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Full text of "Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst"

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Archiv  für 
Frankfurts 
Geschichte 


L 


und  Kunst 


Frankfurter  Verein 
für  Geschichte  und 
Landeskunde, ... 


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ARCHIV 

FÜR 

FRANKFURTS  GESCHICHTE 

UNO 

KUNST. 

Dritte  Folge. 
Herausgegeben 

von  dem 

Vereine  för  Geschichte  und  AlterÜiiimskunde 

SU 

Krank l'urt  am  ]M!ain. 
Dritter  Band. 

Mit  drei  Orctcnstafeln  in  Farbendruck  und  einer  Inschriftentafel  in  Lichtdruck. 



FRANKFURT  a  M. 

K.  TH.  VÜLCKHRS  VERLAG. 

1891. 


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i>n>ckci«i  von  AiiCiKT  UniBiiittii  in  fntkfm  t.  M. 


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Inhalt. 


SdM 


I. 

H.  V.  Heyden,  Der  Conrordicn-Orden,  die  Khren-ATcdaillen, 

sowie  die  Feldzugs-  und  1  )ienstalterszeirhcn  des  Gross- 

her/ogtums,  des  General -Gouvernements  und  der  Freien 

II. 

Dr.  R.  Jung,  Die  Ehrenbürger  der  Reichsstadt  und  der  Freien 

I 

109 

III. 

IV. 

Dr.  I.  Kracauer,  Frankfurt  a.  M.  und  die  französische  Republik 

"795-1797   

Dr.  R.  Jung,  Voltaires  Verhaftung  in  Frankfurt  a.  M.  auf 

142 

2 1  7 

V. 

E.  Menlzel,  Schillers  Jugenddramen  /um  ersten  Male  auf  der 

Frankfurter  Bühne,    I.  Die  Räuber  

238 

Vi. 

Dr.  A.  Hatnnieran,  Das  Römerkasicll  zu  Frankfurt.   Mit  ciiiL-r 

■r.uci  

30 ' 

Geschäftliche  Mittheilunqen. 

I.  Bericht  Uber  die  Thätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1889 

III 

XII 

III.   Bericht  Uber  die  Thälij^kcit  des  Vereins  im  Jahre  1S90 

XV 

IV.   Rechnungs-Ahsc  hluss  fur  das  Jahr  1890  XXIir 


H  LI 


RO  U 


NFO 


IVEP 


RAR 


I. 

Der  Concordien-Orden,  die  Ehren-Medaillen,  sowie  die 
Feldzugs-  und  Dienstalterszeichen  des  Grossherzogtums, 
des  General-Gouvernements  und  der  Freien  Stadt 

Frankfurt. 

Mit  3  Tafeln  Abbildungai. 

Vcn 

Hermann  v.  Heyden, 

Kainmcrlicrrn  S.  H.  de»  Hettog*  von  Sachsen  •Mctniagcn,  k|{l.  premMcbcm  Majur  a.  D. 

Vorbemerkungen. 

In  den  nachfolgenden  Blättern  gebe  ich  die,  nach  urkundlichen 
Quellen  bearbeitete  Entstehungsgeschichte  und  Beschreibung  des 
Concordien-Ordens,  sowie  derjenigen  Militär-Ehrenzeichen,  welche 
zu  der  Geschichte  Frankfurts  in  Beziehung  stehen  und  desshalb  der 
Vergessenheit  nicht  anheimfallen  sollen. 

Da  mit  dem  schroffen  Wechsel  der  politischen  Verhältnisse  im 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  auch  die  militärischen  Verhältnisse  den  ver* 
schiedensten  Veränderungen  unterworfen  wurden  und  über  dieselben 
bisher  Nichts  veröffentlicht  worden  ist,  so  erscheint  es  nothwendig, 
dieselben,  nach  den  verschiedenen  Zeitabschnitten,  hier  kurz  zu  erläutern. 

1.  Zeitabschnitt  von  1806  bis  i8ij. 

Im  Jahre  1806  war  bekanntlich,  mit  der  Gründung  des  Rheinischen 
Bundes  durch  Napoleon  I.,  die  Stadt  Frankfun  ihrer  reichsstädtischen 
Verfassung  entkleidet  und  dem  fürstlich  primaüschen  Staat  einver- 
leibt worden.  Aus  letzterem  bildete  der  Protector  des  Rheinischen 
Bandes,  unter  gleichzeitigem  Austausch  einzelner  Gebietsteile,  durch 
den  Traktat  vom  16:  Februar  1810  das  Grossherzogtum  Frankfurt, 
welches  sich  aus  den  Departements  Aschaifenburg,  Fulda  und  Frank- 
furt zusammensetzte. 

In  diesen  Zeitabschnitt  fällt  die  Stiftung  des  G>iicordien-Ordens 
für  ausgezeichnete  Verdienste  jeder  An,  sowie  der  Tapferkeits- 
Medaillen  zur  Belohnung  hervonagend  upferer  Handlungen  für  die, 
unter  französischer  Führung,  von  1808  bis  18 13  in  Spanien  kämpfenden 
Truppen.  Die  Darstellung  der  Entstehungsgeschichte  und  Veraus- 
gabung der  Tapferkeits-Medaillen  wurde  dadurch  erschwen,  dass  die 


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förstitch  primatlschcn  und  grossherzoL-'icht-n  Akten,  mseiiunder- 
gcrisscn,  in  den  Archiven  von  W  iesbaden,  Würzbiirg  und  Frankfurt 
aufbeuahrt  werden  und  dass  die  meisten  der  auf  die  Medaillen  Bezug 
habenden  Dokumente  in  der  Schlacht  bei  Vittoria,  am  21.  Juni  iSij, 
mit  der  ganzen  Bagage  des  in  Spanien  kämpfenden  grosshcrzoglichen 
Bataillons  verloren  ge<^angen  sind.  —  Es  wurden  zur  Bearbeitung 
hauptsächlich  die  zahlreichen  Rapporte  und  eingehenden  Gefechts- 
berichte der  Kommandeure  dieses  Bataillons  benutzt,  welche,  mit 
einem  Teil  der  ^rossherzoglichen  Akten,  im  Jahre  1867  von  Frank- 
furt nach  Berlin  übergeführt  und  von  dort,  im  1-ebruar  18S5,  an  das 
königliche  Staatsarchiv  in  Wiesbaden  abgegeben  uurdcn.  Diese 
Kapporte  und  Gefechtsberich rt.-  dienten  Bernays  als  Grundlage  zu 
seinem  1882  erschienenen  Werke  »Schicksale  des  Grossherzogtums 
I  rankfurt  und  seiner  Truppen«  und  kann  der  die  Tapferkeits-Medaillen 
behandelnde  Abschnitt  der  nachfolgenden  Blatter  als  eine  Ergänzung 
zu  demselben  betrachtet  werden. 

Dieser  Gruppe  wurde  die  St.  Helena  -  Medaille  hinzugefügt, 
welche  Napoleon  III.  im  Jahr  1857,  im  Andenken  an  Napoleon  I., 
für  alle  MiHtärs  stiftete,  welche  an  den  Kriegen  von  1792  bis  1815 
unter  französischer  1-uhrung  Teil  genommen.  Die  überlebenden 
Offiziere  und  Mannschaften  des  Bataillons,  welches  vwi  1808  bis 
tiSi^  in  Spanien  gekämpft  —  der  zwei  Bataillone,  welche  181 2  an 
dem  Kriege  gegen  Russland  und,  daran  anschliessend,  an  der  Ver- 
teidigung von  Danzig  —  sowie  der  zwei  anderen  Bataillone,  welche 
an  der  Verteidigung  der  Festungen  Glogau  und  Torgau  Teil  ge- 
nommen, hatten  das  Hecht,  die  St.  Helena-Medaille  zu  tragen,  und 
dcsshalb  musstc  dieselbe  in  der  nachstehenden  Zusammenstellung 
Aufnahme  linden. 

II.  Zeitabschnitt  von  18  13  bis  1 8  i  5. 

Im  Oktober  181 3  halte  der  Grossherzog  sein  Land  verlassen, 
im  November  besetzten  die  aUiirten  Grossniächte  das  Grossherzogtum 
und  iibertrugen  scinc  Verwaltung  anfangs  dem  k.  k.  österreichischen 
l  eldmarschall-l.ieutenani  Prinz  Philipp  von  Hessen-Homburg,  und 
später  dem  k.  k.  l  eldzeugmcister  Heinrich  XIIL,  regierenden  Fürsten 
von  Rctiss  Greiz,  als  General-Gouverneur.  Das  General-Gouvernement 
stellte  den  Grossmächten  drei  Linien-  und  drei  Landwehr-Bataillone 
für  den  Krieg  gegen  Frankreich  zur  Verfügung.  Die  Mannschaft 
dn  di  ci  Linien  -  Bataiihme  war  aus  alLn  Departements  gemischt, 
dl  ei  Landwehr-Bataillone  formirtcn  sich  dagegen  in  je  einem  der 
Departements  und  führten  dementsprechend  die  Namen:  1""'  Land- 


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—  3  — 

wehr-Bataillon  (AschnlTcnhiirg),  11'^^  Lanüvvchi-]i.uaillon  (i  ulUa)  uiul 
III'"''  Landwehr-Bataillon  (1  rank  hin),  jedes  dieser  aus  vier  Kompagnien 
beziehenden  Landwehr-Bataillone  ioiniirte  die  V'  «»d  4"  Kompagnie 
aus  Landwehricuten,  die  i"  und  2""  aus  Freiwillisjen  und  wurden  die 
letzteren  beim  I"-""  Landwehr-Bat.iillon  »Schaar  der  I-reiwilligen  vom 
Spessart«,  beim        Landwehr-Bataillon  »Schaar  der  Freiwilligen  von) 
I.anJe  l  uld  und  vom  Lande  Ii>enburg«,  beim  III'  '  Landwehr-Bataillon 
»Schaar  der  I  rei willigen   von  Frankfurt«   genannt.    Wahrend  des 
Krieges  im  Jahre  1814  wurden,  mit  der  Abgabe  des  Departements 
Aschaffenburg  an  Bayern,  ein  Linien-  und  das  I'''  Landw  clir-Bataiüon 
am  15.  August   1814  ausgeschieden,  und  so  verfügte  dai>  General- 
Gouvernement  von  diesem  Zeitpunkte  an  nur  noch  über  die  Linien- 
Bataillone  Frankfurt  und  1  ulda, '  sowie  über  die  zwei  Landwehr- 
Bataillone  Fulda  und  Frankfurt.    Die  aus  Spanien,  Danzig  und  Glogau 
zui  uv;kKLhi  enden  Truppenreste  wurden  den  Linien-Bataillonen  zuge- 
teilt und  trugen  nunmehr  die  Waffen  gegen  diejenigen,  mit  welchen 
sie,  teilweise  fünf  Jahre  lang,  Schulter  an  Schulter  gemeins.un  ge- 
kämpft hatten.    Es  ist  erklärlich,  dabs  ein  so  schroffer  Wechsel  der 
politischen  und  militärischen  Verhältnisse  maiielie  Unzuua^lichkeiten 
im  Gefolge  hatte.    Obgleich  man  dieselben  gerne  der  \\rgei>i>en- 
heit  anhcii fallen  lassen  ukkIhc,  so  konnte  doch  ein  J-ali  . on  Indis- 
ciplin,  welcher  sich  im  Juli    1814   beim  Landwehr-Bataillon  Fulda 
ereignete  (vgl.  No.  >  in  dcu  nachfolgenden  Blattern),  nicht  unerwähnt 
bleiben,  weil  er  mit  der  Stiftung'  des  lihrenkreuzes  für  die  Offiziere 
und  treugebliebcnen  i  i^i  w  illigcn  dickes  l>aL/.il.^ ms  in  enger  \'erbin- 
dung  stand.    Ausser  d;c>ein  Kreuz  stiftete  Uei  General-Gouverneur 
Fürst  Heinrich  XIII.  von  Reuss-Gi\iz  für  sämmtliche  Offiziere  der 
Fini«.  und  n.i Jui  i :;lich  auch  für  eiiicu  1  eil  der  Militärbeanuen  ein 
Llirenkreuz  zur  Lruuierung  an  das  Kriegsjahr  1S14. 

III.  Zeitabschnitt  von  18 15  bis  1866. 

Die  Stadt  Frankfurt  hatte  ihre  Selbstständigkeit  als  freie  Stadt 
bereits  im  Jahre  1814  zurückei h.ih.n,  aber  da^  Linien  -  BatailK>n 
Frankfurt,  welches  sich  aus  Landcskindern  von  biilda  und  hrankfurt 
zusammensetzte,  blieb  noch  bis  zur  Auflosung  des  General-Gouver- 
nements und  bis  zur  Abgabe  von  1  ulda  an  Kurhessen  im  Juni  181 5, 
nui  den  übrigen  Truppen,  der  Verwaltung  durch  dasselbe  unterstellt.  — 
Der  Senat  der  freien  Stadt  hatte  bereits  1814  selbsiständig  eine 


'  Die  ?wei  Linien- Hal.ntloric  crschcinL-n  in  allen  Gcfechlsbcricliicn  unil  Ordres 
lie  b^taillc  der  jalue  lüi.)  und  181$  ah  ^Bataillon  Frankfurt«  und  »Bataillon  biilda««. 


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-   4  - 


Medaille  für  die  Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfurt  gestiftet, 
er  verlieh  1816  auch  eine  solche  an  alle  Offiziere,  Soldaten  und  Frei- 
wütige  aus  dem  Gebiete  der  Stadt,  welche  an  dem  Feldzuge  von  181 5 
Teil  genommen,  und  im  Jahre  1846  erhielten  auch  nachträglich 
diejenigen  Bürger  eine  besondere  Medaille,  welche  den  Feldzug  von 
1814  in  der  Linie  oder  Landwehr  mitgemacht  und  die  Medaille  für 
die  Schaar  der  Freiwlltigen  nicht  besassen. 

Nach  der  Auflösung  des  General-Gouvernements  bildete  die  freie 
Stadt  ein  aus  sechs  Kompagnieen  bestehendes  »Linien-Bataillon«, 
welches  sich  aus  angeworbenen  ausgedienten  Unteroffizieren  und 
Soldaten  der  Nachbarstaaten  zusammensetzte.  Diesem  Bataillon  wurde» 
för  die  Teilnahme  an  den  Peldzflgen  1848  in  Schleswig-Holstein  und 
1849  in  Baden,  vom  Senat  ein  Hrinncrungskreuz  in  Bronze  verUehen. 
Dasselbe  legte  ausserdem  die  Gedächtnis-Medaille  an,  welche  der 
Grossherzog  von  Badm  für  alle  Truppen,  die  an  der  Unterdrückung 
des  Aufstandes  in  Baden  im  Jahre  1849  Teil  genommen,  gestiftet  hatte. 

Zu  diesem  Abschnitte  gehören  auch  die  Dienstalterszeichen, 
welche  der  Senat  seit  1841  für  langjährige,  treue  Dienstzeit  im  Linien- 
Bataillon  der  freien  Stadt  verausgabte. 

Ich  übergebe  die  nachfolgenden  Blätter  der  Oeffentlichkeit  als 
einen  Beitrag  zu  der  Geschichte  der  Militär-Verhälmisse  des  Gross- 
herzogtums und  der  bis  1866  freien  Stadt,  gleichzeitig  in  der  Hoff- 
nung, dass  dieselben  den  Numismatik ern,  welche  sich  mit  den 
Medaillen  Frankfurts  beschäftigen,  manches  Neue  bringen  werden. 

Die  Administratoren  des  Dr.  Johann  Friedrich  Böhmer'schen 
Nachlasses,  Herren  Justizrath  Dr.  Adolf  v.  Hamier  und  Rechts- 
anwalt Dr.  Carl  Friedrich  Schmidt-Polex,  haben  in  bereitwilligster 
Weise  einen  namhaften  Betrag  zur  Herstellung  der  drei  Tafeln  mit 
Abbildungen  durch  die  lithographische  Anstalt  von  Werner  &  Winter 
in  Frankfurt  a.  M.  zur  Verfiigung  gestellt. 

Meinen  besonderen  Dank  muss  ich  an  dieser  Stelle  dem  Stadt- 
bibltothekar  und  Vorstand  der  städtischen  Münzsammlung,  Herrn 
Dr.  Ebrard  in  Frankfurt  a.  M.,  für  seine  jeder  Zeit  bereite,  freundliche 
Unterstützung  aussprechen. 


1 
I 


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5 


(1  u  i-  I  I  f  n. 

Klenk,  Hauptmann. -~  Militärische  Tagebuch  meiner  Reise  durch  Frankreidi,  des 

Fddzuges  in  Spanien  etc.  —  Frankfurt  iSi6. 
Das  Jubelfest  der  Freiwilligen  von  Frankfurt  am  Main  den  ii.  Dezember  i8)8. 

Fninicfurt  am  Main  1839. 
Gei&sler,  C.  —  Geschichte  des  Regiment«;   n]icr^(it/e  zu  Sachseti«  im  russischen 

Feldzuge  1812.  In  besonderer  Beziehung  auf  die  übrigen,  damals  der  Division 

LoisoD  zugeteilten  Gronherzogfich  Frankfurtischen,  Herzoglich  Anhaltischen 

etc.  etc.  Truppen.  —  Jena  iS4a 
Rfippell,  Dr.  Eduard.  -  Beschreibung  der  MQnzen  und  Medaillen,  welche  wegen 

gcschichtUcher  Begebenheiten  fiir  Frankfurt  geprägt  wurden      Krschienen  i8s5 

im  Heft  7  des  »Archivs  für  Frankfurts  Gescliichte  und  Kunst.« 
Busch,  J.  W.,  Obrist  a.  D.  -  Geschichtliche.«  vom  Frankfurter  Bundeskontingcnt- 

BataUlon  wihrend  der  Feldz&ge  nach  Schleswig.Holsiein  und  Baden  In  den 

Jahren  1848  und  1849.  —  Frankfurt  1858, 

von  Heyden,  C  Senator.  —  Einige  Worte  über  Milit-lr-Elirtiueichen  der  freien 
Stadt  Frankfurt.  -  In  den  Mitteilungen  des  Vereins  lür  Geschichte  und 
Altertumskunde  II.  265—267. 

Kühn,  Alexander.  —  Erlebnisse  eines  Soldaten  des  ehemaligen  Grossherzogtums 
Fr.inkfurt  und  des  darauf  folgenden  General-Gouvernements.  —  Frankfurt  1862- 

(Eder,  kgl.  preuss.  Oberst.)  —  Aus  den  Frinncrungen  eines  SoIJiten  des  Frank- 
furter Bataillons.  Mitgeteilt  von  F.  Hohhof.  -  (.\us  der  kleinen  Chronik, 
Frankfurter  Wocheubchrifi.  1878.  No.  20  und  21.) 

Bertiasrft,  Guillaume.  —  Schicksale  des  Grossherzogtums  Frankfurt  und  seiner 
Truppen.  —  Berlin  1882. 

Spe>'er,  Dr.  Otto.  -  Das  TretTen  bei  Sei/  .ini  26.  Juni  181  j.  —  .\ufsatz  in  den 
Frankfurter  N.ichrichtcn  (Intelligenz-Blatt)  vom        Juni  1887. 

Staats-Kaknder  der  Furst-Primatischen  Stadt  Frankfurt  am  Main  auf  die  Jahre  1807, 
1808.  1809,  i8ia 

StaatS'Kalender  der  grossherzoglichen  Stadt  und  des  Departements  Frankfurt  auf 

die  Jahre  i8t2,  1815. 
.Staats-Kalender  für  li.is  (irosshcr/rogtuni  I  r.nikfurt  1.S12. 
Suats-Kalender  der  freien  Stadt  Frankfurt  von  1817  bis  1866. 
Die  Königlichen  Staats-Arehive  in  Wiesbaden  und  Marburg. 
Die  Sudt«Archive  I  und  II  in  Frankfurt  am  Main. 

Mitteilungen  aus  dem  k.  k.  Haus-,  ITof-  und  Si.i.its-.\rc!nv  in  Wien,  jus  den  König- 
lichen Kreis- Archiven  in  Würzburg  und  Arnberg,  sowie  von  der  Direktion 
der  städtischen  Sammlungen  für  Wissenschaft  und  Kunst  in  Main«, 


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1.  Der  Concordien-Orden. 


Im  Jahre  1.S06,  bei  der  Stillung  des  Rheinischen  Bundes  durch 
Napoleon  I.,  wurden  dem  hisherit^en  Kurfürsten  von  Mainz  und  Erz- 
kanzler  des  Deutschen  Keiciis,  Carl  1  hcodor  Anton  Maria  Reichs- 
freiherrn von  Dalbert;,  die  ihrer  rcichsst.iJtischcn  Verfassung  ent- 
kleidete Stadl  1  rankfurt  sowie  das  Gebiet  des  l'ürsten  und  Grafen 
von  Löwensiciii -Wcrthcim  und  die  Grafschaft  Rheineck  zni^eteilt. 
Er  vereinigte  diese  Ckbicle  mit  seinen  bisherigen  Besitzungen:  den 
I'ürstcnuimern  Ke|4cnsburg,  Aschalieiiburg  und  der  Grafschaft  Wetzlar 
und  erhielt  den  Titel  »Seine  Hoheit  der  souvcraine  Fürst  Primas 
Carl  Theodor,  des  Heiligen  Stuhles  zu  Regensburg  lirzbischof  und 
Primas,  l"iirst  Priinas  der  Rheinischen  Conföderation,  souverainer  Fürst 
von  Regensburg,  Asch  itfenburg,  Frankfurt  und  Wetzlar  etc.  etc.«'  — 
Durch  einen  mit  hrankreicli  am  16.  Februar  1810  abgeschlossenen 
Traktat  trat  der  Fürst  Primas  Regensburg  an  Bayern  ab  imd  erhielt 
dafür  den  grössten  Teil  der  Fürstentümer  Hanau  und  Fulda.  Aus 
seinem  gesammten  Besitztum  wurde  nunmehr  das  Grossherzo^tutn 
Frankfurt  gebildet.   Er  selbst  nahm  am  i.  März  iSio  den  Titel  an: 

'  Carl  ilicodor  Amon  Maria,  Reichsfreiherr  von  Dalberg,  aus  dem  rciclis- 
Irciadeligcu  Gcsclileclue  der  Kaniniercr  von  Worms,  Freiherrn  von  Dalberg,  i.si  ge- 
boren am  8.  Februar  1741,  xum  Coadjutor  von  Mainz  erwählt  Juni  1787,  von 
Worms  am  18.  desselben  Monats,  von  Consian/  am  18.  Juli  17S8,  succedirtc 
Furstbiscliol  /u  C!oii  tnnr  im  Dezember  1799,  als  lir/bischof  und  Kurfürst  von  Main/ 
und  I'ürsibiscliot  zu  Worms  am  26.  Juli  erhielt  vom  Pabst  das  Pallium  am 

II.  Oktober  1802,  als  l'urst  zu  Regensburg  gehuldigt  am  2j.  April  1804,  vom 
Pabste  als  Erxbiscliof  von  Regensburg  bestätigt  am  2.  Februar  1805,  trat  der 
Rheinischen  ConfÖderation  bei  am  12.  Juli  1S06.  als  souverainer  Fürst  in  Frankl'ur: 
gehuKü-t  im  ]iin::ir  tSoy,  in  den  Hesit/  von  Hanau  gesetzt  nm  16.,  von  FuM.i 
am  19.  M.II  (ir.'sslicrzog  seit  dem  i.  Mai  1810,  verlor  in  Folge  des  Hesit/.- 

crgreilungs-Paientes  vom  6.  November  181  j  seine  Besitzungen  und  starb  am 
10.  Februar  1817  in  Regensburg. 

Sein  Vater  Franz  Heinrich,  geboren  am  8.  Februar  1716,  war  kurmaimeiscbcr 
und  kurtricrischer  geheimer  Rath,  weltlicher  Staub. iltcr  zu  Worms,  Obcnmtmann 
zu  Oppenheim,  Biirptr'':'^  ^»i  Fricdbcrp;.  <;!nrb  ;im  o.  n^vcniiuT  1776.  Seine  Mutier 
war  eine  Tochter  des  Gralen  Frnsi  von  J-U/.-Keu»penich  und  dessen  Ciemahlin,  einer 
geborenen  Frcün  Wamboldt  von  Umstadt.  —  Der  Bruder  von  Emst  war  Graf 
Philipp  Carl  von  £ltz-Kempenich,  Kurfürst  von  M.ilnz  von  1732—1743.  —  Ein 
von  Dalberg  (Wolfgang)  war  von  ijSz  -  1601  Kurförst  von  Mainz. 


I 


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-   7  - 


»Sc.  König).  Hoheit  Carl  von  Gottes  Gnaden  Fürst  Primas  des 
Rheinischen  Bundes,  Grossherzog  von  Frankfurt,  Frzbischol  von 
Regensburg,  souverainer  Ffirst  von  Aschaffenburg,  Frankfurt^  Fulda, 
Hanau  und  Wetzlar  etc,  etc.« 

Bereits  im  Jahre  iSi2  fasste  der  Grosslierzog  den  Entschluss, 
dem  Beispiel  anderer  Staaten  zu  folgen  und  für  das  Grossherzogtum 
einen  Orden  für  ausgezeichnetes  Verdienst  jeder  Art  zu  errichten. 
Im  Anfang  des  Jahres  1813  kam  dieser  Entschluss  zur  Ausführung. 
Die  Erwägungen  und  Maassnahmen,  welche  der  Verausgabung  des 
Ordens  vorangingen,  lassen  sich  aus  dein  nachstehenden  Berichte 
ersehen,  welchen  der  vom  Grossherzog  zum  Ordens-Secrciär  ernannte 
Geheinie-Rat  und  Kabiiiets-Secretär  Müller  am  11.  Juli  1814,  also 
nach  der  Auflösung  des  Grossherzogtums  und  nach  der  Abtretung 
des  Fürstentums  Aschaffenburg  an  Bayern,  an  den  damaligen  Königl. 
Bayerischen  Kämmerer,  wirklichen  Geheimen^Rat  und  Hofkomroissär 
für  das  Fin  stentum'  AschafTenburg,  Freiherrn  von  Arecin,  erstattete. 
Dieser  Bericht  lautet  wie  folgt:' 

Aschaflenburg,  den  11.  Juli  1814. 

An  des  k.  Baierischcn  Herrn  Kämmerers,  wirklichen  Geheimen  Rathes, 
Commandcurs  des  Civil -Verdienst -Ordens  der  Baicrischen  Krone,  Hof- 
kommissärs für  das  F&rstenttium  Aschaffenburg,  Freiherrn  von  Aretin,  Excetlen«. 

Euer  Exccllcnz 

lege  ich  hiermit,  dem  mir  gegebenen  verehrlichen  Auftrage  zufolge,  die  ge- 
druckten Statuten  des  Concordien-Ürdens  und  eine  Liste  der  Ordcnsglieder 

gehorsamst  vor.  Die  Stniuten  enthalten  die  ganze  Verfassung  dieses  seit  den! 
3.  Februar  iHi^,  bcstcheruk'n  Ordens.  Langer  als  ein  Jahr  vorher  erörifnelen 
Se.  K.  Hoheit,  der  Grossherzog  von  Frankfurt,  Ihren»  Herrn  Minister-Staats- 
sekretär Freiherm  von  Eberstein  die  h.  Gesinnung»  ndass  es  wohi  zweck- 
mässig sein  würde,  nach  fast  allgemeinem  Beispiele  anderer  Staaten,  einen 
Orden  in  dem  Grosslier/ogthuiue  Frankfurt  lur  ausgezeichnete  Verdienste  jeder 
Art  m  errichten.«  Höchsidieselben  .lUHstTten  sich  zugleich  über  die  Be- 
nennung, die  Zeichen  und  die  Klasbcneintheihuig  des  Ordens. 

Im  Jahre  i8n  Hessen  Se.  K.  Hoheit  die  Ordenszeichen  und  Uecorationen. 
nach  einer  mit  dem  Holjuwclier  Wohack  in  Frankfurt  getroffenen  Uebcrein- 
kunft,  verfertigen  und  den  Betrag  aus  der  grossherzoglichen  Zivilliste  K.i.  o 
entrichten.  Die  anfängliche  Absicht  des  Grosshcrzogs  war,  nicht  eher  als  bei 
den)  allgemeinen  l'rieden  Gebrauch  davon  zu  machen.  Ich  hielt  daher  die 
ürdaiszeichcn  und  Decorattonen,  welche  wahrend  dem  damaligen  Aufent- 
halte desselben  in  Fuld  fertig  geworden  waren,  hier  in  Verwahrung.  Allein 
das  zu  Fontainebleau  abgeschlossene  Kirchenkonkordai  gab  zu  Anfang  des 
Jahres  1813,  bei  immer  noch  entfernten  Friedensaussichten,  eine  frühere  Ver- 

'  Der  Bericht  ist  im  Kgi.  Kreis-Archiv  Würzburg  aufbewahrt.  (H.  C.  P. 
Ko.  }6a) 


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-    8  - 


anlassung.  '  Sc.  K.  Ilolicil  ernannten  mich  rum  Sekretär  des  Ordens  und 
erklarten  mir,  bei  der  nunmehrigen  ersten  Verthcilung  desselben  und  2ur 
Bemerkung  für  künftige  Statuten,  dass  zur  I.  Klasse  die  Herrn  Minister 
und  Gesandten,  der  Herr  Weihbischof,  die  hier  wohnenden  Domherrn  und 
der  Herr  Oberhofmeister,  zur  II.  die  Herrn  Staatsräthe,  Generäle  und  ich, 
als  Ordeiis-Sckret.ir.  zur  III.  die  Herrn  geheimen  Räthe,  Stabsoffiziere  und 
andere  verdiente  Staaisdiencr  bestimmt  waren.  Ich  erhielt  demnach  am 
I-ebruar  v.  J.  den  h.  Auftrag,  den  hier  wohnenden  Ordenskandidatcn  die 
Dekorationen  Kuxustellen.  Se.  K.  Hoheit  schickten  am  nämlidwn  Tage  dem 
Herrn  Staatsnünistcr  Freiherm  von  Eberstein  den  seinigen  und  schrieben  ihm 
den  in  der  Fr.mkfurtcr  Zeitung  erschienenen  Brief  des  Inhalts:  udass  Höchst- 
diesclbe  wegen  des  zu  Stande  gekommenen  Concordats  sich  glücklich  fühlten, 
dass  die  Einigkeit  der  geistlichen  und  weltlichen  Gewalten  von  jeher  der 
Gegenstand  Ihrer  WOnsche  gewesen»  und  dass  Sie  dem  Herrn  Minister  ein 
Geschenk  niit  dem  Ordensxeichen  machten,  welches  Sie  nun  selbst  trögen 
und  welches  aus  dem,  auf  einem  Stern  befindlichen,  Sinnhilde  der  Eintracht 
bestünde«.  Auch  musste  ich  an  dem  n.unüchen  Tr^i^e  dem  Herrn  Staus- 
minister  Frhrn.  von  Eberstein  die  Ürdcnszeichen  lur  die  in  i  rankiurt 
wohnenden  Herrn  Staatsrithe  etc.  etc.  fibersenden.  Auf  solche  Weise  erhieh 
der  Orden  seinen  Anfang  am  $.  Februar  i8t$.  Die  Statuten  wurden  erst 
den  ij.  August  ausccfertii^'t  In  denselben  wurde,  Art.  6,  der  Herr  Obcrst- 
hofineister  Frhr.  von  Ptirdt  /.um  Kanzler  ernannt;  es  fand  indessen  kein 


'  Der  k.  k.  österreichische  be\ dllmächtigte  Minister  und  aus-,erordent liehe 
(jcsandtc  am  gros.slierzüglich  frankfurtischen  Hofe,  Freilierr  von  Hügel,  berichtete 
iliber  die  Stiftung  des  Coneordien-Ordens  d.  d.  Frankfurt  den  ii.  Februar  i8i)  an 
die  geheime  Hof-  und  Sta.us-K.uulei  in  Wien  das  Folgende: 

In  dem  Blatte  der  hiesigen  Zeitung  vom  f\  dieses  werden  Euer  l-xeclkrr 
die  beiden  .\rtikcl  .lus  .'\sch.ifrenburg  vom  5.  bemerkt  li.iben,  durch  deren  ersten 
der  Herr  Gro:.shcr/og  wegen  der  Polizei  von  I  ranklurt  und  Hanau  neue  An 
Ordnungen  gemacht,  vermöge  des  andern  aber  seinem  Minister  der  auswärtigen 
Geschifte,  Freiherrn  von  £berstein,  den  Orden  der  Eintracht  verlielwn  hat, 
I  

II.  Weisen  des  /weften  Gegenstandes  habe  ich  bis  jet/t  eine  Ar/Li^e  lus 
der  L'rs»iciie  verscliMben  ''.veil  ich  nnt  dem  hiesifjen  y;in/en  Publicum  eine 
öffentliche  •■Ankündigung  über  den  errichteten  neuen  Orden  erwartete.  .Mlein 
bis  heute  sind  nur  einzelne  Verleihungen  einiger  Grosskreuze  an  die  gross- 
heraoglichen  Minister  von  Albini.  Gr.tfen  Hentzel  und  Grafen  Keller,  mehrerer 
Commuiidcur  Kreuze  nn  dfc  f^(issl)er/i)i,'lichen  s.anmitlichen  Staatsräthc  und 
vieler  Kleinkreu/e  .111  die  Pr.ifeeteii  und  einige  geheime  R.nthe  geschehen. 

Sdion  seit  dcju  Herb.st  waren  aile  Ordensdecorationen  verfertigt  und  n>an 
glaubte  allgemein,  dass  der  Herr  Grossherzog  seinen  am  4.  November  einge- 
fallenen Namenstag  zu  einer  feierlichen  Ordens-Institution  benutzen  würde. 
Ah  die  .illgemeine  Erwartung  m'clu  erfüllt  ward,  wurde  .>ls  Ursache  angegcbeti. 
dass  das  Vorhaben  keinen  Beifall  /u  Pari=;  i^'ef'undcn  liabc.  Die  dermal  erfolgte 
impcstive  \'crleihung  scheint  allein  durch  die  Nachriehl  des  abgeschlossenen  Con- 
cordats  und  durch  das  ZusammenireflTen  mit  der  Ordaisbenennung  nConcordia« 
veranlasst  worden  zu  sein. 
(Mitgeteilt  durch  da»  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staats-Archiv  in  Wien.) 


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-    9  — 


Urdcusrath  oder  Kapitel  statt.  Der  Orden  hat  keinen  Fond;  auch  ünd  sonst 
keine  Einnalinicn  damit  verbunden  und  keine  Ausgaben,  ausser  der  Art.  i| 
deni  Sekretariate  bestimmten  Entschädigung.  gez.  Müller. 

Höchste  Verordnung,  die  Stiftung  und  Statuten  des  grosehersoglich 
frankfurti^chen  Concordienordens  enthaltend.  ' 

Wir  Carl,  von  Gottes  Gnaden  Fürst  Primas  des  rheinischen  Bundes,  Gross- 
heriOK  von  Frankfurt,  Erxbisdiof  von  Regensburg  etc.  etc.  haben  Uns  bewogen 
gefunden,  ni  Belohnung  ausgeaeichneter  Verdienste  dnen  eigenen  Orden  unter  dem 
Namen  Concordicnorden  zu  stiften,  und  ftkr  denselben  folgende  Statuten  zu  ertbeilen. 

Art.  1. 

F>cr  Concordicnorden  wird  seiner  Be«vtimnuing  n.icli  in  Jcr  Regel  nur  an 
Iniander  verliehen.  .\uch  können  nur  solche  Pcrsoiicn,  welche  noch  keine  andere 
Orden  tragen»  den  Concordknordtti  erlMtien, 

An.  a. 

Der  Concordienorden  besieht  aus  drei  Klassen,  nämlich :  i)  Grosskreuaen, . 
3)  Commandeuren,  })  Rittern. 

Art. 

Die  Insignien  des  Concordienordens  bestehen  in  einem  achteckigen  stem- 
artigen  goldenen  Kreuze,  in  dessen  Mitte  auf  der  Vorderseite  awd  zwischen  Palm« 

lueigen  sich  verdnigende  Hände,  mit  der  Ueberschrift :  Concordia,  und  auf  der 
Rückseite  das  Hauptw.ippen  des  Grosshcrzogthuras  Frankfurt,  ein  silbernes  Rad  im 
roilicn  Felde,  sich  behiidet.  Das  sternariige  Kreuz  ist  mit  Strahlen  in  glänzendem 
Golde,  das  Ordenszeichen  selbst  in  einem  runden  Felde  von  mattem  Golde  gearbeitet. 

Die  Grösse  des  goldenen  Kreuzes  als  Ordenszdchen  ist  bd  der  ersten  und 
zwdten  Klasse  gleich. 

Die  erste  Klasse  tr.lgt  J;is  Ordenszeichen,  jedoch  an  ganz  breitem  Bande,  über 
der  Schulter  an  der  linken  Seite  lun^cnd.  und  überdies  auf  der  linken  Seite  des 
Kleides  einen  Brustsiern  von  Silber  mit  Strahlen  gestickt,  in  dessen  Mitte  gleich- 
falls das  Ordensaeiclien  in  mattem  Golde  sich  befindet. 

Die  zwdte  Klasse  trägt  das  Ordenszdchen  an  mittelbrdtem  Bande  um  den 

Hals  han^^cnd. 

Die  dritte  KKisse  tr;lc'  dis  kleinere  Ordenszeichen  nach  der  nämlichen  Form 
des  grösscm  Kreuzes  an  schmalem  Band  im  Knopflochc. 

Uebrigens  ist  den  drd  Klassen  das  gewöhnliche  Tragen  des  Ordenszeidiens 
in  der  Form  einer  kldnen  Schnalle  mit  dnem  Bande  oder  emcr  goldenen  Kette  mi 
Knopfloclie  gestattet. 

Die  Farbe  des  für  den  Concordienorden  bcstininitcn  Bandes  ist  aus  den 
l>tiden  Wappenfarben  des  Grosshcrzogthunis  dergestalt  zusammengesetzt,  dass  das- 
selbe aus  dnem  weissen  und  zwei  rothcn  Streifen  mit  wdsser  Einfassung  besteht. 

Art  4. 

Der  Concordienorden  besteht  aus  i2  Grosskreuzen,  24  Commandeuren  und 
24  Rittern,  im  Gan;'.en  also  aus  60  .Mitgliedern,  deren  Vermehrung  Wir  Uns  jedoch 
auf  den  besonderen  I"all  vorbehalten,  wo  N\  ir  einem  W'ohlth.ltcr  des  Staates  oder 
der  Menschheit  überhaupt  Unsere  Erkenntlichkeit  durch  Ertlieilung  des  Ordens, 
ohne  den  Abgang  eines  Mitgliedes  abzuwarten,  alsbald  beweisen  wollen. 

'  Die  Statuten  wurden  publicirt  im  »Grossherzoglich  frankfurtischen  Re- 
gieruQgsblau«,  III.  Hundes,  y,  Blatt  auf  .Seite  69  bis  76,  und  erschienen  gidclueiiig  im 
Separaubdruck. 


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—  lü 


Art  5. 

Nach  der  ersten  von  Uns  beschlossenen  Vcrlcibttn:,'  soll  in  der  Regel  Niemand 
zur  Klasse  der  {)rnss!;rcu/c  oder  Conini.indenre  i::e!.inucn,  xK  clciicr  nicht  vorher  die 
Uccoration  als  Ritter  wird  eriwlten  jjabcn.  ÜcKh  bciialien  W  ir  Uns  auch  hier  vor, 
in  dem  soeben  An.  4  erwähnten  Falle  eine  Ausnahme  von  dieser  Regel  zu  machen. 

Art  6. 

Des  Ordens  Grossmeister  ist  der  Grossherzog.  Wir  ernennen  sodann  Unsem 

Obristhofnieister,  I-reiherrn  von  Pfirdt,  zum  Kanzler,  und  Unsern  geheimen  Rath 
und  Kabinetseltretär  Müller  zum  Schaumeister  und  Sekretär  des  Ordens. 

Art.  7. 

Für  die  inncrn  (icschäfte  des  Ordens  soll  ein  Ordensrath  bestehen,  dessen 
Präsidium  Wir  Uns  vorbehalten,  und  wovon  der  Kan/.lcr  und  der  Sekretär  be- 
standige Mitglieder  sind.  Uebrigcns  besteht  der  Ordensrath  aus  4  Grosskreuzen  und 
4  Commandeuren,  deren  Auswahl  Uns  vorbehalten  bleibt.  In  dem  Falle,  wenn 
Wir  bei  dem  Ordensrathe  nicht  selbst  das  Präsidium  fuhren,  soll  der  Kanzler  hierbei 
Unsere  Stelle  vertreten. 

ArL  8. 

Zu  den  Verrichtungen  des  Ordensrathes  gehören  alle  den  Orden  betreiTende 

Angelegenheilen,  insbesondere  auch  X'orschhige  zü  Ordensverleihungen,  wenn  Wir 
solche  erfordern.  Sic  werden  Uns  in  der  Form  eines  Gutachtens  zur  Entschltcssung 
vorgelegt. 

Art.  9. 

Das  Ordensarchiv  steht  unter  der  Verwaltung  des  Sekretärs,  welcher  liir 

dessen  Ordnung  und  Verwahrung  Sorge  tax  tragen  hat.  Alle  auf  die  Stiftung  und 
aul  den  Orden  in  allen  seinen  Verhältnissen  sich  beziehende  Papiere  «gehören  in 
das  Ordensarchiv.  Der  Ordcnssekrctar  soll  ein  genaues  Verzeidmiss  der  ^.Vdens- 
glieder  mit  Vornamen  und  Geschlechtsnamen  föhren»  auch  die  Tage,  Monate  und 
Jahre  bemerken,  an  welchen  die  Verldhung  des  Ordens  an  jedes  Ordensglied  ge- 
schehen ist. 

Art.  10. 

Der  Orden  ist  nur  für  persönliches  Verdienst  bestimmt.  Daher  müssen  die 
Insignien,  nach  dem  Tode  eines  Ordensmitgliedes,  von  den  Erben  an  den  Schatz- 
meister und  Sekretär  des  Ordens  wieder  eingeliefert  werden. 

Art.  II. 

Die  mit  l^rtheilung  des  Ordens  verbundenen  Pr.irogative  bestehen: 

a)  m  'VvAfnvv^  der  Ordensdecorationen  nach  der  in  Art.  }  bezeichneten 

Abstutung ; 

b)  in  der  Befugniss,  das  Ordcns2cichen  auf  die  m  ArL  12  bezeichnete 
Art  mh  Wappen  und  Peitschaften  zu  vereinigen; 

c)  in  dem  Genüsse  der  Vorzüge  des  pcrsötilichen  Ritteradels  für  Gross- 

Ijrctirc  lind  Conini.mJeiire,  welche  den  erblichen  Adel  nicht  besitzen; 

d)  in  der  Herechii<,'im^  lur  alle  drei  Kl.isseii  des  Ordens,  bei  öircmlichen 
Festen  und  sonstigen  Feierlichkeiten  am  llofc  zu  erscheinen. 

Art.  12. 

Die  Mitglieder  des  Ordens  sind  befugt,  das  Ordenszeichen  mit  ihren  Wappen 
und  Pettschaften  auf  folgende  Art  zu  vereinigen. 

■    1)  Die  Giosskreii/e  wer  Jen  den  Ordensstern  ihrem  Wappenschildc  unter- 
legen, «^o  J.iss  die  Strahlen  .m!  .illen  Seiten  hervorstehen. 
2)  Die  Kommandeure  hangen  das  Band  mit  dem  ürdenskreuzceum  dcu 
Wappenschild;  und 


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—  II 


j)  an  den  U'.ippcii  der  Ritter  wird  das  Kreuz  untm  am  Schilde  nik  einer 

Baadsclilcilc  aiigcliän|;t. 

An.  13. 

nie  \'crlciliuii^;  Onlcns  i-.t  mit  Aciner  T.ixc  vcrbundL'u.  I^och  wird  von 
jedem  neuen  Mitglied«:  dem  Ordcn&sckrctariaic  eine  Entschädigung  Tür  gehabte 
Auslaifcn,  geführte  KorrespondenE,  Versendungen  etc  etc.  gdebtet,  und  swar 

a)  von  einem  Cirosskrcuzc  }3 

b)  von  einem  Commandeur  22  fl 

c)  von  einem  Ordensritter  11  fl. 

Art  14. 

Da  der  f-rn)yr\vewk  des  OrJctT;  Inup's.ijhlijli  J.irin  besieht,  den  Gott  ccfilliycn 
Geist  der  Hintracin  und  wohlth.i(igci)  Menschenliebe  bcstniögiidut  zu  bcfurdern ; 
so  n-ird  das  Bestreben  nach  diesem  so  schSnen  und  wohlthitigen  Endzwecke  sammi- 
lichen  Mitgliedern  des  Ordens  im  vollen  Vertrauen  wohlwollend  und  bc  ti.;is  ui- 
empfohlen;  und  sollen  gegenwärtige  Statuten  in  deni  Regierungsblatte  bck.mnt 
gemacht,  auch  besondo*  al^draclct  und  jedem  Mitglied«  des  Ordens  eni  Exemplar 
Xtlgestcllt  werden. 

AschdtTeaburg,  am  ij*««  August  181  j. 
(L.  S.)  Carl,  Grossher/.og. 

Zur  Beglaubigung ;  Auf  höchsten  Befehl  Sr.  Königlichen  Hoheit. 

Der  Justizminisler  Müller, 
Freiherr  von  Alhini.  geh.  Rath  und  Kahincüsckrct.ir. 

Diplome  wurden  bei  der  Verleihung}  des  Ordens  nicht  erteilt. 

Der  Beliehene  erittelt  mit  dem  Orden  nur  ein  Exemplar  der  Statuten, 

welche  von  dem  Ordenssekretär  unterschrieben  und  untersiegelt  waren, 

mit  der  einfachen  Adresse :  »Dem  Herrn  N.  N.  als  des  Concordien- 

ordens  Ritter,  Commandeur  oder  Grosskreuz.« 

▼•rseiehniM» 

4m  Mlt^iedMT  dm  von  Sr.  Königl.  Hoheit  dein  GroNKhrrzogc  von  FrudtAui  Im 

Jahre  iScj  errichteten  Concordien-Ordena.  ' 

(IJjs  Verxcichniss  ist  autgesieilt  am  11.  Juli  1814  und  enthalt  sammtlichc  unter 
der  Regierung  des  Grossheraogs  erfolgten  Verleihungen.) 

I.  Klasse. 

1.  Der  Grossherzog,  Grossmeister. 

(Die  übrigen  Mitglieder  nach  dem  Alphabet^. 

2.  Franc  Joseph  Freiherr  von  Albini,  Staalinambter,  Mmister  des  Innern  und  der  Justix. 
j.  (Christian  Gr.if  von  nc  i/cl  Stcniiui,  Staats-  und  Finanzminister. 

4.  Leopold  Gral  von  Beust,  Staaisminister  und  Salinendirektor. 

$.  Christian  Carl  Adam  Ludwig  Joseph  Freiherr  von  Dicaheim,  Domdechant, 

Appcllationshofs-l'rasidcnt  und  Gcncralvikarius. 
6.  Carl  Freiherr  von  HbersteiOf  Staatsroinister,  Minister  der  auswärtigen  Vcrluluiisbe, 

der  Poliaei  und  des  Kahns.* 

'  Aus  dem  Kgl.  Krers-Ai«hiv  in  Wurxburg.  -  <H.  C.  P.  No.  )<a) 

-  Das  breite  Band  mit  dem  ^nlifcncn  Onlcns/cichcii  und  der  gestickte  Brust- 
stern bvtinden  sidi  in  den  städtischen  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissenschaft 
in  Mainz. 


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—     12  — 


^.  Johann  Philipp  jakub  Ncpoinuk  Graf  von  £U,  Oonikapitular  und  elienuüiger 
Landesdircktioiis-Prasident. 

8.  Ignaz  Freiherr  von  Gruben,  wirklicher  geheimer  Staatsraüi,  ausserordentlicher 

Gesandter  und  bevollmächtigter  Minister  an  den  Kgl.  WOrtembcrgischcn.  den 
Grosbhcrrogl.  Badischen  und  Hessischen  Höfen. 

9.  Joseph  Freiherr  von  Hack,  Domkapitular  und  Oberbofbibüothekar  (gestorben 

1815  /u  Ascliatlenburg). 
lu.  Max  Grat  von  Hat/,l'cld,  Dumkapiiular  und  Hofmusik-lntendant. 

11.  Emerich  Joseph  Otto  Johann  Philipp  Valentin  Freiherr  von  Hettersdorf,  Dom- 

kapitular. 

12.  Dorotheus  Ludwig  Christian  Graf  von  Keller,  Suatsminister  und  Gesandter  am 

Kaiserlich  Französischen  Hofe. 

1 5.  Carl  Joseph  Hicroninius  Freiherr  von  Kolburn,  Staatsminister  und  Weilibischol. 
14.  N.  Graf  von  Marschall,  geheimer  Rath,  ausserordentlicher  Gesandter  und  bevoll- 
mächtigter Minister  am  Kaiserlich  Oestreichischen  Hofe. 

1$.  Johann  Nepomuk  Freiherr  von  Pfirdt,  Oberstbofmeister,  kaiscri.  östrcichischer 
u.  grossherzogl.  frankfurtischer  geheimer  Rath  und  Generallieutenant  (Kanzler 
des  Ordens). 

16.  Joseph  Kasimir  Freiherr  von  Redwitz,  Domkapitular  und  Generalvikar  (ge- 

storben t8i|). 

17.  Philipp  Freiherr  von  Wambold,  Oberstsilberkimmerer. ' 

18.  Heinrich  Freiherr  von  Wessenberg,  Generalvikar  zu  Constanz. 

II.  Klasse.  ' 

1.  Carl  Albert  Wilhelm  von  Auer,  Staatsrath  und  Präfekt  zu  Hanau. 

2.  >\'ilhelni  Isaak  von  Borries,  Suatsrath  und  Geoeraliospektor  der  direkten 

Abgaben. ' 

).  Matthius  von  Chandelle,  Suatsrath  und  erzbiscböfliclier  Vikariatsdiidttor. 

4.  Johann  Gtoeg  von  Engelhard,  Staatsrath  und  zweiter  Präsident  des  Appdlations- 

hofcs  zu  .\schalTcnburg. 
)   Franz  Heinrich  von  Hefner,  Staatsrath  und  General-Schuldenliquidator. 

6.  N.  (iraf  von  Cirandcourt,  Staatsrath  (gestorben  1814). 

7.  Georg  Adam  Freiherr  von  Kicningcn,  Staatsrath  und  Departementsgerichts- 

Präsident. 


'  Das  goldene  Ordenszeichen  und  der  in  Silber 
gestickte  kleine  Bruststem,  welche  der  Oberstsilber* 

kämmerer  Freiherr  von  Wambold  getragen,  —  so- 
wie das  goldene  Ordens/eichen  am  mittelbreitcn 
Bande,  welche  im  Besitz  des  Siaaisraths  von  Borrics 
waren,  belinden  sich  in  der  städtischen  Münzsamm- 
lung auf  der  Sudtbibliothdt  in  Frankfurt.  —  .Ausser- 
dem befindet  sich  dort  auch  die  in  Artikel  j  der 
Ordcnsstatinen  erwähnte  j^olJcnc  kleine  Schnalle  mit 
dem  Ordenszeichen,  welche  Staatsrath  von  Borries  ^c- 
tragen  hat  und  welche  nebenstehend  abgebildet  wird. 


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-    13  - 

5.  \  f.uu  Damian  Freilierr  von  Linden,  Staatsrath. 
9.  l'liiltpp  Ailolph  Joseph  von  Moiitor,  Staat^rath. 

10.  Urban  Stephan  von  MQlIer,  geheimer  R«th  vmd  Kabinetssekret3r  (Sekmir  u. 

Sv;ii.>t/nieisti.'r  des  Ordens). 

1 1.  Adam  Joseph  von  Mulzer,  Staatsrath, 

12.  Theodor  von  Pnili,  Kurator  der  Universitits*  und  Scbulanstslten. 

15.  Fraiu  Freiherr  von  Radenhausen,  Generalmajor  und  Käminerer. 
I  |.  Leopold  Johann  von  Robertson,  Staatskonimi&sär  r.ü  Hanau, 
ij.  Carl  Friedrich  von  Seeger,  Staatsrath  (gestorben  1813). 

16.  Georg  von  Sieii,  Staittraih,  Finanzrel'erendar  und  Generalkontrolleur. 

17.  Fugen  von  Thomms.  Stantsrr.tli  fiifstorbcn  1S15). 

itS,  .^texander  Freiherr  von  \'ruu-Berbcricli,  Staatsratti  und  deneral-PuMdirektor. 

19.  Ludwig  Frdhenr  von  Varicourt,  Staatskommissär  ni  Fuld. 

20.  Niklaus  von  Weinrich,  Generalmajor. 

IIL  Klasse. 

1.  Anton  Cr.il  vnn  Bojcbi,  Obristlicutcnant  und  Kjmnicrcr 

2.  D.  C^arl  Kasp.  Creve,  geheimer  Rath  und  Professor  der  .\rztnciwissensclurt. 
Friedrich  Graf  von  Dleabadi»  Kämmerer. 

4.  Peter  Gergens,  Ingenieurmajor  und  Gciicrnlinspeltor  der  itldirektai  Abjpiben. 
$.  Friedrich  Max  von  Günderode,  Prä<ekt  in  Frankfurt. ' 

6.  Jakob  Guiolett,  Landesdirekiionsrath,  MSr  tu  Frankfurt. 

7.  Philipp  ü.ilin.  Obs.rlicv:ii.ii.iin  i:tiJ  Regintenischiruri;. 

Friedrich  Heiuier,  Hauptnunn  und  GeneraJadjutant  (gestorben  181  j). 
9.  Anton  von  Itsstein.  .'\ppellatiomiho&-Prisideiit  in  Frankfurt, 
to.  Georg  Ludwig  Kopp,  geheimer  geistlicher  Ratli. 

1 1 .  C.  Cäsar  Leonhard,  geheimer  Rath  und  General-Ooniäneninspektor. 

1 2.  Ferdinand  Frhr.  von  Leoprccliting,  Kämmerer  und  k.  Bayerischer  Husaren-Major. 

1)  .  N.  Meiix,  geheimer  Finanzr.-ith  zu  Fuld. 

14.  D.  Johann  K.ispar  Konrad  I.fllirl,  ^e]lcimcr  Ratli 

1  j.  .\i)ton  Fauh,  geheimer  Rath  und  Hauptkassircr  in  AschaHenburg. 

16.  M.  Rey,  Kriegskonmiissär  in  Frankfurt. 

17.  Georg  Joseph  von  Rief,  geheimer  Rnth 

18.  Carl  Enianucl  Joseph  Frhr.  von  Ri  viere,  geheimer  Rath. 

19.  K.  von  Riviere,  Legatioosrad). 

20.  Franz  Cristoph  Scheidel,  geheimer  geistlidier  Rath.* 

21.  Georg  von  Tana&tcin,  Hauptmann.) 

22.  Ludwig  Toussaint,  Kriegsrath. 

2)  .  Niklas  Vogt,  geheimer  Rath  und  Archivar. 
2.».  Georg  Weinrich,  Oberst. 

25.  D.  Carl  Weniet,  geheimer  Rath  und  Professur  der  Arztnciwissenschafi  in  Frankfurt. 


'  I).i>  Rinerkreu?  desselben  befindet  sich  iu  der  .Münzsammlung  der  adeligen 
uralten  Gesellschaft  des  Hauses  Frauensiein  in  Frankfurt  am  Main. 

'  Das  Ritterkreuz  desselben  befindet  sich  in  der  städtischen  Münzsammlung 
in  Frankfurt  am  Madn. 

'  Auch  Hauptm.Kin  Schiller  bekam  .im  i  },  September  181  j  Anwartschaft 
aul  den  Concordien-Orden.  ~  (Vergl.  Grundbuch  des  Bauillonssubes  aus  der  Zeit 
der  freien  Stadt.) 


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-    14  — 


Die  Insignien  der  I.  Klasse  des  Concordien-Ordens  hestanJen 
IIIS  einem  au?.  48  Strahlen  zusammengesetzten  acl  :  ;  :  /.igen  Stern 
(siehe  Tafel  I  No.  i  und  2),  welciier,  63  Millimeter  hoch  und  breit, 
aus  glänzendem  Golde  gefertigt  ist.  Der  Stern  setzt  sich  aus  zscei 
zusammengelötheten  Flächen  zusammen,  ist  im  Mittelpunkt  etwa 

1  cm  dick,  im  Inneren  mit  einer  kittartigen  xMasse  ausgefüllt.  Das 
in  mattem  Gold  besonders  geprägte  Mittelslück  ist  von  einem  er- 
habenen, kreisrunden,  glänzenden  Goldrande  eingefasst  und  hat  (incl. 
dieses  letzteren)  einen  Durchmesser  v  ni  24  Mülinieter.  Es  zeigt  auf 
der  \'()rderseite  über  zwei  zusammengebundenen  Palmenzweigen  zwei 
ans  Wolken  hervorragende,  in  Sonnenstrahlen  sich  vereinigende 
Hände  mit  der  Ueberschrift  »Concordia«.  Die  Köckseite  trägt  auf 
einem  HermcHnmantcl  und  unter  der  Krone  das  Hauptwappen  des 
Grossherzogtums  Frankfurt :  ein  silbernes  Rad  im  rothen  Felde.  An 
den  drei  oberen  Scrahlenspitzen  ist  ein  goldener  Ring  angebracht 
und  in  diesem  iiangt  ein  länglicher  breiter  Goldreif  zum  Durchs 
ziehen  des  Ordensbandes. 

Die  Grosskreuze  trugen  dieses  Ordenszeicben  an  einem  weissen, 
gewässerten,  105  Millimeter  breiten  Bande  (Tafel  I  No.  3)  mit  pon- 
ceauroten  Seitenstreifen  von  der  rechten  Schulter  zur  linken  Hüfte. 
Ausserdem  trugen  dieselben  auf  der  linken  Brust  einen  achtspitzigen, 
in  Silber  gestickten,  aus  48  Strahlen  zusaomiengesetzten  Stern,  in 
dessen  Mitte  sich  das  in  mattvergoldetem  Metall  geprägte  Medaillon 
der  Vorderseite  des  Ordenszeichens  wiederholt.  Dieser  Bruststem 
wurde  in  zwei  verschiedenen  Grössen  getragen  (Tafel  I  No.  4  u.  5).* 
Der  grössere  Stern  hat  von  Strahlenspitze  zu  Strahlenspitze,  auf  den 

2  senkrechten  und  den  2  wagrechien  Hauptstrahlen  gemessen,  einen 
Durchmesser  von  11,5  Centimeter,  auf  den  zwischen  den  vorgenannten 


'  Aul  Jcni  Rinj;  des  Ordctjszeichcus,  verdeckt  durch  den  darüber  lün^ciidcn 
Goldreif,  befindet  sich  ein  kleiner  runder  Stempel  mit  der  Zahl  20^  dem  Feingehalte 

des  Goldes,  ui.J  daneben  ein  etwas  grosserer  Stcmpc!  mit  einem  Stern  und  den 
Hü^Iist.ilKii  flW  S,  ikni  |-irnia-Stcnipel  der  1 1. iSjuwelierc  1  Intfm.mti,  W'ohack  und 
Spclu,  wcLhcii  die  Lietcriiiij;  der  Decorationen  des  Concorditnordcns  uivrti  .11^011  war. 

*  Der  Hruststern  aul  lalel  1  No.  4  ist  von  dem  Exemplar  abgebildet,  welches 
Staatsminister  Freiherr  von  Eberstein  getragen  hat  und  das  sich  jetzt  in  den  städtischen 
Sanunlun>;en  in  Mainz  belitidet,  der  Hrusistern  aul  Tale!  I  N'o.  5  von  dem  Exeniphir, 
welches  der  unter  Kd.  17  des  \'er/vichnisses  der  Gro^skrcu/.e  lufgeführte  Obersf- 
siiberkamnierer  Frcilicrr  von  W'ninb.ilti  j^etragcn  h.it  und  welches  sich  in  der 
städtischen  Münzsanuniun^  aul  der  Siadtbtbliulhck  in  brankturt  betmdet. 

Es  scheint  als  ob  der  grössere  Stern  an  die  nach  Artikel  4  statutengemjss 
/u  ernennenden  zwöll  Grosskreu^e,  der  kleinere  dage^'en  an  die  über  diese  2Eahl 
hinaus  ernannten  seciis  Gro&skreuze  (Verxeichniss  No.  i}bis  18)  verliehen  worden  sei. 


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liegenden  vier  Strahlen  von  lo  Centimetcrn  und  auf  dem  Mittcl- 
schildc  einen  solchen  von  55  MilHmctcrn.  Der  kleinere  Stern  hat 
auf  den  8  gleicliiirosscil  Str.ililcn,  von  Str.ihlc:isjiit/c  /u  Striilileiispitze 
gemessen,  nur  einen  Durciiniesser  von  9  Ceiuimetern  und  das  Miiiel- 
schild  nur  einen  solchen  von  40  Millimetern.* 

Die  II.  Klasse  (die  Commandeure)  trugen  das  Ordenszeichen 
der  1.  Klasse  in  derselben  Form  und  Grösse  an  einem  60  Millimeter 
breiten  Bande  um  den  Hals.  Es  ist  in  dieser  Form  abgebildet  auf 
Tafel  II  No.  i. 

Die  III.  Klasse  (die  Ritter)  tnii;  J.is  Ordenszeiclien  in  kleinerer 
i-orm,  von  Sirahlenspitze  /u  Siraiilenspii/e  56  Miliimcicr,  das  Mittel- 
schild 16  Millimeter  im  Durchmesser,  an  dem  schmalen  35  Millimeter 
breiten  fiande  im  Knopfloch  auf  der  linken  Brust.  Abbildung  auf 
•  Tafel  II  No.  2  und  j.» 

Nachdem  durch  die  Schlacht  bei  Leipzig  vom  16.  bis  18.  Oktober 
181 3  die  Befreiung  DeutschlanJs  von  der  französischen  Herrschaft 
entschieden  war  und  als  nach  der  Schlacht  bei  Hanau  am  30.  Okiober 
die  verbündeten  Truppen  Oesireichs,  Preussens  und  Russlands  vom 
2.  November  an  Frankfurt  besetzt  halten,  sah  sich  der  unter  dem 
Protektorat  Napoleons  stehende  Grossherzog  genötigt,  seine  sämmt- 
lichen  Besitzungen  den  alliirten  Grossmflchten  zu  Überlassen.  Er 
hatte  sich  bereits  am  10.  Oktober  über  Constanz  nach  Luzem  und 


'  ßruststcrne  wurden  früher  überhaupt  nur  in  Silber  gestidct  ▼erliehen.  In 

PrcuTiscii  werden  dieselben  erst  seit  dem  i.  Januar  18)8  in  nmssivcni  edlem  Metalt 
vernusg.ibt,  doch  s^'iir  es  schon  frülier  gestattet,  ci.iv-,  Jii.'  Hi.sit/i.r  die  gestickten 
Stcruc  auf  cij-eiie  KoMen  in  edlem  Metall  nachbilden  licssen.  IJeni  \  erlnsser  lag 
ein  nachgebildeter  und  dabei  willkürlich  abgeänderter  Bruststem  des  ConccMrdicn- 

Ordens  vor.  Der  Stern  wir  ni;«;  'j^i  Str.ihJon  v(W  ri.is>;i\  cm  SilhLT  7ii<;.initiiengeNet/t 
und  hatte  einen  Durcluucsi>er  von  8)  Millinieiern.  Das  Mittel^iliild  war  40  Milli- 
nttfter  brdt  und  trug  auf  einem  rotheroaiIHrten,  von  Goldstreifen  eingefassten  Rand- 
streilen  in  (luIJ  il.is  Wort  Concordia«.  Innerhalb  dieses  Randes  waren  auf  einer 
silbornen  Platte  über  /.wei  gruncniaiilirten  Faimcnzweigen  die  aus  den  Wolken  hervor- 
ragend«) und  sich  vereinigenden  Hände  erliaben  in  Gold  gearbeitet. 

'  Im  Germaniiiciien  Museum  in  Nürnberg,  in  der  Abteilung  für  Costüni- 
kuiide.  befindet  sich  eine  in  Silber  gearbeitete  Nachbildung  des  Concordien-Ordens 
III.  Klasse.  Dieses  Rxeinplar  wurde  seiner  Zeit  von  dem  als  bayerischen  Oberst  a.  D. 
verstorbenen  früheren  pritlUllischen  Hauptmaim  von  Taimstein,  zur  Schonung  des 
Orgin,iIc\>.  nip!  jri.N  .ils  m^'cnnnntcr  »lixtr,  ir-Otdeii«  getragen.  — 

Gaivanoplastische  Nachbildungen  nach  den  im  Bc»iu  der  Münzsammlung  der 
Frankfurter  Stadt-Bibtiothek  befindlichen  Orginal-Exemplaren  aller  Klassen  finden 
sich  in  verschieilenen  Privat-Münzsamnilungen  vor.  Dieselben  sind  daran  /u  er- 
kennen, dass  ihnen  der  tinna-Stenipcl  H.  W.S.  fehlt.  Auch  die  in  Silber  gestickten 
Broststeme  sind  nachgebildet  worden. 


i6  — 


Zürich  zurückgezogen,  kchrtu  von  dort  am  5.  Januar  181 4  in  seine 
Didz«s«  nach  Keg«nsburg  zurück,  wo  er  bis  zu  seinem  Tode  am 
IG.  Februar  1817  ausschliesslich  seinem  erzbischöflichen  Berufe  lebte. ' 

Mit  der  Aufgabe  seiner  Besitzungen  hörte  selbstverständlich 
auch  die  Verleihung  des  Concordien-Ordens  auf  und  so  erlosch  der- 
selbe wieder  nach  kaum  achtmonatlichem  Bestehen.  Bayern,  welchem 
bei  der  Auflösung  des  Grossherzogiums  das  Förstemum  AschafTen- 
bürg  und  einige  Fulda'scbe  Parzellen  zufielen,  erkannte  den  Orden 
nachträglich  durch  einen  königlichen  Erlass  vom  24.  Juli  1814  in. 
Es  führte  denselben,  sofern  seine  Inhaber  in  den  bayrischen  Hof«  oder 
Staatsdienst  übergetreten  waren^  in  seinem  Staatshandbuch  auf  und 
erlaubte  denselben  das  Forttragen  der  Insignien.  Die  königliche  Ver- 
fügung, welche  im  Anschluss  an  den  bereits  mitgeteilten  Bericht  des 
Ordenssekretärs  von  Müller  vom  11.  Juli  1814  an  den  Hofkommissar 
Frhm.  von  Aretin  erlassen  wurde,  lautet  wie  folgt:  * 

Maximilian  Joseph 
von  Gottes  Gnftden  König  voo  Baiem  ctc  etc. 

Auf  die  von  Unserem  Hontommisslr  Freiherm  von  Aretin  untenn  12.  d.  M. 
gestellte  Anfmge  vegen  dem  Concordien-Orden  wird  hiermit  erwidert,  da»  Wir 

den  damit  dckorirten,  in  Unsere  Hof-  und  Staatsdienste  übernommenen  Indi- 
viduen die  Forttrapunj^  derselben  i^estaiten,  den  Orden  selbst  .ibcr  als  erloschon 
ansehen,  wie  solches  bei  der  Hrricbtung  Unseres  Civil-Verdienstordens  mit  dem 
VerdiessMrdeii  des  pfälzischen  Löwen  verlTigt  worden  ist. 
Mönchen,  den  20.  Julius  1814- 

Aus 

.Setner  Majestät  des  K5nio;s  special  Vollmacht 
gez.  Gemmingen. 


*  Der  Grossherzog  ist  im  Dom  «i  Regensburg  beerdigt.  Sein  Neffe,  der 
Henog  von  Dalberg,  liess  Ihm  in  demselben  1824  ein  Denkmal  aus  carrariscliem 
Marmor  errichten. 

'  Aus  dem  Kgl.  Kreis-Archiv  iu  Würzburg.  -  (H.  C.  P.  N'o.  679.) 


s 


1 


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s.  Die  Ehren-MedaiUen  für  die  primaliRrheTi  und  später 
grossherzoglich  frank  für  tischen  iruppen. 


Wie  alle  Rlicinbund-i  ürstcn,  so  stellte  auch  der  Fürst-Primas 
dem  Protektor  des  Rheinischen  Bundes,  Napoleon  I.,  vertragsmässig 
wiederholt  Truppenkontingente  zur  Verfügung,  welche,  im  Interesse 

Frankreichs  und  unter  dessen  Führung,  an  seinen  Kriegen  Teil  nahmen. 

Im  September  1806  musste  der  primatische  Staat  ein  Bataillon 
in  der  Starke  von  968  Mann  aufstellen.'  Dasselbe  wurde  kurz  darauf 
auf  i^/o  der  Beve)lkerung,  aut  1500  Kopie,  erhöht  und  in  die  Garni- 
sonen Frankfurt,  Wetzlar,  Aschatienburg  und  Regensburj^  verteilt. 
Von  diesem  Bataillon,  welches  seiner  Stfirke  entsprechend  in  eine 
Grenadier-,  7  FOsilier-  und  eine  VoUigeur-Kompagnie  formirt  war, 
versahen  4  Kompagnieen  unter  dem  Kommando  des  Major  von  Welsch 
während  des  Krieges  gegen  Preussen,  vom  21.  Oktober  1S06  an, 
den  Htappendienst  in  den  Städten  Braunschweig,  Magdeburg  und 
Erfurt.  Dieses  Feldbauillon  kehrte  im  Juli  1807  nach  Frankfurt 
zurück. 

Im  August  1808  musste  das  Rheinbund-Kontigent  auf  ein  Regiment 
zu  zwei  kriegsstarken  Bataillonen  i  980  Mann  erhöht  werden.  Eines 
derselben  wurde  sofort  aus  den  tüchtigsten  Mannschaften  zusammen- 
gestellt, in  eine  Grenadier-,  vier  Füsilier-  und  eine  V'oliigeur-Kom- 
pagnie'  einpcicilt  und  ah  »i.  Bataillon  des  liitanterie-Rci^'imcnts  von 
Zwever«  '  dem  Kommando  des  Grossmajori.  von  Welhclj  unterstellt. 
Uit>e5  Bataillon,  welches  für  den  Krieg  in  Spanien  bestimmt  war, 


*  Das  Rhdobund-Kodndgent  -wurde  aus  den  Cadm  der  reichsstädtischen 

I  ruppcn  (}  Subs-,  7  Krcis-Konipagnieen ,  e'nc  Artillerie  -  Kompagnie  und  eine 
Veteninen'Kompa^e,  —  zusammen  $00  Mann  stark)  und  durch  ausgebobene 
Relcniten  formirt 

'  Die  Grenadier-  und  Voltigeur-Konip.ignic,  mit  den  ausgesuchtesten  Leuten, 
bildeten,  dem  französischen  Reglement  entsprechend,  die  »Hlice-Kompflgnieen«  und 
crliiehcn  einen  höheren  Sold  als  die  Füsilier-Korapagniccn. 

'  Fran^  Freiherr  Zweyer  vun  Evcnbach  war  General  cn  chef  sämmtKclier 

fürstl.  primjtisclifr  Trtippmi,  wirkliclicr  K.imnicrer.  des  deutschen  Ordens  Ritter  und 
Comtnandeur,  Inhaber  eines  Intantcric-Rcginicnts. 

2 


-   i8  - 


rückte  am  27.  August  1808  in  der  Stärke  von  868  Mann  von  Frank- 
furt ab,  marschirte  über  Saarbrücken,  Met2  und  Orleans  nach  Bayonne, 
überschritt  am  19.  Oktober  die  Bidassoa,  den  spanischen  Grenzfluss, 
und  trat  am  24.  zu  der  Division  Leval  des  4.  französischen  Korps, 
welches  aus  nassauischen,  badischen,  hessischen  und  holländischen 
Truppen  zusammengesetzt  war.  Das  Bataillon  nahm  thätigen  Anteil 
an  dem  sechsjährigen,  blutigen  Kriege  Frankreichs  gegen  die  englisch- 
spanische  Armee  und  die  fanatische  Bevölkerung  Spaniens.  Von  den 
Küsten  des  biscavischen  bis  an  die  des  mittelländischen  Meeres,  von 
Valencia  bis  an  die  ponugiesische  Grenze  durchzog  das  Bataillon 
kämpfend  mit  zäher  Ausdauer  unter  glänzenden  WafTenthaten  die 
Halbinsel.  Besonders  hen-orzuheben  ist  die  Teiteahme  des  Bataillons 
an  den  blutigen  Kämpfen  des  Jahres  1809.  Es  nahm  nihmvoUen 
Anteil  an  der  Schlacht  bei  Messa  del  Ybor  am  17.  März  1809, '  — 
an  den  siegreichen  Kämpfen  bei  Valdecannas  am  18.  März,  —  bei 
Medellin  am  28.  März,  —  bei  Talavera  la  Reyna  am  27.  und  28.  Juli, 
wo  Grossmajor  von  Welsch,  4  Offiziere,  64  Mann  verwundet,  i  Offizier 
und  15  Mann  getödtet  wurden,  —  bei  Almonacid  am  19.  August  and 
bei  Ocanna  am  19.  November  1809,  wo  es  wieder  einen  Verlust  von 
7  Todten  und  33  Verwundeten  zu  beklagen  hane.  Am  15.  März  1810 
trat  der  erkrankte  Grossmajor  von  Welsch  das  Kommando  des 
Bataillons  an  Major  Fritsch  ab  und  dieser  führte  es  bis  zu  seiner 
eigenen  Erkrankung  im  Februar  181 3.*  Den  Befehl  übernahm  nun- 
mehr Major  Vogt,  welcher  das  Bataillon  bis  nach  der  Entschei- 
dungsschlacht bei  Vittoria  am  21.  Juni  181 3  führte,  durch  welche 
die  Franzosen  gezwungen  wurden,  das  spanische  Gebiet  zu  räumen. 
Er  kehrte  im  Juli  mit  den  dienstunfähig  gewordenen  Mannschaften 
nach  Frankfurt  zurück  und  für  ihn  übernahm  Capitaine  Damboer  die 
Führung  der  in  Spanien  verbleibenden  Reste  des  zusammengeschmol« 
zenen  Bataillons.   Als  die  Siege  der  alliincn  Grossmächte  über  die 
Franzosen  und  die  Besetzung  des  Grossherzogtums  durch  erstere 
bekannt  wurden,  schloss  sich  das  Bataillon  den  nass.uii sehen  Truppen 
an,  w*elche  den  geheimen  Befehl  erhalten  hatten,  zu  den  Engländern 
überzugehen.  Am  10.  Dezember,  vor  Bayonne,  gelang  es  diesen 
Vorsatz  auszuführen.  Trotzdem  dem  Bataillon  im  Laufe  des  Krieges 


'  N.ich  lic:  Sclil.Kin  not  der  I>ivisions-Ger!c:  .il  I.cv.u  ini  Vorbeireiten  dem 
liataillun  /u.  -tVivc  1«.  bauillon  Prim.is!    II  .1  dcciüc  i.i  b-iuillc!« 

*  Grossmajor  von  Welsch  wurde  am  9.  Januar  1810  zum  Oberst,  Major 
Fritsch  $m  9.  Juni  i8ro  zum  Grossmajor  und  Hauptmann  Vogt  an  demselben  Tage 
nun  Major  und  Chef  de  bataillon  ernannt. 


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—   19  - 


viermal  Nachersatz,  mit  zusammen  318  Mann,  nachgeschickt  worden 
war,  zählte  es  nur  11  Offiziere  382  Mann,  als  es  am  14.  Dezember  181 3 
im  spanischen  Hafen  von  Pesages  eingeschifft  und  über  Plymouth 
nach  Holland  transportirt  wurde.  Das  Grossherzogtum  hatte  in  dem 
6jährigen  Kampfe  auf  der  pyrenäischen  Halbinsel  etwa  800  Mann 
verloren.  Ende  Februar  1814  trafen  die  Ueberreste  mit  240  Mann 
wieder  in  Frankfun  ein. 

Im  Mai  1809  hatte  inzwischen  das  2.  Bataillon  des  Infanterie- 
Regiments  von  Zweyer,  unter  Major  von  Horadam,  seine  Formation 
beendet.  Es  bestand  aus  vier  Chasseur-Kompagnieen,  von  denen  die 
erste  den  Namen  »Albinische  Jäger^Kompagnie«  führte,  und  wurde 
Ende  Mai  1809  in  der  Stärke  von  600  Mann  vorübergehend  zur  Be- 
setzung der  Qtadelle  von  Erfurt  verwendet.  Ende  Dezember  1809 
kehrte  es  von  dort  nach  Frankfurt  zurück. 

Im  Jahre  1810  wurde,  mit  der  Umgestaltung  des  primatischen 
Staates  in  ein  Grossherzogtum,  im  Verhältnis  mit  der  Einwohnerzahl 
die  vertragsmässige  Stärke  des  Rheinbund-Kontingentes  auf  2800  Mann 
erhöht.  Das  2.  Bataillon  wurde  von  4  auf  6  Kompagnieen  (eine 
Grenadier-,  vier  Füsilier-  und  eine  Jäger-Kompagnie)  verstärkt  und 
ausserdem  ein  neues  Bataillon,  unter  Major  von  Corneli,  in  derselben 
Zusammensetzung  formirt.'  Dieselben  wurden  mit  einer  Gesammt- 
stärke  von  1706  Mann  zu  dem  »Regiment  Frankfurt«,  unter  dem 
Kommando  des  Oberst  von  Horadam,  vereinigt  und  dem  französischen 
Kaiser  für  seinen  Kriegszug  gegen  Russlaod  zur  Verfügung  gesteUt. 
Das  Regiment  verliess  Frankfurt  am  16.  Februar  1812.  In  der  Stadt 
blieb  nur  das  Infanterie-Depot,  in  den  4  Hauptstädten  der  Departe^ 
ments  (Frankfurt,  Aschaffenburg,  Fulda,  Hanau)  und  in  Wetzlar  das 
BOrgermilitär  (die  Natiooalgarde)  zurück.' 

Das  »Regiment  Frankfurt«  trat  in  Hamburg  zu  der  i.  Brigade 
der  Division  princiäre  und  wurde  an  der  Küste  der  Nordsee  zum 
Wachdienst  gegen  englische  Landungen  verwendet.  Im  September 
marschirte  es  nach  Danzig,  von  dort  im  Oktober  nach  Königsberg 
und  bildete  hier  einen  Teil  der  Division  Loison.  Mit  dieser  marschirte 
das  Regiment  im  Anfang  des  November  181 2  nach  Russland.  Auf 


*  Das  Bataillon  verlor  bei  dtewr  Neuformation  seine  Benennung  »2.  Bataillon 
Infantene-Reginients  von  Zwcvcr.«    Die  beiden  neugebildeten  Bataillone  erhielten 

die  Nnmcn  »T.  und  Tl.  B.u,iill<Mi  des  l<c<,'iiTioins  Frankfurt"  und  wurden  nach  ihren 
bctrachilichen  Vcriusten  in  Russiand,  walirend  der  \'ertc'tdigung  von  Danzig,  als  ein 
schwaches  Bataillon  zum  »Regiment  Frankfurt«  zusammengestellt. 

*  Die  Nationalgarde  ist  im  Staats-Kalender  des  Grossberzogtunis  Frankfurt 
von  i6ia  aufgeführt. 

3* 


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20  — 


der  Strasse  nach  Smolensk  stiess  es  am  5.  Dezember  in 
auf  die  zurückfluthende  napoleonische  Armee.  Tags  daraL 
auch  die  Division  Loison  sich  diesem  fluchtartigen  Rfick 
schliessen.  Das  Regiment  nahm  an  allen  Schrecknissen,  ^ 
Kälte^  der  Hunger  und  der  Kampf  mit  dem  nachdrängend« 
mit  sich  brachte,  Teil  und  erreichte  in  den  letzten  Tagen  des  £ 
mit  285  Mann  wieder  Königsberg.  Von  dort  marschirte 
Danzig,  nahm  an  der  heldenmOthigen  Verteidigung  dieser 
Teil  und  kehne  nach  der  Kapitulation  im  Dezember  18 15,  t 
ihm  während  des  Krieges  133  Mann  Verstärkung  nachg 
worden  waren/  mit  nur  17  OfHzieren  und  60  Mann  nach  F 
zurück. 

Ein  fünftes  grossherzogliches  Kontingent,  zwei  Bataill 
790  Mann»  wurde  im  Anfang  des  April  1S13  mit  Mühe  zusa 
gebracht.  Sie  erhielten  die  Benennung  II.  und  III.  Batailh 
Infanterie-Regiments  von  Zweyer.  Das  II.  Bataillon  komma 
Anfangs  Hauptmann  Graf  Heusenstamm,  vom  16.  August  an 
Vogt,  das  III.  Bataillon  führte  Major  Unkelhäuser.  Diese  Ti 
nahmen  an  den  Kämpfen  bei  Lützen,  Bautzen,  Hoyerswerd 
und  rückten  während  des  Waffenstillstandes  am  27.  Juni  in  C 
ein.  Sie  nahmen  an  der  Veneidigung  dieser  Festung  durd 
französischen  General  Laplane  gegen  die  russischen  und  preussi 
Blokadetruppcu  Teil,  bis  ihnen  am  24.  Januar  1814  der  Abzug 


'  Uebcrsichi 

der  seit  dem  27.  August  180S  bis  jetzt  rar  Icaiserl.  fraiuöaäschen  Armee, 
nach  Spanien»  theils  nach  Norden»  gestellten  grossherzoglichen  Trappen : 

Mann.  Pferde.  W 

Nach   Spanien:  I.  Bataillon.    --    Abmarsch  am 

27.  Aui^ust  i.St)S.   -  Stärke  .    .  868  ij 

nachgeschickt:  ein  Reniuri  am  i).  October  1808  lo  16 

ein  Renfort  am  i.  Mär«  1B09  .  .  108  ~ 

ein  Renfort  am  tl.  Ociobcr  1809  7  — 

ein  Renfort  am  4.  Dezember  1809  193  — 

Summa:  1168  29 

Nach  Norden:  ein  Regiment  zu  2  Bataillons.  Ab- 
marsch am  16.  Febr.  181 2. —StSrke  1706  16  2 
nachgeschickt:  ein  Rcnfon  am  i.  Mai  1812    .   .  90  —  - 
ein  Rentort  am  21.  Juli  1812  ..  24  —  — 
ein  Renfort  am  1.  September  t8i2  19  17  4 

Summa:  1839        4}  6 

Frankfun,  den  j.  Januar  18  rj. 

gez.  VOR  Zweyer. 


r 


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—    21  — 


Frnnklurt  gestattet  wurde. '  Ein  kleines  Detachcment  war  in  die 
Festung  Torgau  abkon)nianJin.  Die  Truppen  Icehrten  Ende  Februar 
1814  nach  I'rankfurt  zurück,*  — 

Im  jährt.-  KS09  t.isstr  der  l  ürst-Frim.is  den  Hntschluss.  dem  Bei- 
spiele aiitierci  Suuuci)  zu  tulgcn  und  lür  icuie  Truppen  zur  Beloiinung 
ausgezeichneter  Handlungen  vor  dem  Feinde  Ehren-Medatllen  zu 
stiften.  Die  Anregung  hierzu  wurde  gegeben  durch  die  Rapporte 
des  die  grossherzoglichen  Truppen  in  Spanten  kommandirenden 


'  Zur  Beleuchtung  der  schwierigen  Lag^  in  welcher  üch  die  grossherzog> 
liehen  Truppen  im  Anfang  des  Jahres  iKi.t  befanden,  m.ig  dernachstehende Vorfall 
*  dienen  (vgl.  G.  S.  Dietnch,  ( irass-Glog.iu's  Schicksale  von  1806  bis  i.j.  Glogau  18x5). 
lun  Bürger  der  belagerten  Festung  machte  es  r.iöi'Iich.  einem  mi^w.irts 
wohnenden  Riltcrgutsbcsit/er  eine  Taube  /u/uschicken,  nvd  der  Bitte,  ihm  durch 
dieselbe  Machriehten  über  die  politische  L.igc  xukommen  ^u  lassen.  Die  Taube 
kehrte  am  }.  Januar  1814  -n  ilircn  Sclil.i;;  /uuk'^  unJ  br.ichto,  an  den  Fuss  ge- 
bunden, eine  Aufforderung  an  die  Frankturter  i  ruppen,  weiche  Oberlieutcuant  Faust 
vom  Militlr-Gouvemement  Frankfurt  bis  luni  Belagerungseorps  {^bracht  haue.  Die 
AufTorderung  lautete: 

\u  das  Frankfurter  Ülfuicr-Corps  von  Glo^'H!. 
Uic  Herrn  Batailions-Chcfs  Fraiu  Vogt  und  .Andreas  Uiikeihausur,  die  Herrn 
Capitains  Graf  von  Heusenstamm,  Hemmerich,  Harrach,  von  Dressler,  als 
tlie  ersten  und  Hielten  C>fft?itT'i  der  beiden  Frankfurter  Bataillons  werden 
von  ihrem  Gouvernement  aulgeforderi,  sich  um  dcu  Abgang  mit  ihren 
Trappen  aus  der  Festung  (ohne  sich  in  ii^nd  eine  Bedingntss  einzulassen) 
Ini  dctu  Fcstungsconmundanten  umsomchr  /u  melden,  aU  der  Rheinbund 
ganzlich  aufgelöst  ist  und  sich  sammtlicbe  Fürsten  schon  tu  Anfang  November 
für  Deutschlands  heilige  Sache  an  die  hohen  Verbündeten  mit  ihren  Truppen 
angeschlossen  haben.  Oer  Kaiser  Napoleon  hat  diesen  Abgang  vOO  der 
fran/üsischcn  Armee  allen  deutschen  Truppen  erlaubt,  noch  ehe  er  über  den  Rhein 
geilen  musstc,  auch  alle  eingeschlossenen  frafKsOsischea  Festungsconmiandauicii 
folgten  diesem  Beispiele,  lui- (jIm^.iu  nicht.  .Sollte  Ihoea  daher  dieser  Abgaag 
mit  Ihren  Truppen  völlig  abgcsclilagen  oder  erschwer  werden,  so  -^ind  Sie 
julgcforderi,  ihn  umsomchr  auf  irgend  eine  .\rt  m  bewerkstelligen,  als  ihr 
jeuiges  Avancement  und  Anstellung  von  der  schleunigen  Ankunft  in  Frank- 
furt gan;'  .illeiu  .ih!i.inpt.  welche;  spritcHiin  iiiciit  mehr  Stattfinden  kdOfltC 
und  Ihnen  annoch  schwere  Verantwortung  /u/ichen  wurde. 

Im  Auftrage  des  Militär'Gouvernemcnis  zu  Frankfurt 
Peter  Faust 
Uberlieutenant  im  I.  Infanterie-Bataillon. 

Dem  Hauptmann  Ciraf  von  Heusenstamm  gelang  es  am  S-  Januar,  mit  seinem 
Reitknecht  zu  den  preussisdten  Belagerungstruppen  hinübcrzureiten.  Den  beidat 
Hatjiltnntn  wurde,  Ti;ichdo!ii  .mi  16.  berei?«  eni  Otfi/icr  mit  i(^t  Mann  enTkoinmen 
Wir  und  eine  Revolte  aus/ubreciien  drohte,  am  24.  Januar  der  Abzug  aus  der 
Festung  gesuitct.  —  Glogau  kapltulkte  bekanntlich  erst  am  to.  April  1814,  nacb- 
deoi  die  .Mliirlen  bereits  am  }!•  März  in  Paris  eingezogen  waren. 

'  Nach  einem  Rapport  vom  18.  September  181 }  hatte  das  Grossherzogtum 
an  Truppen  unter  den  WafTen : 


—    22  — 


Grossinajors  von  Welsch,  d.  d.  Medellm  den  6.  uod  so.  Ap 
in  welchen  derselbe  eingehend  über  die  hervorrageade  und  ri 
Teilnahme  des  Bataillons  an  der  Schlacht  bei  Messa  del  \ 
17.  und  18.  März,  sowie  an  der  Schlacht  'bei  Medellin  am 
selben  Monats  berichtet,  die  Leistungen  des  Bataillons- Chefs 
Hauptmanns  von  Tannstein  und  Lieutenants  Adjutant-Majors  t 
rühmend  hervorhebt  und  gleichzeitig  14  Unteroffiziere  und  S 
welche  sich  besonders  ausgezeichnet,  dringend  zur  Belohnu 
pfiehit. '  Der  General  en  chet*  von  Zweyer  beantwortete 
Rapponschreiben  am  14.  Mai  1809  aus  Fiankfurt  vaQ  folgt: 

An  den  Herrn  filrstl.  prinuti^clicn  Grossniajor  von  Wclscb  in  Mec 

Ihre  beiJcn  R.ipportschrclbcn  d.  d.  McdclIin  vom  6..  sowie  fcp.es  vom 
I.  J.  habe  ich  meinem  j^rtmtm  Vere'*r: -'.c^-'.'z  crh.'.]:<.n. 
So  sehr  ich  auch  überzeugt  war,  oass  s;cii  aaj>  FranKiurtcr  i>ubMdicti-i 
unter  Ihrem  Comnuindo  und  der  MitMirkung  eines  so  braven  Her 
de  bataillon,  saninit  da)  übrigen  Herrn  Offfziers,  in  jeder  t'cindh'chcn 
nur  rülmilichst  auszeichnen  werde,  cbens*"»  unendlich  viele  Hrcudi.'  i 
mir  Ihre  Relationeo,  indem  ich  mich  daraus  überzeugte,  wk  das  B- 

1 ;  infanicrie-Regiraent  von  Z\s  cver : 

I.  Bataillon  m  Spanten   t»  Ofliaere  3$o  M 

II.  Bataillon  in  Glogau   20  „  77t 

III.  Bataillon  in  Gloi:.;u                       .21  ^  771 

2)  in  Dan/it^  ciiiixeschlossen  (Regiment  Frankfun)  20  444 

3)  Ücpol  in  Frankiurt   2j  „  789 

4)  Artillerie  in  Aschaffenburg   ^  „  26, 

5)  Land«s>Sicherheitoorps: 

Husaren    4  ,.  Ä)  ^ 

Jäger  zu  Fuss   2  ..  116 

Total  der  unter  den  Waffen  Stehenden:    106  Offiziere  )J27  Mai 

Dieser  R.ipport.  sowie  alle  nachfolgend  wiedersjesebenen  oder  crwi 
Berichte  und  KapptJrte,  welche  die  Hliren  Mc.irüon  betrerien.  sind  —  no  die^ 
au>drücklich  anders  bemerkt  ist  —  im  Kgi,  .Staate-Archiv  in  WiessMden  au{bc%( 
Es  sind  insbesondere  die  Aktenstüclee:  Befdtls^Protokolle  von  iSo^  1807. 
1809,  1810  —  die  Kassen- Journale  des  Frankfuner  Kriegs-Kon^missariats  von 
bis  18 10  —  die  Rechnungen  des  grossh.  Frankf.  Kriegs-Zahlamtes  von  iSi 
1815  bcinit;':  worden. 

'  Die  in  dem  Rapport  d.  d.  Medellin  den  6.  April  iS<x7  gegebene  eiii^jich 
Schildening  der  tapferen  Handlungen  der  nir  Bdohnuti^  empiohlenen  Indivic 
ist  von  uns  in  dem  nadifolgeiidcti  \'orschlage  der  Tapferkeits-Bclohnungs-K 
mission  d.  d.  M.idrid  den  15.  unJ  1 }.  De/cntbcr  i8c">9  wiedercci^'ehen.  Dem  Rjp 
vtMii  (■>.  April  Iii  .;tc  der  Grossniajor  von  \\"cK."h  die  ,i!!.::er!K"r  cjc'i'hc^en  'T.i 
befehle  des  Corps-  und  Divisions-Commaiideurs.  wekiie  die  rnu>tcrluuc  HaJt 
der  Truppen  in  der  Schlacht  am  17.  und  18.  lobend  anerkennen,  imd  den  n;i 
folgenden  Tagesbefehl  des  Brigade-Contmandeurs.  grossheTKOglidilKSSiscfaenGaici 
Schiffer  von  Bernstein,  bei,  welcher  an  das  B;;M;Mon  des  Fürsten  Prinus  gerichtet  w 

ich  ergreife  mit  Vergnügen  die  Gelegenheit,  um  dem  fiauilioo  Fiir»(-Pnn 


I 


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—    2J  - 


ohngeat^iitei  ^ciucs  gcruigc»  l.ncn  St.miics'  A!le%  leistete,  was  man  nur  immer 
vorj  cijJCT  br.»ven  Truppe  verlangen  kann.  Aus  naclu>tehctidcm  Rcscript  werden 
Sie  die  Höchste  Zufriedenheit  Seiner  Hohheit  entnehmen  und  selbes  Ihren 
unterhabenden  Truppen  bekannt  machen  : 

Ich  ersuche  den  Herrn  Gencrnl  crstHcti:  dem  Herrn  (irossmajor  von 
Welsch,  Herrn  Chef  de  bataillon  Tritsch  unJ  .illcn  Herrn  Offizieren,  welche 
üch  rühmlich  ausgezeichnet  haben,  Meine  icbhaUe  Dankbarkeit  zu  bezeugen, 
—  xweitensr  denselben  die  Versicherung  zu  wiederholen,  dass  diejenigen 
Oltiziere,  welciie  den  Orden  der  Ehrenlegion  erhalten  werden,'  von  Mir 
jahrUch  Hundert  Th.iler*  Pensinn  lebenslänglich  zu  beziehen  haben.  — 
drittens-  diejenigen  L  iiterottuiers  iin<l  Srild.iten.  welche  sich  rühmlichst 
ausgezeichnet  haben,  ührcn-Medaillen  erhahen  sollen. 
Das  rühmliche  Betragen  dieses  Bataillons  hat  Mich  sehr  gefreut. 
Frankfurt»  den  |.  Mai  1809. 

gez.  Carl. 

Ich  werde  indessen  d.ifür  sorgen,  dass  neue  Vcrdienst-Med.iülen  geprägt  werden 
und  Ihnen,  mit  dem  ersten  von  hier  abnurichirenden  Renfort,  mehrere  Gotd- 
und  Alberne  Medaillen  mit  einem  Auszug  der  Statuten  der  bestehenden 
Tapferkeit&^Belohnungs-Commission  zuschicken,  datmt  Sie  in  Ihrem  unter- 

habenden  Bataillon  eine  ähnliche  Comnn'ssion  niedersetzen  können,  welche 
die  rühmlichen  Handlungen  /n  untersuchen  und  denen,  welche  sie  ausgeführt 
haben,  goldene  und  silberne  thrcn-Medaillcu  zuzuerkennen  luL 
etc.  etc. 

Es  lag,  wie  aus  vorstehendem  Schreiben  hervorgeht,  Anfangs 
in  der  Absicht,  den  zur  Belohnung  Empfohlenen  die  bis  zum  Tode 
des  Kurfürsten  Friedrich  Carl  in  Kur-Mainz  gebräuchliche  Tapfer- 
keits-Medaille,'  nach  den  dort  gebräuchlich  gewesenen  Bestimmungen, 


f&r  das  bei  den  Affairen  vom  17.  und  18.  bewiesene  brave  Betragen  meinen 
aufrichtigsten  Dank  abzustatten.   Zugleich  versichere  ich  dem  Herrn  Gross» 

major  v.  Welseli  und  dem  Herni  M-ijor  Fritsch,  sowie  dem  Herrn  Adjutnnt- 
Major  Dambocr.  ^I.i-^s  ihr  bewiesener  Kifcr,  ihre  Bravour  und  ihre  btand- 
hafiigkeit  mir  unvcrgesslich  bleiben  werden.  Auch  der  .\djutant  sous-officier 
Hartnunn  hat  sich  durch  besondere  Bravour  der  Gnade  seines  Souverjüns 
würdig  gemacht. 

Der.  Herrn  Grossmajor  v.  Welsch  ersuche  ich,  den  Herrn  Offiziers,  Unter- 
ottiziercu  und  Soldaten  meinen  Dank  lur  das,  was  sie  an  diesen  beiden  Tagen 
gethan  haben,  zu  erkennen  zu  geben. 

El  Puerta  del  Santa  cruce  den  »2,  Min  1809. 

gez.  Schärter  von  Bernstein, 
grossherzogl.  hessischer  General. 
*  Nach  dem  Kupport  d.  d.  Cebollia  den  28.  Febru.ir  1809  waren: 
in  auswärtigen  Hospitalern     .    .     2  Offiziere  ^57  Mann 

detadiirl  j       „       114  „ 

zum  Dienst  ,   19  354  ,. 

der  Bestand  des  Bataillons:  24  OfHziere  825  Mann. 
'  loo  Thaler  =  i^o  Gulden  nach  damaliger  Berechnung. 
>  Im  Kurfürstentum  Mains  stiftete  der  Fr/bischof  und  Kurfürst  1-riedr.  Carl 
Joseph  Freiherr  von  Erthal  berdts  im  jähre  1795  für  das  kurmainxische  Unien- 


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—   24  — 


aber  in  tcilwei«?e  veränderter  Prai^Linii,  m  verleihen.  Gcii» 

7wever  berichicicdicserh.ilb,  unter  gleichzeitiger  X  orla^e  einer  : 

Kurinainz'schen  Tapferkeiis-Medaillc  das  Folgende: 

An  Sc  Hoheit  den  Durchlauchtigsten  Souverajnm  Fürsten  Pi 
Miliulr-Verdkastiuedülkn. 
Eatx  Hoheit  eic 

Bei  dieser  Gel^oAeit  verfidüe  ich  niäit,  eine  saSbtrac  Verdicnstnie 

horsanist  betzuschliessen.  Ich  hübe  den  Stempel  derselben,  weichet 
Aschatfenburg  befinden  soll,  anhcr  beschrieben  und  wire  der  um: 
gehorsamsten  Meinung,  «las»  die  eine  Seite,  auf  «-elcber  der  Genius  b 
beibehalten,  auf  der  «tdeni  Seite  aber  Euer  Hoheit  Höchstes  BUdn 
lencs  des  Hödistscdigcn  Herrn,  cio^^rabeo  werden  dftrfteL 

Schliesslich  bemerke  ich  noch  ^diorsanist,  dass  es  rathsam  seye, 
die  roihen  Medaillen-B.inJer  mit  rwty  weisen  Streifen  auf  beiden  S 
versehen,  indem  sie  sonst  den  Bändern  der  üan^ösiscben  Hhrenkret. 
lieh  sind. 

Franklurt,  den  ).  Mai  1809. 

gec  V.  Zweyer 

General  von  Zweyer  hatte  inzwischen  den  Stempel  zu  de 

mainz'schen  Tapferkeits^Medaille  und  die  Akten  des  kurmainz' 

Tapferkeits-Belohnungs-Instituts  aus  Aschaffenburg  verschriehei 

erhielt  von  dort  nachstehenden  Bescheid: 

Estractus  Pronkoin  * 
des  Kriegskollegioms  Sr.  Hohdt  des  souveränen  Herrn  Fürsten  Pruna 
rhetn.  Confdderation 

de  d®  .\schaffenburg  d.  6.  Mai  i3c 
Condusum:  Fürst-Primatischem  Herrn  General  en  cfacf  wäre  das  Mi 

'['.jpfcrkeits-Belohnungs-Institut  nebst  sämmtlkfaen bisher  abgehaltenen  Mi! 

TapferkcitsbcK'hiuings-Commissionsprotokollcr!  und  .\cten  mit  dem  c 
samsten  Bemerken  vorzulegen,  dass  man  aller  angewendeten  Erkundi, 


Militär  eine  Tapferkcits-Mcdaille,  welche  in  Gold  und  Silber  verliehen  wurde. 
irsLM  .ujf  der  \'orJcrscite  das  Brustbild  dos  Stifters,  auf  der  Rückseite  e 
schwebciidcii ,  geflügelten  Genius,  weldver  dncn  Lorbcerkxaiu  hält  über  der 
sdirift:  »Das  Vaterland  seinem  upfem  Yertbcidiger.«  IHe  Medaflk^  mit  eir 
Durchmesser  von  }8,$  MUlimeiem,  wiegt  17  Gramm  und  wurde  an  etnem  rot 
Bande  auf  der  linken  Brust  getragen.  Der  Stempel  ist  von  J.  Undenschmit 
Main*  j^cfchnitten. 

iime  andere  kurniainzische  Militär-.Medaille  aus  damaliger  Zeit  trägt  auf 
Vorderseite  ein  mit  Lorbeer  umv,-undenes  Schwert,  auf  der  Rücbciie  das  k 
mamzische  Wappen  mit  der  Jahreszahl  1800  und  auf  beiden  Sdtcn  venrilt  • 
Umschrift:  »Die  Treue  und  Tapferkeit  belohnt  Friedr.  Gar.  Jos.  Kurfürst.»  Di» 
silberne  NlcJ.iillc.  mit  einem  Durchmesser  von  ;6  Millimetern.  e?t  : ♦  Gnini 
wurde  an  einen»  grünen  Bande  getragen  und  an  den  kurmainzischcn  Landsiii: 
verteilt,  welcher  i8ot)  zur  Unterstützung  des  Linicn-MiUtärs  aufgeboten  wurc 
{Vergleiche:  Karl  RothenbQcher  »Der  Kurmainzer  Landsturm  in  den  Jalwen  iji 
und  1800.«    Augsburg  i^jS.) 

■  Mitgeteilt  durch  das  iigl  bayerische  Kreis* Archiv  in  Amberg.  — E.  Na^jjl 


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ohn^caditci  nicht  iubv  erfahren  können,  wer  Uie  Steinpd  der  MiUuu-Doik- 
mfiiue  besitze;  wie  man  jedoch  »m  viorderen  Zehen  vermudie,  werde  Herr 

Directionsnuli  Molitor,  welcher  djhicr  ii;.jln  inwcsend,  jedoch  ehemals  das 
Geschäft  der  Denkmünzenprägung  bci>orgt  ^habc,  hierüber  nähere  Auskunft 
geben  I^Amien* 

ge<.  Radenhausen. 

Da  sich  auch  bei  weiteren  Kachforschungen  der  Stempel  zu  der 
kurmainz'schen  Tapferkeits-Medaille  nicht  vdit'uul,  sn  wurde  von 
der  Beibehaltung  der  Rückseite  derselben  Abst.ind  ticnommcn  und 
der  in  Frankfurt  Icbcniio  Stcmpcl.schiieider  rAllcuKiiiJ  '  mit  der  An- 
fertigung neuer  Stempel  beauiiragi.  Am  21.  Juni  \^urden  demselben 
aus  der  Feldkriegskasse  (ur  die  Verdienst*Medaitlenstempel  14  Carotin 
gezahlt  und  General  von  Zweyer  berichtete  nunmehr  am  i.  Juli: 

Euer  Holteit         icli.  in  gehorsamst  beigebofroner  Anlaj^c,  die  Berechnang 

des  Betrags  von  r.wölf  ^ilherncTi  inui  si-i.hs  f:'n!iknen  Vcrdicnstniedaülen. 
welcher  sich  aut  liti  Gulden  belauit,  /.ur  tiuchstcn  liinstcht  unterthänigüt  vor, 
mit  der  gehorsamsten  Kite:  die  fpiidigsie  Verf&gung  dahin  treflen  ni  wtfüen, 
das»  diese  Verdienstmedaillen  durch  den  Heirn  Münzrath  Bunvcn,  welcher 
die  Stempel  bereits  in  Händen  hat,  baldigst  verfertigt  werden  möchten. 
Frankfuft,  den  1.  Jaii  1809^ 

gei.  von  Zweyer. 

Randbemerkung  neben  218  Gulden: 
•Uegn  angewieien  bei. 

Frankfurt,  den  2.  Julius  18091 
gez.  Carl.« 
Notiz  des  Berichterstatters : 
Das  gcnchnti^fte  Höchste  Inscript,  in  welchem  die  Beiahlung  aus  der  Feld' 
Kriegsk.i'Nsc  anbLlnhlcii,  wurde  an  Herrn  Mün/.rath  Bnnseti  geschickt.* 

Bei  der  Prägung;,  unter  der  Aufsicht  des  Munzr.uhes  Bunsen, 
sprang  der  Stempel  für  die  Rückseite  der  Medaille  dreimal.  General 
von  Zweyer  berichtet  darüber: 

Euer  Hoheit  mache  kh  hiermit  die  gehorsamste  Anzeige,  daat  der  MedaiDen- 

stempcl  nun  zum  drittcnmalc  und  immer  auf  der  einen  Scitei  auf  wekher  die 
Inschrift  befindlich,  zersprungen  ist.  Beiliegend  verfehle  ich  nichti  einen 
silbernen  Abdruck  xut  höchsten  Einsicht  gehorsamst  beizufügen. 

Da  nun  Euer  Hoheit  jijngst  dahier  gnädigst  /.u  äussern  >;>.rLi Ilten,  dass 
die  eine  H.rlfte  ^^tesc^  /crbriKhenen  Stempels  ;iin  besten  iti  Rei^enslniri;  -^e- 
Muchcn  werden  könne,  so  erwarte  icli  die  desslalls  weitere  Höchste  Resolution, 
sowie  die  gnädigste  Weisung,  an  wen  ich  die  eine  HMAe  des  Stempel»  mit 
dem  Höchsten  Hildiiisse,  welche;  noch  utibesdiftdigi  ist,  schickcn  soll. 

Franclurt,  den  ij.  August  iSix). 
  gez.  von  Zweyer. 

•  Conrad  Cliristian  l'Lallemand,  geboren  17 jJ  'u  Hanau,  lebte  als  Stempel- 
Schneider  in  Frankfurt  und  starb  dort  im  Jahr  1830.  —  Vnn  ihm  sind  auch  die 
Stempel  zu  Deelsens  ttml  Brönners  Jubilar-Medaillen  f  sSv»;  u.  iHo)! 

•  Johann  Georg  Hunscn  ersetzte  »790  seinen  Vater  (Philipp  Christian  Bunsen) 
als  grossheraogl.  Mflnmth  und  Müiumeistcr  ra  Frankfurt.  Er  starb  1833. 


—    26  — 


Kandvcrfiiming  des  Furst-Primas: 
Am  besten  wird  es  seyn,  wenn  der  Herr  (jencral  diesen  ^\u£tra 
Melxer*  enbeilen,  damit  er  mit  dem  dasigen  Münjsmeister 
Ausprägung  ist  nicht  übet  gerathen. 

Aschaifenburg,  den  2&  August  1809. 

Nachdem  rAlleiiinnd  zum  vierten  Mal  den  StenipeJ 
seile  gestochen  hatte,  glückte  endlich  die  Prägung:  unter  tf«. 
des  Münzrathes  Bunsen.  *    General  von  Zweyer  bericiitctc 
am  4.  Oktober: 

An  i>eine  Hoheit  den  i^urclilaucliiigstcn  soiivcrauicu  l  ursicn 
Euer  Hoheit  mache  ich  hierdurch  die  geliorsamste  An;>:eigc,  dass  c 
anbefohlenen  Miliuir-Venfienst-Medaillen  endlich  durch  den  He 
meister  Bunsen  glücklich  mit  unversehrtem  Stempel  verfertigt  wor 
Es  sind  sieben  goldene  und  zwanzig  silberne,  mit  Inh 
silbernen,  welche  ich  Euer  Hoheit  unter  ni  28.  Augu&t  gehorsani!>t 
senden  die  Gnade  hatte  (sie !). 

Ich  werde  nun,  früherer  Höchster  Weisung  zufolge,  mit 
einigen  Tagen  nach  Spanien  abgehenden  F.  P.  Offi/ieren,  dem  Herrn  l 
chof  l'ritsch  sechs  <jo!dcnf  und  ;tchtzehn  silberne  Vcrdicnst- 
/uschicken,  um  dieselben  an  diejenigen  Leute  im  Bataillon  /u 
weldien  die  dessfalls  niedenuaetzende  Meda31en>Commissionj  nach 
Höchster  Genehmigimg,  deren  zuerkennen  wird. 

Die  übrigen  Medaillen  werde  ich  in  Deposito  behalten,  bis  Eue 
darüber  gnädigst  verfögen  werden. 


*  Lieutenant  Joseph  Melzer  war  Oflficier  payeur  im  Stabe  des  Inf.-R^ 

Zweycr. 

*  Im  Kaisen- Journal  finden  sich  nachstehende  Notizen: 
I.  d.  d.       September  1809. 

An  das  F.  P.  Kriegs-Commissariat  dahier  wurde  die  Berechnung  des  C 


t'AUemand,  als: 

für  Graviren     .   IjG 

dem  Schlosser  für  den  Sit.-m|icl  lO 

wiederum  für  j  Revers-Stempel  zur  \  erguiung  des  Scliiosscrs 
für  die  Stempel  22 

Siunnia:  65  Gi 

mit  nachstehendem  Inscript  überschicict: 


»Sind  aus  der  Feld-Kriegskasse  mit  Sechszig  fünf  Guldea  ta  n1l1kn.11 
II.  d.  d.  ;  October  1809: 

Bezahlung  der  Verdienst- Mfdniüen 

.\n  das  F.  P.  Kriegs-Conmiissariat  dahier  : 

Wurde  der  von  Herrn  MQnxrath  Bunsen  anher  vorgelegte  Conto 

7  StQck  goldene  Medaillen  227  Gulden  49 

20  StQck  silberne  Medaillen  76    „  21 

Sununa:  )0(  Gulden  to 

mit  nachstehendem  Inscript  übersclricl<t : 

»Aus  der  Feld-Kriegskas»e  2u  bezaiilen.« 


t 

1 


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Dem  Kr"c-  '„.incgin  iiberstliicktc  aWt  imicr'm  heutijjcii  jene  silberne 
VeriliciJ!>i  Medjilie,  weltlic  i;ure  Mulicit  dem  NttMduisvlien  Soldaten  Joseph 
Acker'  unter*!»  zj.  July  I.  J.  (I&r  seine  vor  4ein  Fdode  verlohme  kur- 
iii.)itu'$clie  Verdienst- Medaille)  giudigst  bewilligt  halben,  um  selbe  dcitt  Herioj{). 
Nusüiiui&chcn  Kricgs-Koll«:gio  zu  übermadien. 
etc.  etc. 

Fraakfurt,  den  4,  October  1809. 

f^Kt.  von  Zweycr. 

Randverfögung  des  Pürst-Prinisi»: 

Ich  bin  Uli;  c!ii.'?.cni  zweckmassigen  (iut.ichten  ganx  einverstanden. 
Aschalietiburg,  den  }.  October 

Ihr  Freund 
Carl. 

Von  der  vorerwähnten  Verfügung  wurde  dem  Bataillonschcl' 
Fritsch  am  0.  Oktober  Kcnntiiiss  <,'e<;cben  tmd  ihm  dabei  mitgeteilt  ; 
Auch  überbringt  Herr  Lieutenant  Ruscnstcngcl  :>eclu  goldene  und  acht7.elm 
silberne  Verdienst-Medaillen,  sammt  dem  dazu  gchörqien  Bande.  * 
Insni'ischen  hatte  das  Bataillon  in  Spanien  vergeblich  auf  die 
Ankunft  der  vor  Monaten  erbetenen  Ehren-Medaillen  gewartet.  — 
In  der  Schlacht  bei  Medellin  am  28.  März  und  bei  Talavera  am 
2^.  juH  1809  hatten  die  primatischen  Truppen  neuen  Ruhm  erworben 
und  die  Zahl  derer,  die  auf  die  versprochenen  Belohnungen  w.trteten, 
halte  sich  vermehrt.    General  von  Zweyer  liatic  am   11.  Juni  »die 
kurmainzscfaen  Statuten  der  Tapferketts-Belohnungs- Kommission«, 
welche  bei  der  Verleihung  der  Ehren-Medaillen  als  Anhalt  dienen 
sollten,  nach  Spanien  abgeschickt  und  am  27.  August  forderte  er  den 
BataiUons-Chef  Fritsch '  erneut  auf,  die  Vorschlagsliste  der  zur 


'  Acker  \-crli)r  '^L■ille  kuriu.iiiu'vchc  silbcmtr  \' erdiens'-McJ.iille  in  der  fkhiachl 
bei  Durango.  Der  hurst-Phinas  schrieb  aut  das  Gesucli  des  nassauisclien  Kricgs- 
KoH^ium»  utn  Vcrieütuag  eines  anderen  Exemplars  an  etc.  Acker : 

»Ich  n'.rtchc  Mir  ein  wahres  Vergnügen  Jar.ius.  diesem  wackeren  Soldaten 
Meine  neue  Medaille,  an&tait  der  verlornen,  wohlverdienten  «a  geben.« 

Der  POrst  Primas  verlieh  ausserdem  am  4.  Oktober  1809  dem  Poliaei- 
Scrge-iiiieii  1  lucr  in  Rc-m.i  ^Inir^»  eine  der  neuen  goldenen  Medaillen,  als  Ersatz  für 
seine  beim  Sturm  auf  Kegensburg  verloren  gegangene  goldene  kurmainz'sche  \'er- 
dienst-Medaille.  Das  Regensburfi^cr  Hauptrentzahlamt  musste  ftlr  dieselbe  )3  Gulden 
}}  kr.  an  die  Fcui!  rki;sk.is  c  vergüten. 

*  Lieutenant  Rosenstengcl  vcrliess  mit  den  Lieutenants  Weber  und  Joba, 
2  Üftiiierburschen  und  2  Voltigcurs  am  11.  Oktober  Frankfurt  und  erreichte  erst 
am  3/6.  Januar  1810  sein  B.itaitlon  in  Pateniia  in  Spanien.  Et  hatte  dem  Bataillon 
aii<  Ba^-onne  li  il  !;  De/cnihcr  iHoi)  ditrv.li  ciiiL-;i  Kurier  >cm  FintrctFen  daselbst 
und  ausserdem  genjeldei:  »Die  Medaillen  sind  noch  alle  unverselirt  und  wohl- 
verwahrt* 

J  Grossmajor  von  Welsch  war  in  Jcr  Schl;K'!it  hei  Tnl.iver,(  verwundet 
worden,  log  in  Madrid  im  La^areth  und  übernahm  erst  am  it.  November  liSot) 
wieder  das  Kommando  Aber  die  primatischen  Truppen. 


-    28  - 


Decorirung  emptohlenen  Individuen  ordnungsmässig  vorz 

schreibt : 

.    .    .    .    Die  unter 'm  ii.  Juni  1.  J.  au  Sie  abgeschickten 
Tapferkeits-Belohnungs-Commisnon  mögen  Sie  bereits  erhalten 
halb  Sie  nach  Möglichkeit  eine  soIcIm  CoouiliasJon  anordnen  w 

untirrsuclieii  !iat.  x^  elcheii  Uiucroltiziercn  und  Gemeinen  für  he\x'?c 
eine  W-rdicnsi-Medaille  gebühre.  Demnach  aber  erwarte  icli  ci 
Vorlage  dieser  Coramiisions-ßeschlüssc,  ncbii  dem  nanicntJiciicn 
der  zu  belohnenden  Individuen,  damit  idi  demnichst,  mit  der  G 
die  nddiigen  Verdienst-Medaillen  an  Sie  schicken  fcaim. 

Nach  erneutem,  vergeblichem  Warten  auf   die  Anl 
Medaillen  und  StiUiuen    t;ibi  der  Bat.iillons-Chci    l  ritsc/j 
Rapport  d.  d.  Toledo  den  22.  September  .seinem  Unmut  ü 
Verzögerung  Ausdruck,  indem  er  schreibt: 

Die  untcr'm  ii.Juni  I.  J.  abgeschickten  SMtuicii  der  Tapferkeits-Bi. 
Comniissiun  sind  bis  jetzt  noch  nicht  eingetrottcn.  ich  bin  a 
Stande»  solche  anordnen  und  hatten  zu  lassen,  und  es  steht  im  Zy 
nun  dieselben  je  eintrefTcn  werden,  wesshalb  ich  um  ein  Duplicat  I 
Ich  werde  M>  auf  weitere  Bclchle  Nichts  vornehmen,  so  sehr  .ii 
die  sich  am  17.  März  bei  Mcssa  del  Ybor  ausgezeichnet  haben, 
V'ersprechungc'ii  von  Belohnungen,  anfangen  langmüdiig  zu  werden, 
sehen,  dass  mehrere  von  ihnen,  entweder  in  den  Hospitälern  oder  1 
Feinde  —  ohne  Genuss  derselben  —  hinübergegangen  smd. 


Es  ist  durch  gnjdigste  BcstätigLl^^  licr  Tapferkeits-Belohnungs-Conj 
fcsttjestelh,  dass  L'r.tcrofll/'tjrc  und  Sold.Ufii  fiir  die  Zukunft,  wie  c 
gesichert  sind;  hir  ihre  aus^c/eiclmeteM  tapferen  Thatcn  Bcldiinuiig* 
Decorationen  zu  cniplangen,  welciie  Aus/.eiclinungcn  sie  bei  Jedernii 
brave  Krieger  darstellt  und  der  Sporn,  f&r  sie  zn  grösseren,  als  f&r 
/u  ähnlichen  Thaten  ist.  Nur  den  Offizieren,  ohne  deren  tapfere  und 
Anführung  der  Soldat  doch  nie  eine  ausgezeichnete  Thai  verrichten 
lehlt  dieser  Sporn  in  unseren  Diensten  Wie  es  scheint,  sind  wir  in  Sp 
trotz  aller  Hingaben  /ur  fran/.obisciien  Decoration  tur  geleistete  Austreiigi 
und  Auszeichnungen,  in  Vergessenheit  gerathen  und  wir  werden  dieselfM 
ohne  die  Ankunft  Seiner  Majestät  des  Kaisers,  erhalten.  Alle  Souve 
des  Rheinischen  Bundes  haben  bereits  eigene  Orden  trrichttt  und  Ihre  Oit\ 
häuhg  damit  belolmt.  Wir  «.ind  df>ch  sn  «rUicUicli  wie  jene,  durch  u 
Betragen  die  Höchste  /uiriedenheii  unseres  Souvcrains  erworben  zu  haber 
nur  können  wir  diese  der  Welt  nicht  durch  eine  ähnliche  Auszeiclnning 
künden  und  nur  das  innere  Bcwusstsein  muss  uns  dafür  schadlos  hil 
wenn  nicht  ein  liolies  General  Commando  für  die  Zukunft  die  gnadige  Ri 
sieht  lur  lins  nimmt,  Seine  Hoheit  —  bei  den  uns  zugesicherten,  gnädiijs 
Gesiiuiungeri  —  zu  einer  älmlichcn  Errichtung  den  hochgcfälligstcn  \'ort 
machen  zu  wollen. 

Der  Fürst-l'rimas,  welchem  der  General  cn  chcf  von  Zwcv 
diesen  Bericht  am  15.  Oktober  betürworiend  vorlegte,  zeigte  duu 
die  daraul  crlolgende  Verfügung  d.  d.  Aschatienburg  den  17.  Oktobc 


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—   29  — 


l8o9,  *  dass  er  über  die  vor  sechs  Tauen  erfolgte  Absendung  von 
6  goldenen  und  i8  silbernen  Verdienstmedaillen  (durch  Lieutenant 
Rosenstcngel)  nach  Spanien,  sowie  über  die  in  den  Armeen  übliche 
Art  der  Dccorirung  von  Offizieren  nicht  unterrichtet  war.  Hr 
verfügte : 
P-  P- 

Den  Herrn  General  ersuche  kh,  auf  Kosten  der  spanischen  Kontbgentskasse 

zwölf  goldene  und  vier  und  zwanzig  silberne  Khrenniünzen,  erstere  fÖr 
Offiziere,  letnere  für  Unteroffip-tere  und  Soldaten  .ihwärts,  anfertigen  zu  lassen 
und  deai  Herrn  Grossmajor  von  Welsch,  zur  Austheilung  nach  seiner  Uebcr- 
teugung,  xuzusdiicken.  Freilidi  wird  dieses  m  der  Folge  Kosten  für  das 
Kfiegszahlamt  verursachen;  allein  die  Sache  ist  unvermeidlich,  und  der  Herr 
General,  nach  Ihren  einsichtsvollen  Grundsätzen,  sind  selbst  überzeugt,  dass 
dasjenige  geschehen  mtjsse,  wa«s  nnthwendig  i<;t.  Auch  bitte  ich  dem  Herrn 
von  Hi^douville '  davon  Nachricht  zu  gehen,  —  das  nanüiclie  auch  dem  Grafen 
von  Beiist  in  Paris  m  schreihen,  damit  er  es  ungesäumt  dem  Kriegsminister 
crölfne.  ges.  Carl. 

Am  i8.  Oktober  antwortete  Generat  von  Zweyer  das  Folgende : 
An  Seine  Hoheit  den  durchlauchtigsten  souverainen  Fürsten  Primas, 
p.  p. 

Euer  Hoheit  gnädigster  Willensmeinung  zufolge  sollen  12  goldene  und  24 
silberne  Verdienstmedaillen,  erstere  für  Ofiiziere,  letztere  (üv  Unterottizicrc 
und  Soldaten,  verfertigt  und  dem  Herrn  Grosmajor  nach  Spanien  zugeschickt 
werden.  Ueber  diesen  Gegenstand  erlaube  ich  mir  folgende  unierthänigste 

Bemerkung. 

Unter'm  11.  d.  M.  habe  ich  bereits  6  goldene  und  18  silberne  Verdienst- 
Medaillen  an  das  Subsidien-Bataillon  geschickt.  Zufolge  bestehender  Statuten 
sind  sämmtlidie  Medaillen  nur  für  (fie  Mannschafk  vom  Unteroffiiier  abwärts 
bestimmt  und  werden  die  ausgezeidineten  tapferen  Handlungen  nach  ttwem 

Wcnh  mit  goldenen  oder  silbernen  Medaillen  belohnt.    Jener,  welcher  eine 

goldene  Mcd.iillc  crhfiU,  htvieht  dann  statutcnniässig  die  doppehe  und,  welcher 
eine  silberne  empfängt,  die  Hälfte  der  l-'riedenslöhnung. '  In  keinem  Militair- 


'  Aus  dem  Kgi.  Kreis-Arcluv  in  W  urzburg.  —  hiSCripten-FrotokolI  von  1809. 
No.  4047. 

*  Graf  H£douville  war  ausserordentlicher  Gesandter  Frankreichs  und  bcvoll- 

michtigter  Minister  in  Frankfurt. 

'  Ah  im  Jahr  iKto  der  Snld  der  Snlvi.uen  erhöht  wurde,  trat,  durch  eine 
Verfugung  des  i'ursi-Prinias  vom  2j.  Mai  i^iiu,  aucli  die  entsprechende  Erhöhung 
<ler  Medai1Ien*Zulagen  ein.  Der  Fürst-Primas  schrieb  damals  (InscrIpten'Protokoll 
von  1810  No.  1516.  -  Kgl.  Kreis-Archiv  WOrzburg): 

Der  Sold  ist  nach  dem  gestiegenen  Preise  der  Lebensmittel  erhöht  worden. 

Also  tritt  auch  das  nämliche  \'erhaltniss  in  Betreff  der  Medaillenzulage  ein. 

Jedem  ausgezeichnet  tapfern  .Mann  ist  es  wohl  zu  gönnen,  da&s  er  zuweilen 

ein  Gläschen  des  gegenwärtig  theuer  gewordenen  Weines  trinke  au  seiner 

Erholung. 

L)cr  in  Folge  des<;cn  vom  Clcneral  von  Zweyer  am  2$,  Mai  lÄlO  erlassene  Befehl 
lautete  (Befehl-Protokolle  von  :>Sio.  Seite  127): 

S.  Hoheit  haben  aul  einen  gemachten  V  ortrag  in  BetrelV  euicr  Erhöhung  der 


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-   30  — 


dienst  erhalten  die  OßuiereVerdienstmedailkn»  sondern  vielmchi 
Da  nun  Euer  Holidt  mittelst  früherer  Höchster  Verfuf^ung^  den  F 

welche  das  französische  Ehrenkreuz  erhahen,  eine  jährliche 
loo  Thalern  ^.itli>;sT  zusicherten,  so  erlaube  ich  mir    den  c 
gehorsamsten  Vorschlag  zu  madien,  ob  Euer  Hoheit  nicht  gnä.> 
mögtcn.  den  F.  P.  Oiitxieren  fiir  aasfi^xcichnete,  upfere  Handlur 
Ehren-KreuEe  zu  ertheilen. 

Ich  finde  dies  auch  desswegen  um  so  zweckdienlicher,  weil  die; 
ÜlHzierc.  welche  goldene  \'erdienstnTet1.ulIen  erlulten  würden,  eig 
den  Anspruch  auf  doppelte  Gagen  machen  mogtcu. 
FranMim,  den  18.  Oictober  1809. 

gez.  von  Zwey 

Nota,    Es  beiluden  sich  /.v,ir  niclirere  Ofiiziere  im  Militair  Euer 
Verdienst'Medaillcn  *  besitzen,  allein  diese  erhielten  sie,  < 
UnterofKaere  waren. 

Am  1$.  Oktober  schrieb  in  Folge  dieser  Meldung  dt 
Primas  (Kreis-Archiv  WOrzburg,  Inscripten-ProtokoU  1809  N 
Ich  bin  mit  dem  Gutachten  des  Herrn  Generals  ganz  einversta 

empfehle  nunmehr  die  baldige  Ausführung.  Wegen  der  Medaillen 
das  Verhältniss  nicht  genau  bekannt.  Diesemnach  unterbleibt  t 
Sendung. '  Ich  hotfe,  der  Kaiser  ertheilt  Seinen  Orden  den  verdi> 
Offideren.  In  der  Folge  werde  Ich  wahrscbdnlich  selbst  auf  StiTt 
Ordens  denken. ' 

AschaiTenburg,  den  19.  October  1809. 

Idi  bin  mit  vieler  Hochachtung 
Dero 

Freund  Cai 


Vcrdienst-Mcdaillen-Zulagc,  (welche  vernm^c  bc-tclictuicr  .S:uuten  au 
älteren  Zeiten  bestandene  l'ricdenslöhnung  berechnet  wur>,  untcr'm  23 
gnädigst  zu  genehmigen  geruht,  dass  sAmmtlichen  noch  irn  Dienst  st( 
Militär-Individuen,  welche  Verdienst-Medaillen  besitzen,  in  Zukunft 
Friedensgarnisonen  ihre  Zulage  aucli  n.iclT  dum  dcnn.ilu'cii  iTicJcn.sza 
tusse  erhalten  sollen.  Was  sämnitlichcn  Grossherzoglichen  Iruppci 
durch  bekannt  j^enucht  wird. 

'  Offenbar  die  kurmainz'sche  Tapferkeits-Medaillc. 

*  Die  in  der  Verfügung  vom  17.  Oktober  1809  vom  Fürst-Primas  bd. 
Prigung  von  12  goldenen  und  24  silbernen  Ehrcn-Medailleo  wurde  nicht  ausgi 
Die  Befehl-  und  Kechnungs-Bücher  enthalten  Nichts  darüber  und  die  Dctai 
der  am  16.  April  i^xo  erfolgten  ;'v-citcn  Mcdnillen-VcrtcilunK  beweisen,  das 
7  goldene  und  20  silberne  Ehren-Medaillen  mit  der  L'mschrilt:  »Carl  Theodor 
Primas«  (laut  Rechnung  vom     Oktober  t9o^)  geprägt  Mrorden  sind. 

'  Der  vom  Grosslienog  im  Februar  t8i^  gestiftete  Conconfien-Oidcn  t 
nicht  für  Kri^verdienste  verliehen. 

Der  Fürst-Primas  erwirkte  bei  seiner  Anwesenheit  in  l'jris,  im  Anfang 
Jahres  i8to,  die  Vcrlciliun;:  des  Ritterkreuzes  (der  5.  Klasse)  der  (Van/ösis 
Ehren-Legion  an  Grossmajor  von  Welsch  und  Major  Trirsch.  Die  l'atciiu; 
beide  wurden  am  2.  Februar  1810  vollzogen ;   dasjenige  für  .Major  FHlSch  Im 


Digitizec  1  ,  a)Ogle 


-  31 


Aus  den  vorstehend  mitgeteilten  Berichten,  Angaben  und  Ver- 
fügungen ergibt  sich,  dass,  ausser  den  im  September  1809  geprägten 
7  i;oldenen  und  20  silbernen  Hhren-Medaillen,  »)unter  der  Regierung 
des  Fürst-Primas«  keine  weiteren  Stücke  angefertigt  worden  sind.  Es 
folgt  nachstehend  die  Beschreibung  dieser  primatischen  EhrenmedaiUe: 

L<&gion  d'honneur. 

Paris  le  2  Fevrier  i8to. 
Le  Grand  Chancelier,  Ministre  d^tat,  1  Mr.  Fntsch,  noembre  de  la  Icgion 
d*honneur,  Chef  de  Bataillon  du  Contingent  Prtmattal. 

Monsieur 

L'empercur  et  roi  vient  de  vous  nommcr  nicnibrc  de  la  Legion  d'honneur, 
dccor^  de  l'aiglc  d'argcnt. 

Je  rae  fölidte,  mooneur,  de  vous  faire  connaitre  officidlement  ce  temoignage 
parriculier  de  Testime  de  mon  aaguste  souverain. 

J'.ii  rhonneur  de  votis  salucr 
b.  g.  c.  1.  Aide  C;.icepedc. 

Oberst  von  Horad.im  erwarb  sich  das  Kitterkrcu/.  am  11.  Juni  i8ij  während 
der  Verteidigung  von  Dan/ig. 

Im  Verlauf  der  Kriegsjahre  wurden  ausserdem  mehrmals  Otfiaiere  der  gross- 
herzoglichen Truppen  zur  DecoHrung  mit  dem  Ritterkreua  der  Ehrenlegion  in  Vor* 
sddag  gebracht,  und  /war ; 

1)  am  50.  Oktober  1810:  Chef  de  bataülon  Fran«;ois  Vogt, 

Capitainc  Ad'tuant-Major  Jcnn  Damboer, 
Capitainc  i  crdinand  Schuler, 
Capitaine  des  VoMgeurs  Fran^ois  Jäger, 
Lieutenant  des  Grenadiers  Pierre  Faust. 

Dieselben  erhiehcn  ein  Vcrleihungsp.itent  vom  11.  April  181 1.  Das  Ritter- 
kret:?  wurde  ifiiuii  in  Sp  HiiLii  im  J.ilirc  1812  ausgehandigt.  Sie  bezogen  die 
vom  (irossiicr/.of{  bewilligte  j.ihrliclie  Zulage  von  150  (iulden  auch  nach 
der  .Vuflösung  des  Grosshcrxogtunis  durch  die  Staaten,  iu  deren  Dienste 
sie  Obertraten*  bis  an  ihr  Lebensende.  Ferdinand  Schuler  und  der  spätere 
Oberst  J.iger  erhielten  diese  Pension  von  Frankfurt; 

2)  nm  II  Mär/  iHii:  die  sp.ueren  Obersten  Decken.  Ilofminn.  von  Schiller, 
sowie  die  spateren  Haupticutc  Hartmann,  Justus  Schüler  und  Reimlierr.  Die- 
selben erhielten  das  Ritterkreuz,  in  l'olge  der  von  iiinen  erliobenen  Rccla- 
maiionen,  erst  nachträglich  von  Ludwig  XVIfl..  und  xwar  Oberst  Decken, 
für  welchen  Napoleon  I.  noch  im  Jahre  iSi  5  das  i'  itcnt  vollzogen  hatte,  1826, 
die  Hauptler.tc  H.irimnnn.  Justus  Schüler  und  Rc:  "1  im  November  1827 
((»enehmigunp  des  Sen.its  /um  Tragen  vom  21  j.mu.ir  iSjH^,  —  Oberst 
von  Schiller  ini  Jahr  1828  (Genehmigung  des  Setiats  zum  Tragen  vom 
9.  October  1828),  —  Oberst  Hofmann  im  Jahr  1829  (Genehmigung  des 
Senats  «um  Tragen  vom  5.  l"ebruar  1829).  —  Oberst  Decken  erhielt  vom 
Moment  der  Verleihunjx  an  die  jährliche  IVmion  von  i^d  (aildcn  bis  an  sein 
Lebensende  von  der  Stadt.  Die  fibritjci  'a  urden  auf  ihre  dicsbe^üs^üchen 
Gcsuclje  vom  Senat  abschlägig  bcscineden,  da  sie  bei  ihrer  vorerwähnten 
Reclamation  ausdrficklich  auf  jeden  Pensions-Anspruch  verzichtet  hatten.  ^ 
Hauptmann  Hanmann  seinersehs  bezog  die  Medaillenzulage  Im  die  als  Unter- 
offizier erworbene  goldene  primatische  Ehrenmedaille; 


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-  32  - 


Vorderseite  :  Das  na^h  rechts  gewendete  Brustbild  des  Sti 
der  Umschrift:  Carl  Theodor  Fürst  Primas.  Auf  < 
schnitt  der  Schulter  des  Brustbildes  in  Diaiiiantschril 
(L'Allemand,  der  Name  des  Stempelschneiders).  A 
Tafel  II  No.  4. ' 

Rückseite:  Ueher  Krie^strophäen  in  eniem  Kranz,  welc 
einem  Lorbeer-  und  einem  Eichcnzweii,'  zusamnienge«- 
in  vier  Zeilen  die  Inschrift :  Das  U  Vaterland  li  seinem  t. 
Venheidiger, 


3>  am  16.  August  1815,  d.  d.  Bautzen: 

vom  5.  Baniilon :  Chef  de  bauiUon  Aadri  Unkeihäuser, 
Capitaioe  Charles  Hamdi, 
icr  UeuL  et  Adjutant  Vendelin  Dielmann, 

i«^»^  Lieut.  Georg  Je  Dressier, 
icr  Lieui.  Goitlitb  Heincaiaiin, 
1"  Lieut.  Jeau  Eckert; 
vom  2,  Bataillon:  Caphaine  Graf  Heusenstaram, 

Lieutenant  Jean  Pelz, 

Adjutant  Sous-Officier  Louis  Schwann. 

Dieselben  finden  sich  in  einer  Liste  aufgeführt  (im  k^I.  Staatsarchiv 
baden),  welche  die  Lebcrschrih  trägt:  »Etat  der  Offiziere,  welchen  S.  M.  der 
d.  d.  Bautzen  den  16.  August  181 },  das  Kreuz  der  Ehrenlegion  verlidien  h 
Die  Kriegscreignisse  der  Jahre  1S13  und  1814  und  die  eingetretene  Regie 
verinderung  waren  die  N'eranlassung,  dass  die  Patente  nicht  ausgefertigt  ur 
Decorationen  im  Jalir  nicht  austjegcben  wurden.  Der  in  den  Dienst  der 

Stadt  übergetretene  spätere  Oberlieutenant  Schwann  erhielt  Patent  und  Kreu2 
falls  vor  dem  März  1817  und  bezog  durch  Senatsbeschluss  vom  17.  Märr  ift 
jährliche  Pension  von  150  Gulden  his  an  sein  Lebensende. 

Dem  Grossheriog  hatte  Napoleon  I.  im  Deiember  1810  das  Grosskreu 
l-hrcn  -  Legion  übersandt.  Der  k,  k.  ostreichische  Resident  am  grosshcr/i 
Irankfurtischen  Hofe  Freiherr  von  Hügel  berichtete  hierüber  an  die  Staatski 
in  Wien: 

....  (praes.  Wien,  4.  Jauner  t8n)  .  .  .  Am  a6.  des  verwich 
hat  ein  französischer  Courier  die  definitive  Entsdiliessung  des  Kaiser  Napa 
über  die  Art  und  Zeit  der  Entrichtung  der  für  die  vorgefundenen  Colo 
Waaren  festgesetzten  Abgaben  an  die  französische  Militair-Comniission  ü 
bracht.  Er  war  zupleich  Überbringer  des  grossen  Bandes  der  Ehren-Le| 
für  den  Herrn  Grosslierzog  von  Frankfurt,  welches  anderen  Tages 
französische  Minister  Graf  H^ouville,  bei  einer  feierlichen  Äuüafait  in  eil 

sechsspännigen  Wagen,  dem  Grossherzog  übeigeben  hat.  

Dem  Herrn  Grafen  von  Hidouville  hat  der  Grossher/.og,  wegen  der  Üb 
reichunt?  des  Ordens,  eine  Tabatiere  im  angegebenen  Werth  von  12  M 
I-rancs  /ugestellt.  —  (Mitgeteilt  aus  dem  k,  k.  Haus-,  Hof-  und  Siaats-Arcl 
in  Wien.) 

■  Die  Vorderseite  bt  auch  abgebildet  im  Archiv  für  Frankfure  Geschieh 
und  Kunst  Band  II,  Tafel  III,  Figur  6. 


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-    3J  - 


Bei  den  bekannten  Exemplaren  fiiiden  sich  auf  der  Rückseite 
drei  kleine  Sicmpelvcrscliiedcnheiien  vor,  wciclie  auf  Tafel  II  unter 
Ko.  5,  6  und  7  dargestellt  sind.  Zi^ei  derselben  siammcn  aiij^en- 
scheinlich  von  den  niissglückten  Pr:igeversuchen  mit  den,  nach  dem 
Bericht  vom  27.  August  1809,  dreimal  gesprungenen  Stempeln  her, 
während  No.  7  die  gelungene  vierte  Prägung  zeigt. '  Auf  der  Ab- 
bildung Nu.  5  ist  der  Sprung  des  Stempels  deutlich  sichtbar,'  bei 
No.  6  ist  er  kaum  zu  erkennen»  dafür  ist  aber  der  rechte  Teil  der 
Kriegstrophäen  stark  verwischt,  was  darauf  hindeuter,  dass  man  den 
Sprung  durch  Ausschmieren  des  Stempels  unsichtbar  zu  machen 
suchte.  Mit  diesem  Reversstempel  sind,  ehe  er  vollständig  un- 
brauchbar wurde,  mindestens  zwei  lixemplare  geprägt  worden. '  Die 
Stempelvcrschiedenheiten  bestehen  in  den  verschieden  geschnittenen 
Lorbeer-  und  Eichenzweigen,  in  der  Verschiedenheit  des  Bandes, 
welches  dieselben  zusammenhält,  und  in  kleinen  Abweichungen  bei 
der  Darstellung  der  Kriegstrophäen:  No.  5  zeigt  an  dem  vorcrw:ihnten 
Bande  nur  eine  Schleife,  No.  6  und  7  deren  zwei ;  No.  5  und  7 
haben  bei  den  Kriegstrophäen  fünf  Kanonenkugeln,  No.  6  hat 
deren  sechs. 

Die  Medaille  hat  einen  Durchmesser  von  39  Millimetern  und 
findet  sich  zur  Zeit  in  Sammlungen  nur  noch  in  Silber  vor.  Sie 
wurde  am  hochroten  Bande  auf  der  linken  Brust  getragen.  — 

Im  November  1809  griff  Grossmajor  v.  Welsch,  welcher  seit 
seiner  Verwundung  bei  Talavera  im  Hospital  in  Madrid  gelegen 
und  am  11.  November  1809  das  Commando  des  Bataillons  wieder 
übernommen  hatte,  kräftig  in  die  durch  die  Entfernung  von  Frankfurt 
und  die  notwendig  gewordenen  Stempelemeuerungen  verschleppte 
Medaillen-Angelegenheit  ein.  Er  schreibt  d.  d.  Madrid  den  30.  No- 
vember 1809  an  das  fürstlich  primatische  General -Commando  in 
Frankfurt : 


■  Die  unter  No.  7  abgebildete  Ehren-McJaille  bcinidct  sich  in  der  stndtiscbcn 
Miin7«iarnm)iing  in  Frankfurt  und  wurde  seiner  Zeil  von  dem  unter  No.  17  der 
crsieii  VorschlagsHste  genannten  spateren  Übcrlieutenant  Matern  getragen. 

'  Die  unter  No.  s  abgebildete  Medaille  ohne  Oehr,  welche  nur  als  ein  Ptobe- 
«bschlag  XU  betrachten  ist,  befindet  sich  in  der  Sammlung  des  Privatiers  Herrn 
Eduard  Fellner  in  Frankfurt. 

'  Von  der  unter  N'o.  6  .ib)^ebi!deten  Elircn-Medaille  sind  zur  Zeit  zwei 
lAcnipl.ire  hekanni.  Das  eine  befindet  sich  im  kgl.  Münzcabinct  in  Berlin,  das 
andere  in  der  Sanunlung  des  Kaufnunns  Herrn  Heinrich  Stiebel  in  Frankfurt.  Beide 
Exentplare  sind  augenscheinlich  getragen  worden. 

Von  So.  $,  6  und  7  existiren  galvanoplastische  Nachbildungen. 


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-   j4  - 


 Aus  dem  Hohen  Erlasse  No.  20  ersdie  ich,  dass  Her 

Rosenstengel  6  goldene  und  18  silberne  Medaillen  mitbrin^.  Ic 

dem  Empfang  die  unter'm  2j.  Juni  d.  J.  von  mir  angeordnete 
Belohnungs-CommissiiMi  sogleich  7usanimcn treten  und  Jenen  die 
sprochenen  Belohnungen  zuerkennen  lassen,  welche  sie  verdient  I 
Statuten  kann  ich  um  so  weniger  abwarten*  ab  diese  verdienstvoll 
schon  melirmals  !>cnicrkt  haben,  dass  alle  anderen  Regimentei 
Bajailloii  nicht,  Belohnungen  ausgetheilt  haben,  wie  dies  im  f 
Herrn  Hataillons-Chefs.  No.  24,  deutlich  nitseinanderin-^cT  -t  isr. 
daher  ein  Hobes  General-Comniando  umsonichr  um  eine  au^gede 
macht  in  Röcksicht  der  Belohnungen  gehorsamst  bitten,  als  Auge 
Belohnungen  ebensosehr  nothwendig.  als  für  die  Höchsten  Dienste  nü 

Grossirinjor  v.  Welsch  Hess  denn  auch  alsbald  die  Tap 
Belohnungs-Commission  zusammentreten  und  berichtete  übe 
Beratungen  in  seinem  Kapport  d.  d.  Madrid  den  u.  Dezemh 
das  Folgende: 

 Schliesslich  habe  ich  die  Ehre,  abschriftlich  den  von 

7.  Deiember  d.  J.  zusammengetretenen  Tapferkeits- Belohnungs-COi 

pemnchtcn  Vortr.ig,  worin  mehrere  Fr.i^en  und  Differenzen  mit  H 
der  nach  dem  tranzösischen  Reglement  neu  creirtcn  (-bargen  ut) 
Genuss  für  die  Medaillen  entstehen,  nebst  dem  vom  BataiUonsstabe  gc^ 
Maassstabe  zur  Hohen  Beurtheilung  und  Entscheidung  mit  dem  B( 
gehorsamst  vorzul^^  dass  man  bis  zu  dieser  erfolgten  Entscheidun 
jenigen  Individuen,  welchen  Ehren-Medaillen  zuerkannt  werden,  nac 
französischen  Reglement  (d.  l  nach  dem  französischen  Frtedens(ussc)  > 
Hand  auszahlen  werde : 

Actum  Madrid,  den  7.  Dezember  1809. 

In  Gegenwart:  Herr  Bataillons^Chef  Pritsch 
„   Hauptmann  Klenk 
„    Hauptmann  Vo^t 
,,    Überiieutenant  Deeken 
„    AdjutotU  Major  Damboer 
„  Lieutenant  Dielmann 
„    OfKder  payeur  Hartniann. 
Aul  Anordnung;  des  F.  V.  (."ifos^majors  und  BatailloiiN- (loniniandeurs  1 
von  Wersch  tnti  heute,  unter  dem  N'orsitz  des  Herrti  H.ii.iilloiis-dhef  Fi 
und  obenbenatu^ter  Mitglieder  eine   l  apferkeits-Belohnungs-Commissioii 
sammen,  um  nach  den  vorliegenden  Attesten'  zu  anheilen,  wdche  . 
viduen  sich  in  den  Schlachten  von  Durango,  Messa  dd  Ybor,  Valdecar 
Medellin,  Talavera  de  la  Revna,  Almonacid,  Ocanna  durch  ihr  tapferes 
tragen  sich   be^-nntlers  ausgezeichnet  und  dadurch  sich  der  goldenen  < 
silbernen  Medaille  würdig  gemacht  haben. 

Bevor  man  die  vorliegenden  Atteste  zur  Prüfung  vomahoi,  fand  Commb 
(ur  nöthig,  da  nach  unsrem  Ausmarsch  nach  Spanien  das  Bataillon  ns 
französischem  Fusse  und  R^lement  neu  organtsirt  wurde,  wodurdi 


'  Diese  Atteste  und  sflromtliche  über  die  Verdiensi-.Medaillcti  bis  181  j  ^ 
sammelten  Dokumente  gingen  mit  der  Bagage  des  Bataillons  in  der  .Schlacht  vi 
Viuoria  am  ii.  Juni  löij  verloren. 


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-   35  - 


andere  Verhältnisse  sowohl  in  der  Bezahlung,  als  in  der  Creining  neuer 
Chargen  entstanden,  die  auf  die  bestehenden  Statuten  *  nicht  anwendbar  sein 
können,  —  diesen  neuen  Verhältnissen  anpassende  Punkte  r.\i  entwerfen  und 
sie,  bis  zur  eingeholten  Ratific.ition  von  einem  Hohen  GencraUG>mnuindo. 
al5  Norm  anzunehmen  und  lest/uset^en, 

1)  Die  bestehenden  Statuten  werden,  soweit  sie  zu  den  jetzigen  Verhält- 
nissen passend  sind,  als  Grundlage  und  Damaehaehtung  angenommen 
und  können  selbe,  da  sie  von  «nem  Hohen  General-Commando  schon 
seit  Juni  d.  J.  an  das  Bataillon  abgeschickt,  demselben  aber  noch  nicht 
zugekommen  sind,  in  Hinsicht  auf  Obiges  nur  soweit  befolgt  werden, 
als  sie  Commissio  bekannt  sind, 
a)  Da  Seine  Hoheit  gnädigst  decretirt  haben,  das«  jene  Unteroffiziere  und 
Soldaten,  von  dem  Tage  der  Erhaltung  einer  französischen  Deeoration, 
das  Doppelte  ihres  Gehahes  nach  Verhältniss  ihrer  Chargen  beziehen 
sollen,  so  stellt  man  einstweilen  fest,  dass,  so  wie  in  den  alten  Statuten 
die  goldene  bhren -Medaille  die  Nutzniessung  der  silbernen  aulgehoben 
habe,  auch  die  französische  Deeoratitm  die  Nutzniessung  der  silbernen 
sowohl,  als  der  goldenen  Ehren-Medaille  aufhebe,  wohl  aber  diese 
Ehren-Medaille  als  Oecoration  neben  der  französischen  Decoration  fort» 
getragen  werden  kann. 

3)  D.iss  jene  Unteroltiziere  und  ik)ldateii,  von  dem  Tage  an,  wo  ihnen 
eine  oder  die  andere  Medaille  zuerkannt  wird,  jene  Nutzniessung,  — 
nimlidi  auf  die  silberne  die  Hälfte,  auf  die  goldene  das  Doppelte  ihrer 
Besoldung,  —  zu  beziehen  haben,  welche  sie  nach  dem  jetzigen  Ver- 
pflegungsfussc  CJas  ist  n.ich  dem  fr.in/nsischen  Fricdensfussc)  beziehen, 
und  das  nur  von  dem  Grade,  in  welchem  sie  sich  dieselbe  verdient 
haben.  Dies  soll  auch,  nadi  gnädigstem  Rcscript  Seiner  Hoheit,  für 
selbe  bei  Erhaltung  einer  französischen  Decoration  der  Fall  sein,  jedodi 
mii  Ausnahme  des  Chirurgien  aidemajor  und  sousaidc,  wie  auch  der 
beiden  Adjutans  sousofticiers,  sowohl  in  Hinsicht  der  Hhren-Medaillen, 
als  französischen  Decoration,  über  welche  ncn  creirte  Chargen  weitere 
Anfrage  zu  machen  und  die  endliche  Bestimmung  in  Iktreti  der  Nutz- 
niessung abzuwarten  ist,  denen  Adjuuns  sousofticiers  aber,  welche, 
bd  Herauastellung,  sich  der  einen  oder  andern  Medaille  wfirdig  gemacht 
haben,  dieselbe  sogleich  zuerkannt  und  ertheilt  werden  könne. 

4)  Commissio  fragt  daher  gehorsamst  an: 

a)  Ob  die,  sowohl  durch  die  Statuten  auf  die  ühren-Mcdaillen,  als  von 
Seiner  Hoheit  aul  die  französischen  Dccorationen  festgesetzte  Nutz- 
niessung nach  dem  gegenwärtigen  VerpHegungsfuss  (nämlich  nach 
dem  französischen  Friedensfuss)  'sofort  ausbezahlt  oder  nach  der 
durch  die  Statuten  bestimmten  Ordonnance  oder  nach  einer  frisch  zu 
regulireiuien  ibgereicht  werden  sollen  r 

b)  Wegen  den  neu  bestehenden  Chargen,  als  die  der  Adjutans  sous- 
ofHciers,  in  weldie  Klasse  diesdben  gesetzt  und  nach  welchem 
Maassstabe  die  Nutzniessung,  sowohl  für  die  Ehren-Medaillen,  als 
för  die  französische  Decoration,  ihnen  verabreicht  werden  soll. 


'  d.  h.  die  Statuten  für  die  Kur-Mainzisclie  Tapfcrkeits-MedaiU^  wdche  in 

den  Akten  später  auch  mehrfach:  »Statuten  der  kurmainzischen,  modo  grosshenog- 
lich  frankfunUchen  Tapferkeitsmedaille«  genannt  werden. 


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-  3«  - 

Wegen  den  !•  liie-CIoinp.i^nieen,  ob  die  Individuen  f 
der  Eliren-Medaiiie  wurdig  machen,  die  Nutzniessunj 
ihrem  erhöhten  Solde  gegen  die  Füsiliere,  oder  nacl 
Füsiliers,  wie  vorher,  beziehen  sollen?  —  Unter  we 
der  Portedrapeaii  gehört,  der  den  Gehalt  eines  Serg 
E!ite-Conip;ignic  hat. 
d)  Ob  die  beim  Bauillon  stehenden  Chirurgien  aiden- 
«de  ah  Offiziere  bei  rächtet  und  in  dieser  Higcnscha; 
einer  französischen  Decoration,  angesetzt  werden 
welchem  Falle  sie  nach  französischem  Reglement  in 
Offiziere  f^eset^t  <iind  und  keine  FlirenMcijaillen  erh. 
oder  ob  sie  noch,  nacli  dem  alten  Fusse.  in  die  Klasse  <J 
gehören  und  welche  Nutzuiessungen  im  Ictztercti 
werden  können,  wenn  sie  sich  einer  Ehien-Medatll 
sischcn  Decoration  wördig  machen.  Diese  nämlich 
haben  hui  Jen  AJjntntis  ^<iusofficiers  statt  und  da  s- 
lran/.üsischen  Kcgkmcnt,  weder  in  die  Klasse  der  Oi't 
Unteroffiziers  gehören,  so  aclitet  Conunissio  lur  nothi 
sie  eine  Kegulirung  der  Nutzniessung,  sowohl  bei 
Ehren  »Medaillen,  als  der  französischen  Decoration, 
als  selbe,  nach  ihrem  jetzigen  Solde  gerechnet,  die  < 
jedem  Fall  bei  Weitem  übersteit^en  werde. 

Commissio  hält  es  daher  lur  notliig,  diese  Besciilussc 
hochlöblichen  BauillonfrCoromando  zur  hochgefällige; 
weiteren  Beförderung  gehorsamst  vorzul^en,  womit  d 
für  heute  beschlossen  wurde. 

Am  17.  Januar  1810  wurde  von  Frankfurt  aus  aul 
schlage  die  nachstehende  Entscheidung  nach  Spanien  ab| 

Auf  die  von  der  niedergesetzten  Medaillen-Commission  vom  7.  I 
gemachten  Anfragen  werden  nachstehende  Entschliessimgen 
Richtschnur  festgesetzt : 

ad  a)  Jeder  Unteroffizier  und  Soldat,  vom  Sergeant-Major  abw 
eine  goldene  oder  silberne  Medaille  zuerkannt  wird,  empf 

Tage  dieser  Bestimmung  an  die  niit  der  Medaille  verb 
pics^nng  nnch  dem  iiegenwartigen  Verplle^un^si'uss  fd 
französischen  Friedenssold),  und  zwar  bis  zu  seiner  Zur 
weiter  verfügt  wird.  Wer  von  diesen  Leuteii  aber  die 
Ehren-Decoration  empfangt,  erhih  die  doppdte  Löhnut 
ob  er  sich  eine  Fürstlich  priroatische  goldene  Verdienst-Medi 
hätte. ' 

ad  b)  Der  Adjutant  sousofficicr  gehört  unter  die  Khis<;c  der  I 
Empfängt  nun  ein  solcher  die  goldene  Verdieiist-Medai 
Kreuz  der  Eltrenlegion,  so  sind  ihm  jährlich  100  Thaler 
Krhalt  er  aber  die  silberne  Medaille,  so  bezieht  er  Statut 
Hälfte  sein«»  Soldes  noch  über  seine  Gebühr. 


'  Die  Zahlung  dieser  Zulagen  hörie  mit  der  Aullösung  des  üros 
Ende  1813  auf.  Nur  der  m  der  nadifolgenden  ersten  VorscMagalUte 
spätere  Hauptnunn  Hartmann  bezog  (ur  die  goldene  Ehren-Medailic 
Lebensende  auch  von  der  freien  Stadt  Frankfurt  die  Medaillenarblage. 


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—   37  - 


Sollte  aber  ein  Adjutam  sousoMicici  ikUt  -^ons;  cii-.  Indivi^hium  vom 
Scrgeaiitmajor  abwärts,  wdclicr  die  1-.  Primatischc  Medaille  schon  hat 
auch  ein  fraiudsisches  Ehrcnlegionskreuz  bekonim«ii,  so  ist  die»  ivr 
weiteren  VcrfüguiiK'  alsbald  aoxuidg«a,  ihm  aber  vor  der  Haod  ntchts 

weiter  aiisi-ti/.ililc;! 

ad  c)  Erhalten  die  Leute  der  Hiite-(,ompagniccn,  vom  S«rgcantniajor  abwärts, 
eine  goldene  oder  silberne  Medaille,  so  ist  ihnen  fiir  die  goldene  das 

Ooppehc,  fiir  die  silberne  aber  der  !i.ilhc  Snld.  ri.icli  ikni  dernialigen 
iranzösischcn  Friedensfusii ,  aus/ubezalilen.  Der  Portcdrapeau  kann 
allerdings  als  ein  Sef^geantmajor  einer  Elite -Compauiiie  angcselien 
werden. 

ad  d)  Der  Chirurgien  aiikmajor  und  sousaide  werden  als  Offiziers  .mgcsehcn 
und  empfangen,  wenn  sie  das  französische  Ehrenkreuz  erlulten,  jährlich 
tOQ  Thaler. 

Itizwischen  war  der  ersten  Sitzung  der  Tapferkeits-fielohnuogs- 

Commission  am  15.  und  14.  Dezember  ein«  zweite  gefolgt,  über 
welche  ilcr  :(m  9.  Januar  1810  zum  Oberst  beförderte  Bataillons- 
Loiniiiandcui  v.  Welsch  in  j.cinetn  Kapport  d.  d.  Reynosa  den 
20.  Januar  1810  Nachstehendes  beriehtci; 

.  .  .  .  kh  iiabe  dem  Hohen  Gencral-Commando  ferner  m  berichten,  dass 
x'ermAge  der  am  1  ^  und  14.  Desember  von  der  niedergesetzten  Tapferkeit«- 
Uclohnungs-C.onmiission  abgefassten  Beschlüsse  —  nach  den  vorgelegten 
Attesten  und  reil'licber  Erwägung  der  darin  enthaltenen  Tbatsacben  —  goldene 
und  silberae  Ehren-Medaillen  zuerbanm  wurden : 

I)  don  Adjutam  sousofficier  Peter  Hartmann'  die  goldene  Ehren-MedaxUe. 

Er  zeichnete  sich  in  der  Schlacht  bei  Messa  del  Ybor  am  17.  März  d.  J. 
durch  Entschlossenheit  und  dadurch  aus,  dass  er  viel  dazu  beitrug,  die 
gute  Ordnung  im  Bataillon  zu  erhahen.  Nach  der  ErstOrmung  des 
steilen  Felscngebirj^cs-  siür/tc  er  sich  mit  dem  Grenadier  Sergeant-Major 
Jörgens  und  dem  Grenadier-Corporal  Winter  aaf  die  feindlichen  Kanonen 
und  eroberte  eine  derselben;* 

a)  dem  Adjutant  sousofficier  Richard  Krämer'  die  goldene  Hhren-Medailfe. 

Er  wird'  wegen  seines,  ausgezeichneten  Diensteifers,  seiner  Bravour  und 
richtigen  Beurtiieiluiig  der  Verhältnisse  in  gefahrvollen  Momenten, 
sowie  wegen  seiner  erfolgreichen  Mitwirkung  zur  Erhaltung  guter 
Ordnung  belobt.  Er  st&rmle  bei  Messa  del  Ybor  mit  vor,  um  sich 
der  feindlichen  Kanonen  zu  bemächtigen,  und  konnte  nur  auf  den 
bestimmten  Befehl  des  Bataillons-Chefs  zurückgehalten  werden,  da  er 


'  Die  Adjutants  Miusofificiers  Hartmann  und  Krämer  wurden  am  1.  September 
1809  »für  ihre  so  oft  bewiesene  ßravouro  zu  UnterfieutenantS  befördert  und  trugen  als 

solche  spater  Jic  I-hrcn-Med.iillcr.  weiter.  I l.u-tnMnn,  welcher  sich  in  Spanien  auch 
das  Ritterkreuz  der  Ehrenlegion  erwarb,  wurde  1814  zum  Überlieutenant  betördert, 
18)1  als  Hauptmatm  pensionirt  und  starb  18p  in  Frankfun. 

'  Die  Motiviruii^'  iu  Jen  Vorscliliijcii  ad  1,  2,  J,  6,  7,  8,  9,  12,  14,  15,  16 
und  17  sind,  in  abgekürzter  Form,  dem  ausführlicben  Rapport  des  Grossmajors 
V.  Wdaehy  d.  d.  McdcUIn  den  6.  Apäl  1809»  totnommcd. 


-   38  - 


duf  ilciu  bedrohten  linken  Mügd  de&  Bataillone,   wo  « 
uoeatbehrlich  war; 
])  dem  Grenadier -Sergeant -Major  Johann  Jörgens'  die  g< 
MedaUle. 

Er  zeigte  sich  in  der  SLiilaoht  am  17.  und  18.  März 
und  einsichtsvoll.  N.ich  der  Krstürniung  des  steilen  l'cKi 
Mcssa  dcl  Vbor  i»tur2te  er  sich,  nachdem  er  die  sceilsi 
klommen,  mit  dem  Corporal  Wimer  und  mehrcreo  G 
eine  Kanone,  weiche  der  Feind  noclt  retten  wollte,  veitri 
gut  angebrachtes  Feuer  die  \'ertheidiger,  Iftdtete  die  Bes 
eroberte  das  Geschüt-'.  Er  w  ird  nicht  allein  wegen  si 
Tapferkeit,  sondern  auch  wc^eu  seiner  während  des  gan; 
gezeigten  guten  Autfuhruii^  und  hervorragenden  Tbatij 
lohnung  empfohlen; 

4)  dem  Voltigeur-Sergeant  Nikolaus  Schütc  die  goldene  Ehren- 

5)  dem  Portedrapeau  Conrad  Beiz'  die  goldene  EIircn-Medailh 

6)  dem  Voltigeur  Johann  Scheer*  die  goldene  Ehren-Medaille. 

N;ichdeni  in  der  Schlicht  bei  Mess;T  de!  Ybur  die  Brücke 
durch  den  Feind  gesprengt  war  uuJ  der  Division&-Gem 
wissen  wünschte»  wie  gross  die  gesprengte  OeffiMing  wäre 
sich  Sdieer,  welcher  Maurer  von  Ptofes<don  ist,  freiwill 
führung  dieses  Auftrages.  Er  ging  im  heftigsten  Kugelre| 
er  allein  auf  sich  zot;,  bis  an  die  RtQc'kc.  besichtigte  c 
brachte  die  —  wie  es  sich  spater  herausstellte  —  rieht 
curftdt»  dass  die  gesprengte  Oeffnung  140  Fuss  gross  sei; 

7)  dem  Grenadier-Corporal  Anton  Winter  die  silberne  Ehren-^M 

Er  benahm  sich  in  der  Schiacht  am  17.  und  18.  sdir 
zeichnete  sich  besonders  bei  der  Erstürmung  des  Felsenj 
Messa  del  Ybor  aus.  Er  stiirzte  sich  ungleich  mit  dem  Scr 
Jörgens  aut  die  feindlichen  Kanonen  und  eroberte,  zugleich  ni 
eine  derselben ; 

8)  dem  Grenadier  Michael  Bauer  die  silberne  Ehren-^Medailfe. 

Erschloss  sich  am  17.  im  Eifer  de»  Gefechtes  ab  Urailleur 

vordringenden  b.idischen  Vohi^eurs  an.  Nach  dem  Atteste 
herzoglich  B.uliscliL-n  Voltigeur- Hauptmanns  Freiherni  v.  Ht 
eiferte  er  mit  dessen  taplersten  V'ohigeurs  bei  Erstürmung 
er  brachte  persönlidi  Änf  Gefangene  von  dem  Bataillon 
Walion  ein»  übergab  dieselben  seinen  nadifolgenden  Kamt 
stürmte  dann  wieder  vorwärts; 


*  Sergeant -Major  Johann  Jdrgens  wurde  am  17.  März  181 Po 
Conrad  Beiz  am  20.  März  181  j  zum  Unterlieutenant  bdt  rdert.  Nach  den 
vom  Jahr  1814  bcznj^  crsterer  für  die  goldene  Ehren-Modaillc  monatlich  ; 
letzterer  für  die  silberne  num.itlich  6  Guiden  Medaillen-Zulage. 

*  Beim  Durchmarsch  russischer  Truppen  durch  Wetzlar  wurde  de 
welcher  als  Zuschauer  auf  der  Strasse  stand,  von  einem  vorbeireittnda- 
die  gcrfdene  Ehren-Medaille  von  der  Brust  gerissen.  Dieselbe  war  nie! 
/iierlani^en.  Schcer.  der  während  seiner  Dienstzeit  zum  Corporal  avaocirt 
in  VV'euiar  gestorben. 


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-    59  - 


9)  dem  SolJat  i.  Conipügtiic  Jacob  Nebel  die  silberne  Ehren-Medaille. 

Er  zeichnete  sich  am  17.  Marz  durch  besondere  Tapferkeit  aus.  Beim 
Hrstürnieo  des  Felscngcbirgcs  vun  Mc:>«»a  del  Ybor  gewahrte  er  einen 
franidsischeii  CavaUeristep,  welcher  Mch  mit  drei  spanischen  Soldaten 
hn  Gefecht  befand.  Er  eihe  dem  Cavalleristen  ohne  Besinnen  xu 
Hülfe,  such  dnen  der  Spanier  mit  dem  Bajonett  nieder  und  nahm  die 
beiden  anderen  gefoiigen.  Hauptmann  v.  Knoth  war  Augenaeuge 
dieser  That; 

to)  dem  Voltigeur-Qirporal  Peter  Sienger  die  silberne  Ehren-Medaille; 

11)  dem  Grenadier  Andreas  Pfarr  die  silberne  Ehren^Medaille; 

12)  dem  Grenadier  «Sergeant'Major  Adam  DorrmQhl'  die  silberne  Ehren- 

MedaillL-. 

Er  hat  sich  am  17.  und  iS.  M.sr/  durch  Nciiic  !icr-,()nliclic  'I'aplcrkcit, 
seine  Thatiglieil  und  Kaltblütigkeit  ausgezcichnci  uuJ  war  iur  die 
Anderen  ein  rühmliches  Bdspiel.  Seine  Eaactiti  im  Dienst,  sebie  gute 
Conduite  werden  bei  dem  Belohnungsvorschlag  besonders  hervor- 

t^chobcn; 

I})  dem  Grenadicr-Cor!><)r.iI  Willjelm  Reil  ^    welcher  in  der  Schlacht  bei 
Ocaniu  das  reciUc  Hein  verlor,  die  silberne  Ehren-Medaille; 

'  bergeant- Major  Dorrmuhl  wird  am  17.  Marz  iHi}  ^uni  Ünierlieutenant 
befördert;  er  bezog  monatlich  6  Gulden  Medaillen-Zulage  für  die  silberne  Ehren- 
MedaiUe. 

'  Derselbe  ist  identisch  mit  dem  in  späteren  Rapporten  häufiger  genannttm 
üivalidcn -Corpora!  Johann  N\'ilhe!m  Reul.  I-r  erhielt  auf  Befehl  S.  Hoheit  die  in 
Spanien  bezogene  Löhnung  sammt  Naturalien  und  Medaillenzulage  als  Invaliden- 
gelult  Ausserdem  bezog  er  von  Frankreich  eine  jährliche  Pension  von  170  Francs. 
Das  Decret  Napoleon  L,  durch  wdches  den  Invaliden  der  grossherxoglichen  Truppen 
die  fraozfistsche  Pension  bewilligt  wurde,  lautete: 

Pahüs  des  Tuileries,  le  )  fevrier  1811. 
Napoleon,  Empereur  des  Franfais,  Roi  dlialie,  Protecteor  de  la  conftftderaiion 
du  Rhin,  Mediateur  de  la  confideration  Suisse,  sur  le  rapport  de  notre 

Ministre  de  la  Gucrre 

Nous  avons  decrete  et  d^cretons  ce  qui  suit: 

Art.  I. 

Ccs  miJitaires  toangers  dorn  les  noms  suivent,  blessis  au  Service  de  Franoe, 
dans  ks  troupes  auxiüatres  employ^  Tarmte  d'Espagne  jouiront  sur  le 
trisor  de  France  de  la  pension  de  rccon^pcnse  determinie  ci-apris,  savmr: 

Trnupc^  du  (irand-Duche  de  I-rauclort: 
Henri  Daus,  Voltigeur  au  i.  Bataillon  du  Grand-Duc   .    .    .    .    7J  Francs. 

Caporal  Jean  Reul,  au  i.  Bataillon  du  Grand-Duc  170  „ 

Füsilier  Fran^ois  Schwind,  au  i.  Bataillon  du  Grand-Duc  ...  75  „ 
etc.  etc 

Art.  2. 

Ces  pensions  courront  du  jour,  qu«  les  miliuires,  design^  dans  Tartide 
prioident,  sont  rentr^  dans  leurs  foyers,  par  suite  de  la  revue  de  M.  Hn- 
specteur  giotnl  Pille,  qui  les  a  rtform£s  et  remis  ä  la  disposition  de  leur 
gouvemement. 

An.  5. 

Elles  seront  pay^es  par  trhnestre  de  la  mCme  maniire  que  les  soldats  de 


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14)  dem  Vdltigcur-Scrf^caii:  jo'n.uui  Heinefettcr  die  silbcrtic 

Er  pasbirte  böim  2.  Siurni  um  17.  März  zuerst  den  stark  ^ 
Bergstrom,  erstieg  nah  dnigeo  Leuten  die  Fdsen  und 
heft^[es  Feuer  in  die  Flanke  eines  feindlichen  Bataillon 
Weichen  gebracht  wurde; 

15)  dem  Vohigcur  Andreas  Isser'  die  silberne  Kfircn-Medaill« 

Et  zeiditiete  sidi  in  der  Schladit  von  Mcvicllin  niii  2i 
TtraiHeurs  vor  dem  Qp«r6e  der  vereinigten  \'oltigeuf-fiai 
aus,  dass  er  die  feindUcfae  Cavalleric,  welche  eiuzuhauei 
die  uncrschQnerh'che  Ruhe,  mit  der  er  seine  Kamera 
hnrren  ermahnte,  und  durch  wohlangebrachtes  Feuern 
brachte ; 

16)  dem  Sergeant  >.  FüsUier-Compagnie  Joseph  Koch  die  s 
Medaille. 

Er  versah  am  17.  und  iS.  Man  fijr  den  im  Hospital  Iii 
drnptMU  dessen  Ehrendienst  I>  triü:  d;c  F.ilmc  des  Bat 
.im  st.irksati  dem  leindlichen  Feuer  ausgeset/.i  war  ui 
Kugeh)  Jurchscriosscn  wurde,  mit  bewundernswcrihcr 
kaltbl&tiger  Entschlossenheit.  Er  ging  mit  festem  Schritt  I 
des  Fdsengebirges  unermüdlich  vor  und  riss  AU«,  die  i 
waren,  unauflialtsam  mit  fort 

17)  dem  Sergeant-Major  2.  Füsilier-Coiupagnie  Johann  Matero 
Ehren-Medaille. 

Er  zeichnete  sich  durch  seine  Bravour  und  Entschlo: 
seines  gesdiwächten  Körpers,  besonders  aus.  Er  war  v 
Jener,  weicht  sich  zuerst  mit  die  K.iiioncn  stürzten,  imc 
dem  Sergeant  Gunther  2.  Conipagnie  eine  dcr-^clbcn; 

18)  dem  Corpora!  z.  Eusilier-Compaguic  Marlin  Boos  die  sil 
MedaiUe; 


reiratte  des  militaires  fran<;ais.  mais  saos  retenue  et  nonobstai 
pensinns  tui  tr.iitements  qoe  ies  titulaires  sont  dans  ie  cas  d'obt 
souverains  rcspectifs. 

Art.  4. 

Notre  intention  est  que  les  rfcoropenses  soient  consideräes  seuki 

Tcffct  d'unc  bicnveillance  speciale,  meritee  par  des  circonsianccs 
Sans  qu'elles  puissent  tircr  k  cons^quence,  comme  cubiissemetit 
lubituel. 

Art.  5. 

Nos  Ministres  de  la  Guerrc,  du  Trisor  public  et  des  relation; 
sont  charg^  chacun  1  ce  qui  Ic  conceme,  de  Tex^ution  du  pu 

Sign.  Napoie< 

Pour  copie  conforme:  Par  rcmperev 

Cte  d*H«douville.  Le  Ministre  secrttaii 

sign.  H.  B.  duc  de 

•  VcTixleiche  den  VorschLii;  vom  2.  September  i8n-  in  weichet 
.\us2Cichnung  mit  der  goldenen  Ehren-Medaille  in  \'orschJag  gebracht 

•  Sergeant-Major  Johami  Matern  wird  am  9.  April  181 }  zum  Lni 
befördert,  1819  als  Oberlieutenant  pensionin;  er  erschiesst  sich  im  Jahr  1 
>ilbernc  Ehren-Medaille  befindet  uch  in  der  städtischen  MfimsaminliiDg  au 
bibliothck  in  Frankfurt. 


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-    4«  - 


ly)  dein  CitoMii  LT  Sli;;i.'.i:ii  IV-icr  lirl  rotl  die  silhcriH*  tihrcii-Mcdaillc  . 

20)  ikiii  Soid.it  t.  l  ustticr  Lomp.igiiic  |-raii/  Buttner  die  Mlbcnic  ülircii- 
Medanie: 

21 )  dem  Sergeant  4.  FOsilier-Compagnie  Miduel  Engkri  die  »Jbeme  Ehren- 
Medaille  : 

aa)  dem  Corporal  4.  FOsilier'ConipaKntc  Johann  Brehm  die  silberne  Hbren- 

Mcdaillc; 

2}j  dem  Sdppcur  Miciuei  Duck  die  silberne  Ehrvii-Mcdtiilk. 
Nach  den  Attesten  No.  8.  9,  10  liabeii  die  Grenadiere  Andreas  Pfarr,  Conrad 
llo;;cr*  und  Christian  Bauer'  ein  und  die  nänilidic  That  begangen.  Sic 
haben  gemeinschaftlich  den  schwer  blessirten  (»rcn.KÜcr  Schiiclib.uli  ms  Jetii 
Märk&tcn  feindlichen  l-cucr  |{tfrc:tct  und  in  das  Qparrec  getragen  (in  der 
Schlacht  bei  Talavcra).  Der  Grenadier  Andreas  Pfarr  hat  jedoch  «usserdeni 
den  schu  er  blessirten  Sclinellbach  im  Quarte  (ortgctr.i^'cn,  ihn  fast  *  4  Stunden 
Wegs  ;!urückgcbrdcht  und  ihn  sogar  auf  M:inen  Schultern  durch  einai  Flu5!> 
getragen,  wodurch  er  sich  eine  scliwere  Krankheit  zuzog.  Es  wurde  daher 
dem  Grenadier  Pfarr  sub  No.  11  die  silberne  Ehren  NtcJiillc  /iurk  inm.  Die 
beiden  Grenadiere  Conrad  Hotter  und  Christian  Bauer  lut  die  Commission 
ihrer  braven,  mensdienfreundlichen  Handhmgen  wegen  «u  einer  hohen 
Berücksichtigung  und  anderen  Belohnung  gdiorsanist  empfohlen ;  damit  diese 
Handluttgen  aber  bei  einer  nächsten  braven  That  mit  in  Anschlag  gebracht 
%verden  können,  hat  die  Commission  ihre  Atteste  unter  den  No.  9  und  10 
einrcgistrirt.  Die  .\ttestc  No.  i },  18.  19.  2;,  24,  26,  27,  29,  50,  54,  JJ, 
welche  die  br.ucn  TLiiufluri^cn  des  Corporal  Staab,'  Corporal  Philipp  Häfner, 
des  Volligeur  Laurent  Weit/,  des  Sergeant  Georg  Günther,  Cadctten  v.  Welsch 
und  Soldat  Adrian  Schreck,  des  Tambour  Alois  Bertinger,  Soldat  Johann 
Brascli,  Scrpc.m:  Joli.inii  IK-ircnkopl',  Corporal  Joh.tnn  P!k';,'er  und  Sergeant 
Michael  Bergmann  bezeugen  und  empfehlen,  sind  von  der  Commission  ein- 
registrirt  und  f&r  diese  steh  brav  ausgezeichneten  Soldaten  ihre  Ansprüche  auf 
eine  Belohnung  dergestalt  rechtlich  vorbehalten,  dass  ni.1.1  in  licr  Fi)lg;c  .lul 
dieselben  alle  Rücksicht  nehmen  werde,  weitn  sie  sich  künftig  durch  neuere 
tapfere  Handlungen  abermals  auszeichnen  werden.  * 

Ich  sdie  mit  Ungeduld  der  Ankunft  des  Herrn  Lieutenam  Rosenstengel  ciu- 
pege».  welcher  in  Bayonne,  nach  erhaltener  Nachricht,  bereits  dngetrotTen 
ist.  um  meinen  tapferen  und  ausgezeichneten  Individuen  die  verdienten 
Belohnungen  .lustheilen  zu  können,  und  bitte  das  Hohe  General-Commando 
i-ni  liocligcßlligsic  l'i'hcrschic'^imi;  u  citcTL-r  Decorationcü ,  um  djs  \'(.-r,K!ifige!i 
zu  haben,  der  ausgezeichneten  iapterkeit  den  Preis  auf  der  Stelle  durch  die 
Commisskm  erkennen  und  cttheilcn  eu  können. 

'  Hotter  findet  sich  in  der  4.  Vorschlags-Liste  vom  3.  September  181 )  vor. 

>  Bauer  wird  in  der  }.  Liste  vom  i6k  Dezember  1S12  zur  silbernen  Ehren- 
Medaille  empfohlen. 

"  Dieser  Corpurai  und  spatere  Sergeant  Feter  Staab  erhielt  die  silberne 
Ehren-Medaille  (Eingabe  vom  y  Dezember  iSio)  am  16.  April  tSit. 

*  .\usser  Christian  B:nier  (inden  sich  in  der  Liste  der  nir  Dccoririin^  mit 
der  lihren-Medaille  empfohlenen  Individuen,  d.  d.  Segovia  den  16.  Dezember  iäi2, 
auch  Alois  Bertinger,  Georg  Günther  and  Johann  Brasch  vor.  Johann  Brasch  wird 
dann  in  der  1.  l  isU",  d.  d.  Serres  den  2.  DezetubtT  1815.  wicJerholt  mr  Dccorirung 
mit  der  silbernen  Medaille  empfohlen;  ebenso  findet  sich  in  letzterer,  wie  bemerkt, 
der  Name  Conrad  Hottcr  vor. 


r 

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Im  Anschluss  an  diese  Vorlage  meldete  Grossniajc 

d,  d.  Palencia  den  31.  Januar  1810: 

Ich  habe  die  Ehre,  dem  Hohen  General  -  Comniando  gehorsai 
dass  ich,  nachdem  ich  am  22.  in  Herrera  ankam,  am  23.  Mor 
Abmarscli  der  vcr^ciuedcnen  Detachcments,  die  Bc&chJü&sc  d 
Belohaitngs-Cofimibäon  vor  dem  ausgeriickiea  Bataillon  öfTen 
liess.  Ich  war  dies  den  Individuen  schuldig,  virdche  diese  A 
schon  vor  7  und  10  Monaten  verdient  hatten,  und  konnte  « 
verzögernde  Ankunft  des  Herrn  Ueuienam  Rosenstengel  nicht 
etc.  etc. 

Am  26.  traf  idi  in  Palencia  den  Herrn  Lieutenant  Rosensteng 
joha,  welche  sich  bei  mir  meldeten  und  die  oft  berührten  6 
iS  silbernen  Medaillen  überbrachten.   Ich  habe  dieselben  am 

die  in  meinem  vorigen  Rapport  bemerkten  Individuen  aus 
zwei  davon,  welche  schwer  verwundet  in  Madrid  liegen;  Gren. 
Wilhelm  Reil  und  Soldat  Franz  Büttner,  und  der  in  Bayonnt 
detachirte  Sergeant  Joseph  Koch  waren  nicht  anwesend,  weit 

Auszeichnung  schriftlich  bekannt  machte. 

Der  Herr  Bataillons-Clicf  uiui  .lüe  Herni  Offiziers  waren  mit  ni 
bei  dem  Act  der  Austhcilung  der  Decor.nioncTi  .in  diese  w.icl 
und  diese  sollen  in  den  künftigen  Sdiiaclucn  die  testen  Stützen 
Tapferkdt  im  Bataillon  sein.  Alle  haben  mich  gebeten,  ihren  un 
gdioisamsten  Dank  dem  Hohen  General-Comniando  und  S 
unsrem  gnädigsten  Fürsten  und  Herrn,  zu  Füssen  tu  legen, 
etc.  etc. 

Die  Statuten  der  1  apierkcits-Hclolinung>-C.onjniission  sind  bis  auf 
Tag  noch  nicht  eingetroffen. ' 

Die  n;tchtrtiglich  erteilte  Genehmigung  /u  der  MeJ 

teilung  daiiri  aus  Franktun  den  8.  Februar  1810.  General 

schreibt  in  Beziehung  auf  dieselbe: 

Dero  Rapportschreiben  d.  d.  Reyno-^a  v<mii  20.  v.  M.  li.ibc  icli  ric 
und  genehmige  die  in  besagtem  Schreiben  aufgeführte  \'erdicn: 
Attsthdlung. 

Aus  der  weiteren  kriegerischen  T.itigkeit  des  Bai: 
Jahre  i8io  ist  ein  Bericht  d.  d.  Mnnzanares  den  5.  Mai  181 
ziiheben,  welcher  sich  über  die  KricL;stüchti<;keii  des  Batni 
spricht,  hl  demselben  empfiehlt  der  Bataillons  -  Chef  F 
C-orporale  Fluck  und  Fingerhut  wegen  ihrer  hervorragende 
keit  zur  Belohnung  und  sagt  dann  weiter: 

Ich  bcriclue  Jicsc  verschiedenen  Züge  der  T.ipfcrkcit  einem  Höh« 
Comnundo  mit  Vergnügen,  imt  Hochdenisclbeii  einen  Ikj^'riff  von 
Entschlossenlieit  zu  geben,  mil  weiclier  diese  braven  nun  haiidc 


'  Die  Sututcn  gelangten,  laut  Rapport,  erst  am  2$.  Mint  tSio  in  h 
Bataillon. 


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-  43 


sind,  und  versichere,  das«  ich  mit  Uicseiii  Bataillon  von  400  Manu '  vor  dem 
Feinde  tär  ein  Bataillon  von  tooo  Mann  den  Dienst  thun  will. 

General  v.  Zweyer  erwiderte  hierauf  am  19.  Juni  18 10: 

.  .  .  .  5ieine  Hoheit  waren  mit  dem  entschln^sencn  Benohmen  dc^  Herrn 
Lieutenant  Joha  und  l>€sonders  des  braven  Corpora!  Fingerlmt  hochbt  zu- 
frieden und  genehmigen  gnidigst,  das$  dem  letzteren  filr  seine  rahmvolle 
Handlung  die  aJbcrae  Eltren-Medulle  ertheilc  werde.* 

Die  Vorschlagsliste  sämmtUcher  Individuen,  welche  sich  im 
Onipa^nc-Jahr  1810  besonders  ausgezeichnet  und  einer  Belohnung 
würdig  gemacht  hatten,  wurde  erst  im  Dexember  1810  zusammen- 
gestellt und  d.  d.  Manzanares  den  13.  Dezember  1810  dem  General- 
Commando  zur  Bestätigung  mit  nachstehenden  begleitenden  Worten 
vorgelegt : 

....  Ueber  die  eingereichten  Zeugnisse  der  ausgezeichnetsten,  tapfersten 

Handlungen  von  Individuen  des  Bataillons  habe  ich  —  den  Statuten  gemäss 

—  die  Tapferkeits-Bclohniings-Commission  niedersetzen  und  erkennen  lassen; 
über  deren  Resultat  icli  die  IHire  habe  das  Ver/ciohiiiss  sowolil  zur  Hohen 
Hinsicht,  als  Sr.  Kgl.  Hoheit  zur  gnädigsten  Genehmigung  und  Bestätigung 
gefälligst  vorlegen  zu  wollen. 

Der  Grossmajor  und  Comntandam 
gez.  Fritsch. ' 

N.  S.  Da  nur  eine  silberne  Medaille,  welche  bereits  für  den  Corporal  Fingerhut, 
vermöge  Höchster  Verordnung  Seiner  Kgl.  Hoheit,  bestimmt  ist,  bei 
dem  Bataillon  vorrathig  ist,  so  bitte  ich  gehorsamst  —  ini  i  aiic  Höchster 
Gendimigung  —  um  die  hochgefällige  Uebersdückung  mehrerer  Medaillen. 


'  Nach  denk  Rapport  d.  d.  Reynosa  den  i.  Januar  1810  waren: 

in  den  Hospitälern  krank  und  verwundet    1  Offizier  $24  Mann 

deuchirt  a     „       9i  » 

tum  IXenst  16     „  3^7  „ 

Oer  Bestand  des  Bataillons:  19  Offiaiere  784  Mann. 

Während  der  ruhigeren  Verhältnisse  im  Jahr  iSio  besserten  sich  die  Ge- 
sundheitsverhältnisse beim  Bataillon.  Dieses  beweist  der  nachstehende  Rappnt 
d.d.  Manzanares  den  1.  Januar  181 1: 

in  den  Hospitaleru  krank  und  verwundet  ....    —    41  iMann 
detschirt  ^  —  .» 

zum  Dienst  24  Offiziere  574 

Der  Bestand  des  Bauillons:  24  Offiziere  615  Mann. 

'  Corporal  Johann  Fingerhut  empfing  also  die  silberne  Ehren-Medaille  bereits 
durch  Decret  vom  19^  Juni  18 10;  er  findet  aber  nochmals  Aufnahme  in  der  2.  Vor- 
schlagsliste vom  5.  Dezember  iSio.  weil  dicstlho  alle  Individuen  enthält,  welche 
sieb  im  Campagne-Jahr  1810  besonders  auszeichneten. 

>  Grossmajor  v.  Welsch  hatte  am  1$.  Mira  iSio  das  Commando  an  den 
BstaOkms-Chef  Major  Fritsch  abgetreten  und  war  krank  nach  Frankfurt  aurückge- 
kehrt.  Major  Fritsch  wurde  am  9.  Juni  i8to  zum  Grossmajor,  Hauptmann  Vogt 
uu  Joli  lum  Chef  de  bataiJlon  befördert. 


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-   44  - 


Der  \'or«»chlj^  zur  V'erleiliung  der  Ehrt^n-Medaiik 

Hingabe 

der  Taprcrkeits-Belohnungs-Comnüssioii  ties  Gross  herz  ojj;licli 
1.  Infanterie-Bauilloas  in  Spanien 

d.  d.  MaitzaiMres,  den  $.  Dei 

40,  *    Caporal  Johann  Fingerhut  1.  Compagnie.   Er  erbot  sich 

Herr  Lieutenant  Joha  am  i>.  April  iHio  K-i  A>,'ofein  mit 
ment  cingesch!os';cn  wnr.  durch  Jen  I'oiniJ  >ich  diircli/usch 
nächsten  Ciarnison  N.ichr]ciit  /u  ^'cbcii,  damit  durch  cuv 
DctaJicnicnt  entsetzt  werde.  Er  hatte  sicli  schon  verkleide 
entschlossen,  sein  Anerbieten  ausjcußUiren ,  als  ihm  beim 
xußUlig  dahin  gekomnicoer  Bauer  begegnete,  der  statt  sein 
mit  Jeni  besten  Krfolg  iibernahni. 

I>ie  (lommission  hat  sich  aut  den  schon  erstatteten  Bei 
(irossm.iior  l-rit?ch  und  auf  das  hieran!  erfolgte  Hoch 
zogen  und  iiai  nach  den  Statuten  ad  proi.  eingetragen, 
Joan  Fingerhut  die  silberne  Ehren-Medaille  zuericannt  s 

41.  Caporal  Adam  Bekmann  4.  Conipagnie.  Er  hat  $ich  am  ; 

auf  der  Route  von  Mora  nach  Consuecra,  als  das  Deta 
Conimando  des  Herrn  HauptnT.inn  Schweit/.er,  das   die  4 
Bataillons  nni  der  (;as>3  und  nlkr  Hrisafro  escortirte.  vor 
legenun  heinde  angcgrittcn  wurde.  Irciwiiiig  /.ur  Arrieregarue 
die  sich  der  Feind  mit  Force  geworfen  hatte.  Er  hat  durch 
seiner  Leute  und  ci^cnds  gegebenes  Feuer  den  Feind  zurüc 
ihm  so  geschadet,  da^s  die  vorn  Feind  umgebene  Colonnc  fori 
Die  f '(MTiniissiini  hat.  unter  Bc/iLluinL;  atif  die  für  solch 
sprcclicnden  Statuten,  dem  (.orporai  Adatn  Beknunn  die  s 
Medaille  als  wohlverdient  zuerkannt. 

4i.4j.  Sergeant  Wendel  Huck  i.  Conipagnie.  Er  hat  bei  einem  Gelee 
d.  J.  nnt  wenig  Mannschaft  and  braver  Geistesgegenwart  s 

Detachenient  gerettet.  Kr  hat  bei  der  Kscortc  eines  Tressor 
tember  den  Angriff  des  t-Vitules,  der  schon  die  Colonnc  i 
gesetzt  hatte,  als  Commandaiu  der  Arrieregarde  nicht  allcii 
gcwusst,  sondern  auch  die  vom  Feinde  schon  beinahe  gcno 
zerstreuten  Geldkisten  unter  anhaltendem  Feuer  gerettet,  wc 
durch  drei  KugekchQsse  verwundet  wurde. 

|>ie  Conmiission  hat,  unter  Beziehung  auf  die  lür  solche 
«;prechenden  .\rtiU!  der  Sta'utcti ,  dem  Sergeant  Wendi 
goldene  I^hren-.Mcd.nlle  ab  wohlverdient  zuerkannt. 

44.  Sergeant  Peter  Staab  }.  Conipagnie.  Er  wurde  durch  eine  sein 
ment  ^hr  Oberlegtne  Anzahl  berittener  Feinde  in  einem  DM1 
passiren  hatte,  zweimal  angegriffen.  Er  benahm  sich  durch 

Betragen,  gute  Geistesgegenwart  so  entschlossen,  dass  er  n 
angebrachten  Feuer  seine-;  Detachements  nicht  alleii'.  der.  Feir 
vorgehabten  Angriff  abhielt,  sondern  auch  noch  zurückschlug. 


'  Diese  Nummern  sind  die  in  den  verschiedenen  lüngabea  l( 
•Nummern  der  Attestat«  nach  dem  Protokoll.« 


i 


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dadurch  die  Courriere,  die  er  zu  cscortiren  hatte,  und  das  Leben  seines 
ganzen  Detachcments. 

Die  ('nir,missi(i!i  hat.  unter  Beziehung  niil  die  liir  solclie  Handlungen 
vprccheiiiicn  Artikel  der  St.itutcn.  den)  Sergeant  Feter  Staab  die  silberne 

!-]hrcn-Med.ulle  .iK  \\ nlilvcrdient  /uerk.imit. 

Total  der  Zuerkeiinung  :  i  goldene  und  5  silberne  I:hren-Mcd.ii!len. 

Gegenwärtige  Hingabc  bestätigen  sänimtliche  bei  dieser  Tapterkeits-ße- 
tohoungs-Commtsnon  unter  dem  Vorsits  des  Herrn  Grossmajor  tmd  Comnun- 
danten  Fritsch  zugegen  gewesene  Glieder: 

Haranann  Rosenstengel  Faust 

Lieutenant  Ob.  Üeut  Ob.  Ueut. 

qua  aplMine  rapporteur.  Decken  Schiller 

Capitaine.  Gr.  Capt. 

Daroboer 

Capitaine  und 
Adjutant-Major. 

Der  Bauillonschei  Vogt. 

Der  Grossniajor  President 
Fritsch. 

General  v.  Zweyer  legte  diese  Eingabe  am  23.  Januar  181 1 
dem  seit  dem  i.  März  1810  als  »Grossherzog  von  Frankfurt«  be- 
stätigten Fürst-Primas  mit  nachstehendem  Begleitschreiben  vor: 

Euer  Königliche  Hoheitl 

 Herr  Grossmajor  Fritsch  legt  zugleich  ein  Verzeichniss  mehrerer 

Individuen  vor,  welchen  die  Tapferkeits-Belohnungs-Commission  wegen  ihrer 
braven  Handlungen  eine  goldene  und  drei  silberne  Verdienst-Medaillen  zu- 
erkannt hat.  Ich  bitte  umsomehr  um  die  Höchste  Genehmigung  dieser  Be- 
schlüsse, da  es  nöthig  ist,  den  Muth  der  Mannschaft  durch  verdiente  Belohnung 
aufrecht  zu  erhalten. 

Da  aber  dermalen  nur  eine  Verdienst-Medaille  vorrlthig  ist,  so  wolle  ich 
um  die  Höchste  Ver&gung  gehorsamst  bitten,  dass  das  Ministerium  der 
Kriegsadministration  angewiesen  werde»  zwölf  silberne  und  sechs  goldene 
Verdienstmedaillen  prigen  zu  lassen. 

Dieses  Schreiben  wurde  am  28.  Januar  präsentirt  und  erhielt 

die  Randbemerkung: 

Serinissimus  ist  mit  diesem  Gutachten  einverstanden  und  ist  von  dessen 
Inhalt  dem  Militairischen  Administrations- Ministerium  Nachricht  gegeben 
worden. 

Aschaffenburg,  24.  Januar  1811. 

Da  jedoch  nach  der  Anerkennung  des  Fürst-Primas  als  »Gross- 
herzoga  die  Verwendung  der  alten  Stempel  mit  der  Umschrift 
»Carl  Theodor  Fürst  Primas«  nicht  mehr  angängig  war,  so  wurde 
der  Graveur  l*Allemand  mit  der  Anfertigung  neuer  Stempel  beauf- 


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-   46  - 


tragt.  L'Allemand  erhielt  för  die  Herstellung  derselben 
und  es  wurden  nunmehr  sechs  goldene  und  dreizehn  sil 
Medaillen  geprägt. 

Die  grossherzogliche  Ehren -Medaille  wird  nach 
schrieben : 

Vorderseite:  das  nach  rechts  gewendete  Brustbild  des 
der  Umschrift:  Carl  Grosherzog  zu  Frankfurt. 
Abschnitt  der  Schulter  in  Oiaoiantschrift  L'  (1 
Abbildung  auf  Tafel  II  No.  8. 

Ruck^ciic!  im  Allgemeinen  übereinstimmend  mit  <Jem 
primatischen  Ehren-MeJaille.  Die  ganze  Darsteüi 
etwas  kleiner  und  unierscheidei  sich  von  sämmilicl 
Verschiedenheiten  der  letzteren  durch  eine  ändert 
der  Zweige,  des  Bandes  und  der  Kriegstrophäen, 
auf  Tafel  II  No.  9. 
Die  Medaille  hat  einen  Durchmesser  von  35  Milli 

wurde,  wie  die  primatische,  am  rothen  Bande  getragen. 

sich  zur  Zeit  nur  2  getragene  Exemplare,  beide  in  Gold, 

grossherzogUchen  Zeiten  wurden  nur  die  vorerwähoien 

und  13  silbernen  Exemplare  geprägt.' 

Eine  goldene  und  eine  silberne  Medaille  wurden 
nach  Spanien  abgeschickt  und  die  erstere  am  16.  Apr 


'  aj  in  den  »Fcldkriegskassa-Rechnungen  von  i&ii«  linden  sij 
des  Jahres,  ohne  Daiuoiy  nachstdiende  Posten  eingetragen: 
Attsgabebelag  No.  1184:  dem  rAUemaml  &r  eio  Pui 

Stempel  

Ausgabebelag  No.  1185:  dem  Geheimen  Münzrath  Bunsen  Ii 
und  ij  silberne  Verdienstmedaillen  aus/ubevahlen   2>7  G 
b)  In  einem  Bericht  der  berzogL  na&sauischen  Münz-Directioc 
.  .         hrntstdn  (im  kgL  Staatsarehiv  Wiesbaden)  d.  d.  7.  Juli 
gesagt:  »Dem  Vernehmen  nach  wiegen  die  zu  Oannstadt 
Medaillen  des  Grossherzog  Primas  nur  16  Ducaten,  etc.« 
hiernach  die  goldenen  Stücke  in  Darmstadt  prägen  Issaen.  Et^ 
konnte  Jarfiher  nicht  festgestellt  werden. 

'  Diese  beiden  goldenen  Exemplare  wurden  seiner  Zeit  von  den 
Wendel  Huclt  und  August  Ekert  getragen.  Ersieres  befindet  sidi  in  der 
Mönzsamndung  in  Franicfiirt,  letzteres  in  der  Sammlung  des  Verfassers. 

'  Von  dem  seit  1889  im  Besitz  der  städtischen  Münssaromluiig  ii 

befindlichen  Stempel  wurden,  mit  Genehmigung  des  Senats  vom  i.  Mit 

Sammelzweckc  sechs  Silberabschläge  gcfertis^t;  ausserdem  wurden  \SfU. 
Abschläge  jc  m  Silber  und  kider  auch  in  Bronze,  sodaun  18A8  sechs  soli 
für  Sanuiiicr  angefertigt- 


s 


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-    47  - 

Seigeant  Wendel  Hock,'  die  silberne  an  Sergeant  Peter  Suab  ausge- 
händigt. Corporal  Fingerhut  hatte  die  noch  im  Besitz  des  Bataillons 
befindliche  silberne  primatische  Ehren-Medaille  bereits  am  19.  Juni  tSio 
erhalten;  der  im  Depot  in  Frankfurt  stehende  Corporal  Bekmann 
empfing  das  don  noch  vorhandene  silberne  Exemplar  mit  der  Um- 
schrift: Carl  Theodor  Fürst  Primas.*  5  goldene  und  12  silberne 
Medaillen  mit  der  Umschrift  »Carl  Grosherzog  zu  Frankfurt«  blieben 
somit  zu  späterer  Verwendung  in  den  Händen  des  General-Com- 
mandos  in  Frankfurt.  Der  Rapport»  in  welchem  Ober  die  Veraus- 
gabung der  Ehren-Medaillen  berichtet  wird,  lautet: 

Manzanares,  den  4.  Mai  181 1. 

Hochdero  Erlass  vom  5.  März  d.  J.  erhielt  ich  am  10.  April.  Die  gnädigste 
Willfahrung  der  Gratification  für  das  Offinercorps,  wie  die  gnädif:;^st  t;L-ncli- 
tutgten  Medaillen  für  Uatcrorfizicre  und  Soldaten  müssen  wir  als  Zeichen  der 
Hflchsien  ZulKedenheit  Sr.  Kgl.  Hoheit  unseres  gnädigsten  Souverains,  wie 
der  eines  Hohen  General- Commandos  betrachten.  Die  Medaillen  habe  ich 
am  16.  April  vor  ausgerücictem  Bataillon  mit  allem  militairischcm  Gepränge 
ausgetheilt  und  diesen  uns  so  merkwürdigen  Tag  Abends  durch  eine  Tafel 
von  2}  Gedecken  bestmöglichst  gefeiert,  wobei  sammtliches  Corps  die  höchste 
Ehre  hatte,  unter  Tronipetenschall  den  ersten  Totst  Seiner  Königlichen  Hoheit 
als  Aeussennig  unseres  schuldigsten  Danltes  und  innigsten  Wunsdies  eines 
■Lebe  hoch!«  —  den  iwetten  zum  Danit  Hochdero  gnädiger  Verwendung 
auszubringen. 

Am  anderen  Tnge  beehrte  der  Herr  Gencral-Cjouvcrncur  Lnrge  mehrere 
Oftiziere  und  die  decorirteti  Individuen  des  Bataillons  mit  der  lüuladung  an 
seine  Tafel,  an  welcher  mir  derselbe  sehr  angelegen  mit  (Mfcntlicher  Aeusserung 
seiner  Freude  über  die  Höchste  Belohnung  dieser  Braven  und  mit  Bezeugung 

•  Die  von  dem  späteren  Feldwebel  Huck  getragene  prossherzogliche  Ehren- 
Medaille  mit  der  ümscliriit  »Carl  Grosherzog  von  Frankfurt«  ist  jetzt  in  der 
stsdtischen^Maiusaminluiig  in  Frankfurt 

*  Bs  wird,  der  besseren  Uebersicht  w«;gen,  die  Verausgabung  der  im  September 
1809  geprägten  7  goldenen  und  20  Albernen  Ehren-Medaillen  mit  der  Umschrift 
»Carl  Theodor  Fürst  Primas«  nachstehend  zusammenf^esteüt.    Es  wurden  verausgabt : 

ia  Frankfurt  am  2}.  Juni   1809   an  den  Nassauischen     goldene:  silberne: 


Soldaten  Acker   —  i 

in  Fraalcfurt  am  4.  Oktober  1809  an  den  Polizd-Sergeant 

Lauer   i  — 

in  Spanien  am  29.  Januar  1810  nach  dem  Vorschlag  vom 

20.  Januar  iSio   6  17 

in  I  rankfurt  im  April  181 1  an  den  dort  im  Depot  befind- 
lichen Corporal  Adam  Bekmann  nach  dem  Vor- 
schlag vom  5.  Dezember  1810   —  i 

b  Spanien  am  19.  Juni  i8ro  nn  den  nachträglich  in  die 
Vorschlagsliste  \'om  3.  Dc/ember  1810  aufgenom- 
menen Corporal  johaun  Fingerhut   —  t 

in  Summa:  7  20 


goldene  silberne. 


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—   4^  — 


seiner  Zufriedenheit  mit  der  Diensdostnug  des  Betaillons  seine 

Respect  an  S.  Ki^I.  Ifolici;  .lufiri^etr".  '.velchcs  ich  mich  -ichi 
Dem  nun  im  Depot  tyetmdiicnen  Corporal  Adam  Bec 
gehorsamst  die  silberne  Medaille  cnheilen  zu  wollen. 

Der  Grassaufor,  Comm 
gez.  Fiitsch. 

Die  nächste  (die  Vorschlagsliste,  welche  die  h( 
Handlungen  Einzelner  in  den  Campagne- Jahren  1811  1 
sammenfasst,  ist  am  16.  Dezember  18 12  voo  derTapferkeits 
Commission  aufgestellt  und  wurde  dem  General-Commai 
fart  mit  einem  Begleitschreiben  d.  d.  Segovia  <<en  11. 
vorgelegt.  Grossmajor  Fritsch  sagt  in  diesem  Schreibet 

....  Dann  habe  ich  für  die  Fddz&gc  181 1  and  1812 

Belohnung5-Commission  ani^eordnet  und  prasidiri,  um  über 
vollsten  und  tapfersten  Haiullunjjen  Jer  InJi".:duen  Je*;  ßatai 
zu  lassen.  Nach  beigebogener  Liste  wurde  neun  L  nteroftiziert 
die  silberne,  dem  Subsiourir  Rösler  die  goldene  Medaill< 
nierkannt  kh  bine  Hochdassdbe,  sie  Seiner  Kteiglichea  Hoheit 
Bestätigung  vorzulegen  und  mir  mit  nichster  Gelegenheit  die  ? 
geälligst  luschicken  wollen  xu  lassen. 

General  v.  Zweyer  legte  dieses  Schreiben  dem  Gro« 
21.  Februar  181 3  mit  nachstehenden  Bemerkungen  vor: 

.  .  .  Endlich  wollte  i^h  Huer  KiSniglichc  Hoheit  gciiorsar 
Beschlüsse  Jcr  Tapferiieit5-Bclohnuni;>-Commi«'^inn.  welche  9 
und  Soldaten  »iie  silberne  und  dem  Fourir  Rösier  die  gold 
Medaille  zuerkatuit  iut,  zur  Aufmunterung  der  Truppe  gnädige 
fu  wollen,  bemerke  aber  zugleich  gehorsamst»  dass  das  aageni> 
verzeichniss  dieser  10  Individuen  in  dem  Schreiben  des  Herr 
nicht  beigefligt  gewesen. 

Da  in  dem  Schreiben  des  Grossmajors  Fritsch  ausser  dei 
Angelegenheit  noch  andere  Fragen  berfihn  waren,  wek 
werden  mussten,  so  wurde  dasselbe  vom  Grossherzog  c 
minister  Freiherrn  v.  Eberstein  zur  Begutachtung  ubersandt 
äusserte  sich,  d.  d.  Aschaffenburg  den  15.  März  1813,  wie 

Sennissimus! 

7.  Ehe  zu  den  von  der  MedaBlen^Comnussion   des  Bataillons 

abcrmnh  zuerkannten  9  silbernen  und  eine  goldene  Denkmünze 
nn{,'ung  crloigen  kann,  hat  Grossniajor  Fritsch  zuvor  die  Nan« 
viduen,  welche  diese  Medaillen  bekommen  soRen.  einnisendea  an 
jeden  kurz  zu  berichten,  welche  That  oder  Veranlassung  ihn  d 
gemacht  hat. 

8.  Mit   den  Verdienst- Medaillen  scheint   mir    bei  dem  Bataillon 
ein  orosses  Unwesen,  zum  utiheillMren  Nachtheil  der  Kriegskjssi 
zu  werden.    .Schon  lut  ein  grosser  Tiieil  der  Unteroffiziere  ui 
dort  die  Medaille,  und  Grossmajor  Fritsch  verlangt  deren  abemial 


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-    49  - 


xmd  I  goldene.  Wäre  es  nur  der  Wert'i  Jvr  Mli.I,i)1!cii  selbst.  Jcr  dabei  in 
AuNchlag  käme,  so  wäre  die  Ausgabe  niclit  bedeutend  und  vorfiberc;ehend ; 
sie  wird  aber  durch  die  auf  den  Medaillen  haftende  Zulage,  mit  dem  düppelien 
Betrage  des  Soldes  (&r  die  goldene  und  mit  der  Hälfte  des  Soldes  für  die 
silberne,  eine  bleibende,  empfindliche  Last  für  die  Kasse.  So  haben  von  den 
vor  7\vci  Monnten  uns  Sp.niicn  /tiriick^ckommcnen  Unieroftizieren  zwei, 
nämlich  .Adjutant  sousotlicicr  Jurpcns  uiul  l'()rtcdr;ipe.iu  Beiz,  beide  die  poldene 
Medaille;  beide  sind  nocii  in  einem  Alter  unter  40  Jahren,  bei  dem  Bataillon 
wurden  ihre  Stellen  gleich  besetzt,  hier  sind  sie  tlberzihUg  und  liegen  mit 
dem  Sold  und  dem  Dupluro  desselben  als  Medaillenxulage  auf  der  Kasse. 

Das  Bataillon  in  Spanien  vervollständigte  in  Folge  des  vor- 
stehenden Gutachtens  die  n.inientlichc  Liste  der  2ur  Decorining 
empfohlenen  Individuen  und  reichte  dieselbe  demnächst  in  nach- 
stehender  Fassung  ein: 

Eingabe  der  Tapferkeita-Belohnungs-CocDnusaion '  de«  Grosahersogl. 
PraakfiirtiaebaB  t.  Infantaiie-BatailloiM  d.  d.  Seyovte  den 

16.  Desenbar  tSis. 

4$.*  Grenadier- (lompagnic.  Sergeant- Major  Andreas  Becker.  Focht  in  allen 
Sciil.Kiiicn  tniJ  ficfocluen  wahrend  den  $  Fc!d^ü;jcn  in  Spanien  tapfer  ?um 
anteucrjidca  Beispiel  anderer;  einsichtsvoll  /.ur  Lrlialiung  guter  Ordnung, 
verbindet  mit  den  militairischen  Tugenden  die  beste  Aufnkhrung,  den  grdssten 
Eifer  im  Dienste  und  einen  sehr  lobenswfirdigen  Ehrgei«  zur  ferneren  Bildung 
mit  Beförderung. 

Die  Onnnission  h.\t  in  .^!^betracht  dieser  militairischen  Verdienste  dem 
Sergeant-Majur  Andreas  Beciver  die  silberne  ührcii-Mcdaillc  zucrkamu. 
47.  Grenadicr-Compagnie.  Corporal  Christian  Bauer.  Wohnte  allen  Schlachten 
und  Gefechten  während  den  5  Feldzügen  in  Spanien  mit  ausgezeichnetem 
Muth  und  Tapferkeit  bei.  In  der  Schlacht  bei  Talavera  w.ir  er  einer  der 
Grenadiers,  der  den  blcssirtcn  Gren.idicr  Sclinelibach,  welchem  der  Fuss 
abgeschossen  wurde,  aus  dem  feindlichen  Feuer  —  vorwärts  liegend  —  mit 
augenscheinlicher  Gefahr  rettet^  wesswegen  sein  damaliges  Attestat  No.  10 
in  der  Siuung  Madrid  den  14.  Dezember  1810  aur  Berfidcsichtigung  einge- 
tragen wurde. 

Die  Commission  hat  wegen  seiner  .indauernden  Ausdauer  und  in  Beziehung 
auf  seine  kühn  au^getüiirte  That  dem  Grcnadier-Corporal  Christian  Bauer 
die  silberne  Ebren^Medallk;  zuerkannt. 
49.    Greoadier-Conipagnie.  Tambour  Alofe  B»tiiiger.  War  in  allen  Schlacliten 
und  Gefechten  gegenwirttg,  betrug  sich  immer  sehr  muthvoll  und  verliess. 


*  Diese  Eingabe  ist  in  Bernays,  Seite  270,  beinatie  wörtlich  abgedruckt.  Der« 
selbe  sagt,  ohue  Angabe  der  Qjuellc,  dass  dieselbe  vom  Grossherzog  nicht  nM^r 
berücksichtigt  worden  sei;  es  scheint  dies  nicht  richtig,  wdl  sonst  wohl  nicht  eine 
}.  Fiiig.ibe  d.  d,  Serres  2.  September  181  j  vorgdegt  worden  wäre.  Letztere  er- 
wähnt Bernays  nur  obenhin.  In  derselben  ist  unter  Anderen  der  spätere  Feld- 
webel August  likert  zur  Decurirung  in  Vorschlag  gcbr.iclu,  wclclier  bei  seinem 
Tode  die  goldene  Ehren-Medaille  be&ass,  ein  Beweis,  dass  auch  die  letzten  Vor- 
scblige  vom  September  tSi)  wenigstens  theilweise  noch  berQcksIchtigt  worden  sind. 

'  Wie  bei  der  Hingabe  vom  5.  Dezeniber  1810,  welclie  mit  No.  44  abschlicsst, 
sind  dies  die  Nummern  der  Attestate  nach  dem  Protokoll. 

4 


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ohnerachtet  der  in  der  Schlacht  bei  Messa  del  Ybor  erhalten' 
in  die  Brust,  nie  den  Dienst.  Verbindet  mit  deni  ausgezeic 

die  beste  AulTührLniij,  \\es>\ve^cn  ilim  sein  früheres  Atte«:tn! 
tlcn  I  }.  November  iSio.  /ur  Bcr-ucksichtigung  einc^ctragc-n  w 
Die  Commission  iiat  wegen  seines  aiisgc/.e>chneten  Betragens 
Tambour  Alois  Bertiager  die  silberne  Ehren-Medaille  zuerka' 

SO  a  und  b.  Grenadier-  Compagnie.  Sappeur  Conrad  Eissen. '  B 
jeder  Schlacht  und  Gefecht  muilivoll  und  tapfer,  aber  bcsonde 
in  dem  hei  AIniagro  am  27.  September  181 1  gegen  die  40« 
Bande  des  Chakgo,  wo  .\lle&  .iut'  die  geschwinde  Hcruiitc 
hoch  und  gefährlich  gestandenen  A-Pfund-K»ione  lur  Rettu 
Höhe  von  Valenxuella  vom  Feinde  eingeschlossenen  kleiner 
ankam.  Hierbei  war  er  der  Erste,  der  wirksame  Hand  anlegt« 
rung  der  Stadt,  wo  er  muthvoll  und  verwegen  gegen  die 
aufgestellte  Cavallerie  vordrang  und  durch  sein  Anfeuern  And 
wirksame  Schüsse,  den  Feind  xurücichiclt,  um  die  Kanone  wirk« 
Die  Commisidon  hat  wegen  seinen  raschen  und  muthvoll  aus^; 
lut)gcn  und  seinem  verwegenen  Benehmen  dem  Sappeur  Con 
silberne  Hhron-Medaille  als  wohlverdient  zuerkannt. 

jia  und  b.  5.  Compagnie.  Sergeant-Major  Franz  Becker.  Betrug 
Schlachten  und  Gefechten  der  5  jährigen  Feldxügc  in  Spanien 
tapfer  zum  anfeuernden  Beispiel  Anderer,  einsichtsvoll  xur  H 
Ordnutig,  aber  besonders  muthvoll  in  der  Belagerung  von  Meri 
schon  angebraclucr  Bresche,  im  starksteti  Kugelregen  den  Absc 
Deckung  an-  una  vollfuhren  Ivalf  und  dabei  sich  ausgezeichnet  / 
Anderer  betrug,  welches  ihm  die  Empfehlungen  des  Fort  -  C 
wie  des  der  Artillerie  erwarb.  Uebrigens  verbindet  er  mit  d 
Tugenden  den  besten  moralischen  Character  und  einen  Hifei 
komnmung,  der  ihn  fernerer  B<*f«^rJenin^'  'viirdie  ni.icht. 
Die  Commission  hat  wegen  dem  ausgezeichneten  lur/iiaiten 
Sergeant- Major  Franz  Becker  die  silberne  Khren-Mcdaille  als 
zuerkannt. 

5j.  4.  Compagnie.  Sergeant-Major  Georg  Günter.  Zeigte  sich  in  all 
und  Gefechten  Jor  ,  Feldzüge  h)  Sji.uKen  sowohl  durch  sei 
zum  .infeucnukii  Beispiel,  als  durch  seine  (.VJminpslicbc  für's  Gai 
aus.  In  dem  defeclu  l»ei  Bolanos,  mit  den  überlegenen  Brigani 
in  Anführung  der  Urailleurs  dem  Capitain  Goerx  wesentliche 
in  der  Sitzung  d  d.  Madrid  den  9.  November  wurde  sein  Atl 
von  der  Schlacht  von  Messa  del  Ybor  7nr  Berii>;ksichtit>ung  ein 
Die  Commission.  in  Mrw.ii^une  des  niehrn-.als  erwiesenen  t.ipte'ci 
hat  dem  Sergeant-Ma)or  Georg  (»unter  die  silberne  Ehren-Medail 

)4.  2.  Compagnie.  Sergeant  Nikiaus  Roland.  War  in  der  Schlad) 
del  Ybor,  wo  er  blessirt  und  struppirt  nach  Frankfurt  geschickt 
mit  dem  Renfort  nach  Spanien,  avancirte  wegen  seiner  hckann 
Diensteifer  nnJ  ntiten  Conduite  zum  Sergeant,  zeigte  sich  al 
tapter  in  de  n  deUvIu  bei  Almagro.  wo  er  aK  .Anführer  der  T 
ansprengendeii  ubcriegeneti  (.avallerie  das  Bayunel  prasentirtc, 
angebrachten  Schuss  einen  (tegner  vom  Pferde  schoss  und  sn 


»  Sappeur  Hissen  Hei  in  der  Schlacht  an  der  BiJassna  am  j».  A 


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-    Si  - 


anl'cucrnJes  !kispicl  die  L'ntcrstchcudcn  m  gleichen  Thaten  reizte  und  dem 
Feind  A».luu:ij4  vor  dem  kleinen  ibulcii  einflosste. 

Die  Contnussion  liat  wegen  einem  beisptelvollen  Betmgen  als  Anführer  dem 
Sergeiint  Nikl.ius  Koiand  die  silberne  Hhren-Medaille  zuerkannt. 

SS.  Voltigeur>Compagnie.  Sergeant  Johann  ütsab.  Be/cigte  sich  in  jeder  üchUcht 
und  Gefecht  des  Bataillons  ausgezeichnet  tapfer,  besonders  aber  in  dem  bri 
Villa  rubia,  wo  joo  Pferde  die  Hscortc  von  Hu  Mann  eines  Convoi  mit  Geld 
r;i<;ch  am  Kin^tan^jc  eines  Delilees  .utaquirt  und  dessen  Ausgang  besetzt 
liaitcn.  llicr  lorcsru  er  mit  ;<»  Mann  dessen  Ausgang,  wie  den  Uebergang 
Ober  die  Ojos  der  Guadiana,  und  bahnte  so  dem  Convoi  mitten  durch  die 
Feinde  den  Weg.  Derselbe  \MirJe  •^clinn  bei  der  Schlaclit  von  Talavera  von 
dem  Cirossherzogl.  Hessischen  Herrn  General  v.  Schätfer  wegen  seiner  Tapferkeit 
empfohlen. 

Die  Commission  hat  ihm,  in  Atihetr.icln  "icincs  nnit!noll  and  tapfer  ausge- 
führten Unternehmens,  die  silberne  Khren-Mcdaille  als  wohlverdient  >;ucrkannt. 

jy.  Vohigeur-Conipagnic.  Gemeiner  Johann  Brascli.  Wohnte  allen  Schlachten 
und  Gefechten  ausgezeichnet  tapfer  bei,  bei  Villa  rubia  zeichnete  er  sich  aber 
besonders  unter  denen ,  so  niit  Sergeant  Staab  das  obentrw.ihtne  t^efilee 
lOTCirten,  muthvoll  aus,  wie  ein  Attesut  No.  8  in  der  Sitzung  Madrid  den 
14.  Deaember  1809  au  seiner  BerOcIisichtigung  eingetragen  wurde, 
nie  GonimissioM  ha;  wegeü  dctn  hervorstechend  tapferen  Betragen  dem 
Vohigeur  Johann  Urasch  die  silberne  Hhrai-Medailie  zuerkaiitit 

60.  Stab.  Stabsfourir  und  Secretair  Jacob  Roesler.  Ein  jojährigcr,  treuer,  ver- 
lassiger Diener,  der  in  den  jjährigCA  Peldsügen  Spaniens  dem  Bataillon  in 
allen  Schlachten  freiwillig  folgte,  wo  er  keine  Ikldciith.ULn,  .ibcr  meTiscIien- 
freundlichc  Handlungen  verrichten  konnte.  Hr  rettete  mehrere  Blessirte  aus 
dem  Feuer  aum  Verbinden,  zwd  Soldaten  des  Bataillons  aus  dem  Flusse 
Siad.ir  und  opteric  ;eine  Gesundheit  nach  de^  T:iges  Strapaien  bd  nächt- 
lichen Fassungen  der  Vivres,  auni  Besten  des  Bauilloos. 
Die  Commission  hat,  wegen  der  freiwinigen  Retmng  der  Blessirten  aus  dem 
Feuer  und  2  Soldaten,  die  ansonsi  in  de:n  reisserulcn  Strom  den  Tod  gefunden 
hätten,  dem  üecretair  Koesler  die  goldene  Ehren-Medaille  zuerkannu 
Bewahrbeiiet  von  dem  Prisidenten  der  Tapfcrkdtt-Bdohnungs-Commis^on 

Der  Groasmajor  Commandam  Fritsdi. 
Faust,  Oberlieuienam  qua  auditor. 

Dieser  Hing.ibc  schlicsst  sich  der  Ict/.tc  (4.)  Vorschlag  zur 
Dcconrung  von  Individuen,  welche  bich  in  der  Schlacht  an  der 
Bidas&oa  am  31.  August  181 3  ausgezeichnet  hatten,  drei  Monate  vor 
üvm  Uebertritt  des  Bataillons  zu  der  englischen  Armee,  an.  In  dem- 
selben sind  die  im  Vorschlag  vom  i^.  Dexember  1812  aufgeführten 
Scri;eant  Johann  Staab  und  der  inzwischen  zum  Corporal  beförderte 
Johann  Brasch  erneut  zur  Auszeichnung  mit  der  silbernen  Ehren-Medaille 
eniptolilcn,  ein  Beweis,  d.iss  ihnen  dieselbe  auf  den  V'nrschl.iq  vom 
I6.  De/ember  rS!2nichi  verliehen  winden  ist.  Der  IftztcXDrscIihii; wtn  Je 
von  dem  Cipitaine  Commatid.utt  Damboer  mit  .seinem  R.ippüri  d.  d. 
Feldlager  an  der  BrDcke  vor  Serres  den  2.  September  181 3,  in  welchem 

4' 


-   5*  — 


er  über  die  Tcilnahtnc  des  Bataillons  an  der  Schlacht  an 
berichtet,  mit  nachstehenden  Wonen  vorgelegt: 

 Das  Bataillon  hat  durch  seine  Tapferkeit  und  I 

neuerdings  die  Re\vtindemng  des  IlLfrii  Marschalls,  des  H 
Generals  Vilattc  und  aller  ainv  c^ctldcIl  dcr.eralc  auf  sich  gczo; 
alten  Ruhm  ehrlich,  aber  tlicucr  behauptet.  Als  idi  vor  d< 
Bajonette  fällen,  Sturm  «tchlagen  liess  und  so  bergan  stOrmte, 
Marschall  sich  /u  seinem  Gencr.iUt.ib  gewendet  ui;d  mit  den  V 
gedeutet:  uVoü.'i  k-^  br.n  es  .lUemands,  conimc  ils  enicvent  la  | 
bavoneilc!'!  Seine  lüxcellen/  schickte  sni;lcich  einen  Aide  dt 
Brücke  mit  dem  Bcleiii,  dass  ailc  meine  Hlessirtcn  zuerst  aufgt 
was  auch  genau  erfblU  wurde. 

Alle  Herrn  Offiziers  des  Bataillons,  alle  Unteroffiziere  und 
eiferten,  AHe^  /u  erfüllen,  was  in  ihren  Kräften  lag.  Kalter  Mi 
Tapferkeit   iierrschte  in  den  fjHedcrn.    Man  hörte   jede»;  (Im 
Mann  wollte  aus  dem  Gliede  treten  und  mit  Mühe  musste  nui 
diren,  um  die  Blessirten  w^ubringen. 

Alle  Oflixierc  waren  gleich  tapfer.   Aber  vorzüglich  verdien 

Hauptmann  Schweitzer.  Deeken,  Görz.  Sousadjurntn  Mafor  D.i 
Obcrüeutennnts   Schiller  und   ff.inmnnn   n!s  erprobte  Offizier 
Seiner  Hoheit  und  Hohen  General-Conmiandos  zur  Belohnung 
werden. 

Femer  habe  ich  die  Ehre,  anbei  die  Liste  der  tapfersten  und 
Soldaten  au  überreichen  etc  etc. 

N'amentliche  Liste 
jener  Unteroffiziers  und  Soldaten,  welche  sich  durch  ihre  Tapferkeit  ii 
an  der  Bidassoa  am  31.  .Xugust  181  j  besonders  ausgezeichnet  und 
Krieger  und  moralisch  gute  Soldaten  in  allen  Feld/ugen  Spaniens 
gedient  und,  als  solche  anericannt,  von  dem  gesammten  OfKzier^Ct 
würdig  gehalten  werden,  .Seiner  K»)nigHchen  Hoheit  mr  Erhaltung 
Medaillen  gehor«;.inist  vorj^eschlagen  zu  werden. 

Im  Feldlager  vor  der  Brü>:kc  bei  Serres  den  2.  September  iSr^ 
Adjutant  sousofHcier  Franz  Hotmann.    Die  goldene  Medaille.  Ist 

Grade  tapfer  und  voll  Talent. 
Sergeant' Major  .\ugust  Ekert.   Die  silberne  Medaille.   Tödtlich  ver\ 
Sergennt  Philipp  Schopp.    Die  goldene  Medaille.    Lst  int  höchsten  ' 

und  war  schon  zur  Medaille  mehrmals  eincci^ebcrt. 
Sergeant  David  Mayer.   Die  silberne  Medaille.    Hlessirt,  ein  gescl;. 

ofBxier,  tapfer  und  voll  Talent. 
Corporal-Fourier  Augost  Schambach.  Die  silberne  Medaille. 
Corporal  Ludwig  Booser.   Die  silberne  Medaille.  Blessirt. 
Corporal  .^ntoti  Bauer.  Die  silberne  Medaille.   War  schon  raehrmaU 

emploblcn. 

Corpora]  Conrad  Geist  Die  silberne  Medaille.  Blessirt. 
Grenadier  Conrad  Dauenhaucr.  Die  silberne  Mcdaitte. 


*  Der  »pltere  t^eldwebel  August  £kert  wurde  bei  Irone  in  Span 
Vet'w'undet  und  besass  bei  seinem  Tode  in  Frankfurt  die  goldene  fihn 
Dieselbe  befindet  sieh  in  der  Sammlung  des  Verfassers. 


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-    53  - 


Grcn.iJicr  Pctcr  W'tn/cl.    Die  silbcrno  Medaille. 

Sergcatit-Major  Beiiurd  Ohnliaus.   Die  silberne  Medaille. 

Sergeant  Conrad  Hotter.    Die  silberne  Medaille.    War  sdion  mdirmals  zur 

MeJnille  ciiipt'ohlen. 
Sergeant  Jolunu  Suub.  Die  silberne  Medaille. 

Corporal  Johann  Brasch.  Die  silberne  Medaille.    Blesdn.    Schon  dfter  aur 

Medaille  empfohlen. 
Corporal  Paul  Bernard.   Die  silberne  Medaille.  Blessirt. 

V<dttgeiir  Andres  her.  Die  goldene  Medaille.  Rettete  bei  Uurchpassirun;;  de$ 
Flusses  dem  Grossherzogl.  badischen  Herrn  Oberlieutcnant  Baier  das  Leben. 
Hat  bereits  die  silberne  Medaille  und  verdient,  sie  mit  der  goldenen  zu 
veruuschen. ' 

Sergeant-Major  Georg  Hett.  Die  goldene  Medaille.  Besitzt  seltenen  Muth  und 

ist  voll  T.ilcnt  und  Moral. 
Sergeant  Peter  Schmitt.    Die  silberne  Medaille. 
Corporal  Melchior  Schreiber.  Die  silberne  Medaille. 
Soldat  Philipp  Kflrbel.    Die  silberne  McJ.iillc. 
Soldat  Hdnrich  Schneider.  Die  silberne  Medaille. 
Soldat  Nie  Holzapfel.  Die  silberne  Medaille. 

In  Summa:  4  goldene,  t8  silberne  Medaillen. 

Der  Beweis,  das.s  an  die  in  den  \'orstl)la^en  vom  16.  De/einbcr 

1812  und  vou)  2.  September  181 3  zur  Decorirung  empfohlenen  Indi- 
viduen die  Ehren-Medaillen  wirklich  verausgabt  worden  sind,  lässt 
sich  aus  dem  vorhandenen  Aaen-Material  nicht  liefern,  insbesondere 
weil  in  der  Schlacht  von  Vittcria  am  21.  Juni  181 3  mit  der  ganzen 
Bagage  des  Bataillons  auch  die  über  die  Ehren-Medaillen  gefertigten 
Dociimenie  verloren  gingen.  Es  ist  aber  wahrscheinlich,  dass  von 
den  nach  der  X'erteilung  am  16.  April  iSii  noch  übrigen  tünl  _i:ol- 
dcncn  und  zwölf  silbernen  Exemplaren  vorerst  an  die  in  der  Liste 
vom  16.  Dezember  1812  empfohlenen  Individuen  eine  goldene  und  6 
silberne  Medaillen*  verausgabt  wurden.  Der  dann  noch  verbleibende 
Rest  von  4  goldenen  und  6  silbernen  Ehren-Medaillen  mit  der  Um- 
schrift »Carl  Grosherzog  zu  Frankfurt«  ist  jedenfalls  nach  der  Rückkehr 
des  Bataillons  nach  Frankfurt  im  Februar  181 4  von  dem  seit  November 

1813  mit  der  Verwaltung  des  Grossherzogtums  betrauten  Gcneral- 


1); 


5 


•» 


*  Andreas  Iser  (in  früheren  Rapporten  Isser  genannt)  erhielt  die  silberne 
Ehren-Medaille  nach  dem  VorschUf^e  vom  2a  Januar  181a  Aus  einer  Petition 
an  den  Senat  d.  d.  5.  Juli  1821  geht  hervor,  dass  er  auch  damals  noch  die  silberne 
Medaille  trug,  also  die  agoldene«,  zu  der  er  am  3.  September  181}  empfohlen 
wurde,  nicht  erhalten  hat. 

*  Es  solhen  nach  dem  Vorschlag  vom  i6w  Desember  i8t2  verausgabt  werden: 
1  polJene  und  9  silberne  Hxempl.irc:  von  letzteren  >;clien  ab  ein  Stück  für  den 
bei  der  Bidassoa  gefallenen  Eissert  und  2  Stijck  für  die  am  2.  September  1813  noch- 
mals in  Vonchlag  gebrachten  Staab  und  Brasch. 


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-    34  — 


Gouvernement  an  die  Würdigsten  der  in  der  Liste  vom 
iSi)  aufgefflhnen  Individuen,  von  welchen  4  zur  Decor 
goldenen  und  18  mit  der  silbernen  empfohlen  waren»  ve 
Mit  Bestimmtheit  ist  nur  nachzuweisen,  dass  der  in  de 
Schlagsliste  zur  Auszeichnung  mit  der  silbernen  Medaill 
Sergeant-Major  und  spätere  Feldwebel  August  Ekcrt 
Ehren-Medaille  getragen  und  dass  der  Voltigeur  Andrea: 
zugedachte  goldene  Medaille  nicht  erhalten  hat.  — 

Das  Gesammtresultat  der  über  die  Ehren-Medaillei 
Nachforschungen  ergibt: 

1)  dass  7  goldene  und  20  silberne  Medaillen  mit  < 
Carl  Theodor  Fürst  Primas  geprägt  und  veraus 
sind; 

2)  dass  6  goldene  und  13  silberne  Medaillen  mit  c 
Carl  Grosherzog  zu  Frankfun  angefertigt  wurd 
aber  von  diesen  nur  die  Verausgabung  von  z« 
und  einem  silbernen  Exemplar  mit  Bestimr 
weisen  Usst; 

3)  dass  die  Ehren^Medaillen  nur  an  die  in  Spani 
bis  1813  kämpfenden  primatischen  und  später 
liehen  Truppen  verliehen  worden  sind,  also  w 
im  Kriege  gegen  Russland  18 12  verwendeten  ui 
181 3  in  Danzig  eingeschlossenen  zwei  Bataillone, 
bei  der  Verteidigung  von  Glogau  18 13  mit' 
beiden  Bataillone. 


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3-  Die  Saokt-Helena-Medaille. 


Napoleon  III.,  Kaiser  der  Fr.inzostn,  stif'tcic  am  12.  August  1857 
im  Andenken  an  Napoleon  I,  die  »Helena-Medaille«  und  verlieh  die- 
selbe an  alle  französiscUen  und  fremden  Militärs,  welche  in  der  Zeit 
von  1792  bis  1815  unter  den  irunzösisciien  Fahnen  gekämpft  hatten. 
Die  priniatischen  und  grossherzoj.'liclien  Truppen,  welche  an  den 
Feldzügen  in  Spanien  und  Russland,  sowie  an  der  Verteidigung  der 
Festungen  Danzij^,  Glogau  und  Torjiau  'Feil  «^enonimcn,  hatten  das 
Recht,  diese  Medaille  zu  tragen.  Die  Stiftungsurkunde  lautete: 

N.ipolcon  etc. 

Voulatit  hüuurcr  pur  unc  distinction  >pccialc  Ic:»  niiliuircs,  qui  otn  conibnuu 
*>ous  Jcb  drapeaux  de  )a  France,  daii^  Ics  grandes  guenres  de  1792  t;n  181  >, 
A%«ons  d«cr«t£  et  decrätons  ce  qui  suit: 

Art.  I.  Une  m6daille  commcmorative  est  doiinte  h  tous  les  militaires  fran^ais 

et  clranwcrs  des  annccs  de  tcrrc  et  Je  inor.  qui  ont  combattu  ^ous 
nos  drapeaux  Uc  1792  a  1815.  (iettc  mcdaillc  scra  cn  broncc  et 
{»oricra  d'un  cotc  i'cHlgic  de  l'Hmpcrcur ;  de  lautre  pour  legende: 

Campagnes  de  1793  ä  1815.  A  scs  compagnons  de  gloire,  sa 

derniire  pensec,  St«  Hd(»ie  $  mai  1821. 
I;llc  sc  portcr.t  i  I.i  hautoniiiere,  suspcndue  par  un  nibati  Verl  et  rouge. 
.Vru  2.   Notrc  ministrc  J  litat  et  le  Gnmd  cfi.incclicr  etc. 
I-ail  au  paüiä  lic  Snint-ClouJ,  k  12  aoüt  1857. 

In  Frankfurt,  wie  in  alicn  Ländern,  welche  dem  rheinischen 
Bunde  angehört  hatten,  wurden  die  Berechtigten  aulgefordert,  die 
Medaille  hei  dem  betrcHeiiden  irauzDsisciiLii  Gesandten  in  Empfang 
zu  nehmen.  Diejenigen,  welche  sich  anmeldeten,  erhielten  mit  der 
Mcd.iilie  und  dem  Patent  ein  Schreiben  in  deutscher  Sprache  mit 
tüigendeni  Wortlaut : 

Legation  de  I'rancc 

i  Francfort.  Frankfurt,  den  4.  Februar  1858. 

Mein  Herr! 

Ich  habe  die  Hhre.  Ihnen  beiliegend  das  Patent  und  die  St.  Hclena-Medaillc 
ztuuscnden,  welche  Seine  Majestät  Jcr  Kaiser  N.TpnIcon  III.  Ihnen  früttgsi 
zuerkannt  hat  lür  die  Dienste,  welciie  Sic  geleistet  haben,  indem  Sie  unter 
den  Fahnen  Frankreichs  kämpften. 

Ich  bitte  Sie,  nur  den  Empfang  dieser  Sendung  anzuzeigen.  Empfangen  Sie, 
mein  Herr,  die  Versicherung  meiner  ausgezeichneten  Achtutii^. 

Der  Gesandte  Frankreichs, 
gez.  O*  de  Montessuy. 


I 


-    56    -  I 

Das  gleichzeitig  tnitübersandte  Patent  lautete  betsp^ 

MälaUk  de  Saime-Hdäie  ! 
Insthti««  par  S.  M.  Napoleon  IlL 

j  ic»  coiupagiiuns  de  gitnrc.    Sa  Jcrnicrc  pciJsce! 
Sie.  Hdenc.  $  mai  1821. 


Lc  Grand  Chancclier  de  l  Ordre  Imperial  de  la  Legion  d*Hl 
quc  M.  Ridinger  Pierre  (Franclort),  ayant  servi  duraat  la  p£l 
ä  1815,  4  re^u  la  Midaiile  de  Ste.  Helene 

sigu.  Uuc  de  PI 
In<;erit  ä  la  Grande  Chancetlerie  No.  14 1. 

Die  MccLuIIc  u  Lirdc  nur  von  einem  kleinen  Teil  der  c 
lebenden  Ikrcchii^uii  in  Rmpfjn«^  genommen  und  von  t 
kleineren  Teil  derselben  utientlich  getragen.  In  Wort  l 
wurde  damals  von  dem  Trauen  der  Medaille,  als  einer  unp. 
Handlung,  abizerathen.  Dieselbe  hat  de^  hi.sturischen  Intere 
hier  Aulnahmc  i^clundcn  und  ist  abgebildet  auf  Tafel  II  Xo. 


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4i  Kriegsdenkmunze,  verliehen  vom  Senat  der  freien  Stadt 
an  die  Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfurt  für  1814. 


Bei  dem  siegreichen  V'ordrinfjeii  der  alliirieii  'l'ruppen  zoj^  sich 
der  Gros&hcrzüg  Carl  nacii  der  Schweiz,  später  nach  Kejjensburj:  zurück. 
Auch  Napoleon  I.  rauime  nach  der  Schlacht  bei  Hanau  am  i.  No- 
vember 181 3  die  Gegend  von  Franklurt  und  ging  mit  seiner  Armee 
gegen  Mainz  »irQdc.  In  den  Tagen  vom  4.  bis  6.  November  zogen 
die  verbOndeten  Herrsclier  von  Russland,  Oestreich  und  Preussen  in 
Frankfurt  ein,  nahmen  das  Grossherzogtum  und  die  fürstlich  Isen- 
burgischen Lande  in  Besitz  und  übertrugen  die  Leitung  der  Re<:ierung 
und  der  Militär-Angelegenheiten'  dem  k.  k.  östreichischcn  l'eld- 
marschall-I.iciitenant  Prinz  Philipp  von  Hesscn-Homhurg  ^  als  General- 
Gouverneur.  Nachdem  die  von  den  verbündeten  Mächten  eingesetzte 
Commission  zur  Regelung  des  Verteidigungssystems  von  Deutschland 
in  dem  Protokoll  d.  d.  Frankfurt  den  24.  November  181)  festgesetzt 
hatte,  dass  aus  dem  Gebiete  des  G rossherzogt  i  n  1  rankfuri,  gemein- 
schaftlich mit  dem  Fürstentum  Isenburg ,  sogleich  2800  Mann  auf- 
gestellt werden  sollten,'  ordnete  Prinz  Philipp  von  Hessen-Homburg 
sofort  die  l!rrichtung  von  5  Linien-  und  5  Landwehr-Bataillonen  an. 
Lr  erlicss  ausserdem  am  1 1.  Dezember  181 3  einen  Aufruf  zur  Lrncluung 
von  freiwilligen  Schaaren  (Grossherzogl.  frankfurtisches  Regierungs- 
blatt, Band,  16.  Blatt).  Aus  den  Landwehrleuten  und  Freiwilligen, 
welche  zahlreich  herbeiströmten,  wurden  die  drei  Landwehr-Bauillone 
formirt  und  unter  dem  Commando  des  Oberst  v.  Horadam  zu  einem 
Regiment  zusammaigestellt.  Das  erste  Landwehr-Bataillon,  unter  dem 


'  Grossherzogl.  franktürtiscbes  Regierungsblatt,  }.  Band,  1 3.  Hljit. 

*  Prins  Philipp  von  Hessen-Homburg  übernahm  Anfang  .April  i8i.|  «las 
Commando  des  6.  deutschen  Armee-Corps.   Ihm  folgte  in  der  Verwaltung  des 
Genera l-Gouvcrnements:  Seine  Durchlaucht  der  k.  k.  Astreichiscbe  Feldxeugmeisler . 
Heinrich  XIII.,  regierender  Fürst  von  Reuss-Grciz. 

)  Die  !ümn):liclK-n  Truppen  aus  dem  Gebiete  des  Grossherzogtums  waren 
iii.T  \'er\v.ihung  durch  eine  \om  (ieruri!  (louvcrnenicnt  ern.itinte  ».Arniirungs- 
Contercnz«  unten>lcllt.  Nur  die  Coniin^eni^-.Mannschalt  de;»  Fürstentums  Isenburg 
war  von  dieser  Verwaltung  freigegeben  und  wurde  von  dem  FOrstentum  besoldet 


-   j8  - 


B«fehl  des  Majors  Grafen  v.  Waldbott-Bassenheini,  wurde 
gehörigen  des  Depanements  Ascbaffenburg,  —  das  zweit 
Commando  des  Majors  Grafen  v.  Schönbom,  «»päter  unter  A 
aus  den  Angehörigen  des  Depanements  Fulda,  —  das 
wehr-Bataillou^  unter  dem  Commando  des  Majors  Grafen 
grösstenteils  aus  den  Angehörigen  des  Departements  h 
mm.  *  Jedes  Bataillon  bestand  aus  zwei  Compagnieer 
Jäger  (der  i.  und  2.)  und  zwei  Landwehr-Compagnteen  (d 
Die  beiden  Jäger-Compagnieen  führten  beim  1.  Landw 
den  Namen  »Schaar  der  Freiwilligen  vom  Spessart«,  beii 
der  Freiwilligen  vom  Lande  Futd  und  vom  Lande  Iser 
»Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfurt.«  * 
Das  zuerst  fertig  gestellte  i.  Linien-Bataillon  wa: 
8*  Februar  1814  von  Frankfurt  abmarschirt  und  stiess  zum 
Bundescorps.'    Die  im  Bereich  des  Grossherzogtums 

'  Die  AiiisicUun^  entspr.Kli  vier  danialiycn  )-,intciluiig  des  G 
in  ;  DcpartcnicuUi.  Düü  4.  Departement  Hanau  mit  18  QMdlen  um 
gcliönc  seit  November  zu  Kurhes«en.  Das  (»«neral-Gouvcm 
demnach  zur  Zeit  des  Aufrufes  im  Dezember  aus: 

I.  dem  Departcmeiii  Frankfurt  —  1  □Meilen  grovs  —  mit 
.1)  ilcr  St  illt  Frankfurt  niit  jo.  jS)  Seelen  (ohne  Militärj. 

lien  Ortscliatten   Bonames,    Bornlieini,  Dortelweil,  H; 
Frlctibach,  Niederrad,  Nicderurscl,  Ober>Hrlcnbach  uiu 
zusammen  78  t)  Seelen, 
c)  der  Lnterprafectiir  Wetzlar  (dem  (iebiei  der  ehemalige 
nachherigen  ( Iritsclult)  mit  1278  Seelen  : 

II.  dem  IX'p.irtement  Fulda  —       n^*«-''l*-'"  gross  -  mit  lo^),* 
III.  dem  Departement  Aschartenburg  —  30  □Meilen  gross  —  nut 

Als  dieses  Departement  am  34*  juni  1S14  an  das  Kdntgrei 
gctretett  wurde,  schied  auch  das  aus  den  Landeskindern  des; 
1.  Landwehr-Bataillon  aus  der  Verwaliung  durch  das  Gern: 
mom  -IIIS. 

^  Das  i.  LaiuiwcUr-Bataillon  (Major  iirat  v.  Ingelheim}  be> 
I.  Jager-Compagnic  (Hauptmann  Jaeger,  Oberlieutenant  'I1iun]ey»ci 
V.  Clement,  Münch  und  156  Untcrolli/iere  und  Jäger),  der  l.  jig 
(Hauptmann  ScHerbius,  Oberlieulenam  W  illemer,  l.ictitcTi  int  v.  Auten 
U n ter of Ii 7 tcre  und  Jäger),  der  (.ompasMiie  f Ilaupimann  Mcve^  ( 
BuNvh.  Lieutenant  v  Heyden)  und  der  .j.  t.ompagnie  (Hauptmann  1) 
lieuienani  Rumpl). 

Die  freiwilligen  Jäger  zu  Pferde  (Kittmeister  Steitz,  OberKeu 
Lieuienaiu  Hassavant)  waren  72  Mann  stark,  von  denen  4,.  aus  F 
Wetzlar  gebürtig,  gleichlails  im  November  iSi  1  die  Mcd.iillc  iür  di. 
erhielten.  Die  Ireiwilligen  jager  /.u  l'ierde  bildeten  nnt  den  Huwren 
Gouvernements  eine  Schwadron  unter  dem  Belebl  des  Rittmeisters 
Fechenbach. 

)  Die  weitete  Thätigkeit  die&es  Bataillom»  im  Feldzuge  1814  verfolg 


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Forniirung  des  2.  und  ).  Linien- Bataillons,  der  LanJwchr-ßat.iiliotie  s 
und  einer  Schwadron  freiwilliger  Jnger  zu  Pferd  wurde  im  M.irz  l 
soweit  beendet,  dass  der  Aufbruch  dieser  Truppen,  welche  mit  den 
Contingents-Bataillonen  von  Isenbur>i  und  Keuss  und  einer  l'.sc.idron 
Würzburger  Chevauxlegers  eine  Brigade  unter  dem  östreicliischen 
General-M.iji>r  v.  Mecsery  bildeten  und  dem  6.  deutschen  Armee- 
Corps  zugeteilt  waren,  am  15.  März  erfolgen  konnte.  Die  Brigade 
blieb  zur  Einschliessung  vor  den  Festungen  Beifort  und  Besani;on 
liegen  und  nur  die  6  Freiwilligen  Jäger-Compagnieen  der  3  Land- 
wehr-Bataillone, '  welche  von  da  nn  mit  dem  allgemeinen  Namen 
»Schaar  der  Freiwilligen«  bezeichnet  wurden,  niarschirten  weiter  und 
vereinigten  sich  am  22.  April  bei  Macon  mit  dem  i.  Linien-Bataillon 
unter  dem  G>mmando  des  Majors  Schiller.  Als  die  »Schaar  der  Frei- 
willigen«  don  eintraf,  war  der  WaifenstiUstand  bereits  abgeschlossen 
und  es  war  ihr  somit  niclit  beschieden,  an  den  Gefechten  des  Jahres 
1814  Teil  zu  nehmen.  Sie  marschirte  mit  dem  i.  Linien-Bataillon 
Anfangs  Mai  n.icli  L\ 011  und  bezog  nach  dem  Friedenssohluss  Cantonne- 
mcnts  bei  Bourgoin,  zwischen  I.\cin  und  Grenoblc.  In  den  ersten 
Tagf:!!  des  Juni  wurde  der  Kückmarsch  in  die  Heimat  angetreten, 
am  21.  passirte  die  Brigade  bei  Rheinweiler  über  die  Schiffbrücke 
den  Rhein  und  kehrte  am  6.  Juli  nach  Frankfurt  zurück.* 

Zur  Krinnerung  för  die  aus  der  Stadt  Frankfurt  und  deren  Gebiet 
gebürtigen  Freiwilligen  stiftete  der  Senat  durch  Ratsbeschluss  vom 
5.  Juli  1814  eine  silberne  KriegsdenkmOnze,  welche  am  18.  Novetiiber 
an  37?  dazu  Berechtigte  verteilt  wurde.  Der  k.  k.  östreichische 
Feldniarschall-Lieutenant  und  Vice-General-Gouverneur  von  Frankfurt, 
Giaf  Anton  Hardcgg,  sowie  der  k.  k.  östreichische  ausserordentliche 
Gesandte  und  bevollmächtigte  Minister  Freiherr  von  Hügel,  welche 
der  Austeilung  der  Meddllen  beiwohnten,  erhielten  durch  Senats- 
beschluss  vom  16.  November  je  ein  Exemplar  in  Gold,  welche  indessen 
nicht  zum  Tragen  bestimmt  waren.  Der  östreichische  Feldmarschall- 
Lieutenant  und  Commandirende  der  Süd-Armee  Erbprinz  I  riedrich 
von  FIcssen-Hombnrg  erhielt  eine  zimi  Tragen  bestimmte  Kricgs- 
deiikmünze  in  Gold,  sein  jüngerer  Bruder,  der  commandirende  General 


'  Die  6  ÜMidwehr-tionipaKRieeil  wurden  ililH  Jcni  Wcitcniurscli  der  »Schaar 
der  Freiwiiligenii  zu  eincni  BnuilklD  nisammengcstcllt  und  bildeten  mit  dem  2.  und 
3.  Linicn^Batailkm  cm  Regiment  unter  dem  Commando  des  Oberst  v.  Fritsch. 

*  Die  Scliaar  der  Freiwilligen  wurde  vom  11.  bis  zum  15.  Juli  noch  vorüber- 
ziehend iLicli  Dieburg  und  Unigegcnd  verlegt  und  erst  nach  ihrer  Räckkehr  von 
dort  aufgelöst. 


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-   6o  - 


des  6.  dfutsclien  Armue-Corps  und  Irühere  Gcneral-Gouv> 
Frankfurt,  Prinz  Philipp  von  Hessen- Homburg,  ein  Exempl: 
mit  Brillanten';  dem  östreichischen  Genernl-Major  und  Bri 
roandeur  \ .  Mccsery,  unter  dessen  Befehl  die  Schaar  der  F 
vorDbergehend  gestanden  hatte,  wurde  nachträglich  am  i 
1815  ein  Exemplar  in  Gold  iiberschickt.  Die  Fahne  der  Fs 
welche  seiner  Zeit  durch  den  Patriotismus  der  Frauen 
gestiftet  Vk'ordeii  war,  wurde  im  Jahre  182S  an  der  Spits 
goldenen  Kriegsdenkmünze  gesclimflckl,*  Die  silbemi 
erhielten  nacli  den  eingereichten  Listen  45  freiwillige  Jägt 
und  291  freiwillige  Jäger  zu  Fuss.  Mehrere  Exemplare 
wurden  ausserdem  an  Offiziere  geschickt,  welche  in  c 
Beziehung  zu  der  Schaar  der  Freiwilligen  gestanden  hattet 

Die  Kriegs-Denkmünze  ist  von  Silber,  im  Durchmesse 
meter  gross,  und  wurde  an  einem  rothcn  Bande  mit  dr 
Streifen  auf  der  linken  Brust  getragen. 

Die  Vorderseite  zeigt  in  der  Mitte  einer  Kreislinie  den  : 
Wappenadler  mit  Kleestengeln  in  den  Flügeln  und  einer  N 
auf  dem  Kopf,  einem  F  auf  der  Brust,  unten  S.  P.  Q.  F. 
populusque  Francofurtanus)  und  ausserhalb  der  Kreislinit 
Schrift  »Gott  sprach  es  werde  Licht  und  es  ward  Licht«.** 

Die  Rückseite  trägt  innerhalb  einer  Kreislinie  in  vier 


•  I'riiu  Philipp  August  I  ricdncii,  j^cborcn  am   ii.  MariC  1779, 
gicruiig  in  der  Lanii^rafschaft  Hessen-Homburg  am  19.  Januar  18)9  a 
in  Homburg  am  ij.  Dexend>er  1846.  Auf  dem  gedruckten  Programm 

22  —  25.  Dc/cnibcr  stattfindenden  Leichenbcgängniss  war  angeordnet,  d 
9.  Tahonret  rechts   »die  .Medaille  der  .Stadt  Fr.inkfurt  in  Brillanten« 
Üer  Verbleib  derselben  ist  /.ur  Zeit  nicht  n.ich/iiw  (.  )>«.  n. 

*  Die  l'ahnc  ist  dem  Bataillon  der  Kranktuner  Freiwilligen  um 
männer  (dem  ).  Landwdir-Bataillon)  am  24.  Januar  1814  in  der  St. 
kirclie  übergeben  worden.  Den  Aufruf  xur  Stiftung  derselben  siebe  im 
Blatt  vom  4.  Januar  1S14. 

i  .Silberne  Kxemplare  erhielten  unter  Anderen: 

der  i>str.  Oberst  Ctrnl'fscnlnirg-Budingen  als  Brigade-dhef  .un  i\  . 
dessen  Adjutant  Major  (.arl  Wollg.  Freilicrr  v.  Geldncr  am  ifc 
der  Major  Jager  als  Comnundant  der  Freiwilligen, 
der  Rittmeister  Anton  v.  Herrmann  als  Adjutant  des  Erb 

Homburg  am  4.  Februar  i8i>, 
der  (Ihcf  de«;  (.cneralstabes  Oberstlieutenant  v.  N'apeldinger  am  . 
•»  At:<  dem  :.  Hiuh  Mösts.  Cxp.  i  Vers  5.    Wenn  ni.m  in  der 
(.jrundteMes  die  in  dem  ^»pruclje  ciitiiaitsnen  Buclistaben  al>  Jahrcszeid 
SO  drdckcn  dieselben  die  Jahreszahl  der  Schlacht  bei  Leipzig,  nämlich  H 
hebräischer  Weise  mh  W^lassung  des  numerus  millenarius. 


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—   6i  — 


Inschrift:  »Für  II  Deutschlands  II  Befreiung  II  1813.  1814«  und  um  die 
Kreislinie  die  Umschrift:  »Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfun 
am  Main«. 

Die  Kriegsdenkmünze  ist  von  Loos  in  Berlin  geprägt  und  ah- 
gebtldet  auf  Tafel  III  No.  i  und  2. 

Die  Auszuge  aus  den  Ratsprotok ölten,  welche  auf  ihre  Stiftung 
Bezug  haben,  lauten : 

Au&2U|i;  aus  dem  KathsproU>koll  vom      Juli  1814. 

•  •       •  • 

•  •      •  ■ 

i)  Wird  löblichen)  Rechnciamte  committlrt,  vorlaufig  mit  löblichem  ßürger- 
jUN'^chu'is  dahin  In  Cmiforenr  tu  treten,  d.is«;  jedem  .ins  licm  reldc  zurück- 
kehrenden Freiwilligen  aus  hiesiger  Stadt  und  deren  Ciebiet,  ohne  Liitcrschied 
des  Grades,  eine  silberne  Denkmünze  /ugetheilt  werde,  und  ist  sodann,  nach 
erfolgter  Bciseimmung,  <Ue  Zeichnung  nebst  einem  KostenGberschlag  dahlcr 
2ur  weiteren  Verfb^ng  vorzul^en. 

Hierauf  wurden  voiii  Rc^h:  l  im  untcr'm  18.  Juli  1814  vier 
Medaillen  (No.  i  von  Piulcssur  Mauina, '  Xü,  2  und  3  nach  Angaben 
von  Professor  Kirchner,  No,  4  von  Professor  Groiefend  ersonnen) 
und  sechs  Bnndnuister  vdrgL'lcgi  und  iiieraui  vom  Senat  am  19.  Nov. 

tui^tnCLr  ikschluss  gctasst : 

Es  hat  lobliches  Rechneiamt  wecken  der  Kosten  für  die  Medaille  mit  lobliclicm 
Bürgcrausschuss  zu  conlerircn  und  wird  die  Zeichnung  No.  i,  sowie  d.is 
Band  nach  Muster  No.  6'  genehmigt. 

Weiter  wurde  beschlossen,  mit  Rüclxsicht  auf  den  schlechten 
Zustand  des  Mihr/werkes  in  Frankfurt  die  Medaille  bei  dem  im 
Münzwesen  besonders  erfahrenen  und  berühmten  kgl.  preussischen 
Hol'medailleur  Loos  in  Berlin  prägen  zn  lassen.  \ut  der  Verausgabung 
der  Medaillen  wurden  bereits  die  Bander  verteilt.  Nachdem  Loos 
die  Kriegsdenkmünzen  fertig  gestellt  hatte,  ^  be.schlo.ss  der  Senat  am 
8.  November  1814  das  Folgende : 


♦  Dr.  phil.  Friedrich  (Christian  Matthia,  Professor  am  Gymnasium  zu  Frank- 
furt seit  1804,  Rector  seit  1806,  gestorben  1822  in  Frankfurt. 

*  Das  B«ndmuster  No.  6  wurde  vom  Posamentmneistcr  Job.  Carl  Luduig  in 
Fnnicfun  geliefert. 

1  Loos  lieferte  die  silberne  Medaille  ftkr  1  fl.  43  kr.,  die  fl[oldene  ftir  35  Thlr. 
pn>  Stfick.  In  dem  Vcr/reichniss  der  in  der  Berliner  Medaillen-Münze  von  G.  Loos 
»ngefertigten  Gedenk-  und  (jclcgctiheits-Münzen  ist  die  »Ehrendenkmünze  für  die 
FrdwiUjgen  der  Stadt  Frankfurt«  aufgeführt  in  der  i.  Abteilung,  7.  Klasse  unter 
Ka  40,  wo  das  Exemplar  in  Gold,  6  Ducatcn  schwer,  mit  $  Frd*or  und  das 
fiicmpiar  in  Silber,  t  Loth  schwer,  mit  1  *(<  Thaler  vmcichnet  steht. 


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—    62  — 


Es  ist  nach  dem  durchaus  angemessenen  Antrag  löblichen  Recl 
Austheilun»;  der  Denkmüiueti  an  die  Franktuner  Freiwilligen 
mithin  jedem  zum  Empfang  Berechtigtai  eine  nach  dem  Aufs, 
gedruckte  and  vollzogene  Autorisaiion  nebst  der  Medaflle  du 
Redmeiamt  auaaEustelleii  und  der  Empfang  von  denselbigen  o 
Verbindcm  von  den  Eltern  oder  Vonnöndem  bescheini|Een  cu  h 

Anlafje  Bw   Vor^eiger  Dieses    Jer  vormalige  hc 

der  Freiwilligen  i  r.mktuits  ni  .  .  ...  ist  be 
von  der  Stadt  Franictun  ertheilte  Dcnkuma/c  tr 

Frankfun   Stadt-K  am 

ex  Mandato  2 


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5-  Ehrenkreuz,  verliehen  vom  General-Gouvernement  Frankfurt 
an  die  Offiziere  und  treugebliebenen  Freiwilligen  des  s.  Land- 
wehr-Bataillons  (Fulda)  für  1S14. 


Nach  der  Beendigung  des  Krieges  ^egcn  Frankreich,  Ende  Juni 
1814,  waren,  mit  der  Abgabe  des  Departements  Aschalfenburg  an 
Bayern,  das  i.  Linien*  und  das  i.  Land\vehr«Bataillan  (Aschaffenbiiri>) 
aufgelöst,  die  nach  Bayern  gehörenden  Offiziere  und  Mannschaften 
donhin  überwiesen  und  der  Kest  auf  die  vier  anderen  Bataillone  des 
GeneraUGouvememencs  verteilt  worden.  Den  Grössenverhättnissen 
der  Departements  Fulda  mit  38  QMeilen  und  Frankfun  mit  4  □Mellen 
entsprechend,  bestanden  das  2.  Linien-  und  2.  Landwehr-Bataillon 
(Fulda)  nur  aus  Angehörigen  des  Departements  Fulda,  während  das 
3.  Linien-  und  das  3.  Landwehr-Bataillon  (Frankfurt)  von  Landes- 
kindem  aus  beiden  Departements  zusammengesetzt  waren.  Das  2. 
Landwehr-Bataillon  (Fulda)  erhielt  nun,  durch  die  Zuweisung  einer 
grossen  Zahl  von  Landwehrleuten,  so  viele  Mannschaften,  dass  aus 
den  bisherigen  vier  Compagnieen  deren  sechs  formirt  werden  mussten. 
Die  Freiwilligen,  welche  seither  die  i.  und  2.  Com pa^^ nie  gebildet 
hanen,  wurden  sämmtlich  der  i.  Coropagnie  zugeteilt.  Das  Bataillon, 
unter  dem  Commando  des  Majors  Freiherm  v.  Zobel, '  war  nach  der 
Rückkehr  aus  Frankreich  in  die  Gintonnements  Schreisheim,  Laden- 
bürg  am  Neckar  und  Heddesheim  verlegt  worden.  Der  Wunsch  der 
Freiwilligen  und  Landwehrleute,  nach  Beendigung  des  Krieges  ent- 
lassen oder  wenigstens  in  das  heimatliche  Departement  verlegt  zu 
werden,  ihre  mangelhafte  Unterbringung  und  Verpflegung,  sowie  der 
Umstand,  dass  die  Abgabe  des  Departements  Fulda  an  das  KurfOrsten- 


*  Majur  Freiherr  Philipp  v.  7.ubcl  zu  Gibelstadt  ist  gcboivn  aiu  10.  Septem 
ber  1769  in  Würsbui^,  in  ilen  Dienst  |tetr«t«n  1788.  it«hin  leil  dm  Törkenkriege 
an  den  Gefechten  bei  jemappes  1792,  bei  Landrecy,  VaWnciennes.  ClonJc  etc.  I79>. 
wurde  verwundet  1792  bei  Lütiich,  179^  bii  l  .indrecy  uiui  ("li.irleroi,  liilirte  iSi  | 
und  1815  d-K  2.  I.andwchr-H.uaillon  (l-'iiKl.i)  tlcs  ( iciuT-iI  (ioin cTiiements  Franklurt. 
v^*urdc  Übcrstlicutctuat  am  17.  Mai  lüi),  trat  bei  der  Aullüsuug  des  General-Gou- 
vernements in  ba)Tische  Dienste  über  und  starb  am  32.  Juli  1850  auf  Schloss 
Datrstadt  in  UnteHranlten  als  kgl  ba\-rischer  (veneralmajor  a.  D. 


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-    64  - 


tum  Hessen  ftir  «lie  nichste  Zeit  vorauszusehen  war,  fühner 
zu  einer  Revolte,  welche  nachstehend  mitgeteik  werden  inus 
sie  mit  der  Stiftung  des  Ehrenkreuzes  in  Zusammenhang  steh 
leitet  durch  Aufforderungen  aus  der  Heimat,  nach  Fulda  zui 
kehreuj  verabredete  der  grösste  Teil  des  Bataillons  ohne  Voi 
der  Offiziere  den  Plan,  die  ihnen  zugewiesenen  Cantonnements 
zeitig,  in  voller  Ausrüstung,  ordnungsmässig  zu  verlassen  und 
Departement  Fulda  zu  marschiren.  Am  30.  Juli  bemächtigt« 
die  beiden  in  Schreisheim  liegenden  Compagnteen  mit  Gew 
Fahne  des  Bataillons,  die  in  Ladenburg  und  Heddesheim  einqua 
G>mpagnieen  standen  zu  derselben  Zeit  zum  Abmarsch  berei: 
Unteroffiziere  und  Freiwillige  nahmen  an  der  unüberlegten  H: 
teil.  Nachdem  die  vereinigte  aufrührerische  Schaar,  etwa  40c 
stark,  unter  präsentinem  Gewehr,  der  Fahne  von  Neuem  < 
der  Treue  geleistet,  marschine  sie,  unter  Mitnahme  des  bes| 
Patronenwagens,  unter  dem  Commando  eines  Sergeanten,  mit  j 
route  versehen,  durch  den  Odenwald  und  den  Spessan  über  H 
bürg  in  der  Richtung  auf  Fulda  ab.  Die  Offiziere  vermochter 
durch  Vorstellungen  noch  durch  Drohungen  die  Aufrührer,'  di 
mit  geladenen  Gewehren  gegenübertraten,  zurückzuhalten  und 
mit  45  Unterof6zieren  und  t}6  Mann  machtlos  zurück.  Die 
teure  wurden  durch  zwei  aus  Frankfurt  vom  GeneraUGouvei 
nachgesandte  Bataillone  (das  3.  Linien>Bataillon  unter  Major 
und  das  Fürstlich  Reuss'sche  Bataillon  unter  Oberstlieutenant  d« 
mit  einem  Geschütz  und  60  Husaren)  am  5.  August  bei  Sehl 
eingeholt  und  nach  Frankfun  zurückgebracht,  wo  sie  durch 
gerichtlichen  Spruch  vom  25.  August  verurteilt  wurden.  E 
sie  ausgesprochenen  strengen  Strafen  wurden  durch  den  ( 
Gouverneur  Fürst  Reuss,  den  Zeitverbähnissen  entsprechend,  gei 
Bei  den  Offizieren  und  treugebliebenen  Freiwilligen  des  Ba 
welchen  für  ihr  gutes  Verhalten  während  der  Revolte  dii 
kennung  der  vorgesetzten  Militärbehörden  nicht  vorenthalten 
machte  sich  der  Wunsch  geltend,  ein  Hrinnerungszeichen 
Jahr  1814  zu  erhalten,  ähnlich  wie  es  der  »Schaar  der  Frei 
von  Frankfun«  von  dem  Senat  der  freien  Stadt  bereits  verliel 
Eine  Bittschrift  des  Bataillons  an  den  General-Gouvemeur  k. 


'  Die  Berichte  über  die  Revolte  am  ;o.  Juli  18 14.  das  kriegsgerichtli 

vom  2).  August  und  das  mildernde  Urteil  de^»  General-Gouverneurs  vom  i 
desselben  Jahres  sind  im  königlichen  Staais-Archiv  in  Marburg  aufhcw.ilin 
liehe  tiacJistehende  Corrcspondcnzen  über  das  Fuldaer  Hhrenkreu/  sind  ai 
Archiv  entnommen. 


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~    65  - 

reicbischen  Feldzeugmeister  Heinrich  XIII.,  regierenden  Forsten  von 
Reuss-Greiz ,  welche  diesem  Wunsche  -  Ausdruck  gab ,  wurde  der 
Arminings-Conferenz  zur  Begutachtung  vorgelegt.  Die  letztere  über- 
sandte dieselbe  am  17.  August  1814  dem  Bataillons-Commandeur 
Major  V.  Zobel  mit  nachstehender  Zuschrift: 

Seine  Durchlaucht  der  Herr  General-Gouverneur  stellten  geslem  der  unter- 
xeichneteo  Behörde  die  Beilage  in  der  gnädigsten  Absicht  xu,  damit  auf  dne 
allerdings  verdiente  Belohnung  der  treugebliebencn  Leute  eingelenkt  werde. 
L'm  dic"^e  Höchste  Absicht  desto  zweckmässiger  befördern  /u  können,  glaubt 
die  Arinirungs-Contcrcuz,  den  Herrn  Major  und  Bataillons-Loninuindantcn 
Freiherm  v.  Zobel  um  ein  Gutachten  darüber  ersuchen  zu  müssen,  welch' 
eine  Gratification  in  Geld  (br  jeden  der  SuppUcanten  angemessen  sein  möchte. 

Major  V.  Zobel  berichtete  in  Folge  dessen: 
An  die  Hohe  Armirungs-Conferenz  des  Geiteral-Gouvernements  Frankfurt. 

Frankfurt,  den  uS.  August  1814. 
Nach  dem  niir  von  einer  Huhc-n  Aniiirnngs-Conlerenz  gegebenen  Auftrage 
verfehle  ich  niclit  i^.im/  l-i liors.imsi  /u  tmltlcn.  dass,  nacli  den«  InhaUe  der 
Petition  der  Freiwiiligen,  die  Bitte  mein  aut  eine  Gratilkation  in  Geld, 
sondern  auf  die  Verleihung  eines  Kreuzes  an  einem  Bande,  zum  Andenken 
an  die  Befreiung  des  Vaterlandes  und  an  ihren  lobenswerthen  Eifer,  ge- 
riditel  war. 

Mein  Ciut:K'!nci;  f-:.inn  iI.i'kt  auch  nicht  .»nders  lauten,  .tIs  ^l.üijn,  d.i*;s  den 
wenigen  ircugcl^iiebcncn  i  rciwilhgen  eine  angemessene  Summe  gnadigst 
bewilligt  werden  möge,  um  sich,  zum  Andenken  an  ihren  hohen  Beruf,  ein 
Hand  mit  einem  silbernen  Kreuz  .m/uschati'en,  auf  dessen  einer  Seite  das 
Motto,  welches  die  ]■  I  ei  \  illiiiien  der  Stadl  Frankfurt  tragen,  mit  der  Jahres- 
zahl »181 5.  iSi).  I  ii  Jcr  .imieren  Seite  die  Worte  »Fuld«,  »General-Ciouver- 
nenicnt  Frankfurt«  graviri  wurden. 

Das  Band  würde  die  Farbe  des  Fuldaer  Landes,  gelb  mit  weisser  Einfassung, 
erhallen  und,  da  sämmtUche  Herrn  Offiziers  des  Fuldaer  Bataillons  freiwillig 

sind,  so  würden  sie  es  sich  zur  besonderen  Ehre  anrechnen,  dieses  Zeichen, 
als  ein  Denkmal  ihres  Kifers  für  da»  N'aterJand,  mit  der  übrigen  braven 
Mannscliaft  gleichnussig  /u  tragen. 

ge/.  Ph.  Baron  Zobel 
Major  und  Commandam. 

Dieser  Bericht  hatte  die  nachstehend  mitgeteilte  weitere  Corre- 
spomtenz  zur  Folge : 

Die  Armirungs^ooferena  des  General-Gouvemements  an  den  Major  und 
BatailloDS-Commandeur  Freiherm  v.  Zobel. 

l'r  .niktiirt,  den  20  VuL'nst  1814. 
Dem  Herrn  Major  und  Bataillons  (  nnin.uidanten  Freiher::)  v.  Zobel  sei 
noch  der  Wunsch  zu  erkennen  zu  geben,  dass  eine  tiamcntitche  Liste  der 
wenigen  zurückgebliebenen  treuen  Freiwilligen  eingereicht  und  die  dem 
Herrn  Major  angemessen  erscheinende  Sunmie  n.iher  bestimmt  werde,  worauf 
man  nicht  versäumen  werde,  das  Weitere  einzuleiten.  Um  kein  Missver- 
siandniss  unterlaufen  zu  lassen,  so  werde  bcnKTl<f.  es  scheine  als  sei  die 
Summe  zur  Besclvalfung  des  silbernen  Kreuzes  sanimt  Band  bestmimt.  Unter 
dieser  Voraussetzung  dürfte  es  zwcckm.1ssiger  sein,  wenn  den  wenigen  treu- 

5 


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-  66  — 


gebl^Mnm  Freiwilligen  Kreuz  und  Band  nach  der  vom  Herrn 
gebencn  Forni,  Inschrift  und  Farbe  gestellt  Wörde,  als  dass  ros 
die  Anscliatfung  selbst  überliesse. 


Der  Major  und  Batailions-Commandant  Freiherr  v.  Zobel  an  die 
rungs-ConfereDz  des  General^ouvernemeots. 

Frankfurt,  den  22.  Augi 
Nach  crli.iltcneni  Auftrage  einer  Hohen  Arniirungs-ConferLü/  Vec 
beigescäilos>cn  ^üe  n.imenrlic!ic  l.iste  der  ihrer  Pflicht  treugebii 
willigen  dct>  Hauiiioas  vorzukgcii,  mit  der  gchor&anistcn  Vcrsic 
es  gana  meineni  Wunsche  entspricht,  wenn  das  von  mir  in  V 
brachte  Kreuz,  dem  Schreiben  der  Hohen  Armirungs-Confurenz 
furt  den  20.  d.  M.  entsprechend,  durch  Hochdieselbe  gestellt  wer 
der  W  erth  Jes  Ges^enstandes  iinentllich  jjewinncn  muss. 

Die  ücn^  Schreiben   beigctügie  namentliche  Liste 
Offiziere',  53  Umcrolli/icrc  nnd  Jäger,  im  Gnnzen  75  Kö 

Die  Arniininus-Conlcren/  hatte  gleiclixcitit;  mit  dem 
an  Major  v.  Zobel  den  Kriegs-ComiT!is>.ir  H.uiptm.inn  W. 
gefordert,  sich  über  die  zweck  massigste  Art  der  Besch; 
Hhrenkreuzes  für  das  Landwehr- Bataillon  Fulda  zu  äussern, 
berichtete: 

Frauklurt,  den  30.  Augu 
Nachdem  sich  der  gehorsamst  Beriditende  mit  dem  Herrn  h 
V.  Zobel  benommen,  hat  derselbe  als  die  schicklichste  Ausaeichx 

Fuldaer  Freiwilligen  ein  silbemcs  Kreuz  nach  der  Grösse  und 
wie  solclits  in  der  Aiil.ipe  pe?eichnet  ist*  und  mit  welchem 
Herrn  Ohi/iiers  einverstanden  sind,  befunden. 
Der  lüesige  Silberarb eitcr  Heinrich  Philipp  Schott,  welcher  sc! 
ihnlidie  Arbeiten  für  die  alliirten  Truppen  verfertigt  hat,>  will  nach 
Accord  das  einzelne  Kreuz,  rein  und  stark  gearbeitet  (jL-duch  ohne 
für  2  (u)!Jcn  12  Kruii/cr  liefern.  Die  Inschriften  würden  dann  ci 
wofür  er  keine  Prci^höhuug  verlangt.  Die  eingeschlagenen  Buc 


'  Die  Natnen  der  Offiziere  waren  die  nachfolgenden  : 

A.  Bataillons-Stab :    Major  Freiherr    v.  Zobel,  A.^iiu'..iTit-Maj 
Rechnungsführer  Schlereth,  Bataillonsarzt  Hergen,  Lnterai 

B.  Offiziere  der  Compagnieen :  die  Hauptieute  Spiegel,  Auth,  Z 
Hang,  Saalmüller;  die  Oberlieutenanfs  Müller,  Schwarz, 
Odenw  t1  J.  Simon ;  die  Unterlieutenants  MerkeltRang,Saalmi 
Hckhardt,  Follcnius. 

Die  vorgenannten  Offiziere  erhielten  das  vom  Geucral-üouvcmet 
OflSziere  der  Linie  gestiftete  Ehrenkreoz  f&r  1814  (sidie  unter  No.  6)  1 

'  Die  Zeichnung  hat  sich  in  dem  betreffenden  Aktenstück  des 
Staats- Archivs  Marburg  nicht  vorgefunden. 

'  l>7e  Kimia  Joh.  Heinr.  Philipp  Schott  lieferte  auch  die  von  ilcni 
Landgrafen  Friedlich  V.  von  Hessen-Homburg  für  icine  Landokinuer 
den  Feldzugen  181 },  14,  15  Teil  genonunen,  am  22.  Mai  1819  gestiftet* 
gekreuzten  silbernen  Schwertern  bestehenden  Denkadchen. 


