfe  r  That  ali  handelnd  gedacht  wer» 

den»  i$t  nicht  gleich,  nnd  der  Gniiid  diefes 

Unterfchicds  bezieht  (ich  biofs  aiif  die  ]3e- 

wegungsgrunde  su  ihrer  Handiung.  Man 

glaubt»  der  eine  habe  dat  Untemehmen  niir 

begonnen,  um  fich  fclbst  und  fein  Anfehn  zu 

retten»  der  andere  aber  um  dcr  Giite  der 

Sache  felbst  willen. 

gemidi  feyn,  fo  tt(st  die  Vcmuflfhvldngkeit 
dcs  Zwecks,  das  Bewurstfeyn  dec  Ver» 
■unfimfl&igkeit  dcrllittcl  nicht  aufkom- 
taeil 


—    100  — 

Ouiuourics  fubk  ftch  nicht  wenig  ge- 
krSnkt»  ilafi  cler  Chtirfurst  von  Coln  ihm 
ofFentlich  dieUaUuterkcit  feincr  Abficht  vor- 
wirft»  luid  det  ganie  Zweck  (einer  Denkwiir- 
digkeiten  ist  ntir,.clieielhe  von  fich  abiuwSt* 
len,  iind  dera  iwider  ihn  eingenomnicnen 
PubliKum  tii  zcigcn»  dafs  cs  (ich  in  der  Beur« 
Cheilung  ftiner  Bewegungigrunde  irre. 
Er  fetft  alibvQraus,  dafs  (etnCharakter  aller- 
dings  in  ciucni  rchlcchten  Lichtc  erfcheinen 
mtifite»  wenn  er  bey  ieiner  letaten  Untemeh- 
ontng  hauptf^chlich  auf  fich  felbtt  Rtickficht 
^enommcn  hitte,  Es  roll  folglich  nach  dem 
Urclieile  dcr  gcmcinen  Vernimfty  ielbit 
die  Edialtung  des  Lebent,  tmd  das  fo  natilr- 
lichc  6cstrcbcfi[,  einem  (cbmaligen  Todc  su 
cntgehen ,  fitr  cinc  uniauterc  AbHcht  bey  ei* 
iier  Handiung  gelten,  die  gebilligt  und  ge- 
wilnfcht  wird. 

Wcnn  man  mtn  das»  was  man  als  giit  er* 
kemit,  nur  darum  thun  SoU,  wcil  c$  gut  ist-«* 

Dcnkw.  des  Gen,  Outnourict  Vorrcde,  S.  ii. 


Digitized  hv  GocKyle 


vnm  ftmer  die  mdsiichgroiste  GluckreJig* 
keit  der  Menichen  nicht  dasjenige  ist ,  wat 
allem  andern  vorgezogen  werden  foll,  — « 
WM  IbUen  «ir  denn  thun»  um  dcn  hochsten 
Werch  < u  erreichen,den  wir  uns  geben  konnen  ? 
U  n  f c  r  e  P  f  1  i  c  h  t  !  ist  hierauf  dic  Antwort 
der  gemeinen  Vcrnunft.   Pflicht  itt,  nach  ih- 
len  Auslpruchen,  dtt  hochf te,  wat  den  Men^ 
lchen  in  allen  feinen  Handlungen  leiten 
foll  —  und  die  Bereitwilligkcity  feine  Pflicht 
su  thun,  macht  das  Weicn  des  guten  Charak- 
ters  aus.   Wer  fiigt:  es  ist  meine  Pflicht,  fo 
oder  fo  zii  handeln,  glaiibt  jederzeit  alles  ge- 
iagt  tu  haben»  was  zu  (einer  Rechtfcrtigung 
dienen  kann.    Da  gelten  keine  Betrachtiin- 
gen  mehr  iiber  Vortheil  und  Nachtheil ;  da 
nnifs  der  fchwcigcn»  dcr  nichts  anders  vorzu- 
bringen  hat,  tud  nur  der  reden,  welcher 
glaubt  zeigen  cu  konnen ,  es  fey  nieht  Pfficht 
was  man  dafiir  halt.    VVcr  feine  Pflicht  zu 
erfuilen  strebt»  und  um  der  Pflicht  willen 
handelt  oder  nicht  handelt»  der  ist  der  fitt* 
richgute  Mcnfch,   dcr  allcin  Achtiing  vcr- 
dieiit  und  crhaJt. 


FjttBfiUMnng  dct  oiirsttn  Sittengefiizet^ 

aui  dem  Bcgriffe  der  Pflicbt. 

J^s  gicbt  wcnig  Menfchen,  die  bcstimmt 
anziueigen  wiiTcn,  woriii  im  allgemcinea 
Pflicht  bestehc,  aber  alle,  die  den  Gebraiich 
tlcr  Vernuiift  haben,  wiffcn  in  <len  meisten 
einzeinen  Fallcn,  wo  cs  auf  Pflicht  ankommt, 
was  fie  sii  thun  oder  «i  lalTen  baben,  wenn 
i;e  diefelbe  erfiillen  wollen.   Nttr  <)er  bofe 
Wille,  unJ  die  Vcriirungcn  dcr  philofophi- 
renden  Vernunfty  machcn  die  £utfcheiduug 
fchwer.   Irrt  nch  der  gemetiie  Mann  hierin» 
fo  kCmiiit  dicfs  cntwcdcr  von  feiiien  fchler- 
haftcnNcigiingcn,  odcr  von  dcn  Ausrpnichen 
dererlenigcn  her,  die  er  ffir  weifc  und  giit 
halt,  un  J  a!s  Richter  fiber  die  Fordenmgen 
dcr  Silllichkcit  anGcht.    Wir  w ollcn  ictit 
lehen,  ob  in  dem,  was  alic  Menfchen  bcy 
Jem  Worte  Pflicht  deutlich  oder  iiudeutlich 
deiikcu,  aicht  Uhon  alics  licgc,  was  zur 


Digili 


ikudichen  Einficlit  ia  dicNatitt  derrelbea 

Zuertt  iithierbeyanxuaieriwti»  dais  Pflicht 
•letf  voa  Neigung  getreoat»  oder  derielben 

gar  entgegen  gefetzt  \;9ircl.  Uiberalj,  wo  die 
letxte  offenbar  im  Spiele  ist»  und  als  erlaubt 
angelehen  wird,  erwlhnt  mta  der  erstea  fast 

gar  nichtt  Der  hajidclnclc  uiag  wohl  biswci- 
len  da  von  Fiiicht  redcn,  wo  er  eigentlich 
nureiaem  fianJichen  Tricbe  lolgt,  um  vor* 
tiifpiegehi ,  als  ob  nicht  dieier  Amdtfrn  fene 
ihn  bestimme:  aber  er  findet  nicht  leicht 
Glaubcn  und  fetat  fich  wohi  noch  gar  Spott^ 
reyen  aus.  Dafs  die  Menichen  gem  gut  ellen 
und  tiinken,  dawider  hat  man  ini  allgctjnci- 
nen  nichts  cinzuwenden.  Man  fctat  ^es  bey 
gewiflen  Einfchrankungen  unter  die  erlaub- 
tcn  Dinge.  Aber  die  Pflicht,  gut  lu  elTen 
und  zii  trinken,  kunnte  nur  als  cin  koinirchcr 
Zug  auf  dem  Theater  gebraucht  werdens  fo 
wahres  ist,  daft  derjenige,  welchcr  aus  Geitx 
fich  dic  iiiqiiickiiugcn  vcrfagt,  dcren  fcin 
kranklichcr  Kdrpcr  bcdarf,  pfiicUttvidrig 


fC4  ~ 

fuoML  So  wie  in  diefem  FtUe  von  Pfliehl 
ersc  <lann  <lie  Re<Ie  ist »  venn  min  fieht,  dafr 
die  naturlichcNeigung  nicht  zur  Bestimmung 
det  Willens  hioreidit:  ib  ist  Cf  tn  illeo 
ehen  Fjdlen,  wo  littiiliehe  Triehe  «b  hinllnf' 
liche  Bestimmungsgnincle  gedacht  wercien. 
Sein  Leben,  feine  Gefundheit  erhalten,  fiic 
lein  Gliiek  ibrgen,  htt  fiir  dit  ineitten  Men- 
fchen  zu  vielReitz  in  fich  lelbst»  alsdafi  eine 
hohere  Triebfcdcr  dazu  nothig  fcheinen 
foilte.  Erst  dtnny  wtan  jener  nicht  liinres* 
ehend  ist,  wird  diefe  in  Bewegimf  gefetit. 
Wer  die  Ncigung  zum  Lcbcn  verloren  hat, 
wer  fich  Krtnkbeii  durch  Schwclgerey  zuzu- 
siehen  tn  Ge&hr  ist,  wcr  tus  Trlgheit  nicht 
tuf  den  Verfall  leines  Glncks  tehtet,  hey 
deni  kann ,  bey  dem  foll  die  Pflicht  an  dio 
Steiie  der  Neigung  treten.  Dtbey  ist  io  dea 
Ver&hren  derMenichen  noch  diels  iiierkwur« 
dig ,  dafs,  fo  lange  eine  Ncigung  durch  eine 
tndere  eingcAcbrankt  oder  erhoht  werden 
ktnut  fie  gemeiniglich  erst  diefts  Mittel  ver« 
iuchen ,  ehe  fie  mir  Vorstellnng  der  Pfiicht 
ubcrgchen.   Dxefc  nvird  tuch  dcsto  weoiger 


bcy  einer  Stche  gebraiicht,  je  ttirker  und  je 
allgeiDeiDer  man  eine  Neigung  dasu  alt  herr- 

lchend  denkt.  ic  geringcr  hingegen  diefe  zti 
&ya  pflcgt  y  detto  dringeiider  wird  jenCy  und 
wo  fich  nicht  leicht  ein  naturlicher  Kang  den* 
ken  lafst,  da  itt  das  eigentliche  Element  der 
Pflicht.  Hochst  rdten  wird  ihrer  daher  Er- 
wShnung  gethan »  «enn  ci  auf  eigne  Giiick* 
leligkett  ankonmt,  im  ofiertten  hingegeny 
wenn  das  Wohl  anderer  befordert  werden 
ibll*  Sogar  bey  dem  lctzten  Falle  wird  man 
ciaen  grofiea  Unterfchied  in  dem  mehr  oder 
weniger  nach  den  Verhiltntfien  6nden ,  in 
welchen  die  Menrchen  iinter  einander  stehen. 
Uibcrail,  wo  anh3ngliche  Liebe  unter  ilmen 
Statt  findet»  denkt  man  wenig  an  Pflicht.  So 
ist  cs  bey  dcn  gcwohnlichcnBemiihimgcn  def 
EJtern  fiir  das  Wohl  ihrer  Kiader  i  (o  bcy 
allen  Gefillligkeiten»  bey  allea  Aufopfenui-» 
gen,  ttt  denen  Perfbnen  bereit  find,  welche 
Gefchlechtsliebe  vcrbindct.  So  wurde  ct 
auch  bey  dcr  SorgfiJt  ieyn,  welche  Gatteii» 
Bnlder  und  Schwettem  und  Preunde  gegen- 
fcitig  fiir  ihr  Gliick  trageu ,  wcnn  die  Erfaik 


ning  nicht  gelehrC  hatte»  dais  wcder  Ehd 
noch  VerwandMchait»  noch  Freundlichafty  ge« 

genfeitigc  Aufopferungen  verbiirgcn.  Perfo- 
nen,  die  wir  vorziiglich  lieben,  machen 
gleichrain  einen  Theil  von  iint  felbst  aus. 
Was  wir  ftir  fie  thtin,  (cheint  fur  una  ielbsC 
gethan  zu  feyn.  lal  ware  esmoglich,  dafs 
wir  alle  Clieder  dcs  menlchlichenGerchlechti 
mlt  folcher  Liebe  umfafsten,  wie  fie  bey 
Freunden,  Gatten,  Eltcrn  und  Kindern  ge- 
dacht  wird:  fo  wiirde  mau  vielleicht  deu 
Handliingen,  die  das  a]]gemeine  Wohl  be- 
treffen,  eben  Co  lelten  Pfliehe  tiir  Triebfeder 
geben ,  als  in  den  angefuhrten  Fillen.  Weil 
aber  eigentliche  Neigung  gegen  jeden  ein* 
zelnen»  unstinbekanntenMenfchen,  nichtStatt 
findet,  werdcn  wir  vou  dcr  Pflicht  aufge- 
fordert»  fcin  Wohi  zu  befordern,  oder  fein 
Recht  anzuerkennen.  Und  doch  isc  felbst 
hicr  noch  Riickfiaht  auf  die  Verfchiedenheit 
der  Wirkung  zu  nehnicn»  welche  von  unfern 
Handlungen  hervorgebracht  wird«  Mit 
Recht  ntmnitman  an,  da(sder  Gedanke  an 
giof^es  Elend  dcn  mcistcu  Meafchcnj  wo 


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nielit  alleiiy  ein  UQangenehmef  Gefiihl 
cke,  tiiid,  dafs  (ie,  umdiefes  zii  entferncn,  fich 
nunebe  Aiifopfening  ge£dlen  laiXen.  Wenn 
ficfa  alib  einMenich  in  grofierNoth  heBndet, 
und  voir  von  ihm  felbst,  odcr  von  andern 
au%efordert  «crden»  derielben  abtuhelfen: 
Ib  hegnugt  snan  fich  gemelntglich  dat  Elend 
derfelben  in  dcr  traurigsten  Gestalt  zii  zcigen, 
unier  Mitleiden  zu  erwecken,  tind  tins  atif 
dieie  Art  durch  eine»  den  meisten  Menfcheo 
iiatttrlicheNeigiing,  tur  WohlthStigkeit  m 
bestimmen.    Man  nimmt  ferner  an ,  dafs  der 
Gedanke  an  aUgemeine  GliickieligkeV  tun 
Vergnugen  mache,   Kommtesdaher  Anfei- 
nen  Bcytrag  ziir  Griindiing  oder  zu  Erhal- 
tung  eincr  uffentiicben  Anstalt  an:  fo  rciiii* 
dert  derjetiige,  «elcher  dam  beiiegen  «111, 
gemeiniglieh  die  herrliehen  Folgen,  welche 
fie  ztim  Wohl  dcr  Menfchheit  haben  wird, 
oder  ichon  gehabt  liat.   In  beyden  Falicn 
wird  alfo  das  fympathetifche  Gefuhl  xuertl 
rcge  gcmacht,  iind  oft  dann  erst,  wcnn  dai^ 
ielbe  nicht  die  gchofte  Wirkung  hervorge* 
bracht  hat,  von  der  Pf lieht»  untai Nebcn* 


—    lOg  — 

tnenfchcn  lu  helfen,  gefprochcn.    Man  nehme 
«bcr  enciUcb  an,  es  habe  fich  cia  Maim  %m 
Verrichttiiigen  anheilchig  gemacht,  die  we« 
der  feiiiteNeigrung  angemcfren,  noch  in  GchN 
barcr  Vcrbindiing    mit  dcm   Wohle  der 
Menfcliheit  stehen;  fie  betreffen  nur  dieVer- 
waltung  und  Vermehrung  von  Reichthtimem» 
die  im  Kasteu  verfchlofsen  gehaiten  werden ; 
die  Geicliafte  (eyn  femer  von  der  Art,  dait 
die  VernachlSfiigung  deHelben  nicht  ent- 
deckt  wcrdcn  kann,  und  wcdcr  dcn  Vcr- 
lust  des  Amts ,  noch  die  dahcr  entstehenden 
Vortheile  beiiirchten  ialTe:  io  wird  doch  die- 
fer  Mann,  fo  lange  er  in  (einer  Stelle  bleibt, 
durchaus  als  vcrbundcn  gedachtg  die  fich 
danutf  besiehenden  Geich3fte  tren  lu  verwal* 
ten.   Et  ist  Pflicht,  heilat  ei  da,  fein  Wort 
zu  halten,  fo  lange  es  ihm  gehalten  wird, 
und  dicArbeiten  zu  verricbten»  furdie  er  be- 
nhlt  wird.  Hieiiuf  besiehen  fich  bey  6fient« 
lichen  Aemtem  die  Verpflichfiingen ,  wclche 
ein  aufFallcndes  Beyipiel  an  dic  Hand  gcbcn 
Ton  dem  groiicn  Unterfchiede  swilchen  Nei- 
gimg  nnd  Pflicht.  Wenn  jemand  in  Eyd  und 


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fflidit  genonnea  wurd,  fo  tfenat  buh  alle« 
nial  4as,  wat  er  cu  thiniy  von  dein,  was  er 
£u  hoffcn  hat.  Nur  jenes  macbt  map  ihra 
sur  Pflkbt»  diefet  bingegen  bettinmt  nan» 
unter  der  Vorantietfung,  clalt  er  fie  erfiille^ 
£ur  Belohnung.  Kchrte  man  die  Sache  um 
lind  verpflicbtete  nan  jenanden  nicbt  darauf, 
daft  er  leln  Ant  ordentlieh  verwalte,  foa- 
dern,  dafs  erdic  damic  verbundene  Beroldiing 
ordentlicb  siebe :  fo  wurde  ein  roicbet  Ver» 
&bren  b5ehtt  llcberlich  lcheinen* 

£t  itt  nerkwurdig»  dafi  tn  den  iettigeii 
Zeiten»  mo  nan  alle  Bettinnungtgriinde  xu 

Handhingen  in  dem  Bestrcben  nach  Gltickie* 
liglLcit  rucbt,  dat  Wort:  Pflicht,  immer  felt- 
ner  gehort  wird,  gleicbian»  ab  ob  nan  fieh 
vor  dcm  Worte  furchfe.  Wiirde  dicfe 
Furcht  wohl  Statt  finden  kcinncn,  wcua  Ct 
nicbt  einen  Begrif  entbidte»  der  nit  jenen 
Streben  durdiaut  niebt  alt  Eint  angeieben 
werden  kann.  Noch  bestitnmter  wird  dicfer 
Unterfcbied  von  nancben  Peribnen  dadurch 
angezeigt»  daft  fie  gerad^u  behaupten»  c» 


110  — 

gebe  gar  keine  PflichkeD.  Diefe  wollen  docli 

gCTvifs  damit  nicht  (agen ,  der  Meufch  fuchp 
feiac  Neigungcn  nicht  zu  befriedigen,  ibo* 
dern  durch  Jene  Behaopfiing  eben  die(e  lum 
lidditten  Gelette  macfaen. 

Mit  4er  Vorttelhtng  von  Pilicht,  wird 

cine  Art  Zwang  verbunden,  dcr  unfere  Nci- 
gungen  einTchrankcn  foll»  und  dcr  daher  nie 
angenehme  Empfindung  erwcckt,  fo  lange  er 
noch  nicht  zur  Handliing  beftimmthaty  fon- 
dern  erst  noch  bestimmen  foll.  Nur  in  den 
dringendsten  Fallen  wird  dalier  dieis  icharfe 
Mittel  von  Peribnen  gehraucht ,  die  alle  ihre 
Vorstellungen  noch  mit  einer  gewiflen  Scho< 
nung  verbindcn.  le  hdher  in  dcn  Vcrhilt* 
nifien  des  Inirgerlicfaen  Lebent  eine  Perlbn 
steht,  dcsto  weniger  wird  der  Mann  von 
Kluglicit  fic  an  ihre  Pflicht  erinaern.  Die 
Vorhaltung  derielben  wird  (ellen  gut  au%e- 
aommen.      Schon  unter  unferf  Gleichen 

Min  kdnnte  ftgen,  die  Menichen  enpAndcn 
<t  deswcgcn  ^elt  lich  an  Ihre  Pfikht  crin^ 


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ist  Vorficht  dabey  nothig,  im^  nan  kann 
xlemlich  gewifs  fagcn,  dafs  ohne  diefelbe  man 
gemeiniglich  feinen  fintzwecky  ipvenigttens 
far  den  Augenblick,  veriehlen  werde*  Obere 
kingegcii,  welche  gegeu  ihrc  Untcrgebenen 
jene  Schonung  fiir  unnothig  hilten,  verwei» 
len  diele  am  ofitersten  an  ihre  Pfliehe.  Gans 
aiiders  ist  cs,  wenn  cine  Pflicht  fchon  crfiillt 
iit  oder  erfiiillt  zu  fcyn  fcheint,  odcr  wena 
inan  vorauifettt»  dat  Bettfeben  dieielbe  xu 
erluJlen,  leite  alle  Handlnngen  einer  Perfon. 
Da  kann  die  Erinnerung  daran  fogar  aur 
Schmeicheley  werden.  Zu  einem  Ftlrsten  fa- 
gcn^  es  &y  ieine  Pfliche,  einea  gewilTen  Aui* 

nern  zu  IdTcn,  weil  vorausgtTetat  werde, 
dafs  jcdcr  feine  Pflicht  kenncn  mune,  und 
folglich  die  Ermnerung  daran  cinc  Bcleidi- 
gung  fcy.  Sehr  richtig  ;  aber  tiberdiefs  liegt 
in  der  AufTordjrung  zur  Erfiillun^  dcrfcl- 
ben  ein  Zwang,  der  einc  ganz:  anderc  Ein- 
pfindung  erregt,  als  dcr  Verdrufs  isr,  wel- 
cher  iiber  die  anfchcinendc  Geringfchatzung 
«hres  Versttndet  cnatchc  Die  blofsc  Vor- 
baltung  dcr  Folgcn  ctncr  ibndlung  fur  ihre 
Glflckfeligkcit,  dicfclbcn  mdgcn  noch  fo 
oSbnbtr  fcyn,  wifd  nic  fi>  flbel  genommcn 
itft  4k  Sftnnening  tn  Pflichi; 


ta.  iia 

i^nicb  nicht  lu  Aun,  odflr  eine  Anordiiuiig 
suruck  301  Dehineny  erfbrdm  einen  lelciien 
Muth.  Ihn  aber  bey  fehlgefchlagcnen  Uucer- 
nebmungen  danat  crosten,  cr  habe  feine 
Pflicbt  gethan»  oder  ibm  gar  fagen,  er  kenne 
kein  hoheres  Gefctz  als  diefe,  und  imter- 
werfe  ihr  allc  feinc  Ncigungeny  dicis  viiid 
der  verfchlagemte  und  eigennutsigsteHofling 
fich  nlcht  mir  erlaubeny  fonclcm  fogar  als 
Aeufseningen  anfehen,  die  gefchickt  find« 
ihm  ieines  Fiirsten  Gunst  %a  crbalten.  *) 

Bey  den  Ncigungen  ist  die  Sache  gerade 
umgekehrt  So  lange  fie  noeh  befinedigt 
«erdeu  konnen»  lchineichelt  man  denfelbeii» 

«3  Die  h<!chtte  Schmeicheley  bt  es,  wenn  gefagt 
wird,  er  thue  mehr  als  feinc  Pflicht.  Auch 
diefs  beweifst,  dafs  man  bey  Pflicht  nichc 
in  GKickfcligkeit  denkt.  Dcnn  fagen,  je- 
tnand  thuc  mchr  als  zu  fciner  Gliickfclig- 
keif  crfordcrt  wcrdc,  hat  cntweder  gar  kci- 
nen  Sinn,  oder  es  heifst:  er  fcy  fehr  begehr- 
lich  und  verlnnge  mehr  als  er  vetlangea 
(bUte.  Welchc  Schmeichdey ! 


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macht  aiif  das  aufmerkfam,  was,  mtii  fie  zu 
befrieclifeiiy  gechaa  oder  imteriaiXen  werdeii 
mu&f  und  kaim  %.  B.  geradetu  einer  Peribn, 
(lienachEhreitrebt,  fagen:  esverde  ihrdSefe 
o^er  jene  Unternehmuog  Anfchn  verfchatfen. 
Ittal»er  dieHoffmmg  vcreiteJt  wordcn,  (o 
ist  et  Sehonungy  alle  Erionerung  daran  zu 
entfernen.  Wer  hat  wohl  jc  cincm  Fiirsten, 
der  misvergnugt  tiber  vereitclte  Hoffniiog 
war»  damit  beruhigea  «ollen»  daft  er  doch 
z.  B.  feine  Ruhmbegierde  tu  befrledigen  ge- 
fucht  habe?  Oder,  wer  hat  es  wohJ  je  ei- 
Bcm  Mcnichen  sum  Verdienstc  gemacht,  dais 
cr  allcn  femcn  Ncigangen  Gcntigc  tu  thua 
strcbe?  Selbst  dann,  wenn  das,  iii  nianchcr 
RuckTicht  fo  gutCy  fympathetifche  Gefiihl  gc- 
wccht  wordcn  tst,  um  in  cincr  Handhmg  tu 
bestimmcn,  wird  man  dcn  Mann»  der  fclne 
Ablichten  fchlfchbgcn  ficht,  nicht  darait  auf- 
richtcn  wottcn»  da(i»  man  ihm  fage;  er  habc 
das  Scinige  gcthan «~  um  6ch  von  einem 
pcinlichen  Gefuhlc  tu  befrcyen« 


H 


^  114  — 

Nach^eitt  xtir  ntiti  geiehen  haben,  dati 

nach  dcni  eenicincn  Urthcilc  dcr  Mcnfchcn, 
ujitcr  Pflicht  nichts  augcnehmes  gedacbt 
mrd^  clals  fie  vielmehr  einen  innern  Zwang 
aiiflcgt,  ttnd  oft»  allen  Ncigungen  niwider, 
dcn  Wilicu  dcs  Meiirchcn  bestiinincn  roll:  fo 
liegt  hierinnen  zii  gieicherZeit»  daisnian  fich 
bey  dcriclben  allemal  ejn  Gehot  otoVerbor, 
mit  eincm  Worte :  cin  Gcfctz  dcnkt,  das  Ge- 
horfam  von  uns  vcrlangt.  So  oft  wir  von 
Fflicht  reden,  fi>  liegt  ttets  der  Gedankc  sum 
Grunde»  dafi  man  ccwas  thun  oder  unterlar> 
fcn  foll.  DicRedensartcn:  Es  ist  Pflicht  fcin 
Wort  zu  haUen»  die  Wahrheit  au  iagen>  «e- 
der  das  Lebcn  noch  das  Eigenthum  feincr  Ne- 
benmenlchen  zu  verletzen,  fincl  mit  dencn: 
dcr  Mcnfch  foll  feiu  Wori  hahen  u.  f.  w. 
nach  dem  Gefiiiilc  einet  ieden  gans  gleich 
bedciitcnd. 

Dieiii  SoUen  driickt»  nach  dem  gemeincn 
Urtheilc  der  Menichen,  etne  cignc  Nothwen* 

digKpit  aus,  die  nian  dic  inoralifchc  ncnnt, 
und  ihrc  cignen  Gefetze  hat,  wcldic  fich  voa 


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dcn  Naturgefetzcu  haiiptrachlich  dadtirch  un- 
terfcheideo»  dais  fie  uicht  eiue  unausbleibU* 
ehe  Wirkung  hervorbringeu ,  rondem  einem 
Willeo  gebieteuy  auf  denen  Bestimmung  es 
«akommt,  ob  ihnen  gehorcht  werdc  oder 
aieht.  Hierbey  wird  aber  nieht  getweifelt» 
dafs  der  Wille  in  Uibcreinstimmung  mit  dcn 
Gcfetzen  feyn  yrurdc»  wcnn  uicht  SinnJich- 
keit  und  aUeit  wai  fich  auf  unfere  NeigUDgen 
betieht ,  die  Befolgimg  derfetben  fo  (ehwer 
machtc,  Man  denke  einc  Pflicht,  welche 
man  woUe,  wird  fie  nicht  erfuilty  fo  Jiegt 
die  Urfache  davon  immer  in  dem  Widentre* 
ben  des  Menfchen,  die  Befriedigimg  irgcnd 
einei  Bediirfnt&es  aufzugeben»  welchcf  ent- 
weder  tn  (einer  Natur,  als  Menfchen»  oder 
fciner  befondern  EmpBndungsart  gcgriindet 
jst*  Kcin  Menfch  wiirde  durch  Schwelgercy 
leine  Gefundheit  untergraben  nnd  fein  Leben 
abkurseny  wenner  fich  denKitzel  (einerSinne 
nicht  zum  Bcdurfnifse  gemacht  iutte,  Nie- 
mand  wiirde  fich  |e  entbrechen  andem  lu 
hellen,  wenn  er  nicht  irgend  etwas  von  fei* 
ncr  Ruhe ,  von  feincr  Zcit ,  voa  ieiaem  Vcr* 


—  ii6  — 

iiiugen  aufopfcrii  miifste,  defTcu  Eiubchrung 
ihin  ttiiangeiiebnie  Empfindung  machtl 

A]s  Qiiclle  jcncr  Gcfctie ,  die  wir  in  dcn 
Pflichten  denkcn,  und  dcucn  der  Wilie  ge- 
horchen  CoM ,  tvird  allgeniein  das  Vermogen 
ange(ehcn,  das  uns  iibcrhaupt  fahig  macbt» 
mir  eine  Idee  von  Gefeczen  xiufaaben  die 
Vernunft.  Wer  den  Gehrauch  von  diefer 
nicht  hat,  gaiiz  junge  Kindcr,  Bldd- und 
Wahnfinnige  werden  frey  von  allcn  Pflich» 
ten  geiprochen.  Von  thnen  «rwartet  man 
nicht  Eittficht  in  die  Gefetie  der  Sittlichkeir, 
und  noch  wcniger  Bcstrcbcn  dcnrcibcii  gemais 
zu  handchi.  Dagegen  nimmt  man  als  aiisge» 
macht  an»  daft  jeder,  der  (einer  Vemimft 
niachtig  ist,  bcy  rciucn  ilaudhingcn  gewifse 

Mfln  kann  alfo  dahcr,  dafs  die  Gefcrze  nicht 
bcobachtet  w«rd«n ,  kcine  Einwendung  gc- 
gen  das  Dafeyn  derfelbcn  nehmen.  Denn 
mao  denkt  fie  eben  von  der  An,  dafs  (It 
nicht  mit  den  Neigungeo,  dic  Vergniigen 
vcrfprcchen,  aiifammcnstiminen »  imdniclit 
nothwendig  be&lgt  werden. 


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Regeln  befolgen  foll,  die  Gefetze  heiften, 
weil  fie  als  ailgemeiu  und  nothwendig  ge* 
dbcfac  werdeo.  AUgemeinheit  iitid  Nothwen- 
digkett  Itnd  cwey  wefaitliche  Eigenfchafren 
eines  Gefetzes,  das  nicht  von  dcr  Wiilkiihr 
dct  Menichen  herkonmiC.  So  deuken  wir  die 
Geletie  derNatur,  fo  die  Geietfe  luilert Ver- 
standes,  (o  stcllt  uns  auch  der  Begrif  dcr 
Pflicht  die  Gefetse  dar»  aiif  welche  er  hin- 
weift»  und  Ib  muflen  fie  (eyii,  wenn  fie  in 
der  Vemunft  wirklich  Hcgen. 

Diele  Geletfe»  nach  denen  lederMcnlch 

handeln  foll,  laffen  fich  nun  aiif  iweycrley 
WciCe  bcstimnicii.  Entwcder  gcbietet  die 
VerniHift  «n  und  iiir  fich»  und  verlangt  Ge- 
horlam  ohne  weitere  Ritckficht  auf  dat ,  wat 
die  Handlungcn  fur  Folgen  hervorbringen 
werden»  oder  fie  verlangt  niir  }ene  um  dieler 
willen.  Dii  letitere  findec  nach  den  Begrif- 
fcn,  \felche  die  Menfchen  von  dem  gutcn 
Charaktcr  und  der  fich  darauf  beziehenden 
Pllicht  haben,  gar  nicht  Statt»  Denn  der 
gute  Charaktcr  bchalt  fexnen  volien  Werth, 


tvetm  der  Menfcli»  dem  er  sugeicluriebeii 

VJird,  aiich  nicht  das  allergeringste  von  dem 
wirklich  macht,  was  uach  feincm  Willcu 
«irkltch  werden  wiirde,  im  Falle  er  dat  phy« 
fifche  Vermogen  dani  hStte.  Der  giite  Cha« 
raktcr  ist  ferner  das  imbediiigt  Gutc,  wclchcs 
den  hdchstea  Wcrth  hat;  und  alles,  womach 
die  Menichen  itreben»  ibll  ihm  un(ergeord« 
net  werden.  Er  foU  dcr  hochstc  Zwcck  fcyn 
und  folglich  allc  mdgUchen  Zwcckc  leitcn« 
Diefi  lconnte  aher  gar  nicht  gedacht  werden» 
wenn  es  bey  der  Bestimmung  su  einer  Hand- 
lung  ziierst  aiif  die  Wirkung  derfclben  an- 
kam^.  Denn  dann  ware  die  Giiickfeligkeic 
daf  Hochste»  nach  welchem  fich  der  gutc 
Charakter  richten  miifste.  Endlich  ist  eben 
dasy  was  dic  wefcntUciiste  Eigenfciiaft  deiTcl- 
btn  ausmacht»  die  Gerechtigkeit,  ven  d6r 
Art,  dafs  Hc  nicht  immer  dic  mciste  Gliick'* 
feligkeit  hervoibringt,  ibndern  im  Gegen- 
theile  oh  Taufende  im  Eiende  ia^t,  dcncn 
dureih  eine  eineige  Verletcung  der(e]ben  ge« 
holfen  wcrdcn  konnte.  W4r  follcn  noch  gc- 
iccht  icyn»  wcwi  «uch  mclit  nur  unfetc  ci- 


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gene  Gluckfeligkeif»  fouderu  felbst  die  von 
Taurciiden  «laninter  leidet»  welcbe  wir  der- 
felben  fur  weic  wiirdiger  halten ,  als  den  ein- 
zigcn ,  der  durch  Beraubung  nur  cinea  Thcil 
der  Reicbtlmnier  verliert,  dic  er  ungcnutzt 
verfcbliefit       Hierauf  wciiet  uns  auch 

*)  WoUtemin  einwenden,  es  gehe  hier  elneTSu- 
fehung  vor,  die  Gcreehttgkeit  bewirke  doch 
im  Ganzen  die  meiste  Gluvkfcligkeit, 
fo  kann  dicfs  zwar  ah  wahr  zugcgeben  wcr- 
den,  Allein  es  frai^tfich  nun  iminer  wiedcr, 
warum  da,  wo  diefs  nicht  dcr  Fall  ist,  keinc 
Ausnahmc  gemacht  wcrdcndarf?  I$t  dic  Gc- 
rcchtigkcit  nur  um  dcr  allgcmeinen  Gluckfe- 
ligkcic  willcn  nothwendig,  fo  mufs  jene  auf- 
gehoben  werden,  wenn  diefe  nicht  daout  bc. 
ftehen  kann.  In  einzdnen  Fillen  kann  man 
frcylich  immcr  noch  fagen,  dafs  felbsc  das 
Blcnd  von  Taufcndcn  gegen  den  Wohlscand 
von  Millionen  fur  nicbis  zu  rechnen  ist, 
Wenn  ficb  nun  aber  die  Sschc  umgekchrt 
vcrhalt,  wcnn  Millionen  leiden,  wcil  Tau« 
fcnde  zu  viel  geniefseo,  fo  ir3re  cs  Gercch- 
tigkeic  dic  Icrztcrn  zu  berauben,  um  dic 
erstcrn  in  Wohlsniul  zu  verrercen.  So 
fchlolfcn ,  fo  handcltcn  dic  Franrofcn  und 
fo  ttiufstcn  noch  manchc  Vcilkcr  handcln, 
wenn  Gcrcchrigkeit  nur  um  dcr  daraus 
fiiefsenden  allgemeiocn  Glucltfcli^k<:it  wil- 


d«r  Begrif  der  Pfliebt.  Sie  tritt  cben  dt 

haiipt(achlich  cin,  wo  wir  kciiie  Neigung  zii 
Ilandlujigen  oder  su  UnterJalTtingen  haben. 
Sie  gebieiet  da,  wowederSelbftliebe  (  im  en* 
gcrn  Sinne)  noch  Sympathie  iinfer  Verfahrcn 
tu  bestimmen,  als  hiareichend  gedacht  wird. 

Ist  allb  Sittltcbkeit  in  der  Natur  det 
Menlchen  gegrnndet»  fo  nnllen  die  Ge> 
fctze,  welche  ihr  &um  Grunde  Jiegen,  nicht 
▼on  dem  Streben»  angenebme  Enpfindun* 
gen  in  ficb  oder  in  andern  xu  erweeken, 
fondcrn  bJofs  von  der  Vcrnuuft  hcrgcnom- 

len  bcdbtcbtct  wtrdto  mfifttt.  Htcnn 
immi^  dt&  jtder  tintdnt  Menlch,  dcr  da- 
durch,  dalt  Gtcccbtigktit  du  tngmcint 
Wohl  bcfikdm,  gerade  dct  feinigc  zentfirt 
ficht»  gcr  nicht  wiifste,  warum  er  Regeln 
tncrkemKn  foUtt»  die  f  e  i  n  Wohl  dem  allge* 
meinen  aufopfem.  Wer  bcy  dem  Umsmn 
aller  Dingc  noch  etwas  zu  verlieixn  hat, 
der  wird  denfclben  freylich  nicht  wollen, 
wer  aber  nichts  verlicrcn,  fondern  nur  gc- 
winncn  kann,  dcm  mufs  er  nicht  nur  will- 
kommcn  feyn,  fondern  auch  gcrccht  fchei- 
nen,  wenn  Gerechtigkeit  kcinen  andem 
Grund  als  die  m6glichgr6lste  Gluckfeli^keic 
hat. 


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neii  «erden,  und  cUefe  Gelette  mufleii 
hinreichcnd  feyn  den  Willen  des  Meir* 
fchen  zu  bestimnieiu  Aut  Pflicht  han- 
deln»  lieilft  daher  nidittanden,  alt  nach 
etnem  Gefetce  Jer  Vernunft  han- 
deln,  iind  zwar,  weil  die  Vorstellung  der 
Pflicht  allein  unlereHaiidlungbeitimmen  foU, 
blofi  um  4ei  Gefeciei  willen.*) 

Wenn  dnielneHanillungett  ala  moralilch^ 
oothwenclig  dargeitellt  werden  Ibllen,  Ib 

vverdcn  Qe  gemeiniglich  nur  auf  die  nachstea 
Regeln  zuruckgefiihrt»  auf  die  fie  fich  grun- 

^  Wm  dcn  gAstigen  Genuls  betrifr,  der  da- 

her  enrstchen  foll,  dafs  man  feine  Pflicht 
erfiinc,  fo  wird  derfelbe  an  einem  andem 
Orre  betrachtct  werden.  Hier  war  es  ge- 
nug  zu  zeigen,  da(s  nach  den  gemeinen  Be* 
griffen  von  Pflicht  davon  nichts  cnthalten 
ist,  und  dafs,  nach  denfelbcn,  aus  Pflichc 
handeln  g»nz  etw&s  andcrs  ist,  als  um  der 
angenehmen  Empfindung  willen  htndeln. 
£s  darf  auch  tuf  die  tetztcrcL  um  fo  wcniger 
Hfickficht  getiommen  werden»  da  fie  Bin* 
wtn^ttngcn  flusgeCetzt  is(,  die  lich  niiht 
leicht  ddcftcn  hebm  Ufleo. 


—  laa 

den.  Es  hcifst  %,  B.  man  muls  eiuem  jeden 
das  Scintgc  Jaflcn,  man  mu(s  die  Wahrheit 

rcdcii,  wnJcrn  hclfen,  fiir  eigiies  Gliick  (br- 
gen»  feine  Krafte  uud  Fahigkciten  iibcn  uni 
vervollkomDmen  ii.  f.  w.  Solche  cinielne 
Regehi,  die  allerdings  aiis  der  Vernunft  fltef- 
fcn,  nuifleri  fich  auf  Eine  Hauptrcgcl  zu- 
ruckfiihren  laiTen»  wenn  das»  was  wir  PflichC 
nenneny  Bedeutnng  bekommen  (bll.  Denn 
fonst  lafst  fich  nicht  vvuhl  Jciikoi ,  dafs  nur 
in  eiucni  Menfcheny  gcfchweige  in  alJcn» 
cine  und  cben  diefeibe  Handlungswcife  Statt 
finden  konne,  dle  doch  nach  der  Voraits* 
fctzung  Statt  findcn  foJJ.  Wareu  dic  einicJtien 
Regehi  nicht  eincr  etnsigen  untergeordnet, 
fo  milisten  fie  von  gletcher  Wichtigkeit  feyn, 
fie  kunuten  dann  einander  widcrstreiten,  und 
fo  cfifwcdcr  den  Willcn  unbcstimmt  hffen, 
oder  doch  nie  als  cntfcheidend  fitr  Recht  tmd 
Unrecht  ange(ehcnwerden.  Da  librigens  un- 
ferc  Ncigungen,  felbst  in  dcr  Vcrnunft,  Schein- 
griinde  zu  ihrer  Rechtfcrtigung  fuchen:  fo 
istes  von  grofser  Wichtigkeit,  eineHaupt- 
(cgcl  fcstzufctzen  y  aus  wclchcr  aJIc  bcfon- 


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<lm  hergeleitef  wtrdm,  Diefe  ift  leicht  ni 
fioden,  vjenn  man  annimm^  dafs  die  Vernunft 
shieni  Weien  aach»  nicht  otir  in  (6  fern  fio 
fich  «uf  Erkenntnilty  Ibndem  auchaiif  Hand* 
lung  bezieht,  in  ailen  Menfchcn  gleich  fey* 
Dieie  Vorautieczung  itt»  naeh  dem  wat  von 
der  Uibereinstinunung  tn  ihren  Urtheilea 
iiber  Handhmgcn,  die  He  nicht  felbst  gethati 
haben,  oder  thun  wolieo»  ge(agt  worden  ist» 
^er  ErCihrung  voiifcomttien  gemSls»  Ware 
ihr  aber  auch  dieielbe  niwi^er:  fo  konnte  fie 
uur  dann  als  ungegnlndet  verworfcn  werdcn, 
wenn  in  den  Menfchen  uberhaiipt  liein  foi- 
chet  Vermogen  tiigegeben  wiirde»  welches 
Vcrnunft  hcifst,  odcr  dicfelbe  nichcs  mit  nn- 
fem  Haiidliingen  lu  tbun  hatte.  Gcrcttt  stlCo, 
fie  leite  allein  die  Menlclien:  Ib  itt  nicht  zu 
2wcifcln,  dafs  ihr  Wille  in  gleichen  Fliljcn 
glcich*  und  dafs,  wcnn  fic  vicle  glcichc  Fillo 
unter  Regeln  tuiammen£iireny  aueh  in'die(eii 
vollkommene  Uibereinttifflmtmg  anxiitrefrea 
fcyn  werdc.  Einc  Regel  unfcrs  Vcrhaltcnt 
itt  folglich  dcr  Vcmunft  gemalii»  wenn  man 
denken  kann,  daft  fie  die  allgemeiae  Zuttim^ 


fming  alier  Menichcn  hihen  wurde,  (o  lange 
ihr  Vorthcil  nichc  im  Spiele  ware.  Kaim 
mnn  <iieie  Ztuiinitnung  nicht  erwarten»  oder 
ksinn  man  nieht  einmal  wollen ,  clals  die  Re* 
gcl,  dic  maii  (ich  fclbst  fiir  fciuc  HaudUmgeii 
inaehty  allgemein  angenommen  werde;  fi» 
«ideripricht  fie  der  Venitmft.    Wire  dai 
GcgciUhci!  muglich,  fo  miifstc  tnan  annch- 
ineii,  ein  veruiiuftiges  Wefcn  iLonne  woUen» 
daft  einc  verinmfrige  Regel  nieht  die  Richt* 
lchntir  andercr  vcrnilnftigcr  Wefcii  wcrdc, 
odcr>  dafs  ein  tnivcrniinftigcr  Willc  vcrniinf<- 
tigen  Regeln  folge.   Hieraut  laCit  fich  ein- 
iehen,  wie  uniereHandliingen  befchaffen  fcyit 
niiincn,  wcnn  (ic  fiir  vcrniinftig  gehaltcn 
vrerden  folleu.   Grunden  fie  fich  auf  eine 
Regel»  die  Ctt^  derjenigCy  weleher  nach  der- 
fclbcn  handclt,  nicht  allgcmein  bcfolgt  wiiTcn 
vriii :  fo  find  fie  der  VcrniinfCy  und  folgJich 
der  Pfiicht  tiiwiders  grunden  fie  fich  auf  eiiie 
Regel,  deren  Befblgung  er  jcdcrmann  gestat- 
tet:  fo  (ind  iie  erlaubt,  odcr  nicht  pflicht- 
widrig.  Da  nun  die  Vemunft  ein  durchaus 
gleiches  Verhalten  hervorbringen  wurdc. 


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wciiii  unCcr  Streben  nach  angenebnien  Enip6a« 
dimgeiiy  daiTeibe  nicbt  binderte:  fo  gebt  tbr 
Haupf  geletx  anf  EinfehrlnkMng  aller  tuifeier 
Ncigungen,  und  wird,  weil  wir  derfclben 
widerstrebeiii  lum  Ccbote,  das  fo  latitet : 
Handle  nie  nach  Regeln  die»  oach 
deinem  WiMefi  niche  allgeinein»  d. 
b.  nicht  Gefctxe  werden  kunnciiy 
oder,  handie  nnr  nach  rolchenMazj. 
nen,  won  deeen  du  woll«n  kannt^ 
dais  fie  Geredo  werdcn. 

Dieret  Grundgefetx  dler  Sittlichkeit 
folgt  auch  unmittelbar  aus  der  Vorausfetiung» 
dais  Pflicht  eine  allgemeingultige  Handliuigt- 
weile  vorfehreibe»  Denn  darinn  liegt  fehon, 
dafs  die  Regehi,  welchc  die  M(^nfchenbey  ihren 
Handhmgeu  befgjgen,  und  nicbt  verwerflich 
leynfoUen,  allgeneitt  gemacht^  oder,  nit 
einem  Worte,  Gefette  werden  kcinnen.  Ebcn 
deswcgen  hat  jederMenfcb»  dcr  gut  feyufvill» 
jenen  Grundiatx  vor  Augen,  wenn  er  tiher- 
legt»  wat  er  lu  thnn  imd  nt  Infkn  hat,  um 
feiue  Pflicbt  xu  erfiiJicu.  Dadurcb  wci(t  er 


126 


in  dcn  meisten  Fallcn  beftirarat  anziigeben, 
wie  reine  Uandlungen  befchaifen  Teyn  muiTen^ 
um  mit  der  Sittlichkeit  iibeiein  xii  stimmeiu 
Er  fetzt  fich  in  dicfer  Riickficht  an  die  Stelle 
desjenigen,  auf  dcn  fcinc  Haudlungcn  Ein- 
fluls  liaben»  uimmt  dann  feinen  eignen  Wilieii 
sur  Rlchtfchntir  deflen»  nvas  fener  «ollen 
odcr  nicht  wollcn  kann,  und  halt  fich  fiir 
verbiinden»  <iaf  nicht  zu  thun»  wovon  er  cin- 
lieht,  dafi  er  felbst  es  ntcht  woUen  wiirde, 
wenn  er  an  des  andcrn  StcHe  ^i^2re.  Bcy  dieler 
Uiberiegung  unterfchcidet  dcr  Mcnfch  gcnau 
das,  was  in  dem  Wiilen  aller  Meiiicheiiy  alt 
linnlich  vernilnftiger  Wefcn,  licgt,  von  dem, 
vvas  fich  nur  zufallig  darinn  bcfindct.  Sich 
fein  Eigenthum  nicht  nehmciiy  feiniAben  luid 
leine  Gelundheit  nicht  in  Gefahr  bringen  lai^ 
fcn,  wird  cin  jcdcr  wollcn.  Wcnn  abcr  dcr, 
velcbcr  uber  dcn  Wiiicn  anderer  nach  feiiiem 
eigneti  urtheilt,  felbit  gendgt  ware,  eiuem 
andem  das  Seinige  tu  raiiben:  Co  denkt  er 
nicht,  dafs  diefcr  fcin  Wille  auch  dcr  Willc 
aller  andern  Menfchen  fey.  Cben  ib  wenig 
denkt  dcrjenige,  iwelcher  beteit  tst,  grofse 


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Aufopfieruitgcii  fich  lum  BetCen  andefet  ge- 
fallen  cu  laiTen,  dafs  diefe  Bfteitwilligkeit  in 

ebcn  dem  Crade,  aiich  bey  allen  andern  Statt 
finden  mfifle*  Im  Gegentbeil  findet  er  wte* 
der  in  fich  felbst  die  Nothwendigkeit, 
das  Maafs  der  Hiilfe,  wclches  irgend  cinera 
Bedrangten  gdeistet  werden  foU,  von  der 
Einficfat  und  den  Umitinden  einet  jeden»  der 
^efelbeleiatenkann,  abhingen  tu  laffen;  ob 
er  glcich  denjenigen  verachtet,  und  kaum  fiir 
einen  Menfchen  halt»  der  unter  keinen  Um* 
ftSnden  geneigt  wSre,  andem  zu  hellen. 
Denn  dicfs  ist  ihm  wieder  unmoglich  zu  den- 
ken»  daft  eben  diefer  ganx  ielbstfiichtige 
Menlch  nicht  gleichfalls  Htilfe  wol!en,  ja  fo> 
gar  gewifsermafsen  fordern  wtlrde,  wenn  er 
an  der  Stelle  des  Hiilfsbedurftigcn  und  dicfcr 
«n  feiner  Stelie  ware,  Der  Widerfpnich  aber» 
der  fich  fo  in  einem  und  ebendemielben  Wil- 
len  beHndcty  laCst  iich  mit  der  Vernuuftj  wel- 
che  immer  in  uni  wirkt,  wenn  wir  uns  der« 
lelben  Mieh  nicht  deutHch  bewiifit  find,  auf 
kcine  Weife  vereinigcn.  So  wird  alfo  da$, 
was  uk  dem  Willen  aller  Menichen  licgt»  aum 


~  lag  — 

MaafsstMbe  deiTen  genommcny  was  etn  jcder 
thun  foil»  wenn  er  der  Vernunft  foigen  wiii« 
Mtt  andem  Worten  heifit  diefi;  ledermann 
halc  (Ich  fiir  verbundcn  nichts  zti  thim,  was 
dem  «ligemeinen  Wiiien  aiier  Menfchen  «i* 
wider  tst,  oder,  wenn  es  nieht  auf  eimeliie 
Handhmgen,  fondern  aiif  Gnmdratze  aii- 
kommt,  dic  fich  auf  mchrere  zufammen  be- 
itehen,  keine  Rcgei  fur  (eitten  Willen  festzu- 
fetzen,  die  mtt  dem  allgemeinen  WtUen,  und 
mit  feinem  eigaen,  in  Wideripruche  steht.^) 

Man  denke  nicht  dafs  jencSSrze:  Thue  nlcht, 
was  du  nichc  wiilst  dais  dii  andre  thun,  und : 
thue,  was  du  willsc,  dafs  dir  andre  thun ; 
voltkMHiaen  gltich  niit  dcm  «i%csiclltea 
Gcfene  der  Siidiehkcit  find.  Sie  iidnhcn 
wir  ils  cin  Thcil  ddrdbcn  angcfchcn  wcr* 
dcn  nnd  lcidcn  obca  drcin  noeh  Ausnchme. 
Dcnn  cfidich  find  in  dcnfdben  nieht  die 
Pfiichtcn  entfaalicn»  wdche  wir  in  Rfickfichf 
•ttf  uns  fdbit  au  bcobachten  habcn  und 
awcytCOS  k6nnte  der  Verbrecher  fie  ds 
Grunde  gegeo  den  Richrer,  dcr  ihn  strafen 
wlH,  gebrauchen.  Diefs  letztere  findet  aber 
bey  dcm  Gefetze  der  Sittlichkeit  nicht  Snitr. 
Es  ist  init  dem  flllgemcinen  Willcn  nicVir  nur 
vercinbtr,  dafs  der  Ycrbrecher  gt^nafc 


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—  1^9  ~ 

VnA  6it&  itl  voUkoinmeii  ubereijittitniiiend 
init  jeneiii  Grundgefetie  der  Sittlicbkeit. 

Eimelne  Beyipiele  iverden  am  betcen  lei- 

geii,  wie  raan  aus  demfelben  iromcr  finden 
kiinne,  was  gut  und  bofe ,  pfliditwidxig  und 
pfliditmiriig  iey. 

Wenn  jemand  iicli  dat  VertrAuen  einct 
andem  in  dem  Grade  erworben  liifCe,  daft 

diefer  ihro,  ohneclie  geringste  iiiirsereSicher- 
hcit,  einen  TheiJ  fcines  Vermdgent  iinter  der 
Bedingung  ubergilie,  dafi  er  et  dcnielben 
elnem  dritten  einbindigci  und  er  mm  die 
Fragc  aufwiirfe ,  ob  er  wohl  verbunden  fey, 
dieie  Bedingung  xu  erfuiicn,  da  lieinMenrch 
von  dielcm  Depofitum  etivat  wifle  und  auch 
der,  welcher  es  ihm  anvertraut  habe,  gcseor- 
beti  fcy:  fo  wiirde  ihra  jenesGcfctz,  wenn  er 
feincFragedamach  unterfiichte,  rogieicih  einc 

werde,  fondern  es  Itegt  in  dem  Gefetze  fo. 
gar  dte  Tdcc  der  Strafwurdigkttc  aUer  Vcr* 
ietzung  derPfUcht. 

I 


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bcstiinnitc  Autwort  gebcii.  Entfchlofsc  tr 
fichy  das  anvertraiiteGut  nieht  einzufaaudigen» 
fo  ivtirclc  die  Rcgcl,  nach  <ler  er  verfuhre,  fo 

hcifscu:  Eiii  finvcrtraiitcs  Giit  ist  nur  danii 
sunick  su  gebcn,  vrcnn  inan  entwcJcr  vou 
«uflctt  gczwungett)  oder  durch  die  Vorent- 
haltung  tn  Iblche  Unannehmlichkeiten  ver- 
wickclt  wcrdcn  kann,  daCs  fic  das  Vcrgnti- 
gen,  welchcsaus  dcm  Befitzc  derzuriickge» 
haltcnen  Sachc  flicfst,  uberwiegeii.  Kann 
niui  dicfe  Rc^^el  iiach  fcincniWillcn  zinn  all- 
g  c  in  c  i  n  c  u  Gcfctze  werdeu  I  Lafst  fich  nur 
ubcrhaupt  dcnkcn,  da(s  fic  zu  einem  Ge- 
fctze  tnuge?  Dic  Antwort  anf  dic  crstc  Fra- 
ge  ht  fchon  vcrncincnd.  WJrc  fie  cs  abcr 
auch  nicht,  fo  wiirdc  dic  Eiufcheidung  dcr 
zweyten  hinreichend  fcyn.  lene  Kcgel,  als 
(icfctz  allgciucia  angciionnncn,  wiirdc  zur 
unmittelbarcn  Folge  habcuy  da(s  man  auf  die 
angcfiihrte  Weife  nic  etwas  anvcrtraue.  Die 
blof^c  iJcc  cincs  fo  anvcrtrauten  Giits  sliinJe 
niir  eincni  foicbcn  Gcictzc  iin  ollcubarcn  VYi- 
dcripruchc. 


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Die  xweyte  Anwendiing  des  Sittengeleteet 

bctreffc  dicFragc,  ob  es  crlaubt  fey  zu  Itigen. 
Uuter  gcwifleii  Vorausretzuiigeii  wird  von 
manchem  Menfchen  eine  bejaheude  Antwort 
gcgcben,  und  (elbst  inBtichemy  welche  die 
Sirtenlehrc  vortragcu,  v;ird  die  rogenaunte 
NothJuge  in  Schuts  genommen.  Priift  man 
aber  die  RechtmSfiigkeic  derielben  nach  dem 
GrunJgrefctze  c1i.t  Sitdiclikcit,  fo  Icuchtct  die 
Vcrwerfliciii^eit  dcr  Liige  augenblicklich  etn» 
Ein  allgemeines  Geiets,  dai  sum  Liigen  be> 
rechtigtc,  wtirde  voratitfetien ,  daft  kein 
Menfch  die  Wahrheit  wilTen  wolle  oder  er- 
fahren  kunne.  Die  bJorse  Frage  darnach 
wiirde  im  WiderJpniche  mit  ib  einem  Ge- 
{ctzQ  stchcn. 

*}  Die  Noihliige  foll  fieylich  mir  als  Ausnahme 
von  dcm  Gefene  gdccn.  Wenn  inan  nun 
bedenkt»  dafs  diefe  Ausndune  auf  Betrach* 
mngen  beruhr,  dievon  den  Fol((en  ber* 
gcnoniinen  (ind,  welche  «us  der  Wahriieic 
JUefsen  kfinnnn,  dals  es  aber  bey  der  Sitt- 
lichkeit  nur  auf  die  Vemunic  ankommt* 
welche  alles  u-idcrfprechcnde  verdammtt  fo 
fiebtman  woUi  dafs  es  nutiancr  Aimuhma 


Es  iey  drittenf  die  Frage :  ist  ei  erlaubt, 

aiivlere  in  ihren  Schwachheiten  zu  besCir- 

cinc  mirsliche  Siche  ht  Hierzu  komait  nwi 
noch,  dflfs  derUmftngdcrfelben  keineOren- 
Mn'hac,  noch  derNtnirdcrSadienack  haben 
kann.  Wenn  man  enc  augibe,  das  Liigen 
wareerlaubt  tn  demFalle,  di(k  man  fetn  L«- 
ben  dfldurch  rettenkdnnie,  fowiirdedann  ei- 
ner  fagen :  Ehre  fey  noch  mehr  ab  Lcben  |  ein 
iweyter :  was  ist  das  Lcben  ohne  Guter  die  es 
an2;cnehm  machen  ?  Ein  dricter  wiirde  irgend 
cinc  befondere  Neigung  iiber  allcs  fctzcn; 
\ind  fo  wiirc  wahrlchcinlich  nicht  einc  Sache 
iw  iindcn,  zu  dcren  Erlangung  odcr  Erhal- 
tung  dic  Lugc  nicht  aJs  rcchtmafsig  anzu- 
lehcn  fcyn  wiirdc  Auch  widcrfprcchen  fich 
dic  Mcnfchcn  offenbar  in  ihrcm  Urrhetlc 
iibcr  dic  Urfachcn,  wclche  cine  LCige  rccht- 
tatigcn  follcn.  Allc,  wdche  dicfclbc  fur 
gewifle  1'ftUe  als  zqlftfsig  anfchcn,  werdcn 
gcwifa  im  Allge^neinen  der  Meynung  fqyn, 
iHds  dte  Ratning  das  Lebens'etneii  von  dcn 
wiebtigmn  angebe.  Wie  viele  unter  diefen 
flber  nennen  nickcdenjenigcn,  der  cine  grofse 
Uibdtkat  wahrfcheinlicbcr  Wdfe  begangen 
kat,  und  lie  abllugnef,  cinen  vemockten 
Bofewickc?  So  natdrlich  fie  es  findcn  fdl- 
ten,  difs  ein  Verbrechcr  iich  etwas  nicht  aut 
Pflicht  mache,  was  fie  fdlist  nickt  dafilr  er- 
kennen.  Alfo  einc  neuc  Aumaknic  von  der 


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—  133  — 

ken»  tim  eigactt  Vorthetl  daiaus  fu  tiehen^ 
SehwMhbetleii  find  inmer  Fehlcr»  lie  mdsen 

AiiBBihme.  Ohnc  dierelbe  wOrde  mtn  tt 
fiberbeupr  einem  jeden,  der  ftiner  Thtten 
wcgen  gcKnft  weidcn  iba,  tnr  PlUcht  nii- 
chcn,  diefclben  abzullugnen.  Denn  duich 
die  Scitfe  wird  das  Verbrechen  nicht  wicder 
gut  gemacht.    Im  Gegcnthcil  bcnimmt  fic 
oft  dem  MenCcbcn  aUe  Mittel  dazu.  Mftn 
kdnntc  alfo  fagen,  wenn  der  Mcnlch  vorhcr- 
fthc»  dafs  die  Strafc,  die  auf  fein  Gestiind- 
nifs  folgcn  wiirdc,  ihn  der  Mittel  beraubte, 
dic  Vcrleuung  feincr  Pflicht  wicdcr  gut  zu 
machen,  und  wcnn  er  dcn  Vorfatz  hatte  die- 
fe»  zu  thun,  io  lcy  cs  wenigstens  dann  feinc 
Micbt  Itt  liigen,    Neue  Ausnalinic  von  dcr 
iwcyten  Ausnihme!  Die  Sache  liefse  fich 
felbsc  von  diererSeicc  noch  weicer  verfolgen. 
Wirwollen  «bcr  sur  erttcn  luruckkchren  und 
fragen,  wie  wcic  wohl  cin  jcder  dcm  cndem 
daslUchc  einrtumen  werde  ihn  tu  beiagcn? 
Wer  flufrichtig  isc,  winl  fich  eiogeatebcn 
mfifren,  dafs  er  die  Anwendung  jener  £r- 
laubnifi  auf  fich  I:aum  fiir  m^glich  hfilff, 
Keiner  will  alfo  bclogco  fcyn  und  glcich» 
wohl  das  Rccht  haben  anderc  zu  bclngcnf 
Diefs  Jst  abcrmals    cin  Wideifpruch ,  dct 
mit   der  Vcrnunft  nicht    bcsichcn  kann, 
Es  ist  vicilcicht  nicht  uberriufsig  noch  zii 
bemcrlien,  wie  uoUcher  der  Eiiolg  ciner 


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noch  fo  kletn  leyii,  und  kominen  aiis  euiem 

Nichtgebravich,  oder  einem  Mifsbraiich  dcr 
Vermmft.  Dic  Frage  ist  alfo  dicfc :  Ist  C8 
erlaubtt  fein  Betragen  £o  einziirichtcn»  dafi 
die  Verminft  noch  weniafcr  gebraucht,  odcr 
noch  mchr  gerrnUbraucht  wcrdc,  als  es  ohnc 
ineinen  Einfluis  gcfchehen  wtircic?  Die  Ant* 
ixrort  darauf  muts  verneincnd  ausfillen»  ivenn 
maii  bedcukt,  dafs  vcriuinfiigc  Wcfcn  kein 

Unwahvheit  fey,  imd  wie  gcradc  dadurch 
ofr  ein  Uibd  hcibcyi^efuhvt  wcrde,  das  man 
vcrhindcrn  wollre.    Sehv  wohhhStig  fchcint 
die  lugcnhafte  Hoffnunj,  wclchc  cin  Arzt 
eincm  unhsilbaren  Kranken  zur  Gcnefung 
gicbt,  Und  doch  wie  hOchstnnchtheilig  kana 
cinc  folche  Verfichcrung  werdeu !  Der  Arzt» 
der  fie  fich  erlaubc,  mufs  bey  jedem  Kran* 
ken,  der  diefs  weifs,  in  Abficht  feincs  wah- 
rcn  Zustandcs  aUen  Glaubtn  verlieren,  und 
der  Beruhigung,  die  er  niit  Wahrheit  geben 
kann,  tl!e  Kraft  benchmen.  Wie  grofs  kann 
tber  nicht  der  EinAu&  eines  folchen  Mi&« 
trtuens  tuf  den  Zuscand  eines  Kervenkmif» 
kenwerden!  Ehrlichkelc  ist  dic  bcsiePoIi- 
tik,  (tg^  mtn  (ast  fpruchwortlich.   Von  der 
aoengen  Wahrhaftigkeic  insbefondcit  ktna 
nun  ebca  das  fagcn* 


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«ngemeinet  Ge&ts  wollen  konncn,  ipvelches 

dlc  Unvernunft  befordcrt,  unJ  dafs  ein  fol- 
chet  fogar  im  Wideripruche  mit  dcr  Idee  ei- 
nct  allgemeinen  Gcfetfef  sCehe,  tndcra  dicrcif 
aus  Vernunft  flicfst  und  auf  Vernunft  zwcckt. 
Wer  alTo  aJJgemeine  Geretzc  wili,  iagt  damit 
lchon,  diais  eg  Veniimft  wid  nieht  Unver^ 
nunft  wolle. 

Hicrmit  steht  einc  anderc  Frage  in  Ver- 
hinduttg.  Sie  ist  dieie;  Darf  ich  felbs^  aus 
Fkireht  vor  Unannehmlichkeiten,  ftigeben» 
dafs  irgend  cia  Mcnfch  mir  mein  rcchtm  .isi- 
ges  Eigenthum  entsiehe?  Sctst  man  hier  Uup 
gercchtigkeit  anstatt  der  suvor  genannten 
Schwachheit,  fo  fieht  manwohl,  dafs  allcs 
Vorhergc(agtc  ooch  wcit  driogendcr  fiir  eine 
iremeinende  Antwort  ist. 

Endlich  dcoke  man  (ich  einen  Mann»  der 
Vermogen  genug  befitxt,  um  angenehm  leben 

zu  konnen ,  ohnc  das  geringste  zu  thun ,  imd 
dcr  cinctt  sCarkcn  Hang  hat,  blofs  dcm  Vcr- 
Sniigen  nachtngehen,  der  fich  aber  vor  dem 
Entichluise,  denfi^lbcn  alleia  su  befricdigcn. 


iiocli  fragt,  ob  Aie  Regel,  iie  er  xu  befdgen 
wiiiifcht,  niit  cier  Pflicht  bestchcn  konne. 
Die  Regelu,  die  sum  allgemeioen  GeieCze  ge- 
macht  werden  mti (Vten,  heifsen  Ib :  Ein  Jeder 
ihiie  niir  fo  vicl  ais  zu  fciner  cigncn  angeneh- 
oien  Existens  binrcichty  und  er  lebc  mir  fiiir 
die  Gegenwart,  ohne  an  dte  mogliche  Zu* 
kimft  zu  denkcn.    Solchc  Gcfctzc  kann  er  als 
finnlichvernunftiges  Wefen   nicht  wollcn* 
Bey  der  Bedtirftigkeit  feiner  Natur  kaou  et 
der  Falle  fo  nianche  gchen ,  wo  er  anderer 
Miihe  und  Arbeit  hedarf,  unJ  wo  cr  fich 
felbst  durch  jene  Gefette,  alJe  Hoffmrag  auf 
uncigetuiutcigenBeystand  abgcfchnitten  faStte. 
lir  mufs  fcrncr  als  bediuftigcs  Wefen  wollcn, 
dais  feiue  Krafte  und  Fahigkeiten  ii>  ibm  fo 
viel  als  moglich,  entwtckelt  werdcn»  weil  Ce 
ihiu  doch  7M  allciley  Zwecken  ktinftig  dien- 
lifh  feyn  konnen.    Er  nuifs  alfo  arbcitcn^ 
theils  fiir  aiidere,  thetis  fiir  fich,  wenn  fein 
Wille  keineu  Widerfpruch  enthaltcn  foU. 

«)  Mtn  ficht  hiertus  wie  der  Gnindrttz  dcr 
eigoen  Vervollkommung  aus  dcm  iu%csi«ll- 


Digiti 


137 


Diefe  Beyfpiele  kdiinen  hiareichend  feyji^ 
die  Anwendung  dei  obersten  Sittengefetfet 
einleuehtencl  tti  maehen.  Die  gcmeine  Ver- 
nunft  denkt  Hch  freylich  dalTclbe  nicht  fo  be- 
fltinmt  in  einer  allgemeinen  Form»  und  ler- 
gliedert  tnch  bey  cler  Anwendung  dieBegrifFe 
nichtgcn;iu.  Allein  iie  richtct  iichdoch  stcts 
nach  demfelben»  wenn  et  tuf  Urtheile  uber 
Recht  und  Unreeht  ankommt.  Es  findet  da. 
her  auch  der  Mcnfch  von  der  gewohnlichstcii 
Fahigkeit,  eben  fo  gut  als  irgend  cin  PhiJo- 
foph»  was  pflichtmiftig  und  pflichtwidrig  fey» 
wenn  er  et  nur  wi(len  wil  1.  la!  man  kann 
iagen,  dafs  der  lctzte  kaum  hofTen  darf,  cs 
eben  ib  gut  su  treffen»  indem  fein  Urtheil 
durch  eine  Menge  fremdery  nicht  siur  Sache 
gehorigcr  Bcaachtungcn,  welche  dic  gcraei- 
ne  Vernuufc  bcy  Scite  lafst,  leicht  vcriirr» 
und  vou  der  geraden  Rtehtung  abgcbrachc 
wtrd.  In  allen  angefiihrteuBeyfpielcn  hcifscn 
allgemein  dicMcufchen,  wclche  uicht  lur.U 

ten  Sittcngcfeae  folgt  Er  tft  rifo  fthr  walu, 
aber  nkht  der  hfichste,  ant  dcm  allc  Pflirk* 
tco  htfgeleiiiec  werdcn  kunnen. 


Digitizc 


—  138  — 

dem  SiNengeletxe  haticleln,  Betruger,  Lugiicr, 
Schmcichler,  Fcighcrzigc,  Mufsiggajigcr  und 
jeder  dieter  Tieel  ibll  Miisfallen  au  ihrem 
Verfiihren  ausdrueken.  Ntir  dse  Afcerphilo- 
fophic  wagt  es  dicfes  Mifsfallen  iiicdcrtii- 
fchlageii»  und  Perroueay  die  es  vcrdienen, 
vro  nieht  als  achtungswurdig»  doch  als  kluge 
Weltleiite,  vorzustellen ,  dcncu  man  nicbts 
vorzuwerfeu  habe. 

Warc  cs  alfo  nicht  bcfTcr,  wird  man  viel» 
leicht  fagcn,  die  Philofophie,  wenigstens  im 
Moralifthcn»  aufkiigebeny  und  es  bey  dem  ge- 
nicincn  Vcrminfhirthcil  bcwenden  zn  laflen? 
„Es  ist  cinc  hcrrliche  Sachc  um  dicUnfchuIJ, 
antwortet  hierauf  Kant,  nur  ist  auch  wieder- 
um  fchr  (chlimm,  dals  fie  fich  nicht  wohl  be« 
xvahrcii  lafst  iind  icicht  vcrfiihrt  wird.  Dcs- 
wcgea  bedarf  fclbst  die  Weisheit,  dic  fonst 
vrohl  nichr  im  Thtm  und  Lalfen»  als  im  V/IC 
fcn  bestcht,  doch  auch  der  WifTenfchaft, 
iiicht  um  von  ihr  zii  lcrncn,  fondcrn  ihrer 
Vorfchrift  Eingang  iind  Dauerhafcigkeit  zii 
verlchaiCBik  Der  Menfch  fiihlt  in  fich  ielbf t 


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—  139  — 

ein  machtiges  Gegengetvicht  gegen  alle  Ge« 
boce  der  P6ichC9  die  ihm  die  Verniiiift  fo 

hochachttingswiirdig  darstellt,  an  fcincn  Be- 
diirfnirsen  und  Neigungen»  deren  ganze  Bc- 
firiedigiuig  er  unter  dem  Namen  von  Gliick- 
leligkeie  ztifammen&fst.  Niin  gebietet  dte 
Vernunfty  ohne  doch  den  Neigtingen  etwas 
dibey  lu  verbeir»eii,  unnjiehJaftlichy  mithin 
gleichftm  mit  Zunlcfcfttf tmg  tmd  Nichtach- 
tiing  jeaer  (b  ungestumen,  iind  dabcy  fo  bi!- 
lig  icbeinenden  Anij^ruche,  ihre  Vorfchrif- 
ten.  Hieraus  entlpringt  aber  etne  nattirliche 
Dialektik^  das  ist,  ein  Hang  widcr  jcne  strcsi- 
geGefetze  derPflicht  zu  vernunfiteln  und  ihre 
Gtlltigkeit,  i«enigsten«  ihre  Reinigkeit  und 
Strenge,  in  Zwrifel  «i  ziehen,  imd  He,  wo 
moglich,  unfcru  Wiinfchcn  und  Neigungen 
aogemelsner  zu  macheo»  d.  L  fie  im  Grunde 
xu  verderben  iind  um  ihre  ganze  Wurde  ztt 
bringca,  wclclies  dcnn  doch  dic  genicine 
praktifche  Vernunft  oicht  gut  heifien  kann.^)'* 

Gnindlcgung  zur  Metaphyfik  der  Siitfn, 

S,  22, 


—  140  — 

Da  (ic  nun  dic  Verfilfchiing  dcr  Pflicht 
nichc  gut  heiiieii  kami »  fo  ist  fchr  begreif- 
licby  warum  feit  mehreni  tntiend  lahren  fie 
feneigtwar,  die  Enticheiclutig  dcs  innernWi* 
dcrstreits  des  Mcnrchcn,  in  dcr  Fhilofophic 
Stt  fuchen.  Die  Pbiloropbie  aber  ist  mit 
lich  ielbst  ntcht  einig.  Einige  Lehrer  der- 
fclben,  wic  wohi  der  klcincrc  Theil,  fAvei. 
^ln,  daif  fich  der  Streit  «wifcben  den  An* 
Ipnlchen  der  Netgung  und  der  Pflteht^  je  ent* 
fchcidcn  lafle ;  anderc  gcben  gar  kcincn  Un- 
terrch^cd  in  dcnfclbcn  zu,  und  noch  andere 
giauben»  denfeiben  beftinimt  angegeben  tii 
haben,  wenn  fie  eigentltch  nur  Ncigungcn 
ttnterfchcidcn ,  und  die  ciuen  lur  Ptiicht,  dic 
nndem  xur  Sinnlichkeit  rechnen.  Bey  die(er 
Uneinigkelt  in  einer  Ruckfichty  und  bey  dic« 
fcr  Uibereinstiinnujng  in  eincr  andcrn,  ge- 
fchiehc  cs,  dafs  der  Mcnfch  cntwcdcr  iich 
«uf  das  Gcfuhl  von  Pflicht  verlafst»  ohnc  wci- 
ter  Hillfe  von  der  Fbilofophie  tu  erwarten, 
odcr  chcVernunft  vcriaugnct  undSinnlichkcit 
xtim  hdchsten  Gefetfc  macht,  oder  das  Sys- 
tm,  welchcs  cr  xur  ErkUrnng  dcr  Si(t- 


• 


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lichkeit  angenoiiiiiieii  hat»  in  der  Aui- 

libung  oft  verlaflen  muCs,  vitaa  er  nichc 
der  Pflicht  eaiU^cn  will. 

Handeln  tind  Wirfen  wird  durch  den  aiif* 
ieitellteii  GriuuKktx  der  Sittiichkeit  wieder 
vereinjgt*  Schon  dailuieh  iat  viel  fewoa* 
nen.  Er  ist  ferner  foeinfach,  iind  doch  Co 
vielbedeiitend.  Der  gemeinate  Verstand  kana 
ihn  faflen,  und  dat  ginse  Thua  uad  Lafleii 
derMeniehen  kanndamach  gerichfet  werden. 
Jhn  trefFen  endlicb  aiich  viele  von  den  Zwet- 
feJn,  die  gegen  alie  vorhergeiehrte  Sytteme 
init  Reeht  erlioben  wurden»  gar  nicht;  iind 
die  tibrigcii  kuiuicn  zur  Befriedigung  eioes 
jcden  geldst  werden»  der  di^Grenien  det 
menichlidien  Wifleni  nicht  verkennt,  und 
fich  gcuiigen  liii t  —  MenTch  tu  Ssfu, 


143 


Ahkihm^  iet  Sittengefitut  mtiJem  Satzi 
det  Uiderjprucbs^  und  Darsteilut^  des 
Z^h  dtr  SittliehMu 

£s  tst  im  vorlgen  Abfchnitte  gezeigt  wor- 

den,  dafs  nach  dem  Urtheile  der  gemeinen 
Vcrmmft  nicht  nur  Pfliclit  etwas  allgcmcin 
yerbindendetist:  fondern,  dsrs  auch  indeDi 
BegrifTe,  clen  alle  Menichen  damit  verknii- 
pfcn ,  fchon  das  oberstc  Gefetz  der  Sittlich- 
keit  iiegt«  Bey  der  Anwendung  deiTcliien  auf 
einzelne  Fille  wiirde  auf  eine  Wahrheit  hin- 
gcwiefen,  dic  ohnc  Beweifs  einlciichtct, 
nAmlich,  da6  cin  offcubarcr  Widcripnich  der 
Vcrntinft  entgegen  ist  Wer  die6  xugiebl 
inid  cs  auch  fiir  unfere  Handhingen  gelten 
la(sty  der  giebt  iiicht  nur  zu,  dafs  liberhaupt 
Sittlichkeit  in  der  menfcblichen  Natur  ge- 
gnindet  ist,  fondem  auch,  dafs  das  aus  dem 
Bcgriffc  der  Pliicht  entwickcltc  Sittengefetz 
die  oberste  Kegei  unferer  Uandluugen  feyn 


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foii.  Die  Wahrheit  dieicr  Behaiipttingp  kaim 
Jeicht  ge&fit  wecdeji.  ^ 

Der  GnincUatt  dei  Wideripnidis,  welcher 
anzeigt,  dafs  gans  entgegcngeretste  VorsteU 
lungen  iiicht  zuglcich  wahr  fcyn  konncn,  clafs 
cin  Urtheil  ialfch  ist,  weicbes  widerfprecheii- 
de  Dinge  vereimgt,  itt  Ton  der  Vemimft 
lucht  nur  unzcrtrcnnbar,  fondern  anch  von 
der  Au,  dafs  alJe  iibrigen  Grundfatze  ihin 
untergeordnet  werden  muflen,  und  foJgiich 
als  das  obersteGefetc  der  Vemimft  ancuiehen. 
In  aiien  Untcrruchungen,  He  niogen  wichtige 
oder  nnwichtige  Dinge,  dieNatiu:  iiberhaupt» 
oder  den  Menfchen  insbelbndere  betrefien, 
ist  jene  Wahrheit  entweder  das  Erste,  wovon 
nian  ausgcht,  oder  das  Letzte, .womit  mati 
lchJiefsts  imd  aiies»  was  aut  ihr  offenbar 
folgt,  wird  als  nothwendig  wahr  angefehenfo 
wie  iie  fclbst,  d.  h.  es  bleibt  demjcnigcn,  dcr 
die(e  Walurheiten  msteht,  nicht  eiumai  die 
Moglichkeit  tibrig,  das  Gegentheil  liirwahr 
zu  halten.  Auch  glauht,  felbst  ini  gcmeinen 
Lcbeu,  jeder  Meurch  allcs  gethan  lu  haben. 


—  144  — 

weun  er  gezeigt  hat,  dafs  in  irgcnd  euier 
Mcinung  ein  ofieabarcr  Wideripnicii  iey< 
Oer  Gebrauch  diciet  Gefettefl  der  Vemunft 
fchrankt  fich  aber  nicht  auf  biofsc  E  r  k  e  n  n  t- 
ni&  cio.  Ef  findet  ieioc  Anwendung  auch 
auf die  Handiungen  der  Menfcben.  Dcr- 
jenige  wird  allgemcin  als  unvcrniinftig  an« 
gefehen,  dcr  einen  Zweck  iii  erreicheu 
«unichti  und  doch  gertdc  dai  Gegenthetl 
von  dem  thut,  wat  sur  Errelchung  deflelben 
fiihrcn  kann;  und  aiif  diefes  Urthcil  haben 
die  Folgcuy  dic  fiur  ihn  daraut  entttchcn  kon* 
nen»  gar  keinen  Einfluit.  Et  kann  unt  i .  B. 
ganz  gleichgiiltig  feyn ,  ob  cin  Menfch  ilch 
iim  die  Gunst  eines  aiidern  bewerbe  oder 
ntcht.  Wenn  wir  aber  willen,  dait  jeneni 
allerdingt  an  derielben  gelcgen  itt,  und 
wir  fehen,  dafs  er  nicht  niir  nichts  thut» 
ooi  dai  lu  erlialten,  wat  er  wunfcht»  ibndem 
wohl  gar  durch  Reden  und  Handeln,  dea 
Mann  erbittert,  den  er  xum  Frcunde  haben 
will :  fo  erregt  dicis  Verfabreo»  an  und  fiur 
iich»  MiAbiliigungy  und  dat,  wat  unt  tu  die- 
fem  Urtheile  bettimiBty  iit  der  oieobare 


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Wideripnicli  twUchcn  dem  Willcii  lui^  der 

Handlung.  Gchen  wir  von  dicfem  bestimm- 
tcn  Faile  auf  iblche  Falle  libcr,  wo  unf  dic 
Zwecke  4er  Meoichen  nicht  ansdrucklicli  ge> 
gehen  find:  fo  werden  wir  finden^  dafs  ein 
Mangcl  an  Verminft  ntir  da  gedacht  wird,  wo 
wir  fewiile  Zwccke  bey  alien  Meniclien  aii 
nodiweiidig  voraufletfen^  und  fie  doch  den* 
felben  ziiwider  handeln  fehn.  Den  lidstlich- 
flen  Wein  trinken»  wemi  man  weifi »  er  tdf 
vergifiet,  wiirde  ab  der  h6ehfte  Grad  der 
Unvemiinft,  als  Wahnfinn,  angefehen  wer- 
den,  wenn  ausgcmacbt  wire»  dafs  nur  die 
Vofttellung  ctet  angendinien  Geichmaekt  da* 
su  hectiininte»  well  et  imt  ttnmoglich  ist,  zu 
denken,  dafs  irgenJ  ein  Menfch  ein  angen- 
bliclLiidief  Vergnugen  fiiir  ein  hdheret  Out 
«ilehett  ibllte,  als  dai  Lehen.  Steigt  man 
Von  dem,  auf  genoncnc  Liist  unausbleiblich 
erCoigenden»  Tode  iierab  lu  unvenneidiicher 
Krankheit»  su  langwicrigemVerlutte  vonGe» 
niifbfahigkeit,  zu  fp^t  eintretenden  Uibeln, 
und  eadiich  wcnigf  tcni  zu  wahrrchciniich  ab* 
K 


gekuLSter  Lebenslinge:  fo  betdaiiiien  ficli 
«uch  hiernadi  die  Gndt  det  Mangeb  an  Ver- 

niinrt,  deumandemjenigenzufchreibt,  dLTfich 
blo&  vom  gegenwartigen  Vergniigen  hinreiisco 
iafit^  ohne  auf  die  Folgen  deflelben  xu  (chen* 
le  wichfigcr,  je  gcwiffer  und  jc  aiigenfchein- 
lichcr  diefc  lind ,  dcsto  ivcnigcr  konnen  «ic 
denken»  dais  fie  entfveder  einer  voruberg»» 
hendenLust,  im  blofsen  Urtheiley  nachge* 
fstzt,  oder  gar  unbekamit  geblicben  feyn  roli- 
ten.  Sind  fie  aber  fehr  ent£emt»  fi>  veriie- 
ren  fie  fishon  dadnrch  einen  grofien  Theil 
vou  ihrcr  VVichtigkcit ;  iic  vverden  iiberdiefs 
ungcwif»  und  fchwercr  zu  erkennen.  Dcc 
Vorwurf  der  Unvemunft  fchrankt  fich  daher 
auf  folchcFalle  ein,  vso  die  bofen  Folgen 
irgend  einer  genoiscncn  Lust,  unmittelbar 
find»  odcr  doch  von  fi»  groficr  Bcdcutung 
fi^yn  kounen»  dafi  fie^  ihrer  Entfemcheit  und 
Ungewifsheit  ungcachtcty  noch  als  nothwea- 
digc  Bcstimmungsgrunde  angcfchen  werden^ 
um  einem  voriibergeheaden  Vergnugen  wu 
cntfagcn 


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—  147  — 

Alie  eimekie  Urtheile  beiiehea  fick 
fiiletft  auf  den  Satf ,  dafs,  vnt  vernunf- 

tig  handeln  wili,  immfr  ein  grofseres  Gut 
einem  kieiaeni»  und  ein  leiditeref  Uibel 
einem  drCickendern  vonjehn  miifle,  Die> 
fer  Satz  heifst  aber  im  Gnnide  nichts  au- 
derSf  alt  wer  veraiinfcig  handehi  wiU,  darf 
keinen  Widerlprueh  twiichen  ieinen  Urtfaei* 
len  und  ieinen  Handlungen  fulaflen.  Denn 
vorauigefetzt  mtifs  cloch  werdeu,  da(s  dcr« 
{enige,  welcher  (ich  nach  dem  veHcliiedeneii 
Werdie  von  xwey  Gutem,  oder  nadi  dem 
verfchiedcncn  Driick  von  zwey  Uibchi  be- 
atimmcn  foU,  dicfe  fowohl  als  jene  kenne, 
iind  den  Unterichied  in  ilirer  Groise  einlehe^ 
Vor  dieftr  Kemtniis  if t  eine  Wahl  nicht  ein- 
mal  gedenkbar.  Angenommcn  alfo»  daft  die 
Kenntniis  dcr  Wahi  vorausgehe:  fo  iiegt  in 
der  Einfieht  von  dem  hohem  Werthe  einea 
Gutes  fchon  die  Idee  von  dcm  V  oi  zugc,  Jen 
et  vor  eincm  andem  lichauptcL  Wcr  aifo 
iagt»  et  lcy  nicht  vorzusichen»  der  be- 
hauptct  etwas  ofienbat  widcrlprechendef» 
und  wer  fo  handelt,  ait  ob  das  kicincre  Gut 


14S 


dat  gru&ere  iey»  deffen  Handlimg  wUer* 
^cht  feittein  Urtbeile. 

Ift  ef  nuii  viabr,  daii  jener  angefuhr* 

te  Satz  alle  cinr.elne  Urtheilc  enchalc,  nach 
(ieiicii  gehandelt  werden  miirs,  vicnn  die 
Handlungen  .ala  vemunftig  gedacht  iverden 
(bllenc  fo  ist  hlar»  dafs,  vtenn  Unver« 
nunfc  in  den  Handlungen  der  Menfchen 
gefunden  wird»  lelbit  in  (6  fem  dieieiben 
nach  ihren  Folgen  beurtheilt  werden, 
nicht  eigcntlich  dicfe  uns  lum  Tadel 
hcf timmca ,  fondern  vieJmehr  dcr  Wider- 
ipruchy  der  fich  smichen  der  Einficht  und 
den  Willen,  oder  der  Handhmg,  zcigt.  Denn 
fobald  vorausgefetzt  wird,  dafs  der  Handelu- 
de  die  Folgen  nicht  kenne,  oder  denlelben  tu 
bcgegnen  wiflen  werde»  (b  lallt  der  Tadel 
ganz  wcg;  luid  ini  ersten  Fallc  tritt  an  fcinc 
StcUe  Mitleidcn,  Der  Gcdanke  an  jcnc  Vcr- 
kehrtheit  aber  erregt  allenial  einendesto  stlr- 
kem  Unwillcn,  jc  ofFcnbarcr  fie  ist.  Hr  ht 
frcylich  fchou  ziemhch  grofs ,  wenn  jcman J 
cine  Meinung  nicht  aufgiebtt  Ton  der  fo  klar 


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—  '49  — 

fMCfgt  «ordco  ist»  dait  fie  aiM  wider^- 
dieiiden  Sttieii  bcttelie,  als,  ^afi  elnDreyeek 

kein  Viereck  ist;  aber  diefer  Unwille  wiirde 
cbch  nocb  koher  •teigen»  «emi  dcr  Mano» 
derfiehegt,  geradetn  bcfaauptete,  erwolle 
das,  was  wahr  i$t,  nicht  fiir  wahr  halten; 
odcr,  cr  wolle  das ,  was  nach  der  Vemuttft 
gethan  werden  foU,  doch  nicht  thun.  Wir 
Ibrdem  von  )edeni  Menlchen»  daft  er  dat, 
was  er  fiir  wahr  erkennt,  nicht  fiir  faifch  er- 
jLlirCy  ohne  im  aUergeringiten  auf  das  Ver* 
gnugen  lu  lehen,  daa  durch  eine  Iblche  Er- 
Uining  gcfichert  wird,  oder  auf  den  Ver- 
drufs,  den  die  entgegcngefctzte  erzeugcn  konn- 
te.  Ob  et  nungleich  wenig  {blcheMcnicben 
giebt,  welche  die  Verkehrtbeit  bif  lu  dem 
aogefiihrten  Grade  treiben :  fo  ist  doch  auf 
der  andeni  Seite  nur  lu  gewiif»  dafi  unrre 
Handlungen  mit  unlerer  Uibeneugung  lehr 
oft  im  Widerfpruche  stchen,    Unfere  Sinti- 
iichlLeit*)  verhindert  mclirodcrwcDiger  ieue 

Zu  der  Sinnlichkeir,  im  Gegcofatze  dcr  Ver- 
mmfr»  wtrdca  allc  fiagaapn  und  Aboei- 


Harinonic,  wclche  fich  zvfifchcn  unfcpcr  Eiti« 
ficht  imd  iinfenu  Willen  finden  vmrdCy  wcna 
diden  bloft  die  Vernunft  be>timmte,  Diefe 
an  und  fur  fieh  betncbtet »  kann  einen  Wi- 
derfpruch  nicht  giit  hcifsen,  iind  fo  wurde 
der  WiUe»  der  ibr  unterworfiea  ware,  auch 
f  teti  einttimmig  mit  fich  fdbst  leyn. 

Vernunft  ist  nach  dem  Ausfprucbe  fe^ 
|»es  Menfchen»  der  geh6rt  lu  werden  ver- 

dtent,  weder  in  Worten  noch  in  Handlungen, 
wo  ein  oifenbarer  Widerfpnich  Statt  findet» 
und  wer  diefen  mit  Bewufitieyn  aufiiimm^ 
handclt  da,  wo  cr  es  thut,  unvcrniinftig. 
Wider  diefe  Wahrheit  konnen  auch  dic  un- 
gebundestenZweifler  nichts  einwenden.  Wer 
fie  laugnete,  oder  gar  zeigen  wollte,  dafi  die 
Vernunft  auch  ganz  widerfprechende  Dinge, 

gungen  nut  g^ercdinei^  die  Lust  und  Unlost^ 
wm  weleher  Art  fie  iuch  fcyn  mtfKCn,  tnm 
unmittdbareo  Gegcoscande  hal>en.  Es  g«- 
hSn  nach  diefer  Bcsdmmung  z.  B,  die  Syn- 
gadise  cbcnfiiUs  m  Siaiilichkciei 


tlf  gleich  wahr  und  glcich  gut  anrehen  k6mi« 
te,  der  hStte  doch  kein  anderes  Mitte]  als  das, 

wdchcs  cr  bestrcitct.  Ist  das  nicht  falfch, 
was  cincn  ofFcnbarcn  Widcrrpruch  cnthalt: 
ib  ift  nichts  mehr  wahr,  und  folglich  auch 
dai  wcht  wahr,  was  die^^airchheit  dcs  Grund- 
Lttcs  dcs  Widcrfpruchs  darthun  foll.<^) 

Worauf  fich  dicfes  obcrstc  Gefctz  dcr 
Vcmiuift  griinde,  dicfs  IjUst  (ich  nicht  wei- 

♦)  Wcr  beliauptct  cs  fcy  gar  nichts  wahr,  dcr 
zcigt  fchon  durch  feinc  Bchauptung,  dafs  cr 
doch  ctwas  fiir  wahr  halt.  Der  vollendctc 
Skeptikcr  mufs  gar  nichts  b^haupren  — - 
und  cinen  folchcn  hat  cs  noch  gar  nicht  gc- 
gcbcn.  Dic  fchSrfstcn  Zweifler  der  ncucrn 
Zeit  gebcn  die  Wahrheic  dcr  Mathcmatilc 
und  folglich  die  oothweodigcn  Vernunft. 
wahrheiten  zu.  Ihre  Zweifel  crefTcn  nur  die 
flus  der  Erfiihrung  heigeldtettn  Satzc^  und 
die  Systcme  der  Philofophen,  welche  die 
Wflhrheiten  Qber  Gott,  Seele  und  Wclt  als 
unahbfingig  von  dcm  Gefctze  der  Sittlichkeic 
iind  doch  als  crkcnnbar  darstcUen.  Da  dieff 
nich  dcm  Kantifchcn  Systemc  nicht  fo  is^ 
fo  wcrdcn  dadurch  auch  jcnc  Zwcifel  cnt- 
fernt,  die  nur  die  fpekuiadve  Ycmunfc 
0'ctfeo, 


  153  — 

icT  beaiitworten.  la  es  wttrde  fiimloi  fcyn 
diere  Fragen  lofcu  zu  woUcn.  Denn  dieAnt- 
vrort  muftie  fich  wieder  auf  den  Satz  de$  Wi- 
derfpnichs  ((utzen,  deiTen  Gnmd  fie  doch 
angeben  foll,  oder  das,  was  fich  in  iinferm 
Bewuistfeyn  ab  die  obertce  und  nothwen* 
digste  aller  Wahrhetten  anktindigrts  in  eine 
andere  voa  ihr  abgeleitete  Ceticn,  d.  h.  die 
Folge  sum  Grunde  machen.  Die  Vemunft 
hat,  Co  «ie  fedes  andere  in  unt  liegende  Ver- 
mogen,  ihre  eigcnthiimlichc  Einrichtimg, 
{iber  deren  Kcnntnifi  wir  nifht  hinaiMgehen 
konnen.  Wer  es  nur  verfucht»  mkennt  die 
Grcnzen,  in  weldien  nnfer  Wiilen  einfe« 
ichrankt  ist. 

Sind  wir  nun  gedningen»  den  Sats  det 
Wideripnichs  nicht  nur  atif  das»  was  wir  er- 
licnneu,  foadcrn  auch  auf  das,  was  wir  thun 
ivoUcn«  auttiwcttdcu,  und  ^endcn  wir  iha 
wirklich  bey  Beurtheilung  der  Handlungen 
^n:  fo  entstcht  aus  dicfcr  lettten  Anwendung 
dasGcbot:  widcrfprich  dir  nicht.  So 
langc  es  nur  aiif  Erkcimtnifs  ankommt^  fo  be« 
foJgcn  Wiv  dicfcs  Gcfetz  ohnc  Wideilktfcbeii. 


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Wir  muSea  c$  befolgen,  weimwur  atick  oichl 
«oUen.  Allein  bey  clen  Hnidliiiigen  hmbeii 
wir  dat  Vermogen,  widerfprcchcnde  Diugc 
cii  vereiiiigeti.  Wir  kdnnen  andcri  haudQlii, 
«b  wir  urthciien.  Da  «llb  imiire  Sinnlichkeit 
ntt  der  Vemunft  nlehc  in  Hannome  steht  • 
fo  wird  das  Gefetz  derfelben,  das,  bcy  cincm 
nicht  finnlicfaen  Wden»  bloif  iein  imveria* 
derlichei  Verfiihren  eutMcken  wurdcy  fut 
uns  zum  GebotCy  wclches  jedcn  Wider(pruch 
in  den  Gefinnungen  und  Hendiungen  als  bofe 
darslellc,  und  fo  auigedruefct  werden  kami: 
nimm  in  deinen  Willen  nichts  wi. 
derfprechendcs  auf  und  handle  die« 
fem  Wiilen  gemils.«) 

♦3  Da  jcdcs  Gcbot  ein  Soilen  ausdruckt,  fo 
nennt  Kant  alle  GetK>te  der  Vcrnunft  Irapc- 
ntiven.  Sie  find  von  zweyerley  Arc.  £nt> 
tiradcr  gebiecet  dic  Vcrauaft  uotcr  der  Vor- 
autfeizung ,  dift  der  Menidi  cbica  Zweck 
cmidwn  wollc;  odcr  fie  g^bictet  ohnc  Vor- 
ausfeiziii^  «uMt  •ndcm  Zweckt»  tls  threr 
mbtt.  Im  cfttcn  fdl  find  dic  Inpcrttina 
hypochctifch  odcr  bcdingr*  in  «wcytcn  cmo- 
gorifch  oder  unbcdingt.  Von  dcr  ktnwtt 
Acc  itt  dtt  Gcbot:  widtffpnch  dir  nichfi. 


—  154  — 

Dieft  Gebot  xeigt  fchon  tn»  daii  der 
Menfch  fich  clen  Innhalt  deflelben  xur  Regel 

fcincs  Vcrhaltens  machca  foll.  Denn  das  Gc- 
fcu  lunu  hier  nicht,  nrie  bey  der  Natury  fon* 
dem  nur  dann  ieine  ErfiiUnng  habcn»  «eim 
cs  Maximc  vvird.  ' )  Wcr  fich  nach  derfelben 
jrichtet,  dciTcn  Vorfatz  ist,  iinter  allcn  Kc* 
geln»  <Ue  er  fich  sur  Befriedigung  feincr  Nei- 
giingcn,  zur  Bewirkung  (einer  Ghlckleligkeit 
macht,  kcinc  folchc  aufzunehmen,  dic  fchon 
nn  und  fur  fich  einen  Wideripruch  enthalt* 
Wenn  t.  B.  bes timmt  werden  foll ,  ob  man 
fichs  zur  Regcl  machen  konne,  in  eiuer  Vcr- 
legenheit  mm  lugeu»  d.  h.  gerade  das  Gegen« 

Ob  dcr  VcrfafTcr  des  dicken  Manncs,  dcr 
fich  ubcr  den  «atc^otilchen  Impcrativ 
lusiig  macht,  wohl  dainit  zcigen  will,  es  fcy 
Ilcherlich,  Htrmoiuein  Gefinnung  und  Hand- 
lung  au  brtngen,  wcil  cs  die  Vcmunft  be» 
fiehlc?  denn  diefs  ist  doch  eigendich  dcc 
Sinn  des  cttegorifchen  Impenitivf. 

*^  Einc  Regel  die  man  fur  fein  Vcrhalten  bc- 
folgen  will,  hcifst  cine  Maximc.  Das  Gc- 
Uu  muCs  Maxlme  werdcn,  heifst  nichcs 
«nders,  ils  min  muft  cs  zur  RidicfchQui 
feincs  Verhtltens  inacheo. 


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theil  von  dem  xu  iageii,  was  maii  ali  wahc 
erkennt:  Co  ut  oflfenbar,  dafi  dider  klare 

Widerrpriich  zwifchen  Handlung  und  Er- 
kenntnifs  mit  der  Vernunft  nicht  bestehen 
kanm  Eben  dieics  wire  der  Fall»  «emi  man 
nnferfuchte,  ob  das  Ei^thum  eines  andern 
alsdas  «nfrige  zii  gebrauchen  fey.  Schon  da- 
dureh,  da6  ich  argend  eine  Sache  iiur  Eigen- 
dium  erklSre,  leige  ieh  an,  dafi  nur  der» 
dcm  ich  daifelbe  xurchreibe,  den  Gebrauch 
defrelben  bestimmen  durfe*  Das»  was  ei* 
nem  andem  allein  elgen  isc,  sugleich  iur  das 
feinige  erklSreny  ist  eben  ibviel  als  fagen, 
cine  Sache  fey»  und  iey  auch  nicht.  Dieis 

*}  Man  hat  den  Spartancm  voigeworfcn ,  dafs 
lie  dts  Sichlcn  criattbi  bittcn,  und  aiancher 
SBOfalifdie  Zwdikr  hat  hiciius  die  Folg* 
geaogcn,  dals  die  Bcgriic  dcr  SittUeM^ 
nicht  nodiwciidig,  fondcm  wlUkfihrlich 
wiien.  Dcr  Bcgriff  dcs  Dicbsnhls  findcc 
abcr  da  gar  nicht  Start,  wo  tlle  Gfltcr  alf 
gcmeinrchafrlich  angefehen  werden.  Wciiis 
zwey  Perfooen  cine  und  ebendiefelbc  Kaflh 
haben,  fo  ist  ja  eben  dadurch  besdnuai^ 
dafs  fic  von  einem  wic  voil  dcnn  aiMlcni 
gebraucht  wcidcn  hapiL 


—  156  — 

abcr  ist  nach  dcn  Gefctzen  der  Veniunft  un- 
moglich.  Wcr  alfo  dieftf  ehrt,  dermrd  eine 
folehe  Uimiuglichkeit  nicfac  tur  Richtiehnur 
fciucs  Verbaiteus  machcn  wollcn  —  j.i  nicht 
cinmti  kouncn.  Aufser  dicicn  Wiiier^rii- 
eheny  die  in  die  Augen  fallen»  ibbald  man 
nur  jcJe  Regcl  fo  untcrriicht,  als  ob  (ic  cin 
Satx  fey,  deCfen  Wahrhcit  gcphift  wcrdcn 
toWf  giebt  es  noch  andere,  die  in  fb  fcm 
Statt  fiadcn ,  als  dcr  Mcnfch  cin  bedtirltigef 
Wcfcn  ist.  Als  folchcs  sUcbt  er  nicht  nur 
iiberhaupt  nach  angenehmen  fimpfindmigenb 
und  fncht  nnangenehme  von  Bch  xti  entfcr- 
neny  fondcni  er  will  auch  die  moglichgrofstc 
Summevon  jenen  ertuiten»  und  von  diefen 
die  Summe  «enigiteni  fo  klein  ab  mdglieh 
machen.  Dicfs  liiefst  aus  cinem  natiirlichen 
Triebe»  weicbcn  er  oiit  dcn  Tliicrcn  gemein 
hat.  Der  Unterichied  tivifchen  dielen  imd 
dcnMcnfchcn,  licgt  nun  aber  dartnn,  dafi 
jeue  nur  tu  ciniclnen  angcnchnicn  Empfin- 
dttttgen  durch  den  bioisen  lustinkt  hingeri^ 
fenwerden,  diefe  hingegen  denielben  nicht 
lioth\ceudig  folgcu,  fonicrr.  -liich  Vcrglci- 


Digiti^cG  by  ^i.j^>\^l'^ 


cliuiig  dcr  Gcgenwart  mit  der  Ziikuaft,  dieUt 
ciitlmte  Aimehiiiiicbkett  itiidUiMiiiiehiiilicli* 
fceit  vorautleheD»  fhellf  dieler  Einfiche  fol- 
gcn  konnen.  Hicraiis  cutstehn  die  Regeln 
und  GnmdOiCte*  die  fich  auf  uaier  Wohl  be* 
lichen.  &  kanii  djurin  ein  doppelfer  Wider* 
ipnich  Statt  finden.  Hntwcder  k6nnen  meh- 
Tcrc  davou  xuiammca  nicht  bcitehen»  oder 
eine  einseloe  liizlme  widerlprjciit  den,  wit 
ein  Welen  wie  der  Menlbh  ist,  uotcr  gcwir. 
ica  Umscandcn,  uothwcodig  will. 

WcrdasLebcn,  als  dieQiiellc  alJerGliick- 
feligkcit,  fur  das  hdcbste  Giit  hilt,  und  fich 
daher  vominiml^  et  durcfa  alle  mogliche  Mit* 
tei  xu  erhalten,  der  kann,  ohne  mlt  (ich 
felbst  uneiuig  zu  feyn,  nicht  lugleich  fich 
die  Rcgci  machen,  jedet  Vergnugen,  das 
fieh  ihm  darUetet,  su  genielfeny  Ibllte  ec 
auch  feine  Gefundheit  iintergrabcn  und  feia 
Lcbea  abkCirzen.  Wer  eia  groiscr  Mann  wer* 
den,  und  allb  die  Mittd,  welche  su  diefem 
Zweckefiihren,  anwendcn  wollte,  und  doch 
jcdcs  ven  dicfcn  MirccJa  durch  dic  cintelnen 


—  158  — 

Regcln,  er  fidi  su  feiner  Handlimgswcife 
machty  wieder  aus  dcnfelbcn  verwies»  dec 
ferieth  in  ofifenbaren  Wideri|>ruch  mit  fich 
lelbst  Zulinimen  konnen  iblche  wideHpre- 
chcnde  Regeln  nicht  besteben;  cine  von  dcr- 
ielben  muis  der  andem  nothwendtg  weicheiu' 
Welche  nun  weichen  ibJl,  hSngt  iehr  oft 
nicht  niir  von  dcr  Einlicht,  fondern  aiich 
ganz  vou  der  Willkitbr  eines  Menfcben  ab« 
Allein  es  giebt  auch  Sachen,  welche  er»  ver« 
moge  feinerNttuTy  nothwendig  wollcn  mufi» 
und  deren  Werth  in  Vergleichung  mit  an- 
dem,  theils  angenehmen,  theils  unangeneh- 
n^n,  fich  ib  aufdringt»  dafi»  im  blofien  Ur« 
theiie,  dic  eine  nachgefetzt  wird ,  vvcnn  die 
andere^  die  man  notbwendig  wiil,  auf  i^eine 
andre  Weiie  erhaiten  werden  kann*  So  ist 
ketn  Meofchy  cler,  bcy  dem  Gebratiefae  feiner 
Vcrnunft,  nicht  ein  vorubergehendcs  Vcr» 
gniigen  fur  geringer  balten  {oUtCt  als  die  Ge» 
lundbeit»  oder  dss  Leben;  keinery  der  vom 
Eicnd  gcdriickt,  odcr  in  Todcsgcfahr  nicht 
woUte»  dafi  er  von  denfclben  befrcyt  wiirde» 
Regehi  allb»  die  dieiem  (eincm  Willen  wi* 


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defftreicai»  find  ichlechtcrdafigs  tu  vetlfet* 
fo,  ivenn  auf  dae  Veniuiift  Ruckficht  gc- 

ooiiiinea  wird« 

So  iirtheilen  atich  <Ji^  Menfchen  immer, 
wcnn  cs  nicbt  auf  ihre  cigne»  fbndern  auf  die 
Handlungiweife  anderer  mkomait*  WtU 
B.  jemand  gem  Reichthum  erfverben,  iieht 
aber  ein,  dafs  er  in  feinen  Umstandcn  ihn 
sicht  anderiy  aU  durch  groiie  Anttrengung 
erhaltenkannt  Ib  kommt  ea  dariiif  an,  die 
Unannehmlichkcit  des  Mittcls ,  mit  der  An« 
nehmlicbkeit  det  dadurch  su  erreichenden 
Zvecki  xu  vergleichen«  und  swiichen  beydeii 
jtu  wahlcn.  Wie  anch  dic  Wahl  ausfalle,  fo 
vrird  fic  als  gleicbgiVtig  angcrchcn.  Wichti- 
ger  wird  fie,  fiemi  nicht  mehr  xwifcheii 
Reiehthum  und  groiser  Anttrengung,  fon« 
dcrn  zwifchen  Wohlstand  iind  gcwohnlichcr 
Arbeit  gewahlt  urerdcn  iblL  Hier  iit  fchoii 
faat  das  allgemeine  Urtheii  fitr  jenen,  imd 
xver  mit  dicrem  Urthcile  nicht  ubcrciustimmt, 
wird  fur  Icichtfinnig  gchaiten.  Indellcn» 
wemt  es  nuc  auf  eignen  Genufi  ankomm^ 


—  ibo  — 

xm^  iemand  lieber  weniger  gcnicfsen,  ais  or- 
deotlkh  arbeiten  will,  So  utdM»  feioeSache.*) 
Wena  aber  endJich  das  Leben  luir  dtireh  Ar* 
beit  erhalten  werdeR  konntc :  fo  glatibt  nic- 
Ipaud  mehr,  dais  die  Wahi  trcy  icy,  fondem 
es  wird  fiir  Uttveniimft  uad  Bostttigkeit  er* 
klirit  aidit  aiheitea  zu  woUen* 

Eben  Ib  itc  et  mit  der  Hulfe»  velche  unt 

andere  Menrchen  leistcn ,  iim  unrern  Zustand 
su  verbeiTem.  Uuter  gewifTen  Umstandcn 
verdenkt  ct  uns  keiii  Menfch»  wenn  vnx  die- 
ielbe  «usTehLigen.  le  dringender  aber  die  Be- 
dtirfnifse  werden,  desto  wcniger  werden  wir 
entfchuldigt,  wenn  wir  kcine  Unterstutcung 
«nnehnien  wolleni  kana  endlich  ohne  dieleU 
be  Gefuadheit  und  Leben  nicht  bcstehen :  fo 
ist  cs  kaum  gedenkbar,  dafs  wirHulfe  nicht 
wunichenj  nicht  annehmcn  loUten. 

^  £s  mufs  hier  nicht  vergefTen  werden,  da(s 
nur  der  etgnt  Gcnuis  in  Bcdichcung  gcao* 
gcn  wiid. 


