DER KAMPF DES
GESETZES MIT DER
RECHTSGEWOHNHE
IT: EIN BEITRAG ZUR
LEHRE VOM...
August Sturm
UV
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Der
Kampf des Gesetzes <^
mit der
Rechtsgewohnheit.
Ein Beitrag
zur Lehre vom Gewohnheitsrecht
von
Dr. jur. August Sturm,
•AppeUatloiugvrlchtfBafertndAr,
. .^>Ä>5>=Ä>!ä>
CASSEL 1877:
Georg H. Wigand.
MOS)«
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j
MC 2004
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Sfincn ftekn Vater
gewidmet
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•
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Der wiss^sehaftlichcn Behandlung der Contro^erae,
ob Gesetze durch Gewohnheit aiif«;choben werden können,
stellt sich von vornherein eine besondere Schwierigkeit ent«
gegen. Gesetz und Gewolnilieit gelten uls Keclitsqiiellen,
— zu keiner Zeit aber war für (las gemeine Keelit die Frage
naeh den Ueelitsciuelien so bestritten wie beut, wo sie diireb
den Zug des; Zeitgeistes, überall den Staat und sein Gesetz
für das Verkehrsleben als Kegidator an/airurcn, und nicht
mehr wie früher die Iv.it wickluug; der rechtlichen Zustünde
dem Leben allein zu überlassen, zu einer der wichtigsten
Fragen der Jetztzeit geworden i»t. Wenn wir also, um die
Macht der Gewohnheit gegenüber dem Gesetz zu nntersucben,
den Begriff des Gesetzes und der Gewohnheit aufstellen
wollen, so erkennen wir, dass sieb diie Frage nach diesen
Begriffen erst naeh Lösong der Vorfrage, wober wir über«
hanpt den Inhalt ' der Rechtsordnung gewinnen, genügend
beantworten lässt. Wir haben also zavörderst die Theorien
von der Entstehung und Fortbildung des Hechts zu prüfen,
ans welcher Priituiig sieh der Grund und der allgemeine
Begriff von Gesetz und (iewolmheit von selbst ergeben wird.
Wie sicli ergibt, kann hier nicht von der Gc\vohnbeit an
und lür sich .sondern nur von der Keclitsgewohnheit die
licde sein ; daher ist es unsre Autgabe, an zweiter Stelle
die bestimmten Erfordernisse der Kechtsgewolinheit aufzu-
stellen. Krst dann werden wir im Stande sein, Gesetz und
Gewohnheit im prägnanten Sinne einander gegenüber zu
Stellen, ihre Wirkungen zu beurtheilen und daraus zu eilt:»
1
iiebmen, ob Gesetze durcb Oewohnbeit aufgchobeti werden
können. Den Scbliiss wird ein kurzer Ueberbliek der
Stellung der neuen Gesetzbücher zu dieser Controversc des
gemeinen Keehts bilden —
Vor der Zeit der bistoriselien Schule nahm man an,
das Recht entstelle durch die bcwusste menschliche That
der Gesetzgebuug, welche ia der Summe der Gesetze das
Recht selbst, ein dem Volke von vom herein fremdes Etwas,
schafft. Demnacli war das Recht nnr das Product legis«
latoriscber Willkär, eine Versininnng des sabjectivei> natio«
Halen Recbtsgefähls mit der zwingenden TbAtsaehe des
Gesetzbnchstabens anzubahnen, daran dachte jene m^hanische
Auffassung keineswegs. Erst die Savigny«Puebta!scbe söge«
nannte historische Theorie ■) hat das grosse Verdienst
gehabt, diese Auffassung zu beseitigen, indem ^ie dem' Rtcht
eine nationale Grundlage gab. Nach dieser Theorie iöt das
Recht die gemeinsame nationale „Ucberzeugung", der „Volks*
geisf, das nationale „Bewusstscin" in Hetren der Verkehrs-
verhältnisse. Gesetz und Gewohnlicit sind nur Erkenntnisse
quellen des vor ihnen vorhandenen Rechts, welches beide
entbehren könnte, wenn mau es nur aus anderen Erkenntniss«
quellen zu schöplen wüsste.
Das Gesetz sprieht die Volksüberzeugnng ans und legt
das Yorhandene Recht dar; die Gewohnheit allein fuhrt
höohstenii zu solchen Regeln, für die eine Ueberzeugnng nicht
gut denkbar ist, und welche unwichtig und nur der äussern
Ordnung wegen vorhanden sind. Unbewusst und naiv sollte
sich diedes Recht entwickeln; der Macht der (Jeberzeugung
erschliesst sich der Geist der Völker und ohne Kampf treten
die Rechtssätze in's Dasein. Ihering nennt die Idee, dass
sich das Recht thatenlos bilde wie die Pflanze des Feldes,
eine w^ahrhaft romantische, d. h. eine auf einer falschen
Idealisirung vergangner Zustände beruhende Vorstellung.
In der That widerspricht diese Theorie der Wirklichkeit auf
das entschiedenste. Die Volksuberzeugung ist noch nie der
■) et Iheringi Geist des BOmisohen Hechts II. p. 24 ff.
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Grand der Geitang eines Gesetzes gewesen, sie hat hoch'
st^ns Einflctss auf dessen . Entstehung gehabt. Wer wollte
diesen Volksge^t erforschen und wo bliebe die Gesetzgebung,
wenn es auf subjective Ansichten ankäme, ob ein Grcsetz
Greltung haben soll oder nicht? Gänzlich veraiebtet wird
dabei der Begritf der Gewohnheit. Wir könnten aus der
lüuuiscluMi — und Deutschen — Kochtsj^eschiclite unzählige
Oesi tzc auflüliren, die auf Volksüberzeu^un;; zurückzuführen
reine Ironie wäre, und wir braueijcn nur an die auf (Jewohn-
heit sicli stützende (ieltun^ der fie.nden Keclite in Deutsch^
land zu erinnern, uuj zu zei^;en, das» seihst gegen die Kecht«-
üherzeugnng und gegen den Volksgeist Gewohnkeitsrccbt
sieh bilden kann. Die historisclie Scliule ging hei aUem
Verdienst darin zu weit, dass sie die Macht des Willens,
die Willkfir, den Kampf der latärfessen ignorirte. Sie Ter-»
setzt, wenn der Vergleich ei*laubt . ist, die Entstehung des
Hechts in ein Paradies tmd nicht unter die kämpfende
Menschheit« Dass die historische Theorie keinen Gcund.iilr
die Geltung dieser -U^chtsuberzengung anzugeben iwussCe,
folgt ans der Natur der 8aehc ; Pnchfa selbst sagt, sie gelte
ans dem! (irunde, aus welciieni überhaupt Völker existiren.
Diese von der (Jegenwart bekämpfte und durcli das Leben
selbst widerlegte Tiieorie crfuln' zuerst durch von Scheuerl 'j
den erf(>Igreichsten Angritl", indem dieser aus der Unmöglich^
keit, mit Puehtas Tiieorie die Thatsachc zu erklären, dass
sich in der Kirche, einer Mcascheugesannntheit innerhalb der
verschiedensten Völker, eine besondere liechtsorduung enU
.wickelt, die Folgerung zog, dass eine Theorie, welche das
.Gewohnheitsrecht der Kirche nicht zu erklären vermöge und
zu einer von Christus der Kirche verliehenen Autonomie ihre
Zuflucht nehmen m&ssc, unmöglich die rechte sein könne.
Scheuerl stellte daher den Satz auf, dass die wahre Bedeu'
tung der Gewohnheit die sei, die natürliche notwendige
Aeusserung eines einheitliehen Bewusstseins der Gesammtheit
zu sein. Die Folge von diesem Angriff war, dass Savigny
>j Dove, Züitachiitt füi* Kiidienreckt IV.; p. 18(>; Ib4i2.
— 4 -
bei ins Einzelne gehenden and gleiohguitigen Beslimmnngen
die Uebnng nicht als blosses Erkenntnissmittel, sondern als
einen nach dem Gesetz 'der Oontinaitat mitwirkenden Ent«
stebmigsgrund gelten Hess. In der Gegenwart aber bat die
gemeine Meinung den Widerstreit der „spiritnalistiscben"
Theorie mit dem realen Leben erkannt und nur eine kleine
Zahl der Autoren ^) (Gerber, Göschen, Thöl und Stobbej hat
dieselbe noch jetzt beibclialtcii.
Wir haben {gesehen, dass die Detinitiouoii von Kocht
und mit ihnen die Bof^rifTe des Gesetzes nnd der Gcwoluilieit
von einer niatorialistischen Ansicht ausgingen, wclclie von
der spiritualistisclien Ansicht der liistorischcn Schule besiegt
wurde. Wir werden nun darzulegen haben, wie die Gegen«
wart darnach strebt, sowohl jene rein materialistische An^
schauung des vorigen Jahrhunderts wie jene spiritualistiscbe
Ansicht der historischen Schale za überwinden. Der Satz,
den die vorigen Jahrhunderte aufstellten, rief in der bistori«'
sehen Schule seinen Gegensatz hervor und diese historisch'
dialektische Entwicklung findet in der Gegenwart in einer
höheren Versöhnung ihr Ziel. Will man dieser modernen
Ansicht einen Namen geben, so dürfte, da sich einmal die
Ausdrficke „materialistisch" und „spiritnalistisch" eingcbür*
gert haben, dieselbe als die „reale" Auffassung des Kechts
Anm. >) Eine eigenthOmlicfae Ansicht stellt neuerdings Bö hl au
(Mecklenb. Landr. I p. -315 f.) auf: Das Recht ist die gemeinsame
Uebcrzciigung der in rechtlicher Gemeinschäft stehenden, aber diese
KechtsUberaeugung ist nicht anwcndhar. Praktisch ist nur das er-
kennbar gewordene Kccht und crkeuidiar ist das Rcclit nur durch
Gewohnheit. Mehr al.s Aeu.s.seruuf; aber i:^t diese Gcwidinheit nicht,
denn das Recht ist vor ihr vorhanden. Bühlau erkennt in der
Recktsübuug der Gesellschai't als Gesellsehattswillen einzig das Recht
und sieht im Gesetz Iccin Recht sondern nur ätuatüwillen. Diese
die Godiftcation conseqnent verwerfende Theorie stellt die' Becbts-
ilberxeugnn^ als Dogma hin, indem sie das Recht undefinjrbar nennt,
weil die Ueberzeugung undcfinirhar sei. Sie ist widerlegt, wenn
nachgewiesen ist, dass das Reclit keine Ueber/.engung ist. Uebrigens
dilrt'te -der Satz „Gesetz ist koin Recht'^ andeuten, dass auf diesem
Wege eine \'<Mj<rdinung des subjectivcn AVillens mit dem Uber ihm
fitehenden ubjeetiven, zwingenden Willen nicht abzuiscken ist
zu verstehea seiu. Wir können die spiritualistische Auf^
fassung immerhin als ein Ideal beibehalten, aber bei einer
Frage, die es mit dem Recht, wie' es wirklich ist, zu thun
hat, können wir init einem Beebt, welches nach den Ans«
drfieken seiner eigenen Vertreter „unangewandt", „anerkenn«
bar", „anpraktisch", „andefinirfoar'' und ,,unconstruirbar"
ist, auf keinen Fall einer Lösung finden.
Schon Saviguy hatte zugegeben, dass die Gewohnheit
auf die Entstehung der Kcchtsubcrzeugnng grossen Einfiuss
haben könne, aber nur bei gleichgültigen Bestimmungen.
Viel weiter ging Kierulir iTlicorie des gemeinen Civilrechts
1889 p. 7 f.) mit der Behauptung, dass es das Wesen des
Gewohnlieitsreciits sei, duss aus einer glcicligültigen, fac-
tisclieii Gcwölmung Hcclit entstelle; die wiederliolte (bleich
niiissigkeit einer bestimmten lIandlun;;swoise bringe eine
{jenieine Meinung des Volks von der Notwendigkeit seines
Handelns hervor. Die späteren Autoren halten neben der
Kechtsüberzeugung die l'cbung für ein begrifilich notwen-*
diges Kequisit des Gowohnheitsreclits, weichen aber im
einzelnen weit von einander ab. Die herrschende Meinung,
welche Unger (Oesterreich. Privatr. p. 37 f.) mit Recht als
solche ausspricht, geht dahin, dass die Gewohnheit weder
die Entstehungsursache des Rechts noch die blose Erscheinungs«
form desselben, soudern vielmehr eine Entstehungsform des
Rechts sei. 8o wenig das Gtesejte ohne Publication, so wenig
sei die Volksüberzeugung ohne Gewohnheit Recht, denn
alles was lict lit sei, müsse ilusscrlich erkennbar sein. Auch
Windsclicid ') erkennt in der Uebung die hervortretende
Ueberzeugung der Uebcnden, dass das, was sie üben. Recht
sei, und sieht in dieser Ueberzeugung den Grund der ver^
bindenden Kraft, und Baron versteht unter Gewohnheitsrecht
die im Verkehr fortdauernd geübte und von der Ueber^
Zeugung des Volks getragne Rechtsnorm. ^)
1) Wind scheid Pand. § 15.
2) Aehuliche Ansichten finden .sicli bei Wächter, Handh. des
Wlirtemb. Privatrs. 1842 II j). ^2, Ätühlenbnich Pand. § ns, Sintenis
Pand. p. 21, Roth Bair« Civilr. $ 9, Haimerl im Magazin für liechts-
In allen diesen Theorien wird consequent die \N alirbeit
ansgespiochen, dass die ReclitsUberzeogung ohne die Uebaiig
ein juristisches Nichts ist. • Dabei wird aber doejt stet$. die
Ueberzengang des Volks von dem, was Rocht sein soll, %n
Gmnde gelegt nnd in der Uebung nur eine Art ,,Publication"
dieser Ueberzeugung gesehe». JedeA^berzeugung aber,
und wenn sie die Ueberzeugung aller Einzelnen wäre, ist
ein snbjectirer ßegriff, und es ist nicht abzusehen, wie
dieselbe Recht schaffen soll.
Ja wenn Alle daron überzenjrt sind, dass bei einem
Geschäft eine bestimmte lie^^el {;ilt, und diese Ke,i:el ,::'eübt
haben, so könnte selbst bei der energischsten Ueberzeugung
Aller doch daraus nie die Macht eines objectiven Keclits
entstehen. Die oplnlo nccessitatU ist keine „Ueberzeugung"
sondern das „Getühl" des Gebundeuseins an die thalsächlich
vorhandene Ordnung des Verkehrs und damit ist die that-
sächliche Ordnung eine Rechtsordnung geworden. Diese
Macht der sich objectivirenden Rechtsordnung ist aber eben
der Grund des Gewohnheitsrechts. Dies erscheint freilieh hier
als These gegen These, wird aber ausführlich begründet
werden.
Khe wir diese unsrc Ansicht näher begründen, haben
wir noch drei Theorien zu erwähnen, welche auf dieselbe
von wesentlicliem, wenn auch sehr verschiedenem Kinfluss
gewesen sind, nämlich <lie Theorien Beseler's, Stahls und
Adickes'.! Ikseler vertritt den «Standpunkt der historischen
und StaatswisseiitiK'liaft VII p. 41, Vaii{;oro\v Paiid. 1 § 14. Da^j^ogon
verlangt 11. Schmitlt 'fhcorio iinil Metliculik di'.-^ biirj,nMl. Ks. IS4« p. 212)
nnd E. Meier < Recht sl)il(luiij^ in Staat und Kirche IbÜl »—17 u. 27)
wieder ein .Mitwirken der (iesetzgebnnjf.
1; ct. Bruns in llulUcndortis üucycl. p. 322: „Die Opposition
gegen Puchta will imiüer, wie er selbst, eine umnittelbare Geeetses.
kraft der Gewohnheit dedueiren, und kommt dadurch wieder auf das Prin-
dpder Gesetzgebung^, den subjectiyen Willen, zurück; entweder klar mit
offner Proclamation der Autonomie, oder unklar durch die Panillcle
mit der Gesetzespublikation." In der That haben Weisse. Kiehhorn
und Ueyselier anj^cnommeni dass das Gewohnheitsrecht durch Au-
tonomie eutstehc.
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7 —
Schule insofern, als er annimmt, dass das Recht sich
unmittelbar Im Volksleben wie die Sitte und die Sprache
entwickle und in dem liewusstsein tles Volks lebendif; sei.