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-  «7  - 


Ziffern  würden  sich  nach  seiner  Behauptung  auf  den  kleinen  Feldern  des 
Kreuzes  deutlicher  auszeichnen,  als  die  gravirten.  Sollte  hingegen  die  In- 
schrift gravirt  werden,  welches  die  Meinimg  des  Herrn  iMajor  v.  Zobel  ist, 
SO  könnte  dies  hier  nui  durcb  den  Graveur  l'Allemand  geschehen,  wekher 
aber,  nach  bei  ihm  gemadtter  dessfalsiger  Anfrage^  erklärte,  dass  er  «ur 
Zcir  kcitic  derartige  Arbeit  übernehmen  könne,  weil  er  bereits  mit  bestelhen 
Arbeiten  übcrli.iufi  sei.  Soviel  ich  erfahren  hnbc.  dürfte  die  Crnvirung  eines 
Buchstabens  oder  einer  Zitfer  bei  ihm  3  Kreuzer,  foiglicii  die  ganze  Inschrift 
mit  swan«ig  Buchsuben  und  ZifiTem  einen  Gulden  kosten. 
Da  die  eigentliche  Farbe  des  Fuldaer  Landes  schwarz  mit  weisser  Einfassung 
ist  (die  gelbe  mit  weisser  Einfassung  war  nur  während  der  Regierung  des 
Prinzen  von  üranien  anf^enommen),  so  würde  das  Band  die  crstere  erhalten 
und  zwar  an  den  Randern  weiss  und  in  der  Mitte  des  schwarzen  Streifens 
noch  einen  weissen,  ähnlich  wie  bei  dem  Band  Ar  die  Frankfurter  Freiwilligen. 
Der  hiesige  Posamentirer  Ziegler  will  die  Elle  zu  ^5  Kreuzer  liefern.  V«  Elle 
ist  (ür  die  Decoration  hinreichend. 

Nach  diesen  Voraussetzungen  würde  die  eiu/elne  Decoration  mit  Band  und 
Kreuz  mit  eingeschlagener  insclirift  2  Gulden  21  Kreuzer  kosten,  gravirt 
hingegen  beiläuhg  }  Gulden  21  Kreuzer.  Der  gcsanimte  Kostenbetrag  käme 
demnach  för  die  im  Verzeichniss  enthaltenen  7$  Individuen  (mit  Inbegriff  der 
Herrn  Ofliziere)  im  ersteren  Falle  auf  176  Gulden  14  Kreuzer,  im  letzteren 
auf  2>i  Gulden  14  Krcu/er. 

Nach  der  Erklärung  des  Hctrn  Major  v.  Zobel  ist  das  mir  von  der  Hohen 
Armirungs-Cooferenz  mitgetheilte  namentliche  Verzdchniss  das  richtige  und 
hat  mk  derselbe  auf  mein  Ersuchen  um  die  Beilaj^  vom  17.  August  nur  ein 
mit  jenem  vom  22,  d.  M.  gleichlautendes  Veneidmiss  sugesteÜL 

Nodi  muss  ich  gehorsamst  bemerken,  dass  der  Silberarbtiter  Schott  die 
Lieferung  der  Kreuze  wegen  demialigen  Messgeschäften  erst  nach  Verlauf 

von  5  Monaten  bewerkstelligen  kann. 

hiwiefem  nun  die  wirkliche  Bestellung  für  Kreuz  und  Band  gcschelien  soll, 
darüber  sehe  ich  einer  Hohen  Wdsung  entgegen. 

gez.  Melzer 
Kriegscommissau-. 

Es  erfolgte  nunmehr  mit  Genehmigung  des  General-Gouver- 
nements nichstehenvie  Zuschriit  der  Armirungs-Conferenz  an  den 
Landwehr-Ausschu$s  in  Fidda: 

Frankfurt,  den  a.  September  1814. 

.^n  den  Landwehr-Ausschuss  in  Fulda. 

Beschluss.  Seine  Durchl.uiclu  der  Herr  Gcncr.il  Gouverneur  wollen,  dass  den 
treugcblicbenen  Fu!d;ier  Freiv.  illiu:cn  eine  ]jelol;i;ui':g  zur  .'\uszeichnung  ihrer 
Treue  erthcUt  werde.  Die  ;\rniirutigs-Contcren/.  hat  in  dieser  Absicht  die 
beiliegenden  Berichte  des  Herrn  Major  und  Bataillons^Commandanten  Frd- 
herm  v.  Zobel,  femer  den  Bericht  des  Herrn  Hauptmann  Melzer  eingezogen 
und  beeilt  sich,  beide  unter  .\uflage  Jer  RücksenLlLin;'  ileir.  r.anJwehr-Aus- 
schuss  niitzutheilcn,  v-clcheni  es  nunmehr  uberlassen  wird,  wenn  er  es  lur 
gut  findet,  diese  Arbeit  aut  Kosten  der  Fuldaer  Landwehrkas&e  in  l'ulda  selbst 
machen  zu  lassen. 

Die  Herrn  Offiziere  haben  sich  dahin  geeinigt,  das  Band  auf  ihre  Kosten 


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—  68  - 


sich  gidch  hier  anzuschaffen  un4  zu  tragen,  bis  das  Kreut  in  Ful 
und  angdiäflgt  s«in  wird,  was  auch  nicht  den  mindesten  Anstan 

gez.  M 

Der  Landwchr-Ausscliiiss  in  Fulda,  welcher  schon  der 

des  Departements  Fulda  an  Kurhessen  entgegensah  und 
selbstständige  Stellung  zu  wahren  suchte,  fand  sich  nicht  b« 
Wetter«  auf  die  Wünsche  der  Armirungs-Conferenz  einzUj 
erwiderte  derselben  d.  d.  Fulda  den  6.  September  1814: 

Bevor  wir  auf  den  Bcschluss  grossher)ro<^)icher  Arniiri!nf>s  Coi 
2.  J.  M.  eine  genügende  Antwort  zu  crtheilen  im  Stande  sind,  I 
der  Einsicht  der  wegen  Entweichung  eines  Hieiles  der  Fulda' 
wehr,  woran  die  Freiwilligen  besonders  Antheil  genommen  habe 
Untersuchungsacten.  Wir  li.ibcn  bereits  uni  Mittheilung  der  A 
und  behahen  um  einen  unist.in Jüchen  Ikriclu  auf  Jen  gemachte 
des  Herrn  Hataillons-CIommandeurs  bis  nach  genommener  Ei 
Acten,  ohne  welche  wir  uns  auf  Anträge  dieser  Art  nicht  einJa,* 
gehorsamst  vor. 

Vorläufig  glauben  wir  jedoch  bemerken  zu  müssen,  dass,  da  die 
vom  IT,  Dc?-cmbcr  v.J.  $  7  die  Auszeichnung  der  Freiwilligen  i 
selben  zugesicherten  Begünstigungen,  welche  wir  rucksichtlich  de 
sich  derMiben  nicht  unwQrdig  gemacht  haben,  in  jedem  vorkomi 
geltend  au  machen  bereit  sind,  bestimmt  ausspricht,  es  nicht  um 
sein  dürfte,  bei  diesen  gesetzlichen  Bestimmungen  stehen  zu  blei 
.Ansehung  der  für  die  Fuldaer  Freiwilligen  in  VorschLig  gehra 
rationen  besonders  dem  zu  lolgen,  was  in  dem  Fürstentiium  Ai 
iSeseriwIb  geschehen  ist  oder  noch  geschrien  wird,'  umsomt 
Fürstenthum  Fulda  semer  definitiven  Bestimmung  in  Kuraenc 
sehen  darf. 

Aber  dies  können  wir  auch  nicht  unberührt   Lisscti.  d.iss  dieser 
überhaupt  nicht  zum  Resson  des  Landwehr-Ausschusses,  als  v: 
Bureaus  der  Schaar  der  Freiwilligen  gehören  wird, 
(praes.  11.  Septb.  1814.)  gea.  Her 


'  5  7  des  Aufrufes  Sr.  Durclilaucht  des  Prinaen  Philipp  von  Hesse 
zur  Bildung  von  freiwilligen  Schaaren  vom  ii.  Dezember  181 5  lautete: 
Jeder  üfHciant,  welcher  den  Feldzug  mitgemaciu  liat,  wird  bei  sei 
ccment  im  Civildienst  besonders  berücksichtigt  und  ihm  bei  gleic 
fähigkeit  vor  solchen  Dienern,  deren  Verhältnisse  es  gestanet  h. 
der  Schaar  au  folgen,  der  \  i  r/ui:  eiiii,'er.iuuu  werden. 
Die  im  Felde  erworbenen  ülireiueicheii  berechtigen  einen  solchen 
vertheidiger  nicht  .Tllein  zu  einer  \  nr/iiglieheii  Heliirderung,  soni 
ihm  auch,  wenn  er  bei  sonst  untadellulier  Fuhrung  den  Dienst  z 
gen6thigt  wird,  das  Anrecht  auf  eine  um  die  Hälfte  zu  erhöben 
seines  Ranges 

*  Die  mit  dem  Departement  AschatTenburg  an  Bavern  übergetreten' 
und  Mannschalten  erhielten  d.-t«.  von  diesem  Staat  am  j.  Dezember  iXi 
bayrisclicn  Untcrthanen,  welche  an  den  Feldzügen  1813  und  ihi^  teilj 
gestiftete  Militär>Denkxeichen.  In  Kurhessen  wurde  die  Kricgsdenkman: 
Teilndimer  an  den  Befreiungskriegen  erst  am  14,  Min  182 1  gestiftet. 


j 


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-   69  - 


Die  erwartete  Abtretung  des  Departements  Fulda  erfolgte  aber 
noch  nicht.  Es  wurde  dagegen  am  8.  September  vom  General- 
Commnndo  des  VI.  deutschen  Armee-Corps  die  Beurlaubung  des 
Landwehr-ß.itaillons  Fulda  befohlen.  Dieser  Befehl,  welcher  gleich- 
zeitig die  Stiftung  Jcs  Ehrenkreuzes  endgültig  aussprach,  kreuzte  sich 
mit  dem  Schreiben  des  Land  wehr- Ausschusses  Fulda  vom  6.  Sep- 
tember, welches  erst  am  U.  desselben  Monates  zur  Vorlage  bei  dem 
General-Gouvernement  kam.  In  dem  Befehl»  welcher  die  Beurlaubung 
des  Landwehr-Bataillons  verfugt,  heisst  es  unter  Anderem: 

Frankfurt,  den  9.  September  1S14. 

Nachdem  S«;ine  DurchJaucht  der  Herr  General-Gouverneur  Fürst  Keuss  in 
Uebertfinstimmung  mit  Seiner  Durchlaucht  dem  k.  k.  dstreichischen  Fcld- 
niarschall-IJeutenant  Herrn  Prinz  von  Hessen- Homburg,  Commandanten  des 
6.  Annee-CorpSp  unter  dem  gestrigen  xu  befehlen  geruhet  haben: 

1)  dass  den  Herrn  Offiziers  des  Fuldaischen  Landwehr-Batailluns  anzu- 
deuten sei,  alle,  welche  ihren  Abschied  wünschten,  hätten  sich  nunmehr 

darum  zu  iia-Kicn ; 

2)  jene  Fuldaer  Landwehr männer,  welciie  ihrer  Fahne  stets  treu  gebheben, 
seien  in  ein  namentliches  Verzdchniss  mit  Beisebsung  der  Compagnie 
und  des  Geburtsortes  xu  bringen  und  dieses  Veraetchntss.  schleunigst 

vorzulegen,  indem  jeder  derselben  einen  grossen  Thaler  --  nämlich 

.   2  Gulden  p  Krfii:^er  —  erhalten  sollte,  zu  dessen  Verabreichung  die 

Arniiruiigs-CüiiJerenz  von  Seiner  Üurchlaucht  bereits  auiorisirt  ist; 
j)  etc.  etc.    .    .  . 

10)  Den  Herrn  üftizicrai  der  Landwehr  und  ircugcblicbenen  Frciwiüigcn 
werde  hiermit  die  Tragung  des  Kreuzes  und  des  vorgcscidagenen 
Bandes  bewilligt.  Da  aber  die  Anfertigung  eines  silbernen  Kreuzes 
lür  die  Soldaten  eine  unnöthige  Ausgabe  sei  und  zur  Verkaufung  dieses 
Fhreii/cichens  gewiss  .Vnl.iss  fjeben  könne,  sr»  sei  dasselbe  aus  lackirteni 
Kupicrbiech  tertigen  zu  lassen,  mit  der  gewöhnlichen  Inschrift  und 
Jahreszahl,  nach  einem  kleineren  Format.  Von  den  Herrn  OlHziers 
hänge  es  ab,  sich  das  Kreuz  machen  zu  lassen. 

11)  etc.  etc. 

14)  In  Ansehung  des  kupfernen  statt  eines  silbernen  Kreu^ics  und  der 

übrigen  von  Seiner  Durchlaucht  dieserhalb  gegen  die  bereits  erl.isscne 
Weisung  getrorieiien  AnordmnH'cii  h.ibcn  ilas  Fuldaer  Landwehr- 
Bataillons-Comniaado  und  der  i  uldacr  Lauuwehr-Ausscliuss  sich  in's 
Einvernehmen  zu  setzen. 

Der  am  1 1 .  September  dem  General-Gouvemcmcnt  zugegangene 
Bericht  des  Landwehr-Ausschusses  Fulda  vom  6.  wurde  am  12.  dem 
Major  V.  Zobel  zur  Begutachtung  zugeschrieben.  Derselbe  entattete 
dem  General-Gouverneur  Fürst  Reuss  persönlich  Meldung  und  in 
Fulge  dieser  Auseinandersetzung  und  nachdem  inzwischen  die  Stiftung 
des  Ehrenkreuzes  in  der  Verfügung  vom  9.  ad  10)  förmlich  aus^e> 


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! 


-  TO  - 

sprechen  worden  war,  wies  der  letztere  die  Hinwendungen 
wehr-Ausschusses  l'tilda  durch  oachsteiiende  endgültige  Eni 
auf  das  Bestimmteste  zurück  : 

Frankfurt,  den  14.  September  1814. 
Ich  habe  diesen  unangendinien  \'orfall  untersucht,  richten  utid 
Recht  ergclien  lassen.  Was  Ich  als  General-Gouvemcur  bcfohlei 
darf  keiner  weiteren  Revision.  Das  Beste  ist  for  einen  Jeden,  still  zi 
und  zu  vcr(;c5scn.  Das,  was  ich  wegen  des  Ehrenkreuzes  bef* 
niuss  aut  der  Stelle  exequirl  werden.  Eine  weitere  F.iiisiclil  der 
wird  und  braucht  Niemand  mehr  zu  eflialtet).  Dies  ist  im  Üi 
Herrn  Präl'cctcn  in  Fuld  zuzusenden. 

gez.  Ueuss, 
General-Gouv 

Die  Stiftimosfrage  des  Hhrenkreuzes  fand  durch  diese  \ 
ihren  Abschluss.  M.\]or  v.  Zobel  Hess  für  die  22  in  der  nair 
Liste  aufgeführten  Offiziere  des  Bataillons  die  silbernen  Kj 
dem  Silberarbeiter  Schott  in  Frankfurt  anfenigen.  Derseli: 
nach  Ausweis  der  Geschäftsbücher: 

am  12.  September  1814 :  2  vergoldete  Kreuze  für  Fuk 
willige,  zusammen     Loih  scliwer,  für  7  Gulden  24 

am  16.  September  1814:  26  tuldaische  Ordenskreuzc 
Gravi ren  und  Vergoldung,  zusammen  9V«  Loth  sc\ 
$3  Gulden  12  Kreuzer. 

Die  zuerst  gelieferten  beiden  Kreuze  waren  jedenfalls  7 
angefertigt.  Im  Ganzen  liefene  Schott  28  silber- vergoldete 
von  denen  jedes  Loth  wog  und  3  Gulden  12  Kreuzet 
Die  zum  Tragen  des  Kreuzes  Berechtigten  erhielten,  nach  dem  i 
der  Arminings-Conferenz  vom  14.  November  18 14,  das  nach 
Besitz-Zeugniss : 

Nachdem  Seine  Durchlaucht  der  Herr  Gener.il-Gouvemeur,  Fürst 
Greiz,  in  L'ebereinkunft  mit  Seiner  Durchlaucht  dem  k.  k.  ösi 
Feldmarsdiall  •  Licutcnam  Prinz   von   Hessen-Homburg,  Conmu 
6.  Armee-Corps,  am  8.  September  t8i4  bew'illigt  und  angeordr 
»den  Herrn  Ofäzieren  des  Fuldaer^Landwehr-Bataillons  und  de 
trci^cbliebcnen  Freiwilligen  werde  hiermit  die  Training  des  Krcii/i 
vorgeschl.i-'ei'cn  Bandes  zugestandene,  so  wird  diese  HOchste  Auori 
Erlaubnis^  'ur  I  eiritiniatii^ti  hicrdurcli  bckuruiet 
Am  I.Januar  iSi)  richtete  das  B.u,iillcins-(x)ni!Tiando 
General-Gouvernemciit  die  Bitte :  Seine  Diii\;hh\uwhi  der  Füi 
selbst,  dessen  Adjutanten  die  Majors  v.  Geldern  und  v.  K 
Feldkriegs-Commissar  Herdiiczka',  sowie  der  Siaatsraih  v. 

*  Im  östrcichischen  Militär-Schematisnius  von  1S14  als  »Feld-Kricgs-C 
Herdiiczka«  aufgef&hrt.  Er  wird  in  Frankfurter  Berichten  »v.  Herdlischa«,  »k- 
auch  »Herdliska«  genannt. 


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7« 


möchten  das  den  Offizieren  des  Fiildacr  Landwehr-Bataillons  verliehene 
Ehrenkreuz,  zur  Erinnerung  an  die  Ereignisse  des  Jahres  1814,  an- 
legen. Es  wurde  dieser  Bitte  entsprochen.  Der  Eiirst  dankte  durch 
das  nachstehende  Schreiben  an  den  Major  Freiherrn  v.  Zobel,  d.  d. 
Frankfurt  den  3.  Februar  1815: 

Ich  statte  hiermit  dirni  Herrn  Bataillons-Coninundantcti  des  Fuldaer  Land- 
wehr-Bataillons und  den  Offiziers  Meinen  Dank  ab  für  das  Ehrenzeichen, 
welches  diese  Herrn  Offiziers  trafen  und  mir  überschickt  haben,  welches  Ich 
zu  Ehren  dieser  Zeit  und  Krieges  tragen  und  aufbewahren  werde. 

gez.  Rcuss  XIII. 
General-Gouverneur,  Fürst. 

Nach  dem  Protokoll  der  Arniirungs-Confercnz  vom  29.  März  1815 
wurden  dem  Major  v.  Roth  und  Staatsrath  v.  Molitor  an  diesem  Tage 
die  Diplome  zugestellt.'  Major  v.  Geldern  und  Feldkriegs-Commissär 
Herdliczka  erhielten  keine  Besitzzeugnisse,  »da  jene  Herrn  in  öst- 
reichischen  Diensten  stehen  und  ihnen  das  Tragen  des  Ehrenkreuzes 
dort  verboten  wird.* 

Das  für  die  Offiziere  bestimmte  Ehrenkreuz,  welches  nicht,  wie 
Anfangs  beabsichtigt,  in  Silber,  sondern  silber- vergoldet  bei  dem 
Silberarbeiter  Joh.  Heinr.  Philipp  Schott  in  Frankfurt  angefertigt 
wurde  und  welches  sich  dieselben  auf  eigene  Kosten  beschafften'. 


'  Das  Diplüm  für  den  Staaisraili  Molitor  lautete : 

Nachdem  S.  HochfQrstliche  Durchlaucht  der  k.  k.  östreichische  Feldzeugnicisier 
und  General-Gouverneur  des  Gcneral-Gouvemements  Frankfurt,  Heinrich  XIII., 
regierender  Fürst  von  Reuss-Greiz  etc.  etc.,  in  Uebereinkunft  mit  S.  Durch- 
laucht dem  k.  k.  östreichischen  Herrn  Feldniarschall-l.ieuienant  Prinz  Philipp 
von  Hessen-Homburg,  Conimandant  des  6.  .\rniee-Corps,  am  &.  September  v.  J. 
bewilligt  und  angeordnet  haben,  dass  die  Herrn  Offiziers  des  2.  Landwehr- 
Bataillons  des  General-Gouvernements  Frankfurt,  sowie  die  Fuldaer  treuge- 
bliebencn  Freiwilligen,  das  vorgeschlagene  Kreuz  und  Band  zu  tragen  hätten, 
und  nachdem  gedachtes  2.  Landwehr-Bataillon  Seiner  Hochfürstlichen  Durch- 
laucht den  Wunsch  geäussert  hat,  dass  dem  Herrn  Staatsrath  v.  Molitor  die 
gnädigste  Erlaubniss  ertheilt  werden  m6chte,  auch  dieses  Ehrenzeichen  zu  tragen, 
und  S.  Hochfürstliche  Durchlaucht  d.  d.  Wien  und  praes.  Frankfurt  den 
j.  Februar  1.  J.  diesem  unterthänigsten  Wunsche  gnädigst  zu  entsprechen 
geruhet  haben,  so  wird  dem  Herrn  Staatsrath  v.  Molitor  gegenwärtiges  Diplom 
zu  seiner  darüber  erforderlichen  Legitimation  andurch  ertheilt. 

*  Vergleiche  darüber,  am  Schluss  von  No.  6,  die  Verfügung  der  k.  k.  Staats- 
kanzlei, d.  d.  Wien  den  29.  November  1815. 

'  Der  (ausser  den»  S.  75  zu  erwähnenden)  wohl  einzig  dastehende  Fall,  dass 
Decorirte  sich  das  ihnen  verliehene  Ehrenzeichen  aus  eigenen  Mitteln  anfertigen 
lassen  nnissten,  wird  dadurch  bewiesen,  dass  sich  in  den  Ausgabebüchern  der 
Fuldaer  Landwehrkassc  kein  Eintrag  über  eine  Ausgabe  dieser  Art  vorfindet. 


-   72  - 


ist  nachsichcnd  nach  dem  Original-bxcmplai,  wcLhcs  de 
Gouverneur  l  ursi  Heinrich  Xlll.  zu  Reuss-Greiz  selbst  gel 
abgcbilUet  worden.' 


Das  Kreuz,  welches  aus  starkem  Silberblecb  ausgeschn 
vcri^oldet  ist,  hat  eine  Höhe  und  Brette  von  27  Millimetern, 
auf  dem  oberen  Arm  der  Vorderseite  das  Wort  »Fulda«,  auf  d 
die  Seitenarme  gebildeten  wagrechten  Feld  die  Buchstaben  » 
(General-Gouvemcment  Frankfurt),  auf  dem  unteren  Arm  d: 
jalir  »1814.«  Auf  der  Rückseite  zeigt  der  obere  Arm  die  B 
»M.  G.«,  das  durch  die  Seitenarme  gebildete  wagrechtc  Feld  »1 
(Mit  Gott  für*s  Deutsche  Vaterland),  und  der  untere  Arm 
der  Formation  des  Bataillons:  »181 3.«  Die  Buchstaben  ui 
sind  aus  freier  Hand  in  lateinischer  Schrift  gravin.  Die  Krc 
sind  stark  geschweift.  Das  Ehrenkreuz  wurde  am  schwarz 
mit  weissen  Seitenstreifen  und  einem  schmalen  weissen  Mit 
auf  der  linken  Brust  getragen. 

Die  Freiwilligen  de^  Baiaillons,  welchen  die  Berechti 
gesprochen  worden  war,  das  Kreuz  aus  Kupferblech  in 


*  Die  Abbildung  der  Fuldaer  Ehrenkreuze  auf  den  bdgefi^gter 

Tafciti  licss  sich  nicht  cmioglichcn.  weil  die  Orginalexemplare  erst  n 
Stellung  der  letzteren  aufgefunden  worden  sind. 


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-  73  - 


Format  tragen  zu  dörlen,  liessen  sich  dasselbe  in  der  nachstehend 
abgebildeten  Form  anfertigen:' 


Diese,  aus  surkem  Kupferblech  ausgeschnittenen,  vergoldeten 
Kreuze  sind  nur  26  Millimeter  hoch  und  breit.  Die  Arme  sind  weniger 
geschweift»  wie  bei  den  Offizierkreuzen,  auch  in  der  Gravirang  weichen 
sie  von  denselben  ab.  Auf  der  Vorderseite  fehlt  das  Wort  »Fulda.« 
Die  drei  oberen  Arme  der  Kreuze  tragen  die  Buchsuben  »G.  G.  F.« 
(General-Gouvernement  Frankfurt),  der  untere  Arm  das  Kriegsjahr 
»1814.«  Auf  der  Rückseite  zeigt  der  obere  Arm  die  Buchstaben  »M.  G.«, 
das  durch  die  Seitenarme  gebildete  wagrechte  Feld :  »F.  D*  V.«  (Mit 
Gott  für  Deutsches  Vaterland),  und  der  untere  Arm  das  Jahr  der 
Formation  des  Bataillons  »181 3.«  Die  Kreuze  wurden,  an  demselben 
Bande  wie  das  Offizierkreuz,  auf  der  linken  Brust  getragen.' 


'  Die  Zeichnuiig  ist  dem  Original-Exemplar  nachgebildet,  welches  sich  in  der 

Sammlung  des  in  Weimar  verstorbenen  Bergrathes  Hofinaon  befindet. 

'  Von  beiden  Klassen  des  Hbrenkreui^es  existiren  aus  freier  Hand  geschnittene 
Nachbildungen.  —  In:  »Schulze,  Chronik  sainnitlicher  bck.inmcr  Orden  und  Ehren- 
Kidieii.  Berlni  185}«  ist  anf  Tafel  XVII,  Figur  29  und  jo,  ein  »Militär- Bhren- 
kieut  der  Freiwilligen  des  Departements  Fulda  18 13.  1814«  al^ebOdet,  welches  von 
der  oben  gegebenen  Darstellung  abweicht.  Die  Vorlage,  nadi  welcher  jene  Ab- 
bildung gexeichnet  ist,  kann  nicht  nachgewiesen  werden. 


6.  Ehrenkreuz,  verliehen  vom  General-Gouvernement  Frankfurt 
an  die  Üitiziere  der  Linie  für  1614. 


Nachdem  der  Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfun,  sowie  den 
Offizieren  und  treugebliebenen  Freiwilligen  des  2.  Landwehr-Bataillons 
(Fulda)  ein  Erinnerungszeichen  an  den  Feldzug  18 14  verliehen  worden 
war»  machte  sich  bei  den  Offizieren  der  Linie  der  Truppen  des 
General-Gouvernements  der  Wunsch  geltend,  dass  auch  ihnen  ein 
Erinnerungszeichen  an  jenes  Kriegsjahr  gegeben  werden  möchte. 
Auf  eine  diesbezügliche  Anregung  ersuchte  der  General-Gouverneur 
Fürst  Heinrich  XIIL  von  Reuss- Greiz  mittelst  Schreibens  vom 
22.  September  1814  den  Senat:  er  möge  die  der  Schaar  der  Frei* 
willigen  verliehene  Denkmfinze  als  ein  Erinnerungszeichen  auch  an 
alle  Offiziere  -  der  Contingents-Bauillone  verausgaben.  Der  Senat 
lehnte  durch  einen  Beschloss  vom  27.  September  1814  dieses  Ersuchen 
ab»  weil  die  Inschrift  der  Denkmünze  (Schaar  der  Freiwilligen)  nicht 
dem  angeregten  Zweck  entspreche. 

In  Folge  dessen  fasste  der  Ffirst  den  Entschluss,  selbstständig 
ein  Ehrenkreuz  fär  die  Linien-Offiziere  der  Truppen  des  General- 
Gouvernements  zu  sriften.  Nachdem  die  Armirungs-Conferenz  Vor- 
schlage  und  den  Entwurf  zu  einem  Ehrenzeichen,  welehes  der 
Münzmechanikus  TomschQtz  in  Frankfurt '  fertigen  sollte,  eingereicht 
hatte,  erhielt  dieselbe  am  50.  Oktober  1814  von  dem  Vice-GeneraK 
Gouverneur,  k.k.  östreichischenFeldmarschalULieutenant  Graf  Hardegg, 
nachstehenden  Befehl:' 

Zufolge  einer  vorläufigen  Notiz  Seiner  Durchlaucht  des  General-Gouverneurs 
vom  22.  Ociober  d.  J.  haben  Hochdieselben  den  Vorschlag  der  Armirungs- 


'  Münzmechanikus  S.imiie)  Tonüschütr.  ircboren  am  ii.  Apnl  17.S1  in  W'eissen- 
fels,  gestorben  am  21.  Juli  i-S^cj  a:^  MLiii/inci-.ter  in  Frankfurt  .im  Main. 

*  Sammliichc  ini  l-olgciiden  benutzten  Berichte  und  Listen  sind  dem  im  kgl. 
Staatsarchiv  in  Wiesbaden  befindlichen  Actenfasdkel :  »Ehrenicreut  fikr  Frankfurter 
Militair,  von  S.  Hochfurstlichen  Durchlaucht  dem  Geoeral-Gouvemeur  Fürst  von 
Reuss-Grds  gestiftet«  entnommen. 


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—   75  - 


Conferenz  zur  Stiftung  eines  Ehrenkreuzes  für  das  IVankfurtcr  Officicrkorps, 
welches  f!cli  in  (kni  letzten  Krieg  für  unsere  Freiheit  verwenden  liess*  voll» 

ständii^  ^•Liic-hüiipt. 

Die  Armirungs-Conlcren/  wird  nun  nacli  iiucni  \  orsclilag  vom  14.  Üctober 
das  Weitere  veranlai»en  und  daft^r  besorgt  sein,  da»  nicht  ein  oder  der 
andere  Offizier  den  Orden  trage,  ehe  nicht  alle  Kreuze  fertig  sind  und  alle 

Herrn  Offiziers  zu  gleicher  Zeit  damit  erscheinen  können. 

Der  regelmässigen  (Weichheit  wegen  lege  ich  die  Zeichnung  und  den  Plan 

zu  diesem  Ehrenkreuze  hier  nochmals  bei. 

gez.  Hardegg,  F.MXieut, 

Auf  dem  vorstehend  erwähnten  Plan  schrieb  Tonischütz  unter 
das  von  ihm  gezeichnete  Kreuz  (Abbildung  auf  Tafel  II  Nr.  12  u.  13): 

Das  Kreuz,  von  Metall  gegossen  und  der  Grund  schwarz  broncirt,  so  dass 
Buchstaben  und  Rand  gelb  erscheinen,  kostet  4  Gulden.  Die  Arbeit  wird 

14  Tage  dauern. 

D.is  Kreit?'  h.ingt  rin  einem  BiinJc  v(in  ;  i-.irbcii  deren  jede  dnr^h  einen 
kleinen  weissen  Streit  von  der  anderen  abgesondert  ist.  Die  5  Haupiiarbcn 
smd :  in  der  Mitte  gelb,  zur  Rechten  orange,  zur  Linken  schwan.  < 

Der  Betrag  fOr  die  zuerst  fertig  gestellten  50  Kreuze  wurde 
mit  200  Gulden  am  2^.  November  1814  an  TomschOtz  gezahlt.  Das 
Ehrenkreuz  sollte  nach  der  ursprünglichen  Absicht  nur  an  den  Stab 
des  General  -  Gouvernements  und  sämmtliche  Offiziere  verliehen 
werden.  Die  Verausgabung  wurde  jedoch  auf  eine  Anzahl  von 
Beamten,  welche  sich  um  die  Truppen  verdient  gemacht  hatten,  und 
kurz  vor  der  AufKisung  des  General-Gottverncmcnts'  auch  auf  alle 
Stabsoffiziere  des  Landsturmes  und  diejenigen  Personen  ausgedehnt, 
welche  demselben  hervorragende  Dienste  geleistet  hatten.  Der 
General-Gouverneur,  Fürst  Heinrich  XIIL,  legte  das  Ehrenkreuz  selbst 
an  und  trug  es  an  dem  Bande  von  der  vorgeschriebenen  Breite  um 
den  Hals.'  Er  verlieh  das  Kreuz  mit  dem  dazu  gehörigen  Diplom 
an  100  Offiziere  und  Beamte  zum  Tragen  auf  der  linken  Brust. 
Ausserdem  erhielten  42  Personen  das  Diplom  und  es  wurde  den- 
selben überl.issen,  sich  das  Ehrenkreuz  aus  eigenen  Mitteln  zu 
beschaffen.  Die  beiden  Verzeichnisse  der  mit  dem  Kreuze  Beliehenen 
werden  nachstehend  wiedergegeben: 


'  Das  Band  wurde  vom  Posainentirer  SchSfcr  in  Frankfurt  geliefert. 

*  Die  AuflOcnng  des  General-Gouvernements  erfolgte  am  ao.  Juni  1815. 

J  Das  Ehrcnkrcu/,  welches  Ftrrst  Heinrich  XIII.  von  Renss-Grci/.  .ils  (»eneral- 
Gouverneur  von  Frankfurt  getragen  hat.  befindet  steh  ebenso  wie  das  von  ihm 
getragene,  S.  72  crwalmte  Exemplar  des  l'uldaer  Ü»hzier<.kreuzes  zur  Zeit  im  ücsitz 

Seiner  Durchlaucht  des  regierenden  Forsten  von  Reuss  ilterer  ISaak,  Heinridi  XXII. 
Ittsclirift»  ZaUeo,  Ränder  und  Ring  des  ersteren  sind  vergoldet. 


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-   7<  - 

I.  V  e r  z c i  eil n  i s s  derjenigen  Individuen,  welche  das  von 
Seiner  Durclil.iucht  dem  Herrn  Ge  n er a I - G  o u  ve r ncur, 
regierenden  Fürsten  von  Keuss'Greiz,  für  das  Frank- 
furter Militär  gestiftete  Ehrenzeichen  nebst  Band 
und  Diplom  erhalten  haben. 

Ohne  Diplom:  S.  D.  der  FOrst  vcm  Reiis$>Greiz,  die  k.  k.  östreicfaisehen  OiBxierc: 
Feldmarschall-Lieutenant  Prinx  Philipp  v.  Hessen-Homburg,  Feldmarsdutl- 

Liculenant  Baron  iMarquari  -  (irozcllcs,  Major  v.  Schrocr,  die  Hauptleuit 
V.  OchnK-  und  v.  Lukacstch.  Obcrlieutenaut  v.  Hollmers,  der  Vice-General- 
Gouvcmeur  Anton  Grat'  Hardeggi 

niit  PMent  vom  27.  Dezember  1814:  vom  Frankfimer  Militär-Generalstab  die 
Majors  v.  Rodi  und  Freund,  Hauptmann  Kertz,  Kriegs-Zahlmeister  uod 
Directorlal-Rath  Baader,  die  Lieutenants  Hermann  und  Merznichi.  Artillerie 
Hauptmann  Jahn.  Vom  Contingent  und  der  Reserve :  Major  Schiller. 
Stabsauditur  Schott,  Hauptleutc:  Schweizer  1,  Klcnck,  Hcmm<;ricl),  Jacg^. 
Schüler  I,  Schuler  II,  Schweizer  II,  Deekcn,  Bon,  Auler,  Schuler  Hl,  die 
Ober-Lieutenants:  Hartmann,  Hofinann,  Schaafs,  v.  Schelm,  Rdmherr, 
Kraenner,  v.  Droege,  die  Unter-Lieutenants:  Baeumert,  Follenius,  Samm, 
Eder,  Ortwein,  M.uern.  v.  juliatte,  W.i]dsolinijdt,  v.  Busek  I,  v.  Busek  II, 
V.  Kdtzmaan,  Bataillonsarzt  Kdler,  Unterarzt  Hotmann,  Unter-Adjutant 
ißxsdalky,  Sdiwan,  FadL  Staatsradt  v.  MoUtor,  k.  bayr.  Oberst  v.  Weinrich, 
k.  bayr.  Hauptmann  Winter,  Geheimer  Rath  Dr.  Loehrl,  Hofrath  Dr.  Hahn, 
die  dstreichischen  Offiziere:  Oberst  v  Richter,  Major  v.  Geldern.  Haupt- 
mann V.  Firnholz,  Hauptmann  B.irtels,  FLlJkriegs-ConJmiss.ir  Hcrdliczka, 

nnt  Patent  vom  18.  Januar  Bannerherr  Grat  v.  Ingelheim  und  Landsturm- 

Oberst,  Justi/.rath  Hotniaun; 

mit  Patent  vom  4.  Feltruar  181 ;:  Hauptmann  Melzer,  Lieutenant  a.  D.  Graef, 
Präsident  des  Frankf.  Landwehr-Ausschusses  .Milius,  C)berst  beim  Fraiikf. 
Landsturm  v.  Kllrod,  Mitglied  des  Frankf.  Landwehr-Ausschusses  Director 
Stark,  Präsident  des  Organisaiions-Büreaus  der  Schaar  der  Freiwilligen  von 
Frankfurt  v.  Fichard,  Mitglied  dieses  Bureaus  Aubin,  Hauptmann  von  der 
Landwehr  Busch,  Lieutenant  von  der  Landwehr  v.  Heyden,  Ffkrsü.  Reuss*scher 
Bataillons-Arzt  Beilosa ; 

mit  Patent  vom  14.  Mär/  1815  t  riciier.i{-Bev()l!n\äcIit;ytcr  des  Frankfurter  L.ind- 
Sturms  Ihm,  die  Übersien  des  Fraukturtcr  Latidsturms:  v.  Leonhardi,  Mayer, 
Sarrasin,  Usener,  Bansa,  v.  Lersner,  Saueraker,  die  Majors:  v.  Bcthuunu, 
Schmidt,  Manskopf  und  Winckler; 

mit  Patent  vom  20.  Mär/  181  j:  Oberst  Graf  v.  Isenburg; 

mit  Patent  vom  10.  April  1815:  k.  östr.  Hofconmiissar  v.  Scliw inner.  ]<.  östr. 
Oberverpfiegini;?sver\va!ter  v.  Sti3s<;kv,  k.  östr.  Hot  k.uimier  ( ..issirer  v.  Mayer; 
vom  20.  April  i^^ij :  Obcrlicutcnant  bei  der  Frankfurter  Landwehr  Willeroer; 
vom  13.  April  181$:  k.  preuss.  Lieutenant  v.  Dorow,  k.  preuss.  Hospitil* 
Director  v.  Voss,  k.  östr.  .Major  v.  Galleotti;  vom  lO.  Mai  181;  :  General* 
Secretär  vnn  der  Frankfurter  Poli/ei  Severus;  vom  8.  Juni  1815:  k.  östr. 
Hauptmann  Loos,  vom  19.  Juni  1815:  k.  östr.  Oberst  v.  HroumJ.i  und 
Hauptmann  Schwmger,  der  Frankfurter  Polizei-Coiiunissar  Haaker,  k.  bayr. 
Präfectur-Rath  v.  Molitor; 

mit  Patent  vom  22.  October  181 ,:  die  beim  Minister  v.  H&gel  angestellten  Herrn 
V.  Emmerich  und  v.  Buchliolz. 


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-  11  - 


Das  mit  dem  Ehrenkreuz  überschtckte  Diplom  hatte  folgenden 
Wortlaut : 

Nachdem  S.  HochArstliche  Durchlaucht  der  Herr  General-Felditeogindster 

und  Gencral-GouveTDcnr,  der  repicrciufi.-  Fürst  Reuss-Crci-'.  d.  d.  Wien  am 
i6.  Dezemher  i.Si  j  ilic  Austheihmij  der  liir  li.is  I-ranktLirri.'r  Militfir  gestifteten 
Hlircnzeichcn  gnädigst  angeordnet  und  d.  d.  Wien  de  praesentato  }.  Februar  i8i$ 
dem  um  das  General-Gouvernement  sich  verdient  gemachten  Herrn  N.  N. 
ein  solches  Ehrenzeichen  zugedacht  haben: 

so  wird  dasselbe  dem  Herrn  N.  N.  sammt  Band  zugesendet,  um,  in  Kraft 
Dies€<;,  er\\-nhnies  Ehrenzeichen  zu  tragen  und  sich  durch  Gegenwärtiges 
hierzu  zu  legitiniircn. 

U.  Verzeicbniss  derjenigen  Individuen,  welche  wegen 
Tragung  des  von  Sr.  Durchlaucht  dem  Herrn  General- 
Gouverneur,  regierenden  Fürsten  von  Reuss-Greiz, 
für  das  Fran kfurter  Militär  gestifteten  Ehrenzeichens 
ein  Di  plom  erhalten  haben,  jedoch  ohne  die  Decoration 
selbst  zu  bekommen,  und  sich  aus  eigenen  Mitteln 

an  schaffen. 

Es  erhielten  lias  Diplom: 
am  14.  März  181$:  die  Majors  beim  Laruistiirni  Mettcnius,  Schcrbius,  Huth; 
am  12.  Mai:  Hauptmann  b.  d.  Landwelir  Rumpf; 
am  20.  Mai:  Grat  v.  Isenburg- Wächtersbach  ; 

am  10.  Juni:  Lieutenant  b.  d.  Landwclir  Fleischmann,  k.  preuss.  Generalmajor 
V.  Redlich»  k.  dstr.  Rittmeister  v.  Ratky,  k.  ösir.  Kassen-Commissdr  du  Chesne, 
k.  östr.  Polizei -Commissir  Weiland,  k.  preuss.  Hofrath  Ristclhuber.  fürstl. 
reuss'sche  Oherstlieutenant  v.  M.Trr.ns,  lurstl.  iscnbnrg'sclic  Major  v.  Mar- 
quard,  k.  östr,  Rath  Göhausen,  die  östr.  Hc.innen  v.  Hctnl  und  Hodak, 
vom  Frankfurter  Militär:  Major  Gral  v.  Heusenstamm,  die  Lieutenants 
V.  Molitor,  Kertz,  Walter,  Gegenbauer,  Miliar-Secretär  GAbbels,  Bataillons- 
arzt Berg,  Militir-Secretär  Reisinger,  nachfolgende  den  Rang  eines  Land- 
sturm-Obersten beploitcndcn  Mitglieder  des  Frankfurter  Landwehr-Aus- 
schusses: Setferheid,  Daehmer,  Bcraay,  Pilgram,  Böking,  GoulJet,  Dr.  )ur. 
Bucli,  Dr.  jur.  Eulcr,  Dr.  jur.  Heberiein ; 

am  Ii.  Jmu  iHij;  Abbe  DeLiuuay ; 

am  \\.  Juni  181  j :  Oberlieutcnant  de  Capadoce  Percira  und  Landsturm-Haupt- 
mann Scharf,  Hofgerichts-Rath  Dieta  au  Offenbach,  k.  Ösir.  HofoConcipist 
Schwan,  Frhr.  v.  Martini  zu  Wetzlar; 

am  19.  Juni  iSi  s :  Secretlr  Etwein,  Landsturm*Ritimei«ter  Malss  und  Landsturm* 
Hauptmann  Sinn. 

Das  Diplom  für  die  im  Verzeichniss  No.  II  genannten  Personen 
stimmt  im  ersten  Teil  mit  dem  ad  I  mitgeteilten  überein.  Der  Schluss- 
satz dagegen  lautet: 

so  wird  dem  Herrn  N.  N.  gegenwärtiges  Diplom  tugefertigt,  um,  in  Kralft 
dessen,  dieses  fihrenaeichen  tu  tragen  und  «ch  dadurch  hieran  lu  legitimiren. 


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-  78  - 


Am  5.  Juli  1815  erhielt  der  Commandeur  des  Frankfurter  Bataillons, 
Obersdieutenant  Schiller,  für  sein  Verhalten  im  Gefecht  bei  Selz  am 
26.  Juni  1815  vom  Pörsten  von  Reuss-Greiz  nachträglich  die  Er* 
laubniss,  das  Ehrenkreuz  um  den  Hais  tragen  zu  dürfen.  Das  ihm 
überscbiciite  »Nachtrags-Diplom«  lautete: 

Da  das  Frankfurter  Bataillon  sich  noch  in  den  letnen  Tagen  des  General 
Gouvernements  so  brav  vor  dem  Feinde  gchahen  und  Scir.L  Hoch!ür«lich; 
Durclüaucht  der  Herr  General  -  Gouverneur  in  dieser  gnädigsten  Berück 
sichtigung  dem  Herrn  OberstUeuteDatii  Schiller^  als  Bewds  Höchsänc 
Zufriedenheit  mit  seinem  Benehmen,  eine  Auszeichnung  zu  bewüUgeo  fdemh 
liaben.  so  ermächtigen  Seine  Hochfurstlichc  Durchlaucht  durch  Gegenwärtige 
den  Herrn  Oberstlicutenant,  das  von  Höchstdeniselbcn  fiestiftetc  Ehrcnzeichci 
welches  demselben  durch  Diplom  vom  27.  Dezember  v.  J.  coiiterirt  worüe 
an  dem  bestimmten  Bande  um  den  Hab  —  in  Kraft  des  gegenwärtigen  )4ac 
träges  ni  dem  am  37.  Dezember  v.  J.  ausgefertigten  Diplom  —  zu  trage 

Aus  einem  Protokoll  der  Armirungs-Conferenz  vom  25.  März  18 
geht  hervor,  d;iss  die  Truppcnbctchlshabcr  die  \"craui»gabung  d 
Ehrenkreuzes  auch  tur  die  UnuroÜizicre  und  Soldaten  erbeten  hatu 
Der  Bescheid  des  l  iirsten  lautete  aber  dahin,  dass  die  Verteihu 
des  Ehrenzeichens,  an  die  stehende  Truppe  sowoh),  als  an  die  Lai 
wehr,  »wegen  der  Depensen  noch  ausgesetzt  bleiben  aiiisse.u  I 
Verausu^ibung  an  die  Truppe  geschah  auch  später  nicht,  vermuthl 
wegen  der  bald  darauf  erfolgten  Autlö&ung  des  General -Gom 
nements. 

Das  Ehrenkreuz  (Tafel  II  Figur  12  und  15)  ist  aus  Bronze 
gössen,  der  Grund  schwarz  bronzirt,  so  dass  der  Rand  und  die  Sei 
heller  hervortreten.  Auf  der  Vorderseite  des  39  Millimeter  hohen 
breiten  Kreuzes  steht  im  Mittelschild  »Deutsch  II  Land«,  auf  den 
oberen  Armen  zeigen  sich  die  Initialen  der  verbündeten  Herrsc 
»Ar— Ii— FW.«  (Alexander].,  Franz  1.,  Friedrich  Wilhelm),  in  d 
Auftrag  der  Stifter  die  Militär- Angelegenheiten  im  Gener.il-Goi 
nement  verwaltet  hatte,  der  untere  Arm  des  Kreuzes  trägt  die  Ja 
zahl  »1814«.  Das  Mittelschild  der  Rückseite  zeigt  den  Nanienszu^ 
Fürsten  »HxiiiRG«  (Heinrich  XIII.  Reuss- Greiz).    Für  die  zi 
gegossenen  und  vielleicht  für  alle  Kreuze,  welche  für  die  ifj 
U.  Verzeichniss  aufgefühnen  Oftiziere  und  Beamten  angefertigt  \C' 
mussten,  benutzte  Tonischütz  eine  neue  Form.  Die  in  derselbe 
gosscnen  Exemplare  sind  nur  ^8  MiUimeter  hoch  und  breit  und  2 
in  der  Schrift  geringe  Abweichungen  von  dem  ersten  Modell. 
Vorder-  und  Rückseite  dieser  nachträglich  gegossenen  Kreu 
nachstehend,  nach  dem  in  der  städtischen  Münzsammlung  beEnd 
(bis  jetzt  einzig  bekannten)  Exemplar,  abgebildet: 


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—   79  — 


Das  Ehrenkreuz  wurde  an  einem  schwarz,  weiss,  gelb,  weiss  und 
oran«^e}arbif<en  Bande,  zusammengesetzt  aus  den  Landesfarben  von 
Russland,  Oestreich  und  Preusscn,  auf  der  linken  Brust  getragen. ' 

In  dem  k.  k,  östreichischcn  Staatsarchiv  in  Wien  finden  sich 
verschiedene  Schriftstücke  vor,  welche  auf  die  Stiftung  dieses  Kreuzes 
Bezug  haben  und  welche  die  damalige  Stellung  des  General-Gouver* 
neors»  Oestreich  gegenüber,  beleuchten.  Die  wichtigsten  derselben 
werden  nachstehend  mitgeteilt. 

Nachdem  mehrere  östreichische  Offiziere  und  Beamte  um  die 
Erlaubniss  nachgesucht  hatten,  das  ihnen  vom  General-Gouvernement 
verliehene  Hhrenkreuz  tragen  zu  dürfen,  richtete  die  k.  k.  llofkammer 
d.  d.  Wien  den  ii.  Mai  1815  an  die  k.  k.  Staatskanzlei  die  Anfrage: 
»ob  das  Frankfurter  Ehrenkreuz  mit  Genehmigung  Ihrer  Majestäten 
der  Kaiser  von  Oestreich  und  Russland,  dann  des  Königs  von  Preussen 

'  Für  die  Offiziere,  Unteroffiziere  und  Soldaten  des  Fürstlich  Reuss'schen 
BmOlons,  welche  an  dem  Kriege  18 14  Teil  genommen,  stifteten  die  damals 

regierenden  I'ürbton  Hcinricli  XIII.  von  Reuss-Greiz,  Heinrich  XLII.  von  Reuss- 
Schlei;",  Heinrich  LI.  von  Reuss-l-bcrsjorf  und  Heinrich  I.IV.  von  Reuss-Lobenstein 
gemeinschattlich  ein  Kreuz  aus  Kanonenmetall ,  welches ,  nach  Beendif^ung  des 
Krieges  von  181 5,  auch  denjenigen  verliehen  wurde,  welche  im  letztgenannten 
Jahre  mit  ausgerficict  waren  und  sich  noch  nicht  im  Besitz  desselben  befanden.  Die 
Statuten  für  dieses  Erinneningskrcu/:  entwarf  Fürst  Heinrich  XIII.  Die  Bänder  für 
d.is<;clbc  wurden  in  l-rankfurt,  wo  das  Bataillon  von  Mitte  Juli  bis  Mitte  .\ugust  1814 
am  Garnisondienst  Teil  nahm,  bei  einer  grossen  Parade,  im  Beisein  des  General- 
Gouverneurs  verteilt.  Die  damals  noch  nicht  fertig  gestellten  Kreuze  gelangten  erst 
nach  der  ROdikehr  des  Bataillons  in  die  FQrstentflmer  zur  Verausgabung. 

Das  Kreuz  aus  Kanonenmetall  ist  12  Millimeter  hoch  und  breit  und  wurde  an 
einem  schwarzen  Bande  mit  roten  und  gelben  Randstreifen,  den  Rcussiscbcn  N.itional- 
larben,  getragen.  Die  \'ordcrseite  tragt  im  MiitclschüJc  den  <jenieinsch;iltliclien 
fürstlichen  Nanicnszug:  «H.  R.«  (Heinrich  Reuss)  und  aul  den  vier  Armen  je  eine 
der  den  fürstlichen  Stiftern  angehörenden  Zahlen:  »XIII.  XLII.  LI.  UV.«  Die 
R&cksdte  zeigt  auf  dem  Mittdschilde,  in  einem  Lorbeerkranz,  die  Jahreszahl  »i8i4«* 


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—  8o  - 


(in  deren  Auftrag  der  Fürst  von  Rcuss-Grci/.  das  General -Gouver- 
nement Frankfurt  verwalte)  errichtet  und  ob  dessen  Verleihung  dem 
Herrn  Fürsten  von  Reuss-Grciz  überlassen  worden  sei?«  Der  Minister 
der  auswärtigen  Geschälte  Inirst  Metternicli  forderte  in  Folge  dessen 
den  k.  k.  Residenten  in  1  rankturt  Freiherrn  v.  Hügel  auf,  zu  berichten, 
was  es  eigentlich  nm  diesem  Kreuz  für  eine  Bewandniss  habe.  Hier- 
auf antwortete  Dieser,  d.  d.  Frankfurt  den  8.  September  1815: 

 Sowohl  die  l>ricntung  dieses  Hhrenkrcuzc;  <.c\h^\,  als  die  Vcr- 

tlK'iUing  sind  mir  £Tnn7  fremd  ecM'cben ,  und  weder  der  Herr  General- 
Gouvcmcur,  noch  irgend  hincr  seiner  Umgebung  hat  mir  jemais  davon  die 
entfemieste  Eröflhung  gemacht.  Auch  hat  kcitier  iler  Gouveroements-Räthe 
des  Grossherzogthimis  Frankfurt,  noch  einer  bd  der  Civiladtninistration  An- 
gestellter dieses  Kreuz  erhalten. 

Die  erste  .Anlage  enthält  das.  \v;is  ich  bis  )ct/.t  auf  die  vorgelegten  Fragen, 
ohne  Aufsehen  zu  erregen  und  olinc  Gctias:»igkeit  zu  vcranla&sen,  in  Erfahrung 
bringen  konnte. 

Eines  der  vom  Herrn  Fürsten  von  Reuss  selbst  ausgegebenen  Kreiue  1^ 

ich  hier  bei.  Das  Stück  ward  mit  4  Gulden  bei  einem  hiesigen  Schwertfcger 
bez-ihlt.  Da  .iber  die  Kinf.issung  des  Kreuzes  sehr  bald  schwarz  wurde,  so 
wurde  diese  spater  vergoldet.  Die  vermöglichen  hiesigen  Kaufleute  licssen 
sich  aber  in  der  letzten  Zdt  die  Decoration  von  Gold  machen,  wofür  28  Gulden 
per  Stock  bezahlt  wurde.  * 

Diejenigen,  welche  durch  ein  eigenes  Dccret  des  Herrn  Fürsten  ermächtigt 
wurden,  das  Kreuz  um  den  Il.il-^  tr.ipen,  wählten  dazu  ein  Band,  das 
beinahe  noch  einmal  so  breit  als  jenc^  des  beikommenden  ist.  ' 

Auf  All«,  was  durch  Vorstehendes  nicht  erschöpfet  ist,  wird  der  Herr 
Farst  von  Reuss  bestimmter  antworten  können.  Der  Wunsch  war  allgemein, 
dass  diese  Decoration  unterblieben  sein  niöge,  um  nicht  das  .\ndenkcn  ati 
den  Concordien-(.)rden  des  vormaligen  Grosshcr7:ot;thutns  {•'ranldurt  ru  er- 
neuern und  mit  diesem  in  eine  gleiche  oder  noch  geringere  Kategorie  gesetzt 
jsu  werden. 

Von  der  bdliegenden  Decoration  ist  dne  Denkmünze  zu  umerachdden, 

welche  die  Stadt  Frankfurt  bei  Loos  in  Berlin  für  alle  Freiwilligen,  welche 
dem  letzten  Feldzuge  bcigcuohni  b  ilden,  Ii.it  pr;i<?en  lassen  und  welche  die 
damit  von  den»  Senat  Beiliciltcu  mit  verdienter  Auszeichnung  an  einem  die 
Farben  des  städtischen  Wappens  enthaltenden  Ehrenbande  tragen.  Ich  glaube 
schon  früher  angezeigt  zu  haben,  dass  ich  der  feierlichen  Vertheilung  dieser 
Denkmünze  auf  otTenem  Rath  beigewohnt  und  das^i  der  Senat  mir  die  nim- 
liclie  Denkmünze  in  Gold  verehret  habe. 


<  Ein  sold)e6  massiv-goldenes  oder  doch  stark  vergoldetes,  sehr  ähnlich 
gearbeitetes  Kreuz  lag  dem  Verfasser  aus  Privatbesitz  vor.  —  Ordonnanzkreuae  mit 
(privatim)  später  vergoldeter  Sdunft  und  Rändern  finden  sich  mehrfach;  der  FQnt 
selbst  trug  ein  solches,  s.  S.  75  Xote  v 

'  Das  scheint  übertrieben  zu  sein.  In  dem  Bericht  zeigt  sich  der  Lnnuuh 
darüber,  dass  das  Uhrenkreuz  nicht  auch  an  die  Gouvernements-Räthc  des  Gruss- 
herzogthums  und  die  bei  der  CiviUAdministration  Angestellten  verliehen  worden 
war.  Der  General-Gouverneur  Fürst  Reuss  selbst  und  Oberst  v.  Schiller  tragen 
es  an  dem  vorschril'tsmässigen  (d.  h.  gewöhnlichen)  Bande  um  den  Hals. 


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Empfangen  Euer  förstliche  Gnaden  die  Versicherung  meiner  ge«*ohnten 
tiefen  Verehrung. 

gex.  I-.  H.  V.  Hügel,  m.  p. 

Das  von  Seiner  Durchlaucht  dein  ehemaligen  (lencrai-Gouvemeur  des  Gross- 
hcrjtoglhunis  Frankfurt,  Herrn  Fürsten  von  Reuss,  bei  Gelegenheit  der  Rück- 
kdir  der  Truppen  des  Grosslierzogcbums  aus  deni  vorigjährigen  Feldzuge 
gestiftete  Ebrenitreuz  soll,  wie  man  versichert,  ursprfingUch  daxu  bestimmt 
ijewesen  sein,  um  d;iniit  die  Herrn  OOiziere  besagter  Truppen  m  decoriren, 
welche  den  Fe!d/ut;  niiti;cnincht  haben. 

Von  dieser  aitUnglich  gelassten  Kutschliessung  scheinen  aber  Seme  Durch- 
Uudit  spitcr  abgekommen  xu  sein,  da  seitdem  nicht  nur  alle  Offiziere  des 
Grossherzogthums,  die  im  Felde  waren  und  zu  Hause  blieben,  und  alle  zu 
den  Militairbranchen  gchörii^cn  höheren  Heanuen.  •sondern  auch  <'ivildiener 
derselben,  sowie  Militair-  und  Civilpersonen  auswärtiger  .Staaten  damit  erfreut 
worden  sind. 

Auch  wurde  dasselbe  allen  Obristen  des  Landsturmes  und  einigen  sub- 
alternen Offizieren  desselben,  sowie  den  Offizieren  der  Landwehr  verliehen. 

Folgendes  sind  die  ö<;terrLMi;hischi.ii  Miiit.iir-  und  Givil-Personen,  welche 
dasselbe  durch  eigenes  Decrct  Seiner  Durchlaucht  und  der  Amiirungs-Conlerenx 
erlulten  haben: 

1)  der  vori^^e  Stadtconiniaudant  Major  Schrucr, 

2)  der  jetzige  Stadtconimandant  Obrist  Hromada« 
;)  der  FlOgeladjutant  Sr.  Durclil.  Major  Geldern, 

4)  der  vorige  Plat/hauptmann  v.  Pimholz, 

5)  der  vorige  Pl.it/h.iuptni.mn  Schwinsjer. 

6)  der  Tranyportcommandant  Hauptmann  Banels, 

7)  der  Kriegscommissair  Herilizcka, 

8)  der  k.  k.  Rath  utid  Hofsecretair  v.  GAhausen, 

9)  der  k.  k.  Polizei-Comniis<;.nr  \\  eiland, 
lo)  der  Hofcommissions-Rath  v.  .Schwinner. 

11^  die  bei  demselben  angestellten  Beamten,  nämlich: 
der  Cassier  Ma>-er, 
der  Cassaofficier  Duchesiie, 
der  Ilofconcipist  v.  BeiiiK 
der  Ingrossist  Hoddack. 

Die  Herrn  Ohrist  Hromada.  .Major  Geldern  und  Kriegscommissair  Hertlixcka 
erhieheti  unch  tht  T.i^c  der  .Auflösung  des  (»enenl-C^nncrnLirents  durch 
Decret  Sr.  Durchlaucht  die  Frmächtigung,  das  Kreuz  um  den  Hals  zu  tragen. 

Nach  der  Versicherung  einiger  der  benannten  Beamten  sollen  es  Sc.  kaiserl. 
Hoheit  der  Erzlierxog  Carl  und  der  Herr  Feldmarschall-Lieutenant  v.  Marquart 
tragen. 

Die  ersten  ausgetheilten  Kreuze  sind  .uis  ciiH'r  (^issa   der  .\rmirungs 
Günteren/  be«dhlt  worden.    Die  spateren  \  erieihungen  geschahen  durch  die 
Armirungs-Confcren.'.  mittelst  Decrets,  welches  die  vom  Herrn  FDrsten  ertheilte 
Erlaubniss  enthieh,  das  Kreuz  xu  tragen,  das  die  Individuen  sich  sodann 
kauften. 

Im  Anschluss  an  diesen  Bericht  ersuchte  die  k.  k.  Staatskanstlei, 
d.  d.  Wien  den  29.  September  181 5,  den  Fürsten  von  Reuss-Greix 

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um  emgdiende  Auskunft  über  die  Stiftung  des  Ehrenkreuxes.  Das 
bejEugliche  Schreiben  lautete: 

\\\  sind  liier  wrschit'ilcDC  Falle  von  (>ivilbeamten  liiiJ  Milii.iirpcrv»ncn 
vorgckoninicn,  welche  die  AllerhochsTc  Kriaubniss  ange«-iichl  haben,  das  von 
E.  E.  denselben  veriicliejie  ührenkreu/  tragen  /u  «lürleii. 

Da  ich  von  der  Stiftung  dieses  Khrenzeicheits  nicht  genugsam  uiiterrichttft 
bin  und  mir  unbekannt  in,  in  wie  weit  Se.  Majestät  der  Kaiser  Iiieicu  Aller- 
höchstden»  Zustimmun<;  /ur  Stittiinf^  und  \'ertiieilun}4  desselben  tu  ertheilcn 
geruhet  haben,  >«)  ersuche  ich  Ii.  IL,  mich  hievoii  durch  eine  umständlichi: 
Auskunlt  in  die  nothige  Kenntniss  sel/en  /u  wollen. 

Seine  i>urchhuicln  der  Fürst,  welcher  bekanntlich  am  20.  Juni 
181  j  die  Verwaltung  des  General-Gouvernements  niedergelegt  hatte, 
schrieb  in  1  ol^e  dessen,  d,  d.  Greiz  den  9.  November  1815,  an  die 
k.  k.  Staatskan/lei : 

Aul  l-'uer  Hociuvohigeboren  vor  einigen  Ingen  hier  in  Greiz  vorgetundtiK 
Anfrage  über  das  Frankfurter  Hliren/'.eichen,  d.  d.  29.  September,  habe  ich 
die  Ehre,  den  Verlauf  der  Sache  Deneniielben  mit  Folgendem  xur  Wiftseit- 
Schaft  zu  bringen. 

Die  Stadt  Frankfurt  Hess  aus  Dankbarkeit  eine  Medaille  als  Ehrenzeichen 
für  ihre  /um  Feldzuge  1X14  freiwillig  sich  gestellten  Hüri,'crsnl:nc  prigeti  uiui 
bat  mich,  als  General-Gouverneur,  um  die  Kriaubniss  /u  deren  \  crtbeilun^. 

Ich  widerrieth  anfangs,  anstatt  xu  verbieten,  solche  Idee  einer  müitairiscbcn 
Auszeichnung  in  einem  so  kleinen  Staat,  allein  nach  mehreren  Wochen 
unablässiger  St^llicitirung  gab  ich  endlich  den  Bitten  des  Stadtrathes  nach 
Diese  Aus/cic!nuing,  an  ticr  die  Linien-  und  l  .indwehr-Truppen  des  Gener.il 
(HMnerneti!c;n^  nach  dem  Sinne  des  Magistrats  keinen  Aruheii  nehnicti 
konnten,  be\v«)g  leutere  m  einer  ähnlichen  Bitte  an  midi  und,  um  keiiK 
Eifersucht  xwischen  den  Truppen  des  General-Gouvernements  aufkommen 
zu  lassen  und  die  Gemüther  /um  wetteifernden  Streben  nach  Nationalgetst 
iit  d  /u  gleichni.issiger  Mitwirkung  nach  dem  allgemeinen  Ziel  .i;ifrecht  ni 
erliaiten,  gewahrte  icli  —  nach  dem  Vorbilde  des  General-Gouvernements  m 
.Sav.hseti  —  auch  den  Contingents-Offizieren  die  Tragung  eines  von  ihnen  /u 
lihreii  der  drei  höchsten  Alliirten  selbst  in  Vorschlag  gebrachten  Khren- 
kreu/.es. 

Theiis  die  liestalt  dieses  Fhren^.eichens.  tliciK  das  Gefühl,  ebenfalls  /ur 
Belörderung  tiv  Anstrengungen  gegen  Frankreich  beigetragen  /u  hakü. 
reizte  nun  eine  Menge  anderer  Employei»  des  General- Gouvernements,  konighcl» 
preussische»  kaiserlich  russische  und  unter  anderen  auch  k.  k.  österreichisclic 
Militair-Pensonen  und  Civil-Reanne  /ur  Hitte  um  Schenkung  eines  solchen 
Zeichens  /um  Andenken,  ^v.ls  ich  unbedenklich  land. 

Ms  ich  /IS  Anfang  der  Canip.is^ne  dem  Hof  lager  und  Hauptquartier  folgte 
und  die  Rede  von  Auszeichnungen  war,  machte  ich  den  Fürsten  v.  Metternich 
und  den  Fürsten  v.  Schwarzenberg  mit  dem  Sinne  dieses  Frankfurter  Ehren- 
zeichens und  mit  dem  Motiv,  wie  es  entstanden  war,  mit  dem  Beisätze 
iH'kannt,  dass  ich  für  meine  Persnn  weit  entfernt  w:irc.  eine  Anmassung  ohne 
L  rsjche  mir  /u  erlauben.  Diese  fierrn.  wie  nicht  minder  Seine  kaiserliche 
Hoheit  der  Fr/.her/og  C^arl,  fanden  die  Sache  .uich  selir  /weckmassig  und 
atnworteten.  dass  ich  allerdings  hierdurch  die  Absicht,  den  Geist  zu  beleben, 
erreicht  hätte. 


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-  8j  - 


Wie  ich  unicrdessen  von  dem  kgl,  prcussiscilcn  Minislcrio,  welches  von 
mir  einst  eine  Auskunft  darüber  verlangt  hatte,  jet/t  /nfäTii;  in  Krlahruni: 
^el>r.icht  habe,  so  hat  ebenfalls  Seine  Majestät  der  König  vnu  l'reusscn  seinen 
k.  prcussischcn  Militair-  und  Civilpersoncn  (/.  B,  dem  Gcnerahuajor  v.  Ködltch)> 
Jte  sich  dies««  Zeichen  von  mir  erbaten,  auf  ihr  eigenes  Kinschreiien  die 
öri'cntliche  Tragung  desselben  erlaubt. 

DicstN  ist  Alle«-,  w.i--  icb  luicr  H( kIum .hlgeboren  über  den  Cjoi,'enstantl 
mit  vier  Wm ^'chci  Luii,'  icncr  luiw  .i!i*.i(.ip.uen,  vur/.üglichcii  Hochachtung  lu 
erwidern  die  Hiire  lubcn  ixaiin,  in  der  ich  verharre 

Huer  Hochwolgcboren 
ergebenster  Diener 
Reuss  XIII..  regierender  Fürst  von  Greiz, 
FeldxeugmeisKr  ni.  p. 

Die  Stüatskanzlei  erliess  nunmehr  am  29.  November  181 5  an 

die  Hofkammer  und  an  den  Hofgerichtsrath  die  nachstehende  Note: 

In  Erledigung  der  verehrten  Noten  wegen  Tragung  dt;»  von  dem  Fürsten 
von  Keuss  verschiedenen  k.  k.  Civil-  und  Militarpersonen  verliehenen  SOge- 
genanntcn  l-rankfurtcr  Rhrenkreu/es  hat  die  gcheinie  Hol-  und  Siaatskanzid 
die  Khre,  einer  iobiicliw  k  k.  Hotk;imnK'r  (löbl.  k  k.  Holkriegsrath)  /u 
erottnen,  dass  man  sowoiii  von  dem  vorigen  k.  k.  Minister  zu  Franklurt 
Fretherrn  v.  Hügel,  als  von  dem  ehemaligen  Gouverneur  die»er  Stadt  Fürsten 
von  Retiss  die  nöthig«  Auskunft  ijbcr  die  eigentliche  Bewandtniss  diese» 
Ehrenzeichens  abverlangt  hat. 

Ans  ihren  cin<feN:indten  Berichten  erhellet,  dass  dieses  bei  rieleecnheit  der 
Kuckkehr  der  Truppen  des  (irosshcr/ogtlmms  l-'rankt'urt  aus  dem  Feidzuge  1814 
vom  Herni  Fürsten  von  Reuss  gestiftete  KhreiMeiclien  ursprünglicii  daxu bestimmt 
gewesen,  die  Offiziere  besagter  Truppe  m  decoriren,  das«  es  aber  später 
auch  an  (livilbeamte  des  Grossher/ogthums  und  an  Militair-  und  Civilbeamt< 
tVcmder  Staaten  verliehen  ward  D.i  nun,  wie  der  Herr  V\:r<  von  Rcusn 
selbst  sagt,  er  /.ur  iirrichiuug  licN'^clben  eigentlich  nur  aul  dringendes  Uätten 
des  Frankfurter  Stadtrathes  bew  ogen  wiirden  sei,  wiew'ohl  er  vorher  selbst 
diese  Auszeichnung  in  einem  so  kleinen  Staate  als  Frankfurt  widerrathett 
hatte,  so  ist  die  geheime  Hof-  und  Staat s-Kan/lei  der  Meinung,  dass  ein 
solches  —  von  dem  Magistrate  der  St  idt  l'r.nikkirt  veranlasste*'  und  ursprünglich 
iiur  iixT  Decorirung  der  Truppen  des  (jrosslier/o^thums  bcsiiinmics  —  Ehren- 
/(Hchen  nicht  geeignet  sei,  voit  k.  k.  Heunucn  getragen  zu  werden. 


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7>  Kriegsdenkmünzei  verliehen  vom  Senat-  der  firvien  SUdi  an 
die  Offiziere  und  Mannschaften  der  Linie  und  Landwehr  am 
dem  Gebiete  der  Stadt  für  1814. 


Kurz  nach  der  Ernennung  des  1  \  ldnurschall-Licutenanis  Prinzc 
Philipp  von  Hessen-Homburg  zum  General-Gouverneur  des  Ciros' 
herzogiums  I  rankturi  und  des  Fursieniums  Isenburg  beriet  derselb 
in  den  ersren  Tagen  des  November  ille  beurlaubten  Soldau 

/u  den  l  ahncn,  um,  wie  ad  4  näher  nusgetuhrt,  möglichst  bald  dt 
Linien-  und  drei  Landwehr  -  Bataillone  aus  den  Angehörigen  J 
General-Gou\ enienients  tormircn  und  der  C')per,it!onsarmee  zur  Vi 
tügung  stellen  /.u  können.    Das  für  den  l  ricdcnsdienst  bereits  . 
handene  Bataillon,  welches  aus  Angehörigen  aller  Departements  * 
Grossher/ogtunis  bestand,  wurde  solort  als   1.  Linien-Bataillon 
eine  Kopizahl  von  i)oo  Mann  ergänzt  und  behielt,  nach  tranzosisch 
Muster,  seine  bisherige  Hinieilung  in  eine  Grenadier-,  eine  Voltigi. 
und  vier  l"üsilier-(^ompagnieen.    Ks  verliess  Frankturt,  unter  c 
Goniniando  des  liaupiniann  Schiller'  am  8.  Februar  geh. 
zu  der  Brigade  des  ostreichischen  Oberst  Grat"  Isenburg-Biidingcn 
stiess  zum  6.  deutschen  Bundes-Corps  inuer  dem  Commando 
Feldnurschall-Licuienanis  Prinzen  Philipp  von  Hessen-FIomburg» 

'  V.  Schiller,  Joh.  Priedr.  Carl,  geboren  am  5.  April  1775  zu  Fran 
wurde  assentiit  17R8»  Fähnrich  1793,  Unterlieuteniint  1798,  in  demselben 

lU'giincnts-Adjut.int  des  obcrrheiniscltcn  Kreises,  1799  Adjutant  des  Generals  F 
^r.Ucii  ^  Salm,  iXcn)  Olicrlicutcnam.  1K09  Adjutant-Major,  in  demselben 
Haupiiuami,  am  i.  Mar/  iSi  j  in  I.yoii  Major,  am  24.  April  iöt>  Ober»,ilicu 
und  am  21.  Oktober  181  >  Oberst  und  Stadt-Commandam.  Hr  nahm  Teil  a 
<Iiinipa|^«n  von  1797—1801,  am  Krit^e  gegen  Preussen  von  1806  -  in  S 

vom  Dc/embcr  iSoy  bis  üum  Jahr  iSi  j,  führte  das  I  l^.it  uUon  des  Gaicral-G 
ncmei-'s  im  rf|d/.u«;c  1S14  und  im  I'eld/ugc  ]'.r  bcsjss  an  Orden  utid  1 

dcnknuin/cii ;  das  Hhrenkreuz  des  (jciKTal-Gouvcriienients  lur  1S14,  nni  %. 
bubiiiss  dasselbe  um  den  Hals  tragen  zu  dürfen  (vergl.  S.  78),  die  Krie^ 
niän/en  der  freien  Stadt  für  1814  und  f&r  1815,  die  Medaille  des  Fürstentunr 
bürg  für  181  j.  das  JlrinnerunjjskreuiC  der  Fürstentumer  Reuss  für  18 14  15;  er 
iHi)  den  ru'  v-sJicn  \\'!.uftmir-Orden  4.  KLissf.  [81S  J.\s  Kitterkreu/  des  östreic 
Leopold- C)rdens  und  am  4.  Oktober  iJSji  die  Genehmigung  des  Senat:»,  von 
Grund  dieser  Decorirung  bereits  am  4.  Juli  1819  erfolgten  Erhebung  in  den 
Mand  Gebrauch  machen  xu  dürfen,  siowie  i8a8  das  Ritterkreuz  der  tranx^ 
Khrenlegion  (s.  S.  }o  Anm.       I^t  ^^^^^      Sudt-Comroandant  am  17.  Ju 


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-  8s  - 


früheren  GeneraKGouverneurs  von  Frank  fun.  Es  überschriu  in  der 
Mitte  des  Februar  bei  Basel  den  Rhein,  nahm  an  den  Aifairen  von 
Viltefranche,  Lyon,  Vienne  Teil,  ebenso  an  der  Belagerung  von 
GrenoUe  und  wurde  wegen  Ausdauer,  Disdplin  und  Schlagfertigkeit 
in  dem  Armeebericht  des  Ober-Commandirenden  rühmend  genannt. 
Mach  erfolgtem  Friedensschhiss  wurde  es  zur  Besatzung  von  Lyon 
verwendet,  marschirte  von  hier  aus  vorübergehend  nach  Macon,  um 
don  vor  dem  vorüberfahrenden  entthronten  französischen  Kaiser 
Spalier  zu  bilden,  und  bezog  demnächst  Gintonnements  zwischen 
LycMi  und  Grenoble. 

Unterdessen  waren  in  Frankfurt  das  2.  Linien-Bataillon  unter 
Major  V.  Tannstetn  und  das  3.  Linien-Bataillon  unter  Major  v.  Damboer 
hauptsächlich  aus  den  Trümmern  derjenigen  grossherzoglichen  Con- 
tingente  formirt  worden,  welche  aus  Spanien,  sowie  aus  den  Festungen 
Danzig,  Torgau  und  Glogau  zurückgekehrt  waren.  Diese  beiden 
Bataillone,  sowie  die  drei  neu  zusammengestellten  Landwehrbataillone' 
verliessen,  unter  dem  Ober-Commando  des  Oberst  v.  Fritsch,  Mitte 
März  Frankfurt  und  blieben  bis  zur  Beendigung  des  Krieges  zur  Be- 
lagerung vor  den  Festungen  Beifort  und  Besan^on  Hegen.  Nur  die 
zvr  »Schaar  der  Freiwilligen«  vereinigten  6  Freiwilligen-Compagnieen 
der  5  Landwehr-Bataillone  marschirten  weiter  und  vereinigten  sich  in 
Macon  mit  dem  i.  Linien-Bataillon.  Das  letztere  trat  in  den  ersten 
Tagen  des  Juni  aus  den  Cantonnements  bei  Lyon  den  Rückmarsch 
in  die  Heimat  an,  in  Besan^on  und  Bei  fort  schlössen  sich  die  anderen 
Bataillone  an  und  am  6.  Juli  1814  rückte  die  gesammte  Truppen- 
macht  wieder  in  Frankfurt  ein.  Die  Mannschaften  wurden,  mit  Aus- 
nahme von  600  Mann,  welche  zum  Garnison-Dienst  verwendet  wurden, 
in  die  Heimat  entlassen. 

Nachdem  durch  Ratsbeschluss  vom  5.  Juli  18 14  den  Freiwilligen 
eine  Kriegsdenkmünze  verliehen  worden  war  (siehe  unter  No.  4), 
machte  sich,  nach  der  Auflösung  des  Grossherzogtums  im  Jahre  1815, 
bei  denjenigen  Angehörigen  der  Linien-  und  Landwehr-Truppen, 
welche  Bürger  der  freien  Stadt  geblieben  waren,  der  gerechtfertigte 
Wunsch  geltend,  dass  auch  ihnen  vom  Senat  ein  Erinnerungszeichen 
an  das  Kriegsiahr  1814  gegeben  werde.  Am  17.  April  181 6  bat  der 
damalige  Stadt -Commandant  Oberst  Schiller  den  Senat,  dass  die 
Verleihung  der  Medaille  für  die  Freiwilligen  auch  auf  die  Linie  und 
Landwehr  ausgedehnt  w  erde.  Dieses,  sowie  erneute  Gesuche  vom 

'  Die  Zusantmcnscl/.ung  «icr  }  Landwehr- Bat.iiilonc  i^i  bei  der  Hcbdtrdbuny 
di:r  Kricgsdenlinriknte  {tat  die  Schaar  der  Freiwilligen  von  Frankfurt,  unter  No.  4, 
zu  vcriolgen. 


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8.  Mai  und  12.  Juli  desselben  Jahres  wurden  abgelehnt,  «-eil  die 
Insclirift  der  Medaille  sie  m  der  erbetenen  Verleihung  ungecignc 
erscheinen  lasse.  Erst  eine.  Bittschrift  von  60  Veteranen  J.  J 
26.  Juni  1845  und  eine  wiederholte  von  84  Veteranen  (praes.  ar 
i8.  April  1846)  regte  die  Angelegenheit  von  Neuem  an  und  fühn 
endlich  zu  einem  Beschlüsse  des  Senats,  nach  welchem  für  die  hm 
noch  lebenden  84  Mitglieder  der  3  Linien-  und  ^  Landwehr-Bataillon 
weiche  nach  der  Auflösung  des  Grossherzogtums  Bürger  der  frci< 
Stadt  geblieben  waren,  eine  besondere  silberne  Medaille  geprä 
werden  sollte.  Die  bezfiglichen  RatsbeschlOsse  lauteten: 
I)  RathsbcNchl        »m  15.  September  1846. 

\-s  w  ird  lias  Rcclinci-  iiiu!  Reiiteiiann  criiüchtigt.  die  Ehretidcnkini 
tur  1814  nach  •»einem  Aniratje  lertigcn  m  I.issetT  isnd  die  dfl^'ür  crlor 
liehen  Kosten  uu!>  *icu  tür  Gratilicationen  und  Dcdicationcn  hcwillij 
Geldern  xu  bestreiten. 
1)  Vorgelesen  im  Grossen  Rathe  am  20.  üctober  1846  mul  beschlossen 
\ )  Iis  sind  nunmehr  die  Urkunden  l'iir  die  84  Mitglieder  des  vonnj 
Frankfurter  {'ontinijcnTs,  welchen  die  (ür  den  Fcld/uj;  i;cgen  F 
reich  im  Jahre  1814  bestimnue  Denkmünicc,  jeducli  mii  einem,  vun 
(ür  die  Kriegsdenkmönw  der  Freiwilligen  von  181)— 14  besteht 
Bande  verschiedenen  Rande  mit  weiss  und  rutlKn  Streifen  cinsuhäti 
ist.  von  der  Stadt-Kanxlei  nach  dem  durch  Rathschluss  vom  2.  April 
Rcnehmij^ten  Formular  aus/utertij^en. 
2)  Ist  die  Vertheilung  von  dem  Kriegs/eu^-Anu,  welches  auch  Ii 
Anfertigung  des  Bandes  Sorge  tu  tragen  hat,  voricunehineii. 
Formular  vom  20.  Octobcr  1846: 

(Adler) 
Im  Aultrage  Hohen  Senats 
♦  der 

freien  Stadt  Frankfurt 
bescheinigt  die  unterxeichnete  Stelle  dem  Inhaber  dieses:  . 

.    .   ,    ,  >velcher  als  im  hiesigen  Contingeni  de 

zuge  liegen  Frankreich  im  l.ihre  181  )  beieowohtu  hat,  dass 
beruht  ist,  die  vom  Hollen  Senat  verliehene  Denknunue  zu  tr 
Frankfurt  am  Main,  den  20,  Octobcr  1846.  St  uft  (' m/U 

Die  Medaille,  welche  m  citiein  weissen  Bauiie  mit  die 
Sirciten  auf  licr  linken  Bru^i  getragen  wurde,  ist  von  Silber  i 
einen  Durchmesser  von  31  Milliineiern.  Die  \  t>nier^eitc  ist  n 
Avers-Stenipel  tur  die  (iulden  des  jnlnes  1H38  geprägt  un 
daher  den  gekrönten  städtischen  Wappcnadler  mit  der  Urr 
»Freie  St.idt  Frank tnrt".  Die  Kehrseite,  zu  welcher  der  Stern] 
Münzniechanikus  IDnischuiz  geschnitten  ist,  tnigt  in  einer 
von  Eichenlaub  die  Jahreszahl  1814.  Die  Medaille  ist  abgeb 
Tafel  III  Nu.  5  und  4. 


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8.  Kriegsdonkmünzc.  v«rliehen  vom  Senat  der  freien  Stadt  an 
die  Of&Kiere  und  Mannschaften  aus  dem  Gebiete  der  Stadt 

für  1815. 


Durch  die  Beschlösse  des  Wiener  Congresses  war  das  Gross- 
herzogtiim  Frankfun  aufgelöst.  Die  Provinx  Hanau  gehörte  bereits 
seit  dem  November  t8i)  m  Kurhessen,  Aschaffenburß  seit  dem 
24.  Juni  iSi_j  zu  B.ncni,  IVankfurt  \v;ir  zur  freien  St.iclt  erklärt 
worden  und  liatte  seine  Selhstst.nuiisikeit  zurückerhalten.  Hs  hatte 
sich  im  April  lüi)  verpt^ichtet,  im  Kriegsfälle  ein  selbststilndipes 
Bataillon  von  750  Mann  %u  stellen.  Bei  dem  Wiederausbruch  de.s 
Krieges  im  Jahre  181 5  war  aber  die  Trennung  des  Fflrstentums 
Fulda*  und  der  Grafschaft  Wetzlar,  welche  demnächst  an  Preussen 
fiel,  von  Frankfurt  noch  nicht  vollzogen  und  der  General-Gouverneur 
Fürst  von  Keuss-Cireiz,  Heinrich  XIII.,  waltete  in  Frankfurt  noch 
seines  Amtes,  als  die  verbiiiideten  (irossinächte  den  Kampf  mit 
I-rankreich  von  Neuem  aulnelmicn  iiuissten.  Auf  eine  Uirecce  Requi- 
sition des  Obercommandirenden,  1  eldmarschalls  l  iirsten  v.  Schwarten- 
berg,  d.  d.  Hauptquartier  Heidelberg  den  14.  Juni  181 5,*  erteilte  der 


*  Fulda  wurde  iKi>  von  Prvusscii  besetzt:  bald  darauf  wurd«  «s  xum  Teil 

an  RaycriK  «um  Teil  .m  KurliesNeti  .ib>ji.irct«.n. 

*  Abschriii  aub  de»  Acten  des  Stadtarchiv»  1  in  1-rankturi : 

Hmiptquarticr  Heidelberg,  den  14.  Juni  iKif. 
An  de$  kaiscri.  könit^'l.  I  Icrrn  l-'eldzcugmeisters 
Fürsten  ru  Rcuss  Durcliluicht. 
In  dem  Augenblick,  wo  allgemeine  .\nstrcnf{ui)^  Jciii  tfemcinsanien  Zweck 
allein  IroiniiK-n  kann,  wird  es  nothwendig,  das  Frankfurter  Bataillon,  so  wie 
es  dcrnii^lm  bestellt,  M>tnrt  aulbrcchcii  iinJ  nach  Miiii/  jbriicl<en   /.u  lassen. 
Üic  Nothwcniligkcit,  .Main/  mit  seiner  ganzen  Liii^cir.igcnLn  Garnison  «i 
versehen,  bew^  mich.  Euer  Liebden  zu  ersuchen,  dem  Frankfurter  BauUlon 
zugleich  auch  Hochderci  Bataillon  n.ich  Main?  tol^'c!i  /u  lassen,  da  für  das 
erste  die  Frankfurter  Mili/  lür  der  Stadt  Dienst  hinreichen  wird. 

gex.  Schwaraenbei^  F.  M. 
Der  Bc-rchl  Seiner  Durclilaucht  des  Feldniarschalls  Pörsten  vn;i  Sclnv,<r/c'ibcr;j 
ist  demiassen  solori  in  Ausübung  /.u  bringen,  dass  das  Bataillon  l-ranklurt 
als  auch  Mein  Bataillon  lingstei»  am  19.  Juni  in  .Mainx  ciiitrcfTen  kAnuen. 
Heidelberg,  wi«  oben.  gez.  Keubs,  (i.CPZmstr. 


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Generdl-Güuverneur  Feldzeugmeistcr  Fürst  Reuss  dem  Frankfumr 
Bataillon  und  seinem  in  Frankfurt  stehenden  reuss'schen  Bataillon  am 
i8.  Juni  den  Befehl,  am  folgenden  Tage  nach  Mainz  abzumanchircn. 
Das  Bataillon  Frankfurt  bestand  aus  einer  Compagnie  Voltigearv  waA 
*  vier  Compagnieen  Füsiliere. '  Es  erreichte  unter  dem  Commamk)  de 
Oberstlieutenant  Schiller  am  19.  Juni  Mainz  und  trat  hier  mit  deo 
Bataillon  »Fulda«  unter  Major  v.  Zobel,  dem  Bataillon  Reuss  umc 
Oberstlieutenant  de  Marais  und  dem  Bataillon  des  Fürstentums  Iser 
bürg  unter  Major  Marquard  zu  der  Brigade  des  östreichischen  Oberste 
Graf  Isenburg-Büdingen,  welche  einen  Teil  der  aus  ösireichischc 
Truppen  bestehenden  Division  des  Feldmarschall-Lieutenants  Gr 
Wallmoden-Gimborn  bildete.  Die  letztere  ging  am  20.  Juni  b 
Oppenheim  über  den  Rhein,  am  21.  über  Worms  nach  Frankentfa 
wo  die  Nachricht  von  der  siegreichen  Schlacht  bei  Waterloo  eintr 
und  erreichte  am  24.  Rheinzabern.  Sie  besetzte  von  hier  aus  s 
25.  Lauterburg,  welches  vorher  vom  Feinde  geräumt  worden  w 
und  traf  am  26.  Juni  bei  Selz  auf  ein  französisches  Korps  un 
General  Rothenburg,  welches  6000  Mann  Infanterie,  ein  Regim 
Kavallerie  und  8  Geschütze  stark  war.  Die  Vorhut  des  Gen« 
Graf  Wallmoden,  aus  2  Eskadrons  Knesewich-Dragoner,  2  Geschüt 
und  den  Bataillonen  Reuss,  Isenburg,  Frankfurt  und  Fulda  besteh« 
unter  dem  Commando  des  GeneraUMajor  Wrede,  fand  den  Feind 
Walde  diesseits  Selz  aufgestellt,  wo  er  sich  zu  behaupten  beabsichti 
General  Graf  Wallmoden  befahl  den  Bataillonen  Isenburg  und  R 
vorzugehen  und  den  Gegner  in  der  Front  anzugreifen,  während 


'  Bataillon  i-ranklurt  >ct/'tt;  bich  /.u  dieser  Zeit  noch  au^  Manu^i 
d«s  Pümentunis  Hulda,  der  GRilschnft  M'mlar  und  der  rrden  Stadt  Fra 
zusammen.  Ks  nnterstatid  bis  xur  Auflösung  des  General-üouvernemeni 
20.  Juni  iSi)  der  Verwaltung  durch  die  «Armiriiiiiisconreron/«  und  wurde  \ 
an.  trot '  ^ciru*r  gcniiscliten  /u^  inimenst-t/un«»,  von  der  Ireien  Stadt  Hrankturt  be 
Der  hen;u  iiaiic  vcr>^cblicli  vcrsuciit,  die  Absonderung  der  Franiviurtcr  hcrbci^u 
und  dieselben  mit  den  Freiwilligen  xu  einem  der  Verwaltung  der  Stadt  unter: 
Contingent  tu  vu^reinigen.  Die  kriegerischen  Verhältnisse  Hessen  eine  Aul 
des  bis  dahin  besiaiidenfn  Truppenvcrbandes  und  eine  neue  Hintcituiig 
ratlich  crsclicinen.  Zum  \'cr>iandniss  dieser  ciocntündtcheii  Verhältnisse, 
erst  nach  Beendigung  dc^  Kriegen  geregelt  werden  i»onnten,  vergleiche  niiui  i 
Bürgermeister  und  Rat  aufgesetzte  »Denkschrift  des  vom  nunmehr  auf{ 
GeneraKGouvememeiit  Frankfurt  ins  Feld  gestellten  Bauillons  Frankfurt  u 
letzteren  Vcrhältniss  /.ur  freien  St.idt  Frankfurt  d.  d.  27.  Juni  1815«,  welch 
den  in  d.is  üauptijuartier  entsendeten  Rats-f!onsiilcnt  fhni  ;mi  ;o.  Jiini  in  t 
dem  FeldniarschaU  Fürst  Schwarzenberg,  als  dem  Obcrbetehlshaber  des  Kriej 
am  Ober-Rhein«  öbcrreicht  wurde.  Die  Denkschrift  befindet  sich  im  Stadt*, 
in  Frankfurt. 


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^  89  - 


Bataillon  I  rankiurt  gegen  seine  linke  M.mke  vorgeschickt  wurde. 
Das  Bataillon  Isenburg  wart  die  Franzosen  im  ersten  Anlaut  bis  in 
tineii  rückwärts  liegenden  Verhau,  überstieg  auch  diesen  und  drängle 
SIC  bis  nach  dem  Städtchen  Selz  zurück.'  Hier  setzte  sich  der  Feind 
in  den  Häusern  dies.seits  des  Selz-Baches  fest  und  behauptete  sich 
durch  heftiges  Schützenfeuer  so  lang,  bi^  das  Bataillon  Frankfurt 
von  links  her  kräftig  in  das  Gefecht  einj^riti  Der  Gegner  wurde 
mit  bedeutendem  Verlu.si  über  die  Selz  zurückgeworfen,  doch  i^elang 
es  ihm,  hinter  sich  die  Brücke  zu  zerstören.  General  Graf  Wall- 
nioden  beschrankte  sich  auf  die  Behauptung  des  linken  Scl/-Ufers, 
weil  ihm  der  Gegner  an  Truppen  und  Geschütz  überlegen  war.  Das 
Bataillon  1  ranklun  verlor  in  diesem  rühmlichen  Gefecht  i  Offizier 
(Lieutenant  Samm)  und  7  Mann  an  Todten,  4  Oftiziere  und  85  Mann 
an  Verwundeten.  *  In  der  Nacht  zogen  sich  die  Franzosen  freiwillig 
gegen  Beinheim  zurück.  Am  27.  liess  Graf  Wallmoden  die  Brücke 
über  die  Selz  wieder  herstellen  und  marschirte,  ohne  auf  den  Feind 
zu  stossen,  mit  seinem  Corps  n.ich  Drusenheim.  Er  erhielt  tür  den 
28.  den  Befehl,  während  des  Angriffes  des  Corps  auf  die  fran- 
zösische Position  hinter  dem  Surtel-Hach  von  Drusenheini  über 
Beitenhofen  nach  Wanzcnau  vorzudringen.  Das  Corps  erreichte 
letzteren  Ort,  wurde  aber  von  den  Auen  von  Strassburg  her  derart 
beschossen,  dass  es  stehen  bleiben  musstc,  ohne  in  das  siegreiche 
Gefecht  eingreiten  zu  können.  Vom  29.  Juni  an  bis  zum  Waffen- 
stillstand am  22.  Juli  beteiligte  sich  das  Bataillon  an  der  Rinschliessung 
von  Strassburg.  Vom  Wattensiillstand  an  bezog  dasselbe  in  der 
nächsten  Umgebung  der  Festung  Cantonnements.  liier  trafen  auch 
am  6.  August  die  in  folge  eines  Aufrufes  des  Senats  vom  22.  April 
zusammengetretenen  Freiwilligen,  welche  am  25.  Juli  Frankfurt  ver- 
lassen hauen,  m  zwei  Conjpagnieen  lurmirt,  ein.  ' 

*  Der  Coniniaiukur  Major  Marqiuird  wurd«  hier  v«rwuiitkt. 

*  Der  Commandeur  des  Hataillons,  OberstHeutetiani  Schiller,  erhielt  am 

\.  Juli  181 )  wegen  besonderer  Au«./:cicliiuing  de>  von  ihm  i;elührteii  Bataillons  bei  Selz 
vom  Gencral-Couverncmcnt  die  trlaubniss,  d.is  'ihm  t^ereiiN  ani  27.  IXvembcr  1814 
verliehene  Ehrenkreu/  um  den  Hals  tragen  ui  durlen  (vergl.  S.  ausserdem 
«rhielt  er  fbr  die  Unterstötiung  der  Nebenbataillone  im  Gefecht  bei  Selx  das 
Ermneningskreu«  der  FarstentDtner  Re'uss  lur  tftu/t;  (vgl.  S.  79  Anm.  i)  und 
die  im  Jahr  1814  vom  Fürsten  von  Isenburg  f&r  die  Isenbu^schen  Freiwilligen 
gestiftete  silberne  Medaille 

J  Die  Freiwilligen  setzten  sich  /.usanimen  aus  der  »juger-Cuinpagmc«  (Haupt- 
mann Wüb.  Hofmann»  Oberlieiitenant  Malss,  Lieutenant  Jacob  de  Bary  und  137 
Umcrofliiiere  und  Gemeinej,  sowie  der  »Schatani-Coinpagnie«  (Hauptmann  Peter 
Hartmann,  Oberlieutenant  v.  Heyden,  Lieutenant  Daniel  de  Bary,  J24  UnteroCfisien: 
und  Gemeine). 


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Am  4.  Octobcr  tr.u  da.s  Bauillon  im  Brigadeverband  den  Rück- 
marsch in  die  Heimat  an,  Hs  rückte  am  14.  October  1815  milden 
Freiwilligen  wieder  in  Frank {urt  ein.  — 

Das  Kricgszeu<»amt  stellte  in  einem  Bericht  au  den  Sciku,  pracs. 
den  26.  Januar  1S16,  den  Antrag  auf  Stittung  eines  hhrcnzeichens, 
nnt  dem  Anhennj^eben,  entweder  je  eine  besondere  Medaille  lür 
Freiwillige  und  Linie  oder  .iher  eine  beiden  ijemeinsame  zu  stillen. 
Hieraul  ertoli^te  am  ^o.  janiiar  1816  die  Stiftung  der  Kriegsdenis- 
nuinze  durch  naclistehenden  Senatsbeschlusi»  : 

1)  Iis  ivt  von  lobl.  Krii";4Si'ci!^;nii!  mit  löbl.  Bürgcrcüllcg  m  conferiren. 
das:»  sowohl  dt;n  Freiwilligen  iüesiger  Stadt.  .lU  auch  dein  den  jüngsten 
Feldziig  vorigen  Jahn»  bestandenen  hiesigen  Linieiimilitair  dn  silt«m«» 
EbrendenkKeichen  xugetheih  werde. 

2)  Ist  diese  Bhreiidenlimünxe  von  der  Grösse  der  vorigen  xu  verlertigen, 
.lul"  der  Vorderseite  der  Stadt.idler  mit  dem  Biiclistjben  F  auf  Jcr 
Brust,  f.if'  der  Rückseite  aber  die  Linschrilt;  I'ranl<rurt5  Streitern  im 
Binuif  iNis,  mit  einem  l-ichenl<raii/.  inngeben,  anzubringen. 

ji  iJie  Bestellung  /u  deren  \  ertertigung  wird  dem  löbl.  Krieg^zeugami, 
unter  allcnfalbigcr  Mitwirkung  des  Rechneiamtes,  überEassen,  auch  das» 
über  die  erforderliche  ZaIiJ  von  Dcnkniünxeii  für  die  Mannschaft  einige 

weiter  geprägt  werden. 
4)  !>t  das  vorhin  gewählte  Baiui  bci/ubeli.ihm  und  die  Ai>;1il:1lii >^.ntt'.t 
einstweilen  im  \"(ir;nts,  sowie  auch  hicn^iclist  Jk-  der  1  Inciuicniimun/cn 
nnt  denen,  d.is  vongenul  beobachtet  wordenen,  i-ormlichUeitcn  vorzii- 
ndmien. 

I.aiu  Prc)ti)i<ull  des  Krieiis/eiin.inites  vom  2.  l  ebruar  iSi6  beliel 
.sich  nach  den  eingereichten  Listen  die  ertorderllche  .Vn/ahl  ;tiit  22) 
für  Lreiwilhue  und  iii  für  d -s  I  inieiimiiitar,'  sowie  einige  L.xemplare 
liir  höhere  C)Hi/iere.  w  elche  \\  ahrend  des  l  eld/.uges  mit  deti  Truppen 
in  dienstlicher  Beziehung  gestanden  hatten.    Oer  Ratsschluss  vom 

'  in  dein  bis  i866  jährlich  er»cbioiiencii  »Staat»*  Handbuch  der  freien  Stadt 
l'ranklurt"  wurde  in  der  »Erklärung  der  vorkonnnenden  ßexeichnung  der  Orden 
und  Fhren/eichen>'  die  Medaille  für  den  Feldxug  iHij  stets  doppelt  und  mit  ver- 
schiedenen Zeichen  auljieliihri,  und  /war  als  ; 

Silberne  Medaille  lur  die  l'i  l1  \  il't.j      im  l'eld/.u;;e  iSlj. 
Silberne  .Medaille  tur  das  l.iiiieniiuliiar  in  diebem  Feld/u^e. 

!)ic  vcrsi.inodene  Hi,  Zeichnung  derselben  .Medaille  wurde  ircw.ihh.  ui>i  crkcmici 
/.u  la,ssen.  u  er  .lis  Freiwilliger  und  wer  im  Linienbaiaillon  den  Feld/ug  mitgemacht  habe. 

Die  geringe  Zahl  von  1 1 1  Medaillen  für  das  Linlenbataillon  »Frankfurt«  erklärt 
sich  aus  deni  UniMande,  dass  der  grösste  'lei!  der  Unteroffiziere  und  Soldaten  des 
Bataillons  l.andeskinder  aus  dem  Fürstentum  Fulda  und  der  Gralschalt  W  elzLir 
waren  sind  dass  diese  selbstverständlich  nicht  die  Frartklnrter  .McJ.inic.  snndcni  die 
Frinnerungs/eichen  derjenigen  Lander  erliielten,  welchen  sie  demnaclist  /uiieien. 


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—  91  — 


2.  April,  welcher  die  Austeilung  der  Kriegsdenkmünze  anordnete, 
lautet: 

1)  Es  sind  die  Urkund«»  für  die  den  jüngsten  Fcid/ug  inner  dem  hiesigen 
Mühair  bestandenen  Individuen,  welchen  diescibigc  Denkmünze  einzu- 
händigen ist.  nach  dem  !-.>rmular  No.  |  in  der  Siadt-Canzlei  auszulcrtigcn. 

2)  ist  die  Austheilung  in  dem  RaUiluuse  unter  Vorsitz,  der  beiden  Herrn 
BOigermdster  an  dem  vön  ihnen  da«u  bestimmt  werdenden  Tafjc  vorau- 
nehmen  und  die  desstallsige  Bekanntmachun.u  nach  dem  Formular  No.  6 
den)  Intel ligenzblatt  einzurücken,  auch  den  dermaü^'en  Herrn  Connnandeurs 
de>  Linien-Miliuirs,  sowe  der  FrciwilUgen  desslaHs.iKe  Weisung  zuzu- 
lertigen. 

Formular  No.  4. 

Inhaber  dieses  ,  wekher  als  dem  Feldzug  gc-er,  l  ranl<reich 

im  Jahre  bciu'cw olint.  wird  andurch  die  Befugniss  ertheil;.  die  ihm 

von  der  IreiejJ  Stadt  Frankfurt  übergcbene  Denkmünze  /u  tragen. 

Stadt-Caiulei 
ex  Mandatu  Senatus. 

Die  Medaille  ^cl.uii^tc  am  16.  April  1816  zur  Austeilung.  Ein 
Hxeniplar  in  Gold  wurde  an  der  Spiuc  der  1  ahne  des  Linien-Bataillons 
betestigi. ' 

Die  Kriegsdenkmün/c,  welche  an  demselben  Bande  wie  die 
Denkmünze  für  die  Schaar  der  1-reiwillmcn  tiir  iXij:  roth  mit  drei 
weissen  Streiten,  getraiien  wurde,  ist  durch  Muu/meister  Ruiisen  und 
Münzmechanikus  'romscluit/  hergestellt.'  Sie  ist  im  Durchmesser 
;>  Millimeter  gross,  zeigt  aul  der  \'i)rderseite  den  sliidtisclien  Adler 
mit  Kleestengehi  aut  den  l-liigeln,  der  Mauerkrone  auf  dem  Kopf 


'  Am  19  April  1S16  beanir.igte  OberM  Schiller,  dasb  die  Fahiic  des  Linien- 
Bataillons  mit  der  Medaille  Tür  181  >  geziert  werde.  Der  Senat  Idmte,  trotz  der 
Beflkrwortung  des  Gesuches  durch  das  Kriegszeuganit  den  Antrag  am  JJ.  April 
»als  ungewjVhntich«  ab,  erteilte  aber,  auf  eine  Lrnentc  Vorstellung  des  Bataillons 
Commandeurs,  am  14.  Mai  die  (lenchniigung,  dass  eine  goldene  Khrendenkmün/e 
mit  dem  Stempel  der  Medaille  für  irepra-t  und  an  die  Fahne  gehangt  werde. 
Diese  Ehrendenknjünze  wird  in  der  stadtischen  .\lün/s.mmilung  aufbewahrt. 

'  MQnzmechanikus  TomschOtü  berechnete 
3  Gulden  32  Kreuzer  IDr  ein  Exemplar  der  Kriegs- 
Denknu'nize.  Laut  Bericht  des  Kriegs/eiigamts  vom 
1.  April  1816  spranij  bei  Prägung  der  ersten  Stücke 
der  Avers-Stempel  n)ii  dem  .\dler.  Von  diesem 
unbrauchbar  gewordenen  Stempel  findet  sich  ein 
ehiseitiger  Bronceabschlag  in  der  Münzsammlung 
auf  der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  vor.  Derselbe 
«igt  den  städtischen  Adler  in  etwas  grösseren  .\b- 
mcssungen,  wie  aul  den  mit  dem  2.  Stempel  ge- 
prägten und  auf  Tafel  III  No.  5  abgebildeten  Exem- 
plaren. Der  Bronceabschlag  mit  dem  ersten  Stempel 

ist  nebeitstelicnd  abgebildet.  SilberabschUlge  haben  sich  bisher  nicht  vorgefutiden. 


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-   92  - 


und  einem  1-  .lut  der  Hriist,  aul  der  Rückseite  in  einem  Palmen-  und 
einem  Lorbeerzw  eig  in  5  Zeilen  die  Inschrih  A>Franltturis  ii  Streitern 
II  im  II  Bunde  l<  iSi )«. 

Die  Medaille  ist  abgebildet  aut  Tafel  III  No.  5  und  6.  * 


'  \ti  den  unter  Xo.  j.  6  und  «S  bc>.Iir:cbciicii  Kricgsdenk /eichen  wurden 
von  den  Hcsitzcrn  vieHach  cigcntnächtip  Abdndcrungcn  vorgenoninien :  c-»  wurden 
auch  Miniatur-Exemplare,  die  Mcdailienbandci  in  schmälerer  Breite  aut  goldenen 
oder  silbernen  Schnallen  hn  Knopflochc  getra^ien.  Bereits  am  18.  September  1814 
crlie!>s  der  damalige  Vicc-Gouverneur,  Fddmarschall-Lieutenant  Gnf  H«nle|{g,  oocn 
Beichl,  um  diesem  Missbrauoh  entgegenzutreten.    Derselbe  lautete : 

Da  ich  in  lirfahrunf^  ;;ehr.icht  habe,  dass  alle  jene  Milif.iir-fndividucn  der 
Truppen  dcb  (jcneral-Güuverncmcnti,  sowohl  Coutingent.  Landwehr  ab 
Freiwillige,  weldie  ein  Ehrenseichen  zu  tragen  die  &1aubniss  erhalten,  damit 
wesentliche  Veränderungen  vorgenonmien  haben  und  das  Band  davon  ent- 
weder in  einer  Schnjllc  mit  einem  Kreuz,  das  nie  t—!icilt  worden  ist.  ja 
sogar  die  Medaille  und  darüber  noch  ein  Band  in  einer  i»oldenen  Schnalle 
oder  sonstige  Abarten  tragen,  so  eriialt  die  Arniirungs-Contereuz  zur  Abstellung 
dieser  MissbrAuche,  welche  den  Werth  und  die  Idee  dieses  Ehren  «eichen* 
heruntersetzen  und  verläugtien.  hierdurch  die  Weisung,  simmcßchcn  Truppen 
jIIc  diese  ciucnniächtif^cn  Veränderungen  schärfstcns  /u  untcrsapen.  indem  es 
mir  iinAiigcneiim  sein  würde  l'inen  oder  den  Andern  darüber  zur  Verant- 
wortung /iehen  /u  nuissen,  wuiiir  die  Vorgesetzten  zu  ^chen  und  <u  haften 
haben. 


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g.   Felddienstzeichen  für  die  Theilrahme  des  Linien-Bataillons 
der  freien  Stadt  an  den  Feldzügen  1848  und  1849. 


Als  am  24.  Juli  184S  die  zwischen  der  Reichsarmee  und  den 
dänischen  Truppen  in  Schleswig-Holstein  abgeschlossene  Waffenruhe 
ihgelaufen  war  und  die  Feindseligkeiten  wieder  begannen,  wurde 
aut  Anregung  des  Reichs  -  Kriegsminisiers ,  des  kgl.  preussischen 
Generals  v.  Pciicker,  nm  2.  August  beschlossen,  das  Linien-Bataillon 
der  treien  Stadt  1  rankturt  in  seiner  bundesvcrtassungsmSssigen  Kriegs- 
lormation  von  vier  (^onipagniccn,  in  der  Stärke  von  683  Mann,  zum 
Ausmarsch  aul  den  Kriegsschauplatz  in  Bereitschaft  7.u  setzen.  Bereits 
am  9.  August  verliess  das  Bataillon,  unter  dem  Clommando  des  Major 
Busch,'  die  Stadt.  I.s  wurde  mit  der  lüscnhahn  bis  Mainz,  von  dort 
mit  dem  Dampfboot  nach  Cöln  und  am  10.  August  nach  Altona 
befördert.  Am  15.  August  fuhr  es  nach  Rendsburg  und  marschirte 
am  folgenden  Tage  nach  Schleswig,  wo  es  als  das  erste  Reichs- 
coniingent,  welches  zur  Verteidigung  der  deutschen  Sache  im  Norden 
erschien,  mit  luhel  empfangen  wurde.  Ani  f  ^.  trat  das  Bataillon  in 
Mensburg  ein  und  wurde  hier  mir  einem  w  eimar\chen,  drei  nassauischen 
Infanterie-Bataillonen  und  einer  nassauischen  Batterie  zu  der  »com- 
binirtcn  nassauischen  Brigade«  unter  Generalmajor  Alefeld  zusammen- 
gestellt. Die  Brigade  stand  unter  dem  C)berbefehl  des  hannoverschen 
Generals  Halkett  und  sollte  im  Sundewitt  Verwendung  hnden.  Sie 
verlies:»  am  21.  Flensburg,  erreichte  am  22.  Bau  und  bezog  bei 


'  Hifvch.  Joli.  Wilh..  vv.ir  trülKi  ObiTtVVstcr  iitul  wurJe  vtMii  (iciicrr.il-CJouver- 
iicratni  .iiu  II  Jatni.ir  1814  ,ils  t.")bt:rlieuici)am  bei  »der  iScha^r  der  Freiwilligen  von 
Frankfurt»  cingotelit.  Hr  wurde  atu  24.  April  1815  Hauptmann  III.  Cla&s«  beim 
stehenden  Militär  des  General-Gouvernements,  am  i.  Januar  182}  Hauptmann 
I.  Classe,  am  i.  Juli  184)  Major  und  Rataillons-Commandeur,  am  )0.  August  1849 
Dberstlieutenant.  wurde  .im  2v  fuH  1856  Ohcrsl  pensionirt  und  st.irb  m\ 
2  t  De/cmher  1877.  Hr  besass  neben  dein  Flhreukrcuz  des  General-Gouvcrnenients 
die  Medaille  tCir  die  Freiwilligen  lür  das  Felddicni^tzeichen  für  1848  und  49, 

die  Badisehe  Gedichtnissmedaille  fQr  1849,  das  Kreuz  f&r  25  Dienstfahrc.  den 
Preussischen  roten  Adler*Orden  j.  Classe.  das  (^omniandeurkreu/  2.  Classe  des 
Badischen  Zähringer-Löwen-Ordcns,  sowie  die  Oe.streichische  und  die  Preussische 
goldene  Medaille  tür  Kunst  und  W  issenschaft. 


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-   94  - 


Kiiikciiis  \  (tr|)t>stcii.  XDiii  30.  AiiL;iist  uiicnuilmi  d.is  l^it.iillon  üin 
( ».im!M)iKiitMi.st  in  MenNburu  iiikI  crhich  hier,  am  2.  .Sc|ncinhcr,  die 
Bcstarioiini,f  von  dem  /.ii  Mnlniot*  nbucschlosscticn  sicbeniiu>n.uliclicii 
\\  aricnsiillii.ukl  sowie  liie  X  uliriv^^lit,  J.i^s  es  nach  1  ranklurt  ziiriivi- 
kehren  solle,  l'-s  wurde  UcinciUNprc^jhciid  am  iiS.  September  Jiirch 
zwei  baJischc  Compa^nicen  al\i;elösi  und  .1111  22.  mit  der  Hi.scnbahn 
von  Keiidsburg  nach  Hamburg  befördert.  In  l-oU;e  der  bliitiiitn 
revohnioiiaren  Hreiijnisse,  welche  sich  am  18.  und  1»;^.  September  in 
biaiiklurt  /ugetratren.  hi<.'i;  es  die  deutsche  (xntraliiewalt  für  noth- 
u endig,  an  verschiedenen  Piinkien  Truppen  /u  concenti  iren,  um  die 
I.andesre«;ierungen  in  de:  .\usiibun«i  ihrer  l  unctionen  nnd  in  der 
lirliahun^  ihrer  Auioiiiai  /n  inuerstm/cn.  Das  Bataillon  erhielt  daher 
in  I  lamburi^  den  l^etehl.  nicht  nach  1  lankfurt  /.iiriick/nkehren,  soiulcni 
über  Colu  nach  Mannlienn  zu  fahren,  um  dort  /u  der  nassauischcii 
Brii^ade  des  ( ieneralniajiu'  Aleleld  /u  stossen.  Iis  trat  am  2(\  Sejnenibcv 
in  Mannheini  ein  und  bezog  in  den  Dorfern  1  leddesheiin  und  Schries- 
heim (lantonnementsquarneie.  Am  16.  wurden  die  ( .anronnenieiits 
nach  HLniksiadl  und  L  iii^ebnng  \erlei.:t  und  vom  21.  an  \crsahdaN 
Bataillon  den  Garnisondiensi  in  Mannheim  und  W'einheim.  Am  25. 
marschirte  es  nach  Kheinhessen,  ;rat  iiier  /u  dem  Clonimando  der 
Keichstruppen  unter  dem  preussischen  ()berst  Spillner  und  wurde 
nach  W'örstadt  und  L  in^ebLing  verieLt.  Am  11.  Dezember  trat  es, 
auf  Betehl  des  Reichs-Kriegsministers,  den  Rückmarsch  nach  1-ranklUTl 
an,  wo  inzwischen  durch  das  kräftige  liingreifen  der  ßundesirup})cn 
der  revolutionäre  Aufstand  niedergeworfen  worden  war. 

Auch  im  Jahr  1849  wurde  das  Bataillon  zu  kriegerischer  Tliätig- 
kcii  ini  Bundesgebiet  herangezogen.  Beim  Ausbruch  des  Streites 
über  die  Reichsverfassunf»  sammelte  der  Reichsverweser  Krzherzog 
Johann  aus  den  bereitesten  Retchätruppen  ein  Corps  zvcischeti  dem 
Main  und  Neckar  unter  dem  Befehl  des  preussischen  General-Lieute- 
nants V.  Peucker.  Die  2.  Division  dieses  Corps  hielt  Frankfurt, 
den  Sitz  der  deutschen  Ceniralgewalt,  besetzt»  während  die  i.  Division 
sich  in  der  hessischen  Provinz  Starkenburg  sammelte,  um  dem  am 
Neckar  bei  Heidelberg  und  Mannheim  verschanzten  Feinde  cnigc.uen- 
zutreteii,  Hills  dieser  es  versuchen  sollte,  die  badische  Grenze  zu 
überschreiten.  Das  Linien-Bataillon  wurde  der  i.  Division  unter  dem 
grossherzogL  hessischen  Generalmaior  v.  Bechtiiold  zugeteilt,  fuhr 
am  12.  Juli  1849  nach  Darmstadt,  marschirte  von  dort  nach  Gross- 
bieberau und  am  13.  bis  Lindenfels.  Am  15.  sollte  das  Keckar>Corps 
die  badische  Grenze  überschreiten  und  offensiv  gegen  die  Insurgenten 
vt>rgehen.   Das  Bataillon  marschirte  in  Folge  dessen  über  Ben>heim 


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n.ich  X'icrnlicim  und  linitc  von  hier  aus  in  ilcr  Naclu  vom  15.  zmn  16. 
Gcic^cnhcil.  die  licssisclien  Truppen,  wclciic  bei  (iro.sssaclisen  mii 
Insurgenten  im  (icfecht  standen,  %u  unterstützen.  Nach  dem  K&ck- 
zuge  der  letzteren  bezog  es,  abwechselnd  mit  nassauischen  Truppen, 
bis  zum  19.  die  Vorposten.  An  diesem  Taije  brach  d.is  Neckar-Corps 
n.uli  Jv--m  Odenwald  .uil.  Das  Bataillon  gehörte  /u  der  Arrierejiarde 
unter  ( IL iicimI  v  .Bcchtliold  und  lay  bi>  /.um  25.,  unter  Xuteilun«;  von 
2  he.vsi.sclien  (jeschut/.en,  bei  Becrlelden  im  Hiwack.  Am  26.  libcr- 
schrict  es  bei  Zwingenberg  den  Neckar,  berfihrte  in  den  folgenden 
Tagen  Sinzheim,  Eppingen,  Pforzheim,  Gemsbach  und  erreichte  am 
I.  Juli  Baden-Baden,  wo  sich  das  Neckar-Corps  vereinigte.  \'on  hier 
brach  das  Bataillon  am  \.  aus  seinem  Biwack  auf,  marschirte  in  den 
folgenden  Tajjen  über  Aik\  W'iesenthal,  Bcucrsbrunn.  Wittcndorl"  und 
Schönberg  nach  dem  würitembergischen  .Städtchen  .Schraniberg.  am 
8.  nach  St.  Georgien,  am  9.  nach  VilUngen,  welches  wie  die  nahe- 
liegenden Orte  entwaffnet  wurde,  und  besetzte  von  hier  aus  mit  2 
Cotnpagnieen  Lölflingen,  mit  i  Compagnie  Neustadt.  Das  Bataillon 
hatte  das  insurjiirte  Grossherzomum  von  der  Nord-  bis  zur  .Südgrenze 
durchzogen,  die  Ordnung  war  überall  wiederlK-rt^estellt  worden.  Als 
am  18.  der  Grossherzog  in  seine  Residenz  zurückkehrte,  konnte  der 
Aufstand  in  Baden  als  beendet  angesehen  werden.  Durch  Tagesbetehl 
vom  22.  August  wurde  die  Auflösung  des  Reichs-Corps,  am  24.  die 
Rückkehr  des  Bataillons  nach  Frank  fun  befohlen.  Es  trat  am  26.  von 
Dürrheim,  wo  es  seit  dem  6.  August  Cantonhements  bezogen  hatte, 
den  Rückmarsch  an,  traf  am  ^o.  in  Offenburg  ein  und  wurde  von  hier 
am  51.  August  mit  der  |-jvenbahn  nach  I  rankl'urt  zurückbefordcrt.  W  enn 
es  aucli  dem  Bataillon  nicht  beschieüen  war,  während  der  beiden  l  eld- 
zOge  dem  Gegner  im  Gefecht  entgegenzutreten,  so  war  es  doch 
vielen  Anstrengungen  und  Entbehrungen  ausgesetzt,  und  stets  konnte 
seine  musterhafte  Disciplin  und  seine  vortreffliche  Haltung  anerkannt 
werden. 

Der  .Senat  beschloss  durch  KatssLlihiss  vom  2^).  Dezember  1S55, 
.ml  die  von  dem  Bataillon.s-Commandeur  angeregte  Stillung  eines 
Felddienstzeichens  einzugehen,  welches  allen  Teilnehmern  an  den 
Feldzügen  der  Jahre  1848  und  1849  zum  Tragen  auf  der  linken  Brust- 
seile  verliehen  wurde.  Dasselbe  besteht  aus  einem  ?j  Millimeter 
hohen  und  breiten  Kreuz  von  Bronze  luul  wird  an  einem  weissen 
Bande  mit  roten  K.mdstreilen  getragen.  Die  \'orderseite  tragt  im 
oberen  Arm  des  Kreuzes  den  gekröiuen  städtischen  VVappenadler, 
in  der  Mitte  »1848  und  1849«,  im  unteren  Arm  einen  Kranz, 
welcher  durch  zwei  Eichenzweige  gebildet  wird.  Die  ROckscite 


1 


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Digit 


-  96  - 


tragt  in  vier  Zeilen  die  Aufschrift:  »Fflr  H  treuen  Dienst  I  im  I 
Kriege.«* 

Das  Kreuz  wurde  am  26,  Mai  1854  an  612  Berechtigte  veneik 
und  zugleich  Jedem  eine  Urkunde  über  den  Besitz  desselben  ausge« 
bändigt. 

Der  auf  die  Stiftung  des  Felddienstzeichens  bezügliche  erste 
Ratsschluss  tautet : 

I  r.inkturt,  den  29.  Dezember  iHsj. 
l"reic  Staut  Hrankluri. 
.\uMug  Protokolls  des  Groüsen  Rathes  der  freien  Stadt  Frankfurt. 
Auf  Bericht  des  Kriegs-Ztfugamtcs  d.  d.  24.  d.  Felddicmtadchen  (ür  die  FcM- 

/.ugsbetheili^'tcn  voti  iK  jH  und  1H49  betrertctid. 

Ks  wird  das  Kncfjb-Zcugauu  crmächtigl.  «nit  der  'itändii;ci>  liurgerrepra!»eniaiioii 
durch  den  Herrn  Deputirtcn  derselben  auf  dem  Amte  dahin  in  Confercn/. 
XU  treten: 

Von  dem  (lomnundo  des  hiesigen  Linienbataillons  sei  dem  .Senate  vorgetrji;ci) 
worden,  dass  die  Stiftimi,'  eines  »»F^hretireichens  für  treu  geleistete  Diensu  im 
l-elde«  als  ein  wc-einltche^  Mittel  zur  l-ikderung  und  l'rhaltung  des  in  dem 
hiesigen  Linien-Bataiiinn  anerkannt  bestehenden  Sinnes  lur  militärische  Eluc. 
Ordnung  und  Disdplin  betraditet  werden  mfisse.  Der  Senat  könne  das 
Gewicht  der  Vür<^'etr.i>^cncn  (>ründe,  namentlich  nachdem  das  hiesige  Bataillon 
mit  anderen  deutschtn  Iriippcn  in  dauernde  Diaistverbindung  gebracht 
worden,  nicht  verkeimen,  der  Sen.it  bringe  dabei  auch  gern  tti  Anschl:t£r  die 
ausgezeichnete,  brave  Dicnstfiiljrung  des  Mannes,  von  wekiietn  der  Aiura^ 
ausgegangeit,  und  beabsichtige  dalier,  die  beantragte  Stiftung  eintreten  xu  lasseit. 

Zur  Beglaubigung 
ger.  V.  Bohog. 

Die  förmliche  Stit'tuiii:  des  Felddienst/cichens  daiirt  erst  vom 
21.  Februar  1854.   Der  l>c/n<:liche  Beschluss  des  Senates  lautet: 

Auf  Hcschluss  Hohen  Senat-^ 
vom  21.  Tcbruar  i«S)4,  die  Stillung  eines  FcUdienst^eicheiis  tur  die  i  eid/ugsbc 
theiligten  von  1848  und  1R49  betreifend,  wird  verordnet: 

s- 

Zur  Erinnerung  an  die  FeldzOge  des  hiesigen  Liuientnilitärs  1848  und  1849 
und  als  Anerkennung  treuer  Dienste  in  diesen  Kriegen  ist  ein  Felddienstxeichen 
gestiltet.  • 

Dasselbe  besteht  für  alle  Mifitirgrade  in  einem  aiK  Bronze  gefertigten  Kreuze, 
auf  dessen  Vorderseite  im  oberen  Felde  der  Frankfurter  Stadt\i*appenadler.  im 

unteren  Felde  ein  Rtchenlaubkranz  und  quer  durch  die  mittleren  Felder  die  Inschritt : 
1*1848  und  1849.U   Rückseite:  »Für  treuen  Dienst  im  Kriege.« 

.•■  '  ■ 

1).\s  Felddienstzeichcti  wird  an  einem  ^^■eissseiden«n.  aui  beiden  Seiten  r«Hh 
gestreilteti.  Hände  aut  der  linken  Brust  getragen. 


*  Die  Stempel  sind  von  dem  Graveur  joh.  Phil.  Henrich  geschnitten  und 

werden  in  der  städtischen  Mün/s.unnilung  auf  der  SiadrbibÜothek  in  Frankfurt 
aufbewahrt.   Die  Kreuze  kosteten  1  (iulJen  j6  Kreu/er  pro  Stück. 


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-  97  - 


5-  4. 

Auf  dieses  Fclddicnstzcidicii  hat  ein  Jeder  Ansprudt,  welcher  in  den  Jahren 
1648  und  1849  im  Dienste  des  hiesigen  LinietiiuiHtärs  als  streitender  oder  nkht- 
streitender  Militir  den  Feidzug  nach  Schleswig-Holstein  oder  Baden  mitgemacht, 
der  Fahne  treu  geblid)en  und  sich  weder  damals  noch  seither  einer  entehrenden 
Handlung  schuldig  gemacht  hat. 

S-  )• 

Jeder,  der  das  Felddienstcddieii  empfingt,  erliält  damit  ztig^h  auch  eine 
\om  Krkgs^Zeugamte  ausgefertigte  Verleihungsuiltundet  welche  also  lautet: 

Zur  Erinnerung  an  die  Feldzüge  des  hiesigen  JJnienmilitärs  in  den  Jahren 
1848  und  1849  ist  dem  Inhaber  dieses   ...   des  hiesigen  I.inien- 

mihtirs»  geboren  zu  im  Jaiire  ,   das  vom 

Hohen  Senate  unterem  1853  gestiftete  Fetddienstteidien 

dir  treuen  Dienst  im  Kriege 
ertheilt  worden,  worüber  demselben  gegenwirtigc  Urkunde  ausgestellt  wird. 

5.  6, 

Verbrechen  oder  Vergehen,  welche  eine  entehrende  Strafe  nach  sich  ziehen, 

haben  t<v.-n  Verlust  dieses  Ehrcii/ciclicns  «ir  Folge. 
Frankfurt,  den  2}.  Februar  i8>4. 

Kriegs-Zeugan«. 
ge«.  V.  Günderrode. 

Das  Felddienstzeichen  fär  die  Teilnahme  des  Linien>BataiUons  an 
den  FeldzOgcn  1848  und  1849  ist  abgebildet  auf  Tafel  III  No.  7  und  8. 


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lo.  Die  grossherzoglich  badische  Gedächtniss-Medaille  für  1849. 


Am  n«  November  1849  erteilte  der  Senat  sämmtliciien  Mit- 
gliedern des  BarailloDs,  welche  an  dem  1  eldzugc  in  Baden  Teil  ge- 
nommen hatten,  die  Erlaubniss  zum  Traisen  der  von  Seiner  Kv}. 
Hoheit  dem  (jrossher/(\y  von  le  iden  gestifteten  Gedaciitniss-Meilaillc. 
Der  bczü^^Hciie  Auszug  aus  dem  Protokoll  des  Kriegs-ZeuganiK^ 
vom  13.  November  1849  lautet: 

Früikiurt.  den  ij,  November  1S49. 
Auszug  Protokolls  des  Kriegs-Zcugauucs  der  freien  Stadt  Frankfurt. 
Auf  Beschtuss  Hohen  Senats  vom  Heutigen,  die  voi\  Seiner  Kgl.  Hoheit  dorn 
Grossherzog  von  Baden  gestiltete  GedichtnissmedaiUe  für  die  zur  Bekämpfung 
des  Aufstandes  in  Baden  im  Jahre  l849  verwendete  Armee  bctreficnd: 
Es  wird  dem  Herrn  Oberstlieutcnanr  Busch  crötTtict,  dass  Hoher  Saint 
denjenigen  MUiiarpersoncn  des  hiesigen  Lmicn-Bataillons,  welche  den 
Feldzug  nach  Baden  nutgemaclu  haben,  die  Erlaubniss  zur  Annahme  und 
Tragung  der  von  Seiner  Königlichen  Hoheit  dem  Grossberzog  von  Baden 
gestifteten  Gedächtnlssntcdailie  ßir  die  zur  Bekämpfung  des  Aufstandes 
in  Baden   im  Jahre   1849   verwendete  Armee   ert!K-k',  auch  denselben 
gestatte,  das  dazu  gehörige  Band  schon  jetzt  an/unchmcn  und  zu  tragen. 

Zur  Bcglaub*i:untr : 
gez.  Hauptmann  Rumpf. 

Die  N'eneiluiiL;  der  Medaille  crlülj^te  noch  im  November  1849. 
Die  i;iossherzogliche  Verordnung;,  durch  welche  dieselbe  gestiftet 
wurde,  und  die  zugehörigen  Statuten  lauten,  wie  folgt: 

»Allerhöchste  Ordre.« 

So.  64.  Als  dankbare  Anerkennung  der  Verdiensie,  welclie  die  zur  Nicder- 
känipfung  des  Ai  l^r  indes  in  das  (irossherzojjthum  eingerückte  Armee  Meiner 
W-rbffndrten  sicii  um  ^f■Jh  vm\  das  Grosslierzogthum  erworben,  und  zum 
bleibenden  Ciedächtuiss  an  die  von  den  bctrclVenden  Iruppen  betiiätigten 
kri^erischen  Tugenden  finde  Ich  mich  bewegen,  lur  alle  diejenigen,  welche 
den  Feldzui,'  gegen  die  Rebellen  in  Baden  tadellos  nntgemacht»  eine  Gedacht- 
nissmcdaille  m  stiften  und  hierüber  beifolgende  Statuten  festzusetzen. 
Carisrulie,  den  29.  August  1849. 

gez.  Leopold. 

gez.  A.  V.  Roggenbach. 


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-  99  - 


Statotm 

Öbcr  die  Vcrlcllmtig  einer  Gcdächtni's-McJjillc  an  die  zur  Belcftnipfung  des  Auf' 
Standes  in  Baden  im  Jahre  1849  verwendete  Armee. 

H  c  s  c  ]>  r  e  i  b  u  n  g  der  M  e  i1  n  i  1 1  c. 
I.  Die  Gedäduniss-Mcdaillc  iKniteht  für  alle  Grade  aus  Gescliüt/gut.  Dieselbe 
stellt  auf  ihrer  Vorderseite  einen  Lorbeerkranz  dar,  niit  der  Umsctirift: 
Leopold  Groslwrwg  von  Baden 

und  der  Inschrift: 

dem  tapferen  Befreiungs-Heer  1S19 
und  duf  der  Kelirseite  ein  aiitg<"richtetes  blankes  Kriegssciiwert,  von  zwei 
Palroenzwcigen  umschlungen,  ab  Symbol  des  durch  die  Tapferitelt  der 
Armee  dem  Lande  wiedergegebenen  Friedens. 
5.  2.  Die  Meil  iille  wird  an  dem  Bande  des  Hausordens  der  Treue,  dem  ersten 
ÜrUcn  des  Landes,  getragen. 

A  n  s  p  r  ü  eil  e  ;t  n  f  die  f»  e d ä c htn  is s  -  M  e  J .1  i  1 !  e. 
5.  j.  AuJ  diese  Gedacinniss-Medaille  haben  alle  Oüii^icre,  Kriegsbcamic  und 
säromtltcbe  Mannschaften  Anspruch,  welche  im  Jahre  1849  mit  den  operi- 
renden  Armeen  aur  Bekämpfung  des  Aufstandes  in  das  Grossherzogthum 

Baden  eingerückt  sind.  Hiervon  müssen  allein  diejenigen  Soldaten  aus- 
ge*.chlmsen  sein .  welche  sich  eines  entehrenden  Verbrechens  scluildig 
gemaciii,  wie  aucli  das  Begehen  eines  solchen  Verbrechens  künftig  den 
Verlust  der  Medaille  nadi  sidi  ziehen  sdl. 

Nachweisung  der  Berechtigung  zur  Tragung  der 
Gedächtniss-Medailie. 
^  4.  L  eber  das  Recht,  diese  Gedächtni$s>Medaille  zu  tragen,  erhält  jeder  ße- 

reclniptc  eine  Urkunde. 
).  Nacli  dem  Ableben  eines  mit  der  Gedachtniss-Mednilie  Decorirtei)  verbleibt 
dieselbe  der  Familie  als  ehrendes  Andenken. 
Carlsruhe,  den  29.  August  1849. 

gez.  Leopold. 

ge/..  A.  v.  Roggenbach. 

Die  batlisclic  Gctiäcluniss-Mcdaillc  ist  abjicbilUci  aul'  Tukl  III 
No.  9  und  10. 


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11.  Die  DieDetalterssdchen  für  das  Lioienmilitär  der  freien 

Stadt  Frankfurt 


Durch  Ivaisbeschluss  vom  15.  Dc/.ciiiber  1840  wurden  für  c1.^ 
Linien-Militär,  x'.clchcs  aus  einem  Retnilion  zu  s>cchs  Coinpa^nicci" 
bestand  und  seit  der  Wiederhersteiiuni^  der  Selbst.st.indiL;keit  Joi 
Stadt  im  Jahre  1815  seinen  l^iat  an  L'iueroffii^ieren  unu  Mannschaücn 
durch  aus^edienie  Soldaten  aus  den  Machbarsiaaien  erL;änzte,  »Dienst- 
alierszcichen«  zur  Belohnung;  langjähriger,  treuerMilitardienstc  cesiiftci. 

Dieselben  bestanden  aus  den  nachstehend  aul^eiührten  ver- 
schiedenen Klassen  : 

1.  Kreuz  für  25jährige  Dienstzeit  der  Offizif^re. 

Ein  Silber- vergoldetes  Kreuz  von  27  Millimeter  Höhe  und 
Breite,  Es  wurde  nach  dem  Wortlaute  der  weiter  unten  aufgeführten 
Verordnung  »ain  rothen,  mit  drei  schmalen  weissen  Streifen 
versehenen  Bande»,  in  der  Praxis  aber  am  rothen  Bande  mit  weissen 
Randstreifen  auf  der  Unken  Brust  getragen.  Das  Kreuz  zeigt  auf 
dem  Mittelschilde  der  Vorderseite  in  einem  aus  23  Teilen  zusammen- 
gesetzten Kranze  von  Eichenlaub  den  gekrönten  städtischen  Wappen- 
adler, auf  dem  oberen  Arm  die  Zahl  XXV  und  auf  den  drei  anderen 
Armen :  Jahre  11  treue  II  Dienste.  Die  Abbildung  siehe  auf  Tafel  III 
No.  II.« 

Die  Rückseite  trägt  im  Mittelschild  in  einem  aus  23  Teilen 
zusammengesetzten  Kranze  von  Eichenlaub  das  Stiftungsjahr:  1840. 
Da  auch  die  nachstehend  beschriebenen  Kreuze  ftür  25,  15  und  10 
Dienstjahre  der  Unteroffiziere  dieselbe  Rückseite  hatten,  so  wurde 
für  die  Prägung  sänimtlicher  Dienstalterszeichen  ein  gemeinsamer 
Revers-Stempel  verwendet.  Im  Jahre  1847  wurde  dieser  durch  den 
vielfachen  Gebrauch  abgenutzte  und  schadhaft  gewordene  Stempel 
nach  einer  Verfügung  des  Senats  vom  9.  März  durch  einen  neuen 
ersetzt.  Die  Herstellung  dieses  letzteren  wurde  dem  Münzmeister 
Tomschutz,  welcher  auch  im  Jahre  1841  die  Prägung  besorgt  hatte, 


•  Üic  Diciistaltcrs/ciclicn  sind,  nach  Grösse  und  Art  der  i^rügun^,  den  1.SJ4 
im  Herzogtum  Nassau  gestifteten  Diciistkreiixen  nachgebildet. 


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Obenragen.'   Der  seil  1847  benutzte  Revers-Stempel  ist  von  dem 

älteren  kaum  zu  untcrscheicien.  Der  genaue  Beobachter  findet,  Jass 
bei  dem  älteren  Stempel  die  Zahl  8  etwas  tiefer  und  ein  wcnii;  niiher 
an  der  Zahl  i,  dessgleichen  die  Zahl  4  tiefer  steht,  als  dies  bei  dem 
neueren  Stempel  der  Fall  ist.  Die  Verschiedenheit  ist  bei  der  Abbildung 
der  Rückseiten  der  nachstehend  unter  II  und  III  beschriebenen  silbernen 
Kreuze  auf  Tafel  III  No.  16  und  17  veranschaulicht.  Es  linden  sich  je 
von  den  unter  I  bis  IV  beschriebenen  Klassen  des  Dienstaiterszeichens 
Exemplare  mit  den  beiden  Revers-Verschiedenheiten  vor. 

IL  Kreuz  lur  2jjahrigc  Dienstzeil  der  U  n  lerol  fizierc, 

Spiclleute  und  Soldaten. 
Es  iäi  von  Silber  und  stimmt  sonst  mit  dem  silber-vergoldeten  Kreuz 
für  die  Offiziere  vollkommen  überein.  Mit  seinem  Besitze  war  eine 
monatliche  Zulage  von  zwei  Gulden  verbunden.  Die  Abbildung  der 
Vorderseite  siehe  auf  Tafel  III  No.  12,  der  Rückseite  auf  Tafel  III 
Nu.  16  und  17. 

HL  Kreitz  für  ijjährige  Dienstzeit  der  Unteroffiziere, 

Spielleute  und  Soldaten. 
Es  ist  von  Silber,  sollte  nach  der  Verordnung  »an  einem  rothen 
Bande  mit  zwei  schmalen  weissen  Streifen«  getragen  werden,  wurde 
aber  gleichfalls  stets  an  dem  rothen  Bande  mit  weissen  Randstreifen 
auf  der  Unken  Brust  befestigt.  Form,  Grösse  und  Prägung  der  beiden 
Seiten  sind  übereinstimmend  mit  den  unter  I  und  II  beschriebenen 
Kreuzen  für  25jährige  Dienstzeit,  nur  steht  auf  dem  oberen  Arme 
die  Zahl  XV.  Die  Vorderseite  ist  abgebildet  auf  Tafel  HI  No.  13,  die 
Rückseite  auf  Tafel  III  No.  16  und  17.  Mit  dem  Besitze  dieses  Dienst« 
alterszetchens  war  eine  monatliche  Zulage  von  tV'  Gulden  verbunden. 

IV.  Kreuz  für  lojährige  Dienstzeit  der  Unteroffiziere, 

Spiclleute  und  Soldaten. 

Es  ist  von  dunkler  Bronce  und  wurde  nach  dem  Wortlaute  der  Ver- 
ordnung »an  einem  rothen  Bande  mit  einem  schmalen  weissen  Streifen«, 
in  der  Praxis  aber  wie  alle  Diensulterszeichen  am  rothen  Bande  mit 
weissen  Randstreifen  getragen.  Es  stimmt  in  Form,  Grösse  und 

'  Die  Herstellung^  des  neuen,  von  Zollnunn  in  Wiesbaden  ircstochencn,  Rcvcrs- 
Stempcls  kostete  22  Gulden;  ebensoviel  hauen  auch  je  die  j  .\vers-S:empel  und 
der  Revers-Stempel  vod  184  i  gekostet.  —  Die  bis  1866  gebrauchten  4  Stempel, 
nimticb  die  Avers-Stempel  von  1841  fikr  2$  und  ij  Jühre»  dann  der  von  186$ 
10  Jahre,  sowie  der  ^'enieinsame  Revers-Stempel  von  1847  befinden  sidi  jetzt  ii( 
stidüschen  Münzsammlung  in  Frankturt. 


—    102  — 


Prägung  mit  den  übrij,'en  Kreuzen  überein,  nur  trägt  der  obere  Arm 
der  Vorderseite  die  Zahl  X.  Da  der  Bedarf  nn  Bronce-Kreuzcn  ein 
weit  grösserer  als  an  silbernen  war,  so  wurde  der  Avers-Stempel 
für  die  ersteren  mit  der  Zeit  abgenutzt  und  es  musste  ein  neuer  her- 
gestellt werden.  Derselbe  wurde  im  Jahr  1865  geschnitten.  Das 
Mittclschild  des  neuen  Stempels  ist  etwas  grösser  wie  bei  der  alten 
Präguni^;  der  dasselbe  umgebende  Kranz  von  Eichenlaub  ist  aus 
27  statt  aus  23  Teilen  zusammengesetzt,  der  Adler  ist  etwas  grösser 
und  schärfer  geschnitten.  Auch  die  Buchstaben  auf  den  Armen  der 
Kreuze  zeigen  kleine  Verschiedenheiten. '  Die  Vorderseite  mit  dem 
Stempel  von  1841  ist  abgebildet  auf  Tafel  III  No.  14,  mit  dem  Stempel 
von  1865  auf  Tafel  III  Xo.  15.  Es  wurden  mit  dem  letzteren  auf 
Bestellung  des  Kriegszeugamtes  vom  18.  Janu.ir  1865  einhundert 
Broncekreuze  angefertigt.  Die  Rückseite  des  Kreuzes  stimmt  mit  der 
auf  Tafel  III  No.  und  17  abgebildeten  Rückseite  der  silbernen  Exem- 
plare überein.*  Mit  dem  Besitze  dieses  Diensialterszeichens  war  eine 
monathche  Zulage  von  einem  Gulden  und  die  Berechtigung  verbunden, 
um  kostenfreie  Aufnahme  in  das  Erankfurter  Bürgerrecht  nachzusuchen. 

Die  Srifrungs-Urkimde  für  die  Diensialterszeichen,  welche  auch 
im  Separatabdruck  erschienen  ist,  wurde  im  Amtsblatt  der  freien 
Stadt  Frankfurt  von  1840  verötTentlicht  und  in  der  Oberpostamts- 
zeiiung  vom  20.  Dezember  1840  mitgeteilt.   Sie  lautet : ' 

Im  Attftrnirc  Hohen  Senats  wird  iu-iclistcl)endc  Verordnung  bekannt  gemacht. 
Fraukfurt  am  Main,  den  1$.  Dezember  1840. 

St.idi-Canziei. 


'  Fs  finden  sich  demnach,  abgesehen  von  den  sub  \'  beschriebenen  2  goldenen 
Kreuzen  und  i  silbernen  Krcu-c  für  5ojälirigc  Dieasticei»,  nachstehende  neun  ver- 
schiedene Af^  von  Diensialterszeichen  vor: 

1)  Kreuz  für  3$  Dienstjahrc  der  Offiziere,  Avers  und  Res'ers  von  t&fi ; 

2)  dasselbe  Krcu7,  Avers  von  1841,  Revers  von  18.J7; 

))  Kren/  tur  2]  Dienstjahre  in  Silber,  Avers  uiul  Revers  von  1841 ; 

4)  dasselbe  Kreuz,  Avers  von  1841,  Revers  von  1847; 

$)  Kreuz  ßr  15  Dienstjahre  in  Silber,  Awrs  und  Revers  von  1841; 

6)  dasselbe  Kreuz,  Avers  von  1841,  Revers  von  1847; 

7)  Kreuz  für  10  Dienstjahre  in  Broncc,  Avers  und  Revers  von  1841; 

5)  d.^S'-elbe  Kren/,  Avers  von  18 }i,  Revers  von  1847; 
t;)  J.iNselbe  Kreuz,  Avers  von  1865,  Revers  von  1S47. 

*  l  ur  dielironce-Krcuze  wurden  anfangs  2  Gulden  15  Kreuxcr,  später  2üulden, 
zuletxt  1  Gulden  }o  Kreuzer  bezahlt.  Ein  silbernes  Kreuz  \i-urde  nach  Ausweb 
der  Rechnungen  mit  4  Gulden,  ein  sübervergoldetes  mit  7  Gulden  1$  Kreuzer 
berechnet. 

^  Für  die  VcrnrJnun£T  vom  15,  Dc/cniber  1840  dienten  die  Statuten  zu  dem 
im  Jahre  1835  im  Grossherxogtum  i^ics&en  gestifteten  Dieostkreuz  als  Anhalt 


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-   103  — 
Verordnung 

Ober  die  Stifning  ehws  Oientoherswichena  fDr  das  Linienmilitair  der  freien  Stadt 

Frankfurt 

Wir  Bürgermeister  und  Ratli  der  firden  Stadt  Franltfurt  ani  Main  haben  Uns 
bewogen  gefunden,  zur  Anerkennung  und  Belohmini;  vidjälviger  treu  und  Vorwurf»« 
frei  geleisteter  Dienste  im  hiesigen  Linienmiliuir  ein  militairisehes  Dienstelircnieichen 
au  stiften,  und  verordnen  hierüber  Folgendes: 

S-  «• 

Das  Ehreniekfaen  besteht 

»för  Offiziere« 

(br  2S  Jahre  Dienstleistung  im  hiesiucn  Linienmilitair  aus  eineni  goldenen  K  lu/«.  , 
juf  dessen  Vorderseite  im  Medaillon  das  hiesige  Stadtwappen  und  auf  den  vier 
Strahlen  -)XX\'  Jahre  treuer  Dienste«,  auf  dessen  anderer  Seite  aber  nur  im  Medaillon 
die  Jahres7:.ihl  der  ersten  Verleihung  1840  geprägt  ist. 

Fisr  L'ntcrolfuiere,  Spicllcute  und  S.iIdLiien 

lur  lujährige  Dienstleistun<;  jun  einem  kupiciiien  Krui/c,  welciics  in  der 
Prägung  dem  goldenen  gleich,  jedoch  anstatt  mit  der  Zahl  XXV  mit  der 
von  X  verschen  und  womit  eine  tnonatliclie  Zulage  von  eineni  Gulden  ver- 
bunden ist; 

b)  för  15 jährige  Dienstleistung  aus  einem  silbernen,  ebenfalls  in  der  Prägung 

dem  goldenen  gleichen,  aber  mit  der  Zahl  XV  versehenen  Kreuw,  tnit 
monatlicher  Zulage  von  einem  Gulden  dreissig  Kreuzer; 

c)  ßr  35}ilirlge  Dienstleistung  aus  einem  silbemen»  b  der  Priguiig  dem  goldenen 
gleichen,  mit  der  Zahl  XXV  versehenen  Kreuze,  und  mit  einer  monatlichen 
Zulage  von  zwei  Gulden. 

Die  Kreuze  werden  an  einem  rothen,  nach  der  entsprechenden  Dienstzeit  mit 
I,  2  oder  ;  sciimalcn  weissen  Streifen  versehenen  Rande  auf  der  linken  Urust 
getragen,'  und  /war  so,  dass  auch  bei  den  Unterofti/ieren  und  Soldaten  dasselbe^ 
weim  sie  das  Lcderzeug  umgchlngt  haben,  noch  sichtbar  bleibt 

:■  5- 

Den  ÜllUieren  werden  die  Jahre,  welche  sie  als  Unierolii/iere  und  Soldaten 
gedicm  haben,  ebenfalls  gezählt 


'  Sdmmtliche  Dienstkreu/e  wurden,  abweichend  von  dieser  Verordnung,  laut 
Senatsbeschluss  xxrni  16.  März  1841  am  roten  Bande  mit  weissen  Ilandstrcifcn  getragen. 
StadtWbliothekar  Dr.  Ebrard  teilt  Ober  das  Band  Nadistehendes  mit: 
Von  dem  Band  /u  den  Dieusialierszeichen  wurden  seitens  des  Kriegszeug- 
amtes viermal  officiclle  Lieferungen  und  zwar  stets  bei  den  GebrOdcrn 
Flassavant  in  Frankfurt  am  Main  bestelh,  nämlich  am  27.  Februar  1841,  am 
12.  März  1847,  am  10.  September  i8j2  und  am  4.  April  1864.  Die  beiden 
ersten  Lieferungen  sind  von  Duniarcst  und  Cie  in  St.  Etienne  bei  Lyon,  die 
beiden  letzteren  wohl  von  Ficlucr  und  SiMine  in  Basel  fabridrt.  Die  vier 
Liefenuigen,  von  welchen  s.iiuintlich  I m  in  der  städtischen  Münzsamm- 
lung auf  der  Frankfurter  Stadtbibliothek  vorhanden  sind,  unterscheiden  sich 
durch  vier  verschiedene  Nuancen  im  Rot  und  durch  eine  verschiedene  Zahl 
von  Maschen  auf  dein  Zettel  (d.  i.  dem  Längsfaden). 

.\uch  von  nicht  weniger  als  sieben  niclu-officicUen  .\nfcnigungeti  von  Band 
zu  den  Dienstkreuzen  durch  Frankfurter  be/w.  auswärtige  Posameutierc  besitzt 
die  dortige  städtische  Münzsammlung  Proben. 


Digit 


—    I04  — 


Je<.les  KriL^sj.ihr,  il;is  lidsst  jeder  wirklich  ttittgetu^clitt;  Feldziig,  wird  Sa 
zwei.  Dicnsijahrc  gerechnet. 

S-  4. 

Die  Jahre  der  Kriegsgefangenschaft  werden  nicht  als  Kriegsjahrc  gcdhlt 
Nur  dann,  wenn  die  Gefangenschaft  Folge  einer  schweren  Verwundung  war,  lw> 
halten  Wir  Uns  vor,  in  einzelnen  Fällen  Aumahmen  dntreten  zu  lassen. 

Bios  das  laufende  Jahr,  in  welchem  ein  Militair  verwundet  und  dadurch  ausser 
Stand  gesetzt  ist,  an  den  ferneren  Gefechten  wahrend  desselben  Theil  zu  nehmen» 
wird  als  Kricgsialu-,  das  hcisst  doppeh,  gerechnet. 

§.6. 

Hei  Rcstimiming  dor  Dicnst/cit  kommen  nur  die  Diensijahre  in  Anrechnuni;, 
wcLlic  der  iieuclVeadc  im  hiesigen,  niciit  aber  die,  welche  er  etwa  in  auswärtiutii 
Miliuirdieusien  gestanden  hat.  Den  hiesigen  Offizieren  sollen  jedoch  fremde  Dienst- 
jahre zählen,  doch  müssen  solche  zuletzt  mindestens  10  Jahre  im  hiesigen  Mitiutr- 
dienst  gestanden  haben. 

S-  7. 

Ist  die  Dienstzeit  eines  Miütairs  l'inpere  Zeit,  als  sechs  Moniite,  dnrcli  Abschied 
unterbrochen  wt>rdcn,  so  zahlen  die  früheren  Dienstjahre  nicht.  W  ir  bchaheu  Uns 
jedoch  vor,  in  besonderen  Fallen  Ausnahmen  hierin  emtrcten  zu  lassen. 

S.  8. 

Wenn  ein  dos  Dienst-Ehrenzeichen  besit/tcndcr  Unteroffizier  zum  Ütlizier 
avancirt,  liefert  er  dasselbe  ab  und  empfangt  dagegen,  wenn  er  25  Dienstjahre  hat, 
wobei  ihm  die  als  Soldat  und  Umcrofliiicr '  gedienten  Jahre  zählen,  das  Diemi- 
I'^hrenmchen  der  Offiziere.  Ausgenommen  hiervon  sind  diejenigen  Utitcrof  Ii  ziere, 
welche  wegen  bewiesener  besonderer  Tapferkeit  vor  dem  Feinde  zum  Othaer 
avanciren. 

S-9. 

Eben  so  muss  ein  jeder  Unteroflizier  und  Soldat,  welclicr  das  Kreuz  doer 

höheren  .Mtersklasse  erhält,  das  früher  besessene  zurückliefern;  desgleichen  müssen 
die  Verwandten  eines  verstorbenen  Militair«;  jeden  Cr.uies  das  von  demselben  be- 
sessene Dienst-Ehrcczeichen  durch  das  Militair-Coniniando  an  das  Kri^gs-Zeuganu 
abliefern. 

S>  10. 

Die  Besitzer  des  I^eost^Bhrenzeidiens  sind  emiäditigt,  solches  auch  nach 

erfolgtem  Austritt  aus  dem  Militairdiensi  fortzutragen,  wobei  jedoch  die  Zulif^e 
cessirt  und  n.icli  dem  Ableben  des  Besitzers  dasselbe  ;in  das  Kricq:"^-/eug-.'\nu 
zurückgestellt  werden  muss.  Das  Band  allein,  ohne  das  da/u  geitorige  Kreuz,  darl 
nicht  getragen  werden. 

$.  11. 

Verletzung  der  Treue,  sowie  jede  entehrende  Handlung«  machen  zur  Erlangung 
des  Diunst'Hhrcnzcicheos  unfähig. 

Üben  diese  Ursaciien,  welche  zur  Erhaltung  des  Dienst-Eiirenzeichens  unwürdig 
machen,  zidien  auch  den  Verlust  desselben  nach  sieh. 

Durch  kricgsgerkhtKche  Erkamtnissc  entzogene  Dicnst-Ehrenzeiclien  können 
nicht  wieder  erlangt  werden,  ausser  mit  Unserer  Bewilligung. 


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-    I05  - 


Jeder  Empfänger  des  Dienst-Ehrensdchens  eriiält  daraber  dne,  von  dem 
Xikgs^Zeug'Amt  au^efertigt^  auf  ihn  sprechende  Urkunde. 

Zu  näherer  Prüfung  der  Ansprüche  und  Würdigkeit  in  den  einiebien  Fällen 

!>olIai  der  Bataillons-Rcfclilsh.ibcr  und  dk  beiden  .iltcstcn  Hauptlcutc  unter  dem 
Vorsitze  des  Militär-Cotnnuiudantcn  zusaninientretea  und  die  geeigneten  Antrage 
stcllai. 

Die  Berichte,  worin  die  Verhältnisse  genau  angegeben  und  die  Anträge 
niotivirt  sein  müssen,  werden  auf  dem  DiensiiÄ,*cg  an  das  Kriegs-Zeug-Amt  einge- 
schickt. Die  Entscheidung  auf  den  Vorschlag  des  letzteren  bleibt  Uns  vorbehalten. 

$>  i6. 

Bios  die  Miütair-Personen  des  streitbaren  Standes  können  das  Militair-Dienst- 
E})rcn/eichcn  erhalten,  die  Nichtstreitenden  haben  I;cineti  Anspruch  darauf.  Wir 
bclulien  Uns  jedoch  vor,  bei  ausgezeichneten  Dienstleistungen,  namentlich  im  Felde, 
auch  an  mchcttreitendc  Milhajrs  das  Dienst-Ehrenzeichen  zu  verleihen. 

S-  «7. 

Bei  den  Tcnsionairen  kommen  nur  die  Jahre  iu  Aiireciuiung,  walirend  welclicr 
sie  wirklich  aetive  Militairdienste  geleistet  haben. 

V.  Das  Dienstaltersseichen  für  50  Dienstjahre. 

a,  für  Offiziere. 
Dasselbe  wurde  durch  Senatsbeschluss  vom  6.  Juli  184 1  zum 
ersten  Mal  und,  bis  zur  Aufhebung  der  Selbstständigkeit  der  freien 
Stadt  Prankfurt  im  Jahre  1866,  im  Ganzen  viermal  und  zwar  an  die 
nachbenannten  Offiziere  verliehen: 

t.  Oberst  Carl  Philipp  Decken.  Derselbe  trat  am  27.  Juni  i7;8 
ab  Fähnrich  in  den  reichsstädtischen  Militärdienst,  wurde  am 
25.  März  1803  zum  Unterlieutenant,  am  5.  October  1805  zum 
Oberlieutenant,  am  23.  April  1810  im  primatischen  Dienst  zum 
Hauptmann  II.  Gasse,  am  x6.  April  1815  zum  Hauptmann 
I.  Classe,  am  28.  Dezember  1829  zum  Major,  am  i.  Mai  1830 
zum  Oberstlieutenant,  Militär-  und  Platzcommandant  befördcn. 
Er  hatte  die  Feldzüge  gegen  Spanien  und  Frankreich  mitgemacht, 
erhielt  das  Kreuz  fOx  50  Dienstjahre  am  6.  Juli  1841,  wurde  am 
I.  Juli  1842  pensionirt  und  starb  am  17.  April  1845  in  Frank- 
furt am  Main. 

2.  Oberst  Georg  Wilhelm  Hofman  n.  Er  trat  am  22.  Februar  180 1 
als  Fähnrich  in  den  reichsstädtischen  Militärdienst,  wurde  am 
12.  Mai  1806  Unterlieutenant,  am  16*  Februar  181 3  Oberlieute- 
nant,  am  2.  Juni  1815  Hauptmann,  am  i.  Mai  1838  Major  und 
Commandeur  des  Linien-Bataillons  der  freien  Stadt,  am  i.  Juli  1843 
Oberstlieutenant,  Militär*  und  Platz-Commandant,  am  22.  Juli  1845 


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zum  Oberst  befördert.  V.r  hatte  an  den  Kriegen  in  Spanien 
und  gegen  1- rankreich  Teil  genommen,  erhielt  am  9.  October  1845 
dasselbe  Exemplar  des  Dienstkreuzes  flkr  50  Jahre,  welches  der 
ad  I  genannte  Oberst  Deekcn  getragen  hatte,  wurde  m 
31.  Januar  1849  pensionirt  und  starb  am  2,  August  1852  in 

I  rankfurt  am  Main. 

Das  zuerst  von  Oberst  Decken  und  nach  diesem  von  Oberst 
Hofmann  getragene  Kreuz  wurde,  nach  dem  Tod  des  letzteren, 
am  20.  März  1856  an  das  Kriegszeugamt  abgeliefert  und  von 
diesem  am  8.  Mai  1858  der  städtischen  Münzsammlung  über- 
wiesen. Das  Kreuz  ist  mnssiv  in  Gold  von  Johannes  Wirsing 
in  l'rankfurt  gearbeitet  und  kostete,  nach  Ausweis  der  Rech- 
nungsbelege des  Kricgszeugamtes ,  sammt  Model  und  Htui, 
58  Gulden.  Ks  stimmt  in  Form  und  Grösse  genau  mit  den 
übrigen  Dienstalterszeichen  übcrcin.  Das  Kreuz  tragt  im  Mittcl- 
schild  der  Vorderseite,  in  einem  Lorbeerkranz,  den  städtischen 
Wappcnadler  und  auf  den  vier  Armen  die  Aulschrift :  L  il  Jaiirc 

II  treuer  II  Dienste.  Die  Abbildung  der  Vorderseite  siehe  auf 
Tafel  III  No.  18.  Das  Mittelschikl  der  Rückseite  trägt  die  Jahres- 
zahl 1840,  das  Jahr  der  Stiftung  der  Dienstalterszcichen,  und  ist 
abgebildet  auf  Tafel  Iii  No.  19.  Ueber  dem  Kreuz  erhebt  sich 
eine  heraldische  Krone  mit  drei  Blättern '  und  aus  dieser  heraus 
ein  Ring  zum  Durchzietio-i  des  für  die  übrigen  Dienstalters- 
zeichen gebräuclüichen  Bandes,  an  welchem  es  auf  der  linken 
Brust  getragen  wurde. 

3.  Major  Justus  Schul  er.  Derselbe  wurde  assentirt  am  1.  Januar  1804, 
trat  am  i.  Januar  1806  als  Cadet  in  den  primatiscben  Dienst, 
wurde  am  6.  August  desselben  Jahres  zum  Fähnrich,  am 
9.  August  1808  zum  Unterlieutenant,  am  24.  April  1810  zum 
Oberlieutenant,  am  21.  März  18 14  zum  Hauptmann  und  am 
I.  Mai  1858  zum  Major  und  Platzmajor  ernannt.  lir  hatte  i8<.)6 
am  Krieg  gegen  Preussen,  von  1808  bis  18 15  an  den  Kämpfen 
in  Spanien,  1814  und  181 5  am  Kriege  gegen  Frankreich  Teil 
genommen.  Er  erhielt  das  Kreuz  für  50  Dienstjahre,  durch 
Ratsschluss  vom  10.  November  1846,  am  i.  Januar  1847  und 
starb,  als  Major  und  Platzmajor,  am  24.  Dezember  1855. 

Das  für  den  Majt)r  Schuler  neu  angefertigte  Kreuz  wurde  am 
19.  Dezember  1846  von  den  Silberarbeitern  Sackermann,  Hessen- 


'  I^ic  inclirtacli  gehörte  Beliauptunx.  d.iss  die  Kreuze  für  $0  Dienstjahre  von 
einer  Aiiuerkrone  überragt  worden  sekn,  beruht  auf  einem  Irrtum. 


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—   107  — 


hcr«^  &  Ct).  an  das  Kric^szcngamt  abgclit-tcrt.  Iis  war  «^cnaii 
dtni  ad  2  beschriebenen  I-xemplar  naeh<;ebildet,  war  nur  '/4  Kroiic 
scliwcrcr  und  trug  aul  dem  Mittclschild  der  Rückseite  die  Jahres- 
zahl 1847,  das  Jahr  der  Verleihung  an  Major  Schuler.  Das 
Kreuz,  das  mit  Etui  55  fl.  12  Kr.  kostete,  wurde  nach  seinem 
ToJe  am  4.  Januar  1856  an  das  Kriegszeugamt  zurückgegeben. 
4.  Oberst  Carl  Ludwig  Heinrich  l'raiiz  Hcmnierich.  Derselbe  trat 
am  I.  August  1816  als  Cadct  in  den  Militärdienst  der  freien 
Stadt,  wurde  am  i.  Mai  1821  zum  Unterlieutenant,  am  31.  August 
183 1  zum  Oberlieutenant,  am  6.  Juni  1840  zum  Hauptmann,  am 
23.  Juli  1856  zum  Major  und  Commandeur  des  Linienbauilbns 
der  freien  Stadt  befördert  und  am  9.  November  1859  zum  Oberst- 
lieiitenant  und  Militär-Commandant  ernannt,  l-.r  hatte  an  den 
Feldziigen  in  Schleswig  und  Baden  1848  und  18  (9  Teil  genommen 
und  erhielt  das  Kreuz  für  50  Dienstjahre,  durch  Ratsschluss  vom 
29.  Januar,  am  i.  August  1864.'  Er  wurde  am  17.  Januar  1865 
als  Oberst  pensionin  und  starb  am  18.  Februar  1884,  82  Jahre 
alt,  in  Frankfurt  am  Main. 

Er  erhielt  das  ad  3  beschriebene,  früher  von  Major  Justus 
Schuler  getragene  Kreuz.  Dasselbe  wurde  bei  Ilessenberg  &  Co.  im 
März  1864  einer  Umänderung  unterworfen,  indem  das  Miltelschild 
erneut  und  auf  des.scn  Rückseite  an  Stelle  der  Zahl  »1847«  Jahr 
»1864a  eingeschnitten  wurde.  Der  runde  Ring  zum  Durchziehen  des 
Bandes  wurde  durch  dnen  langgestreckten  ersetzt,  weil  Oberst 
Hemmerich  die  besondere  Erlaubniss  erhalten  hatte,  das  Kreuz  an  dem 
für  die  übrigen  Dienstalterszeichen  vorgeschriebenen  Bande  um  den 
Hals  zu  tragen.  Dieses  hier  beschriebene,  von  Major  Justus  Schuler 
und  Oberst  Hemmerich  getragene  Exemplar  betindet  sich  gleichfiills 
in  der  städtischen  Münzsammlung  in  Frankfurt.  Seine  Rückseite  ist 
abgebildet  auf  Tafel  III  No.  20.'  Die  Vorderseite  entspricht,  abge- 
sehen von  dem  langgestreckten  Ring  über  der  Krone,  der  Abbildung 
auf  Tafel  UI  No.  18. 


13- 


I 


'  Oberst  Henimerich  erwarb  sicli  ausser  <Icn)  Kreux  für  50  Dictisijahrc,  dem 
Fciddicnstzcichen  (ür  i84S'.|9  und  der  badischen  Gcdüchtntssmedaille  während 
seiner  Dienstzeit  den  östrcichiMrlien  Leopoldorden  ).  Cbssc,  den  preussischcn  Kroneti' 
Orden  J,  Classe  und  das  llittcrkrcuz  i.  Classe  des  hessischen  Ludewigs-Ordeiis. 

'  .Scnjtor  C.  von  Heyden  sagt  in  seinem  kurzen  Aufsalze  über  die  Militir* 
Hhrenxeichen  der  fieien  Stadt  Frankfurt  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  fiSr  Ge- 
schichte und  Altertumskunde  II.  265.  d.iss  .luch  ObL-rstlieutcnant  Jäger  das  Kreuz 
für  50  Dicnstj.ihrc  ht;scs;,cn  h.ibc.  l!s  beruht  dies  auf  einem  Irrtum.  Jäger  wurde 
im  Jahr  iSoo  asscntirt,  i82y  als  Oberst  pensionirt  und  starb  184}.   lir  erhielt  bei 


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—   io8  - 


Die  Urkunde,  welche  dem  Oberst  Hi^mmcridi  gleichzeiiig  mii 
dem  Kreuz  übergeben  wurde,  lautet : 

Freie  Stadt  Frankdirt. 
Das  durcli  Kathsbeschluss  vom  29.  Januar  1H64 
No.  475 

dem  Herrn  Obersttieutenam  und  MUitair- 

(!ommnn  Jjnten 
Franz  Ludwich  Philipp  Hemnicrich 
zur  jVnerkcnnur.g  und  Bclohnuuj^ 
fönfzigjähriger 
treu  und  vorwurfsfrd  geleisteter  Militairdienste 
gewährte 
goldene  Kreuz 
ist 

nach  Vollendung  der  vorgedachten  Dienstzeit  am  i.  August  1K64  kraft  Enuäch- 
tigung  Hohen  Senats  von  dem  unterzeichneten  Amte  heute  dem  Herrn  Oberst- 
licntLuant  Meninierich  verliehen  worden,  worüber  demselben  gegenwärtige 

Urkunde  erthcÜT  wird. 

Frankfurt  am  Main,  den  1.  August  1^4. 

Kriegs-Zeug-Amt. 
Dr.  Neuburg.  Müller. 

b)  der  Unteroffiziere  und  Soldaten. 

Dasselbe  wurde  nur  einmal,  am  16.  Dezember  1845,  an  den 
Feldwebel  und  Bürgermeister-Ordonnanz  Heinrich  Jung  verliehen. 
Das  Exemplar  ist  verschollen  und  soll  dem  Veteranen  mit  in  das 
Grab  gelegt  worden  sein.*  Es  war  von  Silber,  wurde  von  den 
Silberarbeitem  Sackennann,  Hessenberg  &  Co.  am  2.  Januar  i^^O 
an  das  Kriegszeugamt  abgeliefert,  kostete  12  Gulden  und  stiinmte 
mit  dem  goldenen  Oftizierkrcuz  in  Grösse,  Form  und  Prägung 
überein.  * 


der  Stiftung  der  Dienstkreuze  im  Jahre  1841  naditräglich  da»  Kreuz  för  2; 
Dienstjahre. 

Es  wiirdett   deninnch  nur  wci   l'xftnplare  des  golik nci'.  Kn.ii''i.s  ?tir 
Dienstjahre  aii^eicrligt.    Beide   betuiden  m<.1i  in  der  städtischen  ^iun^sanunluil^  m 
Fninkfurt.    Andere  in  Privatsammlungen  vorhandene  Exemplare  sind  lediglich 
Nachbildungen  jener  Originalstückc. 

'  J""g>  geboren  in  Langsdorf  bei  Braurfcis.  wurd^.-  1796  assenliri,  machte 
alle  Feldzüf^e  bis  zum  Wiedercinrückcn  des  Contini;cnts  im  Jahre  1800  mit,  wurde 
i8ü6  Ürdonnauz  beim  Kriegszeu^ami,  1826  Ordonnanz  beim  älteren  Bürgcniicisler 
und  starb  am  2.  April  1850  in  Frankfurt  am  Main. 

'  .\uch  von  diesem  Kreuz  wurde  für  eine  Privatsammlung  eine  Nadi- 
bildung  in  Silber  angefertigt  und  imumlich  mit  einer  »Mauerkrone«  versehen. 


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IL 

Die  Ehrenbürger  der  Reichsstadt  und  der  freien  Stadt 

Frankfurt  a.  M. 

Von  Stadurehivar  Dr,  R.  ^uag. 

Die  Ernennung  des  früheren  OberbOrgermeisters  Dr.  Miquel 
zum  Ehrenbürger  unserer  Stadt  hat  zu  Kachforschungen  in  den 
beiden  Stadtarchiven  gefuhrt,  wie  oft  bisher  die  städtischen  Behörden 
diese  Auszeichnung  verliehen  haben.  Dass  solche  Nachforschungen 
nöthig  waren,  beweist  deutlich,  dass  die  Namen  der  Männer,  welche 
mit  der  höchsten  Würde  der  Stadt  beehrt  wurden,  mittlerweile  in 
Vergessenheit  gerathen  sind.  Kein  äusseres  Zeichen,  kein  Denkmal, 
keine  Gedenktafel,  nicht  einmal  die  Benennung  eines  Gebäudes,  eines 
Platzes,  einer  Strasse '  hält  die  Erinnerung  an  irgend  einen  der  sechs 
Männer  fest,  die  wir  unsere  Ehrenbürger  nennen.  Die  folgenden 
Blätter  bezwecken,  von  Neuem  an  die  Verdienste  dieser  Männer  und 
an  die  Umstände,  welche  mit  der  Verleihung  des  Ehrenbürgerrechtes 
an  dieselben  verknüpft  waren,  zu  erinnern. 

Die  Reichsstadt,  seit  1815  die  freie  Stadt  Frankfurt  hatte  nicht, 
wie  im  monarchischen  Staatswesen  üblich,  Titel  und  Orden  an  Bürger 
oder  Fremde  zu  vergeben,  welche  sich  besondere  Verdienste  um  das 
Wohl  der  Stadt  erworben  hatten.'  Waren  es  Einwohner,  Bürger  der 
Stadt,  welche  Anspruch  auf  besonderen  Dank  hatten,  so  beschränkte  sich 
in  den  früheren  Jahrhundenen  der  Rath  meist  auf  einen  Beschluss, 
welcher  den  Betreffenden  diesen  Dank  aussprach;  ab  und  zu  gewann 
der  Dank  eine  mehr  materielle  Gestalt,  indem  man  dem  Bürger  gewisse 
Erleichterungen  in  der  Ableistung  seiner  BürgerpHichten  zeitweilig 
oder  für  immer  zugestand.  Hatte  sich  ein  Auswäniger  Verdienste 
um  die  Stadt  erworben,  so  belohnte  man  denselben  ausser  mit  einem 
Dankesbeschluss  häufig  auch  mit  einem  wenhvollen  Geschenk,  z.  B. 
mit  einem  kunstvollen  Becher,  angefüllt  mit  gangbaren  Goldmünzen. 


•  Als  man  kürzlich  einer  Strasse  den  Namen  Scliwanthalcrs  gab,  dachte  man 
nur  an  Jen  bcrülinncn  Künstler,  nicht  an  seine  Eigenschait  als  Ehrenbürger  unU 
Schöpfer  unseres  Goeihe-Denkmals. 

'  Ich  lasse  hier  die  seit  iHij  üblichen  Verleihungen  von  Hhrcnmedaillen  an 
Mititirpersonen  ausser  Betracht. 


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—    HO  — 


Mit  dem  Bndc  des  vorigen  Jalirluinderts  fand  man  eine  neue, 
in  unserer  Stadt  wenigstens  noch  nicht  dagewesene  Form,  besonders 
verdienten  Männern  zu  danken,  indem  man  ihnen  das  hiesige  Bürger- 
recht mit  allen  seinen  Vortheilen,  aber  ohne  seine  Verpflichtungen 
ehrcnihalber  übertrug.    Diese  neue  Art  der  Ehrung  ist  offenbar  unter 
dem  Eintluss  der  Ideen  erwachsen,  welche  die  französische  Revolution 
auch  iin!>  zugeführt  hatte;  die  Monarchie  dankte  durch  Verleihung 
des  Adels,  die  RcpuMik  ernannte  £hrenbi]irger  —  wie  ja  z.  B.  Schiller 
ehrenthalber  mit  dem  Titel  eines  »citoyen  fran^ais«  bedacht  wurJc  — , 
der  bisherigen  Werthschätzung  des  Adels  setzte  sie  die  Werth- 
schäizung  des  »tiers  itat«,  des  Bürgerstandes,  entgegen.    Die  Ver- 
leihung des  Frankfurter  Ehrenburgerrechtes  wurde  aber  nur  bei 
solchen  Männern  beschlossen,  welche  bisher  dem  hiesigen  Börger- 
verband c  nicht  angehörten.    Der  Frankfurter  Bürger,  welcher  sich 
besondere  Verdienste  erworben  hatte,  musste  sich  mit  dem  Bewusst- 
sein  wohlerfüllter  Pflicht  und  allenfalls  auch  mit  einem  Danke  des 
Senates  begnügen  ;  da  er  bereits  die  Ehre  hatte,  Bürger  zu  sein,  so 
dachte  man  nicht  daran,  diese  Ehre  noch  zu  mehren,  indem  man  ihn 
zum  Ehrenbürger  ernannte  und  ihn  also  seiner  bürgerlichen  Lasten 
ledig  sprach.^  Ob  die  Nichterthetlung  der  Ehrenbürgerwürde  an  hier 
bereits  \'erbürgertc  Grundsat/  oder  nur  Zufall  war,  ist  mir  niclu 
bekannt.   Unsere  bisherigen  l'hrenbürgcr  waren  alle  Ausländer,  nur 
einer  von  ihnen  war  von  der  Stadt  angestellt  und  besoldet  worden. 
Die  Verleihung  der  Würde  beschloss  der  Senat;  die  bürgerliche 
Vertretung  hatte  nur  insofern  mitzuwirken,  als  sie  die  nöihigen 
Kosten  für  das  Diplom  zu  beschlicssen  h.tite.  1867  wurde  zum  ersten 
Male  eine  gesetzliche  Bestimmung  über  das  Ehrenbürgerrecht  ge- 
troffen ;  das  Gemeindeverfassungsgesetz  schrieb  in  §  22  vor,  dass  die 
Verleihung  desselben  durch   die  Stadtverordneten  auf  Antrag  des 
Magistrates  zu  erfolgen  habe;  die  Vertretung  der  Bürgerschaft  hat  von 
diesem  Rechte  vor  kurzer  Zeit  zum  ersten  Male  Gebrauch  gemacht. 

'  So  crtheiUe  mau  dem  hiesigen  Bürger  Dcttniar  Basse,  welcher  sich  17*^^ 
und  1797  durch  sdne  Verhandlungen  mit  der  französischen  Regierung  die  grossten 
VerdwRste  um  das  schwer  bedringte  Frankfurt  erworben  hatte»  dne  besonders 

leierHch  abgefasste  Dankcsurkundc ;  Senator  Thomas  erhielt  nach  dem  Abschlus> 
dos  Kasseler  Vertrages  vom  2  j.  September  1S28  einen  besonderen  l*rmnko!!- Aus- 
zug des  Senates,  der  ihm  dessen  Zuiricdcuhcii  und  Dank  aussprach ;  dem  Handels- 
mann Coester»  welcher  den  Senator  ohne  amtliche  Eigenschaft  nut  seinem  Ratlie 
unterst&tzt  hatte,  wurde  ebenfalls  ein  Protokoll -Aaszug  zugestellt,  welcher  ihm 
»fÖr  seine  patriotische  Widmung  und  Lnterstiit/ung  des  diesseitigen  Herrn  Abge^ 

ordneten  J.is  \\'r  tilgcfallen  und  den  Dank  des  Senates  mincist  Insinuation 

dieses  Beschlusses»  ausdrückte. 


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I. 

Im  April  1795  hatte  Fretisscn  mit  der  fr^inzösischen  Republik 
den  Frieden  za  Basel  geschlossen,  während  der  Krieg  des  Reichs  und 
Oesterreichs  gegen  Frankreich  seinen  Fortgang  nahm.  Auch  Frankfurt 
befand  sich  noch  im  Kriegszustände  mit  den  Franzosen,  sein  kleines 
Kontingent  stand  im  Felde  bei  der  dsterrelchischen  Armee  unter 
Ceifajt.  Der  Kriegsschauplatz  war  um  die  Zeit  des  Basler  Friedens- 
schlusses die  Gegend  des  mittleren  Rheins;  Frankfurt  war  für  die 
Oesterreicher  und  Preussen,  die  fortwährend  hier  durchmarschierten, 
ein  höchst  wichtiger  Punkt.  Am  28.  März  verlegte  der  preussischc 
Generaltteutenant  Erbprinz  Friedrich  Ludwig  von  Hohen- 
lohe-Ingel fingen  sein  Hauptquartier  hierher  und  blieb  auch  nach 
dem  Friedensschlüsse  in  der  Stadt  als  Kommandeur  eines  kleinen 
Truppenkorps,  welches  die  Innehaltung  der  in  Basel  verabredeten 
Demarkationslinie  seitens  der  Franzosen  zu  beobachten  hatte.  Die 
alte  Reichsstadt  befand  sich  damals  in  schlimmer  Lage:  sie  hätte  so 
gern  ihren  Frieden  mit  den  Franzosen  geschlossen,  denn  sie  wurde 
durch  den  fortwährenden  Kriegszustand  in  ihren  wichtigsten  Interessen 
schwer  geschädigt,  wenn  nicht  die  Pflicht  als  Reichsstand  die  fernere 
Betheiligung  am  Kriege  gebieterisch  gefordert  hätte.  Die  beständigen 
Truppendurchzüge  der  Kaiserlichen,  welche  sich  um  die  preussisch- 
französische  Demarkationslinie  nicht  kümmerten,  die  schwer  lastende 
Einquanierung  von  Oesterreichem  sowohl  wie  von  Preussen  des 
Hohenlohischen  Korps  verursachten  den  regierenden  Behörden  viele 
Arbeit,  dem  Bürger  harte  Entbehrungen.  Das  Tagebuch  des  hiesigen 
Borgers  und  Handelsmannes  Samuel  Gottlieb  Finger'  gibt  uns  ein 
interessantes  Bild  von  dem  buntbewegten,  kriegerischen  Treiben,  von 
den  schweren  Plagen  der  hiesigen  Bürger  in  jenen  aufregenden  Ta<;en 
von  1795.  Nicht  jeder  konnte  sich  mit  so  gutem  Humor  über  alle 
die  Unannehmliclikcitcn  hinwegsetzen  wie  die  verwittwete  Räthin 
Goethe,  die  gerade  ihr  Haus  auf  dem  Hirschgr.iben  verkauft  hatte 
und,  der  Sorgen  als  Hausbesitzerin  frei  und  ledig,  von  der  nen- 
bezogenen  Miethwohnung  an  der  Hauptwache  aus  sich  über  das  reiche 
militärische  Leben  unter  ihren  Fenstern  weidlich  freute;  in  den 
interessanten  Briefen  an  ihren  Sohn  in  Weimar,  welche  die  Goethe- 
Gesellschaft  uns  neuerdings  erschlossen  hat,'  merken  wir  nicht  allzuviel 

*  Vaicrstadtisciies  und  Vatcriandisciies,  Auszüge  aus  S.  (j.  l-ingci ^  1  agebücliern 
179$— 1818  im  Archiv  (br  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Neue  Folge.  Band  VI, 
[61  )67. 

'  Sclyiften  der  Goeihe-Gcscllschafi,  4.  Band:  Hriefe  von  Goethes  Mutter  an 
ihren  Sobn,  Christiane  und  August  v.  Goethe,  Weimar  i88y. 


—     112  — 


von  dcnL.i.sicn  und  Sorten,  welche  die  l^inwuhncrschaft  bedruckten.  Ein 
trauriges  Bild  davon  lietern  uns  aber  die  Akten  der  geheimen  Kriegs- 
deputation des  Raihcs.    Gegen  die  übermässigen  Antorderuiiqen  der 
kaiserlichen  Generale  wie  gegen  die  unverschämten  Zuniuthiingen 
französischer  Kriegskonimissare,  welclie  das  wechselnde  Krici^st^lucL 
in  die  Nähe  der  von  den  Preussen  beset/ien  Stadt  iührie,  f.uui  der 
Rath  eine  teste  Stütze  an  dem  hier  weilenden  Erbprinzen  von  Hohen- 
lohe, welcher  den  I  ranxosen  gegenüber  mit  Energie  aul  die  Be- 
obachtung der  DemarkationsHnie  hielt,'  und  den  Rath  der  Stadt  in 
huchsi  freundlicher  Weise  in  dessen  Widerstand  gegen  übertriebene 
französische  und  österreichische  Forderungen  unterstützte.   Wie  liic 
Bürgerschatt  dem  l^rin/en  für  seinen  thaikräliigcn  Schutz  Dank  wussie, 
zeigen  die  Worte  1  ini^ers  an  mehreren  Stellen  seines  Tagebuchs;  er 
leiert  ihn  als  Retter  und  Ik-schützer  der  Stadt,  wie  dürie  der  biedere 
Frankiuner  den  Dank  und  die  liocliachtung  vergessen,  welche  er  dem 
»rechtschafienen«  Prinzen  schulde?  Die  Dienste  des  Prinzen  wurden 
für  die  Stadt  am  werthvollsten,  als  sicli  I:nde  September  die  Armeen 
Jüurdans  und  l'ichegrus  der  Stadt  näherten;  die  glänzenden  Siege  der 
Oesterreicher  unter  Clerfayt  und  Wurmser  bei  Mainz  imd  Mannhcmi 
befreiten  schon  im  Oktober  die  Stadt  von  der  drini.'.endsten  Gefahr, 
Aber  ohne  die  energische  Haltung  Hühenlohes  gei^cnub^r  Jen  1-r.inzosen, 
welche  gern  die  Deniarkationslinie  überschreiten  wollten,  wäre  l-rankfiut 
vor  den  kaiserlichen  i'rfolgen  in  die  liaikie  des  leindes  j:;etallen,  und  der 
1  eldzug  halle  möglicherweise  eine  ganz  anucre  WLiidun-  L;enommen. 

In  der  städtischen  geheimen  Kriegsdeputation  -  lulilie  man  sich 
nunmehr  bewogen,  dem  König  i  riedrich  Wilhelm  U.  den  Dank  der 
Stadl  tur  den  bisher  bewiesenen  Schutz  auszusprechen;  man  wählte 
dafür  die  1  orni  eines  einfachen  Dankschreibens  an  den  Monarchen. 
Dies  aber  vcrdross  den  Erbprinzen  von  Hohenlohe;  er  soll  sich,  aus 
welchem  Grund  wird  nicht  gesagt,  »in  den  empfindlichsten  Ausdrücken« 
darüber  geäussert  haben,  (jeneral  v.  Heumann,  wohl  der  General- 
stabschef des  l'rinzen,  iheilie  dies  einem  Frankfurter  Senatorrait,  der 
ihn  über  eine  geeignete  Dankesbezeugung  an  seinen  Ghef  sondirte, 
und  Hess  die  Bemerkung  lallen,  ein  preussischer  Oberst  habe  in  Polen 
einen  mit  ßriliauien  besetzten  Säbel  als  Andenken  erhalten,  und  der 


*  Ein  schönes  Beispiel,  wie  mannhali  und  echt  deutsch  gesinnt  der  Prinz  dem 
(nnxösischen  Uebcrmuth  entgegentrat,  gibt  Finger  a.  a.  O.  S.  178. 

'  Ueber  die  erste  Ehrenbürger- )->ncnnuiig  vgl.  die  RathsprotdkoUe,  die  Akteti 
und  Protokolle  der  Deput.ilioti  ins  den  J.nhrcn  1795  iiiu!  \~./->  im  St.ultnidiiv  I.  Al»- 
iheilung;  der  KntiÄ'url  des  Diplomes  in  den  .Sclwt/.unt{sanusakica  Ugb^  A  M  Nr.  jo 
cbcndort. 


i 


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« 

Prinz  li.ibc  da/u  geäussert,  dies  sei  doch  ein  Andenken,  welches  der 
Familie  dcrtinst  /.urücki;cl.\sSLn  werden  könne.  Dieser  Wink  fiel  bei 
dem  Frankturtcr  Raihshcrrn  nicht  .luf  unfruchtbaren  Boden :  seine  Stadt, 
erwiderte  er,  sei  geneigt,  dem  Prinzen  sicli  durch  ein  Geschenk  dank- 
bar zu  erweisen.  Geld,  meinte  lleuni.um,  werde  der  Prinz  nicht 
.mnelimen.  Ais  aber  der  Senator  äusserte,  dns  Präsent  werde  nicht 
in  einigen  tausend  Gulden  bestehen,  sondern  in  etwa  — ^40,000,  da 
meinte  der  preussische  (icncral,  diese  Summe  sei  freilich  sehr  an- 
sehnlich. Der  Senator  Lilaubtc  darin  eine  Zustimmung  des  Generals 
711  einem  khui^enden  Dank  für  den  Prinzen  zu  sehen  und  berichtete 
dcmgcniäss  an  die  Deputation.  Diese  beschloss,  dem  König  schriftlich, 
dem  Prinzen  mündlich  durch  eine  Abordnung  »die  unbegrenzte  Dank- 
barkeit hiesiger  Stadt  wegen  der  tür  ihre  Sicherheit  und  Erhaltung 
bezeigten  v.  ichiiL'sten  Dienste  zu  coniestircn«,  sowie  bei  der  ständigen 
Bürgerrcpiasentation  die  Bewilhgung  eines  Geldgeschenkes  an  Hohen- 
lohe in  der  Höhe  von  .]00o  neuen  I.ouisdor  zu  beantragen.  Die 
Vertreter  des  51er  Kollegs  stimmten  dem  zu  und  General  Meumann 
wurde  gebeten,  den  Prinzen  zu  sondiren  und  »die  Sache  so  einzu- 
leiten, dass  Niemand  compromittiret  werde«. 

Ein  Gerücht  von  diesen  Verhandkmgen,  welche  der  Natur  der 
Sache  nach  als  geheim  zu  betrachten  waren,  verbreitete  sich  durch 
die  Indiskretion  eines  Mitwissers  in;  Publikum.  Man  beschloss  zwar, 
es  frischweg  zu  dementiren ;  aber  es  war  zu  spät,  denn  das  Gerücht 
war  bereits  bis  ins  preussisciie  Hauptquartier  gedrungen. 

General  Heumann  hatte  seinen  Auftrag  redlich  erfüllt.  Des 
Prinzen  Durchlaucht  hatte  auf  seine  Anfrage  erwidert,  er  wisse  die 
wohlmeinende  Gesinnung  und  den  Hifer  der  Stadl,  sie  zu  beweisen, 
vollkommen  zu  schätzen,  aber  das  Anerbieten  der  Dankesbezeugung 
in  Baar  mit  »einiger  Empfindlichkeit«  zurückgewiesen.  Er  Hess  sich 
jedoch  schliesslich  durch  Henmann  dazu  bereden,  die  ihm  zugedachte 
Summe  in  Gestalt  eines  silbernen  Tafelservices,  aber  erst  nach 
geschlossenem  Frieden,  anzunehmen. 

Man  hatte  sich  also  eine  Absage  geholt;  ich  glaube  nicht  irre 
zu  gehen,  wenn  ich  annehme,  dass  der  Prinz  von  den  umlaufenden 
Gerüchten  gehört  und  in  Rücksicht  auf  die  öffentliche  Meinung  und 
auf  seine  Stellung  als  Chef  eines  prcussischen  Armeekorps  das  ihm 
zugedachte  Geschenk  für  jetzt  abgelehnt  hat. 

Aber  der  Bürgermeister,  der  über  diese  heikle  Frage  mit  Heu- 

niann  verhandelte,  wollte  den  Dank   der  Stadt  durchaus  in  irgend 

einer  Form  an  den  Mann  bringen.    Er  Hess  unter  Berufung  auf  das 

Beispiel  anderer  Städte  den  Prinzen  fragen,  ob  er  geneigt  sei,  das 

8 


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-    114  — 


hiesige  Bürgerrecht  anzunehmen.  «Mit  Vergnügen«  war  die  Antwort 
des  Prinzen. 

Auf  den  Bericht  des  Bürgermeisters  hin  beschloss  denn  auch 
die  Deputation,  dem  Prinzen  nicht  nur  das  versprochene  Tafelservice 
im  Werth  von  400oLouisdor  nach  dem  sehnlichst  erwarteten  Friedens- 
schhisse  zu  vereliren,  sondern  auch  beim  Senate  die  Verleihung  des 
Ehrenbürgerrechtes  an  den  preussischen  HeerfQhrer  zu  beantragen. 
In  den  Motiven  ihres  Vorschlages  ging  die  Deputation  von  der 
allgemein  empfundenen  Nothwendigkeit  aub,  dem  Erbprinzen  von 
Hohenlohe  für  seine  Verdienste  um  die  Stadt  deren  Dank  auf 
irgend  eine  Weise  zu  betbätigen.  Durch  die  Verleihung  des  Ehren- 
bürgerrechtes werde  den  umlaufenden  Gerüchten  entgegengetreten, 
als  sei  dem  Prinzen  ein  beträchtliches  Geldgeschenk  gemacht  worden. 
Wenn  auch  der  Adel  jetzt  nicht  mehr  dringende  Veranlassung  habe, 
sich  wie  im  Mittelalter  in  das  Bürgerrecht  der  Städte  aufnehmen  zu 
lassen,  so  fehle  es  doch  nicht  an  Beispielen,  dass  Mitglieder  des 
hohen  Adels  von  Städten  zo  Ehrenbürgern  ernannt  würden.*  Kolli' 
sionen  der  Stadt  mit  einem  Ehrenbürger  wegen  Anforderungen  auf 
Ableistung  bürgerlicher  Pflichten  seien  nicht  zu  befürchten,  da  Ehren* 
bürger  mit  dem  persönlichen  Bürgerdienst  verschont  zu  werden 
pflegten  und  nur  für  den  Fall,  dass  sie  im  Gebiete  der  Stadt  Grund* 
stücke  ohne  Hxemption  besässen,  die  darauf  haftenden  Reallasten  zu 
entrichten  hätten ;  von  Ableistung  des  Bürgereides  und  Erlegung  der 
Schätzung,  d.  h.  der  Vermögenssteuer,  könne  keine  Rede  sein.  Was 
die  Form  der  Ernennung  belange,  so  sei  die  Deputation  für  einen 
oflenen  Ehrenbürgerbrief  mit  anbangendem  grossen  Stadtsiegel  in 
Wachs;  derselbe  sei  dem  Prinzen  in  einer  goldenen  Kapsel  im  Werth 
von  einigen  tausend  Gulden  zu  überreichen. 

Demgemäss  beschloss  der  Rath  am  lo.  November  1795,  den 
Namen  des  Erbprinzen  von  Hohenlohe-Ingelfingen  als  Ehrenbürger  in 
das  Bürgerbuch  einzutragen  und  demselben  die  Urkunde  seiner  Er- 
nennung in  goldener  Kapsel  durch  die  beiden  Bürgermeister  übergeben 
zu  lassen. 

Die  beiden  Syndici  Seeger  und  Danz  hatten  Entwürfe  eines 
Ehrenbürgerbriefes  vorgelegt;  die  Arbeit  Seegers  erhielt  den  Vorzug. 
Die  Urkunde  lautet: 


'  lk"i  Dan?",  H.indbuch  des  heutigen  Deutschen  Privatrcchtes  HJ.  l\'  fStutt- 
garl  iHoi ),  tindet  sich  im  Abschnitt  über  die  Ehrenbürger  (S.  .}<iy)  dieser  Sai/  üst 
wörtlich  wieder:  der  Verfasser  stütxt  sich  hier  wohl  auf  eine  MittheUung  seines 
Vervi'andtcn,  des  Frankfurter  Syndicus  Daiu. 


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—    115  - 


W  ir  Bürgermeister  und  Kaih  dieser  des  heiligen  Kömisclien  Reichs  freyeii  Stadt 
Pranckfnrth  am  Mayn  Urkunden  und  bekennen : 

Demnach  nur  allzu  bekannt  ist,  in  welch  einer  höchst  geßhrlichen 
Li^e  die  hiesige  Rcichs-Stadt,  so  wie  bey  sclion  mehreren  Epoclien  des 
g^enwinigen  Kriege^  also  noch  besonders  in  diesem  laufenden  Jahre  179s» 
als  skh  die  franx&sische  Armeen  ihren  Mauern  ndt  Udiermacht  wieder 
genähert  luttcn,  sich  befunden,  und  wie  die  göttliclie  Vorsehung  das  Mittel 
ihrer  Rettung  aus  dieser  dringendsten  Gefalir  durch  den  grossmüthigcn  Scliutz 
Ihro  des  Königs  von  Preussen  Majestät  unter  der  weisesten  Leitung  Dero 
«um  General  en  Clief  des  zu  Beobachtung  der  festgeseuten  Neutraliuits-Lkde 
bestimmten  Königlichen  Truppen -Cordons  ernannten  General-Lieutenants 
der  Infanterie,  Erb^Printzen  Friederich  Ludwig  von  Hohenlohe-Ingelfingen, 
HochfürstÜchc  Durchlaucht,  wohlthätig  licrbcy  gcftihrct  hat; 

Nachdem  hiernächst  eben  erwähnt  Ihro  Hochlürstiiche  Durchlaucht,  indem 
Sie  jene  erhabenste  Absicht  des  Königs  Majestät  mit  einer  W  urde.  Energie 
und  Klugheit,  welche  die  Bewunderung  von  ganz  Deutschland  ist,  ausge* 
führet,  liicbcv  auch  insbesondere  Uns  und  Unserer  (.^bri^^kcitliclicn  Vor- 
sorge anvertrauten  hiesigen  gesannntcn  Bürgerschaft  solche  wesentliclie 
Beu'eise  gnädigsten  Wohlwollens  gegeben  haben,  welche  Utts  Bürgermeister 
uiul  R.ü!)  dieser  Stadt,  sowie  einen  jcJcu  ciiudncn  Unserer  Mitlnirger  zu 
dem  innigsten  und  unauslöschlichsten  Dankgctuiii  verpflichten;  su  luben 
mehrgedacht  Ihro  HochfÜrstliche  Durchlaucht  zu  allen  diesen  bisshcrigen 
Beweisen  Ihres  unschätzbarsten  höchsten  Wohlwollens  auch  noch  diesen  bcy- 
zulugen  geruhet,  Sich  nach  Unserm  und  dem  allgemeinen  Wunsche  hiesiger 
BOrgerschaft  in  der  Eigenschaft  eines  Civis  honorarii  in  deren  Mitte  an>  und 
aufiiehmcn  lassen  zu  wollen. 

Gleidiwic  nun  dieser  lür  lüesige-Reichs  Stadt  so  ehrenvolle  Hntschluss 
mehr]gedacht  llm>  Hochf&rstlichen  Durchlaudu  Uns  zugleich  mit  der  weiteren 

/ir.i.Tsic!it^vnllcn  Hofnung  belebet,  in  solchem  eine  N'erbiirgunp  der  Forl- 
dauer Hochstihro  gnädigsten  Andenckcos  und  unschätzbarsten  bisherigen 
Wohlwollens  ftkr  Uns  und  hiesiges  gemeines  Wesen  auch  alsdatm  noch 
erkennen  /.u  dürfen,  waiui  in  der  Folijc  höhere  Bestimmungen  Ihre  HochAfSt- 
liehe  Durciilaucht  wieder  aus  hiesiger  Stadt  abrufen  werden; 

Also  ist  es  auch  ftkr  Uns  die  Erl&llung  ehier  theuren  Pflicht,  Höchst- 
denenselbcn  dieses  otlentüche  Merckmal  des  unverj^esslichen  Danckes,  des 
unbegrinzten  \'eitrauens  und  der  uuauslüsdilich  tielsten  Verehrung  der 
gesamten  hiesigen  Bürgerschaft  respectuosest  darzubringen. 

Mehr  höchstj;;cd.icht  Ihro  des  heiligen  Romiwlien  Reichs  Fürsten  Frie- 
derich Ludwigzu  Hohenlohe,  Graien  zu  Gleichen, Herr» zu  Langenburg 
und  Cranichfeld  pp..  Königlich  Preussischen  General-Lieutenants  der  Infanterie, 
Rc^clis-Cieixr.il ,  der  Cav.illcrie,  cnmniandireiulen  (ienerals  der  Königlichen 
Truppen  am  Mayn  und  inWestphalen,Gcneral-Iuspectcursder  Nicdcrschlessischen 
Infanterie»  sämtlich  Schlessiscber  leichteo  Infanterie^  «uch  aller  Königlichen 
Truppen  in  denen  frinkischeo  FörstenthBineni,  Gouverneurs  /u  Bressian,  Chef 
eines  Regiments  InCuilerie,  Rittern  der  Königlicfaen  schwarzen  und  rottaen  Adler-, 
Midi  da  Hessischen  Löwen-Ordens  pp.  Hochfikrstliche  Durchlaucht  erwählen 
und  ernennen  demnach  Wir  Bürgermeister  und  Rath  dieser  des  heiligen  Reichs 
Stadt  Franckfunh  amMain  in  Kratit  dieses  «umEhrenbärger  dieser  freyen  Reichs- 
Sudt  auf  das  duerUeiigsie  und  wie  soldiei  nm  hnmer  anf  das  allerfcyer- 
lichste  geschehen  kann  oder  mag;  als  zu  welchem  Ende  Wir  nicht  allem 


Digit 


-   ii6  — 


gegenwar tigcs  oitciics  Diplom  hierüber  haben  auslertigen  und  Unser  grojö 
Stadt-Insiegci  an  dasselbe  bänden,  sondern  solches  auch  Höchstgedacht  Ibro 
Hochf&rstlichen  Dttrchlaucht  durch  eine  aus  Unserm  Mhtel  hiezu  emanntt 
Raths-Deputation  /.u  höclist  eigenen  Händen  überreichen  au  lassen. 

So  geschehen  Franckfunh  am  Main  den  la  Novbr.  179$. 

Die  Ueberreichung  des  Diploms,  welches  in  einer  grossen 
goldenen  Kapsel  ruhte  und  von  welchem  das  Siadtsicgel  ebenfalls  in 
goldener  Kapsel  von  der  Form  einer  Tabaksdose  herabhing erfolgic 
noch  am  Tage  der  Ernennung,  am  to.  November.  Der  ErbfifiiH 
enip6ng  die  beiden  Bürgermeister  v.  Lauterbach  und  Dr.  Schweitzer, 
von  einem  glänzenden  Gefolge  von  förstlichen  Personen  and  OfB- 
zieren  umgeben;  »mit  ausgezeichnetem  Wohlwollen«  nahm  er  die 
Urkunde  entgegen  und  versicherte,  er  werde  sich  auch  künftighin  bei 
jeder  Gelegenheit  zum  Besten  der  Stadt  verwenden. 

Es  scheint  sich  dem  neuen  Ehrenbürger,  dem  ersten  der  Stadt, 
eine  solche  Gelegenheit  nicht  mehr  geboten  zu  haben.  Er  verliess 
schon  am  11.  November  Frankfurt,  um  ein  Kommando  tn  Bresliu 
zu  übernehmen;  ein  grosser  Theil  der  städtischen  Kaufleute  geleitete 
ihn  zum  Zeichen  ihres  Dankes  für  den  der  Stadt  gewährten  Schutz 
eine  Strecke  Wegs  zu  Pferde;  l  inger  widmete  ihm  in  seinem  Tage- 
buch die  dankbaren  Worte:  »Das  Andenken  an  diesen  verehrungs- 
würdigen  Fürsten,  den,  aber  nur  ihn  für  seine  Person  allein,  uns  Gott 
zum  Beschützer  gab,  wird  nie  bei  uns  verlöschen,  und  beständiger 
Segen  müsse  dafür  alle  seine  Schritte  und  Tritte  begleiten.«  Die 
beiden  gelesensten  Zeitungen  widmeten  dem  neuen  Ehrenbürger  ein 
nach  Form  und  Inhalt  für  die  Zeit  bezeichnendes  Lebewohl;  der 
Erbprinz,  so  lautet  es,  verliess  »unter  den  innigsten  Seegenswunscben 
unserer  ganzen  Stadt  die  hiesige  Gegend.  Der  erhabene  Fürst  wird 
in  dem  dankbaren  Andenken  seiner  gerührten  Mitbürger  verehrt  und 
geliebt  leben.    Mit  dem  letzten  grossen  Beweis  Ihrer  erhabenen 


*  So  nacli  Finger  a.  a.  Ü.  S.  lO).  Die  Kosten  der  Ausstattung  beliefcn  sich 
auf  Ober  3000  Gulden.  Ob  Holienlohe  später  auch  das  versprochene  Tafelservice 
erhalten  hat,  konTUe  ich  aus  den  Akten  nicht  feststellen.   Anscheinend  legte  er 

grossen  Werth  darauf",  dLim  Ccncral  v.  lleumann  verhandelte  noch  längere  Zeit  in 
dieser  Anfjclcgenlieit  mit  cir.cni  liicsi^'cn  Senator.  Anfang  Juli  1796  war  der  Ge- 
neral selbst  hier,  um  die  vSaclie  nach  den  Wünschen  des  Prinzen,  der  den  Fabrikanten 
bezeichnet,  demselben  das  Modell  gegeben  und  sogar  den  Preis  von  11 ,000  Gulden 
bereits  vereinbart  haue»  persönlich  «a  betreiben.  Die  Depuution  lehnte  die  Ver- 
handlungen iil  er  diesen  Gegenstand  bis  nach  erfolgtem  Frieden  ab,  denn  -jeMiic 
jetzt  liattc  ni.i'i  dirclinns  keine  Zeit,  an  das  Tafelservice  ?ii  denken,  da  die  Fran- 
zosen unter  Jourdan  ngiich  der  Sudt  näher  kamen.  Nach  den  traurigen  lirci^; 
nissen  von  1796  sdieint  die  Sache  in  Vergessenheit  gerathen  zu  sdn. 


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-    117  — 

Denkart  gerühmten  Sc.  Hochfürstliche  Durchlaucht  auf  eine  so  ent- 
scheidend herablassende  Weise  die  Reihe  der  mildesten  Gesinnungen 
gegen  hiesige  Stadt  zu  beschltessen,  indem  Hochdieselhen  noch  am 
letzten  Sonnabend  die  beyden  Wohlregierenden  Bürgermeistere  Hoch- 
wohlgebohren, welche  das  Bürgerdiplom  mit  goldner  Capsel  der  Stadt 
Frankfurt  Sr.  HochfürstU  Durchlaucht  zu  überreichen  gekommen 
waren»  mit  ausgezeichneter  Achtung  und  den  Zweck  ihrer  Sendung 
mit  huldreicher  Gefälligkeit  in  Gegemvart  Ihres  Staabs  aufnahmen. 
Glückliche  Bürger!  die  einen  Fürsten  die  einen  erlauchten  Hohen- 
lohe mit  sich  durch  den  schönen  Bürgemamen  vereiniget  seilen.« ' 
Der  Buchhändler  Johann  Christian  Jäger  verbreitete  das  Bild  des 
Gefeierten  und  fand  dafür  den  besonderen  Dank  des  Rathes.' 

Ich  lasse  einige  kurze  Nachrichten  über  den  Lebensgang  unseres 
ersten  Ehrenbürgers  folgen,'  welcher  nach  seiner  Ernennung  nie 
mehr  in  einer  offiziellen  Dienststellung  nach  Frankfurt  gekommen 
ist.  Ein  tragisches  Verhängniss  hat  gewollt,  dass  seine  glänzende 
Laufbahn  ein  Ende  mit  Schande  nahm.  Die  Geschichte  des  preus- 
sischcn  Heeres,  zu  dessen  ausgezeichnetsten  Generalen  er  gezählt 
wurde,  bewahrt  ihm  ein  schlimmes  Andenken.  Er  hat  das  traurigste 
Schicksal,  welches  den  Heerführer  treffen  kann,  erfahren  müssen: 
erst  die  vernichtende  Niederlage  und  dann  die  Waffenstreckung  im 
freien  Felde. 

Prinz  Friedrich  Ludwig  von  Hohenlohe-Ingeltingen  wurde  1746 
geboren.  Die  letzten  Jahre  des  siebenjährigen  Krieges  focht  er  in 
der  Reichsarmee  gegen  Preussen,  trat  aber  1768  in  die  Dienste 
Friedrichs  des  Grossen.  Im  bayrischen  Erbfolgekrieg  hatte  er  viel- 
fach Gelegenheit  sich  auszuzeichnen.  In  den  Revolutionskriegen  war 
er  als  Generallieutenant  einer  der  glücklichsten  preussischen  Heer- 
führer; Blücher  nannte  ihn  damals  einen  General,  »auf  den  die 
preussische  Armee  stolz  sein  köime.«  Im  UnglQcksjahr  180^  be- 
fehligte er  als  General  der  Infanterie  den  kleineren  Theil  der  preussisch- 
sächsischen  Armee.  Er  wurde  von  Kaiser  Napoleon  selbst  am  14.  Oktober 
bei  Jena  mit  grosser  Uebermacht  angegriffen  und  bis  zur  Vernichtung 
geschlagen.  Er  führte  die  traurigen  Trümmer  seines  Heeres  nach 
Norden  zurück;  am  28.  Oktober  schloss  er,  durch  die  Kopflosigkeit 


'  So  gickhlautcnJ  und  wohl  Jcr  sLidtischcn  Kanzlei  entstammend  im  »Frank- 
furter Journal,«  179J  Nr.  179  und  im  »Frankfuner  Staat»>Ri$tretto/(  1795,  Nr.  179, 
Beilage. 

'  Rathsprotokoll  1796,  Mar/.  24.  Der  Dank  bestand  in  6  Krönungsdukaien. 
)  Nach  V.  Meerheimb  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie  Xil,  68$. 


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-   ti8  - 


seines  Gcncralstabschds  Masscnbach,  der  dit;  Armee  für  unm;i!iocn 
liiclt,  veranlasst,  die  sclitnähliche  Kapitulation  zu  Prenzlau,  durch 
welche  er  sich  mit  einem  Korps  von  etwa  10,000  Mann  a)&  kriegs- 
gefangen T  v'b.  »So  endete,«  sagt  ein  neuerer  Geschichtschreiber,' 
»jener  ritterliche  Fürst,  der  einst  die  Zierde  des  prcussischen  Heeres 
war,  der  in  den  Versuchungen  der  rheinbündischen  Tnge  allein  unter 
den  1-ürsten  des  Südens  ehrenhaften  Muth  und  deutsche  Treue  be- 
wahrt hatte.«  Kurz  vor  Ausbruch  des  Krieges  hatte  Napoleon  den 
Fürsten,  der  ja  damals  souveräner  Herr  eines  kleinen  süddeutsclicn 
Fürstenthums  war,  für  den  Rheinbund  gewinnen  wollen;  aber  alle 
Lockungen  des  Kaisers  waren  an  dem  Stolze  des  Fürsten  abgeprallt, 
der  Jen  preussischen  Dienst  nicht  verlassen,  nicht  auf  die  Seite  der 
Feinde  Preussens  treten  wollte.  Die  Rheinbundsakie  machte  seiner 
Souveränität  ein  Hnde;  er  übergab,  weil  er  nicht  als  württem- 
bergischcr  Unterthan  leben  wollte,  das  Fürstenthum  seinem  ältesten 
Sohne.  Die  militärische  Laufbahn  des  Fürsten  war  mit  dem  T:i}^c 
von  Prenzlau  natürlich  beendet;  er  zog  sich  auf  seine  schlesischcn 
Güter  zurück  und  starb,  von  der  Mitwelt  vergessen,  am  15.  Februar 
1818  auf  dem  Schlosse  Slavenzitz  in  Oberschlesien,  welches  noch 
heute  seinem  ünkel,  dem  Herzog  von  Ujest,  als  Wohnsitz  dient. 

II. 

Kurz  nach  der  Ernennung  des  Erbprinzen  von  Hohenlohe-Ingel' 
fingen  2um  Ehrenbürger  Frankfurts  ward  dieselbe  Auszeichnung 
einem  hervorragenden  österreichischen  Heerführer  zu  Theil'  Es 
war  der  kaiserliche  General^Feldmarschall  Graf  Karl  von  Clerfayt, 
welcher  durch  seine  Siege  am  Rhein  im  Herbst  1795  das  französische 
Heer  unter  Jourdan  von  dem  weiteren  Vordringen  ins  Innere  Deutsch- 
lands  und  somit  auch  von  der  Eroberung  Frankfurts  abgehalten  hatte. 

Am  5.  Januar  1796  kam  der  kaiserliche  Feldherr,  welcher 
sein  Kommando  niedergelegt  hatte  und  sich  auf  der  Reise  nach  Wien 
befand,  in  Frankfurt  an  und  stieg  im  »Römischen  Kaiser«  ab.  Den 
Empfang  einer  ihm  zugedachten  feierlichen  Deputation  der  städtischen 
Behörden  hatte  er  abgelehnt,  nahm  aber  den  Besuch  des  älteren 
Bürgermeisters  v.  Humbracht  entgegen  und  bezeugte  ihm  seine 
Zufriedenheit  mit  dem  Benehmen  der  Stadt,  welche  den  kaiserlichen 
Truppen  mannigfache  Unterstützung  hätte  zu  Theil  werden  lassen.  Ausser 


*  V.  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  I,  2$o. 

'  Vgl.  die  erwähnten  Deputations-Akten  und  Ugb.  A  14,  Nr.  }i  im 
Stadtarchiv  I. 


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—    119  - 


den  biililvollcn  Worten  des  l'cidherrn  wusstc  ;ihcr  der  ßürycrnieiMcr 
bcincn  Kollcficn  in  der  yelieimen  Kriegsdepution  noch  einen  ver- 
ständlichen Wink  niitzutheilen,  den  ihm  ein  Ofl'izier  aus  dem  Gelblj^e 
des  l'eldmarschalls  gegeben  hatte:  Se.  Kxcellenz,  so  hatte  dieser 
Herr  geäussert,  werden  es  »mit  Vergnügen  sehen,  wenn  Ihnen  das 
Bürgerrecht  offeriret  werden  w  olUe«.  Der  Wink  w  urdc  verstanden ; 
die  Deputation  beschloss,  dem  Grafen  Clerfayt  »rück  sichtlich  des 
hiesiger  Stadt  unter  Ihrer  klugen  Anführung  derer  tapfern  kaiser- 
lichen Truppen  wiederfahrnen  mächtigen  Schutzes  das  hiesige  Bürger- 
recht geziemend  zu  offcrircn  —  hicrnächst  aber  auch  Ihnen  das 
Beste  hiesiger  Stadt  angelegentlichst  und  unter  der  Bitte  zu  empfehlen, 
dass  Sie  geneigen  möchten,  Ihrer  kaiserlichen  Majestät  die  schmeichel- 
haften Zeugnisse  über  das  hiesige  Benehmen  zu  wiederholen«. 

Die  Angelegenheit  war  höchst  dringlicli,  denn  Graf  Clerfayt 
wollte  schon  am  folgenden  Morgen  die  Weiterreise  antreten.  Rine 
Rathssitzung  konnte  vorher  nicht  zusammenberufen  werden ;  die 
beiden  Bürgermeister  begaben  sich,  lediglich  von  der  Deputation 
ermächtigt,  zu  dem  Feldmarschall  und  erhielten  von  ihm,  »unter  den 
schmeichelhaftesten  Ausdrückenc  die  Erklärung,  dass  er  das  Geschenk 
des  hiesigen  Bürgerrechtes  »mit  Vergnügen«  annehmen  werde. 

Die  Verehrung  und  Dankbarkeit,  welche  dem  Grafen  bei  diesem 
eintägigen  Besuch  entgegengebracht  wurde,  blieb  nicht  auf  die  regie- 
renden Kreise  der  Stadt  beschränkt.  »Laut jauchzend«,  melden  die 
Zeitungen,  »begrüsste  das  Volk  den  Ketter  Deutschlands« ;  und  das 
»Siaats-Ristretto« '  berichtete  seinen  Lesern  ausführlicher:  »Gestern 
frühe  hatten  wir  das  langgewünschte  Glück,  Se.  Excellenz  den  Herrn 
Grafen  von  Clairfaii,  K.  K.  und  des  R.  I-eldmarschall,  auf  Ihrer  Durch- 
reise nach  Wien  einen  ganzen  Tag  in  unsern  Mauern  zu  haben. 
Dieselben  nahmen  Ihr  Absteigquartier  im  Gasthaus  zum  Römischen 
Kaiser  auf  der  Zeil,  wo  ein  Hochedler  Rath  von  der  hiesigen  Stadt- 
garnison die  Grenadierkompagnie  in  Farade  hatte  aufmarschiren 
lassen,  welche  auch  Se.  Excellenz  mit  fliegender  Fahne  und  klingendem 
Spiel  zu  empfangen  die  Ehre  hatte,  aber  bald  wieder  von  dem  Erretter 
Deutschlands  grossmüthig  entlassen  wurde.  Ein  Hochedler  Rath  unserer 
Stadt  licss  Se.  Excellenz  bewillkommnen  und  mehrere  hiesige  Parii- 
kulier  hatten  die  Ehre,  Audienz  zu  erhalten.  Das  Mittagsmahl 
geruheien  dieselben  bei  dem  hiesigen  Banquier  Herrn  Henry  Gontard 
einzunehmen  und  am  Abend  auf  vieles  Bitten  das  hiesige  Schauspiel 

«  1796  Nr.  4  1-xtr.i-Bcilagc.  Vgl.  auch  Hcyncr,  Franklun  a.  .VI.  im  Jahre 
1796,  S.  $  1. 


—  I2ü 


zu  besuchen.  Hier  war  der  Held  nicht  so  bald  cisv.hicncn,  als  von 
allen  Seiten  die  ungekünstelten  Herzensergiessungcn  des  versammelten 
Pnblikunis  in  ein  dreimal  wiederholtes  hinrcissendes  Vivatnifen  aus- 
brachen. Da  diese  ungeschminkte,  nüchterne  Aufwallung  von  ller/xn 
kam,  so  verfehlte  sie  auch  ihren  Weg  zum  Herzen  nicht  —  mit 
sichibarer  Hnipündsamkeit  entgegneten  Se.  lAcellenz  durch  eine 
Verbeugung  nach  allen  Seiten  hin  Ihre  dankgemisehte  /iitriedenSjcil. 
Herr  Prandt  drückte  die  Empfindungen  des  Publikums  in  wuhlge- 
rathenen,  an  den  Herrn  Grafen  gerichteten  \'etscn  in  einem  Prolog 
aus,  der  mit  gleich  Kunst  und  Geschmack  debutirt  wurde.  Diesen 
Morgen  verliess  uns  unser  Erretter,  um  seine  Reise-  nach  Wien  fort- 
zusetzen. Ihm  folgten  die  Bewunderungen  und  Seegnungen  Frank- 
furts guter  Bürger!« 

Da  die  Wogen  der  vulk^ihümlichen  Begeisterung  für  den  Helden 
so  hoch  gingen,  konnte  der  Rath  zwei  Tage  später  dem  Vorgehen 
der  Kriegs-Deputation  seine  Zustimmung  nicht  \  er\veii;ern.  Am  7.  Januar 
1796  wurde  Graf  Clerfayi  als  zweiter  Uhrenbürger  der  Stadt  ernannt. 
Drei  Wt)chen  später  wurde  auch  der  Wortlaut  des  Ehrenbürger- 
diploms vom  Käthe  genehmigt  und  Clerfayts  Name  in  das  Bur^er- 
buch  eingetragen.  Der  Wortlaut  der  bj  nennungsurkun  Je '  ist  lulgendcr; 

Wir  Bürgermeister  und  Rath  dieser  des  hLilii;cn  Reichs  Sudt  Frankfurt  am  Mayn 

Urkunden  und  bekennen: 

Wie  in  der  zweytcn  Hcllic  des  lei/tverflossenen  Jahres  die  iVanzö&ischcJi 
Kriegsvölker  die  auf  dem  disseitigen  Kheinulcr  gelegenen  deutschen  Reichs» 
lande  und  Gq^iden  gleich  einem  unauflialtsamcn  Strom  bberschwcmmt 
liaben,  i»t  einem  Jeden  noch  in  eben  so  lebhafter  als  trauriger  Rük- 
crinncrung. 

Wie  aber  bald  hierauf  das  drohende,  unübersehbare  Unglück  durcli  Jen 
Schuz  der  tapfern  Kriegshecrc  Ihrer  allerglorwürdigst  regierenden  Römisdi 
kayserlichcnMayestät,  unsersallergnädigstcn  Herrn,  unter  der  heldenmütigen  An- 
fuhrung Ihm  des  Kayserlichen  und  Reichs  Gcneralfeldnuirschalln  und  l-eldzeug- 
lucistcr  (ir.ifcii  ('.irl  Joseph  von  Clerfait,  I'\ct.llt.ii/,  von  dem  deutschen  Vatcr- 
lande  mittelst  einer  Reihe  der  thatenvol legten  Siege  wieder  abgewendet,  und 
wie  hierbey  insbesondere  auch  die  Kettung  und  Erhaltung  der  hiesigen  Reichs- 
stadt noch  in  dem  krittsclien  Augenblik  der  dringendesten  Gefahr  glOklich 
erreicht  worden  sey,  solches  wird  einem  jeden  deutschgesinnten  Manne  und 
jedem  seitie  V.iterstadt  liebenden  Frankfurter  Bürger  in  eben  so  unvergesv 
lichem  Iroiien  Andenken  bleiben. 

Die  Emplindungen  de»  licisscsicn  Dankes,  von  welcliem  ganz  Deutsch- 
land gegen  Sein  allerhöchstes  Oberhaupt  f)ir  diesen  grossmächtigsten  Schuz 
in  so  schröklichen  Gefahren  durchdrungen  ist,  sind  auch  diejenigen»  von 

'  Sic  wurde  in  drei  nxenipl:iren  ausgefertigt,  wovon  sich  noch  ?rwei  im 
städtischen  historischen  Museum  beiniden;  das  dritte  und  xweifellos  schöustc  erhielt 
Clerfayt. 


* 

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—     121  — 


welchen  die  Bürger  dieser  Siadt  umv/.  belebt  sind,  und  welche  sich  mit  Be- 
wunderung und  Verehrung  der  persönlichen  erhabenen  Verdienste  vereinigen, 
wodurch  Frankfurt  jene  seine  Rettung  dein  Feldherrn  so  tapferer  Kriegsheerc 
in  der  Person  vorhingedaclit  liiro  des  Kayserlichen  und  Reichs  Generalleld- 
ni.irs<:halln  und  Feldzeugmeisters  Grafen  von  Clerfait,  Hxcellenz,  zu  ver- 
danken hat. 

In  den  Icztverflosscncn  Tagen,  da  Frankfurts  Bürger  bcy  der  kurzen 
Anwesenheit  ehenerwähnt  Seiner  Hxccilenz  in  dieser  Siadt  Hochdencnselhen 
jene  ihre  l!mptindungen  durch  lauten  Zuruf  darzulegen  die  frohe  Gelegen- 
heit benuzt  halKn,  hat  auch  uns  Bürgermeister  und  Rath  dieser  Stadt 
der  Gedanke  beschäftiget,  auf  welche  Weise  Wir  noch  ferner  die  Doll- 
nietscher  jener  Freude,  jenes  Dankgefühls  und  jener  unserer  und  unserer 
sämtlichen  Mitbürger  unbegrenztesten  Verehrung  gegen  hochgedacht  Iliro 
lixcellenz  werden  konnten?  Nur  aber  die  Beweise  von  Wohlwollen  und 
Zufriedenheit,  womit  Hochdiescibcn  in  den  gedachten  frohen  Tagen  jenen 
lauten  Ausdruk  wamicn  Dankgcfühles  und  reinester  Verehrung  zu  crwicdem 
geruhet  haben,  haben  uns  auch  die  schmeichelhafte  Hofnung  einflössen  können, 
da>s  flochdiesclben  diesen  Ihren  so  wohlwollenden  Gesinnungen  auch  noch 
dieses  bleibende  Merkmal  derselben  hinzuzufügen  Sich  hochgencigtest  gefallen 
lassen  dürften,  zu  einem  Hhrenmitgliede  desjenigen  gemeinen  Wesens  Selbsten 
Sich  von  uns  aufnehmen  zu  lassen,  um  welches  Sie  so  unsterbliche  Ver- 
dienste haben  und  das  die  Empfmdungen  seiner  dankvollesten  Verehrung 
noch  auf  die  spätesten  Nachkommen  fortpflanzen  wird. 

Diesen  lebhaftesten  Wunsch,  hochgcdac'it  Ihre  Excellcnz  in  den  Jahr- 
büchern des  unserer  obrigkeitlichen  Vorsorg  anvertrauten  gemeinen  Wesens 
ein  solches  Denkmal  seiner  unauslöschlichen  Verehrung  stiften  zu  dürfen, 
haben  daher  Hochdenenselben  Wir  Bürgermeister  und  Rath  dieser  Siadt 
frcyntüthig  und  zutrauensvoll  erölnet,  und  gleichwie  hierauf  mehrhochgcdacht 
Ihro  Fxcellenz  diesen  unsern  Wünschen  zu  entsprechen  n>it  der  Ihnen  eigenen 
Güte  und  Wohlwollen  uns  die  schmeichelhafte  Zusage  gethan  haben: 

Als  ernennen  und  erwählen  Wir  Bürgermeister  und  Rath  dieser  des 
heiligen  Reichs  Stadt  Frankfurt  am  Mayn  den  hochgebornen  Grafen  und 
Herrn  Carl  Joseph  von  Clerfait,  Grosskreuz  des  n>ilitärischen  Maricn- 
Theresien  Ordens.  Sr.  k.  k.  apostolischen  Majestät  wirklichen  Kämmerer  und 
geheimen  Rath,  Allerhöchst  dero  Gcneralfeldmarscliallen  und  des  Heiligen 
Römischen  Reichs  Generalfeld/cugmcistcrn,  Obersten  und  Inhaber  eines 
Iiifniiterie- Regiments  und  sowohl  der  k.  k.  Haupt-  als  der  kaiserlichen 
Keichsarmee  Kommandircnden  en  Chef  hierdurch  und  in  Kraft  dieses  zum 
Ehrenbürger  dieser  des  heiligen  Reichs  Stadt  Frankfurt  an>  Mayn  auf  das 
ehrerbietigste  und  wie  es  nur  immer  auf  das  feyerlichste  geschehen  kann 
oder  mag,  und  wollen  und  verordnen,  dass  der  Nähme  hochgcdaclit  Ihrer 
Exccllenz  in  dieser  Eigenschaft  unsern  Jahr-  und  Bürgerbüchern  einverleibet 
werden  solle. 

Zu  dessen  wahrer  Urkunde  haben  wir  gegenwärtiges  förmliches  Diplom 
ausfertigen  und  unser  grosses  Stadtinsiegel  daran  hängen  lassen.  So  gc* 
schchen  Frankfurt  am  Mayn  den  sechsten  Tag  itii  Monath  Jenner  des  Jahres 
nach  Christi  Geburt  Ein  tausend  Siebenhundert  Neunzig  und  sechs. 

Dem  neuen  Ehrenbürger  wurde  am  17.  März  in  Wien  diese 
Urkuudc  in  feierlicher  Weise  durch  den  dortigen  Agenten  der  Stadt, 


—    122  — 

Herrn  v.  Filgramni,  der  sich  von  zwei  in  Wien  anwcscmlcji  I  rank- 
furtcr  Bürgern,  Hauptmann  v.  Jacob!  und  Herrn  v.  Brcvillicri, 
begleiten  Hess,  überreicht.  Clerfayt  dankte  der  Stadt  für  die  Auf- 
nahme in  die  Zahl  ihrer  Bürger  durch  nachfolgendes  Dankschreiben: 

Wohledelgebohren ! 

Ihre  Bevollniächtigte  haben  mir  die  schmeichelhaften  und  ehro)- 
vollen  Beweise  llirer  gütigen  Aufmcrcksamkeit  mit  Feycriichkcit  uebcrbracliL 

Dadurcli  dass  Ich  der  Ircycn  Reichsstadt  Francfort  allen  Schutz  ^jc 
wahrte,  dessen  die  Armee  fähig  wäre,  welcher  Ich  vor/tiNtehcn  die  l!hrc 
hatte,  vollzog  Ich  die  ailerliöchstc  Befehle  und  die  bestinmite  Willcui- 
nieynun^  Seiner  Majestät  des  Kayscrs,  und  der  glückliche  Erfolg  entsprach  Ast 
Zuversicht  gant^;,  die  man  billig  in  su  muthvolle  Trouppen  setzen  |tOnntc> 
Icli  iii^l'LsoiKlLTL  cnipfand  dabcy  die  freudige  Uebcr:a*ugiing,  einer  frcvcu 
deuf^clien  1^<.  ich^stadt  i^cnut/i  m  haben,  welche  SO  vielfältige  BcwcibC  <kx 
Anhangliclikeit  der  Inwohner  abgelegt  liat. 

Empfangen  Sie  meinen  innigsten  Dank  dafür,  dass  Sie  mich  in  die 
Zahl  Ihrer  Mitbürger  aufzunehmen  beliebten,  und  bleiben  Sie  wohl  uebcr«cuj,t, 
dass  mir  jede  (je!c-;en!icil  erwCiiiNcIit  sevti  werde,  v-u  Ich  iiiLinc  fül^e'intliclt- 
keit,  meine  Aiih.ujgiichkcil  und  jene  besondere  Werlh:>chatzuiig  bcstäligini 
kann,  nni  welcher  Ich  zu  seyn  die  Uhre  habe 

Euer  Wohledelgebohmen! 
Wienn  den        Märtz  1796. 

Ergebenster  Diener 
gr.  V.  Clerfayt 
FM 

Die  Aufnahme  des  kaiserlichen  Heerführers  in  das  Ehrenbürger* 
recht  der  freien  Reichsstadt  erregte  in  Wien  angenehmes  Aufsehen. 
Die  donigen  Zeitungen  berichteten  über  die  feierliche  Audienz  der 
Frankfurter  Gesandten  beim  Grafen,  der  »Wienerboth«  druckte  sogar 
den  ganzen  Wortlaut  der  Urkunde  ab;  Kaiser  Franz  IL  Hess  sich  das 
Diplom,  welches  in  einer  goldenen  Kapsel  ruhte/  vorzeigen  und 
äusserte  darüber  »sein  altergnädigstes  Wohlgefallen«,  der  hohe  Adel 
Wiens  schloss  sich  der  kaiserlichen  Bewunderung  pflichtschuldigst 
an,  und  endlich  liess  der  Kaiser  durch  seinen  Gesandten  in  Frankfurt 
dem  Rathe  wiederum  ein  »allergnädigstes'  Wohlgefallen«  über  diese 
Ernennung  eröffnen. 

Unser  zweiter  Ehrenbürger  bat  sich  seiner  Würde  nicht  mehr 
lange  freuen  können;  glücklicher  als  der  erste  rief  ihn  schon  nach 
zwei  Jahren  der  Tod  aus  dem  Höhepunkt  einer  glänzenden  Lautbahn 
ab.'  Karl  de  Croix,  Graf  v.  Clerfayt  und  v.  Calonne,  wurde  am 


'  Sie  war  in  der  Bijouteriefabrik  von  Karl  Graumann  angefertigt  worden  und 
hatte  nicht  weniger  als  5500  Guldeti  i^elcostct! 

^  Vgl.  Landniann  in  der  AUgcmciiicu  Deutschen  Biographic  IV,  52$. 


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—    123  — 


I4>  Oktober  173}  in  Schloss  ßruille  im  Hcnncgaa  als  österrtikhischer 
Untenlian  geboren;  er  erwarb  sich  seine  ersten  Lorbeeren  im  sieben- 
jährigen Krieg.  Im  Turkenkrieg  1788—91  zeichnete  er  sich  als 
Föfarer  eines  Armeekorps  so  hervorragend  aus,  dass  ihm  beim  Aus- 
bruch des  Krieges  gegen  Frankreich  1792  der  Oberbefehl  in  Belgien 
anvertraut  wurde.  Hier  kämpfte  er  bis  1794  theils  selbständig,  thcils 
unter  unfähigen  prinzlichen  Heerführern  stehend,  mit  wechselndem 
Glücke  gegen  die  französischen  Revolutionsarmeen  unter  Dumouriez, 
Jourdan  und  Pichegru.  1795  befreite  er  nach  anfänglichem  Zaudern 
im  Verein  mit  Wurmser  durch  einige  kräftige  Schläge  die  Gegend 
am  Mittelrhein  von  den  Franzosen ;  es  war  die  ruhmvollste  Zeit  seiner 
kriegerischen  Laufbahn.  Er  nahm  seine  Entlassung,  weil  ihm  die 
Wiener  Diplomatie  vorwarf,  den  Feinden  einen  zu  günstigen  Waffen- 
stillstand gewährt  zu  haben.  Er  zog  sich  nach  Wien  zurück  und 
endete  hier  am  21.  Juli  1798  sein  thatenretches  Leben.  Nach  dem 
Unheil  eines  militärischen  Schriftstellers  war  er  zwar  besser  als  seine 
Vorgänger  im  Kriege  gegen  die  französische  Republik,  konnte  sich 
aber  nicht  von  der  Langsamkeit  der  alten  Schule  frei  machen;  er 
verlor  nie  den  Kopf  und  wurde  nie  müde,  aber  ihm  fehlte  die  Ini- 
tiative. Aus  seinem  Heerlager  sind  die  beiden  berühmtesten  Feld- 
herm  Oesterreichs  im  19.  Jahrhundert  hervorgegangen:  Erzherzog 
Karl  und  Graf  Radetzky. 

III. 

Volle  zwanzig  Jahre  vergingen,  bis  die  städtischen  Behörden 
sich  wiederum  veranlasst  fiihtten,  die  Würde  eines  Ehrenbürgers 
einem  um  die  Stadt  verdienten  Manne  anzutragen.  Es  waren  die 
zwei  Jahrzehnte,  in  weichen  Deutschland  und  auch  die  Stadt  Trank  fürt 
die  stärksten  Erschütterungen  und  in  rasch  auf  einander  folgenden 
Ereignissen  die  wechselvollstcn  Veränderungen  erfuhren.  Die  alte 
Reichsstadt  verlor  1806  ihre  Unabhängigkeit  und  wurde  die  Residenz 
des  Fürsten  Primas  des  llhcinbundes,  1810  wurde  sie  zur  Hauptstadt 
des  nach  ihr  benannten  Grossherzo^tlnimes  erhoben.  Der  Ausgang 
der  Leipziger  Völkerschlacht  war  auch  tür  Frankfurts  Schicksal  ent- 
scheidend: das  Grossherzogthum  I  rankfurt  verschwand  als  selb- 
ständiger Staat;  seine  Hauptstadt  schied  durch  Entschliessung  der  ver- 
IninJcrcn  Mächte  vom  14.  Dezember  181 3  aus  dem  bisherigen  staatlichen 
Verbände  aus  und  erhielt  ihre  Selbständigkeit  wieder.  Wohl  streckten 
sich  damals  gierige  Hände  nach  dem  Besitze  der  reichen  Stadt  aus; 
aber  der  Energie  und  dem  Wohlwollen  des  Mannes,  den  die  ver- 
bündeten Monarchen  an  die  Spitze  der  Centraiverwaltung  der  wieder- 


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-    124  - 


gewonnenen  deutschen  Länder  gestellt  hatten,  verdankte  die  Stadt 
die  Wiederherstellung  der  alten  Freiheit:    dem  ehemaligen  prcus- 
sischen  Staatsminister,  Reichsfreiherr  Karl  vom  und  zum 
Stein.'  Die  nächste  Zeit  brachte  der  Stadt  die  Aufgabe,  die  inneren 
Verhältnisse  zu  ordnen,  eine  Verfassung  zu  schaffen,  unter  der  der 
neue,  auch  vom  Wiener  Kongress  anerkannte  Freistaat  leben  konnte; 
in  die  langwierigen  Berathungen  über  das  städtische  Verfassungswerk 
griff  auch  Stein  öfters  mit  fester  Hand,  wenn  auch  nicht  immer  er- 
folgreich, ein:   er  wollte  die  Rechte  der  nichtlutherischen  Bürger 
gewahrt,  die  Macht  des  Senates  beschränkt,  die  Fernhaltung  der  nicht 
eingeborenen  Elemente  aufgehoben,  die  Stimme  der  Bürgerschaft  in 
höherem  Maasse  gehört  wissen:  Forderungen,  durch  die  er  seinen 
wahrhaft  staatsmännischen,  die  veränderten  Verhältnisse  des  neuen 
1  reistaate«;  i^ei^eniiber  dem  alten  reichsstädtischen  Stillleben  klar  er- 
kennenden Blick  aufs  glänzendste  zeigte.^    Waren  auch  seine  früher 
geäusserten  Wünsche  in  der  nni  19,  Juli  1S16  veröffentHchten  Kon- 
stitutions-Hrgänzungs-Aktc    nicht   durchweg  zur  Hriiillun^  gelangt, 
so  erkannte  er  docli  in  der  neuen  Verfassung  »Ehrfurcht  für  das 
Alte  und  Herkömmliche  mit  weiser  Rücksicht  auf  das,  was  die  Get^eti- 
wart  erforderte;'      sprach  die  Hoffnung  aus,  «der  gntc  Geist  der  Be- 
wohner der  Stadt  werde  so  entfernt  bleiben  vom  Streben  nach  dem 
Aufrechthalten  des  \'er.ilteten,  als  von  dem  Wunsche,  das  Unerreich- 
bare zu  erringen.«  Steins  anerkennende  Worte,  welche  Simon  Moritz 
V.  Rethmann  der  Bürgerschaft  bekannt  machte,    sollen  wesentlich 
zur  Annahme  der  neuen  Verfassung  beigetragen  haben.  Als  sich  der 
Freiherr  im  Winter  1816— 1817  wie  schon  im  vorhergehenden  Winter 
hier  längere  Zeit  aufhielt,  nahm  der  Senat  die  Gelegenheit  wahr,  ihm 
die  seit  zwei  Jahrzehnten  nicht  mehr  verliehene  Würde  eines  l:!iren- 
bürgers  der  Stadt  anzutragen. •*    Der  X'orsehlag  des  alteren  Bürger- 
meisters Dr.  Metzler  ging  von  dem  (kdanken  aus,  »dass  es  wohl 
den  dankbaren  Gesinnungen,  welche  ein  Hochedler  Rath  gei;en  den 
Herrn  Minister  breiherrn  vom  Stein  um  der  Verdienste  willen  heue, 
welche  sich  derselbe  sowohl  inn  ganz  Deutschland  als  auch  ins- 
besondere um  hiesige  Stadt  erworben  habe,  angemessen  sei,  demselhen 
ein  Ehrenbürgcrdiplom  ausfertigen  und  ihm  solches  durch  eine  Depu- 

'  Pertz,  Leben  des  Ministers  Frh.  von»  Stein,  Bande  III— V. 

*  Kricgk,  Gcsclüchtc  von  Frankl'urt,  S.  5  37  Ü. 

'  Pcrtz  V,  63.  Zehn  Jahre  später  hat  er  sich  allerdings  weniger  anerkennen«! 
über  die  Erfassung  von  1816  und  über  das  politische  Verhalten  der  Bürgerschaft 

von  1813  ab  gc;ius?crr;  v;^I.  Port/  Vf,  ^12. 

*  Akten  Üuppl,  Tom.  91  Nr.  46  iiu  Stadtarclüv  iL  Abtheüuug. 


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-    125  - 


latiun  in  einer  i;;oldencn  Knpscl  überreichen  zu  lassen.«  Am  28.  No- 
vember 1S16  vollzog  der  Senat  die  Wahl  des  dritten  Ehrenbürgers 
der  Stadt.  Die  ständige  Bürgcrreprasentation  stininne  dem  Antrag 
des  Senates  ohne  Weiteres  zu.  Der  erste  lintwurt  des  Textes  der 
Ehrenbürgerurkunde,  welcher  in  einem  äusserst  schwülstigen  Stile 
die  Verdienste  Steins  feierte,  fand  glücklicher  Weise  nicht  die  (ie- 
nehniigung  des  Senates ;  der  zweite  Entwurt,  der  der  Ausiertignng 
zu  Grunde  uelegt  ward,  zeichnet  sich  durch  eine  einfache  und  würdige 
Sprache  aus:' 

Wir  Bürgermeister  und  liatli  der  freien  S'.  uit  Frankfurt  ani  Main  Urkunden  und 

bekennen ; 

Was  Seine  Exccllenz  der  Herr  Staatsminister  Freiherr  vom  Stein 
in  den  gefahrvollsten  Zeiten,  wo  das  deutsche  Volk  unter  fremder 
Tyranney  erUig,  für  das  Vaterland  gethan,  wird  in  dessen  eignem  Be- 

wusstscyn,  wird  in  dem  Dank  und  der  Bewundcrimg  des  ganzen  Volkes 
den  schönsten  Lohn  hnden,  und  was  Hochderseibe  mitten  in  den  Stürmen 
des  Krieges,  mitten  im  Streite  der  Interessen  der  mächtigsten  Reiche  für 
unsem  kldnen  Freistaat  Gutes  gewirkt  hat,  vnrd  in  den  Herzen  der  Frank» 
furier  Bürger  ewig  unvergesslkh  bleiben.  Der  Mann,  welcher  mit  edler 
Hand  den  ersten  Grundstein  unserer  Unabhängigkeit  hat  legen  helfen,  der  die 
zarte  Pflanze  der  neuen  Freiheil  so  wohlwollend  schützte,  kann  unmöglich 
der  danld>aren  Bürgcrscliaft  dieser  Stadt  den  stolzen  Wunsch  verargen,  dass 
Er  auch  selbsten  Theil  an  dieser  beglQckenden  Freiheit  nehmen  möge.  Diesen 
Wunsch  aller  Bürger  der  neuen  Freistadt  zu  erfüllen,  und  zugleich  Unser 
eigenes  Dankgefühl  und  diejenige  liohc  Verehrung,  welche  Wir  Seiner  Hxcel- 
lenz  den)  Herrn  Staaisministcr  Freiherr  vom  Stein  von  jeher  gewidmet  haben, 
öffentlich  auszusprechen,  erwählen  und  ernennen  Wir  Bürgermeister  und  Rath 
der  frekn  Stadt  Frankfun  am  Main  Steine  Excellens  den  Herrn  Staatsminister 
Freiherrn  Heinrich  Friedrich  Carl  vom  Stein,  des  Russisch-Kaiser- 
lichen Sanct  Andreas,  des  Kaiserlich-Oesterreichischen  Snnct  Stcplnms,  und  des 
Königlich  Preussischen  schwarzen  und  rothen  Adlerordens  Grosskreuz  und 
mehrerer  andern  hohen  Orden  Ritter,  hierdurch  und  in  Kraft  dieses  feierlich  zum 
Ehrenbflrger  der  freien  Stadt  Frankfurt  und  wollen  und  verordnen»  dass  dtir 
Name  gedachter  Seiner  Excclknz  in  dieser  Eigenschaft  Unsem  Jahr-  und 
Bürgerböchern  einvcrlciln  werden  solle.  Zu  dessen  wahrer  Urkunde  haben 
wir  gegenwärtiges  förmliches  Diplom  ausfertigen  und  Unser  grosses  Stadt- 
siegel daran  hängen  lassen. 

So  geschehen  Frankfurt  am  Main  den  Acht  und  Zwanzigsten  Tag  im 
Monat  November  des  Jahrs  nach  Christi  Geburt  Eintausend  Achthundert 
und  Sechzehen. 

Die  Herstellung  imd  Ueberreichung  der  Urkunde  scheint  sich 
einige  Zeit  hingezogen  zu  haben;  erst  volle  zwei  Monate  später 
konnten  Schöfl'Dr.  Bachmann  und  Senator  Dr.  v.  Meyer  dem  Gefeierten 
das  Diptom  überreichen  und  sich  dabei,  wie  die  offiziöse  Zeitongs- 

'  I3er  hei  den  erwähnten  Akten  belindUche  nntwnrl  ist  im  Format  und  in 
der  gezieneti  Schrift  der  Ausfertigung  enisprcche»ul  gehalten. 


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—     126  — 


notiz  besagte,  ovoii  dieses  verdienstvollen  Jcuisclicn  Mannes  tm- 
trclUiciicn  Gcsiiiiuini^cn  neuerdings«  überzeugen.  Stein  dankte  durch 
das  nacliioli^ende  schone  Schreiben:' 

Das  Bürf,'er  Recht  der  frcyen  Stadl  Frankfurt  erhält  für  midi  einen 
erhöhten  Werth,  durch  die  Zeil  in  der  es  mir  «u  Thcü  ward,  und  die 
Eigenschaften  derer,  die  es  mir  ertheilen. 

Ich  erliahe  dieses  dircnvolle  Geschenk  tu  «ner  Zeit,  vifo  ich  in  das 
Privat-Leben  zurückgetreuen  bin,  wo  ich  es  also  keinen  anderen  Bev^nngs- 
Gründen,  ab  denen  wohlwollenden  Gesinnungen  einer  höchstaclitungswenhcn 
Bürgerschaft  »ind  Sennt  zu  verdanken  habe  :  von  einer  Ireyen  Stadt,  die  seit 
denen  frühesten  l-poclxcn  unserer  Geschichte  eine  ausgezeiciinete  Stelle  unter 
denen  deutschen  freyen  StädtM  beluuptete,  deren  Bürger  durch  Gewerbfldss 
den  Wohlstand  der  Nation  und  durch  Liebe  zur  Wissenschaft  und  Kunst 
ihren  Htterarischcn  Ruhm  vermelirten.  bei  denen  zu  allen  Zeiten  und  in  denen 
schwierigsten  \'erh.iltn:ssen  treue  Anhänglichkeit  an  das  deutsche  VaterLind 
sich  ausspracli  und  bewic^s,  und  die  noch  in  der  neuesten  Zeit  bcy  AusbiN 
dung  einer  der  gegenwartigen  Lage  der  Dinge  angemessenen  Verfassung  Liebe 
zur  gesetzlichen  Ordnung,  Besonnenheit  und  ernste  beharrliche  Thätigbät 
an  den  Tag  legten. 

Ich  rechtie  es  mir  daher  mr  vor?üi,'!ichcn  F:hre,  ein  Mitglied  einer  so 
tretiliclicn  Hürgcrscliaft  zu  seyu,  und  wünsche,  dass  Sie  noch  lange  blülicn 
möge  durch  Wissenschaft,  Kunst  und  Handel,  im  Genuss  einer  woMthätigen 
freyen  Verfassung,  als  eine  Zierde  Deutschlands. 

Frankfurt,  d.  4.  Febr.  18 14. 

H.  Fr.  Carl  Frh.  vom  Stein. 

Steins  Beziehungen  zu  unserer  Stadl  waren  mit  der  Ernennung 
zum  Ehrenbürger  nicht  abgeschlossen;*  er  blieb  der  einzige  unter 
den  Frankfurter  Ehrenbürgern,  welchen  die  Zeitgenossen  auch  als 
Mitbürger  schätzen  konnten.  Mit  Vorliebe  verlebte  er  hier  die 
Winterszeit  bis  zur  Mitte  der  zwanziger  Jahre  und  aucli  noch  dcii 
Herbst  18^0;  hier  unterhielt  er  einen  regen  persönlichen  und  briel- 
lichcn  \'erkehr  mit  seinen  politischen  und  wissenschaftlichen  l-reundeo, 
und  dass  er  es  nicht  verschtnähte,  sich  den  Besten  der  hiesigen 
Bürgerschaft  zu  gemeinnützigem  Wirken  zu  gesellen,  beweist  sein 
nm  5.  Marz  1817  erfolgter  Eintritt  in  die  Polytechnische  Gesellschiü; 
Von  Frankfurtern  traten  ihm  Pfarrer  Alexander  Stein,  Bankier  Theodor 
Mülhens,  Rath  Fritz  Schlosser,  die  Historiker  Johann  Karl  v.  Fichard 


'  Mh  cmigen  Abweichungen  schon  bei  Pertz  V,  in  nach  Steins  Ent^'orf 
gedruckt. 

'  Auch  Bremen  Jiatte  ihm  die  Würiie  eines  dortigen  lüirenhürrrers  merkaniit, 
J  i.)elsner,  liistorisciier  Ueberblick  ul>er  die  Hcstreliungen  der  l^olyiechnischcn 

Gesellschaft  im  Ncujahrsblatt  1879  des  Frankfurter  Verdns  für  Geschichte  und 

Alterthumskunde  S.  12. 


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—    127  ~ 


und  Dr.  Johann  Friedrich  Böhmer'  näher.  Am  20.  Januar  181 9 
erfolgte  hier  auf  Steins  Anregung  und  unter  seiner  Leitung  die 
Gründung  der  Gesellsch.nft  für  deutsche  Gesciiicliiskunde,  welche  sich 
die  Autgabe  gestellt  hatte,  die  schriftlichen  Denkmale  der  deutschen 
Geschichte  des  Mittelalters  in  dem  grossen  Werke  der  Monumenta 
Gernianiae  historica  zu  veröffentlichen  und  damit  der  deutschen  Gc' 
scbichisforscluin^  und  Geschichtsschreibung  die  sichere  Grundlage  zu 
geben.  V  on  I  rankfurt  aus  leitete  Stein  dieses  n.uit)nale  Unternehmen; 
CS  war  das  Werk,  dem  er  die  beste  /.tit  seines  Lebensabends  ge- 
widmet hat. 

Ich  kann  es  mir  versagen,  hier  einen  Abriss  dieses  reichen  Lebens 
zu  geben,  welches  am  27.  Oktober  1757  zu  Nassau  begann  und  am 
29.  Juni  183 1  in  Kappenberg  endete.  Die  Laufbahn  unseres  dritten 
Ehrenbürgers  und  seine  Verdienste  um  das  Vaterland  sind  jedem 
Deutscheu  bekannt: 

Des  Rechtes  Grundstein, 
Dem  Unrecht  ein  Eckstein, 
Der  Deutschen  Edelstein! 

IV. 

Die  Ernennung  des  vierten  Frankfurter  Ehrenbürgers  fällt  wie- 
derum in  eine  Zeit  des  Krieges,  nicht  des  Krieges  mit  den  Waffen, 
sondern  des  Krieges  mit  den  Künsten  der  Diplomatie.  Gegen  das 
Hude  des  dritten  jahr/ehntes  unseres  Jahrhunderts  war  die  brennendste 
Frage  für  Deutschland  die  wirthschaftliche.  Die  politische  Einheit, 
welche  der  Wiener  Kongress  geschaffen  hatte,  war  nur  eine  lose; 
die  Verhältnisse  des  deutschen  Handels  forderten  gebieterisch  auch 
die  wirthschaftliche  Einheit  der  Kation.  Freussen  ging  voraus;  es 
schaffte  1818  seine  ßinnenmauthen  ab  und  zog  die  ihm  enclavierten 
Staaten  in  sein  Zollsystem.  Am  14.  Februar  1828  schloss  es  den  Zoll- 
vertrag  mit  dem  Grossherzogthum  Hessen-Darmstadt,  durch  welchen 
die  erste  Grundlage  für  die  noch  im  Schoosse  der  Zukunft  ruhende 
Zolleinheit  der  Nation,  den  späteren  Zollverein,  gelegt  wurde.  Ich 
habe  hier  nicht  zu  untersuchen,  ob  die  freie  Stadt  Frankfurt  ricluii; 
oder  falsch  handelte,  wenn  sie  den  Anschluss  an  das  preussisch- 
hessische  System  verschmähte  und  nach  einem  Zollbund  strebte, 
welcher  sie  sowohl  vor  dem  preussisch-hessischen,  wie  vor  dem  gleich- 
zeitig geschlossenen  bayrisch-wüTttembergischen  Zollverein  schützte. 
Ich  habe  auch  nicht  zu  imtersuchen,  welche  Absichten  das  König- 


'  Vgl.  Janssen,  j.  F.  Bdbmcrs  Lebca,  be$.  1,  132  ff. 


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—     128  — 

reich  Sachsen  gci,'cn  dt-n  einen  oder  den  anderen  Zollverein  haue, 
als  es  die  Stauen  iMiiteldeutschlands  und  darunter  auch  Frankfurt 
einlud,  einen  dritten  deutschen  Zollbund  zu  gründen,  welcher  sich 
als  Keil  zwischen  den  norddeutschen  und  den  süddeutschen  Verein  ein- 
schob.' ich  bemerke  nur,  dass  der  Senat  der  freien  Stadt  die  erste 
Anregung  m  einem  solchen  Bunde  mit  Hiter  autnahm.  Der  Leiter 
der  Veriiandlungcn,  welche  in  Kassel  erfolgten,  w.tr  der  köni£;1ich 
sächsische  Geheime  Rath  Hans  Gcor^  von  Carlowit/,  welcher  von 
1821  bis  1827  Gesandter  am  Bundestag  im  Palais  Thum  und  Taxis  ge- 
wesen war.  Am  24.  September  iiS2S  wurde  der  Mitteldeutsche  Handels- 
vcrein  zu  Kassel  auf  sechs  Jahre  abgochlossen ;  der  I-rankhirtischc 
ik'vollmäcinigte,  Senator  Dr.  Gerhard  Thomas,  der  beste  Diplumai 
der  Stadt,  durch  den  technischen  ßeirath  des  Handelsmannes  Cx)cstcr 
in  trefflicher  Weise  unterstützt,  war  an  dem  Zustandekommen  des 
Blindes  in  hervorragendem  Maasse  hcthciligt.  Der  Senat  glaubte 
durch  den  Absehluss  dieses  Vertrages  dem  schwer  bedrängten  Handel 
der  Stadl  einen  grossen  Dienst  geleistet  zu  haben,  und  luhlte  sich 
veranlasst,  dem  Urheber  desselben,  Herrn  v.  Carlowitz,  seinen  Dank 
in  einer  besonders  ehrenvollen  Weise  auszusprechen.  Nicht  genug, 
dass  er  an  ihn  unter  dem  8.  Dezember  ein  warm  empfundenes  Dank- 
schreiben richtete,  welches  dieser  mit  der  ehrenden  Anerkennung  des 
Verhaltens  der  Stadt  erwiderte;  schon  am  16.  Dezember,  als  die 
Antwort  des  Herrn  v.  Carlowitz  noch  nicht  eingetroffen  war,  schlug 
der  ältere  Bürgermeister  Dr.  Stark  dem  Senate  vor,  dem  sächsischen 
Staatsmann  »das  Ehrenbürgerrecht  mit  anhängendem  Siegel  und 
goldener  Kapsel«  zu  erthcilen,  denn  es  habe  »der  königlich  sacli- 
sische  Herr  Geheime  Rath  v.  Carlowitz  sich  bei  Gründung  des 
mitteldeutschen  Handclsvereins  die  entschiedensten  Verdienste  auch 
um  iuesige  freie  Stadt  und  deren  Handel  erworben,  welche  deren 
Dankbarkeit  in  Anspruch  nehmen«.  Der  Antrag  wurde  einstimmig 
angenommen;  der  sächsische  Staatsmann  erhielt  die  tlirenbürger- 
würde  von  Frankfurt.    Das  Diplom'  lautet: 

Wir  Bürgermeister  und  lUth  der  freien  St.idt  Frankfurt  Urkunden  und  bekennen 

lliennit: 

Der  Wunsch  Seiner  Excdlenz  dem  Königlich  Sächsischen  Wirklidien 
Geheimen  Rath  Herrn  Hans  Georg  von  Carlowitz  auf  eine  dflentliche 
und  bleibende  Weise  die  dankbare  Anerkennung  derjenigen  Bemühungen  tu 

*  Vgl.  Tidtschke,  Deutsche  Geschichte  III,  60}  iT;  Stricker,  Neuere  Geschichte 
von  Frankfurt  a.  M,  S.  200.  Akten  A  121,  Nr.  47  toni.  I  im  Stadtarchiv  II. 

*  I's  bestand  wie  die  früheren  Briefe  in  einem  grossen  Pergamciubhut,  von  dem 

das  Siegel  in  ^ulJciicr  Kapsel  abhint'.  u'.m\  hctituict  sich  jetzt  mit  den  anderen  v.  Carlo- 
\vit/.'^hei)  l'amilienjnniicren  depositariscli  im  kgl.  Haupista.iisarchiv  zu  Dresden. 


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bcthätigcn,  wodur^li  derselbe  den  Absdiluss  lics  u'ic  Miticldeiitsclun  Rundcs- 
srn:>tcn  zu  Hc^TutuUitig  und  grösserer  liinwickclung  der  hrcihcit  des 
Handels  verbindenden,  störende  Hemmungen  des  Verkehrs  entierneiiden 
Vereins  so  nachdrOcktich  beför<lert  hat  bestiimnt  Uns  Burgermeister  und 
Rath  der  Stadt  Frankfurt  Seine  Excelienc  den  Königlichen  Säch»schen  Wirk- 
lichen Gehciiv.cii  R.ith  Herrn  Hans  Georg  von  Carlowitz  auf  Obcr- 
sthöna.  Domherrn  des  HochstiUs  Merseburg,  Comtluir  des  Könighch  Sachsischen 
Civilvcrdienst-,  Grosskreuz  des  Kaiserlich  Oesterrcichischcn  Leopold-,  Ritter 
des  Kaiseriich  Russischen  Sanct-Annen-  und  Königlich  Preussischen  Johanniter- 
Ordens»  hierdurch  und  kralt  dieses  zum  BhrenbQrgcr  der  freien  Stadt  Frank' 
furt  zu  erwählen  und  zu  ernennen. 

Wir  wollen  und  xcrordiicn  demnach,  dass  r.v  ewii^^cni  Cjed.ichiniss  dieser 
Walii  und  Hrneonung  der  Name  gedacliter  Seiner  lixcelleiiz  des  Herrn  Hans 
Georg  von  Carlowiz  als  Ehrenbürgers  Unsern  Jahr-  und  Bürger-Büchern 
einverleibt  werden  solle. 

Aircli  haben  wir  zu  dessen  walircr  Urkinuio  m.i;cnwärtiges  förmliches 
Diplom  unter  Unserer  gcu  ohnüchen  Unterschrift  auslertigen  und  mit  Unserem 
grossen  Staatssiegel  vergehen  Lissen. 

So  geschehen  Frankfurt  am  Main  den  Secltszehnten  Decembcr  des 
Jahres  Achtxehnhunden  und  Achtundxwanaig. 


Herr  v.  Carlowitz  sprach  in  nachfolgendem  Schreiben  dem  Senat 
seinen  Danic  für  die  verliehene  Auszeichnung  aus: 


hat  nnch  durch  die  grosse  Auszeichnung,  mir  das  Elircn  Bürgerrecht  der 
frej-en  Stadt  Frankfun  huldreichst  lu  verleihen,  zu  der  ehrfurchtsvollsten 
Dankbarkeit  verpflichtet. 

Diese  Dankbarkeit  ist  um  so  grösser,  je  mehr  ich  Obenseugt  bin,  dass 
ich  bisher  nicht  vermocht  habe,  eine  so  seltene  und  ehrenvolle  Auszeichnung 
zu  verdienen,  und  meine  Freude  um  so  vollkommener,  als  Ich  in  dem  mir 
verliehenen  Geschenk  die  Gewahr  der  unschat/barcii  /ulriedenhcit  Hines 
hohen  Senats  mit  meinen  pflichtmässigcn  Bestrebungen  tur  den  mitteldeutschen 
Handetsverein  finde. 

Während  die  Weisheit  und  der  Gememgeist  der  hohen  Regierungen 
diesen  Verein  wollte,  und  deren  Eintracht  ihn  ins  Leben  führte,  bestrebte  sich 
jeder  ihrer  Beauftragten  mit  gleichem  Kifer,  der  ihm  übertragenen  Aufgabe 
m  genügen  und  in  dem,  was  das  Gescliaft  im  Allgemeinen  forderte,  iäud  ich 
mich  von  manclicm  übertrotieo. 

Wirksamer  als  ich  war  auch  der  virQrdige  Bevollmächtigte  Eines  hohen 
Senats,  mein  vieljähriger  Freund,  dessen  umfassende  Einsicht  und  unermüdeie 
Thätigkeit  den  wesentlichsten  Nut^.en  gestiftet  und  der  sich  bleibende  Ansprüche 
auf  die  hcrzhchste  Hochachtung  und  Dankbarkeit  aller  seiner  Mitbevollmach- 
tigten  erworben  hat. 

Nur  die  Zukunft  kann  mir  Gelegenheit  geben»  zu  verdienen,  was  mir 
jetzt  die  Huld  Hines  hohen  Senats  verliehen  hat,  und  ich  würde  für  eins  der 
glücklichsten  Ereignisse  meines  öiTciitüchen  I.chens  halten,  wenn  mir  einst 
gelänge,  mein  aufrichtiges  Interesse  an  dem,  was  der  mit  meinem  Vatcrlande 


Bürgermeister  und  Rath  der  freien  Stadt  Frankfurt. 


Ein  hoher  Senat 


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verbündeten  freven  Stadt  Frankfurt  nützlich  seyn  kann,  zu  bcwälircti.  Einem 
hohen  Senate  meine  dankbarste  Verpflichtung  wahrhaft  zu  bcthatigcn  und 
mir  den  Besitz  Hochdessen  unschätzbaren  Wohlwollens  und  Vertrauens  für 
immer  «i  sichern. 

Dressdeflf  am  9.  April  1829. 

Mit  der  üefsien  Verehrung  bin  ich  stets 
Eines  hohen  Senates 

ganz  gehorsamster  Diener 

Hans  Georg  von  Carlowitz. 

Eine  Gelegenheit,  Frankfurt  auch  ferner  dienen  zu  können,  wurde 
meines  Wissens  unserem  vierten  Ehrenbürger  nicht  gegeben;  seine 
Thätigkeit  blieb  fortan  auf  die  innere  Politik  seines  engeren  sächsischen 
Vaterlandes  beschränkt,  zu  dessen  hervorragendsten  Staatsmännern  in 
diesem  Jahrhundert  er  zweifellos  gezählt  werden  darf. 

Hans  Georg  v.  Carlowitz  wurde  am  11.  Dezember  1772  zu 
Grosshartmannsdorf  geboren. '  Er  studierte  die  Rechte  und  machte 
dann  die  Laufbahn  eines  sächsischen  Verwaltungsbeamten  durch,  in 
welcher  er  es  1821  bis  zum  Bundestagsgesandten  in  Frankfurt  gebracht 
hatte.  1827  erhielt  er  als  Wirklicher  Geheimer  Rath  einen  Sitz  im 
Dresdener  Geheimraths  -  Collegium.  Seine  bedeutendste  Leistung  in 
diesem  Amte  war  die  Abschliessung  des  mittelrheinischcn  Handels- 
Vereins.  Nachdem  er  1830  bei  Beschwichtigung  der  Unruhen  in 
Leipzig  und  Dresden  eine  hervorragende  Rolle  gespielt,  w-urde  er 
1831  Staatsminister  und  entwarf  als  solcher  die  neue  sächsische  Ver- 
fassungsurkundc.  1834  wurde  er  Minister  des  Innern,  als  welcher 
er  sich  um  das  Unternehmen  der  Leipzig  -  Dresdener  Eisenbahn 
bleibende  Verdienste  erwarb.  1836  übernahm  er  das  Cultusministerium 
und  brachte  auch  hier  dauernde  Reformen  im  Kirchen-  und  Schul- 
wesen zu  Stande  und  war  ein  eifriger  Förderer  der  Landesuniversiiät 
Leipzig.  Am  18.  März  1840  erlöste  ihn  der  Tod  von  langjährigen 
schweren  Leiden,  die  er  heldenhaft  bekämpft  hatte,  um  seinen 
Ministerpflichten  Genüge  thun  zu  können. 

An  detn  Werke,  welches  ihm  die  Frankfurter  Fhrcnbiir^erwurde' 
eintrug,  dem  mitteldeutschen  Handelsvercin,  hat  Carlowitz  niciit  viel 
Freude  erlebt ;  die  preussischc  Zollpolitik,  welche  inzwischen  den 
An^chlüss  an  den  süddeutschen  Bund  gefunden  hatte,  sprengte  den 
miueldeuischen  Verein,  und  nachdem  kaum  fünf  Jahre  seit  dein 
Abschluss  desselben  verflossen  waren,  sah  Sachsen  sich  gcnothigt, 

'  Neuer  Necrolog  der  Deutschen  1840,  I,  J25;  Aus  dem  Archiv  der  Familie 
von  Carlowiu  (als  Manuscript  gedruckt)»  Dresden  1B7;,  S.  72  ff. 

'  Zur  selben  Zeit  und  ans  derselben  Veranlassung  erhielt  er  auch  das  Bremer 
Ehrenbürgerrecbt. 


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-   131  — 


in  den  prcussisclicn  Zollverein  einzutreten.  Auch  Frankfurt  konnte 
licni^clbcn  niclu  uiciir  fern  bleiben,  nachdem  Kurllessen  und  Massau 
»ch  angeschlossen  hatten  oder  vielmehr  sich  anschliessen  mussten; 
am  2.  Januar  i8)6  trat  Frankfurt  dem  Verdne  bei.  Die  preussische 
Winhschaftspolitik  hane  über  die  Sonderbestrebungen  der  kldnen 
mitteldeutschen  Staaten  einen  glänzenden  Sieg  errungen. 

V. 

Der  fünfte  Ehrenbürger  der  Stadt  wurde  nicht  aus  der  Zaiü  der 
Generale  oder  Staatsmänner,  welche  sich  irgendwie  um  Frankfurt 
verdient  gemacht  hatten,  gewählt;  er  war  dn  Künstler,  an  dessen 

herriichem  Werk  wir  uns  täglich  erfreuen  können,  der  Schöpfer 
unseres  Cjoethe-Deiikm.ils,  Meister  Ludwig  von  S  ch  w  an  t  h  a  I  e  r. ' 

Der  erste  Plan,  dem  i^rossen  Dichter  ein  Denkmal  in  der  Vater- 
stadt zu  errichten,  tauchte  bereits  1819  bei  der  Feier  des  70.  Geburts- 
tages Goethes  auf.  Zwei  Jahre  später  veröffentlichten  mehrere 
Bundestagsgesandte  und  Frankfuner  Notabdn,  darunter  Moritz  v.  Betb- 
mann  und  Gerhard  Thomas,  einen  Aufruf  zur  Errichtung  eines  Goethe- 
Monumentes  in  Frankfurt.  Der  grossartig  angelegte  Plan  kam  nicht 
zur  Ausführung  ;  äussere  Unistände  und  besonders  die  Abneigung  des 
Dichters  selbst  üesscn  ihn  scheitern.  1837  traten  auf  Veranlassung 
der  Direktion  des  Kunstvereins  eine  Anzahl  Frankfurter  Herren  zu- 
sammen und  veranstalteten  Sammlungen  innerhalb  der  Bürgerschaft 
zur  Errichtung  eines  Goethe-Standbildes.  Thorwaldsen  übernahm 
die  Flerstellung  des  Modells,  konnte  aber  seinen  Versprechungen 
nicht  naciikominen.  Die  Aufgabe  wurde  im  Frühjahr  1841  einem  der 
ersten  deutschen  Bildhauer,  dem  Münchener  Professor  Ludwig  v. 
Schwanthaler  übertragen.  Sein  Weik  wurde  in  der  königlichen  Erz- 
giesserei  zu  München  unter  Leitung  von  Stigfanayer  und  Miller  in 
Erz  ausgeführt.  Am  22.  Oktober  1844  wurde  das  Denkmal  unter 
grossen  1  eierlichkeiten  enthüllt.  Beim  Festmahl  im  Saal  der  Börse 
gedachte  Inspektor  Passavant  »des  genialen  Schwanthaler,  der  die 
Gestalt  und  die  Züge  unsres  grossen  Dichters  lebensvoll  in  rohen 
Stofi'  zu  bannen  gewusst  und  in  wenigen,  schönen  Bildwerken  die 
Fülle  seiner  Schöpfungen  zu  veranschaulichen  verstand;«  er  rühmte 
»die  schöne,  menschliche  Gesinnung«  des  Künstlers,  der  von  dem 
ihm  zuerkannten  Ehrenpreis  eine  bedeutende  Summe  den  Armen  der 


'  D.is  Goctlu-Dcjikm;!!  m  Frankfurt  a.  M.,  Frankfurt  1844;  Gwinncr,  Kunst 
und  Künstler  in  l  r.inklurt  a.  M.,  S.  4'9ff'  Akten  Suppl,  Tom,  469  Nr.  S  <•« 
Stadurchivs  II. 

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-  ija  - 


Stridt   überwiesen   habe:    am   Ta^e    der  Enthüllung    war  nämlich 
bekatuH   geworden,   d.iss   Schwanthaler    das    ihm   vom  Denkma!- 
Koniit6  für  das  unentgehÜcli  ubernumnicne  Werk  bewilliute  l:liren- 
^'eschenk  von  5()()()  Cjuldcn  zum  Theil  für  die  stadti sehen  Armen 
bestimmt  habe.    Der  allgemeinen  Anerkennung  sowohl   des  herrlich 
vollendeten  Kunstwerkes  als  der  hüciiherzigen  Stiftung  des  Kimsilcrs 
schlus5>en  sich  wenige  Tage  später  auch  die  stadtischen  Behörden 
an.  Am  31.  Oktober  trug  der  ältere  Bürgermeister  Scharff  im  Senate 
vor:  »Durch  das  nunmelir  vollendete  Goethe-Denkmal  sei  Frankfurt 
um  ein  Kunstwerk  von  grösster  Bedeutung  und  Schönheit  bereiclK-rt: 
detii  genialen  Meister,  der  es  geschaffen,  hierfür  eine  ehrende  An- 
erkennung zu  Theil  werden  zu  lassen,  könne  der  Stadt  selbst  nur 
zur  Ivhre  gereichen,  und  da  dieser  hochstehende  Künstler  ohnehin 
schon  durch  sein  grossmüthiges  Geschenk  an  die  hiesigen  Armen 
gerechten  Anspruch  auf   unsere  Dankbarkeit  erworben   habe,  so  er- 
scheine  \s()hl   der   Antrag   voUktnnmen   begründet,   demselben  das 
|-rankiurier  Lhrciibürgerrecht  zu  erlheilen.«    Der  Senat  trat  diesem 
Antrag  bei.    Das  Diplom  des  neuen  Ehrenbürgers  wurde  der  kunst- 
Icristhen   Bedeutung  desselben  entsprechend  auch   in  künstlerisehcr 
Weise  ausgestattet.    Der  Schreiber  des  Diploms,  welches  aut  Per- 
gament geschrieben  und  reich  verziert  wurde,  war  J.  G.  Brandt.  Die 
beigegebene  Ansicht  von  Frankfurt  und  vuu]  Goethe-Standbild  malte 
der  jugendliche  Karl  Theodor  Reiftenstein;'  die  silberne  Siegelkapsel 
mit  den  erhaben  gearbeiteten  Buchstaben  S.  P.  Q.  F.  (Senat us  Popu- 
luscjue  I  ranco(urtanus)  im  Fiehenkranz  und  mit  damaszierter  Rückseite 
lielerte  die  Firma  J.  11.  P.  Schott  Söhne.  Der  Wortlaut  ist  folgender: 

Wir  B&rgenneister  und  Rath  der  freien  Stadt  Frankfurt  Urkunden  und  bekennen: 

Nachdem  Wir  beschlossen  haben,  dem  Herrn  Professor  Ludv^ng  von 
Sch%v:intlulcr,  Ritter  des  Verdienstordens  der  R.iver;schen  Krone,  des  Kö- 
niglich Baycnsciicn  V  crdicnMordens  vom  Heiligen  Michael,  des  Königlich 
Gricdiisdien  Briöscr-Ordois  goldenen  Kreuzes  und  des  Kfiniglich  Preussiscben 
Ordens  pour  ]e  mirite  Friedens-KIasse,  in  München,  dnen  öflenthchen  Beweis 
Unserer  Aticrkcnnung  der  vullciideten  Ausfuhrung  des,  deutscher  Kunst  tat 
Ehre  und  hiesiger  Stadt  zur  Zierde  ^gereichenden  St.indbildes  und  Denkmals 
Joliann  Wolfgang  Göthes,  und  der  bei  dieser  Veranlassung  bethatigtcn 
UneigennQuigkcit  zu  geben;  als  ertbeilen  Wir  obgedachtem,  kuostbegabten, 
edlen  Mdstcr  Schwanthaler  mittelst  dieser  Urkunde  das Ebrenb&rgcrredit 
hiesiger  freier  Stadt  und  verordnen  die  Eintragung  dessen  gefeierten  Namens 
in  die  Bärgerb&cher. 


'  Nach  n^ündlichcr  MlttheitLing  desselben,  wnnncti  Gwinncr  zu  berichtigen,  der 
Brandt  auch  die  malerisclie  Ausschmückung  zuschreibt.  Die  Urkunde  ist  bei  Gwinner 
S.  425  gedruckt. 


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-   133  - 


Zur  Urkunde  dessen  haben  wir  gegenwärtiges  Diplom  unter  Unserer 
gewöhnlichen  Unterschrift  ausfiertigen  und  mit  Unserm  grossen  Staatssiegd 

verschen  lassen. 

So  geschehen  Frankfurt  am  Main,  den  Einunddreis&igstcu  Oktober  des 
Jahres  Eintausend  Achthundert  und  Vienmdvierzig. 

Bürgermeister  und  Rath  der  freien  Sudt  Frankfurt 
Der  Dank  des  Meisters  lautet: 

Hochwohlgeborn,  hochzm  crehrendster 
Herr  Bürgermeister! 

Der  Auftr.ig  zur  Ausfuhrung  des  Guthcdenktnales  war  einer  der  schönsten, 
elirenvoUsten  und  künstlerisch  erhebendsten,  die  mir  je  zu  Thcile  geworden. 
Mit  warmer  Begeisterung  ▼ollföhne  ich  ihn  und  wandte  meine  besten  Kräfte 
an,  die  erhabene  Gestalt  des  Verew^ten  au  bilden. 

Das  Schreiben  sowohl,  womit  Eure  Hochwohlgeborn  mich  beehrten, 
als  .iuch  d.is  so  ge<;clim.Kkvolle  Diplom  geben  mir-  die  freudige  Gcwissheii, 
dass  mein  Bestreben  kein  erfolglos»  war,  indem  Sie  mir  eröffneten,  dass  der 
hohe  Senat  als  Zeichen  des  BeyfaUes  der  edfen  Bewohner  Frankfurts  mir  das 
Ehrenbürgenecht  Ihrer  alten  in  Deutsdilands  GescUdite  immerdar  mit  Rnhm 
und  Stola  genannten  fteyen  Sudt  verliehen  habe. 

Nie  wird  in  meinem  Herzen  der  Dank  für  diese  Auscelchnung,  die  ich, 
ihrem  vollen  Wcrthe  nach,  zu  schätzen  weiss,  erlöschen. 

Indem  ich  bitte,  den  Herrn  des  linhcn  Senates  ihn  aufs  wärmste  und 
innigste  auszudrücken,  habe  icii  die  Ehre  unter  Versicherung  meiner  hohen 
Voehning  «i  zeichnen 

Euer  Hochwohlgeborn 
ergebenster  Ludwig  v.  Schwantlialer. 
München  den  6.  Jänner  1845. 

Nach  dem  lüntieffcn  dieses  Schreibens  crliess  der  Senat  im 
städtischen  Amtsblatt'  eine  Bekanntmachung,  welche  der  Bürgerschatt 
die  erfolgte  1-irnennung  des  neuen  lilirenbiirgers  und  deren  Veran- 
lassung ungefähr  mit  den  Worten  des  Diplomes  mittheihc. 

Auch  dieser  Ehrenbürger  konnte  sich  der  wohlverdienten  Würde 
nicht  lange  freuen.  Ludwig  Schwanthaler,*  aus  einer  alten  bayrischen 
Bildhaucifamilie  stammend,  hatte  am  26.  August  1802  in  München 
das  Licht  der  Welt  erblickt.  Auf  der  königlichen  Akademie  der 
bildenden  Künste  vorgebildet,  hatte  er,  von  König  Ludwig  L  frei- 
gebig unterstützt,  seine  Studien  in  Rom  fortgesetzt,  hatte  dort  die 
Modelle  zu  den  Giebelfeldern  der  Walhalla  ausgeführt  und  erhielt 
nach  seiner  Rückkehr  eine  Profcssur  an  der  Münchener  Akademie. 


'  184s,  Jan.  16. 

*  Neuer  Neaolog  der  Deutschen  184^»  II,  706. 


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t 


-  134  - 


Hier  entfaltete  er,  umgeben  von  einem  grossen  Schülerkreis,  eine 
äusserst  fruchtbare  Thängkeic.  Von  den  vielen  Denkmalen,  die  lus 
seiner  Werksiätte  hervorgegangen  sind,  ist  unsere  Goethe-Statue  trotz 
aller  Anfechtungen,  die  ihr  von  der  zeitgenössischen  Kunstkritik 
widerfahren  sind,'  wohl  eines  der  künstlerisch  bedeutendsten.  Schwan- 
thaler  starb  schon  am  14.  November  1848. 