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Wct  viit  om  in  Abficht  imtor  iUbft 
notliiBieii^ig  wonen,  kann>  viit  in  diefem 
Beyfpiele,  oft  iiicht  anders  errcicht  wcrdcn, 
alt  ditrch  <Ue  Huife  anderer.  Der  Wunicli 
der&Rien  im  Allgemeinen  itt  aUb  «leh  in  un- 
fcrm  Willen  mit  cingefchloflcn.  Dicfcr  wiir- 
de  fich  aher  wider^rechen ,  ^venn  ich  'ver* 
langte»  dafi  mtr  etw«t  geleittet  vrerde^  wat 
ich  andern  nicht  cu  leitten  gefonnen  itire. 
Dcjin  dacbte  jedermann  fo,  wie  konnte  das, 
X9MM  ichdochftothmndigwilli  jenMlswirldich 
«erden?  Muft  ieh  alib  woUen»  dafi  andere 
nicht  fo  gefinnt  feyn,  wic  ich  felbstgefinnt  bin ; 
miift  ich  fcrncr  wollen,  dafs  meine  eignen 
lelbttfiichtigett  Gefinnungen  nicht  bekannt 
werden:  to  seige  icfa  lehon  damit  an,  da6 
auch  ich  bercifwillig  fcyn  foll  andcrn  zii  hel- 
£m.  Woilen,  dafs  Uandiungen,  von  andcrn 
aber  nicht  von  mir,  unter  gleichen  Umttln> 
den,  gefcheben,  heifiteMircn,  daftetwasgut, 
nothwcndig  und  auch  nicht  gtit ,  nicht  noth- 
wendig  iey)  und  Gefinaungen  heucheln,  die 
nan  nicht  hat,  itt  abennalt  ean  Wider^^ck 
L 


l62 


Vereiiiigen  wir  diefe  Punkte,  Tvelche 
theilf  attt  der  Vemunft  unniittelbar»  theils 
aits  unierer  bedurftigen  Natur  vennittelst 
derrdbeii,  flicfscn:  Co  kommcn  wir  aiif  die 
Vorfchrift,  welcbe  aus  den  UrtheiJen  des  ge- 
funden  Verstandes  tiber  den  Werth  der  Dinge 
fiof!»,  uiid  aU  das  Grundgeretz  dcr  Sittlichkeit 
aufgestelit  vvurde.  Es  lautete  folgender' 
mafsen:  Handle  fo,  <lais  die  Regel» 
die  du  dabey  befolgst,  nadi  deinetn 
Wilicu  zum  aligemeinen  Gefetze 
gemacht  werden  kann.*)  Da  eistlich 

^  Dieres  GeCetz,  welches  ntur  die  Form  der 
Regeln  davstellr,  die  den  Wtllen  cittes  VCT' 

minftigeQ  Wefens  bestimiren  durfen»  und 
blofs  aus  der  Form  d.  Ii.  der  Denkweife  un- 
ferer  Vernunfr,  fiicfbr,  hcifst  dcswe»cn  eia 
iormales  Prinzip  der  Sittlichkeit.  Wenn 
hincjejen  ein  practifchcr  Grundfarz  irgcnrt 
cincn  Gcgensrand  dcs  Bcgehrungsvcrmogcn* 
als  Bosrimmuntfs^^rund  des  Willcns  voraus. 
fetzt  (als  Gluckrcligkcit  und  Vollkommcn- 
heit) :  fo  hcifst  er  m  a  t  e  r  i  a  1,  in  fo  fcrn  dcv 
Gnindfatz  auf  cincn  zuerreichcnden  Gcc^cn 
Stand,  auf  eioe  Materic,  im  Gegenfatze  dcv 
Form»  luAwcisc,  SoU  aojs«teigt  wenlcn,  dafs 


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elii  an  und  liir  fich  «iderfprechender  Satt 

nicht  als  Gcfctz  gcdacht  wcrdcn,  imd  da», 
wat  mit  dem  Willen  eines  bedurftigcn  We- 
leni  nothwendig  verbunden  ist,  von  demlcl- 
ben  dtirch  kein  allgemeines  Gefett  autge. 
fchlofsen  werdcn  kann,  fo  hcifst  jenes  Gebot 
nichts  andcrs»  als:  jede  Regcl»  die  du  dic 
machst,  tnu&  als  blofier  Sati,  keinen  Wider* 
fpnich  cmhalten,  und  zweytens,  dem  nicht 
widcrstrciten  was  in  deincm  Willen,  als  dem 
Willen  dnes  finnlich  vemunftigen  Wefens, 
iiothwendig  liegt. 

Wer  alfo  das,  was  als  das  Hauptgebot  der 
Sittltchkcit  aufgcstellt  worden  ist,  nicht  da- 

fiic  erkeuuen  woilte,   der  kountc  uur  auf 

dic  Vcraunfc  allein  als  Quelle  dcs  Sittcnge- 
fcczcs  anzufehen  isc,  ohne  Rfidtlicht  auf  ir- 
gead  cintn  sucrrdchenden  Zweck,  dernur 
darchEr&hning  erkanm  wird,  fo  kanndiefs 
foausgedrfickt werden ;  Pnctilche  f o rmale 
Grundfttse  kdnnen  anein  Gefecze  wevden; 
materiale  lind  empiriiGh  und  ktfnncn 
«ben  deswegen  keine  aUgemetneHandlui^ 
weife  bestimmen. 


—   164  — 

2v;cyci:icy  Wcife  dic  Giihi^cit  dcilclben  ait- 
greifo.    Entwcdcr  er  mufife  xeigen,  cU6 
dcr  Gnimifats  det  Wi<leripruclif  kein  Gefetz 
der  Vernunfr,  odcr,  dafs  cr  luir  auf  dic  Er- 
l^eantnifs  dcr  Dinge,  auf  das  Wiflen,  nicbt 
nber  auf  die  Handlungen  der  Menlclien  an« 
««endbar  iey.   Dat  ertte  ist  feblecfaterdings 
tinnioglichy  uud  das  zwcyte  nur  uuter  dcr 
Bedingung  gedenkbar»  da6  Vernunft  ubcr- 
haupt  nicbtt  mit  den  Handlungen  dcr  Men- 
fchea  zu  thun  habc,  fondern  die  blofs  thieri- 
fchc  Natur  dcrfclben  cntfcheides  denn  ohne 
Gefett  ist  Vernunft  nur  ein  JeererNamc.  Cr 
kfinnte  alfo  auch  nicht  eine  einzige  Forde- 
ning  an  irgend  cincii  Menfcheu  machen,  und 
cben  fo  wenig  fiir  feine  cignen  HandJiuigen 
eine  eintige  Regei  als  unveranderlich  an(c> 
hen.   Wer  niir  verlangt,  dafs  ihm  keiu 
Menfch  das  Lcbcn  nchmc,  wer  nur  ancrkcnnra. 
dafs  cin  grdficres  Gut  cinem  gersngerem  vor* 
suxiehen  &y,  der  fagt  fchon  dadureh«  dalic 
das  Grundgcfetz  dcr  Vernunft  die  Handlun- 
gen  dcr  Menfchcn  lciteu  ibJJ.   Dalfelbc  auf 
cinc  cinijge  Handhuig  anwenden,  und  ibre 


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moralirche  NothweudigkeU  darauf  herlehen 
hn&t9  JaHelbe  alt  entleheidend  uberhaupt 
«nerkennen.  Wo  Ibllen  die  Aiisnahmen  an- 
fangen  ?  W  c  r  —  w  a  s  bestiiumt  fie  ?  —  Ist 
die  Vernunft  nicht  die  Richterin»  Co  itt 
nichtt  in  den  Menichen»  dat  unter  ihnen, 
auch  mir  in  einem  einzigeu  Falle,  ein  durch- 
«ut  gleichet  Urtheil  hervorbringen  kdnnte* 
Derlenige»  tveleher  dat  Leben  einet  attdem 
geringer  als  cine  Surame  Gcldcs  fchatzf,  oder 
durch  List  und  Betrug  fich  bereichert»  kanu 
nie  von  der  StralwiirdiglLeit  ieiner  HandKm* 
gen  iibeneugt  werden,  wenn  der  aufget tellte 
Grundratz  nicht  als  allgemeingultig  aogcnom* 
men  wird;  und  eben  fo  wcnig  kann  derjeni- 
gc,  welcher  iiir  eine  augenblickliche  Lutt  dat 
Ghick  fcincs  Lcbcns  hingicbt,  odcr  fich  fogar 
dcni  Tode  wciht,  als  unvernunftig  gedacht 
werden,  wenn  die  Vemunft  nicht  uberhaupt 
dte  Handlungen  der  Menfchen  leiten  folL 
Allcin  diefs  lctztere  behauptet  wohl  niemand 
fo  leicht.  Et  iiegt  in  dem  Bewulstfeyn  einet 
jeden  Menfchen»  dafty  fo  wie  leine  Erkennt* 
nib,  atich  feiuc  iiandlungen  von  der  Veruunft 


i60 


beitimmt  werdeii  konnen  uiid  roUeii.  Es  iit 
diefs  eine  Thatfache  der  Vernunft,  wie  Kant 

fagt,  iind  (ie  ist  hinriiiglich,  iim  einzurehen, 
wie  allc  BcgrifFc,  die  fich  auf  Sittlichkeit  be- 
ziehcn>  entitauden  find« 

Wenn  die  Krafce,  die  in  der  Natur  dei 
Menlehen  liegen,  fo  weit  entwickelt  find» 
dafs  er  nicht  rachr  von  blofs  thierifcher  Lust 
unwidentehiich  hingeriffen  wird«*  fondern 
xur  Hervorbringung  und  zur  Sicherunf  ange- 
nehmer  Empfindimg,  Regehi  und  Gnindi^tse 
befolgt :  fo  untcrwirft  er  heruach  feibst  diefe 
der  Prufung  eben  fo»  wie  er  ntvor  die  eincel- 
nen  Gefiihle  der  Lust  und  Unhist  lufammen 
zu  falTcn  und  in  Eins  zu  verbiiidcn  fiichte. 
Regeln,  die  in  fich  ieibit  einen  Widerfpruch 
enthalten,  oder  doch  mit  leinem  ganten  Wii« 
Eenstrcitcn,  kanncr,  .ili.  imnlich  verniinfti- 
ges  Wcfen,  das  nicht  blois  angeuehmc  Ge. 
fuhle  zu  feinem  unmittelbarenZwecke  macht, 
cVi5  nicht  nur  empfindet,  ibndem  aitehdenkt, 
uud  das,  iu  der  letztcn  Riickacht  wic  in  dcr 
ersten»  einer  feitgeitellten»  in  ibiiier  Natur 


DigilizcG  by  ^i.j^>\^l'^ 


—  i67  — 

liegendeii  Nortn  uiUerworfeti  if t  foJche 
Regelii  kanii  derMeoichy  ab  ein  folchee 

Wefen,  nicht  fiir  gut  halten,  w^il  cr  lie  nicht 
als  wahr  zu  dcukea  vecuug»  und  dierciben 
der  EinheiC  mdentreiten,  aiil  welche  die 
Vemuiilit  ia  aUen  ihien  Venichtuiigeii  hin.- 
weiiftt 

Wirft  er  alfo  die  Frage  anf:  was  foll  ich 
in  Abficht  meiner>  was  in  Abficht  andercr 
thun»  daft  ifh  nicht  niit  mir  lelbft  in  unauf* 
h5rlicben  Wideripruche  lebe;  fo  entttehn 
aus  der  Beantwortimg  diefer  Frage  dic  Be- 
friife  von  Recht  und  Unrecht,  von  PAicht- 
Biaiiigkeit  und  Pfiichtwidrigkelt,  yon  Un- 
fchuid  iind  Schuld,  von  Tugend  und  Laster. 
Der  Hauptfache  nach  Hnd  diefe  Bcgriffe  ubcr- 
all  gleich»  und  find  et  eben  defwegen»  wcil 
fie  nicht  von  der  Erfiihning  abgezogen,  (bn- 
dern  unmittelbar  aus  der  Vernunft  gefloffea 
find*  Sobald  dieie,  die  in  ibrem  Wefen  bey 
allen  Menlchen  gleich  ist,  nur  to  weit  ent* 
wickelt  wird,  dafs  fic  ihnca  dieNothwendig- 

fccit  aligemeingultigcr  Gcundnitzc  aufdringt: 


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—  ifig  — 

fo  seigt  fie  iknen  atich»  durdi  dit  Allge* 
mcingtiltigkeit,  <lie  itnyerinderli- 
chc  Befchaffcnbcit  dcrfelbcn.  Wird  dicfe 
hier  inehr»  dort  weniger»  imd  rdfien  gans 
ge&fst;  (b  liegt  die  Schiild  haiipK^ehlich  in 
dcn  Neigungcn ,  wclche  die  Menfchen ,  fo 
tineingeichrankt  aU  mogiicb»  mit  der  Gefeta- 
mSfiigkeit  au  vcreinigen  fucken.  Dieier  fich 
zu  untci  wei  fen,  fallt  der  Sinnlichkeit  fircy- 
lich  fchwer.  So  wie  aber  dcr  Menfch  ciue 
gttte  practiiche  Regel»  die  fich  auf  angeneb- 
me  Einpfindiingen  betiefat,  nicht  dadtirch  lur 
fchlecht  erklart ,  weil  er  fic  iiicbt  immcr  bc- 
folgt:  ebeu  fo  wenig  kann  er  die  Geieta* 
nafiigkeit  demegen,  als  nichtig  aniehn, 
wcil  feine  Neiguiigen  ihn  verhindern,  die- 
fcibcn  ttets  vor  Augca  zu  habcnl  Sie  licgt 
^  der  Natur  des  Menfchen  eben  to,  als 
der  Trieh  nach  Vergnugen,  nur  mit  dem 
Untcrfchiede,  dafs  diefer  untcrgeordnet  feyn, 
iind  jene  immer  melir  Oewalt  uher  denieibea 
erhalte»  fiilL 


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Pragtniaiiiiiui»  «ontif  dMreUbterord* 

nungbcnihe,  fo  kann  keine  andere  Antwort 
gcgebeu  werden,  als :  iweil  es  in  imferm  Be- 
«ultdieyn  liegty  daft  Vmunfc  etwat  hohem 
alf  Sianlichkeit  irt»  .daft  die  AbhSngigk^t 
vou  diefer  den  Menfchcn  herabwurdiget,  und 
da6  die  Herrichaft  ▼od  jener  ihn  erhebr. 
iklle  lebloie  Dinge,  ond  alle  vemunfcloie  We» 
len  haben  nur  in  fo  fern  einen  Wcrth,  als  fie 
lur  £rreichiuig  irgend  einei  Zwecki,  i ur  fie- 
ftiedignng  von  finnlicfaen  Neigungen  dienen; 
und  diefe  letztern  haben  Co  vrenig  eincn  un- 
bedingten  Werth ,  dafs  es  fclbst  dcr  Wunfch 
ciaet  ▼erntinftigen  Wefent  feyn  iMnn,  ▼on 
den(e1ben  frey  tn  leyn.  Wie  viel  Vcrgniigen 
eiii  jedcr  gciuersen  wollc,  diefs  ist  an  und 
fiir  (ich  etwas  gleichgultigesy  aber  nicht  £o, 
wie  vernunftig  er  leyn  wolle*  la!  der 
Wtinfch,  von  allcn  rinnlichen  Ncigungen  fich 
immer  mchr  los  zu  machen,  konnte  nur  des* 
wegen  bezweifelt  werden»  weil  man  keineui 
Menfchen  dieleHohelt  lutrants  aber  dieVer- 
nunft  in  eiucm  Stande  dcr  Befonnenheit  vcr- 
liefen  xu  woUcO)  diefii  wurde  aUgeniein  als 


—  I70  — 

eine  Erniedrigung  ange(eheu  «etdca,  derctt 
keia  Mcnfch  fahig  leyn  rolh^) 

Dcr  Grund  dieiies  Urtheilsy  welches  fich 
▼ielen  Menfchen  nur  dtirch  einGefuhl  ankua« 
digt,  ist  luin  wohl  kciii  andcrer  als  dicfcr» 
dafs  die  Vermmft  das  eigeutliche  Wefea  des 
Menfchen  ausmacht.  £r  ist  das  was  er 
ist ,  und  auch  die  Natiir  ist  das  was  fie  lur 
ihn  ist,  haiiptrachlich  durch  Vernunft.  Ohne 
fie  vermag  er  wenig  oder  nichts.  Durch  iie 
liesttmmt  er  den  Werth  der  Dinge,  nacht 
fich  Zwcckc  und  findet  dic  Mittel  «ur  Aus- 
fiihrnng  dcrCclbcn,  untcri^irft  fich  dic  leblofc 
iind  lcbendige  Natur»  veisteht  oder  findet 

*)  BUSdfinnige,  ja  felbst  cigentliche  Rafendr, 
haben  idler  Wahrfchcinlichkeit  nach  weic 
mehr  Genufs,  als  dic  meisten  Mcnfchen, 
die  im  Gebrauch  ihrcr  Vemunft  Cnd. 
Wie  flber  mndt  man  den  «mfehen,  der  zu 
|enea  zu  gehdren  wunfchte? 

*♦)  Diefes  Gefuhl  von  dcr  Hohcit  der  Vernunfc 
ist  eigentlich  das,  was  man  moraUfchfis 
Gcfuhl  ncant« 


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ihfe  Gefctfe,  macht  lich  lelbst  clie  Regela 
leinei  Verh»]teiit,  kaiiii  lie  fa  dlgemeiiieii 

Gcfetzcn  erheben,  und  fchreibt  fich  dcswc- 
gcn  cine  Freyheit  tu,  die  ihn  von  allen  ihm 
befcannteii  Wefen  miterieheidet.  *)  Einer 
iblchen  Kraft,  die  alle  fibrigen  hit  aiif  einen 
gewiffen  Grad  lenken  kann,  und  wirklich 
lenkt,  gebuhrt  eia  eheo  iblcher  Vomig,  als 
der  organifirten  itnd  lebendigen  Natiir  vor 
der  todten  Mafse.  Die  Vcrnunft  fiir  gcriii- 
ger  lulten»  alt  die  finnlichen  Kriifte  und  alies 
waa  fie  bewirken,  hieite:  dai  Vermogen  lu 
iirtheilen  dem,  wat  beordieilt  wird;  die 
Kraft  allen  Dingen  ihren  Wcrth  zu  bestim- 
men»  dem  was  geichatat  wird,  das  I«eben<> 
dige  dem  Todtcn  nachfetxeo. 

Das  Gefuhl  diefer  Freyheit  fiodet  fich  in 
|cdeni  Menfchen  mehr  oder  wcnigcr.  Worin 
dcr  hfichsce  BegrttT  derfelben  bcitehe^  wiid 
im  Folgcnden  gezcigc  wcfdcn» 

^  Wenn  aber  der  finnliche  Theil  unfeis  Wc 
feos  urthcHcn  kfimue?  —  dson  wlre  •» 
Vcmunft  wid  nicht  das  wss  cr  in» 


I 


—  17«  — 

Ui  nuu  Venmnfi  dat  Udchste»  was  dSee 
^fenfch  befitie»  fieht  er  fie  lelbst  fo  an:  Ib 

istklar,  dafs  dic  Gcfctzc,  diirch  wclchc  lic 
nur  das  istp  was  fie  ist,  auch  iiber  alles,  was 
fonst  Gelets  heiisea  mag»  geachtet  «trvleit 
muiTen,  und  dafi  dat  Sittengefetc  insbefon- 
derc,  als  dic  Richtfchniir  unfcrcr  Handhingt 
aoiuiehn  ist$  Ib  ist  femer  Jdar,  warum  bey 
allem  Wt^erstreit  der  Sinnlichkeity  bey  aller 
Unvollkommenhcit  der  Systemc  libcr  Sitt- 
lichJieit,  dic  BcgrifFc  vou  diefcr  (ich  immcr 
dem  Menlehen  wider  feinen  WiUen  aufdrin- 
gcn ,  und  Aehtimg  denen  nic  veriagt  worden 
ist,  welchc  uichcs  huhcics  als  PAicht  uiid 
Fugend  kannten. 

Mit  dieiem  UrUieile  ilber  die  Hoheit  der 
menfchlichen  Natur,  ist  femer  verbtuiden» 

dafs  jeJcr  Menfch ,  vcrmogc  fcincs  Werths, 
fich  als  Z  w  e  ck  anfiehtt  und  nicht  als  blolsea 
Mittel  tu  andem  ihm  firemdcn  Zwecken  ge« 
braticht  fcyn  will.  Er  vcrlangt,  da(s  das  was 
er  fclbst  leisten  foli»  aucli  ihmgeleistet  wcrde. 


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Dalier  eiiie  ganx  «ndere  Empfindung  entstehi» 
«enn  yiir  von  cinem  Menfehcn»  mlt  leinem 
Willen,  als  wcnn  y»ir  von  eineni  Thicrc  vcr- 
ietzt  werdcu.  Dahcr  der  Unwille,  wcnn  viir» 
wider  unier  Wiilen  und  Willen»  lu  Dingen  ge* 
brattcht  werdcn,  welche  iinfie  Vemunft  nlehe 
gut  bcifscn  kann.  Ebcn  dadurch,  dnfs  dcr 
Menfch  dieie  befitat  und  duxch  fie  icine 
Zwecke  beitimmen  kcnn,  will  cr  nicht,  <lafi 
fic  von  andcrn  bcstimmt,  noch  wcnigcr,  dafs 
cr  £11  rolchcn ,  die  dcn  fcinigcn  gaus  cntgc^ 
gcngeietxt  find»  gebraucht  werde*  Dat»  wat 
er  auf  dide  Art  in  Abficht  (einer  felbst,  for* 
dcrt,  mufs  cr  auch  allea  andern  Mcnfchcny 
alt  vemunftigen  Weien»  sugetteben.  Siefind 
in  feinem  Urtheile  ebenfallt  Zwecke  an  fich. 
Da  nun  die  Sinnlichkcic  dicfcm  Urtheilc 
uber  die  Wiirdc  dcs  vcrnuuftigcn  Thcils 
uniercr  Natur  widcrttireitet,  und  fich  lelbtt 
alt  hdchtten  Zweck  auflringcn  will,  wel* 
chcm  dic  Vcrnunft  blofs  als  Mittcl  dicnen 
ibU:  fi)  lunn  dat  Sitteogcietx  auch  fi>  aut- 
gedrtickt  werden:  Handle  fo»  dafi  du 
die    Vernunft,   wcder   in  deiaer 


—  174  — 

Perfon*)  noch  in  der  Perfoii  eincs 
andern,  ala  bloises  Mittel»  fon- 
dcrn  als  Zweck  zugleich  anilehtt^ 
und  befordere  dahcr  alle  diejeni- 
gen  ZwcckCy  die  mic  dicfem  in 
Verbindung  stehen.  **)  Die  Anwen- 
dungdleiesGeieCies  mogen  fblgendeBeyfpiele 
erlauteru  : 

Wenn  irgend  ein  Grorser  als  die  GeiAel 
eines  Landes  von  rair  angcfehen^  imd  nuT 
durch  ieinenTod  eine  Lindening  der  man- 
nigfaltigen  Plagcn  gchofik  wurde»  welche  di|s 

•)  Vemunfilofe  Wefen,  dae  nur  «Is  Mittd  sii 
ctwas  gur  fuid,  hctfsen  Sachen;  ver- 
nilnftige  Wefcn  hingcgen,  die  lich  felbst 
dsZweckc  anfehen,  heificn  Pcrfoncn. 

♦*)  Da  dle  Vernunft  das  untcrfcheidcnde  Kcon* 
zcichcn  der  Mcnfcliheit  ist,  fo  kann  man 
auch,  nach  Kant,  das  Sitrengefetz  fo  aus- 
driicken:  Handle  fo,  dafs  du  die  Menfch- 
heit  fowohl  in  deiner  Perfon,  als  in  der 
Perfon  eines  jeden  andern,  jederzeit  zu- 
gleich  als  Zweck,  nieiiuls  blo(s  als  Mictel 
brauchetc 


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Bewohner  deiTelbeii  freffen,  fo  fragt  fielis? 
darf  ich  dcn  wahrcii  odcr  vermeinten  Tyran- 
neti  meuchelmdrderiicher  Weifc  umbringenl 
Aii  tmd  liir  fich  ist  et  eine  aiisgemachte 
^achc ,  dafs  iii  der  biirgerlichcii  Gcfelirchaft 
kein  Menfch  gcmordet  werden  darf.  SoUte 
sn  dem  vorliegenden  Falle  eine  Atis  nahme  ge- 
nacht  werden,  fo  konntc  dicfs  nicht  anders 
gefchehcn,  als  dais  ich  mciae  Perfon  bloii 
snm  Mittel  maehte,  andem  einen  leidlichen 
Ztistand  zn  ver(chai!en,  iind  folglich  das  Sitten- 
gefctz  verletzte.  ®)  —  Ein  zweyter  Fall  fey 
dieler:  Ein  rediicher  imd  arbeitiamer  Maim 
frelbt  irgendwo  einen  Handely  der  ihn  und 
feine  Faiuilie  niihrt,  dcr  abcr  dazu  nicht 
mehr  hinreichend  feyn  wurde»  wenn  cin  an- 
drer  Mann  Ifich  an  ehen  den  Orte»  mit  eheti 
dem  Nahnnigszweige  befchaftigen  iind  den 
Yorthcii  wcnigstcns  theiicn  woUtc.  Nua 

Auf  diefe  Wcife  ist  jene  Fragc  Icicht  ent- 
fehiedcn.  VViid,  wie  es  nicht  fchen  ge- 
fchicht,  das  angcmcinc  Beste  zum  Mafsstab 
cmer  folchcn  Ilandlung  gemachr,  fo  ist  nic 
auf  eine  bcstiminte  AntwQrt  zu  kommen. 


Iiabc  icb  gewiflc  Keiiiitiii6e,  die  mir  eiaen 
gUickliehen  Portgang  meiner  GefehSfce  fichem 

ipvtircieu,  wenn  ich  mich  jenem  Orte  uic* 
teiielse»  ich  frage  mich  aber  xuvor  m>ch, 
ob  es  auch  nicht  dcr  Pflicht  zuwider  Ceyt 
Seheichnuu,  dafs,  weiin  ich  ihr  trcu  fcyn 
vriily  ich  die  vernunftigcn  Zweclie  einci 
Menfcheii  nicht  storen  darf :  fo  ist  es  gleich 
entfchieden,  dafs  ich  fo  lange  die  Abficht 
nicht  ausfiilircn  darf,  als  uiir  uicht  allc  Mit- 
tel  fehlen  an  einem  andem  Orte,  oder  auf 
eine  andere  Art  mein  Leben  xu  erbalcen. 

Diefe  beyden  Beyfpiele  enthalten  die  Be* 

ttrtheihing  einer  strengen  undeiner  Ibgcnanii- 
ten  verdieniciichen  Pflicht  gcgen  andcre. 
Folgende  «erden  fetgen»  dais  nach  dem  auf* 
gestcllten  Geiette  audi  dic  Pflichten  gegen 
uns  fclbsty  beurtheilt  werdcn  kouncn. 

Wenn  )cmand  twifchen  Tod  und  Lebeti 

zu  wahlen  hat,  und  jcner  unausblclblich  cr- 
folgt,  wenn  er  fich  nicht  einer  fchmerzhaf- 
len  Operation  unterwerfen  «iil»  diefes  aber 


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—  177  — 

diirch<iiefelbe  gerettet  werden  kann,  imd  die 
Flrage  aulgcwoffen  wird:  itt  et  gleicfagultify 
ob  er  dat  eine  oder  dat  andere  wlhle:  Ib 
muCs  (ic  verncint  werden,  fobald  bcdacht 
wird,  dais  die  vemunftige  Natur  blois  al« 
Mittel  gebraucbt  wetden  Ibll,  einen  Scbnert 
abzuwenden.  Ihr  Dafeyn  zii  erhalten,  muff 
ihr  Wille  feyn,  wcnn  (ie  Hch  als  hdchften 
Zweck  betrachtet»  und  diclenl  Willen»  der  lich 
auf  lie  felbit  betiebty  der  f4nnlieben  Na- 
tur  unterwerfen,  hcifst  pflichtwidrig  handeln. 
Hieraus  luinn  aucb  die  Frage  uber  den  Selbst* 
ttord  entlcbieden  werden.  Wer  ihn  begebt» 
gebrauchl  allcmal  rcinc  Pcrfon  blofs  als  Mit- 
tel  ftur  Abwendung  cincs  fchracrzvoilcn 
standet.  SShe  er  lie  ais  hochsten  ZwedL  au» 
Ib  wurde  er  fieh  nicbt  lerstoren  wollei^  uni 
jcAem  zu  entgchen. 

^  Bcf  Beurthcilang  dicfcr  Frage  kinn  die 
Uttstcrblichkeit  dcr  Sedc  nicbt  in  Bctroch- 
tung  gezogcn  werdcn.  Dcr  Gliube  dirtn, 
wenn  cr  nur  auf  dic  Vcmunft,  und  nicht 
auf  cineOlienbarung  gcgiOndet  wird,  kano 
nur  aus  dcm  Sitwngcfctae  hngdciict  wer- 

M 


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—  178  — 

<!ie  PAiefit  das  teben  xu  erhalteii,  iip- 
luittelbar  aus  deni  Bcgriffe  voii  der  verniinfd- 
geaNadir,  alshdclistemZ«ecke»£»lgt:  fioge* 
hort  fie  «I  den  voUkommenAi  Pflicbten.  Alt 
iiuvollkominene  Pflicht  vjird  das  angefeheuy 
if at  fich  auf  etnen  Zweck  besiehe,  der  nur  ali 
Mitcel  xur  Belorderung  ctei  Hatiptzwecks  an« 
gefehcn  werdeu  kann.  Wie  Jic  Eiiirchei- 
ditng  iiber  iblche  Pdichten,  in  Abficht  uniirer 
leibst,  nach  jenemGdetxe  bewerkttelligt  wer- 
den  konne»  vtixd  folgendes  Bcy(piel  leigen. 

Zwey  Peribnen  find  uber  die  Ausluhning 

irgcnd  einer  rechtmarsigen  Abficht  iiberein- 
•^?komaicn ,  worin  fie  beyde  ihren  Vortheil 
finden.  Allein  die  £iae  glaubt  hemach  ein- 
sufehen  >  da6  jene  Abfipht  noch  beller  dureh 
cinen  Drittcn  crrcicht  werJen  konnc,  als 
durch  dca,  welchcr  Anfangs  xur  Thcilnahme 

den.  Er  darf  alfo  nicht  liber  das  entfchei- 
dcn,  was  dicfcs  an  und  fur  fich  betrachtct 
als  nothwendig  darstellt,  ebcn  fo  wcnig  aU 
dic  Folge  dcn  Grund,  oder  die  Wirkui^ 
die  UrfiKhe  bestimmen  konn. 


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tMftiinmt  «ar,  liulilt  Och  swar  durdi  dfin 

Vertrag  gebmiden,  giebt  aber  doch  nicht  im- 
dciitlich  su  verstehen,  dais  fie  dcnfelbeu  bc- 
reue.  —  Ob  nua  defjen&ge»  der  «li  unnfiti 
bey  der  Untemehmim^  angefehen  wird»  iim 
Allgemeinen,  fich  von  dcr  Sachc  losfagen 
konne»  itt  kcinem  Ziveifel  unterworfcn.  In 
irielen  Fallen  wird  es  ibgar  alsedel  angelcken 
wcrden.    Und  in  der  That  ist  et  fo ,  wenn 
die  Ausfiuiuiiiig  jener  Abricht  ohne  ihii  befler 
gelingen  wird»  und  cr  durch  ieine  Loilagung 
nichts  dabcy  einbiifst,  als  bald  vonlbergehen- 
de  angenehmc  Empfindungen.    Allein  ange« 
nommen^  die  Vorausfetzung  des  Unbestandi- 
gen  iey  nieht  gcgriindet,  und  der  Andere 
miine  fic  fur  blofsen  Wahn  haltcn;  angcnDra- 
nen  lemer»  cs  beruhe  auf  der  Unterneh- 
mitng  der  geficherte  Lebensuntcrhalt  dielcs 
letiten,  wenigstens  auf  elnige  Zelt,  nnd  die 
Hoffaung  dazu  konntc  nicht  durch  eine  eben 
fo  bestimmte  erfetsr  werden,  fo  fragt  fichs: 
ist  es  ihm  erlaubt,  lein  Wort  ciiruckzugeben, 
blofs  weil  es  ihm  unangenehm  ist,  als  ein 
cigenmitiiger  Mann  su  erfcheinen»  oder  weil 


es  ihm  doch  angcnehmer  (^yn  wurdCy  feine 
UneigeimutsigkeU  an  den  Tag  lu  Jegen2  D'm 
Antwort  muis  mneinendl  ttfOf  wenn  bedidiC 
wird,  dafs  cin  vernunftiger  Zweck,  um  cincs 
blofi  angenehmen  oder  unaugeaehmen  Ge- 
liihlf  fnllen,  nichc  aufgegeben  «crden  inL 
Die  Peifon  wufde  ali  Uoficf  Mitlel  ge« 
brauchC. 

So  kann  das  Sittengefctz ,  auf  dic  zwcyte 
Art  ausgcdriickt,  nicht  wenigcr  die  Pflicht^ 
angeben,  dit  der  Menfeh  fu  beobachten 

Oicfe  Bctnehmng  «ird  bey  dcr  Ibgcaannicn 

Dclicatefle  nur  zu  fehen  angestellt.  Feincs 
Gefuhl  ist  eine  herrliche  Sache ,  aber  ohne 
bestimmte  GrundAtze  ist  es  demMifsbrauch 
nicht  wcnig  ausgefetzt.  —  Der  obigc  Fali 
ist  nur  von  derSeite  angefchen  worden,  von 
wclcher  er  eine  Pflicht  gegcn  uns  fclbst 
auflcgt.  Es  wiirdc  auch  cine  Pflicht  gcgcn 
andre  cntstchen,  wcnn  der  Mann,  dcr  feia 
Wort  zuriickgeben  will,  einfahe,  dafs  ohne 
ihn  die  Abficht  des  Andern  nicht  fo  gut 
crreicht  wcvdca  lcdiinte,  b^onders  in  dem 
7iUe,  difs  cn  dcr  AoslUhnuig  dcifelben 
gelegen  wflrc 


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hit,  aJs  tinter  der  zuent  ati^ettelicea  Fomt. 
Aucfa  acnke  ni«i  ntc&t»  da6  diele  beyden 
Formen  einen  welentlichen  U  nterfchied  dar- 
secllca.   Das  Gefctz  ist  eins  und  cbcn  daiTelbe, 
ttiir  voniwey  TcricliiedaenSeiten  betraehfet* 
Wenn,  alaflttUdibore,  aUeMaitnen  vcrbotcn 
wcrdcn,  die  iich  nicht  als  Gcfctzc  denkcn 
JafTcn,  fo  licgt  dcr  Gnind  dieict  Vcrbott 
dari%  da6  dieMenlehen,  ali  Yemunftige  We- 
fcn,  fich  nur  aljgemcingultige  Regcln  fiir  ihr 
Verhalten  machen  konnen ,  und  dalf  foJgJich 
der  einiekie  Menleh,  dellen  Maxlme  nicht 
Geleti  wetdenkann»  dlelelbe,  reiner  vcrnunf. 
tigen  Natiir  zuwider,  bJofs  aus  fciner  finn- 
lichen  fchopft.  Mulii  diele  jener  untetgeoid» 
net  lacrden»  Ib  if  t  das  umgdcehrte  Verfahren 
alf  moralilehbSle  anzufehen.    Hier  wird  nur 
atif  dicwerentlichcBerchafrcnhcit  dcr  RcgeJiip 
nahUtch  ihre  AJJgemeingriltigkeit,  gelehen. 
£f  kaim  aber  bejreinemGeletxey  aulTcr  fcinem 
Innhalte,  noch  nach  dem  Zweck  deflfeJ- 
ben  gcfragt  werden.  Is t  nun  der  Zweck  von 
der  Art,  dafi  dureh  dle  BcfHmmung  deflTel. 
ben  hinlanglich  gczeigt  wird,  was  nach  dcm 


Geft«e>  clas  fich  darauf  bcsieht,  gethaa  imfw 
dennurs:  foht  es  genug,  dafs  dieies  deo 
Zwcck  angebe,  Dicfs  gcfchicht  in  dem  Vcr- 
botCj  die  vernuiifffge  Natur  in  reiner  eignen» 
oder  in  der  Perlon  eines  andem,  zum  blofien 
Mirtcl  7M  gebraiichcn.  Wer  diefem  Verbote 
gemSfs  handchi  wiil,  dermufs  jcden Menfchcny 
Co  wie  fich  felbst,  als  Zweck  an  fich  aniehen» 
und  durch  dieien  Gedanken  die  Preyheit  fei- 
ner  Handltingen  .fo  einfchraiiken,  dafs  reiii 
Wille  feiner  verniinfcigen  Natur»  die  ihn  alf 
Ziveck  an  fich  darstellt,  nicht  suwlder  iey, 
imcl  mit  dcin  Willcu  ailcr  aiulcrcr  Mcnrcheu 
bestchen  koimc.  Dtcfs  ist  abernichts  audcrs, 
als ;  er  foli  keine  Maxime  bcfolgen»  die  nach 
feincm  Willen  nicht  allgemcincs  Gefets  wer- 
dcn  konnre.  Dciin  befolgt  or  diefs  Gcbot,  fo 
fchraiikt  cr  ct>eu  fcine  Handliingcn  auf  folche 
ein,  die  weder  rait  feinem  eignen»  noch  mit 
dcni  vcinunftigea  \j^illcn  aadcrcr  Meufcbcn 
streitcu. 

Hicr  ist  uoch  zii  merkcn,  dafs,  wcnn  bcy 
dcm  Sitccngcfetsc  auf  cinen  Zwcck  hinge- 


wiefai  xtwif  dleier  nicht  fo  tu  dcnketi  tst^ 

als  ob  cr,  wic  die  untergcordncteii  Zwcckc, 
<lie  fich  «uf  unieFe^Gluckrcligkcit  beziehen» 
erreicht  werden  folke.  Er  ist  iin  Gegen- 
theil  rchon  da,  iind  das  Sittcngefctz  fchrcibt 
mir  vor,  demlelben  nicht  zuwider  zuhandeln» 
Es  ist  ein  (elbststandiger  Zweck,  der  nieht 
bewirkt  fondern  mtr  behaiiptet  werdcn 
foll.  Sicht  nian  die  Verniinft  fo  aii^  fo  falicu 
aUe  Klagen  weg,  die  }e  wider  die  Einrichtitng 
der  menfchltchenNatiirgemacht  worden  Hnd. 
Wird  abcr  dic  Vernuiift  niir  als  Mittcl  ziir 
GliickieJigkeit  gedacht,  fo  ist  es  allerdings 
wahr,  dafi  ein  bloA  thierifeher  Instinkt 
fcr  alsVcrniinft  gcwefcn  fcynwurdc.  Durch 
iic  kann  aiich  der  cinnchtsvollste  Mcnfch  uic 
init  Gewifshcit  dic  Mittel  bestimroen,  die 
ihn  xiur  Ghlckfcligkcit  ftihren  werden.  Der 
llafs  dcr  dcswcgen  biswcilcn  auf  die  Ver- 
tmnft  geworfen  wird,  und  fich  gcradc  bcy 
denen,  welche  fie  auf  die  mannigfahigste 
Weifc  geubt  haben,  atn  oftersten  clnfchleichfy 
mufs  fogleich  vcrfchwindco ,  wenn  Cic  als 
>^weck  an  fich  augcfchcn  wird.   Gestcht  man 


ihr  diefc  Wiirde  zii ,  fo  hat  auch  das  Sitten- 
gefetz  einen  festen  unerfchtitterlicheu  Grund» 
uiid  alJe  Begriffe  una  Urtheilc^  aieia  Abficbt 
der  Sittlielikeic  herHelieiid  find»  bekaoiiiien 
Wahrheit  und  Bedeutung.  Ohne  den  aufge- 
•teilten  GtuadfaU  liingegen»  ttreitet  die  gc- 
meine  Vemunft  durchaus  nit  den  philofo- 
phifchen  Spekulationen,  und  Pflicht  und  Tu- 
gcttd  find  Wortey  die  entweder  keincn»  odcr 
cineti  ftfar  vei Snderlicliea  Sinn  liaben» 


Ihtr  iim  fntmdbr  Grmidfiaz  kmm  di 

SitUngefctz  gtdacht  tfitrden. 


VV«n  «^»  Siftcngefetz  irgenc!  ein  Grnnd. 
{atz  aiifgestellc  wird,  der  eiuen  auf  Gliickc 
feligkeit  fich  betieheiideo  Zweek  vontii letir» 
Ib  iit  es  uomdglich,  aUen  clen  Etnwurfen  iti 
begegnen,  welche  gegen  daflelbe  erhobea 
werdeo.  Uod  dieli  baiiperichlicb  dei wcgeo» 
weil  bey  der  Giaekfelifkeitilebie  dlet  aiif 
Erfahning  ankomnit;  Erfahrung  aber  nichc 
nur  ubcrhaupt  nichts  als  apodictifch  gewiit 
danteilt»  fondern  auch  im  vorJiegenden  Falle 
ntcht  einmal  Wahrlcheinlichkeit  geben  kano. 
Sie  kann  niir  fagen,  was  da  ist^  gcwefen  ist 
und  ieyo  wird»  nicht  aber  wu  geichehtfn 
foll»  wenn  et  auch  nicht  geichieht;  und 
dafs  einGebot  in  unferer  Vernunft  liegt,  wel- 
ches  auf  ein  Soilen  hindeutet»  ist  hia- 

•)  S.  dic  Notc  S.  i6a. 


iSnglich  gczcigt  worden.  Ntirdcr»  wcfchct 
dic  Vcrniinft  aiifgicbt,  kann  dicfs  Sollcn, 
wclches  der  fonnale  GrundiaCc  der  Sicdich- 
keit  aufstellty  in  Zweifel  siehcn.  WSre  cr 
nun  blofs  dcswcgcn  von  Wichtigkcit,  wcil  er 
volJe  Uibcrzeugiing  vou  dcr  Wahrhcit  dcr 
Fflicht  und  der  Tugend  glebt»  (o  wurde  cs 
binreichcnd  fcyn,  ihn  dargcstellt  tn  haben. 
Ailcin  darin  bestcht  nicht  fcin  ganzes  Vcr. 
dienst,  Er  bestinmt  xu  gleicher  Zeit  das 
Welen  der  Tugcnd,  tuid  reinigt  cUe  Bcgri^Fe, 
welche  dic  Philofophic,  vor  Kants  Moral- 
lehrc,  dainit  verbuudeii  hat,  vonallen  fremd'* 
artigen  Zufatxen.  Er  ist  al(b  atich  ielbst  fiar 
dicjcnigcn  wiehtig,  weichCy  durch  ein  in« 
uercs  Gefiihl  gedningeny  an  Sittlichkcit  glau- 
beiiy  fie  abcrnicht  iudcm  reinenUchte  fehctty 
welches  allcin  ihr  den  hochsten  Werth  giebt 
ubcrallcs,  vvi<s  niir  dci:  GcgcnsJanJ  inciifch- 
licher  Wuafchc  fe>'n  iiaun.  lu  dicfer  KiicJi- 
licht  ist  uoeh  su  seigcn  iibrig,  dafi  das  Sit- 
tengcfctz  feine  Natiir  verliert,  wenn  ihm  der 
Tricb  zur  Ghickfcligkeit  zinn  Griindc  gclcgC 

tvird.  Dazu  diencn  foJgcndc  Bctrachtungcn* 


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i)  Sittliehe  Gute  wird  iCn  eine  noHiweit» 
dige  Eigenrcliaft  jedei  Menfchen  angereheii, 
der  ztir  Beronncnhcit  gclangt  ist.    Dicfs  kaim 
fienicht  leyny  wenn  fie  nur  darauf  bin&ichy 
die  groffte  Sunune  tngenehmer  Empfindun* 
gcii  zubewirken.    Denn  dieMittel,  dasv^irk- 
iich  tu  machen»  vaa  dcm  Menfchen  dai 
hoehste  und  danechaftesce  Vergntlgen  gewah- 
ren  wiirdc»  Hnd  fehr  ielten  in  feiner  Gewalr. 
Aber  gefetzt,  es  kame  niir  aiif  die  Geliunung» 
und  nicht  auf  die  Emichung  dei  Toigesteck> 
ten  Zielfl  an  :  Ib  konnte  ein  Gelets,  das  ge- 
botc,  nach  dem  zu  strebcn,  was  die  mciste 
Gliickiciigheit  hervorbringt,  auch  deswegeu 
nieht  bcobachtet  werden»  wetl  cs  eine  Kennt- 
nifs  vorausfetzt,  die  nicht  ntnr  nicht  allen 
Meafchen,  fondcrn  nicht  einnial  eiacm  Ein- 
ligen  in  einer  gewiifen  Volikomnenheit 
su  Theil  wird.    Alles  was  fich  auf  fenen 
Zweck  bczicht,  ist  ungewifs.    „Will  jemand 
Reicfathtraiy  wie  viei  Sorge»  Neid  imd  Nach- 
stelluttg  konnte  er  fich  auf  den  Hals  siehenl 
Will  er  viel  Erkenntnifs  und  Einficht,  viel- 
leicbt  konutc  das  nur  lun  ein  fo  icharferes 


—  188  — 

Auge  werdcn,  iiin  die  Uibeiy  die  fich  fSg 
ihn  iettt  noch  verbergen»  uod  doch  nicfat 
▼ermiedeiiwerdenkonnen,  ihm  nur  unidesto 
ichrecklicher  zu  zeigen,  oder  fcinen  Begier- 
den»  die  ihm  ichon  genug  su  fchaffcn  mn- 
ehen,  noch  nehr  Bediirfniise  aufsuburden. 
Will  er  ein  langes  Lebcn,  wcr  steht  ihm  da- 
iur,  dafs  cs  ntcht  ein  langcs  Elend  (eyn  wur* 
de?  Will  er  wenigslenf  Gefiandheit»  wie  oft 
hat  noch  Ungemichlichkeit  det  Korpen  vtm 
Ausfchwcifiuigen  abgehalten,  darein  unbe« 
fchrjinkte  Gefundiieit  wiirde  hahen  £ilJen 
laflren}  Kurt»  er  itt  nicht  vermogend,  nach 
irgend  cinem  Grundfatzc  mit  volligct  Gcuifs- 
heit  au  bcstimmen ,  was  ihn  wahrhaft  giucl^ 
lich  nachen  werde.^^)  Kann  nun  keia 
Menlch  die  Polgen  leiner  Handlungen  in  dem 
Gradc  vorausfehenj  ia  weichem  er  fic  voraus* 
iehen  mufste,  wenn  er  von  irgend  einer  That 
je  mtt  Gewiftlieit  fagen  wollce,  fie  ley  gut^ 
felbst  in  Riickiicht  auf  fein  eignes  W^hlbcfin- 

*)  Kants  Grundleguog  zur  Metaphydk  der  Sit* 
ten,  S.  46, 


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—  189  — 

den:  fo  itt  diefs  noch  weit  tiumoglichery 
weim  er,  iim  dai  fympathetiiche  Geiuhi  ni 
hefriedigen,  aiich  aa  andfe  <leiike$  und  }e 
grofscr  der  Krcis  ist,  den  er  mit  feinem  Wohl- 
woilen  umfaisty  detto  fchwieriger  wird  jene 
Kemitiiifi.  Soll  ibgtr  da$  allgemeine  Wohl 
einet  ganten  Staatt  mit  in  den  Grwidiatz  der 
eignen  Giiiclifeligkeit  aiifgenommen  werden: 
ib  kami  von  tattTend  Menleheo  hochitent  ei- 
«er  mit  einiger  WahHeheinliehkeit  und  kei- 
ner  bestimmt  angcbeii,  wat  dem  Staate  in 
•llen  Fillen  f  utraglich  leyn  weide,  Hierbey 
iit  ▼orautgeietit  wordeny  dalt  fremdet  Wohl 
mit  in  den  Gnindfatz  der  ei^nen  Ghickfelig- 
keit  aufgenommen  werde,  imd  fo  miiii  et 
ttfn,  wenn  dat  Sittengeletf  nicht  ein  leeret 
Wort  feyn  Ibll.  Allet  aber»  wat  uber  dte 
Verbindung  unferer  eigenen  Gh'ickfeligkeit 
mit  der  unierer  Nebenmenichen,  geia|^  wer« 
den  kaniiy  betieht  fich  auf  Sympathiey  atif  die 
Vervollkommung  unfcrcr  Krafte  uiid  aiif  den 
Wiiien  Gottet»  und  wie  vielen  Einwendun- 
gen  die  darauf  ^grundeten  Fordeningen,  an 
jedctt  Menfchen  ohne  Uotcrfchied>  ausge« 


—  igo  — 

£etit  lind,  ist  an  einem  aaderu  Orte  geteigt 
«orden. 

Alle  diefe  Sehiivierigkeiten,  welehe  ein 
Gcictz  treffeii,  das  fich  auf  Selbstliebe  griin- 
det»  heben  dat  Weien  delTelben  «u£>  Denn 
nieht  feder  Menfeh  kann  ci  heohachten;  er 
kanti  nicht  cinmal  bestiramt  ^ifTen,  was  er 
xu  thun  und  su  lalTen  liat»  um  denfeibea 
nicht  entgegen  su  faandeln,  und  es  «ird  Toa 
ihm  yerlangt ,  dafi  er  gewilTe  Geliihle  und 
KenntuilTe  habe,  clie  nicht  in  feiuer  Gcwait 
stdien.  Gans  anden  Terhalt  fichf  mit  dem 
formalen  Grundiatie.  Dieier  verlangt  nicht» 
dafs  ctwas  wirklich  wcrde,  fondern,  dafs  dcr 
Wilie  geretKmafsig  fey }  cr  cntiuit  in  fich  ai- 
les  vns  xu  wiflen  nothig  itt,  um  littlichgut 
zu  ieyn»  und  fordert  nur»  dafi  ein  vemiinf- 
tigcs  Wcfcn  aiich  vcrnunftig  handlc,  und  das, 
was  fich  ihm  in  feinem  Urtheiie  ais  dasUdch- 
ste  darstellt»  auch  in  firinen  Handlungen  auf- 
dnicke.  Ein  folcher  Grundratx  kaiui  ais 
allgemeincs  Gcfetz  gedacht  iverden* 

S.  47-  uod  folg. 


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S)  Dafs  alles,  was  Hchauf  angciichine  Em* 
pfiadiiog  bcziebt,  nicht  imnier  gleiche  Wir- 
kting  auf  einen  tind  eben  denielben  Menlchen 
bervorbringt,  dafs  die  Neigiingeii  veranderiich 
findy  wird  uicht  uur  als  eiue  Thatfachc  au« 
genommcn»  wovon  ein  jeder»  vrelcher  au£ 
fich  nnd*andre  achtet,  die  Erfihning  hat; 
fondern  ei  wird  dicis,  an  und  fitr  iich,  als 
etwas  gieichgiiltigef  aageichen,  woruber 
keine  Vorlchrift  Statt  finden  kann.  Aber 
da^',  was  als  giitcr  Charaktcr  gcdacht  wird, 
das  iiumcr  glcich  blcibeiiy  das  foil  wedcc 
diirch  verSndertc  UmstSnde»  noch  durch  den 
Laiif  der  /eit,  >vandelbar  tvcrden.  Vcran- 
dcrtc  Urostinde  werden  ais  der  Frobicrstcin 
der  Tugcnd  angcfehcn,  und  nur  dann  wtrd 
fie  fiir  3cht  gehalten,  wenn  der  Menich,  dem 
inaii  lic  zufchrcibt,  im  hohcn  wie  im  iiiedcru 
Stande,  in  der  lugend  wic  im  Alter,  gleiche 
Gnindnitie  befolgt.  Wie  diefe  Gleichheit 
muglich  foy  ,  wen»  das  blofse  Vernunftgcfctr 
2tir  Bestimmiing  des  Willens,  als  liinrcicheod 
gcdacht  wirdy  leuchtet  fogieich  cin,  da  es 
felbst  unveiSnderltch  sst,  und  fur  fich  alieui 


ohne  irgend  einc  verSnderliche  Neigung 
wirkt;  wie  aber  durdi  das  blofie  Streben 
nach  Gluckreligkcit ,  wciin  dlc  cinzclnc  Nei- 
gungedi  die  fich  danuf  beaiehent  geichwiche 
oder  gar  mtt  andem  vertauichtwerden,  doch 
Gleichheit  cles  Charakters  bcstehe  —  ist 
imbegreiAich.  £bea  daher,  weil  oft  die 
Gmndlage  von  gtiten  Eigenfchaften  niir  vor- 
{ibergehende  Neigting  ist,  vedchwinden  fie 
mit  dteier.  Wcr  in  fcincr  lugend  wohltba* 
tig  vnx,  weii  Sympatliie  Befriedigung  forder« 
te,  wtrd  im  Alter  hart  und  geitzig,  wei^n  daa 
Gefuhl  fiir  anderer  Lcidcn  vcrfchwundcn  ist; 
wer  be(cheiden  war,  weil  er  die  Gimst  der 
Menlchen  erlangen  woUte»  wird  ttols»  wenn 
er  fich  nicht  mehr  damm  bekitmmert ;  wcr 
ilei(sig  war,  blofs  wdl  er  ein  Amt  erreichen 
wollte,  wird  unthatig,  wenn  er  et  erreicht 
hat  u.  r.  w.  SoUen  WohlthStigkeit,  Belchei- 
denhcity  Flci(s  und  alic  Eigenfchafteny  die 
wir  in  dem  fittlichguten  Meofchen  vereinigt 
denken»  iiicht  vortibergehende  Bestimmun- 
gen  dcHclbcn  fcyn :  fo  nitinen  fie  auf  einein 
unwan4elbare&  Grunde  bcniheny  uud  diefcr 


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kann  kein  andcrer,  alt  die,  fich  ininier  felbst 
gleiche,  Vernunft  feyn.  Hieraiif  berubet  auch 
die  BehaupCiiiig,  daft  die  Tiigend  nur  fiint 
ist»  Denn  fie  Drird  tlt  <Ut  Bettrebea  der  Ver« 
nunft  KU  gehorchen  angefeheii.  Die  ein* 
selnen  gutenEigenichi&en»  die  aus  demicl* 
ben  ent^tttngen»  und  die  auch  Tugenden  ge« 
nannt  werden,  Cmd  nur  Zweige  eines  und 
eben  deflelben  Stammes.  lede  als  fiir  ficil 
bettefaend  betrachteat  hei6t  einen  ahgehaue* 
neii  Aic  liir  eineo  Baum  baliea» 

3)  Die  Gefetfe  der  Sittlichkeit  IbUen  Ui^ 

bereinstimmung  unter  allen  Menfchen  hervor- 
bringen.  Aus  der  Beobachtung  derfelbenf 
denkt  jedermann»  «lirde  die  groifte  Haraio* 

HoKc  und  medrc  Tugend  kann  nur  in  fo 
fernc  angenonnmen  werden,  aU  nedem  Gra- 
de  der  Kraft  nach,  vcrfchieden  ist.  Der  Bc- 
stimmungsgrund  des  Willcns  ist  bey  dcr  ei- 
ftcn  wie  bcy  der  andern  eben  derfclbc.  Auch 
das  noch  Tugcnd  nennen,  was  blofs  auf 
Selbstliebe  flicfst»  und  nur  tttfftllig  mic 
dem  Sittengeferte  Obcreiftfdnunt»  heifitdat 
Wtfen  dcr  Tugend  anfhebcn, 

M 


194  — 

tile  anf  firdeit  entsCelieii.  Wie  kSante  aber 

dicfe  dic  Wirkung  dcr  Tiigcnd  Teyn,  wcnn 

eigoe  Gluckfeligkeit  der  letece  Zweck  der- 

felben  wSre?  Da  in  diefem  Falle  jeder  nur 

fcin  cignes  Wohlbcfiiidcii  zum  Gcgenstande 

(einer  Handltingen  nuchte :  fo  konnte  dafTel- 

be  nitr  tufSllig  fichnitft  den  Abfichlen  an* 

derer  vcrtragen.   Die  Men(chen  hitCen  nichC 

clnen  gcmcinrchafcUchen  Zweck»  fondern  je<- 

der  feinen  eignen^  der  nur  einen  gemein* 

ichafelichen  Namen  fuhrte.   Eben  deswegen, 

weil  die  Scibstliebe  cincs  jcden  oft  nur  auf 

Koccen  einea  andern  befriedigt  werden  kannt 

herricht  die  Disharmonie»  die  gehoben  wer- 

cien  foU.    Selbst  aus  der  edelsten  Neigung, 

aus  vieiuinfa(rcnder  Mcnrchcnliebe,  kann  iie 

enCsCehen.   Diefe  Neigung  isc  wie  jede  an« 

dere»  druckend ,  wenn  ihr  nicht  Geniige  ge- 

than  \vcrdcn  kaun,  und  cs  ist  dahcr  garnichts 

feltnes»  ihr  die  Gerechtigkeic  aiifgeopferC  su 

iehen.      Uiberdem  konnen  mchc  nur  tiber 

• 

■^)  Menlchenliebe,  «Is  NeignnK»  isc  theils  auf 
Sympachie,  ibeils  auf  den  Tticb  fich  aber 


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dieMittel,  roiidern  auch  iiber  dieGcIcgenhcit 
gor  Wohlcbjitigkctt,  Stceit  mul  Neid  ciit« 
rpringen*  Ef  Irage  fich  ein  jedcr»  der  vor* 
Eiiglich  Gefallen  daran  hat,  GUlckfeligkeit 
ttni  fich  her  lu  vcrbreiteii,  ob  es  ihm  gleich^ 
giiltig  iey,  von  wem  dit  Gitte»  dac  gelche- 
hen  foll,  gethan  werde,  von  ihm  (elbst  odcr 
von  audern;  ob  es  ihm  nicbt  angenehmet 
feyn  «iirde,  dM  Vermogeii»  vvelchet  ein  «i* 
derer  befittt»  und  tum  gemeinen  Besten  an» 
wendet,  felbst  zu  befitzen  und  dazu  anKuwen<* 
den.  Itt  nun  ichon  bey  einer,  dem  Anlcheia 
Bach*  fo  uneigenntittigen  Neigung  in  imt  ein 
Wideistieben  andern  zu  (iberlafTen ,  was  wir 
lclbst  gern  befafsen  uud  bewirkten :  fo  mufs 
cf  bey  andern  Neigtingent  die  fich  umnittel* 
bar  auf  uns  felbft  besielieiiy  noch  iceit  s^ker 

andre  su  erheben*  (auf  Stolz)  gtgraodet» 
vnd  kaan  pachologircK  heiisen.  Es  giebt 
flber  auch  eine  practifche  Mcaichenticbe,  die 
ihvcn  Urfprung  blofs  in  der  moralifchen  Ver* 
bindlichkeit  hat.  Wer  diefe  benczr,  isc  zu< 
erst  gerecht ,  und  rhut  dann  fo  viel  Gutes 
als  er  Kann  —  weil  es  fcioe  Schuldigkcit 
ist»  aadem  zu  hcifcn. 


—    igO  ~ 

feyu.  Das  Streben  nacb  Gluckfeligkeit  bringt 
«Uby  wie  Kant  iagty  eine  Einitimniuiig  lier« 
¥or,  die  derienigen  IbnlicH  ist,  welehe  ein 
gewiHes  Spottgedicht  aiif  dic  Secleneintracht 
sweyer  iicli  tu  Grundc  richtenden  Chelente^ 
lchitderts  O !  wundervolle  Harmo- 
nie,  was  er  will,  will  aiich  fie  u.f.w. 
oder  eine  Hanuonie  des  Willens,  wic  die|e« 
nige  zwiiciien  Carl  dem  funften  nnd  Fram 
dem  ertten,  wenn  der  leftte  fagte:  wai  mcin 
Rruder  Cari  wiil  (MayUiid)  das  will  auch 
ich  haben. 

Dieftfs  Widcrfpiel  der  Einstimmung  failt 
bey  dem  formalen  SittengeCetie  ganc  weg. 
Wenn  {eJer  Menlch  die  Vemnnft  tum  Ii6eh- 

«teii  Zwecke  bcy  allen  feincn  HandUingen 
machte »  fo  wtirden  in  der  Tbat  nie  entge« 
gengeretite  AbfichtefrStattfinden;  derWille 
eines  jeden  wiirde  im  scrcMgsten  Sinne,  der 
Wille  aller  feyn.  Nun  ist  frcyiich  auf  dieier 
Erde  eine  fo  allgemein  herrlchende  Sittlich- 
keit  nicht  zucrwartcn.  Allciu  cs  ist  geuung, 
daii»  das  Gefctz  derfdbeu  gefchickt  ist,  die 


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—   197  — 

Eiattioiinuiig»  die  nun  fich  von  der  allsemei- 
nen  Beobacfatunf  dcr  Pflichten  verlpricht,  t u 
i>ef6rdern. 

4)  Es  ift  kein  Tlieil  der  Glttckreligkeir, 
der  nicht  der  Rechtfchaffenheit  au^eopfert 
«efden  kami  und  ibii.  WSre  nim  dieie 
nichtt  «b  d«t  Streben  nach  der  mogllchgrofi- 
ten  Stimme  angenehmer  EmpBndungen:  fo 
hieiie  jenet  Urtheii  iiichts  anderf,  al^  man  foUe 
ein  kleinefet  Vergnugen»  um  einei  grolaern 
willen,  hingeben.  Bis  auf  cincn  gewifTcn 
Grad  lafst  (ich  dic  Aufopfenmg  fo  deiiken. 
SoU  aber  endiich  feibst  dat  Leben  der  Recht« 
fchafSenheit  nachgeletst  wcrden ,  fo  giebt  ci 
keinc  FreuJe,  welche,  Cic  fey  noch  fo  groit» 
hoher  su  (chatxen  fey,  alt  die  Q^eiie  ailec 
Freuden.  Auchwird  derjenige  allgemein  fiir 
iinvenuinftig  gehaltcn,  dcr,  um  eincr  blofseu 
Lust  «illctt»  daa  Lebcn  wagt  oder  gar  hin« 
giebt.  Niir  dann*  wenn  die  Erhaltung  delTeU 
ben  mit  der  Gerechtigkeit  nicht  bestehen 
kann,  wird  dic  freywilligc  Aufopfcrung  ge- 
bUligt.   Ueber  alieit  hingeben  aJs  ieine  Pflicht 


196 


verletzen»  das  dcnken  dic  Menfchca  als  mug« 
Itch  im<l  guts  abes  aliet  hiogebeii,  ttm  einen 
Theil  oder  vielmehr  niditt  tu  erhalteii»  cUe 
ist  in  ihren  Augen  Uofinn. 

Mie  dem  moralifchenGeliihle,  dt  Men» 

fchenliebc  bctrachtet,  welche  noch  die  Selbst- 
Uebe  iiberwiege,  witde  man  wohi  fmr  EtIlIS* 
rung  jener  Pordentng  antretehen,  wenn  nur 
ein  folcher  fiir  fich  bestchendcr  Trieb  ange* 
iiommcn  oder  den  Menfchen  auf  irgcnd  eine 
Weile  geielgt  «erden  konnte,  dafs  fie  andere 
mehr  alt  fich  felbst  lieben  m  u  fs  t  e  n.  Um 
einen  Freund,  cineo  Wohlthater  vom  Todc 
Stt  retten»  lein  eigncs  Lcben  hingcben,  stcllt 
man  fidi  ab  mcSglich  ttnd  ilt  edel  vor.  Eben 
diefs  fCir  einen  unbckannten  Menlchen  aus 
JLiebc  tbun,  streitet  fchon  mit  der  alige- 
tneinen  Denkungtart  ^        Einen  Frcund 

•)  Es  ist  hier  nicht  von  der  blofscn  Gcfahr  dic 
Rede,  in  die  fich  cin  Mcnfch  begicbt,  um 
eincn  andern  einem  gcwifTcn  Tode  zu  ent- 
reitTen ,  fondcrn  von  eiaer  wirklidien  Auf^ 
0|^ftruog  des  Lcbeos, 


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—  199  — 

In  Wohlftaiid  durch  Aufopfiening  6t9  Lebens, 
bloff  aut  Zuneigung  verleteen,  i:vur<Ie  nicht 
liir  giic  und  rccht  angcfchcn  wcrdcn.  Aiif 
eine  eben  fo  iu>stbare  WeiTe  den  Wohistand 
cinet  firemdea  Menfchen  retten,  itC  lcaum  gc- 
denkbar,  iind  witrde  als  hochst  iinverniiuftig 
betrachtct  werden.  Aber  iieber  dcn  1  od 
ieiden,  als  eine  Ungerechtigkeic  gegen  ihn 
begehen,  ohne  zu  fragen,  wie  fich  dabey  feiu 
Gewinnst  gegen  unfern  Vcrlust  vcrhakc ,  das 
liiic  man  nichc  atnr  nichc  fiirverwerflich»  Ibn- 
dem  fogar  fiir  nothwendig.  Woher  diefes  Ur- 
Cheii  iiomme,  lcidet  l^eincSchwicrigkcity  wcuu 

*5  Hieraus  hatten  diejcnigcn,  wdchc  glaubcn, 
dals  der  gute  Character  nur  dcswcgen  fo 
hoch  gefchflnt  wecde,  weil  er  der  Sdbst» 
iicbe  «iderer  zutrtg^ich  lcy,  lchon  fthen 
ItAnnen»  wie  fehr  fie  fich  hren.  Wftre  der 
Egoismus  wtrklieh  der  Graod  der  Aefaning, 
die  man  der  Reehtichalleohcit  encigt:  fo 
mafste  jcdc  Aufopfcrung  iiir  andrcb  fic  kom- 
mc  aus  cincr  Qucnc  aus  wdchcr  fic  wollc, 
als  gut  berracluct  werden.  Dicfs  ist  abcr 
gar  nicht  dcr  Fall,  Verzichrleistung  auf 
unfere  Rcchte,  wird  fchr  oft  als  Schwachhcic 
getadelt,  und  manche  Aufopfcrung  als  cin 
hoher  Grad  dcr  Unvemunic  sngcfchcn. 


^  aoo 

die  Verounft  ah  dcr  bochtte  Zweck  des  Men* 
lchen  angefehen  vntd,   Denn  dann  wird  ih^ 

rem  Gefetze  alles  iintergeordnct,  was  fich  auf 
Freude  und  Schmerz  bezicht» 

5)  Nach  dcm  gewohulichen  UrtheiJe  der 
Menfchen  wird  twar  etn  Unterfchied  i wi- 
lehett  den  Freuden  ntgegeben»  deren  wir 
fahig  fiiid ;  die  grobern  werden  von  den  fci- 
iiern  gefchiedeni  unddcnjenigcu»  dieausdem 
Verstande  und  Henen  ilieiseny  wird  der  Vor* 
zug  vor  denen  eingerautnt,  welche  von  den 
Korperlicheu  Sinncn  herkoinmen.  Wcnu 
aber  eioe  Frage  iiber  Recht  und  Unrecht  ent* 
fchieden  werden  foll ,  fo  nimnt  der  geraeine 
Verstand  auf  diefcn  Unterfchicd  gar  nicht 
Ruckficht.  Der  Ausipruch  wird  gefallt,  ohne 
tm  allergeringsten  damach  eu  fragen,  oh 
ctwa  die  feinern  Freiidcn  cines  Mcnfchen 
dabey  in  CoUifion  liommcn  lionncn.  Dicis 
Verfahren  hat  icinen  guten  Grmtd,  wenn  das 
Sittengefetz  fiir  fich  besteht,  ohne  Einrai- 
fchung  irgcnd  cincs  Gefiibls  von  Lust,  wenn 
Tugend  ab  das  Bestreben  angefehen  wird» 


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dcr  Vcrnunft  zu  gehorcheo»  und  Untugend  als 
<ler  Haag,  fich  nur  angeoehmeEinpfindungett 
xu  Geietten  leiner  Handlungen  su  naehen. 
Wird  aber  felbst  die  feinste  Frcudc  dem  Sic- 
tengeletEe  fumGnuide  gelegt,  vird  derganxe 
Unterichied^swifchen  Togend  und  Latter  nur 
von  dcr  Vcrfcbicdenheit  dcr  Q^iellcn  hergc- 
nonmen,  aus  nelchen  das  Vergnugen  fliefst: 
ib  ist  er  ib  gut  ab  aufgehoben»  und  es  kann 
in  kcincm  ciuzigcn  Falle  fiir  alle  Mcnfchen 
bestimmt  angegeben  werden,  was  fie  tbun 
oder  laden  follen.  Alles  hSngt  dann  von 
ihrer  Empfanglichkeit  fiir  gewifTe  Freuden 
ab.  Deon  fclbstdiejenigcu»  welchc  vorziiglich 
geistig  genannt  werden»  entfcheiden  nicht 
iiber  Kecht  und  Unrecht.  Gelettt,  ein  Mann 
iiiche  fcine  hochstc  Giuckfeiigkeit  im  unge- 
storten  Nachdenken  tmd  in  der  £ntwicke> 
lung  feiner  geistigen  KrSfte»  er  werde  aber 
daran  durch  eintrctendcn  Mangel  der  noth- 
wendigsten  Bediirfoifse  dcs  Lebens  gehindert« 
und  konoe  demlelbeo  nicht  anders  als  diurch 
einen  Betrug  odcr  durch  mcchanifche  Arbci- 
tcn  abhdftfn.   Was  wird  er  thun,  wenn  er 


909 


bey  fich  felbst  deokt:  die  AuilMlduiig  deiner 
geistigen  Krafte  ist  das  hoehste  Ziel,  und  das 

Streben  nach  dem  Vergniigen,  welches  aus 
dem  Bcwufstreyn  derfeibcn  flie&t»  ist  Tu- 
gendl  Ist  cs  ihmEnut  mit  dielen  Behauptun- 
gen ,  Co  wird  er  (chr  verfueht  feyn  f  u  betrti- 
gCQy  da  die  Entwickching  feiner  Fabigkei- 
ten  diurch  die  nechanirche  Arbeit  unstreitig 
leidet.  Denkter  aber  moralifchc  Voll- 
k  o  m  ni  e  n  h  c  i  t  fcy  das  hochstc  ZieJ,  fo  liegt 
ichon  darin»  dafs  Vergnugen  nicht  der 
Zweek  der  Tugend  ist.  Denn  gewahrte  diefe 
Vollkommenheit  dic  hcchste  Frciide :  fo  miifs- 
tc  cr  fich  gliicklich  fchatzcn,  cinc  Gclcgcii- 
heit  zu  6nden,  wo  er  (ich  derfelben  be^ 
wufst  iverden  kann*  Wird  er  fich  aber  wohl 
frcuen,  dafs  er,  um  das  Sittcngefetz  uicht  zii 
verietzeny  mechanifcbe  Arbeit  thun  muisi  *) 

*^  Dicfs  wird  an  einem  andcm  Ortc  weiter  aus- 
gcfiihrt  werden.  —  Snebe  nach  VoHkoni- 
inenheir,  hcifst  dieycrlcy:  i)  Suchc  deincn 
aufsern  Zustand  fo  vollkonunen  als  moglich 
xu  mschen.  3)  Bilde  deioc  Kiftfce  und 
F&higkeiten  aus.  3)  Strebe  niehuiocalifcher 
VoUkommenheit»  Die  beyden  cistcnR^eln 


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Perncr,  wemi  eininal  mgegeben  ytiti, 
dUft  dat  Streben  nach  GluckleligketC  der 

Gniiid  aller  PBichteii  fey :  fo  darf  man  fich 
nachhcr  gar  mcht  wundern»  mmdM  grobtce 
Vergntigen  eben  Ib  gut  ak  die  feintte  Preiide 
«iim  hochsten  Gefetzc  gemacht,  und  Gcniifs 
des  Lebens ,  er  bestehe  v/oria  er  wolle,  als 
cnticheiclend  uber  aJle  Handlungen  angelehen 
wer^.  „  Beruht  die  Willensbef timmung  nur 
aiif  dem  Gefiihle  von  Annehmlichkeit  oder 
UnannehmUchkeit»  die  der  Menich  aut  ir<- 
gend  einer  UHache  erwartet:  fo  itt  et  ihm 
gSnzIich  einerley,  durch  welche  Vorstelhings- 
art  cr  a£Eicirt  werde.   Nur  wie  turk,  wie 

heziehen  fich  auf  angen^oie  Soiplindung, 

und  miiircn  der  dritten  iintergeotdnet  wer- 
den.   WSren  fie  mit  derfclbcn  vongleicheni 

Werihe:  fo  hSrte  dcrjenige  nicht  Unrccht» 
wctcher  lieber  bctriijcn,  al«;  die  Erwciterung 
feincr  Kcnntnif«;s  aur^cbcn  wollte.  Ist  abcr 
moialifche  VoIlJtommcnhcit  das  Hdchste,  fo 
iT)uf9  imtncr  wicdcr  gcfi  agt  werdcn ,  worin 
(ie  bcsteht?  und  dv.nn  entweder  ganz  auf- 
gcgcbcn,  odci  nach  dcm  rcincn  Vcrnunfc* 
^cfctzc  gciiclitc;  wcidca. 


—    304  ~ 

lange,  wie  Icicht  erworbeo  tincl  oft  wicder- 
holt  diefe  Aunchmiichkeic  £cy,  daran  liegt  et 
ihm,  um  fidi  sur  Wabl  lu  enelchlielfen.  So 
viic  demjenigen,  der  Gold  ziir  Aiisgabe 
braiichr,  gauiiich  cinerley  ist,  ob  die  Mate- 
rie  deireiben,  daa  GfU^  m  dem  Gebirge 
gegraben,  oder  aui  dtm  Sande  gewaehlen  iif» 
\7enu  es  nur  alJenthalbcu  fiir  denreiben  Wertb 
•ngeoommen  wirdi  Co  fragt  kein  Menicb» 
wenn  ei  ihm  blofi  an  der  Annehmlichkeit  dei 
Lcbcns  gelegen  ist,  ob  Verstandes- odcr  Siu- 
nesvorstellungeu,  fondem  uur  wie  viel 
und  grolses  Vergniigen  lie  ihm  atif  die 
langste  Zcit  veHHiafen.'*  <>) 

Allet  Vergnugea  itt  in  £6  £cns  gleicfaar- 

tig  als  es  aiif  einem  in  iins  darauf  angelegten 
Gcfiibie  beruht.  Waren  die  feineru  Freiiden 
von  gans  anderer  Natur  alt  die  groben:  Ib 
konnten  lie,  in  Abfieht  ihrer  Grdlte,  eben 
fo  wenig  mit  einandcr  vcrglichen  wcrdcn,  als 
die  Stirke  der  Vemunft  mtt  der  Starke  der 

Kaots  Critik  der  practifchen  Vcrouoft,  S.  43. 


L»igiiizea  by  Googlc 


—    305  — 

inagneeirchen  Kraft*  Gleich^ohl  wird  dicCe 
VergleichuDg  oh  aogeitellt  und  nach  deriel- 
ben  der  Wille  betfiiDiDt*  So  groft  fiir  nan- 
chcn  das  Vergniigen  isf,  das  geistigc  Befchaf- 
tigungen  gewahren:  £o  viixd  er  doch  biiweiF 
len  ein  grobfinnlichet  liir  gi6fier  halten,  und 
wie  konnte  er  diers,  wenn  dat  letztere,  reinem 
Weien  nach»  von  dem  erttem  verichieden 
wlre.  K2nie  et  alib  bey  der  Monl  nur  auf 
dic  Bestimniung  der  moglichgrorsten  Gltick- 
fcligkeit  an:  fo  ware  Epicurt  Behauptung, 
dafi  finnlichet  Vei^ugen  alle  unfare 
Handlungen  bettimme»  nicht  tuwidcrlegen.*) 

*}  Die  Gldchtnigkcit  tHet  Vergnugens  nimmc 
demjeolgcn,  w«tchet  von  geisdgtn  BciM& 
tignngtn  herffthn.  nichis  von  fdncm  Wer- 
tfaa.  Bt  itc  tUtrdingt  dem  linnlichtn  Cini 
engtm  VcniaDdt)  ivcit  vorzutidien,  nichc 
nur,  wcil  cs  voft  Ungcrtr  Dttttr,  und  mchr 
in  dcr  Gewilt  des  Mcnichcn  iit,  fondcm 
auch  hayiptfftcfilich ,  weil  jene  Befchlfiigttn- 
gen  ihn  zu  dcr  Bcfonnenheic  bringen ,  die 
dcm  Gehorfam  gegen  die  Vemunft  gunsrig 
ist.  Aber  das  Streben  nach  diefen  feinem 
Freuden  (an  und  fiir  fich)  itc  nieht  dicfcr 
Gchoriiiau 


906 


6)  MitderUibertrcttiug  des  SiCtengcietzes 
ist  clie  Iclee  yon  StrafWtirdigkeit  verbuoden* 
Gcbietet  niin  daffelbe  niir,  die  moglichgrorite 
Gliickfciigkeit  zii  erstreben :  fo  ist  das  Mora- 
liichbofe  nichtf  «eiter  als  Maoiel  an  Klug- 
lieit  oder  an  Kraft»  dat,  wat  angenehme  Enu 
pfindung  wirkt ,  zu  finden  und  zu  erlangeii, 
oder  die  Uibel,  die  fie  serstoren,  abutwen- 
den.  Dann  mult  aber  die  bofe  Handlung.nicht 
nur  nicht  dcr  Strafe,  fondern  fogar  der  Ver- 
giitung  «urdig  gehalten  werden,  imd  der- 
lenige,  der  dai  Sittengeleti  verletat»  kami 
auf  Mitlciden  nnd  Untersttitfung  Anipruch 
machen»  Es  ist  daher  unter  jener  Voraus- 
letsung  lumaturlich»  bey  einem  Kampfe  zwi- 
fchen  guten  und  bofen  Menfchen,  Intereilb 
an  den  erstern  i\i  nehmen.  Ihren  Gegnern, 
aU  ichon  Elenden»  muft  man  weoigstens  d  i  e 
Vortheile  «Snlcfaen,  dle  ihnen  der  Mangel 
an  Khigheit  noch  ubrig  lafst.  DieGuten,  die 
fchon  dadurch ,  dafs  man  fic  fiir  folchc  halt, 
lur  vorsugiich  gitickiiche  Menichen  eridSrt 
wcrden,  konnen  doch  keinen  Anlpruch  anf 
noch  hobere  Gluckicligkeit  maclien,  wenn 


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—  ao7  — 

{ene  dadureh  mir  noch  elencler  mrclen.  An 

BcJohnung  fiir  gutc  Handlungen  ist  eben  dei- 
wegen  gar  nicht  su  deuken.  Denn  guCe 
Handltiugen  find  eben  die,  «elche  glucklieh 

inachen;  iind  wer  reinen  Vortheil  fo  gut  vcr- 
stehc»  bedaxf  am  aiierweiugstea  dcc  UateS" 
•tutfung* 

Wendet  man  hienuf  ein»  dafii  fich  der 
Bole  firiih  oder  IpSe,  unendtiche  Letden  su- 

ziehen  werde,  und  man  ihii  dciirdbcu  durch 
hieinere  entziehcn  mtirs^c :  fo  kann  awar  die 
Abfichr,  ihtt  xu  beflem»  bey  der  Strafe  wohl 
Statt  finden,  aber  fie  ts t  nieht  die  Hauptrachc. 
Ui  miifs  Gcrecheigkcit  in  dcr  Strafe  feyn,  ehe 
jene  Gtite  eintreten  kann,  und  fiel  diefe 
auch  gans  ^g»  £6  mu&  der  Gestrafte  aner* 
kennen,  dafs  ihm  nur  \viederfahre  was  recht 
Iflt.  Auch  gestehen  die  Menfchen»  deren 
Vergehungen  geahndet  werden»  gemeiniglich 
ein,  dafs  fie  eine  Zuchtigung  mdienen, 
ohne  im  allcrgcriugstcn  daran  zu  Ucnkeo» 
dafs  die  Abficht  dabcy  iey,  fic  giticklichcr  xit 
machcn. 


^  aci8  — 

CefeUt  aber,  die  Stnfe  habe  blofi  die 

Bcflrcning  zur  Abncht:  fo  kommt  man  bcy 
dieibr  Voraiisrctziing  ebenfalls  auf  Reiiiltate^ 
die  dem  gefundeii  Verttande  durduiiis  suwi* 
der  lind« 

Die  Leiden»  dcncn  man  dcn  Bofcn  durch 
kieinere  entiiehen  wiii»  findvon  meyerley 
Art.  Sie  find  entweder  yon  den  ttnmoraU- 
fchen  Handluugcn  unzcrtrennlich ,  oder  (le 
koniniett  nur  von  dem  Widentande  der  Men- 
lehen  her.  Dte  letztem  fallen  lur  denf enigen 
ganz  vicg,  der  zu  crhaben  in  der  bfirgerli- 
chcn  GcrcUfctiaft  ist,  als  dafs  He  ihn  crrei* 
chen  konnten.  Wer  aifo  bey  feinen  iinge- 
rechten  Untemehmungen  nicht  lu  befureh« 
tcn  haC,  dafs  ihm  cinst  von  Menfchen  vcr- 
goiten  werde»  was  er  iiinen  tufugte»  wer 
ficfa  deut  von  auflengewtrktenyUibeln  tn  ent« 
ziehcn  wcifs,  braucht  in  dicfcr  Rtickncht 
nicht  gebcfTcrt  zu  werden,  und  ist  folglich 
nieht  ttrafwurdig.      —   So  denken  nun 

Wollte  man  cinwenden,  dafs  kcirv  Menfch» 
auch  der  Machtigste  nichr,  gegen  dicfe  Ver- 
gclmngficher  iiey»  und»  da&  er  deswcgen 


K. 


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~  aog  — 

ivohl  luaacheMachthaber,  fo  wird  aber  vtohi 
keiner  denken  woUen»  der  Grundfaixe  der 
Moral  au6le]lt 

Gelien  wir  tti  clen  Leiden  libery  weldie 

als  iiniTiittelbarc  Folgen  der  bofen  Handliin- 
gen  augeiehen  werden  konneny  und  denen 
der  unmoralifche  MenTch  dureh  SCraien  ent- 
xogen  werden  foll :  fo  kann  man  fie  iintcr 
drey  Hauptpuiikten  ziifamtnenfanen.  Sie  be- 
•tehen  entweder  in  korperlichen  Leiden  oder 
in  dem  Gedanken  an  die  Veraehtung,  der 
felbst  der  Machrigste  nicht  entgehen  konntCy 
oder  in  der  Unruhe  det  Gewifleni.  Oie  letxte 
muis  wiederum  filr  dcnjenigen  ganx  wegfaU 

alt  fltraArOrdig  gcdacht  werde ,  weil  er  dtefc 
Mdgtkbktic  aus  dcn  Augcn  vcrltere:  fo 
w6rde  diefc  Einwendung  Kraft  habcn,  wena 

nicht  unfere  ganze  Berechnun;;  der  GlQck- 
feUgkeic  auf  blolser  Wahrfcheinlichkeit  be- 
ruhte ,  und  wenn  nicht  ofr  jene  Moglichkeic 
weit  mehr  zu  den  Unwahrfcheinlichkeicca 
gehurre ,  nls  hunderr  flndcrc ,  die  man  tus 
dcin  Gefichtc  verlieven  dnrf ,  ohne  iin  nlJcr- 
gcringsccn  fiir  siraCbar  angcfchcn  au  wcrdcn. 

o 


210 


lcn,  ^cr  tatifend  Mkrcl  <ti  finden  weift»  um 
ieinc  Nciguugcii  zii  befricdigcu ,  iind  recht 
und  gut  nur  dasjenige  nennt»  was  ihm  ange^ 
nehme  Empfindungen  machr.  le  mehr  Klug- 
hcit  cr  bcweist,  diefclbcii  z.u  vcrvielfacheii 
uod  xu  erhoheo»  desto  bcfrcr  muQi  cr  iich 
diinken.  Daher  kann  er  auch  kaum  «Shnen, 
d^ifs  man  ihn  verachte.  Denn  Veraehtung 
trift,  nach  dcr  Vorausrctziing,  ja  nur  deii  Un- 
klugen»  der  ntcht  versteht  die  Umstande  cu 
feinem  Glucke  zu  henutcen.  Diefelhe  konnte 
huchstcns  mir  dann  ciiitretcn,  wenn  fich  jeiicr 
Miichtigc  durch  Auslchwcifuugcn  kurpcrlichc 
Leiden  nisoge.  Auf  diele  ist  alib  hauptCich- 
lich  Rifckficht  cu  nehmen ,  wcnn  allgcmci- 
nc,  fiir  allc  Mcnfchcn  pafscndc,  Strafwtirdig- 
keit  fcstgeietzt  werden  folly  und  fie  falJt 
liberhaupt  ganx  weg,  wenn  der  Menfchy  der 
fich  ciner  bofcn  That  rchtildig  macht,  vor 
dcu  Uibeln  zii  fciiiitzcn  weiTs,  um  dcrcr  wil« 
len  Ae  ais  bole  angefehen  wird*  Denn  das 
Sittengereit  wird  gar  nicht  iibertreten,  fobald 
ilch  dcr  Mcnfch  dcn  Foigcn  feiner  bufcu 
Haudiungen  durch  Klugheit  oder  Macbt,  nt 


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eillsiehen  weifs*  Wie  febr  diels  ailef  der 
Denkungsart  des  geiiinden  Verseandes  wider* 

streitcr,  bcdarf  kainii  der  Erwahnung»  Irrtc 
er  iich>  fo  liounte  iiberhaupt  gar  kein  Sitten» 
gefetx  angenonimen  «erden.  Denn  von  die- 
fem  ist  dic  Strafwiirdigkcit  dcsjcnigcn,  dcr  cs 
vcrietzt,  unzcrtrcnnbar.  Wic  kanu  fiir  eineu 
Willen  ein  Gefetz  gedaeht  werden»  deflen 
Uibertretiing  gleichgiiltig  wlre?  Ein  Gelefs 
aufstcJlcn  das  bcobachtct  werdcn  foll  und 
die  Verletzung  dellelben  doch  nicht  fiir  straf* 
mrdig  xu  halten,  ist  ein  oflenbarer  Wider« 
fpnich.  Das  Sollen  dcutet  auf  Nothwcn* 
digkeit  einerUandhing  imd  Straflofigkeit  def* 
len,  der  fie  unterladit^  stellt  fie  als  nicht 
nothweudig  dar. 

Die(er  Wideripmch  findet  bey  dem  for- 
inalen  Grundfats  der  .Sittlichkeit  gar  nicht 

Statt.    Nach  ihm  bestcht  dic  Tugcnd  in  dem 
Voriatze»  die  Gebote  der  Yernunft  lu  eliren^* 
ohne  Ruckficht  auf  irgend  einen  Vortheil* 

Nicht  Mangcl  an  Khigheit,  fondern  Mangcl 
an  gutem  Wiilcn  ist  das  Moraiifchbofe. 


212 


kenut  iiun  der  Mcnrch  aii ,  dafs  Vcrauuft  das 
Hdchtce  iit,  tiiid  handdt  cv  doch  ib»  ak  ley 
Sinnlicfakeit  hdber  alf  (ie ;  fo  kann ,  Ib  muft 
er  fein  Verfahren  verdamincn,  uud  die  Ge« 
rechtigkeit  der  Strafen  anerkennen»  mit  denen 
daflclbe  beJegt  wird.  Auf  der  andem  Satt 
kann  cr  dcn  Vorfatz,  fich  nicht  diirch  Lust 
iind  bnlust  be$tiiumen  zu  laiTen»  vou  der 
Rechtfehaifenheit  nicht  su  iveichen«  fie  koite 
itoch  fo  viel  Mufie  und  Aufopfcrung,  der  Be- 
lohnung  wiirdig  hal ten.  Wer  als  bedurftigcs 
Weien  ieiner  Sinniichkeit  um  der  Vernunft 
wiDen  nicht  achtet,  dem  kann»  dem  Ibil  man 
diefs  fchwere  Gefcb'ift  erieichcern.   £s  iicgt 

^^)  Bcy  den  meisten  Menfchen,  die  zurBefon- 
nenheit  gehingc  fiod,  kaim  min  auf  diefs 
Gefilhl  von  Stnfwardigfceit  des  Ungchor- 
iams  gegoi  dis  Sinengefetz  rechnen,  und 
ihuen  folglich  fagen,  dafs  fie,  um  ihrer 
cignen  Roht  wtllen,  fich  des  Bfifen  enthtl« 
tcn  muflVn.  Aber  eine  Handlung 
ist  niclit  dcswegcn  bdfc,  wcil  fie 
Unruhe  machc,  fondcrn  ftc  inacht 
Uoruhe,  weil  fie  b6fe  ist.  Man 
mufs  das  Sittengefetz  fchon  erkr^nnt  habcn, 
und  auf  <lem  Wege  rur  RechtfchaAeoheic 


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dieTsy  xfle  dat  Sittengcfeti»  lelbit  in  unlcrer 
Veniuiilt  alt  That^che*   Wenii  lie  Ghlckfe* 

Jigkeit  zu  vcrthcilen  hitte,  fo  wiirHe  fic  dic- 
felbe  immer  nach  dem  Graile  dec  iittlacfaen 
Gute  vertheUen.  Man  kann  aifo  fagen,  der 
Tiigcndhafie  strebe  iiicht  luccst  nach  Ghick- 
feligkeit,  fondcrn  nach  dem»  was  ihn  dedei- 
ben  wiirdig  maeht. 

7)  So  ttreng  et  fcheint,  aut  der  ohen ten 
Regel  uniert  Verhaltent  aJleNeigung,  fclbtt 

die  feinste,  auszufchliefsen ;  fo  ist  diefe  docK 
der  Hohcit  dcr  menichlichen  Natur  voJJkom« 
men  angemeflen.  DatSittengefeti  allein  in(l 
lcrt  nieht  lelten  weit  mehr  Kraft  als  alle  Be- 
trachtuugen  liber  Vorthcii  uud  Nachcheil«  die 
«it  irgend  einer  HandJung  entipringen  kSom 
oen.   Wena  ein  Kand  irgend  eine  Ncigung 

feyn,  wenn  man  das  Wahrc  jener  Ermah- 
nung  fuhlen  foll.  Auch  kann  jcnes  Gefuhl 
nie  anm  Ifaftttabt  dtt  Sittlichguten  genom- 
nwn  «trdtn.  Sben  dcswegen,  weil  man 
dtflelbe  oft  tlt  entlcheidcnd  toficht,  wird 
die  Pflichc  nicht  fclten  veikannt» 


jurchfetfen  will,  und  tnan  ihm  ntir  den  Scht* 

den  vorstellt ,  der  fiir  daffelbc  daraiis  entst<N 
hen  wilrde,  fo  wcift  es  eine  Mengc  Gninde 
dagegen  anstiffihren,  iind  oft  iblche»  die  ttaaii 
nur  mit  Mithe  witjerlcgcn  hann ;  ist  aber  reiii 
Begehren  von  dcr  Befchaffenheit»  dafs  die  Bc- 
iriedigung  deflciben  einem  andem  den  Scha- 
dcii  ziiftigt,  dcji  cs  fiir  ficK  nicht  gtachtet 
hatte,  luid  fragc  uian  cs,  was  es  vffohl  dcn« 
ken  wiirde,  wenn  et  an  lciner  Steile  w8ce: 
ib  erfolgt  gcnictniglich  cin  tiefei  Stillfehtvei» 
gen,  niit  nic  Icigcfchiagcncn  Aiigeii.  Ebcii 
diefs  ist  dcr  Fali ,  wenn  man  ihm  auf  diefe 
Weife  lein  fchon  gethanes  Unrecht  vorhait, 
Uiber  aiion  Nachtlieii,  der  fiir  dalTelbe  dar* 
aus  entstchcn  liaiuiy  vrenn  es  nicht  eigcnt^ 
liche  Strafe  ist»  fahrC  es  gemciniglich  mit 
groAen  Leichtlinn  hin.  Man  fage  ihm  z.  B. 
dafs  fein  Gcrpicle,  dcr  belcidigt  wordcn  isty 
feine  Gcfciifchaft  mcideni  odcr  doch  nicht 
mebr  fo  gcfallig  wic  vorher  (cyn  werde,  fo 
ist  dic  Antwort :  cr  wird  fchon  wicder  kom« 
men,  or  wird  fchon  wieder  gut  werdcn^  oder 
wohl  gar ;  ich  mache  mir  nichts  darausi  auf 


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dic  oben  angedeutetc  Vorstcllimg  abtr  cr- 
foigt  oh  gar  keine  Antwort,  foncicrn  scille 
BeichSmungy  oder  bochstens  Entichuldigiingy 
dic  voii  dem  Betragcn  des  Bclcidigtcii  hcrgc- 
nommcn  wird.  Gcgeu  die  Kichtigkcit  dcr 
Regel»  nach  der  daf  Kind  fich  bestammen  roU» 
wircl  nie  efwas  eingewandt,  wenn  nicht  der 
Stolz  der  Eltcrn  dafTcJbe  fchon  auf  den  Cc- 
4anken  gebrachc  hat»  dais  ein  wefentlichcr 
IFnterichied  cwirchen  ihra  itnd  (einem  niedri« 
gcrn  Gcfpieleu  lcy.  Aiif  ebcn  diefe  Art  Jaf>c 
ilch  fafst  aiiciii  bcy  icichtfinnigen  jungcn  Leiu 
ten  etwas  ausrichten.  Alle  Folgeu  ihrer 
Handlungen  fiir  fic  felbst  riihren  flc  oft  gar 
uicht.  laufcud  Mittcl  stehen  ihncn  uach 
ihrcr  Meinung  ni  Gcbote,  itm  dcn^elbcn  au^- 
stiweichcny  oder  die(elben  wied^r  gut  zu  nia- 
chen ;  oder  fic  fuid  fogar  bercit,  ciuc  Mcngc 
Uibcl  iibcr  iicb  ergeheii  zu  laffen»  um  nur 
ciner  LiebJitigsneigung  zu  folgciu  Aber  weiin 
fie  augciiiciicinlich  rHichtcn  gcgcii  anJciC 
verlctit  habcn«  oder  BcgriBc  fiml  zu  \  jr- 
letzen»  konnen  fie  durch  die  V^orhaliung  des 
reinco  Sittengcfctzcs  fo  gcfafst  werden»  dafs 


2l6 


Cic  der  Nothwcndigkeit ,  ihr  Bctragen  oder 
ihrea  fiutfchluis  zu  aaderny  nicht  «ider* 
scehen. 

♦)  Es  gicbt  freylich  viclc  Handlungen,  die  nur 
um  dcr  Folgcn  willen,  welche  fur  uns  felbst 
tlaraus  cntfpringcn,  gut  odcr  bofe  find,  und 
nur  veiinittclsr  dcifclbcn  «uf  das  Sitrengcfetz 
I)^ogen  wcrdcn  kdnnen.  Aber  felbst  die 
Gercchtigkeic  blofs  dadurch  empfehlen ,  dals 
dit  Att^hiing  derfclben  uns  eincn  gutea 
Kcmen,  Frcunde  u.  f.  w.  verfchelTc,  heiftc 
die  Sitclichkeit  verfllfchen,  und  fiberdicft 
2ur  Errcichung  emesZwccks,  Mitielgebnin» 
chen,  die  wcjt  unwirkfamer  find  ils  die 
blo(se  Vorhaltung  det  SittcngefetKCs,  Wlt 
fcUr  fchten  elfo  diejenigcn,  die  sur  Bildung 
der  lugend  Gefchichien  aufstcUen,  wosu- 
falligcr  Weifc  die  Gercchti|>,kci'.slicbe  SuffCre 
Vortheilc  vcrfchafr.  Die  Vernunik  isi  swec 
oftmSchtiger  als  jenc  Vorfpicgelungen,  kann 
abcr  doch  durch  Hinweifung  auf  Eigennutz 
in  ihrer  Wirkfamkeit  aufgehaltcn  wcrdcn, 
und  was  ist  dcnn  Erziehung,  wenn  fie  die- 
fclbe  mehr  hindert  als  befordcrt?  Bcy  dcr 
Wohlthfitigkcit  ist  vielleicht  Anfangs  das 
fympathctirche  Gefiihl  nichr  aus  dcr  Acht  z\x 
lafTen;  abcr  fogar  libcr  dairclbe  hinausgchea 
und  wicdcrum  auf  aulsere  Vorthcilc  verwei- 
fcn,  uuil-^dcn  grobsten  Eigennutz  befSrdern, 
und  moralifche  Bildung  foll  doch  darauf 
hinzielen»  denfdben  niederxufchlagcn. 


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—  ai7  — 

Auf  <liele  That(«elieii  gettiits^  find  ver« 
miitfaHeh  maiiche  MUimer  auf  <leii  Gedanken 

gerathen,  das  moralifchc  Gcfiihl  fcy  ciiic  Lic- 
be  zu  den  Menfcheuy  die  noch  der  Seihstliebe 
vorher^hn  und  fie  an  StSrke  ubertre£fe.  Aua 
den  angcftihrtcn  Erfahrungcn  konntc  allcr- 
dings  eiae  foiche  Folgcriing  gezogeu  werden» 
«enn  nieht  andere  Er£diningen  Ib  ttark  wi- 
derfprSchen.  Eben  die  Menichen,  welche 
anderu  nicht  Unrecht  tbuu  woiien,  (ind  doch 
gar  nlehts  weniger  aU  geneigt»  ihr  Recht  ge- 
gen  diefelben  anfzugcben,  thren  eignen  Freii- 
dcn  zucntfagcn,  um  ahnlichcaudernzunicfsen 
su  Uiiren.  Den  Befita  deiTen»  wts  man  recht» 
maittg  erworben  hat,  an  ganc  fremde  Perfonen 
«btreten»  oder,  irgend  ein  Gut  bcy  ganz  glci. 
chen  Auipnichcii  darauf,  licbcr  in  andcrn 
Handen  alt  inden  retnigeii  iehen,  Kommt  ent- 
weder  auf  dieier  Welt  gar  niche»  oder  fo  feK 
ten  vor,  dafs  cs  als  cunc  »Ilgcmcinc  Hrfahrung 
durchaut  nicht  angefuhrt  wcrdcu  kaniu 
Gleichwohl  multte  fie  es  feyn,  wcnn  die  Lie» 
bc  zuni  mcnfcblichcn  Gcfchlechte  iiberhaupt 
grofsci',  aii  dic  Licbe  xu  uns  fcibst  ware* 


2l8  — 

lenc  Thaffaclicn  (tnA  a!fo  blofs  als  Wirktm- 
gen  dcs  reinea  VernunftgeieCics  MUiirehen, 
und  fchUgea  die  ^inwemlting  nieder»  daft 
uin  der  Schuachheit  dcrMcnfchcii  willen  den 
Gebotcn  dcr  Pilicht,  diirch  die  Aiireitzung  dcr 
Selbtdtebe»  Nachdruck  verfchaft  wcrdeo 
mufle. 


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919 


V<m  der  Reybeit  d$s  Willcns 
Ukrtaift. 

Xc<)cr  Menfch ,  Aer  niir  einlger  Uiberlegting 
libcr  fich  ielbst  fahig  ist,  wird  fich  bewufsty 
daft  cr  nach  gewilfini  Zwecken  wirkcn»  und 
dafi  er»  tiir  Erreiehnng  derielben,  leine  Vor« 
•telhingen,  feine  Triebe  iind  feine  Gefiihle, 
nach  freyer  Wahi,  bis  zii  einem  gewiiTen 
Gradelenken^  belebenundunterdruckenkann» 
Sobald  fich  jemand  in  der  gewohnlichsten 
Sache  des  Lebciis  vor  der  Handlung  ent* 
ichiie6ty  die  verichiedenen  Setten  und  Fol- 
gender(elben  cu  bedenken :  fo  leigt  er  (chon 
damit  an,  dafs  dic  Vorstellungen,  die  iich 
darauf  beKiehen,  mehr  oder  weniger  in  iei> 
ner  Gcwalt  find »  und  durch  dieie  gebletet  er^ 
in  ebcM  cJem  VerhaltniGc,  feinen  Triebcn 
und  feinem  Gefuhic«  Dic  fiefriedigung  voo 
irgend  einer  Neigung  mag  noch  ib  viel  Ver- 
gniigen  verheifsen,  fo  kann  er  fie  dodi  dnrch 
irgcud  tijic  Voi^ccilung  abweireo.   Wer  gera 


—  aao  — 

feinen  Gaiim  kitieltt  kaon  ficb  durch  4ic 
Vontellting  von  den  nachtheiligen  Folgen» 
welchc  diefe  oder  jcne  leckerhafte  Spcifc  fiir 
ihn  hat,  ahhalten  lalTen,  dierelbe  au  genief- 
fen;  ia»  dlureh  die  oft  wiederholte  VonteL 
Iting  von  jencn  Folgcn,  kaim  er  fogar  das  an^ 
genehnie  Geftihl,  das  dcr  bioise  Aobiick 
jener  Spcife  Anlingt  in  ihm  enveckte,  gans 
nnterdruckcn,  und  fo  am  Ende  nieht  die  gc< 
riiigstc  Bcgicrdc  niebr  darnach  empfindcu» 
Cbcn  fo  kann  dcrjenigCy  welchcr  etnen,  dem 
Anfchein  nach,  unwiderftehlichen  Hang  sur 
Fflcgwng  der  Ruhc  fiililt,  fich  von  dcm  Gc- 
dankcn»  dafs  fie  zu  ^cr  />eir,  als  er  fich  dcr- 
Itflben  su  iibcrlairen  wtinfcht»  ihn  nm  die 
Gunst  feiues  Ftirtten  bringen  wtirde,  m  el- 
ncr  Munterkcit  iwingoi ,  dic  uicht  dic  allcr- 
Scringfte  Mudigkeit  durchfchimmern  liftt.^^) 

•J  Der  Baron  Tott  erzfthlt  in  feinen  Dcnkwiir- 
digkcitcn  iiber  die  Tiirkcy  cin  merkwurdi- 
ges  Bcyfpiel  von  dcr  Kraft ,  welchc  Vorstel- 
lungen  uber  den  Korper  hflben.  Ein  vor- 
nebmer  Tiirke  hatt^  (lch  in  Wein  fo  be- 
Tfiufchc',  dafs  ihm  noch  kflum  eioige  Befin* 
nuD&skcafc  ubrig  blicb>  ala  ilun  fpnMxt 


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Hat  derMenich  diefeGewalt  uber  dk  un* 

mittelbar  (innlichcn  Eindrirckr,  tiiiJ  tiber  (ei« 
4i  Gefiihley  bis  lu  eincin  gewilTen  Grade  cr« 
langt,  und  ttdlt  er  vor  jederHandluug  Uiber- 
legiuig  tlber  dat  an,  wat  er  tu  ^un  oder  xu 
lafTen  hat:  fo  koniien  ihn  dabey  zweyerley 
Vorttellungen  bettimmen^  der  Gedanke  an 
Gluckieligkeit,  oder  der  an  Geletsmiitigkeit. 
Bcy  dem  erstcn  komint  es  aiif  Bcnutzung  dcr 
Erfahrungcn  an,  die  er  entweder  aa  ficb 
lelbtt  gemackt  hat»  oder  auf  dat  Zeugnift  an* 
clerer  glaubt,  Wer  gar  nicht  denkt,  daft 
bore  FoJgen  aiis  eiuer  Handhing  entstchen 
konneoy  der  wird»  wenn  fie  ihm  Vergnugen 
vcrfpricht,  dieiet  lu  erhalten  luehen.  Wer 
luiccr  mchrercrn  Gcgenstaudcu  zu  wahlca  hit, 

wurde,  dafs  cin  Polizeyb«amte  fich  feineia 
Haufc  nahcre.  Augcnblicklich  befahl  jener, 
man  folic  diefein  fagen,  er  fcy  m  der  Mo- 
fchee  Dahin  gieng  er,  der  zuvor  nicht 
stehcn  konnte,  auch  wiridich,  uud  kain 
nach  einigen  Minuten  mir  rolchcm  Anstandc, 
und  Ib  gciiiftt  aucilck,  daft  der  Foiiteybe- 
amte  auch  nicht  dcn  cniftrnietcta  Gadan* 
k«n  to  eintn  Rturch  habeo  kenme. 


—  aaa  — 

der  sttcht  nach  dciien,  wclche  cntweder  die 
gro6te,  oder  die  <lauerhafteste  Lusc 
gewihren.   Um  dle  eine,  oder  die  andere 
311  crhalceu,  ist  oft  iange  Mithe  und  grofse 
ADStreogung  nothwendig»   Es  miiTs  aifo  die 
UnannefamUckeit  der  Mittel  gegen  die  An« 
nehmlichkcit  dci  ziierrcichendcn  Abficht  ge* 
haiten  werdeu.   Es  eutsteheu  dadurch  oft 
lehr verwickelteAu^ahem   Da nundemMeo- 
fchen  fo  viel  auf  feine  Ghlekfeligkeir  an* 
konimt:  fo  ist  cs  allerdings  von  Wichtigkeit^ 
hey  jeder  Sache^  die  Lust  oderUnlust  hervor* 
bringt ,  aitch  im  Ailgemeinen  au  erforfchen» 
in  wie  fern  fie  rait  unfL*rm  Strcbcn  nach 
Gliickfeligkeituberhaupt  {ibercinstimmc  oder 
•ireites  und  ct  ist  ein  GeichSft  derVernunft» 
den  VVcrth  eines  jeden  Guts,  fo  viel  als  mog- 
lich,  tu  bestimmeny  und  eine  Rangordnuug 
unter  allen  Dingen»  die  fich  auf  Liist  oder 
Unlust  betiehen»  ftstsustellen.  Vennittelst 
der  Erfalirung,  fucht  fie  die  Fragen  zii  bc- 
antworten:  me  ie^haft»  wie  dauerbaft  ein 
Vergniigen  oder  Mifivergnugen  fey»  «ie 
leicht  ccworbeni  und  wie  oft  wiederholt  dat 


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cine ,  und  Xfit  leielit  vemiieilen  ote  ubcr* 
wiindcn  daf  andcre  wcrdeu  koune. 

Das  iJcal  dcrCIiickfeligkeit,  dasauf  diefo 
Weifc  cntstehCy  Kann  abcr  nichc  an  alle  Meu« 
fchen  g  J  e  i  ch  e  Gebote  enthalten.  Die  Ver* 
lchiedenheit  der  Anlagen,  der  Atisblldimg, 
dcr  Umstande  und  Verhaltnifsc  niacht  dio 
Regeln»  die  fich  auf  Gluckfeligkeit  beueheoy 
£U  blofien  Rathfchlagen.  Denn  es  iit  un* 
moglich,  fheils  zii  wilTen,  was  fiir  jcdcn  Meu- 
iehen  das  grdiite  Vergnugcn  iey»  thciJi  im* 
ner  dle  Mittel  anfugebeu,  durch  die  der 
Zwcck  crrelcht  "nrerden  konne.  Es  koramt 
hierbey  auf  die  Empfanglichkeit  fur  eine  ge^ 
ymffe  Art  von  Liist»  und  auf  die  MogHchkeit 
an,  (ich  dierelbe  nicht  nur  uberhaupt,  lbn« 
dern  fo  zu  vcrfchaficny  dafs  fic  von  der  gan« 
sen  Summe  angenehmer  Empfindungen  nidkt 
mehr  nehme,  als  fie  daxu  beytrigt.  So  lange 
alfo  ntii*  auf  dic  Amichuilichkeit  des  Lcbens 
Riickficht  genommen  «ird:  fo  la&t  die  Ver- 
nunft  einem  ieden  frey,  Vergniigen  und  Mils* 
Terguiigeu  da  zu  fiichen»  und  xu  veriaeiden. 


—   934  ^ 

wo  iic  individuelJeBdchafaiheit  feinerNei* 
gungen  iiAd  Verbaltnir$e  ihn  dif  eine  ver- 
hci(st,  uud  das  audere  befiirchtea  lUisc. 

E$  ist  i.B.  wohl  wahr,  d^ds  gcistige  Frcu- 
den  von  lingererDauer  fiud,  und  oftcrer  wie* 
derholt  werden  konnen,  alt  die  finnlichen* 
Aber  umfonst  wiirde  dieVernunft  fie  dcmem- 
pfebleny  der  fie  nie  gefcbmeckc  bat,  und, 
entweder  ieinen  Adagen»  oder  feiner  Eraie- 
hung  und  feinen  VerhSltnifsen  nach ,  dielel* 
ben  fieh  nicbt  zu  vcrfchaffcii  verraag.  Ebcn 
ib  ist  nicbt  su  laugnen»  daft  datStreben  nach 
groiten  Dingen  mit  vieler  Mtihe,  Sorge  und 
Unnihe  verbunden,  und,  blofs  umderGliick- 
leligkeit  willen»  die  dat  tu  erreichende  Ziel 
ver(prichty  lchwerltch  vielen  PeHbnen  ansu- 
rathcii  ist.  Wer  aber  alle  diefe  Befchwer- 
licbkeicen  nicbt  achcet»  dem  kann  et  doch 
nicht  lur  Nothwendigkeit  gemacht  werden, 
denZwcck,  nachdemer  strcbt,  aufzugcbcn  — 
wenn  gleicb  die  WabrfcheiuJicbkeic  luir  ge- 
ring  leyn  (bllte,  dait  er  ihn  enielen  werde. 
Kurz^  die  Vernunfc  kaun  wcdcr  aliciuj  uoch 


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—  aas  — 

ia  Verbindttiif  mii  £rfahrung»  voa  irgend  ei- 
ner  Sedie  in  der  Welc,  die  fich  nichf  aiif  dle 
crsten  Beclurfnirsc  des  Lebens  bezicht,  oder 
nicht  iiiiinittelbarphyfiichenSchtnen  cncug^ 
init  Gewifiheit  iehren,  daft  fie  iinnier  mit 
Luit  oder  Unlnft  irertNtnden  icyny  odcr  daft 
fie  nothweiidig  mehr  Vcrgnugcn»  als  einc 
•ndcre  gew&hrcn  muife.  Wcnn  nilb  der 
Menfch,  untcr  GegentiSlndcn»  die  fich  atif 
Annchmlichkcit  bcziehen,  wahlt:  fo  hat  cr 
tigentiich  kein  nnderefl  Geieis  eit  die  Sefirie* 
digung  ielner  NeigiNigCfl. 