Da wir das objeetive Keelit als einen Maehtbe^nill autlassen.
können wir Heselers Bef^ritle des Volksrechts, .Juristenreclits
und Gewohidieitsreelits ni( hf als Rechtsbegriftc annehmen, ')
dagegen ist <ur die Entstehung der Recbtsgcwohnheit
TJesclers Auft'assang von grosser Bedeutung, Beseler betont
nämlich, dass es nicht allein auf die Dauer der üebnog
sondern aucb auf die Häufigkeit der Handlungen ankomme,
wenn aucb eine gewisse Dauer nothig sei. Nun ist es aber
aucb fiir eine Anscliaaung, die nur das ,,eigentlicbe''
(cf. Beseler im Nachtrag 1. p. 21.) objeetive Recht als Ge«
wohnheitsreebt gelten lässt, von der grössten Wichtigkeit,
darauf hinzuweisen, dass nicht nur die lange Dauer, sondern
auch bei kurzer Daner die daneben hervor tretende Häufig*
keit der llandlunjren dazu beitraj^en kann, die opinio
uprossitnfls d. Ii. das Gctiilil des Gebundenseins an die
tliatsiicMicli \ (uliandene ( )rdnun^ des Verkehrs, zu ei"zeu;xen;
dass es z. I>. bei einer aus dem Reebtsj^efühl des Volks
und der Natur der Sache entsprungenen thatsächliehen
Ordnung des Verkehrs auf schnellerem Wege, geschehen
wird, dass sich dieselbe aus einer thatsächliclien Ordnung
in eine sich unbewusst ohjectivirende und das Volk zwingende
Rechtsordnung verwandelt, als bei einer Andern, bei welcher
als kämpfende Elemente die Macht eines dem Volksgefftbl
entgegenstrebenden Juristenstandes, £rgebni8se des Zufalls
und der Willkür den Sieg erringen, lehrt uns die Rechts«'
geschiehte unsres eignen Volks. Je nachdem die Ent-
stehungsgeschichte des Gewohnheitsrechts ge-
staltet ist, wird seine Macht f^cirenüber dem
Gesetz sie Ii bald früher bald spater wirksam
zeigen. —
Die zweite Ansieht, widchc für unsre Auffassunic ins
Gewicht fällt, ist die Ansieht, welehe Stahl in seiner I\cchtS'
und ^Stiiatsphilosophic (b. 11., p. 2i2 f.) ausspricht. „Im
1) cf. Bruns loc citat. pag. 322.
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ganzen Rechtsgebiet/' lieisst es dort, „muss nach dem
Chiinikter des Keclits beides dii sein, innres Hewnsstseiu
und iiussre Verwirklichung^ ; desswegen sind wiederholte
Anwendung;- und eine j^ewisse Dauer \vesentli(dics Erlbrderniss,
eine reehtliehe Oewohidicit zu beiiriinden." Der Grund der
bindenden Kraft ist nach dieser Ansicht ebeu das Ansehen
des Rechts d. h. der äussern Ordnung; über den Menschen.
Die Kechtsnormcn entstehen theils durch Gewohnheit, weil
sie durch sie Bestaudtheile dieser .prdnun«^ werden, und es
Ist so nicht die Entstehung der iGc^vohnbeit der Grnnd ihrer
Geltung sondern ihr Bestand;^ t^idfesntsteben sie durch
Gesetzgebung, weil sie von der Autontfit ausgeben^ welche
die bestebende Ordnung bezeichnet. £s ist also nicht die
nationale Ueberzeugang der Grund der bindenden Kraft des
Rechts, das Reclit bat diesen Grund in sich seihst, nur bat
es ihn seiner Natur ^euiäss nicht blos in seiner Idee sondern
zugleicli in seinem äussern Hestand. — Ks könnte beinahe
seheinen als ob diese Ansicht mit der unseren identisch
wäre, da das Resultat bei beiden ziemlitdi dasselbe ist.
Der grosse TJnterscliied liegt aljer darin, dass bei Stald die
Macht dieser bindenden Ordnung nicht das objeetive Ifceljt
selbst, sondern die Macht einer gegebenen Weltordnung
Gottes ist, welche das Keebt erzeugt und ihm Ansehn vor»
leiht; sö ist denn der wahrlialtige Grund der bindenden
Kraft der Gewohnheit die Macht Gottes, die in der Gewohn-
heit das Handeln der Menschen bestimmt. Damit ist die
Abgötterei mit dem Gewobnbeit8re.cht auf die änsserste
Spitze getrieben l Nicht als eine fertige Rechtsordnung ist
uns das Recht geworden, nur die Anlagen, das Gefühl ifir
das Recht sind in die Nationen gelegt, und damit bleibt
dem Recht der höhere Ursprung; aber mit diesen Gaben
ausgestattet sollen die Nationen nicht die Hände in den
Scbooss legen und abwarten, was naeli und nach als
Recht zu Tage tritt, sondern sollen bandeln und kämpfen,
um sich die uhjeetive Alle beberrsebende Kecbtsord-
uung zu erringen, die, insofern sie des Volkes eigenste
That ist, die Versöhnung in sich selbst trägt. «Ötciite
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- 9 -
Puchta die Entstehujig des Itecbts gleichsam in ein
Paradies, so verwies sie Stahl so zn sagen nnter unsterbliche
Götter, und verkannte, dass bei dem Hingen nach der
Eechtsordnung unter unvoUkommnen Menschen auch nn«
lautre Mächte den Sieg davon tragen können^ ein Irrthum,
von dem sich Stahl um so weniger überzeugen mochte, als
das daraus entspringende Resultat der Verwerfung jeder
Godification mit seinem System übereinstimmte.
Wir sehen also, dass wir zu dem Resultat, dass die
Rechtsgewohnheit auf einer Macht des Rechts über das Volk
beruht, von einem ganz verschiedenen Standpunkt aus gelangen
und desshalb ganz andere Consequenzen als Stahl daraus
zu zielien haben.
Wenn wir nun zum Schluss noch der Ansicht von
Franz Adickes (,,Zur Lehre von den Rechtsquellcn etc. 1872)
gedenken, so geschieht dies einerseits um zu beweisen, welch'
irrige uud gefährliche Ansichten noch in jüngster Zeit über
die Natur der Rechtsquellen hervortreten, anderntheils . um
an dieser an der gemeinen Lehre von der „Kechtsüberzeugung '
fest haltenden aber durch Consequenzen daraus völlig.
scheiternden Theorie als an einem interessanten Beispiele
zu zeigen, dass das strengiste Festbalten an der so ein^
fachen Lehre vom objeetiven Recht und die Vermeidung
aller subjectiven Begriffe bei einer Frage nach dem Gewohn-
heitsrecht wie dem Recht überhaupt in der Gtegenwart
dringend geboten erscheint.
Anf die Frage nach den Rechtsquellen antworten nach
Adickes die wirklichen Kechtsquellen nicht, denn die
Geltungskraft der gesetzlichen Bestimmungen ist bestritten,
und die zweite Kechtsquelle, die geraeinsame Kechtsüber-
Zeugung oder das Gewohnheitsrecht .stellt nur einzelne Sätze
auf und liisst uns bei allen FragcMi, rücksichtlich welcher
verschiedene „Ansichten'' existircn, im Stich. Mitbin muss
man die subjective Vernunft unmittelbar als Kechtsquelle
setzen, weil man aus ihr die Sätze über die Rechtsquellen
schöpft, und was man für Recht hält, muss man auch für
unmittelbar anwendbares Recht erklären. —
1*
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— 10 -
Schon dieser Eingang ]ä80t die gefährlichen Conse«
qaenzen ahnen. Mit der Lehre von der snbjectiven Vernanft
als ßechtsqnelle wird nun weiter das positive Recht za be*
seitigen versncht, und es wird ein Jrrthnm genannt, dass
das Indtvidnom gerade berechtigt sei keiner Norm rechtlich
unterworfen zn sein als dem Gesetz und der Gewohnheit.
Da nun aber die snbjective Vernunft eine Kecbtsqnelle ganz
besonderer Art sei, „vage, unbestimmt und nebelhaft," so
wird die Vernunft des Richters als die normale bezeichnet,
der Richter „verdeckt den Mangel des positiven Kechts."
Weil ferner die Vernunft anerkennen mnss, dass anwend»
bare Kechtssätze nur aus dem objcctiv ^^ej^ebeneu Bestand
der äussern Verhältnisse gewonnen werden, ist auch die
Natur der Sache eine Rechtsquelle. Mithin entströmt nach
Adickes das Recht vier Quellen: dem Gesetz, der gemein«
Samen Recbtsüberzeugung, der Natur der Sache und dem
Ge w oh nheitsrecht
Dass es f&r die Lehre von den Rechtsqoellen nur fär
Adickes eine Ltteke im Recht gibt, werden wir weiter unten
darlegen. Wohin aber die hierfür für nothig gehaltene Ent« j
Scheidung der subjectiven Vernunft führt, zeigt der Satz,
dass es die Richter sind, welche mit ihren Entscheidangen
allgemein bindende Rechtssätze aufstellen; diesen Richtern
soll sich der Einzelne unterordnen, nicht, weil sie ihm sei n
Recht sprechen, sondern weil sie, Halbgöttern gleich, die
normale Vernunft haben! Dass der Richter durch Analogie
Recht anbahnen soll, dass er gerade recht objectiv sich an
das positive Recht anlehnen soll, sind Sätze, die man freilich
einer Ansicht, die sich auf das Orakel ihrer subjectiven
Vernunft verlassend das Recht selbst leugnet, nicht entgegen
setzen kann. Aber Adickes gebt noch weiter! Nachdem er
den Begriff des Gewohnheitsrechts in Rechtsüberzeugung
und Uebung getrennt und die Recbtsüberzeugung zur Rechts«
quelle erhoben hat, lässt er die Uebung, das reine Her-
kommen, das lang Geübte, ebenfalls zur Rechtsquelle werden,
und findet die Begründung dafür darin, dass die Rechts»
Überzeugung allgemdu jeder bestehenden Ordnung eben
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wegen dieses Bestehens Reehtsrerbindlichkeit zuerkennt.
Auf diesem rein äasserlichen Herkommen soll das Festhalten
des Richters an den Vorentscheidnogen beruhen, denn ge«
reeht ist das Urtheil nicht schon, wenn der Richter den
einzelnen Fall nach seiner Ueberzengung entscheidet, sondern
es gehört hierzu, dass das Urlheil über bereits einmal cnt*
Rchiedene Punkte wieder die ji^leiehe Entscheidung enthält.
Wir können niclit einsehen, wie eine wiederholt ausge^
sproehne Ueberzeugung des Kicliters auf dem Wege des
Herkommens zur o])jectiven Gerechtigkeit erstarkt. Einer
eingehenden Kritik glauben wir uns hier enthalten zu dürfen,
glauben uns aber nicht zu irren, wenn wir annehmen, dass
der von der gemeinen Ansicht vielgebrauchte Ausdruck
,,Recht8überzeugung" znr Au&lellung dieser ebenso irrigen
wie ge fährlichen Theorie geiährt hat, welche das objeo«
tive Recht, das positive Recht und zuletzt die Uber der Ein«
zelneh Willen nnd Ueberzengung erhabene Gerechtigkeit
Jiinwegleugnet
Nachdem wir bei den verschiedenen Theorien über die
Katur des Gewohnheitsrechts gezeigt haben, wesshalb wir
nicht mit ihnen übereinstimmcu, kommen wir im Folgenden
zur Darlegung der hier vertretenen Theorie
Der Ausdruck Hecht sehliesst einen doppelten Sinn in
sich; entweder bedeutet er Recht im objectiven Sinne, das
heisst den Inbegriff der geltenden Rechtsgrundsätze, oder er
bedeutet Reeht im subjectiren Sinne, das heisst den „Nieder-*
schlag der abstraeten Regel zu einer concreten Berechtigung
der Person/' Der Inbegriff der geltenden Rechtsgmndsätze
ist aber nicHts andres als der Begriff der Nothwendigkeit,
nnd die eonerete BcTechtigung d^ Person deckt sich mit
dem Begriff der Freiheit. Daraus folgt, dass die beiden
Grundelemente des Rechts die Freiheit nnd die Nothwendig«
keit sind und dass, wie im Rechtsbegrifi das objective und
subjective Kecht untrennbar sind, so auch Freiheit und
cf. für das Fol^conde die Andcutuiij^eii bei liruiis loc. citat
p. 320 uud 8ch wauertb' Rede „Gesetz und üewohuheit."
- 12 —
Notbwendigkeit darin unlöslich verbunden sind. Im gemeinen
Recht findet nun der abstracto Begriff' des subjeetiven Rechts
seine Entwicklung darin, dass die Freiheit des Einzelnen
erst dann zum wirklirhcn Recht wird, wenn sie die olnective
Form erhalten, und diese objective Form ist Gesetz oder
Gewohnheit. Daraus ergibt sich, dass Ausdrücke wie Rechts-
überzeugUQg, Volksgeist, Rechtsbewusstsein, so lange sie
nicht in 'der Nothwendigkeit, im Gesetz oder der Gewohnheit
eine die Einzelnen beherrschende objective Macht gefunden,
auf reehtliehe Geltang keinen Anspruch machen können.
Gesetz ist Jede Setzung eines wirklieh gültigen und alle
bindenden objectiven Bechtssatzes. i) Darin ist ansge«
sprOehen, dass Gesetze nnr der anisteilen kann, welcher
alle dazn notbigen kann; wenn non diese Macht der NötU»
guug in einem Staate nicht blos die oberste Staatsgewalt
sondern auch Gemeinden und Corporationen haben, so folgt
daraus, dass alle diese soweit ihre Macht reicht Gesetze
geben können, und dass es blos ein auf dem wörtlichen
Ausdruck beruhender Unterschied ist, wenn man technisch
den Inbegriff der von der höchsten Staatsfj:ewalt aufgestellten
Sätze Gesetzesrecht, die von Gemeinden aufgestellten
Satzungen aber autonomisehes Recht nennt.
Der Begriff der Gewohnheit, zu dem wir jetzt übergehen,
erfordert eine längere Behandlung. Den Begriff der Gesetze
konnten wir einfach aus dem Begriff der Nothwendigkeit
darlegen, und konnten die Frage, wer Gesetze geben kann,
für wen und in weicher Form er sie geben kann, wie es
endlich nberhanpt gekommen,, dass Jemand Andern zwin«
gende Regeln vorschreiben kann, als eine ^ein Staats«
rechtlicho Frage hier fibergehen.- Beim Gewohnheitsrecht
aber müssen whr diese Fragen beantworten, denn das
Gewohnheitsrecht entsteht ohne den Staat.
Der Begriff dos Rechts beruht, wie wir sahen, auf der
nnzertrennlichen Verbindung von Freiheit und Noth wendig*
keit. Ebenso beruht die Gewohnheit auf einer untrennbaren
i) cf. Windscheid Fand. § 14
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13
Verbindung von Freiheit und Nothvvendi^^keit. Hierin liegt
schon angedeutet, warum die Gewohnheit, wenn sie Rechts^
gcwohnheit ist, au sich tliat.sächlieh geltendes Kecht wird.
Das Wesen der Gewohnheit ist innere Not h wendig*
keit. Dass dem so ist, lehrt ein Beispiel. Ein Spazier«
gängcr der auf seinem täglichen Weg einem Bettler begegnet;
gibt diesem, von Mitleid ergriffen, eine Münze. Am folgenden
Tag handelt er ebenso ans Mitleid. Nacb einer Woehe hat
er sieb angewohnt dem Bettler die MSnze zu geben, er
gibt sie nicht mehr ans Mitleid sondern ron innrer Noth«
vendigkeit getrieben; er handelt naeh einem zwingenden
Gesetz, aber das Gesetz ruht im letzten Grande anf seinem
Charakter, denn ein mitleidsloser Menseh wttrde ihm nicht
nnterliegen. Was hier bei dem Einzelnen der Charakter
ist, das, ist bei der Kechtsgewohnlieit eines Volks das
nationale Kechtsgefühl! Das Reehtsgefülil ruft, sei es mit
Absicht oder ohne Reflexion, eine den Intressen ent-
sprechende thatsiichliche Ordnung hervor. Durch gleich^
massige, anlanglicli willkürliche, allmählig unbewusste und
unfreie Wiederholung, durch das Gefühl der Gerechtigkeit
wie durch die Macht der Zeit \vird der Wille des Volks
gefangen genommen, es fühlt sich an die thatsächlicb vor^
handene Ordnung nothwendig gebunden, und hiermit ist
eben ans der thatsächlicben Ordnung eine Rechtsordnung
geworden, aus der sich die unbewusst befolgten Regeln ab-
strahiren lassen, deren Summe wur Gewohnheitsrecht nennen.