Der  letzte  Ehrenbürger,  den  die  freie  Stadt  mit  dieser  Würde 
beschenkte,  war  wiederum  ein  verdienter  Staatsmann,  allerdings  ein 
solcher,  dessen  Verdienste,  der  Oeffentlichkeit  wenig  bekannt,  mehr 
im  Stillen  blieben;  es  war  der  Minister-Resident  Vincent  Rumpf, 
welcher  die  vier  trcicn  deutschen  Städte  von  1824  bis  1865  hei  den 
verschiedenen  tranzösischcn  Regierungen    in  Pnris  vertreten  hatte. 
Die  Hansestädte  hatten  ihm  als  Nachfolger  des  Herrn  v.  Abel  dieses 
Amt  anvertraut;  am  21.  iMai  1821  übertrug  ihm  der  Senat  aucli  Jic 
\'ertretting  der  Stadt  Franklurt.'     Bei  den  vielen  merkannlcn  Be- 
ziehungen unserer  Stadt  zu  Frankreich  und  besonders  dem  regen 
Verkehr  zwischen  hier  und  Paris,  wo  stets  eine  Menge  Frankfurter 
Kaurieute  ihätig  waren,  hatte  Rumpf  reichliche  Gelegenheit,  die  Inter- 
essen hiesiger  Stadt  bei  der  Iranzösischen  Regierung  wahrzunehmen. 
Beinahe  40  Jahre  vertrat  er  die  vier  St.idte  in  trefflicher  Weise;  mehr- 
mals wurden  von  den  Senaten  seine  Abschiedsgesuciie  abgelehnt,  die 
er  bei  zunehmendem   Alter  seiner  wankenden   Gesundheit  weisen 
einreichte.    1860  iiaite  ihm  seine  Vaterstadt  Hamburg  in  Anerkennung 
seiner  vieljahrigen  Dienste  eine  Hhrcndenkmünze  in  Gold  sehlagen 
lassen,  von  der  sich  ein  in  Bronce  geprägtes  }-xempIar  in  der  stadiischen 
Münzsammlung  auf  der  hiesigen  Stadtbibliothek  befindet.    Im  Jahre 
1865  konnte  dem  verdienten  Manne  der  erbetene  Abschied  nicht  mehr 
versagt  werden ;  am  17.  Februar  entliess  ihn  der  Senat  seines  Dienstes 
»mit  Vorbehalt  seines  Titels  und  des  Rechtes  zum  Tragen  der  diplo- 
matischen Uniform  sowie  unter  Anerkennung  und  Verdankung  seiner 
langjalirigen,  hiesiger  Stadt  geleisteten,  ausge/eichneien  Dienste.«  Die 
Senate  der  Hansestädte  nahmen  zur  gleichen  Zeit  sein  Abschieds- 
gesuch an.   Auch  die  französische  Regierung  sprach  in  einem  eigenen 
Bulletin  des  Moniteur  ihr  Bedauern  über  das  Sciieiden  Rumpfs  aus, 
deni  die  allgemeine  Achtung  in  das  Privatleben  nachfolge;  Kaiser 
Napoleon  und  Kaiscnn  Eugenie  gewährten  ihm  eine  sehr  huldvolle 


'  Vgl.  darüber  Gwinner,  S.  420  fT. 

'  Akien  M  }0  Nr.  2«  Fdsz.  1  des  Sudiarchivs  Ii. 


VI. 


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-   155  - 


Abschiedsaudienz  und  verehrten  ihm  als  Andenken  zwei  kostbare  Vasen 
mit  ihren  Bildnissen.  Am  20.  Februar  beschloss  der  Senat  auf  Antrag 
des  älteren  Bürgermeisters  Dr.  Müller,  dem  ehemaligen  Minister- 
Residenten  das  Ehrenbürgerrecht  zu  crtluilcn;  die  Begründung  des 
Antrags  lautete:  »Es  sei  bekannt,  dass  Herr  Rumpf  den  ihm  über- 
tragenen, nicht  unwichtigen  Posterj  in  seiner  ganzen  langen  Dienstzeit 
zu  Ehren  und  Frommen  hiesiger  Stadt,  zum  Nutzen  aller  Hiesigen, 
welche  bei  ihm  Rath  und  Hülfe  gesucht,  verwaltet  habe.  Herr  Rumpf 
habe  durch  seine  ausgezeichnete  Amtsführung  allgemeine  Anerkennung, 
von  Seiten  hiesiger  Stadt  aber  sicherlich  einen  Anspruch  auf  besonderen 
Dank  sich  erworben.«  Die  künstlerisch  ausgestattete,  mit  einer  An- 
sicht i-rankfurts  gezierte  Urkunde  lautet: 

Wir  Bürgermeister  und  Rath  der  frden  Stadt  Frankfurt  Urkunden  und  bekennoi: 

Nachdem  Unser  Minister  -  Resident  bei  dem  Kaiserlich  Fratuösischen 
Hofe  Herr  Vincent  RumptT  Seine  Hntlissimg  von  dem  am  21.  M.ii  I!im 
übertragenen  Gesandtschaftsposten  nachgcsuclit  hat,  und  Wohldcmselben  in 
Unserer  Rathsversammlung  vom  17.  Februar  1863  diese  Hatlassung  ehrenvoll 
bewilligt  worden  ist,  wiUischen  Wir  dem  genannten  Herrn  Vincent  RumpfT, 
welcher  durch  sdne  vort&glichen  Kenntnisse  und  seine  unwandelbare  Treue 
in  hnfier  Achtung  und  ^rofscm  Aiisclicn  steht,  in  AiKTkcnnunfj  seiner  Ver- 
dienste um  hiesige  freie  Stadt  eine  olTentliche  Auszeiclmung  zu  verleihen. 

Demgemäss  crilicilcn  Wir  L'nserm  Minister  a.  D.  Herrn  Vincent 
Rumpf f  mittelst  dieser  Urkunde  das  Ehrenbfirgerrecht  der  freien  Stadt  • 
Frankfurt  und  verordnen  die  Fintragung  seines  Namens  in  das  l^ürgerbuch. 

/ur  L  rUinde  dessen  haben  Wir  gegenwärtiges  förmliches  Diplom  unter 
Lnsercr  gewohnlichen  Unterschrift  ausfertigen  und  roit  Unserem  grossen 
Staatssicgcl  verschen  lassen. 

So  gescbdien  Frankfurt  a.  M.  den  20.  Februar  Hntausend  Achthundert 
und  Dreiundsediszig. 

Bürgermeister  und  Rath  der  frden  Stadt  Frankfurt. 

Ausser  der  neuen  Würde  erhielt  Rumpf  auch  noch  seitens  des 
Senats  eine  werthvolle  Tabatiere  zum  Geschenk,  welche  ihm  der 
hiesige  französische  Gesandte  Graf  Salignac-Fenelon  persönlich  nach 
Paris  überbrachte.  Rumpf  antwortete  auf  die  ihm  erwiesene  Aus- 
zeichnung mit  folgenden  Worten  aus  einem  Schreiben  vom  13.  März: 

Nicht  ohne  geröhrte  Beschämung  habe  ich  am  7.  d.  das  Schreiben 
empfangen,  wodurch  Ew.  Hochwohlgeboren  mich  unter  dem  j,  d.  beehrt  haben, 

um  mir  an^u/clf^cn,  dass  es  dem  Hohen  Senate  gefillig  gewesen  ist,  mir 
nicht  allein  il.is  mir  in  so  liech^t  seltenen  Fällen  gewahrte  Fhrenhnrf^crrccht 
zu  crtheiien,  sondern  mir  auch  eine  Tabatiere  zum  Andenken  m  vereiiren, 
Jemehr  ich  diese  hohe  Auszeichnung  m  schitmi  weiss,  um  so  lebhafter,  ja 
ich  kann  mit  völliger  Aufrichtigkeit  hin/uset/en,  um  so  schmerzlicher  fühle 
ich,  dass  ich  in  meinem  .imtlichcti  N\'ir!aini^skreisc  so  wenig  Gelegenheit 
gefunden  habe,  der  freien  StaUt  l-rauklurt  —  nunmehr  ist  es  mir  erlaubt  zu 


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sagen :  unserer  Staiit  -  Dienste  zu  leisten,  welche  einer  so  hohen  Auszeichnung 
würdig  geachtet  werden  kdnmen.  Meine  Erkenmlkhken  ist  jedoch  nicht 
weoiger  tief,  und  ich  ersucbe  Ew.  Hocbwoh^eboren  diese  Erkenntlichkdt  in 
ihrer  ganzen  FQUe  dem  Hohen  Senat  gütigst  bezeugen  zu  wollen. 

Ich  lasse  cinific  kurze  Nachrichten  über  diesen  let/.ten  Ehrenbürger 
der  treieii  Suuh  hier  folgen.'  Vincent  Rumpf, der  letzte  Nachkomme 
eines  alten  haniburL;ischen  Patriziergcsclilechies,  wurde  am  lo.  Dezember 
1789  in  Hanibiiri;  geboren.  Nach  beendetem  Rechishiudiuni  und 
nach  längeren  Reisen  trnt  er  1814  in  den  diplomatischen  Dienst  seiner 
Vaterstadt  und  begleitete  den  Vertreter  Hambnrus  /um  Kongrcss 
nach  Wien.  1815 — 19  war  er  in  Frankfurt  Legationssekretär  bei  der 
hamburgischen  Gesandtschah  und  wurde  dann  Ministerresident  in 
Wien.  Von  hier  ging  er  1824  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Paris. 
Hier  schloss  er  eine  ganze  Reihe  von  Handels-  und  Scliitilahrts- 
verträgen  mit  verschiedenen  Staaten  für  die  Hansestädte  ab,  deren 
wichtigsten,  mit  den  Vereinigten  Staaten,  er  persöulicli  in  Washington 
zu  Stande  brachte.  Mit  der  Tochter  des  bekannten  amerikanischen 
Kaufmanns  Astur  vcrheirathet,  hatte  er  sich  auch  eine  sein-  ange- 
sehene gesellschaftliche  Stellung  in  Paris  zu  erringen  gcwusst,  die 
ihm  seine  diplomatische  Thatigkeit  wesentlich  erleichterte.  Seinen 
Abschied  überlebte  er  nur  wenige  Jahre;  er  starb  am  13.  Februar  1867 
in  Paris  und  wurde  auf  seinem  Gut  Sc.  Vincent  bei  Lausanne  beerdigt. 

VII. 

Wenn  wir  die  bisherigen  Verleihungen  der  Fhrenbürgcrwürde 
Frankfurts  noch  einmal  überdenken  und  die  kleine  Schaar  derer 
mustern,  welche  unter  den  vielen  Würd  vn  w  erw.lhlt  wurden,  so 
ist  der  Zweifel  nicht  unberechtigt,  ob  der  Senat  der  Stadt  immer 
die  richtige  Wahl  getrofTen,  ob  er  nicht  ein  Verdienst  von  nur 
kurzer  Wirkung  oder  gar  fragwürdigem  Werthe  belohnt,  das 
dauernde  und  wirkliche  dagegen  nicht  geehrt  hat.  Allerdings  bleibt 
uns  der  Name  der  Männer,  die  sich  um  die  Stadt  verdient  gemacht 
haben,  ohne  dass  ihnen  die  auszeichnende  Würde  verliehen  wurde, 
darum  nicht  minder  theuer ;  aber  ungern  vermissen  wir  sie  doch  in 
der  Reihe  unserer  Ehrenbürger.  Warum  lesen  wir  nicht  —  um  von 
anderen  zw  schweigen  —  Frankfurts  glänzendsten  Namen  in  unseren 
Biirgerbüchern  ?  Warum  hat  der  Senat  der  freien  Stadt  nicht  daran 
gedacht,  Goethe  die  Würde  eines  Ehrenbürgers  anzubieten? 


Nach  Beuekc  iu  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie  X\IX,  670. 


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Die  Betrachtung  der  Art  und  Weise,  wie  das  bürgerliche  Ver- 
hriltniss  Goethes  zu  seiner  Vaterstadt  gc!ö?^t  wurde,  hat  für  iin'>  I  rank- 
tuiter  etwas  recht  Peinliches.  Die  sonnif^cn  Herbsttage,  er  1814 
und  1815  liehen  Gcrbermühle  verbrachte,  hatten  seine  Be- 

»ehungen  zu  Frankfurt,  dessen  retchsstSdtische  Herrlichkeit  er  vor 
Kurzeni  in  setner  Lebensbeschreibung  in  so  schönen  Farben  geschildert 
hatte,  aufs  Neue  belebt  und  ihm  einen  Kreis  von  wackeren  Männern 
und  zartsinnipcn  Frauen  erschlossen,  die  mit  I.iebc  und  V'erchrung 
zu  dem  gefeierten  Landsmann  emporschauten  und  ihm  bis  zu  seinem 
Lebensende  in  innigem  persönlichen  und  brieflichen  Verkehre  treu 
blieben.  Em  kanceZeit  war  das&md  der  neuen  Freondsdiaft  geknüpft, 
als  das  Band  der  bQiigerlichen  Zugehörigkeit  sur  Vaterstadt  in  grellem 
Missktang  riss. 

Einer  der  edelsten  aus  diesem  Freundeskreis,  Rath  Fritz  Schlosser, 
der  seihst  den  Austritt  Goethes  aus  dem  1-rankfurtcr  Bürgerrecht 
schwer  empland,  hat  uns  eine  kleine  Darstellung  hinterlassen,  welche 
in  schlichten  Worten  die  Gründe  Goethes  angibt,  die  ihn  zur  Auf- 
gabe des  heimischen  Bflrgenrechtes  veranlassten.'  Mit  sprechenden 
Zahlen  beweist  er,  wie  schwere  Geldopfer  die  Ehre  des  Frankfurter 
Bürgerthums  gerade  in  den  Zeiten  der  Revolutionskriege  und  später 
bis  zur  Wiederherstellung  der  Selbständigkeit  erforderte,  ohne  dass 
doch  Goethe  irgend  einen  Vortheil  von  seiner  Eigenschaft  als  Frank- 
furter Bürger  gehabt  hätte.  Den  ersten  Schritt,  die  drückende  Last 
abzuschütteln,  unternahm  er  im  Jahre  181 2.  Zweifellos  war  es  der  haus- 
hilterische  Sohn  August,  der  den  Vater  dazu  bewog  und  der  selbst 

'  L'ct>cr  die  Eutlassung  Goethes  aus  dem  Frankfurter  Bilrjjerverbauid  und 
über  die  Frage  der  VerldhuitK  des  Ehrenbürgencchtes  an  ihn  vgl.  besonders .  die 
erwähnte  Darstellung;  Schlossci  >  bei  Frese,  Gocthc-Hriefe  aus  Frit/  Schlossers  Nach- 
lass  (Stuttgart  1S77)  S.  22 ff.;  fcriter  Creizenach,  Briefwechsel  «wischen  (ioethe  und 
Marianne  von  Willemer  (3.  Auflage,  Stotig.irt  1878),  an  mehreren  Stellen.  Die 
lirzdhlung  Rüppeils  (.\rchiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Heft  7,  1855, 
3>  $5  ff-)  f;cht  aul  mündliche  Mittheilung  Schlossers  zurück;  sie  ist  voll  Gift  uod 
Galle  gegen  die  Frankfurter  Landsleute,  bedarf  aber  darum  und  weil  an  Irrd&ilmem 
«.ehr  reich  einer  kritischen  Behandlung.  —  Schlosser  hat  die  Papiere  Qber  »eine 
Verlundlung  mit  Dalberg  nach  eigener  Aussage  an  Goethe  geschickt;  sie  sind  einer 
mir  gewordenen  Mtttheüong  zu  Folge  tüdn  mehr  im  Gnethe>Archiv,  auch  enthalten 
die  dort  verwahrten  Briefe  Schlossers  an  Goethe  nichts  über  die  .\ngelegcnhcii  des 
Ehrenbürgerrecbts.  Begreiflicher  Weis«  wird  derselben  auch  in  den  Akten  des 
Stadtarchivs  (I  über  Goetites  .\ufgabe  des  BQrgerreehtes  nicht  gedacht.  Ich  berflhre 
in  Folgendem  das  Verhihniss  Goethes  zu  Frankfurt  nur,  so  weit  das  Ehrei]bürger- 
recht  in  Frage  steht,  und  behalte  mfar  vor,  die  Angaben  des  Raihes  Schlosser  an 
anderem  Orte  zu  ergänzen. 


-  138  - 

dem  Frankturrer  Geschiiftstrcund  zuerst  d:ivon  Mitiheilung  nuchie.i 
Schlosser  verhandelte  erst  mit  dem  L;rossherzogUch  frankl'urtischen 
I-inanzminister  GraJ  Benzel-Sternau  und  dann  mit  dem  Grossherzoi: 
Karl  V.  Dalberg  selbst.  Aber  dieser  konnte  und  wollte  die  von  der 
damalii^en  GesetzuebuiiL;  vori^cschriebene  Zahlung  der  hoiien  Abzims- 
gelder  bei  der  Aut^abe  des  Bürgerrechtes  nicht  erlassen;  in  hudi- 
herziger  Weise  erklärte  er  sich  bereit,  dieselben  aus  der  eigenen 
Kasse  :^u  erlegen,  und  versprach,  er  werde,  »damit  die  Sache  in  ehren- 
werther  Art  erscheine«,  auf  Goethe  eine  Medaille  schlagen  lassen 
Riippell  lügt  hinzu,  der  Grossherzog  habe  dem  Dichter  das  Diplom 
eines  I-Jireiibiirgers  Frankfurts  in  goldener  Kapsel  in  Aussicht  ^csieiit: 
zweilellos  ist  dies  ein  irrthum,  denn  Schlosser  hatte  in  seinem  Bericht, 
wo  er  der  Medaille  i^edenkt,  die  geplante  iirueunun^  zum  Ehrenbürger 
nicht  vergessen. 

Die  Ereignisse  des  Jahres  1S13,  die  auch  das  Grossherzu^iluim 
1-ranklurt  beseitigten,  hinderten  die  Ausliihning  der  guten  Absichten 
Dalbergs.  Die  Jahre  181 3  und  1814  traten  Goethe  wieder  mu  zu- 
sammen über  750  Gulden,  und  wir  begreifen,  dass  er  den  Wunsch 
hegte,  sich  von  diesen  Lasten  zu  befreien.  Aber  noch  verl.tngten 
die  Gesetze  die  Zahlung  hoher  Abzugsgelder;  erst  die  deutsche 
ßundesakte  gewährte  den  Unterthanen  der  deutschen  Staaten  die 
Freizügigkeit  ohne  Abzugsgelder.  Goethe  zögerte  nicht  länger;  er 
betraute  seinen  Anwalt  Dr.  Schulin  mit  der  Lösung  seines  bürger- 
lichen Verhältnisses.*  Durch  Beschluss  des  engeren  Käthes  vom 
2.  Dezember  18 17  wurde  Goethe  die  nachgesuchte  lüit  lassung  aus 
dem  Bürgcrvcrhand  erlheilt,  falls  der  Gesuchsteller  »»nüi  lobliilicr 
Finkoniniensteuer-Commission  Richtigkeit  gepflogen  haben  wirJ.« 
Dies  geschah  und  Goethes  Name  w  urde  im  Bürgerbuche  gelöscht. 
Hierzu  macht  Schlosser  die  Bemerkung  »Viele  hauen  erwartet,  der 
Senat  werde  Goethen  von  der  Last  des  Bürgerrechts  befreit  erklären, 
ihn  aber  bitten,  Ehrenbürger  zu  sein;  dies  geschah  aber  nicht,  viel- 
mehr ward  in  fast  unanständig  formloser  Weise  dein  Gesuche  will- 
fahrt.« Sagen  wir  richtiger  in  kalt-anständig  formenhafter  Weise, 
die  Goethe  wie  den  ersten  besten  unbedeutenden  Bürger  behandelte, 


'  \.  V.  (Inetlic  an  Schlosser  im  März  1812:  »Mein  V.ucr  k.inn  sich  nacli 
^*iner  Denkweise  mit  Geschäften  dieser  j\ri  weniger  abgeben,  Joch  lialic  ich  « 
lur  meine  Schuldigkeit,  uns  das  wenige  (in  Frankfurt  nicht  günstig  angelegte  Ve^ 
mögen)  so  viel  als  möglich  xu  erhalten«;  Frese  a.  a.  O.  S.  iii. 

'  Die  V.illm.ichi  fiir  Schiilin  vom  19.  November  1817  beginnt  mit  den  Woncn: 
»Da  Ich  d.is  Frankfurter  Burt:cri  ccht  nicht  lajigcr  bcy/ubelialten,  sondern  auf  «das- 
selbe \  erzieht  i\i  leisten  gesonnen  bin^  so  crthcile  ich«  etc. 


i 


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ohne  dem  Senat  Jen  Gedanken  einzugeben,  Jen  gefeierten  Sohn  der 
Stadt  durch  ein  Ehren -V'erhähniss  an  diese  zu  hiiuicn  Und  in  der  That 
laj;  der  Gedanke,  dem  Scheidenden  d.is  Fhii.iihür^cri echt  der  St.idt  zu 
verleihen,  in  jenen  l  agen  nicht  lern,  denn  kaum  war  ein  Jahr  dahin- 
gegangen, seit  man  den  grössten  Staatsmann  Deutschlands  mit  der 
höchsten  Ehre»  welche  die  Stadt  vergeben  konnte,  ausgezeichnet  hatte; 
erst  wenige  Monate  vorher  hatte  die  neugcgründeie  »Frankfurtische 
Gcscllscli.ift  -mr  Beförderung  der  nützUchen  Künste  und  der  sie  ver- 
edelnden W'i'^senschaften,«  die  spätere  Polvtcchnisclie  Gesellschaft, 
Goethe  zu  ihrem  ersten  Hhrenniitghede  ernannt.  Aber  die  Erwartung 
der  Freunde  des  Diditers  —  whr  denken  zunächst  an  den  Wille- 
merschen  Kreis  —  wurde  nicht  erfbUt;  der  Senat  hätte  sich  auch 
kaum  —  ohne  seine  Unterlassungssünde  damit  bemänteln  zu  wollen  — 
in  Uebeieinstimmung  mit  der  jMelirheit  der  Bür^erscliafi  befunden, 
wenn  er  Goethe  das  Ehi  eiioiirgerreclu  angeboten  hätte.  Die  Erbiiteran«; 
der  Laodsleutc  gegen  Goethe,  der  sein  Bürgerrecht  aufgegeben,  war 
ungerecht;  es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  wenig  erfreuliche  Ge* 
sinnung  der  Frankfurter,  und  nicht  zum  wenigsten  in  den  regierenden 
Kreisen,  gegen  Goethe  einzugehen;  ich  könnte  den  bisher  bekannten 
Beispielen  d.ivcm  uis  Akten  und  aus  mQndlichen  Mittheilungen  noch 
Uianche  weitere  .uireihen. 

Goethes  politisches  Verhaltniss  zu  I-rankhiri  blieb  gelost.  Un- 
bekümmert darum  verans^ltete  die  hiesige  Goethe-Gemeinde  zur 
Feier  seines  7a  Gebunstages  ein  würdiges  Fest,  die  hier  neuge- 
gründete »Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde«  ertheilte 
ihm  die  Ehrenmitgliedschaft. 

Auch  zum  80.  Geburtst.ii:  vereinigten  sich  die  Verehrer  des 
Dichters  wiederum  zu  einer  begeisterten  Heier,  und  otTcnbar  drängte 
sich  gerade  an  diesem  Tage  den  Freunden  der  Wunsch  auf,  Goethe 
am  Abend  seines  Lebens  wieder  mit  der  Vaterstadt  verbunden  zu 
sehen.  Auch  jetzt  brauchte  man  nicht  weit  zu  blicken,  um  an  die 
Ehrenbürgerwürde  erinnert  zu  werden  —  wenige  Monate  vorher 
wnr  Carlowitz  geehrt  worden.  Goethes  trcucstc  Freundin  und 
geistvollste  Verehrerin  in  Frnnkfurt,  Frau  Mnrinnnc  v.  Willenier, 
übernahm  es,  dem  Dicliler  diesen  Wunsch  nahe  zu  legen]  dazu  be- 
rechtigte sie  nicht  nur  die  innige  Freundschaft,  die  ihr  der  greise 
Goethe  seit  semem  Aufenthalt  auf  der  Gerbermflble  widmete,  sondern 
auch  das  nahe  Verhältniss  der  Verwardtschift,  in  dem  sie  zu  dem 
i^leichqesinnten  jfingeren  Bütgermcister  Dr.  Gerhard  Thomas  stand. 
Sic  erz.ihlt  in  einen:  Hriel  vom  25.  September  18:9  Goethe  von  der 
erhebenden  1  eier  meines  Gebunsugcs  und  laliri  uann  fori :  »Wohl 


—   140  — 


zeigte  sich  auch  bei  dieser  Gelegenheit,  wie  lief  und  schmerzlich  die 
armen  Frankfurter  den  Verlust  eines  solchen  Mitbürgers  empfinden, 
obschon  die  Art  und  Weise,  wie  sie  es  verrathen,  ihnen  nicht  zur 
Hhre  gereicht.  Gewiss,  es  bedürfte  von  Ihrer  Seite  nur  eines  leisen 
Winkes,  nur  die  kleinste  Andeutung,  dass  es  Ihnen  nicht  unangenehm 
sei,  ein  getrenntes  Band  wieder  zu  knüpfen,  um  es  auf  die  ehrenvollste 
Weise  neu  zu  binden,  Sie  wissen  gewiss  nicht  wie  grosse  Freude 
dicss,  und  mit  vollem  Recht,  der  guten  Stadt  wäre;  beehren  Sic  mich 
mit  dem  Vertrauen,  mir  Ihre  Meinung  auszusprechen;  wenn  Sic  nicht 
wollen,  erfahrt  niemand  etwas  durch  mich,  aber  ich  wäre  gar  zu 
glücklich,  wenn  Sie  wieder  näher  treten  wollten,  Sie  stehen  den 
guten  Leuten  docli  zu  hoch.  Man  hat  gut  sagen  :  Goethe  gehört  der 
Welt  an,  ich  weiss  aus  eigener  Erfahrung,  dass  man  sich  damit  nicht 
beruhii^t,  man  will  auch  einen  Theil  für  sich  allein.  Sie  werden 
verzeihen,  wenn  ich  zu  vorlaut  war,  und  der  Versicherung  Glauben 
schenken,  dass  ich  ganz  aus  eigenem  Antriebe,  aber  nicht  ohne  die 
feste  L'eberzeüp:un^  die  Ani;elegenheit  berührte,  dass  ein  kleines 
Zeichen  von  Ihrer  Seite  die  entschiedendstc  Wirkung,  und  die  aller- 
besten Folgen  haben  könnte.  Ein  Wort  Ues  Friedens  ist  eine  grosse 
Gabe  !ff 

Aber  dieses  Fricdenswort  hat  Goethe  nicht  gesprochen.  Auf 
die  zarte  Antrage  der  Freundin  erfolgte  am  22.  Oktober  die  fast 
schrotfc  Antwort,  aus  der  uns  der  bittere  Groll  gegen  die  Behörden 
der  Vaterstadt  nur  zu  vernehmlich  entgegenklingt:  »Zui^leich  aber 
hab  ich  für  die  freundliche  Bemerkung  zu  danken,  welche  auf  die 
Nachholung  eines  früheren  \'ersäumni<;ses  hindeutet.  Hübsch  war* 
es  gewesen  wenn  man  gleich  in  der  ersten  Zeit  an  ein  solches  ehren- 
haft beyzubclialtendes  V'erhältniss  gedacht  hätte;  auch  sind  dazwischen 
manche  Epochen  eingetreten,  wo  dazu  Gelegenheit  gewesen  wäre. 
Da  nun  aber  auch  die  nächstvergangene  hiezu  nicht  benutzt  ward,  so 
glaube  ich,  es  sey  am  besten  gethan,  diese  Angelegenheit  ruhen  zu 
lassen  und  die  glücklichen  Freundschaftsbezüge  im  Stillen  zu  geniessen. 
Mündlich  würde  sich  manches  hin  und  wieder  verhandeln  lassen,  ich 
spreche  hier  das  letzte  Resultat  meiner  Uebcrlegungen  aus,  mit  wieder- 
holtem Dank  tür  jenes  zartmüthige  Erinnern.« 

Und  dabei  ist  es  geblieben ;  von  der  lü  tlieilung  der  Ehrcnbüri^er- 
würde  an  den,  der  ihrer  am  würdigsten  gewesen  wäre,  ist  fernerhin 
nicht  mehr  die  Rede.  Die  Ehrung,  die  dem  Lebenden  in  der  Vater- 
stadt versagt  wurde,  erhielt  der  Todte  durch  die  Errichtung  seines 
Standbildes  und  durch  die  glänzende  Jahrhundertfeier  am  28.  August 
1849.    Zehn  Jahre  später  vereinigten  sich  Frankfurter  Bürger  zur 


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Gründung  des  I'rcicn  Deutsclicn  Hochstiitcs,  welches  dem  allum- 
fassenden Wissen  Goethes  gemäss  die  Bildung  im  weitesten  Um- 
fange den  weitesten  Kreisen  zuführen  soll;  es  erwarb  das  Geburts- 
haus des  Dichters  und  füllt  es  mit  Erinnerungen  an  ihn  und  sein 
unsterbliches  Wirken,  es  versammelt  die  1-reunde  Goethes  in  seiner 
Vaterstadt  zu  gemeinschaftlichem  Geniessen  seiner  Werke,  zu  würdigen 
Festfciern  an  seinen  Ehrentagen.  Hr  ist  und  bleibt  der  Unsere,  nicht 
nur,  weil  hier  seine  Wiege  gestanden  hat,  und  obgleich  wir  ihn  nicht 
unseren  Ehrenbürger  nennen  können. 

Aber  wenn  auch  sein  Name  den  der  anderen  Männer,  welche 
die  Stadt  mit  ihrer  höchsten  Würde  ehrte,  überstrahlt  und  überdauert, 
so  werde  doch  auch  deren  bescheideneres  Verdienst  nicht  vergessen! 
Und  wenn  die  lirinnerung  an  unsere  Ehrenbürger  nicht  erlischt,  wenn 
Ihnen  ein  dankbares  Andenken  gewahrt  bleibt,  so  ist  der  Zweck  der 
vorstehenden  Blätter  erreicht. 


I 


ra. 

Frankfurt  am  Main  und  die  französische  Republik 

1795-1797. 

Von 

Or.  I.  Kracauer. 


Die  kühnen  Pläne  und  ausschweifenden  Hoffnungen,  mit  welchen 
die  Mächte  der  ersten  Koalition  1792  den  Kampf  gegen  Frankreich 
begonnen  hatten,  waren  schmählich  gescheitert ;  die  junge  Republik 
hatte  nicht  nur  die  in  ihr  Gebiet  eingefallenen  Feinde  wieder  heraus- 
geschlagen, sondern  sogar  auf  allen  Punkten  mit  Glück  die  Offensive 
ergriffen.  Auch  auf  diplomatischem  Felde  hatte  sie  nun  einen  be- 
deutenden Erfolg  zu  verzeichnen ;  Preussen,  des  nun  schon  drei  Jahre 
währenden,  ruhelosen,  seine  Finanzen  völlig  zerrOttenden  Krieges 
müde  und  mit  Eroberungsplänen  gegen  Polen  beschäftigt,  schioss  am 
5.  April  1795  den  Frieden  zu  Basel,  durch  den  es  sich  von  der  Sache 
der  Alliierten  lossagte  und  bis  zum  Abschluss  eines  allgemdoen 
Friedens  das  linke  Rbeinufer  in  französischen  Händen  Hess.  In 
diesen  Separatvertrag  wurde  als  Artikel  II  die  Bestimmung  aufge- 
nommen, dass  die  Republik  die  Intervention  Preussens  zu  Gunsten 
der  Reichsstände  berücksichtigen  und  diejenigen  unter  ihnen,  welche 
innerhalb  dreier  Monate  die  preussiscbe  Vermittlung  anrufen  würden, 
nicht  feindlich  behandeln  werde.  Am  17.  Mai  erhielt  der  Venrag 
eine  Erweiterung  durch  die  Festsetzung  einer  Demarkationslinie, 
welche  den  Krieg  vom  ganzen  Norden  Deutschlands  entfernen  sollte.' 
Aber  auch  allen  hinter  dieser  Linie  gelegenen  Gebieten,  welche  zum 
Zeichen  ihrer  Friedensliebe  ihre  Kontingente  vom  Reichsherr  zurück- 
rufen würden,  ward  von  Frankreich  Neutralität  zugesichert. 

Der  Minister  Hardenberg,  der  als  Bevollmächtigter  Preussens 
diese  Verträge  zu  Stande  gebracht  hatte,  rechnete,  ebenso  wie  der 
Wohlfahrtsausschüsse  mit  Sicherheit  darauf,  dass  sich  Preussens  Sepa- 
ratvertrag zum  allgemeinen  Reichsfrieden  erweitem  und  fast  alle 
Stände  die  angebotene  Neutralität  annehmen  würden.  Er  kannte  zu 


'  Marlens,  Rccucil  des  traitcs  et  Conventions,  Tom.  II,  50J— jo6. 


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gut  die  Stimmung,  welche  unter  ihnen  herrschte.  Nur  ungern  waren 
die  meisten  in  den  Krieg  ge^en  Frankreich  gezogen,  der  schon  längst 
eines  eigentlichen  Zweckes  entbehrte;  man  kämpfte  nur  noch  für  die 
ehrgeizigen  Absichten  Ocscreichs  oder  Preussens,  deren  Opfer  man 
scbÜesslich  za  werden  fürchtete.  Bei  dem  Mangel  an  einheitlichem 
Nationalgcfühl  war  es  nur  die  Furcht  vor  Oestreich,  welche  die 
kleineren  Staaten  abhielt,  dem  von  Hreiissen  gegebenen  Beispiele 
sofort  /u  folgen  und  durch  dessen  Verwendung  ein  Sonderabkommen 
mit  der  Republik  zu  treHen. 

Unter  allen  Keichsständen  wünschte  wohl  keiner  sehnlicher  das 
Ende  des  Krieges  herbei  als  die  freie  Stadt  Frankfurt.'  Schon  beim 
Ausbnwh  desselben  hatte  sie  mit  Rücksicht  auf  ihre  Handelsverbin- 
dungen mit  Frankreich  versucht,  neutral  zu  bleiben.  Der  Beginn  des 
Krieges,  der  sogleich  Leiden  nllcr  Art  über  die  Stadt  brachte,  war 
nicht  geeignet  gewesen,  eme  besonders  kampfesfrohc  Stimmung  in 
der  Börgerschaft  zu  erwecken.  Gleich  nach  dem  Rückzüge  des 
Herzogs  von  Braunschweig  hatten  sich  die  französischen  Truppen 
unter  Custine  an  den  Rhein  ergossen,  sich  der  Stadt  bemächtigt  und 
ihr  eine  Kontribution  von  2  Millionen  GiiKlen  auferlegt.  Da  der 
französische  General  mit  den  härtesten  M.issregeln  gedroht  und 
zugleich  sieben  der  angesehensten  Bürger  bis  nach  erfolgter  Zah- 
lung als  Geiseln  hatte  festnehmen  lassen,  so  waren  in  der  er- 
schreckten Bürgerschaft  schon  am  31.  Oktober  1792  eine  Million 
Gulden  zusammengebracht  worden.*  Die  Zahlung  der  andern  Million 

*  Ueber  die  L5ttcr.uur  s.  Grotcfcnds  Vcrzcicliniss  von  Ablwndlungcn  und 
Nodxcn  rar  Gesdiichte  Frankfurts  S.  ti.  Unter  den  daselbst  citirtcn  Schrit'ien  ver- 
dient il:c  von  Hin/.e,  welche  iiTitcr  tlcni  Titel  iDie  Reichsstadt  l'rankfurt  und  die 
Iranzösischc  Republik«  ia  der  Zeitsclinlt  »Im  neuen  Reich«  1877  1  S.  289  ft.  erschien, 
besondere  Aufmerksamkeit,  weil  sie  fiut  die  et  tu  ige  ist  welche  auf  dem  urkund- 
lichen M.ncrijl  des  Fr:inl;t'nrtcr  $t.idtarchivs  beruht.  l  eiJcr  bat  die  Redaktion  der 
erwähnten  Zeit&chnlt  Hinze$  Arbeit  zum  Kachtlieil  für  dai  Inluüt  tücht  allein  fast 
auf  die  Hälfte  des  Umfangs  verk&rzt,  sondern  ilir  auch  durcii  witlkQrliche  Einscli&be 
eine  durchaus  chauvinistische,  f'r.mkfurt  fci;iJlidie  Firbung  verliehen,  welche  der 
Absicht  des  Verfassers  völlig  terti  lag,  (Leber  die  daraus  gegen  den  damaligen 
Siadtarchivar  Dr.  Grotefend  entstandene  Polemik  s.  FrkC  Zeitung  vom  13.,  18.  und 
aj.  Juli  1877  in  No.  194,  199,  204,  sowie  die  Beilafton  mm  Inielligen/.bhtt  v.mii 
la  und  14.  Juli).  Um  so  gercditfcrtigter  dürfte  eine  nochmalige  Ikarbeiiung  dieses 
für  Prankfurt  hochbedeutsamen  Zdtabschntttes  erscheinen,  welche,  (em  von  feder 
BeschöniL;  '  Ik'  Juii.i'i>;c  Vo'Ä'M  des  Rates  in  objektiver  Weise  darzulegen 
versucht.  —  i  ur  die  Liebenswürdigkeit,  mit  welcher  mir  Herr  Stadtardiivar  Dr.  Jung 
dk  Benutzung  des  Frankfurter  Stadtarchivs  erleichterte,  sage  ich  ihm  an  dieser 
Stelle  ineinen  aulrichtit;cn  Du)!;. 

*  Das  Nähere  hierüber  gibt  Kriegks  Arbeit  »Cusiine  und  die  Urstürmung 
von  Franicruft  durch  die  Hessen«  in  seinen  Kulturbiidcm  (Frankfurt  1874)  S,  {92  ff. 


-    144  - 


blich  ihr  erspart,  d;\  am  2.  Dc/.cmhcr  pi  ciissischc  und  hessische  Truppen 
zum  Sturme  vorrückten  und  nach  einem  blutigen  Kampfe  die  Fran- 
zosen aus  der  Stadt  herausschlugen. 

Die  Freude  über  die  wiedererlangte  Freiheit  war  den  Bürgern 
dann  getrübt  worden  durch  die  Verlaumdun«,'cn,  die  theils  von  ir.in- 
zösischer,  theils  von  deutscher  Seite  über  sie  ausi^esprengi  wurden. 
Die  Mainzer  »Naiioiialzeitun«^«  hatte  bericliiet,  dass  sich  mehrere 
tausend  1  ranktnrter  Bürger  zur  F.rmordung  der  französischen  Garnison 
verschworen  und  mit  »S—  lo.ooo  ei^jens  dazu  angefertigten  Messern 
und  andern  Mordgewehren«  bei  Erstürmung  der  Stadl  zwei  Bataillone 
Naiionalgardisten  niedergemetzelt  hätten.'  Custine  hatte  sogar  eines 
dieser  Mordmesser  dem  Konvente  zugesandt.  Welche  Mühe  sich 
auch  der  Rat  gab,  die  Bevölkerung  von  der  Anklage  dieser  sici- 
lianischen  N'espcr  zu  reinigen  und  darzulegen,  wie  im  (iegentheil 
ihr  Verhalten  gegen  die  verwundeten  Franzosen  ein  sehr  humanes 
gewesen  sei  —  die  Siadt  war  bei  den  Gewalthabern  in  Paris  in 
bösem  Andenken  geblieben  und  hatte  bei  einer  abermaligen  Besetzung 
das  Schlimmste  zu  befürchten. 

Zwar  war  sie  anfangs  179^  nach  Hrklärung  des  Reichskrieges 
an  Frankreich  gezwimgen  worden,  ihr  Truppenkontingent  nach  Main:/ 
und  Ehrenbreitstein  zu  schicken,  im  übrigen  aber  hatte  sie  sicii 
peinlich  gehütet,  die  Kmpfindlichkeit  der  iranzösisclien  Nation  noch 
melir  zu  reizen.  Als  im  Februar  1793  ein  Buchhändler  in  Frankfurt 
eine  Broschüre  ankündigte  »Tagebuch  von  der  lännahmc  1  rankturts 
durch  die  Neuiranken  bis  zur  Wiedereroberung  von  der  kombinierten 
Armee,  in  Briefen  abgefasst,«  hatte  ihm  der  Rat  bei  schwerer  Strafe 
den  Verkauf  derselben  wegen  der  darin  enthaltenen  Ausfalle  und 
Anzüglichkeiten  wider  die  französische  Naiiun  verboten. 

Kaum  war  daher  die  Stadt  von  dem  Beginn  der  Friedensver- 
handlungen zwischen  der  Republik  und  Preussen  unierrichiet,  als  sie 
sich  direkt  an  Friedrich  Wilhelm  II.  wandte  mit  der  Bitte,  ihr  Bestes 
allerhuldreichst  zu  beturdern  und  die  Wahrung  ihrer  Interessen  seinem 
Gesandten  Hardenberg  besonders  anzuempfehlen.* 

Nachdem  dei  Baseler  Vertrag  unterzeichnet  w  ar,  erhielt  Schweizer, 
einer  der  angesehensten  Bürger  der  Stadt,  den  Auftrag,  nnt  Harden- 
berg selbst  in  vertrauliche  Korrespondenz  zu  treten,  während  ein 


■  In  Wirklichkeit  betrug  der  Gcsanmuvcrlust  der  Fransosen  an  Toten  nur 

59  Mann. 

*  Schreiben  vom  2^  .M.irz  179^  in  den  Akten  der  geheimen  Kriegsdeputation 
Band  Iii  des  hiesigen  Stadtarchivs. 


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gerade  zu  dieser  Zeit  sich  in  Basel  aufhaltender  Frankfurter,  namens 
Engelsbach,  dem  iranzösischen  Gesandten  Barthdemy  im  geheimen 
ein  verbindliches  Schreiben  Qberreichen  sollte.  Offen  die  preussische 
Vermittlung  anzurufen,  wagte  der  Rat  nicht»  zumal  ein  Teil  der 
Büff^erschaft,  in  ihrer  Spitze  der  altere  Bürgermeister,  sich  feierlich 
dagegen  verwalirte,  dass  man  in  einer  so  wichtigen  und  das  ^anzc 
Reich  betreifenden  Angelegenheit  ohne  Vorwissen  und  Genehmigung 
des  allerhöchsten  Oberhauptes  irgend  einen  Schritt  thue,  «welcher 
auf  eine  Trennung  vom  allgemeinen  Reichsverband  abzuzielen  schiene.« 
Auch  wollte  der  Rath  nicht  einseitig  vorgelicn,  sondern  erst  die 
Hahung  der  wichtigeren  lUichsstäntic  abwarten.  Deslialb  wurde 
Selpert,  der  Vertreter  l-rankkiris  auf  dem  Reiclistape  /u  Regensbufi», 
nur  zu  der  Erklärung  ermächtigt,  die  Stadl  sclihcssc  sich  dem  cin- 
müthigen  Begehren  des  Reiches  nach  einem  billigen  Frieden  mit 
Frankreich,  wie  solches  im  Retchsgutachten  vom  23,  Dezember  17^4 
niedetgelegt  sei,  voUstSndig  an.  Zugleich  wurde  Selpert  bedeutet, 
solange  nicht  Kaiser  und  Reich  die  preussisclie  \'erniittlimg  aus- 
drOckltch  verworfen  hätten,  sich  aller  den  preussischcn  Anirä^cii 
zuwiderlaufenden  Handlungen  zu  enthalten.  Wie  nun  aber  die  Stimmung 
auf  dem  Reichstage  war,  neigten  sich  die  einzelnen  Stände  sichtlich 
zu  der  von  Preussen  befürworteten  Politik,  und  eine  Genehmigung 
der  Friedensverhandlungen  unter  seiner  Acgidc  war  höchst  wahr- 
scheinlich.' Alles  hing  nur  davon  ab,  welche  Stellung  Oestreich  in 
dieser  Frage  nelniien  würde. 

Die  bis  dahin  schon  bestehende  Kluii  zwischen  dieser  Macht 
und  Preussen  war  durch  den  Baseler  Frieden  noch  erweitert  worden. 
In  den  Augen  des  Wiener  Hofes  bedeutete  derselbe  eine  Verletzung 
der  Verträge,  einen  offenen  Treubruch  von  seiten  des  Alliierten.  Im 
Gefühl  der  Erbitterung  hierüber  war  man  fester  als  jemals  entschlossen, 
den  Krieg  mit  Frankreich  auch  ohne  Preussen  weiter  tortzutühren. 
Deshalb  ward  am  4.  Mai  ein  neuer  Subsidienvertrag  mit  Hngland 
geschlossen  und  am  20.  Mai  das  Schutz-  und  Trutzbündniss  mit  diesem 
Staat  erneuert.'  Zugleich  liess  es  sich  die  östretchische  Regierung 
angelegen  sein,  im  ganzen  Reich  der  preussischen  Fricdensvcrmittlung 
mit  aller  Kraft  entgegenzuwirken,  und  zwar  wurde  der  Kaiserliche 
Minister  Graf  Lehrbach  mit  dieser  Mission  betraut. 

In  Frankfurt  angelangt,  erklärte  er  am  6.  Juni  179J  dem  Syn- 
dikus der  Stadt,  Borke»  der  Kuser  werde  schwerlich  seine  Zustimmung 


■  Näheres      Häusser,  Deutsche  GcMhichte  II,  i^ff. 
'  Häusser  S.  ijflT. 

10 


—    146  — 

211  einem  Preossens  ImerventioR  anrufenden  Retchsugsbeschluss  geben; 
cbensoveotg  werde  er  gestatten,  dass  Frankfun  zum  Ort  des  Fficdens* 
koDgrcsses  gewählt  werde;  man  habe  übrigens  in  Wien  die  Ansicht, 
dass  die  Stadt  die  ihr  gegen  das  Reichsoberhaupt  obliegenden  Pflichten 
nicht  stets  vor  Augen  gehabt  habe  noch  denselben  nachgekommen  sei 

In  ähnlicher  Weise  wurden  auch  andere  Reichsstände  vor  einer 
Verbindung  mit  Preussen  gewarnt  und  ihnen  bemerklich  gemacht, 
dass  nur  der  Kaiser  das  Friedenswerk  in  die  Hand  nehmen  könne 
nnd  auch  dazu  nicht  abgeneigt  sei  In  der  That  ersuchte  derselbe, 
um  dem  Verlangen  der  Stände  einigermassen  entgegenzukommen, 
Ende  |ult  den  dänischen  Hof,  in  stinem  Kamen  Friedensanträge  in 
Paris  zn  machen,'  von  deren  Erfolglosigkeit  er  allerdings  schon  von 
vofnhcrem  überzeugt  war. 

So  von  preussischer  und  östreichischer  Seite  gedrängt,  schwankte 
der  Rat  hmge  Zeit  unschlüssig  hin  und  her.  Die  Besorgniss  vor 
dem  kaiserlichen  Zorn  wirkte  insoweit  lähmend  auf  ihn,  dass  er  ilie 
im  Baseler  Vertrage  stipulierte  Frist  von  drei  Monaten  unbenutzt 
vorüberstreichen  liess  und  auch  dem  Artikel  II  der  Konvention  vom 
17.  Mai  bezflglich  der  Zurückberufung  seines  Kontingentes  nicht  ge> 
nugte.  Mit  steigender  Ungeduld  nahm  die  preussische  Regierung 
die  passive  Haltung  der  Stadt  wahr  und  verlangte  schliesslich  durdi 
ihren  GeschäftsHihrer  Hamier  einen  entschiedenen  Schritt.  Einem 
solchen  aber  wollte  der  Rat  gerade  ausweichen. 

In  einem  Schreiben  vom  8.  September  betheuerte  er  dem  Minister 
Hardenberg  das  lebhafteste  Verlangen  nach  der  Neutralität,  wenn  man 
diese  nur  ohne  Verletzung  der  reichsständischen  Pflichten  erreichen 
könne.  Um  sich  nicht  frühzeitig  blosszustellen,  trage  er  Bedenken, 
mit  dem  Wohlfahnsausschuss  in  Paris  oder  dem  französischen  Ge* 
sandten  Barth^leniy  in  direkte  Korrespondenz  zu  treten.  Er  hoffe, 
dass  derselbe  sich  auch  mit  dem  begnügen  werde,  was  der  Rat 
bereits  in  negativer  Hinsicht  zur  Erlangung  der  Neutralität  gethan 
habe :  dass  er  sich  bis  jetzt  in  keine  der  Republik  feindliche  Ver- 
bindung eingelassen  und  das  ihm  durch  den  Reichstagsbeschluss  vom 
15.  Dezember  1794  auferlegte  Kontingent  nicht  gestellt  habe.  Auch 
die  noch  beim  Reichsheer  sich  befindenden  Frankfurter  Truppen 
werde  er  baldigst  zurückrufen.' 


*  Häusscr  S.  27. 

'  Die  Truppen  lagen  teils  in  Maine,  teils  in  Ehrenbrdtstdn.  Ursprünglich 
betrug  ihre  Zahl  700,  doch  waren  infolge  von  Krankheiten,  Desertionen  u.  s.  v> 
nur  noch  176  dienfttauglich. 


■ 

\ 


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Daniii  .sauiute  denn  auch  der  Rat  nicht  langer,  um  so  mehr, 
da  die  von  den  Franzosen  wieder  aufgenommenen  Fdndseligkeiten 
zur  Eile  drängten.  Der  städtische  Oberst  v.  Planitz  ward  in  das 

östreichische  Hauptquartier  abgeschickt,  um  beim  Generat  Clerfayt 
Nvc^en  Zurückziehung  des  Frankfurter  Kontingentes  vorstellig  zu 
werden.  Hr  schützte  vor,  dass  man  den  durch  die  Strapazen  des 
vorigen  Winters  und  durch  Krankheiten  illcr  Art  hart  mitge- 
nommenen Soldaten  Ablösung  und  Erholung  gewähren  mQsse,  da 
sie  sonst  durch  Desertion  voUaids  zosammensdimelzen  würden.  Aber 
Qerfayt  wies  dies  Ansinnen  tinschieden  ab,  ebenso  wie  der  Kom- 
mandant von  Miiiiiz,  General  Neu,  der  sogar  dem  Frankfurter  Haupt- 
mann Selig  jeden  Urlaub  verweigerte.  So  hatte  die  Stadt  die  wichtigste 
der  Neutralitätsbedingungen  nicht  erfüllen  können,  und  gerade  bei 
Beginn  des  Herbstfeldzuges  1795  hatten  die  FfamM»en  einen  Erfolg 
nach  dem  andern  zn  verzeichnen.  Die  Maas*  und  Sambre-Armee 
unter  Jourdan  hatte  unweit  Düsseldorf  den  Rhein  überschritten,  sich 
dieser  Stadt  bemächtigt,  im  weiteren  Vordringen  die  Oestreichcr 
unter  Clerfayt  hinter  die  Lahn  getrieben  und  nicht  weit  von  1  rank- 
furt  zwischen  Castel  und  Höchst  Stellung  genommen,  während 
Pichegru  nach  der  Eroberung  von  Mannheim  am  2i.  September  die 
Verbindung  zwischen  Qerfayt  und  Wnrmser  zu  zerstören  drohte. 
Eine  allgemeine  Panik  bemächtigte  sich  jetzt  der  süddeutschen  Stände.' 
Alle  Heeresstrassen  am  Rhein  waren  mit  Flüchtigen  bedeckt,  die 
Höfe  von  Baden,  Darnistadt,  Mainz,  Spever,  Köln  zogen  sich  eiligst 
hinter  die  schützende  Demarkationslinie  zurück;  wie  ein  rettender 
Genius  ward  der  Erbprim  von  Hohenlohe  betrachtet,  der  dieselbe 
mit  einer  starken  HeeresabtheOung  sicherte.  Drohend  verlangte  der 
preussische  Gesandte  von  den  Ständen  ihre  Keutralltatsetklärung 
binnen  5  Tagen.  Dazu  verstand  sich  allerdings  der  Rat  nicht,  aber 
er  beschloss  sofort,  den  Kaiser  selbst  um  Zurücksendung  der  städti- 
schen Truppen  zu  bitten,  während  Schweitzer  nach  Basel  reisen  und 
bei  Hardenberg  imd  Banh^lem}-  Schutz  f&r  die  Stadt  vor  den  unauf- 
haltsam vorrückenden  Franzosen  auswirken  sollte.  Emstweilen  tröstete 
den  Rat  die  Versicherung  des  Prinzen  Hohenlohe,  der  sein  Haupt- 
quartier in  der  Stadt  aufgeschlagen  hatte,  er  werde  alles  anwenden, 
dass  sie  bei  etwaiger  Annäherung  des  Feindes  keine  Widerwärtig- 
keiten zu  befürchten  habe.  Und  er  hielt  Wort.  Als  Jourdan  vor 
Ucn  Mauern  der  Stadt  erschien  und  dem  Prinzen  eine  Vollmacht  des 


'  Hlusser  H,  a«. 


—  I4B 


Woliil.Jirtsausschusscs  vorzeigte,  nach  der  er  eine  Kontribution  von 
allen  den  Staaten  erheben  sollte,  die  nicht  innerhalb  der  bestimmten 
Frist  ihr  Kontingent  zurückgezogen  hätten,  erklärte  Hohenl<^e, 
dass  er  nötigenfalls  mit  Waffengewalt  Frankfurt  vor  derartigen 
Zumutungen  zu  schützen  wisse.'  Aber  noch  mehr  als  auf  die  Ver- 
sprechungen des  preussischen  Feldherm  verHess  sich  der  Rat  auf 
den  Erfolg  der  diplomatischen  Bemühungen  seines  Abgesandten 
Schweitzer.  Am  21.  Oktober  war  dieser  in  Basel  angekommen.* 
Vom  Minister  Hardenberg,  bei  dem  er  eine  freundliche  Aufnahme 
fand,  erfuhr  er,  dass  das  einflussreiche  Konventsmitglied  Merlin 
von  Thionville  beim  Wohlfahrtsausschuss  stark  gegen  Frankfurt 
agitiere»  weil  es  den  Artikel  II  der  Konvention  vom  17.  Mai  nicht 
erfüllt  habe.  Merlin  habe  ihm,  Hardenberg  selbst,  als  dieser  von 
Frankfurts  Friedensneigung  sprach,  nur  lakonisch  bemerkt:  »Sur  ce 
que  vous  me  dites  de  la  ville  de  Francfort,  je  ne  puis  r6pondre  autre 
chose  que  ce  qu'il  n'est  plus  un  moment  i  perdre  que  les  Etats  ne 
retirent  leur  contingent«.  Zugleich  machte  Hardenberg  Schweitzer 
darauf  aufmerksam,  dass,  wenn  er  nur  als  Privatmann  auftrete  und  sich 
nicht  bald  bei  Banhilemy  als  offiziellen  Vertreter  der  Stadt  legitimiere, 
er  platterdings  nichts  erreichen,  vielmehr  seine  Obrigkeit  in  den 
Augen  des  Wohlfahrtsausschusses  noch  mehr  diskreditieren  werde. 
Daher  kommt  Schweitzer  in  seinen  Berichten  an  den  Rat  immer 
wieder  darauf  zurück,  ihm  doch  endlich  das  Kreditiv  an  Barth^lemy 
zu  senden,  das  er  diesem  aber  nicht  verstohlen  und  heimlich,  wie 
der  Rat  wohl  meinte,  sondern  nur  in  öffentlicher,  feierlicher  Audienz 
überreichen  könne.  »Wozu  diese  Zurückhaltung?«  schreibt  er  nach 
Frankfurt.  »Hier  in  Basel  kennt  doch  jedermann  den  Zweck  meiner 
Sendung«.  Aber  darauf  ging  der  Rat  nicht  dn.  Gerade  in  diesen 
Tagen  hatte  ihm  der  Kaiserliche  Resident  in  Frankfurt,  Graf  Schlick, 
wieder  einmal  bittere  Vorwürfe  über  die  Sendung  Schweitzers  nach 
Basel  gemacht  und  mit  dem  Zorn  des  Kaisers  gedroht,  dessen  Heer 
nicht  weit  von  den  Thoren  stand;  jetzt  einen  auffälligen  Schritt  thun, 
hiess,  sich  den  östreichischen  Repressalien  aussetzen  und  aus  dem 
Regen  in  die  Traufe  kommen.  Somit  wurde  Schweitzer  angewiesen,' 
sich  strikt  an  seine  Instruktion  zu  hatten  und  dem  Gesandten  Barths 


'  Der  Rat  ernannte  den  Prinzen  in  Anerkennung  seiner  Verdienste  /um 
Ehrenbürger  und  wollte  ihm  ein  kostbares  silbernes  Tafelscrvice  schenken;  vgl.  hier- 
über Jung,  die  Ehrenbürger  Frankfurts  in  diesem  Bande  S.  in  (T. 

'  Militarin  aus  dem  Revolutionskrieg  II,  1  des  Stadtarchivs. 

i  MUiuria  i.  c. 


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—   149  — 


lemy  ak  Beweis  für  den  guten  Willen  der  St.uit  dns  Aktenstück 
vorzulegen,  in  welchem  sie  die  Zurückbcrufuni,'  ihres  KonurL unes 
verlangt  habe.  Von  diesem  Aktenstücke  zeigte  sicl,  denn  Bartlu  liu  y 
auch  befriedigt  und  versprach  Schweitzer,  die  Wünsche  der  Sl  ui  heim 
Wohlfahnsausscbuss  und  bei  Merlin  warm  zu  befürwonen,  wenn  er 
ihn  in  einer  Note  ausdrücklich  dazu  autorisieren  würde.  Mit  schwerem 
Herzen  entschloss  sich  Schweitzer,  ohne  erst  in  Frankfurt  anzufragen, 
die  verlangte  Erklärung  zu  Obergeben,  Jetzt  suchte  ihn  Hardenberg 
zu  einem  noch  entscheidenderen  Schritt  zu  drängen.  Die  Stadt  müsse 
sofort  mit  der  Republik  Frieden  schliessen,  mahnte  er;  gerade  ihr 
Reichthum  reize  die  immer  mehr  um  sich  greifende  Raubsucht 
der  Franzosen;  sei  einmal  Mainz,  das  von  ihren  Truppen  belagert 
werde,  gefallen,  dann  wäre  es  zu  spät.  Stosse  sich  der  Rat  an  dem 
Namen  des  Separatfriedens,  so  könne  man  auch  die  Neutralität  unter 
der  Form  einiger  »articles  provisoires  et  secrets«  erlangen,  deren 
Geheimhaltung  ausdrücklich  auszubedingen  sei.  Schweitzer  bat  hierauf 
den  Rat  um  Instruktionen. 

Sein  Schreiben  traf  zu  Frankfurt  gerade  in  dem  Moment  ein, 
wo  eine  entschiedene  Wendung  in  dem  Kriegsglöck  der  Franzosen 
eingetreten  war.  Mit  kühner  Entschlossenheit  hatte  Gerfayt  die 
Offensive  ergriffen  und  Jourdans  Heer  in  zügelloser  Flucht  über  den 
Rhein  zurückgetrieben.  So  befanden  sich  in  Frankfurts  Nähe  nur 
noch  die  französischen  Truppen,  welche  Mainz  belagenen;  und  von 
diesen  hatte  man  nichts  zu  befürchten,  da  sich  in  der  Stadt  eine 
starke  preussische  Besatzung  befand.  Die  Waffenerfolge  der  Kaiser- 
lichen übten  sofort  ihre  Rückwirkung  auf  die  Politik  des  Rates. 
Schweizer  erhielt  einen  scharfen  Verweis  daför,  dass  er  seine 
Instruktion  überschritten  und  im  Namen  der  Stadt  ein  sie  kom- 
promittierendes Schriftstück  Barth^lemy  übergeben  habe.  Er  ward 
bedeutet,  in  Zukunft  das  Konzept  eines  jeden  derartigen  wichtigen 
Aktenstückes  erst  dem  Rat  vorzulegen.  Vor  allem  solle  er  sich 
nicht  von  Hardenberg  umgarnen  lassen  und  etwa  auf  sogenannte 
articles  secrets  et  provisoires  eingehen.  Die  Frage  nach  einer  beson- 
deren Konvention  mit  der  Republik  werde  jetzt  vom  oberrhdnischen 
Kreise  in  Erwägung  gezogen;  ihm  werde  sich  die  Stadt  anschliessen, 
aber  nicht  einseitig  vorgehen.  Je  günstiger  nun  im  Oktober  das 
Waffenglück  den  Oestreichem  war,  um  so  mehr  wurde  der  Frank- 
funer  Rat  der  Annäherung  an  Frankreich  abgeneigt.  Am  25.  Oktober 
wird  Schweitzer  angewiesen,  »da  durch  die  bekannten  Ereignisse  die 
Dinge  eine  sehr  veränderte  Gestalt  erhalten  hätten,  dem  Rechnung 
zu  tragen  und  sich  seines  Auftrages  keineswegs  auf  dringende  Weise 


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—   150  — 

zu  entledigen,  sondern  jeut  eine  gewisse  Zurückhaitang  zu  beobachten.« 
Auch  Preussens  Vermittlung  brauche  man  nicht  mehr  so  dringend, 
sein  Einfluss  bei  den  Machthabem  in  Paris  sei  sehr  im  Falten.  Da> 
gegen  habe  der  Landgraf  von  Hessen-Cassel'  der  Stadt  seine  guten 
Dienste  angeboten.  Als  nun  gar  Clerfayt  und  Wurmser  in  einer 
Reibe  von  vernichtenden  Sdüägen  die  Armeeen  Jourdans  und  Pichegrus 
förmlich  aufgerollt,  Mainz  entsetzt  und  Mannheim  wieder  eroben, 
und  als  Ende  November  die  Franzosen  das  rechte  Rbeinufer  völlig 
geräumt  hatten,  da  wich  unter  dem  Eindruck  dieser  glorreichen 
Siege,  wie  überall  in  Deutschland,  auch  in  Frankfurt  die  verzagte 
und  mattherzige  Stimmung,  und  es  regten  sich  wieder  mutvolle 
und  kriegerische  Gedanken.'  Der  Frankfurter  Obrist  von  Planitz 
wurde  zuvörderst  nach  Mainz  geschickt,  um  Clerfajrt  zu  den  erfoch- 
tenen  Siegen  die  Glückwunsche  namens  eines  hochedlen  Rates 
abzustatten;  bald  darauf  ward  der  siegreiche  Feldherr  zum  Ehrenbörger 
der  Sudt  ernannt.'  Ein  verbindliches  Schreiben  an  den  Volks- 
repräsentancen  Joubert,  das  eben  nach  Paris  abgeschickt  werden  sollte, 
hielt  der  Rat  zurück,  und  während  er  kurz  vorher  die  Aufforderung  des 
Kaiserlichen  Obristen  von  Salm,  die  als  krank  entlassenen  und  wieder 
genesenen  Frankfurter  Soldaten  zum  Reichsheer  zurückzusenden, 
einfach  ignoriert  hatte,  beschloss  er  jetzt,  den  reichsverbandmässigen 
Pflichten  pünktlichst  nachzukommen.  Schleunigst  erhielten  die  Rekon« 
valeszenten  unter  den  Soldaten  die  Ordre,  wieder  in  ihre  Kompagnieen 
einzutreten,  die  abgegangenen  Mannschaften,  79  Infanteristen  und 
4  Artilleristen,  wurden  ersetzt,  ausserdem  noch  jede  der  3  in  Mainz 
stehenden  Kompagnieen  um  20  Mann  verstärkt  und  —  ein  für  die  da- 
malige Zeit  fast  ans  Wunderbare  grenzendes  &eigniss  —  die  noch 
restierenden  25,000  Gulden  Römermonate  wurden  der  Reichskriegskasse 
nunmehr  bezahlt.  Schweitzer  aber  erhielt  den  Befehl,  »da  das  hiesige 
Gemeinwesen  seiner  Anwesenheit  dringend  bedürfe,«  sich  von  Basel  zu 
beurlauben  und  schleunigst  die  Rückreise  anzutreten,  ohne  auf  irgend 
einen  Antrag,  von  welcher  Seite  er  auch  komme,  einzugehen.  Seine 
Abreise  könne  um  so  weniger  Aufsehen  erregen,  als  man  ja  jetzt 
nach  dem  eben  erfolgten  Sturze  des  Konventes  nicht  wisse,  mit 
welcher  Macht  in  Paris  man  die  Unterhandlungen  zu  führen  habe. 

Schweitzer  war  über  den  ihm  gewordenen  Befehl  ausser  sich. 
Damit  stosse  man  ja  Barth^lemy  und  Hardenberg  vor  den  Kopf, 

'  Er  hatte  kurz  vorher  eineo  Separatfrieden  mit  der  Republik  geschlo&»ea. 
Häusscr  II,  S.  41  und  42. 

■  Fingers  Tagcbudi  S.  l8a 

'  Jung,  die  Ehrenbürger  Frankftirts,  oben  S.  1 18  ff. 


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-  151  - 


schrieb  er,  und  verscherze  ihr  Vertrauen  für  immer.   Auf  die  in  den 
allgemeinsten  Ausdrücken  abgcfasstcn  Danksagungsschreiben,  die  er 
beiden  im  Namen  dcä  ilates  beim  Abschied  überreichen  solle,  würden 
sie  wohl  keinen  grossen  Werth  legen.   Und  gerade  jetzt  hätten  die 
Verhandlungen  einen  überaus  günstigen  Verlauf  genommen.  Die 
I  ranzosen  seien  so  zuvorkommend  und  nachgiebig  -wie  noch  nie. 
Deshalb  habe  ihm  auch  Hardenberg  dringend  abgeraten,  nach  Frank* 
furt  zurückzukehren,  vielmehr  solle  er  incognito  nach  Paris  reisen, 
wo  er  durch  Vermittlung  des  preussischcn  Gesandten  beim  Direktorium 
in  grösster  Stille  alles  durchsetzen  könne.    Docii   der  Rat  blieb 
gegen  diese  Vorstellungen  taub.  Ihm  war  zu  Ohren  gekommen, 
wie  erbitten  der  Wiener  Hof  Uber  diejenigen  Stände  war,  welche 
zur  Friedenspartei  gehörten  oder  auch  nur  zur  Neutralität  neigten. 
Jetzt  gab  ihm  der  Resident  Schlick  im  Auftrag  des  Kaisers  das 
Allerhöchste  Missfallen  über  seinen  Mangel  an  Patriotismus  zu  er- 
kennen, doch  Üess  er  zugleich  durchschimmern,  wie  nun  die  ver- 
scbeme  Gunst  des  Herrschers  durch  dne  för  ihn  zu  negoziierende 
Anleihe  wieder  gewinnen  könne.    Wenige  Wochen  später,  am 
15.  Februar  1796,  lief  auch  ein  Schreiben  von  der  Kaiserlichen  Hof- 
k.inxlci  ein,  das  die  Hoffnung  aussprach,  die  Anleihe  werde  »bei  der 
bek.innteii  guten  (lesinnung  und  dem  VV'olilstiuid  der  Stadt  zur  vollsten 
BcJriedigung  des  Kaisers  ausfallen.«    Naiiere  Erklärungen  gab  der 
Kaiserliche  Unterhändler,  Hofrath  von  Mittis.  Er  wies  auf  die  un- 
geheuren Kriegskosten  hin,  welche  Oestreich  allein  nicht  aufbringen 
könne  und  auch  von  England  nicht  mehr  annehmen  wolle,  weil  es 
dadurch  in  immer  grössere  Abhängigkeit  gerate;   das  Reich  selbst 
müsse  ietzt  den  grosseren  Teil  der  Kosten  tr.igen;  weigere  es  sich, 
so  sehe  sicli  der  Kaiser  in  die  Notwendigkeit  versetzt,  seine  Truppen 
in  die  eignen  Länder  zurfickzuziehen  und  die  Stände  ihrem  Schicksal 
zu  überlassen.  Frankfort  aber  solle  ihnen  ein  leuchtendes  Beispiel  an 
Gemeinsinn  geben  und  zu  der  beabsichtigten  5  prozentigen  Anleihe 
4  .Millionen  zeichnen.   Der  Rat  fügte  sich  dem  Wunsch  des  Kaisers. 
In   der  sehr  schwungvoll  und  patriotisch  abgefasstcn  Proklamation 
vom  i*).  Februar  forderte  er  die  Bürgerschalt  zur  Zeichnung  auf, 
•zom  Bewdse  der  »e  belebenden  Gesinnung  der  Anhänglichkeit  an 
die  gemeine  Sache  des  Reiches,  der  allerdevotesten  Treue  gegen  den 
Kaiser,  der  sorgsamen  Liebe  fllr  die  Vaterstadt.«    Die  Beteiligung 
war  auch  eine  starke,  und  damit  war  wohl  das  beleidigte  Oberhaupt 
des  Reiches  wieder  versöhnt. 

Inzwischen   ruhten  die   I  eindseligkeiien  zwischen  den  krieg- 
filhrenden  Mächten;  seit  Ende  1795  bis  tief  u)  das  Jahr  1796  herrschte 


—    152  — 


«in  unonterbrochener  WafFenstillstaad.  Der  Rat  bemühte  sich  unter« 
dessen,  die  Gesinnung  des  Direktoriums  gegen  die  Stadt  zu  erforschen. 
Was  er  erfuhr,  war  nicht  gerade  tröstlich.  Das  plötzliche  Abbrechen 
der  Verhandlungen,  als  das  Kriegsglück  der  Franzosen  sich  wandte» 
hatte  begreiflicherweise  die  leitenden  Kreise  in  Paris  arg  verstimmt; 
sie  bekl^en  sich  auch  über  die  Aufnahme  der  Emigranten'  und  über 
die  Haltung  der  Frankfurter  Presse  seit  den  Siegen  der  östreichischen 
Waffen.  In  Folge  dessen  lud  der  ältere  Bürgermeister  die  Redakteure 
der  einzelnen  Zeitungen  vor  und  schärfte  ihnen  ein,  eine  «gemässigte 
und  gesittete  Sprache  zu  führen;  insbesondere  sollten  sie  sich  der 
dem  französischen  Gouvernement  unangenehmen  Bemerkungen  ent- 
halten. Ausserdem  ward  dem  Censor  grössere  Strenge  gegen  die 
Zeimngen  zur  Pflicht  gemacht. 

Mit  Besorgniss  sah  die  Stadt  dem  Wiederausbruch  der  Feind« 
Seligkeiten  entgegen.  Ende  Mai  wurden  dieselben  von  den  Franzosen 
wieder  aufgenommen.  Die  Republik  hatte  drei  Heere  ausgerüstet, 
die  sich  nach  Niederwerfiing  der  Gegner  vereinen  und  gemeinsam 
in  das  Herz  der  östreichischen  Monarchie  vordringen  sollten.  Diese 
Aufgabe  löste  bekanntlich  nur  das  italienische  Heer  unter  der  Führung 
des  jugendlichen  Buonaparte.  Zur  Besiegung  Oestreichs  in  Deutsch- 
land waren  zwei  Heere  bestimmt,  die  Maas-  und  Sambre^Armee  unter 
Jourdan,  der  zu  Unterbefehlshabern  Kleber  und  Marceau  hatte,  und 
die  Rheinarmee  unter  Moreau.  In  den  ersten  Tagen  des  Juni  über- 
schritt Jourdan  den  Rhein  und  drängte  die  Oestreicher  unter  General 
V.  Wanensleben,  dem  Unterfeldherm  des  Erzherzogs  Karl,  in  glück- 
lichen Gefechten  bis  zur  Lahn  zurück.  Die  Fortschritte  der  Franzosen 
erregten  in  der  Stadt,  die  schon  geraume  Zeit  von  den  preussischen 
Truppen  geräumt  war  und  jetzt  eine  östreichische  Besatzung  unter 
dem  Kommando  des  Obersten  v.  Mylius  hatte,*  nicht  geringe  Besorg- 
nisse. Der  ältere  Bürgermeister  stellte  bereits  den  Antrag,  die 
deponierten  städtischen  Obligationen  zur  schleunigen  Entfernung  in 
Bereitschaft  zu  halten  und  die  wichtigsten  Urkunden  und  Akten  in 
feuerfesten  Gewölben  zu  verwahren.  Der  Oberst  v.  Planitz  schlug 
sogar  vor,  das  Landvolk  aufzubieten  und  zu  bewaffnen,  was  der  Rat 
jedoch  zurückwies;  er  begnügte  sich,  ihn  in  das  Hauptquartier Wanens- 
lebens  zu  senden,  damit  er  die  Ereignisse  aus  nächster  Nähe  beob- 
achte und  sie  sofort  dem  Rate  berichte.  Auch  auswärts  hielt  man 


<  Mit  Unrecht;  die  Stadt  hatte  gegen  sie  scharfe  Edikte  erlassen;  das  Unat 
datirt  erst  von  tndc  September  179$. 

'  Am  18.  Mai  war  er  zum  Stadtkommandanten  ernannt  worden. 


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-  I5J  - 


die  Lage  Frankfurts  fär  sehr  geföhrdct  Oer  hessische  Legationsrat 

V.  Adlerflyclit  fragte  an,  ob  sich  der  Landgraf  för  die  Stadt  bei  dem 
konrninndicrcnden  französischen  General  verwenden  solle' 

Bald  aber  verzog  sich,  freilich  nur  für  kurze  Zeit,  das  drohende 
Kriegsgewitter.  Erzherzog  Karl  rückte  von  Süden  gegen  Jourdan 
heran»  schlug  sein  Hauptquartier  in  Sachsenhausen  auf  und  »wang 
die  Maas-  und  Sambre*Arniee  zum  Rückzug  Aber  den  Rhein.  Doch 
waren  seine  Erfolge  auf  diesem  Teil  des  Kriegsschauplatzes  nur 
vorübergehende;  die  Fortschritte,  welche  in/wischen  die  französischen 
Waffen  in  Süddeutschland  gemacht  hatten,  zwangen  ihn,  mit  einem 
grossen  TeÜ  seiner  Truppen  sofort  gegen  Morcau  aufzubrechen  und 
die  Deckung  der  Lahngegenden  dem  General  Wartensleben  zu  über- 
lassen. Dieser  war  den  von  neuem  über  den  Rhein  gegangenen 
Franzosen  nicht  gewachsen;  die  von  allen  Seiten  nach  Frankfurt 
strömenden  Flüchilinj^c,*  %velclK'  in  den  Mnucrn  der  Stadt  vor  den 
zügellosen,  vor  keiner  Gewalnhat  zurückschreckenden  Banden  Jourdans 
Schutz  suchten,  Hessen  deutlich  auf  den  Kückzug  der  Oestretcher 
scbliessett.  Bald  näherten  sich  auch  die  kampfenden  Heere  der  Stadt. 
Am  9.  Juli  kam  es  bei  Friedberg  zu  einem  Treffen,  das  abermab  mit 
einer  Niederlage  der  Kaiserlichen  endete.  Koch  einmal  schienen  sich 
diese  den  I-ranzosen  entgegenstellen  zu  wollen.  Die  ösireichische 
Artillerie  besetzte  die  das  Mainthal  beherrschenden  Höhen  bei  Bergen; 
hier  erwaruic  man  allgemein  die  EntscheiduDgssclilacht,  von  der  das 
Schicksal  Frankfurts  abhing. 

Die  Bürgerschaft  befand  sich  in  der  grössten  Aufregung,  da  der 
Maas-  und  Sambre-Armee  der  denkbar  schlechteste  Ruf  vorausging. 
Uebcrall  hatte  sie  ihren  Zug  durch  Grcuelthaten  und  Verwüstungen 
nllcr  Art  bezeichnet.  Und  Frankfurt  hatte  auf  Schonung  nicht  zu 
rechnen;  im  Gegentlieil,  die  Leidenschaften  der  franzosischen  Soldaten, 
durch  die  vonCustine  und  den  Mainzern  ausgesprengten  Verleumdungen 
noch  mehr  entflammt»  Hessen  bei  einer  etwaigen  £hinahme  der  Stadt 
die  ärgsten  Ausschreitungen  befürchten.  Mit  Rüdtsicht  darauf  wurden 
auch  die  jetzt  nach  Frankfurt  gebrachten  gefangenen  und  verwundeten 
Franzosen  mit  besonderer  Sorgfalt  behandelt,  und  der  Rat  Hess  sich 
von  ihnen  in  einer  Reihe  von  Attesten  bescheinigeni  »das»  sie,  resp. 


*  Sdion  tJdmaU  (lucluctcn  sich  viele  Bürger  aus  Franklurt;  vgl.  Jic  neuer- 
dings von  der  Goetbe-GeseUschaft  (Schrireo  4,  18B9)  veröffimtlicbKo  BrieTc  von 
Goethes  Muuer  an  ihren  .Sohn,  besonders  S.  101— lO}. 

'  t'in{(cn>  Tagebuch  S.  18S  -  tS^ 


—    1)4  — 


ihre  Kameraden  nicht  gesteinigt  und  ermordet  worden  seien,  sondern 
eine  freundliche  Aufnahme  in  Frankfurt  gefunden  hätten/« 

Sodann  wurde  eine  besondere  Kriegsdeputation  mit  ausgedehnten 
Voltmachten  eingesetzt,  »welche  die  gegenwärtige  Kriegsgefahr 
thunltcbst  abwenden  und  im  Fall  einer  zu  besorgenden  feindlichen 
Besitznehmung  die  zu  treBienden  Verfügungen  und  Unterhandlungen 
im  Verein  mit  bürgerlichen  Abgeordneten  im  geheimen  beraten 
und  zugleich  beschliessen  sollte.«' 

Um  die  Stimmung  der  französischen  Generäle  gegen  die  Stadt 
zu  erforschen,  wurden  zwei  Deputierte,  der  Schöffe  von  Günderroiie  und 
der  hessische  Legationsrat  von  Jordis,  in  das  feindliche  Haupt- 
quartier abgesandt.  Die  Auskunft,  welche  dieselben  zurückbrachten, 
lautete  beruhigend.  Der  General  Lefevre  versicherte,  dass  die  fran- 
zösischen Truppen  bei  einer  etwaigen  Besetzung  der  Stadt  die  strengste 
Manneszucht  beobachten  würden ;  jeder  Exzess  sollte  unnachsichtig 
geahndet  werden,  da  eine  Plünderung  für  sein  Heer  selbst  die  nach- 
teiligsten Folgen  haben  würde.  Nur  empTil  1  er,  Stroh,  Schuhe  und 
Lebensmittel,  deren  die  Truppen  dringend  bedürften,  in  Bereitschaft 
zu  haken. 

Wider  alles  Erwarten  gab  Wartensleben  die  Stellung  bei  Bergen 
auf  und  zog  sich  auf  das  linke  Mainufer  bis  nach  Isenburg  zurück. 
Dagei^cn  traf  er  Anstalten,  Frankfurt  gegen  die  Franzosen  zu  halten. 
Auf  die  Wälle  und  auf  die  Mainbrücke  wurden  Geschütze  aufgefahren, 
Schanzgräber  auf  die  Wälle  beordert  und  der  Rat  angewiesen,  die 
schadhaften  Thore  schleunigst  ausbessern  zu  lassen.  Indess  versäumte 
Wartensleben,  die  die  Stadt  beherrschenden  Höhen,  welche  das 
Heranrücken  an  sie  erschwenen,  zu  besetzen.  Auch  die  für  eine  erfolg- 
reiche Verteidigung  viel  zu  schwache  östreichische  Besatzung  ver- 
stärkte er  nicht.  Alles  deutete  darauf  hin,  dass  er  seine  Streitkräfte 
nicht  noch  einmal  dem  Schicksal  einer  Schlacht  aussetzen,  sondern 
den  Feind  mit  der  Belagerung  von  Frankfurt  beschäftigen  wollte,  um 
ihn  dadurch  von  seiner  Verfolgung  abzulenken  und  die  geplante  Vcr- 
einigimg  mit  dem  Erzherzog  Karl  zu  bewerkstelligen. 

Kaum  verbreitete  sich  die  Kunde  von  diesen  Verteidigunj^s- 
massregeln,  als  sich  Volksmengen  auf  der  Strasse  und  besonders  an 
den  Thoren  zusammenrotteten  und  sich  in  Drohungen  und  Verwün- 
schungen über  die  Kaiserlichen  ergingen,  die  die  Stadt  unnötigerweise 


■  Akten  der  geheimen  Kriegsdeputation  Bd.  III. 
*  Ratsprotokoll  vom  7.  Juli  1796. 


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einem  Bombardement  und  vielleicht  einer  Plöndcrung  preisgeben 
wollten.  Der  R.u  turchtete,  d.iss  sich  der  Pöbel  zu  Thätlichkeiteii 
liegen  die  ostreichisclie  Garnison  limreisscn  lassen  würde  und  sucluc 
ihn  durch  einzchie  an  den  Thoren  postierte  Rätsmitglieder  zu 
beschivtchtigen.  Inzwischen  griff  er  zu  dem  einzigen  ihm  übrig 
gebliebenen  Mittel,  das  Schlimmste  von  der  Stadt  abzuwenden.  Hr 
sandte  eiligst  den  Obristen  von  Planitz  zum  Erzherzog»  Karl,  der  bei 
AschnHenburg  stand,  und  tlehtc  ihn  .ui,  durch  eine  mit  Jourdan  zu 
tretende  Uebereinkunft  die  Stadt  vor  einem  Bombardement  zu  schützen. 
Dieselbe  dringende  Bitte  richtete  er  an  den  östreichischen  Stadtkomman- 
danten und  den  General  Wanensleben.  Dieser  aber  Hess  sich  in 
seinem  Hntschluss  nicht  wankend  machen.  Auf  die  Vorstellungen, 
d.iss  Fr.inkfurt  j.i  keine  eigentliche  I'estung  sei,  dass  der  Feind  beim 
<;.iiizliclicn  ^^.lngel  an  Aussenwerken  bis  dicht  an  die  Mnuer  rücken 
und  sein  Geschütz  bei  der  Menge  »von  teuergeiahrlichen  Magazinen« 
von  den  verheerendsten  Wirkungen  sein  würde,  erwiderte  er  nur, 
dass  er  ohne  höhere  Ordre  die  Stadt  nicht  rSumen  dürfe.' 

Am  12.  Vormittags  zeigte  sich  der  Vortrab  der  Franzosen  auf 
den  nach  Friedberg  und  Bergen  führenden  Strassen  und  nötigte  die 
dort  aufgestellte  östrcichische  Reiterei  zum  Rückzug.  D.ir.iuf  rückten 
sie  ziemlich  nahe  an  die  Wälle  heran  und  setzten  sich  in  den  davor 
gelegenen  Gärten  fest.  Um  6  Uhr  abends  eröffneten  die  Üestreicher 
vom  Friedberger  Thor  aus  eine  lebhafte  Kanonade»  welche  von  den 
Franzosen  nur  matt  erwidert  wurde ;  einige  ihrer  Haubitzenkugeln 
fielen  in  der  Gegend  der  Zeil  und  Friedbergergassc  nieder,  ohne  vielen 
.Scli.iden  :in/urichten.  Nach  kurzer  Zeit  hörte  das  Schiessen  auf; 
zwei  fr.inzo.sisclie  I'arl.imentäre  erschienen  unmittelbar  nach  einander 
und  wurden  mit  verbundenen  Augen  vor  den  Kommandanten  geführt, 
der  aber  die  Aufforderung  zur  Uebergabe  abwies. 

Die  Bürgerschaft  ihrerseits  hatte  General  Kleber,  den  Komman- 
danten des  Bdagerungshe^es,  durch  eine  Deputation  gebeten,  die 
Beschicssung  so  lange  zu  unterbrechen,  bis  I'lanitz  vom  Erzherzog,' 
Karl  zurückgekehrt  wäre.  Krsterer  traf  in  AschalTenburg  den  öst- 
reichischen General  Wcrnecke,  der  ihm  bemerkte,  Frankfurt  müsstc 
dem  Operationsplan  gemäss  mit  allem  Nachdruck  verteidigt  werden ; 
übrigens  würde  er  erst  so  spät  den  Erzherzog  erreichen  können,  dass 
sich  inzwischen  das  Schicksal  der  Stadt  wohl  längst  entschieden  habe. 


•  .\kten  der  Dep.  Bd.  V.  —  ,\uch  an  den  fGoister  Hardenberg  hatte  sich  die 
Stadt  gewandt,  doch  lief  dessen  Bitte  um  Schonung  Fr«nk<urts  bei  Jourdan  erst 
am  i8.  ein  (Militaria  XIII,  4). 


-   156  - 


Und  so  war  es  auch.  Kleber  ging  auf  die  Bitten  der  B&rgerschaft 
nicht  ein,  setzte  vielmehr  kurz  vor  2  Uhr  nachts  das  BomW- 
dement  aus  zwei  vor  dem  Eschenheimer-  und  Friedbergertbor  hmter 
Gartenhäusern  errichteten  Batterien  fort.  Diesmal  hatte  das  Feueni 
mehr  Wirkung;  einige  Haubitzen  zQddeten,  und  mehrere  Einwohner 
wurden  in  den  Betten  getödtet'  Nach  einer  Stunde  stellten  die 
Franzosen  das  Schiessen  ein.  Diese  Ruhepause  benützte  der  Rat, 
um  durch  abermalige  Deputationen  von  dem  feindlichen  Oberbefehls- 
haber einen  WafTenstillstand  zu  erbitten.  Jourdan  wollte  zuerst  davon 
nichts  hören.  Das  Wohl  seines  Heeres,  bemerkte  er,  gestatte  ihm 
nicht  den  mindesten  Aufschub,  den  Erzherzog  Karl  durch  Heran- 
ziehung der  sächsischen  Truppen  ausnützen  würde;  nur  die  schleunigste 
Uebergabe  könne  die  Stadt  retten,  deren  Einnahme  er  sonst  durch 
Beschiessen  und  Sturmlauf  erzwingen  müsse.  Schliesslich  bewilligte 
er  doch  einen  sechsunddreissigstündigen  Waffenstillstand. 

Kaum  kehrten  die  Abgesandten  mit  dieser  Nachricht  in  die 
Sudt  zurück,  als  ein  grosser  Teil  der  Bevölkerung  seine  Habselig- 
keiten eiligst  zusammenraffte  und  sich  unter  lautem  Jammern  und 
Klagen  über  die  Mainbrücke  nach  Oftenbach,  Hanau  und  Wilhefansbad 
flüchtete,'  während  die  Zurückgebliebenen  sich  mit  ihren  Kostbar« 
keiten  in  den  Kellern  bargen;  denn  die  fortgesetzten  Verteidigungs- 
anstalten der  Kaiserlichen,  sowie  die  in  allen  Quartieren  in  Bereit- 
s  c  h  a  f t  gehaltenen  Wassereimer  und  Feuerspritzen  Hessen  das  Schlimmste 
befürchten. 

Unter  den  wechselnden  Gefüiilen  von  Hoffnung  und  Furclu 
verstrich  der  12.  und  der  grösste  Teil  des  13.  Juli,  während  welcher 
Zeit  Kleber  zwischen  dem  Hschcnheimer-  und  AUerheiligenthor  drei 
Batterien'  errichten  liess.    Wiederum  gingen  Parkmemäre  und 


'  Im  Ardiiv  bclindet  aich  kciu  Ikriciit  über  die  Be&ciiiessung ;  ich  lube  bcuuui: 
1)  die  Kaiserliche  Rdehsoberpostamtszdtung  vom  18.  Juli  1796  No.  11.  2}  »Kune 
Ntthricht  von  der  Besehiessung  und  Uebergabe  der  Stadt  Frankfun  am  Main  an  (fie 

französischen  Truppen  im  Juli  1796,«  abgedruckt  in  Frankfurter  l-aniilicnblätter  1867 
No.  152  ff.  und  Didascalia  1846  No.  1901!'.  5)  »Geschichte  des  lionib;irdcments  und 
der  Besitznehmung  von  der  Stadt  I-rankfurt  am  Main  etc.«  Frankfurt  1796  (^enthält 
eine  Ansicht  der  Judengasse  nadi  dem  Brande).  N'ergl.  auch:  Die  Bomhdmer 
Haide  in  örtlicher  und  geschichtlicher  Beziehnng  von  Pfarrer  GoUhard  in  Mit- 
teilungen des  Vereins  für  Gesch.  und  Aherth.  Bd.  III,  129;  schliessUch  auch:  Fr.snk- 
furt  am  Main  im  Jahre  1796  von  HejTier  S.  i9ff.  und  de«  Brief  der  Mutter  Goethes 
an  ihren  Sohn  vom  22.  Juh,  S.  104—106. 
'  S.  den  erwähnten  Brief,  l.  c 

)  Die  Hauptlntierie  befand  sich  auf  dem  jetzigen  Kirchhofswege,  etwas  höber 
ab  der  Keuhof;  Heyner,  S.  3},  Anmerkung. 


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-   157  - 


Deputationen  erfolglos  hin  und  lier.  Kleber,  der  sehr  wohl  die 
Absicht,  ihn  nur  hinzuhalten,  erkannte,  hracli  am  Abend  des  15.  Juli 
unter  fürchterlichen  Drohungen  die  Unterhandlungen  ab,  und  um 
II  Ulu-  nachts  eröffneten  die  Franzosen  aus  allen  Batterien  eine 
schreckliche  Kanonade.  Em  entsetzlicher  Granatenregen  m$  achtzehn- 
und  vienmdzwanziRpföndtgen  Haubitzen  traf  die  zwischen  dem  Eschen- 
heimerthor,  der  Katharinenkirche,  dem  Friedberger-  utKl  Allerbdligen- 
thor  gelegenen  Stadtteile.  Bald  brach  an  mehreren  Orten  Feuer 
aus,  das  sich  rasch  verbreitete,  da  sich  zuerst  niemand  auf  die  Strasse 
zum  Löschen  wagte.  Am  meisten  litt  die  Judengassc;  wegen  des 
nahe  gelegenen  Zeughauses,  in  dem  man  Pulvervorräte  vermutete, 
bildete  »e  ein  besonderes  Zielobjekt.  Ueber  vienindzwanzig  Standen 
wütete  hier  das  Feuer  ungehemmt,  da  der  grösste  Teil  der  Juden» 
Schaft  sich  aus  Furcht  vor  Plünderung  tags  zuvor  gerettet  hatte,  und 
so  fielen  die  reichen  Warenvbrräthe  schutzlos  dem  wütenden  Ele- 
mente zum  C^pfer;  über  hundertundvierzig  Häuser  vom  Eingang  in 
die  l-.ihrgasse  bis  zur  Synagoge  brannten  bis  auf  den  Grund  nieder. 

Nach  zw«  Stunden  hörte  das  Schiessen  auf;  jetzt  erst  konnten 
Anstalten  zum  Ldsdien  getroffen  werden.  Der  menschenfreundliche 
Kleber  unterstützte  das  Werk;  er  schickte  aus  den  benachbarten 
Ortschaften  drei  Feuersprit;?en  mit  120  unbewaffneten  Franzosen  als 
Löschmannschalt,  die  aber  nicht  in  die  Thore  eingelassen  wurden. 
Es  war  ein  Glück,  dass  in  dieser  Nacht  vollkommnc  Windstille 
herrschte.  So  gelang  es  endlich  den  nnermüdlichen  Anstrengungen 
der  BQrger  und  der  Unerschrockenheit  und  Todesverachtung  der 
Tschaikisten'  —  das  östreichische  Linienmilitär  zdgte  sich  hingegen 
sehr  lässig  —  des  entfesselten  Elementes  Herr  zu  werden  und  eine 
Einäscherung  der  ganzen  Stadt  zu  verhindern.    Immerhin  war  der 
Schaden  bedeutend  genug.    Im  ganzen  waren  156  Häuser  völlig 
niedergebrannt  und  viele  beträchtlich  besdiädigt;  besonders  hatten 
die  Dacher  auf  der  Zeil,  der  Allerheiligen«,  Friedberger-,  Tönges-  und 
Schnurgasse  gelitten.   Dagegen  war  der  Verlust  an  Menschenleben 
ein  auffallend  j^cringcr;  nur  drei  waren  t;cTntcT,  viele  aber  durch 
herabstürzende  Balken  gefährlich  verwundet  worden.    Gegen  2  Uhr 
nacLts  s.indte  die  Stadt  abermals  eine  Deputation  zü  Wartcu^lcbcn. 
Der  ganze  Horizont,  nur  ein  Flammeascbein,  spradi  deutlidi  genug 
för  ihre  traurige  Lage.  Der  General  versichene  sie  sogleich  beim 


'  Matrosen  dner  sor  kaberlichen  Besatzung  in  Mainz  gehörigen  Flotille;  ihr 
Komninndant  war  Obcrstlieuienant  Williams.    Der  Rat  liess  zur  Aneriwiraung 

djifür  später  Geld  an  sie  austeilen. 


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I 


-   158  - 

Eintreten»  dass  die  Unterhandlungen  zwischen  ihm  and  Kleber  sicher 
zu  einem  endgiltigen  Resultat  führen  wdrden;'  in  zweimal  24  Stunden 
werde  er  Frankfan  räumen,  Sachsenhaosen  dagegen  noch  besetzt 
halten.  Wie  er  nun  selbst  diese  Frist  zur  Hinwegschaifung  seiner 
Magazine  benutzen  wolle»  so  empfahl  er  der  Börgerschaft,  auch  ihre 
Habe  inzwischen  in  Sicherheit  zu  bringen.  In  der  That  wurde  jetzt 
eine  Verständigung  zwischen  Kleber  und  Wartensleben  er»elt.  Ersterer 
konnte  nichts  weniger  wünschen  als  eine  gänzliche  Zerstörung  der 
Stadt»  auf  deren  reichliche  Vorräthe  seine  Taschen  durchaus  ange- 
wiesen waren;  Wartensleben  Ijingegen  hatte  durch  die  Belagerung 
erreicht,  was  er  von  Anfang  an  bezweckte:  er  hatte  Zeit  gewonnen. 
So  wurde  die  Kapitulation  am  14.  Juli  um  7  Uhr  Morgens  vom 
Kaiserlichen  Obristen  Baron  von  Brady  und  General  Kleber,  den  BevolU 
mächtigten  Wartenslebens  und  Jourdans,  zu  Bomheim  unterzeichnet 

Die  drei  ersten  Artikel  derselben  lauten : 

i)  Vom  Augenblick  der  Unterzeichnung;  der  Kapit  1  r.ion 
beginnt  ein  48  stündiger  Waffenstillstand  zwischen  der  Kaiserlichen 
und  der  französischen  Armee  auf  beiden  Seiten  der  Kinzig,  welche 
ihnen  zur  Demarkationslinie  von  ihrer  Mündung  in  den  Main 
bis  zu  dessen  Mündung  in  den  Rhein  dienen  wird. 

2}  Nach  Ablauf  der  48  Stunden  werden  die  Truppen  der 
Republik  sogleich  die  Thore  der  Stadt  in  Besitz  nehmen,  mit 
Ausnahme  der  Sachsenhäuser  Thore,  welche  ihnen  nicht  eher 
übergeben  werden,  als  bis  der  Kachtrab  der  Kaiserlichen  Armee 
die  Stadt  gänzlich  verlassen  haben  wird. 

3)  Die  jetzige  Garnison  Frankfiins  nimmt  ihre  Artillerie  und 
Munition  mit  und  zieht  mit  Waffen  und  Bagage  aus  der  Stadt. 


'  Akten  der  Dep.  Bd.  V.  —  Noch  nni  späten  Abend  hatte  Wartonsieben,  den 
dringenden  Vorstellungen  einer  Deputation  nacliycbcnd,  bei  welcher  sich  auch  der 
Senior  der  Frankfurter  GebtÜehkdt,  Dr.  Hufnagel,  befand,  den  Obersten  Brady 
nach  Frankfurt  gesandt  mit  der  Volbnadit,  sich  in  das  französische  Lager  zu  b^ebcn 
und  mit  Kleber  die  Kapitulation  zu  vereinbaren.  Aber  ein  eigcntümliclier  Unstern 
schwebte  über  dieser  Sendung.  Am  Affcnthorc  ru  Sachsenhausen  angelangt,  konnte 
Brady  erst  nach  langem  Aufenihalte  vor  demselben  Einlass  erhalten;  eine  weitere 
Verzögerung  entstand  dadurch,  dass  «uerst  niemand  den  Obersten  zum  Stadt- 
kommandanten vorzulassen  wagte,  der,  durdi  die  Anstrengungen  des  Tages  erschöpft, 
aufs  strengste  verboten  hatte,  ihn  vor  ii  Ulir  abends  tu  wecken.  Schliesslich, 
nachdem  er  doch  vom  Stadlkomni.inJ-uitcn  ciupl,uif,'eti  worden  war,  verfehlte  Br.idy 
den  ^Veg  nach  Bürnlicim,  woselbst  er  erst  zwei  Stunden  nach  Heginn  des  Bom- 
bardements eintraf  und  dessen  sofortiges  Aufhören  veranlasste.  Vgl.  Heyner  S.  st 
und  22,  wie  auch  die  Anmerkung  auf  S.  22. 


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-    159  - 


Als  vierten  Artikel  hatte  Wartensleben  vorgeschlagen:  Das 
Eigentum  der  Einwoboer  soll  respektiert  und  gesichert  werden. 
Wegen  ihres  vorherigen  Betragens  soll  ihnen  weder  Strafe  auferiegt 
noch  ein  Vorwurf  gemacht  werden.  Dazu  bemerkte  Kleber:  »Die 
Einwohner  haben  sich  in  dieser  Hinsicht  auf  die  grossmfitige 
Gesinnung  der  Franzosen  zu  verlassen,  die  sie  in  der  Proklamation 
des  kommandierenden  Generals  Jourdan  an  die  Bewohner  des  rechten 
Kheinufers  ausgedruckt  6nden  werden.  Obrist  von  Brady  wird  die 
Güte  haben,  ihnen  einige  Exemplare  davon  zuzustellen«/ 

Die  Warienslebensche  Fassung  des  Anikels  4  erregte  heftigen 
Unwillen  in  der  Bürgerschaft.  Als  noch  obendrein  der  General 
von  Isenburg  aus  schrieb,  nur  um  dem  löblichen  Magistrat  einen 
Beweis  seiner  Ergebenheit  und  seiner  Anteilnahme  an  dem  Schicksal 
der  Stadt  zu  geben,  hätte  er  Artikel  4  in  den  Kapitulationspunk teii 
vorgeschlagen,  erwiderte  der  Rat,  dass  er  ihm  wenig  Dank  dafür 
wisse;  damit  hätte  er  ja  die  gegen  die  Stadt  ausgestreuten  Verleum- 
dungen ge Wissermassen  bestätigt. 

Auch  sonst  flösste  die  Kapitulationsurkunde  die  höchsteBesorgniss 
ein.  Sie  sistierte  ja  die  militärischen  Operationen  nur  auf  zwei  Tage; 
Sachsenhausen  blieb  noch  im  Besitz  der  Oestreicher,  w  eiche  auf  die 
Sachsenhäuser  Brücke  Geschütze  gegen  Frankfurt  auffuhren  und  die 
jenseits  des  Mains  gelegenen  Wälle  und  Anhöhen  besetzten.  Wartens- 


'  Die  Proklamation  ist  abgedruckt  in  »Geschichte  des  Bombardements  u.  s.  \v.« 
S.  II— 1}.  —  Jourdaus  Bericht  an  das  Direktorium,  datiert  Bonames  le  26  Mcssidor 
(=  14.  Juli)  Tan  IV,  wie  er  im  Moniteur  vom  2.  Thenntdor  Nr.  302  erschieo» 
üuiet; 

Lc  2)  (—  13.  Juli)  les  nugistrats  de  Fr.incfort  furenl  sommis  de  nous 
ouvrir  los  pories  de  la  ville:  les  Autrichicns  qui  v  avaient  garnison,  s'y 
opposcrent  de  maniere  que  toute  la  journee  se  passa  en  deputations  des  nia- 
gistrats  de  Francfort  piH  de  nous  et  des  gäitraux  autridiiens,  mais  comme 
Tennemi  paraissait  vouloir  eontinüer  ä  oocuper  cette  ville,  notre  artillcrie 
commen^a  ä  faire  feu  i  dix  heures  du  soir.  Ricnt^t  un  quartier  de  la  ville 
fut  incendii;  alors  les  Aiitricliiens  nous  ont  lait  des  propositions,  et  ii  a  ite 
sigiic  une  capitulation  dont  vous  irouvercz  ci-joint  copie,  et  d'aprcs  laqucllc 
nous  entrerons  aprte-demain  ä  Francfort  Les  troupes  ont  combattu  dans 
toutes  ces  actums  avec  leur  courage  ordinaire. 

Beigef&gt  ist  diesem  nodi  der  Bericht  des  Kriegslconmitssars  bei  der  Maüs- 

und  Sambrcarmcc  Joubcrt: 

L'cniiemi  n'a  point  rcsistc  aiusi  qu'oii  lo  crovait,  dans  la  position  de 
Bergen;  il  eil  euirc  dans  I  rancfori,  ou  il  a  annoncc  une  defense  qui  nc 
fwuvait  avoir  pour  objet  que  Tivacuation  de  ses  magasins.  .  . .  Les  habitans 
nnt  envoy6  hier  plusieurs  deputntions  nux  g^n6raux  Kleber  et  Jourdan  pour 
obienir  qu'on  nc  tirät  point  sur  leur  ville. 


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leben  erklärte  aaf  Befragen,  Sachsenbausen  ohne  höheren  Befehl  nicht 
räumen  zu  -wollen.  Da  somit  der  unglQckUchen  Stadt  eine  abenxialige 
Beschiessung,  diesmal  von  ihren  seitherigen  Veneidigern,  zu  drohen 
schien,  so  wandte  sie  sich  noch  einmal  an  den  Erzhenog  Karl.  In 
ergreifendem  Tone  beschwor  sie  ihn,  die  Feindseligkeiten  auf  ihrem 
Gebiete  gänzlich  einzustellen,  da  sie  die  Geissei  des  Krieges  schon 
genugsam  empfunden  habe.  »Sollte  die  Wahl-  und  Krönungsstadl 
unseres  allergnädigsten  Kaisers,  die  dem  Handel  Deutschlands  Leben 
gibt,  nicht  Ansprüche  auf  Barmherdgkeit  und  Schonung  haben? 
Sollte  Euer  edles  und  menschenfreundliches  Herz  gegen  das  laute, 
bis  zum  Himmel  steigende  Wehklagen  der  unglücklichen  Bewohner 
sich  verschliessen?«  schrieb  sie  ihm.' 

Doch  Wartensleben  dachte  gar  nicht  ernstlich  daran,  sich  in 
Sachsenhausen  festzusetzen;  die  darauf  bezQglichen  Anstalten  sollten 
nur  die  Franzosen  über  seine  wahren  Absichten  irre  führen.  Er  hatte 
ja  vom  Erzherzog  Karl  den  gemessenen  Befehl  erhalten,  vor  dem 
Feinde  zurQckzuveichen  und  sich  um  jeden  Preis  mit  ihm  zu  ver- 
einigen.  Des  Erzherzogs  Absicht  war  nämlich,  nachdem  er  das 
Vordringen  Moreaus  in  Söddeutschland  nicht  hatte  verhindern  können, 
die  gesamten  östreichischen  Truppen  zu  einer  überlegenen  Armee 
zu  vereinen  und  zunächst  Jonrdan,  dann  Moreau  zu  schlagen.  So 
verliess  jetzt  Wartensleben  Sachsenhausen  und  richtete  seinen  Marsch 
nach  Osten. 

Der  Kapitulation  gemäss  rückten  die  Franzosen  am  t6,  Juli  früh 
um  7  Uhr  in  die  Stadt  ein.  Ihnen  voraus  ging  eine  Proklamation  des 
Divisionsgenerals  Bonnard,  in  der  er  nochmals  versicherte,  das  Eigen- 
tum der  friedlichen  Bewohner  zu  respektieren  und  kerne  der  Mass- 
regeln  versäumen  zu  wollen,  welche  zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung 
nötig  wären.  Dagegen  drohte  er  mit  den  hänesten  Strafen,  falls 
die  Einwohner  sich  Feindseligkeiten  gegen  seine  Truppen  erlauben 
würden.  Und  Bonnard  und  sein  Nachfolger  hielten  Wort.  Abge- 
sehen von  Exzessen  einzelner  französischer  Soldaten  beim  Betreten  der 
Stadt  und  später  beim  Wegzug  Hessen  sie  sich  in  Frankfurt  keinerlei 
Ausschreitungen  zu  Schulden  kommen;  zwischen  ihnen  und  den 
Bürgern  herrschte  ein  leidliches  Verhältniss.  Starke  Patrouillen 
durchzogen  während  der  Kacht  die  Strassen,  und  die  Hauptwache 
erhielt  die  Anweisung,  jedem  von  französischen  Soldaten  insultierten 
Bürger  auf  Wunsch  sofort  Beistand  zu  leisten.* 


*  Akten  der  Dep.  Bd.  V. 

'  Der  darauf  bci^gliche  Erlass  des  Stadtkommandanten  Daraaud  ist  abgedruckt. 


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-  i6i  - 


Das  Gros  des  französischen  Heeres  verweilte  nur  kurze  Zeil  in 
Frankfun,  da  Jourdan  sich  rasch  gegen  Warcen$leben  wandte;  als 
Besatzung  blieben  sechs  Bataillone  zurück. 

Eine  der  ersten  Handlungen  der  1-ranzosen  gleich  nach  ihrem 
Einrücken  in  die  Stadt  war,  das  st.'iJtiscIic  Militär  zu  entwaffnen 
und  seines  Dienstes  zu  entheben,  I^bcnso  nuissten  s.'lmtÜchi.-  Bürger 
ihre  Waffen  im  Rathause  abliefern;  auf  die  Verheimlichung  derselben 
ward  Todesstrafe  gesetzt.'  Darauf  nahm  der  Generalkrie^skonimissar 
Oubreton  die  ehemals  Kaiserlichen  Magazine  als  angeblich  feindliches 
Eigentum  in  Beschlag.  Vergebens  wies  man  ihm  nach,  duss  die 
Stadt  diese  um  d^n  Preis  von  200,000  GuULn  käuflich  an  sich  gebracht 
habe;  Dnbrcton  wollte  sich  nicht  übcr/cui^cit  lassen.  Es  fehlte  der 
Maas-  und  Sambrearmee  an  dem  nötigsten;  ihre  Verpflegung 
lies»  alles  zu  wünschen  übrig,  da  sich  das  Proviantwesen  im  denkbar 
schlechtesten  Zustande  befand;  von  Paris  hatte  man  bei  der  Leere- 
des  Staatsschatzes  wenig  zu  erwanen,  und  so  musste  der  Krieg  den 
Krieg  ernähren.  Frankfurt,  von  dessen  Reichtum  man  die  über- 
triebensten Vorstellungen  hatte,  sollte  alle  Bedürfnisse  des  französischen 
Heeres  decken.' 

Nachdem  Dubreton  die  von  der  Stadt  vorläufig  geleisteten 
Naturallieferungen  in  Empfang  genommen  (sie  bestanden  in  joooo 
Broten  h  3  Pfund,  ^000  Centner  Heu,  4000  Centner  Stroh,  3000 
Centner  Hafer,  30000  Pinten  Branntwein,  200  bespannten  Wagen, 
einer  grossen  Anzahl  von  Schuhen,  ausserdem  noch  Landkarten)  und 
ihr  die  drückende  Verpflichtung  auferlegt  hatte,  bis  auf  weiteres  der 
französischen  Armee  täglich  30000  Brote  zu  backen,  trat  Jourdan 
gleich  am  17.  Juli  mit  Forderungen  an  den  Kat  heran,  die  dessen 
schlimmste  Befürchtungen  bei  weitem  überstiegen. 

Zunächst  verlangte  er  eine  Kontribution  von  sechs  Millionen 
Livres  in  bar,  ferner  Kleidungs-  und  Kquipierungsstückc  im  Werte 
von  iVs  Millionen  und  Lieferungen  für  den  Dienst  der  Artiiieric  im 


in  uGcschichtc  Jc^  Bunib.irileiiietus«  S.  18.  Weitere  Frl.is^f  Jcs^elbei»,  die  Strasscn- 
rcinigung,  luciidiciic  belcuclitung  u.  s.  w.  bcirctTcnd,  linucit  bich  cbcnUASclb&t  S.  16  — 
20.   S.  auch  MiUtaria  X,  i.  Remericen  will  ic)i  hierbei  noch,  dass  der  Stadt* 

kommamlant  D.irn;ttid  .im  1.  ,»\ii«Tii';t  die  lirdiTnung  des  The.iten>  gestattete  »bien 
cutendü  qu'il  nc  sera  jouc  quo  des  pieces  non  contraires  au  principe^  lran(,'ais.8 
Vgl.  Miliiaria  X,  i. 

•  Nur  die  R.it'^miti^licdcr  durften  ilirc  \\'.UTl:\  beh-iltcn. 

•  Joubcrt  schrieb  bei  dieser  (»elegetiheit  an  das  iiirektoriuin :  »Noiis  alioiis 
lUNis  occuper  de  toutcs  Ics  mcsmes  n^cessaires  ponr  procurer  i  la  R^publique  tous 
lc%  avanugcs  qu'clle  doit  aitendre  de  ta  conqntie  de  cette  grande  villc.«  S.  Moniteur  U  c> 

II 


r 

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Werte  von  einer  halben  Million,  schliesslich  hundert  schöne  Reit- 
pferde für  die  höheren  Offiziere.  Die  zum  Unterhalt  der  Truppen 
sclion  geleisteten  und  etwa  noch  zu  leistenden  Naturalien  sollten  in 
dieser  Kontribution  niciit  einbegriffen  sein.  Ein  Drittel  derselben 
sollte  schon  den  nächsten  Tag,  das  zweite  Drittel  in  zehn  Tagen, 
der  Rest  bis  zum  6.  August  abgetragen  werden ;  jede  Zögerung  würde 
iinnachsiciitig  eine  weitere  Erhöhung  der  Forderungen  zur  Folge 
haben. 

Wie  sollte  die  Stadt  diese  masslosen  Ansprüche  des  Feindes 
befriedigen?  liir  Wohlstand  hatte  durch  den  Krieg  und  die  dadurch 
eingetretene  Stockung  des  Handels  gelitten ;  überdies  hatten  sich  viele 
Chels  der  angesehensten  Bankhäuser,  sowie  der  grösste  Teil  der 
Judenschatt  aus  l  urcht  vor  der  Beschiessung  geflüchtet  und  damit 
ihre  materielle  Hilfe  dem  Gemeinwesen  entzogen.  Zunächst  wurde 
nun  den  Juden  durch  öffentlichen  Anschlag  in  Hanau,  Offenbach  ii.s.w. 
geboten,  sich  bei  Verlust  der  Stattigkeit  binnen  vierundzwanzig 
Stunden  in  Frankfurt  wieder  einzulindcn,  und  da  ihre  Häuser  um 
grössten  Teil  niedergebrannt  waren,  ward  ihnen  ausnahmsweise 
verstattet,  in  Bürgerhausern  ihre  Wohnung  zu  nehmen.'  Sodann 
traf  die  geheime  Kriegsdejiutation  umfassende  Anstalten  zur  Auf- 
bringung der  Kontribution;  unter  ilir  stand  die  Rechnungskommission, 
welche  die  Gelder  in  Empfang  zu  nehmen  und  abzuHefern  hatte. 
Noch  am  17.  Juli  forderte  erstere  in  einer  Proklamation  die  Bürger, 
die  Juden  sowie  die  Fremden  auf,  das  ihrige  zur  Rettung  des 
gemeinen  Wesens  beizutraL'en  und  gegen  vierpro/.cntige  Inicriins- 
obligationen  die  nöthigen  üeider  her/uleihcn;  dieselben  solUcn 
später,  wenn  die  Kontribution  erst  nach  dem  Vermögen  eines  jeden 
verteilt  wäre,  wieder  eingelöst  werden.  Von  dieser  Proklam^uion 
wurden  auch  die  abwesenden  Chefs  der  Rankhäuser  brieflich  in 
Kenntnis  gesetzt  und  von  ihrem  Patriuiisnius  das  Beste  erwartet.* 

Selb.stvcrständlicli  machte  die  Kriegsdepuiation  auch  Veisuciie, 
von  Joui  dan  einen  Hrlass  der  Forderungen  zu  verlangen.  Am  20.  Juli 
begab  sich  Bani.]uier  Meizler  in  ihrem  Auftrag  ins  französische  Haupt- 
quartier,' »um  das  Terrain  zu  sondieren  und  die  Kanäle  ausfindig  zu 


•  Docli  wurJe  ilnieii  der  Aufenthalt  in  den  ^cn.inntcn  Städten  vorlängen,  da 
bie  erklärten,  sich  keineswegs  den  allgemeiuen  Lasten  entziehen,  sondern  die  Urnen 
auferlegten  Beitrage  pünkdich  zahlen  xu  wollen. 

*  Es  waren  dies  Betfamann  in  Lüpng,  Heydcr  &  Comp,  in  Nörnberg,  Göll 
&  Mctzlcr  in  Ansbach.  Besonders  das  erstgenannte  Bankhaus  zeigte  einen  auf- 
opferndcn  Eifer. 

3  Akten  der  Dep.  Bd.  III. 


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-   i63  - 


machen,  durch  die  er  eine  Milderung  der  Bedingungen  auswirken 
könne,«  Wenn  er  Hoffnung  hätte,  auf  dem  einen  oder  anderen  Wege 
mittelst  Versprechungen  resp.  Bestechungen  zu  reüssieren,  so  sollte  er 
schleunigst  wieder  umkehren,  ohne  vorher  bestimmte  Geschenke 
anzubieten.  In  dem  Schreiben,  welches  er  Jourdan  zu  überreichen 
hatte,  Schilden  die  Deputation  die  tiefe  Niedergeschlagenheit,  in  welche 
die  Stadt  durch  die  unerschwinglichen  Forderungen  gesetzt  sei;  sie 
unterwerfe  sich  mit  Resignation  dem  Rechte  des  Siegers,  appelliere 
aber  zugleich  an  die  Gerechtigkeit  und  den  Edelmut  der  französischen 
Republik.  Die  Kontribution  stehe  in  keinem  Verhältnis  zu  den 
anderwärts  auferlegten.  Man  gehe  von  der  Ansicht  aus,  dass  der 
Reichtum  der  Stadt  unerschöpflich  sei.  Dem  sei  jedoch  nicht  so. 
Durch  den  Krieg  und  die  Custinesche  Kontribution  von  1792  hätten 
ihre  Finanzen  derart  gelinen,  dass  sie  jetzt  den  auswärtigen  Kredit 
in  Anspruch  nehmen  müsste;  ob  sie  dabei  Erfolg  haben  würde,  sei 
bei  der  gefährdeten  politischen  Lage  der  Stadt  mehr  als  zweifelhaft. 
Unverdient  sei  sie  verleumdet  worden;  stets  habe  sie  die  Freund- 
schaft und  das  Wohlwollen  der  grossen  französischen  Nation  gesucht 
und  sich  stets  fern  gehalten  von  der  Politik  der  grossen  Mächte.  Der 
Ruin  der  Stadt  —  dieser  wäre  eine  unausbleibliche  Folge,  falls 
Jourdan  die  Kontribution  in  vollster  Strenge  verlange  —  würde  stets 
ein  Flecken  an  dem  bis  dahin  so  reinen  Ruhme  Frankreichs  sein.  Die 
Deputation  bat  schliesshch  um  dreierlei:  um  Nachlass  der  Kon- 
tributionen, längere  Zahlungsfristen  und  einen  Schutzbrief  (sauve- 
garde),  damit  sie  während  der  Dauer  des  Krieges  von  weiteren 
Re<)uisitionen  verschont  bleibe. 

Metzlers  Mission  erzielte  nicht  den  geringsten  Hrfolg.  Jourdan 
erklärte,  die  Forderungen  entsprächen  den  reichen  Hilfsmitteln  der 
Stadt;  übrigens  habe  er  nur  die  ihm  vom  Direktorium  gewordenen 
Anweisungen  zu  befolgen;  eine  Milderung  könne  mm  nur  in  Paris 
direkt  erwirken.  Ebenso  ableimend  verhielt  sich  Dubreton.  Am 
21.  Juli  zahlte  ihm  die  Kriegsdeputaiion  eine  Million  Livres,  das 
bisherige  Ergebniss  der  Sammlungen.  Als  sie  aber  um  Nachsicht 
für  die  weiteren  Termine  bat,  da  der  gegenwärtige  Mangel  an  barem 
Oelde  sich  nur  allmählich  heben,  jede  Gewaltmassregel  aber  den 
öffentlichen  Kredit  schädigen  würde^  wollte  er  nichts  davon  wissen; 
er  beschwerte  sich  vielmehr  darüber,  dass  die  Naturallieferungen  noch 
nicht  in  seinen  Besitz  gelangt  wären,  und  drohte  sogar,  bei  längerer 
Zögerung  die  Lieferung  Auswärtigen  zu  übertragen  und  sie  mit 
der  Bezahlung  an  die  Stadt  zu  verweisen.    Schleunigst  übertrug  nun 

diese  die  Lieferungen  einem  der  angesehensten  Bürger,  der  sich  mit 

II* 


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—   164  — 


der  eigens  dazu  ernannten  Behörde,  dem  Approvisionierungsamt,  ins 
Einvemehmen  setzen  sollte.'  Auf  Anfragen  in  Paris  erfuhr  der  Rai, 
dass  die  Höhe  der  Kontribution  dem  Direktorium  nichts  weniger  als 
ungerecht  erscheine,  und  dass  daher  ein  Nachlass  nicht  zu  hoflco 
sei.  Zwar  nahm  der  Rat  jetzt  wieder  Hardenbergs  Vermittlung  io 
Anspruch,  der  auch  zu  dem  Versuche  bereit  war,  durch  den  preussisd« 
Gesandten  in  Paris  das  Direktorium  milder  für  die  Stadt  zu  stimineii; 
aber  der  preussische  Einfluss  war  im  Sinken  bcgrifTen,  und  die  Er- 
eignisse konnten  den  schwerfälligen  Gang  der  diplomatischen  Ver- 
mittlung  längst  fiberholt  haben.  Die  Stadt  gab  nun  fürs  erste  dk 
Hoffnung  auf,  eine  Erleichterung  der  ihr  auferlegten  Lasten  m 
erlangen.  Und  wenn  sie  im  Schreiben  vom  22.  Juli  dem  Kaiser  ilue 
Kotlage  klagte  und  ihn  »um  allerweiseste  Beberzigung  der  Mittel 
und  Wege  bat,  wodurch  sie  noch  zeitig  von  dem  gänzlichen  Unter* 
gang  möge  gerettet  werden,«  wenn  sie  ferner  durch  ihren  Vertreter 
auf  dem  Regensburger  Reichstage  ihre  bedrängte  Lage  allen  daselbst 
versammelten  kurfürstlichen  und  fürstlichen  Gesandtschaften  dringend 
ans  Herz  legte,'  so  that  sie  dies  weniger  in  der  Erwartung,  einen 
Erfolg  damit  zu  erzielen,  als  vielmehr,  um  sich  zu  entschuldigen, 
dass  sie  bis  auf  weiteres  ihre  reichs-  und  kreisständischen  Pflicktcn 
nicht  mehr  erfüllen  könne. 

Aber  während  die  Kriegsdeputation  sich  eifrigst  bemühte,  veiter 
bares  Geld  herbeizuschaffen,  wurde  sie  durch  tägliche  Neuforderungcn 
vonNaturallieferungen  und  Requisitionen  aller  Art  fast  in  Verzweiflong 
versetzt.'  Nun  stellte  sie  von  neuem  durch  Abordnungen  in  das 
französische  Hauptquartier,  durch  zahllose  Reklamationssclveiben  an 


'  Bericht  der  Kricgsdeputation  in  den  Akten  des  Einundfünfziger  Kollegs- 
Der  erwälmtc  Büri;cr  Imt  später  dns  in  ihn  gesctrtc  Vertrauen  <u  seinem  Privaivortc»! 
schnöde  gemissbraucht,  wotur  er  in  Untersuchung  kam. 

*  Seipens  Antwort  erfolgte  erst  am  31.  August.  Er  hatte  sich  dAriaT  be- 
schränkt, den  bedentendsien  Reichständen  ein  »littnnoire«  der  Stadt  «1  übcr^ben  und 
riet»  sich  an  Mainx,  Baden,  ßaiern  und  Saclisen  besonders  zu  wenden. 

'  In  den  letxKn  Tagen  des  Juli  wurden  nach  Fingers  Tagebuch  vom  Hi*t 
verlangt : 

2000  Ochsen, 
ioofioo  Pfund  Salx, 

loo.cx»  Pfund  Mehl, 
iO,oix>  Sacke  Hafer, 
ijO.üoo  Ccntner  Heu, 
iso^ooo  Cchund  Stroh, 
500,000  Maass  Branntwein, 
100,000  Maass  Essig. 


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die  verschiedenen  fran/usisclien  Hehörden  die  Unmöt^Üchkeic  dar,  dcr- 
j;lciclK'U  L.isten  .uitzubrinL;cii,  und  bie  set/te  \veni14stcns  durch,  dass 
Dubrcton  die  neuen  Requisitionen  von  Sachverständigen  abäcbauen 
Uess  und  beim  französischen  Kriegsminister  zu  beantragen  versprach, 
deren  Wert  von  der  noch  zu  leistenden  Kontribution  abzuziehen.' 
Aber  zu  einem  weiteren  Zugeständniss  verstand  er  sich  nicht.  Als 
die  B-irz-ihliint^en  für  kurze  7eit  stockten,  liess  er  in  der  Nacht  vom 
27.  auf  den  28,  Juli  ncht  MiiLjlicder  des  K.ues  in  iliren  Wohnungen 
auslicbcn  und  als  Geiseln  in  die  französische  Festung  Charleinuiit 
bringen/  »um  den  Magistrat  fOr  die  Schlaffheit  und  die  Nachlässig- 
keit, mit  welcher  er  den  ihm  von  der  französisclien  Regierung 
auferlegten  Verpflichtungen  nachgekommen,  /.u  züchtigenv.  Am 
nächsten  Tng  ward  zu  Jourd.in  nach  Schweinfurt  eine  Deputation 
.ibgesandt,  um  die  ireilassuni;  der  Geiseln  ru  erbitten'.  Sie  sollte 
darauf  hinweisen,  dass  einige  derselben  Häupter  von  Bankhausern 
wären,  deren  Kredit  gerade  jetzt  fbr  die  Stadt  von  höchster  Bedeutung 
sei;  dass  derartige  Massregeln  die  Bezahlung  der  Kontribution  völlig 
vereitelten,  da  sie  den  Kredit  der  Stadt  untergrüben.  Es  könne  doch 
unmöglich  die  Absicht  des  Direktoriums  sein,  ihr  Gemeinwesen  durch 
ein  derartiges  Vorgehen  zu  vernichten  (ecraser).  Aber  trotz  wieder- 
holter Versuche  konnten  die  Abgeordneten  keine  Audienz  bei  dem 
kommandierenden  General  erlangen.  Wegen  eines  Unwohlseins  wollte 
er  niemand  vor  sich  lassen.  Auch  in  Wßrzburg,  wohin  sie  ihm 
gefolgt  waren,  konnten  sie  ihn  nicht  sprechen,  so  dass  sie,  mutlos 
geworden,  ihr  Gesuch  seinem  Flügeladjutanten  fibergaben  und  nach 
JFrankfurt  zurückkehrten. 

Inzwischen  hatte  Dubreton  die  «Stadt  verlassen  und  sich  ins 
französische  Hauptquartier  begeben;  als  seinen  Nachfolger  hatte  er 
Huguier  zurückgelassen.  Dieser  war  zwar  in  der  Form  höflicher,  in 
seinen  Massnahmen  aber  noch  viel  rücksichtsloser  und  durchgreifender. 
Den  Vertretern  der  Stadt  bemerkte  er  dörr  und  trocken,  die  fran- 


'  Der  sehr  starke  sechste  Bsind  der  Akten  der  Dcp.  enthält  die  Korres» 
poadenz  mit  den  KriegskommisMren  Dubreton,  Huguier,  Blunchon,  dem  General- 
Zahlmeister  Scitivnu\,  ilcm  M-if^a/innirschcr  Sihiilc,  dem  Get)cr.iliiispck:or  V:inc1rivcr, 
ferner  mit  deoi  komniandircndcii  General  Jourdan,  sowie  den  Generälen  Ernüuir 
und  Marceau. 

*  Es  %v.ircn:  die  Schöffen  v.  Hunibrjcht,  v.  Hulzh.iuscn,  v.  B.irkhau$cn,  Mciors, 
Dr.  Hctzlcr,  Andrcae,  Stcit/.  und  Dr.  Schlosser.  Den  Befehl  zur  Festuahnie  der 
Geiseln  s-  Anhang  No.  I.   Vgl.  auch  Fingers  Tagebucli  S.  ii^j. 

1  Rngffs  Tagclmch  1.  c. 


-   i66  — 


zösische  Armee  sei  von  Geldmitteln  ganz  und  gar  entblösst,  die 
Krie,L;skommissarc  bcsiiirme  man  stündlich  darum  und  übcrhautc  sie 
mit  Vorwürlen,  dass  sie  gegen  den  besiegten  Feind  7.u  nachsichtig 
seien.  Deshalb  werde  er  auch  vor  den  verhasstesten  und  gewali- 
thätigsten  Schritten  nicht  zurückschrecken,  um  seiner  Pflicht  zu 
genügen:  »teilen  sie  das  Ihren  Bürgern  mit,  besonders  den  Reichen, 
die  ein  Interesse  Iraben,  das  Ungcwitier  zu  beschworen,  das  sonst  in 
Bälde  sich  über  sie  entladen  wird.«'  Doch  liess  er  sich  bestimmen, 
bis  auf  das  Eintreffen  des  Jourdan'schen  Bescheides  zu  warten.  Den- 
selben erhielt  der  Rat  nm  6.  August  ;  er  zerstörte  auch  die  letzte 
Hoffnung.  In  brüskem  Ton  schlug  der  tranzüsische  Überbefehlshrrber 
das  Gesuch  ab,  da  er  es  nach  sorgfältiger  Prüfung  unbegründet 
gefunden  habe.  Fester  denn  je  sei  er  davon  überzeugt,  dass  nur 
übler  Wille,  den  er  aber  durch  alle  Mittel  der  Strenge  zu  vertreiben 
wissen  werde,  den  Rat  hindere,  den  Verpflichtungen  nachzukommen. 
Zum  Schluss  verbat  er  sich,  ihn  noch  weiter  mit  Schreiben  oder 
Gesandtschaften  zu  behelligen. 

Der  Rat  wusste,  dass  Jourdan  und  Huguier  es  nicht  bei  leeren 
Drohungen  bewenden  lassen  würden.  Er  strengte  darum  seine 
äusser.sten  Kräfte  an,  das  nötige  bare  Geld  aufzubringen;  aber  die 
eingegangenen  Summen  konnte  er  nur  zum  geringeren  Teil  zur 
Abzahlung  der  Kontribution  verwenden,  da  die  fast  taglich  in  immer 
grösserer  Menge  von  ihm  verlangten  Requisitionen  zu  viel  Geld 
verschlangen.  Sogar  von  den  zur  Stadt  gehörigen  Dörfern  wurde 
eine  Auflage  von  100,000  Ccntncm  Mehl,  ebensoviel  Centnern  Sirob, 
Heu  u.  s.  w.  verlaugt. 

Somit  konnte  der  Rat  wiederum  den  Zahlungstermin  nicht  ein- 
halten. Die  Folge  davon  war,  dass  Huguier  diesmal  17  Bürger  in 
der  Nacht  vom  6.  auf  den  7.  August  festnehmen  und  gleichfalls  nach 
Charlemont  zu  den  8  bereits  früher  ausgehobenen  bringen  liess.* 


'  Der  Scliluss  seines  Briefes  versteigt  sich  2U  folgenden  phrasciiBafteit  Ex- 
klamationen:  Magistrats,  ptres  du  peuplc  .1  qui  voos  devex  tous  vos  soiti^  tonte 
votre  soIUcitude  en  retour  de  la  confiance  dorn  il  vous  honore,  pourrez-vous  saus 
crime  et  saus  phic  ctrc  insensibles  aux  maux  quc  vous  Ctcs  i  I.1  ville  d'cprouver. 
Et  ]es  plaintcs  et  Ics  larmes  de  vos  concitoycns  privcs  de  Icur  liberte,  wloignes  de 
leurs  ^ouses  et  de  leurs  enfants  ne  vous  engagcront-ils  pas  de  soulager  Icurs 
petnes  et  de  tout  tenter  poiir  l«s  rendre  ä  leurs  famDles  et  ä  leur  patrie?  Si  ces 
tantes  et  puissantes  considörations  ne  suffisaient  pas  pour  ihnouvoir  vos  ämes,  je 
vous  plains,  Messieurs,  et  je  me  tais  et  je  vous  laissc  ^  vos  remords.« 

*  Es  wnren  acht  der  angesehensten  R.usmitglieder :  v.  I.ersner,  v.  Utfonbach, 
V.  Ohleoschlagcr,  v.  Loen,  v.  Gündcrrode,  üonn,  Mühl,  ücherbius,  und  neun  aus 
der  Bürgerschaft :  Geh.  Rat  v.  WtesenhOtteii,  WlIbetniMannskopf,  Daniel  Brenllier, 


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-   i«7  - 


Ausbcrdcni  wurden  nocli  weitere  Sclireckenstiiassregcln  in  nahe  Aus- 
sicht gestellt.  Der  Rat  wollte  diese  nicht  erst  abwarten.  Die 
Proklamarion  vom  8.  August,  in  der  er  die  Börger  auf  den  Emst 
der  Lage  hinwies,  wurde  durch  die  Aufrufe  unterstützt,  welche  die 
Bürgerkapitäne  in  ihren  einzelnen  Quartieren  erlicssen.  Bei  dem 
Mangel  an  barem  Geld  sollte  jeder  sein  Silbergeschirr,  seine  Kost- 
barkeiten und  Staatspapiere  in  den  benachbarten  Orten  verpfänden 
und  das  su  erlangte  Geld  der  Stadt  gegen  \  ierpruzentige  Interims- 
Obligationen  fiberlassen.  Die  Besitzer  von  Wecfasdbriefen  kurzer 
Sicht  auf  Hamburg  oder  Amsterdam  sollten  diese  gleichfatk  gegen 
städtische  Obligationen  hergeben. 

Von  allen  Seiten  beeilten  sich  jetzt  die  Bürger  —  arme  sowohl 
wie  reiche  —  ihre  Scli.üze  zum  Besten  des  Gemeinwohls  herzugeben.' 
Auch  die  goldenen  und  silbernen  Kirchengeräte  wanderten  in  die 
Mfinze.*  So  konnte  am  lo.  August  die  Kriugsdeputation  die  erste 
Rate  von  zwei  Millionen  Livres  vollständig  berichtigen  und  ausserdem 
noch  eine  starke  Abschlagssiitiime  auf  die  zweite  Rate.  Abgesehen 
davon  hatte  sie  die  Refiuisitionen  und  Naturallieferungen  zum  grossen 
Teil  ebenfalls  entrichtet.  Am  22.  August  konnte  die  dritte  .Million 
voll  abgeliefert  werden.  Allerdings  ging  die  Kriegsdeputation  rück- 
sichtslos vor.  Diejenigen  von  den  reicheren  Bürgern,  welche  entweder 
gar  nichts  oder  zu  wenig  im  Verhältnis  zu  ihren  Mitteln  beigesteuert 
hatten,  wurden  durch  die  Drohung  einer  öiTentlichen  Bekanntmachung 
der  Subskriptionsliste  und  eventueller  Anwendung  von  Zwangsmass- 
regdn  eingeschüchtert,  so  dass  sie  schleunigst  das  Versäumte  nach- 
holten. Am  wenigsten  Umstände  machte  die  Kriegsdeputation  mit 
den  auswärtigen,  in  Frankfurt  begüterten  Stiftern.  Die  Erfahrung 
beim  Emfall  Custines  im  Jahre  1792  hatte  gelehrt,  dass  ein  Appell 
an  ihren  guten  Willen  ganz  fruchtlos  sein  würde.  Als  daher  einige 
der  Stifter  teils  gar  nichts,  teils  höchst  unbedeutende  Summen 
geben  wollten,  legte  die  Kriegsdeputation  trotz  aller  Proteste  Beschlag 
auf  die  Zinsen  und  Gefälle  des  Johanniterordens  und  des  St.  ßartho- 
lomäusstiftes.'  Die  übrigen  Stifter  und  t'reiliäuser  erhielten,  wie  die 


Thunicyssen  scn.,  H.irtmanii,  Anton  Schweitzer,  de  NeufviUe-Mannskopf  und  die 
Kommis  KViag  (für  Gontard)  und  Gwinner  (f&r  Hcyder).  S.  Fiagen  Tagebuch 
S.  i^. 

'  i-ingcr&  lagebuch  S.  198—199. 
*  Ebenda. 

J  Dieses  bcsass  in  der  Stadt  nicht  weniger  als  52  Häuser,  Ij  ständige  Kram- 
laden und  hüchii  anielmhclie  üCiier,  Gelaile  und  Zehnten.  Troudem  wollte  es 
ungeachtet  wkdetholter  Aufforderungen  nur  tojooo  Gulden  geben. 


-   i68  — 


Bürger  and  die  Lieferanten,  för  die  geleisteten  Beiträge  städtische 

Obligationen.' 

Auch  das  auswärtige  Kapital  suchte  man  heranzuziehen;  ni:in 
beabsichtigte,  eine  4 — 5  procentige  Anleihe  unter  Vermittlung  4r 
Bankhäuser  Bethmann,  Metzler  und  Heyder  in  Höhe  von  ein  bis  zwei 
Millionen  zu  kreieren.  Die  zuerst  mit  holländischen  Bnnquicrs  ge- 
pflogenen Unterhandlungen  blieben  resultatlos.  Man  wandte  sich  nun 
an  norddeutsche  Handelshäuser.  Schon  hatten  sich  einige  derselben 
zum  Zeichnen  bereit  erkärt;  da  wurden  sie  auf  den  kaiserlichen  Erlass 
vom  19.  Dezember  1792  ;iufmerksani  gemacht»  in  welchem  das  Reichs- 
oberhaupt jede  direkte  oder  indirekte  Unterstützung  des  Feindes  aufs 
strengste  verpönte.  Die  Frage,  ob  man  sich  beim  Kaiser  eine  Dis- 
pensation von  diesem  Erlass  auswirken  solle,  fand  rasch  ihre  Erledigung. 
Der  Kaiserliche  Minister  am  sächsischen  Hofe,  Graf  von  Elz,  Hess 
den  Frankfurter  Banquier  Bethmann,  der  sich  gerade  in  Leipzig  befand, 
zu  sich  bescheiden  und  erklärte  ihm  offiziell,  man  wOsste,  dass  er 
Geldnegoziaiionen  für  Frankfurt  eröffnen  wolle;  er  untersage  dies; 
kehre  sich  der  Rat  nicht  daran,  so  werde  das  Reichsoberhaupt  nach 
den  bestehenden  Keichsgesetzen  nicht  allein  Hab  und  Vermögen  der 
Ratsmitglieder,  sondern  sie  auch  persönlich  in  Anspruch  nehmen. 
Zugleich  verbot  der  Graf  sowohl  den  Leipzigern,  als  auch  den  sich 
daselbst  aufhaltenden  fremden  Banquiers,  sich  an  dem  Frankfurter 
Anlehen  irgendwie  zu  beteiligen.  Im  mittleren  und  westlichen 
Deutschland  hätte  man  sich  zwar  wenig  an  das  kaiserliche  Verbot 
gekehrt,  aber  der  öffentUche  Kredit  der  Stadt  litt  zu  sehr  unter  der 
Ungewissheit,  in  der  ihr  Schicksal  noch  immer  schwebte,  und  so 
hielt  sich  das  auswärtige  Kapital  von  Zeichnungen  fem. 

Bitter  bereute  man  jetzt  in  der  Stadt  den  Abbruch  der  Verhand- 
lungen 7.U  liasel ;  alle  Befürchtungen  Schweitzers  hatten  sich  nur  zu 
sehr  erfüllt.  Dass  unter  dem  niederschmetternden  Eindruck  der 
Ereignisse  seine  Partei  im  Rate  jetzt  die  Oberhand  gewann,  wird  man 
begreiflich  finden.  Da*^,  wogegen  sich  letzterer  noch  voriges  Jihr 
gesträubt  hatte,  ergriff  er  nunmehr  begierig  als  den  einzigen  Ausweg, 
um  den  gegen  den  Wohlstand  der  Stadt  geführten  Todessross  aiii/.u- 
halten,  nämlich  einen  Separatfrieden  mit  der  franzosischen  Republik. 
Die  noch  widerstrebende  Kaiserliche  Partei  fand  kein  Gehör;  nun 
wies  sie  hin  auf  die  Vorgänge,'  die  sich  soeben  in  Süddeutschland 


*  Die  Jadenschaft  hatte  den  Vorstehern  ihr  Vermögen  eidlich  anzogeben, 

worauf  diese  die  auf  jeden  fallende  Quote  f(M>i.i/tcn. 

'  Häusser,  II,  62  S.  und  Sybel«  Geschichte  der  Revolutioosxdt  II,  t;  i}^fL 


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—  1^9  — 


abspielten.  More.ius  Siege  und  sein  rasches  Vordringen  hatten  unter 
den  Ständen  daselbst  eine  allgemeine  Panik  verbreitet.  Wer  hatte 
da  noch  an  den  gemeinsamen  Reicbsverband  gedacht?  Jeder  hatte 
auf  eigne  Faust  durcli  ein  Abkommen  mit  dem  beutegierigen  und 
zuchtlosen  Feinde  Frieden  und  Schutz  zu  erlangen  gesucht.  Und 
wenn  dies  die  m.ichtigeren  Stände,  wie  Baden  und  Württemberg, 
ihaten,  sollte  da  das  ohnmächtige  Frankfurt,  ganz  isoliert  wie  es  war, 
die  Last  des  Krieges  allein  tragen,  bis  der  Ruin  seines  Wohlstandes 
gänzlich  besiegelt  wäre.^ 

So  wurde  Metzler  in  das  französische  Lager  geschickt,  um  fol- 
gendes auszuwirken:  Auslieferung  der  Geiseln,  unentgeltliche  Frei- 
lassung der  in  Mainz  stehenden  Frankfurter  Truppen  nach  der 
etw  li^^cn  Eroberung  der  Festung,  Einstellung  aller  der  Stadt  ange- 
drohten Zwniii^'smnssregeln  und  schliesslich  Neutralität  während  der 
ganzen  Dauer  des  Krieges.  Dagegen  sollte  er  die  Zahlung  von  «S  bis 
ig'/»  Millionen  Livres  teils  in  Geld,  teils  in  Naturalien  versprechen, 
und  zwar  dergestalt,  dnss  je  eine  Million  in  jedem  Monnt,  die  ganze 
Summe  also  in  8  bis  lo' Monaten  entriclitet  würde.  Um  seinem 
Gesuche  mehr  Nachdruck  zu  verleihen,  bewilligte  die  Kriegsdeputation 
Mctzlcr  »tür  die  erforderlichen  Nebcnausgnbcn«  400 — 500,000  I.ivres ; 
denn  man  wusste  zur  Genüge,  dass  die  Vertreter  der  Republik  gegen 
klingende  Grunde  nichts  weniger  als  unemphndlicli  waren.  Aber 
auch  diesmal  erreichte  Mef/ler  nichts.  Huguier  erklärte,  erst  müsse 
die  Stadt  den  letzten  Sou  bezahlt  und  alle  Nanirallieferungen  und 
Requisitionen  geleistet  haben,  ehe  man  eine  Konvention  mit  ihr 
in  Erwägung  ziehen  könne.  Iis  lag  ja  gnr  nicht  im  Interesse 
Frankreichs,  mit  der  Stadt  Frieden  zu  schliessen;  viel  mehr  Nutzen 
zog  man  aus  ihr,  so  lange  man  sie  noch  nls  Feind  behandeln  konnte. 
Das  wusste  der  Rat  sehr  wohl;  darum  verlangte  er  nun  von  Huguier 
Aufklärung  über  die  Zukunft  der  Stadt.  »Zerstreuen  Sie,«  schreibt 
er  ihm  am  24.  August,  «die  Unsicherheit  unserer  Lage,  geben  Sie 
bestimmt  die  Hohe  der  Lieferungen  an,  die  Sie  noch  von  uns  fordern 
werden,  oder  veranlassen  Sie  den  kommandierenden  General  dazu. 
Sollten  Sie  dies  aber  jetzt  noch  nicht  kcninen,  so  beruhigen  Sie 
wenigstens  das  Publikum  durch  die  öffentliche  Lrkhirung,  dass  unsere 
Massnahmen  und  .'\nstrengungen  uns  den  Anspruch  auf  Ihr  Vertrauen 
erworben  haben.  Dieses  wird  unsern  gänzlich  geschwundenen  Kredit 
wieder  beleben.«  Nach  langem  Sträuben  verstand  sich  Huguier  endhch 
dazu  und  formulierte  genau  seine  1  orderungen,  wobei  er  die  Ende 
Juli  verlangten  Naturallieferungen  zu  zwei  Millionen  in  bar  anschlug. 
Die  Stadt  hatte  somit  zu  entrichten:  drei  Millionen  bar,   zu  denen 


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—   lyo  — 


jetzt  noch  zwei  Millionen  hinzukamen,  femer  400—500,000  Livres 
als  Rückstand  von  den  1,500,000  Livres  an  Hquipierungsgegenständeo 
und  50C000  Livres  an  AusrOstungsgeqenständen  für  die  Artillerie. 
Dagegen  stellte  Huguier  in  Aussicht,  die  seit  dem  27.  Juli  gelebtetcn 
Requisitionen  in  Abrechnung  zu  bringen. 

Inzwischen  hatte  das  Kriegsglück  der  Franzosen  einen  jShea 
Umschlag  erfahren.  Dem  General  Wartensleben  war  di--  Vereinigung 
mit  Erzherzog  Karl  gelungen  und  damit  der  Französische  Operations- 
plan in  SüddeutschlanJ,  der  auf  einer  Wrbindung  der  Truppen 
Jourdans  mit  Moreau  beruhte,  gescheitert.  Am  22.  und  24.  August 
griff  der  Erzherzog  die  heranrückenden  Kolonnen  Jourdans  an  und 
schlug  sie  in  einer  Reihe  von  Gefechten.  Die  Niederlage  bei  Würz- 
burg am  3.  September  führte  zur  völligen  Auflösung  der  Maas-  und 
Sambre-Armee.  üebcrall  in  den  Dörfern  und  Städten  erhob  sich 
nun  das  Volk,  um  Rache  an  seinen  Peinigern  zu  nehmen.  Mit 
Sensen,  Heugabeln  und  Dreschflegeln  ging  es  den  zerstreuten  fran- 
zösischen Heeresabteilungen  entgegen  und  suchte  in  deren  Nieder- 
met'/ching  der  lang  aufgesparten  Erbitterung  Luft  zu  machen.'  Durch 
Jourdans  Rückzug  wurde  auch  die  Position  der  Eranzosen  in  Frankfurt 
gefäiirdet.  Setzte,  was  zu  erwarten  stand,  der  Erzherzog  «;cine  Ver- 
folgung weiter  fort,  und  griff  die  Volksbewegung  weiter  um  sich, 
so  w.ircii  sie  verloren.  Um  so  mehr  beeilten  sie  sich,  die  ihnen 
noch  übrig  bleibende  Frist  thunlichst  auszunützen  und  moi;lichst 
viel  von  der  Stadt,  die  eben  die  vierte  Million  entrichtet  hatte,  zu 
erpressen. 

In  den  ersten  Tagen  des  September  schrieb  daher  Huguier  an 
den  Rat,  er  sei  weit  entfernt  zu  L'l^iuhen,  dass  die  grosse  Mehrheit 
der  wohlhabenden  Bürger  den  i^atriotismus  <,'ezeigt  habe,  den  man 
von  ihnen  zu  verlangen  berechtii^t  sei.'  I;r  belahi,  ihm  binnen  vier- 
undzwanzig Stunden  eine  Liste  zu  überreichen,  aus  der  er  ^ich  über 
die  Vermögensverhältnisse  der  einzehien  HürL;er  Ljcnau  intorniicrtii 
und  darnach  beurteilen  könne,  ob  sie  ihren  Verhaknissen  ani^eniesseu 
zur  Kontribution  beigesteuert  hätten. 


'    Häusscr  II,  iSj. 

'  Weiter  hcisst  es  darin :  »II  est  dans  notrc  villc  conimc  partout  äilltfurs  de* 
richards  cgoistes  et  vils  qui  ne  calcuteiit  que  d'aprts  uo  'mttttt  personel  nul  en* 
tendu,  comptant  pour  rien  celui  de  leur  patrie  et  ne  consentent  ä  dMer  ieur  boane 
que  lorsque  la  force  ou  le  danger  de  laperdrc  les  oblige;  voiU,  Messieurs,  ks  getis 
quc  je  vcux  nttcindrc;  —  —  —  je  les  ferai  coturibuer  p;ir  niovens  eflicaces 
et  prompts.«   Er  will  ihnen  das  Gold,  »doni  ils  sc  sont  fait  un  dien,«  wegncb^iien. 


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—   171  — 


Der  Rat  verweigerte  ihm  aber  diese  Liste,  da  es  ein  Grundsatz 
der  Frankfurter  Verfassung  sei,  das  Privatvermdgen  der  Bürger  von 
Obrigkeitswegen  nicht  zu  inquirieren,  damit  der  Kredit  der  einzelnen 
nicht  geschädigt  werde.  Nach  der  Verfassung,  bemerkte  er  Huguier, 
brauche  niemand,  welcher  ein  Vermögen  von  15,000  versteuere, 
sein  weiteres  Vermögen  anzugeben.  Nun  rückte  Huguier  mit  einer 
andern  Forderung  heraus.  Für  alle  Rückstände  an  Kontributionen, 
Requisitionen,  Naturallicfeningen  u*  s.  w.  verlangte  er  jetzt  eine 
Pauschalsumme  von  vier  Millionen.  Alles  bare  Geld,  welches  der 
Rat  überhaupt  noch  in  der  Stadt  auftreiben  könne,  solle  er  sofon 
dem  Kriegszahlmeister  geben  und  für  den  Rest  Wechsel  auf  Amster- 
dam ausstellen.  Als  man  ihm  erwiderte,  man  könne  ihm  weder 
bares  Geld  noch  Wechsel  auf  Amsterdam  zur  VerfE^ng  stellen, 
machte  er  ein  weiteres  Zugeständoiss  und  erklärte  sich  mit  städtischen 
Obligationen  im  Betrage  von  vier  Millionen  zufirieden,  von  denen 
die  eine  Hälfte  innerhalb  eines  Monats,  die  andere  im  folgenden 
zahlbar  sein  sollte. 

Die  Kriegsdeputation  erwog  nun,  wie  sie  sich  zu  dieser  For- 
derung zu  stellen  habe.  Wohl  wusste  sie  von  den  Siegen  der 
Kaiserlichen  Waffen;  Huguier  selbst  hatte  kein  Hehl  daraus  gemacht, 
dabei  aber  bemerkt,  dass  er  umsomehr  jetzt  »avec  force  et  cd^rit^« 
handeln  müsste.  Und  zu  welchen  Gewaltmassregeln  konnte  nicht 
der  Feind  greifen,  bevor  sich  die  Östreicbischen  Truppen  der  Stadt 
näherten !  Wie  wenig  er  vor  solchen  zurückschreckte,  hatte  er 
gerade  in  diesen  Tagen  bewiesen.  Der  Kommissar  Blancbon  hatte 
eine  unverhältnissmässig  grosse  Stellung  von  Fuhren  verlangt;  die 
Kriegsdepution  sah  sich  ausser  stände,  seinen  Wünschen  zu  ent- 
sprechen. Sofort  schickte  er  30  Gensdannes  unter  einem  Offizier 
ab,  Hess  die  Mitglieder  der  Kriegsdeputation  sowie  des  Fuhr-  und 
Approvisionierungsamtes  arretieren  und  noch  in  derselben  Nacht  Haus- 
suchungen n  ich  jenen  Fuhren  vornehmen.  So  schwirrten  auch  jetzt 
Gerüchte  durch  die  Stadt,  dass  Huguier  zu  neuen  Vergewaltigungen 
greifen  wolle,  falls  er  mit  seinem  Begehren  abermals  zurückgewiesen 
würde.  Er  sei  entschlossen,  die  Kriegsdeputation  zu  beseitigen,  zum 
dritten  Mal  die  angesehensten  Ratsmitglieder  als  Geiseln  fortzuführen 
und  dadurch  die  Ver^'altungs-  und  Regierungsmaschine  der  Stadt 
völlig  ins  Stocken  zu  bringen.  Es  verlautete  femer,  dass  er  die 
fehlenden  Summen  von  den  einzelnen  Bürgern,  von  deren  Vermögen 
er  sich  eine  Liste  hätte  anfertigen  lassen,  durch  militärische  Exekutionen 
einzutreiben  und  ihre  Forderungen  im  Auslande  mit  Beschlag  zu 
belegen  beabsichtige.  Nicht  in  letzter  Reihe  gab  aber  bei  der  Kriegs- 


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—   lya  — - 


deputation  den  Ausschlag  die  Rücksicht  auf  die  im  Feindeslande  fest- 
gehaltenen Geiseln,  deren  Befreiung  Huguier  eventuell  beim  Direk- 
torium befürworten  wollte,  sodann  die  ihr  von  Paris  zugekommene 
venrauliche  Mittciluni^,  es  sei  nicht  an  den  Ab&chluss  einer  Kon- 
vention mit  der  Republik  zu  denken,  bevor  nicht  alle  eingegangenen 
Verpflichtungen  gegen  diese  erfüllt  wären.  Und  nach  1  ricden  sehnte 
sich  die  Stadt,  musste  er  auch  mit  noch  so  schweren  Opfern  erkauft 
werden. 

Die  Erfahrung  der  letzten  Kriegsjahre  hatte  zur  Genüge  die 
unverwüstliche  Elastizität  der  französischen  Nation  gezeigt,  der  auf 
die  Dauer  die  Kaiserlichen  Waffen  doch  nicht  gewachsen  sein  konnten; 
diese  hatten  sie  vor  einer  zweimaligen  Eroberung  und  Brandscb.itzung 
nicht  schützen  können,  eine  dritte  wollte  die  Stadt  nicht  mehr 
abwarten.  So  fand  der  Beschluss  der  Kriegsdeputation,  auf  Huguiers 
Eorderun^cii  einzugehen,  die  völlige  Billigung  sowohl  des  Rates  nls 
auch  der  bürgerlichen  Kollegien.  Die  Deputation  erhielt  am  5.  Sep- 
tember die  Ermächtigung,  dem  Kommissar  StadtobUgationen  auf  vier 
Millionen  Livres  zu  übergeben.  Ihr  Gesuch,  diese  nicht  au  porteur, 
sondern  direkt  an  die  französische  Regierung  zahlbar  auszustellen, 
wies  Huguier  zurück;  dagegen  gab  er  die  schriftliche  Zusage,  dass, 
bevor  die  Obügationen  an  dritte  veräussert  würden,  der  Stadt  das 
Einlösungsrecht  vorbehalten  bleiben  sollte.  Ucbrigens  verpflichtete 
sie  sich  für  den  ball,  dass  die  französische  Armee  von  neuem  nach 
Erankfurt  zurückkehren  würde,  die  Obligationen  wiederum  an  sich 
zu  nehmen  und  dafür  die  Rückstände  an  Requisitionen,  Kontributionen 
u.  s.  w.  zu  liefern.' 

Wenige  Tage  später  näherte  sich  der  Vortrab  der  ostreichischen 
Ariuee  den  Thoren  der  Stadt.  Der  Stadtkommandant  Duvignot  schien 
zuerst  willens  zu  sein,  Frankfurt  gegen  die  Üestreichcr  zu  halten  und 


■  Der  Wortlaut  des  Vertrages  lautet: 

Nous  Bourguemestres  et  Magistrats  de  la  Ville  libre  d*B]ipire  de  Franc* 
fort  sur  1«  Mön  rcconnoissons  et  ücciarons  .  .  .  devoir  au  porteur  des 

prcscntc-s  h  somme  de  deux  milHons  de  IJvres  de  France  cn  e^pöces  sonnatites 
laquclle  somnic  doit  Ctre  payec  soit  ici  ou  ;\  Amsterdam  dans  Tespace  de 
dcux  ans  revolus  i  dates  de  ce  jour;  promcttons  cn  faire  payer  par  aa  quatrc 
pour  Cent  d^interto.  En  foi  de  quoi  nous  avons  fait  expidier  ces  präsentes 
Celles  du  sceau  de  notre  ville  et  munte  du  scing  de  deux  Bourgueotdstres 
actuellement  cii  ch.iiige. 

Fait  ä  Fraucfort  ce  }  Sept.  1796. 

Signes  Schweitzer,  Bnur^uemestrc. 

Lauterbach,  aussi  iiourgucnie&trc. 


1 

i 


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-   »73  — 


tiaf  bereits  geeignete  Massrcgeln  zur  Verteidigung.  Doch  machte 
er  dieselben  bald  darauf  wieder  rückgängig,  wahrscheinlich  in  Folge 
eines  ilini  von  Jourdnn  ziiqc^;Hii^encn  Refehles,  und  räumte  in  der 
Kicht  vuin  7.  zum  8.  September  die  Stadt.  Zur  Siclierung  seines 
Rlickzuges  liess  er  die  äussere  und  innere  Zugbrücke  am  Afienthor 
demolieren,  die  zwei  mit  Holz  belegten  Bogen  aaf  der  Sachsenhäuser 
Brücke  abtragen  und  die  Balken  in  den  Russ  v.crfen.'  Es  war  die 
höchste  Zeit,  dass  er  abzog;  denn  kaum  eine  Stunde  spater  rückten 
ostreichischc  Reiter  ein,  die  nt)ch  einen  Iranzösihchen  Posten  auf  hoben. 
Noch  in  der  1  rulic  des  8.  September  besetzte  das  städtische  iMiliiär 
die  wichtigsten  Wachen/ 

Die  Franzosen  hatten  übrigens  Ursache  ^cnug,  mit  der  in 
Frankfurt  gemachten  Boite  zufrieden  zu  sdn.  Die  Kriegsdeputation 
berechnete  die  bis  zum  8.  September  geleisteten  Liefeningen  folgender* 
«lassen  :> 


'  Fingers  Tagebuch  S.  208. 

*  Gcx:thes  .Mutter  schreibt  hierüber  am  17.  Sept.  ihrem  Sohn:  »Den  8.  früh  um  $  uhr 
stunde  ich  auf  und  sähe  zu  meiner  unaussprechlichen  l'rcude  unsere  Franckfurthcr 
Soldaten  auf  der  Hauptwache;  meinen  Augen  nicht  trauend  holte  ich  meine  Lorn- 
gette  und  sie  gingen  mit  Stöcken  (denn  die  (lewähre  hatten  die  F.  .illc  mitgenommen) 
auf  und  nieder;  was  ich  da  empfand,  lässt  sich  niclu  l  c^clireihcn ;  dass  ich  Gott 
iK-rt7lich  danckte,  verstellt  sich  wohl  von  selbst,  und  dw>  Ahxnb  unscrn  Zapfenstreich 
wieder  7u  hören,  war  mir  lieblicbcr,  als  eine  Oper  von  Mozart.« 

Der    Abzug  tlcr  Fr.mroscn  L-rfoIi^tc  in  vollkunimncr  Ruhe  mul  Ordnung; 
nur   Ur.  Schweitzer,  der  iur  dicics  juhr  jüngerer  Bürgermeister  war,  und  seine 
Ordonnanz  wurden  von  Duvignot  gröblich  insilltiert  und  ihrer  ßarschafl  beraubt: 
Näheres   iiitrübLT  in  Fingers  Tagebuch  S.  207.  —  Hiinm--  T.igL'  vi>rlier  war  es  zu 
einem  ernsten  Zwischenfall  zwischen  den  Bürgern  und  der  Uesa(/.uiig  gekommen. 
Die  in  Sachsenhausen  kampierenden  Franiosen  hatten  ni  wiederholten  Malen  die 
G.irrt-ii  und  Felder  geplündert  und,  obgleich  ihnen  vom  Forstamt  ilul/  uiui  Stroh 
in  genügender  Menge  gelielcrt  wurde,  mutwillig  die  Latten  und  Dielen  aus  den 
Weinbergen  gen^omeD  und  die  Obstbäume  umgeliaaen.  Als  sie  nun  wieder  ein« 
mal,  mir  S."ii:l:cn  beladen,  einen  förmlich  organisierten  Plündcrungsznj^  in  die  Mirkcn 
der  Oberrader  veranstaltetea,  fielen  diese  die  Sacbsenhäuser  zu  Hulte  und  schlugen 
sie  ia  die  Flucht  Bold  darauf  aber  kehrten  <fie  Fnnioscn,  mit  FHmeo  und  Sibdn 
bewaffnet,  zurück  und  sclinssen  .ui(  die  im  Felde  Arbeitenden,  doch  zogen  sie  sich 
nach   kurzer  Zeit  zurück.    Sonst  herrschte  ein  leidliches   Verhaltniss  zwischen 
BevAlkentng  und  Besatsung.  Die  Generlle  Duvignot  und  Maroean  dankten  auch 
in  ihrem   und  Jcr   französischen  Nation  Namen  der  Stadt:    «du  zcle  et  de  l'hon- 
(K-idc  de  Ia  conduite  de  tous  Ics  liabitans«  S.  Gazette  nationale  <ie  France  vom 
»4.  Septemher. 

'  Akten  der  Dep.  und  v.  Oven,  die  Kriegslasten  der  Stadt  Frankfurt  in 
den  französischen  Invasionskriegen  1792  — 181 },  in  Mitteilungen  des  Vereins 
u.  s.  5SS— 556. 


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c  1,000,000  » 


—  174  - 

ij  an  Kontributionsgeldem   4jOOO,ooo  frcs. 

2)  an  Kleidungs-  und  Equipieningsstücken .  .   .  .  x,500/xx>  » 

3)  für  ArtillericgegenstäiMie   300,000  » 

4)  100  Offizierspferde  .\  37  Louisdors   70,000  » 

5)  Lieferungen  an  Getreide,  Wein,  Lcbenj>mitteln  cic. 

6)  andere  beträchtliche  Lieferungen  für  Hospitäler, 
Feldpost  

7)  Verlust  des  für  200,000  II.  gekauften  Kaiserlichen 
Magazines  c.  400,000  » 

S)  Verlust  an  GeschOtzen,'  deren  Metallwert  allein 

angesclilagcn  ward  auf  i,ück),(h)o  » 

8,270,000  frcs. 

9j  Verlust  des  Stadtmagazins.' 

10)  Verlust  an  Gewehren  sowohl  der  Stadtgarnison  als  der  gesamteo 
Bürgerschaft. 

11)  Unzählige  kleinere  oder  grössere  Fuhren  för  den  Dienst  der 
Armee  sowohl  zu  Wasser  als  zu  Lande. 

12)  Tafelgelder  für  die  höheren  Offiziere  und  die  Krie^skonimissare. 

Schliesslich  nahmen  die  Franzosen  beim  Abzüge  die  Glocken 
der  Barfüsserkirche  und  das  kostbare  Altarbild  im  deutschen  Hause 
mit  sic!i.  Auch  J.is  Gemälde  am  Hochaltar  des  Doms  wollten  sie 
abnehuKii;  als  man  ihnen  indess  versicherte,  dass  es  nur  eine  Kopie 
sei,  Hessen  sie  es  unberührt.*  — 


'  Die  l-r.in/.osen  kamen  niclit  weit  mit  den  «^cr.iubten  Gcscluit/eti;  hei  Flörs- 
heim iiclcu  äiu  in  die  IlauJ  der  Kaiserlichen  ,  l  iii^cr^  Tagebuch  S.  199. 

'  Von  No.  9  ab  fehlen  die  Aiigalxii  in  bestimmten  Summen.  Nur  der 
eilige  Rückzug  der  Franzosen  sdiui/te  die  Stadt  davor,  die  in  $)  und  b)  angegebenen 
Naturaliea,  die  auf  ungefähr  6Vs  Millionen  in  bar  von  der  Kriegsdeputation  uxiert 
wurden,  vollständig  liefern  zu  müssen. 

Schliessitcb  ist  noch  zu  bemerken,  dass  Huguier  vom  Rate  im  Auftrag  des 

Direktoriums  die  Krünungskleinodien  und  die  goldene  Bulle  verlangte.  Glücklicher- 
weise befanden   sich  erstere  in  Aachen  und  Nürnberg,  von  wo  sie  nur  bei  der 

Kronuni;  eine«!  Kniscf;  nach  l-ranküirt  ijeschntTt  wurden,  die  letztere  da^ei,'cn  hatte 
man  sciioti  vor  dem  iiinrucken  der  i  raa/.osen  aus  der  Stadt  (wohl  nach  Ansbadl) 
entfernt. 

'  Fingers  Tagebuch  S.  199  und  20J. 


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—   »75  — 


Die  mit  Jourdan  und  Dubrctun  im  Juli  gepflom.ncn  Unter- 
handlungen, die  daraut  hinzielten,  der  Stadt  Neutralität  zu  vcrscli.ifTen, 
hatten,  wie  wir  gesehen  haben,  zu  keinem  Ergebnis  geführt;  es 
musste  sich  ihr  naturgcmäss  der  Gedanke  aufdrünfen,  an  die  Quelle 
selbst  au  gehen  und  die  massgebenden  Kreise  in  P.iris  für  sich  zu 
eewinnen.  In  klarer  Weise  wurde  dieser  Gedankt-  HnJe  Juli  in 
einem  AutbUtze  aus^'csprochen,  den  Syndikus  Sccticr,  das  eiiitluss- 
reicbste  Mitglied  der  Kriegsdeputation,  von  einem  Freunde,  dem 
Hofrat  Basse,  erhielt  und  dem  Kate  unterbreitete.  In  dem  Aufsatz 
behauptete  der  Verfasser,  der  seinen  Namen  einstweilen  noch  ver> 
i^wiegen  haben  wollte,  dass  Frankreich  die  rechts  des  Rheins  ge- 
legenen Länder  wie  ein  k  i'rhlütij^cr  Mrobcrer  behandeln  und  sie 
durch  Kontributionen  über  Kontributionen  so  kinpc  auspressen  wolle, 
bis  sie,  gänzlich  erschöpft,  eine  Beute  der  benachbarten  Machte 
wurden.  Deshalb  müsse  Frankfurt  Opfer  bringen,  aber  es  kdnne 
dabei  seine  politische  Unabhängigkeit  wahren,  indem  es  denselben 
Weg  einschlage,  den  Hamburg  und  Bremen  jetzt  mit  Hrfolg  beträten. 
Die  Stadt  möge  sich  nicht  als  Reichsstand,  sondern  als  unabhängiger 
Staat  nach  dem  Beispiel  Preussens,  Hessens  und  der  Hansnstndte 
unmittelbar  an  das  Direktorium  wenden.  Dazu  seien  allerdmgs  in 
Paris  bdiebte  und  angesehene  Persönlichkdten  erforderlich.  Als 
scrfche  schlägt  der  Verfasser  sich  selbst  und  seinen  Freund,  den 
Dr.  K.  Engelbert  Oelsner  vor,  welchen  er  mit  dem  Syndikus  Seeger 
bekannt  machte. 

Bei  der  bedeutenden  Rolle,  die  beide  in  die?;em  für  die 
Geschichte  der  Stadt  so  wichtigen  Abschnitte  zu  spielen  berufen 
waren,  erscheint  es  angemessen,  dass  wir  einen  Augenblick  bei 
ihnen  verweilen.  Dettmar  Basse  und  K.  E.  Oelsner  waren  keine 
geborenen  Frankfurter.  Ersterer'  wurde  den  6.  April  1762  zu  Iserlohn 
geboren,  wo  die  Familie  noch  heute  blüht.  Sein  Vater  hatte  die 
Tochter  van  der  Beckes,  eines  ani^esehenen  Kaufmanns  daselbst, 
geheiratet  und  war  Teilhaber  an  dessen  hi»chst  bedeutendem 
Tuchgeschäfte.  Auch  Dettmar  ward  für  den  Kaufmannsstand  be- 
stimmt und  brachte  seine  Lehrzeit  in  Frankfun  zu,  wo  er  durch 
Vermittlung  seines  Vaters  Zutritt  in  die  angesehensten  Häuser  der 
Stadt  erhielt  und  1786  die  Tochter  des  Senators  Kellner  heiratete.* 
Als  Kompagnon  in  die  Firma  van  der  Becke  aufgenommen,  gründete 


'  Hinen  grossen  Teil  der  Miueilungeu  über  Basse  verdanke  ich  der  Liebens- 
würdigkeit öd«  Eokdb  desidbcn,  des  Htm  KonsistoTialm  Dr.  Basse  «u  Frankfurt. 
*  Durch  diese  Ehe  wurde  er  auch  mit  dem  Senator  Meuler  verscbwigert. 


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-   176  - 


er  für  dickes  Gescliäfi  in  Frankfurt  eine  Filiale,  die  ra'^ch  cmporblühte 
und  ihm  die  Mittel  gewährte»  seine  Neigungen  für  die  Kmi  *  und 
fbr  den  Sport  zu  befriedigen.  Seine  nicht  gewöhnliche  Intelligenz 
und  sein  praktischer  Geschäftsgeist,  die  von  einem  stattlichen  Aeussern 
und  gewinnenden,  weltmännischen  Manieren  aufs  glücklichste  unter- 
stützt wurden,  verschafften  ihm  in  weiten  Kreisen  Beachtung  und 
Anerkennung.  Friedrich  Wilhelm  IL  ernannte  ihn  1788  trotz  seiner 
Jugend  »wegen  seiner  Uns  angeröhmten  Handiungskenntnisse  und 
andern  guten  Eigenschaften«  zum  Hof-  und  Kommerzienrat ;  die  Kriegs- 
und Domänenkammer  zu  Hamm  forderte  von  ihm  Gutachten  über 
wichtige,  den  Handel  und  Verkehr  der  Grafschaft  Mark  berührende 
Fragen.' 

Seine  weitausgedehnten  Geschäftsverbindungen  führten  ihn  auch 
nach  Paris.  Durch  die  Empfehlung  seines  Schwiegervaters  fand  er 
Eingang  in  die  hohen  finanziellen  Kreise  und  lernte  auch  die  bedeutend- 
sten Führer  der  politischen  Parteien  kennen;  mit  dem  spiteren  General 
Hochc  scheint  er  damals  in  nähere  Beziehungen  getreten  zu  sein. 
Der  Aufenthalt  in  der  französischen  Hauptstadt  mit  ihren  Zerstreuungen 
und  Aufregungen  übte  auf  seinen  von  Hause  aus  unruhigen  und 
zum  Abenteuerlichen  geneigten  Geist  einen  derartigen  Reiz  aus,  dass 
er  daran  dachte,  sich  daselbst  niederzulassen;  wenigstens  erwarb  er 
ein  Haus  und  in  der  Nähe  von  Paris  ein  Landgut.  Jetzt  auf  einmal 
eröffnete  sich  seinem  Ehrgeiz  die  Aussicht,  sich  in  das  Parteigewirre 
einmischen  zu  können  und  sich  Lorbeeren  auch  auf  dem  Felde  der 
Politik   zu  holen. 

Viel  bedeutender  als  Basse  ist  Oelsner.*  Am  15.  Mai  1764 
zu  Goldberg  in  Schlesien  geboren ,  besuchte  er  die  Universi- 
täten zu  Frankfurt  an  der  Oder  und  Göttingen.  In  ersterer  Stadt 
befreundete  er  sich  mit  seinem  Landsmann  Johann  Gottfried 
Ebel,  dem  berühmten  Naturforscher,  mit  dem  ihn  sein  späteres 
Leben  noch  öfters  zusammenführen  sollte.  Nach  Beendigung 
der  Studien  begleitete  Oelsner  zunächst  einen  jungen  Edelmann  nacli 


*  Die  betrefTenden  Schriftstficke  sind  im  Besitz  des  Herrn  Konsistorialftt 

Basse. 

*  Vgl.  den  Auls.itz  von  Prof.  Alfred  Stern:  »Konrad  hngcllH-n  Ocbners  Bride 
und  i  agcbüchcr.  Eine  verges:>enc  Q.ucllc  der  französischen  Kevoluiion,«  eri^chicmn 
in  der  Deutschen  Zeitschrift  iur  Geschichtswissenschaft  III,  100-127.  Die  AngalNn 
über  Oelsner  in  der  Allgemeinen  deutschen  Biogr.ipliie,  woselbst  auch  die  l.itteratur 
über  ihn  anr:e«?eben  ist.  bcJürfen,  wie  Stern  roit  Recht  bemerkt,  mancher  Er- 
gänzungen und  Berichtigungen. 


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—   177  — 


Wien ;  doch  gab  er  bald  seine  Stellung  auf,  von  dem  unwiderstehlichen 
Vtrlangen  getrieben,  die  welterschütterndcn  Hreignisse,  die  sich  in 
Paris  abspielten,  aus  nächster  Nähe  zu  beobachten.  So  finden  wir 
ihn  bald  nach  der  Einnahme  der  ßastille'  in  Paris,  wo  er  blieb,  bis 
ihn  die  Schreckensherrschaft  vertrieb.  Von  Begeisterung  für  die 
neuen  Ideeen  erfüllt,  sah  er  mit  Schmerz,  wie  deren  Verwirklichung 
teils  an  der  politischen  Unreife  der  Massen,  teils  an  dem  1-anatismus 
der  Jakobiner  scheiterte,  die  er  auf  das  heftigste  bekämpfte.  An 
allen  bedeutenden  Ereignissen  dieser  Zeit  hat  er  als  Zuschauer 
Anteil  genommen;  mit  Mirabeau,  Robespierrc,  dem  »boshaften 
Tollhäusler«,  wie  er  ihn  nannte,  P«^thion,  Brissot  etc.  wurde  er  be- 
kannt. Eine  besondere  auf  Gegenseitigkeit  beruhende  Zuneigung 
verband  ihn  mit  Sieyes,  der  ihn  seines  vollen  Vertrauens  würdigte 
und  in  das  politische  Parteigetriebe  einweihte.* 

In  einer  Reihe  von  Aufsätzen  und  Briefen  schilderte  Oelsner 
die  ausserordentlichen  Begebenheiten,  deren  Augenzeuge  er  war,  und 
führte  in  anschaulichster  Weise  die  Männer  vor,  denen  die  leitende 
Rolle  in  den  Dingen  zugefallen  war.'  Diese  publizistische  Thätigkeit, 
welche  sein  besonnenes  Urteil,  seine  scharfe  Beobachtungsgabe  und 
seine  siaatsmännische  Beanlagung  in  glänzendem  Lichte  zeigten, 
erregten  die  Bewunderung  seiner  Zeitgenossen  '  und  erweckten  bei 
ihnen  den  Wunsch,  aus  seiner  i'eder  eine  Geschichte  der  Revolution 
zu  erhalten. 

In  Paris  lernte  er  wahrscheinlich  auch  Basse  kennen,  mit  dem 
er  jetzt  wieder  in  1  rankturt  a.  M.  zusammentraf.  Ersterer  erkannte 
sofort,  dass  kein  Mann  geeigneter  war  als  Oelsner,  ihn  in  seinen 
Plänen  zu  fördern.  Dieser  ging  auch  auf  seine  Absichten  ein,  teils 
aus  Gefälligkeit  für  ihn,  teils  von  dem  lebhaften  Wunsciie  ertülit,  seine 
staatsmännische  Begabung  nun  einmal  auf  einem  ihm  vertraut 
gewordenen  Schauplatz  zu  bethätigen. 

Alle  Bedenken,  welche  gegen  den  von  Basse  gemachten  Vor- 
schlag im  Rate  etwa  auftauchten,  schwanden  im  Hinblick  auf  die 
allgemeine  Zeitlage.  Sein  politisches  Gewissen  konnte  er  mit  dem 
Vorgehen  der  mächtigsten  Staaten  Nord-  und  Süddeutschlands  be> 


'  Stern  a.  a.  (V,  S.  116,  Anm.  1. 

'  Näheres  hicmbcr  bei  Stern,  S.  107  ü.  Ocisiicr  sclirici»  .lucli  eint-  Biogmphie 
von  Sieyes  (1*     S.  11$). 

}  Ein  grosser  Teil  seiner  Aufsdtte  crKliien  in  der  von  Archenholx  heraus- 
gegebenen «Minerva.«« 

4  Stern,  S.  116. 

12 


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-  IT«  - 


schwicinigcn,  die  in  einer  Verbindung  mit  Frankreich  nichts  Ausiössiges 
gefunden  hatten.  Und  wenn  die  bedeutendsten  Reichsglieder  von 
der  allgemeinen  Sache  abfielen,  wer  durfte  es  da  dem  ohnniiichtigcn 
Frankfurt  verargen,  dass  es  auch  nur  an  sich  selbst  dachte!  Ja, 
wollte  Uic  Stadt  ihre  politische  Hxisten/.  und  ihre  Selbständigkeit 
wahren,  so  konnte  sie  sich,  wie  damals  leider  die  Verhaltnisse  lagen, 
an  keinen  d  e  u  t  s  c  h  c  n  Staat  anschliessen,  sondern  nur  an  1  rankreich 
allein.  Hatten  doch  Preussen  und  Oestreich  schon  langst  den  (jCLLuiken, 
die  Integrität  des  Reiches  aufrecht  xu  eih.ilien  und  die  einzelnen 
Mitglieder  Jcs;.ellen  in  ujicin  Besitz  zu  schüt/en,  autgegeben;  ]i, 
hofften  nicht  vielmehr  beide  Staaten,  für  ihre  etwaigen  Verluste  auf 
dem  linken  Rheinuter  sich  aut  Kosten  der  Ivki  ieren  und  Hilflosen 
zu  entschädigen!  Einen  ungeheueren,  nieder:,. hincaerr.ucH  Findruck 
machte,  wie  überall  im  Reiche,  so  besonders  in  1  rankfurt  das  allem 
Recht  hohnsi^rechende  Verf;ihrcn  Preussens  gegen  die  alte  befreundete 
Reichsstadt  Nürnberg,  welche  Anlang  Juli  von  preussischcn  Truppen 
besetzt  und  dem  preussischen  Gebiet  einverleibt  ward.  Und  jetzt 
erfuhr  der  Rat,  dass  Preussens  Bundesgenosse,  der  Landgraf  von 
Hessen,  von  ähnlichen  Annexionsgelüsten  ergriffen,  seine  begehrHchcn 
Blicke  auf  Frankfurt  selbst  geworfen  habe  und  die  Notlage,  in  der 
sich  die  Stadt  befand,  für  seine  Zwecke  aufs  rücksichtsloseste  auszu- 
nützen trachte.  Noch  vor  dem  Einrücken  der  Franzosen  iiatte  der 
hessische  Minister  von  Waitz  dem  Frankfurter  Bürger  Jordis,  der 
zugleich  hessischer  Legationsrat  war,  vertraulich  erciflnet,  dass  sein 
Landgraf  als  Erbe  der  Ansprüche  der  Grafen  von  Hanau  noch  immer 
als  Grossvogt  von  Frankfurt  zu  betrachten  sei  —  in  ähnlicher  Weise 
hatte  auch  Preussen  sein  angebliches  Hoheitsreclu  auf  Nürnberg  von 
seinem  Burggrafentum  hergeleitet. 

Bald  darauf  erfuhren  zwei  Mitglieder  der  Kriegsdeputation  durch 
die  Indiskretion  eines  preussischen  Diplomaten  N.ihcres  über  des 
Landgrafen  Pläne.  Er  hatte  sich  direkt  an  den  Berliner  Hof  gewandt 
mit  dem  Ersuchen,  ihn  bei  seinen  Absichten  auf  die  Stadt  zu  unter- 
stützen, doch  auf  dessen  Anraten  einstweilen  von  der  Durchführung 
seiner  Pläne  Abstand  genommen.  Als  bald  darauf  Friedrich  Wilhelm  II. 
ihm  in  Cassel  einen  Besuch  abstattete,  hatte  der  Landgraf  einer  Frank- 
furter Deputation  den  Zutritt  zum  König  zu  verwehren  gewusst.  Nur 
mit  der  grössten  Schwierigkeit  war  es  ihr  gelungen,  letzterem  ein 
Schreiben  zukommen  zu  lassen,  in  welchem  der  Rat  sich  seinem 
königlichen  Schutze  empfahl.  Da  die  Antwort  hierauf  nicht  sehr 

■  Näheres  hierüber  bei  Häusser  II,  67  flf. 


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—   179  - 


befriedigend  ausfiel,  ^I.uibte  man  in  Frankfurt,  dass  endlich  Friedrich 
Wilhelm  II.  seine  Hinwilligung  zur  Besetzung  der  Stadt  gegeben 
habe.  Was  aber  die  Lage  noch  kritischer  gestaltete,  war  der  Um- 
stand» dass  der  französische  Gesandte  in  Cassel  die  Pläne  des  Land- 
grafen oifen  begünstigte.  Fortwährend  wies  er  den  Rat  und  die 
Kriegsdeputation  darauf  hin,  dass  der  Landgraf  der  einzige  sei,  der 
sie  aus  aller  Not  befreien  könne.'  Ebenso  rieten  die  französischen 
Kommissäre,  denen  es  allerdings  nur  um  rasche  Ausz.i blutig  der 
Kontribution  zu  thun  war,  der  Kriegsdeputation,  so  oft  sich  diese 
über  die  Höhe  der  zu  ciiti  iclnenden  Leistungen  l^klagte,  sich  an  den 
Landgrafen  zu  wenden,  der,  wie  sie  genau  wfissten,  ihr  alles  Geld 
vorschiessen  würde.  Dabei  scheiterten  aber  alle  von  Frankfurter 
Bankhäusern  gemachten  Versuche,  Geld  bei  ihm  aufzunehmen;  nur 
dem  Frankfurter  St.iat  als  solchem  wollte  er  es  vorschiessen.  Bald 
darauf  thai  der  Landgraf  einen  weiteren  Schritt:  hessische  Emissäre 
zeigten  sich  auf  einmal  in  der  Stadt;  in  den  Wirtshäusern  und  an 
sonstigen  Orten  suchten  sie  die  niederen  und  mittleren  Volksklassen 
gegen  die  Obrigkeit  aufzureizen,  die  in  ihrer  Beschränktheit  und  Hart- 
näckigkeit den  einzigen  Weg  der  Rettung,  die  hessische  Vermittlung, 
von  sich  wiese.  Freilich,  bei  dem  gesunden  politischen  Instinkt  der 
Frankfurter  Bevölkerung  machten  sie  ein  klägliches  Fiasko,  so  dass 
der  Rat  es  nicht  einmal  der  Mühe  wert  hielt,  ihrem  wühlerischen 
Treiben  entgegenzutreten. 

Die  hessischen  Machinationen  befestigten  den  Rat  vollends  in 
seinem  Entschlüsse,  auf  Basses  Vorschlag  einzugehen  und  sowohl  ihn 
als  auch  Dr.  Oelsner,  den  er  sich  ausdrücklich  als  Begleiter  ausge- 
beten hatte,  schleunigst  nach  Paris  zu  senden,  noch  ehe  die  Wrhand- 
lungcn  mit  Jourdan  ganz  abgebrochen  waren.  Die  Titulatur  Basses 
in  der  Vollmacht  —  Oelsner  sollte  ihn  einstweilen  nur  als  Privat- 
mann begleiten  —  bereitete  dem  Rat  viel  Kopfzerbrechen.  Welchen 
Qiarakter  sollte  man  dem  offiziellen  Vertreter  der  Stadt  beilegen? 
Im  ersten  Entwürfe  ward  er  eingeführt  als  Basse  citoyen  fran^ois, 
worauf  er  bemerkte,  dass  er  als  französischer  Untcrihan  eine 
fremde  Mission  nicht  übernehmen  könne.  Als  Frankfurter  Bürger 


•  In  der  UntcrrcJunr;  vom  9.  August  riet  der  Gesandte  dem  Stadtsyndikiis 
Sccu'iT.  der  ihn  bei  seiner  Durchreise  in  I  nuikliirt  begrüsste,  die  Stadt  solle  den 
i-ficdcii  mit  der  Republik  nicht  durch  Preusseus,  sondern  durch  Hessem  Vermittlung, 
dessen  Absichten  durchaus  uneigennützig  wären,  zu  erreichen  suchen;  Hessen  gelte 
viel  mehr  heim  Dk«ktoriuni  wie  Preussen.  Diesem  schlage  es  leicht  etwas  ab,  was 
es  jenem  sofort  zugestände.  Akten  der  Dep.  Bd.  V. 

la* 


—  i8o  - 


wollte  er  nhcr  auch  nicht  gelten,  weil  er  damit  in  Paris  nicht  mii 
der  nötigen  Würde  erschiene;  andrcrsciib  wollte  ihn  der  Rat  auch 
nicht  als  preussischen  Bürger  bezeichnen ;  damit  hatte  er  ja  einge- 
räumt, dass  ein  solclicr  mehr  bedeute  als  ein  Franklurter.  Iindlich 
stellte  man  im  vierten  Entwurl"  die  Vollmacht  aus '  für  Sieur  Detm.ir 
Basse  mit  Hinweglassung  jeder  weiteren  Be/cichnung.  Nach  der 
für  ihn  nusgcarlH-itcien  Instruktion  sollte  er  vom  Direktorium  Fol- 
gendes zu  erlangen  suchen:  vollkoiiimene  Neutralität  und  Frieden 
für  die  Stadt;  Annullierung  aller  alteren  I'ordcrungen  und  Rücksi.indc, 
besonders  der  von  1792  noch  unbe/.ahlien  Million  Gulden;  Belreiung 
von  künltigcn  Requisitionen  wahrend  dieses  noch  andauernden  Krieges; 
Sicherheit  und  Schutz  des  Privateigentums  der  Frankfurter  Bürger  in 
den  von  den  lianzosen  besetzten  Landern;  vor  allem  aber  G;irantie 
der  Verfassung  und  der  darauf  beruhenden  Unabhängigkeit  Frankfurts 
gegen  etwaige  fremde  Anmassungen,  namenilich  bei  dem  voraus- 
sichtlichen lünsiurz  der  deutschen  Reichsverfassung. 

Bestände  die  französische  Regierung  auf  der  rückständigen 
Custineschen  MiUion,  so  sollte  Basse  als  Cjegenforderungen  autstelkn 
die  verschiedenen  in  den  Jahren  1792  und  1795  geleisteten  und  unbe- 
zahlt gebliebenen  Lieferungen,  ferner  eine  Schuld  von  97  j,  1  [8  Livrcs, 
die  noch  von  den  Zeiten  des  siebenjährigen  Krieges  herstjnimte. 
Auch  sollte  er  geltend  machen,  dass  sich  die  Republik  durch  Konfis- 
kationen der  Forderungen  Frankfurter  Kaiilleiue  in  den  Gegenden  der 
Saar  und  Blies*  ziun  grösslen  Teil  schon  für  die  Custinesche  Forderung 
schadlos  gehalten  habe.  Als  Gegenleistung  für  die  Gewährung  all 
jener  Wünsche  sollte  Basse  die  prompte  /ahhing  der  gesamten  von 
Jourdan  geforderten  Kontribution  im  Betrage  von  acht  Millionen  — 
wenn  er  eine  Minderung  derselben  nicht  erreichen  könne  —  in 
möglichst  weit  auseinander  liegenden  Zahlungsterminen  versprechen, 
wobei  aber  die  bereits  erfolgten  Barzahlungen  und  Naturalliclerungcii 
in  Abrechnung  gebracht  werden  sollten. 

In  grösster  Stille  reisten  Basse  und  Oelsner,  für  den  noch  nach- 
träglich die  Vollmacht  mit  ausgestellt  wurde/  am  31,  Juli  von  i  rank- 

'  Der  erste  Tdl  derselben  ist  dem  Wortlaut  nach  von  Hinze  miigeteOt  In 
seinem  Aurs.it/c  S.  291,  woraut  ich  verweise.  Die  Vollmacht  war  eine  unbedii^e^ 

da  CS  am  Schlüsse  dcrscibcii  iKis-^t:  —  —  Nous  dcclaron«^  d'if^recr  sniis  cxccption 
quciconque  tout  cc  quo  lui,  noirc  constituc  de  pouvoir,  conclucra  —  -  —  d'aprcs 
Ics  iiistruciions  particuliercs  ä  lui  par  iious  donmies.  Fait  ä  FraiKlbrt  sur  le  Mctn 
le  p  juillct  1796,  Les  Bourguerocstres  et  Magistrats  de  la  Ville  libre  d«  FrancTon 
sur  k  Mein  (s.  Anhang  II). 

'  lUvhtcr  Xebcnfliiss  der  Saar,  mündet  bei  Saargemünd. 

>  ü.  Anhang  No.  IL 


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-   i8i  - 


furt  ab;  nur  der  R;tt  und  die  Kriegsdeputation  kannten  den  /weck 
ihrer  Mission.  Krst  am  8.  Au*;iist  !:in^ten  sie  in  Paris  an,  Ja  die 
sclileclitcn  \\'cl;c  einen  Aufenthalt  von  zwei  Tagen  verursachten. 

Sie  entfalteten  sofort  eine  rührige  Thäligkeii.  In  einer  Reihe 
von  Briefen  und  in  einem  ausfötiriiciien  »Mänoire«  nnterriditeten  sie 
den  Rat  über  den  wechselvollen  Verlauf  ilirer  Unterbandlungen.  Die 
Korrespondenz  mit  Frankfurt  führte  in  der  Regel  Basse,  während 
(lc!sner  die  Artikel  für  die  französischen  Zeitungen  und  die  Denk- 
schrüren  vcrfasste.  Der  Zeitpunkt  und  die  Umstände,  unter  welchen 
ihre  Mission  begann,  Nvaren,  wie  sie  im  Memoire  hervorhoben,' 
weder  ihren  Wünschen  nodi  den  Bedürfnissen  der  Stadt  günstig. 
Bei  den  meisten  Personen»  mit  denen  sie  jeu  unterhandeln  hatten, 
bestanden  die  durch  General  Custinc  und  die  Mainzer  verbreiteten 
Vorurteile  noch  in  voller  Kraft.  Die  Hrnennung  des  siegreichen 
Kai'^erlichcn  Feldherrn  Clerfayt  zum  Fhrcnhürner  Frankfurts  hatte  die 
\  crsiinuiiuiig  noch  erhöht.  Dazu  kam  noch,  dass  die  Siege,  welche 
die  Heere  der  Republik  jetzt  auf  italienischem  Boden  in  ununter- 
brochener Reihenfolge  erfochten»  die  Machthaber  in  Paris  mit  einem 
derartigen  Selbstgefühl  erfüllten,  dass  sie  es  kaum  mit  ihrer  Würde 
für  vereinbar  hielten,  »sich  bis  tu  den  Abgeordneten  einer  deutschen 
Reichsstadt  herabzulassen.'« 

Die  Schwieligkeiten  für  die  Fraiikhirter  Abgesandten  steigerten 
sich  noch  dadurch,  dass  der  Landgraf  von  Hessen  sich  dem  Direktorium 
zum  sofortigen  Vorschuss  der  geforderten  Kontribution  erboten  hatte, 
welchem  Vorschlag  dasselbe  bei  den  elenden  Finanzverhältnissen  der 
Republik  nicht  abgeneigt  war.  Ueberhaupt  stiessen  sie  Oberall  auf 
Freunde  des  Landgrafen,  die  dessen  Interesse  laut  verteidigten,  und 
zwar  »mit  der  Heftigkeit,  welche  ircwöhnlich  unreine  Ahsieliten 
verrat.«  Die  Bureaus  scliienen  von  seinen  Aniiangern  förmlich  an- 
gefüllt zu  sein. 

So  verzweifelten  die  Abgesandten  einige  Zeit  an  dem  Gelingen 
ihrer  Mission.  Als  sie  vollends  sahen»  wie  wenig  den  leitenden 


*  Die  Schreiben  und  das  IMnKäre,  welches  einen  Bericht  älter  ihre  Gesaint- 

thatigki-it  in  P.iris  hi<;  !vnde  Oktober  gicbt  und  eine  Hauptqucllc  für  iinvcrc  Dar- 
stellung ist,  bclindcn  sich  Band  III  der  Akten  der  geheimen  Krieg&dcputJiion.  Bis 
«um  29.  Augast  hatte  Basse  ;  Briefe  nach  Frankfuit  an  die  Adiesse  des  Stadt- 

svndiku^  Secf;er  f;esandt,  doch  erhielt  dieser  I;eir.en  derselben  vor  dem  7.  Sepietiilier, 
also  einen  l  ag  vor  deni  Aufrücken  der  i'r;uuosen  aus  Fraukfurt.  Der  Cjang  der 
Ereignisse  daselbst  wurde  also  einstweilen  durch  Basses  Mission  nicht  iro  mindesten 
beeinflusst. 

*  Siehe  das  Memoire. 


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—    l82  — 


Kreisen  in  Paris  an  der  Aufrechterhaltung  der  deutschen  Reichs- 
verfassung lag,  wie  man  daselbst  ernstlich  den  Vorschlag  diskutiene, 
dass  beim  künftigen  Friedensschlüsse  Preussen  durch  Hamburg, 
Dänemark  durch  Lübeck,  das  Haus  Oranien  durch  Bremen  entscfajhiigt 
werden  sollte,*  da  riet  Basse  dem  Rate,  sich,  wie  einst  Neufchatel, 
freiwillig  unter  den  Schutz  des  preussischen  Adlers  zu  flüchten,  wo- 
durch man  wenigstens  vor  Hessens  Anschlägen  gestehen  wäre. 
Dringend  empfahl  er  indess,  mit  den  Geldzahlungen  an  die  Republik 
nicht  einzuhalten,  sondern  sich  mit  den  französischen  Kriegskommis- 
sären auf  besten  Fuss  zu  stellen,  damit  sie  nichts  Nachteiliges  nach 
Paris  meldeten. 

Am  i8.  August  hatte  Basse  eine  Audienz  beim  Minister  des  Aus- 
wärtigen Delacroix.  Hr  hatte  diesem  einige  Tage  vorher  eine  von 
Oelsner  ausgearbeitete  Denkschrift  überreicht,  deren  Inhalt  im  wesent* 
liehen  folgender  war:  Die  freie  Stadt  Frankfurt  ist  Opfer  eines  Krieges 
geworden,  an  welchem  sie  niemals  wirklichen  Anteil  genommen  bat. 
Gegen  ihren  Willen,  in  Missachtung  ihrer  Gefühle  und  ihrer  Liebe 
für  das  französische  Volk,  sieht  sie  sich  in  diesen  Krieg  verwickelt, 
da  sie  zu  schwach  ist,  sich  den  l'orderungen  der  grossen  Mächte  zu 
widersetzen.  Die  Denkschrift  zählt  nun  die  verschiedenen  Schritte  auf, 
die  von  Seiten  der  Stadt  zur  Erlangung  der  Neutralität  geschehen 
waren.  Nun  ist  ihr,  fälirt  sie  fort,  eine  unverhältnismässig  hohe 
Kontribution  auferlegt ;  sie  wagt  nicht,  dagegen  zu  reklamieren, 
beeilt  sich  vielmehr  mit  deren  Bezahlung  und  bittet  nur,  ihr  die 
Möi^lichkeit,  den  Verpflichtungen  nachzukommen,  nicht  abzuschneiden. 
Das  Direktorium  möge  der  Stadt  Frieden  gewähren  und  ihre  Zukunft 
durch  die  Garantieleistung  für  ihre  Selbständigkeit  sichern.  Dadurch 
werden  mit  einem  Schlage  die  geflüchteten  reichen  Bürger  nach  der 
Vaterstadt  zurückkehren,  unser  öflciniicher  Kredit  wird  sich  st.irken 
und  die  Republik  wird  sich  in  kurzer  Zeit  in  dem  Besitz  der  Kon- 
tribution sehen.' 

Welchen  Eindruck  Basse  mit  diesem  Expos^  beim  Minister 
erzielt,  ob  dieser  sich  überhaupt  die  Mühe  genommen  hat,  es  sorg- 
fältig durchzulesen,  wissen  wir  nicht.  Bezeichnend  genug  ist  jeden- 


■ 

•  S.  auch  H  iiisscr  II,  75—74. 

'  Der  SchUi^s  der  Sclirift  lautet  höclist  emphatisch:  «Wer  über  das  Schicksal 
von  Naiiuncn  entscheidet,  verschmähe  es  nicht,  sich  mit  dem  eines  k  leinereu  Staate» 
zu  befassen  und  mit  ihm  einen  fdrmlicheii  Vertrag  zu  schiiesscn.  La  gloire  d'avoir 
conscrv)&  unc  ville  indipcndante  et  libre  depuis  !es  temps  anciens  rel&vera  les  briUaots 
succis  qui  nous  soumettent  des  empires.« 


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-   i8|  - 


lalls  die  1  hatsachc,  dass  der  sonst  su  schrcibseligc  Uasse  über  :>eine 
PrivataudicDZ  bei  dem  Minister  kein  Wort  meldet. 

Ueberhaupt  war  die  Aufnahme,  welche  den  Vertretern  Franklurtb 
von  den  Beamten  der  Republik  zu  teil  ward,  eine  kalte,  ja  sogar 
unfreundliche;  durch  ihr  fortwährendes  Antichambrieren  fingen  sie 

bereits  an,  »interessant«  zu  werden.  Ihre  Vorstellungen  und  Denk- 
sclirittcn  wurden  in  den  Bureaus  des  auswärtigen  Amtes  zwar  an- 
genommen, aber,  wie  sie  erfuhren,  bei  Seite  gelegt  und  nicht  einmal 
einer  Eiuregistrierung  wert  befunden.  Der  sich  damals  in  Paris 
aufhaltende  Prinz  Carl  von  Hessen  intriguierte  stark  gegen  sie,  ebenso 
der  prcussische  Gesandte  RoUin-Sandoz,  trotzdem  doch  Hardenberg 
ausdrücklich  zugesagt  hatte,  sich  beim  Direktorium  für  die  Stadt 
verwenden  zu  wollen.  Allenthalben  behauptete  ersterer,  Frankfurt 
sei  gar  keine  Ireie  Reichsstadt,  sondern  eine  Kaiserliche,  könne  dem- 
nach nicht  selbständig  Verträge  scbliessen.'  So  konnte  es  also 
nicht  weiter  gehen. 

Da  fassten  Oelsner  und  Basse  den  Entschluss,  mit  ihrem  Anliegen 
vor  das  Publikum  zu  treten  und  durch  die  Presse  auf  die  öffentliche 
Meinung  zu  wirken,  von  der  doch  schliesslich  das  Direktorium  ab- 
hängig war.  War  einmal  il.is  französische  Publikum  auf  Jie  Wiclitig- 
keit  der  l'rhaltun!^  der  reichs-.:,Kiti>chen  Vcrfassun;^  luui  der  politisclien 
Selbständigkeit  irankfuris  aulmerksan»  gcuiatlit  und  vor  den  An- 
nexionsgelfisten  Hessens  und  Preussens  gewarnt,  dann  war  schon 
viel  gewonnen.  Die  Frankfurter  Bevollmächtigten  entwickeln  nun 
eine  rege  literarische  Thätigkeit.  Durch  »kräftige  Broschüren  und 
Artikel«  in  den  Zeitungen  suchen  sie  für  ihre  politischen  Ansichten 
Stimmung  in  der  Hauptst-idt  zu  machen. 

In  den  Sji.ilten  der  »Gazette  nntidnale  de  1  r.ini.e«,  des  '»Moniteiir«, 
des  »Journal  Politique«,  im  »Journal  de  i'aris«  etc.  erschien  jetzt  eine 
Reihe  höchst  geschickt  gescbriebexier  Aufsätze  und  Korrespondenzen 
aus  Frankfurt,  die  bald  ein  gewisses  Aufsehen  erregten.  Unter  ersteren 
verdient  besonders  eine  Abhandlung  im  Moniteur  hervorgehoben  zu 
werden,  die  der  französischen  Nation  die  Gesichtspunkte  angeben 
wollte,  welche  für  sie  he/iiplich  der  KcpuÜerung  der  deutschen  Verhält- 
nisse beim  nächsten  I  ricdensschiuss  massgebend  sein  müssten.  Es 
verlohnt  sich  wohl  der  Mohe,  darauf  näher  einzugehen,  schon  um 
zu  zeigen,  wie  wenig  entwickelt  damals  in  Deutschland  der  nationale 


•  l>.iniit  konnte  er  um  so  eher  Cjljiibcii  (mdcn,  .lib  die  Fr.inzosca  »trcic  Rciclis- 

stadt«  mit  »vUlc  libre  «t  knpMalea  anstatt  mit  »vilte  libre  d'empire«  wiedergaben. 


—    i84  — 


Sinn  und  das  Gefühl  für  die  nationale  Wurde  war,'  wie  die  partiku- 
larist ischen  Tendenzen  jede  gedeihliche  Entwicklung  der  politischen 
Verhältnisse  der  Gesamtheit  zu  ersticken  suchten. 

Mach  einigen  einleitenden  Worten  legt  der  Verfasser  dar,  dass 
die  deutschen  Staaten,  wenn  man  Preussen,  Oestreich,  sowie  die  von 
Frankreich  auf  dem  linken  Rheinufer  besetzten  Gebiete  ausnimmt, 
eine  Bevölkerungszahl  von  zwölf  Millionen  umfassen.  Diese,  fährt 
er  fort,  haben  nur  gezwungen  an  dem  Kriege  gegen  Frankreich  teil 
genommen,  da  sie  längst  keinen  Schutz  mehr  von  Kaiser  und  Reich 
erwarteten,  hingegen  volles  Venrauen  in  die  junge  Republik  setzten, 
die  ihre  Eroberungsgelüste  nie  über  den  Rhein,  die  natürliche  Grenze 
Frankreichs,  ausdehnen  werde.  Was  soll  nun  das  Schicksal  der  an 
den  Rhein  stossenden  kleineren  Staaten  werden?  Soll  man  sie  sich 
selbst  überlassen?  Das  wäre  ein  unberechenbarer  politischer  Fehler; 
denn  sicher  wird  sie  alsdann  einer  der  grossen  Staaten  Deutschlands 
annektieren  und  dadurch  so  an  Macht  gewinnen,  dass  sich  ganz 
Deutschland  um  sein  Banner  schaart.  Ist  aber  einmal  die  deutsche 
Nation  unter  einer  Regierung  vereinigt,  die  ihre  patriotischen  Geföhle 
von  neuem  zu  beleben  versteht,  dann  wird  ihr  das  Bewusstsein  der 
erlittenen  Demütigungen  kommen,  und  sie  wird  in  Wahrheit  ein 
furchtbarer  Feind  Frankreichs  werden.  Das  muss  also  die  französische 
Staatskunst  zu  verhüten  wissen.  Dieser  Gefahr  beugt  sie  m 
sichersten  vor,  wenn  sie  die  Bildung  von  Föderativstaaten  an  ihren 
Grenzen  mit  allen  Kräften  begünstigt  und  fördert.  Sie  muss  demnach 
einen  neuen  deutschen  Bund  unter  dem  Protektorate  Frankreichs  ins 
Leben  rufen:  11  faut  qu'une  nouvelle  ligue  gernianiquc  s*6tablisse  sous 
les  auspices  de  la  France. 


'  Ihr  Titel  Utulct:  »Dissertation  sur  unc  question  interessante  rclativctucut  aux 
nouvelle»  Hmites  de  ta  France.  QMCsticHi:  Ü»t-il  de  Pintcret  de  la  Kiptiblique 
fran^aisc,  quc  rAlk-nuignc  Je  la  rivc  drohe  du  Riiiti  soit  revoluiionnec  cn  sens 
invcrse  et  quc  rindcpciuiancc  des  piiibsanccs  d'un  ordre  ir  Jcrteur  soix.  aneaniie  pour 
quc  des  dt'bris  de  PEmpire  il  s'cleve  une  caste  puissntKe  milit.urc?«  Für  den  Mangel 
an  Vaterlandsliebe,  der  aus  jeder  Zeile  dieser  und  ähnlicher  Scliriften  spricht,  wird 
der  unbefangene  Beurteiler  nicht  den  einzelnen  verantwonlich  machen,  sondern 
die  ganze  Zeit,  welche  in  ihrem  »VN'eltbürgerstnti..  Vaterlandsliebe  für  ein  Zeichen 
j^eistigcr  Beschränktheit  hielt.  Il.it  Jo^li  I  iciite,  der  später  die  »Reden  an  die 
deutsche  Nation«  veriasste,  noch  i6o.\  in  seiiiLii  Vorlesungen  die  Fm;'c:  >? Welche:» 
ist  denn  das  Vaterland  des  wahrhaft  ausgebildeten  christlichen  Europas?«  damit 
beantwortet:  »Im  Allgemeinen  ist  es  Europa  und  insbesondere  tn  Jedem  Zciulter  der 
Staat  in  Europa,  der  auf  der  Höhe  derKuhur  stdit.«  Vgl.  Oncken,  das  Zeitalter  der 
Revolution  u.  s.  w,  Bd.  U,  396  ff. 


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-    r8s  - 


Zu  diesem  Zweck  scliliigt  der  Verfasser  vor,  Deutschland  in 
neun  bis  zehn  Gebiete  etP/ruteilen,  die  ihren  n:itürlichen  Beschützer 
in  Frankreich  zu  suchen  hätten.  Da  aber  auch  ein  solches  toderaiives 
Staatcngcbilde  immerhtii  noch  ein  gefährlicher  Nachbar  werden  könnte, 
so  müsste  von  vornherein  dafür  gesollt  werden,  dass  zwischen  seinen 
einzelnen  Mitgliedern  ein  Prinzip  der  Uneinigkeit  und  Spaltung 
iierrsche:  II  faudrait  y  laisser  subsistcr  un  principe  de  desunion; 
deshalb  nnissten  die  freien  Städte  in  der  Ständeversammlung  mit  den 
Fürsten  gleichberechtigte  Siiiumcn  liaben.  Die  geistlichen  St.uitcii 
hingegen  hatten  keinen  Raum  mehr  in  dieser  neuen  Verfassung,  ihr 
Gebiet  mßsste  zu  Gunsten  der  beiden  anderen  Stände  säkularisiert 
werden.* 

Was  Preusscn  anbelangt,  so  dürfe  Frankreich  keineswegs  ge< 

statten,  dass  es  sich  in  Franken  weiter  ausdehne ;  vielmehr  müsse  es 
vollständig  d.ir.nts  verdrängt  werden.  Hier  sei  der  Platz  für  S.ichscn, 
eine  Macht,  die  noch  niemals  AtuicxioiisgeUiste  gehabt  habe.  Preusscn 
könne  lür  seme  Gebietsabtretungen  in  Franken  mit  den  Lausitzen 
entschädigt  werden,  Hessen-Kassel  könne  Waldeck»  das  Eichsfeld 
und  einige  Territorien  im  Fuldaischen  bekommen,  aber  es  dürfe  auf 
keinen  Fall  in  die  reichen  Ebenen  des  Mains  hinabsteigen,  um  Mainz 
oder  gar  Frankfurt  zu  besetzen.  Bei  dieser  neuen  Einteilung  Deutsch- 
lands habe  man  überhaupt  von  den  natürliciien  Grenzen  auszugehn.* 
Auch  Frankfurts  Gegner  bedienten  sich  indess  der  Presse,  um 
auf  die  Stimmung  des  Publikums  zu  wirken.   In  prcussischcn  und 
hessischen  Zeitungen  wurde  fortwährend  die  Frage  der  Annektierung 
Frankfurts  diskuticn.  Um  so  geharnischter  wurden  jetzt  die  von 
Oelsner  :ibgefasstcn  Artikel :  der  Pseudokorrespondent  der  Gazette 
Kationale  de  France'  aus  Frankfurt  ergelit  sich  in  bitteren  Vorwürfen 
über  Frankreich,  das  freie  Völker  au  despotische  Staaten  wie  Hessen 


'  liin  solches  gewaltsames  Verfahren  gegen  den  Klerus  liege  im  jetzigen 
Zeitgeist.  Als  der  schwächere  hahe  sich  ikr  Klerus  den  st.irkeren  Gewalten  zu 
f&gen.  Es  Ut  eben  sein  Schicksal,  que  toutet  fois  qu'il  y  a  unc  s.iignce  politique 
i  faire  c'csi  lui,  qu'on  saigne.  A  rexemple  du  Sauveur  il  est  obligi  de  mourir 
paar  que  Ics  autrcs  vivcn! 

*  lo  einer  bald  daraul  crscliieiicnen  Broschüre,  einer  Art  von  politischem 
Katechismus  unter  dem  Titel  »Considfeations  d'un  voyageur  sur  ks  rdttions  fulures 
Je  I.T  f-rancc  avec  Ks  P,:\s  >;iir  Ii  rivc  >lri->;te  du  ]lhm«  entwickelte  Oelsner  dieselben 
politischen  Ansichten.  Wiederum  empfiehlt  er  den  französischen  Machtiiabcrn  das 
»systime  ftdcratif  de  rAllemagne«  and  scMagt  die  Mitid  vor  itpour  le  rtublissement 
rtel  et  pratiquc  du  principe  fnndament.il  de  lYgalite  de  toos  Ics  ^als  COmHK  itats.« 

i  In  Nr.  342  vom  12.  Fructidor  (sa  29.  Aug.). 


verschachern  wolle;  der  PscuJokorrespondent  aus  Nürnberg '  vcrj^leiclu 
mit  Bezugnahme  darauf,  dass  Preusscn  soeben  das  Bistum  F/ichstädt 
seinem  Gebiet  einverleibt  hatte,  die  französische  Politik  des  Direk- 
toriums mit  der  Ludwigs  XIV.  sehr  zum  Nachteil  der  ersteren. 
Während  diese  Oestreich  gedemütigt,  aber  zugleich  die  kleineren 
Stände  des  deutschen  Reiches  und  besonders  die  Reichsstädte  ge- 
schützt habe,  führe  das  Direktorium  zwar  auch  Krieg  mit  Oescreich, 
töte  aber  zugleich  die  Freiheit  in  Deutschland  und  begünstige  deo 
militärischen  Despotismus  Preussens,  dem  es  die  Reichs«  und  Hansa- 
städte preisgebe.  »Man  entfremdet  sich  so  die  Völker,  zerstört  die 
Dämme,  die  sich  der  Tyrannei  entgegensetzen  und  bereitet  damit 
die  Cnterjochung  Europas  vor/« 

Mit  dem  Erfolg  ihrer  publizistischen  Thätigkeit  zeigten  sich 
Basse  und  Oelsner  sehr  zufrieden.  Triumphierend  berichteten  sie 
nach  Frankfurt,  dass  das  Pariser  PubUkuni  sicii  für  das  Schicksal  der 
Stadt  zu  itnercssieren  beginne.  Sie  wünschten  nur  noch,  dass  der 
Rat  eine  Proklamation  erliesse,  in  der  er  seinen  Abscheu  gegen  das 
despotische  Hessen  in  den  kräftigsten  Ausdrücken  kundgebe  und  gelobe, 
die  Freiheit  bis  zum  äusscrsten  zu  veneidigen.  Das  werde  in  Paris 
seine  Wirkung  nicht  verfehlen. 

Um  diese  Zeit  trafen  in  der  französischen  Hauptstadt  Abgesandte 
des  fränkischen  und  schwäbischen  Kreises  ein.  Da  sie  ähnliche 
Anliegen  an  das  Direktorium  halten  wie  Basse  und  Oelsner,  so  er- 
suchten diese  den  Rat,  sich  ihnen  anschliessen  zu  dürfen,  und  zwar 
als  Vertreter  des  oberrheinischen  Kreises,  zu  dem  ja  l'rankfurt  gehörte. 
Die  Stadt  solle  sich  schleunigst  mit  den  einzelnen  Mitgliedern  diescN 
Kreises  in  Verbindung  setzen  und  von  ihnen  sich  Vollmachten  tur 
Basse  und  Oelsner  ausbitten.  »Denn  nur,  wenn  wir  nicht  als  Ver- 
treter einer  Stadt,  sondern  einer  grösseren  Gemeinschaft  erscheinen,« 
bemerkten  sie,  »dürfen  wir  hoffen,  unsere  Unabhängigkeit  zu  behaupten.' 
Der  Bund  der  drei  Kreise  wird  einerseits  Frankreich  Respekt  ein- 
llössen,  andrerseits  jedes  Mitglied  desselben  vor  den  Annexionsgelüstcn 
Preussens  und  Hessens  von  vornherein  schützen.« 


Der  Rat  aber  hielt  den  Schritt  nicht  für  thunlich,  da  er  betut  ch:cte, 
dafür  sowohl  von  Preussen,  dessen  Vermittlung  man  noch  immer  im 


•  In  Nr.  323  vom  25.  Thcnnidor  (=  10.  Aug.). 

*  On  aUbie  des  pcuplcs  qu'il  <hoit  fadle  de  s^atucher,  on  däruit  toutcs  les 
digues  qui  s'opposoknt  i  la  tyraitnie;  il  scmble  qu*au  licu  d'assurer  la  libeni^  on 
primäre  l'-isscrnssenMiit  de  TEurope. 

i  iichreibeii  vom  29.  August. 


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-    i87  - 


Auge  hane,  als  auch  von  dem  jetzt  wieder  siegreichen  Oestreich 
scheel  angesehen  zu  werden.  Der  oherrheinische  Kreis  als  solcher 
sei  übrigens  gar  nicht  in  der  Lage,  Verhandlungen  mit  der  Republik 
anzuknüpfen;  seine  bedeutendsten  Stände,  wie  Hessen-Darmstadt  und 
Kurmainz,  hätten  teils  nicht  die  Absicht,  mit  der  Republik  zu  ver- 
handeln, teils  hätten  sie  schon  auf  eigne  Faust  versucht,  ein  Abkommen 
mit  ihr  zu  treffen. 

Ihren  Unmut  über  diesen  Bescheid  gaben  die  Abgesandten 
Frankfuns  dem  Rate  unzweideutig  zu  verstehen.  Gerade  jetzt  hätten 
die  Vertreter  des  fränkischen  Kreises  ihre  Verhandlungen  zu  einem 
befriedigenden  Abschluss  gebracht  und  dadurch  dem  Untergang  ihrer 
Selbständigkeit  vorgebeugt ;  das  Missgeschick,  welches  die  französischen 
Heere  unter  Jourdan  und  Moreau  betroffen,  hätte  das  Direktorium 
etwas  von  seinem  hohen  Tone  herab  gestimmt.  Was  Preussens 
Vermittlung  anbelange,  so  warnten  sie  vor  zu  grosser  Vertrauens- 
seligkeit. Dieses  habe  soeben  einen  neuen  Vertrag  mit  der  Republik 
unterzeichnet  und,  wie  man  vermute,  ihr  weitgehende  Zugeständnisse 
gemacht,  dafür  aber  für  sich  und  Hessen  bedeutende  Gebietsentschä- 
digungen erlangt.' 

Die  Lage  der  Abgesandten  wurde  immer  unbehaglicher;  die 
ihnen  gemachten  Versprechungen  hielt  man  nicht,  angeknüpfte  Be- 
ziehungen wurden  wieder  abgebrochen.  So  befanden  sie  sich  schon  vier 
Wochen  in  Paris,  ohne  einen  greifbaren  Vorteil  für  die  Stadt  erreicht 
zu  haben.  Der  preussische  Gesandte  zeigte  sich  ablehnender  denn 
ie ;  hessische  Agenten  tauchten  in  Paris  auf,  die  vorgaben,  vom  ober- 
rheinischen Kreis  und  von  Frankfurt  zu  Unterhandlungen  bevoll- 
mächtigt zu  sein.  Basse  hielt  es  für  nötig,  gegen  ihr  unbefugtes 
Auftreten  öfTentlkh  Protest  einzulegen. 

Aber  gerade  in  dieser  kritischen  Zeit  trat  ein  Umstand  ein/ der 
Basse  und  Oelsner  in  ihrem  Werke  mäclnig  fördern  sollte.  Wir 
wissen,  dass  bei  dem  Rückzüge  Jourdans  das  deutsciic  Volk  in  vielen 
Gegenden  sich  mit  erbarmungsloser  Wut  über  die  flüchtenden  Fran- 
zosen licrstürzte  und  sie  erschlug.  Inmitten  dieses  Vemichtungs- 
kampfes  bildete  Frankfurt  und  sein  Gebiet  gewissermasscn  eine 
friedliche  Oase.  Die  von  Basse  und  Oelsner  bedienten  französischen 
Zeitungen  wussten  nicht  genug  Rühmendes  von  dem  weisen  Betragen 
der  Stadt  und  ihres  Magistrates,  von  dem  guten  Einvernehmen 
zwischen  Besatzung  und  Bevölkerung  zu  berichten.*  Und  dass  die 


■  Ueber  den  Vertrag  $.  Hüusser  II»  7a  ff.  und  Sybel  II,     24;  ff. 

*  Da«  Jooroal  de  Paris  vom  2$.  Fructidor  (s  ti.  Sept.)  schreibt  sogar:  »La 


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Politik  der  Siaül  trotz  des  weichenden  Kriei,'sglückes  der  I-ranzosen 
dieselbe  jLieblieben  war,  dass  sie  gerade  zu  dieser  Zeit  die  stärksten 
Koiuribuiionszahlungcn  i;cleistei  hatte  und  jetzt  sich  angelcticniliclist 
um  die  Neutralitat  benuihte,*  rief  in  Paris  den  i;ün.sn,uMcn  HinJnick 
hervor  und  zerstörte  mit  einem  Male  die  bishcriL;cn  NOrurteilc  i^cucn 
Franklurt.  »Man  überzeugte  sich  von  unserer  und  unserer  Kommit- 
tenten RedHchkeir,  und  von  der  Zeit  an  begann  unsere  Sache  einer 
ausgezeiciuieten  Gunst  zu  geniesscn.«' 

Jetzt  fanden  die  Frankfurter  Bevolhiiachti^ten  bei  den  mass- 
gebenden Persönhchkciten  eine  frcundhchere  Aufnahme;  so  war 
wenigstens  eine  Basis  geschaffen,  auf  der  die  Unterhandhmgen  zu 
einem  betriedigenden  Abschluss  gelangen  konnten.  Zwar  so  platoniscli 
dachte  das  Direktorium  nicht,  dass  es  von  seinen  Forderungen  auch 
nur  die  geringste  nachgelassen  hätte;  nicht  einmal  das  konnten  die 
Abgeordneten  durchsetzen,  dass  die  25  Geiseln  nach  Abtragung  der 
Hälfte  der  Kontribution  in  I  rciheii  gesetzt  würden;  aber  schon  aus 
Furcht  vor  der  Öffentlichen  Meinung  hätten  die  französischen  Macht- 
haber jet/i  nicht  mehr  gewagt,  Frankfurt  den  Hessen  preiszugeben. 

Haid  hierauf  erhielten  die  Abgesandten  ganz  unerwartet  eine 
weitere  Unterstützung,  die  endlich  ihre  Bemühungen  mit  Hrfolg 
krönen  sollte.  Der  bereis  erwähnte  Jugendfreund  und  Landsmann 
Oelsners,  Dr.  i:bel,  langte  in  diesen  Tagen  in  Paris  an  mit  einem 
Hmpfehlungssclireiben  des  Frankfurter  Senators  Wenncr  an  eine  be- 
freundete Pariserin,  namens  Treuteils.  Diese,  eine  Frau  von  vielem 
Geist  und  grosser  F'ntschlossenheit,  war  nicht  ohne  politischen  Ein- 
fluss;  ihr  Haus  war  der  Sammelplatz  der  angesehensten  französischen 
Deputierten  und  Publizisten.  Wie  erfreut  war  nun  Oelsner,  als  Ebel 
ihm  bei  dem  ersten  Zusammentreffen  mitteilte,  dass  ihn  Wenner  be- 


villc  Je  Francfort  est  trb-transquille ;  Ics  habhans  nous  t<&nioignent  be.tucoup 
d'attachemcnt«. 

•  Sehr  bezeichnend  z.  B.  ist  folgende  angebliche  Korrespondenz  vom  19.  i>cp- 
tember  im  Journal  PoUtique  vom  19.  Vcndim.  (»  10.  Okt.):  »Wir  werden  fwch 
lange  denken  an  die  uns  von  den  Franxosen  auferlegte  Kontribution.  \\"n  sit/cn 
in  Schulden  bis  über  die  Ohren,  aber  wir  bezahlen  ;  trotz  .ille.lcm  bcd.uiern  wir 
dies  nicht,  si  lout  ce  que  nous  avons  fait  et  soufTirt  pcut  <i.r\  ir  a  inspircr  .)ux 
Frün^ais  une  plus  juslc  ei  plus  favorable  opinion  sur  nouc  compte.  Le  chauge- 
ment  de  fortune  que  les  armtScs  frangaises  ont  ^rouv^  n'a  pas  influi  sur  notrc 
conduUe.  Les  offidcrs  distingu<is  ont  re(u  des  deputations  de  la  pait  des  magistrats 
pour  leur  marqucr  rintcrtt  qu'on  prenait  ä  Icur  Situation,  ßeaucoup  de  ft^ublicains 
sont  a  menic  d';ipprccier  Tesprit  public  qui  nous  aninie.« 

*  Aus  dem  Memoire. 


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—   i89  - 


auftragt  habe,  der  l-r.ui  'rrciitell?; '  die  Sache  Fmnkturis  dringend  ans 
Herz  zu  leiten!  Beide  begaben  sich  zu  ihr,  und  bei  ihrem  leb- 
haften Naturell  war  sie  sofort  l'euer  und  Mamme,  Mit  Ebel  und 
Odsner  gemeinsam  hielt  sie  Kriegsrat  und  fand  endlich  ein  Mittel 
zur  Erreichung  ihrer  Absichten.  Der  Volksrepräsentant  Dcntzel  hatte 
ihr  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  seine  Dienste  angeboten.  Jetzt 
beschloss  sie,  von  seinem  Anerbieten  Gebrauch  y.u  machen  und 
seinen  weilgehenden  lüntluss  im  Interesse  I  ranklurts  zu  verwerten,* 
Die  Abgesatuitcn  suchten  in  Begleitung  der  I  ran  Treutells  sofort 
Dcntzel  auf.  Dieser  gab,  nachdem  er  das  Anliegen  vernonunen  hatte, 
sein  Wort,  lür  sie  alles  thun  zu  wollen ;  er  zweifelte  keinen  Augen- 
blick, dass  er  in  kürzester  Zeit  —  in  8  bis  lo  Tagen,  meinte  er  — 
die  Verhandlungen  zu  einem  erfolgreichen  Abschluss  bringen  werde, 
da  die  Forderungen  der  Stadt  durchaus  berechtigt  wären. 

»Ich  glaube,  wir  sind  so  gut  wie  am  Ziele,«  meldete  Dr.  libel 
am  4.  Oktober  dem  Senator  Wenner,  utid  Oelsner  war  über  die 
Bereitwilligkeit  Dentzels  so  ausser  sich  vor  Freude,  dass  er  beim 
Wegfahren  im  Wagen  hoch  in  die  Höhe  sprang.* 

Die  Verhandlungen  gerieten  nunmehr  in  Fluss.  Man  bedeutete 
den  Abgesandten,  dass,  wenn  nur  die  Stadt  sich  zu  kürzeren  Zahlungs- 
terminen entschliessen  könnte,  man  sich  sehr  rasch  verständigen 
wurde.  Basse  legte  nun  der  tranzösisciien  Regierung  verschiedene 
Finanzpläne  vor  und  hatte  schon  die  Aus.sicht,  sie  genehmigt  zu 
sehen,  als  auf  einmal  neue  Schwierigkeiten  aufiauchien,  an  welchen 
das  ganze  Werk  zu  scheitern  drohte. 

Wie  wir  wissen,  hatten  die  französischen  Truppen  aus  I  urcht 
vor  dem  nachdringenden  siegreichen  östreichischen  Heere  I  rankfurt 
am  8.  September  geräumt.  Da  der  Hrzherzog  sich  nur  wenige  Meilen 
von  der  Stadt  befand,  so  schickte  sie  ihm  noch  an  demselben  'l  äge 
eine  Deputation  entgegen,  um  ihm  für  seine  Hrfolge  ein  »Bewill- 
kommnungs-  und  Glück  wunschkompliment  abzulegen.«  Zwarempting 
der  östreichische  Oherfeldhcrr  dieselbe  in  seinem  Hauptquartier  zu 
Winüecken  »mit  ausgezeichneter  Gnade,  auch  mit  sichtbarem  Ver- 


'  Oft  auch  Trciitcl  ircMjIirichcn. 

*  In  einem  Briefe  lieisst  es  nhcr  ihn:  »iir  hat  einen  langen  Ann.  reicht  auf 
der  einen  .Seite  r.u\\\  Minister,  aiil  Uer  andern  ins  direcloire  und  ist  im  conseil  sehr 
gieschättt.«  Merkwürdig  ist,  dass  Basst  und  Oelsncr  im  M^noire  Frau  Treutells 
mit  keiner  Si\be  erwälinen,  sondern  nur  von  Dentxel  sprechen,  ohne  dabei  seinen 
Kamen  nennen. 

s  Akten  Ucr  Dep.  Bü.  III. 


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—   190  — 


gniiacn  über  die  Befreiung  bit  sifrer  Stadt;'«  als  sie  ihn  aber  um 
Rücksendung  des  Frankfurter  Kontingentes,  welches  <ler  Rat  nicht 
länger  im  Felde  unterhalten  könne,  bat,  wurde  sie  zu  wnederholten 
Malen  abschlägig  beschieden.  Bald  sollte  die  Stadt  noch  mehr  vom 
Erzherzog  hören.  Von  Würzburg  aus  hatte  er  am  5.  September  in 
einem  Erlasse  streng  verboten,  Lösegeld  zur  Befreiung  der  weg- 
geführten Geiseln  oder  Kontributionsgelder  in  Feindesland  zu  schicken. 
Dabei  erklärte  er  feierlichst,  jede  Uebertretung  nach  i\cm  Kriegsrecht 
ahnden  zu  wollen.  In  einem  Schreiben  vom  11.  September*  machte 
er  den  Rat  besonders  auf  sein  Verbot  aufmerksam  unter  der  Drohung, 
jede  ihm  in  die  Hand  fallende,  für  jenen  Zweck  bestimmte  Summe 
konfiszieren  und  die  Stadt  zur  Zahlung  des  doppelten  Betrages  an- 
halten zu  wollen.  Man  denke  sich  nun  die  Verlegenheit  des  Rates. 
Gerade  in  diesen  Tagen  hatte  er  in  Cirkularen  die  Bürgerschaft  um 
weitere  Beiträge  zur  Tiluiing  der  Kontribution  dringend  ersucht  und 
den  Amtmännern  der  Stifter  befohlen,  die  ihnen  auferlegten  Summen 
völlig  zu  bezahlen,  während  die  Schuldner  von  renitenten  .Stiftern 
unter  Androhung  der  Strafe  doppelter  Zahlung  die  gemessene  Weisung 
erhalten  hatten,  die  fällig  werdenden  Zinsen  bis  auf  weiteres  nicht 
dem  Stiftsanumnnn,  sondern  der  Kriegsdeputation  zu  entrichten.' 
Letztere  hatte  ferner  die  hervorragendsten  Kaurieute  und  Spediteure 
in  den  Römer  beruten,  um  sich  von  ihnen  Mittel  und  Wege  zur 
Erlangung  weiterer  Geldsummen  angeben  zu  lassen.  Ausserdem 
verlautete,  dass  die  zur  Herbstmesse  nach  1  rankfurt  herbeiströmenden 
fremden  Kaufieute  durch  Cirkulare  zur  regen  Beteiligung  an  der 
städtischen  Anleihe  aufgefordert  werden  sollten. 

Von  diesen  Finanzoperationen  sowie  von  den  beiden  dem  fran- 
zösischen Kriegskommissär  Huguicr  übergebcnen  Schuldscheinen  erfuhr 
selbstverständlich  auch  Erzherzog  Karl.  Eine  Estafette  überbrachte 
dem  älteren  Bürgermeister  in  der  frühen  Morgenstunde  des  25.  Sep- 
tember ein  sehr  bündig  abgefasstes  Schrei ben,  in  welchem  der  Erz* 


*  Hinze  S.  298. 

*  Ratsprotokoll  vom  i}.  September. 

^  Zur  HntschulJigung  dieser  Gcv  iltm.i'^sregcl  vcr}^ct{cn\v.irtigc  nun  sich,  wie 
trnurij»  <1te  I-in.in/I.i;;e  der  Stadt  war.  Die  Kriogsdeputation  wiisste  nicht  rnelir. 
woher  sie  die  (jeider  nelmicn  soHte,  um  die  lur  den  ersten  Oktober  l.iUigcn  Ziu^^en 
der  HmmilHoiunleihe  vom  Jahre  1792  und  den  Sold  der  in  Mainz  liegenden  Truppen 
zu  bezahlen.  Und  d.ibei  vcrsclilangen  die  Verpflegung  der  Kaiserlichen  Truppen  und 
die  vom  Hrzherzog  Karl  verlangten  Requisitionen  grosse  Sunmien,  welche  allerdings 
spater  von  der  Kaiserlichen  Kriegskasse  ersetzt  werden  sollten. 


t 


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-   191  - 

herzog  den  Rat  ersuchte,  »ihm  unverzüglich  und  umständlich  an  die 
Hand  zugeben,  worin  diese  Papiere  (Schuldverschreibungen)  bestanden 
seien  und  was  für  eine  ßcwandnis  es  überhaupt  damit  habe.«'  Ueber 
letzteren  Punkt  ausführlichere  Mitteilungen  zu  machen,  hütete  der 
Rat  sich  wohl.  Das  Vorhandensein  der  beiden  Schuldscheine  räumte 
er  dem  Krzhcrzog  in  seiner  Antwort  rückhaltslos  ein  und  recht- 
fertigte ihre  Ausstellung  durch  Jen  llituvcis  auf  die  äusserst  gefähr- 
liche Lage,  in  der  er  sicii  damals  befand.  Hr  schilderte  in  über- 
triebener Weise  die  furchtbaren  Drohungen,  welche  der  französische 
Kriegskommissär  ausgestossen  hätte,  falls  ihm  nicht  vor  dem  Ab- 
rücken der  Truppen  die  noch  rückständigen  Kontributionen  ausgezahlt 
würden,  wie  er  die  Absicht  ausgesprochen  hätte,  die  Häuser  nach 
Gold  und  Silber  durchsuchen  und  alle  W'urcn  aus  den  Gewölben 
gewaltsam  forischattcn  zu  lassen  u.  s.  w.  Zu:  !  1  •Ittini;  des  gemeinen 
Wesens  habe  also  die  Stadt  die  beiden  Schuldverschreibungen  aus- 
stellen müssen.  Aber  der  Erzherzog  zeigte  sich  mit  diesem  Bescheid 
wenig  zufrieden.  Er  verlangte  eine  Abschrift  der  Verschreibungen 
nebst  einer  beigefügten  F.rläuierung ;  zugleich  sollte  ihm  der  Rat 
angehen,  wie  dieselben  jetzt  noch  unwirksam  gemacht  werden 
könnten. 

Nur  höchst  ungern  entschloss  sich  dieser  zur  Mitteilung  der 
betreffenden  Schuldscheine.    Dabei  nuisste  er  noch  gute  Miene  zum 
bösen  Spiel  machen,  um  nur  nicht  dem  einmal  wach  gewordeneu 
Argwohn  des  lirzherzogs  neue  Nahrung  zu  geben.    Iir  schrieb  ihm 
daher,  »sein  Befehl  (die  Abschriften  einzusenden)  trage  soviel  unver- 
kennbare Merkmale  von  seiner  gnädigsten  Fürsorge  für  das  hiesige 
Gemeinwesen  an  sich,  dass  deren  Pflicht,  demselben  Genüge  zu  leisten, 
durch  das  Dankgcfühl  erhöhl  werde,  welciics  jene  preiswürdige  Rück- 
sicht in  ihm  erregen  müsse.«    Die  UnLiühiukeitserklärung  der  Ohli- 
j^ationen  widerriet  er  aber  dringend.    Diese  könnten  ja  schon  längst, 
da  sie  auf  den  Iniiaber  (au  portcur)  ausgestellt  werden  nuissten,  in 
den  Besitz  anderer  geraten  sein,  die  nunmehr  in  ihrem  Reciit  gedrückt 
würden.    Sodann  erinnerte  er  an  die  rünt'und/.wan/.ig  (jeischi,  die 
noch   immer  in  Feindes  Gewalt  seien,  welciie  nicht  nur  in  ihrer 
llotliuing  auf  baldige  Freilassung  getäuscht,  sondern  auch  strengeren 
M.issregcln  ausgesetzt  werden  würden.    Schliesslich  würde  die  fran- 
/rt)sischc  Regierung  sich  an   dem  F.igentum,  das  ilie   Bürger  unter 
verschiedenen  Uechtstiteln  in  Frankreich  besässen,  bezahlt  machen. 


'  Das  Schreiben  ist  vollständig  mitgeteilt  bei  iiiiue  S.  2«^. 


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—    t^2  — 


Lin  aber  weiteren  Korrespondenzen,  die  schliesslich  noch  zu 
unangenehmeren  lirorterun'^'en  tühren  konnten,  ein  Knde  zu  machen, 
sandte  er  den  Obristcn  v.  Planitz  in  das  östreichischc  Hauptquartier. 
Dort  sollte  er  den  einfiussreichen  Geheimsekretär  des  lirzlier/o^s  im 
Vertrauen  sondieren,  wie  eigenthch  der  Erlass  aufzulassen  sei.  »Hinc 
reelle  Hrkennthchkeitshezeugiing«  sollte  diesem  zu  Teil  werden,  falls 
er  durch  seinen  Hinfluss  beim  Erzherzog  einen  der  Stadt  günstigen 
Bescheid  bezüylieh  der  Schuldscheine  erwirken  würde.  Am  (\  Oktober 
langte  Planitz  in  Rastatt  an  —  das  östreichische  Heer  luutc  sich 
inzwischen  nach  dem  Südwesten  Deutschlands  gewandt,  um  Morcau 
den  Rückzug  über  den  Rhein  abzuschneiden  —  und  bat  den  Sekretär 
um  eine  geheime  Unterredung.  Dieser  zeigte  ihm  ein  bereits  nn 
Unterschrift  ausgefertigtes  Annullierungsdekret  der  beiden  Schuld- 
verschreibungen, welches  in  den  nächsten  Tagen  in  allen  Blatten) 
bekannt  gemacht  werden  sollte.  Planitz  erlangte  nun  zunächst  vom 
Sekretär  das  Verspreclien,  das  Dekret  bis  auf  weiteres  dem  l^rzherzog 
nicht  zur  Unterschrift  vorzulegen.  Ihm  hatte  er  es  auch  wohl  zu  ver- 
danken, dass  er  vom  h!rzherzog  sehr  wohlwollend  nufgenoinincn 
ward  -  er  erhielt  sogar  eine  hanladung  zur  Tafel  —  und  ein  geneigte» 
Ohr  tür  seine  Wünsche  fand.  Zwar  verbot  Karl,  die  Schuldscheine 
einzulösen,  doch  wollte  er  mit  deren  Aimullierung  so  lange  warten, 
bis  die  Geiseln  zurückgekehrt  wären.  Die  Stadt  könne  sich  ja  für 
ihr  Verhalten  mit  seinem  Verbote  entschuldigen;  etwaigen  tran- 
zösischerseits  darauf  folgenden  Gewaltmassregeln  würde  er  mit 
entsprechenden  Repressalien  begegnen.  Hinen  Augenblick  lang  li.utc 
er  den  Gedanken,  die  bedeutendsten  Persönlichkeiten  der  ieindliclun 
Partei  in  hVankturt  und  dessen  Umgebung  festnehmen  zu  lassen  unü 
gegen  die  Geiseln  auszutauschen ;  doch  verwarf  er  diesen  Plan  sotort 
wieder  und  gab  zu,  dass  der  Kat  wegen  ihrer  Befreiung  sich  mit  den 
femdlichcn  Generälen,  aber  nicht  mit  dem  Direktoriuni,  in  Verbindung 
setze. 

Kehren  wir  jetzt  zu  den  Abgesandten  der  Stadl  nach  Paris 
zurück.  Fast  nm  Ziele  angelangt,  wurden  sie  durch  das  in  den 
Zeitungen  veröffentlichte  Fdikt  des  Erzherzogs  vom  ii.  Sept.'  weit 
von  demselben  zurückgewi)ilen.  Das  Direktorium  ward  misstr.uiisch, 
ob  die  Stadt  unter  den  obwaltenden  Umstanden  selbst  beun  besten 
Willen  ihre  Verpflichtungen  erfüllen  könne.  Us  Hess  Basse  Jurch 
das  Mmisterium  des  Auswärtigen  erklären,  dass  es  einen  Vertrag 


■  Die  Cl.i/otte  Nationale  d«  France  z.  B.  teilt  es  am  7.  Vendänaire 
(=ss  2Ö.  Sept.)  mit. 


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—    19}  — 


mit  Frankfurt  nur  dann  eingehen  könne,  wenn  das  Zahlungsgeschäft 
in  eine  private  Angelegenheit  verwandelt  würde,  ausserdem  verlangte 
sie  sehr  kurze  Zahlungstermine. 

Mit  der  ersten  Bedingung  erklärten  sich  Basse  und  Oelsner 
einverstanden;  sie  schien  ihnen  sogar  notwendig,  um  die  Stadt  vor 
Ocstrcichs  Hingreifen  zu  schützen:  aber  ob  sich  Bankhäuser  finden 
würden,  die  Frankfurt  ihren  Kredit  zur  Verfügung  stellten,  das  war 
die  Frage.  In  der  That  erschien  den  Banquiers  in  Paris,  an  die  sich 
Basse  wandte,  die  finanzielle  Laue  der  Stadt  so  misslich,  dass  sie 
sich  nur  unter  den  drückendsten  Bedingungen  Ja/u  verstehen  wollten. 
Nach  langen  Bemühungen  erbot  sich  endlich  das  Geschäftshaus 
Torrent  und  Comp,  in  Paris,  mit  der  Stadt  in  geschäftliche  Bezie- 
bungcn  zu  treten.  Dasselbe  hatte  sehr  bedeutende  Lieferungen  in 
Militärtuchen  vom  Kriegsministerium  übernommen  und  sich  zur 
Effektuierung  derselben  mit  der  Firma  van  der  Becke  in  Iserlohn, 
deren  Teilhaber  unser  Basse  war,  in  Verbindung  gesetzt.  Schon 
Anfang  September  hatte  letztere  mit  Torrent  einen  Vertrag  über 
Tuchlieferungen  im  Werte  von  2,623,049  Frcs.  geschlossen.  Jetzt, 
wo  das  Direktorium  die  städtischen  Schuldscheine  in  Privatwechsel 
umgewandelt  haben  wollte,  traf  Basse  mit  Torrent  ein  anderes 
Abkommen,  mit  dem  der  Kriegsminister  sich  auch  einverstanden 
erklärte.  Das  Haus  Torrent  verpflichtete  sich,  der  französischen 
Regierung  Militärtuche  im  Betrage  von  zwei  Millionen  zu  liefern, 
dafür  als  Zahlung  den  ersten,  eigentlich  erst  nach  einem  Jahre  fälligen 
Schuldschein  der  Sudt  Frankfurt  anzunehmen  und  diesen  nur  dem 
Iserlohner  H  iuse  van  der  Becke  für  gelieferte  Tuche  auszuhändigen. 
Oelsner  und  Basse  bürgen  mit  ihrem  Ehrenworte,  dnss  die  Stadt 
Frankfurt  die  Schuldscheine  binnen  drei  Monaten  bei  dem  Hause  van 
der  Becke  einlösen  werde.  »Wir  hoffen«,  schreibt  Basse  nach  Frank- 
fun, »dass  man  das  Risiko  wird  zu  schfitzen  wissen,  dem  die  Reprä- 
sentanten der  Stadt  Frankfurt  sich  dadurch  unterzogen  haben.  Sie 
haften  mit  ihrer  Ehre  und  mit  ihrem  Eigentum  für  die  Ratifikation 
eines  Traktates,  den  sie  zum  Besten  und  zur  Erhaltung  der  politischen 
Existenz  bemelter  Stadt  abzuschliessen  bevollmächtigt  waren.'« 


*  In  dem  am  i.  Brunuire  (22.  Oki.)  abgeschlossenen  Vertrage  heisst  es: 
Torrent  Ct)rnp.  sind  mit  dc-m  Krk-^sniiiiistcr  übcrcins;eknmmen,  Jass  dieser  für 
eine  Lidcruiif;  in  Tiiclicn  ntmclimc  rengagemcnt  do  dciix.  millions  piu.iblL-  .ui 
porteur  ä  douzc  mois  de  sa  date  toute  fois  qu'il  scrait  cautiomic  individuellcnient 
par  les  «Sts  diputfe  qui  de  leur  cötö  bien  aisi  d*op^rer  te  bien  de  leur  ville  et  de 
Jeffcrcr  1  Ii  demande  du  gouvernement  fran^aise  sc  prCteront  tont  ce  qui  peut 
amener  un  but  d&irable  -  Im  Semdervertrag  zw*i$chen  Torrent  &  Comp,  und  den 


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—   194  - 


Bezüglich  des  /.weiten,  erst  in  zwei  Jahren  talhgen  Schuldscheines 
zeigte  sich  das  Direktorium  sehr  nachwiebii,'.  Sich  auf  die  von  den 
französischen  Kommissären  der  i\ric«^sdepLU,iti(>n  gemachten  Zusagen 
berufend,  überreichte  Basse  einen  detaillierten  Kostenansciilag  der  <Jcr 
Maas-  mu!  Sambre-Armee  gcHefencn  Requisitionen  im  Betrage  von 
I,4ü0,()<w>  1  res.  und  verlangte  deren  Abrechnung  von  den  noch 
restierenden  zwei  Millionen.  Die  Prüfung  der  einzelnen  Posten  war 
sehr  zeitraubend  ;  viele  derselben  w  urden  auch  von  dem  Bureau  des 
Kriegsniiaisicrs  beanstandet.  Als  die  Abgesandten  sahen,  dass  W'owhcn, 
ja  Monate  verstreichen  koiuuen,  ehe  man  sich  zur  Anerkennung  der 
Berechnungen  bequemen  würde,  rückten  sie,  nm  einen  Druck  auszu- 
üben, mit  noch  anderen  Gegenforderungen  heraus.  Sie  erwähnten 
die  ),()()()  Livres,  welche  die  französische  Regierung  der  Stadt  noch 
vom  siebenjährigen  Kriege  her  schuldete,  bemerkten  ausserdem,  dass 
der  Generalzahhneister  der  Maas-  und  Sambre-Armee  nach  den  ihnen 
zugekommenen  X  Jv.!;i  i^uien  beim  Abmarsch  aus  Fr.iüi.lui  i  Bons  aul 
die  Stadl  gezogen  habe.  Ks  könne  sich  daher  leicht  herausstellen, 
dass  die  französische  Regierung,  anstatt  aut  ueii  zweiten  Schuldschein 
etwas  herau.szubekommen  noch  ein  ansehnliches  herauszugeben 
habe.  Das  wirkte.  Der  Kriegsminisier  erklärte  sich  damit  ein- 
verstanden, dass  1,400,000  I'rs.  für  die  geleisteten  Lieferungen  in 
Anrechnung  kommen  sollten,  so  dass  die  Stadt  nur  noch  600,000  Frcs, 
zu  zahlen  hatte.  Da  aber  der  l'inanzminister  Ramel,  von  seineni 
Sekretär  Jobannot  beeinflusst,  sich  weigerte,  Stadtobligationen  dafür 
2a  nehmen,  verstanden  sich  die  Abgesandten  dazu,  die  Summen  durcb 
sichere  Wechsel  zu  decken.  »Ein  Wink  von  sicherer  Hand«'  gebot 
ihnen,  die  Verhandlungen  so  schnell  wie  möglich  2U  beenden,  weil 
die  hessischen  Agenten  noch  in  zwölfter  Stunde  das  Zustandekommen 
des  Vertrages  zu  vereiteln  suchten.  Ihnen  schrieb  es  Basse  zu,  dass, 
trotzdem  das  Direktorium  schon  am  8.  Oktober  den  Minister  des 
Auswänigen  beauftragt  hatte,  die  Vertragsurkunde  zur  Unterschrift 
vorzulegen,  dieser  damit  zögerte  und  sich  erst  mit  dem  Finanz- 
minister  in  Verbindung  setzte,  in  dessen  Büreaus  das  hessische  Gold 
seine  Wirkung  ausübte.  Aus  des  letzteren  eignem  Munde  erfuhr 


Frankfurter  Abgesandten  garaniieren  crstere  diesen  Texistence  r£el)c  de  leur  marchi 
pass£  avcc  le  niinistrc  de  I.1  guOTC  p<iur  iine  rournilure  cn  dr.ips  de  troupe  im  Be- 
trage von  zwei  Millionen  l"r.iTii-s.  wdtür  'ir  .ils  Be/.ihlimj,'  die  l-r.\nkhiricr  Scliuki- 
scheine  erhalten.  OcImkt  und  H.T»se  d.i^c^cn  s'obli^cnt  de  garuiitir  individucllcntcnt 
Pnbligatton  de  )a  vilic  de  Francfurt  aux  Torrent  et  Comp. 
■  Nach  dem  Memoire. 


-    »95  — 


auch  Basse,  dass  einflussreiche  Männer  an  Ramel  das  dringende  An- 
sinnen gestellt  hatten,  die  beiden  Schuldscheine  wieder  den  Kommis- 
sären der  Maas-  und  Sambre-Armee  ein2usenden,  da  diese  Aussicht 
hätten,  sie  vorteilhaft  zu  verkaufen,  —  wie  Basse  meinte,  an  den 
Landgrafen  von  Hessen.  Glücklicherweise  wies  Ramel  dieses  An- 
sinnen entschieden  zurück.  Endlich,  nach  wiederholten  Mahnungen 
von  Seiten  des  Direktoriums,  legte  der  Minister  des  Auswärtigen  am 
7.  Brumaire  (28.  Oktober)  demselben  den  Vertrag  vor;  am  darauf 
folgenden  Tag  ward  er  vom  Präsidenten  Barras  unterzeichnet.  Am 
10.  Brumaire  (31.  Oktober)  reiste  Basse  streng  incognito  ab,  um  den 
Vertrag  von  seinen  Auftraggebern  ratifizieren  zu  lassen.  Er  vermied 
es  aber,  bis  Frankfurt  zu  reisen»  aus  Furcht,  dass  seine  Anwesenheit 
das  Geheimnis  seiner  Mission  aufdecken  könnte,  stieg  vielmehr 
einstweilen  in  Ober-Hschbach  (zwischen  Frankfurt  und  Homburg) 
bei  einem  seiner  Diener  ab.  Von  hier  aus  setzte  er  den  Senator 
Wcnncr  von  seiner  Ankunft  in  Kenntnis  und  übermittehe  ihm  den 
Vertrag. 

Derselbe  enthielt  zwölf  Artikel,'  die  wir  im  Auszuge  wieder- 
geben wollen.  Vorausgeschickt  ist  die  für  die  Stadt  demütigende 
Bemerkung,  dass  das  Direktorium  nur  mit  Rücksicht  auf  ihre  Bitten 
und  ihr  gutes  Verhahen  gegen  die  französischen  I  ruppen  sich  zum 
Abschluss  der  Konvention  veranl.isst  gesehen  habe. 

Artikel  i  gew.il)rt  Frankfurt  Frieden  und  Neutraliiät,  sowie 
Sicherheit  gegen  jede  Kontribution. 

Artikel  2  schränkt  die  Bestimmung  des  Artikels  i  insofern  ein, 
als  er  den  französischen  Truppen  das  Betreten  des  städtischen  Gebietes, 
den  Aufenthalt  daselbst,  sowie  die  Aufstellung  von  militärischen 
Posten  einräumt.  Aehnliche  Bestimmungen  hatten  sich  Württemberg, 
Baden  und  der  fränkiselie  Kreis  gefallen  lassen  müssen.  »Wir  wären 
ausgelacht  worden,  w  enn  w  ir  nur  die  mindeste  Einwendung  dagegen 
gemacht  hätten, «f  bemerkt  Basse  darüber. 

Artikel  ^  bestimmt  die  sofortige  Freilassung  der  Geiseln  nach 
der  Ratifikation  des  Vertrages. 

Artikel  \  hebt  das  Sequester  auf,  welches  die  Franzosen  in  den 
von  ihnen  besetzten  Ländern  auf  die  Waren  und  Gelder  der  Frank- 
furter gelegt  hatten,  annulliert  ferner  alle  Schuldfordcrungcn  an  die 


*  Zum  ersten  Mal  verdiTentllcht  nadi  dem  franxflsischen  Wortlaut  von  Hinxe 

I.  c.  S.  jo.jtr;  doch  glaubte  iclj,  den  Vertrag  bei  seiner  Wichtigkeit  noch  einmal 
iüi  .\i\liang  (No.  II)  ahdrtic^cii  /u  diirlen,  da  ilie  schon  seit  geraumer  7cit  einge- 
gangene Zcitschriit  alm  neuen  Heid)««  nur  noch  in  wenigen  lUnUeu  sein  dürtic. 


—   196  — 


Stadt,  also  auch  die  von  1792  noch  rückständige  eine  Million  der 
Custineschen  Kontribution. 

Artikel  5  verspricht  sofortige  Freilassung  der  Frankfurter  Truppen 
nach  der  et>\'aigen  Eroberung  der  Festung  Mainz. 

Artikel  6  verspricht  Frankfurt  die  guten  Dienste  der  Republik 
zur  Erhaltung  der  konstitutionellen  Unabhängigkeit  und  aller  bisherigen 
Rechte  der  Stadt.  Hingegen  verpBidnet  sich  diese,  die  Republik  in 
allen  den  Abmachungen,  welche  sie  mit  dem  deutschen  Reiche  treifen 
werde,  nach  Kräften  zu  unterstützen.  Auf  diesen  Artikel  war  Basse 
nicht  wenig  stolz.  »Er  enthält  eine  ausdrückliche  Zusicherung,  dass 
die  Republik  nicht  nur  för  die  politische  Unabhängigkeit  Frank- 
furts, sondern  auch  £Ur  seine  konstitutionelle  Unabhängigkeit  sorgen 
wolle;  durch  diesen  Zusatz  kann  sich  die  Stadt  vor  etwaigen  inneren 
Unruhen  bewahren.  Frankreichs  Zusicherung«,  bemerkt  Basse  weiter, 
»wird  noch  dadurch  veredelt,  dass  es  die  Stadt  zu  einer  gegenseitigen 
Mitwirkung  zum  allgemeinen  Frieden  in  Deutschland  verpflichtet 
Dadurch  gewinnen  wir  eine  politische  Existenz,  deren  sich  bisher 
keine  blosse  Reichsstadt  erfreuen  konnte«. 

Die  Artikel  7— 10  enthalten  die  uns  bereits  bekannten  finanziellen 
Abmachungen.  Für  den  zweiten  Schuldschein  werden  zehn  Wechsel, 
und  zwar  acht  im  Betrage  von  50^000  und  zwei  im  Betrage  von 
100,000  Frcs.,  also  im  Gesamtbetrage  von  600,000  Eres,  auf  die 
Plätze  Hamburg,  Amsterdam,  Basel  und  Paris  ausgestellt,  die  ach 
von  den  üblichen  kaufmännischen  Wechseln  nicht  unterscheiden 
dürfen.  Der  erste  Wechsel  soll  drei  Monate  nach  Sicht,  die  anderen 
je  einen  Monat  später  bezahlt  werden,  so  dass  die  letzte  Rate  nach 
einem  Jahr  entrichtet  ist. 

Artikel  it  hebt  noch  einmal  hervor,  dass  die  französische 
Republik  der  Stadt  Frieden  und  Freilassung  der  Geiseln  bewilligt 
habe  in  Rücksicht  auf  die  gute  Führung,  welche  sie  gegen  die  Mus- 
und  Sambre-Armee  während  ihres  Aufenthaltes  in  ihrem  Gebiet 
beobachtet  hätte. 

Artikel  12  bestimnn,  dass  diese  geheime  Konvention  von  beiden 
Seiten  innerhalb  40  Tagen  ratifiziert  werden  muss. 

Schon  am  12.  November  bestätigten  Bürgermeister  und  Rat  den 
Vertrag  und  dankten  Basse  und  Oelsner  in  höchst  anerkennenden 
Worten  unter  völliger  Billigung  ihrer  geschäftlichen  Abmachungen 
mit  dem  Hause  Torrent  &  Comp.'  Letzteres  musste  Basse  um  so 

*  Das  Haus  van  der  Becke  in  Iserlohn  erhielt  in  barem  Gelde  soglcicli  t  MillioOi 
und  I  Million  in  4prozentigen,  in  6  Jahren  einzulösenden  Stadtobligationcn,  Die 
Stadt  haftete  mit  ihren  Einkünften  für  ihre  Verpflichtungen. 


angenehmer  sein,  als  gerade  seine  Verbindung  mit  Torrent,  bevor 
der  Rat  den  eigentlichen  Sachverhalt  erfahren  hatte,  in  einem  für 
ihn  ungQnstigen  Sinn  ausgelegt  worden  war.  Die  kurze  Notiz,  in 
der  er  am  19.  Oktober  den  Vertrag  mit  Torrent  und  die  über- 
nommene Verpflichtung,  den  ersten  Wechsel  binnen  drei  Monaten 
etnsulösen,  der  Kriegsdeputation  mitteilte,  hatte  im  Rat  das  grösste 
Staunen  hervorgerufen.  Die  Doppelrolle,  die  er  auf  einmal  in  Paris 
spielte,  die  des  Diplomaten  und  des  Geschäftsmannes»  hatte  Misstrauen 
gegen  die  Reinheit  seiner  Absichten  erregt.  Man  fürchtete,  dass  er 
mehr  das  Interesse  des  Hauses  van  der  Becke,  als  das  der  freien 
Reichsstadt  Frankfurt  im  Auge  gehabt  hatte. 

Daher  hatte  auch  der  Rat,  noch  bevor  der  Vertrag  endgültig  zu 
Stande  gekommen  war,  beschlossen,  ein  Mitglied  der  Kriegsdeputation, 
Mylius,  nach  Paris  zu  senden,  damit  dieser  an  Ort  und  Stelle  auf 
Grund  der  ihm  von  den  Abgesandten  vorzulegenden  Korrespondenz 
sicli  über  die  Einzelheiten  der  Verhandlungen  und  besonders  über 
die  Beziehungen  zwischen  Basse  und  dem  Hause  Torrent  informiere. 
FaUs  die  Konvention  nicht  bereits  vom  Direktorium  bestätigt  sei, 
sollten  Basse  und  Oelsner  keinen  weiteren  Schritt  thun,  bevor  sie 
nicht  die  Entschliessung  des  Rates  erfahren  hätten.  Mylius  wählte 
seine  Reiseroute  so,  dass  er  die  französische  Festung  Givet,  wohin 
die  Frankfuner  Geiseln  von  Charlemont  gebracht  worden  waren, 
berühren  musste.  Am  8.  November  langte  er  daselbst  an  und  erfuhr 
zu  seiner  grossen  Ueberraschung,  dass  erst  wenige  Tage  vorher 
Basse  auf  seiner  Heimreise  die  Festung  passiert  habe  und  er  somit 
Oelsner  allein  in  Paris  antreffen  würde. 

Mylius  verbrachte  in  Givet  'sehr  unangenehme  Stunden.  Der 
erste  Empfang,  der  ihm  von  seiten  der  Geiseln  zu  Teil  wurde,  war 
ein  sehr  frostiger.  Er  wurde  mit  einer  Flut  von  Anklagen  'und  Vor- 
würfen überschüttet.  Sie  beschwerten  sich,  dass  man  sie  über  die 
wichtigsten  Vorgänge  in  Unkenntnis  gelassen,  keine  Schritte  zu 
ihrer  Befreiung  gethan  habe  und  tadelten  stark,  dass  man  die  Ver- 
tretung der  Stadt  in  Paris  in  fremde  Hände,  nicht  in  die  altbewährter 
Frankfuner  Bürger  gelegt  habe;  schliesslich  ernannten  sie  einen  förm- 
lichen Ausschuss,  vor  dem  Mylius  das  Verhalten  des  Rates  rechtfertigen 
sollte.  Den  ganzen  Vor«  und  Nachmittag  des  9.  November  tagte  er 
mit  demselben,  legte  ihm  alle  Schriftstücke  vor,  die  der  Rat  behufs 
ihrer  Freilassung  an  die  französischen  Generäle  und  Kriegskommissäre 
sowie  an  den  Erzherzog  Karl  gerichtet  hatte;  aber  das  Resultat  der 
Konferenz,  die  am  nächsten  Tage  mit  grösster  Gründlichkeit  fort- 
gesetzt wurde,  war  die  Erklärung  des  Ausschusses,  er  hätte  sich 


—  198  - 


hinlänglich  uberzeuge,  dass  der  Rat  zwar  der  Stadt  gegenüber  seine 
völlige  Schuldigkeit  gcthan  habe,  bezüglich  der  Befreiung  der  Geiseln 
aber  nicht.  So  sei  ihrer  in  der  Basse  eneilten  Vollmacht  gar  nicht 
gedacht  worden;  dass  dies  in  den  Kirchengebeten  geschehen  wäre, 
befriedige  sie  durchaus  nicht.  Da  verlor  Mylius  endlich  die  Geduld. 
Er  spielte  jetzt  seinerseits  den  Entrüsteten,  beklagte  sich,  dass  die 
Geiseln  gegen  ihre  Freunde  und  Mitbürger,  deren  Charakter  und 
Gesinnungen  doch  hinlänglich  erprobt  seien,  ein  solches  Misstrauen 
hcqen  könnten.  So  schied  er  von  Givet  und  üess  die  Mehrzahl  der 
Geiseln  in  der  üblen  Stimmung  gegen  die  St.uit  zurück,  in  welcher 
er  sie  angetroffen  hatte.  Sein  Gesuch  an  den  Festungskommand.inten, 
einige  derselben  mit  sich  nach  Paris  nehmen  zu  dürfen,  wurde  abge- 
schlagen. 

Am  II.  November  traf  er  daselbst  ein  und  erfuhr  von  Oelsnor, 
dass  sich  wiederum  ganz  neue  unerwartete  Schwierigkeiten  in  den 
Weg  stellten.  Als  nämlich  das  Haus  Torrent  nach  Lieferung  der 
Tuche  die  Herausgabe  des  ersten  Schuldscheines  forderte,  verwei^^crte 
sie  ihm  der  Kriegsminister.  Ja,  er  befürwortete  sogar  beim  Direk- 
torium das  Gesuch  der  Kriegskommissäre  der  Maas-  und  Sjinbrc- 
Armee,  die  Schuldscheine  ihnen  auszuliefern.  Die  Umtriebe  der 
Gegenpartei  hatten  diese  neue  Schwierigkeit  heraufbeschworen;  sie 
hatte  reichlich  ihr  Geld  ausgestreut,  einem  Beamten  in  dem  Büreau 
des  Kriegsministeriums,  hatte  sie  eine  bedeutende  Summe  geboten/ 
wenn  die  beiden  Scheine  zur  Armee  zurückgesandt  würden. 

Aber  die  Freunde  der  Frankfurter  Abgesandten  schauten  dieser 
Minierarbeit  nicht  unthätig  zu.  Denzel  hatte  noch  früher  als  Oclsncr 
von  diesen  Intriguen  Wind  bekommen  und  ihnen  rechtzeitig  bei  deni 
Mitglied  des  Direktoriums  Reubel  sowie  bei  dem  Minister  des  Aus- 
wärtigen Delacroix  vorzubeugen  versucht.  Als  nun  Oelsner  am 
12.  November  bei  diesem  einen  feierlichen  Protest  gegen  alles,  was 
dem  geschlossenen  Traktate  zuwider  von  der  Gegenseite  unter« 
nommen  würde,  niederlegen  wollte,  äusserte  Delacroix  den  heftigsten 
Unwillen  über  dasintriguenspiel  uiui  das  Verhalten  des  Kriegsministers, 
dass  dii/^cr  nur  einen  Augenblick  Anstand  nehmen  konnte,  über  die 
Scheine  anders  zu  verfügen,  als  die  vom  Direktorium  ihm  gewor- 
dene Weisung  lautete.  »Nein,«  setzte  er  hinzu,  »der  Vertrag,  welchen 
ich  unterzeichnet  habe,  ist  kein  Kinderspiel;  die  RepuMik  beobachtet  mit 
der  grössten  Gewissenhaftigkeit  ihre  diplomatischen  VerpBichtungen. 


'  Ocl$ner  spridu  bald  von  2000,  bald  von  40ÜO  Karolinen. 


-    199  - 


Sehen  Sie  Pann.i  und  Piemont !  Es  liing  nur  von  uns  ab,  diese 
Länder  zu  revolutionieren.  Sobald  wir  aber  dem  Herzog  die  Erhal- 
tung seiner  politischen  Existenz  verbürgt  hatten,  haben  in  seinem 
Lande  alle  revolutionären  Bewegungen  aufgehört.  Meine  Ehre  ist 
so  gut  wie  die  Ihrige  interessien,  dass  der  abgeschlossene  Vertrag 
bestätigt  und  aufrecht  erhallen  werde.« 

Nur  hielt  der  Minister  eine  baldige  Bestätigung  des  Vertrages  für 
durchaus  notwendig.  Niemand  konnte  diese  auch  dringender  herbei- 
wünschen als  Oelsner,  zu  dessen  zahlreichen  Gegnern  sich  nun  auch 
noch  einer  der  angesehensten  Bürger  Frankfurts  gesellte,  welcher 
sich  damals  gerade  in  Paris  aufhielt.  Mit  cynischer  Offenheit  erklärte 
dieser,  dass  er  die  Verhandlungen  seiner  Vatcr  t  i  h  mit  der  Republik 
vom  geschäftlichen  Standpunkt  auffasse  und  daher  die  Scheine  in 
seine  Hände  zu  bringen  suche.  Mitwisser  seiner  habsüchtigen  Ab- 
sicht waren  die  Volksrepräsentanten  Joubert  und  Merlin  von  Thion- 
ville.  Sie  sprengten  überall  das  Gerücht  aus,  dass  der  Vertrag  vom 
Frankfurter  Rate  nun  und  nimmer  angenommen  werden  würde. 
Schon  ting  Oelsner  selbst  an,  an  seinen  Auftraggebern  irre  zu  werden 
und  Mylius  mit  misstrauischen  Augen  zu  betrachten,  da  traf  am 
26.  November  Basse  mit  der  heiss  ersehnten  Bestätigung  der  Kon- 
vention wieder  in  Paris  ein.  Zum  Artikel  4  derselben  wünschte  die 
Stadt  einen  Zusatz,  der  sie  ausdrücklich  vor  Requisitionen,  Zwangs- 
anleihen und  der  Einführung  des  französischen  Papiergeldes  sicherte. 
Die  Konvention  sollte  überdies  den  Charakter  einer  streng  geheimen 
haben,  der  Austausch  der  Ratifikationen  in  grösster  Stille  erfolgen 
und  in  den  französischen  offiziellen  Blättern  weder  des  Vertr.i^es, 
noch  der  Frankfurter  .Abgesandten  überhaupt  die  geringste  l>waluning 
geschehen,  damit  man  östreichischerseits  nicht  auf  ihn  aufmerksam 
gemacht  würde.' 

Gleich  am  nächsten  Tage  verlügten  sich  Basse  und  Oclsncr  in 
Begleitung  von  Denzel  zum  Minister  des  Auswärtigen.  Mit  grosser 
Zuvorkommenheit  nahm  sie  dieser  auf  und  fertigte  .uil  ihre  Hitten 
den  Befehl  aus,  dass  die  ia  Givet  internierten  Geiseln  sofort  —  also 


'  Basse  und  Oelsner  erhielten  femer  den  Auftrag,  »insbesondere  auf  dtn  Geist 

der  französischen  Zcilschriften  in  F.iris  in  He/iij^  auf  Fr;)nkrurt  ni  wirken  inn! 
«l.itjefrcn  in  Ansthunf,'  dessen,  was  etwa  in  den  litesigcn  (Fr.iiikturicr)  Blattern  in 
Be/.icliung  au*  die  iran^^ösische  Nation,  Regierung  oder  Armee  Unschickliches  vor- 
kommen könnte,  gehörigen  Orts  vorzustellen,  dass  man  hierunter  durch  die  Anwesen- 
hch  dnes  Kaiserlichen  Ministers  und  Kommandanten,  der  sich  der  Ccnsur  derselben 
bemächtigt,  /u  reniedieren  gebunJnc  Hände  habe,  dem  Drange  der  Unist.ltule  nach- 
zugeben genötigt  sei)  aber  an  der  Sache  selbst  sein  grösstes  Missfallen  lubc.« 


—    200  — 


noch  vor  Auswechselung  der  Vertragsurkunden  —  nach  Frankfurt 
entlassen  werden  sollten.  Als  nun  Basse  beiläufig  erwähnte,  dass  er 
ein  Dankesschreiben  des  Fnnkforter  Rates  an  das  Direktorium  zu 
überreichen  habe,  äusserte  Delacroix  seine  Verwunderung,  dass  dieser 
ein  derartiges  Schreiben  nicht  auch  an  ihn  gerichtet  habe.  Da  erkläne 
Oelsner  mit  grosser  Geistesgegenwan,  dass  der  Rat  eines  seiner  Mit- 
glieder  eigens  zu  dem  Zwecke  nach  Paris  gesandt  habe,  um  die 
dankbaren  Gesinnungen  der  Stadt  ihm  persönlich  darzulegen.  So 
ward  unser  Mylius  im  Handumdrehen  in  einen  offiziellen  Vertreter 
der  Stadt  umgewandelt.  Am  28.  ward  er  als  solcher  dem  Minister 
vorgestellt  und  überreichte  diesem  ein  rasch  fabriziertes  Schriftstück 
mii  einem  »passenden  mündlichen  Compliment.«  Ueber  dieses  höchst 
bombastisch  abgefasste  Schreiben'  zeigte  sich  der  Minister  —  nach 
Mylius'  Bericht  —  sehr  gerührt,  versicherte  ihn  seiner  steten  wohl- 
meinenden Gesinnung  gegen  die  Stadt  und  riet  ihr,  einen  ständigen 
Residenten  in  Paris  zur  Wahrung  ihrer  Interessen  zu  ernennen. 

Am  29.  November  fimd  die  Auswechslung  der  Ratifikations- 
urkunden statt;  tags  darauf  überreichten  die  Abgeordneten  in  einer  be- 


*  In  dem  von  Ocisncr  vcrldssicu  Schreiben  hcisst  es:  Rat  und  Burgmcliall 
I  rankfurts  sont  pcucucs  d  cstinic  et  d'admiration  pour  vos  talcnts  et  pour  votfc 
zdc  i  pacifier  rBurope.  II  n^existe  pas  de  ihn  plus  flatteur  pour  Ics  ministres 
d  un  graiu!  pcupk  que  d'etrc  le  conciliateur  des  natKMis  «t  de  faire  paitoat  eesscr 
le  fleau  de  la  j^uerre.  -  Qn'W  Joit  Lire  Jniix  pour  votrc  cocur  de  voiis  rendre 
ainsi  clier  ä  votrc  sieclc!  L'humanhc  et  le  genie  sc  dispuicni  la  gloirc  de  vous  ini- 
niortaliscr.  V'otrc  noni  passcra  ä  la  postcrite  couronnc  du  palmicr  de  la  paix  qui 
sourit  au  laurier  de  la  victoire.  Souflfrez  que  j'ajoute  raes  sentiments  paniculiers  i 
ceux  que  je  vous  ai  cxprimes  au  not«  de  nies  comniettants  etc.  etc.  —  Die  An- 
sprache von  Mylius  in  der  Audienz  ist  mitgeteilt  bei  liiiuc,  S.  J07  8.  Barrls 
benterkte  darauf  in  seiner  Erwiderung;  —  —  —  Assurez  vos  concitoycns,  Mon- 
sieur le  deputc,  que  le  dircctoire  s'eniprcssera  de  Icur  donncr  des  tenioignagcs  «le 
sa  bienveiliance  et  de  son  anachemem;  ditcs-leur  bien  que  les  Pran^ais  o'ont 
autre  d£$ir  que  d'toe  en  paix  avcc  tt  us  les  gouveraemeata,  tnais  que  Ics  pcupto 
libres  auront  toujours  des  droits  p.iniculicurs  A  5on  nmitit^  et  quelle  s'applaudira 
toujoiirs  de  compter  au  nombre  de  ses  amis  la  ville  iibre  de  Franciort.  Vous,  vous, 
Monsieur  le  dcpute,  le  dircctoire  vous  voit  avec  plaisir  investi  de  la  confiance  des 
habitants  de  Francfort;  ni  dans  un  pays  Iibre  la  Ripublique  ne  vous  paraltia  jus 
itrangire.  —  Der  Kuriosität  wegen  erwähne  ich  noch,  dass  die  in  der  Privilcgicn- 
und  Verträge-Sammhtn«;  des  Stadtarchivs  aufbewahrte,  auf  Pcr<,Mmont  i^eschricbcnc 
Hiitifikationsurkunde  der  Republik  sicli  in  einem  vioictsamtnen,  mit  rciclier  und 
geschmackvoller  Guirlandc  gezierten  Einband  bcland,  an  dem  das  grosse  Siegel  der 
Republik  in  silberner  Ka|Mel  befestigt  war»  wührend  die  Frankfurter  Urkuode,  «in 
einfaches  Dokument,  jeder  Ausschnuickung  entbehrte.  Daher  hielt  es  Myüus  für 
nötig,  sich  beim  Minister  für  die  Unterlassung  eines  »vorteilhaften  Hxtcricursa  ^ 
entschuldigen,  und  wollte  lür  einen  bessern  Einband  Sorge  trageu. 


—    201  — 


sonderen  Audienz  dem  Direktorium  das  Dankesschreiben  der  Stadt. 
Die  dabei  von  beiden  Seiten  gehaltenen  Reden  liessen  an  Pathos  und 
Phrasen  nichts  zu  wünschen  übrig.  Den  Zusn?.  zu  Artikel  4  konnten 
die  Abgeordneten  nicht  durchsetzen.  Die  Audienz  ward  dem  Wunsche 
des  Rates  gemäss  in  den  öffentlichen  Blättern  nicht  erwähnt. 

Drei  Tage  später  erhielten  die  Abgesandten  ein  vom  Präsidenten 
Barras  unterzeichnetes  Aktenstück  (die  Abgeordneten  nennen  es 
»arrete  ostensible«),  welches  noch  eiimial  die  Anerkennung  der  Neu* 
tralität  von  seiten  der  französischcti  Regierung  und  die  Zusicherung 
der  Zurückgabe  der  Geiseln  enthielt.* 

Mylius  hielt  nun  seinen  Auftrag  für  beendet  und  reiste  am 
12.  Dezember  nach  seiner  Vaterstadt  zurück,  während  Basse  und 
Oelsner  noch  weiter  die  Interessen  Franl  furts  in  Paris  vertraten.  Ihr 
Ehrgeiz  war  jetzt  darauf  gerichtet,  von  dem  Hat  als  offizielle  Handels- 
agenten oder  Residenten  Frankfurts  beim  Direktorium  akkreditiert  zu 
werden,  um  festeren  Fuss  in  den  gesellschaftlichen  und  politischen 
Kreisen  der  Hauptstadt  fassen  zu  können.  Sie  wiesen  in  ihrem 
darauf  lxvüi;!iehen  Schreiben  auf  die  Hansnstädte  hin,  welche  gleich- 
falls ihre  olhzicUen  Vertreter  in  Paris  hätten.  Aber  diesen  Vergleich 

*  Der  Wortlaut  desselben  ist:  Lc  dircctoire  extculif  de  la  Kcpubliquc  Fran- 
fdise  aux  Magistrats  de  la  Ville  libre  et  InipMale  de  Francfort  sur  Mein.  Le 

Directoire  executif  instruit  que  la  conduite  loyale  hospitalicrc  plcine  de  soins  et 
d'cgards  que  la  villc  libre  et  Imperiale  de  Fraiictbrt  sur  le  Mein  :>  tenuc  dans  le 
cours  de  la  canip.igiic  aciuelle  envcrs  rarnice  de  Scimhre  et  Meusc  pendant  qu'clle 
occupaii  sun  terriiuire  ne  s'est  poiiu  demcntie  daiis  leb  circonsiauccs  diliicilcs  qui 
ont  acamapagni  s»  retraite,  s'est  ditermin«^  k  lui  timoigner  sa  satisfaction  en  d^- 
clarMt  que  si  contre  le  vocu  de  la  Nation  fr.iiii;aise  et  de  son  gouverncnicnt  la 
>»uerre  se  prolongcait  et  que  Ics  armcc-s   Je  la  RL-publiqiic  fusscnt  obligties  de 
pcnctrer  de  nouvcau  au  coeur  de  l  Aiieniagne  la  ville  libre  et  Iniperiale  de  Frnnc- 
fort  sur  Mein  serait  coiisideree  comnie  neutrale  et  traitee  conime  eile;  que  ses 
otagcs  lui  seront  rendus:  et  que  la  präsente  diclaration  scra  adressue  ä  ses  Magi- 
strats pour  etre  un  «^clataiit  temoignage  de  la  satisfaction  du  directoire.  —  Fait  ä 
Paris  en  Pal  lis  national  du  directoire  executif  Je  douze  Frimaire  (2.  Dez.)  an  cinq  de 
la  Republique  hran^aise  une  et  indivisible. 

Le  President  du  iSrectoire  exikutif 
P.  Banras. 
Par  le  Directoire  executif 
Ic  Secretairc  General 

La^arde. 

Alle,  die  an  dem  Zustandekommen  des  V  ertrages  mitgewirkt  haben,  erhielten 
von  der  Stadt  ansehnliche  Geschenke;  so  der  Chef  der  ersten  politischen  Abteilung 
Ourant,  der  Generalsekretär  des  Ministers  Delacrdx  imd  letaterer  sdbst,  dem  gegen- 
über s.ich  Basse  und  Oelsner  entschuldigten,  dass  die  Stadt  bei  ihren  erschöpften 
Mittein  \hm  nicht  den  seinen  Verdiensien  entsprechenden  »gage  de  son  Stemel 
di^vouement«  anbieten  könne. 


—    202  ^ 


Hess  der  Rat  uiclu  gehen.  Die  Hansastädte,  schrieb  er,  lägen  an  der 
Grenze  Deutschlands,  weit  entfernt  vom  Kriegsschauplätze,  Frankfurt 
dagegen  befände  sich  in  der  Mitte  desselben,  habe  eine  östreichische 
Garnison  und  einen  Kaiserlichen  Minister  in  seinen  Mauern.  Ein 
derartiger  Schritt  würde  in  Wien  der  Stadt  übel  vermerkt  werden  und 
ihre  Handelsleute  allen  möglichen  Chikanen  der  östreichischen  Grenz* 
Beamten  preisgeben. 