Aber.gani  indert  ttt  et  mit  der  Erfiiilung 
der  Pflicht.   Daniber  itellt  die  Vcmunlfy  wie 

wir  gcfchcn  habcn,  ein  Gefetz  auf ,  das  ohne 
Antnahme  Gcliorikm  fordert,  uiid  in  dem 
Bewttfttieyn  einet  (eden  Menfchen  licgt,  der 

den  Gcbrauch  der  Vcrnunft  hat.  Wic  nun 
der  Menich  durch  die  Vorttcllung  einet  ent* 
&mtenGnCt9  ficb  von  demGeniilte  einer  kur* 
zen  Lust  abhaltcn  laffen,  wie  er  felbst  cinen 
groiicn  Scluncn  frcy  wiUig  walilcn  iuniiy  um 
P 


eiueiu  liitigerii  iii  entgehen;  fo  foll  er  ncli 
durch  dit  Vorste]lung  <let  Sittengefeczef  be- 
stiminen,  keine  Handltiiig  zu  thun,  diedem* 
ielbcn  ziiwidcr  isr.    Verfprache  fie  ihm  auch 
noch  fo  gro(se  und  niannigfaltige  Lust»  fo 
foll  der  Gedanke  der  Pflichtwidrigkeit  ihn  an 
dcr  Vollziehung  derfclbcn  vcrhiudcrn.  Un- 
ter  den  Aniiehmlichkeitcn  des  Lebens  kanu 
er  nach  Gcfallen  wihlen,  aber  unter  der  Be- 
dinginig,  <Jafs  fic  ihn  wedcr  tinmittelbar  noch 
mittelbar  von  der  Erfiillnng  der  Pflicht  abhal- 
ten.  lanochmehr!  Es  ist  nicht  genung»  daft 
fciiic  Hanclhingcn  dcr  Pllicht  nicht  zuwidcr 
iind  ;    imr  bey  dcr  Ritckficht  auf  diefc  kon- 
nen  jene  als  gut  angefchen  werden.  Wenn 
zwey  Manner  gcrecht  richten,  der  eine,  weil 
ec  iich  vor  dci*  Strafc  fiirchtct,  die  ein  unge- 
rechtes  Urtheil  nach  fich  xiehen  konnte,  und 
der  andere,  weil  er  liberhaupt  kein  Unrecht 
thun  will ;  io  iiat  nur  dic  Handlung  des  letz- 
tern  moralifchen  Werth.   Denn  nicht  ibwohl 
auf      was  gefchieht,  fondern,  warum  es 
gtfrhicht,  komnit  Cb  bey  dcr  Sittlichkeit  an; 
luchf  dic  Han^lhmg  fclbJJt,  fondera  dcr  Willc 


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—  aa7  — 

Ut  daSy  wat  den  Menrchen  als  fiCtUch  odct 
unfitellch  darstellt.   Nothwendig  fcheint  et 

dabey  freylich  nicht,  dafs  dcr  giite  Mcnfch 
fich  in  jedem  Faile  deutlich  bcwufst  iverde, 
diiis  er  um  der  Pflicht  willen  irgend 
etw;is  thuc  oder  unterlaffe.  Er  kann  nach 
und  nach  cine  gcwiflTc  bestimmte  Richtung 
sum  Guten  bekommen,  die  ihn  in  vielen 
Fallcn  einer  langcn  Uiberlcgung  liberhebt 
AUeiu  jc  reiner  und  vollkommener  feine  Tu« 
gend  werden  foiU  desto  deutlicher  mtiilen 
fich  ihm  auch  die  Grundnitxe  darttellen »  die 
er  zu  bcfoJgcn  hat,  und  dcsto  mehr  mufs  er 
feinen  Verstand  liben»  fie  auf  das  wirkliche 
Leben  aiiiuwenden  i  nur  dadurch  kann  er  et 
immer  weitcr  in  dem  Vorfatze  bringen,  dem 
Sittengeietze  gemafs  zuhandehi,  und,  weun 
xwi(chen  der  Erfullung  von  diefem,  und  der 
Bewirkung  feiner  Ghlckfeligkeit,  tu  Wihlen 
ist,  die  erstcie  der  lctztcrn  vorzuziehen. 

So  fchwer  e$  nun  auch  ist,  dicfen  Vorfug 
immer  in  ieinen  Handluugen  auszudriickcu^ 
Ib  fbrdert  ihtt  doch  das  Sittengeietx  unnach* 


iSftlich,  iiiid  kein  Menfeh  (pridit  den  au- 
deru  vou  deni  Gcborram  gegen  daffelbe  firey. 
Cndchuldigen  konnen  «ir  wohi  andere,  wenn 
wir  elnleheny  dali  ^  SehmerigkeiCen,  die 
lich  gegcii  dicPflicht  erhcben,  fehr  grofs  find, 
entfchuliligen  konnen  vnr  in  dierem  Falle 
auch  unt  lelbe t.  Abcr  dUefe  Encichuldigun* 
gcn  betieheu  fich  immer  auf  die  Schwachheit 
der  Menfchen,  nicht  daraiif »  dais  es  gleich- 
giiltig  rey,  oh  maB  recht  thue  ocler  nichti 
nicht  darauf ,  dalt  et  auiler  der  Gewalt  der 
Meiifchen  iiberhaupt  fey»  dcr  Pflicht  alles  auf* 
suopfemy  wat  ihnen  aJt  finnlichen  Wr len  an- 
genehm  itti  nicht  daranf,  dalt  et  iein  Vor* 
fati  nicht  feyn  Lonne  und  nicht  fein  folle, 
dem&lbcA  treu  lu  bleiben.  Dic  beste  £nt- 
lchuldtgung  die  man  im  Falle  einer  iibertre- 
tenen  Pllicht  vorhringt,  und  die  allein  alt 
volle  Rechtfertigung  angefehen  wird,  besteht 
darioy  daft  cine  andere  Pflicht  lidhcr  ley  alt 
die  verletfte,  und  dalt  beyde  nicht  hitten 
Ciigleich  crfiillt  werden  konnen.  Lafet  fich 
nicht  h  i  e  r  d  11  r  ch  irgend  eine  Handlung  be- 
ichooigent  Ib  fucht  fie  dcr^  welcher -fie  ge- 


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mmm     20^  — 

thaa  hat,  gemeiniglich  su  verbergen,*)  imd 
fiebe  dUniit  einen  Beweit»  daft  er  glaubt,  er 

habe  fie  nach  dcm  Urthcile  der  Menfchea 
nicht  nur  nicht  unternehmcu  follen,  fou- 
iem  aueh  unterUiGMi  konnen»  Hhenuf 
betiehe  fich  auch  dasMiitvergniigen,  dat  die» 
jenigen  empfiudcny  \vclchc  dcn  Vorfatz  ha- 
ben»  fittiichgut  su  ieyn,  wenn  lie  demicli>en 
in  irgend  einem  Punkte  untreu  gewefen  find. 
Dafs  (ic  ihm  nicht  wiirden  habeu  treu  bleibeu 
k  6  n  n  e  n »  wenn  fie  auch  allct  getlun  hatten» 
wat  in  ihier  Gewalt  t tand»  itt  lclten  odcr  nie 

♦)  Ich  fage  gemciniglich.  Dcnn  zu  leugnen  isc 
c>  nicht ,  dafs  ganz  verwildertc  Menfchcn 
cmc  Ausuahmc  machcn.  und  da(s  dic  Vcr- 
borgenhcit  hauptl^chlich  dann  gefucht  wird, 
wcnn  dic  strcngcn  Pflichten  verlctzc  wor- 
dcn  find.  Bcy  dcn  Gewiircnspflichtcn,  wo 
cs  nicht  daiauf  ankommt,  ctwas  bofcs  zu 
untcrlafTen,  fondcrn  ctwas  giitcs  z\i  thun, 
wird  die  Schatm  lchon  dadurch  gcfchwachc, 
da(s  Dflch  dem  Unhcttc  dcr  Menfchen  viele 
Vmstindc  io  Betnchtong  gezogcn  wcfdcn 
mfiircQ,  und  dtff  dic  Entlcheidung  dtrftbcr 
ciocm  jcden  fdbst  zo  <U>crt(iiren  ist. 


—  a3o  — 

khr  Uitheil.    Mit  diefem  wiirde  foglcich  je- 
der  Vorwurf  vcrfchwindea,  dcii  fie  (ich,  in 
Ablicht  ihres  Betragens»  macheii.  Wer  nichc 
anJcrs  haiidcln  koiinte,  alf  er  wirklich 
handclCe,  muis  frcy  von  allcn  Vorwiirfcn  gc- 
dacht  werden.    Auch  richtet  fich  dit  Bcur- 
Aeilung  dcr  Sittlichkeit  oder  Unfittlichkeit 
irgend  eincr  That,  gani  nach  dicfera  Aiif- 
l^iche  <ler  Vernunft.    Uibcrall»  wo  dcr 
Men(ch  feiner  ntcht  mSchtig  gedacht  wird» 
findef  keine  Zurechmuig  dcs  Bofen  Statt,  dai 
cr  that.    In  allcn  ZiistandeUy  wo  der  Ge- 
bratich  der  Vernunft  entwedcr  gani  aufhort, 
oder  doch  iehr  gefchwSeht  ist ,  wird  weder 
Wort  noch  That  als  strafbar  iibcrhaiipt,  oder 
ab  fo  strafbar  angefeheu»  wie  im  Ziutande 
der  yollen  Befonnenheit.   Das  Erste  ist  dcr 
Fall  in  Gcmiiths-und  Leibeskrankheitcn,  das 
Zwcytc  bcy  plocxlichca  Uibcrr£fchuogcn,  wo 
eine  feltne  G^nwart  des  Geistes  erforderc 
wird,  tnn  starken  finnlichen  Eindrucken  ei- 
ucii  ^augenblicklichen  Entrchlufs  entgegen  zu 
letien.   Wenn  bcy  ibichenGclcgeuhcitea  der 
MenCch  audi  oicht  gant  firey  von  Schuld  ge- 


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iprochen  wird ,  fo  errcheint  doch  diircli 
die  geheoinfe  Uiberleguag  fehr  gemildert. 
le  vollkoiniiiener  hingcgen  diefegedachtwer- 
den  miifs,  und  je  langcr  die  Zeit  ist,  wclche 
zii  einem  Eutfchlii(se  gegebcn  war,  desto 
ichtiJdiger  finden  wir  den»  «elcher  fich  iiun 
Bofen  bestimmte.  Daher  der  starkc  Unwille 
gegen  eincn  Vcrbrechcr,  dcr  ticfc  Planc  zu 
leinen  Uibelchaten  entwirft,  und  lange  2^it 
«ir  Ausfilhnuig  derfelben  gehratieht; 

AuiTerdemMangel  anBefimnenhelt  recht* 

lertigt  noch  cinc  ginzliche  Unwiflenheit  del^ 
fen,  was  PdichC  ist.    Sic  xvird  aber  nur  in 
wenigeit  Fllien^  und  in  folchen  gar  nicht  an« 
genommen»  wo  fehr  wichtige  Rechte  gc- 
krankt  werden,  deren  Anerkeimung  als  noth- 
wendig  mit  dem  geringsten  Gebrauche  der 
VernunfSt  verbunden  gedacht  wsrd.  Und  in 
der  That  ist  cs  cinc  hochst  Icichtc  Sachc,  in 
den  roeisten  Angclcgenheiten  des  Lcbent  su 
willen^  wat  Pflicht  iey,  wenn  man  ei  wiiTen 
wilL 


—   2^2  — 

Alle  dicfe  angefiulirteii  Urtheile  find 
tinmitcelbar  mit  dcr  Annahme  det  Sitteo- 

gefctzcs  verbiincJcii.  S  o  1 1  man  daflclbc  cr- 
fiillcn,  fo  tniinen  wir  Ci  auch  wenigttcnf  in 
fo  weif  erfuUen  kdnnen,  dafi  wir  et  tur 
obcnten  Regel  aller  unferer  Handlungea 
machcn.  Und  in  dicfer  RuckOcht  fchrcibt 
&8C  ein  jedcr  Menicb  dem  andent  und  licli 
ielbit  einen  freyen  Willen,  d.  b.  einen 
Willen  211,  dcfrcn  Bcrchaffenheit  blofs  von 
dcm  Menrchen  relbst  abhangt.  Dio  bloifo 
Frage:  wna  follen  wirtbun,  fetxtdiefeFrey* 
hcit  voratis.  Wir  denken  alfo,  dafs  wir  dai 
Verroogen  haben,  zwifchen  dein  Sittlicbgutca 
und  Sittlichbdfen  oder  (da  dai  letxtere  nur 
in  fo  fem  vorgezogen  wird,  alt  ea  mit  an» 
gcnchmcn  Empfindungen  verbunden  ist)  zwi* 
fchen  der  Pflicht  und  der  Luit  xu  wililea. 
Zwar  wird  diefer  freye  Wille  auf  alle  Hand. 
hingen  uberhaupt  bezogcn;  abcr  in  mora- 
iifcher  Rilckficht  kommt  ei  aur  auf  die 
Wabl  xwiiehen  Pllicht  und  angenehmer  Em» 
pfinditng  an.  Dcr  Willc  (welchcr  hier  nicht 
ali  dai  Vcrmogcn  xu  waiilen»  fondern  als 


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—  333  — 

dat  Beitreben  gedachf  wird»  ^sjenige  luffu* 
ftihrcii,  was  gew'ihlt  worden  ist})<^)  wird  guC 
oder  boie  geDaimt»  njich  dein  cr  den  Vorfiits 
enthilc  entweder  die  Pflicht  der  Ghlekfelig. 
keit,  oder  diefe  jener  unterzuordneu.  Diefe 
Erklimiig  kann  nicht  mehr  befireni«len,  wenn 
die  Urtheile  der  Menlchen  iiher  den  gofen 
Charakter,  die  in  dcm  ersten  Abfchnitt  an- 
gcfiihrt  worden  find,  wenn  «iie  fcharfenGren* 
sen  bedacht  werden»  welche  aie  Sittlichkeit 
von  Gliickreligkeit  fcheiden.  Nicht  ausgc- 
fchlofTen,  fondcrn  nur  untergeordoet  ibJl 
diefe  jener  werden.  Auch  lal&n  fich  nancho 
Annehmlichkeiten  de«  Lebens  mit  der  Tu- 

•)  Dcr  freye  Wille  wird  zwar  nicht  fcltcn  fiir 
das  Vermdgcn  zu  wfthlcn  gcnommen.  Wenn 
DUm  l.B.  von  einem  Menfcficn,  der  gans 
ven  andem  ibbflngig  i$t,  fagt,  cr  habc  kei- 
nen  Willcn.  Um  ille  Verwirrung  zu  ver- 
m«d€n,  iit  cs  guc  dis  Vermdgen  zu  wihlen 
von  dem  Willen  zu  tKoncn.  Diefer 
wiid  duich  Jencs  bcsiinimt,  feinc  Befehsf. 
fmheit  ist  Wirkung  tou  jcnem  ols  Urfsche; 
D«  Vermdgcn  tu  fviblen  hcifst  Willkahr 
odcr  Sponianfiiftt. 


—  334  — 

gcud  vcreinigen,  aber  dns  Einzige,  das  Hochste 
find  fie  doch  nicht,  wornach  die  Meiifchea 
•treben  folleti.   Wie  nun  dieie  Wahl  zwt- 
fchen  dem  Giiten  iind  Bofcn  nioglich  Tey, 
ynie  der  blo(se  Gedanke  an  GefeUmafsigkeit 
den  Antrieben  des  Verguugens  widerctehen 
konne  —  (ind  iinattflosliche  Fragen ,  dic  in 
cine  Claflc  mit  denjcnigca  gefetzt  werden 
ntiffent  weJche  ein  Gnindvemidgen  unierer 
Nattir  betreflen.    Sobald  das  Forfchen  bii 
aiif  dicfc  gekommen  ist,  fo  ist  alles  V^crniinft- 
len  2u  Ende.    Nur  die  Thatiachen,  die  in 
unremi  Bewuistfeyn  licgcn,  konnen  atifgc- 
stcllt  iincl  gegen  Zwcifcl  gefichert  werdcn; 
das  Vermogen  worauf  fie  fich  grtinden,  wci- 
ter  tu  erkJaren,  vermag  kein  Menfeh.  Et 
fchcint  zwar  nicht  ganz  fo  unbegreiflicli, 
wie  die  Vorsteliiing  eines  entfemten  Gutt 
uns  von  einem  gegenwSrtigen  Genuise  ab* 
halte,  ah,  wic  dic  Vorstellung  des  Sittengc- 
fetzcs  iii  iins  den  Vorlatz  lebendig  machen 
konnCy  demfeJben  tmfcr  Vergmlgen  aufsn* 
opfera.   Dcnn  in  dem  ersten  Falle  verfpricht 
nns  dic  Voxstelliiiig»  welchc  uns  an  einem 


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GcniilTe  hindcrt,  doch  einen  andcrn  grorscrn, 
uiid«8  ist  Aebnlichkeit  ia  den  Vorstelhm{;eiii 
in  cleiii  siveyten  hingegen,  IbU  ofit  clat  An- 
gcnehmc  von  dcm  Unangenehmen  vcrdrangt 
werden.    Aber  unerkrarbar  ist  immer  das» 
nvM  in  unferm  Gemiithe  voigeht,  um  un$ 
durch  die  Zukimft  liir  die  Gcgenwart  su 
bestinimen ;   uucrkiarbar  ist  es ,    wie  die 
Vorttellungen  von  jener  herbey  geholt  wer- 
den  k5nnen,  um  die  Vorstelliingen  von 
diefer    xu   fchwachcn.     Ware    nun  auch 
die  Unbegreiflichkeit  der  Bestimmimg  un- 
fers  Willent  snr  Erfiillung  der  Pfliehl  noch 
grofser,  fo  darf  fie  uns  cbcu  fo  wenig  hin- 
dem»  oflenbare  Thatfachcn  fiiir  wahr  anzu- 
nehmen,  als  die  Unerklarbarkeit  uniert  gan« 
zen  Wcfcns  uns  hindern  v^ird  su  glaubeu, 
fUfi  wir  findt  was  wir  find. 

Wer  hat  ie  erforfcht,  oder  wer  wird  je 
erforfchcn ,  wie  ein  Gedanke  unfem  Korper 
in  Bewcgung  fctzcn,  wic  dicfcr  unfcrm  Wii- 
len  gehorchen  konnc?  Wie  wir  durch  uufere 
Sinne  mannigf.ihigc  Eigcnfchaftcn  an  den 
Dingcn  auITer  uiu»  crkcnaca  i  Wic  die  Unter- 


fcheiclung  zinrirchen  diefcn  und  ims  rdbsty 
wie  das  Bewufsrreyn  deiTeii,  was  in  uns  vor- 
gdity  und  was  wir  thuii»  moglich  (kf  ?  Wi* 
V9ir  Vergangenheif,  Gegenwart  uttdZdnmft 
verbinden  und  trcnnea  konncn?  Die(s 
lind  nur  einige  von  den  vieien  Frageny  die 
Xtt  beintworten  eben  Ib  unmSglieh  find  alt 
diele :  wic  bestimmen  wir  uureru  Willen  nach 
dem  GedanlKen  an  GeietsmiiitiglKett?  Iit 
dat  Sittengefetx  aufler  Zweifel  getlellt»  Ib 
nm[s  das,  W48  unmittelbar  daraus  folgt,  eben 
fo  wahr  feyn.  £i  murs  iu  uua  das  Vermo- 
gen  fich  befinden,  daifelbe  cur  obenten 
Richtfehmtr  aller  unferer  Eeitrebungen  tu 
niachcn ;  und  dieres  Vermogen  ist  auch 
nach  deni  Gefiihle  einet  jeden  wirhlich  in 
Utti.       gewifi  aber  in  uns  die  VortleUung 

*)  Die(s  heilst  nur  fo  viel:  was  tragen  wir 
felbsr  diztt  bey,  um  um  oacb  dcr  Biw 
ktDnraift  des  Siidichgaten  su  ricbten.  mcht 
wk  wiritc  der  Gedtiike  der  GcfcBiiiiftig. 
kctt  tnf  unfer  GcfiiU.  Dicit  kamicn  wir 
noch  ciDfchcn»  wie  hn  Folgcnden  gcmigc 
wcidcn  wiid* 


Digiiizea 


licgt,  dafi  unfer  WUle  frey  itt,  und  die  Be- 
ftimmung  delTelben  bJors  von  iins  ielbtt  ab- 
hingt:  £o  crbeben  fich  doch  gegen  den  Glaii- 
ben  an  diele  Freyheie,  widitife  Schwigrig- 
keitcn ,  die  mcht  init  Stilirchweigen  su  uber- 
gehen  find. 

Wenn  man  den  Menfchen  nur  von  ieiner 
felnmoraiifchen  Seite  hetnehtel^  und  nur  auf 
dat  Rucltfieht  nimmt,  nvai  die  Vernunft  ge- 
bictet,  fo  Cmd  die  Gefctze  derfelben  klar  und 
un£«eifelhaft.  Aliein  dieleiben  lcheinen  anp 
dem  Geietten  lu  widerlpredien»  die  eben  fo 
gewils  in  unferer  Natur  licgen,  und  ohoe 
welche  itir  nicht  die  gertngtteKenntniity  we- 
der  Ton  unt  felbtt,  noch  von  den  Dingen  auH 
fcr  uns  habcn  konnten.  Erfahnmgen  zu  ma- 
chen  und  fie  zuverbinden,  Schlulte  darana 
tu  slehen  und  unibe  HandJungen  damaeh 
einturichtcn,  wire  uns  unmoglich,  wcnn  wir 
nicht  die  Begriife  von  Uriache  und  Wirluing 
auf  attet,  wat  in  der  phyfilehen  und  norali- 
fchen  Welt  gcfchieht,  fo  atiwendeten,  daft 
wir  die  Urfachc  von  irgcnd  einer  Erfchei- 


~-  338  — 

nnn^y  felbst  «Ic  Wirkung  von  einer  andera 
Urfache,  iind  diefe  letctefe  nicht  weniger  alt 
in  ciaer  dricten  gegruotdet  aaCihcn.  Auf  dicfe 
We\fe  entstdit  eine  tinunterbrochene  Keue» 
wovon  immer  ein  Glied  durcfa  alle  vorker- 
gchcnden  bcstiramt  wird.  Nur  durch  diefe 
Verbindung  aller  Dinge  ist  es  uns  geluugen, 
clie  mecbaniTcfaen  und  cfaemilchen  Naturge* 
fctze  zu  crkenncn ,  und  felbst  Gcfetze  lu  er- 
foriclten»  nach  wclchen  die  Fahigkeitcn  dea 
Menfchen  ausgebiidet  mid  retne  Triebe  ge- 
leitet  tverden  konnen.  Wer  lchreibt  nicht^ 
iim  bey  dcn  letztcn  stebcn  zu  blciben,  dcr 
Eraichung,  der  Staatsvcrfaflung,  den  man- 
cfaerley  VerfaaltnKsen»  in  welcfaen  die  Men* 
fchen  leben,  dcn  grofsten  Eintlufs  auf  die 
Sittlichkeit  derfelbcn  zu?  Was  wiirden  wir 
£ir  diefeibe  tfaun  konncn,  wenn  iie,  als  Wir« 
kung,  nicht  von  den  mancherley  Anstalteo 
abhienge,  die  zur  Bcforderung  derfeibcu  gc- 
macfat  wecdenl  Werden  diefe  Fragen  nun  (6 
beantwortet»  vne  fit  der  gefunde  Verstand 
bcantwortcn  mufs :  fo  ist  cs  fchwcr,  mit  der 
Verfchiedenfacit  der  Umstinde»  iii  welchai 


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—  339  — 

ficli  die  Menfchen  Mndeiiy  jenei  Vermogen, 

zwifciien  Giit  uiid  Bofe  frcy  211  wiihlcn,  zii 
vercinigeti.  Auf  der  eincn  Seite  ist  es  o£fen- 
bar  von  lursem  Urfaehen  abhangig»  un<I  aiif 
dcr  audcru  wird  es  doch  als  unabhiingig  aii- 
genominen.  Daher  fchea  cinigc  Phiiofophco 
jenef  Gefiihl  von  der  Freyheit  det  Willens, 
als  cinc  blofse  Taufchung  an.  Wir  find  uns, 
fagcu  fic,  dcr  in  unfercr  Natur  verborgenen 
Urfachen  xiir  Willensbestimmiing  nicht  bc- 
vniift;  wtr  vcrgleichen  bey  einem  Entichlurse 
luirdic  nachsten  Griiiidc  uiidGegengrunde  mit 
einander,  und  glauben»  fie  aus  uns  felbst  iti 
lchopfen»  wtll  wir  die  gante  Reihe  von  Zii- 
staudeii,  durch  welche  wir  gegaugeu  fiud, 
tim  aiif  dicfc  Griinde  zu  kooimcn ,  nicht  init 
einem  Blicke  uberfehen  konnen;  in  derThat 
aber  konnen  wir  fie  bey  genaiierUiberfegung 
gcmeiniglich  fo  weit  verfolgen,  dais  es  ein* 
leuchtend  wird,  wie  wenig  fie  des  Menfchen 
eignes  Werk  find.  Hangt  nun  von  ihrer 
Kraft  die  Ecstimniuug  iinfers  Willens  ab :  fo 
sst  es  oftenbart  dafs  wir  lu  jeder  Zeit  han* 
deln^  wte  wir  handeln  muffen«  iind  die 


W«hly  cUe  tins  hey  icheiiity  iit  eben  (b  noch- 
wendig  alty  nieh  dfen  mechaailchen  Geiecten 

<lcr  Natur,  die  Wirkung  leblofcr  Krafte. 
Wenn  auch  dat  Sittcngerccz  in  dcr  Vernunft 
liegt»  fiigen  fie  weicer»  ib  iit  et  doch  nicht 
genung  ei  lu  erkettnen ;  es  gehSrt  eine  lange 
Uibung  dazut  um  diefer  ErkennCnifs  nur  ei- 
nigermaiien  lu  folgen»  Wem  nun  diefe 
Uibun^  nseht  lu  Theil  wird  y  «er  von  la- 
gend  auf  cine  Menge  Vorurtbeile  einfog,  und 
die  Menichen»  die  ihn  umgaben,  nie  nach 
Recht  undUnrecht  hiff^nip  (bndem  ttettNeU 
gungen  folgen  fah  ,  die  nur  auf  Annehinlich* 
keiten  hinziclte;-»  dcr  wird  auah  fclbst  nur 
nach  Vergnugen  ttreben.  Kurt,  konnten  wir 
genau  tngeben »  welche  Anlagen  jedem  Men» 
fchen  angeboren,  auf  welche  Weife  iie  ge* 
richtet  und  entwickelt  «orden  wiren»  und 
aurch  welcfae  Verhiltnilte  letn  Schiekial  iha 
immer  fortgcrifTcn  hatte:  fowiirdc  cs  uni 
mSgiich  ieyn,  bey  jeder  Gelcgenbeit  feinen 
Entfchluit  voraut  tu  lagen.  Allei  faingt  faef 
dem  Menfchcn  nach  Naturgefetzen  in  einer 
nothweadigctt  Kette  suiammeDy  und  der  Yor- 


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sug  deiTelbea  vor  dem  Thicrc,  ist  niir  der» 
daft  er  mehr  oder  weniger  dai  Verm6|ea 
hat,  gegenw^rttgen  finnltchen  Anfrieben  xu 
vriderstehcn ,  iind  feine  Handlungen  nach 
deutUch  eingeiehnen  Grunden  «i  bettimmen. 
Diefe  konnen  twtr  atu  der  Vemunft  flierieny 
ihrc  Kraft  auf  fein  Gemuth  abcr  ist  von  Din- 
gen  abhaiigig»  weiche  uicht  in  ieiner  Gewalt 
ftehen. 

Gegen  diele  l«hre  lafit  fich  nun  xuent 
eine  allgemeine  Anmerkung  machen*  Ist  et 

auf  der  einen  Scite  wahr,  dafs  das  Sittcnge- 
£stt  iu  unfcrcr  Vcrnunft  iiegt ,  und  dafs  das* 
lelbe  dat  Verroogen  vorautfetzt»  demfelben 
geroSit  tu  handelns  uncl  itt  et  auf  der  andem 
nicht  minder  wahr ,  dafs  dic  Anwcndung  der 
Begriflfe  von  Uriache  und  Wirkung,  in  un« 
lere  Handlungen  eineNothwendigkett  bringt, 
die  mit  der  Naturnothwendigkeit  verglichen 
werdcn  kann:  fo  steht  hier  ein  Gcfetz  der 
praotifchen  Vemunft  gegen  ein  Gefett  det 
Ventandet,  und  Folgerung  aua  den  dneii 


—   943  — 

gegen  Folgerang  aiis  dem  andenL  Die  Ver- 

nunft  fagt:  Dii  follst  nur  allgemeingillti- 
gen  Regcia  folgcn  —  wir  iniifTen  alfo  aiich 
das  Vcrmogen  haben,  diefem  Gebote  gemais 
fuhandeln.-^  DerVerstand  fagt:  AlleshSngt 
in  ciner  nothwendigcn  J^ette  zufaranicn,<>)  — 
foigUch  ist  jenes  Vecmogeu  nur  eine  Tau* 
lchung. 

^  Vtnuod  im  engern  Sintte  wird  von  dcr 
Vcmunft  unterlcliiedcn.  Icncr  bcztchr  fich 
unmittelbir  auf  dcs  wss  wir  cocwcdcr  aa 
uns  fclbsc,  odcr  sn  dcn  Dtngcn  auflcr  uns 
wahmchmcn,  und  bringt  dic  dadurch  crhal- 
cencn  Vorstellungcn  nflch  gewifTen  in  ihm 
licgcndcn,  Rcgcln  zur  Einhcit  Wenn  WIT 
2.  B.  das  Aehnliche  von  allcn  einzelnen 
Biuincn,  Snfluchcrny  Grafern  u.  f  w.  unter 
dem  Namen  dcr  Pflanzcn  begrcifer ,  fo 
■wird  diefs  als  ein  Gefchaft  des  Vcrstandes 
angefehen.  Ebcn  fo  wird  cs  ihm  zugc- 
fchviebcn,  dafs  wir  alles,  was  wir  wahr- 
nehmen,  in  eine  nothwendige  Verbindung 
bringen,  und  dafs  wir  uns  dcrftlbcn  gcmlla 
Kcgdnliiir  unferVcihsItcnmachcn.— '  Die 
Vcrounft  bcsicht  fich  nichc  umiittclbsr 
auf  Etishrung,  fondcm  auf  dss  wm  dcr 
Vcrsttnd  hcrvorgebrscht  hst,  und  fucht 
dcn  von  ihm  bcwiffcten  Eifccontniircn  Eln* 


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—  243  — 

Welchet  von  diefen  Gefeezen  foUen  vrir 
nin  aufgeben?  Sollen  yrir  ikgen»  dit  Ver- 
nunft  allein  kSnne  nleht  «virkcn,  wir  leyn 
genoihigt,  iaitner  den  Bestimniungsgriindeny 
die  nicht  tinfer  Werk  find,  nachttigebeiil 
Oder  ibllen  wlr  «nnehmen»  et  gebe  keine 
nothwendige  Verbindung  aller  Dinge  I 
Man  venverfe  dat  £ine  oder  dat  Andere:  ib 
•treitec  man  unlerer  Natur  etwat  ab,  dat  mit 
ihr  wefentlich  verbundcn  ist.  Bey  dcr  Be- 
ichranktheit  unierer  Kenntnifse  vtdie  es  aiib 
wohl  wei(cr,  ansunehmeii»  daft  der  Wtder* 
Iprtich  twirchen  fenen  Ge(e(ceu  nnr  an(chei- 
nend  Ccy,  wenn  wir  gleich  nicht  fagen  konn- 
<en,  worauf  diefer  Schein  benihe*  Auch 

hdt  cn  gcben.  Wenn  z  B.  allet  «at  der 
Vcrttand  nach  der  Eriahning  fiber  die 
BeiMgttng  an^cbcn  knnn,  zufamniengefafsc 
iind  untcr  Gefeae  gcbricht  wird,  nach 
denen  jede  Bewegung  erfolgen  mufs,  ib 
Vfird  diefs  dcr  Vernunft  zugefchricben, 
Durch  fie  entstcht  auch  das  Ideal  der 
Gliickfcligkeit,  indem  fie  dic  cinzelnen 
Regeln  des  Verstandes ,  die  fich  darauf 
btziehen^  ordnet  und  iD£iQt  zufammenfiiftt. 


—  «44  — 

vvird  diefe  Vorau$retziing  von  den  meisten 
Meiiiclieii  ftUlicliweis^eiMl  geoiacht.  In  eiiier 
Rilckficht  behaiidelii  fie  emander  gerade  Ib, 
als  wenii  ajles  auf  uoth^endig  bestimmende 
Uriaclien  ankaine»  uml  in  eioer  andem  febea 
fie  fich  doch  alt  fireye  Wefim  an»  die,  fencr 
Urfachen  ungeachtet,  es  in  ihrer  Gewalt  ha- 
heup  fich  su  Uandiungen  su  enticliiieifent 
welche  gans  ihr  Werk»  und  nicht  dat  Werit 
der  Noth  wendigkeit  find.    Mit  andem 
Worten  heifst  diefs :  die  Menfchen  bcCrachten 
fich  in  Abfidit  ihrer  Handlungen  aut  einem 
doppelten  Gefiehtspunkte;  fie  fi^en  fich  ala 
finnliche  wnd  iiberfinnliche  Wefenan« 
In  ib  feme  fie  suderClaiievon  jenengehdien» 
lind  fie  den  Naturgefetsen  unter* 
V7  o  r  f  e  n ,  und  befinden  fich  in  der  Reihe  der 
Dinge  alt  Glieder»  derenStand  von  ailen  vor- 
hergehenden  und  sugleich  ezistlrendeiiy  he- 
•timmt  wird :  fo  wie  fie  wieder  den  Stand  der 
sugleicU  iebenden  und  nachfolgenden  l>e. 
•tinmie&  Hierbey  findet  eine  bedingteNoth- 
tvendigkeit  naeh  den  Begriffen  unlers  Ver* 
staudcs  Statt.   Die  Meufcheu  iehen  fich  aber 


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—  H$  — 

mukah  uberiumliche  W«ftii  an,  die  itn 
Niturgefctzcn  nicht  iintc rwor fcn» 
nicht  blofsp  Glieder  iu  der  Reihe  der  Natiir* 
dioge  find,  ibndeni  rdbie  aut  eigner  Kraft 
ttnd  Bewegiing  euie  Reihe  von  Wirkungcn 
anzufangcn  vcrmogcny  und  zwar  nach  ciuein 
belbndern  Geietse,  welchet  das  Gefeli  der 
Freylieic  fenannt  werden  kamu 

Die  Frage  itf  nun:  wai  hahen  wir  fiir 
Griinde»  die  Naturgefette  nieht  tur  alle  We* 

fcn  iibcrhaupt,  und  folglich  auch  nicht  fiir 
unt  inihe(bndere,  in  ailer  Riickficht  gelten 
tu  lallen?—  Ufit  fidi  seigen,  daft  die  Verw 
kcttung  allcr  Dingc  nur  fiir  uns,  als  finnlicheii 
Wcfen,  Nothwcndigkcit  hat:  fo  wird  da« 
durch  aucb  der  Wider^pnich  gel6tt,  weJcber 
fich  twtfchen  xweycn,  von  unierer  Natur  un- 
Kcrtrcnnlicheo,  GefetseotdemAulcheinenach* 
befindet 


Man  kauii  fich  dic  Freyhcit  des  Menfcheu 
«uf  dreyerley  Weife  denken.  Wenn  nan  ikii 


—  346  — 

ftls  eia  Wefen  befrachtct,  dat  nicht  nothwen- 
eineni  finnlidien  Eindnicke  handelt, 

fondern  Uiberlegung  anstelleii  kann ,  ehe  cs 
fich  su  einer  Handlung  bettimmt  i  diefe  Uiber- 
legung  felbst  aber  doch  als  eine  Folge  von 
den  befondern  AnlAgcn,  den  Umstanden  iind 
Verlialtniisen  anfieht»  die  nicht  von  ihm  ab- 
lilngen:  ib  lchreibt  man  thm  comparati- 
ve  Freyheit  lu,  in  Vergleichungen  niit 
den  Thieren,  die  awar  auch  nach  Vorstel- 
lungen  handeln,  aber  keiner  Uiberlegung 
fahig  find.  Geht  nian  nun  von  cler  compara- 
tiven  Frcyhcit  zu  eincr  ablolnten  liber» 
die  wir  uns  nach  dem  innern  Gcfiihle  sii» 
ichreiben »  und  vermoge  welcher  jeder 
Mcnfch  fi  ch  a  U  c  i  n  als  den  Urhcbcr  feincr 
moraliichett  Handhingen  anfieht,  und  fich 
ielbst  das  GuCe  undBofe  derfelben  sulchreibc: 
fo  entstcht  dcr  Bcgriflf  dcr  practifchcn 
F  r  c  y  h  c  i  t.  Wiil  man  endlich  dic  Moglich- 
keit  derfelben  zeigent  und  gegen  die  Ein* 
vtnrfe  retten,  welche  vondcr  Verkettungallcr 
Dinge  hergenommcn  werdcn :  fo  kann  dicfs 
nur  durch  den  Gedanken  gefchehen,  daft  «ir 


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—  347  — 

uns  ali  Weiea  aniclieo»  die  tiicbt  blofs  xu 
der  Natur  gehoren»  die  yon  uni  erkannfc 

v/ird.  Dicfe  Freyhcit  voii  Natiirgcfctzen 
heifit  transcendental,  wcil  wir  da-. 
dturch  itt  eine  uberfinniiche  Welt  verfetzt 
werden:  fo  wie  transccndental  dcrjcnN 
ge  Theii  dcr  Geomctric  hciftt»  iu  welchcm 
die  behandelten  GegenstSnde  nicht  finnlich 
dargcsteUt  wcfden  kdnnen. 


948 


iiiU       I  n»n 

Fon  dcr  transcendentakn  FreyhiU 
dn  Mm/chin. 

Denkt  man  fich  trgeni  etne  Handlttng  imd 
Iragt        der  fieToUbrachtey  warum  er 

fie  gethan  habe:  fo  gebe  er  dabcy  eine  Ab« 
iicht  an«  welche  er  xvoUc»  immer  kaim  man 
wetter  firagen»  wie  dieielbe  in  ihm  entttan- 
den  iey.  Wird  der  Gmnd  davon  angefiihrty 
fo  mufs,  nach  deu  Geretzen  uiiferf  Verstan- 
det,  auch  dieler  anf  einen  entiemten  beto* 
gen  werden»  mid  immer  ib  fort,  btt  man 
endlich  zwar  nichfs  mehr  bestimmtes  finden 
kanuy  aber  doch  immer  wieder  ecwas  ala 
Grnnd  denken  mnit.  Die  Handlung  erlcfaeint 
auf  diefe  Art  alt  bedtngt  nothwendig.  Itt 
denn  aber  die  Reihc  von  Grtinden,  die  man 
nngeben  kann»  binlSnglich»  um  die  Ycrichie- 
denen  Handlungtweiien  der  Menfcben  in  er- 
kiaren?  Wenn  von  iwey  Pcrfonen,  die  au£ 
duerley  Weiic  enogen  worden  find,  die  £ine 


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—  349  — 

dcn  e(]elften,  und  die  Andere  einen  fehrzwey- 
deutigen  Character  xeigty  woher  kommt  die- 
ler  UnCerfchted  ?  Aiit  «u  iur  Ui ladien  er 
ati^  hergdeitet  werden  mag :  (o  sto^t  man 
endlich  aiif  folche,  dic  uns  g'inzlich  uube« 
lumnt  find*  Niir  im  AUgemeinen  kann  mta 
lich  «uf  Temperament,  nattlrliche  Anlagen 
unbekannte  Eindriicke  u.  f.  w.  beziclicn.  Im 
Grunde  erkllrt  dic6  wenig  oder  nichtSy  denu 
die  Anwendung  davon  isrst  fich  nicht  aiif 
cinen  einzigen  Menfchen  fo  machen,  dafs  man 
zur  deudichen  Einficht  kame,  wie  er  dai 
geworden  ift,  wat  er  ift.  Nun  iit  ei  alier 
ofienhar,  dais  jeder  Meufchy  weleher  fich 
bcy  voliiger  Befonnenheit  befindct,  fich  ah 
feibstthattg  anfieht»  und»  bey  alJem  moglicheo 
Einfliiis  von  auifen»  sum  wenigsten  einigen 
Antheil  an  fcinen  Handlungen  zu  habcn  glaubt. 
Man  haite  ikm  noch  fo  vicl  Bestimmuiigsgruo^ 
de  vor»  Ib  wird  er,  wenn  er  dfnielhen  naelw 
giebt,  doch  immerglauben,  dafs  er  fich  nicht 
blofs  leidend  dabey  verhalte,  Er  unte^rc!!'?!- 
dcf  den  Zustand  in  weichem  er  gleichfain  f^i- 
neTiXume  bey  lich  vorabe;*zittheiiI*iibt«  odar 


von  aursern  Urfachen  allein  bestimmt  \»ir<], 
gcnaii  von  dem ,  wo  er  feine  Gcdanken  fam- 
niell»  und  at»  eiguer  Be^gung  einen  Ent« 
fchltifs  hCst.  Besieht  man  diefe  Selbstthitig- 
kcit,  odcr  die  Untcrlafrung  dcrfelbcn,  au£ 
alles  was  nach  und  nach  beytragt,  den  Men- 
fchen  cn  Vollziehung  einer  That  zu  brin^n: 
fo  wird  cr  dadurch  zum  wcnigsten  Miturhe- 
ber  derfelben»  und  diefs  wird  alJgcmein  zu- 
gcgebeiu  Nun  iagt  man  aber  weiter:  £ogar 
dicfe  Scibstthatigkcit  ist  wicdcr  von  Griindcn 
abiiangig»  die  nicht  in  feiaer  Gewalt  iiod* 
Woher  weifi  mandteisi  —  Ist  es  denn  noth- 
wendig,  dafs  die  innere  Th3tigkeit  fich  nach 
cbcn  den  Gcfetzen  richte,  nach  wclchcn  wir 
den  Zuiammenhang  aller  Dinge  denken!  Ist 
es  nicht  moglich,  daft  irgend  ein  Wefen,  aus 
freycr  Macht,  fcinen  Willen  bcstimme?*) 
Uiber  etwas  abxu(prechent  das  wir  gar  nicht 
kennett,  ist  eine  Anmafsung  die  von  der  Ver- 

•)  Dic&  wird  fo  «ttsgedruckt:  giebt  es  nur 
CauralitSt  dureh  Namr?  odcr  giebt  cs  auch 
Caufaltilt  duKh  Freyheit? 


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minft  unmogltch  gtit  geheirsen  werden  kann; 
da  roviel  gcwiif  Uip  cU(s,  wenn  wir  dieFrey« 
fieit»  welche  TSulchung  leyn  IbU,  wirUidi 
hatten ,  wir  kein  andres  Gefiihl  davon  haben 
konnten,  als  wir  wirklich  habcn.  Indeffen 
haben  die  Einwendiingen  gegen  dieielbe  ib 
viel  Sehein,  und  finden,  aut  mehr  tlt  einem 
Grunde,  fo  lcicht  Eingang,  dafs  es  vouWich- 
tigkeit'i8t  xu  seigen»  worin  denn  eigent> 
lidi  Jene  Verkettung  alt  nothwendig  gedacht 
wird,  und  wie  wcnig  fic  dcr  Lehre  von  dcr 
Frcyhcit  Eintrag  thun  kann.  VVas  ficii  hicr- 
uber  sur  BestSrkitng  unrers  Glaitbens  an  die* 
felbe  iagen  ISfst,  kann  in  folgenden  SStseii 
sufammcngefarst  wcrden. 

Allcs  was  viir  von  den  Dingen  aufscr  uns, 
und  von  uns  fclbst  wiilen  ,  die  einzige  Idee 
unlerer  Perlonlichkeit  ausgenommen,  beni- 
het  auf  Wahrnehmung  dcfrcn ,  was  jene  auf 
uns»  odcr  was  wir  fclbst  wirkcn. 

Dicfe  Wirkungen  w&hrzunehmcn  und  un- 
ter  Gefetze  su  bringen»  bediirfen  wir  der 
VoCTtellung  von  Zeit  und  Ramn;  Raum  und 


Zeie  aber  find  oicht  VerliSldiifte  die  den  6e- 
genstandeii  iinrerer  Erkenntuifs  au  fich  xu- 
kommen,  fondern  in  uni  liegent  und  aue 
unf  euf  fie  ubergetragen  werden, 

Auf  unferer  Art,  die  Gefentllnde  der 

Erkennfnifs  zu  betrachtcn,  beniht  alfo  die# 
fur  uns  nothwendige,  Verbiuduog  aller  Din- 
ge ;  und  die  Natuigeletse  besiehen  fich  nidit 
aufdatWeien  deHelben»  Ibndern  ntir  auf 
unfcre  rinnlichen  Vorstcllungen 
davon. 

Wenn  wir  uof  folglich  Frcyheit  von 
Naturgefetsen  sufchreiben»  (b  hciiit 
diefi  nur :  die  Wirkungiart  der  Vemunft 
richtet  fich  uach  andem  Geletsen  ab  diejeni- 
gen  find ,  welchc  dcr  Vcrstand  auf  f  i  n  n  I  i  • 
che  Voritellungen  grundet  —  Die6 
find  die  Haupcfttst  die  nun  «ealer  luigei* 
fiihrt  wcrdcn  follen. 

Alle  Erkllningen  die  von  den  Gegenttln- 

den  der  Natur  gcgeben  werden  kounen ,  (ind 
ib  befi^haffcn»  dafi  fich  dieiclben  entwcdcr 
gcradesu  auf  dat  besidien«  wm  fic  auf  ua» 


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—  «53  — 

Ccre  Sinne  wirken,  oder  docb  durch  eineil 
Umicbweif  auf  dieie  sitnlckkomfnen*  Wena 
die  Chymie  die  GnindbetUndtheile  der  K6r« 
pcr  augeben  viiU,  fo  kann  Qe  dis,  was  (ie  am 
Ende  gefiinden  lut»  nicht  andeis  al«  didurch 
deutlich  nuichen»  dafi  fie  Wirknngen  der* 
felben,  entweder  aiif  iins  unmittelbar,  oder 
gegen  einandery  tnxeigt.    Sie  findet  i.  B* 
nach  thren  letsten  Aufiofungen  Brden  und 
Salfe,  und  beyde  werden  nurdadureh  erklSrt, 
dafs  jenc  ohne  Gefchmack  und  diefe  mit  Ge« 
lchmack  vefbunden  find;  fie  findet  veriehie- 
dene  tulbrten»  und  raache  diele,  entweder 
durch  die  unmittelbarcn  Wirkungen  auf  un* 
lcrn  Korper»  odcr  durch  ihr  Veriialtniii  ge- 
gen  «inander  kenntlich»  daa  aber  wieder 
niefat  andert,  als  in  Beziehung  auf  uuire  Siu- 
ne,  angegeben  werdcn  lianiL 

Geht  man  nicht  auf  die  Bestandtheilc  ct- 
ner  Sache ,  fondeni  auf  das  Ganze  derfeibcnf 
wie  wir  es  denken :  Co  lind  auch  da  alle  Bestim« 
mungen  deflelben  von  finnliehen  Eindriicken 
tiergenommcn,    So  laiige  man  bcy  Jcm 


—  354  — 

Aeufiern  i.  E.  eines  Baumf,  f tehen  bldbt,  (b 
Ut  diefs  lur  fich  klar.  Will  man  in  das  Inne« 

re  delTelbcn  dringeu,  fo  kommt  nian  entvce- 
der  auf  die  Bestandcheile  delleiben  oder  auf  die 
Geletxe,naeh  denen  ein  Baum  erzeiigt,  erhatten, 
vergrofsert  wird.  Diefe  Gcfetze  find  zwar 
hinreichend  iha  von  audern  Diugen  zu  unter- 
leheiden  und  die  Bedingungen  ansugeben» 
unter  vvelchen  wir  Gebraueh  von  demielben 
machen  konnen,  iie  gninden  fich  aber  immer 
8u£  Wahrnelmiungen»  und  wiirden  von  dem 
Verstande  gar  nlcht  gefunden  worden  leyn» 
ivenn  ihm  nicht  der  StofF  dazu  von  dcm  aiif* 
lem  Sinn  geiiefcrt  wordcn  ware.^) 

Auiser  diefem  Vermogen,  das  uns  Vor* 
iteUiingeo  von  der  Natiir  giebt»  haben  wit 
ein  Shnlichesy  welches  fich  unmittelbar  auf 

uns  felbst  bczieht,  und  dcr  inureSinn  heifsL 

*^  Dcr  aufsercSinn  ist  das  Vcrmogcn,  vcrmirtelsl 
der  Sinnorgane  und  ciner  inncrn  Einpfdng- 
lichkcit,  Verstellungen  vea  denDinseo  auf* 
fer  uos  zu  erhalten. 


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Vemiittelst  deflelben  lchauen  mlr  gleitlifiiiii 

die  verrchiedcnen  Ziistiindc,  in  wclchen  iicU 
un(er  Innres  bcfindet*  Empfiniilungen  und 
Gedanken  werden  Gegenstande  unlerer  Be- 
trachtiinfi;,  und  pcbcn  uns  den  StofT  zu  dem, 
was  wir  au  uns  felbst  zu  erkeuncn  vetmogen* 
Dadureh  erfabren  wir  die  mannigfaltigen 
KrSfite  und  Flhigkeitcn,  die  in  uns  iiegen. 
Wir  bemerkeny  dais  wir  Vorstellungeu  von 
den  Dingen  aufser  uns  luben»  da(s  ivir  die- 
lelben  l^ewahren,  suruckrufen,  nach  Will- 
kuhr  trenncn,  zufammcnfctzcn  und  uns  glcich- 
fam  cine  neue  Welt  ichaffen  konnen,  und 
fchreiben  uns  deswegen  einen  Suisern 
Sinn,  *)  Gedichtniisy  Erinnerung^ 
H inbiidungskraf t  zu;  viir  bcmcrkcn, 
dais  wir  von  vlden  einieben  Gegeastanden 

Diefcr  und  dcr  inncre  Sinn,  mit  allca 
T5»higkeirtn,  dic  fich  unmittelbnr  darauf  be- 
zichen,  dcr  Embildungskraft,  dcm  Gcdiicht- 
nifs  dcr  Erinnerung,  machen  zufammcn  da$ 
finnlichc  £r k c n n c ni (s verra^^gen  im 
v^cit^m  Vcrsunde  aus 


du  Aehnliche  xufkmneiifaireii»  al]gemeiae 
BegrifiTe  bildeti ,  mehrere  davon  niit  einiinder 

vergleichciiy  Urtheile  dariiber  fallcn,  Rcgelii 
darnach  aufttellen  u.  C  vr*  und  fehen  dieA 
■lles  als  einGelchift  des  Vertfandet  an) 
wir  bcraerken,  dafs  wir  inallein,  was  wir 
cmpfinden  und  denkent  nach  dem  tctaten 
Gninde  fragen»  dalt  wir  tn  alle  Begritfet  t^r* 
thcile  und  Regeln,  Einttifntniing  tind  Hartnonie 
xu  bringen  fucheii»  und  fchreiben  uns  deswe- 
gen  Vernunft  au.  Auf  eine Shnliche  Art 
werdcn  wir  vcranlafst  iins  ein  Gcfiihls-  cin 
Bcgehrungsvennogcn  uud  cinc  Willkiihr  bey*^ 
sulegen.  Kurz»  alle  unfere  verfchiedenen 
Krifte  leiten  wir  aiit  den  verichiedenen  Zu* 
standen  unfers  Gemiiths,  und  aus  dcn  ver- 
fchiedenen  Wirkungen  her»  die  wir  in  unt 
und  auller  uns  hervorbringen.  Wie  alib  die 
Kcnntnifs  der  AufTenwclt  von  dcn  Sinnorganen 
und  von  der  innem  Empf^nglichkeit  fur  die 
crhaltenen  Eindnlcke  abhingt:  fo  beruht  die 
Kenntnifs  iinfcrcr  felbst  aiif  dem  Vcrmo- 
gcn,  die  Zustande  un(ersGcmiiths  zu  betrach* 
ten»  oder  auf  dem  inaern  Sinne.  Dn 


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—  »57  — 

Einxlge  was  nicht  von  demrelben  hcrkommt, 
ist  dat  ttiiiDitteibaie  Befiruistieyn  von  iiniem 
letit  welehet  alle  ttnlefe  Krifte  md  FSkig* 

kciten  cnthalt* 

Wenn  ntm  Airunt  ketneCrkenntniif  mog-» 
lich  istf  viotu  uicht  entweder  der  aiifsere, 
oder  der  innere  Sinn,  clen  Stoff  gelieferl  het, 
{o  k^nnen  wir  die  Fmfe  tttfNrerfen:  Sekrei» 
ben  wir  nicht  vieJleicht  dcn  GegenstSnden 
ttnlen  Wiflens  mancke  Eigenlckeften  und 
VerklltniiM  cu,  ^e  eigentlick  niekt  in  iknen 
liegen,  fondern  auf  dierelben  v  o  ii  ii  n  s,  ver- 
ttioge  der  Einricktung  des  innern  und 
Sttfiern  Sinnt,  ukergetragen  werden^ 
Diefs  woUcn  viir  ietst  unterTucken. 

Wenn  man  die  GefiikJe  von  Lust  und  Un- 
kist  In  Beoraektung  siekt»  Ib  ttreifi  jedemann 

atis  Erfahrung,  dafs  nicbt  allcii  Menfchcn 
eine  nnd  ebendiefelhe  Sache  gleich  aoge- 
nekm,  oder  gleick  nnangenekm  ist,  und  dais, 
obgleich  die  Urrache  diefer  Uogleichbeit  in 
R 


den  \fcii(chcn  tnkl  nicht  in  dcn  Stchen  licgf, 

doch  fiicfen  die  Wirkniig  imd  dahcr  einc  Be- 
{chafTciihcit  ziigcrchrtcbcn  wtrd,  wobcy  man 
gcwohdich  die  EmpfaRglichkcit  dafur  ganc 
aiis  dcin  Gefichtc  vcrlicrt.  Eine  Mtifik  wird 
oft  fchon  gcnaiuit ,  dic  es  bey  weitem  uicht 
fiir  alie  Mcnrchen  ia t.  Atich  ist  Qe^  an  on4 
liSr  ficb»  nichts  als  eincVcfhindung  vonLuft* 
fchwingungen ,  und  die  Schonheit,  die  tnan 
iiir  xurchrctbtt  driickt  niir  das  VcthSUtniit 
dericlben  «ir  Fahigkeit  gewifler  Pcrfonen 
von  bcrondererOrganifation  aus.  Aufler  die- 
icn  Eigcufchaftcn,  dte  iiun  dcn  Gcgcnstandcn 
dcr  Natur  ftufchrcibt»  imd  die  etgentltch  nur 
Verhiltnilse  derielben  cu  ciner  befondem  Art 
von  Empfanglichkcit  fiir  Lnst  undUnhist  au* 
teigen,  gtcbt  es  noch  audcrc»  dic  fich  swar 
allcnMenichen  gleichdarstelleny  die  aber  dc^ 
fcn  ungeachtct  nicht  dcti  Gcgcnstandcn  felbst 
zukommcny  fondcrn  cbcnfalls  nur  ctnc  bc* 
fondere  Art  der  Wirkiing  auf  unfere  Sinne 
ausdn'ickcn.  Wer  cinigc  Kenntnifs  von  dcr 
Phyfik  haty  kanu  nicht  zwcifein,  dafs  die 
VorsrclJungl((^  von  den  verfchiedcneu  Farbctt« 


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die  wir  wahrnehinen ,  blofi  cine  Polge  voa 
der  Einrichtuiig  iinfers  Augcs  ist.  Die  Kor<* 
per  an  lich  haben  die  Farben  nicht,  fie  ha* 
ben  dieielbett  nur  fiur  uns* 

Von  daefen  unbesfveifelten  WabrfaeiM 
Itoninien  ^ir  tu  den  Fragen :  find  nictit  viel* 

leicht  auch  die  Vorstciiungen,  auf  wciche 
iich  die  Naturgeiette  beziehen»  von  der  Ar^ 
dafi  fie  nicht  Eigenfchaften»  Verhiltnifi^, 
Bestimmungen  aiisdnickcn ,  welchc  dcn  von 
uns  crkannten  Gegcnstaudeu  lukommen,  fon- 
dem  von  der  Einrichtung  unTers  'iufiern 
ttttd  innern  Sinnt  abhangent 

Alle  Katurgcrct2e  beziehcii  fich  auf 
Raum  und  Zeiti  die  VorBteUungen  voit 
diefen  dtenen  {enen  gleichiam  zum  Gninde. 
Was  mir  immcr  auf  tinfcrc  aursCrc  Sinne 
Vtiiku  ietten  wir  in  den  Raum  —  durch  den 
Gettalt  und  Grorte,  ib  wie  da»  gegenfeitige 
Vcrhaltnifs  derDinge,  bcstimmt  wird  —  und 
iii  die  Z.eit9  diuch  wclche  die  Erfcheinungen 
auf  einander  iblgenf  und  Verbindtuig  unter 


—  a6o  — 

cinaii^r  bckoninea.  Unlere  GecUnkeii  uiid 
Empfiudimgen  ietten  «ir  twar  ntdit  ia  einen 
Raum  (dcnn  es  warc  lacherlich  tu  fragen, 
wk  viel  Raum  ein  Gedanke  einnahme)  abcc 
doch  in  die  Zeit»  ohne  welche  wir  unfare 
Zusfindc  nicht  betrachten  konnen*  Wat  iit 
nunZeit  undRaum?  —  Siud  es  wirkiiche  We^ 
len?  6idk  kinn  mhl  nicht  leynt  clenii 
cs  lafst  fich  fchlechtenltngs  nichts  von  ihnen 
angebcn,  was  einer  Wirkung  abnlich  iahe» 
und  nur  voa  dieier  Ironnen  wir  auf  dai  Da- 
feyn  einer  Sache  lchlielf en«  *)  —  Sind  ei 
allgcmeiiic  Eigenfchaften  oder  Verhaltnifse 
nller  Wcfen,  die  ibncn  zukommeu,  oime 
RuckfiehC  atif  unfere  Art  die  Dinge  tii 
fchatien  und  cu  denken$  oder  find  ei  our  Be» 
stimmungen,  die  von  unferer  eigentbumli- 
chen  Einrichtiing  abhingea! «—  Sind  ea  Vor- 
stellungen,  die  iins  von  denDingen  konunen» 
oder  wcrdcn  fie  auf  dic(e  von  uns  und  aus 

*J  Wir  fflgen  wohl ,  die  Zeit  zcrstore  allcs,  abcr 
dann  meynen  wir  nicht  die  Zeic  fclbst,  fon- 
dcro  dai»  was  indorrclbcn  unmerklich  wirkc 


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tins  uberg^tragen  ?  —  Diefe  Fragcn  wollen 
«ir  tuefft  inAbficbt  detRaiuns  beantworteik 

Haben  xnir  dic  Vorstellung  des  Raiims 
von  den  Gegenstlnden  der  Sinne  hergenom- 
men:  16  kann  cr  nieliti  andcn  als  eine  allge» 
meine  Eigenfchaft  oder  ein  allgeneines  Ver- 
lialtniifl  derfelben  aiisdnicken.   Dieis  stimmt 
aber  mit  miftrer  Ar!t^  den  Ramn  su  betracli* 
ten,  gar  niebt  uberein.   Wir  leben  ihn  als 
etwas  fiir  fich  bcstchencies  an*    Nun  ist  zwaif 
wobl  nahr»  dafi  yrir  von  liJoisen  Beibhaffen- 
heitcnundVerhaltniisenlbl^reefaen»  als^ 
ren  fie,  auch  abgerondert  von  den  Dingeuy 
welchen  fie  zukommcii ,  ctwas  fiir  ficb  >  wir 
dcnken  tins  a.  B.  dic  Hartc»  dic  Scbwere«  dic 
Grdfie  n.  C  w.  Aber  um  Deutliehkeit  mit 
dieTen  allgemeincn  BcgrifTen  zu  vcrbinden, 
muflen  wir  mehr  oder  weniger  an  die  Dinge 
Idbst  dcnkcn,  vmi  dcnen  wir  lle  hcrgcnom- 
racn  haben  *,  und  diefs  ist  bey  dem  Raum  gar 
nicht  der  Fall.    Die  Vorstclhmg  davon  isc  au 
imd  fur  fieh  klar,  und  wir  find  fo  weit  cnt* 
hnnt  ift  -dicfi^lbe  ctwas  einstnniicfacn»  da« 


—  a6a  — 

Qidit  er  lellMC  itt^  <Ufi  vir  den  Rauni  nodi 

tibrig  behalten,  tvenn  fvir  aiich  a]let  wefJen« 
kcn,  was  dic  Natiir  aiismacht.  Der  leere 
Raum  ttt  g^ade  daa,  waa  wir  gar  nicht 
wgdenken  konnen,  und  diefer  kann  denq 
doch  nicht  Eigenfchaft,  nicht  Vcrhaltiiifs  gc» 
nannt  werden.  Weder  das  eine  ooch  die  an* 
deie  lunQ  da  Sfatt  findcp,  wo  nickti  ial; 

Der  Raum  wird  femer  allen  firklarungcii 
^n  Naturdingen»  die  fiir  fich  bestehen,  sum 
Grunde  gelegt.    So  oft  nian  fie  gcnau  bcstira. 
men  will,  fo  gebrancht  man  das  Wort  Korm 
per»  und  denkt  fieh  hauptCichliehdabey  eino 
im  Ramne  einge(chlofine  Sache.   Er  ielbtt 
aber  wird  wedcr  ira  gemeineu  Lebciiy  uoch 
Ibgar  in  der  WiiTenichaft  erklart,  die  aiJet 
aiif  Raum  grundety  und  (bnat  allef  erklirt^«-« 
in  clcr  Geometrie.    Dieft  warc  gaiu  fonder« 
bar,  wenn  wir  die  Voritellung  de«  Raums  aua 
der  Er&hrung  geichopft  iiStten.  Waa  una 
diefe  angiebt,  wird  Ibiiit  ohne  Aninahme  er* 
klUrt,  Trenn  cs  zum  wi(renfchaftlicbeo  Ge- 
bsancbe  gefcbickt  genucht  werden  ibll* 


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IKe  Schwere  z.  B.  ist  eiae  allgemeiue  Eu 
goniehalt  aller  KSrper»  uiid  wie  genau  vird 
dielelbe  mcht  hestimmt.   Noch  raehr!  Auf 
dasy  was  gar  nicht  erklirt  wird,  griiudet  man 
tnwiderrprechlichwahreSatiey  x.B*  dorRaum 
hat  nur  drey  AlnBeiruiigeii ;  zwey  Dingc  kon- 
iien  nicbt  einen  und  ebendenrelben  Raum 
eimiehmen.  Die  Gewiisheit  dieler  Satze  iit 
von  den  fchir&ten  Zweiflern  unangetastet  ge- 
blieben,  ob  iic  gleich  alles,  was  uns  Erfah* 
nmg  lehrt,  ungewifi  cu  maehen  gefucht  ha« 
ben.   Auch  letst  diefe  in  der  That  nichts  |b 
aufser  Zweifel,  dafs  man  gezwungen  ware, 
keinc  Ausuahmc  gelten  zu  Jaffen.   Hatten  wir 
alfo  die  Vorstellung  des  Raums  yon  den  Din* 
gcn,  die  uns  umgcben,  abgezogen,  fo  mufstc 
uus  der  Gcdauke  frcy  bleiben,  dafs  ia  andern 
VVeltkdipcm  zwey  verfchiedne  Sachen  einen 
und  ebendenlelben  Raum  einnehmen  konn* 
tcuj  uad  wer  kaun  dieicn  Gedanken  CifTcnS 

Dcr  Raum  ist  endlich  nach  irafercr  Vor- 
stcllung  davon  unendlich,  So  unabieh* 
lich»  felbst  fur  die  angel^amitette  EinbiXp 


—    96«  — 

jtm^krafir,  fchon  dct  Raum  ifl^  «elehendiCt 
tinlern  Bmchniingen  und  Muthriitfiungen  er- 

reichbaren,  Wclteu  einnehmen :  Ib  ist  Cf  uns 
doch  unnioglichy  ielbft  d«  demfelbeii  Gren* 
xen  f  u  (etcen*  Er  itt  liir  unt  ilber  die  unab» 
(ehbare  Fcrne  alfer  Sonnenrysteme  hinaus; 
nach  dem  Jetsten  Weltk5rper  t tellen  wir  one 
ttoeh  leeren  Raum  vor,  Wie  aun  diefe  Voi» 
cncilichkeic  uns  von  der  Erf^hrwng  hcrgekom- 
men  fey,  ii t  ungedenkbar.  Unmitteibar  wird 
lie  von  derlelben  nieht  gelehrt,  tmd  diireh 
Schhifsc,  diedarauf  gegrtindet  worden  wareny 
kann  (le  uns  auch  nicht  bekannt  worden  ieyn» 
Denn  in  dieiem  Falle  mufsten  wir  ea  una  alt 
moglich  denken,  dafi  iinwiflende  Menfchen 
fich  den  Raum  nicht  als  unbegrcnzt  vorstell- 
ten.  Uiberdieis  haben  iich  von  jehcr  die  Phi- 
lorophen  mehr  Milhe  gegeben,  die  Unend« 
lichkcit  dcs  Raums  zu  bcstrcitcn  als  zu  bc« 
wcifcn;  iind  was  bitte  diejeuigcn,  wdclie  (te 
annehmen»  wohl  auf  den  Gedanken  einer  ibl« 
chcn  Beh.Miptung  fiihren  konuen,  wenn  fie 
luohts  als  dic  Erfahrung  fiir  ficii  gehabt  liat- 
ten }  Man  Qeht  nicht  einmal  die  Mdglichkeit» 


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aiif  dUdelbe  die  UneiMUichkeit  des  Rattini  nt 

Polgt  miii  aut  aUctt  dielSni  Betnehhm- 
gen,  dafs  wir  die  Vortiellaiig  vom  Riiniie 

nichc  durch  die  Erfabnmg  crhalcen  haben,  Co 
mnik  fie  iii  u II •  felbst  liegeiL  wird 
auch  ofeihar,  ivenn  wir  bedenken,  dafi  efae 
wir  irgend  etwas  von  den  Dingen  aufTer 
unt  wiiTen,  ehe  wir  irgend  cinc  ErCahrung 
madien  kdnnen,  «ir  Ibfaon  dle  Vorttellung 
des  Raiinis  haben  nuCren.  Der  blofieGedan* 
ke»  da(s  ctwas  aulTer  uns  ist,  stellt  ihn  fchon 
lur  unt  alt  nothwendig  dar.  SoU  ich  mich 
alt  verfchieden  von  einer  Sache  denken»  dte 
auf  michwirkt:  fo  geht  dicfs  nicht  anders 
an»  ais  dais  ich  mich  und  fie  in  verfchic- 
dene  Orte  fettes  unddiele  besicheo  fich 
otFenbar  auf  den  Raum,  ddfen  VortteUung 
folglich  allem,  was  auf  mich  wirkt,  zuai 
Grunde  gelegt  werden  mufi. 

Gcht  aifo  dic  Vorsteliuog  desiUums  aller 
Erfahrung  vorhcr»  und  itt  fie  una  lu  deriel- 


366 


ben  tinentbehrlich ,  fo  nmCs  fie  nns  angcbo« 
reii  fcyn ,  iind  cin  y^ercntliches  Suick  unfers 
finniichen  Erkenntni&wermogens  autmachen. 
Der  Rsiim  ist  demiiach  nicht  lelbst  Eigcn- 
fchaft,  fondcru  fiir  uns  ein  nothwcndigcs  Er* 
forderuiisy  um  an  den  Gegenscaiiden  des  Sui^ 
fern  Sinns  EigenTchaftco  su  erkennen$  er  ist 
nicht  rdbst  VcrhaltniAi ,  fondcrn  cr  machc  cs 
tms  mogUch  Verh^lcnifse  lu  finden, 

Sieht  man  den  Raum  fo  an,  Ib  begreift 
mauy  wariuu  er  allen  Erklariuigen  der  Kor- 

Kant  driickt  dicfs  fo  aus:  „Der  Raum  ist 
nur  die  J-orm  aller  Erfcheinungen  auflcrer 
Sinne,  d.  i.  die  fubjedive  Bedingung  der 
Stiinlichkeic,  iinicr  der  tllein  uns  auffcre 
Anichauung  m6glich  ist.„  —  Anfchauung 
heiisc  jede  umnictdbiia  VorMdlung,  die 
wir  durch  dea  inneni  oder  iuflrcni  Sinn 
cihalcyn;  ficwtrd  rein  gefuumi;  wenn  ficin 
der  Einnchcung  dcs  Sinncs  gegcundct  isc^ 
wic  dic  Vorscellung  des  Rcnns,  uiid  cuk 
pirifcht  wcnn  fic  durch  iigcnd  cincngc» 
gcbenen  Gegcnstaiid  erzeugt  wird.  leder 
Gc^enstind  ciner  empirifchen  Anfchauung 
heifir  Evfchelaung  l  in  dicCem  Siime  fiad 
auch  d>  K&per  Erichcinungen. 


bigiiizca  by  Googlc 


fKvnlt  9am  Gruade  gelegt  mrden  ktiifly 

ohne  felbst  clcr  Erklaning  zu  bediirfen ,  Ond 
varum  fo  viele  Sacze ,  die  iich  auf  dcnfclbea 
betieliea»  «podictiiclie  Gewifiheit  baben. 
Dcun  das,  was  ein  viefentlichcs  Sttlek  unfinret 
Natur  ausmacht ,  mufs  an  und  fiir  fich  klac 
leyn,  uad  fich  jedeni  Meofckea  aufdrin* 
gen ,  dafi  danlber  kein  Zweilel  erboben  wer« 
den  kann.    Fiir  uns  mufs  alics,  wasunniif- 
telbar  aus  der  VortCeUung  det  Raums  foigt» 
irollgiilttge  Wabrbeit  feyn.   Fragen  wir  aber 
ob  der  Raum  an  und  fiir  fich  etwas 
ist»  olme  Riickficht  auf  unfere  Art,  die 
Welt  m  betrachten,  fo  kann  die  Antwort 
nicht  beiahend  feyn.   Denn  ift  die  VonteK 
lung  dclTclbcn  nicht  voii  dcn  Dingcn  auner 
unf  bergeiiommeny  fondem  iiegt  iie  in  uo» 
lelbst  und  gehort  fie  lur  Einrichtung  unfc^ 
rcr  Natur  als  nothwendige  Bedingung  allei 
delfen»  was  wir  von  der  auiscrn  Wclt  crfah* 
ren:  fo  konnen  wir  aucb  nur  als  Men» 
fchcn  vom  Raume  nnd  von  ausgedehnten 
Dingen  rcden.    Annehmcn,  dafs  alle  mog- 
licfaeWeiendieGegenstlinde  ibrec  Anfehauung 


—  a68  — 

in  Ratim  retxen,  htefse  behaiipten,  dars  fie 
«lle  eben  dieiielbe  iimere  Einrichltmf  ihret 
ErkenntaiitvenDogeiii  haben  mufiten.  Noch 
weniger  lifiC  fieh  (agen,  dafi  die  Welt  ta 
fich  im  IVamne  eingerchlofsen  fey.  Ntir 
die  Vontellungen»  dle  wir  von  ihr  erhal* 
ten,  liiid  lur  unt  ohoe  denlUbeii  nidit  mof • 
iich.  Was  aber  eine  befondere  Bedingting  iin- 
lerer  Sinnliehkeit  iat,  lcann  nicht  ait  Bedin* 
gung  dct  Daieynt  der  Dinge  «ngelehen  «rer- 
den.  Die  Eigenfchaften  dcrfclbcn,  die  fich 
nicht  auf  unfere  Sinne  bctiehen»  find  zwar 
fiSr  uni  unerkennbar»  aber  lagen,  daft  dat, 
XlMM  wir  nidit  erlahren,  aiicK  gar  nicht  feyn 
kdnne,  ware  eine  Anniarsung,  die  bey  drr 
Eingeichraoktheit  unfert  Wilfent  unveneih- 
lich  (eyn  wurde» 

«)Die  Welt  an  fich,  hetftc  die  Welc,  wta 
und  wie  fie  itt»  ohne  unloe  finnlichen 
Vontellungen  davon,  fo  wte  roan  fagt: 
die  Mufik  an  fich  {ohne  unferc  Era- 
pf&nglichkeit  dafiir)  ist  eine  ZuIaiDmea- 
fttzttog  voQ  Lufifohwinguageo. 


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Aiit  ahnlichen  Griinden  viird  es  uns  auch 
wahricheiiilidi  vorkommen,  da£i  £clb§t  cUfy 
WM  wir  Zfitt  nemieii»  nicht  nothwaiilif  eiiie 
Bedingung  fey,  nach  der  fich  dte  Vorttellun- 
gtn  aller  denkenden  Wefen  richteu  miinen, 
obgleich  wir  ielbtt  an  Zcitvcrhiitiii6e  aUet 
luupfen,  V9U  uo*  su  erkenneii  mogUdi  itt. 

Nehnen  wir  wie4er»  wie  bey  dem  Raiini^ 

cinen  Augenblick  an,  dafs  der  BegrifF  der  Zeit 
unt  aut  der£rfahrung  kommC:  fo  ist  dteZeit 
nichlt  andert»  ali  eine  Folge  von  Welen  oder 
Brlchelnungen ,  die  fich  aitf  onfern  inneni 
odcr  unfern  aufsern  Sinn  beziehen;  denn  Co 
oft  trir  in  deniy  wai  wir  wahmehmen^  an  Zeit 
denken»  ib 'lehwebt  uof  Immer  elne  Reihe 
Von  aufciiiander  folgcndcn  Bcgcbenhettcn  vor. 
Wire  nun  die  Zeic  ntchtt  ait  die  Vorsteiluni; 
einer  Folg^  von  Veilnderungent  £o  konnten 
wir  fie  allerdingt  aut  der  Erfrhrung  hergc- 
nommen  haben*  Alleiu  dieis  stimmt  mit  un- 
lecer  Art,  die  Zeit  su  betcachcen,  gar  nicht 
uberein. 


—   270  — 

Crstens  deokcn  wir  niche  verfchiedene 
2eitea  neben  «uiander,  ob  w  gleich  ver« 
ichiedene  Reihen  von  Erfcheinungen  nebea 
cinandcr  fctzcn.  Dic  Tnrkcn  z.  B.  bcstim- 
men  ibr  Inhr  mch  dem  Laufe  dcs  Mouds»  dic 
tibrigen  Buroi^er  nacb  dem  Ltufe  dtr  Stma^ 
Fangcn  nun  bcydcThcile  an  einem  uAd  ebea- 
demfelbcn  Tage  eiii  iahr  au :  fo  dcnkt  jcder- 
mann,  da&  allet,  was  in  demfelben  geicbiebt» 
bey  dcn  Tiirkea  ttnd  bcy  den  ubrigen  Euro* 
|>'acru  in  einem  und  cbendcmrclbcn  Zcitraume 
gefchebe.  Auf  «elche  ArC  alib  die  Zeit..be* 
atimmt  «erde,  fo  ist  und  bleibt  fie  nacb  uo» 
fercr  Vorstellung,  eine  und  ebendie(elbe. 
Wir  denken  fic  nicht  wic  mcbrcrc  nebeu  cin- 
ander  fortlaulende  Linien,  fondem  ali  eine 
cinzigc,  und  fcbreiben  dem  Satke,  da6  ver- 
fchiedene  Zcitcn  nicht  zugleich  feyn  konnen, 
fogar  apodictifche  Gewifshcit  zu»  gegen  die 
licb  nie  ein  Zweifel  erhebcn  kdmie.  Dielt 
wiirde  gar  nicht  Statt  iinden,  wenn  wir  unt 
die  Zcit  nur  ais  einc  Foige  von  Vcrandenm- 
gen  dichten.  Denn  fagen»  ei  gebe  nicht 
verfchiedkne  Zeiten  xugleich»  liie6e  dann  be* 


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haiipten:  verfchledcne  Reihcn  von  Erfchd- 
nuogen  im  Uimmel  imd  auf  der  ficde^  konn* 
tcn  nicht  «isleich  feyn*^ 

War  deoken  taa»  iweyCent  die  Zeit  noch» 
Wenn  wir  «uch  gar  keine  Verindentng  raehr 

denken.  Wiren  Sonnc,  Mond  und  Steriiey 
oach  welchen  wir  die  Zeit  einthellen»  vrSre 
uberhaupt  nichtt  mehr»  \nt  den  Wechlel  un* 
terworfen  ist;  sttinde  attf  einmal  die  ganzc 
Natur  stille,  und  bliebeu  wir  feihst  gauz  dai^ 
Viu  vrir  su  der  Zeit  waren,  ohne  irgend  eine 
Verindertmg  von  innen  und  aufien  tu  er£ih« 
rcn;  warcn  wir  in  cincm,  dcm  tiefen  Schlaf 
Iholichcn,  Zustaudc:  fo  ^vurdcn  «rir  immer 
noch  an  ciiie  Zeit  in  dieiem  wechielJoren  Zu« 
stande  denken,  wiriVHrdcn  cin  V  o  r  h  c  i  und 
cin  Nachhcr  in  dcinfclbei^  fuchen;  er  wur- 
dc  ufls  immer  noch  vike  eine  fortlaufende  lu 
nie,  nicht  «ber  wie  eiti  untheilbarer  Punkt 
vorkommen.  Dafs»  es  keine  Vcrauderinig  ge- 
bCy  koiinenwir  dciikcn»  dafs  abcr  dadurch 
auch  dic  Zeit  aufgehoben  werde»  das  ist  un« 
fcrcr  Vorstellungsart  ganz  zuwider. 


—  27»  — 

Wir  habcntllbclieVoritelliiiiir  «iMr  lee- 

ren  Zeit,    Zur  Bestitigiing  hiervon  dcnke 
maii  an  cine  ge(ch'afdore  Perfon,  die  fich  vor 
der  LSnge  der  Zett  fitrehte^  ^  Geht  ihre 
Fiircbt  wohl  aiif  die  Lange  dcs  Wechrdt  ih- 
cer  £inpfinduogcn  und  Gedankcn,  oder  nicbt 
im  Gegentheii  «u£  dcn  Mangei  dicie»  Wecb- 
lclf  ?  Sle  wuniche  die  Zeit  aufniliillen ,  oder 
zu  vertreiben.    Das  Erste  bezieht  ficb  unmito 
tdhar  auf  die  Voritellung  der  leereii  Zeitt 
uttd  aueh  dat  Zweyte  weiat  tnittelbar  4araii£ 
hin;  denn  die  Zcit  wird  vertrieben,  wenn 
niail  durch  irgcnd  cincBcicliSftigung  dic  Vor- 
ateUtittg  dcr  Lecihcit  entfemt.  Stellten  wir 
uni  nun  die  Zeit  felbst  alf  eine  Ahwechielung 
vor,  Co  biefse  eine  leere  Zcit:  cine  wech^ 
Cellofe  Abwechfeiung* 

Die  Zeit  hat  endlich  fiSr  uns  licine  Grcd* 
fen»  (o  wenig  als  der  Raum.  Wena  geiehrt 
v/ird,  alle  Dinge  baben  einen  Anfang  gchabtt 
ib  findct  dcr  Glaubc  daran  liemlich  ieicht 
Eingang,  aber  deu  meisten»  die  ihn  anneh- 
men,  dringt  Cch  dic  Fragc  tuf:  waa  war 


Uigiiizea  by  Googlc 


—  »73  — 

denii  vorher?  Und  wenn  cs  als  moglich 
dargestcUt  «ird,  daft  dai  Wekali  wieder  ver- 
gehe,  Ib  wird  gefragt:  was  wird  denii  nach* 
her  fcyn?  Dic  Lange  derZcit,  dic  man  riick- 
^arti  bis  %u  dem  Anfange  allcr  Dinge»  und 
vorwSrts  bis  cudemUntergange  derfelben  an« 
nimmt,  hiiulert  auch  jcne  Fragen  gar  iucht. 
Miliionen  lahre»  auf  Miliioncn  gehauft,  fiil- 
len  die  ^it  nicht  aut,  Wie  wir  nun  die  Un« 
cndlichkeit  derfelbcn  aus  der  Erfahnmg  auf 
irgend  eine  Wcifc  hcrgenommcn  habcn  foll- 
ten»  iafst  fich  ebcn  fo  wcnig  bcgreifcn»  alt 
wie  uns  aus  der(elben  die  UnCndlicbkcit  dcs 

Rauiiis  gckommcn  fcy.  Stclltcn  wiruns  liber- 
dicfs  tlic  Zcit  ais  cinc  Folge  von  Vcrandcnin- 
gen  vor»  Ib  wiirdcn  jcne  Fragcn  gar  nicht 
Stan  finden;  dennesverstfinde  fich  vonfelbst, 
dafs  in  dem  N  i  ch  t  s  auch  Ikciue  Vcrandcnm- 
fgfin  vorgehen  kdnnten. 

Aus  di^fen  Betfachtimgen  folgt,  dafs  ms 
die  VorstcUung  der  Zeit  nicht  aus  der  Eriah- 
rung  gcfchupfe  habeo  konaeo.  Dcnn  tcas 


diefe  ulier  die  Zeit  «ngiebt,  stiimnt  gar  iiicht 
niit  dcm  ubcrciii,  vvas  fic  fiir  uiis  ist.  — 
Nach  der  Erfahriing  giebt  et  mehrere  Reihen 
von  Ericheinungen  neben  einandery  und 
die  Zcit  is(  iiiir  ciue  fortlaufenJc  Linie.  — 
Die  £r£ihruag  fetzt  nichts  aulTer  ailem  Zwei- 
hl^  und  der  SaCx»  daft  wfchiedene  ZeiCen 
nlcht  tugleich  iiiid ,  hat  apodictifche  Gewi(s- 
heit.  — —  Die  Erfahning  kaun,  in  Beziehung 
tuf  die  Zeity  niur  Reihen  von  VeiSndeningen 
angeben,  und  die  Zeit  bleibt,  wenn  fich 
aiich  nichts  veraadert.  —  Die  Erfahruug 
(tellt  uni  niir  luirze  Reihen  yon  Erfcheinun- 
gen  dar»  und  die  Zeit  itt  unendlieh.— • 
Uiberdiefi  bUibt  die  Zeit  nicht  luir,  vienn 
fich  nichts  vcrandert,  fondcrn  fogar»  wenu 
«vir  denken,  dals  oiGhts  mchr  ii C; 

Alles  diefes  zeigt  hinianglich»  dais  die 
Vocf  tellung  der  Zeit  mit  der  VorsCeilung  det 
Raums,  ehierlcy  Befchaffenheit  hat  Wie  die 
letztere  in  uns  fcyu  mufs,  che  v^ir  irgend 
etwas  aulfer  uns  erfiihren  koniien:  ib  ist  iins 
die  entere  nothwendig,  niclit  mir  iur  die 


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Kcnntnifs  dcr  Natiir,  fondern  aiich  fnr  die 
Kemituirs  uiiferec  felbi t.  Die  Zeit  isc  deni* 
Mch  iiidit  ie]bst  VerSiulening»  fondern  dat» 
was  jeder  Veranderung  von  uns  fum  Gninde 
gelegt  wird  i  de  ist  nicht  felbst  eiue  Keihe 
von  £richeinungen»  Ibndern  ein  notbwendi* 
ges  Erfordimiis,  tn  unt  und  auiTer  uns  Wir« 
kungen  wahrzunchmen,  aiis  welcheu  wir  eino 
Reihe  sulamnienretseni  fie  ist  uns  angebo* 
reut  und  macht  ein  welentliches  Stuck  unicre 
finnhchen  Erkenntnirsvermogens  aiis.  Uii- 
naittelbar  beuclit  fich  die  Zeit  auf  das,  was  ia 
uns  lelbst  vorgeht,  in  ib  ferne  aber  uniere 
Znstlnde  von  den  Errcheinungen  aufler  uns 
abhangen ,  fo  ist  fie  uns  auch  nothwendig  um 
dieie  wahnuoebmen*  ^^) 

^  Maa  ttelle  Ach  die  VetinderuDgen  nodi  fo 
mimerklich  vor»  fo  mufs  man  felbst  diefe 
unendlichkleinen  VerSnderungen  an  dic 
Zeit  kniipfen,  und  deakt  nicht,  dais  fie 
die  Zeit  felbst  fiod. 

m 

Sic  isr  dahcr  clgenUicli  die  Form  des  in- 
nern  Sinns  —  aber  ausdcm  nnacfuhr- 
ten  Grunde  «igleich  die  farmale  i2e- 


Aus  diefer  Art  Zett  «u  beCradifeiiy 
folgt,  dafs  fic  fiir  andre  Wereu»  ais  wir  lelbiC 
6ii<l»  nicht  nothwendig  ttm»  ley.  Denn  da 
die  Vorttelliiitg  derielbeD  mcht  von  den  Dtn- 
gen  aufTcr  uns,  auch  nicht  von  dem  Wechfel 
ttnlerer  eigoffn  ZuiUnde  hergenonnnen»  ds 
fie  unt  angeboren  ist:  fi»  muiiten  tvir  anneh- 
mcn,  dafs  alle  Wcfen  cben  diefelbc  Einrich- 
tuog  wie  wir  hatccn,  wcoa  fiir  fie  dic  Zeit 
ctwaa  leyn  (bUte.  —  Es  llfit  fidi  denken» 
dafi  C8  Weien  gicbt,  die  vermoge  der  Ein* 
richtung  ihrcr  Augco,  nur  ganz  nahc  Gegcn- 
ftSnde  bemerken»  und  auf  keioe  Wei(e»  mit 
oder  ohne  kunttliche  Werkteuge,  elnen  wei« 
ten  Kreis,  fo  wicwir,  zu  imifaflcn  verrao- 
gen.  Wenn  nun  diefe  Wefim  dachtcny  vielci 
konne  nur  naeh  und  nach  gelehen  wer* 
4eaf  und  etwire  fchlechterdingt  Zcit  no- 
thig»  um  mehrere  Gegenttaiide  su  bemcrken: 

d  i  n  g  u  n  g  aller  Wahrnchmungen.  —  Da 
dic  Vorstellung  der  Zeit  fiir  fich  bestehf, 
ohnc  irgend  cinen  Gegenstand  dcrErfahrung 
zu  bedurfen,  fo  h<ifs(  fic  auch  etnc  reine 
Anfchauung. 


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—  277  — 

fo  filr  tms,  die  wir  Taiireiide  von 

Dingcn  «uf  eininal  uberrchauen»  ein  iehr 
liclierlieher  Schlufi.   Einen  Shnlichen  wiir- 
dlen  wir  felbst  inachcn»  wenn  wir,  die  wir 
mir  die  Wirkuogeu  der  Natiir  iind  unfere  Zu- 
tlSiide  aaeh  uod  nach  &lIenkonnen,  be* 
haupcen  wollten,  iedet  We(en  fey  auf  eine 
aholiche  Erkeantnifs  der  Welt  und  feiner 
ielbac  eingefeluinlLt^  So  wie  wir  nicht  allen 
Welen  Verttancl  nnd  Vemnnft  tulchreibea: 
fo  konnen  wir  auch  nicht  allen  vernunftigen 
Weica  eben  daffelbe  finnliche  £r- 
kenntniitTerniogeii  suTchrelhen»  «el- 
diet  fttr  unt  dle  Qiielle  allcf  WiflTent  itt* 
Diefs  thatcn  wir  aber,  wenn  wir  die  Zeit, 
iwelche  die  Bedingung  unferer  £rkenntniit 
itt,  lur  alle  ▼emuiiftige  Welen  alt  aothwen* 
dig  bctrachceten. 

Aut  cben  diefein  Grunde  kann  man  nicht 

(ageo ,  dais  allc  Diage  a  n  f i  ch  in  dcr  Zeit 
fiiML  Dennivir  tngen  dieie  aut  unt  auf 
dat  uber»  wat  fene  f  ti  r  u  n  t  find.  Nur  f  il  r 
uus  gelfiliitht  alics  in  dcr  Zeit,—  ist  der 


—  378  — 

Wcchfcl  cler  Dinge  da.    Es  geht  hicT  tllen 
Menfchcn»  wie  es  dencn  gieng,  die,  ia  der 
Kiadheic  det  menfchlichen  Verttanilet»  di« 
lebcndige  Kraft,  welche  in  ihnen  felbit  wohn* 
te,  aiif  ieblofc  Dinge  ribcrtrugen.    Weil  fic 
ielbtt  mefar  ^ren,  «It  fie  mit  ihren  Sinnen 
ftt  fiiflen  Tennochten :  fo  ttelhea  fie  fidi  vort 
dafi  aiich  Baiime,  Berge,  Fhlfse  mehr  feyn 
mufiten»  alt  fie  (chienen.   Auf  eine  ahnliche 
Weife  tragenalleMeniehen  ihre  finnlichen 
Vorstelliingen  voii  den  Dinj^  in  der 
Welt  auf  das  Wefen  derfelbcn  iiber,  und 
glauben»  dafi  dieiet  eine  wirhliche  VerUn« 
derung  lelde,  weil  fie  dalfelbe  nicht  ttt 
fchaucn,  fondern  nur  die  Wirkungea 
davon  nach  und  nach  zu  falTen  vermogea. 

Die  Zeit  alt  eine  blolte  Befichafeiheit  ua- 
fcrer  innern  Einrichtung,  nnd  alle  Ver!lnde- 
rung  nur  als  eine  Folge  dcrfclben  zu  den- 
kea»  hat  fireylich  noch  mchr  Schwierigkeit, 
als  den  Raum  an  fieh  fur  nichtt  %u  hal* 
tcu.  Dcnn  diefcr  geht  nur  auf  die  Diuge  auf. 
ler  imt*  Unfere  Gedanken  ibhlieften  wir  ia 
keinea  Raam  eia»  fic  beiieheii  fich  atieh 


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—  »79  — 

jiiclit  alle  ttmnittelbar  auf  denielbeii»  und  da- 
durch  habeo  wir  doch  etwas,  woran  wif  fe- 

heiiy  dsL&  er  oicht  nothwendig  fiir  alle  iiiifcre 
Voncdlungen  iit.  Einem  Wechiei  hingegen 
fiod  Ibwohl  uniere  Gedanken,  alt  alle  Natiir- 
erfcheinungen  untcrworfen.  Die  Zcic  an  fich 
alfo  fiir  niclitt  auiTer  un»  iialtea,  fclteint  alie 
Stutsen  niederxtireifseny  worauf  wir  uniere 
Kcnntnifse  griindcn.  AlJein  die  Schwierig- 
keit  der  Sache  iuon  die  Wahrheit  derfelben 
nicht  aufheben*  Wer  xum  erttenmale  hort» 
da(s  die  Farben  eigentlich  in  feinen 
Augcn  und  nicht  in  den  Korperu  lie- 
gen,  denen  fie  zugeiciirieben  werden»  der 
wird  eben  fo  viel  Muhe  haben  fich  davon 
211  libcrzcugen,  als  es  den  mcisteu  Mcnrchen 
Miihe  kostet  zu  dcnkcny  da(s  iUum  iind  Zeit 
niehtt  als  Formen  unieit  finnlichen  Erkennt* 
lufsvermogCAs  iiud. 

Uibrigens  leidet  nnfcr  Wifieft  diirch  die  dar- 
gestcikcn  Lehren  voni  Raumc  und  von  dcr  Zcit 
nichts.  Ftir  iins  hat  dat,  wat  fich  darauf  be» 
liehlf  noch  ebcn  die  Wahrhcit,  alt  wenn  fie 


—  ago  — 

^twif  wiiklidici  wSieii.  Weim  wir  «bcr 

laccn  h-bcn,  dic  fich  niclit  daratif  bexiclieii» 
ib  konnen  wir  dicfclbcn  nicht  deswegcn  fur 
nichtig erltiaceii,  weii  fie  mic  den  FonDen 
iinfers  fiimlichcn  ErlicinitiiiirFeniiogeiit  mdit 
lu  vercinigcn  fiud.  Dieft  fuhrt  iraf  lur 
Hauptfache,  um  deferwiUeii  wir  die  Betradi* 
tungcn  uber  Zeit  uod  Raum  aoitentent 

Alle  iinfefe  Kenntnili,  unfere  Per(onlich« 

iieit  ausgenommen,  beruht  auf  Wahmeh- 
mung  dcffen,  was  dic  Gcgenitandc  auffcr 
um  und  wai  wir  felbit  wirken.  Die  Vor- 
stelhingen,  die  wir  dadinrch  erhalten,  neh- 
mcu  die  Formen  der  Fihigkciten  an,  ver- 
mittelit  welcher  wir  die  Dinge  in  der  Wclr, 
oder  unfere  eigenen  Zuiande  fchauen»  daa 
hcifst:  wir  mufTcn  verraoge  der  Einrich- 
twig  unlen  finnlichen  Erlunntniisvcrmogcni 
ailei,  wai  wir  fchauen»  neben  oder  nach 
einander  fetien.  Hierauf  benihen  dic 
Gcfctie  dcr  Natur,  fo  wie  wir  fic  falfcn, 
iind  die  nach  denfelben  nodiwendigc  Ver- 
binduug  allcr  Dingc.  Di  alfo  Grund 


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dierer  Gcfetze  iii  iins  felbsf,  iiiid  nicht  in 
<leo  Wcfeti»  au£  die  wir  iie  «awenden»  liege, 
Ib  bcfieliea  fie  fieh  niir  «tif  Vontelliingen» 
die  wir  von  allen  Dingcn  uberhaupt,  und 
luin  Theil  von  uns  felbst  habcn,  und  nicht 
aiif  daty  wat  fie  uiid  wir  feJbtt  ohne  jene 
Formen  tin(erer  Sinnlichkett  find.  wriff- 
ten  wir  nun  nichts  weiter  von  uns,  als  was 
fich  auf  Raam  und  Zeit  beaiehty  ib  konnten 
«rir  nieht  iiber  dle  Erfahrang  hlnautfehen. 
Allein  diefs  ist  nicht  der  Fall.  Wir  haben 
Ideen»  die  nach  Naturgefetien  gar  nicht 
hcurtheilt  nerden  kdnnen.  Die  Gebote  der 
Micht  letien  den  Menfchen  in  eine  Ordnung 
der  Din^c,  dic  ganz  von  der  verfcbieden  isf, 
wdche  wir  in  der  Natur  antrefien.  f*Da8 
Sollen  dnlckt  eine  Art  von  Nothwendlg- 
Kcit  und  VerkniipfungderDinge  mit  Grtindea 
auty  die  ibntt  in  der  gaasea  Natur  nicht  voiw 

^  Dieft  wird  fo  attsgcdrfiekt:  Die  GeTcnc  dec 
Ntrar  gehcn  nur  anf  Erfcheinungen,  d.  h. 
auf  die  Gegenftllndc  unferer  KenntaKt,  «ia 
lic  unt  crldianeni  nicht  wie  fie  tn  lich  lind« 


kommt.  Dcr  Vcrstand  kann  in  ^itfer  nur 
erkcmica  was  da  ist,  odcr  gcvvcHii  ist,  oder 
leyn  wird.  Es  Ut  iinitioglich,  dafs  dartn  et- 
vas  anders  feyn  roll,  als  es  in  allen  ^ieien 
Zcitverhiltuiflcn  in  dci-  I  hat  ist,  ja  das 
Sollen»  wenn  man  blos  den  Laufder  Natuc 
vor  Atigen  hat,  hat  gani  und  gar  keineBedeu-> 
timg.  Wir  konncn  gar  nicht  fragcn,  was 
an  der  Natur  geichehen  foll,  eben  fo  we- 
nig  als  was  liiir  Eigenlchaften  ein  Zirkd 
habcn  foll,  rondcrn  was  dAiin  gcfchicht 
oder  was  fur  Eigenfchaften  der  lctztere  hat." 
Et  denkt  fieh  alfi>  der  Menich  durch  daf 
SittengHctz  in  eine  Welt,  dte  von  der  finn* 
lichen  ganz  vcrfchicden  ist,  und  fchreibt 
lieh  in  dicier  Ruckficht  Freyheie  von 
den  Gefetien  der  Nitur  und  dat 
Verinogeu   lu,   feinen  eignen  zu 

Kants  Critik  dcr  rcinea  Vemunft,  S.  57$* 

■■^^)  Msn  druckt  diels  aQch  Ib  atts:  der  Mcnlch 
betnchtet  ficb  in  Abficht  dcr  Vemunft  tlf 
cin  Wefen  tn  fich,  oder  «Is  ein  Wercn, 
yekhes  nlcht  im  K«unte  und  in  der  Zcit 
elttgeichloflen  ist* 


Uigiiizeci  by  LiOOgle 


folgen.  Die  Annahme  der  Freyheit  von 
Nattirgefetxen  hat  auch  keine  Schwierigkeil 
mehr»  weno  dielelbeii  mir  alt  etoe  Folge 
unferer  finnlichen  Voritenungen  angefehea 
wcrden.  Denn  jene  Freyheit  <iem  Menfchen 
tttichieiben»  heiist  daiui  weiter  aichtt  ak 
glaubeti,  <lalt  die  yemiuift  auf  eine  «ndere 
Art  wirken  konne,  alt  diejenige  ist,  \vclche 
ittf  der  Einricktung  oniert  finnlichen  £r« 
kenntnilWemiogent  beniht.  WoUte  mtn 
wider  dieren  Gedanken  noch  Einwendung 
nachen»  ib  wSre  dieit  ebon  fo  viel,  eb  ftenn 
man  ISugnen  wollte,  dalt  dat  Geficht  eine 
andere  Einrichtung  habe  als  das  Gehor,  oder 
dais,  wcil  dieGefetzc,  nach  dcnen  fie  wirken^ 
mfchieden  find,  dcr  eine  odcr  dcr  «ttdero 
Sinn  gar  nicht  exittirea  konne, 

So  ent&mt  die  Speeuktion  ubcr  den 

Gnind  der  Naturgefetxe  von  dcr  gewohnl^* 
chen  Vorttellung  dcr  Mcnrchen  tu  feyB 
fcheittt:  Ib  findet  man  doeh  dat  Refultat  desw 
felben  in  allen  Urtheilen  uber  die  Nothwea- 
digkeit  moxalifchec  Uandiiuigctti  uod  man 


—  a84  — 

kann  fagen,  dafs  jcdcr  Menfch,  dcr  nicht 
Pflicht  tind  Tiisciid  fur  leere  Worte  hHlt»  die 
traiiscendefitale  Freyheit  steti  iror 
Atrgcn  hat.    Aiiircrdcm,  was  aiis  dcm  vori- 
gen  Abfchnitte  hierher  gchort ,  verdijnt  be- 
fonders  bemerfct  ni  werden,  daft  die  darge- 
ftclltc  Lehrc  von  der  Zeit,  wclche  den  meit» 
ten  Schwicrigkeiten  ausgcfctzt  ist,  von  allcn 
Menfcheiiy  ^lche  glauben,  dala  die  Vemuoft 
allc  frcywilligc  Handlungen  letten  k5nne 
und  folle»    stlllfchweigend  angcnommen 
wird.   So  oft  iie  Och  tind  andere  alt  die  ei> 
gcntlichen  Urheber  derlelben  betrachten,  €o 
fehen  fie  dic  Zeit  fvir  nichts  an;  die  ganze 
Reihe  von  Verinderungen»  die  fie  erfahren 
haben»  verfchwindea  vor  ihren  Augen,  und 
fie  dciiken  nicht,  dafs  der  Grund  des  Ent- 
fchlufset  nim  Guten  oder  zum  Biifen  in  ihrett 
vorbergehenden  ZtiilSndent  fondera  aJiein  m 
ihreni  Wille  licgc.    Dcr  blofie  Gedattke  der 
Verbiiidiichkcit  etwas  zu  thun  oder  zu  lafTen, 
ietst  voraiis,  da&  Zeitbedtngtingen  nicht  dat 
gauzc  Wefcn  dcs  Menichen,  nicbt  die  Ver- 
nunft  crc£Fcu.   Sie  wird  fo  augclchen,  alt 


iey  (te  unveflnderlich,  vmd  mttAt  ▼on  «lleai» 
wat  iti  der  (innUchen  Nacur  <ies  Menfchea 
vorfeh^  gar  nieht  aKictrt. 

So  lange  es  mir  aufs  Handeln  ankommf, 
Ib  <lcnkt  fich  ^cr  Unwiflieadstey  wie  der 
AufgekHrtette,  alt  ein  Weleny  datdenGe- 
fetzen  <ier  Natur  nicht  unterworfen ,  fondern 
den  GcictBen  der  Vemunft  tu  folgcn  vemio* 
gend  itt.  SoU  nun  aher  irgend  eine  Hand* 
huig  auf  entfemte  Griiiide  zuriickgcfiihrt, 
odcr  foU  crklart  werden»  wie  der  gaoze  Cha- 
rakter  cineaMcnlchenentftanden  ut:  ib  liegt 
fchon  in  der  Aufgabe  lelhtt,  dafi  fcne  und 
diefer,  in  Bezichung  auf  die  Sinnenwelt  be- 
trachtet  werden*  Denn  von  der  Vemunft 
kann  man  nicht  lageny  dafi  fie  vorhergehen- 
dcr  Griinde  bediirfe ,  um  die  Willkiihr  zur 
Handlung»  odcr  vorhcrgchender  Zustande^ 
um  den  Oiarakter  einet  Menlchen  f  u  bettiiii- 
men.  Bey  der  Unmoglichkeit,  die  Vernunft 
fclbst»  oder  ihrc  VVirkungsart,  unraittelbar  zu 
fthauen,  hey  der  gSnsUchen  Verborgenheit 
alJcs  deffen»  waf  nicht  der  Rnum  uad  dieZeit 


986 

eialclilielteiif  lit  et  uitf  uberhauptttiiilioglidiy 

etwas  zu  erklareii,  das  lich  auf  den  Men- 
(ch.cn,  als  eiii  uberiiiuiliciics  Wefeu,  beueiiU 
Nur,  daiser  etn  iblchet  Weienisf,  liegtiu  fcU 
uem  unmittelbarcn  Bewuistieyn.  Was  der 
Verstand  aifo  libcr  die  Griindeeincr  Haudlungy 
oder  uber  die  Cntftehung  einet  Ciuurakteri  «i 
erforichen  wmag»  beruht  auf  etner  Verbin« 
dung  nacb  Naturgefetzcn.  Vcrgaugenheit, 
Gegenwart  und  Zukunft  vverden  mit  einaiider 
▼erkniipft,  undbeydiefenZeitverhaltnifsen  itt 
eine  bedingceNothwcnciigkeit  unvcrmcidlich* 
Die  Frage:  wanim  Cud  einige  Menichen  gut 
und  andere  b6fe?  kann  gar  nieht  beantwor* 
tct  wcrdcn ,  fo  lange  wir  fic  als  tiberfinnliche 
Wefen  bctrachten,  und  gleichwohl  muflen 
viit  fie  to  betraehteiiy  wenn  Zureehnung  Statt 
findcn  foll.  Sefaen  wir  fie  altNatttrwcfcn  an, 
von  dcncn  wir  angcbea  kduncn,  wie  fie  nach 
nnd  nach  durch  Anlagen,  Umttlnde  und  Ver<* 
hiltnilte  gut  oder  hoCt  geworden  find  t  fo  er« 
fchcinen  fie  als  nothwcndig  bcstimrat,  fo  lu 
leyn  wie  fie  iindi  und  da  waie  Zurecimung 
gac  nieht  mdglich.  Finden  wir  diele  in  der 


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Vcrniinft  gcgnlndct,  fo  gcfchieht  cs  luitcr 
dcK  doppclten  Vorausfetzuug»  dais  der  Cha- 
nktor  eincs  Menicheii  nicht  von  dem  'iursera 
Einfliilse,  ibndern  von  cler  Sclbstthatigkcit 
hauptrichiich  bestiraint  wcrclc,  und  dafs  cr» 
fo  wie  cr  tinf  ericheint»  mit  dem  uberein* 
•timme,  wie  wir  ihn  erkennen  wtirden,  vnnn 
wir  iii  das  Innrc  dcs  Meafcheu  dringen  konu- 
ten.^)  Denn  wtr  denken  unt  einen  Zuiammen* 
hang  cwiichen  dem»  wat  von  uns  in  der  Sin* 
ncnwclt  gcfchieht,  init  dem,  was  in  unfcrcr 
uberOnnlicheu  Natur  liegt.  Der  Wiiky  der 
fich  in  jener  auiiert,  wird  ak  der  Wille  von 
dicfcr  angcfchcn.  Er  ist  fittlichti  k  '^^^cr  bofc, 
nach  dcin  cr  als  dcr  Willc  eincs  frcycn  vcr« 
ntinftigen  Weicns  angelchca  werden  kann, 

♦)  Der  Charakter,  dcn  wir  wahrnchmen ,  heifst 
empirifch,  und  derjcnigc,  dcn  wir  dcn 
Grvmd  davon  anfchcn,  hcifst  inrclligibel. 
lcncn  kann  mnn  auch  fchr  gut  die  Sinnes- 
art,  und  diefcn  dic  Denkungsart  ncn- 
nen,  da  dcr  crstcrc  in  der  Sinnenwclt  wahr- 
Jicnommcn  ,  und  der  lcci:tcrc  io  det  Vccstan- 
dcswelr  nur  gcdacht  wird. 


—  288  — 

oier  nieht;  Wer  das  Sittlichgute  nidit  ni 
leinem  letften  Zweeke  mtcht,  errehetnt  alt 

cin  Menrch,  wclchcr  nch  fclbst  hcrabretzt, 
und  denGefetten  derSinne  unterwirlt.  Wer 
lich  von  (lie(en  imnier  fircyer  macht»  iit  dcr 
Achtungswiirdige,  der  fcine  hohere  Natiir  zu 
hchaupccn  iticht»  und  die  Wtirdc^  altvemunf* 
tiget  Welen»  (einen  eignen  Geletfen  tu  lbl« 
§<:i\,  mit  vollcm  Rcchtc  vcrdicnt. 

Da  nun  alle  Zureehntmg  atif  der  Beur* 

theihmg  der  Sinnesart  *)  beriiht,  die  wir 
aii  dem  Mcnfchcn  wahruchmcn»  und  doch 
auf  dic  Dcnkungtart  defTelhen  geht»  die  wtr 
nicht  kennen;  Ib  itt  tmt  die  eigeutliche 
Moraiitat  der  Handluiigen,  rdbst  dic  unicrt 
eignen  Verfahrent»  ganslich  verhorgeik 
Denn  wir  konnen  in  keinem  Palle  angeben, 
wic  vicl  von  dcm  Chara^^cr,  den  wir  beur- 
theilen»  eine  Wirkung  der  Freyheit,  wie 
viel  der  bloiten  Natur  und  dem  imver&hul* 
dctcu  Fchler  des  TemperamcutSy  odcr  dclTcn 

S.  die  voiige  Kott. 


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—  289  — 

gluckllchen  Bcfchaifcnheit  zuzufchrcibcn  fcy. 
Danufl  felgt  aber  nicbt,  dait  gar  keine  Zit- 
xeefamtng,  gar  keine  SehuM  und  keln  Ver- 
dicnst  Statt  Bndc.  Dcn  Menfchcn  blos  nach 
dem  beurtbeilen,  wat  er  nacb  und  nach  in 
der  Sinnmielt  gewoiden  itt,  ohne  Riiek- 
fichtaufdas  zu  nchmen,  was  er  felbst  dam 
beygetragen  hat,  streitct  nicht  nur  mit  den 
Urtheilen  det  gefunden  Verataudei^  fondem 
aueh  mit  dem,  aulTer  Zweilel  geftellten, 
Sittcngerctze,  das  aufhorcn  wiirde  ein  Ge- 
fets  xu  leyn,  wenn  die  Beobacbtung  oder 
Verletxung  deflelben  ala  gleichgultig  ange* 
fehen  werden  konnte.  Atich  dringt  fich 
der  Gedanke  an  VcrJienst  und  SchuM  niit 
dem  Gefiible  der  Freybeit  |edem  Meiifcbeii 
atff 9  der  im  Stande  der  Belbnncnbeit  i$t. 
Diefcs  imd  jenen  fur  Taiifcfaung  crkl';4rcn, 
hei&t  bebaupten,  da(i  die  Vemunft  aiif  eben 
dielblbe  Weife  wirken  muffe,  auf  welcbe 
dcr  finnliche  Thcil  iinrercr  Natiir  wirkt. 
So  otfenbar  diefcr  Fehlfchiula  ist,  fo  ist  cs 
doch  ichwer  denfelbcn  7.tt  vermciden,  wenn 
T 


—  ago  — 

cs  «iif  Erkctintnirs  uud  niche  auf  Handlung 
ankomnit.  Wovon  keine  finnliche  Voritel- 
hmgt  keine  Erfkhning  moglteh  iie,  dai  wird 
dem  Menfchcii  fchwcr  zii  f.ifleii ,  fo  wie  es 
ihm  fcUwct  wird  xu  handehi,  wo  ihn  keine 
Aiisfichc  auf  aogciiehnie  Enpfindiing  rciCir* 
Uiberdiefi  frret>r  er  fo  gcrn  liber  dcn  Kreii 
hinaus,  iu  wclchcm  fcinc  Erkcnntnifs  cin- 
gefchrankc  isc.  Wer  fich  nun  nichc  genugeti 
ISiic  tu  wifTen,  dafs  die  Vemtmfc  wirkc» 
foudcrn  auch  crklarcn  wie  lic  wirkt^ 
kann  dte  Vermifchung  des  Sinnlichen  mit 
dem  Uiberfinnliehen,  deflen  was  im  Raiime 
uiui  lu  dor  /cit  ^jfchieht,  rait  deni  vvas  von 
diefen  Formen  uufcrer  Erkcnntuifs  uuab- 
hingig  isc»  nichc  vermeiden»  iind  er  muls 
dann  dcn  einen  Theil  feiner  NaCur  gleich» 
fam  dcm  audern  aufopfcrn.  Es  gcht  ihm» 
wie  den  meiscen  Menfchen,  die  durch  Griiude 
von  erwas  liberreugt  werden  follcn,  das  mic 
ihreu  gcwuhnlichcn  Vorstclhmgcn  strciceC. 