Wir dürfen den Grund der Rechtsgewohnheit daher weder
darin suchen, dass sich das Volk ein Recht schaffen will,
depn der Wille des Volks ist ein subjectiver Begriff, noch
dttrfen wir annehmen dass die Ueberzengung, dass schon
ein Recht vorhanden sei, den Grund der Kechtsgewohnheit
bilde, denn alle Ueberzengung ist etwas subjectives, wir
müssen vielmehr den Grund der Rechtsgewohnheit in der
reinsten Objectivität finden, nämlich in der Macht des Rechts-
sinnes, der auf nationaler Grundlage ruhend dem Rechts-
leben des Volks eine bestimmte Richtung gibt Die Uebung
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14
Ist mithin >) weder Entotehnngeatsache des Reebto (materia-
liBtisebe Ansicht), noch die Erscheinungsform desselben
(spiritoalistisehe Ansicht), noch endlich eine Entstehnngsform
(geineine Ansicht), sondern sie ist schlechthin die adssere
Thatsache der Geltnng des Rechts. Wie diese ideale Macht
entsteht, d. h. wie sich der BegfiflT der Freiheit in der Eni»
stchungsgescliiclite der Rechtagewohnhcit mit dem Begriff
der Nothwendigkeit einigt, ist, wie alle Kntj^tehuugs-
gescliicliten, zwar schwer aber nicht unmöglich darzulegen. —
So wie unter Menschen die Bedeutung der Wechselbeziehung
gefühlt wird, tritt eine Ahnung des Kechtsbcgrilfs ein, denn
dieses Geiübi inuss bei den Widersprüchen, die durch die
Willkür des Einen im Kampf ums Dasein mit der Willkür
des Andern so klar zu Tag treten, zu einer Ausgleichung
dieser Widersprüche führen ^j. In der 8elbsthülfe kann die
Lösung nicht gefunden werden denn diese führf zu der
Willkür zurück. Daher sucht das Recbtsgefühl eine andre
LSsnng. Ein Kampf der Intressen beginnt, Nützlicbkeits-
rücksiehten, Einfluss eines mächtigen Jnristenstandes, Vor«
nrtheOe, inertiae, alle diese Einflüsse führen zn einer
gleichmassigen Uebung. Dieser Kampf dauert so lange
fort bis unter der Macht der Zeit der thatsachliche Zustand
ein rechtlicher geworden, bis das Rechtsgefühl zu einem
unbewusst befolgten objectiven Kechtssatz geführt hat, der
mit idealer Macht das Volk beherrscht. In dem Momente,
wo in der constanten Handlungsweise das Gefühl: so musste
es geschehen! zum Gefühl der rechtlichen Kotb wendigkeit, zur
Objecti?ität erstarkt, ist das Gewohnheitsrecht vorhanden.
Ans dieser Entstehungsgeschichtei die wir noch heut he«
obachteoi folgt, dass Jeder Rechtsgewohnheit ein Kampf
zwischen ringenden Elementen Torhergeht. Bei der Schilde«
mng dieser Elemente kdnnen wir nicht von kämpfenden
Rechten sprechen, wohl aber können wir die Ausdrücke:
>) cf. Bruns loe. dt pag. 321. ,
3} et*. Schwanert ^Gesetz und Gewohnheit" p. 20.
•
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- 15 -
Kechtsbewusstsein, Rechtsfiberzeugnng anwenden, denn sie .
gehören dem Subjectiven an. Zuvörderst iLann den Sieg
davon tragen die Volkssitte und das VolksbewoBStsein, indem
es die Lebensverhältnisse mit nationalem Reehtsgefdhl anl^
fasst und allmählig das in den Dingen selbst liegende
Prineip zur Anerkennung bringt^ wenn nieht sehen vorher
ein weiser Gesetzgeber demselben zum Sieg verhalf. Wenn
es aber aneh gewdhnlieh der Fall ist, dass in dem Streite
der Interessen das nationale Rechtsgefühl die Palme davon
trägt, wie ja aiicli die Gewohnheiten eines tüchtigen Mannes
seinem Charakter entsprechen, so kann dennoch auch ein
in der Natur der Sache nicht begründeter Brauch zum
Rechtssatz erhohen werden, indem das was als das Er^
gebin'ss des Zufalls oder der Willkür erschien allmählig im
Geiuhl rechtlicher Nothwendigkeit geschieht. Hierbei muss
man sich freilich vor dem Irrthum hüten, dass nur durch die
Kraft der Zeit ans dem factum ein jus werde ! Ks bildet
sich in der Zeit nach dem Gesetz der Continuität das Ge«
fühl der reehtUehen Nothwendigkeit; da dieses nun stets
dasselbe sein muss, so ergibt sieh, dass auch das sogenannte
«»Herkommen" sieh mit dem Begriff der Rechtsgewohnheit
deekt. Aber noch ein drittesElement kann in dem Kampf den Sieg
davon tragen, der Juristenstand mit seinen Meinungen. Die
Maeht dieses Standes kann unter besonderen Umstanden so
wachsen, dass er selbst Im Widerspruch mit den Ansehau»
ungen des Volks seinen Meinungen eine solche Anerkennung
verschafft, dass sie zu einer objectiven herrsehenden Macht,
zur Rechtsgewohnheit werden. Das glänzendste Beispiel .
ist die auf Gewohnheit sich stützende Reeeption der fremden
Rechte in Deutschland. Anfangs gegründet auf die com-
munis doctoncin opinio tasste man das fremde Recht
später als Gerichtsgebraueb, Praxis auf^ die Wahrheit ist,
dass, weil dem Volk die Anwendung des Römischen Rechts
zur Rechtsgewohnheit geworden und weil die äussre Macht
des Juristenstands bewirkte, dass sich die Deutsehe Nation
1) ef. Schi Her piax. for. Exerc IL § i.
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daran thatsächlich mit Nothwcndigkeit gebunden fühlt, die
Verbindlichkeit des Küuiischcn Ueclits im Ganzen unanfecht*
bar ist, denn der abweicbenden Meinung Einzelner fehlt
es an der bindenden Macht.
Wir sehen, dass wir in der Entstehungsgeschichte der
Keehtsgewohnbeit zwar keinen- Grund für die Gültigkeit
der Rechtsgewohnheit, finden, weil diese in sich selbst
d. h. in der Thatsaehe der vollzogenen objeetiven Hechts*
norm ihre rerbindendcf Kraft hat, für die es gleiehgaltig
is^ ob sie den Sieg dem Rechtsgetühl . des Volks, dem
Jnristenstand oder dem Znfall dankt, aber nichtsdestoweniger
war diese Entstehungsgeschichte iür die Lösung unserer
Frage von der grössteu Wichtigkeit, weil wir daraus die
Bedeutung der Römischen Kechtssä^ze über das Gewöhn*
heitarecht und über die Macht desselben gegenüber dem
Gesetze entnehmen. M'ir finden Ireilidi darin keine Theorie
des Gewohnheitsrechts, aber wir finden ja überhaupt in dem
recipirten Stoffe nicht ohne weiteres unser Civilrecht, denn
in dem heutigen Komischen Recht steckt die Arbeit des
modernen £aropa's. Die Römer gaben nns den Inhalt, die
• SystematisiruQg der Rechtsbegriffe ist unsre Aufgabe. Diese
ist nm so schwerer, je abstracter der Begriff ist, nnd so
konnte db Theorie des Gewohnheitsrechts von den verschie«
denen Jahrhunderten' ganz verschieden anfgefasst werden.
Is^ doch die Gmndlajge ansrer Auffassang, dass alles Recht
die snbjective FreihiBit zum Ausgangspunkt und zum Ziel
hat, aber nur zum wirklichen Recht wird, wenn es In der'
herrschenden Form der Nothwcndigkeit, in Gesetz oder in.
Gewohnheit, hingestellt ist, auch keineswegs mit so dürren
Worten im Römischen Rechte zu finden, sie ergibt sich
aber klar aus seinem Inhalt und Geist! Indem wir also
von diesem Geist des geniL'inen Rechts ausgehend die
Frage: ob Gesetze durch Gewohnheit aufgehoben werden ?
zu lösen suchen, befinden wir uns nicht, wie Adickes
(Zur Lehre von den Rechtsquellen etc. 1872 p. 5) sagt,
„„weil wir den Glauben an die formelle Autorität des cor-
pu» jurU aufgegeben hatten, in einem argen Dilemma, und
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— 17
SDohen qdb nicht durch philosophische Dedactionen die
Lücken der Lehre zu verdecken""; wenn sieh femer Franz
Adickes „die Frage anbringt, wie die ans solchen philo**
sophischen Erdrterangen abgeleiteten Satze unmittelbar
geltendes Recht sein können?" so bekennt er, dass er den
Begriff des heutigen BSmisehen Reehts miBSversteht. Sollte
aber, wie es scheint, Adickes unter dem Glauben an die
formelle Autorität des „corpus juris^' die Meinung verstehen,
dass man ohne alle Abstraction bei der Behaudiunj^ dieser
Frage durch einfache buchstabengläubige Citatc aus dem
corpus juris eine Lösung tinde, so braucht ein solcher Glaube
von Niemandem erst aufgegeben zu werden ! Diese Ab?
Schweifung möge ihre Entschuldigung darin finden, dass in
der Schrift von Fr. Adickes jede Lösung unserer Contro-
verse ohne die Anerkennung der ,,8nbjecti7en Vernunft als
Rechtsqnelle" mit naiver Kühnheit als unmöglich bezeichnet
wirdi
Wir müssen hier noch der Auffassung gedenken, welche
die Praxis unter das Qewohnheitsrecht stellt. Diese Pnuds
hat mit der Rechtsgewohnheit nur das eine gemein, dass
sie sich unter einer nndohtbaren Autorität bildet, aber diese
Autorität ist hier nicht das unbewusste Reehtsgefdhl, sondern
die kritische Ueberzengnng des Richters, also etwas sub-
jectives. Wollte der Richter diese Kritik verleugnen, so
wäre dies einer der schlimmsten Fehler der Justiz, nie aber
liechtsgewohnheit. Wohl soll die kritische Ueberzeugung
vorhergehende Urtheile beachten, aber an eine schlechte
Praxis sich nie gebunden fühlen, es müsste denn diese
Praxis sich schon zu einem eigentlichen Gewohnheitsrecht
verwandelt haben; erst an ein solches im Volk erstarktes
Gewohnheitsrecht ist der Richter gebunden; non exemplis
ted legibus judicandum est. (c£ const. 13 cod. de sent. 7,45.)
Endlidi haben wir hier noch des Ausdrucks „Obser«
Tanz" zu gedenken, d. h. des von Corporationen ausge«
bildetMi Gewohnheitsrechts. Wie das Gesetz zum Statut so
verhält sich die Rechtsgewohnheit zur Observanz, ihr Unter»
sehied liegt nur in der Beschränkung der Grenzen* Da nun
. 2
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18
im Ganzen der Theil mitbegriffen ist, so haben wir hier
keine besondere Abhandlangf über die Maebt der Observanz
nötbig.
Ans den im vorigen Absehnitt anfgesfellten Begriffen
wird sieb die Lösnng der Controverse ergeben. Allein ehe
wir zu dieser selbst Übergehen, mttssen wir noob der Er«
fordemisse des Gesetzes nnd der Gewohnheit gedenken.
Dies wird um so nöthi^^^r sein, als man an die Rechtsge«
wobnheit, wenn sie das Gesetz aufheben soll, theils Erfordere
nissc ;?estellt hat, die nie zu ihr geliörcn, theils Aulordei ungen
als ^^anz besondere hervorj^chobcn hat, die stets bei ihr vor?
banden sind. Ebenso ist man bei dem zu derogirenden
Gesetz verfahren. Diesen Irrthümern lässt sich nicht besser
vorgreifen, als durch eine kurze Charaktcrisirung der für
Gesetz und Gewohnheit allein, aber stets nöthigen Erfordernisse.
Das Gesetz als Satzung eines wirklich gültigen ob-
jeetiven Rechtssatzes kann nur in dem Mangel der äussern
Erzwingbarkeit seine Grenze finden and seine Maeht reicht
soweit als die Maeht dessen reicht, der es setzt. Dass diese
Maeht in den Forderungen der Vernunft, der Sittlichkeit,
des Wohls, faetische 'Grenzen hat, liegt in dem Begriff des
Kechts, welches stets unter den ethischen Forderungen steht.
Sehwieriger sind die Erfordernisse der Rechtsgewohnheit •
zu finden. Zuvörderst ist nöthig, dass der Handelnde im
Gtefilhl des Gebnndenseins an die thatsächlicb vorhandene
Ordnung des Verkehrs handelt. Hierunter ist die schon
von den Römern verlaugte opinio necessifatis zu vcrstehn;
wir übersetzen sie am besten durch „Gefühl der Noth wendig-
keit." Der Betreffende handelt frei ohne Vorschrift und
doch niclit willkürlich nach jedesmaligen Gründen, er muss
fühlen, dass er von der objectiven Rechtsordnung gezwungen
noth wendig so handeln müsse wie er handelt; daher ist
Jedes gleichgültige Thun, daher sind alle res merae facidtath *)
ausgeschlossen. Ferner sind alle die Gewohnheiten im
natflrlichen Sinn, die blos als eine stetige Wiederholung
1) ef. Btthlan loe. eit. p. 827.
I
— 19 —
gewisser Vorgänge erscheinen und ihren Grund nnr In dem
Satz haben: conmetudo est altera natura, von der KechtS*
gewohnheit zu trennen. Freilich ist es möglich, dass die
Gesetze auch auf diese iiatürliclien Gewohnlieiten Rücksicht
nehmen und desslialb sind dieselben so oft mit der Rechts-
gewohnheit vcrwccliselt worden. Wenn es z. H. in einer
Stadt Ortsgebrauch ist, den Dienstboten das Handgeld zu
lassen, so wird dieser Ortsgebrauch nach dem Satze ea quae
sunt moris vd cnnsududinis in honae ßdei judUüs debent
venire in andern Fällen berücksichtigt werden, vorausgesetzt,
dass die Parteien die Sitte kannten nnd sich ihr still-«
schweigend unterwarfen; auch trifft der Beweis dieses
Qebranchs den, welcher sieh darauf beruft. Ganz anders
steht es, wenn eine Rechtsgewohnheit vorhanden ist; sobald
CS ersichäieh ist, dass ein tuOuraU negotii befolgt wird, weil
man sieh durch eine zwingende Rechtsregel des Verkehrs
dazu gezwungen ftlhlt, kommt es auf Kenntniss der Parteien
nicht an, noch haben sie den Beweis zu bringen.
Ein weiteres Erforderniss ist, dass die Rcchtsgewohns
« heit nicht eine vereinzelte sein darf, hierin liegt schon von
selbst das weitere Erfordcrniss einer gewissen Dauer. Auch
dies ergibt sich aus dem Begriff des ol)jectiven Rechts,
welches sich nicht unter einzelnen Individuen, sondern nur
unter dem Volk im ganzen, unter den Einzelnen aber nur
als Gliedern des Yclks bilden kann Dies Erfordcrniss beruht
aber nicht| nach der gemeinen Meinung, darauf, um aus
der Dauer das Vorhandensein der rechtlichen Uebcrzeugung
entnehmen zu können, sondern darauf, dass das objective
Keeht als Machtbegriif nicht • von vornherein gegeben ist/
sondern eine gewisse Daner braucht, um sich seine Macht
zn erkämpfen. Das Gefilhl des Gebnndenseins an die that-
säehlieh vorhandene Ordnung des Verkehrs ist nicht mit
einem Male vorhanden und kann sich nicht in einem Ein»«
zelnen, sondern nur im ganzen Volk oder in einem Kreis
desselben manifestiren, es bedarf der Macht der Zeit, ehe
die Acte der Willkür allmählich zu unwillkürlichen Handlungen
werden, che der Wille des Eiuzeluen so weit gefangen
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genommen wird, dass er sich der nationalen Neigung fügt,
kurz ehe seine subjeetive Freiheit sich der olyeetiven Noth«
wendigkeit unterordnet Die Zahl der Handlungen, ihre
Dauer und ihr üm&ng ist natilrlieh dem Ermessen des
Biehters zu Überlassen, und mit richtigem Taet finden wir
in dem corpus juris auch nieht eine Stelle, welche etwas
Anderes wollte, als dar&ber allgemeine und zwar im höchsten
Grad allgemeine Anhaltepankte zu geben. (1. 32 § 1. D.
I. 3. — 1. 33 § 1. D. cod. — 1. 35 § 1. D. eod. - 1. 1. cod.
8. 53. — 1. 2. cod. 8. 53 — 1. 3 cod. eod.). Demnach
ergibt sich bei fehlenden Hestimmungen des Römischen
Rechts für den Richter aus der Natur der Rechtsgewohn*
heit, dass nach der Verschiedenheit der kämpfenden
Elemente, welche in ihr den Sieg davon tragen, bald eine
längere bald eine kürzere Daner, bald eine grössere bald
eine geringere Zahl von Handlungen ihm genfigen muss, um
eine Recbtsgewohnheit als solche anznerkennen.
£in weiteres Erfordemiss iür die Annahme einer Rechts-
gewohnheit ist die Gleichförmigkeit der Handlungen, d. h.
die einzelnen Acte dürfen nicht durch Acte der Niehtttbung
oder Acte einer entgegengesetzten Uebung au%ewogen
werden. Auch hierf fir ergibt sich der Qrund Idcht aus der
Natur der Bechtsgewohnheit, denn so lange noch keine
Gleichförmigkeit der Handlung vorhanden ist, ergibt sich,
dass die Intressen noch kämpfen, dass die vorhergehenden
Wiederholungen noch willkürliche waren, bei denen man
sich von allem Andern leiten Hess, sich aber nicht mit Noth-
wendigkeit an die über den Intressen erhabene Macht des
objectiven Rechts gebunden fühlte. Die historische Schule
wendet hier ein, dass trotz abweichenden Acten ein Gewöhn*
heitsrecht angenommen werden könne, wenn die Acte nur
nicht sich nicht mit der Annahme einer gemeinsamen
„Ueberzeugung" vertragen oder die Existenz derselbeii
wieder ins Ungewisse stellen. Auch nach unsrer Auffassung
lasst es sich recht wohl denken, dass einzelne ungleieh»
1) Puehta Gew. Beeht IL p. 91 ff.