Der  Rat  hfltete  sich  wohl,  dem  Misstrauen  des  Wiener  Hofes 
weitere  Nahrung  zu  geben.  Zwar  waren  diesem  die  geheimen  Ab- 
machungen mit  der  französischen  Republik  gänzlich  verborgen  geblieben, 
aber  als  am  ii.  Dezember  die  ersten  vierzehn  Geiseln,  denen  die 
übrigen  bald  folgten/  nach  Frankfurt  zurückkehrten,  da  ting  man  auf 
östrcichischer  Seite  zu  argwöhnen  an ,  dass  die  Freilassung  der 
Geiseln  weniger  auf  die  Grossmut  der  französischen  Nation  als  viel- 
mehr auf  geheime  Vereinbarungen  zwischen  ihr  und  Frankfurt 
zurückzuführen  sei.  Desbalb  ersuchte  der  Kommandant  der  öst- 
reichischen Besatzung  in  Frankfurt,  Oberst  Mylius,  den  Rat  um  Mit- 
teilung, «ob  ihre  Loslassung  in  Folge  der  gänzhch  berichtigten 
Brandschatzung  oder  einer  partikulären  Vergünstigung  von  seiten  des 
französischen  Gouvernements  geschehen  sei.«  Der  Rat  hielt  es  denn 
doch  nicht  für  angebracht ,  ihm  oder  dem  Kaiserlichen  Minister 
V.  Schlick  wahren  Aufschluss  über  die  unbegreifliche  Grossmut  des 
Direktoriums  zu  geben.  Fr  bemerkte  vielmehr  ganz  naiv,  niclit  die 
Wiederkehr,  sondern  die  so  lange  und  ungerechte  Zurückhaltung  der 
Geiseln  hätte  Befremden  erwecken  können ;  dieselben  hätten  sclion 
früher,  gleich  nach  dem  die  Stadt  die  Zahlungen  geleistet,  vom  Direk- 
torium entlassen  werden  sollen;  dieses  hätte  sich  dazu  aber  erst 
enischliessen  können,  als  ihm  rühmende  Berichte  über  das  Verhallen 
der  Bürger  geucn  die  aul  dem  Rück/UL;  sich  betindenden  fran/^ösi^^chcn 
Truppen  zugekommen  seien/  Zugleich  setzte  sich  der  Rai  mit  dem 


'  Der  R.«  Hess  ihnen  durch  eine  Deputation  die  Dankcsvcrpllichturir  für  das. 
was  sie  für  d.is  gemeine  Stadtwesen  erürtcn.  nuf  d:!*?  lehhaftesie  bczeujk;cn.  Die 
Kulten  ihres  Aulcntlultcs  (Akten  der  Dep.  Bd.  VI;  in  Givet  wurden  ilmen  ersetzt  und 
das  nächste  Jahr  xwei  der  Geiseln,  v.  Humbradn  und  Dr.  Moors,  zu  Bfirgermeisteni 
erwählt. 

*  Der  C>hcr<t  M\lit!s  h.it  sict)  dincli  diese  lirkl.iriinf,'  schwerlicl»  t.uiN:l)cn 
lassen.  Er  w.irt  ImI^I  J  irmf  dcnt  Kate  Mangel  an  Patriotismus  vor  und  forderte 
Anfang  Mai  1797,  als  er  mit  der  östreichischen  Besatzung  l'rankfurt  verliess,  )tx),oüO 
Gulden,  die  er  eventuell  unter  Anwendung  der  härtesten  Zwangsmassregelo  eintreiben 
wolhe.  Zu  deren  Abwendung  wandte  skh  der  Hat  an  den  Erzherzog  Karl  vnA 
erbot  sich,  die  fragliche  Summe  gegen  öslreidiische  Staatspapiere  der  Kaiscrlicbco 
Kri^skasse  zu  geben.   Vgl.  Akten  der  Dcp.  Bd.  IX. 


—    203  — 


uns.  bereits  bekannten  Geheimsekretär  des  Erzherzogs  Karl  in 
Verbindung.  Er  teilte  ihm  mit,  dass  sowohl  die  Geiseln  von  Givet 
aus  als  auch  deren  Freunde  tn  Paris  die  französischen  Generäle  und 
Behörden  so  lange  um  Freilassung  bestürmt  hätten,  bis  endlich  die 
gute  Sache  den  Sieg  davon  getragen  habe,  und  so  seien  sie  viel 
früher,  als  man  in  Frankfurt  erwartet  hatte,  dorthin  zurückgekehn. 
Das  Direktorium  hätte  sich  überdies  nicht  der  Einsicht  verschliessen 
können,  dass  Frankreichs  Handel  durch  den  Ruin  der  Stadt  in  starke 
Mitleidenschaft  gezogen  wQrde.  Deshalb  habe  es  sich  sogar  ent- 
schlossen, ihr  in  einem  formellen  »arr^t^«  (gemeint  ist  das  vom  2.  De- 
zember einen  besonderen  Schonungsbrief  auszustellen,  der  der 
Stadt  indess  keine  Verpflichtungen  auferlege.  Sie  messe  demselben 
auch  gar  keinen  Wert  bei,  sende  aber  eine  Abschrift  ein.*  Nur  bat 
sie,  das  »arr£t^«  ohne  Kot  nicht  zu  publizieren ;  es  würde  dadurch  den 
»politischen  Glossenmachem«  preisgegeben,  die  es  leicht  von  einem 
unrichtigen  Gesichtspunkt  aus  ansehen  und  Frankfurt  unrecht  beur- 
teilen könnten.  Der  Sekretär  war  so  liebenswürdig,  diese  Deduktionen 
des  Rates  in  keinem  Punkte  anzuzweifeb;  er  beruhigte  ihn  durch 
die  Erklärung,  dass  der  Erzherzog  Karl  mit  der  politischen  Haltung 
der  Stadt  in  der  letzten  Zeit  ganz  zufrieden  sei.' 

Die  Stadt  glaubte  den  kommenden  Ereignissen  nun  ruhig  ent- 
gegensehen zu  können.  Die  Mitteilungen,  welche  ihr  Basse  und 
Oelsner  von  weiteren  Anschlägen  der  hessischen  Agenten  zukommen 
Hessen,  beunruhigten  sie  nicht  sonderlich.  Letzteren  war  es  gelungen, 
die  l'rankfurter  Wechsel  an  der  Pariser  Börse  in  Misskredit  zu  bringen, 
indem  sie  behaupteten,  dieselben  könnten  unmöglich  zur  Verfallzeit 
eingelöst  werden ;  niemand  wollte  sie  daher  kaufen.  Aber  gerade 
diese  Machination  brachte  der  Stadt  einen  bedeurciulcn  Nutzen,  inso- 
fern als  nun  Basse  sämtliche  in  Umlauf  gesetzten  Frankfurter  Wechsel 
gegen  einen  Diskonto  von  $01,000  Frcs.  für  sie  erwarb. 


•*  Bei   ckni  Jur.;lKiu<;  unvcrfäns^Iiclien  Tnlialt  Jus  Sclirift5tück«s  brauchte  die 
SuUt  keinen  An^i.nul  /u  nc!inTcn,  es  dem  Sekretär  /ii  5ciKi(.n. 

'  Nürnberg,  dessen  Cieiseln  noch  inmicr  in  Frankreich  iiuerniert  waren, 
fragte  vertraulich  *n,  durch  welche  Mittel  Frankfurt  die  Befreiung  der  scinigen 
erlangt  habe.  Die  Stadt  erwiderte,  sie  befinde  uch  in  einem  ganz  anderen  Ver- 
hähnis  zur  HcpuMik  wie  Jte  übrigen  Rcichsstatnic.  Sie  h;iue  gerechte  Beschwerdoii 
p^'cpen  crstcre  zu  erlieben  gehabt,  weil  ihr  durcli  Cu«;tinc  ge^en  nllcs  \'nll;crrcclu 
eine  MiHion  abgeprcsst  und  bei  dem  diesmahgcn  Einfail  der  Franzosen  an  Kontri- 
hutiooen  und  Requisitionen  mehr  angesctat  worden  sei,  als  dem  ganxen  ober- 
rbdnischen  oder  kurrheinischen  Kreise.  Die  Loslassung  der  Gebein  wire  demnach 
nach  Recht  und  Billigkeit  schon  langt  zu  erwarten  gewesen. 


—    204  ~ 


Zwischen  Basse  urni  seinen  Gegnern  entwickelte  sich  jetzt  ein 
heftiger  Federkrieg,  der  in  den  ßläiiern  der  Hduptstadt  aus^ctochtuu 
ward.    Ein  Teil  der  Presse  beschäftigte  sich  mit  den  Innern  Zustanden 
der  Stadt,  sprach  von  der  Unzufriedenheit  der  Bevölkerung  mit  der 
bestehenden  Obrigkeit,  prophezeite  den  baldigen  Ausbruch  von  Un- 
ruhen, zu  deren  Verhütung  sie  die  Besetzung  der  Stadt  mit  einer 
starken,  hessischen  Garnison  empfahl.'    Und,  auffallend  genug,  die 
prophezeiten  Unruhen  traten  bald  ein.  Am  4.  Mir?.  1797  rotteten  sich 
die  Schreiner  und  Schneider  zusammen,  füllten  lärmend  die  Räume  des 
Römers,  verlangten  drohend  den  Bürgermeister  zu  sprechen  und  insul- 
tierten den  Beamten,  welcher  ihnen  den  Hingang  in  dessen  Audienz- 
zimmer  verwehren  wollte.    Der  Rat  weigerte  sich  standhaft,  den 
Haufen  anzuhören,  verlani^te  vielmehr,  dass  er  seine  Beschwerden 
schriftlich  einreiche  und  versprach,  falls  keine  weiteren  Zusammen- 
rottungen erfolgen  würden,  denselben  nach  genauer  Prüfung  abzu- 
helfen.   Daraufhin  zerstreute  sich  der  Haufe,  olme  dass  es  noti^ 
gewesen  wäre,  gewaltsame  Mittel  anzuwenden  —  der  Kaiserliche 
Kommandant  hatte  bereits  die  gesamte  Garnison  unter  die  Waffen 
gerufen   und    der   in    Jen    bLiKiLlil\-,:  ten    Orten    liegenden  Reiterei 
befohlen,  ,iut   den   cr^icii  iiciehl  in  die  Stadt  zu  rücken  —  und  die 
Ruhe  wu-Jl  weiter  nicht  gestört.    Bei  der  darauf  tolgenden  Unter- 
suchung gestanden  einige  der  festgenommenen  Rädelsführer,  durch 
fremde  Hmissäre  gegen  den  Rat  aufgereizt  worden  zu  sein.  Dieser 
an  sich  unbedeutende  Vorfall  wurde  in  den  verschiedenen  Zeitungen 
je  nach  der  Parteifärbung  entstellt  berichtet  und  als  symptomatisch 
für  die  inneren  Zustände  Frankfurts  hingestellt.*  Doch  verfehlten  die 
der  Stadt  UDgüosttgen  Pressstimmen  durchaus  ihre  Wirkung  auf  die 
massgebenden  Kreise  in  Paris.  Reubel  erklärte  Oelsner,  dass  der 
Landgraf  von  Hessen»  wie  sehr  er  ihm  auch  mit  seinen  Annexitms- 
gelüsten  anliege,  nun  und  nimmer  Frankfurt  besetzen  dOrfe. 

'  Auch  im  Strassburgcr  Kouri«r  vom  24.  Mür<  stand,  dass  der  Landgraf  von 
Hessen  €000  Mann  als  Besatzung  nach  Frankfurt  legen  werde. 

*  Akten  der  Dep.  Hd.  IX  und  I-ingers  Tiif^cbuch  S.  211  —  212;  dieser  bemerkt 
zum  Schluss:  »Ueberhaupt  Ut  die  Stinmiung  des  genieineu  Volkes  daliicr  äusserst 
kritisch.«  —  Politische  Beweggründe  scheinen  den  Unruhen  fern  gelegen  zu  haben; 
die  Schreiner  forderten  nur»  dass  auswärtige  Schreincrarbdten  in  Frankfurt  nidu 
zugelassen  würden;  ebenso  verlangten  die  Schneider  Beseitigung  aller  dem  Zunft« 
zwang  entgegenstehenden  Bestimmungen.  —  Uehcr  ^'Icich/cttige  Bewegungen  am 
Rhein  und  an  der  Mosel,  aber  mit  starker  demokratiscli- revolutionärer  Tendeuc 
5.  Häusser  II,  115.  Dass  die  Frankfurter  Unruhen  in  irgend  einer  Hinsicht  damit 
zusammenhängen,  lässt  sich  nicht  nachweisen. 


—    305  — 


Während  dieser  Zeit  ruhten  die  Waffen  am  Rlicin  noch  immer; 
dagegen  führte  in  Oberitalien  der  jugendhchc  Bonapartc  die  Truppen 
der  Republik  von  Sieg  zu  Sieg.  Nach  dem  l"all  Maiuuas  drang  er 
über  die  Osialpen  in  das  Herz  der  östreichischcn  Monarchie  vor. 
Da  nahm  denn  das  Direktorium  den  ein  Jahr  vorher  verunglückten 
Operaiionsplan  wieder  auf,  Moreau  fiel  in  Süddeutschland  ein, 
während  zu  gleicher  Zeit  die  Maas-  und  Sambre-Armcc  unter  dem 
Befehl  von  lioche  bei  Neuwied  den  Rhein  überschritt  und  den  öst- 
reichischen  General  /um  Kück/ug  zwanL',  Bei  Limburg  stellten  sich 
die  Oestreicher  nocii  eunnal  den  I  ranzosen  entgegen;  doch  musstcn 
sie  aucli  hier  weichen  und  schlugen  nun  den  Rückzug  auf  der 
Strasse  nach  Frankfurt  ein,  )etzt  musste  es  sich  zeigen,  ob  die 
fr.inzt)sische  Regierung  wirklich  gesonnen  war,  der  Stadt  die  ver- 
sprochene Nenrrilit  u  zu  gewähren.  Der  Rat  zweifelte  zwar  nicht 
daran,  hielt  es  aber  trotzdem  für  nötig,  durch  Oelsner  in  Paris 
anfragen  zu  lassen,  ob  den  1  uhrern  der  Maas-  und  Sambre-Armee 
die  erforderlichen  Weisungen  zugegangen  wären.  Wie  berechtigt 
diese  Vorsicht  war,  zeigten  die  I-reignisse  der  nächsten  Tage.  In 
der  Frühe  des  22.  April  rückten  die  1  ranzosen  unter  Lefövre,  dem 
tnterbefehlshaber  Hoches,  gegen  die  Nidda  vor,  erzwangen  den 
Uebergang  über  den  Muss  und  näherten  sich  den  Mauern  Frankfurts. 
Die  kaiserlichen  Kürassiere  zogen  sich  schleunigst  dahin  zurück,  heftig 
verfolgt  von  drei  Regimentern  französischer  Reiter,  die  fast  zu  gleicher 
Zeit  mit  ihnen  vor  dem  Bockenheimer  Thor  anlangten.  Nur  die 
Geistesgegenwart  des  östreichischen  Oberlieutenants  Brzezinsky  vom 
Infanterieregiment  M  ini  :  cdini,  der  schleunigst  den  Schlagbaum  herab- 
liess,  die  Zugbrücke  aulzog  und  das  Gaiterwerk  verschloss,  verhin- 
derte das  liindniiuen  der  Feinde  und  einen  blutigen  Kampf  in  den 
Strassen.'  Als  nun  J;c  i  ranzosen  das  Thor  mit  (jcv.  i't  zu  sprengen 
versuchten,  liess  der  OberlieuteuauL  ein  höchst  wuksaniLs  1  ui  cr  auf 
sie  geben.  Ccr.ulc  n.  diesem  kritischen  Moment  sprc]iL  tc  de:  Kom- 
mandant der  Stadt,  Oberst  Mylius,  in  Beglcraing  eines  Ii au/ösischen 
Kouriers  heran  und  verkündigte  den  zu  Leoben  am  i8.  April  zwischen 
Bonaparte  imd  der  Östreichichen  Regierung  abgeschlossenen  Waffen- 
stillstand. Lefevre,  der  erklärte,  von  der  neutralen  Stellung  Frank- 
furts keine  Kenntnis  gehabt  zu  haben,  gab  nach  einigem  Sträuben 
Befehl,  die  Feindseligkeiten  einzustellen,  zum  grossen  Aerger  seiner 
Offiziere  und  Soldaten,  welche  schon  in  dem  Gedanken  an  eine 


•  S.  l  ingcrs  1  .igebuch  S.  217  sowie  den  Brie!  von  Goctlies  Mutter  an  ihren 
Sohn  vom  2.  Juni  1797  (S.  127— ijo). 


—   2o6  — 


Plünderung  der  Stadt  schwelgten.'  Die  Schuld  an  diesen  Miss- 
verständnisscn  niass  Oclsncr  der  zu  weit  i^ctrichenen  Vorsicht  des 
Rates  bei,  der  aut  den  Wunsch  des  Ministers  des  Auswärtigen,  das 
»arretL-«  in  den  olii/.ieüen  Blättern  publizieren  7.u  lassen,  nicht  ein- 
geL;an{;en  war.  Die  Frnnzosen  /.o^en  sich  darauf  wieder  über  die 
Nidda  zuiiuk.  Hochc  i>chlug  sein  ilauptquariier  in  I-riedbeii,'  auf 
und  bÜeb  daselbst  bis  tief  in  den  Sommer  hinein.  Unter  dem  so 
lansien  Aulenthalt  der  Franzosen  dicht  vor  seinen  .VLuicrn  li.n:e 
indess  auch  Frankfurt  wieder  zu  leiden.  Zwar  erfuhr  die  Stadl  dtc 
Gcnugtiuiiin^,  dass  sie,  während  die  Lander  zwischen  Sieg,  Nidda, 
Main  und  Rhein  von  Hochc  stark  mit  Brandschalzungen  heimgesuclii 
wurden,'  die.smal  davon  gänzlich  verschont  blieb.  Aber  bei  der  Zügcl- 
losigkeit  des  französischen  iieeres  nutzte  es  ihr  nicht  allzu  viel,  dass 
Iloche  in  allen  zu  ihrem  Gebiet  gehörigen  Höfen  und  Dörfern 
Plakate  anschlagen  Hess  mit  der  Aufschrift  »Territoire  de  Franctort, 
pays  neutre!«  Bald  liefen  aus  Niederursel,  Bonames,  Sulzbach  und 
Hausen  Klauen  über  das  Verhalten  der  Franzosen  ein.  Die  einzelnen 
( jcniciiidtii  M.iii:'ten  unter  der  Last  der  Lniquartierungen  '  luid  deren 
masslosen  Anfu:  Cei  uiii^en  ;  sie  sahen  sich  nicht  viel  besser  behanJeli, 
wie  die  benachbarten  nicht  neutr.ilen  Ürtsv-iialtcn.  Ls  war  nur  ein 
(ilück  für  die  Stadt,  dass  Hoche  ihre  Beschwerden  berücksichtigte  und 
schliesslich  den  Ausschreitungen  der  Seinigen  energisch  entgegen 
trat.  In  Paris  zuckte  man  bei  den  Vorstellungen  Oelsners  über  das 
vertragswidrige  Benehmen  des  französischen  Heeres  die  Achseln. 
Man  bemerkte,  die  Anführer  seien  über  Franklurts  Stellung  zur  Republik 


*  Fingers  Tagebuch  S.  218. 

*  Höcht"  forderte  von  ihnen  Kontributionen  It)  Höhe  von  5,750,000  Livres 
von>  Bcrf'isclicn  l.:indc  i.500,<Kxi  L  Siclie  d.iruhcr  das  l-'r-niklurtcr  Journal  1797 
No,  72.  Den  Kodcilicinicrn  wurde  .lul  Hasses  l  urbiue  die  ihnen  von  Hoche  aul- 
erlegte  Kontribution  bis  zu  zwei  Fünftel  des  Betrages  erlassen. 

)  Der  Schuitheiss  von  Hiederursel  schreibt  am  $.  Mai  dem  Kate:  »Wenn  die 
zwei  Compagnien  nocli  K  Tage  hier  liegen  bleiben,  so  behilt  kein  Bauer  nichts 

mehr  an  I-cbcnsniitteln,  denn  jeder  Gemeine  verlangt  und  preist  es  .-luch  aus  dem 
IJauer,  der,  um  Ruhe  ^ii  h.ihcn,  cics  Tages  zweimal  Cale  und  BuUerbrot  da/u,  auch 
jeden  Tag  zweimal  l  lciscli  geben  niuss;  mithin,  wenn  sie  nicht  bald  lortgehn,  hat 
der  Bauer  nichts  mehr  vor  sich  zu  leben.«  Den  Sulzbachem  nahmen  französisdx 
I'ouragiere  die  AussaatfrCichic  vom  Speicher  weg.  Bonames  sollte  aoo  Rationen 
Haler  liefern  ;  ein  französischer  Offizier  legte  sogar  Hausen  eine  Brandschat/ung 
von  )0  Karolinen  auf  und  drohte,  im  Weigerungsfälle  die  dortige  Mühle  in  Brand 
zu  stecken  und  die  wohlhabenden  Einwohner  als  Geiseln  wc}{/ufülirai,  schliesslich 
begnügte  er  sich  aber  mit  21  Karolinen.  Vgl.  Aliten  der  Dep.  Bd.  II. 


—    207  — 


jetzt  genügend  unterrichtet,  doch  könnten  sie  bei  dem  Mangel  an 
Oisciplin  nicht  überall  durchdringen. 

Vom  Anfang  des  Jahres  1797  ab  hatten  Basse  und  Oelsner  nur 
nnwichtige  Vorfälle  nach  I'ranUfurt  zu  berichten.  Ihre  Gegner  ver- 
suchten nun,  durch  verleumderische  anonyme  Schreiben  in  die  Kriegs- 
deputation' ihre  Zurückberufung  m  erwirken.  Doch  i^clang  es  den 
Abgesandten  leicht,  diese  von  der  Grundlosigkeit  der  Beschuldigungen 
zu  überzeugen.  Indem  sie  mit  cinflnssrcichcn  Staatsmännern  und 
Generälen,  hauptsächlich  denen,  welchen  der  Kriegsschauplatz  in 
Deutschland  zugewiesen  war  oder  zugewiesen  werden  sollte,  eifrigen 
Verkehr  unterhielten,  wobei  Basse  sich  als  iiöchst  freigebiger  Wirt 
zeigte,'  glaubten  sie  den  Interessen  der  Stadt  am  besten  zu  dienen. 
Dringend  empfahlen  sie  auch,  mit  der  batavischen  Republik  in  Ver- 
bindung zu  treten.  xWenn  sich  die  löbliche  Kriegsdeputation«  schreibt 
Oelsner,  »auf  einen  förmlichen  Vertrag  einzulassen  Bedenken  trägt, 
so  wird  sie  doch  immerhin  wohl  thun,  uns  zu  bevollmächtigen,  die 
batavische  Republik  um  freundschaftliche  Verwendung  bei  der  fran- 
zösischen anzugchen.  Wir  gewinnen  dadurch  einige  Freunde  mehr, 
Leute,  die  uns  wesentlich  nützen  können.  Mag  die  batavische  Re- 
publik immerhin  nur  ein  Anhängsel  der  frnnzösischen  sein  und  unter 
dieser  ihrer  Vonnundschaft  stehen  und  bleiben,  so  weiss  ich  doch 
auch,  dass  Holbnd  das  liebe  Kind  von  i'rankrcich  ist,  welches  man 
hegt  und  prtc«;t.  Das  enge  Verhältnis  beider  Republiken  mit  einander 
gewahrt  den  iiollandischen  Bevollmächtigten  viel  unmittelbaren  Zutritt 
in  die  Gesinnungen  und  Bestimmungen  i  rankreichs.  Ansuchen  um 
Hollands  Freundschaft  sciimeiclielt  dem  Hhrgciz  dieser  nie  ganz  unbe- 
deutenden und  unserm  Interesse  vollkommen  zugcthanen  Macht, 
zieht  übrigens  keine  Verbindlichkeiten  nach  sich.«  Die  Kriegsdepu- 
tation war  auch  C)elsners  \'orsch!ag  um  so  weniger  abgeneigt,  als 
sie  erfahren  hatte,  dass  die  batavische  Republik  sich  seit  1796  aus 


■  Akten  der  Dep.  Bd.  IX.  In  einem  der  Schreiben  werden  die  Abgeordneten 
beschuldigt,  bicli  in  einer  öflentlichen  Audieoz  des  Direktoriums,  zu  der  mch  dci 

türkiscfie  CJcs.mJte  eingeladen  w.ir,  mit  fjrösstcr  Dreistigkeit  unter  nllf^eniclncr 
rüstuitg  hineingedrängt  und  als  otti/.icile  Wrtrctcr  l'rnnkfurts  gcriert  zu  haben.  Busses 
gesclimackloser  Anxug  (blauer  Frack,  lange  blaue  Matrosenhusen,  runder  Hut  u.  s.  \v.) 
iiabe  kein  geringes  Aufsdien  erregr,  wdlirend  Oelsner  »besctieiden,  b&rgerlich  sauber 
.mgc/ogcn  gewesen  wäre-».  Beide  waren  bei  der  fraglichen  Audienz  gar  nicht  anwesend. 
Vgl.  Oelsners  Brief  ini  Anhang  No.  IV.,  welcher  auch  sonst  scl»r  interessant  ist. 

'  Er  iKli  ui|not.  d  ISS  i]mi  der  Aufenthalt  in  Paris  vom  August  1796  bis  Herbst 
'797  2cx),ooo  Frcs,  gekostet  habe. 


—    208  — 


eigenem  Antriebe  bei  Jer  Schwesierrepublik  um  die  lirlmltunL:  der 
Unabhängigkeit  1  r.mkturts  bemüht  hatte.  Doch  wollte  der  Rat  von 
einem  derartigen  Schritte  nichts  wissen.  Er  hielt  überlinupi  den 
weiteren  Aufenthalt  der  Abgesandten  in  Paris  für  unnotiL;  und 
meinte,  eine  ständige  Vertretung,  deren  jährliche  Kosten  Basse  und 
Oelsner  auf  50,000 1-rcs.  veranschlagten,  sei  bei  dem  gän7:!ich  erschöpften 
Stndtsäckel  nicht  nngcbracht.  Als  darauf  beide  ein  offizielles  Ab- 
berufungsdekret verlangten,  sträubte  sich  der  Rat,  dem  Verlangen 
l'olgc  zu  geben,  da  dies  ein  der  Stadt  nachteiliges  Aufsehen  erregen 
könnte.  Uebrigens  bedürften  sie  auch  keiner  förmlichen  Zurück- 
bcrulung,  da  sie  ja  nicht  mit  der  bei  Gesandten  gewöhnlichen  Feier- 
lichkeit bei  der  Republik  akkreditiert  gewesen  wären.  Basse  und 
besonders  Oelsner  fühlten  sieh  durch  diesen  Bescheid  nicht  wenig 
gekränkt  und  hielten  auch  mit  ihrem  Unmut  nicht  zurück.  Im 
Schreiben  vom  25.  Juni  hält  Oel.Mier  dem  Rat  einen  \'ortrag  über 
den  poliiisclien  Anstand  und  die  Beobachtung  der  1  orinen  im  diplo- 
matischen Wrkehr.  Dann  bemerkt  er:  »Gewiss  hat  die  löbliche 
Kriegsdeputaiiüu  mich  weder  in  das  Licht  eine^s  abgedankten  Kommis 
stellen  wollen  noch  das  Ansehen  beleidigen,  worauf  eine  Regierung 
wie  die  iranzosische  Anspruch  macht.  Ich  wünsche  also,  dass  mir 
ein  Schreiben  an  das  iMinisterium  erteilt  werde,  worin  diesem  Nach- 
richt von  meiner  l:ntlassung  gegeben  werde.«  Ebenso  energisch  war 
Basses  Verlangen.  Der  Rat  gab  endlich  nach,  und  so  überreichten 
Basse  und  ()el^ner  erst  Ende  Dezember  1797  —  sie  suchten  den  Zeit- 
punkt möglichst  hinauszuschieben  —  Talleyrand,  dem  Nachfolger 
von  Deluv-iüix,  iii  ieiciiuhei  Audienz  das  Abberufungsschreiben.' 

Nur  ungern  schieden  beide  aus  der  offiziellen  Stellung,  in  der 
ihnen  vom  Direktorium  mancher  Beweis  von  Aufmerksamkeit  7U 
teil  geworden  war.   Dass  der  Rat  gerade  jetzt  nach  dem  Fricdcns- 


'  Darnach  ist  die  Angabc  in  der  Allg.  Dtsch.  Biographic,  dass  Oelsner  stän- 
diger Vertreter  Frankfurts  in  Paris  gewesen  sei,  tn  berichtigen.  —  Für  seine  DiensK 
erhielt  Oelsner  eine  Remuneration  von  1000  Louisd'or;  Kasse  begnügte  sich  mit 
einem  Danksc!ircibcn  Jcr  St.uit  (s.  Aiih.tng  No.  III).  Dn^epen  ersetzte  sie  ihnen 
die  Kosten  des  Aufemhaites  in  Paris  bis  zur  Zeit  der  Abberufung  im  Ges.imt- 
betrage  von  etwas  über  20,000  Frcs.  —  Basse  entging  auch  spater  dem  Vorwurl' 
nicht,  dass  er  seine  diplomatische  Sendung  su  persönlichen  Zweclceit  ausgeidtzt 
habe.  Dem  gegenüber  stellen  Urteile  von  Zeitgenossen  und  zwar  Mitgliedern  der 
Kricgsdcpuiation,  welche  Basses  Handlungsweise  für  durcliaus  korrekt  und  luichst 
vorteilh.ift  für  die  Stadt  erklärten.  -  Auch  Dr.  Hbel  und  l^rau  rrcutcl  wurden 
bedacht;  jenem  schenkte  der  Rat  eine  Bibliothek,  dieser  ein  kostbares  Service, 
silberne  Leuchter  u.  s.  w. 


schluss  zu  Campo  rormio,  wo  alle  deutschen  Staaten  ihre  Abgesandten 
rnch  Paris  schickten  und  durch  Protektion  und  Bestechung  die  ihnen 
drohende  Katastrophe  abzuwenden  suchten,  ohne  Vertretung  seiner 
Interessen  i;i  Paris  war  und  gleichgiltig  der  weiteren  luitwicklung 
der  Dinge  zuscliaute,  wollte  Oelsner  nicht  recht  in  den  Sinn.  »Die 
öffentliche  Meinung  Frankfurts  ist  um  fünf  Jahre  hinter  den  Begeben- 
heilen zurück,  die  im  Rate  der  Republik  über  Deutschland  beschlossen 
sind,  und  in  welche  Oesireich  sowohl  als  Preussen  eingewilligt  haben 
oder  einwilligen  müsseo«,  schrieb  er  im  November  dem  Bürgermeister 
V.  Humbracht.' 

Ueber  die  geheimen  Bestimmungen  des  Priedensschlusses  konnten 
weder  er  noch  Syndikus  Seeger,  der  sich   seil  November  in  Paris 
nut  hielt  und  von  Oelsner  den  einHussreichcn  Persönlichkeilen  vor- 
gestellt worden  war,  Näheres  erfahren.    Seeger  hebt  in  seinem  Be- 
richte an  den  Rat  nur  her\'or,  dass  nach  der  Ansicht  der  l'ariser 
Presse  der  demnächst  zu  Rastatt  zusannnentretende  Kongress  grössere 
Veränderungen  in  Europa  hervorrufen  werde  als  der  Friede  zu  Campo 
Fortnio,  »da  über  die  geistlichen  Besitzungen  und  über  den  grossten 
Teil  der  Reichsstädte  das  Los  geworfen  sei.«    Die  Befürchtungen  des 
Rates  stiegen  noch,  als  General  Fefevre  in  Wetzlar  erklärte,  der 
Stadt  sei  die  Ncutr.ii.uu  mir  für  das  verflossene  Jahr  (das  französische, 
d.ih  t^ck.Uii.Lliiih         dcir.  republikanischen  Kalender  mit  dem  2i.  Sep- 
tember endete)  bewilligt  worden;  werde  sie  jetzt  wiedereingenommen, 
so  sei  sie  nicht  mehr  als  neutral  zu  betrachten.    Man  werde  iln  d.inn 
zwar  keine  Brandschaizung  auferlege  ii,   aber  die   einzelnen  i  eit.lien 
Bürger  anhalten,  zur  Bcstreiuu.g  dei  Kriegskosten  verhältnismässig 
/LI  contribuieren.    Seeger  riet  daher,  in  einer  geschickt  abgefassien 
Adresse  das  Direktorium  schleunigst  an  die  Verträge  vom  29.  Oktober 
und  2.  Dezember  zu  erinnern  und  das  volle  Vertrauen  in  die  von 
der  Republik  gemachten  Zusagen  auszudrücken,  auch  ein  ähnliches 
Prome:noria  dem  General  Bonaparte  zu  übergeben  unter  Beifügung 
aller  der  Daten,  aus  denen  er  die  von  der  Stadt  bereits  gebrachten 
Opfer  ersehen  könne.' 

Mit  bangen  Ahnungen  sah  nun  der  Rat  dem  Rastatter  Kongress 
entgegen,  da  er  förchtete,  dass  derselbe  über  Sein  oder  Nichtsein  der 
Stadt  entscheiden  werde.  Ihre  Beteiligung  an  demselben  soll  in  einer 
späteren  Arbeit  dargelegt  werden. 

'  Akten  der  Dep.,  Bd.  II. 
*  Ebend«. 


210  — 


Urkundlicher  Anhang. 
No.  1. 

Copie  de  TOrdre  pour  le  pramier  lev^  des  Otagee  k  Francfort 

Sur  le  Mein.' 

Kous  Jaqucs  Too»amt  Paul  du  Breton»  Comissaire  ordonniiear  ca  chcT  de 

FArniie  Sanibre  et  Meuse,  e«  vertu  des  Ordrcs  donncs  par  Ic  chef  de  l'Etat  major 
g^ncral.  au  Comandant  de  la  lorce  Arni^e  aitachce  au  dit  quartrcr  «»eneral  »k 
Ueferer  i  la  requUition  qui  lui  scrait  faite  par  Nous,  relativcmcnt  ä  une  niesure 
essentielle,  conoernant  le  ser\  ice,  rcquerons  le  dit  Comandant  de  la  foroe  A1111& 
d'arretcr  dans  la  soirie  A  leurs  domidics  respectUs  les  particuliers  de  la  Ville  de 
Francfort  d  apr£s  denom^s,  savoir,  Adolf  Charles  de  Humbradit,  dcnieurant  j 
Gallcngassc,  Antoine  Ulric  Charles  ile  Holzhauscn,  dcmeur.im  niis  Alecs,  Frederic 
Hector  de  Barckhau&en,  demeurant  r\ie  Zeil,  jeromc  Pierre  Schlosser,  denicuram 
rte  Zeil»  Guillaume  Qiarles  Louis  Moors,  demeurant  Bockcnheimer  Gasse,  jean 
Louis  Holder,  demeurant  demiere  Gasse,  Jean  Mathias  Andr6e,  demeurant  liemiere 
Gass,  Georg  Steiz,  denieuraiu  Tririsch  Pläzen  —  il  noTificra  A  ch.iqun  d'cux,  qu'il 
est  arrctc  pur  nicsure  de  precaurion  et  suret^  potir  servir  d'Üt.ige  et  Je  Garantie  du 
payeniem  des  Coniributions  taiu  en  nunierairc  qu'en  naiurc  dcmandc-s  a  la  Vilk  de 
Francfort  et  ä  son  territoire  et  vu  la  ncgligaice  et  rinergte  que  le  Magistrat  ap- 
porte  ä  reniplir  leurs  Obligations  prescrits  au  nom  du  Gouvernement  francais  p«r 
Ir  (R*nernl  cn  chef  de  cctte  arnice;  il  fer;i  cnnduire  ces  huit  Ota^«-'^  snns  un  Jcbi^ 
dans  la  lüirtcrcsse  de  Charletnont,  ou  ils  scrnnt  re^us  par  Ic  (^omaiiJaiit  Je  octtc 
place  et  d'aprcs  l'avis  de  POrdre,  qui  lui  scrunt  donncs  a  ce  sujet  par  le  üaieral 
de  Division  Brnouf»  Chef  de  THtat  major  genend.  Les  mesures  du  Comandant  de 
la  force  Armte  seront  de  maniere  que  ces  huit  Otages  ayent  quittcs  la  place  dans 
le  cours  de  cctte  nuit  prochaine  et  avant  Touverture  des  pones.  II  notificra  ä  chacun 
d'eus,  i|nc  CCS  frais  de  leur  voyaj^  aussi  que  ceux  des  Ccnsd'arnics,  chars»^;  <ie 
leur  conduilc,  que  ceux  niemes  du  retour  de  ces  mcmes  Gcnsd'arnies  sont  j  U 
Charge  des  huit  Otages  qui  devront  de  nieme  pourvoir  i  leur  Entretien  et  Subsi- 
sience  dans  la  Fortcresse  de  Charlemont. 

Fait  i  Francfort  le  9.Thermidor  Tan  4nie  de  la  republique  firan^aise  (27.Julyi796). 

Le  Comissaire  ordonnateur  en  chef 

Du  Breton 

II  M^r.iit  J<.-.iraMe  que  ces  huit  Magistrats  ou  NotaMcs  fussenl  conduits  j  leur 
destination  sous  la  surveillance  d'un  ofHcier  qui  sera  designc  par  le  Comandatu 
de  la  force  Armte, 

Du  Breton, 

Pour  copie  confornie 

Le  che!  d'Hscadron  de  Gensd'Armeric  Charge 
de  la  Police  de  rArniCc. 
Maupoint. 

Les  huit  Otage«  designes  ci  dessns,  ayant  M  atret^  confonnement  i  b 

pre?.ente  requi'.ifi  m-  il  est  ordonne  au  ciloyen  Charlot,  Capitaine,  et  i  un  marcchjl 
de  I.ogis  et  deux  Üensd'armes  de  l'execution  du  sur  plus  de  ce  qu'elle  renfenoe 


'  Die  Orthographie  des  Originals  in  den  Akten  des  Kriegsxeuganucs  L'gb. 
D  4}  No.  28  ist  beibclialten. 


CD  conduisant  les  susdit  huit  Otages  au  Comandam  de  la  Forteresse  de  Charlemont, 

du  quel  ils  en  rapporteront  im  rc*;u  en  bonne  et  due  forme  —  et  ce  sur  leur  res- 
pooMbtUti  personelle.  Francfort  la  nuit  le  la  Thermidor  deux  heu  res  du  matin. 

Signi  Maupoint. 

Die  Begleitung  bestünde  am  einem  Capitaine  namen";  Chnrlot.  in  einem 
Marechai  de  Logis  Langkbcrt  und  in  zwcy  Gensd'arnics :  de  Goucy,  Houry. 

Diese  smd  von  Giv«t  retonrmit  Donnerstag  d.  i8.  Aug.  1796  gegen  Minag. 

No.  II. 

Convention  secrtfte 
Entre 

la  R^publique  Fnui9aifl6 

Et 

la  Ville  Libre  et  Imperiale 
de  Francfort  sur  le  Mein.' 

La  R^publique  fran^aisc  .lyant  eL'.ird  .ms  prieres  qui  lui  ont  clc  .iJrcSiees 
par  1.1  Ville  librc  et  imperiale  de  Hranc!ort  sur  le  Mein  ainsi  qu'aux  bons  procedcs 
dont  btle  a  usc  ciivers  les  armces  de  la  Rcpublique ;  Voulant  la  traiter  lavorablenient, 
le  Directoire  ixicutU  a  nomroi  le  eitoyen  Charles  De  la  Croix,  Ministre  de» 
r^lations  cxterieures,  pour  entendre  les  propositions  qui  pourroient  £tre  faites  par 
Messieurs  Dettmar  Rasse  et  Oclsncr  Deputt^s  de  la  tlite  A'ille  librc  et  imperiale,  et 
aprt;s  cchatigi^  leurs  pouvotrs  rcspcctifs  les  diis  Plcnipoientiaircs  sont  convenus  de  ce 
qui  suit: 

Anide  f 

« 

A  compter  de  ce  jour»  touies  hostilitis  cesscront  avec  la  ville  de  Fraocfort 

«t  son  territoirc.  Elle  sera  traitie  comme  les  Pays  Neutres.  II  ne  pourra  etre  lev£ 
auciine  coiuribution  nouvelle,  ni  sur  Elle»  ni  Sur  les  individus  qui  babitent  dans  son 
rcssort,  ni  sur  leurs  proprietes. 

arte  2. 

Lc-^  arsn^es  fran^aisc^  pourront  n^antmoins  traverser  la  dite  \^ilte  et  son 
territoire,  y  scjourner  et  y  occupcr  an  besoin  les  Postcs  Milltaires. 

art«  }. 

Les  Otages  pris  pour  servir  de  caution  du  paienient  des  contributions  prece- 
demment  imposto,  seront  mis  en  libert^  ausaitöt  aprfis  Tichange  des  ratifications 
de  la  presente  Convention.  Les  Passeports  n&essaires  pour  retoumer  dans  leur 
Patrie  leur  sont  d£livr£s. 

art«  4. 

II  sera  donnc  main  levee  de  'out  scquestre  qui  auroit  pü  ctre  niis  sur  le; 
marchandises  et  les  creances  des  habitaiis  de  Frarjclnr?  et  de  ^on  territoire  taiu  en 
Iraiice  q|ue  dans  les  Pays  occupes  par  les  arnices  traii(,.iises.  Les  urdres  a  ce 
nec«ssaires  serom  expidiis. 


*  Orthographie  und  Interpunktion  genau  nach  dem  Original  in  der  Privilegien- 
Sammlung  Nr.  $27. 

14* 


212  — 


am  s- 

L.1  Riipublique  fr.in(,-.iisc  consent  que  Jans  le  cas  de  la  Prise  nu  reJdition 
de  Maycnce,  les  troupes  lorniant  le  contingent  de  la  Ville  de  Fraivctort,  puisscni 
librement  reiounier  dans  Icurs  foyers. 

am  6. 

La  Rcpublique  fran^aise  proniet  la  Vilie  libre  et  Im|>erialc  de  Francfon, 
ses  bons  officcs  pour  quelle  conscrve  son  ind^pendance  constitutioncllc  et  tuus  Ics 
droits  dont  Elle  «  joui  jusqu'Jk  pr£scnt. 

Et  reciproquement  la  Ville  de  Francfort  s*engagc  ä  seconder  de  tout  ton 
p(nivoir  la  republique  fran^aise  dons  Ica  arrangetnens  4)u'cUe  a  i  prendre  avec  \*Bnh 
pire  Gennanique. 

arte  7. 

Lcs  Deux  Billets  au  Porteur,  Tun  de  i)cux  Millions  de  Livres  tourivois. 
payable  dans  un  an,  et  lautre  de  pareille  somme  payable  dans  deux  ans,  scront 
ac4)tiit£s  Sans  dilai  et  dans  la  forme  cy  apri«  $tipul£e. 

art«  8. 

■ 

Les  Dentis  de  la  Ville  de  Francfort  engageront  leur  garantie  personnelte 

envers  la  Maison  de  Torrens  et  compagnie  par  le  paycment  du  Billei  de  Deia 

Millions  de  livres  payable  .Inns  un  an  et  reciproquement  la  diie  Mnison  de  com- 
merce s'obligera  sous  l:i  ^ar.intic  des  dits  Dt^iitcs  '\  fcnirnir  i  la  rcpublique  fran- 
^aise  qui  l'accepte,  pour  quin/e  ceut  mille  Livres  de  draps  propres  aux  uniformes 
de  ses  troupes  dans  le  düai  de  huttaine,  et  pour  cim)  cent  mille  Uvres  dans  Je 
^lai  de  trois  mois,  i  comptcr  de  ce  jour. 

art^  9, 

Le  fiiÜet  au  Porteur  de  Deux  Millions,  payable  dans  deux  ans,  sera  annulK 
et  remis  A  la  Ville  de  Francfort,  au  moyen  de  quoi  Elle  s'oblige  A  Jdivrer  i  la 
tresnrerie  Nntionalc  pour  une  somme  de  six  Cent  mille  Livres  enLetires  de  change 


payablcs  ainsi  qu'il  suit  : 

a  trois  mois  cinquante  niillc  francs   50,000  francs 

ä  quatre  mois  cinquante  mille  francs   $0|000 

^  cinq  mois  cinquante  mille  francs   %OjuiOO 

ä  six  mois  cinquante  mille  fr.nics   50,000 

i  sc-pt  iiuiis  cinqn.intc  inillc  francs    50,000 

A  huic  n)Oih  cinquante  mille  franc*^    50,000 

i  neuf  mois  cinquante  mille  francs   50^000 

3i  dix  mois  cinquante  mille  francs   $0^000 

ä  onze  moT<;  ccnt  niillL-  francs   ioo.o(x> 

4  douze  mois  cein  milli.-  francs   IOO,QOO 

Total  six  Cent  niillc  francs   600,000 


Ces  lettres  de  change  seront  tirces  par  des  Negocians  sur  les  Placcs  de  Ham- 
bourg,  d* Amsterdam»  de  Basle  et  de  Paris;  Elles  seront  accept^cs  par  d*autres  Nigo- 

cians  et  passees  ä  un  ordre  en  blanc;  Blies  ne  porteront  aucuns  caracteres  qui 
puissent  les  distinguer  d'un  efiet  orJinalrc  Je  commerce.  Klles  seront  fojiruies  dans 
les  N'ingt  un  jours  qui  suivront  la  signature  de  la  pr^cnte  Convention. 

art«  10. 

All  nioycn  Je  l  arrangement  porte  en  Tarticlc  preciident  la  Ville  imperiale 
de  1-ranctort  di^däre  la  rcpublique  fran^aisc  quitte  de  tout  ce  quelle  pourroit 


-    213  - 


nnt  Itti  devoir  poor  «ontributions,  fournitiires,  indemoit^s  et  toutcs  autres  rip^titkms 

pisqu'au  jour  de  l'iichangc  des  ratifications  de  I  i  prcsenic  Convention  s'obligeant 
tneni«  ä  garantir  la  Kepubliquc  fran(;aise  de  toutc  repctition  que  ses  liabitan»  pour- 
rotent  iortncr  contrc  Kllc  pour  ks  tncnics  cause«. 

art«  II. 

I]  sera  remis  ä  la  Ville  libre  et  imperiale  de  1-rancfort  une  Diclaration  por- 
tant  que  la  r^publique  s^est  diterminfe  k  lui  accorder  la  neutralhi,  et  i  mettre  ses 
otages  en  libertc,  par  igard  pour  la  bonne  conduUe  quelle  a  tenuc  cnvers  Tanneö 
<k  Sambre  et  Meuse  pendant  qu'elle  occupoit  son  territoire. 

art«  12. 

L:\  prcsentc  Convention  secretc  sera  ratifice,  et  les  ratilications  cdungees  dans 
quarante  jours  pour  tout  delai,  et  plustöl  s'il  est  possiblc 

ä  Paris  le  Sept  Brumaire  an  cinq  de  la  R^publiquc  franjaise  une  et 
indivisible. 

Signi  eil.  De  la  croix,  Conrad  Engeibm  Oelsner»  Detimar  Basse. 

Suit  la  teoeur  des  Pleins  pouvoirs,  des  D^put^s  de  la  Ville  libre  et  imperiale 
de  Francfort  sur  le  Mein. 

Kons  Bourgucroaitres  et  Magistrats  de  Ia  Vilte  libre  de  Francfort  sur  le 

Mein,  Jonnons  pnr  ces  presente^  plcin  pouvoirs  aux  Sieurs  Dettmar  Basse  et 
Conrad  Engelbert  Ocisner  de  reclamer  pres  du  Directoire  Execulif  de  la  republique 
fran^'aise,  pour  nous,  et  en  notre  nom:  La  Paix  et  Neutralitc  pour  notre  Ville  et 
son  tcn-ttmre,  de  tratter  d*arr&ter  les  artides  et  conditions  y  relatives  avec  la  r^publtque 
fnn^aisc  et  son  gouvemement,  de  m£me  que  de  solUciter  sa  garantie  et  protection 
pour  la  conservation  intncte  de  la  liberti  poliltque  et  de  l'ind^endance  consti- 
tutionelle  de  notre  V'ille: 

TX'clnrons  d'agrecT,  sans  exception  quelconquc,  tom  ce  que  eux,  uos  consti- 
tucs  de  pouvoir,  coudueront  relativemcnt  aux  objets  cy  dessus  --  designes,  pour 
nous  et  en  notre  nom,  d'apris  les  instructions  particuliires  ä  eux  par  nous  donn£es. 

fait  k  Francfort  sur  le  Mein 
ce  )a  Juillet  1796. 

Les  fiourguemaitres  et  M.-ip:i5trrtts  de  la  Ville  libre  de  Francfort  sur  le  Mein. 

Signe  i.autcrb.ich  Bourpuemaitre  — 
Schweizer  Bouriuicnicsirc  —  et  scell«^. 

Le  Directoire  ExtJcutil,  arreie  et  signe  la  presentc  Convention  secreie  avec  la 
Ville  libre  et  inipiiriale  de  Francfort  sur  le  Mein,  negoci^e  au  nom  de  la  rcpublique 
franfaise  par  le  Ministre  des  relaiions  ext^ieures  chargi  de  ses  instructions  ä 
cet  effet. 

Fitt      P:ilais  National  du  Directoire  executif,  le  liuit  Brumaire  an  cinq  de 

la  Rcpublique  Irnncaise  une  et  indivisible. 

i^our  Expedition  coniorme 

Le  I^resideni       Directoire  executil 
P.  Barras. 

Le  Ministre  des  relations  Par  Ic  Directoire  Ex<kotif, 

extirieures  Le  Sferitaire  Gineral 

Ch.  Dclacroix.  Lagarde. 


—    214  ~ 


No.  III. 

Dankesurkunde  des  Rates  für  Dettmar  Basse.' 

Wir  Bürgermeister  und  Rnth  dieser  des  heiligen  Reichs  Stadt  Franckfurt  am 
Müyo  Urkunden  und  bekennen: 

In  deni  nächst  verflossenen  Jahre,  als  die  Armeen  des  französischen  Frey- 
Staates  sich  mm  zweitenmal  dieser  Stadt  bemächtigt  hatten,  als  Frankfurt  imt  uner- 
schwinglichen Kriegsau fla^-eti  belastet,  iK  jeder  zu  deren  Milderung  unternommene 
Schritt  fruchtlos  geu'tsen  war,  nJs  funlund/w.inzig  der  angesehensten  Glieder  des 
Rathes  und  der  Bürgerschatft  nacii  Frankreich  als  Gcissel  geiangiich  abgeführt 
worden  warm,  als  bange  Ahndung  eines  gänzlichen  Umsturaes  der  glöcUichm 
Verfassung  dieser  Stadt,  als  die  Furcht  vor  wiederholter  feindlicher  Behandlung  im 
F.i!l  einer  abermaligen  BesiUtnchmiing  derselben  den  Rückzug  der  französischen 
Armee  be<^leitet,  die  Gemüther  gcäng&tiget  hatte  —  in  dieser  bedrängten  kunmicr- 
volier  Lage,  hat 

der  Franckfurter  Bürger  Dettmar  Basse 

bey  der  Regierung  Franckreichs  mit  unemiOdeter  Thätigkcit,  Klugheit  Undg^ 

nützigkeit  und  Treue  Sich  Seiner  Mitbürger  angenommen,  Milderung  der  pregebeoea 
Befehle.  I-'ntl.T^^un^  der  Geissei,  Sicherheit  für  die  Zukuntt  rufimvoll  crwirckt. 

in  den  Julir- Büchern  hiesiger  Stadt,  so  wie  in  dem  Herzen  eines  JedcQ 
Seiner  Mitbörger,  seye  Ihm  daAlr  ein  unvergängliches  Dencktnal  gestiftet! 

Wir  Bürgermeister  und  Rath  stimmen  in  den  Ausdruck  des  Ihm  von  allen 
gebührenden  Dankes  ein,  wenn  Wir  Ihm  denselben  durch  diese  offene  I  r!  •rie 
feyerlich  bezeugen.  Sic  vererbe  sich  auf  Seine  spätesten  Nachkommen  imd  erniuniere 
diese  noch  in  fernen  Jahren,  Seinem  Muster  zu  folgen!  Gegeben  in  Urkund  Unseres 
hier  angehängten  grösseren  Stadt-Ingesiegels  den  vierten  May  Ein  Tausend  Sieben 
Hundert  Sieben  und  Neunaig. 

No.  IV. 

Brief  Oelsnera  an  Seeger/ 

Den  10.  Mara.  Es  ist  spat  gegen  Mittemacht.  Ich  komme  aus  einer  Kon- 
ferenz, welche  unsere  Angelegenheiten  bctiifft.  Bevor  ich  Sie  mit  den  Detaik  der- 
selben nnterh.ihe,  will  ich  Ihr  i^'cstrii^es  Schreiben  bc.intwortcn,  Zu  meinem  grossen 
Verdruss  hat  sichs  verlegt.'  Ich  k.mn  mich  des  Datums  nicht  erinnern.  Sie  werden 
aber  bald  sehen,  auf  welchen  ihrer  Briete  sich  mein  gegenwärtiger  bezieht.  Mein 
Kollege  und  ich  danken  der  löbl.  Kri^sdeputatioo  für  den  neuen  Bericht  ihre» 
Zutrauens.  Indem  sie  den  anonymen  Brief  verwari,  welcher  in  nämlicher  Absieht 
ohnstreitir:  wie  beifolgender  Zeitungsartikel*  «geschrieben  war,  liess  sie  uns  Gerech- 
tigkeit widerlahrc-n.  Es  giebt  keinen  türkischen  Gesandten  hier  und  gab  keinen, 
folglich  können  wir  nicht  bei  seiner  Audienz  zugegen  gewesen  sein.    Ein  Tuncse, 


'  Akten  der  geheimen  Kriegs- Deputation,  Band  IX. 

*  Aus  den  Akten  der  geheimen  Kriegs- Deputation,  Band  IX;   vergl.  b.  iOy. 

i  Französische  Konstruktion,  die  sich  öfters  bei  Oelsner  findet. 

^  In  der  Gaaette  Fran^se  vom  -  9.  Män,  deren  (wohl  angeblicher)  Kocresr 
pondent  aus  Regensburg  von  einem  Vertrage  berichtet,  nach  welchem  der  Landgrjf 
von  Hessen  verpflichtet  wäre,  nach  Frankfurt  eine  starke  Besatzung  zu  legen,  «chargte 
d'assurer  Tordre  et  la  tranquiilite  publique  dans  Tintcrieur  de  la  vilie«  etc. 


~  213  — 


MohanicJ  ('üg^na,  h^t  sich  einige  Zeit  in  Paris  auigehalten.   Ich  hätte 
Audienz  beiwohnen  können,  wie  jedcrm;inn  vom  Publikum,  um  so  leichter,  da  ich 
von  alter  Zeit  her  eine  Eintrittskarte  ins  Luxemburg  boitze,  welche  gar  nichts  mit 
mdacr  Mission  geraein  bat  Weder  Herr  B.  (Basse)  noch  ich  hahen  uns  bei  dieser 
Zeremonie  befunden.  Zu  einer,  wie  ich  Ihnen  ausdrOcIdich  meldete,  wurden  «rir 
besonders  eingeladen.    Das  ist  eine  I4öf1ichkeit,  die  jedem  distinguirten  Reisenden 
begegnen  kann.    Mir  liegt  .in  Repräscnuition  wahrlich  nichts.    Mein  Kollege  denkt 
hierin  gerade  wie  idi.    Dergleichen  ist  uberden»  mit  Kosten  verbunden,  welche  nur 
aus  unsrer  eignen  Tasche  fliessen  kdnnen.  Indeas  muss  ich  gestchn,  finde  ich  die 
Bedenkfichkdten  der  löbl.  Oeputatkin  ni  weit  getrieben»  wo  nicht  gar  xweckwidr^. 
Was  suchen  wir?   Die  Erhaltung  einer  ahen  Verfassung,  welche  die  gegenwärtige 
Lage  des  H.iuscs  Ocstrcich  nicht  genug  gegen  den  EinHuss  Pr.  (Preussens)  und 
Hs.  (Hessens)  Kabaiea  schüUL   Was  wünscht  Frankfurt?   Seiner  Verbindung  mit 
Kaiser  und  Reich  treu  «1  btelben«  Ohnmöglich  kann  das  Wiener  Kabinet  in  diesem 
Intresse  etwas  andres  als  sdn  eignes  sehen  und  die  Mhtel  missbiliigen,  welche  «um 
Ziele  führen.    Es  ist  nicht  denkbar,  dass  Sie  auf  diesem  Wege  mit  ihm  zerfallen. 
Wie  aber  wollen  Sie,  dass  wir  unseren  .^uftr.^g  erliillen,  nämlich  Hes«iens  Intrigen 
zu  vereitein  und  die  fr.  Regierung  unserm  intresse  geneigt  zu  erhalten,  wenn  wir 
nicht  jede  Gelegenheit  benotxcn,  Personen  au  sdien,  in  deren  Händen  so  viel 
benachbarter  Linder  Glück  und  Unglück  liegt.   Hessen  wird  durch  Preussen 
begünstigt  und  wendet  Geld  an.    Wir  besitzen  weder  d.is  erste,  noch  das  andere 
und  nnissen  uns  durcli  persönliche  Eigenschatten  beliebt  zu  nuclien  suchen.  Indem 
man  mit  Leuten  umgeht,  sie  gewohnt,  uns  zu  sehen,  erwirbt  sich  unvermerkt  Zu- 
trauen. Man  findet  Gelegenheit,  interessant  zu  werden,  zu  hören  und  gehdrt  zu 
werden.   Es  heisst  ja  geradezu,  dem  Gegner  gewonnen  Spiel  geben,  wenn  man 
ihm  das  Feld  räumt.    Herr  B.  hat  keine  .\usLigen  gespart,  die  disiinguirteste  Gesell- 
schaft von  Paris  in  sein  Haus  zu  ziehen,  und  der  Zirkel  meiner  Bekannten  war 
schon  vormals  sehr  ausgedehnt.    Einige  Männer  von  Bedeutung  scheinen  sich  gern 
zu  unterhalten  mit  uns.  Der  Feind  merkt,  dass  ihm  diese  Position  zum  Nachteile 
gereicht,  und  sucht  uns  heraus  zu  treiben.   In  beifolgendem  Zeituogsblatte '  bedient 
er  sich  eines  selir  arglistigen  Werkzeuges.    Die  Nachricin  kann  ans  Teutschland 
kommen,  aber  die  Form  ist  zuverlässig  in  Paris  fabrizirt.    lir  will  uns  erstens 
Ihnen  verdächtig  und  zweitens  einem  Teile  des  Direktoriums,  Carnot  insbesondere, 
mit  dem  Sieyes  sdir  gespannt  lebt,  missfällig  und  verhasst  machen.  Ob  Hessen- 
Kassel  dadurch  seine  Absicht,  Ihre  Bevollm.Khtigte  zu  paralysiren,  erreichen  wird, 
lässi  sich  nicht  bestimmen  und  ist  Nebensache,  aber  Sie  bitte  ich,  sich  nicht  allar- 
niircn  zu  lassen.    Der  Artikel  hier  ist  Hessen-Kasselscher  Eingebung.    Ein  Projekt 
wie  das,  dessen  erwähnt  wird,  ist  wirklich  eingegeben,  aber  vom  Direktorium  ver- 
worfen worden.  Vielleicht  glaubt  der  Agent,  welcher  es  au  betreiben  lutte,  dass 
w  i  r  im  Wq^  gestanden,  und  sucht  nun  meinen  Kollegen  und  mich  wegzuräumen. 
Sie  werden  am  besten  entscheiden,  ob  wir  luisere  Depeschen  mit  Sieyes  Kamen 
t»eklekt.    Aber  ich  rechne  mirs  zur  Ehre,  als  sein  vertrauter  Freund  genannt  zu 
werden.   Wir  konspiriren  nicht,  sondern  philosopliiren  zusammen.  Er  hält  sich 
gegenwärtig  von  allen  Geschäften  entrcmt.  Allem  indem  der  hessische  Agent 
dieses  Mannes  Namen  ins  Spiel  mischt,  kftnnte  er  w(dil  eine  seiner  Absicht  ganz 
widersprechende  Unkhi^heit  begangen  haben,  denn  er  macht  die  Erhaltung  Frank- 
furts zu  einem  Interesse  des  populären  Parteigdstes,  der  in  dieser  Revolution  am 
Ende  immer  Recht  behälL  Femer  aber  ist  Camot  au  brav,  als  dass  er  von  den 


'  S.  vorige  Anmerkung. 


—    2l6  — 


Grundsätzen  der  Nationalclirc  abweichen  sDÜte,  weil  der  Bcvollnüchtigte  cnMs 
auswärtigen  Staates  Freund  eines  Mannes  ist,  mit  dem  er  sonst  glddt  dachte.  Ihr 
Brief  war  schuld,  dass  ich  mich  nicht  unmittelbar  ans  Direktorium  gewandt,  den 

wir  h.itten  aufwarten  können.  Herr  Dentzel  übernahm  es,  den  Artikel  dem  D, 
Reubel  vorzulegen,  Hr  hu  nicht  nur  diesen,  sondern  auch  Cirnot  und  Lctoiirnnit 
gesproclien.  Das  Resultat  ist  folgendes.  Sie  erklärten  samtlich,  die  Sache  sei 
fatsch.  «Ich  stehe  mit  meinem  Kopf  dahier«,  sagte  Rcubcl,  sdass  Franicfurt  nicht 
hessisch  wird,  was  auch  immer  für  Veränderungen  im  teutschen  Reidie  vorgdm 
können.  Hessen-Kassel  hat  allerdings  citien  Plan  der  .\rt  vorgelegt,  aber  er  ist  ver- 
worfen Wiarden.  Wenn  die  Franklurtcr  Depntirte  den  Verfasser  des  .Artikels  aiis- 
lindig  niaciicn,  so  können  sie  iim  als  Verlaumder  belangen.«  Ich  hatte  Herrn  Dd. 
(Densel)  ersucht,  dch  zu  erkundigen,  ob  Frankreich  vielleicht  xutriglich  erachte, 
dass  sidi  die  St.idt  auch  von  Seiten  Oestreichs  tieutral  zu  machen  suche,  wie  ich 
Ihnen  vorschlug',  nüesto  besser!«  war  die  Antwort.  »Es  kann  nicht  schaden,  dass 
dies  geschieht,  und  dass  die  1-raiikturter  den  ersten  besten  Hessen  auf  den  Kacken 
klopfen,  der  sich  gelüsten  liesse,  bei  ihnen  einzurücken.  Aber  notwendig  dazu  ist 
Neutralität  nicht,  damit  wir  die  unsrige  beobachten.  Was  die  l^rdctoren  Frank- 
reichs versprechen,  das  hält  die  Republik.«  Es  ist  nicht  möglich,  dass  ein  Mann 
wie  Rciibel.  von  allfjcmein  rcspcctirter  Moralität,  so  was  in  den  Wind  rede.  Ich 
habe  Zutrauen  in  das  Ehrenwort  Frankreichs,  und  es  ist  nicht  denkbar,  dass  es 
solches  gegeben  habe  mit  der  Absicht,  es  zu  verletzen.  Die  Direktoren  haben 
mehrmak  wiederholt,  Frankfurt  kann  ruhig  sein. 

Unser  Eifer,  Ihr  Interesse  zu  besorgen,  wird  bei  meinem  Kollegen  und  bei 
mir  stets  derselbe  bleiben.  Persönlich  ist  unsre  Ehre  bei  Erhaltung  di-r  SmJ! 
intcrcssirt.  Aber  ob  wir  ferner  nutzen  können,  mögen  Sic  selbst  bestinniKii  Dtf 
Eifersucht,  oder  das  teindlichc  Intresse  haben  uns  aus  der  Dunkelheit  gezogen.  Bni- 
scheiden  Sie,  ob  sich  das  mit  Ihrer  Lage  verträgt.  Aber  wohl  thun  werden  Sie, 
ii|;end  jemand  hier  xu  bevollmächtigen.  Wohl  thun  werden  Sie  auch,  selbst  in 
Berlin  gegen  Hessens  Intrigen  zu  arbeiten.  .\m  besten  aber  wäre  es,  Oe^trc';!i 
machte  Frieden  ;  das  würde  die  sicher'^te  lUirgschaft  sein.  Die  Rravnt:r  des  Erz- 
herzogs und  die  hartnäckige  Redlichkeit,  womit  Üesueicii  seinen  Krieg  tuhrt,  liahcn 
diesem  Hause  bei  den  Republikanern  die  höchste  Achtung  erworben.  Wärde 
Frille,  so  könnte  die  Zeit  bald  lehren,  dass  Frankreich  den  preus»schen  und  hessischen 
Intrigen  nicht  hold  ist  —  Leben  Sie  wohl 

Ganz  der  Ihrige 
In  höchster  Eyl.  O. 


I 

i 


IV. 

Volfaires  Verhaftung  in  Frankfurt  a.  M.  auf  Befehl 

Friedrichs  des  Grossen.  (1753.) 

Voa 

Stadtarchivar  Dr.  R.  Jung. 


Die  Angelegenheit,  mit  der  sich  die  folgenden  Blätter  Iwfisscn 
5oUen,  hat  zu  ihrer  Zeit  das  grdsstc  Aufsehen  in  Deutschland  und 
über  die  deutschen  Grenzen  hinaus  erregt.  Der  Zusammenstoss 
zweier  der  mächtigsten  Geister  des  vorigen  Jahrhunderts,  eines 
Fürsten  der  weltlichen  Macht,  der  noch  eben  durch  glänzende  Waffen- 
thaten  seinem  kleinen  Staate  den  Rang  einer  europäischen  Gross- 
macht verschafft  hatte,  und  eines  Fürsten  im  Reiche  des  Geistes,  dem 
alles,  was  in  der  europäischen  Weh  auf  Bildung  Anspruch  machte, 
begeistert  huldigte,  musste  um  so  berechtigtere  Beachtung  erfahren, 
als  beide,  einander  ebenbürtig  in  geistigem  Streben,  einige  Jahre  lang 
in  innigster  Freundschaft  zusammen  gearbeitet  hatten.' 

Ueber  die  Ursachen  des  Bruches  zwischen  Friedrich  dem  Grossen 
und  Voltaire  ist  schon  unzählig  viel  geschrieben  und  gestritten 
worden,  und  auch  der  Hergang  des  Konfliktes,  wie  er  in  Frankfurt 
zur  Entscheidung  gelangte,  hat  bereits  eine  ausführliche  Darstellung 
gefunden:  es  war  Vamhagen  v.  Ense,  der  im  »Berliner  Kalender« 
von  1846  die  erste  aktenmässige  Schilderung  des  denkwürdigen 
Ereignisses  versucht  hat.'  Lediglich  nach  Varnhagens  Arbeit,  ohne 
etwas  neues  beizubringen,  gaben  dann  Frau  M.  Belli «Gontard  in 
ihrem  »Leben  in  Frankfurt  a.  M.«  (1851)  und  C.  Kühn  in  zwei 


'  Nur  im  Vorabergehen  sei  daran  erinnert»  dass  der  Herr  Radi  Goethe,  wenn 

er  mit  seinem  Sohne  über  Vortiieile  und  Kachtheilc  des  Fürstendienstes  stritt, 
Voltaires  Erlcbni';5  in  Frankfurt  als  Hauptargument  dagegen  benut/tc;  die  «rciclis- 
bürRcrlichen  Gesinnungen«  des  alten  Herrn  traten  bei  der  Bcurtheilung  dieses  Er- 
eignisses nicht  vor  seinen  bekannten  »fritztschen«  zurück.  Vgl.  Goethe,  Aus  meinem 
Leben,  Buch  XV. 

*  Sie  findet  sicli  auch  in  Bd.  VIII  der  von  Ludmilla  Assing  herausgegebenen 
Denkwürdigkeiten  und  vermischten  Sdiriften  von  K.  A.  Vamhagen  v.  Ense. 


-    2l8  - 


Aufsätzen  der  Frankfurter  »Kleinen  Presse«  (1886,  Nr.  74  und  80) 
Berichte  über  Voltaires  Verhaftung  in  Frankfurt.  Vamhagens  Dar- 
stellung stützt  sich  auf  Volnires  Angaben  in  dessen  Schriften  und 
Briefen,  auf  die  1807  erschienene  Erzählung  von  Colini,  dem  Sekretär 
des  Dichters,  und  hauptsächlich  auf  die  im  Berliner  Geheimen  Staats- 
archive  verwahrten  Akten.  Eine  Quelle,  deren  Werth  den  letzt- 
genannten Akten  gleich  zu  achtem  ist,  wurde  bisher  noch  nicht 
benutzt:  es  sind  die  von  dem  Rathe  der  Stadt  Frankfurt  mit  König 
Friedrich  II.,  dessen  Residenten  in  Frankfurt  und  dem  verhafteten 
Volt.iire  gewechselten  Schriftstücke,  welche  im  Fr.mkfurter  Stadt- 
archive '  ruhen,  Sie  enthalten  eine  Fülle  von  Briefen  Voltaires  an 
den  Rath  der  Sudt,  in  denen  uns  der  Dichter  in  einer  der  interessan- 
testen Episoden  seines  vielbewegten  Lebens  leibhaftig  vor  Augen 
tritt;  sie  enthalten  ferner  einige  Schreiben  des  preussischen  Königs, 
die  auf  sein  damaliges  Verhältniss  zu  Voltaire  und  auf  seine  damalige, 
nicht  gerade  schmeichelhafte  Meinung  von  dem  Charakter  des  ehe- 
maligen Freundes  ein  helles  Licht  werfen.  Diese  Akten  geben  uns 
aber  insbesondere  Aufschluss  über  eine  Frage,  die  Vanihagen  kaum 
berührt  hat,  über  die  Stellung  des  Frankfurter  Rathes  in  dieser  Ange- 
legenheit, ich  glaube  somit  nicht  leeres  Stroh  zu  dreschen,  wenn 
ich,  gestützt  auf  den  Aktenfaszikel  des  Stadtarchivs,  nicht  sowohl 
eine  neue  Darstellung  jener  Vorgänge  versuche,  als  vielmehr  Varn- 
hagens  treffliche  Arbeit  ergänze,  wenn  ich  insbesondere  nachweise, 
wie  sich  die  Leitung  der  Reichsstadt  Frankfurt  in  dieser  Angelegen- 
heit dem  grossen  König  wie  dem  grossen  Dichter  gegenüber  ver- 
halten hat. 

L 

Zur  Linleitung  diene  FolgenLk  Durch  seine  iiU(.r arischen 
Aiif^riHe  gegen  Maupertuis,  den  Pi.i  ;iTlii  Jcr  Berliner  Akademie, 
hatte  sich  Voltaire  den  Unwillen  Kom^  l  ricdiichs  zu^e/ogen.  Doch 
bald  —  es  war  im  März  1753  —  kam  es  wieder  zu  einer,  allerdings 
nicht  lan»;e  aulialtciiüen  Versöhnung.  Am  26,  Mär/,  reiste  Voltaire 
von  Potsdmi  ab,  um  sich  zu  längerem  Aufenthalte  in  das  Vogesen- 
bad  Plonibieres  zu  begeben.  Er  wandte  sieh  zunächst  nach  Dresden 
und  Leipzig,  wo  er  mehrere  Wochen  blieb  und  den  Federkrieg  gegen 
Maupertuis  eifrig  fortsetzte.  Da  er  bei  diesen  Angriffen  auch  den 
preussischen  Monarchen  nicht  verschonte,  so  entschloss  sich  dieser, 
den  Dichter  seines  Dienstes  zu  entlassen.    Am  11.  April  erging  an 

'  Reichs&achen  Nr.  12,296. 


—     219  ~~ 

die  preussischen  Agenien  in  Frankfurt  a.  M.,  den  Kriegs-  und  Domänen- 
rath  von  Freytag  und  den  Hofrath  Johann  Friedrich  Schmidt',  der 
Befehl,  dem  durchreisenden  Voltaire  den  Karomerhermschlussel  sowie 
Kreuz  und  Band  des  Ordens  pour  le  ni^rite  ahzufordem»  ausserdem 
aber  ihm  alle  Schriftstflcke  von  der  Hand  des  Königs  und  dessen 
gedrucktes  Werk  »Oeuvres  de  po^sies«  abzunehmen*  Dieses  Buch  war 
von  Friedrich  II.  nur  an  einige  wenige  Freunde  vergeben  worden; 
es  befanden  sich  darin  Gedichte,  in  welchen  auch  regierende  Ffirsten 
nicht  gerade  wohlwollend  behandelt  waren.  Im  Wtdersetzungsfalle, 
so  fuhr  der  königliche  Befehl  fort,  sei  der  Dichter  mit  Arrest  zu 
bedrohen  und,  wenn  nöthig,  auch  wirklich  zu  arretiren/ 

In  Verfolg  dieser  Anweisungen  trafen  die  preussischen  Resi- 
denten ihre  Anordnungen  zur  Ueberwachung  der  die  Stadt  berfihrenden 
Reiseoden.  Der  städtischen  Behörde  gaben  sie  keinerlei  Nachricht 
von  der  ihnen  gewordenen  königlichen  Ordre.  Sie  setzten  sich  mit 
untergeordneten  Organen,  wie  den  Thorschreibem,  in  Verbindung, 
allerdings  ohne  denselben  den  wahren  Zweck  ihrer  Kachibrschungen 
anzugeben;  sie  liesscn  die  Gasthäuser  durch  Spione  überwachen,  so 
dass  ihnen  die  Ankunft  eines  Rasenden  von  der  Distinction  Voltaves 
nicht  entgehen  konnte.  Ihre  Geduld  wurde  auf  eine  harte  Probe 
gestellt;  beinahe  sechs  Wochen  waren  alle  ihre  Nachfragen  vergeblich. 
Voltaire  war  von  Leipzig  nach  Gotha  gereist,  hielt  sich  hier  mehrere 
Wochen  auf  und  kam  erst  am  Abend  des  5t.  Mai  nichtsahnend  in 
Frankfurt  an.  Er  nahm  Logis  im  »Goldenen  Löwen«  (in  der  Fahr- 
gasse  an  Stelle  des  heutigen  Gasthauses  zum  »Wfirttemberger  Hof«) 
und  gedachte  am  folgenden  Morgen  nach  Strassburg  weiter  zu  reisen. 


*  Herr  V.  Freytag  war  seit  1757  mit  der  Vertretung  der  Interessen  preussischer 
Unterthancn  in  Frankfurt  betraut;  Schmidt,  ein  Fruikfurtcr  Bürger  und  Handels- 
mann, wurde  1750  unter  Ernennung  zum  Hofrath  von  König  Fhedridi  mit  der 
Wahniebniung  der  preussischen  biteresseii  »in  denen  Sachen,  so  du  Commerctum 
angeben,  besonders  im  Mflntx»,  Gold-  und  Silber-Negotio  einschlagen«  beauftragt. 
Wenn  man  Voltaire  (besonders  Correspondancc  VI.  104— loj  und  iii)glauben  wollte, 
so  müssten  beide  prcussische  Vertreter  nebst  deni  Sekretär  Dorn  ganz  nb(»cfcinifc 
Schurken  gewesen  sein,  deren  Gewissen  mit  Dieb^iaiilcn  und  Münz  verbrechen  beladen 
waren!  Aus  den  Akten  des  Stadtarchivs  ist  gegen  keinen  etwas  zu  entnehmen;  Vol> 
taire  bat  bei  der  Schilderung  der  drei  ihm  feindlichen  Persdnlicbkeiien  seine  Feder 
in  Hass  getaucht  and  es  lücht  verschmäht»  alberne  Geri^chte  über  seine  Widersacher 
ab  allgemein  bekannte  Th  usachcn  hin/ustellcn. 

'  Varnhagen,  Denkwürdigkeiten  VIII,  180;  darnach  in  Oeuvres  completes  de 
Voltaire,  Correspondance  VI,  44.  Die  von  mir  verwertheten  Aktenstücite  sind,  so 
weit  von  Varnhagen  bereits  gedruckt,  mit  entsprechender  Qftellenangabe  angeluhrt; 
die  nicht  besonders  bezeichneten  St&cke  sind  den  Frankfurter  Akten  entnommen. 


—  220 


Doch  CS  soUic  ander .  k(  iiur.cn:  aus  cicr  einen  Nacht,  die  er  in 
Frankluii  zu  bleiben  ^eu.unte,  wurden  volle  luiif  Wochen. 

Am  Morgen  des   i.  Juni  begab  sich  der  preussische  Rcsideiu, 
Herr  v.  Freytag,  in  Begleitung  des  Frankfurter  Rathsherrn  Rücker, 
der  nicht  etwa  in  seiner  Figensehaft  ak  Raiiisherr,  sondern  als  Ver- 
treter des  anderen  preussischen  Agenten,  des  verreisten  HotVaths 
Schmidt,  zugezogen  wurde,  und  in  Begleitung  des  preussischen  W'erbe- 
oltizicrs  V.  Brettwitz  zu  dem  Dichter  in  den  »Goldenen  Löwen«,  um 
die  von  König  Friedrich  begehrten  Gegensündc  ihm  abzufordern. 
Voltaire,  der  sich  sehr  angcgrilFcn  fühlte,  war  über  das  Vorhaben  der 
drei  Herren  äusserst  bestürzt.    Unter  vielfaclien  Betheuerungen  seiner 
Treue  gegen  den  König  liess  er  die  Durchsuchung  seiner  Effekten 
—  sie  dauerte  von  9  Uhr  Morgens  bis  5  Uhr  Nachmittags  -  willenlos 
über  sich  ergehen.    Was  man  von  Briefen  des  Königs  an  Voltaire 
fand,  war  nicht  allzu  viel;  das  gesuchteste  Stück,  die  Oeuvres  de 
poesies,  hatte  er  nicht  bei  sich;  es  befinde  sich,  so  gab  er  an,  in 
einem  Gepäckstück,  welches  noch  in  Leipzig  oder  schon  in  Hamburg 
sei.    Freytag  erklärte,  dass  er  \'oltaire  nicht  weiter  reisen  lassen 
dürfe,  ohne  dieses  Gepäckstück  erhalten  zu  haben.    X  oliairc  machte 
verschiedene  Vorschlage,  um  seine  Reise  fortsetzen  zu  können;  er 
berief  sich  auf  seine  schwere  Krankheit,  wclwiic  den  Gebrauch  von 
BaJcir.  Lhu:^Ll:J  erfordere  —  vergebens:   l'rcitag   bestand  auf  dein 
Bleiben  des  Dichters.    Xadi  l.uigcrcn  \'ei ii.uiJkiiigen  kam  man  endlich 
überein,  dass  \'oltaire  bis  zur  Ankuiilt  jenes  Gepäckstückes  im  »Gol- 
denen Löwen«  in  Hausarrest  verbleiben  solle;  als  Sicherheil  übergab 
er  Herrn  v.  Freytag  zwei  Pakete  mit  seinen  Papieren  und  stellte  ihm 
einen  entsprechenden  Revers  aus;  der  Gesandte  dagegen  verpflichtete 
sich  schriftlich,  Voltaire  nach  limpfang  der  Oeuvres  de  poesies  weiter 
reisen  zu  lassen.   Darauf  entfernte  sich  Freytag  unter  Mitnahme  des 
Kammerhermschlüssels  und  der  Insignien  des  Ordens  pour  Ic  meriie, 
nachdem  er  mit  dem  Hauswirthc  Verabredungen  getroffen  hatte, 
welche  ein  Entweichen  des  Arrestanten  verhindern  sollten. 

So  die  Darstellung  Freytags  in  seinem  Berichte  an  den  König'; 
mit  ihr  stimnu  eine  Schilderung  von  Voltaire,  die  sich  in  den  Frank- 
furter Akten  fmdct.  Voltaires  Hausarrest  beruhte  auf  einem  gütlichen 
Uebereinkommen  mit  dem  preussischen  Ciesandten;  denn  dem  letzteren 
stand  natürlich  nicht  das  Recht  zu,  im  Gebiete  der  Reichsstadt  Frauk- 


*  Varnhagen,  Denkw.  VIII,  181^:  Voltaire,  Corr.  VI,  }o. 


—    221  — 


fiin  eine  \'crliaftung  zu  vollziehen;  dieses  Recht  hatte  lediglich  die 
städtische  Behörde.  Dass  der  Gesandte  nicht  durch  diese  die  torm- 
iiche  Verhaftung  ausführen  licss,  hatte  seine  guten  Gründe:  denn 
einmal  bedurfte  es  zu  diesem  Zwecke  eines  königlichen  Requisitions- 
schreibens an  den  Rath  der  Stadt  —  bisher  lagen  nur  Befeiile  des 
Königs  an  seine  Gesandten  vor  und  dann  musste  es  diesem 
darauf  ankommen,  jedem  Aufsehen,  jedem  vermeidbaren  Hineinziehen 
weiterer  Kreise  aus  dem  Wege  zu  gehen ;  konnte  er  durch  das  Mittel 
der  gutlichen  Uebereinkunft  dem  Befehle  des  Königs  nachkommen, 
so  musste  er  die  Intervention  des  Stadtmagistrates  vermeiden.  Warum 
aber  hat  sich  Vohaire  zu  diesem  Abkommen  verstanden,  bei  welchem 
doch  er  allein  Unannehmlichkeiten  zu  ertragen  hatte,  und  welches 
snne  angeblich  so  dringend  nöthige  Badereise  auf  lästige  Art  ver- 
zögerte? Er  hat  in  einem  seiner  späteren  Schreiben  an  den  Frank- 
furter Rath  angegeben,  er  habe  den  Senator  Rücker,  in  dessen 
Begleitung  Freytag  bei  ihm  erschienen  war,  für  den  Vertreter  des 
Käthes  gehalten  und  folglich  geglaubt,  der  Rath  befände  sich  im 
Einverständnisse  mit  dem  preussischen  Gesandten.  Ich  glaube  kaum, 
dass  dies  der  wahre  Grund  seines  Schweigens  war;  er  hätte  sonst 
diese  angebliche  Täuschung  bei  seinen  späteren  Philippiken  gegen 
Freyiag  und  Schmidt  ganz  anders  verwcrthet,  es  nicht  bei  einer  nur 
gelegentlichen  Erwähnung  dieses  Irrthums  gelassen.  Der  Beweggrund 
für  Voltaires  freiwillige  Uebereinkunft  mit  dem  Gesandten  war  wohl 
die  Rücksicht  auf  eine  spuere  \\rsohnung  mit  dem  königlichen 
Freund;  wäre  er  jetzt  nach  1  rankreich  weiter  gereist,  ohne  die  so 
dringend  verlangten  Schriftstücke  ausgeliefert  zu  haben,  so  hätte  er 
alle  Brücken  hinter  sich  abgebrochen;  durch  seine  Zustimmung  aber 
zur  Forderung  Freytags  kam  er  den  Wünschen  des  Königs,  der  seine 
Briefe  wieder  haben  wollte,  entgegen.  Die  Rücksicht  auf  die  Zukunft 
Uess  ihn  die  Belästigung  des  Augenblickes  ertragen. 

Beinahe  drei  Wochen  verblieb  Voltaire  in  freiwilligem  Haus- 
arrest, von  Spionen  der  preussischen  Residentschaft  überwacht.  Die 
Kunde  von  seiner  Verhaftung  hatte  sich  rasch  in  der  Stadt  verbreitet; 
der  Dichter  emphng  zahlreiche  Besuche,  die  ihn  das  Gefühl  der 
Unfreiheil  immer  stärker  empfinden  Hessen.  l;j  richtete  ein  beweg- 
hches  Schreiben  an  den  deutschen  Kaiser,  in  welchem  er  nicht  etwa 
gegen  die  Befehle  des  preussischen  Königs,  von  dem  er  in  aller 
Achtung  spricht,  sondern  gegen  das  Verfahren  seines  Residenten 
Beschwerde  lührt  und  den  Kaiser  bittet,  ihn  unter  seinen  Schutz  zu 
nehinen. 

Madame  Marie  Louise  Mignot  Denis,  die  Wiilwe  eines  trän- 


—  222 


zösiscbcn  Offiziers  und  Nichte  Voltaires,'  war  auf  die  Kunde  von 
dem  Schicksal  des  Onkels  aus  Strassburg  herbeigekommen  und  unter- 
nahm sofort  Schritte,  auch  beim  preussischen  Hofe,  die  Freibssung 
des  Onkels  zu  erwirken.  Die  vielfachen  Anstrengungen,  welche 
Oheim  und  Nichte,  theils  einzeln,  tbeils  in  Gemeinschaft  unternahmen, 
haben  bei  Varnhagen  eine  interessante,  mit  reichlichem  Abdruck  der 
betreffenden  Schriftstücke  versehene  Darstellung  gefunden. 

Am  Abend  des  17,  Juni  endlich  erhielt  Herr  v.  Freytag  das 
Gepäckstück  mit  dem  ersehnten  Buche  des  Königs,  den  Oeuvres  de 
poisies.  Vergebens  aber  wanete  Voluire  die  nächsten  Tage  auf  seine 
Freigebung.  Die  beiden  preussischen  Vertreter  wagten  noch  nicht, 
dieselbe  anzuordnen,  da  sie  erst  noch  Instruktionen  von  Berlin  erwar- 
teten; der  königliche  Kammerherr  v.  Fredersdorff  hatte  den  Residenten 
V.  Freytag  angewiesen,  in  dem  Verfahren  gegen  Voltaire  nichts  zu 
ändern,  sondern  erst  die  Befehle  des  von  Berlin  abwesenden  Königs 
abzuwarten.  Voltaire  wurde  durch  diese  Verzögerung  aufs  höchste 
erbittert:  er  hielt  sich  durch  die  Ablieferung  des  königlichen  Buches 
seines  gegebenen  Wortes  für  entbunden;  gleichwohl  gab  er  Herrn 
V.  Freytag  das  verlangte  Versprechen,  bis  zur  nächstfälligen  Post  am 
21.  Juni,  mit  welcher  die  königlichen  Befehle  erwartet  wurden,  in 
seiner  Haft  aiiszuhaltcn.  Dieses  neue  Versprechen  hat  er  nicht 
gehalten.  Mit  seinem  Sekretär,  dem  Florentiner  O^simo  Colini  reiste 
er  am  Nachmittage  des  20.  Juni  aus  dem  »Goldenen  Löwen«  ab, 
um  sich  nach  Wiesbaden  zu  begeben  ;  Madame  Denis  blieb  bei  den 
hinterlassenen  Ertektcn  des  Onkels  zurück,  um  noch  die  Herausgabe 
der  von  Freytng  als  Sicherheit  an  sich  genommenen  Papiere  des 
Dichters  abzuwarten. 

Die  Reisenden  kamen  nicht  weit;  am  Bockenheimer  Ihore 
wurden  sie  von  den  Beauftragten  des  Residenten  angehalten  und  von 
der  städtischen  'Fhorwache  in  den  Gasthof  zurückgebracht.  Leber 
die  versuchte  Lntweichung  X'oltaires  und  seine  N'erhaftung  besitzen 
wir  einen  eingehenden  Bericht  Freytags  an  Fredersdorä/  in  welchem 


•  Man  kann  diese  streitbare  Dame  gerade  nicht  als  den  guten  Genius  des 
Dichters  betrachten.  Freytag  sns^t  von  ihr  in  einem  seiner  Berichte:  iDie  Vol- 
tairisdie  sogenannte  Niöce,  die  ich  aber  vor  ein  ander  Personagc  halte,  denn  gestern 
käme  00  Brief  an  sie  mit  der  Adresse  Mad.  de  Volta^;  wdl  dami  dieses  fredie 
Wdbsmcnseb  .  .  .«  u.  s.  w.  Friedrieh  der  Grosse  (Polttisdie  Correspondenz  X*  14) 
urtheih  nicht  besser  von  il)r :  »sa  ni^ce  .  .  .  pounait  bien  fitre  une  aimable  carogne 
aussi  malicicuse  que  nionsieur  son  oncle«. 

'  Varnljageo,  Denkw.  VIll,  226;  Voltaire,  Corr.  VI,  66. 


sich  die  Genugthuung  über  die  glückliche  Ueberlistung  des  betrogenen 
Betrügers  Voltaire  auf  eine  köstliche  Art  anspricht.  Man  ersieht  aus 
diesem  Berichte,  dass  die  Verhaftung  auf  rasch  eingeholten,  aber  nur 
zögernd  ertheilten  bürgermeisterlichen  Befehl  erfolgte.  Bei  der  Eile, 
in  welcher  vorgegangen  werden  musste,  ist  nicht  immer  mit  der 
dem  Stande  und  Ansehen  des  Dichters  gebührenden  Rücksicht  ver- 
fahren worden.  So  liess  diesem  und  dem  Sekretär  der  Hofrath 
Schmidt  die  Taschen  durchsuchen  und  das  darin  befindliche  Geld 
abnehmen;  Madame  Denis  wurde  in  einer  für  eine  Dame  von  Stand 
wenig  passenden  Weise  behandelt:  der  Sekretär  Dorn  von  der 
preussischcn  Gesandtschaft  führte  sie  durch  eine  zahlreiche  Menge 
von  Zuschauern  am  Arm  ans  dem  »Goldenen  Löwen«  in  das  gegen- 
überliegende Gasthaus  zum  »Bockshorn«,  entfernte  ihre  Kammerfrau, 
stellte  eine  Wache  von  vier  Mann  vor  die  Thüre  und  blieb  die  gnnze 
Nacht  im  Zimmer  der  Dame,  welche  in  Folge  dieser  Brutalitäten  so 
schwer  erkrankte,  dass  der  Oheim  für  das  Leben  der  Nichte  zitterte; 
die  Ursache  dieser  rauhen  BchandlimL',  war  nach  Dorns  Aussage  die, 
dass  Madame  Denis  bei  dem  Bur^^'ermeistcr  Fürsprache  für  ihren 
Onkel  eingelegt  hatte.  Voltaire  hat  in  seinen  späteren  Hmgabcn  an 
den  Rath  über  diese  harten  und  unanständigen  Massnahmen,  die  er 
wahrscheinlich  noch  etwas  übertrieb,'  bittere  Klagen  geführt. 

Nach  der  miss^Iückten  Flucht  Voltaires  konnten  die  prcussischen 
Vertreter  nicht  nieiir  auf  eine  freiwillige  \  erlangerung  des  Haus- 
arrestes rechnen.  Um  ihn  noch  ferner  in  Frankfurt  fest  zu  halten, 
musste  seine  förmliche  Verhaftung  erfolgen.  Diese  konnte  aber  nur 
durch  die  städtische  Obrigkeit  angeordnet  und  vollzogen  werden; 
mit  ihr  mussten  sich  die  preussischen  Agenten  jetzt  in  Verbindung 
setzen.  Bereits  hatte  der  Bürgermeister  noch  am  20.  Juni  seine  Zu- 
stimmung zu  der  Verhaftung  gegeben.  Diese  Zustimmung  konnte 
nber  bei  der  Wichtigkeit  der  preussischen  Requisition  und  bei  dem 
Ansehen  der  betroffenen  Fersönlichkeit  nur  eine  vorlauhge  sein.  Der 
BürgcrmeiMer  musste  die  Sache  vor  eine  höhere  Instanz  bringen. 

Hier  beginnt  die  Aktion  des  Frankfurter  Rathes  und  damit 
zugleich  unsere  Akten. 

II. 

Am  21.  Juni  erklärte  der  ältere  Bürgermeister  Johann  Karl 
V.  Fichard  in  der  Rathssitzung,  der  preussische  Resident  v.  Freytag 


■  Wohl  .im  ärgsten  in  dem  <> Journal  de  cc  qui  s'esi  passe  ä  Frauclort«  in 
Voltaire,  Corr.  VI,  402. 


—    224  - 


habe  im  Auiira^c  seines  Monarchen  «Jas  Ansinnen  «lesiellt,  »dass  der 
Mr.  de  Voltaire,  welcher  verschiedene  allerhöchst  derselben  -/ugehorii^c 
wichtige  Scripturcii  in  Händen  habe,  ini  Fall  er  diese  wie  inglcichen 
den  Orden  und  den  Caninier-llerrn-Schliisscl  gutwillig  herauszugeben 
verweigerte,  mit  Arrest  belegt  werden  sollte.«  Das  .sei,  so  berichtete 
der  Bürgermeister  weiter,  gestern  wirklich  geschehen ;  man  habe 
Voltaire  um  Bockenheinier  Thor  verhaftet,  ihn  in  das  »Bockshorn« 
gebracht,  w-ose!bst  er  sich  unter  Bewachung  befände.  Auf  diese  Mii- 
theilung  hin  wurde  zunächst  das  Requisitionsschreiben  der  beiden 
Vertreter  des  preussischen  Königs  verlesen.  Dieselben  berufen  sich 
.Uli  zwei  königliche  Handschreiben,  deren  Inhalt  uns  bereits  bekannt 
ist;  in  lolge  der  Hetehle  des  Königs  hätten  sie  sich  mit  Voh.iire 
dahin  geeinigt,  dass  er  bis  zur  .'^nknntt  seiner  (iep.ickstückc,  ii:  Jenen 
sich  das  Verlangte  linden  könne,  in  Konventional-Arrest  VLi  r-ciben 
wolle.  Nun  sei  aber  N'oltaire  parolel :  u^hig  geworden,  und  iviaii  nahe 
ihn  desshalb  ad  Interim  aut  der  l'hicht  anhaUen  lassen,  /.weck  ihrer 
Requisition  sei,  Herrn  v.  \\u:aiie  in  wirklichen  Arrest  nehmen  und 
im  »Bockshorn«  als  Gefangenen  bewachen  zu  lassen;  ein  von  ihrem 
Könige  ausgegangenes  Requisitorialschreiben  w  erde  jeden  Tag  erwartet. 
»Bei  einem  solchen  unvermutheten  Vorlallu,  so  schliesst  das  Pru- 
memoria  der  preussischen  Vertreter',  »wo  es  um  die  königlichen 
Papierer  zu  thun  ist,  welche  öfters  höher  als  Land  und  Sandt,  GeUt 
und  Guth  geachtet  werden,  und  wo  man  auch  einem  privato  Hülfe 
wOrde  angedeihen  lassen,  versichert  man  sich  geneigter  Willfahrung.« 

Oer  Rath  beschloss,  die  Angelegenheit  in  statu  quo  zu  lassen, 
d.  h.  er  erklärte  sich  mit  der  geschehenen  Inhaftirung  einverstanden, 
liess  aber  bei  Freytag  und  Schmidt  anfragen,  ob  sich  deren  Requi- 
sition auch  auf  die  beiden  mitverhafteten  Personen,  Madame  Denis 
und  Sekretär  Cotini,  erstrecke.  Freytag  vemeinte  dies  dem  Abge- 
sandten des  Bürgermeisters,  der  den  Rathsbeschluss  Qberbracht  hatte; 
er  versicherte  weiter,  dass  er  in  dieser  ganzen  Sache  nichts  untemehmeo 
werde,  ohne  dem  Rathe  das  noch  ausstehende  königliche  Requisitorial- 
schreiben vorgelegt  zu  haben;  denn  er  sei  weit  entfernt,  »einem 
hochedlen  Rath  den  mindesten  Eintrag  in  dero  Jurisdiction  zu  thuo, 
noch  in  Zukunft  dergleichen  thun  zu  wollen.«  Dieser  Erklärung 
schloss  sich  Hofrath  Schmidt  an.  Der  Bürgermeister  schickte  dann 
nochmals  zu  Frey  tag  und  liess  ihm  sagen,  er  habe  gehört,  dass  mit 
dem  Verhafteten  ein  förmliches  Verhör  vörgenommen  worden  sei** 


*  Auch  bei  Vamlugen,  Denkw.  VIII,  2)$. 


^  225  ^ 


diese  Verletzung  der  Gerechtsame  des  Railies  könne  er  durchaus 
nicht  zugestehen ;  der  Gesandte  stellte  entschieden  in  Abrede,  dass 
ein  derartiges  Verhör  stattgefunden  habe. 

Hinige  Tage  lang  hört  man  nichts  mehr  von  der  leidigen  Ange- 
legenheit ;  erst  am  26.  Juni  hatte  sich  der  Rath  wiederum  damit  zu 
beschäftigen.    Man  entsendete  den  Aktuar  Diefenbach  von  dem  altern 
Bürgermeister  -  Amte    zu   Voltaire  und    seinen  Schicksalsgenossen, 
um  auch  die  andere  Partei  über  das  Geschehene  zu  vernehmen. 
Diese  Vernehmung  fand  am  Krankenbette  der  Madame  Denis  statt. 
Alle  drei   —   Voltaire,  seine  Nichte  und  sein  Sekretär  —  erklärten 
auf  Befragen,  die  Oeuvres  de  poesies  seien  bereits  am  17.  Juni  dem 
Herrn  v.  Freytag  ausgehändigt  worden.    Alle  drei  behaupteten  ferner, 
dass  der  Dame  und  dem  Sekretär  Niemand  iiiitgctheilt  habe,  dass 
sie  frei  seien ;  beiden  wurde  jetzt  die  Freiheit  angekündigt.  Weitere 
Anfragen  behandeln  die  Rückgabe  der  KofTer  und  die  Kosten  der 
Inhnftirung.    Grösseres  Interesse  bietet  die  1-rage  des  Rathsgesandten, 
ob  man  den  Verhafteten  eine  schriftliche  Iirklärung  abgefordert  habe, 
dass  sie  sich  anheischig  machen  sollten,  der  ihnen  widerfahrenen  Be- 
handlung gegen  Niemand  zu  gedenken  —  alle  drei  erklärten  einstimmig, 
dass  man  ihnen   einen  solchen  Revers  abverlangt  habe.  Voltaire 
übergab  sodann  dem  Aktuar  ein  Promemoria  an  den  Rath  und  bat, 
die  Hrlaubniss  desselben  zu  erwirken,  dass  er  »zur  Hrhohlung  seiner 
Gesundheil«  und  gegen   »Ablegung   seiner  parole  d'honneur«  das 
Gärtcben  des  »Goldenen  Löwen«  zum  Spazierengehen  benutzen  dürfe. 
Die  Arrestanten  iiaben  sich,  so  berichtet  Diefenbach  weiter,  »in  denen 
lamentabelsten,  doch   sowohl   gegen   seine  königliche  Majestät  in 
Preussen  als  auch  gegen  einen  hochedlen  Rath,  auch  des  älteren 
Herrn  Bürgermeisters  hochedlen  gestrengen  sehr  respectuosen  Aus- 
drückungen erklärt.« 

Das  geheime  Promemoria  Voltaires  an  den  Rath  ist  sehr  geschickt 
verfasst.'    Es  beginnt  mit  der  Darstellung,  wie  der  Sekretär  des 


•  Ich  niuss  d;irau(°  vcrziclitcn,  liier  einzelne  von  ikii  vielen  Schreiben  Vohaires 
an  den  Rath  im  Wortlaute  zu  verötTcntlichen.  Sie  zeichnen  sich  meist  durch  einen 
stattlichen  Umlang  aus  und  emiüdcn  durch  die  immer  wiederkehrende  breite  Er- 
zählung seiner  Verhaftung  und  die  Darlegung  des  ihm  angcthancn  Unrechtes;  sie 
eignen  sich  nicht  zur  Mitlhcilung  iniicriialb  des  dieser  Arbeit  zugemessenen  Raumes. 
Zudem  hat  meines  Wissens  ciji  (ranzösischer  Gelelirter  vor  mehreren  Jahren  von 
diesen  Briefen  und  Eingaben  seines  Landsmannes  .\bschrift  genommen,  und  ich 
möchte  seiner  Veröirentlicluing,  die,  so  viel  ich  weiss,  noch  nicht  erschienen  ist, 
durch  eine  auch  nur  theilweise  Bekanntmachung  nicht  vorgreifen.  Den  Heraus- 
gebern der  Korrespondenz  Voltaires  (Oeuvres  complete«;,  Paris  1880)  haben  die 
Frankfurter  Akten  nicht  vorgelegen. 

15 


—    226  — 


preussischen  Residenten  unter  Hintansetzung  aller  einer  vornehmen 
Dame  gebührenden  Rücksichtnahmen  Madame  Denis  verhaftete;  dann 
schildert  Voltaire  in  lebhaften  Tarben  seine  eigene  Verhaftung  und 
die  ihm  dabei  wideriahrenc  schmäiiliche  Behandlung.  Um  die  Rechts- 
widrigkeit des  ganzen  Verfalircns  klar  darzulegen,  erzählt  er  sdnc 
Schicksale  von  der  Ankunft  in  Frankfun  ab,  fühn  im  einzelnen  an, 
wie  die  prcu5sisc!ien  Agenten  ihre  Versprechungen,  ihn  und  seine 
Nichte  nach  Hmptang  des  gesuchten  königlichen  Werkes  freizulassen, 
nicht  innegehalten,  und  bittet  schliessUch  nur  darum,  ilin  imJ  seine 
Nichte  aus  dem  »Bockshorn«  in  den  »Goldenen  Löwen«  zurückkehren 
zu  lassen,  sowie  zu  seinen  Gunsten  sich  an  den  preussisciien  König 
wenden  zu  wollen,  der,  als  gnädig  und  edel  bekannt,  den  ihnen 
widerfahrenen  Gcwahihaiigkeiten  sicherlich  fernstehe. 

Diesem  Proincnioria  Hess  der  Dichter  an  den  folgenden  Tagen 
noch  zwei  besondere,  in  dringlicheren  Worten  dasselbe  verlangende  Hin- 
gaben fülutii ;  als  neu  fügte  er  hinzu,  dass  Herr  v.  Freytag  die  Schuld 
für  das  Geschehene  jetzt  auf  Hofrath  Schmidt  schiebe,  sowie  dass 
ersterer  unter  dr  i  :i.  Juni  einen  königlichen  Befehl  erhalten  habe, 
die  Gefangenen  nicht  weiter  zu  belästigen  ;  wolle  der  Rath  einem 
Kommissar  die  Untersuchung  der  Angelegenheit  übertragen,  so  bitte 
er  zu  diesem  Zweck  den  ihm  durch  seine  rechtswissenschaftlichen 
Arbeiten  bekannten  Senator  v.  Senckenberg'  zu  ernennen. 

Der  Frankfuner  Rath  befand  sich  hier  in  einem  schwierigen 
Dilemma:  auf  Requisition  der  preussischen  Vertreter  hat  er  dieförni- 
liehe  Verhaftung  Voltaires  angeordnet;  jetzt  kommt  der  Verhaftete 
mit  der  Bitte,  nicht  ihn  freizulassen,  sondern  nur  ihm  die  Haft  zu 
erleichtern,  obwohl  er  seine  endgültige  Freilassung  auf  Grund  eines 
angeblich  an  den  Gesandten  gelangten  Befehles  des  Königs  verlangen 
konnte.  Von  einem  solchen  Befehle  hatte  aber  der  Gesandte  deni 
Rath  noch  keinerlei  Kenntniss  gegeben ;  dieser  mochte  also  den  Ge- 
fangenen auch  nicht  seiner  Haft  entlassen.  Andrerseits  zeigten  die 
durchaus  übereinstimmenden  Aussagen  der  drei  Verhafteten,  dass 
diese  Alles  gethan  hatten,  die  HerbeiscliafTung  der  vermissten  Schrift* 
stücke  zu  erleichtern,  dass  somit  die  strenge  Bewachung  eine  niin- 


*  Voltaire  dachte  hier  olfenbar  an  den  Reichsfreiherra  Heinrich  Christian 
V.  S.  (1704—68),  den  Verfasser  der  Sciecta  juris  und  anderer  rochtsgeschtchdicher 

Werke.  Dieser  SciK'kcnbcrg  wnr  aber  niemals  Franhfurtcr  Senator;  der  ciiuii^v  Jcr 
drei  Brüder,  welcher  diese  WürJc  he"!cite;e.  wnr  der  bcniclittL'te  Joh^inn  Erasmus 
(1717 -yj).    Vgl.  Kricgk.  die  Bruder  .SciickeiilKrg,  i  rnnkturt  1*^69. 


—    227  ~ 


descens  flberflOssige  Massrcgel  war.  Unter  diesen  Umständen  beschloss 
der  Rath,  ein  schriftliches  Bedenken  seiner  Advokaten,  der  Stadt- 
syndtci,  einzuholen  und  ein  Schreiben  an  den  König  von  Preussen 
richten  zu  lassen,  einstweilen  aber  von  weiteren  Verfügungen  abzu- 
sehen,  d.  h.  Alles  beim  Alten  zu  lassen. 

Nach  diesen  Beschlüssen  sandte  der  Bürgermeister  v.  Fichard 
zunächst  an  Herrn  v.  Freycag  und  liess  fragen,  warum  das  ver- 
sprochene königliche  Requisitorialschreiben  dem  Rathe  noch  nicht 
vorgelegt  worden  sei.  Der  Gesandte  gab  zur  Antwort,  man  habe 
damals  keinen  bestimmten  Termin  der  Ankunft  desselben  versprochen; 
nun  seien  zwar  inzwischen  königliche  Ordres  eingetroffen,  es  habe 
sich  aber  durch  Voltaires  wortbrüchiges  Entweichen  die  Sachlage 
derartig  geändert,  dass  er  neue  Verhaltungsmassn^eln  seitens  des 
Königs  abwanen  müsse.  In  seiner  Aengstlichkeit  ging  der  Resident 
so  weit,  dass  er  nicht  einmal  zu  einer  Linderung  der  Haft  seine 
Zustimmung  geben  mochte.  Freytags  Kollege  Schmidt,  welciier  den 
städtischen  Behörden  Ausicunft  über  die  Berechnung  der  Inhaftirungs- 
kosten  geben  sollte,  weigerte  sich,  im  Römer  zu  erscheinen,  da  es 
sich  hier  nicht  um  bürgerliche  Geschäfte,  sondern  um  persönliche 
Angelegenheiten  des  preussischen  Königs  handle. 

Auf  den  Bericht  der  Syndiker  beschloss  nun  der  Rath,  den 
preussischen  Vertretern  von  dem  Versprechen  Voltaires,  gegen  eid- 
liche Versicherung  bis  zum  Eintreffen  königlicher  Befehle  die  Stadt 
nicht  zu  verlassen,  Kenntniss  zu  i.'chen ;  falls  jene  auf  Grund  dieses 
Versprechens  in  die  nachgesuchte  Erleichterung  des  Arrestes  willigten, 
so  sollte  der  Dichter  darauf  vereidigt  werden;  falls  nicht,  so  sei  der 
bisherige  Stand  aufrecht  zu  erhalten,  die  Verantwortung  für  das  bis- 
her Geschehene  aber  allein  den  Gesandten  zu  überlassen.  Auf  alle 
Fälle  aber  sei  eine  Anfrage  an  den  König  abzulassen,  was  sein  Wille 
in  dieser  Sache  sei.  Kine  solche  Anfrage  war  dringend  nöihig,  denn 
man  hatte  gerade  den  Beweis  von  der  ganz  eigenmächtigen  Handlungs- 
weise der  preussischen  Rathe,  wenigstens  gegen  I  rau  Denis  und 
Colini  erlialten.  Die  ersterc  hatte  sofort  nach  ihrer  Verhaftung  an 
König  I  riedrich  nach  Potsdam  geschrieben  mul  liher  das  Verfaiiren 
der  Gesandten  gegen  sie  Beschwerde  geführt.  Der  König  liess  ihr 
umgehend  durch  seinen  Vorleser,  den  Abbe  de  Pudes,  sein  Bedauern 
aussprechen  uher  die  ihr  widerf;ihrene  Belästigung,  die  er  sich  als 
seinen  Beteiiicn  durchaus  widersprechend  gar  niclit  erklären  könne; 
sie  dürfe  sclhsi\ crständlich  gehen,  wohin  sie  wolle. 

Am  5.  Juli  ging  das  Schreiben  des  Käthes  an  Ki)niq  l-riedrich 
ab.    bs  enthält  zunächst  eine  breite  Darstellung  der  bisherigen  Vor- 


^  y  Google 


gänge  und  erwähnt  dann,  dass  man  von  den  Vertretern  des  Königs 
eine  positive  ZustimniungserklSrnng  zu  dem  Versprechen  Voltaires, 
dass  er  gegen  eidliche  Angelobung  vor  dem  Eintrefien  königlicher 
Befehle  nicht  aus  der  Stadt  entweichen  wolle,  nicht  habe  erlangen 
können  und  desshalb  mit  dem  Verhafteten  keine  Aenderung  getroffen 
habe,  aber  den  Residenten  die  ganze  Verantwortung  für  das,  was  da 
kommen  möge,  überlassen  müsse;  man  wolle  aber  »noch  so  viol 
in  allertiefster  Ehrfurcht  beschwehrend  anfügen«,  dass  sicii  die  Ver- 
treter des  Königs  verschiedene  EingrifTe  in  die  Jurisdiktion  der  Stadt 
erlaubt  hätten;  als  solche  werden  dann  nachgewiesen:  alle  Massregeln, 
welche  sie  zwis .  Iv  dem  i.  und  dem  20.  juni,  also  in  der  Zeit 
zwischen  der  Ankunlt  Voltaires  in  Frankfurt  und  dem  vergeblichen 
Fluchtversuch  ohne  Wissen  des  Käthes  gegen  den  Dichter  ergriiTen 
hätten;  femer  die  eigenmächtige,  ohne  vorgängige  Requisition  und 
ohne  bürgerraeisterliche  Einwilligung  geschehene  \'erhaftung  und 
Transportirung  der  Madame  Denis  aus  dem  »Goldenen  Löwen«  in 
das  »Bockshorn« ;  sodann  wird  als  widerrechtlich  bezeichnet,  dass  die 
Gesandten  die  Mad.ime  Denis  und  Colini  im  »Bockshorn«  scharf 
bewachen  und  entgegen  der  ihnen  wohlbekannten  Anordnung  des 
Bür^crnicisiers  vier  Tage  länger  in  Arrest  beliessen,  weiter  da'.s  sie 
Herrn  v.  Voltaire  die  Taschen  visitirten  und  deren  Inhalt  an  sich 
nahmen,  iiim  eigenmächtig  die  Kosten  der  InhifririinL;  anrechneten 
und  endlich  ihm  immer  noch  zwei  Pakete  seiner  Schriften  vorent- 
hielten. Das  lange  Schreiben  scliliesst  mit  der  folgenden  Bitte,  die 
als  Probe  des  damaligen  I  r.mkfurter  Kanzleistils  und  zugleich  als 
Beispiel  der  unterwürligen  i  orm  in  der  Verhandlung  einer  ohnmäch- 
tigen iveichsstadt  mit  einem  starken  Reichsstande  wörtlicii  miigetheili 
werden  soll :  »l:s  gelanget  aber  zugleich  an  Ew.  Königliche  Majestät 
unser  nlkrunterthänigstes  Bitten,  uns  nicht  allein,  wie  es  mit  dem 
noch  arrestirten  von  Voltaire  ferner  zu  hallen  ^eie,  ailergnddigst 
förderlich  wissen  zu  lassen,  sondern  auch  nach  dero  angestammten 
Grosmuth  und  preisw  urdigsten  allerhöchsten  Magnanimitäc,  w^mli 
allerhociisi  dieselbe  auch  geringe  Kcichsständc  bei  ihren  Gerecht- 
samen gerne  allerhuldreichst  protegiren  helfen,  die  von  beiden  könii^'- 
lichen  Käthen  sich  hier  angemasstc  Jurisdicnons-EingriHe  allergnädjgsi 
gutfindender  M  issen  zu  ändern  und  dieselbe  allergerechtest  anzuweisen, 
da^s  Sie  ins  Künftige  dergleichen  empfangende  Kcnnghchc  Befehle 
mit  mehrer  Behutsamkeit  und  mit  jedesmaligem  Vorwissen  unserer 
Bürgermeister  zu  vollziehen  suchen  sollen.  Womit  übrigens  Ew. 
Königliche  Majestät  wir  dem  starken  ALicht-SLluitz  (jottcs  zu  fernerem 
Königlichen  langwierigsten  alleriiochsten  Wohlergehen  fleissigst,  zu 


der  allerceuersten  königlichen  Gnaden-Hulden  aber  uns  und  unser 
gemeines  Stadtwesen  allergehorsamst  angelegentlichst  empfehlen  und 
mit  allersinnlichster  Submission  ohnausgesetzt  verharren.« 

So  kriechend  devot  dies  auch  klingt  ~  man  entnimmt  sofort 
aus  diesen  seltsam  verschnörkelten  Redensarten,  wie  energisch  in 
der  Sache  der  Rath  auf  dem  für  ihn  wichtigsten  Punkt,  auf  der 
Abstellung  der  in  seine  Gerechtsame  geschehenen  Eingriffe  besteht. 
Mit  diesem  Schreiben  wurde  natürlich  die  weitere  Verfolgung  der 
Angelegenheit  seitens  der  Stadt  bis  zum  Eintreffen  der  königlichen 
Antwort  vertagt. 

Am  Tage  nach  Abgang  dieses  Schreibens  gaben  die  preussischcn 
Käthe  ihre  Zustimmung,  dass  dem  gefangenen  Voltaire  sein  Degen 
und  damit  seine  Freiheit  zurückgegeben  werden  solle.  Dieser  plötz- 
lichen Sinnesänderung  der  Gesandten  waren  einige  Verhandlungen 
derselben  mit  dem  Bürgermeister  vorausgegangen,  aus  denen  klar 
hervorgeht»  wie  unentschlossen  und  schwankend  die  beiden  Residenten 
handelten  aus  Furcht,  die  Befehle  ihres  Königs  misszuverstehen, 
welche  für  jeden  anderen,  nur  nicht  für  die  übereifrigen  Gesandten 
zweifellos  und  wiederholt  die  Freilassung  des  Diciuers  angeordnet 
hatten.'  Am  j.  Juli  Morgens  hatte  Frevtag  seine  Zustimmung  zur 
Haftentlassung  Voltaires  gegeben;  am  Nachmittag  hatte  er  sie  nach 
Berathung  mit  seinem  Kollegen  Schmidt  zurückgezogen;  am  folgenden 
Tage  endlich  erschien  der  Sekretär  der  jneussischen  Residentschaft 
beim  Bürgermeister  und  brachte  ihm  die  endgültige  Zustimmung 
seiner  Auftraggeber! 

Voltaire  begnügte  sich  keineswegs  mit  dem  mühsam  erlangten 
Erfolg,  der  Rückerstattung  seiner  1  reiheit.  Denn  eine  sehr  wichtige 
Frage  war  noch  zu  erledigen:  die  Rückerstattung  der  ihm  abge- 
nommenen Gelder.  Sofort  nach  der  Ankündi^^tmg  seiner  Freilassung 
richtete  er  ein  diesbezüt^liches  Gesuch  an  den  Rath.  In  kurzen  klaren 
Worten  setzt  er  die  ünrechtmässigkeit  des  Verfahrens  der  preussischen 
Gesandten  auseinander :  jetzt  seien  sie  durch  das  Schreiben  des  Abbe 
de  Prades  an  Madame  Denis  überfuhrt,  dass  sie  entgegen  den  deut' 
liehen  Befehlen  ihres  Königs  die  Freilassung  verweigert  hatten, 
obwohl  ihnen  bereits  am  17.  Juni  die  gesuchten  Schriften  des  Königs 
eingehändigt  worden  seien.  Das  weitere  Sündenregister,  welches  das 
Schreiben  enthält,  kann  hier  übergangen  werden.  Die  Bitte  Voltaires 
ging  dahin,  ihm  das  Promemoria  der  Gesandten  mitzutbeiien,  auf 


'  Vgl.  diesdl>cn  bei  Varnhagcn,  Denkw.  ViU,  2$2Ü. 


—    250  — 

Grund  dessen  die  Stadt  seine  Inhaftirung  angeordnet  hätte ;  er  bittet 
dann»  ihm  behülflich  zu  sein,  sich  für  die  erlittenen  Verluste  an  Geld 
scliadlos  zu  halten,  da  Schmidt  als  Frankfuner  Bürger  dem  Ratbe  für 
alle  Kosten  in  dieser  An»;elegenheit  gutgesagt  hatte;  er  erwartet 
schliesslich  von  der  Ehre  der  Stadt,  dem  Rechte  der  Völker,  den 
Gesetzen  des  deutschen  Reichs,  dass  man  einem  Offizier  des  fran- 
zösischen Königs  und  einer  D  n  c,  die  mit  Pässen  des  französischen 
Königs  reist,  das  Ihre  ungeschmälert  zurückgibt.  Der  Ratii  Hess  den 
Inhalt  dieses  Schreibens,  welches  Voltaire  zuerst  französisch  ab^c- 
fasst,  aber  auf  das  Ansuchen,  es  »vertirt«  zu  überreichen,  in  das 
Lateinische  übertragen  hatte,  dem  Hofrath  Schmidt  miiiheilcn  und 
diesem  bedeuten,  dass  man  sich  an  seinen  der  Stadt  versprochenen 
Hrsatz  der  Kosten  halten  und  ihn  auf  alle  Fälle  wegen  eni^'aigeni 
Schaden  der  Stadt  dieselbe  vertreten  lassen  werde  —  denn  mm 
befürchtete,  Voltaire  werde  sich  an  den  höchsten  Gerichtshof  des 
Reichs  wenden.  Schmidt  versicherte  den  Rath,  der  König  werde  die 
Stadt  schon  zu  schützen  wissen,  bat  aber,  von  der  MittbeÜung  seines 
Requisitionsschreibens  an  Voltaire  Abstand  nehmen  zu  wollen.  Das 
dem  letzteren  abgenommene  Ccld  hatte  er  kurz  vorher  zurück- 
erstattet, aber  unter  Abzug  der  Inhaftirungskosten.  Es  hatte  sich 
dabei  ein  neuer  Zwischenfall  ereignet,  der  die  Abwicklung  dcrAnge* 
legenheit  wiederum  verzögern  musste.  Der  Sekretär  der  preussischen 
Residentschaft,  welcher  Voltaire  das  Geld  aushändigen  sollte,  be- 
hauptete, von  diesem  mit  der  Pistole  in  der  Hand  bedroht  worden 
zu  sein;  Voltaire  bestritt  dies  ganz  entschieden.  Eine  vom  Rath 
sofort  angeordnete  Untersuclnmg  stellte  zweifellos  fest,  dass  dem 
furchtsamen  Sekretär  seine  l^h.inrasie  einen  argen  Streich  gespielt 
halte  —  die  Pistolen  in  der  Hand  des  Dichters  waren  nicht  geladen, 
er  wollte  sie  nur  einem  Bedienten  zum  Reinigen  zustellen.  Das 
Voltaire  gehörende  Geld  hatte  der  Sekretär  bei  seiner  Flucht  vor  den 
nichtgeladenen  Pistolen  wieder  mit  sich  genommen. 

Den  weiteren  Verlauf  seiner  Angelegenheit  wartete  Voltaire 
nicht  mehr  in  Frankfurt  ab;  am  Nachniiiiage  des  7.  Juli  liatte  er  die 
Weiterreise  angetreten,  nachdem  er  in  einem  lateinisch  geschriebenen 
Abschiedswortc  dem  Bürs'ermeister  gedankt  und  sich  die  rechtliche 
Verlulgung  aller  seiner  Ansprüche  an  die  preussischen  Residenten 
ausdriklJich  gewahrt  hatte.  Von  Mainz  aus  richtete  er  neue  Zu- 
schrilten  .ui  den  Rath.  In  der  einen  wendet  sich  sein  Grimm  vor- 
zugsweise gegen  den  Sekrei.ir  Freytags,  der  ihn  so  schändlich 
verleu!ndet  habe;  in  der  anderen,  welche  sein  Beaultragter,  der  Notar 
Boehm  in  Mainz,  in  lateinischer  Spraciie  an  den  Rath  sendete, 


-    251  - 


vcrl.in^jt  er  nochnial.s  von  der  Stadt,  sie  solle  ihm  das  Rcquisitions- 
bchreiben  der  preu'^sischcn  Räthe,  avü  Grund  dessen  er  iiihurtirt 
worden,  .luslicfcrn,  um  durch  Vorlegung  desselben  das  Unrccln  der 
Käthe  vor  dem  höchsten  Tribunal  des  Reichs  erweisen  zu  können; 
er  erneuert  seine  Forderung  ^'^  ^V\c  Stadt,  den  llolr.uh  Schmidt  zur 
vollständigen  Rückgabe  des  ihm  abucnommencn  Geldes  7.n  zwingen. 

Dem  Drängen  Voltaires  mussre  der  Rath  nachLjcben,  wenn  er 
vermeiden  wollte,  dass  die  Sache  vor  dns  Reichskannncrgcricht 
gcbraclu  wurde,  hr  stellte  jetzt  den  prcussi.schen  N'crtreiern  ein 
L'ltiin.num:  wenn  sie  niclu  binnen  i  }  T.ii^en  den  in  ihrem  Kequi- 
siiionsschreiben  angeführten  Befehl  des  Kö>nii4ä  beibrachten,  werde 
man  Voltaire  dieses  ihr  Requisiiionsschreiben  mittheilen  und  sich 
auch  an  die  darin  verheissene  HürLischalt  Schmidts  betr.  die  Kosten 
des  Verlahrens  halten.  Der  Rath  inusste  die  nachträgliche  X'orlcguug 
des  königlichen  Befehls  zur  Verhaftung  verlangen,  denn  dadurch 
allein  konnie  er  die  von  ihm  angeordnete  Arrestirung  Vohaires 
rechtfertigen,  wenn  es  zum  Fro/es^c  kam;  vermochten  die  Räthe 
den  angeblichen  Befehl  ihres  Königs  nicht  zu  erbringen  imd  erhielt 
Wiltaire  die  Abschritt  ihres  Requisitionsschreibens,  welches  sich  auf 
dicken  angeblichen  Befehl  stützte,  so  konnte  er  nachweisen,  dass 
seine  Verhaftung  ohne  Ikteh!  des  Königs  auf  eigene  1  ausi  von  den 
Rathen  beantragt  worden  sei.  Die  Herren  v,  hreytag  und  Schmidt 
Hessen  sich  durch  dieses  UUunaiuui  keineswegs  ausser  1-assung 
bringen ;  der  erstere  versprach  höflich,  das  ktmigUche  Dekret  zu 
be.,ciUiiien,  und  SchnaJi  antwortete  in  gewohnter  Schroffheit,  er 
habe  allen  Respekt  gegen  Rathsbeschlüsse,  sofern  sie  bürgerliche 
Sachen  beträfen,  da  es  sich  aber  hier  uni  eine  Angelegenheit  des 
Königs  von  Preusscn  handele,  so  könne  er  keinerlei  Rathsbeschluss 
annehmen. 

Mit  diesen  Antworten  war  detn  Rathe  natürlich  nicht  gedient; 
er  musstc  sich  unter  allen  Umständen  die  von  den  Käthen  vorge- 
schützte königliche  Weisung  verschaffen.  Der  einfachste  Weg  hierzu 
war  die  direkte  Verhandlung  mit  König  Friedrich.   Bisher  war  auf  das 
erste  Schreiben  des  Rathes  vom  5.  Juli  noch  keine  Antwon  seitens  des 
Monarchen  eingetroffen;  auch  ein  zweites  Schreiben  vom  9.  Juli, 
welches  die  einfache  Anzeige  der  Freilassung  \'oitaires  enthielt,  hatte 
noch  keine  Entgegnung  erhalten.  Das  letzte  Schreiben  vom  24.  Juli 
erzählt  die  Vorgange  bei  Voltaires  Abreise,  dessen  angebliche  Be- 
drohung «ies  Sekretärs  Dorn  und  fuhrt  schliesslich  bittere  Beschwerde 
über  die  preussischen  Vertreter.  Ebenso  energisch  wie  in  dem  ersten 
Schreiben  au  den  König  wandte  sich  der  Rath  auch  in  diesem  dritten 


—    2}2  — 


und  lernten  gegen  den  neuen  EingriiT  in  die  städtische  Jurisdiktion» 
der  darin  bestand,  dass  sie  trotz  Aufliebung  des  Personalarrestes 
Voltaires  Ei<;cni!uim  zurückhielten,  ohne  hierfür  Befehle  ihres  Königs 
oder  eine  Vollmacht  der  städiisclien  Behörden  aufweisen  zu  können; 
dass  sie  ferner  eigenmächtig  ohne  Spezifikation  dem  Dichter  ao  Un- 
kosten  die  Summe  von  190  Gulden  1 1  Kreuzer  in  Anrechnung  bringen 
wollen,  eine  Summe,  deren  Festsetzung  nicht  ihnen,  sondern  dem 
Gerichte  zustehe.  Das  Schreiben  schliesst:  »Auf  Ew.  König).  Majest. 
baldige  allergerechteste  Reniedur  komt  es  also  vomemlich  an,  damit 
der  von  Voltaire  nach  beschehener  Relaxation  seines  Personal-Arrestes 
auch  seiner  bei  der  Gelegenheit  ihme  abgenommenen  Gelder  wieder 
habhaft,  mithin  die  hiesige  Stadt  von  weiteren  Anfechtungen  bcfreyct 
und  in  jurisdictionaUbus  künftig  nicht  mehr  beeinträchtiget  werden 
möge.« 

Dieser  Schritt  zur  cndliclicn  Erledigung  der  gnnzcn  Angelegen- 
heit, die  neue  direkte  Verhandlung  mit  König  Friedrich,  war  lur  die 
Stadt  um  so  nöthiger,  als  Voltaire,  der  sich  in  Mainz  gegen  jeglichen 
UebergrifT  seiner  Peiniger  Freytag  und  Schmidt  sicher  fühlte,  bereits 
eine  liöhcrc  M;ichT  angerufen  hatte,  um  wieder  in  den  Besitz  scincN 
ihm  noch  immer  vorenthaltenen  Higenthunis  zu  kommen.  Fr  h.ute 
sich  /.u  difsem  Behüte  an  den  kniscrhchen  Gesandten  am  Kur- 
nininzischen  Hote,  den  Grafen  v.  Pergeii,  gewendet;  dieser  schrieb 
in  Folge  dessen  an  den  Bürgermeister  v.  l  ichard,  dass  \'oltaire  über 
seine  Frankfurter  Erlebnisse  bei  ihm  Beschwerde  getülirt  und  von 
dem  lloiratii  Scimiidt  die  Aushändigung  seines  ihm  abgenommenen 
Higeiithums  »ein  merkliches  Stück  Geld  nebst  zwei  Dinni.intcn 
und  andere  Kleinigkeiten«  —  verlangt  habe.  In  seiner  .Antwort  an 
Graf  Fergen  konnte  der  Bürgermeister  weiter  nichts  sagen,  :ils  dass 
er  ledigHch  aut  Requisition  der  preussischcn  Ges.uidten  geli.mdclt 
habe;  er  lehnte  also  jede  Verantwortung  für  das  Geschehene  von 
sich  ab. 

Daneben  nnterliess  \'oliaire  selbst  nicht,  den  Bürgermeister  in 
den  beweglichsten  Worten  zu  bitteii,  ihm  wieder  zu  seinem  Gcldc 
zu  verhelfen.  Er  appellirt  an  den  lidelsinn,  an  das  (ierechiigkeits- 
gelühl  des  Leiters  der  Stadt:  es  sei  doch  eine  schreiende  Ungerechtig- 
keit, ihn  die  Kosten  für  eine  Verh.iliung  tragen  zu  lassen,  die  ohne 
jeden  Auftrag  des  Königs  vorgenommen  worden  sei,  die  der  Konig 
selbst  als  völlig  ungerechtfertigt  anerkannt  h;'itte.  In  Frankreich  sei 
man  sehr  erstaunt,  dass  die  Passe  des  fran/.usi^chen  Königs  so  wxnk 
respektirt  worden  seien ;  König  Friedrich  habe  dem  Versailler  llotc 
durch  seinen  Gesanden  erklaren  lassen,  die  Käthe  F'rcyiag  und  SciinuCL 


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hätten  Missbrauch  mit  seinem  Namen  getrieben  und  Europa  ein 
Schauspiel  geboten,  das  ihm»  dem  König,  sehr  ärgerlich  sei.  Auf  . 
alie  diese  Bitten  konnte  der  Bürgermeister  vorerst  keine  Antwort 
geben ;  es  hing  jetzt  Alles  von  der  Entscheidung  des  preussischen 
Königs  ab. 

III. 

Diese  selinsücliug  erwartete  Entscheiduni;  b!ic[>  nicht  lani^c  aus. 
Am  26.  Juli  war  ein  königliches  Schreiben  aus  Potsdam  cim'claulcn, 
worin  sich  I  riedrich  mit  der  anijcordnctcn  1  rcilas-sun^  Wjltaires  ein- 
verstanden erklärte  und  die  Stadt  seiner  Ihild  versicherte.  Am  ^o.  juh  • 
kam  dann  aus  dem  königlichen  Kabmet  die  Antwort  auf  das  Schreiben 
des  Rathes  vom  5.  Juli;  sie  möge  hier  im  Wortlaut  wiedergegeben 
werden : 

Iilufincstc  und  Wohlwcise- ,  licbc  und  besondere.  Was  ihr  wc^ci» 
des  ;iuf  meine  requishion  dort  einig«  Zeit  über  in  Verhaft  behaltenen  de  Voltaire 
.111  Mich  anderweitig  gelangen  lassen  wollen,  solches  habe  ich  aus  l;ur«.ii) 
dcst.ils  .111  Nüch  unter  den  j.  dieses  Monathes  erlassenen  Schreiben  mit 

nichrcrn  ersehen. 

Gleichwie  nun  vermeldeter  de  Voltaire  vorhinschün  aul  meine  üuch 
durch  Meinen  dortigen  accreditirten  Krieges  Rath  von  Freytag  geschehene 
reijiiisilion  wiederum  erlassen  und,  nachdem  er  denjenigen,  so  ihm  /u  th  ii'. 
gebühret  li.it.  ein  Genüge  gethan,  .luf  freycn  Fuss  gesiellet  worden;  Als  hat 
CS  bereits  damit  seine  abhell  Hche  Maassc,  nichts  aber  wird  iiiernechst  billiger 
seyn,  als  Jass,  da  mehrerwehnter  de  Voltaire  durch  seine  üble  proccdee/.  den 
dort  erlittenen  arest  sich  selbst  augezogen,  er  auch  die  desfals  verursachte 
Arest  K(Htcn  alleine  tragen  müsse. 

Wann  übrigens  derselbe  vorgeben  wollen,  als  ob  ihm  bcv  solchem 
arest  lürter,  wie  gewöhnlich,  geschehen,  auch  dessen  Niccu  dabey  miunipliciret 
worden;  So  bin  Ich  zu  forderst  davon  gar  nicht  imfomiiret  und  muss  billig 
zvi-eifeb,  dass  gedachter  Krieges  Rath  v.  Freytag  darunter  wi^iter  gegangen 
scj',  als  es  seine  Befehle  mit  sich  gebracht  haben;  W.inn  aber  auch  dieseni- 
nechst  erwehmer  de  Voltaire  etwas  genau  beobicluet  werden  miT^sen :  So  hat 
derselbe  solches  sich  gleichmässig  /u  imputiren,  dan  Euch  Selbst  bekaudt  ist, 
wie  er  weder  sehie  EtKh  gegebene  parole  und  da  er  darauf  in  etwas  elar- 
giiret  worden,  sich  sofort  darauf  mit  der  Flucht  davon  machen  wollen» 
Überhaupt  habet  Ihr  wegen  allem  deshalb  vorgefallenen  nicht  in  der  geringsten 
Verlegenheit  /u  seyn:  allermasscn  alles  da<;irn?L'c.  so  er  von  einer  besondern 
protection  angeben  wollen,  gantz  ohngegrundet  und  bekandt  ist,  dass  wegen 
niehrcrem  als  eines  Übeln  Unternehmens  ihm  bis  dato  die  Rückkehr  nach 
seinem  Vaterlande  untersagt  worden.  Womit  ich  übrigens  üuch  und  Eurer 
guten  Stadt  mit  aller  Königlichen  Hulde  und  Gnade  wohlzugethan  verbleibe. 

Potsdam  den  24.  July  17 JJ. 
.-\n  den  Magistrat  F. 
XU  Franckfurth  am  Mayn. 

Ich  tüue  hier  gleicii  das  dritte  und  letzte  Schreihen  des  prenssischen 
Monarchen  an,  welches  als  Antwort  aul  dai»  i  ranklurier  Sclireibcn 


-  m  — 


vom  24.  Juli  am  9.  August  einlief.  Der  Konip;  erklnrt  darin,  dass 
er  seinen  Residenten  betohlen  habe,  Herrn  v.  \'oltairc  sein  ihm  abge- 
nonimcncs  Ei<,'cnt!uim  zurückzuerstatten,  und  tahrt  Uaun  wörtlich  fort: 

Da  aber  der  von  Voltaire  das  ihm  betrolTcnc  desasire  «;ich  oinizig  und 
allein  durch  sein  iinnnstrindtj^es  Hctragcn  zugezogen  hat;  So  werdet  Ihr  von 
SelbM  vcniunliig  billig  erachten,  dass  derselbe  sich  nicht  cntbrechen  können, 
die  seiltet  wegen  von  Unsen*  Räthcn  aufgewandte  Unkosten  zu  tragen,  mit- 
hin letzteren  nicht  zu  verdenken,  dass  sie  sich  deshalb  an  das  in  ihren  Händen 
geh.ilnc  Geld  des  von  Vohairc  so  l.inge  gehalten,  bis  sie  von  jenem  völli;:; 
scliadloss  gcsteilet  v  orden.  Obschon  auch  dessen  Niece  mit  in  der  Saci)C 
nieliret  worden,  so  sciieinet  jedetmoch  solches  eine  gantü  natürliche  Folge  der 
vorgewesenen  Umstände  zu  seyn,  als  zu  welche  des  von  Vohaire  Betragen 
lediglich  Anlass  gegeben  und  erstere  sich  umb  so  vieiraehr  zuge-togen.  ab 
selbi^^'L  nicht  viel  bessere  Gesinnungen  als  ihr  Onde  darunter  gefähret  und 
augenoninicn. 

Sölten  übrigens  die  voji  l'reytag  und  Schmidt  bey  diesem  Vorgang 
die  ilinen  vorgeschriebene  Grentzen  einiger  massen  vielleicht  Öberschritten 

und  sich  darunter  nicht  allerdings  denen  dortigen  Verordnungen  gemäss  ver- 
halten lialxii,  so  siiui  Wir  ;>'war  weit  entfernt,  ihnen  desfalls  Jas  Wort 
sprechen,  Wir  haben  aber  zugleich  nlle  Ursach  zu  glauben,  dubS  solches  von 
ihnen  nicht  vorsätzlich,  sondern  schleciiierdings  aus  einem  Antrieb  ihres  tür 
Uns  habenden  Diensteyfers  geschehen,  worunter  Ihr  dann  deneiiselben  nadv 
zusehen  Euch  gem  entschliessen  werdet,  da  ohnehin  Unsere  Intention  gewiss 
nie  «gewesen  noch  l^ünftii^liin  sevn  wird.  Euch  in  Eure  Jurisdiction  auf  einige 
Weise  zu  kränken  oder  ^u-iugeben,  dass  solches  von  jemanden  Unserer  Diener 
jenialUcn  unternommen  werde :  dessen  Ihr  Euch  eben  so  fest  als  der  besonderen 
Königlichen  Huld  und  Gnade  versichert  halten  k^net,  womit  wir  Euch  stets 
wohlzugethan  verharren. 

Kurz  und  klar  wie  alle  Kundgebungen  des  grossen  Monarchen 
sind  auch  diese.  Man  beachte  zunächst  die  Form  dieser  beiden 
Schreiben.  Die  Sprache  derselben  ist  sehr  kurz,  frei  von  den  schnörkel- 
haften Redewendungen  jener  Zeit,  die  wir  z.  B.  in  dem  damaligen 
Frank&ner  Kanzleistil  noch  in  reichlicher  Fülle  antreffien.  Gegen 
die  floskelreiche  Sprache  der  Frankfurter  Akten  sticht  die  deutliche, 
aller  unnöthigen  Redeverzierungen  entbehrende  Sprache  des  preussischeti 
Kabinets  sehr  vonheilhaft  ab;  die  mächtige  Persönlichkeit  des  grossen 
Königs  hat  auch  auf  den  Stil  seiner  Kanzlei  reinigend  eingewirkt. 
Die  vielfach  eingestreuten  französischen  Worte,  die  sich  unbeschadet 
der  Deutlichkeit  sehr  gut  durch  deutsche  ersetzen  liessen,  erinnern 
eben  auch  an  die  bekannte  Eigenheit  Friedrichs,  an  seine  Vorliebe 
für  die  französische  Sprache;  diese  Eindringlinge  erscheinen  in  der 
-  preussischen  Kanzlei  häufiger  als  in  den  anderen  der  damaligen  Zeit, 
die  freilich  auch  keinen  Mangel  daran  aufweisen. 

So  klar  und  deutlich  wie  die  Form  ist  auch  der  Inhalt  dieser 
königlichen  Briefe.   Er  lässt  sich  kurz  charakterisiren:  Friedrich 


-    235  - 


vertritt  der  Stadt  gegenüber  in  jeder  Beziehung  das  Vorgehen  seiner 
Räthe.  Die  Hauptsache  für  die  Stadt,  die  Klage  wegen  der  in  ihre 
Jurisdiltiion  gethanen  Eingriffe,  wird  kurzweg  abgewiesen;  kaum  dass 
er  die  ziemlich  nichtssagende  V'ersicherung  abgibt,  dass  eine  Küm- 
merung  dieser  Jurisdiktion  nicht  in  seinen  Absichten  liege;  auf  eine 
Erörterung  des  städtischen  Protestes  gegen  das  rechtswidrige  Ver- 
fahren der  Räthe  geht  er  überhaupt  niclu  ein.'  Die  königlichen 
Schreiben  zeugen  von  entschiedener  Nichtachtung,  um  nicht  zu  sagen 
Missachtiing,  gegen  die  reichsstiidtischc  Regierung;  und  diese  Nicht- 
achtung ist  bezeichnend  für  das  damahge  V'erhäkniss  der  llcichsstädtc 
zu  den  mächtigeren  Reichsständen.  Auf  I'riedrichs  Beziehungen  zu 
Voltaire  lassen  die  ßriefe  ein  scharfes  Licht  fallen:  der  Bruch  war 
ein  vollständiger;  Voltaires  Bemerkungen  in  seinen  verschiedenen, 
die  Verhaftung  betreffenden  Eingaben  an  den  Rath  und  in  den  von 
Varnhagen  bekannt  gegebenen  zahlreichen  Sclireiben  von  des  Königs 
huldvoller  Gesinnung  gegen  ihn  müssen  demnach  als  arge  Selbst- 
täuschung oder  als  eitel  Flunkerei  gelten.*  Der  die  Verhaftung  der 
Madame  Denis  bedauernde  Brief  des  Abbe  de  Prades,  den  Voltaire 
als  das  ergiebigste  Beweismittel  gegen  die  Residenten  ausnützte, 
criiält,  wenigstens  der  Stadt  gegenüber,  ein  sciiai  t'es  Dementi.  Durch 
diese  Stellungnahme  des  Köniiis  zu  Gunsten  seiner  N'ertreter  war 
\'oltaires  Niederlage  entschieden;  von  Satisfaktion  w.ir  keine  Rede, 
nicht  einmal  von  Rückerstattung  der  ihm  aufgebürdeten  Kosten. 

Mit  keiner  Silbe  antwortete  der  Rath  auf  die  klare  Kundgebung 
des  Königs;  das  Protokoll  des  Schötlenraths  sagt  lediglich:  diese 
Sache  beruht  nunmehr  auf  sich,  d.  h.  für  uns  ist  sie  damit  erledigt. 
Ltul  auch  dies  ist  bezeichnend  für  die  sclnvache  Situation  der  ihr 
gutes  Recht  vertheidigenden  Stadt  gegenüber  dem  mächtigen  Gross- 
staat; sie  war  zufrieden  mit  der  gnädigen  N'ersicherun^,  dass  eine 
Verletzung  ihrer  Jurisdiktion  dem  Könige  fern  gelegen  habe  und  dass 
dieselbe,  wenn  sie  vorgekommen,  dem  übergrossen  Amtseifer  der 
beiden  Beamten  zuzuschreiben  sei. 


■  Dass  er  das  Verfahren  der  Käthe  nidit  gebilligt  hat,  aeigen  mehrere  Stellen 
»einer  Briefe  an  Lord  Marschall  von  Schottland  (Politische  Correspondenz,  IX  u.  X)  . 

er  wirft  darin  Frevt.if^  vor  »unc  ox.Ktiliulo  briit.ilc,  qui  n'cst  p.is  de  nion  f^oüt«. 
entschuldigt  aber  «Jioc  Brutalität  mit  den  Scherereien,  die  ihm  »uu  toi  et  une  tollet«, 
von  ihm  viel  zu  ernst  genommen,  verursacht  hätten. 

*  Frlcdriclis  danuUigc  Gesinnung  gegen  Voltaire  spricht  sich  auch  in  seinen 
Briefen  an  Lord  M.irsclull  mit  .»Her  wünschcnswcrthcn  ncutlichkcit  aus;  sie  cri^hcn 
eine  reiche  Hluthcnlcsc  vom  nichts  wcniL'cr  als  schnicichdhaftcu  AusdrQckci),  mit 
denen  er  den  ehemaligen  l'reund  beehrt. 


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—   236  — 


Wie  stellte  sich  nun  Voltaire  ?m  dici>cr  Entscheidung  des  Königs? 
Er  war,  wie  wir  wissen,  am  7.  JuU  nach  Mainz  gereist  und  hatte 
von  dort  aus  lu  nöthigen  Schritte  geihan,  um  wieder  zu  dem  ihm 
abj;cnommenen  Gcldc  zu  kommen.  Weiter  gingen  seine  Bitten  nicht; 
von  der  l-orderiin<z  einer  Genu}»thuung  für  das  erlittene  Unrecht  spriclu 
er  niclu:  die  Stadt  konnte  ihm  eine  solche  ja  auch  gar  nicht  ver- 
schaffen. Bs  liegen  eine  ganze  Anzahl  Schreiben  von  ihm  vor,  worin 
er  die  Intervention  des  Bürgermeisters  bei  den  preussischen  Räthcn 
anruft,  damit  ihm  diese  sein  Geld  ohne  Ab/.ug  der  Kosten  ausliefern. 
Er  versichert  beständig,  dass  die  Gesandten  ohne  königlichen  Befehl 
gehandeh  hätten  ;  er  wendet  sich  endlich  an  König  1  riedrich  selbst  und 
erhäh  da  otienlxir  eine  andere  Auskunft:  jetzt  wirft  er  den  Rathen 
vor,  sie  hätten  ihren  Monarchen  lügenhaft  berichtet,  und  bittet  die 
Stadt,  dem  König  die  Wahrheit  mitzmhcilen.  \'ergebens  waren  seine 
Bitten,  ihm  das  Seine  ungeschmälert  zurückzuerstatten;  vergebens 
jammerte  der  arme  Sekretär  C^olini  um  die  ihm  abgenommenen  25 
Karolinen,  die  zwar  nur  eine  kleine  Summe,  aber  sein  ganzes  Ver- 
mögen darstellten.  Alles,  was  Voltaire  und  die  Seinen  erreichen 
konnten,  war,  dass  sie  das  weggenommene  Geld  zurückerhielten, 
jedoch  unter  Abzug  der  Kosten  für  die  Inhaftirung.  Kur  die  stets 
energische  Dame  Denis  wies,  als  sie  sah,  wie  der  Rath  die  Sache 
von  sich  auf  die  Residenten  abwälzte,  jeden  Schadenersatz,  der  ihr 
etwa  angeboten  werde,  stolz  und  entschieden  zurück:  zu  einer  solchen 
Erniedrigung,  von  zwei  Menschen,  die  sie  nicht  achten  dürfe  und 
könne,  Ersatz  zu  verlangen,  werde  sie  sich  niemals  verstehen. 

Mit  der  Rückgabe  des  Geldes  war  für  den  Rath  die  Angelegen* 
heit  endgültig  abgeschlossen;  auf  nochmalige  Reklamationen  verwies 
der  Bürgermeister  am  10.  September  den  Dichter  an  den  Hofraih 
Schmidt  und  bat  sich  eine  andere  Gelegenheit  aus,  »werkthätig  seine 
consid^ration  für  Herrn  de  \'oltane  bezeugen  zu  können.«  Mit 
diesem  Bescheide  schliessen  die  Frankfurter  Akten. 

Wie  bekannt,  hat  Voltaire  dem  grossen  König  die  l- rank  furter 
Vorgänge,  trotz  der  später  erfolgten  Aussöhnung  nicht  recht  ver- 
zeüien  wollen;  er  hat  Friedrich  und  noch  mehr  dessen  Werkzeuge 
spater  oft  genug  wegen  seiner  Verhaftung  scharf  angegriffen.  Wenn 
Varnhagen  behauptet,  der  König  habe  den  widrigen  Vorgängen,  die 
sein  Befehl  nach  sich  zog,  völlig  fem  gestanden,  so  ist  das  nur 
insofern  richtig,  als  er  sie  nicht  gewollt  und  nicht  angeordnet  hat; 
n.icl.dcm  sie  geschclicn,  Ii. 11  er,  wie  sein  Schreiben  an  die  Stadl 
dcuüich  zeigt.  Ja  und  Amen  dazu  gesagt.    Hr  war  Iroh,  seine  Oeuvres 


de  pocsies  und  seine  Briefe  zurückzuerhalten;  die  Art  und  Weise, 
wie  sie  dem  Dichter  entrissen  worden,  war  ihm  gleichgültig. 

Um  schliesslich  noch  ein  Wort  über  das  Verhalten  der  Stadt 
zu  sagen  —  es  wäre  unbillig,  dem  Rathe  einen  Vorwurf  aus  seinem 
vorsichtigen,  ja  ängstlichen  Verfahren  zu  machen.  Es  handelte  sich 
hier  um  eine  Angelegenheit,  \n  welcher  ein  ganz  persönliches  Interesse 
des  mächtigsten  deutschen  Keicbsfürsten  auf  dem  Spiele  stand.  Man 
darf  der  Stadt  nicht  verargen,  wenn  sie  nach  Möglichkeit  darnach 
strebte,  diesem  persönlichen  Interesse  nicht  im  Wege  zu  stehen,  wenn 
sie,  was  in  ihren  Kräften  stand,  mithalf,  es  zu  befriedigen.  Und  wenn 
dabei  Eingriffe  in  ihre  Jurisdiktion  mitunterliefen  und  wenn  sie  die 
geforderte  Genugthuung  oder  Entschuldigung  nicht  erhielt,  so  ist  das 
in  der  damaligen  politischen  Lage  begründet,  wie  sie  das  Zeitalter 
des  Niedergangs  der  Reichsstädte  und  zugleich  der  höchsten  Blüthe 
der  absoluten  Fürstengewalt  mit  sich  brachte. 


V. 


Schiliers  dugenddramea  zum  ersten  Maie  auf  der 

Frankfurter  Bühne. 

Nebst  Beiträgen  xur  Frankfurter  Theater-  und  Musikgeschichte  von  17S2  bis  17&4. 

Von  E.  llentfel. 


1.  Die  Räuber. 

Zur  selben  Zeit  als  4as  neue  Frankfurter  Komödicnhaus  seiner 
Vollendung  entgegenging,  und  viele  H  inde  noch  damit  besciiäftigt 
waren,  diese  künftige  Heimstätte  der  dramatischen  Kunst  im  Innern 
würdig  auszuschmücken,  wurde  in  Mannheini  das  Erstlingswerk  eines 
jungen  Dichters  gegeben,  dessen  Autführung  den  Beginn  einer  neuen 
Epoche  in  der  Theaterwelt  bedeutete  und  mit  den  Wendepunkten 
auf  der  grossen  Weltbühne  in  tieferem  Zusammenhange  stand.  Dies 
künstlerische  Ereignis  war  die  erste  Darstellung  von  Schillers  Räubern 
in  Mannheim  am  13.  Januar  1782.  Hs  ist  bd.^nnt,  dass  Schiller  sein 
Drama  umarbeiten  und  manche  Kämpfe  durchmachen  inusste,  ehe 
dasselbe  die  Feuertaufe  auf  der  Bühne  empfing.  Der  damalige  Inten- 
dant des  kurfürstlichen  Hoftheaters,  Freiherr  Heribert  v.  Dalberg, 
verlangte  verschiedene  einschneidende  Abändenmgen  von  Schiller, 
denen  dieser  anfangs  den  hartnäckigsten  Widerstand  entgegensetzte, 
aber  doch  schliesslich  Beachtung  schenken  musstc.  Als  ein  ebenso 
bedenklicher  und  störender  EingriH'  in  das  Werk,  das  unmittelbar  aus 
dem  Geiste  der  Zeit  heraus  geboren  und  in  modernem  Ton  und 
Stil  gehalten  war,  erschien  die  \'erlegung  der  Handlung  aus  der 
Gegenwart  in  das  Zeitalter  Maximilians  »in  die  Epoche  des  gestifteten 
Landfriedens  und  unterdrückten  Fausirechts.«  Diese  Vergewaltigung 
lässt  sich  vielleicht  entschuldigen,  wenn  man  dem  praktischen  Bühncn- 
standpunkl  des  Intendanten  v.  Dalberg  Rechnung  tragt  und  ausserdem 
in  Krwiigung  zieht,  dass  die  Frage  betreHs  des  charakteristischen 
Kostüms  damals  noch  keineswegs  ihre  Lösung  gefunden  hatte.  Allein 
trotz  der  Dalbergschen  Vermummung  erkannte  das  Publikum  die 
wahre  Gestalt  des  Werkes,  spürte  es  in  den  mittelalterlichen  Räuber- 
figuren den  leidenschaftlich  bewegten  Pulsschlag  der  eigenen  Zeit. 
Wie  Werthers  wohlgezielter  Pistolenschuss  mitten  ins  Schwarze  traf. 


-  259  - 

mitten  in  die  geschraubte  Empfindsamkeit  und  Zerfahrenheit  einer 
rührseligen  Zeit,  so  fmulcn  auch  die  urkrnftigen  und  feurigen  Worte 
des  Räubers  Moor  über  Freilicit  und  Menschenwürde  bei  den  Zeit- 
genossen, besonders  aber  in  den  Herzen  der  Jungen,  einen  begeisterten 
Widerhall.  Beispiellos  war  der  Erfolg  der  ersten  Aufführung  der 
Räuber.  Man  übersah  es,  dass  dieselbe  beinahe  fünf  Stunden 
dauerte  und  folgte  in  hochgespannter  Erwartung  der  Entwicklung 
des  Dramas  bis  zum  Schlüsse.  Es  war  ein  achter,  ernster  Schlachi- 
abend,  an  dem  es  sich  um  Sieg  oder  Niederlage  einer  grossen  Sache 
handelte.  Als  das  Publikum  sich  an  das  Ungeheuerliche  einer  ausser- 
ordentlichen Bühnenerscheinung  gewöhnt  hatte,  d:i  wurde  der  Steg 
auch  errungen.  Vom  vierten  Akte  an  war  der  l',rtolg  des  Abends 
gesichert,  nahm  die  Theihiahme  des  Publikums  immer  mehr  zu,  um 
sich  an  manchen  Stellen,  /.  B.  nach  der  Thurmscene,  in  einem 
wahren  Sturm  der  Begeisterung  Luit  zu  verschaffen.  Grossen 
politischen  Ereignissen  im  Leben  der  Völker  gehen  gewöhnlich 
geistige  Bewegungen  und  literarische  Erzeugnisse  leidenschaftlich 
bewegter  Stimmungen  voraus,  die  das  Kommende  ahnen  und  klar 
erkennbar  im  Zauber^spiegel  der  Kunst  erscheinen  lassen.  Die  erste 
AutViihrung  der  Räuber  w  ar  ein  Spiegelbild  künftiger  Ereignisse.  Das 
Morgengrauen  der  Kcvolution  tagt  bereits  hinter  der  Abenddämmerung 
des  »Mittelalters'«,  in  die  das  Drama  geruekt  war,  und  in  jenem 
stürmischen  ßeilall  grollt  der  erste  Donner  des  Gewitters,  das  von 
Westen  her  ganz  Europa  überziehen  und  vernichtend  da  und  dort 
einschlagen  sollte. 

Unter  den  Zuschauern,  die  zu  Ross  und  Wagen  herbeigeströmt 
waren,  um  der  Premiere  des  Stückes  beizuwohnen,  befanden  sich 
auch  viele  Leute  aus  I  rankhnt.'  (u\u/.  abgesehen  davon,  dass  Ereunde 
und  (ionner  Scliillers  datur  gesorgt  hatten,  in  Mannheim  selbst  und 
in  den  n.iclisicn  grösseren  Städten  Propaganda  tur  das  ausserordent- 
liche Werk  zu  maehen.  war  den  Theaterfreunden  d.uiuus  geiade  so 
wenig  hier  geboten,  dass  es  ganz  begreiilich  erscheint,  wenn  sie  der 
ersten  Autiührung  eines  Werkes  beiwohnen  wollten,  das  nacli  bti  ci  Jicrs 
Mitiheilungen  bereits  eine  so  »ausserordentliche  Publiciiat«  cil.iugt 
li.uic.  Weil  der  Rath  der  Stadt  Frankfurt  vom  Spätjahre  1781  an 
beständig  auf  die  Eeriigstellung  des  beinahe  vollendeten  neuen  Komö- 
dienhauses hofite,  beschied  er  die  Gesuche  um  Spielerlaubniss  für  die 
Osiermesse  1782  entweder  abschlägig  oder  mit  dem  Hinweis,  die- 


'  Streicher,  Schillers  Flucht  von  Siuug.»rt   und  Aufenthalt  in  Mannheim 
i782-8>,  S.  J9;  R.  Wchrich,  Friedrich  Schiller,  Geschichte  seines  Lebens  ctc  S.  409. 


selben  später  wieder  vorzubringen.  Augenscheinlich  wollten  sich  die 
Väter  der  Stadt  durch  keine  Zusage  binden,  um  nach  Vollendung 
des  Theaterbaues  sofort  die  Kur-Kölnische  Gesellschaft  hierlierberufcn 
zu  können,  die  unter  vielen  namhaften  Mitbewerbern  dazu  erwählt 
worden  war,  zuerst  auf  der  neuen  ständigen  Frankfurter  Bühne  zu 
spielen.'  Als  der  Theaterbau  im  Früiijahrc  1782  noch  nicht  vollendet 
war»  durfte  der  Schauspieldirektor  Johannes  Böhm  nicht  nur  in  der 
Ostermesse,  sondern  auch  noch  nach  Ablauf  derselben  einige  Zeit  in 
Frankfurt  spielen.'  Aber  im  Januar  17S2,  als  die  Räuber  zuerst  in 
Mannheim  gegeben  und  mehrmals  wiederholt  wurden,  war  also  den 
Liebhabern  der  Kunst  hier  am  Orte  keine  Gelegenheit  geboten, 
theatralische  Vorstellungen  anzusehen.  Nur  mehrere  Concerte  fanden 
in  der  Zwischenzeit  statt;  erst  am  2.  April  eröffnete  der  bereits 
erwähnte  Direktor  Böhm  sein  Theater  im  Junghof  (Beilage  I).  Da 
dieser  Mann  Schillers  Räuber  zuerst  mit  seiner  Truppe  hier  zur  Auf- 
führung brachte,  und  sich  auch  ausserdem  noch  grosse  Verdienste  um 
die  Frankfurter  Bühne  erwarb,  so  ist  es  nöthig,  einen  Rückblick  auf 
seine  künstlerische  Thätigkeit  in  unserer  Stadt  zu  werfen.  Wie  bereits 
schon  an  anderer  Stelle  mitgetheilt  wurde,'  erhielt  Böhm,  nachdem 
er  sich  in  der  Ostermesse  1779  zuerst  vergeblich  um  die  Spiel* 
erlaubnis  beworben  hatte,  endlich  in  der  Herbstmesse  1780  auf 
besondere  Fürbitte  des  Kaiserlichen  Gesandten,  Graf  v.  Metternich, 
vom  Rathe  einen  günstigeren  Bescheid.  Die  Fürsprache  seines  vor- 
nehmen Gönners  unterstützte  Böhm  durch  ein  Empfehlungsschreiben 
des  Bürgermeisters  Metzger  von  Salzburg,  wo  er  1779  im  Hoftheater 
gespielt  hatte,  und  durch  ein  Zeugnis  des  Freiherrn  v.  Kienmayer  in 
Wien,  der  ihn  w^ie  auch  Metzger  in  künstlerischer  und  moralischer 
Hinsicht  sehr  herausstreicht.^  Aus  der  ersten  Supplikation  Böhms 
an  den  Rath  der  Stadt  Frankfun  geht  hervor,  dass  er  als  Künstler 
sieben  Jahre  zu  Brünn  in  Mähren  wirkte  und  von  da  von  »Sr.  Kaiser- 
lichen Majestät«  nach  Wien  berufen  wurde.  Dann  gründete  er  sich 
eine  eigene  Gesellschaft,  ging  nach  Salzburg  und  Augsburg  und  blieb 
auf  vielfaltiges  Verlangen  den  Winter  über  —  also  1779—80  —  dort. 
Böhm  rühmt  sich,  keine  Schulden  zu  haben,  »eine  Garderobe  im 
Werthe  von  20,000  fl.«  und  ein  ansehnliches  Vermögen  zu  besiuen. 


'  l"r;itik!uru'r  R.ulisprotokoll,  6.  Nov.  1781. 

*  Hbcnda,  11.  und  25.  April  17S2. 

»  Gcicliichte  der  Schauspielkunst  in  Frankturi  a,  M.  von  E.  Mcnucl  (Archiv 
für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Neue  Po]gc,  Bd.  IX).  S.  {92  f. 

*  Frankfurter  Rathssupplikationen,  April  1780. 


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Wie  Böhm  weiter  erklärte,  war  es  seine  Absicht,  sich  ganz  auf  den 
Fuss  der  Marchand'schen  Gesellschaft  zu  stellen,  die  viele  Jahre  nicht 
nur  mit  Beifall  hier  gespielt,  sondern  auch  die  Achtung  Aller  erworben 
und  einen  löblichen  Rath  nicht  mit  Schulden  behelligt  hätte.'  Diese 
Bemerkung  bezieht  sich  auf  den  Schauspieldirektor  Abel  Seylcr,  der 
Ende  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  hier  spielte  und 
wegen  geringen  finanziellen  Erfolges  Schulden  hinterliess  und  auch 
anderen  Verpflichtungen  nicht  nachkam. 

Augenscheinlich  war  Böhm  ein  ungemein  geschäftskundiger 

und  unternehmender  Mann.  Er  ist  es,  der  zuerst  seine  Vorstellungen 
regelmassig  in  den  bedeutenden  hiesigen  Blättern,  im  »Staatsristretto« 
und  in  der  »Obcrpostamtszeitung«  bekannt  macht  und  auch  sonst 
die  Presse  auf  alle  mögliche  Weise  benutzt,  um  die  Aufmerksamkeit 
auf  sein  Theater  zu  lenken.  Als  es  sich  um  einen  Pächter  für  das 
neu  erbaute  Komödienhaus  handelte,  war  Böhm  einer  der  Bewerber, 
der  dem  Rathe  sehr  vortheilhafte  Vorschläge  machte.  Man  schien 
sich  auch  bei  Rath  emstlich  mit  seinem  Anerbieten  zu  beschäftigen,* 
zog  ihm  aber  doch  schliesslich  den  hiesigen  Bürger  und  Waldeckischen 
Hol'rath  Tabor  vor.  Die  Gunst  der  Väter  der  Stadt  scheint  Böhm 
nach  wie  vor  in  hohem  Grade  besessen  zu  haben.  Er  wurde  keines- 
wegs zurückgestellt  und  spielte  anfangs  der  achtziger  Jahre  abwech- 
selnd mit  der  Kur-Kölnischen,  späteren  Grossmännischen  ^  Gesellschaft 
im  neuerbauten  Komödienhause. 

Da  Böhm  die  Aufführungen  neuer  Stücke  meist  sehr  pomphaft 
ankündigt  und  ausserdem  kein  Lockmittel  der  Presse  verschmäht, 
was  damals  noch  etwas  Auffallendes  war,  so  könnte  man  ihn  leicht  für 
einen  Reklamehelden  ersten  Ranges  halten.  Allein  neuere  Forschungen 
haben  ergeben,  dass  sich  bei  ihm  ein  tiefes  Kunstverständnis  mit 
dem  Sinne  für  geschäftliche  Erfolge  paarte.   Er  war  nicht  nur  Sänger, 
Schauspieler  und  Schauspieldircktor,  sondern  auch  selbst  Komponist. 
Von  ihm  rühn  die  Musik  zu  den  Singspielen  »Das  Muster  der  Liebea, 
»Die  Br.uit  im  Schleyer«,  »Philander«,  »Die  zwei  Schwestern«,  »Felix« 
und  »Philemon  und  Baucis«  her.  Auch  werden  ihm  die  Opern  »König 
Theodor  in  Venedig«,  und  »Der  Barbier  von  Sevilien«  zugeschrieben, 
die  aber  von  Paisiello  komponirt  und  von  Böhm  sicher  nur  ins  Deutsche 


•  niciida,  Sept.  1779. 

*  R.itlisprotoknil,  10.  Januar  1782. 

}  Grossroann  steht  auf  den  Theaterzetteln,  nach  anderen  Mittheilungen  wird 
Jcr  Narae  Giosmann  geschrieben.   Wir  halten  uns  an  die  hiesigen  Quellen. 

16 


—    242  — 

übersetzt  wurden.'  Viel  höher  als  Böhms  eigene  schöpferische  Thäti gkeit» 
die  heute  kaum  noch  erwähnenswerth  erscheint,  muss  man  das  Feinge- 
fühl anschlagen,  das  er  bei  der  Auswahl  der  von  ihm  zur  Darstellung 
gebrachten  Opern,  Operetten,  Trauerspiele  und  Lustspiele  bethätigte. 
Nicht  nur  »das  Neueste,  sondern  auch  das  Beste«  suchte  er  dem 
hiesigen  Publikum  vorzufuhren,  ohne  deshalb  immer  in  erster  Linie 
den  finanziellen  Erfolg  ins  Auge  zu  fassen.  Während  seiner  viel- 
jährigen hiesigen  Kunstthätigkeit  hat  er  zuerst  Mozans  und  Glucks 
Opern'  und  Singspiele,  Shakespeares  Dramen  und  die  lesten  neueren 
Tragödien  und  Lustspiele  zur  Darstellung  gebrachL  Böhm  war  mit 
Wolfgang  Amadeus  Mozan  näher  bekannt,  welcher  letztere  1790 
während  der  Kaiserkrönung  Leopolds  II.  in  einem  Hause  mit  ihm 
wohnte  und  in  künstlerischer  Beziehung  damals  ungemein  von  ihm 
gefördert  w  urde.*   In  der  Ostermesse  1782  eröffnete  Böhm  seine 
Bülinc  mit  Mo/ans  Jugendwerk  »Sandrina  oder  die  verstellte  Gin- 
nerin«.  Jahn,  Mozarts  verdienstvoller  Biograph,  nimmt  an,  dass  dies 
Singspiel  erst  1789  in  Frankfurt  gegeben  worden  wäre/  illcin  bis  zu 
diesem  Jahre  l.issen  sich  bereits  eine  ganze  Anzahl  Aulführungen  des- 
selben nachweisen.   Ursprünglich  war  das  Stück  nach  einem  von 
Anfossi  bereits  verfassten  italienischen  Text  1775  für  den  Carneval 
in  München  komponirt,  aber  später  deutscli  bearbeitet  worden.  Wenn 
Jahn  es  für  unwahrscheinlich  hält,  dass  Mozart,  der  an  der  Bear- 
beitung seines  Werkes  betheiligt  war,  diese  erst  1789  vornahm  und 
ferner  vermuthet,  dieselbe  müsse  damals  schon  irgendwo  gegeben 
worden  sein,^  so  zieht  er  also  einen  ganz  richtigen  Schluss.  Weil  ferner 
das  Singspiel  1781  zuerst  unter  Mozarts  Werken  Erwähnung  findet 
und  1 782  bereits  von  Böhm  hier  gegeben  wird,  so  dürfte  wohl  kaum 
eine  frühere  Aufführung  nachzuweisen  und  die  Frage  nicht  ohne 
Berechtigung  sein,  ob  wohl  Mozart,  der  sich  doch  1779,  als  Böhm 


'  Nach  den  Theaterkaien dcrn,  herausgegeben  von  Reichard  (Gotha  bei  Karl 
Wilhelm  Ettinger).  Die  von  1775  bis  1800  erschienenen  Theater -Kalender  von 
Reiwhard  geben  eine  Uebcrsicht  der  tur  die  Bühne  arbeitenden  Tonkünsiler  und 
ihrer  WeHce. 

*  E.  M«itzd,  Glucks  bedeutaide  Opern  zum  ernenmale  auf  der  Frankfuner 
Bühne.   Frankfurter  Herold  —  Kleine  Chronik,  III.  Jahrgang,  No.  49  und  50  vom 

lä.  und  25.  Juli  189«). 

>  E.  Mentzel,  Mozart  in  hrankturt  vor  hundert  Jahren,  im  I  rankfurtcr  ücncral- 
Anaeiger  vom  15.  und  16.  Oktober  1890. 

*  O.  Jahn.  W.  A.  Moaan,  Leipzig,  Breitkopf  und  Hirtel,  i8s6,  1.  Band, 
S.  }6J. 

i  Hbenda,  }66. 


-  243  - 

mit  seiner  Truppe  in  Salzburg  spielte,  dort  aufhielt,  nicht  vielleicht 
auf  Anregung  des  letzteren  die  deutsche  Bearbeitung  des  Singspiels 
veranlasste.  Der  wichtige  Theaterzettel  zu  der  ersten  Aufföhrung 
des  Singspiels  in  Frankfurt  hat  sich  erhalten  und  ist  in  den  Beilagen 
unter  Ko.  I  mit  dem  Repertoire  Böhms  im  Jahre  1782  nebst  einen 
Macbeth-Zettel  aus  jener  Zeit  buchstabengetreu  wiedergegeben. 

Trotzdem  bereits  früher  darauf  aufmerksam  gemacht  wurde, 
dass  Scbillcfs  Räuber  noch  in  demselben  Jahre  hier  in  Scene  gingen, 
in  dem  auch  in  Mannheim  die  erste  AufFfihning  derselben  stattge* 
funden  hatte»'  trotzdem  sogar  die  hiesige  Bühne  am  20.  November 
1882  den  hundertjährigen  Geburtstag  der  Premiere  von  Schillers 
Erstlingswerk  in  Frankfurt  durch  eine  treffliche  Wiedergabe  des* 
selben  feierte»  ist  doch  in  eine  neuere  verdienstvolle  Schillerbiographie 
derlmhum  übergegangen,  die  Räuber  seien  erst  1788  mit  Unzelmann 
als  Franz  Moor  zum  erstenmale  hier  gegeben  worden*  Dieser  Vor» 
Stellung,  die  zweifellos  eine  vorzügliche  war,  gingen  aber  bereits 
mehrere  frühere  Aufiiihrungen  in  Frankfurt  voraus.  Nur  die  Leip- 
ziger und  Hamburger  Bühnen,  auf  denen  die  Räuber  Ende  September 
1782  gegeben  wurden,'  und  Mainz  sind  unserem  Theater  zuvorge« 
kommen.  Der  Vorstellung  des  Stückes  in  Mainz,  die  auch  durch  die 
Böhmische  Truppe  erfolgte  und  der  Darstellung  des  Stückes  in  Frankfun 
unmittelbar  vorausgegangen  sein  muss,  wird  in  der  Anzeige  Böhms  zu 
den  Räubern  in  der  »Oberpostamtszeitung«  vom  19.  November  1782 
(No.  185}  Erwähnung  gethan.  Böhm  spielte  im  November  und 
Dezember  dieses  Jahres  abwechselnd  mit  seiner  Truppe  in  Mainz 
und  Frankfun  und  erliess  im  oben  angegebenen  Blatte  folgendes 
Inserat: 

»Die  Schauspielergesellschaft  unter  der  Direktion  des  Herrn 
Böhm  wird  lieute  aufzuführen  die  Ehre  haben:  Ein  grosses  neues, 
noch  auf  keiner  anderen  als  der  Mannheimer  National  Schaubühne 
und  in  Mainz  gesehenes,  von  Herrn  Friedrich  Schiller  vcrfenigtes 
Original-Trauerspiel  in  fünf  Aufzügen  »Die  Räuber.« 

Die  nämliche  Ankündigung  findet  sich  auch  in  dem  »Frank* 
funer  Staatsristretto«  (No.  182)  vom  18.  November  1782,  nur  ist 
in  derselben  von  den  Vorstellungen  in  Mannheim  und  Mainz  keine 


*  E.  Mctttzel,  GcscMchte  der  Schauspidkunst  in  Frankfurt  a.  M.,  S.  $9},  und 
Feuil]<!ton  der  Frankfurter  Zeitung  vnni  19.  Nov.  18X2,  No.  )3i. 
'  j.  Minor,  .Schiller»  sein  Leb«n  und  seine  Werke,  S.  409. 
)  Hbenda,  S.  40^. 

|6' 


Rede,  statt  dessen  wird  aber  am  Schlüsse  gesagt,  dass  das  Trauer- 
spiel von  »dem  berflhmcen  Friedrich  Schiller«  sei.  Da  Böhm  öifcntUcb 
nur  von  einer  Aufführung  der  Räuber  in  Mannheim  und  Mainz 
spricht,  wussie  er  sicher  nichts  von  den  Vorstellungen  des  Stückes 
in  Leipzig  und  Hamburg,  die  in  der  Zwischenzeit  stattfanden.  Dieser 
Umstand  erhöht  aber  nur  sein  grosses  Verdienst,  die  l-'rankfurter  als- 
bald nach  der  Mannheimer  Aufführung  mit  den:  genialen  Erstling 
Schillers  bekannt  gemacht  zu  haben.  Eigentlich  hätte  ihm  der  Direktor 
der  Kur-Kölnischcn  Gesellschaft,  Grossmann,  der  ein  grosser  Buhnen> 
kenner  und  selbst  Dramatiker  war,  das  Verdienst  vorweg  nehmen 
müssen.  Seit  dem  3.  September  1782  spielte  dieser  ja  auf  der  Bühne 
des  neuen  Komödienhauses,  deren  Einrichtungen  und  für  die  damalige 
Zflr  prächtige  Dekorationen  den  würdigen  Rahmen  für  das  gewaltige 
'I  riuicrspiel  hätten  abgeben  können.  Allein  in  diesem  Falle  Hess 
sich  der  sonst  höchst  regsame  Grossmann  eine  Unterlassungssünde 
zu  Schulden  kommen,  die  ihn  in  den  Annalen  der  Frankfurter  Theater- 
geschichte um  die  Ehre  brachte,  seinen  Namen  für  immer  mit  der 
ersten  hiesigen  Aufführung  der  Räuber  verknüpft  zu  haben.  Vielleicht 
erscheint  Grossmanns  Verhalten  etwas  begreiflicher,  wenn  man  die 
Wirkung  bedenkt,  welche  die  Räuber  im  öffentUchen  Leben  hervor- 
riefen. In  Leipzig  verbot  der  Magistrat  weitere  Auflührungen  des 
Trauerspiels,  weil  eine  Anzahl  Diebstähle,  die  im  Theater  und  in  der 
Stadt  ausgeführt  wurden,  schon  nach  der  zweiten  Aulführung  des 
Stückes  die  Befürchtung  erweckten,  als  ob  die  Leipziger  Studenten 
Lust  empfanden,  sich  auch  w  ie  eine  Räuberbande  zu  benehmen.  Auch 
in  mancherlei  anderen  Beziehungen  zeigte  sich  der  Hinfluss  der 
missverstandenen  Räuber  in  den  abenteuerlichen  Handlungen  ver- 
schiedener Personen.'  Besonders  waren  es  Scliuljungen,  die  Ver- 
schwörungen anstifteten  und  als  Räuber  zu  Fuss  die  Welt  durch- 
wandern wollten,  und  kaum  erwachsene  Jün^'hnge,  deren  phantastischer 
Sinn  zu  einer  Nachahnuini'  K  irl  Moors  drängte.  Berichte  über  allerlei 
durch  die  Räuber  erregte  Aergernisse  waren  zw-eifellos  auch  bis  zu 
Grossmann  gedrungen  und  hatten  ihn  von  einer  Auriuhrung  des 
Stückes  im  neu  erbauten  Komödienhause  absehen  lassen.  Seit  der 
ersten  Aulführung  des  »julius  von  Tarent«  von  Leisewitz  in  l-r;ink- 
furt  am  28.  März  1780,  die  für  Grossniann  und  seinen  Mitdirektor 
Hellmuth  wegen  der  in  dem  Stücke  in  vollem  Ornate  aufgetretenen 
Bischöfe  und  Geistlichen  sowie  wegen  »anderer  schändlicher  Frcch- 


Minor  S.  411. 


-  HS  - 


hattan  grosse  UnairaebmUcbkeiten  im  Gefolge  hatte,'  scheint  der 
erstere  in  der  Auswahl  der  von  ihm  gegebenen  Stücke  sehr  ängst- 
lich gewesen  zu  sein.  Doch  auch  noch  ein  weiterer  Grund 
mag  bestimmend  auf  Grossmann  eingewirkt  haben.  In  der  ersten 
Zeit,  als  auf  der  neuen  Bühne  gespielt  wurde,  gab  es  wegen  baulicher 
Veränderungen  und  nachträglich  vorgebrachter  Begehren  seinerseits 
noch  verschiedene  kleine  Reibereien  zwischen  ihm  und  dem  Rathe,' 
die  den  Direktor  nöthigten«  in  seinem  sonstigen  Verhalten  doppelt 
vorsichtig  zu  sein.  £s  erscheint  also  ganz  begreiflich,  dass  er  die 
Auflührung  eines  Stückes  hinausschob,  dessen  Wirkung  auf  die  breiten 
Massen  des  Volkes,  vorzüglich  aber  auf  die  Jugend,  eine  so  gewaltige 
war.  Grossmanns  augenscheinliche  Vorsicht  vergrössert  aber  noch 
das  Verdienst  Böhms,  der  sogar  seine  Vorstellungen  im  neuen 
Komödienhause  mit  dem  berühmten  und  berüchtigten  Stücke  Schillers 
eröffnete. 

Ueber  jene  erste  Aufführung  der  Räuber  in  Frankfurt  am 
19.  November  1782  fehlen  leider  jegliche  verbürgte  Nachrichten. 
Auch  sind  wir  nicht  im  Stande  gewesen»  den  Zettel  zu  derselben 
ausfindig  zu  machen.  Wahrscheinlich  ist  er  1785  im  April  bei  dem 
grossen  Brande  im  Schauspielhausc  mit  anderen  für  Frankfurts 
Theatergeschichie  höchst  werthvoUen  Programmen,  sonstigen  Druck- 
sachen und  Dokumenten  vom  Feuer  verzehrt  worden.  Aber  aus  der 
Besetzung  anderer  Stücke  und  einem  Berichte  über  die  Böhmische 
Truppe  aus  jener  Zeit  kann  man  mit  einiger  Sicherheit  schüessen, 
wer  hier  zuerst  die  Hauptrollen  in  dem  Trauerspiele  »Die  Räuber« 
darstellte.  Nach  dem  bereits  erwähnten  Berichte  bestand  die  Gesell- 
Schaft,  als  deren  Aufenthalt  Mainz,  Frankfurt  und  Köln  angegeben 
wird,  Ende  17S2  und  im  Jahre  1783  aus  folgenden  Mitgliedern:* 

Priniipa]  Herr  Röhm,  Mu«kdirelctor  Herr  Hofanusikus  Höfclfneyer, 
Korrepetitor  Herr  Meyer.  Aktrizcn:  Mad.  Böhm,  die  ersten  Mütter,  Heldinnen 
und  grossen  Karaktcrrnüon  im  Lust-  und  Trauerspiel,  komische  Mütter  und 
affektirte  Damen  im  Singspiel.  Mams.  Naooette  Böhm  junge  zärtliche  Mäddien 
im  Lustspiel  nnd  angehende  Uebhabcrinaeii  im  Siiigs|^  Mams ,  Jeanette 
Böhm  KioderroUen.  Mad.  Christel  vertraute  Frauen,  Mfitter  und  taiuct.  Mad. 
Dicstcl  Soubretten,  Bauernmädcliciis.  singt  und  tanzt.  MjJ.  Engst  Soubretten, 
kleine  RoUeo  im  Singspiel.  Mad.  Gatto  die  ersten  Liebhaberinnen  im  Lu»t- 


*  Näheres;  über  diese  Vürilcllung  in  Geschichte  der  Schauspielkunst  m  Frank- 
furt a.  M.,  S.  587  if. 

*  Rathsprotokoll,  10.  und  12.  September  1782. 

'  Theaterkalender  auf  das  Jahr  1784  mit  dem  0ilde  Ifliands»  herausgegcNn 

von  Reichard,  S.  329  f. 


246  — 


und  Tt.uicrs[iicl.  Koqucticii.  Mains.  Jonassoti  die  ersten  IJebhaberinncii  im 
Singspiel,  naive  unscInilJij^e  RnMcn  im  I.iist-  und  Trauerspiel.  Manis.  Jo- 
na&son  {il.  -)  die  jüngeren  Kinderrolleu.  Mad.  Muilcr,  erste  Soubretten,  ver- 
traute Frauen»  tanzt  Mad.  Rothe  Liebhaberinnen  im  Lost-  und  Trauerspiel, 
junge  Weiber  und  muntere  RoUen  im  Singsfuel. 

Akteurs:  Herr  Bilau  die  ersten  Liebhaber,  Helden  und  Bösewiclr.cr  im 
Lust-  und  Trauerspiel,  auch  KarrikaturroIIen  im  Singspiel.  Herr  Böhm  V.itcr, 
KarakterrnHe^n  'im  I.ust-  und  Tr;nter<^piel,  Liebhaber,  komische  Bediente  im 
Singspiel.  Herr  t^lliristel  zartiiciie  Vater.  Moos.  Christel  KiiiUcrrolIai.  Herr 
Diestel  Liebhaber  und  brOske  Milhärrollen.  Herr  Engst,  der  ähere,  Neben« 
roUen.  Herr  Kngst,  der  jüngere.  Bediente  und  Juden.  Herr  Flaninunn  Be- 
diente, kleine  Rollen  im  Singspiel.  Herr  (..itto  ernsthafte  Liebhaber,  l'lülo- 
sophcn,  auch  Hollen  im  Singspiel.  Herr  Cirunbcrg  die  ersten  Liebhaber  im 
Singspiel.  Herr  Jonasson  polternde  Alte,  Karakterrollen.  Herr  Kleebcrgcr 
Notarien,  Bauern,  auch  komische  Bediente  int  Singspiel.  Herr  Müller  Lieb- 
Itaber  im  Lust-  und  Singspiel,  Bösewichter  und  Deutschfran/.isen.  Herr 
Rothe  beste  Väter  ini  Sitii-^piel,  Karrikaturen  im  Lustspiet.  Balletmeistcr 
Herr  Amor,  Soutieur  Herr  Ricgler,  Mahler  Herr  Mcnzlcr. 

Da  Bilau  cl.us  Fach  der  ersten  Helden  imei  Liebhaber  innc  hatic 
imd  1782  den  Herzog  Albrecht  in  dem  Trauerspiel  »A^iies  Bernauerino 
von  Graf  Tliörring  und  den  Üiio  von  Wiitcl.sbacli  in  der  yleich- 
namigen  Tragödie  von  Babo,  überhaupt  alle  tragischen  Helden,  »  lunoic 
Charaktere«  und  ersten  Liebhaber  spielte,  so  kann  kaum  ein  /weite! 
darüber  wallen,  dass  er  der  erste  Karl  Moor  der  1  rankluncr  und 
Mainzer  Bühne  gewesen  ist.  Herr  Müller,  der  wie  Madame  Gaitt» 
im  Herbste  1782  zur  Bohnii.schcn  Truppe  gekommen  sein  muss  und 
jugendliche  Iniriganien  darstellte,  durfte  seinem  Fache  nach  zu 
urtheilen  hier  den  Franz  zum  crstcnmale  gespielt  haben.  Mad.  Gatto, 
an  Stelle  der  Mad.  Schouwart  en_«;auirt,  war  zwcitellos  die  Amalia. 
Sie  spielte  ja  auch  die  Emilia  Galoiti,  die  Lanassa  in  dem  IMüniickc- 
slIili,  SiLukc  ^.ci^lien  Namens  und  die  Beatrix  in  »)G>ttü  von  W'ittcls- 
bach«.  Wenn  wir,  ^^estützt  aut  die  gleichzeitige  Besetzung  anderer 
Stücke  und  die  Mutheilung  über  die  Rollenfächer  der  einzelnen  Darsteller 
der  Böhmischen  Truppe,  nun  noch  annehmen,  dass  Böhm  den  alten 
Moor,  Christel  den  Diener  Daniel  und  Diestel  den  Spiegelberg  oder 
Schweizer  gegeben  hat,  so  dürfte  eine  etwaige  Auffindung  des 
Zettels  der  ersten  Vorstellung  der  Räuber  in  Frankfurt  beweisen, 
dass  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Hauptrollen  unsere  Schlüsse  keine 
trügerischen  gewesen  sind. 

In  welchen  Kostümen  die  Räuber  damals  hier  aufL;eliihrt  wurden, 
bleibt  leider  unentschieden.  Weil  aber  l^i)hm  in  der  Anzeige  ni  der 
»( )berpüst.inuszcitung«  aut  Mannheim  hinweist,  wird  er  sich  wohl  in 
jeder  Beziehung  nach  der  dortigen  Vorstellung  gerichtet  haben.  Dort 


•-4i 


wie  hier  sind  wohl  die  Gestalten  des  Trauerspiels  nicht  \^*ie  in 
Leipzig  in  modernen  Anzügen,'  sondern  im  KostOm  4er  Zeit  des 
ewigen  Landfriedens  auf  der  Bühne  erschienen. 

Wenn  wir  dieser  ersten  Auffabrang  der  Raub«r  in  Frank  tun 
am  19.  November  1782  gedenken,  werden  wir  unwillkürlich  daran 
erinnert,  dass  ct\va.s  mehr  als  einen  Monat  frQher  der  flüchtige  Rc- 
gimentsniedikus  Friedrich  Schiller  mit  seinem  treuen  Freunde  Streicher 
in  einem  Gasthofe  in  Sachsenhausen  der  Mainbrücke  gerade  gegen- 
über '  wohnte,  um  in  verborgener  Stille  eine  bessere  Wendung  seines 
Geschickes  abzuwarten.  Schiller  hatte  kurz  vorher  durch  seine  Flucht 
aus  Stuttgart  nach  Mannheim  mit  allen  Verhältnissen  gebrochen  und 
durch  einen  kühnen  Entschiuss  seinem  Leben  eine  neue  Gestalt 
gegeben.  Aber  schon  in  Mannheim  and  noch  mehr  hier  tn  Frankfurt 
musste  er  erkennen,  dass  derjenige  oft  em  wahres  Martyrium  auf 
sich  nimmt,  der  standhaft  und  beharrlich  bestrebt  ist,  auch  ohne  sichere 
Unterlage,  ja  sogar  im  Kampfe  mit  Gesetz  und  Recht,  ein  grosses 
Ziel  zu  erreichen.  Aus  innerer  \othwendigkcit  hatte  Schiller  seinem 
Talente  dies  Opfer  gebracht,  er  war  wie  Karl  Moor  in  ein  fremdes 
unbekanntes  Land  hinausgezogen,  aber  wie  sein  Held  musste  auch 
er  bald  die  bitteren  Folgen  dieses  Schrittes  kennen  lernen.  .Schillers 
Herz  war  krank  wie  sein  Beutel,  als  er  an  jenem  heiteren  Oktober- 
abend des  J  ^^res  1782  das  thurmreiche  1  rankturt  sich  vom  dammrigen 
Himmel  abheben  sali  und  bald  darauf  mit  Streicher  in  den  schlichten 
Gasthof  in  Sachsenhausen  einkehrte.  Trotzdem  »Doktor  Ritter«,  wie 
Schiller  sich  seiner  Sicherheit  wegen  nannte,  und  Streicher  sich  spärlich 
einrichteten  und  i!en  Betrai;  tur  das  Zinniier  und  die  Kost  sofort  mit 
dem  Wirthe  vcreuibarien,  wursten  beide  doch,  dass  ihr  Geldvorrath 
nicht  lange  ausreichen  werde.  In  solcher  Koihlage,  die  tur  Scliillers 
edles  Geniüth  durch  die  in  Stuttgart  zurückgelassenen  Schulden  noch 
druckender  wurde ,  demuihigie  dieser  seinen  Stolz  und  bat  den 
Intendanten  v.  Dalberg  um  Hülfe.  Für  die  dreihundert  Gulden,  die 
der  junge  Dichter  zur  Regelung  seiner  Verhaltnisse  haben  mochte, 
bot  er  den  Fiesko  an  »und  lalls  dieser  nicht  ausreiche,  auch  das 
nächste  Stück,  das  er  schreiben  werde«. 


'  Minor  II,  9. 

-  Nach  unserer  Ansicht  im  »Storch«  in  der  Brückenstrasse  und  nicht  in  den 
••dret  Rindern«,  weil  man  von  diesem  Gasthofe  aus  keinen  freien  Blick  auf  die 
Mainbrückc  haue,  sondern  m  Jic  Brück cnstrasse  schaute.  Streicher  nennt  die  »drei 
Kinder«  nicht,  schreibt  aber,  dass  eine  Wohnung  der  Mainbrücke  g^genOber  ge- 
wählt wurde. 


—    24»  — 


Dieser  mit  geprcssrcni  Herzen  und  feuchten  Augen  geschriebene 
Briet,  dessen  Inhalt  in  der  That  Verehrung  vor  dem  Charnkter  des 
genialen  Jünglings  abnöthigt,  blieb  ohne  Erfolg.  Obwohl  Herr  v. 
Dalberg  das  Manuscript  des  Fiesko  bereits  in  Händen  hatte,  leistete 
er  doch  keinen  Vorschnss,  weil  d.is  Stück  in  seiner  jetzigen  Gestalt 
nicht  brauchbar  sei  und  erst  umgearbeitet  werden  müsse,  ehe  er  sich 
weiter  entschliessen  könne.  Zwischen  dem  Abgang  seines  Briefes  an 
Dalberg  und  dem  Empfang  von  dessen  Antwort  verlebte  Schiller, 
wenn  auch  nicht  sorgenfreie,  so  doch  anregende  Tage  hier  in  Frank- 
furt. Die  Einzelheiten  seines  damaligen  Aufenthaltes,  die  Eindrücke, 
die  er  auf  der  Mainbrücke  und  in  Goethes  verkehrsreicher  und 
historisch  bedeutender  Vaterstadt  empfing,  sind  durch  die  Schiller- 
biographien zu  bekannt,  als  dass  sie  hier  nochmals  Erwähnung  zu 
finden  brauchten.  Wir  haben  nur  daran  zu  erinnern,  dass  Schiller 
von  einem  hiesigen  Buchhändler  Näheres  über  den  guten  Absatz  der 
Käuber  und  das  ausserordentlich  günstige  Unheil  de^  Frankfurter 
Publikums  über  »das  berüchtigte  Schauspiel«  erfuhr,  und  müssen 
ausserdem  noch  aui  eine  wichtige  Thatsache  autmcrksam  machen. 
Schiller  hatte  bereits  in  Mannheim  den  Hntschluss  gefasst,  ein  bürger- 
liches Trauerspiel  zu  schreiben,  hier  in  I  r  u  l  t.:rt  stiegen  die  ITiupt- 
momente  zu  demselben  und  Jic  dunklen  L  ;ii risse  seiner  GestaliLn 
aus  den  Schleiern  des  Grams,  den  die  bitteisie  Xoth  auf  seine  Seele 
gc^  LI  haue,  in  scharfer  Deutlichkeit  hervor,  l:s  ist  eine  seltsame 
I-ügung,  dass  dies  bürgerliche  Trauerspiel,  das  wir  unter  dem  Xaiiieü 
»Kabale  und  Liebe«  kennen,  seine  erste  Autluhrung  später  dann 
auch  in  Frankfurt,  also  an  dem  Orte  erlebte,  wo  Schillers  Geist  unter 
dem  Drucke  harter  Verhältnisse  die  tiefsten  dichterischen  Eingebungen 
für  dasselbe  empfing. 

Milte  Oktober  1782  verliess  Schiller  Frankfun  wieder  mit  dem 
treuen  Streicher,  der  das  Geld  zur  eignen  Ausbildung  —  dreissig 
Gulden,  die  ihm  die  Mutter  geschickt  —  für  den  bedrängten  genialen 
Freund  aufgeopfert  hatte.  Was  das  Theater  an  Deutschlands  grösstem 
Dramatiker  sündigte,  machte  dieser  treue  Pylades  wenigstens  einiger» 
massen  wieder  gut.  Wenn  es  damals  schon  sichere  und  gute  Tan- 
tiimen  gegeben  hätte,  wie  heut  zu  l  äge,  dann  hätte  der  Dichter  der 
Räuber  gewiss  nicht  nöthig  gehabt,  die  Opferwilligkeit  Streichers  bis 
zum  äussersten  för  sich  in  Anspruch  zu  nehmen.  Abgesehen  von  den 
AufFlihningen  des  Trauerspiels  in  Mannheim  hätten  ihn  die  Vor- 
stellungen desselben  in  Leipzig  und  Hamburg  dann  aus  jeder  Noth* 
läge  befreit.  Unter  unseren  Zeitverhältnissen  würde  vielleicht  auch 
ein  Vorschuss  auf  die  bevorstehenden  Auffbhrangen  der  Räuber  in 


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-   249  - 


Mainz  und  Frankfurt  der  Befreier  von  schwerem  Druck  gewesen  sein. 
Aber  bei  den  damals  herrschenden  Zuständen  im  heiligen  römischen 
Reiche  deutscher  Nation  konnte  ein  Dichter  noch  verhungern,  dessen 
Werk  vergriffen  und  bereits  ein  Repertoirestück  der  deutschen  Bflhne 
geworden  war.  —  Ob  wohl  Schiller  während  seines  hiesigen  Aufent- 
haltes im  Oktober  1782  einmal  mit  Streicher  im  neuen  Komödien- 
hause gewesen  ist?  Da  beide  Freunde  nur  das  Nöthigste  für  ihren 
Unterhalt  besassen,  wäre  an  einen  Besuch  des  Theaters  nur  zu  denken, 
wenn  Grossmann  Freibillets  gegeben  hätte,  was  damals  freilich  noch 
sehr  selten  geschah.  Trotzdem  gerade  in  der  ersten  Hälfte  des 
Oktober  1782  verschiedene  damals  sehr  beliebte  Stücke  gegeben 
wurden  (ütht  Beilage  IV),  müssen  wir  um  so  mehr  an  einem 
Theaterbesuch  der  beiden  Freunde  zweifeln,  weil  Streicher  nichts 
davon  erwähnt,  der  sonst  diesen  Frankfurter  Aufenthalt  doch  ein- 
gehend und  liebevoll  bis  ins  Kleinste  geschilden  hat.  Zu  jener  Zeit 
stand  wohl  Schiller  auch  noch  nicht  in  brieflicher  Verbindung  mit  dem 
Theaterdirektor  Grossmann. 

Von  dem  jungen  Dichter  selbst  kehren  wir  zu  seinem  Erstlings- 
werk zurück. 

Am  50.  Januar  1783  fand  eine  Wiederholung  der  Räuber  in 
Frankfurt  statt.  Minor  theilt  in  seinem  »Schiller«  mit,  dass  an  dem- 
selben Tage  die  erste  Vorstellung  des  Trauerspiels  in  Mainz  statt- 
gefunden hätte.'  Hier  muss  der  Gewährsmann  für  jene  Angabe  sich 
zweifellos  im  Datum  geirrt  haben.  Wie  bereits  früher  erwähnt  wurde, 
spielte  Böhm  im  Winter  1782—83  abwechselnd  in  Mainz  und  Frank- 
Airt.  Da  er  am  50.  Januar  das  Stück  hier  gab,  muss  also  die  Vor- 
stellung desselben  in  der  rheinischen  Schwesterstadt  unbedingt  an 
einem  anderen  Tage  gewesen  sein.  Die  Annahme,  dass  vielleicht 
eine  sonstige  Truppe  das  Trauerspiel  am  angegebenen  Tage  in 
Mainz  aufgeführt  hätte,  ist  vollständig  ausgeschlossen.  Nach  den 
Mittheilungen  der  Geschichtsschreiber  des  Mainzer  Theaters  spielte 
damals  nur  die  Böhmische  Gesellschaft  dort,'  die  ihre  Vorstellungen 
in  dem  einzigen  Lokal  für  derartige  Zwecke,  in  der  zum  Theater 
eingerichteten  Reitbahn  auf  der  mittleren  Bleiche  gab.  Aber  für  die 
Theatergeschichte  von  Mainz  ist  es  von  Wichtigkeit,  dass  die  im 


•  Minor  S.  408. 

*  Cbronologisehe  Gesdikhie  der  Mainzer  BOhne  von  Niklas  MüHer,  ent- 
halten in  »Rhenus»,  Sonnugs-Blatt  für  Literatur,  Kunst  uiul  Bur^crlcbcn",  Heilage 
xur  Neuen  Mainzer  Zeitung  No.  15-41»  und  Jacob  Pcth,  Geschichte  des  Theaters 
und  der  Musik  in  Mainz,  5.  64  fr. 


—    2JO  — 


Januar  1783  stattgehabte  Aufführung  der  Räuber  gar  nicht  die  erste 
des  Stückes  in  dieser  Stadt  gewesen  ist.  Dieselbe  fand  bereits  vor 
der  ersten  Vorstellung  des  Trauerspiels  in  Frankfurt  (19.  Nov.  1782), 
vielleicht  am  Anfang  dieses  Monats  oder  gar  schon  im  Oktober  stan. 
Da  Tlieaier/cttel  aus  jener  Zeit  nicht  erhalten  sind  und  in  dem 
»Mainzer  Tageblatt«  und  anderen  Blättern  sich  keine  Ankiindigungoi 
zu  Böhms  Vorstellungen  finden,  Hess  sich  trotz  der  \verkthatii;sten 
Unterstützung  des  Herrn  StadtbibHoihekars  Dr.  Velke  und  des  Herrn 
Bibliothek-Sekretärs  Börl;  '  in  Mainz  der  Tag  der  ersten  Räuber- 
vorstellung  in  dieser  Stadt  nicht  feststellen.  Dessen  ungeachtet  bleibt 
es  aber  für  Mainz  von  grosser  Bedeutung,  dass  es  nach  Mannheim 
die  erste  süddeutsche  Stadt  war,  wo  die  Räuber  in  Scene  gingen. 
Auf  Mainz  folgt  dann  unmittelbar  Frankfurt. 

Zu  der  zweiten  Vorstellung  von  Schillers  Erstlingswerk  erliess 
Böhm  in  den  hiesigen  Blättern  folgende  Anzeige,  die  hier  nach  No.  16 
des  »1-rankfurterSuats-Ristretto«  vom  Dienstag,  den  28.  Januar  1783, 
buchstabengetreu  wiedergegeben  ist. 

»Die  Scluuspkter-GesdJschaft,  unter  der  Direktion  des  Herrn  Böhm. 

wird  Donnerstags  Josten  aufzuführen  die  Ehre  luben :  I*in  i^rosses  neues, 
noch  auf  keiner  anderen,  als  der  Mannheimer  Nation.il-Sch.iubulip.e,  in  Mii>-nz 
und  hier  cinnul  gesehenes,  von  Herrn  Friedrich  Schiller  vertertigie»  Orgioal- 
Trauerspiel,  in  fünf  Aufzügen  genannt:  Die  Räuber.  Vorbcricht: 

Das  heutige,  im  Geschmack  des  berähmten  englischen  Dichters  Sbakc* 
spears  geschriebene  Trauerspiel,  verdient  nach  Aussage  aller  Kenner  neben 
Hamlet,  Makbcth,  Lear  etc.  un<;treitig  seinen  Platz.  Die  erhabensten  Ausdrückt, 
die  grauenvollsten  Situationeu,  die  ausserordentlidi  gezeichneten  Charaktere 
zeigen  aller  Orten  das  feurige  Genie  eines  jungen  Dichters,  der  einst  der 
deutschen  Bühne  Metstcrst&cke  liefern,  und  ihr  das  seyn  wird,  was  Shakespeare 
der  Fnglischen  war.  Die  Verzierungen  der  Sduubfihne  und  das  KoNtüme 
der  Kleider  wird  der  Zeit  uuJ  Jcni  Ort  voilkoninicn  anj^omesscn  seyn  und 
wir  schmeicheln  uns,  die  üutriedcnheii  unserer  verehrungswürdigen  Göiuia 
und  Freunde  und  ihren  schäiabarsten  Beyfall  zu  verdienen. 

Da  das  Augenmerk  des  Direkteurs  der  Schauspiele  Böhms,  immer  auf 
das  Vergnügen  eines  verehrung^werthen  Publikums  gerichtet  ist;  so  w-ird 
dessen  Gesellschaft  die  heute  versprochenen  Räuber  erst  Uebcmiorgen.  Donners- 
tags den  $0.  Jänner,  zu  geben  die  Ehre  haben :  Um  das  Dienstags  in  i  rdiu- 
furt  zu  gebende  Fest  eine»theils  nicht  zu  stöhren,  andern  ThcUs  denenjenigen 
Gönnern,  die  dabey  sind,  die  Vorstellung  des  beliebten  obbenannten  Trauer- 
spiels nicht  zu  entziehen.« 

Wiewohl  dieser  Bericht  den  Zweck  hatte,  das  PuhUkum  anzu- 
ziehen und  sich  dem  Inhalte  nach  an  zeitgenössische  Beurtheilungen 
der  Räuber  anschUesst,  so  unterscheidet  er  sich  düdi  durch  seinen 
Ton  und  L  in:,;!!!'  so  wesentlich  \on  anderen  Ttieateranzeigen  Böhms, 
dass  man  deuiliLÜ  merki,  dieser  wollte  etwas  ganz  Ausserordcnihchcs 


~  251  — 

ankündigen.  Auch  die  Verlegung  des  Stückes  vom  28.  aut  den 
30.  Januar  liefert  einen  weiteren  Beweis  für  diese  Annahme.  Zwar 
war  der  28,  Januar  kein  christlicher  Feiertag,  aher  es  fand  an  dem- 
selben die  öffcntliclie  Preisvertheilling  der  hiesigen  Cöntgenschen 
Zeiclien-Akademie  itn  Concert-Saale  zum  Junghofe  statt,  deren  pomp- 
hafter Feier  ein  grosser  Theil  der  hiesigen  Kunstfreunde  und  der 
besseren  Gesellschaft  beiwohnte.  Die  l'rankfurter  »Oberposiamis- 
zeitung«  vom  31.  Januar  1783  No.  17  berichtet,  es  seien  bei  dieser 
Preisvertheilung,  die  auf  Grund  von  Hntsciieidungen  der  Chur- 
ptal/jschen  Akademie  in  Mannheim  erfolgte,  naliexu  t.uisend  Zuschauer, 
darunter  die  vornehmsten  Mitglieder  des  Magistrats  sowie  eine  Menge 
iiicsiger  angesehener  Standespersonen,  gegenwartig  gewesen.  Iis  wäre 
deshalb  höchst  unklug  von  Böhm  gewesen,  wenn  er  an  einem  solchen 
Tage  ein  Stück  hätte  geben  wollen,  auf  dessen  wiederholte  Aufführung 
hiesige  Kunsttreunde  augenscheinlich  mit  Spannung  warteten.  Der 
Aufschub  crtülgte  wohl  auch  aui  den  Wunsch  von  Thcaterliebhabern, 
die  der  Feier  in  der  Akademie  beiwohnen,  aber  dadurch  nicht  ver- 
hindert sein  wollten,  die  Vorstellung  des  beliebten  Trauerspiels  mit 
anzusehen.  Nach  dem  damaligen  Theatergebrau^h  bcg.ii.ir,  diLi^elbe 
schon  um  sechs  Uhr,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher  der  sogar  »unter 
Trompeten  und  Paukenschall«  abgehaltene  leierliche  Vorgang  in  der 
Akademie  noch  nicht  zu  Ende  war.' 

Ob  nun  der  zweiten  Aufführung  der  Räuber  in  Frankfurt 
ebensoviel  Leute  beiwohnten  wie  dieser  in  höchst  auffallender  Weise 
in  Scene  gesetzten  Freisvenheilung  muss  dahin  gestellt  bleiben.  Da 
die  Zeitungen  damals  nur  ausnahmsweise  kurze  Nachrichten  über 
theatralische  Ereignisse  bringen  und  seit  dem  Eingehen  der  »Frank- 
furter Beyträge  zur  Ausbreitung  nützlicher  Künste  und  Wissen- 
Schäften«  1780  in  einem  Zeitraum  von  sieben  Jahren  keine  kritisch 
ästhetische  Wochenschrift  mehr  in  Frankfurt  erschien,  die  sich  auch 
mit  dem  Theater  beschäftigte,  so  fehlen  leider  regelmässige  Berichte 
ober  die  hiesigen  Aufitihrungen  in  den  ersten  Jahren  der  ständigen 
Böhne.  Erst  1788  erschienen  wieder  »Dramaturgische  Blätter«  über 


■  Eine  genau«  SdiUderuag  dieser  Festlichkeit  ist  endialtea  in  dem  Aufsatz 
»Eine  Frankfurter  Kunsukademic  im  achtzehnten  Jahrhundert«  in  »Ueber  Kunst, 
Künstler  und  Kunstwerke«  von  Professor  Dr.  Veit  Valentin,  Frankfurt  a.  M.  1889, 
S  r^j— 146.  Weitere  Nachrichten  überdies"  Ak.iJemic  in  der  Abhandlung  »Frank- 
I  urtcr  Akadcmiebcbtrebungcij  im  aclitzclintcn  Jaiirliundcrt»  von  Professor  Dr.  Veit 
Valentin  im  Archiv  (ur  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Dritte  Folge»  Zweiter  Band. 
S.  290^512. 


—    252  — 

lias  hiesige  und  das  Mainzer  Theater,  deren  erster  Band  der  Frau 
Rath  Goethe  gewidmet  ist.  Allein  ancb  diese  Zeitschrift  hatte  kein 
besseres  Schicksal  wie  die  von  Seyfried  and  Rflhl  herausgegebenen 
»Frankfurter  Beiträge.«    Mit  dem  Ende  des  zweiten  Jahrgangs 

gingen  die  »Dramaturgischen  Blätter«  wieder  ein,  deren  Herausgeber, 
Professor  Aloysius  Wilhelm  Schreiber,  mit  den  Herrn  und  Damen  der 
hiesigen  Bühne  auf  sehr  gespanntem  Fusse  stand.  Am  6.  September  1788 
wurde  Schreiber  sogar  in  einer  in  die  Operette  »Die  Liebe  im  Narren- 
hause« eingeflickten  Scene  öffentlich  verspottet.  Der  Verfasser  der- 
selben, der  Theaterdichter  des  Mainz-Frankfurtischen  Nationahheaiers 
Dr.  Schmieder,  wird  in  der  Besprechung  dieser  Vorstellung  in  den 
»Dramaturgischen  Blättern«  von  Schreiber  ein  »Dichterling«  genannt, 
»den  Apollo  im  Zorn  zu  einem  seiner  Nachtwächter  auf  dem  Helikon 
gemacht  bat.«  Auch  die  Schauspieler  Böheim  und  Walter,  die  zwei 
Narren  darstellten,  werden  lächerlich  gemacht  und  in  spöttischer 
Weise  wie  ächte  Tollhauskandidaten  hingestellt.  Wie  die  Kritiken 
von  Schreiber  Über  damals  moderne  Bühnenwerke,  besonders  aber 
seine  Besprechungen  klassisclier  Dramen  und  seine  Abhandlungen 
über  die  Schauspielkunst  und  ihre  Bedeutung  beweisen,  war  er  ein 
hochgebildeter  Mann,  der  ein  feines  Verständnis  für  das  Bühnen« 
wirksame  besass,  sein  Richteramt  gerecht  verwaltete  und  in  der  That 
zu  verwirklichen  suchte,  was  er  im  ersten  Stück  der  »Dramaturgischen 
Blättere?  (2.  Juli  1788)  in  seiner  Anrede  an  das  PubHkum  versichert 
hatte:  »Meine  Absicht  ist,  Geschmack  und  Kritik  allgemeiner  zu  ver- 
breiten und  zur  Vervollkommnung  in  der  Kunst  mein  Schärilein  bei* 
zutragen.« 

Was  die  Oper  betrifft,  so  scheint  Schreiber  in  veralteten  An- 
sch.iuiin<^en  befangen  und  in  seinem  Unheil  keineswegs  massgebend 
gewesen  zu  sein ;  wenigstens  beweisen  seine  Kritiken  über  Moznns 
Opern,  dass  er  nicht  im  Stande  war,  den  herrlichen  Tonschöplunucn 
des  grossen  Meisters  die  rechte  Würdigung  entgegen  /u  bringen. 
Desto  sicherer  war  sein  Blick  für  die  jMängel  und  Vorzüge  der  dar- 
stellenden Künstler,  üeber  Herrn  Bilau,  den  ersten  Karl  Moor  der 
I  rankturier  Bühne,  der  lange  Jahre  bei  der  Böhmischen  Truppe  war» 
äussert  sich  Schreiber  äusserst  günstig.  Bei  Gelegenheit  der  Be- 
sprechung der  »Erwine  von  Stcinheinv,  'IViiierspiel  von  ßlumauer 
(Dramaturgische  Blätter,  zweiter  Jahrgang,  erstes  Quartal,  zehntes 
Stück  vom  4.  Juni  1789)  rühmt  Schreiber,  dass  BÜau  in  der  Rolle 
des  Urach  »den  Anstand  und  das  ungestüme  Feuer  eines  Ritters  aus 
dem  Mittelalter«  gezeigt  habe.  »Sein  Blick  ist  voll  Ausdruck«,  be- 
richtet er  weiter,  »er  weis  malerische  Stellungen  anzubringen,  ohne 


-  253  - 

es  darauf  anziileqcn.«  Noch  mehr  hebt  Schreiber  den  Heldendarsteller 
Bilau  in  tuicr  C1i:j .iktcrisiik  licr  gesaniniicn  Böhmischen  Gesellschaft 
hervor.  »l:r  behauptet  unstrein*;  den  ersten  Kang  in  dieser  Gesell- 
schaft«, heisst  es  ini  üreizciiijicn  Stück  der  »Drauiaturgischen  Blätter« 
vom  2$.  juni  1789.  »Was  ein  ungenannter  irgendwo  von  Reinike 
sagt,  gilt  auch  von  Herrn  Bilau.  Die  Natur  hat  für  ihn  sehr  viel 
gethan  und  seine  glücklichen  körperlichen  Anlagen  verbunden  mit 
feinem  Gefülil  setzen  ihn  in  den  Stand,  verschiedene^  oft  entgegen- 
gesetzte Rollen  auch  ohne  ein  defes  Studiam  der  Kunst  gut  zu  spielen. 
Sein  Feuer  strömt  gewaltig  in  leidenschaftlichen  Scenen,  aber  es 
reisst  ihn  bisweilen  Ober  die  Grenzen  der  schönen  Natur«  etc.  Da 
Bilau  auch  von  anderen  Kritikern  als  guter  Schauspieler,  dem  in 
seinen  Rollen  »Figur  und  Anstand  sehr  zu  statten  kommen«,  anerkannt 
wird»'  so  darf  man  schliessen»  dass  er  für  die  Rolle  des  Räubers  Moor 
wie  geschaffen  war.  Bilaus  Aeusserlichkeit  passte  sicher  besser  für 
die  Lieblingsfigur  des  jugendlichen  Dichters  als  die  des  Herrn  Böck 
von  der  Mannheimer  Bühne,  der  nach  dem  eignen  Ausspruch  Schillers 
»nicht  genug  Person  fOr  die  Rolle  hatte«.' 

Böhms  Anzeige  zur  zweiten  Auffährung  der  Räuber  in  Frankfurt, 
die  wohl  auch  als  Avenissement  oder  Vorbericht  auf  dem  Zettel 
stand,  müssen  wir  trotz  ihrer  Anlehnung  an  andere  damalige  Be- 
sprechungen des  Stfickes  als  die  erste  hiesige  Beurtheilung  eines 
Schillerschen  Bühnenwerkes  auffassen.  Sie  enthält  einen  Hinweis 
auf  die  künftige  Bedeutung  Schillers  als  dramatischer  Dichter,  der 
merkwürdig  genug  klingt  und  nochmals  hervorgehoben  zu  werden 
verdient.  In  keiner  der  zeitgenössischen  Kritiken  über  die  Räuber, 
die  uns  bekannt  geworden  sind,  ist  mit  solch  prophetischer  Sicher- 
heit ausgesprochen,  was  der  junge  geniale  Dichter  dereinst  für  die 
deutsche  Bühne  bedeuten  wird,  als  in  dieser  beachtenswerthen  Theater- 
anzeige vom  28.  Januar  1783. 

Im  Laufe  dieses  und  des  folgenden  Jahres  wurde  das  Trauerspiel 
nicht  mehr  in  Frankfurt  gegeben.  Da  in  einem  damaligen  Berichte 
über  die  von  der  Grossmännischen  Gesellschaft  neu  aufgeführten 
Stücke  auch  die  Räuber  genannt  sind,  fällt  diese  Thatsache  um  so 
mehr  auf.  Böhm  spielte  vom  März  1783  bis  zum  Juni  1784  nicht 
in  Frankfurt.  Als  er  in  diesem  heissen  Sommer  bis  zum  xo.  August 

'  Theater-Jminial  flir  Deutschland»  FünCsehntes  Stück.  Gotha  bei  Ettinger 
1780.   S.  112. 

*  WinembergUches  Repotoriytn,  Erstes  Stück.  S.  i}4  f.  Audi  bei  J.  Braun, 
Schiller  und  Goethe  im  Urdidle  ihrer  Zeitgenossen,  I,  22. 
'  Tbeater-Kalender  auf  das  Schalt-Jahr  1784,  S.  }24. 


—  254 


mehrere  Vorstellungen  mit  seiner  Truppe  hier  gab»  war  die  Jahres- 
zeit für  die  Darstellung  eines  so  grossen  Trauerspieles  nicht  mehr 
geeignet.  Das  Stück  konnte  aber  hier  am  Orte  unmöglich  ohne 
tiefere  Wirkung  auf  das  Theaterpublikum  geblieben  sein.  Die  bdden 
ersten  Aufführungen  desselben  folgten  ja  vcrhähnissmässig  so  schnell 
auf  einander,  dass  an  einem  grossen  Erfolg  des  Trauerspiels  in  Frank- 
furt nicht  gezweifelt  wcrJcn  kann. 

Wie  das  Repertoire  Böhms  im  Xovember  1782  (Beilage  Ij  und 
Januar»  Februar,  März  1783  (Beilage  II)  beweist,  wurde  kein  anderes 
Stück  wiederholt  als  die  Räuber.  Weshalb  Grossmann  noch  über 
zwei  und  ein  halbes  Jahr  vergehen  Hess,  ehe  er  gelegentlich  eines 
Gastspiels  von  Böck  im  Herbst  1785  das  Stück  hier  zur  AuHührung 
brachte,  entzieht  sich  aus  Mangel  an  Nachrichten  der  Beurtheilung. 
Keitiesüalls  liegt  der  Grund  im  fehlenden  Interesse  für  Schillers  erstes 
Bühnenwerk.  Inzwischen  hatte  in  Grossmann  mehrmals  bewiesen, 
dass  er  das  Genie  des  jungen  Dichters  vollkommen  zu  würdigen 
verstand  und  ihn  zu  fördern  suchte,  wo  und  wenn  es  nur  ging. 

Der  Theaterzettel  zu  der  Vorstellung  der  Räuber  in  Frankfurt 
während  Böcks  Gastspiel  ist  der  älteste  zu  diesem  Stücke,  den  wir 
von  der  hiesigen  Bühne  auftinden  konnten;  er  soll  deshalb  hier 
wortgetreue  Wiedergabe  finden. 


Mit  gnädigster  Erlaubnis 
lünes  Hochcdlcn  und  Hoch  weisen  Magistrates 
der  Kaiserl.-Freyeii-ReiJis-VVulil-  und  Handels-StaJt 
Frankfurt  sm  Mayn 
wird  heute  Dienstags  den  25.  Oktober  1785 
aufgeführt  werden 
Die    R  a  u  b  c  r. 
Ein  Trauerspiel  in  fünf  Aufzügen ;  von  Schüler. 


Maximilian,  regierender  Graf  zu  Moor 
Karl  I 


Herr  Grossmann. 
Herr  BAck. 

Herr  Un;:elmann. 
M;td.  Fiala. 
Herr  Bösenberg. 
Herr  Stegmann. 
Herr  Wolschowsky. 
Herr  ßossan. 
Herr  Fmnkenberg. 
Herr  Siutbäck. 
Herr  Lippcrt. 
Herr  Schmidt 
Herr  Die/el 
Herr  Sommer. 
Herr  Cassini. 


Franz  J 

Am.ili.i,  seine  Nichte  

Spiegelberg  \  ,  

Schwdxer   

Grimni   

Scfaufterle  Ubertincr  nachher 

Hazmann  Banditen 

Koller   

Ko^nsky   

Hermann,  Bastard  eines  Edelmanns 
Eine  Magistratsperson  ..... 
D.intcl.  ein  aller  Diener  .... 

liiu  Bedienter  

Räuber,  Volk. 


-  255  - 

Das  Stuck  spidt  in  der  Zdt  als  der  ewige  Landfrieden  in  Deutsditand  «rriditet  ward. 

Herr  Böck  wird  die  Rolle  des  Karl  Moor  spielen. 

Siebente  Vorstdlung  im  Abonnement 

wird  federmann  ersucht,  niemanden  auf  mdnen  Namen  das  mindeste 

au  bo^n. 

Der  Anfang  ist  um  6  Uhr. 

Die  Person  lahh  in  den  Logen  des  ersten,  zwcytcn  und  dritten  Ranges  und  im 
Parkett  i  Gutden.   Eine  game  Loge  zu  8  Guldca.   Im  Parterre  die  Person 
9  Batten.  In  der  Gallerie  6  Batzen.  Auf  dem  letiten  Plata  it  Kreutzer. 

Wer  vorher  Billett  verlangt  beliebe  solche  im  neuen  Komödien-Hause  abholen  zu 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  densdben  Tag  gültig  sein. 

•  « 

Den  Darstellern  nach  zu  unheilen,  muss  die  auf  dem  obigeu 
Theaterzettel  angekündigte  Vorstellung  der  Räuber  eine  sehr  befrie- 
digende gewesen  sein.  Es  sind  sammtlich  schauspielerische  Grössen 
ersten  Ranges,  denen  die  Hauptrollen  anvertraut  waren.  Der  Gast 
vom  Kurfürstlichen  Hoftheater  in  Mannheim,  Böck,  war  ja  der  erste 
Karl  Moor  der  deutschen  Bühne.  Unzelmann  gab  den  Franz  in  ähn- 
licher Weise  wie  Iffland,  welcher  letztere  die  bodenlose  Verruchtheit 
dieses  Charakters  mehr  vom  psychologischen  Standpunkt  erfasste  und 
in  kaltem  satanischen  Raffinement  in  Erscheinung  treten  Hess.  Nur 
an  einzelnen  Stellen  folgte  Unzelmann,  wie  Zeitgenossen  urtheilen, 
schwungvoll  den  vom  Dichter  vorgezeichneten  grandiosen  Linien  und 
brachte  in  seiner  Darstellung  die  Poesie  des  Furchtbaren  zu  ergrei- 
fendem Ausdruck.  Karl  Wilhelm  Unzelmann,  geb.  1755,  war  1784 
von  Berlin  zur  Grossmännischen  Truppe  gekommen.  Er  verheirathete 
sich  in  Frankfurt  mit  Grossmanns  schöner  und  talentvoller  Stief- 
tochter Friedericke  Flitmer,  geb.  1760,  der  später  so  berühmt  ge- 
wordenen Bethmann.  Unzelmann  war  ein  ebenso  genialer  Schau- 
spieler als  hochgebildeter  Mensch.  Die  Frau  Rath  Goethe  widmete 
ihm  und  seiner  Frau  die  wärmste  Freundschaft  und  stand  den  beiden 
in  mancher  Lage  mit  praktischen  Erfahrungen  zur  Seite.  Die  Gatten 
waren  häufige  Gäste  im  Hause  der  für  das  Theater  ungemein  be- 
geistenen  Frau  Rath.  Als  sie  am  Anfang  des  Jahres  1788  wegen 
Intri^uen  und  sonstigen  drückenden  Verhältnissen  Frankfurt  zum 
grössten  Leidwesen  ihrer  ahen  Freundin  verliessen,  vergass  diese 
das  Ehepaar  nicht  und  unterhielt  Jahre  lang  einen  Briefwechsel  mit 
Unzelmann.*  Während  seiner  hiesigen  Thätigkeit  war  der  Künstler 

*  K.  Keil,  Frau  Rath,  Briefwechsel  von  Katharina  Elisabeth  Goctiie,  Leipzig 
1871,  S.  26$  Ö. 


I 


—    2$6  — 

auf  der  Höhe  seiner  Leistungsfähigkeit  angekommen,  er  stand  damals 

im  kräftigsten  Mannesalter  und  fühlte  sich  in  jeder  Beziehung  gehoben 
durch  den  binfluss  seiner  in  jener  Zeit  noch  glückUchen  Ehe.  Von 
Frankfurt  kehne  Unzelmann  nach  Berlin  zurück,  wo  er  allgemeine 
Anerkennung  fand  und  1832  starb. 

Was  Grossmann  selbst,  den  Darsteller  des  alten  Moor,  betrifft, 
so  war  derselbe  ein  so  gewandter  Schauspieler,  dass  ihm  auch  Rollen 
gelangen,  die,  wie  der  alte  Moor,  eigentlich  nicht  in  sein  l'ach 
gehörten.  Er  spielte  Chevaliers,  Juden,  Deutschfranzosen  »mit  aller 
erforderhchen  Etourderie  und  Impertincnccc,  wussic  sich  aber  nuch 
mit  jeder  ihm  fern  liegenden  Aufgabe  gut  abzutinden.  Böscnbcrg 
und  Stegmann,  die  den  Spiegclberg  und  Schweizer  darstellten,  waren 
zwei  sehr  begabte  Schauspieler  von  tiefer  liinsiclit  und  i^iidung.  Der 
Letztere  war  auch  zugleich  ein  bedeutender  Sänge  nnd  verstand  es, 
in  seinen  beiden  Fächern  die  volle  Gunst  des  brankturicr  Publikums 
zu  erwerben.  Nur  ältere  Witer,  wie  der  alte  Moor  und  der  Musikus 
Miller  in  »Kabale  und  Liebe«  sciieinen  ihm  nicht  ganz  gelungen  /u  sein. 

•Auch  die  anderen  Vertreter  der  Räuber  waren  begabte  und  meist 
noch  sehr  junge  Leuie,  die  später  Grosse.s  in  ihrer  Kunst  errei  Jiten. 
Der  Schauspieler  Sclimidt,  der  den  lierniann  gab,  war  der  sclione 
jugendliche  Liebhaber  der  Frankfurter  Bühne.  Fr  besass  ein  leiJcn- 
schaftlich  feuriges  Naturell,  deklamirte  ohne  Künstelei  und  war  wie 
geschaffen,  das  hinreissende  Pathos  und  die  kräftigen  Impulse  der 
Schillerschen  Gestalten  zum  rechten  Ausdruck  zu  bringen.  Um  so 
mehr  ist  auf  Schmidt  hinzuweisen,  als  er  der  erste  l  iesko  und 
Ferdinand  nicht  nur  der  Frankfurter,  sondern  überhaupt  der  deut- 
schen Bühne  gewesen  ist. 

Die  Darstellerin  der  Amalia  in  der  Räubervorstellung  vom 
25.  Oktober  1785,  die  schöne  Madame  Fialn,  hat  bereits  vor  der 
Gründung  des  ständigen  Scliauspieliiauses  und  dann  mit  Ausnahme 
einer  kurzen  Unterbrechung  bis  ans  Ende  der  achtziger  Jahre  des 
vorigen  Jahrhunderts  die  Frankfurter  mit  allen  klas:>ischen  Frauen- 
gestalten des  höheren  Dramas  und  feineren  Lustspiels  bekannt  gemacht. 
Hin  Kritiker  urtheilte  am  Anfang  der  achtziger  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  folgendermassen  über  Madama  Fiala  «Sic  spielt  iH«.iu 
allein   zärtliche  Liebhaberinnen  im  Lust-  und  Trauerspiel,  sondern 

.^antte  Weiber  und  leichtsinnige  Mädchen.  Die  Gräfin  von 
Walltron,  AnaJne,  Julie,  Blanka,  Ophelia  und  Henriette  sind  ohn- 
streitig  ihre  besten  Rollen.  Die  Töne  des  Schmerzes,  des  Winseins 
sind  völlig  in  ihrer  Gewalt.  Der  Uebergang  vi;a  i  leuJe  /.u  Jammer 
und  Schmerz  glückt  ihr  besonders.    Ihre  Deklamation  ist  richtig. 


—  257  — 


Ihre  Stellungen  als  eine  Wahnwitzige  sind  nie  übertrieben,  sie  weiss 
durch  dieselben  sehr  gut  das  Mitleiden  zu  erregen.  Es  ist  schade, 
dass  sie  7ai  Mädchen*RoUen  zu  dick  wird.  Wenn  sie  Schmerz, 
niederdrückenden  Jammer  misdrückt,  fährt  sie  ein  wenig  zurück, 
macht  eine  Bewegung«  als  ob  sie  erschrecke,  und  kömmt  in  diesem 
Augenblick  mit  der  rechten  Hand  an  die  Lippen.  Dieses  Spiel,  so 
gut  es  seyn  mag,  nimmt  sich,  wenn  es  zu  oft  geschieht,  nicht 
gut  aus«.' 

Einen  Fehler  .scheint  die  grosse  Künstlerin  gehabt  zu  haben, 
durch  den  sie  sich  selbst  und  ihren  Berufsgenossen  manchmal  da.s 
Leben  schwer  machrc:  sie  war  herrschsüchtig  und  cis^cnsinnig  und 
bestand  auf  ihrem  Kopte,  auch  wenn  ihr  die  künstlerische  Hinsicht 
hätte  gebieten  müssen,  ilire  individuellen  Neigungen  zu  überwinden 
und  sich  dem  gemeinsamen  Streben  zur  Lösung  einer  grossen  Auf- 
gabe anzuschliessen.  Wie  weit  Madame  Fiala  in  der  schroffen  Durch- 
führung ihrer  eigenen  Ansichten  ging,  beweist  ein  Vorfall,  dessen 
wir  bei  Besprechung  der  ersten  Aufführung  des  Fiesko  in  Frankfurt 
noch  gedenken  werden. 

(Jeher  die  \'orstellung  der  Rauher  am  5.  April  1788,  welciie 
seither  für  die  erste  des  Trauerspiels  in  Frankfurt  gehalten  wurde, 
besitzen  wir  eine  Kritik  von  dem  bereits  trüber  erwähnten  Wilhelm 
Alo\  sius  Sciireiber.  Diese  Besprechung  stein  in  dem  »  Tagebuch  der 
Mainzer  Schaubühne«.*  dessen  1  (irtset/ung  die  schon  mehrmals 
genannten  >'Dramaiurgisclien  Blättere  bilden.  Beide  Zeitschriften  ent- 
halten neben  den  itDusseldorfer  Bagatellenc,  den  »Kheiiiischen  Blättern« 
und  dem  »Theater-Journal  tür  Deutschland«  die  werthvollsten  Beitrage 
für  die  Frankfurter  und  Mainzer  Thcatergesehiclue  jener  Zeit.  Die 
beichtenswerthe  Kritik,  welche  in  die  iorm  des  fingirten  Schreibens 
eines  Reisenden  getasst  wurde,  ist  die  älteste  bis  jetzt  entdeckte 
Besprechung  über  Schillers  erstes  Trauerspiel  auf  der  I  rankfurter 
Huhne.   Sie  soll  deshalb  auch  hier  ungekürzte  Wiedergabe  finden. 

Frankfurt  am  6.  April  178S. 

Gestern  wurden  die  Räuber  hier  aufgeführt.  Min  hat  sich  viel  Qber 
die  moralische  Seite  dieses  Schauspiels  gezankt  und  es  ist  auch  nicht  zu 
Uttgneo,  dass  manche  Szenen  darin  ~  ohne  Rücksicht  auf  Entzweck  und 


*  Frankfurter  Bcytröge  zur  Ausbreitung  nützlicber  Kümte  und  Wissenschaften, 
herausgegeben  von  J.  Ph.  Rüh)  und  H.  W.  Seyfried.  Erster  Band.  XXXIV.  StQck 

vom  24.  .\ug.  1780.  .S.  569. 

*  Tagebuch  der  Mainzer  Sch.iubühne,  IV.  Stück,  S.  jq  — Auch  enthalten 
in  j.  W.  Braun,  Schiller  und  Goethe  im  Lrtlieile  ihrer  Zeitgenossen  I,  S.  222—226. 

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Plan  des  Ganxen  das  sittliche  GefQhl  empören  und  Gescdosigiceit  und 
allen  daher  entstehenden  Unfug  KU  brünstigen  scheinen.   Warum  hctrachtct 

man  aber  das  Cenülvle  nur  immer  von  der  einen  Seite?  Zeigt  uns  der  Dichter 
zuletzt  nicht,  wie  das  Laster  und  die  Übertretung  der  Gesezze  sich  iu  ibreo 
$clui<öcUichett  Folgen  ^bst  strafen?  Sind  die  Saenen»  wo  Frant^  «oo  den 
Furien  des  Gewissens  umhergepeitscht,  umsonst  Ruhe  sucht  in  tiusdienden 
Sophismoi,  wo  seine  schwarzen  Bubenstücke,  wie  grausende  Gespenster  ihn 
umdrängen,  das  hämische  Lächeln  auf  seinen  Lippen  in  krampfigcii  Ziilikungen 
erstirbt,  er  von  Verzweiflung  crgriflen  die  Hände  Iahet  zum  Gebet,  aber  um- 
sonst skh  «im  Himmd  au  erheben  strebt»  sondern  schrAcklicher  aurficksttect 
in  die  dfistcre  Leere  seines  Innern  und  wo  Kart,  am  Ende  seiner  Laof- 
babn,  schaudert  vor  den  Verirrungen  seiner  überspannten  Fantasie  und  mit 
Grausen  erkennt,  d.iss.  (lesezze  und  bürgerliche  Ordnung  zerstören,  viel 
heisse,  als  die  VS'elt  durch  Gräuel  zerswren  wollen,  —  Sind,  sage  ich,  diese 
ScencQ  nldtt  hinlii^liche  Rechtfertigung  beides,  des  moralisdieo  Gefiihk  und 
der  Absicht  des  Dichters?  Mehr  kann  ich  Aber  das  Stück  izt  nicht  sagen; 
man  erlaube  mir  nur  noch  einige  Worte  Ober  die  gestrige  Aufführung  des« 
selben. 

Den  alten  Moor  spielte  Hr.  Stegmann.  In  seinem  Spiele  war 
mehr  N  achahm  ung  als  Darstellung  der  Natur,  melur  vorgespiegelte, 
als  wirkliche  Empfindung.  Wir  wollen  auf  der  Bühne  nicht  den  KüDstler 
sehen»  sondern  die  Person,  welche  er  vorstellt;  ihn  sdbst  möchten  wir  ver- 
gessen über  seiner  Rolle.  .\bcr  dazu  gehön,  dass  die  Leidenschaft  auch 
wirklich  in  seinem  Busen  wühle,  die  er  ausdrückt,  dass  dies  alles  nicht  b!os 
gelerntes  Fingerspiel  seie,  dass  wirkliche  kalte  Schauer  ihn  ergreiien  im 
Scbrekkcn  und  sein  Haar  sträuben  in  der  Verzweiflung,  dass  der  Gram 
wirklich  seinen  Busen  au  xerspreiigen  drohe,  und  ^der  surre  Blkk  in  langen 
todten  Pausen  wurzle.  Herr  Stegmann  verlor  sich  auch  luweilen  im  Gange 
der  Empfindung.  Gleich  in  der  ersten  Szene,  wo  Franz  die  ersonnene  Nach- 
richt von  den  Vergehungen  seines  Bruders  abliest,  äusserte  er  mehr  Lawillcn 
als  Betrübniss.  Unwille  hat  nur  bei  den  geringen  Vergehungen  derjeoiKCD 
stan,  die  wir  lieben;  reissen  sie  ihre  Ausschweilungen  in's  Verderben  bin, 
sehen  wir  zernichtet  in  ihnen  alle  unsre  Hofnungen  und  Aussichten, 
dann  versinkt  die  Seele  o]inni;iclnig  in  die  Tiefe  des  Jammers.  In  Jer  Szent, 
wo  der  alte  Moor  aus  dem  l'hurmc  gezogen  wird,  erregte  Herr  Stcgnunn 
mehr  Ekel  und  Abscheu,  als  Mitleid.  Dies  mochte  hauptsächlich  von  dem 
ekelhaften  Bemalen  seines  Gesichtes  und  von  seiner  unanständigen  Bekleidung 
herrühren.  O  dass  Ichs  mit  der  Rede  .Mlgewalt  jedem  Schauspieler  und 
jeder  Schauspielerinn  /unilen  konnte:  Natur  und  Grazie  müssen  Hand 
in  Hand  gehen;  kein  Kunstwerk  taugt,  das  nicht  beide 
schwesterlich  vereint! 

Karl  von  Moor  war  Herr  Böhcim.  —  Herr  Böheim  hat  Feuer  und 
weiss  sich  glücklich  au  missigen,  und  den  Stufengang  der  Leidenschaft  zu 
beobachten;  aber  in  seinem  Gesichte  und  in  seinem  Anstand  fehk  das  Edle, 
das  äussere  Gepräge  von  innerer  Kraft  und  Geistesgrösse,  und  eben  da'un; 
scheint  er  für  das  Fach  der  Helden  und  ersten  Liebhaber  nicht  ganz  gewachsen 
zu  sein.  In  seiner  Deklamazion  verfällt  er  oft  in  den  Predigenon,  und  akzcn- 
tuirt  oft  die  Worte  falsch.  Auch  die  Obergänge  von  einer  Leideoschatt  cur 
anderen  nüanzirt  er  nicht  fein  und  sprechend  genug.  Die  heroischen  Sienen 
gelingen  ihm  noch  besser,  als  die  aärtUchen. 


—   259  — 


Franz  v.  Moor  Herr  Unzelmann.  Herr  Unzelmaim  spielte  anfangs  zu 

ruhig,  /-u  überlegt,  und  machte  eben  dadurch  diesen  sdiwarxen  Karakter  noch 
«chw.ify'er.  Feuer  und  IvmpfinJun;^  luitten  Ciesinnungen  und  Handlungen 
mehr  motivirt ;  besanderb  tiel  dies  in  der  Scene  auf,  wo  Franz  mit  der  Natur 
hadert  und  ihre  schönsten  Werke  /.u  zerstören  sdiwArt  Wahr  und  erschütternd 
war  sein  Spiel  im  4.  Aultuge*  wo  Gewissensangst  den  Verbrecher  ergreift, 
und  er  in  Verzweiflung  betend  niederstürzt.  Das  Fnoikfuner  Publikum  gab 
hier  einen  Beu-eis  seines  —  um  das  gclitiJe'^te  /ii  sa^^en  —  Mangels  an  Deli- 
katesse und  Cietüh),  —  es  lachte  wiehernd  aul  bei  einer  Situaziou,  wo  kaltes 
Entsezzen  mich  packte  1  Herr  Unzelmann  fehlte  sich  und  trat  im  Augen- 
blikke  von  der  B&hne  ab,  und  der  Vorhang  musste  fallen.  Es  gereicht  ihm 
indessen  zur  Ehre,  dass  er  in  dem  darauf  folgenden  5.  Akt  sein  Spiel  mit 
aller  Anstren£»ung  vollendete,  iinii  besonders  die  Iczte  S/ene  mir  sctiauJerndcr 
Wahrheit  ausführte.  Und  das  Publikum  —  lachte  beinahe  wieder.  Wenn 
doch  derlei  Geschöpfe,  die  taub  sind  Ar  die  Vergnügungen  d»  Geistes  und 
der  remen  Sinne,  wenigstens  andern  diese  Quellen  nicht  trüben  wollten  I  Sie 
würden  ja  in  einer  Schenke  oder  Marionettenbude  ihre  Rechnung  besser 
finden  I 

Am.iHn  von  Hdelreich  Madame  Böheim.  —  Madame  Böheim  hat  Em- 
ptindung.  Anstand,  ein  deutliches  Organ,  eine  meistens  richtige  Deklamazion ; 
sie  fasst  den  Geist  ihrer  Rolle,  und  ihr  Feuer  strAmt  ßber  in  die  Seelen  der 
Zuschauer.  Nur  möcht*  ich  sie  bitten,  jede  Grimasse,  jedes  erkünstelte  Auf- 
schwelleti  der  Muskeln  zu  vermeiden  Wenn  alle  des  Herzens  S.iiten  an- 
sprechen, und  die  Fantasie  die  Fluth  der  Emphndung  mächtig  erregt,  dann 
bedarf  es  keiner  Kunst,  um  die  entspredienden  Bewegungen  des  Körpers 
hervorzubringen,  sie  erfolgen  unwillkürlich.  Auf  die  einzelnen  Tb  eile 
des  Spiels  der  Madame  Böheim  kann  ich  midi  fär  jetzt  wegen  Mangel  des 
Raumes  nicht  einlassen. 

Hermann  Herr  Matt.insch.  —  Er  hntte  den  Karnkter  richtig  gefasst, 
nur  sollte  er  die  Übergänge  von  einer  Leidenschaft  zur  andern  mehr  in  ein- 
ander zu  verschmelaen  suchen.  Die  Freude,  die  auf  Unw^  und  Zorn  folgt, 
ist  nicht  ganz  rein;  sie  stratet  durch  die  Mienen,  wie  die  Sonne  durch  ein 
leichtes  Herbstgewölk.   Dies  lisst  sich  durchgängig  anwenden. 

Die  ührifjen  Herren  werden  mirs  Dank  wissen,  wenn  ich  über  sie 
und  ihr  Spiel  für  izt  nichts  weiteres  sage.  Nur  noch  einige  allgemeine 
Bemirkui^^  erlaube  man  mir. 

Das  Stikk  wurde  in  alldeutscher  Tradit  gegeben.  Ich  hätte  es  lieber 
in  modemer  Kleidung  gesehen,  da  doch  einmal  das  Kostüm  nicht  durchaus 

beobachtet  werden  konnte.  Es  war  ein  pnssirlicher  Anblik,  da  einen  Räuber 
in  der  Tracht  unserer  Väter,  dort  einen  in  der  Uniform  der  ehrsamen  Frank- 
furter Stadtmiliz,  dort  wieder  einen  mit  einem  römischen  Heim,  da  andere 
mit  Hüten  zu  sehen.  So  etwas  erregt  Lachen  und  stört  die  Täuschung. 

Die  meisten  Schauspieler  hatten  ihre  Rollen  schlecht  roemonrt.  Dies 
ist  ein  unverzeihlicher  l'ehkt,  und  zeigt  von  Seiten  des  Schauspielers  Mangel 
an  Achtung  gcpen'd.is  Publikum  und  riteicli<^'riltit;keit  für  den  eignen  Ruhm. 
Auch  lässt  es  gar  erbaulich,  wenn  mitten  in  der  rührenden  Situazion  der 
Blik  des  Schauspielers  sich  seliusuclubvoll  nach  dem  Dreifuss  des  Soutleurs 
kehrt,  um  durch  einen  Spruch  dieses  unterirrdischen  Orakels  Ober  das  Fol« 
gende  bdchrt  /u  werden.  Doch  ist  dieser  I-ehler,  so  unverzeihlich  er  auch 
sdn  mag,  noch  immer  weniger  auffallend,  als  ein  anderer  damit  verwandter, 

17* 


26o 


wenn  man  nämlich  die  Worte  des  Dichters  verliert,  und  so  in  Gefahr  geräth. 
Unsinn  tu  sapen.  So  7  R.  hörte  ich  von  Hrn.  Röheim  :  Kein  deutscher 
Adlerschlag  (Aderschlag^  mehr  in  Barbarossas  Enkeln!  Von  dem- 
selben —  Nun  reisse  die  Hölle  an  mir,  der  Himmel  an  ihr,  die 
Liebe  über  den  Eiden.  (Beiden).  Es  ist  wahr,  das  Eiden  steht  im 
Origin.il.  aber  sollte  der  Schauspieler  nicht  sn  viel  Einsicht  oiter  Mulh  haben, 
die  Druklehier  seines  Oichtcrs  ?u  vcr'Hsscrn  ^  Die  Herren  h.ibcn  tloch  Muth 
genug,  oft  die  schönsten  Stellen  aus  dem  Zusammenhange  wegzustreichen. 
Herr  Graubner  sagte:  —  Wenn  der  Geschichtsschreiber  nicht  die 
Lükke  in  Jupiters  Sukzessionsletter  scheute!  Wie  um  des  ge- 
sunden Mciischciivcr<;t.indc'^  willen,  kömmt  Jupiter  hierher'^  Lh  ^e'-chwciei- 
den  übrigen  L  nsinn.  der  von  den  meisten  Sch:n!<;pielcrn  iK-rvnri^ch-Ächi 
wurde.  Einige,  Herr  Unzelmanii  vornämlich,  hatten  verschiedene  Steilen  ia 
ihren  Rollen  gestrichen,  und  darunter  solche,  deren  Einwirltung  in  das  Game 
sichtbar  genug  ist.  Hätten  sie  dafür  doch  den  Marschall  von  Sachsen  ausge- 
mustert, den  Schiller,  possierlich  genug,  in  das  15.  Jahrhundert  bringt.  Aber 
dafür  entschädigte  uns  auch  Herr  Vio,  der  einige  —  Hol  ni  i  c  h  J  er  Te  u  fei ! 
—  seiner  Rolle  zusezie,  vermutlich  —  um  seine  ßravour  als  Hauber  zu 
zeigen  ti 

Ich  hätte  noch  manches  auf  dem  Herzen ;  doch  werde  ich  midi  dessen 
bd  anderen  Anlässen  erl^htem. 

Wenn  :iuch  Schreiber  in  dieser  Kritik  mit  den  damaligen  Sch.ui- 
spielern  der  hiesigen  Bühne  streng  iiib  Gericht  geht  und  über  die 
augenscheinlichen  Fehler  der  Regie  und  die  Verständni.slü.sigkcit  des 
Publikums  die  scharte  Geisel  der  Satire  schwingt,  so  ist  diese  Be- 
sprechung dennoch  ein  merkwürdiges  und  zugleich  ehrenvolles 
Düküinent  für  die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters.  Was  die 
Scliauspieler  aus  Mangel  an  Talent  oder  Verständnis  fehl  griffen  oder 
versäumten,  was  die  Zuschauer  sündigten,  hat  der  Kritiker  wenigstens 
in  einer  so  ernsten  und  eingehenden  Weise  gerügt,  wie  es  der  Be- 
dcLUung  von  .ScliiUers  ürstlingswcrk  entspricht.  Schreibers  kritische 
Abhandlung  enthält  Winke,  Uie  das  Publikum  sowie  die  d.u  >telieii(icn 
Künstler  auch  heute  noch  beaclitcn  '.önnen,  und  liefert  einen  neuen 
Beleg  für  den  gewaltigen  luniluh.s  ur,J  die  starken  Impulse,  welclie 
die  Schauspielkunst  in  jener  Hpoche  von  bk:lii!lers  Jul;c:k:v, crken 
empfing.  Karl  und  Franz  Moor,  i  icsko  und  i  ci  Juiaud  lu  Kabale 
und  Liebe  stellten  andere  Anforderungen  an  die  darstellenden  Künstler 
als  die  meisten  Helden  der  damals  beliebten  Schau-  und  Trauerspiele. 
Ein  Funke  von  dem  Feuer,  das  in  Schillers  übersprudelndem  Geiste 
loderte,  musste  auch  im  Darsteller  glühen,  wenn  er  diese  Gestalten 
einer  kühnen  und  doch  auf  festem  Boden  bleibenden  Phantasie  mit 
dem  Hauche  des  Lebens  erfüllen  wollte. 

Was  Schreiber  über  die  Räuber  selbst  sagt,  ist  gew  iss  zuiretlend 
und  zeugt  für  dessen  tiefes  ästhetisches  Kunstverständnis.   Er  begritf 


den  Geist  der  Schillerschen  Jugenddichtung,  fasste  das  Trauerspiel, 
ohne  dessen  menschliche  Seite  zu  leugnen,  in  seiner  Totalität  auf  und 
wies  auf  den  von  den  Zeitgenossen  oft  nicht  erkannten  sittlichen 
Endzweck  desselben  hin.  Ausdrücklich  betont  Schreiber,  dass  der 
junge  Dichter  nicht  das  böse  Prinzip,  nicht  die  rohe  Willkür  der 
Gewalt  siegen  lässt,  sondern  in  ihrem  tragischen  Untergang  aufs 
neue  die  Herrschaft  der  sittlichen  Weltordnung  besiegelt.  Wenn 
irgend  ein  Rezensent  der  damaligen  Zeit,  so  hat  Schreiber  den  jungen 
Schiller  als  ächten  Dichter  aufgefasst,  der  trotz  aller  Liebe  und  Be- 
geisterung für  die  Gestalten  seiner  Phantasie  die  gewählten  Motive 
frei  beherrscht  und  sich  nicht  zu  einem  Vergehen  gegen  die  tragischen 
Grundgesetze  hinreissen  lässt.  Gar  manche  Besprccluinj^cn  späterer 
Auifährungen  der  Räuber  in  Frankfurt  beweisen,  dass  viele  Kritiker 
diesem  gewaltigen  Stück  ^c^'ciiöber  ganz  im  Stoffliclicn  befangen 
blieben  und  nur  den  wilden  Trotz  gegen  das  Bestehende,  den  unge- 
zügelten Freiheitsdrang  und  den  Geist  der  Zerstörung  aus  demselben 
herausfühlten.  Um  so  mehr  befriedigt  es  uns,  hier  feststellen  zu 
können,  dass  der  erste  Frankfurter  Kritiker  der  Räuber  Schillers 
Absichten  klar  durchschaute  und  die  tragische  Lösung  des  Stückes, 
Jen  Ausgleich  von  Schuld  und  Sühne  in  demselben  sicher  herausfand. 

Obgleich  wir  heute  in  einer  ganz  anderen  Zeit  leben  als  wie 
vor  mehr  als  hundert  Jahren,  so  zünden  die  Räuber  doch  noch  immer 
bei  den  Zuschauem,  wenn  irgend  die  Darstellung  von  einem  Funken 
Schillerschen  Geistes  durchglüht  wird!  Ob  deshalb  in  unserer 
fortgeschrittenen  Zeit  die  Absichten  des  Dichters  immer  tief  erfasse 
und  über  dem  hinreissenden  Schwung  der  Dichtung  nicht  gar  zu  oft 
vergessen  oder  auch  heute  noch  mi ssverstanden  werden  —  das 
steht  dahin.  Da  aber  Schiller  begreifen  für  uns  Deutsche  so  viel 
als  innerlich  fortschreiten  heisst,  so  möchten  wir  ;in  dieser  Stelle 
aui  die  bedeutende  und  nach  jeder  Richtung  hin  erschöpfende  ästhetisch- 
kritische  Berrachtnnq  der  Räuber  \on  Richard  Weltrich  in  seinein 
Werke  »I  riedrich  ScHHIcr,  Geschichte  seines  Lebens  und  Charak- 
teristik seiner  Werke«  aulmerksani  machen.  — 

Von  detn  verdienstvollen,  in  der  Gegenwart  lebenden  l^io^iMplien 
Schillers  kehren  wir  zu  seinem  sachkundigen  zeitgenossischen  Be- 
urtheiler  zurück.  Schreiber  verfasste  in  demselben  Jahre  noch  eine 
Kritik  über  die  Räuber,  die  sich  an  die  Vorstellung  am  i8.  Oktober 
1783  anschliesst.'    Ifäand  war  damals  als  Gast  in  Frankfurt  und 


'  Dramaturgische  Hljttcr.   Sechstes  Stuck  des  zweiten  QMartais,  b.  Nov.  ijö^i. 


~  262  — 


spielte  den  Fran:  ;  ir  vollen  Befriedigung  des  strengen  Kritikers. 
Während  Schreiber  die  anderen  Darsteller,  die  in  der  vorigen  Kritik 
so  scharf  getadelt  wurden,  gar  nicht  erwähnt,  giebt  er  eine  ausfuhr* 
liehe  Schilderung  von  Ifflands  unübertrefflichem  Spiel.  »Wer  da  weis, 
welche  Biegsamkeit  des  Geistes,  welche  Kenntnis  des  Menschen  und 
des  Ganges  der  Leidenschaft  dazu  gehört«,  betont  Schreiber,  »einen 
solchen  Karukter  gcrrc  i  auszuführen,  seine  Gesinnungen  und  Hand- 
lungen durch  die  Darstellung  zu  motiviren,  wo  es  der  Dichter  nicht 
hinreichend  gethan  hat,  der  —  und  nur  der  allein  —  kann  Ifflands 
Spiel  gehörig  würdigen.  Ich  will  es  versuchen,  von  einigen  Szenen 
wenigstens  eine  kleine  Skizze  zu  entwerfen,  die  freilich  Ifflands  leben- 
dige l).irstellung  so  wenig  ganz  wiedergeben  wird,  als  der  kalte  todlc 
Buchstabe  die  Schöpfungen  eines  Rafaels  oder  Titians  nachzubilden 
vermag.«  — 

Nun  schildert  Schreiber  genau  und  höchst  anschaulich  das  Spie! 
Ifflands  in  den  bedeutendsten  Scencn  und  schliesst  dann  seine  Abhand- 
lung mit  den  bemerkenswerthen  Worten:  »Wer  über  die  Moralitäi 
eines  Karakters  wie  Franz  Moor  deraisonnirt,  der  sollte  nur  Ifflands 
Spiel  sehen,  und  er  würde  sich  mit  Schiller  bald  aussöhnen  und 
begreifen  lernen,  dass  unmoralische  Karaktere  mehr  zurückschrekken 
vor  dem  Laster,  als  Ideale  der  Tugend;  so  wie  wir  an  Krankenbetten 
eher  den  Werth  der  Gesundheit  schäzzen  lernen  als  unter  Gesunden.« 

Auch  dieser  Ausspruch  beweist  wieder,  dass  Schreiber  in  der 
Beurtheilung  der  R;hihcr  von  ganz  richtigen  Gesichtspunkten  ausging 
und  stets  den  Kernpunkt  der  Gestalten  ins  Auge  f.isst.  Es  liisst  sich 
nicht  leugnen,  dass  I-ninz,  eine  so  wirksame  Bühncntigur  und  vor- 
zügliche Rolle  liir  den  Schauspieler  er  auch  ist,  einige  unwahrschein- 
liche und  unmotivirte  Züge  aufweist.  Aber,  wie  Schreiber  mit 
anderen  Worten  richtig  bemerkt,  wo  die  Linie  in  der  vom  DiJncr 
vorgezeichneten  Gestalt  aussetzt,  muss  der  Darsteiler  nachhelfen  und 
das  Unbegreifliche  in  der  Dichtung  durch  natürliches  Spiel  in  die 
reale  Möghchkeit  zu  versetzen  suchen. 

Wie  Schreiber  dachten  wenige  zeitgenössische  Recensenten  über 
Franz  Moor.  Die  Frage,  ob  ein  Ungeheuer  wie  diese  Gestalt  über- 
haupt möglich  sei,  besch.ittigte  viele  Kritiker.  Schon  Timme  in  der 
bekannten  Hrturter  Recension  '  h.ält  ein  solch  g.inzliches  Ungeheuer  für 
unnienschhch  und  unnatürlich;  Schiller  selbst  scheint  einige  Bedenken 
gegenüber  Franz  nicht  haben  unterdrücken  können,  andere  Kritiker 


*  Braun  1,  1—7. 


hielten  ungeachtet  aller  Bewunderung  für  Schillers  Talent  ein  solch 
verruchtes  Geschöpf  für  unmöglich.'  Ohne  bclireiher  diesen  Recen- 
senten  »gegenüber  ungebührlich  herauszustreichen,  darf  hier  gesagt 
werden,  dass  er  die  poetische  Berechtigung  einer  derartigen  Figur 
am  wenigsten  in  Zweifel  stellte.  Wir  werden  Schreibers  gelegentlich 
der  ersten  Autführungen  von  Fiesko  und  Kabale  und  Liebe  in  Frank- 
furt noch  gedenken  müssen  und  bemerken  hier  nur  noch,  dnss  das 
kritische  Vermögen  starker  bei  ihm  gewesen  zu  sein  scheint  als  seine 
poetische  Ader.  Schauspieler  und  Andere,  die  sich  durch  seine 
strengen  Urthcile  gekränkt  fühlten,  sagten  ihm  nach,  dass  er  unter 
anderer  Spreu  auch  schlechte  Theaterstücke  verf;^sse,  statt  dessen 
stellte  ihn  aber  ein  zeitgenössischer  Schriftsteller  neben  Lessiog, 
Schink  und  andere  Dramaturgen." 

Beinahe  hundert  und  acht  Jahre  sind  es  schon  her,  seit  die 
Räuber  zum  ersten  Male  in  Frankfurt  aufgeführt  wurden,  trotzdem 
haben  sie  immer  wieder  ihre  ungeschwächte  Zugkraft  auf  das  hiesige 
Publikum  ausgeübt.    Zur  Zeit  ihres  Erscheinens  wurden  sie  begrüsst 
wie  der  Bote  einer  neuen  Zeit,  in  den  Tagen  der  Revolution  hat  man 
auch  hier  dem  freiheitsdurstigen  Rauber  Moor  zugejubelt  wie  einem 
geistigen  Bundesbruder  und  in  den  Zeiten  des  nationalen  Freiheits- 
kampfes waren  sie  mit  anderen  unsterblichen  Werken  der  Dichtkunst 
der  Jungbrunnen,  aus  dem  der  Genius  unseres  Volkes  neue  Kraft 
trank,  als  die  Wetter  des  Schicksals  über  uns  hereinbrachen  und 
unseren  Muth  zu  vernichten  drohten.    Und  auch  bei  allen  nachfol- 
genden geschichtlichen  Umwälzungen  und  Kulturepochen  haben  wie 
allerorts  Schillers  Räuber  auch  in  Goethes  Vaterstadt  als  geistiger 
Faktor  auf  die  Massen  wirken  helfen  und  diese  zu  neuer  Thatkraft  ent- 
zündet.   Wenn  es  das  untrügliche  Zeichen  eines  ächten  Dichterwerkes 
ist,   dass  es  die  Stimmungen  seiner  Zeit  wiederspiegelt,  aber  doch 
von  allen  Zeiten  verstanden  und  als  eine  Offenbarung  ewiger  W  ahi  - 
heiten  betrachtet  wird,  so  trifft  das  bei  Schillers  Räubern  gewiss  zu. 
In  unsterblicher  Jugendirische  leben  sie  fort  und  begeistern  den  Leser 
und  Hörer  unserer  Zeit,  wie  sie  vor  hundert  Jahren  unsere  Voreltern 
eniflainnu  haoen.    Wenn  man  feststellen  wonic,  wie  olt  die  ll.uiber 
in  einem  Zeitraum  von  über  hundert  Jahren  hier  in  Frankfurt  zur 
Darstellung  gekummcn  MUii,  es  v\  iirde  sicher  eine  ubui  raschend  grosse 
Anzahl   von  Vorstellungen  zu   verzeichnen  sein.    W^ie  sehr  man 


*  Braun  I,  1-7.  Kritiken  äber  die  Riuber  aus  den  Jahren  1781,  82  und  8). 

*  J,  Peth,  Geschiclite  des  Theaters  und  der  Musik  au  Mainz.  S.  79. 


—  264 


Schiller  in  der  alten  Reichsstadt  liebte  und  verehrte,  welchen  Einfluss 
besonders  seine  dramatischen  Werke  auf  die  geistige  Entwicklung 
unserer  Stadt  ausgeübt  hatten^  das  bewies  wohl  am  deutlichsten  die 
grossartige  Huldigung,  welche  Frankfuns  Bürger  am  hundenjährigen 
Geburtstage  Schillers  den  Manen  des  grossen  Dichters  darbrachten. 

Zum  Schlüsse  bringen  wir  noch  als  Beilage  III  verschiedene 
Besetzungen  der  Räuber  in  den  ersten  Jahrzehnten  nach  deren 
Erscheinen  und  den  Zettel  zur  hundertjährigen  Gedenkfeier  des 
Trauerspiels  auf  der  Frankfurter  Bühne.  Dieser  Vorstellung  am 
20.  November  1882,  der  wir  beiwohnten,  soll  hier  noch  kurz  Er- 
wähnung geschehen.  Sie  war  in  der  That,  der  Bedeutung  des  Tages 
entsprechend,  so  gewissenhaft  einstudirt  und  grossartig  in  Scene 
gesetzt,  dass  wir  hier  mit  warmer  Anerkennung  dieses  Abends 
gedenken  müssen.  Der  Geist  des  unsterblichen  Dichters  durchglühte 
die  darstellenden  Künstler,  sie  spielten  in  gehobener  Stimmung  und 
boten  ein  einheitliches  und  erschütterndes  Gemälde  menschlicher 
Leidenschaften.  Die  Brüder  Karl  und  Franz  Moor  wurden  von  den 
Herren  Salomon  und  Hermann  ganz  vorzüglich  dargestellt.  Der 
Erstere,  ein  Künstler  voll  Temperament  und  Leidenschaft,  schuf  eine 
ergreifende  Gestalt  aus  dem  Käuber  Moor  und  brachte  mit  seioem 
herrlichen  Organ  den  Schwung  der  Schillerschen  Sprache  vollkommen 
zur  Geltung,  während  Herr  Hermann  in  der  grandiosen  Zeichnung 
des  Bösewichtes  Franz  bald  das  satanische  Raffinement  dieses  Cha- 
rakters, bald  die  schwindelnde  N'erruchtheit  desselben  mehr  hervor- 
treten Hess.  Wer  über  IfBands  und  Unzelmanns  Darstellungskunst 
Berichte  gelesen  hatte,  der  wurde  bei  Hermanns  ergreifendem  Spiel 
unwillkürUch  an  diese  beiden  grossen  Künstler  erinnert.  Den  Herren 
Salomon  und  Hermann  stand  Fräulein  Gündel  als  Amalie  von  Edel- 
reich  würdig  zur  Seite.  Die  Künstlerin  gab  diesem  unwnhr«;cheir!- 
lichen  Frauencharakter  einen  lebensvollen  Anstrich  und  verlieh  der 
misslungenen  Figur  Amalias  den  Reiz  edler  Weiblichkeit.  Auch  die 
Rollen  der  Räuber  und  des  alten  Moor  (Herr  Weber)  waren  gut 
besetzt.  Besonders  anerkennenswcrthe  Leistungen  boten  noch  Herr 
Hofmann  und  Herr  Schneider  als  Kosinsky  und  Hermann,  Beide 
Künstler  wirkten  hauptsächlich  durch  die  warme  Auffassung  ihrer 
Rollen  und  die  frische  unmittelbare  Kraft  ihrer  Darstellungsweise. 
Den  Pater  und  den  alten  Diener  Daniel  gaben  zwei  jetzt  Verstorbene- 
Mitglieder  der  Frankfurter  Bühne,  Herr  Werkenthin  und  Hcn  Collin. 
Der  Erstere,  ein  sehr  bedeutender  Charakterdarsteller  auf  dem  Gebiete 
der  Komik,  gab  den  Pater  trefflich,  der  Letztere  machte  besonders 
durch  seine  äussere»  der  Figur  des  alten  Daniel  entsprechende 


hrscticmung  einen  rührenden  Hiiulriick.  Was  die  Kostüme  der  D.ir- 
stellcr  betrifft,  so  waren  dieselben  mehr  nialcrisch  als  liistoriscli  treu. 
Freilich  merkte  man  sofort,  dass  nicht  die  Zeit  des  ewigen  Land- 
friedens, sondern  die  Mitte  des  \  ürii;en  Jahrhunderts  angenommen  war. 

Die  Erinnerurii^steier  begann  mit  einem  Prologs  der  auf  die 
Bedeutung  des  Tages  hinwies  und  von  Herrn  Kcgisseur  Pettera 
gesprochen  wurde.  Inmitten  der  Bühne  in  einem  Kreis  \on  Lorbeer- 
bäumen und  Palmen  b,tand  Schillers  Büste  nach  Dannecker.  Dieselbe 
wurde,  wahrend  Herr  Pettera  folgeode  Verse  sprach,  von  ihm  mit 
dem  Lorbeerkränze  geschmückt. 

»Das  ist  ja  grad  die  Eigenart  des  Grossen, 

Dass  es  der  Zeiten  Schranken  überwindet 

Und  mit  der  Wunderkratt,  die  in  ihm  lebt, 

Stets  neu  den  Weg  zu  allen  Merxen  lindet !  —  —  — 

So  leg  ich  denn  d.n  Km/,  auf  Deine  Stirne, 

Die  bittres  Leiden  oUnials  trüb  umwölkt, 

Doch  die  wie  in  dem  Morgcnglanz  die  Pirne, 

Wenn's  rings  noch  dunkel,  selbst  in  Hrdenqualen 

in  himmlischer  Bcgeistrung  konnte  strahlen! 

Das  hiesige  Theater  hatte  sein  Möglichstes  gethan,  um  die 
EfinneruDgsfeier  würdig  zu  gestalten,  aber  unser  Frankfuner  Publikum 
brachte  derselben  wenig  Interesse  entgegen.  Das  grosse  Opernhaus 
war  ziemlich  leer,  was  einen  um  so  traurigeren  Eindruck  machte, 
als  der  glänzende  Raum  im  hellsten  Lichterglanze  strahlte.  Freilich 
die  kleine  Gemeinde  der  Erschienenen  folgte  der  Vorstellung  in 
gehobener  Stimmung  und  belohnte  die  Künstler  durch  reichlichen 
Beifall. 

Es  hat  eine  Zeit  gegeben,  und  der  Anfang  der  achtziger  Jahre 
i^Ut  noch  in  dieselbe,  in  der  die  Theilnahme  für  Schiller  nach  der 
grossartigen  Gedenkfeier  bei  der  Wiederkehr  seines  hundertjährigen 
Geburtstages  durch  den  m.ächtigen  Aufschwung,  den  die  Goethe* 
forschung  erlebte,  weit  in  den  Hintergrund  gedrängt  worden  ist. 
Welch  einen  tiefen  Einfluss  derartige  geistige  Strömungen,  die  man 
doch  eigentlich  nur  in  den  höheren  Luftschichten  der  Gelehrtenwclt 
spüren  sollte,  auf  die  breiten  Massen  des  Volkes  ausüben,  dafür 
können  die  Theater  einen  schlagenden  Beweis  liefern.  Die  Bühne 
ist  nicht  nur  der  Spiegel  unseres  Lebens  und  unserer  Zeit,  sie  ist 
auch  ein  Barometer  für  die  Werthschätzung,  die  man  in  verschiedenen 
Epochen  den  Heroen  unserer  Dichtkunst  entgegenbringt.   Erst  seit- 
dem in  die  Schillerforschung  neues  Leben  kam,  hauptsächlich  seit 


-    2^6  - 


dem  ürschcinen  eiriij^er  Schillerbiographien  wie  die  Weltrichs, 
Minors  und  Brahnis,  die  auf  der  Höhe  der  Wissenschaft  stehen  und 
daneben  den  grossen  Vorzug  reiner  verständlicher  Darstellung  be- 
sitzen, ist  die  nationale  Begeisterung  für  den  Dramatiker  Schiller 
wieder  lebendig  und  stark  geworden.  Immer  hat  das  deutsche  Volk 
gerade  zu  diesem  Dichter  begeistert  aufgeblickt,  aber  wenn  man 
sieht  und  hört,  dass  Schillers  Werke  überall  wieder  mit  wärmerem  [ 
Interesse  aufgeführt  werden,  so  muss  man  sagen,  dass  ihn  das  deutsche 
Volk  in  unseren  Tagen  wieder  besonders  lief  ins  Herz  geschlossen  ! 
hat.  Und  das  ist  gewiss  ein  merkwürdiges  Zeichen  in  einer  Zeit,  die 
realistisch  wie  eine  ist,  sich  aber  dennoch  gerne  an  der  ide:t!en 
Geisteshüheit  erquickt,  die  jedem  Deutschen,  wenn  er  sich  irgend 
noch  für  Grosses  und  Schönes  zu  begeistern  vermag,  aus  Schillers 
Werken  entgegensirahlt. 


Um  einen  Ucberbück  über  das  theatralische  Leben  in  Hrankfun 
zur  Zeit,  als  die  Räuber  zum  erstenniale  hier  aufgeführt  wurden,  zn 
gewähren,  müssen  wir  in  unserem  Berichte  um  mehrere  Jahre  zurück- 
gehen. Als  das  neue  Komödienhaus  am  3.  September  1782  erütfnet 
worden  war,  sorgte  Crossmann,  der  Direktor  der  Kur-Kölnischen 
Gesellschaft,  auf  jede  mögliche  Weise  dafür,  dass  die  vcrsciiiedenen 
Bedürfnisse  des  Publikums  nach  allen  Kichtungen  hin  befriedigt 
wurden.  Wie  sein  Repertoire  vom  3.  September  bis  26.  Oktober 
1782  beweist  (Beilage  IV),  schloss  er  sich  zwar  der  herrschenden 
Mode  und  dem  tonangebenden  bürgerlich- prosaischen  Gesclinuck 
an,  aber  seine  Vorstellungen  scheinen  damals  doch  so  abgerundet 
und  trefflich  gewesen  zu  sein,  dass  sie  seihst  den  strengsten  An- 
forderungen genügten.  Grossmann  besass  aber  auch  zu  jener  Zeit 
ein  gut  geschultes  und  höchst  strebsames  Personal.  \'on  demselben 
seien  hier  crwälini  Mad.Bekenkam,  Mads.  Schroot  und  Mads.  Bösenberg, 
drei  sehr  begabte  Sängerinnen,  Mad.  Fiala,  die  bereits  früher  gen.inntc 
tragische  Liebhaberin  im  Trauer-  und  Lustspiel,  Mads.  l  'littner,  Gross- 
manns geniale  Stiettochtcr,  die  sowohl  als  Sängerin  wie  Schauspielerin 
in  jugendlichen  Rollen  mitwirkte,  die  heitere  Naive,  Mad.  Xuth  Jic 
altere,  ferner  Mad.  Xeefe  und  Mad.  Kummerfeld,  deren  beiderseitige 
Autgabe  es  war,  Anstandsdamen,  allere  Heroinen  und  Mutier  im 
Trauer-,  Lust-  und  Singspiel  darzu^iCilen.  Ausser  diesen  Künstlerinnen 
gehörten  noch  die  reizende  Mad.  Huber,  die  junge  Bauerntnadchen 
und  sanfte  Weiber  höchst  anmutbig  spielte,  die  erste  Heroine  Mad. 


! 


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—   267  — 


Stegmann  und  ihre  Partoerin,  Mademoiselle  Wollmar,  zum  weiblichen 
Persona]  der  Gesellschaft.  Im  Laufe  des  Jahres  178)  kam  noch  die 
kaam  dem  Kindesalter  entwachsene,  aber  talentvolle  Mad.  Josephi 
hinzu,  die  jugendlich  tragische  Rollen  spielte  und  mit  ihren  Eltern, 
die  früher  in  Düsseldorf  eine  eigne  Truppe  geleitet  hatten,  gleich» 
zeitig  von  Grossmann  engagirt  wurde.  Ebenso  bedeutend  wie  die 
ersten  Darstellerinnen  waren  eine  Anzahl  Künstler  der  Kur- 
Kölnischen  Gesellschaft.  Schmidt  war  ein  feuriger,  hochbegabter 
Heldenliebhaber  für  das  Trauer-  und  Lustspiel,  Stegmann  hatte  eine 
ausgezeichnete  Bariton-Stimme  und  gab  KarrikaturroUen  im  Trauer- 
und Lustspiel  unübertrefflich.  Der  Direktor  selbst  war  ein  guter 
Charakterdarsteller  und  fand  besonders  als  Marinelli  in  »Hmilia  Galotti« 
und  in  launigen  Juden-  und  Kavalierrollen  viel  Beifall.  Beck  und 
Bdsenberg  gaben  komische  Bediente  und  Bösewichier,  Dengd  stellte 
Bauern,  Militairs  und  Väter  dar,  Diezel  spielte  alte  Stutzer  und 
Pedanten  naturgetreu  und  höchst  ergötzlich.  Es  sind  noch  der 
schöne  jugendliche  Liebhaber  Steiger,  die  Sänger  Widemann,  Pfeifer 
und  Pleissner  und  Herr  Nuth  der  ältere  zu  erwähnen,  welcher  letztere 
Könige,  Feldherrn  und  zärtliche  Väter  würdevoll  spielte,  während 
sein  jüngerer  Bruder  in  komischen  Bedientenrollen  immer  die  Lacher 
auf  seiner  Seite  hatte.  Im  Laufe  des  Jahres  1783  kamen  noch  einige 
schätzenswerthe  Kräfte  zu  der  Kur-Kölnischen  Gesellschaft.  Der 
Sänger  Brandt,  der  junge  Schauspieler  Döbbelin,  Sohn  des  berühmten 
Theaterdirektors  in  Berlin,  ein  Herr  von  Gerstenberg  und  der  Frank- 
furter August  Wilhelm  Seyfhed,  dessen  wir  später  noch  ausführlicher 
gedenken  werden.  Ausser  den  Vertretern  der  ersten  Rollenfächer 
wirkten  noch  eine  Anzahl  weniger  bekannter  Schauspieler  mit.  Auch 
hatte  die  Gesellschaft  ein  eignes  Ballet,  dessen  geschickter  Letter 
Herr  Nuth  der  jüngere  war.  Das  Orchester  stand  unter  Führung 
des  berühmten  Musikdirektors  Christian  Gottlob  Neefe,  der  ver- 
schiedene Operetten  komponirt  hatte  und  es  trefflich  verstand, 
gelegentliche  Festspiele  durch  eine  passende  Musik  /u  begleiten. 
Neefe  schrieb  auch  die  Musik  zu  dem  festlichen  Epilog,  der  bei 
der  Eröffnung  des  neuen  Komödienhauses  am  ).  September  1782 
nach  dem  Schauspiel  »Hanno,  Fürst  im  Norden«  zur  Feier  des  Tages 
gegeben  wurde,  und  sorgte  für  die  damab  so  sehr  beliebten  Zwischen- 
akts-Musiken. ' 


'  Die  Nachrichten  Aber  das  Grossmlnnuche  Personal  sind  xusammengestellt 

nach  dem  Theater-Kalender  von  178}— 84,  dem  Theater* Journal,  XXI.  und  XXIL 
Stück  1783—84»  und  nach  gldchzeitigen  Theateraetteln. 


I 


Mit  einem  so  gut  geschulten,  theib  aus  hervorragenden  Kräften 
bestehenden  Personal  liess  sich  schon  etwas  ausrichten.  Obwohl  die 
Frankfurter  im  Laute  der  Zeit  in  Bezug  auf  theatralische  Vorstellungen 
sehr  verwöhnt  worden  waren,  verstand  es  doch  Crossmann,  für  die 
neue  Bühne  die  regste  Theilnahnie  zu  erwecken,  lir  Hess  kein  Zug- 
mittel unversucht,  veranlasste  Gastspiele  von  berühmten  Sanftem  und 
Schauspielern  und  ergänzte  seine  Truppe  beständig  durch  neue  ver* 
heissungsvolle  Talente.  Es  gelang  ihm  denn  auch,  wenigstens  in 
den  ersten  Jahren  der  ständigen  Bühne,  durch  seine  Vorstellungen 
eine  derartige  Anziehungskraft  auszuüben,  dass  das  neue  für  die 
damaligen  Verhältnisse  sehr  grosse  Haus  f;ist  immer  gefüllt  war. 
Dies  that  aber  auch  nöthig;  denn  der  Direktor  hatte  dem  Pächter 
Tabor  einen  hohen  Micihzins  zu  zahlen  und  durfte  an  Sonn-  und 
Festtagen,  wenn  sicher  am  meisten  zu  verdienen  gewesen  wäre, 
nicht  spielen/ 

Wie  gross  das  Interesse  des  Publikums  für  die  neue  Böhne 
und  ihre' Leistungen  war,  erfahren  wir  aus  dem  Briefe  einer  berühmten 
Frankfurterin»  die  einen  lebhaften  Sinn  für  das  Theater  hatte  und 
auch  mit  dem  neuen  Direktor  Grossmann  in  freundschaftlichen 
Beziehungen  stand.  Keine  geringere  als  Goethes  Mutter,  die  Frau 
Rath,  schreibt  am  22.  Oktober  1782  an  die  Herzogin  Anna  Amaüa 
in  Weimar:  »Ihro  Durchlaucht  können  so  ungefähr  aus  obigem  er- 
sehen,  dass  Frau  Aja  immer  noch  so  ungefähr  Frau  Aja  ist,  ihren 
guten  Humor  beibehäh  und  alles  thut  um  bei  guter  Laune  zu  bleiben 

—  auch  das  Mittel,  das  weiland  König  Saul  gegen  den  bösen  Geist 
50  probat  fand,  fleissig  gebraucht ;  und  so  hat's  menschlichem  Ansehen 
nach  noch  lange  keine  Noth  mit  der  guten  Frau.  Zumal  da  Herr 
Tabor  (den  Ihro  Durchlaucht  wenigstens  dem  Namen  nach  kennen) 
für  unser  Vergnügen  so  stattlich  gesorgt  hat.  Den  ganzen  Winter 
Schauspiel!  Da  wird  gegeigt,  da  wird  trompetet.  —  Ha!  den  Teufel 
möchte  ich  sehen,  der  Courage  liäitL,  einen  niii  schwarzem  ßlut  zu 
incommodiren.  —  Ein  einziger  Sir  John  Fallstaff  treibt  ihn  zu  Paaren 

—  das  war  ein  Gaudium  niit  dem  dicken  Kerl  —  Christen  und 
Juden,  alles  lachte  sich  die  Galle  vom  Herzen.  Diese  Woche  sehen 
wir  auch  Klavigo  ^  da  gehet  ganz  Frankfurt  hinein;  alle  Logen 


'  Näheres  Cibcr  die  Uebcrl.issun^  des  neuen  Hau5.es  an  Jen  Umenielimer  in 
Dr.  A.  H.  E.  V.  Oven,  Djs  erste  st.idüschc  Theater  in  Frankfurt,  Neujahrsbiatt 
des  Verein»  für  (jcäcliicliic  utiil  Altcriiium&kuude  zu  t'r<inkturt  a.  .M.,  liiyz. 