Als  d.is  Dafcyn  dcr  Gegenfiirslcr  zucrst  be- 
hauptct  wurde,  fu  frhica  dicfs  etwas  widcr» 


(iiiiiiges'.  Die  Erfahrung  hat  niiii  zwar  die 
Wahrheit  davoo  auflcr  allen  Zweifel  gettellt« 
iindl  ketn  Menieh,  der  fieh  ntir  einiger 
Kemitnirs  rtihincii  will,  darf  au  diefeui  Da* 
ieyn  sweifeln*  Der  Giaiihe  an  die  runde 
GestaJc  der  Erde  hac  fich  fatt  wie  clie  aua- 
geinachteste  Verntiiifcwahrheit  verbreitet. 
Wenn  er  aher  iiberhaupt  nicht  mir  annehm* 
lich  gemachty  fondem  gegen  feden  Einwurf 
Vcrthcidigt  werden  fbll:  fo  diirftc  diefi 
wohl  ichwerlich  lur  Seiriedigung  dcs  ge- 
meinen  Verftandes  gefchehen.  Wie  iit  ea 
moglich,  wiirdc  inanchcr  fragcii ,  dafs  dic 
Entgegeiiwohnciiden  nichty  fo  zu  fagen»  ia 
den  Himmel  falien?  Man  tiehe  doch  nur 
eine  Linie  von  der  ObcrflSche  der  Erde 
durch  dcn  MittcJpimkt  derfelbcn  bis  an  die 
entgegengefetxte  Seite»  ib  trift  fie  auf  die 
FttiTe  der  dafigen  Men(chen,  iind  geht  von 
da  weiter  bis  an  den  Hinimel ;  diefen  haben 
fie  alfo  nicht  iiber  fondern  imter  fich.  Aiif 
diefe  Einwendung  mache  man  nun  noch  fo 
deutlich,  dafs  dic  BegrifFc  von  obcn  unJ 
«nten  nur  aiif  iedea  Qn  auweudbar  fiod# 


—  "~ 

m  maa  fich  befindet;  dals  €c  bey  {entr  ge* 
nden  Liuie  vom  Mittclpunkte  der  Erde  an 
gerade  uingekehrt  genommen  werden  miir- 
kUf  uud  daft  fblglich  clie  Liiue  niir  in  der 
Phantafie  nicht  aber  in  der  Wirkltebkeit 
gezogeu  wcrdleu  kann :  fo  >wurde  durch  die 
Grtinde»  welcbe  fiir  dide  Behatiptungen  an- 
geftihrt  werdeo,  der  gemaehte  Eiowiirf  wohl 
niedergerchlagen ,  volle  Uiberzeugung  aber 
nur  ielten  bewirkt  werden,  wenn  man  itch 
nicht  am  Ende  auf  eine  ungetweifelte  Er- 
fahrung   bcritfen  konnle.     Wohcr  dicfcr 
Widcrstand?-*  dabcr»  dalf  keine  finnliche 
VonteUuug  von  einer  linie  mogbeh  ii^ 
die  ob  fie  gleieh  unimteibrochen  fertgehe» 
doch  in  eincm  Piuiktc  aufhorco,  und,  ohne 
mnnikehren»  doch  eine  gam  entgegeo- 
gelettte  Riditung  annehmen  IblL  Der  Ver» 
stand  kann»  nach  gegebenen  Erfahrungen  • 
nor  die  hlothwendigkcit  dcr  Sache  fiuren» 
ohne  die  Moglidikeit  derielben  lu  eriJireii 
oder,  mit  andern  Wortcn,  ohne  fie  mit 
der  iinnlichen  Aufchauung  zu  vercinigen. 
Wer  nun  die  letKteie  ab  eniicbeadend  uber 


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die  Wahrheit  anfieht,  wird  in  dicieiii  Bef- 
i^ieJe  eiaeu  oflknbafcn  Irrihtim  aiifiiehiiieii* 
Auf  cinc  gani  ahnlichc  Wcifc  irrt  fich  der- 
jcnigc»  wclchcr  die  Frcyhcit  dcs  McnTchca 
Hufiiet,  «mU  fie  mic  der  Verkettung  aller 
Dinge  streitety  tind  weil  man  keine  An- 
ichauung  von  dcr  Art  habcn  kann,  wie 
Ternitiiftige  Wefen  an  fieh  wirlKen* 
In  beyden  Fillen  werden,  alc  entlcheidend 
uber  dic  Wahrheit,  VorstcUuugen  angefehcn, 
die  aicht  cntfcheiden  konnen.   In  dem  enten 
Falle  folt  die  Sinnliehkeit  uber  den  Verttand, 
in  dcm  zweyten  der  Vcrstand  ubcr  die  Vcr- 
nunft  richten*  I^cs  von  dicicn  Vcnnogen 
hat  feine  eigenthumiiche  Einriebtung  und  ei> 
nen  fich  darauf  beziehcndcn  Wirkungskrcis. 
Wird  oun  das,  was  in  dcm  eincn  licgt,  in 
cinen  andem  gesogen»  ib  entsteht  Irrthum 
nnd  TSttlchinig—  imd  twar  hattptilehlich 
dann,  wcnn  cin  niedrcs  Vermcigen  iibcr  cia 
hdhcres  entichcidcn  ibiJ.  IndefiGeo  Jtann  atich 
der  Fall  eintreten,  dafs  man  die  Tatifchiuig 
in  dcm  Sinne  fiicbt^  wcnn  fic  in  dem  Ver- 
ststtdc  iicgtt  Zum  BcyipicU  vcrmoge  dcr 


—  294  — 

GefeCic»  tiach  deueo  ficb  der  Sinn  des  Ge« 
fichtt  fichtet,  iniiiren  «ir  eine  lange  Allee  am 
Ende  ciitwevier  vcreiigt  oder  gar  fo  fpitzig 
icben,  dafi  lich  awey  Baiime  iii  cincii  verci- 
iiigen.   Dat  Geficht  an  und  ftir  fich  triigt  tmi 
liier  nicht.    Lin  Betrug  fende  nur  dann  Statt, 
«enn  ciuc  Abweicbuiig  voii  dcn  Gcfctzen  gc- 
ichahe»  nach  velchen  viir  Vorstelluogen 
durch  die  Augen  erhalten.   Diefs  ist  aber  in 
dcm  angefiihrtenBeyfpicle  nicht  «^erFall.  Tm 
Gegeniheile  vi-^rdc  es  eiiie  Abwcichung  von 
den  Gefeisen  des  Sehens  feyn,  wenn  die  Baii- 
mc  ciner  Allee,  vom  Anfangc  bis  ans  E«d« 
derfcibcn,  gleich  Wv.'it  von  cinandcr  erfchic- 
flciu   Kein  Menrch  denkt  an  einc  Hkufchuiig, 
wenn  er  die  Gegenstande  in  der  N£he  gr5iser 
als  in  dcr  Fcrnc  fieht.    Ist  nun  dic  angefuhr- 
te  Erfcbeinimg  ein  gaoi  ahnliclier  Fall ,  >Mr- 
um  «ird  denn  da  von  etner  Taufchung  der 
Sinne  gcfprochcn?  —  Blofs  darum,  weil  wit 
nicht  bey  der  cigcnthilmlichcn  Wirkungsart 
des  Gefichts  stehen  bleiben,  ibndem  ein  Ur. 
thcil  cinmifchen,  das  fo  lautet:  was  gleidi 
ist»  UM&  aligieich  empfundcnwcrdco.  Hicr- 


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von  ist  abcr  mir  fo  viH  wahr,  dafs  dlas  Glei- 
che  an  iind  fir  Hch  nicfat  ungleich  feyn  kon- 
ne,  nicht  aber»  et  auch  von  nniern  Sin« 
nen  unter  allen  Umstteden,  Ib  gefaftt  wer« 
den  miinie.  Aiich  wilTen  vair  diefs  fehr  wohl» 
wir  vergeflen  es  aber  leicht»  wenn  dieGieich- 
heit  undUngleichheit  fich  auf  eine  fehrmerk- 
liche  Weifc  darstellt,  wie  in  dcni  angefiihr- 
ten  Beyipiele.  Die  vorderc  Brcitc  dcr  AJlee 
if t  nach  angettellter  Erfibrung»  mit  der  ent* 
lemtern  gleleh,  undweil  fie  fiehdeiren  unge» 
achtct  als  ungleich  darstellt:  fo  glaiibcn  wir, 
es  gehe  eine  Taufchung  des  Gefichts  vor,  da 
doch  eigentlich  nicht  Jieles ,  fondern  unfer 
Urtheil  tatifcht.  Das  letztere,  und  nicht  die 
finnlichc  Erfcheiinitig,  niufs  bcrii  htigt  werden* 
Umgekehrt  ware  der  Fail,  weun  wir  daraus» 
dafi  twey  glcich  groitie  Sachcn  unglcich  er> 
(cheinen,  fchlicfsen  wolltcn,  das  Glcichc 
konne^  an  und  fiir  fich»  ungicich  fcyn.  Uod 
dtels  iit  etwas  ahnliches  mit  deui  SchJuAey 
dals,  weil  uniere  Handlungcti  nsch  den  Na- 
curgcfctzcn  be.!in^!i:ci!\svenrJig  tiiid,  iic  aucii 
«n  nod  fur  fich  als  nothwendig  ange* 


—  396  — 

fehen  wetien  muiTen.  Uier  xicbt  der  Vcr« 

staiid  in  clic  Grciiicti  fcines  Geblel»  wai  in 
dcm  Gcbictc  der  Vcriuinft  liegf.    Was  als 
Er(chcinuttg  notbwendig  isr,  kann  in  andcrcr 
Riickficbt  fchr  wobl  ah  nicht  notbwendig  tn« 
gcfchen  werdcnj  was  iiach  cincm  Natiirge. 
fctse  erfolgen  muis»  kanu  nach  dcm  Sittcn- 
gefetf  e  alt  unmoglidi  betmchtet  werden»  und 
fo  aucU  umgekehrt.   Dcnn  fo  wle  derGnind* 
fatx,  dtisdas,  was  glcich  ist,  nicht  iingleich 
feyn  kann,  tuf  kcine  Wcifc  dadurch  vcr- 
<li9ngt  wirdy  dtfi  lur  unllere  Sinne  gtns  glei* 
chc  Dinge   doch  unglcich  erfcheincn, 
ebcn  fo  wcnig  kann  dadnrch,  dafs  dcr  Ver- 
sttnd  tllcs,  vts  wir  von  dcr  Sinncnwclt  wif- 
fen ,  in  cuie  nothwendige  Verbindung  (etit, 
bcwiefcn  wcrden ,  dafs  dcr  ganie  Mcnfcb  nut 
als  cin  ieidcndcs  Glicd  in  dicfcr  uuuntcrbro- 
chenen  Kette  der  Dinge  sti  betrtebten  fcy. 
Dicfs  ist  cr  nur  in  Abficht  des  finnlidien» 
nicht  abcr  in  Abficht  dcs  ubcrfinnlichen 
Thcils  felnes  Wefcns.  In  ihm  ist  Natur  und 
Vcrnimft,  Notbwendigkcit  und  Freybcit.  — 
tr  ist  im  Raume  und  in  dcr  Zeit,  und  er  ist 


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nigleich  uber  diefe  Sehrankai  erfaaben.  — • 

Er  ist  frenidca  Gefetzen  unCerworfeo,  iind 
iuiiii  leiiieii  eignen  foJgen. Sein  Wille 
crfcheint  ali  der  Natur  untergeordnet;  er 
kann  abcr  auch  diefc  feinem  Willen  luitcr- 
ordncii.  —  So  gcwifs  cndlich  in  (eiaeni 
Bewuiicieyn  Vemunft  hoher  iit  ali  Sinnlich- 
keit:  fo  gewila  liegt  auch  nur  dcr  nicdre 
Thcil  fcincs  Wcfcns  in  dcm  Gcbicte  dcr 
Nothwendigkcit»  und  der  hdhcre  in  deni 
Gcbiete  der  Fxeyheit. 


Endc  dca  er$tea  Theilt* 


Freybergy 

gfdnickt  bty  loh.  Chriit  Fricd.  Gcrlach. 


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Gcmeinfafsliche 

Darstellung 

Kantifchea  Lehren 

Sittlichkeit,  Freyheit,  Gotthdt 
und  Unsterblichkei^ 

m 

Ambrofitu  Bethmatm  BeruhardL 


//.  Thcil. 

Freyberf,  1797. 

;n  d«  Ctazifchcn  Buchhuidlunji, 


Zivey  GegenilSiule  find  et,  die  dea  weienC'* 

lichen  Inhak  jeder  Vbnede  ausmachen  kdn- 
nen—  Jte  Ablieht  einet  Bachs,  und  det 
Gangy  den  es  numnty  iim  dieielbe  lu  errei« 
chen.  Uiber  dicAbiicht  diefetBuchf  hat  fick 


VtthfSet  in  dcr  Vortedc  ntm  mlMi 
TheiJe^  hiiiringiich  erkiarU  hat  er  dagegeii 
iiber  dmGang,  dca  er  ia  fiteiiUiitarlhehiiii« 
gen  genoimiien  hat»  dozt  gar  iiiditi  gelagty 
ib  findet  er  ei  nothig,  bier  einige  kiirxe  Anp 
merkungca  diruber  Toraut  su  lchictok 

Nicht  wenig  Lefer  des  ersten  Theils  wcr« 
den  geglaiibthaben,  der  tweyte  enthalte  Uoft 
die  Lehre  von  dem  Dalcyn  Gotcet  und  die 
Unscerblichkeit  der  Seelei  und  Qe  wurden 
fich  daher  nicht  wenig  wundem,  swey  lange 
Betrachtungen  uber  daf  moraiiiche  Gcfiihl  su 
findeoy  wenn  fie  nicht  im  voraus,  thciJs  auf 
den  Grund  der  Abtheilung,  theilt  auf  die 
Nochwcndigkeit  dicicr  Untcrruchungcn  au£« 
mcrkTam  gemicht  wiirdca* 


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In  dcm  ersten  Thcile  vnr  die  Abficht,  dic 
fiahfe  Beicliafienlieit  det  Slttengelffies  ni 
seigen,  und  dalTelbe  ^uikt  Zweifcl  zu  iieczen. 
Hiermit  hieng  die  Betrachtung  uber  dic  Frey. 
lieit  dct  Wllleiis  «i£  das  geiiaiietfe  siiiam. 
meni  denn  dat  Geretx  tmd  dte  Frejfheit  ma- 
chen  eiiiaiider  gegenfeitig  nothweadig,  und 
•tchen  odcr  fidkn  mit  einaiider.  In  dem 
iweyten  Theile  kommcn  nun  die  Unteriii* 
chimgen,  theilt  uber  die  Wtrkungen, 
«dche  daa  Gdets  auf  daa  Gemiith  dcf  Mcn* 
fchen  hervorbringt,  theils  uber  dic  f  ojgen^ 
welche  ^  Vemttnft  aut  det  Beitimmuiig  dct 
Menfebes  sur  Sittlichkcit  sielit. 

Wat  nun  die  entern  hetrift,  deren  Be- 
irachtung  ailein  einer  voiIittBfen  Rechtforti* 
gung  bedarf:  fo  war  es  fireylich  in  dcm  Gan* 


gCy  wdchea  die  Uateiittcliuiigeii  tm  ertteii 
Theile  oahmen»  itnTermeidliclif  «u£  dieiel* 
kca  hinzudcuten }  et  wurde  aber  auch  imvor* 
aus  (  S.  202.  und  336.)  erinneft»  daft  fie  nodi 
befondert  betrachtet  «erden  wurden.  Din 
NothwendigiLeit  diefer  Betrachtungen  an 
fich,  wird  in  dem  Buche  felbsC  feteigt; 
Hier  find  al(b  nur  noch  die  Grunde  ansuiuh* 
rcn»  wArum  (ich  der  Verfaller  (o  iange,  und 
viclleicht,  nach  dem  Urtheile  mancher  Lefer, 
tu  lange  dabef  auigehalten  hat. 

Man  fiudet  nicht  felten  dieErklSrung,  dafir 
daf  moralifcheGcitihl  noch  inDunfcellieit  ge* 
hiillt  fey}  nnd  wahrrcheiulich  liegt  in  diefcr 
Dunkclheit  derGrund,  warum  in  manchem 
Buche,  welchei  KanttLehriatie  erlSutert  ode» 


uiy  j^Lj  L,y  .GoOgle 


zum  Gru&de  legt,  ubcr  <las  moralifche  Ge* 
aSbl,  uad  dk  dmui  ent^riiigeiide  Sdbitsii» 
friedenheit  eatwedec  gar  nicbtf  befriedifci^ 
dei»  oder  manchet  geiagt  wird,  was  jeaen 
LchrAticn  wider^cicht.  D»  «m  der  Vefu 
fifler  dielelben  deutlich  su  ilealLen  giaubte^ 
uod  ohnc  Eiorchraal^ung  wahr  fand :  fo  nvat 
ct  natiiclidi»  dafi  cr  cine  cCwif  weitlluftigc 
AiiieinindcTfetiung  von  Lehf{)ltseii«  die  Vie> 
lea  duakel  fchieoen,  uod  woa  Aadern  (oach 
fciner  MeinuQg)  nut  UnreehC  iSr  einleitif 
crlLlXrt  wurden»  fSr  nutslich  und  nothig  hielt. 
Hat  er  fichgeirrt»  fo  isterbereit,  jedegrund- 
lifiheZureehtweiiiingaiininelmieib  Nurdielb 
inuis  er  noch  eriaaero»  dais  er»  um  cin^  fir 
die  Abficht  diefesBuch^  sn  groise  Weidiul^ 
tighieit  stt  vcmeideOf  nocb  lieles  weggelalL 


km  lut,  wat  cr  tm  tiugefiihrt  liStte»  ttnd 
^lieicht  M  einem  «udeca  Orte  aufiuhreit 

freyberg»  den  lo.  Miy  1797. 


dm  ffiorMUfihcH  GefilhU^  als  dn 
Triebfedcr  dtr  fractifcbcn  Vtfmaft. 


Jeo  Gnmd  imd  die  eigendidie  Be- 
fchafFcnheit  delfen  zu  iiiiJen ,  was  man  Sitt- 
lichk.citneaat»  fragten  wir  die  Urthcile  dcr 
gemetnen  Vernunft  tlber  den  Werth  aller» 
lur  den  Menfchen  «richtigen  Dinge  tiber- 
haiipt ,  tuid  feiner  Handhingen  insberondere  \ 
Und  wir  fanden»  daft  diefe  Urtheile»  weit  e^t* 
fiemt»  den  unmittelhar  «ngenehmeniEmpfin- 
dungen  oder  den  Mitteln  dazu  den  hochstcn 
Werth  beyzuicgen,  dcnfelbca  vieimchr  in 
den  guten  Charakter  letien,  ohne  wel* 
chen  felbstder  aiigenehmsteZustandy  und  der 
Bcfitz  und  Gebrauch  aller  Mtttel  denfelbeu 
ni  erhilten  nicht  begehrungswerth  ley.  Als 
wir  nmi  weiter  fragtcn^  wa$>  nach  der  Ent* 


U 


fcheicUing  det  fur  gcfimd  gehaltcaen  Verstan* 
det,  der  gnte  Charakter  ley»  und  in  dieler 
Ruckficht  Hic  Eigenfchaftcnbctrachtctcn,  wcl» 
che  gleichfam  die  Bescandtheile  denelbcn  aus* 
nachen:  fanden  vrir  die  Wohltbitigkeit  der 
Gerechtigkeit  ttntcrgcordnet.  Dtirch  die(e 
Untcrordniing  wurde  cs  offenbar,  dafs  felbst 
die  Sympathie»  deren  Befricdigiing  aiierdinga 
sur  eigncn  Ghlckfeligkeit  gerechnet  werdcn 
kann,  nicht  dcn  wahren  Grund  des  gutcn 
CharaktcTf  antmachen  konne.  DennGerech- 
Cigkett  mtift  oft  dann  getibt  werden,  ifena 
Syinpathie  nicht  wenigcr  als  die  eigentliche 
SclbstUebe  lcidct.  Da  alfo  gar  kein  tmmito 
telbarer  Ziilammenhang  swifchen  dem  Stre* 
ben  nach  angenchinen,  odcr  der  Abwendung 
iinangcnehincr  Einpfindungen ,  und  zwiTchcn 
der  Handhwgsweife,  die  dem  Menfchen  von 
giiten  Charakter  ciige(chrieben  wird,  angetrof. 
fcn  wurdc,  fo  fragten  wir  wcitcr:  wat  isC 
denn  der  letxte  und  hochtteBettimmungt- 
gijittd  (einet  Willentl  Die  Pflicht,  war 
hier  die  Antwort ;  und  die  Entwickehing  dcs 
Begriffct  der  PflichC  leitetc  au£  dai  retnc  Vec 


—  305  ~ 

auiiftgebot»  nur  foicbe  Rcgcln  in  un^ 
ferm  Verhalten  su  beobachCen,  die 
nach  unrerm  Willen  allgemeioe  Ge- 
fetzc  wcrden  kdnncnt 

Dm  Hauptgebot  <ler  Sittlichkeit,  nach 
wdchem  alle  einselne  Maximen»  und  folglich 
alle  Handhragen  xu  betirrheilen  find,  nnd 
groTstentheilt  beiirtheiJt  wcrJcii,  bcruht  dem- 
rach  nicht  aiif  dcm  Triebc  nach  GliicJsjfelig- 
keity  rondem  auf  dem  Wefen  der  Vemunft, 
Auch  lieft  fich  leigen,  theils,  dafs  die  Ver- 
nunft  entwcdcr  mit  den  Handluugcn  gar 
mchtt  ftu  thun  habe»  oder  ienet  Gelefs  ali 
den  Inbegrif  aller  fittlichen  Regeln  aufstelle ; 
theils,  dafs  kcin  Mcnfch,  dcr  zur  Bcfonnen- 
heit  gelangt  ist»  das  Sittcngeiets»  ais  eine  in 
feinem  Bewuisdcyn  liegende  Thatfiichey  ab* 
liiugnen  konne.    Und  wurde  hierdurch  auf 
dcr  eincQ  Scitc  alicn  Einwendungcn  begegnctf 
ivelche  gegen  den  Grund  der  fittlichen  Hand- 
lungsweife  gemacht  werden:  fo  wurde  auf 
der  andcrn  uicht  wcnigcr  dcr  Irrthum  dcr- 
jenigen  aufgcdeGkt»  welchc  auf  Selbstliebe 


—  304  — 

imd  Sympadiie  eta  Geieu  fur  ^  Handlini* 
gen  grtinilea  su  konnen  glauben»  Diefe  na» 

tiirlichenTricbe,  weit  entfcrnt  allgcmcingiil^ 
Cige  und  imveranderliche  Regelu  dcs  Verhal* 
tens  an  die  Hand  tu  geben,  rollen  vielmehr 
der  unbedingfgebiethenden  Vemunft  unter- 
worfen  werdcn ,  fo  oft  fie  nicht  ohne  Vcr- 
letfung  f enet  GeboU  beiriedigt  werden  kon* 
aen.  la>  eben  iveil  diefeUnterwerfung  nidit 
ohne  Widerstand  feyn  kann ,  wird  dic  Hand« 
lungsweiie,  welche  aut  dcr  Vernunft  flieist, 
sam  Gdwte. 

Nachdem  nun  nicht  nur  der  Grund,  ibo* 
dem  aueh  tugleich  die  wahre  BeichalSenheiC 

dcs  Sittcngetcttcs  aiifrcr  Zwcifcl  gefctit  wor- 
den  war»  betrachtcten  wir  ein  Vcrmogen  des 
Menicheny  ohne  iielches  die  Gebote  der 
Pfltcht  von  gar  keinerBedeutung  ffir  ihn  Ceyn 
wurden—  das  Vermugen,  fcincn  Wiiicn  nach 
den  Vorstellungen  von  Recht  und  Unrecht» 
von  Gut  und  Boley  xn  bestimmen.  Dabey 
war  wicdenim  nicht  etwa  das  Dafcyn  ciner 
Krafc  su  beweiieii»  die  Gck  in  einselnen  Men* 


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ichen  auf  eine  xigveydeutige  Weife  anknnJigt. 
Im  Gegentheile  ist  die  Freybeit  des  Wiliens 
ib  innig  mk  dem  Bewuii  cieyn  imiercr  Ezif  teng» 
nlf  vernilnftiger  Wefeii,  verbnn^len,  und  ItegC 
der  Bciirtheiliing  allcr  Handluugen  in  Rilck* 
ficht  auf  ikre  Ciite  und  Verwerfliciikcit  A>  uu- 
eingercbfXnktauni  Grunde»  dais  nodi  nicnuuul 
|e  das  Gcfiihl  diefcr  Freyhcic  gcliiignet 
liat.  Aile  iich  darauf  beziehenden  Spccuia- 
tionen  uelcn  nur  daliiny  dadclbe  liir  Tlii» 
fchiing  zu  erkriren,  oderals  eine  Folge  eigen- 
tbumlicber  Krafc  zu  rechtfcrtigen.  Um  das 
Letztcre  su  bewerktceiiigen»  muitten  dic  Ein* 
wendungen  geboben  werden,  welebe  voa  der 
Verkniipfung  aller  Dinge  nach  den  Begritfeit 
von  Urlacbe  und  Wirlumg,!  uiid  dcr  daraus 
entstcbenden  bedingten  Natumothwendigkcit 
aller  Handlungen  hergenommen  werden.  Es 
wurde  tu  dicicr  Ruciificht  gcxcigt»  dais  et 
widerfinnig  fty»  ettt  Vcmogcn  dcs  Men* 
leben  deswegcn  zu  liiignen»  weil  es  mit  dcr 
Anficbt  der  Dingc  streite»  die  aus  einem  a  u- 
dern  Vennogen  flielst;  dals  |edes  leine  el* 
genthuoilichc  Einiichtung  iiabe»  dafs  daher 


3o6  ~ 

jecle  mit  Bcfonnenhcit  verbunJenc  Handliing 
auf  der  ciDem  Seite  als  bediugt  nothwendigy 
auf  der  andern  alsdieFoIge  derFreyheif»  und 
der  Mcnfch  fclbst  als  ein  zufannnengefefztes 
Weien,  das  von  Naturgefetzea  abhiogig  und 
unabhSlngig  fcy,  betrachtet  nverden  muifti» 
Zuglcich  folgte  aber  auch  aus  dteier  DarsteU 
lung ,  dafs  cs  dein  Menfchen  unniogiich  fey, 
von  fich,  als  einem  uberfinnlichen  Wefefly  et* 
wasmehr  £u  erkennen,  alsdafsereinrol- 
ch  e  s  f e  y.  Denn  um  die  l^rcyhcit  mit  der  Na« 
turuothwendigkeit  su  vereinigen»  wurde  ge* 
fcigf,  dafi  Zett  und  Raum  als  blofse  For* 
incn  unfcrcr  fiiuilichen  Erkenntnifs,  und  alle 
Dinge,  die  wir,  vermuge  diefer  Formen  er- 
keimen,  als  Erfcheinungen  anzuleheii 
find,  dcrcn  cigcntlicher  Grund  uns  »iner- 
forfchlicb  bleibt.  Wird  uns  alfo  durch  das 
Sittengefetz  die  Ausficht  in  eine  liberfinnliche 
Wclt  erofnet,  von  den  wir  felbft  Glieder 
find :  fo  konnen  wir  doch  kcine  eigcnthche 
Erfahrung  davon  haben»  indem  diefe  stets  ia 
den  Schranken  der  Zeit  und  des  Raumt 
eiugefchlofscu  isH  und  die  cigeutliche  Mo« 


fililic  firemcler  Ibwolil  ab  eigner  tfiiidluii- 

gen  blcibt  iiiis  iii  fo  fcrn  gaiiz  vcrborgen»  als 
vir  nie  iagen  konnen,  wie  viel  die  Freyheit, 
und  wie  viei  «Ue  Natur  Antlicii  an  denlcibca 
habe. 

Aus  der  Unmoglichkeit,  eine  Erfahning 
iibcr  <lie  Wiliensbctdnmuing,  alt  einem  AIlIc 
der  blofienFreyheif,  lu  habcn,  folgt  aueh  die 
Unmuglichkeit,  die  freyc  Selbstthiitigkeit  je 
bcgreiflich  xu  machen.  Wenn  wiraber  nicht 
«iiXen  konnen»  wie  ein  freyer  Wille 
moglich  fcy ,  oder,  welches  eben  foviel  iagt, 
viic  er«  an  und  fiir  Ci(;h,  durch  cin  Gefetz  bc- 
•timmt  urerde:  fo  kdnnen  urir  doch  iragen» 
wclcbef  iit  dat  Mittel ,  durch  frelchet  in  der 
Sinnenwelt  dem  Sittengefetze  Einflufs  auf  das 
Gcmitth  dcs  Mcnfclicn ,  als  eincs  aulammcfi- 
geietxten  Wdeiit»  verichaft  urerde;  und  diefe 
Frage  ist  von  heiner  geringen  Bedeutimg* 
Denn  wir  follen  nicht  nur  felbst  in  der  SiOf 
nenwclt  alt  frcye  Wcicn  handcin»  ibndem 
•uch  dat  Unfirige  bcy trageu ,  dafi  Sittlichkcit 
immer  mehr  verbreitct  wcrde ;  und  das  Ver- 
&hrcn  dabey  hSingt  doch  offcnbar  von  unfe- 


—  joe  — 

rer  Einfielit  in  ^at  VerhlUniifi  der  Venmiilit 
xurSinnlichkeit  ab.  Ohne  diefe  Einflchc  tap- 
pen  wir  gleichfiiiii  ini  Dtnikelii.  Nim  £Shct 
swar  lchon  die  ^argetlellte  Natur  der  Sitt- 
liciikett  darauf,  dafs  allc  Bcwcgimgsgrunde 
ittm  Reeht-  imd  Wohlthun»  die  ▼on  dcr 
Selbstliebe  hergeaommen  mcrdleii,  die  eigent- 
lich  gute  GeHnnung  nicht  gniuden,  rondern 
oft  eiier hindemi  und angefuhrte  unlaughace 
Erfiihnmgen  ceigen  ubenlieit,  daft  die  Vor> 
haltung  Jer  PBicht  oft  da  Eindnick  mache» 
allc  anderc  Trichfedeni  nichts  vermogen. 
AUein  eritlicb  wird  gegen  die  Befchafienbctt 
und  Wirkfainkeit  dcs  Sittengeferzes  noch  eine 
Einwendung  gcmacht,  die  nicht  anders  ais 
diirch  eine  UnlerfuGhung  ubcr  dat  Vcrhlllt- 
nif  dcllelben  cur  Sinnliebkeit  gehoben  wer» 
deo  kami ;  und  zweytens  kann  durch  dieiclbe 
alJeineiner  moraiiiciicn  Schwinnerey  voi^ 
beugt  werden»  die  eben  ib  icbVdlich  itt,  alc 
das  unaufhorliche  Hinwcifen  auf  die  Vorthei- 
le»  «eldie  dic  Tugend  biiweilen  xufiUig  bcf 
lieh  liihrt  lene  Etnwendung  Ibll  in  der  ge> 
gcnwiirti|;cn  Bctrachtuog  uad  dic  moralifche 


—  309  — 

Schwinnerej  ia  der  folgeadca  lueckc^lchla- 
fon  fieffdcii* 

Der  MaMh  naB»  ist  fo  befchafaif 
daft  der  Betttoiiiiiiiig  fehief  Willeiit  ttett  ein 
Gefiihl  der  Lust  oder  Unlust  vorhergebu 
Ettpfindct  cr  niclili,  Ib  befehrt  er  «ueh 
niehtf )  Odulile  find  die  eigentliehett  Trieli- 
fcdern  zu  alJen,  was  er  will  tind  thut^  tr 
liicht  entweder  dat  Angeochme  zu  erhwgeiiy 
oder  dat  Unangenehine  von  fidi  sn  cntfer  nen  t 
iind  diefs  mufi  bcy  der  moralifchen  Willens- 
bcstimmimg  eben  fo  gut  Statt  finden,  als  bcyi 
}edcr  andcfiL  Auch  wird  woU  licinMcniclif 
der  auf  lein  Inneret  Aehtung  gegebcn  hat» 
laugnen  konnen »  dafs  bey  jeder  Unterlaffung 
dct  Boicn  oder  VoUbringuog  dct  Gucco»  dic 
Empfindung  ini  Spicle  ley.  Wcnn  nun  dat 
Sittengefeti  nicht  nur  als  ein  Produkt  der  rci- 
nen  Vernunft,  fondcra  noch  liberdiefs  die 
Erliillung  dcilclben  alt  nit  Unlutt  verbunden 
vorgestcUt  wird,  wie  iit  et  noglich  sn  den» 
iLcn,  dafs  dai  reine  Sittebgefctx  je  EinBuft 
auf  dte  Handlungcn  dcs  Mcnfeiictt  habcl  Ala 


cutfcrnt  von  allem  Gcfiihle,  miifs  es  gleich- 
giiltig  fcyn ;  iitid  als  mit  Unliist  verbimdeiiy 
mufi  cs  vtelmehrWidenCMid,  altEingaiig  fin- 
den.    Wird  dieler  Widentand  zugegeben,  fo 
muTs  dcrfelbe  dochdurch  ctwas  gebobcn  wer» 
den,  iind  dieiet  Etwas  kaim  nichtf  andert  als 
ein  Gefiihl  feyn ,  dat  man  durch  Befolgung 
dcs  Sittcngeretzes  zu  entfcrnen ,  oder  zu  er- 
halten  fucht.   Wenn  alib  der  Menich  fieh  lur 
Ttigend  liberhaupty  oder  zu  einielnen  Aeufie^ 
rungcn  dcrfclben  insbcfondcrc  cntfchliefst : 
ib  hat  er  gewiis  die  Ablichty  cntweder  einca 
Schmerz  dadurch  abz^weiren»  odcr  ein  Ver* 
gntigcn  zti  crlangen,  und  man  kann  folglich 
gar  uicht  f»gen,  dafs  dcr  Wiiie  von  dem  Ge- 
fetse,  foiidcm»  daiii  er  von  dem  OefKihJe  be« 
ftimmt  wcrdcy  welches  auf  die  ErfuUung 
oder  lucbt  Nichterfiiliung  dencibcn  folgt,  und 
von  dem  Menfcben  vorauf  geiehen  winL 
Wie  thorichty  ietzt  man  daher  vielleicht  hin* 
zu,  zuvcrlangcn,  dafs  dieMenfchen,  umcincr 
bloften  Dcnkform  uud  cines  reinen  Vemunft« 
gefctzes  willen»  ihren  Begierden  und  Leiden* 
fcbaftcu  cutiagea  folienl  Mau  zcigc  ibaea 


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viclmchr  das  Elcnd,  in  das  fic  fich  iurch  ile» 
felbe  stiineo,  und  den  Genufs,  den  fie  durch 
die  entgegengeietzte  Handiungsweife  erlan* 
gen ,  vrenn  aan  fle  tm  Tugend  iind  Reeht- 
fchaffenheit  filhren  will.  Wer  andcrs  ver« 
fnhrt,  wird  feinen  Zmeck,  Sittlichkeit  zu  ver- 
iNreiten»  nieerreichen. 

Dieie  Einwendung  kann  nnn  twar  die 
Wahrhett  delfen»  wat  hiiher  uher  die  flttlt* 

che  Natur  de$  Mcnfchcn  gcfagt  worden  ist, 
au£  keine  Weife  niedcrfcblagen.  Weon  das 
reine  Sittengeleti  fchlechterdings  nicht  abzu- 
liugnen ,  ein  auf  Lust  gegnindetcs  hingegen 
unzihligenEinwendungen  ausgefetzt  ist  j  wcnn 
jenes  nach  der  allgemeinen  Anficht  in  allen 
FSlIen  f  vto  die  finnlichen  Neigungen  demiel- 
ben  luwidcr  find,  um  der  dahcr  critstchcndcn 
unangenchnien  HnipHndung  wiilen  als  einG^ 
hoty  uiid  doch  ali  das  letite  und  krSftigste 
Mittcl  zur  Hervorhringung  gewiiferkandluno 
.gen,  zu  deoen  man  wcnig  oder  gar  kcinc 
Neigung  vorausfetzt»  hetrachtet  wird:  fo  ist 
cio  fUfonnenient^  dai  fich  «if  die  TcrmeinN 


319 


lieh  erkaunte  Natur  des  Mearchen  stutxty 
den  Urthetleii  <ler  feineiiien  Vemuoft  aber» 
Ibwohl  als  der  ivefeiidieheii  Form  derielben 
tviJerfpricht ,  nicht  entrcheidend.  Auch  ist 
demfelben  fchon  an  mehrem  Orten  gcmiC* 
lermafien  begegnet*  Allein»  da  et  ein  BedtirT* 
nifs  Jcs  lueiifchlichen  Geistes  ist,  clcn  Wider* 
ftreit  xwifcheu  mehrcrn,  weaigstens  dcm  An- 
lchein  nach  entgegengefetxten  GrundCitsen 
und  Thatfachen  des  Bewufitieynt  tn  heben» 
iindiiiUibereiiistiunnung  aufzuldfcn:  fokann 
dte  UnterAichung  tiber  die  fittliche  Natur  des 
Menfchen  nicht  alt  vollendet  angeiehen  wer- 
den,  fo  langc  nichc  gezcigt  wordeii  ist,  wie 
die  unlaugbare  Thatiache  des  Bewuistfeyns, 
auf  die  fich  jene  Einwcndung  stutzt^  mtt  den 
dargestellten  Lehren  der  reinen  Sittliehkeit 
%n  vereinigen  ist.  £•  foU  aifo  in  diefer  Be> 
trachtung  dargethan  werden»  wie  das  Sitten- 
gefetf  Triebieder  fiir  Iden  finnliehafficirten 
Willen  wcrden  kdnnc,  oder  mit  andern  Wor- 
«oi,  wie  das  Sittengcfett  ieibst  die  Gefuhle 
cneuge,  welche  den  Widerstand  der  Sinn- 
Uchkeit  hcben«   Geliugt  diefe  Ahleitung  dcf 


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—  313  — 

Gcfiihls  von  dem  Sittengefetze,  fo  find  atich 
die  beyden  Bebaiiptuiigeii,  dalf  dai  rcine  Ver- 
niinfcgeleCx  der  Betttniinungf gnind  det  giiten 
WilJens  fcy;  imd  dafs  derWille  ohnc  Gefiihl 
nie  xuEnticbitilsen  undHafldiungc*;  bcscimint 
werde,  vollkominen  vereinbar.  Denn  tn 
bcydcn  wird  die  Sache  nur  aus  verfchiedcueii 
GeiichCfpuiikcen  angefclien.  lu  dcr  ictzcen 
wird  die  Willens bes Ciinniiing  auf  daf  unmic* 
Celbar  vorhergehendc  GcfuhJ,  und  in  der  er- 
stca  auf  dcn  Grund  dcilelbcn»  das  Gelctz,  be- 
sogen.  Und  nennt  man  {cnef  Gefuiil,  ala 
yon  dem  moraliiclien  GeleCfe  gewirkt»  undi 
dcmrciben  gunstig,  das  muralifchc,  fu 
kann  mangleichrichtig  fagen:  derguteWilie 
werdevon  dem  moraliichen  Gefetze»  und 
von  dem  moraiirchen  G  c  f  ii  h  1  e  bcstimmt* 

♦)  Um  indeflcn  dicfe  bcydcn  Anfichtcn  dcs  mo. 
ralifchen  Willens  zu  unterfcheidcn ,  ncnnr 
man  das  Gefctz  dcn  Bestimmungsgrund,  und 
dat  Gefiihl  die  Ttiebfoder  Dieler  Unter- 
ftbicd,  fo  fein  und  Qnbedemend  er  fckeinfn 
nigt  itt  dock  nickc  nnr  gegrundct,  fondcra 
auch  von  Wickcigkeit.  Wcnn  jemand  die 
Liebc  tum  Spiele  aufgiebc»  wdl  er  groftfn 


— -  3X4  — 

Es  htkn  aber  ^ie  auf  den  Gnmd  fener  Ein- 

mendiing  gcbaiitcn  Schlufse  diirch  diefe  Dar- 
stellung  von  felbst  weg.  Dcnn  in  fo  fern 
dat  moralirehe  Gefuhl  ▼on  dem  Ge- 
f e  t ze  gewirkt  wird,  ist  jenet  mit  der  deut- 
lichen  Vorstelhing  von  dicfem  unausbleibiich 
verbuuden,  und  wird  auch  ohne  iweicere  Lob- 
preiTung  feine  Ktaft  auf  daa  Gemuth  iufiem. 

DieHauptfragen»  die  wir  mmzn  beant- 
wortenhaben,  betreffen  die  Art,  wie  das 

Sittengcfctz  fich  Eiiigang  in  das  Gemiith  cles 
MeitTchen  Verfchaft,  die  Abieitung  des 

Vcrlust  erlitten  hat:  fo  istda*;  unangcnehine 
Gcfiihl,  das  den  Vcrlust  bcglcitct,  dicTricb- 
fcdcr  zu  fcincm  Entfchlufse.  Die  Unan- 
nehmhchkeit  dcsGcfiihls  aber  kann  von  dcr 
VorstcUung  des  Wctthcs  dcs  Gcldes  an  fich, 
oder  dcs  damit  zu  bewirkcndcn  Gutcn  her^ 
Kommen.  Und  diefe  Vorstellung  ist  der  Be- 
stimrouQgsgrund  zu  jeaem  Bmfthhifie.  Aus 
der  Verwechfelung  der  Trtebftdcr  nit  dem 
Bescinunungsgrundc  det  Wfllens,  ist  suoi 
Theil  die  Mcinung  cntstsnden,  dsfs  die  gsiw 
«t  Sinlichkeit  suf  deoi  Trlftbt  nteh  GlOck* 
fctiglccii  benihs^ 


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moralirchen  G  cfiihls  von  dct  Wirkung 
des  Gc(etzes  auf  deu  iinnltchafRcirten  Wille% 
uacl  endlich  die  Natur  dieiei  Gefiuhlt. 

Wenn  <ier  Menfch  Cch  im  Stande  der  Be- 
IbnnenheiC  befindet»  (6  miilt  er  die  Richttg- 
keit  und  Vcrbindlichl^eit  der  Regehi,  dic  fciii 
Verhahen»  als  das  eines  verniinftigcu  Wefens^ 
leiten  follen»  nochfvendig  anerkennen,  ibbald 
fie  ihm  auf  eine  detittiche  Weile  vorgehalcen 
werdcn.  So  wenig  er  denken  kann,  dafs  ct- 
«tf  wahr  iey,  was  fich  felhsc  wideriprich^ 
eben  ib  wenig  kann  «r  einen  offenbarea 
Widerfpnich  in  feinen  Willen,  und  zwi- 
ichen  feinen  Urtheilcn  und  Handlungcn  guc 
heiflen.  Er  kann  nichc  lur  fi  e  h  Rechcc  vcr- 
langcn,  und  doch  Andern  keine  zugeste* 
hen;  er  kann  nichtHiilfe  von  feinen MiCmeu* 
ichen  fiir  fich  fordem»  und  es  fiir  gtit 
halcetty  dafier  ebendiefeHulfe  Andern  ver- 
£ige(  er  kann  nicht  ein  Gut  huher  fchatzen 
alt  einanderet»  und  es  doch  billigent  dais 
durch  leine  Handlungen  das  Kleinere  den 
Vorzug  vor  dcni  G  r  6  fs  e  r  n  crhaltc.  Wcun 


m»n  (ich  niin  vorstellc,  dafs  ein  Menfch  aii 
Iblche  ai»  dcc  Natuc  der  Vernuaft  flicisende 
Regeln  ni  eiiicr  Zeit  eciiuiert  werde,  wo  er^ 
denfelhen  zuwider,  im  BegrifFe  ist,  fich 
liu(s  tu  verrchaffca:  fo  miirs  mit  der  EinHcht 
in  ^e  Nothwendsskeit  deiiielbea  uni  des  Ge» 
fettet  willeii  au&ugebeiiy  uiuutbleibliefa  ein 
unangenehmes  Gefiiihl  entstehen.    Dic  Siim- 
Jichkeit  mufite  nickt  Sinniiclikeit  icyn»  wcim 
ihn  der  Verlutt  einet  Geniiitet,  nachdem  er, 
der  Vermmft  zuwider,  strebte,  gauz  gleich- 
guitig  lieit.   Einen  ihnlichen  Schmen  ver- 
urlacht  ^  Gefefix  ttett»  wenn  et  xu  Hmdr 
iui\gen  aufFordert,  welche  keinc  Neiguiig  auf 
ihrer  Scite  haben»  oder  irgend  einer  fogar 
tiiwtder  find»       Denn  jede  Neigung  itt  «u£ 
Gefuhl  derLust  gegriindet,  iind  dieUntrr- 
druckuug  dcrfelben  kuiinca  wir  uos  ebeu  fo 
wenigobiiedieEneugungcinef  entgegcii* 

•)  Wenn  ohnc  finnliche  Antricbe  gchandelt  wcr- 
4en  foU ,  fo  isc  wenisstcns  die  Trdgheir  ztt 
Gbcrwindcn.  und  dcr  Hang  dazu  gnmdet 
fich  ebtn&Us  ttif  Gtiuhi  det  AanehoUach* 
fceit» 


—  317  — 

fefetiten  Geltihls  denken,  als  ivir  denkea 
konnen »  da6  esn  bewcgtCT  Korper  aiilgehal* 

ten  werdcy  ohnc  cinc  eiifgcgeiigeretzte 
fUchtttttg  zu  erhalcen.    Auch  ist  hinlangUch 
gexeigt  worden,  dafi  der  gemeine  Verstand 
da,  vfo  tim  der  KechtrchafFenheit  willen  ir- 
gcnd  cinc  Neigting  aiifgegcben»  und  ohne 
finnlichen  Antrieb  gehandeJt  werden  mu&, 
die  Wtllcnsbestinitnting  als  eine  iinangeneh* 
nc,  mit  innerm  Zwangc  vcrbiindcnc,  Sache 
anfieht,   In  fo  fcm  aiib  das  Sittengefett  alle 
imiMNeigungen  etnfehrSnki;  erregf  es  nodi- 
wcndig  ein  unangenehtncs  Gcfiihi.    Niin  ist 
nicht  fu  riugtten,  da6  Unlusty  an  und  fu> 
fieh»  kein  Antrieb,  fotulem  ein  Hindemift 
fiir  diejenigen  Entfchhifse  ist,  vvelche  dicfe 
Unltist   erzeiigcn  und  iinterhai ten  Wcnn 
aber  diefii  utumgenehmeGefiihl  fo  tu(ammen« 
gefettt  v^rt,  dafs  der  eine  Theil  gleich- 
fam  als  das  Gegcngewicht  des  andern  ange- 
lehen  werden  konttte :  fo  wurde  offcnbar  leyn, 
dafi  die  immittelbare  Wtrkung  des  Sittenge- 
fctzcs  auf  iinfer  Gefiihisvcrniogen  die  Hinder- 
nifle  aus  dem  Wege  raumte,  die»  nacb  unie- 
X 


—  318  — 

fcr  EiAficht,  dic  eiusigc  Uriache  attimaeheii» 
ivanim  die  Menlcheii  nicht  immer  fictlichgnt 
haiideln.  Und  dafs  jencs  iinangcnchme  Ge- 
liihl  wirklich  folche  entgegeiifteheadeTheiie 
enchalce^  «srd  erhellen»  wenn  wir  die  Natur 
dcr  Sinnlichkcit  niher  befracKten. 

Alle  unrere  finnlichen  Ncigungcn  lafTen 
fkk  imter  xwey  Hatiptabthetlungen  bnngeo^ 
von  dcnen  die  eine  in  dem  Wohlwollea 
gcgen  tins  fclbst»  und  die  andere  in  dem 
Wohlgefallenaiiunaleibftbetteht.  lenet 
heifit  befottdera  Selbstliebe  oder  Selbst- 
fucht,  diefcs  Eigenliebc  odcr  Eigen* 
dunkel»  je  nachdem  dieie  Hauptneigimgeii 
entweder  iinbestimmt,  oder  ohne  Sditankea 
gedacht  wcrdcn.       Dic  crstc  dcrfcibca  Ver« 

^  Ei  diif  nichs  imbonerkt  Ueiben»  da(s  die 
Bcitinmiung  diefer  Wdrter  ecwas  von  dcr- 
jenigen  abweicht ,  welche  Kant  davon  giebe, 
Er  bcgreifc  alle  Neigungen  unter  dem  Na- 
men  der  Selbstfucht»  theilc  diefe  auf  die  an- 
gef&httt  Wcife  dn ,  und  nennt  das  Wohl- 
wollen  gegen  uos  Selbstliebe,  oder  auch 
noch  bcfonders  Eigenliebe ,  das  Wohlgefal- 
len  an  iins  abcr  Eigcndunkcl,  doch  unter 
dcr  Vorausfetzung»  dals  es  ohoe  Schraokcn 


—  3*9  — 

Vtixft  die  Veruuiift  nicht  an  und  iur  fick»  ibn- 
flelit  fievieJmehr  alinaturlichuiid»  Qoch 
▼or  dem  Bewulitreyn  det  SiHcngefeties,  als 
rege  vor.  Atich  gestattet  fie  nicht  niir  dic  Be- 
firiedigunf  dcr  Sclbftliebe  in  allen  den  Fillen» 
wo  die  Rechte  anderer  dadurch  ntchr  ge- 
krinkt  \;vcrdeu,  fuuderu  fordert  fogar  in  deu- 

fey.  Da  Eigenliehc  und  Sclbsrlicbe,  dcr 
Etymologic  nach,  eincrlcy  Lcdeurcn  konncn, 
fo  mufs  inan  fie  cnrweder  naher  bcsrimmen, 
odcr  auf  die  VorstcUungcn  Riickfichr  nch- 
nien ,  welclie  nach  dcm  Sprachgcbrauche  da- 
mic  verbunden  werden.  Diefcr  fcheinr  aber 
f&r  dic  obcn  angenommene  Bcdeurung  der 
Higenlttbe  zu  fcyn.  Die  Selbstfuchc  kann 
swtr  illeidings,  aoch  naeh  dem  Sprachgc- 
taHiche,  allc  fiimiiehen  Ncigungcn  im  Qlwr- 
tticboMn  Giadc  unlaircn;  doch  adgt  lie 
Sewdhnlich  nureine  unHngefchrftnkicScIbsi- 
liebe  an.  Und  wird  Sclbstlicbc  voa 
dcm  WohlwoUcn  gcgcn  uns,  ohne  wci* 
tere  Bestimmung,  Eigenlicbe  aber  von 
dcm  ebcnfdlls  unhcstimmtcn  Wohlgefal- 
Icn  gcbraucht:  fo  fchciur  es natiiriich,  diefe 
Ilauptncigungen,  in  fofcrn  lie  ohne  Schran> 
kcn  f^cdacht  wcrdcn,  mit  dem  Namen  dcr 
Sclbstfucht  und  dc$  igendunkels 
7M  belcgeii. 


—  gao  ^ 

ienigeii  dazu  auf »  io  ^chen  die  Befiriedi* 
girog  Mitfel  werden  kana»  die  Gebote  Aet 

Fflicht  leichter,  iinci  iti  einemgrorsern  Uinfan* 
ge  za  erfuilen.  In  fo  fejm  iie  abcr  doch  das 
Streben  nach  angenehmen  Enplindiuigen  ein* 
rchrinkt,  iind  in  vielen  Fallen  Aufopfening 
fordert :  fo  foU  die  Frage  beantwortct  wer* 
den»  wie  uberwindet  iie  den  Wideratand  det 
Sinniichkeit,  wie  druckt  fie  dcn  Schmerx  nie- 
der>  deii  die  Aiifopfcrung  irgend  eines  Ge- 
niiiret  erregt*  Die  Antwort  darauf  wird  fich 
aiii  den  Betrachtungen  ergeben»  diewiruber 
die  Wirkiing  der  practifchen  Vernuafc  auf 
die  £igeniiebe  anstelien  woiien» 

Die  zweyte  Hauptnciguiig  des  Menicheit 
itt  dat  Wohlgefaiien  an  leiner  Peribtt. 
Die  Gegenftinde»  die  fie  befriedigen»  find 
nichtnur  feine,  vonderNatur  erhaltenenund 
dureh  Uibung  entwickeiteuy  Krifte  und 
FSliigkeiten,  die  Gabcn*det  Geittet  und  des 
Kurpcrs,  feiue  Ncigungen  und  fcinc  Hand* 
iungen»  rondern  auch  feibst  rolchc  VorzCigc, 
die  cigentiich  aufler  ihm  liegen»  fcin  Stand 


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in  der  burgeriichen  Gefclifchaft»  fein  Geld 
und  Gur,  kurs,  allet  was  cr  ut,  thtit»  befitst 
und  geniefit.  Er  rechnet  (bgar  tu  feinem 
Selhst  was  nitr  in  irgend  einer  Verhindiiiig 
init  ihm  steht.  Die  Thaten  fetner  Vorfiihrea 
imd  leiner  Landtleute,  dte  Vorfuge  letner 
Verwandcen  imd  Freundc,  macht  cr  gewirTcr- 
nafien  su  den  ieinigen.  Und  wie  oft  gef jiiit 
er  fich  lii  einem  Nichtt,  deflen  Werthlchi* 
tziing  und  Amalgamirung  mit  fciner  Perfon, 
cr,  wenu  er  nicht  mehr  Kiiid  ist,  weder  an« 
dem  noch  fich  ielbtt  laut  lugettehen  getraut! 
Aut  dieier  kunttlichen  Autdehnung  Heht  man 
fchon  wie  stark  dcrTrieb  ist,  der  xor  Scibst- 
fchitsung  autfbrderts  noch  mehr  «ber  aut 
dem  Widerttande ,  der  in  den  meitten  Men- 
fchen  (lchtbar  wird,  weun  Cic  etwas  aufgeben 
follen»  dat  fie  alt  eiiien  Theil  ihret  Selbtt  an« 
icheny  oder,  wenn  ihnea  der  Unwerih  der 
Dinge  vorgehalten  wird,  um  deren  wiilen  lie 
fich  wohlgefaiicQ*  Schwer  h'iit  es  von  offen- 
bar  £d(cheii  Meinungen  abiubringen,  weon 
He  lange  imterhalten  und  dadurch  gleichfani 
ein  Theii  der  Perfon  gewordcn  finds  fcbwcr 


halt  cs,  vonderWahrheit  zuubeneugen,  Jaft 
das,  was  aii(Ter  uiis  uud  nur  ein  Werk  dcf 
ZufiilJt  ist»  kcia  Gnaiid  dcr  Selbftrcfaatstiiig 
feyn  konne^  Und  geCettt^  mtn  hoffe  der  Bi« 
genlicbc  irgcnd  etwai  zu  entzichnj  fo  wird 
nuui  6ck  doch,  von  feinem  eigencii  Bemifil- 
ieyn  gedrungen»  leicht  vontellen»  dalf  ct 
nicht  ohne  Schnieri  von  Sciteii  der  Perron 
moglich  Ccy,  die  es  verlierca  foli.    Wic  viel 
^chonung  ilth  nicht  deiwegen  die  Klugbeif 
an!  Und  wie  ▼iel  Ktintte  hat  nicht  die 
SchmcicheJey  erfiindcn»  um  dic  Guiist  derjeui* 
gen  su  gewinnen  tind  tu  erhalten,  iQr  die 
nan  nichts  ^iter  thun  kann,  ak  dafi  inaB 
fie  in  dem  Ocfiihle  ihrcs  Wcrths  bestarke  ? 
Aucb  itt  nicht  etwa  blofiuntcrdca  Vcrfieincr« 
ten»  enter  den  Hohen  und  Reichen  die  Eigen- 
licbc  fo  wirkfam;  dcr  gcmeine  Mann  ist 
diurch  fic  cbcn  Co  wohl  su  gcwinncn  ,  und 
er  itt  oft  nur  detwegen  ttdrrilch  und  un* 
sulrieden»  weil  «an  dem»  wat  er  ikgt, 
thut,  tind  istj  wcnijg  odcr  gar  kcincn  Wcrch 
fugetteht. 


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—  323  — 

Dieicr  mlehtigCy  ubcr  das  ganze  Lebea 
▼erbreitctc  Tricb  «ird  yon  der  pnctiichoi 
Vemiiiift  noch  mehr  eingefchrlnkt»  df  die 
eigentJiche  Sclbstliebc.    Dicfc  wird  nur  dann 
Tcrwcrflich»  wcnn  iic,  dcm  GeieUe  xuwi* 
der»  ihre  Zwecke  durchletit»  ohne.Cf  lchoa 
deiwegen  lu  fcyn,  weil  fie  ohne  dafTcIbe 
wirkt  j  das  WohJgcfallcn  an  dcr  Pcrfon  hin* 
gegen  wird  gSnslich  verworfen,  fo  lange  ct 
ohne  eine  mit  dem  Sittengefetxe  iibereinf  ttm* 
mende  Gcfinnung,  wclchc  cinc  uncrlafsliche 
fiedingung  allerSelbstichiCziing  aat,  behauptet 
werden  foll.  Daa  Vcrgniigen,  alf  Vergnu- 
gcn,  ja  fclbst  dic  ganze  Summe  angenehmcr 
Empfindungen,  und  der  Inhegrif  aller  Kraft^ 
die  wir  in  uns  und  aufler  una  Kur  Bewirkung 
deHelben  hefitzcn,  iufscrlichc  und  innciliche 
Vorztigc  find  nach  dcm  Urthcilc  dcx  practi- 
fehen  Vemunft  gegen  den  Werth  def  fite- 
iichguten  Willenf  fur  niehtf  fu  aehten. 
Dieicr  it t  das  H  6  c  h  •  t  c,  was  dcr  Mcnfch  bc- 
fitienkann,  dif  unnachlaislich  Nothwen* 
dige,  waf  er  belitsen  folls  und  wer  die- 
fcs  fchlechthio  NothwcudigCy  an  tmd  fiiir  iich 


—  334  — 

Giitc,  iim  reincr  Siimlichkeit  vvillen  aiifgiebtf 
dcfTeii  Selbslfchatziiug  ist  eben  fo  nichtigy  alt 
die  SehStsttDg  des  Rdchthiiiiit  ite»  venn  maii 
in  dem  BeBtc  defTelben  fich  doch  nicht  die 
crsten  Bedurfaifse  des  Lebeus  verfchafifen 
kanii. 

Wtrd  Mo  das  Sittengelets  etnem  Men- 

fchen  vorgehalten,  der  ini  Begriife  ist,  ctwas 
Boief  su  thiuv  oder'etwas  Gutei  su  unterla£> 
len :  Ib  wirkt  der  Schmers  uber  deii  Verlus^ 
den  er  durch  dieBefriedigimg  reinerNeigimg 
an  feiner  Selbstrchatziiiig  leiden  wurde,  dem 
Sdimersey  welchen  die  Aufopienmg  verur» 
iacht,  entgegen ,  und  bey  dem  daher  entste- 
henden  moglichen  Gicichgcwichte  vvird  das 
Sittengeiets  nicht  mehr  gehindert,  den  Wil* 
len  sum  Eat(chlii(se  und  sur  That  su  bettim- 

men.  Denn  da  ohiic  dcn  Wi(Jcrstaiid  <Jcr  fmn- 
lichen  Tricbe  die  Handlungswcifc  dcr  Ver« 
nunft  stets  befolgt  werden  wiirde:  fo  kommt 
Cf  bey  der  ErklSnmg,  wie  dasSittengeletsEin- 
gang  gewinne,  nur  darauf  an,  zu  zeigen,  dais 
es  (elbst  jenen  Widerstaild  hebe.  £s  hebt  ihn 
aber  tuf  die  aagefiihrte  WciiCf  indem  et  eine 


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Kei^ing  im  «ndeni  entgegenstellt ,  itnd  dai 
Wohlgefaiien  an  uiirrcr  Pcrfon,  ohne  Auf- 
opfeniiig  allei  iinrechciiiaisigeii  Geiniires»  lUh 
mogUeh  macht. 

Wenn  auf  dicfe  Weife  ofFcnbar  ist,  da(f 
dai  SiCtengefet»  durch  die  Einfchrinkuiig  dec 
gansen  Sinnlichkeit  des  Menichen  fich  Ein^ 
flufs  auf  feine  Handlungsweife  verfchafFen 
konne :  fo  iafst  fich  nicht  wenigcr  bestimmt 
das  Gefulii  angeben,  weiches  tn  fo  fem  nio* 
ralifch  gcnannt  cu  werden  verdient,  als  et 
aus  cicmGefctze  entfpringt  und  der  iiefoigung 
deiTelben  beforderiich  ist*  Denn  aus  der 
vorhergehenden  Darstellung  £i>lgt  uninittel- 
bar,  dafs  diefs  Gcfiihl  das  M  i  s  f  a  1 1  c  ii  an  der 
ferfon  ist»  weichcs  aus  dcr  VcrJctzuug  des 
$ittenge(et<ef  entsteht.  Bedenken  wir  nun» 
daft  dielesMit£dIen  Demuthigung  heifst, 
fowerden  wir  auch  dcn  cignenNanien  findeu» 
den  das  moralifche  Cefiiiiiy  sum  Unterfchie- 
devon  jedem  andern,  liihrt.  Denn  dieDe» 

nuithigiing  weist  auf  das  hin,  was  wir  Ach- 
t  u  n  g  nennen.  Wie  Niedrigiieit  und  Hoheit 
in  Ib  fcm  nniertrennlieh  verbunden  find,  ali 


—    S7S  — 

dk  Vontelliiiig  dcr  eiiieii»  «uch  die  Vorstd* 
lung  der  andeni  vorauilett f :  Ib  fiud  tn  gleicher 
Ruckficht  Dcairithigiing  und  AchCung 
iiniertreimlich  verlNmden.  Dat  «w  die  eine 
cneugt»  iit  eln  Gegenf  tand  der  «ndetii.  De» 
muthigC  alfo  das  Sittcngcfctz,  fo  gefchicht  cs 
cben  dadurch»  dais  cs  Achtuog  fiir  fich  for* 
dert.  Oielei  Gefulil  kami  euch  ohneUmiief 
nus  dcrNatur  dct  Sittengefetset  tmd  der  Sinn- 
lichkeit  hcrgf  lcitct  wcrUcn.  Denn  indcm  die 
practtfche  Vemimft  dat  Wohlgefidlen  an  der 
Peribn  einlchiVnkty  tmd  £6  den  Eif  endtin» 
hel  nicderfchlugty  fiihrt  fic  untnittclbar  aiif 
dat,  wat  wir  Dcmiithiguug  neunen»  und  da« 
dtirch  lumGefiihie  der  Achtung. 

Aut  diefer  Aiileitung  det  monlifthen  Ge- 
liihlt  itt  oilenbar»  dafi  et  gani  eigner  Natur 

ist.**)  Alle  anderc  Cefiihlc  gehen  dem  Gebrau- 
clie  dcr  Yciuimft  vorher»  imd  konocn  iwar 

ei)  Rtnc  fflgt  daher,  diefes  Gef&hl  fkj  nicht  pa> 
thologifch,  ibodcm  prtctlfch  go* 
wirkt. 


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—  3^  — 

fon  jerfelbeii  gerldilet,  enMitert  ote  ge- 

fchwiicht,  abcr  nicht  hervorgebracht  werden, 
Dieif  betieht  fich  nicht  niir  auf  die  Gefiihle 
^  eigentlieh  Ibfenannten  Sinne»  Ibndeni 
auch  auf  folchc,  die  nicht  in  cinem  befbn- 
dern  uni  bekannten  Werkzeuge  gegriiadet 
find»  «It  Sympathie^  Furcht,  Bemnderung 
II.  C  w.   Diefe  wie  jene  Sufiem  fieh  in  der 
{riihsten  Kindheit.    Von  dcr  inncrn  Achtung 
hingegen  iit  keineSpur  in  derielben  ancutrei^ 
fens  fie  findet  fich  erst  mit  derEntwickeliuig 
cler  Veraunft,  erst  dann  ein,  wcnn  dcr  Gc- 
danke  eioet  Gefetzes  geiaist  werden  kann» 
und  iit  nit  keinen  andem  GefiiUe  als  mit 
dcinjenigcn  zii  vcrglcichcn,  welchet  fieh  auf 
die  W  a  h  r  h  e  i  t,  als  Wahrhcit,  bexicht.  Auch 
diefe  beruht  auf  Gcfetsen,  nach  welchen  wir 
in  umSliligen  FsUen  Urtheil  fiUlen,  ohne  ea 
uaf  cinfallcn  zu  lafTen,  dafs  irgcnd  cinGcfiihi 
xum  Grunde  iiege.   Dafs  dic  Lchrritte  der 
Mathematik  auf  Empfindung  benihen,  wird 
wohl  nicniand  behaiipten$  aber  wirken  kSiv 
nea  iie  auf  das  Gefiihlsvermogen,  und  fowohi 
Unluit  ab  Luit  enciigen»  Wer  die  Qy adra* 


—  3*8  — 

tttr  desCirkdf  gefundefi  tuhaben  gUubt,  und 
nachher  tibeneugt  wird,  fie  nnmogUcli 
IMt,  hcy  dcm  kann  ein  Gcfiihl  der  Unlnst  cin- 
treteiiy  delTen  Stiirke  fich  nach  dem  Grade  des 
Werths  richtet,  den  erauf  leine  vemieinte 
Entdeckimg  lcgte.  Wic  min  in  die(ero  Falle 
einc  Art  von  Dciuuthigung  dic  Wirkung  dcr 
Denkgefetze  ist:  fo  ist  eine  Xhnliche  Demu- 
thi  g t  m g  die  Wirkung  des  Sittengeletces.  Wie 
dort  dic  thcoretirch c,  Co  furdcrt  hicrdic 
practifche  Veniunft  Achtung, 

Dicfc  Vcrglcichung  wollenwir  fortrctzea» 
npeil  fie  gefchickt  i$t,  den  Gegenstand  der  ge- 
genwlrtigen  Betrachttmg  su  erlMutem.  • 
Achtung  fiir  die  Wahi  hcit  nothiget  den  Men- 
fchen»  das  augenchme  Gefiihi  aufzugeben,  das 
ihm  cine  yermeintet  aber  als  grtuidlos  darge- 
stellte  Cntdecktmg  machte.  Daft  nun  an  die 
Stdlc  defTcibcn  ininicr  ein  auderes  gefetzt 
fserde*  vrelcbes  in  der  Achttmg  fur  die  Wahfw 
heit  eufhalten  iey»  widerfpricht  der  innem 
Erfahrung.  So  langc  nian  noch  in  einer  Un- 
tcrfuchung  begriffcn  ist»  kann  man  wohl  eine 


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—  339  — 

Art  von  Liist  empfinclcn,  wenn  man  einen  Irr- 
thum  entdeekt,  in  fo  fern  dicfc  Entdeckiing 
cinem  gewiflenZwecke  bcfordcrlicK  itt.  Wcnn 
inan  aber  cine  Untcrfiichuug  als  gcfchlofleii 
anfieht»  und  das  lUfiiltat  derielben,  «iif  wcl- 
clict  man  einen  hoben  Werth  (cttt,  doeb  wie- 
dcr  aufgcben  mtifs,  ohnc  dadurch  etwas  aii- 
dert  alt  die  bloite  EinAcbt  dcs  Irrthums  zu 
erhaltetty  wie  in  deni  angefuhrtenFalic:  fo 
itt  cin  Gcfiihi  dcr  Lust  unmoglich.  Die(ct 
itt  aiib  in  dcr  Acbtiing  fiir  dic  Wahrhcit  lucht 
notbwendig  enihalted$  lie  weitt  im  Gegen- 
theile  auf  gekrinkte  Eigcnliebe  bili.   Da  fie 
nunaus  dem  Gedanken  entfpringt,  dafs  dic 
Gefetie  det  Dcnkcnt  die  lidchtte  unabindcr- 
liche  Bcdingung  enchaltcn,  untec  dcr  allc  un- 
fcrc  Urtheile  stehen  :  fo  ist  fie  (dic  Achtung) 
dem  Weientiicbennach,  nicbtt  andert»  ait  der 
den  Dcnkgdetfen  eingeiiumte  Vortilg,  Ter- 
bunden  mit  der  Deniuthiguug,  die  daraus  ent* 
Ijpringt,  oder,  mit  andcrn  Wortcn,  das  Ge» 
fuhl  der  Notbwendigkeit  die  Eigenliebe  den 
Bcdinguiigcn  dcr  Vcruunft  zu  untcrwcrfcn. 


—  B3Q  — 

So  beCrachtet^  If t  die  Achtung  fur  die  WahN 
htit  ein  gans  anwillkuhrlichet  Gefuhl. 
Wenn  wir  eher  ^ielelbe  irgencl  einem  Men* 
rchen  insbcfonclere  zii  fchreibeuy  fo  dcnkeu 
wir  dabey  noch  etwu»  wat  von  ftiner  W ill» 
Irdhr  abfalngty  und  meinendann  nicfat  6n 
Geftihl  allein,  rondern  auch  die  Wirkung 
deficlbeut  nlmiich  die  freye  Unterwer* 
f  u  n  g  unter  jene  Nothwendigheit»  und  ein Vbr« 
faahen,  das  aus  derfclben  entfpringe.  Dicfcr 
Unterfchied  ist  in  der  meurchlichen  Natur  uur 
zu  fehr  gegrundet.  Denn  weii  die  Acfatung 
fur  die  Wafarfadt  einen  Schmers  enrhilr,  Ib 
fucfat  der  Mcnich  dcmrdbcn  dadurch  zu  ent« 
jdien»  daii  er  in  den  FjUlen,  wo  cf  moglich 
itt,  leine  Irrtfatimer  Tertheidtget.  Gleicfat 
er  auch  in  feinem  'aufsera  Benehmeu  nicht 
ganx  jenem  Kaifer»  der  die  Geletie.der  Sprt» 
cfae  afage3ndert  wiiTen  woUte,  weil  er  cinen 
Fcbler  dagegen  begangcn  hatte  (  denn  um  Co 
etwu  xu  wollen»  muis  man  ein  Kaifcr  lcyn): 
Ib  fiicfat  er  doch  in  leinen  Meinungen  eiue 
Scite  aufy  von  welcher  He  fich  cinigerniaafsen 
retten  lalTcn}  und  da  bcy  dccUuvollkommcn- 


heit  der  tnenichlicben  Erkenntniis  eine  Coleta 
Seice  ia  jedem,  nicfat  uiiiiiitteUiar  klaren  Irr* 
thiiniey  mit  eiiiem  gewillenGrade  vonScharl- 

iinny  Icicht  gefiindeu  wcrden  kann :  fo  fehlt 

« 

ei  der  Eigeniiebe»  die  felir  erfinderiTch  is^ 
nicht  an  Mittehi»  ilur  Interefie  tu  behauptea* 
Diefcs  mufs  man  aufgeben,  wcnu  die  Wahr* 
heit  unbeichrjinlitenEiiigang  finden  foil.  Die 
Achtuag  lur  diefelbe  aber  druckt  ehen  dea 
niedergefchlagenen  Eigend  linkei 
aus,  und  ist  dadurch  cin  Mittei  zur  Vcrmei* 
dung  det  Ircthtniis  tmd  der  Tiulciiung. 

Mit  dcr  Achtuttg  fiir  das  SittengeieU  hat 
cs  eine  Shnliche  Befchaffenheit  Fur  daflelbe 

findct  an  uud  fiir  ftch  ebcn  fo  wcnlg  ein  Ge- 
liiiil  StMii,  als  fiir  dic  Oenkgeietze  ubcrluupt» 
Es  wirkt  aber  auf  das  Empfinduiigsvermogeiiy 
weil  es  einen  Widerstand  in  unfcrcr  SinnliclN 
kcit  findet.  Der  Schmerz,  den  uir  iu  Ab« 
licht  des  eincn  TheiJs  derleibea  erfshrea»  ist 
Demuthigung;  diefe,  verhiinden  mit  der 
Hochfchitzung  des  Gefctzcs,  ist  Acbtung  fur 
dafleibe.  Maa  lunn  swar  lagea»  das  Gelithl 


—  33a  — 

dcT  Nicdrigkeit  unrcrer  Ncigungcfl,  und  iin- 
lecer  ganzcn  (innlichcn  Nacur,  gehe  uber  la 
dif  Gcfuhl  der  Hoheit  det  Oefeact,  and  dct 
libcrnnnlichen  Theils  unfifrs  Wefens ;  nur  ist 
dicles  Lctztcrc,  an  und  fiiir  fich,  cben  fo  we« 
flig  ein  Gduhl  der  Lutt  tu  aennett,  alf  dai 
Geliilil  derHoheie  der  Denkgeletse»  in  Ib 
fcrn  fic  bloft  auf  daf  Erkenncn  und  nicht  Auf 
dat  Handein  aQpefnindc  werden.  Dai  Sii^ 
fengcfetc  mlchaft  6ch  allb  dureh  die  Aeh- 
fUng,  diecf  fordert,  Eingang  in  dasGemiith 
def  Menichcn»  nidit  in  fo  £eiti  aif  in  derl4# 

•J  Wenn  «ehrerc  Philorophcn  fagcn,  das  Ge- 
fahl  der  Achrung  cnthalte  T.u«f  und  Unlust 
zuglcich,  und  fo,  in  Rnckficht  auf  das  mora- 
lifche  Gcflihl,  Kants  Lehrcn  wideiTprechen : 
fo  fchcint  es  tntr  aus  den  angefiihrten,  und 
im  Folgcnden  noch  anzufuhrcnden  Griindcn, 
dafs  fie,  theils  das  M6i;;lichc  tnit  dein  Noth- 
wendigen,  thcils  dic  Achtung,  aU  blofses 
Gefuhl,  mit  derjenigen  verivechfeln ,  worin 
zugleich  die  fi-eye  Uncerwctlung  gedachc 
winl.  Und  fdbsc  mit  der  letztcm  ist  nur 
unter  gcwiflcn  Bcdtngungen  ein  angcncli» 
mer  Gemflihmmand  verbundfn,  wie  in  dtr 
iblgfndaiBcarfdiniog  gcnigt  weidcn  IS^ 


cuneangenehnieEai|^nduiigeiithalteii  i$t, 
fon<lciti  in  fo  fern  darin  cio  weggcraum- 
tcp  HiiHierni(f  det  niedergefchlagenc 
€igendunkel  liegt»  und  nach  der  Weg* 
riumung  diefes  HindernifTes ,  auf  die  obcn 
tngeliihrte  Weii^^»  das  Wohlgefallen  «a 
unleffer  Peribn  den  Wohlwollen  ISruni^ 
cntgcgcnwirkt.  Die  Sinnlichkeit  erhebt  (ich 
gegen  die  Ycrnuoft»  «ird  tie  mit  iliren  An- 
Ijpnlchen  auf  unbcdingte  Befriedigung  «hge^ 
vriefcn:  fo  hat  6e  es  nur  noch  mit  (ich  felbit 
zu  thun,  und  die  Wirkung  dcs  cincn  Thciii 
hebt  die  Wirktmg  dct  andem  au(  Denn  die 
Einficht,  da6  ohne  eine  Gdhmung»  die  mlt 
dcm  Sittengeretze  ubereinstimraty  dcr  Menfch 
lcintn  Werth  vediere»  lchiHgt  den  Schmen^ 
welchen  die  Aufefiferung  von  Neigungen  er- 
zeugty  durch  denjcnigen  uicdcr,  welcher  bey 
der  Befiriedigung  dericiben  aui  dem  Verluate 
as  letfler  Sdbaclfihitxung  entitehen  wurde^ 

In  Ib  £em  non  Herabletiuttg  der  finnli* 
chen  Ncigungen  nothwendig  ist,  ehedat 
Sittcngcfctz  Einfluis  auf  dic  iinnJicheu  Uand- 
Y  Inngen 


—  354  — 

lungeii  der  Menrcheii  bekqimiieii  luwiy  mA 
in  fo  leni       ^laher  eniifehefide  Gefiihl  in 
der  Achtuug  fiir  das  Sictengefetz  enthalten 
itt»  muif  diefe  «It  eine  lumachllisise  Bedin- 
giing  dct  moralifidien  Lebent  angefehcn  m> 
den.    £f  ist  alfo  zwar  das  Gefetz  nicht  auf 
cin  Gefiihl«  fondern  in  der  wefentlichen  Ein« 
ticiitunf  der  Vcmiinft  gegrtindet^  wirkt  aber 
ctn  Gduhl ,  dat  dem  Vorfiitie,  ea  sur  Rcgd 
des  Verbaltcns  zu  machen ,  vorhergeben 
mni^  «  odcr»  mit  andem  Worten,  dat  Gc- 
Cctt  isc  fwar  der  Bcatimmungfgrund  dec 
reinvernfinftigen    Willens,  verfchaft 
fich  aber  Einfliils  auf  den  finnlichaffi- 
eirtcii  Willcn,  vermittdtt  dnet  Gcfiilil% 
das  von  ihm  (elbit  hervorgebrtcht  «ird. 

Wcnn  endlich  Trlebfcdcr  lu  Bnl- 

fchlnfsen  und  zu  Handlungen  alles  dasjenigo 
genanat  wirdl»  was  cLncn  denfelben  cntgegen* 
gdetitoi  Widcntand  ubcrwindet:  Ib  kami 
fowohldafSittcngeietf  lelbit,  altdicAditung 
furda^Teibe,  wie  die  Triebfedcr  zur  Erful- 
limg  dellelbcii  angclchai  «cfdcik  Inlbfeni 


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~  335  — 

nSmlich,  ehe  der  Vorfau  tu  einem  ficdicheii 
VerhaJteii  entffehea  kaim,  der  Etgeiulunkel 
ntedergeichlagen  werdcn  inufs,  und  dicfcr 
mit  dcr  Ancrkcrtnung  dcs  Sitteageietses 
nicht  betteheii  kaim:  £o  xtumt  die^et  uiimit. 
telhar  den  Widerttaad,  der  in  dem  Wohlge- 
falicn  an  unfcrm  finnlichcn  Sclbit  licgt, 
aus  dem  Wcge,  und  bewxrkt  Aehtung  fiir 
fich  j  iii  ib  lera  aher  diefe  su  dem  Entfchlufb 
fc  hewegt,  felbtt  mit  Aufopfcuing  des  Ver- 
gmigcns,  deu  Gcboteu  dcr  Pflicht  gem^  su 
handeJn»  itt  fie  ebeu£Uit  alt  exne  fitttiche 
TriehMer  ansurehen.  Dat  Sittengcfett  wirkt 
A  ch  t  u  n  g  fiir  fich ,  und  durch  diefe  deu 
Entfchlufi»  daileibe  sur  M  a  z  i  m  e  su  itiachen. 

Wie  itt  et  denn  aber  mit  denen ,  die  nur 
ihrcn  finnlichen  Trieben  folgcn?  Haben  iie 
denn  keiae  Achtung  lur  dat  Sittengeiets? 
Hieraiif  kann  man  mit  ja  imd  Hein  antwor- 
tcn.  Sic  mufs  ihuen  abgefprochcn  wcrdcn, 
in  ib  fcm  fie  sugleich  die  Wirkung,  die 
freye  Unterwerf ung,  enthllts  — ^  fie 
muis  ihoeu  beygelcgt  wcrden,  in  Co  fcrn  fie 


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—  336  — 

•If  elii  blofses  Gefiihl  betrachtet  vfird» 
Et  iit  aiich  in  dielcr  Rtickficht  wie  mic  der 
Acbtimg  fiir  die  Wdirlieit.   Wir  (chreibai 
(ie  freyltch  gewdhnlich  nttr  deMn  tu»  welehe 
diirch  ihr  Vcrhalten  bcweifen,  dzCi  ihuen  ihre 
TOficfidstea  Meinttttgeii  nieht  lieber  fincl»  wk 
die Wafachetti  ttttil  fpfechen  fle  ^nett  ah^  & 
liebcr  clic(c ,  als  ihre  Eigenliebc  aufopfcm. 
Allein,  fie  bcwciien  feibit  durch  die  Mittel» 
die  fie  anfiettdett»  um  der  Detnuthiguttf  ni 
cntgchcii,  daff  fic  die  Achtung  fiiir  die  Wahr* 
heit  wohl  fiihleo,  und  daft  fic  xwar  dcrfclben 
Sulaerliehctttgegetthandeln»  oderauch  inncr- 
lich  htf  fii  einem  gewifiett  Grade  entgegen 
ftrcbcu»  aber,  fo  peinlich  fie  imnier  fcya 
mag»  nicht  gtns  entgehen  konncn.  £ben  A» 
iit  et  mit  der  Aehtuttg  fiir  daf  Sitteageietf. 
Blofs  alsGefiihl  bctrachtet,  muff  fie,  incinem 
gcwiiTca  Grade  jedem  Menfchen  bcywohneo» 
der  den  Gebraueh  der  Vcmuttft  liat{  denn 
fie  ift  cin  nodiwendigcf  Refiiltat  det  Vcrhll(^ 
uilTcf  dcr  Vcmunfc  xur  Sinnlichkcit.  Wcm 
fie  gam  abgehen  Ibilte,  dcr  muitte  cQtweder 
«ia  leinvecnunfiigec  odcr  ein  bloA  fimdiebct 


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—  337  — 

Welcnreyn.^)  DerUnterfchiedtwilclietiden 
gutgeniinten ,  imd  dem  unmoralifchen  Men- 
ichen  bettcht  «Ifo,  inAbficht  det  Achtting  liir 
duSittengeleti,  nur<brin»  dafi  lenerdaidarin 
entbaltene  fchmerzhafte  Gcfiihl  nicht  vor(etE- 
lich  unterdriickty  fondern  fich  zum  Aatriebe 
dienen  fi&t,  gut  oder  inimer  befler  iii  wer* 
denj  dieier  hingegen  et  dureh  allerley  Mittel 
von  fich  zu  cncferuea  fuchc.         Wle  weit 

♦)  Wic  ein  reinvemunftiges  Wefcn  unmictelbar, 
ohne  Dazwifchinkunft  eincs  Geiiihls,  nach 
Gefeizen  fich  bestimine,  konnen  wir  frey- 
Uch  gtr  nidic  einfdicns  wohl  tber,  da(s  es 
iiicht  vtmiictdst  dcr  Acbcung  gefchehe,  in 
fo  ftrn  dtefe  nlchtnur  fiberliaupr  cmGefilhlt 
Ibodcrn  audi  dn  folcbcs  ausdrOdtt,  wdchcs 
dnen  Widcntind  dcr  Sinnlichkdc  amdgi; 

Es  ist  zwar  billig,  dicjcnigen  ,  wclche  das 
Sittengefetz  ohne  VorbehaJt  zu  erfuUen  fu- 
chen ,  von  dcnen  zu  unterfcheiden ,  welchc 
hauptf^chlich  ihren  Meinungen  lebenj  in- 
deffen  mufs  nichc  vergcHen  werden,  dafs 
fdbit  dicfe  doch  von  manchen  Uibelthaten, 
aus  Acbcung  fiirsGcfctz,  abgchdcen  weiden. 
Ohnc  didclbe  wOiden  fic  ihrcn  Bc^erdcn 
und  LeidenCcfatfttn  nodi  viet  vcm^cr  Gc* 
wdt  tndiun. 


—  338  — 

c«  liiariit  gebrachC  werdcn  konne^  liiit  fich 
nicht  bcitimiiieii.  Viclleiefat  ist  ci unterfuih 
f  ttgen       ocUr  vtelniclir  iiii90ot6||cii  ^ 
Umstilndcn  moglich,  <3en  Gedanken  dcs  Ge- 
(ctfct  gcns  ?on  ficb  tucntfemcn»  odcr»  mm 
flicfi  nieht  ni5gUe|i  tst,  doch  dis  von  doB- 
fclbcn  gcvirkte  Gcfiih!  ils  blofsc  Taiifchung 
su  bctrcchten»  uod  durch  dcn  Glaubcn  an 
cuc  Tiufi^ung  fieh  wirfclidi  xu  Hulehcn* 
Wird  aber  das  Sittcngcfett  auf  cinc  deutliehe 
Wcifc  vorgchaltcn ,  fo  kann  cs  im  Ziistande 
der  Bcibmienheit  niebt  geiilugnct»  ib  h«ui 
ihm  dic  Aehtiing,  die  o  Terdicnt,  nteht  ver« 
fagt  werden,    Ncnnt  man  uun  dic  Fahigkcit 
dicieibc  su  cmpfinden»  das  moralifche 
Gcfiihl:  Ib  i$t  oHcnbar»  dalt  didb  nn 
iiothwcndigcs  von  dcr  mcnfchlielicn  Natur 
uuzertrcAnlichcs  Gefiihi  ist. 

GefiiHl  wird  in  zweyerlcy  Bcdcinung  ge- 
braucht,  als  die  FShigkcit  bcy  eincr 
VorstcUunj  Lust  oderUiilust  zu  habcn,  und 
als  dcr  Gcinuths^uscand  felbst,  dcc 
vermittclst  dicici*  Ftihigkeit  entsteht.  In  dia> 
fcr  doppelten  Bedeutung}  wird  auch  dai  no- 
KaUfebe  Gcfabt  gcnennMo» 


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—  339 

Gaai  recht  iutceii  aUbdUeieiiifei^  ndcho 
iallblbe  Ib  fwCnchteten ,  nur  war  cs  unmog- 
lichy  die  Einwiirfe  Anderer  niederzufchla- 
fen,  ivelche  et  ala  etne  hio6e  Folge  dcr  Ge« 
wohnheit  aniahen»  Co  lange  et  ala  abgeroo* 
clert  von  der  Vernunft,  und  als  fCir  fich  be- 
atehend  gedacht  «urde,  UihercUeia  dient  ci 
nureur  Triebfeder,  undnichttur  Beur- 
t  h  e  i  1  u  n  g  der  Handlungen»  Lust  und  Un« 
luft  kottnen»  wie  hinliogiiGh  geseigt  wordea 
iit,  eben  Ib  wenig  lum  Malae  der  Recfatn^ 
fsigkeie  eines  gcwirTen  Verhaleensy  als  zum 
Maiifc  dcrWahrheit  genommeawcrdcn.  Auf 
die  onwandelharen  Geletie  der  Vemimft 
konmt  et  bey  iener  wie  bcy  diefer  an.  Auch 
kann  keinandcrcsCeftihl,  alf  dieAchtiuig  fiir 
daa  Geleti»  noralifch  geneant  werden» 
diefi  ft»tgt  aui  der  Natur  der  Stttlichkeit 
Dcnn  (ie  ist  nicht  uur  ein  Produkt  der  practi* 
lehen  Vemunfty  Ibndem  lie  wird  auch  in  den 
Handlungen  und  dem  ganxen  Charakter  einea 
Menfchen  uur  dann  gedacht ,  wenn  das  G  c  - 
feti,  oder  die  aut  demlclben  entstandenen 
Begrife  det  Gttteo  und  Bofea  lclnen 


—  340  — 

WiUen  bcfdmineiu  SoU  «|fi>  dabey  nodi  cia 
Gefiilil  Stett  liaileB,  Ib  nuft  et  ein  Iblcliet 

feyn  y  welchet  von  dem  pefetze  felbst  abhin- 
gig  ist.  Gibe  et  ein  von  demrelben  unabiiXB- 
giget»  Ib  mulf  te  et»  wtnn  kein  «iider  Widcr* 
ipnich  entstehen  follte,  zu  eben  derfelbeii 
HandJungtweife  treibeii»  welche  ¥00  der  Ver* 
Binift  ¥orgelcfarieben  «irdt  Iby  dalt  Ci  cnt* 
weder  unnioglich  ^vire,  die  Vorrchrij&en  der 
ictztem  von  den  Antrieben  des  Gcfiihlt  zu  uo* 
terlclielden  9  oder,  dalt  et  aueh  ohne  Ver* 
mmfit  wirklam  leyn  Ic5ttnte.  Im  ertten  Palln 
Ojlhuic  mau  lur  Erklirung  der  Sitxlichkeif 
obne  alle  Urlachc  einen  doppeiten  Gnmd  an» 
und  der  iweyte  Fcll  findet  gar  nicht  Statt^) 

^  Wenn  in  der  Nttur  irgcn^  dne  Brfcheinung 
ctklirt  werdcn  foll ,  fo  ist  zwtr  ofc  ndthig, 
fit  «if  nehr  als  ein  Priozip  cntOtk  su  fiih» 
ren ;  es  wiid  tber  die  Annahme  von  mehrem 
Vrinzipien  sren  als  fehlerhaft  angefehen, 
wcnn  ein  einziges  hinreicbt.  Die  Erfchei- 
nuagen  der  ElcktricitSr  z.  B.  wcrdcn  voa 
Einigcn  aus  c  i  n  e  r ,  von  Andci  n  aus  ciner 
d  o  p  p  c  l  r  e  n  Matcrie  erklarr.  Die  Annah- 
nie  der  letzrem  ist  an  und  fvir  fich  nichr  :?U 
«radcln,  abcr  verweiflich,  wenn  fie  nicht 


Wer  der  Vennmft  oicbt  niichiig  itt^  wini 
«iieh  meht  ib  angelehen,  elt  ob  er  tnordilch 
handeln  konne,  und  liberdiefs  finden  viir 
iwcht  oiir  iii  ciiiiehieii  Meoicheii,  ibndem  in 
dem  gimen  MeBfehengclchlcchte  dif  mora* 
I  i  f  ch  e  G  c  f  ii  h  1  in  ebcn  dem  Nfafse  fich  cr- 
wcitcrny  in  wclchein  iich  die  Vcrounft 
cntwickelt.^)  Niirdai»  wMdideaJf  eioeFoc^ 
deniflg  dec  in  ihr  enthaltenen  Geletcei,  alf 
Pflichty  daritelleo  Ibioot  erwcckt  «uch 

nchr  AufTchlufiM  giebc»  alt  die  Annflhme 
einer  einzigen ;  und  unTemunfrig  wurde  fic 
feyn,  wenn  fie  anstatt  Auffchlufse  zu  geben, 

nur  Verwirrung  hervorbtSchtc.  Das  inora- 
lifche  Gcfuhl  ist  auch  eine  Erfcheiming,  die 
erklarr  wcrden  ToU.  LSfstfich  nun  einfehen, 
wie  au$  dcr  Vernunft  und  Sinnlichkeit  das- 
fclbe  folgr,  ohnc  Annahme  eines  fur  fich  be- 
Stehenden  Gefuhls:  fo  ist  diefe  ganz  uber- 
fiufsig ;  und  bewirkt  fie  (iberdiefs  mehr  Vcr- 
vimiiig  ak  Deuilicbkeic,  fo  hac  fic  nichii 
l&r,  iind  vidci  wider  ficb, 

^  Diefs  rdl  ebcn  oicbt  fo  vidheirien,  ali  ob 
dai  fitrlichc  Bettagen  der  Menlcben  un  Gan- 
aen  mic  dcr  Sniwickelni^  der  Vermuift 


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—  34»  — 

Es  ist  etwas  fehr  gewohnliehef ,  dafs  bey 
ErorteniDg  von  SCreitfrafen»  mm  6iiMhm 
bit  ftt  cinem  feniilai  Punklie  gelangt  iit» 
mbtt  g^biMete  Perfonen  fich  zuletzt  aiif  ctn 
Geftihl  benifen,  und  vorausfetzeny  cla(s  je<ler 
Menich  mit  ihnen  §leid&  cnipliwlen  mulle^ 
Wird  dieie  Berufuog  nickt  lelten  gemii» 
braucht,  fo  findet  fiedocheben  fo  oftdaStatt^ 
mo  die  Wahrheit « irUieh  «u£  der  Seite  4et> 
lenigen  ttt„welclier  fie  su  fiililen  behaupteti 
iincl  iingcbildcte  Perfonen,  die  nicht  deutlich 
denkeoy  und  ebcn  dcsvcegen  ihre  GedanlLen 
nieht  im  Worte  lu  failen  vermdgen»  konnen 
ihreUtberseugung  von  Wahriieiten,  diedureh 
die  umnittclbare  Anwcndung  der  Gefetze  des 
Denkent  klar  find»  nie  auf  einen  andem  Grund« 
alf  anf  ein  Gefiihl  besiehen.  Dafi  eine  ga- 
fchchene  Sache,  im  cigentlichen  Ver(tande« 

glelchen  Schrltt  halte,  wie  wohl  fich  auch 
dicfs  in  einer  gewifTcn  Riickficht  behaupten 
lafst,  fondem  nur,  dafs  das  fittliche  Gcfiihl 
fich  in  dem  Mafse  auf  mehrerc  Gegenstftnde 
crstreckt»  als  die  Urtheile  der  Vtmunfc  fich 
crweitera  und  beuchtigen» 


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—  343  — 

i^cht  ungeicfaehen  gemaclil  «ervleii  koniiey 
ffihlt  jeder,  der  nicht  iti  fagen  vsciCs,  dafi  in 
cler  Behauptung  dcs  Gegentheils  eiu  ofTcnba- 
ler  Widec^nich  ley,  itiid  daii»  wenn  dieler 
mcht  alff  ein  Merkmal  der  Unwahrheit  aner- 
kannt  werde,  der  Menfch  uberhaiipc  nichts 
w  erkennen*  ▼on  nichts  Uibeneiigung  i» 
hahen  vemioge.  ^  Auf  eine  )lhttliche  Weile 
fiihlt  man  blofs  das  Unrecht,  wenn  maa 
fienGnind  delTclbca  nicbt  deutlich  zudenken 
wmag.  Wie  ea  aher  von  Wichdgkeit  iii^ 
ftlhat  damiy  wenn  es  nur  auf  das  Wiflen  an- 
fct>mmt,  danblbe  nach  deutlichcn  GrunJOatzen 
lu  richf en :  fo  iit  ea  voo  noch  gr66ecer  Wieh- 
tigkeity  die  Sittenlehren  nicht  auf  ein  hloitef 
GefTihl  zu  bauen ,       cs  thcils  fo  lcicht  irre 
fiilireny  t)ieils  gcliugnct  wcrden  iiann^  fo 
lange  nicht  die  Verhindung  deflelben  mit  den 

♦)  D9S  Gcfuhl  fur  dic  Wahrheit  Surscrt  fich  auf 
doppcltc  Wcife;  wcil  fie  eincn  doppelten 
Wideistand  finden  kann,  einen  inncm  und 
einen  Aufsem.  Bcy  dem  erstern  errcgc  fie 
Achtung,  \)ty  dcm  zweytcn  Unwillen  — 
eben  daruber,  dafs  ihr  dic  AchcuDg,  wtoig' 
lUQi  &u{&erliQh  vcrfagt  vird» 


—  344  — 

GelcCMn  der  Venninlt  mdSu  Zmilel  geitellt 
if t  Etit  dtirdi  die  Einricht  in  dieren  Ziifam- 
menhang  wird  dai  Gewifl*eii  in  ieine  voilea 
Reehte  eingeletxt 

Ei  ift  merkwurdigy  daff,  «Ihrend  die 
Fhiloibphen  uber  die  Natur  det  noralilchen 
GeliShlt  ftritten»  fie  Ibwohl»  wie  }eder  andere 
cuhivirte  Mcnfch,  die  Achtimg  ttets  als  eine 
WirlLung  det  Geietiet  der  Freyheit,  und  nur 
de  dachteii»  wo  dellelbe  nuttelbar  oder  un- 
mittel  vorgehalten  wird, 

So  mandie  Geliiiiie  liaheo  die  Tiiiere  mit 
den  Menlehen  gemein»  alf  Neid,  Zom, 
Fiircht,  Liebe,  und  doch  ift  et  noch  keinem 
Menfchen  eingefallen ,  denfelben  das  Gefuiil 
der  Achtung  nisufchreihen.  Nieniand  belegt 
mit  diefem  Nainen  wcder  die  Empfindungen, 
dic  fic  gegen  cinander»  noch  diejenigcn, 
die  fie  gegen  Menfchen  iiifiem.  Selbtt 
die  Fureht  und  dieLtebe,  die  manche  Thiere 
ihren  Herrn  beweifen ,  und  die  oft  eben  die* 
Mbm  Wirkungen  hervorhringen,  welche 
die  Aditung  hervorbrlngt»  werden  ali  etwat 


L^iyui^u^  Ly  GoOgle 


—  345  — 

Tonderielbeii  verichiedeitcs  angelekeii*  Und 
Ib  wie  von  tUen  Wefen,  die  wir  keniieii,  dle 

Menrchen  allcin  dcrfelben  ftir  fahig  gehalten 
werden:  fo  iind  iie  et,  nach  deni  allgemeinen 
Urtheile»  •iich  nur  in  Rucklicbt  «if  ein  Ge- 
fetf,  deffen  Befolgung  tlt  elne  Wirkung  dev 
Frci^heAt  angerehcA  wird. 

Allef  was  iins  dic  Natur  sur  unniittelba* 
rea  Befriedigung  unferer  Triebe»  oder  alf 
Mtttel  lu  kunftifem  Genufie  anbietet»  alt  Pflan* 
xen  und  Tbiere,  Geld  und  Guter»  find  Gegen^ 
st^ndc  unTercr  Ncigung»  unfcrs  Woblgefal- 
hoM,  odcr  auch  iinlcrer  eigentlicliett  Liebe^ 
wenn  fich  dle  Ncigung  aufThiere  betieht)*) 

abcr  Achtung  fiir  Speife  «nd  Trank,  ftir  Blu- 
iiie%  Stcine  und  Tliicrc»  haben  wir  nicht»  Cq 
grofi  aiidi  der  Werth  Ittt  den  wir  den  Ge» 
genstlnden  unierer  Lust  xufchreiben.  Eben 
fo  wcrdcn  alJc  Gcfiiiilct  wdclic  von  dcn  Qe* 

♦J  Man  fagt  wohl  von  einem  Geitzigen,  cr  habe 
nur  Achrung  fur  fein  Geld ,  bezeichnet  aber 
stetsdadurch  ein  verkehrtes  Gefiihl,  dl$  mia 
mit  MisbiUigung  darsteUtQ  wili 


—  346  — 

f  eastandeu  dcr  Nattir  meugt  werclen ,  Be« 
wnndcrungy  ErsCaiinent  Furcht»  Schieckeo» 
inic  dem»  wat  wir  Achtuag  nenaen»  nicht 
verwechrelt.  Eui  Gefiihly  da:»  dxcfer  ahiilich 
iity  und  bitweiien  fo  genennt  wird,  erregc 
ttur  die  ganxe  Natur,  anibfin»  fie  bey  aUcr 
ihrer  Mannichfaltlgkeit  dat  Bilcl  der  innern 
fiinhcit  ist,  dem  wir  durch  Erfiillung  des  Gc« 
Ibtxef  der  Freyheit  nachitKcben  ibJlea. 

Wenn  wir  xur  Achtung  fur  irgeud  etwaa 
nu^efbrdert  werden»  Ho  gelchieht  m  immer 
deswegen,  damit  wir  in  Rtfckficht  auf  <Ue(^ 

Gegenstand  unfcre  Neigungen  einrchrinkeu, 
«nd  nidit  nach  GeCalicn  handehi.  *)  So  fbr- 

•)  lUn  Mmt  xwir  iuch  sur  Liebe  ftr  die 
Menfchen  auf,  wobey  ei  fehetnt«  daft  die 
liebeebcnftUfl  abein  GtfiU  angtffhan  wcr- 
de«  welches  fich  tuf  dn  Gefetz  beziehc, 
Allein  die  Liebe  wird  da  jederzelt  im  unci« 
gentlichen  Sinne  genommen.  Sie  felbst,  alt 
Gefuhl.  Iftfst  flch  durch  keine  AufTorderung 
«rzwingcn,  fondem  nur  dis,  was  gefchehcn 
ivtirde ,  wcnn  fie  da  wSre  ;  und  hienuf  be« 
xieht  lich  aUb  i«ac  Aufibrderuog» 


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—  347  — 

^at  mtB  lur  Aebtimg  fur  mis  ielbft,  iiir  Aii* 
dcrc,  fur  ^PuUiktini»  ftir  die  Inirgerlieiie 
Gerellfchafty  fiir  die  Wahrheit,  fiir  die 
Mefticbheic  auf»  luid  bey  «lien  dieleii  Au£* 
fDrderungen  liegt  der  Gecbuike  eiuet  Geietzee 
fum  Grunde,  das  hoher  ist,  als  unfcr  Geiiurs^ 
unierVortbeil»  unfer  gantes  finuliches  Selbi^ 
iind  dai  von  uni»  d«  vemuiilcigett  Welci^  be» 
obachtet  werden  foll* 

Bben  dielbr  Gedtnke  liegt  der  Aditiing 
zum  Grundc,  die  uns  einseine  Perfonen  ein 
flotou  ledcrMealfib  kaiui  iefaon»  alt  ibl- 
cher»  ein  Gegenftend  dcr  Aefatung  leyn»  in 
fo  fcm  er  als  Sclbstzwcck  uns  das  Gefctz  vor- 
lefareibt»  ahn  niebt  blois  alt  Mittei  lur  Bc- 
firiedlgung  unlcrerNeiguiigcn  lu  gcbnuefaoip 
und  iii  dicfcr  RiickHcht  gcfchicht  dic  Auifor- 
derung  zur  Achtung  fiir  dicMcnfchheit.  Wir 
faaben  aber  dieiet  Gefubi  nocb  insbeibndere 
fiir  folcfae  PerTonen,  die  fidh  durch  Vorzuge 
vor  andern  auixeichnen.  Nun  ist  fchon  an 
einem  audcrn  Orte  geteigt  mrdco»  daia 
naefa  dcm  gemdnen  Uctfactlt  dcr  VcfBfmft 


—  348  — 

«cdcr  Gaben  det  Glucks  noch  der  Natiuri 
we«(er  eimeliie  Eigeniciufteii  det  Herteai 

noch  Vorziige  des  Verstandes  ohne  fittliche 
Gtite  der  Achtung  wiirdig  Godt  uad  da6  nur 
dcffeoige  danui  Anlprueh  niidieit  luinii»  wel« 
cher  dic  G?bote  der  Pflicht  in  cinem  vorziig* 
lichen  Grade  xu  erfullen  strebt.    Wir  lubcn 
aUb  Achcting  fiir  eiae  Peribny  in  Ib  fie 
diirch  ihr  Beyrpid  tn  dieGe(ette  derSittlich- 
keit  crinncrtf  und  viic  imtcrfcheidcu  dicii 
Gefuhl  von  alleii  endem  finpfindungeii»  wel* 
che  Menfehen  etnfiofien  k5nnen.  Erwedtt 
ein  vcrdicnftvoUer  Mann  ziigleich  Liebc  iiad 
Bewundcfuttgs  £>  find  dide  Gefuhle  deswe» 
g^en  nicbt  mtf  der  Achtuag  Bintt  odcr  von 
dcrfelbcn  nur  dem  Gradc  nach  unterrchiedeoi 
wdebet  man  haupcOlclilich  danut  ficht»  dafi 
Liebe  uad  Bcwuaderuag  alltitt  Scafl  fiadea 
li6ancii« 

Ucbe  beiiebf  fich  tteti  auf  Eigentcbaften, 
die  uns  angenehmc  Empfindungen  machcn» 
alt  Mimterkeif»  Witf«  Schdnheif  n«  £  w.  und 
rldifet  fich  nadi  der  iadivldudkaBe&liaiea- 


—  349  — 

lieit  der  Meu(cheii.  *)  So  wie  nun  Liebe  ohne 
Achtung  fcyn  kann,  fo  ist  Achtung  in  einem 
hoiien  Gnde  mdglich,  ohne  von  Liel>e  be- 
gieicct  f u  feyn.  Achtung  konnen  wir  demjeni» 
gen  nicht  vcrfagcn,  dcr  Rechtfcha£Fcuhcit,  fie 
kofte  noch  fo  viei  Aufopfcrung,  in  «lieu  fei- 
nen  Handliuigen  benreist.  Gleiehwolil  ist  es 
nichts  feltenesy  dais  inan  dcn  Umgaiig  ciiics 
foJchen  Mauncs  nicht  nur  uicht  fucht»  ibn* 
dem  ibgar  abweist,  wenn  ihm  diejenigen  Ei- 
gcnfchaften,  welche  den  Freudcn  der  Gefcl- 
ligkeit  giinstig  find,  fclJcn,  unJ  foJchc  an- 
hHngen»  welche  diefeiben  sc6ren«  Dieis  ge- 
lehieht  felbst  von  Iblchen  Peribucn,  die  nicht 
su  den  B6(cn  gchoren.  ^^)    Wird  Licbc  als 

^  Uebenswfifdigkeit  (chrctbt  m«n  fogar  folchen 
tefonen  lu,  denen  durch  die  Beicicbnuog 
Ihrss  Chtiaktas  alle  Achning  cnnogen  wird, 
Man  fpricht  von  HebenswMigcn  Bafewich- 
tem.  Caimablcs  rouls')  Obdicls  nun  glcich 
«bcn  nicht  zu  billigen  ist,  fo  ist  cs  dodi 
nichr  widcrfinnig;.  Es  zcigc  eine  Fehlcrhaf» 
tigkeic  der  Menichco,  aber  nicht  dcs  Aus- 
drucks  an. 

Wcnn  nian  behauptet,  dafs  wahre  Licbc 
nicht  ohiia  Achtung  feyn  k6nne :  fo  druckt 

Z 


350 


eine  Wlrkoiig  der  Tugend  angeielieii :  Ib  fe- 

fchieht  es  iitir  in  fo  fcrn ,  als  diere  uuter  ge* 
wUTen  l/mstandeny  die  Siniiiiie  aiigeiieliiiiGr 
EiopiinJungeii  ra  venneEren  gerchickt  ist. 
Dcr  Rechtfchaffcne  fiicht  frcylich  fo  viel 
GluckieUgkeit  alt  mogUck  xu  verbreiten»  und 
liewirkt  Ib  nickt  nur  bey  denen,  welehencr 
iinmittelbar  angenehrae  EmpBndung  machtf 
ibaderu  auch^  vermuge  der  Sympathie,  bey 
AndernZuiMtgungy  die  Qoch  dureh  die  gefeU 

tnan  einen  halbwahren  Gedflflken  falfch  ini» 
Die  Liabe,  fo  lange  fie  dauert,  ist  immer 
wihr.  Man  wiU  aber  cigoulich  fagen  ,  daft 
fie  ohne  Achtung  nidit  von  Bestand  fey ; 

wnd  davon  ist  uicdcrum  nur  fo  viel  wahr, 
dafs  fie  bcy  Vorachtung  nichr  bcstehen  kon» 
nc.  Mit  dicfcr  vertragt  fich  freylich  Zunei- 
gung  nur  in  fo  fern ,  als  fic  ein  blofscr  In- 
stinkt  ist,  als  Gcfchlechrs-  und  Aehernliebe. 
Aber  Abwcfcnhcir  von  Vcrachtung,  ist  eben 
fo  wenig  Achtung,  als  Abwcfenhcit  von 
Hafs,  Liebe  ist.  Gleichgulngi^eit  hSlt  io 
beyden  Filllen  die  Mitte ,  und  ist  in  dem  er« 
aten  bey  gcwdhnlichen  Menlchtn  der  Lieba 
gar  nichc  ungunstig.  Dfldufch  IbK  abtr 
nicht  gcfagt  feyn,  daft  vonagliche  Rechr- 
(chflfcnhctt,  an  und  ftr  fich,  nicht  anch 
Zuncigung  erweckcn  kdonc» 


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lig«n  Tiigendcn,  Nadigiebigkcit,  Gefallig. 
keit,  Offcnheit  ii.  f.  w.  verstdrkt  ^ird.  Da 
cr  aber  diefe  den  hohern  nachletsea,  iind  um 
derGerechHgkeit  willenolf  wefae  thun  mulfl; 
da  er  fich  tibcrdiefs  in  Unistinden  befinden 
kann»  die  iiinit-wo  nicht  aile,  doch  die  mei* 
atoi  Mittel  benehmen,  fich  angenehm  lu  ma« 
chen:  fo  fallcn  aiich  eben  fo  oft  die  in  dcr 
Tugend  liegenden  Grundc  ziirErweckungder 
liebe  weg»  und  diefe  ist  foiglich  keine  noth* 
wendige,  ibttdenk  nur  eine  zuf illige  Wirkung 
dcrfclbcn. 