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— 21 —
artige Handlangen die Beihe nnterbreohen k$nnen, ebne
die Rechtsgewohnheit in Frage zu stellen, diese müssen •
aber von der Art nnd Zahl sein, dass man darin nur ein
nicht gerechtfertigtes subjectives Sichloslösen von der trotz«
dem herrschenden Norm erblickt. Wenn Puchta (Gewöhn«
heitsrecht II p. 91) meint, dass man bei dieser Frage ledig*
lieh auf innre Gründe verwiesen sei, so dürfte dagegen zu
erwidern sein, dass gerade aus den so kurzen Andeutungen
der Römer (1. 3 cod. h. t. — 1. 3 pr. cod. de pr. schol. 12,30 — )
zu achliesscD ist, dass sie die obige Ansicht theiiten, denn
in der That ist aneb diese Frage in das Ermessen des
Biehters zu stellen.
Damit wären eigentlich die Erfordernisse der Rechts*
gewohnbeit ersobSpft, denn was man nach der viel bestritt'
nen Stelle 1. 39 D. 1. 3. „qvcd wm ratione i$aroduckm nd
errore pnmuim demds conmetudine obtenium ed, in a2m Mm»-
Uhm non obtinutf* zn veriangen hat, ist in der opmto »wce»-
nfofw sehen enthalten. Die Stelle erlaubt zwei Anffassnngen;
entweder kann man annehmen, dass ein Satz irrig als
Rechtssatz eingeführt wurde und nun aus Gewohnheit fest*'
gehalten wird; hier wird der Richter in den „nächsten
gleichen Fällen", wenn es offenbar ist, (cf. Fabri rationalia
etc. MDCXXXI. de leg. S. C; 1. I. tit. ÜI. pag. 43) dass
die Uebenden, wenn sie selbst auf das, was als Trrthum
erscheint, aufmerksam gemacht worden wären, es als Irrthum
erkannt hätten, darin nicht die Macht eines objectiven Rechts
' erblicken. Nun ist es aber sehr wohl möglich, und ist
durch viele Beispiele zu beweisen, dass der irrige Grund
der Einfibmng ganz vergessen wird und der Satz tbatsachlieh
als Reebtssatz herrscht. Dann, natürlich nach längrer Zeit,
ist eine Rechtsgewohnbeit vorhanden nnd der Richter wurde
nach subjeetiver Ueberzeugnng, nicht aber nach objeetivem
Recht urtbeilen, wenn er, weil er den Satz für Irrtbnm halt,
ihn nicht befolgen wollte. So yersncbten in Mecklenburg die
Achter, welche erkannt hatten, dass der SM di» mt«r»
peüat pro homine irrig und unbegründet sei, vergebens den
Satz, der unabhängig von allen Theorien Rechtsgewohnheit
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— 22 —
geworden, an&iihebeii (of. Bdhlan loo. dt. § &4 p. 33 1).
Folgt man aber der andern Anffassang, dass nnter dem
non ratume iwtroduetam Missbrauebe verstanden seien, die
den Gmndsätsen der sittlieben nnd bnrgerlicben Ordnung
widerspräcben (cf. PHGO § 218), so ergibt sieb, dass damit,
dass dieselben nie die Kraft eines Gewobobeitsreebts er«
langen können, ebenfalls kein neues Erforderniss verlangt
wird. Das Recht steht innerhalb der logischen Ucnk|j^esetze
und innerhalb der sittlichen An8chauun.:j:en eines N'olkcs,
und kann sich mit diesen auch nicht als Gewohnheitsrecht
in Widerspruch setzen, denn seine Macht wurde als eine
von vorn herein jenen unterliegende nie eine zwingende
objective Macht werden. Nur rauss man hier betonen, dass
eineslbeils unter UnvernUnftigkeit nicht Unzweckuässigkeit^j
zn versteben ist, anderntbeils aber jedes Volk seine eigne
Vernunft und eigne sittliche Ordnung besitzt, welche sich
bei dem nämlieben Volke wieder im Laufe der Zeit ändern ^)
nnd hiermit die Ansprftcbe an das Reebt verandern kann.
Denn „die Vernunft ist gleiob einem weissen Blatt, das
Jedem mitgegeben ist nnd von Jedem mit den yersobieden»
Bten Salzen besebrieben wird (Pnebta Gewr. II. 50)." So
dürfte hiermit erwiesen sein, dass die Erfordernisse der
Hechtsgewohcbeit nicht nur mit den Consequenzen aus dem
•) Unter einer solchen unzweckmässigen (Jowohnheit ist die zu
verstehen, welche die Glosse ad 1. ö9. D. 1. c. erwähnt, nach welcher
in Bononia der Fuhrmann von der Haftung befreit war, si dominus .
vini impüsuerit manum ad plaustrum, wcunglcich nur in der Absicht
der Uitterstiltiiiiig.
S) Hierfür bieten die Basiliken ein BeUpiel. Bort helBst die
Stelle 1. 39 B. 1. -8: „tft p.^ (ut4 Xo-ytifAoS tlnwi^h, x«t4 icXdvijv
%a\ owtfiuctw xpaTTjootv ou 8 st xparsiv toT; &fj.o(ote. Ztt |«t4 X^YtOfMl»
fügt die Glosse das Beispiel : ,(u; to )i)6v«t ^innixi tcp IXiu9spo'j^£vi{>
OTiep dXoYtarov ij/oXiaev ßaatXuf,; tote -y^p xpotTCt xh ISoc
oTav iorlv ejXoy'V. Das paniapia oto'ivai vertrug sich nii ht mehr mit
den verfeinerten Sitten. Umgekehrt wird im 16. Jahrliun«lert bei
uns Vieles als „böse Gewohnheit" gegolten haben, was wir heut
nieht mehr als solche betrachten. leh erinnere nur an die mit dem '
Aberglauben saaaiiimen hSogenden HeinangeD.
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I
. — 23 —
oben anfgestellteii Begriff aberemBtinunen, sondern dadurcb
erat Ihre rechte Belenchtung erhalten.
Aas den hiermit genngsam bestimmten Begriffen des
Gesetzes und der Gewohnheit ergibt sich das logische
Kesultat, dass da^^ Gewohnheitsrcclit als eine objcctive Macht,
die das Volk auch ohne meinen subjectiven Willen bindet
und das Gesetz, als die objcctive Maeht eines verbindenden
llechtssatzes, hinsichtlich ihrer Kraft und Geltung dieselbe
Bedeutung haben, und dass diese Gleichstellung^ keine der
Veränderung unterliegende ist. Aus der objectiven Macht
des Gesetzes folgt, dass das Gesetz die Entstehung eines
Gewohnheitsrechts verzögern, ein bestehendes derogiren
kann, ans der objeetiven Macht des Gewohnheitsrechts
ergibt sieh, dass dasselbe, weil es Ja nicht der Ausfluss
eines subjectiven Volkswillens ist, auch dem Staat die Kraft
znr Aufrechterhaltnng seines Willens nimmt und seine früheren
Gesetze derogirt. Gesetze werden anf gehoben durch
Gesetze an d Gewohnheiten ! Das Gesetz ist objectives
Recht nnd die Rechtsgewohnheit ist objeetives Recht; wenn
das spätere Gesetz das frühere aufliebt, so heisst dies ebenso
viel als das spätere objectlvc Kecht hebt das frühere
objeclive Recht auf. Mithin niuss auch das spätere objective
l^echt in Form der Reclitst^ewolmheit das frühere objective
Kteht in der Form des Gesetzes aufheben. Es ist kaum
nöthig hinzuzulügen, dass Gesetze, welche auf den höheren
gegenwärtig herrschenden Priucipien der Lt^gik, der Religion
und der Sittlichkeit beruhen, zur Zeit jener herrschenden
Frinoipien durch entgegenstehende Gewohnheiten nicht dero«
girt werden können, weil das Recht eben unter jenen höheren
Ansprächen steht. Obwohl diese Ansicht für das gemeine
Reeht als die gemeine gelten darf, so ist sie doch nur 'sehr
selten ganz unbedingt zugegeben worden, und zwar hat sich
die Opposition stets anf den Widerspruch zweier Stellen des
corpus juris gestützt, bei deren Vereinigung jede Theorie
des Gewohnheitsrechts versucht hat, ihre Ansicht zur Geltung
zu bringen. Ehe wir daher die weiteren Consequenzen
ziehen, ist es nötbig auf diesen Widerspruch jener Stellen
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— ä4 —
näher einzugehen, und darzulegen, dass es in dem recipirten
B«Ght denuooh keine von der obigen abweichende Ansieht
gibt
Die sehlechthin gleiche Kraft des Gewohnheitsreehto
wird im Komischen Recht >) ofFbn tmd klar in der L 32 D.
de leg. 1,3 aasgesprochen. Dort hdsst es „motteraUi oon-
muinäo pro lege non immerUo evoMUwr et hoe edjua quod
dieUur morüm eomtiUitttm — rectitBrniß etiam tÜnd rectplmi
ett tU tegea non schm suffragio [legidatorü] ied etiam taeüo
eonamgu omnkm per demetudinem ahrogerUur/* Demselben
Geist entsprechen die Stellen : § 7 J. de inj. 4,4, — nov.
LXXXIX cap. XV, — 1. uo. pr. cod. de cad. toll. 6,51, — .
•Scheinbar im Widerspruch hierzu heisst es in 1. 2 cod. quae
sit long. cons. 8,53: „consududinls itsusque longaevi non
vüis auctorüas est, sed non usque adeo sui v al itura
momento ut r ationem vincat aut legem/' Daher ist
über diese Stelle und die ob.en erwähnte 1. 32 D. ein heftiger
Streit entbrannt, der meist in der falschen Auffassung des
Gewobuheitsrechts als subjectiven Volkswiüen seinen Grand
hat. Man wird die Entscheidungen der so bestrittenen
Controveise am besten in solche äieüen, welehe dem Gewohn*
heitsrecht nicht die gleiche Kraft wie dem Gesets sosprechen
and in solche, welche ihm dieselbe zwar sosprechen, aber
ans einem fiilschra oder nicht in den Stellen enthaltenen
Grande. 2)
Zavörderst ist die Ansicht snrftckzaweisen, welche an-
nimmt, dass durch dieses Gesetz die Möglichkeit der Auf«
hebung der Gesetze durch Gewohnheit schlechthin ausge»
schlössen sei, weil die Stelle des codex die Digestenstelle
aufhebe (cf. Baron Fand. p. 12), denn Institutionen, Digesten
und Codex gelten als ein Gesetzbuch und im Sinne Justiz
nians müsste die Antinomie aus Innern Grilnden entschieden
werden,
1) Auch die Griechen theilten diese Ansicht, cf. Aristoteles
polit. III, 2,: „Ixi xuptuircpot xal iztpl xupiu)tip(uv Ttüv xaxa fpdit.\tax(i
v6|Uov ot «oti ta 187).
9) cf. P«chta Qewhts.-Becht IL p. S08.
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£beii80 entscbieden spricht dem Ctewohnheitsrecht der
Glossator Placentiu die derogirende Kraft ab, indem er be«
hanptet, die in der 1. 32 D. vorgetragenen Grundsätze seien
repnblikaniseh nnd könnten unter einer monarchischen Ver»
fassung unmöglich gelten (cf. Placentin summa in cod. h. t.;
Haenel Dies. dom. cod. chis. § 46; Irnerins und Martinns
in Gloss. ad leg. 2 cod. h. t.). Hierin Hegt eine Verwechs«
lung der nationalen Grundlage des Keclits mit der politischen,
die schon so oft gerligtc Verwechslung des subjectivcn Volks- .
willens mit der über dem Volke stehenden objectivcn Macht
des Rechts. Da nun dieser irrthum von den Glossatoren
bis auf unsi e Tage sich forterbt^ ist es an dieser Stelle an^
gemessen, zu prüfen, ob die Kömischen Juristen sich wirklich
desselben schon schuldig gemacht haben. Man darf bei
dieser Untersuchung nicht auf die einzelnen Ausdrücke wie
auf ,^acitus eoMensus*^ Gewicht legen, die bildlich gemeint
sind, sondern mnss die ganze lex 32 h. t ins Auge fassen.
Die Neueren schliessen aus dieser Stelle, dass die Römischen
Juristen die Kraft des Gewohnheitsrechts auf die gesetz«
gebende Gewalt des Römischen Volks zurückgeführt hatten,
das, wie in den Comitien, so durch concludente Handlungen
Reehtsnormen auüstellte. Allein der Römische Jurist will
nur den Grund der gleichen Geltang des Gewohnheitsrechts,
die ihm von vorn herein fest steht, durch die Kömische
Anschauung von Gesetz und Gewohnheit erklären Gesetz
ist den Römern der Willensa et des geordneten Volks,
des Staats, hierin hat es seine bindende Kraft und nicht in
der Volksüberzeugung. Ebenso ist das Gewohnheitsrecht
den Körnern der durch unmittelbare Betheiligung ausgedrückte
objective Volkswille. Durch den Ausdruck „rebus ipsis
et factis" wird die Rechtsgewohnheit bezeichnet, diese res
et facta haben aber nicht io der ihnen etwa zu Grunde
liegenden Ueberzeugung ihre bindende Kraft, sondern er-*
halten diese erst, wenn sie in der longa eoneuetudo eine
objective Reehtsordnung geworden sind. Indem man nun
in dieser sich objectivirenden Rechtsordnung, in der Rechts«
gewohnheit, ebenso wie im Gesetz einen Willensact des
0
— 26 —
Volks sab, suchte man hierdurch die Gleichberechtignng YOn
Gesetz und Gewohnheit zu erklären, war aber weit davoo
entfernt, den Grund der Kraft des Gewohnheitsrechts in dem
siihjeetiven Volkirwillen, etwa in den Bandinngen der
Einzelnen sich sonst auf dem forum versammelnden Bürger
zu finden. Freilich musste der Ausdruck. Julians, der an
Unklarheit leidet, die Glossatoren, die vergeblich bei den
RSmern nach einer Theorie des Gewohnheitsrechts suchten,
zu jenem verbreiteten Irrthum führen.
Indem man an dieser Unterscheidung der Glossatoren
zwischen Republiken und Staaten mit monarchiHchcr Ver-
fassung]^ fest hielt und von der AutVassung ausging, dass in
letzteren die Unterthanen, die ja sonst an der gesetzgebenden
Gewalt keinen Antheil bätten, sich auch nicht durch das
Gewohnheitsrecht ein Hecht setzen dürften (cf. Cocceji ius
controvers. civil, l. 1. Tit. III. Qu. XIV. „iura majestatU
involverent^^ etc.), war nichts natürlicher, als dass man zu
der Ansicht kam, das Gewohnheitsrecht als die angemasste
Gresetzgebnng der Unterthanen gelte nur dann, wenn es
vom Gesetzgeber gebilligt seL Ueber die Art dieser Billi-
gung herrschten die verschiedensten Ansichten, und es enU
stand eine reiche Oasnistik, welche einen ausdrScklichen,
stillschweigenden, allgemeinen und speciellen Oonsens des
Gesetzgebers zu unterscheiden wnsste.
Für das Ende des vorigen und den Anfang dieses
Jahrhunderts kann diese Ansicht lür die herrschende gelten.
Mit der Anschauung, dass das Kecht nicht auf mechanischem
Wege entstehe, ist auch die Beschränkung des Gewohnheits*
rechts aus diesen Gründen weggefallen.
Verschieden von der Ansicht, dass das Gewohnheitss
recht der stillschweigenden Duldung des Gesetzgebers seine
verbindliche Kraft danke, ist die Ansicht Wächters (Würtemb.
Privatr. II , p. 37 f.), welcher den Gesetzgeber die negative
Ursache der Gewohnheit nennt, insofern er sie verbieten
könnte und nicht verbietet. Was hier negative Ursache
genannt wird, ist nichts anderes als die Thatsaohe, dass
es dem Gesetzgeber frei steht, durch ein Gesetz die Ge«
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wohnheit aufzuheben nach dem Satze : lex posterior derogat
priori. Auch darf man damit nicht die Meinung verbinden,
dass ein Gesetzgeber von vorn herein eine sich künftig
gegen ein Gesetz bildende Gewohnheit durch ein Gesetz für
immer verbieten könne, denn auch eben dies Gesetz kann
durch Gewohnheit aufgehoben werden. Nach Vangerows
Ansicht freilich soll dies in 1. 2 cod. ausgesprochen sein.
Dagegen ist einzuwenden, dass, wenn wirklich die Stelle
diesen Satz aufstellen wollte, im gemeinen Recht eben kein
Gkisetz Toriiegt, welches das Gewohnheitsrecht in dieser
Weise beschränkte, denn sowohl im BSmischen Recht als in
den Reichsgesetzen ist seine Kraft vollständig anerkannt;
darnach wäre der Satz f&r das gemeine Recht ein mttssiger.
Dass aber auch fttr die neueren LandesgesetssbScher, in
denen ein solches Verbot iactiseh yorkommt, Vangerows
Behauptung nicht richtig ist, wird an andrer Stelle bewiesen
werden.