—  269  — 


sind  schon  bestellt.  ~  Das  ist  vor  eine  Reichsstadt  allemal  ein 
grosser  Spass!«  ' 

Die  Vorstelluni:  des  ungemein  lustii^cn  Stückes  »Sir  John  ball- 
staff«,  über  die  I  ran  Rath  Goethe  an  die  Herzogin  berichtet,  fand 
am    II.   Oktober    1782   statt    (Beilage  »Klnvigo«  hingegen 

wurde  in  dieser  Saison  nicht  mehr  auii^elührt.  Aber  das  Stück 
scheint  m  Vorbereitung  gewesen  und  wegen  irgend  eines  Hindernisses 
nicht  mehr  zur  DarstelUing  gekommen  /.u  sem;  denn  bald  nach  An- 
kunft der  Gesellschaft  in  Bonn  wurde  das  Trauerspiel  im  Kurfürst- 
lichen Theater  am  4.  Dezember  1782  gegeben.  Man  scheint  dieser 
V'or'^telking,  der  zweifelsohne  der  kunstsinnige  Kurfürst  Maximilian 
beiwohnte,  eine  besondere  Bedeutung  beigelegt  zu  haben.  Schrieb  doch 
ein  Professor  Gramer  einen  Prolog  y.u  derselben,  der  von  dem  Haupt- 
mann d'Antoine  in  Musik  gesetzt  und  von  dem  jugendlichen  Helden- 
darsteller Schmidt  gesprochen  wurde.'  Beiläufig  sei  hier  noch  darauf 
autnierksam  gemacht,  dass  am  19.  März  1783  auch  Schillers  Räuber 
von  der  Grossmännischen  Gesellschaft  im  Kurfürstlichen  Iloftheater 
in  Bonn  gegeben  wurden.  Pleissner,  der  einige  Zeit  nach  Düsseldort 
zu  der  Josephischen  Gesellschaft  gegangen  war,  gab  in  dieser  Vor- 
stellung den  l  ranz  Moor.' 

Frau  Rath  Goethe  hatte  gewiss  Recht,  wenn  sie  der  Herzogin 
nach  Weimar  schrieb,  der  Pächter  des  neuen  Komödienhauses,  Hof- 
rath Tabor,  sorge  stattlich  für  das  Vergnügen  der  Frankfurter.  Gleich- 
zeitig mit  dem  Direktor  Böhm,  der  nach  Grossmanns  Abreise  jede 
Woche  von  Mainz  herüberkam  und  mit  seiner  Truppe  eine  Vorstel- 
lung gab,  spielte  im  Januar  und  Februar  1783  noch  eine  italienische 
Operisten-Gesellschaft  unter  Direktion  von  Ferrari  im  neu  erbauten 
Komödienhausc.  Nähere  Nachrichten  über  diese  Truppe,  die  aus 
London  hierherkam,  liessen  sich  nicht  auffinden,  auch  blieben  unsere 
Forschungen  nach  einem  Theaterzettel  derselben  erfolglos.  Nur  das 
hiesige  Repertoire  der  Operisten  lässt  sich  aus  den  Anzeigen  zu  den 
Vorstellungen  aus  dem  «Frank tu rtcr  Staats-Kistretto«  und  anderen 
hiesigen  Blättern  zusammenstellen  und  folgt  unten  als  Beilage  V. 

Die  Operisten,  deren  Autiührungcn  durch  ein  bedeutendes  Ballet, 
hauptsächlich  durch  die  Mitwirkung  der  schönen  ersten  Tänzerin, 


*  R.  Keil.  F  r^u  R.itK,  S.  iä6 1.   Auch  W  ciniars  Album  zur  IV'.  Säcularleicr 
der  BuchdruckerkuDst,  S.  115. 

»  Theater-Journal,  1784,  XXIL  Stück»  S.  6$. 
»  Ebenda.  S.  59. 


7  ..-'.-r  screv  -cr^sÄi  ;i:w  zr,z 


V/i.-.  •  <':c  rr.ir.  ^'c^T  -'e-r:  r-^'t*:  Dr:ntl  d«  Ji^'^-zrirT*  r::^  iT!-?' 

.;.:-A«.  -'vr        i'.r,  itrcn  :.c''!c5  Pat'*::>  Jcr  K„ncr--LiJL:  ii> 
S.;.4 rir,;:c   i-'  \ -e!'-^r.i'cr:   r.:.;'::  rt  Ji-^  c'^.tf  -rirScr^  «  ■"'— 
A'.rfi  rr.ar  :'.»:r     i:',:-'-  V.  „r.icrrr:r.z:r.ii  hi::e  hier  ^t's.irVt,  itr 
f.,^;i!  z'.r  t;v^cT:  C:c  Mcn^jc  er:>^r uri  e:*:  tc  cr^^ 

Ziel  'c,  i:  er  ii^jh  ^j-: -c:  -::l:»;h  Jirürcr  zu  Gr_-ie  ^i' 

tr;::nvrn  r.'.r  i'.  Nt^rcrin  L.r^J  an  Are.  Scv'.cr,  Jeren  rs^iviersc::^:^ 
Ai-if^'j:  *-'  e«.  V.  ar.  r.i.h:  n  ir  in  anJirren  deutschen  St^iter.,  <o~J^r". 
aiicli  m  I  rär.'r  f'-rt  eint  neue  Ep<>che  der  Kunst  an'rahren  rj.  he^:er. 
I'inanzici'cr  Ki.in  'A*r  Uic  i  olüc  davon,  da'^s  sie  sfc'-»  den:  S::orce 
geradezu  cnt^c^icnstclltcn  .  ü  :  ri.  rc>>vr;j  i..-.;:j:'c'>:  LeberreutU"^ 
^c^^cn  den  ticrrscherj^.-  Geschmack  des  gro^  }^ab'.iku:T:s  du'ch- 
Selzen  wollten,  li,c<>.^.d  Alarcf  ,ni.  Ccr  ;n  der.  siebziger  Ja rirer: 
des  ■,  <)r\;'cn  jahrhundcrts  mit  .  :  c:  i  rüppe  hier  spielte,  und  Böhm 
erlebtcii  ic  trt  Zcjicij  ;;i  i  rankfurt.  Beide  pflegten  in  erster  Linie 
das  Singspiel  und  die  (^per  und  gestatteten  dem  höheren  Drama  nur 
insoweit  Raum  in  ihrem  Repertoire,  als  es  sich  mit  der  nöthigen 
liinnahme  in  Einklang  bringen  liess.  Freilich  muss  anerkannt  werden, 
d.iss  besonders  Böhm  die  gute  und  ernste  Richtung  im  Laufe  seines 
Hierseins  immer  mehr  förderte,  den  Lortschriit  der  dranutischen 
Literatur  genau  verfolgte  und  jede  neue  beachienswerthe  Erscheinung 
auf  seine  Bühne  brachte. 


—    271  — 


Als  Grossmann  im  neuen  Komödienhause  zu  spielen  begann, 

wusste  er  bereits  aus  Erfahrung,  dass  kein  Theater,  das  mit  seinen 
Einnahmen,  folglich  auch  mit  dem  Geschmack  des  Publikums  rechnen 
muss,  hartnäckig  einer  höheren  Richtung  folgen  kann,  wenn  ihm 
nicht  in  geschäftlicher  Hinsicht  der  feste  Grund  und  Boden  geraubt 
werden  soll.  Wie  Grossmanns  Repertoire  von  1782  und  auch  aus 
späteren  Jahren  beweist,  berücksichtigte  er  den  tonangebenden  Ge- 
schmack und  liess  fast  keine  Vorstellung  vorübergehen,  ohne  den 
Frankfurtern  einen  musikalischen  Genuss  /u  bieten.  Wenn  es  keine 
Oper  oder  Operette  gab,  dann  machte  doch  immer  ein  kleines  Sing- 
spiel den  Beschluss  und  bei  ernsteren  und  heiteren  Stücken,  die  den 
Abend  ausfüllten,  wurde  fast  immer  in  den  Zwischenakten  mit  einem 
V'iolin-Concert  oder  einer  Arie  »aufgewartet«.  In  Frankfurt  gefielen 
in  jener  Epoche  besonders  Ritterstücke  und  heroische  Singspiele  wie 
»Agnes  Bernauer«  von  Thörring,  »Kaspar  der  Thorringer«  von  dem- 
selben, »Günther  von  Schwarzburg«  von  Klein,  »Otto  von  Wittels- 
bach« von  Ewald,  und  »Hanno,  Fürst  im  Norden«  von  Bock.  Nach 
dem  Vertrage  mit  dem  Pächter  hatten  die  Rnthsdepuiirten  das  Recht, 
eine  Vorstellung  zum  Besten  des  Kastens  und  des  Armen-Hauses  selbst 
aus20wählen.  Hs  ist  bezeichnend  für  die  damalige  Geschmacksrichtung, 
dass  die  erste  im  neuen  Komödienhause  für  die  Armen  gegebene 
Aufführung  »Hanno,  Fürst  im  Norden«  war,'  ein  heute  gänzlich  ver- 
gessenes, halb  kraftgeniales,  halb  süsslich  sentimentales  Stück,  dessen 
Handlung  zu  grossem  Schaugepränge  Gelegenheit  bot.  Auch  im  Jahre 
1783  blieb  Grossmann  der  gewählten  Richtung  treu  (siehe  sein  als 
Beilage  VI  angefügtes  Repertoire),  wenn  auch  darauf  hingewiesen 
werden  mus.s,  dass  er  durch  die  Aufführung  des  Fiesko  von  Schiller 
in  diesem  Jahre  ein  Wagnis  unternahm,  welches  den  Beweis  für  sein 
tieferes  Kunstverständnis  und  seine  Willigkeit  für  die  Förderung 
junger  Talente  liefert. 

Um  dem  chronologischen  Gan<^e  der  Darstellung  von  l'rank- 
furter  Theaterverhältnissen  treu  zu  bleiben,  gehen  wir  erst  im  zweiten 
Theil  auf  die  erste  hiesige  Aufführung  des  Fiesko  näiicr  ein  und  theilen 
hier  mit,  dass  bald  nach  der  Abreise  der  Grossmännischen  Gesell- 
schaft am  10.  Mai  1783  die  Zöglinge  der  »französisch-dramaiisch- 
lyrischen  Schule«  aus  Petersburg  unter  der  Leitung  des  Direktors 
Poscher  mehrere  Vorstellungen  im  Theater  zum  Junghofe  gaben. 
Dass  der  Rath  die  Schauspielkunst  mittlerweile  schätzte,  wie  auch 


'  »Theater-Journal«  1784.   S.  5$. 


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272  - 


der  Keldendarsteller  Schmidt  in  seiner  bei  (billig  aufgenommenen  Ab- 
schiedsrede gesaj^t  hatte,  beweist  die  Thatsache,  dass  er  nach  einem  an 
theatralischen  und  musikahschen  GeniUscii  so  reichen  Winter  auch  noch 
den  kleinen  französischen  Sciiauspielern  die  Spielerlaubnis  gewährte. 
Das  Repertoire  der  jungen  Künstler,  die  in  Frankfurt  ausserordent- 
lichen Beifall  errangen  und  auch  in  Wilhelmsbaü  vor  dem  Erbprinzen 
Friedrich  von  Hessen-Cassel  spielten,  ist  als  Beilage  VII  angeschlossen ; 
ein  Zettel  zu  den  Vorstellungen  der  Kinder  war  nicht  zu  finden. 
Die  Leistungen  der  jugendlichen  Darsteller  müssen  in  der  That  ganz 
erstaunliche  gewesen  sein.  Auch  in  anderen  Städten,  wo  man  doch 
ebenfalls  die  neuesten  Erscheinungen  der  Kunst  zu  sehen  bekam, 
erregten  sie  vorzüglich  durch  ihr  gut  geschultes  Ensemble  die  grösste 
Bewunderung.  Die  jungen  Künstler  waren  aber  nicht  allein  Schau- 
spieler, sie  sangen  und  tanzten  auch  und  entzückten  das  Publikum 
wahrhaft  durch  ihre  reizenden  pantomimischen  Ballette. 

Bei  solchen  ungewöhnlichen  und  anziehenden  Abweeli  seiungen 
auf  dem  Gebiete  der  dramatischen  Kunst  musste  ein  Direktor  immer 
wieder  alle  Erfindungsgabe  aufbieten,  um  ein  verwöhntes  Publikum, 
wie  das  Frankfurter,  durch  seine  Darstellungen  zu  befriedigen.  Der 
bewegliche  und  höchst  strebsame  Grossmann  machte  denn  auch 
immer  grössere  Anstrengungen,  um  den  gesteigenen  Ansprüchen  zu 
genügen  und  die  Sorge  für  die  Belustigung  der  Zuschauer  mit  ernsten 
Kunstbestrebungen  zu  vereinigen. 

Welche  Ansichten  aber  trotz  der  Gründung  des  städtischen  Komö* 
dienhauses  und  der  gehobenen  künstlerischen  Verhältnisse  in  Frankfurt 
über  den  Schauspielerstand  herrschten,  beweist  eine  Bestimmung, 
welche  der  Rath  in  den  Vertrag  mit  Tabor  aufnahm.  »Der  Beständer 
hatte  seinem  Direktor  einzubinden,  dass  er  nur  Fremde,  keine  Hiesige 
als  Schauspieler,  am  wenigsten  Minorenne,  Gymnasiasten,  Gesellen, 
Soldaten  etc.  eng.igire,  nuf  seiner  Leute  Sittlichkeit  sehe,  und  zur 
Warnung  ge^eii  Scliuldenmachen  dem  Zettel  beifüge,  dass  Niemand 
etwas  aut  seinen  X.imen  Lieborut  werde.«  '  Wurde  ohne  Genehmigung 
des  Rathes  diese  Bedinuunt^  überschritten,  so  hatte  derselbe  das  Recht, 
den  Vennig  .iiit/uheben. 

Obwohl  nun  die  N'ater  der  .Stadt  in  obiger  Klausel  deutlich 
genug  .lusgcdrückt  hatten,  dass  sie  keinen  Frankfurter  auf  der  Bühne 
des  neuen  Komödienhauses  sehen  wollten,  führte  dennoch  die  leb- 
lial teste  Kunstbegeisterung  im  Jahre  178)  den  Sohn  einer  hiesigen. 


•  Dr.  A.  H.  i£.  V.  Oven,  Das  erste  stadtische  Theater  in  Frankfurt.  S.  29!. 


—  273  — 


und  hoclungesehenen  Familie  mm  Theater,  Heinrich  Wilhelm  Scy- 
fried,  geb.  28.  Juli  1755  zu  l'rankfurt,  war  der  älteste  Sohn  eines 
hiesigen  A<ivt)katen  und  hatte  ebenialls  Jura  studirt,  ohne  Zweifel, 
um  später  in  seiner  Vaterstadt  eine  ähnliche  Laufbahn  betreten  zu 
können.  Dies  scheint  wenigstens  der  Wille  seiner  l-ltern  gewesen 
zu  sein,  der  aber  niciu  mit  seinen  eignen  Neiiji.r.gcn  im  Einklang 
stand.  Zw.iT  siudirtc  Sevfried  einige  jnhre  in  Göttingen,  allein  er 
betrieb  alles  andere  eher  als  juristische  Studien.  Schon  damals  nniss 
er  wohl  den  Vorsat/,  gehabt  haben,  zur  Bühne  zu  _<;ehen,  jedoch 
dieser  Plan  ist  sicher  .m  dem  Widerstande  seines  Vaters  gesclKircrt. 
Genau  lässt  sich  nicht  feststellen,  wann  Heinrich  Wilhelm  Se\ir;LJ 
wieder  von  Güttingen  nach  Frankfurt  zurückkehrte.  Da  er  aber  1780 
und  81  in  Gemeinschaft  mit  dem  Hofrath  Rühl  die  »Frankfurter 
Beiträge«,  eine  Zeitschrift  zur  Verbreitung  nützUcher  Künste  und 
Wissenschaften  herausgab,  muss  er  wohl  Ende  der  siebziger  Jahre 
des  vorigen  Jahrhunderts  wieder  hierher  gekommen  sein.  Bald 
nach  seiner  Heimkehr  von  der  Universität  gründete  Heinrich  Wilhelm 
Seyfried  ein  Liebhaber 'Theater*  in  Frankfurt,  dessen  Mitglieder 
in  der  Folge  zu  den  besten  hiesigen  Kreisen  gdiörten.  Schon  1777 
hatte  sich  hier  eine  Privatgesellschaft  zusammengethan  und  gar 
nicht  Qbel  »Minna  von  Bamhelm«  von  Lessing  aufgeführt,  aber  sie 
wurde  von  weiteren  dramatischen  Vorstellungen  durch  den  Spott 
abgeschreckt.  Etwas  später  entschlossen  sich  wieder  einige  Damen 
und  Herren,  auch  Komödie  zu  spielen.  Sie  führten  »Herzog  Michel«, 
•Der  sehende  Blinde«,  »Joseph  der  Gute«  und  »Eduard  Montrose« 
auf,  scheinen  aber  keine  besonderen  Leistungen  geboten  zu  haben. 
»Da  f&gte  es«,  wie  Seyfried  berichtet,  »Apoll,  dass  er  mich  zu  Ende 
dieses  letzten  Winters  ( 1781—82}  in  einen  Qrkel  von  Freunden 
führte,  die  auch  den  Gedanken  hatten,  Vorstellungen  zu  geben.  Sie 
ersuchten  mich  nicht  nur,  ihnen  dazu  behilflich  zu  seyn,  sondern 
auch  Rollen  mit  zu  übernehmen.  Dass  mich  ihr  Entschluss  freute,  und 
ich  ihn  nach  meinen  wenigen  Kräften  zu  unterstützen  suchte,  können 
Sie  sich  vorstellen.  Man  schlug  natürlicher  Weise  den  Weg  ein, 
den  die  Vernunft  befiehlt,  nämlich  von  dem  leichten  zum  schweren. 
Von  acht  zu  acht  Tagen  wurden  folgende  Stücke  angeführt: 

»Der  Schneider  und  sein  Sohn«,  L.  in  2  A.  von  Fuss. 
»Die  falsche  Vergiftung«,  Nachsp.  in  i  A. 


'  Die  Mittheilungcii  betreffs  des  i  ranKlurtcr  Liebhaber-Theaters  stuticn  sich 
auf  die  Abband]  u  tilgen  Seyfneds  aber  dasselbe  im  Theater-Kalender  1785  S.  159^167 
und  1784  S.  80—90. 


—   274  — 


»Der  Schatz«  yov.  Lcssin«,'. 

»Die  falsche  Vergiftung«  wiederholt. 

»Medon«  von  Clodius,  L.  in  ^  A. 

»Der  Mann  nach  der  Uhr«,  L.  in  i  A.  v.  Hippel. 

»Die  beyden  Hüihe«,  S.  in  i  A. 

»Der  Bettler«  von  Bock. 

»Die  Juden«,  Lustspiel  in  i  A.  von  Lessing. 

»Der  Schneider  und  sein  Sohn«.    (Auf  Begehren  wiederholt.) 

»Kiivnsolt  und  Sapphira«  von  Martini. 

»Sechs  Freyer  und  eine  l^raut«,  L.  in  i  A.  von  Herrn  Hotraih 

Hofmann  dazu  verfertigt. 
»Der  Schatz«,  von  Lessing,  auf  Begehren  wiederholt. 
»Das  Wintcrtjuanicr  in  Amerika«.   L.  in  i  A.  von  Bader.a 

Alle  diese  StOcke  gab  man  im  Verlauf  von  drei  Monaten  wäh- 
rend des  Sommers  1782  im  Frankfuner  Liebbaber*Theater.  Seyfned 
rQhmt  die  Bereitwilligkeit  der  Mitwirkenden,  die  lieber  eine  Rolle  zur 
Hand  nehmen  als  anderen  Sommerergötzlichkeiten  nachhängen,  and 
bemerkt,  dass  man  dem  Herrn  R.  das  Direktorium  übenragen  habe» 
der  nicht  nur  ein  Mann  von  einem  guten  moralischen  Qiarakter, 
sondern  auch  ein  einsichtsvoller  Kenner  sei.  R.  ist  wohl  kein  andrer 
als  der  frühere  fürstlich  Leiningensche,  damals  Solms-Rödethdmsche 
Hofrath  E.  F.  Rühl,  mit  dem  auch  Seyfned  zusammen  die  »Frank- 
furter Beiträge«  herau^ab.  Von  den  Darstellern  nennt  der  Letztere 
zuerst  nur  den  Herrn  Hofratb  Hofmann,  der  auch  das  Stück  »Sechs 
Freyer  und  eine  Braut«  schrieb,  dessen  Schwester,  die  talentvolle 
Demoiselle  Hofmann,  und  Herrn  Hofmann  den  jüngeren,  Verfasser 
von  »Die  Schenke  auf  dem  Lande«.  Ausser  diesen  werden  noch 
drei  Schauspieler  des  Frankfuner  Liebhaber-Theaters  namhaft  gemacht, 
die  zugleich  Stücke  geschrieben  haben.  Diese  sind  Magister  Goentchen, 
der  »Unschuld  in  Fessehi«  verfertigte,  ein  gewisser  Rohm,  der  Autor 
des  zweiaktigcn  Lustspiels  »Der  gebesserte  Ehemann«  und  ein  Herr 
Klenk,  Verfasser  des  Lustspiels  »Er  und  Sie«. 

In  einem  zweiten  Briefe  über  das  Frankfuner  Liebhaber-Theater 
werden  noch  die  Herren  Hauck,  Schneider,  Burmaim,  Heunisch,  Bär 
und  Kautz  und  eine  Demoiselle  Andler  als  Mitwirkende  genannt  imd 
genau  geschilden,  in  welchen  Rollen  dieselben  ihr  Talent  bethätigten. 
Von  sich  selbst  berichtet  Seyfned:  »Ich  übernahm  die  Fächer  der 
Juden,  der  ersten  feinen  Bösewichter,  launigte  und  sanfte  Alten, 
Dichter-Rollen,  edle  Charakter-Rollen  und  Philosophen.  Wie  ich  sie 
spiele  und  gespielt  habe,  überlasse  ich  anderen,  weil  ich  von  mir 


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-   275  - 


selbst  hier  nichts  zu  bestimmen  getraue,  aber  das  kann  ich  doch 
sagen,  dass  ich  die  RoUen  eines  Marinellis,  eines  Grimaldis  in  den 
»Zwillingen«,  eines  Thorecks  in  »Trau,  schau,  wem?«  eines  Major 
Tellheims,  eines  Fürsten  im  »Edelknaben«,  eines  Juden  Israel  im  »Dia- 
mant«, Mellefont  in  »Sara  Samson«  etc.  mit  Vergnügen  gespielt  habe. 
Dass  ich  keine  mit  der  Delikatesse  eines  Grossmanns,  Schmidt, 
Reinecke  vortrug,  weiss  ich  von  selbst,  auch  kann  man  es  von  mir 
noch  nicht  erwanen,  weil  ich  zwar  ein  bischen  Lektüre,  aber  desto 
weniger  Routine  des  Theaters  besitze«. 

Doch  nicht  nur  eines  der  eifrigsten  darstellenden  Mitglieder  des 
Frankfuner  Liebhaber-Theaters  war  Seyfried,  er  schrieb  auch  folgende 
Stücke  fär  dasselbe,  die  sämmtlich  mit  Beifall  aufgeführt  wurden: 

»Der  Recensent«,  Lustspiel  in  2  Akten. 

»Weibertreue«,  Lustspiel  in  2  Akten. 

»Weiberracbe«,  Lustspiel  in  2  Akten. 

»Die  Frau  hat  die  Hosen  an«,  Lustspiel  in  3  Akten. 

»Nicht  jede  Liebe  ist  blind«,  Lustspiel  in  2  Akten. 

»Der  Kuppelpelz«,  Lustspiel  in  i  Akt. 

»Angeführt«,  Lustspiel  in  i  Akt. 

»Der  lebendige  Todte«,  Schauspiel  in  4  Akten. 

»Die  Sachsenhäuser«,  Lustspiel  in  (?)  Akten. 
(Li  Sachsenhäuscr  MuodarL) 

»Das  junge  Ehepaar«,  Lustspiel  in  (?)  Akten. 
(In  Sachsenhäuser  Mundart.) 

Ausser  den  eben  genannten  verfasste  Seyfried  noch  mehrere 
Dramen  und  Lustspiele,  von  denen  es  aber  nicht  feststeht,  ob  sie  im 
Frankfurter  Liebhaber-Theater  gegeben  worden  sind. 

Die  erwähnten  Stücke  waren  1785  sämmtlich  noch  nicht  ge- 
druckt;' ob  sie  später  erschienen  sind,  liess  sich  nicht  feststellen.  So 
weit  unsere  Kennmis  reicht,  ist  Seyfried  der  erste  hiesige  Schrift- 
steller» der  Frankfurter  Lokalstücke  schrieb  und  auf  den  guten  Ge- 
danken kam,  die  gemüthliche  Sachsenhäuser  Mundart  auf  die  Bühne 
zu  bringen.  Zwar  hatte  der  Schauspieldirektor  Wallerotti  schon 
1741  eine  Harlekinade  »Die  lustige  Spazierfahn  nach  dem  Sausteg« 
zur  Aufführung  gebracht  und  andere  Wanderprinzipale  waren  ihm 
mit  ähnlichen  Burlesken  gefolgt,  allein  alle  diese  Stücke  sind  bereits 
in  anderen  Städten  aufgeführt  und  nur  mit  lojcalen  Anspielungen 


*  Nnchrichten  Ober  die  literarischen  Leistungen  H.  W.  Seyfrieds  im  Theater- 
Kalender  1785  S.  141. 

i8* 


-  27«  - 


versehen  worden.  Bei  Sevtricd  hingegen  stüssen  wir  aut  den  ersten 
Versuch,  den  heimatlichen  Dialekt  und  die  originelle  Art  der 
Sachsenhauscr  auf  das  Theater  zu  bringen.  Schade,  dass  keins  dieser 
Lustspiele  auf  unsere  Zeit  gekommen  ist.  Hin  Vergleich  zwischen 
diesen  und  den  LokalstucKen  der  Gegenwari  durlte  niclu  allein  von 
theatergeschichtlichem  Interesse  sein. 

Das  rrankturter  Liebhaher-Theater  ging  durch  einige  unver- 
muclictc  Zufälle,  besonders  durch  den  Tod  verschiedener  Personen 
im  1 1  Lih]  ihr  1783  wieder  ein.   Aber  es  war  eine  Schule  für  Seyfrieü  ge- 
worden, :i  der  er  sich  aufseineu  eigenthchen  Beruf  vorbereitete.  Wenn 
man  bedenkt,  dass  neben  den  bereits  genannten  Stücken  ein  schwie- 
riges Trauerspiel  wie  »Die  Zwillinge«  von  Klinger,  Lessings  Dramen, 
das  damals  sehr  beliebte  Lustspiel  »Der  Postzug  von  Ayrenhof«  und 
andere  moderne  Stücke  von  diesen  Dilettanten  gegeben  wurden,  so 
darf  man  wohl  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  sehr  talentvolle  und 
für  die  Schauspielkunst  begeistene  Leute  darunter  waren.  Zuerst 
wurden  die  Vorstellungen  »ganz  privanm«  gegeben.  Nur  Kenner 
und  eine  ausgesuchte  Gesellschaft  kam  als  Zuschauer,  jedermann 
wurde  lucht  zugelassen.  Anfangs  war  das  fbr  Frankfurt  wenig  be- 
kannte Unternehmen  eines  Liebhaber -Theaters  die  Quelle  grosser 
Neugierde  und  vieler  Geschwätze.  Aus  diesem  Grunde  gingen  (fie 
Vorstellungen  auch  nur  in  Gegenwart  einsichtsvoller  Männer  vor 
sich.  Als  aber  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  an  Stelle  des  vielbeschäf- 
tigten Herrn  R.  die  Leitung  der  Dilettanten-BUhne  übernommen 
hatte»  wurde  dieselbe  für  die  hiesige  bessere  Gesellschaft  ein  Gegen- 
stand lebhaftesten  Interesses.  Man  drängte  sich  zu  den  Aufführungen, 
die  besser  besetzt  waren,  als  man  es  oft  bei  Scbauspielcrgcsellschafteo 
angetroffen  hat,  oder  suchte  sogar  in  dem  Dilettanten-Verband  Auf- 
nahme zu  finden.  Während  der  Proben  und  Vorstellungen,  die  ao 
jedem  Mittwoch  stattfanden,  überzeugte  sich  Seyiiried,  dass  für  junge 
Männer  und  Frauenzimmer  kein  edleres  Vergnügen  gefunden  werden 
kann  als  die  Schauspielkunst.  »Aber  man  muss  sie  auch  männlich 
und  nicht  kindisch  behandeln.  Den  Satz,  dass  Schauspiele  für  junge 
Leute  so  schädlich  wären,  fand  ich  ganz  unbegründet.  Man  machte 
mit  einigen  Probe  und  sie  arteten  sich,  fanden  Geschmack,  entfernten 
sich  von  allen  Gegenständen^  die  an  Ausschweifung  gränzen,  und 
freuten  sich,  wenn  «man  ihnen  nur  die  kleinste  Rolle  zutheilte.  Viele 
gewöhnten  sich  eine  bessere  Aussprache  an,  lernten  mehr  auf  sich 
Achtung  geben,  schärften  ihr  Gedächtnis  und  wussten  sich  besser  m 
etwas  hinein  zu  denken.  Dadurch  verlor  sich  das  papageienmässige, 
das  noch  so  vielen  Schauspielern  anhängt.  Auch  der  Satz,  dass  junge 


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—  277  — 

Leute,  wenn  man  sie  Schauspiele  aufitkhren  liesse,  zu  sehr  zerstreut 
wQrden,  zu  viel  ihr  Hauptgeschäft  versäumten,  traf  hier  nicht  ein. 
Aber  woher  rührte  dies?  Ein  jeder  entbehrte  lieber  das  angenehme 
Vergnügen  und  nahm  dafttr  eine  Rolle  in  die  Hand.« 

Wenn  in  anderen  deutschen  Städten  der  Hof  oder  der  Adel  die 
grösste  Theilnahme  am  Theater  zeigten,  so  ist  es  in  Frankfurt  die  von 
Seyiried  geleitete  Dilettanten-Gesellschaft  gewesen,  die  das  Ansehen 
der  Bohne  ungemein  hob  und  besonders  die  höheren  Kreise  immer 
mehr  mit  Achtung  vor  der  Wfirde  und  Bedeutung  der  mimischen 
Kunst  erfollte.    In  der  rheinischen  Schwesterstadt  Mainz,  deren 
Theatergeschichte  so  eng  mit  der  unsrigen  verwachsen  ist,  förderte 
in  einer  wichtigen  Epoche  die  geistvolle  Reichsgräfin  von  Wartens- 
leben den  Aufschwung  des  Theaters,*  hier  war  es  abo  der  bessere 
Bflrgersund  selbst,  der  zu  einer  Zeit,  als  Dichtung  und  Musik  durch 
Goethe  und  Schiller,  Gluck  und  Mozan  einer  neuen  BlQthe  en^egen 
gingen,  und  die  Schauspielkunst  endlich  eine  dauernde  Heimstätte 
finden  sollte,  den  ethischen  Werth  derselben  und  ihre  veredelnde 
Wirkung  auf  den  Einzelnen  am  eignen  Leben  und  Streben  zu  be- 
weisen suchte.  Es  ist  deshalb  unbestreitbar,  dass  Heinrich  Wilhelm 
Seyfried  für  die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  eine  hoch- 
bedeutsame  Persönlichkeit  ist.  Doch,  was  wir  ihm  heute  vom  über- 
schauenden Sundpunkte  einer  spateren  Zeit  als  grosses  Verdienst 
anrechnen  müssen,  das  scheint  seinen  Eltern  einst  keinen  geringen 
Kummer  bereitet  zu  haben.   Freilich  musste  Scyfrieds  Verhalten 
schon  auf  der  Universität  Anlass  zu  scharfem  Tadel  gegeben  haben, 
aber  der  ernstlichste  Widerstreit  zwischen  sich  und  den  Seinigen 
scheint  doch  aus  seiner  unwiderstehlichen  Neigung  zur  Bühne  hervor- 
gegangen zu  sein.  Die  Eltern  wollten  ihn  in  eine  sichere  geachtete 
Stellung  eintreten  sehen,  es  ging  schnurstracks  gegen  ihre  Ansichten, 
dass  er  sein  Leben  und  Streben  einem  Zwecke  widmen  wollte,  dessen 
Werth  ihnen  nicht  nur  zweifelhaft,  sondern  sogar  nichtig  erschien. 
Das  alte  und  gar  oft  berechtigte  Vorurtheil  gegen  die  Bühnenkünstler 
wirkte  auch  mit,  um  die  Konflikte  zwischen  SeyfrieJ  und  seinen 
Eltern  immer  mehr  zuzuspitzen.   Dass  er  im  Jahre  1782  selbst  noch 
nicht  wusste,  wie  sich  seine  Zukunft  gestalten  würde,  geht  aus  einer 
Stelle  seines  ersten  Schreibens  über  das  Privat-Theater  in  Frankfurt 
am  Main  hervor.   Da  heisst  es  »Sie  verwundern  sich,  dass  ich  die 
bewussten  Stellen  ausgeschlagen.  —  Nichts  war  schuld  als  die  Liebe 


'  Peth,  Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  zu  Mainz.    S  4j. 


—   278  — 


zu  meiner  Viterstadt.  Ich  muss  Ihneo  offenherzig  bekennen»  dass 
es  mir  wehe  thut,  wenn  ich  sie  verlassen  soll,  ja  muss.  Und  das 
um  so  mehr,  da  mein  seliger  Grossvater  als  Syndicus  hier  starb  — 
und  desgleichen  mein  Vater  als  der  thätigste  Patriot.  Beyde  bear- 
beiteten das  juristische  Feld  wie  gern  bearbeitete  ich  das  dra- 
matische,  diplomatische  u.  s.  w.  Aber  die  traurigen  Vorurtheile! 
Doch  mein  Freand !  stehen  werde  ich  als  ein  Mann.  Ich  werde  alles 
erschöpfen,  um  die  Pflichten  eines  Bürgers  zu  erfüllen.  Schlagen 
aber  denn  alle  Absiebten  fehl,  dann  verzeihe  mir  Gott  und  die  Welt 
Gehn  werde  und  kann  ich,  aber  dann  —  doch  die  Zukunft  wird  es 
entscheiden.« 

Viel  eher  als  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  erwanete,  muss  wohl 
eine  unerwanete  Wandlung  der  Verhältnisse  in  seinem  Leben  einge* 
treten  sein.  Kaum  war  das  neue  Komödienhaus  ein  halbes  Jahr 
eröffnet,  als  er  den  festen  Entschluss  gefasst  hatte,  der  juristischen 
Laufbahn  zu  entsagen  und  Mitglied  der  Grossmännischen  Truppe  zu 
werden.  Allein  seiner  Absicht  stand  die  bekannte  Venragsbestimmuog 
im  Kontrakte  des  Pächters  Hofrath  Tabor  emgegen,  weshalb  sich 
Seyfi-ied  mit  der  Bitte  an  den  Rath  der  freien  Stadt  Frankfurt  wandte, 
ihm  die  Ausführung  seines  Vorhabens  zu  gesutten.  Da  seine  fiitt- 
Schrift  die  erste  derartige  Eingabe  eines  hiesigen  BOrgersohncs  wegen 
Aufhebung  des  strengen  Paragraphen  ist,  soll  sie  hier  Au&ahme 
finden. 

Hocbwc^l-  Wohl-  und  Hochedclgcbolime,  Gestrenge,  Hochedl«^  Vest 
und  Hochgelahrt^  Wohlfbnichtige  und  Hochwdse  Henn  Schulthdss» 

Bargermeister  und  Rath. 

Da  für  die  Churfürstliche  Residenz  Stadt  Mainz  und  die  Reichs  Stadl 
Frankfurt  am  M:iin  ^ukünfti^c  Herbst -Messe  eine  Natioru!  Bühne  errichtet 
wird,  und  itzo  schon  tüchtige  Mitglieder  da/u  angenommen  werden,  so  ent- 
schloss  ich  mich,  nicht  nur  aus  Neigiuig  für  die  Kuubt,  sondern  auch  au» 
Uebe  für  meine  Vaterstadt,  um  die  wenigen  Nebenstunden  zu  ihrem  Nutien 
mit  anwenden  zu  können,  zu  der  f'u -Cöllnischen  Hofschauspieler  Gesell- 
schaft thcils  als  Theaterdichter,  thcils  .ils  Schauspieler  zu  gehn.  Ich  sprach 
desswegen  mit  dem  Herrn  Dircctor  Grossmann  und  bat  mir  einige  Rollen 
zu  spielen  aus.  Er  wQrde  auch  meine  Wünsche  befriediget  Iiaben,  wenn  er 
nicht  wegen  einem  gewissen  Punct  Anstand  genommen  hitte.  Dieser  betrift 
einen  Artikel,  der  in  der  Hochweisen  Instruction,  die  die  Herrn  Tabor  und 
ürossmann  von  einem  Hochedlen  und  Hochwdsen  Rath  erhalten  haben,  vor- 
kömmt und  ohngtlahr  lautet: 

Keinen  hiesigen  Bürgers  Sohn  oder  Bürgers 
Tochter  bei  der  hiesigen  Bfihne  aufzunehmen. 
So  weise  und  viterlich  diese  Verordnung  ist,  ja  wegen  gewissen  Folgen  sehr 
nothwendig  war,  so  hoffe  ich,  dass  hier  von  der  R^d»  ohne  dadnitb 
Verordnung  eines  Hochedlen  und  Hocbweisen  Magistrats  zu  verletzen,  eine 


—   279  — 


Ausnahme  gemacht  werden  kann;  denn  Theils  \erliess  ich  aus  Steigung  zu 
den  dramatischen  Wissenschaften  das  juristisdic  hach,  Theils  versichern  micb 
mdne  Freunde,  die  Kenner  sind,  dass  ich  in  der  Folge  etwas  leisten  wQrde, 
Theils  gehe  ich  in  mein  28««  Jahr  und  habe  also  die  Minorcnnitaets  Jahre 
/uröcki^cIcKt.  Theils  geschieht  es  mit  Genehmigung  meiner  Mutter  und  Theils, 
welches  das  wichtigste  ist,  erhalte  ich  eine  Bestimmung,  die  mich  zu  einem 
rechtschaffenen  und  nOulichen  Mitglied  der  Welt  bildet. 

Aus  diesen  GrOnden  lebe  idi  der  Hoffnung,  dass  Cw.  Hochwolü-, 
Wohl  und  Hochedelgebohme,  Gestrenge  und  ttorrtichkeit,  WohU&rsiditig 

und  Hochwcisheit  dem  Herrn  Dircctor  Grossmann  zu  erlauben,  mich  zu 
seiner  (kseUscbaft  annehmen  zu  dörfen,  grosgünstigst  zu  decreiiren  geruhen 

werden. 

Ich  werde  jederzeit  durch  meuic  Autiuhrung  und  Handlungen  zu  be- 
weisen suchen,  dass  nun  als  Theaterdichter  und  Schauspieler  auch  em  Patriot, 
cm  Menschenfreund  und  em  reditsdiafFeiier  Mann  seyn  kann. 

Ich  habe  die  Ehre  jederieit  mit  der  grösten  Hochachtung  zu  bestehn 

Ew.  Hochwohl-,  Wohl  und  Hochedelgebohme,  Gestrenge 
und  Henrlidikeit,  Wohlförsichtig  und  Hochweisbeit 

gehorsamster 

Heinr:  Wilh:  Seyfried  als 
Seibst-StcUer. 

Auf  diese  Eingabe  beschloss  üer  Rath,  den  Wunsch  des  Bitt- 
stellers unter  der  Bedingung  zu  gewähren,  dai»s  seine  verwittwete 
Mutter  nichts  gegen  die  Absichten  des  Sohnes  einzuwenden  haben 
würde.  Als  derselben  dieser  Bescheid  zugegangen  war,  richtete  sie 
folgendes  Schreiben  an  die  in  diesem  Falle  sehr  vorsichtigen  Väter 
der  Stadl. 

Kachdemc  mein  ältester  Sohn  Hetmkh  Wilhelm  Se\  trkd  von  mir  und 
meinem  secHgen  Mann  dem  gewL";encn  Regieruni^srath  SL-vfricd  m  allem 
guten  auferzogeii,  mehrere  Jahre  aul  der  hohen  Scitule  zu  Göttingen  mit 
schweren  KoMen  erttflten  worden,  um  dBe  Rechtsgclehrsamkeit  au  erlernen, 
sich  daselbst  aber  in  allem  Betracht  nicht  gut  und  so  betragen,  dass  er  nicht 
allein  übermäsig  verschwendet,  sondern  auch  ganz  per.idc  gegen  die,  von 
seinen  Aeltcrn  ihm  gegebene  Bestimmung  f'ehandclt,  auch  naclihero  bev  meinem 
Wiederhierseyn  gegen  alle,  zu  seinem  Besten  von  seinen  Aeltern  in  der  besten 
Meynung  wegen  sdnes  kOnftjgen  Eubfissements  ihm  gemachte  gute  Vor- 
schläge nicht  allein  taub,  verstockt  und  unfolgsam  gev^-esen,  sondern  siel) 
auch  nr»ch  so  aufgeführt,  dass  wir,  und  insl>esonderc  ich,  nach  Jftn  Tode 
seines  seel.  V.iters.  auf  keine  Weise  mit  ihm  /ufrieden  ■.evn  konnte,  und  ich 
demnach  aus  seiner  ganzen  bislierigen  Auliuiirung  und  Betragen,  wenn  icli 
es  auf  das  allergelindeste  beurteileo  wollte,  schliesen  muss,  dass  er  onge- 
achtet  seiner  längst  erreichten  \'oll)ährigkeit,  indeme  er  i:/o  28  Jalire  alt  ttt, 
meiner  Meynung  nach  sich  nie  in  Ordnung  begehen  und  eine  mir  wohlgc- 
fnlHge,  ilini  und  seine  Aeltern  anstandige  und  hhre  bringende  Auiiuhrung  und 
Lebensart  erwählen  wird;  so  bin  ich,  bei  allen  vorerwähnten  Umständen,  beim 
M^gd  aller  Mittel,  ihn  auf  die  mir  amtindige  Sinnes  Aenderung  au  bringen, 


—   28o  — 


bey  seinem  überdiess  bestindigen  Trau  und  vermdiitlidier  Wdsheit,  «ich 
Verspottung  alles  dessen,  was  ich  ihm  zu  seinem  Besten  und  mit  dem  besiea 

Herzen  vorL"?srlilagcn  luibc,  nacli  reiflicher  Ucbcrlegung  entschlossen,  ihn 
nunmehro  hierimien  sich  selbst,  seiner  eignen  Fuhrung  und  seinem  guten 
oder  bösen  Scliiclisaal  zu  uberlassen,  welchen  Sund  und  Lebensart  er  wählen 
und  aondimen  wolle  und  werde. 

Um  mich  demnach  aller  denenigen  unvernünftigen  Vorwürfe,  die  mir 

gedachter  mein  Sohn  theils  schon  täglich  gemacht  und  noch  zu  machen 
sich  einfallen  lassen  könnte,  mich  auch  so  viel  möglich  alles  des  Verdrusses 
und  aller  der  Kränkung,  die  ich  bishero  kider  ausgestanden  habe,  zu  ent- 
ledigen, begebe  ich  mich  auf  sein  ausdrückliches  Verlangen  in  diesem  Puoct 
aller  der  Rechte,  die  mir  Kraft  der  mQtterlichen  Gewalt  zukommen  mdchtn 
und  könnten,  und  thue  hiemit  die  traurige  lirklärung,  so  viel  hierzu  vonnöthcn 
seyn  mag,  dass  es  mir,  bei  oberzählten  Umständen  und  bei  der  Unmöglich- 
keit, ihn  auf  bessere  Gedanken  zu  bringen,  sehr  gleichgültig  seyn  muss  und 
auch  würklich  sey,  welche  Lebens  Art  er  ergreife,  welche  Minci  und  Wege 
er  einschlage,  sidi  durch  die  Welt  su  bringen  und  «i  ernähren. 

Da  sich  unterdessen  gedachter  raehi  Sohn  von  selbst  bescfacidet  and 

auch  wohl  bescheiden  muss,  dass  er  auf  die  Rechte,  die  er  auf  mich  als  seine 
Mutter  hat,  die  jedes  rechtschaffene,  fnlg^ame,  seinen  Acltern  Khrc  und  Ver- 
gnügen bringende  Kind  an  dieselbe  nuchcn  kann  und  welche  die  Aeltcrn 
ihren  Kindern  wiederum  mit  Vergnügen  angedeihen  lassen,  entsaget  und 
entsagen  muss:  so  will  ich  mich  doch  aiadrOekfich  um  so  mehr  von  den- 
selben lossprechen,  da  nach  der  Natur  der  Sache  solche  ohnehin  nur  siatt- 
hnden,  wenn  sich  die  Kinder  gegen  ihre  Aeltern  so  betragen,  wie  es  sich 
gebühret,  mein  Sohn  aber  in  allem  Betracht  sclüeduerdings  gar  nicht  gethau 
bat  Urkundlidi  meiner  eigenhändigen  Kamensuntcrschrift  und  bdgedrucfctan 
Pettschaft.  Frankfun  am  Main  den  5.  Mai  1783. 

Seyfriedin  Wb.* 

Dieser  Brief  der  Mutter  stellt  den  begabten  Sotin  gerade  nicht 
in  ein  günstiges  Licht.  Aber  wir  liegen  die  Vcrmuihung,  dass  es 
um  seinen  Charakter  wohl  doch  nicht  so  schlecht  stand,  wie  aus 
diesem  Berichte  hervorgeht.  Wenigstens  berührt  es  eigenthümlich, 
dass  be•L^:  ]"ing;iben  :in  den  Rath  dieselbe  Handschrift  zeigen  und 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  selbst 
herrühren.  Handelte  die  Mutter  wolil  "r  in  seinem  Sinne,  als  sie 
über  ihren  Aeltesten  derartige  Miitheilungen  maehte?  Vielleicht 
musste  den  Vätern  der  Stadt  durch  einen  solchen  Bericht  über  Sey- 
frieds  Verhalten  der  Glauben  aufgenöthigt  werden»  dass  er  wirklich 
zu  nichts  anderem  mehr  tauge  als  zum  Komödianten,  wenn  sie  sich 
überhaupt  entschliessen  sollten,  eine  Ausnahn^e  von  der  kaum  ge- 
gebenen strengen  Verordnung  zu  machen.  Der  junge  Mann 


'  Beide  Schreiben  in  Katbssupplikationeo  April  bis  Juni  178). 


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-    28l  - 


Schulden  gehabt  und  durch  die  leidenschaftliche  Liebe  zum  Theater 
seine  ganze,  in  vollständig  anderen  Anschauungen  lebende  Familie 
gegen  sich  aufgebracht  haben,  aber  ein  verkommener  Mensch  war 
er  deshalb  nicht.  Wer  das  annehmen  wollte,  würde  durch  einen 
Blick  auf  seine  vielseitige  literarische  und  dramaturgische  Thaiigkeit 
bald  vom  Gegentheil  überzeugt  werden.  Seyfried  war  viel  zu  fleissig, 
als  dass  wir  das  Recht  hätten,  ihn  als  den  verlorenen  Solin  einer 
guten  Familie  aufzufassen.  Er  schrieb  für  verschiedene  Theater- 
Journale  und  Kniender,  gab  poetische  Taschenbücher  heraus  und 
arbeitete  an  einer  »Frankfurter  Dramaturgien,  von  der  wir  bis  heute 
leider  kein  Exemplar  aufzufinden  vermochten. 

Als  Seyfrieds  Mutter  ihre  Genehmigung  zu  dem  neuen  Berufe 
ihres  Sohnes  gegeben  hatte,  Hess  es  der  Rath  »>dabei  bewenden«,' 
was  so  viel  bedeutet,  als  dass  dem  Supplikanten  WtUfahrung  seines 
Gesuchs  7u  theil  wurde.  Wenn  nun  der  junge  Mann  vor  dem  Ein- 
tritt in  die  neue  Carricrc  auf  seine  Kindesrechte  verzichtete,  so 
mag  er  dies  wohl  einestheils  gethan  haben,  weil  er  mehr  gekostet 
und  verbraucht  hatte  als  seine  Geschwister,  anderntheils  aber  auch, 
um  n  ich  dem  Tode  des  Vaters  desto  schneller  ans  ersehnte  Ziel  zu 
koniiTicn.  Am  5.  Mai  1783  wurde  Seyfrieds  Gesuch  hei  Rath  ge- 
nehmigt, am  6.  tritt  er  bereits  als  Jude  Israel  im  »Diamanten«,  eine 
Rdllc,  die  er  schon  früher  im  Liebhaber-Theater  spielte,  im  neuen 
Kümodienhause  auf.*  Wie  dies  Debüt  aushel,  können  wir  nicht  sagen, 
wir  wissen  nur,  dass  er  engagirt  wurde  und  etwa  zwei  Jahre  bei 
der  Grossmännischen  Truppe  blieb.  Ueber  Seyfrieds  Wirksamkeit 
als  Schauspieler  und  Theaterdichter  der  hiesigen  Bühne  fehlen 
weitere  Nachrichten,  jedoch  seine  schriftstellerische  Thätigkeit  lässt 
sich  auf  Grund  zeitgenössischer  Miiiheilungen  weiter  verfolgen.  Am 
meisten  unter  Seyfrieds  Leistungen  interessirt  uns  eme  Arbeit,  welche 
beweist,  dass  er  auch  der  Klarstellung  des  historischen  Entwicklungs- 
ganges der  dramatischen  Kunst  in  seiner  Vaterstadt  den  rechten 
Werth  beilegte.  Er  schrieb  den  »Entwurf  einer  Geschichte  der  Frank- 
furter Schauspielkunst«,  der  wohl  Manuscript  geblieben  und  nicht  auf 
unsere  Tage  gekommen  ist.  Wenigstens  konnten  wir  unter  den 
theatralischen  Schriften  jener  Zeit  keine  Spur  von  diesem  Entwürfe 
entdecken. 

Im  Jahre  1785  war  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  Theaterdichter 


'  Rathsprotokoli  und  Bürgermeisterbuch  5.  Mai  1783. 
■  Thcater-Joumal  flkr  DeutsdilaDd  1784  S.  75. 


—    382  - 


bei  der  Kesseischen  Gesellschaft.'  Ende  der  achtziger  und  anfangs 
der  neunziger  Jahre  rouss  er  in  Berlin  gelebt  haben,  >\o  er  mehrere 
Schriften  erscheinen  liess  und  auch  die  periodische  V'olksschrit't 
»Berliner  Blau  und  Roth«  herausgab.   Nach  einem  wechselvoUen 
Leben  starb  Seyfried  in  Braunschweig  am  20.  April  1800.  Sein 
schriftstellerisches  Talent  scheint  stark  zur  Satire  geneigt  zu  haben, 
wenigstens  verfasste  er  eine  Anzahl  Schriften,  deren  Inhalt  diese 
Annahme  bestätigt.   Kurz  bevor  Seyfried  Theaterdichter  der  Gross- 
mannschen  Truppe  wurde,  fasste  er  den  Entschluss,  eine  »Allgemeine 
kritisch  theatralische  Bibliothek  für  Teutschland«  herausnigeben. 
Nach  seinem  Plane  sollte  das  periodisch  erscheinende  Werk  im  ersten 
Theile  nur  deutsche  Originale  und  unpartheiische  ßeuriheilungen  über 
aufgeführte  Stücke  enthalten,  während  der  zweite  Thcil  Uebersetz- 
ungen,  Musikalien  und  sonstif^e  dramatische  Schriften  einschliessen 
würde,   jährlich  sollten  zwei  Bände  in  gross  Oktav  erscheinen,  jedem 
derselben  das  Portrait  eines  dramatischen  Schriftstellers  vorgesetzt 
und  ein  vollständiges  Register  angehängt  werden.    Dieser  Entwurf, 
den  Seyfried  im  »Theater- Journal«  bekannt  machte,*  fand  Beifall. 
Ende  1783  erschien  das  I.  und  II.  Stück  des  Werkes,  das  den  Titel 
«Mein  theatralisches  Tagebuch  für  Deutschlands   erhielt.  Meusel 
bringt  in  seinem  Lexikon  der  verstorbenen  deutschen  Schriftsteller 
(1750 — 1800)  eine  Aufstellung  von  Seyfrieds  Werken,'  aber  das  Ver- 
zeichnis ist  nicht  vollständig.    Zwei  kleinere  kritische  und  dramatische 
Schriften  aus  .seiner  Frankfurter  Zeit  wie  die  »Dramaturgischen  I  rag- 
mente« ,   die   »Dramatische   Apologie.    Eine  Beheri:igung  für  den 
Schauspielalmanachverfasser«  (beide  Frankfurt  1783)  sind  nicht  ange- 
geben.   Seyfried  nniss  sehr  scharf  gegen  alle  Mängel  im  Spiele  der 
darstellenden  Künstler  und  gegen  irrige  Meinungen   der  Tlieater- 
schrifisteller  aufgetreten  sein,  denn  seine  kritischen  Schriften  erregten 
an  manchen  Stellen  solches  Aergernis,  dass  sogar  1783  eine  »Dra- 
matische Volkssatyre«  auf  ihn  erschien.'' 

Als  Dramatiker  stand  Seyfried  zwar  im  Banne  der  damaligen 
literarischen  Richtung,  aber  er  leistete  dennoch  etwas  Gutes  und  war 
mit  den  Wirkungen  der  Bühne  genau  bekannt.  Dies  beweisen  einige 


*  Theater-Kalender  178$  S.  141.  Audi  »Geschieht«  des  Theatm  und  der 
Musik  in  Mainz«  von  J.  Peth.   S.  68. 

*  Thcntcr- Journal  fSa  Deutschland  1783  XXL  Stück,  S.  $9. 
»  Band  Xül,  S.  141. 

4  Theater-Kalender  1784  S.  191. 


i 


Scenen  aus  seinem  Schauspiel  »König  Leopold«,  die  er  in  dem 
»Theater-Jouraal«'  veröffentlichte.  Der  Dialog  in  diesem  1784  noch 
nicht  gedrackten  Schauspiel  ist  knapp  und  bündig  und  der  Indivi- 
dualität der  einzelnen  Gestalten  entsprechend.  Auch  die  Handlung 
schreitet,  ohne  durch  störendes  Beiwerk  aufgebalten  zu  werden, 
rasch  vorwärts.  Freilich  merkt  man,  dass  Lessings  »Miss  Sara 
Sampson«,  »Emilia  Galotti«,  Goethes  »Götz«  und  Schillers  »Fiesko« 
surk  auf  Seyfrieds  Stöck  einwirkten.  Wie  in  den  meisten  Dramen  und 
Romanen  jener  Zeit  ist  der  Held  im  »König  Leopold«,  Prinz  Emmerich, 
ein  Mann,  der  zwischen  zwei  Frauen  hin  und  her  schwankt  und 
durch  seine  Haltlosigkeit  augenscheinlich  die  Katastrophe  herbeiföhrt. 
Die  Gräfin  Justine,  Emmerichs  Geliebte,  hat  ZOge  von  der  Julia  im 
»Fieskott,  der  Gräfin  Orsina  in  »Emilia  Galotti«  und  der  Adelheid  im 
»Götz  von  Berlichingen«.  Wie  die  letztere  scheut  Justine  in  der  Durch- 
führung ihrer  Absichten  sogar  vor  dem  Verbrechen  nicht  zurfick. 
Sie  dingt  Mörder,  um  ihre  Nebenbuhlerin,  den  König  und  andere 
ihr  im  Wege  stehende  Persönlichkeiten  aus  dem  Wege  zu  schaffen. 
Die  Gräfin  und  ihre  Genossen,  der  schlagfenige  Hofnarr  und  der 
Geheime  Rath  des  Königs  Leopold,  Baron  von  Strenitz,  sowie  Prinz 
Emmerich  waren  unstreitig  gute  Bohnenfiguren,  wenn  hier  auch 
nochmals  betont  werden  soll,  dass  sie  in  den  Fussupfen  ihrer  be- 
rühmten Vorbilder  schreiten  und  deren  Einfiuss  keineswegs  verleugnen 
können.  Den  Schluss  des  Schauspiels  kennen  wir  nicht,  vermuthen 
aber,  dass  die  verbrecherischen  Anschläge  der  geheimen  Verbündeten 
rechtzeitig  verrathen  und  Prinz  Emmerich  und  seine  neue  Geliebte 
Amalia  noch  als  glückliches  Paar  vorgefiihn  wurden. 

Wichtiger  als  Seyfrieds  verschollene  dramatische  Leistungen 
wäre  für  uns  der  Nachweis,  dass  er  der  Frankfurter  Recensent  ge- 
wesen ist,  der  sich  nach  Schillers  anonymer  Selbst recension  der 
Räuber  im  »Wincmbergischen  Reperiorium«  sofort  als  Vertheidiger 
des  arg  mitgenommenen  Dichters  aufwarf.  Bekanntlich  hatte  Schiller 
sich  in  diesem  Aufsatz  seinem  grossen  Jugendwerk  gegenüber  ganz 
auf  Jen  Standpunkt  eines  strengen  Richters  gestellt  und  die  Schwächen 
des  Trauerspiels  selbst  so  grausam  ans  Licht  gezogen,  dass  man 
heute  noch  über  seine  tiefe  kritische  Einsicht  und  über  die  Nüchtern^ 
heit,  mit  der  er  sein  kaum  in  die  Welt  getretenes  Kind  betrachtete, 
aufs  Höchste  erstaunen  muss.  Da  jedermann  von  dem  genialen 
Werke  begeistert  war  und  selbst  Kenner  demselben  ihre  Bewunderung 


■  XXU.  Stockas.  isC 


-  »84  - 


nicht  versagten,  darf  man  es  dem  von  den  Räubern  ebenfalls  enthu- 
siasmirten  Fraokfuner  Recensenten  nur  aJs  eine  ptetiltvolle  That 
anrechnen»  wenn  er  die  Absicht  hatte,  gegen  den  verkappten  Ver- 
fasser iener  Recension  zu  Felde  zu  ziehen.  Uebrigens  soll  der  Hrstere 
nicht  wenig  erstaunt  gewesen  sein,  als  er  hörte,  dass  der  Verfasser 
der  Räuber  sein  eigner  Kritiker  war. ' 

Ebenso  wenhvoU  wie  der  sichere  Aufschluss  über  die  Persön- 
lichkeit des  Frankfurter  Recensenten,  für  den  wir  Seyfried  halten, 
wäre  für  uns  die  Beantwortung  der  Frage,  ob  dieser  wohl  Schiller 
gekannt  hat  und,  wenigstens  so  lange  als  er  Theaterdichter  der 
Grossmännischen  Gesellschaft  war,  mit  letzterem  im  Briefwechsel  stand. 
Da  gerade  in  den  Jahren  1783  und  84  die  Frankfurter  Bühne  den 
jungen  Dichter  der  Räuber  ungemein  förderte  und  »die  Verschwörung 
des  Fiesko  zu  Genua«  und  »Kabale  und  Liebe«  noch  vor  Mannheim 
zur  Darstellung  brachte,  dürfte  die  Annahme  eines  brieflichen  Ver- 
kehrs zwischen  Schiller  dem  Mannheimer  und  Seyfried  dem  Frank- 
furter Theaterdichter  keine  haltlose  Vermutbung  sein.  Es  wäre  ja 
nicln  das  erstemal  gewesen,  dass  dieser  mit  einem  Heroen  deutscher 
Dichtkunst  in  Verbindung  gestanden  hätte.  Wir  erfahren  aus  einem 
Aufsatze  Seyfrieds  über  die  Frage  »Haben  die  neueren  sogenannten 
historischen  Schauspiele  der  dramatischen  Poesie  Nutzen  oder  Schaden 
gebracht«,'  dass  er  mit  Goethe  befreundet  gewesen  ist.  Gelegent- 
lich der  bemerkenswerthen  Besprechung  des  Eindrucks,  den  »Götz 
von  Berlichingcn«  bei  seinem  Erscheinen  hervorrief,  heisst  es,  »dass 
ich  mir  den  Helden,  sobald  er  die  Presse  verlassen  hatte,  kaufte, 
angaffte,  ohiv-  ihn  zum  Buchbinder  zuschicken,  in  einer  Hitze  durch- 
las, durchdachte,  bewunderte,  staunte,  alles  dieses  wird  mir  niemand 
verdenken;  denn  der  Verfasser  ist  mein  Landsmann,  war  mein  Freund 
und  würdigte  mich  seines  Umgangs.«  Seyfried  tadelt  die  Regel- 
losigkeit im  Scenenauf  bau  des  Götz,  er  hält  deren  Hinüuss  auf  jüngere 
Dramatiker  für  verhängnissvoll  und  meint,  die  deutsch-dramatische 
Literatur  könne  durch  sie  in  die  alle  Barbarei  zurück  verfallen.  Zwar 
nimmt  Seyfried  den  berühmten  Sohn  Frankfurts  seinen  Nachahmern 
gegenüber  auch  wieder  in  Schutz,  aber  er  äussert  doch  an  einer 
Stelle  der  Abhandlung:  »Man  wird  vielleicht  denken;  dass  ich  durch 
dieses  oricnhcrzige  Geständniss  meinem  lieben  Landsm.mn  kein  schönes 
Kompliment  mache;  denn  wer  liebt,  schätzt,  bewundert  den  Mann 


'  Näheres  darüber  bei  Weltrich  I,  ^98  und  Minor  l,  sia 
"  Theater-Kalender  178J  S.  7J  ff. 


-  a8j  - 


nicht,  der  es  wagte,  Shakespeare  nnchziisteigen,  und  dem  es  plnckte, 
ihn  zu  errciclien.«  Ausser  diesem  L'ribcil  über  Goethe  enthalt  Sey- 
frieds  obengenannter  Aufsatz  noch  manche  wcrthvoUe  Mittheikmgen 
über  die  damaüge  dramatische  Literatur  und  ihre  wichtigsten  Ver- 
treter. Auch  seine  anderen  theatergeschiclnüclien  und  ästhetischen 
Abhandkvngen,  hauptsächlich  seine  Artikel  im  Theater-Kalender  und 
Theater-Journal  sind  reich  an  sachgemässen  Aussprüchen  über  das 
gesammie  ßühnenwesen  und  verrathen,  dass  Seyfried  alle  Angelegen- 
heiten des  Theaters  mit  ebensoviel  Liebe  als  Verständniss  erfasste. 

\  on  diesem  begabten  Frankfurter  zu  Schiller  zurückkehrend, 
bemerken  wir  schliesslich  noch,  dass  Goethes  Vaterstadt  ihm  nicht 
allein  auf  seiner  Flucht  im  Jahre  1782  ein  freundliches  Asvl  bot,- 
sondern  in  der  Folgezeit  auch  manche  wichtige  Förderung  angedeihen 
liess.  Im  zweiten  l'heile  dieses  Aufsatzes  wird  es  unsere  Aufgabe 
sein,  zu  beweisen,  dass  der  Linfluss  der  I  rankfurter  Bühne  auf  den 
jungen  Dichter  in  dessen  wichtigsten  Fntwicklungsjahren  ein  viel 
grösserer  gewesen  ist,  als  man  seither  annahm.  Mannheim  hat  den 
Ruhm  von  DeutsciiLuids  grösstem  Dramatiker  begründet,  das  Theater 
der  alten  Kaiserstadt  atn  iNLun  darf  stolz  dar.uf  sein,  »die  Ver- 
schwörung des  Fiesko  zu  Genu.iu  aLbald  ii.i^a  dem  Erscheinen  des 
Trauerspiels  und  »Kabale  und  Liebe«  überhaupt  zum  ersteiimale 
in  Szene  gesetzt  zu  haben.  Das  Frankfurter  Publikum  jener  Zeit 
brachte  diesen  Aufführungen  das  lebhafteste  Interesse  entgegen,  wes- 
halb wir  berechtigt  sind,  mit  folgender  Behauptung  zu  schliessen. 
Wenn  irgendwo,  so  hat  man  hier  bereits  früh  erkannt,  dass  Schiller 
verstehen  und  verehren  für  uns  Deutsche  so  viel  heisst,  als  die 
edelsten  Grondsätste  der  wahren  Freiheit,  der  praktischen  Sittlichkeit 
und  der  Vaterlandsliebe  in  bester  Weise  anerkennen. 


Beilagen. 
No.  I. 

Repertoire  der  .Böhmischen  Ttuppe  April  und  Mai  1781 
(Ostermeftse)  im  Komödiensaale  im  ^iinghoC 

2.  ApriL  Sandrina  oder  die  verstellte  Grifin.    Hin  aus  4em 

Italienischen  überset/res  Singspiel  in  drcv  Aufzügen.  Den  Beschluss  macht  ein 
grosses  von  Herrn  Vogt  verfertigtes  neues  Ballet,  genannt:  Das  Fest  desTao<e$.' 


'  Nach  Auszügen  aus  dem  »Franl^lurter  Staats-Kistrettu.« 
*  Zettel  zu  dieser  Vorstdlung  S.  287. 


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—  286  — 


6.  April.  Die  ei  n  p  cb  i  1  d  eten  Philosophen.  Ein  Singspiel  in  vmx 
Aufzügen.  Den  Beschluss  macht  ein  grosses  von  Herrn  Vo^  dem  berühmten 
Novcrre  nachgeahmtes  Ballet  in  5  Aufzügen»  genannt:  Die  Hora:):ier  und 
Kurasier. 

8.  April.  Juliane  von  Lindorak.  Ein  Schauspiel  in  fünf  Aufsögen.  Den 
Beschluss  macht  ein  von  Herrn  Vogt  verfertigtes  komisches  Baliec,  genannt:  Die 
Werbung  oder  der  betrunkene  Bauer. 

9.  April.  Agnes  B c rn a  u c n n.  Hin  Trauerspiel  in  lünf  Aufzügen  von  Törnng. 
13.  April.  Erwine  von  Steinheim.  Ein  grosses  Schauspiel  in  f&nf  Auf- 

acttgen.  Den  Beschluss  macht  ein  neues  Drama  mit  Musik  in  emem  Aufings» 
genannt:  Theon  und  Theene. 

13.  Aprii.  Die  Liebe  unter  den  Handwerkern.  Ein  Singspiel  in 
}  Aufzügen. 

1$.  April.  Der  Hausfreund.  Ein  Singspiel  in  3  Au&Ogien.  Den  B^ 
schluss  macht  ein  neues  Ballet  in  fünf  Au&ügen,  genannt:  Der  weibliche 

Deserteu  r. 

16.  April.    Ma  cbeth.' 

19.  .'\pril.  Die  drey  Sultaninen.  Hin  Lustspiel  in  drcy  Aufzügen.  Den 
Beschluss  macht  ein  tQrkisches  Ballet:  Das  Krön ungs fest  der  Roxelane. 

20.  April.  Die  Fee  Urgelle  oder:  Was  geffllit  den  Damen.  Bn 
Singspiel  in  vier  Aufzügen. 

22.  April.  Der  Unterschied  bei  Diensibewerbungen  oder:  Der 
Papegey.  Den  Beschluss  macht  ein  Ballet,  genannt:  Die  Rache  der  Graziea 

36.  April.  Romeo  und  Julie.  Bin  Trauerspiel  in  Hlnf  Autx&gen. 

27.  April.  Zemire  und  Azor.  Ein  Singspiel  in  vier  Aufzügen,  bn  dritieo 
und  letzten  Aufzuge  werden  zwey  Ballete  gegeben  werden»  wobey  der  erleuchtete 
transparente  Saal  zu  sehen  ist. 

39.  April.  Das  gute  Mädchen  oder:  Der  Dragoner.  Ein  Smppid 
in  dr^  Aufzügen.  Den  Beschluss  madit  ein  komisches  Ballet,  genannt:  Der 
betrogene  Vormund  oder  der  ungarische  Zwiebelkrlmer. 

30.  .\pril.  Die  Holländer  oder:  Was  vermag  ein  vernünftiges 
Frauenzimmer  nicht.  Hin  Originallustspiel  in  drey  Aufzügen.  Den  Bescblu» 
macht  ein  grosses  Ballet,  genannt:  Weis  und  Blau. 

4.  Mai.  Ariadne  auf  Naxos.  Eia  Duodrama  mit  Musik  von  Hecm  Bends. 
Alsdann  folgt:  Der  Edelknabe,  ein  Lustspiel  in  einem  Aufzuge.  Den  Beschluss 
macht  ein  grosses  tragisches  Ballet  in  einem  Aofxuge,  genannt:  Don  Juan  oder 
der  steinerne  Gast. 

6.  Mai.  Romeo  und  Julie.  Ein  Orignal  Singspiel  in  drey  Aufs&gen. 
Den  Beschluss  macht  ein  grosses  tragisches  Ballet  in  fünf  .Aufzügen,  genannt: 
Adelhaid  von  Ponthicu. 

7.  Mai.  Die  seidenen  Selm  he  oder  die  schöne  Schu Sterin.  Ein 
Singspiel  in  zwey  Aufzügen.  Den  Beschluss  macht  ein  komisches  Ballet,  genannt: 
Der  betrunkene  Bauer  oder:  Die  Werbung  auf  dem  Lande. 

II.  Mai.  Die  Liebe  unter  den  Handwerkern.  Bin  Singspid  in  drey 
Aufzügen.  Den  Beschluss  macht  ein  Nachspiel,  genannt:  Theon  und  Theone. 

15.  Mai.  Sophie  oder:  Der  gerechte  Fürst.  Ein  Origirul  Schauspiel 
in  drey  Aufzügen.  Den  Beschluss  macht  ein  Ballet,  genannt:  Der  betrogene 
Vormund. 

'  Zettel  zu  dieser  Vorstellung  S.  288. 


4 


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-  a87  - 


14.  Mai.  Wie  man  sich  die  Sache  denkt  oder:  Die  xwey  schlaf- 
losen Nichte.  Ein  Lustspld  in  f&nf  AufzAgen. 

17.  Mai.  Natur  und  Liebe  im  Streit.  Ein  Originalschauspiel  m  flinf 
Au&ügen. 

Böhm  schloss  sein  Theater  vor.  dem  Phngstfeste. 

♦ 

Repertoire  der  B51i]iiisofaeii  Truppe  imNovember  luidDesember  1789 
im  neu  erbauten  Komödienliauee. 

15.  November.  Die  Riuber.  Ein  grosses  neues  hier  niemals  gesehenes 
Trauer^tel  in  fitaif  AaStSigen  von  dem  berfihmten  Friedrich  Schiller. 

26.  November.  Glück  bessert  Thorheit,  En  neues,  hier  niemals  ge- 
sehenes n.ich  dem  Englischen  der  Miss  l.cc  von  dem  berühmten  Schauspieler 
Schröder  bearbeitetes  Lustspiel.  Den  Bcscliluss  macht  ein  neues  niemals  gesehenes, 
von  Herrn  Amor  verfertigtes  Ballet,  genamit:  Die  Frankfurter  Bäcker. 

).  Dezember.  Die  Nacht.  Eine  grosse  komische,  von  uns  in  Frankhirt 
noch  nicht  gesehene  von  Herrn  Professor  Eschenburg  aus  dem  Italienischen  über- 
NCTztc  Oper.   Mit  der  Musik  des  Königl.  Neapolitanisch  und  Französischen  Kappel* 

raeisters  Piccini. 

*  • 

Mit  gnadigster  Erlaubnis» 
Eines  Hochcdlen  und  HocfawciaeD  Ma^sirais 
der  Kaiscrl.  Freyen  Reichs-  Wahl  und  Handels-Stadt  Frankfurt  am  Mayn 
wird  heute  Dienstag,  den  2.  April  1782 
die 

Schauspieler-Gesellschaft  unter  der  Direktion  des  Herrn  Böhm 
aufzuf&hren  die  Ehre  haben 

S  a  n  d  r  I  n  a 
oder 

Die  verstellte  Gräfin. 

Ein  aus  dem  Italienischen  fibersetztes 

Singspiel  in  drey  Aufzügen 
Wobey  Madcmotselle  foiiassohn  und  Herr  Grunberg,  zwcv  neue  Sänger,  die  Ehre 
haben  werden  die  Rollen  der  Armid.i  und  des  Raniiro  zu  spielen. 

Die  Musik  ist  von  Herrn  Mozart  dem  jüngeren. 


Personen. 

Der  Amtshauptmann  von  schwarzen  See  ....  Herr  Böhm. 

Amiid.i,  seine  Nichte   Mads.  Jonassohn. 

Der  Ritter  R.imirn   Herr  Grimberg. 

Der  Gr.il  Belliore    Herr  Zimmerl. 

Sergetta,  Mädchen  im  Hause  des  Amtsliauptmanns  Mad.  Zimmerl. 

Sandrina   Mad.  Böhm. 

Nardo   Herr  Gatto. 


-  288  - 


Den  Be&cltlu^s  macht 
ein  von  Herrn  Vogt  verfertigtes  grosses  neues 

Ballet 

genannt 

Das  Fest   des  Tanges 

Wobey  Herr  und  Mad.  Schwab,  zwey  neue  Tänuer,  mm  erstenmale  die  £brc  haben 

werden  aufzutreten. 

Der  Anfang;  ist  mit  dem  Glockenschkg  6  Uhr. 
Die  Person  zahlt  in  den  Logen  und  Parquet  einen  Gulden,  eine  ganze  Loge 
SU  8  Gulden,  Parterre  lo  Batzen,  Gallerie  20  Kreuuer,  und  auf  dem  ieutCQ  PUu 

12  KreuCter. 

Der  SchaopUts  Ist  im  neu  erbauten  Comödten-Hauss  im  Jungbof. 

• 

\  Dienstags  i6.  April  1782 

wird  die 

SchattspieLer-GescllscIi  ift  unter  Direktion  des  Herrn  Böhm 

aulzutuhren  die  Hhre  haben: 

£in  grosses,  von  uns  hier  noch  nicht  gesehaies,  aus  dem  Englischen  des 
berOhmten  Shakespeare  übersetztes 

Trauerspid  bi  ftof  Au&ügen 
genannt 
^  Macbeth. 


Malcolm,    |  König  Dunkans   Herr  ZimmerL 

Danalbain,  \       Söhne    Henr  Schouwin. 

Macbeth»  |  Feldherm  über  das    .......  Herr  Jonaswbn. 

Banquo,  l       Kriegsherr    Herr  Schimann. 

Macduf   Herr  Bilau. 

Mcntheth  |    Thanes  oder   Herr  Rothe. 

Catneuss,  \     Baronnen   Herr  Christel. 

Curau,  eni  Mörder   Herr  Gatta 

Seyton,  ein  Offiacr   Herr  Flamant 

Ein  Arzt   Herr  Engst. 

Lady  Macbeth  *'   Mad.  Gatto. 

Kammerfrau    ..............  Mad.  Engst. 


Hexen,  Zauberer,  Soldaten,  Bediente,  Banquos  Gebt, 
verschiedene  redende  und  stumme  Erscheinungen. 


Das  heutige  Trauerspiel  ist  vou  dem  sonst  hier  autgetührten  ganz  unterscliieden- 
Die  Wahrsagungen  der  Hexen  und  Zauberer,  die  vielerley  Erscheinungen,  die  in 
dem  heutigen  vorkommen,  veriodem  den  ganzen  Innhalt;  und  obschon  derglndien 

Gaukeleyen  in  denen  meisten  andern  Stücken  dem  Kenner  anstössig  sind:  so  muss 
doch  jederni.uip.  bekennen,  dass  sie  bcvni  Shakespeare  sehr  interessiren,  und  unser 
heutiger  Macbeth  wird  beweisen,  dass  man  sehr  unrecht  thut,  wenn  man  sie 
weglisst,  und  denen  MelsterstQcken  dieses  grossen  Genies  zu  viel  tusctst  oder 

abnimmt 


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No.  a 


Repertoire  der  Behmiachen  Tmppe,  Jeniuur,  Febmar,  JM&rs  178).* 

3.  Januar.  Die  unvermutheten  Zuffttle.  Ein  aus  dem  Französischen 

übersetztes  neues  nie  gesehenes  Singspiel  in  drey  Auf:^üpen.  Mit  der  \ortrefflichen 
Musik  des  benihn^ren  Grctrv,  Verfasser  Zemirens,  Silvain;.,  des  Haiistreundc«;  etc. 
UcD  Beschluss  inaclu  cm  neues  von  Herrn  Amor  vcrtmigtcs  DivcrtisM:mcnts- 
fiallet,  genannt:  Der  Wunsch  tum  neuen  Jahr. 

7.  Januar.  Die  schAne  Frankfurterin  oder:  Die  Schlittenfahrt. 
Ein  neues  hier  nie  gesehenes,  sehr  unterhaltendes  Original -Lustspiel  in  filnf  Auf- 
zügen. Den  Reschluss  macht  das  hier  nie  gesehene  englische  Ballet^  genannt: 
Der  Ciuaker,  oder:  Die  Belustigung  im  \'auxh.i!!. 

14.  Januar.  Die  Lasterschuie.  Ein  aus  dem  englischen  übersetztes,  gaiu 
neues  Iner  nodi  nie  gcselienes  Lustspiel.  W^en  Länge  und  GrOsse  des  Stücks 
kann  beute  kein  Ballett  gegeben  werden. 

2t.  Januar.  Samson,  der  Feind  der  Philistäer.  Ein  grosses  heroisches 

von  Herrn  Wcislcern  verfertigtes  Schauspiel  in  fTnif  .\uf;'ügcn.  Vorbericlii :  ("ibschon 
J.1S  heutige  Schausniel  dem  Kenner  keine  Mmilia  (lalotti  ist,  noch  Hrwinen  von 
.Stanlieim,  Agnes  Bcrnauerin  oder  den  Kaubern  gleich  kommt,  so  mu:>s  tnun  doch 
inaner  gestehen,  dass  es  f&r  das  Auge  vid  Anflehendes  hat.  Ein  Oehlbaum,  der 
sidi  in  einen  Lorbeerkranz  verwandelt,  der  Löwe,  den  Samson  tödtet,  die  mit 
einem  Eselskinnbacken  erlegten  Philistäer,  das  aus  detnsclben  qntüende  Wasser, 
womit  Samson  seinen  Durst  löschet:  die  zerbrochenen  eisernen  Tliorc  des  (Iclang- 
nisses,  die  er  samtut  seinem  Vater  auf  den  Scliultern  davon  tragt,  und  die  Eiii- 
stürzung  des  Gewölbes  im  Tempel  werden  den  Zuschauer,  der  nkht  nur  gerne 
hört,  sondern  auch  gerne  sehen  wdl,  wie  wir  uns  schmeicheln,  angenehm  unter- 
halten und  vergnügen. 

50.  J.iniiar.  Die  R. "tu her  von  Fr.  Schiller.  (Die  weiteren  Mittheilungen 
über  das  Stück  sind  im  Text  wieder  gegeben.) 

4.  Februar.  Die  xwey  Gräfinnen.  Ein  aus  dem  italienischeu  übersct;:tes 
Oes  denx  Contesses)  vortreffliches  Singspiel  von  Paisiello,  dem  Vertasser  des  Mäd- 
chens von  Fraskati.  Dann  folgt  das  Ballet:  Die  Horazier  und  Kurazier. 
dessen  fohalt  ausfuhrlich  angegeben  ist. 

n.  Fcbni.ir,  Das  Findelkind.  Ein  neues  hier  niemals  gcscIicnes  (Viginal- 
Lustspicl  in  fünf  Aufzögen.  Die  Charaktcrcs  des  heutigen  I.ustspicK  sind  vor/ügItc!i 
ges^^hildert,  besonders  hebt  der  alte  taube  Scliulmcister  durcli  Ncine  uiuernieugten 
laletniscben  Sentenzen  and  die  flbei  verstandenen  Reden  das  Komische  des  Stückes, 
so  dass  wir  un.>  schmdcfadn  dürfen,  unsere  Gönner  angenehm  zu  unterhalten. 
Den  ßeschluss  m.icht  ein  grosses  komisches  Ballet,  genannt:  Der  betrogene 
Vormund  oder  der  ungarische  Z wiebeikramer  wobey  der  junge  Engst, 
ein  Ivind  von  5  bis  6  Jahren,  mit  ganz  besonderer  Geschicklichkeit  in  einem  walir- 
haft  ungarischen  National  -  Solo  sich  das  Wohlgefallen  eines  verdtrenswerthen 
Publikums  zu  erwerben  äusserst  beflissen  sein  wird. 

18.  Februar.  Die  samnitischen  Heyrathen.  Ein  grosses  neues  von  uns 
noch  nie  gesdienes  aus  dem  Französischen  übersetztes  Singspiel  in  drey  Aufzügen 


■  Nach  Auszügen  aus  dem  aFrankfurter  Staats-Ristretto«. 

»9 


—    290  — 

von  Gretry.  Vorbericht:  Die  heutige  Oper  ist  unstreitig  eine  der  schönsten  des 
französischen  Theaters,  und  die  Musik  Gretrys  Mcister'^tück.  Harmonie.  AusiJruck 
der  Leidensdiatt,  Anpassung  auf  die  \S  orte  erheben  sie  über  seine  anderen  Arbeiten. 
Da  wir  nun  unsrerseits  durch  die  gehörige  Verzierung  der  Bühne,  durch  Pracht 
des  Aufzugs  und  der  Kleider  und  durch  unseren  Pleiss  alles  bt^rzmnigen  äusserst 
beflissen  sein  werden,  so  schmeicheln  wir  uns,  den  BtyhU  unseres  verdirungs- 
würdigen  Frankfurts  zu  verdienen. 

25.  Februar.  Erwine  von  Stein  heim.  Ein  grosses  Original -Sciuuspiel 
in  fSmt  Aufzügen.  Das  heutige  Stück,  das  sich  auf  eine  wahre  Geschichte  in 
hiesigen  Gegenden  gründet,  hat  an  Aufzug,  Verzierungen  und  Pradit  dwnso  inel 
Anziehendes  an  sicli  als  ^^'ahron,  Hamlet  und  Makbeih  und  seine  Vortrefflichkeit 
wird  ebenso  sehr  den  Iky!.»ll  der  Kenner  erhalten,  nls  der  dann  vorkommende 
Pomp  das  Auge  des  Zuschauers  jeder  Gattung  vcrgnüga)  u  ird. 

März.  Unschuld  und  Liebe  (rAmore  in  Campagna).  Ein  aus  dem 
Italienischen  übersetztes  grosses  vortreffliches  Singspiel  in  drey  Aufzügen  mit  der 
vortrcmichcn  Musik  des  K.  K.  K.ipcllinei^.ier';  S.)lieri.  N'.jch  Hndigung  des  ersten 
und  zweytcn  AuI/uü;«;  werden  sicli  Herr  Siippus  und  Herr  Kraus,  ersterer  mit 
einem  Conccrt  auf  der  Oboe,  zwcyter  mit  einem  Fagott-Conccrt  hören  /u  lassen 
die  Ehre  haben.  Den  Beschluss  wird  Mad.  Böhm  mit  einer  Danksagungsrede  lür 
alle  bisher  genossenen  Wohlthaten  machen« 

Ko.  III. 

Die  Räuber  von  Friedrich  Schiller. 


N.imen  der  Darsteller  in  der  Au:ii  '  :  ii       .:  1 


II.  Okiober 

iS.  Oktober 

9.  März 

18.  Septemba 

rersoncn  des  Muckes.  | 

1787. 

1788. 

1801. 

i8ii. 

Maximilian,  regierender  Graf 

von  Moor  ..... 

Herr  Stegmann 

Herr  Stegmann 

Herr  Schmidt 

Herr  Schmidt 

Karl,  1        cxu  1 
-       \  seine  Söhne .  .  .  T 
Franz,!  \ 

»  BAheim 

»  Böheim 

n  Werdy 

»  Werdy 

»  Ifland  als 

»  Untelmann 

»  Prandt 

B  Gen.-DiFekt. 

Gast 

Ifland  a.  G, 

Amalie,  seine 

Nichte   .  . 

Mad.  Böhcim 

.Mad.  Böheim 

Denis.  Bulla 

.Mad.  \'oh> 

Spiegel  bcrg 

hernach 
tcn 

Herr  Högglen 

Herr  Czika 

Herr  Demmcr 

Herr  Urspruch 

Schweixer 

»  GünthM' 

»  Koch 

»  Sudtier 

»  Haas 

Grmiin 

»  Vio 

N  Lampe 

»  Amberg 

»  Amberg 

Schufterle 

0  C  1 

I*  Walter  jun. 

»  Walter  jun. 

»  Urspruch 

»  Viebwe^ 

H.umann 

c  n  1 
■p  ffi  ■ 

■1  Walter  sen. 

»  Gunkd 

0  Hill 

>►  Hill 

Roller 

Z      '    ■    '  • 

M  Frankenberg 

.)  Lux 

u  Lux 

0  Lux 

Kosinsky 

.... 

»Wolschowsky 

»Wolscbowsky 

»  Düpri 

•  Waller 

Hermann,  Bastart  eines  Edel- 

mannes 

•        •        t        •        •  • 

.)  Matt.iusch 

»  Mattausch 

»  Otto 

»  Otto 

Eine  Magistr.if-pcrson  .    .  . 

.>  Lüsler 

"  Brendel 

»  Haas 

»  Mcggenbof 

Daniel,  ein  alter  Dicuer  .  . 

»>  Wideraaim 

»  Gcissler 

»  Engelhardt 

»  Kröuer 

»  Cassini 

i»  Cassini 

[  »  Mayer  ^ 

w  Rühr 

♦ 


uiyiii^ed  by  Google 


Opernhaus 

Montag,  ao.  November  1882  (Ausser  Abonnement) 
Volksvontdlung 

Zur  Erinnerung  an  die -erste  Auffiltirung  der  »Rfluber«  in  Frankfurt  a.  M. 

vor  100  Jahren 
Prolog  von  E.  Mentzel,  gesprochen  von  Herrn  Pettera. 

Hierauf 
Die  Räuber 
Schau^l  in  5.  Akten  von  Schüler. 
Personen. 

Maximilian,  regierender  Graf  von  Moor    ....    Herr  Weber. 

('arl    I     .     _  ,  Herr  Salomon. 

c       i  scme  Söhne   u„„  u . 

r'in?  l  Herr  Hermann. 

Auuiic  von  Edclrcich   Frl.  Güiiilel. 

Spiegdberg   Herr  Müller. 

Schweiler   H   r  l'ettera. 

Schwarz   Herr  Kisemann. 

Grimm   Herr  Kömpler. 

Schufierle   Herr  Desprez. 

RoUer   Herr  Strohbecker. 

Razmann   Herr  Diegelniann. 

Kosinsk\   Herr  flofm^nn. 

Hermann,  Bastard  eines  Edehujnue^     .....  Herr  Schneider. 

Ein  Pater   Herr  Werkenthin. 

Daniel,  ein  alter  Diener   Herr  Collin. 

Der  Ort  der  Handlung  ist  Deutschland. 

* 

No.  IV. 

Repertoire  der  Kur-Kölnigclieo  Grosainäniiischen  Hofechau- 
flpieler-Geaellschalt  vom  y.  September  bis  s6.  Oktober  178t/ 

3.  Sept.  Hrüfinung  des  neuen  Komödienhauses  mit  Hanno,  Fürst  im 
Sorden.  iün  .Schauspiel  in  5  Aufziipcn  von  BncV.  Hierauf  folgt:  Ein  Epilog 
mit  G  c  ^.  a  n  g.  Hiiieni  llochcdlcn  und  Hoclnvciscn  Magistr.u  und  einem  vcr- 
chruugbwürdigen  Publiko  bey  der  Eiuweiliung  des  neu  erbauten  .Schauspielhauses 
in  tiefster  Ehrfurcht  gewidmet. 

4.  Sept.  Freundschaft  and  Argwohn.  Bin  Lustspiel  in  $  AofaQgcn 
von  Jünger. 

5.  .Sept.  Der  Gläubiger.  Ein  Lustspiel  in  j  .\ufzQgen  von  Richter,  und 
Der  unwissende  Philosoph.  Ein  italienisches  Intermezzo  in  }  Aufzügen,  in 
Musik  gesetzt  von  Paisiello. 

6.  Sept.  .\gncs  ßernauerin.  Ein  vaterländisches  .Schauspiel  in  5  Auf* 
z&gen  vom  Grafen  Thörring.  Anmerkung.  Madame  Feraglioni  und  Signor  Carlo 


'  N.ich  Auszögen  aus  dem  »Frankfurter  Staats- Ristretto«,  der  »Frankfurter 
Oberpostannszeitung«  und  dem  22.  Stück  des  Theater  -  Journals  für  Deutschland. 

19* 


—    292  — 

Bussoli  sind  für  die  Mcsszcit  auf  Empfehlung  verschiedener  Herrschaften  von  Herrn 
(irossniann  cnRagirt  worden.  Nicht  weniger  hat  derselbe  mit  Sr.  Kurfürsil.  Gnaden 
Bewilligung,  die  bcrühnncn  Virtuosen  aus  Munster,  die  Gebrüder  Romberg,  Väter 
und  Sflhne,  init  ittcfa  Frankfnn  genoannen,  wodurch  mit  Zudehnng  d«r  geschickten 
Frankfiurter  Miisici  das  Ordiester  ToUsUndig  uod  vortrefflich  besetzt  wird. 

7.  Sept.  Wildheit  und  Grossmuth.  Ein  OrigilullttSISpidi  in  2  Auf- 
zügen von  Wezel  und  Die  Freundschaft  auf  der  Probe.  Ein  Singspiel  in 
2  Aufzügen  von  Mamiontel,  in  Musik  gesetzt  von  Gretry. 

9.  Sept.  Die  seidenen  Schuhe.  Ein  Lustspiel  in  2  Aufzügen  von  Krct.sch- 
tmnn  und  Der  Alchimist  Ein  Sings|Nd  von  Mamiontel  nüt  MasSk  von  Gretry. 

la  SepL  Der  junge  Geisige.  Ein  Lustspiel  von  Brandes  und  Die 
gelehrte  Frau.  1^  italienisches  Intermezxo  in  2  AnfiQgen  mit  Musik  von 
Piccioo. 

11.  Sept.  Die  Samniiische  H o chzcit s f eyer.  Ein  ganz  neues  Singspiel 
von  der  meisterhaitca  Konipusition  des  Herrn  Gretry. 

12.  Sept  Die  Badekur.  Ein  Lustspiel  in  2  Aulz&gen  von  Jünger.  Es 
folgt:  Die  edle  Gärtnerin.  Ein  Italienisches  Intermeno  in  2  Autsägen  mit 
Musik  von  Affossi. 

ij.  Sept.   Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln  von  Grossmann. 

14.  Sept.  Günther  von  Schwarzburj^.  Ein  grosses  heroisches  Sing- 
spiel von  Professor  Klein  mit  der  vortrefflichen  Komposition  des  Herrn  Holzbauer. 

Arn  Sonntag  (ij.)  ist  grosses  Konzert  im  rothen  Hause  wo  sich  besonders 
die  vierxehnjihrigen  Söhne  der  Gebrfider  Rombeig  aus  Monster  auf  der  Violin  und 
dem  Violonchell,  und  Mad.  Beckenkam  und  Mamsell  Grossmann  (beide  Mitglieder 
der  Kurcc^lntschen  Gesellschaft)  mit  italienischen  Arien  von  Sacdiini  und  Guglieimi 
werden  hören  lassen. 

16.  Sept.  Der  Postzug.  Ein  Lustspiel  vom  Obersten  Ayrenhofer.  Ii«, 
folgt:  Ino.  Bin  Musikalisches  Drama  vom  KönigL  Pieuss.  Kapdlmdster  Reichhard. 

17.  Sept.  Emilia  Galotti.  I^n  Trauerspid  in  {  Aufsögen  von  Lessing. 

18.  Sept.  Die  Folter  oder:  Der  menschliche  Richter.  Ein  Schau* 
spiel  in  einem  .\ufzuge  von  Weidemann.  Hierauf  spielt  Herr  jacobi  ein  Violin- 
conccrt.  Den  Beschluss  m.icht:  Die  drcy  Pachter.  Ein  Singspiel  von  der  be- 
liebten Cumposition  des  Desaidcs. 

19.  Sept.  Die  Phisiognomie  oder  Karl  und  Sophie.  Ein  ganz  neues 
Lustspiel  von  firetaner. 

20.  Sept.  Zayre.  Das  berühmte  Trauerspiel  von  Voltaire  wurde  ang«^ 
kündigt,  aber  wegen  plötzlicher  Erkrankung  eines  Sch.iiispielers  nicht  gegeben. 
Statt  dessen  führte  man  Mariane,  ein  Trauerspiel  von  Voltaire  und  Der  Fass- 
binder, ein  Singspiel  von  Attdinet,  auf. 

21.  SepL  Das  schöne  Gärtnermidchen  von  Fraskati.  Ein  Sing- 
spid  in  }  Aufs&gen  von  Philipp  Livigni»  Münk  von  Paisiello. 

2}.  Sept.  Der  Eheprokurator.  Ein  neues  Lustspie!  von  Brctzner.  Nach 
dem  Stück  wird  Mad.  Beckenkam  eine  italienische  Arie  von  Mon/.a  singen. 

24.  Sept.  Die  Liebe  unter  den  Handwerkern.  Ein  komisches  Sing- 
spiel aus  dem  Italienischen  übersetst  von  Neefe.  Die  Musik  ist  von  Gasmann. 

25.  Sept.  Natur  und  Liebe  im  Streit.  Bio  Schauspiel  in  s  AufcOgeD 
von  d*Arien.  (Nach  dem  ersten  Akt  spielte  Herr  Romberg  aus  Münster  ein 
Concert  auf  dem  \'iolonchel!.  Madame  Schouwirt  kam  von  der  Böhmischen  Ge- 
sellschaft und  debutirte  als  Consunze.) 


26.  Sept.  Der  Mann,  den  seine  Frau  nicht  kennt.  Ein  Lustspiel  in 
2  Aufzügen  von  Götter  nach  Boissy  und  Der  eitersüchtige  Liebhaber  oder: 
Die  nächtliche  Za»aniincnkunft  Bm  Singspiet  in  5  Aufzügen;  in  Musilc 
gesetzt  von  Gretry. 

Sept.  Adelheid  von  Veltheim.  Hin  Schauspiel  mit  Gesang  in 
4  Aui/.ugen  von  Herrn  Grossniant?  In  Musilc  f^esetzt  von  Neefe.  (Die  Einnahme 
wurde  von  Herrn  Grossmann  z(  n  \  Ttheile  von  Denioisclle  Grossniann  bestimmt.) 

30.  Sept.  Hanno,  Fürst  im  Norden.  Zum  Besten  des  Armenhauses 
wiederholt 

1.  Okt.  Minna  von  Barnhelm.  Ein  Lustspiel  in  5  Aufzügen  von  Les- 
sin^.  (Herr  Schtinaon  kam  von  der  Bölunischen  Gesellschaft  und  debutirte  als 
Paul  Werner.) 

2.  Okt.  Romeo  und  Julie.  Ein  Schauspiel  mit  Gesang  in  3  Aufzügen 
von  Gotier.  Li  Musik  gesetzt  von  Georg  Benda,  und  Die  beyden  HQte.  Ein 
Lustspiel  In  einem  Aufzuge  nadi  dem  Fnnz.  des  CoUer. 

5.  Okt.  Der  unwissende  Philosoph.  Ein  italienisches  Intermezzo  in 
j  Akten;  in  Musik  gesetzt  von  Paisiello.  Hierauf  folgt:  Nacht  und  Ungefähr, 
liia  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von  Reichard.  Den  Bcschluss  naacht  Die  herr- 
schende Magd.  Ein  italieirisches  Intermezzo  in  2  Akten,  in  Musik  gesetzt  von 
Pergolesi. 

4.  Okt.  Die  Gunst  des  Fürsten.  Ein  Trauerspiel  in  5  Aufzügen  von 
Dyk  nacli  B.inl<s,  und  Lucile.  Ein  Singspiel  in  einem  .\ufzuge;  die  Musik  ist 
von  Gretry.  (Herr  Schouwärt  kam  von  der  Böhmischen  Gesellschaft  und  debutirte 
als  Graf  Essex.) 

5.  Okt  Wer  wird  sie  kriegen?  Ein  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von 

einem  Soldaten;  und  Das  tartarische  Gesetz.  Ein  Singspiel  in  2  Aufzüigen 
von  Götter  nach  Gozzi,  in  Musik  gesetzt  von  Herrn  Hauptmann  dWntoine. 

7.  Okt.  Das  Loch  in  der  Thüre.  Ein  I.ustsnu-l  in  t'-mf  Aüfzüf^en,  von 
Stephanie  dan  jüngeren.  (Zwischen  einem  Akt  sang  iicrr  Wicdemaun  eine  bravour- 
Arie  von  Majo.) 

8.  Okt.  wurde  Günther  von  Schwarzburg  wiederholt.  Ein  heroisches 
Singspiel  von  Profes-^'T  Klein.  Die  Musik  ist  von  dem  kurpfalzischen  Kapellmeister 
Holzhauer.  (\\  iedcrliolt  nebst  denen  mit  Bewilligung  des  Herrn  Verfassers  bey 
seiner  Gegenwart  getroffenen  Veränderungen.) 

91  OkL  wiederiiolt:  Die  Phisiognomie  oder:  Karl  und  Sophie. 
Nadi  dem  vierten  Akt  singt  Madame  Beckenkam  dne  Arie  von  Bach. 

10.  Okt.  Der  weibliche  Kammerdiener.  Ein  Lustspiel  in  einem  Auf- 
;^uge  von  Bonin,  und  Die  Kolonie.  Ein  Singspiel  in  2  Aufzögen;  in  Musik  ge- 
setzt  von  Sacchini. 

11.  Okt.  Sir  John  Fallstaf.  Ein  Lustspiel  nach  dem  Shakespeare  von 
Doktor  SchwicL 

12.  Okt.  Eigensinn  und  Launen.  Ein  Singspiel  nach  dem  Italienischen 
frey  übersetzt  von  Grossmann.    Die  Musik  ist  von  Daller. 

14.  Okt.  Henriette  oder:  Sie  ist  schon  ver heyrathct.  Ein  Lu«t* 
spiel  von  Grossmann. 

15.  Okt  Sophonisbe.  Ein  musikalisches  Drama  mit  historischem  Prolog 
und  Chören  von  Meissner,  in  Musik  gesetzt  von  Keefe,  und  Die  verstellte 
Kranke.    Ein  Lustspiel. 

16.  Okt.  Hamlet.  Ein  Trauerspiel  in  j  Aufzügen  von  Schröder  nach 
Shakespeare. 


-  294  - 


ij.  Okt.  Der  üalcer  en>klav.  Em  Suuuipici,  und  Dab  ßlciidiA  erk. 
EiD  komtsdies  Siogspid. 

18.  Okt.  Ariadne  auf  Naxos.  Hin  musikalisches  Drani.i  von  Hraniks, 
mit  musikalischem  Akkompsigncment  vom  Kapelldirektor  fienda,  und  Die  Bade- 
kur.  Ein  Lustspiel. 

19.  Okt.  Die  Freyer  oder;  Woraul  verlailt  eiii  Frauenzimmer 
nicht!  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von  Reidtard,  und  Das  Urtbeil  des  Mi  das. 
Ein  Singspiel  von  Gretry. 

ai.  Okt.    Der  Lüj^ner.    Ein  Lustspiel  in  j  Aufzügen  von  Coldoni. 
22.  Okt.   Oer  Englische  Kaspar.   Ein  Original  - Lu&tspiel,  und  Der 
Deserteur.  Ein  Singspiel  von  Monsigni. 

2|.  Okt.  Der  französische  Hausvater.  Ein  Schauspiel  vra  Diderot 

24.  Okt.  Der  deutsche  Hausvater.  Ein  Schauspiel  von  GcniniingciJ« 
Hierauf  ein  Violincon/ert  von  Jacohi. 

25.  Okt.  Sultan  Achniet,  genannt:  Die  Lust  und  Liebe  seine:» 
Volks.  Ein  grosses  heroisches  Schauspiel  von  Bock. 

26.  Okt.  Das  Rosen  fest.  Ein  komisches  Singspiel  in  }  Aufzügen  von 
Herrmann.  Die  Musik  ist  vom  Kapellmeister  Wolf.  (Nach  dieser  Vorstdhing  bidl 
Herr  Schmidt  eine  Abschiedsrede  in  Versen.) 

i>en  27.  Okt.  reiste  die  Kur-Kölnische  Gesellschaft  wieder  nach  Bonn  «urüd. 

• 

*  • 

No.  V. 

Repertoire  der  Italienischen  Operisten  vom  11.  ^an.  bis  uVLkrz  178).' 

u.  Jan.  Die  aus  London  hier  angckonmicne  Gesellschaft  Italienischer 
Operisten  werden  künftigen  Samst:»<^  /xim  erstenm.ilc  auttuhren:  Eine  grosse  Opera 
in  2wey  Akten  genannt;  Die  Italiener  in  London.  Die  Musik  ist  von  dein 
Ruc^ch  Kayserl.  Capellmdster  Cimarosa  aus  Neapolts. 

18.  Jan.  Da  die  sämmtliche  Gesellschaft  derer  Italienischen  Operisten  allhicr 
würklich  eingetroffen  ist :  «;o  wird  die  verwichnen  Samstag  versprochene  erste  Vor- 
stellung von  ilinen  künftit^en  S.imsta^s.  den  18.  dieses  ganz  ohnfchlb.ir  ihren  Fort- 
gang haben.  Sie  erbitten  sich  ein  /ahlreiciies  Auditorium  um  so  mehr,  als  sie  sicli 
schmeicheln,  sowohl  mit  ihren  vortrefflichen  Singspielen  als  auch  Ballets  alle  Ge- 
nugthuung  geben  zu  können.  Das  Abonnement  för  8  Reprcsent.itionen  kostet 
fünf  Gulden;  sokiies  besnrr^ct  L'nterreichncter,  hev  welchoni  auch  die  Bücher  zu 
dieser  Opera  teutsch  und  italienisch  /u  haben  sind,  das  Stück  vor  18  kr.  J.  Friedridi 
Scheidweiier  in  der  Hasengass  No.  267. 

2$.  Jan.  Der  eifersfichttge  Bauer.  Die  Musik  ist  von  dem  berühmtem 
Herrn  Capdirodster  Sanü  aus  Mayland. 

!.  Febr.  Der  Gc!t/i<,'e.  Eine  in  allem  Hetracht  sehenswürdige  von  dan 
erhabenen  grossen  Dichter  Goldoni  zu  Venedig  verlertigte  und  äusserst  interessante 
Opera  BufTa.  Die  dem  Text  angemessene  sehr  einiaehmende  und  das  Ohr  des 
verehrungsw'ikrd^^  Publikums  zweifelsohne  vollkommen  ergötzende  Musik  daxu 
ist  von  dem  berühmten  KapdlmciSCer  Anfossi  aus  Ncapolis  componirt  worden. 
Zum  Beschluss  wird  noch  em  ganz  neues  von  dem  geschickten  Balletmetster  Marliani 


*  Aus  dem  »Frankfurter  Staats-Ristretto.« 


i 


verfertigtes,  noch  nie  gesehenes  und  sehr  lustiges  Ballett  Der  betrügUche  Vor- 
mond  genannt  gegeben  werden. 

8.  Febr.  Auf  ausdrückliches  Verlangen  eines  hohen  Publikums  die  höciist 
interessante  Oper:  Die  Eifersucht  der  Bauern.  Nachher  wird  ein  sehr 
lustiges  Ballet  gegeben  werden. 

1$.  Febr.  Die  strittige  Heyrath.  Eine  sehr  lustige  ungemein  unter- 
haltende, von  dem  berühmten  Kapellmeister  Valentini  in  Musik  gesetzte  Oper.  Das 
erleuchtete  Publikum  wird  viele  interessante  Sccnen  in  diesem  Stfickc  finden,  und 

man  darf  nn  dem  allgemeinen  Ri.vf.ill  der  einsichtsvolljii  Kenner  im  mindesten 
nicht  zweifeln.  Der  gan/x-  Inhalt  dieser  schenswürdicjcn  Oper  ht  rtitch  Deutsch  für 
6  Kreuzer  sowohl  bey  dem  Hingänge  in  da^  Cuniudieniiau:»  ai:>  auch  bcy  Herrn 
Sehddweiler  In  der  Hasengasse  No.  217  zu  haben. 

19^  Febr.  wird  von  dem  geschickten  Italienischen  Balletmeister,  Herrn  Mar- 
Hani,  in  Gesellschaft  der  ersten  Tänzerin,  Mad.  Meiondni,  eine  Akademie  g^ebcn. 

in  welcher  recht  ausgesuchte  Arien  gesungen  werden,  wobey  sich  ein  ganz  neu 
angelangter  Sänger  mit  hotVentlichem  Beyfall  huren  zu  lassen  gedenket.  Nachher 
wird  dne  %a  dreyen  .\ufzügen  bestehende  pantomimisdie  Benefizkomödie  f&r  erst- 
gedadtte  beyde  Personen  unter  dem  Titel  »Die  in  dem  Hause  des  Pantaktns  zwar 
vergnügt  angefangene,  aber  durcli  die  lächerliche  Aufführung  des  PIcrots  wieder 
zerstörte  Heyrath«  aufgeführt  werden,  in  welcher  verschiedene  Masken.  Harlekins 
und  andere  sehr  luftige  Auftritte  vorkommen,  jede  von  den  handelnden  Personen 
wird  sich  durd)  das  Naive  der  Rollen  zum  Vergnügen  des  verehrlicheo  Publikums 
bestens  zu  empföhlen  beflissen  seyn,  und  man  erwartet  daher  einen  zahlreidiett 
Zuspruch.  Ein  sehr  sehenswürdiges  Ballet:  Die  Belustigung  der  Schäfer 
;^'en.mnt,  wird  endlicli  den  Reschlnss  dieses  Divertissements  mnchcn.  —  '/.u  ergöl;^cndcr 
Unterhaltung  der  Zuschauer  werden  die  agirenden  Personen  sich  alle  mögliche  Mühe 
geben.  Da  dieses  eine  fienefizkoroödie  für  den  Herrn  Balletmdster  Marliani  ist, 
so  wird  der  heutige  Tag  nicht  zum  Abonnement  gerechnet,  sondern  davon  aus- 
genommen. 

22.  Febr.  Die  Schule  der  Eifersüchtigen.  Eine  grosse,  sehr  histige, 
ungemein  unterhaltende  Oper.  Die  Musik  dazu  ist  von  dem  berühmten  Kay^crlich 
Königliehen  Kapellmeister,  Herrn  Salleri,  verfertigt  worden.  Ungemein  viele 
bateressante  Scenen  kommen  in  diesem  Stücke  vor,  und  an  dem  allgemeinen  Bey- 
f.ill  der  oinsiclitsvolkn  Kenner  d.irf  m.in  nicht  im  geringsten  zweifeln.  Den  Beschluss 
wird  ein  sehr  lustiges  B.illet  unrer  dem  Titel:  »Der  Jüger  auf  der  Jiigd« 
machen.  Die  Herrn  Abotnienten  werden  respective  gehorsamst  und  geziemend 
ersudit,  die  noch  in  Händen  habenden  und  nur  noch  für  diese  grosse  Oper  brauchbar 
und  gültig  seyenden  Billets  im  Komödienhause  gefälligst  abzugeben. 

I  Marz.  Von  Seden  zcrschmelnzcnder  Freude  und  reiner  Dankbarkeit  (üt 
den  bisherigen  geneigten  Zuspruch  durchdrungen,  kann  Ftndesimterzeichneter  Direktor 
Ferrari  für  den  bereits  erhaltenen  schmeichelhaften  Bevfall  des  erhabneren  I  lieils 
des  verdKungswerthen  Publikums  den  Zoll  der  waliren  Hrkemtlichkeit  nicht  länger 
unabgestattet  verbergen,  sondern  muss  ihn  öffentlich  hiermit  in  der  grössten  Rührung 
seines  Herzens  entrichten.  Um  nun  aber  die  vollkommenste  Zufriedenheit  bey 
allen  edeldenkendcn  Gcmüthern  einztierndten,  gedenkt  angeregter  Herr  Ferniri  die 
schon  angekündigt  gewesene,  durch  einen  widrigen  Zufall  aber  unautgeluhrt  ge- 
bliebene grosse  Oper:  Die  Schule  der  Eifersüchtigen  genannt,  heute  Sonn» 
abend  als  den  i.  März,  mit  seiner  ganzen  Gesdlschaft  aufzußlhren.  Und  weil 
dieses  eine  Benefizkomödie  für  denselben,  folglich  die  Einnahme  dieser  Oper  allein 
für  ihn  bestimmt  ist,  so  emphdilt  sich  derselbe  zum  hoh;rn  Wohlwollen  aller 


—  296  — 


Tlicatcr-Frcundc  bestens.  —  An  Zierde  und  Geschnuck  des  Theaters  sowohl  als 
des  Kostüms  in  den  Kleidungen  und  überhaupt  in  der  ganxen  Einrichtung  bejr 
dieser  wichtigen  Oper  wird  derselbe  nichts  ermangeln  luieii,  um  St  verdurlkhe 
Gunst  des  erleuchteten  Publikums  «1  erwerben.  Nach  dem  ersten  Aufzug  dieser 
Op«r  wird  Der  Jdger  auf  der  Jagd  als  ein  Ballet  gegeben;  nach  dem  zweNtra 
Aufzug  aber  eine  von  dem  berühmten  Dichter  Goldoni  verfertigte  und  in  fünf 
Akten  bestehende  grosse  pantomimisclie  Komödie:  Das  steinerne  Gastmahl 
genannt,  aufgefühn  werden;  und  wdl  da  hmen  St  Person  des  Hariekbs  vorkomnn, 
so  wird  der  Herr  Ballctmeister  Marliani  die  sehr  komische  Rolle  desselben  m 
Vergnügen  des  hoben  Publikums  selbst  übernehmen. 

Ferrari,  Direktor  der  Italienischen  Operistea 

Am  4.  März  fordert  l-crrnri  im  »l-rankfiirtcr  Sta.us-Ristretto«  alle  Personen, 
die  noch  reclnlichc  Ansprüciic  an  ihn  haben,  aui,  sich  am  3.  März  in  der  Mittags- 
smnde  bei  ihm  in  seinem  Logis»  bei  Herrn  Lieutnant  Vogt  euuulindea. 

« 

•  ♦ 

No.  VI 

Repertoire  der  Kur-Kölnischen  Hofschauspieler-Geselischafl 
von  April  bis  Mai  und  von  August  bis  November  178^. 

22.  April  wird  die  Bühne  eröffnet  mit  dem  musikalisclien  Prolog:  Üic 
Liebe  fflr  das  Vaterland.  Den  Beschluss  macht  ein  noch  nie  hier  gesebeats 
Schauspiel:  Die  glückliche  Jagd. 

23.  April.  Zum  Debüt  eines  neuen  Schauspielers  Hamlet.  Ein  sebens" 
würdiges  Trauerspiel. 

24.  April.  Die  konii^clic  l  amilie.  Hin  sehr  unterlialtcndes  Lustspid 
Zum  Beschluss  das  beliebte  Singspiel:  Der  Kaufmann  von  Smyrna. 

2).  April.  Der  Schwätzer.  Ein  Lustspiel,  worin  ein*  neuer  Schauspieler 
sich  dem  hochgeneigten  Publikun)  zu  empfehlen  die  Ehre  haben  wird.  Den  Be- 
schluss macht  der  Tanz  eines  Fnplir^chen  Matelnts. 

26.  April.  Die  beyden  Ilütc.  Hin  Lustspiel,  und  Die  Lügnerin  aus 
Liebe.  Ein  komisches  Singspiel  mit  der  vortrefflichen  Musik  des  Sailen. 

25.  .\pril.  Laiiassa  (Nach  dem  Französischen  des  le  Miere  von  Pl&midie). 
Hin  .Ulf  der  Pariser  l^uhne  mit  so  ausscrorJentllchcni  Beyfall  aufgenommenes 
Schauspiel.  Zwisciicn  den  Aufzügen  wird  Herr  Jacobi  ein  Concert  auf  der  Ah 
Viola  geben. 

29.  April.  Die  Badekur  und  die  nichtliche  Zusammenkunft  mit 

der  vortrefflichen  Gretryschen  Musik.  Der  wegen  seiner  musikalischen  und  thea- 
tralischen T.^lente  hck.itintc  Herr  Stegmann  wird  in  diesem  Sing^iel  dneni  hoch- 
geneigten  Publikum  sich  zu  empfehlen  die  Hhre  haben. 

3a  April.  Die  Phisiognoniie.  Ein  Lustspiel,  welches  aller  Orten  mit 
grossem  Beyfall  aufgenommen  worden. 

I,  Mai.  Der  Jurist  und  der  Bauer  und  Das  Gär  tncrniädchcn 
von  Fraskati.  Hin  Sin^'spicl,  das  sich  wegen  seiner  komischen  Situatioaen  und 
der  berühmten  Musik  des  Paisiello  empfiehlt. 

Mal  Die  seidenen  Schuhe.  Eine  komisdie  Oper  von  Fritzieri,  und 
ein  pantomimisches  Ballet:  Die  einfältigen  Bauern  oder  die  lebenden 
.Statuen. 

j.  Mai,  Das  Mädchen  im  EichthaL  Ein  Schauspiel  mit  Gesängen  und 

Tänzen. 


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6.  Mji.  Der  Diamant.  Ein  Lustspiel  von  Enf,'cl.  Zum  Debüt  des  Herrn 
^Krytricd  und  Die  Olympischen  Spiele.  Ein  grosses  heroisches  Singspiel  von 
SacdimK 

7.  Mai.  Die  Vormünder.  Ein  Lustspiel  vcm  Schletter.  Zwisdien  den 
Akten  werden  Italienische  Arien  gesungen. 

8.  Mai.    üünther  von  Schwarzhurg.    Cjro«ise  Oper. 

2.  Aug.  Heute  wird  im  neuen  Komödtenhnuse  vorgestellct:  Die  Ent* 
führung  aus  dem  Sera  iL  Ein  Singspiel  mit  der  mcisterliaiten  KompostHon 
des  Moaart    Hierauf  wird  eine  Antrittsrede  in  Versen  gehalten.  Di«  Spieltage 

ausser  der  Messe  sind  Dienstag,  Donnerstag;  und  Samstag.  In  dem  Abonncnicnr 
der  120  \'orstelhmgen  sind  die  Messen  mttbegriffen,  welches  man  zur  Verhinderen'' 
alles  Missver^tändni&ses  hiemit  anzeigen  wollen.  Künftigen  Dienstag  5.  Augui>t 
wird  aufgeführt:  Der  Triumph  der  Treue,  ^n  Singspiel  von  der  Composition 
des  berühmten  Guglietmi  Der  Tempel  der  Diana  mit  allen  darzu  erforderlichen 
Verzierungen.' 

7.  Aug.  Der  .irgwolmisciic  Licbli.iber.  Ein  hier  iiocli  nie  geschtnies 
Lu>itäpiel  von  Breuner.  Zwischen  den  Akten  wird  eine  neue  Sängerin  einige  Arien 
von  den  besten  Componisten  singen. 

8l  Aug.  Rangstreit  und  Eifersucht  auf  dem  Lande.  Ein  komisches 
Singspiel  in  drcy  Auflägen  nach  dem  lulienischen  mit  der  vortrefHichen  Musik 
des  Sarti. 

12.  Aug.  Romeo  und  Julie.  Ein  Singspiel  von  Gotter  und  Bcnda. 
Darauf  folgt:  Wer  ist  nun  angeführt?  Ein  Lustspiel  aus  dem  Englischen  der 
Miss  Cowley. 

14  Aug.  Der  Nebenbuhler.  Ein  Lustspiel  in  (unf  Aufzögen  von  Hi\gcl- 
bert  aus  dem  Hnglisclien  übersetzt. 

16.  Aug.  Jeauetta.  Ein  Lustspiel  von  Gotter  nach  Voltaire,  und  Der 
Antiquititensammler  oder:  Die  redende  Maschine.  Singspiel  von 
Johaim  Andri. 

19.  Aug.  Die  bevden  Killets.  Ein  Lustspiel  von  Anton  Wall  und 
Unverhofft  kommt  oft.  Ein  Singspiel  von  Gretry.  Zwischen  den  Akten  wird 
Herr  Jacobi  dn  Concert  aul  der  VioUne  spielen. 

3).  Aug.  Der  Bettler.  Ein  Lustspiel  von  Bock  und  Felix  oder:  Der 
Findling.    Ein  Singspiel  von  Monsigny. 

26.  Aug.  D.1S  gute  .Mädchen.  Ein  kumisckes  Singspiel  aus  dem  Italie- 
nischen mit  der  vonret)iichen  Musik  des  Piccini. 

28.  Aug.  Der  verdächtige  Freund.  Ein  Lustspiel  aus  dem  Englisdwn 
von  Bernhardt,  und  Die  Jungferndiebe.  Ein  komisches  Ballet  von  Nuth. 

3.  Sept.  Die  v;lter liehe  Rache.  Ein  Lustspiel  nach  dem  Englischen 
des  CoT^greve  vun  Schröder.  Am  Donnerstag  bleibt  die  Bühne  wegen  des  Geleits- 
uges  verschlossen. 

5.  Sept.  Die  Widerbellerin  oder  Gassner  der  aweyte  Ein  Lust- 
spiel von  Schick  und  Der  grossmüthigc  Seefahrer.  Ein  Singspiel  von 
Piccini.  Künftigen  Sonntag  wird  im  rotlieti  Hause  ein  vollständiges  Vokal-  und 
Instrumental  Konzert  gegeben,  wozu  die  resp.  Liebhaber  der  Musik  gehon;nmst 
eingeladen  werden.  (Diese  Anzeige  scliliesst  sich  unmittelbar  an  die  Theaier- 
ankfkndigung.) 


'  In  derselben  Kummer  kündigt  der  berühmte  Kunstfeuerwerker  Girandolini 
an,  iiass  er  in  Wilhelmsbad  ein  prächtiges  Feuerwerk  »der  Tempel  der  Diana« 
abbrennen  will. 


—  298 


Sept.  Der  Schneider  und  sein  Sohn.  Hin  Lustspiel  und  Harlekin 
al»  Bettlet  oder:  Die  Zaubertrompete.  Eine  Open  Pannwiintt  tnit  ^ndeo 
sehensw&rdigen  VemrandJunc^  der  BfUnie. 

8.  Sept.  Genera]  Scblenaheim  und  seine  Familie.  Ein  militiriscbes 
Schauspiel  von  Spiess. 

9.  Sept.  Zemire  und  Azor.  Ein  Singspiel  von  Gretry,  wobcv  der  voa 
dem  t>erühmten  Architekten  Herrn  von  Guaglio  (Mannheim)  verfertigte  grosse 
transparente  Saal  zum  erstenmal  au  sehen  seyn  wird. 

10.  Sept.   Der  argwöhnische  Liebhaber.   Ein  Lustspiel  von  Brct/ner. 

11.  Sept.  Das  Gärtnermädchen  voti  Fr:isc.it!.  Hin  komisches  Siag- 
spiel  von  Paisiello,  und  das  pantomimische  Hallet;  Die  j  ung  fernd  iebe. 

12.  Sept.    König  Lear.    Lin  Trauerspiel  von  Schröder  nach  Shakespeare 

13.  Sept.  Die  Italienerin  zu  London.  Ein  komisches  Singspiel  von 
Cimarosa,  und  Die  Riuber.  Ein  komisch-pantomimisch  Ballet  von  Nuth. 

1$.  Sept.  Der  verdächtige  Freund.  Das  beliebte  nach  dem  Engliscben 

bearbeitete  Lustspiel.  Zwischen  den  Aufzügen  werden  einige  Bravour-Arien  von 
Denioisclle  Schrott  und  Herrn  Stengel  gesungen  werden. 

16.  Sept.  Die  Pilgerfahrt  nach  Mekka.  Ein  komisches  Singspiel  mit 
untermischten  TInaen  von  Gluck. 

17.  Sept.  Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln.  Lustspiel  von  Grossmann. 

19.  Sepr  Otto  von  Wittelsbach.  Ein  vaterländisches  Trauerspiel  in 
fünf  Aul/ügcn  von  Babo. 

20.  Sept.  Das  gute  Mädchen.  Lin  komisches  Suigspiel  von  Piccim  uiiil 
Die  Wäscher mädchen.  Ein  komisch  pantomhnisches  Ballet  von  Ludwig  Nutb. 

ai.  Sept.  Die  Phisiognomie.  Ein  Lustspiel  von  Bretzner.  Den  Be&chluss 
macht  ein  Divertissement,  worin  sich  ein  neuer  Tänzer  zeigen  wird. 

2}.  Sept.  Die  Entführung  aus  dem  SeraiL  Ein  Singspiel  von  Mourt 
uebst  einem  türkischen  Ballet. 

24.  Sept.  Der  tcutsche  Hausvater.  Ein  Schauspiel  von  Gemniingen 
und  Die  Schornsteinfeger  und  die  Wäschermädchen.  Ein  panto- 
mimisches Ballet. 

2j.  Sept.  ju lic  oder:  Was  einem  recht,  ist  dem  andern  billig. 
Ein  komisches  Singspiel  von  Dcsaides. 

26.  Sept.  Lanassa.  Ein  Trauerspiel  von  PiQmicke  nach  der  Vcuve  du 
Malabar  des  le  Miere.  Zwischen  den  Auüügen  und  nach  dem  Stück  werden 
Madam  ßcckenkam  und  Herr  Pfeifer  einige  Arien  und  ein  Duett  von  Sales  und 
Sacctiini  singen. 

29.  Sept.   Die  Vormunder.   Ein  Lustspiel  von  SclUetter  nach  Goidoni. 

30.  Sept.  Das  Testament.  Zum  Besten  des  HochL  Kasten  und  Arroea- 
hauses. 

r.  Okt.  Aza  Ii. 1.  lün  Singspiel  von  Schwan,  und  Die  Engländer  und 
die  Wilden.    Ein  H.illct  von  L.  N'uth. 

2.  Okt.  angekündigt  Die  \\  i  der  b  c  Her  in.  Ein  Lustspiel  von  Sciuvk  uuü 
Der  Antiquitetensammler.  Hin  komisches  Singspiel  von  Andr&  (Wegen  des 
auf  diesen  Tag  angesetzten  Herbstfestes  fiel  diese  Vorstellung  aus.) 

4.  Okt.  Die  erzwungene  Heyrath.  Ein  Lustspiel  von  Moliere.  Dicxwey 
Seil Jt/gräbcr.  Hin  Siniispicl  vnn  Fleischer  imd  Die  lustigen  Pcrbquen- 
macher.    Ein  komisches  Ballet  von  Nuth. 

6.  Okt.  Glück  bessert  Thorheit.  Ein  Lustspiel  aus  dem  Englischen 
der  Miss  Lee,  eingerichtet  fur's  teutsche  Theater  von  Schröder. 


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7-  Okt.  Die  nipischen  Spiele.  Hin  Singspiel  von  S^tcchini,  und 
Die  konnsclicn  i'eruqucnmachcr.   Hin  komisches  Ballet  von  Nuüi. 

S.Okt  Die  Verschwdrung  des  Fi eskö  zu  Genus.  Ein  repabükan^hes 
Tnuefspid  von  Schiller. 

10.  Okt.  Zum  Besten  eines  Hoc!iI.  Kasten-  und  Annen-Amtes  Rangstreit 
und  Hifersuclit  aut  dem  Lande.    Hin  kcMiiischcs  Sinf;:spiel  von  Sarti. 

Ji.  Okt.  Der  teutsche  Hausvater.  Hin  vaterlandisches  Scbauspiel  von 
Gemmingen;  und  Marlborough.  Ein  grosses  pantomimisches  Bsllet. 

14.  Okt.  Juliane  von  Lindorak.  Ein  Schauspiel  in  fönf  Aufcflgeo  vom 
Grafen  Gozzi. 

15.  Okt.  Die  schöne  Arsene.  Hin  Singspiel  von  Monsigni  in  vier  Auf- 
zügen nebst  dazu  gehurigen  Divertissements. 

j6.  Okt.  Die  drei  Töchter.  Ein  Lustspiel  von  Spicss,  und  Marl-> 
borough.    Ein  pantomimisches  Ballet. 

17.  Okt.    Der  bcsch.inne  Freigeist.    Hin  Lustspiel  von  Lessin^. 

18.  Okt.  Die  Kolonie.  Hin  Singspiel  von  Sacchini,  und  Die  Kroaten 
und  Panduren  auf  dem  Marsch.  Ein  pantomimisches  Ballet  von  Ludwig  Nuth. 

2a  Okt.  Der  Barbier  von  Sevilla.  Ein  Schauspiel  mit  Gesang  von 
Beaumarcluus.  Musik  von  Friedrich  Bends. 

2^  Okt.  Der  Unterschied  bey  Dieiistbcwerbunfjen.  Hin  Lustspiel 
von  Stephan,  und  Die  Kroaten  im  Lager.  Hin  pantomimisclies  Ballet  von  Nuth. 

28.  Der  Diamant.  Hin  Lustspiel  von  Engel  und  Der  Deserteur.  Ein 
Singspiel  von  Monsigni. 

;i.  Okt.  Lanassa.  Ein  Schauspiel  von  Pl&niecke  n.ich  dem  Französischen 
de»  ie  Miere,  worin  Madam  .Albreclu  hier  zum  erstenm.ilc  .uittreten  wird. 

I.  Nov.  Die  Pilger  1.1  hrt  nach  Mekka.  Ein  Singspiel  vom  Ritter  liluck. 

6.  Nov.  Doktor  Guldenschnitt.  Ein  neues  hier  noch  nie  gesehenes 
Lustspiel  in  iilnf  Aufzflgen  von  Stephanie  dem  Jüngeren. 

11.  Nov.  Der  argwöhnische  Ehemann.  Ein  Lustspiel  in  f&nf  Auf- 
lügen  von  Gotter  nach  Hoadly. 

18.  Nov.    Der  Graf  von  Wailtron    Hin  Schauspiel  von  Möller. 

21.  Nov.   Das  Urtheil  des  Mi  das.  Ein  Singspiel  von  Gretry. 

25.  Nov.  Zaire.  Ein  Trauerspiel  von  Voltaire  und  Der  Diamant.  Ein 
Lustspiel  von  Engel. 

27.  Nov.  Die  unschuldige  Fbefrau  oder:  Viel  L.irmen  um  nichts. 
Ein  Lustspiel  von  Schummel,  und  Das  gute  Mädchen.  Hin  Singspiel  von  Piccini. 

No.  VII. 

Repertoire  der  Poacberaehen  Gesellschaft,  Mai  i78^. 

Hrankturter  Staate- Kistrctto  den  2}.  .Mai  1785.  Herr  Poscher,  Direktcui  einer 
Gesellschaft  von  Schauspielern  ftiq^iOichen  Alters,  aus  der  franaösischen  Dramatisch- 
Lyrischen  Schule,  welche  er  in  Petersburg  unter  dem  Schutz  und  (ienclnnigung 
Ihre  K.ivserlichen  Majestiit.  C!luit;irina  der  Zweyten,  errichtet,  ist  allhier  nngekdnimen. 
und  halt  es  für  unumgänglich  nothwendig,  ohncrachtet  er  seine  .'\breisc  beschleu- 
niget und  auch  die  gegenwärtige  Jahreszeit  denen  Schauspielen  nicht  angemessen 
ist^  den  Beyfall  des  aufgeklärten  und  einsichtsvollen  Publikums  von  Frankfurt  mit 


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—  3«>  — 


denenjenigen  verbinden  zu  können,  welchen  er  stell  bereits  in  verschiedenen  Städr« 
als  z.  B.  Warschau,  Wien,  Dresden,  Prag,  München  und  Regensburg  erworben  hii 

Et  hat  die  niverlässige  Hoffnung,  sich  durch  feineii  Elfer  die  Ehre  n 
erwerben,  ein  geneigtes  Pubfil[um  tinigen  seiner  Vorstetluiven  gfltigst  bcywohm 
zu  sehen,  und  diese  werden  in  französischen  Schauspielen,  lustigen  Opern  un4 
pnntmntmischcn  B.illet«;  he«;iehen,  welche  auf  dem  Theater  im  Junghof  von  Schio- 
Spielern  und  Schauspielerinnen  von  8,  9,  10,  12  und  14  Jahr,  von  denen  die 
mdirsten  Russen,  Deutsche,  Fkiulinder,  Praittoseit  sind,  aufgefhhrt  werden. 

Nachdem  er  die  Erlauboiss  hierzu  von  Einem  Hoch-Edlen  Rath  dieser  Sudt 
erhalten,  so  wird  sein  Scliauspiel  künftigen  Sonnabend  als  den  2}.  Mai  crötTn«. 

24.  Mai.  La  fausse  Agnes.  Ein  Schauspiel  in  5  Autzüpcn  von  Hern 
Destouches,  hierauf  folgt:  Le  tableau  parlant,  eine  lustige  Oper  mit  Hwk 
von  Gretiy.  Die  EntrÄe  kostet  in  den  Logen  and  im  Parqoet  i  fl.,  im  Parten*  40  h. 
auf  der  Gallerie  24  kr.  und  auf  dem  Paradies  12  l<r.    Der  .Anfang  ist  um  6  Ihr. 

27.  M.ii.  Die  Franzosen  zu  London.  Ein  Lustspiel  von  Herrn  Boi^sy, 
darauf  lol^t:  Der  Geist  de s  W  i d c  r  s  p r  u  ch s  ,  worinncn  die  achtjährige  Actri«, 
Madenioiselle  Poschcr,  die  Hauptrolle  spielen  wird.  £>eQ  Besdiluss  nucht  ea 
Zwischenspiel  in  zwey  Aufzügen:  Die  kluge  Maitresse.  Die  Musilc  ist  von 
Pergolese. 

}0.  Mai.  Le  jeu  d'amour  et  du  hazard.  Eine  Coniödie  in  drei  .Ahen 
von  Marivaux  nebst  dem  Ballet:  de  la  Cosake,  welches  man  sich  wiederaus- 
gebeten. 

)i.  Mai.  Jeanot  ou  les  battus,  Payant  Tarnende.  Eine  KonAdie 
nebst  dem  amant,  auteur  et  valet.  Dieses  Schauspiel  beschliesst  sich  mit 
einem  neuen  Bnllei.  Auf  diese  Ankündigung  folgt  die  .Anzeige:  Mit  GonchmhjhuRg 
Sr.  Hochlürstl.  Durchlaucht  des  Herrn  Ilrhprinzen  von  Hessen-Cassel,  wird  dx  in 
Franltfun  sich  auflialtende  Gesellschaft  junger  Comödianten  der  Dranuttsch-L)thch 
französischen  Schulen  morgen  den  Sonntag  (t.  Juni)  auf  dem  Theater  in  WiOiebiv- 
bad  bey  Hanau  vorstellen:  Le  franfais  4  Londres.  Hierauf  folgt :  Le  tab- 
leau parlant.  Eine  Opera  Buffa. 


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VL 


Bas  Römerkastell  zu  Frankfurt. 

Von  Dr.  JL  BbauaMui.' 


Die  römischen  Funde  an  unserem  Dom,  die  wir  der  Aufmerk« 
samkeit  der  Herren  Konservator  O.  Corntll  und  Architekt  Ch.  L. 
Thomas  verdanken  und  deren  wissenschaftliche  Erhebung  nunmehr 
vorläufig  beendet  ist,  haben  mit  Recht  das  Interesse  grosser  Kreise 
auf  sich  gezogen.  Sie  haben  uns  eine  neue  und  unerwanete  That- 
sache  vor  Augen  gestellt:  dass  nämlich  das  Gebiet  der  Altstadt 
Frankfurt,  das  nach  allen  seitherigen  Erfahrungen  für  durchaus  un- 
römisch, für  unberührt  von  so  frühzeitigem  Anbau  gehalten  werden 
musste  (die  urkundlichen  Nachrichten  datiren  erst  aus  der  Karolinger- 
Zeit),  unzweifelhaft  im  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
durch  römische  Militärbauten  in  Anspruch  genommen  wurde. 

Die  Thatsache  ist,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  von 
mancher  Seite  bezweifelt  worden;  man  hat  geglaubt,  dass  die  Fund- 
lage  vielleicht  einer  späteren  Zeit  zuzuschreiben  sein  möchte.  Gegen- 
fiber dieser  Unsicherheit  des  öffentlichen  Urtheib  und  Angesichts  der 
Wichtigkeit  der  Entdeckung  (iQr  die  älteste  Geschichte  unserer  Stadt 
erscheint  es  als  eine  Pflicht,  die  Gründe  für  die  Authentizität  jener 
Funde  insoweit  darzulegen,  dass  ihr  römischer  Charakter  als  ein 
wissenschaftlich  gesichertes  Ergebniss  feststehe  und  nicht  als  subjek« 
tives  Unheil  und  zweifelhafte  Vcrnuithung  betrachtet  werden  könne. 

Wenn  irgend  etwas  aus  dem  Kreise  antiken  Lebens  und  frühester 
Kultur  auf  unserem  Boden  einer  einigermassen  sicheren  zeitlichen 
Bestimmung  unterliegt,  so  sind  es,  im  Gegensatze  zu  den  meisten 
Daseinsspuren  der  einheimischen  Bevölkerungen  in  vorchristlicher 

*  Die  iiTirhrnlL't'ntk'Ti  A-isfühniiv:Tcn  geben  einen  /u  Anfnnp;  Januar  1890  im 
«Verein  lur  Gesclnchic  und  Aiicrthumskunae«  gehaltenen  Vortrag  wieder,  in  welchem 
die  Bedeutung  der  damab  gerade  abgesebkissencn  römischen  Funde  den  Vcrdn»' 
nutgÜedeni  dargelegt  wurdet    Einleitung  und  Schluss  des  Vortrages  sind  Incr 

weggclnsscn,  da  dieselben  nur  über  die  allijenicincn  Kulttirvcrlialtnisse  In  den 
römischen  Rheinlanden  bvsondcrs  die  Truppentormation  des  er:>ten  Jahrhunderts,  zu 
Orientiren  btötimnn  w  aren. 


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Zeit  und  selbst  noch  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Zeitrechnung, 
die  Denkmale  und  Lcbcnsäusscrungen  der  Römer.  Nicht  nur,  d.iss 
sie  durch  ihre  Anwesenheit  selbst  eine  begrenzte  Zeitspanne  düku- 
mcntiren,  innerhalb  deren  dieselbe  überhaupt  möglich  war,  sie  geben 
uns  auch  hiufig  durch  archäologisch  definirbare  Einzelheiten  ihres 
Kulturbcstaiides,  sei  es  Hausrath,  sei  es  Schmuck  oder  Waffen,  vor 
Allem  durch  die  reiche  Hinterlassenschaft  ihrer  Inschriften  eine  präzise 
Datirung  an  die  Hand.  Die  Keramik  wechselt,  selbst  Gewandnadeln 
ergeben  zeitliche  Stiluntcrschiedc.  Auf  dem  rechten  Rheinuler  be- 
sitzen wir  durch  die  begrenzte  Periode  der  L)kkupation  den  \'orzug 
eines  abgeschlossenen  engeren  Zeitraums,  der  tür  romische  Kultur 
in  Betracht  kommt.  Wahrend  dieser  Zeitraum  im  Westen  des  Klicais 
bis  ins  fünfte  Jahrhundert  reicht,  haben  wir  hier  nach  dem  Jaiirc  270 
keine  römischen  Bauten  zu  erwarten.  Die  Inschriften  reichen  nach 
der  anderen  Seite  im  Taunusgebiet  bei  weitem  nicht  in  so  frühe 
Zeiten  hinauf,  wie  in  der  Gegend  von  Strassburg,  Mainz  und  Köln. 
Das  rechtsfiieinische  Gebiet  ist  ausserdem  Limesland,  es  galt  gleich 
dem  Vonenain  einer  Festung  und  musste  oft  und  leicht  aufgegeben 
werden  können.  So  ist  auch  die  Kultur  eine  vorwiegend  mili* 
tärische.  Die  Kastelle  spielen  namentlich  im  Mainthal  eine  grosse 
Rolle,  alle  unsere  Untersuchungen  zeigen  ein  schon  vor  der  Anlage 
des  Limes  bestehendes  Ketz  solcher  Befestigungen,  die  durch  eine 
sorgfältig  angelegte  Militärstrasse  mit  dem  Hauptquartier  Kastel- 
Mainz  in  Verbindung  gestanden  haben  müssen :  Wiesbaden,  Hoflieim, 
Nied,  Heddernheim,  Friedberg,  Kesselstadt  sind  solche  früh  angelegte 
Inland*Kastelle. 

Gleichwohl  waren  seither  die  Spuren  ausgedehnterer  römischer 
Kolonisation  nur  auf  einen  gewissen  Abstand  vom  Maine  nachweis- 
bar,  besonders  auf  der  Wasserscheide  der  Nidda.  Nur  bei  Nied  und 
Kesselstadt  (Hanau)  erreichten  sie  den  Fluss.  Gerade  hier  liegen 
aber  die  ältesten  Kastellanlagen  und  ihre  Position  ist  durch  den 
Mündungswinkel  von  Gewässern,  der  Nied  und  der  Kinzig,  bezeichnet. 
Eine  ganz  ähnliche  Lage  zeigt  nun  eine  zwischen  beiden  befindliche 
Terrain-Erhebung.  Es  ist  dies  die  Stelle,  wo  der  Frankfurter  Dom 
steht.  Wer  auf  dem  stark  ansteigenden  Garküchenplatz  und  in  der 
Nähe  des  Archivgebäudes  jemals  den  Verlauf  von  Hochwasser  ver- 
folgt hat,  bemerkt  leicht,  dass  sich  in  dem  Domhügel  demselben  ein 
Dumm  entgegenstellt,  den  es  nicht  überwinden  vermag,  dass  es 
jedoch  bis  an  dessen  Fuss  vortritt  und  in  der  Fischergasse  unter  den 
Fischerbogen  weit  hereingreift.  Hs  handelt  sich  um  ein  heute  sehr 
verändertes  Terrain,  da  die  Fahrgasse  und  das  anliegende  Gelände 


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lies  Fischerfcldes,  erstere  schon  zur  Zeit  der  Brückenanlage,  beträcht« 
lieh  aufgeschüttet  und  erhöht  werden  mussten.   In  alter  Zeit  war 
jedoch  unzweifelhatt  hier  der  Einfluss  eines  Wasserlaufes  vorhanden, 
vielleicht  eines  Alt-Mains,  der  durch  das  Fischerfeld  zog,  vom  alten 
Metzgerbruch  abzweigte  und  entweder  ursprunglich  mit  der  soge- 
nannten Braubach  in  Verbindung  stand,  oder  ihr  parallel  zog.  Wie 
umfangreich  dieser  Wasserlauf  war,  können  wir  heute  nicht  mehr 
wissen,  iiis  der  römischen  Anlage  muss  aber  gefolgert  werden,  diis*;  es 
kein  schmaler  Bach  war.    Die  ganze  östliche  Mäche  lag  tiefer  und 
war  thcilweise  Sumpfgebiet.  Der  letzte  Rest  ist  offenbar  der  heutige 
l  ischerbügen  unter  der  Fischergassc  und  das  absteigende  Niveau  der 
zum  Main  führenden  kleineren  Fischergasse  zeigt  uns  den  daneben 
gegen  den  Fluss  gerichteten  Zugang  und  deutet  auf  das  veränderte 
Bodenniveau  der  Umgehung.  Der  Bau  der  alten  Mainhrücke  hat  die 
Terrainsenkung  vollständig  verwischt.    In   der  Gegend   des  alten 
Schlachthauses  wird  der  Mainarm  gemündet  haben;  darauf  deutet 
wenigstens  die  dortige  Terrainsenkung,  die  bei  Hochwasser  stets 
zuerst  übersciiwemnu  ist.    In  der  Hauptsache  handelt  es  sich  bei 
diesen  Rinnsalen  um  alte  Mainläutc,  die  mindestens  in  urgeschicht- 
iicher  Zeit  noch  bestanden  haben  müssen.  Beweis  dafür  ist  das  Ried 
zwischen  Knkheim  und  Bischofsheim,  ein  trülierer  Mainarm,  der  noch 
alte  Pfahlbauten  birgt,  und  der  weiterhin  westlich  sich  erstreckende 
Metzgcrbruch,  dessen  Entwässerung  noch  in  den  50er  Jahren  unseres 
Jahrhunderts  diclit  vor  tici  St/.il:  längs  der  Obern.air.j.i).  u_'e  herzog. 
Auch  die  die  l-'ahrgasse  ur.J  Burngasse  schneiJLJiuL  B:.r..l\iLli  gehört 
7.U  diesen  Wasserläufen.  Hntschcidend  iii:  diese  Terrainvci  iiaUnisse  ist 
die  ILirrc  gewesen,  welche  im  Osten  Bornheims  plötzlich  nach  Süden 
vorsprin-i  und  den  Bornheimer-  und  Röderberg  bildet.  Indem  näm- 
lich der  Bergen- Seckbacher  Höhenzug  in  Folge  einer  Senkung  aus 
seiner  ostwestUchen  Erstreckung  in  eine  südliche  umbiegt  nnd  da- 
durcli  vor  Bornheim  einen  rechten  Winkel  und  eine  den  alten  Main- 
armen zugängliche  Bucht  bildet,  ist,  wie  Kiokelin  neuerdings  in  einer 
schönen  Arbeit  über  die  älteren  MainUlufe  hervorhebt,  jeder  Ansted- 
tun;^  bei  Frankfurt  die  Lage  vorgeschrieben  worden.   Der  Main 
konnte  die  Arbdt,  die  schweren  Kalke  des  Bornheimer  Berges  zu 
durchbrechen,  nicht  bewältigen  und  so  blieb  ihm  ein  kulturifähiger 
Höhenzug  entgegengestellt,  während  ohne  jene  westliche  Senkung 
der  Lauf  des  Flusses  bis  Bockeoheim  durchgebrochen  wäre  und  sich 
ctv^-a  bei  Rödelheim  mit  der  Nidda  vereinigt  hätte.  »Der  Boden 
Frankfurts,«  bemerkt  Kinkelin,  »wäre  längst  weggewaschen  und  das 
Mainthal  wäre  zwischen  der  Friedberger  und  Darmstädter  Warte 


-  S04  - 

etwa  eben  so  breit  wie  zwischen  Enkheim  und  Bergen  und  Offcn- 
bach,  der  Main  hätte  sich  nicht  mit  dem  engea  Einschnitt  zwischen 
Frankfurt  und  Sachsenhausen  begnügt.« 

Gerade  wo  die  beiderseitigen  Hohen  bei  Sachsenliauscn  und 
Frankfurt  am  nächsten  zusammentreten,  hegt  unsere  Römersiätte  und 
unmittelbar  vor  ihr  musste  aucli  der  sie  deckende  Wasserlauf,  dem 
flohenrückcn  des  Röderberges  folgend,  in  den  Main  münden.  Wir 
haben  gesehen,  dass  die  Wasscrl.iufe  in  aher,  jedenfalls  noch  in 
römischer  Zeit  andere  und  ausgedelintere  waren  als  heute;  im  Süden 
finden  sich  bei  Sachsenhausen  mehrere  alte  Flussbette  des  Mains  und 
im  Norden  gestaltete  die  Braubach  die  in  der  Borngasse  wieder  ab- 
fallende Anhöhe  des  Domterrains  zu  einer  Art  Insel.  Ebenso  war 
Römerberg  und  Samstagsberg  durch  einen  Wasserlauf  geschieden, 
wodurch  die  prächtige  amphitheatralische  Gestaltung  des  Platzes  be- 
dingt ist,  den  der  Amerikaner  Motley  in  seinem  kürzlich  erschienenen 
Briefwechsel  den  »malerischsten  deutschen  Marktplatz«  nennt. 


—  3«$  - 


In  den  IcGsten  Tagen  des  Oktober  1889  trafen  die  Kanatisations- 
Arbeiten  in  der  Altsudt  aof  dem  Krautmarkt,  an  jener  Stelle»  vo 
derselbe  in  die  HöUgasse  cinniikttdet,  auf  eine  grosse  Menge  von 
Thongefässresten  und  Heizkacheln,  die  sich  sofon  als  unzweifelhaft 
römische  ergaben.  Sie  waren,  wie  sich  spiter  zeigte,  in  einer  Schacht* 
artig  im  Terrain  eingeschnittenen  Veniefung  besonders  zahlreich 
vorhanden,  einer  Senkgrube,  wie  wir  deren  in  der  Heddemheiroer 
Römerstadt  eine  ganze  Anzahl  gefimden  haben.  Don  fanden  sich 
auch  kreisrunde  Hypokaust-PIatten,  ein  profiUrtes  Gesimsstück  aus 
Stein,  mannigfache  Krugfornien,  Wandbewurfsstücke  (unter  denen 
später  ein  mit  Randleisten  schön  bemaltes  vorkam),  Dachzi<^ei,  ein 
mit  Namen  gestempelter  Amphoren-Henkel,  Glas  und  andere  ähn- 
liche Anücagiien,  wie  sie  uns  überall  in  Römerstätten  begegnen. 
Alles  dies  wurde  aus  beträchtlicher  Tiefe  (4 — 5  Mir.)  erhoben,  ts 
würde  keinesw^s  zur  endgültigen  Sicherstellung  einer  römischen 
Fundstätte  genügt  haben,  obwohl  eine  solche  hoch  wahrscheinlich 
war,  da  die  Lage  einen  etwas  tumultuarischen  Charakter  zu  haben 
schien  und  zunächst  kein  Mauerwerk  konstatin  werden  konnte. 

Es  Hess  sich  die  Möglichkeit  nicht  abweisen,  dass  römische 
TrQmmer  aus  irgend  einer  ferner  gelegenen  l  undstätte,  /.  H.  Heddern- 
heim, mit  Bauschutt  hierher  gelingt  waren,  zumal  schon  im  .Mittel- 
alter das  Terrain  baulich  vicltacli  beunruhigt  wurde.    Ich  muss  ge- 
stehen, dass  ich  in  den  ersten  Tagen  keine  unbedingte  Ueberzeugung 
von  einem  hier  erfolgten  römischen  Anbau  gewinnen  konnte  und 
erst  ein  weiterer  hund  erhob  mir  diesen  zur  Gewi<;sheit.  Am  6.  No- 
vember wurde  in  etwa  2*/j  Meter  Tiefe  em  gemauerter  Kanal  ge- 
fuiulen.    Derselbe  war  seitlich  ausgebrochen  und  nur  die  Sohle  lag 
unv  ci  st  lirt,  in  dicken  Beton  gcsetzi  und  aus  46  Ctni.  breiten  und  je 
55  Ctm.  langen  Thonplatlen  gebildet.   Die  Seitenniauern  des  Kanals 
waren,  nach  dem  noch  erhaltenen  Rest  zu  urtheilen,  etwa  40  Ctm. 
breit.    Es  ergab  sich  damals  schon  ein  Stempel  der  14.  Legion,  der 
eine  ungefähre  Dacirung  an  die  Hand  gab,  injolern  er  zuverlässig  in 
das  erste  Jahrhundert  zu  setzen  war.  Später,  als  die  durch  das  l'ort- 
schreiien  der  Kanal-Arbeiten  gestörte   Uniersuchung  mit  dankens- 
werther  Unterstützung  des  Tiefbauamtes  wieder  aufgenommen  und 
der  Zug  der  die  Strasse  in  stumpfem  Winkel  schneidenden  baulichen 
Anlage  in  seiner  ganzen  Länge  aufgedeckt  werden  konnte,  ergab  sich 
das  erfreuliche  Resultat,  dass  die  Sohle  derselben  durchweg  mit  ge- 
stempelten Platten  der  14.  Legion  belegt  war,  womit  der  römische 
Ursprung  der  Anlage  unwiderleglich  feststand.  Wenn  zu  Anfang  selbst 

der  gestempelte  Stein  als  ein  vielleicht  von  aussen  hereingebrachter 

20 


Fremdling  beargwöhnt  werden  konnte,  so  war  nunmehr  durch  die 
fest  in  Beton  liegenden  gestempelten  Platten  und  die  ausnehmend 
solide  Ausfuhrung  mit  römischem  Mönel  die  römische  Bauthitigkeit 
am  Orte  selbst  erwiesen.  Auf  dem  Weckmarict,  gegenüber  dem 
Leinwandhaus»  traf  man  beim  Weiterfahren  der  Kanalisation,  genau 
in  der  Verlängerung  der  Linie,  auf  eine  weitere  Spur.  Wir  erlangten 
an  erster  Stelle  nach  und  nach  eine  kleine  Zahl  gestempelter  Platten, 
die  sämmtlich  der  14.  Legion  angehören  und  durchweg  verschiedene 
Stempel-Typen,  darunter  auch  einen  Rundstempel,  aufweisen.'  Die 
Bedeckung  des  Kanals  war  vennuthlich  aus  Steinplatten  gebildet,  wie 
ein  bei  dem  römischen  Quellenbad  am  Weissen  Löwen  iii  Wiesbaden 
gefundener  Kanalstrang  sie  aufwies.  Auf  diese  Weise  erklirt  es  sich 
am  besten,  dass  sich  nichts  von  Resten  deckender  Thon-  oder 
'Schiefer-Platten  vorfand;  Steinplatten  wurden  leicht  als  Material  ver- 
nutzt, wie  auch  die  Settenmauem  bis  auf  die  letzte  Spur  ausgebrochen 
wurden. 

Es  musste  das  erste  Ziel  der  ganzen  Untersuchung  sein,  zu  er- 
mittein,  in  welcher  Beziehung  und  Lage  der  Kanalstrang  zu  der 
unzweifelhaft  sehr  benachbarten  Ansiedelung  stand.  Mit  Leichti^^kett 
Hess  sich  konstatiren,  dass  es  sich  nur  um  eine  Entwässerungsanlage 
handein  konnte,  da  die  Kanalsohle  einen  bedeutenden  Fall  zeigte  und 
für  eine  etwaige  Wasserleitung  sehr  ungünstige  Bedingungen  bot. 
Auch  war  die  Annahme,  dass  Zuleitung  von  Wasser  von  der  Höhe 
nach  einem  am  l'lusse  im  •  Ueberschwemmungsterrain  gelegenen 
Wohngebiet  beabsichtigt  gewesen  sein  könne,  durch  die  Nothwendig- 
kett  der  Höhenlage  jener  Ansiedelung,  die  als  erstes  römisches  Prinzip 
gelten  kann,  ausgeschlossen.  Aus  der  Bestimmung  des  Bauwerks  als 
Ableitungskanal  in  Konsequenz  seiner  Konstruktion  ergab  sich 
andererseits  um  so  sicherer  die  Thatsache,  dass  die  zugehörigen 
Bauten  auf  dem  Plntcaii  des  Domhügels  zu  suchen  sind.  Die  Rich- 
tung des  Kanals  weist  direkt  nach  dem  Centruni  der  Höllgasse.  Kann 
man  auch  angesichts  der  Dürftigkeit  der  Funde  niui  besonder«;  des 
Mangels  weiterer  Baureste  keine  allzu  weiigehcncien  Folgeruiii^cn 
über  den  Umfang  der  Ansiediuiig  wagen,  so  lässt  sich  doch  aus 
dem  lunde  der  Legionssiempel  ein  ziemlich  sicheres  Rrgebniss 
über  deren  Zeit  und  Charakter  gewinnen.  Hrstere  sei  zunächst  ein- 
mal als  die  des  ersten  Jahrhunderts  bezeichnet;  für  letzteren  gibt  der 

■  Vgl.  die  Tafel  am  Schlüsse  des  Bandes.  Ko.  t  scheint  abgcsdüosseti  zu 
sein.  Bcinerkensweith  ist  der  seltene  RundMcmpel,  bei  dem  die  Beinamen  über 
dem  Legionsn-imen  stehen;  eine  nur  scheinbare  .\nomalie,  d.i  der  Stempel  besser 
umzukehren  ist,  die  Lettern  stehen  in  bekannter  VS'eise  auf  dem  Kopf. 


-  307  - 


Stempel  einen  ausnclimciid  zuverlässigen  Aufschluss.  Legions-  und 
Cohoricn-Stenipel  sind  für  den  Archäologen  gleichsam  die  Leit- 
muscheln der  FundLigen.  Es  wai  mir  schon  von  Anfang  an  sehr 
wahrscheinlich  und  ich  glaube  jetzt  nicht  mehr  zweitein  zu  dürfen, 
äass  die  Bauthätigkeit  der  14.  Legion  auf  keine  bürgerliche  Ansied- 
lung,  sondern  auf  ein  Kastell  hinweist. 

Die  14.  Legion  kann  bei  ihrem  hervorragenden  Amheü  an  der 
Okkapation  des  Maingebietes  kaum  andere  &imen  in  so  Tortiegendem 
Terrain  ausgeftthrt  haben;  om  Villen  und  Gehöfte  kann  es  sich  in 
dieser  FrOhzeit  nicht  handebi.  Sodann  ist  die  gewählte  Position  aus 
den  mehrfiich  besprochenen  Gründen  wie  geschaffen  für  einen  wich- 
tigen Militflrbau.  Mit  der  Annahme  eines  von  Mauern  umschlossenen 
Kastells  ergeben  sich  aber  auch  dessen  ungefälhre  Grenzen;  diese 
können  freilich  auf  einige  Meter  Genauigkeit  nicht  angegeben  werden, 
da  die  Maasse  der  Kasteile  schwanken.  Indess  wird  man  nicht  all- 
auweit  irre  gehen,  wenn  man  die  ungef^re  Ausdehnung  des  heutigen 
Oomhflgels  in  Betracht  zieht,  soweit  dessen  Terrain  von  der  alten 
Kircbbofsmauer  im  Süden  und  Osten  umschlossen,  sowie  im  Norden 
vom  Domplatt,  im  Westen  von  der  Höllgasse  begrenzt  ist.  Diese 
Ausdehnung  betrügt  in  der  Längendimension  fist  genau  100  Meter, 
was  der  Grösse  kleinerer  römischer  Kastelle  entspricht.  Die  heutige, 
in  fnthe  Zeit  zurückreichende  Mauer-Umschliessung  des  Terrains  ist 
immerhin  sehr  bemerkenswerth  und  deutet  auf  eine  alte  Immunität, 
wenn  sie  auch  in  erster  Linie  dem  Dom-Friedhof  gah.  Sie  fllllt 
zusammen  mit  der  höchsten  Erhebung  des  Terrains  und  dies  macht 
es  um  so  wahrscheinlicher,  dass  diese  ganze  Fläche  vom  Kastell  in 
Anspruch  genommen  wurde.  Im  Norden  ist  die  Begrenzung  des 
Friedhofs  allerdings  in  alter  Zeit  eine  andere,  derselbe  hat  den  Dom- 
platz zum  grossen  Theil  noch  besettt;  aber  die  südlichen  Grenzen 
zeigen  sich  schon  auf  dem  ältesten  vorhandenen  Stadtplan,  dem 
Merian'schen  aus  der  Mitte  des  16*  Jahrhunderts,  als  die  gleichen  wie 
heute.   Die  Um£issung  entspricht  auch  in  auffallender  Weise  der 
geometrischen  Proportion,  wie  wir  sie  bei  den  römischen  Kastellen 
kennen.  Der  Dombau  hat  sich  natürlich  seine  eigenen  Bedingungen 
geschaffen,  wie  er  sie  brauchte ;  indessen  ist  die  gcsammte  Bebauung 
des  Hügels  charakteristisch,  da  ihre  Breitseite  nach  dem  Flusse,  ihre 
Schmalseite  nach  Osten  gerichtet  ist,  eine  Situation,  wie  sie  das 
Kastell,  dessen  kleinere  Front  (die  Angriffsseite)  nach  dem  Feinde 
gewendet  war,  bedurfite. 

Ich  glaube,  dass  man  noch  weiter  gehen  kann.  Es  lässt  sich 
nämlich  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  auch  eine  Strassen v er* 


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—   3o8  — 


bind  Ulli;  bcstinuacn,  die  der  Zeit  der  Anlage  entsj  r:^. 1  ür  dns 
Kastel!  war  unzvveitelluiit  die  erste  Bedingung  seiner  L.usteiu  eine 
Strasscnlinie  nach  Westen  in  direktester  Tendenz  zur  Nidda  bei 
Nied,  da  nur  hierdurch  die  nothwendige  Verbindung  mit  dem  Haupt- 
quartier Mainz  und  die  Rückzugslinie  hergestellt  war.  Nach  Norden, 
etwa  nach  Heddernheim,  könnte  nur  eine  sekundäre  \'erbindung  ge- 
führt haben,  die  nicht  von  Belang  für  den  Kriegsfall  war.  Wenn  vir 
sämmtliche  Kastelle  des  Mainthals  in  Vergleich  ziehen,  so  ist  ihntn 
allen  die  schnurgerade  und  direkte  Verbindung  mit  Kastel  und  dem 
Rheine  gemeinsam;  es  war  dies  eine  militärische  Kothwcodigkeit. 
Bezüglich  des  Laufs  dieser  Strasse  ist  kaum  eine  andere  Linie  deols- 
bar,  da  die  Kastellstrassen  rechtwinklig  in  die  Porta  decumana  ein- 
laufen, als  diejenige  des  heutigen  Marktes,  und  es  fällt  auf,  dass  der 
Markt  in  seiner  Verlängerung  (nur  die  östliche  Hälfte  kommt  in 
Betracht)  ziemlich  genau  dem  Strassenzug  entspricht,  der  durch  die 
Limpurger^asse,  Römergasse,  Münzgasse  und  Weissfrauenstrasse  re> 
präsentirt  ist.  Alle  diese  Strassen  laufen  in  einer  direkten  Linie  nach 
Westen  und  ihre  Verlängerung  trifft  auf  die  römische  Niederlassung 
bei  Nied.  Es  kaim  dies  selbstverständlich  nicht  so  versunden  werden, 
als  ob  diese  Strassen  römische  Strassen  wären,  aber  die  alte  Kasiell- 
Strasse  kann  durch  ihren  in  ältester  Zeit  noch  erkennbaren  Zug  be- 
stimmend  auf  ihre  Anlage  gewirkt  haben.  Selbst  das  alte  Gallusthor 
liegt  genau  auf  dieser  Trace  und  der  fränkische  Friedhof  am  früheren 
Taunusbahnhof  mOsste  dicht  zur  Seite  der  Römerstrasse  gelegen 
haben,  wie  deijenige  bei  Miederursel  neben  der  Saalburgstrasse. 

Wenn  wir  dem  Kastell  keine  allzugrosse  Ausdehnung  zuschreiben 
dürfen,  so  können  wir  gleichwohl  nach  aller  Analogie  die  überall 
vorhandene  bürgerliche  Niederlassung  vor  seiner  Westfront  nicht 
übersehen.  Dass  eine  solche  vorhanden  war,  darauf  deuten  allerdings, 
bei  der  dichten  Bebauung  jenes  Stadttheils  und  seiner  Ausnutzung 
schon  in  ältester  Zeit,  nur  äusserst  schwache  Spuren  und  seltsamer- 
weise ist  hier  niemals  während  der  Jahrhunderte  irgend  ein  Fund 
überliefert.    Aber  die  einzige  IMiatsache  des  Vorhandenseins  der 
schon  erwähnten,  an  der  Ecke  der  Höllgasse  vorgefundenen  Senk- 
grube beweist  uns  hinlänglich,  dass  wir  uns  an  dieser  Stelle  schon 
ausserhalb  der  Kastellmauer  befinden  und  zum  Ueberfluss  gibt  uns 
der  Ableitungskanal  dieselbe  Gewissheit.   Wir  dürfen  mithin  eine 
kleine  Ansiedlung  westlich  und  südlich  der  Höligasse  annehmen  und 
immerhin  mit  einem  gewissen  Huphemismus  von  einem  »römischen 
Frankfurt«  reden,  wenngleich  das  nichts  anderes  ist,  als  was  die 
Grammatiker  ein  Hysteron  Proteron  nennen.  Denn  es  lässt  sich  mit 


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gutem  Gewissen  in  keiner  Weise  behaupten,  dass  lÜe  römische  Be- 
bauung auf  die  spätere  fränkische  Ansiedlung  bestimmend  wirkte, 
sumal  die  letztere  einen  weit  abliegenden  Bezirk  am  Mainufer  für 
den  ersten  Anbau  ausgewählt  zu  haben  scheint.  Die  Anlage  des 
ältesten  Rathhauses  und  der  ältesten  Kirche  am  heutigen  Domhügel 
könnte  freilich  für  eine  Tradition  sprechen,  weshalb  man  nicht  allzu 
sicher  sein  darf.  Wir  vermögen  nur  vorerst  eine  Kontinuität  nicht 
nachzuweisen  und  wir  dürfen  sie  wohl  bezweifeln.' 

Es  ist  för  die  Frankenstadt  jedesfalls  charakteristisch,  dass  sie 
es  verschmäht  hat,  den  hochgelegenen  Hügel  der  römischen  Ansied- 
lung zur  Wohnstätte  und  zur  ersten  Kaiserpfalz  auszuwählen. 
Sie  wollte,  wie  es  germanische  Gepflogenheit  ist,  dicht  am  Wasser 
sein,  auf  die  Ge&hr,  sich  alljährlich  der  Ueberschwemmung  auszu- 
setzen, und  wenn  man  noch  jetzt  bei  bedeutenden  Hochwasser- 
ständen die  gelbe  Mainfluth  bis  über  den  Justiciabrunnen  des  Römer- 
bergs hereindringen  sehen  kann,  hat  man  einen  Begriff  davon,  wie 
die  Karolinger  und  ihre  Nachkommen  den  Römern  an  Vorsicht  nach- 
standen. Uebrigens  ist  für  die  Beurtheilung  der  Römer-Ansiedlung 
die  £rwägung  sehr  massgebend,  wie  lange  dieselbe  bestand.  War 
sie,  vtic  es  vorläufig  bei  dem  Mangel  aller  früheren  Funde  ^t  als 
wahrscheinlich  gelten  muss,  eine  nicht  bis  in  das  dritte  Jahrhundert 
hineinrciciicnde,  so  ist  es  sehr  fraglich,  ob  die  Franken  daran  an- 
knüpfen  konnten.  Vorläufig  können  wir  natürlich  nur  mit  dem  ersten 
Jahrhundert  rechnen,  das  uns  durch  die  14.  Legion  bezeugt  ist.  Im 
Allgemeinen  bietet  sich  anderwärts  in  sogenannten  römischen  Städten 
allerdings  die  Ers  l  cinung,  Jass  in  den  römischen  Anbau  angeknüpli 
wird^  für  die  Art  jedoch,  wie  in  Wien,  Augsburg,  Regensburg,  Köln, 
Mainx,  Worms,  Wiesbaden  die  römische  ßaulichkeit  mit  der  späteren 
verquickt  ist,  und  wie  sie  dort  allerorten  und  jederzeit  von  Neuem 
zu  Tage  tritt,  dafür  haben  wir  in  Frankfurt  nicht  das  mindeste 
Analogo!^  htvJ  haben  es  auch  in  der  Zukunft  nicht  zu  erwarten.  Ich 
kann  deshalb  keinen  eigentlichen  Ursprung  der  Stadt  daraus  herleiten 
und  halte  die  römische  Fundstätte  bis  zum  Beweis  des  Gegentheils 
für  eine  zeitlich  sehr  begrenzte,  vielleicht  später  aulgegebene  Militär- 
Anlage  des  ersten,  allenfalls  noch  des  zweiten  Jahrhunderts. 


'  Icli  bemerke  hier  nachtrutjlich,  dass  in  der  ^i^ku^s^(ln,  die  sich  ati  den 
X'ortrag  kuüpi'te,  mit  vollem  Rechte  betont  wurde,  dass  anderwärts  fränkische 
Wohnstäcten  vielGicb  auf  römischen  Kastellen  errichtet  wurden;  Mainz,  Wies- 
baden, Krcuznadi  u.  A.  beweisen  dies  hinlänglich.  In  Frankfurt»  wo  dies  eben- 
falls statthaben  konnte,  ist  indessen  bisher  noch  kein  Nachweis  an  jener  Stelle 
vorhanden. 


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1 


—  *  JIO  — 


Die  germanisch«  Niederlassung  der  Merovingerzeit  knüpft,  wie 
schon  der  Name  der  »Furt  im  Frankenlande«  besagt,  an  die  Main- 
furt  an.  Ob  diese  für  die  römische  Anlage  entscheidend  war,  kann 
noch  sehr  zweifelhaft  erscheinen.  Aus  den  bereits  angegebenm 
Gründen  halte  ich  die  Wahl  des  Ortes  wesentlich  für  ein  Ergebniss 
der  richtigen  Abschätzung  der  Terrain-Verhältnisse,  die  einen  be- 
sonderen Schutz  boten.  Dabei  war  sowohl  der  Schutz  gegen  Osten 
als  gegen  Süden  massgebend.  Aber  wenn  nun  auch  die  Furt,  deren 
der  Main  an  der  Stelle  Frankfurts  übrigens  mehrere  bietet,  gewiss 
den  Römern  bekannt  und  dienlich  sein  mochte,  so  ist  doch  zu  be- 
achten, dass  im  ersten  Jahrhundert  das  jenseitige  Ufer  ein  vorwiegend 
feindliches,  vermiithhch  eine  Wildniss  war,  wie  es  ja  noch  im  Mitiel- 
alter  durch  seinen  undurcbdringliciien  Reichslorst  und  den  Mangel 
grösserer  Wohnpl.ntze  ausgezeichnet  ist.  Wenn  aucli  im  zweiten  und 
dritten  Jahrhundert  römische  Stra>sen,  die  wir  vielleicht  noch  nicht  alle 
kennen,  nach  den  Mainansiedlungen  liier  durch  das  Land  führten,  su 
!ässt  sich  doch  in  der  Trühzeit  der  ersien  Niederlassung  nichts  derart 
erwarten,  die  Mainfurt  hatte  demnach  nur  den  Werth  eines  Zugangs 
zu  dem  l  einde.  Der  i  luss  selbst  scliützie  und  dass  er  als  Transpon- 
strasse  benutzt  wurde,  ist  sehr  wahrscheuihcli ;  die  verlässige  und  die 
kürzeste  Verbnuhing  war  aber  jederzeit  die  gradlinige  Militär- 
strasse. Wie  sehr  die  rechtsrheinischen  üeuenden  in>  Bereiche 
der  Dreieich  uiisiciier  und  gefährdet  waren,  beweisen  uns  die  Römer 
selbst  durch  gelegentliche  Ucberlieferung.  Von  hohem  Interesse  ist 
jener  am  (jehabi)rncr  Hot  unweit  Daraisiadi  mitten  im  Walde  ge- 
iunUcne  Grabstein  des  Clodius  Perigenes  aus  Teanuni  Sidicinum  in 
Campanien,  den,  wie  die  Inschnli  besagt,  Räuber  dort  getckitet  haben 
und  dem  sein  Bruder  das  Denkmal  wiJ;iiete.  Die  Welunuth,  den 
Sohn  der  südlichen  Hciuui-h  in  einem  um  w  u  tlilichen  I.andsiriwh 
begranca  zu  wissen,  lencl.ic:  ai,  .  Jcni  uicu  is<.ii<.n  Naclu  ul  heraus, 
den  der  Siitter  m  die  Prosa  seiner  (jrabschrift  eintliessen  lässt:  altera 
contexit  lellus,  dedit  altera  nasci  —  das  eine  Land  gewahrte  ihm  die 
Erde,  das  andere  hat  ihn  geboren. 

Es  erübrigt  noch,  eine  Frage  zu  berühren,  die  von  grosser 
Wichtigkeit  für  die  richtige  Schätzung  unserer  Römerstätte  und  die 
damalige  Kultur  des  Mainlandes  ist.  Wie  weit  dürfen  wir  die  An- 
lage des  Kastells  im  ersten  Jahrhundert  zurück  datiren  ?  Hierüber  gibt 
der  einzige  Zeuge,  der  mehrfach  gefundene  Stempel  der  14.  Legion, 
leider  keine  ganz  bestimmte  Auskonft.  So  lange  wir  von  diesem 
nur  ein  Exemplar  besassen,  auf  welchem  die  Beinamen  Martia  Victrhi 
fchtten,  die  bei  «m  erst  nacK  dem  Jahre  70  auftreten  —  die  Legion 


erhielt  sie  in  Folge  des  britaDnischen  Fetdsugs»  sie  hiess  vor  43  nur 
Cemina  —  konnten  Zweifel  bestehen,  ob  die  Kanal-Anlage  vor  oder 
nach  diesem  Jabre  datire;  die  Beinamen  fehlen  häufig  auch  in  der 
zweiten  Periode.  Nachdem  wir  aber  Stempel  mit  den  drei  Beinamen 
Gemina  Mania  Victrix  gefunden  haben,  sind  wir  sicher,  dass  wenig- 
stens  die  Kaoal-Anlage  nach  dem  Jahre  70  gebaut  ist.  Sie  kann 
freilich  eine  spätere  Zothat  des  Kastells  sein.  Dessen  eigentliche  An- 
lage könnte  dann  allenfalls  vor  das  Jahr  45  fallen,  ui  welchem  die 
Legion  nach  Britannien  abzog;  dem  widerspräche  nur  die  schon  dar- 
gelegte allgemeine  Situation.  Die  14.  Legion  kann  alsdann  nicht 
nach  dem  Jahre  89,  als  Domitian  die  Doppellager  der  Legionen  auf- 
löste, was  er  vor  Allem  nach  dem  am  Rhein  erfolgten  Aufstand  des 
Situminus  bei  der  Rheinarmee  und  zwar  sofort  durchföhren  musste, 
in  Germanien  geblieben  sein.  Sie  ist  nacii  diesem  Jahre  nicht  mehr 
bd  uns  nachzuweisen.  Damit  erhält  die  Frankfurter  Römerstätte, 
wenigstens  deren  Kanal-Anlage,  eine  bestimmte  Begrenzung. 


Yereitt  für  Geschichte  und  Alterthumskuude 

zu 

f^rankfurt  a.  M!. 


OesehlftUche  Hlttheilvngen. 


l  Bericht  über  die  Tbätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1889. 

Erstattet  vom  Vorstände  iii  der  Generalversammlung  am  lo.  Februar  i6^. 

Unsere  Arbeiten  im  verHossenen  Jahre  haben  die  gleich  ruhige 
Entwicklung  genommen,  welche  wir  in  unseren  beiden  letzten  j.iiireb- 
berichten  der  Thätigkeil  unseres  V^ereins  nachrühmen  duritLii,  und 
die  Betlieiligung  unserer  Mitglieder  an  unseren  Arbeiten  und  \'cr- 
^nügungen  war  eine  gleich  lebhafte  wie  in  den  letzten  Jaiiren. 

Dem  Berichte  i'iber  die  Thätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1S8'.; 
müssen  wir  eiui.  iLtkiaruii^  und  luitsL!iMlLi:<^uug  vorausschicken,  Jass 
wir  die  General  Versammlung,  wcLhc  nach  ^-  12  unserer  Satzungen 
in  den  Monaten  Dezember  oder  Januar  stattfinden  soll,  erst  auf  heute 
berufen  haben.  Wie  im  Jahre  1885  haben  sich  der  Abhaltung  während 
der  satzungsgemässen  Zeit  diesmal  Schwierigkeiten  entgegengestelh. 
Der  einzige  Montag  im  Januar,  an  welchem  die  Versammlung  ohne 
Hinderniss  hätte  stattfinden  können,  fiel  diesmal  mit  der  Feier  des 
Geburtstages  des  Kaisers  zusammen.  Wir  hoffen,  dass  Sie  uns  Ihre 
Genehmigung  filr  die  Verlegung  des  Termins  der  Versammlung  auf 
heute  nicht  versagen  werden. 

Der  Vorstand  des  Vereins  bestand  nach  den  in  der  General- 
versammlung vom  28.  Januar  v.  J.  erfolgten  Ergänzungswahlen  aus 
den  Herren: 

Professur  Dr.  AliAiuidii  Kii'se, 

Oberstabsarzt  .1.  D.  Dr.  Karl  Iheodor  Kitiht;^ 

IVHhelm  Mappes, 

Gustav  Reutlinger, 

Konservator  Otto  Cornill, 

Pfarrer  Dr.  Hermann  Dechent, 

Otto  Donner-von  Richter, 

Stadearchivar  Dr.  Rudolf  Jung, 

Alfred  van  Neufvilk, 

Senator  Dr.  Bmil  vm  Oven. 

Den  Vorsitz  führte  Herr  Professor  Dr.  Riese,  dessen  Stellvertreter 
war  H^rr  Dr.  Küthes  das  {inn  des  Schriftführers  versah  Herr  Mappes, 


das  des  Kassiers  Herr  ReiHlmger,  Die  Rcdaktions^Kommtssion  bildeten 

die  Herren  Professor  Dr.  Riese,  Donner -von  Rict^er  und  Dr.  Jung; 
die  Lokal-Koniniission  die  Herren  Reiillinger,  Dr.  von  Nathusius  und 

Piuljcra:  die  lixkursions-Komniission  die  Herren  Dr.  Küthe,  Dr.  vm 
Kaihusius  und  Kohci ;  die  ßibliotheks-Kommission  die  Herren  Dr.  Jun^, 
Dr.  Heuer  und  Dr.  Palhfiann.  Die  Verwaltung  der  im  Archivgebaudc 
mit  der  Handbibliothek  des  Stadtarchivs  I  vereinigt  aufgestellten 
Bücherbeslände  des  Vereins  fiihricHerr  Dr.  Jung;  derselbe  hatte  .luch 
die  Bearbeitung  der  in  dem  Korrespondenzblatte  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  in  rcgchiiässiger  Folge  erscheinenden  Berichte  über  unsere 
wissenschaftliclien  Sitzungen  Obemommen. 

In  der  heutigen  Jahresversammlung  liegt  Ihnen  zunächst  nach 
den  Satzungen  ob,  die  nöthigen  Neuwahlen  zum  Vorstande  vorzu- 
nehmen* Hs  haben  diesmal  diejenigen  Herren,  welche  in  der  General- 
versammlung am  }0.  Januar  1888  gewählt  wurden,  aus  dem  Vorstände 
auszuscheiden:  es  sind  dies  die  Herren  Cornilly  Domier-von  Richter, 
Mappes,  Rentlinger  und  Riese.  Die  genannten  Herren  liaben  sich  bereit 
erklart,  eine  etwaige  Wiederwahl  anzunehmen ;  wir  erlauben  uns, 
Ihnen  dieselben  vorzuschlagen,  und  fügen  auf  dem  in  Ihren  Händen 
befindlichen  Stimmzettel  die  Kamen  von  fünf  weiteren  Herren  lun/n : 
Sie  wollen  aber  unseren  Vorschlag  lediglich  als  einen  unmassgebhcheii 
betrachten,  da  Sie  an  Vorschläge  des  Vorstandes  in  keiner  Weise 
gebunden  sind,  sondern  das  satzungsgemässe  Recht  haben»  jedes 
Vereinsmitglied  in  den  Vorstand  zu  wählen. 

Die  Revision  unserer  Kassenführiin»^  haben  auch  lür  das 
abgelaufene  Jahr  die  Herren  Ferdinand  Hyssen  und  IVilhehn  ll'cisnutm 
übernommen.  Unser  Kassier  Herr  Reniliu^er  wird  Ihnen  nachher 
mit  seinem  Kassenberichte  auch  den  i-undbeiiclu  der  Herren  KevisDren 
vortragen.  Wir  bitten  Sie,  die  genannten  Herren  unter  dein  AuNdruckc 
dch  Dankes  für  ihre  bisherige  mehrjährige  Mühewaltung  auch  für 
das  laufende  jähr  wieder  zu  wählen.  Damit  aber  im  Falle  von  Krank- 
heit oder  sonstiger  Verhinderung  eines  der  beiden  Herren  die  Revision 
keinen  Aufschub  zu  erleiden  braucht,  bitten  wir  Sie,  zugleich  zwei 
weitere  Herren  als  lirsai/- Revisoren  zu  ernennen,  und  schlagen  dafür 
die  Herren  Rentner  Joseph  Dibelku  und  Buchhändler  Karl  Schnchhard 
vor,  welche  wir  nöthigen  Falls  nach  alphabetischer  Reihenfolge  um 
die  Ucbernahnie  der  Revision  bitten  würden. 

Unser  Mitgliederbestand  hat  sich  nn  abgelaufenen  Jahre 
leider  etwas  vermindert.  Wir  traten  in  dasselbe  mit  \^\  Nlitgliedern 
ein;  wir  verloren  durch  Austritt  oder  Tod  24  Herren  und  nahir.cii 
17.  als  neue  Mitglieder  auf,  so  dass  wir  das  neue  Jahr  mit  434  Mit- 


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-  V  - 


gliedern  nmretcn.  Von  den  Gestorbenen  g;edenken  wir  hier  des 
Herrn  Dr.  med,  Karl  Lorn,  der  den  Herren  als  ein  regelmässiger 
Besucher  unserer  Vereinsabende  bekannt  sein  wird,  und  weiter  des 
Herrn  Dr.  med.  Leopold  Wilbrand^  welcher  im  ii.  Bande  der  Neuen 
l  olge  unserer  Vereinszeitschrifi  eine  interessante  Arbeit  über  die 
Kriegslazarethe  in  Frankfurt  1792— i8i 5  veröffentUcht  hat.  Aus  der 
Reihe  unserer  korrespondirenden  Mitgheder  verschied  am  i  ^  Dezember 
I  ierr  Professor  Dr.  Wilhelm  Crecelius  in  Hlbcrfcld,  der  unerniüdhche 
l  orscher  auf  dem  (lebiete  der  Bergischen  I.andes^'eschichte,  dem 
auch  die  «Miiiheihmgen«  unseres  Vereins  manchen  wertinollcn  Beitrag 
verdanken.  Unseren  verstorbenen  Mitgliedern  sei  ein  freundliches 
Andenken  gewidmet! 

Mehrere  Male  hatte  ihr  Vorstand  im  abgelaufenen  Jahre  Gelegen- 
heit, verdiente  Mitglieder  des  Vereins  an  l:hrentagen  derselben  */u 
begnissen.  So  beging  einer  der  ältesten  l  orscher  auf  den'!  Gebiete 
der  vaterstadischen  Geschichte,  Herr  Dr.  med.  /F.  Stricker  im  August 
unter  grosser  Betheiligung  seiner  Freunde  und  Berufsgenossen  die 
1-eier  seines  50jährigen  Doktor-jubilaums ;  im  September  konnten 
wir  den  Nestor  der  deutschen  Aherthumswissenschaft,  unser  verehrtes 
korrespondirendes  MitgUed,  Herrn  Professor  Dr.  Lindenscbmit  in  Mainz, 
zu  semem  8ü.  Geburtstage  beglückwünschen,  und  kurz  darauf  unserem 
Schriftfüiirer,  Herrn  G.  /F.  Mappes,  bei  Gelegenheit  seines  2jjährigen 
Gcschatisjubilaeinns  unsere  Glückwimsche  darbringen. 

Als  neue  Veröffentlichungen  des  Vereins  haben  Sie  im 
Laute  des  Monats  November  den  /.weiten  Band  der  dritten  l  olge 
des  »Archivs  für  l-rankkirts  Geschichte  und  Kunst«  und  den  /weiten 
Band  der  von  uns  mit  städtischer  Unterstützung  herausgegebenen 
»Inventare  des  f  i.uikiurter  Stadtarchivs«  erhalten.  Beide  I  i  likationen 
wurden  Ihnen  bereits  im  vorjährigen  RechenschaftsberiLlue  angekün- 
digt- livr  iKiJc  sii)d  nicht  in  der  Gestalt  aus  der  Presse  hervor- 
gegangen, welche  wir  Ihnen  dort  versprochen  ii.ittcn. 

Was  den  Inventarband  belangt,  so  geben  wa  ihn  ohne  das  dort 
versprochene  Register  über  die  bisiier  erschienenen  zwei  Bände. 
Da  diese  und  die  zwei  nächsten  Bände  eine  inhaltlich  zusamnicrv- 
gehörige  Gruppe  von  Archivalien,  die  auswärtigen  Verhältnisse  der 
Stadt,  verzeichnen  sollen,  so  schien  uns  richtiger,  erst  am  Schlüsse 
dieser  Gruppe  ein  grosses  Gesammt- Register  zu  geben,  als  jeden 
einzelnen  Band  mit  eigenem  kleinen  Register  auszusenden. 

Auch  der  Inhalt  des  Archivbandes  entspricht  nicht  ganz  denf 
im  vorjährigen  Berichte  angegebenen  Inhalte.  Die  umfangreiche 
Arbeit  des  Herrn  Kammerherm  von  Heyden  Über  die  Frankfurter 


Orden  und  Ehrenzeichen»  flir  deren  Farbendrucktafeln  uns  die  Dr. 
/.  E  Boebmer^sdtie  Nachlass- Administration  einen  Zuschoss  von  Mk.8oo 
gQtigst  gewährt  hatte,  konnte  keine  Aufnahme  in  diesem  zweiten 
Bande  linden,  da  die  übrigen  Aufsitze  länger,  als  wir  erwartet  haicen» 
ausgefallen  waren  und  wir  unserer  Finanzen  wegen  Bedenken  tragen 
müssen,  den  Umfing  von  20  Bogen  pro  Band  zu  sehr  zu  überschreiten. 
Die  hochinteressante  Arbeit  des  Herrn  von  Heyden  musste  demnach 
mit  Zustimmung  des  Herrn  Verfassers  und  der  Herren  Administratoren 
des  Dr.  Boehtner*schen  Nachlasses  zurückgestellt  werden  und  wird 
den  dritten  Band  des  »Archivs  für  Frankfuns  Geschichte  und  Kunst«, 
dritte  Folge,  eröffnen. 

Was  unsere  nächsten  Veröffentlichungen  belangt,  so  müssen 
wir  damit  etwas  langsam  vorgehen.  Nicht  als  ob  es  uns  an  Stotf 
fehlte;  unsere  vaterstädtische  Geschichte  ist  eine  so  vielseitige  und 
reichhaltige,  die  Quellen  für  dieselbe  ruhen  in  reichlicher  Menge, 
wie  sie  kaum  eine  andere  Stadt  von  gleicher  geschichtlicher  Bedeutung 
wie  Frankfnn  aufweisen  kann,  im  Stadtarchive,  und  auch  an  ^nssen- 
schaftlich  gebildeten  Forschern,  welche  zur  Mcbung  und  Verarbeitung 
dieser  Schätze  befähigt  sind,  ist  Gottlob  kein  Mangel.  Aber  die 
Rücksicht  auf  die  Mnanzen  des  Vereins  nöthigt  uns,  in  der  Reihe 
unserer  Veröffentlichungen  ab  und  zu  eine  kleine  Pause  zu  machen. 
Wir  gedenken,  den  nächsten  Inventar-  und  den  nächsten  Archivb.ini! 
zusammen  im  Anfange  des  Jahres  1891  .uis/ugcbcn ;  der  Druck  beider 
Bände  ist  bereits  in  Angriff  genommen  und  wird  hoffentlich  ohne 
Störung  im  Laufe  dieses  J.ihres  weiter  geführt  werden  können.  Der 
Inventarband  wird  mit  einem  Verzeiclmiss  der  städtischen  Privilegien 
beginnen,  also  derjenigen  Urkunden,  auf  denen  die  treie  Entwicklunji 
der  mittelalterlichen  Stadt  in  erster  Linie  beruht ;  damn  schliesst  sicli 
das  Tnhaltsverzeichniss  der  7  ersten  Bande  der  sogenannten  Kaiser- 
sciirciben,  welclie  tur  die  auswärtige  Politik  der  Stadt,  insbesondere 
deren  Verhaltmss  zum  Kaiser,  von  der  höchsten  Wichtigkeit  sind; 
weiter  folgen  dann  Uebersichten  über  den  Inhalt  der  WahltagsaUen 
und  der  Reichstagsakien ;  der  ganze  Band  wird  wie  die  anderen  die 
ganxo  Zeit  vor  1500  umfassen.  Der  Archivband  beginnt,  wie  oben 
bemerkt,  mit  der  Arbeit  des  Herrn  von  Heyden  über  die  I  rankfuner 
Orden  und  Llirenzeichen ;  daran  wird  sich  wohl  die  von  unserem 
Hhrenniitgliede,  Herrn  Archivrath  Dr.  Grotefend  in  Schwerin  i.  M., 
besorgte  Ausgabe  des  »Prorektor«  in  seiner  ursprünglichen,  nur 
handschriftlich  vorhandenen  Gestalt  anschliessen ;  weitere  Arbeiten 
über  VoUaues  Verhaftung  in  Prankfurt  (1753)  und  Frankfurt  im 
Jahre  1796  stehen  in  sicherer  Aussicht. 


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-    VII  - 


Das  Korrespondenzblatl  der  Westdeutschen  Zeit- 
schrift, Jahrgang  1889,  welches  unsere  Sitzungsberichte  mit  kurzer 
Darstellung  des  Inhaltes  der  einzehien  Vorträge  enthält,  wird  den 
Herren,  welche  es  nicht  monatlich  beziehen,  demnSchst  zugehen.  Es 
emfailt,  wie  bekannt,  kurze  Aufsätze  aus  dem  ganzen  Gebiete  der 
westdeutschen  Geschichtsforschung  und  berflcksicbtigt  besonders  die 
fär  dieses  Gebiet  so  wichtige  römische  Zeit* 

In  den  wissenschaftlichen  Sitzungen,  deren  wir  16  ab- 
hielten und  welche  sich  der  gleich  regen  Thetlnahme  seitens  der 
Mitglieder  wie  in  den  Vorjahren  erfreuten»  wurden  nachfolgende 
Vorträge  gehalten: 

1)  Hinwanderungen  in  i  ranivtur:  im  13.  Jahrhundert.  (Dr.  II.  von 
Nathusius.) 

2)  Die  Cronberger  Schlacht  am  14.  Mai  1389.  (Dr.O.Hmer.y 

3)  Eine  kaiserUche  Kommission  gegen  Frankfurt  1640.  (Dr. 
/.  Kracauer.) 

4)  Frankfurt  während  der  Verwüstung  der  Pfalz  1689.  (Dr. 
R.  Juns.) 

5)  Der  Plan  einer  allgemeinen  Akademie  in  Frankfurt  1781. 
(Professor  Dr.  V.  Valentin.) 

b)  deschichte  der  in  Frankfurt  erschienenen  Zeitschrilten  bis 
181 3.  (Dr.  A.  Düt^.) 

7)  Der  Frankfurter  Liederdichter  Johann  Jakob  Schütz  1640— 90. 
(Pfarrer  Dr.  H.  Dechetit.) 

8)  Georg  Ludwig  Kriegk  aU  1  rankfurter  Geschichtsschreiber 
und  Archivar.   (Dr.  R.  Froning.) 

9)  Die  Hügelgräber  im  Frankiurter  Wald.  (Dr.  A.  Hanimmm.) 

10)  Bericht  über  römische  l  unde  am  Krintniarkt.  (O.  ContHI.) 

11)  Geschichte  de.s  Römers  und  der  zu  ihm  gehörigen  Gebäude. 
(O.  Cornili  und  Dr.  K.  jung.) 

12)  Der  Hauptaltar  des  Domes  von  Johann  Schilder  von  Bam- 
berg.  (O.  Dotmer-vmi  Richter.) 

13)  Das  Frankfurter  Lokalstück  «Der  Prorektor«  in  seiner 
ursprüngHchen  Gestalt.  (Dr.  JJ,  Grotefend.) 

14)  Die  Römischen  Befestigungen  zwischen  Neckar  und  Main 
oder  die  sogenannte  Mümlinglinie  nach  eigenen  Aufnahmen. 
(F.  Kofler:) 

15}  Der  Pfahlgraben  in  der  Wetterau  nach  eigenen  Forschungen. 

(K  Kofler.) 

16)  Ueber  die  Runenschnit.  (Dr.  K.  n,  Kulbe.) 


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~  VIII  - 


Von  diesen  Vorträgen  sind  oder  werden  demnächst  durch  den 
Druck  veröffentlicht :  Nr.  2  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst,  dritte  Folge,  Band  5  ;  Nr.  3  in  der  »Frankfurter  Zeitung«  1889; 
Nr.  4  in  der  »Didaskalia«  1889,  Ende  Mai ;  Nr.  5  im  Archiv  für  Fraok- 
furis  Geschichte  und  Kunst,  dritte  Folge,  Band  2;  Nr.  7  im  »Frankfurter 
Kirchenkalender«  1889  und  in  der  Zeitschrift  »Christliche  Welt«  Jahrg. 
1889;  Nr.  8  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  dritte 
Folge,  Band  3;  Nr.  9  ebenda  Band  2;  Nr.  10  ebenda  Band  3;  \r.  ir 
in  einer  nur  an  die  städtischen  Behörden  und  an  die  Mitt^liedcr  der 
RömerumlMii-Kommission  vertheiltcn  Drucksciirift ;  Nr.  12  im  Archiv 
für  Frankturts  Gescliichtc  und  Kunst,  dritte  l"olge,  Band  2;  Nr.  13 
ebenda  Band  3.  Kurze  Berichte  über  diese  Vorträge,  meist  von  den 
Rednern  selbst  verfasst,  finden  Sie  nn  Korrespondenzblatt  der  West- 
deutschen Zeitschrift.  Sie  wollen  dem  Vorstande  aber  auch  gestatten, 
an  die  Herren  Vortragenden  für  die  Zukunlt  die  Bitte  ausi^usprechcn, 
dass  ein  jeder  in  den  nächsten  Tagen  nach  seinem  Vortrage  ein 
kürzeres  oder  längeres  Referat  darüber  an  den  Herrn  Protokoll führer 
einsende.  Dieser  wird  es  dann  in  der  nächsten  Sitzung  vorlesen  und 
es  dem  Protokoll  als  dauernden  Besitz  des  Vereins  einverleiben.  Sic 
werden  gewiss  Alle  eine  solche  kur/.c  Zusammenfassung  des  wesent- 
lichsten Inhaltes  der  Vorträge  im  Protokoll  als  zweckmässig  ansehen. 

Den  Herren  Vortragenden  sprechen  wir  für  die  freundliche 
Bereitwilligkeit,  mit  der  sie  uns  durch  ihre  Vorträge  erfreut  haben, 
unseren  verbindlichsten  Dank  aus.  Wir  fühlen  uns  den  Herren, 
welche  von  auswärts  hierher  gekommen  sind,  um  an  unseren  Sitzungs- 
abenden  zu  sprechen,  zu  besonderem  Dank  verpflichtet ;  so  Herrn 
F.  Kofier  aus  Darmstadt,  der  uns  an  zwei  Abenden  die  schönen 
Resultate  seiner  umsichtigen  Forschungen  vorgeführt  hat,  und  unserem 
Ehrenmitgliede,  Herrn  Archivrath  Dr.  Groteu-nd  aus  Schwerin  i.  M., 
der,  auf  längerer  Rcinc  lut:r!trcn,  Jic  \'<irtr.)i;e  im  Winterhalbjahre 
eröffnet  hat;  m(\i:c  der  /.ulilrcuhc  Besuch  und  ilci^  Icbli.iUc  licitall, 
dti  iliiu  \n  dic.cas  Abend  zu  Theil  wurde,  ihni  gezeigt  haben,  dass 
sein  l  iiim.duiges  verdienstvolles  Wirken  in  unserer  Mitte  von  unseren 
Mitgliedern  nicht  vergessen  worden  ist. 

Die  Veranstaltung  der  alljährlich  in  Gemeinschaft  mit  dem  Verein 
für  das  historische  Museum  und  dem  Freien  Deutschen  Hochstift 
begangenen  Win  ekel  manns- Fei  er  lag  im  verflossenen  Jahre  uns 
ob.  Sie  fand  am  II.  Dezember  im  Lokale  der  Künstlergesellschah 
statt.  Herr  Dr.  FaBmam  lieferte  in  seinem  Vortrage  über  die 
Frankfurter  Könstlerfamilie  Prestel  einen  interessanten  Beitrag  zur 
Kunstgeschichte  unserer  Stadt. 


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-  IX  - 


Die  geselligen  Zusammenkünfte  wurden  auch  in  diesem 
Jahre,  leider  unter  nicht  sehr  starker  Theilnahme,  fortgesetzt.  Es 
wurden  in  denselben  vorzugsweise  Frankofurtensien  vorgelegt.  Die 
Herren  H.  SHebd  und  O.  Lindhemer  hatten  die  Güte,  uns  aus  ihren 
schönen  Sammlungen  Bilder  und  Druckschriften  zur  Frankfurter 
Geschichte  und  Zeichnungen  aus  Alt-Frankfurt  vorzuführen.  Beiden 
Herren  sprechen  wir  auch  an  dieser  Stelle  unseren  besten  Dank  für 
ihre  Freundlichkeit  aus. 

Die  städischen  Baubehörden  haben  bei  den  im  verflossenen 
Jahre  von  ihnen  vorgenommenen  Arbeiten,  bei  welchen  man  auf 
Reste  früherer  Befestigungen  und  Mauern  stiess,  verschiedenen  Mit- 
gliedern unseres  Vereins  ein  freundliches  Entgegenkommen  bewiesen 
und  uns  dafür  wiederum  zu  Danke  verpflichtet.  Wir  sprechen  den- 
selben ganz  besonders  den  Herren  vom  Tiefbau-Amte  aus,  welche 
die  Arbeiten  am  Kanalbau  auf  dem  Kraut-  und  Weckmarkte  zu  über- 
wachen hatten.  Es  ist  unseren  Mitgliedern  bekannt,  welch*  wichtige 
Ausbeute  an  diesen  Orten  zu  Tage  gefördert  worden  ist.  Zum  ersten 
Male  haben  sich  zweifellos  Ueberreste  einer  Römischen  Niederlassung 
auf  der  Dominsel,  ja  sogar  inschrifttiche  Zeugnisse  derselben  in  Gestalt 
von  Legtonsstempeln  vorgefunden  —  ohne  alle  Frage  das  bedeut- 
samste Ergebniss,  welches  das  abgelaufene  Jahr  flir  die  Kenntniss 
der  Frankfurter  Geschichte  uns  gebracht  hat.  Es  drängt  uns  die 
unabweisbare  Ueberzeugung  auf,  dass  unter  dem  Boden,  auf  dem 
wir  leben,  noch  gar  manches  werthvolle  Dokument  zur  Geschichte 
des  alten  Frankfurt  ruht,  und  mahnt  uns  zu  der  wiederhohen  Bitte 
an  die  städtischen  Behörden  wie  an  die  privaten  Unternehmer,  Herrn 
Konservator  Cornill  in  Kenntniss  setzen  zu  wollen,  falls  sie  bei  ihren 
Arbeiten  Spuren  früherer  Rauten  finden.  Den  Herren  Dr.  A.  Hammeran, 
Dr.  G.  IVolff  und  Chr.  L.  Thomas,  welche  sich  mit  Herrn  CornÜl 
an  der  Ucberwachung  jener  Ausgrabungen  bethciligt  haben,  danken 
wir  bestens  für  ihre  freundliche  und  so  erfolgreiche  Mühewaltung. 

Die  Vereins- Ausflüge  erfreuten  sich  auch  im  verflossenen 
Jahre  der  regen  Theilnahme  unserer  Mitglieder.  Der  erste,  am 
12.  Mai,  galt  der  alten  Reichsstadt  Worms.  Dank  der  Zuvorkommen- 
heit mehrerer  Herren  des  dortigen  Alterthumsvereins,  welche  alle 
Vorbereitungen  für  die  Besichtigung  der  vielen  dortigen  Sehenswürdig- 
keiten in  trefflichster  Weise  getroffen  hatten,  konnten  wir  in  einem 
kurzen  Tage  unsere  Wanderung  durch  die  hochinteressante  Stadt 
beenden  und  in  gastlichem  Zusammensein  mit  den  dortigen  Geschichts- 
freunden der  grossen  Vergangenheit  der  Stadt  gedenken:  waren  doch 

in  jenen  Tagen  gerade  200  Jahre  verflossen,  seit  die  Franzosen  auf 

b 


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-  X  - 


Befehl  Ludwigs  XI V.  die  alte  Siadt  in  Asche  legten  und  ihre  Blüihe 
auf  lange  Zeit  hinaus  vernichteten.  Wir  hoffen,  dass  es  uns  bald  ver- 
gönnt sein  möchte,  die  Herren  vom  W'orniser  Alterthum^vercin,  dessen 
frühere  Beziehungen  zu  unserem  \'ereine  bei  dieser  Gelegenheit  wieder 
belebt  wurden,  in  Frankfurt  begrü:>ben  und  ihnen  hier  die  gewaline 
Gasttreundschafi  vergelten  zu  können.  Am  1  linmiehahrtstagc  (^o.  Mai) 
besuchten  wir  die  Saalburg  und  das  S.i.ilburg-Museum  m  Homburg  v. 
d.  Höhe;  hier  wie  dort  hatte  unser  gesch.u/.tcb  Mitglied,  Herr  Dr. 

Hammerau,  die  (jiiie,  die  aoihigen  hrUuterungen  in  eingehendster 
Weise  den  Theihiehmern  zu  geben,  liin  dritter  AusHug  tührte  uns 
am  29.  Juni  wieder  nach  Mainz,  woselbst  wir  das  roniisch-germarüsche 
Central-Museum  und  den  Dom  besichtigten;  die  Herren  Dr.  /  : 
und  Dr.  Keller  aus  Mainz  liatten  in  treundlichsler  und  sachkundii;sicr 
Weise  die  1-ührung  übeinünmien.  Der  vierte  und  letzte  .\ustiui^  am 
11,  August  galt  der  Ronneburg  und  ucia  oberliessis^hen  Stauuiien 
Büdingen;  111  eitlerer  gab  der  \  oiMt/ende  der  l:\kursionb-l\ummis->Riii, 
Herr  Dr.  Küthe,  die  im. ^ihii^cii  ■^■^■:'.^.\w\\iiidwA  [.aVA.v.iawixu  über  cie 
interessante  \  ergaiij-,caueit  der  Burg,  und  m  BuUiiii^li,  ua::L  der 
dortige  Kreisarzt  Herr  Dr.  Btellel  die  Llebenswü^dIgi^elt,  uns  die  tretllii.ii 
erhaltenen  Bau-  und  Beiesiigungswerke  der  Madt,  sowie  das  ^clllüs.^ 
des  1  ursten  zu  Isenburg-Büdingen  in  seinen  interessanten  Lin/eiheuen 
zu  zeigen.  Die  stadtische  Bau-Deputation  gab  uns  in  dankenswerthcr 
Weise  Gelegenheit,  ein  altehrwürdiges,  vaicrstädtisches  Bauwerk,  die 
Domimkanerkirche,  nach  ihrer  Wiederhmtcliung  zu  beüichugcu. 

Die  Generalversammlung  des  Gesammtvercins  der 
deutschen  Gescliichts-  und  Alterthumsvereine  fand  Aiilaugs  bepiembcr 
in  Metz  statt;  unser  Verein  wurde  auf  derselben  durch  seinen  Vor^ 
sitzenden,  Herrn  Professor  Dr.  Riese,  vertreten.  Die  Protokolle  der 
Versammlung,  über  welche  ihnen  unser  Vertreter  bereits  in  einer 
Vereinssiczung  Bericht  erstattet  hat,  sind  im  Korrespondenzblatt  de» 
Geiiammtvereins  abgedruckt,  i-ragen  von  näherem  Interesse  tür  unsere 
Verein&bestrebungen  kamen  in  Metz  nicht  zur  Erörterung.  Wir 
möchten  bei  dieser  Gelegenheit  unsere  Mitglieder  daran  erinnern, 
dass  der  Gesammtverein  eine  besondere^  monatlich  erscheinende 
Zeilschritt,  das  »Korrespondenzblatt  des  Gesammtvereins«  veröffem* 
licht,  welches  zu  dem  billigen  Preise  von  5  Mark  jährUch  zu  be* 
ziehen  ist;  es  enthält  Uebersichten  (Iber  das  wisseiKchaftiiche  Leben 
m  den  jetzt  beinahe  lOO  deutschen  Geschichtsvereinen,  sowie  zalil' 
reiche  geschichtliche  Aufsätze  von  allgemeinerem  Interesse.  Der 
Vorstand  ist  gerne  bereit,  etwaige  Bcsielluiigcn  auf  das  Koi'i'<-*i>P"n- 
denzblatc  nach  Berlin  zu  übermitteln. 


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Wir  lenken  schliesslich  die  Aufmerksamkeit  unserer  Mitglieder 
nochmals  auf  die  Vereinsbibliothek  und  das  Lager  der 
Vereinsschriften,  über  deren  Zustand  wir  bereits  der  vorjährigen 
Generalversammlung  Bericht  ersuttet  haben.  Im  abgelaufenen  Jahre 
wurde  die  Bibliothek  nach  vollzogener  Neuaufteilung  revidirt  und 
der  Kaulog  zu  Ende  geföhrt;  das  Schriftenlager  wurde  durch  Ankauf 
der  Restauflage  des  dritten  und  vienen  Heftes  des  Archivs  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  (1S44  und  1847)  vergrössert.  Die- 
jenigen Herren,  welche  ihre  VereinsveröffentUcbungen  zu  mässigem 
Preise  aus  unseren  Bestinden  ergänzen  wollen,  bitten  wir,  ihre 
Wünsche  dem  Vorsunde  zu  äussern. 

Mit  der  Hoffnung,  dass  unsere  Arbeiten  im  Jahre  1890  von 
gleichem  Erfolge  gekrönt  sein  möchten  wie  diejenigen  der  letzten 
Jahre,  schltessen  wir  diesen  Bericht. 


1 1 .  Rechnungs-Abschlus 


1889 
1.  Jan. 

31.  Dez, 


An  CaBW-Conto 

Baarbestand  

An  Mitglieder-Beitrag-Conto 

Jahresbeiträge  der  Mitglieder  des  Vereins 

An  Verlags-Conto 

Abgesetzte  Vereinsschriften  

An  Bffekten-Gonto 

Erlös  der  Coupons  der  österr.  Loose   .  . 

An  Subventions-Gonto 

Subvention  der  städtischen  Behörden  behufs 
Drucklegung  der  Inventare  des  Stadt- 
archivs I  


i 


M.    I  PI.  j  M.  f 
IS9  S 


142  I 
21  1 


1 1000 


1  I  I 
Frankfurt  a. 


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-  XUl  - 


II  das  jahr  1889. 


880 
Dez. 


n 

9 


It 
V 


Pr.  Bibliothek-Conto 

Ank.iuf  von  Büchern  und  Zeitschriften  .  . 

Buchbinder-Arbeiten  

Pr.  Verlags-Conto 

Fr.  I.intz'sche  Buchhandlung  in  Trier,  für 
4110  Exemplare  des  KorrespoiiilciizolaLteb 
der  Wesideui>thcu  Zeilschrift  nebst  Porto 
und  Benutzung  von  5  Extra-Spahen  in 
demselben  

H.  Keller,  hier,  Ankauf  von  220  Exemplaren 
des  Archivs  ftir  Frankfuns  Geschichte  und 
Kunst,  3.  und  4.  Heft  

H.  Laupp'sche  Buchhandlung  in  Tübingen, 
pr.  Saldo  des  Bücher'schcn  Werkes   .  . 

A.  Frisch  in  Berlin,  photograph.  Verviel- 
fältigung einer  Kaiserurkunde    .    .    .  , 

A.  Osterrieth,  hier,  .\rchiv  für  Frankfurts 
Geschichte  und  Kunst,  III.  Folge,  1.  Band 

Honorare  

Pr.  Unkosten-Conto 

Lokalmiethe  

Beitrag  fflr  den  Gesammtverein    .  .  .  . 

Reisevergütungen  und  Spesen  bei  Ausflügen 

Vereinsdiener  

Honorar  für  Ordnungsarbeiten  in  der  Bib- 
liothek   

Anzeigen  

Dnickarbeiten  

Erhebung  der  MitgUcder-Beitrage  und  Aus- 
tragen von  Vereinsschrificii  

Schril'tlielie  Arbeiten  

bell  reib-  und  Packmaierial,  Vergütungen  für 
Dienstleistungen,  Porti  und  sonstige  kleine 

Ausgaben  

Pr.  CmspConto 

Baarbestand  


1  M. 

1 

PI. 

M. 

Pf. 

1  6« 
20 

55 
20 

92 

75 

225 

20 

40 

200 

25 

43 

50 

1  1023 
587 

1 

22 

t 

1 

2779 

17 

160 
10 

121 

50 

50 

250 
0 1 
IG 

70 

90 

;  20 

24 

1  237 

1 

1043 

42 

4 

201 

48  > 

4200 

82  1 

1 

a  31.  Dezember  1889. 


G.  Reutlingor, 
d.  Z.  Ka$»cntuhrcr. 


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-   XIV  - 


Das  Vermögen  des  Vereins  bestand  am  31.  Dezember  1889  in 

Cana-Conto  Mk.  291.48 

SparkaMe-Gonto  „  1,098.48 

Effekten-Gonto  ,  551.68 

Bibliothek-Conto  „  1,706.70 

Verlaga-Conto  „  7,136.97 

InYentaMiOnto  „  1,171.87 

Mk.  11,956.03 


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III.  ßcricht  über  die  Thätigkcit  des  Vereins  im  Jahre  1890. 

Er»utlct  in  der  Gcneraiversammtunf;  am  26.  Januar 


Das  verflossene  Vereinsjahr,  über  welches  Ihnen  der  Vorstand 
nachfolgenden  Bericht  zu  erstatten  die  Ehre  hat,  i&c  für  uns  ohne 
besondere  Erlebnisse  im  guten  oder  schlimmen  Sinne  vorüber^c<;an^cn; 
die  Thätigkeit  des  Vereins,  soweit  sie  an  die  Oeffentlichkeit  trat, 
ist  die  gleiche  geblieben  wie  in  den  Vorjahren,  und  von  der  aktiven 
und  passiven  Theilnahme  der  Mitglieder  an  unserer  Arbeit  darf  das- 
selbe gesagt,  aber  doch  auch  dem  Wunsche  Ausdruck  gegeben  werden, 
dass  diese  Betheiligung  sich  von  Jahr  zu  Jahr  mehren  möge. 

Der  Vorstand  des  Vereins  bestand  nach  den  von  der  vor- 
jährigen Generalversammlimg  getroflfenen  Ergänzungswaliten  aus  den 
Herren: 

Konservator  Otto  Cornill, 
Pfarrer  Dr.  Hermann  Decheut, 
Maler  Otto  Donncr-von  Richter^ 
Stadtarchivar  Dr.  Rudolf  Jung, 
Oberstabsarzt  Dr.  Karl  Theoditr  Kuthr, 
Kaufmann  IViÜttlm  Mappes, 
Bankier  Alfred  von  Neu/ville, 
Senator  Dr.  Emil  von  Oven, 
Steuerkasse -Vorsteher  Gustav  KeutUtiger, 
Professor  Dr.  Alexander  Riese. 

Die  Aemter  im  Vorstande  waren  in  derselben  Weise  besetzt  wie 
im  Vorjahre:  den  Vorsitz  hatte  Herr  Professor  Riese  inne,  dessen 
Stellvertretung  Herrn  Dr.  Kulhe  ob,  Scliriftlührer  war  HistT  Mappes; 
Kassenführer  Herr  Rmllinger.  Die  nach  den  Satzungen  von  dem 
Vorstände  gebildeten  Kommissionen  waren  wie  folgt  zusammengesetzt: 
die  Redaktions-Kommission  aus  den  Herren  Professor  Dr.  Riesi, 
Dcmer-von  Richter  und  Dr.  /««^,  die  Lokal-Kommission  aus  den 
Herren  ReutUngcr,  Dr.  von  Nathusius  und  Padjcra,  die  Hxkursions- 
Komniission  .lus  den  Herren  Dr.  Küthe,  Dr.  von  Withusins  und  Kober^ 
die  Bibliotheks-Kojumission  aus  den  Herren  l)r.  Jniiir^  Dr.  Heuer  und 
Dr.  Palbnann,    Die  Verwaltung  der  im  Sudurchiv  aufgestellten 


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-  XVI  - 


Vereinsbibliotliek  wurde  von  Herrn  Dr.  Jung  geführt,  welcher  sich 
auch  der  Redaktion  unserer  Vereinsnachrichten  im  Korrespondenz- 
blatte  der  Westdeutschen  Zeitschrift  unterzog. 

Aus  dem  Vorstande  haben  dieses  Mal  die  in  der  Generalver- 
sammlung am  28.  Januar  1889  gewählten  Herren  Dechcnt,  Jung,  Kuthty 
von  KeuJviUe  und  von  Oven  auszuscheiden.  Mit  Ausnaiime  des  Herrn 
zw;  Neufville,  der  zu  unserem  Bedauern  auf  eine  etwaige  Wieder- 
wahl verzichtet  hat,  haben  die  genannten  Herren,  die  sämmtlich  dem 
Vorstande  bereits  seit  längeren  Jahren  angehören,  sich  bereit  erklärt, 
wiederum  in  denselben  einzutreten;  ihre  Namen  finden  Sie  auf  dem 
in  Ihren  Händen  befindUchen  Stimmzettel,  auf  welchem  wie  üblich 
ausserdem  noch  die  Namen  von  sechs  anderen  Herren  stehen,  welche 
Ihnen  der  Vorstand  zu  einer  etwaigen  Wahl  cmphehlt.  Doch  haben 
nur  die  Zettel  Gültigkeit,  auf  welchen  nicht  mehr  als  fünf  Namen 
nicht  durchstrichen  sind,  üass  der  Vorschlag  des  Vorstandes  für  Sie 
völlig  unverbindlich  ist,  wird  Ihnen  .wohl  bekannt  sein. 

Der  Revision  unserer  Kassenftthrung  haben  sich  geni.Ui 
Beschluss  der  vorjährigen  Generalversammlung  die  Herren  Fcid'uiand 
Eyssen  und  IVilhelm  IVäsmann  abermals  in  dankenswcrther  Weise 
unterzogen ;  den  Fundbericht  beider  Herren  wird  Ihnen  unser  Kassier 
nachher  mit  seinem  Kassenberichte  vortragen.  Wir  ersuchen  Sie,  die 
beiden  Herren  Revisoren  auch  für  das  neue  Vcrcinsjahr  wiederum 
um  die  Uebernahme  der  Durchsicht  unserer  Rechnung  zu  bitten;  die 
Herren  werden  in  der  Wiederwahl  den  Dank  für  die  Mühewaltung 
erkennen,  die  wir  ihnen  mit  Ueberiragung  des  Revisionsgeschäites 
aufgebürdet  haben.  Zu  iir^atzrcvisoren  schlagen  wir  auch  dieses  Mal 
die  Herren  Rentner  Joseph  Dibelka  und  Buchhändler  Aar/  Sihuchhard \or\ 
die  beiden  Herren  würden  gegebenen  Falles  in  alphabetischer  Reihen 
folge  in  die  Stelle  der  Herren  Eyssen  und  IVeismann  zu  treten  haben. 

Leider  haben  wir  wiederum  eine  wenn  auch  kleine,  so  Joch 
bedauerliche  Vcrjiur.Jei  ung  unseres  Mitgliederbestandes  zu 
verzeichnen.  Wir  begannen  das  Vereinsjaln  um  cmcni  BcsL.nJc  von 
434  Mitgliedern,  von  denen  wir  duidi  den  Tod  oder  durch  Austritt 
22  verloren;  die  Zunahme  betrug  nur  9  Personen,  so  dass  wir  das 
neue  Jahr  mit  nur  421  Mitgliedern  betreten.  Wir  wiederholen  ange- 
sichts dieses  klLUKii  lü ..k-.iiiges  in  unserer  Mitglicder/ahl  die  Mahnung, 
für  neue  Genossen  zu  werben  ;  je  grosser  unsere  Zahl,  um  so  leichter 
können  w  ir  den  in  unseren  Satzungen  ausgesprochenen  Aufgaben  ent- 
sprechen. 

Unter  den  Herren,  die  uns  der  Tod  entrissen  hat,  seien  hief 
die  Namen  von  Dr.  Heinrich  li'cismann  und  Geistlicher  Rath  Dr.  Münieih 


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xvu  - 


berger  genannt ;  wenn  auch  beide,  wenigstens  in  ihren  letzten  Jahren, 
sich  sehen  an  unseren  Arbeiten  betheiligtcn  oder  unseren  Vereins- 
sitzungen  beiwohnten,  so  beklagen  wir  doch  in  ihnen  zwei  Männer, 
welche  der  Geschichte  Frankfurts  und  den  aus  unseren  Kreisen  her- 
vori^egangenen  Arbeiten  ein  reges  Interesse  widmeten  und  selbst 
wcrthvolle  Beiträge  zur  Aufhellung  der  geschichtlichen  Vergangenheit 
unserer  Stadt  geliefert  haben.    In  Weistnann  fanden  die  festlichen 
Veranstaltungen,  die  Frankfurt  im  laufenden  Jalirliuiideri  zu  nationalen 
\'ereinigungen  der  Sänger  und  Schützen  traf,  einen  schwungvollen 
Dichter  und  gewissenhatten  Chronisten;  durd;  sctic  Ik-schreibung 
unJ  ucliliche  Erläuterung  der  .iliI  der  hiesigen  StadiLnbliotiiek  aul- 
bewahrten  JugendarbLitcn   Cioethes  hat  er  sich  auch  aut  anderem 
Gebiete  verdient  gc:iuiLlii.  Münienbct gers  Verdienste  um  die  Wieder- 
herstellung unseres  ahehrwürdigcn  Domes,  für  die  er  'in  Schrift  und 
Wort  mit  künstlerischem  Verständniss  wirkte,  sind  allgemein  aner- 
kannt und  sollen  unvergessen  bleiben. 

Nachdem  wir  schmerzlicher  Verluste  gedacht  haben,  erinnern 
wir  an  eine  Feier  zu  Hhren  eines  greisen  Mitgliedes,  welches  noch 
jügendfrisch  in  unserer  Mitte  wirkt,  welches  durch  seine  rege  Theil- 
iiahme  an  allem,  was  unseren  X'erein  betritit,  uns  als  leuchtendes 
Beispiel  vorangeht.    Unter  der  Betheiligung  der  gesaniniten  Bürger- 
schaft beging  am  i.  Juni  unser  liochverehrter  Herr  Senator  Dr.  tv«  Oven 
das  Jubelfest  der  lünfzigjährigen  Thätigkeit  im  Dienste  seiner  Vater- 
stadt, in  dur  stattlichen  Reihe  der  hiesigen  Vereine,  welche  n.i^-h  der 
offiziellen  1  eier  seitens  der  siädtiNchtn  Behoiiici;  lui  Komci  ikii  Juüdar 
im  Saale  der  Polvtcchinschen  Gesellschait  bcgrüssten  und  ilnn  ihren 
Dank  aussprachen  tür  die  erlolgreiche  Thiitigkeit,  tikc  ei  dca  cuizelnen 
Gesellschaften  gewidmet  hatte,  durfte  auch  unser  Verein  nicht  fehlen, 
dem  er  vor  mehr  als  drei  Jahrzehnten  als  eines  der  ersten  Mitglieder 
beitrat,  in  dessen  Vorstand  er  seit  Jahren  die  Vereinsinteressen  in 
hervorragender  Weise  zu  fördern  wusste.    Von  dem  Vorsitzenden 
gefü iirt,  überreichte  eine  Deputation  des  Vorstandes  dem  gefeierten 
Jubilar  nachfolgende  Adresse: 

Hochverdiner  Herr  Jubilarl 

Der  Verein  für  Geschkhie  uod  Alterthumskuade  gibt  steh  die  Ehre,  Ihnen 

an  Ihrem  heutigen  Festtage  seine  innigsten  Glückwünsche  darzubringen.  Hs  ist  für 
.Sie  ein  I'cst  von  besonderer  Art,  das  fünfzigjährige  Dicnstjiihüneiim,  ein  Fcnt,  wie 
es  nur  wenigen  bevorzugten  Menschenkindern  zu  Thcii  wird,  und  es  ist  von  be- 
sonderer und  sehener  Art  auch  für  unseren  Verein,  dcnti  es  gibt  ihm  Gelegenheit 
xurucluEublkken  bi$  auf  seine  ersten  Anfänge,  in  denen  Sie,  hochverehrter  Herr 
Jubilar,  schon  lu  den  170  MitgrAndem  desselben  geh&rten.  Seitdem  haben  Sie  durch 


-   XVIIl  - 

\ 

I 

ein  Drittel  Jalvliundm  d«m  Vereiti  durch  ail«  Phasen  seiner  Entwicklung  in  Treuen 
angehört,  eifrige  Thatigkdt  ihm  zugewendet  und  ihm  gar  manche  wiclitii^c  För<k^ 
rung  zu  Thcil  werden  lassen.  Ihre  Abhandlungen  legen  mannigfache  Punkte  uub 
der  städtisclicn  Cicschichtc,  aus  Jcm  Rccfnslebcn  und  der  Kulturentwicklung  der 
Vaterstadt  in  ircrilichcr  Weise  klar  und  bilden  Zicrdai  unserer  Vcrcinssd»rif«n. 
Ihre  Vortrige,  Ihre  Thdlnahme  an  den  Diskussionen  der  Vereinsabende  haben  vid- 
lach  tulchrciid  und  anregend  gewirkt.  Und  dem  Umstände,  dass  Sie  als  Mitglied 
der  höchsten  städtischen  Behörde  zugleich  einen  so  regen  Sinn  für  die  Geschichte 
und  A!;crthuniskunde  der  St.idt  immer  bctii.uigtcn,  dürfen  wir  einen  bedcutcndai 
und  scgcnsrciclicn  Hinlluss  auf  uuscic  iluiigkcii  mit  Recht  /.usclireiben.  Dessluib 
kommt  es  von  Heraen  wenn  wir  an  Ihrem  heutigen  Ehrentage  als  Ihre  Mitarbeiter 
auf  diesem  Gebiete  Ihnen  unseren  lieralichen  Dank  fSv  das  in  den  vielen  verHos^nLn 
Jahren  von  Ihnen  Geldstete  und  unsere  aufricbt^sten  Glückwünsche  lur  die  iCukunft 
darbringen. 

Möge  sie  Ihricn  die  Kraft  und  Frische,  deren  Sic  sich  in  so  hervorragendem 
Grade  erfreuen,  erhalten,  und  mAgen  Sie  unserem  Vereine  nach  wie  vor  dn  gut«r 
und  hochgeschätzter  Freund,  Gftnner  und  Berather  sdn  und  bleiben.  Das  walte  Gott! 

Frankfurt  a.  M.,  den  i.  Juni  1890. 

Von  unseren  Veröffentlichungen  konnten  den  Mirgliedon 
inj  abgelaufenen  Jahre,  wie  schon  der  vorjährige  Bericht  ankündigte, 
nur  das  Korrespondensblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  zugesendet 
werden.  Doch  sind  unsere  Arbeiten  jetzt  so  weit  gediehen,  dass  im 
Laufe  des  Februar  der  neue  Band  des  Archivs  für  Frankfiuts  Geschichte 
und  Kunst,  der  dritte  der  dritten  Folge,  zur  Ausgabe  gelangen  wird. 
Sein  Inhalt  konnte  im  früheren  Berichte  nur  unvollständig  angegeben 
werden.  Er  beginnt  mit  der  Arbeit  des  Herrn  von  Heyden  Qber  die 
Frankfurter  Ehrenzeichen,  welche  wir  Dank  der  Freigebigkeit  der 
Dr.  /.  F.  Bo^^i^A^i^^Nachlass^Administration  mit  prächtigen  Farben- 
drucktafcin  ausstatten  konnten;  der  genannten  Administration,  welche 
sowohl  die  Arbeiten  unseres  Vereins  in  liberalster  Weise  förderte, 
wie  aucli  ausgedehntere  Publikationen  aus  dem  Gebtete  der  Frank* 
furter  Geschichte  in  den  letzten  Jahren  ins  Leben  rief,  sprechen  wir 
nochtnals  unseren  verbindlichsten  Dank  aus,  zu  dem  sie  uns  im  ver« 
gangenen  Jahre  von  Neuem  verpflichtete,  indem  sie  die  zu  den 
Heydciisclicn  Tafeln  gewahrte  Unterstützung  von  Mk.  Sooauf  Mk.  hxm 
erhöhte.  Die  weiteren  Aufsätze  schildern  die  bisher  geschclKncn 
Verleihungen  des  Frankfurter  Ehrenbürgerrechtes,  das  Vcrhaltniss 
Frankfurts  zur  französisciien  Republik  in  den  Jahren  1795  und  1796, 
die  Verhaftung  Voltaires  in  Frankfurt  im  Jahre  17531  Schillers  jtigend- 
dramen  auf  der  Frankfurter  Bühne;  den  Beschtuss  macht  eine  Dar* 
Stellung  über  die  Bedeutung  der  1889  am  Kraulmarkt  gefundenen 
Reste  aus  der  Römerzeit,  der  eine  Tafel  mit  den  damals  aus  Tages- 
licht geförderten  Legionsstempein,  den  ältesten  Urkunden  vom  Dasein 


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-  XIX  - 


unserer  St. idi,  beigegeben  ist.  Zugleich  mit  dem  Archivh.injL  .i n. m 
der  letzt  abgeschlossene  Jahrgang'  1890  des  Korrespuiidciizülaiie^  der 
WcbtJcuischcn  Zeitschritt  zur  Ausgabe. 

Im  Laute  dieses  Jahres  werden  wir  icrnei  wiederum  einen  Band 
der  »Inveniare  des  Frankfurter  Stadtarchives«  veröffentlichen,  dessen 
Druck  bis  zur  Hälfte  gediehen  ist  und  dessen  Inhalt  wir  im  vor- 
jährigen Berichte  Ihnen  bereits  angegeben  haben.  Wie  den  Mitgliedern 
bekannt  ist,  haben  wir  die  Veröffentlichung  der  Archiv-Inventarc 
nur  mit  einer  städtischen  Subvention  von  jährlich  Mk.  1000  unter- 
nehmen können,  welche  uns  die  städtischen  Behörden  durch  Magi- 
stratsbeschluss  vom  20.  Nov.  1885  für  fünf  städtische  Haushaltsjahre 
zur  Verfügung  stellten.  Das  letzte  Jahr,  für  welches  diese  Unter- 
stützung bewilligt  ist,  läuft  demnächst  ab;  auf  Ansuchen  des  Vor- 
standes hat  indessen  der  Magistrat  nach  eingeholter  Zustimmung  der 
Stadtverordnetenversammlung  uns  durch  Beschluss  vom  12.  Sept.  1890 
diese  Subvention  von  jährlich  Mk.  1000  zur  Fonfilhrung  unseres 
Unternehmens  auf  weitere  fiinf  Jahre  zugesichert.  Der  Vorstand  hat 
dem  Magistrate  in  nachfolgendem  Schreiben  seinen  Dank  för  diese 
Förderung  unseres  Unternehmens  ausgesprochen: 

Frankfurt  a.  M.,  den  16.  Sept  1890. 

Der  anteneichnete  Vorstand,  welchem  durch  Protokoll-Auszug  No.  1 384 
vom  13.  September  d.  J.  mitgetheili  wurde,  dass  die  städtischen  Behörden  die  seit 
einigen  Jahren  bezogene  Subvention  von  Mk,  loüo  behufs  Veröffentlichung  der 
Inventare  des  Stadtarchivs  dem  Verein  auf  weitere  fünf  Jalire  bevnJHgt  haben,  darf 
nidit  verfehlen,  dem  Magistrate  för  das  durch  diesen  Beschluss  aufs  Neue  bewiesene 
Wohlwollen  seinen  verbnutlicbsten  Dank  auszusprechen.  Er  betrachtet  die  ihm 
[gewordene  Unterstützung  aus  städtischen  Mittchi  zugleich  als  eine  Billigung  seines 
bisherigen  Wirkens  und  als  Ermutliiguiig,  auf  der  betretenen  Bahn  fortzufahren, 
das  Material  zur  lirkenntniss  der  Frankfurter  Geschichte  auch  fernerhin  den  Ge- 
Idirten  zu  erschliessen  und  durch  Veröffentlichung  von  Arbeiten  derselben  das 
Interesse  der  grinldetcn  Bargerschaft  an  der  Vergangentidt  der  Vaterstadt  xu 
wecken  und  zu  ndhren. 

Dem  Danke  des  Vorstandes  werden  sich  die  Mitglieder  gewiss 
gern  anschliessen  und  in  dem  Beschlüsse  des  Magistrats  zugleich 
eine  Anerkennung  dieser  neuen  Veröffentlichung  unseres  Vereines 
sehen,  welche  der  wissenschaftlichen  Bearbeitung  der  vaterstädtischen 
sowohl  wie  auch  der  vaterländischen  Geschichte  zu  Gute  kommt. 
Wenn  wir  hinzufügen  >  dass  die  bisher  in  den  Fachzeitschriften 
erschienenen  Besprechungen  das  Unternehmen  der  »Inventare  des 
Frankfurter  Stadtarchivs«  durchweg  wohlwollend  und  günstig  be- 
urtheilen,  so  thun  wir  dies  nicht  aus  Ruhmredigkeit,  sondern  in 
dem  Bewusstsein,  ein  der  Wissenschaft  nützliches  Werk  begonnen 
zu  haben. 


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Die  Zahl  unserer  wissenschaftlicben  Sitzungen  war  im 
abgelaufenen  Vereinsjabre  aas  verscbiedenen  GrOnden  etwas  geringer 
als  in  den  Vorjahren.  Die  15  Abende,  an  welchen  wir  uns  im 
Restaurant  Palmen  zu  wissenscbaftlichen  Verbandlungen  verewigten, 
brachten  uns  die  nachfolgenden  Vorträge: 

1)  Das  Römische  Frankfurt.  (Dr.  A.  Hammeran.) 

2)  Das  Kaufhaus  der  Deutschen  (Foodaco  dei  Tedeschi)  in 
Venedig  und  Frankfurts  Antbeil  am  deutsch-venetianischen 
Handel  im  Mittelalter.  (Dr.  Jung.} 

3)  Geldverkehr,  Preise  und  Lebenshaltung  in  der  ersten  Hälfte 
des  18.  Jahrh.  (Dr.  G.  Sdmapper'Amät,} 

4)  Frankfurt  zu  Goethes  Jugendzeit.  (Pfarrer  Dr.  H.  Decbent.) 

5)  Die  Ehrenbürger  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  (Dr.  R.  Jung-) 

6)  Frankfun  und  die  französische  Republik  im  Jahre  1796. 
(Dr.  /.  Kracauer^ 

7)  Die  französische  Verwaltung  der  Rheinlande  und  die  Ver- 
waltungseinrichtungen des  Grossherzogtbums  Frankfun. 
(Dr.      G.  Bochttbemer  aus  Mainz.) 

S)  Die  Baugeschichte  und  der  bevorstehende  Umbau  de^ 

Leinwandhauses.  {A,  Koch.) 
9)  Die  Schlacht  im  TeutobuigerWald.  (Professor  Dr.  A,  Riese.) 

10)  Die  Hauptergebnisse  der  Hanauer  Ausgrabungen  in  deo 
letzten  10  Jahren.  (Professor  Dr.  G.  IVolff.) 

11)  Die    Beherbergung   König   Sigmunds    in   Siena  1432. 
(Dr.  K.  Schtllbass.) 

12)  Eine  Kaiserreise  im  Jahre  1473.    fDr.  K.  Sihcllhihs.) 

13)  Die  Entstehung  der  geistlichen  Spiele  des  Miitclaher!»  in 
dramatischer  und  szenischer  Beziehung.  (Dr.  IL  i'romn^.) 

Von  diesen  Vorträgen,  über  welche  Sie  kurze,  meist  von  den 
iicncn  Rednern  herrührende  Berichte  im  Korrespondcnzblatt  der 
Westdeutschen  Zeitschrift  finden,  sind  oder  werden  demnächst 
gedruckt:  No.  1  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst, 
dritte  Folge,  Band  3;  No.  4  in  der  Didaskalia  1890  No.  52—57; 
Ko.  5  und  6  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  dritte 
Folge  Band  3;  No.  8  in  der  Kleinen  Presse  1890  No.  270;  No.  12 
im  .\rchiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  dritte  Folge,  Band  4; 
No.  3,  7  und  13  sind  Auszüge  aus  Arbeiten  grösseren  Umfanges, 
welche  die  betr.  Herren  eben  unter  der  Feder  haben. 

Wir  erfüllen  gern  die  so  unerlässliche  wie  angenehme  Pflicht, 
den  Herren  Vortragenden  für  die  zu  unserer  Belehrung  aufgewendete 
Zeit  und  Mühe  unseren  herzlichsten  Dank  auszusprechen,  und  fordern 


i 


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-  XXI  - 


unsere  Mitglieder  nochmals  auf,  den  Herren  für  ihre  freundliche 
Bereitwilligkeit  dorch  möglichst  zahlreichen  Besuch  der  Vorträge 
zu  danken. 

Die  Wi nckelmannsfeier,  welche  wir  alljährlich  in  Gemein- 
schaft mit  dem  Vereine  für  das  historische  Museum  und  dem  Freien 
Deutschen  Hochstifte  begehen,  wurde  dieses  Mal  von  letzterer  Ge- 
sellschaft veranstaltet;  den  Vortrag  hatte  Herr  Hofrath  Dr.  Aldenhofeit 
aus  Köhl  übernommen,  welcher  über  den  französischen  Maler  Eugene 
Delacroix  sprach. 

Die  Administration  des  Städelsclicn  Institutes  hatte 
die  Freundlichkeit,  unsere  Mitplit^icr  vn  ihren  an  den  Donnerstag- 
Abenden  m  diesem  Winter  statthndcrulLii  Kupterstichbeschauun^en 
(italienische  und  französische  Schulcj  cmzuladen.  Für  dieses  Ent- 
gegenkommen, welches  uns  zeigt,  dass  die  verehr hchc  Administration 
bei  ihren  \  eranstakungen  auch  der  anderen,  den  gleichen  idealen 
Zwecken  huldigenden  Vereine  und  Institute  wohlwollend  gedenkt, 
sprechen  wir  unseren  besten  Dank  aus  und  fordern  zugleich  die 
Mitglieder  auf,  von  der  freundlichen  Hinladung  Üeissigcn  Gebrauch 
zu  machen. 

Die  Exkursionskonimission  veranstaltete  auch  im  verflossenen 
Jahre  drei  Ausflüge  des  Vereins.    Der  erste  fand  wie  üblich 
am  Himmelfahrtstage,  den   15.  Mai,  statt,  und  führte  uns  in  den 
Odenwald :  von  Reinheim  ging  es  über  Schioss  Lichtenberg,  den 
Ringwall  Hainenburg  und  die  Neunkirclicner  Höhe  nach  der  sagen- 
umrankien  Ruine  des  Rodensteins  und  von  da  nach  Reichelsheim. 
Der  zweite  Austiug  fand  am  22.  Juni  statt;  er  galt  hauptsächlich 
dem  prächtigen  Mainstädtchen  Miltenberg,  welches  die  Theilnehmcr 
von  Kleinheubach  über  die  Heunesäulen  und  das  Castrum  marschirend, 
zur  Mittagszeit  erreichten;  Herrn  Kreisrichter  Conrady,  der  unsere 
Mitglieder  an  diesem  Tage  in  ebenso  liebenswürdiger  wie  sach- 
kundiger Weise  führte,  sei  auch  hier  unser  bester  Dank  ausgesprochen. 
Der  letzte  Ausilug  wurde  am  24.  August  unternommen  und  galt 
wiederum  dem  Odenwald  und  insbesondere  dem  schon  früher  von 
uns'  besuchten  Breuberg;  leider  war  uns  die  Witterung  an  diesem 
Tage  wenig  gunstig.  Der  \'orstand  weiss  sich  in  Uebereinsiimmung 
mit  den  zahlreichen  Theilnehmern  an  jenen  Ausflügen,  wenn  er  den 
drei  Herren  Küthe,  v.  S'iilhiisius  und  Kober,  welche  als  Exkursions- 
Kommission  unisiciuige  \'orbereiter  und  glückliche  Führer  unseres  \'er- 
gnügens  warci!,  auch  an  dieser  Stelle  seinen  Dank  ausspricht  und  der 
flortnung  Ausdruck  gibt,  dass  diese  Herren  auch  im  laufenden  Jahre 
uns  einige  genussreiche  l  äge  ausserhalb  Frankfurts  vcrschatien  werden. 


-  XXII  - 


Zum  Sclilusse  sei  noch  kurz  der  vorjährigen  General-Ver- 
«»nmmluni4  des  G  c  sam  m  t- V  e  r  e  i  n  s  der  deutschen  Geschichts- 
iind  Alterthumsvereinc  i^edacht.  Da  sie  am  7.  Sept.  zu  Schwerin  i.  M., 
dem  Wohnsitze  unseres  Ehrenmitgliedes,  des  Herrn  Archivr.uli 
Dr.  H.  Grotefend,  stattfand,  so  glaubte  der  Vorst.ind  von  der  Ab- 
ordnung eines  seiner  Mitgüeder  Abstand  nehmen  zu  dürien  und  bat 
Herrn  Dr.  Grotefend,  auf  dessen  Anregung  die  Versammhini^  dDithm 
berufen  worden  war,  die  Vertretung  unserer  Interessen  zu  übernehnioii. 
Fragen,  an  welchen  unser  X'erein  einen  näheren  Antheil  niniiiH, 
standen  nicin  auf  der  Tagesordnung  der  Versammlung.  Wenn  einige 
MitgHeder  die  Protokolle  dieser  und  der  früheren  Vcrsammlunjjen 
des  Cesammtvereins  beziehen  wollen,  so  ist  der  Vorstand  gern  bereit, 
diesen  Bezug  tai  vermitteln;  der  Inhalt  dieser  Protokolle,  in  welchen 
vielfach  unter  Beifügung  gelungener  Abbildungen  über  allgemein 
interessirende  Fragen  der  Alterthumskunde  gehandelt  wird,  ist  ein 
reicher  und  anziehender,  der  Preis  des  Schriftchens  ein  sclir  massiger. 

Was  unsere  Vereinsbibliothek  und  das  Lager  unserer 
Vereinsschriften  belangt,  so  begnügen  wir  uns  mit  einem  Hin- 
weis auf  das,  was  wir  in  den  beiden  letzten  Jahresberichten  Ihnen 
darüber  mitgeiheilt  haben,  und  schliessen  mit  der  llotinung  aut 
ei  iolgreiche  Arbeit  in  dem  neuen  Jahre  1891! 


Digitiiicü  by  Google 


IV.  Rechnungs-Abschluss  tür  dos  Jahr  1890. 


-  XXIV  - 


Elmia>lime. 


1890 
1.  Jan. 

31.  Dez. 

it  I» 


An  CaaM^Gonto 

Baarbestand  

An  Mitglieder-Beitrag-Conto 

Jahresbeiträge  der  Mitglieder  des  Vereins 

An  Svbventtons-Gonta 

Subvention  der  städtischen  Behörden  behufs 
Drucklegung  der  Archivinvcntarc  .    .  . 

Sullvention  der  Administration  des  Dr.  Boeh- 
mer'schen  Nachlasses  behufs  Herstellung 
von  Farbcndrucktateln  zum  Archiv  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  III.  l  olge, 
Band  5  

An  Effekten-Conto 

Erlös  der  Coupons  der  ostcrr.  Loose    .  . 


Pf. 


1000 


M. 


291 J 


1000 


—  I  200*  t 


21 


Frankfurt  jj 


DigitiilCü  by 


Pr.  Bibliothek-Conto 

Ankauf  von  Büchern  unü  Zeitschriften  .  . 

Buchbinder- Arbeiten  ,  •  

Pr.  Verlags-Conto 

A.  Osterricili,  hier,  Invenure  des  Frankfurter 
Stadtarchivs,  Rand  2  

Werner  &  Winter,  hier,  Farbendruckufeln 
zum  Archiv  fOr  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst,  Rl.  Folge,  Band  3  

Dr.  C  Wolf  &  Sohn  in  Mönchen,  Druck 
von  Tafeln  zu  Archiv  IIL  Folge,  Band  2 

Fr.  Lintz'sche  Buchhandlung  in  Trier  für 
490  Exemplare  des  Korrespondenzblattes 
der  Westdeutschen  Zeitschrift  .  .  .  . 

Honorare  

Pr.  Unkosten-Conto 

Anschaffung  von  Kassenbüchern  und  eines 
Protokollbuches  

An/cigen  

Lokalinicthc  

Beitrag  zur  Gcnciai-Versammluiig  des  Ge- 
sammivereins  

Beitrag  für  den  Gesammt- Verein  .... 

Spesen  bei  den  Ausflügen  des  Vereins  .  . 

Vereinsdiener  

Erhebung  der  Mitglieder-Beiträge  .  . '  .  . 

Schriftliche  Arbeiten  

Porti,  Schreib-  und  Packmaterial,  Vergütung 
für  Dienstleistungen  und  sonstige  kleine 
Ausgaben  

Fr.  Cassa  Conto 

Baarbestand  


I 


31.  Dezember  1890. 


M. 

101 
24 


1372 

1395 

164 


20ß 


8 
97 
15U 

6 
10 
18 

50 
52 
20 


G.  ReuUinger, 

d.  Z.  Ka»s«nfülirer. 


Pf.  I  M. 

126 


30 
90 


141  r>3 


90 

50 

50 

60 


45 

56 


8^35 


06 


55a 


!  653 


5168  34 


I 


XXVi  - 


^1 

•  .  & 

Das  \*crmögen  des  Vereins  bcstanU  .im  31,  Dezember  1S90  m. 

Cassa-Conto   Mk.  653.04 

Sparkasse-Conto   „    lyOOS.'l-i  .- 1 

ElTekten-Conlo   „      651. tiö 

Bibliothek-Conto  1,832.90  ^ 

Verlags-Conto   8,071.87 

Inventar-Conto  „  I,l7l.a7 

Mk,  14,279,20 


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Digiti<::cü  by  GoOglc 


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ARCHIV 


iÜR 


FRANKFURTS  GESCHICHTE 


UND 

KUNST. 


Dritte  Folge. 


Herausgegeben 

von  ilcni 

Vereine  für  Geschichte  und  Alterthumskunde 


zu 


Frankfoii  t  am  ^Xain. 
Vierter  Band. 

Mit  sieben  Lichtdrucktarchi 


FRANKFURT  M. 

K.  TH.  VÖLCKERS  VERLAG. 

1895. 


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Drockerei  von  Aocurr  OiTEtKuni  m  Frankfurt  ».  M. 


Digiti<::cü  by  Google 


Inhalt. 


I  Dr.  H.  Grotefend«  »Der  Prorektor«  und  das  Frankfurter 

Gymnasium  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts ...  i 
II.  £.  M entzel,  Sdiillers  Jugenddramen  zum  ersten  Male  auf  der 

Frankfurter  Buhne.    II.  Die  Verschwörung  des  Fiesko, 
Kabale  und  Liebe  und  Don  Carlos  64 

III.  Dr.  K.  Schellhass,  Eine  Kaiserreise  im  Jahre  1473       .    .  161 

IV.  Professor  Dr.  G.  Wolff,  Die  römischen  Ziegeleien  von  Nied 

bei  Höchst  a.  M.  und  ihre  Stempel  3ia 

V.  F.  QuilUng»  Die  in  Höchst,  Nied  und  Umgebung  gefundenen 

antiken  MOnzen  347 

VI.  Kleinere  Mittheflnngen. 

z.  Dr.  R.  Jnng.  Die  Anfänge  der  Porsellan-Fabrikation 

in  Frankfurt  a.  M  367 

a.  E*  Mentzel,  Lessings  »Minna  von  Bamheiro«  und 
»Freigeist«  auf  der  Frankfurter  Bühne  in  den 

Jahren  1767  untl  1768  375 

3.  Dr.  E.Cohn,  Zur  Erinnerung  an  Dr.  med.  Wilhelm  Stricker  385 

GeschAftliche  Mittlieilungeli. 

I.  Bericht  über  die  Thatigkeitdfss  Vereins  im  Jahre  189 1  III 

n.  Rechnungs-Abschluss  Air  das  Jahr  1891  ....  XVI 

m.  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1892  XIX 


IV.  RechnungS'Abschluss  fUr  das  Jahr  1892    ....  XXVIII 


1. 

„Der  Prorector* 
und  das  Frankfurter  Gymnasium  am  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts. 

VOB 

Ardiimth  Dr  B.  Grotofeod  zu  Schwerin  i.  M. 


Der  Frankfurter  Dialect  hat  reiche  litterarische  Blüthen  getrieben, 
unter  allen  aber  nimmt  die  wohlbekannte  Schulcomödie  »der  Prorector« 
unbestritten  den  ersten  Platz  ein.  Von  den  bisher  durch  den  Druck  be- 
kannt gewordenen  Proben  Frankfurter  Mundan  ist  der  Prorector 
die  älteste,'  denn  das  Stück  entstammt,  darüber  kann  kein  Zweifel 
obwalten,  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts.  Ich  werde  mit  dieser 
unbestimmten  Zeltangabe  das  Kopfschutteln  mancher  Leser  hervor- 
rufen ;  die  einen  werden  mir  den  Druck  aus  dem  Jahre  1794  vor- 
halten, die  anderen  werden  wegen  der  Lebhaftigkeit  der  Darstellung 
die  Gleichzeitigkeit  der  Abfassung  behaupten,  also  das  Jahr  1795  als 
Entstchungsjahr  verlangen.  Allein  meine  Darlegung,  hoffe  ich,  wird 
sie  überzeugen,  dass  beide  Gründe  nicht  so  ganz  beweisend  für 
1793  oder  X794  sind,  dass  aber  die  wirkliche  Entstehungszeit  aller- 
dings nicht  gar  weit  von  diesen  Jahren  abgelegen  haben  kann. 

Der  Prorector  ist  (abgesehen  von  einem  in  den  letzten  Jahren 
erschienenen  Neudruck)  zweimal  im  Druck  erschienen.  Die  ältere 
Ausgabe  trägt  die  Worte  »Frankfurt  1794«  als  Orts-  und  Jahresangabe, 
die  »Zweite  mit  einer  Vignette  und  einigen  Zugaben  vermehrte  Aus- 
gabe« ist  1839  bei  Carl  Körner  zu  Frankfun  a.  M.  erschienen.  Es 
ist  die  allgemeine  Annahme,  dass  J.  W.  Sauerwein,  der  Verfasser 
von  »der  Gräff,  wie  er  leibt  und  lebt«  und  zahlreicher  anderer,  meist 
bei  Carl  Kömer  verlegter  Frankfurter  Lokalstücke,  der  Veranstalter 
dieser  letzten  Ausgabe  gewesen  ist,  von  welcher  der  erwähnte  Neu- 
druck nur  ein  einfacher  Abdruck  ist.  Herr  F.  Rittweger  schreibt 
mir  hierzu:  »Die  Ansicht,  dass  Sauerwein  der  Herausgeber  der  Aus- 
gabe von  1839  ist,  mag  wohl  erst  weit  später  entstanden  sein;  in 


»   Die  im  Sachsenhauscr  Dialect  geschriebenen  Stücke  Seyfricds  sind  auch 
meines  Wissens  nie  gedruckt  worden.   S.  Archiv,  }.  Folge,  III,  275- 

1 


.  j  ^  ^ ,  y  Google 


meiner  Iui:,'cnd7ciT  hatte  ninn  nie  davon  gebort.  Körner  ist  als 
Verleger  der  S;uicr\vcin'sclien  Stücke  wohl  auf  die  Idee  gekommen, 
den  Prorcctor  durch  Neuherausgnbe  dem  »Gräff«  zur  Seite  zu  stellen; 
daher  hii;  die  Annahme  nahe,  diese  Ausi;abe  auf  Sauerwein  zurück- 
zuführen.« In  beiden  Drucken  wird  das  Stück,  als  »Hin  Lustspiel  in 
zwei  Aufzügen«  bczciclinet. 

Anders  war  es  in  einer  Handschrift,  die  sich  neben  dem  Drucke 
von  1839  in  der  Biblicnhek  meines  sei.  Vaters  behuid,  und  die  er  — 
seiner  Erzaidun^^  nach  —  in  seinen  Secundanerjahren  in  Fr.mkturt  1820 
in  mehreren  1  reivierielsiunden  nach  dem  Dictar  eines  älteren  Schülers 
niedergeschrieben  hatte.  Sie  erfreut  sich  durchweg  eines  weitaus 
besseren  Textes  al.s  der  ältere  Druck,  in  manchen  Punkten  sopr 
besserer  Lesarten  als  der  Druck  von  iS^9.  Auf  dem  Titel  der  Hand- 
schrift meines  Witers  wird  das  Siück  als  Lustspiel  in  vier  Aufzüfjcn 
bezeichnet,  troizdem  aber  ist  —  ebenso  wie  die  Drucke  —  aucli 
diese  Abschrift  des  Stückes  nur  in  zwei  Aufzüge  abgetheilt,  deren 
ersier  aus  drei  Auftritten  besieht,  w.dirend  der  zweite  nur  die  Ueber- 
schrift  »Hrster  Auftritt«,  doch  keine  weitere  Theihmg  im  Verlaui 
des  Textes  auf  weist.  Iis  sind  mir  seitdem  noch  zwei  weitere  Hand- 
schriften bekannt  geworden,  die  inhaltlich  bis  auf  Kleiniijkeiten  nri 
der  meines  Vaters  übereinstimmen  und  die  beide  L;leichfalls  aul  dem 
Titel  den  Zusatz  tühren:  «(.omödie  in  vier  Autzügcn«.  Die  eine 
dieser  Abschriften  (aus  der  Ireihcrrlich  von  Fk'thmann'schen  Biblio- 
thek) überirilft  die  meines  Vaters  an  Alter,  scheint  ihr  aber  an 
Hntsiehungsart  gleich  zu  sein ,  sie  trägt  nämlich  den  Vermerk 
»22/1  — 28/1  1810  Fft  a.  M.«,  ist  also  augenscheinlich  in  den  Tagen 
vom  22.  bis  28.  Januar  18 10,  vermuthlich  auch  ui  den  I  rei Viertel- 
stunden, angefertigt  worden.  Die  andere  Handschrift  zeigt  einige 
Hörfehler  und  Lücken,  die  augenscheinlich  auch  auf  deren  Ursprung 
durch  Dictircn  hinweisen;  sie  stiimnit  aus  dem  Besitze  des  justizraths 
Eulcr  und  trägt  keine  Bezeichnung  ihrer  Entstehungszeit,  die  nach 
der  Handschrift  aber  sicher  noch  ins  erste  Drittel  dieses  Jahrhunderts 
zu  setzen  ist.  Diesen  drei  Handschriften  gegenüber  steht  nur  eine, 
die  der  Hand  nach  aus  der  nämlichen  Zeit  stammt,  die  aber  die 
Bezeichnung  als  »Ein  Lustspiel  in  zwei  Aufzügen«  führt.  Geschrieben 
ist  sie  von  Gewttthe,  wie  ein  Schlussschnörkel  den  Namen 
wiedergiebt.  Auf  dem  Titelblatt  ist  der  Name  mit  Tinte  überfahren, 
so  dass  man  daraus  die  Richtigkeit  der  Lesung  des  Namens  am 
Schluss  nur  vermuthungsweise  bestätigen  kann.  Ich  fand  sie  ge- 
legentlich der  Räumung  eines  Actenbodens  des  Stadtgerichts  unter 
den  Criminalasservaten  und  Corporibus  delicti.  Wie  sie  donhin  ge> 


Digitiiicü  by  G(. 


kommen,  verrieth  keine  Spur.'  Sie  stimmt  im  meisten  mit  dem 
ältesten  Druck  überein,  enthält  auch  die  meisten  von  dessen  sinn- 
störenden Fehlern,  bietet  aber  an  manchen  Stellen  textlich  mehr  als  diese, 
so  dass  sie  sich  als  keine  einfache  Abschrift  vom  Druck  genugsam 
kennzeichnet.  Am  Ende  ist  ihr,  wie  auch  den  anderen  genannten 
Handschriften  das  s.  g.  »Fragment  aus  einer  theologischen  Stunde« 
angefügt.' 

Der  Umstand,  dass  die  zwei  nachweislich  ältesten  dieser  Hand- 
schriften, die  von  1810  und  die  von  1820  stammende,  beide  dem 
Stücke  vier  Aufzüge  zuschreiben,  lässt  daraufschliessen,  dass  die  ältere 
Ueberlieferung  noch  eine  Ahnung  von  einer  Eintheitung  des  Stückes 
in  vier  Abschnitte  hatte,  während  die  jüngere  nach  dem  Befunde 
des  Inhaltes  das  »vier«  auf  dem  Utel  in  »zwei«  schlimmbesserte. 

Dieser  Schluss  führt  dann  zu  dem  weitem,  dass  der  erste  Druck 
mit  der  Jahreszahl  1794  nicht  gut  aus  diesem  Jahre  stammen  kann, 
da  auch  er  nur  zwei  Auhuse  nennt.  Unterstützt  wird  dieser  weitere 
Schluss  dadurch,  d^iss  die  Lesarten  dieses  Druckes  zum'  Theil  der- 
artige sind,  dass  sie  eine  gänzliche  ünbekanntschaft  mit  damals  all- 
gemein bekannten  Personen  und  Verhältnissen  verrathen.'  Dass  es 
nicht  Druckfehler  sind,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  auch  in  der 
Gewjtthe'schen  Handschrift  sich  linden,  die  doch  schon  durch  das 
angehängte  »Fragment«  und  auch  sonst  sich  selbständig  vom  ersten 
Drucke  zeigt.  Es  sind  eben  allmählicli  ein  «getretene  Verschlechterungen 
des  Textes,  die  bei  der  Art  der  Ueberlieferung  durch  Dictat  nicht 
zu  verwundern  sind. 


'  D.i<is  sie  durch  Rriticktiiann.  der  sp;itcr  Pcddl  des  peinlichen  Verhöramts 
war,  in  diese  Räume  «rckommen  ist,  darf  wohl  kaum  MitTonnninien  werden. 

'  Die  Huler'sche  Handschrilt  hat  es  nicht,  weil  sie  überhaupt  nicht  gaiu 
vollendet  ist,  sondern  mitten  im  Satze  abbricht. 

9  »ins  Conventhim«  statt  »ins  Conventum«,  wie  man  mit  dem  Accusativ  von 
Conventus  sagte.  Convcntus  wurde  wie  aucl)  Chorus  in»  Volk^mundc  als  Neutrum 
behandelt:  d.is  Convcnr.  dns  Chor.  »R.ihro«  stntt  ßahrdt  (der  bekannte  Theolo^^e, 
dessen  hinterlab;.cuc  .Schrilt  wResultate«  iiocii  int  Staatsristrctlo  vom  l6.  April  179J 
Jijgezei^t  wird^.  —  Daun  aber  der  Irrthum:  »Ich  war  in  der  bayrische  Krönung 
dort«,  wodurch  das  Folgende  mit  der  »Kich«  auf  Hochheim  sich  bezieht,  während 
bei  der  Lesart  der  alteren  Handschriften:  »Icii  wahs  in  der  ba irische  Krönung  do 
sinn  viel  Wein  hieher  gebrocht  worn,  do  hat  ahch  die  Küch  in  der  Krönung«  etc. 
die  \\  einlieferung  der  stadlischen  Weinberge  zu  Hoclibeim  für  die  Krönung  und 
tiic  Ochsenküche  richtig  zu  erkennen  sind.  Auch  die  Veränderung  des  nicht  mehr 
verstandenen  Jobwächter  (der  ahen  Bezeidinung  der  Frankfurter  Nachtwächter  \'on 
ihrem  Zurul  Job  heim  .Stunden wecliscl)  in  »Thormwächter«  ist  dem  älteren  Drucke 
und  der  Gewitthc'schen  Handschrift  gemeinsam. 


Hinzu  kommt  noch  ein  weiterer  Grund  für  eine  spätere  Ent- 
stehungszeit des  Druckes  mit  der  Zahl  1794:  die  verwendeten  Lettern 
weisen  nicht  auf  das  Jahr  1794,  sondern  auf  die  zwanziger  Jahre 
Jicscs  JahrhunJerts;  wenigstens  sind  es  die  ulcichen  deutschen  wie 
lateinischen  Typen,  wie  die,  mit  denen  z.  B.  Friedlebens  Lehrbuch 
der  Chronologie  in  Frankfurt  bei  Sauerländer  1827  gedruckt  wurde, 
nur  dass  die  Typen  des  Prorcctor  abgenutzter  erscheinen,  so  dass 
man  sie  fast  für  ausrangirt  halten  möchte.  Vielleicht  dass  sie  einer 
Winkeldruckerei  oder  vielleicht  der  Privatdruckerei  eines  wohlhabendcD 
Schülers  entstammten»  die  mit  derartigen  ausrangirten  Schriften 
grösserer  Druckereien  wohl  können  versehen  worden  sein.  Dass 
der  ältere  Druck  von  dem  Verfasser  selber  ausgegangen  sei,  ist 
völlig  ausgeschlossen;  ausser  den  angeführten  Verschlechterungen 
durch  unverstandene  Namen  und  Verhältnisse,  sind  gar  zu  viele 
sinnsiörende  Fehler  darin  enthalten,  die  nur  durch  flüchtiges  Nieder- 
schreiben nach  vielleicht  auch  schlechtem  Dictat  oder  duich  Abschritt- 

■ 

nähme  von  einer  schlechten  Abschrift  entstanden  sein  können.' 

Neben  all  diesen  bisher  behandelten  Textes -Ueberlicferungen 
steht  nun  eine  Handschrift,  die  ich  bei  der  Uebemahme  der  Hand- 
schriften des  Vereins  für  Geschichte  und  Allerthumskunde  ins  Stadt- 
archiv im  Besitze  desselben  vorfand,  ohne  dass  ich  erforschen  konnte, 
woher  sie  stammt.  Auch  ein  auf  den  Ausscndcckcl  mit  Blei  geschriebener 
Name  «Hut  h  m  achcrc '  ffihrte  nicht  weiter.  Sie  ist  betitelt:  "Die 
Pr o r ect or iad e.  Ein  Lustspiel  in  Aufzügen.  Der  Schauplatz  isi 
in  Secunda  an  einem  Mittwoch  VurmitL^gs  im  Jahre  17^2.« 


'  S.  6:  »nywas  Jo  dnppern  (statt  gchccrc)  jo  Pri:n;iner  liin«.  Die  r^nn/  verderbte 
Stelle  S.  9:  uJcss  .so  a  $ch\v.-ir/.  Sccl,  die  nor  —  woile,  inmier  trachic  dorch  ihr 
ciiicrlichcs  Betrage,  welches  gleich  dem  Gesetze  (statt  Gelasse)  is,  50  auswendig 
gleldi  («tatt  r«in)  und  inwetmig  voller  Unrecht  (statt  Unrath)  sinn«,  wo  dann  noch 
zum  Schluss  das  Veibiini  »zu  vcrHlirn«  fehlt.  S.  9:  »sein  unschullig  Weis«  (<itatt 
ungeschlilTe).  S.  11:  »kan  .Abwechslung  (fehlt:  der  Zeit)  gemacht  hfitt«.  S.  12: 
»Betraclu  nor«  (statt  mcr).  S.  15:  «singe  (statt  fange)  das  Lied  an«.  S.  ly. 
■Es  dcrf  nier  kahner«  (feliH:  fort);  »Un  (st.itt  An)  anzclne  Gcschcpfc«.  S.  «6: 
»Person  ze  geniessc«  (stau  zugewiese).  S.  22:  »fetx  gcb  euer«  (statt  nur).  S.  2|: 
nä  Heer  von  .Mensche«  (statt  Hoor).  S.  27:  »do  sinn  mer  als  (statt  mehr  als 
ahnniol)  die  Calcfacter« ;  Wo  (statt  Wie  noch)  J;c  Kirc!i  i^est;inne  hot«.  S.  50: 
die  gauÄ  vertlerbtc  Stelle  »mit  so  e  poor  —  .Tinicrc  mstruire«  (statt  die  iosse  sich 
immer  von  so  e  poor  annm  —  inspinre.  S.  }  > :  »de  Mittwoch«  (stau  den  Mittag, 
was  die  Handschriften  von  1810  und  1820  haben). 

*  Johann  Georg  Huthniacher  trat  kSjo  als  Stipcndi.it  Jlt  niodcrl. Indischen 
Gemeinde  in  die  Cluarta  des  Gymnasiums  ein.  Es  könnte  dieser  aber  doch  nur 
ein  spaterer  Besitzer  der  llaudschritt  gewesen  sein. 


I 


Digiti<::cü  by  G(.)c. 


Also  auch  sie  verspricht  vier  Aufzüge,  hält  aber  auch  dieses 
Versprechen.  Es  sind  in  ihr  nicht  nur  eine  Anzahl  Scenen  bedeutend 
erweitert,  sondern  es  schieben  sich  ganz  neue  Scenen  daxwisclien, 
auch  das  s.  g.  »Fragment  einer  theologischen  Stunde«  wird  als 
letzter  Auftritt  des  ersten  Aufzuges  eingeschoben,  es  tritt  sogar  eine 
in  der  kürzeren  Form  überhaupt  nicht  vorkommende  Person,  ein 
Junker  von  Moizlnuisen,  handelnd  auf.  Ueberall,  wo  Abweichungen 
vorli.uklcn  sind,  zcii^Ln  dieselben  durch  die  Art,  wie  sie  sich  in  den 
Sinn  des  Stückes  eingliedern,  und  wie  dieser  erst  durch  sie  einen 
logischen  und  verständlichen  Zusammenhang  erhalt,  dass  wir  in  dieser 
volleren  Fassung  der  ursprünglichen  Arbeit  des  Dichters  gegenüber 
stehen,  und  dass  die  kürzere,  bis  jetzt  allein  bekannte  Fassung  nur 
eine  Verschlechterung  derselben  nach  Inhalt  und  Form  war. 

Die  Hand,  welche  die  Niederschrift  auf  64  Seiten  klein  Octav 
ausgeführt  hat,  stammt  aus  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts. 
Zuerst  glaubte  ich  daher  die  Hand  des  Friedrich  Karl  Ludwig  Tex  tor 
darin  erblicken  zu  sollen,  allein  die  Vergleichung  mit  dessen  Schrift- 
zügen aus  den  verschiedensten  Lebensaltern  zeigte  eine  durchuchende 
Verschiedenheit  des  Schriftcharakters,  dagegen  chcnso  deutlich  die 
Gleichheit  der  Schulung.  Der  Anstrich  der  i;rossen  L,  B,  il,  be- 
sonders wenn  diese  Buchstaben  an  solenneren  Stellen  stehen,  ein 
eigenartiger  rechtsschräger  Grundstrich  als  oberer  Anstrich  des  F, 
die  Verzierung  des  D  in  der  Handschrift  mittelst  eines  Vertical- 
haarstrichs  durch  den  unteren  Querzug,  der  bei  Textor  in  gleich 
überflüssiger  Weise  sich  bei  dem  B  vortindei  —  alle  diese  Zeichen 
und  noch  andere,  kleinere,  kaum  zu  beschreibende  Uebereinsiinniiun_L;en 
lassen  darauf  schliessen,  dass  die  Resit7:er  beider  ilande  demselben 
Schrcibmcisier  ihren  Sclireibunterrichl  verdankten.  Auch  die  ()rtho- 
graphie  (k  statt  ck,  i  statt  tz),  die  Vertauschung  von  ß  und  s  lässt 
die  Handschrift  auf  das  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  als  Zeit  der 
Niederschrift  schliessen. 

Umsomehr  nuiss  es  auffallen,  dass  diese  älteste,  der  Entstehungs- 
zeit  am  nächsten  lallende  Handschrift  als  Zeitpunkt  der  i4andlung 
des  Stückes  1792  angiebt,  während  alle  anderen  Handschriften,  wie 
auch  die  Drucke,  1793  als  Zeit  der  Handlung  aufweisen.  Letzteres 
muss  aber  richtig  sein,'  und  1792  ist  als  ein  Fehler  zu  bezeichnen. 


'  Dass  nur  1793  und  nicht  im  Sommer  1792  das  Stück  spielen  kann,  hisst 
sich  schon  dadurch  zwiiifjcnd  nachweisen,  dass  noch  im  Octobcr  17^2  Johann  Gcrlach 
Guldener  die  Tertia  bcsuchic.  tProgrcssions-liinladung.) 


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-  6  — 


Für  das  Jahr  1793  sprechen  die  Beziehungen  auf  die  Belagerung 

von  Mainz,  wie  sie  im  zweiten  Auftritt  des  zweiten  Aufzuges,  und 
namentlich  im  dritten  Auftritt  des  dritten  Aufzuges  enthalten  sind. 
Die  Erciunissc  dieser  Belagerung  haben  durch  Goethes  Aufzeichnungen 
weite  Verbreitung  gefunden,  und  ich  kann  sie  als  allgemein  bekannt 

voraussetzen. 

Wenn  der  im  vierten  Auftritt  des  dritten  Aufzuges  gemeldete 
Ruin  der  Hochheinier  Weinstöcke  nicht  allein  auf  die  Belagerung 
zurück  geführt  werden  muss,  was  an  sich  erklärlicii  genug  wäre, 
und  auch  durch  gleichzeitige  Nachrichten  verbürgt  wird,'  so  ist 
desscji  Erwähnung  gerade  ein  für  das  Jahr  179}  charakteristischer 
Zug.  Das  Staatsristretto  meldet  nämlich  aus  Frankfurt  vom  3.  Juni  1793: 
»Durch  die  seit  einigen  Tagen .  bei  uns  sich  eingestellte  rauhe  und 
kalte  Witterung  iiai  der  Wcinsiock  nebst  den  Küchengewächsen 
in  liiesigen  Gegenden  durch  die  Nachtfröste  starken  Schaden  gelitten.« 
Der  Zeit  nach  würde  dieser  Umstand  gut  passen.  Denn  das  Johanneum 
(24.  Juni)  soll,  den  Worten  des  Stückes  nach  (2.  Auftritt  des 
4,  Aufzugs),  nahe  vor  der  Thür  sein,  die  Messkataloge  sind  bereits 
ausgegeben,  was  nach  dem  Staatsristretto  vom  4.  Juni  1793  nächster 
Tage  zu  erwarten  war. 

Was  aber  ist  die  im  4.  Auftritt  dos  4.  Aufzugs  als  dies  solennis 
erwähnte  »Uffart«?  Ist  es  Himmeihihrt,  Jie  der  Volksnnind  früherer 
Jahrhunderte  allerdings  mit  dem  Namen  L'ffart,  Auffahrt  bezeichnete?" 
Dann  wiire  der  Mittwoch,  m  welchem  das  Stück  spielte,  der  8.  M.ii, 
und  die  Kälte  noch  niciit  eingetreten,  auch  die  Kataloge  noch  nieln 
ausgegeben.  Nach  den  Schulgesetzen  war  Himmeliahrt  allerdings 
nicht  als  Feiertag  anzusehen,  wird  wenigstens  unter  den  Ferien  nicht 
genannt.  Oder  liaben  wir  etwa  unter  Utfart  eine  der  feierlichen 
Auffahrten  zu  verstehen,  die  in  jenen  Zeiten  des  steifen  Ceremoniells 
so  oft,  namentlich  bei  den  Krönungen  das  Ergötzen  der  Frankfurter 
luvend  bildeten.''  Eine  solche  tand  1793  nachweislich  nur  in  der 
.Mille  des  Mai  statt,  als  der  SLlioifeiirath  bei  dem  kaiserlichen  Ge- 
sandten Gralen  Schlick  vortuhr ,  um  zur  Geburt  des  kaiserlichen 
Thronfolgers,  Erzherzogs  Ferditiand,  zu  gratuliren.  Mag  die  Uffahrt 
nun  das  eine  oder  das  andere  bedeuten  (und  ich  möchte  dem  ersteren 


*  .  .  .  erblickt  man  die  herrlichen  Weinberge  bei  Hochheim  öde  (Staats- 
ristretto Nr.  121  vom  3.  Aii^  :795). 

*  So  1527  und  1529  bei  SchelTcrs  Kreinchcn,  ducllcn  zur  Frankf  Gesch.  U 
2S2,  285;  1470  bei  Beruhard  Rorbach  ebd.  I,  160,  1352  in  Baut,  Ikü^.  Urk.  V,  35;, 


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den  Vorzug  geben),  in  beiden  I"allcn  miissen  wir  das  Nichiübcrein- 
siimmen  der  Zeitumstände,  also  ein  Zusanimenbchicbcn  mciircrcr 
Mittwochen  in  eine  Handlung  constutiren. 

Hm/.u  koinuit  noch  eine  anscheinende  Rcniiniscenz  aus  dem 
Jahre  1792,  dem  Kronungsialirc.  Bei  der  Erwähnung  der  Ochscn- 
küclic  von  der  bavrischcii  Krönung  (4.  Auftritt  des  3,  Aufzugs) 
heisst  es;  sie  liabc  Ja  i;chLariJ(ji),  ')Wü  alleweil  die  llurc  stellt«.  Wir 
wissen  nielus  davon,  dass  die  Ochsenküchc  des  Jaiux;,  1792  niciu 
preisgegeben,  sondern  bis  zum  nächsten  Jahre  stehen  gebUebcn 
sein  sollte. 

Eine  derartige  zeitliche  Zusannimenschiebung  und  Einniengung 
der  Zeit  nach  nicht  dahingehöriger  Züge  spricht  nicht  für  die  An- 
nahme einer  völlig  gleichzeitigen  Bearbeitung. 

Andererseits  verlangt  aber  auch  die  Lebhaftigkeit  der  dargestellten 
Scenen  eine  Herstellung  unter  dem  noch  frischen  Eindrucke  derselben. 
Wir  werden  also  nicht  irre  gehen,  wenn  wir  die  Abfassung  nur 
wenige  Jahre  später  legen  als  die  Vorkommnisse  selbst,  und  wenn 
wir  die  uns  überkommene  vollständige  Handschrift  als  eine  der  ersten 
Niederschriften  (vermuthlich  nach  dem  Dictat  des  Autors)  ansehen. 

Auf  Dictat  weisen  einige  Fehler  derselben.  Die  Handschrift 
bat  im  vierten  Auftritt  des  ersten  Aufzugs:  «So  schwache  Seele« 
statt  »dass  so  schwarze  Seele«  und  im  dritten  Auftritt  des  dritten 
Aufzugs:  »doch  am  Tisch«  statt  »dort  am  Tisch«.  Ebenso  den  gleich 
im  Schreiben  verbesserten  Fehler  im  ersten  Auftritt  des  zweiten  Auf- 
zugs »föhre«  statt  »füttere«. 

Dass  es  aber  eine  Niederschrift  nach  dem  Dictat  des  Autors 
war,  dafür  spricht  namentlich  eine  Stelle,  wo  eine  begonnene  Wendung 
gestrichen  und  eine  andere  an  ihre  Stelle  geseut  wird.  Es  heisst 
im  vierten  Auftritt  des  vienen  Aufzugs:  »dass  sein  Sohnge  [so  erum 
lief  ohne  sein  Erlabniss],  des  zu  mer  gange  is,  ihm  sagte,  es  wär 
kahn  Gass'.«  Die  eingeklammerten  Wone  sind  gestrichen,  offenbar 
noch  während  des  Diaats  als  eine  Verbesserung  des  Verfassers,  der 
eine  andere  Wendung  vorzog.  In  demselben  Auftritt  sind  denn 
auch  die  Worte  »de  Mittag«  gestrichen.  Dieses  kann  gleichfalls  als 
eine  Verbesserung  des  Dictirenden  angesehen  werden,  dem  einfiel 
oder  von  dem  Schreibenden  eingeworfen  wurde,  da&s  Mittwoch  Nach- 
mittags  ja  keine  Schule  sei.  Vielleicht  aber  ist  die  Streichung  erst 
eine  spätere  Willkür  des  Schreibenden  gewesen,  da  die  Worte  sich 
auch  in  den  Handschriften  von  1810  und  1820  finden,  in  den  Drucken 
dagegen,  dem  oben  gesagten  Einwurf  nachgebend,  in  »den  Mittwoch« 
geschlimmbessert  sind.  Auch  die  Gewitthe*sche  Handschrift  corrigin 


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gleich  im  Schreiben  Mittach  in  das  dahintergeschriebene  Mittwoch. 
Weshalb  Schott  vom  Mittwoch  just  bis  zum  folgenden  Mittwoch 
das  Mitbringen  der  Kreide  verschieben  will,  ist  nicht  einzusehen. 
Viel  erklärlicher  ist,  dass  er,  ohne  darüber  nachzudenken,  dass  es 
gerade  Mittwoch  war,  den  Nachmittag  als  nächste  —  vermeintliche  — 
Gelegenheit  nannte.  Ais  Correaur  will  ich  noch  anfuhren  (doch 
nur  der  Vollständigkeit  halber  ohne  irgend  eine  Folgerung  daran 
zu  knüpfen),  dass  im  letzten  Auftritt  in  der  Handschrift  stand  »arabische 
Grammatike  geschriebe  hob«,  wofür  durch  Ueberschreiben  »corrigirt 
hob«  eingesetzt  ist. 

Das  s.  g.  Fragment  einer  theologischen  Stunde  scheint,  seitdem 
es  nicht  mehr  als  Bestandtheil  des  Ganzen^  sondern  als  selbständiges 
Stück  überliefert  wurde,  einige  Zusätze  erhalten  zu  haben,  die  gegen 
den  Wortlaut  der  ältesten  Handschrift  in  den  Text  aufzunehmen 
ich  Bedenken  getragen  habe.  Ich  sehe  vielmehr  in  ihnen  Reminis- 
cenzcn  aus  dem  sonstigen  Inhalte  des  Stückes^  die  in  einem  selb- 
ständig stehenden  Stücke  ganz  gut  angebracht  waren,  in  das  Ganze 
eingefügt,  jedoch  nur  als  störende  Wiederholungen  empfunden  werden 
würden.   Ich  habe  sie  in  Fussnoten  unter  dem  Texte  wiedergegeben. 

Das  Stück  aus  dem  Jahre  1791  ist  uns  nur  durch  den  .\büruck 
von  1839  erhalten.  £ine  Handschrift  davon  exisdrt  meines  Wissens 
nicht  mehr. 

Die  Orthographie  der  Stücke  betreflfend  habe  ich  mich  bei 
beiden  mögUchst  an  die  Vorlagen  gchahen.  Bei  der  Prorcctoriade 
weicht  dieselbe  bedeutend  von  der  der  Drucke  ab.  Im  Druck  ist 
mehr  im  Dialect  wiedergegeben,  während  bei  der  ältesten  Hand- 
schrift eine  bei  dem  niederdeutschen  Dialecte  »Missingsch«  genannte, 
Mischung  mit  Hochdeutsch  sich  zeigt.  Ich  halte  diese  Mischung 
gerade  für  sehr  charakteristisch  und  daher  für  einen  Vorzug  des 
älteren  Textes.  Der  Prorector  spricht  hier  ganze  Sätze  des  ruhigen 
Docirens  in  nahezu  reinem  Hochdeutsch;  icmehr  er  aber  in  Eifer 
geräth  und  jemehr  er  von  dem  eigentlichen  Lernstoffe  abscliweift, 
und  sich  strafend  oder  ermahnend  an  die  einzelnen  Schüler  wendet, 
destomehr  Spuren  des  Dialects  zeigen  sich  in  seiner  Rede. 