Die  Bewunderttng  iit  iwar  nicht  (6  luftl* 
Ifg.  Sie  ist  im  Gegentheile  mit  einem  hohen 
Grade  von  Achtung  stets  verluiiipft.  Denn 
dieier  findet  fur  eine  Perroa  nur  dann  Statl^ 
wenn  fie»  entweder  durch  dat  Ganze  ihrei  Le. 
bcntf  oder  bey  einzehicn  Fallcn,  eine  unge* 
WoluilicheSell>ttthiitigkeit  leigt»  um  den  Vor* 
ichrifien  der  Vemuttft  genaii  ni  handeln» 
und  der  Tugend  entweder  vicle  kleine^  oder 
einzeine  groise  Opfer  bringt.  Da  nun  eine 
IblcheRflchtfchafiienheit  ala  etwat  feltenet  aa« 
geieheu»  und  Bewunderung  von  Menfchen 


—  35«  — 

cbcn  dsim  ecregt  wird,  wenn  fie  etwas  auiscr* 
orJenClichet  leigen:  (6  Ut  dieie  Empfin^iiBg 
von  grofser  Achtting  iinzertreiiiilieh ;  fie  itt 
aber  dcswcgcn  mit  dcrfclbcn  nicht  cinc  iind 
cben  daelelbe.  Denn  aiie  kdfperliche  und 
gclstige  Eigcttlcbaften  in  einem-vonfiglielieii 
Gradc,  cinc  grofsc  Gcwandbeie,  eine  feltcne 
Schdnheit,  ein  Gedachtniis  von  uogewdim» 
lidien  Umfrngey  il  £  w.  criegen  Bewundo» 
rung,  aber  nicht  zuglcich  Achtting.  Dielb 
kann  eincnMenfchen  noch  abgcfprochcn  wcr- 
den,  wenn  er  auch  eiie  genannte  Eigen(cha£> 
ten  in  fidi  vereiirfgt.   Grofie  Talente  lefaei- 
ncn  zwar  eine  Aiisnahme  cii  machcn^  man 
kannallerdingtAchtungdafur  fiihlen.  ,,Allein 
da  et  immer  iingewifii  bieibt,  wieviei  dat  aa* 
gebomc  Talent,  und  wie  viel  Ctiltur  dureii 
eigenen  Fleiii  an  der  Gcrchicklichkeit  Theil 
habe:  Ib  itelk  unt  die  Vemunft  die  letatere 
nnithmafilich  alt  Frucht  der  Cultur,  mithia 
«Is  Verdienst  vor»  welchcs  un(ern  Eigcndiin- 
kel  meriilich  herabttimmt»  und  yns  daruber 
entweder  Voiwtirfe  macht»  oder  die  Belbl- 
gung  cincf  folchea  Scyrpieis  in  der  Art ,  wie 


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—  353 

ci  mis  aosemelTen  Ut,  auferiegt.  Sie  af t  §1(6 
aicht  blofte  Bewunilentiig  diele  Achtung,  die 

wir  einer  folchen  Perfon  (eigentlich  dcm  Ge« 
ietic»  wis  unsfcinBcyrpici  vorh'ilt}bcweircni 
welchet  fich  euch  dadurch  betHtigty  daft  dec 
gcfneinc  Haufe  <ler  Liebhabcr  ,  wenn  er  dat 
Schlechtc  det  Charakters  eines  folchcn  Man* 
nef  (wie  etwa  Voi(airc)  fontt  woher  erknn- 
digt  tu  haben  glaubt,  alle  Acbtung  gegen  ihn 
aufgiebt,  dcr  wahre  Gelehrtc  aber  fie  imraer 
noch  wenigstcnf  im  Gcfichcspunktc  icincr 
Talente  fuhJt»  weil  er  felbtt  in  einem  Ge- 
fchlftc  und  Benife  vcrwickch  ist,  wclchcs 
dic  Nachahmung  delTelbcn  ihm  gewilTerma- 
Isen  tum  Gefetxe  macht/*<^)  Eben  fo  ist  es, 
wenn  wir  insbe(bndere  Achtung  fiir  den  Ver- 
stand  eines  Mannes  fiihlen.    Wenn  librigens 
bey  eincm  fittlichgutcn  Bctragcn  viel  Vcr- 
stand  gefiinden  wird:  fo  verttirkt  dieier  die 
Achtung  theils  dcswcgen ,  weil  er  dcn  Wahn 
nicht  aufkomroen  lifst,  dafs  blofs  natiiriiche 
Gutliertigkeit  oder  Schwachheit  der  Grund 

*)  Ktnts  Griiik  der  pnccitdiai  Vcmunft»  S.|38. 


—  354  — 

der  fitdieheii  HaocUiugeii  fey,  tlieils  weil  eff 

tins  tlicBcfoIgiing  dcs  vorgchaltcncn  Bcyfpicli 
nothwcndigcr  macht,  iiidem  cr  iins  mancho 
Auifluciit  abfchneidet»  luid  die  Thebfeder 
iinlert  unnioralKchen  Benehittensy  wir  mofea 
es  noch  fo  fchr  bcfchunigcnj  durchipUhct. 

So  ist  Achtnng  vcrnunftigcn  Wcfcn  allein 
eigcn,  cntstcht  erst  mit  dcr  Entwick^lung  der 
Vcmunlt»  «elst  auf  ein  Geiets  derfdbenf  und 
hatdieies  relbtt  dann  iiin  Gegcnstande,  wenn 
es  nicht  dciitlich  gedacbt  wird*  Dahcr  ist 
Achtung  fiSr  Perfonen  von  ▼onuglicheni  Ver- 
dienttet  Co  wenig  ein  Gefiihl  der  tmty  dale 
inan  (ich  dcrfelbcn  meistcnthcils  nur  ungern 
uberlaist.  Nicht  nur  rehrunmoraUrcheMett* 
lchen»  Ibndem  lelbst  Iblche»  welche  w  den 
belTern  gexiihlt  lu  werdcn  vcrdiencn,  fuchen» 
obne  iich  dclTcn  stets  deutlich  bcwufst  zu 
«erden»  auf  mancherley  WeiTc  der  Demiitht^ 
gung  zu  entgchcn ,  welche  ihnen  durch  llrem* 
dcs  \^crdienst  wicderfihrt.  Man  richtct  cs 
mit  der  grofitenStrengey  um  irgcnd  etwas  ta- 
dclnwfirdiges  ausfindig  xu  machea.  Koaneo 


die  Handluogeiiy  an  tmd  fiir  iicli»  otcht  geU» 
deJe  werden,  fo  nimmt  man  die  Triebledeni 
dazu  in  Anrpnich ;  ist  diefcn  fchvver  bcyzu* 
kommen  y  £o  fucht  man  den  Tugenden  einer 
Perfon  tbre  Untugenden  entgegen  su  ttellen, 
um  zii  zeigcn ,  dafs  Hc  nicht  den  hohen  Grad 
von  Vollkommenheit  beiitse,  den  man  ihr 
siiichreibt;  und  find  diele  Mittel  nicht  htn* 
reichend,  ura  fich  des  Gefiihls  feiner  Unxeiir- 
digkeit  zii  erwchren :  fo  wird  das  Sittenge- 
iets  «ohl  gar  feibtt  sur  blofien  Vorfchrift  det 
wohWerstandenen  Vortheils  herabgeiviirdigt, 
oder  doch  diejenige  iiigenfchaft  herabgefetzt^ 
durch  die  man  an  feine  Fehierhaftigkeit  er* 
innert  wird.  Edelmnth,  Wahrhaftigkeit, 
Standhaftigkeit,  Nacbgiebigkeit  ii.  f.  w.  hei* 
fien  dann  Guthenigkeit  9  Unklugheit,  Uart- 
nackigkeit,  Scfawachheit. 

Wilrde  Achtnng  ala  cin  Gefuhi  der  Luat 
angefehen,  fo  milisten  dieRegeln»  dieman 

in  diefcr  Riickficht  fiir  den  Umgang  giebt^ 
ganz  andera  ausfalienf  als  fie  wirklich  gege- 
ben  werden.    Sie  mtirtten  daan  hei6en« 


—  3$6  — 

luclie,  wenn  du  in  der  Welt  gefallen  «iUtr, 
niekr  lobentwiirdlige  alt  tadelhtfte  Handlim» 

gen  bekannt  zii  tnachen,  iin<l  stelle  fie  Andern 
iminer  fo  vor,  daii  derUrheber  derfelben  ini 
leliontten  Uebte  crielieinei  fiidie  belbadcra 
Beweife  von  Iblchen  Tugenden  hervonntie- 
hen,  die  derjeoige,  welchem  du  gefalien 
wiiltt»  entweder  gar  nicht*  oder  niir  in  cip 
nem  lehr  niedrigen  Grade  befitttt  denn  }c 
mchr  cr  Schwierigkeitcn  bey  diefen  Tugen- 
den  f tt  tiberwinden  findet,  detto  grolter  wird 
die  Aehtung  und  folglieh  dat  damit  vcrbim» 
dene  Vergniigen  reyii,  das  er  eiiipfinder.  Sind 
aber  wohl  iblclie  Regein  alt  MitceJ,  lich  in 
Guntt  sn  letien»  |e  angeprielen  worden?  fir« 
fordert  nicht  viclmehr  die  Klugheit  gerade 
entgcgcngefetzte  iii  befolgen,  und  wenigiCeot 
yedet  Lob  Iblcher  Eigenlchaften  lu  mmei- 
den,  die  demjenigen,  in  delfen  Gunit  mtm 
fich  feuen  odcr  crhalten  wili,  abgelien? 

Den  Hang,  fremdcf  Vcrdlentt  in  feincn 

eignen  Augeu  zu  verkieinern ,  ist  einer  von 
denFehlem»  gegcn  dle  auch  der  gutcMenlch 


—  357  — 

su  Umpfen  hit.    Die  Eigenliebe  wleitet 

ihn  gar  tu  leicht  zu  deni  Gedanken ,  daG  er, 
wo  nicht  volUuMnmeit*  doch  als  Menfch  tn 
der  Uge»  in  «relcher  er  fich  befunden  liet^ 
iind  noch  bcfindet,  allei  ift,  wat  er  ttyn 
kann.  Entdeckt  er  min  an  andern  Eigenfchif* 
ten»  die  ihm  Vorwtirfe  tiber  dkn  Mangel  der- 
lelben  nuiehen  s  ib  kann  ca  leieht  gelehehen» 
dafs  er,  um  dcr  Demiithigung  zu  entgehen, 
«1  den  Kunitgrifien  det  Stoliet  ietneZuflucht 
nimnt  Thut  er  dieft  mcht,  Ib  wifd  ihm 
vorztigiiche  Rechtfchaffenheit  auch  dann  noch 
Achtung  etnfloiseii»  wenn  er  fich  gletch  ei> 
ner  Ihnliehen  bewuist  iit  Denn  bey  der  Un* 
vollkoinmenhcit  dcr  racnfchlichcn  Tugcnd 
wird  er  an  Andera  immer  noch  Setten  ent* 
deeken»  die  ihm  tum  Mtittcr  dtenen»  und 
Vorwnrie  fiber  ieine  Schwacfaheiten  macfaen 
konnen.  Auch  mufs  ihm  firemdcs  Verdientt 
in  etnem  reinem  lichte  ericfaeinen,  da  iein 
eignes,  de  ihm  die  Unltuiterlteit  derTrieh* 
fcdern  bey  jenem  nicht  fo  bekannC  (eya  kanuy 
als  dte  l>ey  ieinen  eignen. 


—  359  — 

Qiuthi^iigy  dic  uns  ^vied^rf ahrt  y  von  der 
firfaebung»  tlie  tn  einer  Verbindung  mtt  vor» 
xtiglich  achningswiirdigen  Perfonen  liegC» 
liberwogcn.    Sic  wcrdcn  gleichfam  a!s  ciii 
Tbeil  von«ins  angefehens  was  fie  erhebt,  er- 
hebt  anch  uns,  und  wat  fie  herabfettt,  iecst 
auch  uns  herab.    Uibcrdiefs  gewinnen  Wtr 
durch  die  Verbinduug  mit  ihncn ,  thcils  in 
Metnung  der  Weit,  theils  in  unreier  ei« 
genen.   Eben  deswegen  lehlieisen  lich  ani  vor- 
ziiglich  gute  Menfchcu,  biswcilen  auch  folche 
ttti  die  ihnen  in  vielen  Scucken  iehr  unahn* 
iteh  find.  Sind  wir  femer  dineh  die  burger« 
lichen  Vcrhiltnifse  gcaothigt,  gcwifTcn  Per- 
lonen  'iuisere  Ehrerhietuog  xu  bewcifcn :  fo 
ift  es  uns  lidier  mit  demKorper  augleich  den 
Gcist,  als  jenen  ohnediefen  lu  beugen.  Fhy- 
fifcher  Zwang  ist  noch  fchmerilicher  als  mo- 
raiifcher  ftir  jeden  Meoichen»  der  es  aner« 
kennt,  daft  Sufieres  Ani^ten  stets  nach  dem 
Mafse  der  ioaeru  Vcrdienste  fich  richtea 
ibUte. 

ZweyeensisteinUnterichied  nimachen  twi** 

fchca  dcr  w  i  r  k  1  i  ch  c  a  Achtuog  und  der  blo« 


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—  358  — 

Itt  denn  aber  der  Gedanke  (an  fremdet 
Vetdientt  jedeneit  mit  Unlutt  verkmlpft? 

Wie  kanu  Achtuiig  stets  mit  Demiithigung 
verbundeny  und  folgJidi  ein  unangenehmet 
Geliihl  leyn«  wird  vielleidit  manelier  fragen, 
da  man  nicht  fcltcn  cincii  wahren  Schmcrz 
empfiadety  wenn  man  es  aufgeben  mufsi 
Wer  lut  je  eine  Peribn  liochgefehlitst,  ohne 
tief  verwiradet  fu  werden,  wenn  er  nachher 
lahy  dafs  fie  dcr  bewiefcnen  Achtung  unwiir- 
dig  war?  Weicher  gute  Menich  fiihlt  nicht 
Mityergnugen»  wenn  ilun  die  Ehrfurcht,  die 
ihm  bcriihmtc  Minner  einflofsten,  durch  Dar- 
•teliung  ihretCharaktert  entriiTettwirdl  Und 
werdcn  nicht  yorsuglich  achtungtwurdige 
Perfonen  felbstvon  (blchen  bisweilen  gefiicht» 
die  cs  cntweder  gar  nicht  oder  nur  in  einem 
fehr  niedrigen  Grade  findi  —  Diele  Fragen 
konnen  auf  folgcnde  Weiih  beantwortet 
wcrdcn. 

Erttlich  itt  ein  Unterichied  f wifclien  dea 
Ferfonen  fu  machen,  die  unt  Achtung  ein* 

flofsen.  Wenn  wir  mit  dcrfclben  zugleich 
ducch  Liebe  veKbundea  iind;  io  wird  die  De« 


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—  Sfc  — 

Ifen  Brkllruog»  daft  jeouiid  achtinigmur- 
dig  fey.   Diefe  heifi teft  mir  fo  viel»  Jaft  eioe 

Pcrfon,  bcy  manchen  Fehlern  und  Mingcln, 
doeh  noch  £[irviclcMeo(cheo  cioBeyfpicl  tur 
Ntdiahmang  vorhakey  und  kann,  in  fo  fem 
wir  iin*  rdbtt  fiir  firey  voii  jenen  Fchlern  oder 
andcro  chen  fo  gro6eo  halcen»  ohne  dat  Ge« 
ISShl  der  Deinuthigung  bcffeheo,  welehcf  cnt 
daon  eintritt,  wenu  wir  oinen  h  6  h  e  r  n  Grad 
voo  Tugeod  in  Aodem  bcmerken,  als  wir 
felhtt  beatten.  Wenn  nun  eine  Pedbo  voo 
uns  fiir  achtiingswurdig  gehalteo  wordeo  ist, 
olioc  ihr  deswegen  mehr  Verdicnst  als  uos 
felbst  lusuichreihen»  und  6e  fich  nachherver* 
Schelich  zeigt:  fo  ift  ein  Schmers  dariibcr  na- 
ttirlich.  £r  fliefst  theils  aus  der  Eioficht,  da(s 
viir  uns  gettuicht  hatteo»  tbeils  aus  dem  Mis* 
fellen,  welches  ieder  in  euiem  gewiflcnGmdo 
gute  Meufch  aa  einem  unmoraliichen  Verhal- 
ten  hat,  das  cr  oicht  um  feioer  cigoen  Unfitt- 
lichkeit  willeo  to  Sehntx  nimmt  Uod  dic6 
fiihrt  lurHauptantwort  auf  jene  Ernwiirfc, 

Achtuog  £ur  dasGcfets  uod  folgUch  auch  fiiic 
dicPeribnen,  die  uasdai&lbe  in  ihremBcy* 


i^iek  vorhalten,  entb^t  s««r  Demuthigiinf» 
Jcana  aber  tugleleh  ein  Gefuhl  der  Lust  eni* 

halten  fiir  Alle,  die  fich  dem  Gefetze  iin- 
fcrwerfcn,  das  auf  die  Wiirde  der  Mcnfchhcit 
liiihrt.  Sehen  lie  daan  daflelbe  auch  in  einem 
aoch  hohem  Grade  alt  von  ihnen  rdbst  be- 
folgt :  fo  kann  die  daher  entstehendc  Demii- 
thigttng  dem  JntercfTe  weichen,  dn  die  Ho- 
heit  der  menichlichen  Naiur  einfldrtt.  Sie 
werden  gleichfam  felbst  iiber  dic  Sinnlichkeit 
erhobcn»  indcm  ile  fehcn»  dafs  Wefen  mit 
ihnen»  von  gleieher  Art  fich  uber  dieielbe  er- 
heben,  und  dadtirch  in  clem  Zutrauen  gc- 
stirkty  auch  cinst  cben  dicfelbe  Hohc  zu  cr- 
reichen.  Wer  ielbst  Achtung  verdient»  fiu- 
det  auch  Wohlgefallen  an  der  Achtfingswur- 
digkeitanderer,  fo  wie  aii  dcmGcfctze,  durch 
delTen  ErfiilJung  fic  crhalten  wird.  Wch  muJf 
es  ihm  aJlb  thun»  wenn  ihm  dieJesWohJgefallen 
cntrifTen  wird,  wenn  er  auf  die  Gebrechlich- 
keit  der  menfchiichcu  Natur  fclbst  da  tii- 
ntckgefiihrt  wird,  wo  er  fie  in  ihrer  gamea 
Wnrde  gefunden  tu  liabea  glaubte* 


■■^   362  «ii^ 

Dieif  fiihrt  ims  nir  oihent  Betrachtuiig 
<ler  tDgendiiiien  Eiiipfiiidiinfeiiy  die  atit  der 

Vorstclliing  einer  fittlichen  Haudiungsweire 
an  ficb»  oder  «in  der  fiefojfung  des&lbea 
lictvorfehcii» 


fm 


363 


Von  dtm  moralijchcn  Gefukle  als  cincr 
QucUc  anienebmrGcmfUbnuttande. 

BegriiTe  von  Recht  und  Unrecbt  liegen 
fo  yrefentlich  !n  der  Natur  de*  Menfchen, 
dafs  cr  denrdbca  ttets  geitiars  handclt,  v^eou 
er  durch  ein  en^egen  gefctstet  Verfiiureii 
nichtsftir  feineSinoUchkeit  gewinnt.*)  Man 
fagt  daher,  der  Mcnfch  habc  cin  natiirlichci 
Wohlgefalie^  an  dcr  ^ictlichiuitei  l>e- 
•timmter  aber  wurde  die  Wahrheit  ausgo» 
dnickt  feyn,  wenn  man  mir  fa^te,  dcrMcnfch 
habe  cin  naturliches  Misfallcu  an  eincr 
HandJungsweife,  wclche  der  Einhcit  und 
Uibereinstimniung  in  Thaten  und  Urtheilen 
xuwider  ist.  Wohlgcfallcn  dciitct  stcts  auf 
cin  angenehmes  Gefiihl,  uad  diefes  findet  bey 

Selbst  dann,  wenn  er  boshaft  zu  handcla 
fcheint  um  boshaft  zu  handcln ,  I.ifst  ficii 
der  Grund  feines  Verhaltens  in  iigead  eiuew 
(iluilicheQ  Triebe  findea. 


— I  364  — 

dem  Gbdlankeii  an  ein  iitdiclies  Verhallea  an 
fich  entweder  gar  nichty  oderdoch  aof  keine 

merkbare  Weife  Statt.    In  allen  den  Fillen» 
mo  die  Natur  mit  der  Pflicht  in  Uibereinstim« 
nmif  gedacht  wiid,  haben  wir  gar  kein  be* 
fonderes  Gcfilhl  fiir  das  hieraiis  entfpringenclc 
Verfahreo.   Daii  eiucMutcer  fiir  dicBedurf* 
aifie  ihrcf  Kindet,  und  ein  Hautvater  fur 
fcinc  ganze  Familicv  anf  eine  niche  fehr  muh- 
volle  Weife,  forge,  errcgt  kcin  berondcret 
Wohlgefallen $  aber  Mitfaiien  wiirde 
dat  Gegentheil  eReitgen.   Bben  £>  ist  atieh 
in  dem  Menfchen  felbst,  dcr  unter  jener  Vor* 
auslettung  handelt,  kein  merklichct  Gefiihiy 
dat  fich  auf  fein  VerfiJirea  in  Ib  fem  betieht, 
als  es  den  Begriffcn  von  Recht  ange- 
meflen  ist;   Es  ist  mit  dem  Handeln  urie  mit 
dem  Denken.  Dafi  wir  die  Geietxe  des  leti- 
fern  befolgt  (ehen,  oder  felbst  befolgen,  cr- 
rcgt  an  uud  fiir  fich  kein  Vergniigen;  aber 
Misvergntigen  kaon  entstehen»  wcnnwireine 
Verletiung  diefer  Gefetzc  an  uns  oder  andern 
bcmerkcn.    la,  man  kann  fagea»  dafs,  wenu 
wir  die  RegeJn  der  Sittlichkeit  stets  befolgt 


ftheii,  und  bey  der  Bccrt>acfacung  derielben 
lelbst  gar  keinen  Wideritand  von  nnlem  finn* 

Hchen  NeigiMigffii  erfuhieii,  aiich  gar  keiii 
Gefuhl  in  Riickfichr  auf  jene  Regeln  Statt  fin- 
den  wtirde.  Bm  widerfithre  uns  dann  in 
Beziehimg  aiif  iinrcrn  Gcist,  was  uns  in  Bezie- 
hung  auf  iin(crn  Korper  widerfihrL  So  ian» 
ge  die  innern  SSIfte  in  ihrer  gewohnlichen  Be^ 
vegung  nichr  gescort  werden ,  ro  fiibien  wir 
auch  nichts  von  ihrem  G^ngC}  und  felbst  dai 
Geiuhl  derGefundhcit,  das  (6  angenehm  wer- 
den  hanuy  wurde  ohne  den  entgegengefeliten 
Zuttand  fcbwerlich  als  ein  Gefiihl  der  Lust 
angefehen  werden»  da  et  in  der  That^  an  und 
§&t  lich»  uehr  Abwefenbett  des  Schmenei» 
ali  cin  eigeutlicher  Gcnufit  ist.    Wic  cs  aber 

Man  kann  «wtr  mit  Recht  behaupten,  flus 

der  Uibereinstimmung  dcr  Narur  und  der 
Freyhcir  enrstehe  dg? ,    was  man  An- 

muth  nennt,  diefs  hcbt  abcr  dic  obige  Be- 
hauptung  nicht  auf.  Denn  dic  Anmuih  iit 
eben  deswcgen  fo  rcitzend  ,  weil  jcne  LTiber- 
einstimmung  da  Statt  findct,  wo  man 
Kampf  zu  fchen  und  /u  denkcn 
wohnc  ist. 


mm^  ^66 

dafu  Dvirklieli  Jitrch  den  entgegcngelclflcii 
Zusftand  vsird :  (o  kann  aiich  dic  Vorstcllim^ 
eiaet  fittlichen  Verhakeos  elien  deiwegen  mic 
Wohlgefallen  beKleitet  ieyn,  iveil  die 
cntgegengefetzte  Misfallen  crregt.  Denn 
cs  iit  dem  Menfchen  natiirlich  mitcmgcgcn- 
ftehenden  Vorftellnngen  entgegenste» 
hende  Gefuhle  zti  verkmipfcn,  wenn  die 
einc  davon  JLutt  odcr  Uolust  crrcgt.  Eben 
demegen  fiicht  man»  um  dat  Wohlgefallen 
•n  dem  Outen  tn  er^ckcn,  mit  demfelben 
das  Bofe  ia  Contrast  zu  stclien;  und  dicrcc 
Contrast  ist  stets  ndthig»  wenn  nur  fiSr  die 
gcwohnlichen  Tugenden,  diemit  unfinn  na* 
tiirlichcn  Tricbcn  ubereinstimmeny  eiii  In- 
terefle  eixegt  werden  foii*  Auders  yerhHlt 
fich  die  Sache,  wenn  von  folchen  Tugendea 
die  Redc  ist,  welche  u  n  g  e  w  u  h  n  1  i  ch  c  An- 
strengungerCDrdem;  da  erregt  die  Vorstel^ 
lung  der  Kraft,  ohne  tselche  fie  gar  niche 
Statt  finden  konnen,  fo  wie  allcs  was  grofs 
ist»  Bewunderung»    dic»   an  ficb^ 
unner  diie  angenehme  Empfindtuig  ist. 


Uiberdiers  haben  die  Begritfe  von  Reclit 

und  Uiircclit  cinen  mittclbaren  Zufam- 
incahang  mit  der  menrchlichen  Gliickreiigkeit. 
Wena  denielben  xuwider  gebandelc  wird»  fo 
regt  fich  oft,  theils  die  Selbstliebe,  theils  die 
Sympathie.  Das  daher  entstchcnde  iinange 
nehme  Gefuhl  vereinigt  fich  mit  dem  Misfal 
len  an  eincr  unfittlichen  Handlungsweife  und 
verstUrkt  inJiroctc  das  Wohigefalieu  an  der 
fittlichen*  Endiichy  Co  wentg  mit  biofsen 
Begriilen  an  ficb  LusC  oder  Unluft  ver* 
kniipft  ist:  fu  konnen  Cic  doch  fchon  da- 
durch  ein  angenehmesGefiihierzeugen»  dafi 
nan  fich  mit  denfelben  befcbaftiget.  Denn 
wir  gcwinncn  allc  Gegenstandc  unfcrcr  1  hitijf- 
keit  iieb»  wenn  fic  uns  zur  Entwickelung  un* 
ImrErkenntniiskrafte  helfen»  foiltenfie  aueh 
Anfangs  eher  Unlust  als  Lust  bey  fich  fiihren. 
So  unangcnchm  manchc  Gcgcnstindc  dcr  Na- 
tur  an  fich  find ;  fo  verfchwindet  doch  nicht 
nur  diefe  Unannehmlichkeit  fiir  den  Natur- 
forfchcr,  fondcrn  fie  werdea  auch  oft  fiir 
ihn  Qiieilen  dei  Vergniigeiis.  An  ein 
fect«  welche»  dcr  Gegenstand  feiner  Unter« 


—  368  — 

liiclttiiig  geweien  ist,  imd  ihm  tu  netieii  Ent- 
aeckungen  Terliollen  hat,  denkt  er  gewifi 
mit  Luit,  foiltc  cs  auch  Anfangs  fcine  Augcii 
beleidigt  haben.  Auf  ihaliche  Weife  cnt- 
•teht  ein  Wohlgefiillen  an  den  Bttlicfaen  Be- 
grifFcn.  Ist  dic  Urtheiltkraft  tn  denielben 
geiibt  und  entwickelt  v/orden:  fo  werdea 
dem  Menicfaen  dieie  Begritfe  eben  detwegen 
lieb ,  weil  die  Befehlftigung  mif  denlhlbea 
fciac  £rkenutai($kiifte  erwcitert. 

Man  kann  aUb  in  gewUler  Ruckfidit  wohl 

bchauptcn,  dic  Tugend  fey  fo  fchon,  dafi, 
wenn  Gc  ia  Pcrfon  auf  Erdcn  crfchica»  fio 
alleAugen  atif  fich  liehen  und  aUeHcnea  ge* 
winnen  wiirde.  Audi  kann  die  Einbil* 
dungtkraft  die  pcr(oaliche  Erfcheiauog 
in  gewillem  Malie  erletiett»  nnd  einGendlde 
von  der  Tugend  entwerfen,  dat  aitf  die  Bm- 
pfindung  eben  fo  zu  wirken  vennogend  ist, 
ali  ttunde  ihre  behre  Gettalt  ia  der  WirkF 
llchkeic  vor  unt.  Die  Vorttellung  von 
dcr  harmonifchcn  Ordnung  allcr  Triebe  und 
Kr^ltes  der  Gcdanke  an  die  Erhabeahcit  ei- 


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—  369  — 

net  Weleni,  dat  tlle  Loekungeii  dlet  Vergiiu* 

gens  abwcist,  um  deu  iiiiverindcrlichen  Vor- 
fcbriflea  der  Veraunft  tu  folgen}  dae  Idee 
Yon  einer  OHming  der  Dinge»  wo  allen  ver- 
ntinftigen  Wefen  gletche  Rechte  genchert  er- 
lcheioen,  und  ihr  Wohl  nit  ihrer  Wurdig- 
keit  in  uniertrennlicheni  Zulaininenhange 
steht,  konnen  libcr  die  Schilderiing  dcr  Tii- 
gend  iu  ihrem  Weien  und  in  ihren  Folgcn» 
eine  Sehonheit  ▼erbretten»  die  mit  EtttEuckea 
erluilt.    Da  nun  dicfe  Annehnilichkeit  auf 
fittlichen  Bcgriffcn  beniht,   iind  aiis  dem 
Mitfallen  an  der  Perlbn,  die  denidben 
nicht  gemSfi  handelt,  hcrvorgcht;  Ib  kann 
fic  allerdings  als  cinc  Folge  dcs  moraii- 
fchen  Gefuhla  angeiehen  werden»  in  Ib 
lem  nan  unter  demlelben  die  FSbigkeit 
denkt ,  JntcrefTe  fowuhl  an  den  Begriffen  von 
Recht  und  Unrecht,  ala  an  den  Wirlumgea 
derlelben  tu  nehmen.  Allein*  ehe  Empftng* 
lichkeit  fur  Jas  Gefiilil  cntstcht,  welchcs  das 
Ideai  littlichcr  Vollkommcnhcit  cinfloiit^ 
mulf  eine  lange  Geivohnlieit  moralilcber  Be* 
iirthciJung  vorausgcgangcn  feyQ.    Dcnn  cs 


—  370  — 

benibt  atif  eiDem  intelleeeuelleit  Gniii- 
de,  uad  entstcht  ersC  mit  Entwickeluug  dcr 
Vernuiift.  Auch  tft  et  bekannt  genug,  «ie 
▼iel  Muhe  et  kostet  —  nieht  luf  ^ie  Be- 
griffc  von  Rccht  «ncl  Unrecht  zu  leiten  (dcnn 
die6  itt  der  Hauptiache  nach  ieacht)  fon- 
dem  —  Intererreandenlelbeneinsuflo& 
fen.    la,  viele  Menfcheu  fchcineii  fogar  an 
derMoglichkeit  su  verzweifehi,  irgcnd  einev 
fittlicfaen  Regel  andert  alt  dadurch  Eingang 
lu  verfchaffen ,  dafs  tnan  die  Befblgung  der- 
felben  mic  dcr  Ausficbt  auf  niancherley  finn< 
licheGtiter  verbindet,  gleich(ani  alt  ob  fiis 
die  blofse  Schonheit  der  Tugend  gar  kein 
Sian  gcwcckt  werdcn  kuuutc.    So  ungegrnn- 
det  nun  eine  iblche  Vorautfeteung  itt,  fo  be- 
tveitt  fie  doeh  fo  viel ,  daft  Jener  Sinn  init 
Miihe   crregt  und    gepflcgt   v^crdcu  mufs, 
Gleichwohl  itt  dcr  Sinn  fur  die  Schonheit 
der  Ttigend  uoch  nicht  die  flttliche 
Gcfiunuug  fclbst.    Er  macht  nur,  dift 
man  iich  gern  mit  der  Betrachtung  dcr  Den- 
knngtart  nach  moraliichen  Geieti en  unter* 
hilt,  cinc  Ordnimg  dcr  Dingc  licbt,  in  wel* 


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cher  die  Erfiilliing  derfelben  gedacht  «icii, 
uad  fie  gewift  befdrdem  wurde»  vttm  fie 
keineo  Wi<ientand  in  dcti  finnlichen  Neigua« 
gcn  finde.  Es  ist  daher  aiich  nichts  feltpes, 
dais  fich  Menlehen  ao  der  Schdnheit  der  Tu» 
gend  weiden»  et  gehe  die  Verfinnliehung  der« 
felben  aiis  ihnea  fclbst,  oder  aiis  andern  her* 
▼or»  ohne  darnach  lu  atrebea,  in  ihreo 
Ilandlungen  auiiudriicken»  wat  fie  in  der 
Idee  bewundem.  Die  moralifche  Welt 
ist  fiiir  iie  das,  was  fur  manchc  MenTcben  die 
Feenwelt  ist)  dieeine  wie  dieanJcre  befcbll^ 
tigt  nur  die  Binbadungtkralit  mit  lieblieb^n 
Bildcrn,  und  erregt  dadurch  ein  GefuhJ,  das 
«old  su  deo  feinem  Freuden  gereduet  urer- 
denkann,  aber  niebt  dasfenige  ist»  «relchca 
zur  fittlichen  Handlungsweifc  antreibt; 

Ei  ist  ein  grofier  Unterlchied,  ob  nan 
die  fittliche  Handiungsweife  tiberhaupt, 
oder  in  Bcziehung  auf  f i  ch,  bctrachtet.  An 
und  fiur  fich  l^nn  fie  Wohlgefallen  erregen» 
aber  Mtsfalleny  in  Ib  fem  man  fie  ielbtt  an- 
nehmeu  folJ.   Wer  nun  nicht  die  Kunst  ge- 


lernthat,  einenUnterfchied  s«i(chen  fieh  nad 

Andern,  zwifchcn  der  gcdachtcn  und  der 
wirkiichen  Wclt,  iu  Anrehiing  dei  Sittcnge- 
fetset,  sn  machen»  nnd  doeh  Maximea  he> 
folgt,  die  dcmfclbeu  widerstreif en ,  der  hiC 
vieimelir  Widerwillen  gegcn  ailes,  Waf 
ihn  an  Recbt  und  Uniecht  erinnert,  ala 
Wohlgefallen  daran.   Diefe  Begrift  Cfw 
rcgcn  Mi&falleu  an  fciner  PerCon ,  und  wer- 
den  detwegen  auch  lelhtt  mit  Misfaiieo  be» 
traehfet.   In  fo  fern  alfo  dat  Siltengefett  liir 
iins  zu  einciu  G  e  h  o  c  e  wird,  ist  die  Wirkung 
deirelben  auf  unier  Gemuih  keine  angenehme 
Enplindung.   Denn  Liehe  tu  einem  auf  una 
ielbst  fich  bezichcndcn  Gebote  ist  ein  Widcr- 
fprtich,  Wir  fandendaherauch  xwiichen  ihr 
undder  Achtung,  «elche  dat  Sittengelcts 
cinnofst,  iiach  der  nienfchlichen  Sinncsart, 
cineii  eben  fo  gro^n  Unterfchiedy  als  swi- 
firhen  der  Pflicht  und  der  Belriedigimg  finn^ 
iieher  Neigungen.    Allein,  obgleich  die  Ach- 
tung  ftir  das  Sittcngcfctz  nicht  nothwendig 
ein  Gefuhi  der  Lust  enthtlt:  ib  kann  fie 
tioch  auf  doppelte  Wetfe  mit  einem  aogcneh- 


mea  Gcniudifiuftande  verbuaden  ieyn»  erft* 
licli,  iDibfern  Ite  mit  }eiiem  Wohlgefal- 
I  e  n  aa  eincr  iiulichen  Handlungsweife  ver- 
einigt  itt}  und  tweytent,  in  Ib  iern  fie  die 
freye  Unterwerfunf  ausdruckt,  welche 
(als  Wirkung,)  zwar  von  dcin  Gefiihle,  (als 
der  Trieb£eder}  su  unterichetden  itt,  aber 
doeh  ebenlalls  und  voriugltch  Achtung 
heiftt»  Denn  da  (ierMenfch  Wohlgefallcn  an 
demhat  was  er  thut:  (6  kann  auch  mlt 
der  fieyen  Unteiwerfung,  ein  angenehmer 
Gemiithszustand  vcrbunden  feyn. 

Aus  dicfem  Grunde  find  von  dcm  mora- 
Ufchea  Gefiihle  oder  dem  Gewiffeny 
nach  dem  Urtheile  der  gemeinen  Vernunft, 
cweyerley  Wirkungea  zu  erwarten;  Bcstra- 
^ng  und  Belohnung.  Wie  die  ersCe  Statt 
finde,  erhellet  aus  der  vorherfehenden  Be- 
trachtung.  Demuthigung,  Misfallen  an  un* 
icrer  Perfon*  Geffihl  luileri  Unwerths  find  ua* 
atisbleihlieb  mit  dem  deutlicben  Bewufttleyn 
verbundcny  dafs  wir  nicht  thatcn,  was  wir 
thnn  folltem  Und  hienns  tst  aucb  die 
Wirkung  des  entgegengetetttea  Bewufitieyns 


—  374  — 

leicht  ciazufehea.   Wer  iich  dem  Gcfetie  im- 
terwicft»  und  fo  dit  BedUngting  su  crfullea 
strebt ,  imter  welcher  dic  Selbstrchatzung  alf 
xechtmSisig  crfcheint,  dcr  isl  frey  von  Vor- 
vnrfen»  und  darf  einen  Bliek  in  iein  Innerei 
w a  3  c  II.    Dieft  enetigt  den  eignen  Genu fs,  clcr, 
um  feincs    inteilectuellen  Urfprungs 
trillen»  von  jedem  andem  Gefuhle  dev  Lust 
iinterfchieden  wird,  und  Selbtttufrie- 
denheit  hcilst.    Das  WoiUgefallen  an  der 
Perfony  welchef  darin  autgedlnlclLt  wird,  ge* 
hort  swar  an  und  ftir  iich  tiir  Sinnlichkeits 
denn  cswird  von  dcr  Vcrnunft  eingefchrinlLt} 
in  ib  fem  ei  aber  aus  dem  Bewufttfcyn  einer 
«iberwtegendeny  diireh  That  bewiefeneny  fitt» 
lichen  Gcfnuuuig  flicfst,  hat  es  cincn  i  n  tc  1- 
lectueiien  Urfprung.  £>enn  die  littliche 
Gefinnung  betteht  eben  darin,  dafi  der  Wille 
nicht  von  fnuilichcn  Ncigungcn  fondera 
Ton  eineui  Gcfetzc  bestimmt  werdcy  wel- 
elies  uns  in  eine,  von  der  reinen  Vemunft  be« 
stimmtcn  Ordnung  dcr  Dinge  verlettt. 

Wenu  wir  nun  feruer  bcdcnken,  dafs  die 
Selbstzttfriedtnheit  gar  oicbt  Stott  finde» 


kann»  ehe  die  Gewalt  Jer  Begiedlen  <it  dem» 

was  uuraittclbarcs  Vcrgmigen  gcwahrt,  iind 
felbst  zu  den  Mitcein  delTelben,  in  einem  ge- 
wiffen  Mafse  wenigstensy  gebrochen  ist:  Co 
liist  iich  cinrehcn ,  dafs  in  dcr  Zufricdcnhcit 
mit  unf  felbst  auch  auf  gewilTe  Weiie 
diejenige  liegt,  igvelche  lieh  anf  unfern  Zu- 
stand  aJs  finnlichcr  Wefcn  bczieht.  Wcr 
icine  Beduxfnilsc  cingefchfiukt  hat,  der  hat 
auch  dann  noeb  Wohlg^alien  an  leiner  Ezis- 
tenz,  wnn  er  eineMenge  Dingc  entbehrt, 
vvelche  von  fo  viclcnMenfchen  als  das  huchste 
Ziel  ihrer  Wiinfche  angefehen  werden.  Dat 
Bewufitfeyn  einer  Befreyung  von  Be- 
diirfniffen   gewahrt  einen  Gemifs,  der 
ebenfallf  in  der  SeJbstsufricdcnheit  ausge* 
druckt  wird,  und  nieht  eigentlich  einen 
ThcildcrGlilckrciigkcit  ausmacht,  in  (b  fern 
unter  diefer  die  politive  JBcfriedigung  rmnli« 
cKer  Triebe  verstanden  wird»  fondern  eia 
fchwachcs  BiH  dcr  Scligkeit  der  Gottheit 
ist,   Denn  dicfcr  fchrciben  wir  eben  deswc- 
gen  die  Seligkeit  su,  weil  wir  diefelbe  ala 
irey  von  alleii  Bedilrfoiiren  denken  mulfco. 


—  376  — 

Dahcr  ist  die  Zufricdcnheit ,  welche  aus  dcr 
Einrchrankiing  der  Begierden  entftebl» 
gant  andererNatur  tls  diejenlge,  welche  mitdtr 
Bcfrtedigung  dcrfclbcn  cnc(pringt.  |ene 
enthilt  iu  fich  den  Keim  von  Daiier  und 
Wacfatthum,  und  sit  uber  dai  ganie  Leben 
verbreitets  diefe  einen  Kelm  von  HinftJlig- 
fceil  und  Zcrstoning,  und  fUUc  oft  fchon  in 
dem  Angenbiicke  fveg»  wo  nan  glauben  ibllte 
fie  iey  ToUkominen.    Denn  dle  finnltchen 
Nciguugcn  wechfcln,  wachfcn  mit  dcr  Bcgun- 
itigung»  und  die  Gcgenstiade  derkibca  ge» 
iilhren  gleichwohl  dat,  was  fie  su  veri^re^ 
chen  rchcincny  oft  nm  Ib  wenigcr,  je  stSrker 
das  Verlangcu  darnach  ist.  *} 

»J  Die  Ziifricdcnheir,  welche  aut  der  U  n  a  b- 
hangigkeit  von  bestimmenden  Neigun- 
gen  encsteht»  kann  intellectueU  und 
diejenige,  welcbe  aus  der  Befriedigung 
der  Neigungen  cmnthr,  «sthetlfch  hcifr 
lan.  Dic  beydcn  Gemfitlisanstlnde  wetden 
swar  nlcht  fctcen  verwtehfelt^  fiod  aber  m- 
fchieden,  Dsher  such  die  Fnnaofen  swey 
befondreWorte  daf&r  habcn.  GontcDfenem 
drfiekt  dic  mtcllecmelle,  und  Saiiifiidioa 
die  isihctifcfae  Zufiiedenheit  sus. 


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—  377  — 

Geht  maB  von  der  Wirkudg  <lcr  Tugend 
auf  dcii  allgeniesiiefi  GeAuthsiuttand  det 

Menrchen,  zu  dcr  Wirkimg  einzclncr  mora- 
iiTchea  Haudliingen,  felbtt  foicher  iiher,  flie 
grofie  Aiifepferung  fofdcm:  fi>  kann  maii 
auch  da  einen  gewifTen  damtt  yefhundenen 
Genuft  denken.  Auf  dcn  Kampfe,  der  zu 
bettehen  itar»  kann  eine  Ruhe  folgent  dio 
lchon  an  und  lur  lieh  tuden  angenehmen  Em<. 
pfindungen  fu  rechncn  ist,  und  dcren  An* 
Behmliehkeit  noch  auf  mandierley  Weife  vetw 
mehrt  mird.  Durch  lolehe  Handlungen  wird 
das  Wohlgefallen  au  der  Perfon  crwcitcrt, 
und  dat  Gefulii  der  Wurdc  crhoht}  der 
Menlch  liehr  fieh  gleichfim  dem  Ziele  nSher» 
dat  er  dtirdi  lein  gantet  Leben  tu  verfolgen 
entfchlonen  ist.  So  v;ie  nun  iibcrhaupt  der 
Sieg  uher  Hindcmille  in  jeder  Angelegenheit 
det  Lehent,  und  die  Annlherung  tu  irgend 
cinem  Ztele,  ivelchem  nachgcstrcbt  wird,  mit 
Lutt  erfuilen:  ib  fuiiret  auch  die  bewierene 
Kraft  bey  der  Selbttverliugntmg,  und  die  An« 
naherung  zur  fittlichen  Vollkommenheit  un- 
aushieibitch  ein  angenehinet  Gefiihi  herbey. 


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—  37S  — 

Bedarf  dlc  inoralirchc  Ilandlimg  keines  Kaiit« 
pfes,  Co  kantimit  ihr  doch  iu  £o  fernLitstver- 
biiiideiireyn»aUuberhauptclas,  «atvrtr  chun« 
init  Wohlgcfallcn  begleitet  iit»  und  dieLcick- 
tigkeit,  iiiit  der  eine,  ronstKarapf  erfordcra* 
Handlung  gethan  wird»  ebenfiUs  eiu 
Zeugnils  von  den  Fort(chritcen  xum  Gutea 
ablegt.  Uiberdicfs  find  viele  Pflichtcii  voa 
der  Aitf  da^s  die  ErfuJlung  derfelbea  von 
Folgen  begleitet  vrlrd»  die  unmittelbar  oder 
mitrelbar  mit  Befriedigiing  tmferer  linnlichen 
Tricbe  zufammcnhangcn.  Wird  bey  deii 
PHichtent  dte  (ichauf  uns  felbst  beiiehen»  die 
Erhaitung  des  Lebens  in  eiiiem  trostlolen  Zu* 
standc  aiisgenoramcn :  fo  kommt  es  dabcy  je* 
derteit  darauf  an,  da(s  ctwas  erhalten  oder 
erreicht  wcrde,  was  sur  Ghlckfeligkeit  un- 
fcrcr  Fxistcni  nothwcndigcr  ist,  als  das,  was 
aufgcopfcrt  werdcn  miifs;  Durch  Mifsickcit 
ieine  Gefundheit  tmd  den  ungchittderten  Ge* 
brauch  der  Kilfte  erhalten,  durch  Arbeitfam* 
kcit  fich  vor  M^"gel  fchutzen,  oder  feine 
F<fchigkeiten  erhohen  ik  C  w.  kann  niemand 
thun»  ohne  nach  uberwitndcflem^  Widerstan* 


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dc  der  Ncigungen,  die  folchen  Zwecken  Ein^ 
trag  thtin,  Zufriedenheit  init  (ich  felbst  zu 
empfinden.  Auch  unter  dcn  Pflichtcu  gegen 
Andere  gieht  ei  ihrer  vieJe,  welche  durch 
die  Befriedigiing  der  Sytnpathie  reichen  StoiF 
zur  Erhohung  unferer  Gluckrdigkeic  gcwah- 
ren.  Kommt  denn  nun  noch  der  Bey£ill  der 
Vemunft  fu  dem  was  wir  thaten:  fo  wSchst 
oft  dcr  Genufs  in  ebcn  dem  Mafse ,  in  wcl- 
ehem  iich»  vonSeiten  leibftiicherNeigungeiis 
Hindernifle  idgten. 

So  ftark  aher  in  mancher  Ruckficht  der 
Zuikmmenhang  xwifchen  Gluekieligkett  und 

Sittlichkeit  ist;  fo  gewifs  aiis  dcji  morali- 
ichen  Handiungea  vicic  angenchme  Empfin" 
dungen  entstebens  fo  grofi  der  Werth  dei 
eignen  Genuffet  angeietat  werden  kann ,  wel- 
cher  in  der  Seibstzufriedenheit  liegt,  und  fo 
cntulckend  das  Bild  wahcerTugend  tst:  fi> 
mufi  man  lich  doeh  htiteny  das  Sittengelets 
dadurch  herabzurctzen ,  dafs  man  deu  Grund 
davon  in  den  beibndem  Freuden  fuchei^  wel- 
che  die  Tugeod  gew^hrt»  Dcan  auf  die  Be* 


—  380  — 

hit^igans  tin&rer  finnlieher  Triebe  kaim 
iinniittelbar  gar  kein  Ge(eez  gegriindef 
werdeu^  wie  geseigt  worden  ist«  Dcr  Genuif 
aber»  welcher  in  der  Seibtttufriedeii- 
lieit  atisgedrtiektwinl,  itt  ntir  eine  Folge 
der  Beobachtung  det  Gefetzes ,  nicht  der 
Grund  deHeibea;  denn  er  betlebt  leinem 
Wefen  oaek  in  der  Preykeit  von  Vor* 
wiirfen  und  der  innern  Verachtung, 
tUKi  obne  Gelets  wurden  ketne  VorwiirC^ 
ffurdekeineVenehttuigStattlinden.  Uibetw 
dicfs  fctzt  die  Selbstzufi  icdenhcit,  als  ein  an- 
genehmer  Gemuthtzuttand»  fiedin- 
fungen  Toratit »  die,  im  Anfange  det  morali* 
fchen  Lcbens,  fclten  Statt  finden,  iind  cUc  fur 
keinen  McnicheD ,  iu  jedem  denkiichen 
Falle»  Statt  finden  konnen,  wie  aim» 
iTiehro  noch  ausftihrlicher  gezeigt  werden 
foll,  alt  fchon  aut  der  Natur  der  Sellwtsufne* 
denheit  erheUt. 

Wenn  Handlungen  gethau  oder  unterlad 
lea  werden  IblieB»  welclie  einen  Widerttand 
ia  den  finnlidien  Ncigungen  finden:  Ib  kann 


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ciA  Gemiii  aut  einein  rolcbeo  pflicht<nai6i|ea 
Betrayen  niir  in  Ib  feni  kervorgeheiv  alf  te 

Menrch  Wohlgefallen  an  dcm  hat,  was  er 
thuty  und  diefes  Wohlgefallen  von  der  Ver* 
nmiftieJbtt  gebiliigec  wird,  Piefe  Annehm* 
Kdikett  itt  ttett  uberwiegcttd»  wenn  et  ■nf 
Handlungen  ankommt,  die  wir  nach  Belie- 
ben  thiin  oder  lailen  luiaocn»  ohne  <l«t  Sit- 
tenfefets  in  terletieni  «enn  iber  diefet 
den  WiDeii  bestimmt,  fo  gefchieht  es  nicht 
felten,  dafs  die  fireye  Unterwerfung,  fo  groft 
dtt  Wohlge£dJen  an  der  Tbtt  feibtt  im  All- 
gemdnen  irorgettellt  werden  kanit,  clodi  ktU 
neoGenurs  gewShrt.    Denn  foll  derfeibe  ein* 
Iretea,  ib  muit  die  Pflicht  keiner  f ot twir- 
kenden  Neigong  Abbruch  tbtm.  Wer 
der  GefchJechtslust,  dem  Ehrgeitze,  derHah- 
iiicht  ergebea  ise,  kann  auch  daoo  uocli» 
«tenn  cr  fieb  eatfebloflett  bat*  eioen  Gegen- 
itand  feiner  wolltistigen  Begierde  nicht  zu 
verfiihren ,  ein  verwerfliches  Mittel  zur  Be« 
feiedigttng  feinet  Elurgeittet»  feiner  Hablucbt 
ttieiitin  gebrattebetty  von  feinen  Neigungen 
fo  gequalc  wcrdcnn  daft  dcr  Gcdanke  an  die 
Bb 


—  38a  — 

Selbttvecliiugituiig  vor  der  Bcgierde  nadi 
deniy  waf  er  aufopferte,  fchvrerlkh  auf- 

koinmt}  zeigt  ci:  lichabcr  in  ruhigern  Auge» 
blickeo:  fo  kann  er  wiedenioi  von  der  Be- 
lchiniuug  uber  die  fehlerhalte  Gemtithibe- 
fchafFenheit  beglcitet ,  und  von  WohlgcfalleQ 
•n  der  Perfon  entbldlit  ieyn.  Komnit  bicr- 
su  noch  die  Erinnerung  an  efaetnals  began* 
gcnc  Fchlcr,  dic  mit  dcn  nciierlich  vermie- 
denen  Aehnlichkcit  luben :  fo  iiftt  fichs  kaum 
denken»  dafi  die  Demtifhigung,  die  ihm  auf 
dicfc  Weifc  doppelt  widcrt *ihrt,  cin  Ge- 
fiihl  der  Lu$t  an  der  WiilensbeFtimmiiiig 
ubrig  lalfe»  «elche  die  Veranlaflung  daiu  iatw 
Von  ^lcher  Seite  man  alfo  die  Sache  be> 
trachtet,  fo  fchcint  es  ausgcraacht,  da(s,  Co 
lange  die  Leidenfchaften  fortCiliren^  die  Ge* 
gentt3nde  ihrerBelriedigitng  ali  rcictend  dar- 
zustellen,  und  dadurch  in  dem  Innern  dca 
Menfcbent  leibtt  nach  der  Wiiientbettim- 
muttgy  den  Kampf  gegcn  dieVorfchriften  der 
Vernunft  fortfetzcn,  das  Wohigefalien  an 
der  Befblgung  derleiben  wloren  gcfaea 
muls. 


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Wat  von  eiuzeUien  Leidenrchaften  gefagt 
worden  ist,  kann  atif  den  Hang  «ir  Sinnlicb* 
keit  uberhatipt  angewendet  werclen.  Wenn 
«iiefc  in  dcin  Mcafchen  noch  hcrrfchend  ist» 
tuid  ihr  doch  von  der  Vemunft  bitweiieA 
Ppfer  abgedrungen  werden  t  fo  iat  der 
Schmerz  iiber  erlittcncn  Vcrhist  gcwohnlich 
viel  su  starky  und  auch  nach  der  Sclbstver- 
ISugnung  viel  zu  tvirkiani»  ali  dais  er  von 
dem  Wohigcfallen  an  der(elben  au^^ogen 
vvcrdcn  konntc.    Niin  find  wir  aber  fo  be- 
ichaffeny  dais  das  Uibergewicht  einer 
EopfindttngunlemGeniuthsiiistand  bestimint. 
Als  genicuend  Konnen  wir  nicht  ange(e- 
hcn  werdcn,  ib  lange  die  U  n  1  u  s  t  herrfcht, 
tsenn  gleich  das»  woraus  dieieibe  entsteh^ 
etwas  bey  fieh  liihrt,  das  unter  andem  Um- 
ifindcn  tinrcr  Gefuhlsvcrniogen  angenehm  af- 
ficirt  haben  wurde.  Der  Aiiibrach  eines  Vul- 
kans  bringt  an  imd  lur  fich  gewtfi  lur  die 
meisten  Mcnfchen  eine  angenchmc  Empfin- 
dung  hervor;  wer  tbet  dadurch  iein  Hab 
tmd  Gut  verlierty  bey  dem  wird  man  auch 
uicht  einea  Schattcn  von  Vcrgaugen  voraus- 


984 


lctfcii.  Mit  den  fittlieheii  Hantlliiiigeii,  & 
Anfopfimiiig  erfordern ,  baf  et  dne  ihnlidie 

Bcwaiidnirs.  Dic  Hancllung  ntl  und  ftir  iichy 
ali  ein  Erseugnirtf  luircier  Selbftthittgkcif» 
kann  wohl  to  betrachtet  wcrden ,  ali  fey  lie 
init  Wohl^efallcM  bcglcitet;  6ndet  fie  abcr 
in  dcr  Siaaiicbkett  einen  Widcntand»  der 
aiich  nach  der  Willensbettiinniung  noch  fott" 
wirkt:  fo  ist  das  Bewufstfcyn,  feinc  Pflicht 
gcthan  luiiabcu»  kcine  Qyellc  von  Genuiiu 
SoU  dieler  aui  irgend  eincr  fittlichen-  Hand- 
lung  cntfpringen,  ro  muis  fie  der  Sinnlich- 
kcit  nicbts  entrcifsen,  defTcn  Veriust  aicbt 
von  demGewiiin  fiir  dai  Wohlgefallen  an  un* 
femi  perionlichcn  Werthe  aufgewogen  wer- 
4e.       Dicfe  Bedtngung  bcifst  mit  andeni 

Diers  wcifs  auch  jedermann,  dcr  nur  einige 
Menfchcnkenntnifs  hat,  fo  gut,  dafs  es 
felbst  vertrauten  Freunden  Uiberwindung 
kostet»  in  moralifcher  Riickficht  cinander 
immer  die  Wahrhcit  zu  fagen.  Vor  leibli- 
cher  Gefthr  unau%efonI<rt  au  nwnen,  fin* 

•dct  jcdtr  nodiwiadig,  an  dic  mondHUw 
hingegen  wagt  raan  ofc  gar  nicht  au  cr- 
innern}  nnd  wagt  man  cs,     ist  ct  nidiif 


L-y  GoOgle 


~  385  — 

Worten:  <ler  Menfch  mu(s  mcfat  nur  fittltche 
Gelinnungen  befitsen»  ibndem  aueh  lchon  in 

cinera  gewifTeii  Gradc  Hcrr  fciner  Ncigiingcii 
geworden  feyn,  wenn  nach  Handiungen,  cUe 
denftlben  suwider  find,  ntcht  dit  Gefuhl  dcr 

Unhist  herrfchend  bleiben  foll.  Ersf  dann, 
wcim  cr  diurch  Natur  und  Frcyheit,  durch 

feltcnes,  dafs,  bey  allcr  Voificht,  durch  fol- 
chc  Vorhalrun^cn  die  Frhindfchaft  gestorr, 
odcr  doch  auf  einige  Zeit  gcfchwacht  werdc, 
Ein  mcrkwiirdtges  Bcyfpiel  hicrvon  hat  Swift 
gcgcbcn.  Hr  hattc  fcincn  rreund  Sheridan 
niehrcrcinalc  gcbctcn,  ihn  j.i  /u  wnrncn,  wenn 
er  ctwa  ira  Alter  gcitzig  wcidcn  follte.  Er 
wurde  «S  wtrltlich,  und  Sheridnn  crinncrte 
ihn  t9  |en«  Bine,  indcm  er  ihm  zugleich 
cine  Liite  von  Ztigtn  des  bcwiefeoenGcitief 
fibergab.  Zum  Lohne  dtlBxc  erinnene  Swift 
fcinen  Freund  an  das  Looi  von  Gilblas,  der 
um  der  Erfullung  einer  ihnlichen  Bitre  wil- 
leo,  von  feioem  Principnl  \  crsrofsen  wuide, 
Wcnn  man  nun  eincn  Widcrstand  gegen  mo- 
ralifche  Vorhaltungen  felbst  bcy  Menfchen 
bcmerkt,  die  fchon  einen  gewtifen  Grad  litt* 
lichcr  Gefinnung  bcfiizcn,  wie  kann  man 
dcnn  cincn  Sinn  fur  dcn  moialifchcn  Gcnufs 
bcy  dcnjenigcn  vorausfctzcn,  dcrcn  Rildung 
zur  SitUichkeit  erst  angefsngcn  wcrden  foil  ? 


—  386  — 

phynrchen  imd  moralifchcn  Zwang,  durcli 
fremde  und  eigne  Kraft  dahin  gekommen  isr, 
6»&  er  ^ie  Neigtingea»  die  fich  auf  ieiae 
eigne  Ghlckfeligkeit  befiehen,  in  Ordnung 
gcbracht,  und  denfeiben  durch  wlederholte 
Slege  die  Machc  benomiDen  hat,  ieibst  oacii 
der  Willensbettimmung  fertxuwirkeny  kann 
erdes  moralifchcn  Genufses  fahig  werden,  und 
die  Selbstsufriedenhcit  als  ciu  Gcfubl  dcr 
Lust  betrachten.   Es  ist  daher  nicht  su  ver- 
ivundern,  wenn  gleich  zu  bcklagen ,  dafs  fo 
viele  Mcufchen  gar  kciucn  Siun  fiir  die  An« 
aehmlichkeit  haben,  iie  aus  dem  Gedanken 
eincs  gcordnetcn  und  wohlgefiihrtcn  Lebent 
cntstcht  i  dcna  diefer  Sinn  geht  nicht  dem- 
felben  votfaer»  fondern  entfpringt  erst  «ut 
demfelbcn. 

Atts  dieren  Betrachtungen  folgt»  dafs  die 
Grenxen  der  Empfinglichkeit  lur  das  foge* 

nanntc  fittlichc  Vergntigcn  gar  nicht  zu  be- 
ttimmen  find,  in  fo  fcra  fie  von  dcr  indivt- 
duellen  Befchallenheit  der  Menfchen  abhln« 
gen.   Nur  dic  Bedingung  kann  man  an- 


geben,  uater  der      Wohlgefidlen  an  eidec 

mit  Aufopferuug  verbiindcnen  That  noch 
«Is  ein  Genuif  anxufeben  ist  i  das  Suttfindlen 
deflelben  hSngt  theilt  von  dem  phyfiichent 
theilb  voii  <Jcm  moralilclicii  Cluraktcr  jcdc> 
Mendhcn  ab.  Was  bey  dem  Eiuen  von  gac 
ketner  Bedeittung  mehr  ist»  dai  kann  au£  ei- 
nen  Andcrn  von  gleichcm  Grade  der  Sittlich- 
keitcincn  starkca  liindruck  machcn;  Tem« 
perament,  Stimmung»  Sufsere  Lage  u.  C  w« 
fiiid  hicrbcy  von  groltem  Einilufte.  Femery 
im  Anfaiigc  des  moralifchen  Lcbcus  ist  vicl* 
leicbt  ichon  die  Aufopferung  einei  voniber^* 
gehenden  Vcrgnugent  mit  xu  grolsem  Sehmer- 
fC  verbunden,  als  dafs  (ic  um  dcs  darauf  fol- 
genden  Wohlgefallent  willent  alt  «iinichens- 
vturdig  angefehen  werden  konnte  tmd  sm 
Fortgaiigc  \wird  vielleicht  ein  Gut,  das  maii- 
nichfaitige  und  lcbhaftc  Lust  zu  gcwalircn  im 
Stande  ist,  mit  Gleichgtiltigkeit  um  der 
PBicht  Tvilleu  hiiigcgeben.  So  ver(chie5en 
abcr  auch  dicMenfchcn,  thciJs  in  dcr  wcfcnt- 
iichent  theils  in  der  xufilligen  Befchaffenheit 
ihrei  Charakters  find :  1b  kann  man  docfa  ket« 


—  388  — 

Mii  Ib  firey  von  BedtiribUfca  dcnkco»  daA 
dle  BeobediCuiig  dct  SHtengeretzef,  in  iedeoi 
deakliclieiiFallc,  eincQyelle  vonLuitfur  ilui 
Mde.  Der  Mealbli  vefnag  viel»  wnaf 
Ibgar,  lieberleiiie  korperlidieFreybeit  aii&ii- 
geben  imd  phyfifchen  Schmen  tu  iiberneh* 
neii»  alt  feiner  Pflicht  cnlfcgeii  lu  hciideUi 
iber  dami  dielelbe  dc  eiii  'Mlttel  lom  Genift 
anfehn  kann  oder  foU  er  nicbt.  Diels 
£Shrt  tur  Betr«chtuiig  dct  Grenten,  inncr- 
halb  welehen  dct  «im  dcrSrfiillnng  derPflichi 
entstehende  Vergmigen  eingerchlorsen  iit,  in 
(b  fem  dieie  Greiucn  nicht  von  der  Beicbaf- 
lcohcit  eintelner  Menfchen»  Ibndcni 
von  <!er Befchaffenheit  det  Selbitverllug- 
nung  abhingem 

Wenn  ein  Mann  fich  gezwungen  fiehf,  lein 
Aint  au£iugeben  iind  fich  deni  Mangel  auizu* 
flittcna  iim  mcht  d«i  Wcrkicng  pflichtlolec 
Bntwurle  tu  werden;  wcnn  ein  Andcfer  lie* 
ber  tm  Kerker  rchmachten  und  feine  Pamiiie 
tm  Elende  Uflen»  alt  fich  ni  eincm  fidlchea 
Zeugnific  gcbrattchca  laHen  will:  Ib  legt  je- 


—  389  — 

der  fule  Menlek  eiaen  Wcrch  aaf  das  Be- 
wufitieyii  derReehtiehitfenheie,  welches  je. 
tien  Miiioern  beywohnen  inu(s.  Wer  et  aber 
wegfe  fu  iifen,  in  dieleni  Bewufideyn  iig» 
firfats  fiirdieOpfer,  die  fie  ihrerPflieht 
gebracht  hatten,  iind  ein  Lohn,  um  deflen 
wtllen  fie  giticl(iich  m  preiien  «Irens 
wer  et  WBgte  lu  Hufiemy  nan  mufle  |ene 
Manner  uicht  unterstutzcn,  fie  wiren  r  e  ch  t« 
fchaffene  Minner,  und  aiiiblche  fi&nden 
fie  in  der  Tngend  ihre  ganie  Gluekfe- 
ligkeit:  der  wiirde  gcwifs  fiir  bofe  ge- 
halten»  und  det  holinirchen  Spottet  beiciwi- 
diget  werden.  Geietit  aUb»  et  lUUtcn  fieh 
eihzelne  Menfchen  fo  von  aller  Sinnlichkcit 
frey  gemacht ,  dais  kein  Schmen  daa  Uiber* 
gewieht  iiber  die  tmveilnderliclie  .Rulie  ihiet 
Geiatea  erhalten  k5nnie;  fii  wbietet  doch 
die  Vefnunft  diefe  befondere  Einpfinduogsart 
lumMafiaube  fur  uniereHandiuQgen  <u  neh* 
mea.  Denn  wer  ea  tur  Regel  leinea  Verhal* 
tcns  niachtey  die  Tugcndhaften  nie  ais  lei* 
dend  lu  betracliten,  ibndem  aile  trai  der 
Ke^tichalKniheit  wiUen  moglicfae  Au&pfe» 


—  390  — 

nnigeii  io  tnfulehen»  als  ob  ih  Jer  S^lbitni- 

fricdcnhcit  hinringlichc  Entfchadigiing  lage^ 
wurde  £o  wenig  auf  die  Zuitimmung  allet 
Menlehen  reehnen  honnenp  dafi  er  anifer  el» 
nigcn  libcrrpannfen  Kdpfcn  gcrade  nur  dicjc- 
nigen  auf  fcincr  Scite  habea  Mvurde»  welche 
an  gar  keine  Tof end  gUuben. 

Fragt  man  nach  dem  Grundc  der  Unni6g« 
Itchkeit  der  allgemeinen  Sinttimmung  lu  je» 
ner  Regel»  (o  kann  man  ihn  in  dem  Geiite 
dcs  Sittcngcfetzcs  Bndcn.  Es  vcrlangt  nicht 
die  Unterdriickungy  fondem  dic  fiin- 
fehr*inkung  unicrer  Selbftltebe,  und  ge- 
bietet  fogar  die(e  Einfchrlnkung  dctwcgcn, 
damit  allcn  Mcnfchcn ,  aU  finnlich  ver* 
nunftigen  Wefois  gleiche  Rechte  an der 
Gluekfeligkeit,  welehe  von  der  Befrtedigung 
finnlichcr  Triebe  abhingt,  gcHchcrt  wcrde» 
£•  fctzt  diefe  voraus,  weil  foott  keinemMeop 
lchen  Unrecht  gefchehen  k5nnte.  Denn  wel* 
chcs  Unrccht  kann  Wcfcn  widerfahren ,  die 
in  dem  Bcwufstieyn  ihrer  Kechtfchaffenhcit 
jedeneit  Edati  fitr  die  Aufepfenuig  ihm 


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Kcigttiig  fSndeii,  mi  folglich  uber  jedes  Be* 
diirfnifs  erhabcn  warcn  ?  Sind  nun  aber  die 
Menrcheit  nicht  foichc  iimienfreyey  foiidera 
bediirftige  Wefen:  fo  tnufs  jede  diirch  Un« 
fittlichkcit  Andcrcr  crzeiigte  Einfchran- 
hung  der  Neigungen  als  ein  Veriust  an* 
gefehen  ijserden,  den  der  Menfch  tn  ieinen 
rcchtmafsigen  Anfprtichen  auf  Gluckfeligkeit 
ieidet.  Uod  folche  PHichtcn,  weiche  biois 
detwegen  Attfbpferung  fordern,  weil  es  un« 
ittoralifeheMenfchen  giebt,  find  eben  dieje* 
nigen,  welchc,  an  iind  fiir  fich,  nie  ali 
eine  Qs^He  iiberwiegenden  Gentifses  angtie* 
faen  wtedenkonnen  oder  follen.  In  ei* 
ncr  Wclt,  wo  das  Sittcngcfetz  allgcmcin  be- 
folgt  wurde,  hatte  iiein  Mcnfch  zu  fiirchten, 
um  feiner  giiten  Gefinnungen  wil- 
ien,  zur  Vcrzichtlcistung  auf  (ein  Atnt  gcno- 
thigct,  odcr  gar  niit  feincr  Familic  ius  Elend 
veriettt  ntwerden;  und  dieAufopferung,  die 
in  einer  ganz  nach  tnoralifchen  Gcfetzen  re- 
gierten  Wclt  nicht  Statt  finden  wiirdc,  foli 
luch  nicht  £6  angefehen  werden,  als  ob  fie 
ein  Gegenstaod  der  Lusc  feyn  kdnnt& 


—  39«  — 

X>'u6  hty Cpiele  9  die  d«r  Bettimmiiiig  der 
Gfenfen  dei  noraliicheii  Geiiufies  timi  Gntn* 

de  gclcgt  wordeii  fiad,  bczichcn  fich  atif  die 
SelbsCverlaugnung»  welcbe  durch  unmit* 
telbare  Ungerecfatigkeiteo  etaieliicr  Pev- 
fonen  gcgen  andere  nothwendig  gemacht 
wird.  Diefe  iinmittelbare  Uugercchtigkeit 
aber  iit  nicbt  nothwendig,  um  die  firfiUiung 
der  PAicht  «It  von  Genuff  entbl56t»  dirtu- 
ftellen.  Auch  mittelbar  kanu  die  Unntt* 
Jichkeit  eiiifelner  Menicbeo  tu  einer  Selbtt- 
wliugnung  nothigen»  welche  die  Selbtttu- 
friedcnhcit  dcr  Annchniliciikcit  bcraubt^  die 
tn  vielen  FHiicn  diiout  verlHiiiden  itt». 

Wenn  einMann  von  grofscm  Einfliirse  die 
Nothwendigkeit  fiililt,  rcinem  unwiirdigea 
Sobne  tu  keinem  ehfenvoUen  Amte  beforder- 
lich  tn  leyn ;  wemi  ein  Anderer  von  lehr  ein- 
gerchrilnkten  Vcrmogensunistandea  blofs  dcs- 
wegen  eincn  Theii  feinet  geringen  Einkom- 
ment  der  Ertiehung  einet  hulftbedurftigen 
Vcrwandtcn  widmen  mnfs,  weil  dicfcr  von 
dcuen  verlaflcn  wirdy  die  et  iich  in  dcr  Tiiat 


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ttuu  Vergnugea  macben  koiinten,  ihrea 
Reiehthum  zu  feiDer  Untentiitnmg  tu  ge* 
brauchen:  fo  wird  in  beydeii  Fallen  das  Be- 
wiirstfeyn,  reine  Pflichc  gcchan  zii  habcnt 
Selbsttufricilenheic  erteugen*  diefelbe  aber 
vontittelleny  alsob  lie  dai  unangenehme 
Gefiihi  der  Selbstvcrjaiigniing  iiberwiege^ 
wird  keinemMenfchen  einfaiien.  Oenn  eine 
fblche  Vorstellung  wurde  die  Mogliehkeie 
des  Wunfches  nach  Gelcgenhciten  zu  rolchen 
PHichten  vorausfctzcn ,  und  diefe  Moglich* 
keit  liegt  in  der  menfehlichen  Sinuefarc  aul 
keine  WeilSf» 

Bisher  haben  «ir  die  Uafitclichkeit  ein* 
lelner  Menfehen  als  die  Urfache  einer 

Selbstverrdugnung  bctrachtef,  uelchc  nichc 
mic  uberwiegendcn  Vergniigen  begleicet  ieya 
kann.  Es  fliefit  aber  eine  folehe  Selbstver- 
hlugnung  oft  atich  aiis  dcrgegcnwirtigen  Eiii- 
richtung  der  Dinge  iibcrhaupt,  in  fo  fcru  die- 
felbe  cheils  von  uberfflHchcigeiL  Sinn* 
itchkeit  erteugt,  theils  um  derlelben  wif. 
Icn  nethweudig  gewordcn  ist»    Obne  die 


—  394  — 

Uibcrmacht  uiieingerchrinkter  Ncigtiiigeii» 
wurde  jenei  ungeheuie  Mif  verhaltniif  ina  Be» 
fitse  der  Mittel  sum  Genuft  entweder  gar 
nicht  Statt  findcn,  odcr  wcjugstcns  nicht  dic 
druckende  Noth  det  Armen  sur  Folge  habeni 
ohne  Uihermacht  der  Sinnlichkeit  wurde  nie 
der  Ungefchiekte  und  Unerfiihme  dem  Ge» 
fchickten  und  Eiofichstvollen  zu  befehlen  ha« 
ben.  Und  wie  vieJePfltchten  find  nicht  hioif 
deiwegen  unangenehmy  weil  fie  dat  Strehen 
nach  den  nothwendigstca  Lcbensbediirfnirscn 
gegen  fich  liaben,  oder  weii  dat  Verdientt 
dem  Unverdienite  fieh  unterwerlen  muis, 
Uibcrdiefs  raiilTen  blofs  iim  der  Unnttlichkeit 
der  Menrchen  wiileny  Hccrc  untcrhaltcn  und 
Ahgahen  erJegt  werden;  und  hey  dieien 
nothwendlgen  Einrichtungen  ict  das  Maafi 
dclTcu,  was  von  Frcyheit  und  Mitteln  zum 
Genufi  aufgefordert  werden  foli,  wiederum 
oft  gar  nicht  in  Verh2ltni(f  mit  dem»  wat  |e* 
dcs  Glied  der  Gefellfchaft  dafiir  erhalt.  Nun 
ijpricht  fich  xwar,  um  diefi»  Misverhjiitniiiet 
willen,  der  moralilchgefinnl^  Menich  nicht 
von  der  Unterwurfigkcit  untcr  dic  burgcrli- 


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chen  Gefetze  frey  i  in  fo  fern  aber  die  dahet 
enCiteheiuieii  Pfliahten  Aufopfentogen  fbi^ 
dern»  diefeine  recbtjnSfiigen  Anfpruche 
auf  Giiickfeligkeit  mebr  einfchranken »  als  cs 
ohne  die  unrechtniliftigen  Anderer  no* 
thig  wHre,  find  fie  fiir  ihn  keine  Qnelle  uber- 
\7iegencl  angcnehmcr  ErapHndung.  Dcnn  er 
wiirde  derfeiben  gern  iibcrhoben  reya;  und 
kein  Menich  foil  die  £rlullung  iblchev 
Pfltchten  fo  betraditen,  alt  gewHhrfen  fie  ei- 
nen  Genufs,  der  fiir  allc  ScJbstverriugnung 
enticliidige;  er  foll  im  Gegcntheii  streben» 
Ib  viel  an  ihm  ift,  eine  folehe  SelbstverlSug- 
uuug  immer  weniger  nothwendig  zu  machen. 

So  weist  utts  das  Sittengefets  ielbst  die 

Grcozen  an,  inncrhaJb  wclchen  dic  Sclbstzu* 
fricdenheit  als  ein  bcgehruogswerthcr  Gcnufs 
vorgesteUt  werden  luinn.  Oiefe  Grenten  find 
die  bestimmtesten»  aber  nicht  die  einzigcii. 

Dafs  dcr  Mcn(ch  feinc  guten  Ccfuuumgea 
durch  die  That  beweiien  miifie»  fiehC 
«r  W0I1I9  wenn  er  nicht  gant  fiilfche  Begril^ 
voa  lugcud  hatj  als  finaiichvemiinftige 


WdeD  «bcr  kiui  cr  nieGdcfcalieitai  ni  IbU 

chen  Pflichten  wiiiirchen,  dcrcD  Erfullung 
gar  nichtf  weiter  gewihrt,  als  das  bloiia 
Bewufiereyoy  leiiie  Wurde  beliaiiptet  tu 
liabea*    Die  Brfaaltung  ie»  noralifchefi 
I^bens  kann  nit  der  Erhaltung  des  leibii» 
cben  verglicheo  werdeo.    Iit  die  letiten 
oicht  tiideri  Bb  doreh  Mittd  no|f ieh,  die  an 
Und  fiir  fich  keinen  Rcitz  haben ,  fo  muiren 
wir  fic  frcylicb  gebraucheni  Abcr  gem  ver- 
diiigen  wir  die  AnBekmlidilwit  der  Mittel 
init  dcr  Behtttptung  des  Zweckt.    Bey  der 
Erhalcung  dct  moralirchen  Lebent  ist  die 
menicliUehe  Sinncfart  ebendielelbe.  Anch 
wendet  die  Vemunft  an  und  fitr  6ch  dawider 
fo  wcnig  etwas  ein,  dafs  iie  dicfe  Handhmgf* 
nrtfiigir  in  vieicn  FSlllen  iiir  indirecten 
Pflicht  maeht.  Bey  derWahl  uderer  hur- 
gcrlichcn  Bcstimmung  zugleich  auf  die  Nci* 
gung  lu  gewiiicn  Geichaften  und  auf  den 
Nntf  cn  Eu  lUien»  dcn  fle  der  Gdellfchaft 
leisten,  heist  vcrnii nftig  handdn.  Wird 
fo  dic  ^ictlichkeit  mit  der  cignen  oder  der 
fircmden  Giuckfetigkcit  vcreinig^  6>  bcfiodct 


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—  397  — 

fich  dcr  MeiiTch  wohlj  wo  aber  fSr  feiae 
Siimlicbkeit  ga/  keine  Befriedigtmg,  weder 
dureli  eigendiehe  Seibscliebe,  noeli  dtirehSyn- 
pathie  crreicht  wird ,  da  isi  der  cine  Thcil 
feines  Wefenf  mit  dem  andem  in  einem  Strei* 
te  begriilen,  «oiu  er  eben  fi>  imig  (ydegen- 
hcit  wiinfchcn  kann ,  als  unangcnehme  Nah- 
nmgsmitecl  znr  Erhaltung  des  JciblichenXe- 
bcfli*  Gleichwohl  find  die  Yolikomme* 
a«n  Pflicbten  von  der  Art,  dafi  fie  jene  Un- 
annehmlichkeit  oft  bey  (ich  fiihren.  Hat  jc* 
luad  einen  Vertrag  gemacbt»  wobey  er  hio* 
terher  fieht,  daft  der  Vortfaeil  gant  auf  der 
Seite  des  Andcrn  i^ty  tmd  doch,  nach  Lage 
luul  UmsUnden»  uicht  ia  Vergleichung  niic 
dem  Verluite  lu  feCten  ist,  den  er  felbtt  da. 
bey  leidet;  fo  ist  er  iwar  verbunden,  fein 
Wort  zii  halten,  aiich  vicilcicht  cntfchJof- 
fta»  den  Verlust  tu  verichmcrsen ;  aber 
gewifi  wird  cr  lieber,  mit  Einwilligung  des 
Andern,  den  Vcrtrag  aiifhcben  als  das  angc- 
nrhme  Geiiihl»  welches  iu  der  Seibstiu* 
frtedenhett  liegt ,  bdialten  wolleu. 
Ebcn  fo  ist  es  mit  alJea  Pflichtca  wo  das,  was 
Cc 


398 


siifgeopfcrt  werden  mufsy  ip  gar  keineia 
VcrfaHiciiBiM  mit  defn  tteht,  vtn  dadurcli  cc» 
leidit  msd. 

Zu  grolsen  Opfcm  untcr  folchen  UmttSii» 
den  itt  gewobnlich cine  Unbilligkeit  von 

irgcnJ  eincr  Scitc  tlic  Vcraiilafrung,  und  cs 
fiiiit  dann  diefe  Grenxe  d«rs  moralirchen  Ge* 
ntifiet  mit  der  vorher  angegebenen  in  Eint 
sufamnien;  dieit  ist  aber  nicht  immer  der 
Fail.  Deun  obgleich  cine  v  o  r  ii  b  c  r  g  e  h  e  n« 
4e  unangenehme  Empfindnng  fitr  gar  niehtt 
surechnen  ist,  Ibbald  durch  Uibcmehmung 
dcrrelbcu  irgcnd  cin  Zwcck  crreicht  vjicd, 
der  fut  unt  oder  Andere  eincn  bedeiiteiideii 
Einfiuit  aufGluckfeligkeit  hat:  ib  itt  fiedoch 
binrcichend  die  Veraniairiing  dazu  als  nicht 
wunrchcuswurdig  darzirstellen,  wcnn  gar 
nichti  weiter  erreidit  wird»  ait  dat  Bewufit« 
feyn  feine  Pflicht  nicht  verlcfzt  cu  lnibem 
Dieis  ist  befondcrs  dcr  Fall^  wcnn  jcnc  unan* 
genehme  Empfindung  aut  imterdKickter  Sym» 
pathie  enttteht  Denen  die  wir  lieben,  Ce^ 
f^UigkcitCQ  uud  Dicnstc  abzufcblagcn,  wcil 


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fie  mlt  euier  itfesgeii  Rechtfchaffeiilieit  naeht 

bestehen  konncn ,  ist  eiae  Selbsfverriiigniingy 
zii  der  {ich  kein  Menfch  Gclegeaheit  wiia» 
fchea  darf,  ohae  ielbit  feioeGelianungen  ver- 
^lchtig  xu  nuichen. 

Pflichten»  die  fiir  <iie  Aiifopfentng  gar 
keiney  derfelben  «ngemeffene  Wirkung 

verfprechen,  gchciren  ohne  Aiisnahmc  zii  dcti 
fCrengen  Pflichteii.   Bey  dcn  unvoli* 
kommenen  muff  jederzeit  ein  Zweck  vor- 
lchweben,  deffen  Errcichiing  mchr  werth  ist, 
ah  (las,  was  er  aii  Aiifwaad  von  Kriftea  uud 
Mitteln  zinn  Genuiiie  fordert.    Wenn  eber 
der  Zweck  verfehlt  wurd»  dann  tritt  gewohn- 
lich  cben  der  Wunfch  ein,  welcher  fo  oft  die 
Uandiungen  der  Gerechtigkeit  begleitet 
Macht  auch  die  gehabte  Aiif ficht  auf  daf  <u 
LcwirkcnJc  Giite,  iini  Jas  Jamit  vcrbundene 
Bewufstfeyu  fittlichcr  Geiianung»  dais  in  den 
Fillen,  wu  nur  voriibergehendef  Vergnugen 
fiifgegeben  worden  isf^  die  unangcnehme 
i^inpiiaduiig  iiber  den  crlitteucn  Verlust  bis- 
wcilen  gar  nicht,  und  bey  aroifen  Op£erfi 


—  400  — 

imiiKler  gefiihlt  wird:  fo  ist  doch  wohl 
ichwerlich  cm  Menich  nt  findent  dcr  in  letf» 
tem  Falle  nieht  fern  dit  noeh  ttbrigbleiben<ie- 
Vergnugen  hingeben  w{trcle«  weao  er  dafur 
dat  wicdcr  crhalten  honnte»  wis  cr  «i%e- 
opfierc  hat  Dider  Wnnieh  itt  noch  ttlrkert 
wenn  geradc  das  Entgegengeretzte  von 
dem  erfolgt»  wm  heabficbtiget  wtirde.  Wat 
blciht  dann  von  4cr  Sclbttnifiriedenheit  mehr 
iibrig,  ali  ein  negativet  WohlgefaN 
len  an  der  Perfon»  eine  Freyheit  von  Vor* 
wurfen»  die  Troi t  gcwilircn  kana,  aher 
kcinGeftihl  der  Lutt  itcf  Dcandnlbl» 
chcf  wird  ungcrii  aufgegcben. 

Iit  dcr  Mcnlch  cndlich  Ib  glueklicb,  daft 

die  Unfittlichkeit  Anderer  IKn  zu  kei- 
nem  bedeutenden  Kampfc  roit  feiner  linnU* 
chen  Natur  auiBbrdcrts  bcfindct  cr  fich  tn  ca» 
ner  Lage^  in  wclchcr  die  tf  rcngen  Pflich- 
tcn  ihm  keine  Unlust  machen»  und  wo  er  dic 
Errcichuag  leiacr  gutcn  Abfichtcn  nut 
Wahrfchcinlichkeit'hofica  kana:  Ib  darfcr 
fich  doch  oicht  fchmcichcJo»  daii  allc 


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Hindliiogen,  welche  (UfSitreogefets  votiUim 
fbrdert,  iibeiyviegeoden  Gentift  verfpreclien» 

odcrgewahrcii.  Dcniicrist,  cbcnfeincrgliick- 
Uchcn  Lage  wegeo»  Eu  einer  Wohltbitigkeit 
verbunden»  die»  in  threm  ganien  Um- 
fange,  nichr  immcr  in  Uibereinstimmung 
mit  feiuem  Vergniigea  feya  kann.  Icde  ein- 
seine  fogeminnte  ▼erdienstiiche  Piiicht 
lunn  freylich  fo  vorgettellt  fterden»  olt  ob 
fie  niit  Liisc  lohne;  cs  lifst  (ich  aber  fch^ver* 
lidideakeny  daft  irgend  ein  Meofch  je  die 
BereitwiUigkeit  su  allen  den  Aufopfienin^ 
gen  erlauge ,  welche  die  practifcbe  Vernmift 
alf  nothwendig  darsteilt. 

Wenn  die  Medbhen,  alt  ▼ermtnftige  We- 

{cn,  den  Anthcil  zii  bestimmen  hatten,  deii 
jeder  an  der  Giiiciiicligkeit  haben  roJiy  in  ib 
fem  diefelbe  von  den  Gefttien»  und  von  der 
Ztifararacnwirkung  aller  Glicdcr  einer  Verei- 
nigung  abbingig  ist:  fo  wiirde  cioe  voll* 
kommene  Uibereina timmung  hcrr- 
lehen)  dieie  lifft  lich  aber  nicht  anderi  ali 
unter  dcr  Vorausfctzuog  denkeo,  da(f  jener 


Andieil  gl«ich  gefetity  naA,  wtan  dat 

Uibergcwicht  dcr  Sinnlichkeit  als  moglich 
angcnommea  wird,  nur  iim  diefes  Uibcrge* 
«ichts  wilJen,  tur  Scrife»  dieCer  Antheil 
▼erktimaert  werde.  Wer  allb  damaeh  nth- 
tc,  (ich  auf  Kostcn  andcrcr  eiiicn  grorsem 
Antbeii  su  verlbbafSen»  der  wiirde,  iciion  tim 
didcf  Strebeni  willen,  fich  ibgar  det  glei» 
ohen  Antheils  unwiirdig  uiachen.  Denn 
diefcr  gebuiirt  ihm  nur  alf  vemunftigen  We* 
ien,  als  etnen  Theilhaher  an  der  ailgeoieinen 
Gcfctzgehiing,  imd  Jiefcr  Wiirde  geht  cr  ver-» 
Itistig,  indcni  er  nicht  die  Vernuuft  hort» 
Ibndeni  fcine  Selbttfucht  «v Geletfgebe- 
rin  aufiEuwerfen  ttftht* 

Aut  dem  Gnindfatf  e,  dafi»  nadi  der  Ver- 
nunfty  der  Genufi  unter  allen  guten  Men* 

fchcn  gleich  feyn  wiirde,  folgt  frcylich  nicht, 
dais  diefe  Glcichheit  iich  auch  auf  die  Mit« 
tel  sur  Gluckleligkeit  erstcecfce.  Unterder 
Voja»isrcr?.!ing  eincr  natiirlichcn,  unverfchiil- 
dctcn,  diirch  manchcriey  Verhiltniire  crzeug- 
ten^  und  mit  der  gcgciniartigen  Einrichtung 


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—  403  — 

der  Dijige  nothvieadig  verbundeiieii  Ver* 
fchiedenheit  der  Menlchen,  wiirde  dio 

Veniunf t  nicht  niir  eine  Mannichfaltig- 
keic  dcr  MittcJ  zum  Lcbensgenurs,  £)ndcra 
auch  eine  gewifle  Ungleichhett  in  dem 
M^fie  derftflben  gut  heifien«  Wat  Einem 
Menrchen  zuin  frohen  Lebcn  genfigt,  ist  ei- 
nem  Andcrn,  ohne  lein  Verichulden»  nicht 
immer  hinreichend.  Anch  will  jeiie  G I  e  i  cb- 
heit  nicht  iagcn,  clafs  nicht  einzelnen  Men- 
fchcn,  auf  mancherlcy  Urlachcn,  Vorthei- 
le  und  Vorztige  mit  Recht  eingeiVumt 
werden  kotinten.  Aber  alle  follen  fich  doch 
eiiicr  folchen  Einfchrankung  der  Neigiingen 
unterwerfen,  welchedic  allgemeine  gleiche 
GluckfeHgkeit  moglich  machen;  und  VontT* 
ge  kunnen  nach  dcr  Vernunft  nur  untcr  dcr 
Bcdinguug  eingcraumt  wcrden,  dals  da* 
liir  etwas  geleitlet  werd^  wai  die  Gkichheit 
wieder  hcr«telle«<^) 

*)  Dafs  die  Vemunfc  tnf  diele  Gleichheit  drin* 
gc,  fchen  wir  bcy  iedcr  Gelegenheit,  wo 
iich  dieMcnfchen  freywiUig  an  gewiflen 
Zwccken  vftdnigcn*    Oluie  hiaUngtidie 


404 


Wenn  man  fo  die  Gliickreligkeit  als  ein 
femeuifcluftUchct  Gut  aniicht,  auf  welcliet 
fecler  Menieh,  ab  mniinftiget  Weleii»  gki- 
chen  Anipruch  hat,  und  dat  daher  zti  befor- 
clcrn  jederzeic  Pflicht  ttt»  fooft  nicht  die 
cignen  gerechcen  Fordennifen  und  dk 
ttrengen  Pflichten  darunter  leiden;  «emi 
mau  die  Vorztige  nn  Gluckgiitern  alt  cine 
verbindciidil  Aulforderung  aniiebty  fur  daa 
Bette  der  Menichhett  tu  wirken:  Ib  erhllt 
man  fiir  die  vcrdicnstlichcn  Pflichtcn 

Urfachc  wird  kein  Unterfchicd  untcr  deti 
Gliedcrn  einer  Gefellfchafc  gemacht.  Wird 
ifgfad  Eineaiein  Vorsug  cingeriumc,  Ib 
gcrchieht  ct  in  Rfickfichc  tuf  Verditnt^ 
Hierbey  tst  «ber  dtc  Uogteichheif  mir  tn« 
f ch  c i  n  e  nd,  nichc  wirldich.  Denn  um  dtt 
Verdicntcet  «illcn»  mthr  crhtlttn tb 
Anderc,  heiftt  nichit  tndert,  tb  tuf  dtr 
cincn  Sette  Erftit  ftir  das  crhalcen,  wia  mtn 
tuf  der  tndcm  tufgeopfert  hac;  um  dct 
Vcrdienstes  wiUen  Vorziige  enhcilcn» 
heiitc  oiit  den  Lasten  die  Vonheile  in  angc- 
tneffenes  VerhMtnifs  ferzcn.    Diefs  aber, 
weit  enf^fenn  die  Gleichheit  zu  storcn, 
geht  von  dem  Gtdankcn  der  Noihwen- 
digkcit  dcrfclbcn  hcrvor« 


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—  405  — 

ciaeii  Ib  «eiten  Uoifaiig,  difi  et  woU  kcia 
Menfth  wagcn  wird  zii  behaupteii,  dafs  in 
dcnirelben  stets  mit  den  moralirchnothwendi- 
gen  Handiungcn  tuglcich  Gennft  veibundea 
&f.  DenndaiSittengefelt  ferdert,  dat  eignc 
Entbchrliche  dcm  fremden  Nothwen- 
d  i gen  «uficuopfem  s  iwiCelien  fich  leibct itnd 
Andem»  bey  dem  Gebnuehe  der  Gliiciugiiter 
tind  der  Krafte,  keinen  andern  Unterfchied 
ftu  machcn,  ait  dcn»  weidien  die  Groiaa 
det  tu  erBeidendcn  ZweelKs  und  die  Wiir« 
digkeit  bestiramen;  imd  dic  Vorziigc, 
wcichc  aiif  dcr  ciocn  Scite  eingeriumt  wer« 
deuy  auf  der  andem  der  Menlclilieit  nt 
TcrgiSfen. 

Dafs  atis  dcr  Vernunft  eine  folche,  auf 
Gieichhcit  dea  Gcnuitei  liinwirkende  Hand- 
lungtweiie  hervorgebe,  kann  kein  Menich 
iaugnen.  *)   Wird  dc  alfo  nicht  wirkJich* 

«}  DieGlcicMicicdarMtacl  inm  Gcnu6  auf  etoe 
gtwiltdrilciga  WctliB  bewirkcn  su  woiltn» 
ittUnrecht  fie  ah  nAglkhsudenkea»  fo 

lange  dic  Mcnfchcn  unvollkommen  fmd,  ist 
Chimires  die  Gleichhetc  des  Genuftct 
Itlbtcabcriubcf6nlcra,  ifc  Pflicfat,  «ic 


inid.fia^t  vtelJeieht  rchoa  derGedatikedaiin 
Widerseand ;  Co  klnn  der  Gnmd  davon  ntir 

in  dcr  Sclbstrucht  licgen»  und  eben  das,  wat 
diefe  su  diiin  hindert,  wat  aber  nach  der 
Gefettgebung  der  Vernunft  geiehe- 
hcn  wtirJc,  ist  Pflicht.  Atich  kann  raan 
dicfelbc  in  fehr  vielen  Fillen  alf  eineArt  von 
Uoifer  Gereehtigkeit  vorstellen*  Ba  iit 
namlich  keinem  Zwcifcl  iintcrworfcn,  clafs 
eben  die  b ii r g e r li ch c  Gcrellfchaft,  welche 
lur  einen  grofienTheil  der  Menichen  viel- 
laltigenGeniift  bereitet,  cincm  andemTheile 
fogar  dcnjcaigcn  vcrkiimmcrt,  dcn  er  in  der 
Wiidheit  gefunden  iiaben  wiirde.  Wer 
allb,  vcrmittcltt  der  Vcreinignng  unter  Ge« 
fctze,  rochr  erhilt,  als  cr  ohnc  dicfelbc  ha- 
ben  wiirdcy  ja  mchr»  als  er,  wcnn  er  nureini* 
gernKiCsen  vcrniinftig  denkt,  bly  einer  vott 
ihm  fclb tt  bestimmten  Anordmmg  der 
Din{;c  vci  l  iugcn  wiircic,  der  iibt  bey  der 
Wohithiitigkeit,  durchdieery  vermit* 

in  dcm  Hsuptj^.cbotc  dcs  Christcnthums, 
fcincn  Nachstcn  wic  fich  felbsc 
au  lifibcn,  gclchu  wird. 


—  407  — 

tsUt  dt$  ihm  zugefdJeneii  Uibermaif eiy  ^em 
Elendle  abhilit,  blofi  eine  ArtTon  Gereeh. 

tigkcit  aus;  dcnn  cr  glcbt  dasjenigc  zii- 
riick,  was  er»  nach  der  Gefetzgebung  der 
Vernunfit,  gleichlani  nur  itir  Verwaltung  er- 
halten  hat,  iind  hiilt  dielcnigen,  weichedurch 
ebeii  (lic  Hinrichtnng,  dic  ihm  fo  viele  Vor- 
theile  verfchaft»  oft  alles  verlieren»  nur  ei« 
nigermarten  lehadlot.  Mit^emAu^an* 
de  von  Kraftcn  und  Fahigkciten  zum  Besten 
Anderer»  hat  es  gieiche  Bewandnifs.  Durch 
die  burgeriiehe  GeieUfchaft  werJen  fie  ge- 
weckt  und  crhoht,  und  zuar  auf  einc  Art, 
die  von  Glied  zu  Giicd  am  £nde  gewuhnlich 
eine  Aufopferung  von  Seiten  gewifler 
Menfchen,  vorantibfat;  diefe  Atifopfening 
aber  durch  dic  Dieiistc»  dic  der  Gereiirchaft 
geleif tet  werden,  einigermalien  vergftten»  itt 
Gereefatigkeit  im  weitetten  Sinne.*) 

^  DuTch  diefe  Anficht  wiid  auch  der  Einwen* 

dung  bc^cgnct,  die  man  5C|;en  den  weitcn 
Umfang  dci  verdienstlichen  Pflichten  ctwa 
davon  hernehmcn  konnte,  dafs  man  fein 
Vernidgen  doch  felbtt  crworben  habc; 


—  4C8  — 

Die  vcrdieaididieii  Pflkhicn  fiad  hkAm 
«ur  betraehtct  wordea»  tii  wie  fecn  fie  eiae 

Woher  kamen  denn  die  Rrlite  und  Mictll 
dflzu  ^  —  Uiberdiefs  foUte  ratn  bedebkca» 
di(f  10  dcn  metsten  FiUen  felbit  der  Er* 
verb  eines  grofsen  Venii5gens  nicht  an* 
ders  als  dadurch  Statt  finden  kann,  daCi  tuf 
der  einen  Seite  eingebufst  wird,  wes  fluf 
der  flndern  erwor  ben  wird.    Die  Einbufse 
gefchiehc  entweder  dfldurch,  dflfs  den  Er« 
werbgefchiften  eine  Ausdehnung  gege- 
ben  wird,  welche  Andcre  in  eben  den  Ge- 
fchflften  nichc  flufkominen  Ufsc,  oder  dfl- 
durch,  difs  dtt  eigne  Arbeit  sn  cinea 
liohen,  und  dit  Arb^  A  nderer  m  ctncn 
nicdrigcn  Prtife  ingclchligen  «iid.  bloft 
weil  dic  einc  nidic  abcrfehcn  werden 
fctnn,  nnd  dic  tndtrc  nur  nteh  dtr  Con* 
cnrrtni  dtr  lltnlchtn  gdchlttc  wird, 
dcocn  mfln  noch  cinc  Wohlchtt  zn  tr« 
zeigen  gUubt,  wenn  mfln  fich  von  ihrem 
Schweifse  bereichert.    DerLohn  foUw 
SMh  der  Gr6fse  und  nach  der  Dfluer  der  «!• 
gewflndcen  Muhe  bcsTii«mr  werden.  Wena 
dief?  nun  aber  bcy  dca  gcwdhnlichcn  Arbei- 
cen  gar  nichc  gefchieht,  und  grdistencheiU 
daher  der  dnickende  Mangel  fo  vieler 
Menfchen  fluf  der  eincn  Seice,  und  der 
Uiberflufs  fluf  der  flndem  encscchc:  fo 
hat  dcrjcnigc ,  welcher  fich  im  lecztem  be- 
findec,  tiae  groise  Schuld  tn  diejeoi- 


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—  409  — 

«Jlgcineiiie  GluckCeligkeit  befordera 
IbJleti.   Betracbcet  man  fie  in  Beiidittog  auf 

Sittlichkeit,  die  ebenfaJli  jeder  Men(eh 
befordcrn  foU,  tmd  die  fehr  viele  Opfer 
nothwendig  nacht:  ib  mixd  der  Umfang  je. 
nerPflichten  noch  mehr  vergrdfiert,  und  bey 
diefcr  Erweitenins  Yif^t  (ich  noch  wenigerals 
lUTor  die  MogiicJikcit  dcnken,  daiii  fur  den 
M enfchen  die  Beobachtunf  det  SittengeletUfl 
Jedcncit  mit  Gcnufs  vcrbundcn  fcy. 

So  grofi  alfo  der  Werth  der  Selbetiulrie* 
denheit  ift,  Ib  hoch  audi  dat  Geliibl  der 
Wurde  eincs  vernuiiftigcn  Wcfcas  uud  dcr 

%tn  ruriickzuzahlen,  welchc  durch  den  un- 
g  e  r  e  ch  t  e  n  Mafsscab ,  nachdem  der  Lohn 
cingcrichtec  wird ,  um  den  frohen  Lcbensgc- 
nufs  gcbfidit  wtrdcn.  Dit  dabcy  obwaU 
icndt  Ungercchcigkcic  iit  freylich  fon  dir 
Aft,  difi  ihr  iKin  intnfcUicbcr  Elcbitr  «b» 
htfftn  kmn.  Ancb  lifit  ficb  bcbaupctn» 
dait  bty  dtr  gtgtnwinigm  Siarichtung  dtr 
Dlngt  jmt  Ungtrtcbtigktic  nicbt  giiis  vtr* 
micdtn  werdcn  kann ;  abcr  cben  deswtgtn 
tst  jeder  verbunden,  lic  wifider  gut  an 
machm  uad  dts  an  chua  wti  «r  ihun  kflnn. 


—  4*o  — 

Freyhcit  von  bcstimniendeii  Neigtingen  ange- 
fecxt  wcrden  kaitii:  fo  iut  <ienn  docb  dteier 
Gemifs  feine  Greiisen.    Dcnn  Ib  wie  die 

Sclbstziifrit Jcnhcit,  abgcfondcrt  von  al- 
iem  Gefiiitic»  was  nicht  von  der  Moraiitit 
eiuer  Uan<llun|p«  fondera  von  dem  Zwecke» 
oder  dem  glticklichen  Erfolg  derfelben  nnd 
dcr  auf  Kaoipf  foigenden  Ruhc  hcrkoinoit» 
tii  einselnen  Fillca  niclit  aii  ein  Vcrgnu* 
gen  betrachtct  werdeu  kann:  Ib  macht  fie 
auch  d,inn,  \Qcm\  (le  ais  Fotgc  dcs  BcwufKt- 
leyns  uiirerer  moralifcben  Gcfionun- 
gen  iiberhaupt  belrachtet  wird»  nicht 
einen Thetl  unierer  Gltickfeligkeit  aus, 
Deini  fo  langc  loan  no:h  ctwas  von  dicfcr 
bebjilty  mu(s  man  das  Lebcn  lieben;  bey  aller 
Rechtfchaifenhett  aber  kann  der  Menfch  Co 
clend  werdcn,  dafs  dcr  Tod  nicht  nfir  nicht 
gcfciicut,  fondern  fogar  gewuniciu  wird* 
Nur  dann»  wenn  die  moraltichenHaiidlungen 
iliicji  Zwcck  crrcichen,  ist  in  cinzelnen 
Fallcn>  und  ucnn  dic  phyiilchen  unumging- 
lichcn  Bedtlrfniflc  befriedigt  findt  ist  im 
Al  I  g e m ei n  e u  dte  Zufriedenhett  init  fich 


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felbst etne  Veredhinf;  det  Lebenigenufle^ 
und  die  Zuiiricdenhcit  mie  leincm  Zusfiinde 
niuglicb.  Uibcrdicrs  i;t  Jrr  Umfang  der 
Pflichten  ifo  vrcit,  dtfs  icJbtt  diejciitgcn,  iweU 
che,  einieln  genonnnen,  wir klich  «1«  eine 
Qiicllc  angenchmcr  Enipnudung  vorgestcJIC 
«erden  konnen,  doch  xufammen  eine 
SelbstverlXugnunf;  fordcrn»  dte^  beydemVofw 
draiigen  finnlicher  Ncigungen,  ohnc  N  n  t  h  i  - 
gung  des  WiJlcDS»  uud  olmc  Bcyfcitclbtzuog 
der  Rucfcficht  auf  Genufs»  nicht  als  mog» 
lich  gcdacht  werden  kann.  Verkennt  man 
dicfs  alles,  fo  verfiiih  maii  m  ciiii^  moraJi* 
ichc  Schw'irmerey,  die  io  mehr  siJa  eioer 
lUickficht  iehXdlich  «erden  kami» 

Es  ist  g^eigt  worden,  daft  die  Vernunft 
unt  die  Verbindltchkeit  aufiegt,  nur 

folchc  Maxinien  zu  befolgen ,  welche  als  all- 
gemeine  Gefcue  gcdacht  werdcn  k6nnen« 
vnd  dafs  dle  ficUiche  Gefinnung  in  der  Ach* 
tung  fiir  dicfcs  Gcbot  bcstcht  ,  uhnc  alle 
Kuckficht  auf  dic  aiigcuehmc  £nipiiiiduiigf 
dle  denmt  entstehcfa  kann.      iit  ftmer  ge» 


—  413  — 

scift  wotdcn,  vie  die  Uuterwerfiiiig  imter 
«bt  Gdets  die  Selbttxufriedeoheit» 
imd  maneherley  «ngenehnie  Gefiihle  xnr  Fol- 
ge  haben  kaun.  Wirc  niin  dcr  daher  entstc* 
lieiide  Ceiiiilf  von  der  BeTchatfenheit,  daft  er 
in  der  That  alt  Erfatx  fiir  jede  tm  det  Sitten* 
feletxef  willcn  ubernomnicney  Sclbstvcriaug- 
nung  betrachtet  wrden  konnte:  fo  fiurde 
weaigstenf  ein  Schein  xu  der  Behauptung 
dafcyn,  dafs  feJbst  dic  Vorfchriftcn ,  welche 
die  rcine  praccifche  Vemunft  gicbt»  nur 
ifittel  sur  eriubensten  Liift  nlren.  Denn 
verwandelte  fich  auch  dcr  unbedingte 
Ausfpruch  der  Vernunft:  du  follst  fo  haa- 
deiiiy  inden  bedingten:  handleib»  wenn 
du  dir  den  h6ehtien  moglichen  Genufi  vcr- 
{ciufFen  willst:  fo  konntc  inan  wenigstens  fa* 
gen,  die  Vernunft  verdccke  gleichlam  ihm 
Abfiehteny  um  fie  detto  gewiHer  xn  errei- 
chen,  und  es  fey  in  dcr  FHicht  nnr  ciuc  fol- 
che  Notliigung  des  Wiiicns,  deren  unan* 
genehmes  Gefuhl  jederxeit  durdidas  dafw 
auf  folgcndc  angenehme  libcrwogen  wcr- 
de.  Allcin  auch  jener  Schein  £Ult  weg. 


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—  4t3  — 

bedenkt»  daA  dts  GtfttZf  welchet 
eioe  gewUTe  Handliingfweire  unbedltngc  ge- 

bietet,  mgleich  verbietct,  dcn  dahcr 
entitebeudea  Genuls  alt  Erfatt  fiir  alle  Au£* 
opfoung  antttfdien.  Denii  anf  diefe  Weiie 
bleibt  gtr  ntchts  ubrig,  wodiirch  man  be- 
rechtiget  wire»  die  £rfullung  der  Pflicht  alt 
ein  Mittel  tum  Genufie  vonuitellen, 
Tbuc  man  et  deflen  ungcachtet,  und  baut 
man  ein  Morairystcm  atif  die  vcrtncinte 
Gliickfcligkeit»  die  aiis  der  Beobachtung  der 
Vorfchriften  der  practi&hen  Verniinft  folgt; 
fo  kann  cs  nicht  anders  gerchehen,  als  indcm 
nan  den  Wcrth  der  angenehmen  Geluhie 
tibertreibt,  ^che  geiettmlftlge  Hand- 
lungcn  beglctten.  Die(s  thaten  die  Stoikei-y 
«eldic  lehrtcn,  dafs  das  Bewuistfcya,  frcy 
voA  alien  finniichen  Neigungen,  erhabea 
iiber  Schmen  und  Vergniigcn  tu  fcyn,  die 
eiotige  Lust  gew'ibrc,  nach  dcr  xu  strc- 
hen,  dcf  Wciien  uad  Tugendhaftea  wurdif 

fty- 

So  crhaben  dicfc  Lehre  dem  erstcn  An- 
blicke  nach  fchciat»  ib  verdient  6c  doch  den 
Dd 


—  414  — 

Namen  thut  Schwlrnierey.    Denn  Ib 
kann  nun  fchon  \€dc,  nach  Gnmdriezen  un* 
•etooiiiiiieae  Uiberfdireitung  dcr  Greo* 
sen  ^er  oieiifchliehen  Vemunft  nennen,  be» 
ronden  aber,  wenn  diefe  Uiberfchreitung  ein 
Gefuhi  betrifti  und  daii  auf  diefe  Weiie 
iiis  Gremett  dcr  Vemunlt  in  dem  Stoiftlies 
Moralfystem  liberfchrittcu  wcrdeuy  iit  of> 
fenbar.   Nach  dcmielbcn  liegt  der  cigeiit- 
licfae  Beteimmuiiffgruiid  lur  fittlichea 
Handlungfweiie  la  der  Gltickfeligkeit, 
welche  aus  ihr  cnt(pringt  —  und  die  Ver« 
Bunft  gebietet  unbedioft»  ohne  Ruckficht 
•uf  dielHbe;  iudi  demfelbeB  itt  dac  Wohl« 
gcfallen  an   der  Perfon  die  einzige 
lchte  QtfcUe  der  Gluckfeligkcit  —  und  dae 
Vemunft  ▼echietett  ^bllelbe  ib  xu  be* 
trachtcn. 