Auf ähnlichem Grunde ruht das von Andern aufge*
stellte Erfordcrniss der Gerichtlichkeit : nur eine schon in
coiüradictorio jitdicio anerkannte Gewohnheit sollte die
Kraft haben Gesetze aufzuheben. Dieser Irrthum stützt sich
auf die Stelle 1. 34 D. 1,3. Schon die Glosse zu den Basi«
liken verstand dies in dem Sinne, dass bei jedem Gewohn«
heitsrecht zu fragen sei, ob es gerichtlich anerkannt sei:
Tijc aovi]9e(flEc <)i^<poc fitxaoxixi] xa6Tr^^^ Ixupooev/' Allein dieser
Irrthnm wurde bald aufgegeben, indem man erkannte, dass
der Römische Jurist nur einen Rath und zwar einen vor«?
trefflichen Rath habe ertheilen wollen, indem er darauf hin«
wies, dass ein vorhandenes gerichtliches Urtheil den Beweis
des Gewohnheitsrechts erheblich erleichtere, (cf. A. Fabri
rationalia Hb, I tit. III ad 1. 38 h. t. pag. 43 und H. Do*
iielli comm. de iure civ. I. c X. pag. 23.) Mit dem
Erfordcrniss der Gerichtlichkeit fallt aber für die deroga*
torische Gewoliiiheit auch das Erfordcrniss der Oeffentlichkcit,
denn auch dieses beruht auf dem Gedanken der Nothwendig*
keit der Genehmigung. Ausserdem ist nach unsrer Auffassung
- 28 -
eine Veriieiiiiliehimg nicht einmal möglich, denn die Bechts*
gewohnheit ist die sich objectiTirende Macht des Reehts
Uber das Volk, von einer Yerheimlichnng aber kann nnr
bei sabjectiven Aeasserangeu, etwa bei einer „Bechtsüber«
Zeugung", die Bede sein.
Eine andre Meinung gibt zu, dass ein Gesetz durch
desuetudo aufgehoben werde, dagegen soll eine comuetudo
contraria nicht gegen das Gesetz auftreten dürfen. Diese
sich au den Buchstaben heftende, neuerdings noch von
Elvers vertretene Theorie findet sich in einer Glosse zu den
Basiliken augedeutet (cf. Gloss, ad 1. 3H D. 1. 3.). Allein
desuetudo und consuetudo contraria sind nicht zu trennen!
^ Aach bei der desuetudo muss Veranlassung zur Anwendung
des alten Gesetzes gegeben sein, und indem dasselbe eben
nicht angewandt wird, tritt ein andrer Rechtssats an die
Stelle. Dnrch reinen nan usus kann nie ein Gesetz anfge-
hoben werden, es sei denn, dass der Gegenstand des Gesetzes
fortgefallen sei, ein Fall, dessen Unterschied von dem vor«
liegenden klar herrortritt. .
Endlich yersnehte man den Begriff der Gewohnheit
noch dahin zn modificiren, dass man verlangte, es mtae
die Verjährungszeit hinzu gekommen sein, um der consuBtudo
derogatorische Kraft zu verleihen. Nirgend hat die Methode
der Glossatoren, die einzelnen Stellen des corpus juris zu
verbinden, um die eine aus der andern dem Wortlaut nach
zu erklären, grössere Verwirrung angerichtet, als bei den
Bestimmungen über den Zeitablauf der consndado. Während
Placentinus schloss, dass unvordenkliche Zeit uöthig sei,
verlangten Johannes Bassianns und Azo 10 Jahre, weil unter
longum tempus anderwärts ein solcher Zeitraum verstanden
werde. Spätere fordern bald 10, 20, 30 oder 40 Jahre.
(Cocceji ins eontrov. dv. 1. 1 üt HI. Q. XU.) Allein schon
Cn^jados fand, dass in den Quellen von einer unbestimmten
2<eit die Bede sei (Ciyac. paratitla in cod. h. t. und observai
lib. XX.), und Brunnemann weist diesen Irrthnm mit den
treffenden Worten zurdck: „consuetudo quanium tempw
re^irai airhürio judieia eomndtüiu»; Sed conßmdäw üa
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29 —
*
praetcripHo cum eoneuetudine, qtd solennU vetenm error at/*
Obwohl liiennit dieser Mimnis error beseitigt sehien, ver«
suchte er doch darch die Pforte des canoniBohen Bechts
wieder in das gemeine Recht sich einzuschleichen. Im Sinn
und' Geist der zu jener Zeit herrsehenden Lehre des ge«
meioeii Rechts wandten die Päpste die Lebre, dass gegen
die Kirche die Verjäliruiig 40 Jahre laufe, auch auf das
Gewohnheitsrecht au, und verlangten, dass eine Gewohnheit,
die ein Kirchliches Gesetz aufheben wolle, vierzig Jahre
lang geübt sein müsse (c. IIX. de cons. 1. 4 — c. 3 in Vl<*
eod. 1. 4. — c. 9 in VI» de off. ordin. l. 10. — c. 50 X.
de elector. 1. 6.). Nachdem man die richtige Ansicht, wenn
auch nicht über das Gewohnheitsrecht, so doch über die
^'erjäb^ung gewonnen, suchte man mit einer gewissen Aengst*
lichkeit diese Stellen des kanonischen Hechts zu beseitigen,
indem man in ihnen ein Hinderniss sah, die neue Theorie
gegen diese recipirten canonischen Stellen zu halten. Wind*
scheid mmmt an, dass dieselben durch die Praxis beseitigt
sind, Richtiger dürfte man mit Bohlau annehmen, dass die*
selben überhaupt über das Gebiet der eoneueludo contra jus
conüntcwn nicht auszudehnen sind. Die willkürliche und
unbegründete Annahme, dass nur eine sogenannte ho7ia
consueiudo ein Gesetz aufgeben könne (Haencl Diss. Domin.
§ 46 cod. chis. p. löl ), bedarf, da ihr in den Quellen jede
Unterstützung fehlt, keiner Erörterung.
So wenig Erfolg die Versuche, die Kraft des Gewohn*
heitsrechts gegenüber dem Gesetz durch Modification der
Gewohnheit einzuschränken, ausrichteten, ebenso wenig
Erfolg hatten die Bemühungen, für den Fall der Collision
den Begriff des Gesetzes umzuwandeln, um auf diese Weise
das Gewohnheitsrecht unter das Gesetzesrecht zu stellen.
Unter diesen Versuchen ist vor allen die noch heut sehr
verbreitete Ansicht zu'nennen, dass eine coruuetudo contraria
Dispositivgesetze, nicht aber gebietende oder verbietende
Zwangsgesetze aufheben könne. Der Vorläufer dieser Auf*
fassung war der Irrthum der Glossatoren, dass nur Gesetze,
welche dureh einen Vertrag abgeändert worden könnten,
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ao -
dnrcli Reebtsgewohnheit derogirt wBrden. (ef. Pnebta Gew.
R. IT p. 208 Anm. 13.). Wer von der als irrig widerlegten
Ansicht ausgeht, dass ein Gewohnheitsrecht sich auf Öeneh«
migung des Gesetz«^ebers stütze, kann allerdings nicht
zugeben, dass das jus cogens als der mibedingte Wille des
Gesetzgebers durch Gewohnheit aufgehoben werde, wer hin-
gegen nur in der Natur dieser beiden Gesetzesarten einen
solchen Unterschied finden will, wird keinen Grund dafür
finden können. Jus disposidmm nennt man ein Gesetz,
welcbes die Fälle seiner Anwendung so bestimmt, dass der
Privatwiile ein Verbältniss derselben entziehen kann, fus
cogens beisst ein Gesetz, welebes die Fälle seiner Anwendung
absolut festsetzt und jede Abweicbnng dureb Frivatwillen
verbietet. Der Untersebied bestebt also darin, dass bei dem
jm dispoüHmun die Anwendung ausgeseblossen werden kann,
beim^u« cogens dagegen niebt.
Diese Aufbebung im einzelnen Falle ist aber grund«
verschieden von der Aufbebnog des Gesetzes selbst, denn
neben der Ausschliessung im einzelnen Falle bc:»
steht das Gesetz als solches in voller Kratt.
Aufgehoben aber können Dispositivgesetze nicht leichter
werden als zwingende Gesetze. Wenn z. B. über ein natu-
rale negotii ein Gesetz besteht, welches eintritt, wenn nichts
unter den Contrahenten verabredet ist, und es tritt nun ia
den Fällen, wo die Contrahenten nichts bestimmt haben,
dieses Gesetz nicht ein, sondern ein anderes, so ist hiermit
der Wille des Gesetzgebers nicht weniger und nicht leichter
aufgeboben, als wenn z. B. dureb Gewobnbeitsreebt die
Testamentsform verändert wäre. Fragen wir, wober es
kömmt, dass von so vielen Neueren die Untersebeidung
zwiscben gebietenden und erlaubenden Gesetzen in fiezug
auf die derogirende Kraft des Gewobnbeitsreebts noeb fest»
gebalten wird, so finden wir, dass der Irrtbnm tbeilweise
auf der Verwechslung dieser in der ungenauen Auffassung
unhaltbaren Eintheilung der Gesetze, mit dem Gegensatz
des absoluten und des vermittelnden Rechts beruht. Es
wird nämlich oft der Fall sein, dass diese „gebietenden^'
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Gesetze desshalb keilie Abänderung gestatten^ weil dieselben
des Staatswobls und der gnten Sitten wegen keine Aende*
rung erlauben 1 Dass derartige Gesetze nieht durch Gewöhn«
heilsreeht aufgehoben werden, beruht aber nieht auf der
Form dieser Gesetze, sondern auf dem erwähnten Princip,
dass (las Kecht unter den Grundsätzen der Logik, der Reli-
gion und der Sitte eines bestimmten Volks in der bestimmten
Zeit steht. (1. 15 D. 28,7.) Nun ist es aber möglich, dass
auch den Dispositivgesetzen ein der sittlichen Vorstellung
wegen zur Zeit unantastbarer Grundsatz zu Grunde liegt.
Entstände nun eine Rechtsgewohnheit, welche da, wo keine
Privatdisposition vorhanden, einen der sittlichen Anschauung
nicht entsprechenden Kechtssatz einführen wollte, so würde
dieselbe aus demselben Grund nicht auf rechtliche Geltung
Anspruch haben, wie wenn sie sich gegen ein jus cogens
gebildet hatte. Allerdings werden solche Fälle bei den
Dispositivgesetzen seltener seiui weil fiestinunungen, welche
ausser Anwendung gesetzt werden können, meist auf gleich»
gftltigen Verhältnissen beruhen. Hiermit durfte der heut
noch weit Tcrbreitete Irrthnm hetreffs des Unterschieds
zwischen leges eogentes und leges dispositivae in seinem Ent*
stehungsgrundc erklärt und seine Unhaltbarkeit nachgewiesen
worden sein.
Um die Reibe der Ansichten, welche in der Vereinigung
der beiden Stellen nur durch eine Beseliriinkung die Lösung
finden, mit derjenigen zu schJiessen, welche auf dem Punkte
steht, die Gleichberechtigung von Gesetz und Gewohnheit
anzuerkennen, aber gleichsam noch in der zwöliten Stunde
dem Gesetz eine stärkere Kraft zutheilt, soll hier noch von
der Ansicht Jägers in Lindes Zeitschrift (I^ pag. 430)
die Bede sein.
Nachdem vom Verfasser die Frage, ob ein Gesetz durch
Gewohnheit aufgehoben werden kann, higaht ist, fährt er
aus, dass es sich in der Godez^Stelle um einen eonoreten
Fall handle, wo eine bestehende Gewohnheit oder eine
ebenfalls noch gültige lex zur Anwendung kommen soll.
Bei diesem Widerstreit soll für den einzelnen Fall die lex
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— 32 —
den Vorzug haben. Dies Dilemma ist ein nur von Jäger
herbeigeführtes ! Entweder ist der thatsächliche Zustand za
dnem rechtlichen geworden, so dass sich jeder an die Ord^
nnng gebunden fohlt, dann ist daneben kein noeh gültiges
Gesetz denkbar, od^r die Macht des Gtesetaees ist noob so
gross, dass sich daneben keine Bechtsgewohnheit bilden
konnte, dann ist eben neben dem Gtesetz .keine Rechts»
gewohnheit möglich. Der wahre GManke, welcher dieser
Anschaonng za Grande Hegt, ist der, dass die Macht der
Recbtsgewohnheit viel lan^sumcr zu Tu^^e tritt als die Macht
des Gesetzes, und dass der Richter nicht aus Zweckmässig-
keitsrücksiehtcn zu früh ein Gesetz nicht anwenden darf.
Wollte m;ui entgegnen, dass ja der Fall eintreten könne,
wo die beiden kämpfenden Mächte, das Gesetz und das
Gewohnheitsrecht, als völlig gleich sich gegenüber stehen,
80 durfte dies immerhin sophistische Dilemma, von dem in
der Stelle nicht die Rede ist, doch nicht unlösbar sein. Es
würde, am ein Bild zu gebrauchen, nach dem Gesetze des
Parallelogramms der Kräfte eine Abweichung in der Dia»
gonale stattfinden, und in der Thal hat man diese Ab-
weichung in der Praxis anerkannt und hat ihr, weil man
meinte, dass weder der Name des Gesetzes noch d^
Gewohnheit -dafür recht passen wurde, den aus beiden
Elementen gemischten Kamen der Usualinterpretation ver«'
liehen.
Wir haben jetzt die Ansichten derer zu prüfen, die,
von dem Satze ausgehend, dass Gesetz und Gewohnheit
gleiche Kraft haben und sich aufheben, in der Stelle des
Römischen Rechts kein Hinderniss für die Anerkennung
dieser Wahrheit sehen. Es leuchtet ein, dass von diesem
Staudpunkt aus die Controverse an Bedeutung verliert,
denn wenn man einmal die Antinomie als solche anerkennt,
80 ist dieselbe aas Innern Gründen zu entscheiden, und
diese sind nicht schwer zu finden.
Fachta behauptet, die lex spreche nicht von einem
Gewohnheitsrecht sondern von einer Gtewohnheit im natlir«
liehen Sinne. Allein von einer solchen Gewohnheit könnte
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nicht gesagt werden/ sie habe kein geringes Ansehen, auch
spricht die Stellung der Stelle gegen Puclita's Ansicht Man
brauelit nur L 1. cod. 8,58 und 1. 3 cod. eod. kq betrachten,
wo von einer Rechtsgewohnbeit die Rede ist, nm sich zu
ftberzengen, dass I. 2 ebd. nnmoglich ausser allem Zusammen»
bang von irgend einer ^Icicligültigen Gewohnheit sprechen
kann. Aus demselben Grunde ist Rierulffs Ansicht abzn«
weisen, welcher nur an eine particulilre Gewöhnung Einzelner
denkt. Nicht anders steht es wra Böhlau's Meinung, der in
seinem Mecklenburger Luudreeht ip äussert, man
wurde das Gesetz mit Keller als eine iiuliti'ereute liornirtheit
auf sich beruhen lassen können, wenn sich nicht die Mög^
lichkeit, nnt rdfloiicm aut legnn durch: „die Vernunft oder
ein wie die Vcriiuutt unabänderliches Gesetz" wiederzu^^el)cn,
darzubieten schiene. Es ist hiermit nichts andres behauptet
als dass Justinian nicht von einer eigentlichen Bechtsge«
wohnheit spreche, denn zu den Ertbrdernissen einer solchen
gehört ja auch dies, dass sie mit den höheren Anforderungen
der Vernunft, Sittlichkeit und Religion nicht in Widerspruch
stehe.
Die mit dem richtigen Resultat der Gleichberechtigung
•des Gewohnheitsrechts übereinstimmende und die beste
Losung der scheinbaren Antinomie gebende Ansicht fibersetzt
die Stelle des Codex in folgendem Sinne : Die Rechtste
wohnheit hat zwar grosses Ansehen, aber sie ist nicht von
solcher Bedeutung, (hiss eine i)articuläre licchtsgewohnheit
gegen ein allgemeines, particulärc Gewohnheiten
ausschliessendes Gesetz bestehen könne.
Die erste Spur dieser AulVassung findet siili liei den
Glossatoren, unter denen z. B. Bassianus behauptet, nur eine
generalia conmetudo könne ein Gesetz aufheben. Auch Azo
und Brunnemann verstehen die Codex^Stelle im Sinne einer
particulären Gewohnheit, aber aus dem irrigen Grunde, weil
der Regent von dieser nichts wissen könne (cf. Azo summa
in cod. 1. Vlll. p. 874 und Brunnemann comm. in leg. Fand,
tit. ni pag. IB.). Einer richtigeren Auffassung begegnen wir
bei Donellus (comm. jnr. civ. 1. c. 10 pag. 23.); in der he-
3
treffenden Stelle soll nicht von einer conereten Gewohnheit
oder einem eoncreten Gesetz die Rede sein, sondern die
Stelle sage, eine cotmushuh in am genere sei nicht starker
als eine lex in aimüi genere mo. Daher könne eine eoiuue-
tudo populi Romani eine Ux populi abrogircD, nicht aber
könne eine conauetudo vmnicipii eine lex popidi aufheben.
Wir vermissen bei dieser Auft'assiing die Betonung; des Uni*
Standes, dass es nicht allein auf die Allgemeinheit des Ge*
setzes sondern auch daiaul" ankommt, dass das Gesetz aus«
drücklich ])articuläre Gewohnheiten wie Oeset/e verbietet.