Es  hat  Zeiten  gegeben,  wo  die  phonetische  Bezeichnung  eines 
Dialects  sehr  complicirt  gewesen  ist  und  zahlreiche  Unterscheidungs- 
zeichen das  bessere  Verständniss  des  geschriebenen  Lautes  vermitteln 
sollten.  Heutzutage  ist  man  davon  völlig  zurück  und  wieder  zu 
dem  alten  einfacheren  Gebrauch  gekommen,  in  der  richtigen  Ueber- 
zeugung,  dass  sich  kein  Dialect  bloss  nach  dem  Lesen  sprechen  lässt, 
dass  aber,  wenn  der  Sprechende  genau  den  Ton  des  geschriebenen 


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—  9  - 


Wortes  JUS  der  Praxis  kennt,  eine  derartige  coniplicirte  Bezeichnung 
wiederum  unnöihi^  ist.  So  ist  denn  bei  der  Handschrift  der 
Prorcctoriade  das  einzige  von  der  i»ewöhnliv:hen  (jeltiiiig  abweichende 
Zeichen  das  Nasale  (für  ei  stehende)  a,  das  durch  ah,  manchmal,  an 
scharler  betonten,  en^phaiischen  Stellen  äh  wiedergegeben  ist  und  das 
ich  der  (ileichmässigkeit  wegen  auch  bei  dem  I  ragmenie  von  1791 
^iir  Durchlührung  gebracht  habe.  Sonst  habe  icii  dessen  abw  eichende, 
st.''.vt:;  ir^^aidartiiche  Weise  völlig  so  gelassen.  Sie  ujidei  ihren 
Grund  wie  bei  den  Di  i:v.i,.cii  uisd  den  späteren  Handschriften  des 
Prorcctors  in  der  mündlichen  Ueberlieferung  der  langen  Jahrzehnte. 
Lassen  wir  nun  den  Abdruck  der  Stücke  selbst  folgen. 


I>ie  l?rorectorIade. 

Ein  Ltwtepi«!  in  vitr  Anfsfi^ra.  , 

Der  Siluiuplau  Ut    1  s   1;  ,  >i  a„  ,;,Kt :  Miit«'«kli  VorHiiiMKt 
im  Uahre  1793« 

Personen  : 

Prorcctor  [Scherbiu»J  Kemnictcr 
Textor 
Kissewetter 


Fresenius 


Müller,  Calcl'actur. 
Stark 
Schott 


Mohr  S  t  c  1 1  w  .T 

Bischoff  Brinkmann 

Rücssijig  j  Ciirisi 

Dsthmer  |    v.  Holxhsusen 

Mül  1er  [4ives]  i  Bchrends 


Rodaug 

B  .1  V  e  r 


Falk 

J  o  n  n ' 


Lattich  i  GulJiicr. 

Erster  Aufzug. 

Erster  Auftritt. 
(Der  ProreOor  tritt  uc^en  großer  VßichlbefiissetAeit  uhr  eil/erli^  in  die  Stube,  sAeint 
aber  iv^eu  bdußlieber  Aag^egenhätm  sAr  mürrisch  styn.) 
Prorector.  Marschirsi  de  gleich  vom  Fenster;  wie  viel  mol  liob  ich's  net 

schon  E;e5.ir:t.  cwek  /e  bleibe.    Ich  notir  mer  .ibcr  nll  die  Niirdcnr.khtigc,  die  in 
allem  ihr  Ptiicht  so  verkenne.    Alleweil  gehn  die  Herrn  Parrcr  ins  tloiivenl  und 
alle  Rathsherrn  vorbey  —  Wer  hott  denn  die  Tisch  wieder  so  verstellt? 
Textor.  A,  der  Herr  Conrector  vniVs  so  habe. 

r  r  orect o r.  Hältsie*s  Matil;  sdi,  ich  sog's  zum  letxtemol,  du  bist  ahch  ahner 

von  dcne;  ich  bemerk  mtr^. 

Textor.  A,  von  welche  bin  ich? 

Prorector.  Loß  nor;  gestern  is  widder  bcy  cm  Grose  von  der  gcrcddt 
wom,  wenn  ich  nor  dein  boshailt  Herz  hatt  schildern  wolle  —  Aber  ich  notir  mer  alles. 
Te X  tor.  No  ja,  als  notirt.  Es  kann  mer  doch  niemand  etwas  schlechtes  beweise. 


—    10  — 


Zw«yt«r  Auftrhi. 
P r orcc  i o  r.  Gdi'  c  niol  ahner  hcr^  Jo  hot  widdcr  so  ä  verruchter  Bub  den 

^chank  vcrstopt. 

Textur.  Ua,  ha,  ha. 

Prorector.  Do  kann  mcr  so  recht  die  bosliaflte  Genttlither  kenne  lerne, 
wann  se  sich  über  so  etwas  frahe  kdane. 

Kis  sc  weiter.  Wann  ich  ä  Messer  hätt,  do  wollt  ich*s  heraus  bringe.  Lehn 

mer  ahncr  ahns. 

Tcxtor.  Ach  do  lehn  ich  kah'  Messer,  des  k.inii  mer  vcrbroche  jichc  und 
kaliner  bezohlls. 

Prorector.  Da,  nemm  des  Hdltzi. 

Kisse Wetter.  Ach  lauter  gek.nut  Papier. 

Prorector.  I.oß  nor.  Die  Strofgericiite  bleibe  doch  nieiuols  bey  so  em 
ivaunsknechi  aus,  der  nor  der  Sunde  fröhnt  un  alle  gute  Ordnung  2U  zerstöre  sucht. 

Textor.  Do  hab  ich  ahch  mein  Tappe,  no,  was  thut's. 

Prorector.  Sich,  Textor,  ich  sog  der%  wenn  de  noch  ä  Maul  uftluist,  y> 
host  de  zwah  Hieb. 

Dritter  Auftritt 

Prorector.  Sucht  des  Lied  un  singt  andächtig. 

Mohr.  Wer  singt  dann  vor? 

Mi'iller.   .Ach  ich,  Herr  Prorector,  ich  k.mi;  die  Nklodic 
Prorector.  Jiy  is  widdcr  k.ih  aiiner  von  den»  nixwerdigc  Chor  do.  No 
iko  sing  er. 

fMilffrr  f.'/j;'/,  aber  total /i/w''.) 
Prorector.  II  ih,  scliweiste,  des  is  jo  gor  nix  nuz. 
Textor.  Ha,  ha,  ha. 

Prorector.  So  kahn  Sp&tter  der  Religion  hob  ich  niemols  gesehn. 
Textor.  Worum  bin  ich  ä  Spdtter? 

Prorector.  A,  worum  liebste? 
Textor.  A.  des  ^vhi  so  narrig. 

.Müller.  No,  Herr  iVorcctor,  es  soll  jez  besser  gehe. 
Prorector.  Schweiste,  oder  ich  werlf  der  des  Buch  an  Kopp.  Sing' er 
e  mol  Bayer, 

Prorector  (iviihrind  devi  Gfsant^).     Mnller  willst  de  net   so  lang  aus- 
hake -  Tcxtor  was  plauderstc  unter  dem  Ucsang.  Scz  dich  gleich  wek,  do  gehöre  ■ 
nor  die  Primaner  hin.   Textor  horste  net? 

Textor.  Ach  sehe  se  Herr  Prorector,  do  is  gor  e  Druckfehler  im  Gesangbuch. 

Prorector.   Halt  dein  Maut.  No  bet  jezt. 

Tcxtor.    Ich  will  bete. 

Prorector.  Hlcibste,  du  sollst  net  bete,  denn  es  is  doch  nor  Heuclieley. 
Behrends  bet  er  eniol  hübsch  langsam  un  andächtig. 

Textor.  Ko  Behrends,  dich  hott  der  Ferst  der  FinsterniO  noch  net  bcritte. 

Vierter  Auftritt. 
(Rs  iL'inl  i^flulit  und  ein  Kapitel  aus  Jcr  Ihhel  vorgelesen.    Der  Prorector  strrtrN  \ich 
ein  Paar  mal  das  Maul,  spevt  mit  grosem  Gerdusch  aus  und  Jängt  das  vorgeJesenr  Kapild 

Jolgendermtsett  ;»  (ritlärm  an.) 
Prorector.  Zu  alle  Zeite  hott  der  Ferst  der  Finstemiß,  um  sei  Reich  ni 
vermehre,  den  Saamen  des  Unkrauts  unner  des  göttliche  Wort  zu  strcvte  gesucht, 
welches  tner  net  nor  hier  in  diesem  Kapitel  hdre,  sondern  auch  leider  1  noch  hiufig 


l 


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anter  uns  bemerke,  daß  der  Satan  durch  so  i  Paar  Spötter  der  Kcligioti,  die  weder 
m  Gott,  SOnde,  Tod,  Teufel  un  Hölle  glabe,  unner  diejenige,  die  noch  en  1  unke 

von  Frömm'f,'keit  h.ihc,  sein  schandliches  Werk  iiuszurichtc  bemüht  is.  Was  habe 
jbcr  die,  m  ileni  Saum  frölmc.  vor  en  I.ohn^  Nix  anJerst.  .iIs  daß  sie  dereinst 
wie  die  Buiie  von  den  Scliaalcn  abgesondert  werde,  un  schon  hauhg  hier  die  Slraal- 
gerichte  Gottes  aber  se  komme.  Ich  hob  alKh  ahn  gekenm,  der  mit  mer  in  die 
Cliss  is  f^nge,  der  ahch  durch  Lesung  schändlicher  Bücher  so  in  den  Abgrund 
des  Verderbens  gerathe  is,  dal>  er  ahch  weder  an  Gott,  Suiide,  Tod,  Teufel  un 
Hüüc  uctjhibt.  ;iber  die  Straafgerichte  bliebe  ahch  nei  aus;  ilm  imiste  eiuilich,  ob' 
er  gleich  von  euer  grose  Faniielie  abstammte,  un  die  stupendesti:  Keichtliunier  besaü, 
ihn  muste  endlich,  so  zu  sagen,  die  Läus  bey  lebendigem  Leib  verzehre.  Ja  lach* 
nor  Textor,  du  host  noch  net  ausgelebt,  wer  wahs  wie  —  —  Mer  hot  Hxempel. 
daf''  Gro^e  durch  ilir  auvsclr.v elk-idcs  Leben  in  den  tiefsten  Abgrund  des  Verderbens 
geratiie  sijin.  Dernoch  iale  se  erum,  elend,  jammerlich,  nakend  un  blos;  un  daß 
Klalmc,  die  des  göitlidie  Wort  hochgeschözt  höbe,  aus  dem  Siahb  un  Marast  zu 
den  gröste  Ehrcstelle  erhöbe  wem  sinn.  Und  des  hahst  wirklich  schon  den  Grund 
mm  Gebäude  des  Unglüks  i;e!cL;t  wenn  nier  abscheuliclic  Bücher  liest,  un 
fuupts.Klüeh  den  Kaiudt  holier  ^icluzt  als  die  Bibel. 
Mer  wolle  nu  jezt  sehe 

1.  Was  eigentlich  die  Versuchung  is? 

2.  Die  Mittel,  Zeit  un  Gelegenheit,  die  der  Saun  braucin,  diese  Versuchung 
ins  Werk  zu  setze? 

Wie  heldenmüthig  sich  unser  Hdland  aus  dieser  Versucliung  gezogen? 

Versuclumg  is  eigentlich  des,  wann  jemand  en  Mensch  durch  List  vom  Gute 
zum  ßösc  ab/ul^rin^e  sucht,  um  en  dodurch  ut'  die  Prob  zu  stelle. 

So  machte  es  ahcii  der  Satan.  Er  suchte  durch  die  grösie  Intriguen  meinen 
Herrn  zu  Fall  zu  bringe,  welches  auch  noch  häuffig  bey  uns  geschieht,  [daßj  so 
schwarze  Seele,  die  nur  Bibel  un  Gesetze  flbern  Haufe  werife  wolle,  immer  trachte, 
durch  ihr  auserliches  irommes  Betragen,  welches  gleich  de  Geiase  ist,  die  auswendig 
rein,  iti'A  endig  aber  voller  ünrath  sind,  zu  verführen;  die  haben  aber  ihren  Lohn  dahin. 

Zum  zweyten  braucht  der  Satan  solclie  —  —  Marichirst  de  gleich  eaauä  ui» 
Irist  draus  dein  Kirsche,  willstc  gleich  die  Kern  uflese,  Kemmcter.  Wie  des  net 
aussieht,  mer  sieht  doch  gleich,  wo  so  ä  Kersche-Sau  sizt,  anstatt  daß  se  des 
göttlich  Wort  anhöre,  opfere  se  lieber  dem  Satan  durch  ihr  Fresse.  Ich  will  mer- 
sche  aber  aü  noiire, 

Te.Ktor.    No  jezi  sinn  mer  schon  widder  gestört  worn. 

Prorector.  W*ann  mer  just  in  der  beste  Andacht  is,  so  muß  immer  so 
3  verruchter  Bub.  der  so  recht  von  der  Satansbrut  ist,  alle  gute  Ordnung  zu  zerstdrn 
suche,  aber  lo(>  und)  nor  von  em  Grose  gefragt  warn,  so  will  ich  der  schonn 
dein  Tippche  ufdeke,  un  gerad  so  .ihm  sein  ungeschlift'e  Wesen  anlührc. 

Textor.    Herr  Prorector  es  schlagt  8  Uhr. 

Prorector  (sMi  auf  die  Ubr).  Nadi  mdner  Uhr  is*$  noch  net  ganz  acht. 
Do  mer  ober  Amol  in  unsrer  Materie  gestört  sinn,  so  well  mer  die  uf  die  anner 

Praces  verschiebe,  un  jezt  noch  etwas  weniges  über  die  indifferente  llandlunge  der 
Mensche  spreche,  worüber  mer  allbercit»  in  der  gestrige  Praces  ahch  durch  m)  en 
Satdiisknccht  gestört  worn  sinn. 

Fünfter  Auftritt. 

Prorector.  Giebts  indifferente  Handlunge? 
Stell  wag.  Nein. 


Prorector.   Was  sinn  dann  indtfierente  Handlunge?   Des  sinn  solche,  die 

weder  <^ut  noch  bös  sind,  aber  so  gicbti  k:ih.  Alle  Handlungc  sinn  ont'.vedcr  gut 
oder  bös.  Uf  die  putc  fo!s^  :i  Bclohnun;'^  un  ul  die  böse  a  Bcstriiiiini'  Alk- 
Handlungc  sinn  aho  gut  oder  bös.  i^osc  liaadiuugc  sinn  solche,  wann  ahne:  Anw 
die  Fenster  eioschineist.  Es  sinn  mer  jext  vor  zwab  Guide  Sdieibe  eingeschmissc 
worn.  Halb  wahs  ich  se  schon,  aber  ich  hob  jczt  Wacht  ausgestellt.  Ahm  wim 
bald  die  Bahn  en/wah  geworffe  worn.  Der  is  i^L-l-ifc,  tm  mein  Sohn  ho:  em  en 
Stahn  nochgcworfic  un  hätt  cn  b;ild  üctrotic.  Il.iu  crn  nur  gctrolTc,  so  hatt  ich 
cn  uf  die  Habtwach  setze  iossc.  kh  liab  uiii  alle  Nachbersleut  jczt  abgercdt  uo 
wann  er  widder  kimmt,  do  werd  er  von  alle  Sötc  überfalle.  Des  zeigt  ober  e 
gottlos  See!  an.  I£s  is  .ihncr  hier,  der  wahs  dervon.  Do  seh'  ich  ahch  a  Poor, 
die  diubi.r  lachen.  Jes  is  ober  ahch  :i  Zähehe  von  eni  schändliche  Cemüth,  wann 
nier  sicii  uber  so  ebbes  treue  kann.  Des  kann  jo  em  jedwede  passiren,  del)  so  e 
teuflisch  Sccl  (denn  kali  rechtschaHener  un  honetter  Mensch  übt  so  ä  Schandtbat 
aus)  ahm  nct  gut  is  un  ihm  die  Fenster  einwerfi^.  Es  is  mer  ahch  sdum  e  paar 
mol  g«sdiellt  worn;  wann  emol  ahner  erwischt  werd.  so  schreib*  er  sichs  selbst 
/u,  wann  er  ins  Armehaus  kimmt.  Aber  die  treti'e  doch  immer  die  Siraafgcriditc, 
wie  mer  alkweil  a  Paar  Excmpel  habe,  do  aluh  so  ä  Paar  Verruchte,  die  sid»  iu 
alle  Wollüste  herumgewälzt  habe,  uf  ämol  gestürzt  sinn.  Jezt  komme  se  uu  bettelo 
aber  do  I9st  merscbe  ahch  steke.  Was  nennt  mer  dann  ä  Straafgericht? 
Stell  wag.  Ich  wahs  net. 

Prorector.  Wahs  kahner'  Ahch  die  Primaner  net?  So  will  ichs  euch 
sage.  Straafgericht  nennt  mer  desjeoigu  Bdso,  des  uf  a  gottlos  Handlung  folgt,  un 
des  ahner  sich  selbst  zuzuschrtibe  hott.  Des  is  wos  ganz  anners  als  Uoglük, 
denn  zu  Unglük  kann  mer  nia.  Was  ist  dann  Belohnung? 

Jonas.   Eine  Fertigkeit,  die  — 

Prorector.  Wie  dumm!  Kine  Fertigleit  sagt  mer  nor  von  ener  Ti,;.'enil, 
Wenn  so  ä  Roz-Nas  ä  Wort  hört,  dem  sein  W  erth  sc  gor  nci  erkennt,  so  sdwiut 
scs  uberall  aus.  Belohnung  is  desjcnigc  Gute,  was  uf  e  gute  Handlung  lolgt. 
Nixnutziger  Bub,  was  plaudcrste? 

Falk.    A,  Herr  Prorector,  es  hahsl,  heut  käme  Kaiserliche. 

Prorector.    Halt's  Maul  Biib  nJer  ich  schlag  der  ufs  Ühr. 

Falk.   Oh  ja,  des  will  ich  a  mol  sehe! 

Prorector.  Was  grunzste.  Sey  still  on  ordentlich.  Mer  wolle  jezt  wieder 
zurükgehc  uf  die  indifferente  Handlunge.  Es  giebt  kahn.*  Alle  Handlunge  sdoime 

etnw  i  der  n«it  dem  Ratlischluß  Gottes  iibcrein,  oder  sie  sinn  wider  Gott.  Die  erste 
sinn  f^iiK-,  die  !c/.te  teuflische.  Mer  die  Scheibe  ein/.uwerfTc  is  e  teuflisch  Hand- 
lung. Sollt  ahner  ebbes  davon  wisse,  so  is  sein  Schuldigkeit,  es  dem  Herrn  Rcctor 
oder  mir  anzuzeigc,  un  ich  werd  cn  gewiß  bcy  er  anneren  Gelegenheit  wicdder 
diene,  wie  ich  gestern  wieder  zwah  a  Station  verschafft  hob.'  Was  blitterste  Bub, 
geb'  Achtung,  daß  de  was  lernst.  Vor  des  Geblatter  giebt  der  ahner  ämol  kabn 
2  Heller.    Lern  was  davor.    No,  was  li.ihe  mer  alleweil  gchatt? 

Guldner.    Vom  benster  einweriie. 

Alle.  Ha,  ha»  ha. 


■  Wenn  gleich  ä  Paar  Rotznäser  mahne,  es  gab  erer,  so  ist  es  doch  net  wahr. 
(Eitiuhtth  der  späteren  Uandschriflm  und  Jrs  Drucks  vo»  18^9)» 

'  Die  sich  treu  un  ehrlich  gegen  ihren  Lehrer  ufgeluhrt  habe  (au  Stdlwag:) 
(Einschob  der  späteren  Hanäscbrißen  und  des  Drucks  von  fS$9). 


Digitiiicü  by  G(. 


Prorector.  Wie  dumml  Ich  hitt  doch  die  Primaner  vor  männlicher  ge- 
lulie,  als  daß  se  Qber  so  cn  niederträchtige  Bub  lache  thäte.'  No  jest,/wo  warn  mer? 

Brin  km  ,1  n  n.    An  Je  iTulifTcrente  f  !.uunn;iirc. 

Prorector.  Du  host  Kecht,  Gut,  Brinkmann,  fahr  nor  so  fort,  so  kann 
noch  was  aus  der  wäm.  Doraus  seh  ich  doch,  daß  de  Acht  gebe  host  Du  host 
Gabe,  weod  se  nor  ahch  an.  Wenn  ich  seh,  daß  de  fleißig  bist,  so  will  ich  der 
gewiß  ahch  belfTe.  Werste  ober  so  nixnutzig,  w  ic  annere,  so  werd  ni.s  draus.* 
No,  so  weit,  es  is  noch  !  Minut  uf  8  Uhr  —  Bleibt  .ille  sitze,  es  dertl  tiicr  kalnier 
cnaus.  Die  Primaner  bleibe  hübbe,  der  Herr  Kccior  liatts  gesagt.  Mcr  liabe  jczt 
die  Theologie.  Textor  netnm  die  Bibel,  aber  blätter  net,  als  biß  de  ufschlagc  must. 

Rodaug  und  Lattig.  Herr  Prorector,  mer  müsse  xum  Chor,  mer  wolle 
heut  en  Krahs  singe. 

Prorector.  No  so  laft  hin  —  Wo  Ii.ibt  er  dann  euer  Schabraken,  do  lafe 
se  hiu,  wie  die  Bctteljunge.    (DU  sämnUUcbai  Osorschuler  treten  ab.) 

Zweyter  Äuf25ug. 

Erster  Auttritt. 

Prorector.  Mer  habe  heut  von  der  göttliche  Vorsehung,  die  mer  schon 
allbereits  etwas  durchgegange  habe;  nu  iez  sinn  mer  am  69.  $.  Mohr  les  er  c 

inol.  Mer  könne  gleich  de  folgende  §,  weil  er  klahn  is,  derzu  neninie.  (Mohr 
liest,  (,/./  lin  zcrmif  ~it  srhnrU.)  Was  is  dos  vor  e  Geschnatter?  Les  er  Joch 
langsam  —  ich  wahs  net,  ihr  hobt  gar  kahn  Gefühl  bey  der  göttliche  Wahrheit. 
(MiAr  lüa  immtr  sdmdler  fort,)  Sdiwd  still  Jung.  Les  du  M&Iler.  (MülUr  Kest, 
ährgM  aber  dlithe  Zeätn,  worüber  ihn  der  Proreäor  wUdrr  derb  auspu^t,  darauf  die 
vorgeletenen  5S  f<^ettdennaßen  erklärt.} 

Prorector.  Mer  dörfe  nor  in  das  Reich  der  N'.itiir  r.elie,  so  finde  n)ei  Jie 
gröHic  un  evidenteste  Spuren  der  Vorsehung.  Mer  wolle  nur  erst  e  mal  in  die 
Schöpfung  zurückgehe.  Wann  Gott  kahn  Ahwechsiung  der  Zeit  gemacht  hitt*, 
mer  mfiste  entweder  vor  lauter  Kälte  verfnere  oder  vor  beständiger  Hiz  verschmochte. 
Betrachte  mer  aber  des  Thierreich,  do  könne  mer  net  genug  uns  erstaune,  und  mer 
njösse  mit  David  ausrufe:  »Gros  sinJ  die  Werke  des  Herrn!«  Worum  last  Gott 
uet  zu,  daß  sich  manche  Arte  von  'ihierc  so  vermehr'n  als  andere?  z.  B.  der  Löb, 
der  Tüger,  die  Hyenne,  die  in  Frankrdch  so  viele  Schade  angerichtet  hot  •  ich 
glab,  es  wor  ahch  emol  ahn  die  Meß  hier  zu  sehn  ^  oder  ahch  die  Rahbvögel 
von  dcnc  wisse  mer  durch  die  Naturforscher,  daß  se  sich  net  so  sehr  vennehre, 
unsere  Schwein,  Rindvieli  und  sunst  zohm  Vieh,  Feder- Vieh  im  der<;^l.  A  Löb 
werttt  z.  B.  nor  ahn  Junges  un  so  ahch  anuere.  .\ber  a  Sau,  die  /um  menschliche 
Lebe  dient,  bekommt  häufige  Ferkel,  welche  thdls  gros  gezogc,  theils  schon  jung 
zur  Delicatesse  der  Mensche  diene. 

Textor.  A  main,  Herr  Prorector,  vor  was  sinn  denn  nor  die  Rahbvögel, 
Klapperschlange  un  Eydcxe  ersdiatfe?  Die  bringe  jo  melir  Schadde  als  Nutze. 


'  Der  nor  der  Sünd  fröhnt  unn  sein  Lehier  zu  verläumde  sucht.  Aber  all 

die  cm  glaabe,  sinn  entweder  ahnfallige  Leut  odder  nixwerdige  Bube.  (Einsdmh 
der  späteren  Uandschriflen  und  des  Druckes  von  18)9»  der  aiierdittgs  den  ersten  Sal:i 
nicht  bat.) 

*  StatI:  »so  — >  draus«  haben  die  späteren  Handsebriftem  so  sey  versichert,  ich 
helf  der  net  unn  redt  kahn  Wörtche  vor  dich  unn  schilEer  dei  bosliaft  Wähs,  wann 
ich  gefrogt  wer!  Der  Druck  von  tB^  iveiebt  vvUig  ab. 


-    14  - 


Prore 'for  Wos  vor  e  narrichter  Kerl  bot  ihm  linnn  (!e<;  nri'chrcnnt?  Des 
siiin  dujunic  Lcul  .  die  des  söge.  K  gewisser  (  irose  bot  emol  ut'  seim  Gut 
alle  Raabe  un  Spatze  eweg  scliiesc  loüse,  weil  se  ihm  noch  seiner  Einsicht 
geschadet  lubc.  Was  wor  aber  «lernodi  ?  -  Fddratte,  Giulskewem,  FrAsche  un 
L'ngeiifier  aller  Art  katii  mit  Heereskratft  un  überschwemmte  sein  Land  so,  dass 
er  mit  proser  Müir  wieder  Raabe  u!"  «;ein  Gut  7:n^.  die  in  korzer  Zeit  wieder  alk-s 
reinigte.  Drum  is  es  ahcli  e  gros  Sünd',  wanii  Mensche  so  unbarmherzig  mit  de 
Schwalbe  umgehe,  un  se  nf  dem  Mahn  vor  Ihr  Pljair  *  herunterschieße.  Ich  hob 
ahch  e  poor  von  dene  nixwerd^  Frevler  kenne  lerne. 

Textor.   No,  do  hot  ahch  wieddcr  ahner  sein  Tappe,  den  ich  gut  kenne. 

Prorcctor.  Wos  des  nei  e  ahnfälliger  Menscli  is,  alles  will  er  gleich 
iiiuthmaase.  ich  kenn  ahdi  a  Poor,  die  nur  immer  alles  bey  aniiere  Leut  verdretu:, 
um  ihre  Ldirer  z«  veri£iinide.  Ober  dene  wärs  besser»  wann  e  Mfihlstahn  an 
ihrem  Hals  hing«  un  se  in  die  Tiefe  des  Meeres  geworfle  wim. 

Textor.    Ha,  ha,  ha,  das  war  rahr! 

P'-orector.  .Mcr  wolle  nu  je?  uf  die  Erhaltung  sehe,  wie  weilMich  dfs 
alles  eiitgerichtct  ist.  Et2,  mer  fmdt  Kräuter,  Dorn  un  Distel  -  do  glabe  mer,  des 
wir  vor  nix,  aber  des  bot  all  sein  Nutze.  Denn  wieviel  \'ögel  lebe  davon;  an  so 
geht*s  ahch  met  dem  Ungeaifler,  do  sehe  mer  manch  Thier  mit  Verachtung  an  un 

trete  es  met  Füsc,  aiicr  wüste  mer  imnjcr,  zu  wos  es  gebraucht  werd,  so  tha:c 
mcrs  net.  Mcr  habe  jo  Exempel,  dal>  von  Manche  z.  B,  den  Keller  -  Esel,  dif 
kosthchste  Ar<ceneye  verfertigt  wkrn.  Segt  c  mol  an,  wann  die  Mensche  all  die 
Thiere  ei4ialte  sollte,  die  Gott  erschaffe  hot,  ey  des  wäm  se  net  im  Stand.  Mcr 
höbe  jo  Exempel  genug,  un  es  is  ganz  deutlich,  daß  der  König  von  Engclland 
mit  seine  stupendeste  Reichthümer  net  im  Stand  is,  des  Reich  der  Spaize  .ilin  Ta^ 
zu  lüttere,  viel  weniger  so  viele  Milliarden  von  Thiern  die  mer  last  gar  net  e  mol 
alle  kenne  un  die  doch  lebe.    (Eilkht  Omhlen  hommm  vom  Qmsui^at  zuriuL) 


Z  w  e  y  t  e  r  Auftritt. 

Prorector.  ihr  mögt  ahch  schön gemauenzt  höbe  —  Ihr  seyd  schund  wieder  do. 
Brinkmann.  By  mer  sinn  wieder  fortgeschikt  worde,  es  wora  unserer  zu  wenig. 

Prorector.  Des  is  gor  kahn  Wunner,  wenn  ihr  wie  die  Sau  geloffe  kummt. 
wanns  euch  gefallt.  Do  sinn  die  Lcut  kalin  Narre,  daß  se  iiir  Geld  vor  Ni\  un 
"  icder  Ni\  atf^j^chc  <;fi)lc.  \ch  w.ilis  /u  mcitiLr  7ert.  do  gings  gatu  .uiners.  Aber 
iiernoch  sinn  so  e  l'tmr  iuderüclie  Pralecle  ans  iired  kummc,  des  wor  den»  Chor 
sein  Verderbe,  die  läge  den  ganzen  Tag  uf  der  Bierbank  oder  bey  de  Menscher,  un 
dernochend  liefe  se  vor  Schuld  un  Ungeduld,  weil  se  des  Chor  genug  geschuppt 
höbe,  unner  die  Snld.no.  Ts  liabc  m:ch  verschiedene  Grose  ersucht,  dass  Jic  Schüler 
i\nch  nhch  Krahs  bev  ihre  Häuser  singe  sollte.  Ich  ttiafs  ahch.  .ibtr  die  Lcut  worns 
b.ild  überdrüssig.  Do  käme  se  wie  die  Bettelbubc,  finge  des  Lied  au,  un  wenn  se 
ahn  Vcrss  gesungc  hatte,  liefe  se  widder  fort.  Jez  mag  ich  aber  niks  mehr  sage, 
denn  es  is  doch  kahn  Dank  in  dene  nixu'ürdige  Kerl  gewest. 

Brinkmann  Ach,  Herr  Prorector,  heut  lale  fünf  Spien-  Gortc 
Prorector.  Halst  de  des  Maul,  Jung.  Wer  hot  dich  drum  gcfrogt? 
derfl  mer  kahner  fort,  wann  er  kahn  Zettel  von  seine  Eltern  hott.  —  Mer  wolle 
nun  femer  uf  die  tä^icbe  unmittelbare  Erhaltung  der  ganzen  Welt  und  alles,  wo« 
darinnen  is,  komme.  Betrachte  mer  des  I'irmameni,  des  sciion  so  viele  tau-vmd 
Jahre  gemacht  is,  es  bleibt  immer  noc!i  in  der  schön  tL>  Ordnung.  Die  Be<^bacli!i:ni^ 
über  dasselbe  is  e  recht  schön  Studiinn.  aber  es  werd  heutiges  Ta-'s  Tier  twlir 
recht  bezahlt,  un  kost  doch  viel  Geld,  denn  es  muß  aliner  sein  gan^  l.ebenN-/.cu 


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-   15  - 


dran  wende.  Ati  eiitzelnc  Geschöpfe  sehn  mer  ferner  ahch  noch  täglich  die  Vor- 
MbuQg,  wie  sie  dafür  sorg:  un  w.icht,  es  m.i<»  ahch  noch  so  iinhedciitcnd  sevn. 

Mohr  schlag  cmol  ul  Mathcus  am  it).  Kapitel  Vers  29.    (Mohr  liest  den 
Vers  vor.y 

Prorector.  Hier  is  des  Wort  Sperling  Synecdochicc  genommen,  nehmlich 
Synecdoche  spederum  animaltuni  pro  omnibus  animaliuni  gencribus.  Denn  hier 
wcrd  nnr  von  dem  Sperling  geredet,  un  alle  Gaminge  von  Thierc  nuil\  mer 
Jaruiiner  verMchc.  Wann  mer  nu  betrachte  —  (Rosaitn^  lacht  auf  eiimal  !iuti  auf). 
liy  Bub,  wos  laclist  de?  Glabst  de  denn,  daß  de  bcy  dciiic  muthwillige  nixiiut/ige 
Bube  «rärstl  Aber  wort,  ich  merk  mer  alles,  un  kriegt  ihr  hier  net  euere  Straafe, 
so  habt  er  doch  etiem  Lohn  dahin. 

Textor  Oh,  Herr  Prorector,  mer  nut(>  denke,  es  ist  die  liebe  Jugend,  die 
ioU  jo  froh  un  lustig  schon  noch  der  Bibel  i>«;y. 

Prorector.  O  du  ahnfalliger  Kerl,  du  Kameele-Verschluckcr  un  iMucken- 
Säuger  —  Halts  Maul  oder  ich  schlage  der  in  die  Staflfel,  dass  der  die  Zähn  wakele  — 
Gestern  habe  nhch  widdcr  so  e  p  i  n  \  erruchte  Satansknecht,  die  durch  ihre  hitrigue 
der  Welt  zu  schade  suche,  ihr  teul lisch  Gemüth  an  mir  gekühlt.  Ich  hobs  schon 
vorhin  ge^gt. 

Textor.  Ach  was  des  ebe  a  schöner  Pbrasis  war,  ich  glab  net,  deß  mer 
se  so  gut  in  Kirschii  lexico  latino-germanico  findt. 

Prorector.  (Ohn  daß  er  darauf  aditea  sdieint)  Es  sinn  mer,  wie 
gesagt,  vor  zwnh  CuIJc  Scheibe  cingcwortTe  worn,  un  wer  mer  etwas  anzeige  kann, 
den)  sein  Nohnie  bleibt  verschwiege  un  kriet  noch  zwah  Carlin  mit  Gelegenheit 
durch  mich  von  abner  Person  zugewisse. 

Textor.  Ah  die  wäm  schon  mit  zu  nemme. 

Prorector.  Ich  hab  just  Gesellschaft  bey  mer  gchobi,  do  könnt  ich  dene 
Hosewichter  net  t;leich  nachschike,  aber  jemand  is  en  doch  nochgclotlc,  un  do  wor 
ahuer,  der  hott  en  Hund  bey  sicli  gehat,  wann  der  war  erwischt  worn,  den  \\m 
er  uf  dem  Platx  crstoche.  Sie  solle  mer  nor  noch  e  mol  komme.  Jez  habe  ich 
obe  un  unne  Wach  ausgestellt. 

Tcxior.    Vigilantibus  jura  sunt  scripta. 

Prorector.  (Obiw  sich  tl^uitirrh  mitt-rhri-rlti-n  -u  lj<<fri.)  Ich  habs  ahch 
em  Grose  erzahlt,  der  sagt  mer,  ich  soiis  dem  junge  Herrn  Burgerniasicr  anzeige, 
dann  des  wär  e  Stöhrung  gegen  die  allgemeine  Securitat  un  xacm  Person.  Ich 
niag*s  aber  net  thun.  Do  niist  idi  ahch  noch  zu  dene  xwah  Guide  vielleicht  zwölf 
ßatzc  gehe  daß  es  in  die  /'citung  thät  gesezt  warn.  Ich  hab  aber  schon  soviel 
herau'^;_;ebr.Kht,  so  wcni"  ich  t;c\vil'  dc<-  ahch  noch  hcrausbriiiqe,  tm  is  es  not,  sn 
kriee  se  doch  emoi  ihm  Lohn,  wetm  iljr  Gewisse  uf  dem  Kichtersiuiil  sizt  und 
spricht,  du  bist  e  Mann  des  Tods.  Dernoch  wär*n  se  schonn  an  mich  denke.  — 
No  jez,  wo  war*n  mer? 

Textor.    Ja  des  wahs  der  liebe  (Jott  un  seine  Engelein! 

Prorector.  Immer  muf^  doch  der  böse  Cieist  so  c  S  it.i:is  Scel  !»csctze, 
die  uns  stört.  No  gut,  iaciit  nor  als  fort,  folgt  hübsch  dem  nixnutzige  Jung,  der 
den  Anfang  gemacht  hot,  wie  die  Affe  noch.  Daran  erkennt  mer  recht  euer 
teuflisch  Gcmütb.   Aber  ich  merk  mer  se  alle,  un  will  se  schon  davor  büse  losse. 

Textor.   Herr  Prorector,  es  schlägt  neun  Uhr. 


'  K-nuft  num  nicht  /ween  Sperlinge  um  einen  Pfeimig?   Noch  tüllt  derselben 
keiner  auf  die  Erden  ohne  euren  \'ater. 


Prorector.  Halts  Maul  Jot»wächter.  Es  ts  net  wohr»  mer  höbe  noch 
zw»h  Minute. 

Textor.    Wie  Jos  noch  der  Sdinur  geht. 

Prorector.  l!y  Jung,  \v.iiui  Jlts  net  gci.illt,  so  scher  dich  enaus.  Ich 
bcobacht  mein  Zeit,  die  dovor  von  em  Hochlobhciic  Cunsistorio  bestimmt  is.  (lir 
fährt  fort  ht  seinem  ünterritM.)  Wie  weislich  un  unvergleichlich  hat  Gott  »et 
alles  eingericht,  dann  er  sorgt  für  die  ganze  Welt  noch  immer,  er  giebt  jedem  Thier, 
un  sog.nr  dem  klnlnistcn  W'örniche,  seine  Speise  un  hot  gleichsam  cn  I"<^tinct  iu 
die  Thiercrcher  i^'elegt,  daß  sc  gleich  ihr  Nnhrung  suche.  Mer  wdlle  nor  ihn 
Bcyspiel  von  de  1  liehe  anfülirc.  Do  wisse  mer  jo,  wann  c  so  ä  Gaul  uf  da« 
Weg  sein  Aeppel  fallen  läst,  so  komme  jo  die  Fliehe  schaarewdO  von  alle  Dorff' 
schaffte  un  besetze  gleichsam  mit  HeeresItrafTt  diesen  Appel,  wie  e  Festung  un 
minire'n  so,  u  ie  die  Fran/ose  jezt  Mähnz.  Do  gl.ibe  ah  die  Leut,  sie  wirn  drutT 
gewr^chsc.  Des  is  ober  net  woiir.  Su  ahch  met  de  Frösch,  wanns  geregent  hot, 
un  die  iiiahne  Frösdi  hoppe  uf  dem  Land  erum,  do  sage  se,  es  hot  Frösch  gcrt^eoL 
Des  kummt  aber  doher,  weaPs  jezt  feucht  is,  do  kumme  die  Frfisdi,  die  wcge  der 
grose  Hit  wie  todt  dagdege  höbe,  wieder  ervor  un  erquike  sich.  Wenn  mer  nu 
weiter  c:eh'  un  betrachte  erst  de  Mensche.  Do  könne  mer  uns  net  genug  ver- 
wundern. Wer  e  mol  Gclegeniieit  hott  in  ä  Anatomie  zu  gehe,  der  kann  des  alles 
recht  betrachte.  Mer  wolle  nor  emol  des  Ahg  ncmmc,  wie  vortrefflich  des  gemacht  is. 
Wenn  mer  nu  kahn  Ahgebraune  hätte,  so  thät  uns  fo  aller  Drek  enein  falle.  Mer 
hot  ILnempel,  daß  Leut  sinn  ins  Feld  gange,  un  A  Spatz  oder  ä  Schwalb  hott  aus 
der  Luft  ihr  Fxkrementc  falle  losse.  Ey,  die  Leut  sinn  jo  uf  dem  Pl.itz  um  ihr 
Ahg  konmie.  Ueberlege  mer,  wann  der  Mensch  sein  Berzel  über  dem  Maul  halt 
oder  unner  der  Nahs.  Hy  so  tbät's  jo  immer  beständig  stinke,  oder  tlüt  alles  iu 
das  Maul  hin^  lafe.  Odder  wann  des  Ahg  am  Fuhs  uf  der  grose  Zeh*  war,  so 
mitete  mer  jo  vor  Stahb  un  Morast  blind  un  Schill  wärn.  Mer  wolle  nu  noch 
sehn  —  —  Alleweil  schlägts  9. 

Tcxtor.   Wüs  des  uct  uf  den  Schlag  geht,  des  luhst  Ordnung! 

Prorector.  Du  host  dich  nix  drum  «u  bekflmmere.  So  is  mers  von  em 
Hochlöbliche  Consistorio  voigeschriebe,  un  wann  ders  net  geßUt,  so  geh'  hin  un 
beschwer  dich.  So  naseweise  Kerl  müsse  immer  was  wisse.  Die  Primaner  könne 
jezt  fortgehe.  Ks  derff  mer  kahner  cnaus;  bleibt  sitze  un  nemmt  euren  Julium 
Caesarcm.  Ich  will  noch  emol  erinnern,  sollt  ahuer  wos  von  de  Scheibe  wisse, 
so  sag  rr  mer's,  sein  Nohme  will  idi  verschweye. 

Dritter  Aufzug. 

Erster  Auftritt. 

(Mehr  und  Khüi^  haben  aeb  indessen  verabredet,  auf  den  Paraden^eai  \u  gd$eu  und 

die  Soldaten  Spitßrulhen  taufen  sehen.) 

Mohr.  Herr  Prorector  ieh  inuG  um  9  Uhr  nach  Hauß. 
Prorector.  Hoste  lul.ilinib  von  dehahm ? 
Mohr.    Ja  Herr  Prorector. 
Prorector.  Ho  geh  nor  hin. 
(Mohr  und  indem  er  Bössing  ansieht,  ladtt  et  und  winkl  mit  der  Hand  ihm 

hall  ftddrjift'hu'ri.) 

Prorector  (Jer  Jas  IaIi-Lyh  hnnoU  hdt).  Mei ,  wahste  was  Bischoff, 
geh'mcr  amol  zum  Herr  Molir,  un  niacii  mein  Luipfchiung,  un  der  junge  Motu* 
war  weggegange,  ob's  mit  ihrer  Bewilligung  geschehe  wir.  Do  steke  faule  Fisch 
derhinner. 


Digitiiicü  by  G(. 


-   17  — 


Rössing.  Herr  Prorector,  derlT  ich  emol  enaus? 
Prorektor.  Nix,  du  bist  ahdi  abiier  yon  dene  Vögel. 
Rössing.  Seh*  emol,  wann  mer  nu  enaus  muß. 

Prorector.   So  wahrt,  biß  der  Bischoff  wieder  do  is. 
Rössing.    No  des  h  mer  ahch  recht,  .iher  bleib  ahch  net  so  lang,  BischolT. 
Bise  ho  ff  (J  ortgehend).    Nah,  ich  komm  gicich  widder. 
Rössing.  Des  will  ich  der  gerothe  habe,  Benge),  sonst  schlag  ich  dich 
knimni  an  lalnn. 

Bise  hoff  (unter  lUr  Tlfür).    Och  ja!  mer  Icrcht  sich. 

Prorector    Wos  host  de  mit  dem  Bischori,  ich  glab'  gor,  de  drohst  ein. 
Rössing.   Och  worum  net  gor,  do  ist  mer  der  viel  zu  ahnfällig. 
(Dabmer  kommt  era  muh  9  Vbr  m  ^  Qätu,) 

Zweyter  Auftritt. 

Prorector.  Ah,  Doltmcr,  wo  künunste  her?  Ich  walis  net,  die  Leut 
nemnie  sich  soviel  eraus.  Ich  muss  do  seyn,  wie  iner*s  von  em  Hochlöblidic 
Consistorio  vorgeschriebe  is,  un  so  e  Jung  will  was  appartes  habe, 

D  a  h  m  e  r.  Se  könne  nach  Hauß  schike,  ob's  net  wohr  is,  daß  ich  dehahm 
hob  ru  thun  gehöht. 

Frorecio r.  Do  kennt  ich  jedem  Hundsjung  noch  en  apparic  Bediente 
halte.  Kunim,  waons  Zeit  is. 

D  ahmet  (der  unter  der  Zeit  Rössing  von  der  Execution  auf  dem  Parade-Ptat^ 
unterrichtet  hat,  geht  mit  Jon  Prorector  auf  dir  Seite  und  sagt  ^tt  ihm)  Herr  Prorecior 
es  is  Widder  scliarmantcr  Kalk  uf  dem  Kirche-Platz. 

Prorector.  So,  noh,  wähst  de  wos,  Männche,  geh  hin  uu  hohl  a  Paar 
Stak  un  trag  se  gleich  in  mein  Hauß,  aber  bring  recht  grose  un  der  schön  weiß  is. 
Wann  de  widder  zurükkimmst,  so  hohl  mer  ahch  die  Nachricht  un  breng  mer  se 
her,    (Dahner  geht  fort.) 

Prorector.  Ezt  schlagt  uf.  Ich  loß  ausserordentlich  fortfahre  um  wers 
net  hott,  der  kriegt  drey  Hieb.  Weist  emol,  hobt  er  denn  all  euer  Bücher.  (Rös- 
smsp  vnU  seam  Nadihars  Bvdt  imsdbm  aus  ier  Hatid  rdssm.) 

Prorector.   Wo  ist  dein  Buch? 

Rössing.    Moins  werd  eingebiinne. 

Prorector.    Worum  willstc  dann  dem  Brinkmann  sein  Buch  wegnehme? 

Rössing.  Ah  no,  weil  ich  kahns  hob,  un  doch  pAiclitbeilissc  scy  will. 

Prorector.  Haitis  Maul.  Ich  glab,  du  willst  ahch  noch  Ober  dein  Lehrer 
spotte  ?  Marschir  dich  gleich  jeu  an  den  Tisdi  seh  uf  die  melancholisch  Rank  gana 
allah  un  hör  zu. 

Rössing  (indem  er  hingebt).   Des  kann  mer  jo  all  ahns  scy,  wo  ich  sitze. 
Prorector.  Mein,  wafas  kahner,  wo  die  Mflnz  is.  Ich  braucli  soviel 
Heller.  Hohl  almer  vor  is  Kr. 
.\  1 1  e.   Ach,  ich  will  hohle. 
Prorector.   Nix  dn,  hohl  er  Bayer. 
Bayer.   Ja,  Herr  Prorector. 
(Bischoff  lammt  lurüek,  in  dems^em  Mmmt  Ui^  anA  Rbsh^  lur  Thür  biuaits.) 
T e  X tor.  Ach,  e  Deserteur. 

Prorector.  Halts  Maul,  Jung,  er  hott  vorhin  ErlabniO  ertuhe.  No  wie 

Siehts  aus.  Bischoff? 

Bischoll.  H  scho  Contpliment  vom  Herr  iMohr,  un  er  wüst  kahn  Wort 
von  ErlabnUi,  die  er  sdm  Sohn  gegebe  hitt. 

2 


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i8  - 


Prorector.  No  hab  leh's  net  gesagt.  Aber  wart  L&gebrut,  kimmst  de 
mer  nor  zurOk.   (Bischoff  geht  an  seinett  Plaii.) 

Prorector.  Mein,  ich  glab  die  Catalii^^  von  der  Ostcr-Mess  sinn  eraus- 
kumme.  Bischofi  geh'  er  doch  gleich  in  die  Buchläde  un  loß  er  sich  a  Paar  gebe. 
(Biuhoff  geht  uneder  weg.) 

Prorector.  No  habt  der*s  jezt  all?  Textor  fang  an. 

Textor.    Es  klobt,  Herr  Prorector. 

Prorector.    Seh"  e  mol  wer's  is. 

Tcxtor.   Dominus  Prorector  —  (Prorector  gettt  vor  du  Ihüi). 

Dritter  Auftritt. 

(Unter  der  Abmesetüieit  de   Pi  oi>  .-liV<  ({tigen  die  Scfmin :  Rekräa^t  mit  Lauh  etc.  Der 

Prorector  tritt  darauj  scinteU  ein.) 

Prorector.  Mei,  wos  wbm  das  vor  teuflische  Junge,  die  so enUrm  ver- 
fahrt habe.  Ich  geh'  gewiß  net  ohnnöthtg  enaus  un  fercht  mich  tuanchmal  mein 
Wasser  ab/uschiage,  un  wann  ahm  ahner  von  de  Herrn  College  ruft,  so  macht  er 
so  eti  teuriische  l..irm.  Den  Rätelsfithrer.  den  Vorsingor,  hob  ich  an  seiner  Stimm 
gekennt.  Aber  es  konuiie  Zeite,  wo  se  wolle  ^eholfc  Itabe,  aber  dü  last  mer  se 
alich  im  Drek  steke.   (Es  wird  an  der  Thür  gek/oßft,  Kismvelter  macht  auf,) 

Kisse Wetter.  Herr  Prorector,  es  is  e  Studiosus  Theologiae  draus,  der  will 
met  en  rcdde. 

Pro'^ector.  Haltx  M.uil  im  jrig  en  fort;  des  is  so  ä  Landstreicher.  .So 
Kerl,  wenn  se  ihr  Vermöge  ul  die  schandUchstc  Art  verpralit  liabe,  demoJi  lafe 
die  Tagdieb  enim  un  bettle. 

Textor.   Mo  soll  ich  jezt  anfange? 

Prorector.   No  f.mg  an.  Sich,  ez  geb  nur  auf  das  Subject  un  Pradicat 

Achtung,  un  construir  ordentlich. 

Tcxlor,    Ah,  wer  kann  denn  das  so  nadi  detn  Wort  übersetze. 
Prorector.  No  wann  du  uf  deim  narrichte  Kopp  bleibe  willst,  sothu  es. 

Do  sein  so  Kerl  hier,  die  von  der  Neuerungssucht  ufgeblosc  sion  un  mähne,  \\.m\\ 
se  widderk.ihnK-.  h.ittc  se  die  Weisheit  mit  I.öHel  scf'"»-*'»se  un  könne  miitivimijl 
net  mensa  decliniren.  Wer  werd  sich  aber  nach  dene  Miken-Säu^«.  r  un  K.mieclen 
Verschluker  richte.  Ich  hob'  schon  so  viele  Purste  un  Grefe  inform  in,  un  so  almer 
glabt  schund,  daß  er  die  Weisheit  selbst  war,  un  im  Grund  versteht  er  doch  nix. 
(Hisclwff  kommt  '  unJ  ;  /7/  /, P:  reetor  eint»  güH^m  Pak  Cattäagf,) 
Textor.    Ni>,  Jc-s  li.ilis  ich  Fourr.iui. 

l'rorecior.  Uli  aluilalliger  Jung,  es  is  am  beste,  man  gUn  der  >jor  kahn 
Antwort  nidir.  .\h,  was  plaudcrste  Stcllwag  ?  Ich  wahs  net,  ihr  Leut  hobt  gor 
kabn  Gefühl  bey  dene  schöne  heydnische  Wahrheite.  BischofY  fahr  fort.  No  wie 
lang  mechstc,  sequens,  sequens,  sequens. 

Schott.    Ac'i  v\us  des  schiest. 

Prorector.  Halt  c  bissi  in,  mer  wolle  a  Fenster  ufmache;  so  stark  hon> 
noch  niemols  geschosse. 

St  eil  wag.  Mdhnz  soll  über  sey. 

Prorector.    Ah,  du  narrichter  Kerl,  wer  hott  dich  denn  des  weit  gemacht? 

Stell  wag.  (icsicrn  sinn  7  Deserteurs  komme,  die  habe  gesagt,  sie  hätte 
uix  mehr  als  Wein  un  Hr(.»d. 

Prorector.  Ja,  die  warn  sdion  die  Fässer  leere. 

Kenimeter.  Die  Nacht  sinn  12  Häuser  abgebrennt.  Hs  hatt  mer  atadi 
alliier  gesagt,  mer  hätt  brennende  Menschehohr  in  der  Luft  herumfliebe  selie. 


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_   19  - 


Prorector.  O  halts  Maul  Jung,  un  schwiz  mer  so  kahn  ahnläUig  Zeug. 
Ketnmeter.   A  no,  wos  is.  ich  hobt  v<m  em  Grose  gehört. 
Prorector.    Halts  Maul,  Bub,  niet  wem  redste?    Wen  hoste  vor  <kr? 
Mähnste  ich  wiir  dein  Narr,  daß  de  so  Zeug  schwä/.e  willst  ? 

(El  uiii  ihm  einr  Ohrfeigt  geben,  weiche  dieser  aber  auiparirt  und  ihn  mit  dtr  Faust 
auf  den  Bauch  sdiigi,  und  darauf  am  der  Stube  läuft) 
Prorector.  No  loSt  den  nor  gdin.  Ich  will  (.n  schond  kriec.  Dccurio 
•<eb  er  eniol  Fcdder  un  Dinte.  kh  will  eni  gleich  zwa  NB  m.iche  un  des  geh'  ich 
gcr od  ufs  C^(jnsistoriun).  No  I  cxtoi,  jez  fahr  fort.  —  Sehl  wann  er  euch  präparirt, 
üo  niCist  er  die  Laudkart  nebe  euch  lege  un  do  die  Provinze  uffsuche.  Ezt  wo 
1^  des,  wie  hahst  alleweil  des.  Des  is  Langedok.  Des  leyt  dort  io  der  Ek.  Un 
hier  Isle  de  France,  dort  am  Katheder  DauphiniJ  un  seh  Orleans  un  Lyon,  un  dort 
am  Tbch  Fr.mche  Comte.  H.ilt'^te  de>  M.uil,  Stellwaf?.  Sich,  heut  hätt  ich  wieder 
Gelegenheit  gehatt,  bey  cm  (irose  dein  ungeschliflenes  Wese  anzuführe.  Ezt  thu 
mer  noch  e  Maul  uf,  so  hoste  zwah  Hieb. 


Vierter  Auftritt. 

(Kmmtkr  stßrmt  ^  ThSr  btrdn  und  aUe  schreyen:)  Ach  do  is  der  Kemmeter. 

Prorector.    Halt's  Maul.   Komm  er  her,  Kemmeter,  un  setz  er  sich  neber 
mich  un  scy  er  hübsch  still.  War  er  jez  do  govcsc,  nücwcil  höbe  mer  alle  Pro\  inze 
von  Fr.itikreich  durchgegange,  do  hatt  er  wa^  prohtire  könne.   No  schlag  er  gleidi 
sein  Casar  urt",  raer  sinn  am  4.  Capitel. 
((Mt^aaor  MSiltr,  wkber  krank  tuar,  kömmt  heute  i(um  erstexmal  üt  die  Oasse,) 

Prorector.  No,  biste  ahch  widder  do?  Wo  hoste  dann  gestoke  die  Zeh? 

Müller.    Ich  wor  krank,  Herr  Prorector. 

Stell  wag.  Nn  Müller,  sündige  lünfort  nicht  mehr,  aul  daß  dir  nicht  ein 
Aergeres  wiederfahre, 

Prorector.  Ol  halts  Maul,  naseweiser  Jung,  muste  ahch  ddn  3  Heller 
dazugebe.    (Sforl  kommt  herein  und  bringt  dem  Prorector  einm  Blunu  n-Strauß.) 

Prorector.  Ah,  die  sinn  schö,  sinn  die  aus  seim  Corte?  Ich  bin  ihm 
obligirt,  obligirt,  Männchc. 

Alle.   Ach  Herr  Prorector,  ich  will  se  hahm  trage. 

Prorector.  Nix  do,  Brinkmann,  trog  er  se  emol  hahm,  aber  komm  er 
gleich  wieder  und  seh  er  nei  die  Wachtparat  ufatehe  [un  strenz  mer  kahn].  Mei, 
ruf  er  mer  ahch  emol  de  Rodaug  her,  do  muss  mer  immer  Thürhöter  in  der  Kerch 
sey.   Worum  konnut  dann  der  nct  in  die  Kerch? 

Textor.  Ahl  wer  werd  dann  ahch  in  die  Kerch  gehn,  do  üielits  jo  aus 
wie  in  em  Schweinstall,*  do  obe. 

Prorector.  Sieb  er,  Textor,  wann  ich  net  noch  Regard  hätt  in  einiger 
Absicht,  des  ich  em  emol  :ill;ihn  söge  will,  so  hätt  ich's  schun  längst  dem  Hoch- 
löbliclK  Consistorio  angezeigt,  aber  iclt  sogs  em  zum  lezte  Mol. 

(Rodaug  kommt  ^ur  Thür  bereut.) 

Rodaug.  Was  bdehle  se  Herr  Proredcn-? 

Prorector.  Sich  er,  er  wahs,  dass  Zeite  komme,  wo  mer  ihm  nuzzc  kann. 
\Von!m  wor  er  dann  .im  Sonntag  nit  in  der  Kerch?  Do  halte  die  klahne  Jung 
cn  Spcktokel;  mer  muß  der  i  liürhüter  sey,  un  jedem  die  Thür  ufliniache. 

Rodaug.  Ja,  Herr  Prorector,  wär  gern  eneingegange  ober  ich  hob  uf 
der  daß  seyn  müsse,  wenn  vielleicht  wos  zu  singe  wir,  un  der  Müller  hot  des 
FaoKieber  gehott. 

1* 


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—    20  — 


Prorector.  Adi,  der  hott  des  ganz  johr  des  Faulfieber  gehott.  Hak  er 
je<  hübsch  Ordnung.     (AlU  fangen  an  tadien.) 

VxuTtcxoT.  A  ihr  Bube,  dcrff  mcr  dann  kahii  gesclieid  Won  mit  em 
Mensche  redde  r  Must  er  dann  gleich  so  cn  teuf liscbe  Lärm  halte  ?  Fresenius  geh' 
er  ulT  de  Katheder  uu  macli  er  alle  e  NB. 

Stellwag.  Es  is  lo  Uhr. 

Prorector.    A  willste  gleich  dein  alte  Runipelkaste  eneinthu.    Wenn  so  1^ 
narrichtcr  Kerl  so  ahn  Uclirchc  liott.  do  muß  er  de  ganze  Tog  roh  spiele. 
.St  eil  wag.    Sic  höbe  nier  sehe  je  nei  bexohli. 
Prorector.    lahr  fort  Kisseweitcr. 
Ki SS e Wetter.  Siqmdem  — 

Prorector.  No  was  hähst  des?  Worum  priparirst  de  dich  net.  Squidem  ?  — 

Sintemal  —  .\ndicwcil  — 

Textor.    Des  is  jo  zu  altdeutsch,  so  sägt  mer  jo  jez  gor  net  mehr. 

Prorector.  Mai,  wos  willste,  willst  du  des  Commando  füluer  ich  wah:> 
net,  die  Leut  nemnie  sich  so  viel  eraus.  Des  Won  finde  mer  heutnitage  noch  in 
de  beste  Schriftsteller.  So  e  Jung  raähnt,  wann  er*s  in  seine  ahnfätUgc  Romane 
net  lese  thut.  so  w.ir's  nix  nuz. 

Stark.  Herr  Prorector  gestern  war  ich  in  Hochhcm.  Üo  sinn  alle  Weiii- 
slök  ruinirt. 

Prorector.  Ja»  des  hab  ich  gehört.  Des  is  Jammerschadd.  Do  liobe  die 

köstlichste  Wetn  gcwnchse.  Ich  wahs  in  der  Bayrische  KrcSnung,  do  sinn  viele 
Wein  hieher  gebrocht  worn,  di^  bot  üich  die  Küch'  in  der  Krönung  an  dem  n.ini- 
liche  Platz  gestanne,  wo  alleweti  die  Hütt  steht.  Do  sinn  mehr  als  ahnmol  die 
Kalfacter  hingdafe  un  höbe  dch  vor  ahn  Kreuzer  de  köstlichste  Saifk  gehohh,  un 
die  Hütt  ist  democh  Preiß  gegebc  wom,  do  Hobe  die  Kalfacier  des  alt  .Eise  ab- 
gemacht, do  hott  ahncr  mehr  :ils  50  fl.  davor  krict.  Je/,  ist  es  aber  nix  mehr.  Ja 
seht  wie  die  Kerch  noch  ijestanne  hott,  de  höbe  die  ('.ilfacter  ahch  Cie!d  verdient. 
Do  sinn  alle  Rathsherm,  doctores  juris  et  medicinae  un  Honoratiores  uf  den  Studciue- 
Lettner  kumtne»  un  waims  Meß  oder  Neujohr  wor,  do  höbe  sich  die  Calfacter  an 
die  Thör  gestellt  un  höbe  von  jedem  ebbet  in  die  Hand  gedrükt  kriet.  .Selbigmol 
hott  sich  so  ahner  noch  500  fl.  spare  könne. 

Textor.    Ja  sclbigs  mol,  Ao  w.irns  noch  Zeitc!    Alleweil  schlügts  10  Uhr. 

Prorector.   Sich,  unser  aher  Jobwachter  versieht  doch  recht  sein  Amt. 

Textor.  Jo  darinn  muss  mer  Accuratease  habe.  Ordnung  hat  Gott  lieb. 

Prorector.  Bleibt  iezt  all  still  sitze.  Es  derff'mer  kahner  enaus.  Es 
fehle  noch  viele,  die  nor  cn  Ahgeblick  en.ius  sollte,  un  jez  <chon  über  c  Stunn 
iehle.  Die  sinn  gewiß  zu  de  Spiügerthe  un  uf  die  Wachparat,  aber  ich  merk 
mer  sehe  all. 

Vierter  Aufzug. 
Erster  Auftritt. 

(Rössing  stürtut  gani  trhi^i  ^ur  Thür  bertin  und  läßt  sie  J>ä  hitüeit  tuieder  «§tn  $idm,) 
Prorector.   Rössing,  wo  bleibt  er  so  laitg?  Er  holt  gewiß  ahch  «lie 

Spieß-Gerte  besucht?  He? 

Rösssing.    ich  wor  ahch  net  bcy  de  Spiel>-üertc. 

Prorector.   Hy  mer  sieht  ders  jo  an,  dab  de  weh  her  gerennt  kommst. 
Rössing.  .\h,  do  is  die  hoch  Trepp  schuld,  do  werd*s  ahm  immer  beiß, 
biß  mcr  ruf  kommt. 


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—  ai  — 


Prorector  (der  jf^t  erst  bemerkt,  daß  die  Thür  offen  geblieben  ist),  Üh  Jung^ 
willstc  gleich  die  Thür  zunuche. 

Rö  SS  in  ff.  Ich  hob*  sc  net  uffgemaeht. 

Prorector.  Wos  Jungl  Jen  michsiese  gleidi  de  AhgebUk  jcu»  odder  de 
kriest  r\\'3h  Hieb. 

Rössing.    Ich  mach  sc  ahch  net  zu. 

Prorector.  Decurio  hohl  er  mer  eraol  en  Stok  (Decttrio  bringt  ihm  «mm). 
Rdssing.  Des  will  ich  emol  sehn.  Ich  hob  die  Thür  net  ufgetnacht,  so 
kann  ich  se  ahch  net  /umache.  Ich  bin  jo  net  Decurio. 

Prorector    I'v  Jung,  wer  hott  se  dann  ufgetnacht? 

Rössing,    ich  wahs  neu 

Textor.  By  Herr  Prorector,  es  kann  jo  ahner  von  dene  wfitheiute  See- 
Orkane  geweht  höbe.  Ah,  mer  höbe  jo  Exempel,  daß  ä  solcher  ganse  Heeresflotte 
Caput  gemacht  hott,  warum  soll  denn  der  so  c  ahnfällig  Thür  net  ufberste  könne. 

Prorector  (fmiit  dem  TfXtor  ühcr  die  Schulter).  Halts  Maul,  ahnOnijjor 
Jung.  Ueberau  muß  dein  ahntällig  Gewasch  angebracht  warn,  wanns  ahch  gleich 
wie  ä  Faust  ufs  Ahg  past 

Rössing.  Ach  wos  e  schöner  Vergleich. 

Prorector.  Ich  glab,  de  spottst  ahch  noch,  Jung?  Müller.  Calfacier,  mach 
er  coiol  die  Thür  je^t  ^-ii  (Müller  ihul  es).  So.  jezt  sinn  mer  allahn,  mer  muß 
bicli  bcliäme,  wanns  jemand  hört.  (Geht  aiij  Hossing  ;u  uii  giebt  Uim  \wey  Hiebe.) 
Da  Jung,  des  is  vor  dein  satanisch  Kekheit. 

Rössing.  Des  is  kahn  Kunst,  ahn  ae  schlage,  der  sich  ii«t  wehre  kann. 
Aber  es  hott  mer  Joch  nei  weh  gethan. 

Prorector  (ia  IVuih).  Sich.  Jung  —  {gaH\  gelasuu)  doch  ich  will  mich 
nor  massige  — 

Textor.  Missigung  hat  Gott  Heb. 

Prorector  (c^iiif  auf  Texlor  achten,  Jährt  gegen  Rössing  fort).  Sich  Jung, 
Ju  h.ittst  Widder  Schlaf:^  verdient,  aber  ich  seh",  die  helfe  für  dein  teuflische 
Muihwillc  alle  nh.  denn  liein  L:ihdwc«.e  fihcr  dtc  verdiente  Bcstr.Lifunf;  -^cigt  sich 
net  emol,  wie  bcy  annerc  junge  l-eui,  die  ncici»  a  (Jeluhl  höbe,  in  em  l'hrane-Cjuß. 

Rössing.  Ja,  do  werd  mer  ahch  noch  flenne,  wann  mer  nix  gethan  hat. 

Prorector.  Schrey  nor  als  fort.  Aber  ich  wahs  e  Mittel,  dich  ze  zähme. 
Do  i£>  ä  gewiß  Hiiufv  wo  lc!i  heut  noch  vorhcy  geh',  do  wär  ich  dein  scbö 
Utführung  schildern  und  de  werst  schon  dein  Lolin  dahin  kriee. 

Rössing.   Och  ja! 

Prorector.  Hältste  des  Maull  ($€lfwmgt  nn^e  ZeU,  JUam  fährt  er  ge^ 
lassen  gegen  Rössing  Joel.)  Sich  er,  Männchc,  er  hott  kahn  falsch  Herz,  un  der 
Sat.m  Iiott  biß  je/t  noch  net  sein  Wohnung  in  em  ufgeschlnge.  Wend  er  doch  die 
gute  Gabe,  die  en»  der  Herr  verliehe  hott,  gut  an,  un  hüt  er  sicli  vor  so  i  Paar 
teuflische  Seele,  die  en  in  ihr  Complott  gc/oge  habe.  Die  hetie'n  uf,  un  bey  seim 
satanische  Ldditsinn  on  eingefleischte  Muthwilte  Is  es  dann  bah  Wunner,  wann  des 
ins  Oehl  gegossene  Feuer  gleich  lichterloh  brennt. 

Tcxtor.   No,  der  hott  emol  a  Straafpredigt  gehalte  kriet,  die  war  rar. 

Zweyter  Auftritt. 
(h/tähr  tritt  heretn.  Um  sieht  an*  Tahais/tfeip  aus  im  Sah,) 
Prorector.   A,  geh  emol  her,  Möller,  wos  gukt  der  dann  do  aus  dem  Sak? 

Müller.    Ah,  wos  werd  mer  erausguke? 

Prorector.  Gehste  gleich  her  (er  nimmt  ihm  die  PJeiffe  aus  dim  Sack  und 
legi  si*  m  sohlen  Sdirtmk), 


^    22  — 


Prorector.   Bistc  ahch  ahner  von  dene  Bierlemplcr.    Do  höbe  mcr  a  Paar 
die  müsse  immer  die  Nuddel  im  Maul  höbe.  Die  Peitf  will  ich  dem  Herr 
Recior  gebe. 

Möller,  ftfir  nct  so,  die  Pciff  gdiört  meim  Vater,  ich  soll  wos  dran 
mache  losse. 

Prorector.  Do  hoste  se  dießmal  wtdder,  aber  toß  mer  se  aus  der 
Claß  wek. 

Tex  tor.  .\h,  was  thut  dann  des  wann  mcr  ä  bißi  Tubak  rahclit,  do  vergeh» 
ahm  }o  die  Grille. 

Prorector.  Du  must  immer  ddn  drey  Heller  denugebe.  Du  bist  ahch 

.ilincr  von  de  feine. 

(von  Holthausen,  Daimer,  Rössing  umi  Kisseudtn  haben  unter  der  Ztü  ein  Stück  Dithi 

los  gearbeitä.) 

von  Holzhausen  ^lommi  mä  einem  DtMstdei  auf  den  ProreOcr  tos)  Ach, 
Herr  Prorector,  do  hob  ich  unner  meiner  Bank  en  Diehl  gefumie,  soll  ich  en 

enaustnige? 

Prorector,  Mannclic,  Männciic!  V.t  iiuti  mcr  do  iiinne  ncy  dem  Muth- 
wille  gesesse !  Ich  glab',  ich  glab'  —  Sich  er,  Junker,  er  is  so  a  brav  Männchc, 
<itell  er  jezt  den  Diehl  an*n  Obe  un  sc/  er  sicii  bey  mich  hieher  (er  fast  ihn  hn 
der  Hand  und  lirhl  ihn  ritl'ftt  sich  auf  die  Bank  niedrr). 

Textor.    Net  wohr,  Herr  Prorector.  mer  höbe  bald  Jolunneum? 

Prorector.   Hahs  Maul,  v/as  wahs  ich. 

Kissewetter.  Feto  veniam  exeundi,  statim  redibo. 

Prorector.  No  wist  er  wos,  geht  lieber  all  enunncr,  aber  kommt  mer 
L;lt.ich  Widder,  .MIewci!  !■>  es  gerod  m  Minute  iibcr  lo  Uhr,  wer  mer  in  s  Minute 
nct  Widder  kommt,  den  uotir  icli  uti,    (Alle  /aufm  fort,  der  Proredt^  geht  nach.) 

Dritter  Auftritt. 
(Der  Prvector  kommt  u-ifdn  herein,  dan-i  ein  Schüler  mich  dem  andern.) 
Kenini ctcr.    Drunne  hott  ahner  des  Genik  gebroche. 
Prorector.   Sich,  cy  wie  wor  dann  deß. 
Schott.  Alleweil  hott  ahner  den  Hals  abgesterzt. 
Prorector.  Halts  Maul,  idi  hob*s  gehön. 

Kissewetter.  Drunne  iß  ahner  vom  Gerttst  gefalle  un  hott  des  Rük- 
kreua  gebroche. 

Prorector.   Schwey  still,  narrichter  Kerl,  ich  hobs  schon  lang  gehört 

Christ.  Herr  Prorector  a  Seckbächer  Jung  hots  Bahn  gebroche. 

Brinkmann.  Ach,  es  is  net  wohr,  er  hott  Hals  un  Bahn  gebroche,  luer 
kann  en  jo  niet  Bcseni  zusammenkehrn. 

Rössiii  iT-  Ach  Herr  Prorector,  drunne  hott  sich  e  Manu  de  Kopp  ganz 
zesammcstörzt.   Alleweil  kehre  se  die  Stöberchc  Hernscbaal  zesamme. 

Alle.  Ach  es  is  net  wohr,  er  hott  sich  nor  e  Blohmobl  gefalle. 

Prorector.  Halts  Maul,  ihr  Junge,  jext  sag  id»  euch.  Wos  is  des  vor  ä 
ahnßlllg  Geschwäz.  Es  is  übel  genug,  do  is  wos  ze  lache  d.ibey,  wer  wahs  "vte«; 
euch  niorpe  frcht.  Mcr  hot  jo  Fxempel,  dnf'  f.eut  in  der  Siubb.  uff  gleicher  Erd 
Hals  uu  Bahn  gebroche  habe,  do  kann  jo  des  icicht  gcscliehc  sey. 

Vierter  Auftritt. 

Kemme t er.   Dominus  Prorector,  habe  mcr  lieui  kahn  Variation? 

Prorector.  Vor  was  soll  ich  mcr  die  Muh  i;ebe,  wann  dcrs  doch  tict 
macht.   Do  sinn  so  ä  Paar  dumme  Kerl,  die  von  der  Neuerungssucht  uigeblosc 


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sind«  die  loSSC  sich  immer  von  sn  i  Paar  annere,  die  .i  Passion  ^cgc  inich  habe, 
weil  ich  cn  net  geholte  hob.  inspirirc,  daß  se  immer  des  Cnntrarc  thun.  Ich  will 
ober  doch  ahn  an  die  Tafel  schreibe  losse,  über  nor  vor  die  Kcchtächaßcnc.  Keni- 
nieier  geh  er  eniol  her,  un  schreib  er  ämol  dh  utf. 

Kern  m  et  er.  Wo  iß  dann  Krdde? 

Fresenius.  Ab,  «e  is  all! 

Prorector.  Ich  wähs  net,  wo  die  Kreide  ali  hin  kimmt.  Mer  höbe  jo  vor 
A  giiaz  halb  johr  kahft. 

Schott.   No.  ich  will  den  Mittag  widder  mitbringe. 

Rössing.  No,  do  midist  de  dich  ahcli  verdient  utn  die  Clafi. 

Prorector.  Do  hob  ich  noch  ä  tnlH,  schieib  er  emol  Kcmmeter:  Muhi 
discipuii  gratiam  non  retiilerunt. 

Texior.    No  des  past  jeii  recht  utt  die  jetzige  Zeit. 

Prorector.   Halts  Maul,  Jung,  sonst  xeig  ich  der  den  Weg. 

Kern  m et  er.  Gelte  se  Herr  Prorector,  morge  habe  mer  kahn  Claß,  weil 
dies  solennis  ts? 

Textor.    Ach  ja.  morgen  is  L'tr.irt. 

Prorector.  Nix  do,  ich  waijs  wies  geht.  I;s  hott  sich  alich cuiol  aCiruser 
druber  uHfgelialte,  daß  sein  Sfthnge,  des  zu  mer  gange  is,  ihm  sagte,  es  wir  kahn 
Claß.  Ich  hob  en  ober  davor  geawikt,  denn  er  hott  mer  eniol  drey  Stunn  allah 
do  sitae  un  den  Julium  Caes^em  öbcrsetxc  müsse,  da  hott  ers  empfiinde. 

TeN  to :  .  Des  war  rar,  denn  alle  gute  Gebrauch  sinn  dorch  so  in  ahnfaltige 
Jung  abgebracht  wem. 


Fünfter  und  letater  Auftritt. 

Stell  wag.  Pulsai  {Hodau^  sUht  vor  der  Thür  und  schreyt  hitiriti:  Iis  brennt!) 

Prorector.  Lahft,  lahft,  bhft  -  Wo  iß  es? 
(Deeuiio  Texl<tr  last  drn  Schiank  offniilt'bnt,  wo  mtrr  dir  AbufunheU  der  Schüler  der 
Prorektor  die  :^aitie  DinUbouteiUf  ami^eltrit  bat.) 

Kisse weiter    (und  noch  einige  a$idere),    Es>  ib  auß,  es  hott  nor  im 
•Sclioriistalm  gebrennt. 

Textor  (und  etßehe  andere  kommen  tmh  tind  nach  der  Stühe  bittein  —  ein  feder 
vir  fit)        iß  auß. 

Prorector.  Mer  lernt  Joch  bey  jeder  Gelegenheit  die  'vch;u!defr(ili  kenne, 
die  ordentlich  ihr  Plaisir  an  so  em  Unglük  höbe  könne.    No  schreibt  |e/t  (ort. 

Kemmeter.  Des  is  }o  lauter  Satz  in  dem  Dintefasa,  do  kann  ich  net 
niet  schreibe. 

Prorector.   Wo  ist  dann  der  Decurio?   Textor  geb  er  dem  emol  Dinte. 

Testnr.  Obstuhesco f  Ach  Herr  Prorector,  all  unser  Dinte  iß  fort,  unser 
Prtichtbeflissenheit  werd  uns  so  schlecht  belohnt. 

Stell  wag.  Des  muß  doch  so  ä  rechter  Satanskneclu  ^cwcse  sey  — » 

Textor.  Wann  ich  nor  den  schlechte  Kerl  herausbringe  könnt. 

Prorector.  Halt  nor  des  Maul.  Worum  giebt  der  Decurio  net  besser 
.Vdit  utT  sein  S.Rhe. 

Kcmmeter.    Den  sollt  mer  wie  en  Ivirche-Räuber  bestrofe. 

T  e  X  to r.  In  meine  Ahge  is  des  i  schlechter  Kerl,  er  mag  ahdt  sey,  wer  er  will. 

Prorector.  No  jezt  iß  es  ze  spit,  daß  ich  eudi  des  Exerdtium  dictire. 
Mer  wolle  lieber  die  Frankfurter  Grammatik  noch  i  wenig  durd^ehe. 

Textor.  Des  is  jo  e  alter  Schinke. 


I 

■ 

I 


—  H  - 

Prorector.  O  du  ahoAlligcr  Jung.  Wuiii  du  die  Gtimiititik  keontit,  do 

wärst  de  geborge. 

Tcxtor.   O,  do  höbe  mer  noch  viel  bessere 

Prorector.  Ja  des  mahnt  ihr  nor.  Do  gehe  se  her  un  schreibe  die  pm 

ab  un  hänue  nor  ä  neu  Mantelchc  drOber.   Democh  hähst's,  der  hott  ä  Grammatik 

geschriebf.  Do  wolle  alicii  iiiaiiclie  den  Dan/  verachte,  im  ich  wjhs,  wie  ich  noch 
syrische  un  arabische  Gramnutike  corrigirt  hob,  daß  des  mehrst  aus  dem  Daiu 
ge&tohlc  war. 

Textor.  Adi  die  Classe  sinn  aus. 

Prorector.  Wart!  ich  will  enio!  uff  dtC  Uhr  Jiehn.  NS'anns  Zeit  if».  ilo 
iß  gut  Ja  CS  iß  recht  —  Hleibi  all  uff  eueren  IMatzcn  bif'  i;ehcht  ifv  Stark 
bebt  cniol  —  Halt  ein  —  do  spielt  widder  so  n  dummer  Jung  mit  dem  Buch  — 
Noh,  jezt  geht  —  Wer  mer  morge  truh  iiei  pracis  Jo  is,  den  schreib  ich  als  abseni 
ttff.   (Alle  SMkr  gdm  fort,  der  PronOor  näA.) 

Ende. 


Das  Weissen  des  Secunda-Zimmers 

oder 

Schilderung  eines  Winter -Freitag -Vormittags 

im  Jahre  ijqi. 

(Der  Proreclor  sUUl  sich  punktltch  acht  Vbi  in  Srcuiuia  ein  «/»</  trijft  von  Schülern  iin: 

Bayer,  Rodauf^,  Mcbr  und  KisseimUer.) 

Prorector.  Brav  ihr  Mftnnercher»  daß  %r  euch  nebt  pfficlitbeflisien  sdiun 
eingestellt  hobt.  Daran  tonn  mer  redit  sehen,  wer  auf  Ordnung  häh.  Jetc  seixt 
euch  nont  ganz  vom  hin  uf  die  erst'  Bank :  wer  nachkimmt,  der  mog  anschlicsscn. 

(Textor  kommt^ 
Prorector.   Textor!  schließ  er  an. 

Tex  tor.  Dos  loß  ich  bldwe;  do  is  mein  Plau  nett  Ich  gdiAr  uf  twabt  Baak. 
Prorector.  Textor!  halt  er  hübsch  uf  Ordnung  und  sdtließ  er  an  die 
annem  an. 

T  e  X  t  o  r.  Do  sit/.  ich  obber  nie.  Doch  weil's  lime  ein  Gdalle  is,  so  will 
ich  mich  hin  seue. 

Rodaug.  Herr  Prorector!  was  babben  mer  dann  heut  dererst? 
Prorector.   Das  zeigt  von  ahncr  grossen  LidJerlichkeit  bei  eni ,  daß  er 

dos  nct  emo!  w.ihO  un  geht  doch  schun  über  lohr  und  Tog  novli  Secunda. 

Rodaug.  Mer  hatte  ewe  «?estern  e  (lusscleich'  un  do  bin  ich  etwos  spot 
luhmkomme.    Do  kann  ich  mich  net  mehr  recht  besinne. 

Prorector.  No,  nemmt  jetst  euern  Julium  Caesarem  vor:  wir  stehe  in> 
sechste  Buch,  am  21.  Kapitel,   No,  Ra\er,  fang  er  an.  —  (Rössii^  iommQ 

Rössiiit;.    ^^'nrunl  is  dann  der  Ti^cli  so  narrii;  sclirä  «cslellt^ 

Prorector.  Di«  host  de  dicli  nix  drntii  /u  bekuninieri' •  i!es  i^eschieht. 
damit  ich  euch  all'  recht  ubcrseen  kann,  dann  du  bist  alich  aiincr  von  de  leine. 
No  halt  norr  Ordnung  un  schließ  an. 

(Mliftr  äberseiil  im  Cäsar:  qui  diutissime  hnpuberes  permanserunt,  maximam  inter 
suOS  ierunt  laudeng:  welche  am  längsten  unmündig  geblieben  snid,  tragen  bei  den 

llirigea  das  größte  Lob  davon.) 


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2$  — 


Kissewetter.    W05  will  dann  der  Cäsar  domit  söge? 
Prorttitor.  Dos  will  er  söge:  Je  länger  abner  bei  de  ake  Deutsehe  Jung» 
gesell  gebliwe  is,  desto  mehr  hawe  se  uf  cn  gehahe.  —  (Ddbmer  kommt.) 

Dahnier.  Ach,  Herr  Prorcctor!  wos  ßicbts  nett  so  scheene  weisse  Kakh 
Ul  cm  Kcrche-Platz,  ^clln  Sc,  do  h;ihb  ich  e  Stück  niitgobroclit  — 

Bayer.  Jo,  wahrlich  Herr  Prorector!  so  kahn  scheenei  Kalch  is  mer  noch 
nett  vorkomine.  Wann  Se's  erlahwe  so  vnJl  ich  die  rothe  Flecke  do  oben  an  der 
Deck,  die  die  ganz  Klass  verschänne,  demiit  eraus  mache.  Dehahm  h.ibb  ich  e 
Dippc.  Jt)  lösch  ich  den  Kalch  drinn,  dann  kahf  ich  mcr  cn  Henrcl  hchv  Berschte- 
binncr  K.^lh  in  der  Neu-Gass  —  (awer  versieht  sich  von  selbst.  Herr  IVorector! 
des  Gclu  dcrvor  gewwe  Se  mer  aus  deni  Fiscus  — )  un  Überlahr  derniit  die  Flecke: 
wobei  ich  dann  doch,  ohne  in  Cisar  au  gucke,  alles  so  anhöre  kann,  als  wenn  ich 
cnein  gucke  deht. 

Prorector.  Jo,  Bayer!  do  hott  cr  recht.  Mach'  ers  so,  dann  macht  er 
sich  ahch  um  die  Klass  verdient. 

Bayer.  Awer.  Herr  Prorector!  um  die  rothen  Flecke  cr.»us/ubrii»gc,  muß 
ich  mich  dort  hinne  uf  den  Disch  stelle  un  den  Kalch  im  Dippe  Idsche.  ^ 

Prorector.  Des  thu  er  norz  Bayer! 
f  .4llc  Schült  r  lächt'ln  und  ßüsleni  verstohlen  ivegeit  des  posiierlichen  Anssehein  des  Hayer, 
iftdem  dieser  mit  einem  vor  die  HoSf'n  .gesteckten  Taschentuchc,  und  einem  atten  ver- 
l^gctun  Topfe  und  Pinsel  in  den  Händen  an/tritt,  —  Als  aber  der  Top/  unier  einem 
knal/dhntUÄen  Ctfi^  ptot^Hcb  xerspringt  ut$d  desstn  ga»xer  Inhalt  mf  dm  Boden  v»t 
SfCUnd»  sith  verbreitet,  da  hrit  ll  i-in  schallendes  Gelächter  unter  den  Schülmt  aus.) 

Prorector.  Ich  h.itt'  Joch  mehr  M.innlichkeit  von  den  Secund.Jnerti  erw;irtel, 
als  dai.^  sie  iwer  so  ebbes  lachen  thaten.  Awer,  Bayer !  was  lange  mer  jelJt  an, 
«io  liäbOt's  warhaftig:  aqua  haeret,  die  Ochse  stehe  am  Berg  » 

Bayer.  Mir  net  so,  Herr  Prorector!  Es  hott  gor  nix  zu  sage;  wisse  Sc 
was.  do  mer  doch  emol  angefange  die  Klass  zu  weisse,  so  woWc  mer  ^an/  Sccunda 
anbensele,  es  geht  in  ahm  hin  un  dadurcl)  knntnt  ahch  der  Kalch  von  der  Erd  weg. 

Prorector.    Jo,  do  Iwt  er  Recht,  mach'  er  jetzt  norz  fort.  — 

Bayer.  Herr  Prorector!  jetzt  bin  idi  da  hinne  fertig,  ich  muß  nun  vorn« 
hin  un  die  annctn  ehinncr  gelte,  damit  ich  fertig  weren  kann.  Sehe  Se,  es  mecht 
9i<h  cecht  faibsdi. 

Prorector.    Recht,  Männche! 

Kissewetter.    Awer,  Herr  Prorector!  wer  kann  do  ehinner  gelie?  der 
Dtsch  b  putsditröppelnaß,  do  verderbt  mer  Bicher  un  KUhder.  — 
Mohr.  Mer  setae  uns  nett  dahin. 

Prorector.  No,  wißt  cr  was,  Miinnerclier!  tragt  den  Disch  uf  den  Vorblazx, 
ein  ts  c  alter  Lumpe,  macht  den  drunne  an  der  Pump  naß  un  wischt  demitt  dett 
Uisch  ab,  awer  macht  kahn  so  arge  Spektakel  wegen  de  Herrn  Kollege. 
{"Unttr  dem  lärmendsten  Jubel  tragen  die  SdÜter  den  Tisdi  aus  Seatnda  at^ den  Voiplut^, 
^ferriditen  das  At^em'esene  und  brit^en  ibu  Aen  so  lirmend  nach  Seeunda  lurtäck.  Anf 
dem  Vorplätze  trifft  mit  ihnen  zusammen  der  Primaner  Feuirh.ich.) 

Feuer  b  ach.    Proh  Deum  et  honiinum  fideni!  w.is  treitn  ihr  denn  da? 

Kodaug.  ücheiß  des  Prorectors  liaben  wir  Seeunda  geweißt,  drum 

»•cht  der  'Usch  so  aus. 

P  euer  bac  h.  .\ch,  so  was  Dummes  werdet  ihr  mir  doch  nicht  aufheften  wollen. 

Textor.  Ich  schwöre  dir  den  kraftvollsten  Eid  beim  Styx,  dass  die  Sache 
richtig  ist 

Feuerbach.  Üa  ich  nhnediel)  nach  Prima  gehe,  so  muß  ich,  pour  rarit6 
du  fait,  augenblicklich  die  Sache  dem  Herrn  Rector  melden  (gdH 


—    26  — 


Kt^tor  l'iirrmann  (mit  Vi<!!rtit  Cni^fstüm  ohnr  an-uifopffn  in  SfiunJu  rin- 
trrUttJ,  ;/i»H  l'ronrtor).  Ki,  Herr  l'rorecior!  icli  höre,  dab  i>ie  durch  die  Secundancr 
die  KJas»e  weissen  lassen;  statt  dessen  köiuien  sie  aber  dodi  wahrlich  etwa» 
Zweckmäßigeres  treiben.  Das  ist  kein  Geschäft  für  Secundaner. 

r  I  o ;  c  1 11  r    J.i,  sie  hawe  sich  von  selbst  derzu  erboite. 

Kcctor.  Pah!  Possen,  wenn  so  etwas  nöthig  sein  sollte,  zeigt  man  e5 
aul  den)  Kau-Amte  an.  da&  ohne  Austand  das  Nöthige  besorgen  wird.  (Gehl 
äusserst  wt^ujricdt  n  ab.) 

Prorector  (ntub  Ent/ermu^  des  Seäars).   Do  kann  mer  redit  sehe,  wie 
stets  Undank  der  Welt  Lx)lin  is.    Wir  mache  uns  %'crdient  um  die  Klass,  daß  nur 
«•che  mii  c'iserni  Flahsch  un  Blut  tj!eich»-nni    widder  in  gute  Stand  stelle,  ohiK 
Bau-Ann  odder  Rcchenei  ebbcs  zuzuniuthe  un  dodcrvor  —  —  —  —  —  —  —  — 

Aber  loßt  norz,  die  Strof-Gerichte  Gottes  bleibe  doch  net  aus  bei  so  SatanskRcchte, 
die  nor«  der  SQnde  fröhne. 

B.iver.  Herr  Prorector!  es  is  gleicli  elf.  ich  niul^  in  die  Mathematik  mm 
Herr  Lambert;  mit  Jcm  Weisse  der  Klass  bin  ich  ganz:  tcrtig;  jct  t  niiN'.e  Se  uiit/ 
sorge,  dass  bis  de  Mittag  drei  Uhr  olles  irocuc  is,  weil  der  Herr  Recior  wc^cu 
des  Tercnz  gerade  um  die  Zeit  hieher  kimmt. 

Prorector.  Ja,  Männche,  do  host  de  freilich  recht.  Geh  norz  hin,  wdl 
de  fort  niul  t.  —  (Zu  dfu  an-l-rn  Sr'-af^-nr)  .\\\xr,  ihr  Leutchcr!  wie  fange  mer's 
an,  dass  der  Herr  Recior  den  Mittag  nix  mclir  von  unscrm  Weisse  spürt. 

Textor.  Herr  Prorector!  die  gan/e  Klass  is  ahn  Nass,  die  Deck,  die  .Scuc- 
wand,  ja  sogar  die  Erd;  daher  is  mem  Gedanke,  do  heut  kahn  französch  Stunn 
is  von  elf  bis  zwölf,  so  muß  der  Kalfaktor  Rodaug  noch  e  Klötsi  in  Owe  kge, 
damit  alles  gehörig  trockent,  hernach  muß  der  Decurio  Dahmcr.  wegen  dem  Dunst, 
alle  Wachholler-Korner,  die  norr  im  Schrank  sin,  hergewe  un  cn  R:ih'^  imche.  daß 
nier  sich  selbst  net  sieht,  un  dann  die  Penster  öffne,  daß  alles  heraub/iehi  su 
werJ  sich  der  Herr  Rcctor  gewiß  net  besdiwere  könne. 

Prorector.  Du  host  Recht,  ehrlicher  Texter?  Do  kann  mer  die  Recln- 
scharteiie  kenne  lerne,  die  es  trci:  v.n  rcdiich  mit  ihrem  Lehrer  mahne.  No,  Rodaug! 
log'  er  nocli  e  Klotzt  an  un  Daluner,  mach  cr's  so,  wies  gesogt  worn  is,  mit  de 
Waciihollerkörner. 

Rodaug  und  D ahmer.  Ja,  Herr  Prorector. 

Prorector.  No,  ihr  Lcut,  ich  verlaß  mich  druf,  daß  ihr  hübsch  Ordnung 
halte  werdt.   (Gd^  tih.) 


\\\r  war  nun  der  Verfasser  dicsL-r  Stücke?  Der  X'olk.sniund 
bc/cithnete  stets  die  n.uh  der  Titeltit;üi  .an  meisten  hervortretende 
Person,  den  StA-unJ.incr  1-.  K.  L.  Textor,  ,ils  X'eit.isser,  und  wir 
können  auch  den  Beweis  dafür  antreten,  nieh  den  Worten  des  be- 
kannten Operntextes:  Und  er  ist  der  \'.uer,  er  sa^t  es  ja  selbst. 
Der  Zeuge  für  diesen  Beweis  \>i  kein  ^erini;erer  .ils  Textors  ueuer 
Schüler,  der  irefVhclie  .Meister  des  Frankfurter  Dialecies:  Friedrich 
Stoltze.   Wenn  die  Prorectoriade  nicht  schon  durch  ihr  Altci  einen 


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-     27  - 


Anspruch  aaf  Beachtung  hätte,  nicht  schon  durch  ihre  unübertreffliche 
Komik  das  Interesse  des  Lesenden  gewönne,  so  würde  der  Umstand 
dem  Stucke  stets  in  der  Frankfurter  Literatur  einen  hervorragenden 
Platz  Verschaflen,  dass  es  der  Ausgangspunkt  geworden  ist  für  Stoltzes 
dichterisches  Schaffen. 

Emil  Neubörger  sagt  in  seinem  Aufsatz  Ober  Friedrich  Stoltze, 
der  in  dem  Buche  »Aus  der  alten  Reichsstadt  Frankfurt«  CFrank- 
furt  1889)  enthalten  ist,  S.  152  von  Stoltze: 

«Auf  die  Dialectdichtung  kam  er  durch  seinen  Lehrer,  Professor 
Textor,  den  Verfasser  des  »Prorector« ,  des  ältesten  Frankfurter 
Lokalstöckes.  Als  dieser  wahrnahm,  wie  sehr  sich  sein  Schüler 
seines  Werkes  freute,  und  wie  eifrig  er  sich  im  Dialecte  übte,  unter- 
richtete er  ihn  im  Frankfurter  Idiom,  schrieb  ihm  eigens  ein  Wörter- 
buch und  eine  kleine  Grammatik  und  führte  ihn  so  eifrigst  in  Geist 
und  Wesen  der  Sprache  der  geliebten  Vaterstadt  ein.« 

Friedrich  Karl  Ludwig  Textor  war  am  15.  November  1775 
zu  Frankfurt  geboren  als  Sohn  des  Schöffen  Dr.  jur.  utr.  Johann 
Jost  Textor,  des  Bruders  der  Frau  Rath  Goethe',  und  dessen  Gattin 
Maria  Magdalena  Möller.  Am  28.  April  1784  wurde  er  in  die  Sejtta 
des  Gymnasiums  aufgenommen  und  hat  dieselbe  noch  im  Sommer 
1786  besucht,  da  bei  der  damaligen  Herbst^Progression  die  Ehre  der 
Dedamation  ihm  als  Sextaner  zu  Theil  wurde.  Auch  sein  weiteres 
Aufsteigen  im  Gymnasium  muss  nicht  ganz  regelmässig  gewesen 
sein.  Seit  dem  Herbst  1791  war  er  in  Secunda,  wo  er  noch  1793 
im  Sommer  sich  befand,  und  in  welcher  Klasse  ihn  am  19.  Sept.  1792 
der  Tod  seines  Vaters  traf.  Dass  er  einmal  zeitweise  von  der  Schule 
weg  war  und  später  wieder  eintrat,  lässt  sich  aus  den  entsprechenden 
Worten  des  Stückes  schlicsscn.  Wann  er  die  Schule  definitiv  ver- 
lassen hat  und  auf  welche  Hochschule  er  sich  zuerst  gewendet  hat, 
lässt  sich  nicht  angeben.  Im  Herbst  1797  ward  er  zu  Tübingen 
(vielleicht  im  ersten  Semester  stehend)  immatrikulirt.  Im  Mai  1800 
machte  er  dort  seinen  juristischen  Doctor  und  habilitirte  sicli  gleich 
als  Privatdocent.    Im  Jahre  1805  verheirathete  er  sich  mit  einer 


».  Die  Vcticrscb.ift  scheint  von  Go«tlu»  Sehe  nfcht  sehr  gepflegt  werden  zu 
•«ein;  Jic  einzige  Beziehung  bicicn  die  Worte  (Joethes  :uis  einem  Briefe  an  R.uli 
Schlosser  in  Frankfurt  von  lahrc  i8il  dar  :  des  Herrn  Prolcssui  l  exior  in  I'übingcn 
werde  ich  nicht  ennangeln,  gehörigen  Orts  zu  gedenken  (Frese,  Goetlie- Briefe 
aus  Fiitx  Schlossers  Nachlasse,  Stuttgart,  1B77,  S.  41).  Eine  Folge  ßlr  den  in  be- 
drängte Lage  geratbenen  Textor  hat  dieser  gute  Vorsatt  Goethes  anschdnend  nicht 
gehabt. 


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Tübinger  Kaufmannstochter  Sophie  Friederike  Gess»  die  ihn  mit  zwei 
Söhnen  und  einer  Tochter  beschenkte,  im  Jahre  1815  aber  bei  einer 
unglücklichen  Entbindung  das  Leben  einbüsste.  Bald  nach  seiner 
Verheirathung  bewarb  er  sich  ohne  Erfolg  um  eine  ausserordentliche 
Professur:  die  Fakultät  sprach  sich  gegen  seine  Ernennung  aus,  da 
er  noch  nichts  geschrieben,  sich  auch  im  »praktischen  Fach«  nodi 
nicht  geübt  habe,  wenn  auch  seine  Vorlesungen  nicht  ohne  Beifall 
geblieben  seien  (Düntzer,  Das  Geschlecht  Textor,  Grenzboten  1888, 
II,  278  if.  nach  Mittbeilungen  aus  Tübingen).  So  wenig  wir  dem 
Einwand  der  Fakultät  bei  den  damaligen  verknöcherten  Universitats- 
verhähnissen  einen  gerechten  Vorwurf  gegen  Textor  entnehmen 
können,  so  sehr  spricht  der  Beifall,  den  seine  Vorlesungen  nach 
diesem  Zeugnisse  fanden,  für  seine  Leistungen:  er  glaubte  seiner 
Wissenschaft  besser  zu  dienen,  wenn  er  sie  in  lebendigem  Vortrage 
den  Zuhörern  nahe  brachte,  als  wenn  er  die  damals  schon  übergrosse 
Zahl  der  Compendien  um  weitere  Exemplare  vermehrte.  Bis  181  j 
war  Tcxtor  in  Tübingen  geblieben,  aber  die  Privatdocentenwurdc 
und  die  später  doch  erlangte  ausserordentliche  Professur  hatte,  bei 
dem  Rückgange  den  die  Universität  während  der  langen  Kriegsperiode 
n.iliiu,  die  Zubusse  seiner  ganzen  elterlichen  Erbschaft  gefordert,  und 
als  Tcxtor  am  5.  Juli  181 3  den  Eid  als  Advocatus  Ordinarius  in 
setner  Vaterstadt  leistete,  sah  er  sich  lediglich  auf  seinen  Verdienst 
als  solcher  angewiesen.  Wenn  auch  unter  normalen  Verhältnissen 
bei  haushälterischer  Einschränkung  derselbe  auiveichend  gewesen 
wäre,  die  Familie  zu  ernähren,  so  ging  bei  der  grossen  Zerrüttung 
des  Wohlstandes  der  gesammten  Bürgerschalt  durch  die  lange  Kriegs- 
zeit kaum  die  Hälfte  der  ausstehenden  Gebührenforderungen  ein,  und 
Textor  verstand  es  nicht  im  mindesten,  seine  Ausgaben  den  Ein- 
nahmen anzupassen,  ja  er  brachte  es  sogar  nie  dazu,  über  seine  aus- 
stehenden Forderungen  Buch  zu  führen,  und  das  raschere  Eingehen 
derselben  energisch  zu  betreiben.  So  sah  er  sich  denn  im  Jahre  18  r6, 
aU  durch  den  Tod  seiner  Frau  sein  häusliches  Glück  zur  Rüste 
gegangen  war,  auch  zugleich  dem  völligen  wirihschaftlichen  Ruin 
gegenüber.  Der  erkannte  Concurs  bedeutete  auch  die  Aufgabe  seiner 
advocatorischen  Praxis. 

Doch  geistig  ungebrochen  ^ini!  er  aus  der  wirthschaftlichen 
Niederlage  hervor.  Durch  »ünterrichts-MrtlK  iliing  in  deutscher,  römi- 
scher und  griechischer  Sprache  und  den  damit  in  Berührung  stehenden 
Fächern«  haue  er  sicli,  wie  er  selber  sagt,  bald  »eine  wiewohl  kärgliche, 
doch  sichere  Existenz  m.L;rüiidet«,  die  ihn  m  den  Stand  setzte,  für 
sich  und  seine  bescheidenen  Bedürfnisse  zu  sorgen,  während  die 


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Sorge  für  die  Kinder  durch  seine  Verwandten,  namentlich  seine 
Schwester,  ihm  abgenommen  wurde. 

Ich  rouss  mir  versagen,  Einzelheiten  ans  dem  Leben  des  geistig 
bedeutenden,  aber  durch  seine  herben  Schicksale  eigenartig  und 
sonderbar  gewordenen  Mannes  anzuführen.  Seine  geistigen  Interessen 
in  den  letzten  Lebensjahren  hatten  ihn  ebenso  weit  von  der  Juristerei 
wie  von  der  Lokaldichtung  abgezogen :  er  ertheilte  in  den  alten  Spra- 
chen, in  der  Geschichte  und  Geographie  Privatunterricht  und  er 
arbeitete  zuletzt  an  einer  Weltgeschichte,  die  unvollendet  blieb  und  fbr 
die  er  vergebens  einen  Verleger  gesucht  hatte  (Duntzcr  a.  a.  O., 
nach  Mittheilungen  aus  der  Familie);  die  gewaltigen  politischen  Um- 
wälzungen, in  die  seine  jQnglings-  und  Mannesjahre  gefallen  waren, 
die  herben  Schicksale,  die  er  selbst  an  sich  erfahren  hatte,  mochten 
ihn  zu  der  seinem  Studiengang  und  seinem  praktischen  Berufe 
so  wenig  entsprechenden  Arbeit  angeregt  haben.  Wir  haben 
es  in  dem  Dichter  Textor  nur  mit  seiner  Jugendentwicklung  zu  tfaun, 
und  in  dieser  zeigt  er  sich  ganz  als  typisches  Bild  eines  genialen 
Schlingels,  wie  es  so  oft  unter  dem  Einflüsse  einer  laxen  häuslichen 
Zucht  gegenüber  einer  überpedanttschen  und  vor  lauter  Buchstaben- 
gelehrsamkeit zum  Sterben  langweiligen  Unterrichtsmethode  sich  dar- 
bietet. Der  frühe  Tod  des  Vaters  war  Textors  Verderben.  Es  fehlte 
die  starke  Hand,  an  der  er  sich  aus  seiner  jugendlichen  Unbedachtsam- 
keit emporhelfen  konnte  zu  einer  geordneten  bürgerlichen  Thätigkett. 
Sein  reiches  väterliches  Erbe  ermöglichte  ihm,  seinen  genialen  Nei- 
gungen nachzugehen,  ohne  auf  den  Erfolg  seiner  Leistungen  bedacht 
zu  sein,  bis  es  zu  spät  war,  und  er  in  langen,  entsagungsvollen  Jahren 
es  büssen  musste,  da&s  er  in  einem  kurzen  Zeiträume  äusserlichen 
Wohlseins  und  auch  wohl  innerlicher  Befriedigung  mehr  durch  Ver- 
sänmniss  als  durch  Handeln  sein  Lebensglück  aufs  Spiel  gesetzt  hatte. 
Professor  Textor  starb  am  31.  Dccember  185 1  als  Pfründner  der 
Brönnerschen  Stiftung  im  Senckenberg'schen  Bürgerspital. 

So  viel  über  den  Autor.  Wie  haben  wir  uns  aber  die  Entstehung 
der  beiden  verschiedenen  Redactionen  seines  Werks  zu  denken  ?  Wie 
wir  schon  sahen,  war  die  ursprüngliche  Abfassung  zwar  nicht  direct 
gleichzeitig  anzunehmen,  aber  wir  dürfen  sie  uns  auch  nicht  viel 
später  als  die  Ereignisse  denken.  Kacli  allem  gehört  daher  das 
Stück  noch  Textors  Schülerjahren  an,  als  das  Interesse  an  den  durch- 
lebten Scenen  noch  ein  reges  war  und  noch  keinerlei  Rücksichten 
den  übermüthigen  Jüngling  fesselten.  Dieser  frühen  Abfassungs- 
zeil entspicht  auch,  svie  schon  hervorgehoben  win  de,  die  Handschrift 
der  Prorectoriade,  die  den  unverstünmielten  Text  darbietet.  Schon 


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-  p  — 


nach  wenig  über  lo  Jahren  dagegen,  im  Jahre  i8iü,  tiiiden  wir  bereits 
den  verstürnniLhcn  Tcxr  als  ganu  und  gäbe.  Der  Autor,  der  •wahrend 
der  Zeit  in  Tübingen  lebte,  hat  M^her  nicht  selbst  die  H.md  an  sein 
Stück  gelegt,  hat  sich  wohl  überhaupt  in  jenen  Jahren  um  diese 
lugendarbeit  nicht  bekümmert.  Also  wird  wohl  ein  anütrer  die  Verstüm- 
melung vorgenommen  haben,  und  zwar  können  wir  den  1  hater  in 
Frank lurts  Schülerkreisen  selber  suchen.  Nicht  dass  ich  auf  irgend 
eine  bestimmte  Persönlichkeit  Verdacht  iiäite!  Ich  schliesse  es  nur 
.Ulli  der  An  der  Verstümmelung.  Von  den  Schülern,  »die  in  allem 
ihr  Pflicht  so  verkennen«,  sind  nämlich  bei  der  Verstümmelung  Rössing 
und  V.  Holzhausen  gut  weggekommen.  Es  sind  alle  Scenen  und 
Redensarten  gestrichen,  die  ein  unangenehmes  Licht  auf  jenen  werfen 
könnten,  von  letzterem  ist  die  einzige  Scene,  in  der  er  auftritt,  eben- 
falls ausgelassen,  da  sie  nicht  zu  seinen  Gunsten  sprechen  konnte. 
Cui  bono?  Nun  ich  glaube  zur  grösseren  Sicherheit  der  damaligen 
Verbreiter  des  Stücks,  der  Primaner  und  Secundaner  des  Frankfurter 
Gymnasiums,  die  fär  den  Fall  der  Abfassung  mit  der  verbotenen 
Waare,  der  Sache  in  etwas  die  Spitze  abbrechen  wollten.  Denn 
Rössing  sowohl  wie  v.  Holzhausen  waren  inzwischen  angesehene 
Leute  geworden,  deren  Amt  und  gesellschaftliche  Stellung  vielleicht 
zu  einer  schärferen  Ahndung  im  Falle  der  Abfassung  gefobn  haben 
würde.  Auf  Stark  war  diese  Rücksicht  nicht  so  zu  nehmen,  ebenso 
nicht  auf  Fresenius  und  Behrends,  denn  diese  erschienen  durch  das 
Stück  nicht  so  compromittirt  wie  jene*  beiden. 

Wegen  der  anderen  im  Stücke  erwähnten  Schuler  brauchte  man 
keine  so  grosse  Rücksicht  zu  nehmen. 

Kissewetter,  Anton,  Sohn  des  Hutmachers  Joh*  Conr.  K., 
war,  obwohl  ein  Jahr  jünger,  an  demselben  Tage  mit  Textor  in  die 
Sexta  des  Gymnasiums  aufgenommen,  und  hat  das  Gymnasium  ganz 
durchgemacht.  Er  starb  bereits  1806  als  Advokat. 

Fresenius,  Jacob  Heinrich  Samuel,  Sohn  des  Pfarrers  F.  zu 
Homburg  (Bruder  des  späteren  Pfarrers  Remigius  F.  zu  Frankfurt), 
geboren  den  17.  Oct.  1780.  Ostern  1787  in  das  Gymnasium  aufge- 
nommen und  Herbst  1789  noch  in  Quinta,  Ostern  1792  noch  in  Tertia. 
1797  wird  er  wie  Textor  in  Tübingen  als  Stud.  jur.  immatrikulirt, 
am  4.  Nov.  1801  leistete  er  den  Eid  als  Advocatus  Ordinarius  zu 
Frankfurt.  Starb  1864. 

Mohr,  Johann  Jacob  Christian  Benjamin,  trat  im  Herbst  1784, 
sechsjährig,  in  Sexta  ein,  er  war  drei  Jahre  jünger  als  Textor,  trat 
aber  viel  als  Sprecher  bei  den  Progressionen  auf,  so  Ostern  1786 
als  Sextaner,  Ostern  1787  als  Quintaner,  Herbst  1789  als  Quartaner, 


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-  }"  - 


Ostern  1791  als  Tertianer,  Ostern  1792  als  Secundaner.  Sein  Vater 
war  der  Schneidermeister  Johann  Balthasar  Mohr.  Er  wurde  Buch- 
händler in  Heidelberg  und  starb  dort  1854. 

Bisch  off,  Achill  Adam,  gleichen  Alters  mit  Textor  und  zu 
gleicher  Zeit  in  die  Sexta  eingetreten,  Sohn  des  Küsters  Jeremias  B., 
Mitglied  des  Chors  und  noch  im  Jahre  also  im  25.  Lebensjahre, 
Calefactor  des  grossen  Chors,  brachte  es  endlich  zum  Glöckner« 
Adjunkt  an  der  Katharinenkirche  und  Pedell  der  Kirchenbuchs- 
tixpedidon. 

Rössing,  Joh.  Georg,  Sohn  des  Procurator  Johann  Nikolaus 
Alexander  R.,  über  zwei  Jahr  jimger  als  Textor,  aber  doch  schon  * 
ein  Jahr  früher  ins  Gymnasium  getreten,  allerdings  um  es  wieder 
zu  verlassen  und  erst  inSecunda  1790  nieder  einzutreten.  Seit  1799 
Advocat  wurde  er  1816  Senator.  Er  starb  1820. 

Dahmer,  Ludwig,  auch  schon  seit  Ostern  1783  in  der  Schule, 
Sohn  des  gleichnamigen  Kaufmanns;  wurde  wie  dieser  Leinwandhändler. 

M  0  Her,  in  mehreren  Handschriften  als  »dives«  bezeichnet,  viel- 
leicht Johann  Friedrich,  Sohn  des  Peter  Clemens  M.,  der  als  Kauf» 
mann  SchöfT  geworden  war.  Johann  Friedr.  wurde  1785  als  sechs- 
jährig in  Sexta,  dann  noch  einmal  Ende  1787  in  Quinta  aufgenommen, 
er  wurde  Kaufmann  und  führte  unter  der  noch  jetzt  bestehenden 
Firma  Joh.  F.  Müller  &  Co.  eine  bekannte  Weinhandlung.*  Er 
starb  1861. 

Rodaug,  Wilhelm  Carl,  Sohn  des  Schulmeisters  von  Peter- 
weil, am  28.  Oct.  1790  in  Secunda  aufgenommen,  etwas  älter  als 
Textor.  1793  war  er  schon  in  Prima.  Als  Calefactor  gehörte  er 
dem  Chor  an.  Was  aus  ihm  geworden,  ist  unbekannt. 

Bayer,  Johann  Reinhard  (oder  Reinhold),  Sohn  des  deutschen 
Schulmeisters  Philipp  Heinrich  B.  Ostern  1787  in  Quarta  im  Alter 
von  12  Jahren  aufgenommen,  also  älter  als  Textor,  sass  er  schon 
Herbst  1790  in  Secunda,  worin  er  bis  Herbst  1793  aushielt.  Im 
Jahre  1821  erscheint  er  als  Notar,  dann  als  Actuar  des  Graduirten- 
CoUegs  und  Secretair  des  Zeichnungsinstituts. 

Lattich,  Johann  Jacob,  trat,  selbst  schon  10  Jahr  alt,  mit  seinem 
älteren  Bruder  Johann  Philipp  ins  Chor  und  damit  in  die  Sexta  des 
Gymnasiums  ein ;  beide  so  arm,  dass  sie  sich  weder  Röcke  noch 
Mäntel  anschaffen  konnten.   Von  letzterem  hön  man  nicht  viel. 


'  In  Betracht  könnte  nocli  kommen  N'icolaus  Miilicr,  nm  >.  iMai  1787  acht» 
iährig  in  Qjiinta  aufgenommen,  Sohn  des  Kaufmanns  Friedr.  Wilh.  M.  Er  lebte 
spitcr  in  Reinsdorf  und  starb  schon  1809  dortselbst. 


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Johann  Jacob  wurde  Schuhflicker  und  als  Sauerwas$erhändler  zum 
Bürger  eingeschrieben. 

Kemmeter,  Heinrich  Christian,  Sohn  des  Friedrich  Mathias  IC, 
Pastors  in  MitteLsinn,  nach  Frankfurt  gekommen  durch  seinen  Oheim, 
der  als  deutscher  Schulmeister  hier  thätig  war.  Er  war  erst  zu  Ostern 
17  J^re  alt,  in  Secunda  aufgenommen.  1801  zum  Acccssisten 
in  der  Gerichts-Canzlei  emaant,  starb  er  bereits  1809,  verarmt  und 
verkommen,  im  BOrgerspital. 

Müller,  Johann  Heinrich,  der  Calefactor  des  Stückes,  Sohn 
des  Schulmeisters  aus  Heddernheim,  seit  Ostern  1791  Schüler  der 
Tertia.  Was  aus  ihm  geworden,  weiss  ich  nicht.  Der  gleichnamige 
Lehrer  an  der  Musterschule  (seit  18 14;  f  1845)  ^7^7  Meden* 
bach  geboren,  kann  also  unser  M.  nicht  sein. 

Starck,  Ferdinand  Maximilian,  Sohn  des  Advocaten  Dr.  Job. 
Martin  St.,  seit  Ostern  1785  in  Sextn,  drei  Jahre  jünger  als  Textor, 
starb  1857  als  Senator  (seit  1816)  und  Syndicus. 

Schott,  Johann  Christian,  Sohn  des  Papierhändlers  Job.  Rudolf 
Sch.  in  der  Fahrgasse,  seit  Ostern  1786  in  Sexta.  Seit  1798  Advocat, 
verstarb  er  schon  im  Jahre  1812. 

St  eil  wag,  Christian  Gottlieb,  Sohn  des  Kotars  Friedrich  Job. 
Lorenz  St.,  seit  Herbst  1785  in  Sexta,  ?:wei  Jahre  jünger  als  Textor. 
auch  häufig  als  Sprecher  bei  Progressionen  thätig,  so  Herbst  1786 
als  Sextamer,  Ostern  1789  als  Quintaner,  Ostern  1791  als  Tertianer, 
und  nochmals  Ostern  1792  als  Tertianer.  Er  wurde  Notar,  enränkte 
sich  aber  im  Jahre  1817. 

Brinckmann,  Johann  Jacob,  Chorist,  seit  Ostern  1785  inSexta, 
Sohn  des  Hutmachers  Johann  Geoi>;  B. ,  zwei  Jahre  jünger  als 
Texior.  \It  brachte  es  zum  Appellations  ■  Gerichtsdiener  und 
Pedell  des  peinlichen  Verhöramts  und  Hrheber  der  Wittwen-  und 
Waisenkasse. 

Christ,  Johann  Theobald,  Sohn  des  Johann  Balthasar  Chr., 
geb.  1777 1  trat  er  Ostern  1785  in  das  Chor  und  die  Sexta  ein. 
1795  war  er  noch  in  Prima.  1797  bittet  er  als  Chorpräfect,  dem 
Gmtor  Bismann,  für  den  er  nun  schon  seit  einem  Jahre  thatsächlicli 
vikarire,  als  Adjunct  zur  Seite  gesetzt  zu  werden.  Was  daraus  ge- 
worden, weiss  ich  nicht.  Christ  studirte  dann  Medicin  und  promovinc 
1802;  das  von  ihm  gegründete  Christ'sche  Kinderspital  in  der  'I  luo 
baldstrasse  bewahrt  der  Nachwelt  treu  den  Namen  des  verdienten 
Arztes.    Fr  starb  1841. 

\'on  H  o  1  /  Ii  ;nise  n,  Friedrich  Adolf,  Sohn  des  179-  vcr- 
.storbcnen  Carl  Ju&iinian  Johann  Heinrich  Ludwig  v.  H.,  Ostern  1783 


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sechsjährig  in  die  Sexta  aufgcnoniTnen«  Im  Jahre  1811  wurde  er  durch 
innen  Unglücksfall  auf  der  Jagd  erschossen. 

Behrends,  Johann  Conrad,  Sohn  des  Dr.  med.  und  Arztes 
Johann  Adolf  B.  Etwa  gleichaltrig  mit  Textor,  wurde  er  im  selben 
Jahre  mit  ihm  in  Tübingen  als  Stud.  jur.  immatrikulirt.  Am  }i.  Juli  1800 
schwur  er  als  Advocat.  Seit  1824  gehörte  er  dem  Senat,  vorüber* 
gehend  auch  dem  Stadtgerichte  an.  Starb  1843, 

Falck,  Johann  Georg,  Sohn  des  Kaufmanns  Heinrich  Martin  F. 
Er  wurde  Ostern  1787  erst  in  Sexta  aufgenommen,  hat  daher  die 
Schule  sehr  rasch  durchlaufen.  Er  wurde  Kaufmann,  dann  (1834) 
bürgerlicher  Gegenschreiber- Vicar. 

Jonas,  Johann  Philipp,  Sohn  des  Chirurgen  Abraham  Justus 
Gerhard  J.,  Chorist,  Ostern  1787  in  Quinta  aufgenommen,  starb 
vor  1810  als  gemeiner  Soldat. 

Guldener,  Johann  Gerlach,  Sohn  des  Kammmachere  Joh. 
Hector  (oder  Stephan?)  G.  Geb.  4.  Oct.  1777  und  Ostern  1788  in 
Quinta  aufgenommen,  Chorist,  im  October  1792  noch  in  Tertia, 
October  1795  noch  in  Secunda,  Ostern  1797  nocli  in  Prima.  Ostern 
1798  bezog  er  die  Universität  Tübingen,  um  Theologie  zu  studiren. 
Seit  1804  gehörte  er  als  Dr.  phil.  dem  Lehrercollegium  der  Muster- 
schule  als  Hilfslehrer,  seit  1810  .ils  Lehrer  an.   Starb  1836. 

In  dem  Bruchstück  kommt  nur  eine  Person  vor,  die  wir  nicht 
in  der  Prorcctoriade  finden,  der  damalige  Primaner  Feuerbach. 
Es  ist  Paul  Anselm,  der,  einen  Tag  jünger  als  Textor,  durch  seine 
Herbst  1784  nach  Quinta  erfolgende  Aufnahme  demselben  gleich  um 
eine  Classc  vorgekommen  war.  Feuerbachs  rechtlicher  Sinn,  der 
den  späteren  Criminalisten  in  so  hohem  Grade  auszciclmete,  zeigt 
sich  auch  in  dem  kleinen,  im  Fragmente  geschilderten  Zuge.  Auch 
sein  Angedenken  lebt  in  der  Feuerbachstrasse  in  Frankfurt  weiter. 

Die  Hauptperson  des  Stückes,  der  Frorector,  befand  sich  zur 
Zeit,  als  die  älteste  datirte  Handschrift  niedergeschrieben  wurde,  schon 
geraume  Zeit  nicht  mehr  unter  den  Lebenden.  Er  liatte  bereits  im 
Jahre  1804  im  Alter  von  75  Jahren  9  Monaten  27  Tagen  das  Zeit- 
liche gesegnet. 

Jobann  Jacob  Gottlieb  Scherbius  wurde  am  28.  Dec.  1728 
zu  Frankfun  getauft.  Er  war  der  Sohn  eines  geborenen  Türken, 
»welcher  vormals  Pery  Schcrbi  qeheissen,  Rescheb  Schcrbi  eines 
türkischen  aus  Palotta  in  Nicder-Ungarn  gebürtigen  Aga  Sohn,  so 
Anno  1684  zwischen  besagtem  Palotta  und  Griechisch- Weissenburg 
(Belgrad)  von  einem  kaiserlichen  Officicr  Herrn  Pancratio  v.  Matter 
nach  seinem  d.ibci  niedergesäbeltcn  Vater  gelingen,  darauf  i)  nachcr 

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Wien»  2)  nacher  Nfirnberg  und  3)  nacher  Altdorf  gebracht  und  1690, 
18.  junt  von  dem  dasigen  Herrn  Gustav  Georg  Zeltnem,  Pastom,  im 
sechsten  Jahre  seines  Alters  laut  dessen  Attestats  geuuft  worden.«* 
Im  Jahre  1726  wurde  Georg  Gottlieb  als  Buch»  und  Kupferdnicker- 
Gesell  zum  Beisassen  aufgenommen  und  bald  darauf  vermählte  er 
sich  mit  der  Tochter  eines  gewesenen  Hessen-Casselischen  Fähnrichs, 
Anna  Elisabeth  Aks.*  Der  nach  anderthalbjähriger  Ehe  ihnen  ge- 
schenkte Sohn  genoss  den  Unterricht  des  hiesigen  Gymnasiums  als 
Chorschüler  und  ersparte  sich  durch  seine  Einkünfte  ak  Präfect  des 
kleinen  Chors  und  durch  Privatinformationen  als  Exemter  so  viel,  dass 
er  nicht  nur  als  treuer  Sohn  seinen  durch  Altersschwäche  am  Verdienst 
behinderten  Vater  hatte  unterstützen  können,  sondern  dass  er  auch 
Ostern  175 1  bei  seinem  Abgange  zur  Universität  Jena,  wo  er  Theologie 
Studiren  wollte,  noch  ein  Sümmchen  übrig  hatte,  um  die  Kosten  des 
Studiums  davon  zu  bestreiten.  Wir  empfinden  es  nur  als  eine  gerechte 
Belohnung  der  Sparsamkeit  und  des  löblichen  Eifers  des  angehenden 
Studio,  dass  auf  sein  Ansuchen  der  Rath  dieses  Sümmchen  durch 
ein  Viaticum  von  20  Guklen  erhöhte.  Hatte  sein  Gymnasialstudium, 
wohl  vornehmlich  durch  die  Theilnahme  am  Chor  und  die  Privat- 
informationen, lange  d.  h.  bis  zu  seinem  vollendeten  22.  Jahre  ge- 
dauert, so  war  auch  vrohl  aus  ähnlichen  Ui  saclKn  sein  Studium  ein 
anhaltenderes,  als  es  heutzutage  durchschnittlich  bei  Theologen  vor- 
kommt. Erst  zu  Dstcrn  1756,  also  nach  vollen  fünf  Jahren,  bittet 
Scherbius  noch  als  Studiosiis  Theologiae  bei  dem  Consistorium  um 
die  Zulassung  zur  Probepredigt  in  der  Nicolaikirche,  wo  just  eine 
Vacanz  entstanden  war.  Die  Zulassung  wurde  ihm  auch  praevio 
exaniine  consucto  zugestanden,  und  die  Prüfung  fand  1111  24.  Mai 
durch  die  Pfarrer  Fresenius,  Starck  und  Schmidt  statt.  Deren  Zeug- 
niss  zufolge  hat  er  »auf  die  in  philoiogicis  et  theologicis  gethane 
Fragen  fertige  Antworten  gegeben,  dergcstalten,  dass  er  auf  das 
allerbeste  bestanden  und  sich  zum  Predigen  sehr  würdig  bezeiget*«. 
Trotzdem  aber  vermochte  der  Candidat  einen  praktischen  Erfolg  mit 
seiner  Predigt  nicht  zu  erzielen.  Er  sah  sich  daher  einstweilen  auf 
die  mühsame  und  kummervolle  Existenz  als  Privatinformator  ange- 
wiesen, zeigte  sich  indessen  bei  dieser  Thntigkeit  anscheinend  als 
ein  guter  Schulmann.  So  konnte  denn  im  M:\r7  1758  das  ("onsisio- 
rium  ihn  auf  seine  Meldung  hin  zum  Pracceptor  teriiae  classis  vor- 


'  (:o(>iilati<'nsbiich,  1726,  Jafi  17. 

'  In  Uer  Genitivlomi  Alssen  genannt. 


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schlagen,  da  er  »sowohl  in  Hehraids,  Graecis,  der  Philosophie  und 
Latinität  geschickt«  als  auch  »gleichsam  zu  einem  Schulmann  gehören« 
erscheine.  Am  6,  April  1758  pflichtete  der  Senat  dem  Vorschlage 
des  Consistoriums  bei.  Doch  kaum  sah  er  sich  im  Amte,  ak  sein 
Streben  gleich  höher  hinauf  ging.  Der  zum  Lehrer  der  Secunda 
berufene  auswänige  Gelehrte  leistete  diesem  Rufe  nicht  Folge.  In 
einer  wohlgezterten  lateinischen  Eingabe  bewarb  sich  daher  Scherbius 
sofort  um  die  zweite  Cbsse  und  —  erhielt  sie. 

Im  Jahre  darauf  starb  Conrector  Keck  und  sofort  meldete  sich 
in  einer  fast  noch  kühner  aufgebauten  lateinischen  Hingabe  Scherbius 
darum,  die  vacante  Stelle  einstweilen  verwalten  zu  dürfen  (ut  mea 
officia  in  munere  quod  vacat  administrando  vobis,  viri  excellentissimi, 
eoquodecet  observantiae  cultu  deferam,  procuratbnemque  instruendae 
titterarum  studiosae  iuventutis  ad  altiora  promotae  infimis  precibus 
ezpetam).  Dieses  Mal  aber  waren  dem  jungen  Manne,  der  durch  sein 
bisheriges  Glück  allzu  kühn  geworden  war,  die  Väter  der  Stadt  denn 
doch  nicht  zu  Willen.  Rector  und  Prorector  theilten  sich  vielmehr 
in  den  Unterricht  des  Verstorbenen  und  empfingen  auch  die  dafür 
bewilligte  Remuneration.  Zur  Stelle  des  Conrectors  wurde  aber 
cum  spe  succedendi  in  rectoratum  Johann  Georg  Purmann  berufen. 

Die  folgenden  Jahre  brachten  für  Scherbius'  äussere  Stellung 
keine  Aenderung.  Er  hatte  sich  am  14.  August  1758  durch  Ver- 
mählung mit  Jungfrau  Anna  Catharina  Elisabeth,  Herrn  Caspar  Gollen- 
bergs, teutschcn  Schulmeisters  allhier  Tochter,  einen  eigenen  Hausstand 
gegründet,  doch  sollte  er  nur  bis  zum  7.Dec.  1765  seiner  jungen  Gattin 
sich  zu  erfreuen  haben.  Am  18.  August  1766  schloss  er  denn  zum  zweiten 
Male  den  Ehebund  mit  Catharina  Elisabeth,  Herrn  Johann  Bachmanns, 
Bürger-Capiiains  und  Mitglieds  eines  löblichen  51er  Collcgs,  Tochter, 
die,  bei  ihrer  Vermählung  bereits  im  24.  Jahre  stehend,  bis  zum 
19.  Xov.  1800  sein  Leben  theilte.  Die  diesen  Ehen  entsprossene 
Nachkommenschaft  übergehe  ich  hier  als  für  den  Gegenstand  völlig 
unerheblich. 

Nur  über  den  in  dem  .Stücke  selbst  erwähnten  Sohn  will  ich 
bemerken,  dass  hierunter  vermuthlich  ein  noch  auf  der  Schule  be- 
findlicher Sohn  verstanden  werden  muss,  der  im  Jahre  1792  von 
Secunda  nach  Prima  überging. 

Eines  Vorkommnisses  aber  aus  den  sechziger  Jahren  muss  ich 
vor  Allem  Erwähnung  ihun,  da  sich  gelegentlich  seiner  in  den  Acten 
Bemerkungen  iinden,  die  über  Scherbius'  Wirken  an  der  Schule,  sowie 
über  den  mannigfachen  Aerger,  der  sich  mit  dem  Schulamie  für  ihn 
verband,  Aulschlüsse  gewähren.   Vor  Allem  erfahren  wir  aus  dem 


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Vorfalle,  dass  schon  damals  der  Respect  der  Schüler  vor  Scherbius 
nicht  gar  ^ross  «gewesen  jiu  sein  scheint,  und  dass  sein  eigenes  Ver- 
halten  scum  grössten  Theil  an  dieser  Thatsache  schuld  war  durch 
übermässige,  oft  unbegründete  Härte  in  den  Strafmitteln  an  un- 
passender Stelle,  anstatt  einer  gleichmässigen,  gerechten,  doch  das 
GefQhl  der  Schüler  nicht  verletzenden  Strenge. 

Es  ist  der  bereits  von  Kriegk  erwähnte  Vorfall  des  Fenstcrein- 
Werfens,  den  ich  meine,  der  hier  aber  etwas  eingehender  geschildert 
werden  muss,  als  Kriegk  es  (KuUurbilder  139)  gethan  hat,  schon 
wegen  des  Analogons,  das  sich  in  dem  Stücke  aus  den  neunziger 
Jahren  dafür  findet.  Scherbius  klagt  am  25.  März  1763  dem  G)nsis- 
torium : 

i»Da  ein  hochlöbliches  Consistorium  nach  dem  am  2).  März  a.  c. 
von  mir  geschehenen  mündlichen  Vortrag  von  der  zügellosen  Dreis- 
tigkeit einiger  Schüler  des  löblichen  Gymnasii,  mir  den  Befehl  zu 
ertheilen  geruhet,  selbsten  einen  schriftlichen  Aufsatz  von  diesem 
Vorgang  zu  überliefern:  so  habe  solchem  Befehl  zu  gebührender  Folge 
die  wahre  Beschafl'enheit  dieser  verabscheuungswürdigen  That  in 
möglichster  Kürze  vorzutragen  ohnerniangeln  sollen. 

£$  war  am.  21.  dieses,  Abends  zwischen  7  und  8  Uhr,  da  ich 
eben  meinen  gewöhnlichen  GeschälTten  abwartete,  dass  einige  un* 
danckbarc  Schüler,  deren  Namen  sich  in  der  einem  hochlöblichen 
Consistorio  übergebenen  schriftlichen  Anzeige  des  in  dieser  Bosheit 
mit  befangenen  Johann  Christoph  Stoes  befinden,  nach  schon  ver* 
schiedcncn  vorhergegangenen  Versuchen  ilires  ruchlosen  Vorhabens 
auf  eine  die  allgemeine  Ruhe  und  Sicherheit  stöhrende  Weise  sich 
erfrechten,  mit  Steinen,  davon  Ilie  3  gri>stcn  nebst  oben  gedaciiter 
Anzeige  auf  ein  hochlöbliches  Consistorium  gebracht  worden,  nach 
meinen  Fenstern  zu  werffen ,  und  mich  dadurcii  in  den  gröstcn 
Schrecken  zu  versetzen.  So  wenig  ich  auch  die  Wiederhol tmg  eines 
solchen  Frevels  vermuthetc,  so  gewiss  muste  selbige  zu  meiner  al>cr- 
maligen  grossen  lkstür/ung  und  Schaden  an  meinen  Fenstern  erfahren. 

Um  die  Urheber  eines  so  verhassten  Unterfangens  zu  entdecken, 
begab  ich  mich  durch  die  Hofthür  auf  die  Casse*  und  halte  das 
Glück  den  vorerwiihnten  Johann  Christoph  Stoes  in  meine  Gew^alt 
zu  bekommen.  Der  auf  dem  Weg  der  Bosiieit  ergritlene  folgte  niir 
alsobald  in  meine  Behausung,  wo  er  den  ganzen  Verlauf  der  Sache 
auf  eben  die  Weise  erzehlte,  wie  solches  einem  hochlöblichen  Con- 


i. 


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~    37  - 


ststorio  von  dessen  eigener  Hand  geschrieben  übergeben  worden. 
Hierbey  habe  nicht  unbemerkt  lassen  wollen,  dass  der  Stangen/ 
welcher  gleichfalls  einem  hochlöblichen  Consistorio  überreichet  worden, 
eben  demjenigen  Clemens  Apt  /.ugehöre»  der  nach  Aussage  des 
Johann  Christoph  Stoes  den  grösten  Stein  nach  meinen  Fenstern 
geworffcn  haben  soll.  Wie  denn  derselbe  zu  einer  andern  Zeit  nicht 
nur  während  des  Gottesdienstes  an  die  Thür  der  5.  Class  des  Herrn 
Witlemers  einen  Galgen  geschnitten,  sondern  auch  durcii  verschiedene 
verläumderische  Reden  andere  junge  Leute  von  Besuchung  meiner 
Classe  boshafFter  Weise  abzuhalten  bemühet  gewesen. 

Ebensowenig  kann  ich  die  unbesonnene  und  von  der  vorigen 
unterschiedene  Auffuhrung  einiger  Primaner,  namentlich  Fenner, 
Klein  und  Marr  des  Jüngern,  welche  durch  Bohrung  der  Löcher  in 
die  gemeinschaftliche  Thür  und  andere  Unanständigkeiten  die  Andacht 
im  Gebet  und  die  Aufmerksamkeit  beym  Lehren  und  Lernen  öfTtcr 
gestöhret,  mit  Stillschweigen  .übergehen.  Es  ist  dieses  Ucbel  bey 
ihnen  bisher  Icyder  zu  einer  solchen  Gewohnheit  worden,  dass  so 
ofit  tdi  die  gemachte  Oeffnungen,  »m  allem  daraus  erwachsendem 
Ucbel  vorzubeugen,  zumachen  lassen,  selbige  gleichwohl  Gelegenheit 
gefunden,  ihr  iiiutliwilliges  Betragen  zu  wiederholen.  Wie  wenig 
bey  so  gestalten  Sachen  der  wahre  Endzweck  meines  Amts,  wenn 
diese  Uebei  nebst  der  schädlichen  Wurzel  nicht  ausgerottet  werden, 
erreicht  weriicn  könne,  überlasse  der  erleuchten  Einsicht  meiner 
Hochgebieteiukn  Herren.  Gleich  wie  Hochticroselben  bekannte  Ge- 
rcchtigkeiis-Liebe  mich  um  so  weniger  cinii^e  Weitläutftigkeit  besorgen 
lässt,  als  die  Sache  durch  eigenes  Gestandniss  ausser  allen  ZwciHel 
geset/.et  ist,  der  ich  übrigens  Gott  anflehe,  dass  er  Deroselben,  der 
Kirchen  und  Schulen  so  hochscliätzbare  Gesundheit  erhalten  wolle 
und  mit  der  unvcrlczlichsten  und  tiefsten  Elirturcht  verharre 

Euer  Wohl-  und  Hochedelgebohrene,  Hochwürdig 
und  liochehrwürdigen,  wie  auch  Hochedeln  und 
Hochgelahrten  sonders  Grossgünstigen  Hoch- 
gebietenden Herrn 

unterthäniger  Diener, 
Johann  Jacob  Gotilieb  Scherbius, 
Sccundae  Classis  Collega.« 
Das  Consistorium  trat  selbstverständlich  in  solortige  Untersuchung 
der  Sache  ein.   Enthielt  doch  schon  diese  blosse  Eingabe  des  Lehrers 


■  Stauchen,  Manschette. 


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-  }8  - 


Mj  vK.c  Beweise  dafür,  dass  seine  Autorität  einer  Stärkung  von 
hochobrigkeitlicher  Seite  dringend  bedurfte,  sollte  nicht  alle  Discipiin 
verloren  gehen. 

Die  Verhöre  der  ScludLi  u)rJc:u  LilleriianJ  KLi^epuiikte  gegen 
Scherbius  zu  Tage.  Stoes,  der  Hauptzeuge,  sagt :  ȟiebem  Marr  habe 
Scherbius,  solange  er  seine  Ciasse  Irecjuentirt,  allen  Tort  angethan, 
und  dieses  habe  ihn  zur  Revanche  bewogen,  wie  denn  überhaupt 
Herr  Scherbius  bcy  dem  geringsten  Versehen  sogleich  drohete,  dass 
er  dem  fehlenden  einen  Stein  stossen  wolle.«  Ein  anderer  Coniplice, 
der  vormals  mit  Stoes  darüber  berathen  hatte,  ob  nicht  gelegentlich 
eine  mit  Pulver  gefüllte  Granate  in  den  Ofen  der  Secunda  geworfen 
werden  sollte,  hatte  als  Grund  zu  diesem  geplanten  Unfug  angegeben, 
»dass  ihnen  Herr  Scherbius  so  scharffe  Predigten  hielte.« 

Wegen  des  Löcherbohrens  m  die  Thür  nach  Prima  sagte  Stoes, 
es  sei  angeAttigen  »sobald  Herr  Scherbius  in  secundani  gekommen  sei«. 

Klein  gibt  als  Grund  des  beabsichtigten  Fenstereinwerfens  an: 
»die  vielen  Kindereyen,  so  Herr  Scherbius  in  Secunda  getrieben  und  dann, 
weil  er  bei  dem  geringsten  Versehen  sogleich  gedrohet,  einen  Stein 
zu  stossen.«  Die  Kindereien  erklärte  er  dann  auf  Befragen  durch 
»das  den  ganzen  Tag  angedauert  habende  Certircn,  femer  dass  Herr 
Scherbius  vor  etliche  in  der  Thür  zwischen  Prima  und  Secunda  befind* 
liehe  kleine  Löcher  einen  Vorhang  hängen  lassen.« 

Scherbius  selber»  »zu  mehrerer  Aufheiterung  der  obschwebenden 
Untersuchung«  vor  das  Consistorium  geladen,  sagt  auf  die  Frage, 
»ob  er  bei  dem  geringsten  Versehen  oder  Vergehen  seiner  Schüler 
drohe,  dass  er  ihnen  einen  Stein  stossen  wolle«:  »die  Fehler  des 
Verstandes  habe  er  sehr  oft  pardonniret,  weil  er  aber  auch  bei  ver- 
schiedenen  grose  Malice  wahrgenommen  und  Warnungen  nichts 
helflTen  wollen,  habe  er  sich  endlich  genöthigt  gesehen  zu  drohen, 
dass  er  die  Sache  höbem  Orts  anzeigen  würde.  Den  terminum 
vom  Stein  stossen  habe  er  niemals  gebraucht«.  Ueber  Klein  und 
Marr  befragt  sagt  er:  »Er  habe  gegen  keinen  Menschen  einen  Hass, 
er  könne  aber  nicht  leugnen,  dass,  da  sich  diese  beyde  Schuler  jeder- 
zeit sehr  boshaft  aufgeführt,  er  freyhch  auch  genöthigt  gewesen,  sie 
öfHers  zu  bestrafen.«  Leber  das  Ceniren  sagt  er:  »Habe  es  zwar 
einstmalen  gethan  um  das  Plaudern  zu  verhüten,  weilen  er  aber  ge- 
sehen, dass  es  ntclits  geholffen  und  sie  noch  hartnäckiger  worden, 
habe  er  es  wieder  eingestellt.« 

Diese  Aeusserungen  lassen  nicht  auf  eine  geordnete  DiscipHn, 
vor  allem  nicht  auf  eine  gleichmässige  und  gerechte  Behandlung  der 
Schüler,  die  erste  Grundlage  einer  guten  Zucht,  schliessen. 


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-   39  - 


Die  Remedur,  die  hochlöbliches  Consistorium  eintreten  liess» 
bestand  für  die  ergriffenen  Uebelthäter  in  einem  Verweis  und  4,  3 
und  2  Wochen  gefilnglicher  Haft  auf  der  Hauptwache  bei  Wasser 
und  Brod ;  der  Haupträdelsföhrer  hatte  sich  aus  dem  Staube  gemacht. 

Was  die  Strafen  nutzten»  das  sehen  wir  aus  einem  nach  wenig 
Wochen  vom  G>nsistorium  niedergeschriebenen  Visitationsprotokoll. 
Das  Löcberbohren  in  die  Thür  zwischen  Prima  und  Secunda  hatte 
trotz  des  davorgehängten  Vorhangs  nicht  nachgelassen,  es  fanden 
sich  wieder  neue  Löcher  an  ungeschützten  Stellen,  und  Herr  Scherbius 
klagte  auch  dariihcr,  dass  zwei  der  Missethäter  nach  ausgestandenem 
Gefängniss  seine  Preces  gar  nicht  oder  doch  nur  sehr  sehen  be- 
suchten, einer  derselben  aber  im  Vorbeigehen  »den  Hut  mit  der 
grösten  Effronterie  sitzen  lasse«.  Man  verwies  ihnen  das  mit  der 
Erinnerung,  »dem  Herrn  Scherbius  ja  nicht  sein  Amt  schwer  zu 
machen  oder  aber  zu  gewärtigen,  dass  seine  Autorität  von  Seiten  des 
Consistorii  durch  fernere  ihnen  ohnbeliebige  Mittel  werde  unter- 
stützet werden«.  Was  würden  wir  heutzutage  von  einem  Lehrer 
halten,  der  in  solcher  Weise  von  den  höchsten  Behörden  in  der  ihm 
zustehenden  Autorität  künstlich  erhalten  werden  muss? 

Was  die  bei  allen  Gelegenheiten  hervorbrechende  Härte  betrifit, 
so  beruhte  sie  entschieden  auf  einem  angeborenen  Mißtrauen,  das 
auch  der  Collega  quintae  Classis  Willemer  bezeugt ,  indem  er 
schreibt:  »Was  Herrn  Collegani  Scherbius  anlangt,  so  ist  er  voller 
V'oruriheile  und  trauet  ausser  dem  Herrn  Zinck,  mit  welchem  er 
wahrscheinlich  zum  Nacluheil  meiner,  der  III.,  und  der  VI.  Classe 
in  nexu  steht,  Niemand.« 

Ks  st.imnu  diese  Aeusserun^  aus  einem  längeren  Gutachten 
Willemers,  und  will  ich  es  auch,  bei  der  nicht  ganz  sinceren  Art 
dieses  Mannes,  seine  Sachen  zu  vertreten,  nur  hcTreiTs  des  bezeugten 
Misstrauens  heranziehen,  denn  über  den  behaupteten  Ncxcs  sagt  der 
College  Zinck,  Willemerb  hauptsächlichster  Gegner,:  »Sobald  Herr 
Willemer  in  quintam  kommen  war,  so  ersuchte  er  mich,  ich  möchte 
mit  ihm  gute  hreundschalt  halten,  und  wenn  ich  dieses  thate,  so 
könnten  wir  unsere  beyde  Classen  in  gutem  Stand  erhalten,  die 
andern  aber,  besonders  den  Herrn  Scherbius,  welcher  damals  in 
Tertia  war,  drücken.  Als  ich  aber  mit  dergleichen  ordnungswidriger 
Bedingung  diese  IVeundschaft  nicht  eingehen  wollte,  so  drohete  er 
mir  alsbald,  dass  er  es  sodann  mit  dem  Herrn  Scherbius  halten,  und 
mich  drücken  würde,  dass  ich  es  empfinden  würde.  —  Den  Herrn 
Scherbius  hat  er  auf  gleiche  Art  um  seine  Freundschaft  angesprochen, 
wie  derselbe  nicht  läugnen  wird,  welcher  aber  eben  so  wenig  als  ich 


—    4°  — 

in  seine  Freundschaft  mit  gedachter  Bedingung  sich  hat  einlassen 
wollen,  soviel  mir  davon  bewasst  ist.« 

Das  können  wir  aus  diesem  Geständniss  entnehmen:  Wenn 
auch  ScherbiüS  oft  ungerechtfertigtes  Misstrauen  gegen  Collegen 
wie  gegen  seine  Schüler  gehegt  haben  ma^,  eine  unmoralische  Hand- 
lung  war  ihm  nicht  zuzutrauen.  Diese  Ueberzeugung  schöpfen  wir 
auch  aus  seinen  eigenen  Worten  vom  Jahre  1764,  als  das  Consistorium 
von  ihm  und  allen  anderen  Collegen  ein  Gutachten  forderte  über 
die  Mängel  des  Gymnasiums  und  deren  Abhülfe.  Seine  edle  Auf- 
fassung des  Scliulberufs  —  weswegen  ihn  das  G)nsisioriuni  früher 
einen  geborenen  Schulmann  genannt  haben  mochte  —  erhellt  daraus, 
aber  in  sachlicher  Hinsicht  und  nicht  minder  in  formeller  und 
stylistischer  erscheint  das  Gutachten  geradezu  als  eine  kostbar  possir- 
liche  Antwort  auf  des  Consistoriums  Frage,  durchaus  nicht  auf  der 
Höhe  ihrer  Zeit  stehend.    Sie  lautet: 

»Ein  hochlöbliches  Consistorium  haben  sich  schon  um  das 
hiesige  Gymnasium,  dessen  blühenden  Wohlstand  Hochdieselben 
durch  die  ßcfördcrung  der  besten  Mittel  /u  erhalten  suchen,  so  sehr 
verdient  gemacht,  dass  Jedermann,  der  Verdienst  schätzet,  sich  für 
verbunden  achtet,  Hochdenenseiben  d.ifiir  den  schuldigsten  Dank  zu 
widmen.  Und  ich  verehre  noch  in  dankbarstem  Gedächtniss  und 
preise  die  edelste  Art  der  Bemühungen,  die  Hochdieselben  in  Absicht 
meiner  bei  dem  letzten  ]-enster-V'orf;tll  anzuwenden  geruhet,  der  ihr 
Haupt  erhebenden  Bosslieit  durch  eine  gemasse  Züchtigung  Schranken 
zu  sei/cn,  und  d.idurch  Kuhc  und  Ordnung  zu  bewürken. 

Anitzt  .ibcr  zoii;et  sich  auch  noch  Hochderoweise  Sorgfalt  in 
ihrem  vulligL-n  Glanz  in  der  L;n;idi_L;cn  Aufmerksamkeit  auf  die  ander- 
\veiii,L;e  M.ini^el ,  wodurch  der  l'lor  und  Wachstlium  des  Gymnasii 
gehemmet  wiui.  Da  Ilcicluliesclbc  luiii  eine  nähere  Nachricht  cin- 
zuzielicn  1  lochgenei^st  bcnuilict  sind  un^i  dahero  auch  einem  jeden 
Collegen  von  den  Mangeln  die  geliörii^c  Hr(itVnuni;  zu  thnn  aufge- 
tragen, so  habe  mich  veranlasset  befunden  aut  dero  gnadiijsTen  Befehl 
folgendes  kürzlich  einzusenden,  dabei  ich  mich  denn  für  diesmal  bloss 
dahin  einschränke,  dass  ich  nach  dem  Begriff,  den  ich  jetzo  davon 
habe,  mich  äussern  werde.  Ich  bemerke  hierbcy  zum  Voraus,  dass 
der  Verfall  unseres  Gynmasii  bev  weitem  nicht  so  gross,  und  die 
Anzahl  der  frequeniirenden  lugend  nicht  so  gering,  als  es  in  der 
Stadt  zu  unserem  Nachrheil  hin  und  wieder  verbreitet  worden  ist; 
es  scy  denn,  dass  man  die  zwo  untersten  Glasten  ausnimmt,  welche 
fast  zu  allen  Zeiten  die  /ahlreichsten  gewesen,  die  aber  jetzo  nicht 
so  frcqueni  mehr  seyn  sollen. 


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-   41  - 


Was  min  die  Ursachen,  welche  übcrli;iupt  den  gröscrn  Zuwachs 
der  Schüler  unseres  Gymnasii  würkHch  hindert,  anbetrift,  so  kann 
ich  nicht  die  zuverlässigste  davon  anfuhren.  Soviel  aber  lässt  sich 
vermuthen,  ddss  eben  die  Ciagen  mö<>ea  bey  uns  gegründet  seyn, 
welche  andere  hohe  Schulen  berühmter  Städte  und  Academien,  welche 
die  Gymnasia  als  ihre  Quellen  anzusehen  haben,  seitdem  das  Kriegs- 
feuer ausgebrochen  ist,  im  Munde  fuhren. 

Zu  diesem  vergesellschaftet  sich  noch,  welches  nicht  wenig  bey- 
trä|>t,  und  das  nach  meiner  geringen  Einsicht  nicht  leicht  als  durch 
die  Zeit,  die  alles  ändert^  kann  geändert  werden,  die  frühzeitige  und 
häuBge  Erlernung  der  französischen  Sprache,  welche  als  der  Grund  aller 
zeitlichen  Wohlfart  mit  Hintenansetzung  der  übrigen  nöthigen  Wissen- 
schaften heutzutag  angesehen  zu  werden  pfleget.  Da  nun  die  Be- 
mühung, dieselbe  zu  erlangen,  anizo  sehr  hoch  gestiegen,  so  darf  es 
niemand  wundern,  dass  Plätze  der  Classe,  die  sonsten  wurden  besetzet 
worden  seyn,  leer  sind. 

So  kan  auch  sehr  viel  zur  Verminderung  der  sonstigen  zufälligen 
grossen  Anzahl  Gymnasiasten  beigetragen  haben,  die  unzehlige 
Andichtungen,  derer  man  sich  pflichtvergessen  bedienet,  unser  Amt 
und  guten  Namen  ohne  Unterscheid  zu  beflecken.  Ob  nun  gleich 
die  vieirdttigc  Verläumdungen,  die  ausgesäet  worden,  auf  einen 
schlechten  Grund  gebauet  sind,  so  hat  es  doch  die  Wflrkung, 
dass  Eltern  ihre  Kinder  in  das  Gymnasium  zu  schicken  Be- 
denken tragen. 

So  viel  von  der  Sache  des  Gymnasii,  ich  mache  daraus  den 
Schlüss,  da  dieses  Ursachen  sind,  die  ausser  uns  sich  befinden,  dass 
ein  jedweder  unter  uns  selbst  sich  mit  Anstrengung  aller  Kräfte  zu 
beeifern  habe,  die  ihm  anvertraute  Jugend  als  eine  Sache  Gottes  an- 
zusehen, ihr  nach  allem  Vermögen  vorzustehen,  so  viel  an  einem 
jedweden  ist,  eine  wahre  Eintracht  und  nngeheudielte  Liebe  blicken 
lasse,  so  wird  alsdann  der  Segen  des  Höchsten  nicht  aussenbleiben 
und  das  Gymnasium  im  besten  Flor  blühen. 

Noch  eins  kann  ich,  ehe  ich  schliesse,  nicht  übergehen,  nemlich 
den  Allerhöciisten  für  Hochderselben  Leben  und  seegensvollem  Wohl- 
ergehens anzuflehen  wegen  des  väterlichen  Augenmerks,  so  Hoch- 
dieselben auf  unser  Gymnasium  gerichtet,  das  vielen  Städten  und 
Orten  die  brauchbarste  Leute,  deren  Tugend  und  Geschicklichkeit 
nie  einen  Ausfall  gelitten ,  gegeben  hat.  Ich  aber  füge  diese 
eintzigc  unterthänige  Bitte  noch  hinzu,  dass  Hochdieselbe  dero 
mir  unschätzbaren  Gnade  noch  ferner  beybehalten  mögen,  als 
wie  ich  in  alierschuldigster  Ehrerbietung  versichere,  alle  meine 


-  42  - 


Kräfte  zum  Vortheil  der  mir  jinvertrauten  Jugend  anzuwenden  und 
zu  verharren 

Euer  Wohl-  und  Hochedelgeboren 
unterthäniger  Diener  etc.« 

Kann  wohl  dem  G>nsistünum,  dem  es  um  sachliche  Vorschläge 
zu  thun  war,  wie  dem  verfallenden  Gymnasium  aufzuhelfen  sei,  mit 
der  Einreichung  deraniger  Gutachten  irgend  gedient  gewesen  sein? 

Die  Vorschläge  der  anderen  CoUegen  des  Gymnasiums,  be- 
sonders  auch  des  Conreaors  Purmann  ermöglichten  die  neue  Gym- 
nasialordnung  von  176;,  der  bald  1766  die  Emeritirung  Albrccbts 
und  sevat  Ersetzung  durch  Purmann  folgte.  Scherbius  erhieh  bei 
dieser  Gelegenheit  den  Titel  des  Prorectors,  ohne  in  die  damit  sonst 
verbunden  gewesenen  GebaltsbezQge  einzuröcken,  da  einstweilen 
Rector  Atbrechts  Pension  die  Möglichkeit  hierzu  benahm.  Erst  nacb 
Albrechts  Tode  gelang  es  Scherbius ,  und  auch  nur  durch  eine 
eigene  Eingabe,  in  den  wirkliciicn  Gcnuss  des  Gehalts  als  Prorector 
zu  kommen.  Es  bedeutete  das  eine  Steigerung  seines  festen  Gehalts 
von  400  Gulden  auf  600  Gulden.  In  dieser  Stellung  verblieb  er  nun, 
bis  er  im  Jahre  1798  um  seine  Hmeritirung  einkam.  Die  Hingabe, 
worin  er  diesen  Antrag  stellte,  ist  uns  nicht  mehr  erhalten,  wir 
kennen  nur  die  Gründe,  die  er  dafür  angeführt  hatte:  »Er  habe  bereits 
das  70ste  Jahr  erreicht,  auch  schon  41  Jahr  sein  Amt  treu  und  red- 
lieh  verwaltet;  die  Last  der  Jahre  und  das  damit  verknüpfte  Unver- 
mögeti  des  Geistes  und  der  körperlichen  Krähe  drückten  ihn  sehr, 
so  dass  er  seinem  Amte  niciit  mehr  mit  der  gehörigen  ehemaligen 
Lebhaftigkeit  und  erforderlichen  Thatigkcit  vorzustehen  vermöchte. 
Alle  diese  mit  einem  so  iiolien  Alter  verbundenen  körperlichen  Leiden 
hätten  bei  ihm  schon  seit  mehreren  Jahren  Abgang  der  Vermögens' 
kräfte,  Mangel  des  Gedächtnisses,  Schwäche  der  Augen  u.  s.  w.  bewirkt, 
welche  ihn  zur  Erfüllung  seiner  obhabeuden  schweren  Amtspäicluen 
ganz  unfähig  machten.« 

Das  Gesuch  wurde  genehmigt,  ja,  wie  man  anzunehmen  berechtigt 
ist,  gerne  genehmigt.  Hufnagels  Begutachtung  desselben  Hest  sich 
geradezu  wie  ein  unausgesprochenes:  Gott  sei  Dank.  Er  sagt  u,  A.: 
»Erhält  also  der  gegenwärtige  Herr  Prorector  Scherbius,  was  ihm 
so  sehr  /u  gönnen  ist,  auf  seine  Bitte  die  hochohrigkeitliche  Ent- 
lassitn«^  von  seinem  Anne,  so  hat  er  allerdings  noch  Jas  Verdienst, 
gerade  zu  dem  Zeitpunkte  eine  der  bedeutendsten  Gvmnasiumsstellen 
niederzulegen,  wo  sie  wieder  unvergleichlich  wird  besetzt  werden 
können;«  und  weiter;  »da  nun  zu  aller  Zeit,  und  jetzt  vorzügUdi 


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-  43  — 

von  dem  guten  Zustande  des  Gymnasiums  so  viel  abhängt,  gerade 
die  beiden  Ordnungen  des  jedesmaligen  Prorectors  und  des  dritten 
Lehrers  die  entscheidendsten  für  Jünglinge  sind,  und  eben  jetzt  beide 
mit  Männern  besetzt  werden  können,  welche  SchuUEifer,  Schul- 
Kenntnisse»  Schul-Erfahrungen  und  Schul-Verdienste  —  worunter  das 
einer' guten  DiscipHn  vorzüglich  zu.  schätzen  ist  —  in  so  vorzüglichem 
Grade  besitzen:  so  bin  ich  überzeugt,  dass  unsere  verehrliche  Obrig> 
keit  und  Bürgerschaft  den  Augenblick  segnet,  wo  bei  dem  grösseren 
Aufwände,  selbst  im  drückendsten  Zeitpunkte,  doch  ein  alter  Lehrer 
beruhigt,  und  das  beste  des  ganzen  Gymnasiums,  wie  es  nicht  zu 
jeder  Zelt  geschehen  kann,  aufs  wirksamste  befördert  wird.« 

Ich  denke,  man  braucht  hier  kaum  zwischen  den  Zeilen  zu 
lesen.  Textors  Werk  hatte  vielleicht  schon  das  seinige  gethan,  um 
die  Disciplinlostgkeit  des  Unterrichts  oflen  vor  Augen  zu  stellen. 

Noch  einmal  wandte  sich  der  Scheidende  an  das  Omsistorium, 
um  seinen  Dank  auszusprechen  für  die  ihm  gewährte  Entlassung. 

»Euerer  Hochwohl-  und  Wohlgebomen  Hoch-  und  Hoch-Ehr- 
würden  haben  meine  gehorsamste  Bitte  um  Versetzung  in  den  Ruhe* 
stand  nicht  unerhön  gelassen,  sondern  derselben  die  günstigste  und 
wirksamste  Richtung  zu  geben  und  meine  Wünsche  durch  Hoch- 
dero  vielvermögende  Verwendung  zu  unterstützen  huldreichst  geruhet. 
Diese  gnädige  Entschliessung ,  welche  Hoclidieselben  in  Hinsicht 
meiner  Person  zu  fassen  grossgünstigst  beliebet  haben,  war  t'ür  mich 
von  so  kraftvollem  und  erwünschtem  Nachdrucke,  dass  nicht  nur 
der  Gegenstand  meiner  Besorgniss  gehoben,  sondern  mein  Anliegen 
mit  dem  glücklichsten  Erfolge  einer  gnädigen  Willfahrung  auch  von 
Seiten  eines  HocliLcllcn  und  Hochweisen  Raths  bekrönet  wurde. 
Hochdenselben  habe  ich  es  dieseninach  zu  verdanken,  dass  mein 
Gesuch  auch  bey  dieser  hohen  Behörde  seinem  ganzen  Umfange 
nach  nicht  unerhöret  geblieben  und  alles  dieses  konnte  nicht  anders 
als  die  süssesten  Hmptindungen  einer  völligen  Zufriedenheit  und  des 
ungcheuchelten  und  unbegränzten  Dankes  bey  mir  erwecken.  Ja  ich 
würde  gewiss  meinem  nicht  unemptindlichen  Herzen  alle  Beruhigung 
versagen,  wenn  ich  die  vollste  Gefühle  der  reinsten  Dankverptlichtung 
bei  dieser  Gelegenheit  zu  unterdrücken  vermöchte.  Es  sey  mir  daher 
vergönnet,  für  die  ini bezweifelte  Merkmale  Hochdero  Gnädigen  Ge- 
sinnungen, die  ich  ihrem  ganzen  Gehalte  nach  so  innig  empfinde, 
anjetzt  Eueren  Hochwohl-  und  VVohlgebornen  Hoch-  und  Hoch- 
Ehrwürden  meine  reinste  und  feurigste  Dankbegierde  an  den 
Tag  zu  legen  und  den  gefübitesten ,  wärmsten  Dank  andurch 
abzustatten. 


-    44  - 

In  dieser  aufrichtigsten  Gesinnung  werde  ich  nie  aufhören 
meine  redliche  Wünsche  zu  dem  Allerhöchsten  für  Hoch-  und  Wohl- 
deroselben respective  Hochnnsehnliche  Häuser  dauerhafte  und  be- 
glückteste lirhaltung  zu  schicken  und  den  Allmächtigen  anzuflehen, 
duss  er  Hochdieselben  in  seinen  heiligen  Schutz  nehmen  und  unter 
dem  Schirme  und  Fittigen  der  allwaltenden  \'orsehung  gnädiglich 
behüten  wolle.  Der  ich  bis  an  das  Ende  meiner  Tage  in  unbc- 
bcschränktcr  tiefster  Ehrfurcht  verharre 

Euer  Hoch  wohl-  und  Wohlgebornen,  Hoch-  und 
Hoch-Ehrwürden  treu  gehorsamster 
Johann  Jacob  Gottlieb  Scherbius 
Prorector  Gymnasii  emeritus.« 

Sechs  Jahre  konnte  der  Prorector,  wie  es  Hufnagel  ihm  ge- 
wünscht hatte,  »frey  von  öffentlichen  Geschäften  der  Ruhe  geniessen«, 
dann  ging  er  am  24.  October  1804  zur  ewigen  Ruhe  ein. 

Seine  Silhouette,  die  den  Druck  von  1859  zierte,  will  ich  hier 
wiederholen,  anstatt  der  zwei  Zeilen  aus  dem  Stück  jedoch  die 
Unterschrift  aus  der  Eingabe  des  Jahres  1771,  die  ich  obenerwähnte, 
darunter  setzen. 


,  Google 


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Dem  Lehrer,  wie  den  Schülern,  denen  ich  die  voraufgegangenen  ■ 
Zeilen  widmete,  bin  ich  es  in  gleichem  Masse  schuldig,  über  das 
Gymnasium  zu  Frankfurt  zur  Zeit  der  geschilderten  Vorgänge,  über 
seine  Einrichtungen,  Lehrplan,  Lehrart  und  Schulzucht,  soweit  sie 
nicht  schon  Berücksichtigung  gefunden  haben,  kurz  zu  berichten. 
Gar  manches,  was  uns  in  den  Stücken  als  im  höchsten  Grade  auf- 
fölligy  i^ls  geradezu  beleidigend  entgegentritt,  findet  seine  ent- 
schuldigende Erklärung  in  den  damals  herrschenden  Schulverhältnissen ; 
was  wir  als  Missbräuche  anzusehen  geneigt  sind,  erschien  jener  Zeit 
als  ein  Fortschritt  gegenüber  noch  üblerem  früheren  Gebrauche. 

Ich  lege  dieser  Darlegung  zumeist  die  schon  erwähnte  Gym- 
nasialordnung von  1765  zu  Grunde,  füge  aber  an  geeigneter  Stelle 
gleich  die  bis  1793  eingetretenen  Veränderungen  und  Nachträge, 
sowie  auch  einige  in  den  Archivactcn  enthaltene  Urtheile  von  Zeit- 
genossen über  die  damaligen  Zustände  ein. 

Eigenen  Urtbeils  kann  ich  mich  um  so  eher  enthalten,  als  es 
mir  ja  einerseits  zumeist  nur  auf  eine  Erklärung  der  in  dem  Stücke 
berührten  factischen  und  rechtlichen  Verhältnisse  der  Schule  an- 
kommt,* und  als  andererseits  bereits  Kriegk  in  seinem  Aufsatz  in 
den  deutschen  Kulturbildem:  »Goethes  Lehrer,  der  Rector  Albrecht«, 
das  Gymnasialwesen  Frankfurts  im  vorigen  Jahrhundert  einer  kritischen 
Betrachtung  unterzogen  hat,  auf  die  hinzuweisen  ich  mehrfach  Ge- 
legenheit haben  werde. 

Das  Schullokal  der  damaligen  Zeit  kann  ich  ebenfalls  als  be- 
kannt voraussetzen.  Das  Neujahrsblan  des  Vereins  für  das  Jahr  1870 
belehrt  uns  zur  Genüge  darüber,  dass  es  die  Klostergebäudc,  namentlich 
aber  der  Kreuzgang  des  ehemaligen  Barfüsserklosters  waren,  in  denen 
sich  d.is  Gymnasium,  wie  auch  ein  Thcil  der  Lehrerwohnungcn  be- 
fand, und  dass  an  der  Stelle  derselben  jetxt  J  is  alte  Börsengebäude 
steht,  während  die  1833  vollendete  Paulskirchc  die  Stelle  der  1786 
abgerissenen  und  seitdem  im  langsamen  Neubau  begriffenen  Barfüsser- 
kirche  einnimmt. 

Das  Gymnasium  bestand  zur  Zeit  der  Handlung  der  beiden 
Stücke  aus  sechs  Gassen,  von  Soxtn  bis  Prima,  wie  heute  noch ; 
nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  Sexta,  Secunda  und  Prima  zwei- 
jährige, Quinta,  Quarta  und  Tertia  andenhalbjährige  Curse  hatten. 
Von  der  Aushaltung  dieser  Zeit  konnte  aber  »der  grosse  Fleiss  eines 


*  Dass  ich  nidit  bei  alten  EiiUEcIhdtcii  Auf  das  StQck  verwiesen  habe,  wird 
man  mir,  denke  ich,  Dank  wissen,  da  die  Darstellung  darunter  nur  gelitten  haben  wfirde. 


-  46  - 


Schülers,  oder  von  den  Eltern  oder  VormQndem  vorgebrachce 
und  triftig  befundene  Grunde«  entbinden.  Ebenso  aber  konnten  audi 
die  Unfleisstgen  Ober  die  festgesetzte  Zeit  in  den  einzelnen  Classen 
sitzen  bleiben,  oder  auch  gar  in  eine  niedrigere  Classe  zurückversetzt 
werden,  was  die  Consistorialordnung  allerdings  als  eine  öffentliche 
Beschimpfung  bezeichnete. 

Nach  dem  zweijährigen  Besuche  der  Prima  kam  dann  noch  ein 
einjähriger,  oft  aber  auch  zweijähriger  Besuch  der  Schule  als  Ezemtus 
hinzu.  Solche  Exemten  besuchten  nur  för  gewisse  Fächer,  nament- 
lich die  Sprachen  und  Religion,  die  Prima  und  erhielten  daneben 
in  eigenen  Stunden  Unterricht  in  Rhetorik,  Philosophischer  Propädeutik, 
Literaturgeschichte  sowie  Griechischen  und  Römischen  Alterthflmem. 
Die  Schulordnung  schreibt  vor,  dass  niemand  eximin  werden  solle, 
»der  nicht  im  Stande  wäre,  das  nöthige  von  bekannten  Sachen  mit 
ziemlichem  Latein  vorzubringen  und  ohne  langen  Bedacht  und  merk* 
liehen  Anstos  herauszureden,  auch  sine  vitiis  et  a  latinitate  abhor- 
rentibus  phrasibus,  Germanismis  et  Soloecismis  ex  tempore  zu 
schreiben«,  allein  17S2  stellt  der  Senior  Mosche  den  damaligen 
Exemten  das  Zeugniss  aus,  dass  die  meisten  unter  ihnen  soweit 
zurück  seien,  »dass  sie  kaum  einen  leichten  lateinischen  Autorem 
lesen  und  exponiren  können.« 

Das  war  der  allerdings  klägliche  Erfolg  eines  10  bis  1 1  jährigen 
Gymnasialstudiums.  Dass  es  sich  später  nicht  gebessert  hatte,  zeigt 
ein  Gutachten  des  Consistorialraths  Pfarrer  Zeitmann  aus  dem  Jahre 
1798,  in  dem  er  u.  A.  sagt: 

»Man  ordne  und  unterscheide  nur  die  Schüler  nicht  nach  ihrem 
Verlangen,  sondern  nach  ihrer  Fähigkeit.  Man  setze  nicht  einen 
jeden  in  eine  Classe,  in  welche  er  will,  man  entferne  grosse  und  er- 
wachsene Leute,  die  noch  nicht  decliniren  können,  und  zum  Studiren 
ganz  untauglich  sind,  von  dem  Gymnasio,  und  verweise  sie  an 
deutsche  Schullehrer,  anstatt  man  sie  zum  Verderben  des  Gymnasii, 
sogleich,  weil  solche  Idioten  gross  und  erwachsen  sind  und  es  be- 
gehren, in  Primam  oder  Secundam  setzet,  und  durch  sie  jüngere, 
Äeissigere  und  dem  Studiren  gewidmete  Schüler  aufhält  und  ärgert  — 
so  werden  gar  bald  viele  Unordnungen  wegfallen  und  das  d^yo^  des 
Gymnasii  bestehen  und  erhnlten  bleiben.« 

Mit  der  hier  getadelten  falschen  Setzung  der  Schüler  hatte  es 
folgende  Bewandniss. 

Der  Eintritt  in  die  Schule  geschah  der  Regel  nach  in  Sexta, 
gefordert  wurde  in  dem  l  alle  weiter  nichts  als  die  Kenntnis-^  des 
Deut&chlescns  und  die  Aniangsgründc  des  Sclireibens.  Schüler,  die 


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-  47  - 


in  andere  Qassen  aufgenommen  werden  wollten,  meldeten  sich  zu 
dieser  an  und  unterlagen  keiner  besonderen  Aufnahmeprüfung,  sondern 
nar»derpflichtmässigen  und  unpartheiischen  Beurtheilung  desRectors.« 
Was  man  aber  von  dieser  höheren  Orts  zu  halten  sich  berechtigt 
glaubte,  das  erhellt  aus  den  Bestimmungen  der  Schulordnung  von  1765 
ober  die  Aufnahme  der  armen  Schüler,  die  auch  der  Beurtheilung 
des  Rectors  Oberlassen  war:  »jedoch,  wann  die  übrige  Präceptores, 
insonderheit  Conrector  und  Prorector,  verspüreten,  dass  hierinnen 
einem  oder  dem  andern  Schüler,  vielleicht  gar  aus  unerlaubten  Ur> 
Sachen,  z.  B.  wegen  hiemit  gänzlich  verbotener  Geschenke,  zum 
Nachtheil  anderer  favorisirt  würde,  sollen  sie  solches  unserm  Con> 
sistorio  anzuzeigen  schuldig  sein,  das  dann  die  nöthige  billigmässige 
Vorkehrungen  zu  machen  wissen  wird.«  Es  liefen  nun  auch  —  das 
kann  nicht  Wunder  nehmen  —  bei  der  Aufnahme  der  Schüler 
mancherlei  Ungerechtfertigkeiten  unter.  Zumeist  verlicss  sich  der 
Rector  zu  sehr  auf  die  bei  der  Anmeldung  gemachten  Angaben,  die 
oftmals  an  den  von  der  Anmeldung  seitens  der  Eltern  vorher  ver- 
ständigten Öassenlehrem  lebhafte  Unterstützung  fanden,  und  denen, 
auch  im  Falle  der  nicht  vorhergegangenen  Verständigung,  die  Qassen- 
lehrer  um  so  weniger  widersprachen,  als  ihnen  ja  das  Schulgeld  der 
ihre  Ciasse  besuchenden  Schüler  zufloss,  und  der  Zuwachs  eines 
neuen  Zahlers  ihnen  darum  nur  wiinschenswerth  sein  konnte.  Oder 
aber,  und  dieser  Fall  trat  nach  den  Acten  oft  genug  ein,  der  Rector 
hegte  eine  Parteilichkeit  gegen  einen  der  Lelirer,  begünstigte  dagegen 
einen  anderen,  und  wies  aus  diesem  Grunde  den  eintretenden  Schüler 
einer  höheren  Classe  zu,  als  er  mit  Recht  nach  seinen  Kcmunissen 
hätte  beanspruchen  können.  Riet'  nun  der  Neid  des  benachtheiligten 
oder  sich  benachtlieiligt  glaubenden  Collegen  nicht  einen  Protest 
gegen  den  [entscheid  des  Rectors  an  das  Consistorium  hervor  (und 
dieser  unterblieb  meist  wegen  der  in  praxi  geringen  Aussicht  auf 
Hrf()]g),  so  hatte  es  bei  der  Zutheilung  des  Neueintretenden  zu  der 
für  ihn  vielleicht  völlig  unpassenden  Classe  sein  Bewenden.  Sass 
ein  «solcher  Schüler  dann  länger  darin  als  die  gesetzliche  Zeit,  oder 
bedurfte  er,  um  mitzukommen,  der  privnten  Nachhülfe,  so  war  ja 
beides  wiederum  nur  der  Vortheil  des  bevorzugten  Classcnlehrers. 

Dass  dieses  Unwesen  aber  nicht  an  der  Persönlichkeit  des  Rectors 
oder  der  Lehrer  liege,  dass  vielmehr  der  Grund  des  Uebels  in  dem 
mangelhaften  Besoldungswesen  der  Lehrer  zu  suchen  sei,  hatte  schon 
im  Jahre  1770  vorausschauend  der  Consistoriale  Siegner  erkannt, 
indem  er  in  einem  Gutachten  sagte,  dass  die  passende  Auswahl  zu 
den  Studien  geeigneter  Schüler  «so  kinge  ein  frommer  Wunsch  bleiben 


-    48  - 


wird,  so  lang«  die  Docenten  von  der  Vielheit  der  Schuler  ihren 
Unterhalt  haben«,  d.  h.  so  lange  das  Schulgeld  der  Schüler  einer 
Ciasse  und  die  sonst  von  ihnen  zu  ziehenden  Nebeneinnahmen  den 
Hauptbestandtheil  des  Gehaltes  des  auf  diese  Ciasse  angewiesenen 
Lehrers  bildete.  Und  dieses  war  zu  den  Zeiten  unserer  Stücke,  und 
selbst  jahrelang  nachher  noch  immer  so,  und  hatten  sich  daher  die 
von  Kriegk  in  seinem  Aufsatze  über  Rector  Albrecht  (S.  141}  ge- 
schildenen  Missstände  trotz  eines  Verbesserungsversuchs  der  Schul- 
ordnung von  1765  noch  immer  nicht  gebessert.  Die  neue  Schul- 
ordnung hatte  Dämlich  das  promoviren  per  saltum,  wie  man  es  be> 
nannte,  das  Ueberspringen  einer  Classe  durch  längeres  Sitzenbleiben 
in  einer  tieferen  ein  Ende  bereitet.  Doch  war  die  Zotheilung  Neu- 
eintretender noch  immer  in  die  Hand  des  Reaors  gelegt,  und  so 
wusste  denn  auch  <^ar  bald  die  Findigkeit  Sitzengebliebener,  die  sich 
vorwärts  schieben  wollten,  oder  derer,  die  gerne  einen  bestimmten 
Lehrer  vermeiden  wollten,  eine  Hinterthür  zu  finden,  durch  die  sie 
das  Verbot  der  Schulordnung  umgehen  konnten. 

Ein  Schüler,  der  gern  eine  Clause  überspringen  wollte,  ging  ab, 
nahm  Privatunterricht,  sehr  oft  bei  dem  Lehrer,  dessen  Classe  er 
verlassen,  und  der  ihm  zu  diesem  Schritte  gerathen  hatte,  und  brachte 
es  gar  rasch  so  weit,  dass  er  sich  /.u  dem  gewünschten  höheren 
Coetus  aufs  Neue  beim  Kector  melden  konnte,  wobei  dann  das 
Zcugniss  des  Privaünformators,  namentlich  wenn  dieser  ein  College 
des  Gynmasii  war,  und  die  Fürsprache  der  Kitern,  die  in  diesem 
l"alle  meist  wohlhabenden  und  angesehenen  Familien  angehörten, 
der  Meldung  den  nöthigen  Nachdruck  verliehen.  So  hatte  es  nach 
den  Inscriptionsregistern  Rössing  gemacht,  der  im  Jahre  17S3  in 
Sexta,  im  Jahre  1790  dann  wieder  in  Sccunda  eingetreten  war,  und 
auch  Textor  scheint  nach  des  Prorcctors  Worten  einmal  abgegangen 
und  wiedergekommen  zu  sein. 

Das  feste  Gehalt  der  Gymnasiallehrer  betrug  damals  in  den 
drei  obersten  Stellen  600  Gulden,  in  den  mittleren  400  Gulden,  in  den 
unteren  200  Gulden,  daneben  hatten  der  Rector  und  Conrector  eine 
Dienstwohnung,  alle  aber  Accidentien  an  Holz,  Korn  und  Salz  in 
gradatim  abgemessenen  Portionen. 

Das  Sclmlt,'eld  betrug  halb)ahrhch  in  den  Unterklassen  3  Gulden, 
für  C.horschuler  i  Gulden,  in  Secunda  und  Prima  5  Gulden,  iür 
Ghorschuler  2  Gulden.  Die  Exemten  zahlten  halbjährlich  2  Gulden, 
die  dem  Rector  zu  Gute  kamen.  Vun  jedem  vollen  Schulgeld  von 
3  und  5  Gulden  mnsste  der  emptan^ende  I. ein  er  halbjährlich  i  Gulden 
an  die  Rechnet  abliefern,  das  Schuij^eld  der  Choristen  verblieb  ihm 


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—  49  — 


ganz.  Die  Privatinfortnatton,  sowohl  im  Hause,  als  auch  classen- 
weise  m  der  Schule,  sowie  der  zu  Messzeiten  während  der  Ferien  enheilte 
Unterricht  war  eine  den  Lehrern  garantirte  Nebeneinnahme»  jedoch 
sollten  sie  den  ärmeren  Schülern  ein  geringeres  Honorar  abfordern. 

Der  Unterricht  im  Französischen,  Englischen  und  der  Mathe- 
nuitik  wurde  ebenfalls  besonders  honorirt. 

Zur  Beschaffung  von  Tinte,  Kreide  und  anderen  kleinen  Schul- 
utensilien wurde  durch  halbjährliche  Zahlungen  der  Schüler,  die  nach 
und  nach  sich  auf  halbjährlich  je  i8  und  24  Kreuzer  für  Unter-  und 
Oberdassen  fixirte,  eine  Classenkassc,  der  fiscus  classis  gebildet. 

Ein  jedes  Halbjahr  brachte  sodann  noch  eine  weitere  Gelegen- 
heit zu  Einnahmen  für  den  Lehrer,  die  allerdings  stets  als  eine  frei- 
willige bezeichnet  wird,  die  aber  schon  durch  die  Aufnahme  in  die 
Schulgesetze  und  in  die  Bestallungen  der  Lehrer  bei  der  Aufzählung 
der  ilinen  zustehenden  Emolumente  dieser  Freiwilligkeit  in  erheb- 
licher Weise  wieder  entkleidet  wird,  so  dass  die  Freiwilligkeit  nur 
noch  in  der  nach  den  Vermögensumständen  höheren  Bemessung  der 
gespendeten  Geschenke  sich  äussern  konnte.  Es  heisst  darüber  in 
den  Schulgesetzen :  »Obwohl  wir  auch  das  Neujahr  und  sogenannte 
Johanneum  bei  seitherigen  theuren  Zeiten  gänzlich  zu  verbieten 
Bedenken  tragen,  vielmehr  hoffen,  dass  selbige  die  Präceptores  zu 
niehrerem  Fleisse  zu  ermuntern  nicht  undienlich  seien,  so  muss  doch 
alles  dieses  derer  Schüler  Eltern  und  Vormündern  freien  Willen  aus- 
gesetzet  bleiben,  und  ein  armer  Schüler,  wann  er  nichts  dergleichen 
geben  kann,  hierüber  nicht  übel  angesehen,  oder  anders  als  seine 
Mitschüler  gehalten,  oder  geringerer  Fleiss  als  an  einen  von  wohl- 
habenderen oder  vornehmeren  Eltern  herkommenden  an  ihn  gewendet 
werden.«  Diese  Geschenke  kamen  den  Lehrern  zu,  die  mit  ihren 
Einnahmen  auf  die  betreftenden  Classen  angewiesen  waren.  Noch 
1805  w^'rden  sie  in  der  vom  Gymnasium  gedruckt  ausgegebenen 
»Nachricht  über  die  zu  entrichtenden  Gebühren  und  freiwilligen  Ge- 
schenke der  Schüler  des  hiesif^'cn  Gymnasiums«  als  freiwillige  Ge- 
schenke aufgeführt,  zugleich  auch  cniplehlend  hinzugesetzt:  »diejenigen, 
welche  dem  ünterrichi  in  der  frani^ösischen  und  englischen  Sprache 
oder  dem  Zeichenunterrichie  beiwohnen,  können  sicli  zu  jenen 
Zeiten  gegen  die  Lehrer  dieser  Lehrgegenstände  dankbar  beweisen.« 
Diese  drei  Gegenstände  sind  alle  drei  erst  in  den  achtziger  Jahren 
des  vorigen  Jahrhunderts  in  dem  Gymnasium  eingeführt,  von  der 
französischen  Sprache  stein  als  Einführungsjahr  1784  fest,  von 
der  englischen  schweigen  die  Acten  bis  17S8  ganz,  das  Zeichnen 
und  die  damit  verbundene  Geometrie  lehrte  seit  1787  Herr  Lambert. 

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—  50  - 

Alle  drei  DisdpHnen  aber  standen  bis  zu  diesem  Jahrhunden 
noch  ausserhalb  des  eigentlichen  Lectionsplans,  der  an  regelmSssigen 
wöchentlichen  Stunden  nur  26  umfasste  und  zwar  täglich  Vormittags 
von  8  bis  II  Uhr,  Nachmittags  (mit  Ausnahme  der  Mittwoche  und 
Samstage)  von  2  bis  4  Uhr. 

Im  Sommer  traten  dann  noch  von  halb  acht  bis  acht  Uhr  die 
s.  g.  Preces  hinzu,  »worinnen  mit  einem  Gebet  der  Anfang  gemacht, 
hierauf  ein  Capitel  aus  der  BUmsI*  gelesen  und  zum  Nutzen  derer 
Schüler,  sowie  es  sich  vor  ihre  Umstände  schicket,  angewendet 
werden  soll.«  Hierzu  kommen  je  zwei  und  zwei  Gassen  Qm  vor- 
liegenden Falle  Prima  und  Secunda)  zusammen. 

Sonntags  war  für  die  Schüler  der  vier  oberen  Classen,  unter 
wechselsweiser  Aufsicht  eines  Lehrers,  der  Gottesdienst  Vor- 
wie  Nachmittags  obligatorisch.  Sie  hatten  —  so  lange  die  Barfüsser- 
kirche  stand  —  den  s.  g.  Studentenlettncr  zu  besuchen.  Derselbe 
war  für  die  Schüler  der  Gelehrten-Schule,,  sowie  auch  »andere  Ge- 
lehrte und  Studiosos«  bestimmt  und  hatten  die  als  Calefactores  des 
Gymnasiums  angestellten  Schüler  die  Ver|>flichtung,  »beide  sich  bei 
Zeiten  vor  der  Thür  einzufinden  und  ausser  der  studirenden  Jugend 
und  denen,  so  mit  Recht  Studenten  und  Literati  können  genennet 
werden,  niemandem,  es  wären  dann  hohe  Standes-  oder  andere  fremde 
Personen  von  Distinction,  die  Thüre  zu  eröffnen.«  Der  Abbruch 
der  Kirche  hatte  in  die  Regelmässigkeit  des  Kirchenbesuchs  wohl  eine 
grosse  Lücke  gerissen,  immerhin  aber  war  die  Controlpflicht,  wie 
man  aus  des  Prorectors  Rede  an  den  Calefaaor  und  Primaner  Rodaug 
sieht,  bestehen  geblieben. 

Der  Beginn  des  halbjährigen  Unterrichts  war  auf  Samstag 
in  der  dritten  Messwoche  festgesetzt,  der  eigentliche  Unterricht  be- 
gann aber  erst  Montags  darauf.  Den  Scbiuss  des  Halbjahrs  bildeten 
die  in  der  Woche  vor  der  Geleitswoche  abgehaltenen  Examina,  die 
durch  ihre  Oeifentlichkeit  einen  Beweis  von  dem  Fortschreiten  der 
Schüler  liefern  sollten.  Was  sie  in  Wirklichkeit  bedeuteten,  lässt 
uns  schon  die  SchÄl-Ordnung  von  1765  erkennen,  da  sie  dem  Con- 
sistorium  zur  Pflicht  macht,  »wohl  zuzusehen,  dass  die  an  die  Schüler 
gethanc  Fragen  und  die  vorgenommene  Lcctiones  nicht  abgezahlct 
oder  gar  in  die  in  Händen  habende  Bücher  gcicget,  oder  auch  sie 
lange  Zeit  auf  den  Tag  des  Examinis  vorbereitet  werden«,  und  da 
sie  ebenso  vorschreibt,  dass  auch  die  Examensexercitien  nicht  von 
dem  Ordinarius,  sondern  von  dem  Rector  selber  und  zwar  bis  zur 
lertigstellung  beaufsichtigt  werden  sollten.  Dass  dieses  in  der 
Praxis  doch  nicht  ausgeführt  wurde,  zeigen  mehrfache  consistoriale 


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—   5»  — 


Eraialmungen  an  das  Lehrercollegium ,  diesen  Vorschriften  genau 
nachzuleben.  Der  Consistorialrath  Senior  Dr.  Mosche  sagt  geradezu 
in  einem  Gutachten  über  die  Schul-Ordnung  im  Jahre  1782»  dass 
das  Vorbereiten  auf  die  Examina  zwar  verboten  sei,  »dass  dies 
aber  bishero  demungeachtet  von  manchen  Praeceptoribus  alle  Zeit 
geschehe.« 

Dem  Beginne  des  halbjährigen  Unterrichts  ging  am  Donners- 
tag der  letzten  Messwoche  die  Progression  vorauf.  »Und  weilen  bei 
der  Progression  gemeiniglich  ein  grosser  Zuspruch  von  Zuhörern, 
so  sollen  vor  andern  solchen  Schülern  teutsche  und  lateinische 
Orationes  gegeben  werden,  die  eine  gute  Aussprache  haben  und 
von  denen*  Zuhörern  verstanden  werden  können;  dabei  dann  die 
Praecepcores  um  ;so  unpartheiischer  ver&bren,  und  geringe  Schüller 
denen  vornehmen  um  so  mehr  gleichhalten  werden,  als  vor  diese  • 
Orationes  etwas  zu  fordern  verboten  ist,  folglich  alles  auf  derer 
Eltern  und  Vormfinderen  Willkür  ankommt,  auch  um  des  Geldes 
willen  niemand  eine  Rede  zu  halten  gezwungen  werden  soll.«  So 
sagt  die  SchuKOrdnung.  Wie  aber  reimt  es  sich  damit,  dass  noch 
bis  in  dieses  Jahrhundert  hinein  zu  den  regelmässigen  Accidentien 
der  Lehrer,  auf  die  sie  neben  ihrem  Gehalte  bei  der  Anstellung  an- 
gewiesen wurden,  ausser  dem  Didactrum  (Schulgeld),  dem  Neujahr, 
dem  Johanneum  und  dem  Messdassenbonorar  auch  die  Einnahme 
filr  Anfertigung  der  Orationes  im  Anstellungsdecret  aufgezählt  wurde? 
Dass  dabei  das  Zünglein  der  Wagschale  doch  stets  auf  die  Seite  des 
Wohlhabendem  sich  senkte,  wenn  es  bei  dem  Lehrer  um  Abwägung 
der  grössem  Befähigung  zum  Redeaaus  sich  handelte,  ist  bei  den 
damaligen  Zuständen  einleuchtend,  ebenso  begreiflich  auch  der  Stolz 
eines  Consistofialrathes  und  Pfarrers,  der,  selbst  aus  dem  Qior  her- 
vorgegangen, in  einem  Gutachten  1798  mit  Ruhm  hervorhebt,  dass  er 
ausser  Neujahr  und  Johanneum  auch  f&r  seine  zu  haltende  Rede  aus 
seinen  Choreinkünften  ein  Geschenk  gegeben  habe.  Er  wird  eben 
wohl  nur  dieser  Opferwilligkeit  die  Zulassung  zur  Rede  ver 
dankt  haben. 

Von  den  Lehrgegenständen,  denen  die  Schulordnung  ausser 
dem  ausführlichen  Stundenpläne  noch  24  Paragraphen  und  Rector 
Purmann  1772  ein  vollstiindiges  Herbstprogramm  widmet,  will  ich 
nur  das  zum  Verständniss  der  damaligen  Zustände  unbedingt  Noth- 
wendige  wiedergeben. 

»Die  Hauptabsicht«,  dies  wird  mehrfach  ausgesprochen,  »i.st 
auf  Erlernung  der  lateinischen,  griechischen  und  hebräischen  Sprache 
gerichtet,  damit,  wann  man  aul  Universitäten  kommet,  die  Fertigkeit 

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—   52  — 

in  bemeldeten  Spraclicn  allschon  erlanget  sein  und  die  kostbare  Zeit 
mit  deren  ohnehin  gemeiniglich  allzuspäten  und  unthunlichen  Er- 
lernung nicht  zugebracht,  und  die  übrigen  höheren  und  wichtigeren 
Wissenschaften  darüber  versäumet  werden  mögen.«  Die  nicht  zum 
Studium  bestimmten  Schüler  des  Gymnasii  sollen  während  der  auf 
Griechisch  und  Hebräisch  verwendeten  Zeit  anderweitig  beschäftigt 
werden.  Sie  besuchten  nach  dem  1784  eingereichten  Typus  lectionum 
solange  die  geographischen  und  historischen  Lecttonen  der  Exemten. 

In  der  Theologie  ist,  der  Schul-Ordnung  nach,  nicht  auf  grosse 
Weitläufigkeit  und  viele  Dictate,  sondern  auf  den  Begriff  und  Zu- 
sammenhang der  vorzutragenden  Wahrheiten  das  Augenmerk  zu 
richten.  Nach  dem  Lectionsplane  von  1774  wurde  dem  Unterricht 
in  den  Oberclassen  Schop}Krlins  populärer  Religionsbegriff  fär  evan* 
gelische  Schulen  und  G3iinnasien  zu  Grunde  gelegt.  Die  erste  Auf<> 
läge  dieses  Buchs  war  1771  zu  Nördlingen  erschienen,  im  Jahre  1774 
erblickte  eine  zweite  Auflage  das  Licht.  Erstere  kenne  ich  aus  der 
Schweriner  Regierungsbibliothek,  letztere  besitzt  die  Stuttgarter  Kgl. 
öffentliche  Bibliothek.  In  der  ersten  Auflage  kuten  die  $$  69  und  70, 
der  5.  und  6.  $  des  dritten  Artikels:  »Von  der  göttlichen  Vor- 
sehung,  die  über  den  Menschen  waltet«,  folgendennassen: 

69.  Hat  nun  der  Mensch  von  Gott  die  Fortdauer  seiner 
Lebenskraft  und  seine  ganze  Wirksamkeit,  hat  der  Mensch  von  Gott 
die  Lebensmittel,  so  ist  Gott  nicht  allein  sein  Schöpfer  sondern  auch 
sein  Erhalter.  Aber  seine  Hubaltung  ist  an  den  Gebrauch  dieser 
natürlichen  Mittel  gewiesen. 

$  70.  Alle  lebendigen  Wesen  haben  der  göttlichen  Erhaltung 
ihre  Wirksamkeit  zu  danken.  Gott  wusie  von  Ewtgkdt  vorher,  wie 
jedes  in  seiner  Art  wfirken  würde.  Es  geschieht  demnach  in  der 
Welt  nichts,  was  Gott  nicht  beschlossen  hätte,  geschehen  zu  lassen. 
Das  heisst  Gott  regiert  die  Welt,  und  in  der  Erhaltung  und 
Regierung  der  Welt  besteht  die  göttliche  Vorsehung.  Lasset 
uns  die  göttliche  Regierung  näher  kennen  lernen.« 

Die  in  den  Preces  behandelten  indiH'crenten  Handlungen  sind 
nicht  in  der  ersten  Auflage  erwähnt.  $21  htntet:  »Thut  der  Mensch 
den  Willen  Gottes,  so  ist  er  gut  und  so  beschaffen,  als  er  beschaffen 
sein  soll,  das  heisst  rechtschaffen.«  Und  weiter  §  22:  »Die 
Fertigkeit  in  der  Erfüllung  des  göttlichen  Willens  heisst  Tugend 
und  die  Fertigkeit  in  der  Uebertretung  desselben  maclit  das  Laster 
aus.«  Beide  Paragraphen  sind  nicht  ohne  Rinlluss  auf  des  Prorectors 
Gedankengang  bei  der  Behandlung  der  indifferenten  Handlungen 
gewesen. 


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-   53  - 

Ansmt  der  Bibel,  die  man  aus  chörichter  Prüderie  den  Schülern 
nicht  in  die  Hand  geben  wollte,  waren  für  jede  Classe  einige  Exemplare 
voti  Seilers  Auszug  aus  der  Bibel  bescbifft,  die  zum  Vorlesen  und 
gelegentlichen  Nachschlagen  benutzt  wurden.  Auch  war  ein  eigenes 
Schulgesangbuch  mit  Gebeten  gedruckt  und  jedem  Schüler  ein  Exemplar 
gratis  zugetheilt  worden. 

Ueber  dem  Lateinischen,  das,  wie  wir  sahen,  die  Hauptspracbe 
bildete,  sollte  nach  der  Schulordnung  das  Deutsche  nicht  vergessen 
werden,  auf  dessen  »Rein-  und  Zierlichkeit  mit  Emst  zu  dringen  ist.« 
Auch  soll  in  allen  Gassen  auf  »eine  insonderheit  heut  zu  Tage  sehr 
beliebte  saubere  Hand  im  Schreiben«  gesehen  werden,  »als  wodurch 
gar  mancher  in  der  Welt  sein  Brod  reichlich  findet.«  Dass  es  aber 
mit  dem  Deutschen  in  Wirklichkeit  nicht  so  eingehalten  wurde>  wie 
es  die  Schulordnung  und  noch  darüber  hinaus  der  Schulplan  des 
Rectors  von  1772  in  Aussicht  stellt,  kann  man  aus  den  bitteren 
Klagen  des  Consistorialrath  Ettling  entnehmen,  der  im  Jahre  1775 
sagt:  »Es  ist  zu  bedauern  dass  in  unserm  Gymnasio  10  bis  it  Jahre 
mit  Erlernung  des  Lateins  und  ein  elend  bischen  Griechisch  und 
Hebräisch  verschwendet,  an  die  Teutsche  Spradie  aber  gar  nicht 
gedacht  wird.  Es  sind  doch  wirklich  einige  unter  denen  Präceptoren— 
denn  von  allen  kann  man  es  sicherlich  nicht  behaupten  welche 
unserer  Muttersprache  mächtig  sind.  Diesen  wäre  aufzugeben,  die 
Jugend  der  3  oder  4  oberen  Qassen  in  dem  teutschen  Styl  besonders 
dem  Briefschreiben  zu  unterrichten.«  Etwas  besser  war  es  nun 
freilich  gewcMrden,  allein  wenn  man  die  Eingaben  und  Gutachten 
der  Gymnasiallehrer  auch  aus  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
liest,  und  wir  dürfen  die  des  Prorectors  durchaus  nicht  ausnehmen, 
so  sieht  man,  dass  für  diese  Herren  die  Classiker  unseres  deutschen 
Stils  allerdings  bis  dahin  noch  umsonst  ihre  Meisterwerke  ge- 
schrieben hatten. 

Der  geschichtliche  Unterricht  sollte  nach  der  Schulordnung  den 
Schülern  »die  .  IL  cmeinsten  Begriffe  der  Historie  und  die  aller- 
merkwürdigsten  Begebenheiten«  lehren  »damit  sie  hernach  auf  Uni- 
versitäten, und  bei  weiterer  Fortsetzung  ihrer  Studien,  wie  sie  sich 
alles,  was  sie  von  Begebenheiten  lesen  und  hören,  zu  Nutze  machen 
sollen,  wissen  mögen.«  Der  Rector  Purmann  entwickelte  in  dem 
Programm  von  1772  den  Plan  noch  genauer.  Danach  beginnt  der 
Geschichtsunterricht  in  Quarta  mit  Biographien  und  Schilderungen 
der  hauptsächlichsten  Umwälzungen  im  ErzähUmgston.  In  Tertia 
zeigt  man  den  Schülern  »den  Hauptzusammenhang  der  Begeben- 
heiten, man  formirt  die  Haupt-Epochen  und  sucht  sie  den  Kindern 


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—  54  - 


durch  allerhand  Kunstgriffe  leicht  zu  machen.  Nunmehr  lernen  sie» 
wohin  sie  die  vorhin  gehörten  grossen  Begebenheiten  stdlen  sollen. 
Es  ist  ihnen  z.  B.  von  Alexander,  Hannib.il  verschiedenes  erzählt 
worden,  jetzo  hören  sie,  dass  sich  die  Geschichte  des  ersten  hundert 
Jahre  vor  den  letzten  zugetragen  habe.  Die  Zeitrechnung,  die  sonst 
so  wild  aussieht,  macht  man  ihnen  durch  die  Anordnung  grosser 
Begebenheiten  leicht.«  Dieser  Grundriss  wird  in  den  folgenden 
Classen  immermehr  erweitert,  auch  die  wichtigsten  Begebenheiten 
der  Kirchengeschichte  eingefügt.  Die  römische  Geschichte  in  der 
alten  Zeit  und  die  deutsche  Kaiserhistorie  in  der  mittleren  und 
neueren  Geschichte  ist  der  Grundstock,  woran  sich  die  gleichlaufende 
Geschictuc  .\ni;liedcrn  muss.  Die  neueste  Geschichte  seit  i6)0  wird 
nur  den  Hxemten  vorgetragen.  Geographie  wird  nur  in  Verbindung 
mit  der  Geschichte  tractirt  und  zwar  als  eine  Verbindung  der  pliv- 
sischen  Geographie  mit  der  politischen,  sowohl  alterer  als  moderner 
Zeit.  »Durch  diese  Verbindung  der  alten  und  neuen  Geographie«, 
sagt  Furmnnn,  »wird  der  Verstand  der  Autoren,  weiche  die  Schüler 
lesen,  ungemein  erl;ichtert." 

Zur  Finführung  der  Schüler  in  die  neueste  Ge^ciiichte  und 
Geographie,  zugleich  um  sie  mit  den  Werken  der  Kunst  und  den 
neuesten  Ertindungen  bekannt  zu  machen,  wurde  am  Samstag  in  der 
letzten  Stunde  des  Vormittagsunterrichts  von  dem  Lehrer  der  Tertia 
mit  den  Hxemten  und  den  Schülern  der  drei  oberen  Glauben,  aUo 
bis  zur  Tertia  einschliesslich  hinunter,  eine  politische  Zeitung  ge- 
lesen und  kunstgerecht  durchgenommen.  Das  sollte  dann  neben 
dem  Nutzen  für  die  neueste  Geschichte  auch  aut  die  Philosoplue 
und  Literaturgeschichte,  die  klassischen  Alterthüiner  u.  s.  w.  vor- 
bereiten, mit  denen  die  Lxciuien,  wie  schon  oben  gesagt,  das 
Gebäude  ihrer  classischcn  Bildung  krönten. 

Der  damalige  CoUega  tertiae  classis  Schiller  war  um  so  ge- 
eigneter zu  diesem  Amte,  als  er  zuerst  langjähriger  Mitarbeiter  am 
Journal ,  seit  dem  Jahre  1772  aber  Eigenthümer  und  geistiger 
Leiter  der  von  ihm  neiibegründeten  Zeitung  »Staats-Ristretto«  war. 

Französisch  wurde  im  G3'mnasium,  wie  ich  schon  erwähnt^ 
erst  seit  dem  Jahre  1784  gelehrt,  und  zwar  zuerst  nur  üicultativ 
und  in  beschränkter  Stundenzahl,  mag  den  eingefleischten 
Lateinern  schwer  genug  angekommen  sein,  sich  zu  der  Concession 
an  den  Zeitgeist  zu  bequemen.  Noch  1772  sagte  Purmann  abweisend: 
»Es  waren  Zeiten,  wo  man  glaubte,  dass  man  kein  nützliches  Mit- 
glied der  Republik  sein  könnte,  wenn  man  nicht  alles  Kuchengeschirr 
in  lateinischer  Sprache  benennen  könnte,  heut  zu  Tage  wird  sie 


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grossentheils  verachtet,  im  Gegentheil  glaubt  man,  dass  man  kein 
vernünftiger  Mensch  sein  könne,  wenn  man  nicht  sein  plait-il  Mon- 
sieur bei  aller  Gelegenheit  könnte  hören  lassen.  Allein  Freunde 
nicht  der  flatterhaften,  sondern  der  wahren  Gelehrsamkeit  sind 
von  der  Unentbehrlichkett  der  lateinischen  Sprache  überzeugt,  und 
der  galanten  Mode  ungeachtet  fahren  wir  fort,  allen  Fletss  auf  den 
Unterricht  in  dieser  Sprache  zu  wenden.  Wir  sind  überzeugt,  dass 
der  bessere  Theil  des  Publid  auf  unserer  Seite  sein  werde.« 

Zwölf  Jahre  darauf  musste  man  sich  aber  von  dem  Gegentheil 
überzeugt  haben,  denn  die  £inföhrung  des  Französischen  wird  dann 
von  demselben  Reaor  Purmann  beantragt.  Als  ein  nicht  unwesent- 
licher Grund  zur  Einführung  desselben  erscheint  allerdings  der  Um- 
stand, dass  alle  französischen  Sprachmeister  der  Zeit  katholischen 
oder  reformirten  Glaubens  waren,  und  man  durch  eine  Ueberlassung 
des  französischen  Unterrichts  an  diese  Privat-Sprachmeister,  wie  sie 
die  Schulordnung  vorsah,  eine  Gefahrdung  der  reinen  lutherischen 
Lehre  befurchten  musste.  Was  hätte  das  Consistorium  nicht  gethan,  und 
ein  Hochedler  Rath  nicht  bewilligt,  wenn  ihnen  dieses  Schreckgespenst 
gezeigt  wurde.  Der  Unterricht  wurde  dem  Cand.  theol.  J.  J.  Römer 
übertragen,  der  s.  Z.  das  französische  Stipendium  genossen  hatte,  das 
gestiftet  war,  um  Theologen  Augsburgischer  Confession  Französisch 
lernen  zu  lassen,  damit  sie  als  Prediger  den  früher  noch  französisch 
redenden  eingewanderten  Niederländern  A.  C  predigen  könnten. 
Die  französische  Predigt  war  aber  schon  geraume  Zeit  abgestellt. 
In  die  Bresche,  die  durch  Einführung  dieser  modernen  Sprache  in 
die  wahre  Gelehrsamkeit  gelegt  war,  drang  dann  auch  Englisch 
itnd  Mathematik  ein,  aber  sie  waren  beide  noch  mehr  als  jene  die 
Stiefkinder  der  Anstalt. 

üeber  die  Lehrart  ist  zwar  in  den  mehrfach  genannten  ge* 
druckten  Quellen  der  6ocr  und  70er  Jahre  mancherlei  gesagt  worden, 
die  vielfachen  Berichte  Purmanns  und  die  darüber  sprechenden  Gut- 
achten der  Consistorialen  aus  den  äoer  Jahren  beweisen  aber,  dass 
gerade  in  diesem  Punkte  inzwischen  manche  Wandlung  sich  voll» 
zogen  hatte.  Die  Expectorationen  des  Prorectors  lassen  darauf 
schliessen,  dass  die  neue  Ordnung  der  Dinge  nicht  ganz  seine 
Billigung  hatte,  wie  er  denn  überhaupt  als  treuer  Sohn  der  alten 
mit  der  modernen  Gelehrsamkeit  sich  auf  gespanntem  Fusse  befand. 
Docii  das  Detail  dieser  Veränderungen  gehört  nicht  in  diese  Schilderung 
der  Gymnasiaiverhäitnisse  im  Allgemeinen.  Nur  ein  Punkt  mag  erwähnt 
werden,  der  in  dem  Stücke  mehrfach  erwähnt  wird,  die  Schulbücher* 
frage,  namentlich  die  Frage  der  lateinischen  Grammatik. 


-  5^  - 


Schon  1769  sagt  Purmaniij  dass  die  s.  g.  Frankfarter  Gramroatikt 
die  fast  seit  den  Tagen  der  Reformatiofi  im  Gymnasium  im  Gebraach 
gewesen  war,  und  die  auch  der  Berichtende  nicht  unter  die  schlechtesten 
zähh,  seit  einiger  Zeit  von  der  Langischen  verdrängt  sei,  »ohne  dass,« 

wie  Puriiiann  eingesteht,  »ich  von  jemanden  habe  erfahren  kiMincn, 
ob  CS  auf  höhere  Verordnung  oder  allein  auf  Gutbehndcn  der  Collegen 

des  Gymnasii  geschehen.« 

Die  besondere  l-inrichtung  der  Frankfurter  Grammatik,  dass  sie 
durch  Zeichen  jeder  Classe  ihr  Fensum  an  Regeln,  Formen  und 
Worten  zuweist,  lässt  sie  aber,  nach  Purmanns  Ansicht,  gerade  sehr 
geeignet  erscheinen,  in  den  lateinischen  Unterricht  durch  die  ver- 
schiedenen Gassen  eine  Harmonie  zu  bringen,  die  bei  der  Langischen 
Grammatik  bei  der  W^illkür  der  sie  handhabenden  Lehrer  sehr  zum 
Schaden  des  Unterriclits  nicht  zu  erreichen  sei. 

Die  l-rankfurter  Grammatik  war  aber  schon  vor  Purmannh 
Eintritt  in  das  Collegium,  auf  Antrag  des  Consistoriums,  bei  dem 
der  Consistorialrnth  Heinold  den  \'orschlag  gemaclu  hatte,  weil  sie  zu 
schwer  und  zu  weitläuhg  sei,- durch  Scnatsbcschluss  vom  6.  April  1758 
nbgesch.itft  und  statt  dessen  die  L.intiische  eingeführt.  Indess  die 
liinführung  des  neuen  Buchs  scheint  nicht  so  glatt  gegangen  zu 
sein,  da  auch  Rector  Albrecht  wegen  des  Kostenpunkts  tur  die 
Schüler  sich  für  eine  alltDrihliche,  factiltative  Hintnhriing  desselben 
aussprach.  Purnianns  Bctrebungen  gegen  sie  scheinen  auch  nicht 
von  sofortigen  Folgen  gewesen  zu  sein,  denn  noch  in  dem  Programm 
von  1772  zeigt  sich  der  Eindringling  im  Besitze  seiner  Herrschaft, 
trotzdem  Consistorialrath  Grisebach  schon  einige  Jahre  zuvor  die 
Grammatik  seines  Scluvagers  Rainbach  in  (jiessen,  der  bald  daraul 
an  das  i  ranklurter  Gymnasium  berufen  wurde,  als  praktischer  em- 
pfohlen hatte.  Schon  lange  aber  plante  Purmann  selber  ein  Schul- 
buch lür  die  L  ntercUissen,  das  deutsche  und  lateinische  Grammatik 
(letztere  aullallender  Weise  nach  der  Ordnung  der  Langischen 
Grammatik),  Leseiibungen  und  Uebersetzungsstiicke  enthalten  sollte, 
welchem  Inhalte  sich  dann  nach  einer  weiteren  1-Tklarung  von  1784 
Religionslchrc,  Griechische  Gramnuitik  und  Chrestomathie,  Geschichte 
und  Geographie,  Poetik  und  Oratorik  für  die  Oberclassen  und  ein 
mathematisch-physisches  Handbuch  anschliessen  sollte,  sodass  das 
Buch  nach  diesem  —  etwas  abenteuerlichen  Plane  —  für  6  Gulden 
alles  liefern  sollte,  was  als  Lernstoff  aus  Büchern  für  die  ganze  An- 
stalt vorgesehen  war. 

Der  Senat  hatte  den  Plan  gebilligt^  und  Purmann  mit  der  Aus* 
arbeitung  beauftragt,  der  seinerseits  wieder  einige  der  jüngeren 


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GymnasialcoUegen  zur  Bearbeitung  einzelner  Abtheilungen  des  weit- 
schichtigen Werkes  heranzog.  Wie  weit  das  Unternehmen  gedieh, 
geht  aus  den  Acten  nicht  hervor.  Noch  1800  war  die  Bearbeitung 
im  vollen  Gange  und  in  Quarta  Purmanns  VoFber[eitung?l  als  Lehr- 
gegenstand im  Stundenplane  angegeben. 

In  der  Hebräischen  Sprache  hatte  die  Danz'sche  Grammatik 
Jahrzehnte  lang  die  Alleinherrschaft  Doch  schon  1758  machte  der 
Consistorialrath  Pfarrer  Hcinold  den  Vorschlag,  den  allzuschweren 
Danz  erst  in  Prima  zu  gebrauchen  und  in  Secunda  für  den  Anfang 
des  licbraischen  Unterrichts  »eine  der  neuesten  Grammatiken,  die 
nach  dem  Danz  eingerichtet  sind«,  zu  tractiren.  Mit  dieser  die 
Anfangsgründe  enthaltenden  Grammatik  scheint  dann  öfters  ge- 
wechselt zu  sein. 

Der  der  Schulordnung  von  1765  bcigcgebene  Typus  lectionum 
war  bereits  bei  dem  Neudruck  mit  der  Consistorialordnung  im  Jahre 
177^  durch  einen  neuen  inzwischen  eingeführten  ersetzt  worden. 
Die  Hinführung  des  Französischen  als  Lehrgegenstand  machte  im 
Jahre  1784  die  Feststellung  eines  neuen  Lectionsplans  nothwendig, 
der  dann  in  den  Haupifaciiern  bis  zum  Jahre  1800  in  Gültigkeit 
blieb.  Danach  gestaltete  sich  der  Unterricht  in  den  beiden  oberen 
Classen  an  dem  hier  hauptsächlich  interessirenden  Wochentage,  dem 
Mittwoch,  so,  dass  nach  den  für  Prima  und  Secunda  gemeinsamen 
um  7V1  Uhr  beginnenden  Preces  von  8  bis  9  die  Primaner  mit  den 
Exemten  vereint  bei  dem  Rector  Theologie  hatten,  die  Secundaner 
bei  dem  Prorector  denselben  Unterrichtsgegenstand.  Von  9  bis  10  Uhr 
hatte  die  Secunda  Cäsarlectüre  beim  Prorector,  von  lo  bis  11  Uhr 
war  ebenfalls  beim  Prorector  lixercitium  svntacticum,  also  ein  deutsch 
dictirtes  Extemporale  für  die  Uebung  der  lateinischen  Syntax  ange- 
setzt. Als  noch  in  Secunda  nach  dem  früheren  Lehrplane  eigene 
Stunden  für  lateinische  Grammatik  festgesetzt  waren,  war  mit  ihnen 
.iijch  pflichtgemäss  die  \'ariation  verbunden,  die  auf  dem  Stunden- 
plane  von  1747  mit  dem  volleren  Titel  variaiio  sentcntiae  ahcujus 
bezeichnet  wird.  Es  war  also  eine  freie  poetische  Leistung  in  la- 
teinischen Hexametern  und  Pentametern,  der  ein  bestinnnier  Spruch 
zu  Grunde  gelegt  wurde,  den  der  granun.iiikalischen  Form,  dem 
Ausdrucke,  ja  auch  dem  Sinne  nach  zu  ändern,  die  Autgabe  war. 
Mit  der.  Ab^ciiatVung  der  (iramniatikstunde  1774  scheint  die  Variation, 
mehr  aus  Liebhaberei  der  Lehrer,  als  aus  Zwang,  an  den  Stellvertreter 
der  Grammatikstunde,  das  Excrciiium  svntacticum  sich  angeschlossen 
zu  haben,  als  dessen  Appendix  wir  sie  in  dem  Stücke  auftreten 
seilen.    Wie  eme  solche  Variation  ausgeführt  wurde,  mag  uns  ein 


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-  58  -  . 

Beispiel  zeigen,  das  sich  hinter  der  Handschrift  des  Stuckes  vom 
Jahre  1810  findet,  die  in  der  Freiherrlich  von  Bethmann'schen  Biblio- 
thek aufbewahrt  wird.  Dass  es  sich  hierbei  um  einen  schlechten 
Witz,  eine  Verhöhnung  vermuthlich  des  Prorectors  handelt,  ist  nach 
dem  Inhalt  der  Verse  und  nach  dem  Orte  der  Auffindung  anzunehmen. 
Die  Worte  lauten:' 

In  toto  mundo  lex,  arb,  Mars  cuncta  gubemant. 

Ceria  mihi  lex  ars,  sit  quoque  lex  mihi  Mars, 
In  hello  mihi  sit  Mars  lex,  in  pace  sit  ars  lex. 

Quid  rides  Germane?  tibi  si  dispKcet  ars  haec, 
Esto  mihi  Mars,  lex  ars  mihi,  lex  mihi  Mars. 

Difficiles  lectn  mihi  Mars  facit  improbas  herbas. 

Nach  Schlnss  des  Cl:isscnuntcrrichts  war  dnti!^  für  diejenigen 
Schüler,  die  nicht  Privitlcctionen  in  dieser  Spr.ichc  hauen  oder  i^e- 
habt  hatten,  der  Ii  -l  : ich:  in  der  l'ranzösischen  Sprache,  der  mit 
Prima  und  Tertia  gemeinschaftlich  ini  t^rossen  Auditorium  stattfand. 

Der  Freitag  V'ormitta','  war  bei  den  Secundanem  ganz  den 
classischen  Studien  gewidmer ;  in  der  ersten  Stunde  \v  urde  Casar 
tractirt,  seitdem  im  Jahre  1784  der  bis  dahin  obligatorische  Freitags- 
Wochengüttesdiens't  für  die  Schüler  abgeschafft  war,  dann  tolgte  die 
griechische  Chrestomatie ,  den  Beschluss  machte  die  Lectüre  des 
Lalius.  Alle  drei  Stunden  gab  der  Prorector.  Am  Nachmittag  tand 
zuerst  eine  französische  Stunde  gemeinsam  mit  Prima  und  Tertia 
statt,  erst  um  3  Uhr  hatten  sich  die  Secundaner  wieder  in  ihrer  Classe 
einzuhnden,  wo  der  Rector  den  Terenz  erklärte. 

Aus  den  Bestimmungen  der  Schulordnung  über  Schnlzucht 
interessiren  hier  nur  einige  wenige,  /.u  denen  wir  Anklänge  in  den 
vorliegenden  Stiicken  finden.  Sie  werden  uns  zum  1  heil  ki.ind  thun, 
dass  man  scharfe  Bestimmungen  für  sehr  geboten  erachtete,  um  die 
Disciplin  aufrecht  zu  erhalten,  zum  Theil  in  Hinsicluen,  die  man 
heutzutage  gar  nicht  mehr  in  Schulgesetzen  zu  finden  gewohnt  ist. 
So  wird  feierlich  festgesetzt,  dass  die  Schüler  »ihre  Praeceptores  bei 
ihren  Eltern,  Verwandten,  Freunden  oder  andern  Leuten  nicht  ver- 
leumden und  dadurch  zu  allerlei  Verdriesslichkeiten  Gelegenheit 
geben«  sollen.  Zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung,  und  »Anmerkung 


'  Wobei  ich  nur  den  Versuch  mache,  durch  Einschiebung  der  beiden  sit 
im  dritten  und  des  tibi  im  vierten  Verse,  sowie  Aenderiinp  des  vTdc;  in  ridcs  der 
Hexameter  heraus  zu  bekommen.  I;s  sind  nun  je  zwei  Hexameter  mit  einem 
Pentameter  in  der  Mitte. 


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^  59  - 


und  Angebung  der  abwesenden,  zu  spät  koninicnJcn,  plaudernden, 
lärmenden  oder  sonst  strafwürdigen«  Schüler  sollen  aus  den  Schülern 
von  Woche  zu  Woche  abwechselnd  Decuriones  erwählt  werden. 
Die  Strafen  sollen  mit  vernünftigen  Vorstellungen  und  vituperationibus 
beginnen,  dann  kann  zu  körperlicher  Züchtigung  geschritten  werden, 
wobei  in  Prima  und  Secunda  »nicht  die  Ruthe,  sondern  blos  der 
Bacul  zu  gebrauchen.«  Hilft  das  nicht,  so  soll  die  Anzeige  bei  dem 
Consistorium  erfolgen,  und  von  hier  aus  »öffentliche  Züchtigung, 
Setzung  in  das  Armenhaus  zu  harter  Arbeit,  öffentliche  Abbitte  oder 
gar  Stossung  aus  dem  Chor  oder  dem  Gymnasioc  verfügt  werden. 
Bei  »Fehlern  aus  Schwäche  der  Gaben  des  Verstandes«  soll  es  nicht 
so  genau  genommen  werden,  desto  schärfer  soll  eingeschritten  werden, 
»wenn  entweder  Unfleiss  oder  besonders  Bosheit  zum  Grunde  liegt.« 

Aber  auch  die  Lehrer  erhalten  in  der  Schulordnung  Vorschriften, 
die  mit  den  heutigen  Standesbegriffen  derselben  nur  schwer  zu  ver- 
einbaren wären,  die  aber  erklärlicher  sind,  wenn  wir  den  sonst  bereits 
geschilderten  Zustand  der  Anstalt  ins  Auge  fassen.  Sie  sollen  die 
ersten  und  letzten  in  ihrer  Classe  sein,  nicht  ohne  Noth  sich  heraus 
rufen  und  nicht  Ober  den  Glockenschlag  durch  unnöthige  Zettungs- 
Gespräche  sich  aufhalten  lassen.  Ihre  Stunden  sollen  sie  »völlig 
ohne  Abgang  oder  andere  vorgenommene  Geschäfte,  Gespräche,  Lesen 
oder  dergleichen  Hinderung«  allein  mit  Lebren  zubringen. 

Beim  Strafen  der  Schüler  sollen  sie  die  zu  nichts  dienenden 
Anzüglichkeiten  auf  die  Schüler  selbst  oder  ihre  Eltern  und  An- 
verwandte, die  Beilegung  von  Unnamen  oder  auf  lange  Jahre  ver- 
ächtlich machendes  Beschimpfen  der  Schüler  vermeiden.  Ihre  CoUegen 
sollen  sie  in  Ehren  halten,  einander  nicht  die  Schüler  abspannen, 
zum  Sitzenbleiben  bereden  oder  verhalsstarrigen,  wie  das  trotzdem, 
wie  wir  sahen,  noch  immer  Gegenstand  der  Beschwerde  der  einzelnen 
Lehrer  gegen  Collegen,  ja  gegen  den  Rector  selber  gewesen  ist. 
Der  Rector  erhält  dagegen  seinerseits  noch  den  besonderen  Befehl, 
»mit  den  Praeceptoribus  es  stets  redlich  zu  meinen,  sie  nicht  beneiden, 
anfeinden,  verachten  oder  austragen«  zu  wollen: 

Die  Ursache  aber  dieser  scharfen  Bestimmungen  der  Schulzucht 
ist  nicht  sowohl  in  dem  Zeitgeist  oder  in  der  grösseren  Atigst  vor 
Ausschreitungen  der  studirenden  Jugend  zu  suchen,  sondern  vor- 
nehmlich in  der  eigenthümlichen  Zusammensetzung  der  Schüler  des 
Gymnasii,  davon  unliebsame  Spuren  bereits  in  den  voraufgehenden 
Darlegungen  sich  bemerklich  gemacht  haben.  Den  Schalem  wohl- 
habender Eltern,  oder  wie  sie  noch  1787  vom  Consistorium  geradezu 
officiell  bezeichnet  werden,  den  Divites,  die  das  volle  Schulgeld  be- 


^   6o  — 

zahlten,  traten  die  Pauperes,  die  armen  Schttler,  zur  Seite.  Ursprüng- 
lich soUte  die  Aufnahme  von  solchen  nur  eine  Unterstützung  fähiger, 
aber  bedOrftiger  Bflrgerkinder  sein,  um  sie  des  sonst  ihnen  uner- 
schwinglichen Gymnasialunterrichts  theilhaftig  zu  machen.  Die 

Bildung  eines  Singechors  aus  diesen  Paiiperes  hatte  dann  den  weiteren 
löblichen  Nebenzweck,  ihnen  schon  als  Schülern  Gelegenheit  zu  geben, 
durch  eigenen  Verdienst  sich  für  das  spätere  Universitätssiudium 
ein  Sümmchen  zu  ersparen.  Namentlich  gelang  das  denjenigen,  die 
3tix  den  vielumworbenen  Stellen  der  Prat'ecten  und  Calefactoren  deN 
grossen  und  kleinen  Chors  erwählt  wurden,  welche  letztere  gegen 
die  Verpflichtung,  Winters  die  Classcnzimmer  zu  lieizen,  freie  Wohnung 
im  Gymnasium  und  sonst  noch  namhafte  Einkünfte  hatten,  während 
jenen  für  ihre  stellvertretende  Leitung  des  Chors  ein  Löwenantheil 
von  dessen  Einnahmen  zutiel.  Allein  das  »Chor«  —  das  Wort  ist 
stets  Neutrum  in  jener  Zeit  —  wurde  gar  bald  das  Verderben  der 
einzehien  ilmi  angehörigen  Knaben,  wie  der  ganzen  Schule,  deren 
Ruf  durch  die  Zuchtlosigkeit  der  Choristen  .nij;  geschädigt  wurde. 
Wie  gross  nniss  schon  die  Kohhcit  derselben  zur  Zeit  des  Erlasses 
der  Schulordnung^  (^7^))  gt^wesen  sein,  wenn  die  »)Leges,  die  armen 
Schüler  beiretfend«  gleich  mit  den  Worten  beginnen  müssen:  »Nach- 
dem unter  den  Pauperibus  allerlei  gottlos-  und  ärgerliches  Leben 
verspürt  worden,  dass  sie  die  Almosen  nicht,  wie  sichs  gebührt,  an- 
gewendet, sondern  üppiglich  und  sciiandlich  verschwendet  haben«!, 
wenn  ferner  die  Pauperes  bei  ihrer  Annahme  unter  anderen  Stucken 
auch  geloben  müssen,  »unsern  Bürgern  mit  üppigem  Wandel,  Bl- 
suchung  der  Wein-,  Bier-,  Catfee-  und  l  abacks-Häuser  oder  Umgang 
mit  Weibsleuten,  nächtlichem  Herunibuleii,  Spielen,  eitler  Kleidung 
und  Degentragen  kein  Aergerniss  zu  geben.« 

Es  Hess  sich  aber  in  der  That  den  Acten  nach  keine  Rohheit 
erdenken,  nani«.iii.li..li  in  der  durch  das  (Jeliihde  angezeigten  Richtung, 
die  nicht  durch  die  Choristen  ausgeübt  wurde,  ja  zu  welcher  — 
nach  Befund  der  angestellten  Untersuchimgen  —  sie  nicht  die  Sohne 
der  angeseheneren  Familien  zu  verführen  gewusst  hätten.  Kriegk  hat 
in  seinem  Aufsatze  über  Rector  Albrecht  aus  dessen  Zeit  manches 
Beispiel  der  Ungebühr  angefühn.  Später  war  es  nicht  besser  bestellt. 
Mehrfach  werden  Untersuchungen  wegen  der  Wirtbshaus-Excesse 
der  Choristen  geführt«  meist  wegen  des  gewohnheitsmässigen  Besuchs 
der  verrufenen  Wirthsbauser  Bornheims;  Schlägereien  der  Choristen 
mit  Sachsenhäusem  und  Bockenheimern,  auch  mit  Soldaten  der  Frank* 
furter  Garnison  werden  uns  von  den  Acten  berichtet;  zwei  ältere 
Chorschüler  machten  den  Versuch  zu  den  holländischen  Soldaten  zu 


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—   6i  — 


entlaufen,  wurden  aber  wieder  zur  Stelle  gebracht,  von  einem  andern 
ist  die  gelungene  Anwerbung  acienmässig  festzustellen.  Betrügereien 
bei  dem  Einsammlen  der  von  der  Bürgcrhchaft  freiwillig  gespendeten 
Gaben  för  den  regelmässigen  Currendengcsang  gehönen  zur  Tages - 
Ordnung,  zu  mehreren  Malen  musste  wegen  Diebstahls  von  SchuU 
eigenthum,  von  Büchern  aus  den  Buchhändlermagazinen  im  Bar- 
füsserkreuzgange»  ja  von  Sachen  aus  dem  Besitze  der  selbst  armen 
Calefactoren,  die  ihnen  von  Kameraden  aus  ihren  Stübcben  genommen 
waren,  gegen  Choristen  eingeschritten  werden.  Meist  waren  es  die 
älteren,  zu  Präfecten  und  Calefactoren  beförderten  Choristen,  die  den 
Unfug  anstifteten  und  die  Hand  zur  Verführung  boteh. 

Schon  1766  klagte  der  Cantor  Bismann :  »Die  Präfecten  fehlten 
bei  den  Singstunden,  steckten  im  Calefactorstübchen  oder  liefen  sonst 
herum.«  1775  sagt  Rector  Purmann  von  den  abgehenden  Präfecten, 
es  sei  ihm  lieb,  »dass  man  einmal  einen  neuen  Boden  legen  kann, 
damit  nicht  ein  Saame  der  Liederlichkeit  zurückbleibt;  denn  sie  sind 
alle  vier  keinen  Schuss  Pulver  werth.  N.  ist  noch  der  erträglichste, 
die  andern  sind  weder  in  die  Classe  noch  bei  das  Chor  gekommen, 
desto  häufiger  waren  sie  in  den  Bierhäusem.«  1778  heisst  es  von 
den  Choristen,  deren  einer  Präfect  wieder  eine  Umhat  verübt  hat 
und  dem  Verweise  des  Rectors  frechen  Trotz  entgegensetzt:  »ein 
solcher  Trotz  verdient  um  so  viel  mehr  eine  Ahndung,  da  er  bei 
einem  ohnedies  rohen  Haufen  junger  Leute  leicht  noch  schlimmere 
Folgen  haben  könnte.«  Da  wundert  es  uns  nicht  mehr,  dass  1768 
der  Consistorialrath  Pfarrer  Grisebach  geradezu  sagt,  dass  mancher 
Vater  »aus  Furcht,  sein  Sohn  werde  verführet  oder  lerne  unanständige 
Sitten,  ihn  nicht  in  das  Gymnasium  schickt.«  Auch  Goethes  Vater 
hegte  diese  Abneigung  vor  dem  Gymnasium  und  wollte  seinen  Sohn 
lieber  durch  Privatlehrer  unterrichten  lassen  und  selber  unterrichten, 
statt  ihn  der  öffentlichen  Schule  anzuvertrauen.  Doch  sollte  auch 
die  Abschliessung  den  jungen  Goethe  nicht  vor  der  Berührung  mit 
den  durch  die  Chorschüler  angesteckten  Kreisen  der  auf  dem  Gym- 
nasium vorgebildeten  jungen  Leute  schützen. 

Die  Chorschüler  waren  je  nach  ihrer  musikalischen  Befähigung 
in  zwei  Abtheilungen,  das  grosse  Chor  und  das  kleine  Chor,  getheilt, 
beide  vereint  bildeten  das  Leichencbor.  Jenes  nahm  nur  an  der 
Vocalmusik  in  der  Kirche  und  den  vollen  Gassenleichen  theil,  an 
dem  Currendesingen  (Kreissingen)  aber  nur  auf  besonderes  Verlangen 
und  gegen  besondere  Zahlung.  Bei  dem  Singen  vor  dem  Sterbehause 
bei  Beerdigungen  (dem  s.  g.  Ortsingen,  weil  es  am  Ort  und  nicht 
bei  dem  Leichenzuge  im  Gehen  geschah)  stellte  sich  das  Chor  im 


—    62  ^ 


Kreise  auf,  die  Prifecten,  soviel«  ihrer  aus  dem  Sterbehause  Flor, 
Haodschuhe  und  Citronen  gereicht  bekamen,  stellten  ach  sunt  Cancer 
in  die  Mitte  des  Kreises,  die  übrigen  Präfecten  halfen  den  Kreb 
verstärken,  da  es  dem  Sterbehause  nicht  zum  Ansehn  gereichte,  wenn 
Präfecten  ohne  Flor  und  Handschuhe  im  Kreise  standen.  Hatte  der 
Cantor  eine  Abhaltung  oder  musste  das  Chor  wegen  des  zeitlichen 
Zusammenfallens  mehrerer  Beerdigungen  sich  theilen,  so  versah  einer 
der  Präfecten  des  Cantors  Stelle.  Bei  der  Begleitung  der  Leichen 
zum  Kirch  liefe  (den  s.  g.  Gassenleichen)  dispensirte  sich  der  Cantor 
seines  Alters  wegen  gar  gerne  von  der  Mitwirkung,  ebenso  bei  den 
s.  g.  Nebenleichen  (wo  nur  auf  dem  Kirchhofe  gesungen  wurde); 
bei  dem  Currendesingen,  oder  wie  es  meist  hiess,  dem  Kreissingen 
war  der  Cantor  nie  gegenwärtig.  PAirrer  Zeitmann  entwirft  im 
Jahre  1798  von  dem  Benehmen  des  Chors  dabei  folgende  drastische 
Beschreibung,  die  in  manchen  Zfigen  sich  durch  das  Stück  bestätigt 
tindet.  Danach  lief  das  Chor  herum  als  »ein  Haufen  'gross  und 
kleiner  Schüler  mit  zerfetzten  lumpigen  Kleidern,  ohne  Mäntel,  die 
doch  sonstcn  die  zerrissenen  RöcVe  bedeckten,  von  einem  grossen 
s.  II.  Präfecten,  der  aber  auch  nur  zum  Zeichen,  dass  er  der  Anführer 
dieses  Singhautens  sei,  einen  bhinen  Lappen  über  die  Achsel  hangend 
hat,  angciühri.  Sic  schreien,  aber  ohne  alle  Melodie,  in  den  Tag 
hinein  und  haben  niclit  einmal  ein  Gesangbuch  bei  sich,  sondern 
werden  durch  Vorsagung  eines ,  des  zweckmässigen  Lesens  noch 
unerfahrenen  Schülers  regiert.«  »Wer  sollte  an  «solchen  Unordnungen 
X'ergnügen  und  Wohlgelallcn  tinden,  und  solchen  Missstand  durch 
milde  IkMträge  unterstützen  ?  Wer  sollte  ein  solches  Geplärr  von 
unartigen  Gassenbuben  an  seinem  Hause  erdulden,  oder  wem  sollte 
es  zur  Aufmunterung  und  Trost  gereichen?« 

Die  Leichenzüge  fanden  meist  in  den  Friihstuuden  des  Vormittags 
statt,  ihnen  schloss  sich  das  Kreissingen  an,  so  dass  die  Choristen 
manchesmal  nicht  einer  der  Vormittagsstunden  beiwohnen  konnten, 
oder  aber  mitten  ans  den  Sttmden  fortgingen,  u!n  ihren  Chorver- 
ptlii-ltiLuigcn  zu  L'ciiu^v.n.  Dass  dieses  lür  den  Unterricht  sehr  vom 
Uebel  wai,  Ja  che  Versäumniss  meist  geiauc  die  schlecliier  veranlagten 
Schüler  traf,  ist  einleuchtend. 

Wir  können  dreist  behaupten,  dass  mit  der  gründlichen  Ver- 
änderung des  Chors,  die  die  Uebelstände  beseitigte,  ohne  den  Vortbeil 
des  Gesang-Unterrichts  der  Schule  zu  nehmen,  der  wichtigste  Schritt 
zu  der  Verbesserung  des  Gymnasiums  geschah»  dass  erst  seitdem  von 
einer  Zunahme  der  Anstalt  an  äusserem  Wachsthum  und  Tüchtigkeit 
der  Leistungen  die  Rede  sein  kann,  und  daför  kann  die  Stadt  dem 


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-  63  - 


Senior  Hufnagel,  der  mit  Ernst  und  Eifi^  auf  dieser  Aenderung  be- 
stand und  sie  endlich  durchsetzte,  im  Interesse  ihrer  studirenden 
Jugend  nicht  dankbar  genug  sein.  Diese  Verbesserung  des  Gym- 
nasiiims  und  die  bald  darauf  eintretende  NeU'Ordnung  des  Volks- 
schulweseus  unter  der  Initiative  Anton  Kirchners  sind  die  Grund- 
lagen gewesen,  auf  denen  der  stolze  Bau  des  Frankfurter  Schul- 
wesens der  Jetztzeit  aufgerichtet  werden  konnte. 


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9 


II. 

Schillers  Jugenddramen  zum  ersten  Male  auf  der 

Frankfurter  Bahne. 

N«bst  Beiträgen  air  Frankfuner  Theater*  und  Musikgeschichte  von  1784  bis  1788. 

Von  E»  Naalsd. 


9.  Die  Veracbwöning  des  Fiesko,  KakMÜe  uad  Liebe  und 

Don  Carlos. 

Während  die  Kur-Kölnische  Hofschauspieler-Gesellscliaft  in  der 
Ostermesse  1783  in  Frinkfurt  spielte,  erschien  bei  Schwan  in  Mann- 
heim Scliilicrs  republikanisches  Trauerspiel  »Die  V'erschwömng  des 
Fiesko  zu  Genua.«  Bald  nach  diesem  literarischen  Ereigniss  reiste 
die  Truppe  von  hier  fort,  um  gleich  darauf  an  dem  Hofe  des  Kur- 
fürsten von  Köhl  in  Bonn  ihre  Vorstellungen  zu  beginnen.  Hatte 
sich  Direcior  Grossmann  merkwürdigerweise  den  Käubern  gegenüber 
bisher  ablehnend  verhalten,  so  bewies  er  alsbald  nach  dem  Hrscheinen 
des  ncneü  Stückes,  dass  er  nicht  nur  Schillers  Bedeutung  als  dra- 
matischer Dichter  voll  anerkannte,  sondern  auch  sogar  eine  Ehre 
darein  setzte,  dessen  zweitem  Werke  zur  lebensvollen  Gestaltung 
zu  verhelfen.  Diese  That  muss  (Jrossmnnn  um  so  höher  angeschlagen 
werden,  weil  der  Mannheimer  Intendant  von  Dalberg  den  Fiesko  als 
untauglich  lür  das  Tlieater  erklärt  hatte,  und  auch  andere  Bühnen- 
kenner der  Ansicht  waren,  dass  dies  Trauerspiel  nicht  lebensfähig 
sei  und  nnch  den  Raubern  einen  Rückschritt  bedeute. 

Bereits  im  Juni  wurden  die  Rollen  zum  Fiesko  ausuetheilt,  ein 
Beweis  dafür,  dass  Grossmann  i^leich  nach  dem  Frscheinen  des 
Trauerspiels  an  die  Vor.irbeitcn  zu  dessen  erster  Auffulirung  ging. 
An  die  Besetzung  des  Stückes  in  Bonn  knüpft  sich  nun  ein  Vorfall, 
der  hier  erwähnt  werden  muss,  weil  er  sich  als  offenbarer  Widerstand 
gegen  die  Darstellung  einer  Schillei  "sehen  Frauenrolle  kennzeichnet 
und  der  Kur-Kölnischen  Gesellschaft  einen  Liebling  des  Frankfurter 
Publikums  raubte. 

Madame  Fiala  erhielt  bei  der  Verthcünng  der  Rollen  zum  1  iesko 
die  Gräfin  Julia  Iniperi.di.  Obwohl  der  Kunstlerin,  wie  sie  selbst 
eingestand,  diese  Aufgabe  zukam,  hatte  sie  doch  schon  einige  Zeil 


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65  - 


vorher  Ober  die  Besetzung  des  Trauerspiels  in  der  Garderobe  ge- 
äussert, dass  sie  die  Gräfin  unter  keinen  Umständen  spielen  wQrde. 
Ohne  den  Grund  ihrer  Weigerung  mitzutheilen,  gab  Madame  Fiala 
die  Rolle  denn  auch  sofort  >\'ieder  zurück.  Darauf  wurde  ihr  dieselbe 
nochnials  von  »höherer  Hand«,  demnach  von  dem  Kurfürsten  Maximilian 
oder  dessen  Vertreter,  zugeschickt,  aber  die  Künstlerin  erklärte»  eher 
die  Kur- Kölnische  Gesellschaft  verlassen  als  die  Panie  übernehmen 
zu  wollen.  Trotz  dieser  Aeusserung  versuchte  man  es  dennoch,  sie 
zur  Nachgiebigkeit  zu  bewegen,  allein  alle  Bitten  und  Vorstellungen 
blieben  erfolglos.  Madame  Fiala  bestand  lieber  auf  ihrem  eigen- 
sinnigen Kopfe,  »als  dass  sie  wissen  lassen  wollte,  sie  sey  zur  An- 
nehmung dieser  Rolle  befehligt  worden.«  Ihre  schriftlich  eingereichte 
Entlassung  wurde  7.\var  «wegen  Jcs  gegebenen  ärgerlichen  Beispiels« 
von  Dircctor  Grossmann  angenommen,  doch  sollte  die  Künstlerin 
erst  noch  .ibwarten,  was  —  »um  sie  zu  ihrer  Schuldigkeit  anzuhalten«  — 
höheren  Orts  verfügt  werden  würde.  Obwohl  dieser  Hinweis 
deutlich  verrieth,  wie  ungern  man  sie  gehen  sah,  verliess  Madame 
Fiala  dennoch  Bonn,  ohne  die  Hntscheidimg  des  Kurfürsten  abzuwarten. 
Dadurch  verscherzte  sie  sich  muihwillig  dessen  Gnade  und  die  Gunst 
»einer  hohen  Noblesse,  denen  sie  unzählige  Wohlthaien  zu  ver- 
danken hatte.« ' 

Der  Berichterstatter  dieses  Vorfalls  erkennt  an,  dass  die  Kur- 
Kolnische-Gesellschaft  an  Madame  Fiala  eine  sehr  gute  Schauspielerin 
verlor,  überlässi  es  aber  Theaterfreunden  zu  beurtheilen,  ob  die  Ursache 
zu  einem  solchen  Schritt  wichtig  genug  war.  Nachdem  er  am  Ende 
des  Berichtes  dann  der  Künstlerin  noch  gewünscht  hat,  dass  sie  ihr 
\'ci  halten  nie  bereuen  möge,  erinnert  er  an  die  Folgen,  welche  dieser 
Eigensinn  allenfalls  in  Zukuntt  für  sie  haben  könne  und  schliesst  mit 
der  etwas  boshaften  Anspielung,  »da  wir  doch  nicht  immer  jung 
bleiben,  wenn  wir  es  schon  seyn  wollen.« 

Warum  verliess  nun  Madame  Fiala  lieber  eine  Kunstler-Gesell- 
schaft, mit  der  sie  seit  Jahren  eng  verwachsen  war,  als  dass  sie  die 
Rolle  der  Julia  Imperiali  spielte?  War  ihre  Weigerung  nur  ein  Vor- 
wand oder  empörte  sich  ihr  künstlerisches  Gewissen  gegen  die 
Wiedergabe  einer  Frauengestah,  die  sich  in  der  Leidenschaft  bis  an 
die  äusserste  Grenze  der  Sittlichkeit  wagt  und  dafOr  von  dem  Liebling 
der  genuesischen  Damen  in  wenig  ritterlicher  Weise  vor  seiner 
Gemahlin  gedemöthigt  wird?  Falls  diese  Annahme  zutrifft»  wie  sich 


■  Theater-Journal  för  Deutschland  1784,  XXII.  Stflck,  S.  77  f. 

S 


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aus  den  Umständen  ziemlich  sicher  schltessen  lisst,  so  ivar  wohl 
Madame  Fiala  die  erste,  aber  nicht  die  letzte  BfibnenkOnstleriD ,  die 
sich  gegen  die  Üebernahme  dieser  Rolle  sträubte.  Der  Tadel  des 
Theaters  hat  von  jeher  die  ftark  karikine  Gestalt  der  Julia  getroffen, 
deren  ganzes  Verhatten  nur  zu  sehr  verräth,  daß  lie  in  Wirklichkeit 
ganz  undenkbar  und  einzig  als  Folie  für  den  Helden  geschaffen  wor- 
den ist.  Schon  Iffland  äusserte  in  seinem  Gutachten  '  Qber  das  auch 
in  der  zweiten  Bearbeitung  vom  Mannheimer  Theater  zurückgewiesene 
Trauerspiel,  die  Gräfin  Julia  sei  gemein,  wo  sie  stolz  sein  solle. 

Ob  nun  der  Widerwille  gegen  die  Rolle  oder  sonst  noch  ein 
unaufgeklärtes  Motiv  Madame  Fiala  zu  ihrem  mindestens  taktlosen 
und  statutenwidrigen  Benehmen  anspornte,  mag  dahingestellt  bleiben. 
Gewiss  gereichte  es  dem  StQcke  des  jungen  Dichters  nicht  zum  Vor- 
tbeil,  dass  eine  Künstlerin  wie  die  Fiala  die  Rolle  der  Imperiali  nicht 
spielte.  Diese  wurde  nun  der  Demoiselle  Vollmar  fibertragen,  die 
keineswegs  so  bedeutend  war  wie  ihre  Kollegin  und  auch  deren 
glänzende  äussere  Mittel  nicht  besass.  Aber  die  Auffiihning  in  Bonn 
scheiterte  wenigstens  nicht  an  dem  Starrsinne  der  Fiala,  sie  wurde 
von  Grossmann  durchgesetzt  und  fand  am  20.  Juli  1783  statt.* 
ALuiemoiselle  Josephi  debütirte  in  dem  republikanischen  Trauerspiel 
als  Leonore,  Fieskos  Gemahlin,  und  Herr  Ehrhard  alsGianettino  Doria. 

Wenn  man  das  gerade  in  jener  Zeit  an  seltsamen  Verkettungen 
so  reiche  Leben  Schillers  fiberblickt,  so  wird  man  es  auch  als  eine 
eigenthümliche  Fügung  ansehen  müssen,  dass  er  sein  stilles  Asyl  in 
Bauerbacb  bei  der  Familie  von  Wolzogen  an  demselben  Tage  ver> 
Hess,  an  dem  sein  Schmerzenskind,  der  Fiesko,,in  Bonn  zur  ersten 
Aufführung  gelangte.  War  es  doch  dies  Trauerspiel,  das  ihn  von 
don  weg  und  nach  Mannheim  trieb,  wo  er  trotz  aller  Enttäuschungen 
gerade  wegen  seines  zweiten  Werkes  mit  Dalberg  in  neue  Verbin« 
dung  treten  wollte.' 

Am  25.  Juli  kehne  Grossmann  mit  der  Kur*Kölnischen  Gesell- 
schaft von  Bonn  nach  Frankfurt  zurück;  den  26.  Juli  Abends  und 
den  27.  Morgens  weilte  der  junge  Dichter  auf  der  Durchrebe  in 
Frankfurt.  Obwohl  uns  jeder  Anhah  dafür  fehlt,  auch  Schillers  er- 
haltene Briefe  aus  jener  Zeit  keinen  Aufschluss  geben,  können  wir 


•  Maricrstcirj,  Protokolle  des  Mannheimer  Theaters,  S.  )i8  ff.  —  Minor, 
Sduiler,  11.  Band  S.  27. 

'  Theater- Journal  für  1784.  XXll.  Stuck,  S.  77  H. 
>  Schillers  Leben  von  Caroline  von  Wolzogen,  S.  6?. 


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uns  doch  der  Meinung  nicht  entschlagen ,  dass  er  während  des  Vor« 
mittags,  den  er  hier  zubrachte,  mit  irgend  einem  Mic^Iicde  der  Kur* 
Kölnischen -Gesellschaft  zusammen  gekommen  ist.  Von  seinem 
Gönner  Schwan  in  Mannheim,  an  den  Direktor  Grossmann  ja  über 
den  Erfolg  der  Bonner  Aufführung  des  Fiesko  berichtet  hatte,  war 
Schiller  sicher  Ober  deren  Verhuf  und  die  Abreise  der  Schauspieler 
nach  Frankfurt  in  Kenntniss  gesetzt  worden.  Allein,  wenn  man  auch 
liiervon  absieht,  so  erscheint  es  dennoch  zweifelhaft,  dass  Schiller, 
dem  die  Bonner  Premiere  seines  Werkes  doch  nicht  unbekannt  ge- 
blieben sein  konnte,  die  Gelegenheit  versäumt  haben  sollte,  von 
einem  der  Mitwirkenden  etwas  Näheres  über  dieselbe  zu  erfahren. 
Vielleicht  traf  der  junge  Dichter,  wenn  auch  nicht  mit  Direktor 
Grossmann  selbst,  so  doch  mit  H.  W.  Seyfried  (über  Seyfried  siehe 
den  ersten  Tbeil  dieses  Aufsatzes  im  »Archiv  für  Frankfurts  Ge- 
schichte und  Kunst«  III.  B.  III.  Folge)  oder  dem  Darsteller  des  Fiesko, 
dem  Schauspieler  Schmidt,  zusammen,  welcher  letztere  mit  Schwan 
befreundet  war. 

Wie  Schiller  gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  an  Frau 
V.  Wolzogen  schrieb,  hatte  er  vor,  wegen  seines  kranken  Geldbeutels 
noch  in  der  Nacht  nach  Mannheim  zu  reisen,  aber  er  blieb  doch 
den  nächsten  Vormittag  in  dem  theuren  Frankfurt. '  Seinem  späteren 
Schwager  Hofrath  Reinwald  in  Meiningen,  von  dem  ef  nicht  mehr 
mündlich  Abschied  nehmen  konnte,  gibt  er  dann  als  Grund  seiner 
plötzlichen  Abreise  von  Bauerbach  ausser  geschäftlichen  Angelegen« 
heitcn  auch  die  Begegnung  mit  einem  Onkel  in  Frankfurt  an.' 
Ohne  gerade  annehmen  zu  wollen,  dass  dieser  Verwandte  nur  eine 
vorgeschobene  Persönlichkeit  ist,  erscheint  es  uns  ziemlich  sicher, 
dass  Schiller  h.uiptsächlich  etwas  länger  in  Frankfurt  blieb,  um  über 
die  Bonner  AuHuhruni-  des  I  icsko  fachmännische  Auskunft  zu  er- 
halten. Gerade  damals  hatte  ja  das  Urtheü  einer  bühnenkundigen 
Persönlichkeit  den  grössten  Werth  für  den  jungen  Dichter,  weil  er 
im  ßcgrifT  stand,  wieder  mit  Dalberg  anzuknüpfen  und  die  von 
diesem  für  nöihig  erachteten  Veränderungen  an  seinem  republika- 
nischen Trauerspiel  vorzunehmen.  Leider  ist  eine  wichtige  Quelle 
tür  die  iVankfurter  Bühnengeschichie  jener  Zeit,  der  Briefwechsel 
Heinrich  Wilhelm  Seyfrieds,  wie  es  scheint,  nicht  auf  unsere  Tage 
gekommen.   Sonst  würden  wir  sicher  in  der  Lage  sein,  für  unsere 


•  Schillers  Leben  von  Caroline  v  Wolzogen,  S.  64. 
»  Minor,  SchUlcr  II.  Th.,  S.  iio. 


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Vennuthuiigen  den  Beweis  bringen  und  noch  mehr  Berührungspunkte 
zwischen  dem  jungen  Schiller  und  der  Frankfurter  Bfihne  feststellen 

zu  können. 

Falls  dieser  auf  der  Durchreise  nach  Mannheim  wirklich  eine 
Persönlichkeit  vom  hiesigen  Theater  gesprochen  hat,  so  werden  ihm 
gegenüber  wohl  mündlich  dieselben  Bedenken  geltend  gemacht  wor- 
den sein,  die  Grossmann  dem  Buchhändler  Schwan  über  die  theatra- 
lischen Mängel  des  Fiesko  schriftlich  mittheilte. '  Der  bühncnkundigc 
Mann  schreibt  am  26,  August  1783  von  }  rankfurt  aus:  »Wenn  der 
liebe  feurige  Mann  nur  mehr  Rücksicht  auf  Theater-Konvenienz 
nehmen  und  besonders  vom  Maschinisren  nicht  schier  unmögliche 
Dinge  verlangen  wollte.  Ein  Schlosshof  mit  Mauern  und  Gitterwerk 
und  Nacht  und  illuminirter  Saal  mit  einer  Spanischen  Wand  in  einem 
Nu  und  dergleichen  V^erwandlungcn  mehr,  gehen  sonst  nie  ohne 
Unordnung  und  gewaltiges  (k-räusch  ab;  wie  sehr  das  dem  Dialog 
und  der  Handlung  schadet ,  hah  ich  hei  der  Vorstellung  des  Fiesko 
gesehen.  Ich  hab  auf  dem  Hoftheater  zu  Bonn  gethan  was  Menschen- 
hände thun  können,  und  Joch  haperte  es  hier  und  stockte  es  da. 

Plümicke  in  Berlin  bietet  Veränderungen  zum  Behufe  der 
Theater  an,  ich  wünschte,  dass  Schiller  sich  dazu  entschlö.sse,  beson- 
ders einige  Geräuschvolle  Auftritte  abänderte.  V'on  bester  Wirkung 
waren  die  Scenen  zwischen  Vater  Verrina  und  Bertha  und  Burgogn, 
dem  Maler  und  Fiesko;  die  Erzählung  der  Fabel  aus  dem  Thierreich. 
Die  herrliche  Scene  zwischen  Lconore  und  Fiesco  that  die  Wirkung 
auf  der  Bühne  nicht,  die  sie  beim  Lesen  that. 

Gerne  möchte  ich  den  Fiesko  hier  bald  bei  dem  Zusammeniaut 
von  Menschen  geben;  möchte  sich  Herr  Schiller  schon  entschlossen 
haben  oder  gleich  entschliessen ,  einige  theaterrechte  Veränderungen 
vorzunehmen,  mir  solche  durch  Ihre  gütige  Besorgung  recht  bald 
zukonnuen  zu  lassen,  weil  nächste  Woche  schon  die  Geleiiswoche  ist«.* 

Wie  gut  es  Grossmann  mit  Schiller  meinte,  welchen  Werth  er 
auf  den  Fiesko  legte ,  geht  aus  diesem  Briefe  klar  hervor.  Und, 
was  für  uns  das  Wichtigsie  ist,  der  hiesige  Theaterdirektor  verwirft 
nicht  wie  Dalberg  das  Stück  m  seiner  )etzigen  Gestalt,  sondern  er 
verlangt  nur  ein  Anpassen  desselben  an  die  damaliLM-  Technik  der 
Bühne.  Obwohl  das  neue  Frankturter  Komödieniiaus  mir  allen 
Hülfsmiiteln  des  Dekorationswesens  ausgerüstet  war,  reichten  die- 


■  Urlich  Briefe  an  Schiller,  S.  6-8.  —  Minor.  SchUIer  II.  Th.  S.  199. 
'  Die  Messe  begann  1785  am  8.  und  endigte  am  29.  September. 

1 


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selben  doch  nicht  hin,  um  ohne  die  grössten  Schwierigkeiten  einen 
erleuchteten  Schlosshof  schnell  in  einen  illuminirten  Saal  umzu- 
wandeln. Welche  Ven'oUkommnungen  das  Theater  seit  jener  Zeit 
gerade  in  maschineller  und  dekorativer  Hinsicht  erfuhr,  beweisen  die 
technischen  Aui>stellungen  Grossmanns.  Der  hiesige  Theaterdircktor 
klagt  Jd  auch  nur  über  Schillers  ungewöhnliche  Anforderungen,  weil 
er  türchtet,  durch  die  geräuschvollen  Szenenwechsel  den  Hindruck 
der  herrlichen  Dichtung  zu  schädigen.  Unbeeinflusst  von  dem  nb- 
talligcn  Urtheil  der  Mannheimer  Bühne  über  Fiesko,  gedenkt  er  das 
Stück  sogar  wahrend  der  Herbstmesse  hier  aulzuführen  und  verlangt 
nur  schnell  einige  »theaierrechte  Veränderungen«. 

Ohne  Zw^eifel  hat  Schwan  den  jungen  Dichter  über  Gross- 
manns Wünsche  unterrichtet,  aber  Schiller  war  nicht  im  Stande 
dieselben  zu  erfüllen.  Als  er  von  Bauerbach  abreiste,  hatte  er  sich 
selbst  vorgenommen,  gleich  nach  seiner  Ankunk  in  Mannheim  den 
Fiesko  tür  die  dortige  Bühne  umzuarbeiten,  allein  heftige  Fieber- 
anfälle hinderten  ihn  an  der  Ausführung  dieses  Vorhabens.  Während 
des  heisscn  Sommers  178^  kränkelte  Schiller  an  einer  Seuche,  die 
viele  Bewohner  Mannheims  dmiederwarf  und  zum  Theil  auch  hinweg- 
raffte.  Diese  nicht  gerade  lebensgefährliche  Krankheit  griff  ihn 
doppelt  an,  weil  er  sich  durch  seuicn  Aufenthalt  in  Bauerbach  an 
die  kräftige  Luft  der  Thüringer  Berge  gewöhnt  hatte  und  das  durch 
allerlei  gesundheitswidrige  Verhältnisse  zu  jener  Zeit  höchst  schäd- 
liche Mannheimer  Klima  schlecht  vertrug.  Ausserdem  brachte  der 
junge  Dichter  seinen  Körper  durch  die  damals  übliche,  aber  ent- 
schieden verkehrte  licluiidlung  des  l-iebers  mit  Chinarinde  immer 
mehr  herunter.  Obwohl  er  vom  i.  September  1783  in  Mannlicim 
als  Theaterdichter  angestellt  war,  fühlte  er  sich  doch  zu  allen  Ar- 
beiten und  Geschäften  unfähig.  Erst  Mitte  Dezember  kam  er  in  die 
Lage,  sein  Versprechen  zu  lösen  und  dem  Intendanten  von  Dalberg 
den  umgearbeiteten  Fiesko  xn  überreichen.  '  Von  Mitte  Oktober 
bis  über  die  erste  Hälfte  des  November  hinaus  hatte  Schiller  trotz 
seines  leidenden  Zustandes  alle  Kraft  an  die  Lösung  dieser  Aufgabe 
gesetzt»  vorher  unternahm  er  noch  halb  krank  in  Gemdnschaft  mit 
einem  Freunde*  eine  Reise  nach  Speyer  zu  Frau  von  La  Roche.  Um 
dieselbe  Zeit  bringt  Grossmann,  wiewohl  Schiller  die  gewünschten 


>  Minor,  Schiller  II.  Th.  S.  197. 

'  Es  war  M.  Christmann  aus  Ludwigsburg,  seit  1784  Pfarrer  in  Heutings- 
heim.  Siehe  Urlich,  Briefe  an  Schiller»  S.  10. 


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Abänderungen  nicht  gemacht  hatte,  gleich  nnch  der  Herbstmesse  »Die 
Verschwörung  des  Fiesko  von  Genua<c  auf  die  Frankfurter  Buhne. 
Da  das  Trauerspiel  in  seiner  ersten  Fassung  fast  unmögliche  Leistun- 
gen von  dem  Maschinisten  verlangte,  liegt  die  Frage  nahe,  warum 
wohl  Grossmann  die  Huhnenhearheitung  des  Stückes  nicht  abwartete 
und  dasselbe  nochmals  in  seiner  alten  Form  in  Frankfurt  in  Scene 
gehen  liess.  Wollte  er  das  hiesige  Publikum  ungeachtet  aller 
Schwierigkeiten,  welche  die  Aufführung  bot,  mit  dein  neuen  Werke 
des  Verfassers  der  Räuber  bekannt  machen ,  oder  hatte  ihn  dieser 
vielleicht  selbst  um  die  Wiederholung  des  Stückes  gebeten?  Bei 
dem  zweifelhaften  Hrfolg  desselben  in  Bonn,  den  vielen  Unkosten 
und  technischen  Hindernissen  ist,  nachdem  nun  gar  die  Messe  vor- 
bei war,  eine  gcschältliche  Spekulation  Grossmanns  vollständiL'  aus- 
geschlossen, wohl  aber  liegt  die  Vernuuhung  nahe,  dass  ei  -dem 
lieben  feurigen  Mannec  au^  eigenem  Antriebe  die  Gelegenheit  ver- 
schaffte, sich  zu  überzeugen,  wo  es  in  dem  Trauerspiele  »noch  stockte 
und  haperte.«  Merkwürdig  wäre  es  jedenfalls,  wenn  Schiller  es  ver- 
säumt hätte,  sich  bei  dieser  Frankfurter  Aufführung  von  den  ange- 
gebenen Mängeln  sdnes  Stückes  selbst  zu  überzeugen.  Gerade  da- 
mab  musste  ja  ein  selbstgewonnener  Eindruck  den  grossten  Werth 
für  ihn  haben»  weil  er  durch  die  verschiedenen  Meinungen  der 
Theaterleute  über  Fiesko  in  einen  qualvollen  Widerstreit  mit  sich 
selbst  geratben  war.  Da  er  es  möglich  machte,  trotz  seines  ange- 
griffenen Zustandes  Frau  von  La  Roche  in  Speyer  zu  besuchen,  sollte 
man  mit  einiger  Sicherheit  annehmen,  dass  er  in  einer  so  wichtigen 
Angelegenheit  auch  eine  Reise  nach  Frankfurt  nicht  gescheut  haben 
würde. 

Und  wenn  es  vielleicht,  wie  wir  glauben,  in  Schillers  Absicht 
lag,  diese  Reise  in  Mannheim  geheim  zu  halten,  so  hatte  er  ja  gar 
nicht  einmal  nöthig,  von  Speyer  wieder  nach  dort  zurückzukehren. 
Er  konnte  von  Oggersheim  aus  Frankfurt  mit  der  Strassburger  Post 
verhältnissmässig  schneit  erreichen.  Vielleicht  werden  mit  der  Zeit 
noch  Quellen  erschlossen,  die  den  Beweis  bringen,  dass  Schiller  in 
der  That  der  ersten  Aufführung  seines  republikanischen  Trauerspiels 
in  Frankfurt  beiwohnte.  Wir  sind  überzeugt  davon  und  rechnen  zu 
den  Geschäften,  die  nach  seinem  Briefe  an  Frau  von  Wolzogen 
vom  I.  November  1783  ausserhalb  Mannheims  im  Oktober  seiner 
warteten,*  auch  eine  Reise  nach  Frankfun.  Möglicherweise  befand 


'  Schillers  Leben  voq  Caroüne  v.  Wolzogen,  S.  7). 


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—   7«  — 


sich  der  junge  leichter,  unerkannt  vom  hiesigen  Publikum ,  unter 
den  Zuschauern  wie  früher  in  Mannheim  hei  der  Premii^re  der 
Räuber,  die  über  sein  Schicksal  entschied.  Üb  Schiller  den  Theater- 
direktor Grossmann  damals  oder  erst  im  Frühjnhr  1784  näher  kennen 
lernte,  lässt  sich  aus  Mangel  an  Belegen  schwer  entscheiden.  Ein 
Brief  des  jungen  Dichters  vom  8.  Februar  1784,  der  an  einer  anderen 
Stelle  Wiedergabe  finden  wird,  deutet  zwar  an,  dass  Schiller  erst  /u 
jener  Zeit  mit  Grossmann  in  Verbindung  trat,  allein  Ton  und  Inhalt 
des  Schreibens  maclien  den  Eindruck,  als  ob  die  beiden  Männer 
bereits  schon  früher  in  irgend  einem  Verkehr  zusammen  gestanden 
hatten.  Wahrscheinlich  war  derselbe  bis  zum  1-rühling  1784  ein  rein 
tbrmeller  und  gestaltete  sich  erst  von  diesem  Zeitpunkte  an  zu  herz- 
licliercn  Beziehungen  aus.  Wie  dem  nun  auch  sei,  die  auch  in  den 
hiesigen  Zeitungen  angekündigte  Vorstellung  von  des  Dichters  rÄ'eitcr 
Tragödie  land  ini  ilcrbste  1783  gerade  iiri  neu  erbauten  Komudien- 
hausc  statt,  als  es  jährig  wurde,  dass  der  flüchtige  Regimenismedikus 
Schiller  mit  seinem  treuen  Freunde  Streicher  in  dem  Gasthofe  in 
Sachsenhausen  als  Doktor  Ritter  ein  bescheidenes  Unterkommen  fand. 
Fast  möchte  man  es  für  einen  Ausgleich  des  Geschicks  halten,  dass 
Frankfurt,  wo  Schiller  in  jenen  Tagen  der  Prüfung  durch  Dalbergs 
abweisendes  Verhalten  um  Fieskos  willen  sokh  bittere  Enttäuschung 
erlebte,  dies  Stück  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  bald  nach  seiner 
Drucklegung  in  für  die  damalige  Zeit  glänzender  Weise  in  Scene 
gehen  Hess. 

Der  Zettel  zu  dieser  Vorstellung,  die  schon  allein  durch  die 
Raumverhiltnisse  und  neuen  dekorativen  Hülfsmittel  der  hiesigen 
Bühne  sich  viel  grossartiger  gestaltete  als  die  Bonner  Premixe  des 
Fiesko,  ist  ein  Plakat  in  Gross  Quart -Format  und  hat  folgenden 
buchstabengetreu  wiedergegebenen  Inhalt: 

Mit  gnädigster  BewUligung 

F.ines  Huchedlen  und  Hochweisen  Magistrats 
der  Kaiserl.-  Frevcn  Reichs-  Wahl-  und  HandelvStadt  Frankfurt  am  Mayn 
wird  heute  Miirwoch  den  8.  Oktober  1783 
von  der  Gro$$nifliinisdi«n  Schauspielergesellschaft 
aufgeführt  werden: 

Die  Verschworung  des  Fiesko  von  Genua 
Ein  repabfikanödics  Traoerspiel,  in  fünf  Aufz&ges:  von  Friedrich  Schiller  i 

Verfasser  der  Räuber. 


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-  ^2  - 


Persooen. 

Andrejs  Dorla,  l^ogc  von  (icnua   Herr  Stef^mann. 

Gianetiino  Doria,  sein  Nerie,  Prätendent  .....  Herr  Erhard. 

Fiesko,  Graf  von  Lav^na,  Haupt  der  Verschworung  Herr  Schmidt 

Venrina,  versdiwoiener  Republikaner   Herr  Dengel. 

Bourgognino,  Verschworener   Herr  Steiger. 

Kalkngno,  Verschworener  »   Herr  Stoll. 

Sacco,  Verschworener   .   ,  .   ,  Herr  Hüisncr. 

Lomeltino,  Gtanettinos  Vertrauter   Herr  Kutlu 

Zenturiooe    Herr  Pldsner. 

Zibo  Mbsvergnügte   Herr  Diezcl. 

Asserato    Herr  Ehrling. 

Romano,  Maler   Herr  Lekow. 

Muley  Hassan,  Mohr  von  Tunis   Herr  Bdsenberg. 

Tcutsche  der  Herzoglichen  Leibwache  |  J^sephi. 

"  I  Herr  Br.iiuU. 

Herr  Lobenstan. 
Herr  Widemann. 
Herr  Stengel. 

Innere,  Fieskos  Geniahliti  Demoib.  Josephi. 

Julia,  Gräfinn  Witr^-e  Imperiali  Demois  Wollmar. 

Bertha,  Vernnas.  lochtcr   Madame  Huber. 

«   1  Uonorims  Kamnieriuadchcn Madame  Koni. 
Arabella  l   Madane  Brandt. 

Sdüldwachen  ' 


Drey  aufrühreri&che  Bürger 


NobiU. 

Bürger 

Teutsche 
Soldaten. 
Bediente. 

Diebe. 


Herr  Cassini. 


Drey  und  Vierzigste  V  orstellung  im  Abonement. 


Das  Stück  ist  Abends  am  Eingange  für  12  Batten  «u  luben. 

Wegen  Länge  des  Stücks  nicht  sowohl,  dem  man  keinen  Auftritt,  ohne  dem  Pub* 
likum  etwas  Schöne»  zu  entziehen,  nehmen  kann,  als  wegen  den  vielfältigen  Ver« 
Wandlungen,  ist 

heute  der  Anfanjj;  nnt  dem  Glockcnschlag  halb  6  Uhr. 

Die  Person  zahlt  in  den  Logen  des  ersten,  zwcyien  und  dritten  Ranges  und  im 
Parket  t  Gulden.  Eine  ganze  Loge  zu  8  Gulden.  Im  Parterre  die  Person  10  Batzen. 
In  der  Gallerte  20  Kreuzer.  Auf  dem  letzten  Platz  i2  Kreuzer. 


Wer  vorher  Biiiets  verlangt,  beliebe  solche  bey  mir  ini  Koniödicnliausc  abholen  «u 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  scyn. 

Gr  ossmann. 

Welchen  Erfolg  diese  Vorstellung  in  Frankfurt  erzielte,  können 
wir  leider  nicht  feststeilen,  weil  nirgends  ein  Bericht  über  dieselbe 


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—  73  - 


aufzufinden  war.  Da  aber  Grossmaoti  die  Bühnenbearbeitung  des 
Fiesko  mit  Ungeduld  erwartete,  muss  man  annehmen,  dass  auch 
diese  Aufführung  des  Stückes  mit  zu  grossen  scenischen  Schwierig-  « 
keitcn  verbunden  gewesen  ist.  Vor  einem  zahlreichen  und  bunt 
zusammengesetzten  Publikum  ist  sie  jedenfalls  gegeben  worden. 
Abgesehen  von  den  hiesigen  Besuchern  des  Thenters  waren  gewiss 
viele  Fremde  und  manche  Verehrer  Schillers  aus  der  Nahe  im  hie- 
sigen Theater,  um  sich  das  neue  Werk  des  Verfiissers  der  Räuber 
anzusehen.  Frau  Rath  Goethe,  die  grosse  rheatcrfreundin,  hat 
sicher  dieser  Vorstellung  des  Fiesko  beigewohnt  und  wohl  auch 
über  deren  N'erlauf  an  den  Sohn  nach  Weimar  berichtet.  Das  Schreiben, 
in  dem  diese  Nachrichten  standen,  gehörte  z.wcifellos  zu  den  Briefen, 
die  Frau  Rath  im  ersten  Jahrzehnt  ihrer  Wittwenschaft  (1782—92) 
an  den  Sohn  richtete  und  die  von  Goethe  selbst  im  Sommer  1792 
vernichtet  wurden.  * 

Bei  der  ersten  Aufführung  des  Fiesko  in  Frankfurt  waren  die 
ni  umhclicn  Hauptrollen  jedenfalls  sehr  gut  besetzt,  besonders  fanden 
der  Heid  des  Stückes,  sowie  N'errina  und  der  Mohr  m  den  Herren 
Schmidt,  Dengel  und  Bösenberg  treffliche  \'crtrcter.  In  Bonn  hatte 
Grossmänn  selbst  den  Maler  Romano  gespielt,  hier  gab  er  diese 
Rolle  wahrscheinlich  nur  ab,  um  die  Regie  desto  besser  führen  zu 
können.  Ohne  Zweifel  war  alles  geschehen,  um  den  Vorschriften 
des  Dichters  gerecht  zu  werden  und  die  Schönheiten  seines  Stückes 
zu  voller  Wirkung  zu  bringen.  Dass  Grossmann  den  Fiesko  för  ein 
hervorragendes  Bühnenstück  hielt,  beweist  auch  der  ungewöhnlich 
frühe  Anfang  der  Vorstellung  und  der  Vermerk  auf  dem  Zettel, 
man  könne  von  dem  langen  Stück  keinen  Aufuitt  fortlassen,  ohne 
dem  Publikum  etwas  Schönes  zu  entziehen.  Da  die  Frankfurter 
Theaterzettel  aus  jener  Zeit  keinerlei  Andeutungen  über  den  Inhalt 
der  aufzuführenden  Stücke  mehr  bringen,  erscheint  ein  solcher  Hin* 
weis  als  etwas  Ungewöhnliches. 

Wenige  Tage  nach  der  Premiere  der  Tragödie  in  Frankfurt 
erliess  Schiller  in  Mannheim  am  12.  Oktober  1783  folgende  Anzeige: 
»Unüberwindliche  Schwierigkeiten,  die  sich  bei  der  Aufführung  des 
Fiesko  gezeigt  haben ,  veranlassen  mich ,  die  zweite  Hand  an  dieses 
Schauspiel  zu  legen,  um  ihm  eine  mehr  theatralische  Gestalt  zu 
geben.  Ich  ersuche  also  jedwede  Schauspielergesellschaft,  die  meinen 


'  Goethes  Mutier.   Von  Dr.  K.  Heinemmn»  S.  166,  Leipiig  1991,  Verlag 
von  Anur  Seemsum. 


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—  74.  — 


Fiesko  zu  geben  gesonnen  ist,  sich  an  niemand  als  unmittelbar  an 
mich  selbst  zu  wenden,  und  denselben  nach  keiner  anderen  Ver- 
änderung als  nach  der  meinigen  zu  spielen,  welche  in  wenigen 
Monaten  im  Manuscript  zu  haben  sein  wird. ' 

Diese  Anzeige  wurde  jedenfalls  durch  die  bei  der  Frankfurter 
Vorstellung  gewonnenen  Eindrücke  veranlasst  und  dient  zugleich 
als  Abwehr  gegen  einen  gewissen  C.  M.  Plümicke  in  Berlin,  der 
Schillers  Räuber  bereits  für  die  Bühne  willkürlich  zurechtgestutzt 
hatte  und  eben  dabei  war,  auch  den  Fiesko  in  eine  wirksamere 
theatralische  Form  zu  bringen.  In  dieser  Plümickeschen  Bearbeitung 
wurde  das  Stück  in  Wien  und  Berlin  am  Anfang  des  Jahres  1784 
gegeben,'  wahrend  Grossmann  am  Montag,  26.  Apri!  1784  Schillers 
eigene  neue  Fassung,  die  am  11.  Januar  desselben  Jahres  zuerst  in 
Mannheini  aufgeführt  wurde,  in  Scene  gehen  Hess.  Bereits  am 
8.  Februar  hatte  der  junge  Dichter  dem  hiesigen  Theaterdirektor 
das  Stück  von  Mannhenii  aus  mit  dem  folgenden  und  bereits  früher 
erwähnten  Brief  zugeschickt: 

Eridlicli  bin  ich  ini  Stande,  mein  Versprechen  zu  halten  und  Ihnen  den  neu- 
gcformtcn  Fiesko  zu  schicken,  den  Sie  mein  wertbester  Herr  mit  der  Cieduld  eines 
Märtyrers  haben  abwarten  müssen.  Möchte  er  Ihre  Wünsche  erf&Uen  im(f  der  Auf- 
merksamkeit würdig  seyn,  die  Sie  durch  Ueberwindung  der  ungeheuersten  Schwierig- 
keiten seinem  erstgeborenen  Bruder  zu  meinem  grössien  Erstaunen  haben  wider- 
fahren lassen  !  Jene  .Schwierigkeiten  sollen  wie  ich  hoffe  in  dieser  neuen  D3r<;te]- 
lung  gehoben  seyn,  ob  aber  ein  Produkt  der  Begeisterung  durch  Thcatcr-Conveiiienz 
und  kritisches  Flicken  und  besdmeiden  auf  der  einen  Sdte  nidit  wieder  verUeie, 
was  es  allenfalls  auf  der  anderen  Seite  mochte  gewonnen  haben .  kann  niemand 
besser  entscheiden,  als  der  Mann,  der  als  Dichter  und  Schauspieler  und  Schauspiel- 
direktor alle  Granzen  der  theatralischen  Welt  umgangen  haben  muss.  Darüber 
vortrefflicher  Mann  werde  ich  mir  Ihre  ausdrückliche  ungeheuchelte  Mcmung  erbit- 
ten, und  Sie  erwerben  sich  kein  geringes  Verdienst  um  mich»  wenn  Sie  mir  mit 
der  Offenherzigkeit  des  Könstlers  gegen  den  Künstler  gestdien,  wo  der  Neue 
Fiesko  gegen  den  Alten  im  Rückstand  geblieben  ist. 

Unterdessen  treue  ich  midi  dieses  Anlasses,  der  mich  mit  einem  Manne  in 
Verbindung  bringt,  dem  ich  schon  s«t  so  lange  mdne  vollkommenste  Achtung 
wdhe ,  und  welcher  mit  doppelter  Wirksamkeit  und  doppeltem  Glück  mit  mir  die 
na-r'iche  Raiin  gellt.  \\'e]cher  (lewinn  für  mich,  wenn  ich  mich  mit  Vertrauen 
und  Bruderliebe  an  Sie  anschliessen  und  Ihre  reife  Kenntniss  der  Bühne  bei  meinen 
kunftiga»  Arbeiten  zu  Käthe  ziehen  kann,  ich  werde  Sie  also  gewiss  fest  halten 
und  mein  Freund  müssen  Sie  werden,  das  ist  ausgemacht! 

Herr  Rennschub  (Regisseur  der  Mannheimer  Bühne)  sagte  mir,  dass  man 
Fnde  der  Fastenzeit  das  Vergnügen  haben  werde.  Sie  hier  in  Mannheim  ni  sehen. 
Lassen  Sie  sich  ja  nicht  von  diesem  Vorhaben  abhalten;  Sie  dxiden  hier,  was  ein 


'  »Die  Räuber«,  »Fiesko«  von  Schiller,  hrsg.  von  Boxbergcr.  S.  XLVI. 
*  Minor,  SchUlcr  H.  B.  S.  209. 