Diefe  heroifche  Schwirmereyy  welche  die 
Seelensfirke  luc  Triebfeder  der  Sittlichkett 
inaeht,  kaim»  la  mdir  dc  dner  Rtickfich^ 
nachtheiligen  Einfludi  auf  die  fittiiche  Biidui^ 
der  Meniclien  iiaben.  £•  iit  mir  Wenigea 
Ssmi  liir  dae  Vcrgniigcn  gegcben,  wdchefalf 


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—  4»5  — 

letft«r  Zweek  betrtchtet  wird ,  imd  wer 
iieCcn  Sinn  nicht  hat,  der  ist  nach  jcncr  Lch^ 
re  fireyiich  nicht  glucUich,  «ber  auch  leinet 
VetliaJeeDtwegen  mchtveraatworelich.  Demi 
wenn  et  mir  auf  Gefiihle  der  Liist  au- 
kommt»  io  gUubt  jeder  Menich  das  Recbt  ni 
haben»  nach  Gefallea  die  Mittel  lu  der* 
jenigen  en  «Iblen,   dic  ihm  am  racisteu 
fchmeicheln.    Nimmt  man  abcr  auch  an,  daia 
der  Sinn  fiir  jene  angenefame  Empfindung  g» 
Handlungen  treibe,  die  dem  Sittcngefetzc  gc« 
mafs  (ind;  fo  ist  doch  die  Gefiunuag  in  Co 
fcru  verfaircbt,  alt  fie  nicht  auf  dem  Gedan- 
ken  der  Verbindlichkeit,  (bndem  auf 
dem  Screbcn  nach  Vergnugcn  bcniht, 
wodurch  nicht  nur  dcr  Geist  dct  Geictsee 
au^elioben  wird^  Ibndera  auch  mancfaefley 
Verimingen  entitehen  k5nneii.   Damit  foU 
Dun  freylich  nicht  gelagc  wcrden ,  dafs  Men- 
ichen»  welche  jene  Meimmg  von  dem  Grunde 
•Uer  Sittlicbkeit  hegen,  nicht  moralifchgut 
bandcln  konnten.    Bey  der  Inconfequenx 
der  menfchlichcn  Denk-  und  Handlungfart 
fdcfaicht  ei  iefag  eft,  da|f  min  «ui  gant  aii> 


—  416  — 

tett  Gcuiideii  hand^t»  alt  maii  luch  dm 
angenoiiiiB^iieii  Syftem  tu  htndeln  vofgiebt. 

A«ch  iit  Cf  mir  dicfcr  laconrcqiieni  zviiu- 
lchccibeQ,  dM&  die  Stotker  gfo&tenthcils  dus 
PAiehten  guC  bettimmten.    Denn  bettehf 
die  wahrc  Gluckfcligkcit  in  Jer  Freyheit 
von  allcn  iinniicheu  Neigimgen ,  und  ist  nur 
iim  derfeibcn  willen  der  Tugend  nachtuitre- 
bent  fo  mulTett  davon  vide  Zweige  auige- 
fchloflcn  wcrdcn,  die  fich  auf  dic  finnlichca 
Triebe  beaiehen.  Der  iit  im  Grunde  der 
gfueklichtte»  der  iiach  der  gemeinea 
Mcinung  am  meistcn  lcidet;  dcnn  cr  hat 
dat  Bewuiitieyn  der  Seelcnsfirke  im  hochstea 
Grade.  WeiC  entfernt  aifo  dahin  lu  leheiiy 
dafs  phydfcher  Schmen  in  der  Gegenwarf 
und  ia  dcr  Zukunfty  fiir  uni  fclbst  und  fiir 
Andece  vermieden  «erde»  muftten  vielmeiir 
Mittel  in  danfelben  eidachc  «erden.  Dala 
das  stoifche  Systcm  fo  ctwas  nie  lchrtc,  ist 
eine  Inconiequens,  weiche  die  practifchc 
VcrnuttfCt  demfidbcn  fuwidcry  anttcang. 
Allcin,  wcnn  man  yrcift,  vrelche  GewalC  Mei- 
nungenubccdaf  Gcmuthlubeny  ibkiuuiman 


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itieli  denked»  dtit  ein  laU^ei  Moralprincip 

sur  Verkennung  der  Pfltchten  leite ;  und 
in  dcr  Tiwt  war  bey  den  Alcen  iliel^hre  voa 
dem  Selbitmorde  ein  Ert eugnlfi  dei  £dlelieii 
Moralprineipf.  Uiberdieif  itt  et  bekanntge- 
nug,  dais  aus  einer,  der  stoifchen 'ihnlichca 
Schw^rmerey»  die  Tugend  in  die  Ablbado» 
ning  von  der  Welt»  und  in  elne  IreywUlige 
Zufiiguog  von  Schmerzea  gcfeUt  ntordcn  ist« 

Gegen  dlele  ArC  von  moralilefaer  umA  ao* 

d3ch(iger  Schwannerey,  fcheint  eine  War- 
nung  in  unrern  Zciten  unnothig  zu  feyn.  In 
dem  GefiShle  der  Freyheitvon  finnlieiieaNei* 
gungen  feine  GhlckieKgkeit  «1  liichen,  ist 
ietzt  der  Grundfatz  von  wcaigen  Menfchen. 
Man  erliennt  ei  an»  dafs  der  Menfch  Bcdurf- 
iiiflen  unterworfen  iit»  deren  Befriediguag 
Gltickieligkeit  geWilhrt ;  und  nian  bekJagt  die- 
jenigen,  wdchcn  die  Mittel  dazu  fehJciu 
Allein  man  tibertreibt  doeh  dea  Werth  dea 
fogenannten  morallichen  Vcignugcns,  tmd 
uberfchreitet  fo  die  Grenzen  der  Vcrnuntt 
oicht  weniget  alf  die  Stoiker.  Maa  aucht 


—  418  — 

Sympatliie  uaA  Eigenlielietuclea  dii» 

figcii  Tricbfeclcrn  <ler  Sittlichkcit  i  man 
iiicht  oft  nur  Sina  fur  das  Schonc ,  Gto&e, 
Edle  feltner  Thaten  ni  eneugen»  olme 
diefclben  als  Pfllchten  tonuttellen»  «nd 
ohne  daranf  zu  dcnken ,  die  Verbindlichkeit 
lu  den  tlglichen  PAichten  fuhlbartunM» 
cheni  nan  Ipricfat  vonderTugend  nur  alf 
einer  CLuellc  befonderer  Freiiden, 
ohne  an  den  Widerstand  tu  denken,  dcn  fie 
in  unierer  Ssnnlichkeit  ftndetj  man  «eitt  auf 
d^n  Genufs  hin,  den  gute  Handlungcn  getalli» 
ren  und  fordert  auf  (ich  gleichfam  in  denfel« 
ben  tu  ▼erfenken»  ohne  an  die  NokhiieB* 
digkeit  einei  ^esten  Blickt  auf  die  Fehiec 
und  UuvoUkommenheiten  zu  erin« 
nem*  Hieraua  kann  leicht  eine  phanUitifcho 
Denkungsart  enfitehen,  die  weder  dem  Geiite 
des  Sittengefetzes  angeme(ren  ist,  noehielhit 
den  Buchsuben  deifclbcn  tu  erfullen  in  dem 
Ma6e  antreibty  in  «elchem  das  Gefiihi  dec 
moralifchen  Nothwendigkeit  trel» 
hen  wiirde.    Genufs  aus  jedcr  guten  Hand» 
lung  ▼ec^sechen»  hei6t  cntwedcr  eine  un* 


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—  419  — 

mogliche  Vollkoiiiineiiheit  vanutlctfen^ 
oder  die  mogliche  nicht  sumZiele  menlch* 

licher  Betniihungen  aiifstellen.  Denn  da$  Sit- 
tengefets  fordert  mehr»  und  der  Menfch 
vermag  mehr»  als  mit  ieinem  Streben  nach 
angeuehmeii  Einpfindungen  zuraramenstiinmt; 
und  zu  wenig  wird  immer  derjeaige  thun, 
der  nur  in  fo  weit  Uine  PilichCen  xu  erfiilien 
ttrebt,  alt  Sympathie  und  ^igenliebe  dabey 
befriedigt  wcrden.  Diefe  angcpriefenen 
Triebfedem  konnen  nur  ielten  da  wirkeo» 
wo  cs  mehr  auf  die  Unterlaffung  des 
Bdfen,  als  auf  VoIIbringung  des  Guten 
ankommt  £s  giebt  daher  Menfchea»  die  zu 
jeder 'groisen  und  edlen  That  beieit 
find ,  auch  wirklich  manches  thun ,  was,  aus 
einem  gewinen  Gefichtspunkte  betrachtet, 
preiswiirdig  ist,  die  aber  nicht  daran  den- 
ken  —  das  B^fe  tu  meiden.  Diefi»  in 
feiiicm  ganzen  Umfangc,  ist  das  Schwerste 
fiir  den  Mcnichen>  weil  er  dadurch  unmittel- 
bar  an  Geniifi  wenig  oder  nichts  gewinnt» 
und  dic  Befriedigung  det  Neigungen,  die 
suffl  Bofen  leitzen»  fo  viei  Vergniigca  ver* 


—  4«>  — 

i^hf.«)  Bifeallelie  ana  Syniptdac 
verleitca  oft  fogar  zum  Bofcn.  Wie  viele 
leiirige  Anhiiiyeff  det  Revdutioiiigetites  mo- 
fcn  fieh  liir  edel  hallcn,  mvl  fic  bcccU. 
find,  —  ihre  Pflicht  lu  vcrletien. 
So  verhindert  6mm  sCetc  Hinwcifcn  auf  Hand- 
Itingcn»  tocinen  hohcn  Gcnule  gcwih- 
rcn  koonen ,  die  yollhriogiing  «ler  elfengca 
ttnd  entcn  Pflichtcn.  Dieif  ist  aber  nicht 
dcr  cinugeSefaeden,  dcr  aue  4er  noraliichen 
SefanfimNrey  cnttteht.  Die  Grundung  dcr 
Tiigcnd  auf  fchmclzcnde  odcr  hochflicgcndc 
GeCiifalc,  hat  auch  eine  ganx  eotgegengcfctxte 
Wirknnf  ^n  dcn,  wai  fic  cn  vcHprcchca 

Wie  weic  es  bey  tina  fokheo  fihbthaftcn 
Grundlige  dcs  Chanlnaii  lait  ciQam  Man- 
tam  koamn  ktaae.  khti  dai  Seyfpid 
w  O.  Ood,  der  mic  Knft  uad  Ntchdmdi 
dieSchdnhdiderTugcndi  dai  BdcUgcnde 
dcr  Rdigion  damdkt ,  •UMndia  gute  Anstdt 
bcMma,  uad  dabey  nidit  nnr  in  einem 
fthr  hohcn  Grada  dcr  Wollust  und  dcr 
Hahfucht  ergeben  war,  fondcra  fich  fogsr 
dufdi  dnan  fchiadlirhan  gctrug  an  Galgm 


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—  4*1  — 

leheiiit  Wer  nilr  nach  dem  Vergnugen 

ttrebt,  das  aus  edlcn  HanJlungcii  enrrpririG^a 
katui»  ift  fo  anzurehen,  als  folge  er  einer 
Neigung»  ieren  Befriedigiing»  oder  Nicbc- 
befriedigiing  iuf  leine  Willkuhr  ankofn- 
ine.  Hangc  gJeich  diejenigc,  von  wclchcr 
hier  die  Rede  itt«  niit  dem  Vcmunfirgcfetxe 
su&fnmen;  tout  doch  nicht  dwraiif  gc- 
griindety  wenn  die  Gegenstande  derfclben 
nickt  mit  dem  GecUnken  der  Verbind- 
Itchkeil  ▼ereinigt  wcrden;  imd  ist  fiedee 
Grundes  verhistig,  fo  ist  ihr  auch  keiu 
dauerhafter  Einfluii  auf  das  Vcrhaltca 
gefichert.  Et  darf  nttr  jener  Genuit  auf  ir* 
gend  etne  Weife  gestoft,  oder  Ton  einem  «n- 
dcrn  iibcrwogen  wcrdeiiy  «ric  dicfs  leicht 
ducch  ica  fehJgcfchJageiien  Erfolg  mchrerer 
Handlungen»  und  dureh  veiVnderte  Lagen 
iind  Uuibtaadc  gcrchchen  kann:  fo  ist  auch 
der  edle  Sinn  mit  allen  ieincn  Wirkungeii 
daliui.  Was  follce  den  Menfchen,  dcm  ct 
einmal  nur  um  Vcrgniigcn  in  thim  ist,  be- 
wcgcu,  dcm^cibcu  auf  ciiie  Weifc  nachzu- 
ttreben*  ivo  er  es  fi»  oft  vericbit  hat^  und 


—  4^3   

nidit  ittf  cine  andcre,  wo  ct  e$  weit  ficherer 
CRciclU?  Dieis  ist  noch  nicbt  alles.  SellMt 
Ib  Ijflge  dcr  iogaiaiiiiie  edle  Sian  bkibl^  *) 
ist  fehr  tu  (Srthtenf  dafi  er  aielit  eiiimal  Ib 
viel  folche  Handlungcii  hervorbringe,  die 
wirkiich  refar  angenehmie  Emp6n<liiiigen  m 
Begletteriniiea  liaben  koniieii»  als  blofie 
Gedanke  der  Pflicht.  So  unwahrfchein- 
Ikk  die6  vorkomiiien  nag,  Ib  itt  et  dodi 
^erErfahning  gemKsy  und  in  Natur 
Menfchen  gegriindct.  Er  striiibt  fich  iwac 
oft  gegen  die  Vorstelhtng  von  blorser  Sehul» 
jligkeit^  «enncrilir  auf  iigeiideiiieWeift 
entgehen  kann,  und  findet  fich  dagegen  von 

ei)  Da  mtn  im  Allgcaifiiflcn  dat  Vorsfiglidie 

jn  tiner  gewiflbi  Art  e d el  nenat,  Ib  kaaa 
dem  Menfchen,  wekher  die  ^be  Selbft- 

fucht  abgelcgt  hat ,  und  die  feinem  Freodcn 
liebc,  euch  auf  gewine  VVcife  ein  edlcr 
Sinn  zuj^cfchriebcn  werdcn.  Wenn  cs  aber 
wahr,  dtfs  nur  derjenige  gut  ist,  welcher 
feinc  Pflichren  zii  eifullen  strebf ,  fo  har,  in 
nioralifcher  Ruckfichc,  nur  derjenige  den 
ichten  edlen  S?nn,  welcher  vorziig- 
liche  Selbstverllugnung,  uin  der  Fflichl 
wilUn»  beweist. 


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—  4»3  — 

dem  Gedtuken  an  Verdienit  «ngexo* 
gen;*)  er  veniditet  mit  einem  gewiflcn 

♦)  Verdienst,  fluf  Moralitat  bezogen,  wird  in 
zwcycrley  Bcdeutung  gebraucht:   Es  wird 
der  Schuld  und  der  Schuldigkeit  ent- 
gegcngefctzt.    In   der   ersicn  Beziehuns 
driickt  cs  das  tus,  was  der  Menfch  aut 
freyer  Selbstthatigk  ei  c  dazu  bey- 
tragt,  lein  Leben  dem  Sittengefetze  gem9(s 
ihMklittn,  und  bcttcht  alib  tn  dcr  freycn 
Vntctweifiuig  unter  deflUbe.  Dicft  hci&t 
dciwcgcn  Vodicnst,  ivtil  fic  dic  ErfiiUunf 
dcrBtdingung  anzeigt,  vntcrdcr  vcnitin& 
dgc  Wcfcn  Anfprudi  tuf  GlAcltfcligHcit  mc- 
dicn  kAincn.   Dcnn  Schnld  «dit  tuf 
Strflfwiirdigkcit ,  und  diefc  lchliefit 
den  Gedankcn  der  Gi<ickfeligkeit  aus.  Der« 
fdben  wurdig  feyn ,  und  fie  verdienen,  ise 
£tns.  —  Scczt  man  Verdienst  der  Schul- 
digkcit  enrgegcn ,  fo  dcnkt  man  fich  dabey 
dic  Vollbringung  folchcr  Handlungcn,  ucl- 
chc  mchr  Icisten  ,  als  nach  p  o  f  i  t  i  v  e  n  Ge- 
fctzcn  gefoidcrr  werden  kann ,  und  folglich 
in  dcr  burgcilichcn  Gefellfchaft  dicHoffnung 
zu  eincr  Vcrgcltung  cn-egcn.   Dicfe  Anficht 
hat  auch  ihrcn  gutcn  Grund ;  nun  vcrgifst 
inan  abcr,  dtfi  Verdientt  det  Schuldigkeic 
nnr  in  Ib  {ern  entgegen  lu  ftcicn  ist»  elt 
dicfctuf  Zwengsgcretzcn  bcnihct,  leatVcr* 
dicMt  dcr  Pflicht  (oder  Schuldigkcit)  fibcr* 
heupc  cntgcgen»  nnd  ittebt  n«ch  Ibkhni 


—  4*4  — 

ZwMg  was  er  chim  £oil,  imd  mit  Leicbtig- 
keity  wat  er  alt  eine  Quelle  von  engeiielimer 

Empfindung  anHeht»  Aiich  kann  es  iweck- 
m'a{sig  feyn,  wenn  irgend  ein  EntrcbluG  ge» 
h&t  werden  ibllt  iler  grolie  SelbiCmHiig* 
Buiig  erferJert,  den  Genuft,  der  dinnt  eBt« 
rpringen  wird,  fo  reitzend  als  rooglich  vor- 
nisteUen,  imd  denMenichen  gleichlam  «nfler 
fieh  lelhft  Bu  letien*  Denn  el  liegtfUerdingt 
in  fciner  Natur ,  dalli  er  (ich  auf  diefe  Weiie 
bisweilen  zu  grofsen  Aufopferungen  hinrcil^ 
fen  ISlst.  Allein»  tuller  dem»  dals  hlo6e6e« 
^lc,  ohne  «uf  Begritfe  cnMilece  GmiMl- 

Thtten ,  dic  mehr  leislai,  tl|  nacli  dtm  8iC« 
ttngefcise  in  feinem  ganzen  Utnfunge  gefbr* 
derr  werden  kann*  Mit  diefem  Verdknstt 
fchmeicheln,  fich  die  Menfchen  nur  gar  zu 
gem»  und  rolltcn  doch  bedenken,  dtls  kcl- 
ne  Handlung  preiswiirdig  ist,  die  nichs  lat 
dem  SittengefetEe  hergeleitet,  nicht  als 
Pflicht  vorgestcllt  werden  kann.  Dentt 
mchr  thua  als  dic  Vernunft  fordert, 
heifst  es  aus  Griinden  thun,  die,  wenn  fie 
ven  denfelbea  auch  nichc  ttbtrlitupc,  doch 
in  Btttefaang  tiif  Slttlicbkcitb  dcm 
hdcbtttn  Zwtckt  dct  Mcofthtn»  vee» 
woc^m  wadtii» 


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—  4a$  — 

AiCie»  kein  glcichforiniges  Verbakeu  hervor* 
bringeiit  fo  Ut  atieh,  ini  Allgeaieineoy  iet 
Drang  der  moralifchcn  Nothwendig> 
kQit^  wie  dcr  phynfcheii,  von  wei(  sUrkerer 
Gemalt»  alt  der  Drang  nach  einer  gewilTeu 
Art  von  Vergnitgcn,  ^nn  daflelbe  iHvimt 
Miihe  errungcn,  uud  durch  cine  auderc  odcr 
'ihnliehe  Arc  erfecat  werden  kann*  Wae  oft 
wird nieht einGelchift^  su^emirir, imGan* 
icu  g/enomnicn,  Ncigung  habcn,  Joch  un- 
(erlaileay  vrcil  wir  uns  dazu  nicht  gans  ge* 
st imnit  fiulilcot  daa  gewila  verrichtet  wiir* 
de»  wenn  wir  ei  von  einer  unnmginglichen 
Nochwendigkeit  hiclten.  Dicfe  ist cin fo 
nOchtigcr  Sporn»  dalt  fie  auch  da  nock  Kraft 
crweckt»  wo  keine  mehr  su  feyn  fchetnf. 
So  vaie  der  Kranke,  dcn  im  gcwohnlicKcn 
Zustande  feine  Schwachheit  ans  Bcttc  fcirrlt^ 
bey  Feuenge&hc  die  entorbeu  gefchienen 
Lcbcnsgeistcr  zu  einem  Grade  aiifcrweckf 
fiihlt,  dcr  ihm  fcinc  Rcttung  mugticU  macht : 
ebenibkann  die  Nothwendigkeit»  dat 
moralifehe  Leben  ni  erhaltea,  mit  cinem 
Nfchdmcke  wirkcuj  dcr  das  mugiich  macht. 


tvat  auf  blofteii  Strcbca  muk  Vergniig^eii 
noglich  gewefen  ware*  Daher  gewahrt  die 
nioraliiche  Scbwimierejr  niebt  eimiMl  da^ 
vnt  fie  Terijpricbt»  uiid  iwar  itm  (6  viel  «e* 
niger,  je  leichter  cs  ist,  den  Genirfs,  vicU 
cben  fie  xur  fitdichenTricbfedec  macht,  aucb 
Qhne  Tb»i  su  erfaalteiL 

Dai  Gefiibl  der  Selbstrch'itzuiig  woria  ie« 
aer  Geauft  sitm  Tbeii  besteht,  kaoa  «uf 
stveyerley  Weife  cnpieekt  werdeat  durdi  dat 
blofse  Bewurstfeyn  der  gtiten  Gefinniing,  und 
durcb  TlMtea»  die  derlelben  fenulis  fiod» 
Itt  itt  dea  letstem  keineGelegeabeit  uod  kei- 
ae*  phyfifche  Kraft  da:  fo  bestitnmc  die  er- 
stere  allerdingf  den  Werth  der  Pcrfon  ganf 
nllebu  So  «abr  eine  fi»lcbe  Beortbellunc 
ist,  fo  muit  <locli  daber  die  angefiibrte  Be- 
dingung  nicht  vergcfleo  werden;  tmd  die(e 
verfeflen  Pedbnea»  welcbe  die  Tugend  nur 
mn  deadannii  eotfpringendeoGeonflet  willrtl 
fchitsent  (ehr  leicht.  Die  angenehme  Enic 
pfindnnf  »  die  niif  der  Vontellang  ciner  mo* 
iBliicbenOrdnung  der  Dinge  verbundea  it^ 


—  w  — 

h&t  Mk  tielt  leicliter  dureh  Phantanc, 
als  diirch  Thatea  erhahcn;  und  bcy  dcc 
Selbttgei^Uiigkeit»  cu  neldier  der  Haog  im 
MeafcheD  lefar  grofi  iit,  'dunkt  er  fieli  oft 
rchon  deswegen  gut,  nicht  gar  voUkom- 
tueoy  wenn  er  nnr  Gefuhi  fur  groiaeund  edle 
Thaten  het,  in  Gelchiehten  nnd  Redeo, 
Schaiifpielcn  iind  Gcdichten,  das  Schone  dec 
aufgesteliten  Charaktere  und  Handhingen  cm- 
pfindet.  Geletit  fmm,  cr  fiiclie  ieine  Ge* 
finnung  mit  der  Tlwt  fu  heweifen:  fo 
kann  diefs  Bestrebeu,  wenn  es  nicht  «uf  mo* 
ralilche  Nothwendigkeit»  ibndeni  «if  ange* 
neiunet  Gefiilil  gegnindet  wird,  doeh  dureh 
den  Genuis  felbsty  dem  er  fich  bey  eiiw 
feUien  Handlungen»  odcr  bey  dem  Cedankcn 
lciner  gamen  Lchennieifi»  uberlXist»  au%«« 
lialten  werden.  Wer  fich  an  der  Bcrchaiuing 
feiiicf  Selbst  weidet,  iind  nur  die  guten 
Seiten  defleiben  aufiiidit,  der  veriiert  auch 
dadurch  den  Antrieb,  der  in  dem  Gefulile  dec 
Unvollkommenheie  liegt.  Uud  diefef 
kann  fiAweriich  hey  demjenigen  Sutt  fioden^ 
wdcher  anrdacauf  gewiefia  wird^  fich  ange- 


—  4^8  — 

nehme  lt.ni^f\ndx.ingcn  in  verfchafTen*  Isf  die 
AufficlU  auf  diefe  dic  eigeiitiiche  Triebfcdcr 
bey  kioM  moraliichea  Haodluogen:  16  kann 
er  bey  UnterlafTun^  derielliea  mir  den  Vcr* 
lutt  der  Gliicldeligkeit  bekbgen,  der  ihm  et- 
vorlchwebt.  Wie  leichc  fich  nuii  dle 
MenfeKen  ttberhaupt  iiber  einen  Iblehen  Ver- 
litft  su  trosten  pHcgeny  bcJarf  kaiim  der  Er- 
wShnungs  da(i  es  aber  noch  uberdielf 
Grunciratt  leyn  mullet  fich  daruber  «i 
trostcn,  tlas  licgt  oifcnbar  in  der  Natur  dcr 
voraiisgcrctztcnTricbfcder  ziirTugencl.  Ein 
Gut,  dat  man  nieht  erretchthat»  muft  man 
tu  erreftcn  fucbcn}  kann  man  mmdielt  im 
vorlicgcudcn  Falle  durch  die  Erinnerung  an 
vcfgangene  Handlungen»  und  durch  dat 
Wohlge6illen»  mit  dem  man  leine  ed)e  Den* 
kungsart  betrachtet :  fo  ist  nichts  vcrnunfti« 
ger>  alt  diefet  Mittel  lu  gebraucheik 

Wiegani  andert  Yeifthrtderjcnige,  def 
feint  hohcre  Bettinununi^  nicht  aus  dcn  Au- 
gen  iterllcttt  nnd  iwar  «obl  in  der  Selbit- 
ftufinedenheic  dM  Ait  wn  Genula  linde^ 


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—  429  — 

xQcaa  cr  reiiie  pflichtmiirsige  Denkiingtart  mit 
Thaten  bcwieren  hat,  abcr  dabey  nicht  vcr- 
girfty  dafs  er  Cch  dcm  Ziele,  das  er  erret- 
chen  (bll,  niir  nShern  kann,  iind  bey  der 
Unterlafriing  jcdes  Schritts,  dcr  ihn  demrel- 
ben  hittte  naher  hringen  kunnen»  die  Atigen 
auf  feine  Unvollkomfnenheit  richtet,  ohne 
fie  niit  dcm  Gedanken  der  fchon  gethaneu 
Fortkhritce  bcdeckca  lu  woilcn* 

Von  welcher  Seite  man  atlo  dieGriindtinflt 
der  Mopal  8'iif  Sclbstliebe  oder  Eigenliebe  be- 
tracbtet»  ib  findet  man  dsibey  Steiiie  det  Aa* 
itofies.  Nicht  nur  ist  es  unmoglieh»  aiis  dem 
blofscn  Strebcn  nach  Gluckfeligkcit  jc  eine 
aligemeingultige  Regci  abzuleiten,  dte  von 
•llen  Menfcbeu  belbigt  werden  foll»  fon- 
dern  es  ist  aucb  naehtheilig,  bey  den  aus  der 
Vcrniinft  hervorgehenden  BegrifFen  von  Recht 
und  Unrecht»  oicht diejenige  Triebfeder 
xu  gebraitchen,  welcbe  von  den  Begrifien 
fclbst  erzeiigt  wird,  und  in  einer  mit  Dc- 
mutb  verbuodenen  Seibstfchitsung 
besieht  la  fogar  dai  HiDwetien  auf  dem  Ge- 
Ee 


—  430  — 

nurs ,  tveldier  iu  clem  Bewiifstrcyn  der  fittli- 
cbeii  Gefiimutig  iiikI  det  ^ariMch  eiiigerichte» 
ten  Veflialteiit  liegt,  kaAn  einen  iehldliclien 
Einfluis  auf  die  fittlichc^Bilclung  dcs  Menfchcn 
htben.  Denn  der  Sinn  fiir  jenen  Gcnuis  ast 
^r  dem  Diicyn  einet  gewiflen  Grades  guter 
GeHnnuug  gar  nicht  ni6i;lich ,  und  wird  oft 
eben  deswegen  nicht  gewcckt,  weil  man  ilin 
nicht  «It  ein  Produet  det  Sittengeletfes 
fondem  alt  den  Grund  deiTelben  betrach- 
tet.    Hat  aber  dcr  Menfch  den  Wcrth  feines 
Dafeynsy  tmd  dic  Hoheit  (eincr  Nattur  eini* 
germaisen  luhlen  lernen»  iind  ist  fo  einige 
Enipfanglichkcit   fiir   dic  Sclbstzufrie- 
denhcit  cntstaudcn:   fo  vcrwandclt  man 
leicht  diefclbe  in  Seihttgefilligkeit 
und  Etgendtinkel,  wenn  man  diePflicb- 
tcn  nur  in  Bczichung  auf  den  angenehraen 
Gemtitbtzuttand  bctrachtett  dcn  die  ErfulJung 
derielben  gew&hren  kann.  Den  Menfcben  alt 
cin  Wefcn  vorstellcii,  das  blols  auf  dic  Bc- 
fricdigung  fciacr  iinnlichen  Ncigungen» 
lie  mogen  noch  fi»  hln  feynt  sudenken  habe, 
heifst,  ihm  eine  lu  niedrigei—  ihnaber 


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—  431  — 

als  eiu  iblches  denken,  das  in  dcr  Frey* 
heit  von  iinnlichcn  Neigungen  feine  einil» 
gc  Ichce  Ghickleligkeit  finden  konnc,  Jiciift» 
ihm  einc  zii  hohc  Srnfc  anwcifen,  imd  ihn 
durch  diefe  cingebildcte  Hohelt  felbst  dci  je- 
ntgen  beranben,  die  er  crrcichen  kann  und 
f  o  1  h  Dte  Vcrmin ff  Itihrt  ihn  aiif  einc  Hand* 
liingswcifc  dic  cr  ubcr  ailcs  fetzt,  was  Vcr-^ 
gnugen  heirsen  mag»  und  die  er  bey  einigcr 
QiJtur  mit  Bewunderung  betrachtet,  die  aber 
cin  (jebot  fiir  ihn  wird,  ueil  feine  Sinn- 
Jichkcit  uicht  niit  derrelbcn  libcreiostimmt» 
Als  folchcs  erfiiilt  lic  ihn  daher  mit  Uolutt» 
tmd  legt  ihm  cincn  Zwang  an ,  der  nur  init 
Miihc  liberwiindcn  werden  wird.  Niin  vcr* 
mindcrt  fich  cwar  dicfer  Zwang  in  ehen  dcm 
Gradc,  in  wclchcm  dcr  Menfch  ftinc  Ncigiin* 
gcn  cinfchrankt  und  ordnct.  Nicht  nur  thun 
die  ofc  ubcrwundcnen  Bcgicrden  uicht  mehr 
cbcn  dcn  Widentand,  den  fie  Anfimgi  tha- 
ten,  fondern  fic  wcrden  auch  mit  Vcrachtung 
betrachtct,  fobald  fie  von  der  Art  (ind,  dalf 
fie  in  cincr  fittlichcn  Ordnung  dcr  Dinge  gar 
kcine Bcfricdi^ uug  erwartca  dtirfen.  la,  dcr 


—  43»  — 

Mcnfch  kaim  cs  fo  \?cit  bringcn,  dafs  die  Er- 
fiillttDg      Gdettcf  die  ertte  Augelegeiihcii 
leiMUbeiitwtfd.  ima  kein  Opfer  Ib  grofi 
ist,  dai  cr  nicht  dcrPflicht  daniibrlngeii  enl- 
lehlo6eii  iey*  Auch  entfpriogeii  aus  dem  Be- 
mfitleya  fowohl  diefivGefikinuiig  ubetjbaupc^ 
als  dcr  cinzelneii  Thtteii  *  die  von  deHelben 
«uigeheA»  aogenchtne  Geftihle,  die  ihn  ia 
That  lelir  oft  fiir  dat  ichaiUot  h«lte% 
wat  er  voii  andem  Frenden  tur  Behauptnny 
fcincs  Hauptiiwccks  hingcbcn  mufs.  Allcin 
fo  befeligend  «uch4ie  Selbstzufrieden* 
lieit  itt>  fokann  fie dodiyihrerNaturiiicfa» 
dcm  Mcnfchcn  cu  feinem  Tonen  Wohlbefin* 
ckn  nieht  gniigeu.   Sie  bcruht  auf  einem  in'> 
cdlectuellen  Grundc^  unddie  Giuekfelif* 
kcit  auf  Befiriedigung  finnlicbcr  Triebe^ 
von  \9clchen  fich  der  Mcnfch,  fo  lange  er 
lebty  nicht  voUkpfnmen  fiwy  machen  luinn<^ 
und  durch  dat  einsige  gedenkbare  Mitlel, 
wclchcfl  dic  Moglichkeit  dieler  Preyheit  cnt- 
kalty  durch  den  Tod)  nlcht  frey  machen 
foll.  Er  itt alfo»  in Ruckfickt  auf  dat»  wat 
lur  vollkommtnen  Zttftiedeakeif  mit  ieinem 


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—  433  — 

ZxnUndc  gehort,  abhangig,  in  fo  fcrii  fo- 
wohl  feine  Wunfche,  als  die  Befriedigung 
«lorielben,  iiif  phyfifchen  UHachen  henthens 
und  hcy  diefer  AhhJngigkcit  ist  cs  immoglich 
111  dcukcn^  dafs  dic  ForJcnmgcii  dcs  Sittcn* 
gefetzes  in  ihm  ttecs  ciiic  folche  bcreitwillige 
Ergchenheit  findcn ,  dic  gar  kcincn  Zwang 
mchr  cnthJlt.     Dic  Fchlcrhaftigkcit  fcincr 
Mitmeiifchcn  und  die  Natur  kdnnen  ihm  lol- 
chePflichfcn  auflegcn»  wohey  cr  als  finnli^ 
chcsWcfen  t\t  fchr  Icidct,  als  dafs  dic  Sclbst- 
xulricdcnhcit  noch  als  cin  it bcrwicgenderGc- 
niilf  angcfehcn  wcrden  konntc;  ist  cr  aber 
Ib  glucklich,  dafs  iwcdcr  cimclne  Mcnfchcn, 
noch  dic  UnvoUkomincnhcit  dcr  biirgcrli- 
chen  Vcrfaifung»  noch  phyGfchc  Uihci,  ihm 
Pflichtcn  auflcgcn,  wclchc  dic  Zufiicdcnhcit 
mit  (cincm  Zustaiide  stdrcn :  fo  ist  Jagcgcu 
fcinc  Vcrbindlichkcit,  dem  mannichfaJtigcn 
Elcnde  feincr  Mifmcnfchcn  ahtiihclfcn,  und 
ihre  Sittlichkcie  fowohl  als  ihrc  Glnckfclig. 
kcit  zu  bcfordern,  voo  fo  weitcm  Umfangc, 
dais  cr  dicfen  verkennen  mufk,'  wcnn  er 
wihnt,  dafi  feine  finnlicfaeii  Triebe  gar  kcl- 


—  434 

«cn  Widerstand  raehr  bcy  irg;cnd  eiaer  vec- 
dieastlicheti  PiUc^t  thim  kdoneiif 

Blcib^  lum  dicfcr  Wldcrsfand  in  jcdctn» 
auch  dem  bcstcn  Menrchen,  nioglich,  iind  tst 
keiner  ficher  vor  ichmenhafren  Aufopfenni- 
gen:  fo  hdrt  Jas  Sitfengefeex,  nach  feineni 
ganzen  Umfange,  in  dieiem  Lcbcn  auch 
nicht  auf,  ein  GehoC  fu  feyn»  das  einen 
inoem  Zwang  auflegtt  nnd  Unterwerfting 
fbrdcrt.  In  fo  fern  alfo  der  Zwang  in  dcr 
P  f  i  i  ch  t ,  und  die  Untervrerfuug  in  der  A  di» 
tung  liir  das  Gelbtz  ausgedrfickt  wird,  hat 
der  Menfch  stets  dahin  zu  fehcn,  da&  derGe* 
dankc  der  Pfllcht,  und  das  Gcfiihl  dcr  Ach- 
tuog  feine  Handiungen  ieite.  Schmeicheit 
er  fieh  «it  einer  freywilligen  GutartigkeiC 
dcs  Gcniiithsy  die  wedcr  Sporns  noch  Ziigcls 
bedarf:  fo  wird  er  nie  den  Grad  der  fittii- 
chen  Volikomnienheit  erreiehen,  den  er  tr» 
reichen  foll.  Man  kann  zwar  fagcn,  daf 
Gcfiihl  dcr  Unlust  iibcr  die  Einfchrin- 
kung  der  Sinnliehkclt  verwandle  fich  in  die 
reittste  Lust  aa  dem  erkabenen  Vei^d- 


—  435  — 

gen*  nutten  in  der  Siiinenwclt,  eine  Freyheit 
VDo  den  ihr  angemeilenen  Neigunfen»  alt 
beitimmenden  Grundeuy  fu  behatip- 
ten>  mankaiin  auch  in  gewilTer  Ruckfichc  fa- 
die  Achtung  lur  das  Gefeu  gehe  in 
Neigung  «i  demlelben  «ber.  Allein,  be- 
dcutet  jcnc  Lust  nicht  cin  iinth'itige$  Wohlgc- 
fdlen»  entwedcr  an  eincr  moralifchenOrdoung 
der  Dinge  uberhaupt,  oder  an  der  Erhaben* 
heit  der  menlchlichen  Natnr  intbdbndere; 
fo  hat  fie  Grenzeny  und  iit  gerade  dann  un- 
mdglich»  «enn6e«  ala  grenienloi  gcdach^ 
am  grofiten  (eyn  Ibllte.  Daher  bedeutet  die 
Neigung  zu  dcm  Gcretzc  nur  dcn  im  Gan- 
sen  gehobenen  Widerttand  der  finnlichen 
Triebe»  und  dai  sur  Fertigkeit  gewor- 
denc  Streben,  alle  Handlungen  nach  fittlichcn 
Maximcn  einzurichten.  Soll  hingegen  uater 
L  i  e  b  e  sum  Geietze  eine  ibiche  Neigung  ver- 
itanden  werden ,  deren  Gcgenstand  }eder£eit 
uberwiegende  Lust  gewabrty  wic  man 
•in  der  Tiut  bey  Liebe  und  Neigung  su  den» 
ken  gewohnt  iit:  (6  letct  etne  folcheVer- 
waudluog  dcr  Achtung  io  Licbe  eioe  Frcyheit 


—  436  — 

▼00  BedurfnUTeu  voriui»  die  der  Meaicti  alt 
finnliehct  Weien»  nieht  erlangen  kaai^ 
odcr  eine  Uibereinftimniiin^  diefer  Bediirf- 
niiTc  niic  der  fittJicheo  Gefinnung,  Tvelche  er 
ohne  £infchrSinkunf  auf  dieler  Erde  nicht 
erwarten  dart 

Wie  alfo  im  An&nge  det  noralilchen  Le- 
bent  Acbcung  lur  dai  Sittenfefets  ▼on  fedeni 

andern  Gefiihle  unterfchieden  ist,  und  eine 
mit  Demuth  verhundene  Selbatfchltsung  aui* 
druckts  fo  mu&  fie  aqch  hcy  aller  Annihe- 
ruhg  zur  Neigung,  ihre  eigenthumiiche 
N^ttir  behalten,  und  als  die  einxige  ichte 
mof alifche  Trtebfeder  angeiehen  «er* 
den.  mNuu  lalTen  fich  mitderfelben  garwohl 
fo  viel  Reitze  und  Annehmlichkeiten  des  Lebent 
verbiuden»  dafi  auch  um  dieier  willen  alleia 
fchon  die  kltigste  Wahl  einet  rnntinftigen, 
und  iibcr  das  gioTste  Wohi  des  Lcbens  nach- 
denkcnden  Epicurieri  fich  fiiir  das  fittliche 
Wohlverhaltcn  eriilSren  wnrde,  und  ei  kenn 
anch  rathfara  feyn,  diefe  Ausficht  atlf  einen 
frohlichen  Gcoulis  des  Lcbcns  niic  jeocr  ober* 


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—  437  — 

«ten»  und  fchon  fut  fich  alleia  hinlinglich 
bestinitiieiideii  BeivegiiHkehe  xu  verbinJen; 
«ber  nur  um  den  Aulockungen,  die  das  La- 
•Cer  auf  cler  Gcgenfeife  vonufpiegela  nicht 
ermangelc,  dai  Gegeugewicht  xu  halten, 
aidit  um  hiervon  die  eigentlicfa  bewegende 
Krafty  auch  nicht  dcm  mindestcn  Theile 
aach»  stt  ietten»  nenn  vonPfltcht  dieRcde  if(. 
Dcna  das  wiirde  ro  vicl  feyn,  als  dic  uori- 
lifche  Gefinnung  in  ihrer  Qnelle  Terunrei* 
nigen  zii  wollcn.  Dic  Ehrwiirdigkeit  dcr 
Pflicht  hat  nichti  mit  Lcben^enuft  xu  fchaf* 
fen  j  fie  hat  ihr  eigenthumliches  Gcfctz»  auch 
ihr  eigtnthumlichet  Gericht,  und  wena  nan 
auch  bcyde  noch  ib  (ehr  xufiimmenfchuttein 
«olltey  um  fie  yermi(cht  gleichfam  alf  Arx- 
neymittel  der  kranken  Seele  t uxureiehen : 
fo  fcheiden  fie  fich  doch  aisbald  von  felbst» 
und»  thun  fie  Cf  nieht»  fo  fiirkt  dat  ertte 
gar  nichtt  wemi  aber  auch  dat  phyiifche  hc^ 


—  438  — 

tia  dabey  emige  Kraft  gewoniie»  ib  wurde 

duch   das  moralifche  otuie  Rettiing  daluu 


Kttts  Cruik  4«!  practifchea  VcmuA^  S,  i^S, 


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Fon  dm^  auf  MoraHtat  gegrundeun 
Gknbm  an  Gm  md  Unnirb^ 

In  allcn  Gnindfitzcn,  dic  je  liber  das  WefcH 
dcr  Sicciicbkeit  aufgcftelit  worden  find,  hat 
inan  Riickficht  auf  die  Ghiekftligkeit  genom- 
mcn.  Epicur  lcgtc  das  Strebcn  nach  derfel- 
ben  aiicn  Maximea  zuni  Grundc,  dic  der 
Menfch  in  ftinen  HandJungen  fu  befoigen 
habc ,  und  fetzte  dtt  We(en  der  Tugend  in 
das  Bcwufstfcyn  folcher  Verhaitungsregelii, 
mlche  die  moglich  grdiste  Summe  angeneh- 
mer  Empfindungen  gevTihren.  Die  Stoiker 
fchloffcn  zwar  von  den  fittlichcn  Bcstinimungs- 
gruiiden  alieSf  was  lur  Sinnlidikeit  gercchnet 
iHrd,  auf,  drangen  aiif  die  Befolgiing  der 
Vorfchriftcn  Jcr  Vernunft,  und  fettten  4at 
Wc(en  der  Tugend  in  das  Bewulstfcyu  iibcr 
^e  Sinnlichkeit  erhaben  tu  feyn,  konnten 
abcr  doch  fo  ifcaig  (icl^von  dem  naturliehea 


440 


Streben  nach  angenchaicn  Empfindtingen  los- 
machoi,  clalt  fie  die  Tugend  ilt  die  QspeUe 
der  Gltickleligkeit  yon tellfeii,  fiben  fo.  iit 
diefc  bcy  allen  andern  GrundOltsen  der  SitC- 
iicbkcit  la  Betracbtiing  gezogeo  iwordleiiy  nnd 
«irdl  immer  in  Betraehtuiig  gesogen  wefden 
jTiMfn?»!,  fo  lange  dcr  Menfch  nicht  aufhort 
cin  bcUiirftiges  Wefcn  zu  feyn.    Nua  ist  abcr 
getetgt  «orden»  claia  dat  Strebcn  nach 
Glifckfeligkeit  gar  keinefittHdienMaii. 
nen  grundc,  und  daf«  das  Bewufstfeyn  folchc 
fu  befoigcn»  nieht  die  Giiickreligkeit 
gcfi^hre,  deien  der  Menlch  bedurftig  itt; 
Denn  bcy  dicfcr  konimt  cs  auf  die  Befriedi- 
guog  feincr  finniichen  Triebe  an,  welchc  fo 
wenig.  aut  der  Befolgiuig  dei  Sitiengelettet 
an  fidi  fllefst,  da(s  ntcht  nur  mandie  einselne 
Pflicht  Verkist  fiir  die  Gliickfeligkeit  vcrur- 
lachet,  ibttdem  auch  dai  Gatiie  dei  geg^ 
WSrtigen  Lebens  gerade  dcfwegen  fur  den 
Menfchcn  voil  Elend  feyn  kann»  vreii  cr  fcine 
Fflicht  nicbt  verictscn  will« 

Die6  itimmt  mit  den  gemeinen  Uriheilen 
ib  fehr  ubcrciii ,  dah  uuu  fast  nur  dicfcu  zu 


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lolgen  braucht ,  um  das  Wefentlichc  der  ei* 
genciich  moralUchen  Gnuuiritze ,  und  die 
Wirkting  derielbeii  ftiif      ineiiichliche  Ge- 
nuith  zu  findcn.    Sittliche  Giite,  ohne 
alJe  Ruckficht  aiif  angenchme  Empfindungeii» 
iit  nach  diden  Urrheilen  dai  Hochtte,  wor- 
nach  der  Menfeh  ttreben  foU,  tind  Gluck<> 
feligkeit  nicht  die  nothwcndige  Folge 
derieiben.   Allein  et  findet  docb»  nach  dec 
fewShnlichen  Art»  diefe  heyden  Haupl* 
awecke  allcr  menfcMichen  Bemuhung  fu  be* 
trachlen,  twiichen  denfelben  eine  gewine» 
nicht  trirkliche,  aber  von  der  Vemunft 
im  Ideal  aufgedrungene  Verhtndung  Statt* 
Sowie  die  Pflicht  auf  Gefetxen  bcruht,  die 
nicht  wirklich  hefolgt  Wirden,  fondent 
hefolgtwerden  follten;  ib  wird  auch  din 
Gluckfeligkcit  ilicht  als  cinc  Folgc  dcr  Tu- 
gend  angefehen ,  die  wirklich  daraua  ent* 
i|Nringty  Ibndem  die  daraut  entfpringcii 
folltc.    Diefs  hcifst  mit  andern  Worten  : 
d€s  Tugendhaftc  erreichc  swar  nicht  inimet 
die  Gluckieiigkeity  er  itt  aber  derfelben 
wurdigy  und  ivurde  fie  leett  erretchen^ 


—  443  — 

urenn  die  Natiir  mit  dem  Willen  vemunftji* 
.f  er  Wefcn  ia  Eiasdinmiuif  vtisc^ 

Die  Wu  r d  i  g  k  e  i  t  gluckfelig  lu  (eyd/ 
is^  eine  Vorstellung,  die  iich  mit  dem  Sitten- 
gelette  fiigleich  aufdringt»  und  nach  der  je* 
der  ebeu  (b  unfehlbar  ieine  Handlungen  ein* 
iichtct,  als  iiach  dem  Sittengefefzc  fclbstj 
wenn  feiue  Neigungeo  ihn  nicht  daran  hio^ 
dern.  Aus  der  Nichcbefolgung  dieler  Ide» 
hann  eben  fo  giit  Reue  iiud  Befchiimung  ent* 
(pringcii,  als  aus  dcr  Vcrlctzuug  jedcr  andero 
Vorfchrifit  der  Vernunft.   Daher  die  Vorfaai* 
tung,  dafi  bey  Vertheihuig  von  Wohlehaten 
nichc  auf  die  Wtirdigkcit  dcr  Pcrroiien  Riick* 
ficht  genonunen  worden  fey,  fast  stets  als  cia 
beleidigenderVorwurf  angcfehenmd.  Und 
denkt  man  bey  diefer  Wurdigkeit  oft  dic  G  c- 
f  ch  icklichkeit:  fo  denkt  maii  doch  auch 
eben  ibo6denmoralifchen  CheralKter» 
der  entweder  bey  gleichen  Pihigkeiten  den 
Ausfcblag  gebcn ,  oder  wo  es  auf  dicie  nidit 
ankommty  aUein  cntfchciden  foiJ# 


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—  443  — 

Woher  dieie  Art  su  urtheileo  komnie,  iit 
sumTbeil  am  allen  vorhergehenden  Breraeh* 

tiingcii  klar,    Denkt  man  dcn  UiHiioraiifchca 
dcr  GliickXeligkcit  unwiirdig ,  fieht  man  Un« 
falle,  die  thn  tre£fen,  mtt  GleiehgtHtigkett^ 
und,  was  ihm  Gtites  widerfihrt,  «ben  nichc 
mit  fondcrlichem  VVohlgcfallen,  oder  gar  miC 
Misfailen  an:  fo  flieist  diefeAnficht  unmittel* 
baf  aus  dem  Gedanken,  dafs  der  Uibertreter 
dcs  Gefetzcs  Strafe  verdienc  >  denn  Strafc  und 
Gltlckfeiigkeit  fchiiefseneinauderaua.  Mafire 
fieh  bey  eioer  folchen  Anllehc  der  Menfch  oft 
mchr  an ,  als  cr  iich  anmafsen  follte:  fu  be<' 
steht  diefs  nicht  darin,  dafs  er  den  Umnora* 
lifchen  nichc  gliicklich  wunicht,  fondent 
darin,  dafs  er  xu  emleheidend  iiber  dieMora- 
litit  des  Charaktcrs  abfpricht.    Denn  nicht 
nur  in  Betiehung  auf  Andere,  ibndem  auch 
in  Betiehung  auf  fich  felbst  erkennt  es  der 
Menfch  an,  dafs  cine  gewifTe  Strafc,  womit 
Uibelthaten  belegt  werden,  gerecht  fey»  und 
fe  gefillig  er  gewShnlieh  gegen  fich  lelbsC 
iit:  fo  kann  er  fich  doch  bcy  eincr  Verglei- 
chung  zwifchen  feinem  auisern  uud  in- 


—  444  — 

Mtn  Znstaiidc^  nioiif  inuaer  Atnlpnicltf 

cnthaltcn ,  dafi  cr  die  Vorthetle  det  letxtern 
iiicht  verdiene.  Wemi  ei  alfo  bcy  Verfhei- 
lanf  ron  Gulent  mir  auf  <Ue  WM  swiiclien 
fildieb-uiMl  unlittliehgefiaDfen  Menlcllefi  an- 
kommt:  fu  folgt  unmittelbar  aus  dcr  Straf« 
wurdigkeit  det  fiioea»  d*(s  dcr  Voriug 
dcni  Andem  lunierkennen l*ey*  Obaber der 
gute  Menfch,  an  fich  uiid  ohne  Ver<* 
§  1  c  i  ch  u  u  g j  der  Gluckicligkeit  wiirdig  fey, 
oder»  inic  «idem  Wortei^  ein  Recht  dtrauf 
habe,  ob  diefe  Wiirdigkeit  ein  Bneugnils 
dcr  Vcrnunfty  oder  der  blofsca  Selbstlicbe 
lcyt  dai  lind  Ffagen»  die  eine  Betrachlunf 
mrdicnen* 

Et  ift  nicht  tu  liugnen»  dais  die  Wur* 
digkeit  gludLlelig  lu  leyn,  autdem  blolien 
Gedanken  der  Unwurdigkeit  entstandea 
feyn  konnle.  Denn  dcr  mcnrclvUcbeGeist  ist 
lo  lielciiallen»  dala  er  olt  dai»  iras  er  in 
einer  gewiffen  Beiiehung,  alt  o6th« 
weadig  erkennt,  auch  an  fich  fiir  noth- 
wcndigagficht.  Bt  istauch  nichlauilugnen». 


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—  445  — 

dafs  dic  Selbstliebe  zu  vielea  UrCbeUeii  vtt* 
leitec,  <iie  bey  eincr  niheni  Betradituiig  gir 
keine  Haltbarkeit  hahnu  Auf  feine  Wiinfche 
griindet  der  Meufch  fo  manche  ChiniSre»  die, 
bey  eiiier  nSbem  BeJeuchtung,  Tor  der  Ver- 
nunft  alt  du  erlebetnt,  wtt  fie  itt  Abcr  die 
Idee  dcr  a  b  f o  1  u  t  e  n  Wiirdjgkcit  gliickfelig 
xu  fcyn  ist  mit  dem  Sitcengefeise  leibet  unser» 
trennlidi  verbunden,  «ie  flch  leicht  leigcn 

Denken  wir  uns  eine  OrJnung  der  Dinge, 
wae  lie  ▼on  unt»  alt  veruunftigen  Weicn»  ge. 
killigt  werden  konnte:  Ib  wttrden  in  derfel- 
ben  entweder  gar  keine  finnlichcn  Trie- 
be,  oder  tu  irgeiid  einem  Zwecke  da 
icyn*  Dicier  Zweek  k^nnte  freylieh  aiifscr 
den  Wefcn  liegen,  deiien  fic  verliehcn  wor- 
den  wiren,  in  £o  fern  dieie  Weien  bio6  aJf 
Mittcl  gebnucht  wurdcn.  Da  abcr  dat  Sit* 
tengefetf  verbietct,  dcn  Menfchen  als  ein 
bioises  Mittel  zu  bctrachten,  ib  fubrt 
Ctiuch  unautblcibliQh  «i  demGcdankcnt  daft 
dcr  Zwcek  ieincr  finnltehen  Natur  fich  auf 
t  h  n  f  e  I  b  s  1 9  zum  Tiieti  wenigstensy  be£iehe» 

Ff 


—  446  — 

Dicfcr  Zweck  kaiin  alt  doppclt  gedacht  WM^ 
den:  er  ist  entweder  an  fich  gut,  odcr  wie- 
dkr  Bur  ilf  Mitcel  ui  cinem  hdhera  Zwecke 
anxulelien.  In  cler  letxternRiickBcht  komiett 
die  nnnlichen  Triebc  desMenrchen  allcrdingi 
»U  BefiDrdcntngsniittel  lu  Erreichung  (eiiier 
hohern  Bettimmung,  hetrachtet  werden,  iop 
dem  fie  den  Stoff  liefern,  an  wclchem  fich 
ieine  verounftige  Natur  aiirscrn  und  ent* 
wickdn  kann.  Auch  itt  in  der  Thit  maa- 
ches  Leiden,  dem  Menlchen  wite» 
fahrt,  als  ein  rolches  Beforderungsmitcel  an- 
lulehen.  Allein,  da  ihm»  alt  einem  finB- 
lichverniinftigen  Wefen,  dte  Zuficie* 
denheit  mit  ieinem  innern  Ziistande  nicht 
gnugen  kann:  fo  fbrdert  die  practifchc  Ver- 
nunfk  lur  ihn»  wenu  er  dat  Sittengelett  cr« 
fiillt,  die  Gluckfeligkeit  auf  ehen  dem 
Grunde,  aiis  welchem  iie  auf  Erfiillung 
delTelben  dringt.  Denn  ein  Weien  ait 
«lend»  und  doch  alt  Zweck  an  fieh  be> 
trachten,  ist  cin  ofFcnbarcr  Widcrfpruch, 
wenn  diefet  We(en  fich  nicht  feibst  um  die 
Wurde  bringt»  su  der  et  von  der  Vemuaft 


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—  447  — 

crhoben  wird.  Dic  Befolgiing  dcs  von  ihr 
aiMgebendea  Geietxes  ist  aifo  die  ttnnaeh* 
llfiliche»  aber  auch  einiige  Bedingung, 
uiiter  welcher  derMenfch,  als  Zweck  an 
fich»  Anrpnich  auf  Gliickfeligkeit  haC  $  und 
foJglich  kann  die  Tugend  als  die  Wurdig. 
keit  gltiekfelig  zu  fcyn  vorgcstciit 
vrerden.  Dcnn  eines  Gtirs  wiirdig  feyn,  und 
es  verdienen  isc  Eins-;  einGut  aber  verdieneit 
heifst  nichCs  andersy  als  die  Bedingung  er^ 
fiillcn,  nnter  der  es  zii  Theii  werden  folL 

Die  auf  foiche  Weife  von  der  Vemunft 
aufgedrungene  Verhindung  iwifchen  Sitttieh» 
keit  und  Gliickfcligkeit,  fiihrt  aiif  den  Begrift: 
des  volistindigen  Guts,  *)  das  die 

Man  nennt  a  auch  dss  h^chstc  Gut;  bey 
wdcher  Benennwig  eber  nicht  su  vergeOe» 
ast,  dais  es»  um  vollendet  lu  feyo,  Tu- 
gcnd  und  (^flcUeligkcit  begraft,  iene  tls 
die  obcrst?  Bcdin^ng  alies  Werths»  und 
diefe  als  die  nothwendige  Folge  derfelben» 
Dsrin  eben  bestand  der  Tmhum  der  Epicu- 
r.1er  und  dcr  Stoiker.  difs  uie  crsten  die 
Gluckfeligkcit  allein,  und  die  lctztcrn 
dic  Tu?^cnd  fllleia  zuni  ganaen  h6Qlu 
sten  Gute  macUtcr 


—  448  — 

swey  Hauptiwecke  dei  Menrelieii»  alf  Ele- 

mente,  begreift,  iind  der  Gegenscand  ist,  wel- 
chea  der  Menich»  alt  finnUchveniuafcaget 
Weien,  lur  fich  wad  fur  Anckre»  wollen  iumI 
prunfchcn  miirs  luid  befordcrn  foll.  Nini 
leben  wir  aber  ia  einer  Wck«  wo  bey  dcc 
ttfengitcn  EriiiUung  der  Bedingung,  unter 
fvelcher  <lie  GliiddeUgkeit  tu  Theil  werden 
foll,  dierelbe  doch  verfehlt  werden,  iind  wo 
felbet  dat,  wik  «M  fittUchen  Grundi^tieft 
itim  Betten  Anderer  gethan  wird,  ra  ihrea 
Verderben  ausfchlagcii  kann.  BeyderGliick- 
ieligkeit  kommt  aliet  auf  dcn  Erfolf  aap 
welcher  fich  in  der  Sinnenwelt  gar  nichc  nach 
den  m  o  r  a  1  i  f ch  e  n  Gefinmingen  richtety 
fondern  nach  der  Kenntnifs  dcr  Naturge- 
fette»  tiad  nach  dem  phyftfchen  Vermd- 
gen  dielelben  lu  gewillen  Abfichten  lu  ge- 
brauchen.  Diefe  Kenntniis  uod  diefes  Ver- 
mogen  aber  werden  ntcht  nnr  vielea  Men- 
fcfaen»  ohne  thr  Verfchulden,  tn  einem  fidir 
geringcn  Grade  lu  Theil,  fondcrn  fic  find 
auch  fiir  A 1 1  e  fo  eingefchriinkty  dafs  keiner 
det  fichentErfolgt  ietnerBeffluhung  um  eigne 


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—  449  — 

tmi  Ireinde  Gijickreligkeie  gcwifs  Ccyn  kinn. 
In  fo  feni  alfo,  nach  deni  Urihciic  dcr  practi- 
iibhen  Verouiifr,  dte  GiiickfeJigkeit  aif  eine 
notkwendigeFoJgederTugend  ansulehen  itr, 
unddoch  mitdcrfelbcn  auf  dicfer  Erdc  in  kei- 
nem  uothwcndigcn  Zuramnieubange  steht :  fo 
isf  tu  ftirclicen,  dafi  das  vollttSndage 
Gut  als  mit  fich  felbtt  itreitend,  imd 
foJgUch  als  unmogJich  bctrachtet  wrerde. 

Ist  der  Menlch  Zweck  an  fichy  kann 

fnan  fagen ,  fo  folgt  frcylich ,  dafs  er  nnr 
folchc  Regcin,  die  mit  feinem  WiJlea  aJJge- 
ineuie  Geiette  werden  konnen,  beobachten» 
und,  ielbst  in  Beziehung  auf  Anderc,  dic 
Sittlichkcit  ihreni  'iufserii  Wohle  vortie* 
heu  foJJi  ei  foJgt  aber  auch,  daft  er,  wenn 
cr  die  Gebote  der  PAieht  erlullty  Anfpnich 
auf  Gliickfcligkeit  habe.  Findct  fich  nun 
xwifchen  der  Wirklichkeit  dericJben»  und 
der  Wiirdigkeit  daiu»  kein  Zuiammenhang 
in  der  Er^lirung,  ja,  mufs  nian  zngebei^ 
dafs  bcy  dcr  Verfchicdenhcit  der  Qi.iellen, 
woraus  die  Giuckieligkeit  und  das  fittiiche 


—  450  — 

Betragen  fliefst,  jcnc  iim  diefes  willcn,  naell 
dem  blofsen  Naturgange,  gar  nicht  zu  e&war« 
teo  iit:  Co  leigt  dte  Uninogliclikeit  det  ciaeii 
Bestandthetlt  det  hdchften  Gutt,  die  Nidi* 
tigkeit  dcf  Grundcs,  auf  v^clchem  et 
beniht,  uod  mit  dieicm  fiUt  audi  dat  1110« 
talirche  Gefett  ielbitt<*) 

Min  htt  neuerlich  HetTn  Kant  eine  Unbc- 
ttimmtheit  des  Ausdrucks  darin  vorgewor- 
fen ,  dafs  er  die  Beforderung  dc$  vollstandi- 
gcn  Guts  als  cin  Gebot  darstelle,  da  diefes 
Gcbot  doch  eigentlich  nur  auf  einei^  Bestand- 
theil  denclben  fich  beziehe.    Diefer  Vor« 
wurf  fcheint  ganz  wegrufallen,  wenn  mm 
bcdcnkt,  dafs  das  Gebot  zwar  unmictel« 
bar  nur  auf  das  geht,  was  wir  felbst  lci» 
scen  kunnen,   mitteibtr  tber  auch  iuf 
das,  wts  dtrtnt  Iblgt.  In  ciner  ntch  mort* 
lilchtn  GcTeisen  gedtchten  Wdt  wjirdc  Tto- 
gend  und  Glflckfeligkeic  tb  Urfachc  und 
Wirkung  an«uiehen  feyn.   Ein  Gehot, 
dtt  auf  die  eittc  fich  bexicht,  gcht  mindbar 
auch  tuf  dtt,  wtt  dtrtuf  folgt»  hidcm  (ic 
beydc  zttftnuntn  eigjrodich  nur  einen  Ge« 
genstand  tusmschen.   Man  ktnn  alfo  mit 
Recht  fflgen ,  dafs  die  Bef drderang  des  voll- 
stiindigen  Guis  ein  Gebot  fey.   Diefe  An- 
fichr  gcht  nothwendig  aus  der  pvactifchen 
Vemunfc  hervor,  da  der  Grund  der.  lict- 


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So  ist  die  Vcrnunfl  nit  fich  ielbit  im 
Streiie;  und  konnte  derfelbe  auf  kelne  Weile 
gchobeii  Nwcrden,  fo  vjiirde  die  Sitdichkeit 
nllerdiiigs  Gcfahr  laufcn  fiir  Chimare  su  gcl- 
(en.   Denn  mit  der  Vemunft  vertiSgt  lich  in 
der  That  der  GcJanke,  dals  oin  Wefcn,  wel- 
ches  dcr  Ghickrcligkeic  bediirftig  und  wCir- 
dig  ist^  derfelben  doch  nicht  theiihaftig  wcr» 
de,  eben  fo  wenig,  als  dafs  ein  ▼emtinftiges 
Wcfen  feiner  hohcrn  Natur  nicbt  achte,  uud 
nur  nach  dcm  £rage,  wai  feiner  niedrigeni 
«ngenehm  ist.*)  Et  muft  allb  gezeigt  wer- 

liclicn  Maxitncn  eben  derfelbe  ist,  auf  wel- 
chcni  auch  das  Recht  auf  Gluckfcligkeit  be- 
ruht,  und  folglich,  wenn  diefer  Grund  in 
eincr  Bczichung  fiir  nichtig  gehahcn.  wird, 
cr  auch  in  der  «ndcrn  fmken  mufs.  Diuckt 
man  das  Gebot  dcr  Sitilichkeit  fo  aus:  bc- 
haupie  dic  Wurde  dcr  Mcnkhheit,  fo  ficht 
msnt  dsfs  dtsGeboc  beyde  Bestandtheile  dcs 
volbtilndtgen  Guts  enthilL   Dcnn  tn  der 
WOrde  licgt  eben  fowohl  dss,  was  der 
Menfch  leisten  foll»  als  das  ;  wis  ihm  ge* 
•  bOhrt» 

Attch  dittkc  mtn  nicht ,  dafs  diefer  Einwutf 
etwa  nur  erkOnsiclt  fey.  Mtn  iindee  Ihn 
tiglich,  wcon  gleich  in  ctwas  tnderer  Ge- 


—  45»  — 

^  i*»^  Widentieit  nur  niiter  diiar 
gewiflea  Vonutiettiiiig,  abcr  ntchc  iclilcdi* 

terdingf  Statt  fiade. 

Wir  habeii  lehon  eiaeii  Ihnliclieii  Wider- 
sfreit  gehoben.  Er  fand  fich  zwirchen  deni 
Gedanken  von  dcr  Naturnothwendig- 
iLcit»  und  dem  Ton  der  Freyheit  det 

tnlt.  Wie  oft  heifst  es  nicht :  folche  Gefin- 
nungen  pnnen  nicht  fur  diefe  Welt ;  wer  zu 
gewifTenhaft  ist.  kommt  fchlecht  darin  fort; 
wif  fich  andere  gegen  vn>  ciltiibea ,  dit 
kinn  mtn  fichtnch  gegen  fietritnbenn  Cw* 
Bt  hetfit  femtr  nkht  fdten,  wtnn  voa  Eta- 
fichtnngtn  dit  Rtde  iif »  wticht  die  prtea- 
tavt  VtmunR  tb  nodiwtndig  dtnttilt:  dtt 
itt  Idctl  —  gleichfam  tlt  ob  dic  fittlicht 
VoUkommenheit  ntcht  ein  Ideal  wftrt*  dtm 
wir  nachzustreben  verbundeo  find.  ^  Wer 
fibrigens  in  unzihligen  F&IIen  feine  Unheiftt 
tuf  die,  nach  der  Vemunft,  nothwendigo 
Verbindung  der  Tugend  und  Gliickfeligkeit 
griindet,  und  doch  geneigt  ist  darubcr  za 
Ifichcln,  dafs  der  Menfch  als  Seibstzwcck  vor- 
gestellt  wcrdc ,  der  uberlege ,  ob  in  feinen 
Urthcilen  nicht  ein  ofFenbarer  Widerfpruch 
fey.  Wic  kfinnre  er  den  Tugcndhaftcn  der 
Gliicklcligkeit  wurdig  erklfiren,  wenn  er  tha 
nichtaU  Selbstzwcck  betrtchtete? 


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—  453  — 

Willenj.  So  w iJeriprechend  dicfe  beyden 
Vontellungeii  fcbeiaen:  fo  koniite  doch  ge* 
leigt  wefdeo,  dalt  der  Widerlpruch  ver» 
lchwinde,  wenn  man  ein  und  ebendafTelbe 
Wefen  in  doppeiter  Riickncbt,  als  rinulidi 
ttnd  iiberrinnlich  betnchte.  So  wieiine 
nun  dat  Sittengdett  lelbtt  ni  dieier  doppel* 
teo  Anficbc  uothigte :  fo  berecbtiget  es  uos 
htf  dsm  vorliegenden  Widentreite  tu  einer 
Shnlichen.  D«6  Tugendgeflnnung  Gludtlh- 
ligkcit  hervorbringe,  ist  niir  in  fo  fern  un* 
moglich»  alt  man  die  Veriuiupfuiig  von  Ur« 
lache  und  Wirkung  nach  der  Natiimothwen- 
digkeit,  als  die'einzige  nioglicbe  Art  von  ur- 
iachlicber  Verbindung  annimmt.  Dieic  An- 
aahme  kann  aber  lcliieehterdingf  mie  nichta 
hewielen  werden.  Im  Gegentheile  weii t  uni 
das  Sittengefetz  auf  eine  von  der  Sionenwelt 
gani  verfehiedne  Ordnnng  der  Dinge,  inder 
wir  unferDaleyn  alt  Intelligenz,  undun- 
fere  Wirkungsart  als  frey  von  alicii  nnnlichen 
Bestimmungtgrunden  su  denkeu  l>efiigc,  j* 
verhunden  find»  oh  wir  unt  gleich  in  der 
Siaoenwclt  beiiiiclcn,  und  nacb  dcni,  was  wir 


—  4S4  — 

von  derfelbeii  iii  etkennen  vermogeu,  voa 

Urfachen  abhaiigen,  die  lucht  in  iinfcrer  Ge- 
vraJc  Hnd.   So  wie  «lib  <lie  Verknupfiiog  «ller 
Dinge  nach  N«Curge(etien»  atif  keioe  Weile 
die  Nichtigkcit  des  Sittengefetzes  darthim 
kann,  fondern  diefes  im  Gegenclieile  auf  die 
UntulIngHclikeiC  }ener  Verknttpfuiig  tur  Br- 
krjrimg  dcflcn ,  was  in  dem  Menfchcn  ist, 
hinweisC»  undaufden  Giaubcn  an  die  Cau* 
faliclc  durch  FreyheiC  iiShrt:  ebenib 
kinn  attch  die  Verknupfiing  der  Dioge  nach 
NatiirgcftJticn  nicht  Uie  Uiimoglichkcit  dcc 
Verbindung  twilbhen  Tugend  und  Giiickfew 
ligkelcbeweifens  rondemdieltf,  vonderprae* 
tifchcn  Vcriuinft    aiifgestclltc  Vcrblndung 
fiibrC  im  Gegencbeile  auf  den  Glaubfn  an  dte 
Bedingungen,  unCer  welchen  fie als wirk- 
lich  gcdacht  wer (icii  kann.    ^istatt  zu  rigen: 
Allcft  gehc  nach  Naturgcfctzcn,  folglich  giebc 
es  weder  Freyheic,  noch  eine  Verbindung  twi^ 
fchen  dem  Gebrauche  derfefben  tmd  den  Fol- 
gen  davon,  mufs  man  viel;iiehr  die  Sache  um- 
kehren,  ttnd  (agen:  die  Fceyheit  und  die  Pol- 
gen  des  Gebrauchi  derielben  lind  von  unienii 


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Wcfen  iinzcrtreunliche  I<3ecii,  foJgiich  isC 
clie  Naturnothwendigkeit  nicht  die  etnxige 
Art»  naeh  weleher  uniereEitsteps  zu  betracb- 

tCQ  isc. 

IsC  alfo  das  SiCteogefeCz  eioe  unliiigbare 
Thatiache  der  Vernunfti  weitt  dalTelbe  auf 
die  Wurde  der  Menrchheit  hin ,  imd  dtirch 
diefc  auf  dic  nothwendigc  Vcrbinduiig  der 
Tugend  nnd  GluckTeligkeits  hat  der  Menfch 
gerechte  Anipruche  auf  die  eine,  i»enn  er 
die  audere  libc,  und  kann  er  doch  die  Elrful' 
lung  diefer  Anijpruche  nach  derNacurordnung 
nicht  erwarten:  Co  sst  er  befugt,  tn  (eioen 
Wttnfchcn  nichc  wenigcr  als  in  feinen  Pflich- 
teo»  zum  Uibcrnnnlichen  feiue  Zuflucht  zu 
nehmen»  um  die  Moglichkeit  su  denken»  dafs 
die  Wefen ,  welche  von  der  Vernunft  als  der 
Cluckfeligkeic  wtirdig  und  bcdtirfcig 
vorgestcilt  werdeny  diereibe  auch  errei* 
chen.  Und  diefe  Moglichkeit  findet  nur 
StatC,  wenn  das  Dafeyn  Gottcs  iind  dic  Un- 
sterblichkeit  der  Seele  angenoinmcn  uird. 
So  filhret  die  Moral  sur  Religion »  und  hebt 
dadtirch  den  Widerstreit»  in  welchem,  ohne 


—  456  — 

{enen  Glauben»  die  Vcmiuift  mt  fieh  feibit 
fcyn  wurde. 

Eine  Schwierifkeit»  dic  iich  l>eyder«  nack 
der  Vernunlt  nothfiendigen  Veibindung  twl* 
fchen  Tugcnd  tind  Gliickfeligkeit  findef, 
konnte  bcy  der  Ableitung  det  voUttindigen 
GutB  aus  dem  Grunde  dec  Sittengefetiet  iiber- 
gangen  werden^  verdient  aber  bter  eine  Be- 
irachtung.  Man  kann  namlich  fagen,  dat 
Sittengdets  yerlange  eine  HeUtgkett  det  Wil« 
leni,  die  keinem  MenCefaen  erretclibar  leys 
fo  fchr  cr  auch  nach  Vollkoinnienhcit  stre- 
hcn  moge,  fo  werdc  cr  doch  theiis  in  dcn 
Handluugen  ieibtt,  theilt  in  den  Beweggriiii* 
den  dtzu  fich  mannichfidtige  Pehler  und  Un* 
iauterkeitcn  vorzuwcrfcn  haben;  feinc  Nci- 
guttgen  l>ehaiten  oft  die  Oberhand  iiber  leine 
beftre  Einficht,  oder  werden  wenigilent  da 
fuHiilfe  gcrufen,  wo  dcrGedanke  der  Pflicht 
allein  ieinen  Wilien  bcttimmcn  iblitci  ja,  je 
beifer  derMenlch  werde,  dettomehr  fiShle  er 
fcinc  Schwachheit.  Wcnn  es  allb  auch  wabr 
ky,  daff  Tiigcnd  dcr  GludUeligkcit  wiirdig 


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—  457  — 

inachc,  fo  konne  denn  doch  niir  eine  folche 
Tiigend  verstanden  wcrden,  die  Ikh  rein  voa 
M^iigdn  wiffes  iind  da  diefe  dem  Menfchen 
niehf  moglich  (ey »  fo  £ille  anch  der  Anffmich 
anf  Ghickreligkcit  wcg.  Dicfcr  Eunvurf  hat 
alierdingi  feinen  Grund»  Nach  der  Strenge 
der  Vemunfe  kann  nicht  eher  ein  Recht  au£ 
Ghickfcligkcit  gedacht  \;?crdcn,  als  bis  die 
Bedingung»  unter  der  ile  eintreien  ibli»  v  o  1  !• 
kommen  er£Sllt  ait}  und  da  woU  keiii 
Menfch  wagen  wird,  fieh  derHciligkeit  des 
Willcnf  su  riihnien :  fo  kann  er  aiich  iioch 
kein  unbeftreitbarea  Recht  auf  Gluek» 
feligkeit  aufnreilen.  Allein,  eben  dat  Gebot 
vollkoniinen  zu  feyn,  bey  dcr  Unmog- 
lifihkeit  et  auf  dieier  Erde  tu  werden»  erof- 
net  unt  die  ente  Auf  ficht  tur  Fortdaiier  nach 

dem  Todc.  So  vvic  dcr  Glaubc  an  dic  Frcy- 
licit  eine  nothwcndigc  Folgc  von  dcr  Annah- 
me  def  Sittengeietsef  itt»  weil  dieief  ohne 
jene  eine  leere»  unamlithrbare  Idee  leynwtir* 
dc :  fo  ist  auch  zur  Rcalifining  dcr  ganten 
Forderung  dea  Gefetzef  der  Glaube  an  die 
Unfterblichkeit  dcr  Sede  nothwendig,  nur 


—  458  — 

nut  dem  Vatet&hMCf  6a&  jener  den  Aii- 
f  ang  dei  fittlieheD  Lebens,  iind  diefer  dea 

Fortgang  dcflelbcii  bcgnindet.  Dcnn  ist 
demMenicheii»  imd  uberiiaiipc  jedcm  finnlich* 
▼emunftigen  Wefen»  fo  wie  wir  ei  denken 
iniilTcn  ,  <3ie  voUkoinnicne  Uibercinstimmung 
ieiner  Gefinnungen  luid  iiaudluagea  nur  stuf- 
fettweiie  moslicfa»  und  wird  fie  dock  gefor- 
dert :  fo  mufs  auch  dte  Bedingung,  unter  der 
dieErfullung  desGebots  allein  gcdenkbar  ist» 
•ngenommen  worden»  und  diefe  Jkdingung 
sst  die  ins  Unendliehe  fortdauemde  Ezitlienf 
und  Perlouiicbkeit  der  rmnlichvemunftigea 
Wefen. 

le  strenger»  d.  h.  je  riehtlger  man  daher 

dic  Sittlichkeit  und  die  daraus  fliefienden  An» 
ipriiche  auf  Gluckrcli^kcit  bcurtheilt,  desto 
dringender  wird  dai  Bedtirfnifi»  um  die  Ver* 
nunftmit  fieh  felbttehiig  fu  mtchen,  eine 
Fortdaucr  dcs  Menfcheu  nach  dcm  Todc  an- 
tunehmen.  In  iiir  aiiein  liegt  dieMoglich- 
keit,  die  Bedingung  vollkommen  lu  erfiil* 
len,  untcrder  cr  der  Gluckfeligkeit  wiirdig 
ist.  —  Nimmt  man  die  Ecfiiiiung  dcr  fic* 


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dins;inig,  tmter  der  (le  tu  Theil  wer<leii  Iblli 
nicht  fostrenge;  fagpt  man,  es  kumic  von  dea 
Mcnfcheii  oicht  eine  HeiJigkeit  det  Willent 
verlaugt  werden,  ni  der  ihn  feine  lindiehe 
Nahir  iinfihig  machc ;  das  thatige  Restrcbcnf 
leine  Gcfianiingeu  imniec  reiner,  und  (ciiie 
Handliiiigeii  inimergeiettinlisiger  zu  macheny 
kiin,  menrchliche  Tugcnd  niufTe  auch 
fiir  dcu  Menfchen  hinreichend  gcdacht 
werden:  Ib  kann  diefe  Anficht  mit  Jer  vof' 
hergehenden  auf  gcwifle  Weile  vereinlget 
werden.  Zwarist  cseine  verwci  flicheSelbsf- 
gefiUligkeity  wenn  man  fich  dat  Sittengefetr. 
alt  nachfichtig  deiikt,  und  iii  dieler  Nacli- 
ficht  eine  Entfchuiciigung  ffir  die  Fchler  Hn. 
det,  die  inan  nicht  ablcgcn  wiiJ.  Dcau 
wird  eiiimal  eine  lolche  Nachficht  angcnom- 
men,  fo  gieht  es  gar  keineOrenzen,  in  dencii 
fie  eingerchlofrcn  wcrden  kann.  Der  boA* 
Menich  findet  fich  ebca  (6  berechtigt,  fur 
feine  Unthateo,  in  demSchmene,  deii  ihm 
dic  UntcrlafTung  dcrfclbcu  vcrurf^^chcii  wurdi.% 
ein  unuberstciglichct  Hiudcjruifs  zu  denkcu, 
als  der  beflTergefinnte  in  dem  Schmerse*  d«»n 


—  46o  — 

dle  uaeittgelehiliikte  Untervierluiif  imtui- 
bleiblieh  naeh  fieh*«ieliC}  iumI  (6  wtirdle  daf 
GeieU  relbst,  ais  folchea «  au^ehoben  wer- 
AlleiiH  venteht  mmt  imier  aieiifchlicher 
Tugendleiiie  uabegrenste  Aehtung  fur 
das  Sittengefetz ,  iind  ein  thitiges  Strcben» 
denirelbea  imiiier  gemiiter  au  baadeia:  ib 
«ird  «llerdingt  diie  foIcheTtagend  mitRechft 
als  derGluckfeligkeit  wiirclig  gedacht.  Deno 
da  dic  Sittlichkeit  in  der  Gciianung  bestcht, 
uad  dielelhe  alt  voiicadet  aageiehenwiid, 
wtm  fie  eine  uneingelcliiSnkteUntenierfitng 
unter  das  Gcfcts  ausdnickt :  fo  crfiillt  fie  auch 
Yollkommea  die  Bedingung»  imtcr  urel* 
dier  Glttckleligkeit  Statt  findea  fi>ll.  Dcr 
Widerstreit  diefes  Urthcils  mit  detn  vorher- 
fehenden  ist  nur  anfcheiiiend»  niclu  wirkp 
lich»  dabeydeaui  ▼crfchiedcaea  Aafi^ 
tcn  dcs  Menrchen  entfpringen.  Nach  der 
einen  wird  cr  aJs  bcdiirftiges  Wcfca  fur 
uaillhig  erkllrt»  ia  irgead  eiaem  Zcitpimcte 
feiaer  Esittcnt  Heiligkeit  det  Willena  wirk- 
lich  xu  befitsen»  und  dcmGcfctse,  ohne  alle 
Abwcaehuof »  gemlfi  su  haadelai  aich  der 


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«B^eni  Anlichc  wird  ihm  diefe  Hriligkett  in 

fo  fern  iiigefchricben ,  nls  dci  Griind  ziir 
moglicheu  Errcichimg  derfcibcu  in  dcr  fitc- 
lichen  Gefiimung  liegl,  und  da»  Ztel,  welchet 
Dur  in  der  Uoendlichkeit  crreichbar  ist,  als 
f  ch  o  n  crreichc  gcdncht  wird.  Dicfc  zwcy te 
Auficht  itt  auch  nothfvendig  mit  dem  Gedtn- 
ken  der  Frcyheit  verbunden.  Denn  dte  Ge- 
fiunuDg  als  cin  Product  dcrrciben»  und  die 
daher  cntstehende  Zurechnung  steht  gar 
nieht  unter  Zeitbedingungen»  wie  in  dem  Ca- 
pitei  voM  der  Frcyheit  gc^cigt  wordcu  ist.  *} 

Aui  den  beyden  Urtheilen;  der  Menich 

kann  die  Bcdingiing  nicht  vollkommen 
erfuiien,  untcrder  feineAnfpruche  aufGiiick* 
leligkeit  gerecht  find,  und,  der  guteMenfeh 
crfullt  dieie  Bedingung,  cntstcht  ein  drittcs 
Urthcil,  in  wcichcm  beydc  durch  gcgcufciti- 
fe  Einfchrinkuug  vereinigt  werden.  In  fo 
fem  n^mlichdie  fittlieheGefinnimg  tlberhaupt 
aii  die  Wiirdigkeit  giuckfclig  zu  icyu  ge* 

*)  Erstcr  Thcil,  S.  r8l. 


dacht  wird»  imd  doch  diele  W2rdigkeU  fur 
dea  Menfcheii,  «It  Siniieiiweleii,  dat  ZeiN 

bedingungen  cmterwoifcii  ist,  Grade 
hats  fo  fordert  die  Verounft  eioeii  dem  in^ 
nern  Zustande  det  Menfchen  tngemellenen 
liufiern  Zustand.  Und  diefe  Forderung  ist 
um  (o  nothwendiger»  d«  ohne  diefelbc  fuc 
endliche  Wefen  gir  keme  Wurdtgkeit 
gluckfclig  zu  feyn  gedacBt  vverden  konnte. 
Denn  folite  diefe  ertt  dann  eintreteny  wenn 
die  Heiligkeit  det  Willeni  «irklich  erreichC 
^are:  fo  vnirdc  (iennr  in  der  Unendlich- 
keit  und  folglich  gar  nicht  Statt  findea 
konncn»  welchet  der  Vemunft  vrider^richt. 

Finden  voir  nun  endlich  zwifchen  Tugend 
und  Gluckleligkeit  nicht  immer  ein  angeme£> 
fenet  VerhSltnifi  auf  dieler  Erde;  itt  et  unt 
unmoglich  dcnElendcn  zuglcich  stcts  fiir 
latterhaft  cu  erkiaren»  konnen  wir  unt 
im  Gegentheile  det  Gedankent  nicht  enneli* 
rcu,  dafs  in  dem  gcgcnwirtigen  Leben  die 
Giuckfeligkeit  bey  aller  Wurdigkeic  dazu» 
|a  fogar  um  der  guten  Gefinnunf 


~  463  — 

Willeii,  oftvetldrengelie:  fodriiigeiiiii ji« 
Verniinfc  auch  den  Gedanken  auf,  dafs  unfere 
Existciiz  nicht  auf  das  gegenw'irtige  Lebea 
«iogefchrjiukty  fondem  nur  eine  VorbeieU 
tung  euf  ein  ktinfriges  fey.  Zu  dem  Glaiiben 
ati  die  Unbtcrblicljkcit  der  Scclc  fiihrt  uui 
aUb»  theiis  dasGebot  felbst»  nach  derHeiJig. 
keit  vi  itreben,  fheila  der  von  demfeihen 
unzertrennbare  Gedanke,  dafs  dcr  Mcnfch, 
als  Zweck  an  fich,  £riih  oder  fpit,  die  Giuck* 
leligkeit  erreichen  inuire»  derea  er  wtirdig 
Ond  bedtirftig  ist. 

Durch  dicFortdauer  nach  demTode  wird 
der  Menich  auf  doppelte  Weife  in  den  Stand 
geletzt»  lur  Erreiehimg  fcines  ganzen  Zwccks 
mitznwirken.  Es  ist  ihm  untcr  dieicr  Vor- 
aiisfetaung  iiidgiich»  die  fiedingung  tu  crfuU 
len,  ttnter  der  nach  der  Verniinft  die  Gliick 
feligkeit  zti  Thcil  wcrden  foll,  und  fclbst  iio. 
mitteibar  zu  (einem  Wohie  beyzutragen«  So 
wie  ichon  hier  auf  Erden  daa  Bewufstfeyn, 
iich  nicht  nach  (innlichen Bcwcguugigrunden, 
fondern  uach  alJgemeinenGeietaen  lubescim- 
men,  eineArt  von  Genuis  crxeugt:  iblunn 


—  464  — 

mun  Miidiiafiii»  dait  bef  ttaer  imiiicr  nelir 
wMtnden  ^njMt  ton  linnlidim  NeigiNi* 

gcn  die  Zu&iedeohei(  init  fcinem  Ziistaade 
iamier  voilkommiier  ieyo»  uimI  licli  imner 
ndir  ict  Seligkeit»  umer  der  niaii  eiiie  flai» 
lichc  Unabhangigkcit  von  Neigiingen  iiiid 
«KurfmiTen  denkt»  nihcrn  werde.   Auch  kaoa 
dkr  Gewimi,  der  «iif  dieft  Art  aiM  den  Forf» 
ielintten  tur  moralifchen  VollkoMmeiilielt 
entsteht,  als  ichr  grois  vorgcstclit  werdeo* 
Aliein»  (6  wenig  er  auf  «Ueicr  firde  iiuwei* 
fAntnd  Utf  £6  wenig  kano  er  et  elier  leyn, 
als  bis  der  Menfch  gicichfam  feine  ganze 
Natur  Tei^Uiderty  uncl  ieiiie  EodlicliiEeit  ati- 
gelegt  kat.  So  lange  ilim  dlele  bleibt,  baben 
wir  gar  keine  Vorstellung  davon,  dafs  cr  frey 
voo  Bedurfiiiireo  ieyo  koitties  uod  da  die  Be- 
friedigung  von  dieien»  in  dem  gegenfVirtigeii 
Leben,  nicht  von  felbst  mit  dem  moralirchen 
Gcfetze  ubereintcimmt:  fo  kooote  auch  io  et* 
nem  kunftigen  eine  Ibniidie  Diibamionie 
Statt  findeir.   Um  alfo  die  Moglichkeit  zu 
denken,  dafs  dcr  Menfch  icinen  ganzen  Zweck 
crfeicbe,  iit  die  Vorawiecsung  dcr  Fortdauer 


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—  465  — 

naeh  dm  Tode  an  fich  nicht  hiiireicheiid. 
Iit  fie  bloft  eineFoIge  iler  blinden  Nttur, 

ib  licgt  darin  fiirdcnMcnfchcn  fowcnigHo£F- 
ming^  das  voiUaadtge  Gut,  dat  die  Vemunft 
ihn  tiiin  Gegenitande  ieines  Strebent  macht» 
Wirklich  wcrdcn  zu  fehcn,  dafs  dcr  Ungliick» 
liche  eher  Vemichtung  ais  Unsterbiichlceit 
wiinlchen  mtilste.  Denn  welchen  Gnwd  kamt 
er  habcn,  zii  glaiibcn,  dafs  in  cincm  kunffi- 
gea  Zustande  ihn  oicht  ein  cben  folchcs  Loos 
trcffe,  wie  ihn  hicr  traf  ?  Hat  die  Natur  ihn 
hierelend  gcmacht,  kann  fie  ihn  einst  nieht 
noch  elcndcr  oiachen?  Kann  ihn  dic  Natur 
nicht  in  eine  Lage  verletfen»  wo  die  Selbst- 
lulriedenheit  noch  weniger  lum  Gemilse  ge- 
rechnet  werdcn  kann,  ais  in  dcr  gegenwarti- 
gcn  Verbiadung  dcr  Dinge?  Und  ieUwt  der- 
fenige,  der  fich  in  diefem  Lehen  wohl  ver« 
balten  und  wohl  bchindcn  hat,  kann  eintfn, 
icincr  fictlicbcn  BcfcbafiFeohcit  augemciliBneQ 
Zustand  gar  nicht  erwarten,  wenn  er  daa 
Schlckral  fo  vieler,  eben  fo  gutcn,  vielleicht 
noch  bcdcrn  Mitincnfchcn  bemcrkt,  iiiid  dar* 
auf  eioen  Schiiiis  £ur  lich  felbst  lieht.  Soll 


—  466  ~ 

alfo  der  Mrafch  hoffen  konneny  dafs  im 
G  a  n  X  e  n  (eiMer  Existenz  fein  g  a  n  z  e  r  Zweck 
tmUhtintdtp  iiiid  daft  dte  Natitr  nicht  dit 
Oliiekreligkeit  lertlSre»  mralif  er  durdi  ftU 
ne  (itcUche  BefchafFeuheit  Anfpnich  hat:  fo 
beclarf  er  det  Glaubent  aa  ein  Weieiiy  wd^ 
diei»  alf  der  Urhebcr  luicl  derHerrclerNatiir» 
diefelbe  hiit  den  moraliichcaGcfiiuiiuigen  eiiH 
f  tinmiig  mache. 

Die  obettte  Urlajebe  der  Natnr  ibll  miler 
Unvermogen  lur  Erreichimg  des  vollsandi* 
gen  Gutf  erg^luzeny  Vemsittlcr  zwifchen  Na« 
tur  und  Fkeyheit»  twilchen  Giuchleligkett 
imd  Tugend  feyn.  Um  da*  Eine  thtm,  imd 
das  Andere  feyn  zii  konnen ,  mufs  diefes  We- 
len  nicht  nitr  alimachtig»  Ibndeni  ancii 
der  Voritellung:  ▼on  Gefetten»  ond 
dcr  Handiung  nach  derfelben  fihig  ge« 
dacht  i;verdeu«  Denn  wie  koome  es  dea 
Gnmd  dcr  Uibecciinttmittmig  swimicn  fitt» 
lichen  Gefinnungen  und den angemelTe» 
acu  Wirkungen  der  Natur  cnthalten» 
nena  et  aicht  diele  GeCnaungen  nach  deai 
Gelcttet  «vf  we)iihem  didclbea  bendM/sn 


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—  46?  — 

r  i  €ii  t  e  n  9  tmd  nach  der  Vontelluiig  von  Ge« 
letien  ni  handeln  vemidchle.  Nun  neup 

nen  wir  abcr  das  Verraogcn  Vorstellungen 

von GefeUen  zii  habcii,  Verttaud;  uud das 

Vennogen  nach  denielben  xu  handeln»  dea 

V/illen.    Es  i$t  alfo  die  oberste  Uriache 

der  Natur,  iu  fo  fcm  iie  zur  Hervorbringung 

dei  hochaten  Gnts  vorausgeietzt  werden 

nittis*  einWeien^  das  diirch  Verstand  und 

Willcn  dcr  Urhcbcr  dcr  Natur  ist.  ®)  Bc 

denken  wir  nun  femer,  daia  es  heilig  ieyn 

mufs,  um  nie  in  Verliichung  fu  gcrathen^ 

von   dcni  Gcfctzc    abzuweichcn,  — ^  all- 

«vilTend »  um  das  luncrste  dcr  Geiumuug  zu 

crkennen»  —  allwetiey  um  die  Menfchen  in 

dic  ZustUndc  zu  verretzen,  die  ihrem  Vcrhal- 

ten  angcmcfTen  (ind;  und  da£s  aus  dcn  ange- 

Itilurten  Eigenfchaften  Allgenugfamkei^ 

Allgiite  und  unwandelbare  Gcrech« 

tigkcit  folgen:  fo  fchen  wir,  dais,  iu  mo- 

*)  In  fo  fern  das  hdchstc  Gut ,  wonuch  der 
Menfch  snreben  foll ,  nur  durch  di«  vemiit- 
tclnde  Gonheit  moglich  ist ,  wird  cs  als  a  b  - 
gelcitec:  und  die  Gottheir  fclb^t  als  d?.^ 
urfprungliche  hdehste  Gut  beuacii»L 


—  468  — 

cdiicher  Ablloht,  die  obctttft  Urftdie  der 
Welt  ah  da»  allcrvoUkoinmeuf  ce  We^ 
fbtt  gedidit  vrerden  iniiif, 

Attf  dieft  Weife  geht  der  Gleube  an  dat « 
Daieyn  Gottes,  als  eiixes  Wefens,  c)at  alle 
mogiiche  Vollkommenheiten  hefim»  nicht 
«eniger  als  der  tn  die  Untterblidikeit  dllr 
Seele  aiis  der  moralifchen  Narur  <)e«  Mett* 
lcbcn  hervor.    WiU  man  die  Griinde,  aut 
dettCtt  cr  beniKt»  entkrlften»  h  ipdit  diele 
nvr  atif  eine  dreyfSicbe  Weiie  an.  Entw«* 
der  es  muis  gezeigt  werden    dafs  es  ga» 
k«in  Sittengefetc  gebe^  oder*  daTs  daflelbcv 
(einera  Gntnde  naeb,  ntcbt  aiif  die  Verbin» 
dang  der  Tugelid  und  Gliickfcllgkeit  weife, 
oder  endlich»  daft  dieie  Verbindtmg  unter 
tndem»  ali  den  angegebenen  Bedingungen» 
nioglich  fcy.     So  Jan§^e  dic  Wahrheit  von 
den  entgegeaslchendca  Bchaupcuugen  unbe. 
iisMifelt  ge^ff  bleibf,  iat  et  mornlifeh 
n  o  t  h  w  e  n  d  i    die  Unsterblichkeit  der Secle 
una  das  Dafeyn  GoCtcs  anzuncbmcn. 

Diefe  Aimthtne  kann  cin  reintr  Ver- 
nunfcgUub.e  het(sttt«  dt.clcr  GnnMl, anf 


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Ware  das  Sittengefefi  auch  ni^rdt  dbin 
Meafcheu  felbst,  foiidcrii  Wefen  andcrer  Aist 
gegfben:  lo  wiirde  er,  bey  einiger  CnltMv 
▼an  derVernunft  gedrungen  werden ,  die  Re* 
liingiingen  aiifziifuchcny  unter  dcncn  thcih 
was  dat  Sittengefets  aniiiittelbar  fordci^ 
Iheilfl  daf,  wat  aut  der  Beobaehtttng  iefft^ 
ben  folgt,  wirkiich  werden  konne.  ^  Auf 
der  eineit  Seite  die  Heili^t  dei  WilleBi^ 
alfl  den  Gegemtnnd  eiocfl  Gobotfly  und  aitf 
der  andern  die  Erfiiliung  defTelben  als  uji- 
n  6  g  i  i  ch  betrachteni  auf  der  einen  Seiie  die 
Unterweriung  unter  dai  GefetB  alt  die  «tn* 
cige  Bodiitgnng  der  Glfickfcligkeit,  und 
auf  dcr  audcrn  dicfc  als  uuerreichbat 
denken,  iind  xu  harte  Widerfpnlcbe»  ala  daia 
der  nadidenkende  Menfeh  lie  nlcht  ftt  ▼erei- 
iiigen  fuchen  follte,  \^enn  er  auch  gar  nicht 
auf  fich  iclbst  Kitckficht  nihme.   Da  aber 
ihm  felbst  jenes  Gebot  gegeben  ist:  lo 

dcm  er  beruhr,  ir.  der  praccifchcn  Ver* 
nunft  liegt,  und  dic  Annehmung  ciner  hochF 
sten  Intelligenz  das  Gefcblfc  der  Khcoreii> 
fchen  Vemuofc  isc 


—  470  — 

cUs  VemuaftbedurfiiUi  su  der  Vereini- 
giiiig  feiiter  miilmeiidlMireii  GeJankea  nodi 
dringeudcr.  Er  fclhst  foU  nach  dcr  Hcilig- 
keit  det  Willeni  streben»  imd  fich  jedca  Ge-. 
nu&y  welcker  mit  derielben  nieht  bett^ien 
>Mnii,  ohnc  Eirifchi  ankiing  vcrfagcn.  Unter- 
Hirfi  er  fick  mm  diefem  Gebote^  um  der  in^ 
«ekn  Venditmtg  sft  entgehen:  &  kann  er  t» 
doch  nicht  als  xwecklovundalt  mit  fiehielbtt 
Streitend  anfchfrfi«  Diefe  Aniicht  abei:  wiirde 
trovermeidliQh  UffOs  venn  er  leine  Eziftens 
mtl  diefef  kitne  teben  eingeichiMEf «  und 
^e  GliickfcUgKeit ,  auf  die  er  diirch  die  Etr 
liiUupg  det  Gefetxes  ein  Recht  bekomml*  als 
uacfteichbar  dlehte* 

So  "tgird  die  Vcrnunft  nur  durch  denGJau- 
htn  'an  Gott  und  Unsterblichkeit  einig  mit 
fich  fclbst.  Und  deswcgcn  ift  es  swarm5g- 
Aich«  da(s  dcr  gute  Menfch  ia  feinem  Glaii- 
ben  wanke,  aber  nicht,  dais  er  in  entichifi- 
denen  Unglauben  gerathe.  Denn  da  der 
Grundy  auf  dem  fciue  ilandliuigsweife  bc- 
ri^it»  eben  der  fst»  auf  welehem  auch  der 


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Gliobe  an  die  Portdttief  lueh  deinTode,  imd 
an  clas  Dafeyii  einef  allweiien  Welnirhebers 

bcniht:  fo  kann  er  diefen  Grundy  deo  cr  ia 
einer  Ruckiicht  fut  volJgulttg  erkennty  niehc 
Hi  einer  andem  liir  nichtig  erklSren.  Er  han* 
delt  Co,  als  ob  feine  Existcnz  ubcr  den  Tod 
hinausgebe»  und  unter  der  Regiermig  einet 
ifeifen  Welttirhebers  stehe,  und  wurde  fieb 
fclbstwiderfprechen,  wenn  cr  behauptetc,  dio 
Fortdauer  feiner  PerlonlichlBeit  und  das  Da* 
feyn  dei  Gotdieit  iey  umhoglich.  Eben  dct* 
wegcn  liCst  Hchs  auch  gar  nicht  denkcn,  dafs 
dic  Rcligion  von  dcr  Erdc  vcrdr^ingt  wcrde. 
Ehe  dieis  gefchehen  konnte,  miiiste  der  Ge- 
hrauch  der  Vemunft,  nuftte  Tbgend  tmd 
Rcchtfchaffcnhcit  vcrfchwindcn. 

Der  Glaube  an  das  Da(eyn  Gottei  und  die 
Unsterblichkeit  der  Seele  ist  bisher  als  e^a 
V  c  r  n  u  n  f  t  b  c  ci  1 1 1  f  n  i  fs  vorgcstellt  xfor» 
deni  uud.fo  ist  iuderThat  die  moraiifcho 
Nothwendigkeic  jenes  Glaubens  luver*' 
«tchcu.       Sic  fo  dcnkcn,  als  ob  fie  fclbst 

<5  Wslires  phyHfchcs  Beddrfnifs  weist 
ini  AUgemeUicn  auf  cincn  Mtngd  hin^ 


47» 


•iiie  Pflichl  flndialte»  odee  nf  cfen  Gnttid 
kr  V«tUttJiidiMe  hb^Miie^  gMfet  oik  4fr 

«ut  ctneill  von  der  menrchladien  Katur  un« 
seftreiinitdiai  Gefuhle  entsteht.  Ebea 
fowtiec  VerDunftbedurfnifs  ira  AlW 
gcmetnen  tuf  «inen  Mang^cl  hin,  der  tus 
einem  nothwendigcnGedankcn  cnt- 
•rcht.   So  ist  dic  ganet  Philofophie  auf  Ver- 
nun&bedurfoifse  gegriindet.   Denn  bey  ei- 
niger  Cultur  dringen  fich  dcm  Menfchcn  die 
Fragtn  auf:  was  isi  die  Welr?  was  bin  ieh 
felbar?  w«a  foli  ich  cfaun?  und  was  wtrd 
•ut  mir  wccdent  So  wie  nun  aber  cin  phy- 
fifcbesBcdftarfidfii  iragfUlc  werni  dwG^U» 
wormif  «•  bciiiiit,  beftiedigt  titt  fil  fiOk 
auch  eiii  Vtnuaftbodatfiult  wcg,  w<m  die 
Betntnsonaiig  dner  Qodiwcndigea  Wngt  tuf 
ctne  Weife  gegebes  waden  kaiui,  dte  fiber 
aUo  2wciftl  «btbcn  itt.  Mtn  fagt  dthar 
im  engem  Sinne  nur  daniif  dafs  die  Uiber* 
teugung  auf  ein  VernunfcbcdArfnift 
^egtundet  fty «  wenn  die  Betntwortung  ei* 
ner  nothwendigen  Frage  blofe  in  Bezie- 
hung  auf  cincn    gewiffen  Zwcck, 
«ntfchcidend ,  nicht  aber  in  jedcr  Ruckficht 
befricdigend  ist.    Von  dcr  Art  ist  die  Beanr- 
wortung  der  Frage  liber  das  Dafcyn  Gottet 
und  die  Unstctblichkcit  dcr  Secle,  in  fo  fcrn 
fic  fich  auf  die  Noehwendigkeit  fitt- 
iich   zu    handtln   icutzt,  Deswegen 
heiUc  auch  das  Furwthrh tlcen  eiaec 


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—  473  — 

menfchlichen  Denkiingsart  iind  mit  den  Lch- 
TtOf  auf  weiche  dcr  Glaube  ao  Gott  uad  Un- 
tcerblkhkeit  gegriindet  mrde.  Denn  dai 
Dafeyn  oder  clie  Fortdaiier  cines  Wcfens  an- 
zuuehmca»  ist  das  Gcfchift  der  theoreci- 
fehen  Vemunfr,  die  nur  naeh  Grtindea^ 
nicht  n«di  Pflicbten  fragt;  urid  da  die 
Yerhiodiichkeic  Ciigcncihaft  zu  icyn,  aus  dec 

folchen  Enrfcheidung  nichcWirfen  fon- 
darn  Glaubcn.    DitiStr  Uniwlchicd  isc 
•btr  nidic  fo  su  vtrsithen,  tls  oh  bty  deoi 
GltabtndltGrfindtdtrUibtReugung  nichc 
tbtn  dit  Ftsrigktic  btwirktn  kOno- 
ttn,  wtldic  bty  dtm  Whftn  Sonc  ihidtc^ 
fondtro  nor  fo,  daft  bty  dtm  Glaubto  di« 
Gruodt  der  Uiberzeugung  von  andtrtr 
Art  find,  als  bey  demWilTen.   Ich  w«is, 
dt(s  ich  rechtfchaffen  handeln  foll ;  denn  dio 
Rcchtfchaffeoheic  beruhc  auf  etnem  Gefecze, 
das  (lir  alle  vernunftige  Wefen  gOU 
tig  ist  —  ich  glaube  nur,  dafs  es  cincn 
Gott  giebt »  dcnn  ich  kann  nicht  bcwcifcn, 
dals  alle  verniinfrige  Wclen  das  vollstiindigc 
Gut,  nur  unicr  dcr  Vorausfctzung  cincs  mo- 
ralilchen  Urhebers  der  Welt  als  mdglich  an- 
fthen,    Da  fie  aber  {lir  mich,  -Is  Mcnfchen, 
in  moralifcher  Ruckficht,  nothwcndig 
ist,  fokann  ich  mitRecht fagen :  ich  felbsc 
b  1  n  g  e  w  1  fs ,  daii  cs  eincn  Gotc  gebc« 


—  474  — 

Gefctigcbung  der  practifchen  Vcrmmft  fliefst, 
fo  bleibt  fie  stehea,  dcr  Menlch  ley  gUubig 
Oder  ung lHubig.  Dnnit  ibll  aber  tiiebcge(agt. 
ftyn,  cUfi  es  lceine  Pflicht  in  Bczichunj 
auf  dcn  religiofcii  Glaubcn  gebc,  oder,  clais 
die  Gebote  der  Pflicht  nicht  alt  Gebote 
G  o  1 1  e  t  ▼orstittellen  ieyn.   Die  Belordening 
des  vollstandigeii  Giits  ist  Pflichtj  iind  cU 
daflclbe  mir  uoter  der  Vorausfetsung  det  Da« 
ftyntGottet  und  derUntterblichkeit  derSeele 
▼on  dcn  Mcnfchen  als  raoglich  gcdacht  tvci;- 
dcn  kaim :  fo  ist  allcrdiiigs  jeder  verbuadeiip 
tfaeilty  allet  ni  unterlalTen»  wat  den  iditca 
Religionsglauben  lchwHchen  konnte,  theils, 
fp  vicJ  von  ihm  abhangt,  nach  eigner  Festig* 
keit  in  demfelbea  fti  ttreben»  Femei^  ob^ 
gfleich  die  Sittliehkelt  auf  der  cigncn  Geletf- 
gcbung  dcr  Vernimft  bcruht :  fo  fiihrt  doch 
dicfe  auch  unverm6idiich  xu  dem  Gedanken» 
die  Gebote  der  PAicht  alt  gottliche  Ge- 
bo  tc  vorzuitcllcn.    Dcna  ist  die  Erreichung 
des  vollstindigcn  Giits  nur  durch  den  WiUen 
det  heiiigen  und  allmlchtigen  Urhebert  der 
Weltsu  erhaltea:  fo  miifs  dcrfclbc  auch  alt 


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—  475  — 

das  Oberhaupt  iind  der  GefeCsgeber  tii  denr 
Reiehe  der  Sitten»  wie  im  Reiche  der  Natur» 

betrachtet  wcrden.  Nur  find  die  gottli- 
chen  Gcbote  nicht  fo  zti  verstchen,  als  ob 
fie  willkuhrliche»  odcr  xufilligo 
Verordmingen  Wiren.  Dafi  eine  folche  Aii< 
ficht  mit  der  Wahrhcit  uicht  libcreiastimme^ 
kann  keinem  Zweifel  unterworien  feytt,  weno 
der  Glaube  an  Gott  (elbst  ertt  auf  der  Geietx* 
gebung  der  Vernunft  bcrliht.  Wcndet  man 
dagegen  ein»  dafa  ci  auch  andere  Grunde  fiic 
das  Dafeyn  einet  hoehsten  Wefens  gebe;  (b- 
ist  dicfs  zwar  allcrdings  wahr ^  fic  iiud  abcj; 
von  der  Art,  dais  fic»  theils,  aliein  genom- 
ineny  keinen  festen  Glauben  grunden  konnen, 
wie  bald  gczeigt  wcrdcn  foll,  theils  wcnig 
oder  gar  nichts  dazu  bcytragen^  Gott  als  deo 
gerechten  Richter  imd  Vergelter 
vorcnstcllen.  Als  folcher  ist  er  mir  deswe. 
gcn  fchwcr  zu  vcrkcnncn,  wcil  in  uns  fclbst 
ein  innerer  Richter  ist»  der  auf  denAll- 
niSchtigen  hinweist  Lilge  nicht  in  uns  cin 
Gcfctz,  dcflcn  Uibcrtrctung  als  strafwiirdig, 
und  dcjQfenErfiiilJtmg  alsdieaotfawendige  aber 


—  476  — 

atich  einiige  Bediii^ung  der  GluckreKgkeit 
Cfffehcint:  fo  wur<ic  cs  iii  der  That  ganx  iim* 
Ibiiit  feyn»  dca  Sittenlehrea  djultircli  Nadw 
dnick  vcrrcha£kn  iii  vrollctty  daft  ffe  «Is  Ge^ 
botc  Gottes  voffestcllt  werden.  So  wic  dat 
noralilche  Gcfuhl  flch  cuf  dat  ^ttengelets 
grundee»  und  nur  ncck  dem  Maiie  der  Ene. 
>yick.elung  der  Vernunft  entsteht:  fo  griindet 
ftcb  auch  die  Hdite  Furcht  vor  Gott»  dte 
jpccht  verstandene  Liebe,  und  dat  wahra 
Vcrtraucn  zu  ihm  auf  die  iuocrc  Geictx* 
fcbiuif . 