Auf einen ähnlichen Manijel stossen wir bei Savigiiy, welcher
die Stelle mit folgenden Worten übersetzt: „Wenn eine
partienläre Gewohnheit entweder mit dem Staatsintresse
oder mit einem absoluten allgemeinen Landesgesetz in
Widerspruch tritt^ muss die Gewohnheit weichen."
Hier liegt eine Verwechslang zwischen absoluten und
allgemeinen, ausschliesscnden Gesetzen vor, was sieh an
Savigny's Beispiele vom Wnchergesetz beweisen lässt. Wenn
ein absolutes Wuchergesetz ans dem Grunde erlassen ist,
weil der Wucher der Nation als unsittlich erscheint, so gilt
die partienläre Gewohnheit dagegen nicht, aber sie gilt
nicht, weil das Gesetz mit einem höheren Princij) identisch,
ist, und nicht etwa wegen der absoluten Form des Gesetzes;
sie würde nur dann derogiren, wenn das sittliche Princip
fehlte oder s])äter weggefallen wäre. Anders verhält es
sich, wenn das Wucliergesetz mit der ßestimnunig erlassen
wird, dass sich dagegen keine partienläre Gewohnheit so
wenig wie ein particnläres Gesetz bilden soll.
In diesem Fall ist das Gewohnheitsrecht stets ungültig,
weil der allgemeine Wille nie durch den besonderUi sondern
nnr durch den allgemeinen Willen aufgehoben wird. Daher
ist es unrichtig allgemmne and absolute Gesetze in dieser
Weise zu . verbinden. Der allgemeine Staatswille kann in
absoluter wie in dispositiver Form das entgegenstehende
Gewohnheitsrecht stets ansschliessen. Auch Windscheid
versteht unter einem gemeinrechtlich zwingenden Beohts«
satz (§ 18 u. § 30 Fand.) absolutes gebietendes Hecht im
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Gegensatz zum jm dispositivum^ daher gilt gegen ihn das*
selbe was gegen Savigny geltend gemacht worden ist.
Als Resultat der Corrcctur der gemeinen Ansicht ergibt
sich, dass, wie in den Digesten zugegeben wird, dass das
Gewohnheitsrecht das bestehende Recht nicht nur zu
ergänzen sondern auch aufzuheben vermag, so auch im codex
dieser Ansicht nicht widersprochen wird, sondern nnr der
Satz aufgestellt wird: gegen ein allgemeines GesetZy
welches das particuiäre Gewohnheitsrecht ans^
driicklieh ansschliesst, kannein particuläres Ge«
wohnheitsreeh t nicht bestehen, eine wie grosse
Bedeutung demselben auch sonst zukommen mag!"
Dies Resultat ist ein befriedigendes zu nennen, einestheils,
weites die in 1. 32 § 1- D. 1. 3: ausgesprochene und im objectiren
Recht begründete Yollständige Gleichstellung des Gewohnheits«
rechts anerkennt, anderntheils, weil in Jener Zeit, wo in dem
Vülkerchaos des Kömischen Reichs ])articuläre Gewohnheiten
sieli reichlich bildeten, ein die Kiiihcit des Rechts so scharf
betonender Gesetzgeber wie Justinian leicht Veranlassung
tinden Ivoiinte, die Wichtigkeit jener gegenüber den sie aus*
schliessenden Reiehsgesctzcn ausdrücklichst nochmals zu be-
tonen. Zudem scheint die Umgebung der Stelle darauf hinzu*
weisen, dass in ihr von particulilren Gewohnheiten die Rede
sei, denn sowohl 1. 1. cod. eod wie 1. 8. eod. sprechen von parti*
culärem Gewohnheitsrecht. Auch dürfte die vermut bliche
Entstehungsgeschichte der lex auf particaläre Verhältnisse
hindeuten. Am 9. März 319 erliess der Kaiser Gonstantin
ein Verbot (cf. lib* XI cod. tit. LXII, 1.) gegen die coloni
bei Carthago, welche sich, da eine Rechtsgewohnheit ihnen
erlaubte den Acker zu benutzen den sie selbst gepflegt
hatten, auch der bewässernden Quellen zu bemächtigen
suchten. Wenige Tage darauf, am 2i). April VAi), sandte
derselbe Constantin an denselben Proconsul Africas, Proculus
die bekannte Constitution. Es ist möglich, dass beide
Stellen in irgend welchem Zusammeidiang stehen, mehr ah
wahrscheinlich ist, dass auch die spätere an particaläre
Verhältnisse denkt.
— 36 —
Za betonen ist bei dieser Auffassung, dass die lex
nicht etwa ausspricht: alle particiililren Gewohnheitsrechte
sind ausgeschlossen, sondern dass sie sagt: wenn ein
allgemeiner liechtssatz dieselben ausschliesst, können sie
nicht gelten ! Dass derartige Fälle vorgelegen haben, dafür
finden wir ein tretVcndes Beis])iel in der lex 26 § 1 cod.
de tisiir. 4,32. Nachdem hier die Höhe der Zinsen Ibsl ge-
stellt worden, ergeht an die Kichtcr das aasdräckliche Yerbut,
die gedachten Bestimmungen nicht etwa wegen einer Landes«
gewohnheit zu erhöhen
Endlieh dient fiir diese Auffassung das Wort ratio
neben lex wesentlich zur Unterstützung. Jndem der Kaiser
Jenen allgemeinen Ausspruch that, sprach er nur die Wahr«
heit aus: Der allgemeine Wille kann nur durch den allge«
meinen Willen aufgehoben werden. Dieser Satz ergibt sich
aber schon ans der Recbtslogik selbst. Das besondere Recht
erscheint neben dem es ausschliessenden allgemeinen Recht
als die sich dem objectiven Kccht nicht fugende individuelle
Freiheit und diese kann nach der herrschenden Kechtslogik
keinen x\ns|)rn('li auf Geltung machen; wenn sie sit-li nicht
unterordnet, ist sie nichtig und contra rationeni. Der Kaiser
wollte vielleicht durchblicken lassen, dass er recht wohl
einsehe, dass er mit dem erwähnten Erforderniss des Gewohnt
heitsrechts eine selbstverständliche Regel aufstelle, zu deren
Erlass ihn nur der auf ihre Gewohnheitsrechte sich stützenden
Provincialen trieb. — Es ist demnach wahrscheinlich, dass
diese Auslegung der Oodexstelle die richtige ist, es ist ge«
wiss, dass sie zu der Natur der Reohtsgewohnheit am besten
passt. Diejenige Auffassung, welche daneben noch möglich
wäre, wäre diejenige, welche zu der Stelle einen andern
Gegensatz ergänzt. Es beisst der Obersatz, welcher der
Schlussfolge ans der lex zu Grunde liegt: Wenn ich zwei
Kräfte, A und B, habe, und es wird von A behauptet dass
sie zwar stark, aber nicht so stark sei um B zu besiegen,
so folgt hieraus, dass B die Kraft A besiegt. So schloss
man und schliesst man seit der Zeit der Glossatoren, weil
man das Misstrauen gegen das Gewohuheitärecht mitbrachte.
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Wenn ich liinge^^cn die obij^e Bcbauptuim- ohne Vonirtlieil
liöre, so werde ich eben so i^ut daraus si-bliessen kiiiuicn,
(luss beide Kräfte aleicb sind, weder A von B noch B von
A bcsie";! wird. Zu den Worten cousndndu nun cincU hujem
lässt sicli ja ebensogut der Gegensatz denkeu ergo lex vincit
consuetudUnem wie der andre ergo consitetiido et lex pwes
smü, neqne consuetado vincit legem neque lex vincit conmetu-
dinem. Allein da man nicht gezwongen ist von diesen beiden
Gegensätzen den letzten zu ergänzen, so behalten wir unsre
Auffassung der Stelle bei.
So ergibt sich, dass der dem Wesen der Rechtsgewohn^
heit eutsprecbende Satz, dass Gesetze durch Gewohnheit
aufgehoben werden, im Komischen Recht ausdrücklich aner-
kannt ist Auch spätere Reichsgesetze folgen diesem Beis})iel
(C. C. C. Art. 104. C. G. 0. 1555, 1, XIII, $ 1. J. K. A. Art. 105i.
Demnach ist nach gemeinem Recht die Fra^^e, ob Gesetze
durch Gewobnheit aufgehoben werden, unbedingt und
ohne Einschränkung zu bejahen. Ja würde nach
gemeinem Recht ein allgemeines Geselz erlassen, welches
die derogirendc Kraft des Gewoludieitsrechts ausscbliessen
wollte, so würde zwar die einzelne Kecbtsgewobiüjcit keine
bindende Kraft haben, sobald sich aber ein allgemeines
Gewohnheitsrecht gebildet baben würde, welches dahin ginge,
dass jenes bcscbräukeude Gesetz nicht mehr bestehe, so
w&rde Jenes Qesctz derogirt sein. (cf. Windscheid $ 18, Ajim.3.)
Zuzugeben ist, dass gegen ein solches Gesetz die Bildung
eines derogbenden Gewohnheitsrechts viel längere Zeit
erfordern wurde, als sonst.
Fragen wir, wie der Process der Derogation der Gesetze
Tor sich geht, so haben wir uns natttrllch der Anschauung
zu enthalten, dass dabei an eine absichtliche bewusste Auf«
lehnung gegen gesetzliche Bestimmungen zu denken sei,
welche das Verhältniss zwischen Regierenden und Regierten
umkehren und nie zum Recht t'übren würde. Vielmehr bildet
sich über die vom Gesetzgeber uormirten Verbältnisse aus
dem Kampfe der Intressen, Zweckmässigkeitsrücksichten
u. s. w. eine gleichmässige Uebung, die sich allmäbüg
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nnbewasst wiederholt, und dureh die Macht des Gereehtig«
keitsgeftihls und der Zeit den Willen des Volks gefangen
nimmt, so dass es sich an die thatsäclilich vorhandene
Ordnung des Verkehrs gebunden luhlt Von diesem Mo*
mente an ist die Gewohnheit das Kocht selbst und das Ge-
setz ist derogirt, nicht durch den sul>jecliven Willen oder
durch die mit der Rechtsüberzeugung verbundene Uebung,
sondern einfach durch die Macht des ohjcctivcn Kcchts. lu
der That würde ja auch, wer die derogatorische Kraft des
Gewohnheitsrechts leugnen wollte, niclit erklären können,
wie es kommt, dass zn allen Zeiten Gesetze durch Gewohn»
beit aufgehoben worden sind, auf der andern Seite würde
er eingestehen mSssen, dass demnach, wenn die Gesetz«
gebnng niemals einschreiten wollte, ein Znstand möglieh
sei, bei dem sieh Cresetz nnd Recht wie eine ewige Krank«
heit forterbte. Beispiele iär Aufhebnng der Gesetze dureh
Gewohnheit lassen sieh fdr das gemeine Recht in Menge
finden, ich erinnere nur an die Klagbarkeit der Verträge,
die AuflFassung der Spielschulden u s. w. Dass aber auch
auf anderen Gebieten die dcrogirende Kraft der Gewohnheit
auch in neuerer Zeit dieselbe ist, lehren uns Hcisi>iele aus
dem früheren Handelsrecht. So wurden die Wuchergesetze
durch die Saldozinsen ignorirt, und die Verbote der (besetze,
welche keine Indossamente in bianco erhuibten, wurden unter
Connivenz der Gerichte umgangen. Da es sich bei diesem
Fall um ein verbietendes Gesetz bandelt, wäre nach der
früher gerügten Aulfassung eine Derogation hier unmöglich.
Allein wir finden bei £inert (Wechselreoht p. 126) er-
wähnt, dass trotz des strengen Yerbots der Leipziger
Wechselordnung in Leipzig unendlich viel Indossamente in
hianco g^ben wurden and dass Sachwalter und Richter
durch Usualinterpretation zu Hilfe kamen. Es ist eben
nicht die Form des verbietenden Gesetzes, welches die
Kraft der Gewohnheit auszusehliessen vermöchte, dies ver-
mögen nur höhere über dem Recht stehende Principien.
Wir haben noch die letzte Frage zu erledigen, wie es
um die Kraft des Gewohnheitsrechts steht, wenn die Gesetze
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die derogirende Kraft de88elbeii aoaBehliesslich aufbeben,
vde es neuere Gesetze tban. Dem fiiuwand^ dass für diese
nicht das Komische Recht gelte, setzen wir entgegen, dass
die derogirende Kraft der Reehtsgewoimheit sieh sehen ans
der Natur des Rechts ergibt; da nun der letzte Grand der-
selben die Macht des auf dem nationalen Rechtssinn rahen«
den objcctiven Hechts ist, so muss sie für jedes Gesetzbuch
dieselbe bleiben. Es sollen iiim im Fol^^enden zunächst die
Bestimmungen der Gesetzbücher, sodann ihre Berechtigung,
endlich ihre Wirkung behandelt werden. Das Preussische
LandiL'cht gesteht dem Gewohnheitsrecht nur suppletorische
Kraft zu (Einleitg. § 3, § 4, Tubl. Tat. VII.), soweit es nicht
den Provincialgesetzbücherii einverleibt ist, das Gewohnheits-
recht kann also kein gegen die Bestimmungen des Land^
rechts verstossendes Recht neu einführen, (cf. Windscheid
§ lÖ. A. 4. Näheres bei Koch zu Art. 1. P. P. A. 23, zu
Art. m. P. P. A. 9, Förster L. R. § 16. No. 2 n. 3). Naeh
dem Oesterreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch
§ 10 wurde nicht nur die Bildung eines neuei| Gewohnheits«
rechts contra oder praeter jus untersagt, sondern auch alles
ältere Gewohnheitsrecht abgeschafft, mit Ausnahme der
Rechtssätze, auf welche sich das Gesetzbach selbst berufen
sollte. Nach Franzüsi.scliem Ucclitc sollen Kechtsgewohn«
heiten nur in Handelssachen gelten und auch da nur wenn
die Gesetze auf jsie verweisen. Demnach ist es erklärlich,
dass auch nach Badisciiem J^andrecht Jieehtsgewohuheiten
nicht gegen Gesetze sondern nur als Interprctatiousmittel
gelten. Auch naeh Sächsischem Iiecht gelten Gewohnheiten
nur als Interi)retationsniittel für den Willen der Parteien.
Eine eigenthündiche Behandlung Jässt das WUrtemberger
Recht dem Gewohnheitsrecht zukommen, die Rechtsgewohn«
heiten treten nach ihm zwar vor dem gemeinen Recht ein,
sind aber im Verhältniss zu den Landesgesetzen blos sub«
sidiar. Naeh dem Handelsgesetzbuch endlich derogirt das
Handelsgewohnheitsrecht zwar das bürgerliche Recht nicht
aber das Handelsrecht.
Fragen wir nun, ob diese Versuche das Gewobnhdti9«
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— 40 —
recht in eine untergeordnete Stellung zu, verdrängen, wider^
sinnig sind, so ist dies gewiss za vörneinen. Wie das 6e<«
setz als der unmittelbare Staatswille neben dem Gesetzes«
wort einer Zwangsgewalt bedarf, so bedarf aaeb die Reebts«
gcwohnheit einer Zwaugsgewalt, und diese kann ihr nnr
▼Om Staate kommen Da maa nun dem Staat als dem
Inhaber der Zwan^gewalt die Befngniss zuschreiben muss,
vorzuschreiben was als Recht gelten soll, so mnss man ihm
gestatten, vorzuschreiben dass nur seine Gesetze als Recht
gelten Ob dieser Versuch an sich nichtig ist, bleibe hier
ausser Betracht, so lange der Staat damit durchdringt und
sein Gesetz erzwingt, gilt das Gewohnheitsrecht nicht.
Daraus folgt keineswegs, dass der Gesetzgeber die positive
oder, nach Wächter, die negative Ursache des GewobuheitS''
rechts ist. Wie der Gesetzgeber nach dem Satz lex posterior
derogat priori die einzelne Gewohnheit aufheben kann, so
kann er auch die eine Recbtsquelle dnroh ein Gesetz ver«
sobliessen; wie das Gesetz, welches die einzelne Gewobnbeit
aussebliessl, so lange gilt als es erzwingbar ist, so gilt auch
das Gesetz, welches die Reebtsqnelle der Gewohnheit yer«
sehliesst, so lange als es seinen Willen erzwingen kann! —
Hieraus ergibt sich, dass das eine Gesetz so gut Erfolg hat,
wie das andere, es ergibt sich aber zugleich, dass auch der
Erfolg des letzteren Gesetzes z .var ein langdauernder aber
immer nur ein vorläutiger sein kann.