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Mann  wie  Sic  zuerst  wünschen  muss,  Kenner  und  Patriottn  Ihrer  Kunst  und  einen 
Freund,  der  Sie  mit  Ungeduld  erwartet. 

P.  S. 

Gegenwärtig  druckt  Schwan  ein  neues  Trauerspiel  vtm  mir,  Louise  Millerin, 
da^  in  4—5  Woclicn  die  Fresse  verlassen  kann  Icli  darf  hoffen,  dass  es  der 
deutschen  Buhne  iteine  unwillkommene  Aojuisition  seyn  werde,  weil  CS  durch  die 
Einfachheit  der  Vorstellung,  den  weni^n  Aufwand  von  Maschinerie  und  Statisten 
uiid  durch  die  leichte  Hasslichkeit  dc^  Plans  für  die  Direktion  bequemer  und  (&r 
das  Publikum  gcniessharer  ist  als  die  Räuber  und  Fiesko. ' 

Aus  diesem  schmeichelhaften  Schreiben  Schillers  an  Grossmann 
j^eht  deutlich  genug  hervor,  wie  hoch  er  demselben  die  äusserst 
schwierige  Aufführung  des  ersten  Fiesko  atirechnete  und  welchen 
Werth  er  auf  die  Verbindung  mit  dem  Frankfurter  Theater  legte. 
Augenscheinlich  ergriff  der  junge  Dichter  die  Gelegenheit  mit  Freu- 
den, um  seinem  hiesigen  Förderer  und  Gönner  eine  f^uldigung  dar- 
zubringen. Dass  er  dabei  Grossmanns  Thätigkett  als  Bühnenschrift- 
steller absichtlich  überschätzte,  war  nicht  allein  ein  Akt  der  Höflich- 
keit, sondern  auch  ein  kluger  Schachzug  von  Schiller,  der  sich  die 
Gunst  .eines  in  der  Theaterwelt  höchst  angesehenen  und  einfluss* 
reichen  Mannes  auch  femer  erhalten  und  von  dessen  Fachkenntnissen 
Nutzen  ziehen  wollte.  Wie  spätere  Briefe  Schillers  an  Grossmann 
bezeugen,  schlössen  die  beiden  aiiLh  Freundschaft  miteinander,  ist 
der  Fiesko  wirklich  der  Vermittler  näherer  Beziehungen  zwischen 
den  Mannern  geworden. 

Obgleich  das  mit  Spannung  erwartete  umgearbeitete  Stück 
bereits  im  Februar  1784  in  Grossmanns  Hände  kam,  schob  dieser 
die  Neueinstudirung  desselben  doch  für  einige  Zeit  hinaus.  Es 
geschah  dies  sowohl  des  Dichters  wegen  als  aus  Rücksicht  für  das 
hiesige  Publikum,  das  in  dem  eisig  kalten  Winter  85 -84  und  der 
durch  den  jähen  Witterungsumschiag  darauf  folgenden  Ueberschwem- 
mungszeit  das  Theater  nur  wenig  besuchte.  Erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  April  begannen  sich  die  leeren  Räume  des  Komödien- 
hauses neu  7.U  füllen,  erwachte  in  Frankfurt  wieder  der  Sinn  für 
theatralische  und  musikalische  Genüsse.  Hnde  April  1784  begleitete 
Schiller  die  Schauspieler  Itfland  und  Beil  von  Mannheini  auf  einer 
Gastspielreise  nach  Frankfurt  und  wohnte  zweifellos  der  Aufführung 
des  umgearbeiteten  Fiesko  am  26.  April  1784  bei.    Am  5.  Mai 


'  »Lausitiisdies  Magazin«,  59.  B.  S.  aSa  (Deutsches  Bahnenleben  im  vorigen 
Jahrhundert.  Kultur-  und  Literaturgescfaichtliehes  aus  Kestners  Handschriften- 
Archiv. 


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-   7«  ~ 


berichtet  üaoil  der  junge  Dichter  an  Reinwald:  »Das  Mannheimer 
Publikum  verstand  den  Hicsko  nicht.  RcpubHkanische  Freiheit  ist 
hier  zu  Lande  ein  Schall  ohne  Bedeutung,  ein  leerer  Name  —  in 
den  Adern  der  Pfälzer  fliesst  kein  römisches  Blut.  Aber  zu  Berlin 
wurde  er  vierzehnmal  (ein  Irrthum  oder  eine  Uebertreibung  Schillers) 
innerhalb  drey  Wochen  gefordert,  auch  zu  Frankfurt  fand  man 
Gefallen  daran. '  Die  letzte  Mittbeilung  bezieht  sich  v^ohl  nicht 
allein  auf  die  Vorstellung  des  umgearbeiteten  Fiesko  am  26.  April 
1784,  sondern  auch  auf  die  frühere,  nach  der  gedruckten  Fassung 
ge<;ehcne  Premiere  des  Stückes  im  Oktober  178^.  Wenn  ir<^end\vo, 
so  nuisste  man  doch  in  der  alten  freien  Reichsstadt  Frankfurt  das 
rechte  Verständniss  für  ein  derartiges  Trauerspiel  besitzen.  Den 
Frankfurtern  war  ja  republikanische  1-reiheit  kein  Schall  ohne  Be- 
deuten*;, kein  leerer  Name.  Seit  ahen  Zeiten  fühlten  sie  sich  wohl 
in  ihrer  stolzen  ünahhan<;igkeit  und  verstanden  es  von  jeher  treff- 
lich, ihre  Freiheit  zu  behaupten  und  den  Druck  mächtiger  Herrn, 
wenn  auch  gerade  nicht  durch  heroische  Thaten ,  so  doch  durch 
Klugheit  und  Vorsicht  von  sich  abzuwehren.  Findet  sich  deshalb 
auch  in  der  Geschichte  Frankfurts  kein  Gegenbild  zu  dem  mit  cäsa- 
rischer Grösse  ausgescatteiea  Fiesko,  so  berichtet  sie  doch  von  den 
leidenschatthchen  Kämpfen  des  Bürgerthums  gegen  das  übermachtige 
Patriziat,  von  anderen  umgestaltenden  Aufständen  und  Bewegungen, 
in  denen  um  die  höchsten  Güter,  »um  Herrschaft  und  um  l-reiheit« 
ward  gerungen.  Eine  stahlfeste  Gestalt  wie  der  Kepubhkaner  \'errina, 
der  die  Souveraiaiai  des  Volkes  für  das  Höchste  hält,  wurde  sicher 
hier  in  ihrer  historischen  Wahrheit  begriffen  und  auch  gewürdigt.  Bei 
einem  Publikum  mit  freiheitlichen  Hrinnerungen  wie  das  Frankfurter, 
durfte  Grossmann  deshalb  auch  auf  volles  Verständniss  f&r  ein  solches 
Weiic  rechnen.  Und  wenn  wir  die  Anschauungen  tonangebender 
Kreise  jener  Zeit  in  Betracht  ziehen,  so  finden  wir  sicheren  Halt  für 
die  Annahme,  dass  hier  die  erste  Form  des  Fiesko  jedenfalls  mehr 
Anklang  fand  wie  die  spätere  Bearbeitung  des  Stückes.  In  Frank-  * 
furt,  wo  jedes  Vergehen  gegen  die  Staatsordnung  stets  streng 
geahndet  worden  war,  musste  man  einen  Fiesko  besser  verstehen, 
der  sein  Vergehen  im  Tode  sühnt  als  einen  solchen,  der  nach  geföhr» 
liehen  Gelüsten  sein  Herz  bezwingt  und  glücklich  im  Kreise  der 
Mitbürger  weiterlebt.  Das  Trauerspiel  ist  denn  auch  in  seiner  alten 
Form  später  wieder  hier  gegeben  worden,  während  man  in  den 


'  Schillers  L«bcn  und  Werke.  Von  E.  Palleske.  S.  388. 


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—  77  - 


meisten  deutsches  Theatern  noch  den  umgearbeiteten  Fiesko  auf* 
fahrte. 

Noch  einmal  zu  jener  Vorstellung  des  Stückes  am  26.  April  1784 
zurOckkehrend,  bemerken  wir,  dass  die  Besetzung  der  männlichen 
Hauptrollen  fast  dieselbe  geblieben  ist  wie  in  der  Frankfurter  Premiere 
des  Fiesko  im  Oktober  1783.  Nur  Herr  Stegmann  übernahm  dies- 
mal den  Verrina,  und  Herr  Nuth  spielte  dessen  frühere  Rolle,  den 
Andreas  Dona.  Ausserdem  gab  Direktor  Gro^mann  an  Stelle  des 
abgegangenen  Lekow  den  Maler  Romano.  Die  drei  ersten  Frauen- 
rollen waren  diesmal  in  ganz  anderen  Händen.  Die  geistvolle  Madame 
Albrecht  stellte  Leonore,  Fieskos  Gemahlin,  dar,  Madame  Stegmann 
spielte  die  Gräftn  Imperiali  und  Demoiselle  Flittner-Grossmann  (Stief- 
tochter des  Direktors,  spätere  Madame  Unzelmann)  die  Bertha*  Un- 
streitig überragten  die  drei  Künstlerinnen  die  früheren  Vertreterinnen 
dieser  Rollen  ganz  bedeutend.  Ein  Jahr  später  bei  der  AuiTührung 
des  Fiesko  am  2.  April  1785  hatte  Madame  Albrecht  die  Gross- 
männische Truppe  wieder  verlassen.  An  ihre  Stelle  kehrte  Madame 
Fiala  zurück,  die  sich  aber  noch  immer  nicht  entscbloss,  die  Gräfin 
zu  spielen,  sondern  die  Leonore  darstellte.  Das  Programm  zu  dieser 
Vorstellung  findet  sich  in  dem  umer  Beilage  1  angefügten  Verzeich- 
niss  von  Fiesko-Aufführungen ,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  auf  der 
Frankfurter  Bühne  stattfanden.  Der  Zettel  weist  ausser  Herrn  Unzel- 
mann als  Gianettino  Doria  wenigstens  in  den  Hauptpartien  wieder 
dasselbe  Personal  auf.  Den  Helden  des  Trauerspiels  gab  bis  1786 
regelmässig  Herr  Schmidt,  ein  Darsteller  voll  feurigen  Empfindens, 
der  auch  eine  ritterlich  schöne  Aeusscrlichkcit  bcsass.  Nach  dem 
Urtheil  kunstverständiger  Zeitgenossen  gelang  es  Schmidt ,  den  Ge- 
danken der  Dichter  warmes  Leben  einzuliauchcn  und  besonders 
heroische  Gestalten  mit  blendenden  Vorzügen  und  verhangnissvollen 
Leidenschaften  wirksani  zu  verkörpern.  Schmidts  Darsiellungstalent 
war  damals  jung  wie  Schillers  Muse.  Beide  begegneten  sich  m  dem 
Dr.mge  nach  schwungvollem  Ausdruck  von  Idee  und  Empfindung 
und  in  der  begeisterten  Hingabe  an  die  Durcbiührung  künst- 
lerischer Ideale. 

Ob  dem  Zettel  zur  Premiere  des  umgearbeiteten  Fiesko  auf  der 
hiesigen  Bühne  (26.  April  1784)  auch  eine  »Erinnerung  an  das  Pub- 
likum« *  angefügt  war  wie  bei  der  ersten  Auffilhrung  des  Werkes  in 


»  Die  trinnerung  an  das  i'ubiikuni  findtfl  sich  bei  Boxbergcr  »Die  Räuber«, 
»Fiesko«,  von  Fr.  v,  ScMHer.  S.  XLVI. 


-    78  - 


Mannheim  (ii.  Januar  1784)  wissen  wir  nicht,  bezweifeln  es  aber. 
Seit  der  Eröfihung  des  städtischen  Komödienhauses  war  es,  wenigstens 
bei  der  Grossmännischen  Truppe,  nicht  mehr  Sitte,  derartige  Ab« 
handkingen  über  die  moralischen  und  ethischen  Motive  eines  Stuckes 
auf  die  Zettel  zu  drudcen.  Diese  unterscheiden  ach  hauptsächlich 
dadurch  von  den  Theaterprogrammen  früherer  Bühnenepochen,  dass 
sie  kein  »Avertissement«,  das  heisst  keinen  Abriss  von  dem  Inhalt 
des  darzustellenden  Stuckes  oder  sonstige  Winke  für  das  Publikum 
mehr  bringen.  Immerhin  liesse  sich  die  Möglichkeit  fiir  die  Beigabe 
der  »Erinnerung  an  das  Publikum«  zum  betreffenden  Theaterzettel 
daraus  schliessen,  dass  Grossmann  vielleicht  bei  Schiller  eine  Aus> 
nähme  gemacht  hätte,  um  die  Frankfurter  mit  dessen  höchst  geist- 
voll mitgetheilten  ästhetischen  Absichten  in  Bezug  auf  diese  neue 
Form  des  Fiesko  bekannt  zu  machen. 

Die  zeitgenössische  Kritik  hat  sich  kalt  gegen  Schillers  repu- 
blikanisches Trauerspiel  verhalten  und  es  weit  unter  die  Räuber 
gestellt.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  darauf  weiter  einzugehen,  wir 
verweisen  in  dieser  Beziehung  auf  die  neueren  Publikationen  über 
den  Dichter,  besonders  aufWeltrichs  und  Mmors  Schillerbiographien 
und  auf  Brauns  Buch  »Schiller  und  Goethe  im  Urtheile  ihrer  Zeit- 
genossen«. Nur  einer  Rezension  des  Fiesko  müssen  wir  hier  gedenken, 
weil  sie  sich  in  dem  für  Frankfurts  Theatergeschichte  höchst  wich- 
tigen »Tagebuch  der  Mainzer  Schaubühne«  befindet.  Diese  Kritik' 
schliesst  sich  nicht  an  eine  AuHiihrung  des  Stuckes  auf  der  hiesigen 
oder  der  Mainzer  Bühne  an,  sie  ist  vielmehr  eine  freie  ästhetische 
Abhandlung  und  stammt  aus  der  Feder  des  bereits  im  ersten  Theile 
dieses  Aufsatzes  oft  erwähnten  Mainzer  Präzeptors  Aloysius  Wilhelm 
Schreiber.  Derselbe  war  ein  grosser  Bewunderer  Schillers,  er  wusste 
an  dessen  Werken  immer  die  kühnen  genialen  Züge  herauszufinden, 
ohne  deshalb  die  vorhandenen  Mängel  und  Schwächen  zu  übersehen. 
Auch  die  erwähnte  Rezension  Schreibers  über  Fiesko  zeugt  wieder 
für  dessen  auf  tiefe  Einsicht  gegründeten  Enthusiasmus  für  den  jungen 
Dichter.  Zweifellos  nimmt  dieselbe  unter  den  Beurthcilungen,  die  in 
den  ersten  Jahren  nach  dem  Erscheinen  des  Stückes  erschienen,  einen 
hervorragenden  Rang  ein,  weil  Schiller  in  ihr  als  durch  und  durch 
dramatischer  Geist  aufgefasst  und  der  heroische  Wille  als  quellender 
Mittelpunkt  der  Handlung  betrachtet  wird.  Auch  für  die  Schauspieler, 


•  Tagebuch  der  Mainzer  Schaubühne  17ÖH,  VlU,  Stück,  S.  113—119.  — 
Auch  bei  Brmio,  Schiller  und  Goethe  im  Urtheile  Ihrer  ZcitgcnosMii,  I.  B.  S.  2xS—tyy 


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besonders  für  den  Darsteller  des  Fiesko,  enthält  diese  Kritik  beacbtens- 
werthe  Winke.  Da  Scbreibers  Abhandlung  bereits  in  Brauns  verdienst» 
voUem  Werke  erschien,  verzichten  wir  hier  auf  deren  Wiedergabe. 

Wenn  man  auch  der  Ansicht  der  Zeitgenossen  Schillers  bei- 
pflichten IDUSS,  dass  Fiesko  die  volle  dramatische  Grösse  seines 
gewaltigen  Erstlings  »Die  Räuber«  nicht  erreicht,  so  kann  doch 
keineswegs  bestritten  werden,  dass  das  republikanische  Trauerspiel 
als  die  Offenbarung  eines  genialen  Geistes,  als  ein  ans  lebhafter 
theatralischer  Anschauung  hervorgegangenes  Werk  zu  betrachten  ist. 
Um  Fiesko  richtig  zu  beunheilen,  muss  man  ihn  in  Vergleich  bringen 
mit  nnJercn  sogenannten  Geschichtsdramen,  die  damals  die  deutsche 
Bühne  beherrschten.  Wie  ein  stolzer  B:.nm  aus  dem  Unterholz, 
so  ragt  Schillers  Fiesko  aus  der  Menge  tormloser  und  abenteuer- 
licher Schauspiele  und  lärmender  Ritterdramen ,  in  denen  der  oppo- 
sitionelle Cieist  der  Sturm-  und  Drangperiode  unter  dem  Banner  der 
Natur  die  feudale  Weltanschauung  und  Philisterhaiiigkeit  der  da- 
maligen Gesellschaft  bekämpfte.  Alle  diesen  w^ilden  überschwang- 
lichen Stücke  haben  für  unsere  Zeit  nur  noch  literaiurhistorischen 
Werth,  während  Schillers  Jugenddramen ,  die  doch  in  demselben 
Boden  wurzeln,  heute  noch  die  Gemüther  ergreifen  wie  damals. 
«Die  Räuber«  und  »Die  Verschwörung  des  Fiesko  zu  Genua«  sind 
unter  dem  Zwang  und  Druck  äusserer  Verhältnisse  entstanden,  ein 
Grundton  durchklingt  beide,  beide  schmückt  auch  der  unvergängliche 
Keiz  feuriger  jugendfrische.  Karl  Moor  kämpft  für  individuelle 
Freiheil,  Fiesko  ist  eine  Verherrlichung  des  republikanischen  Gedan- 
kens. Was  eine  leidenschaftlich  bewegte  Zeit  in  dunklem  Drange 
durchbebte,  brachten  diese  beiden  Gestalten  und  ihre  Gegenspieler 
in  flammenden  Worten  zum  Ausdruck. 

Die  Bühncnschicksale  beider  Werke  sind  sehr  verschieden. 
Während  die  Räuber  ihrem  Schöpfer  grossen  Ruhm  eintrugen  ,  hat 
Schillers  um  l'ieskos  willen  viel  gelitten.  Unser  Theater  kann  des- 
halb stolz  auf  die  Thaisache  sein,  dai.s  l  iesko  in  seiner  ursprüng- 
lichen Form  gerade  zu  einer  Zeit  hier  in  Scene  ging,  als  der  Wider- 
streit der  Memungen  über  das  I  i  auerspiel  kurz  zuvor  in  schroffster 
Weise  entbrannt  und  Schiller  ganz  klcinmüthig  geworden  war.  Um 
so  hoher  darf  Grossmanns  \'eilialien  gegea  ^ucsen  geschätzt  v  cidcn. 
weil  dem  kranken  Dichter  in  seiner  inneren  und  äusseren  Kothiage 
nichts  mehr  zu  gönnen  war,  als  eine  licundlichc  Aufmunterung,  wie 
sie  ihm  durch  die  hiesige  Autnihrung  seines  icpublikanischen  Trauer- 
picls  zu  Theil  wurde.  Inzwischen  hatte  Schiller  ja  unter  seeHschen 
Stürmen  ein  neues  Trauerspiel  »Luise  Millerint*,  später  »Kabale  und 


-  8o  - 

Liebe«  genannt,  vollendet,  von  dessen  Erfolg  nach  der  lauen  Auf* 
nähme  des  Fiesko  ungemein  viel  für  ihn  abhing. 

Bevor  wir  über  die  Premiere  von  Schillers  drittem  Werke  auf 
unserer  Bühne  bericliten  können*  haben  wir  noch  einen  Röckblick 
auf  das  theatralische  Leben  vom  Beginne  des  Jahres  1784  zu  thun. 
Die  Grossmännische  Gesellschaft  spielte  um  diese  Zeit  abwechselnd 
in  Mainz  und  Frankfurt  und  kündigte  als  erste  hiesige  Vorstellung 
im  neuen  Jahre  das  Trauerspiel  »Alzire«  von  Voltaire  an.  Aber  die 
Kälte  war  in  diesen  Tagen  so  streng,  dass  die  Darsteller  nicht  von 
Mainz  herüberkommen  konnten,  und  der  Beginn  des  Schauspiels  ver- 
schoben werden  musste.  Erst  am  6.  Januar  1784  fand  dann  die  an- 
gezeigte Aufiührung  von  »Ahirc«  im  neuen  Komödienhause  statt.' 
Da  es  nach  einem  gelinderen  Tag  wieder  grinimig  kah  geworden 
war,  suchte  Direktor  (irossmann  dem  Publikum  dennocli  den  Besuch 
des  The.iters  dadurch  zu  ermöglichen,  dass  er  eine  Anzahl  Personen 
anstellte,  die  tür  testen  Verschluss  der  Thören  im  Komödienhausc 
zu  sorgen  hatten.  Ks  wurde  in  diesem  Winter  jede  Woche  einmal 
gespielt,  die  nächste  Vorstellung  hatte  also  Dienstag,  13.  Januar 
stattfinden  müssen.  Allein  dieselbe  tiel  aus,  weil  ein  starker  Schnee- 
fall die  Wege  unfahrbar  machte.  Am  20.  Januar  ging  dann  das 
neue  hier  noch  nicht  aufgeführte  Lustspiel  »Der  Fähndrich«  von 
Schröder  und  das  Balett  »Das  spröde  Mädchen  oder  die  verzauberte 
Rose«  in  Scene.  Bei  der  Anzeige  zu  dieser  Vorstellung  wird  aus- 
drücklich bemerkt,  dass  man,  um  die  Kälte  erträglich  zu  machen, 
alles  aul  bieten,  auch  einige  Zunmer  im  neuen  Komödienhausc  heizen 
wolle,  in  denen  sich  das  Publikum  zwischen  den  Akien  en\'ärmcii 
könne.  Die  Ankündigung  des  Schauspiels  «Der  Einsiedler«  von 
d*Arien,  das  am  27.  Januar  gegeben  wurde,  enthält  diesen  Zusatz 
nicht,  dagegen  wurde  die  Vorstellung  des  Singspiels  »Claudine  von 
Villabella«  von  Goethe  mit  Musik  von  ßeck^  wegen  unerträgUcber 
Kälte  vom  3.  bis  zum  10.  Februar  verschoben. 

Am  12.  Februar  dieses  Monats  schreibt  Frau  Rath  Goethe  an 
Fritz  von  Stein:  »Hier  giebt's  nicht  viel  Keues  das  interessant  wäre, 
wir  haben  diesen  Winter  nur  alle  Dienstage  Schauspiel  Die  Schau* 
Spieler  sind  in  Mainz  und  Schnee  und  Eis  machen  die  Wege  über- 
aus schlimm.* 


*  Die  Nachrichten  über  die  Vorstellungen  im  Januar  und  Februar  17^4  sind 
den  »Frankfurter  Suiis-^tcetto«  vom  6. 19.  ao.  26.  Januar,  und  a.  Februar  dieses 
Jahres  entDomnien» 

'  Bricfwecluet  von  Frau  Rath  Goeth^  hrsg.  von  Robert  Keil,  S.  ao2 — ao}. 


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-  8i  — 


Am  Dienstag,  17.  Februar  vrarde  das  Trauerspiel  »Oda  oder  die 
Frau  von  zwei  Männern«  von  Babo  zum  erstenmale  gegeben,  nach 
dieser  Vorstellung  wird  die  hiesige  Bühne  für  2  Monate  geschlossen. 
Während  dieser  Zeit  hätten  die  Bewohner  Frankfurts  sicher  auch 
wenig  Sinn  fQr  den  Besuch  des  Theaters  gehabt.  Naturereignisse 
bedenklichster  Art  nahmen  nämlich  das  öffentliche  Interesse  ganz  in 
Anspruch«  Wie  bereits  früher  erwähnt  wurde,  trat  nach  der  grim> 
migen  Kälte  und  dem  starken  Schneefiill  plötzlich  ein  Wittenmgs- 
Umschlag  ein ,  der  nicht  allein  Frankfurt ,  sondern  auch  die  ganze 
Umgegend  in  eine  noch  schlimmere  Nothbge  versetzte  ab  der  un- 
erhört  strenge  Winter.  Am  26.  Februar  verkündeten  Kanonenschüsse 
der  hiesigen  Bürgerschaft  das  Aufbrechen  des  Maines.  Bereits  am 
27.  und  2^  desselben  Monats  standen  der  Weckmarkt,  die  Saal-,  die 
Bender-  und  Buchgasse,  sowie  Theile  von  Sachsenhausen  unter 
Wasser.  Bis  über  die  Mine  des  Römerberges  hinaus  stieg  dasselbe; 
die  beiden  Blockhäuser  an  der  alten  Brücke  wurden  zertrümmert, 
diese  selbst  und  die  Mühle  stark  beschädigt.  Wie  das  »Frank- 
furter Staats-Kistretto«  am  2.  März  1784  (Nr.  36)  berichtet,  wussten 
sich  die  ältesten  Leute  eines  derartigen  Wasserstandes  nicht  zu 
erinnern ;  er  war  mehr  denn  zwei  Fuss  höher  als  die  grosse  Fluth  im 
Jahre  1764.  Ebenso  wie  hier  in  Frankfurt  sah  es  auch  in  der  Um- 
gegend aus.  Hunderte  von  Menschen  waren  obdachlos  und  ohne 
Lebensmittel.  Es  war  eine  Zeit  der  höchsten  Aufregung  und  Angst, 
wahrend  welcher  nun  eher  an  alles  andere  als  an  theatralisches  Ver- 
gnügen denken  konnte. ' 

Frau  Rath  Goethe  schildert  die  Ueberschwemmung  in  Frank- 
furt und  die  bei  derselben  getroffenen  Sicherheitsmassregeln  in  einem 
Briefe  an  Fritz  von  Stein  vom  22.  März  1784*  und  in  einer  humoristisch 
gefärbten  poetischen  Abhandlung  vom  i.  März,  welche  letztere  an 
d.is  Weimarische  Hoffräulein  Louise  von  Göchhausen  gerichtet  ist. 
Anfangs  und  Mitte  dieses  Monats  herrschte  gelindes  Wetter,  allein 
gegen  Ende  desselben  war  es  wieder  »dicker  Winter.«  Wie  Frau 
Rath  schreibt,  konnte  kein  Mensch  wegen  heftigem  Wind  und  starkem 
Schneefall  das  Haus  verlassen.  ^  Doch  bald  wurde  es  wieder  milder; 


*  Leber  die  Ueber*>ch%vemmung  im  i-'cbruar  1784  siehe  die  Nummern  der 
Frankfurter  Oberposiamiszeitung,  des  Frankfurter  Jounial  und  des  Frankfurter 
StaatS'Ristretto  vom  Februar  und  März  1784.  Auch  Leben  in  Frankfun,  Aus- 
zöge aus  den  Frag    und  An/cigungs-Nachridiwn  von  iM.  ßclK-Gontard.  B.  VII. 

'  Bricfwcciiscl  von  Frau  Rath,  hrsg.  von  Robert  Keil,  S.  ai}— ai4. 

'  Ebd.,  S, 

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-    82  — 


der  Frühling  kam  mit  Macht  und  mit  ihm  kehrte  die  Lust  an  Ver- 
gnügungen aller  Art  bei  den  Frankfurtern  zurück.  Bereits  ;\in 
17.  März  1784  wurde  im  weissen  Hirsch  im  grossen  Hirschgraben 
ein  kleiner  Luftballoo  »frey  io  die  Luft  gelassen,«  '  ein  Vorgang,  der 
viele  Leute  liier  in  grosse  Aufregung  versetzte.  Auch  Goethes  Mutter 
wohnte  dem  Aufstieg  des  Ballons  I  i  und  berichtet,  dass  dies  recht 
spasshaft  anzusehen  gewesen  sei. '  Die  Luftfahrten  kamen  damals  in 
Mode,  Fürsten  und  Herren  waren  bei  dem  Aufsteigen  der  Ballons 
zugegen  und  unterstützten  die  staunenerregenden  Versuche  auf 
alle  mögliche  Weise.  Selbst  die  Bühne  bemächtigte  sich  des  belieb- 
ten Sports  und  suchte  ihn  zu  Stoffen  für  Lustspiele  und  Ballets  zu 
verwenden.  Als  der  berühmte  Luftschitfer  Bl.mchard  am  3.  Ok- 
tober 1785  von  der  Ikjrnheimer  Heide  aus  seine  grosse  Luftreise  im 
Beisein  vieler  vornehmen  Herrschaften  und  einer  unabsehbaren  Men- 
schenmenge unternahm,  wurde  er  am  anderen  Tage  nach  seiner  Kuck- 
kehr un  neuen  Kuniodienhause  durch  eine  für  jene  Zeit  i;an/  uruss- 
arti«»e  Huldii^unt;,  die  auf  seine  külme  1-ahri  Bezug  nahm,  gefeiert. 
Keine  fürstliche  Persönlichkeit,  kein  Dichter  oder  Komponist  ist  wohl 
seit  der  Eröffnung  der  neuen  Bühne  so  im  hiesigen  Schauspielhausc 
verherrlicht  worden  wie  1785  der  allgemein  vergötterte  Blancbard.  * 

Mit  dem  Beginne  des  Jahres  1784  hatte  Grossmaim  die  Direk- 
tion in  Bonn  seiner  Frau  überlassen,  weil  er  damals  zu  der  Leitung 
des  Frankfurter  Theaters  auch  noch  diejenige  der  Mainzer  Bühne 
übernahm.  Frau  Grossniann,  früher  vcrehlichte  Flittner»  starb  jedoch 
schon  1784  im  33.  Lebensjahre,* 

Direktor  Grossmann  spielte  ausser  hier  und  in  Mainz  den 
Sommer  über  im  Bade  Pyrmont,  in  Kassel,  Düsseldorf  und  anderen 
Städten.  Grossmanns  künstlerische  Thätigkeit  in  Frankfiin  seit  der 
Eröffnung  des  neuen  Komödienhauses  bis  zu  seinem  Abgange  von 
hier  nach  Hannover,  Ende  Juli  1786,  ist  sowohl  der  Glanzpunkt  in 
seiner  eignen  Laufbahn  als  eins  der  wichtigsten  Kapitel  der  Frank- 
furter Theatergeschichte.  Wir  halten  es  deshalb  jetzt  für  geboten, 
einige  Nachrichten  über  den  Mann  zu  bringen,  der,  wie  der  Mann- 
heimer Intendant  von  Dalberg  den  Häubem,  Schillers  republikanischem 


'  Leben  io  Frankfurt.  Von  M.  Belü^Gontard,  B.  VII,  S.  44. 
*  Briefwechsel  von  Frau  Rath,  hrsg.  von  Robert  Keil»  S.  at). 

'  Berichte  über  die  Feier  bringen  die  hiesigen  Blätter  und  der  Theater- 
Kalender  auf  dns  J;ihr  1786,  S.  2')5  tT. 

Karolinc  Ciro-ismann,  eine  biographische  Skizze  von  KapcUnjtnster  Ch.  N. 
Neefc,  Güttingen  1783.  Awh  Theaterkalender  «uf  das  Jahr  178$,  S.  192. 


I 


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-  83  - 


Trauerspiele  »Die  Verschwörung  des  Fiesko  zu  Genua«  und  seinem 
dritten  Stück  »Kabale  und  Liebe«  den  Weg  auf  die  deutsche  Bühne 
bereiten  soUte. 

Gustav  Friedrich  Wilhelm  Grossmann '  war  1746  (nach  Anderen 
1744)  zu  Berlin  geboren.  Als  Sohn  eines  mittellosen  Privatschul* 
halters  stand  er  von  Jugend  auf  unter  dem  Einfluss  drückender  Ver- 
hältnisse. Um  seine  intellektuellen  Anlagen  und  Neigungen  zur  Gel- 
tung zu  bringen»  hatte  er  ähnliche  Hemmnisse  und  Schwierigkeiten 
zu  fiberwinden  wie  Friedrich  Schiller.  Nach  abgelegtem  gutem 
Examen  betrat  Grossmann  die  juristische  Laufbahn.  Er  erhielt  die 
Stellung  eines  Legationssekretairs  in  Oanzig,  wurde  sogar  mit  diplo- 
matischen Missionen  betraut  und  erwarb  sich  die  Anerkennung  als  eines 
pflichttreuen  und  gewissenhaften  Beamten.  Während  seiner  Wirk- 
samkeit als  preussischer  Legationssekrctair  schloss  Grossmann  eine 
Menge  cinflussreicher  Verbindungen,  die  ihn  später  ungemein  fördern 
sollten.  Im  Jahre  1769  brachte  ihn  seine  Stellung  auch  in  Berlin  mit 
Lessing  in  Berührung.  Dieser  trui,'  sich  gerade  damals  mit  reforma- 
torischen Gedanken  für  die  Begründung  eines  deutschen  National- 
iheaters  und  übte  auf  Grossmanns  Leben  einen  umgestaltenden  Ein- 
fluss aus.  Lessing  erkannte  nicht  nur  das  schöpferische  Talent  und 
die  kiinsilLi  ische  Bildung  des  jungen  Mannes,  er  sah  auch  in  ihm  ein 
brauchbares  Wi^rkzeug  zur  Hebung  der  deutschen  Bühne  und  forderte 
ihn  auf  zum  Theater  zu  gehen.  Diese  Mahnung  muss  mit  Gross- 
manns eignen  Wünsciien  übereingestimmt  haben;  denn  1774  wurde 
er  Mitglied  der  berühmten  Seylerschen  Truppe,  bei  der  er  zum  ersten« 


*  Zu  der  Darstclluug  von  Grossmapos  Lebensgang  und  dramaturgischer 
Thätigbdt  wurden  folgende  Quellen  benuttt:  Deutsches  Bfihnenlebcn  im  vorigen 

Jahrhundert  von  A.  Sehr  in  Laushnsches  Magazin,  59.  Bd.  S.  267  tf.  Archiv 
für  Literaturgeschichte  III  R.,  S.  109  fT.  und  S.  277  tl.  fn^t?.  (Sclicbte  Scliatten, 
S.  23.  Minor,  Schiller,  II.  Bd.,  217  IT.  Devrient,  Gesciiiclite  der  Schauspiel- 
kunst, S.  100  ff.  Frau  Rath,  Brlefwechsd,  hr^.  v.  R.  Kdl.  S.  z%i.  GeseMchte 
des  Theaters  und  der  Musik  in  Mainz,  von  J.  Peth,  S.  64  ff,  Theater-Journal, 
hrsg.  von  Reichhard,  1777— 178^.  Thcaterkalctuler  von  1776— 1797.  Goedcke, 
Geschiltsbriefe  Schülers,  Uriich  liricfe  an  Schiller.  Jordans  Lexikon  deutscher 
Dichter  und  Prosaisten,  IL  B.,  S.  257—26}  und  VL  B.,  S.  249  tt.  Allg.  Deutsche 
Biographie.  Das  erste  Städtische  Theater  lu  Frankfurt  a.  M. ;  von  Dr.  A.  H.  E. 
von  Oveo.  NeujahrsBlatt  des  Vereins  für  Gesdtidite  und  Alterthumskunde,  für 
das  Jahr  1872,  S,  30  ff.  Geschichte  der  Schauspitllamst  zu  Frankfurt  a.  M., 
von  E.  Mcnt2el.  Einschlägige  Akten  des  Frankfurter  Stadtarchivs.  Goethes 
Mutter  von  Dr.  K.  Heinemann.  S.  168  ff.  Beluiken  Geschichte  des  Bremischen 
Theaters,  S.  4$— 47.    Lynker,  GescUchte  des  Theaters  und  der  Musik  in  Kassel 

6* 


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-   84  - 


male  als  Marinelli  in  »Hmilia  Galotti»  auftrat.  Im  Jahr  177S  berief 
ihn  der  kunstsinnige  Kurfürst  Friedrich  Maximilian  zur  Leitung  seines 
Hoftheaters  nach  Bonn.  Von  hier  aus  unternahm  er  mit  der  Kur- 
Kölnischen  Gesellschaft  Gastspielfahrten  nach  Frankfurt  a.  M.  und 
anderen  Städten.  Als  es  sich  um  die  Wahl  einer  Truppe  bei  EröfT- 
niing  der  standigen  Bühne  handelte,  engagirte  der  Pächter  des  hiesigen 
neuen  Komodicnliauses,  der  Fürst).  Waldecksche  Hotrath  Tabor,  mit 
Genehmigung  der  Stadt  die  unter  Grossmanns  Leitung  stehende 
Kur-Kölnische  (;esel]schalt,  deren  Leistungen  hier  schon  bekannt  und 
allgemein  geschätzt  waren. 

In  Frankfurt  stand  Direktor  Grossmann  im  Verkehr  mit  der 
besten  Gesellschaft.  Schon  als  Mitglied  der  Seylerschen  Truppe,  die 
im  Sommer  1777  hier  spielte,  wurde  er  im  Hause  der  Frau  Rath 
Goethe  eingeführt,  zu  der  er  in  der  Folge  in  ein  herzliches  Freund- 
schaftsverhältnis trat.  Wenn  nach  Schluss  der  Messen  die  Sevlersche 
und  später  die  Grossmännische  Gesellschaft  Frankfurt  vcrlicsscn, 
unterhielt  Frau  Rath  in  der  Zwischenzeit  mit  dem  Freunde  einen 
Briefwechsel,  der  tm  die  siebziger  u:iu  a^^-nziger  Jalux  des  vorigen 
Jahrhunderts  eine  der  wichtigsten  Quellen  zur  I  rankfurter  Theater- 
geschichie  bildet.  Freilich  darf  bei  Benutzung  derselben  nie  ausser 
Acht  gelassen  werden,  dass  Frau  Rath  für  Grossmann  voreingenommen 
und  gegen  andere  hier  auftretende  Wanderprinzipale»  z.  B.  gegen 
Böhm,  sehr  ungerecht  war.  Frau  Rath  Goethe  konnte  als  die  ächte 
Mutter  ihres  grossen  Sohnes  wohl  die  Schönheiten  der  Dicbtongen 
und  darstellerischen  Leistungen  nachempfinden,  aber  ihr  Urtheil  über 
die  verschiedenen  Truppen  ist  nicht  objektiv  und  unparteiisch  genug 
und  wurzelt  ganz  in  persönlichem  Empfinden.  Da  sie  Grossmann 
und  seinen  Schauspielern  all  ihr  Wohlwollen  zugewandt  hatte,  hielt 
sie  mit  weiblicher  Vorliebe  jeden  anderen  Theaterdirektor,  der  hier 
spielte,  für  einen  Stümper  und  unberechtigten  Rivalen  ihres  Lieblings. 
Wie  der  Briefwechsel  zwischen  Frau  Rath  und  Grossmann  bezeugt, 
blieb  sie  diesem  bis  zu  seinem  Tode  1796  eine  zuverlässige  Freundin. 
Sie  hob  ihm  ein  Kind  aus  der  Taufe,  suchte  ihm  zu  nützen,  wann 
und  wo  es  ging,  und  gab  ihm  in  familiären  Angelegenheiten,  z.  B. 
bei  seiner  zweiten  Heirath  mit  Demois.  Schroot,  ihren  treuen  un- 
geschminkten Rath. 

Grossmann  zeichnete  sich  unter  den  meisten  damaligen  Theater- 
prinzipalen durch  seine  umfassende  literarische  Bildung  und  seine 
wdtmännisch  feinen  Manieren  aus.  Im  gesellschaftlichen  Verkehr 
war  er  schlagfertig,  geistreich  und  witzig  und  von  bestechender 
Liebenswürdigkeit.  Als  Bühnenleiter  gcnoss  Grossmann  bedeutendes 


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-  8s  - 


Ansehen;  iikhi  merkte  seiner  gewissenhatten  Geschäftsführung  an, 
dass  er  in  die  ernste  Schule  des  preussischen  Beamtenthums  gegangen 
war.  Hei  seinem  Personal  hielt  er  streng  auf  Ordnung  und  gute 
Sitte  und  ertheilic  bei  Uebertreiungen  der  Statuten  sogar  öfientliche 
Rügen.  Ungemein  viel  that  Grossmann  für  die  soziale  Hebung  des 
Schauspielerstandes;  sein  Hauptziel  war  die  Errichtung  einer  alli^e- 
mcineo  deutschen  Versicherungsanstalt  für  invalide  Bühnenkünstier, 
ein  Plan ,  der  erst  in  diesem  Jahrhundert  in  der  deutschen  Mühnen- 
genossenschatt  in  erweiterter  Form  seine  Verwirklichung  fand.  Nur 
wenige  Truppen  schützten  im  vorigen  Jahrhundert  ihre  Mitglieder 
in  Krankheitsfällen  oder  .sonstigen  Nothlagen  vor  vollständigem  Ver- 
armen. Zu  den  Gesellschaften,  die  bereits  1780  eine  eii;ene  Kranken- 
kasse besassen,  gehörte  ausser  der  Grossmännischen  auch  die  Truppe 
Jobannes  Böhms. 

Grossmann  zeigte  sich  daneben  auch  als  ein  fruchtbarer  drama- 
tischer Dichter.  Seine  Werke  gehören  zwar  nicht  zum  eisernen 
Bestände  der  deutschen  Literatur,  aber  sie  nahmen  im  Repertoir 
jener  Zeit  einen  ebenso  grossen  Raum  em  wie  die  Stücke  der 
heutigen  Modeschriftsteller.  \'on  (Jrossmanns  Dramen  tühren  wir  die 
nachfolgenden  an,  die  sämmtlich  in  Frankfurt  mit  grossem  Beifall 
gegeben  wurden,  bemerken  jedoch,  dass  diese  nach  den  Theater- 
Kalendern  gemachte  Aufstellung  auf  Vollständigkeit  keinen  An- 
spruch erhebt. 

oDie  Feuersbrunst,«  Schauspiel  177?. 

»WiUielmine  von  ßlomlheim.«  ScH.iuspiel  in  ^  Aiit/ugen  177^ 
»Henriette  oder  sie  ist  schon  vcriieirathet.f  Lublspiel  in  \  .Aufzügen  1779. 
»Meüde  oder  der  erste  ScliilTcr,«  Schauspiel  mit  Gesang  in  2  Aufzügen  1779. 

(Die  Musik  von  Neefe.) 
»Die  Ehcstaodskandidaten,«  Lustspiel  in  )  Aufsagen  t78a 
»Was  vermag  ein  Mädchen  nicht,«  Schauspiel  tnit  Gesang;  in  1  Aufsug, 
•  Musik  von  N'et'fc.  1780. 

»Nicht  mehr  als  sechs  Schüssehi,«  Schauspiel  in  5  .Aul/cu^'i-'n,  177Q  oder  1780. 
»Adelheid  von  Vehheiiii,«  Schauspiel  mit  Gesang;  in  5  .-\ut/ugcn,  Musik  von 

Neefe,  1782. 

»Was  dem  Einen  recht  ist,  ist  dem  Andern  billig,«  Schauspiel  in  3  Akten  178]. 

Ausser  diesen  Dramen  lieferte  Grossmann  noch  eine  Anzahl 
Uebersetzungen  und  Bearbeitungen  französischer,  englischer  und 
italienischer  Theaterstücke.  Wir  erwähnen  davon  nur  »Die  Komödie 
der  Irrungen«  von  Shakespeare  und  das  Lustspiel  »Der  Barbier  von 
Sevilla«  von  Beaumarchais.  Grossmanns  bedeutende  Sprachkenntniss 
machte  es  ihm  sogar  möglich ,  Lessings  »Minna  von  Bamhelm«  ins 
Französische  zu  übertragen. 


-   86  - 

Wie  die  meisten  Schauspiclenurbeiten  streben  auch  die  Stücke 
Grossmanns  weniger  danach,  die  Literatur  zu  bereichern  als  die  dar- 
stellende Kunst  zu  fördern.  Er  suchte  lebenswahre,  wenn  auch 
keineswegs  ausgeführte  Gestalten  zu  zeichnen  und  verliess  sich  dabei 
auf  die  ausgleichende  Erfindungskraft  der  Darsteller.  Die  genaue 
Kenntniss  der  verschiedensten  Gesellschaftskreise  und  des  Volkes 
befkliigte  Grossmann,  naturwahr  zu  schildern  und  eine  Anzahl  neuer 
Figuren  auf  die  Böhne  zu  bringen.  Daneben  verstand  er  es,  anziehende 
Situationen  zu  schaffen  und  einen  witzigen  poincirten  Dialog  zu 
schreiben,  der  trotz  der  naturalistischen  Richtung  des  bürgerlichen 
Schauspiels  bei  dem  damaligen  Publikum  sehr  beliebt  war*  Das 
beste  Schauspiel  Grossmanns  »Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln,«  das 
auch  Frau  Rath  Goethe  so  gut  gefiel,  wurde  noch  zu  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  in  Frankfun  mit  vielem  Beifall  aufgeführt.  Das  Stück 
beschäftigt  sich  mit  dem  beliebten  Bühnenthema  der  achtziger  Jahre 
des  vorigen  Säkufaims:  der  Ehe  zwischen  zwei  Gatten  aus  ver- 
schiedenen Gesellschaftsklassen.  In  gewissem  Sinne  ist 'Grossmann 
also  ein  Vorläufer  Schillers ,  der  das  beliebte  Motiv  der  Mesalliance 
am  ergreifendsten  in  dem  bürgerlichen  Trauerspiele  »Kabale  und 
Liebe«  behandelte. 

Als  Bühnendichter  ist  Grossmann  längst  vergessen,  als  der  erste 
Schauspieldirektor  des  hiesigen  Theaters  und  als  verständnisvoller 
Förderer  Schillers  hat  er  sich  unvergängliches  Verdienst  erworben. 
Um  so  mehr  müssen  wir  ihn  anerkennen,  weil  der  hohe  Schwung 
von  Schillers  Poesie  mit  seinen  eignen  Zielen  und  der  Geschmacks- 
richtung der  dichtenden  Schauspieler  jener  Zeit  im  grellsten  Wider- 
spruch stand.  Und  ebenso  eifrig  wie  Grossinann  den  jungen  Schiller 
zu  unterstützen  suchte,  trachtete  er  danach,  das  Andenken  an  Lessing 
sowohl  in  Künstlerkreisen  als  auch  beim  deutschen  Volke  lebendig 
zu  erhalten.  In  einer  Schrift  »Lessings  Denkmal«  lordert  er  sogar 
aut,  Geldsammlungen  und  Theatervorstellungen  zum  Zweck  der  Er- 
richtung eines  Denkn^ds  auf  Lessings  eingesunkenem  Grabe  in  Braun* 
schweig  zu  veranstalten. 

Neben  grossen  Vorzügen  besass  Grossmann  ;uich  viele  Schatten- 
seiten. Hr  neigte  in  vielen  Dingen  ^nr  Pedanterie  und  w.n  trot/dem 
von  unruhiger  Beweglichkeit.  Ungemein  wurde  der  Verkehr  nm 
ihm  dureh  sein  leicht  gereiztes  Wesen,  sein  st;irk  entwickeltes  Selbst- 
gefühl und  seinen  unbeugsamen  Starrsinn  ersclnvert.  Diese  l£igen- 
Schäften  zeigten  sich  n.ich  dem  Brande  im  Schauspielh.uise  im 
April  1785  in  so  unangenebnier  Weise,  dass  es  zu  vielen  Reibereien 
zwischen  dem  Pächter  Tabor,  der  Stadt  und  Grossmann  kam.  Ob- 


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wohl  eintlussrcichc  C{)nner  für  ihn  eintraten  und  der  grösste  Theil 
der  bessern  Gesellschaft  auf  seiner  Seite  stand,  führten  diese  Streitig- 
keiten doch  schliesslich  im  Sommer  1786  zur  Auflösung  seines  Con- 
traktes.  Auch  in  Hannover  benahm  sich  Grossmann  spater  so  selt- 
sam, dass  er  in  peinliche  Lagen  ^erieth  und  zuletzt  seines  Amtes 
entlassen  wurde. 

Zum  frankfurter  Bühnenleben  des  Jahres  1784  zurückkehrend, 
weisen  wir  nochmals  darauf  hin,  dass  die  ersten  iMonate  desselben 
für  den  Theaterbesuch  fast  gänzlich  verloren  gingen.  Um  so  mehr 
war  man  nun  nach  dem  harten  freudlosen  Winter  auf  die  Wieder- 
eröHnung  des  Schauspiels  gespannt,  als  ein  Stück  zur  ersten  \'or- 
stellung  angesetzt  war,  dessen  Verlasser  in  Frankfurt  eine  grosse 
Ciemeinde  von  Verehrern  zählte.  Es  war  Schillers  neues  Trauerspiel 
»Kabale  und  Liebe/«  das  hier  überhaupt  zum  erstenmale  über  die 
Bretter  gehen  sollte.  Dass  man  diese  Premit;re  für  ein  wichtiges 
Ereigniss  hielt,  beweist  eine  briefliche  Mittheilung  der  Frau  Rath 
Goethe  an  Fritz  von  Stein.  Am  ersten  Ostertage  178}  sclireibt  sie: 
»Lieber  Sohn.  Ich  wünsche  sehr,  dass  sie  jetzt  bei  mir  wären. 
Uebermorgen  geht  unser  Schauspiel  wieder  an,  und  /war  wird  ein 
ganz  neues  Stück  gegeben.  Alles  verlangt  darauf  und  es  wird  sehr 
voll  werden.«  * 

Dass  Grossmann  ein  neues  Werk  Schillers  mit  besonderer 
Spannung  erwartete,  geht  schon  aus  seinem  Schreiben  an  Schwan 
vom  26.  August  1783  hervor.  Gleich  zu  Anfang  heisst  es  da:  »der 
Schauspieler  Schmidt  hat  mir  gesagt,  dass  wir  bald  Holfnung  zu 
einem  neuen  Stück  von  Schiller  hätten,  worauf  ich  mich  sehr  freue.« 
In  dem  Briefe,  der  dem  umgeformten  Fiesko  beiliegt,  kündigt  der 
junge  Dichter  dem  hiesigen  Theaterdirektor  dann  selbst  die  »Luise 
Millerin«  an.  Zugleich  erfahren  wir,  dass  Grossmann  die  Absicht 
hat,  am  Ende  der  Fastenzeit  nach  Mannheiin  zu  reisen.  Der  Vor- 
satz ist  zweifellos  ausgeführt  und  bei  dieser  Gelegenheit  wohl  die 
erste  AuHührung  von  »Kabale  und  Liebe«  verabredet  worden.  Auch 
das  Gastspiel  der  berühmten  Mannheimer  Schauspieler  Itfland  und 
Beil,  die  Ende  April  und  Anfangs  Mai  1784  in  mehreren  ihrer  Glanz- 
rollen hier  auftraten,  kam  wahrscheinlich  während  Grossmanns 
Anwesenheit  in  Mannheim  zum  Abschluss.  Als  der  Letztere  Anfangs 


'  Briefwechsel  von  Frau  Rath,  hrsg.  von  Robert  Keil,  S,  217  und  die  aus- 
l&hrliche  Abhandlung  über  Frau  Rath  als  Theaterfreundin  in  »Goethes  Mutter«,  von 
Dr.  Karl  Hdnemann.  (Ldptig,  Verlag  von  A.  Seemann  1891.) 


-  88 


April  wieder  nach  Frankfurt  zurückkehrte,  begannen  sofort  die 
Proben  zu  dem  Stücke,  das  in  der  Ostermesse  in  Buchform  erschien. 

Was  irgend  mdglich  war,  that  Grossmann,  um  dem  neuen 
Werke  Schillers  hier  eine  ehrenvolle  Auftiahme  zu  sichern.  Als 
erfahrener  Bühnenleiter  wusstc  er  ja,  wie  viele  Faktoren  im  rechten 
Augenblick  zusammenwirken  müssen,  um  einem  dramatischen  Werke 
zum  verdienten  F'rfolge  zu  verhelfen.  Höchst  wichtig  für  die  über- 
aus günstige  Aufnahme  des  bürgerlichen  Trauerspiels  in  Frankfurt 
ist  der  Tag,  an  dem  das  Stück  hier  angesetzt  wurde.  Es  ist  der 
13.  April  1784,  der  dritte  Ostertag  und  erste  Mcsstatr.  nn  dessen 
Nachmitragsstiinden  nach  altem  Gebrancli  die  Gehultcn,  die  Laden- 
diener und  Ladenmädchen  in  den  Geschalten,  sowie  die  sonstigen 
.Angestellten  und  Hilfsarbeiter  in  den  städtisciien  Bureaus  zu  teiern 
pflegten.  Da  ausserdem  die  Anwesenheit  zahlreicher  Messfremden 
m  Betracht  zu  ziehen  ist,  darf  man  wohl  mit  Hestniimtheit  annehmen, 
dass  das  neue  Komödien  haus  an  jenem  denkwürdigen  Abend  von 
unten  bis  oben  dicht  bei.cut  gewesen  ist.  Schillers  Name  war  ja 
damals  schon  allein  ein  Zugmittel ,  um  nicht  nur  Pei  sonen  der 
höheren  Kreise,  sondern  auch  Leute  aus  dem  \'olke  ins  Theater  zu 
locken.  Dies  wussten  die  hiesigen  Bühnenleiter  jener  Zeil  sehr  wohl 
und  suchten  Xut/.en  daraus  /.u  ziehen.  Aul  vielen  Zetteln  und  auch 
in  den  'I  la.iu; aii/ei^en  der  Tayesblätter  zu  Aufführungen  von 
Schillers  Dramen  lindct  sich  hinter  dessen  Namen  der  Vermerk 
»Verfasser  der  Räuber.« 

Dass  auch  Grossmann  bei  der  Premifere  von  »Kabale  und  Liebe« 
die  Anziehungskraft  dieses  Epithetons  zu  Ehren  Schillers  und  zu 
seinem  Vortheil  ausnützte,  steht  ausser  jedem  Zweifel  Trotz  aller 
aufgebotenen  Mühe  war  der  Zettel  zur  ersten  und  zweiten  Vorstel- 
lung des  bürgerlichen  Trauerspiels  in  Frankfort  bisher  nicht  aafzu* 
finden. '  Doch  dieser  Mangel  wird  durch  das  erhaltene  Programm 
zur  dritten  hiesigen  Vorstellung  von  »Kabale  und  Liebe«  fast  aus- 
geglichen. Die  Besetzung  war  ja  an  den  drei  Theaterabenden  die 
nämliche,  nur  dass  Schiller  hier  den  Kammerdiener  wieder  einschob,  * 
der  für  die  hiesige  und  die  Mannheimer  Premiere  gestrichen  worden 
war.  Obwohl  man  in  der  freien  Reichsstadt  Frankfurt  keine  Ruck- 


'  Am  Dicn'itag,  den  1 5.  April  wird  im  neuen  Schauspielhause  von  der 
Grossmännischeii  Schauspielcr-Gesill^cliaft  vorc:e«;tel!t  werden  Kabale  und 
Liebe,  ein  bürgerliches  Trauerspiel  in  iunf  Autzügen  von  üchilier.  (Frankfurter 
StMts-Rbtretto  No.  $9,  vom  la  April  1784.) 

*  Sdiitlcrs  Briefwechsel  mit  Dalberg.  Brief  vom  1.  Mat  1784. 


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sieht  auf  einen  Fürsten  zu  nehmen  hatte,  der  Üntenhanen  gegen 
Geld  an  kriegführende  Staaten  verkaufte  und  sich  deshalb  durch  die 
Aeusserungen  des  Kammerdieners  getroffen  fühlen  konnte,  wurden 
doch  alle  amerikanischen  Beziehungen  auch  hier  aus  der  Rolle  weg- 
gelassen. Wahrscheinlich  rieth  Grossmann  dem  jungen  Dichter  wohU 
meinend  hier  zur  Vorsicht.  Hätte  es  doch  immerhin  leicht  geschehen 
können,  dass  von  den  hiesigen  Residenten  einiger  Fürsten  die  kühnen 
Worte  des  Kammerdieners  als  Beleidigung  ihrer  Herren  aufgefasst 
worden  wären.  Wurde  aber  in  solchem  Falle  beim  Rath  Beschwerde 
geführt,  dann  stand  das  Verbot  eines  Stückes  bestimmt  in  Aussicht. 

Bei  der  zweiten  Frankfurter  Aufführung  von  »Kabale  und  Liebe« 
spielte  Iffland  den  Kammerdiener,  später  stellte  dann  Grossmann 
selbst  diese  wirksame  £pisoden6gur  bei  den  verschiedenen  Vorstel« 
lungen  des  Stückes  bis  zum  Sommer  1786  dar.  Oer  Zettel  zur  dritten 
hiesigen  Aufführung  von  »Kabale  und  Liebe«,'  ein  Plakat  in  Gross- 
querfolioformat,  folgt  hier  in  buchstabengetreuer  Wiedergabe: 

Mit  gnädigster  BewÜiiguDg 

Eines  Hochedicn  und  Hochweisen  Magistrais 
der  Kaiserl.  Freyen-  W'nh!-  und  Handels-St.idt  Frankfurt  am  Mayn 
wird  licute  Freytags,  den  17.  September  1784 
von  der  Grossmänoisdien  Sdiaaspieler-GeseUscbaft 
aufgeffihret  werden 

Kabale  und  Liebe, 
Ein  b&rgerliclies  Trauerspiel  in  f&nf  Aufzügen  von  Friedrich  Schiller. 

President  von  Walter   Herr  Nutli. 

Ferdinand,  sein  Sohn  ........  Herr  Schmidt. 

Hotmarscball  von  Kaib   Herr  Diezel. 

Lady  MUford,  Favorttin  des  Fürsten  .  .  .  Madame  St^^mann. 

Wurm,  Hausselcretair  des  Präsidenten  .  .  Herr  Bösenberg. 

Miller.  StaJtiiiusilcant   Herr  Stegmann. 

Dessen  Frju   MaJanie  Cassini. 

Louise,  dessen  iuchter   Madame  Sophie  Albrecht. 

Sophie,  Kammerjungfer  der  Lady    .   .  .  Madame  Nudi. 

Ein  Kammerdiener  des  Pursten    ....  Herr  Grossmann» 

Kin  Kamnicriliener  der  Lady   Herr  Sommer. 

Kammerdiener  des  Präsidenten     ....  Herr  Wolschowrsky. 
Bediente,  Gerichtsdiener. 


Elfte  Vorsteliuug  im  Abonemem. 


Es  wird  jedermann  ersucht,  niemanden  auf  meinen  Namen  das  mindeste  zu  borgen. 


'  Im  Besitze  des  Herrn  Ferdinand  Eysen  dafaier,  der  gütigst  die  Benutsung 
gestattete. 


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-   90  — . 

Der  Anfang  ist  um  6  Ubr. 

Die  Persern  sahlt  in  den  Logen  des  ersten,  zweyten  vnd  dritten  Ranges,  und  in» 
Parket  i  Gulden.  Eine  game  Loge  zu  8  Calden.  Im  Parterre  die  Person  lo  Bataen. 

In  der  Gallerie  20  Kreiuer.  Aul  dem  letzten  Platz  12  Kreuzer. 

Wer  vorher  Billets  verlangt,  beliebe  solche  bey  mir  im  Komödienhaiuc  abholen  zu 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  seyn. 

Grossmann. 

Da  die  Frankfurtci  Zciuin^cn  am  Aniang  der  Öocr  Jahre  noch 
nicht  durch  berufsmässige  Kritiker  über  die  Vorstellungen  auf  der 
hiesigen  Bühne  urtheilen  lassen,  ist  kein  eingehender  Bericht  Ober  den 
denkwürdigen  Abend,  an  dem  i»KabsiIe  und  Liebe«  hier  zum  ersten- 
male  in  Scene  ging,  auf  die  Nachwelt  gekommen.  Doch  erfahren 
wir  wenigstens  durch  zwei  Gutachten  aus  jener  Zeit,  wie  die  Gross- 
niännische  Gesellschaft  das  bürgerliche  Trauerspiel  darstellte.  Die 
beiden  Kritiken  stehen  sich  in  der  Beurtheilung  der  schauspielerischen 
Leistungen  zwar  fast  diametral  gegenüber,  sind  aber  gerade  deshalb 
um  so  wenhvoUer  fOr  uns.  Der  eine  Bericht,  dessen  wir  erst  später 
gedenken  werden,  «rührt  von  Schiller  selbst  her,  der  andere  stammt 
aus  der  Feder  eines  ungenannten  Autors^ '  der  ohne  jegliche  Beein> 
flussung  sein  Kunsturtheil  abgegeben  zu  haben  scheint.  Weil  aber 
diese  Kritik  keine  Vorstellung  auf  der  hiesigen  Bühne  schildert,  ist 
es  nöthig,  nachzuweisen,  dass  dieselbe  dennoch  für  die  Fremi&re  von 
»Kabale  und  Liebe«  in  Frankfurt  den  grössten  Wenh  besitzt. 

Die  Grossmännische  Gesellschaft  spielte  vom  April  bis  Ende 
Juni  1784  in  Frankfurt  und  begab  sich  von  hier  nach  Göttingen,  wo 
am  8.  August  eine  Vorstellung  von  »Kabale  und  Liebe«  genau  in 
der  Frankfurter  Rollenbesetzung  gegeben  wurde.  Ueber  diese  berichtet 
der  anonj^e  Kritiker  der  »Berliner  Literatur-  und  Theater-Zeitung« 
in  einem  hauptsachlich  die  Leistungen  der  Schauspieler  beleuchtenden 
Artikel.*  Schmidt,  der  Darsteller  Ferdinands,  ist  ein  Künstler,  den 
der  Rezensent  sehr  schätzt  und  schon  früher  w^en  seines  durch- 
dachten Spieles  bewundert  hat.  Als  Ferdinand  machte  er  dem  literarisch 
fein  gebildeten  Kritiker  weniger  in  den  Sccnen  der  Liebe  als  in  denen 
der  lintschlossenhcit  und  des  männlichen  Trotzes  einen  tiefen  Ein- 
druck. Wenn  man  Schmidt  von  anderer  Seite  vorwarf,  er  fiele  oft  in  den 


•  Vielleicht  A,  F.  F.  I  reiherr  von  Kniggc,  der  aucli  in  seinen  178H  erschei- 
nenden dramatischen  Blättern  fortlaufende  Besprechungen  über  die  Grossmännisdie 
Truppe  brachte.   Frau  Rath  doctlic  war  eine  eifrige  Leserin  derselben. 

*  Berliner  l.itcr.itur-  und  Theater-Zeitung,  28.  Auf^ust.  1784.  -  Auch  .ih^c- 
druckt  bei  ßraun,  Sdüllcr  und  Goethe  im  Urtheile  ihrer  Zeitgenossen.   S.  75—74. 


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—   9»  - 


Predigerton,  so  setzte  dies  der  Schreiber  der  Beurthetlung  weniger 
auf  das  Schuldkomo  des  Schauspielers  als  auf  dasjenige  des  Verfassers 
.  von  »Kabale  und  Liebe,«  der  nach  seiner  Ansicht  zu  viel  Pathos  in 
die  Aussprüche  des  Majors  gelegt  hatte* 

Uneingeschränktes  Lob  wurde  der  schönen  und  geistvollen  Dar- 
stellerin  der  Louise  Millerin,  Madame  Sophie  Albrecht,  zu  theil. 
Nach  Ansicht  des  Kritikers  mussce  ihre  meisterhafte,  sogar  bis  auf 
einzelne  Silben  richtige  Deklamation  jeden  Zuschauer  in  Entzücken 
versetzen.  »Nie«  heisst  es  im  Fortgange  des  Berichtes,  »sah  ich  da* 
bei  eine  simplere,  natürlichere  Aktion  als  die  ihrige,  sie  ist  immer 
ganz  bei  ihrer  Rolle,  man  vergisst  bei  ihr  mehr  als  je,  dass  man  nur 
vor  der  Buhne  steht  und  nichts  Wirkliches  sieht.  Sie  zeichnete  das 
unschuldige  Mädchen,  das  ihren  Ferdinand  nur  als  ihn,  nicht  als  den 
Major  von  Walter  liebte,  den  Kampf  der  Liebe  zu  ihm  und  ihrem 
Vater;  und  mit  einem  Worte  alles,  was  nur  zu  zeichnen  war  als 
ächte  Kennerin  der  Natur  und  des  Herzens.  Ihr  glühender  liebe- 
voller Ausdruck,  ihr  sanfter  Blick,  ihre  interessante  Figur,  alles  ver» 
einigte  sich.  Man  muss  sie  selbst  sehen,  um  hingerissen  zu  werden  und 
ganz  7.U  begreifen,  was  die  Schauspielkunst  durch  sie  gewonnen  hat.« 

Weniger  wie  mit  dieser  seltenen  Künstlerin,  die  erst  kaum  ein 
halbes  Jahr  der  Bühne  angehörte,  ist  der  Berichterstatter  mit  den 
Leistungen  der  Madame  Stegmann  als  Lad)  Milford  zufrieden.  Frei- 
Uch  entspringt  sein  Tadel  nur  den  hohen  Anforderungen,  die  er  an 
eine  Schülerin  des  ehemaligen  Hamburger  Theaters  stellt.  Madame 
Stegmann,  deren  künstlerische  Laufbahn  unter  Schröder  begann,  war 
zweifellos  eine  begabte  Schauspielerin,  aber  sie  hätte  nach  Ansicht 
des  Kritikers  mehr  Werth  auf  die  feinen  Nuancen  in  der  Rolle  der 
Lady  \c^Qw  müssen.  Mit  Herrn  Stegmanns  Leistung  als  Musikus 
Miller  erkl.ürt  sich  der  Rezensent  vollkommen  einverstanden.  Kr 
nennt  dessen  Spiel  vortrefflich  und  bemerkt,  dass  es  die  grösste 
Rührung  hervor l; er ufen  habe.  Auch  Diezel  als  Hofmarsclinll  gefiel 
wegen  der  fein  durchdachten  Auffassung  der  Rolle  .msserordentlich. 
Grossniann,  der  den  Kammerdiener  spielte,  findet  ebeni.ills  im  Ganzen 
Anerkennung,  nur  die  Wiedergabe  des  Präsidenten  durch  Herrn  Nulh 
wird  als  eine  mittelmässige  Leistung  bezeichnet. 

Was  der  Göuinger  Rezensent  über  das  bürgerliche  Trauerspiel 
selbst  sagt,  beweist,  dass  er  vor  Schillers  Genius  die  grösste  Aciuung 
hatte,  aber  desshalb  die  Schwächen  des  Stückes,  die  langen  schwül- 
stigen Stellen  im  Dialog  und  das  Uebcrtriebenc  in  den  einzelnen 
Charakteren,  nicht  übersah.  Auch  dessen  literarische  Verwandtschai t 
mit  Gemmingens  damals  sehr  beliebtem  Stücke  »Der  deutsche  Haus- 


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vater«  ist  dem  Kritiker  nicht  entgangen.  Schiller,  dessen  bürger- 
liches Trauerspiel  »Kahale  und  Liebe«  sich  an  eine  ganze  Reihe 
literarischer  Vorbilder  anschliesst,  hat  aus  dem  Gemmingscben  Werk 
nicht  nur  das  Motiv  entlehnt,  sondern  sogar  Gestalten  und  SituatioDeo 
mit  in  sein  Stöck  hinObergenoramen.  Die  zeitgenössische  Kritik  bat 
dies  vielfach  als  ein  Plagiat  aufgefasst  und  den  Wenh  des  Schillerschen 
Dramas  damit  herabgesetzt.  Wir  jedoch  erkennen  darin  nur  einen 
neuen  Beweis  für  die  Thatsache,  dass  in  den  verschiedenen  Epochen 
der  Literatur  viele  Geister  vorgearbeitet  haben  müssen,  che  eine 
poetische  Gattung  durch  das  Werk  eines  Genius  zur  höchsten  Blüthe 
gelangt.  Das  Neue  ist  stofflich  in  solchen  Erscheinungen  gewöhnlich 
nicht  ganz  neu,  nur  die  eigenartig  künstlerische  Behandlung  des 
Vorwurfs  verhilfi  ihm  zu  durchschlagendem  Erfolge.  Mit  dem  glück- 
lichen Griff  des  geborenen  Dramatikers  verknüpft  Schiller  die  Fäden, 
die  Andere  vor  ihm  gesponnen  haben,  und  schafft  in  »Kabale  und 
Liebe«  einen  poetisch  dramatischen  Protest  gegen  die  Knechtung  des 
Bürgerstandes  und  die  von  den  deutschen  Höfen  ausgehende  Sitten« 
verderbniss. 

Was  man  auch  an  dem  bürgerlichen  Trauerspiel  aussetzen 
mochte,  sein  Eindruck  war  ein  gewaltiger.    Auch  der  Göttinger 
Rezensent  erkennt  dessen  unmittelbare  grosse  Wirkung  an  und  ver- 
sichert, dass  es  die  Aufmerksamkeit  des  Zuschauers  ganz  zu  fesseln 
vermöge.  Da  nun  die  Grossmännischc  Gesellschaft  in  Göttingen  dem 
Stücke  zu  einer  Darstellung  verhalf,  die  demselben  nicht  nur  einen 
grossen  Erfolg  verschaffte,  sondern  auch  feingebildeie  Kenner  be- 
friedigte, wird  man  wohl  mit  Sicherheit  annehmen  dürfen,  dass  sie 
dies  auch  wenige  Monate  vorher  in  Frankfurt  i^ethan  hat.  Eine  kurze 
Notiz  in  einem  Bericht  über  das  Gastspiel  der  Mannheimer  Schau- 
spieler Iffland  und  Beil  giebt  uns  Aufschluss  darüber,  dass  das  hiesii:c 
Publikum  am  13.  April  1784  dem  neuen  Werke  Schillers  bei  seiner 
ersten  Autführung  einen  sehr  freundlichen  Htnpi  in<j  bereitete.  Das 
Stück  wurde  mit  lautem  Beifall  auti^enommen.  '  hcis.si  es,  was  aber 
diese  wenijj;en  Worte  bedeuten,  kann  man  nur  nach  Hrwä^unj^  der 
Thatsache  ermessen,  dass  derartit:«.'  Kundgebungen  zu  jener  Zeil  lui 
Theater  noch  nicht  gebräuchlich  waren  und  höchst  sehen  vorkamen. 
Wird  es  docli  in  den  damalii^en  Berichten  über  die  Leistunt;en  der 
Schauspielergesellschaften  immer  als  etwa>  L;an/  Besonderes  hervor- 
gehoben, wenn  einem  Mitgliede  oder  einem  Gaste  die  Ehre  wider- 

'  Frankfurter  Siaats-Ristrctto  vom  7.  Mai  1784,  No.  72,  S.  J2}. 


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fuhr,  nach  eioein  Akcschluss  oder  am  Ende  des  Stückes  heraiisgenifen 
zu  werden. 

Leider  konnte  Schiller  den  theatralischen  Geburtstag  von  »Kabale 
und  Liebe«  in  Frankfurt  nicht  miterleben.  Zwei  Tage  nach  der 
hiesigen  Aufführung  fand  die  Premiere  des  Stückes  in  Mannheim 
statt,  bei  deren  Einstudirung  der  junge  Dichter  gegenwärtig  sein 
rausste.  Wenn  er  aber  auch  an  dem  denkwürdigen  Abend  hier 
nicht  zugegen  war,  so  sollte  ihm  doch  bald  danach  während  des 
Gastspiels  der  Mannheimer  Schauspieler  Iffland  und  Beil  Gelegenheit 
geboten  werden,  sein  bürgerUches  Trauerspiel  auch  im  hiesigen 
Theater  zu  sehen. 

Ehe  wir  über  dieses  Gastspiel  berichten,  müssen  wir  noch  einen 
Blick  auf  das  Repertoire  der  Frankfurter  Bühne  im  April  1784 
werfen.  *  Auch  hier  herrschte  wie  damals  in  Mannlieim  eine  wahre 
Novitätenjagd  Auf  die  Premiere  von  »Kabale  und  Liebe«  folgte 
am  14.  April  ein  neues  Singspiel  »Die  Messe  von  Venedig«  von 
Salieri  und  am  15.  »Die  Wankelmüthige ,((  Lustspiel  von  Schröder 
(nach  dem  englischen  Drama  von  Cibber  bearbeitet)  ein  Stück,  das 
neu  einstudirt  war.  An  den  nächsten  Theaterabenden  wurden  )>Oda 
oder  die  Frau  von  zwei  Männern,«  Schauspiel  von  Babo  und  das 
komische  Singspiel  »Die  eingebildeten  Philosophen«  von  Paisiello  in 
theilweise  neuer  Besetzung  gegeben.  Am  19.  April  ging  neu  ein- 
studin  in  Scene  »Lanassa«  von  Plümike*  (nach  dem  franzDsischen 
Original  von  le  Miere  »La  veuve  du  Malaber«  frei  bearbeitet).  Der 
später  so  berühmt  gewordene  Schauspieler  Ünzelmann  gastirte  in 
dieser  Vorstellung  als  Montalban,  General  der  europäischen  Truppen, 
auf  Engagement.  Der  KonHikt  in  dem  /u  der  Zeit  ungemein  belieb- 
ten Rührstück  »Lanassa«  haut  sich  auf  dem  grausamen  Gebrauch 
auf,  der  die  Wittwen  indischer  Braminen  nach  dem  Ableben  ihrer 
Gatten  zum  Tode  auf  dem  Scheiterhaufen  verdammt.  Die  Lanassa 
gehörte  zu  den  Paraderollen  aller  jugendlich  tragischen  Heldinnen 
i^erZeit.  Madame  Fiala  war  vorzüglich  als  junge  indische  Braminen- 
wittwe  und  ihre  Nachfolgerin  auf  der  hiesigen  Bühne,  M;id.ime 
Sophie  Albrecht,  hatte  sich  in  dieser  Rolle  die  Herzen  der  sehr  ver- 
wöhnten und  kritischen  Frankfurter  im  Sturme  erobert. 


*  Das  Repenoire  im  April  wurde  nach  Au»Ogen  aus  den  hiesigen  Zeitungen 
und  nach  den  betreifenden  Theaterzetteln  ^u&ammengeste^t. 

*  Der  Zettel  zu  dieser  Vorstellung  findet  sich  bei  von  Oven,  Dts  erste 
Stid:ische  Theater  zu  Frankfurt  a.  M.  Neujahrsblait  des  Vereins  lür  (jeschichtc 
und  AUerthumskundc  zu  Frankfurt  a.  M.,  für  das  Jahr  187a. 


—  94  — 

Auf  »Lanassa«  folgte  am  20.  April  das  komische  Singspiel  »Die 
Liebe  unter  den  Handwerkern«,  das  bereits  früher  hier  betfillig  auf- 
genommen \i70rden  war.  Am  21.  wurde  Grossmanns  Lustspiel 
»Henriette  oder  sie  ist  schon  verheirathet«  gegeben  und  am  32.  April 
ging  »Otto  von  Wittelsbachc  in  neuer  Einstudirung  in  Scene.  Am 
23.  fand  dann  die  Premixe  des  Bretznerschen  Lustspiels  »Oer  arg- 
wöhnische Liebhaber«  statt.  Dies  Stück  hatte  einen  so  grossen  Er- 
folg in  Frankfurt,  dass  es  später  die  städtischen  Deputinen  für  die 
Vorstellung  zum  Besten  des  Arnicnamtcs  auswählten.  Am  25.  April 
wurde  »Der  Herr  im  Hause,«  ein  Lustspiel  von  Anton  Wall  nebst 
dem  nachfolgenden  ganz  neuen  Intermezzo  »Pierre  und  Narcisse« 
aufgeführt,  am  26.  April  war  dann  die  erste  Vorstellung  des  umge- 
formten l  iesko.  Tags  darauf  kamen  »Die'Dorfdeputirten,«  Singspiel 
von  Schubauer,  auf  die  Bretter,  und  am  28.  erzielte  die  Premixe  von 
Schröders  dreiaktigem  Lustspiel  »Der  Fähndrich«  mit  dem  nachfol- 
genden beliebten  Singspiel  »Der  Antiquitätensammler«  von  Andrte 
einen  schönen  Hrfolg. 

Nach  den  harten  Anstrengungen  der  Grossmännischen  Gesell- 
schaft im  April  1784  folgte  vor  dem  Hintreffen  der  Mannheimer 
Künstler  ein  Tag  Pause.  Dieser  war  aber  jedenfalls  nicht  der  Ruhe 
gewidmet,  sondern  den  Vorbereitungen  zur  ersten  Vorstellung  von 
llilands  ernstem  Familiengemälde  »Verbrechen  aus  Ehrsucht.«  Also 
mcht  mit  Irischer  und  iini^eschwächter  Kraft,  vielmehr  abgehetzt  und 
nuiJe  durch  die  rasch  aiiieiiiandcr  folgenden  Premieren  mussten  die 
hiesigen  Mimen  dem  Gastspiel  ihrer  berühmten  Mannheimer  Kollegen 
und  der  Ankunit  des  geleierten  Verhissers  von  »Kabale  und  Liebe« 
entgegensehen.  Dieser  Umstand  muss  in  Betracht  gezogen  werden, 
wenn  man  bei  Schillers  harter  Bcurtheihing  der  Grossmannischen 
Gesellschaft  nicht  gerade  auf  des  Meisters  Worte  schwören  und 
genauer  priilen  will,  in  wie  weit  dieselben  wohl  bereciitigt  oder 
durch  die  Macht  der  verschiedensten  Umstände  und  Verhahnissc 
beemflussi  waren. 

Ob  Schiller  in  Begleitung  der  Mannhi  i:ner  Schauspieler,  oh  er 
bereits  einige  Tage  vorher  nach  iTanklui  t  leiste,  können  \s  u  i.uhi 
entscheiden.  Wie  schon  früher  bemerkt  wurde,  möchten  wir  aber 
annehmen,  dasS  er  der  Aufführung  des  neu  bearbeiteten  Tiesko  am 
26.  April  1784  im  hiesigen  Theater  beiwohnte.  Jedenfalls  hatte 
Grossniann  einen  bestimmten  Zweck  im  Auge,  als  er  diese  Vorstel- 
lung so  nahe  mit  dem  Gastspiele  zusammenlegte.  In  einem  Zeitraum 
von  etwas  mehr  als  zwei  Wochen  drei  BQhnenabende  den  Werken 
eines  Dichters  zu  widmen,  wäre  bei  der  damaligen  Sucht  der  Frank> 


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funer  nach  theatralischer  Abwechslung,  für  einen  vom  Publikum 
abhängigen  Direktor  doch  ein  bedenklicher  Versuch  gewesen.  Frei- 
lich konnte  Grossmann  flir  Schiller,  dessen  »Kabale  und  Liebe«  kaum 
erst  einen  bedeutenden  Erfolg  hier  erlebte,  schon  etwas  Ungewöhn- 
liches wagen,  ohne  desshalb  befürchten  zu  müssen,  seine  Kasse  da- 
durch zu  schädigen. 

In  den  letzten  Tagen  des  April  trafen  die  Mannheimer  Gäste 
in  Frankfurt  ein  ünd  am  30.  wurde  Ifflands  emsthaftes  Familien- 
gemälde »Verbrechen  aus  Ehrsucht«  zum  erstenraale  gegeben.  Der 
Verfasser  spielte  in  dem  Stücke  den  Eduard  Ruhberg  und  sein  Kollege 
Beil  den  Oberkommissar  Ahlden.  Wie  gross  die  Spannung  war, 
mit  der  man  hier  das  schon  in  Mannheim  mit  ungewöhnlichem  Bei- 
fall aufgeführte  Stück  erwartet  hatte,  bewies  das  bis  auf  den  letzten 
Raum  gefällte  Haus  und  die  unerhörte  Stille  in  demselben  während 
der  Vorstellung.  Das  Programm  zu  dieser  Frankfuner  Premiere  ist 
nebst  zwei  anderen  Zetteln  zur  ersten  Autfülirung  IfHandscher  Werke 
durch  die  Grossmännishhe  Gesellschaft  im  Jahre  178$  als  Beilage  II 
angefügt. 

Ifllands  ernsthaftes  Familiengemälde  machte  in  Frankfurt  Epoche 
und  wurde  ein  ud  ihrlichcr  Nebenhulcr  von  Schillers  »Kabale  und 
Liebe.«  Eine  kurze  Charakteristik  des  liilandschen  Stückes  erscheint 
deshalb  hier  am  Platze.  Wenn  es  gestattet  ist,  die  Bühne  als  Kan/e) 
aufzufassen,  so  kann  man  »Verbrechen  aus  Ehrsucht«  eine  dramatische 
Predigt  gegen  die  Ueberhebung  und  Eitelkeit  der  bür«^erlichen  Gesell- 
schaft nennen.  Eduard  Kuhberg,  ein  verwöhntes  Muttersöhnchen, 
lebt  über  seine  Verhältnisse  hinaus  und  liebt  ein  Fräulein  von  höherem 
Range  als  er  selbst.  Schliesslich  begeht  er,  durch  allerlei  Umstände 
gedrängt,  einen  Kassendiebstahl.  Zwar  ereilt  den  jungen  Verbrecher 
nicht  die  gesetzliche  Strafe,  allein  der  poetischen  Gerechtigkeit 
geschieht  dadurch  genüge,  dass  er  ohne  Hülfsmittel,  ohne  Freund, 
»ohne  die  Hoffnung,  sich  selbst  entfliehen  zu  können«  in  die  weite 
Welt  hinausgestossen  wir<l.  Einen  schroffen  Gegensatz  zu  seinem 
Sohne  bildet  der  biedere  rechtschaffene  Rentmeister  Ruhberg,  der 
durch  Eduards  Verbrechen  alle  seine  Hoffm  nL-cn  vernichtet  sieht, 
aber  dennoch  Mitleid  mit  dem  Gefallenen  emptindet.  Frau  Ruhberg 
will  mit  ihren  Kindern  hoch  hinaus,  sie  besitzt  eine  gewisse  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Frau  des  Musikus  Miller,  während  Luise  Ruhberg, 
ein  sanftes  hausbackenes  Wesen,  wenig  gemein  hat  mit  ihrer  Namens- 
schwester in  »Kabale  und  Liebe.«  Ausser  den  genannten  Personen 
sind  noch  einige  dankbare  Rollen  in  dem  Drama.  Der  Ober- 
kommissar Ahlden,  sein  Sohn,  der  Baron  Ritau,  der  Diener  Christian 


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und  der  wucherische  Jude  sind  Figuren,  deren  wirksame  Zeichnung 
die  Hand  des  Bahnenkenners  verrathen. 

Wenn  man  heute  dies  Stück  liest  und  mit  Schülers  bürgerlichem 
Trauerspiel  vergleicht,  so  begreift  man  schwer,  dass  die  Kurpfälzisch 
Deutsche  Gesellschaft  in  Mannheim  »Kabale  und  Liebe«  nachstellen 
und  »Verbrechen  aus  Hhrsucht«  mit  der  goldnen  Medaille  krönen 
konnte.  Ohne  die  historische  Berechtigung  und  den  Bühnenwerth 
dieses  Dramas  in  Abrede  stellen  /.u  wollen,  kann  es  doch  in  keiner 
Weise  einen  Vergleich  mit  Scliillers  bürgerlichem  Trauerspiel  aus- 
halten. Doch  nicht  nur  in  Mannheim»  auch  in  Frankfurt  hat  das 
aus  nüchterner  Berechnung  hervorgegangene  Stück  dem  feurigen 
Werke  des  Genius  den  Rang  abgeluifcn,  ist  Schiller,  der  geborene 
Beherrscher  der  Scene,  gegen  den  klugen  Bühnenpraktiker  zurück- 
.  gesetzt  worden.  Freilich  nur  am  Beginne  jener  Epoche,  in  der  man 
es  liebte,  in  rührseligen  Schauspielen  durch  prosnisclie  Abschrift  der 
Wirklichkeit  und  langathmige  Reden  über  'l'ugend  und  Moral  auf 
das  Publik  um  zu  wirken.  D.mn  jedoch  geriethen  Itflands  Stücke 
immer  mehr  in  Vergcssenlicu,  wahrend  Schillers  We'-kt-  heute  noch 
ihren  iinvertinn«lichen  Reiz  aiisnhcn.  Wer  sie  sieht,  empfängt  stets 
wieder  neu  den  liindruck,  dass  die  gesciiilderten  Vorgänge  nach  den 
ewigen  Gesei/.cn  innerer  Nothwendigkeit  so  und  nicht  anders  m 
poetische  Hrscheinung  treten  konnten.  Wir  bringen  in  Beilage  I  a 
eine  Uebersichi  über  »Aufhihningen  von  »Kabale  und  Liebe«  zu  ver- 
schiedenen Zeilen,  bemerken  aber  i^leichzeitig,  dass  im  X'erlaute  von 
mehr  als  loo  Jahren  kein  Schillcrsches  Stück  öfter  hier  gegeben 
-wurde,  als  sein  bürgerliches  Trauerspiel.  Die  erhaltenen  Theater- 
zettel liefern  den  Beweis  hierfür. 

Neidlos  berichtet  Schiller  am  l.  Mai  1784  dem  Intend.mten  \  on 
Dalberg  über  den  grossen  Erfolg,  den  sein  Nebenbuhler  IH'land  als 
Dichter  und  Darsteller  in  Frankfurt  erntete. 

»Noch  voll  und  warm  von  der  Geschichte  des  gestrigen  Abends  die  kh 
£.  E;  von  dem  I  riumph  zu  benacJirichtigeo,  den  die  Mennliamer  Schauspielkuim 
feierlich  in  Frankfurt  crliic!!  (Hestern.  Freytags,  wurde  Hn.  Ifflands  Stück  bei 
vollem  Haus  und  un-'cwolm lieber  Stille  mit  ausserordentlichem  Beifall  gegeben. 
Herr  Itfland  als  V'ertasser  und  Schauspieler  und  Herr  Beil  wurden  mit  lärmendem 
Hituleklatschen  herausgerufen,  und  Alles  bewies  die  iusserste  Achtung  gegen  die 
fürtreffUchen  Abgesandten  des  Mannheimer  Theaters.  Es  ist  zu  weitläufig  f&r  einea 
Brief  meine  Meinung  über  Grossmanns  Gesellschaft  auszukramen,  das  aber  ist  zu- 
verlässig w.ihr.  dass  Ifiland  und  Bei!  wie  der  Jupiter  des  Phidias  unter  Tüncher- 
arbeiten hervurragtcn.  Nie  habe  icli  lebendiger  gefühlt,  wie  sehr  jede»  andere 
Theater  gegen  das  Unsrige  nirfickstehen  mOsse,*  als  hier,  und  Gro«smann  wird 

*  Dr.  Katika  schreibt  in  seinem  Werke  ItVland  und  Dalberg,  S.  ijb,  es 
kootnsdre  seHsam  mit  diesem  Lobe  Schillers  und  mit  der  beispiellosen  Thätigkeit 


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Mühe  haben,  nnch  der  Abreise  unserer  Schauspieler,  n\  Frankfurt  in  seinem  Wert!) 
zu  bleiben.  Es  soll  einer  nieiiK-r  jti genehmsten  Augenblicice  seyu,  Eurer  Exoellcnz 
«osfuhTlich  zu  sagen,  wie  sehr  gegründet  diese  Erltlärung  ist,  wenn  idi  die  Gnade 
habe,  mündlich  mit  Ihnen  darüber  zu  sprechen. 

Wo  wir  hinkommen,  beweist  man  dem  Mannheimschen  Theater  die  cnt- 
schicJcnsic  Achtung;  IfTlands  und  Beils  Spiel  haben  eine  Reputation  unter  dem 
l  rarikturter  Publikum  veranlasst.  Man  ist  warm  tur  die  Bühne  geworden.  Jeder- 
nuinn  sagt  auch,  dass  Grossmanns  S£haus|Heler  noch  nie  so  warm  als  gestern 
gespielt  IuIhii,  ein  Beispiel,  wie  gross  Muster  Und  Mitschaiispiclcr  zu  wirlien  im 
Stande  sind.  Heute  ist  die  väterliche  Rache  und  Mnntni:  K.ihalc  und  Liehe;  ic!i 
gestehe,  dass  mir  bei  den  schrecklichen  Atissiciiten  aul  meine  L;idy  und  dergl. 
bange  ist,  konvulsivische  Bewegungen  auszustehen,  wie  ein  Verurtheiiter  und  dass 
ich  gerne  auf  die  Ehre  Verzicht  thflte,  eins  meiner  Stdclte  hier  vorgestellt  zu  sehen, 
wenn  ich  Grossmann  mit  guter  Art  davon  zurückbringen  körmte ;  indessen  hulTe 
ich,  dass  meine  Ge<:;enw.trt,  verbunden  mit  ItTlands  und  Reils  Spiel,  inelir  bewirken 
»oll,  als  Frankfurt  von  Grossmaniis  Gesellscliait  erwartet,  iti  land  wird  den  Kanmier- 
diener  spielen,  den  ich  mit  Weglassung  aller  amerikanischen  Beziehungen  wieder 
ins  Stück  hineingesdtoben  habe.  Ich  brenne  vor  Begierde»  Eurer  Exeeilenz  weit- 
läufig alle  Bemerkungen  mit/utheilen,  die  ich  hier  machte  und  noch  machen  werde; 
und  ich  weiss  zuverlässig,  dass,  wenn  es  möglich  wäre,  meine  .^chtiin^  für  das 
Manolieimer  Theater  zu  vergrössern,  nichts  in  der  Weit  dies  mehr  bewirken  könne, 
als  mein  hiesiger  Aufenthah. 

Herr  MQller,  der  die  Gnade  hat.  Eurer  Exeeilenz  diesen  Brief  zu  übergeben, 
hüt  aus  Nolhwendigkcit  und  Ivifer  für  die  Mannheimer  Bühne  alle  angenehmen 
\'eibinduni?;en  abgebrochen,  die  ihn  in  unserer  (jesell^chaft  hielten,  um  bei  Zemir 
und  Atar  gegenwärtig  zu  seyn,  und  wird  Huer  Excellenz  von  dem  \S'eiteren 
benachrichtigen. 

Ich  bin  mit  der  tiefsten  Verelirung 

Sr.  Excellenz 
unterthäniger 
Schiller. » 

Aelinliches  wie  dem  Intencl.mtcn  von  Dalberg  schreibt  Schiller 
auch  an  den  Mannheimer  Regisseur  Kcnnschül;,  *  dessen  I  r.ni  dort 
die  Ladv  in  »Kabale  und  Liebe«  spielte.  Wenn  man  den  Inhalt 
dieser  beiden  Briefe  als  die  wahrheitsgetreue  Schilderung  der  That- 
sachen  auffasst,  miiss  man  unwillkürlich  fragen,  warum  die  Frank- 
funer  sich  eine  Schauspielergesellschafi  wie  die  Grossmännisthe 


der  Mannheimer  Bühne,  dass  ger.ide  um  diese  Zeit,  wie  aus  den  Protokollen  lu 
ersehen  sei,  der  Intendant  l^alberg  dem  Ausschuss  die  ernstlichsten  Vorstcllun^'en 
über  eingerissene  Nachlässigkeit  und  über  den  schlechten  G.ing  der  Vorstetiungen 
gcniucht  habe.  Dalberg  drohte  sogar  deslialb,  die  i  iieaterfulirung  an  einen  Anderen 
abgaben  zu  wollen. 

'  Friedrich  Schiliers  Briefe  an  den  Freiherrn  Heribert  von  Dalberg  in  den 
Jahren  1 781  — 85,  S.  97— im.  Auch  vott  Oven, .Das  erste  städtische  Tlieaier  ai 
Frankfurt  a.  M.,  S.  1 17  tV. 

'  Friedrich  Schillers  Briefe  an  den  Freiherrn  lleribert  von  Dalberg,  S.  10a 
bis  101:  von  0\'en,  Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt  a.  M.,  S.  118. 

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-   98  ~ 


gefallen  Hessen,  Seit  alten  Zeiten  war  man  doch  gewöhnt,  stets  das 
Neueste  und  Beste  hier  zu  sehen  und  den  Geschmack  an  den  Leistungen 
der  berühmtesten  deutschen  Wandenruppen  zu  bilden.  Zudem  hatte 
die  Stadt  erst  kaum  ein  fär  die  damalige  Zeit  prächtiges  Komödienhaus 
gebaut  und  bei  der  Ernennung  eines  Schauspieldirektors  Gelegenheit  ge- 
habt, unter  verschiedenen  angesehenen  Fachmännern  zu  wählen!  Wenn 
man  deshalb  kein  unzutreffendes  Bild  vom  Frankfurter  Böhnenlebeo 
jener  Epoche  gewinnen  will,  ist  es  nöthig,  Schillers  Berichte  an 
Dalberg  und  RennschQb  mit  den  thatsächlichen  hiesigen  Verhältnissen 
zu  vergleichen. 

Was  der  junge  Dichter  in  beiden  Briefen  über  den  Erfolg  von 
Ifflands  »Verbrechen  aus  Ehrsucht«  und  das  Gastspiel  der  Mannheimer 
Künstler  berichtet,  entspricht  vollkommen  der  Wahrheit,  was  er  fibcr 
die  Grossmännische  Gesellschaft  sagt,  ist  entschieden  übertrieben  und 
augenscheinlich  in  der  Absicht  niedergeschrieben,  dem  einilussreichen 
Intendanten  durch  Hervorheben  des  von  ihm  geleiteten  Personals  ein 
verkapptes  Kompliment  zu  machen.  Keineswegs  soll  bestritten 
werden,  dass  das  Mannheimer  Nauonaltheater  künstlerisch  einen 
höheren  Rang  einnahm  als  die  Frankfuner  Bühne,  aber  immerhin 
gehörte  die  Grossmännische.  Truppe  zu  den  angesehensten  deutschen 
Schauspielei^esellschaften  jener  Zeit.  Bei  der  Beurtheilung  der  beiden 
Schill  ersehen  Briefe,  besonders  des  unterwürfig  gehaltenen  Schreibens 
an  Dalberg,  darf  deshalb  nicht  vergessen  werden,  dass  der  abhängige 
Mannheimer  Theaterdichter  seinem  einflussreichen  Gönner  und  Vor- 
gesetzten gewissennassen  offiziellen  Bericht  über  die  hiesige  Premiere 
eines  Werkes  erstattete,  das  Dalberg  in  vieler  Hinsicht  für  unüber- 
trefflich hielt. 

Zum  rechten  Versländniss  der  Schiüerschen  Briefe  kommt  femer 
in  Betracht,  dass  er  das  Mannheimer  Theater  als  Wiege  seines 
Ruhmes  liebte.  Er  war  mit  ihm  verwachsen  und  hatte  die  Gestalten 
seines  bürgerlichen  Trauerspiels  den  dortigen  Künstlern  auf  den  Leib 
geschrieben.  Jedoch  Schillers  gewiss  berechtigte  Voreingenommen- 
heit für  die  Angehörigen  dieser  Bühne  konnte  ihn  unmöglich  blind 
gegen  die  Vorzüge  anderer  Kün!»tler  machen.  Da  Grossmanns  Personal 
damals  wirklich  Vorzügliches  leistete,  auch  in  tonangebenden  kritischen 
Blättern  gerechte  Würdigung  fand,'  müssen  wir  Schillers  Unheil, 


■  Kritiken  über  die  Grossmänniscbe  Gesdbchaft  finden  sich  in  den  Frank- 

furter  Beytr.igi.ii  zur  Ausbreituiii;  niit/liclicr  Künste  und  Wissenschaften  1780  unJ 
178!.  in  den  BoniRi  di.iiiiaturgischen  Nachrichten  von  1779—84,  in  der  Bcrlimf 
Literatur-  und  Theaterzeitung  für  das  Jahr  178),  XX\'.  undXXVJ.  Stück  vom  2L 


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da  wir  weit  davon  ciulcriu  ^mJ,  ihn  der  }:nisicllLiiu^  zu  zeihen,  ent- 
weder für  zu  hart  oder  (ür  w.dii  zuirctfend  haliLii.  Aii;-,di  k lieh 
weisen  wir  darauf  hin,  dass  er  in  einem  Briefe  an  KLiu\\ald 
vom  5.  Mai  1784  kein  Wort  über  die  schlechte  hiesige  Aiitlühruiig 
seines  Stückes  schreibt,  vielmehr  nur  Folgendes  mitihcili;  oX'orige 
Woche  war  ich  zu  Frankfurt,  Cros.smann  zu  besuclien  und  einige 
Stücke  da  spielen  zu  sehen,  worin  zwei  Mannheimer  Schauspieler, 
Beil  und  IfFland ,  Gastrollen  spielten.  Grossmann  bewirthete  mich 
unter  andern  auch  mit  Kabale  und  Liebe.«  Ob  sich  dies  »unter 
andern«  auf  den  Fiesko  bezieht,  muss  dahingestellt  bleiben,  bemerken 
wollen  wir  jedocii,  dass  Schiller  in  demselben  Briefe  dem  Freunde 
berichtet,  man  habe  Geschmack  an  dem  republikanischen  Trauerspiel 
in  Frankfurt  gefunden. 

Welche  Eindrficke  der  junge  Dichter  auch  damals  im  hiesigen 
Kom6dienhaase  empfangen  haben  mag,  so  viel  steht  fest,  dass  gerade 
zu  jener  Z&t  das  Zusammenspiel  der  Grossmännischen  Truppe  ein 
vorzOgliches  war.  Im  Jahre  1784  wirkten,  wie  Frau  Rath  Goethe 
schreibt,  Leute  hier,  »die  schon  auf  den  besten  Theatern  Deutsch- 
lands mit  Ruhm  geehrt  worden  sind  und  in  ihrem  Ruhm  stehen.«  Die 
voitrefBichen  Darbietungen  des  hiesigen  Theater-Ensembles  standen 
auch  in  der  Schätzung  fein  gebildeter  Reisenden  und  Frankfurter  so 
hoch,'  dass  die  gesellschaftliche  Stellung  der  Schauspieler  dadurch 
gehoben  wurde.  Stegmann,  der  »Liebling  des  Frankfurter  und 
Mainzer  Publikums«,  sass  nicht  nur  »am  runden  Tisch  der  Frau  Rath«, 
er  verkehrte  ausserdem  mit  seiner  Frau  in  den  ersten  hiesigen  Kreisen. 
Der  Heldendarsteller  Schmidt  scheint  sich  eines  Brustleidens  wegen 
vom  gesellschaftlichen  Leben  ferngehalten  zu  haben,  jedoch  sein 
Partner,  der  Schauspieler  Steiger,  ein  ebeiuo  schöner  als  braver 
Mensch,  sowie  die  Charakterspieler  Bösenberg  und  Diezel  traf  man 
mit  noch  andern  Mitgliedern  der  Grossmännischen  Truppe  in  den 
besten  Frankfuner  Familien.   Dass  auch  der  Direktor  und  seine 


und  aS.  Juli  178;  —  in  derselben  sind  auch  fortlaufende  Berichte  über  Aufführungen 
vom  30.  Juni  Ms  24.  Aug.  178]  enthalten  —  in  Jen  I-phcmcriJcn  der  Musik  und 
de"!  Theaters  1786  \:v:<'.  17.S7,  in  den  Hridcn  der  Frnu  H.uh  (iocilic,  im  Tlicatcr- 
Journal  für  i>cuti.chiaiid  1779—84,  in  Knigges  Draniaturgisciicn  Blattern  1788. 

■  Dass  die  Henogin  Anna  Amalia,  die  das  Theater  in  Frankfurt  während 
ihres  mehrmaligen  hiesigen  Aufenthalts  besuchte,  von  den  Leistungen  der  Scli.ui 
Spieler  befriedigt  war,  beweist  eine  Stelle  in  einem  Briefe  der  Frau  R.uli  ui  dit- 
Fürstin  vom  15.  Nov.  178)  »Aus  Ihrer  Durchlaucht  gnädigsten»  Schreiben  erselie 
ich  aber  zu  meinen)  grossen  Trost,  dass  wir  iiier  docJi  etwas  haben,  das  besser  ist 
als  in  Weimar»  oämHch'das  Schauspiel.«  Heinemann,  Briefe  von  Goethes  Mutter  an 
die  Henogin  Anna  Amalie,  S.  iii* 

r 


100 


Finiilien-Angehörtgen  gesellschaftliches  Ansehen  genossen,  ist  bereits 
frQher  erwähnt  worden.  Es  erübrigt  nur  noch,  der  geachteten  Stel* 
lung  zu  gedenken,  die  sich  Madame  Sophie  Albrecht  während  ihrer 
Kunstthätigkeit  bei  der  Grossmännischen  Truppe  hier  erworben  hatte. 
Die  Mannheimer  Gäste  brauchten  also  nicht,  wie  Schiller  schreibt, 
»eine  Reputation  unter  dem  Frankfurter  Publikum  zu  veranlassen.« 
Man  war  längst  warm  iur  das  Theater  und  seine  Mitglieder  geworden, 
ehe  die  beiden  berühmten  Künstler  hier  eintrafen.  Seit  der  Eröffnung 
des  Koniödienhauses  stand  die  Bühne  im  Mittelpunkte  aller  geistigen 
und  künstlerischen  Interessen  Frankfurts.  Theilnehmend  beschäftigte 
nun  sich  mit  allen  Ereignissen  und  Erscheinungen  im  hiesigen 
Bülinenleben.  Gerade  dies  rege  Interesse  war  ja  neben  den  vorzug- 
liclicn  Leistungen  der  Mannheimer  die  Ursache  von  dem  glänzenden 
Verlaufe  des  Gastspiels.  Dass  die  Mitglieder  der  Grossnaännischen 
Truppe  wahrend  desselben  warmer  spielten  als  sonst,  besonders  wie 
im  letzten  ihre  Kräfte  fast  aufreibenden  Monat,  wollen  wir  Schiller 
gerne  glauben.  In  diesem  l-alle  mögen  die  grossen  Muster  in  der 
Tlmt  anfeuernd  gewirkt  haben,  üm  so  bedenklicher  erscheint  des- 
halb der  Vergleich,  das  Spiel  der  Mannheimer  Gäste  habe  unter  den 
besten  hiesigen  Schauspielern  wie  der  Jupiter  des  Phidias  unter 
Tüncherarbeiten  hervorgeragt.  Wohl  mochte  Schiller  einen  Unter- 
schied zwischen  dem  Frankfurter  und  dem  Mannheimer  Bühnen« 
personal  herausfühlen,  allein  das  eben  mhgetheihe  Urtheil  ist  über- 
trieben und  sicher  von  der  Politik  des  eignen  Vortheils  beeinflusse 
Als  Schiller  ein  paar  Monate  früher  den  umgeformten  l  iesko  an 
Grossmann  schickte,  hatte  er  ja  auch  in  den  schmeichelhaftesten  Aus- 
drücken dessen  literarische  Verdienste  über  Gebühr  hervorgehoben. 
Aus  Erfahrung  wusste  der  junge  Dichter  bereit«;,  wie  leicht  derartige 
Huldigungen  bei  Persönlichkeiten  vom  Theater  verfangen.  Dalberg 
ist  hiervon  keineswegs  auszunehmen,  er  war  ja  sehr  stolz  auf  seine 
Bühnenleituni:  und  hörte  es  gewiss  gerne,  wenn  man  ihm  s.iptc, 
jedes  andere  i  heaier  müsse  gegen  diis  M:innheimer  zurückstehen. 
Wer  wollte  es  deshalb  dem  jungen  abhängigen  Dichter  als  Sünde 
anrechnen,  dass  er  bei  semem  \'or«;esetzten  etwas  hart  nnd  ungerecht 
über  die  Frankfurter  Künstler  urtheilt  und  sogar  den  Ausspruch  thut, 
er  möchte  bei  solchen  Aussichten  am  liebsten  auf  die  Ehre  \' erzieht 
leisten,  »Kabale  und  Liebew  hier  aufgeführt  zu  sehen.  Im  Ernste  hat 
er  gewiss  nie  daran  gedacht,  Grcvssmann  mit  guter  An  von  der 
geplanten  Aufführung  abzubringen.  Dies  wäre  ja  nicht  allem  eine 
grosse  l'iuiank iMrkeit  gegen  den  Mann  gewesen,  der  ihn  bisher  so 
wohlwollend  gefordert  halte,  sondern  auch  eine  bittere  Enttäuschung 


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—     lOI  — 


für  seine  Frankfurter  Verehrer  und  das  hiesige  Bühnenpersonal. 
Schon  allein  aus  Rücksicht  für  Madame  Sophie  Albrccht,  die  erste 
Darstellerin  der  Luise,  konnte  er  in  Wahrheit  nicht  an  eine  Zurück- 
nahme seines  Stückes  denken.  Schiller  lernte  während  seines  hiesigen 
Aufenthaltes  die  Künstlerin  näher  kennen,  die  mit  begcistener  Ver- 
ehrung an  ihn  herantrat.' 

Sophie  Albreclit  war  eine  junge  bionde  i*rau,  deren  interessante 
Schönheit  ebenso  bewundert  wurde  wie  ihre  seltenen  Geistesgabcn. 
Als  älteste  Tochter  des  Professors  der  Medizin  und  Philosophie 
Baunier  in  Erfurt  hatte  sie  sich  1776  mit  einem  Schüler  ihres  Vaters, 
dem  Dr.  med.  Ernst  Albrecht  aus  Stade,  verheirathct  und  jahrelang 
dessen  Aufenthalt  in  Russland ,  wo  er  Leibarzt  eines  Grafen  war, 
getheilt.  Doch  die  Sehnsucht  nach  der  Heimath  wurde  so  mächtig 
in  der  jungen  Frnu ,  dnss  sie  ilircii  Gatten  bewog ,  seine  Stellung 
aufzugeben.  Nach  wcchsclvolk-n  Schicksalen  und  nachdem  sie  bereits 
1781  einen  Band  lyrischer  Gedichte  und  einen  Roman  »Aramena« 
herausgegeben,  ginu  Sophie  zum  Theater  und  debütirtc  am  ^i.  Ok- 
tober 1783  in  brankturt  als  Lanassa  in  dem  vürerwahmen  Rührstück 
gleichen  Namens.  Das  Ehepaar  Albrecht  stand  zu  dem  I  reunde 
Schillers,  dem  Hofrathe  Reinwaid  in  Meiningen,  in  herzlichen 
Beziehungen,  welcher  Umstand  die  Veranlassung  zu  näherem  Bekannt- 
werden der  drei  Menschen  in  Frankfurt  wurde.  Der  junge  Dichter 
verlebte  glückliche  und  genussreiche  Stunden  bei  der  geistvollen 
Kitnstlerin ,  deren  schwärmerisches  Wesen  wie  geschaffen  erschien, 
auf  sein  hochgestimmtes  Gennith  einen  tiefen  Eindruck  zu  machen. 

Schiller,  wie  vielfach  angent)nitnen  wird,  wirklich  an  die  gefeierte 
Künstlerin  sein  Herz  verlor,  das  müssen  wir  unentschieden  lassen. 
Fest  steht  nur,  dass  er  über  ihre  Erscheinung,  die  ganz  für  die  Luise 
passtc,  und  über  ihre  CJaben  in  begeistertes  Entzücken  gerieth.  Dass 
hingegen  Sophie  .Albreclu  mchv  für  Schiller  empfand  als  reine  Ver- 
ehrung, hat  sie  in  überschwenglichen  Gedichten  offen  ausgesprochen. 


'  Die  Wichrichten  ttber  Sophie  .\lbrccht  stützen  bich  auf  lolgciidc  Oiiellcn  : 
Götz,  Geliebte  ScliaiitMj,  S.  25,  Lausitzisches  Mag.tzin  59.  Bd.,  S.  267  ff.  Minor, 
Schiller,  2.  Bd.»  S.  220  (f.  Palleske,  Schillers  Leben  und  Werke,  S.  ff. 
Allg.  Deutsch,  Biographie.  Dresdner  Schillcrbuch,  ü.  158  iX.  Streicher,  Schillers 
I-lucht  von  Stuttgart  und  Aulenthah  in  Mannhcin..  S  182  iX.  I'eth.  Geschichte 
des  Theaters  und  der  Musik  in  M.»inz,  S.  69.  Dcvrieni,  Geschichte  der  Sdiau- 
spiclliumt  ;  Bd..  S.  90.  Gedichte  und  Schauspiele  von  Sophie  Albrecht  (Erfurt 
und  Dresden  1781—91).  Zerstreute .  Mittheilungen  in  den  Theaterkalendern  und 
kritischen  Zeitschriften. 


r 


102  — 


Obwohl  der  junge  Dichter  Sophie  ak  Künstlerin  hochstellte, 
gewann  er  doch  alsbald  in  Frankfurt  die  Ueberzeugung,  ihr  hoch- 
fliegendes, »Ober  den  Kleinigkeitsgeist  der  gewöhnlichen  QriceU 
erhabenes  Wesen  sei  (br  das  Bühnenleben  nicht  geeignet.  Wie  er 
an  Reinwald  schreibt,  hat  er  die  Absicht,  seine  Freundin,  die  auch  in 
ihrem  neuen  Wirkungskreise,  überhaupt  in  keinem  Lebensverhältniss 
die  rechte  Befriedigung  fand,  vom  Theater  abzubringen.  Diesen  Vor- 
satz konnte  aber  der  Dichter  nicht  ausführen.  Sophie  Albrecht  blieb 
bei  der  Bühne,  sie  führte  ein  Leben,  in  dem  die  grössten  künstlerischen 
Erfolge  mit  den  bittersten  Enttäuschungen  abwechselten,  und  starb 
vollständig  verarmt  1840  in  einem  Spital  in  Hamburg  in  einem  Alter 
von  83  Jahren.  Die  vollständig  gebrochene  Greisin  erinnerte  in 
nichts  mehr  an  die  Frau,  von  deren  Nähe  sich  Schiller  während 
seines  Frankfurter  Aufenthaltes  »göttliche  Tage«  versprochen  hatte. 
Damals  stand  Soplile  Albrecht  in  der  vollen  Blüthe  ihrer  Schönheit. 
Sie  war  der  Liebling  des  Frankfurter  Publikums  und  wurde  sogar 
von  verschiedenen  luesigen  Kunstfreunden  in  ihren  Glanzrollen  mit 
Begeisterung  besungen.  Unter  diesen  Gedichten  erscheint  uns  eines 
besonders  bemerkenswerth,  das  sie  als  Marie  Beaumarchais  in  der 
Vorstellung  von  Goethes  »Clavigo«  am  11.  März  1784  feiert.'  Der 
Autor  vergleicht  sie  mit  Charlotte  Ackermann  und  rühmt  ihr  achtes 
Kunststreben.  Dies  und  ihr  unsträflicher  Wandel  landen  übrigens 
auch  bei  anderen,  z.  B.  bei  einem  Rezensenten  der  damaligen  Zeit, 
warme  Anerkennung.  * 

Von  Sophie  Albrecht,  die  seine  Luise  gewiss  anmuthig  ver- 
körperte und  ihn  durch  liebenswürdiges  Entgegenkommen  die 
Schwierigkeiten  und  Bedrängnisse  seiner  Mannheimer  Stellung  bei- 
nahe  vergessen  liess,  spricht  Schiller  in  den  Briefen  an  Dalberg  und 
Rennschüb  mit  keinem  Wort,  ebenso  wenig  erwähnt  er  Schmidt, 
dessen  l'erdinand  doch  eine  vorzügliche  Leistung  war.  Das  ungünstige 
Unheil  des  jungen  Dichters  über  das  Frankfurter  Theater  ist  dann 
später  noch  erweitert  und  verschärft  worden.  Während  er  hier  weilte, 
soll  er  alle  Naciuhcilc  einer  prinziplosen  Theaterwirthschaft  kennen 
gelernt  haben,*  eine  Behauptung  die  jeglichen  Haltes  entbehrt.  Ganz 
abgesehen  davon,  dass  Sciiiller  nur  über  die  künstlerischen  Leistungen 
der  Truppe  spricht  und  mit  keiner  Silbe  Grossmanns  Direktion  an- 
greift, brauchte  dieselbe  auch  die  eingehendste  Kritik  nicht  zu  scheuen. 


•  Theatcrkalendcr  .uif  das  Jahr  1786,  S.  246—47. 

'  Petl),  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  zu  Maine,  S.  6^ 

i  Palleske,  Schillers  Leben  und  Werke,  S.  302. 


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-   103  - 


Grossroann  stand  nicht  umsonst  in  grossem  Ansehen,  er  leitete  die 
hiesige  Bühne  aur  grössten  Zufriedenheit  der  Frankfurter,  kam  seinen 
Verpflichtungen  pünktlich  nach  und  hielt  so  sehr  auf  Sitte  und  Zucht, 
dass  selbst  die  strengen  Väter  der  Stadt  in  dieser  Hinsicht  nichts 
gegen  ihn  einwenden  konnten.  Wie  an  den  meisten  Theatern,  so 
mag  auch  hier  damals  der  CouUssenteufel  gespuckt  und  manchen 
Wirrwarr  heraufbeschworen  haben.  Wenn  man  aber  so  weit  geht,  zu 
beliaupten,  der  junge  Dichter  habe  diese  Schattenseiten  der  hiesigen 
Bühne  kennen  gelernt ,  oder  gar  den  Eindruck  von  einer  grundsatz- 
losen Theaterwirihschaft  empfangen,  so  heisst  das  ganz  einfach  die 
Wahrheit  entstellen  und  willkürliche  Vermuthungen  für  historische 
Thatsachen  ausgeben.  Schiller  war  in  der  kurzen  Zeit  seines  Hier- 
seins viel  zu  sehr  in  Anspruch  genommen,  als  da.ss  er  einen  gründ- 
liehen  Einblick  in  alle  Bühnenverhältnisse  hätte  thun  können. 

Nach  der  glänzenden  Aufnahme  von  »Verbrechen  aus  Ehrsucht« 
gab  es  am  zweiten  Gastspielabend  der  Mannheimer  »Die  väterliche 
Rache«  ein  Lustspiel  von  Schröder. '  Dies  Stück  beabsichtigt  wie 
IfFlands  Familient;emälde  eine  moralische  Wirkung  zu  erzielen.  Hin- 
sichtlich der  Charakterzeichnimg  bleibt  es  dem  Schauspieler  über- 
las.sen,  durch  sein  Spiel  zu  ergänzen,  was  der  Dichter  nur  andeutete. 
Die  wirksame  l-ii^ur  des  Werkes  ist  wohl  der  von  Beil  gegebene 
Kapitän,  ein  Men-  !i  ohne  Hrzieiiung,  aber  reich  an  angeborener 
Herzensgüte  und  mannliLhem  Freimuth. 

Wie  Schreiber,  der  Kritiker  der  Frankfurter  und  Mainzer  Bühne, 
sagt,  musstc  der  Darsteller  des  Siegmund  (Kapitän)  es  vermeiden 
durch  Bootsknechtssitten  und  grobe  Manieren  zu  wirken.*  Beil  that  dies, 
ohne  die  Derbheit  der  Figur  zu  mildern,  und  errang  in  Frankfurt 
einen  grossen  Erfolg.  Auf  das  Schrödcrsche  Stück  folgte  noch  die 
beliebte  Pantomime  »Montijolfier  oder  die  Luftkugel«  von  dem 
hiesigen  Balletmeister  Franz  Xuth.  In  diesem  Ballet  wurde  in 
graziöser  Weise  der  bereits  früher  erwähnte  Sport  der  damaligen 
besseren  Gesellschaft  veriierrlicht. 

Nach  Schröders  Lustspiel  fand  dann  am  2.  Mai  die  erste  Wieder- 
holung von  »Kabale  und  Liebe«  statt.  Ifl'land  stellte  in  derselben  den 
Kammerdiener  des  Fürsten  und  Beil  den  Stadtmusikant  Miller  dar. 
Welchen  Eindruck  die  \  orsiellung  auf  Schiller  machte,  ob  er  sich 
wirklich,  wie  er  in  dem  Briefe  . an  Dalberg  befürchtet,  gleich  einem 


'  Ueber  daü  Gastspiel  Jcr  Mannheimer  Sc]i.iLi.spi<:ler  in  Frankfurt  1784  siehe 
Xheaterkalcndcr  auf  dns  Jahr  1785,  S.  211.    .Miimr.  Scliillor,  2.  B.  ^17  ff. 

*  Dramaturgische  Blauer,  hrsg.  v.  Schreiber,  11.  Jahrg.  Iii.  Quart.  1788,  S.  154. 


—    104  — 


Verurilieikcn  vorkam,  wissen  wir  nicht,  möchten  es  aber  stark 
bezweifeln.  Jedenfalls  niusste  es  den  Dichter  ganz  sehsani  berühren, 
sein  Stück  auf  der  Frankfurter  }3üline  zu  sehen.  Hatten  doch  gerade 
hier  die  Figuren  desselben  festere  Gestak  gewonnen,  während  er 
einige  Jahre  früher  als  Müchtling  in  dem  schlichten  Sachsenhäuscr 
Gasthüte  wohnte  und  oft  in  gedrückter  Stimmung  auf  der  Main- 
brück c  stand  oder  die  volksbelebten  Strassen  der  alten  Krönungs- 
siadt  durchstreifte. 

Leider  besitzen  wir  über  Schillers  \'erhalten  während  der  zwei- 
ten hiesigen  Autl ülnung  von  »Kabale  und  Liebe«  keinen  solchen 
auslüiirlichen  Bericht,  wie  ihn  uns  der  treue  Streicher  von  der  Mann- 
heimer Premiere  des  Stückes  lui]tcrla:-.;-,Lii  hat.  Xur  ein  kurzes 
Referat  über  jenen  denkwürdigen  Abend  und  das  Gastspiel  der 
Mannheimer  Künstler  fanden  wir  in  einem  hiesigen  Blatte.  Das 
»Frankfurter  Staats-Ristretto«  vom  7.  Mai  1784  (No.  72)  bringt 
folgenden  Bericht  vom  4.  dieses  Monats:  Am  Frey  tag,  den  30.  April 
wurde  auf  unserer  Böhne  zum  ersten  Mahle  aufgeführet: 

Verbrechen  aus  £hrsucht,  ein  ernsthaftes 

Familiengemälde. 

Der  Verfasser,  Herr  IflFland  und  Herr  Beil,  beyde  Schauspieler 
von  der  Nationalbahne  in  Mannheim  spielten  selbst  vortrefflich  darin, 
und  unterstützt  vom  Eifer  der  Mitwirkenden,  machte  das  Stück  einen 
ausserordentlichen  Eindruck.  Die  stille  Aufmerksamkeit  war  bei 
unserem  Publikum  noch  nie  so  gross  gewesen,  und  am  Schlüsse  des 
Stückes  waren  alle  so  hingerissen,  dass  dem  Verfasser  Herrn  IflFland 
zuerst  und  hernach  Herrn  Beil  die  Ehre  widerfuhr,  herausgerufen  zu 
werden.  Den  i.  May  spielten  beide  in  der  väterlichen  Rache,  den 
2.  May  in  dem  vortrefflichen  Trauerspiele  Herrn  Schillers  »Kabale 
und  Liebe,«  wobey  der  Herr  Verfasser  selbst  zugegen  war  und  welches 
mit  ebenso  lautem  Beyfall  wie  das  erstemahl  aufgenommen  wurde. 
Zum  Beschlüsse  in  dem  Nachspiele  »Zwei  Onkels  fUr  einen.«  Heute 
ganz  früh  haben  sie  unsere  Stadt  verlassen;  der  Eindruck  aber,  den 
besonders  Herrn  Ifflands  schönes  Gemälde  auf  uns  gemacht,  wird 
lange  bleiben.« 

Diesen  Bericht  muss  Schillers  Freund  Reinwald  in  Meiningen 
gelesen  haben,  denn  es  verdross  ihn,  dass  man  in  hiesigen  Blättern 
mehr  Rühmens  von  dem  Itflandischen  Stück  als  von  »Kabale  und 
Liebe«  gemacht  habe.*  Iffland,  der  zweifellos  dafür  gesorgt  hatte, 


*  Die  Frankfurter  Oberposumts-Zeitung  bringt  aber  das  Gastspiel  ketnen 
Bericht.  Weitere  Nachrichten  über  dasselbe  waren  nicht  an  finden. 


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dass  sein  Stück  vor  Schilters  Trauerspiel  in  Scene  ging,  errang 
also  för  den  Augenblick  nicht  nur  als  Dichter  einen  Sieg  über  den 
letzteren,  sondern  sab  auch  seinen  schauspielerischen  Ruhm  durch 
dies  Gastspiel  an  unserer  Böhne  bedeutend  wachsen.  Stolz  berichtet 
er  an  Dalberg  »grösseren  Triumph  kann  die  Schauspielkunst  nicht 
erleben»«'  fägt  aber  wenig  freundlich  hinzu,  »Grossmann  verschmerzt 
es  nicht  als  Direktor,  Dichter  und  Mensch.«  Wenn  Grossmann 
wirklich  so  neidisch  auf  den  Ruhm  Andrer  war,  wie  diese  Bemerkung 
andeutet,  hätte  er  weder  das  Gastspiel  der  Mannheimer  zu  veranlassen, 
noch  IfTlands  Stück  unter  so  günstigen  Umständen  zu  geben  brauchen. 
In  dem  Verhalten  Grossmanns  gegen  Schiller  zeigt  sich  nicht  eine 
Spur  von  Autoreneifersucht,  vielmehr  das  uneigennützigste  Streben, 
zu  unterstützen  und  zur  Geltung  zu  bringen,  was  ihm  der  Förderung 
Werth  erschien.  Auch  Iffland  sollte  in  Zukunft  erfahren,  dass 
Grossmann  die  Anerkennung  Andrer  mindestens  zu  ertragen  ver- 
mochte. Mehrmals  berief  dieser  während  seines  Frankfurter  und 
Mainzer  Theaterdirektorats  die  beiden  Grössen  der  Mannheimer 
Bühne  zu  Gastspielen  noch  nach  hier  und  in  die  rheinische  Schwester- 
stadt; auch  föhrte  er  in  der  Folge  alsbald  nach  den  Mannheimer 
Premixen  von  Ifflands  Stücken  dieselben  hier  in  Frankfurt  auf,  Wohl 
mochte  die  Aussicht  auf  eine  gute  Einnahme  dabei  mitwirken,  allein 
damals  waren  die  besseren  Plätze  im  neuen  Komödienhause  fast 
sätnmtlich  abonnirt  und  der  Theaterbesuch  ein  so  reger,  dass  fiir 
Grossmanns  Rasse  eigentlich  nie  etwas  zu  befürchten  stand. 

Seit  seinem  ersten  Gastspiel  im  Frühling  1784  kelirte  Iffland 
stets  mit  Freuden  wieder  nach  Frankfun  zurück.  Noch  viele  Jahre 
später  gedenkt  er  in  seinen  Lebenserinnerungen  des  Erfolges,  den  er 
damals  mit  »Verbrechen  aus  Ehrsucht«  hier  errang.*  Doch  nicht 
nur  als  Dichter  und  Darsteller  feiene  man  Iffland,  auch  in  der  besseren 
Gesellschaft  fand  er  sammt  seinem  Genossen  Beil  und  dem  Verfasser 
von  »Kabale  und  Liebeir  die  freundlichste  Aufnahme.  Nach  Frank- 
furter Art  suchte  man  die  drei  Berühmtheiten  durch  reichliche  Tafel - 
frettden  zu  ehren  und  zu  ergötzen.  Schiller  schreibt  zwar  hierüber 
im  Tone  der  kraftgenialen  Epoche  an  Rennschüb:  »wir  werden  von 
Fresserei  zu  Fresserei  herumgerissen,« '  aber  trotz  seiner  Klage,  keinen 


'  Minor,  i»chillcr,  II.  Theil,  S.  219. 

*  Meine  ihcatralische  Laufbahn  von  August  Wilhelm  Inland.  Leipzig  bei 
Georg  Joachim  Gdtcheo,  1798»  S.  128. 

'  Schillers  Briefe  an  Dalberg»  S  10t,  von  Oven,  Das  erste  stidtische  Theater 
xts  Frankfun  a.  M,,  S.  ttS. 


—   io6  — 

nöchterncn  Augenblick  finden  zu  können,  wird  ihn  das  joviale  Eni* 
gegenkommen  hiesiger  Kunstfreunde  doch  wohl  gefreut  haben.  Im 
Grunde  war  es  ja  nur  eine  andere  Form  des  Triumphes  für  ihn,  die 
ihm  augenfällig  zeigte,  welche  Wandlung  sein  Geschick  seit  seinem 
ersten  Aufenthalte  in  Frankfurt  im  Oktober  1782  genommen  hatte. 

In  der  alten  reichen  Handels«  und  Krönungsstadt  Frankfurt  ver- 
band man  seit  den  ältesten  Zeiten  mit  der  grössten  Gastfreundschaft 
gegen  Fremde,  besonders  gegen  Künstler  oder  sonstige  bedeutende 
Menschen,  auch  eine  anregende  und  gemQthvoUe  Geselligkeit.  Man 
würde  deshalb  ein  durchaus  unzutreffendes  Bild  von  dem  hiesigen 
gesellschaftlichen  Leben  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
gewinnen,  wenn  man  dasselbe  nach  einer  Schilderung  Goekingks 
in  einem  Briefe  an  Bürger  vom  10.  Juni  tyZt  beunheilen  wollte.  * 
Dem  Herrn  Kanzleidirektor  zu  Ellrich  behagte  die  Stadt  Frank- 
furt nicht,  er  machte  Spazierfahrten  in  die  Umgegend,  weil  er 
mit  Leuten  nicht  ausdauem  konnte,  die  sich  nur  aufs  Fressen,  Saufen 
und  Kanenspiel  verstehen.  Kur  den  Theaterdirektor  Grossmann 
schliesst  Goekingk  von  diesem  hanen  Urtheil  aus.  Mit  welchen  Leuten 
der  angesehene  Poet  und  Beamte,  der  mit  der  gesammten  literarischen 
Welt  Deutschlands  in  Verbindung  stand,  hier  verkehrte,  wissen  wir 
nicht,  doch  die  tonangebenden  feinen  Kreise  Frankfurts  können  es 
unmöglich  gewesen  sein.  Das  Haus  der  Frau  Rath  Goethe  stand  in 
Bezug  auf  anregenden  geselligen  Verkehr  keineswegs  vereinzelt  da. 
Wer  das  gesellschaftliche  Leben  in  Frankfurt  gerade  um  die  Zeit  als 
Goekingk  und  Schiller  hier  weilten,  aus  zeitgenössischen  Schilderungen 
und  brieflichen  Berichten  kennt,  weiss,  dass  man  die  Gäste  hier 
nicht  nur  mit  materiellen  Genüssen  bedachte,  sondern  auch  für  eine 
gute  anregende  Unterhaltung  sorgte.  Htwas  zugeknöpft  haben  sich 
freilich  die  Frankfuner  bei  aller  Gastfreiheit  von  jeher  gegen  Fremde 
verhalten.  Wer  ihnen  nicht  zusagte  oder  gar  hochmüthig  entgegen- 
trat, hat  wohl  wenig  von  ihrer  liebenswürdigen  An  gemerkt,  auch 
wenn  er  eine  angesehene  Persönlichkeit  war  wie  Goekingk.  Ganz 
anders  wie  dieser  berichtet  z.  B.  Mozart  über  das  freundliche  Ent- 
gegenkommen der  Frankfurter  an  seine  Gattin,  als  er  während  der 
Kaiserkrönung  1790  hier  weilte.' 


*  Briefe  von  und  an  Gottfried  .\ugust  Bürger,  hrsg.  von  Adolf  Strodtmann, 

j.  Bd.,  S.  4}. 

'  Jihi),  W.  .\.  Mozari,  III.  Thcil,  S.  485  und  -  Uchcr  Moznrts  damaligen 
Aufentlult  in  Frankfurt  Mcntzel,  Mozart  in  I'rankiurt  vor  iiundert  Jahren,  im  Frank- 
furter G«:uerat-.\nzeiger  vom  i>.  und  16.  Oktober  No.  242  und  245. 


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—   107  - 

Nach  kurzer  Abschweifung  kehren  wir  tu  den  Mannheimer 
Gästen  der  hiesigen  Bühne  zurück.  In  jeder  Weise  befpedigt  ver- 
liesscn  dieselben  am  4.  Mai  Frankfurt,  um  eine  zweite  Gastspiel- 
fahrt nach  Stuttgart  zu  unternehmen.  £inen  Tag  später  kehrte 
Schiller  nacii  Mannheim  zurück.  Wenn  nichts  anderes  ffir  den 
geistigen  Gewinn  der  Frankfuner  Reise  Zeugniss  ablegen  könnte,  so 
würde  es  liinreichend  seine  gehobene  Stimmung  bei  der  Rückkehr 
nach  Mannheim  thun.  Von  frischem  Muthe  beseelt,  von  neuen  Plänen 
und  Hoffnungen  erfüllt,  traf  er  in  Mannheim  ein  und  machte  noch 
an  demselben  Tage  seinem  übervollen  Herzen  in  einem  Briefe  an 
Reinwald  in  Meiningen  Luft.'  Nichts  war  dem  jungen  Dichter  mehr 
zu  gönnen,  als  der  Lichtblick  der  genussreichen  Frankfurter  Tage. 
Zogen  doch  bereits  neue  Wolken  herauf»  die  seinen  Weg  verdüstern 
und  auch  einen  Schatten  auf  sein  geistiges  Streben  werfen  sollten. 

Leider  fehlen  die  Quellen,  aus  denen  man  feststellen  könnte, 
welche  Einnahme  Schiller  durch  die  Aufführungen  seiner  Stücke 
»Die  Verschwörung  des  Fiesco  zu  Genua«  und  »Kabale  und  Liebe« 
im  April  und  Mai  1784  in  Frankfurt  erziehe.  In  H;ui(.Tbach  hatte 
er  Schulden  zurück  gelassen,  an  deren  Tilgung  er  mannigfacher 
üebelstände  wegen  bis  zum  11.  Februar  1784  nicht  denken  konnte. 
An  diesem  läge  bittet  er  seine  Gönnerin,  Frau  von  Wolzogen,  in 
grosser  Verlegenheit,  doch  seine  dortigen  Glaubiger  bis  auf  Ostern 
zu  vertrösten.  Bis  dahin  hoffe  er  durch  die  Finnaluuc  tür  seine  Stücke 
im  Stande  zu  sein,  allen  seinen  Verpflichtungen  nachzukommen.  * 
Ob  Schiller  die  versprochenen  8  Karolin  der  Freundin  um  diese  Zeit 
zurückerstattet  hat,  ist  eine  Frage,  die  wir  nicht  zu  beantworten  ver- 
mögen. Da  er  ihr  aber  am  26.  Mai  1784*  w  ieder  mit  einem  freieren 
unbefangnen  Herzen  schreibt,  schliesscn  w  ir,  dass  ihn  die  hiesige  Ein- 
nahme für  die  Aufführungen  seiner  Werke  wenigstens  in  die  Lage 
brachte,  einen  Theil  seiner  Schulden  zu  begleichen. 

War  die  Frankfurter  Theatersaison  bis  zum  April  1784  durch 
den  kalten  Winter  und  das  iiochwasscr  ziemlich  öde  verlaufen,  so 
entwickelte  sich  nach  Weggang  der  Mannheimer  Gäste  im  Mai  und 
Juru  noch  ein  reges  ßühnenleben. 

Folgende  Vorstellungen  wurden  w  ährend  dieser  Zeit  hier  gegeben. 
Dienstag,  4.  Mai:       »Der  argwöhnische  Liebhaber,«  Lustspiel  iu  4  Auli.  von 

foetzner.  (Zum  Besten  der  Arnum.) 


»  Streicher,  Scliillcrs  Flucht  von  Stuttgart  und  Aufcnth  iU  in  Mannheim,  S.  179  ff. 
•  Karoline  von  Wolzogen,  Schillers  Leben,  S.  80—81. 
1  Ebd.  S.  81. 


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—    io8  — 


Samttag,  8.  Mai:        »Alter  hilft  vor  Thorheit  nicht  oder  der  junkerircnde 

Pliilister«  nach  Moliere  voo  Mylitts  mit  musikalischem 

Zwischenspie!. 

Montag,  lo.  Mai;         »Der  Kinsicdkr,«  Sciiauspici  in  5  Aui^.  von  d'Aricn. 
Dienstag,  11,  Mai:        »Klavigo,«  Trauerspiel  iu  j  Aufz.  von  Goethe  und  das 

Ballet  »Montgolfier  oder  die  LuftkugeL« 
Donnerstag,  ij.  Mai:  aGeneral  Schlen/hcim  und  sdne  Faimiie»«  Scitausptd  in 

\  Auf/,  von  Spiess. 

Freitag,  14.  Mai:         »Lessing,«  eine  (Kantate,  dem  Andenken  Lcssings  gewidmet 

von  Neefe  und  ßenda.  Darauf  »Emilia  Galoiti,« 
Trauerspiel  in  5  Aufz.  von  Lessing. 

Sanistag,  15.  Mai:       »Der  Bettler.«  Lustspiel  in  i  Aufz.  von  Bock  und  »Die 

eingebil.k-tcn  Pliilosdphcn."  Sint;spic!  von  Paisello. 

Montag,  17.  Mai:        »Das  Geheimnisse,  oder  »Die  Nebenbuhlerinnen.«  Schauspiel 

in  4  Aufz.  von  Schink.    (Zum  cr:»tenmale.) 

Dienstag.  18.  Mai:     »Die  verwandelten  Weiber  oder  der  Teufel  ist  los,«  komisdic 

Oper  in  j  Auf.  von  Weisse,  Musik  von  Hillcr. 

Freitag,  21.  Mai:         »Verbrechen  aus  Ehrsucht,«  FamiUengemÜde  in  $  Aufz. 

von  Itfland. 

Samstag,  22.  Mai:      »Der  Todte,  ein  Freyer.«  Lustspiel  in  2  Aufz.  von  Sedaine. 

und  »Eins  wird  doch  helfen,*  Operette  in  2  Aufa. 

nach  le  Sage.  Musik  von  .\ndre. 
■  M.iri.inc,"   ein  hürgerlichcs  Trauerspiel   in   3  Aulz.  von 
Gotter,  und  »Die  Dorljf^ala,«  Operette  in  i  AuU.  von 
Gotter,  Musik  von  Schweitzer. 
»Gassner  der  Zweyte,«  Lustspiel  in  4  Aufz.  nach  dem  Engl. 
\-on  Schink. 

»Der  Lügner,«  Lustspiel  in  5  .\ufz.  von  Goldoni. 
vsDie  Pilgrinunc  von  Mckkn.c  Singspiel  in  j  .Auf/,  von  Gluck. 
»Die  Glücksritter  oder  die  Liebe  steht  ihren  Giiostlingcn 
bei,«  Lustspiel  in  %  Aufz.  nach  dem  Engl,  des  Farquhar. 
(Zum  crstenmalc.) 
»Karl  und  Sophie  oder  die  Phisiognomie,«   Lustspiel  in 

5  .'\uf?.  vnn  Rrct^ncr. 
»Die  Pilgrimme  von  Mekiia,«  Singspiel  in  j  .Vutz.  von  Giuck. 
»Hamlet,«  Trauerspiel  in  s  Aufz.  nach  Shakespeare. 
»Der  Schmuck,«  Lustspiel  in  5  Aufz.  von  .Sprickmann. 
»Das   Tc  st.iiv.ent ,«   Lu.stspicl   in   4   AulV..    von  Schröder, 
/wischen  dem  2^  iiiui  ^  Akt  spielte  iierr  Jacobi  ein 
Concert  aul  der  \'ioline. 
»Der  Geburtstag,«  Operette  in  j  Aufz.  \'0n  Sprickmann, 
Musik  von  Jobann  Gottüeb  Nicolai.  (Zum  crstenmalc.) 
»Die  Holländer.«  Lustspiel  in  ;  Aufz.  von  Bock.  (Zum 
crstcnm.Ue.) 

«Der  dankbare  Sohn,"  laiidhches  Lustspiel  in  1  .Xuf/ug  von 
Engel  und  »Das  redende  Gemälde,«  Singspiel  von 
.\nseaume,  Musik  von  Grctry.    (Das  Lustspiel  von 

Hngcl  zum  crstenmale.) 
»Adeistahn,«  Trauerspiel  in  s  Aufz.  nach  dem  Engl,  von 
Lconardi.   (Zum  crstenmale.) 


Montag,  24.  Mai: 

Dienstag,  25.  Mai: 

Freitag,  28.  Mai: 
Samstag.  29.  Mai : 
Donnerstag,  j.  Juni: 

Freitag,  4.  Juni: 

Samstag,  5.  Juni; 
Montag,  7.  Juni: 
Dienstag,  8.  Juni : 
Freitag,  ti.  Juni: 

Samstag,  13.  Juni: 
Montag,  14.  Juni: 

Dienstag,  15.  Juni: 


Freiug,  18.  Juni: 


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—   109  ~" 


SflinsMg»  19.  Juni:     »Das  tartarische  Gesetz,«  Singspiel  in  2  Aufz.  von  Gotter 

nach  Goui»  Musik  von  d'Amoine. 
Montag,  21.  Juni:       »Die  eingebildeten  Philosoplien.n  Singspiel  in  2  Aufz.  von> 

Paisello,  Zwischen  den  Akten  spielte  Herr  Kronen- 
burger)  ein  Virtuose  aus  Mainz,  ein  Coiicert  auf  dem 
Violonschdl. 

Als  die  Truppe  F.iulc  Juni  lyS]  von  hier  abgereist  war,  kam 
Böhm  im  Juli  und  crötliKte  :iin  1 5.  dieses  Monats  seine  Vorstellungen 
mit  dem  bereits  früher  hier  aulfiefühnen  heroischen  Singspiel  »Günther 
von  Schwarzburg.«  Der  Verfasser  desselben,  l'xjesuit  Antun  \  un  Iviciu, 
war  ein  Gönner  Schillers  und  veranlasste  auch,  dass  dieser  in  die 
Kurpfälzisch  -  Deutsche  Gesellschaft  aufgenommen  wurde. '  Das 
Kleinsche  Stäck  gefiel  in  Frankfurt  ungemein,  wahrscheinlich,  weil 
ein  Theil  desselben  in  der  alten  Mainstadt  spielte  und  eine  denk- 
würdige Episode  aus  deren  Geschichte  wieder  auffrischte.' 

Am  17.  Juli  ging  das  W'eissesche  Trauerspiel  »Jean  Calas«  in 
Scenc,  und  ini  L;ui!e  des  Monats  wurden  dann  von  Böhm  noch  einige 
Sin^-  und  Lustspiele  nur^efiihrt,  die  er  bereits  früher  hier  aui  dem 
Repertoire  hatte.  Am  31.  Juli  iand  danit  die  Premiere  von  Glucks 
Oper  »Alccste«  statt,  in  der  Böhms  gesanglicli  liod^begabte  und 
lildschönc  Frau  die  Tiieholle  sang.  Die  Oper  gefiel  in  I'rankturt 
so  sehr,  dass  am  7.  August  auch  die  von  der  Böhmschen  'J  rnppe 
einige  Jahre  vorher  gegebene  Oper  »Orpheus  und  Euridice«  von  Gluck 
wieder  über  die  Bretter  ging. 

Am  9.  August  war  die  Premiere  von  Sbcrid.nis  Lustspiel  »Die 
L:l^^erschule« ,  am  10,  verabschiedete  sich  Böhm  von  der  hiesigen 
Bühne  mit  dem  gern  gesehenen  Singspiele  »Unschuld  und  Liehe« 
von  Salieri.  Madame  Böhm  sang  darin  das  Lenchen,  die  naive  Toch- 
ter des  Dorihirten  J.ikob,  eine  Rolle,  die  zu  ihren  besten  Partien 
/.uhlte.  Als  Schauspielerin  reichte  .\Lidanie  Böhm  wohl  nicht  nn  die 
besseren  Kimstleritnien  der  Grossniannii>chen  Truppe  heran,  hinsicht- 
lich der  nnisikalischen  VeiaiiL.uung  überranie  sie  last  deren  erste 
Kralte.  Unzweifelliaii  ist  sie  eine  der  bedeutendsten  Sängerinnen, 
die  in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Frankfurt 
auftraten.  Ein  Rezensent  rühmt  ihre  gute  Schulung,  ihr  tiefes,  auch 
in  die  Seele  der  Zuschauer  dringendes  Gefühl  und  ihre  schöne 


'  Uebcr  Schillers  Beziehungen  ai  Anton  von  Klein  siehe  Minor,  Schiller 

2.  B.,  .S.  16K  und  S.  23H  fr 

'  Die  Vnrslelliin;^cn  Röhms  sind  au^  dem  l'rankkirter  Staats-Ristretto,  anderen 
hiesigen  Blattern  und  nacli  dca  bctrcflenden  ri)eater/euehi  zusammengesieUt. 


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—    110  — 


Aeosserlicbkeit.  *  In  Frankfun  war  Madame  Böhm  sehr  bdiebr» 
gleichwohl  fehlte  es  ihr  und  ihrem  Manne  nicht  an  Gegnern.  Zu 
diesen  gehörte  auch,  wie  bereits  früher  bemerkt  wurde,  Goethes 
Mutter,  die  keine  Freundin  von  Balletten  war,  auf  deren  grossartige 
Arrangements  Böhm  gerade  viel  Wenh  legte.  Wahrend  er  im 
Sommer  1784  hier  spielte,  traten  sogar  einige  Schüler  des  berühmten 
französischen  Taozkünstlers  Noverre  in  grossen  Balletten  hier  auf. 
Als  Böhm  Mitte  August  nach  Wilhelmsbad  ging,  um  am  laodgräf' 
lieh  hessischen  Hofe  mehrere  Vorstellungen  zu  geben,  wurde  die 
allzufruhe  Abreise  dieser  guten  Gesellschaft,  welche  den  Frankfunem 
»mit  den  ausgesuchtesten  Sing-,  Lust-  und  Trauerspielen,  besonders 
aber  mit  ausnehmend  schönen  Balletten  manche  vergnügte  Abend- 
stunde bereitet  hatte,«  sogar  öifentlich  bedauert.* 

Anfangs  September  1784  kehrte  die  GrossmSnnische  Truppe 
zur  Herbstmesse  nach  Frankfurt  zurück  und  eröffnete  die  Bühne  mit 
»Ino,«  musikalisches  Drama  von  Reichardt  und  »Der  Kobold,a  ein 
einaktiges  Lustspiel  nach  Hauteroche.'  Am  Mittwoch  darauf, 
7.  September,  fand  dann  die  Premiere  von  Mozans  reizender  Oper 
»Die  Entführung  aus  dem  Serail«  statt.  Als  nächste  Novität  folgte 
am  16.  September  das  Trauerspiel  »Gianetta  Montaldi«  von  Schink, 
am  folgenden  Tag  war  die  dritte  Vorstellung  von  »Kabale  und  Liebe.« 
Am  22.  September  gab  man  bei  übervollem  Hause  das  hier  ungemein 
beliebte  Singspiel  »Zemijre  und  Azore«  von  Gretry,  bei  welcher  Vor- 
stellung ein  berühmter  Gast  die  grösste  Anziehungskraft  auf  das 
Publikum  ausübte.  Madame  Aloysia  Lange  vom  Kaiserlichen  National- 
Theater  in  Wien,  die  Schwägerin  Mozarts,  sang  die  Zemire.  Die 
Künstlerin  gab  ausserdem  noch  die  Louise  im  Deserteur  von  Mon- 
signy  und  sang  zum  Schluss  auf  vielfältiges  Begehren  die  Constanze 
in  der  Entführung,  welche  Partie  zu  ihren  glänzendsten  Leistungen 
zählte.  Gleichzeitig  mit  der  trefflichen  Sängerin  trat  ihr  Gatte,  der 
Schauspieler  Lange  vom  Kaiserlichen  National-Theater  in  Wien,  als 
Fähndrich  in  dem  ebenso  betitelten  Lustspiel  von  Schröder,  als 


*  Theater-Jounial  flir  Deutsddand  1$  St.,  S.  iia  (Nachrictiten  von  der 

Böliniischen  Gesellschaft).   Ferner  Chronologisdie  Geschichte  der  Mainser  Bühne 
enthalten  in  Rhenus,  Sonntagsblatt  für  l  ircratur,  Kumt  und  nürgerlcbcn,  Kn. 
Beilage  zur  Neuen  Mainzer  Zeitung.   Siehe  auch  Pclh,  Geschichte  des  I  healers 
und  der  Musik  iii  Mainz,  S.  64. 

*  Frankfurter  Staats-Ristretto  vom  14.  Aug.  1784,  No.  tiS. 

^  Das  Repertoire  der  Grossniännischen  Truppe  von  Anfang  September  bis 
Mitte  November  17H4  nach  den  Theaterzetteln  und  Theater.in^ei^en  in  tJein 
Fraukturicr  Staais  Kistrctto  und  anderen  hiesigen  Blättern  zusanmengesteJlt. 


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III  — 


Deserteur  in  dem  Monsignyschen  Singspiel  und  als  St.  Alhin  in  dem 
Hausvater  von  Diderot  auf. '  Das  Künstlerpaar,  vorzüglich  M.idaine 
Lange,  wurde  mit  rauschendem  JiciLill  belohnt.  Sie  hatte  wunder- 
voll mit  ihrer  glockenhellen  Stimme  gesungen  und  grosse  Begeiste- 
rung für  den  genialen  Componisten  der  htululirung  erweckt,  dessen 
neiiLrc  Opern  in  Frankfurt  später  dann  alsbald  nach  ihrem  hrsciieinen 
in  Scene  gin^^cn. ' 

Zu  Jlmi  \u\]{.iU-'^,  die  Crossiij.iiin  bi;->  zum  Sclilusse  des  hiesigen 
Thcuc;  .,  l  iidc  Noveniber  1784,  gab,  zählt  nuch  die  fade  zweiakuge 
Posse  VC']]  (iottcr  »Der  schwarze  Mann,«  die  ain  i.  Oktober  zum 
crsteninalc  .lulgelulirt  und  am  14.  wiederholt  wurde,  in  UiL  .cr  Posse 
kommt  eine  episodische  Figur,  die  des  Theaterdichters  Flickwort, 
vor,  in  der  Schiller  verspottet  worden  sein  soll.  Wenigstens  beging 
IfTland  die  Taktlosigkeit,  den  aufgeblasenen  Dichterling  Flickwort  in 
der  Maske  Schillers  in  Mannheim  auf  die  Bühne  zu  bringen.  *  Jeden- 
falls ist  dies  in  Frankfurt  nicht  geschehen.  Der  Dichter  war  ja  hier 
keine  bekannte  Persönlichkeit  wie  in  Mannheim,  auch  stand  er  in 
viel  zu  grossem  Ansehen  bei  dem  hiesigen  Theaterdirektor,  als  dass 
dieser  eine  öifentliche  Verhöhnung  seiner  Person  hätte  gestatten 
sollen.  Das  Publikum  hat  sich  wahrscheinlich  hier  wie  an  anderen 
Onen  über  das  Zerrbild  des  absonderlichen  Poeten  amusirt,  ohne  den 
wahren  Kern  der  Sache  zu  ahnen. 

Gleich  auf  die  erste  Vorstellung  vom  schwarzen  Mann  folgte 
die  Premtfcre  des  spater  hier  oft  gegebenen  Singspiels  »Der  Schmaus« 
von  Bürrmann  und  Qmarosa  am  2.  Oktober.  Einige  Tage  später 
(8.  Okt.)  kam  neu  einstndin  das  Trauerspiel  »Agnes  Bemauer«  auf 
die  Bühne,  in  dem  Schillers  Freundin,  Madanie  Soplüe  Albrecht,  die 
Frankfurter  durch  treffliche  Wiedergabe  der  Titelrolle  entzückte. 

Ende  Oktober  trafen  IlTIand  und  Beck  zum  Gastspiel  in  * 
Frankfurt  ein.  Zuerst  trat  Beck  am  26.  Oktober  unter  grossem  Beifall 
als  Hamlet  auf  und  war  am  27*  in  Ifflands  neuem  Stück  »Die  Mün« 
det«*  der  Philipp  Brock,  während  der  Verfasser  selbst  den  Kauf- 
mann Drave  darstellte.  Ausserdem  spielte  Iffland  noch  zwei  seiner 
Glanzrollen,  den  Agapito  im  Lustspiel  »Der  verstellte  Kranke«  von 


'  Ueber  das  Gastspiel  des  Künstlerpaares  siehe  gleichzeitige  Mitiheilungen  im 
Frankfurter  Staacs-Rbtietto  und  im  Thcaterkaleader  auf  das  Jaln-  178$,  S.  211. 

■  Mozarts  bekannteste  Opern  zum  erstenmak  auf  der  Frankfurter  Bühne  ent- 
halten tn  »Die  kleine  Chronik«,  Frankfurter  WodtenschriÜ,  Nov.  1887,  No.  23—2$. 

5  Minor,  Schiller  2  B.  S.  2j}  ff. 

*  Am  24.  Oktober  1784  fand  die  Premix  der  Mündel  in  Mannheim  sutt, 
also  nur  drei  Tage  später  ging  das  StQck  hier  in  Scene. 


—    112  — 

Goldoni  am  28.  Oktober  und  den  Baron  in  der  iJIsteTschole  von 
Sheridan  tags  darauf.  Beck  gab  in  der  lustigen  Komödie  den  Karl. 
In  dieser  Vorstellung  des  Goldonischen  Stückes  brach  das  anwesende 
Publikum  jedenfalls  in  Folge  von  liTlands  trefflicher  Darstellung  der 
Titelrolle  in  ein  solches  Gelächter  aus»  dass  »die  Schauspieler«,  wie 
Frau  Rath  an  die  Herzogin  Anna  Amalia  schreibt,  »mitangesteckt 
wurden  und  alle  Muhe  von  der  Welt  hatten,  im  Gleise  zA  bleiben 
und  sich  nicht  zu  prostituiren.« ' 

Auf  vielseitiges  Verlangen  wirkten  die  beiden  Künstler  noch  am 
3a  Oktober  in  dem  damals  berühmten  Stöcke  »Der  deutsche  Haus- 
vater« von  Gemmingen  mit.  lifland  war  Graf  Wodmar  und  Beck 
dessen  Sohn  Karl,  Madame  Stegmann  dagegen  die  stolze  Wittwc 
Amaldi  und  Madame  Albrecht  die  Malerstochter  Lottchen,  das  simple 
Vorbild  zur  Luise  in  »Kabale  und  Liebe.«  In  der  dem  Schauspiel 
nachfolgenden  einaktigen  Komödie  stellte  Itfland  den  Kantor  Ferbius 
dar,  eine  Rolle,  die  zu  seinen  bedeutendsten  VirtuosenstQckchen 
gehörte. ' 

Seit  dem  erfolgreichen  Gastspiele  der  Mannheimer  Grössen  in 

Frankfurt  kamen  diese  Künstlerfahrten  immer  mehr  in  Aufnahme. 
Irtland  schätzte  den  Linfluss  der  Gastspiele  auf  das  Publikum  und 
die  Darsteller.  Er  war  der  Ansicht,  das  Vergnügen,  das  ein  Künstler 
einem  neuen  Publikum  gebe  und  von  ihm  empfange,  verleihe  frisches 
Blut,  neue  Aussichten  und  neue  Kraft.  ^  Gewiss  ist  etwas  Wahres 
an  diesem  Aussprucli,  doch  wahr  ist  auch,  dass  die  Gastspiele  Jas 
reisende,  nur  aus  merkantiler  Berechnung  hervorgegangene  Virtuosen- 
thum in  der  Schauspielkunst  erzeugt  und  den  Fersonenkulius  auf 
der  Bühne  zur  höchsten  BUuhe  gebracht  haben. 

Von  Michaelis   1785  bis  dahin  1784  fanden  eine  Reihe  von 
*  Debüts   bei   der  Grossmfinnischcn  Gcsellschat't   statt.*    Herr  Stol! 
gastirte  als  Kalkagno  in  der  Verschwörung  des  i  iesko  olme  lirlol^'. 
Herr  Kunst  trat  als  Doktor  Linse  in^  Eheprokurator  auf  und  wurde 
Mitglied  der  Gesellschaft.   Dann  folgte  das  von  Beifall  gekrönte 


*  Goethes  Mutter  von  Dr.  K.  Heinemann,  S.  17$.  In  diesem  Werke 
tinJen  die  Heziclmngcn  der  Frau  Radi  zum  Frsinkfurter  Theater  auf  Grund  ihres 

BriefwechsHs  eingehende  D.irstelluni» 

>  Ueber  ItTlänJs  und  Heils  dastspiel  im  Dktober  1784  sielte  die  gleichzeitigen 
Nachrichten  in  hiesigen  Blättern  und  die  Miltheilungcn  im  Theatericatender  fiu 
das  Jahr  17X6,  S.  25  j  ff. 

'  Petli,  (iLAvjliichte  des  Theaters  unJ  Jcr  Musik  in  Mainz,  S.  70. 

^  Theaterkaleiider  auf  das  Jahr  1783,  S.  219.  Aus  dem  Bericlue  über  die 
Grossmäunische  Gesellschaft . 


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-   113  - 

Gastspiel  der  Madame  Albrecht  als  Lanassa  im  gletchoamigea  Stücke 
und  als  Lottchen  tm  deutschen  Hausvater.  Herr  Zimdar  debütirte 
als  Licentiat  Frank  im  argwöhnischen  Ehemann  und  als  Eduard 
MoQtrose  in  dem  ebenso  betitelten  Stücke.  Madame  Zimdar  geb. 
Benda  spielte  die  Angelika  im  argwöhnischen  Ehemann  und  die 
Claudine  von  Villabella.  Das  Künstlerpaar  wurde  engagirt.  Herr 
Poysel  gab  während  seines  Gastspiels  den  Justizrath  von  Morrbach 
in  der  Wankelm üthigcn  und  den  Fetronio  in  den  eingebildeten 
Philosophen.  Herr  Wolschowsky  stellte  sich  dem  Frankfurter  Pub- 
likum als  Marquis  de  Falaise  in  den  drei  Töchtern  vor  und  Herr 
Unzelmann  that  desgleichen  als  Montalban  in  Lanassa  und  als  Giro 
in  der  Liebe  urtcr  Jen  Handwerkern.  Alle  drei  Gastspiele  führi«.n 
2u  Engagementsabschlüssen,  ebenso  das  Debüt  der  Madame  Brandel»^ 
die  als  Obristin  in  der  Henriette  von  Grossmann  niiftrar.  In  der 
zweiten  Aufführung  des  neuen  Fiesko  spielte  ein  Herr  Lippen  den 
Mohr,  er  trat  auch  mit  Erfolg  :ils  Belmonte  in  der  Entführung  aus 
dem  Serail  auf.  Lippert  wurde  fast  gleichzeitig  mit  Madame  Wol- 
schowsky engagirt,  die  als  Franziska  im  Schmuck  vielen  Beifall  fand. 
In  dem  Schauspiel  »Die  Mutter«  von  Gotter  debütirten  Herr  Dunst 
als  Baron  und  Madame  Gensicke  als  Auguste,  zur  selben  Zeit  spielte 
Herr  Gensicke  den  Sir  John  Trotley  im  Ton  der  grossen  Welt  und 
Herr  Neumann  den  Adrast  im  Freygeist.  Auch  die  letztgenannten 
Künstler  traten  sämmtlich  in  den  Verband  der  Grossniannischen 
Gesellschaft.  Ausser  den  bereits  Genannten  gaben  noch  Herr  Rothe 
als  Oront  im  Hausfreund  und  Madame  Rothe  als  Violante  im  schönen 
Gärtnermädchen  von  Fraskati  hier  Engagements  nach  sich  ziehende 
Gastrollen. 

Im  Herbste  1784  kehrte  auch  Madame  Fiala  an  die  alte  Stätte 
ihrer  erfolgreichen  Wirksamkeit  zurück.  Sie  debütirte  ils  Sophie  in 
iJeni  Schauspiel  i>General  Schienzheim  und  seine  Familie«  von  Spiess 
und  trat  vom  Beginne  des  Jahres  1785  an  Stelle  der  abgehenden 
Madame  Albrecht  wieder  in  die  Grossmännische  Truppe. 

Von  Michaeli  1783  bis  dahin  1784  schieden  folgende  Mitglieder 
aus  dem  Verbände  des  Mainz-Frankfurterischen  Theaters:'  die  Herren 
Nuih,  Gardien,  PfeitFer  (der  Letztere  wurde  unruhiger  und  lüderlicher 
Aufführung  wegen  auf  der  Steile  entlassen),  Vigano,  Ehrling,  Pleisner, 


'  Üie  leitende  Cinellc  für  diese  MiUheilungcn  bleibt  immer  der  Bcnclit  über 
die  Grossnuinnische  Gesdischaft  im  Theaterkalender  für  das  Jahr  178$.  Zur 
Ergänzung  dienten  die  betreffenden  Theaterzeitel  und  Bülmennachricliten  in  den 
Frankfurter  Blättern. 


-   114  — 


Lobenstein,  EhriiuiJt,  Ju.scphi,  Huhcr,  Hiilsncr,  Dcngcl,  Böck,  Döb- 
belin,  v.  Gerstenberg,  Müller,  Bürmann,  Stengel,  Jütner,  Ntuiiiann, 
Giesicke,  Beckenkam,  Brandt  und  Rothe.  Feiner  verliesscn  theils 
freiwillig,  theils  nach  erfolgter  Kündigung  folgende  Damen  die 
Grossmännische  Gesellschaft:  Madame  Kuth  die  jüngere,  Madame 
Korn,  Gardien,  Vigano,  Madame  Ehrhardt,  ehemalige  Mlle.  Hartmann, 
Madame  und  Mlle  Josephi,  Madame  Huber,  Fiedler,  Hülsner,  Brandt, 
Dengel,  Kummerfeld  und  Mlle«  Wollmar.  Auch  die  Ehepaare  Zim- 
dar,  Dunst  und  Gensick e,  die  erst  im  Laufe  des  Jahres  engagirt 
worden  waren,  traten  nach  Michaelis  1784  nicht  mehr  im  hiesigen 
Theater  auf.  Ebenfalls  verliessen  der  angesehene  Kapellmeister  Neefe 
und  seine  Frau  um  diese  Zeit  die  Grossmännische  Truppe.  Den  An- 
lass  zu  diesem  Schritte  bot  jedenfalls  Grossmanns  zweite  Heirath  mit 
einer  Demoiselle  Schrodt,  welche  die  Billigung  des  dem  Direktor 
und  seiner  verstorbenen  Frau  langjährig  befreundeten  Ehepaares  nicht 
gefunden  zu  haben  scheint.  Wie  Neefe  und  seine  Gattin  so  war 
auch  Frau  Rath  Goethe  von  diesem  Entschlüsse  ihres  lieben  Gevatters 
nicht  besonders  erbaut.' 

Am  Ende  des  Jahres  1784  war  also  die  Grossmännische  Truppe 
volbtändig  neu  organisirt.  Nur  der  alte  Summ  war  geblieben,  aber 
zu  diesem  gehörten  doch  ausser  der  Familie  des  Direktors  Künstler 
wie  Schmidt,  Stegmann,  Bösenberg,  Steiger,  Diezel  und  Nuth; 
Künstlerinnen  wie  Madame  Fiala,  Stegmann,  Nuth  die  ältere  und 
Madame  Unzelmann.  Herr  Schmidt  verliess  seiner  schwankenden 
Gesundheit  wegen  nur  zeitweise  das  Theater,  um  sich  zu  erholen. 
Er  behielt  bis  zu  Grossmanns  Abgang  von  Frankfurt  die  Stelle  eines 
ersten  Helden  und  tragischen  Liebhabers  und  spielte  noch  im  Sommer 
1786  den  Götz  von  Berlichingen  sowie  den  Otto  von  Wittelsbach. 
Dann  zwang  ihn  ein  gefährliches  Brustleiden,  seiner  schauspielerischen 
Thätigkeit  zu  entsagen.  Er  ging  von  hier  nach  Wiesbaden,  um  die 
Bäder  zu  gebrauchen,  wurde  aber  immer  kränker.  Der  Schauspieler 
Beil  in  Mannheim,  der  ihn  dort  besucht  haben  muss,  schreibt  im 
September  1786  an  Grossmann  »Schmidt  ist  mehr  als  jemals  in  Wies- 
baden dem  Tode  nah,  ach,  dass  ihn  Gott  ausspannte,  es  giebt  einen 
schönen  Engel,  sagt  man  hier.«'  Am  Ende  des  Jahres  1786  oder 
am  Anfang  des  folgenden  muss  Schmidt  gestorben  sein;  denn  sein 
Name  findet  sich  von  da  ab  nicht  mehr  auf  Frankfuner  I  heater^ 


*  Lausitziscbes  Magazin,  19.  B.,  S.  280:  Deutsclies  BQImenlebeD  im  vorigen 
Jahrhundert,   lüithalt  Briete  von  Frau  Rath  an  Grossmann. 
'  Urlich,  Briefe  an  Schilkr,  S.  41. 


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-  115  - 


zetteln.  Dass  aber  Schmidt  nicht  vergessen  war,  beweist  ein  seinem 
Andenken  gewidmetes  Gedicht,  das  im  XI.  Stück  der  Frankfurter 
dramaturgischen  Blätter  steht  und  als  Beilage  III  angefügt  ist. 

Gleich  bei  Eröffnung  der  Saison  gab  Grossmann  am  2.  April  1785 
Schillers  Fiesko.  Am  9.  Mai  ging  »Kabale  und  Liebe«  neu  einstudirt 
in  Scene.  Demoiselle  Flittner,  bald  darauf  Frau  Unzelmann,  gab  die 
Louise.  Am  25.  Oktober  dieses  Jahres  fand  die  bereits  im  ersten 
Theilc  dieser  Abhandlung  geschilderte  Aufführung  der  Räuber  wäh- 
rend Böcks  Gastspiel  auf  der  hiesigen  Bühne  statt. 

Bevor  wir  nun  wieder  in  der  Lage  sind,  über  die  Premiire  eines 
ScbiUerschen  Werkes  in  Frankfurt  zu  berichten,  müssen  wir  erst  den 
wichtigen  Abschnitt  des  Frankfurter  Bühnenlebens  besprechen,  der  mit 
Ende  des  Jahres  1788  abschltesst. '  Das  bedeutendste  Theaterereigniss 
von  1785  war  hier  die  Novität  »Der  lustige  Tag  oder  Figaros  Hochzeit« 
von  Caron  von  Beaumarchais.  Das  Stück  wurde  bereits  am  9,  April 
angekündigt,  jedoch  wegen  Krankheit  einer  Schauspielerin  verschoben 
und  zum  erstenmale  am  11.  April,  nicht,  wie  wir  früher  vermutheten, 
am  3.  Mai  aufgcfühn.*  An  diesem  Tage  wurde  die  erste  Wiederholung 
gegeben,  der  noch  weitere  Auffilhningen  des  Stückes  am  22.  und 
24.  September  und  am  29.  Oktober  folgten.  Auch  in  den  folgenden 
Jahren  lassen  sich  zahlreiche  Vorstellungen  der  lustigen  Komödie 
nachweisen.  Gleich  bei  ihrem  Erscheinen  nahm  man  dieselbe  in 
Frankfurt  mit  solchem  Enthusiasmus  auf,  dass  bereits  am  12.  April 
die  achte  Ausgabe  des  Werkes  »so  wie  es  hier  aufgeführt  wird«  für 
den  Preis  von  i  fl.  30  kr.  in  einer  Buchhändleranzeige  angeboten 
wird.'  Der  Uebersetzer  des  Intriguenstücks  ist  in  derselben  ebenso 
wenig  angegeben  wie  auf  den  Theaterzetteln  und  in  anderen  zdt- 
genössischen  Berichten.  Vielleicht  hat  Grossmann  selbst  das  Werk 
ins  Deutsche  übertragen.  Er  beherrschte  ja  die  französische  Sprache 
und  ubersetzte  schon  früher  den  Barbier  von  Sevilla  von  Beaumarchais* 
Dass  auch  in  Frankfurt  der  Umschwung  in  den  Begriffen  und  An- 
schauungen, der  bald  alle  erschütterten  Zustände  in  revolutionärem 
Ansturm  gewaltsam  umzugestalten  drohte,  die  Gemüther  bereits 


*  Die  Nachrichten  Ober  das  B&hnenjahr  17S5  sind  nach  den  HieateranceigeQ 

in  den  hiesigen  Blättern,  besonders  in  dem  Frankfurter  Staats-Ristretto,  nach 
MittheiUingen  Jcs  'nic3ter!;a!endtr  für  1785  und  nach  Tbeaternotizen  in  den  Brieten 

der  Hrau  Rjlli  (loctlic  /usaniniciii^f^tcllt. 

*  Heincmann  Goethes  Mutter,  S.  j6o.    Der  Zettel  zu  der  zweiten  Vorstel- 
lung v«i  Beaumarchais*  Lusts|nel  ist  dort  S.  \6i  abgedruckt 

'  Frankfoner  Staats*Ristretto  Ncl  $8  vom  12,  April  i-jH'i. 

8* 


—   ii6  — 


mäcijUi^  erregt  hatte,  beweist  die  begeisterte  Aufnahmt'  von  '^Ficaros 
Hoclizcit«  von  BeauniarLluis.  Das  Stück  wurde  alleiJin*^;.  .ililIi  j;anz 
vorzüglich  hier  gegeben.  Unzehiumn  spielte  den  Helden  l'igaro, 
der  bekanntlich  ein  lebendiges  Manifest  gegen  den  Widerspruch 
zwischen  äusserer  Lebenslage  und  innerem  Verdienste  ist.  Mit  der 
mächtigsten  Waffe,  mit  Spott  und  Satire,  griff  Beaumarchais  jene 
Klasse  von  vornehmen  Leuten  an,  die  sich  »blos  die  Muhe  geben, 
geboren  zu  werden.«  Und  sein  blendender  Witz  zündete ;  er  deckte 
die  krankhaften  und  angefaulten  gesellschaftlichen  Zustände  auf  und 
•weckte  gleichsam  wie  durch  Hahnenruf,  was  in  tiefen  Schlaf  gelulh 
oder  durch  niederdrückenden  Einfluss  betäubt  worden  war. 

Wie  kurz  vorher  in  J  '  i:  .  machte  das  Stück  .lu^n  in  IVaiik- 
fun  lipuche.  Aus  verschicUcnen  iknierkungcn  über  dasselbe  lässt 
sich  schliesscn,  dass  in  die  Handlung;  inclirere  gesangliche  Einlagen 
eingestreut  waren,  die  hier  in  hohen  und  niederen  Kreisen  viel  gesungen 
wurden.  Eine  derselben  war  Cherubims  volksthümliche  Romanze 
»Mein  Rüsslein  sollst  mich  tragen,«  die  nach  der  Melodie  des  Marl- 
borougiiliedes  gesetzt  war  und  1785  von  der  jugendlichen  Deraoiselle 
Bösenberg  reizend  vorgetragen  wurde.  Einer  der  Vorstellungen  des 
Lustspiels  im  September  muss  Frau  Rath  Goethe  mit  Fritz  von  Stein 
beigewohnt  haben,  der  seit  Anfang  dieses  Monats  bei  ihr  zu  Besuch 
weilte.  In  einem  späteren  Briefe  redet  sie  ihn  »Mein  lieber  Cherubim« 
an  und  schreibt  für  Fritz  die  Romanze  ab,  wdl  sie  nicht  weiss,  ob 
der  deutsche  Figaro  in  Weimar  Mode  ist. '  »Lieber  Fritz,«  ßlhrt  sie 
dann  fort,  »erinnert  er  sich  noch,  wie  wirs  zusammen  gesungen  und 
dabei  so  fröhlich  und  guter  Dinge  waren?« 

Die  bei;ei^ieiLe  X'orhebe  der  l'rau  Rath  für  das  Siück  ist  gleich- 
sam ein  Gradmesser  iVir  den  lündruck,  den  dasselbe  aus  das  hiesige 
Publikum  gem.iclu  liai.  Auch  die  D.irsieller  scheinen  durch  die 
fesselnde  Aufgabe  zum  Aulgebot  aller  ihrer  Kräfte  angespornt  wor- 
den zu  sein.  Freilich  konnte  man  sich  so  wie  so  für  die  Rollen  des 
Grafen  Almaviva,  der  Mar/cUine  und  des  Doktor  Bartholo  keine 
besseren  Vertreter  denken  als  Herrn  Schmidt,  Madame  Fiala  und 
Herrn  Bösenberg.  In  besonders  gehobener  Stimmung  spielte  das 
Liebespaar  in  dem  Stücke,  1-igaro  und  Susanne,  welche  letztere  sehr 
graziös  von  Grossmanns  Stieftochter  dargestellt  wurde.  Unzelmann 


■  Briefe  an  Fritz  von  Stein  von  1784—1790,  zu  finden  in  Briefe  von  Goethe 

und  Jessen  Mutter  an  Friedrich  Freilicrrn  von  Stein,  hrsg.  von  Eben  und  Kahlen 
1846,  S.  91.  Ferner  Heinemann»  Goethes  Mutter,  S.  |6a 


I 


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-    117  - 


hatte  sich  nämlich  kurz  vorher  mit  der  siebzehnjährigen  Könstlerin 
verlobt;  beide  wirkten  demnach  als  glückliche  Brautleute  mit. 

Die  erste  Aufführung  des  Werkes  von  Beaumarchais  »Der  lustige 
Tag  oder  Figaros  Hochzeit«  im  Jahre  1785  ist  in  der  Folge  oft  für 
die  hiesige  Premiere  der  Mozartschen  Oper  »Die  Hochzeit  des  Figaro« 
gehalten  worden.  An  diesem  Irrthum  sind  jedenfalls  die  gesang- 
lichen Einlagen  des  Lustspiels  schuld,  die  man  för  Mozartsche 
Melodien  hielt.  Da  aber  dessen  Oper  erst  1786  am  i.  Mai  in  Wien 
ihre  Premiere  erlebte,  liegt  die  Verwechslung  auf  der  Hand.  Mozarts 
Meisterwerk  wurde  zum  erstenmale  am  n.  Oktober  178S  unter 
grossem  Beifall  in  Frankfurt  aufgeführt. ' 

Bald  nachdem  das  Stück  des  französischen  Dichters  im  hiesigen 
Theater  einen  glänzenden  Erfolg  erlebt  hatte,  brach  mitten  in  der 
Nacht  Feuer  im  neuen  Komödienhause  aus  und  zwar  in  den  Zimmern 
des  Direktors.  Grossmann  wollte  seine  Papiere  und  sonstige  Werth - 
Sachen  retten,'  wurde  aber  dabei  nicht  unbedeutend  verletzt  und  mit 
brennenden  Kleidern  von  dem  Schauspieler  Bösenberg  gerettet.  Auch 
seine  Kinder  mussten  wegen  des  Rauches  und  Dampfes  auf  den 
Treppen  mit  Leitern  aus  dem  zweiten  Stock  geholt  werden.  Der 
Brandschaden  im  Hause  selbst  war  nicht  gross,  die  Bühne  und  der 
Zuschauerraum  erlitten  keinerlei  Beschädigungen,  nur  die  Balken  und 
Decken  der  Grossmannschen  Wohnung  waren  verkohlt,  die  Fenster 
darin  zerbrochen.  Auch  einige  Logenthüren  und  Gesimse  waren 
angebrannt,  ein  paar  Wände  geschwärzt  und  einige  Räume  durch  das 
Wasser  beschädigt.  Ziemlich  schnell  wurde  das  Feuer  wieder  gelöscht. 
Wie  Kirchner  berichtet,  ohne  eifrige  Hülfe  der  Bürgerschaft,  die  »das 
Teufelshaus«  brennen  lassen  wollte  und  erst  nach  lebhaftem  Zuspruch 
von  Seiten  des  Schöffen  Textor  und  des  Senators  Hoppe  sich  an  den 
Löschungsarbeiten  betheiligte. 

Einen  weit  grösseren  Verlust  als  die  Stadt  hatte  Grossmann 
selbst  durch  den  Brand  zu  verschmerzen.  Es  waren  ihm  nicht  nur 
ein  grosser  Theil  der  Garderobe,  seine  Möbel  und  sonstige  Haus- 
hahungsgegenstände  vernichtet,  auch  eine  Anzahl  Werthsachen  und 


*  Momarts  bekannteste  Opern  zum  ersten  Maie  auf  der  Frankfurter  Bühne  von 
£.  Mentzel,  enthalten  in  »Die  kleine  ChromUt«  No.  22—25,  ^^7- 

*  Ueber  den  Braiui  itn  Komödienhaui^c  siehe  Kirchner»  Ansichten,  1  B.. 
S.  74;  Belli,  Lcboii  in  Frankfurt,  7  B.,  S  t);  von  Oven  Das  erste  städtische 
Theater  zu  Frankturi  a.  M.  (Neujahrsblatt  des  Vereins  für  Geschichte  und  Altcr- 
thuniskuudc  für  das  Jahr  1872)  S.  }i;  auch  die  Nachrichten  in  den  hicsi<^en 
Blättern  and  den  Brief  der  Frau  Rath  Goethe  an  Frit«  von  Stein  vom  1$.  Mm  1785 
abgedr.  bei  Keil,  Frau  Radi  S.  233. 


-  ii8  - 


etwa  1000  Gulden  Geld  waren  ihm  beim  Brande  abhanden  gekommen. 
Am  23.  April  1785  dankt  Grossmann  öffentlich  für  die  ihm  beim 
Feuer  im  neaen  Komödienhause  geleistete  Hülfe,  bittet  aber  die- 
jenigen Leute,  die  zufällig  in  den  Besitz  seiner  vermissteo  Sachen 
gekommen  seien,  dringend  um  deren  Ablieferung.  Darunter  befanden 
sich  ausser  den  1000  Gulden  in  Geld,  mehrere  goldene  Uhren,  ver* 
schiedene  Berloks,  Grossmanns  in  einen  gelben  Topas  geschliffenes 
Petschaft,  eine  goldene  Dose,  mehrere  goldne  und  silberne  Medaillen 
und  ein  Brillantring. ' 

Ob  Grossmann  diese  Gegenstände  zurdckerhielt,  ist  uns  mcht 
bekannt,  wir  möchten  es  aber  bezweifeln.  Nach  dem  Briefe  der  Frau 
Rath  Goethe  an  Fritz  von  Stein  vom  16.  Mai  1785  sagt  diese,  dass 
der  Direktor  durch  das  Feuer  alles  eingebüsst  und  nur  sein  und 

seiner  sechs  Kinder  Leben  gerettet  habe.  Doch  wie  die  vom  Schicksal 
des  Freundes  tief  ergriffene  Frau  weiter  berichtet,  wurden  sofort  für 
Grossmann  drei  Kollekten  eröffnet,  eine  vom  Adel,  eine  von  den 
Kaufleuten  und  eine  von  den  Freimaurern,  die  hübsches  Geld  zus.immen 
brachten.  Mit  freudigem  Stolz  weist  Goethes  Mutter  bei  dieser  Gelegen- 
heit auf  den  oft  bewährten  Wohlthätigkcitsbinn  der  Frankfurter  hin, 
der  in  solchen  Fällen  stets  aufopfernd  zu  Tag  trete.  Auch  mit 
Kleidern  und  Geräthc  (Frau  Rath  meint  Weisszeug)  wurde  Gross- 
manns Familie  so  reichlich  von  den  Frankfurtern  versorgt,  »dass  es 
eine  Lust  war.« 

Tief  gerührt,  jedoch  in  etwas  theatralischer  Weise  dankte  der 
Direktor  einige  Tage  später  vor  der  Auflftihrung  des  Schauspiels 
»Der  deutsche  Hausvater«  von  Gemmingen  dem  hiesigen  Publikum 
für  seine  freundliche  Hülfe.  Als  der  Vorhang  in  der  Höhe  war, 
erschien  er  in  seinem  halbverbrannien  Frack,  mit  verbundenem  Kopf 
und  Händen  und  hielt  eine  Rede.  Grossmanns  sechs  Kinder  standen 
in  armseligem  An/.uge  um  ihn  herum  und  weinten  alle  so,  dass  man, 
nach  Ansicht  der  Frau  Rath,  von  Holz  und  Stein  hätte  sein  müssen, 
wenn  man  nicht  mitgeweint  hätte.  Es  blieb  denn  auch  kein  Auge 
trocken.  Am  Schlüsse  des  rührenden  Vorgangs  klatschte  das  Pub- 
likum dem  Direktor  lauten  Beifall  zu,  um  ihm  frischen  Muth  zu 
machen  und  ihn  zu  überzeugen,  dass  man  ihm  seine  Unvorsichtigkeit, 
durch  die  das  Feuer  doch  eigentlich  entstanden  war,  verziehen  habe. 
Grossmanns  Verlust,  der  etwa  4000 — 5000  Gulden  betrug,  wurde, 
wie  es  scheint,  so  ziemlich  wieder  ausgeglichen.  Das  ansehnlicbe 


'  hranklurtcr  Staats-Ristrctio  No.  64  vom  a}.  April  1785. 


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—   119  — 


Ergebniss  der  drei  Kollekten  mag  wesentlich  dazu  beigetragen  haben. 
Seit  dem  Bratide  war  aber  Grossmanns  Stellung  doch  erschüttert. 
Er  gerieth  in  Folge  dessen  in  häufigen  Widerstreit  mit  dem  Pächter 
des  Komödienhauses,  Hofirath  Tabor,  und  der  Stadt  und  musste 
schliesslich  dadurch  seine  hiesige  Direktion  niederlegen. 

Ende  April  und  Anfangs  Mai  fanden  noch  eine  Anzahl  Auf- 
fübrungen  statt,  von  denen  wir  nur  noch  »Die  Irrungen«,  dramatische 
Posse  von  Grossmann  nach  Shakespeare  am  29.  April  und  »Minna 
von  Bamhelm«  am  10.  Mai  1785  hier  anführen  wollen.  Mitte  Mai  ver- 
Hess  Grossmann  mit  seiner  Gesellschaft  Frankfort.  Durch  einen  Brief 
der  Frau  Rath  Goethe  erfahren  wir,  dass  er  nicht  einmal  bis  zum 
Schluss  des  Abonnements  hier  spielte,  sondern  dasselbe  an  Böhm 
abgab;  Sie  äussert  sich  entrüstet  darüber  und  macht  dem  Freunde 
bittere  Vorwürfe,  dass  er  seinen  Anhängern,  die  sich  nach  dem 
Brande  viel  Mühe  für  ihn  gaben,  so  etwas  anthun  könne.  Goethes 
Mutter  ist  aus  bereits  früher  angegebenen  Gründen  nicht  gut  auf 
Böhm  zu  sprechen  und  urtheilt  auch  diesmal  wieder  sehr  abfällig 
über  dessen  Leute.  Nach  ihrer  Ansicht  durfte  sich  der  Freund 
durchaus  nicht  den  Anschein  geben,  als  ob  seine  Künstler  und  Böhms 
Pfuscher  einerlei  Schrot  und  Korn  seien.' 

Die  Ursache  der  Abgabe  des  Abonnements  an  Böhm  war  eine 
zwiefache.  Erstens  wollte  Grossmann  durch  seine  beschleunigte 
Abreise  den  durch  den  Brand  verschärften  Missheiligketten  mit  dem 
Pächter  Tabor  aus  dem  Wege  gehen  und  zweitens  suchte  er  einem 
öffentlichen  Eklat  gegen  seine  zweite  Heirath  vorzubeugen.  Wie 
sehr  das  hiesige  Publikum  über  diesen  Schritt  Grossmanns  empört 
war,  bezeugen  verschiedene  Briefe  der  Frau  Rath  Goethe.*  Weshalb 
die  Frankfurter  in  einer  Privatangelegenheit  des  hiesigen  Theater^ 
Direktors  lebhaft  Partei  ergriflfen,  ist  uns  nicht  bekannt,  wir  ver- 
muthen  aber,  dass  sich  die  Erwählte  Grossmanns  nicht  des  besten 
Rufes  erfreute  und  gegen  dessen  erste  »brave  Frau,«  deren  Biographie 
eben  in  »jedermanns  Händen«  war,  zu  sehr  abstach. 

Ende  September  1785  kehrte  Grossmann  mit  seiner  Truppe 
nach  Frankfurt  zurück.  Mit  Ifflands '  »Verbrechen  aus  Ehrsucht« 
setzte  in  der  Herbstmesse  die  Saison  wieder  ein,  dann  wurde 
»Macbeth«  von  Shakespeare  in  Bürgers  Uebersetzung  zum  erstenmale 


*  Lau$it/:ischc3  Magaziu  59.  B.,  S.  279:  Dcui:»chcä  Bulmenicben  im  vorigen 
Jahrhundert  von  A.  Sohr. 

'  Ebd.  Briefe  der  Frau  Rath  an  Grossmann,  S.  272-^282.  Aueb  abgd.  in 
Archiv  (Üt  Literatur  3.  B.»  S.  109— tjOw 


120 


gegeben.  Die  Musik  zu  den  Gesängen  dieses  Stückes  wnr  von 
Herrn  Sicgin.inn,  der  seit  Nccies  Abgang  das  Amt  eines  Kapell- 
meisters bei  der  Grossniänniselien  Truppe  versah.  Am  17.  September 
ging  »Die  Lästerschule«  neu  einstudirt  in  Scene.  Der  Schauspieler 
Bossan  gasürie  darin  als  Baron  und  wurde  engagirt.  Ende  des  Jahres 
trat  auch  dessen  l'rau  in  den  Verband  des  Mainz-1  rankfurtischcn 
Theaters.  Als  Osmin  in  Mozarts  Oper  »Die  Entführung  aus  dem 
Serail«  debütirte  im  September  während  der  Herbstmesse  der  berühmte 
Bassist  und  Fürstlich  Taxissche  Kapcllsänger  Fischer,  welcher  auch  in 
einem  Koazert  im  neuen  Komödienhause  verschiedene  italienische 
und  deutsche  Arien  sang. 

Die  erste  Novität  im  Oktober  war  Itflands  Schauspiel  »Die 
Reue  vor  der  That,«  das  nebst  dem  einaktigen  Lustspiel  »Der 
Alchymist«  von  demselben  Verfasser  am  5.  gegeben  wurde.  Am 
12.  Oktober  folgte  dann  die  Prenuere  von  Itilands  bestem  Schauspiel 
»Die  Jäger,«  '  mit  ihm  selbst  als  Oberförster.  Ifllanu  kam  von  einer 
Gastspielreise  nach  Lübeck,  Hamburg  und  Hannover  wieder  zunick 
und  macliiL  i  ici  die  letzte  Station. '  Ausser  dem  Oberförster  spielte 
er  noLli  Jeu  alten  Saalstein  in  »Juliane  von  Lindorak,«  den  Ebrecht 
in  den  Malern,  den  Grafen  Wodmar  im  deutschen  Hausvater,  den 
jungen  Ruhberg  in  »Verbrechen  aus  Ehrsucht,«  den  Kantor  Ferbius 
in  «Wer  wird  sie  kriegen?«  und  schliesslich  wieder  auf  allgenieinci. 
Verlangen  den  Agapito  im  verstellten  Kranken.  Auch  diesmal  war 
Itflands  Gastspiel  hier  von  grossem  Erfolg  gekrönt.  Man  bewunderte 
in  Frankfurt  ebenso  die  minutiöse  Zeichnung  seiner  komischen  Rollen 
als  den  feinen  Schliff  seiner  Gestalten  aus  der  grossen  Welt  und  die 
edle  Haltung,  den  warmen  natürlichen  Ton  seiner  Biedermänner. 
Damals  hielt  sich  auch  Iffland  hier  in  den  Grenzen  seines  Talentes, 
er  gab  keine  hochtragische  Rollen,  sondern  trat  nur  in  Partien  auf, 
die  seiner  Anlage  gemäss  waren.  Welchen  Eindruck  der  während 
der  hiesigen  Gastspiele  in  den  Jahren  1784  und  1785  erworbene  Bei« 
fall  auf  ihn  machte,  beweist  eine  Stelle  in  seinen  Lebenserinnerungen. 
Dort  heisst  es  bei  einem  Rückblick  auf  damalige  Ereignisse:  »Ich 
trat  dieses  Jahr,  so  wie  vorher  im  Jahr  1784  in  Frankfurt  a.  M.  auf 
der  dortigen  Bühne  auf.  Die  warme  herzliche  Theilnahme,  welche 
das  Frankfurter  Publikum  mir  jedesmal  gewährt  hat,  wird  stets  zu  den 
schönsten  Erinnerungen  meines  Lebens  gehören.«  ^  Was  Iffland  über 


'  Siehe  den  Zettel  zu  dieser  Vorstellung  in  Beilage  IV. 

*  Theaterkalender  für  1786,  S.  2S4- 

1  IlTland,  Meine  theatralische  Laufbahn,  S.  174. 


\ 


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—     121  — 


seine  hiesige  Kunstthätigkeit  in  diesen  beiden  Jahren  berichtet,  konnte 
er  ebenfalls  von  seinen  folgenden  hiesigen  Gastspielen  sagen.  Das 
'  Frankfurter  Publikum  nahm  ihn  nicht  nur  stets  freundlich  auf,  es 
ehrte  ihn  auch  als  Grosse  seiner  Kunst  und  Hess  es  nie  an  reichem 
Beifall  fehlen. 

Gleich  nach  Iffland  kam  im  Oktober  1785  sein  Kollege  Böck 
von  der  Mannheimer  Bühne  zum  Gastspiel  nach  Frankfurt. '  Dieser 
trat  am  18.  Oktober  zuerst  als  Graf  Essex  in  dem  gleichnamigen 
Trauerspiel  von  Dyk  auf  und  gab  dann  am  20.  den  Hauptmann 
Drave  in  den  Mündeln  .und  in  dem  darauf  folgenden  Lustspiel  von 
Schink  »Gasner  der  zweite«  den  Hauptmann  Gasner.  In  der  Novität 
»Die  Schule  der  Schauspieler«  von  Beil  stellte  Böck  den  jungen 
Waldeck  dar.  Zum  Beschluss  seines  Gastspiels  wählte  der  Künstler 
den  Karl  Moor  in  den  Räubern.  Ob  Bdck  in  dieser  Rolle  gefiel,  ob 
er  überhaupt  in  Frankfurt  Beifall  fand,  bleibt  aus  Mangel  an  Nach- 
richten  dahin  gestellt.  Zu  bedenken  giebt  allerdings,  dass  der  Theater- 
kalender von  1786,  der  liflands  hiesigen  Erfolg  ausdrücklich  betont, 
bei  dem  Bericht  über  Bocks  Gastspiel  von  öffentlicher  Anerkennung 
nichts  meldet.  So  weit  uns  bekannt  ist,  erwähnt  auch  Frau  Rath 
Goethe  in  ihren  an  Theatermittheilungen  so  reichen  Briefen  Röcks 
Gastspiel  mit  keinem  Worte.  Wiewohl  dieser  grossen  künstlerischen 
Ruhm  besass,  so  liatte  er  doch  in  dem  hiesigen  Heldenspieler  Schmidt 
einen  Rivalen,  der  zwar  über  weniger  Routine  verfügte,  aber  an 
Wahrheit  und  Empfindung  den  Mannheimer  Kollegen  sicher  über- 
ragte. Auch  Schmidts  stattliche  hohe  Gestalt  passte  besser  für 
Heidenrollen  wie  ßöcks  untersetzte  gedrungene  Figur.  Die  Frank- 
furter waren  aber  für  derartige  Hülfsmittel  einer  natürlichen  Dar- 
stellung von  jeher  sehr  empfänglich. 

Grossmann  führte  noch  am  28.  Oktober  »Minna  von  Bamhelm« 
und  zum  Schluss  der  Saison  »Der  lustige  Tag  oder  Figaros  Hoch- 
zeit« auf  und  verliess  dann  mit  seiner  Truppe  fiir  dieses  Jahr  Frank- 
furt. Unter  den  Novitäten  des  Jahres  1785'  ist  auch  das  Schauspiel 


'  Theaterkalender  f&r  1786,  S.  254. 

'  Ausser  den  berdts  angegebenen  in  diesem  Jahr  zuerst  in  Fr.inkfurt 
gespielten  Stücken  nennen  vnr  noch:  Irrtluini  niif  nücn  l'cken,  I.isstspiel  in  fiuif 
Auiz.  nach  dem  Engl,  von  Sdirödcr.  Der  !!>iricii  durcli  die  Kcclinung,  Lustspiel 
m  4  Auf^.  von  Jünger.  Der  politische  Kannegicsscr,  Lustspiel  in  $  Aufz.  von 
Holbcrg,  verbessert  vom  Schauspieler  Böck  in  Mannbdtn.  Die  Spieler,  Schau- 
spiel in  5  Akten  von  Beil.  Medea,  Drama  von  Ciotier  und  Benda.  Im  Trüben 
ist  gut  fischen,  Singspiel  in  j  Aulz.  von  Sarti,  deutsch  von  AinJn!  Die  Scfi.iu- 
spiclerschule ,   Lustspiel  in  3  Aufz.   von   Beil.     Fritz  und  Hansciien  oder  Die 


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—    122  — 

»Die  Geschwister«  von  Goethe.  Wann  dasselbe  hier  in  Scene  ging, 
liess  sich  nicht  feststellen»  weil  viele  Theaterzettel  aus  jener  Zeit 
fehlen  und  die  Theateranzeigen  in  den  Blättern  damals  noch  nicht 
mit  zuverlässiger  PänktUchkeit  erschienen  sind. 

Es  ist  schon  dfters  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden,  am 
Anfange  des  Jahres  1786  habe  die  Koberweinsche  Truppe  in  Frank« 
furt  gespielt,  doch  liess  sich  trotz  eingehendsten  Forschens  weder  in 
den  geschriebenen  noch  gedruckten  Quellen  eine  Spur  davon  ent- 
decken. Statt  dessen  giebt  Grossmann,  der  sich  abwechselnd  in  Mainz 
und  Frankfurt  aufhielt,  im  Januar  und  Februar  wöchentlich  einige 
Vorstellungen  im  neuen  Komödienhause.  Die  eigentliche  Saison 
beginnt  aber  erst  am  Anfange  der  Ostermesse,  18.  April,  mit  Schröders 
Lustpiel  »Der  Vetter  von  Lissabon.« 

Die  nächste  Novität  war  »Götz  von  ßcriichingenit  von  Goethe, 
welches  Drama  am  8.  Mai  1786  bei  aufgehobenem  Abonnement  in  Scene 
ging,  und  am  30.  Mai  auf  iiohes  Verlangen  wiederholt  wurde.  Der 
lirlös  der  ersten  AutTührung  kam  den  Frankfurter  Stadtannen  zu  gute. 
Frau  Rath  Goethe  berichtet  über  die  Premiere  an  Fritz  von  Stein:' 
»Der  (S.  Mai  war  sowohl  für  mich  als  für  Goethes  Freunde  ein  fröh- 
licher Ta^  —  Götz  von  Berlichingen  wurde  aufgeführt,  hier  schicke  ich 
Ihnen  den  Zettel,  —  Sic  werden  sich  vielleicht  der  Leute  noch  erinnern, 
die  Sic  bei  Ihrem  Hiersein  auf  dem  Theater  gesehen  haben.  Der 
Auftritt  des  Bruder  Martin,  Götz  vor  den  Rathsherrn  von  Heilbronn, 
—  die  Kugelgiesserei,  —  die  Bataille  mit  der  Reichsarmee,  —  die 
Sterbcscene  von  Weislingen  und  von  Götz  thatcn  grosse  Wirkung. 
Die  Frage:  »wo  seid  ihr  her,  hochgelehrter  Herr  ?«  und  die  Antwort : 
»von  Frankfurt  am  Mayn,«  erregten  einen  solchen  Jubel,  ein  Applau- 
diren,  das  gar  lustig  anzuhören  war  und  wie  der  Fürst  (denn  Bischöfe 
dürfen  hier  und  in  Mainz  nicht  aufs  Theater*)  in  der  dummen 
Behaglichkeit  dasass,  und  sagte:  »Potz,  da  müssen  ja  die  zehn  Gebote 
auch  darin  stehn,«  da  hätte  der  grössie  Murrkopf  lachen  müssen. 
Sunima  Sumarum!  ich  hatte  ein  herzliches  Gaudium  an  dem  ganzen 
Spektakel.« 


Mildibrüdcr,  Lustspiel  in  x  Aufz.  von  Frau  "  cjunoir.  Der  offene  Briefwechsel, 
I.ii'iTspiel  in  5  AiilV.  von  J-.incer.  K.npnr  tk'r  Tliorririgcr,  Sch.iTispie!  in  ^  Aut^. 
von  Graf  Törring.    Kurze  lliorhcit  ist  die  beste,  Singspiel  in  l  Aulz.  von  Andre. 

*  Briefe  von  Goethe  und  dessen  Mutter  an  Friedrich  Freiherrn  von  Stein, 
hrsg.  von  Ebers  u.  Kablert,  Leipzig  1846.  Brief  an  Fritz  von  Stein,  vom  25.  Mai  1786. 

•  Seit  der  ersten  AulTiihrung  des  Julius  von  Tarent  von  Leisewitz  bestand 
das  Verbot,  dass  gci  tlichc  Herrn  nicht  auf  dis  Tlieater  kommen  durften.  Siehe 
Menucel,  Geschiditc  der  bdiauspielkuost  in  Frankfurt  a.  hL,  S.  289  ff. 


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—    125  - 


Als  Nachschiift  macht  l-rau  R.uli  die  Miuhcilunj;:  DDieiista^, 
den  30.  Mai  wird  auf  Begehren  des  Erbprinzen  von  Darnii.udt '  Götz 
von  Berlichingen  wieder  aufgeführt.  Potz,  Fritzchen,  das  wird  ein 
Spass  sein.« 

Die  erste  Vorstellung  des  Götz  war  fast  ebenso  besetzt  wie 
dk  iweitc,  deren  Zettel  in  Betkge  IV  nebst  anderen  Tbeaterprogrammen 
aus  diesem  Jahre  Wiedergabe  findet.  Wie  aus  dem  Zettel  hervor* 
geht,  befinden  sich  die  Hauptrollen  des  Stückes  m  guten  Händen. 
Ausser  einigen  neuen  Mitgliedern  der  Gesellschaft  und  Herrn  Schmidt, 
der  die  Titelpartie  gewiss  vorzüglich  darstellte»  waren  eigentlich  nur 
Freunde  der  Frau  Rath  mit  hervorragenden  Aufgaben  betraut.  Gross- 
mann allein  fehlte  in  der  zweiten  Vorstellung,  der  in  der  ersten  den 
Bruder  Martin  vorzQglich  gespielt  hatte.  Ein  Vergleich  zwischen 
beiden  Zetteln  zeigt,  dass  nach  Grossmanns  Abgang  die  schöne  Scene 
des  Bruder  Martin  mit  Götz  überhaupt  gestrichen  war.  Unzelmann 
gab  wieder  den  Lerse,  Steiger  den  Weislingen,  Stegmann  den  Fürsten, 
Frankenberg  den  Franz  von  Selbitz,  Madame  Unzelmann  die  Marie, 
Madame  Stegmann  den  Georg  und  Madame  Fiala  die  Adelheid  von 
Walldorf.  Beide  Aufführungen  trugen  also  gewissermassen  einen 
familiären  Charakter  und  erhielten  eine  besondere  Weihe  durch  die 
Anwesenheit  der  Mutter  des  Dichters.  Ueber  die  Premiere  des  Götz 
hat  sich  eine  Kritik  erhalten,  in  der  auch  der  Frau  Rath  mit  Ver- 
ehrong  gedacht  wird.  »Das  Stück  wurde  nach  den  Mannheimer 
Veränderungen  und  Abkürzungen  gegeben,«  heisst  es  da.  »Es  gefiel 
wegen  seines  eigenen  allgemein  erkannten  Werthes,  weil  es  zu  Frank- 
fun dem  Geburtsort  des  grossen  Goethe  und  unter  den  Augen  seiner 
vortrefflichen  Mutter  gegeben  wurde;  von  der  einer  unserer  beliebten 
Dichter  und  Philosophen  nach  einer  mit  ihr  gehabten  Unterredung 
sagte:  Nun  begreife  ich  wie  Goethe  der  Mann  geworden  ist.«* 

Die  Inscenirung  des  Götz  war  die  letzte  künstlerische  l'hat,  die 
Grossmann  als  Frankfurter  Scliauspieldirektor  ausführte.  Hinige  Tage 
darauf  am  12.  Mai  trat  er  noch  einmal  als  Marinelli  in  »Emilia  Galoiti« 
auf  (siehe  den  Zettel  in  Betlage  IV),  dann  verlicss  er  die  hiesige 
Bühne  für  immer.  Sein  Abgang  von  hier  scheint  schon  lange  vor- 


*  Erbprinz  Ludwig  von  Hessen  geb.  den  14.  Jutii  175^  vermählt  mit  seiner 
Cousine,  Prinzessin  Louise  von  Hessen,  Schwager  K;>il  Aufjust';  von  Weimar. 

s  Fphemeridcn  <icr  Literatur  und  des  '!"hc;uers,  Herl  In  17X6,  3,  B.,  S.  j8o 
bis  381.  Auch  abgedr.  bei  öraun,  Göthc  im  L  rtlicile  seiner  Zeitgenossen,  i.  Band, 
S.  409.  In  den  Ephemeriden  der  Literatur  und  des  Theaters  von  1786  finden  sich 
im  2^.  24.  und  28.  St  Kritiken  über  Aaffbhnin^  der  Grossmännischen  Gesell- 
s€ha^t  vom  i&  April  bis  8.  Juli  1786. 


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-    i66  — 

August  16—27,'  Freiburg  August  28  bis  September  2, 
tember  3—14,'  S.  Avold  September  20—24,  in  Metz 
25—27,  und  schliesslich  in  Trier  September  28  bis  N 
zu  finden  erwartet,  wird  schmerzlich  enttäuscht  sein, 
mannigfachen  Vorzüge  unseres  Aktenstücks  werden,  so  i 
diese  Verstimmung  zu  überwinden  wissen. 


m 


Zeitgenössischer  Bericht  über  Kaiser  Friedrichs  Heia 
östlichen  in's  westliche  Deutschland  1473  März  bis  D 


F  aus  Franklun  Stadtarchiv,  Reichssachen  nr.  5789  cop.  ch.  0 
folioheft  von  12  Blattern.  Blatt  1  leer.  Auf  der  vorderen  Seite  von  E 
oben  der  Text.  Derselbe  ist  von  2  Händen  geschrieben.  Die  erste 
unten  mit  »nach«,  $.  p.  17}  Varr.  h  u.  1.  Die  rv^-eite  beginnt  Fol. 
Fol.  9^  mit  »herolzs«,  mitten  auf  der  Seite,  deren  andere  Hälfte  unbt 
s.  p.  190  Var.  f.  Fol.  loa  —  izh  rühren  wieder  von  der  ersten  Hai 
mehr  über  die  zwei  Hände  und  die  Herkunft  des  Berichts  in  der  I 
im  .\nhang.  Eine  dritte  Hand,  wol  aus  der  Frankfurter  Kanzlei,  sd 
die  Eingangsworte  »In — amen«  vor;  eine  vierte,  wol  ebendaher,  (fi 
besserung  ein  p.  169  Var.  a. 

Für  den  Abdruck  waren  die  bei  den  deutschen  Reichstagsak 
Grundsätze  massgebend. 

In  nomine  domini  amen.*  ' 

Anno  domini,  da  man  zalte  noch  Christi  gebun 

hundert  jare  und  darnoch  in  dem  drien  und  siebenzigstei 

lieben  tVawen  abent  der  verkundung,  zu  mitvasten,  am  mit 

Ictare'  zwischen  sechs ^  uern-'  und  sieben  *  etc./  do  zoc 

allerdurchluchtigister   und   großmechtigstcr    turst  und 

Fridrich  Romischer  keiser,  zu  allen  ziiten  merer  des  r'u 


a  «In — amen«  von  einer  gleiclizcitigeii  Hand,  wol  aus  der  Fr.»nkl 
übergeschrieben. 

/'  sie  em. ;  F  /wein,  siehe  .Anmerkung  4. 

c  F  wern,  das  tönende  »w«  von  uns  durch  »u«  gegeben. 

d  sie  em.,  F  drien,  siehe  .\nmerkung  4. 


'  Vgl.  Chnicl  a.  a.  O.  p.  $2— SS- 

'  Vgl.  C^hniel  a.  a.  Ü.  p.  56  und  57.  Lindner  a.  a.  O.  p.  50— 
'  147}  März  24. 

♦  In  der  Vorlage  ist  durchweg  unsere  heutige  .Stundcn/ahluni 
verbesserten  demnach  die  Zciibestiinnuing  au  dieser  Stolle  »/wischet 
und  drien«   (siehe  Varr.      und  </),  die  mit  Rücksicht  auf  die  folge 
«als  man  die  coniplet  lutei«  (siehe  p  167  .\nnicrkuiig  i)  nicht  richtig 
»zwischen  sechs  uern  und  sieben.« 


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-    125  - 


»Frankfurter  Kauuual-TlK-ntcr«  genannt  wird.  N;icli  der  zweiten 
Vorstellung  des  Götz  folgten  im  Juni  noch  zwei  andere  Ritterstücke. 
Am  ij.  i>l-ust  von  Stromhcrg«  vom  I  lülgerichtsratli  Meier  und  am 
24.  »Joliann  von  ScI  a  bcn«  von  Meissner  in  der  Bearbeitung  von 
Plümike. '  Wöcheiuii..li  landen  zu  jener  Zeit  drei  Vorstellungen  statt, 
Montags,  Donnerstags  und  Samstags.  An  Sonntagen  musste  das 
Theater  noch  immer  gcsclilossen  bleiben,  obwohl  sich  bereits  der 
Unternehmer  Tabor  und  einige  hohe  Herrn  um  die  Gewährung  der 
Spielerlaubniss  an  Sonntagen  an  den  Rath  gewandt  hatten.  Erst  im 
September  1787  will&hrte  derselbe  dem  Begehren,  dass  wenigstens  an 
den  beiden  letzten  Sonntagen  der  Herbstmesse  gespielt  werden  dürfe.' 

Im  Juli  1786  traten  die  Taborscben  Schauspieler  in  Wildbad 
auf,  von  August  an  bis  Ende  November  gab  die  französische  Kinder- 
trappe  unter  Direktion  von  Pocher,  die  im  Mai  1783  hier  so  grossen 
Beifall  fand,  im  Komödienhause  wöchentlich  eine,  manchmal  auch 
mehrere  Vorstellungen,  meist  kleinere  Operetten  oder  Lustspiele  mit 
nachfolgenden  Balletten.  Seit  der  Rückkehr  von  Wilhelmsbad  spielte 
die  Taborische  Gesellschaft  bis  Anfangs  Dezember  abwechselnd  hier 
und  in  Mainz;  nur  während  der  Herbstmesse  blieb  ihre  Kunstthätig- 
keit  einzig  auf  Frankfurt  beschränkt.  Folgende  Novitäten  wurden 
von  Anfang  August  bis  zum  Bahnenschluss  1786  hier  gegeben: 
sAmtnumn  Graununn,«  Schauspiel  in  5.  Auf«,  von  einem  Ungenannten  am 

! }.  Anglist. 

»Coriolun.«  von  Shakespeare,  bearbeitet  und  übersetzt  von  Dyk  am  9.  August. 

Zu  diesem  heroischen  Trauerspiel  waren  die  Dekorationen  und  Kleider  neu 
angcsdiaiit. 

^>l)er  Ring,t  Lusts{Hel  in  $  Auf«,  von  Schröder  am  18.  Septcniber. 
•Die  Zwillinge,«  Trauerspiel  in  5  Aufz.  von  Klin{»cr  am  i }.  Oktober 

Dies  bereits  trühcr  hier  gegebene  Stück  gewann  1776  den  Schröder- Acker- 

numnclien  Prets. 
»Haiinlet,«  von  Shakespeare»  neu  einstudirt»  21.  Oktcher. 

■Die  Drillinge,«  Lustspiel  in  5  AuO..  nach  dem  Franxdsischen  neu  umgearbeitet 

von  Herrn  v.  Bonin,  am  2}.  Oktober. 
»Die  Höhle  des  Trophonio,u  Komisclie  Oper  in  2  Aufz,  von  Salien,  dcuiscli  von 

Professor  Faber,  am  25.  Oktober. 
sGenend  Moorner  oder  der  Strdt  swisdien  Liebe  und  Pflicht,«  Schauspiel  in  5  Aufz. 

nni  Oktober. 

»Juliu!^  voti  1  ircnt,«  Trauerspiel  in  5  Aufzügen  von  Leiscv^iu  am  2.  November. 
Neu  cinsiudtrt. 

aDer  Strich  durch  die  Redinung»«  Lustspiel  in  4  Aufz.  am  2t.  November. 


'  Die  Frankfurter  Theatemachrichten  von  1786  ntcist  nach  den  betreffenden 
Zetteln,  nach  den  Anzeigen  in  den  Tstgesbiittern  und  nach  Beriditcn  in  den  Theater- 
Kalendern  (ür  1787  und  1788  zusammengestellt. 

*  von  Oven,  Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt.  S.  32. 


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—     172  — 


dem  Wesicrich/  und  fiel  bischof  und  graven,  hem,  rittef 
und  belcittcn  den  kaisser  ein,  und  zoch  da  ein  wol  unib  « 
CS  gare  sere  und  vast.  also  wurden  die  hern  zu  ratt  d 
über  vierzelien  tag. '  darnoch  da  ritten  die  herren  von  Sac 
l-rnst''  und  herzog  Wilheyni  von  dan,^  und  der  kaise 
lieruß  biß  zu  dem  wasser.  *  darnuch  reit  er  in  etliche 
kirchen,  dann  widder  in  sin  pallas.  an  dem<^  pHngsten 
Erasmus  dag,  da  was  gebuet  ein  stuel  auf  dem  winniarkt 
der  bischof  von  Metz,**  und  dem  ward  da  gelehen.  ui 
gar  kostlich,  und  bereitten  den  stul.  und  waren  da  von 
marggrave  von  Brannenburg  kurfurst,  der  trugk  zu  den 
keiser  vor  den^  zcpter,  ^  der  swarz  hirzog  den  aphel 
Mayntz  die  keiserliche  kroin,  der  marschalk  von  Papinhainr 
auch «  was  da  hirzog  Albrecht  und  hirzog  Cristoff' 
hirzog  Ott  von  Neumarckt, sin  prüder  herzog  Hans, 
marggrave  von  Paden,"  der  Durgchs  keiser, bischof  ' 
bischof  von  Mentz,*'     bischof  von  Aigstat,'     bischof  vo 


F  Oestcrich,  in  F  am  »r«  ein  Schnörkel.   Siehe  p. 


a  MC  eni. 
/»  F  Enst. 
c  F  dam. 
J  sie  em. ;  F  den. 
e  sie  cm.;  F  Mcntz. 
/  F  eher  »dem«. 
g  in  F  zwciniai. 
/;  es  folgt  durchstrichen  ein  W. 
/  F  kaum  .Mgstet. 
k  sie. 


'  Über  den  Augsburger  Reichstag  vgl.  Chmel,  .Mon.  Habsb.  1, 
'  Dem  Lech. 
Das  ist  »Donnerstag« ;  .Mai  27. 

*  Georg,  Bruder  des  M.irkgraten  Karl  von  Baden. 
>  Als  Kämmerer. 

*  .^Is  Truchsess  in  \'ertrciung  von  IM'al/ 

'  In  Vertretung  von  Sachsen;  vgl.  p.  17.S  Anm.  ii. 

*  Siehe  p.  170  Anm.  1 1. 
'  Siehe  p.  169  .\nm.  .|. 

Siehe  p.  171  Anm.  18. 
"  Siehe  p.  171  Anm.  19. 
"  Wol  Christoph.  Sohn  des  Markgrafen  Karl. 

Siehe  p.  169  .Anm.  14. 

Johann,  Bruder  des  Bischofs  von  Metz. 
•>  .Man  erwartet  anstatt  «Mentz«  einen  andern  Namen. 

Wilhelm  v.  Reichenau;  vgl.  Var.  wo  in  dem  W  vielleicht  Will: 
'7  Wer  ist  gemeint? 


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—    127  — 

nur  einigemal  im  Januar,  Februar  und  Marz  herüber.  Am  lo,  Januar 
sollte  mit  grosser  Pracht  das  vaterlanJische  Schauspiel  »Gisella 
Brömserin  von  Rüdesheim«  von  citK-m  ungcnaniuen  Verfasser  hier 
gegeben  werden,  allein  die  Autlüiiruu^  wurde  wegen  Jcr  Kähe  ver- 
schoben und  fand  erst  am  30.  April  während  der  Ostermesse  statt. 
Im  Laufe  dieses  Monats  kommen  verschiedene  neue  Opern  und 
Singspiele  zum  erstenmaie  auf  die  Bühne.  Am  14.  April  »Nina« 
oder  »Wahnsinn  aus  Liebe«  von  Delairak,  am  19.  »Der  Irrwisch«  mit 
neuen  Dekorationen,  unter  Jenen  ein  grosser  trani.yjai enter  Saal  in 
den  Theateranzeigen  besonders  gerühmt  wird.  Am  21.  April  ging 
dann  »Das  schöne  GartnermäJchen  von  1-ra.skati«,  Oper  in  3  Auf- 
zügen von  Paisello  in  sehr  glänzender  Ausstattung  in  Scene.  Madame 
Waller,  die  sich  bereits  hier  allgemeine  Beliebtheit  erworben  hatte, 
sang  in  dieser  Vorstellung  die  Donna  Stella  und  Demoiselle  Wtll- 
mann,  ein  neu  enga^utes  Mitglied,  die  schöne  Gännerin.  Ehe 
DemoiseDe  Wülmann  hiorherkatn,  hatre  sie  sich  trotz  ihrer  Jugend 
bereits  in  Wien  und  Prag  kOnstlerischen  Ruhm  erworben.  Obwohl 
sie  keine  besonders  schöne  Erschdnung  war,  gefiel  sie  doch  schon 
bei  ihrem  ersten  Gastspiele  in  Frankfurt  deranig,  dass  sie  sofort 
engagin  warde.  Als  am  28.  April  die  hier  sehr  gern  gesehene  Oper 
»Die  beiden  Geizigen«  in  Scene  ging,  zählte  Demoiselle  Willmann 
bereits  zaro  Personal  der  hiesigen  Böhne. 

Trotz  der  Bevorzugung  der  Oper  brachte  auch  der  April  dem 
Schauspiel  neuen  Gewinn.  Am  20.  gastirte  för  den  unheilbar  kranken 
Heldendarsteller  Schmidt  Herr  Mattausch  von  der  Schröderschen 
Bühne  in  Hamburg  als  junger  Ruhberg  in  »Verbrechen  aus  Ehrsucht« 
von  Ifiland  und  trat  in  den  Verband  ein.  Ob  der  Künstler  auch 
bereits  am  16.  April  in  »Kaspar  der  Thorringer,«  vaterländisches 
Schauspiel  von  Graf  Törring  (Thörring)  mitwirkte,  liess  sich,  weil 
der  Zettel  fehlt,  nicht  feststellen.  Unter  Tabors  Direktion  wurde 
neben  der  Oper  das  Ritterstück  sehr  gepflegt.  Fand  doch  am  24.  April 
bereits  wieder  die  Premiere  eines  derartigen  Dramas»  des  Schauspiels 
»Johann  von  Schwaben«  von  Meissner  in  neuer  Bearbeitung  statt. 

Von  wichtigen  Bühnenereignissen  bis  zum  Juli  1787  ist  zunächst 
die  erste  Aufluhrung  des  Salierischen  Singspiels  »Das  Narren-Hospital« 
.oder  »Die  Schule  der  Eifersucht«  (übersetzt  von  Zehmark)  am 
I.  Mai  und  eine  Vorstellung  des  »Hamlet«  am  7.  Mai  zu  nennen. 
Am  14.  gastirten  Herr  und  Madame  fiisler  aus  Hamburg  in  dem 
Lustspiel  »Die  Nebenbuhler«  und  wurden  cngagirt.  luwas  früher 
müssen  bereits  der  Bassist  Frankenberg  und  der  Sänger  Vio  zur 
Taborischen  Gesellschaft  gekommen  sein.  Frankenberg  sang  in  der 


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174  - 


driivaliigkeil  tag.'  da  was  man  iif  umb  eins  noch  niii 
des  [lagesj*  fünf  mil  in  ein  markt  und  schloß  dapi,  heil 
da  erpott  iem  der  von  Siayn  ^  grosse  ere,  und  iederman  gel 
sanct-Vits  tag^  was  man  uf  umb  8  und  6  miel  gein  Ulm. 
man  iem  entgegen  mit  der  procession  gar  kostlich  und  enf 
kciser  also,  und  mit  der  processio  also  in  die  kirchen,  wa 
gar  ein  kostlich  kirch  ist  und  gar  kostlich  erpuet.  also  sc) 
iem  da  dusent  guld[en|,  I2  vas  wins  und  groß  wein*»*  m 
und  ochsscn  und  schoff,  und  erpott  all  sim  folk  da  vil  ei 
lichnam*'  ging  der  keiser  umb  |in*|der  processio.  da  man 
ding  gesehen  hieß.  ^  also  lagk  er  in  dem  Dutschen  hüß 
da  acht  tage  und  reit  da  in  all  kirchen.  also  am  eichten 
sanct  Johanns  tag  zu  suinbent/  hub  er  sich  uf  umb  eins  nai 
und  des  tages  drii  meil  in  ein  statt,  heist  Geysling,^  und  i 
Ulm,  und  ligt  daran  ein  kostlich  slois.'"  des  tages  quam 
schaor"  und  wetier  uns  uf  dem  felde.  an  dem  suinben' 
früwe  zu  Geysling,  und  zwo  meil  in  ein  statt,  heist  Gapj 
ist  des  von  Wirttenberg.'^  und  der  erpott  uns  da  grosse 


d  om.  F. 

b  sie  eni. ;  F  win. 
c  F  habm. 
d  sie  ein.;  F  sin. 
e  om  F. 

/  sie  cm.;  F  Swinberg  (sie!). 
^  sie  cm. ;  F  Swinbcnt  mit  grossem  Anfangsbuchstaben. 
/;  in  F  am  »r«  hier  und  oller  ein  Schnörkel,  nicht  berücksichtigt 


'  Juni  14.  Da  an  diesem  Tage  der  Kaiser  noch  in  j\ugsburg  urku 
Cod.  German,  dipl.  II  col!.  .S97.  898  iir.  ij;,  -o  war  ein  »nacli«  nach  » 
erg.in/en.  »montag««  nicht  etwa  in  »sontag«  /u  verbessern;  s.  p.  17^  V 

^  litwa  Jetiiiigen.  zwisclien  Lhn  und  .\ugsburg: 

*  L'ns  unbekannt  geblieben. 
^  Juni  15. 

i  Das  sind  »Wagen«  (contrahirle  l'orm). 

*  Juni  17. 

7  Der  Sinn:  man  hiess  sichtbar  werden  etc. 

*  Juni  2],  am  Tage  vor  Sonnweiide  (suinbent). 
9  GeisHngcn. 

"*  Büsching  a.  a.  ü.  7.  Theil  p.  649  nennt  die  Schlösiscr  Gey 
Heltenstein. 

"  Hagelwetter. 

Juni  2j,  Sonnwendeabend. 

Göppingen. 
'■♦  Des  Graten  I-Ibcrhard. 


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—    129  — 


•Die  Liebe  unter  den  HanJwcrkcrt^,«  Sogspiel  In  3  Auf«,  von 

Gassmann,  Text  nach  (iolJoni  22.  September. 

(Wurde  später  oft  \vit\tcr  aiirgcliihrt.) 
»Der  verdächtige  FrcunJ,«  Lustspiel  in  4  Aufz.  von  Leonhard        2$.  September. 
»Die  Entf&hntng  aus  dem  Serail,«  Oper  in  }  Aufz.  von  Mozart     26.  September. 

(Neu  einstudirt.) 

»Das  lustige  Bauernmädchen«  oder  »Die  unerwartete  Hoclizcit.« 
Singspiel  in  2  Akten  von  Paisello.  (In  der  Kollc  der  Gräfin 
Olympia  trat  Demoiselle  Purschka,  Hofsängerin  aus  Mainz, 
auf,  die  im  August  bereits  wihrend  einer  Vorstellung 
in  den  Zwischenakten  italienische  Arien  gesungen  hatte.) 
Zum  Schlüsse  »Der  vernünftige  Narr,«  Lustspiel  in  i  Aufz. 
von  Schröder  jo.  September. 

»Clavigo«  von  Goethe  (neu  einstudirt)  2.  Oktober. 

»Der  Mönch  von  Carmel,«  ein  dramatisches  Gedicht  in  $  Aufz. 
von  Frcilicrrn  von  Dalberg  in  Mannheim.  Nebst  Prolog  und 
lipilüg  gcsproclien  von  Madame  Ln^elmann  8.  Oktober. 

(Der  Zettel  2u  dieser  Vorstelluixg  in  Ikilage  V)  25.  wiederholt 

»Der  Jurist  und  der  Bauer,«  Ltistspid  in  2.  Aufz.  von  Rauten- 
strauch und  die  schon  früher  gqgebene  Oper  »Adrast  und 
Isidore«  von  Preu  9.  Oktober. 

»Die  Räuber«  von  Schiller  (neu  einstudirt)  11.  Oktober. 

»So  zieht  man  dem  Betrüger  die  Larve  vom  Gesicht,«  Lustspiel  in 

S  Aufz.  von  Graf  Brühl  X2.  Oktober. 

oDas  Testament,«  Lustspiel  in  4  Aufz.  von  Schröder  1$.  Oktober. 

»Wohlthun   trägt   Zinsen,«    Lustspiel   in  4  Auf/,   von  Schröder. 
(Madame  Brandel  von  Mannheim  spielte  die  Frau  von  Duval) 
Zum  Sdiluss  »Der  Magnetismus«  von  Iffland  18.  Oktober. 

•Una  Cosa  rara,«  deutsch  »UUa  oder  Schönheit  und  Tugend,«  Oper 
in  2  Aufz.  von  Vincenzio  Martin,  Kapellmeister  bei  dem 
Prin/en  von  Asturien.  Text  von  da  Ponte,  überset/t  von 
Andree.   (Den  Zettel  zu  dieser  Vorstellung  siehe  Beilage  V) 

»Das  Blendwerk,«  Singspiel  in  2  Aufz.  von  Gretry,  vorh«»'  das 
sdion  früher  gegÄene  Lustspiel  von  Schröder  »Der  Vetter 
von  Lissabon«  26.  Oktober. 

Bis  zum  Sclilussc  der  Saison  wurden  noch  die  bereits  früher 
gegebenen  Opern  »Una  cosa  rara,«  »Nina«  und  »Hetrui^  durcli  Aber- 
glauben« wiederholt,  dann  verHess  das  Theaterpersonal  l-rankkirt, 
um  die  \'orstellungen  in  iMain/.  zu  beginnen.  Fast  sämnitliche  oben 
niitgetheilten  Stücke,  besonders  die  Opern,  erlebten  im  Laufe  des 
Jahres  mehrere  AulTührungen.  Das  vorzügliche  Opernensemble,  in 
erster  Linie  die  hervorragende  gesangliche  Begabung  des  Künstler» 
paares  Walter  und  der  Demoiselle  Willmann,  scheinen  auch  die 
Frankfurter  sehr  angezogen  und  sogar  den  Neid  des  Schauspiel- 
personals stark  erregt  zu  haben.  Der  Umstand,  dass  die  früheren 
Lieblinge  des  hiesigen  Publikums,  z.  B.  Herr  und  Madame  Unzelmann, 
durch  die  neuen  Sterne  der  Oper  etwas  in  den  Schatten  gestellt 

9 


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muriicn»  \cnir%Jh:liic  uncrr  «km  TheJterpcmMul  tmt  Rrikr  «er 
l'ttrr\u<htclcHti  uml  M«^%hcl1i»:iciicn.  Dic^  orun|cmchmffi  Vrriu:* 
ttvjc  muy%cn  \wh  ifnincr  mehr  «cr^tiArft  lijhm,  j1%  dur^lsi  ic 
PrvniKfe  der  l«crultmtco  Oper  •Ctu  \v\a  riri.«  deren  isLiiiMiiJc 
Mtn  i!r«>^%em  Betull  üelfiMite  Auffuhnng  4ii%  Kcdeutcndttc  TVjtr 
crci(ni\%  dicvr%  Wmtcr%  i«t»  di%  AiHchen  de%  Wihcrwfcw  UMftum 
Kim  1  f  miturter  l*ublikum  nur  ncxh  mehr  uieg.  Viel  Streit  wSe 
dirubcr  efisMjnden  fu  %ein,  Midime  Uttictnunn  die  P«n«e  Jr 
m  der  üben  Ketunnien  l>per  iiine  iuttr.  dir  jUerdmic«  rmt» 
ffeuUeren  Sii;^*crtn  und  rmir  der  I)em<»i\« Ik  Witlminn  iiikjfR  I  -< 
••Hcnr  un4  nuht  ^^cride  mii  vjul'^rcn  Wjlfrn  im  SttSlcn  «rtc* 
iTk*'  Hric  (  *»üin.-H iitchUc  \crjiT!4\\te  j'lctlei  hetit|;e  Aoltrutc  f»"v*4* 
den  Mili:liedern  der  hicvt^cri  Huhne  und  hrjuhtc  r«       «eir.  « 

iin  j-i'  M.r  *ri  eil  de*  FerMmaK  v^Mio^luh  feindlich  f/^tftr  ^ 
'!iiid    Immer  Jciitlivfur  /i.^:c  r-        \k^Uht  l'eheUtindc  m:*.*«»<* 
^      jn  einrt  H> -  i  c  die  leittndc  H^nd  eine«  li^hminmKh  yehUk««^ 
Mr  f.cN  ii!i't    l  :'.-/.mjnn  *cil  ■'t  ^^helm  m>  «utli  m  die  ••«l«^* 
und  heiM-luhen  Reil'efcien  vcf  \A  i<.li  !t  >je»c*<  t«  /u  \r:n.  Jj\»  mar 
rulct^l  M»j«4r  eu  ui  r  vdri^ren  Kii^heiki  |;c|;en  dj%  K*>n«t!erpur 
/i:tfji.Ttf.    I>iN  "1  r ji»'..:;.rti  r  Sta4t%-Ki'ktrettc>«  \'iv.  j'** 
Inr.:  •  .tIixIi  t<'  ,\tu!c  I  r^iaruni;  um  ihiti      A^n  t:  ;  ^'%n  «we* 
i  reinde  lube  uh  cruhrin,  dj'*'.  tnjji  n,ivlt  W\tii  I*uK  »i.--  ?  •  JJ* 
VerJi^^cr         in  lleirti  i  !>J  M.iJjmc  \S    f  U  jitcr)  \i»n  M«f«^  ' 
ji  \  fcv*hricVv ' ». '1  H'^!»^    !  jlt.  uc'whcr  ihre  Verdtrnttc 
t.*'J  iwl  iiT*e        ;  iUiiiit  cniie  An  herunter  \etft.  LH  vKJtfc  ^e*^  * 
^  .  'J  ir\te  iii'J  hiie  ik.r  ihre  muMKjliv%hen  1  j'ot*:r  j"c  rr. . 
A«*.?».'*i:   Auvrrdctn  A,«-r  i.\t\n  es  nur  «■Itnuv, '  ..  S       «tiRult  •*  w* 
.<  c  1  II  r  :f  ^o  .luvvvrvt  vhjt/l'irv*        ktjm  denkt,  dj%  R*ir  Je  *k' 
J.''V  n»  '»i>  A  '  '  j'V  nui  t;  .  /uhen  l*ri»ben  «4**  l  f< 

As*".'  /  1' J  Jc\  iU\;4l\  «^!.iiikte.  A^^  Mann  \i*n  l-h;e  urj 
•  »  <i"t'  V '  n  »  'n.f,  *jft  I..  :e  uii  nv.li       »redfwii'rTt.  le^er'  »'ii  . 
4»'v*  (»if.-«!.i  /u  i  '.'i  vfcn.  und  erV'.are  hnrmu.  dj*»  u*i  ^rJr 
tSr  \         er  d.»  *v  liru'cv  l'T,  :1  n  tN'*M»  «rni|:  ke»*f»e,  "^v  ar* 

I  •«  •*!•,:  11  '1  »        ;  '  .   '    -     N^»;   J«.  r  A.  •  c   v  Jv  ?      ^  :  ' 
\.     l  ^?      •  •  .  <:..'/♦%    t    ••  M-  :  ,•  r  .  t  •    r  V»  V 

/  V  \  '  t    /  •    ,  '  i  '  !■  .  1  '<  V  ?'  •         t .     .  •  ^ 

V\  »  .'c  K«  Ii' J  1-  '»ai-t'»  J.M  i^k  ji.N^-<.«4  4UKii  *i.rc%n,    •■  ». 


—    131  — 


gegnerischen  Parteien  gegen  einander  aufzuhetzen,  dafür  zeugen  unter 
anderen  Nachrichten  auch  die  Briefe  der  Frau  Rath  an  Unzelmann.' 
Dieser  befand  sich  am  Anfang  des  Jahres  1788  in  sehr  bedrängter 
Lage.  Ausser  den  Intriguen  seiner  Kollegen  drückten  ihn  auch 
Schulden,  beunruhigte  ihn  die  Befürchtung,  dass  der  nun  bald  ein- 
treffende Direktor  Koch  ihm  die  besten  Rollen  wegnehmen  und  da- 
durch seine  Stellung  herabsetzen  werde.  Unzelmann  scheint  sich  in 
all  diesen  Wirren  nicht  gerade  tadellos  verhalten  und  seine  Freunde 
und  Gönner,  besonders  die  Frau  Rath  und  den  kunstsinnigen  kur- 
mainzischen  Kammerherrn  Grafen  Spaur,  beinahe  an  sich  irre  gemacht 
zu  haben.  Aus  zahlreichen  Briefstellen  ist  zu  sehen,  wie  sehr  sich 
Goethes  Mutter  darüber  bekümmerte,  dass  die  Ehre  des  genialen 
Künstlers,  dem  sie  so  manche  genussreiche  Stunde  verdankte,  viel- 
leicht gar  ötfentlich  gebrandniarkt  werden  könnte.  In  mütterlicher 
Weise  giebt  sie  ihm  Rathschläge,  crmahnt  sie  ihn  zu  tadellosem 
Verhallen,  hält  sie  ihm  auch  seine  Verkehrtheiten  vor.  Und  als 
schliesslich  nach  Unzclmanns  heimlicher  Abreise  von  Frankfurt 
anfangs  April  1788  seine  Schulden  und  sonstigen  Ausschreitungen 
das  Gerede  in  allen  Gesellschaften  waren,  da  fühlt  sich  Frau  Rath 
so  im  tiefsten  Innern  erschüttert,  dass  ein  dunkler  Schatten  auf  ihr 
sonst  so  heiteres  Gemüth  Hillt.  Sie  hat  den  jungen  begabten  Künstler, 
dessen  vielseitiges  Talent  sie  entzückte,  ihres  näheren  Umgangs  ge- 
würdigt und  ihn  gefördert,  wann  und  wo  es  nur  ging,  jetzt  jedoch 
ist  sie  so  empört,  dass  sie  beinahe  bereut,  ihn  jahrelang  wie  einen 
Sohn  behandelt  zu  haben.  Allem  Anschein  nach  sollte  Unzelmann 
den  damals  schon  mit  den  Theatcrgcschäftcn  am  kurmainzischen  Hofe 
betrauten  späteren  Intendanten  Freiherrn  Friedrich  Karl  von  Dalberg 
wegen  seiner  heimlichen  Flucht  um  Entschuldigung  bitten,  weil  sich 
der  Künstler  bereits  dem  neu  zu  gründenden  Mainzer  National-Theater 
verpflichtet  hatte. 

Keine  Mühe  war  gescheut  worden,  um  das  Künstlerpaar  Unzel- 
mann dem  neuen  Unternehmen  zu  erhalten.  Als  der  oft  unbesonnene 
Mann  schon  mit  der  Truppe  von  Mainz  nach  Frankfurt  abgereist 
war,  suchte  ihn  noch  sein  Wohlihäter  und  Gönner  Graf  Spaur,  dem 
augenscheinlich  nichts  Gutes  ahnte,  auf  alle  mögliche  Weise  von 
einem  gewagten  Schritt  abzuhalten.  Er  scheint  von  der  guten  Absicht 
geleitet  worden  zu  sein,  Unzelmann  möge  unter  allen  Umständen 
eine  heimliche  Flucht   unterlassen  und  seine  Verpflichtungen  auf 


'  Dorow,  Rcminiscenzcn,  Leipzig   18.12,  Briefe  der  Frau   R.ith  an  Unzel- 
mann, S.  i}4— 1^9-    Auch  Meincmann,  Goethes  Mutter,  S.  179—186. 

9* 


ttifcn  üc\  NjtiumiM'hciim  ru  ruhten  und  L  luclnunm  Cmcn^hr 
«biufitcr  n»  «cum,       Uiocr  \}^icr  nkhi  lOci kennen  «lAic.  * 
ittMi  Npjuf  «iiLluh  cinrr  %o  niedrigen  lliikllnnK  iäht^  «if*  m^%% 
«i^liin  |.'e%tellc  bleiben.  JeürniilK  «ir  er  «omt  cm  cillcr  jtniwimpi^-cv* 
Men^«,h,  Jcr  Uniclitfann  \tcle  WciMthitcn  «r«ie»cii  und  «ktica  Uib*< 
bjrkvil  in  rekh^tcm  Mjui«  verdient  kjttc.    Vcrwkicilciic  lN.«;4tf 
hin en  in  dincm  I  iUe  ntKh  der  gründlichen  Autilifunit.  Wir  « tr  %  r* 
mufhen»  nu^htc  Dalberje  dem  Künstler  Vt>rhjliangen  über  die/«««?  • 
keitcn  unter  dem  HieiCerpcrMmal,  viilieichi  mch  uher  dcvMn  VhttU««- 
M<<»-!uh  «  irr  c«  )A,  dj\\  l'nrrlminn,  der  \tm  vmchiedctwa  C^^^nScm 
hjrt  bednitgt  «urdr,  %uh  aul  Kcvhnung  der  •I  mrcpmc«  «cum* 
Kredit  \er««.hjKt  hitie«  «'4^  «treng^tem  verKoten  wir.  /a  r«w** 
Uiden%«hjitUv'hen  Auftritt  /«is«,hen  Dalbcrf(  und  L'nrrlmjnn  n-u^i  n 
(•iktimmenvein,  denn  der  letrtefe  wticint  in  der  llettigVeii  brkidvftCfUr 
Aiivralle  gegen  «einen  Vmgevriiten  gewige  tu  haben.  CM*et(ir»  Mwvc- 
riiii  iinn*rr  rum  («Uten«  %u'  lorderi  Unielminn  »vi,  %emcn  ir*««« 
nH<th:.:en  (f«>nner  Spaur  tum  Vermittler  fu  «ihirn  und  kund- irr 
dt<  I  teutidvkhift,  U\\\  er  di%  Venvjuen  de«  rdten  (traten  ab^hcv 
fiii««brjiuhe  und  ilin  mit  in  di%  Khc  Spiel  hinrintiehc.  WtthS  nn^**« 
(»r4i  Spaur  ir/cnd  einen  cnt««.l>eidcndcn  Schritt  im  Intcfr»«« 
K.. notier«  irethan  haben»  aber  da««  er  «eincf«egen  rmc  li'.viw^ 
S'rri(*«'en  haben  ««>!lte,  ef«^heint  ganz  an1a^%lKh.   Wlic  dnr  m 
*.:^S  «t»  ^H«e«rr.  dj«  ie<»h!luhe  Grmuth  der  brau  Rath  luftc  «.' 
wbi-r  dji;iren  i;(^:r^,.bt,  den  C^iaten  nicht  nur  in  Vbuii  ru  ne^-Te- 
%iM>d&rn  aiKh  \«>n  dem  Verhallen  iTnaehiunn«  gegen  diem  «i^ 
|t  •!*itri."«,*  der  alten  I-reund«vhjlt  abhani;.»;  fU  machen 

W.tf  LS.  er  11  n'.n  di\  Kt':H;\Tj      hier  und  m  d^r  rhc." 
V*  te%    «Stadt  n*  stc,  b«. Uli  ist  der  I  ciAtand»  dav«  et  **  " 

d>   i'i  l.i*:i^}kr  A^fi'^e  /i:  ctmi  J.pti»inati«^lien  \««te«  %c.  « 

J.ri  dm  II.  !vi5  \»  n  Mj  •*••  und  Bei!.»  kam  AI*  l••t«'^-*^■ 
*.•  J  M  'c  If  i.  V«  ?t  4'  *.  >'.rT/enJe  Triuirphe  lc:ertrR.  «-■*- 
.' 'c  Vrt  :  ,  iLUn  t? -.t  J*f  It..!,c?vti  f):fckMin  in  •:un%t;i(r-  1^ ,  - 
!  ?  '  1  5'»  ^t\'»ti  A!  •!*   V  d-e  httk'e  Ai'/cle^re^*«  "  -*  * 

\.  r  t«' J.  i'i  i'v  f       !vl4!<!'t.  I>a  lier  IrauRath  Sre  I>i 
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—  Iii  - 


ihm  fera«r  aus  Verlegenheiten  half,  kann  man  zu  seiner  Ehre  an- 
nehmen, dass  er  sich  nicht  unedel  gegen  einen  Mann  verhielt,  der  ihn 
künstlerisch  gefördert  und  ihm  aus  mancher  Nothlage  geholfen  hatte. 

An  Unzelmann  und  seiner  Frau  verlor  die  Frankfurter  Böhne 
im  Frühling  1788  zwei  unersetzliche  Kräfte.  Frau  Rath,  die  lebhafte 
Theaterenthusiastin,  wusste  das  wohl  und  konnte  sich  deshalb  nur 
schwer  in  den  Abgang  des  Künstlerpaares  finden.  Dennoch  freut  sie 
sich  über  dessen  grosse  Erfolge  in  Berlin,  aber  sie  selbst  kann  das 
alte  Vergnügen  am  Schauspiel  nicht  wiederfinden.  Unzelmanns 
Scheiden  von  Frankfurt  und  die  damit  verbundenen  Unannehmlich- 
keiten versetzten  ihrer  Vorliebe  fUrs  Theater  und  ihrer  Freude  am 
Umgänge  mit  gebildeten  Bühnenkünstlern  einen  Stoss,  den  sie  bei 
aller  Nachsicht  und  Gutmüthigkeit  nie  wieder  ganz  überwunden  hat. 
Im  März  1788  spricht  sie  von  dem  »verwünschten  Volk,  dem  Ottern- 
gezüchte« und  deutet  an,  dass  ihr  ausser  Unzelmann  noch  Personen 
von  der  hiesigen  Bühne  Hnttäuschungcn  bereiteten,  auf  die  sie  grosses 
Wrtrauen  gesetzt  hatte.  Der  Briefwechsel  mit  Unzelmann,  der  Frau 
Rath  gewiss  manche  Aufregung  kostete,  ist  eine  der  werthvolUten 
Quellen  der  Frankfurter  Theatergeschichte  für  die  beiden  letzten 
Dezennien  des  vorigen  Jahrhunderts.  Die  meisten  Nachrichten  fallen 
auf  das  Jahr  1788,  während  dessen  Verlauf  die  hiesige  Bühne  nach 
kurzem  Interregnum  immer  mehr  einer  neuen  Gestaltung  entgegenging. 

Am  19.  Januar  sollte  das  Theater  mit  einem  neuen  Lustspiel 
»Die  Sitte«  von  Graf  Sp;iur  eröffnet  werden,  allein  wegen  Abbruch 
der  Schitibrücke  in  Mainz  und  anderer  Hindernisse  konnte  die  an- 
gesagte Vorstellung  erst  am  22.  Januar  stattlinden.  (Siehe  den  Zettel 
in  Beilage  V.)  Wöchentlich  scheint  einmal  gespielt  worden  zu  sein  ; 
denn  Ende  März,  als  es  bereits  I  rühling  geworden  war,  nimmt 
die  eigentliche  Theatersaison  ihren  Anfang.  Hine  der  ersten  Vor- 
stellungen nm  28.  März  ist  «Der  Mcinch  vom  Carmel,«  dann  folgen 
bis  zur  früher  besprochenen  Aufführang  der  Käuber  am  5.  April,  in 
der  Unzelniann  kurz  vor  seiner  heimlichen  Flucht  von  I-rankfurt  den 
Franz  darstellte,  Wiederholungen  der  beliebten  Opern  »Una  cosa 
rara,«  »die  Entführung  aus  dem  Serail«  und  »der  Apotheker  und  der 
Doktor.«  Auch  das  ungemein  beliebte  Lustspiel  »Das  Räuschchen« 
von  Brctzner  wurde  am  2.  April  wiedergegeben,  ebenso  ging  das  effekt- 
volle Rittersiück  »Kaspar  der  Thorringer«  auf  Verlangen  wieder  in 
Scene.  Die  Dekorationen  und  Kostüme  zu  diesem  Stücke  waren 
neu  angefertigt  worden  und  ungemein  prächtig;  ausserdem  zählte 
ßöheim  den  Titelhelden  aucii  zu  seinen  (jianzroUen.  Am  ij.  April 
wurde  mit  grossem  Beifall  eine  neue  Oper  »Der  Geizige«  oder 


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ftWcf  di%  («)u«.k  hit,  liihn  die  Brjut  heim«  iufisclulut,  «iAOO  t%^t 
jm  Mitt«owh      April  Jic  l^rinkfurtcr  Frcmkrc  %i>a  SwIuiUr«  tlX' 
(^flc>%.«   In  Jen  lliciccrjnicifscii  der  hicM^scn  BUitet  «ufdc  ier*Jt 
%tt  «ctner  Zeit  Kci  der  crMen  Aufführung  dr%  l-ietko  bckjam 
mi«,hf.  d4%%  wci;cn  l^ngc  des  Siuckn  der  Anfang  wn  (  Uhr  v: 

Mn  der  IVemicre  de%  ■Don  (Iirl<H«  luhnc  %h:h  der  hm 
Thejicrdirekttir  Sie|;lned  (fOichilt'  H%khjrdt,  gemnm  KiK.h»  hn 
hic%ii;cn  INihlikuni  ein.  Gleuh  mivh  «einer  Ankunft  in  Irjnk;«- 
i.nde  Marx  17KK  bt-gannen  die  fVuh<n  tu  dem  Werke,  da»  hrc?» 
in  llimhurK,  Ix-ipng,  Dresden  und  Mannheim  AulTuhrungen  tt\tf 
lijtte.   Da  S«:htl1er  »eit  GrcHimmcn  Abgang  nicht  mehr  m  m^cnf 
Rc/ühungcn  ru  der  hie^gen  Buhne  stand  und  kctncrict  Anftg«%te 
III  seinem  neuen  Drami  von  l'rinkfun  au»  empfing,  hahm  ^rr 
n««,hi  weiter  auf  die  Hniuehungsgewhichtc  und  verKhiedcncn  l  *s 
geMaliungen  desselben  naher  emiugehen  und  nur  in  bemerke«^  iS««* 
S^^h  \Ur  den  bereit»  im  Druck  erschienenen  »Don  ClirttM  m  1« 
Uvhcr  Weis«  lur  da»  Theater  bearbeitet  hatte.  In  der  emen 
Kh*(tt  er  den  jambischen  Ver»  bei,  in  der  anderen  Umc  er  7 
l*ri»sa  4uL  Wj»  dies«  letztere  Bearbeittmg  betnlTt,  Mt  «ar  die  VeM- 
li'V'c  de»  Hu^hjramjs  ruummeiigedrangt  und  aiistcr  unhcJruiettar* 
I  iM/«!Kcitcn  der  Svhlnss  dahin  abgeändert,  da»»  Don  Cark»  d^  t- 
s^h«.!J  def  Kcmiicin  utTenbart  und  »uh  dann  cniKhc.    V««  dcv 
Vefi'ulcfuri;  «erspraclicn  suh  sowohl  die  Bohnenpraktiker  a » 
Duhtvr  \i::*.t  eine  ^»ri-were  Wirkung  aul  da»  PuM  kum  * 

Üt'r-ts  tr  Jier  ist  gelegentlich  erwähnt  wurden.  da>s  der  S,''a. 
sp  i\i!riitt>r  K«Kh  in  Kiga  %on  Schiller  da»  Aulfuhfimg»re^^  X 
«I>t  n  (.j;!«>«t  ii.r  imiTluVr  erworlsm  hatte.  Kuvh  wählte  w  e  4  * 
K»>'\,-c  BiH'J  'M  in  Dresden  die  l'rovtbeaibettimi;.  wahrind  V^* 
4'i!       Auv:u\t        d:*r  Jen  firitbiuhen  Ver»  beibclialtendc  l  •• 
s«ir/-  /«»f  ef  We'.e  nr  I>jrst\''»ng  brachte.  <H»  Ktich.  br»i*  er 
I .  •        Jts  »rc/cn  VhauvpieK  übernahm,  den  »Dun  ILaiU*»*  äx» 
;n  H  .'i  at.l  «!  e  H  H'ie  bfuhte,  ist  un»  n<,.ht  bekiwii,  «  r  « 
r.»r.  d»«\  J%t  MjT.p.:>  I'i*\a  seine  liie%>,:e  Ai>tnttsft*üle  ^e«e»cr 

iKr  Ait«:  r.r  l'ftiii^fe  dis  «IXtn  (^rM>%a  m  Iranl-.T  »r 
!  .        I'  *r.t  4..J  t.'"*ihn.  e"rvn\u*tt:v  ein  andere»  l*i«»tf»«*t— 
»•«r  t!.r  I.  V  .in  Ai.?t..!ir..'vtn  des  Sti.^Le»  im  ersten  |i*'sc*r 
*  is*t  M'k*i;  AKt  d»f«>h  e:ne  Kritik  über  d«e  %  Ci 


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1 


1 1«  •* 1. 


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Wiederholung  des  Dramas  im  Sommer  1787  wissen  wir  wenigstens, 
wer  zum  erstenmal  dessen  Hauptrollen  in  Frankfurt  darstellte.  Die 
fünf  Vorstellungen  des  Trauerspiels  »Don  Carlos,  Infant  von  Spanien,« 
die  am  16,  April,  31.  Mai,  30.  Juni,  29.  August  und  24.  September 
hier  stattfanden,'  gingen  in  gleicher  Besetzung  in  Scene  und  errangen 
sämmtlich  grossen  Beifall.  Also  auch  dies  Werk  Schillers  gewann 
die  Sympathie  des  Frankfurter  Publikums  im  Fluge  und  blieb  hier 
keineswegs  eindruckslos  wie  in  anderen  Städten.*  Vor  dem  Beginne 
der  ersten  »Don  Carlos«-Auf!bhrung  am  16.  April  1788  sprach  Direktor 
Koch  eine  Antrittsrolle  in  Versen,  in  der  er  auf  seine  Kunstthättg- 
keit  am  Dünastrande  zurückblickt  und  sich  der  Gunst  des  hiesigen 
Publikums  empfiehlt.'  Die  Ansprache  unterscheidet  sich  in  keiner 
Weise  von  den  schwülstigen,  in  unterwürfigem  Tone  gehaltenen 
Theaterreden  jener  Zeit  und  findet  deshalb  hier  keine  Wiedergabe. 

Zur  Vorstellung  jenes  denkwürdigen  Bühnenabends  übergehend, 
der  eine  neue  Aera  des  hiesigen  Theaters  einleiten  sollte,  führen  wir 
zunächst  an,  dass  Koch  sein  Bestes  gethan  hatte,  um  die  Inscenirung 
des  Stückes  so  glänzend  als  möglich  zu  gestalten.  Damit  das  mit 
grosser  Spannung  erwartete  Drama  in  würdigem  Rahmen  dem 
hiesigen  Publikum  vor  Augen  geföhrt  werde,  müssen  sogar  neue 
Kostüme  und  Dekorationen  dazu  angefertigt  worden  sein.  Diese 
reiche  Ausstattung  ist  freilich  nicht  nur  als  besondere  Anerkennung 
des  Dichterwerks  aufzufassen,  sie  stellt  sich  vielmehr  zugleich  als 
augenfälligü  Zeugniss  dar,  was  der  neue  Direktor  auf  dem  wichtigen 
Gebiete  der  Regie  zu  leisten  vermochte.  Koch  wollte  ja  an  diesem 
Abend  als  Marquis  Posa  nicht  nur  sein  schauspielerisches  Können 
zeigen,  sondern  auch  eine  Probe  seiner  Befähigung  zum  künstlerischen 
Leiter  des  hiesigen  Schauspiels  ablegen.  Besetzt  war  das  Stück  in 
den  Hauptpanien  folgendermassen : 

Stegmann,  der  bewährte  Freund  der  Frau  Rath,  gab  den  König 
Philipp,  Madame  Fiala  die  Königin  Elisabeth.  Die  Eboli  wurde  von 
Madame  Böbeim  dargestellt,  Herr  Mattausch  spielte  den  Don  drlos« 
Böheim  den  Herzog  Alba  und  Wolschowsky  den  Perez.^  Die  Ver- 


•  Die  rt»e.itcr;in/cigen  /.u  dem  Stück  finden  sich  in  den  hiesigen  Blattern. 
Die  Vorstellungen  des  »Don  Carlos«  am  29.  Au^just  und  24.  September  sind 
S.  19}  ff.  des  I.  und  S.  49  ff.  des  II.  Qpartals  1788  der  Dramaturgischen 
Blätter  von  Sdirdber  be^wocben. 

*  Devrient,  Deutsche  Theatergescfakhte,  ).  B.,  S.  166. 
)  Theaterkalender  für  das  Jahr  1789,  S.  227—229. 

4  Siehe  die  in  Note  i  angegebenen  Stelten. 


tfciet  <lcf  jmicrcii  RolUn  Uvttn  s»%U  tiuht  iscnau  KTMiamwn*  4i»k^ 
tut  /«ciiilliK  btfi  (1cm  i^n»^'^  PcrMUMl  dct  S(ii«.kn  4cr  bokwimK'r 
Tlicil  der  TiKifiKhcn  Gi-%c11^hjlt  bei  «kr  VocKrllui^K  cnitc««  «i- 
l>ic  ktciitc  lur  Kindcrroücn  cnK^i^ine  htiut  StcKiman  ftth  »uhl  St 
Inumiit  Ojra  Hu|>c7)u. 

r)i  J;c  l'rcTUiifc  di^  "Don  (.arlt»s«  tri  Jic  vliltmn-v.k  /;  • 
l  •  .-^ 'm  jniivJu  n  Wirren  t.iüi,  ixt  vn      ».  i'clhift.       I  rj  :  Ki;'(. 
\n  ■.'■ffi  iji'iu!i;  in  ^'lAlr^KLicti  Stirtjiniir>i;  d'c  \\)f fc:cnij':i:  t.>f  t. 
:     ;>Krt  u!iM  f  \^  ^•^^.•rl  reu  Ml,  liiK*n         v«'^        t  -* 

t  ixthJ-c  Ai.i.'Civhruitti:  i.';  er  vl.ivcn  Hi. Imcrubcnxl.  \koh!  Jtxr         .  - 
|y.!ji;f  .  0  Htü^crkun/cn  in  ikn  lirurcti  jn  l'n/tlrujr".,         •  . 
(  jfl*'^-  f:<  ..ti  IUI  St>nnr.i.r  17.VS  f,'iMlicn  und  Scuu-mcn  it.»  is-*. 
i::  ;firi.ri  Spriv )in,. Jut/  auli:cr>OTnincn  fut. 

U      I  :iu  Rath  (»ov-t!)C  IciJcr  un:erl:cs\,  Hai  ihr  Hcitf^  tftf 
Vctth'tr  Pfi'ii  .Sur  A!«>\Mu>  Willsvliu  Svlirc::'cr  cir!rj!cf"'i'.*ir* 
VC*  .}'xv.   \\m  d.-u  ^H-  ;:/iri  ^ir  nKhfrfc  KfüAcn  [iri   ■  ■ 

.Vi.v  i  n  ilo  »•I)»»ri  (,jr',>  •    in  J».:)  |j*:r(rtT  l"^'^  üT'.i  i'*-'  ^ 

M  .  • .'  r  ' bc.  .itm  S(.:r\  *  I  j l'i..  !i  der  Mj:n/cr  S^I-jü:..  ."f..  Jr". 
tr  iHT  din  WcttIi  i>>icr  l  :i%M-itli  Jcr   it»  Mj:t*./   i.r^j  f i 

j.'.i'     'TiM   1  iicitir^'  ..kC  lir-.l     .l'cr  J  u  Sj»:cl  der 
M        !kH  :tJi'"i.:  •  Ii/ibtuh  der  M.i-.ti/cr  V  i..:s''v;»  , '» 

I        u  (  Jcr  C.II   i.r^J  vii.rJc   im  [:.!:  i;''^   in  den    D'a-?:!  ', 
H  illif  \'\.\     l  r:cd::vh    I     '"•.t,*er)    •■'r:,.'.^.'  *  \->." 

'   .  /    •  V '  •  !;  !»fj,V;e  c  v..\\  Jet:-,  T  i;  ».  :\:v!:e  .-.    r"  .  v^- 

■    '   -  :  .        I.  SJre.le:  '»..,i:>!  .  :c         nci;c%  L  ■ -v- . 

in,    ,1.    f.   :   t    r   !eM  ;»r(.         \V\t:^i  '.ludirTi  n'.i.'r  V.  ■ 

f.  •    '     :  Jl-  I:  '  .      er  '!tc,*  a';«.r  ju%  Mjr^i;..!  2r.  Ar^'M*"'^" 

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iiv -'i,^*   /.r  ;:vf  i.t:d  .M4:f;'t.f  ii.^bncniicv^huitu  nkr  U*'« 

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*    ^     i  \  .':  .  di.%  S:../^\%  |;vk(.ii  litc  iitib....,k<  Rcir'  ' 


eines  ungenannten  Literaten, '  der  andere  bespriclit  die  Leistungen  der 
Hauptdarsteller.  Die  Auffiilirung  des  Trauerspiels  an  diesem  Bühncn- 
abcnd  war  nach  Schreibers  Ansicht  ^ine  sehr  mittelmässige.  Dann 
berichtet  er  weiter : ' 

»König  Fillip  —  Herr  Stcgmann.  Stegmanii  ist  kein  König  —  sagte  mir 
ein  berülimtcr  Schauspieler,  der  neben  mir  stand,  und  ich  niusste  ihm  Recht  geben. 
Selbst  die  Mischung  von  Aberglauben,  Eifersucht  und  Despotismus,  die  doch  leiciitcr 
auszudrücken  sind,  als  Hoheit  und  Würde,  fand  man  sehen  in  seinem  Gebehrden- 
spiele.   Er  benahm  sich  so,  dass  man  verlegen  war,  was  man  aus  ihm  maclien  solhe. 

Ebenso  wenig  ist  Madame  Eiala  eine  Königin  l'iUsabeth.  Diese  Würde  bei 
so  viel  Herablassung,  diese  Weiblichkeit  bei  so  viel  Hoheit  der  Seele,  diese  ÜlFen- 
heii  bei  dem  Gefühl  ihres  Standes  —  ist  freilich  schwer  zu  erreichen. 

Don  Carlos  —  Herr  Maitausch.  Hier  und  da  glückt  ihm  der  Ton  dieser 
Rolle;  aber  sein  Spiel  ist  nicht  Wicderklang  der  Saiten  des  Herzens,  nicht  eigent- 
liche Darstellung  —  in  ihm  fehlt  die  augenblickliche  Reizbarkeit,  die  elektrische 
Berührung,  die  durch  alle  Fibern  zittert  und  die  ganze  Empfindung  in  Be- 
wegung setzt. 

Eboli  —  Mad.  Böhcim.  In  ihr  sahen  wir  das  sanfte,  Liebe  aihmcnde,  aber 
auch  eitle  Mädchen,  das  sich  ganz  hingeben  will  einem  Einzigen,  kein  einzelnes 
Blatt  abreissen  lässt  von  der  Blume  ihrer  Schönheit  —  das  nur  einmal  schenkt, 
aber  ewig!  nur  Einen  glücklick  macht,  aber  diesen  Einzigen  zum  Gott!  Aber 
auch  das  Mädchen,  deren  Tugend  ihr  Stolz  bewachte  !  das  seine  verschmähte  Liebe 
mit  Aufopferung  seiner  Tugend  zu  rächen  sucht.  Vornehmlich  gefiel  sie  mir  in 
der  Scene,  wo  Karlos  zu  ihren  Füssen  stürzt  und  um  eine  Zusammenkunft  mit 
seiner  Mutter  bittet.  Das  Bcwusstsein  ihrer  Schande  glühte  auf  ihren  Wangen  und 
sprach  in  verwirrtem  Blicke  —  Liebe  und  Hass  arbeiteten  in  ihrem  Busai  —  und 
wie  nun  der  Marquis  den  Prinzen  gefangen  nimmt,  überfiel  sie  schrecklich  der 
Gedanke:  »Deine  Verrätherei  bringt  ihn  auf  das  Blutgerüste!«  Mit  Verzweiflung 
in  ihren  Mienen  eilte  sie  zu  den  Füssen  der  Königin  und  bekannte  zitternd  ihr 
Verbrechen,  das  wie  ein  Fels  auf  ihr  lastete. 

Marquis  von  Posa  —  Herr  Koch.  Ungeachtet  sein  Körperbau  auch  hier 
mit  seiner  Rolle  einen  kleinen  Widerspruch  machte,  so  vergass  man  ihn  doch 
über  die  Wahrheit  und  Schönheit  seines  Spiels.  Nur  in  der  ersten  herrlichen 
Sccnc  mit  dem  König  hätten  wir  gewünscht,  er  hätte  weniger  Händespiel  an- 
gebracht. Der  Marquis  spricht  hier  mit  ruhiger  Wärme  —  das,  was  er  dem 
Könige  sagt,  sind  Ideen,  mit  denen  er  vertraut  ist,  und  der  Ausdruck  liegt  daher 
mehr  in  dem  eindringenden  Ton  der  Worte,  als  in  der  Gestikulation,  die  noch 
dazu  in  Gegenwart  eines  Monarchen  sich  nicht  ganz  mit  den  feinern  Regeln  des 
Wohlanstandes  vertragen  dürfte. 

Wegen  Mangel  des  Raums  kann  ich  über  das  Spiel  der  übrigen  Herren  und 
Damen  für  jetzt  nichts  sagen :  ich  verspreche  es  für  ein  andermal. 

In  Schreibers  Rezension  über  die  hiesige  Vorstellung  des  »Don 

Carlos«    am  24.  September   1788'    werden   Herr  Stegmann  und 


'  Dramaturgische  Blätter  von  Schreiber,  1788,  I.  Quartal  S.  19}  tT.,  ferner 
S.  209  u.  II.  Qyartal  S.  17  tT. 

*  Ebenda,  I.  Quartal,  S  200—202. 
'  Ebenda,  II.  Quartal,  S.  49— SS- 


MjJjroc  I        >fc:«.Jcr  iK  Konu:  IMitUpp  ui>J  Kont^jm  hhviSct^  ,v 
tjj.i.!;    Ikrrn  Siij^rnjnii  wirit  SsKrciK-r  xor,  dis\  er  \tt*it  iV.t'  \ 
■  Jm  Ml  VM.ni»:  JUS  Jcr  Kollc  iiu^iic,  unj  M-iJ-inK  }  iili  «  irJ  «U^i-^ 
j  .'1   ? w^jiTi  ^crtuvlit,  uic  vkciii^  ihre  hti:cnart  ij»J  ihre  Airuv%<r 
kc»;  ti.r  iiic  )uj;cnilh^hc  K«Miii^ui  pjvstkü     t)ic  Kuti"v!lcnn  *  ir   i — 
t.M'%^*vi  Jvn  /II  ilt  für  titic  Rolle.  Jic  in  Majjriic  l  fwc!rtt»n'' 
t  TK*  !(!  'tiltr  Bc/ichiirii:  pisstiiJcrc  \  crtrttcrm  ^cftnulcn  hi!:c    ^  i." 
Mifr  Mi'.tJuvvli   in  Jcr   vorigen  Kc/cnii^m  juch  n;».h!   ^ii::/  k-rs:. 
i«ri.r:hv;4  werden,       spendete  ihm  Svlircibcr  diiMTi jI  Scir.i^ic  i.?-^ - 
^•i v^hflnktc*  l  oh    »l.r  vpicitc  un^lci^h  bc>v<T  aK  tieu!:».h,«  n.' 
Jvr  DfinU'.ii'i:.    »1  Js:   Jur^hjns  /c:}:tc  er  ut^s  Je«  Uurii^cn  1 
\o\\  I^Jm^^lul:,  in  dem   jbcr  jede  I  cidcfu^hiU  d:e  edcl>Tf  <p. 
jnnimntt  •  Nur  «>unvh(  der  Kritiker,  cmi^je  SutUn  mi>;e  der  K  -  u 
Icf  in  einem  anderen  Ton  ^precKoi.   hr  mA«:hi  Jen  Ic^/urm  — 

jhcT  immer  «ledcr  do^-n  l.ct^tun^  an  und  mctm  kKIi<\*1uK 
djtw  »tXm  (UrU^v«  \ie)letvht  nt^h  da«  whtinuc  /<U|etiu%  t^x 
Ku'utlirrulrnt  ^ihi  Mituuwh  «erden  kimnc. 

Herr  Kovh  aU  l'ovi  und  Madime  ßtihcim  aK  hbuli  tindm  m.cidc- 
Sliralxrt  %•  !!c  Ancrkvnni!'^«:.  MKh  Herr  Ik>hcini  »Ullmoic  Sl^4  » 
yut  irtimrt»  Nur  beijmft  S«»l>rcibcr  nuhi,  «arum  «r  M%h  Jen  lU.»* 
i'.vttofite.  aS<»  ctm«%  ver};u-N  man  nur  im  l.u^%|iie>c.  iVle«  c 
karjktcr>%tiKh  «vin'«    Im  i:jn/in  lult  der  nemli^h  vircni^e  K'*  t;« 
MtKh  d<n  IVrc#        Herrn  W<nv.h<m«k\  ruf  eine  i;«iic  1%.  tt^*. 
a^cr  er  nu^m  /un  Vh!  .v^c    ;  >'.tiN^!i.  die  indcren  Mimrkc^Sr* 
l<  "*Hn  \iin  \^^A\  vi|:cn'    »Nin  ntjtneru%  Mi*nti\*« 

Au^%er  d^n  M'fM%!:etidcn  Kr;fkcti  ^i'id  nuKh  /«o  Retef  * 
d%-%  S;i.%ke\  M»'}  S.r>rci^er  -lu^  dem  jähre         \ivliAnd«n    (K<  e  « 
'^*J'.o'»l  «vh  an  <i:"e  h:e*;»c  Vof«t;!wnu  dc%  Muvke«  Jiti  H  IC«  ^ 
di  a'id%'e  k'i:  «:Tt  eine  vt>Uhe.  die  in  Main«  am  t4.  Ma:  »ur*«-c 
fi.  'c  lU'prikh.  "/«rn  ^:"J  t  ?  d;«  li'vv^e  llt/ine  um  %•» 
4  n    •  .«vk  '«run  rn  |\-r\i  t:i2  «ii.^  Main/  I  rankluner  TTiea;e«i  .m, 
\ ifi;  dt.;    /III  \iir/e»  i*','en  uareti.     Herr  Mattai.%%!i,  Herr  ^ 
M> !  "  «  h  '  t  '11,  d.t  I  Ii''*        di«  lMe%'/en  und  dc%  Ala*nfcf  1^.^ 
«linn  a -.1.' .iven,  aw^h  H^rr  und  Madame  CiuntK^  H.  - 
t  '  'C.  J^r  11  I  :'v.  I  jm'i  di.%  |.  ;ev  I7HS  jit  L nre^ituitti  V%'.« 
..'d  «    »I  j*  di«tf  M-!/ .vJir  hiiun  \<^\H*n  t*«.  ur  ihren  Ar «i^f  •< 
I      :t'i    S'.itt  di -M.*!  «arm  neu  in  dt,n  Verband  «1er  C»eic..«»i*^  ' 


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-  139  - 


eingetreten  die  Herren  Zieglcr,  Krug  und  Clirisi,  ferner  Herr  und 
M.idamc  Mendc,  Herr  und  Madame  Forsch  und  Herr  uiul  Madame 
Eunike,  die  später  so  berühmt  gewordene  Händel-Schütz. ' 

In  der  Vorstellung,  des  »Don  Carlos«  am  8.  Mai  1789  spielte 
Herr  Christ  den  König  Philipp,  ein  Schauspieler,  der  nach  Ifflands 
Unheil  durch  einfache  Mittel  die  grössien  Wirkungen  hervorzubringen 
wusste.  Obwohl  Christ  die  schwere  Rolle  in  der  Eile  für  Herrn 
Stegm.mn  übernehmen  mussie,  verfehlte  er  n.ich  Schreibers  Ansicht 
»doch  keinen  der  liauptztige  des  Karakters  und  gab  auch  seinem 
Körper  eine  scliöne  Haltung.« 

Die  Prinzessin  Eboli  wurde  diesmal  von  Madame  Mende  gespielt. 
Sic  liess  in  ilirer  Darstellung  weniger  die  feine  stolze  Hofdame  als 
d.is  heissliebende  Mädchen,  das  Liebe  um  Liebe  tauscht,  hervortreten. 
»Diese  Eboli,«  bemerkt  der  Kritiker,  »hätte  sich  nicht  mit  Aufopferung 
ihrer  Tugend  gerächt.« 

Don  Carlos  wurde  nach  Schreibers  Ansicht  von  Herrn  Forsch, 
besonders  in  den  Scenen  der  stillen  Schwcrniuih  und  Niedergeschlagen- 
heit, trefflich  gespielt.  Wir  gehen  hier  nicht  weiter  auf  die  Beurthei- 
lung  seines  Spiels  in  dieser  Vorstellung  ein  und  bringen  statt  dessen 
eine  Stelle  aus  der  Mainzer  Kritik,  in  der  die  Darstellung  des  Don 
Carlos  durch  Forsch  mit  derjenigen  seines  Vorgängers  Matiausch 
verglichen  wird.  Nachdem  Professor  Schreiber  mitgetheilt  hat,  dass 
die  Bühne  in  Mainz  mit  »Don  Carlos«  eröffnet  worden  sei,  weist  er 
auf  das  dortige  erste  Debüt  der  Madame  Mendc  als  Eboli  und  des 
Herrn  Porsch  als  iueihclden  des  Trauerspiels  hin  und  laiin  fort: 

•Schwer  allerding»  und  sehr  gewagt  f&r  dnen  Sduii^ieter  war  es«  nach 
Herrn  Matuosch  vor  unserai  Publikom  is  dieser  Rolle  aufxutreten ;  nkht  als  tA 
Herr  M.tttausch  unerreichbar  wäre,  oder  als  ob  sein  Glanz  notliwcndig  jeden  nach 
ihm  kommenden  Künstler  verdunkeln  nujsste,  .ibcr  Herr  .M.itf;uisch  war  in  dieser 
Rolle  besonders  Liebling;  sie  war  seine  Forceroiie.  Vorurtlicilc,  Jugend  und 
schdner  Körper  standen  auf  seiner  Sdte.  Herr  Pcirseh  hatte  daher  mit  vielen  Naeh- 
dteilen  <u  kämpfen,  er  wagts  und  erringt  Beifall.  —  Herr  Porsch  ^Mb  ui^s  einen 
ganz  anderen  Karlos,  als  Herr  Mattausch.  Rci  diesem  wars  der  rasclie  aull^rausende, 
hochfliegendc  schwärmerische  h'inj^litig,  bei  jcticm  der  Jüngling,  hn^  umhergetrieben 
durch  Leidenschaft,  mit  gemildertem  l  euer,  mit  einem  Trübsinn,  der  schon  au  der 
Wurzel  des  Lebens  frass;  der,  selbst  als  Posa  ihn  auls  neue  emporhebt  aum  wir- 
kenden Menschen,  doch  inmier  einen  Attstridi  jener  sanften  Schwermuth  beibehält 
Wefclicr  Karlos  den«  Bilde  des  Dichters  am  nächsten  kommt?  welcher  .nm  richtigsten  • 
dcu  üeist  ausdrückt,  der  in  seiner  Holle  liegt?  welcher  mciir  \\irkuug  n)acht? 
welcher  unwitferstehlicher  «fie  Herzen  an  sich  reisst?  sind  Fragen,  die  der  unbefangene 
Kritiker  vielleicht  anders  als  der  grosse  Haufe,  der  selten  nach  richtigen  Begriffen 


'  Dramaturgische  Blätter  von  Sclirdber,  1789,  II.  Jahrgang,  I.  Quartal, 
S.  ia9  und  IIL  Q»uiru],  5.  158. 


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-  Ill>  - 

\  IV  i!  -Jt  ;«.!/!  l'vf'Oii.il  /i;  s  jünncrT.  >ktLhv>  im  *^;irJt  %J'  irr 
I  I  lUr  :ii  Ntair»/  lüij  I  rii:L*uf:  einen  1.jh>:!l-:  ;  ,vStn  K..:  ^' »  ^  - 
.Mjt^''i  iTCT  li'.hiic  :\,  crv.eri'cn.    \\\\  Ktuh  vkjr  m.  *<  ..v-- 

'     '  :h   j:^;c  lo^ii^er  lkt!\  ti;r  Jjn  Svhiu^pui  j;«.  .i « '■irc".  »  " 
ifrn.        >      h.  i.  iin:  tr.it  der  lU  -.t^i  I  ii\  nj  Jen  \  crhu-.i  Je  M-  : 
I  r.i'i'.. 'uritr   H /i'ie.     (jv,;e'j    I  nJc  vle\  Iihre^   l?'^^   \y-%    n«-»  ; 
,^-!;i';C  **.;rrikr:n        nu>:^el!e  I  Lnn  \   Npitere  Mi.lüv.c  »*, 
Jaer;  S:::uinc  ur<U  Li.iistlcruwisc  Auv:  i<Jua|;  ^^U'^ii  truiCTi  M^^uii 

I)e  Jfj'i;j:i.'.    J  en  H!.ut«.'  SJirciL'i-T    crTc^tw:     ii  I 4 

J.-f»  ,\  ».i;d  ftndv;!  e  lei:  .<    u  !c  Atjh.jti|;cr  i!s  (/Ck:r-er  Mi:'. 

-  J's'i    :•!  .  .en    wjr  wmw     mmi    Jct»  l.rv^^i'H'i 

r.tii.n  .\\    t;:v':'.    l'e  cnvleTs   cT^^iit      S^hu«   J;e   Kr  : * 

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M  !i.  .e«iv?n    dis   'r]Hj;if>    ;.  l^    Hut    ^^-^etri,    )ct/i  " 
^  . •>  •••    wii   ^v^vt^  S/;;rc!:vr^  Kwi-tt'JJni   x\,\    i.rij   '>.i:v't*  t» 
.   r    J^'  n    .1.   {"r.v:'.  *! :  •   J:e   di^tnjtv."  .'.n  Juv.   H  .!;«.: 
>*i.'..\n      i:v").  wi-   1  t  1  vh  I  Jil  i;i.in/  '     iK-v!:  >vhi..:H:'.  v.^*  4« 
Hl-'  '  ••'  i  Uin.en  tief  limine     •  euij'-'r:  ^.  \.f  J  e  tu;,c  /f       '  ' 

j  t  »V 1.  t 'e:.d    Jef    1»v*a<.'C    I  liesl    dv  .  IV.^.  .i...  — » 
I  '••if      ■  if)  \v  -.rTt'».N  Ir  'ifeN  i    tt'.ik  i  .  e:  i  rjvliu-       Der  Ik  a..  »■ 
»i.it  i.-id  i, xf  MfcüvJ.Li!      *  !t  dvt;n  ji..*!  VJ>iv:^<t  -"J- 

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-    141  - 

Welchen  GroU  die  xiemlich  strengen  Rezensionen  Professor 
Schreibers  aber  unter  den  Schauspielern  wach  riefen,  beweist  unter 
anderem  folgender  Vorfall.  Unzelmanns  Nachfolger,  der  Komiker 
Chike,  Ober  dessen  schlechtes  Spiel  Frau  Rath  fast  in  jedem  ihrer 
Briefe  an  den  Freund  entrüstet  schreibt,  hatte  den  Registrator  Rendius 
in  Ifflands  »Magnetismus«  so  ungenügend  dargestellt»  dass  er  von 
Schreiber  scharf  getadelt  wurde.  *  Darüber  ergrimmte  Chike  derartig, 
d.iss  er  sich  in  des  Professors  Wohnung  begab  und  ihn  ohrfeigte. 
Schreiber  verklagte  darauf  Chike,  der  für  diesen  Ueberfall  liart 
bestraft  wurde.  Erstens  musstc  er  im  Römer  seinem  Gegner  öffent- 
lich Abbitte  thun,  zweitens  alle  Kosten  bezahlen  und  drittens  acht 
Tage  auf  die  Hauptwache  ins  Gefängniss.  Als  er  nach  dem  Vorfall 
zum  erstenmale  wieder  auftrat,  kam  es  zu  einem  Theaterskandal. 
Sobald  sich  Chike  auf  der  Bühne  blicken  Uess,  wurde  er  ausgepfiffen, 
und  als  er  dann  ein  komisches  Lied  sang,  auf  höchst  störende  Weise 
weiter  verhöhnt.  Das  Publikum,  namentlich  viele  hiesige  Kaufleute 
und  Gekhrte,  waren  über  Chikes  Bubenstreich  i  nipört,  dass  er 
sich  nicht  länger  hier  halten  konnte  und  bald  darauf  abging.  Chike 
scheint  auch  seinem  Vorgänger  in  keiner  Weise  nahe  gekommen  zu 
sein  und  es  als  grober  CouÜssenreisser  verdient  zu  haben,  dass  ihn 
da«;  durch  die  besten  Kräfte  verwöhnte  Frankfurter  Publikum  nicht 
leiden  mochte. 