♦)  Chrisnis  felbst  verweist  auf  das  inncre  Be» 
w  u  fs  t  f  e  y  n ,  als  den  leczten  Richter  uber 
dii  Gttfc  und  BOfe ,  und  grOndet  folgtich 
die  ReUgioa  cbenfblb  auf  die  Gefctzgebung 
4er  Vcmuoft.  Als  gOttUchcrGefiuidte  giebc 
«r  dcrielbcn  nur  nehr  Nachdnick»  ohnt 
doch  dicFaichtcn  tlc  willkdhrllchc  Gt- 
bcieGottct  vonustcllcn.  Htftcr  mcanclch^ 
sc,  fagt  cr»  und  ihr  wcrdct  crfthrtn,  dtft  dc 
von  Gott  fey.  Dicfc  Erfahrung  llitt  fich 
nur  auf  zweyerley  Weife  inachen ,  entweder 
duTch  dfts  Gcfuhl  der  Gluckfelig. 
keic,  die  a\is  der  fiefblgung  der  Lehrc 
flicfstt  oder  durcli  die  £  i  o  f  i  ch  c  d  e  r  i  n  - 
nctnNothwcndigkcitdcrfcUicn.  Dtt 


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—   477  — 

Die  Furcht  vor  Gott  kann  mit  dem  Gt* 
danken  dc$  moraiUchea  Gefetset  cuglei^  §e- 
«eekc  werden.  Daher  ist  cs  ▼lelleieht  nutf^ 
licl^»  tinter  gewiflen  Umstanden,  die  Sitteo* 
IdKren  gleich  Aafangs  alt  Gebote  Gotccs  vonti* 
fiellen.  *)   Nur  miifs  dabey  nicht  vcrftumt 

Erttc  konnce  tber  Chriscus  gar  nicht  mei- 
nen  ;  denn  «r  fa^i^te  feinen  liingern  ■usdriick- 
licii,  dafs  fie  viel  zu  lcidcn  haben  wiir- 
den,  und  macht  nur  Hotinung  rur  Gluckfe- 
Jtgkpit  in  eincm  kiinftigen  Leben,  wo* 
vun  man  doch  keine  Eiiahrung  haben  kann. 
Wird  ferner  fur  die  Wahrheii  der  gfittlichcn 
Ofttinbarung  ein  Ueweis  gefucht,  fu  kCnnen 
felbsc  diejenigen ,  wclche  dcnlelben  in  dea 
Wundem  finden,  doch  zuUtzc  fich  nichc  enc- 
hilccu ,  «li  cia  wtlfimlidits  Ktnomichsn  ei- 
ncs  Wnndm  dic  Ahrichc  anaagcben,  um 
dtna  willcn  ts  vtrrichitt  «ttidt.  Ob  nun 
abcr  dicft  Ab6cht  dtc  Goithcit  wMig  fcy, 
kinn  nur  nach  dcm  Bcgnflh  btunhtnt  wcr- 
dcn,  dcn  uns  dit  Vtmualk  von  dtm  h6cb« 
sicn  Wtftn  gitbc 

^  Diefes  V  i  c  1 1  e  i  ch  t  foll  abermals  keinen 
Schatten  auf  dic  Weisheit  des  Stiftcrs  der 
christlichen  Religion  werfcn  Er  fprach  zu 
Menfchcn ,  dic  in  Gotc  glaubcen »  und  dle 
Filichtcn  tls  Gcbocc  defTcIbca  beiTicbtctcn. 
Wcnn  fokht  MtoiSdito  bdchic  wcrdcn  (eti- 

Hh 


478 


werdeOy  die  inncrcNothwendigkeitderfclbcii 
fublbar  su  iDichcD,  fonsi  itt  AbergUube  oder 
Unglaube  tu  fiirehtoi.  Oemi  wer  nur  di» 
pofitivcn  Strafen  clerGottheit,  und  nidit 
die  innere  Vcrachtung  fcheiit,  der 
koinme  leicht  auf  den  Gedanken,  da6  dat 
heilige  Wefen  naeh  MenfehenarC  dufch 
aufsern  Dienst  tu  gewinoeny  oder  gac  dur<:h 
Mittel  xu  beliriediKen  fey,  welche  der  Gefets* 
gebung  derVemunftseradesu  wider^^redien^ 
wic  die  Gefchichte  mit  bhitigen  Spuren  zcigt. 
Nicht  minder  alt  der  Aberglaube,  enuteht 
audi  leiGht  der  Unslaube  aut  der  Vemadli* 

Imi:  Ib  kinn  dti  Vcrftfaren  dabey  tuiP 
dm  feyn,  «li  wcim  derGltube  tnGott  cnt 
gtfrOndct,  und  der  crtte  Begrif  ven  Pflicht 
heygdmdic  werden  foU.  Dther  kann  die 
Unterfuichung  fiber  dic  bette  Art«  die  Men- 
fchen  zur  Tugcnd  zu  erziehen,  gtr  nicht 
tb  lait  der  Wtbrhdt  der  christlichen  Reli- 
gion  deitwegen  snreirend  tngefehcn  wcrden, 
weil  diefe  die  Sittenlehren  als  Gcbote 
Gottes  darstellc.  Da  iiberdicfs  Chrisrus 
fclbst  auf  das  inncre  Bewufstfeyn  dcs  Gefe- 
tz?s  fuhrt :  fo  ist  cs  fogar  feiner  Lchre  au- 
wider,  daiTelbe  tuszufchlieifeii. 


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—  479  — 

ittftigung  det  praetifchen  Vernttaftiotereflcs. 
Denn  wer  in  den  Sittenlehren  nnr  will* 

iLuhrliche  Gcbote  GoCtes  iifiht,  und  gcni 
iSsine  Neigungen,  denlelben  luwider»  beluup- 
ten  m6chtey  der  ergretft  «uch  begierig  alles» 
was  ibm  voii  Andern  oder  von  ihm  felbst  ge- 
gen  das  Dafeyn  Gotces  eingegeben  wird ;  und 
eotitehen  «uch  nur  Zweifel  uber  daflelbe,  to 
find  fic  oft  fchon  hinreichend,  dic  Erfrilliing 
des  Sictcngefetxes  zii  hindern.  Isc  im  Gegen- 
theilc  das  practilche  Vemunftinterefle  ge» 
weefct:  fo  konnen  Zweilel  tiber  dat  Daleyn 
Gottes  un4  die  UnsCerblichkcit  der  Seelc 
twar  beunruhigen»  aber  nicfat  denGedankea 
der  innem  Veraehtnng  aufiieben.  Diefa 
wirkt  aiich  dann  nochy  wenn  der  Glaube  an 
die  Religiontwahrlieiten  wankt;  denn  uber 
moraliiche  Verbindlidikeity  wenn  fie  einmal 
deutiich  eingerehen  ist,  konnen  keine  Zwci- 
fel  eocscehen, 

Mit  der  Achtung  fiir  daiSittengeletx  kanit 
ftugleich  die  Furcht  vor  Gott  geweckt  wer- 
deu,  wic  ebea  gciagt  wordcn  isc,  uicht  aber 
cbcnfodie  richtig  vcritandeneLiebc 


—  48o  — 

miaa«lchteVcrtr*ttcii  wihni- 

findet  fich  untcr  gunstigco  UmtaiiaeD  Wi- 
«eilcfi  Iruh  EmpfitngUchkcit  ftir  dic  Empfin. 
a„ng,  i»elche  aoi  aem  Gcdmnken  «n  Gott. 
al$  dcn  Urheher  •Uet  Gufcii,  entttehc,  imd 
Uebe  xu  ihm  heifst.  Auch  ist  es  fehr  heil- 
lam»  aicfe  religiofcEmpandiing  lu  wcckcn.») 
Wenn  et  ahec  fihefhwpt  eiii  gro(ief  Irrthum 
ist,  dic  Bcstimmung  dcf  Menfchcn  auf  &attk 
GliicklcUgkcit  »n  Hch  cinxufchrankcn:  fo 

murt  eudi  ais  hSchilc  We&ii  nicht  »b  Wohl- 
thitcr  Cibcrhaupt,  roaaeni  alt  gerediter 
Wohlthltcr  bctrachtet  verdenj  imd  wt^ 
fo  aie  SittlichkeU  elt  aie  Beaingung  acr  von 
ihm  ausgcheiiaeii  Gluckfcligkeit  wrgettellt, 
ib  ist  dic  Ucbc  zu  dem  Gcber  tllet  Gutem 
mchtchermogiich,  alt  bis  dcrVorfatx  gc 
fafit  itt,  aie  Beaiogung  fcincr  Wohlthatcn 
tu  crfuUcn.    Wcr  fich  noch  nicht  hcmltt 


Gott  lieben  htifit  iwtr  «uA  feiuc  G«ho« 
S«rn  «iftUtn;  ditfeLi«b«  «ber,  weit  ent. 
r^tim  Anf«ng«  d«t  monlifchfn  Lcbtnt 

mSgllch  «ttf«fU,  ^»^^*"  ^*"** 

M«n(ditnnuK  mit  Einfchtinkung. 


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ift,  dafi  erderielbefi  wilrcligztiwenleti  tfrebt» 
<ier  fcheut  aiich  den  Gcdauken  an  ein  allgiiti- 
get  tber  hciliget  Wefen»  und  kann  fieh 
der  befeligCQden  Enipfindimg  det  Dankt  ge- 
radc  iim  (o  iveniger  liberlafTcn,  je  mchr  er 
Veranlailiing  daxu  hat.  —   Zu  dem  ichteii 
Vertrauen  aufGott,  wurd  ein  nocfa  grof» 
fcrci  CrraH  erlangfer  Herrfchaft  liber  dicSinn- 
iichkeit  erfordert./  Denn  fo  wenig  der  £in- 
flnis  det  hdchtttn  Welent  aiif  die  Schicklale 
der  Menfchen  lelbit  in  diefein  Leben  aiif* 
Bitrchiiersen  ist;   fo  hat  denn  doch  achtes 
Vertrauen  lu  demielben  nur  derfeikige» 
weleher  von  feiner  VenuitteJttng  faotft,  nicht, 
dafs  es  ihm  in  jedcm  eintelnen  Zeitpiincte 
ieinek  L^bent  — —  fondem  im  Ganxen  ieiner 
Exittens  nach  Wunfch  iind  Willen  gefaen; 
nicht,  dafs  cr  stets  gliicklich  feyn—  fon- 
dern*  dais  fcibst  Ungiiick  zu  feiuem  Besten, 
d.  h.  ttt  feiner  Vetedlung  und  Venroilkom- 
itiung  gereichen  werde.    Wenn  man  alfb 
gleich  lagen  kann ,  dafs  die  M  o  r  a  I  in  V^er- 
bindung  mit  der  Reiigion  GliidLfeligkeits* 
lehre  Sey :  fo  wiid  doch  weder  dte  M  o-- 


—  489  — 

ral  tB  ficby  noeh  iucli  die  djurmf  ge« 
gniiidele  Religioa  dier  fiir  ^en  Weg  tor 

Gltickrcligkeit  gehalten ,  bis  rchon  <3ie  {ittli- 
chc  Ceiioiuuig  vorhindca  ist.   Um  diciie  hcr-* 
vor  la  bringen»  iit  das  Erite»  was  dcm 
Menfchen  vorgehalten  weHen  mufs,  dat  Ge- 
b  o  t :  du  follst  niir  folche  Regeln  befolgent 
«ciche  allgemeine  GeieCfe  «erden  kdmieni 
und  dieis  Geboty  et  «erde  bloft  auf  die 
Geretzgebimg  der  VernunfC»  oder  auf  den 
WiUen  Gottea  lugletcb  gegriindet,  wird»  in 
leinem  gansen  Umfange,  und  an  fieli» 
von  keinem  Menfchen  als  Erwerbmittel 
der  Gluckfcligkeit  bctrachtet.  —   Nur  dana 
biat  dtt  dcfielben  wiirdig»  wenn  du  jenea  Ge» 
boterfiiHft»  iit  der  sweyte,  mit  dem  votu 
gen  verbundeue  Gedanke,  —   Auch  in  die. 
fem  liegt  nnr  die  Vernunftbedingunf 
der  Gltickleligkeitt  niditein  Mittel  fie  su 
crlangen.    Wenn  nun  aber  der  Menfch  das 
Gefcez  zur  Regei  feines  Verhaltens  gemacht» 
dnreb  Beobacbtung  deifelben  den  Wertb  &u 
ner  Existent  nicht  nacb  blolt  angenebmen 
Empfindungcn  fclutzcn  gclciot^  und  duicb 


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—  483  — 

die  B^traehmng  «liefet  Werths,  yermittela 
der  Keiigion,  die  HofTiiung  crhalten  hat»  ia 
ieiaer  ganten  Exitteni  dat  fu  ertekheo»  tvif 
er  als  finnlichverntinftiget  Welen  wuniehen 
iiiid  wolleii  foll :  fo  kann  er  ciic  Moral ,  die 
Anfangt  nur  Pflichfen  aufiegt,  nicht  eigen* 
Duttige  Maatregeln  an  die  Haml  gtebf ,  alt 
dtii  Wcg  bctrachfcn,  auf  dem  cr  zum  GcfiihJ 
fciuer  Wurde»  und  sur  Autficht  aiif  cine 
Gluckfeligkeit  gelangt,  die  nicht  auf  dieiet 
Erdcnleheti  eingcfchrankt  ist.  Selbsttufrie- 
denheit  begleitct  das  Bcwufstreyn  feincr  gutcn 
Gefinnungen  und  Uandiungen;  und  itt  lie 
nicht  hinreiehend,  ihn  fur  alle  Selbttver- 
liugiiung  fchadlos  zu  haltcny  oder  iiber* 
kaupt  dat  Gefiiiii  leiner  Leiden  auftuwie^ 
geuy  (b  gewinnt  er  wenigttena  Trott  in 
denfclbcn,  durch  deu  Glauben  an  Gott  und 
Uastcrblichibcit, 


Dmrmttimg  mid  PrUfung  Jcr  /pecwhtl^ 
Vf»  Bcrs^cifi  fiar  dic  UmttcrbUcbkiit  Jkr 
SccU^  unJ  das  Dafcyn  Gotia. 

Es  itt  nicht»  1  i  ch  e  r  1  i  ch  e  r  alt  die  Furcht 
vor  der  Wahrheit»  Itgt  mehr  «k  ein  Fhito- 
foph— >  ee  itt  nichtt  geflhrl  ieher  alt  die 
Wahrheit,  fagcn  Andere,  und  beyde  haben 
luch  dem  Simie,  den  iie  mit  ihren  Ausfpni* 
chen  Teiiiindeny  Recht.  Bf  ist  nichts  llchefw 
licher,  ali  die  Furcht  ▼or  der  Wahrheif, 
wemi  man  diefe  an  fich  betrachtet,  und 
etwat  anfieh^  daa  nothwendig  lut  dte 
nenlchUclien  Denkart  hervorfoht;  et  iit 
nichti  gefUirlicher  als  die  Wahrhtie,  wenn 
man  unter  derielhen  eintelne  wahrn 
Sltf  e  venteht,  die^  *nt  ihter  VefUndnng 
mit  audern  geriffen ,  allcrdings  eincn  fch'id» 
lichen  Eiofluia  au£  die  DenlL.  und  Uandlungf. 
weife  der  Menfchen  hahen  fcdnnen.  Ea  ial 
daii-r  unstreicig  einc  gegruodete  moralilcfad 


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Klughcitsregel  darauf  zu  rehen,  dafs  mati 
Wahrhcitcn»  die  von  ungebildecen  Peribneii 
leicht  eijifeitig  gefaltt  uad  falich  ange» 
ivandt  werden,  nicht  in  ein  Licht  stelle,  vicU 
cbci  dicEtnrcitigkeit  bcgiinf tigt.  Gcht 
nan  aber  «eiter,  und  fticht  nicfat  bloft  diefe 
lchldliche  Einfeitigkeit  zu  vcrhiiten,  fon- 
dcrn  felbst  das  Wahrc,  das  ihr  «um 
Grtinde  liegt,  entweder  gaus  tu  ▼erbeigen, 
oder  gar  fifr  nlchtig  lu  erUlreo :  Ib  handelc 
man  nicht  nur  unrecht,  fondcrn  arbeitct  auch 
oh  dem  Zwecke»  dcn  man  cfreichen  wiil» 
gerade  entgcgen.  Wenn  dle  Menlchen  einmal 
auf  gewifTe  Anfichten,  die  aus  dcr  Natur  ih» 
ret  Gcistct  iiervorgchen,  gc)u>mmco  find» 
fo  itt  cs  Mangel  an  Aufiriehtigkeit  tmd  Aeh» 
tting  fiir  die  Wahrheit^  nicht  zuzugeben,  was 
man  doch  als  gegnlndet  anfehen  mufs,  tmd 
cs  itt  iiberdieft  in  dieiem  Verfahrea  oft  Ua* 
klugheit  stigleich.  Denn  ttellt  man  imttatt- 
hafteBehauptungen  au^  fo  giebt  tnanBloiscn» 
die  felbtt  der  Abficht»  um  deren  wiJIen  man 
fie  aufttellty  fchldlieh  werden.  Der  Gegner 
bcQutst  dic  Blofscn»  und  glaubt  oft  dann 


—  486  — 

ichon  das  Rccht  «uf  feiner  SdAe  suhibeiit 
wnn  er  dat  Unfecht  «iif  dler  andern  fie- 

seigt  hat,  ohue  uaian  zii  denken^  dafs  die 
Cnmde»  die  er  ftir  feioe  Meinung  •nfiuhrt, 
eben  (b  unnireicheod  ieyn  konnen,  als  die* 
jcnigen,  dercn  Zuringlichkeit  er  bestreitct. 
Wird  im  Gcgeutbcile  das  zugcgcben,  ivat 
ohne  Verletsuog  der  Wahifacic  nickc  abge» 
laugnct  werden  kann:  (b  itt  (elbaC  dano  etnq 
Verciiiigiuig  mQgltchy  wetui  &c  noch  fo 
ichwei  rcheint 

Aus  dieienLGefichtspunete  miift  man  die 
9rufung  der  Bcweifc  fiir  da$  Dafeyn  Gottes 
und  die  Uniterblichkeit  der  Seele  betrachten* 
Pcr  gntgefinnte  Menich  hat  ein  hohet  Inie* 
rcfTc  bey  dcm  GJ^uben  an  die  hienlbcr  auf- 
gcsteilten  Lehren.  Sic  iind  ihm  von  Wick* 
tigkeit«  nicht  nur  inBetiehiuig  aiif  fich  felbst» 
fondem  auch  !n  Bexiehung  aufAodere»  und 
benihen  auf  Griindeny  dic  ihm  kein  Menfch 
entreifsen  kaon,  LHfst  er  fich  aber  dureh  die» 
lea  IntereHe  verletlen,  fetneo  Glaubeo  lur 
cin  Wiffen,  xiM  kmc  Griindc  fiir  imum- 
stolsiiche    e  w  e  i  f e  auszugeben :  £b  liuft  er 


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—  487  — 

GefAtt  denfelbea  ibgat  die  Knft  <u  beneli- 
die  fie  haben  konnen.   Wie  }ede  An- 
maifuogy  rcitzt  ziim  Widerstandc  aiich  die- 
jeni^y  weJche  fich  auf  die  Erkeuntniis  uber* 
finnlicber  Gegenitande  beueht.   Et  itt  alib 
von  Wichtigkcit,  lich  cincr  folchcn  Anmas- 
fung  zu  cnthaltcn ,  um  der  guten  Sachc  nicht 
su  ichadeni  und  wie  fcann  tnan  diert,  wenn 
man  dat  Wahre  von  dem  ErTchlichenen  nieht 
gu  untcrrchciden  wcifs  J  Schon  dcswegcn  ist 
cine  Prufimg  der  Beweife  fur  datDareyn  Got* 
tet  und  dte  Untterblichkeit  der  Seele  noth> 
wcndig.    Sic  wird  cs  abyr  noch  mehr  cladurch, 
dait  fie  vor  der  Gefahr  bewahrt»  iclbst  in  fei^ 
nem  Glauben  tu  wanken.  Denn  (6  wie  der 
Gcgner  deflelben  mir  dadurch  tritimphiren 
i^ann,  dafs  cr  fcine  Wafien  auf  die  Uibcr- 
fchreitung  der  Grenzen  menfchiicher  Wiflen- 
fchaft  riehtet:  fo  fchligt  fieh  oft  der  Menfeh 
felbst ,  durch  dicfe  U  i  b  e  r  f  ch  r  e  i  t  u  u  g. 

^  Allct  wts  jemah  gegen  dat  Dtfcyn  Gotiet 
und  dieUntterUickkeic  dcrSeelc  gcfagt  wch> 
dcn  ttt»  trift  Bichc  unmittclbar  dcn  religi^ 
len  Glaubcn  fdbst,  fondero  nur  dicBcwcifc^ 


—  488  ~ 

Steht  er  das  Uoerweiiiidie  in  feinea  Beiuni|ft- 
tungeQy  wie  er  fichi  in  dcr  That  nicht  iin- 
mer  verbergeo  kMon :  (b  verliert  er  iiicht  kl' 
ten  dabey  •uch  dtf  atit  demGeflchte^  fvet  un- 
erfchiitterlich  fest  slcht,  odcr  hetrachtet  et 
vieiletcht  uie  aus  dem  rechtea  Gefichti* 
puncte.*)   Znr  AhfiMuleffunf  dci  Walrai 

wdche  dafiir  aii%«tflllc  «ordtn  find ,  und 
ist  vitllcicht  nur  dtiwtgta  auf  eiojB  oft 
afflp6rttide  Art  vot^ttmgen ,  well  von  der 
Gcgcnpanhcy  die  fchwachcn.  Sciren  ihrer 
Griinde  vorfetxUch  in  Schatttn  gttttUt  itt 
ftya  fchitntn. 

Alt  Gntnd  dtt  Glaubtoi  aa  Gott  htt  taaa 
dlt  Nodiwcndigktit  mgtadhaft  «i  ftya.  w 
Ktat  aur  iadirtctc  tagtCiUirt.  Nie  hac 
mta  gtrtdtau  fo  gefchlofsea:  wir  foUta  tu» 
geadhaft  ftya,  IblgUch  tit  ct  aorhwendig 
dat  Dafeyn  Goties  anauathmen;  fondem 
vielmchr  fo :  es  ist  tin  Gort.  folglich  miiflfen 
wir  tugcndhaft  feyn.  Wenn  man  nun  den 
Einwendungen  gegcn  dic  Bcweife  fiir  das 
Dafeyn  Gotres  be^^cgncn  wolltc:  fo  war  cs 
ani  Endc  ficylich  nothwcndig,  fich  mehr 
oder  weniger  auf  da»  loiereirc  dcr  practifchen 
Vernunft  zu  beziehen;  nur  gefchah  es  auf 
eine  Weife,  welcht  dcutUcht  £iaricht  un- 
indglich  iuaci;iie. 


—  489  — 

von  dem  FaJfchen»  in  Ruckficht  au£  deit 
f  trengen  Beweis  liiir  die  Fortdauer  nach  dem 
Tode»  ibll  die  ertte  Beerachttmg  dienen. 

Bey  einem  ttrengen  Beweiie  fiir  die  Un* 
fterhltchkeit  der  Seele  kommt  es  daraiif  an^ 

aiis  dein  Wefcn  dcrfclben  zii  zcipcn,  dafs  fie, 
abgcfondert  von  dem  Karper,  iind 
ohne  die  Werkteuge,  die  ihr  mit  demfelbea 
xum  Wahmehmen  und  stim  Denken  dienen, 
ntcht  niir  bestche,  fondern  aiich  das  Be> 
wuTstfeyn  ihrer  Perfonlichkeit  behalte» 
oder»  mit  andem  Worten,  dafi  niche  nur  ihre 
V  c  r  g  a  n  g  l  i  ch  k  c  i  t,  fondern  auch  ihre  B  e  - 
wufstlofigkeit  unmoglioh  fey.  Dtefca 
Bewcts  hat  man  in  dcrlliat  untemommcn» 
und  auf  folgcnde  Wcife  gcfiihrt. 

Es  ist  iinmogltch,  irgcnd  ciw.is,  cs  lcy 
von  ciner  Art*  von  welchcr  cs  wolle,  nach 
der  Narurordnnng  al«  vernichtet  fu 
dcnkcn.  So  zers(urlvir  allcs,  vvas  uns  dic 
Sinncn^elt  darbictct»  in  unfcrn  Augen  er* 
rcheinen  muis;  fo  trift  doch  dieie  Zcrstor- 
barkcit  iiichi  dic  Thcilc  fclbst,  aus  dc- 


—  — 

ntn  ^ieDbge  iuljtBflieiigelettc  fitid,  Ibndeni 

uur  dic  Form,  unter  dcr  fic  uns  zii  einer 
gewiiTcii  Zeit  er(cheiiieii.  In  £o  viele  Theile 
dasHoU  dureh  det  Feuer  terlegt  «verclen  nuig, 
fo  wilrden  fic  doch,  wenn  dic  iii  der  Luft 
serstreuten  mit  denea  in  der  Afche  verbuu- 
den  #erden  kdnnten»  nach  unierer  Anficht 
der  Dinge,  aHet  autmichen,  wat  in  dem 
Holze  vor  der  Auflofung  vorhanden  \var. 
Ehen  fi>  itt  et  mtt  den  Theiien  nnTert  Kdr- 
pert;  nteht  fie  ielbtt,  ibndem  mir  ihre  Ver* 
haltnifse  unter  einander,  in  fo  fcrn  (le  ein 
Gantet  hiiden»  wcrden  sentdrt.  Die 
Theile»  die  wtr  mit  unlemSiniien  nicht  melir 
faffen  konnen,  denken  wir  doch  noch  alt 
vorhanden. 

Bey  diefer  in  unt  iicgenden  Nothwendig* 
keity  die  Fortdauer  ailet  dellen«  wat  itr» 
zwar  nicht  feioer  Form,  aber  doch  feinem 
Dafeyn  luich»  su  denken»  kommt  et  liejr 
der  Untterhlichkeit  der  Seele  nur 
darauf  an ,  zu  zcigen,  dafs  diefe  etwat 
fiir  fich  Bcttehcndct»  cbeu  fo  Unter* 
storbaret  ftf^  alt  dieSlemente  dcr  Kor« 


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—  491  — 

pcr  in  imrcrn  Aiigen  fmd ;  und  diefcr  Gcdan- 
kc,  fagc  nan,  Uegt  allcnliDSt  in  unt.  Soviel 
£infltift  aueh  der  Korper  auf  un(ere  Gedan* 
kcn  uiid  Empfindungen  hat,  fo  wirJ  dcnnoch 
unfer  Icb,  «rclchetdenkt  imd  empfindet,  voa 
dem  Koiper  nodiiwndig  gelchteden.  Daflel- 
be  rait  irgend  cinemTheile  des  Korpers  oder 
mit  dcm  gaoxcn  zu  vcrwechfclii ,  ist  jcdem 
Menicheny  der  sum  deudtchen  Bewuiacfi^yn 
gelangt,  eben  ib  unmoglich»  alt  eine  An- 
rchaiumg  davon  zu  haben.    Man  denkt  zwar 
mtt  dem  Kopfe»  imd  liiihit  mit  dem  Henen ; 
allein  man  tcellt  fich  dieleTbeile  det  Kofpen 
mir  als  den  Sitz  der  zwcy  Hauptvermogea 
dea  Menfchen»  nicht  aia  £ic  felbit»  und 
noch  weniger  ali  dat  Ich  vor»  vielchet  fie 
beydc  befa(st.  *}    Uud  dicler  Sitz  ist  wieder 

Dtr  mcthtphorircht  Gcbrtiieh  dcs  Kop6  uod 
Hctscnt,  wtist  tbcn  fe  wtnig  anf  dit  wirk- 
licht  Vcrwtchftlung  dtrFihigkeiiaiiDlt  dtin 
Thtilt,  wo  fit  ihrtn  Sica  zu  btbcn  felwtntn, 

als  die  Bcnennung  cincs  Sinnorgant  itatt  dtr 
Fahigktit  durch  daireibe  Empfindnng  zti  er- 
hahen,  auf  tioc  Verwcchfelung  dcs  iufsern 
Wetkztngi  mit  der  inntm  FShigkcit» 


ftr  mehi  Ib  tu  wtttheii,  alt  ob  wir  irgend 

eiaen  RaiMH  angeben  konucen»  in  ivelcheni 
^Seele  eiogeichloisenwlre»  foadera  aiir  £sh 
d«6  fie  tnnHefaft  von  gewUTea  Organea  Eio* 
drticke  ewpfangf,  uud  auf  dicfclben  wirkL 
WXre  iie  eigeotUch  im  Haume»  £o  miiitten 
wirfieali  theilbar  denken,  iinddielt  ifl 
jcdem  Menfchen  eben  fo  unmoglich»  alt  fie 
init  dem  Korper  feibst  zu  vcrwechfelu.  &ie 
itt  alfo  einfaelb  und  bleibt  eben  detwefen 
scett  eine  imd  eben  diefelbe.  Ihre  Zuttlnde 
wechreln  woht»  aber  fie,  die  diefen  Wech- 
fel  erflhrt,  wechfelt  nicht.  Eben  daiTelbe 
lcli»  welchetEindnleke  von  atilteaempfangt, 
ift  luch  das ,  was  Cie  vergieicht ,  fich  nach 
deolelbea  bettimmt  nod  handeit,  So  find  wir 
aneh  vom  Anfange  unlert  voUenBewufitfeynt» 
bis  auf  jcden  Augcnblick,  wo  wir  unt  felbtt 
betrachten,  noch  eben  daiTeibe  lch»  dat 
durch  verlchiedene  ZuttSnde  gegangeo  itt» 
verfchiedene  Bettimmungen  angenommen  hat^ 
aber»  feineni  Wefen  nach,  nicht  von  dem 
verTchieden  itt,  wat  et  ehedem  wari  et  itt 
und  bleibt  eben  dailelbe.  la^  man  kinn  mtt 


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iUebt  fkitnt  «lalf  dcr  Wechfel  ZmOiidt 
firmcht  Sfite finden  wurde,  wemi  ^  Ich» 
weJcbes  dcnrdben  erfihrt ,  nicht  felbst  blci- 
bend  uitd  unveriiiderlich  wSre.  0enn  ubaw 
•U,  mo  tirir  Veillnderungen  denken»  da  letiea 
Wir  etwas  Reharrliches  voraus. 

Wcutt  nuu  tn  unfcrn  Augcn  hein  Ding» 
ntch  dem  Lmife  der  NeCtur»  in  eiu  Nichtt 
ubcrgehen,  rundern  nur  iii  fcinc  E 1  c  m  c  n  t  e 
•ufgclost  werdeu  kann»  uurcr  Ich  aber  nichC 
nls  ein  Theii  unlSnrt  ienlorbtrcn  Kdipcrt» 
Ibndemtit  fSrlicb  bettehend»  einftch 
und  beharrlich  crrchcint:  fo  ist  dic  Fort* 
dauer  defleiben  ntch  dcm  Todc  eben  Ib  ge* 
wilt  nlt  die  Fortdtiicr  tller  ElencMf  «it 
ttclcheu  dic  Korpcr  bcttchcn. 

So  Ituccf  dcr  fpecttlttive  Bcweitt 

wclchcr  von  dcr  Untcerblichkcit  derSecle  ge- 
ftihrt  wird,  und  welcher  iibcr  tlic  Zwcifei 
crhtben  ief  n  IbiL  fietrtehtet  mtn  nun  dic 
ciniclnen  SStte»  tut  ffelchen  er  besteht!  fo 
ichcint  ct  ia  dcr  That,  als  ob  tich  gar  nichta 
dtgeiencinwciidcnlielttsi  irgeod  etwtt  naeh 
Xi 


—  494  — 

dm  Laule  der  Nttur  veniSclitet  ni 
MkeAf  ait  in  der  Tliat  imniDilidn  tlad  Ib 
if t  et  auch  gane  gewUf »  daft  xdr  mSere  Seele 
ali  fur  fich  bcstehend,  alf  einfach,  und  ala 
tmraliideflich  idehai»  GleiGhwohl  fiodct 
fnaii  ttncer  Geleiirteii  itnd  Ungdeiirteii  nielit 
felcen  Aeuiierunf  en,  ^elche  gar  keine  folche 
Uihrrscnfnng  von  der  Uwtcrbiiclikeit  aut- 
druekent  alf  itelf  enlaiehl^  vicnn  cine  Wahiw 
heitauf  unumitorsliche  S3tze  fichgrun« 
det.  Wohcr  nuig  dicit  iuunmen?  Dic  Sitio 
Mntp  anf  vielehe  die  Unitethiiehkcit  dce 
Scelegebaut  wird,  find  doch  gar  nicht  fchtrer 
tu  faiTen»  fie  iiod  vicltnehr  mit  einer  iehE 
gcolicn  Menge  vmi  Urthciien  ib  gcnan  ve»» 
bunden,  daft  fie  fieh  }cdeni  denkcnden  Men. 
fchen  aufdringen.  Auch  die  Verbindung  je» 
ner  SiCie  crlbrdcrt  lceine  froiae  Anstrengmif; 
Wenn  nnn  ubcrdaefi  offienbar  ist»  daft  viein 
Mcnfchen  nach  unumstofslicher  Gewifsheit 
iiber  ilire  Fortdauer  nacfa  dem  Tode  •trebeny 
und  doeh  diefe  Gewilthcit  in  fenem  Befveife 
iiicht  6nden:  fo  muifen  wohl  darin  Fehler 
iiegen»  die  dcniiBiben  iciacr  Kraft  heraubco* 


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—  495  — 

Dtt  Uiuptfehlcr  iiegt  in  der  doppeltea  Be« 
kichnagy  in  wdcher  die  Selbttttladif  • 
ke i  t  der  Seele  gebnueht  wird.   Der  Menrch 
unterrcheidct  lle  allerdings  von  feinem  ganzea 
Korper  fowohl,  alt  jedem  Theile  deflelbeat 
ttod  er  luino  daher  gewifleraiafiea  Ikgen ,  lie 
bestehe  fiir  fich,  in  fo  fcrn  damit  nur 
angexeigt  werdea  roll,  dais  in  der  K6rper« 
welt  aichtt  itt»  woraut  auf  itfead  ciao 
Wei(e  das  Denken  und  das  Wolleo  er- 
klirt   werden   konne.    Dieis  mufs  jeder 
Meoich  lugebea.   Wer  et  irerfiieht  aut  deti 
Eigenicliaftea  der  Korper,  He  ni5gea  tnecha- 
nifch  oder  chymifch  betrachtct  werden,  einea 
Gedankea  oder  eiae  WiUensbettininungab. 
fuleiten,  dcr  mufi  su  boehtt  lleherlieben 
Vorausfetzungen    feine   ZuHucht  nehmen* 
Wenn  man  aber  daraus  fchlieist»  die  Seele 
bettehe  fo  fiir  fich»  daft  fie  aiteh  obne 
korperliehe  Organe  feyu  und  vvirken 
kdnne»  und  dauere  alfo  noch  fort,  wenn  die« 
lelbea  sentdrt  fiad:  (o  uber(chreitet  mandat 
Mafi  der  meal^iebea  Erkenntnifi.  Uat 
hienlber  ein  unwideriprccliliches  Urtheil  f  u 


—  496  ~ 

ttilcut  multtcti  vtir  du  WeCea  der  Seele  knik 

nen,  odcr,  mit  andern  Worten,  dai  Ich»  ib» 
gelbiukrt  voii  aller  Matcrie»  rchaiieii  ntd 
da<  Band,  wdclict  Korper  mid  Geitt  Yerei- 
nigt»  bcstimmen  kdnnen.  Da  uns  aber  ginc* 
Jich  verborgen  itt,  tvie  vicl  der  Kdrpcr  su 
^en  Veirichciingeii  dcr  Sede  beytilgti  de 
unrere  Existenz  und  Wirkramkeit  ietzt  an  die 
Bedingungen  der  fiimlichen  Werkzeuge  ge- 
biiiidcn  ist:  ib  itt  m  tinin5glidi  die  Seei^  tJe 
SubttenSy  luerkennen»  tnid  aitt  ihrer  &n* 
fachheit  ibre  Fortdauer  nach  dem  Tode  zu 
beweifen.  la,  Ib  geitiit  jcdcr Mcn&b  £am 
Ich  von  lelnem  Korper  unterlSdieidet,  Ib  ge» 
vfiCi  ist  et  ihm  unmoglich »  eine  Vorstellung 
davon  su  liabcnt  urie  eine  geittign 
Krafit  oluie  K6rper  fisyn  kdnne;  Ihhcr 
dieAlten,  Co  oft  (ie  aucb  von  der  geisti« 
gen  Natur  der  Scele  redcn»  doch  rich  fo 
autdruckettt  alt  ob  fie  swar  etwat  Unfichtbe* 
ret  aber  K5rperltehef  fey,  oder  wohJ  gar  fra* 
gen,  ob  fie  aui  Luft  oder  Feuer  bcttche  i  daher 
man  in  den  ncuemZciteq»  wo  nian  mitRedie 
eine  foiche  Anficht  vcrworfcn  kalf  dod^  um 


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—  497  — 

fich  die  Fortdaucr  der  Secie  nach  iletn  Tode 
«Is  mSglifih  lu  denkeii»  fie 
fliclien  Seeienorgao  tlt  unfcrtrennlich  vor- 
stelle.  Hierauf  fieht  man  ofFeiibar,  dafs  dcr 
Menich  denvegen»  «eil  er  (eine  geistigcThi- 
tifkeitTon  allem,  wu  K5rper  itt,  trennet» 
und  rein  Ich  als  einfach  denkf,  nicht  zu- 
gieich  auch  einc  Uiberzcugung  davon  ge* 
winnt,  dafi  fie  fo  fur  fich  beitehe,  alt  ob  fift 
det  K6rpert  gar  nieht  bediif4e  nnd  alt  ein- 
fiiches  Wefen  ciistircn  l^ouuc,  ja  muHe* 

Gefetst  £smer»  et  habe  mit  dem  gaawii 
Beweife  fiFineRiehtlgkeit,  gcfetit  unlbreStele 
fey  nothxvendig  als  cin  fiir  fich  bestehen- 
«lety  einfachcf  Wefen  subeurtfaeilent  weil 
wir  fie  in  der  Vontellung  von  dem  K(irper 
trcnnen  s  fo  hat  dieUntterbliehkeit  derSeele» 
in  fo  fcrn  iie  blofs  aus  dcr  Natur  dcrrclben  be- 
wieloi  werden  ibii»  immer  noch  eine  inuttf» 
loibare  Sehwierigkeit.  Alt  einfachet 
Wcfen  kann  die  Seele  freylich  nicht  aufgelost 
und  folglich  nicht  zcrttdrt  wcrdcn.  Aliein» 
mit  ihrer  Unvcrglngliehkeit  Ibll  tuglncb  ge> 
xeigt  wcrdcu ,  dafs  fie  ihr  Bcwuii tieyn  nach 


—  498  — 

dcm  Tode  behalte)  denn  ohne  da^elbe  fili* 
et  eben  Ib  ^e,  «It  danere  fie  aielit  fert  Sagt 

niau  in  diefer  Riickncht»  das  Bewtiritreya 
konne  nicbt  verichwindcn,  weil  <be  Seek  un- 
vei^lnderlieh  ley,  nnd  ab  einfiwhei,  felglich 
unthcilbares  Wefeny  oicbts  vorlieren  konne : 
ib  liat  man  in  fo  fern  die  Er£ihnmg  gegea 
fidi»  ali  Jeder  Meplcli  mhl  ipeili«  dala  dae 
Bewufttfeyn  verlchiedner  Grade  llbiff 
ist.  Von  der  deutlichseen  VQrttellung  unfcrs 
Seibft  herab  bii  sur  dunkdsten»  nnd  Ton  dn 
bis  fur  ▼olligen  Bewufttlofigkeit,  die  wir  im 
Schlafe  und  in  Ohnmachtcn  erfahren,  findet 
cine  Abittifiing  Seatt.  die  nicniand  iiugaen 
kann.  Wie  foll  alib  bewirlen  werden,  dals 
dtireh  eine  folche  Abstufiing  im  Tode  nidit 
cine  volJige  Bcwurstlofigkcit  entstchCs  die 
eben  Ib  gut     Vcfnichtung  wtot 

Bcdcnkt  luan  dicis  alles ,  fo  mud  man  au- 
geben»  dali  ein  unvmitoliiicher  Beweia 
lur  die  Fortdauer  unlerer  ta^nliehkett  ubcr 

diefes  Erdenlcben  hinaus,  aus  der  einfaehen 
Situs  dcr  Scele  nicht  gefiiliKt  wcrdca  kann* 


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—  499  — 

DamU  roU  abcr  nicht  gcfagt  feya»  «Is  ob  die 
aothweniljge  Vorttelluog  vou  uiilenii  leh  alt 
obgeleiidcrt  vob  imienn  Korper»  elt  Eio« 
hcit  iind  doch  dciikcndc  Kraft  zvi  dem 
Giaiiben  aa  die  Unst^rblichkeit  gar  nichto 
beyfnge.  Im  Gcgentheile  itc  et  nicht  nuc 
gewifi»  Mi  von  jcher  AUbndertnig 
deiren,  was  in  iius  dcnkt  und  will»  dea 
Gedanken  einer  Fortdaiier  nach  dem  Tode 
enengt  oder  verBlirkt  hat,  Ibndem  fie  ial 
auch  cinc  unbeiwitigbarc  Schutzwebr  gegen 
den  Materialifmus.   Denn  fo  ^rie  kein 
ilenfch  bewei(en  kann»  daii  die  Scde  ein  fiir 
fich  bcstehendes  und  folglich  tmiCrstorbarcs 
Wcfen  fcy»  weil  fic  von  allcm,  wat  Aus- 
dehnnng  heiitt,  in  unlercr  VoiateUung  ge» 
trennt  wird :  Ib  kann  aoch  keiner  detwegeny 
vrcil  fie  in  Vcrbindung  mit  dem  Korpcr  steht, 
nit  Grund  behauptcnt  dalt  mit  lctncr  2as* 
ttorung  auch  f  ie  xu  leyn  aufliore* 

Bcy  der  letztern  Bebauptung  ist  die  An« 
niltimg  noch  viel  unrcehtmlUtigcr»  alt  bey 
der  erttcm.  Denn  in  Jener  vntd  dat,  wu 


tvirklich  io  dein  Meuickea  Uegt,  ni»  tHtsk^ 
lich  «uf  dai  Wefen  dpt  Dlof  e  anf^ 
^randt,  io  diefer  aber  liber  dairelbe,  deci 
menfohlichea  Anficht  suivider»  ab« 
ge^rocheiu  LSugnen  kamidoeh  ketaMenftht» 
dafi  Denken  nnd  Wollen  etwaa  iac»  n»i 
fich  aut  keiner  (ins  bekanntenEigeurchaft  der 
Materie  ableiten  lilfst,  9mk  man  fich  mm 
auf  die  bloffe  M6glidikeit,  dafi  duich 
dat  Innere  un(erer  Organifatioa  eine  folche 
Vortteiluag,  alt  die  uon  leittiger  Thltigkek 
keryorgehe:  fi>  habe  ick  nichc  mirebendit 
Rechf»  das  Gcgcntheil  anximchmen,  und  midl 
ebenfalls  atif  das  U  n  b  e  k  a  n  n  t  e  zu  berufeny 
fondem  ich  habe  fogar  vid  vor  dem  Gegner 
in  (b  fem  ▼oraut,  clt  ieh  mir  lu  erkllren 
fuche,  was  in  meinem  Bcwiifstfcyn  licgt,  er 
abcr  die&a  Bcwuittleyn  ielbtt  fiir  blolaeTiu. 
fchung  erklHrt»  ohne  im  geringsten  angdien 
xu  kuancn,  wie  diefc  Tiufchung  enttteht. 

So  hatdie  Materialitlt  der  Seele  nocb 

weniger  fur  fich,  als  die  Spirltualitlt 
derrcibcu*  Geht  maa  abcr  ubcr  dat  huuu^ 


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— 

waf  wirklich  in  dem  Menrcheo  liegt»  inclea 
naii  aut  dcr  AbfcNidcniiig  dcr  geifttfeii  Thft» 
tigkeit  von  den  Wirkungen  dcs  Korpers,  die 
«bgefonderte  Existenz  der  Seele  bewcifea 
will :  ib  ubcr£chi€itct  maa  dae  Gvcnfcn  dcr 
ncnrchlidieii  Brkeiiatiiilf»  iiiid  gicbe  dcniMa* 
terialismus  gleichiam  das  Rechf,  auf  eine  ilhii* 
licheUibcrlchreituiif.  DcanabgcUugiictkaiui 
wicdcnim  nidit  werdcny  da6  wir  intr  din 
Wirkungen  dcr  Seele  inVerbindung  mit 
der  Korpcrwclt  crlscnncni  und  dafii» 
fienn  auf  dcr  einen  Sette  Dcnkcn  und  WoHcq 
keine  erklirbarcn  Rerultate  der  materiellen 
Organiiation  find,  dieie  doch  auf  dcr  andem 
In  unftrm  gegenwlrtigen  Ztntande  cur  geift^ 
gen  Thtltigkeit  nothwendig  iit  Eriaubt  fidi 
niin  der  Vertheidiger  der  SpiritualicSt  der  Seeio 
eine  einfcitigc  Anficht»  Ib  nuls  cr  ficli 
ubcr  eine  Ihnliche  Binfeitigkeit  beydcin 
Materialisten  nicht  wundem.  Der  eine  wie 
dcr  andcre  l>etrachtct  nidii  dcn  ganfea 
Mcnldicny  Ibadera  aur  ciaca  Theil  deflel* 

ben»  und  kann  daher  auch  nie  auf  dic  Zu- 
•timnung  dcrer  rcchncn»  vdchc  dic  Doppcl* 


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loitigkeit  ihcer  Natttr  nicht  vocf  eileiL  BiM 
Vexfeinigung  ia  den  Mcimniiea  km  nor  nn^ 
ier  dcr  Bedinfung  Statt  finden»  ^ait  ^ 
Unmogiichkeit,  die  Koq»er-und  Geisterwelt 
Stt  cfgnindeny  cingeiCanden»  und  alle  Einie^ 
tigkeit  in  dcn  Bdiauptungen  vemiedcs 

Be  dtrf  cadlldi  nidit  mbenMtlit  Ueiben» 

dafs  durch  jenen  Bevceifs  von  der  Unxer- 
etorbarkeit  der  Seelc,  eioseln  betrachtet» 
menlf  gewonncn  leyn  «Mc»  mm  cr  mnek 

Wfls  Materie  t  n  f  i  ch  fey ,  «nffen  wtr  eben 
fo  wenig  ftls  was  ein  Geist  fey.  Die  eintt 
wie  den  andciti  kennen  wir  nur  nach  thren 
"Wirkungcn  und  Forraen.  Wcnn  da- 
lier  gar  nicht  bewiefen  isr,  dafs  das,  was  der 
Srfchetnung  der  Matcrie  zum  Grunde  liegr, 
an  (ich  von  ganz  andcicr  Natur  fey,  tls  dts. 
was  dic  geistigenThfltigkciten  hervorbringt : 
fo  verfchwindec  iudi  coM  grofit  Scliwj«ig« 
lieit.  bey  dcr  Ftige  lUicr  dta  Mtfgfiehkcit 
4»  Vccbiodung  zwiichcn  Kftpcr  «nd  Gnm, 
cs  Uaibt  kcinc  cndcre  fibrig  Cbdic,  wie 
fibcriiavpc  tScmcuilbhift  von  Snbmiaacn 
mOkUehfty,  dcrcn  Ldfing  «ntticitig  auflTcr 
dcm  Fddc  nicnfehlichcr  Etfccnnniift  licgy> 


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MBbeiweifclte  Gewifiheit  bewixkit. 

Denn  wenn  nim  auch  aiisgemacht  w'ire ,  da(t 
un(er  Ich  nach  dein  Tode  fortdaucre,  und 
IblttBewuistfeya  bchalte:  ib  wurde  doch  §a( 
nieht  dat  daram  folgen,  wat  wir  elgent- 
licb  durch  den  GJaubeii  an  die  Fortdauer  un« 
lererEiifCeiis  su  erreichen  riiclteit.  Diefe  iit 
itns  nicht  an  luid  fiir  fieh  wiehtif »  fondem 
in  Rilckficht  auf  Gluckfeligkeit;  und 
da(i  niit  der  Fortdauer  naoh  dem  Tode  auch 
^  engenehnier  Zuttend  Tcrbunden 
fey,  bedarf  einet  neuen  Beweilet;  denn  ia 
dem  Angefiihrten  kommt  von  der  Giiickfelig^ 
heit  gar  nichtt  vor*  Wolite  man  ftgen»  dafr 
alle  Leiden*  denen  wlr  euf  Erden  untcrwoc^ 
fen  Onci,  aiis  dcr  BefchafFenheit  unfcrs  Kor^ 
pert  und  dcm  Verbaltiiifie  deiTcibcn  xu  den 
Dingen  auilcr  unt  herkSmen»  und  dafi  fin 
folglich  rait  Ablegttng  des  Korpert  aiifhoren 
mursten :  fo  \Vire  doch  zu  bewcifin »  entwe* 
der»  dafi  dae  Secie  nicht  an  ctne  nene  Vcrbin* 
dung  mlt  den»  wat  wir  Materie  nennen»  tre* 
ten,  oder»  bey  einer  qeuen  Gemeinrchaft,  nur 
Qyclicn  dcr  Lutt  «bcr  nieht  dec  Uniwtt  an« 


—  5^  — 

trefen  wMe.  VuA  wer  kann  bebatiptent  er 
IV  i  rfe  den  ZuttaDd  unferer  Seele  nach  deni 

Todc  und  d»  Verfailtiiiif  derieibea  in  der 

• 

Natiir.  AUci»  wn  niiii  hierdber  nodi  ligen 
Junn,  besieht  fich  auf  die  Aehnlichkcit  dea 
fcgeQwllnigett  Lebem  mit  dem  ■ukiiBftifeiit 
imd  euf  dteler  Aehnlieiikei»  m  fidi  feht  Ib 
wenig  die  aligcmeinc  Uibeneugttng  von  der 
kueftigeii  Gitiekleligkeit»  liervor»  dalt»  wie 
im  ▼orhcrgeheiideii  Alilchiiitle  geieifC  ffofi- 
den  ist,  hey  einer  m6glichen  Wahl  xwifchea 
Scjn  und  Nichtfeyn,  das  Eraterc  demLetstcpi 
▼00  imilhlldiCttMenlehcn  nur  dcswcgen  ▼or* 
geiogcn  werden  wurdcy  weil  6e,  ihrer  Na- 
tur  nach,  von  der  Ho£Fhuiig  zur  Erreichunf 
«iiiei,  aiciit  dem  ietiigen  ihalichen,  Ibndem 
Mlem  Loolec  belcht  werden.  SoU  illb  dio 
HofFmmg  zu  einem  wiinrcbenswerthen  Zustao» 
^  nach  dcm  Tode  nicht  gnmdioi  £qfn,  fo 
mm&  nothwendiger  Weile  eitt  Wdett  voraiie* 
geTetzt  werden,  das  als  Herr  dcr  Welt  dcn 
lleniehea  in  ciocn  Ibiclien  Zuttand  verfetxca 
lL6tttte  uttd  woUe.  GrSode  ich  aber  mei- 
«Ctt  Glauben  in  Riickficht  auf  dai ,  wcfwegen 


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allein  kfa  dic  Fortdauer  nach  dem  Tode  «lin» 
lche,  auf  dteAllniaehttind  Weitheit  Gottett 

fo  ist  cf  von  geringer  Bedeiitiingy  ob  ich  mei* 
ae  Seele  aa  fich  alt  unsentorbar,  oder  mieh 
tn  meiner  Perionlichheil  nur  detwegen  ab 
fortdauernd  betrachte,  weil  diefe  Fortdauer 
der  Wiile  der  Gottheit  ii t.  Nur  der  Gedanhe 
hleilit  widitif »  dafi  mit  der  Zcrtt5mag  mei- 
ncs  Korpers  meine  Perlonlichkeit  nicht  noth- 
vrcndig  ftugleich  zeritort  yrerdci  und  didea 
Cedanhcn  «ird  nie  irgcnd  cine  ^pccuhitiott 
au&uhebCB  fcrmogen. 

In  Bcf  iehung  auf  dcn  Willen  dcr  Gotdieit 
kann  man  aufler  dem  Vechlltnille  der  Tli* 

gend  zur  Ghickreiigkeit,  noch  manche  Se* 
trachtung  antcelien»  die  den  Glauben  an  die 
Fortdaucr  nach  dem  Tode  ttirhen.  Dit 

herrlichc  Autstattung  desMenfchen  mit  Krif* 
ten»  die  eincr  immer  vradiicndcn  Entwiche* 
liing  £lhig  finds  die  gcringe  Authildung  dcr» 

felben  bey  den  meisten  Menfchen»  und  das 
Unbefriedigende  felbst  der  hochsten  Ausbil* 

dung  bey  Wcnigcoi  die  ZwecUofigkeit  dcr 


Vernunfty  melche  felbsc  in  Ruckficht  auf 
CluckieligkeU  bey  «eiteiii  HAcht  £o  fieher 
fet  akdcr  tbieiilclieliiitiakt;  dicft  find  alleib 
dingi  ebcn  fo  viele  Grunde  fur  die  Unsterb- 
licbkcit  <lcr  Scele.  Aber,  fie  find  cf  mir  imtcr 
der  VorautictctiiiB  einct  aliniXchtigen  imd  aU« 
nreifcn  Urhebert  der  WcU.  Diefs  fuhrt  un9 
zur  DarsteJlung  der  ttrengen  Beweife 
inr  daa  Dafeyn  der  Gotdiett.  Demi  ibll  dic^ 
in  inorBlil^ier  Rucltficbf »  nodiwendtge  An* 
nahme  der  Unsterblicbkeit  der  Secle  mchr  ab 
cinGlaubeiierden»  tmd  ficbdcr  apodictiichefli 
Gewiliheit  ^•enlgctens  nihem:  Ib  itt  diefe 
Annahcrung  mir  durch  die  Gewifsheit  mog- 
licb»  vrclcbe  ia  dca  ficwciTca  fiic  dai  Daicyn 
Gottcilieit. 

Da6  man  fich  bey  aligemeinf  ulti- 
gen,  imwiderrpreeblidien  Beweifen  lilr  dat 
DafeynGottct  nicbt  auf  eine  unmittelbare 
Anfcbauung  beniCen  konnc,  bcdarf  kaum 
der  ErwXhnimg;  Anf  Schlufie  konunt  et  an» 
imd  diefe  konncn  auf  ciacm  doppcltcn  Grun- 


Jebefiihei^iuf  dner  blofteii  Vemunfei 

Idecy  oder  aiif  einer  Vernunftidee  in  Ver» 
bindung  mit  £rf«hrung.  Bey  diefer  Ver* 
buidiiiig  kaan  nian  luf  xweyerley  Weife  vefw 
lelireiii  imn  Mimut  iiiliiiiieh  entweder  miif 
4m  Dafeyn  und  ein  einziges  GeCett 
dkr  Stnnemvek  fiberhattpt»  oder  ^  Ein* 
riehtueg  undGrofte  toftlbea  intbefiui* 
dcrc  zii  Hulfe,  Hieraus  enCttehen  drey  ipe« 
culative  Bewetfe  fiir  das  Dafeyn  Gotte^  weU 
che  die  einiigen  QaAf  die  gefiihrt  werdeii 
bonnen.  *)  Denn  eufier  der  Vemunfit  un^ 
dcr  £r£idtfung  giebt  es  nichti,  das  einen  Weg 

D<r  tmc  bci&t  dcr  entologifche,  weil 

Ontologie  die  Lehre  von  dcn  nothwendigcti 
Bedingungen  anzeigt,  dic  nach  dcr  Ver- 
nunft  zurM6glichkfit  eines  Wefens  er- 
fordert  Wcrdcn ,  und  diefcr  Beweis  von  der 
M5glichkeit  auf  dic  Wirklichkeit 
fchliefst.  Der zwey tt  hcifst  dercosmolo- 
gifcht,  weil  Cosmologie  die  Lehre  von 
dcn  tUgcflitiofltt  GtTtistn  dcr  wiildicheii 
Wtk  tfi»  und  ditCer  Bewdt  auf  dcs  iDge> 
intinstt  Ninugtfttz  gegriUidtc  wiid.  Dcr 
diinthii&t  der  phyficetheelogifchn 


gu  irgcnJ  fffawr  aanlrlidnn  UiUimnuiii 

oifaca  kouiice.  Da  duq  zvvar  die  Erfihrung 
•li  bestioijiilodcr  uabeitiiniiit  gedoin. 
«MM  «ttte  kmt  die  Venmnlt  abcr  didii 
<3oppclte  Anficht  nicht  vcrtragt:  fo  ist  durcb 
)eoe  drey  Wege  der  Kreit  gcrchlofTen,  in  wei* 
cbem  Odi  eln  Bcmic  fir  dM  Diftm  Gomi 
cuifiichcn  U&U 

Der  ertle  dargimelicHde  und  m  prMendc 
Betieis  fvird  blofi  cm  Bcgrifien  fcfibrf »  8» 

licft,  iagtmany  inderVcrnunftderBegriff  dc< 
•llervoiilLoniinettttent  odcr  clier- 
recltten  Wdent»  dat  cUc  Eigenlcbcften 
Tcrcinigt,  wekhe  fich  nicht  entwedcr  mit* 
Celbar  oder  uamittelbarwiderrprechen»  Die» 
AiWefoiluumour  Bf  iia  ftrrn  dcnnpcfitn 

odtr  cneb  teteoleglfebc;  Sr  bct  dic 
ciite  BcncDnBiigi  wdl  aus  dcr  Binrieb*» 
tnng  der  Natur  darDalcyn  GcHiS  ge» 
MgcR  wiid,  und  dic  cweyic,  wdl  cs  dabcy 
cuf  dic  Zwcckmlfslgkcit  aller  Dtngc 
cnkonimc,  Ttlcologic  abct  dic  lcbvc 
iFcn  dcn  ZwcsImi  cuiiiu* 


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4nr  Bcfriff  davoii  auf  neiiitre  Gegantlo^p 
Ib  wiren  ^liefe  enmeder  verfchieden,  odtt 
nichc  verCchiedcn*   Dis  ertte  kounen  fie  nidi 
dcr  Vonuslentti^  ait  fich  mcht  ieyiii  deui 
ei  wiiide  fidi  Ib  ia  dcfli  Biiieii  befinded, 
wat  iii  dcm  Andern  nicht  iw5lrc,  wcJches 
der  Xdceder  gr66tciiVoUkoiiiiiieiihcil  widcr- 
l^cbt*  Mehrcte  Weleo  clib,  deaeii  didel. 
be  iiikitne)  wiirden  mir  dtirch  die  Ver- 
fchicdenheit  der  Oerter  zii  luitericbei- 
deo  lcyn»  iii  dcQCO  fic  fich  beftodeos  dteTc 
lettt  cbcr  iporaut,  daft  fle  tni  Raume  w^rcn, 
und  raumlichei  Dafcyn  ist  dcm  Bcgriffe 
dcr  grdlftco  VoUhooiflieaheit  tuwidcr.  Derni 
ci  «eitC  iinvcnoeldiich  aiif  Schranhen» 
dcnen  dat  voJlkomnenttc  Wefen  nicht  untcr- 
«rorfen  fcyn  hann.  £•  itc  £oi§iich  eiofach 
ttod  eiotig  to  leiflcr  Arf. 

Dait  nuu  der  Begriff  eines  fuJchcn  Weicns 
gedacht  wcrdeo  kdoae»  uod  daft  es  dat  We^ 
lea  beteichoe»  welchei  wir  die  Gottheif 
ncnnen,  isr  kcincm  Zweifci  unterworfcu. 
Mao  gcht  aber  weiter  uod  lagt:  da  der  Be- 
Kh 


—  510  ~ 

griif  dcs  allervoUkommensecn  Wciens  keineii 
Widor^nich  enthilty  da  et  fol^tdi  mof « 
lieh  ist:  foift  daflelbeattchwirklich,  }« 
nothwendig.  Dcnn  eben das  ist  nothwen- 
dig»  was  tuit  der  Vernunft  fo  unzertrennlich 
verbundeii  ist,  dafi  ei  ntcht  «ufgefaoben  ncr- 
den  kann,  ohne  fie  felbtt  aufzuheben.  So 
find  alie  Wahrheiten  der  Matbematik  noCh^ 
wendig»  «eil  nur  deijenife  fie  ISugnen  kani^ 
der  entweder  keine  Vemnnft  hat,  oder  fie 
ntcht  gebraucht.  Nnn  liegt  aber  der  BegriiF 
det  voUkonnnentten  Weiena  Ib  in  iinay  dafii 
cr  mitEntwickelung  derVemunft  eben  fo  ge- 
wifs  entstcht  odcr  atifgenoramen  wird,  ala 
dte  machcmattrchenWahrheiten;  imd  in  dem 
Begriiie  ehiet  Welenf ,  daa  alle  Reaiicitea  beu 
fitzt,  liegt  auch  (chondiefs,  dafs  es  eristirt. 
Existirte  es  nicht»  fo  wurde  thm  eine  Rea» 
litit  abgehen;  und  man  kann  foiglich  dae 
allervollkonunenf  te  WelSm  nicht  denken,  obne 
iltm  ftugleich  dai  Dafeyn  susuicltretben. 

Bey  diefim  Sehlufie  beruht  der  Sebciii 
too  Wahcheit,  wcaa  ja  caocff  Sutt  fiadel^ 


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■uf  dcr  Zwcydeutigkeit  des  Worts  Reali* 
tat.  SetiC  man  dafiir  Eig^nfchaft  Voll« 
kommenheit,  wie  man  Heiligkeit,  Ewig* 
keit  tin^  sllet  nennen  kann ,  wat  man  dem 
hochsten  Wcfen  zurchreibt:  fo  fieht  tnan  fo- 
gleich»  dafi  die  Eziitens  nicht  indemBegrifie 
delTelben  Kegt.  Et  exii ttfe  oder  ei  ezittire 
nicht,  fo  bleibt  der  BegrifTy  den  ich  von  ihm 
habe»  ebenderfelbe.  Auch  giebt  man  su,  dait 
das  Dafeyn  in  kcinem  andern  BegrilR»  an 
ilch  enthalten  fey,  und  behanptec  nur  eine 
Ausnahmc  fiir  den  einxigen  Begriffdca 
hochiten  Wefimi.  Dt  man  aber  keinen  an« 
dem  Gmnd  von  die(er  Autnahme  angiebt  ala 
den,  welcher  auf  der  Zweydeutigkeit  cinet 
Wortt  beruht:  ib  kann  man  nicht  lagen»  daif 
dieEztttensdet  ToIIkommensten  Welent 
durch  den  blofsen  BegrifF  defTelbcn  uothwcn- 
dig,  fondern  nur»  daft  das  Xdeal  der  VoJl- 
kommenheit  von  der  entwickelten  Vemunft 
unxertrennlich  fey, 

Man  hat  auch  fo  gelchlofseo :  weil  derBe« 
friff  det  hdQbtten  Wdent  unt  angeboren  ist, 
Ib  mti6  er  unt  aiick  von  ebeo  dielcm  boch^ 


—  — 

tcen  Wefi»  eiiigepfliiiit  leyn.  Da&  hicfbey 

Jie  Gottbeit  als  fchoii  existtrend  voraiit* 
gerctsC  «ird»  obgleich  das  Dafcyn  derielbca 
ertc  bewielen  werden  ibll,  leuchfee  sa  icbr 
in  dic  Aiigen,  alt  dafi  cine  Widerlegiing  ci- 
QCi  foichcu  Schlufses  nothig  ware.  Dcr  Bc- 
xteU  attt  bloiten  Begri£fen  bac  daker»  alleiA 
genoninien»  nichc  6xe  allergcringite  Rra& 
Auch  wirdcer  v?ohl  niecrdacht  wordcu  feyn, 
«SrC  nicbt  dat  Bedurfiuii  dcr  Veruuoft  vor« 
aiitgegartgen»  4en  letsten  Gnind  aller  Dinge 
iind  den  Begriif  eincs  Wdent  sti  fuchen,  wel« 
cbct  alt  dcr  letztc  Grund  aogcfchen  werden 
kann»*)  Diefi  fubrt  umtur  Unterfiicbiuig 
des  cotmologifehen  Betveilct  fnr  dai 
Dafcyn  Gottes,  Er  ist  der  umgekehrte  von 
den  Yorbergebenden.  Antutt  tu  (agens  ci 

♦)  Auch  der  danuf  gcgrdndete  Beweis  h«t  feinc 
Schwierigkeiten ,  wie  bald  gczcigt  werden 
foll.  Um  nun  denfelben  auszuweiclicn,  h« 
mnK  verfuchi  aus  dem  blofsen  Begnffe  von 
dem  hochsten  Wefen  auch  fein  Dafeyn  abzu- 
letten,  ohne  zu  bcdcnken,  dafs  auf  dicfe 
Wcife  fclbst  die  Kraft  vcvlorcn  geht,  dic  ia 
dem  YerQuoftbediuihiire  Ue^^t» 


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iiegt  dcr  Be^riff  des  hochscea  Wefciis  in  unif 
IbJglich  exiftirt  es  notbwendig»  kehrt  man 
die  Schhtfifolge  iiiu,  iind  fagr :  es  miirs  ehf af 
fchlechtcrdings  Nothwendiges  da  rcyn» 
folglich  eiiftiret  <faif  •Uervollkonimenftc 
We(en;  denn  diefef  kann  allein  dem  BegriiFe 
dcr  tinbedingten  Nothwcndigk.eitGenugc  thiin. 
Dieler  Beweif  foll  nunmebro  auf fiiihrlicher 
dargeftelJt  werd«n. 

Dcr  Mcnrch  fragt  bey  allcin,  was  ist  iind 
gefchieht»  nach  demGninde  oderderUriache, 
Betrachtet  er  nun  (ich  nnd  alle  Dinge  tiber* 
haupt,  io  findet  er,  dafs  nichts  durch  fich 
feibft  hervorgebty  rondern  immer  auf  etwaa 
binwetf  ty  daf  nicbt  die  Sache  if  t,  welehe  ent- 
steht.  Dcswcgcn  ficht  er  allcs  was  ist,  als 
sufliilig»  d.  h.  ais  etwas  an»  das  ohne  die 
Exif  teni  etnef  andem  vorhergehenden  Dinges 
nicht  da  feyn  wtirde.  Findct  cr  die  nichste 
Urfache,  fo  geht  cr  von  dicfcr»  da  lie  ebcn  fo 
zuf^iig  ift»  xu  einer  xweyten,  dritten»  vier* 
ten  bif  inf  Unendlicbe  xunlck »  obne  trgend 
etwas  zu  fiaden»  das  uicht  auf  dcr  eincn  Scitc 


—  5«4  — 

cbcn  fo  gut  Wirkung,  als  auf  der  andcrn  Ur- 
facbe  ware.   Sieht  ec  oickt  auf  eia  eiiuelaes 
Wefen,  fondeni  auf  die  Weh:  fo  ist  es  nath 
dcn  BegrifFcn  des  Verstandcs  nothwcndig» 
dais  er  den  Zustand  tofelben  in  dem  unmit- 
telbar  vorhergehenden»  diefen  in  einem  enl> 
ferntern  gcgrundct  findet  u.  C  w.   Dleics  be» 
stindige  Fortrchreitcn  rifst  ihn  aber  unbe- 
friedigt.  Von  lahren  zu  bbren»  ▼on  lahr- 
bunderten  lu  labrhunderten»  von  lahrtauleiu 
dcn  zu  labrtaurcndcn  luriick  lu  gchen,  — 
das  ist  nocb  leicht  moglicb;  je  mebr  er  aber 
die  Zablen  vergr6fsert»  desto  fcbwieriger 
wird  diefcr  uach  blofscn  Natiirgefcticn  notb* 
wendige  Gang.   Miilioncn  auf  Millioncn  von 
labren,  and  jede  nocb  tu  fallende  Zahl  auf 
die  andere  zu  hSufen,  obne  eine  Grense  su 
fiaden»  ja  ohnc  derfelben  nin:  im  roindcstcn 
nSher  tu  kommen»  das  befiriedigt  den  Men« 
fchen  nlcht.   Es  fcbwindelt  ibm  nicbc  mnr 
bcy  dem  Gcdankcn  einer  uucrmefslichcn  Rei- 
be>  von  der  jeder  Theil,  «enn  er  aucb  nocb 
fo  grofi  genommen  fsird»  docb  nur  etwai  un- 
cndiich  Kiciaes  gegcn  das  Ganzc  ist. 


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ibudeni  er  fiiulet  atich  in  <ier  Uiieniieiilidi- 
keit  der  auf  etnaiider  folgendeii  stett  suftUi- 

gen  Weren  nicht  das,  was  er  doch  Aicht,  den 
letsten  Griind  alier  Dinge.  So  kommt 
er  von  den  bedingten  Uriaclien  in  der 
Welt  aiif  den  Gedauken  einer  unbeding* 
ten,  von  den  xuf^lligen  Wefen  auf  ein 
fchlechthin  nothwendiget»  welchet 
den  Gnmd  feiner  Ezistenx  nicht  in  andem, 
fondern  in  fich  felbst  enthalt.  Dadiirch 
allein  wird  er  in  den  Stand  gcietst,  jene  un» 
ermefiliche  Reihe  von  tuiUIigen  Uriachen  fu 
fchliefseii,  und  fich  Rechenfcbaft  von  dem 
Dafeyn  derfclben  su  geben. 

Aiis  der  Art,  xvie  dcr  Menfch  zu  dem  Be- 
gri£fe  cines  nothwendigen  Wefens  gc» 
langt,  folgt  unmittelbar»  da6  ea  der  Urhe* 
ber  der  Weltift,  und  kemen  Theil  deHel. 
ben  ausmacht.  Denn  das  Riickwdrtsrchreitcn 
von  den  bedingten  Urfachen  in  der  Welt  zu 
oiner  unbedingten  gefchieht  eben  denvegen» 
weil  man  dcn  letzten  Grund  der  Natur 
fucht»  uiid  in  derieiben  nichta  findet,  wai  alf 


—  $i6  — 

eine  unbcdingte  Urfachc  angcfchcn  wcr- 
dcn  kdimic.  Uiberdieit  abcr  fiicht  mao  ni 
icigefl,  cUlc  da$  Umeim  aucli  alle  VolU 
kommenheiten,  (clhit  diejcnigcn  Eigen* 
rdufcen  befitzcn  mtine»  die  nicht  unmitteibar 
luf  dem  Bcgrifle  eiaet  Urwefent  hcrvov» 
ichen»  $U  Heiligkcit»  Gmchtlfkcti»  Wcb. 
hcit  u.  L  w. 

Wom  mm  dic  Fnge  Ober  dco  letiteo 

G  r  II  u  d  aller  Dinge  allerdingi  von  dcr  Vcr- 
mmft  eneugt  wird,  uod  diciec  ietste  Cruiid 
amrin  demallertollkpwmeattea  We- 
fen  gefinden  werden  kann:  fo  fcheint  der 
Bcwcis  fur  das  Dafcyn  Gottei  pach  aller  mog- 
lichcn  Streoge  gefiilirt  su  leyo»  Auch  habco 
oicht  wcolge  Mlnncr  diefeo  Beweit  oicht  onc 
fur  den  betten»  ibndem  auch  fur  dea  eimt* 
gco»  Uibcrseugung  erswiogeodeo  ge« 
hilten.  Betrachtet  omo  cbcr  denlclbeo  oichc 
cinfcitig,  fo  miifs  man  gcitehena  dafi  er  nicht 
gaax  dai  leittet»  wm  cr  verfpricht;  und  die 
Schwierigkeiieo  dab^  dtifleo  oichc  fcibof^ 
gea  werden* 


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—  5»7  — 

£iiie  imenaiidie  Reihe  tnftUiger  Weftii 
befriedigt  den  menrdilielien  Verttand  nichf» 
das  ist  nicht  lu  liiignen;  fic  ist  fiir  ihn  tn 
f  roft.  Kaum  Jiat  er  fie  «ber  gelcbloiien» 
findee  er  fie  wieder  sn  kletn.  Er  fetie 
den  Anftng  noch  fo  weit  hinaut,  fo  itt  die 
ganze  Dauer  der  Welt  wiedentm  nnr  eia  an* 
tndlieJi  kleinet  Zeittheilehen  der  gan- 
ten  Bwigkeit.  Daher  kanu  er  weder  die 
fuckwSrta  gehende  unendliche  Oener 
noch  einen,  dcr  Zett  nadi»  bettimmten 
A  n la  n  g  der  Welt  ertngen.  Diefe  Schwie. 
rigkcit  wird  noch  grofser,  wenn  maii  den 
Anfang  der  Welt  auf  daa  auflcr  derfelhen  ge* 
leiite  Urweien  betieht.  Alt  im  Befitt  aller 
Vollkoramenheiten  kann  ei  keiner  Vcrande. 
ruog  unterworfen  fcyn.  Man  lchreibe  ihm 
•ber  dielelbe  in,  oder  man  lchfetbe  fie  Ihm 
nicht  IU9  Ib  komttit  man  auf  cinc  Anficht, 
der  eine  andere  entgegcnsteht.  Itt  Wechfel 
in  ihm,  ro  ftihrt  dieler  auf  eine  Reihe  von 
ZutHlnden»  deren  Anfang  cbcn  fo  wcnig,  als 
der  Anftng  der  zufiliigcn  Dinge  in  dcr  Wclt 
ge&mden  wtrden  kannt  inid  cc  wird  IbJglich 


—  518  — 

eine  Shnliehe  Schwierigkeit  herbcygeluhret 
alt  diejeiiige  itt,  welche  tnan  lu  lo(en  fiichle; 
Ut  aber  kcine  Vefinderiing  in  dcin  Urwefen» 
Ib  iic  et  ungedenkbar,  wie  es  die  Weli»  der 
Zelt  nachf  hervorgebraeht  habe.  Eine 
folche  Scliopfiing  fiihrt  iinvenneidlich  aiif 
den  Gedauken  von  WiUensbescimmung,  dec 
ein  Zustand  vorh  ergieng  und  ein  anderer 
folgte.  Um  diefe  Schwierigkeit  cu  heben 
bat  man  angenommen,  die  WeU  konne  voii 
£wigkeit  her  gefchaffim  lejn»  nnd  (o, 
tum  Theii  wenigstenf,  das  wieder  an%eho* 
bcn ,  worauf  man  den  Beweis  fiir  das  Da(eyn 
Gottcf  stuuce.  Ich  fage  sumTbeUi  demi» 
wenn  man  anch  die  Daner  der  We]t  gant  un- 
bestimmt  lafst :  fo  blcibt  doch  dcr  Gedanke 
ubrigy  dafs  etwas  unbedingt  Nothwen* 
diget  von  aller  Ewigkeit  her  geweien  feyn 
iniirs ,  und  dalf  in  der  Weit  lelbst  gar  nichtt 
Zii  fiaden  ist,  welches  den  Charakter  dcr  un- 
bedingtenNothwendigkeit  iiat.  Alleinnimmt 
inan  detwegen  leineZuflucht  su  einemanileiw 
weltlichen  Wcfcn,  fo  findet  fich  bey  die* 
ftm  ebenfiils  einennauadsbaceSchwierigkeiC» 


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—  519  — 

ht  «ino  Reihe  Ton  bedtngten  Uriaclieit 
tinbegreiflieh ,  fagen  die  Gegner,  ib  ist  eta 

Wefen,  das  cl6n  Gnind  reiner  Existcnz  in  fich 
ielbit  bat,  und  diefelbe  allen  anderu  Dingen 
urfprunglicb  mitgetbeilt  hat,  eben  Ib  iinbe* 
greiflich.  Nimmt  man  alfo,  iim  das  Dafeyn 
der  Welt  zu  crkliircny  fcine  Zufluchr  zu  cinem 
V/rwefen»  imd  kann  man  doch  dat  Daleyn 
dietet  Wefens  nteht  erkliren;  fo  (ettt  man 
die  Unbegrciflichkeic  nur  um  cinen  Schritt 
iveiter  hinaut»  Dieie  neue  Einwendung  lafst 
flch  in  der  That  auf  keine  ganx  befiriedigende 
Weife  hebeii.  Man  mufs  zugcben,  dafs  der 
Bcgriff  eines  aulIerweJtiichcn  Urwcreni 
wohl  den  Fragen  uber  das  Daieyn  der  su* 
f ii  1  li g e n  W e  1 1  Geniigc  thut ,  abcr  uicht 
dcncn  iibcrfcin  cigucs  Dafcyn. 

Bey  diefen  unanflosbarcn  Schwierigkeitett 
blcibt  nur  fo  vicl  gcwifs,  dafs,  da  die  Frage 
nach  dem  letsten  Grunde  aller  Dinge  von  der 
Vernunft  iinfertremilich  itt,  dte  Annahme 
cincs  Wefens,  wclchcs  dicfen  Grund  eti^halt, 
auch  ia  ipeculativer  Ruckficht  als  die  Folge 


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—  5»  — 

eioet  VcrouafitbeclurfiiUrcs.  aber  mdit  Ib  aii- 
geieheii  werden  kaiiny  ali  ob  lie  tiber  alle 

Zweifcl  erhaben  fey.    Es  kann  auch  als  na. 
turJich  vorgestelU  werdcn,  daf  nothweiidige 
Weien  iiigletch  als  dat  vollkoiiiiiieiitte  tu 
denken.   Denn  der  BegrlfF  elnet  Weient,  dat 
den  Grnnd  alles  Moglichen  enthalt,  iind 
leibftt  in  keiner  Riickiicbt»  einer  au0er  ihm 
Uegenden  Bedingung  bedarf ,  tsf  aueh  der 
fchicklichste  fiir  dasjcnige,  welches  als  dci* 
Grund  aiies  Wirklichen»  und  in  diefer 
Betiehnng  als  unbedingc  wirken<l  betrachtet 
wircl.    Aber  cu  laugnen  ttt  wiedcnim  nicKtt 
dals  die  hochste  Vollkoniincaheit  cinct  aull 
lerwehiicben  Urwcfent  aut  dem  blolseii 
BegriffedelTelben  nicbt  folgt,  fQndem  in  dem 
cosmologifchen  Beweife   auf  eine  folche 
WeiTe  dargethan  wird,  die  nichc  belriedigend 
itt  Daft  et»  alt  die  lettte  Urlache  aller  Din. 
ge,  grofsc  Macht  befi.ien  miilTc,  ist  offenbar; 
und  Ugt  ssun  fcrner ,  es  gcbe  our  xweyerley 
Arten  su  wirkeny  die  nachNatui^letienund 
die  nach  einen^  freyen  Wtllens  die  ertte 
konne  iu  dem  Urhcbcr  dcrNatur  gar  nicht 


L>iyui^cj  cy  Google 


gedacht  werdeo,  folglich  befitse  er  Vefstmd 
und  Wtlleii;  fo  letichtet  diefi  fedetB  Men- 
rcheiiy  der  eia  aufserweltlichcs  Urwefcn  an- 
nimnit,  noch  etn*  Wenn  man  nun  aher  itei- 
ter  geht»  und  die  gottlichen  Eigenichtfien  in 
ilirer  Vollkommcnheit  aiis  blofsen  BegrifFcn 
herlciccii  will:  fo  haben  die  Griinde  dafuc 
wenig  oder  keine  Kmft.  Zuertt  liicht  nuui 
xu  zcigcn»  dafi  dai  Uriveien  allniSchtig 
gcdacbt  wcrden  maCs,  imd  atis  feiner  All- 
macht  leitet  man  nachher  die  Unendlich  * 
keit  leinet  Veniattdet,  Ibwohl  alt  die  Het- 
I  i  g  k  e  i  t  feines  Wiilens  hcr.  Aiich  hat  diere 
Ablettung  fvenig  wider  fidi»  denn  ein  Wefen» 
daf  alles  M5gliche  vermag,  imd  nach  den 
E  i  n  fi  c  h  t  e  n  des  Verstandes  wirkt,  niufs  in 
dcr  1  hat  alies  crkcunen  und  Aligenug-* 
f a  m k ei  t  befitxen ;  und  aut  dieiert  in  Ver« 
hindung  mit  Allwiflenheit»  felge  unttieitlg 
Heiligkeit  dcs  Willens>  Allwcishcity  unwan- 
delbareGerechtigkeit  und  aJlumfafleiideGute. 
Bt  kommt  alib  hattptftchlich  aiif  den  Beweb 
fiir  die  Allmacht  des  Urwefens  an.  Um  die- 
len  su  fuiiren»  lagt  maa  ohngcf^hr  Ib:  die 


522 


Welc  Ut  nicht  iio(!ivveiiiig  fo,  wie  fie  isf, 
denn  iic  kann  obiie  allcn  Widcriprucli  andcrt 
gedtche  werden»  alt  fie  iif  s  dt  fie  t1>er  von 
Gott  allen  anderii  vorgczogcn  wortlen  ist,  fo 
nniri  fic  die  besie  feyn  i  uiid  veruiochte  er  die 
voUkomuiensce  Welt  hcrvor  xu  bringen»  fo 
reicht  fcine  Mtcht  noch  vnit  mehr  tnr  Sch6- 
pfung  der  minder  volikoinmcnen  hin,  folg- 
lich  iit  cr  tllmichtig.  —  Bey  diercm  Schiuiie 
findet  ein  otfeiibtfer  Cirkei  Stttr.  Wenn  dem 
Urwcfcn  Vcrstand  und  Wille  zugefcbrieben 
«rard»  ib  foigt  ifohi  gcwiircrmtisen»  dtlset 
die  hette  Welt  hervorhrtchte«  die  et  hervor 
lu  bringcn  vcrmochte,*)  abcr  nicht,  dafs 
cs  untcr  allen  moglichcn  iibcrhaupt 
die  bef  te  liervocfafftchte.   Um  ihm  die  Scho- 

^  Ich  fage  gewiflcnntto ;  dtnn  inmer  Uoibt 
noch  dic  Frage  ubrig ,  ob  tt  nicht  durch 
dfne  BedMiilft  gchindm  wnidt»  den  Ein- 
ficbtcn  dit  Vcistmdef  stt  ftlgen.  Mtnmnlt 
ihm  tlfo  tttch  fchon  HcUigkcit  sufchitihcn, 
chc  man  nur  ohncEinlchrliikung  behaupren 
kann ,  dt&  m  die  bettc  Wdt  hervorbrtthic^ 
dic  ci  hcrvoniibiingcn  vtrmocbtt» 


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—  533  — 

pfuag  von  diefer  ziizurchreibeuy  murs  maa 
ihm  Cehon  Allmacht  beylegen,  und  gleicb* 
wohl  foU  dieic  fiigenlchafk  cfst  bewielea 

werden. 

Beirachtet  man  daher  genau  das  Verfah- 
ren»  Wchet  in  dem  coimologirchen  Beweiie 
fiir  das  Daieyn  Gottet  beobaehtrt  wird ,  um 
die  gdttlichcn  Eigenfcbaften  in  ibrer  Vol]ea« 
dungdavf  uthun»  fo  bemerfct  man  einen  Spcung 
im  Sehlieifen.  Sae  werden  nicht  aut  dem  Be« 
grifife  eincs  nothwendigen  Wefcns  bergeieitct^ 
wie  doch  gefchehen  follte,  ibndern  aus  dem 
Ideal  der  VollkommenheiC  auf  daflelbe  uber' 
getragen.  Auch  isr  aus  der  Art,  %vie  man  zii 
dcm  Begriffe  cincs  aurserwcitlichen  UrwdcaB 
gelangt»  olfenbar»  dals  ihm  nur  Iblche  Eigen* 
fchaften  xiigefchrieben  werden  konnen,  die 
aiis  ieinemWeriLe  hervorgchen.*)  Dieis  vcr- 

Weil  diefs  einleuchtend  ist«  fo  ist  es  hier 
nicht  nochig  gewefen,  alle  Cirkelfchlufse 
z\x  Idfen,  die  man  geroacht  hat,  um  aus  dea 
BegrifFcn  der  Nothwendigkeit  und  ZufsUlig- 
keic  die  h6chste  YoUkomaieaheic  dsf  Unrc- 
Dros  au  bcwolea* 


—  5^4  — 

tlCtt  man  «bcr  |;anz  und  thut  weitcr  nichu, 
•b  d$&  muk  diueh  vertMckte  Cirkel  iIm 
iehofl  alf  bewielen  vonutietit»  tvit  ert t  noch 
bewteren  Mrerden  foil.  Isc  ein  Gott,  fo  isc 
thai  freylicb  ^  hochtte  VoUkomiiicnhcit  tu* 
tnlchrelbeii»  undl  ieiii  Werk  itt  die  bette  mog- 
Jichc  Welc ,  in  fo  feru  in  dem  Begriffe  der 
Gottheit  fchoa  dic  Yolikomroenheit  cntiul- 
tcnift»  iagtmMiaber,  fie  itt  die  bctie  Welt» 
folglich  itf  6ott  dat  Yollkommentte  Wefen : 
fo  giebt  es  kcin  aoderct  Mittel,  dic  Wahrheic 
der  Bchaiiptttng  danuthun»  aJt  durek  dle  Be» 
fehaAMiheit  didbr  Welt.  Didt  fiihrt  tu  der 
Darsteilung  und  Priifung  des  phy(icotheolo<* 
liichcn  Bcweiict  lur  dat  Daicya  Gottct* 

Bey  dieremBeweire  legt  man  die  Bctrach- 
tung  der  wirklichcn  Wclt  xum  Grunde.  £s 
findeo  ficht  iagt  man»  in  derfidben  tiberall 
deutltche  Spuren  von  einer  Anordnung  nach 
bestimmtcr  Ablicht  mit  gro(ser  Wcisheit  aus- 
fcfiihrt»  und  dabey  ibwohi  cine  imeiidJiche 
lifannichfidtigkeit  der  Dinge»  alt  ein  tinhe* 
grCBzter  Umfang  des  Ganrea.   Diefe  Anord- 


ming  ist  tlcn  Dingcn  in  derWelt,  einzeln  ge- 
oQiniiica»  fo  iireiiid,  dalf  wir  in  der  NaCur 
dedelbeii  garketneii  Gtaad  finden»  der  uni 
Anleifitng  gabe,  zu  erkliren,  wie  fie  bey  ih. 
rer  Maanichfalcigkeit  imd  bey  ihrem  Umliut- 
fe  fich  von  ielbf t  tnfiimniengefunden  hStten» 
mn  dat  hervor  zii  bringen,  was  in  unfern  Au- 
gen  Zweck,  Endabilcht  ist,  uod  Ideea  einet 
vemunftigeo  Wefena  vorauilbtie.  Die  Efii. 
ricbtung  der  Welt  ite  airo  niebt  einer  b  I  i  n  d- 
wirkenden  alimiichugeu  Natur  der 
Dinge  itnn&hreibeD,  fiuideni  alt  dat  Werie 
eincf  verniinltigeo  Wefent  dmch  Frcy. 
heic  anzufehen.    Zwar  koanten  mehrere  fol- 
ehe  Urlachen  gedaoht  werdens  in  (o  Um 
nbcr  ttoter  den  Tbeilen  der  Welt,  die  wir 
kennen,  eine  wechfelfeitige  Bezichwng  ficht- 
bar  ist,  die  auf  Einheit  des  Plans  hinweist» 
und  wir  berechtigt  find,  von  dem  wae  wtr 
Itennen,  mit  Wahrlcbetnlichkeit  auf  das  zu 
fchliefsen,  wohio  uafereKcuntniire  ntchc  rei* 
d^n:  Ibgehtauider  EinheitdesPlana 
in  der  Welt  aueb  die  Uiberzeugung  von  der 
iiinheit  dei  Urhebcrf  derfciben hecvor. 
Ll 


DleU;  Art  zu  fchlicfscn  hat  in  dcr  Tlia^ 
die  allgienieine  Deukuiigsart  iiir  iich.  Die 
Einriohtuiig  aller  orgautlirten  Korper,  und 
noch  niehr  der  lcbcndigcn  Wcfcn,  istibbo- 
«undcrnswurdig ,  dafs  fic  fiir  den  mcnrchli» 
chen  Verstand  nicht  als  das  Re(ultat  einer  su* 
fallig  ziifaniraenftiefsenden  Menge  niaterieNer 
Thcilc  erfchcincn  kann.    Das  vollkomnienste 
Werk  der  Kunst  ist  nnendlich  wahrCcheinlip 
ehcr  dasRefukat  von  unordentlich  durch  em- 
ander  geworfener  Atomcn,  als  das  unvolikom^ 
menste  Iniekt*  Sind  wir  nun  gendthigt»  hey 
lenem  Verstand  und  Willen  voraustu  fettent 
fo  vtfiirde  cs  dieVcrnunft  bcy  fich  fclbst  nicht 
verantworten  kottiien,  wenn  iic,  bcy  dcr  Fra^ 
ge  iiber  die  Urlaehe  der  lebendigen  V^efoa^ 
die  Art  zweckmlifsige  Erzeugnifse  hervor  ni 
briogen»  die  iic  kennt,  vorbey,  und  zti  diia- 
keln  und  unerweislichen  Erkiarungsgriinden^ 
die  lie  nieht  keimt,  ubergehen  woHte.  Ent- 
vredcr  mufs  dic  Anaiogie,  dic  unfcrcUrthcile 
uberali  leitet,  wenn  es  auf  l&rforfchung  unbe^ 
kannter  Dtnge  ankommt,  auch  bey  dcm  For* 
fchca  nach  dcm  Gruudc  dcr  zwccKiuUfHi^en 


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Einri ditung  der  lebendigen  Wclen  unier  Vt» 

theil  bestiminen ,  oder  viir  tnufTen  dic  Fragc 
iiach  jenem  Gxunde  gar  nicht  aufwerfcn* 

Die\'crniinft  verfihrt  nach  Zweckcn,  uiid 
firagt  stcts  uach  dcnrclben»  fie  findct  Mittel  zu 
2ivecken  und  kann  fich  nicht  enthaltent  als 
Mittel  t\i  den(elben  alles  das  anziifchen ,  waf 
bey  einer  grofscn  Mannichfaltigkeit  aiif  Eiu- 
heit  htuweist,  Wie  niannich£dtig  aber  find 
nicht  in  jedem  thieriichen  Korper  die  Werk* 
xeiige  uiid  TricbCy  dcren  Vcreinigiirtg  das  Le- 
ben  moglich  macht  1  wie  mannich£dtig  fijid 
niehe  itt  der  Natur  die  Dinge,  die  jedem  le* 
bendigen  Wefen  nach  feincr  Art  die  Erhal- 
timg  und  ein  frohes  Dafcyn  verfcbaflfcn  1 
Eine  foldie  Zulammenstimmung  aller  eintel« 
nen  Theile  des  K6rpers,  deren  feder  an  ficU, 
nach  unfcrcr  Einficht,  g^r  lurhu  vcrmag,  uui 
ein  foiches  VerhUitnifs  dcr  lebio(cn  Natur  su 
der  lebcndigc:i,  fiibrt  unstreitig  auf  deu  Ge- 
diinken  von  Abficht.  ij(  hon  ein  c  i  n  z  i  g  c  < 
lebendiges  und  verstandigcs  VVcfen  nviirJc, 
wenn  cs  nach  feincm  Urlprunge  fragto,  und 


—  5*8  — 

IbwoU  die  iimere  Ztiiluiiiiieiiietfiifig  ftliMi 
Korpen»  ak  fttn  VeriAltniif  lu  den  Dingea 

auffer  fichy  in  Uiberlegiing  zoge,  fich  dcs  Ge- 
daakeni  «n  Zweckni'iisigkeit  nicht  cndialteii 
kdnnen.  Dielcr  Gedanke  wtlrde  gar  lelir  ver» 
stirkt  werden»  wenn  es  ein  ahnliches  Wefen 
ieiner  Art  findc,  mit  dcnien  Vercinigung  et 
lein  Geielileeht  fortpAanxen  konnte.  Wemi 
es  niin  nachher  feine  Kenntnifs  uber  niehrere 
Arten  lcbendiger  Wcfen  aiisbreitete,  iind  ia 
allen  eineB  bcmiHlcniawurdigen  Ban  fonokl» 
df  ein  Vcrhllfnllf  ihrer  THebe  lu  den  Dia- 
gen  aiifTer  ihnen ,  und  die  durch  den  Unter* 
ichied  dcr  Gcfciilechter  getroiFcneAnatalt  xur 
Fortpflamung  entcleekte:  Ib  wilrde  lich  aiieh 
die  Vorsteliung  der  Zweckmarsigkeit  ooch 
melir  erweitern  und  a tirken.   Und  nehmeii 
vnt  nun  die  MiUiooen  too  lebeadigen  Wcftii 
bey  denen  allen  Hch  eine  folche  Anordnung 
ihres  Innern,  eine  folche  ZufanimeiiitimmuBg 
ihrer  Triebe  mit  dcn  Mitteln  der  &haltung, 
eln  folcher  Unterfchied  der  Gefchlechrery 
oder  doch  uberhanpt  Anlage  zur  Fortpflan* 
siing  findet      wie  konaco  wir  da  uat  dct 


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—  5*9  — 

GedlMikeitf  der  Zweckinifiigkeit  efwekreii 
und  wie  konnen  wir  unter  der  Voraiit(etiung 

von  diefer  eineni  blindcu  Ungefiilhr  dic 
Anoninung  der  Welt  suichreibenf  Ordnung» 
Zweckiaiftis^eit  leitet  notfawendig  luf  dea 

Gcdanken  einer  dcrfelbcn  angeincfreoen  Ur« 
iiclie,  eincf  vcrstindigen  Urliebcrs* 

fft  dieier  Gedanke ,  als  nothwendig  mit 
uuferer  Vernimft  verbunden»  einmal  aufge- 
noniniens  fo  findet  er  in  der  nihern  Betrach* 
fung  der  Welt  einen  fo  unbegrensten  Stoff, 
dafs  er  nie  deswcgcn  aufgegeben  werdcn  darf, 
weil  ef  ihm  an  Nahrung  fehJt^  ibndem  bioii 
deawegen  leine  Kraft  bifwetlen  verliert»  wetl  er 
die  Nahrung,  dic  ihm  dieWeit  anbietet,  ver- 
fchmiht,   yySie  erofiiet  unf  eiaen  fo  uner- 
ineif  lichen  Sefaauplatc  von  Mannicli£iltlgkeit» 
Ordmmg,  Zweckm^ifsigkeit  und  Schonheit, 
nun  mag  dicfc  nun  in  der  Uueadlichkeit  def 
Raumsy  oder  in  der  unbegrenzten  Tiieiiung 
deflelben  Terfolgen,  daff  ielfaft  nach  den 
Kenntniffen,  welchcr  unfer  fchwacher  Ver- 
ftand  davon  hat  erwerben  konnen»  alle  Spra* 


—  530  — 

ehe«  libcr  fo  viele  und  iiuabrchlich  groise 
Wiincler»  ibr«n  Nacb<lntckt  alk  ZMca  ihre 
Kraft  XII  meffcn ,  undf  felbft  unfire  Gedanken 
ihrc  Bcgreniuug  vermiiTeny  (Of  daf^fich  un* 
ier  Urtbeil  vom  Ganxea  in  etn  rpracblofes» 
aberdesto  bere^ceres  Erttaunen  aufloieomu&« 
Allerwirts  fchca  wir  cinc  Kct(c  von  VVirkun- 
gcu  uud  Urlacheu»  von  Zwecken  uud  Mit« 
teloy  Regelnialsigkeit  im  Entstehen  oder  Ver- 
gchcn,  und  iiidcm  nichts  von  Tclbst  in  den 
Zustaad  getreten  ist,  d«riu  es  fich  befindct; 
Co  weiict  er  immer  bin  nach  einem  andeni 
Diuge,  als  feiner  Urfache,  welehe  gerade 
ebcn  dicidbc  wcitcre  Nachfragc  nothweadig 
macht,  £0f  dais  au£  ibiche  Weife  das  ganxe 
All  iro  Abgrunde  des  Niehtt  verfinken  miifitet 
nihine  man  nicht  ctwas  an,  das  aufscrhalb 
daefem  uneodiichen  Zufilligeny  fiir  fich  (elbst 
itriprunglich  und  unabhSngig  bestehend»  daA 
fclbc  hiclt  und  als  die  Urfachc  fcincs  Ur- 
fprungs  ibmzuglcich  feiueForcdaucr  ficherte. 
Diefc  hochste  Ur(ache(inAoiehung  aJlerDin* 
ge  in  der  Welt)  wie  groft  fol!  mau  fie  den« 
ken'  Die  Wclt  keuncu  wir  uichc  ibren  gan- 


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sen  lahaJte  nach,  noch  wcniger  Vfiffcn  mt 
ihreGrofse  durch  die  Vergleichiing  mit  aJlent 

was  muglich  ist,  zti  fchatzcn.  Was  hindcrt 
lins  aber,  dars,  cia  wir  einmal  in  Abiicht  auf 
CauUlitSt  ein  iuTserstes  und  oberstes  Wercii 
bedtirfen ,  wir  es  nicht  xugleich  dem  Grade 
der  V^ollkommenhcit  uach  liber  allcs  an- 
dere  Mogliche  fetcen  follten;  «elches 
igvirleichty  ob  swar  freylieh  nurdurch  den 
zarten  Unirifs  eiucs  abstractcn  Bcgriffsj  be« 
mrkstcliigen  konnen,  «enn  wir  uns  in  ihm» 
alt  einer  einzigen  Substanx,  alle  mdgliche 
Vollkomincnhcit  vcrcinigt  vorsieilcni  vcel- 
cher  Begrift*  der  Fcrdcruiig  dcr  Vemunft  in 
Eriparung  der  Principien  gunstig,  in  fich 
fclbst  kciucn  Widcrfpnlchcn  untcrworfcn,  und 
feibst  dcr  Erweitcrung  dcs  V  cnumftgcbrauchs 
mitten  in  der  Erfahrung,  diirch  die  Leitungy 
weiche  eine  folche  Idee  auf  Ordnung  und 
ZwcckmUr<igkeit  gicbt,  lutrUgiich,  uirgcnd 
ater  eioer  Erfahrung  auf  entichiedne  Art  zu- 
wider  ist. 

Dicfcr  Be\teis  fiir  das  Dafcyn  Gottes  vcr- 
dient  jederzeit  mit  Achtung  genanut  xu  wcr- 


—  53>  — 

6cn,   Er  ift  Jcr  llteite^  klince,  miA  te  ge- 

mcincn  Menfchcnvcrnunft  am  nicisccn  ange* 
nefletie.  Er  belebc  daa  Smdtuin  der  Natur» 
fo  wie  er  fellMt  von  aiefem  leia  Dafeyn  lut» 
und  dadurch  immcr  neuc  Kraft  bekommf.  Er 
bringt  Zviecke  und  Abachtcti  dahin»  fie 
uoiere  Beobachtung  nicht  von  ielbit  eiitdecke 
hattc,  unJ  crweitcrt  unfcrc  Naturkeimtmfie 
durch  den  Leitfaden  eincr  bcfondem  Einhcit, 
deren  Prinslp  aulfcr  der  Natur  itt.  Oaefe 
Kcnntnifsc  wirkcti  abcr  wieder  auf  ihreUr- 
iache»  namlich  dic  vcranlafTende  Idcc,  zunick 
tmd  ▼ennehren  den  Glauben  an  einen  hoch- 
stcn  Urheber,  bii  itt  einer  «nwidefitdilichen 
Uibcrzcugung. 

Es  wiirde  daher  nicht  aiiein  trottlos  fon- 
dem  auch  ganx  amibnst  ieyn»  dem  Anlehii 
diefes  Bcweifcs  ctwas  cntiiehcn  «i  woUen* 
Die  Vemunfc,  die  durch  ib  machtige  und  un- 
ter  ihren  Handen  wachfendet  ob  xwar  niir 
empirifchc  Beweisgrundc,  unabMig  gchobeii 
wird,  kann  durch  keinc  Zwcifcl  fubtilcr  ab- 
gefogenerSpecuUtion  ib  niedergedruckt  wer- 
dcn,  da{s  fic  nicht  aus  jcdcr  grubleriicheii 


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UaendolilofleiilieiC  gleieh  ali  einein 

dnrch  eineuBlick,  den  fie  auf  die  Wunder 
derNatur  undderMajeitit  des  Weltallt  wirft^ 
gefiiTeii  nerdeii  foUte,  um  fieh  yoii  Grofte  ni 
Grofsc  bis  «ur  allerhochsten,  von  Bedingung 
su  Bedingung  bis  zum  obecsten  unbedingteji 
Urlieber  tu  erheben.^^^) 

So  vemiinftm3(iig  aber,  fo  fehr  zii  era- 
pfehlen  unii  aufzumuntcrn  ein  folches  Ver- 
6hren  itt»  (6  kann  maii  doeh  diefer  Beweii* 
art  nicht  An^nidie  auf  apodietifche  Gewift- 
heit  zufchrcihen.  Man  muCt  vielmehr  geste- 
hen»  da6  die  Betrachtung  der  iweckm'i(iigeii 
Etnriehtimg  in  der  Welt  gleichlam  nur  dea 
Weg  zum  Glauben  an  die  Gottheit  bahnt,  der 
Gunit  und  £remderUnterttutzmigbedarf»  und 
Iblglieh  nicht  eine  unhedingte  Unterwerw 
fung  erzwingt.  Dcnn  theils  thut  das,  wai  die 
Betrachtuiig  der  Welt  an  Qch  lehren  lcann» 
demBegrift  derGottheit  niditGennge,  theils 
itt  et  noeh  Einwendungen  ausgefetzt,  die  fich 
durehblo(se£rfahrunggar  nicht  heben  lalTen» 
wie  iettt  geteigt  werdkn  foU. 
^  Kanti  Ckidk  dcr  reinen  Vemtmft,  S.  650« 


—  534  — 

Die  Gotthcit  ist  als  das  «IlgeougOime, 
^Ukommene  Wcfen  cu  betrackten,  dat  den 

Grund  der  Welt  tiiid  allc  moglichc L  igcn- 
fchaften  nicht  in  unbestinimt  grofseu 
Malfe,  fondern  m  ihrer  Voliendung  ent- 
Iillf.    Wird  diefer  BegrifF  der  Gotthei^  ver- 
laffeny  fo  erhilt  mau  eincn  ro  iinbestimiiiteny 
daif  er  weder  zu  irgend  einer  Abiicht  hinp 
reicht,  nm  deren  willen  die  Frage  tlber  dat 
Dafcyn  Gottes  von  VVichtigkeit  fcyn  kanii, 
nocb  den  Verstand  an  fioh  befriedigt.  Ut 
CoH  nicht  der  Urheber  alies  deflen  wat  istp 
nicht  cigcntlichcr  Schupfcr  dcr  VVelt:  fo  ist 
cr  in  lcincnWcrken  abhingig  vondemStoflfe» 
<3en  er  su  ordnen  und  zu  bcarbeiten  hatte» 
feine  Macht  ist  eingefchr'inkt,  iind  wird,  wie 
bey  dcn  Altcn,  clcm  Schickfalc,  uutcivporfen, 
Denn  {o  wie  der  Menfch  lelbst  feine  Ohn* 
macht  fuhlt,  nach  der  gcgcbenen  Befchaffen- 
heit  dcr  Matcrie  und  dcm  VcrhaltniHe  der- 
itJben  zu  feiner  Kraft,  fcine  beyden  Haupt- 
ssvecke  liir  iich  und  andere  ansziifiihren :  fo 
ist  der  Gcdanke  einer  ahniichen  Ohnniacht 
in  dem  hochsten  Wefen  tmvermeidUcli,  wenn 


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—  53$  — 

ihm  aicht  Alimacht  im  unbe(chr'iakt«ste« 
Sittne  def  Wortt  sugefefarieben  wird.  Wie 
kanu  abcr  dann  von  ihm  dcr  Mcnfch  dic  Er*» 
$'4nziing  fcines  Uuvcrmogeus  zur  Erreichung 
det  hochsten  Guts  erwarten?  Isc  dat  hochste 
Weien  fcmer  nicht  allgcnugfam  und  tibcr  alle 
Verruchung  crhabcn,  von  dcn  Gcrctzcn  abzu* 
weichen,  auf  welche  tinwandeibare  Gerech« 
tigkeit  vmA  allumfailende  Gilte  beruhen»  und 
umfafst  es  nicht,  in  cincr  Anrchauiing,  alles  was 
iityWar,  und  leyn  wird:  fo  wurde  ein  unein* 
gefchrlinktef  Vertninen  in  ihm  ebenfallsnicbt 
Statt  findcn  konncn.  Es  ist  alfo  no(h\ircndigy 
das  liochsteWeien  als  den  Grund  alierDinge» 
ils  den  InbegriiF  aller  VoUkommenbeiten  xu 
dcnkcn,  vcenn  dic  Abficht,  um  dcrca  willen 
das  Dafeyn  derfelbcn  dem  MenTchen  von  der 
Snfsenten  Wichtigkeit  ist»  erreicfat  werden 
roll.  !Jnd  fclbst  in  fpcculativcr  Rrickficht 
geht  dcr  Nutzcn ,  dcn  dcr  Gedankc  dcr  Gott- 
heit  leistet,  verJoren,  ivenn  ibr  nicht  der  un- 
eingefchiSnkte  Befits  allcr  VoUkommcnhei- 
ten  zugcfchricbcn  wird,  Hr  treibt  an,  ubcrali 
Zweckm'ifsigkeit  in  der  Weit  xu  fttchen,  wt1r- 


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—  536  — 

de  aber  umfonst  dierelbe  vennuthen  hf&n^ 
weim  (bt  mttSndtge  Unieren  nicht  ali  im- 
tnnfehiHnkter  Herr  der  Natur  und  alt  alhieile 
gedachr  wiirde.    Endlich  find  dic  Attribute 
▼on  tmbettimniter»  obgleicb  fehr  groiscr»  Cfs» 
ttaunlieher  Maeht  tmd  Tkcflichkdt  fiir  dcn 
Verstand  gar  nicht  befriedigend.    Sic  gcben 
oicht  fiywohl  eincn  Bcgriff  von  dcm  Gcncu* 
ttande,  dem  fie  nigelchricbcn  wecdcn,  ab 
ein  Verhaltnifs  defTelben  zti  dem  Wefen,  von 
weJchem  er  bctrachtet  wird.  Ein  laTektt  dat 
die  Wcike  dct  MeniUien  hetncbten  konnte» 
wiirde  dcmfelben  ebenfallt  eine  entaunliche 
Kraft  imd  einen  unermerslichen  Verstand  fu« 
lehieibcn.   Man  vergrdftere  dahcr  dco  Ge- 
genttand  dcr  Bctraehtunf  »  oder  man  verklei* 
nere  dic  Fafsungskraft  dcs  Wcfens ,  welchet 
ihn  dcnkt:  Ib  UHca  dic  VorttcUuqgeii  von 
Vollkommenhcif  gleteh  grofi  aut,  weim  fio 
ntcht  diirchaus  bestimmt  ist ,  und  alles  Mog- 
liche  um£aiit.       Glcichwohl  fiihrt  dic  fic« 

*)  Ebeo  wetl  em  unbcstimmter  Grtd  ven  Voll» 
konmenhclt  in  RQck6clic  tuf  dv  MSchtm 
Wcftn»  nicht  bcfriedigend  ist:  nehtcc 


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—  537  — 

traehtung  dcr  Wdt  niir  lu  dem  Gcdankca 
einet  Wefeiii,  dat  cUe  Wek  geocdnet»  iind 
bey  dtefer  Ordnung  einen  hohen»  obgletch 

fiir  unfere  Faflungskraft  uncndlichcn  Grad 
von  Macht»  von  Weishek  und  Gute  bewie« 
ien  hat 

Woilte  jcmand  untcmchmen  aus  dcc 
Zweckmiitigkeit  fo  viclcr  Naturanstaltcn  zu 
beffeilen,  dafi  nkkt  blo(t  die  Fomi»  fondcm 
auch  die  Matcrie  in  der  Welt  Ton  einem  und 
cbendenifelbcn  Wcfen  hecvorgebracht  wor- 

«ucK  der  gemcinc  Vmtand  nicht  iibcr  dci» 
Sprung  von  dem  hohen,  aber  unbestimmteil 
Grad  der  gCttlichen  Eigenrchaften  ,  dic  au9 
der  Bctrachtung  dcr  Welt  gefchlofTen  wei-- 
den  kfinnen ,  fluf  die  VoUcndung  dcrfelbcn  i 
und  die  bedachtig  rchreimida  Vemunft  dce 
Philofophea  wagt  oft  «boifilit  ditiimSpriing, 
ohne  dtnn  au  dcnkcn ,  dt6  ct  efaicr  fcf. 
Wcnn  iibrigens  cui  fokhtt  Verftbren  tb  tia 
Sprung  im  SchUtfttn  vofgtticllt  wiid»  fai 
fo  ftm  ct  iuf  tpodicdlcht  Gtwi&heit  fiih» 
fcn  foUt  ib  iit  ei  doch  nicht  tls  ctdelntwfliw 
dlg  tn  fich  iBaufthcn.  £s  ist  im  Gegeti- 
dltile  Ift  dtr  Nttur  der  mcnfchlichen  Vcr- 
nunft  gegrandet,  und  tlt  cin  Bcduifiiift  dcr« 
felbtt  »1  btcmchtCQ. 