Es ist allerdings angesichts der Erfolge des allgemeinen
Landrechts für die Frcussischen Staaten und der andern
Gesetzbücher nicht zu bestreiten, dass die Geltung des Ge-
wohnheitsrechts retardirt und verkümmert ist. Wer aber
blos aus dieser Thatsachc schliessen wollte, dass der Gesetz-
geber die Macht habe, durch diese Verbote das Gewohnheits^
recht selbst zu besiegen, lässt sich durch einen augenblick«
liehen oder scheinbaren Erfolg blenden. Wo es nach der
vollendeten Codification die ^mit tausend Augen versehene .
gesetzgebende Gewalt'' als ihre Ehrensache ansieht, Jede
Bildung eines neuen Gewohnheitsrechts dnreh schnelle Er»
lassang eines Gesetzes zurückzudrängen, und wo diese Gewalt
41 —
mit dem VerkehraJeben der Geflellsobaft doreb tansend Ffibl»
föden Terbnnden bleibt, da werden die Intressen sieb selten
ZQ einer Reobtsordnnbg obJeetiTiren. Damit ist aber nnr
zugestanden, dass es, gemäss der Natnr des Gewobnbeits«
rechts, der Gesetzgebung möglich ist, kraft ibrer Maebt die
Macht des Gewohnheitsrechts zurückzudrängen. Sobald aber
dem Gesetze gegenüber, welclies derogirende Gewohnheiten
verbietet, sich die Rechtsgewohiibeit gebildet bat, gerade
dies Gesetz als aufgehoben zu betrachten, ist die Derogation
dieses Gesetzes vollzogen ; uiclit das alte Gesetz sondern
das neue Gewohnheitsrccbt ist nun das Recht an sich, an
welches sich das Volk gebunden fühlt. „Der Gesetzgeber
iLann das bestehende Recht aufheben, aber er kann nicht
bewirken, dass bestehendes Recht nioht bestehendes Becbt
sei!«" (Windsebeid p. 50. A. 3.)
Es sei gestattet bier das Bild der zwei Reehtsquellen
zn benatzen. Dies so nnendliob. viel gebranebte Gleiobniss
binkt. wenn man niebt binznsetzt, dass diese zwei Quellen
demselben Becken entspringen, denn Gesetz und Gewobnbeit
entspringen der Maebt des einen objeetiven Rechts. Wenn
nun der Eigenthömer zweier solcher Quellen die dne Qnelle
yerschliesst, so wird sich der Wasserreichthum der andern
zudrängen; erweitert er die zweite Quelle und kommt dem
verdrängten Strome stets zu Hülfe, so wird die verschlossene
Quelle lange verschlossen bleiben. Allein der Eigentbümer
würde irren, wenn er glauben wollte, er habe die Macht
des Wassers besiegt, und er wird den Irrthum einsehen,
sobald er es unterlässt die zweite Quelle zn erweitem; dann
wird das gefesselte Element den Verschluss sprengen und
frei dabin strömen wie zuvor. Nicht die Macht des Ele'
mentes war besiegt, das Element war nur zeitweilig gebin«
dert eine Maebt zu werden. So ist aueb dureb das Gesetz
im obigen Fall nicht die Maebt des Gewobnbeits«
rechts besiegt, sondern das Gewohnheitsrecht wurde'
nnr zeitweilig verbindert eine Macht zn werden. —
Wollten die Gegner behaupten, dass Ja der Staat auch
dann noch seine Anerkennung immer von neuem versagen
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^ 42 —
kSnne, 80 w9rde diese Yenagimg, gtaa abgeeehen davon,
dass sie die Hauptaufgabe des Staates Terietzt, doch znletst
niehtig sein und wegfallen, denn die Macht der Gewohnheit
unterwirft sieh aneh die Organe des Staats und mit diesen
den Staat selbst, der trots seiner Omnipotent der Hacht der
Recbtsgewohnheit gegenüber Bewasstsein nnd WiDen Terliert.
Vor dieser letzten Consequenz scheuen die Meisten zurück,
welche die Lehre von der Rechtsüberzeugung und Uebung
vertreten, und in der That lässt sich mit allen Auffassungen,
welche auf der Vorstellung des subjectiven Volkswillens
ruhen, dies Dilemma nicht überwinden, während es bei der
Auffassung des Gewohnheitsrechts als eine objective Macht
leicht zu beseitigen ist. Wie der Process Tor sich gehe,
dafür finden wir ein Beispiel bei Wächter in der Würtem«
bergischen Rechtste schichte. In Würtemberg war die dero*
gatorische Kraft der £echt«gewohnheit aufgehoben, da aber
die Gtesetzgebong ihre Aufgabe nicht erkannte und keine
neuen Gesetze erliess, so bildete sich erst ein abweichender
factisoher Zustand, der aber bald ein rechtlicher wurde, -
denn durch viele Volksgewohnheiten wurden ge< und rer*
bietende Gesetze ausser Anwendung gesetzt, zuerst unter
den Augen der Regieraug, zuletzt aber unter der Theilnabme
ihrer eigenen Richter. Eh ist zu/,ugebeu, dass die Nicht*
achtung gegebener Gesetze von Seiten der Gerichte unge*
setzlich war und von den Parteien wie von der Regierung
hätte gerügt werden können, es ist zuzugehen, dass dies
errore inductum in den nächsten Fällen wieder beseitigt
werden konnte, allein da das nicht geschah und der Gesetz^
geber nicht einschritt, so wurde aus dem formellen Unrecht
allmählig ein objectivcr Rechtssatz, durch dessen Macht sich
der Einzelne wie der Staat selbst gebunden fühlte.
Demnach haben wir die Versuche, die derogatorische
Kraft des Gewohnheitsrechts für immer auftuheben, als
verfehlte zu betrachten, weil die Rechtsgewohnheit auch
dieses Gesetz wie alle andern aufzuheben vermag. Das
Recht steht nie still, während die Gesetzgebung das Recht
nur feststellt wie es sich in . einem gegebenen Zeitpunkt
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befindet; schwelget das Gesetz, so maebt sieb das „ewige
Uneebt der Mensobbeit auf das Werden" in der andern
Art des Rechts, im Oewobnbeitsreebt geltend. Dass den
früheren Gesetzbüchern bei der damaligen verfehlten
Theorie des Gewohnheitsrechts und der falschen Forderung
seiner Beweisführung aus ihrer Auffassung kein Vorwurf zu
machen ist, bedarf kaum der Erwähnung. —
Hiermit dürfte bewiesen sein, dass die Gleichstellung
von Gesetz und Gewohnheit hinsichtlich ihrer Kraft, und die
Möglichkeit ihrer gegenseitigen Derogation trotz allen eaU
gegenstebenden Theorien von der Zeit der Römer an bis
anf unsere Tage dieselbe geblieben ist und bleiben wird !
Die Opposition gegen diese Wahrbeit verweebselt die
Frage naob dem Umfang der Bedentang des Gesetzes
nnd der Gewobnbeit fdr die Nenbüdnng des Beebts mit der
Frage naeb ibrer Maebt. Indem wur die Antwort anf die
erste Frage fdr unsere Zeit sneben« werden wir in ibr die
Versobnung mit der, einem grossen Tbeü des geltenden
Gesetzes widersprechenden Rechtsconseqaenz und zngleicb
die Anforderung an eine künftige Gesetzgebung fiiuleii.
Während nach der Ansicht der historischen Schule dem
Gewohnheitsrecht für alle Zeiten der erste Hang zukommt^
ist in neuerer Zeit eine berechtigte Opposition gegen die
„Abgötterei" mit dem Gewohnheitsrecht eingetreten. Bei
unentwickelten staatlichen Verhältnissen ist das Gewohnheits^«
recht allerdings die einzige Quelle des Rechts, allein dieser
Umstand gibt ihm nicht für alle Zeiten den Vorzug,
vielmehr tritt es je nach Verschiedenheit der Yolksindivi^
dnalitat bald mebr bald weniger in den Hintergrund, denn
bei eomplieirten VerkebrsTerbaltnissen einer böberen BUdnngs«
stufe wäbrt der einer jeden Beebtsgewobnbeit vorausgebende
Kampf vielfaeb zu langej als dass man sein Ende erwarten
könnte, nnd das Volk suebt den FriedenssobluBS der Gesetz**
gebnng. Femer leidet das Oewobnbeitsreebt yielfiieb an
einer relativen Unvollkommcnheit und besitzt nicht die all»
gemeiuen Grundsätze des kritisclien Verstandes. Auch lässt
es sich viel schwerer als das Gesetz vom Richter erkennen«
I
— 44 —
Aasserdem benilit sein gater Inhalt nicht anf 4ein Verdienste
der Gewohnheit, sondern anf der Gesandhdt des nationalen
Sinus, der sich aber fremdartiger Bestimmungen nie ganz
zu erwehren vermag. Daher ist es natürlich, dass die
reflectirende Nation bei dem wachsenden Bewasstsein von
der Macht des Staats sofort dessen Willen als Gesetz aner-
kennt, und bei jedem Bedürfuiss vom Staat ein klares
Recht verlangt. Wenn nun ein Staat, der engste Fühlung
mit dem Volksbewusstsein hält, Jedem Bedürfniss durch ein
Gesetz entgegen kommt, so ergibt sich, dass fär ein solches
Staatswesen die Rechtsgewohnheit nur eine sehr nnter-
geordnete Bedeutung haben wird. Sie wird also auch
die Gesetxe seltener derogiren, nicht, weil sie
an sieh zu sehwach wäre, sondern weil sie
aagenhlieklich nicht yorhanden ist! Allein mao
darf nicht gianben, dass neben dem Gesetsesrecht heut eine
Gewohnheit nicht mehr aufkommen könne«
Eine nationale Gesetzgebung mttss dem auf dem natio*
nalen Bewnsstsein rufaenden Gewohobeitsrecht auch in unsrer
Zeit freien Kaum lassen, da es möglieh ist, dass sich vor
allem auf den beweglichsten Rechtsgebieten wie anderwärts
eine nationale Rechtsgewohnheit bildet, ehe die bereit^
willigste Gesetzgebung ein Gesetz erlässt. Die einzige
Schranke, welche mit Erfolg dem Gewohnheitsrecht gesetzt
werden kann, ist das Verbot seiner Ausartung and Zer-
splitterung. Die Keigung des Gewohnheitsrechts, sich
möglichst mannigfaltig zu entirickeln, kann sich nnter
gewissen politischen Verhaltnissen so weit steigern^ dass
alle Einheit des Bechtsbewnsstsehis Tcrloren geht (cf. Leyser
med. ad Fand. IX. I. Tom. I p. 87). Will daher unsere
Nation sich eine Reohtseinheit schaffen, so kann sie diese
nicht yon derBechtsgewohnheit, sondern nur von der Gesets«
gebung hoffen.
Fär diese Gesetzgebnng ergibt sich nach dem Vorher«
gehenden die Forderung, mit Bewusstsein die Principien
des Verkehrslebens zu erfassen und die Rechtsentwicklung
auf dem Wege des Gesetzes zu fördern, entgegenstehende
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I
— 45 -
particuläre und zersplitternde Gewohnheiten aber auszu-
schliessen; dies Verbot wird von Erfolg sein, denn die
Aufhebung dieses Gesetzes durch eine allgemeine Rechts^
gewohnheit wäre zwar möglich, aber auch nur dann möglich,
wenn die Nation das ßewasstsein der fieebtseinheit
selbst anfgegeben hätte. Daneben aber rnnss eine
solebe Gesetsgebnng das Gewohnheitsreebt im
Ganzen niobl weniger als die eignen Gesetz«
anerkennen und sobfltzen!
Neben einer solcben einbeitlieben Gesetzgebung werden
dann bald nur allgemeine Reebtsgewobnbeiten entsteben,
und sie wird niebt gezwungen sein, die selbstversländliebe
Nichtigkeit des sich gegen den allgemeinen Willen auf«
lehnenden besondern Willens, die Unmöglichkeit des Parti*
cularrechts neben einem ausschliessenden Nationalrecht,
noch ausdrücklich der Nation mit Worten ans Herz zu
legen, wie sie Kaiser Constantin dem widerstrebenden
Völkcichaos seines Reichs zurufen musste: consuetudinis
non vüis auctoritas est, sed non iisque adeo aui valiiura mO'
metUo ut roHonem vincat aut legem.
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3n g(ei(|em Berlage erfc^len:
C f n fl II 0 4-
ciNc» @eIettdttiott Hon @arl ^dtmuUer.
(Slcflant gc^unben mit ®olbfd}ttiU 4 äMart.
•teile ItflleBe ler VveKe.
^Uütt f3r rtfcttfrifdle ^vinflflnitiifl.
Gbuarb Reimer'« (ßrnfl Äod)'ö) .^rinj lRo^o-6tramm*, bcffen
brittc 9lufla(}e burc^ ein ©eleit^roort Äarl SlltmiUIei'ö einoefübrt mxh,
votl^m xciv eine furje Siofirap^ie unb G^araftcriflif bcö genialen unb
oriflinettm, feit^er no^ »iel su meHig flewürbiatea unb nic^t einmal na^
feinem mhrtßim 9lamen dnift ftodb flelannten ^umorifleit toerbonfen.
bürftcfüt bieiwwuicgcnbc ÜJIc^r^cit ber ifinflercn C*)encration eine ganjlicb
neue Grfd&etnunfl fciu, bcun cö liegen bereite toievsig 3aöre hinter ber
erften ^ublifation uiib atl)tjc&u 3a^rc tutcbcr hinter ocr jwciten Sluflagc
btefe6 tiadb Sn^alt n)ie uac^ {^orm gleidb ^uunbcrfamen, man barf fagen,
einsig tn unterer Siteratur bafte^enbcn 93ud)ö. 3Pir galten baßer audb bie
Semcrtuna nifbi für übcrflüfftg. ba^ ber barocfe Stococotitel ,»$rins Stofa^
etramin,' ber ben mit bem l^nbalt M SBudb^ nocb Unbefannten nur %n
leicht auf einen f)itmcrif^ifd)en JRomau ober n)oI gar auf ein fatirifcbeä
ÜJlärd)en fdjiicfeeu laffeu lömüe, burdjouö feinen bcftimmenben ßinflufe auf
ben ^n^alt l^at, unb bag letzterer nidjtd tueniger alöi ein berartige^ !ünfl-
Uviw abgefc^Ioffened unb organifc^e^ ©auieö ift, fonbern ein toon bet
fubicctiDflcn Saune beö 5)i(^ter6 infpiiivtcö unb bebervfd)tcö, njenu auc^
ourd^ finnige Uebergänge unb ätnCnrit)fungen \>o\\ Z\)ma su ^^ema unter«
etnonber l>erbitnbened buntem Potpourri oott @timmung^s unb @rtnnerungd-
bifbern au§ ber Äinb^eit, ber Scftul* unb Uniterfi'ätöseit, öon ^Inturs
betratfetungen unb ^b^Uen, »on 2iebe«:, ©olbateuj unb ©tubentcnliebern, t)cn
focial^poUtifcöen unb fircfelitö-religiöfen Grpcctorationen, ton literarifc^en
unb mufiCalifcben Slpl^ort^men, toon ßumoresfeu unb Satiren, toon Plegien
iinb luftigen Sd&njanfcn, furj m\ auem ÜJiöglid>c«, auf tt?elcfce«, njie ber
T^ic^ter am 6(&Iu| bed iBucb^ mit betterer Selbftironifirung fagt, «ber
2;itel toie bie $aufl aura 3luae pa|t, ttSmlid) gar nicbt". So Wimm
f(6eint un6 um bcn 2:itcl oocib aber au^ nicfet ju ftel^en, trenn bic
SBeranlaffung su bemfelben, toit ie|t erfi na6 bier^tg ^<i^ren au6 bem
SSonport be^ ^eraudgeberd erl^eUt, ein bem Siebter Pen feiner 8raut
gefc^enfteS 9{ctisbucb n^urbe, ouf beffen ^ecfe pon tbrer $anb bie ®eßalt
eine<? morgcnlänbifdöcn ^rinjen in 5Rofa-.Stramin gefiicft tt?ar unb in
ix>cl(fece ber S)icfeter ouf einfamen Spajicrflängen cor ben J^orcn ÄaffeW
feine poetifc^en @rgüffe» bie tpir ^ter qebrucrt tcr und fe^en, mit bem
SÖIeiftift niebcrfd^rieb. ^a burfte fdfeou biefer Pen ber ^anb ber ©cliebten,
bereu geier in id^iPung^oUen ^itl^sramben unb Siebern ficb überbie« kvie
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ein rottet graben burc^bad ^udb iiel^t, aeioei^te unb aefeite9iofa-6tramins
$rim mit gutem Stecht für ben ^<bUv bie aacoorifc^f 9cbfUtimo eine«
intimen SJertrautm feiner ftiDen SRufeflunben erbolten, unb unter feiner
SIeaibe aucb tai ou« bcm aJinnufcript in bcn 5)riicf übergegangene JRifuUat
berfelben in bie aßelt gefcfeicft werben. 3n biefer alkgorifcöen Sebcutung
Welt ^rinsSlofa Stramin fogar eine, »ennflleic^ nur febr befibeibenc
JRofle im Sucbe fetbfl. „lRofa-6tramtn! fing mir ein Sieb!" bfgiunt
baffelbe. JSRit Kobeln obrr ebne ^cbein V" lautet bie @eflenrcbc. unb nun
folgt a(« Sntrobuctien ein naturfrifcteö ftelrtf(6e4 Sllpenlieb. unb toeim
ber Siebter um SlRitternac^t ucm ^enfter «eines einfamen 6tüb(beng ^um
Sternenbimmel öuffcbauenb entjütft auöruft: „3üie freunblicb jener gro&te
Stern auf micb bernieberblicft! @r wanbelt fo ftiH unb rein bat^er mie
Me Zugenb. O ma^ gleUbt biefem Sterne? 9tofa -Stramin, nenne mir ben
t^eucrfien 3'Zamen!'' S)ann antwortet eö: „Henriette, id) liebe bicft, unb
bu bifl icbön wie biefer Stern!" @ine Slpoftropbie au bie «£:>penbertn M
geflittten 9totisbu(^<, bie in entiprcc^enber l^ariatfon, ie na(6bem e4 bie
®elegenbeit ergibt« no(fe Öfter »ieberfe^rt unb ancb ben BdM be«
fl9u(b^ bilbet.
®ir baben bereit« oben im allgemeinen bie tierfcbiebenen äb^mata
he€ .,$rtm S'iofa^Stramin'' nomMt gemacbt bürfen ed aber nicbt unter«
laffcn, bier no(b im befoubcren ouf bie \joru*iglicI)e 3Iuöfübvun8 einiger
berfelbeu btniumeifen. SBelcb unmittelbare S^aturpocne offenbart ficb in
ber binreÜniben 6<bnbemng M ^rübUngömorgcn«^ (j?ap 2)! 2Bie rübrenb
in ibrer Ginfa^beit ifi bie SJeibnatbtöib^Qe (.Äap. 6); wie cr^reifcnb in
ibrer 5laibetat bie 2;orfgefcf)id)tc ton bem flcincn ^au(, bem feine Uhitter
flirbt, unb bem Sladjtwädjteröbuubc «^elir (Äap. 9)! 2)aö fuib sufll^i^Ö
$ioei clafftf(be SRuflerffflcfe für unfere oft tm Srgen (icaenbe Ainberliteratur.
6in urwüdjftacr .^umor toUt in ben ^c^ulerinncrnngen i?on Scnjbadb
(Aap. 3), unter melcbem ppetifdben 9lomen fttb be$ ^i^terS ^eimat^ort
SBibenbaufen im Rebitcben fBmatbafeDerbirat. flu« ber bie Aapttel ii-^il
umfaffenben trefflicben ^crfiflirung fociat^politifcben Äleinflabttrciben« jur
3eit ber 3"'iret)olutton \?ou 1830 ragt, in feiner groteöf-fomifd&en ^altuna
ein mabrcö Gabinet^ftucf, ba« brcijebnte Äapitel Pon ber „fcbinfenburger*
SurgertDC^ berpor. !Dic StWfM 16-25, »elcbe bie le|te ^Slfte bt€ 9udb«
einnebmen, fmb ber Erinnerung an bie Stubcnfcniafjre bed 3)ic^terö in
(Böttingen gcwibmet unb bilben, fowol ibrcm ftoffiidjen ^nbalt nacb ^oie
in ibrer nrnnberboren 9Rif(bung bon tieffter Ompfinbung unb au^gelaffen*
fJer fiufligrtit. wot ben intercffantcftcn Ibeil bcffelben. 2leu6erltd^ wie
innerlid^ jufammenbängenb, ncbmcn He ^ewiffermafeen bic ^orm einer
9lopeöe an, beren 6elb ber ebrfame Stubiofuö ber ^beologie (Sraömuö
@abelf!i(b tft. eine in ibrer inbiPtbucHen ©eftaltuna Bdcbfi originelle,
fafl barorfe Siflur, wie beren einft G. 3;. 21. ^offmann ju fcbaffen liebte.
3)iefer meiancbolif(be (Sradmuö, su welcbem ber 2)i(bter fetbfl unter
feinem ^fet^oni|«mu4 dbuarb Reimer ben beitem<9egenfab bilbet, ifl ber
Silarr einer unglücflidben Siebe, pon ber übriaenö nur bic Spmijtomc
«um Wuftbrucf fommen, unb swar jum er^rcifenbficn, wäbvenb Icibcr baö
aWotiP unb bie Äataflropbe in einen rnnftifcbcn 6(blcicr beö ©ebeimnijfeö
adßüt Werben, ber ficb nur )u leifcn unbeutungen lüftet, ^er geniale
Jumor be« 2)icbterÖ la&t in biefer StubcntcnnoPelle feine glSnjenbften
Siebter fpielen unb gipfelt in Jenen beiben in llapitel 21 unb 22 entbaltenen
Scenen Pon wabrbaft dafüfoer ItomiY, bte mir ^betfli<b*< Stiefel unb
Sleitprobe betiteln fönnen. 5Son ben in bic Pcrf(bicbenen Äapitel bc6
9)u(b0 eingcfireuten Siebern Perbienen Grwäljnung baö bem ßra«mu6 in
bea SNunb gelegte : „^cb fammelte bie Xrümmer'j ferner M Xrofl in
ber ftotur fm^enbe: JSSft au4 ber SRenf^b boO sfitf rnib Süitm*, bat
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S^riumpBIieb bcv 2ieBc: „JRaufdjct, meiner .^nrfe ^tänge", baö in 17
a(i)tseiUfleu Strophen t}it geliebte ^vaut Menuette feiert unb in fdnem
6<6n>un9 unb fetner Sformenprac^t lebhaft an ^ürgcr'^ „$oQe8 Sieb »on
ber (ünjtgen" erinnert, ifl ctmn^ ju breit au^getreteu unb ma^nt an
6ÖafjpeQre*6 „5Bcnigcr träre mel&r", ber ©efnng ber Sterne: „2Bir gießen
über Serg unb Xljvil", i?aö Sotbatenlieb: „2ebtt>c6l mein Sicbcfeen, »eine nid&t!"
gaffen ttjir bie einbrflife. ^ie wir au« ber Seftüre be« in natürlich
cinFndjen, fTiefeenbem, flarem unb burd)rid)tigen 6til gefcftriebenen „^rins
^oia-'^tramin" empfingeu, ^ufammcn, fo ttjnnen toir uniere fritif(^e
9Rfimin0 über ben Hterorifi^en SBertb beffelbeii nic&t treffenber unb
bünbiger juglcid) firircn al^ in bem und aud ber Seele gefprikbencn
SBort beö fecmucigcbcr^ bicfcr brittcn 5(nflnflc:
„Qß fcUen wol mniQ S3üd)cr aufsuiveijcn fein, in benen fidj fo öiel
tiefer, inniger ©eniüt^öreidjtöum neben fo Piel gefunber fotirifdjcr fianne,
fo iMel trauli(be beutfcfce .^auö- unb .^einiatöpccric neben fo Diel bciterem
6pott übet bie S3ef(iräu(t^eit uiib Slrmfcliafeit beutjc^en RleinUbend
f&ube, oW in beut engen SHoume biefe« Qfldbleine."
SfieMi Melcfiiiiiiii.
jQerrtffte Jtorgen^rttuitg.
„2)er njunberfarae iJrinj trat fd)ou frül)cr einigemal in bie Söelt,
aber er reifie incognito, in fc^muälofem @emoub unb man erfannte tbn
ni(bt. 9htr bei Wenigen getreuen Seelen teerte er ein unb fanb bei ibnen
bie flcivo^nte liebevolle ilufnabmo. 'Bd)on längfl terfpra^ er und einmal
,,im fpanifcben AHcib" \\i fcmmcn, reic^ mit @olb Perjiert, unb cö njar
ein glücflicber (^icbautc feine« (Seoattermanuö unb $8erleger§. ibm ba«
f^öne jlleib enblid) umuil)ängcn, benn am ©olbe bängt — bb(^ SlQed.
5Ruu flebt ber ^rinj al^ fold)er bo, unb er cvfd)eint oud& fo im bobcn
®rab Ueben«tt)ürbig; benn lua« an fid) gut unb ebel, crfcbeint nur ebler
in ber f^bnen %oxm, 3)a er aber in birfer ^elt bodb niemals redbt
6eimif(6 merben tonnte, fo bat ibm einer feiner ätteftcn unb öeften grcunbc,
6a rl Slltmüllcr, einen ©eleitebricf mit auf bcu SBcg gegeben. n)cl(fter
jugleidb eine oortrcffli(fcc (Sbarafteriftif beö !I)id)tcrö entbalt. 3n «Miebung
auf bad iBud) felbft beilt barin am Scblub : "^n bem SserbSmttb fu
bemfclben fdjeiöen fid), meiner C^rrabrunn nacb, Wie faum an trgenb einem
anbern literarifcben (Er^eugnin, bie gemütl)li(iben Staturen pon ben Per?
panbedmdgigen. liefen bfintt e« tbörtcbt unb unn)ertb; ienen ifl t$
ieber»eit bcrsgeaMuncnb unb urliebenötDÜrbig erftbienen. Unb bnrum, n?ic
ber ^n^olt biefciS iöüd)leinö fcltfam unb eigen ift, fo ifi e« and) fein ®e-
fcfcicf in ber fiefcnucU geivefen. ^iBcnige 95üd)cr baben auäbauernbere fiiebe,
unPecioüfth(bere 9(nb&noU6(cit gefunben, toenige fmb fo entfdjieben abges
lebnt unb pern}orfen trorben. 60 t»irb e« auc^ bleiben unb labt ficb ni(öt*
baran änbrrn. 2)enn mit dxii^ IReuter su rebcn: äSer'0 mag, ber
nuig'^ unb toer^ ni(!bt mag, ber mag]d ja mohi nid^t uibflen."
)i!orblirutfd)c JUlgem. 3tttnn$.
»©emütböreidjtbum unb pefiinbe 'fatirifdbe Saune, trauTid)e beutf(be
$au«s unb ^eimat^dpoefie neben beiterem Spott über bie Slrmfeltgfett
beutfd^en ltletnUlcn4 fmb in iTod^'« Schriften |u einer ansiebenbm
9lif Auno »ereintot'*
Komatt^ettinig.
,3Bie in einem 9toti/(bud)e M ^effi^iebenartigfie nebeneinanber
geieicbnet flebt, fo entbSlt $r. fR. 6tr. augenbliAiAe Sinbrfltfe. Statur«
fdnlbcrungcn, 93eobad)tungcn, (Srinncrungen, (?rü5btungen, Oefüble u»b
JRefierionen, 5?erfc unb ^|kcfa, aücö bunt burcbcinanber, fraementarifd^.
Üoi ifl ^umorift; er Perbinbet grobe ^nnigfeit be« Q^emüt^e« mit nüt^s
ffrner Sd&arfe bef ^erftnnbcö, ftn ttiriAcÖ reid&cö ßeq mit fforer Muf^
faffung ber äBtrtUc^Feit. ^er $r. ^R. 8tT. labet bie ^reimbe be« ^umorS
|tt einem (ci<^ ®a1lma(( mit to^llofen f((m<id(aften OStiflen."
Ilational^dtung.
Jüvif iebed tiefer unb feiner empfinbenbe ®emfit6 tvirb biefer mo^f:
t^uenbe, mit Sonnenfd&cin unb fie&en«6elterfeit bei aßen 6(^mer|en»
fietrSnfte ^umor feine Sirfunfl nii^t Derfe^Ieit ; tmUmfe^en« fo tu fagen,
(jetoimit man baö 33üd)Iein lieb."
Itenc JJrcnfüfdjc 3citung ft'3<^i^iinq.)
^$^nniafeit beö ©cmüt^Iebenö unb fü6(e Äritif gcflcnübev bcu raeufdb:
lid&en Scbwäcftcn finb in bcm Jöucft njimbcrbar »ermifdjt. 2Bie öief fle«
funbe Soune neigt fid^ nic^t in ber ©cfiilberunfl be« ©tubiofu« ber Jbfo«
ioflie, Graömu« ®Q6elfli(6, ben fein Siebcönjffj wo^l fatgrifcfe, nber niAt
energifcfe ma(fet. Unb »ieberum n>ie »icl traHnrf}e, beutfcfee ^auöpoffie
offenbart fic6 nicbt in bem Gtittteben ber bcibcn 6tubenten. Sreili(6 ba6
SBudb ift nid&t für Scbermann. 9Ber feinen 9Bert( ertannt §at betoal^rt
i^m treue Siebe.*
Ctölttifdir 3ritnn(}.
„(S. Äod&'S beftc Slrbeit. „^^r. 5R. etr." crfcöten focbcn in 3. 2luflafle
unb roürbiflcr Stuöftattuug. 3)ei einer buftiocn ©pracbe entfiält baö Sücö'
lein einen nxi^n 6(&ot) barmtofer ®emutbK<&fett unb Saune. Unfere
fiefcr njcrbcn iin(? ^vinf unffcii, niif ben ydtencu C^kmiY-, aufincrffam
flemacbt nyorben ju fein, meldjcn bic Äenutnitj bicicci Chseuöuincö, eineö
munberbar reinen, n>arm fprnbelnbcn, unt)ergIcid}Ud} nait>en ®maW,
ddpUfir^e 3Htitiii|.
-(^ö fcmnicu in bicfcnt ^rinj SRofo Stramin ©cbanfcn unb ©efü^Te
Aur 3)arfteUuna. bie, tua^ $^u()alt unb l^orm betrifft, bcm &d)dnflen iu
b?r beulfcfeen Literatur ölcid)änfteUeu fmb."
(Joffflrr f a(^f6po|l.
aarl StltmüUer bat ber ie^igen Sluögabe be^ ^iin% dlo\a Qtxa-
min eHt Meft^wort mit auf bm Wtq geceben. b<i9 ivir loo(( am Men
bamit ttjurbigcn, rocnn njir Tagen, baft cö gans inbemScifl unb bcm ®emütb
gefcbricbcn ifl, tvcldic bac« 99ud) felbft rcun^cid)ucn. 2)ie 6pra*e bcö ®elctt€i;
moxi€ berührt nuaemcin auflcnebm unb iuef)lt6ucnb unb für bicjenigen,
tDel<i&en JBucb unb Slutor bi^f)er fremb waren, ift bie fnappe, aber gerobe
au6reicbenb unterrid)tenbe erjäf)(nng ber Sd)icffalf Beiber nurfelir bnnfen^s
loertb. S)ie Stimmung be^ ^c\tx9 h}irb burcb M ©eleit^tport in geeigs
iteter IBeife angeregt unb bie Seetüre be« Ififst bie enpartungen
bonauf in (Stfüttung geben, 9eibe4 I&|t bann ben nail^^altigften dinbruct
|ttrü({*
^ügera. littror. ^njcigcr
S3iö^er (jat fid) biefer ''^üm in ber ®efd)iditc ber bcutfd)cn Siteratur
feinen 5ßla$ erobert, man fud)tc ben 2;itel unb 5ßerfaffcr üergcbcnö in ben
meifien, mcnn oucb fonft febr DcHflanbigen £iteraturgcf(bid)tcn, unb bed&
. bürfcn tt>!r nicbt onfteficn, benfelben ben bejlen @rscugntffcn ber l^umorifli?
fc^en beutf(ben Literatur beisujabien.
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Sm Sßertage m\ @rdrfl ^. fötgtnl in (Gaffel erjd^ien:
Per ^e^i$flaat
(Eint )>u6ItdfKfc^e ©fijje
«en
Dr. JSöfu-.
«rofc^irt 3 SWatf.
^iefe S(t)rift bed fl«iiU>o(leu $erfaffer0 (at eine au|kroe»5(nli(l^
Stufmcrffamfeit erregt.
€te (rfianbelt eine bet n>id)H0{len unb brennenbflcn grasen bc^
6tottt«Ieöen6 unb beö offeutliAeu 5Hcd)tö, eine Sroflc, bcren 85fung bem
donflituiicuüliömuö crft fcincji %nt\), lücil einen fcfl0cri(fccrten Snl^olt, gicbt.
9Bir machen auf biefc Gvfcöeinunfl bcv Siteratur beionber^ oUe \nx
WlihmUinq am fBkttt ber (9cfe|0C&iinfi berufene SR&nnev bcr 9lation
aufmerffam.
von
Dr. Otto Ȋjn
£i6er-Ivibmial«irat^ in Sciltti.
^veite «ei (eacSettclc ^ufliflc
0rof<6irt 5 9Rart
«cn
Dr. :fiarl (Esmar^,
3toeite Suflafle.
Sn bemjclbcn öerlagc er(dE)ien:
»cn bcr
operis novi nunciatio
nnb brm
iDterdictnin qaod vi aot dam.
(Sine cik)i(tfttf(4e SUi^anblung
Suf iSchrc pon der ^nictceffwn.
SJon
inöbcfoubcrc
n(ec die Veaumft und die ilatut ilec 8(rAe ab HeiisqueKm
Aber dad @etti9^tt|^dtdve4it.
$rct« 2 SRart.
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Sn bemjelben SJertoge erjdSiien:
ücn bcr
operis novi nunciatio
unb bcm
iDterdietam qnod vi aat elaiii.
(Sine ciliiüftif(|e flb^nbluttg
»Ott
Mol! Md
^dMCt 3ufH}rat9 in «ctlfB.
^xoWxi 8 matt
Sur Mditc von dcv Intcmflion«
Sßon
8p9eIIattott00cri(6Htatb in (EeOe.
Sur
inö&cfonbcrc
Set ilie leaiiw^ und die Untat det Soie a(8 ilediisqueVcn
unb
Übet ®etop^tt^ettdve<^t.
2 flXlarf.
by GoOglJ
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