—  538  — 

dcii  fry:  fo  mufste  cr  zcigcn,  die  Diogc  dct 
Welt  wiirden  gans  untauglicb  zuderbeobachp 
teten  Ordming  und  Uibereinftimmung  ieyn, 
fvcnn  fic  nicht  fclbst  von  dcr  hochstcn  Wcis- 
iicit  dazu  crfchaffen  w'ircn.  Gleichwohl  ist 
«lles,  yt*t  hiertiber  nach  der  Analogie  mit 
fneniehllcher  Kunst  gefagt  werdcn  kann,  bey 
iveitem  nicht  hinreichcnd ,  mn  cinc  folche 
Behauptung  aufler  aUen  Zweifei  su  fetzea; 
und  giebt  raan  fu,  ^aft  6it  Abbingigkeit  der 
Matcric»  ihrem  Dafcyn  nach,  nichc  aiis  dcr 
sweekm'iisigen  Einrichtimg  iu  dec  WcJt  ge« 
folgert  werdcn  kann :  fo  muls  man  auch  zu« 
gebcn,  dafs  cler  gcfiihrtc  Bcwcis  fiir  das  Da« 
icyn  Gottcs  als  maugcihaft  anzuibbeu  ist. 

Gcfctzt  abcr  man  vrolltc  ihmdoch  dicAlI- 
macht  ia  fo  fcrn  zufchreibcu»  ais  dic  Afaterie 
olme  Cinfchrlnkung  flch  unter  feinen  Willeo 
l\x  fiigen ,  und  jcdc  bcabfichtigtc  Form  anf u- 
neiuncn  gczwungcn  fcy:  fo  ist  diefs  doch 
ebenfalls  nicht  mit  uugezweifeiten  Griinden 
fu  beweifen.  Wahr  ist  es,  deft  die  fahllofe 
Mengc  dcr  Gefchopfe,  dic  wir  chcils  auf  der 


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ErJe  Tvirklich  fehen ,  theiis  vermuthen,  uni 
fli«  tagUch  wechrelDy  einen  Grad  von  Maclit 
anzeigt,  der  tmrere  Pafliingskraft  ttbertteigt; 
v;ahr  istes,  dafs,  wcnn  wir  jedcn  Planeten 
als  bewobnt»  und  icden  Stem  ais  cine  Sonne^ 
iim  clie  fich  wieder  bewohnte  Planeten  bewe- 
gcn,  anfchen,  wie  wir  in  dcr  That  luit  hohes 
Waiirrcheiiiliclikeit  thun  konnen»  eine  Men- 
ge  yoA  lebendigen  Gefchopfen  hervorgeht» 

<Jic  keinc  Zalil  aijszvidriickcn  vennag-.  Abcc 
fo  uncndiich  grofs  dicMacht  ist,  wdche  eine 
A>lche  Menge  von  Arten,  uud  in  ieder  Art 
eine  folche  Mengc  von  Iiidividuen  nach  wn- 
wandeibarcn  Gefeizen  7u  formen  vermochtet 
fo  kann  doph  weder  auf  der  einen  Seite  ge> 
xeigt  werden»  wie  vfel  der  StofF  felbst(der 
als  fiir  fich  bestehcnd  angenommcn  wird,)  zu 
diefcr  Form  beygetragen  hat«  noch  auf  dec 
andern,  da6  felbst  diele  zahlloie  Meoge  voa 
lcbcndigcn  Wcfjn  alle  Formcn  crfchopfty  dc* 
reu  die  Matcrie  f  ihig  ist, 

Gleiche  Unbcstimmthcit  findct  fich  hef 
der  gdtllicheAWeisheit,  in  (okiu  iic  ausdec 


—  540  — 

'Zwcckm  iAigkeit  inderWcICgcrchlofTen  wcr- 
dcn  ibll.   So  uuendlich  groiie  Weisheic  aus 
dcn  AMtalten  hervorlctichtec,  wclche  wir  ia 
der  Nattir  lur  Enetiguug,  Erhaltung  tind  Be> 
^uckiuig  dcr  lebcndigen  Wefen  getrofFeu 
(ehen:  fo  wenif  der  Mcnicb  inr  Sunde  is^ 
mit  allen  feinen  Kriften  nur  einen  Schatten 
dcr  Vollkommcnheic  zii  erreichen,  dic  cr 
iheilf  in  der  Zuianimcn(etsiing  der  oif  «ni- 
fchen  K6rpcr>  theilt  in  der  Binheic  dcrGew 
{ecze  bemevkt,  nach  welchen  (6  cinc  cahilofe 
Mcnge  dcr  organifchcu  Wcfcn  hcrvorf  chcn  t 
Ib  viel  umCiiBnid  dcr  Vertcand  ctnct  Wcftnc 
gedacht  werden  muft,  welchet  nach  Co  etn- 
^chen  Geretien  cine  folchc  Mannichfaltig* 
Kcit  hervorhrachtci  (6  li&itc  fich  doch  cim 
dcm  Allen  noch  nichc  miC  unhecweilelter  Gc- 
wiishcit  auf  cUe  Allwiffenheic  fcblieisen,  cdcr 
nuf  einc  unbetwcifelte  Weife  xeigen»  da6  ia 
dcr  Welcordnung  dic  h5ehtie  Weitfacic»  in 
cigcntlichcn  Vcrstande  des  Worcs,  ausge- 
druckc  fey*  Um  fo  etwat  danutbun»  miirsten 
«vir  dat  Ganxe  dcr  Welc  tiberlchctt,  und  die 
Mchste  Wcishcit  fclbst  bcnuco.   Und  wie 


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eiofciclurSiikt  ut  aiif  der  eiueoSeite  derKceif 
uiifiner  Beobacfatiiiig»  und  cuf  der  aiideni  der 

Umfang  uiirers  VcrstaiiJes!  Wic  wiJl  uiifcr 
kurzer  Blick  das  Uneudlicbe  meileii,  miii  mit 
Bey(pielen  belegeoi 

Die  Schwierigkeit,  die  von  der  Einge- 
fcbrinktheit  unfers  Verstandcs  herkomiut,  ist 
niclit  eininal  die  einiige.  fiine  niclit  minder 
groiie  erhebt  fick  aut  der  Betrachtung  dcr 
Uibel  in  der  Wclt.  Wcnn  man  auf  dercincn 
Seite  allet  dat  Gitte  preitt»  weJchet  fie  ent- 
h%lt:  fo  darf  man  aueh  atif  der  andem  die 
grofse  Zahl  von  Leidcn  nicht  vergcfTen,  wel- 
chc  die  Mcnfchheit  von  jchcr  gedruckt  lut^ 
tuid  noch  druckt  So  fehr  fich  auch  die  Phi^ 
lofophen  bcftreben,  die  Zahl  imd  die  StVrke 
dicfcr  Lcidcn  xu  vcrmindcrn:  fo  ist  es  doch 
f  anx  unmoglich  diefelben  weg  f u  philofophi* 
ren.  M5gen  Phantafie  und  Mitgeluhl  dieiel- 
bcn  vcrgrofscru ,  und  fajfchc  Aiincht  der  Ur- 
fachen  fovrohl ,  alt  der  Wirkungcn,  den  Ge- 
fichtipimct  verrucken»  aut  dem  fie  au  be- 
trachten  find:  fo  wurde  ei  doch  in  der  That 
^cm  iiieodc  Hohn  ipiechen  iiei6cnj  wenn 
Mm 


—  542  — 

tuan  es  ganz  I';(tigneii,  oder  dcii  Grun(.l  Jencl- 
ben  imfiier  in  der  fehJerhaftcii  HefchjifFciihcit 
6e$  Menfehen,  odcr  die  Folgen  davon  fchon 
fur  die  gegenwartigc  Wclt  «Is  bcghi- 
ckend  vorstellend  wolUc.  V/ic  ht  es  nua 
noglich»  aus  der  blofscn  Betrachtung  derlel- 
bca  dic  Allgiitc  iiud  iiiiwandclbarc  Ccrcchtig- 
keic  Gottes  danuthua  ?  *) 

♦)  Herr  D.  Phrncr  fagt  in  feinen  Aphori<nien 
(p.  444.  zwcyte  Ausgabe):  Keine  Philofo- 
phie  wtrd  je  vermogend  feyn  die  Uiberaea> 
gung  derMenfcbheit  von  dcmUibcrgewichte 
de»  Elends  merklich  zu  fchwichen;  denn 
diefe  Uibcneugung  felb»t  ist  eine  von  dcr 
gStdichen  Weisheit  angeordneie  Tftulchung» 
Istdiefer  Gedanke  wahr,  fo  ist  der  phyfi- 
ootheologifche  Bcweis  von  detn  Dafeyn  Got- 
tcf,  den  Herr  D  Plarncr  fuhrt,   und  fuT 
voUgultig  hilt,  docb,  nach  feiner  cignen 
ErkUrung,    nicht  hinrcichcnd  ;  dcnn  er 
gnmdet  ihn  auf  die  Einrichmng  dcr  Welt 
zur  gcofstcn  moglichen  Giuckfcli^jkcit  dcr 
lcbendigcn  Wcfen,  und  j;lcichwulil  behaup- 
tet  cr,  dafs  alles,  was  dauihcr  gefagt  wcr- 
dsn  k^nn,  nicht  verm^-jend  ley ,  den  Glau- 
ben  an  das  Uibcrgcwuht  dss  Elends  nicder 
zu  fchbgcn.  —   Wic  gcwagt  ist  ubri^ens 
die  Bcliauptung,  diifs  die  Gottheit  den  Men* 
C^hca  1 4  u  f  c  h  e  ?  Uat    «bcr  ihre  Richcig- 


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£s  giebt  uicht  wetiig  Menfchen »  welcho 
bebaupten,  das  Uibel  in  der  Welt  liabe  das 
Uibergcwtcht.  Wird  hierbey  nicht  fowohl 
aiif  die  Menfchheit  allcin,  als  auf  alle 
lebendige  Wefen  gefeheo:  ib  kann  did 
Behauptung  allerdings  auf  eine  Art  aiederge- 
fchlagen  werden ,  dic  fiir  dcn,  welcher  fehen 
wiil»  volie  Uibeneugung  hat.  Schwieriget 
wird  fchon  der  Gegenbeweit,  wenn  blofi  in 
Riickficht  auf  das  menfchlicheGcfchlecht,  die 
Leidcii  gegen  die  Frcudcn  abgewogen  wer« 
den  ibiiens  ob  es  gleich  moglich  iit,  hej  dec 
Betraehtitng  aller  LSnder  und  Zeiteny  to  weit 
die  Gefchichte  iie  umfaffen  kann,  lich  fur 
dat  Uibagewicfat  der  GiuckieiigiLeit  lu  cr« 
kHrem  Wenn  tnan  aber  endlich  uotemeli» 
nen  wolhe  zu  zeigen,  dafs  die  Existenz  jedcf 
cinselnen  Menfchen»  fchon  auf  diefer  Erde» 
nehr  angenehme  alt  unangenehrae  Gefuhle 
enthalte:  fo  untemlShme  mau  etwas^  wovon 

kcit,  ib  thot  der  Meaich,  der  fich  abcr  jcnc 
Tiulchung  erhebc,  hfcfasc  unfccbt^  diefdbe 
m  Andera  ftfawftcfata»  odcr  gir  tcntfm 
ra  woUcn» 


544 


maii  cbcii  fo  vvciug  ubcrzeugt  fcyn  kanii,  als 
<tavon,  dafs  fich  d«s  Ma&  der  GliickftfligkeU 
tiiimer  nach  dem  Mafse  der  Sietlichkeic  rich* 
ic.  *)  Gieichwohl  ist  dicfc  doppchc  Uiber- 
zeugiiiig  fchlechtcrdings  nothwcudtg,  um  die 
gcgenwartige  Einrichtung  der  Dinge  mn 
fich  aU  vollkomnicii  iit  bctrachten.  Sagt 
man»  dic  Lcidcn  fe>cn  nothwcndige  Foigen 
der  Einfchrftnkung  endlicher  Wefen,  tmd 
der  gr5ftten  moglichen  Vollkommenheic  det 
Ganzen:  fo  ist  eine  foiche  Rechtfertigung 
gar  nicht  bcfriedigend»  ftenn  nichc  suglcich 
gczeigt  wird,  dafi  aller  Einfehittnlitung  der 
ciidiichcn  Wefen  ungcachtct,  jedcs  Indivi- 
dmim  am  Ganzcn  feinec  fixistena, 
nehr  angenehme  alt  unangenehme  Empfin* 
dung  habe.  Die  ttenfeblidie  Vemunfc  wiir* 

♦)  Bdfc  feyn.  ftgc  mtn,  tst  tuch  in  der  Em> 
pfindung  dn  grfffteres  Elend,  tls  BAfet 
leiden.  Diefes  fiodet  IreyUch  der  Recht- 
fchaffene  fehr  wihr,  wcnn  es  «uf  Vcrgld- 

chung  ankommr  ■  isc  d^nn  aber  Leidcn  niir 
in  VergleichMn^  ein  Leiden?  und  hat 
denn  dcr  Sittealo(e  da»  Gefuhl  dcs  &cchc- 
fchatfcnen  ? 


^         i.y  Google 


de  fiie  tnr  Hcrvorbringiiiig  eincs  eintigen 
Wcfcns  stimmen,  das  ohneSchuld  elend  \v<ire, 
blo(s  damit  Andere  gKickfeJig  feyii  konn* 
ttni  tind  ist  cias  Ureheil  iinierer  Verniinft 
nicht  inchr  entfchcidcnd ,  fo  ist  es  umfonsry 
iich  aiif  dalTelbe  bcy  der  Frage  tiber  das  Da« 
leyn  Gottes  tu  benifen.  Dahcr  wtirde  in  der 
That  alles,  was  zur  Rechtfei tigunc:  c^cr  gott- 
Jichcn  Vorfehung  angcfahrt  wcrdcn  kaun, 
.«enig  Gewicht  liaben«  wenn  nicht  tulettt  die 
Eingefchrinkthelt  ttnferer  Erkenntnift,  nnd 
dic  Hoifnung  cines  bcffern  Lehcns,  zu  Kiiifc 
gentfcn  wtirde.  In  der  Zukunft,  heifst  es» 
werden  die  Sehickiale  der  Menichen  in  ihrem 
Zufainmenhange  erfcheincn,  ilnd  die  Aiis- 
gleichungen  Statt  finden»  auf  die  in  der  ge* 
genwHrtigen  Einrichtting  um(bnst  gerechnet 
wird.  Auch  ist  auf  der  cinen  Scite  die 
Schwachhcit  unfcrs  Vcrsrandes  cine  starkc 
Atiffordening  ttir  Befcheidenbeit  in  iinfcrn 
Urtheilcn,  und  atif  der  andem  der  Glanbe  an 
Unstcrblichkcit,  auf  cinc  Fordcrung  der 
practifcbcn  Vernunft  fo  gegriindety  dafs  er 
gerade  von  dencn,  die  des  Trostes  bedtirfeoy 


—  546  — 

und  wurdig  find,  am  willigsten  aufgenom» 
mea  trird*  Wemi  iiiaii  aber  behauptet,  dureh 
Bctiachtung  der  unt  bckannten  Welt  die  VoU- 
kommenheic  dcs  Urhebers,  fcine  AUmacht 
und  ieine  Weisheit  hinlinglich  su  er« 
kennen:  fo  mtiTt  roan  nicht  auf  dieEtn* 
gcfchriuktheit  unfercr  Erkenntnirs,  imd 
auf  die  ktinftige  Auflofung  der  menfch- 
lichen  Schickfale  verweiien, 

Aus  diefem  Allcn  erhcllet ,  dafs  der,  auf 
die  Volikommenheit  dcrWelt  gegriinJctcBc- 
fveii  liir  daa  Daleyn  Gottei  ebenfalis  ntcht 
apodictifcheGewtftheit  gcwahrt,  fon« 
dern  der  Guust  bedarf.  *)    Die  Betrachtung 

♦)  Man  fflgr,  die  moralifchc  Gewifshcit  fcy  ebca 
fo  p;rofs  als  die  mfithcmatifche ;  und  dicfs  isc 
aucii  111  doppeher  Ruckficht  wahr,  Yersteht 
min  namlicii  unter  moralifcher  Gcwifibcit 
diejemge,  welche  «if  moralifchcn  Grfindca 
teuhtt  und  wdehe  tUcin  fo  gciumnt  wow 
dcn  foHte:  ib  ktnn  fie  tn  etnzelneii 
Menfchcn  chen  fo  ttirk  feyo,  tlt  die  mathe- 
mttilchc  Sie  ktnn  tuch  tllgcmeln  ge- 
dtcht  werdcttt  wenn  mtn  cine  Ibkhe  jnt» 
ttcht»  die  tus  unzfthligen  Grimden  flicfst^ 
uod  nichts  wider  fich  htt,  tlt  cine  bloise 


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—  547  — 

iler  WeJt  leieei  ntir  auf  den  Gednnkeii  einei 
Weiens,  das  fie  geordnet  hat,  nicht  aber  aiif 

den,  daij  e$  dcr  Schupfcr  derfeiben,  oJer, 
im  eigentlichen  Sinne  des  Wortt,  Hcrr  der 
Natur  itt,  Und  fo  wie  fetne  Allmacht 
nicht  stren»  bcvviefcn  ist,  fo  find  auch  icme 
tibrigcu  Eigeoichaften  in  ilirer  VoUendungy 
aus  dcr  Betrachtuq^  der  Wel^  nicht  auf  elne 

Mdgtichkelt  So  wiid  gefagr,  es  fey 
moralirch  gewifs»  dafsdieEinrichtuog 
in  der  Weh  nicht  eine  Folge  der  von  Ewig- 
keit  hcr  fich  bewegenden  ungleichartigen 
Atomen  fey,  well  die  Unm6glichkctc  diefer 
Entstehungsart  zwar  nicht  bewicfen  werden 
kann,  der  Gcdanke  dcrfelben  aber  dcr 
incnfchhchen  Deokuogsart  durchaus  wider- 
fpiicht     Ware  nun   blofs  zwifchcn  cliier 
folchen  Entstehungsart ,  iind  zwifchen  der 
Bildung  dcr  Welt  durch  ein  verstandi- 
gcs  Wcfen,  zu  wiihlen,  um  das  Dafcyn  des 
Unendlichcn  zu  bcwciCtn  :  fo  wiirdc  die 
Gcwifshcit  von  dcmfelbcn  allerdings  der 
maihematifchcn  glcich  gcstellt  werden  kCn- 
nen.    Der  voraubjjtrctzte  Wechrdf.ill  cr- 
lchdpft  tber  die  Moglichkeiten  mchr,  und 
der  Bcgriir  eines  We(ens»  welches  die  Welc 
gebildet  h«t,  ist  nicht  der  ganae  Begriff  dcr 
Gotdieit» 


fiai  befriedigeoae  Weiie  abtnleiten,  ja  Ein- 
wenduDgen  ausgcfctxe,  die  aiis  ebcn  diefer 
Betrachtung  hergenommen ,  und  durch  keine 
ttniweifeJhaften  Orunde  gehoben  werden 
konnen. 

So  (ind  alfo  alle  drcy  fpeculauvc  Bcwcire 
liir  daa  Oafeyn  Goltea  nicht  ganx  befriedi- 
f  end.   Wenn  aber  dieit  lugegeben  werden 
mufs,  fo  ist  dagegen  fo  viel  gewifs,  dafs  der 
Glaube  an  einen  huchft  ▼oUkomnieoen  Urlie- 
ber  der  Welt,  dureb,  die  naturlieben  und 
nieht  lu  iiberrchenden  Winke  dcr  fpeculi- 
renden  Vernunfc  vorbereitet»  uod  durch  das 
Interefle  der  practtlchen  Vemunlit  voUendet 
werden  kann.    Daft  der  Menfch  nach  dem 
Grunde  aller  Dinge  frage,  und  durch  diefe 
Frage  anf  den  Gedanken  einet  nothwendigen 
Weient  konune»  itt  keinem  Zweifel  unler* 
worfen.    Licgcn  nun  in  dem  BcgrifTe  deflcl- 
bcn  mehrereEigeofchafceo,  die  io  dem  Ideale 
dei  vollkommeosten  Welena  enthalten  finds 
fo  ist  cs  natiirlich,  dafs  bey  denjenigen,  wel- 
che  nicht  fo  bcstimmt  iind»  ciue  Erganzung 
•ut  dem  Ideale  eintrete.  Verliert  fich  der 


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Menfeli  bifweileiB  in  der  Uabe^iflictikett 

ciiies  Wefcns,  das  dcii  Grund  fciner  eignen 
und  alier  tibrigenDiQge  ExiiCeni  enthitlt,  und 
«ill  er  detwegen  aJlet  Fodchen  nach  demieU 
bcn  aiifgcben :  fo  fiihrt  ihii  die  Betrachtung 
der  ZwcckmSisigkeit»  in  der  Einrichtung  der 
Welt,  wieder  auf  einea  wei(en  Urheber  der- 
fclbcn  zuriick.    Sie   ist  dcr  Abdruck  cincs 
vernunftigcn  Geistes ;  denn  fie  if t  eine  Ord« 
nung  nach  allgemeinenGe&tten,  nnd  beydie« 
fer  Ordnung  von  fo  ktinftKcher  Zttfinimen- 
fetzung,  dafs  cs  dcr  nicnrchlichcn  Dcnkungf* 
art  durchaus  wideripricht,  ein  blindef  Unge* 
fllhr,  alf  den  Grund  drn  Weltbauf  und  alles 
dcffcn,  was  ist,  zu  betrachten.    Dringt  fich 
aber  £o  der  Gedanke  eines  unfichtbaren  We- 
lenf  aul»  wdcfaef  der  Materie  die  Form  ge- 
gcbcn,  und  iii  dicfcr  Bildung  ciiic,  fiir  den 
Menfchen»  unendliche  Macht  und  Wcisheit 
geseigt  hat:  fo  vereinigt  fich  mit  die(em  Ge- 
danken  wieder  naturltcher  Wei(e  der,  daft 
cbcn  dicfcs  Wcfcn  atich  dasjcnigc  fcy,  wcl- 
chet  den  letsten  Grund  aiJer  Dinge  enthllt, 
und  dcm  Ideale  der  grolsteiiVollkommenheit 


—  550  ~ 

entfpricht.  Bleibt  man  alfo  bey  der  m  e  n  fch* 
lichea  Denkart  stebeu,  fo  ut  die  Amiahme 
eines  allniachtigea,  allweiien  Urhebers  ^er 

Welt,  auch  in  rpeciilativer  Riickficht, 
die  veniunftigste  Meinung.  Soil  iie  aber  ein 
fester  Glaiibe,  uad  dcr  vollendete  Begrtff  der 
Gottheit  gef<i(st  tind  gerechtfcrtiget  werden, 
fo  Jicgt  Jie  Moglichkcit  davon  nur  in  dcm 
praetircfaen  VemunftintereiTe, 

WSrc  die  Fragc  ilber  das  Dafeyn  Gotte» 
cuie  blofse  Frage  dcr  Speculation»  fi>  wurde 
fie  Ttr  die  wenigsten  Menfchen  von  gioiser 
Wichtigkcit  feyn*,  uiid  da  dic  vollige  Bcant- 
wortimg  dcrfcibcu  noch  iiberdicfs  unauflos- 
baren  Schwicrigheiten  unterworfea  ist:  ib 
witrdc  fclbst  von  denen ,  die,  iim  den  Kreii 
ihrer  KcimtnifTc  zu  vcrmehren,  iich  in  theo« 
logifche  Uttterfiichungen  einiairen«  ein  grolser 
Theil  diefelben  wieder  aufgeben,  wenn  fie 
nicht  in  Vcrbindung  mit  dcm  Verhalteo  und 
der  Ruhe  der  Menfchen  strmden.  So  wie  nmi 
das  practi(che  VemunftinterelTe  die  Frage 
iiber  das  Dafcyu  Gottcs  crst  aligemeiizej:  wicii- 


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tiginaeht!  io  bfftiniiit  f  auch  dic  Beant- 
wortung  dcrfclben  auf  cine  entrcheiden" 
de  Weiic.  Oa  dic  bJoff  rpeeulativcaGruode 
liir  daf  Dafeyn  Gotcei  andere  gegen  (ich  ha« 
bea,  welche  nicht  ganz  nicdcrgeichUgea  wer- 
den  k6nnen :  ib  find  die  crtten,  wenn  fie  auch 
nach  der  meofchlichen  Denknngiart  uber- 
haupt  das  Uibcrgewicht  haben,  nicht  liiiirci- 
chend^  cine  harCnSckige  ZwciCelfucht  zu  uber* 
vinden.  So  weit  aber  kann  )eder  Menicb, 
der  noch  einigen  Schein  vonVemun ft  bchaup- 
ten  will,  gebracht  wcrden,  dafs  er  wenigsteus 
ein  Gleichgewicht  dcr  ipeculattven  Griinde 
fiir  und  wider  das  Dafeyn  Gottes  eingestehen 
mufs,  Wird  nun  gezeigt,  dafs  die  Annahme 
deffelben  in  practifcher  RUckficht  nothwen* 
dig  ist»  fo  kann  auch  der  hartnHckigste  Geg- 
ner  nichts  gegen  den  .ichtcn  Glauben  an  Gott 
einweodcoy  wenn  er  nicht  zugleich  allcMo* 
ralitllt  als  gnmdlos  darzustellen  vermag;  und 
diefs  vermag  er  nicht  andcrs ,  als  indcm  er 
die  Vcrnunft  fclbst  aufhcbt. 

Ein  folcher  hartnickiger  Gcgner  ist  der 
Menfch  ntcht  feiteo  gegen  fieh  lelbst.  Er 


~  55^  — 

lchwankt  voneiiieiiiGedankeii  iirai  entgegeo* 

gcfetzfen,  fo  Imgc  gar  ntehtf  da  itt,  wtf  den 
Eincn  rchkchterdings  nothweodig  macht. 
Diefet  Schwanken  verfchwindet  «ber  uher- 
haupt,  fobllld  fich  auf  der  einen  Seite  etn 
practifches  Intcrcflc  zcigt,  das  auf  der  aii- 
dem  fchlt.  Denn  der  Menfch  befindet  Ctch 
iiur  dann  wohl»  wenn  Handeln  und  Denken 
mit  cinandcr  ubcreinstimmcn ,  und  niinint 
detwegen  oft  Meinungen  an,  'lic  gar  nichti 
weiter  fCit  fich  haben»  als  die  Uibereinitim- 
mung  mit  feiner  Handlungtwetie.  Noch 
machciger  mu(s  alfo  das  practifche  Interene 
werden,  wenn  der  Zweck,  den  er  verfolgt, 
nnnmginglich  festgettellt,  itnd  surErreicfaun* 
gen  dclTelbcu  eine  Bcdingung  fchlcchtcrdings 
nothwendig  ist.  Denkt  daher  der  Mcofch 
I1I06  uber  die  Moglichkelt,  die  Freyheit 
des  Willens  mit  der  Natwrnothwendigkeit  eu 
vereinigcn,  fo  kann  cr  dic  t^rcyheit  baid  glau- 
ben,  bald  nicht  gJauben;  fobaid  er  aber  die> 
fclbe  in  Beciehung  auf  dte  Handlungsweile 
hetrachtet,  n nd  fo  handelt,  als  ob  er  eia 
freyes  Wefen  (ey:  fo  verfchwindet  gewdhn* 


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—  553  — 

lich  (lic  Kraft  ancrGriinde  (iit  die  Natiiriioth- 
wendtgkeity  als  der  einitgeo  Wirkiingtart  in 
dcrWele,  wie  die  Kraft  derTraumbilder  bey 
der  entgcgciigefetzten  Erfahrung  im  wachen- 
den  ZiMtande*  Eben  fo  ist  ei  in  Riickiicht 
anf  den  Glauben  an  daa  Dafeyn  Goftes.  Hat 
dcrfclbe  dic  Handltingsweifc  ziim  Gnmdc,  fo 
kann  er  eine  Feitigkeit  gewinnen,  die  jedein 
Einwurfe  trottt.  Auch  it t  der  Reehtlehiffeiie 
bcfitgt  211  fagcn :  cr  wolle  aiif  alle  Vcrniinftc- 
lcyen,  die  den  Glaiiben  an  Gotc  waiikend  zii 
luachen  drohen,  nicht  «chleas  £>  wenig  er 
darauf  tn  antworteiiy  oder  ihoen  lcheinbarere 
entgegcn  zu  stcllcn ,  im  Stande  fcyn  mochtc. 
Denn  iein  Urtiicil  wird  von  einem  IntereiTe 
bestimmt,  daa  er  nicht  aufgeben  darf,  ohne 
Cch  fclbst  zu  veraclucji,  das  von  kcinem  an- 
dern  uberwogen  werden  kann»  und  die  Ipe- 
eulative  Vemiinft  wenigttena  ebca  Ib  gur  f  tir 
als  w  i  d  e  r  Hch  hat. 

Itt  auf  diefe  Wciie  dcr  practifche  Gnmd^ 
auf  den  der  Glatibc  «n  Gott  beniht»  uncr* 
ichtftterlicht  fo  itf  er  nieht  weniger  Ib  bcm 
fcbafien»  dait  auf  dcmielbea  aikio  dcr  be* 


—  554 

stimnitc  Bcgriff  von  dcr  Gotthcit  ge- 
ctiitzt  werden  kaDn,  delTen  der  Menfch  btf« 
aarf.  Und  in  aie&rRuckficht  tit  (eine  Kraft 
noch  aiisgebreitctcr,  als  in  fo  fcrn  cr  den 
Glaubcn  an  einen  weifen  Welturhebcr  iibcr- 
luupt  fichert. 

Der  Ge<lanke  eines  nothfieiMiigen  Wefimf» 
welches  den  ietzten  Grund  allcr  Dinge  ent- 
hilty  ist  fo  genau  mit  der  menichlichen  Deo- 
kungsart  verbunden»  daft  die  nieittai  Men- 
fchen  gar  nicht  die  Schwicrigkciten  fiihlen» 
ivelcbe  die  Speculation  dagegeu  erhebt,  und 
die  wundervoJle  Einrichtung  der  WeJt,  aJa 
d?r  Abdmck  cines  verstSndigen  Wefens,  kann 
ihnen  fo  einlciichtcud  gcmacht  werden,  dafs 
auchdaruber  keineZweafel  entsftehen*  Wenn 
es  aber  darauf  ankomni^»  den  Glauben  an 
eineu  m  o  r  a  1  i  fc  h  e  u  VVeltiirheber  zu  cr- 
weeken,  der  die  Macht  und  den  Willcn  hat» 
jeden  Menfcfaen  in  folche  VcrfaJUtnifle  su 
fetzen,  dafs  es  ihm  inoglich  werdc,  filr  die 
Daucr  feiner  g  a  n  z  e  n  £xistent  ieinen  g  a  n* 
len  Zweck  su  cneichen:  Ib  itt  neder  dcr 
Gcdanke  an  cinen  Welturhebct  uberhaupty 


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noch  die  Betrachtuug  dencn,  was  in  dcr 
Wclr»  feineiii  Werke»  gefchieht,  hinreU 
chend  aiif  eine  entlcheidendeAntworl  zu  fiih* 
rcn.  Diefc  hangt  stets  von  dem  practifchea 
Vermmftinterelle  ab.  Es  iaiat  fich  nicht  ein- 
raal  denken,  dais  dcr  Gottheit  eher  die  Hei- 
ligkeit  des  Willens  beygelcgt  werdc,  als  die 
Verminft  et  dem  Menfchen  wut  Pflicht  raacht, 
felbtt  diefer  Heiligkeit  nachnistreben.  XJnA 
da  nian  von  jehcr  in  der  Wclt  ein  Mifsvcr- 
haltniif  twifclien  l^ugend  imd  Gliickfciigkcit 
tu  bemcrken  geglaubt  hat:  €o  kann  auck 
nieht  dieBetrachtung  deffen,  was  g  e  fch  i  c  h 
fondcrn  dcr  Gcdanke  derfen,  icas  fcy n  f o  1 1 1  e» 
auf  den  Giauben  an  einen  moralifcbea 
Welturheber,  gcftibrt  haben.  So  nattir* 
lich  es  ferner  ist,  die  Grofse  drr  MAcht  iind 
Weitheit»  i«ovon  fich  dieSpuren  in  dcr  wirk- 
lichen  Welt  finden,  bit  xur  wahren  Uncnd- 
lichkeit  auszudelinen :  (o  kann  dcnn  doch 
diefc  Ausdehnung  nur  durch  das  practifche 
Vemunfitinterelfe  hinl^inglich  gercchtfertiget 
\rerdcn. 


—  556  — 

Will  mn  tHo  eineawurdifenBegrilF  von 

der  GoClbclt  beybringen,  itnd  den  Glaubca 
an  dat  Dafeyn  derielbeo  Auf  eine  unerrchtit- 
terliche  Weile  grtinden :  fo  emecke  und  er* 
wcitere  man  c^as  IntcrcfTe  an  der  MoraliHt. 
Dadurch  wird  man  die  Mearchen  geichrig 
macbent  die  Gnindwahrbeicen  der  Religion 
aufzunehincn ,  imd  fett  in  denfelben  tu  blei- 
ben.  Dann  wcrden  dicfe  zuriick  auf  dic  iitt« 
liehe  Gefinnung  wirken»  und  ihr  einen  ini* 
ner  grofiem  Einfluft  auf  dat  Leben  verlcbaf^ 
kai  dann  wird  cs  in  mehrals  eincr Riickiicht 
wabr  werden»  dadi,  wcr  an  die  Tugend  — 
aucb  an  Gott»  und  wer  an  diefen  glaubt»  auch 
feiuc  Paichtcu  crfiillt. 

Ist  ei  abcr  nicht  niededcblagend»  dals 

dic  \  crnunfc  die  wichtigsten  Au%aben  ttleht 
auf  ciue  iiber  alle  Zwcifcl  crhabcnc  Weife  zu 
Idlen  ▼emtag;  dait  fie  our  Glauben  da  be- 
wtrfcen  kann,  wo  apodietifche  Gewift^ 
beit  in  doppclter  Riickficht  fo  niitzlich 
wire  ?  Wiirden  nicht  die  Menichen»  wcnn  iie 
von  Gott  und  Unitcrblicfakeit  auf  dne-un* 


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—  557  — 

wideritehliche  Weife  uberzeugt  wifcn,  viel 
berfer  und  viel  glueklielier  feyfl?  — . 
Diefe  Klage  ist  fo  natiirlich,  dafs  fic  wohl  in 
den  raei&tea  Mciifchea»  dietiibcx  ihre  eigene 
Bettiniinuog  und  uber  die  ihret  ganien  Ge« 
lehlechft  nachdenken»  luweilen  aufiteigt ;  ist 
fie  aber  aiich  gerccht  ?  —  AJs  folche  wird  iie 
ichwerlich  erfcheinen  kdnneflt  wenn  fich  tcU 
gen  Isftr»  dali  felbft  dat  Dunke],  ivelchet  den 
Urhcbcr  dcr  Welt  und  die  Aiisficht  in  die  Zu- 
kun£t  bedeckt,  der  eigentlichen  MoraJitSie 
gtinttig  itt$  iind  dieii  liTst  fich  in  der  That 
leigcn.    „  Warc  iins  die  gewiinfchte  Einficht 
lu  Tbcil  gcwordcn»  £o  wiirdco,  ttatt  des 
Slieits,  den  ietxt  die  moialilche  Gefinnung 
init  den  Neigungen  xo  fnbren  hat,  in  weU 
chcm,  nach  einigen  Niedcrlagcn,  doch  ail* 
tn&hiig  iBoralifche  St2rke  der  Seele  xu  crwer- 
henist,  Gott  und  Ewigkeit,  nit  ihrer 
furchtbarcn  Majestat  uns  unablifsig 
vor  Augen  liegen;  dcnn,  was  wir  voUkoin- 
iDcn  beweilen  konnen,  gtlt,  in  Anlehung  der 
Gewirsheit,  uns  fo  vid,  als  wovon  wir  ims 
durch  den  Augeoichein  veriichera.  Dic  Uiber* 
Na 


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—  558  — 

fretung  d«s  Geietses  wurde  fireylich  vennie* 
dcn,  das  Gcbotcnc  gcthau  werden  $  weil  aber 
dic  Gcrinniing,  aus  wclchcr  Handkingea 
gefehehen  foUen ,  durch  ketn  Gebot  mit  eio- 
geflSfit  werden  kann ,  der  Stachel  der  Thl* 
tigkcit  hier  abcr  foglcich  bcy  dcr  Hand  und 
itifserlich  ist,  dieVernunftalfo  iich  nicht 
allererst  enipor  arbeiten  darf »  um  Kraft  tum 
Widcrstandc  gcgcn  Ncigiingcn  dnrch  Icben- 
dige  VorsCcllung  der  Wurde  dcs  Gefetzes  xu 
fammehi:  fo  wurden  die  mehresten  geieti» 
niifsigcn  Handhmgcn  ausFtircht,  nnr  wcnige 
aus  Hoffuiuigy  und  gar  kcine  aus  PHicht  ge* 
fchehen»  ein  moralifcher  Werth  der  Hand- 
iungen  aber,  woraiif  doch  allein  der  Werth 
dcr  Pcrfon,  und  fclbst  der  der  Wclt  in  dea 
Atigen  der  hochsten  Weisheit  ankommt,  wur* 
de  gar  nicht  eiistiren.  Das  Vcrhalten  der 
Meiifchcn,  fu  lange  ihre  Natur,  wie  fic  icfzt 
ist,  bliebe,  wiirdc  alfo  in  ciaciu  biofsen  Me« 
chanismui  verwandelt  werden,  wot  wie  im 
MarionettMifpicl,  ailcs  gut  gcsticuliren,  abcr 
in  dcn  Figurcn  doch  kcm  i.cbeii  anzutreflfcn 
feyn  wilrde.   Nun»  da  es  mit  una  gant  an* 


—  559  — 

dm  beTchafreii  isf^  di  wir»  mit  aller  Aotfren* 

gung  der  Verminft,  iiiir  eine  fehr  dimklc  iind 
zweydeiitigc  Ausliclit  in  die  Zukunft  habeny 
der  WcJtregierer  tiiis  iein  Dakyn  imd  feine 
Uerrlichkeie  nur  mtithniarten ,  nicht  erbli« 
cken  oder  klar  beweifen  iafst,  dagegcn  das 
moralifcheGeiets  in  uns,  obne  uns  etwas  mit 
Sicherheit  au  verheifien  oder  «u  drohen,  von 
uns  uneigenniitzige  Achtung  fordert,  iibri- 
gens  aber,  weon  diefc  Achtung  tliatig  und 
herrfchend  geworden»  allererst  akdann  uod 
mir  dadurch,  Ausfichten  ins  Reich  dcs  Ui ber- 
finnJichen,  aber  auch  nur  mit  fchwachen  BIl* 
cken  erlaubt:  fo  kannwahrhaft  fittliche,  dem 
Gefetie  unmittelbar  geweihte  Gefinnung  Statt 
finden,  und  das  verniinftige  Gefchopf  des 
Antheils  am  hochsten  Gute  wurdig  werdeii, 
das  dem  moimliTchen  Werthe  feiner  Peribii 
und  nicht  blofs  fcincn  Haiidhmgen  angcmef- 
fen  ist.  Alfo  mochte  cs  auch  liierwohi  da« 
mit  feine  Richtigkeit  habeuy  was  uns  das 
Studium  der  Natur  und  des  Menfchen  fonst 
hinreichend  lchrt,  dafs  die  tinerforfchiiche 
Weisheitj  duroh  die  wir  eiistiren,  nicht  mio* 


—  5fo  — 

der  iferehningtwiinlig  iit  iu  ^cm,  wat  fie 
tiiis  verfagte,  aU  in  clem»  was  fic  uiis  zu 
Theil  werden  iieis. «) 


)  kants  Critik  der  pracnrcKen  Vernimi:,  ^264^ 


L>iyKi<ica  Uy  GoOgle 


Fereini^ufig  Mer  imralifchen  Crund- 

fdtze. 

Wcn..  inaii  bcdenkf,  d.ifs  ,  fo  weit  tnaU 
Qur  ia  die  Gcfchichte  der  WiXrciirchafien  su- 
ruek^heo  kaon,  tiber  die  Bcichifenheit  un<I 
4en  Gmnd  der  Siftlichkeit  philofophirt  wor- 
den  ist :  fo  ist  cs  in  dcr  That  nicht  wcnig 
mnderbar,  dais  es  dem  Ende  dieies  lahrhun» 
derfs  vorbehalten  (eyn  foUte»  tiber  eine,  dem 
Mcnfchen  fo  nahe  licgcndc,  und  fo  wichtigc 
Aogelegenheit»  GrundHitie  aufiustellen»  die 
allein  vollgullige  Wahrheic  haben.  Wird 
abcr  daher  eine  Einwendiing  gegcn  dicKanti- 
fchenLchrcn  gcnomincn»  und  denielben  blo6 
deswegen  die  Richtigkeit  abgefprochen,  iHreil 
fie  fich  in  den  Sehriften  der  fcharffinnigsten 
Mauner  allcr  vorhcrgehendcn  Zeiten  ntcht 
fioden:  fo  ist  eine  folche  Einwendung  theilt 
an  fich  nichtig,  theils,  bey  nlherer  Betrach- 
tuug,  leibst  ailcs  Scheias  bcraubt.    Wcr  die 


$62 


Wabrheit  Xucht  und  iiebc»  muis  prufeO|  und 
«twas  nicht  bloft  deswegen  venveffen,  weil 
et  neii  tind  den  Meinungen  tuwider  itt,  wel- 
che  fcharffmnjge  Minner  auszufchmiickcn  ver- 
standen  haben.      Wiren  indeiren  die  neu 
aufgestellten  Grundritse  von  der  Art,  dafi  fie 
die  nienfchliche  Denkart  iimkehrcn  follteny 
und  dieMeinuogen  aller  vorhergehenden  Zei* 
ten  d  tt  r  c  h  a  u  s  iur  faUch  erkrjrten :  (b  wiir* 
de  eln  Widcrstandgcgcn  fo  fchncideude  Neiie- 
ruogen  gewiiTennaisea   emfchuldigt  feyn. 
Denn  bey  Lehren»  wo  et  nicht  auf  ^uisere» 
lchwer  aniiistellendc  Er&hrung,  oder  auf  dat 
Refultat  einer  langcn  Kette  von  Schlufseoy 
fondem  auf  das  unmitteibare  Bewiiistreynund 

^  Bs  ist  unbcgrtiflieh,  wie  Minncr*  die  anf 

Grfindlichkeiit  Aofpnidi  mscheo,  fichnichc 
tcheuen,  bto&  die  Autoritlt  der  altcn  f  hilo- 
fophie  flozuluhren  uod  zu  crklftreo,  fie  woJ- 
lcn  fich  gar  oicht  aof  dic  Uotcrfuchuog  dcr 
oeuen  eintaflcn,  gleichwohl  «hcr  diefclbe  sls 
lacherlich  und  venverflichdarstellen.  Wenn 
in  cincin  folchen  Veifahren  Achtung  fiir  die 
Wahrhcit  herrfcht:  fo  isi  kein  Mcnfch  aof 
Erdeo,  io  dem  fie  otcht  herrichc. 


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—  563  — 

auf  die  aligemein  notbwendige  Anweiidung 
einen  Geietzes  ankommt»  w3re  die  lange  Ver- 

borgcnheit  oder  Verkehriing  deflelben  aller- 
dings  cin  bcdciiklicfaes  Zcichcn*    Dafs  diefea 
aber  der  Kantifehen  Moralphilofopliie  gar 
nlcht  beygelegt  werden  konne,  ist  ein  Hatipt- 
puncc  alier  vorhergehendcn  Betrachtungen 
geweTen.  £t  itt  geieigt  worden,  daft  die« 
lelbey  weit  entfemt  mitdenUrtheilen  dcs  ge- 
mcinen  Vcrstandet  zu  streiten ,  fich  aus  den- 
lelben  lierieiten»  oder  doch  mit  dcnfelben  in 
die  genauite  Verbindung  ietzen  lafie.  Nicht 
die  allgemeine  Denkungsart,  fondcrn  niir  das 
Kironneincnt  dcrPhilorophcn  iiber  dierelbefoli 
timgeliehrt  werdeo.   Und  (elbtt  dem  letstem 
wird  nicht  alle  Wahrheit  abgerprochen, 
Ibndcrn  nur  Einfcitigkeit,  oder  Uubcstimmt> 
heit  augefchrieben.    Nun  muiste  man  doch 
2n  der  That  fonderbare  Begrifie  von  dem 
Gangc  dcs  meurchlichen  Gcistes  habeUy  wenn 
man  et  f iir  unmoglich ,  ja  nur  fitr  unwabr* 
lcheinlich  hielte»  daft  er  fich  durch  Einfei* 
tigkeit  der  Grundfatzc   und  diirch  Unbe- 
ttimmcheic  der  fiegri^e  verirren,  odex  von 


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—   5^4  — 

reinen  Vcrirrungcii  ziirnckgebracht  tveideii 
konnc.  SolJtc  jcmaaci  dielen  Wahn  hegen» 
Co  darf  cr  ja  niir  auf  die  ib  groiie  Ver* 
f eh  t  e  d  e  n  h  e  i  t  der  Grundf^f  te  blicken»  wel- 
che  ubcr  die  Sittlichkcit  aufgestellt  wordcii 
find.  A 1 J  e  konoen  fie  doch  nicht  u  n e  i  n ge* 
fehrSnkt  wahr  fcyn,  und  als  vollendet  kaim 
doch  auch  keinc  Unterruchimg  angefehen 
werden»  £o  lange  die  Refiiltate  derielben 
theils  mit  fich  fiflbit,  dieils  niit  der  allgenei^ 
nen  Anficht  strciten.  Dafs  dicfer  doppelte 
Strcit  Statt  finde,  iit  gexeigt  worden,  und 
denfirlben  aufiuheben,  ist  die  neue  Pbilofi>- 
phie  bcstimmt  — •  und  gefchiekt.  Denn  fie 
zcigt,  dafs  ailc  Partheyen  in  ciner  Ruckficht 
Recht»  tn  einer  andem  aber  Unrecbt  haben» 
und  fchlichtet  fo  den  Streit  unter  den  Philo- 
fophen,  wie  die  meisten  Strcitigkeiten  in 
deui  Ccbiete  der  WifiSmichaften  fowohl»  ala 
in  dem  Gebtete  der  burgerlichen  Angdegen» 
hetten  gcfchlichtet  werden.  Nachdera  nun 
in  aiufiihrlichen  Betrachtungcn  das  Wahre 
von  dem  FaMchen  in  allen»  vor  Kant  ilber  die 
Sittlichkcit  aufgestellten  Gnmdfitzen,  gcfdiie» 


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Jen  wordcD  ist :  fo  CoW  ietzt  noch  eiae  kurze 
Uiberficht  der  TreniiuDgt*iiiid  Vcreiniguiifi» 
punete  derlelben  yon  und  tnit  dem  Kantiichen 
Grundfatzen  aogestellt,  und  insbefondcre  die 
Hamonie  vondieien  mitder  cliristiichenMo- 
f al  gefeige  «erden, 

Wenn  fich  die  phiiofophiiende  Welt  ia 
xfvey  Hauptpartheyen  trennt»  Ton  denen  die 

eioc  waudelbare ,  und  dic  andere  unwandeU 
bare  Regeln  der  SittiichlLeit  anninimt,  (b  hMt 
fteylich  nur  die  letste  Recht^  in  fo  fcm  fie 
abcr  dafTelbe  anf  unhahbare  Gninde  stiitit, 
(o  ist  die  «ndcre  auf  ihrcr  Seite  berechtiget, 
diefe  fiir  nichtig  su  erklSren.  Sagt  die  eine, 
«ur  ToIIen  tugendhaft  feyn,  weil  wir  fontc 
nicht  ghlcklich  feyn  konnen»  odcr  weil  es 
der  Wilie  der  Gottheit  itt »  ib  iat  die  andece 
beftigt»  ni  erwiedem:  eben  weil  dem  Men- 
fchcn  Allcs  auf  Gluckfeh^keit  ankonimt,  diefe 
aber  von  leiner  individueiien  Beichaffenheit 
«bhSogt,  fo  giebt  ei  keine  allgemeingultigen 
Rcgcln,  und  cs  ist  in  fich  widerfprechend, 
daa  Streben  nach  Glucldeiigkeit  tu  einem  Ge- 


—  566  — 

ftote  ttt  maehen ;  oder  fie  ist  befiigt,  zii  fra* 
gen:  kann  bey  deii  fo  verfchieclnen  BegrifTcn 
von  der  Gottheit,  vrelche  in  verichiedenen 
Llndern  iind  lu  ycrfehiedenen  Zeiten»  noch 
herrfchen,  und  von  jeher  gehcrrfchr  habcn» 
irgend  einc  moralirchc  Regel  als  eiu  aligemein- 
guhiget  Gebot  Gottcs  vorgestellt  werdenl 
Dicic  Cinwiirfe  min  werdcn  dadurch  nieder- 
gcfchlagcuy  dafs  das  Sitteugerctz  aus  dcr  wc- 
fendichcn  Form  der  Vcrpunft  abgeleitet,  von 
dcm  Strehen  nach  Ghtck(e]igkei|  gefehieden» 
ja  dcniiclbcn,  in  gewilTer  Kiickfichty  eutge- 
genfetfty  tind  eben  deswegen  ali  ein  Gebot 
vorgestellt  wird.*) 

*)  Gegen  die  Schcidung  des  Sittengefetzes  von 
illein,  was  unmirtelbar  zu  dem  Srreben  ntcli 
GhlckfeHgkctt  gehort ,  hat  man  den  fondcsp 
barcn  Einwurf  gemacht«  dafs  £&r  den  Men- 
fchcn,  als  ein  zufammengefetztes  Wefcnt 
luch  kcin  reincs  Vcrnunfrgefctz  au^c- 
ttcllt  werdcn  lUn  fe.  Sind  dcnn  dic  chymi- 
fchcn  Schcidungcn  deswcgcn  unnurz ,  wcil 
doch  allc  Korpcr  zufainincngcfetzt  find  '  leh- 
rcn  fie  nicht  viehnchr ,  wic  man  aut"  die  zii- 
faminengefetzten  Korpcr  am  bcstcn  wiiken 
koone  ?  Uud  endhch »  wird  nicht  nach  der 


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—  567  — 

BeCraobtet  nan  ferner  dlc  einfelneii 
Grttndfiltte  uber  die  Stttlidikeie»  (b  findet 
inan  ebenfalls  m  jeUem  einen  Vereinigiiiigs- 
punct  mit  dem  Kantifchea,  und  wird  dieier 
gefafity  fo  veriehwtndet  xugleich  der  Streit 
zwifchen  den  verrchiedenen  l'Artheyen. 

Sagt  EpicuTy  der  Menrch  handcle  nur,  um 
cntweder  eine  unangenehme  Empfindung  xu 
entlemen,  oder  eine  angenehme  tu  erreichen» 
uud  es  komme  foJglich  bey  der  Moral  allet 
auf  Gliickleligkeit  anx  £0  iit  iein  Vorderfatx 
unbedingt  suzugcben,  aher die FoJgerung 
nur  mit  E i n  fc h  r  a  n  k u  n g.  Zur  Tr  i  e b  f e- 
der  ist  £reylich  bey  ieder  Handiung  Gefiihl 
nothig,  diefi  iit  aber  bey  der  Moralitat  ganx 
eigner  Natur,  und  niit  deii  p  h  y  f  i  f  c  h  e  n  Ge- 
fuhien  nicht  zu  vcrwechlcio.  Hat  mau  es  daher 
in  den  neuem  Zeiten  davon  geichieden  unil 
unterdemNamendef  moralifehen,  aliden 

Scbeidung  dcs  Sitten^cretaei  von  flllem  2n« 
fUligen,  tuf  die  doppdie  Ninir  dei  Men- 
Ibhen  eben  diduieh  Euckficht  geoooimen» 
difs  die  moralifchcn  Hsmdlongen  lU  Pflich. 
tcn  vorgcitellt  werden? 


—  568  — 

letzfcn  Bewrgttngsgrund  *nr  Erfiillung  der 
Pflicht»  augefchea :  fo  kam  man  der  Wahr- 
lieit  um  einen  Schritt  diherf  erreicface  fie 
•ber  nicht  ganz ,  in  fo  fcrn  man  den  inorali. 
fchcn  ^inn  als  unabhangig  voa  dcr 
Vernunft  anfah.   Dieie  enthiic  <lat  mora* 
lifche  Gelett»  un^  wirkt  dadureh  lelbtt  <lae 
Gefiihl ,  das  zur  ErfuIIung  dcnelbcu  antreibty 
«ie  in  einer  eignen  Abhandlung  geieigt  «op> 
(len  itt.   Kommt  ee  allb  auf  genaiie  Bettim- 
tnuiig  dcr  Rcgeln  an,  y/omach  dic  BcfchafFen- 
heit  der  Handiungen  xu  richten  itt,  ib  ent- 
hllt  Epicurt  Mazime  nlcht  nur  nicfati  Befrie> 
digcndcs,  foudcrn  ist  aueh  eine  unfelige 
Qyelle  von  faifchcu  Vorstelluagen  imd  Hin- 
demiffen  der  moralilclien  Gefinnung.  In  £> 
dagcgcn  Epicur  unter  der  Gliicfcieligkeit 
dic  Scl  bstzufricdenheit,  als  eiae  Fol- 
ge  der  Tugendy  mit  begriff»  und  die  mora» 
lifche  Gefinnung  fehon  vorautfett- 
te,  hattc  cr  freylichGrund  zu  bchauptcn,  der 
Menich  handie  niir  auf  Antrieb  detSchmertef 
oder  det  Vergniigent,  und  beiiehe  Iblglich 
alics  auf  Gliickreligkeit. 


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—  5^  — 

Weon  ^ie  Stoikcr  behaupteteii,  et  kom* 

inc  bcy  clcm  RcchthanJcln  gar  nicht  auf  Vcr- 
gniigea»  fooderu  auf  die  unwaodelbaren  Vor« 
fchriften  der  Vemiiiift  an,  fo  geben  fie  «len 
Gnind  der  Sittlichkeit  ganc  riehtig  an.  In  Co 
fern  fie  aber  doch  -wicdcrum  die  Gliickfelig* 
keit  eben  £6,  fvie  im  EpicurifchenSytteinet«lt 
Zweck  Torhalten  >  und  noch  uberdieft  in  ei» 
nen  Gemuthszustand  fetzen»  der  dem  Men- 
ichen  unmoglicb  xur  voUkonmienen  Zufiie» 
denheit  mit  leinem  Zut  tande  hinreiehen  kann : 
Co  ist  das  StoifchcMoralprinzip  aiif  dcr  cincii 
Seite  doch  nicht  rein»  und  deswegec  einer 
faJichen  Auilegung  lllhig«  und  auf  der  andera 
der  allgcnicinen  mcnfchlichen  Sinnesart  we- 
nig  aiiKemelfen.  £s  mu(f  alfo  der  Zweck» 
anf  den  die  Stoiker  vcrwiefen,  von  dee 
Qtielle,  aus  der  fie die  Sittlichkeit herlet- 
teten»  gctrennt  wcrden;  und  dann  stimuit  ihr 
Syt tem  mit  dem  Kantifcheut  in  Ruckficht  auf 
den  Urfprung  der  Sittlichkeit»  iibeiein. 

In  dem  Epicurifchcn  und  in  dcm  Stoi* 
fclien  Syateme  Jiegt  ein  Haiiptfehler  darin, 
dafi  daa  eine  geradesu,  und  das  andete  durck 


—  570  — 

cincii  Umweg  aiif  GliickfcJigkeit,  als  dea 
iecsten  Zweck  der  Sitdichkeic»  yeripveist.  Da« 
«kireh  wlrd  et  iinmoglieh  zu  faflen»  vile  dic 
Menfchen  daranf  gckommcn  (ind,  crstiich  die 
fittlichen  Handlungen  als  Pflichten»  und  daa 
Gefetx,  au£  dem  fie  beruhcn»  als  ein  GeboC 
vorziistellcn  (Jcnn  zura  Strebcn  nach  Gh'ick- 
ieiigkeit  i>edarf  es  kcines  Gehots)i  imd  zwey* 
tens  —  gute  und  bofe  Handiungen  von  dea 
angenehinen  und  unangonehmen,  Klughett 
von  Kcchtfchaffcuhcit,  und  fo  manche  andere 
Begriffe  von  einander  tu  unterfcheiden»  ja» 
noraliiehe  Wnrdigkeit  der  Unwtlrdtgkcat» 
und  Tugend  dcm  Lastcr  cnfgcgen  zu  fetzen. 
Diefe  Febler  vermeidet  das  thcologifche  Sys- 
tem*  indem  es  auf  den  Gehoriam  gegen  Gott 
vcrweist ,  uad  dcn  Herrn  der  Natur  und  des 
Menfchcn—  zugleich  als  den  Richtcr  und 
Vergelter  der  Unterwerfiing  imd  des  Wider* 
strebens,  unter  tind  gegen  {eine  Geietf  e,  vor* 
stcllt.  Dafs  nun  diefe  Vorstclhmgsart  mit 
dem  Kantifchen  Systeme,  in  einer  gewiifen 
Ruekiicht,  nicht  nur  nieht  streite,  Ibndern 
aus  dcmrelben  hcrvorgehe»  ist  gczci§;  wor- 


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den»  Sueiit  nan  aber  die  Gebote  Gottet  «!• 
vrUlkuhrliche  VoHchrifteii  aiiy  die  ihre  Kraft 

niir  durch  dcii  Gedankcn  an  Strafe  iind  be- 
iobnung  erbalten,  und  verweist  man  auf  die* 
ali  die  einzigenTriebfedem  sur  Tugendi 
fo  vergifst  man  thcils  die  Wiirde  des  Men- 
fcbeny  der  tim  dcs  blofsen,  in  ihm  felbst  lie« 
genden  Geletief  «illcn»  handeln  kano,  und 
handeln  foll,  theili  die  Unmogltchkeit  dle 
fittlichen  Grundritze  ais  aligemeingultig  auf> 
fer  Zwei£ei  zu  ttelien* 

Wird  fo  das  Wahre  von  dem  Falfchcnf 
oderUnbestimmten  in  aiienGrundritzen  uber 
dle  Sittlichkeitgeicbiedeny  fo  flUt  nigleich 
entwcJer  derStrcit  untcrdenfelben  ganz  weg, 
oder  es  wird  das  Mittei  angegebeny  durch 
welebet  lie  vereinigt  werden  konnen.  DenA 
vms  das  Erste  anbetrift,  fo  ist  l)ey  dcn  Par- 
theyen,  wclche  die  Sittlichkeit  biofs  in  ficzie- 
hung  auf  dat  vontellen,  vnii  unmittelbar 
tn  demMenfchen  liegt,  nur  derGefichtsptinct 
vcrfchicden,  aiis  wclchcm  fic  den  Unterfchicd 
xwifGhen  Recht  nnd  Unrecht  betrachten. 


—  573  — 

Sieht  tnan  aiif  dcn  Gemuthszustaud,  welchcr 
fitte  tind  bofe  Handlungeii  begleicen  kinn, 
Ib  findee  man  mit  Epicur  die  lUifriedenheit 
flnd  Unzufriedenheit  im  Zufammenhange  mit 
der  Gluckfeligkeit»  imdi  fiihrt  fo  die  iittlicben 
Handlungen  nuf  dat  Gefuhlmrmdgen  uber* 
haupt  luniefc;  betrachtet  man  den  Unter* 
fchied,  der  fich  zwifchen  der  Zufriedeqheit 
oder  Unxufiriedenheit  mit  fich  lelbtt,  und  an- 
dem  tngenehnicn  oder  tnnngenehnien  Oe* 
inuthfxustanden  findet :  fo  kommt  man  auf 
dai  moralifche  Gefuhlt  *l*  ^on  dem 
phyfifchen  durchau»  iinterlchieden ;  he- 
merkt  man  endlich,  dafs  die  Wirkung  des 
moralifchen  Gefiihls  von  dem  Gebrauche  der 
Vemimlt  abhingt»  nnd  dafi  uberhaupt  nur 
in  dicrcf  allgemeingultige  Regeln  des  Ver- 
haltens  licgen  koaaeny  fo  findct  man  den 
Grund  jeoet  Gefiihlf  mic  den  Stoikeni  tn  der 
Gefettgebung  der  Vemunft.   So  hingen  die 
Grundfatze  dcr  wohlgeiinnten  Epicurlier,  der 
Vertheidiger  det  moraliichen  Geluhli»  und 
der  Stoiker,  wie  Stufien  iiilamnien.  Wtrd 
nuu  aber  nach  diefeo  Gruudritf  ea  das  Strcbcn 


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Bich  Gluckfeligkeit  ia  imniittdlMieii  Za£m» 
meiilitflg  mit  der  Sittlichkeit  gebncht,  fo 
yaixd  es  dadurch  unuioglichy  theils  dic  Ge- 
letie  det  Vernunft  Gebote,  theili  die 
Uibertretung  oder  Befolgung  dcrlSftlben  df 
mit  den  Folgen  begleitet  zu  denken ,  welche 
«uf  derNatur  einesGebotf  cntfpringcn.  Vcr« 
«etit  daher  der  Theologe  «u£  den  Gehorlam 
gegen  Gott»  to  leird  die  Vereinigung  zwi- 
fchen  ihm  und  deiijeoigen»  wdchc  fich  nicht 
in  die  uberfinnlidie  Wdt  verfidgett  «oUeo» 
dadurch  moglichy  dafi  der  Zufiimmenhang 
Von  dicfer  mit  der  Geretzgebung  derVcrnunft 
gexeigt»  und  daf  Gebot  Gottcf ,  aU  daa  Gebot 
der  Veniuiift  gereditfertigt  wird,  ehe  cf  au£ 
den  Willen  Gottcs  bczogcn  wcrdcn  kann» 
Und  fowohl  jcnen  Zufammcnhang  zu  zeigcn» 
df  dide  RechtfertiguDg  su  hewerkf telligen» 
ist  dleAbficht  allervorigenBetrachtungen  ge« 
wefea.  Wer  das  Sittengefetz  laugnct ,  hcbt 
die  vrcfcntlicheEinrichtung  dcr  Vemnnfc  «uf« 
tmd  verdient  dcfwegen  keine  Widerlegungi 
wer  es  zwar  anerkennt,  aber  uicht  als  ein 
Gebot  bcttachtct»  vergi(ft  daa  Widcrftrcbcii 
Oo 


—  574  — 

der  Siiinlichkeit  gegen  dat  Geictz,  iind  dicBe* 
diirfugkeit  (^iner  Naiiir $  x9£r  Jiefe  atirrkeiiar, 
und  doch  cincji  Zufammenh;»n{^  twifchcn  dcr 
giiteiiGelinauiig  uiid  der  Gliickfeiigkeic,  ohne 
Vernitctehtng  der  Gotcheit,  und  ichon  auf  die- 
fcr  Erdc  annimmt,  dcr  vergifst  iheils  dieVeiw 
fcbiedenheic  dcr  Griindc,  auf  wcichc  die  bey« 
den  Hftitptxweeke  det  Menfchen  beruheny 
thcils  die  Usimogltchkeit,  mit  diefer  Annah- 
me  die  Erf^hnmg  zii  vcreinigen. 

So  macht  die  neuere  Philofophie  eine  Ver- 
einigting  aller  Partheyen  dureb  einen  Grund- 
fatz  moglich,  welcher  aiif  der  cinen  Scite 
aliet  Individuelle  ausfcblicfst,  und  allgemein- 
giiltige»  besctmmtcRegeln  det  Verhaltent  ent- 
hiU,  auf  der  andem  aber  tu  cben  den  Gcdan- 
ken  leitet,  wclche  den  iibrigen  Mor^ifyste- 
neo  xum  Grunde  iiegen. 

Der  theologifchmoralifche  Gnindiats  itc 
bisher  nur  im  Allgcmeincn  bctrachtet  wor- 
den»  ohne  Riickficht  atif  die  beibndere  Art, 
fvie  er  in  der  Chriiilichen  Religion  vorgetra- 
gen  wird.  Die  Uibcreinstimtnung  «wifcheii 
dicier  und  den  Kantifciteu  Gruiidiatzea  nocli 


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iu  fetgniy  dilrCte  um  fo  weniger  liberflursig 

feyn,  da  diefclbcn  auf  der  eincn  Scite  in  dic- 
lec  Riickficht  gcinifsbraucht,  und  auf  der  an« 
dern  aI(gefilhrlich(Urgescellc  werden*  Drey- 
fach  ist  derGefichtspunct,  unferwelchenieuie 
Disharmonie  zwifchen  der  Christlichen  Moral 
und  der  Kantifehen  gefiinden  werden  kann, 
Die  eine,  kannnaniagen,  weistoi^  aufGluck- 
feligkeit,  itnd  die  anderc  nur  auf  Pflicht ;  die 
eine  verweisr  auf  Ltebe  zuGott  und  denMen- 
fchen ,  die  andere  hingegen  auf  Achtung  fiir 
ein  GefctZ)  und  erkl^rt  zugleich,  dafs  Liebc 
und  Acbtung  ganz  verrchiedencGefiihle  Hnd; 
die  eine  endlich  stutit  fich  auf  Rcligion,  und 
die  andere  inacht  diefelbe  von  fich  abhangig. 
Wenn  nuu  gezeigl  werden  kann ,  dafi  diefe 
Satse»  nur  in  einer  gewilTen  Bexiehung,  nicht 
nber  durehaui  cinandcr  geradc  entgegen  ctc« 
hen,  und  dafs  felbst  diefe  Beziehiuig,  recht 
verstanden,  in  beydcn  Lehren  vorkummt:  fo 
wlid  cs  auch  keincni  Zwei£ei  unterworfea 
bleiben»  dafs  d.e  Chrlstliche  Moraly  weder 
ihrem  Inhalte  noch  ihrem  Crunde  nachi  mit 
dcr  KaBtifchcn  atgcite* 


—  576  — 

Dafs  in  icr  hetligen  Sehrift  viel  Aiisrpnl- 
che  vorkomuicii ,  weiche  die  Giiickrciigkeity 
oder  vielm^r  Seiigkeic  dei  Fronmen  prei* 
fcn,  ist  gar  nichr  tu  l*iugnen.  Wenn  nun 
aber  Christus  fclbst  feincn  Iiingcrn  T^igt,  daif 
«ie  viel  auf  dieier  £rde  xu  leiden  haben  wiir* 
den :  Ib  kann  denn  doch  nieht  die  GhlcklS^» 
keit  hauptrichlich  gcmCLnt  Tcyn ,  welche  in 

dierein  Leben  tu  erreichen  isti*)  und 

♦)  Dflfs  iibr!gens  felbst  bcy  Vorhaltung  der 
Pflicht,  tils  dem  hochstcn  Bestiininungsgrunde 
desWillens,  theils,  in  fo  fern  fic  fich  auf  uns 
felbst bezieht,  ofrunmittelbar,  theils  bey 
den  Pflichten  gegen  Andete,  mittclbar, 
um  den  Widerstand  der  fmnlichen  Neigun- 
gen  zu  iiberwinden,  auf  die  cigne  Gliickfe- 
ligkctt  Riicklicht  gCBoaiaMn  wadto  muflTe, 
odcrktenc,  itt  cbenfiinft  cuidtficMich  cn« 
gefiihrt  wordcn.  (  S.  436. )  Wcno  mcn  clib 
klagt»  dcft  fcit  BinAkning  dcs  Kcntifchcn 
Morclprinzipc  dic  Kcnsclvcnifgc  oftdnc  ua- 
cintgliche  Trockenheit  licbcn:  fo  muis  mcn 
dic  SchuJd  nichr  auf  die  Lehre  feibsr,  fon- 
dern  auf  den  Mifsbrauch  derfelben  fchieben* 
Der  Buchsrabe  tddter,  nbcr  derGeisr  machet 
lebcndig  Fatst  man  dcn  letztcm,  fo  beliitc 
man  nicht  nur  allc  die  Mitrel,  welche  ge- 
iiciiiciu  iindt  dcuerhcftea  fiindnick  cuf  lUi 


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577 


dafs  dcrjcnigc,  wclcher  dcr  fittlichen  Voll- 
koninieuheit  nachstrcbt,  in  Ruckiicht  auf  fei- 
ne  gaaie  Ezitteiii,  glueUelig  t u preileii 
ist ,  hiingt  mit  Kants  Lehren  fo  genaii  zuram« 
nicti,  dafs  es  wcitcr  kciner  Aiisfiihrung  be- 
d«r£.  £r  (agt  ausdrucklich,  daft  die  Moral, 
in  Verbincliing  mit  Religion»  Gluckfeligkeitt* 
lchrc  fcy,  iind  behauptct  nur,  theils,  da(s 
dat  Verweifen  auf  die  Selbttsufriedenheit  we* 
atg  oder  keineti  Eindruck  auf  Menfcben  ma- 
che,  die  crst  zur  Sittlichkeit  gefiihrt  werden 
folieny  theiis,  dais  die  iiofifnung  zur  kiinf* 

Hcr7.  zu  niachcn,  fondcrn  gcwinnt  noch 
ncuc  dazu,  Dadurch,  dafs  inan  feit  ciner 
zicmlichcn  Zcit,  dic  Christliche  Moral  der 
Epicurifchen  anzupafTcn  fuchtc ,  bcrauhte 
man  fie  dcs  Nachdrucks,  den  der  Gedsnke 
der  Pflicht  an  fich,  und  in  Beziehung  auf  die 
g(^tr!iche  Gefct?gcbung  auf  das  menfchliche 
GemQfh  m  mtchcn  veimtg;  und  ttellie 
mtn  dieChrisdicheMortl  tuf  der  tincn  Seiic 
aicht  tn  ihren  Rcinhetr  vor:  (b  wtf(tt  ntn 
ct  tuch  ktum,  fie  in  ihrem  gtostn  Umftngt 
vorzusrellen,  und  bertubie  fich  dtdiirch 
tbcnfttlt  dtr  Mdglichketc,  durch  dtt  gtoie 
Erhtbtnheit  derRclI  ^ioa  und  des  Menlcheo, 
tuf  dts  Gtmuih  deffelben  lu  wirfceo« 


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~  578  — 

tigen  GlfickfeHgkeie,  oder  die  Fiircht  vor 

dcr  Srrafc,  nicht  als  dic  achte  rittliche 
Tricbfeder  an£uieben  fty.    Wendet  man 
dagegen  ein»  dafs  eben  diefe  beyden  Behanp. 
tiingcn  dei  Christlichcn  Moral  widcrfprachen  : 
fo  verhert  bey  gehurigcr  Utuerfcbcidiingdiefe 
Einwendung  ebenfalls  den  Schein  von  Wahv- 
heie,  den  fiebeymerstcn  Anblickehabcnkaiio. 
Deaa  was  dcn  erstco  Punct  betrifc,  fo  darf 
tnan  nur  iii  Erwagiing  xiehen  ,  dafs  die  ganie 
Art  des  Vortrags  derChristliChen  Religion  cs 
immoglich  inacht  zii  entfchciden ,  wie  vicl 
odcr  wie  wenig  Empfanglicbkeit  liir  die 
Selbstsufriedenheit  iind  den  Gedauken  einer 
kunftigcn  Scligkcit  bey  den  Menfchcn  Statt 
gcfuudcn  habc,  welche  tur  Tugeud  crmun« 
tert  wurden.   Will  man  aber  ein  Urfheil  dar^ 
tiber  fillen,  fo  kann  man  in  den  ersren  Chri- 
stca,  wcJche  dic  strenge  Lchre  Christi  ange« 
nommen  hatten»  jene  fimpfinglichkeit  mtt 
Griind  voraitsfetzen.    Uiberdiefs  ist  es  offcn- 
bar,  dafs  Chrisfus  fclbst  cinc  gaoz  aodcre 
Sprachc  gegen  feine  Anhanger,  als  gegea  feine 
Fetnde  fuhrt.   Wo  findet  man  in  feinen  Re^ 


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—  579  — 

deii  aii  dtere  eiiic  Spur  der  £rhinerung  au  die 
Seligkcif,  die  lie  bey  einem  verinderfen  Ver- 
h»\uu  erlangen  wttrden?  Auf  ihr  Unreckt 
verweist  cr  Cie,  utid  aiif  die  Strafeii,  dic  fie 
tu  erwarten  hSttea,  und  beobachieteairoeben 
den  Unterfchied ,  den  Kant  alt  nothwendig 
darstellr.  Aber  Christus  verwcist  doch  auf 
Strafe  uud  Beluhming»  und  raacht  die  einet 
wie  die  andere,  lur  Triebfeder  der  Tugend. 
Di^fs  ist  der  zwevte  Pnncr,  i.i  wclcheni  dic 
ChrisclicheMoralderKaatiichv^n  zuwider  fc^u 
£o\\,  Diefe  letttere  lehrt  nun  2war  erstent» 
daft  die  Furcht  vor  ktinffigcr  phyfifcher 
Strafc  nicht  die  a  c  h  t  c  in  o  r  a  1  i  fc  h e 
Triebfeddr  fey»  fcbliefst  aber  diefelbe 
alt  etn  Vorbereitungtmittel  tur  fittliehen  Ge- 
linming  nicUt  aus,  fonJicrn  dringt  zuni  Th?il 
eben  deswegen  darauf,  dais  die  Celiote  der 
Pflicht,  welche  auf  Strafe  weiien,  nicht  tn 
bclicbi^cn  Regeln  det  wohlverstandenen  Vor- 
thciis  hernhgerctzt  werden.  Uud  stimmt 
nieht  hiermit  die  Cbristliche  Lehre  vollkoni» 
men  riberein?  Erweckt  auch  diefeFurcht  vor 
dcr  Strafc,  fo  untciichctdct  (ic  doch  davoa 


-^  580  — 

die  Gefinauug,  aiif  welche  fie  dringt,  xu* 
gleich  aiitdriicklicb»  indem  fie  dieUebe  lu 

Gott  zurmoralifchcnTriebfcder  vorhalt,  iind 
bioMiietoty  Furcht  fey  nicht  in  der  Iicbe« 

Waf  tweyfent  die  Aitfficbt  atif  die  kunf- 
tige  SeJigkeit  betrifFt,  fo  ist  He  bey  der 
l/nvoUkominenbett»  in  welcber-fie  unt  erdff* 
net  wirdy  fcbon  an  ficb  alf  Triebfeder  nicbt 
cher  xu  gebrauchen ,  als  bis  die  (ittliche  Ge- 
finnung  fchon  vorhanden»  und  die  Sinnlich- 
keit  itt  einem  gewiflenGrade  icbon  tiberwun* 
den  ist.  Christiis  lehrt  abcr  auch  ausdruck- 
lich»  dais  die  Menrchen  ohiie  Riickficht  auf 
die  kiinftige  Belohnung  tbre  Fflicbteo  erful- 
len  foUen.  Tracbtet  fiiertt  nacb  denReiebe 
Gottes,  fagt  er,  fo  wird  cuch  das  Uibrige 
von  felbft  iu£dien}  und  dieit  iagt  er  tu 
eben  den  Iiingcni,  denen  er  nicbt  verheblt, 
dafs  fie  vid  zu  lciden  haben  wiirdcn,  und  die 
foiglich  am  meisten  auiterer  Unterttutuing 
bedurften.  Zeigt  ein  (blcher  Aus fpruehy  un- 
tcr  folchcn  Urostanden ,  nicht  ofFenbar  an, 
dafs  die  Belohnung  awar  einc  Foige  der 


iietlacben  Gefinntmg,  aber  nicht  dieTrieb* 
feder  derrdbcn  reyarolH  Wcnn  fcrncr  die 
Chritteii  lu^fordert  «erdea»  der  Heiligkeit 
mehntifreben,  nnd  ihnen  hierin  die  Gottheit 
fclbst  lum  Vorbild  aufgcstcllt  ^ird:  fo  lirst 
iich  doch  bey  diefer  Aufibrdenmg  nicht  an 
eine  Gefinming  denken»  die  blofs  detwegen 
Kraft  bat,  wcil  fic  durch  dic  Ausficht  auf 
Belohnnng  uulerstutKt  wird.  Kommen  «iro 
in  der  heiligen  Schrift  Slellen  voFf  suf  denen 
inaii  fchlicfscn  konnte,  dafs  dcr  Gcdankc  dcr 
kunftigcn  Vergeiiung  zur  Triebfeder  alier 
Sittliehkeit  tu  machen  fey :  fo  mtiiTen  He  den 
«ngeftihrten  Ausfpruchcn  gcmafs  crklart  wcr- 
dcn.  Und  dicfs  gcfchicht,  V9cnn  man  zwar 
«uf  der  etnen  Seite  dat  Streben»  das  Gute 
blofi  um  det  Guten  oder  um  des  Ge- 
fctzcs  willcn,  aus  wclchcni  dcr  Bcgriff 
deiTelben  abgeleitet  wird,  xu  vollbringen,  ah 
die  eigentlich  fittltehe  Gefinnung  betrachtet; 
aiif  dcr  andcrn  aber  doch,  uni  dcr  BeJ  irftig- 
kett  und  Schwachheit  der  meufchlichcn  Na- 
tur  willen»  theili  die  Ausfieht  auf  kunfttge 
/ufammcnstimmung  dcr  bcydcn  Hauptiwcckc 


—  589  — 

des  MenfchcQ  als  nothwcndig  darsteUf»  theilt 
eben  dtefe  Aufficht  von  den  Unterstutsangs* 

mitteln  dcr  cigentlich  noralifchen  Gefinniing 
nicht  ausfchlicfst.  Auf  dicfe  Weifc  wird  der 
anichetnende  Widerstrett  der  biblifchen  Aus* 
fpniche  niit  fich  felbst,  und  mit  den  Lehrea 
der  rcincn  Moral,  io  Uibcrcinstinimung  auf« 
geldit. 

Einc  glcichcUibereiiistimraung  findetfidi 
twifchcn  dcmHauptgcbotc  des  Christenthums, 
und  der  obersten  Regel  allerSitttichkeit,  wie 
fic  von  dcr  reinen  practtfrhen  Vei»nunft  ange. 
gebcQ  wird,  wenn  jenes,  theils  nach  feincr 
innem  McgUchkeit,  theils  nach  dem  unbe^ 
f weifeiten  Sinne  anderer  Ausfprtiche  der  het* 
ligen  Schrift  crklUrt  wird.  Gott  (ibcr  alles, 
luid  dcn  Nachsten  wie  (ich  fclbst  zii  lieben» 
ist  nach  dem  Ausfpruche  Chrssti  du  Haupt- 
gebot,  das  der  Menfch  befblgen  ibll:  und 
nach  den  aufgesteilten  Grundritzen  der  rci- 
nen  Moral,  filhrt  auf  der  etnen  Seite  die  un- 
befchrankte  Gleichhett  der  Rechte  swifdieii 
allen  Mcnfchcn^  cbcnfalls  auf  ein  Vechalten, 


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—  583  — 

vclches  nicht  anders  feyn  wtirde,  wena  wir 
« 

dtn  NichsMn  wirklich  liehcen»  imd  aii£ 
Aer  andem  dat  Oebot,  das  Gute  um  der  Gii* 

tcn  willcn  iu  thun,  auf  das  unnachrifsigcStrc* 
bou  der  Got(hcit  ahnJich  zu  werdeu^  welchcs 
Screben  unstreitisLiebe  xuGott  genennt  wer- 
den  kano.  Vci  glcicht  mau  alib  'das  Hauptgc- 
bot  des  Christenthums  rait  dcm  reinen  Ver» 
nunfitgebote»  in  praotircher  Ruckficht,  £o  isC 
kein  Sehatten  von  Disbarmonie  en  finden* 
Und  wenn  nach  dcr  einen  Lehro  Liebc,  und 
nach  der  andern  Achtung»  £hrfurchc 
lur  Triebfeder  derSittlichkeiC  gemacht  wird : 
fo  YiCst  fich  auch  liier  der  anfcheiuciide  Wii 
derstrcit  hcbeu. 

Was  nun  crstlich  die  Liebe  w  Gou  be< 
trift ,  fo  ist  es  an  und  fiir  (ich  widerfinnig, 
dabey  an  eigcntiicho  Neigung  und  Wohiwoi- 
lcn  (pathologirche  Liebe)  su  denken,  und 
kein  Menfch  wird  es  wohl  wagen  aii  behaiip* 
tcn,  dafs  durch  jencn  bibjifchcn  AusJruok  dic 
Ehrfurcht  ausgeichlollen  werde.  *)  Indeaea 

♦)  Dafs  Ehrfurcht  vov  Gott  von  der  Furcht  vor 
feiner  Strafgercchtigkcit  vtrfehiedsn  fey,  be* 


—  584  — 

luntt  doch  auflbrclerDankbarkcit  gegcnGott, 
«li  aenGeber  «Hes  Gucen,  Liebe  tu  ihm  aoch 
die  bereitwilHge  Ergebenheit  heit- 
fen,  mit  wclchcr  fcinc  Gebote  crfullt 
deni  uiia  «uf  diefc  ftcdeiitung  wcist  dic  hci- 
lige  Schrift  bettimnit  genug  btn.   Sie  fagt 
•mdnicklich,  dafs  die  Liebe  in  Gott  in  der 
Erfullung    feincr    Gcbotc  bestchc. 
VfirA  «Ifo  In  der  Ltebe  noch  ein  befondc 
rcr  Gemiithsfufhind  gedaefat,  Ib  Iwnn  et  Kein 
•ndcrer,  als  dic  uncingcfchranktc  Bercitwil- 
ligkeit  «u  jener  Erfiiilung  fcfn.   Nun  kanii 
•ber  eine  folcbe  BereitwiUigkeit  lelbit  nicht 
im  cigeutlichcn  Vcrstaude  geboten  vrerdeni 
denn  chun  wir  das ,  wai  wir  thun  f  o  1 1  c  n  , 
febon  fSr  unt  feibft  gern:  fo  ast  das  Gebot 
iinnGthig  i  imd  thun  ^if  ef  fwir  eben  nicbt 
(ern,  fondern  mir  aus  Achtung  fiirs  Gc- 
fets:  fo  wtlrde  es  der  gehotenen  Gefinnung 
geradeiu  entgcgen  wirken.    Alf  Gebot 

dtrf  wohl  keiner  Amfiihrung,  aber  dcr  Er- 
«ihttung»  diinit  nichf  der  Gedanke  eincs 
Widcrsireiw,  twircKen  clncT  vorhergehendcn 
iind  dct  ictitgcn  Bchau|>tuog.  Wurzcl  faire. 


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Ibll  das  Gef<:tx  Uncerwerfong  bewirken»  und 
gleiehwohl  wire  der  Inhalt  Ib,  daft  et  diefe 
Utuer\;verfiing  wicder  ausrchlofse  *,  denndiefe 
weitt  allemal  auf  Zwang,  und  atebt  der  be* 
reitwilligen  Brgebenheit  entgegen.  Da  diefa 
eiii  ofFcnbarer  Widerfpruch  ist,  fo  kaun  dic 
Auiforderung  xur  LiebeGottet»  nicht  fowohl 
dteGefinnung  felbtty  welche darin aui* 
gc\inickt  vcird,  als  dai  Streben  nach  der* 
fclben,  tum  Gegenstande  haben }  tind  fo  ver- 
ttanden  hat  dieft  Gebot  einen  Sinn,  der  mU 
KatittLehrfttxen  vollkoniniett  tibereinttininir. 
Denn  nach  denfelben  liegt  et  allcrding$  ia 
dem  Gange  der  menlchlichen  fimpfindung^ 
dall  die  ehrftirehttvolle  Schen  ▼or  deniy  waa 
von  Uns  liochgcfchatzt  wird,  uns  aber  zu- 
gleich  an  unfere  Schwichen  erimiertt  durch 
die  immer  Wichfende  Leiehtigkeit»  mit  dec 
wtr  demielben  Geniige  thttn,  fich  der  Zu' 
n  e  i  g  11  n  g  nabert.  Das  Gcfetz  in  reineui  gan- 
sen  Umfange  liebeni  und  jedeneit  gern 
erf<!lllen,  itt  die  Vollendung  der  moralifchen 
GeHnnung  —  ist  Heiligkeit.  Und  da  diefe 
«ttf  der  ttncn  Scite  ia  der  Chriitliehen  Lenft 


—  $86  — 

•usdriicklich  dem  M  eafchea  xum  Ziele  geTettC, 
imd  auf  der  •ndern  doch  die  ganxe  ErfuUung 
des  Ge(efzes  als  untnoglich  dargesceilt  u  u  J  : 
fo  ift  die  aogefuhrCe  EMinmg  des  Gebots, 
Gott  su  lieben»  unstreitig  die  richttge.  Ge* 
gen  die  Menfchen  ferner  findet  swar  eigcnt» 
liche  Liebe  Statt,  als  Erapfindung  abcr 
kann  fie  ebeiifalJs  keinOegenstand  dcaGebott 
leyn.  Wird  deCTen  ungeachtet  auf  die  Liebe 
zii  den  Menfchen  gedrnngcMi,  fo  kann  dicfs 
tiichts  auders  bedcuceu»  ais  auf  der  eincn  Scite 
daa  lu  thtm,  wat  wir  thun  wurden,  wenn  die 
Liebe  vorhanden  w*ire,  und  auf  der  andem 
tlarnach  lu  strcben,  alle  Pflichten  gegea  An« 
dere  gern  su  erfuJieQ* 

Macht  man  endlich  den  Einwurf  gegen 
die  KauUrche  Phiiofophie,  dais  fie  die  Reii- 
gion  auf  Moral,  dat  Chrittcnthum  hingegcn 
die  Moral  auf  Religion  grtindei  fo  ist  diefem 
£inwurfc  fchon  ao  einem  andern  Orte  begcg« 
net.  Chrtttut  knupfet  allerdingt  die  Moral 
an  die  fchon  vorhandenen  ReligionsbegrifTe ; 
indcm  er  aber  auf  dat  ionere  Bewu(stli:yu,  alt 


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—  587  — 

dem  letsten  Richter  tiber  das  Gtite  und  Boie» 
verweiie:  fo  zeigt  er  damit  hinlSngflieh  an» 

theils,  dafs  der  Inhalt  feiiier  Lehre  nicht  in 
VorTcbriften  bestehey  «elcbe  dic  GottheiC 
nftch  ihrcr  Machtvollkommenheit  w  i  1 1  k  u  h  r« 
lich  aufdringe,  thcil<,  dafs  fclbst  der  Glaube 
an  die  Gottheit,  ais  cin  heiiigcs  Wcrcn»  aiu 
derGdetigvlNmf  dcrVefnuait  faenForgehc. 

Nach  dielcr  Auteinanderretsung  kann  ea 
keinem  Zweilel  unterworlen  bleiben,  daft 

die  Kantirche  Moralphiiofuphie,  weit  entfernt 
mit  den  Lehren  det  Cbriatenthun»  tu  itrci« 
ten»  dieielben  vielmehr  zu  befS»tigen»  nnd 
gegen  die  Einmifchung  falfcher  oder  unbe- 
stinimtcr  inoralircher  Gnindnitze  ru  fchutzen 
fuche.  Dcnn  dic  Lchrc  der  Stoiker»  vrelche 
den  lchwaehen  und  lehlerbaften  Menfchen 
doch,  unter  deui  Bilde  des  Weifcny  fo  vor- 
ftcitt,  alf  konnc  9tf  fich  felbst  genug,  gleich 
der  Gottheit,  uber  ledetBeditrfnils,  und  folg- 
lich  uber  jede  Verfuchung  zum  Boreu,  cr- 
habca  icyn»  vcrtrigt  fich  mit  dcm  Ceiitc  dcc 


—  588  — 

Christentbumf  nichti  und  noch  weniger 
vertr3gt  fiehdimtt  die  fchlafie  Lefave,  welche 

unmittelbar  auf  die  elgcne  Gliickfcligkeic 

*)  Utn  hSlt  gcoieiaigiieh  di^r,  figr  K«nt.  die 
Chriitlichc  Verichrift  dcr  Sicten  hthe  in  An* 
f«hung  ihrcr  Rtinigkcir,  vor  dem  norali» 
fchcn  Begriffc  dcr  Stoiker  nichts  voraus; 
allcia  dcr  Unterfchicd  beyder  isK  doch  fchr 
fichtbar.  Das  Stoirchc  Syscen  nMchte  das 
Bcwufscfcyn  der  SeelenstSrke  znm  Aogel, 
um  dea  fich  alle  firtlichcn  Gefinnungen  wen- 
dcn  folltcn,  und,  ob  die  Anhfingcr  dcfrdben 
zwar  von  PBichten  redcten,  auch  fie  ganz 
wohl  bcsrimmcen:  fo  fetzten  fie  doch  die 
Tricbfcdcr,  und  den  eigcntlichcn  Bcstim- 
muny^5gvund  dcs  Wiliens ,  in  einc  Erhcbung 
(ier  Dcnkungsart,  iiber  die  oicdrige ,  our 
durch  Scdenfchwlchc  midichihcndc  Tfeicb- 
feder  dcr  Shmc.  TUgcnd  wv  ilfo  bcy  ihnen 
eitt  gcvdtftr  Hcroiim  dci  (Ibcr  die  thicri* 
fiihc  Nccnr  dcs  Mcdchcn  fieh  ohcbcndcn 
Weifcut  dcr  ihm  fclbsc  gcnug  iir,  sndcm 
awir  Piliehtcn  vodchrcibc,  fd^  ebcr  Abcr 
fie  crhibcn,  mid  kcnicr  Verfuchung  cnr 
Uibcnictung  dcs  fitdichen  Gefetzcs  untcr* 
worfen  m,  Oicfes  alles  aber  konnten  fie 
nichc  thun ,  wenn  fie  fich  dicfcs  Gefetz  tn 
dcr  Reinigkeit  und  Strenge,  als  c$  die  Vor- 
fchrift  des  Evangelii  thut,  vorgestellt  hacten, 
(Kants  Critik  dcr  practiichcn  Verauoft» 
S.  «9.) 


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—  589  — 

ilis  letzte  Prinzip  illes  Handetni  hinweiic* 
Wire  dlieie  ^ahr»  fo  mtiftte  das  Chrifleii* 
thttm  nieht  darauf  dringen,  Gott  tiher  atleffy 
und  die  Menfchen  wie  fich  feibft,  roudern 
feio  Selbst  uheraliea»  mulum  deawil* 
len  Gott  und  die  Menl^en  su  lieben.  Mit 
dem  Geifte  det  Christcnthums  verti^gt  Hch 
dag egen  der  Geist  der  Kantifchcn  Lelire  voll- 
kommen  —  }a  cf  itt  ein  und  eben  derlelbe 
Geist,  welcher  in  heyden  herrfeht.   In  bey» 
den  werden  die  finnlichen  Nei^ngeo,  als  die 
cigentliciien   Betttmmungsgrunde  tu 
moralllchen  Handlungen,  vollig 'aui gel^oA 
fea;  in  bcyden  lioinmt  cs  ;iuf  dic  Gefinnung, 
nicht  auf  die  Wirkuog  der  Handluogeo  an» 
in  beyden  itt  die  Regel  det  Veihaltent»  auf 
fselcher  die  Moralitit  beniht ,  nicht  eioe  be- 
liebigc,  fclbst  gewahltc,  an  Hch  gleichgultige 
Masime,  fondem  ein  unabXnderitchet  Gebot« 
dem  dte  Sinnliehlteie  widerstrebti  in  beyden 
iit  es  zwar  dn&  Rerultat  der  Verntinft,  aber 
doch  tugleich  ais  ein  Gehot  Gottes  tu  be« 
Iraditen  ;  in  beyden  itt  dat  vorgesteckle  Ziel 
die  iieiliglLeit,  iind  aur  in  der  Uneadlichkeit 


—  590  ~ 

zu  erreichcn;  in  beyden  ist  die  Gluckfeiig* 
keit  oicht  der  Zweck,  aber  doch  die  noth- 
wendige  Folge  der  TugeiMlt  B>d^ 
^tirch  tnenichliche  Bemiihung  allcin,  oder 
auf  diefer  £rdc  uoeingerchrSiikt»  fondcni  uur 
^ureh  die  Vensitlelung  der  GoCdiei^  uiid  in 
der  Ewigkeit  in  erhalcen.   So  wie  nio  allb 
mit  Recbc  fageu  kann,  dafs  die  Lehre  det 
Chrifteachumi  snent  die  Sittlichkeit  in  ik- 
rem  gaiiieii  Unfaiige  und  tn  ihrer 
ganzen  Reinheit,   dcm  Menrchen  ana 
Herz  gelegt  lut:  (o  kana  man  auoh  mitRecht 
behaupten,  da6  dieKantilche  Philolbphie  m- 
erst  diefe  Reinheit  rnid  dieien  Um£ang  unein- 
gefchrankt  anerkannt  und  bcsticiget  hat,  Auf 
das  Imiere  dcs  Menichen  vemeift  dis  Ckri» 
atenthnm,  nnd  dielet  Innere  gleicblam  aii& 
zudcckcn,  fo  viel  als  es  menfchliche  Kriirte 
vcrstattent  ist  das  Verdiettst  der  KantiTchen 
Lchren.   Sie  letien  aile  Vemunftwalnkeiten» 
M\  dencn  der  Mcnfchbcit  ara  meistcn  gclegcn 
isty  in  cin  Licht,  das  tbcils  in  voilcr  Kiarbcit 
Jeuchtety  thcils  ein  Abglaitz  dieler  Klarhcit 
Ist.  In  jeuem  steht  das  Sattengete  felbslb 


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and  id  6it(em  dte  damie  nothwendige  ADnah- 
me  der  UustcrbJichkcit  unU  des  Dafeym  der 
GoUbciU 

Ich  tragey  kana  der  MeBfch  nach  |enen 
Lehren  fa^en,  in  mir  cin  Gcfctz,  das  icli  als 
veruunfiiges  Wcfen»  nichc  abJiugnen  kanns 
ich  foll  in  meinen  Handlitngen  mir  Iblch» 
Regeln  hefoJgen,  die  auf  dic  Hinsrimmung 
aJJer  verniinfdgen  Wereii  rechnen  konncn» 
und  die  ich,  wenn  ich  eine  Wdt  einfurich- 
tcn  hSfite»  ohne  da(s  meine  Neigiingen  ins 
SpicJ  kimen»  entweder  fcblechterdings  be-» 
folgen  tttiitie»  tvenn  die  Zwecke  der  Wdt 
fich  nieht  sentoien  ibllteny  oder  die  ichdoch 
lur  bcflcrn  Erreichung   dcrfelbcn  befoJgen 
fviirde.    Dadurch  fche  ich  mich  in  eine  «n* 
dere  Ordnung  der  Dinge  verletit,  alt  diejenU 
ge  isc»  XII  welcber  ich  allet  nach  Naturgeie- 
tzen  zu  richten  gewobut  bin.    In  fo  fern  ich 
mich  in  der  mir  erkcnnbaren  Weit  befinde^ 
bin  ich  ein  blofiet  Glied ,  das  von  itrfpriing. 
li^hen  Anlagcny  Verhiltnincn  und  Umstan» 
den  besiinunt  wird»  iind  wieder  Lagcn  uiul 
UniilXnde  (lir  Andcre  hervoibringt  Allcidf 


—  59«  — 

ieh  habe  aueh  <Us  Gefuhl  einer  btyen  Selbit» 

tb'itigkeit,  deren  Gnind  ich  nicht  crkennc, 
deren  Moglichkeit  ich  nicht  cinrehe,  die  tdi 
aber  doefa  nicht  iur  TXulcbiiiig  baJccii  kami» 
da  lenei  Ge(etx  etne  folebe  Freybeie  Na* 
turgerctien  nothwendig  fordcrt,  indem  cs  auf 
cineHaoclluiigfwetfe  dringtt  wclche  olme  4ie» 
felbe  unmo^Iicb  tvlre»  uncl  «elcbe  icb  sn  der 
mcinigen  machcn  mufi,  wcnn  ich  nicht  in 
meincn  Angen  verabfcbeuungfwiirdig  ieya 
wilL  Werde  ichdadiitdi  Mif  dieHoheit  meU 

ncr  uberfinnlichcn  Nattir  gewiefen,  und  eincf 
gauz  cigncn  GcouiTes  fihig:  fokoitec  es  micb 
diocb  Mribe,  Jener  genllii  tu  bandebi,  und 
diefen  nur  einigcnnaiten  alt  Erlatx  fur  die 
Opfcr  anzufchen,  welchc  dcr  hdhcre  Thcii 
ineinei  Wefeoi  dem  niedrigea  auferlegt.  Icb 
wunicbe  in  nnxSbligen  Flllen  dieier  Opfer 
liberhobcn  zu  fcyn,  fiihlc  cincn  damit  ver* 
bundenen  innem  Zwang»  und  muia  alibidie 
Handlungiweiie»  die  mir  daa  Geieti  vor* 
fchrcibt,  ali  Pflicht,  und  raein  Bestrebcn, 
diefeibe  xucrfiiileo»  ali  Gclioriam ,  aJs  Un» 
lcrwerfimg  bctncbten.    Anch  bleibt  dieli 


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Verhlltnifi  ineiiiet  Willeni  tu  iem  Gefett  e  ia 

iedem  Zeitpiincce  meines  Lebens,  unter  jedea 
Umftiinilcny  unverindertfteben.  lenerZwang 
«ircl  swir  immer  iehwleiiert  imd  verfehwin* 
dcc  in  immer  mehrern  FSllen,  jc  ofterer  ich 
}enen  Gchorfam  beweife.    Auch  kann  meine 
Lage  Ib  gunttig  feyn»  daft  nii£  3ie  Erfiiiiung 
meiner  Pflichten  mriftentheils  mittelhar  oder 
unmittelbar   liberwicgeadier  Genufs  folgt» 
Ailein  cf  fi»  weit  su  hringent  <U6  jede  vott 
dem  Gefetie  geforderte  Han^ung  ftett  mel* 
nen  Neigungen  uuter  allen  Umitinden  ange- 
mcilen  iejrat  <U6  ich  in  keinem  Falle  innera 
Wideritand  fiihlen»  oder  von  m^er  Sinn- 
lichkeit  mich  hinreifsen  lalTen  follte,  dicfy 
Vollkommenhcit  tu  erreichen,  bin  ich  hier 
auf  Erden  nicht  im  Stan^.  Nur  darnach  sii 
ttreben  kann  unJ  foll  mein  ertterZweek 
icyn.    Wenn  ich  uberdiefs  micb  auch  felbst 
inUmfiSmien  hefindcy  wo  et  mir  leicht  wirdt 
meinePflichten  tuerfiillen:  foweifi  ichdocht 
clafs  nicbt  alle  Menfchen»  nicht  einmal  die 
.  meiften  t  fich  in  iblchen  Umftlnden  bcfinden. 
In  vieleo  itt  keine  tncleit  Wahl  «b  twiichen 


—  594  — 

fiteoaiuaRMfaiiehalGeiilidcmSglidi.  Gleidi. 

vrohl  tst  der  Gedanke  eines  notbwcudigeit 
VerhiikiiUrcs  zwifchen  Tugend  uod  Glucki&- 
ligkett»  voo  neiner  Denkoogsart  umeraenii- 
licb.   Attf  ebcn  dem  Orunde,  aut  welebem 
ich  niich  vei  bunden  fuhle,  die  Rechte  mciaer 
Mitnenfchen  fiir  lidher,  «It  meiiie  Neigungeii 
tu  halfen,  beniht  aueh  die  VorvteUung  von 
dcr  Tugend,  als  der  Wurdigkeit  ghickfelig 
Stt  ieyn»  und  der  nochwendige  Gedanke^  daft 
Sittlichkeit  nur  in  Verbindung  mit  Gluckle- 
ligkeit  die  ganze  Bestimmung  dcs  Men* 
fchen  ausmacht.    Soll  cr  alfo  dicle  erreichen, 
«ie  fie  der  finnliche  und  uberfinnliche  Theti 
(Unes  Wefent  ankundiget :  fodatf  er dadurch* 
dais  cr  aus  Achtung  fiir  den  Einen  die  drin» 
genden  Fordemngen  desAndem  nicht  befrie» 
diget»  der  Giuckleligkeit  nicht  verluttig  wer» 
den.    Um  es  dahcr  fiir  moglich  zu  halten» 
daft  der  Mciiich  (eine  ganze  Bcstimmung  er* 
reiche,  muia  ieh  ein  lukunftiges  Leben  und 
cine  vermittelndeGotthcic  glauben.  Nuruu* 
tcr  der  Vorausfetziuig  voa  ienem  und  diefery 
kann  er  die  VoUkonimenhcit  emicfacii»  auf 


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die  ein  iinniictelbaref  Gebot  dringe, 
iiud  die  GluckTcligkeit,  deren  Fordeniag 
fliittelbar  auf  cben  dielieni  Gebote  benihe. 

Eben  diefcr  Glaube  wird  aiich  vorbcreitet 
oder  gesiirktdurdiandereBetraclituiigen»  die 
ieh  uber  die  Menichheit  und  uber  die  Welt 
anstclle.  Ich  untcrfcheide  das,  was  in  mir 
deukt  und  will»  durchaui  von  meinein  Kdr» 
per,  und  fefae  mieh  ali  cin  Weien  an,  dat 
nicht  nothwendig  mit  demfclbcn  vcrcinigC 
feyn  mu($ ,  um  bcstehen  und  wirkcn  lu  kou» 
nen;  ich  liabe  KrSfte,  die  einer  iminer  grolk 
femEntwiekelung  nndAnwendung  fahig  findy 
und  doch  hier  auf  Erden,  in  Vcrglcichung^ 
nur  einen  fehr  geringen  Grad  von  Auibildung 
erreichen  konnen,  fa  die,  bey  dem  Werthe, 
dcm  ich  nothwendi;^  darauf  legc,  doch  oft 
uicht  cinmal  das  Jeisten,  was  der  biinde  In» 
f  linkt  in  den  Thieren  leistet.  Seh^  ich  niui 
in  dielen  eine  Zweeknrafsigkcit,  die  ich  in 
dem  Menichea  nicht  antreffc,  in  fo  fern  ich 
ieine  Eziitenf  anf  diciei  Leben  einichrMie: 
16  weiit  mieh  auch  liier  die  Vcmttnft  auf 


neine  Fortdauer  n«ch  detn  Tode.  Nur  durcli 
diefe  fftrd  das  RIililcl  ^ait,  wdchet  niir 
Ibntt  dit  Mcnlcblieit  bletbc ;  demi  teh  kafui 
oichc  in  dem  geringern  Thcile  det  Weit 
Zweckmiitigkeii^  imd  ia  dcm  bohaniZiiecl^ 
lofifkea  tugleich  dgnkcQ. 

Diireh  die  Zweckmliisigkeit  ia  der  Eia* 
fiehtung  der  Welt  Ibwohly  «If  dureh  dm  Be^ 

diirfnifs  meiner  Vcrnunff ,  cinen  letztcn  Grund 
•llcr  Dinge  tu  dcokcn»  den  ich  in  der  mir 
crkennbiren  Wdt  gar  oidit  imtrefc,  ^Mrdo 
leh  auch  auf  cioeo  unendlich  wciien  und 
machtigen  Urheber   aller  Dinge  geleitct. 
Schon  das»  W99  ich  auf  dielcr  Erde  erlienDe» 
libertteigt  meine  Pefiongtluralts  richte  ich 
aber  nieine  Augcn  gen  Himmel ,  und  auf  die 
Steme»  gegen  deren  Groise  und  McQge  dieib 
Erde  nur  einPunct  In  dem  Weltall  ist;  denke 
ich  mir  jeden  Stern  als  eiae  Sonne,  welche 
rlanctcn  eben  fo»  wie  unferc  Sonne  dte  fio 
wngebenden  Phuwten  erleuditeti  denlce  ich 
mir  jeden  dcr(elbcn  als  dcn  Aufenthalc  lebcn* 
digcr  Ccfcbopfc,  und  dicfe  mit  eincr  cben 


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—  — 

fo  zweckfuarsigen  Einrichtung,  in  Ruckiicht 
Mtf  ibre  Erteugiiog*  firhiicung  mni  Emib* 
ffttng:  £6  bekomnie  idi  dieBegrifie  voq  einer 
Wcisheit  iiiid  Macht,  die  fiir  mich  Unend* 
lichkeic  haben,  iind  mich  dadurch  in  den 
Glauben  an  die  Allwsffenheit  imd  All* 
machr  be$t';irkcn,  deffeii  ich  ziir Errcichung 
mciner  ganscn  ficf  timmung  bcdar^ 

Vermig  ich  endlidi  nidit  4ie  Aiitfiehf  k 

die  Zukunft  zti  enthiillen ,  und  die  Herrlicli» 
keii  des  Schdpferf  in  voller  KJarlieit  tu  crkea» 
nen$  fo  finde  ich  die  Rechtfertigung  leiner 
Weishcit  iibcr  die  Dunkelheit,  in  wclcher  er 
metne  Holfnungen  liiTett  iclbtt  in  dcr  Erlift> 
benheit  meiner  Beftimmnng.  Ich  Ibll  dii 
Gefctz,  das  er  mir  in  vollcm  Lichte  zeigt* 
ohnc  Riickncht  auf  Loho  und  Strafe,  zu  cr- 
iuJlen»  tu  lieben  strebeny  und  dadutdi  mir 
lelbit  den  Werth  verichaflen»  der  allein  mfdi 
iiber  allc  Dinge  der  fichtbaren  Weit  erhebty 
ttnd  gerechte  An^ruche  auf  GluckieJiglMit 
trtheilt. 

Q.«i 


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So  bekemnit  dat,  wai  dcr  Menfth  4mu 

lich  sii  erkciiiien  vermag,  mit  dcm ,  was  er 
«It  nothweiulige  Bcdinguiii  (eiiierHaiidiuoft* 
«eile  aonehiDeii  mtiit,  etoen  iHiaiifi5tbaren 
Zufiimoieuhaiig  So  itHrkc  die  nahere  Be- 
trachtiing  der  Wclt  iincl  der  Meufchheit  den 
GUubcn  aoGott  undUotcerbliclikeit»  deo  dit 
Bcftimmung  dei  Menfcben  tur  Tugend  notli- 
weudig  machr.  —  So  rechtfertigt  diefc  Be- 
ftimmung  felbit  den  Scbleyer,  «eleber  die 
Hcfrlicbkeit  Gottet  und  dic  Auf licht  io  dift 
Zukunfc  bedeckt« 

Ende  dei  sweyteo  und  letsten  Thetlc. 


Nothwendige  Verbelfenmgeo, 

S,  lotf,  Z  5.  von  umen,  l.dcr  statt  dtu» 

-  jli,    -  5.  diefcl  ben,  st  dicfelbe. 

•  117*  -  7*  V.  u.  m  der  Anmerk*  Neiguagtn» 

st.  Mcinungen. 

•  944*  *»•  ttomirrelbar,  sc.  uaautttl. 

•  Jf9.  -lav.u.  Ehrerbietttog,  tt  Sbrtr- 

hicrung, 

•  1^1*   -  9*  Sittlichkeit,  st.  Sirtlichkeitt. 

•  408.  -14.  bi  dtr  AttOMtk  eiocoi,  tK.dMn* 

•  439.   -  1.  V.  u.  den,  st.  dem. 

'  458,   »11.  werden»  st.  wnrdeiL 

-  529.   -13.  fehlt,  st.  fehlte,  • 

•  54»*  -  5*  voritf  llcod»  sc  vomtUau. 


Inhaltsanzeige 


des 


Erstea  Theils. 


Elaleitiiiif 


S.  I. 


Darsfellung  aller  Moniryiteme  vor  dem 
Kaniirchen,  uiul  der  Zweifel  gcgeo 


Urtheile  der  gemeinea  Vemunft  tiber 
den  Werth  der  Dinge  tiberhaupt» 
tind  der  menfchlichcu  Handlim- 


Cntwickelung  det  obertlen  Sitcengerc 

Czct  aut  dcm  BegriiFc  dcr  Fflicht    S.  I02. 

Ablettimg  det  Sittengcfetfet  aut  dem 
SattedetWiderfpnicht,  iiiidDar- 
iCenung  dcs  Zwecks  der  Sictiicb- 
kcit  S.  143. 

Nur  eia  formaler  Grund(atz  kann  alt 

Sittengcicu  gcdachc  ^wcrdcn       S.  jgf. 


dieWahrheitderfeJbcii 


S.  14. 


gcn  iusbefouderc 


S.61. 


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Vou  der  Freyhcit  dcf  Willent  fibcr» 

htupt  S.ai9* 

Voit  ^er  tnnieeiidciitilea  Fteyheit 

dcf  Mcnfcbca  S.  24£. 


Zweyten  Theils. 

Voudcm  moralifchen  Gefiihle,  alsdcr 
Triebfedet  dcr  practirchen  Vcr* 
nuiift  $.301* 

Von  dem  moralifchen  Gcfuhle,  als  dcr 
Qliellc  angenchmcr  Gemiichftu- 
st^ndc  S.363. 

Von  dcro,  auf  MonUtHt  gcgriiiideteB 

Glairhen  an  das  Dafcyn  Gottci  und 

die  Unstcrblichkcic  der  Seelc      9. 439* 

Dantellttng  und  Pnifiinf  aller  fpeeii* 
Utivcn  Be««ci(e  fitr  da«  Dafeya 

Gottes,  uud  dic  UnstcrblichiLett 
derSeele  $.484* 


Vereii  igung  allariiiocaUfehenGniiicl- 

fitze  &561