Die  drolligen  Aciisserungcn  der  Frau  Kath  über  Chike,  den  von 
ihr  gehassten  Pächter  Tabor  und  über  üenioiselle  Willmann  sind  so 
schlagend,  dass  nur  der  mit  den  danialii^en  Bühnenverhältnissen  Ver- 
traute deren  <^anze  Komik  recht  verstehen  kann.  Herrn  Chike  nennt 
sie  das  »Monstrum«,  Herrn  Tabor,  der  sich  in  seiner  Stellung  sehr 
wichtig  machte,  »das  Organ«  und  die  Nachfolgerin  der  Madame  Unzcl- 
mann,  Demoiselle  WiUmann,  »die  (-osa  rara.«  Diese  Be/.eichnun<^  be- 
zieht sich  auf  die  damals  sehr  berühmte  Martinsche  Oper  s^leichen 
Namens,  in  der  die  junge  Künstlerin  das  Baucrnniadchcn  Lilla  sang. 
Wenn  man  nun  bedenkt,  dass  Demoiselle  Willmann  von  ihrer  I-amilie, 
die  ihr  immer  für  Beifall  sorgte,  für  ein  Genie  ersten  Ranges  gehal- 


»  Dorow,  Reminisccn/cn.  Bride  der  Frau  K.itli  (joctlic  an  Unzclmann.  S.  167.  Die 
betreffende  Stelleim  ILStück  des  Il.Q.ujnalsS.61  der  Dramaturgischen  Blauer  von  ijiSS 
liQtet:  «Herr  Qnke  spielte  den  Registrator  Rendius.  HStte  ihn  Ifftand  gesehen,  er 
hitte  es  bereut,  seitien  Magnetismus  ^Lscliricbcn  zu  lubeir  Um  seinen  Helden 
recht  pnssirlich  darzustellen,  machte  er  ein  s.;hieres  M.iul.  v-elches  .il>er  jlle  Augen- 
blicke wieder  in  seine  natiirüche  Lage  zurückkam.  \V  c»/.u  dcrgicicliai  Grimassen, 
die  liüclistcns  der  Pobel  belacht  ?  Wusste  Herr  Chike  seinem  Karakter  sonst  keinen 
komisclien  Amtrich  zu  geben?« 


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I4i  - 

tcT)  ^MirJc,  w --Ii:  trciiiJi  iiuht  wir,  ^«»  \crMclit  min  rt^'.  »r»V 
K»"ii;k  lii'ut.   ^J-  '-   (»ovthcN  Mutfcr    Jen  Titcl   Jcf  l  fc? 

DuiUKsclU*  Willnunt>  ui^crtru^  Das^  Jcm  W'cmii  Jrf  f  r ju  Rjc^ 
citi  tici  vim-rnitivcr  '/.vi-  it^^vrii  %kjr,  /ct^-t  vivfi  rcvht  Je..'"  >  * 
ihren  Bv .itUitn^cn  /u  Jiti  llwrrn  und  Uimcfi  Jcr  V  ..v:^c'i  iL 
Wenn  MC  ctninil  einem  Künstler  t>Jer  cuar  K.ü^ hieran  ihre  li--it 
^v^lcnltc,  Ml  mJk*  «c  kerne  amlcre  l'cr-^HilK'hlcit  in  Acren  Vc'* 
seilen.  Im  Vorius  hjt  vte  ««.Ihhi  «einen  l*ici>  aiii  %ivn  Sii.,ttf«K|^tfT,i&-* 
*irf«  MC  Jovcn  l.entun^en  mit  einer  Vt »n-.n j,'cn4m»mcnlKit,  t* 

Ai.wli  li.f  DiTvlr.'i  K<  Jj.  Jir  ilir  ^c^f  irvur,!'?.':  ct-Tj^c^'.  *!• 
'  it  \;c  n  ..In  -^ii  \u"l  r  i:  W  C  cliciinl"«  t>ir  (»r\r.\ii».jnTi  Sc  .  ;  r./  i 
l'  i!:(.TiJ  ^  i.  Ltj  d<.n  iKniM  H i :)\ .  Npfiv?!t  ^  v'i  r;  ,  .r  >  •*".-  ;v 

■  i!.   l.flj    tjJr!t    Je    MjvJ.OI,    Ju    tf     'll.ljlt,     IWTl    JtTt:    I'..  '» 

i.;ij  H.  li'n  .\ ;tx  r.  4^^.r  c:!i  i;:\t  Müi  .h,  Ji.r  x^ii  »rr:-«.  m  V.«*!» 
*«:/lC    i.f.l  \M     '    V.  V.  ;c    nun  Ji:'.^'t  *     W  .  V- -rf- 

.  i.tr::^  !urr  ^  1.».:!^  ■  :rtf;.c  (  vinur-;;  i.rij  >.:r:"v  /  .  '  * 
'1    iCv'  u  "       r    ^  /«.itti«    Ir  i.:  cf ':c  n  Jcti  'c    ^  * 

Jt  i  ( ...  .  .".K  Jv  Ti  1  ;  i  V  ^^  r  I  )f  SvIitü  >.  Jcr, "  J».f  <  ^  '  .i  * 
j«       •   JfSv' \t   .l.ltr.lt   i.     I  Ji-^h.l"'  A  Iv^i.T   -    '  Ks 

]  J     Ji  Je  A-.'l     .Ti.n;-  i'v  .  (  tI' 

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t     1-  r  .    ^      A   "A  ..' J^      M.:*:   .  r     '  '.<   i!kn»  J  v    .      . '  » J<'  *  * 

II     :  .  .    J   Jkvf.i        ...      '   ;n  ( .».  J  s '  tvs:     ^  »  »'^  ♦ 

A    .  .i  iv    ^  S:  :  'i  ui      hr  li  n  %k  jr.  >fcic  1  «»xJi  m.n  i. 
^^  i:  j  .     1  I  cu"  ■-.'in     ■   ;       i  c%i-  -t  cm  u^xftf  *.*-vr' \.' 

d,f  1  i/i  .Uf  Au'i  -i.'-i:  v.  n  II  "j-J)  I\  i  i.  Mi.  i'V  ' 
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-  145  - 


Was  sonst  die  Vorgänge  im  Frankfurter  BGhnenleben  im 
Jahre  1788  betrifft»  so  haben  wir  zunächst  zu  berichten,  dass  die 
Herren  Frankenberg,  Vio  und  Widmann  nach  Berlin  kamen,  während 
ein  langjähriges  Mitglied  der  hiesigen  Bühne,  Herr  Diezel,  nacli 
Rostock  ging.*  Am  26.  April  trat  als  Beaumarchais  in  Goethes 
»Qavigo«  ein  Herr  Meyer  auf,  der  aber  nicht  nur  der  Frau  Kath,' 
sondern  Oberhaupt  dem  hiesigen  Publikum  misshel. 

Bald  nach  diesem  erfolglos  gebliebenen  Gastspiel  wurde  Herr 
Walter  jun.  als  zweiter  Liebhaber  engagirt.  Dann  debQtinen  noch 
die  Herren  Grosse  ak  Just  in  «Minna  von  Bamhelm«  und  Lange  als 
Hauptmann  Sturmwald  in  der  Oper  »Der  Doktor  und  der  Apotheker.« 
Beide  zählten  Ende  des  Jahres  1788  zu  den  Mitgliedern  der  Taborischen 
Gesellschaft.'  Ausser  den  bereits  früher  erwähnten  und  engagirten 
Künstlern  ist  noch  Herr  Gunkel  zu  nennen,  der  Bedienten-  und  andere 
kleine  Rollen  spielte,  aber  doch  ein  ganz  tüchtiger  Darsteller  war. 

Unter  Kochs  Direktion  wurden  ausser  »Don  Carlos«  bis  zum 
Schloss  des  Theaters  am  i.  Kovember  folgende  Stücke  zum  ersten- 
male  in  Frankfurt  gegeben.^ 

«Die  Heirath  durcli  ein  Wochenblatt,«  Lustspiel  in  i  Auh.  von 

Schröder  und  »Die  Vorm&ndcr,«  Operette  in  )  Aufit.  von 

Tallcrad  am  24.  April. 

»Heinrich  IV. «  von  Sh.ikcspc.ire,  bearbeitet  von  Schröder  nm  j.  Mai. 

(Frau  Rath  Goethe  lobt  Koch  a!s  FaHstaff,  meint  aber,  da«; 

Stück  sei  kein  Gericht  für  Funklurt.   Am  18.  August  fand 

die  erste  Wiederholung  statt) 
»Der  doppelte  Uebhaber,«  Lustspiel  in  5  Auf/,  von  Jünger  am        7.  Mai. 
jiDic  Fifcrsüchtigen,«  Lu«;tspiel  in  4  Aufz.  von  Schröder  nm  24.  Mni 

»Der  Seelenverkäufer,«  Lustspiel  in  j  Aufz.  von  Dr.  Schnucdcr  am  7.  Juni. 
»Der  Baum  der  Diana,«  Oper  in  }  Aufz.  von  Vincenzio  Martin  aiti  12.  Juni. 
»Die  Sdtlittenrahrt,«  Lustspiel  in  2  Aufz.  von  Goner  nach  Weisse» 

vorher  »Romeo  und  Julie«  von  Gotter  nach  Shakespeare  18.  Juni. 

{I.ct7tcre<:  schon  oft  jjegeben.) 
»Die  otiene  Fehde,«  Luitipiel  in  j  Auf^.  von  Huber  am  25,  Juni. 

•Töflel  und  Donchen,«  Oper  in  2  Aufi.  von  Dcsaidcs  am  2.  Juli. 

«Das  Kleid  aus  Lyon,«  Lustspiel  in  4  Auft.  von  JQnger  am  21.  Juli. 

»Die  Gr.ifcii  v(in  (iuisk.ir Ji,t<  Trauerspiel  in  $  Auf«,  vom  Freiherrn 

H.  vüti  l-l\rcti!  eru'  ::ni  30,  Juli. 

(Am  11.  August  und  8.  Oktober  wiederholt). 


'  Theaterkalender  &r  das  Jahr  1789,  S.  161. 

*  Dorow.  RcminisccTiP'cn,  Iktcfe  der  Fr.iii  H.ith  (ioethe  an  Unxelmann,  S.  141. 

'  1  heaterkulender  für  das  Jahr  1789,  S.  161. 

^  Zusammengestellt  nach  den  Anzeigen  in  hiesigen  Blattern  und  nacli  dem 
Berichte  fiber  das  Frankfurter  Theater  im  Theaterkalender  auf  das  Jahr  1789. 


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«D». r  IJ»"    f  i.!  J  v!^T  A|'.  t'  ^-^i:-  \.-n  I)  tu:  Juri.    K  J  i-j  ; 
IriT-'«    M'U.  ^,•.^.:'\,^    I         i.'  J    I )c t  lijv.m  «J^.r  l>.ii.-«  %.  •  M.-'i" 
I*    .     .    ■i\*..vj.i.n  l)|»crn  «^urJcn  Mc*:^ft»nj!.  xlic  Ut^s^^cninnu  -  .r 
jj  "       i     >rin     Auvli  »Die  |  ni!..'i?u'\    Ji.    J«.m  S<tji^«  ltJ  »i»» 
II..       :      ■  I    af«i-      •  M.    jr-..  ^tw.i4)p«.i  iiinli  cr^t  :ni  tU'  »* 

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—  145  - 


Leben  begonnen,  war  er  seihst  innerlich  fester  geworden  und  711 
grosserer  künstlerischer  Reite  uiul  Iksonnciihcit  gelangt.  Mag  man 
der  Tragödie  »Don  Carlos,  Inlant  von  Spanien«  auch  /.um  Vorwurf 
machen,  dass  in  ihr  die  Personen  des  Gegenspiels,  besonders  die 
Eboli  und  der  meisterhaft  gezeichnete  König  Philipp,  mehr  fesseln, 
als  der  Held  selbst,  so  lüsst  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  die  Aus- 
sprüche des  Marquis  Posa  über  Freiheit  und  Menschenrechte  von 
jeher  von  zündender  Wirkung  auf  das  Publikum  gewesen  sind. 
Hatte  bei  den  »Räubern«  und  bei  »Kabale  und  Liebe«  die  grossartige 
Kühnheit  in  der  Zeichnung  realistisch  gedachter  Charaktere  die 
Gemuther  mächtig  ergriffen,  so  that  dies  jetzt,  wenigstens  hier  in 
Frankfurt,  die  edle  getragene  Darstellung  der  neuen  Dichtung.  Obwohl 
diese  nicht  so  populär  gehalten  war  wie  Schillers  Räuber  und  sein 
bürgerliches  Trauerspiel,  so  spürte  man  doch,  dass  derselbe  Feuergeist, 
der  den  Räuber  Moor  beseelte,  den  Republikaner  Verrina  zum  Mörder 
des  Freundes  machte,  der  Ferdinand,  den  deutschen  Jüngling,  sich 
gegen  die  Standesvorunbeile  empören  liess,  auch  mit  ungebrochener 
Kraft  unter  der  Hülle  schönen  poetischen  Schwunges  im  neueren 
Drama  mächtig  war.  Mögen  die  Gestalten  von  Schillers  Jugend- 
draroen  sich  auch  hie  und  da  in  der  Zeichnung  von  der  Grenze  der 
Natur  entfernen,  einen  unwiderstehlichen  Zauber  übten  sie  deshalb 
doch  aus.  Und  was  zog  denn  die  Zeitgenossen  Schilters  in  den  Bann 
jener  jugendfrischen  Dichtergebilde,  was  fesselt  uns  noch  heute, 
wenn  wir  sie  auf  der  Bühne  verkörpert  sehen?  —  Es  ist  das  Geheim- 
niss  ächter  Dichterkraft,  unser  Inneres  zu  ergreifen  und  in  die  rechte 
Stimmung  zu  versetzen,  es  ist  das  Feuer  des  Genius,  der  spielend  in 
alle  Herzen  Funken  des  göttlichen  Feuers  streut.  Gegen  solche 
Mächte  können  selbst  augenfällige  Fehler  und  sonstige  UnvoUkommen- 
heiten  eines  Werkes  in  Form  und  Ausdruck  nichts  ausrichten.  Die 
Gluth  der  Empfindung,  der  Adel  der  Gesinnung,  der  Drang  nach 
Recht  und  Wahrheit,  der  Kampf  gegen  das  Schlechte  und  Gemeine 
ergreifen  die  Geister  und  reissen  sie  mit  sich  fort. 

Es  ehrt  die  Frankfurter,  dass  »Don  Carlos«  1788  hier  nicht 
abgelehnt  wurde  wie  an  anderen  Orten,  vielmehr  eine  begeisterte 
Aufnahme  fand.  Schon  damals  war  Schiller  also  ein  Liebling  des 
hiesigen  Publikums,  genügte  sein  Name,  um  einem  seiner  Werke 
hier  einen  ehrenvollen  Empfang  und  dauernden  Erfolg  zu  sichern. 
Seit  der  ersten  Auffuhrung  der  Räuber  in  Frankfurt  am  19.  No- 
vember 1782  bis  zu  Ende  des  Jahres  1785  waren  nachweislich 
mindestens  ider  und  zwanzig  Bühnenabende  den  Aufflührungen  Schiller- 
scher Werke  gewidmet.  Wenn  man  nun  in  Betracht  zieht,  dass 

10 


JitttjU  tuKh  nullt  « jhrciHl  Jc^  m^mtn  Jjhrr«  in  I  rinktun  (c«r-  * 
i."J  «lern  l*uHikum  in  Jcr  Liirfcn  Zeit  mi»i;!uhM  \tr«N<tic«  i»«:- 1«* 
«^urJc,  Ml  4urtic  Jcr  Be«ci%  crbrjwhi  %tftn«  Ji>%  m  fmcn  |ihtbii  vi  i»- 
Skhilicr  lur  Jic  1  rjnkluncrcm  p«>pulircr  Uichicr  «jr,dc%«<n  Smuh  .  i' 
numhrn  AnJcfcn  in  Jen  Avisen  Je«  Tlieitefpublikumi  »et  . 
%tMHhe  Die  |ui;cnJJrjinien  S«.hiltcf\  übten  ihre  Antscbunie%kri*t  «  . 
Icrnvr  luv  lU  Jie  hioif:e  Ruhne  Mtn  ikr  Mamjrer  jsetrennt  LnA  t"*: 
Kl  Ji«  I  tjnklurtcr  Safumal-TheAter  uiii|:e» in Jclc  «tirJc 
Werke  bewAhncn  Jen  Kei/  un%ef|:.ini:luher  |ii^-enJir«%«.he  Jur»"  c  * 
Ijhi hundert  hinJurvh  und  \ic  »erden  ilui  behüten,  vii  Un^c 
\(iik  n«»«.fi  !  r  J;c  W  irkung  en  ivhicr  PiKMe  cin  txfene»  Met «  ^r*«l 
und  ^i*.h  <1j[  ..:  ct  c>  ketn  («eluhl  ti^r  t'.hfe,  Saw  .* : 

d«u:\«hc%  Ke^bi  und  dcu:x.  in  Sktic  ^:tcbt,  dl«  nulu  tn  eifie*  *v  t% 
ti.n^'%\4>':en  Steüe  in  S^lit!lcr\  Werken  «eine  pnieii^he  VerKe«*      ,  * 
rvfundcn  hjitc. 


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-   149  - 


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-   151  - 


No.  III. 

Dem  Andenken  Schmids  gewidmet. 

Uinsam  unter  trauernden  Zypressen 
O  Tl)aliens  LieMini;'  schlummerst  Du! 
Und  vnn  neincn  BnukTii  selbst  vergessen 

Ist  die  Statte  Deiner  Ruh! 

lc!i.  ein  Frctiullitip,  n.ih'  in  stiller  Feier 
Deinem  Hügel,  der  dort  einsam  ragt; 
Wo  die  deutsdie  Kunst  im  Trauerschleier 
Laut  um  ihren  Liebling  tilagt. 

Klage,  wdnel  Du  hast  Recht  zu  wdn«n! 

^\'enige  sind  Deiner  Söhne  nur. 

Die,  wie  er,  Genie  mit  'lugend  einen, 

Wahrheit  suchen  und  Natur  1 

Die  die  Tugend  auf  der  Biihnc  lehren! 
Und  nidi  unter  ihren  Brüdern  sie 
Durch  ein  tadelloses  Leben  eliren; 
Diese  Lorbeem  welken  nie. 

Deines  hohen  Geistes  Schöplervvcrkc 
Gingen  leider  auch  mit  Dir  zu  Grab! 
Deines  Ottos  Biedersinn  und  Stärice 
Schlang  Vergessenheit  hinab. 

Aber  Derne  stille  Tugend  schwindet 
Nicht  mit  Deines  Künstlernamens  Glan/ ! 
Ewig  lebt  sie,  und  Dein  Schutzgeist  windet 
Unvergänglich  ihren  Kranz- 
Wenn  kein  Marmor,  der  Verdienste  lüget. 
Noch  dem  Wandrer  Deinen  Namen  «eigt, 
Nennt  das  Heiz  ihn,  dessen  Spruch  nicht  trüg  et. 
Sich  nicht  leerem  Schimmer  neigt! 

Unter  dem  Gedichte  findet  sich  die  Fussnote: 

«Wir  werden  unsem  Lesern  eh^tens  von  diesem  als  Künstler  und  als  Mensch 
verehrungswürdigen  Manne  eine  möglichst  vollständige  Biographic  zu  liefern  im 
Stande  sein«.  Ob  dieselbe  erschien,  Hess  sich  leider  nicht  feststellen,  aufzuiinden 
war  sie  nicht. 


No.  IV. 

Mit  gnädigster  Erlaubniss 
Eines  Uochedlen  und  Hochweisen  Magistrats 
der  Kaiser!.  Freyen  Reichs-  Wahl-  und  Handels-Stadr  Frankfun  am  Mayn 

wird  heute  Mittwochs  Jen  i:.  Octcber  jyS). 
von  der  Grossnimmsclien  Schauspieler-Gesellschaft 
aulgeiuiirct  werden: 


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—    196  — 

Item"  am  montag'  vor*'  sanct  Ursula  tag  da  hett  dern! 
pesttrn  diner  lossen  zuricht[cn]  sich  auf  das  kostlichst'  mit  \ 
hengsten  und  darauf  ganze  geliger*  und  sew*  in  kostlichen 
von  fuess  auf,  und  da*  ziehn  in  ein  weiis  veld  und  het 
lassen''  fuern*  wol  zehen  grosser  pugsen,  und  der  plattnei 
auf  jeder  sitten  zwölf  und  mesi[e]nK  mit  ander  thrivirn'''  ur 
also  sew  nun  geschickt  warden,  da  sew  zusamb  hengten,* 
man  auf  und  liß  die  pugsin  ab.  also  ranten  sew  zus 
worden  wol  vier  oder  fünf  dernider  gerani.  und  was  d 
rennen  marggrave  Albrecht "*  von  Rottli,*  graveOswolt"  von* 
auch  jungheren^'*  und  ander  viel  gutter  leut,  auch  ein  f 
Assaw. da  ward  dem'  hirzogen  siner  besten  diener  ainer 
und  plibin  da  zwen  kostlicher  hengist  an  der  stat,  und  dar 


<i  in  F  Alinea. 
h  F  fhcr  »var«. 
c  F  kostlichs. 

d  folgt,  wol  durchstrichen,  »hin«. 

e  sie  em. ;  F  »swem»«.  Das  tönende  »w«  von  uns  durch  »u«  wiec 
/sie  em. ;  F  ward. 
g  F  niest  n. 
h  sie  eni. ;  F  thririrn. 
f  sie. 

k  so  wol  zu  lesen,  in  F  die  zweite  Silbe  undeutlich  und  die  erste  fast 
/  F  den. 


4 


»  Oktober  iS. 

'  Das  ist  overdcckicna  (mit  Decken  und  Harnisch). 

'  »geleger«  ist  ein  Pferdeschmuck  (Scliabrackc).  ohne  dass  sich  < 
genauer  bestimmen  lässt:  vgl.  Wcstcnriedcr,  Beitrage  Band  ],  127:  »und» 
ieder  rois  auf  im  .lin  perleins  gelcgor«  .  .  .  »des  kunigs«  (.Matth,  von  Ung 
hett  ain  gcleger  von  perlcin,  gold  und  cdelstain«. 

<  —  «sie«. 

>  .Man  ergänze  etwa  »Hess  er  sie«. 
*  Geharnischte,  vgl.  p.  171  Anm.  i. 

7  Der  Kampf  a  tnviers  (=  travers). 

8  Das  ist  »gegen  einander  stürmten«. 
'  Seil,  zum  Signal. 

*°  Vgl,  p.  178  Anm.  5. 
"  \'gl.  p.  179  Anm.  6. 
"  Hdelknaben,  Junker. 

'5  Wol  ein  Graf  von  Nassau?  »»vonassaw«  stand  vielleicht   in  dei 
An  dem  lissen  nalnnen  Theil  Adolf  und  Philipp  von  Nassau  (vgl.  die 
Note  I  citirtcn  Stellen).   Vgl.  auch  p.  179  Anm.  Ij. 
Hier  =  »»überrannt«. 


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-   153  - 


ümilia  Gafotti. 

Ein  I  raucr.spici ,  in  Uiiii  Aul/.ugcu,  von  Gottliold  Epiiraini  Lcssiiig. 

Personen: 

OdoMrdo  Galotti,   Herr  Stegmann. 

Claudia  GaloUi   Madame  Fiala. 

Kmilia  Gaintti.  ihre  Tocliti-r   Madame  Un/elmann. 

Hettore  Gonzaga,  Prinz  von  GuastaUa,  .   .   •  Herr  Unzelmann. 

MariDelli,  Kammerherr  des  Prinzen   Herr  Grossmann. 

Caniillo  Rota,  einer  von  des  Prinzen  Räthe,  .  Herr  Frankenberg. 

Conti,  ein  Maler,   Herr  Diezel. 

Graf  Appiani,   Herr  Steiger. 

Graiui  Orsina,   Madame  Schnielka. 

Angelo,  ein  Bandit,   Herr  GQndier. 

Kammerdiener  des  Prinzen   Herr  Wolsdiowsky. 

Pirro,  Bedienter  Jes  Obersten  Herr  Norrmam). 

Banisu,  Bedienter  des  Kammerherrn,  ....  Herr  Bek. 

Madame  Schmelka  wird  die  RoUe  der  Gräfin  Orstna  spielen. 

Sechste  Vorstellung  im  Abonnement. 

Abonnements-BUlets  sind  i6  l^r  lO  fl.  bey  Hern)  Sdieidweiler  au  haben. 

Es  wird  jedermann  ersuchet,  niemanden  auf  meinen  Namen  das  nundcste  zu  borgen. 

Der  Anfang  ist  um  6  Uhr. 

Die  Pefson  zahh  in  den  Logen  des  ersten,  zweyten  und  dritten  Ranges,  und  im 

Parket  I  Gulden.  Eine  ganze  Loge  zu  8  Gulden.  Im  Parterre  die  Person  9  Batzen. 

In  Jcr  C.dlerie  6  Batzen.    Aul  dem  letzten  Platz  I2  Kreuzer. 

W«r  vortier  Bfltets  verlangt,  beliebe  solche  im  neuen  Komödien-Hause  abholen  au 
lassen,  kflonen  aber  nidtt  llnger  als  denselben  Tag  gültig  s^. 

Grossmann. 

Ha$idsAn/tHdie  Btnurkm^:  Herr  Grossmann  zum  Letztenmahl. 

Mit  gnädigster  Erlaubniss 
Eines  Hochcdicn  und  Hochweisen  Magtstrais 
der  Kaiserl.  Freyen  Reichs-  Wahl-  und  Handc]«;-Stadt  Frankfurt  am  Mayn. 
wird  heute  Montags  den  29.  NI.iv  1786. 
auf  dem  hiesigen  National-Tiieater 
aufgeführet  werden: 

,  Das  Räuschgen, 

oder 

Die  ZurOckkunft  aus  Amerika 
Ein  hier  noch  nie  gesehenes  Lu$t>Spiel,  in  vier  Aufzögen;  von  Brezner. 


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-    M4  - 

1* «  r  %  ••  M  n 

K-w-  .  C"  K*-'«»4"i  tieft  Mc<i,j  « 

I  IIwkIi  «%  *  i»u<«v  ^  H«i,  lieft  >kfbi  t 


V{*J*ic  H(ru4'J,  V'.fk^^.'d  ^  ti<  * 

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Ii.!  A'J    c«»i  ,*.r»tr  i      *'id«*-i.  »!*•  »<  *  "^1  » 

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Kfl  -J  ?kfr  l  '  ■,  I 

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II.  l.  |W.!rfiur  Je«  Mj  't  Hi»  Ma.« 

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I     «    «        -  ^      t      ,  et  '  .    »".N     ■  •  H«>'  Je  I  *    ♦   «  4»t 

f.  h  '» 

I  .  .  ■  :  t.            »    »        «  i   ,'1  »    '  f,    :,~    In  r.»»f»  J«  I',- 

!•  J.-              *               \  -  ,!»•».  t«-«  •  I*«*'  iS  K'.,'  . 


t    .    I>  '...IM       .       W«,-  < 

K.        J       -  I*      .   W<         J  II*  s    v*.T  I'. 

*  •  '       •»  1».  J      i     M<    .  ^ 


>       «  > 


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-    155  - 

* 

Personen 

Gut/  vun  Hcrlicliiitgen,   .........  ilcrr  Schmidt. 

lilisabeth,  seine  Fmu,  .  Madame  Beck. 

Marie,  seine  Schwi^tcr   Madame  Unzelni  nm, 

Karl,  sein  Söhnciicn,   Wilhelm  StegnKuin. 

Georg,  sein  Bube,   Madame  Steginann. 

Frans  von  Selbig,   Herr  Frankenberg. 

Lersc,   Herr  Un/clniann. 

Adeihcit  von  Walldorf   Madame  Fiala. 

Wdslingen,   Herr  Steiger. 

Franz,  .Wdslingens  Bube,   Herr  Wolschowsky. 

Der  Fürst,   Herr  Stcgmaim. 

Liebeiratit,  Hofniarscliall,   Herr  Norrmann. 

Ülcarius,  bcyder  Rechten  Doktor   Herr  Günther. 

Hauptimmn  von  den  Reidistruppen,-    ....  Herr  Beck. 

Kayserlicher  Kommissar,   Herr  Diesel. 

Kayserlicher  Rath,  ...........  Herr  Grublairc. 

Anführer  der  Bauern, ..........  Herr  Weyrauch. 

liin  Wirth,   Herr  dlöckner. 

Ein  liinsicdler.    Richter  und  Ruler  des  licimlichcn  GericlUs.    Rebellische  Bauern 

und  Schwaben.  Banibergisdtc  Reuter  und  Knechte.  Berlichingsclie  Reuter  und 
Knechte.  Stadtwache  zu  Heilbronn.  Gefängntsswirter.    Zigeuner.  Hauptmann. 

Ztgeoner  und  Zigeunerinnen. 


Elfte  Vorstellung  im  Abonnement. 

Abonnements-BiUets  sind  i6  für  lo  H.  bey  Herrn  Scbeidweiler  zu  haben. 

Es  wird  jedermann  ersuchet,  niemanden  auf  Rechnung  der  Entreprise  das  mindeste 

zu  borgen. 

Der  Anfang  ist  um  6  Uhr. 

Die  Person  zahlt  in  den  Logen  des  ersten,  zweyten  und  dritten  Ranges  und  im 

Parket  i  Gulden,  l-joe  ganze  Loge  n\  8  Gulden.  Im  Parterre  die  Person  9  Batzen. 
In  der  Gallerie  6  Batzen.  Auf  dem  letzten  Platz  12  Kreuiaer, 

Wer  vorher  Billets  verlangt,  beliebe  solche  im  neuen  Komddien-Hause  abholen  zu 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  s^n. 


No.  V. 

Mit  gnädigster  F>laubnisb 
wird  heute  Dotincrstips  Jen  $.  Juiii  1787 

aulgeiuhrct  vvcriien: 

H  a  m  1  e  t, 
Prinz  von  Dänemark. 
Hin  Trauer-Spiel,  in  $  Aufzügen;  von  Shakespeare. 


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200  — 


mit  einander,  aber  der  lantgrave  wart  uß  dem  felde  in  ein 
Puin/'  und  lit  an  dem  Rine,  und  ist  gewesen  des  bischoft 
her  im  geben,  noch  ^  Uesen  sie  unsern  Herren  dem  keise 
ungerorei*  durchziehen.  ^ 

Also*"  Hgt  der  keiser  zu  Collen^  und  detinkt''  zwu 
bischof  und  des  hmtgraven  und  des  cappittels."  und  de**j 
haben  dem  keiser  groß  ere  erbatien  mit  Schenkung.  1 

Item**  10  ochsin,  lo  vas  wins,  lo  wegen  habern  und! 
vergolten  köpf  und  darin  zwei  tusent  guld|cn),  auch  de 
heren  zwcn  köpf  und  darin  sechß-halb  hundert  guldjen).  ur 
nach  einander*  allen  dag  zwornt'"  fünfzig  kandel"  win,  u 
den  hoff  tragen."  ^ 

Item*  zu  diesem  male  wissen  wir  nicht  mee  nuwer  m« 
hcrrc  der  kaiser  ist  in  willen  zu  ziehen  gegen  Ach''  etc.  ^ 

  i 

a  F  »Puin«  oder  »Pum«,  über  dem  »u«  ein  Schnörkel,  in  dem  ei 
^  in  F  Absatz. 
e  zu  em.  sdi«? 
</  in  F  Alinea. 
«  in  F  Alinea. 


'  Bonn. 

*  Das  ist  »hatte«.    Ucbcr  die  Schlacht  etc.  vermochte  ich  Nil 
zu  finden. 

'  Das  ist  »gleichwol«. 

*  Das  ist  »unangefochten«. 

5  Die  .Ankunft  erfolgte  am  }0.  November,  vgl.  p.  165  Anm.  2. 

<  Das  ist  »verhandelt,  vermittelt«. 

'  Siehe  die  von  mir  a.  a.  O.  gedruckte  Urkunde. 

*  =  »die«. 

'  Vom  jo.  November.  Friedrichs  Ankunft,  an  gerechnet,  wurde 
auf  etwa  Dezember  14.    Siehe  darüber  Einleitung  p.  16,  I.  4. 

Das  ist  Dzweimal«,  vgl.  »tzwornt«  Frankfurter  Tassionsspiel  21 
"  Kannen,  vgl.  p.  195  .\nm.  7  »kandi«. 
"  Das  ist  »getragen«. 

'■'  Aachen.    Der  Aufbruch  erfolgte  am  18.  Dezember  (nach  Jans; 
furtcr  Reichskorr.  II,  }02). 


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—  157  - 


Der  Mönch  vom  Carmel.  *) 
Ein  üramattscfaes  Gedicht  in  fünf  Auf/ugcn;  vom  Fretheim  von  Datberg, 

zu  Mannheim. 
Nebst 
Prolog  und  Epilog 
gesprochen 
v6n  Madame  Unzebnann. 


Personen: 

Graf  Wallori,  Mönch  vom  Carmel,   Herr  Stcgniann. 

Hildebrand,  Kitter   Herr  Unaelmann. 

Ockoursi,  Kreuzritter  und  Abgc:>andtcr  dc^  Königs 

Heinrich,   Herr  Böheim. 

Montgomeri»   Herr  Mattausch. 

Gyffort,   Herr  Frankenberg. 

Fiz-AII.in,   Herr  Wolschowsky. 

Kaimond,   Herr  WiUemann. 

Matilde,   Madame  Fiala. 

Die  Scene  ist  auf  der  Insel  Wight. 

Abonnement  suspendu 
för  die  bestimmte  halbjährige  Komödie  zum  Besten  der  Armen. 


wird  jedermann  crsuciiet,  niemanden  aut  Rechnung  der  Hntreprise  das  mindeste 

zu  borgen. 

Zur  ErluJtung  guter  Ordnung,  wird  Niemand,  weder  bei  den  Proben,  noch  Abends 
bei  der  Vorstellung,  auf  das  Thenter  gelassen. 

Der  .\nfaog  ist  um  6  Uhr. 


Die  Person  zahlt  in  Jen  Logen  des  ersten,  zweyten  und  dritten  Ranges  und  im 
Parket  i  Guldeii.  Kinc  ganze  Loge  zu  S  Gulden.  Im  Parterre  die  Person  9  Batzen. 
In  der  (.alleric  6  Bauen.    Aul  dem  letzten  Platz  12  Kreutzer. 


Wer  vorher  liillets  verlangt,  beliebe  solche  im  neuen  Komödien-Hause  abholen  zu 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  sein. 


•)  .'Der  Mönch  von  Carmel«  wurde  zuerst  am  10.  September  1786  auf  der 
Mannheimer  Ruhne  gegeben.  Das  Werk  erschien  1787.  München  und  Leipzig  in 
der  neuen  Buchhandlung.  Diese  Aufgabe  enthalt  zwei  Kupier  und  eine  an  Götter 
gertchtece  Vorrede,  in  der  Dalberg  flkr  die  Beredittgung  des  Verses  hn  Drama  ein- 
tritt. Folgende  Stelle  aus  dem  Prolog  zu  dem  Stficke  giebt  kurz  dessen  Inhalt  an : 

»Ein  armer  Rittermönch  vom  stQrmschen  Wind 

Geschleudert  an  die  Kü;>te,  kommt  nach  schweren  Leiden 

Mit  .'Ahndungen  von  neuen  Freuden 

Aus  Orient  zurück  ins  Vaterland 

Und  findet,  was  das  Schicksal  ihm  entwand, 

Zum  Preis  für  Heldenthaten  :  Freundsdiaft,  Liebe ! 

Zugleich  im  seligsten  der  Mcr^cnstricbe 

Die  Q^al  zu  neuen  Leiden.  —  « 


—     202  — 


crhältnisse  sich  geändert  haben.  Jedenfalls  hat  im  15.  u 
hundert  Nürnberg  an  dieser  Erscheinung  des  Oberpfälzi 
nach  Norden  in  die  fränkischen  Gebiete  hinübergreift  (1 
I,  193;  208),  Theil  genommen;  vgl.  BGr.  §  176  (aber  auchj 
Alemannische  Grammatik  §  215  S.  183)  und  weiter  nochi 
Städtechroniken  (Chr.)  2,  305  Var.  17,  ^egeid  (gejeide)  ibd. 
genner  (Jenner)  ibd.  5,  165,  7;  290,  23,  gar  (jär),  gudm  (Jude 
Baumeisierbuch  S.  396  b  sub  gy  gocb  (joch)  ibd.  74,  18;  27 
beweisen  die  umgekehnen  Schreibungen  /  für  g.  Denn 
des  Wandels  von  /  zu  g  brauchten  die  unsicher  gewordene! 
beide  Buchstaben  promiscue  und  setzten  ;  für  sicheres 
niemals  ein  ;  gesprochen  wurde  (vgl.  BGr.  §  198  S.  197):  J4 
(Genua)  Chr.  i,  100,  8  u.  ö,  jaratis^  (garaus)  Chr.  i,  | 
Jera  (Gera)  ibd.  i,  86,  17  u.  ö.,  jarausj^  (garaus)  ibd.  5J 
garaus;^,  jubeniaior  (f!,uhcrndior)  ibd.  5,  840  b  sub  verb., 
Tucher,  Baumeisierbuch  294,  19;  21.  299,  13.  325,  7,  jatig,  /| 
Tucher,  Haushaliungsbuch  S.  78.  85.  99,  jarn  (Garn)  ibd 
jüß  (güsse)  ibd.  107.  Diese  Beispiele  zeigen  klar,  dass  i 
16.  Jahrlumdert  noch  g  für  /  in  Nürnberg  herrschte,  wähi 
zutage  durchaus  nur  /  vorkommt.*  ^ 
In  unserm  Texte  hndet  sich  einige  Male  a  statt  des 
lieberen  ai  f=  ei)  geschrieben:  baden  (beiden)  170,  pelat  ( 


pelaten  (peleitlen;  Handschr.  prelaten)  185,  ratt  (rait)  187,  11 


Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  auf  die  Thatsache  zul 
dass  am  Übcr-Main,  Pcgniiz,  Kczat  vor  sammiliclien  Ling 
/,  n,  vor  den  Labialen  und  selten  vor  g  altes  ai  sich  zu 
(Schmcller  §  140 H'.,  BGr.  §  39  S.  52). 

Bayrisch  (speziell  obcrpfälzisch)  scheint  auch  die  Ft 
(Dom)  198  zu  sein,  au  für  ('  ist  heutzutage  nuch  ob 
(BGr.  §  71),  und  auch  die  Wandlung  von  m  zu  ;/  läss 
Bayrischen  nachweisen  (vgl.  BCir.  §  169).  In  unserm  Texte  bea 
nuspein  (Xussbaum)  197,5//;  (sim)  174,  Je;/  (dem)  172,  den  (= 
199  (zweimal).  Möglicherweise  gehört  hierher  auch  die  1* 
(acht)  175,  da  auch  für  kurzes  a  ein  au  auftritt,  wenn  das  // 
das  später  zu  erwähnende  /  als  Nachlaut  aufzufassen  ist.  (\ 
steuh  [Stäbe]  195  und  Seugew  195).  Neben  auebt  herrscht 
Texte  die  lorm  ecbt  174.  178,  die  sowohl  oberpfälzisch,  als  rh 


•  Es  durfte  wahrscheinlicher  sein,  den  Wandel  lür  diese  (lebiete  • 
zu  nehmen,  trot/deui  er  .nuch  in  rhein.  Mundarten  vorkommt  und  z 
Frankfurter  I'assionsspiel  von  149}  öfter  .lufiritt. 


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—   159  - 


Der   vorgebliche  T  o  d  t  e.  *") 

Ein  Lust-Spiel  in  zwcy  Aulzü^cn,  nach  dem  Französischen  Ircy  bearbeitet  von 

Herrn  Hofrath  Rühl. 


Personen: 

Herr  von  Adler   Herr  BöhLuri, 

Von  Adler,  dessen  Neveu,  ........  Herr  Matiausch. 

Von  Helm   Herr  Wo!scho\i'sk)'. 

Wirthüi,   Madame  Wolsdimvsh'. 

Rudolph,  Bedienter  des  jungen  von  Adler,  .   .  Herr  Cxike. 

Wolf,  ein  Jude,  ............  Herr  Koch 

Geyer,  ein  Wucliercr   Herr  Günther. 

Bin  Bedienter,   Herr  Gunckel. 

Den  Beschluss  macht: 
Der  Schreiner. 
Hin  Last-Spiel,  in  zwd  Aufzügen. 

Person  en: 

Herr  Simon,  ein  Schreiner,  .   Herr  Stcf^nunii. 

l'rau  Juditli,  sein  Weib,   Madame  dunther. 

Herr  von  Marson,  ein  empirischer  Arzt,  .  .  .  Herr  Mattau«ch. 

Frau  von  Stemwald,  eine  reiciie  Wittwe,  .    .   .  Madame  ßoheim. 

Herr  Thomas,  Simons  Schwiegervater,  Schlosser,  Herr  Czike. 

Märtchen,  .Magd  der  Frau  Judith,   Madame  Wolschowsky. 

Max,  Tischlergcselle,   Herr  Walter  Jun. 

Hundert  utui  Neunte  Vorstellung  im  Jahr-,\bonnement.  Zweite  Vor'^tclUing  im 
kkiiien  Abonnement,  wo/41  16  Billets  für  10  Gulden  im  Schönbornerhof  m  haben 

»nd. 

Zur  Nachricht  aber  dienet,  dass  diese  Abonnements-Billets  nur  an  hiesige  Ein- 
heimische ausgegeben  werden,  in  fremden  Händen  aber  ungültig  sinJ. 

Es  wird  jedemiann  ersuchet,  niemanden  auf  Rechnung  der  Entreprisc  das  mindeste 

zu  borgen. 

Der  Anfang  ist  um  6  Uhr. 

Die  Person  zahlt  in  den  Logen  des  ersten,  zweyten  und  dritten  Ranges  und  im 
Parket  1  (julden.  Eine  gan/e  Loge  >;u  8  Gulden.  Im  Parterre  die  Person  9  Batzen. 
In  der  Gallerie  6  Batzen.   Auf  dem  letzten  Platz  la  Kreutzer. 

Wer  vorher  Billets  verlangt,  beliebe  solche  im  neuen  Komödien-Hause  abholen  zu 
lassen,  können  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  seyn. 


">  Der  Verfasser  dieses  Stückes,  Hofrath  Philipp  Jakob  Rühl,  ist  eine  fikr  das 

iiierarische  Leben  in  Frankfurt  wichtige  Persönlichkeit.  Er  war  der  Gründer  des 
Frankfurter  Liebhabcr-The;iters  und  gab  gemeinschaftlich  mit  Sevfried  1780  und 
1781  die  Zeitschrift  »Frankfurter  Beytrage  zur  Ausbreitung  nui/.lichcr  Künste  und 
Wissenschaftenc  heraus.  Eine  im  allgemeinen  günstige  Beurtheilung  des  Stückes 
•Der  vorgebliche  Todte«  findet  sich  im  III.  Stück  des  II  Quartals  (16.  Okt.  178K) 
der  dramaturgischen  Biälter  von  Schreiber. 


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•*  '4  Im  .Ii:  Sjiti>tA^  ikn  Ii  ^U|.>hcf  i;^* 
ram  iMtciiMiih: 

Dir  Howkfcit  Jci  f  d 
I    ,  ,   .      «  i)|%itnr.      *<•        -if'    *«•*         J**'  •■       '  •*■•'■*' 

UiC  Ml.  th  M  «••»I  M<>4«M 

1*  r  r  »  M  n  c  n 

Hu«»l  4*<  I  .'■»•■1  IV««.  ^  *^ 

I        I  K.      .    ;  .  (••»♦i'i,  H»-  N*r»»  a-.- 

hjt.'.  K'*.  fi!t  »«ff  J.'t  lif»  •  •  HcM  *  • 

h  ,  I  -       \      H  -  ^  '  ' 

A*«       I  i        ir.*»'. »  »..o.' ^.  *  •  •    '.  ** 

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I »  •  \      .•    •  .  ■    ^  l  • 

•  '•rrk-'.    :     .1'.  1,1     J.  J'.-i«»,» 


I 


m. 

Eine  Kaiserreise  im  ilahre  1413. 

Herausgaben  von  Dr.  K.  8eli»Uliaaa'in  Rom. 


Vorbemorkung. 

Für  die  Beurthciliing  des  nachstehenden  Stücks  war  eine  Untersuchung  des- 
selben in  spr.ichliclicr  Hinsicht  uncrlässlich.  Dieser  Aufgabe,  die  nur  ein  C>ermanisl 
auf"  sich  nehmen  konnte,  unterzog  sich  auf  meine  Bitte  Herr  iJr.  John  Meier  Fs 
sdiien  praktisch»  insbesondere  mit  Rücksicht  auf  die  CiUitc,  seine  Beobachtungen 
am  Schlüsse  in  einem  Anhang  folgen  zu  lassen,  eine  Verwerthung  der  Resultate* 
für  die  Einleitung  stand  dem  nicht  entgegen. 

In  Betreff  der  Anmerkungen  Folgendos:  Sic  bringen  sprachliche  und  sachliche 
Erlaulerungen,  verzichten  jedoch  im  Allgemeinen,  wo  der  Zweck  es  nicht  erheischte, 
auf  die  Anführung  der  gesammten  gedruckten  Litteratur 

Unterst&txte  mich  nach  der  spracblidien  Seite  hin  Dr.  John  Meier,  so  ein 
anderer  Freund,  Dr.  H  e  r  m  a  n  n  H  e  r  r  e ,  insbesondere  in  der  mittleren  Partie,  vor 
Allem  bei  der  oft  reLht  schwierigen  Ikstimmung  der  Personennamen.  Ihnen  Beiden  sei 
auch  an  dieser  Stelle  von  Herzen  gedankt. 

Einleitung. 

Das  Jahr  1475  ist  nicht  .irm  an  chronikalischen  oder  chronik- 
artigen Berichten,  die  auf  Kaiser  Friedrich  III.  Bezug  haben.  Indessen 
bchchranken  sicii  dieselben,  so  weit  sie  i;edrLicki  vorliegen,  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Trierer  Zusamnicnkuntt,  die  mit  ihrem  äusseren 
Glänze  und  ihrer  Prachtentfaliung  die  Zeitgenossen  zu  Aulzeichnun^en 
geradezu  aufforderte.'  Auch  das  in  Auszügen  von  J.  Baader'  init- 
getiicilte  Reisejournal  der  Brandenburgischen  Gesandten  Hcrtnid  von 


'  Siehe  vor  .^llcm  den  Bericht  eines  .\ugenzeugen  über  die  Zusammenkunft 
des  Kaisers  Fnednch  III.  mit  Karl  dem  Kühnen  bei  Chmel,  Mun.  Habsb.  I,  54—59; 
l'agcbuch  des  Johann  Knebel  in  den  Basler  Chroniken  II,  iff.,  namentlich  16  fl.; 
Ubellus  de  magniticentia  ducis  Burgundiae  in  Trcveris  visa  conscriptus  in  den 
Basier  Chrt)nikon  III.  — 56)  ^-  i-'her  andere  Quellen  vgl.  Chmel  a.  a.  O.  Einleitung 
p.  50  ti.  in  den  .\nnierkuniicn  und  besonders  Lindner.  Frz.,  Die  Zus:immenkunft  Kaiser 
Friedrichs  III.  mit  K^rl  den;  Kuhnen  von  Burgund  im  Jahre  147  j  zu  Trier, 
Greifswaldcr  Oissert.  1876,  p.  30- 

*  Im  Anzeiger  f&r  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  N.  F.  XI  (1864)  201^207, 

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-    i63  - 

einer  Vorlage  zu  entnehmen,  deren  Beschaffenheit  es  zuUess,  dass, 
während  der  Eine  Anfang  und  Schluss  zugewiesen  bekum,  der  Zweite 
gleichzeitig  mit  der  mittleren  Partie  beginnen  konnte.  Als  sich  dann 
-herausstellte,  dass  das  Pensum  des  Letzteren  durchaus  nicht  die 
Blätter  4—9  füllte,  blieb  ihm,  da  sein  Gefährte  bereits  auf  Fol.  10* 
fortgefahren  haben  wird,  nur  übrig,  den  sich  ergebenden  Zwischenraum 
möglichst  gering  erscheinen  zu  lassen.  Die  Thatsache,  dass  er  (vgl. 
p.  189  Var.  d  und  p.  190  Var.  e)  schliesslich  grösser  zu  schreiben 
begann,  entsprang  zweifellos  diesem  Wunsche,  der  freilich  nur  un- 
vollkommen erfüllt  wurde. 

Auf  eine  vermuchlich  verlorne  Vorlage,  deren  mechanisches 
Copiren  unter  Anderm  auch  durch  Verwechseln  der  Zeilen  und  un- 
vollständige Wiedergabe  der  Sätze  einen  äusserst  verderbten'  und 
det  Verbesserung  bedürftigen  Text  verursachte,  weisen  sodann  hin 
die  Stellen  p.  181  Varr.  c  d  und  /  und  vornehmlich  p.  187  Var. 

Oass  ein  Nürnbergischer  oder  jedenfalls  oberdeutscher  Reise- 
bericht, der  bis  in  den  Dezember  1473  reicht  und  Kaiser  und 
Verfasser'  als  damals  anwesend  in  Köln  zeigt,  sich  abschriftlich  von 
hessischen  oder  wetterauischen,  wenn  nicht  gar  Frankfurter  Händen 
im  Frankfurter  Stadtarchiv  befindet,  hat  an  und  für  sich  nichts  Auf- 
fallendes an  sich.  Zudem  liegt  hier  die  Sadie  vermuthlich  so,  dass 
eine  am  20.  Dezember  in  Köln  eintreffende  Frankfurter  Gesandtschaft** 
von  diesen  Notizen,  die,  so  wie  sie  auf  uns  gekommen,  etwa  am 
15.  Dezember  abgeschlossen  sein  werden,*  Kunde  erhielt  und  die* 
selben  für  ihre  Oberen  copiren  liess. 

Schwieriger  und  in  ihrer  ersten  Hälfte  nur  mangelhaft  zu 
beantwonen  ist  die  Frage  nach  dem  ungenannten  Verfasser  und 
nach  dem  Zustandekommen  seiner  Aufzeichnungen.  So  viel  ist  auf 
Grund  seiner  Darstellung  gewiss,  dass  er  nicht  zu  jenen  gehörte,  die 
schon  durch  ihre  Geburt  und  durch  ihre  amtliche  Stellung  mit  der 
Person  des  Kaisers  und  der  hohen  Politik  in  Berührung  kamen. 
Von  dieser  und  einer  Einsicht  in  die  am  kaiserlichen  Hofe  obwaltenden 
Motive  ist  nichts  bei  ihm  zu  spüren.  Sein  Stand  wies  ihn  vielmehr 


'  Sehr  verderbt  ist  z.  B.  p.  197. 

*  Auf  ein  zu  Grunde  liegendes  Original  deuten  etwa  auch  p,  17s  Var.  /  und 
p.  176  Var.  c. 

5  Zweifellos  auch  diesen. 
Sie  be&tatid  aus  Johann  Gelthaus,  Aniuid  von  Holzhausen  und  Ludwig 
von  Waldeck.   Die  uni^druckten  Berichte  derselben  im  Frankfurter  Stadtarchiv, 
Reichssachen  5809;  vgl.  auch  Janssen,  Frankfurts  Rdchskorrespondenz  II,  )0}. 

i  5iehe  darüber  weiter  unten. 


144  - 

in  Jic  «eitere  l'itiv,'i-l>un^  Jc^  lUKburKcr«  »nJ  %hn  \<c:!r»V 

aU  Kru>*Nrninti  «nkf  lUnJUr  j  cNcm  t<*t|;cn. '  Ni%hi%  Joto  mtf^r 
(¥ler  eben  üc^tulb  Mn«i  ^lac  Miithcilunicm  \vn  einon  eii(ctkcn  kf . 
Nie  /vu|:e»  \tn  einer     harten  Betitu^htuiiK^ilibe  unJ  *inJ.  w 

vi;:c  iVutUII^  01OK'!i«.h.  will  itls^:CsJTIimt        cr!js«|5.  AtlctJ^TiE*-  »{ !•* 

Ilt»n/t>nt  nur  ein  be^iTiiilicr    Ncheri  An^^^m  ur^i  «Im:  ut^rft^ 
K  T,.;i;tcn  C^rte  und  -  Scf  l-esclulucitcn  linden  \uh  mit  Vii*W?x  t-f« 
Henieikun|:en  iiK-r  Jic  dutc  der  Ver ptfe^uni;. *  N^iMendrc; 
ersten  St4ii'»r)cti  Jet  Rei''<-  tu.r  tunutit^  vh.  Jj    'rn  .  .ÜcuKi  wv^ 
bekamii,  und  ohne  etnctl  |i>tHiu)cn  tidr*  't^Kindeii  /uiatr  ai.** 
t/:*t  er  iu«.hher»  /uefM  K-  i  rwjlmun^  dv^  I  tmer  Mt.iuu- 
K:  ;  V  jti  dem  \un  ihm  (ie\vluuU'n.   Aber  «clb^t  ha^  «.^'^ 
die  i  r/idlunt:  nulit  i.Ser  eitlen  gcuisMrn  tf4K.lncn  l.  n.  iki  s.*»«;  •  ■ 
aiie  iol^c  Je-  iicnt  Autor  zur  \\r!;,i..ut*K'  %tchcnJcti  i;cfinccii  VV 
v.!iilie«  tsi,  ÜiexelWn  W*irte  und  AuvJru«.lc  xfcicJcrh«»kn  ^s.»»  .  "^f"^' 
(*cHi%^  mi^'  tiier'von  min%he\  der   hnt«tehun|:vin  der  Autir.' 
nuni:  /i  r  I  j^t  tallcn.  Uaw  w  m  einem  /ui^'e  i^vKhriebevi  mti,  »  *: 
Niemand  hchjupti'i   \\.''!cn,  ebcti%u  «cni^.  Am\%  i^c  i#s 
! ;c,ct»Jcti  (icsta!;   mit   Jen  hri rj>;tu\vcn  ;*\  vh/citi^,  J  »-.•T-i 
dc  N  M-1'%^Ik  >  n  ü  I      /u  1  ijj,  nirJcr^C'^  irict*cn  m:    l>  t  W  .  •'^ 
uirj  IT»  lUi  Mint.   !-.ii,!cn-    \X  ir  n'.cincn     Jct  Kv     t'<rivht  Ss,»** 

•tij^iiif  !•<!   c;r'cTTi  !  IT' ^  er  CT:  A  :.?cn;  f.  lltc ,  Vi  .t        A,.^.:  Ä 

"Kh.  1«.  UM  Krjt:cti    !!;rcr    i-i^w».i!iti    i;,vt;  vt.*: 

v»,  r'v  i   :  uk:<.u   ViitvU'jfl   /ü  ctU^^L  Jcf     t-^r  te      A=  • 

al^i  i.r^J  :  V  ;n  i    «.  •!  (.       w  trd  der  Iku*  cnt^ür«^^* 

ircr*        'I  i''  >.  t  if    A  ."JN-         tii^ht  cfi!.:i-/i"r'  ,  " 

/;.«4Si <f  der  S^(ia.^'»nou/  i-v€t  eme  >ieffic^ii* 


-   i6s  - 


tägliche  Spende  Köln.s  an  «Jen  Kaiser/  die  von  Friedrichs  Ankunft 
in  Köln,  d.  h,  vom  30.  November  \  7x\  rechjien  sein  wird,  d.iss  der 
Verfasser  etwa  am  13.  Dezember^  auf  irgend  eine  Aufforderung  hin, 
die  ihn  die  Reise  des  K.iisers  von  Trier  nach  Ki)hi  schliesslich  i;anz 
summarisch  und  nicht  mehr  Tag  für  Tag*  hehaiideln  Hess,  seinem 
Bericht  einen  voriäuhgen  Abschliiss  gegeben  haben  wird.  )diinen 
vorläuhgen  Abschluss«  insofern  iils  dem  Autor  die  Absicht  wenigstens 
vorgeschwebt  haben  mag,  in  einer  l-ortsctzimg  au^l,  des  Kaisers 
Rückreise,  die  im  Januar  1474  über  Frankfurt  erfoli>ie, *  zu  be- 
handehi. 

Müsse  zur  Ausarbeitung  war  für  den  Verfasser  in  Städten  wie 
Augsburg  mehr  als  reichlich  vorhanden,  da  für  ihn  im  Vordergrunde  des 
Interesses  <Ier  Onswechsel  und  das  Wandern  von  Stadt  zu  Stadt  standen. 
Ein  Tagebuch  über  die  Vorgänge  etwa  während  des  Augsburger 
Reichstages  oder  während  der  Trierer  Zusammenkunft  zu  schreiben, 
lag  ihm  fem.  Dass  der  Werth  des  Berichts,  wie  schon  im  Anfang 
bemerkt,  demnach  hauptsächlich  in  der  gründlichen  Aufstellung 
eines  Itinerars  liegt,  ergiebt  sich  hiernach  von  selbst;  nur  die  Tage, 
an  denen  der  kaiserliche  Herr  und  sein  Gefolge  unterwegs  waren» 
sind  einzeln  verzeichnet,*  aus  der  Periode  eines  längeren  Aufenthalts 
dagegen  bloss  wenige  Momente  hervorgehoben,  die,  wie  eine  feierliche 
Lehensertheilung,  ein  festliches  Gastmahl  oder  ein  Turnier,  die 
besondere  Aufmerksamkeit  des  Autors  erregt  hatten.  — 

Derjenige  daher,  welcher  im  Folgenden  werthvolle  Aufschlüsse 
über  Friedrichs  Aufenthalt  in  Augsburg  April  26  bis  Juni  14,'  in 
Ulm  Juni  15^23,  in  Baden  Juni  30  bis  August  15,*  Strassburg 


'  Siehe  p.  aoo:  und  14  tage  nach  einander  allen  dag  zwornt  fünfzig  kandel 
wio,  etc. 

*  Ankunft  in  Köln  am  30.  November  (nach  Chmel,  Mon.  Habsb.  1,  i  Hinl.  p.  77), 
s  Dazu  stimmt,  dass  der  Autbruch  des  Kaisers  nach  Aachen  noch  nicht 

x\.\\\cT  festgesetzt  scheint:  der  Kaiser  ist  in  willen  zu  ziehen  gegen  Ach  (p.  200). 
!  ricdrich  wandte  sich  nach  Aachen  am  18.  Dezember  (nach  Janssen,  Frankfurts 
Kcidiskorrespoiidcn/'  II,  -yoi). 

*  Hr  giebl  i.  B.  nur  die  Mcilenzahl  von  irier  nach  Cobiciu  an;  ij  bzw.  ji 
Meilen  (p.  199),  sagt  aber  nicht,  auf  wie  viel  Tage  sich  diese  Meilen  vertheilicii. 

>  Siehe  Janssen,  Frankfurts  Reichskorrespondenz  II»  303. 
^  Dass  der  Verfasser  gegen  den  Schluss  hin  summarisch  verfahrt,  m  soeben 
bemerkt. 

^  Man  vergleiche  über  Ucti  Augsburger  Keiclistag  insbesondere  Ciimel,  Mon. 
Habsbwgica  I,  EinL  p.  14—49. 

*  Man  vergleiche  insbesondere  Chmd  a.  a.  O.  p.  $0  und  $1  und  Lindner 
a.  a.  O.  p.  41-49. 


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Ai.tuM  1^.    27.    It^    .'i:  Aut»%i  2H  hiv  S^ftcttiKir  2,  Bx»«  ^c^ 

U"n;lvt    {     I    ,•   ^    A . .    i            "   er  jfi    i^,   m   Meti  V  ;-r--  • 

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-    167  - 


Gretzs/  als  man  die  coraplet  lutet,'  und  des  nachtes  4  niUe  gein 
Lynniz.*  da  am  morgen'  horte  er  messe,  des  selben  tags  vier  mile 
gein  Meduburg,*'^  darnach  des  dritten  tags*  vier  mile  gein  Traugur,*^^ 
darnach  am  Vierden  dag^  4  mile  gein  Volkumargt.*  damoch  4  mile 
gein  Sancc-Vyc'  in  Kirnten.''  da  quam  zu  im  sin  lantschaft,  viel 
ritter  und  knecht,  und  lag  da  biß  an  den  eutften.  "*  da  quam  zu  itn 
der  hochgepam  fürst  und  her  her  Maymilian  erzherzog  in  Osterrich" 
und  sin  swester  frawc  Kungundt,"  sin  keiserltche  gnade  kind.  und 
schicket  als  bi  hundert  pherde  hinüber  gein  Straspurg''  zu  in,  das 
sie  herabe  beleic.  daher  in'*  engcigcn  quam  des  Durchsehen  keisers 
bruder,'*  der  von  Maynt/.'*  und  ander  viel  ritter  und  knecht,  und  ' 
was  das  am  mantag  noch  judica  in  der  vastcn. da  bliben  sie  biß  uf 
den  sampstag  vor  dem  palmtag.'"  da  hub  her"  sich  uf,  der  kaiser 


«  F  Gtttxs  mit  Schnörkel  über  »r«. 
b  F  kaum  »Mcdoburg«. 

c  F  Traug,  und  dann  über  der  Zeile  das  Sigk  für  »um. 

1/  in  F  Kirnten  mit  Schnörkel  am  »m. 
e  das  ist  »er«;  und  so  oticr. 


*  Die  Zeit  gleich  nach  Sonnenuntergang. 

'  Lienz  oder  Lüen?.  am  Fluss  Isol?  Siclic  Bu&ching,  Hrdbesdireibuug, 
Fünfter  Theil.  Hamburg  1 789  p.  610  (d.  Oesterreich.  Kreis).'  Nach  Büscbing  »in 
Abnahme  geraüiene  Stadt«. 

'  Mar/  2;. 

*  Ob  Marburg  a.  d.  Drau? 
$  März  26. 

<  Gemeint  ist  wol  Draburg  a.  d.  Drau. 
7  Mira  ly. 

«  Volckmarki  a.  d.  Drau. 

*  S.  Veit. 

*•  April  j.  Die  Landschaft  bewilligte  dem  Kaiser  ein  Ungcld  (nacli  cuicm 
Briefe  von  2  gen.  Frankfurter  Gesandten  an  Frankfurt  vom  17.  April  1475:  Frank» 
furt  St'A.  Kcichssachen  Akten  80  nr.  14  or.  Chart.,  die  betr.  Noti«  auf  einem  ein- 
gelten  Zettel). 

»«  War  damals  14  Jalire  alt. 
Damals  8  Jahre  alt. 

An  der  Gurk;  die  Stadt  liegt  nw.  von  S.  Veit. 

das  ist  »ihnen«. 

Pr'mr  ('.iH\t  Osmnn,  der  in  (ielan-^ensclialt  f,'erathcn  war  unii  il;e  heilige 
Taule  angenommen  hatte,  s.  Krause,  Gottl.,  lk*2tchuiigcn  zw,  Habsb.  u.  liiirg.  bis 
z.  Ausgang  der  Trierer  Zusammenkunft  im  Jaltre  147).  Gott.  Diss.  1876  \\  16. 
**  Erzb.  Adolf  von  Nassau  146t  <~75. 

'7  .\pril  >. 

'«  April  10.  Dieser  Tag  w  ird  auch  von  den  Frankfurter  Gesandten  (s.  Anm.  lo) 
als  der  des  Aufbruchs  bezeichnet. 


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IV. 

Die  römischen  Ziegeleien  von  Nied  bei  Höcht 

und  ihre  Stempel.  m 

Prof.  Dr.  Georg  Wolff.  WM 
Mit  6  Tafeln,  aufgenommen  und  zusammengestellt  von  Ingenieur  H.^ 

I.  Vorgeschichte  und  topographische  Vorausset 

der  Ausgrabungen. 

Von  der  Stelle  an,  wo  der  Main  oberhalb  Aschaffenl 
dem  mehr  oder  weniger  engen  Thal  zwischen  Odenwald  unc 
in  die  oberrheinische  Tiefebene  tritt,  sind  zwei  Punkte  voi 
ragender  geographischer  und  geschichtlicher  Bedeutung:  dit 
mündung  zwischen  Hanau  und  Kesselstadt  und  die  Nidda 
zwischen  Höchst  und  Nied.    Erreicht  an  der  erstgenannt« 
der  alte  Verkehrsweg,  welcher  zwischen  dem  Vogelsberg  i 
der  Rhön  und  dem  Spessart  anderseits  dem  Laufe  der  Kinz 
und  der  späteren  Leipzig-Frankfurter  Heer-  und  Handelsstr 
sprach,  den  Main,  so  war  dasselbe  bei  Höchst  der  Fall  mi 
die   älteste  Geschichte   zweifellos   noch  wichtigeren  Nati 
welche,   zwischen  Vogelsberg    und  Taunus  verlaufend,  i 
Chatten  ins  Main-  und  Rheinland,  aber  auch  die  Römer  ins 
und  Cheruskerland  führte.  Dass  die  beiden  Funkte  in  der  his 
Zeit  nicht  so  sehr  hervortreten,  wie  man  es  nach  ihrer  Lagt 
setzen  sollte,  hat  seinen  Grund  z.  T.  darin,  dass  die  Stellt 
der  Frankenfurt  aus  einer  königlichen  V'illa  die  berühmte  Kc 
erwuchs,  die  X'orteile  der  getu'rapliischen  Lage   beider  g 
vereinigte,  in  topographischer  Hinsicht  aber  ihnen  überle« 
Doch  ist  den  filteren  Lokalforschern  die  Bedeutung  der  beid' 
mündungen   für  die  Eroberung  und  Sicherung  des  untere 
gebiets  von  der  linksrheinischen  Seite  aus  nicht  entgangei 
der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  gleichzeitig  mit  einer  barl 
Zerstörung   der  damals  noch  weit   zahlreicher  vorhandene 
der  Vorzeit  ein  lebhaftes  Interesse  für  eben  diese  geschi( 


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—     169  — 

abe  gein  Saltzpurg.*  da  bleube  er  den  heiligen  ostemg.'  am  montag* 
auf  tunb  zehen  uern,^  und  fore  ab  auf  dem  wasser  7  mite  gein 
Purghawsen.*  und  zu  Saltzpurg'  quam  herngegen  herzog  Kristoff* 
und  herzog  jorig^  von  Paim  und  foren  auch  mit  im  ab  zu  Purghusen. 
da  herngegen  quam  man  im  kostlich  mit  der  processe.  und  da  rait 
her  zu  hoff,  und  da  in  dem  hoff  stoindt  die  hirzogin*  und  ir  dochter' 
mit  schonen  frawen  und  jungfrawen,  und  da  wart  er  schon  ent- 
pbangcn.  und  also  ging  iderman  an  sin  geware,***  und  iderman' 
gebin  essen  und  drinken  visch  und  wilbret  genung,  und  gaben  win 
und  hier,  am  erchtag'*  da  quam  der  herzog  Ludwig"  selber,  und 
da  ward  noch  essen  ein  köstlicher  tanz  in  einem  schonen  huß.  da 
danz  der  keiser  selbes  mit  siner  miimen,"  und  die  junghen  fursien*' 
und  der  Durchs*  keiser'*  und  ander  hem  ritter  und  knecht  alle. 


a  in  F  von  einer  ^'Icichzeitigcu  Hand,  wol  aus  der  Frankfurter  Kanzlei,  über 
dinchstrichenem  »Straspurg«. 

*  F  wem,  wie  p.  166  Var.  c, 

c  sie  cm.;  F  Strasburg. 

1/  sie  cni  ;  1'  j.ire.  Vgl.  u.  a.  p.  176  Var.  b. 

e  F  üurchclii. 


'  April  18.  In  dem  p.  167  Anm.  10  erwihnten  Briete  beiast  es  (auf  dem  Zettel): 
Ankunft  FriedricJis  in  Salzburg  April  17  mi:  Maximilian  und  dem  Herrn  von  Mainz, 
dort  stiessen  zu  ilini  die  Herzoge  Georg  und  ('hrisiopli  von  Haiern;  Herzog  Sigmund 
von  Oestreidi  werde  heute  (April  17)  kommen,  AulbrucI»  von  Salzburg  voraus- 
sichtlich Montag  [April  19J:  die  Henoge  Emst  und  WUhdm  von  Sachsen  und 
Markgraf  Albrecht  von  Brandenburg  haben  in  Augsburg  einige  Tage  auf  Friedrich 
gewanet;  das  Gerächt  gehe,  Maximilian  solle  Römischer  König  werden. 

'  April  19,  s.  vor.  Anm. 

J  Burghausen  a.  d.  Salzach,  wo  seit  etwa  146)  Amalie  von  Sachsen,  die  (ic- 
itiahiin  Herzog  Ludwigs  von  Baiern.  lebte,  s.  Kluckhohn,  A.,  Ludwig  der  Reiche, 
Nördl.  t86s  p.  3 14  IT. 

4  Christoph  von  Baiem-MOnchen,  geboren  1449;  s.  Anm.  i. 

{  Der  einzige  Sohn  Ludwigs  des  Reidien,  geboren  14$$;  s.  Anm.  i. 

«  Amalie,  s.  Anm.  3. 

'  -Margarethe,  wurde  Fastnadit  1474  mit  Philipp  von  der  Pfak  vermihlt, 

s.  Kluckhohn  a.  a.  Ü.  p.  31Ö. 

•  Quartier. 

*  Nach  »iderman«  ist  stillschweigend  ein  »wurde«  zu  ergänzen. 
»•  April  aa 

"  Ludwig  der  Reiche  1450— 79>  Gemahl  der  Amalie. 
"  Der  Herzogin. 

Maximilian,  Georg.  Christoph. 
^  Prinz  Calixt  Osman,  p.  167  Anm.  i  j  des  Türkischen  Kaisers  Bruder  genannt. 


-  i;a  - 


Jctii  We\tcruh.*  uml  hcl  biv.lu>l  und  grj^rn,  Sirti,  riiicr  uihl  äih.«^* 
und  bili'ttivn  Jrt»  Vji^mti  ran»  unj  niwh  «ia  ein  uol  um^  f  urtj  rcccr.« 
i«  Ifjirc  %crc  und         aImi  «urJcn  Jic  hcrn  /u  rjtf  «i4  c?r«fi  t«* 
uhcr  %icf#<'hcit  ta^. '  tl4rmH.h  Jj  intcn  «iw  hctrcn  «un  Ni^hm  Mr«i.v 
Itfi^C  i.i*J  hcTA*^  Wilhc\ni  \(in  Jan.    uoJ  ikr  kiitcr  hcic ' 
lititi»  bili  tu  «Icni  «j\wf  '  ilimuhh  r«it  er  in  tliuhc 
kir«.licti.  dann  «iddcr  in       |uUi%   in  d«in^  |>hii^^icn'  «i<r  vt-^- 
i'rj\mu«  dj»;,  di  »j«  ftcbuct  cm  «lue)  Jut  dcnt  «imMurit.      mi»  ^ 
d<r  fi>«.lMti  um  McU/*  und  dem  »ird  di  K^khen    und  «|iat-  ^. 
,jr  i<>%t)ivb,  und  bereuten  den  Mul  und  «Jren  d«  ^un  fisr«i<*  4c 
>njr|;t;ri>c  \tm  Hrjinnenburie  Luriur\t»  der  tfu|;i  ru  dem  Ichcn 
Vcivcf  %(M  den'  /epief,'  der  s%M£  hir«i|C  den  Jfdiel.*  iter  «  v 
Mi^ntf  die  kciserliwhe  krtun,  der  martcKilk  von  Pipialuini*  4ä\ 
i..^U*  %i\  di  lnrni|;  Alhe«:hi'  und  hir/oK  (.n«uiif*  %ir  p-Jc- 
'f/it^  Ott  %<>n  Neunur^Lt,"  «in  prüder  ]ier#i»iE  IUn%."  de«  i 
wiT^^f»>K  M»t\  l'iden,'"  der  I>ur}:vli%  keivrr,*'  hwlmt  »-v  'Ifwm-  ' 
'  %«hi>l  vtin  Ment//  **  h\%,hul  \on  AifCMJt,     bt%%htil  tun  Revcr.  * 

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N  *  r  » •»  ^  i  • 


es  was  auch  da  von  viel  fursten  Botschaft:  von  dem  konnig  von 
Ungern/  von  dem  kunig  von  Polan,  von  dem  kunig  uß  Tenmarch,^ 
von  dem  konnig  [von]'  Franckri^h,  von  dem  konnig  [vonJ<  Gcilia, 
von  dem''  pasi,'  von  dem  hirsog  von  der  Ettsch*  sein  reit,  von 
dem  birzogen  von  Pairn'  sein  rein,  von  dem  hirzogen^  von  Sachsen 
sin  botscbaft.  auch  was  da  zwen  herren  von  Wirtenworg.*  und 
wurden  da  zu  rat  sieben  vochen.'  auch  wurden  an  dem  lehen  viel 
ritter  geslagen.  also  herginge  der  dag.  auch  reit  der  keiscr  3  mile 
kirch|tcjsten<7  gein  sanct  Leonhart;*  auch  reit  er  am  phinstag  vor 
phinstag^  uß  aus  zu  Auspurg  umb  6  nachmittag  und  des  nachtes 
6  mile  über  die  heid"*  i'n  ein'  stat  haist  Landtsperg,«"  und  quam 
dahin  wol  umb  12  in  die  nacht,  zum  morgen"  fruwe  auf  und 
4  meil  auf  den  Heiling-Berg.*'  da  ist  fiel  heltumbs  und  fiel  wunder, 
und  des  nachtes  herwider  in  die  stat,  und  am  sampstag'*  nacht  ^ 
wider*  gein  Außpurg.  und  da  bliben  biß  an  montag  [nach]''  dem* 


a  lüni^'ern«  imd  weiter  »PoUn,  l'enmarch,  Franckrich,  Ciciiia,  past«  unter* 
strichen  von  der  i.  Hand. 

b  F  eher  »Temmarch«. 
c  om.  F. 

(/  "sie  em.;  F  dan. 

f  sie  cm. ;  F  kirdisien. 

/  sie  cm.;  F  sim. 

if  in  F  am  »g«  mm  UeberAuss  ein  Schnörkel,  der  sonst  »er«  bedeutet. 

b  F  nach;  am  Schluss  der  Seite  unter  dem  letzten  Worte  der  letzten  Zeile; 
iir5pri:ti^lich  sollte  noch  eine  neue  Zeile  mit  »nach«  beginnen,  das  zu  diesem  Zweck 
geschriebene  »nach««  ist  durchstrichen. 

f  hiermit  beginnen  neue  Seite,  andere  Dinte  und  eine  2.  Hand. 

k  om.  F ;  s.  p.  174  Anm.  i. 

/  F  den. 


*  D.  i.  »pabst«. 

'  Herzog  Sigmtrad  von  Tirol,  vgl.  p.  169  Anm.  i. 

'  Herzog  Albrecht? 
■*  Wo!  Kurfürst  T'mst. 

>  Eberhard  I.  im  Bart  (f  14^6)  und  Ulrich  V.  (t  14H0)? 
«  Wozu  das  Datum  der  kaiserlichen  Abreise  am  14.  Juni  stimmt. 
7  Das  ist  »wallfahren«,  ygl.  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  $,  8t6^ 
«  Bei  Augsburg. 

9  D.is  ist  Donnerstag  vor  Pfingsten,  Juni  3. 

Das  Ixchleld. 
"  Am  Lech. 
"  Juni  4. 

n.is  ht  die  Benediktiner-Abtei  Andechs,  nicht  weit  vom  Amm«rsee. 
*♦  Juni  $. 


4tii\  .!i'.i:kctt  uc  '  tii  «iv  in^n  ul  umb  cin%  ruK.li  iritt«ikt,  «%: 
Ol»  [ti):cH|'  ii:nl  mil  iii  vtn  ntirkt  und  %«,M(>ß  «bp,  bcitt  \tt*»* 
«2t  crpi>tt  Jctii  Jcr  \%m  Suvfi'  |;r4i%Mr  rtc.  itmi  icticrititf  fi%w^.s  » 
•ar»:        uj:«  «i>         ttt  tim^  H  und  ^  iiik!  kvih  \.\nt  «U 
II  t)  ;«tii  cnti;«^-ct)  ititt  der  |trtKi%^UMi  j^jf  ktniluh  und  ctitffiTv  *• 
Kt  j'm>,  und  itut  dct  {>riK.i*%%ii)  al^t»  in  die  ktr^hco«  ^Mt  tm\ 

t^.t  4*11  Lt>\(!u!i  kiuh  (v|  ui:J  Lll^t^lvh  i'CpUCt    J>«>>  «%lun4t 

k'ii  d4  dl.  cnt  j:uld|cf'  .  12  \A\         und  i:f«>l'>  ifti.iti"  n.ix 
I.' d  «N*  ..II  (.'.%!  Sanofi,  und  ifpt*ii  iK  sim'it'lV  da  v^'  er  4^  »  't 
!u!.:.in.*  ^tin;  d«.f  Vt.;  vr  u-:.!'  fin*|dcr  pfiut>N;»>.  Ja  nun  <  > 
df,:  ,4.1  ".Ol  *;.iJ»  *  jl.*»  bi:*.  IT   ;:i  .Uni  I>ut\«.bcn  h—«  ^rj  , 
dj  A«.  lind  rcit  d4  m  ih  kn^licn.  4\st*  Jini  ci*htcn  ta*.'  •  f 

\xr.y\  UtikiV"\  tj,-  /u  NiitiiK'm,'  tii*t*  rf  \i«.li  ut  umb  ciiH  ni%'f "  * 

,i  diN  tiiicv  J'.j  n!4i*  m  c"n  -m:*.  ';t  dtwlmi;.  *  und  .*!  t 
C        (■  vi         d*  ^11  4:11  Lt»s::<,^h  \i«>i\/'  «ic\  «luim  c:'  •*  • 

\.khioi'*  i.iij  «cftif  t.tiN  u!  lUm  filde.  an  dem  %«.;n>c;-ss  *z\*'* 
!•  .«c  «4i  (fo.'r.*.  u"d  /%4ii  rui!  in  «:»  sijii,  hovl  CiApp* »  •  • 
•  .j  d4*  x-'fi  ^if::*' t'cf,'.'*  und  d4r  cfp«»:!  unv  da  k'^*^*^  '*  " 

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"  18..      .  • 


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iederaian  gtng  essen  und  drinken.  und  pleben  des  nachtes  da.  und 
am  smnbenf'tag^  noch  dem  mal,  da  zogen  wir  von  dan.**  und  der 
von  Wtrttenberg  mit  uns,  und  drii  meil  in  ein  grosse  statt,  heißt 
Esting*  und  gehört  zu  dem  rieh,  da  wart  dem  keiser  groß  crc 
erpotten,  und  schankt  iem  da  8  hundert  guld[en]  und  win  und  habern 
und  ander  notiurft  und  ein  köpf,'  und  dem  jungen*  3  hundert  gülden, 
noch  ein  köpf  von  achstein.  ^  noch  musten  die  von  EsHng  da  swern 
uf  dem  platz  mit  ufgcrektem  eide,^  der  raitt  und  die  gemeine, 
noch  die  von  Aaspurg'  und  die  von  Ulm  desgUchen.  an  frittag^ 
noch  sunibent'  da  zogen  wir  von  EsUng  /.wo  meil  in  ein  statt,  heist 
Siockan,**  und  sitzt  da'dcr  alt  grave  Ulrich"  von  Wirttenberg.  da 
ist  es  gar  ein  schone  lant  von  win  und  trau(bcn],^  und  köstlich 
schloß  und**  stede.  auch  wart  da  dem  keiner  vil  und  groß  er  erpotten. 
auch  hett  man  da  zugericht  uf  dem  hoti  Linen  bumen"  mit  aucht 
roren.*  des  morgens  ran  weis  w  ein  und  nachmittag  roti.  und  iedernian 
wer  darzu  quam,  der  hat  zu  drinken  gnung.  auch  hctt  er  in  einer 
grossen  wilten  stoben  lassen  zurichten  ein  tatfei  und  daruf  setzen 
vil  schons  und  kostUdis  silbers.'  und  da  vil  disch,  und  da  iedernian 
gesatZT  nach  sinem  statten.  und  essen  und  drinken  gnung.  auch 
asse  er  selbs  an  dem  disch  in  der  stoben,  nach  tisch  hett  her'*  lassen 

a  sie  eni.;  I*'  »S«  und  dann  »winbenta. 
h  F  dem. 

c  F  »trau«  und  am  »u«  ein  SchoÖrkeL 

J  F  un,  am  »n«  ein  Schnörkel. 

e  lülgt  durchstrichen  »und  iedernian  der  dar/M  quam«. 
/  sie  em. ;  F  silberasch,  was  vieHeicht  daraus  entstanden,  dass  man  »siiberscb« 
sprach. 

'  juni  :?  },  Sonnwendetag. 

*  üsshugen. 

)  Triokgefäss. 
■*  Maximilian. 

>  Das  ist  Bernstein  und  Ma^netstein,  vgl.  Lexer  I,  28  sub  »agcsteina  und 
Kachtragt'  p.  12  sub  »jchstein«  und  p.  i>  suh  »agcsiein«. 

*  Hracliylogie  i  eigentlich  nmit  autgereckter  Hand«  einen  Jiid  sciuvorai;  vgl. 
Schmeller,  Bair.  Wb.  >  2>  42. 

'  Augsburger  und  Ulmer  nai&rltch  während  der  Anwesenheit  des  Kaisers  iti 
ihrer  St,  dt.  hier  nachträglich  erwähnt. 

*  juni  25. 

*  Das  ist  bonnwende. 
*•  Stuttgart 

"  Ulrich  V.,  t  1480,  der  Vielgeliebte. 
"  =  Brunnen  (ixüt  acht  Köhren). 
'J  Sund,  Wurde. 
*•*  Wie  schon  früher  gleich  wer«. 


beute  an  sonstigen  Fundstücken  auf.    Am  »alten  Berti 
wurden  dagegen  im  Jahre  1858  und  ebenso  bei  einer  in  i 
Jahre  durch  Geometer  Jost  vorgenommenen  Ausgrabunj 
an  derselben  Stelle'  Funde  gemacht,  die  auf  die  Existen 
gestatteter  Wohnräume  schliessen  Hessen.    Wenn  daher  1 
Anschluss  an  die  Aufzählung  der  hier  gewonnenen  FunC 
Fundbericlue  bemerkt  wird:  »das  Vorhandensein  bedeutendet 
Militärstationen  an  der  Nied  wurde  damit  evident  erwii 
muss  dieser  Behauptung  entschieden  widersprochen  werd 
die  »Fundamente  eines  runden  Thurms,«  die  »massives  l 
in  unmittelbarer  Nahe  vermuten  Hessen«,^  sprechen  eher^ 
für  militärische  Anlagen,  und  die  »Kanäle«  sind  wenigs 
für  solche  beweisend ;  und    ein  im  Jahre  1870  bei  bauli 
änderungen  auf  dem  Areal  der  Fischer-Schmidtschen  Fabrik, 
nahe  der  Nidda,  an  dem  westlich  gerichteten  Teil  ihres  1 
machter  Fund^  wiedersprach  dieser  Ansicht  nicht.    Die  R 
Wohnhauses,  die  von  uns  bei  den  Ausgrabungen  im  Hci 
dicht  an  der  Grenze  des  genannten  Besitztums,  wenige  l 
der  früheren  Fundstelle  aufgedeckt  wurden,  dürften  mit  der 
da  sie  sich  nach  ihr  hin  über  die  Grenze  hinaus  fortsetzte 
sammenhang  stehen. 

So  blieben  denn  allein  die  Ziegel  übrig,  welche  als  E 
das  Vorhandensein  einer  militärischen  Anlage  betrachte 
konnten,  und  zwar  umsomehr,  da  neben  ihrer  grossen  A 
sonders  auch  der  Umstand  aufticl,  dass  nicht  weniger  als  4 


'  Wenn  es  in  den  Periodischen  Bl.utern  der  (leschichts-  und  Alten 
zu  Kassel,  Darmstadt.  Frankfurt  a.  M.  und  Wiesbaden  vom  Jahre  1.^ 
S.  15)  lieisst:  »seitwärts  nördlich  der  von  Höchst  nach  Nied  führenden: 
ganz  nahe  an  der  Niddac,  so  zcijit  der  .\ugeiiscliein.  dass  nur  vom  »alte 
die  Rede  sein  kann,  an  dem  auch  der  genannte  W  eg  entlang  luhrt. 

'  Diese  Stelle  führt  Hammeran  nicht  an,  ollenbar,  weil  er  mit 
J:videnz  des  Schlusses  bezweifelt.    Im  .Museum  zu  Wiesbaden  land  ich  • 
als  im  Jahre  1858  bzw.  1S59  an  der  ».Militärstalion  bei  Nied«  gelunden 
Diese  Bezeichnung  rührt  ollenbar  von  derselben  Cluellc  wie  die  Bemerki 
Periodischen  Blattern  her  und  kann  daher  nur  auf  denselben  Grad  von  1 
.Anspruch  machen. 

'  A.  a.  O.  S.  I  jH  und  1 59.    Bestanden  denn  die  l'undamente  di 
Turmes"  nicht  aus  massivem  Mauerwerk  ?  Wir  kommen  aut  diesen  I*unkt  sp; 

*  Hammeran  a.  a.  O.  S.  9}.    Die  Stelle  wurde  bei  den  vorj.ih 
grabungen  aufs  neue  festgestelli.    Sie  liegt  am  sudlichen  iinde  der  Fabr 
die  auf  Talel  I  östlich  vom  Buchstaben  D  /wischen  der  Nidda  und  der 
suchen  sind. 


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—   177  — 


am  wailiic'  da  es  unsicher  was  ut  dem  wald,  quam  her  iciii  ent- 
gegen, der  junf:;k  margj^rave*  von  Badauwe*',  (da  ^iciiij  sin  land  ane) 
und  beleit  uns  des  nachtcs  in  ein  stait,  heisi  Phurua,"*  und  ist  ein 
hübsch  siati.  da  wart  dem  kciscr  auch  vil  ere  erbotien.  anc  sanct 
Pclers  tag'  nacht''  zugcn  ein  mcil,  und  uf  halbem  wegk  da  rast* 
unser  tr.uiwc.^  gar  gnediglich  da  stund  der  kciscr  abe.  und  da 
geschach  ein  man.*  da  erstach  Herasm"^'  Mneger  ein  swert  durch 
ein  marschalk'"  von  Stiipf'b.ich."  also  wart  der  d>i  begraben,  der 
.mder  quam  d;ivon.  und  des  nachtes  zogen  wir  in  ein  stat,  heist 
Oil;ng,'^  und  ist  des  von  Baden,  am  .inderm  tag''  nach  essen  uf 
und  drii  meil  gein  Baden.  '  das  ist  ein  stinkcndiu  '  statt,  und  under- 
wegen  quam  hergegen  der  alt  marggrave'*  und  der  bischof  von 
Metz  und  pelaten « uns.  in  der  statt  da  wart  dem  keiser  und  sin 
lutten  wenig  er  erpotten.  zu  Baden  da  quamen  vil  heren,  groß 
ritter  und  knecht  hin  und  vil  potschaft  von  nianigen  fursten,  und 
wan  da  uft  ratt  gehabt  bi  dem'  keiser.  auch  wart  da  zu  Paden 
gctcdingt  zwischen  unsers«  [herrn    des  keisers  und  des  Palizgraven  bi 

a  sie. 
b  F  nach, 

c  sie  cm.;  F  hensin. 

</  sie  em.;  F  stinkenden. 

e  SIC  em. ;  F  pre!.itcn  vgl.  p.  i8>  Var  h. 

J  b  »de«  Hill  Schnörkel  am  »e«. 

f  sie  em.;  da  •zvriiscben«  in  uiueron  Text  stets  Jen  Genitiv  ngicrt.  F  unscrm. 
h  om.  F. 


'  Schwarzwald,  die  Nagold  entlang. 

*  Wol  Christoph,  s.  p.  tj2  Anm.  12.  Ist  xu  schreiben  »quam  i«m  herent- 
gegen  der  j.  m.«? 

J  B.iden. 

Ftorzheim. 
<  Juni  391 

*  Das  ist  «rastete«  oder  »machte  Aufcnthali«. 

'  W'nl  Kuiügunde,  Friedrichs  Tochter?,  vgl.  p.  167  Anm.  12. 

*  Mord. 

'  Erasmus. 

Vorsteher  eines  Marstalls. 
"  Wol  im  Oesterrcichisclicn  xu  suchen. 
'*  Ettlingen  w.  von  Pforzheim. 
'i  Juni  }o. 
■4  Baden-Baden. 
'I  Carl. 

'*  Georg,  Bruder  Carls, 
'7  D.  i.  »geleiteten«. 

12 


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—   220  —  «MH^^H 

Weiten  des  in  Betracht  kommenden  Terrains  auf  die  regwi 
Raumdispositionen   römischer  Befestigungen  hinzuweisen  « 

Schon  Hammerau  hatte  bemerkt,  dass  im  Norden  dei 
»das  Feld  schroff  über  dem  Wiesenihal  erhöht  ist  und  ; 
Stelle  eine  rechtwinkelige  Ecke  bildet«,  während  »an  der 
Stelle  es  geradlinig  fast  wie  durch  einen  ehemaligen  Wall 
ist«.'    Auf  dieselben    Stellen    wies   uns   später  ein  Mitg 
Frankfurter  Altertumsvereins  hin,  das  bei  einem  gelegentlich 
über  die  Ausgrabungsstätte  uns  »an  ganz  falscher  Stelle  gra 
während  doch  die  wirkliche  Lage  des  Kastells  leicht  zu  < 
sei.«    Damals  waren  wir  freilich  nach  wiederholten  Untersu 
des  Terrains  und  eingenhenden  Erfragungen  bei  den  Besits 
Grundstücke  in  der  Lage,  uns  gegen  den  Vorwurf  der  1 
durch  den  Hinweis  darauf  schützen  zu  können,  dass  der  gei 
Wall  das  alte  Niddaufer  sei  und  die  rechtwinkelige  Eck 
Ursprung  einem  Einschnitt  in  eben  jenes  alte  Ufer  behufs  Ge' 
des  dort  anstehenden  Lehms  für  eine  vor  ca.  30  Jahren  vorübc 
betriebene  Russenbrennerei  verdanke.    Bei  dieser  Gelegenh 
wieder  angeblich  ein  Kanal  aufgedeckt  worden,  nach  dem  wi 
an  Stellen,  an  welchen  er  nach  der  angegebenen  Richtung  siel 
musste,  vergeblich  graben  Hessen. 

Wichtiger  schien  uns  eine  andere  Beobachtung,  welche  vot 
der  früheren  Forscher  gemacht  worden  war.  Wenn  auf  de 
umschriebenen  Terrain,  wie  alle  älteren  Berichterstatter  an 
und  auch  Ilammcran  zu  vermuten  geneigt  schien,'  ein  Kas 
so  musste  es  mit  der  rechten  l-lanke  an  das  Hochufer  der  Ni< 
so  anlehnen,  dass  seine  I-ront  von  da  an,  wo  der  Muss  di 
Biegung  macht,'  um  bis  zur  Einmündung  des  Sulzbachs  de 
parallel  zu  iliessen,  durch  den  östlichen  Anbau  der  l'ischer-Sclim; 
Fabrik  nach  NNO.  bis  an  den  Rand  des  alten  Flussbeties  zog, 
hier  den  von  llammeran  beobachteten  wallariigen  l:indiuck 
Wirklich  Hess  sich  auch  in  den  Wiesen  unterhalb  des  ge 
Besitztums  (nach  S.)  eine  gegen  die  Grenze  des  letzteren 
verlaufende  Böschung  erkennen,  welche  östlich  in  einem  Bt 
die  angedeutete  nordnordöstliciic  Richtung  übergeht,  nach  \ 


'  A.  a.  O.  S.  94. 

'  l).«r.iul  weisen  die  oben  erw.ihnten  Terr.iinbcob.icHtutJijcn  (S.  94)  h 
auch  S.  92  mit  begrütidcter  Vorsicht  gesagt  wird:  »Ob  .»bcr  ein  Cistcll  aii^jc 
werden  darf,  ist  noch  nicht  /.u  entscheiden  «• 

'  Tafel  1  budlich  von  E  und  D. 


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—   179  — 

Aigstet,  der  bischof  von  Ausburg,*  bischof  von  Metz;*  auch  von 
graffen  graif  Jacob  von  Lichtenberg,'  graff  von  Bitsch/^  graif  von 
Leyning,^  graff  von  Dyerstain,*  graff  von  Sultz,'  graff  von  Zorn,* 
graff  von  Winenberg,*  grafc  von  Montftir,^**  graff  von  Winspcrg," 
graffe  von  Sunenberg,«'*  graffe  von  Assa,*'  graff  von  Krabatt,*^  graff 
von  Wirtenberg,'*  graffe  uß  dem  Segew,^'*  graff  von  Raperscatn;*' 
auch  von  hcm  zwen  —  her«  Jorgf»,  her  Wolfgang    —  schencken 

Ii  sie  ein.;  t'  Büschs. 
^  am  »m  ein  Schnörkel. 

c  nacbtrilglich  von  derselben  Hand  und  Dinte  eingef&gt  anstan  des  durch- 
strichenen  »Wirten  bcrg«. 

(/  SIC  em. ;  F  »Seiner«  mit  Sohnnrkel  .im  ur«. 

t  Der  Gedankenstrich  vor  »her«  und  der  nach  »Wollgang«  von  uns  m\x\ 
leichtern  Vcrstinduiss  eingefügt. 

/  Der  I.  BuchstalN;  des  Wortes  fast  einem  C  ähnelnd. 


*  Johann  II.,  Graf  von  VVerdenberg. 

*  Des  Markgrafen  Cari  Bruder  Georg. 

-*  Friedrich  III.  1464—91. 

*  Wol  Schalind  (=  Gottfried),  der  1464—7)  Ruh  des  Kaisers  und  .luch 
1473  mit  in  Trier  war  ("nach  VA  Brinckmeier.  Genealog.  Geschichte  des  Hauses 
Leiningen  Band  i.   Hraunscliwcig  1890,  p.  206j. 

*  Wol  Oswah,  vgl  p.  19b  1.  10. 

7  Wol  sicher  Kudolf,  f  1487:  Sulz  \v.  von  Hechingen.  Rudolf  war  aucii  in 
Augsburg. 

<  Das  ist  Jost  hßkol.  I.  von  ZolJern  (Zollem  oft  s  Zoten  oder  Zorn),  f  1488. 

>  Ulrich. 

Graf  Hugo  X.,  t  149I. 

•«  Philipp. 

'*  W'ol  Graf  Eberh.  von  Wünnenberg,  der  aur  der  Trierer  Zusainmcnkunli 
war  (laut  Ubdius  de  magnilicentia  ducis  Burgundiae  in  Tveveris  visa  cooscriptus: 
in  Basler  Chroniken  III,  H^^O* 

'J  Etwa  Nassau?  Vgl.  p.  196  Anm.  ij. 

Das  ist  K.irva  in  Ungarn  ?  Vgl.  p.  195  Anm.  $. 

'«  Eberh.ird. 

Das  ist  Seegau?  Identisch  wol  nut  dem  p.  191  Anm.  6  erwähnten  Grafen 
Wilhelm?  Siehe  dort. 

*7  Wol  Wilhelm  L  von  Kappoltstein,  f  i  S»7  (n^<^l>  R-^thgebcr,  Die  Herrsduft 
Rappoltstein.  Strassbui^  1874  p.  )6). 

'»  In  einer  1478  Mai  |0  von  seinem  NcfTen  Hans  Schenk  von  Osterwitz 
ausgestellten  Urkunde  als  verstorben  erwähnt:  Chmel,  Aktenstücke,  Band  II  S.  86j. 

'9  Nicht  nachweisbar ;  ein  Bruder  Jörgs,  Wilhelm,  1478  AAäri  9  als  verstorben 
erwähnt :  Chmel  a.  a.  ü.  S.  846. 

12» 


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—    222  — 


zeichneten  Kastells  wäre  —  abgesehen  von  der  allerdings  a 
Vernachlässigung  der  Position  von  Höchst  —  nicht  ungiii 
wesen  und  würde  manche  der  Bedingungen  erfüllt  haben,  wt 
Römer  bei  der  Anlage  ihrer  Befestigungen  zu  stellen  pflej 
der  Front  und  auf  der  rechten  Flanke  durch  die  Nidda  und  ^ 
den  Main  gedeckt,  würde  der  Platz  auch  von  Norden  her  w 
alten  Niddabetten  schwer  zugänglich  gewesen  sein.  Ob  der  \ 
dass  auch  vom  Rücken  her  der  Zugang  nur  durch  Uebers» 
des  Sulzbachs  möglich  war,  zu  den  günstigen  zu  rechnen  ist, 
nicht  zu  entscheiden.    Dass  aber  der  römische  Anbau  si 
erheblich  weiter  nach  Westen  hin  erstreckt  habe,  als  ma 
annahm,  das  wurde  mir  schon  bei  den  ersten  Begehungen  d 
durch  zahllose   Ziegelfunde,  darunter  auch  mehrere  ges 
zweifellos.    Die  Mitteilung  endUch,  dass  auch  bei  Neub; 
östlichsten  Teile  von  Höchst,  dicht  jenseits  des  Sulzbachs,  2 
römische  Münzen  gefunden  seien,  schien  darauf  hinzudeuten, 
sich  Gräber  längs  einer  durch  das  heutige  Höchst  nac 
führenden  Strasse  hinzogen.    Alle  diese  Beobachtungen  ko 
einer  neuen,  systematischen  Untersuchung  des  Terrains  nur  a 
und  ermuntern.'    Bei  derselben  musste  der  militärische  ( 
der  Ansiedelung  —  trotz  der  sich  immer  wieder  auf  die  l 
Höchst,  gelegentlich  auch  auf  den  auffallend  quadratischen 
von  Nied  richtenden  Seitenblicke  —  als  Voraussetzung  gelte 
Voraussetzung  zu  bestätigen  oder  zu  widerlegen,  musste 
der  Arbeit  sein,  nicht  zu  den  alten  Anzeiclien  römischen  An 
neue  hinzuzufügen.    Dies  waren  die  Grundlagen,  dies  die 
Ausgrabungen,  die  mit  Hülfe  einer  in  Privatkreisen  aufgi 
Summe  im  Herbste  1891  ausgeführt  wurden.    Sie  muss  man 
behalten,  will  man  sich  nicht  mit  manchen  durch  und  für 
grabungen  gewonnenen  IVeundcn  in  Nied-Höchst  und  ander 
über  wundern,  dass  gerade  die  nach  den  bisherigen  Frfahru 


'  An  einer  solchen  fehlte  es  bisher  ganzlich,  was  schon  H.mimer: 
S.  95  betont.  In  den  Periodischen  Blattern  .1.  a.  O.  -S.  1^9  finde  ic\ 
leilung,  dass  die  am  12.  Juni  1858  »vorläufig  eingestellten«  .Arbeiten 
Verbindung  mit  der  demnächst  beginnenden  Konsolidation«  fortgeset 
sollten.  Die  Konsolidation  hat  dann  stattgclunden  und  manche  früher  V( 
Anhaltspunkte  für  die  Erkenntnis  der  alten  Topographie  für  immer 
Lieber  eine  andere  Notiz  der  Periodischen  HIatter  und  die  durch  sie  t 
Auflindung  des  Berichts  über  jene  Ausgrabungen  werden  wir,  da  de 
lange  nach  Abschluss  der  .\rbeitcn  zu  Tage  gefordert,  auf  den  Verlaul 
keinen  Hinfluss  ausgeübt  hat,  weiter  unten  zurückkommen. 


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—  i8i  - 


6  stom'  gein  Straßbur^.  da  ein  halp  niil  hcrdiset^'  Revn  quam 
licrgein*  der  bischof'  von  Straßburg  gar  kostlich  mit  biiicn)  volk  und 
cmplun^  da  und  pelat  den  kciscr  über  die  brück*  in  die  statt,  da 
gcet  ^ar  ein  kosiiich  brück  ubci  Jen  Rin,  die  ist  wol  besetzt  und 
beiiut  mit  luten  und  mit  |pühsen|'  '  und  mit  zeu^.''  d.izwuschen  der 
prucken  und  der  statt  quamen  hergegen  die  bürget  von  Siraßburg  mit 
irn  plainern'  und  heuen  einen  wedeliclien  gezug  von  geharneschten 
luten  und  ein  köstlichen  scfalitien,  darin  heiten  sie  hibscher  senger. 
also  entpfing[en]s  si  den**  keiser.  und  ging  licroß  ein  kostlich  processio 
von  pfaffen  und  schulem  und  iglicher  orden  uß  den  dostem  besunder. 
und  also  was  der  gar  vill.  und  wart  unser  her  der  keiser  gar  kostlich 
entpfangen  und  in  die  stat  beiait,  und  reit  also  mit  der  processio  zu 
dem  tbum  und  ging  in  die  kirchen.  darnach  wart  er  beleit  in  sin 
gewar^'  und  wan  iem  gegeben  zwei  buser:  in  einem  was  er/  in  dem 
andern  der  hochgebom  fürst  sin  sun.  die  von  Straßburg  schankten 
iem*  vill  win,  habem,  ochsin  und  schaff,  darzu  thausent  guld[en]  und 
ein  kostlichen  köpf,*"  und  quamen  dahin  vill  potschaft  von  manigen 
fursten  und  hcren. 


a  sie  em. ;  F  mont. 

b  sie  cm. ;  F  herdisel. 

c  es  lulgt  ein  sinnloses  »ul«  und  dann  ilurchüti'ichen  »über  den  Hin« ;  s.  V'ar.  d 
und  oben  1.  4* 

d  folgt  duichstridien  »ul«. 

«  sie  em.;  F  »put«  mit  Schweif  am  »t«,  aber  dem  »u«  amsdieineod  dn  »>«. 
/  F  wol  »<eag«  mit  Schnörkel  am  »g«;  e$  folgt  »da  haben  di  von  Straflburg 
ieo«*  ein  vom  Abschreiber  unvollständig  wiederg^ebener  Satx,  von  uns  deshalb  getilgt. 
g  sie  era.;  F  entpfing. 
h  SIC  em. ;  F  der. 


*  Das  ist:  berdicssdts. 

*  Das  ist:  »en^egenc. 

'  Ruprecht. 

*  Das  sind  m  Büchsen«. 

5  Das  ist  »f^eschfitz«. 

*  Das  sind  »(jcpaiucrtc«,  vgl,  p,  lyi  Anni.  i. 
7  Vgl.  p.  176  Anni.  1. 

(  Nach  der  Strassburger  Chronik  lag  er  »zum  jungen  sant  Fetter,  in  der 
Lieditenberger  hoff«,  s.  die  auf  Friedrichs  Aufenthalt  bezügliche  Stelle  der  Chronik 
in :  Code  historiqne  et  diplomatique  de  la  ville  de  Strasbourg,  I,  3  p.  206  und  107. 

'  Vgl.  p.  174  Zeile  7  <r. 

<•  Trinkgefiss. 


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—    224  — 


war  die  Wahl  des  Ortes  abhängig,  an  dem  wir  den  Spaten 
Dass  wir  dies  überhaupt  konnten,  verdanken  wir  ausschliess 
höchst  anerkennenswerten  Entgegenkommen  des  derzeitiger 
meisters  von  Nied,  Herrn  Franz  Simon,  und  des  Ortsbürgers 
Wagner.    Dieselben  stellten  uns  für  die  Zeit  nach  Abem 
Frucht  ihre  beiden  nebeneinander  gelegenen  Äcker*  zur  V« 
die  sich  nahe  dem  Bahnkörper  (der  Ludwigsbahn),  in  ein« 
von  ca.  100  m  von  O.  nach  W.  so  erstreckten,  dass  ihr  v 
Ende  mindestens  200  m  von  den  nächsten  aus  früherer  Zeit  b 
Fundstellen  ,  aber   noch  innerhalb  des  Bereichs  lag  ,  in  • 
römische  Reste,  hier  ausschliesslich  Ziegelsteinfragmente, 
hatten.    Wenn  wir  hier  einen  oder  mehrere  Versuchsgi 
der  Längsrichtung  der  Äcker  zogen,  so  konnten  wir  hoffe 
Anhaltspunkte  für  planmässige  Nachgrabungen  zu  gewinnen,  > 
aber  die  Besitzer  anderer  Äcker  für  unsere  Arbeiten  zu  inte 
und  dadurch  weitere  Erlaubnis  zu  Nachgrabungen,  auch 
Terrain  zu  erhalten,  auf  welches  sich  nach  der  oben  ange 
Hypothese  das  Kastell  erstrecken  konnte.    Da  mir  selbst 
sammenhängende  Arbeit  nur  die  vierzehntägigen  Herbstfe 
Verfügung  standen,  für  eine  möglichst  gute  Ausnutzung  di 
aber  sondierende  Vorarbeiten  wünschenswert  waren,  so  w 
schlössen,  diese  sofort  nach  Aberntung  der  Äcker  mit  besc 
Arbeitskräften  zu  beginnen.    Sie  wurden  während  des  Auj 
der  ersten  Hälfte  des  September  in  zwei  durch  längere  Paust 
brochcncn  Abschnitten  so  ausgeführt,  dass  zwei  Arbeiter  nach 
Anweisungen  Versuchsgraben  aushoben,  die  dann  nachmiti 
abends  näher  untersucht  wurden.    So  konnte  zwar  langsa 
da  die  Arbeiter  alle  etwaigen  Reste  unberührt  lassen  mus: 
genügender  Sicherheit  ein  Stück  Arbeit  vorweggenommen  \\ 
Ich  gehe  nun  zur  Darstellung  des  Verlaufs  unserer  Ausgi 
über.    Hatte  ich  im  Stillen  gehotft,  dass  wir  auf  dem  Sin 
Acker  wohl  Anhaltspunkte  für  die  Ausdehnung  und  Orientie: 
römischen  Anbaus,  aber  keine  Veranlassung  Huden  würden 
einer  einzelnen  Stelle  fest  zu  arbeiten,  so  sollte  sich  diese  l 
nur  sehr  unvollständig  erfüllen.    Die  ersten  Spatenstiche  füh 
unter  der  Ackerkrume  auf  eine  Schicht  römischer  Ziegelt 
wenige  Meter  aber  vom  Anfange  des  Versuchsgrabens  stie: 
bereits  auf  tiefe  Schutimassen,  die  sich  unzweifelhaft  als  1 
eines  römischen  Bauwerks  erkennen  Hessen;  aber  die  Zerstör 


'  Talcl  1  A  und  B,  Tal.  II,  Lageplan  bei  .\  und  B. 


A 


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-    .85  - 


schone  köstlich  gegeitz'  gein  Friburg  in  Priska,  und  das  lant  |istj* 
als  der  hern  von  Osterich.  auch  Friburg  ist  gar  ein  köstlich  statt 
und  ist  vcst  und  woll  erpuet.  da  ist  ein  hohe  schuel  und  vill 
Studenten,  da  lag  unser  her  der  keiser  piß  an  den  siebenten  tag.* 
auch  ging  man  zu  Friburg  kostlich  heruß  mit  der  process.  und  sint 
da  vil  doster  und  kirchen.  und  betten  auch  da  ein  als'  grossen 
gewappetten^  man  den  ich  als  groß  nie  gesach.  noch  betten  *  die 
von  Straßburg  ein  silber-man^  ritten  uf  einem  huß  vor  dem  keiser, 
als  er  inzoge  in  die  statt,  noch  die  von  Friburg  detten  ieni  groß 
ere  und  schankten  iem  6  hundert  guld[en],  und  wart  iem  da  w<dl 
erpatten.«* 

Alse*  am  phinstag  nach  mittag'  umb  druwe  da  zoch  er  uß  zu 
Friburg  und  des  nachtcs  drij  miU  in  ein  statt  heist  Nuwcburg.^  das 
ligt  an  dem  Ryn,  das^  der  Ryn  der  statt  grossen  schaden  dutt,  und 
ist  noch  der  hern  von  Osterich,  da  quamen  wir  noch  hin  bi  der 
nacht,  und  nm  morgen '°  uf  umb  8  und  drij  mill  gein  Basel. 

Das«  ist  ein  groß  mechtige  statt  und  flust  der  Ryn  mitten 
dardurch.  auch  gingen  die  von  Basel  kostlich  heruß  mit  der  process, 
und  da  vil  heltum  und  schöner  omet  und  iglicher  ornet  der  geistlichen 
besunder.  und  stunden  da  uudcr  dem  thar  vil  gewappenter  lute. 
also  zoch  unser  herre  der  keiser  in  den  thuni  und  darnach  in  des 
bischofs  hoö  und  lag  da  zuo  ^  herberge,  und  wart  iem  auch  geschenkt 


oni>  F. 
h  Sic 

c  sie. 

in  F  kein  Alinea. 
#  in  F  kein  Alinea. 

/  F  iwo,  das  tdoende  aw«  von  uns  durch  »u«  gegeben. 


*  =  Jagdrevier. 

*  I).is  heisst:  den  7- Tag  nicht  mitgerechnet.  Friedricli  brach  auf  am  S.Sep- 
tember Nachmittags.   Von  August  28  bis  September  2  sind  t>  iage. 

'  Comspondirend  dem  folg.  »als«:  so  —  so. 

*  =  hatten. 

>  Wol  einen  (j.mkler  in  einem  mit  Silber  vcr/icrtcn  (Jcwand,  vgl.  eine 
Mittlieiiung  über  einen  C)  U)kler  m  Frankfurt  im  Jahre  1545:  QMcUcn  zur  Frankfurter 
Geschichte,  Band  2  p.  25,  27  tl. 

^  »  »EhrerbietuQg  erwiesen«. 

'  September  a. 

*  Neuenburg. 

'  —  »so  da«;«;«. 
*"*  September  3. 


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in  Lehmverband,  in  allen  andern  Fällen  ausschliesslich  a 
steinen  bestand. 

Im  Widerspruch  dazu  wurde  der  Nieder  Ofen,*  der  durcf 
rechteckigen  Grundriss  mit  dem  zuletzt  in  Heddernheim  gefu 
übereinstimmte,  ihn  aber  in  den  Massen  übertraf,  von  einer 
gange  aus  erwärmt,  der  sich  von  dem  nicht  durch  Seiten 
verlängerten  Schürloch  an  in  seiner  ganzen  Länge  erstreckt 
Heizgang  hatte  68  cm  lichte  Breite  und  war  von  zwei  aus 
breiten  und  langen  Backsteinplatten  aufgemauerten  Seitea 
eingefasst,  während  sein  Fussboden  aus  gut  gebrannten  tegulae  \ 
wurde,  die  unter  jene  einbanden.'  In  40cm  Höhe  über  den 
platten  waren  auf  die  Seitenwangen  senkrecht  gegen  die  I 
achse  4  je  30  cm  starke  Querzungen  aus  Backsteinen  auf 
welche  in  Verbindung  mit  der  vorderen  und  hinteren  Wand 
kanäle  trennten  und  einfassten,  deren  Breite  bei  dem  ersten  und 
30,  bei  den  übrigen  25  cm  betrug.  Diese  Querzungen  überb 
den  Heizgang  in  Wölbungen,  welche  vermittelst  grosser  Ke 
gebildet  waren,  während  über  und  neben  diesen  das  Mater 
Rippen  aus  roheren  Backsteinen  bestand.  4 

So  bildete  denn  der  Heizgang  in  seiner  Gesamtheit  einen 
langen,  0,68  m  breiten  und  im  Scheitel  i  m  hohen  Bogengang,  > 
vermöge  seiner  Dimensionen  bequem  bis  ans  hintere  Eni 
Brennmaterial  gefüllt  und  ebenso  bequem  gereinigt  werden  1 
Von  demselben  aus  verbreiteten  sich  die  Verbrennungsgase^ 
5  Quergassen,  so  d.iss  der  über  dem  Ofen  befindliche  Raum 
massig  gelieizt  werden  konnte.  Die  Art,  wie  dies  geschah,  ist 
höchst  merkwürdig  und  von  der  bei  anderen  Öfen  beoba« 


'  Man  vgl.  zu  deii  folgenden  Ausführungen  die  Grundrisse  und  Qjic 
auf  Tafel  II. 

'  Sehr  ahnlich  konstruiert  scheinen  die  Öfen  von  Westerndorf  gev 
sein.  Vgl.  v.  Hefner,  Die  römisclie  Topferei  in  Westerndorf.  Oberl 
Archiv  für  vaterländische  Geschichte,  XXII.  Band,  .München  iS6},  S.  $• 
Tafel  IV,  Fig.  I,  II,  III.  Wahrend  sie  sich  dort  durch  die  Funde  als  Tc 
charakterisierten,  lagen  in  Rheinzabern  zahlreiche  Ziegel-  und  Töpfcröfci 
einander,  die  (a.  O.  S.  59)  »in  der  inneren  l-inrichtung  mit  einander  übcrcins 
sich  aber  in  der  äusseren  Fomi  unterschieden,  indem  die  Ziegelöfcn  viere 
Töpferöfen  aber  rund  gebaut«  waren.  Dass  dieser  Unterschied  nicht  überall 
zeigt  das  Beispiel  der  Westerndorfer  und  nach  der  anderen  Seite  der  Gros* 
burger  Öfen.  Vielmehr  scheint  sich  aus  der  Fomi  der  Öfen  beiderlei  Zw 
das  Alter  derselben  schliessen  zu  lassen,  indem  die  mit  einem  Hauptheizkai 
die  älteren,  die  mit  einer  teilenden  Zunge  versehenen  die  jüngeren  (Ziej 
Töpfer-)  Ölen  sind. 


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-   .85  - 


ein  halb  mill  in  ein  statt,'  das  ist  des  biscliots  von  Str.ilibiirj^,  da 
ligi  Sanct  V'aUin. '  und  darnach  /oge  er  in  die  statt.  da  in  dem 
)and  ab  nach  der  hnkcn  sitten  im  f;cpir<;c  *  und  kostHch  winwahs.* 
und  Ua  sieht  einer  vill  ane  zale  kostlicher  slosser  und  stede,  und 
ist  gar  eins schons  tins  lant.  darnach  am  morgen*  uf  zu  Koinwurg,' 
und  des  tages  iier  miel  über  in  ein  richstatt,  die  heist  Schliizstatt^ 
und  Ugt  zwo  mill  in  dem  Elsas,  da  ward  iem  auch  grosse  ere 
erpotren.  und  stunden'  darnach  am  morgen ^  uf  und  des  tages  4  mill 
über  in  ein  richstatt,  die  heist  Oberneharn. da*  ein  mill  davon  ist 
der  bcrg,  daruf  ligt  die  heiligen  frauwe  Sana  Otyli.'  da  in  der  statt 
wart  dem  keiser  noch  groß  ere  erpotten. 

Da^  lagen  zunehst  drij  stett  bi  einander  in  einer  halben  mill/* 
da  in  einer  lagk  der  bir/.og  von  Munichen**,  in  der  andern  der  swarz 
hirzog  **  und  der  von  Mentz,  der  von  Wirtenberg,  der  von  Augstett,*^ 
und  ander  hem. 

Oes<  andern'^  tags  sechs  mill.  da  uf  halbem  weg  in  einem 
Velde  da  hetten  sich  gesammet  die  lantleude  des  bischofs  von  Straiß- 
burg  und  pelaten^  *>  uns  dadurch,  also  zogen  wir  des  tages  in  ein 


a  F  nwmwaxs«  corr.  aus  »winwas«. 

b  sie. 

c  F  eigentlich  »Kelnwurg«. 

d  über  durchstrichnem  »gesdiankt«. 

e  sie  cm.;  F  das. 
/  in  F  kein  Aline.i. 

m  F  kein  Alinea. 
h  sk  em.;  vgl  p.  181  1.  );  177  i.  ij;  F  prelaten. 


*  ZwisclKt)  (^olni.ir  umf  J'iisishcini  war  ein  kleiner  Landstreiten  Strassburgisch, 
und  darin  lagen  Rutach  und  Kloster  Murbach.    Rutach  woi  gemeint? 

*  Zu  ergänzen  wot  »begraben*,  aber  welcher  hdl.  Valentin? 
i  Colmar. 

*  Die  Vogesen. 

'  September  i6. 
^  Schlett Stadt. 
'  September  17. 

*  ObeRhcnhdm. 

*  S.  Odilienberg  w.  von  Oberchenheim. 

"  Wol  Ober-,  Nieder-Ehenheim  und  Rosheini. 

"  .MbrcJa. 

"  Vgl.  p.  171  Anm.  20. 
«]  Eichslidt. 
X  September  iS. 
*t  SS  »geleiteten«. 


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—     228  — 


den  Leisten  nach  oben  gerichtet,  eine  45  cm  breite  Rinne  * 
Enifcrnung  der  Asche  bildeten.  Leider  war  es  hier  weger 
Marksteins  und  des  dicht  anliegenden  Feldweges  nicht  mögli 
Praefurnium  bis  zu  der  zweifellos  zur  Überfläche  führenden  Rani 
Treppe  frei  zu  legen.  Bis  in  eine  Entfernung  von  mehr  : 
vom  Heizloch  verlief  sein  Boden  horizontal;  darf  ich  nach  A 
eines  früher  beim  Kastell  Marköbel  aufgedeckten  Brennofens  sch 
so  war  dies  in  einer  Länge  von  ca.  4  m  der  Fall,  sodass  m; 
genügend  langen  Schür-  und  Kratzeisen  operieren  konnte,  auch 
genug  für  Heizmaterial  vorhanden  war.  Dass  man  auch  für  s 
Arbeiten  den  jedenfalls  überdeckten  und  in  der  kühlen  Jal 
behaglich  warmen  Raum  benutzte,  darauf  deuteten  hier  wi 
die  in  ihm  gefundenen  Reste  reinen  Thons  hin,  wie  auch 
hier  Scherben  roher  Küchengeräte  und  Tierknochen  auf  hä 
Einrichtung  der  Arbeiter  schliessen  Hessen.'  ^ 
Die  nach  dem  Praefurnium  gerichtete  Wand  des  Ofens  wai 
gemäss  die  der  Zerstörung  am  meisten  ausgesetzte,  da  sie,  wen 
in  ihrer  Mitte,  nicht  wie  die  anderen  sich  an  den  natürlichen 
lehnte.  Sie  hatte  sich  denn  auch  erheblich  nach  aussen  geneigt,  w 
der  hinter  iiir  liegende  Heizkanal  breiter  und  seine  Decke  infolge 
weniger  widerstandsfähig  geworden  war.  Besonders  in  der  Mit 
die  ursprüngliche  Backsteinmauer  zweifellos  bereits  zur  Zt 
Betriebs  einmal  eingestürzt.  Denn  das  hier  befindliche  Schürlo 
nicht  wie  die  übrigen  Teile  des  Heizgangs  durch  Keilplatten  übe 
SüJiJcrn  vermöge  zweier  grosser  Dachziegel  giebcltörmig  übt 
hinter  und  über  welchen  Dachziegelfr.igmente  den  Ausbruch 
die  sich  von  den  stehengebliebenen  Teilen  der  Backsieinmaue 
lieh  als  Mickmaterial   abhoben."    Dass  sie  zum  Teil  Sieni} 


'  Als  der  Ch.irakier  dos  Hauwerks  noch  nicht  erkannt  war,  fiel  die 
keil  der  Cicfässscherben,  insbesondere  der  Mangel  jeglicher  Sigillata  in  der  Ur 
desselben  auf  und  veranlasste  vorubergeliend  zu  der  Meinung,  dass  wir  eim 
aus  spatrömischer  Zeit,  d.  h.  aus  der  Zeit  nach  dem  Abzug  der  Legionen  vor  un 
ein  Irrtum,  der  durch  die  Funde  der  Zicgcistempcl  im  Bau  selbst  bald  beseitig 

*  Bei  den  Ziegel-  und  Töpfcrölcn  von  Rheinzabern  ist  nach  v.  Hefner  I 
das  oScliürioch  ein  von  der  Stinnuauer  des  Ofens  vorspringender  Vorbau, 
mit  einem  Spitzgewölbe,  das  durch  gegen  einander  gelehnte  Ziegelplatten 
ist.«    nie  Beschränkung  »meistens«  lässt  es  unklar,  wie  es  in  den  änderet 
war.    Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  v.  Hefner  nur  einen  der  Öfen  selbst  au 
gesehen  hat.   Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Konstruktion  vermittelst  giebt 
gestellter  tegulae  einer  spateren  Gepflogenheit  entspricht,  der  man  in  Nied 
Ausbesserung  des  alten  Ofens  folgte.  Die  anderwärts  aufgedeckten  Ofen  sind 
sehr  oberflächlich  beschrieben  und  so,  dass  man  sich  von  ihrer  Konstrukii( 


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~  187  - 


tassen  als  mit  vill  volks.  darnach  am  samsta^;  '  truc  ut  umb  iicr 
uwer.  dahin  zogen  6  mill  gein  Metz,  da  ein  mill  von  der  statt  da 
quamen  die  von  Metz  iem  entgegen  ut'  dem  feldc  als  uf  zwein  hundert 
pferden.  die  warn  zumal  gar  kostlich  in  irm  harnesch  und  die  schön- 
sten pferde,  und  hetten  drij  hunt'en'  und  den  kostlichsten  harnesch 
und  kostlicher  spiess'  und  platner.*  also  beleitten  sie  den  keiser  in 
die  stttt  gar  köstlich,  daher  uß  der  statt  quam  man  gar  kostlich 
mit  der  process  und  empfing  ien  gar  wirdiglich  und  ratt*  da  in  die 
statt  under  dem  Himmel,'  das  trugen  die  besten  fier  als  sie  da  waren. 

Item*  Metz  ist  gar  ein  groß  und''  mechtige  statt,  da  in  der 
stat  sitzen  woU  )2  ritter  und  sin  gar  mechtig.  die  schenkten  dem 
keiser  15  hundert  g[ulden]  und  ein  guld[enj  köpf,  32  ochsin,  hundert 
schaff,  32  vas  wins,  32  wegen  mit  habern,  dem  jungen  heren  ein 
köpf  und  darin  6  hundert  guld[en|  4  ochsin,  32'  schaff,  10  wegen 
babem,  10  vas  wins,  und  allen  hoffluten  vill  ere  erpotten.  die  mechtig- 
keit  zu  Metz  kan  man  nicht  ersagen,  und  ist  vast  uf  das  allerwolfelist' 
da  von  aller  zerunge,  und  vil  hubscher  Frandosien,  wan  es  nicht 
Dutsch  da  ist.  jedoch  sin  die  Ostericher  mee  da  geen  warden  dan  in 
einer  Dutschen  statt. 

Item'  der  birzog  von  Lottringen'  hat'  die  stat  willen  zu  ge- 
winnen an  dem  karefrittag**  in  dem  jar,"  und  sin  da  siner  lut  vil 
hinein  in  die  statt  komen  und  all  zu  tode  erslagen  worden,  davon 


(i  in  l-  kein  Alinea. 
b  F  un. 

c  folgt  durdistridieii  »ochsincr. 
<f  io  F  kein  Alinea. 


'  ikptcniber  2J. 

'  Hmifen,  vgl.  p.  190  nt.  14. 

)  ^liester,  mit  einem  Spicss  bewaffnete  Leute. 

*  Mit  Hämisch  gepanzerte  Leute. 
>  D.  i.  »reit« ;  «  »ritt«. 

*>  Baldachin. 

7  Das  ist  »allerwohlfeilstec. 

*  Nikolaus,  f  kinderlos  1473  Juli  34.  Ueber  das  im  Folg.  erwähnte  Ereignis« 
vgl.  den  ausführlichen  Bericht  in  »Gedenkbuch  des  Metzer  Bürgers  Philippe  von 
Vigticulles  aus  den  Jahren  1471  — 1522,«  herausgegeben  von  H.  Michelant  (Eibl,  des 
Litterar.  Vereins  in  Stuttgart.   Stuttgart  185a)  p.  }— 6. 

'  Das  ist  »hatte«. 
»  April  16. 

"  Der  in  der  drittleuten  Amnerkung  erwihnte  Beridit  verlegt  (a.  a.  O.  p.  4) 
den'  Ueberfall  auf  den  9.  April. 


—   230  — 

dass  sie  die  letzte,  nicht  entnommene  Füllung  gebildet  hätten.  Si 
aber  ist  dieser  Ofen  oder  ein  anderer,  der  vor  ihm  an  seiner  Stell 
dicht  daneben  stand,  von  der  21.  Legion  in  früher  Zeit  erbaut  v 
denn  sie  liat  dasjenige  Material  gestempelt,  welches  für  die  Konsti 
des  Ofens  von  Haus  aus  bestimmt  war;  ich  darf  hier  sogleich  erNÄ 
dass  wir  verschlackte  Decksteine  dieser  Legion  auch  über 
südlich  von  unserem  Ofen  am  Niddaufer  gefunden  haben.  4 
Durch  die  Untersuchung  des  erhaltenen  Ofens  war  zunäcl 
Charakter  des  2  m  von  seinem  Südrande  beginnenden  vertieften  F 
zweifellos  festgestellt.  Er  hatte  dieselbe  Tiefe  und,  soweit  es  s 
stinniien  Hess,  die  gleiche  Grösse  wie  unser  Ofen,  mit  dem  c 
in  der  Orieniirung  genau  übereinzustimmen  schien.  Ebenso  \ 
ihn  ausfüllende  Schuttmasse  —  verschlackte  Backsteine,  rotgeb 
zerbröckelnde  Lehmmasse  und  Bruchstücke  hartgebrannter,  z. 
Stempeiter  Ziegel  —  dieselbe,  die  wir  erhalten  würden,  wei 
unserem  Ofen  das  noch  brauchbare  Material  entnähmen  und  d« 
dem  Einfluss  der  Witterung  aussetzten.  Ausserdem  fanden  sich 
Lücken  zwischen  den  Ziegeltrümmern  grosse  Mengen  feinen  ^ 
Thons,  dem  ganz  gleich,  den  wir  auch  im  Praefumium  des 
und  an  vielen  anderen  Stellen  in  der  Umgebung  desselben 
Er  hatte  offenbar  nahe  dem  Rande  der  Baugrube  als  unverarl 
Material  gelegen  und  war  durch  Überschwemmungen  in  die 
hinabgeflösst  worden.  Dass  dem  so  sei,  ergab  auch  die  Beschaf 
der  in  dem  westöstlichen  Hauptgraben  gefundenen  Reste.  Der  rö 
Bauhorizont  liegt  hier  und  überhaupt  an  allen  Stellen  nordli 
Mainzer  Landsirasse,  die  wir  untersucht  haben,  50—80  ein 
der  heutigen  Oberll^tche,  und  überall  fanden  wir  auf  dem  natü 
Boden  eine  Schuttschicht  aus  Ziegelstücken  und  spärlichen  Gefäss 
häufig  untermischt  mit  Holzkohlen  und  ungebranntem  Thon.  D. 
stiessen  wir  aui  diesen  Äckern  nirgends  auf  massive  Mauer 
umso  merkwürdiger  war,  da  wir  noch  an  zwei  Stellen  auss 
beschriebenen  tiefgehende  Schuitmassen  fanden,  die  in  jeder  H 
der  zuerst  aufgefundenen  Stelle  gleich  waren  und  aus  ihrer 
sowohl  als  aus  den  in  ihnen  gefundenen  Gegenständen  sich  zw« 
gleiciifalls  als  zerstörte  Ziegelöfen  erkennen  liessen.  Dass  die  Sch 
die  gebrannten  Lehm-  und  ungebrannten  Thonmassen,  sowie  i 
stempelten  Ziegel  nicht  etwa  aus  den  zuerst  aufgefundenen  ()fen 
verschleppt  waren,  zeigten  besonders  die  letzteren,  da  die 
östlichen  Trüinnierstäiten  durchgehends  andere  Stempel  aufv 
sowohl  was.  die  l  orm  derselben,  als  auch  was  die  Trupp 
betrilli,  deren  Bezeichnung  sie  trugen.    Dazu  kamen  noch  fc 


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—    i89  — 


also  in  dar  stat'  uf  dem  platz  do  hett  er*  lassen  puwen  ein  galgen, 
daran  er  etlich  gehenkt  hett. 

Also*  zogen  wir  des  nachtes  in  ein  statt,  die  heist  Zworg**' 
und  ist  des  nuwen  herzogen  <  von  Lutringen,  wan  der  hirzog  von 
Lutringen  ein  grave  von  Wymam  *  ist»  und  das  recht  geschlecht  der 
hirzogen  von  Lutringen  abgangen  ist  mit  dem  vergeben  ist  Warden*, 
und  gar  ein  hubscher  her  gewesen  ist. 

Also*  an  sant  Michelstag  abent'  zogen  wir  6  mil  und  quamen<* 
gein  Tryer.  da  es  nfi  nacht  was  uf  dem  felde,  quam  erentgegen* 
der  bischof '  und  der  jung  marggrave  "  von  Baden  mit  einem  hübschen 
gezttgk  als  uf  zwei  hundert  pfert  und*  beleitten  uns  in  die  statt, 
also  ging  man  gar  kostlich  hcruß  mit  der  process.  und  der  keiser 
zoch  darnach  in  des  bischofs  palast.  also  am  mittage"  quamen  die 
nner,  der  herzog  zöge  daher,  des  doch  nicht  was,  wan"  iederman 
uf  was.  also  an  dem  pfinsug''  da  quam  der  Peter  von  Hnynpach/'^ 
der  sagt,  eri  kam.  also  warden  uf  all  Fürsten  mit  dem  keiser  und 
graven,  ritter  und  knecht  uf  das  kostlichst,  der  keiser  hett  an  ein 


d  in  F  kein  Alinea. 

^  sie;  als  »Zuorg«  lu  nehmen. 

«  in  F  kdn  Alinea. 

J  von  hier  an  bo<7innt  die  2.  Hand  breiter  ZU  schreiben  bis  p.  190  Var.  e. 
e  tolgt  durchstrichen  »p«. 
/Sic 

f  sie  cm.;  F  es. 


•  DiedenhoCen. 

-  Kar!  der  Kühne. 

}  Wol  Sierck  a.  d.  Mosel,  damals  Lothringisch. 
■*  Renais  II. 

f  Das  ist  aVaudemontc.  Renat  war  Graf  von  Vaudemont 

*  Vgl  p.  188,  Anmerkung  ). 

September  28. 

Das  ist  »hcrentpe^^cn« ;  =  »entgegen«. 

'  Johann,  Onkel  des  jun<;en  Mark^afen. 

»•  Karls  ältester  .Sohn  Christoph;  v^I.  das  von  Moltzer,  M.  I-..  abgedruckte 
Gedicht  über  die  Trierer  Zusammenkunft :  Frederic  III  en  Karel  Je  Stouic  te  1  Vier  1473 
(in  Btblioiheek  van  Middelnederlandsche  Letterkunde  44.  aflevering.  Groningen. 
Wolters.  1891.  auch  separat)  p.  11  Vers  $4. 

"  September  29. 

"  =  »als«. 
September  ^ü. 

Hagenbach,  vgl.  p.  184  Anm.  6. 


—  |<i|il 

^iKiljtfi]  rtKk  und  ein*  kmtluhcn  krant'  an  dkni  Ui\,  Jrr  ^tr-w 
cm*  Mlhvrn  \^hiiK.'  Jir  \<«i  Mvnt/  cm*  »animjnJ,  J<r  \vm  Mcti* 
ein  ^kimatii,  4cr  \oii  A(i^"">tct  *  nn  %ani<nt,  licr  vt«i  I  ricr  ini  ^urci:- 
iKtrof^  Alt»rcvhi  vu«  MoiauIkmi  mo  pcrhn  niantd  unj  %uci  ntoco' 
^'cuein,  il«  vtM»  WinenbcTg*  cm  i;uUcn  fo*.^,  *kr  DutLkS*  »n»«* 
ein  ^ulticii  ><.Iiu(h:().  und  %in  boUhcn*  icti}ir  itnituh  a^- 
j!l  ander  K'-i^^'"  und  hcrrcn  ut  da«  kmciu)i»t.  alw  codi  oun  i-  l'tr- 
an  der  Mund  umh  rwull  über  div  briK'k  aU  ctn  halb  md!  di  * 
man  Kdcfman  ao  %m  %tatt.**  und  der  hutof.  hielt  <«  hal»"  t«» 
l^iabrnv  da  wa%  cm  wctl'^tclt "  va%t  cm  tulb  miU.  da  Khs%kt  er  k.* 
t(«lk  »clb%.  al^i  c%  iiu  |^v'V')uk(  «av,  da  ««»vh  der  ket«<f  h  iic^m 
alvEt  iii^c  er'*  Inct  nni  einem  kleinen  bunten**  >:c|;cn  dcrn  kc.t<* 
und  stn  uunielter  und  herul/%'  vt»f '  im,  und  er  m  un  ^moj^ 
hamev.h  «av.  und  er  über  den  hamcvwb  an  hat  em  mamct  «Srr. 
man«  rft%lut/en  kundt,  aber  der  kai^er  bet  in  jre^iirtf  %Kt«na  a 
tutcnt'  ^'ui4en.   und  «^a»  der  maniel  xu  bcideti  Mttcn  ii4cfl  ao«s 


tt  1'.  ^  ■-  t'c'i  \ti(    •  %iiv ctiwprc»S«n 

*  •   ,'1  4-' .    ' ■     ffi  t  . 

.  >■  •  t   t«  •  .f  4        1  r»%  V  "  't  Jet  i   II niitMti  t..*  4ct  nt*«  ap- 


,  >-  "  Sil-  n      *  i  • 

•  I  •  \*     «  1 

•  I  "     !    »   a«t  k  M  V  •  tt  a  a  Ii       •!<'<  f  1^  ü^if««»« 
<  <  {      \<«i  '  •  .  i  I  tm'  .«  Je  «  1»-'  '  v<r**  A  j«.  «  lk«it|f«njijc  "   t  -t  ^ 

• ;  *«»  M  •  •  t 

l'.t   «t  •»*'t.r-.  !•  «ff» 
-  14* .  n. 


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-   191  - 


biß  uf  den  sadel.  also  entphin^^cn  si  anander.  aber  der  liirzog  siaindt 
nicht  ab  gegen  im,  aber  die  '  andern  t'urstcn  und  bischef  stonden  al 
abe  gegen-'  dem  iiirzogen.  also  was  il.  Jn'  und  irumeiten,  und  ein 
groser  staub  dü.s  scliier  nimanz  gesehen  n\oclu.  alzo  zoch  man  in 
die  stat,  und  quam  ein  groß  regen,'  und  wert'  es^  nu,  zchcnf^^  das 
der  kciser  und  der  hirzog  in  die  stat  quanicn/  umb  acht  uern*^  in 
die  nacht,  und  worden  da  liel  faccebi«  und  liecht.  also  auf  dem  platz 
nammen  si"  urlaub.  der  keiser  raii  in  sinen  palast,'  der  hirzog  für 
die  stat  ein  armußschusse''  in  ein  dosier.^  da  zwisciien  der  stat  und 
des  clüsters  do  worden  aufgeslagen  vil  zcU  und  hutten  und  ein 
Wagenburg  vor  dem  clostcr.  und'*  bette  viel  grosser  buchsen,  und 
lag  da  sin  t'ulk,  das  da  vor  im  vil  kamen  was  und  nach  im  quam, 
aber  über  6  duseni  man  hat  er  nicht  da  gehabt,  aber  in  lo  moein' 
umb  in  Stetten,  markten  und  dorfern  ist  es  als  wo!  gelegen,  also 
am  sampstag'"*  umb  eins  noch  mittag  da  quam  der  herzog  hcrin  in 
des  keiscrs  palast  und  hctt  an  im  \e'm\^  gülden  rock  und  darüber  sin 
hirzügen  kappin"  und  ain'  liospel io  dem  huet  und  an  dem  linken 

a  :\m  Rande  von  einer  wol  dem  i6.  Jahrhundert  angehörenden  Hand  NB. 

h  lolgt  durchstrichen  »im«. 

c  »es  nu«  von  uns  eni. ;  F  wol  »enu«  mit  Punkt  über  >*e«. 
ä  sie  em.;  F  lehen. 
e  F  vielleicht  »quomen«. 

/  F  wem,  das  »w«  durch  »u«  von  uns  gegeben;  vgl.  u.  a.  p.  i66  Var,  <*. 

/  F  fncchi. 

h  sie  cm.;  F  sich. 

j  F  samptag. 

k  von  uns  ergSnat 

/  F  aim. 

m  sie  em.;  in  F  eigentlich  »hopsrel«,  jedoch  undeutlich  und  anscheinend  corr. 


'  Pauken  (Weherbildung  von  »buken«). 

•  In  den»  p.iR.  iRg  .^nm  lo  angeführten  GcJiclu  heissi  es  Vers  159  und  t6o: 
h«*t  wert  donker  ende  spade,  oic  regendet,  dat  was  schade. 
^  Das  ist  »wälirte«. 

4  Das  ist  »adiant«;  »  »sobald  als«»  vgl.  Lexer  3,  1041  f. 

5  Den  Palast  des  Krzbischofs;    vgl.  u.  a.  Krause»  Beziehungen  xwischen 
Habshtir^  und  Rurtrund  bis  zum  Ausgang  der  Trierer  Zusammenkunft  t.  J.  147),  p.  si. 

6  Arnibrustscluiss. 

7  S.  Maximiu,  vgl.  Krause  a.  a.  O.  p.  $1. 
<  Man  ergänae  »er«. 

'  Meilen. 
»<»  Oktober  2. 

Manteiartiges  Kleid  (seinen  Herzogsmantel),  vgl.  Lcxer  1,  15  ij, 
"  Das  ist  »haspel«  =  fibula  oder  Spange,  s.  Lexer  i,  11^4. 


—    234  — 


Bei  der  Bedeutung,  welche  die  Auffindung  der  ZiegelÖ 
mal,  wie  wir  später  sehen  werden,  für  mich  persönlich  ge^ 
halte,  lag  die  Versuchung  nahe,  den  Rest  der  zur  Verfügung 
den  Zeit  ganz  auf  ihre  weitere  Untersuchung  zu  verwenden.  ^ 
dem  haben  wir  dort  die  Arbeit  im  Interesse  der  Lösung 
Hauptaufgabe  abgebrochen ,  sobald   uns  Gelegenheit  zum  4 
auf  dem  Felde  südlich  der  Strasse  geboten   wurde.  Hier 
uns  derselbe  Besitzer,  auf  dessen  Acker  wir  den  ersten  Spat 
gethan  hatten,  Bürgermeister  Simon,  auch  sein  unmittelbar  \ 
von  der  Fischerschen  Fabrik  gelegenes  Grundstück  zur  Ver 
Der  Acker'  erstreckt  sich  nach  S.  bis  zu  dem  nach  der  Nie 
fallenden  Wiesenstreifen,  nach  N.  über  die  »alte  Strasse« 
bis  zur  heutigen  Mainzer  Chaussee,  bot  also  Gelegenheit  zur 
suchung  der  »alten  Strasse«  und  zugleich  der  Stelle,  an  > 
unserer  Hypothese  nach  die  Südfront  des  etwa  vorhandenen  I 
in  spitzem  Winkel  die  Grenze  des  Ackerlandes  schneiden  \ 
Wir  Hessen  gleichzeitig  an  beiden  Stellen  und  später  auch  zv 
ihnen  und  seitwärts  Gräben  ziehen.    Auch  hier  stiessen  wir 
auf  massenhafte  Ziegeltrümmer  und  unt  r  ihnen  auf  eine  in 
Tiefe   horizontal  verlaufende  Brandschicht,  welche  gekennz 
ist  durch  Stempel  der  22.  Legion,  die  in  ihren  auf  späte  Zeit  deu 
Formen  den  im  NO.  gefundenen  entsprechen,  aber  zugleich 
eine  Menge  neuer  Typen  und  Zieglernamen  aufweisen.  H. 
Rande  der  Wiesen  fiel  der  natürliche  Boden  unter  einer  kanal 
Anlage  aus  tegulae  der  22.  Legion,*  die  genau  in  der  von  i 
genommenen  I  luchtlinic  der  Südfroni  verlief,  steil  zur  Ni( 
Zwischen  iiim  und  der  genannten  Anlage  landen  wir  im  Schutt 
fast  2  m  tief  Stempel  der       Legion.  Ich  will  sogleich  hier  ben 
dass  sich  diese  l:rscheinunij :  zwei  Brandscliichien  über  einand 
Spuren  der  14.  Legion  in  der  unteren,  der  22.  in  der  ober 
diesem  Felde  an  verschiedenen  Stellen  wiederholte,  ein  neuer 
für  die  Richtigkeit  unserer  Annahme,  dass  die  erste  Festsctzu 
Romer  in  Nied  und  Frank lurt  glrichzeitii,'  durch  die  14.  Legic 
vielleicht  andere  mit  ihr  kooperierende  Truppenteile  statttani 
aber  die  Stelle  an  der  Niddamündung  in  den  folgenden  beidei 
hunderten  bis  zum  Aufhören  der  Rönierherrschaft  sehr  manni 
Schicksale  gehabt  hat,  die  eine  äusserst  schwer  zu  enizitfernde 
im  Boden  zurückgelassen  haben.   Leider  mussten  wir  gerade  « 

'  Tal.  I. 
'  Taf.  I,  X 


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—   193  — 

des  nachts  aufgeschobin  biß  an  den  erchtag.'  do  reit  unser  her  der 
keiser  aber  hinuß  zu  im  und  was  aber  zu  rat  disen  tag.  also  bat 
der  hirzog  den  kaiser  zu  huse  und  leid'  in  an  den  phingtag.'  da 
was  bestellet  alle  ding  auf  das  köstlichst.*  da  quam  der  keiser 
hinuß  und  was  da  zu  kirchen.  do  hat  der  fairzc^  lassen  bereitten  den 
ahar  in  der  kirchen  mit  ganz  gu1d[in]  zwolbotten^  und  cnux,  das 
man  den  altar  schetzt^  über  umb  zehenmal  hundertdusent  gülden, 
und  woren  der  ptlde  achtzeben  und  die  scbonests  dach,  und  ducher 
als  wit  die  kirchen  was>  und  in  allen  gemachen  in  dem  doster  des 
tags  erschain  sein  mechtikeit«  wol  etc.. 

Item<*  so  es  nun  zu  kirchen  fruwe  was,*  da  was  besteh  in  einem 
lusthuß  tafFel*  und  tisch,  und  ein  tetfel^*  aufgemacht,  dai  staindgolt 
kandi/  flaschen  und  scheim,*  köpf,*  zwai  schifT,'*  sechs  atngehawen " 
credenzvas,  das  aber  das  geschätzt  ward  über  umb  zehenmallc  hundert' 
dusent^  guld[cn].  und  der  gold  und  silber[vas]*  auf  der  tafeln  nutz 
man  kains  nit  etc. 


a  V  1< östlich«?. 

b  über  dem  »c«  ein  von  uiis  nicht  berücksichtigter  Strich  oder  Schnörkel. 
f  P  muchtikeit. 

if  in  F  neue  Seite  und  neuer  Absatz. 

f  F  uffl. 

/  F  tcfTI;  über  »e*  ein  Schnörkel,  in  dem  ein  »u«  verborgen,  nicht  berücksichtigt 
oder  etwa  »teulel«  (=  tautel)  gemeint? 
f[      em.;  F  das. 
b  sie  em.;  F  hindertdusent. 
I*  om.  F. 


'  Oktober  5. 

'  Das  ist  »lud  ein«  (»  ladete). 

)  Oktober  7;  vgl.  u.  a.  Krause  p.  Si* 

4  Den  12  Aposteln;  vgl.  u.  a.  das  von  Moltser  abgedruckte  Gedicht  Vers  396: 

die  12  aposTolen  van  gouwe. 

i  Der  Sinn  ist  wol:  im  Hinblick  aui  die  frühe  Zeit  der  Messe  war  nach 
derselben  ein  Essen  angerichtet 

<»TaJd. 

7  Das  sind  »Kannen«  (kanne,  kante),  vgl.  Lexer  i,  15 10. 
»  Becher,  vgl  Müller- Zamcke»  Mittelhochdeutsches  Wörterbuch  2,  a,  170^ 
und  Lexer  2,  762  sub  »schiure«. 
9  Becher. 

Ein  Trinkschiif,  Geßss  zum  Trinken  in  Gestalt  eines  Schilfes.  Vgl.  Du  Gange, 
Glossaiwm  medi»  et  inlimae  latinicatts  (Nioit  1883—1887)  5, 580  und  Alwin  Schulti, 
HAfisches  Leben  zur  Zeit  der  Minnesinger  2  Autl.  i,  }8i. 
"  Gefässe  mit  eingelegter  Arbeit  (wol  ciseliert). 


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-    1*4  - 

Item'  iJi  der  obicjrii  tjffci  *         Jcr  lc:v<r  jI'!:  -.  Je 

V«  .    l'.rfJl  i-riUTulvTii 

I'iMi    iiul^r    /  AI»    utiiln  inulii  \u  *  *k  r  :  %"  -i»'  K*!t* 

%m  i\*t!s   M>ti,*   J.UTi.'^li  «Ur    '.1.11  W -ruti  A  i  •  t'. '  J>  r    Di'         .  -% 

Ucj  y    t"    .    ili '11  c'.  i  Ii  vl.i .  \«.  .ITC  II  'I  !TMr».;i.f.  "  <.i.*  ■• 

Jic          vv,i?tiii  Ml   lit  I)  !']'   «.ih,   d  rin>vh  stn  ti.f  :.;.r:v  f .  w^"«* 

t-  •  '    in   '     ri   i  i  !»i».n    i             k.w  r.    i.,    ij^rij^h        ..■  -n   J  . 

viiujincti''  itivitii,  Uic  iatuti  j1  \tii  411  Ml*          kuut/,  Jjf. 

4*1   \.  • « 
I  \  .1 

•  I    *r.  Jtf 

i     »  f  '    H.    .    .       \  '     t  i 

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%.  fi    Ii      t    .  4  «l..*^.'«'!«  nt  I  t    .in  •  •  .  4ff      >•  •  • 

•  \     V  ■.  .        ,  •  i  '  .  K                   •  <         .  j 

'    *           ,  .  -.    H  .      k  .       •  - 

1  Ii-*  *.  •    .  >           "t    1  \'  •  I  K  \     •  S 

<  V  1.  r   1  >  ..  j.'.     •   I  .  ,  (    -  .    V  .  II .»  •    .   ,  , 

..*■••  I         •  -  ..  \'i  «»j'««»  •  I  •!»•»  *  •     V  .   ,  ,1 

•»  «        *.  %*  '  •    1  Ki  •    4.«  M  , 

•  •«'C-'.«*  !••»!  ♦  .     I**        t  ' 

1  *  «  •     ■     -  •    I  - .     *  f  %  .  '  *t    J-t      I  •  •  M .        W , 

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—  195  — 


pubin'  in  gülden  rockin,  darnach  sin  hcrrolz  in  ganz  gul'd[en|  rocken 
niii  ivilbicn  sieben  und  ain  teil  vor<,'()lt,  —  und  woren'*  die  stehe  eins 
arnis  qri)il>/  daran  su)nd|cn|  i;ar  kostlich  sin  wappin  und  sine  lant; 
um!  der  '  woren  zwuU  und  die  darchuiter-sieub  waren  der  gekichen 
—  darnach  grafi  Hawig-^^  von  Wcrdinwcrg,  der  ging  vor  dem  essen 
der  erst,  drugses-*  was  gratf  Andree*  von  Krabatien,  der  ander  gralf 
Williallni*  uß  dem  Seugfewl/'  her  I-ridrich'  von  Stubinbcrg/  her 
Martt'^  von  Folhaiin  und  ander,  darnach  des  kaisers  drugsessen.  und 
Warden  da  tragen  zu  tisch  46  essen,  und  wcrd  das  dessen  [bis|^  innb 
zwoi  nach  mittag,  und  als  oft  man  essen  in  den  sal  trueg,'  so 
was  pawk|e|n  und  trummetten,'  und  stand[eni  da  vor  der  tuer,'  di 
da  hutten,"*  vill  guotter  gewoppenter  lute.  also  nam'  da/,  male  ain 
cnd,"  und  harnach  raitt  iderman  und  der  keiser  zu  hoff,"  und  quanien 
nicht  aüer'^  zusam  biß  an  den  erchiag''  darnach,  da  quam  der  herzog 
in  des  kaisers  hoff  und  warden  da  aber  zu  rat  etc. 


a  sie  cm.:  F  wnrdftv 

b  folgt  «Jurohstrichcn  »nacti«. 

c  F  fast  BHalbig«. 

d  F  daugses. 

e  F  »Scg«  mit  Schnörkel  am  »gm,  der  sonst  »er«  bedeutet ;  Aber  dem  »e«  ein 

»n»  mit  Sclinörkcl. 

/  Über  Jcni  »u«  der  ersten  Silbe  ein  von  uns  nicht  bcrucksichiigtcs  *»n«. 

g  sie  em.;  F  »dag»  als  viertes  und  letztes  Wort  in  der  letzten  Zeile  auf  fol.  110; 
nh  beginnt  dann  mit  »essenti  und  zwar  mit  grossem  Anfangsbuchstaben;  fehlt  etwas  i 

h  oro.  F. 

r  F  trw  eg. 

k  sie  cm.  \  F  kummcUen. 
/  F  twer, 

w  sie  eni.;  F  man. 
n  F  emd. 


■  Vgl.  p.  193 1.  I)  f.  und  Var.  f  dort:  die  sin  sin  druchses. 

*  Das  ist  »dick«. 

^  Sei!,  wol  »Landcsthciic«? 

^  Haup  von  Werdenberg;  vgl.  über  dm  Franz  Wiedemann,  Die  Rciclispolitik 
des  Grafen  Haug  von  Werdenberg  1466—86.  Greiiswald.  Dis».  t88). 
s  Identisch  mit  dem  p.  179  Note  14  erwähnten? 
^  Uns  unbekannt  geblieben»  vgl.  p.  179  Anm.  16. 

7  Sccgau? 

s  \^gl.  p.  iHü  Anm.  2. 

♦  Vgl  p.  180  Anm.  3.  . 
*^  »die  da  hiliteten«. 

"  Das  ist:  in  die  biscliöfl.  Pfal«. 
"  1  Abermals«  (aver). 
•J  Oktober  12. 


j^i-vttrj  Jiiicr  Ii'  -  eil  /(ii  ivlitj«.  :i  1  -.jj)  aut  Jj-  ki-  tl.vK^:    rv  :      ■  *i</c-  ' 

\<'ji  liicvs  iiil.  unj   Ja'  /K'liT)   m  cmi  \cIJ  :a  •  j: 

j.  I   cvlcr  MtTffJ  /vkulf  unj  1tJc^t|l  n*  rim  inJ<.r  ;!:r'.'.       '  i 
jiM»  scu    nim  ^:(.%^lnJ*.{  %kjrJcn.        »cvi    /t:si'n^  fitr^:cr  .*  Jj 
nun   Ji.!  *    uritl         Jic  |nj^Mti   ib.     j1i<»  rjritcn  vv*   .•^.ani.'  *t>4 

Ai'fJiTi    Will    \:cr   oJiT  tiinl   Jirt'iJcr    i^trjnt      i.riJ  i:    r  J<— 

rcf:iicij  ri'jr^'i  r  JVC  A'.;>ri\f»t  "*  \  »»n  Ki»::Ii,  iirjvc  <  ^- v.  i.l:  "  .  '1  -  . 
ji.Jj  ;:.r\  *irrcn' "   i;tid  Jtuli-r    \nl   i  uttcf   Itiil,   jü.S  . 


I  .     r  w\»tm 

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•  ini         *  r'\,i*-;«  I -•  '        .»•"     ■.  '  Ii. 

,r  a  rr  5*t  *•    <  ■*  W  t  ■•f  •  r  '  »   Hi  Hi   >  l  «  ;  '  • 

•        »    •  I      1  •  '1  ?«•»  c      .-i       »•  *.!••     .    .  •   M*"  •  p 

•«•I  .»,'•»•   pf«    '    ^   4      I  c!« 

•  ... 

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"V.     ;    :    *  A 
■•  I   .  .   .  '  ' 

'A        l.l>-«'      «Sl«  a. 
^       '         I     «  <       I    •      AJ    •         I    I-  •        N«M4.    i  . 

S  i      \  .      4  p     I    <    \-  ••      ♦  » 


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-    197  - 


drin  an*  der  stat  der*  auch  pelaib,  und  sew  das  pest  mit  slahen 
an  einander  tetten.  also  [namj''  es  zu  dem  mal  [ein*  endj,  und  zoch 
damoch  iderman  an  sin  gewer.'  auch  hatt  er  lossen  bi  der  Strossen, 
so  unser  her  der  keiser  und  iderman  zwischen '  des  kloster  und  der 
stat  euntis  in  dem  her  henult^  an  ain  nuspein  *  und  phaffen  und  (rawen 
wen  er  an  dem  wenigsten  unrecht  fuiid[enj  hatt;  ver  dann  kain 
scbanung  gehabt  und  unser  her  der  keiser  swore  peiten.  die  weil 
der  kaiser  pei  im  in«  dem  closter  zu  ratt  was,  die  weil  lies  er  di 
pei  dem  weg  hengen.  da  der  keiser  hinein  nach^  [derj'^^  statt  raitt, 
do  muest'  für  sew*  reitten.  cr^  liess  si**'  auch  des  andern  tags 
ganz  nakatt'  awß  ziehen  etc. 

Auch''  an  aller  heiling  abent'  da  was  er  ganz  peraitt,  und  sein 
Nvegen'**  all  von  den"  geschickt,  und  er  des  abünz'  auch  von  dan 
wolt  sein,  also  raitt  der  keiser  hinawß  zu  im,  und  worden  da  zu  ratt, 
also  das  sew  eins  wardi^und  darnach  in  5  tagen"  gcpawi"  wart 

a  MC  tiin.;  F  in. 
b  om.  F. 

c  «ein  end«  om.  F ;  von  uns  ergänzt. 

d  F  »benult«  mit  a  schrägen  Strichen  über  *u«. 

e  sie  em. ;  F  an. 

/  sk  em.;  F  auch. 

om.  F. 
h  sie  em.;  F  in. 

;  über  dem  ersten  »a«  ein  liier  wol  bedeutungsloser  Uet>erstrich. 

k  in  F  rw^r  neue  Reihe,  aber  kein  Ahs.it/  bt-absichtigt. 

/  iti  F  über  »u«  zwei  »chrägc  Striche,  von  uns  durch  zwei  Punlcte  (ü)  wieder- 

m  sie. 

it      em.;  F  gepairt. 


*  Das  ist  =  »dar«  (dort). 

*  =  Quartier.    Vgl.  u.  a.  p.  169  Anm.  8;  p.  176  Anm.  2;  p.  181  Anm.  7. 

J  Die  Stelle  "/wischen  des  kloster  —  sworc  pcircri"  ist  völlifj  verderbt. 
Man  könnte  nach  »stat«  ein  «reinen  nmesieu«  einschieben,  anstatt  »euntis« :  nmenic« 
und  für  nhenult«:  »henken«  (hangen)  lesen,  aber  die  Sache  ist  xa  problematisch 
und  unsicher. 

*  Nussbaum. 

5  Man  crf^.inze :  der  Kaiser. 

6  Das  ist  »an  ihnen  vorbei«. 

7  Der  Herzog. 

*  Wir  emendiren  ■»»«,  da  von  mehreren  Personen  die  Rede  m  sein  scheint. 
?  Oktober  Jl. 

'<»  W.if^en. 
«»  »danncnw. 

Bis  November  15  also. 


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i;  ^-..-^ivTl  J;».-  \Kr  v'i  '  ft.  :5  *  \u  TtT-  r-'«i.T,  !  — 
I    'A  .  t  j  •  fiKt  tri  i.n  (.  :v  r!      /      r.4.:t  ir'   ..•  !  ..         ■   •  "i*- 

liuU        i^ir        i;"J  h^l  »:  a,,isuj,tn.  iii  SjiKt-Ka" c    •  .  • 


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—  199  - 


da  wolt  unser  her  der  keiser  von  dan  gezogen  sin.  also  quamen  sie 
Widder  zusanicn,  und  die  sage  ist  gewesen,  darumb  iß  nidit  vor- 
gangen ist:  der  hat  d[ajz  anders  haben  woir,  wan '  iß  fore  betracht 
ist,  und  unser  her  im  zumal  vil  darumb  nacli^jegebin  hatt.*  also  Scheden 
sie  abe  mit  vast  inanigung. '  an  Sanct-Kathrinen  morgen,  ^  fruwe  vor 
tag,  da  blies«*  man  uf.  und  der  keiser  hört  messe  und  an  das  schiff, 
und  fruwe  von  ^  dan.  damoch  d[ajz  hofegesindt  must  reitten  über 
hmt  bißgcin  Kobelentz  15  mite,  und  der  keiser  fore  uf  dem  wasser,^ 
da  hat  er  ^2  mile.'  also  [blies«  man]  [bi]^  dem«  hirrogen  auch  auf 
und  zoch  auch  des  dags*  von  dan,  und  was  gar  kostlicli  in  sinejm] 
harnesch  gewesen,  zu  Kobelentz  was  der  keiser  über  nacht"',  und 
ist  gar  ein  hübsch  siat  und  ein  stoß  und  ist  des  bischofs  von  'friere 
und  lit  an  dem  Rine.  darnach  fore  der  keiser  aber"  of  dem  Rine 
zwölf  mile  bis  gein  Collen,"  und  die  pherde  über  lant.  4  mile  ob" 
Collen  an  dem^  Rine  da  logen  zwei  felde:*'  der  lantgrave  von  Hessen 
und  der  bischof  von  Coln.*^  und  hatten  fiel  volgs  zu  beiden  sitten. 
und  des  dags  wir  für  sie  zogen,'*  da  hetten  sie  ein  vormessens«**  slaen^' 


a  sk  em.;  F  bleub, 

/  F  u  on. 

c  »blies  man«  von  uns  cm.;  F  bisroan. 
d  onu  F. 
«  F  den. 
/F  den. 

g  sie  em.;  F  vonnesse». 


'  Das  ist  »als«. 

*  Vgl  Deutsche  Zeitschrift  etc.  a.  a.  O.  p.  8$  Note  2. 
'  Das  heisst:  »mit  Starker  Uneinigkeit«. 

■*  November  25. 

^  Das  i^t  »biiess  mao  auf  zimi  Aufbruch«. 

*  Der  Mosel. 

'  Wegen  der  vielen  Krümmungen,  welche  die  Mosel  madtt. 

*  November  35. 

'  Etwa  die  Nacht  vom  27.  auf  a8.  ? 
•o  Das  ist  nabermals«. 
"  Köln. 

"  Das  ist  »oberhalb«. 
*'  »Heerlager«. 

Ritterschaft  und  Kapitel  von  Köln,  gerührt  vom  Landgrafen  Herniann  von 
Hessen,  ^n<Jt'.^  in  Streit  mit  Erzbischof  Ruprecht  von  Köln,  vgl.  u.  a.  die  von  mir 
a.  a.  0.  abgedrucl<tc  Urkunde  p.  81— 8 j. 
'i  Das  ist:  an  ihnen  vorbei  zogen. 

Das  ist:  »vermexsenea«  =  »kühnliches«. 
*7  Schlagen. 


—   242  — 

Dem  würde  auch  der  Umstand  nicht  widersprechen,  dass  »gan:i| 
der  östlichen  Fortsetzung  dieses  Platienganges,  etwa  50'  da 
auf  dem  Speziaiplan  liegt  er  50'  nördlich  —  »ein  gut  ii 
stehender  12'  breiter  Canal«  gefunden  und  auf  8'  Länge  at| 
wurde.  Die  Zeichnung  auf  dem  »Detailplan«  zeigt,  dass  d^ 
ähnlich  dem  in  Frankfurt  gefundenen  auf  der  Sohle  mit  Fal 
der  14.  Legion  belegt  war,  die  aber  auffallender  Weise  0 
Falz  nach  unten  liegen.  Wenn  nun  auf  der  oberen  Fläche  defl 
sichtbar  wird,  so  beruht  dies  zweifellos  auf  einem  Fehler  dd 
nung,  da  diese  Art  von  Ziegeln  regelmässig  auf  der  Seite  gej 
sind,  nach  welcher  der  Rand  vorspringt.  Mit  dem  nach  dem  D 
ca.  4  Fuss  im  Durchmesser  (!)  breiten  Turmfundament  (A* 
der  von  Höchst  nach  Nied  führenden  Chaussee«,  welches  in  d 
der  betonartig  festen  »Fundamentmasse  eine  konische  Vei) 
hatte,  kann  man  nach  der  sehr  oberflächlichen  Beschreibung! 
Aufnahme  ebenso  wenig  anfangen,  als  es  nach  den  gedruci 
richten  seither  der  Fall  war.  Nur  das  darf  man  mit  Sicherhei 
dass,  wenn  auf  dem  beschriebenen  Feld  ein  Kastell  lag,  dieses 
liehe  Turmfundament  nichts  damit  zu  thun  hatte.  I 
Viel  wichtiger  für  eine  spätere  Wiederaufnahme  der 
forschungen  ist  es,  dass  »in  der  Mitte  zwischen  A-'  und  j 
Spuren  eines  Weges  fand,  welcher  incl.  der  Gräben  18'  br< 
Beide  Gräben  waren  mit  Brandschutt,  worunter  alte  Nägel,  Holz 
Knochen  und  Scherben  aller  Art  vorkamen,  ausgefüllt.«  Das« 
Gräben,  resp.  dieser  Weg  .  .  .  wie  alles  andere  nur  auf  ein 
Strecke  verfolgt  werden  konnte«,  nämlich  auf  den  bei  der  Konso 
neu  angelegten  Feldwegen,  war  für  die  Frgebnisse  jener  Ausgra 
recht  ungünstig,  um  so  günstiger  für  eine  planmässige  Wiederau 
der  Nachforschungen.  Dass  dieselbe  an  den  angeschnittenen  Stell« 
bedeutende  Resultate  verspricht,  das  —  und  nicht  viel  mehr  — 
die  Mitteilungen  Josts,  in  vollkommener  Cbereinstimmung  mit  1 
oben  ausgesprochenen,  auf  der  Besichtigung  des  Feldes  beru 
Vermutungen.  Fin  entschiedenes  Verdienst  aber  hat  sich  J 
worben  durch  Fintragung  der  Strassennchtung  auf  dem  Spez 
wenn  auch  leider  nur  auf  eine  kurze  Strecke.  Die  nordw 
Verlängerung  des  eingetragenen  Stückes  würde  an  unserem 
ofen  A  vorüber,  die  südöstliche,  mit  der  von  uns  gefundenen 
konvergierend,  zur  alten  Niddabrücke  führen.'  Damit  aber  sine 

'  Dass  der  Weg,  bevor  er  diesen  Tunkt  erreichte,  nach  deni  »Spe 
über  das  »TurnifunJanient«  führte,  beruht  sicherhch  auf  einer  Ungcnaui^ 
Zeichnung.    Es  wird  wohl  unmiticlbar  neben  dcni  Wege  zu  suchen  sein. 


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Sprachliches. ' 


Es  ist  auf  den  ersten  Blick  klar,  dass  unser  Reisebericht  in 
seiner  vorliegenden  Fassung  kein  einheitliches  sprachliches  Ganze 
bildet,  sondern  dass  zwei  oder  mehr  Mundarten  in  ihm  gemischt 
erscheinen.  Man  hat  den  Versuch  zu  machen,  die  einzelnen  Schichten 
ihrer  Herkunft  und  der  Reihenfolge  ihrer  Einwirkung  nach  zu 
bestimmen. 

Schon  bei  oberflächlicher  Betrachtung  sieht  man,  dass  sich 
bayrische  und  mitteldeutsche  Sprachformen  in  unserm  Texte  mischen 
und  erkennt  bald,  dass  der  bayrische  Dialekt  die  Grundlage  bildet, 
Bayrisch(-Oesterreichisch)  sind  die  Benennungen  der  beiden  Wochen- 
tage, Dienstag  und  Donnerstag  als  Ertag  (Erichtag)  und  Pßn:^tag :  Erich- 
lag i68. 169. 193.  i^)'),. ibcr dinslag  iS^,phinstag  173. 183.  iS^, phingsten  172, 
phingtag  193.  Zu  (v;V/.'/iii,' vgl.  Weinhold,  Bairischc  (jfanimntik  (BGr.) 
§  |6^,  Schmeller-l-rüinmann,  Bayrisches  Wörrcrhuch  (BWb.)  i,  127  f., 
zu  phin;iäg  BWb.  i,  437^.  Brenner  (Mundarten  und  Schriftsprache 
in  Bayern  S.  44  fRrcnner|)  betont,  dass  jetzt  im  Königreich  Bayern 
■'lirtdi^  (Irtu)  und  P(in{ia(g)  nur  bayrisch  und  oberpfälzisch  sind,  hier 
aber  bis  an  den  Grenzen  überall  verbreitet;  auch  Nürnberg  hatte 
ehedem  diese  Bezeichnungen«. 

Weiterhin  sind  die  Formen  gcgaidl  (i^ejeide)  171  und  gegeit^ 
(i^t'jcii^e)  183  zu  beachten.  Der  Wandel  von  /  zu  erstreckt  sich  in 
den  modernen  bayrischen  Dialekten  nach  Sciimcller  (Mundarten 
Bayerns  §  503  (Schmeller|)  aut  die  l  lussgebiete  des  Regen,  Nab, 
Vils,  Rösla,  sächsische  Saale,  Pegnitz,  Übermain,  nach  Ed.  Fentsch 
(Bavaria  II,  i,  206)  findet  er  sich  an  der  Lautcrach,  Vils,  Naab,  Hger, 
Rösla,  Wondreb,  das  Böhmerwaldvorland  herab  und  am  Regen;  an 
der  Pegnitz  behalt  nach  ihm  /  seinen  hochdeutschen  Laut  (vgl.  noch 
Brenner  S.  41).  Icli  will  aut"  die  Differenz  der  beiden  Angaben  be- 
zuglich des  Pegnitzgebietes  nicht  eingehen;  möglich,  dass  in  den 
vierzig  Jahren,  die  zwischen  den  beiden  Darstellungen  liegen,  die 


*  Hier  soll  keine  erschöpfende  Behandlung  der  Sprache  des  Reiseberichtes 
gegeben,  sondern  nur  kur;r  nuf  die  '.vichtifrstcn  und  für  die  lüitstcluingsfirage  des 
Schriftstückes  ausschlaggebenden  Eigenthünilichkeitea  hingo^iesen  werden. 


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-  256  - 


Rundstempel,  in  der  äusseren  Linie  TRAS .  REN  .  O  . . .  pel 
in  der  unteren  MIL  CHO  .T  ASTVR.    Doch  erklärt  er  die 
I  oder  II,  für  zweifelhaft,  plaidiert  aber  für  die  Lesan  Coh.  I  / 

Leg  io  VIII  Augusta.  | 

i)  LEG  VITT.  AVG.  (Fig.  2). 

I  Dachziegel  (tegula),  gefunden  in  den  Trümmern  des 

bei  D.  i 

Die  vorliegende  Form  mit  frei  von  der  Matrize  abst 
Schwalbenschwänzen,  wie  sie  die  Ziegel  der  21.  (auch  der  i 
14.  Legion  in  ihren  zweifellos  ältesten  Exemplaren  regelmässig 
ist  bei  der  8.  Legion  selten.  Mir  ist  ein  Exemplar  der  Milt< 
Schlosssammlung,  jetzt  im  Besitz  Conradys,  und  zwei  Ty 
Saalburg  (v.  Cohausen  und  Jacobi  LXXVIII,  17.  und  2 
welchen  der  eine  mit  dem  Habeischen  identisch  ist,  bekai 
haben  aber  sämtlich  weit  geringere  Masse  als  der  unsrige,  < 
darin  den  Stempeln  der  21.  und  14.  Legion  nahe  steht.  Alle 
mir  im  Original  oder  durch  Abbildung  bekannt  gewordenen 
der  8.  Legion,  so  besonders  die  4  übrigen  der  Habeischen  Sai 
und  7  von  der  Saalburg  haben  ebenso  wie  die  von  Conrady 
beim  Kastell  Miltenberg  gefundenen  Exemplare  dieselbe 
rechteckige  Form,  wie  wir  sie  bei  den  Nieder  Stempeln  der 
Adiutrix  fanden  (Fig.  3 ff.)»  "^'^  welchen  sie  auch  in  der 
sowie  in  dem  Umstand  übereinstimmen,  dass  bei  einigen  vo 
den  Schwalbenschwänzen  ähnliche  Ornamente  als  lineare  Hrh( 
innerhalb  des  rechteckigen  Stempels  erscheinen,  Exemplare  der  l 
Art  fand  ich  auch  in  den  Museen  zu  Wiesbaden  (Kat.  9908  au 
baden)  und  Darmsiadt  aus  Oberflorstadl  (Kat.  D  I  A  93),  I 
bürg  bei  Butzbach  (G.  DieHcnbaciis  Handkatalog,  Bd.  XVI, 
Capersburg  (ebendaselbst  Bd.  II,  p.  45J;  letzterer  Typus  ist  i« 
mit  einem  aus  der  Sammlung  des  älteren  Dieffcnbach  stam 
im  Darmst.  Mus.  (K.it.  I  A  9).  Von  Heddernheim  war  d 
kommen  der  8.  Legion  auf  Ziegelsiempeln  Br.imbach  noch  unb 
er  hat  nur  eine  Steininschrift  (1492)  aus  Praunheim  (prope 
Heddernheim).  Hammeran  führt  (Urgeschichte  S.  loi)  i 
»Verzeichnis  der  römischen  Truppenkörper  des  Taunusgebiet 
Stempeln  und  Sieininschriften)«  die  8.  Legion  unter  der 
Heddernheim  an,  nennt  aber  S.  66  —  73  keine  Ziegel  de 
während  er  solche  der  i.  (S.  70)  sowie  der  14.  und  22. 
(S.  72)  erwähnt.  Ich  fand  unter  den  älteren  Beständen  des  Frai 
Museums  2  Typen  der  Legion  aus  Heddernheim,  von  welcl 


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—    203  ~" 


scbok  (sollte)  198  ist  speziell  bayrisch  (BGr.  $  327),  und  die  ober- 
pfälzische  Mundart  hat  den  Anlaut  noch  heutzutage  bewahrt.  In  den 
Nürnberger  Chroniken  und  Polizeiordnungen  finden  wir  das  gleiche 
Schwanken  zwischen  sch-  und  j-,  das  in  unserm  Texte  begegnet. 

Wir  sehen  femer  die  bayrische  Wandlung  von  wzabm  dem  Reise- 
bericht vertreten :  nuinbend  i74.i75,i»n/^«frJt75  (Sonnenwende),  Sarberd 
(Sarwerden)  18^,  daher  tritt  auch  die  umgekehne  Schreibung  w  fUr  b  auf, 
so  :i'JMt'«  (banen)  171,  Wirtctiworg  173,  194  neben  Wirttenherg  175,  179, 
Kolnwur^,  A't>////>«rji,^(Kolmar)  184. 185, IVcrdhiivcrg CWerdenberg)  195;  vgl, 
Bür.§§  124  und  136.  Ebenso plah  if)S,plabiii  (blauen)  194,  vgl.  BGr. §  137.' 

Bayrisch-Oesterreicbisch  ist  auch  die  Form  srw  (sie)  196  (öfter). 
197  (öfter).  Obgleich  Formen  v^üe  heiling  Berg  173,  heiling  197.  198  auch 
rheinisch  vorkommen,  so  sind  sie  doch  bayrisch,  auch  Nürnbergisch, 
häufiger,  vgl.  BGr.  §  168.  Bayrisch-Oestcrreichisch  ist  auch  in  der  Haupt- 
sache die  Schreibung  ai  für  den  mittelhochdeutschen  Diphthong  ei:  rait 
(rat)  169.  191,  belait  181,  ^u'^i  171,01115  171,  a/n/rr  194,  allain  194,  haisl  173. 

Oberdeutsche  Schreibungen  sind  weiterhin  :  ttuirkchf  171,  Temiarch 
175,  lagk  174,  vo/jff  199,  torfer  Ebenso  die  sehr  häufig  auftretenden/) 
für  b  im  AiilaitT,  z.  V^. prüder  170.  i'jl^procken  (Brücke)  171.  iSi,  erpot  174 
(drcim.il).  176,  erpolten  175  (zweimal).  177.  183.  iS$ypleben  tj$, patschaft, 
potschaft  178.  180  (zweimal),  erpuet  174. 182,  piß  183,  gepirge  185  u.  a.  m. 

Dies  dürften  die  oberdeutschen  Besundtheile  unseres  Denkmals 
in  der  Hauptsache  sein.  So  möge  es  mir  gestattet  werden,  die 
Resultate  zusammenzufassen  und  die  sich  ergebenden  Folgerungen 
daraus  zu  ziehen.  Die  Ausdrücke  Erlag  und  Pfinilag  schlössen  durch 
ihre  bayrische  Herkunft  sofort  das  alemannische  Gebiet  als  Heimath 
aus,  ebenso  etwa  Franken.  Damit  stimmten  der  Wandel  von  w  zu  by 
die  I'orm  sew,  gewisse  Schreibungen  der  Consonanten  und  Vokale 
(ai  iiir  et),  endlich  die  Bewahrung  des  sch  in  scholl.  Dieser  Umstand 
wies  schon  näher  auf  ein  kleineres  Gebiet,  auf  die  Oberpfalz,  hin, 
wie  v^'ir  sahen.  Und  oberpfälzisch  ist  auch  der  Wandel  von  /  zu 
nur  dass  er  in  ftlterer  Zeit  NürnivrL',  das  auf  einem  von  Brenner 
(Karte)  als  Ucbcri^anLisniundart  bezeichneten  Gebiet  liegt,  an  dieser, 
wie  :m  den  meisten  andern  Erscheinungen  des  Oberpfälzischen  Theil 
nimmt.  Speziell  nberpfälzisch  schien  der  Wandel  von  ('  zu  an  zu 
sein.  Hin  andrer  Lautwandel  einiDi^lklue  es  uns  aber  die  Grenzen 
für  die  Herkunft  der  uberdeutschen  Bestandtheile  unsres  Denkmals 


*  /um  Thcil,  aber  nicht  in  so  weiter  Ausdehnung  eignet  der  Lautwandel 
auch  hcbsisclj-\vctrerntn-,chcn  Ccbieteti,  $o  z.  B.  Alsfeld;  vgl.  das  dortige  und  das  _ 
Frankfurter  Passionsspiel  von  I4yj. 


L 


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~  258  - 


7)  LEG- T- AD  (Fig.  9). 
2  Falzziegclfragmente,  gefunden  im  Ofen  A;  1  Keilzie 

043  m  lang,  0,43  breit,  0,07:0,04  dick,  gefunden  im  Fracfun 
Ofens  A. 

Der  Stempel  ist  ähnlich  den  Formen  4  u.  5,  aber  das 
dichter  an  den  Rand. 

8)  leg.  TAD  (Fig.  10). 

I  Falzzicgelfragment.   Fundort  am  Ende  des  Kanals  2 
A  u.  B. 

Der  Grösse  nach  (0,027  ^  breit)  scheint  der  Stempel  1 
mit  einem  im  Museum  zu  Mainz  befindlichen  aus  Main^. 
entspricht  die  Grösse  fast  genau  einem  Gernsheimer  Falzziegel  (J 
zu  Darmstadt  D  A  86). 

9)  GAID^T  oder  lECIVD  (Fig.  11). 
I  Falzziegel.  Fundort  bei  Ofen  A. 

Der  Stempel  scheint  von  einem  des  Schreibens  unk 
Ziegler  nach  dem  Vorbild  eines  Abdrucks  (daher  Spiegelbi 
geschnitten  zu  sein.  Die  Grösse  entspricht  genau  dem  Sten 
einem  aus  Mainz  stammenden  Hohlziegel  (imbrex)  im  Wies 
Museum  9904,  dessen  Form,  sonst  gleich  No.  i  ist. 

10)  aiAIDHT  oder  XEGIAID  (Fig.  12).- 
I  Falzziegel  aus  dem  Ofen  A. 
Vgl.  9,  dem  der  Stempel  sehr  ähnlich  ist,  nur  dass  du 

weiteres  Missverständnis  zu  dem  A  oder  V  noch  ein  ungc 
Strich  hinzugekommen  ist,  der  aus  ihm  ein  .\  oder  <4  macht 

11)  LHGTAD(i?)  (Fig.  13). 

I  Deckplatte  eines  Ofens,  0,07  dick,   l'undort  bei  A. 

12)  LEG  (i  ad?)  (Fig.  14). 

I  Backstein  0,055  dick,  von  Sinter  bedeckt.  Fundort  I 
schleppt).  Für  die  Zugehörigkeit  zur  Leg.  lAD.  spricht  das 
schwaibcnschwanzähnlichc  Ornanicni  an  der  linken  Seite,  welcl 
bei  einem  Wiesbadener  Stempel  der  Legion  wiederfindet.  (K; 
und  9906.)  Die  Grösse  entspricht  der  eines  Main/er  Stempels  dt 
Legion  im  Mainzer  Museum,  dessen  Form  im  übrigen  mit 
übereinstimmt. 

Die  in  den  Museen  zu  Mainz  und  Wiesbaden  befindlichei 
der  I.  Legion  stimmen  im  Material,  soweit  sich  dies  durch  den 
Augenschein  entscheiden  lässt,  mit  unseren  Nieder  Exemplarei 
ein.  Was  Form  und  Grösse  der  Stempel  betrifft,  so  bilden 
weitere  \'ariationen  desselben  Themas,  länglich  rechteckige  F 
in  die  nur  bei  einigen  wenigen  an  beiden  Schmalseiten  kleir 


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—    205  — 

192.  Vgl.  MhdGr,*  §  46.  47  und  för  Frankfurt  Wülckcr,  PBrB.  4, 
15.  22  und  weiter  geriddin  ich  (rede  ich)  Wyss,  Hessisches  Urkdb. 

[Wyss]  2,  565,  No.SjSa.  1349,  gewirt  (gewehrt)  Lörsch,  Der  Ingel- 
heimer Oberhof  S,  229,  5,  unver^iri  (unversehrt)  ibd.  244,  45.  245,. 2^, 
dit  ridde  Frankf. Passionsspiel  ri8.  123.  126.  162.  293.  295.  423.  936. 
i6ti  u.  ö.,  du  riddest  ibd.  719.  3807,  ridde  (imperat.)  ibd.  t}i6, 
geridda  ibd.  2470.  —  Wechsel  zwischen  0  und  u  (ii):  uft  177,  ujfen 
190^  fulk  191  neben  volgs  199  (vgl.  WQlcker,  PBrB.  4,  22  und  MhdGr. ' 
$65).  Auch  6  aus4S  wird  zu  11:  damuch  172.  Weiter:  komigikunig  173, 
kang,  kunittgi^/ore  i^^prockm  (brücken)  i7i(WülckerPBrB.4, 14  f.). 
—  Wechsel  zwischen  0  und  ax  machen  (mochten)  168»  ituh  (zog) 
171,  mirr/(mord)  ijj, patschaft  178,  erpatten  183,  erhalten  200  (erboten), 
hatschaft  184,  nach  (noch)  186,  kamen  (part.)  kam  (komme)  189. 191, 
thar  (thor)  183,  darehutter  192.  195,  Warden  187.  188.  189  (zweimal). 
196.  198.  Umgekehrt  aber  (aber)  188;  vgl.  Wülcker  PBrB.  4,  21, 
MhdGr.*  S  67,  BGr.  $  6. 

Oer  Diphthong  ie  wird  zu  £:  Scheden  170. 199,  tf«  (die)  300»  vgl. 
de  (die)  HU.  i,  316  No.  446  a.  1306»  MhdGr.'  $  135,  Wulcker 
PBrB.  4,  24.  Der  Diphthong  ei  verengert  sich  zu  /:  vgl.  hdtumhs  173, 
hehum  183,  t(ro(/e/iV/ (wohlfeilst)  187»  ein  Wandel,  der  mitteldeutsch  sehr 
häufig  (MhdGr.*  $  98,  Wülcker  PBrB.  4,  25),  bayrisch  jedoch  nur 
selten  eintritt  (BGr.  §  45).  Hierher  gehört  auch  die  Form  Ment:^ 
(Mainx),  die  öfters  (172.  178  zweimal)  auftritt;  vgl.  auch  den  Schreib* 
fehler  Ment;^  statt  Aff/^  (172).  Die  mitteldeutsche  Form  tven  (170. 
188)  tritt  neben  dem  häufigeren  oberdeutschen  wan  auf. 

Für  die  Diphthongierung  des  langen  t  finden  sich  die  Schreibungen 
oi  und  oe  (moili  170,  moein  191,  für  altes  ei  ebenfalls  0/  (^oi)  195, 
für  altes  ei  ein  eu  (bleuhe  er  169.  170.  199,  neben  hlcib  171,  eulfien 
|eilftcnji67)  ;  umgekehrt  tritt  für  diphthongiertes!«  die  Schreibung«  auf  : 
scbeirn  193.  Alle  diese  Darstellungsweisen  setzen  eine  sehr  gerundete 
Aussprache  des  Diphthonges  voraus,  die  sich  noch  heute  in  Hessen, 
der  Wetterau  und  den  benachbarten  Gebieten  findet  (vgl.  noch 
MhdGr. '  §  124  und  weiter  Frankfurter  Passionsspiel  [Drama  des  ' 
Mittelalters,  herausgegeben  von  R.  Froning  2]  keuchen  418.  479.  810. 
1581  u.  ö.).  Aus  Urkunden  führe  ich  als  Beispiele  für  die  seltnere 
Schreibung  oi  noch  ein  paar  herau.sgegriffene  Belege  an :  Moyne  (Main) 
so  öfter  Böhmer,  Codex  dipioniat.  Moenofrancfurtensis  (FrU.)  482 
a.  1325,  droy  (drei)  Wyss  2,  557  No.  822  a.  i^^,  geboiß  (geheiss) 
HU.  I,  78$  No.  1176  a.  1387. 

Aus  dem  Gebiete  des  Consonantismus  sind  noch  folgende 
Thatsachen  hervorzuheben.  Intervokalisches  v  (aus  b)  fällt  aus  in 


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—    Jü6  — 

(p.i'*Nt)  i;?.  MliJdr  '   .  ir:  S    \ \  i  i.- J      ;  ;^     I>»  . 

i:  flippe  u  irj  /ij  <.  u  <".'»»(  w  ,U(.  11  ,  H^.  »JfW.  « 

vT  1..  ( .»'"  clstur,  ».jitK t\n  Jcr        j1    «-y^v-j  1      i>;   1^7  >• 
V\  JuJtl  1^'  vk<»lil  Npt/iL>l  rhi  1  !itT ..n'». ;sv I) 

l):c  miltcMcut^vlK  I  orni  'cr(iT)j'!  tivt  Ji.fv'i^-j:  /  .     .  T  .•  ■ 
v«>  !  ^     I «  ^  (  /  w  <.  rn.i!  )   1 '  ')  t    ,    i  _      .  ^  j      ■  •    (■:»':•  t  .  '  ••.4"  ^ 
Jvri  41;' JutcfiJcri  \  t>K  j1  ^  i  tri  u  n    'i'.;-   •  »7  5    i  ■     '  ♦    .   i*.  * 
\  er!  .::Ju!j^  f'i      im.  ,ti         \  jr.  .1.  ' .»  wi  »  x-^.  'r.ff  . 

l  .»"j'.iti  mit  ilt. r  SvKuUitii:  Jcs  f'  .  ..  . '•  '  ■     ->  '.    -  .'J 

ru.'fu   i^n,  :>!  ■  rK  jvjr.         MfivK.r  '      :  .  «*  ' 

!    •        Mitttlvit.  iltN  Ji  ls\  4Uclj  J.  <  [  >  rrii    rj.;f'i  M     (    «i.tt'.      .  " 
J.c    :  >  •  tt^  i;S   ^  .Vtitt,   (.!>(.[  •<>  »!  ,    M.ti!  k.  ■«  »  » 

1  f  i:ni:v    )  I ;  ;  (.WruK  if  '   .  :  U  ),  w  ^  •«  r  .1      \  !  r .  u  1  44  v  .x"»  »  - 

a     .  /l    M  ,c.ri    irS^  l'cU'!   i-T-..j  • 

j  JhtI*  iti  •.«.  ;   r;j.  I    Mt!«.;,  Hn.J^r  H^::iUi:'i.  I.    .      v   i  !' 

Hv^oiiJci'-  IUI        •  .•  V  ;-n.i  •  Ii.;-.. '  i  n  (j>.  i  „a  w-*  % 

s^>ri  /  im   Aa*'-ii.:   lul^r   itj        I.uj'.ct  Ji.n  ( .- »«»«jinTcri v c •  ■  ' - 
^t^c.t  (•.,;!    M:'<»t.*  ',  2«')     In  utiv4   n   I\ \!c  '  " 

Jtin:  .U<  (tati.'ti:  *Ur)ti  i.  .«.i ( ,  i     '.  1  /t )  :       •  •  . 

'(.TUT  mjJ'im  f»t<iu;i:vii)  J^^    Dshf  h  vh  •     .  4- 
i,",(.kv  ,ru'    Sv   r«.  .  iir  .  ■    iVI.^J. /«/  )  3»'»      V    '  ^ 

s.  ft       .   /  '/f  (  .  ^  )  1  i.i'  i  ! ..r:ff   {'.I         .y  ;;v 

L.S  ^i.:f         villi  Lti. '.'iJii-  ii  tMf  (jt.ti,:         j-,ir  . 

I' 2  \'    ;\  \   i  Ml    1.  ij,   \  ... 
:.'*-;:./.  j  f. j;;              {■  J  iH     J.ii;\.ir;|j    J;,^.  f. 

Hl    1,         N  '   7  I  ? )  1 .  ;  .  'V      K  *  V  /  : 

N.    M-  -»   I        .  <  ■  ( .  ^-  .  .  Jüi  )  Hl     T.  - 1  ;  \  »   T  • ,  . 

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—  207 


Mitteldeutsch  ist  ferner  das  im  Anlaut  unverschobenc  p:  Pall:^- 
^t  üve  iS6,plc^en  192.  Auch  das  Ausfallen  des/in /««r:^A-w  ( 1 5  oder  50)  194 
mag  in  das  (jebiei  des  .Rheinfränkischen  gehören,  ebenso  aus  der 
Flexion  Formen  wie  dn  Romischer  keiser  178,  eins  schons  ftns  hnt  185, 
eins  kkins  stettUn  184.  Mitteldeutsch  wäre  auch  geit  192,  wenn  wir 
es  nicht  etwa  als  gfit  auffassen  müssen,  vgl.  geet  181.  192.  Ferner 
aus  der  Wortbildung:  vor-goli  195,  vor^äaglen  vor^messes  199  för 
ver-goldel  etc 

Bei  einer  Reihe  von  Figciuhümlichkeiten  kann  man  sich  nicht 
für  eine  bestimmte  Provenienz  entscheiden,  da  sie  ebenso  Nürnbergisch, 
wie  rheinisch  vorkommen.  So  ist  wer  189,  mfer  200  (mare)  im  14.  bis 
1 6.  Jahrhundert  auch  bayrisch,  \gl.  BGr.  §  47.  Ebenso  wenig  lässt  sich 
das  Auftreten  der  Medial^  för  hochd.  I  (antlasdag  168,  dags  170.  173, 
äisch  175,  ducber  176,  i/an^  176,  dotl  i'jStdäten,  dutt  1 83» (zweimal)  186, 
deiding  198,  deitnkt  200,  dusent  171. 174,  darebutler  192.  195,  drinken  169, 
latüleude  185}  zur  Scheidung  verwenden,  obwohl  man  eher  dazu  neigt, 
es  dem  mitteldeutschen  Schreiber  zuzusprechen;  vgl.  BGr.  $  145  f. 
Dem  Rbeinfränkischen  und  Bayrischen  sind  gleich  eigenthümlich  die 
Verwendung  von  s  und  jOpromiscue;  vgl.  MhdGr.'  $  205,  BGr.  $  151: 
grose  170. 191,  haisser  172,  büße  (hüse)  176,  Uesen  200.  Allgemein  mittel- 
deutsch ist  der  Umlaut  in  heu^mann  184  (zweimal),  heuhtstai  184. 

Neben  der  allgemein  ^chriftdeutschen  Form  j^wiscben  166. 177  tritt 
einige  Male  (181, 182, 200)  wuschen  auf,  eine  Gestaltung,  die  vermuth- 
lieh  südfränkisch  ist;  jedoch  fehlt  auch  dem  Bayrischen  ein  ähnlicher 
Wandel  nicht  (BGr.  30.  33).  Ebenso  lassen  sich  die  Formen 
^olf  195.  196.  199,  :(wolbolen  193  nicht  mit  Sicherheit  Hir  den  mittel- 
deutschen Schreiber  in  Anspruch  nehmen,  trotzdem  dort  ähnliche 
Bildungen  in  der  Wetterau  auftreten  (:^iuüUen  Wyss  2,  644  No.  967 
a.  1358,  Rieger,  Leben  der  heiligen  Elisabeth,  Glossar  sub  :(wef\ 
vgl.  weiter  :^welbotte  EUs.  834). 

Weiter  ist  die  Erhaltung  oder  Entwickclung  eines  v  oder  w 
wesentlich  mitteldeutsch,  obgleich  auch  hier  das  Bayrische  nicht  mit 
Sicherheit  auszuschliessen  ist:  süwer  (sauer)  176,  rnnven  189,  nuwer  200, 
dagegen  nuen  176,  fruwe  168  (zweimal),  frue  170,  uwer  (uhr)  186. 
187  u.  a.  m.,  vgl.  MhdGr.  §  180.  Zu  beachten  ist  noch  die  Form  druwe 
(drei)  183  ;  vgl.  druw  phund  Frü.  750  a.  1375.  dremoer  Dürstdorf  in 
Nassau,  Grimm,  Weisihümcr  1, 591,  </nitv«r  neben  drver  Boos,  Wormser 
Urkundenbucb  2,  20  No.  30  a.  1305.  — 

Die  Form  sieht  (sieht)  185  ist  bayrisch  (BGr.  J  183),  wie  rhein- 
fränkisch. Ich  führe,  für  das  letztere  ein  paar  Beispiele  an:  geschiecht 
Sauer,  Cod.  dipl.  Nassoicus  i,  3,  364  No.  3198  a.  1366,  geschiebt 


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-    Ju8  - 

^f^   t  i2  j    loi.  m,itt  .v.;.;-f  Irl'   f-;  J    I  Vr        M''<!Jc  — 

mt;:c"ktcn  Sinne  Ji\  WOttcs  ivt  J'c  !  «'im  ^v«/«»..-  ;  't  J  r     :  i,.-  :f*%»jmf 

rnt^tJimjcf  )  i'»>  i/»  i"i  i-j  i  -  ;  ( rvm  üm- )  t '*>  ^      v  ■• .  i,  ' 

Uti.!-,Jnf\\VnrTcTluiJi  (U\V:>        I.:.  Im  «4-1' 

:r,!:  ^-i-rrN^^^  Jiu h  im  N«  tn^cri^  11.},  w.ilifcnJ  t%  ^nitc  '  : 

II  crp!      t^^  lic  I  4 IT  in  .'N.'ffMjf  ;>    I    ^  )  i\t  '  i-r^  ,  f*:u-,-  »i. 

l  1 :  vf  dr-*  .M:;u  lilicm  njch  \i>rJvii  t'in  tnji.*  .vn«'Jt  i  ^\ 

N  jNjlirijiii'  Tritt  ju!  m  Jcri  \V  < 'r:cn  »n/*i«j.*  t  "«<.  .  'i  ♦^/rt  •  :V   -  ?  v 
^"  «iV«  (fiJiilct»)  |S^.  \  nr  |>tv>!j!in   ?■•  JiT>    \        -.'r  Hj-'u  ^* 

juwh   Ni-.  ili»i,in:in  (sjMiu-!!ir       > ,  i.   IU\ :»    1,   if.:».  K(.'  r 
\    17;)  KfiJ  ^favic  in  Ni.rnKTi'is-.hcn  Hjik!  Jir-frc-n  t;nJ  !>♦  - 
Jet  l  orrn  Iieiiu»;ti^e  »'..nn,'    TiivhcT^  H.ii;MK  .v!cr:   .r-  s  , 

M>:   1.  lirnu'ii'Ji,  ( icrTn4n;LTis   \\'lLcTs!i(nniefi   2,   ;  ij  j  »^j«  ^ 
:  ITH  .^:^•nTi)c^^  j)  eiii  pjjr  Mi!  erhrhen    (mnm;  'IlivfieT.  Hj  .  ^  ,  c 
:>u^h  2;;.  II,  J«»J  i»}.:ff;i/<'«  (.hri>:i.  2,  22).  2  \  4f  ,  \lI    ri  x*   I>^-  • 
\         I  ))2.  (.lirtMi.      \  \,  i|  k,  inn  nu^it     r  \. 'ntHT^*  igelte*  J  ^r- 
vkciJcTi)     Hji;!-. ►  CT  treten  Jic  nj^jiiru'ti  I  urmen  juf  rf\e;r*'ir4 
HcJeti  JijP     Jjv   (.e^'.tl   delint    M,.h  \«'n  Je*   c^'.e'ni'  ,:c  i  ,  ^ 

/;ri     ':i4:n  t'i\  zur   süJlivhon  drtn/e  Jcv  K:jeirjJ'jnk..»vt:c" 
Nr  jC.r  •   ,  217.  S    2l6  t  .   Vilnur.   IJu>ti'M>n  Ki  r^i-u;'  ; 

kl.'  /rl.  ( ii «.  Jiuritc  \<»n  McNscn  N  { S,   './in- .f.  .>-r'i,  [).•.'': 

Ar^-ir.  J  Ii;.:  \  er  t:n\  1   Hi  »-cti  XI\.  J  i  DW:«  <,:.;•'      ,  : 

Ii  .J:e    '  rr    in^* i ' .  'irtet»   |iciN|vele   s'jn.fuen   n;»..\Tet>>  j... 
Dctivitcn.  inJre  ^  t'.J  KeNs;xvlier,  e-n  pur  ju^ii  N^.rn!e'»;i'  Mi:*i.-  • 
Weiterhin  i\t  tn^ti  ;ii  ^i-iijer^rn  iu\  Jcr  (  J^^cler  Mi^iv^*'  ■ 
l*rcJ;^Tt-t)  Mr:H:cr  Klfi.>r:v,  /e,:\vlir:rt  u,r  d\:\.:\J:c\  Ar^r:^,^ 
f!*<-2)  VF    41,.   :2.    t:».  fi;  ^27,  M.  i;;.   j  "  ii" 

rf  :*'.,!  fK .. \^^\,  1'"^      A  .V  der   I  :^ '..irJ^  J^en   I  edc?''ir-<i»^t'.*  • 

IriTOi.M  l•c^v      i^v    1    tfin'.  'ff  I  Jijt.In  AtJ-.^    ».  2-, 
r-       u  h,  l<.  .  '   ^  I  rj:  .>?  .rtcr  H-.v '  :  '  Jer  (  VJnii-i:*.^  {'l^'.i-^:-  *.v 
S    i;,  5»     I  e'T  er        'i    :      AKendurJ-Marb        \V  ■- \%  ?  \  * 

Ä    •  i ,  »,  ,     v,  »'  .t  Vf  K!f  1" ii!^ci*Tcr  Mj'»..  K'  »»«e**- 

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W              •*  !  ^* ;     H    •■.  W'^'T-'x:  l'K-t     2.  ]',•'**•  N       4  • 

►r-  ■.     '   (.  *v.  .  .  f    ii  :  >. '            I  r       1    i     »      ,        •  -.    1     >  . 
I)k'i*!en          (.'1'».'^   f.:               l  '  k  ..'iJer'S.x 


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—    209  — 

zwar  sowohl  vor  Dentalen  als  vor  Labialen,  vgl.  mt^scht  (meiste) 
Bavaria  IV,  2,  237,  hau- Je  ibdJ  S.  2?i.  Aus  der  älteren  Zeit  vgl. 
noch  memsUn  Hombach  sQ.  ZweibrQcken  GrW.  5.  690. 

Vor  Labialen  scheint  sich  im  Nürnbergischen  keine  Nasalirang 
zu  finden  und  dieser  Umstand  mag  für  den  rheinfränkischen  Ursprung 
der  Formen  meinste  und  hut^en  sprechen.  Denn  abgesehen  von  der 
Rheinpfalz  findet  sich  auch  im  modernen  Dialekt  von  Naunheim  bei 
Wetzlar  und  im  Wetterauischen  in  dem  letzteren  Worte  Nasalirung. 
Beispiele  aus  älterer  Zeit  weiss  ich  nicht  anzuführen.  Leidolf  (Naun- 
heimer Mundart.  Diss.  Jena  189 1  S.  25  Anm.  i)  erwähnt  die  Form 
hafe  (a  kurz  und  nasalirt)  Haufe  und  meint,  dass  auch  die  wetterauische 
Form  haffe  (Weigand,  Deutsches  Wörterbuch  r,  773)  nasalirt  sei. 
Beide  Gestaltungen  sind  mit  unserm  bunfe  zusammenzustellen,  denn 
Naunheimisch  Imfe  hat  sich  wol  hieraus,  und  nicht  aus  mhd.  houfe 
entwickelt,  wie  die  Parallelen,  die  Leidolf  a.  a.  O.  S.  21,  2  an- 
fährt, zeigen. 

Endlich  ist  noch  der  Wandel  von  nd  zu  nn  zu  erwähnen :  gesin 
(Gesinde)  168,  Brannenbttrg  ijj,  der  auch  heutzutage  noch  Nümbergisch 
wie  rheinisch  ist :  Schmeller  $  447,  BGr.  $  171,  Frommann,  Versuch 
einer  grammatischen  Darstellung  der  Sprache  des  Hans  Sachs  (Progr. 
Nürnberg  1878)  $  33,  MhdGr.'  §  219.  In  den  modernen  Dialekten  ist 
vom  Rheinland  nur  der  südlich  einer  Linie  Malmed^'-Blankenheim- 
Ahrweiler -Königswinter -Hamm -Siegen  liegende  Theil  von  dem 
Lautwandel  betroffen. 

Zum  Schluss  niuss  ich  noch  ein  paar  mir  unverständliche  Formen 
erwähnen:  leitls  (die  leute)  170,  herol:^s  (die  lierolde)  190.  192.  195, 
die  schone s!s  ducb  193.  Ich  bin  geneigt  sie  für  verderbt  zu  halten, 
denn  au  das  unter  niederländischem  Einfluss  auf  niederdeutsches 
Gebiet  in  der  Umgangssprache  eingetretene  Plural-j  (z.  B.  Jungens} 
kann  man  kaum  denken,  da  es  mittelniederländisch  nur  an  Formen 
mit  auslautendem  -r  antritt,  und  eine  Bildung  wie  letiis  damals,  wie 
heute,  noch  unerhört  wäre.  Bei  dem  Plural  herol;^  darf  man  vielleicht 
an  die  Entstehung  aus  lat.  beraldus  erinnern,  das  einen  Singular 
/r^ffo/;^  ergab  (vgl.  die  Eigennamen,  z.  ß.  Pl)ilips  aus  nUippus),  so  dass 
dann  von  diesem  schematisch  ein  Plural  heroli^e  gebildet  wurde. 
In  diesem  musste  der  allgemeinen  Regel  nach  das  -e  abfallen,  und 
so  konnte  sich  für  Singular  und  Plural  die  Form  herol:^  ergeben. 

Nicht  mit  apodiktischer  Bestimmtheit  vermögen  wir  die  Heimath 
der  Abschreiber  der  Nürnbergischen  Vorlage  festzustellen,  aber  doch 
werden  wir  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  behaupten  können,  dnss 
die  Schreiber  der  rheinfränkischen,  speziell  hessisch- wetterauischen 

14 


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2lu  — 

Mundjfi  jnirrlKiitcfi    Die  Bc«ci\tuhfu»K  «^itil  JjJur^h 

"J  KhiT«  i'iiil;-«.  Iii  irvtiu  •' «Jtn  ^-t  J.  mi  ili-^  tiijin     »  ■  ,  ■  ■ 

»  -''ktU  Ki|M.jfi'>«.li       uti  ,'u  '  «m«u»^%-:. 

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!  i  V«:.,  U iitvTii.»  K  k.;!.c»i-iu  Nj       M»».v".:f  »!.*»*!■  w"Ji  h 
l>i  Aiwc  l';^'euilu.itÜKl«V«i.tcii  «Icr  Ntitiu..N.ru  ti.>  K 

;.<.^iv>c  l«:;t.ifl  uiiil  i<lt!.       ,     ihc  I  .  .  ' ..  Uii  f    .    *  . 
trcti-n.  iJ«  «''i  »Mtiirni  i%  \.:„t  n:ii%.  ^-.S  Uvti  I         ^  4n,  4  .<» 
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J.«:  ^-if  ,"Jvtc  Au*  pr4v:.i'  *i^*  ft  jIv       «]if  A.i.'  :  ^ 

i<».f  i'i  j    !  ...titsJiii  Ia'  •nuiili'!  ^ci.  :riUuti,  l>i.    A.«     J.  ' 

»«''iit  'ijt  il.f  li^t  4»>*«Mli'^%*^;>c  >  C*v  :c!  in  J.c*<7'  i>*. 
Ji*«h  i*t  \ic  Mt.*i-!:;  t;:l:vv:i  ciiii^c  Mii  iiu!     *vA«,'Tt     Si.  t 
i"J         >\ittvfJ.i  wi.-  l  4..vri   \irna.t}.l:.'i  i<- 
.i  c  I »  t::  r. u  (\  !    UktliTj,.,  %!i  J*       i.:'.!  I 

I'.:  .!>  Ni  i*  •  •  ,*  Ji »  \  .«^i  . 

J  I     ..^11  4%  t'c ..'  j-'»»  Ml  /Ii  ti  fti'i 
(r\  ■  i*  u.t  i -  *■  tiitti  Ar.  1!  '-"iii  Jtii  V  .*>• 
fv***.?,  t!   »  »;  tf  A  v**i.*.r  *!•.>  t       ^r,  . 
t! ; \l\       (i ).  ^-'.i  .-111  ihKs  K',1  »•  «  w.-  tt. 

\T  "  -  Iii  *J  t   4  ,  f.  »     4:1  I  {V    .       »  i  *     !•»  *fc    i     j  »• 

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/t  :        A   %  j  A-.!.'v  v' ■  \   *  Ir.  * 


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und  es  ist  dann  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Copisten  sich  unter 
dem  sie  begleitenden  IV-isonal  befanden.  Ob  wir  die  beiden  Schreiber 
(v^l.  oben  S.  i62f.)  als  1-rankfurter  anzusetzen  haben,  lasst  sich  nicht 
mit  Bestimmtheit  sagen,  wohl  aber  stammen  sie  höchstwahrscheinlich 

aus  der  Unit;ci;end  von  brankfurt.  Worauf  die  ausserordentlich 
schlechte  Ueberlieferung  begründet  ist,  lässt  sich  nicht  sagen.  Möglich, 
dass  die  Augenblicksaufzeiciiniaigen  des  Nürnberger  Berichterstatters 
sehr  schlecht  geschrieben,  die  Frankfurter  Schreiber  aber  nicht  grade 
paläographisch  gut  gebildet  \v  n  cn  und  darum  Manches  Unleserliche 
ganz  wegliessen,  Manches  durch  Hrrathenes  ersetzten.  An  vielen 
Stellen  mögen  aiicii  I  h i Jitigkeitsfchlc:  (so  z.  B.  A/»:///^  statt  A/t'/^ 
S.  172  Var.  t  iL.;  Jen  i  rankfurter  Sein  einer  charakteristisch)  mit 
uiucrgelauten  sein. 

Halle  a.  S.  John  Meier. 


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IV. 

Di«  rüminchen  Ziegeleien  von  Nie<l  b«i  Höclwt  a. 

und  ihre  Simpel. 

I  Ita  (fMfff  ««MI. 

1  Vor|:c  %«.h»%hlc  und  l(>p<>t:rjphi'^«.hi  Vor  Jit%%ct : ,  -  •  " 

J ci  A u % >: r i u n i; c II. 

\t*n  der  Sulic  Mi,  «I»  ticr  M^m  «»Kfl::  /  Av,'  . 
»Ii  '11  II  1  •  r  «Hl«,r  *%cr!^TCT  ccu  cn  'l  :*4l  luivh^i»  l  >Jc;.^  ^^J  •  •  -  . 
iti  4  c  *•  vrrhcini^whi*  Ticfct^v^c  triii,  »inJ  #*<i  Purku  v.hi  <• 
n.  tr'Jir  i;c«u'TJt*i-)^^lii'f  iiiiil  );c>^}iuhtluhcf  Rcilcutun«;    J.c  k' 
tt;t.nJi.i>»:  #ift:%«,licti  Ibtua  utit!  Kc%\c!\iiJt  und  d;c  Ntddini.'^.* 
/«»«.hcn  il«KliM  und  Nivd.   Ürrcuht  m  der  cr%t|;mjnfis(t  ^  ■ 
der        VcrLchr%«if'.  «cUlicr  /Aiwticti  dem  Vi>i(dvi*cr^  rrc«« 
dir  K^<<n  und  dem  '^jn  sjrt  jiidcrM-i{%  dem  IjuIc  der  K  "  • 
i.nd  der  •pilcrm  ].ei|V'ik'*l  rjnklurtcr  lircr*  und  llindt'^^iri'^ 
^t*f4«:i,  d<-n  Mjift,      «jr  diN\cU>e  l*ct  I(>k^     der  1  jK  nt.-  d<* 
de    4lte^ie  C*c^«.!l^k^:e   iuei'i-i!<»\   no»,!«  «uhttt'crrn  S^r.*.'«*  - 
/uss^hcn  Viv«t  •xri;   und  l'iunt.«  %cibi.}ct:J.  »   &  • 
C  !..t!tt-ii  tf'\  iAr.n-  t.i  d  KtiL-inUnd.  ibct  jü^Ii  dse  Rt'n*«!  .R^  t  ^l' 
u*.d  CJit-rii'li-r'^t  J  I.  Vric.  I>a^>  dir  beiden  |*t:*'Iie  in  iler  * 
/ril  n-.M  Ml  M'fir  l!cf\i*rtreteii»  «ic  mm  e«  nuh  ''rrla.;« 
tri; (II  M  !'te,  hil  M'.i^t'i  (<r«;nd  r.  T.  d^nn,         «ite  v.  <  «  . 
Jtr  I  *  r'Lti  l\.n        V  »et        ^-'iv-'.en  V:*' »  d.«  berühmte  Rc.*»'"» 
et«.,«*«,  de  \i*ru''e  dir  |:nil"J|*^ -wi^lun  I  iice  Kr**kr   »  » 
te?i  '  .  te«  .11  ii'fH         .^..iier        -i«.'!!  iK-r  i!incti  i<>cfl«£C? 
lK,'i      lit'i  itte'i**  1  i>ii^4l*iir\^fic>n  d:c  Hed%*i»!i.ni;  der  i^Jc*-  - 
»i  «J.".!!!  i..f  Jic  I 'i<K'n.ri:  Lfid  V^heruf'i;  dei  iintrfir^ 

t!*        der  I«:».  ??'v"..vt:i"n  V;:c  au*  r-khi  eiK«;aR|f<r  . 
1:4!  c  tcn  IWmic  ti.K      |4}.r!.:.!  dtft*  1  'cs^h/eis  *:  n'ii  einer  M»rr  »-••rx 
At'i  • /  dcf  d^JVj  *  «isti  »til   /4'.>iuhef  \(»rltJfldencr  *«vt 
der  \«-rfc'.t  r.n  Irl 'litti«  liiierr««c  lur  eben  dicic  ^ev.** 


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—    213  — 


Denkmäler  erwachte,  hat  man,  ganz  im  Sinne  der  damaligen  Lokal- 
forschimg,  die  sich  mehr  durch  entliiisiastischen  Eifer  als  durch  kühle 
Kritik  auszeichnete,  an  beiden  Orten  »Komerkastelle«  weniger  gesucht 
als  ohne  weiteres  angenonmien,  wobei  freilich  zufallige  l  unde  von 
»Altertümern«  mehr  massgebend  waren  als  die  angedeuteten  historischen 
Kombinationen.  Entsprechend  der  grösseren  Reichhaltigkeit  der  Funde 
trat  denn  auch  die  Niddamündung  in  der  Wertschätzung  der  Forscher 
ganz  entschieden  hervor  gegenüber  dem  Mainknie  bei  1  lanau-Kessel- 
siadi,  wo  der  Namen  »Kastellstätte«  den  Mangel  thatsächlicher 
Beweise  decken  musste.  Schloss  man  hier  aus  dem  Namen  auf  das 
Vorhandensein  einer  ßetestigung,  so  war  man  an  der  Nidda  ebenso 
bereit,  für  das  aus  den  autgetundenen  Kesten,  besonders  zahlreichen 
Legionsziegeln,  vermutete  Kastell  aus  der  antiken  Litteratur  einen 
entsprechenden  Namen  zu  hnden.  Man  lokalisierte  dort  das  am 
Mittelrhein  und  Untermain  so  lange  vergeblich  gesuchte  «nuiniiuentum 
Traiani"  des  Ammianus  Marcellinus.'  Die  Willkürlichkeiten  einer 
solchen  Forschung  veranlassten  dann  in  neuerer  Zeit  einen  Rückschlag: 
indem  man  die  unbewiesenen  l  olgerungen  ablehnte,  übersah  man 
die  Bedeutung  der  ihnen  immerhin  als  Grundlage  dienenden  That- 
sachen  und  berechtigten  Kombinationen.  Das  neu  erwachte  Interesse 
für  den  die  endgültige  Grenzlinie  des  romischen  Germanien  bildenden 
Grenzwall  und  seme  Kastelle,  der  glücklich  gelungene  Nachweis 
seiner  Einheitlichkeit  und  seines  Zusammenhanges  lenkten  die  Auf- 
merksamkeit der  »Limesforscher«  umsomehr  von  dem  Hinterlande 
ab,  als  sich  ein  grosser  Teil  der  von  den  älteren  I^okalforschern 
angenommenen  »rückwärtigen  Verteidigungslinien«  und  »Römer- 
kostelk«  aU  nichtrömiscben  Ursprungs  herausstellte.  Ich  bin  weit 


*  Vgl  bes.  Lehne,  DieGatmi  des  Taiinus  md  ihre  Dcnbnller.  N.  A.  (Annalen 
des  Verdns  f&r  Nassautsche  Altertumskunde  und  Geschichte)  U  i>  1827.  S.  itff. 

Abgedruckt  in  den  Cicsammcltcn  Schriften,  herausgegeben  von  H.  Külb.  III  Dändc 
18 j8   S.  38  tr.    Wenn  Lehne  N.  .\.  a.  a.  O.  S.   12  meint:  »Die  Anhaltspunkte 
scheinen  mir  hinlänghcli,  meine  Meinung,  dass  hier  (etwab  oberhalb  dem  heutigen 
Orte  Nied  gegenüber)  das  munimcntum  Traiani  gelegen,  zu  bestätigen«,  so  wird 
ihm  heute  kein  Forscher  zusthnmen.  Was  er  aber  von  der  Bedeutung  der  Nidda» 
mQndung  für  die  römische  Okkupati  n    s.  n)  sagt,  ist  vollkommen  nurcfTeiui, 
so  besonders  auch,  wenn  er  betont,  dass  olmc  Helestigiing  der  Nidd.>linic  die  Be- 
sctzun^^  des   Taunus  keinen  Sinn  habe.    Die  altere  Litteratur  über  das  römische 
Nied  und  seme  militärische  Bedeutung  llndet  sich  zusammengestellt  bei  Habel, 
Die  römischen  Ruinen  bei  Heddernheim  N.  A.  I,  i,  1807  S.  50.  Ueber  die  In* 
Schriften  \^].  man  Klein  u  Becker,  I.  N  (Die  lateinischen  Inschriften  des  Herzogturas 
Nass.iu  )  in  den  N.  A  IV,     S.  485  ff.  und  Brambach,  C  L  R.  (Corpus  Inscriptionum 
Rbenauarum  1498—1502. 


III 

miLMi:,  Jicm:  iHfji.st  Suüijrij  ^ciu.Kr  Jen  frtvi'*-.^-  ir" 
-i  icriTi  l»>rN^lujn^  jcncti  Mj:Mur;i  /utn  V  iT^u'^l*  /i-  :v.i«.  er     r»  < 

k!^  ■  "  I  i  > :  .:c!u;r:L'  w  L-iicrii;i<.whi-Ti  (rrcti/N»-  w  ,  w 

r  I  k    !i  I!:.?'.    c;iicr  tj'ilj  ti  .1  irr.  I  l;'v.«. :!  jtK't.  k  , 

jMkjcn:'.  TMh«.r«.Ti  \       Ictiuctn  Ictlcri  J<.'i>i. ..xii  \Kv*4vx  . 
t  .■  w.  •  .  i   J«.rt r  N«''.'a  cnJ  ,  Vut  Jraii^'c  n;^?:   r..  -  J  ,  L , 

/tu^cn^  Jiif,  vi  i  N  Jii  crkjr;ntc  {  vi.Kvi;        (»ri*  .-i    i.  »rr.  " 

•x.»'v  >'    1.  t)c  ( i!>.K}i/t      ».  i!t  ili'tr  Hl  r -^i  i .r.^  M-ta     <•■<    ^«  ■ 
Ik'  L  :     .•  /        ^icf    \  tf  u . l1  1  i.r.       i.n   du  :  I  v  \vi^ 

\\  i   'v'.  ,1.:  vi  v  >.':.  \\\  .  I.  /i;r  A!>!M'  :ri  «.  fict  (  ri  /'c       v'  I  ■vx. 
x!i  T    Wvr.ii.m    uiui    ctiAT     iti^ri!)    (»rii:.'"..'  k    Iii'    .  !■  . 
(•:..;:.«.  iiv  ■  '  {UUTcn  vk':  .!  -.  cn  ( <r  i  n/ai  •  v  :  "t.  -  <.  ^  . 

J  ■  :.  :i:  i!cr  A iir'.'  i  ati  I.a.'«  :'-  i:\   U'  V.    ;  . 

t:    '.:..!/  /«.  .  .!».  ..>   .. ;    '^j  i  rir.   !.<:.k'ifi  A   l'  .   Ji.v,  4.'»*f- 

^fe'iv' ri.r   ^l:c  Ku;:l!,>i  :    >:ur  H'.;'.  1  .-^^  »f».  * 
'*  ..c.  (.L;-,  ;  .1  1^::  Ji:;ilcfit   Stelle  i.>.'<.  ,  '    ut-rdtn,'  v  v*  » 
i  V    ti:!/   H'Hf   A»  *»:c   Kl  Kc  'i'.tjJt  u;cJi.:.*n   »uf   A   '  »  ^ -t 
ZÄtHiH  -.       .  •  tft  *    iHr  i;::J  vIlms  fi5,.  u'jv*  tn  i.  s  • 

r«'n:.s.hwti  Kiicilt-       i   .M4  ' !c  ,  M*'/,  %;>        *  " 

wer  :.     Ji  r...}n  in  I  liiiktutl  und  an  .;•  iiri  -  iVfuu  A- 

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Jv*  Mj::»!  .*«.%  \i'ti  !f  '  .  .       Mi :)/>Ki->':(..  -  '.  i  »ic  N 

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-    215  - 


Strassen,  durch  die  sie  Mainz  mit  der  Grenze  verbanden,  dieser  Weisung 
der  Natur  gefolgt  zu  sein.  Haben  doch  unsere  Nachforschungen 
während  der  letzten  Jahre,  auch  abgesehen  von  den  bei  Kesselstadl 
und  durch  die  Auffindung  einer  römischen  Niederlassung  auf  dem 
Frankfurter  Domhügel  gewonnenen  Anhaltspunkten,  eine  Reihe  von 
neuen  Belegen  für  die  Hxistenz  einer  das  rechte  Mainufer  von 
Kesselstadt  über  Frankfurt  nach  Höchst  begleitenden  und  anderseits 
einer  von  der  Elisabethenstrasse  in  mehr  südlicher  Richtung  nach 
dem  Main  verlaufenden  Strasse  ergeben.'  Ueber  den.  Zusammenhang 
beider  und  ihren  weiteren  Verlauf  werden  hotfentlich  die  Arbeiten 
der  Limeskommission  Aufklärung  bringen.  Hier  werden  sie  nur 
insoweit  erwähnt  werden,  als  sie  mit  den  interessanten  Funden, 
über  welche  wir  in  den  folgenden  Blättern  berichten  wollen,  in 
Zusammenhang  stehen. 

Es  leuchtet  ein,  dass  gerade  die  Auffindung  der  Anlagen  von 
Frankfurt  und  Kesselstadt  mit  Notwendigkeit  zu  einer  neuen  Prüfung 
der  Berichte  über  ältere  Funde  an  der  Niddamündung  drängen  mussie. 
Erleichtert  wurde  dieselbe  durch  die  sorgfältige  Zusammenstellung 
der  Littcratur  in  Hammerans  Urgeschichte.*  Doch  führte  eigene 
Prüfung  der  Originalberichte  von  den  angedeuteten  Gesichtspunkten 
aus    und   wiederholte,    eiiigeiiende  Untersuchung    des   in  Betracht 

*  Vgl.  Wcstd.  Korrbl.  a.  a.  C).  S.  5  und  7.  In  allerjüngster  Zeit  ist  an  der 
Hinniüiiduiig  der  Wcscrstrassc  in  die  Gutleiitstrassc,  also  genau  in  der  Richtung, 
in  welcher  nach  den  gewonnenen  Anhahspunkten  die  reclitsniainische  Ufersirassc 
das  Frankfurter  Stadtgebiet  durchschneiden  niussic,  eine  Bronzeniünze  Gordianus'  III. 
bei  .\rbeitcn  des  Tiefbauanits  gefunden  und  dem  Museum  übergeben  worden 
Noch  spater  wurden  bei  einem  der  letzten  Häuser  Nieds  in  der  Richtung  nach 
Grieslieini-l  raiikfurt  römische  Reste  gefunden,  nacli  einen»  mir  vorgelegten  Kruge 
und  den  .Angaben  der  Finder  Bestandteile  eines  Grabes,  dessen  Lage  wiederum 
jener  Strassenrichtnng  entsprechen  wurde. 

'  .\.  Hanimeran,  Urgescliichte  von  Frankfurt  a.  M.  und  der  Taunusgegend. 
Festschrift  zur  XIII.  Jahresversanmilung  der  deutschen  .Anthropologischen  Gesellschaft, 
Frankfurt  i88i.  Die  dort  zusammeiigtsicllte  Litteratur  ist  vollständig  verglichen 
Nvordcti.  nur  die  Blatter  der  Mainzer  Zeitung,  welche  Mitteilungen  über  Nieder 
Funde  von  Lehne  enthalten,  waren  mir  unzugänglich.  Ihr  Inhalt  ist  aber  wieder- 
gegeben in  desselben  Verfassers  Mitteilungen  in  den  Nassauischen  Annalen  (siehe 
oben),  die  mir  vorlagen.  Ich  werde  übrigens  die  älteren  Angaben  nur  da  neben 
Hammerans  Citaten  anführen,  wo  sie  die  letzteren  ergänzen  oder  von  mir  anders 
verstanden  werden.  .Xusser  der  von  H.inimeran  angeführten  Litteratur  bieten  auch 
die  K.italoge  der  .Museen  von  Bonn  (Hettner),  Mannheim  (Baumann),  letzterer 
erst  nach  Hammerans  .\rbcit  im  Jahre  1890  erschienen.  Notizen  über  Nieder 
Provenienzen.  Von  den  im  Wiesbadener  Museum  von  mir  verglichenen  Stempeln 
aus  Nied  und  Höchst  wird  später  die  Rede  sein. 


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^«»mmcnilcn  TcffiMu  zu  «kr  Vcbct/cuKimi;,        ili  iki^H  r» 

Ritri^iutn  uir  iuiu^tiNt,  um  ;«.r        V\-rNt«iiilRi\  dcf  hf«  *• 
u' J  J'i:  to*^t,ti«lcti  .\ii\li.})iui**iu  eine  ^uhcr«  («(unil^4i>\  /v.:<« 
Ui'i  S*}uup!4S/  «Itif   ?i  .  .i-r<.ii  A'.vüc'i   und  1 4fiHlc     Niv'  «U<: 
N  jJl  It"!         'II  MiivJ        ti.«  St»ATlt1ll\vc,  JvT  SiUiiiT.  u.'  .  .fi"  l  > 

'j' ^it'i'  Mt"i        t  Jvn  Mu«lr:,.tn  Iii  >.it./...:  ,t:uTi*-t 

.  t.  U(,!«luf,  Kiiti  !Ku::^-t.n  DorU*  iiiiJ  ilun  .1*  »«ii  Ki%u    M.  •  % 

•! «.   A^<'.'ii!cr   Ji^  Vt'.-v.I.:'cf;:i%  An^ci/%i;ii»  tu  »l»}«!  ' 
K  xif'ti.!:  unJ  in:;  Ifarururt  hart  irv  Lief  dc%  Mi  *  t  " 

.t,  i.'T*  Ji'  <i  'li  KiiJ«,      ;n         ii?  r  :i!  ihm  »:!«.ulivim  41.^2  .»4  . 
U- J  ::i  •!  Wir  JuP^'ill,  .Ssv  lUi^ll  Viutc  !fi»?/  »  cifi*?'-  r 

Kl  .••  *  »J i.-*?!-   Nf,  /.:•»  Wtf%J-M-l  dif  KuSti.nt;  .t'Ti-f» 

*  'II  Ii:  p^r«'*!.!  /,j  Uc!!.};.    S(iii!u!i  %i>n  Stt.»inhci'ii  *  •!*  >. 

V''  '!v  n;'\-,'  Ji  «ci  tkl  er  ruKh  t!:*'»u'   irtJ  ,  -  . 

W  > c!  '••«^  W  I '.J  H  i  st  t  «ni  «fit  in  pira'.li.!.  f^«.* 
1'        •  .',  J  .1  .?i.f  Hi'v!*-1  Iul'I,  ''.II  J..».*.  •«  •  ^  . 

"  :»h:,»  if%*' .  4r  j>  /  V*  kTi,  it4%!sJi'iii  er  iliv\i!:^  n« «'  »  i  . 
».♦».♦*:  s«  t:vr  M%*'jJi."k'  J..**}i  iJi\  Jv^  \\Ht  N.  Kf  f.  -  .  • 
N,/.   1^*..  M'fiiti.' M  f.jT  ^k>;:iiik,  t  jflJ/..'*       *('.  » 

U'.-!  J.c  ;-i.:«kn  II  -      irirr-t,  »j',  %fc'v  Jif  Niiiu         ':;  •  ?. 

■  c       Jcr  l!i.rkrtc  t..  ut,  woM  i  *  »t  i'**«  I        J.  J.:. 

.'i.  *..kt        r  U*.  «l4'^  1  tl  Arft!   JcT  N  JJl*        '■•  S%f   ilKfK  |  • 

.!»t  f*    '.U!i  Bv.  .      ji»  m  der  •^%.:Lif /in  K  ».'•*..  ^  ft«.  ** 
J  'L*:  *}. -II  Ssi«     K  i  |)J.  *o  d:c  1  v  ' ,  J 

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—    217  — 

zum  Sulzbach  und  dicht  an  die  Häuser  von  Höchst  gehört.  Dieses 
Feld,  bzw.  der  Teil  desselben,  welcher  im  N.  vom  Bahnkörper  der 
Hessischen  Ludwigsbahn,  im  S.  und  O.  von  der  Nidda,  im  W.  vom 
Sulzbach  begrenzt  und  etwa  in  seiner  Mine  von  der  Frankfurt» 
Mainzer  Landstrasse  auf  erhöhtem  Damm  durchsogen  wird,  ist  das 
Gebiet,  auf  welches  sich  zunächst  unsere  AosfQhrungen  beziehen. 
In  seinem  nordöstlichen  Teile  macht  sich  noch  ein  altes  Kiddabett 
deutlich  bemerkbar,  welches,  vom  Fluss  unterhalb  des  nördlichen 
Knies  abbiegend,  ihn  dicht  oberhalb  des  südlichen  und  der  dort  über 
ihn  führenden  steinernen  Brücke  wieder  erreicht.  Nur  auf  die  etwa 
150  m  lange  und  breite  Halbinsel  zwichen  dem  alten  und  neuen 
Niddabett  südlich  und  nördlich  der  Strasse,  von  der  Brücke  bis  zur 
Fischer>Scbmidt*schen  Fabrik,  beziehen  sich,  von  einer  Notiz  ab* 
gesehen,  alle  älteren  Fundberichte,  —  nur  auf  sie  beschränkten  sich 
alle  früheren  Nachforschungen.  Daher  fasst  Hammerau'  seine  Ansicht 
über  die  Ausdehnung  der  vermuteten  Römerstätte  in  die  Worte 
zusammen:  »Alle  diese  Funde  scheinen  indessen  auf  ein  Terrain 
beschränkt  zu  sein,  das  dicht  am  Niedufer  liegt;  die  Ausdehnung 
desselben  nach  Westen  ist  nicht  ersichtlich.«  Wenn  er  aber  auf 
Grund  dieser  Ansicht  bezüglich  einer  Angabe  Habels,  dass  ein  durch 
Schapper  ins  Wiesbadener  Museum  gelangter  Ziegel  der  22.  Legion 
»zunächst  der  Steinmühle«  (am  Sulzbach)  gefunden  sei,  meint,  dieselbe 
sei  «vermutlich  cum  grano  salis  zu  nehmen,  da  die  Fundstätte  sich 
kaum  so  weit  nach  Westen  erstreckt  haben  dürfte,«  so  haben  die 
Ergebnisse  unserer  Ausgrabungen  diesen  Zweifei  als  unbegründet 
erscheinen  lassen. 

Was  den  Charakter  der  Fundstücke  betrifft,  auf  welche  wir 
bei  der  ausserordentlichen  Mangelhaftigkeit  der  Fundberichte  för  die 
Beurteilung  der  Bcschatfenheit  der  Ansiedelung  fast  allein  angewiesen 
sind,  so  fällt  bei  den  älteren  Mitteilungen,  die  sich  auf  gelegentliche 
Funde  und  oberflächliche  Nachforschungen  an  dem  zerrissenen  rechten 
Ufer  der  Nidda  »nahe  an  der  Brücke«  und  »am  Wege  nach  Frankfurt« 
beziehen,  die  qrossc  Menge  der  Legionsziegel  verschiedener  Art  und 
verschiedener  Truppenteile  i>ei  ausserordentlich  geringfügiger  Aus- 


gdcüirzten  Namen  ein  Nidomagus  oder  «n  anderes  ihnlicligebildete&  keltisches  Wort 

ails  alte  Bezeichnung  für  Hcddcrnheini  stecke,  und  dass  die  platea  dcxtra  mit  der 
Elisabctlu'n<:Tr;i"^sc  i^lcntisdi  <ci.  V'nüc  Uebcrcinstimmiing  des  Ortsnamens  mit  dem 
des  Husses  nndct  t.icli,  gieiciitalis  aut  keltischem  Gebiete,  auch  bei  dem  Namen 
Deva  in  Britannien,  vgl.  HObner,  Römische  Herrschaft  in  Westeuropa  1890,  S.  29; 
bei  deutschen  Orts-  und  Flussnamen  bekanntlich  oft. 
'  A.  a.  O.  S.  9J. 


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beute  jti   MinNrii'c:  hiitul-.:      cn  -i;;!      Am     j!:c':   lU'*.  \ .  *« 

jjlir«.    Jtir,.a  !cr    Ii  .:      .  ••.  i  •  -  .:i;:ik 'u      A;.  , '4 

Ai>  v  liK-'.s.  jti  vi  c  .        >!  '   '  y'  '       1  . 

I  ut:  j:  ci;v!jt».    i.  '   .:..!Vk:f.!       !.    \»>''    r.i.-    ^  *     ' .  • 

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—    219  — 

(VIII,  XIIII,  XXI  und  XXII)  vertreten  waren,  darunter  solche,  welche 
nach  all';emeiner  und  wohlbegründeter  An.sicht  nur  in  der  ersten 
Zeit  der  rechtsrheinischen  Okkupation  in  Germanien  standen.  So 
wenig  daher  das  \'orhandensein  von  Zicgelstempehi  an  sich  als  Beweis 
dafür  «gellen  kann,  dass  die  auf  den  Stempeln  genannten  Truppenteile 
an  dem  betreffenden  Orte  gelegen  haben,  .so  erforderten  dieselben 
doch  im  vorliegenden  l  alle  umsomehr  Beachtung,  da  ohnehin  innere 
Gründe  für  die  Annahme  einer  frühzeitigen  Besetzung  und  Befestigung 
der  Niddamündung  sprachen.  Aber  gerade  der  letztere  Umstand 
liess  die  Wahl  des  Ortes  auffallend  erscheinen.  Den  nachweislich 
frühzeitigen,  d.  h.  aus  der  ersten  Zeit  der  Okkupation  stammenden 
Anlagen,  wie  z.  B.  Wiesbaden,  Kesselstadt  u.  a.,  ist  neben  dem 
quadratischen  Grundriss  die  Wahl  eines  beherrschenden  Platzes 
eigentümlich.*  Ein  solcher,  von  der  Natur  geradezu  für  eine  den 
Fluss  beherrschende  Befestigung  geschaffener  Platz  aber  findet  sich 
in  unmittelbarster  Nähe  unserer  Fundstätte:  es  ist  der,  auf  welchem 
Alt-Höchst  mit  seinen  fast  quadratischen  Festungsanlagen,  seinen 
4  alten  Thoren  und  fast  rechtwinkelig  sich  kreuzenden  Strassen  liegt. 
Aber  in  Höchst  war  angeblich  »nie  etwas  Römisches«  gefunden; 
die  als  »aus  Höchst«  stammend  bezeichneten  Fundstücke  des  Wies- 
badener Museums,  fast  ausschliesslich  Ziegelsteine,  konnten  ebenso  wie 
einige  in  neuester  Zeit  in  den  Fundamenten  eines  Hauses  in  Nied 
gefundene  und  durch  Hammerau  ins  Frankfurter  Museum  verbrachte 
Backsteinfragmente  mit  Recht  als  vom  oben  beschriebenen  Felde 
verschleppt  betrachtet  werden.  Es  war  kein  Zweifel:  die  Nach- 
forschungen mussten,  wenn  man  nicht  ganz  planlos  vorgehen  wollte, 
von  dem  thatsächlich  Gegebenen  ausgehen,  die  Beschaffenheit  der 
auf  dem  Nieder  Felde  einst  .vorhanden  gewesenen  Niederlassung 
niusste  festgestellt  werden,  ehe  man  weiter  suchte.  Und  auch  hier 
war  es  zweckmässig,  den  militärischen  Charakter  der  ersteren  zunächst 
wenigstens  als  denkbar  anzusehen,  zumal  da  maqche  Eigentümlich- 


'  Ich  habe  dies  eingehender  nachgewiesen  in  der  oben  angefiilirten  Schrift 
iihcr  das  Lager  von  Kessclstadt.  Die  dort  für  die  Annahme,  dass  das  genannte 
Lager  alter  als  die  Anlegung  des  Gren/walls  sei.  aus  der  Situation  und  der  Technik 
entnuuiniencn  Gründe  sind  in  allen  mir  bekaniU  gewordenen  Besprechungen  des 
Buches  als  berechtigt  anerkannt  worden;  so  von  Haug  in  der  Berl.  phil.  Wochen- 
schrift II.  Jahrgang  1891,  Xr.  17,  S.  J57.  A.  Riese  im  Korrespondenzblatt  der 
Westd  7tit  chrift  1890,  S.  195.  NeucrJinL;s  K.icnen  in  den  Bonner  Jahrbüchern 
Heft  LXXXXil,  1892,  S.  240  IT.,  der  sogar  noch  weiter  geht  als  ich,  indem  er 
da^  Kessebtädter  Kastelt  bereits  am  Anfang  des  i.  Jahrhunderts  n.  Chr.  entstanden 
sein  lisst  (S.  24a),  eine  Vermutung,  in  der  ich  dem  verdienten  Forscher  nicht  bei- 
xustimmen  vermag. 


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-   27»  - 


winkelige  Ornament  am  Rande,  welches  auf  weniger  gut  aus^cpi 
Exemplaren  ffir  F  gehalten  werden  kann. 

ms  IVorms.  Platte  0,27:0,035  nach  Weckerling  Kat.  II, 
gefunden  bei  Ausgrabungen  bei  Martamfinster  1882.  Der  St 
ist  nach  dem  Abklatsch  vorzOgltch  ausgeprägt. 

5)  LEGiixiipr.p.i.  ?  (1  1^.  99). 

I  Falzziegelstück,  gefunden  unter  vielen  Ziegeln  iimtncrr 
Brandschutt  12  m  sikllich  der  Strasse.  Der  Stempel  \\  u  icd< 
dem  vorigen  seht  ähnlich,  wie  der  Antanir  des  st.iri;cn  'lieni' 
balLenb  und  eines  Zweiges,  bzw.  einer  Ahrc,  ci  kLi;iKn  Lisst.  \Vc 
der  bei  Becker  Kat.  304,  16,  19,  37,  38,  39  ani:ctiihi icii  St. 
die:>er  und  der  vorhergehende  entsprechen,  ist  niciu  eniscii' 

6)  KEGXXiiPKl  (iig.  100). 
PF 

I  Keüplatte  0,27  lang,  0,13  breit,  0,014:0,03  dick,  gefunde 
dem  Felde  /wischen  Nied  und  Höchst,  im  Besitze  des  Herrn  Dr. 
iD  Höchst. 

I  Bruchstuck  einer  gleichartigen  Platte,  gefunden  von  uns  i 
dem  Ölen  A. 

=  M<n';/^.  Platte  0,28  i.  Q.  :  0,1))  niii  anklcbtndem  Ziegclir 
ct.  Becker  Kat.  304,  77  und  Hr.uiib.Kh  1377,  g,  47,  wo  f.ils' 
PRIMI  gelesen  ist,  indem  das  Orn;unent  .1111  rechten  K.indc,  v 
bei  dem  M.ünzer  Exemplar  geschehen  konnte,  für  ßuchstabci 
halten  wurde. 

—  Worms.  IM.iite  0,21  i.  Q. ;  cf.  Weckerling  Kat.  II,  S.  89,  1 

7)  Lb(^  (I  r).  Zwischen  beiden  Zeilen  ein  Bhubiiadel  (Pig. 

XXIIPP 

I  Palz/ic^'el,  [gefunden  neben  dem  Sclilämnibdisin,  vgl.  b, 

8)  LEGXXÜ  (Hg.  102*)-  ' 

PRPFA^'? 

I  Hypokaustplattc  0,22  i.  Q. :  0,04.   Fundort  D. 

Die  Platte  war,  wie  alle  am  Niddaufer  im  Überscluvenmi 
gebiete  des  Flusses  gefundenen  Ziegel,  sehr  stark  mit  Sinter  be( 
der  vom  Stempel  kaum  die  vertiefte  Rosette  bemerken  liess, 
W  ill;!  eine  gleiche  an  der  linken  Seite  entsprochen  hat.  Vorsic 
Behandlung  mit  Salzs.nire  liess  nach  Beseitigung  der  aufsitze 
Sandkörner  allmählich  die  obere  Zeile  und  das  aus  sdir.'igcn  Kit 
zwischen  2  Paralleilinien  bestehende  trennende  B.uid  erkennen, 
untere  Linie  ist  nur  mit  Benutzung  wechselnden  Lichtes  unsicb« 
erkennen.  Der  Zusatz  ANT  (oniniana)  in  ablicher  Ligatur  sc 


—    221  — 


die  Grenze  des  Ackerlandes  und  die  geradlinige  Abböschung  nach 
dem  Flussufer  in  spitzem  Winkel  schneidet,  dann  jedoch  infolge  der 
NivelHerung  durch  den  Ackerbau  verschwindet.  Die  späteren  Aus- 
grabungen haben  erwiesen,  dass  diese  Linie  wirklich  die  südliche 
Begrenzung  des  römischen  Anbaus  noch  andeutet.  Nahm  man  die 
Existenz  eines  Kastells  an,  so  konnte  es  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  dort  die  Südfroni  desselben  zu  suchen  sei.  Diese  Annahme 
schien  durch  folgende  Umstände  bestätigt  zu  werden.  Es  fiel  auf, 
dass  der  genannten  Böschung  eine  damtnartige  Erhöhung  in  dem 
Felde  unmittelbar  südlich  der  Chaussee  annähernd  parallel  läuft,' 
welche  am  Brückchen  über  den  Sulzbach,  dicht  am  letzten  Hause 
von  Höchst,  der  Steinmühle,  beginnend,  sich  im  spitzen  Winkel  so 
von  der  modernen  Strasse  entfernt,  dass  ihre  Verlängerung,  die  Fischer- 
Schmidtsche  Fabrik  in  der  Mitte  ihres  Nordflügels  schneidend,  die 
Nidda  dicht  unterhalb  der  Nieder  Brücke  trifft.  Als  ich  diese  Erhöhung 
bei  der  ersten  Begehung  des  Feldes  im  Frühhng  1891  gemeinsam 
mit  einem  jungen  Kollegen,  Herrn  Biümlein,  entdeckte,  da  war  der 
erste,  sich  natürlich  aufdrängende  Gedanke  der,  dass  wir  den  Um- 
lassungswall  des  oftgesuchteti  Kastells  vor  uns  liätten;  und  alle, 
welchen  ich  später  die  Stelle  zeigte,  waren  geneigt,  jeden  Zweifel 
an  der  Richtigkeit  dieser  Erklärung  als  unberechtigt  zu  betrachten, 
ja  die  von  mir  vorgebrachten  anderweitigen  Erklärungen  der  Er- 
scheinung als  Zeichen  der  Unsicherheit  anzusehen.  Auti.illend  wäre 
nämhch  bei  der  angedeuteten  Annahme  der  geringe  Abst.ind  des 
Walles  von  der  siidUchen  Böschung  gewesen.  Er  betrug  nur  ca.  70  m, 
.ilso  die  Hälfte  der  Breite  eines  normalen  Limeskastells.  Abkühlend 
aber  wirkte,  und  zwar  gerade  auf  die  sanguinischen  Verfechter  der 
W  allhypothese  am  meisten,  die  Mitteilung  der  Ürtsbew  ohner,  die 
sich  bestätigen  sollte,  das  der  Wall  die  »alte  Strasse«  sei,  welche 
man  in  den  20er  Jahren  beim  Bau  der  steinernen  Niddabrücke  wegen 
der  Veränderung  der  Brückenachse  um  wenige  Meter  nach  N.  verlegt 
habe.  War  somit  die  dammartige  Erhöhung  aufs  einfachste  erklärt, 
so  blieb  doch  der  Parallclismus  zu  der  südlichen  Böschung.  Wie, 
wenn  die  »alte  Strassca  einem  noch  alteren  römischen  Wege  ent- 
sprach, der,  das  Kastell  in  seiner  Längenaciihe  schneidend,  zu  der 
römischen  Brücke  über  die  Nidda  und  über  sie  als  rechtsmainische 
(Jlerstrasse  zur  Grenze  bei  F^anau  luiirte?  Der  Gedanke  lag  zu  nahe, 
um  abgewiesen  zu  werden.  Dann  ergab  sich  eine  nur  male  Breite 
von  ca.  150  m.    Die  Lage  des  hypothetisch  in  den  Flurplan  einge- 

<  Tafel  1.  F. 


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—  33a  — 


Vcf1IJt.lu4\^•l'lUtl«    der    PoMittlll    M*t)    ll»sSl»t  tluSf  i  *  . 

«vM;n  unj  «of  Je  nuiuhc  «iii  HiUm^un/iii  «.ri..  Is  hiixti.      .  . 
Kiiincf  :*ci  Jcr  Anljjcc  ihfcr  B«.lv-ttii,:;iTt);i-n  /u  %tcl*<i  r*^«*»*»'  1 
Jcf  Iti»iii  bnJ  4uf  der  rcihscn  i  SjuIc  durvh  die  NiJJj 
deit  M*-ii  itcdvwll.  %kiirdc  dvr  l*Ut/  4i.vh  mhi  S't'rJ«»  :  cf  »  -v''  - 
4llcn  NiddiKitcn  Hh^i-i  /u.  irt'l;t.li  .rtfuc^in  m.'I    *     Ji-  l 
iu^li  %«*m  K4.«.ki-fi  hvr  dcf  /ii;:4r^  nuf  Juuh  1..%'  « 
do  ii;t'^-!:^ti  ykjft  /u  dm  ^- ..r.'^tij'i'n  /u  t««,lircn       «  • 

nhibt  /u  rtit^vhiidcn.   tU^s  4^cf  der  r.>*r>K'lic  AkV««.  - 
crkcKuh  «u!cr  iiA«.h  W(.s;cn  hm  cr«>tr«r«ki  l»hc.  j!v  t 
aniuhiti.  dj%  «urdtf  n>tr  w!u>n  bei  diu  irMcn  Bctrc'  ur^«r  J.«  I 
dur^h  /ahl!«>%«  /uf:i-llundc,  darunter  iUi.h  mrhrcfc  k,c%:«R:f* 
f^cifclU)\.    Die  Mittciluri):  endlich,  d^^^  4uJi  bn  SvuM.'C 
i»%(!iwh%icn  Teile  svn  Ho^h^t,  divbt  |cn^it»  dc\  S»l/b4i.:.s  U'   .  . 
fomi^hc  Mun/cn  ^viurtdrii  Mrivn,  \«,hivti  dir 4ul  hinjudrisscr.  J  •«  :  ' 
skU  C«r4l'Cf  Uu^\  cjiicr  düf%h  d4%  heutig'«  I1> 
1..'.'in4cn  Str4*sc  htn/*n:in.    A"i:  du-sc  Bci':ui.htun^*«n  « 
i';ncr  ncucti,  \) \tcn:ati».*,ljc«  L  nti-tsuvhiinK'  dv\  TctJi.f.»  •  **  4^"  . 
und  ermuntern.'    Bei  dcr^tU'cn  im, •\te  der  n:  tjr.w'<  l  ^^'u  " 
der  An^trdrtun^'  -  lunt  Jcf  skIi  itiimcr  USiJct  4l!  «2  <  II 
IUt.}iNt.  ,  .  ^ ,  t-ni!uh  4i)vli  jut  Jen  4u:!i!1eii-l     .  Ur:*  •»  ,i  Kk«*-  . 
Vt»n  \iid  rutilC'sJiii  SejUuMu'^e  -    aIn  Vor Ji  ,  ^.tr  .. 
\(»;ju>  cl/;.'i^'  XU  Ii  rar.^'in  i»Jer  /j  ^iJcrl*,,  vt>.  in.         ii»  . 
iJcr  A».t.i!  niwlii  /Ii  Jen  alten  An/wuhen  r*»m  ^».?im  Anri^-.  n- 

neue  fjm/u/ut«^'cn.    Dha  *4ren  die  Gr     .1  >,i:\  J  o     .  /«.,  — ' 
A-  ,  r  .:;.n^'cn,  w.c  üas  H..lfi-  ei"tr  in  Pn%4ilft.  cti  4. »" 
Suiture  im  llerl-^te  is-ii  i;i  ,;c:u:.ri  wurden.    Sic  mii\%  it.4"  ■•?* 
K-Ju  ;«.!  ,  vfc.il  n:jn  »lulit  !T.:i  n:jMvhcn  dur%h  i*nJ   '„r  J  *  \- 

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—    223  ^ 


roeisten  versprechenden  Stellen  unberührt  blieben,  dagegen  solche 
angeschnitten  wurden,  an  welchen  man  bisher  gar  nicht  gesucht  und 
nichts  gefunden  hatte,  auch  wirklich  weit  weniger  ansehnliche  Fund- 
stücke erwarten  konnte. 

II.  Der  Verlauf  der  Ausgrabungen. 

Wäre  es  uns  darauf  angekommen,  bei  den  Arbeiten  schnell  in 
die  Augen  fallende  Resultate  zu  erzielen,  so  hätten  wir  den  Spaten 
an  den  Stellen  ansetzen  müssen,  auf  welche  sich  die  älteren  Berichte 
beziehen.  Sie  zu  finden  war  nicht  schwer.  Zwischen  der  Strasse 
und  dem  alten  Niddabett  erstreckt  sich  eine  flache  Erhöhung  gegen 
die  heutige  Nidda  nach  Osten,*  welche  den  bezeichnenden  Namen 
»Huhnerberg«  im  Volksmunde  führt,  während  das  mehr  westlich 
gelegene  Feld  zwischen  der  Strasse  nnd  den)  Bahnkörper  auf  der 
Flurkarte  als  »Römerberg«  bezeichnet  ist.  An  der  erstgenannten 
Stelle  fanden  sich  sogleich  bei  den  ersten  Terrainbegehungen  im 
Frühjahr  1891  die  gewöhnlichen  Spuren  römischen  Anbaus  in  Menge. 
Sie  entsprechen  ganz  den  aus  den  Berichten  zu  ziehenden  Folgerungen; 
und  die  Besitzer  und  Anlieger  haben  zweifellos  recht,  dass  dort  noch 
»Mauern«,  »Töpfe«,  »Münzen«  u.  dgl.  in  Menge  zu  finden  sind. 
Aber  das  wussten  wir  ja  ohnehin ;  eine  Nachgrabung  würde  sicherlich, 
da  eine  solche  nie  halb  ausgeführt  werden  soll,  zur  Vertiefung  ins 
Detail  geführt  haben.  Daför  ist  später  noch  Zeit  genug,  daflür  haben 
die  Museumsverwattungen  auch  eher  Müsse  und  Geld  als  für  die 
undankbarere,  aber  wichtigere  Arbeit  der  Terrainaufklärung,  die  doch 
für  die  Detailarbeiten  erst  den  Rahmen  schaffen  soll,  in  dem  die 
Ergebnisse  der  letzteren  ihre  richtige  Stelle  und  Erklärung  finden. 
Es  lag  nun  sicherlich  am  nächsten,  die  oben  geschilderten  Beobachtungen 
auf  dem  Terrain  südlich  der  Strasse  zu  benutzen  und  Querschnitte 
gegen  die  alte  Strasse  und  die  Böschut]l|g  des  Niddaufers  zu  machen. 
Die  späteren  Arbeiten  haben  ergeben,  dass  wir  dort  sofort  wichtige 
'Anhaltspunkte  für  die.  Topographie  des  römischen  Nied  ganz  im 
Sinne  unserer  Vermutungen  gewonnen  haben  würden.  Aber  der 
Unistand,  dass  das  Niddaufer  von  fiskalischen  Wiesen  begleitet  ist, 
sowie  andere  hier  nicht  zu  erwähnende  Gründe  Hessen  uns  zur  Aus- 
führung von  Einschnitten  an  der  genannten  Stelle  überhaupt  nicht, 
auf  den  Äckern  zu  beiden  Seiten  der  Strasse  erst  später  kommen. 

Nicht  von  unseren  Wünschen,  sondern  von  der  Erlaubnis  der 
Besitzer  von  Grundstücken  und  der  Art  der  Bestellung  dieser  letzteren 


«  Tafel  I  bei  AJ. 


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—    224  — 

mar  «lir  Wjht  JcNi>rii;v  jMiJtiL  k  .  -»n  Jen»  mir  Jen  VfkAtm  A-*e*jtf- 
1>J%%  «ir  üic%  ubcriiJiipt  Itnintcri,  vcrjjnkcti  «ir  ju%\«hS  Je* 
luK,h\l  jocrkf nncii%iftcf!cti  I  nriiircnLoninun  Jc^  Jcf/cit-.ctt  ^*p.' 
nu-isicf\  \*»n  NicJ,  Hcfrn  I  ran/  SmM»n,  »inJ  (ic%  Ort*V'i.r»:r'"  ^  '*  ' 
^  i.  ur.    DicMrlhcn  stellten  um  luf  J  e  /eil  a»»,h  Ats^t .  ; 
Iri^hf  ihre  beiden  ncKticiiunJcr  i^li.cnvii  A..lcf'  r^t  \  ct!-.  , 
J-r  %Kh  »uhc  dem  Rlhukmpcr  (vltr  l.i.Jv,  i  ^im'h;  ).  m  c- c*  Ii-» 
\«ffj     »    i<ir>m  \»»ri        n,u:h  W.        crvtrcv»>tcr\  Ja^\  ihr  %äV 
I  :^Jc  iiiiik1(.'.:viin  21*» m  \tm  den  luih^ten  ius  tfuhefrr  /»,!•  ^c»*r'^c• 
I  i.njxu  ]  1 1!  ,  al^cr    riiv^li   inncriijlb  de*  HrrcKh^   t ,  •  ■» 

fi'riü-.Jic  Kc>:c,  lucr   Jin\chhe«ivhvh  /;t;  v  Nuü^'tii,  *  t.'*'.     .  * 
J'v:icn       \K  ctUJ    Vkir    hier    virun    «^J^f    tiu-h'irt-    \if  i,  .-.r^»- 
Ji-r  I  at: .  •  r !». Im;'!^;  Jcr  AvLcr   /*>i:cti,  v«<  Li-nrntn  >»  *  hn'i  f  r.- 
Apl',4li>p;,riL!(.  !iir  plinfn.i% .  .'f  \.i«.iit:r  j;'ut-.v>ti  :i.  ^k  '-k  '    <:  '       *  , 
ü't^T  du-  Hc>:t.'cT  .nuii-Tif  Awkct  lur  u:r.<.rc  A'tv.'.f  ; 
iiiKl  d-idur»!i   wnücrc   I  r'.ii!:        ^ti    Si. '•.»::•  ut:/c'\    j  ^ 

|«.fr-»!!i  /i:  orS.ilti-ti,   aut  wcLIk'n  m..!)  tij..N    di '   •  .  ,  •.* 

H\(H>:ht  c   d.i\   KisU'lI   ffstrckkiti   ki»iiii!t      [}i  T.rr  :    •  • 

jinnivt  ..in>:iiui«.'    Art'cU   nur   ilio   \  :i.r.-i.-hfi:  Hi.' 
WtJi.uhi;  "-titidrrj,  liif  itnc  m»'/!iJui  /w.*:  Ai.^'       .  : 
.         \4''  JicJtfidc  \  1 T J r ;  i  ::cfi    *  i,;r  ^  hcn-'V^  Cf:    wjtv'*.    •      -.    •  - 
^»i  l.>  -.»n,  '«Tt  njvti  AintTüiiri:  J^r    \»»<.f        r     v  .     .  k  * 

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A».*cr  -A.    :  A"  .-L.-i-  r  r  ^!^  Ai.-.J. 'u...  ,  ^    .:  iV»e^v-.  . 

t  t  •u'c*?!^«  Ntv  \'  !v  !  x'\  <.:<'\  •»>  V*  "»e  •  ^  J  ,  .  '  , 
nur     •.:       < •  »v!  .   v  ■   \'\,  «.'^vn  Sj  .:>.•        s  ' 

i.nicr  As^c'»'      c    I  •  elf».  ^vi.J^i   ftUi  '.^•^t   /s..  — ^ - 

>  :         ^    -'^   Ar'  vii      V\;  vr,.'-v.f  i,Tk5^*  'Tki-.»^    *  ' 


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225  — 


eine  so  hochgradige,  dass  wohl  die  ungefähren  Dimensionen,  nicht  aber 
bestimmte  Fluchtlinien  fcstgesielU  werden  konnten.  Das  Suchen  nach 
den  letzteren  machte  einen  gegen  den  westöstlichen  Hauptgraben  senk- 
recht gerichteten  Versuchsgraben  nötig,  der  uns  am  Rande  des  nord- 
lich anL;renzenden  Ackers  auf  die  offenbar  wohlerhaltenen  Reste  eines 
Bauwerks  führte,  welches  durch  manche  Anzeichen,  die  auf  Hypokaust- 
anlagen  zu  deuten  schienen,  unsere  Neugierde  in  hohem  Grade  erregte. 
Unserem  Plane  entsprechend  liessen  wir  trotzdem  die  Stelle  vorläufig 
unberührt,  da  ihre  Aufdeckung  fortwährender  Aufsicht  bedurfte  und 
ausserdem  der  Nachbaracker  erst  für  spätere  Zeit  zur  Verfügung 
gestellt  wurde.  Wir  gingen  zunächst  im  Hauptgraben  weiter  bis  an  das 
Ende  des  Simonschen  Grundstücks.  Da  aber  die  hier  aufgefundenen 
Reste  ihre  volle  Erklärung  erst  durch  die  Aufgrabung  des  genannten 
Bauwerks  fanden,  so  nehme  ich  die  Beschreibung  desselben  vorweg. 
Die  Verzögerung  hatte  übrigens  den  Vorteil,  dass  die  bereits  durch 
das  gänzliche  Fehlen  aller  massiven  Mauern,  durch  das  massenhafte 
\'orkommen  von  Backstein-  und  Ziegeltrümmern  der  verschiedenste«! 
Form,  sowie  durch  manche  Anzeichen  anderer  Art  in  mir  erwachte 
Vermutung,  dass  wir  es  nicht  mit  einem  mit  Hypokausteinrichiungen 
versehenen  Bau,  sondern  mit  einer  Ziegelei  zu  thun  hätten,  sich  vor  dem 
Beginn  der  Aufdeckung  so  sehr  befestigt  hatte,  dass  wir  dieselbe  von 
vornherein  nach  einem  klar  vorgezeichneten  Plan  ausführen  konnten. 

Der  Ofen  war  sowohl  durch  seine  Grösse  als  auch  durch  seine 
BeschatTenheit  von  allen  bisher  in  unserer  Gegend  gefundenen  Ziegel- 
und  Töpferöfen  verschieden.  Bei  den  Töpferölen  von  Heddernheim 
und  Heidelberg,  sowie  bei  den  grösseren  Ziegelofen  von  Grosskrotzen- 
burg  bestand  der  unterirdische  Heizraum  aus  einem  durch  Seiten- 
wangen nach  aussen  verlängerten  Schürloch,  an  welches  sich  zwei 
durch    eine   Längsmauer   getrennte,  ebenfalls  gewölbte  Heizkanäle 
anschlössen.'    Die  Decke   derselben   war   durch   konische  I^fcifen 
durchbrochen,  welche  die  Heizgase  in  den  über  ihnen  behndlichen 
Raum  für  das  zu  brennende  iMaterial  leiteten.    Diese  Teilung  des 
Heizgangs  war  für  alle  diese  Ofen  charakteristisch,  so  verschieden  sie 
sonst  waren,  indem  der  im  Jahre  1881  aufgefundene  Heddernheimer 
Ofen    rechteckigen,  die  Heidelberger   und  Grosskrotzenburger  An- 
lagen ovalen,  bezw.  kreisrunden  Grundriss  hatten  und  das  Baumaterial 
des  eigentlichen  Ofens  am  letztgenannten  Orte  aus  Basalt  Bruchsteinen 


'  Ich  habe  die  Grundrisse  und  Qperschnitte  derselben  in  gleichem  Massstab 
in  der  Arbeit  über  den  »Römischen  Grenzwall  hei  Hanau«,  Hanau  188$,  Tafel  J 
mitgeteilt.    Dazu  »Exkurs  über  römische  Brennülen«,  S.  tiotf. 


in  LdMDvcrhtoU,  m  allen  amkni  1  aUch  Aits«eiiiic«Ji«:ii  mi 
ttcincn  be^tjnd. 

Im  Wi«)cr>pnich  dira  wurJ«  «kr  NirJcr  (Hau*      Jiff»b  «r-"«* 
rc<hif«:ki|:cfi  Grundri%«  mit  Ucnt  luktit  m  HoUrnibcim  t^^ui^rr 
uhfTciintimmie,  ihn  »hrr  in  «kn  Mj%«cn  ubaifi(.  %<Nt  eine«  llrj 
^:4n|;c  JUfr  crwirnit.  «kf        \iki  dem  nuiht  Jurch  Neiicii««'^ 
«eilinfgeften  S^hitrliKli  an  in  wner  k^"'^  I^n|re  entri^itv 
lleuKinK  hittc  68  cm  lichte  Brette  unJ  «Jr  %<»  f«ci  m«  «' 
breiten  und  bn^cn  Ba<kMcuipUticn  lutKcmJueften  Netten« Mst^ 
cmiteliM,  mihreiki  wm  l-u%«biMlen  juv  ^in  gebrannten  teiralae  «e9t*9r 
«uiik,  die  unter  fcne  einbanden.'   In  40 %m  Hvktc  vbcr  <kn  ÜMiki» 
pbiten  waren  auf  die  Seiten«an|;cn  ^enire^lit  k'cv<«  die  l^^r" 
acine  4      yo  cm  turkc  Quer/unfsen  *us  BacLucinen  j«t»»vti; 
«eUhe  tn  VerbindunK  ntit  der  wirdcfcii  und  hinteren  Wand  i  lleu 
kaiufe  fffcnntcn  und  emU^^tcn.  deren  Breite  br;  dem  erucn  und  U«i*fl- 
141.  hei  den  ubriiEcn      cm  bctni^.   I>ic\c  ^i..vf7Ut)t:en  i.c««^fu»»*«- 
den  Het/^in^  tn  Wolbuo^cn.  \»cU:lie  %ermitteUt  jcroMcr  Ke  i.ci« 
isebildet  «aren.  ikihrcnd  über  vnd  neben  die^  da%  Mater u. 
Rippen  aut  roheren  Bikkiteinen  bestand. 

Su  bildete  denn  der  lleu^4n>:  in  «cmer  (^e^imtliett  emen  2.H  ^ 
langen.  (i>8  m  breiten  und  im  Schettel  i  m  hohen  Biv<^"f^->nf .  «eft^acr 
\erm«i|;e  «einer  Dimenkumeo  bc«|uem  hn  am  hmiere  hnir  's  > 
Brennmaterial  gefüllt  und  ebenso  bequem  K«^fvini|:t  mcrdcn  k%w'-i 
V«Ni  demtelbcn  au%  verbreiteten  %t^h  die  Verbrenmin;:^i:i%<  4ev 
j  t^ucri'a^'icn»  m>  di%%  der  ul«er  dem  4>len  belinJIuhc  Rju»  »iw** 
ma%Mi;  |{clicut  «erden  koimte.  Die  A't.  »le  duN  k'c^Hah.  ta  • 
ht^hit  merkmurdii;  und  vtm  der  bei  anderen  (Hcn  bet>6ftiilt:cv 


...1    i*-c  II 

Ar.'  •  f.r  ««irfu*  1...««  t«c%,',K'Mr.  X\ll  Vuiwhf^  i^i   n     v  v 

.   ji'*»*<^  Ij.  "   irn    S<   i  'itt'.M*'    ft    »r  .l«r  /%^'    -  4    I  f         -  ••«r 

4    «'  '[«   J  r  I     V  *   N       .    »  -1  Je*  .»    1  •»  •   I  •  •  .   •     ,  ■    •  c  lUlkair~  ' 

I  .f»  ti<t   *H  «Iff  l    'Irl  w"  T»  V,    e  Jen.    i' ^ -l,   4  c  /<f.  ^   i»   •  »r^»»*  ^  ^ 

I  ;*<t  '4-n  «Nrf  tt.:  J  ^.  «i,««  «jfrn  J«i«f  l  •  ffrv^•«4  i».M  «Iv»    •  ,wmr 

\  '  <f"      ♦  *  1     •  .1  ac'  I      Jr»       Hr^-if«  r«  •  « 


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—    227  — 


verschieden.   Die  Heizkanäle  waren  nämlich  nicht,  wie  sonst,  durch 
Backsteine  überwölbt,  sondern  folgendermassen  gedeckt.   Auf  den 
30  cm  starken  Querzungen  lagen  40  cm  breite  hartgebrannte  quadra- 
tische Ziegclplatten,  die  also  auf  beiden  Seiten  5  cm  fiberstanden, 
so  dass  die  Breite  des  Kanals,  abgesehen  von  dem  ersten  und  letzten, 
auf  15  cm  verminden  wurde;  auf  diesen  Ritzen  lag  eine  zweite 
Lage  gleich  grosser  Platten,  an  deren  die  Stossfugen  bildenden  Seiten 
in  der  Mitte  ein  driiieckiger  Bnschnitt  so  ausgespart  war,  dass  je 
zwei  Ziegelplatten  an  ihrer  Fuge  ein  ca.  8  cm  breites  viereckiges 
Loch  gerade  über  der  Mitte  des  Heizkanals  freiliessen.  Da  über  jedem 
Kanal  7  solcher  Pfeifen  angebracht  waren,  so  betrug  die  Gesamtzahl  35. 
Die  15  cm  breiten  Lücken,  welche  zwischen  je  zwei  Reiben  der 
oberen  Platten  sich  ergeben  mussten,  waren  durch  Fragmente  von 
Dachziegeln  ausgefüllt  und  mit  Lehm  ausgestrichen,  der  durch  das 
Feuer  zu  einer  dem  Baumaterial  ganz  gleichartigen  Backsteinmasse 
verhärtet  war.   Da  nun  durch  vielfachen  und  langjährigen  Gebrauch 
nicht  nur  die  Backsteine  der  Heizungskanäle,  sondern  auch  die  Occl:- 
platten  zum  Teil  verschlackt  und  rissig  geworden  waren  und  sich  der 
ganze  Fussboden  des  Oberraums,  besonders  in  der  Mitte  über  dem 
Gewölbe,  gesenkt  hatte,  so  waren  die  Unebenheiten  durch  Lehm  aus- 
geglichen worden,  der  an  manchen  Stellen  zwei-  und  dreifache  Lagen 
dünner  Ziegelplatten  bildete,  die,  wenn  sie  von  den  darunterliegenden 
Ziegeb  abgehoben  wurden,  auf  ihrer  unteren  Seite  z.  T.  den  gut- 
gdimgenen  negativen  Abdruck  der  Legionsstempel  fast  ebenso  fest 
wie  die  Originale  enthielten.    Über  dieser  Abdeckung  war  der  für 
die  Aufnahme  des  zu  brennenden  Materials  bestimtnte  Kaum  gleichfalls 
noch  aussergewöhnlich  gut  erhalten.  Er  war  umschlossen  von  37  cm 
starken,  aus  lufttrockenen  Lehmsteuien  hergestellten  Mauern,  die 
durch  den  Betrieb  des  Ofens  samt  der  ihnen  ganz  gleichartigen 
natürlichen  Lehmschicht,  an  die  sie  sich  anlehnten,  und  den  Lehm- 
fugen,  die  sie  verbanden ,  rotgebranot  und  an  der  inneren  Seite 
verschlackt  waren.   Die  Wände  waren  noch  50  cm  hoch  über  dem 
Boden  des  Raumes,  und  ebensoviel  unter  der  heutigen  Oberfläche, 
d.  h.  bis  zu  dem  ursprünglichen  Niveau  erhalten,  welches  sich  überall 
an  der  Ausgrabungsstättc  durch  eine  dunkle  Brandschicht  bemerkbar 
machte,  über  welcher  Ziegelbrocken  bis  zur  Ackerkrume  und  in 
diese  hineinreichten.  Während  nun  nach  N.,  O.  und  W.  die  Backstein- 
.wände  sich  unbeschädigt  in  eine  Tiefe  von  2,70  bis  2,80  m  unter  dem 
heutigen  Ackerniveau  erstreckten,  schloss  sich  an  die  Westseite,  die 
das  Heizloch  enthielt,  ein  Praefurnium  an,  welches  in  gleicher  Tiefe 
wie  der  Ueizkanal  vor  diesem  mit  Dachziegeln  belegt  war,  die,  mit 

IS* 


—   2S6  — 


Die  KoflerscbcD  Funde  von  Oberflorstadt  sind  mir  leider  im  ! 
Städter  Moseum  nicht  vorgelegt  worden.  Der  im  Westd.  ! 
spondenzbl.  VII,  1888,  Ko.  48,  Sp.  71  abgebildete  Stempel  ist 
unsrigen  nicbt  gleich,  scheint  vielmehr  mit  No.  22  identisch  tu 

«  Wiesbaden,  Wiesbadener  Museum  10085  und  10417. 

a  Frieäberg*  DieflTenbach,  Handkat.  V,  45. 

CS  Ai^sU  Wiesbadener  Museum  10188.  Hypokaustptatti 
lang,  0^055—0^  dick. 

mm  Niedemhergt  nach  Abklatsch. 

22}  LEGXXU  (Fig.  u^^^^y 
PRIPIF 

Form  SB  b,  20  und  21,  aber  mehr  oval  und  grösser. 

I  PlattenstOck,  op5  dick,  gefunden  bei  D. 

Im  Mannheimer  Museum  ist  ein  ganz  erhaltenes  Excmpla; 
Nidda*,  cf.  Baumann  iio;  es  ist  nach  dem  Abklatsch  mit  dem  uii 
identisch. 

«  Heddernheim  (Fig.  116*).  Grosse  Platte  (V|i  i.  Q.,  fasi 
erhalten,  gefunden  im  Hypokaustum  auf  dem  Friedhof  im  V 
1.S91/92.   Hbendort  fand  sich  auch  ein  Plattenfragmcnt  mh 
Teil  des  Stempels  vermauert. 

»  Saalburg.    Neu  gefunden.  Abklatsch. 

sas  Oberiloi  s!ndi?  Vgl.  die  Bemerkung  zu  Na  21. 

23)  leg  XXII  (Fig.  117). 
pr  p  f  ? 

Kreis  n)it  Capricornus  in  der  Mitte. 

I  Falz  ziegelstück,  gefunden  südlich  von  de|  römischen  ^ 
bei  F.  Welche  von  deii  verschiedenen  Pormen  des  Capricornus  vc 
lässt  si.:h  bei  dem  Zusund  des  StempeU  nicht  mit  Sicherheit ; 
wohl  aber,  dass  es  keine  der  bisher  veröffemUchten  ist,  wcnr 
die  Grösse  zu  mehreren  derselben  au  stimmen  sclieint.  Vgl. 
N.  A.  H,  3,  Tif.  V,  1—3;  V.  C.  u.  J.  Taf.  LXXVII,  13  ur 
Suchier  1885,  l'af.  II,  50  und  1882,  S.  17,  6.  Die  Angabc 
Becker  Kat.  304,  105  und  106,  sowie  bei  Brambach  an  verschic 
Stellen  genügen  nicht  zur  Unterscheidung.  Sehr  ahnlich  s« 
abgesehen  von  der  Legende,  ein  aus  Heddernheim  staniir 
Stenjpel  des  Wiesbadener  Museums  auf  einer  0,2I  langen  Hypo 
plcilcrplatte  (Kat.  102 19)  zu  sein. 

24)  p  p  f     (l^ig.  u8*). 

ii:cxxn 

Kreis  mit  Capricornus  in  der  Mitte. 
1  Faizziegelfragmeut,  gefunden  bei  D. 


—    229  **• 


22.  Legion  trugen,  wahrend  das  übrige  zum  Bau  verwendete  Material, 
soweit  es  gestempelt  war,  auf  andere  Truppenteile  hinwies,  war,  wie 
es  ein  weiterer  Beweis  für  die  ausgesprochene  Ansicht  ist,  so  auch 
von  hohem  Werte  für  die  chronologische  Bestimmung  der  ganzen 
Anlage  und  die  Kenntnis  ihrer  Schicksale.  Schon  auf  dem  Wege 
von  der  zuerst  gefundenen  TrAmmerstÜtte  zu  dem  Ofen  fanden  sich 
in  dem  sQdnördlichen  Quergraben  neben  Stempeln  der  14.  und  der 
22.  Legion  auch  solche  der  in  Nied-Höchst  früher  noch  nie  gefundenen 
ond  in  Germanien  auf  Ziegelstempeln  überhaupt  höchst  sehen  vertretenen 
Legio  I  Adiutrix,  die,  kurz  vor  dem  Bataveraufstand  in  Spanien  von 
Galba  gegründet,  im  Jahre  70  nach  Germanien  kam  und  nach  der 
allgemeinen  Annahme  dort  höchstens  bis  in  die  ersten  Jahre  des 
2.  Jahrhunderts,  also  im  Ganzen  ca.  50  Jahre  geblieben  ist.  Noch 
überraschender  war  es  für  uns,  einige  Stempel  der  ebenfalls  sehr 
frühe  in  Germanten  auftretenden,  aber  auf  Ziegebtempeln  bisher 
nur  ganz  sporadisch  und  meistens  unsicher  nachgewiesenen  Cohors  I 
Asturum  zu  finden,  deren  Zusammenvorkommen  mit  der  spanischen 
Legion  jedenfisills  bemerkenswert  ist.  Dazu  kam  als  dritte  und 
nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  allerälteste  die  Legio  XXI  Rapax. 
Aber  von  besonderem  Interesse  war  die  An  des  Vorkommens  dieser 
Stempel.  Den  Fussboden  des  Heizkanals  bildeten  tegutae  der  Leg.  I 
Adiutrix,  die  auf  diese  aufgesetzten  Seitenwangen  bestanden  z.  T.  aus 
Platten  der  Leg.  XXI  Rapax,  die  schon  früher  in  einem  ähnlichen 
Ofen  verwendet  gewesen  waren,  wie  ihre  VerschUckung  auf  der 
einen  Fläche  und  bei  einer  der  Umstand,  dass  sie  die  dreieckigen 
Einschnitte  hatte,  die  nur  bei  ihrer  Verwendung  als  Deckziegel  der 
Kanäle  einen  Zweck  hatten,  verriet;  als  Deckplatten  dienten  aus- 
schliesslich die  Ziegel  der  21.  Legion,  die  fast  sämtlich  die  nämHche 
Matrize  zeigten.  Flickarbeit  war  endlich,  wie  ich  früher  nachgewiesen, 
mit  legulac  der  22.  Legion  ausgeführt,  und  Bruchstücke  von  Fabrikaten 
fanden  sich  in  und  neben  dem  Ofen  auf  dem  natürlichen  Boden  von 
allen  genannten  Truppenteilen,  am  wenigsten  von  der  22.,  am  reich- 
'ichsten  von  der  Leg.  I  Adiutrix,  deren  tegulae  den  erhaltenen  oberen 
Raum  des  Ofens  so  ausfüllten,  dass  es  schwer  war,  nicht  anzunehmen, 

Vorstellung  machen  kann.  Dies  gilt  besonders  von  der  im  übrigen  lehrreichen 
Bcsclirciiuini;  «.icr  i)T<iprLTci  zu  Riegel  im  Brcis^  iiH'  Jtirch  Dr.  Schreiber  im  1.  Band 
<\  f,6-)  der  Zcitichrill  der  (iesellschaft  Uir  Belorderung  der  Geschichts-,  Altertums- 
uiid  Volkskunde  von  Freiburg  i.  B.  S.  1—42.  Im  Wiesbadener  Museum  betmdet 
sich  dzi  Modell  eines  bei  Eim  gefundeneo  Ofens,  der  dem  unsrigen  vollkommen 
glächarttg  gewesen  zu  sein  scheint,  auch  in  der  rundbogigen  Form  der  durch  Ketlziegel 
hergestellten  Rippen.  Eine  Beschreibung  des  Ofens  scheint  nicht  veröffentlicht  xu  sein. 


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MC  Jic  Icutc,  uuht  entnommene  i  ulUmK  lecbiUct  hiiica  ? 
AiKi  v%tvi;v  ^:t  i>ttnud%r  ctn  inü«;r<rr, <lcr  %iir  ihm  m  kCiM  Nccik  ««kf 
dulit  üiiivtxn  }>timl.  \on  Jcr  3i.  I.Ci::on  tn  Uuhtt  Zat  CTk*JHi  »«irJm 
«Icnn     hjt  44^1«. ir^c  Miurt^l  ^c-.uiii(h;1i,  wckhc«  (ur  «lic  li«MMfii*:«r 
«Iv  %  I  Htfi>  von  IUu\  AUS  K'^ummt  w4r ,  u.h  dtfl  hier  ««lelcKh  cf « JMnce. 
iL  .  wir  vt.rM.hUvktc  lX:«:k\tcii  v  Jicvcr  t^fiian  «iKh  i*t«r  Jn*  * 
wh  iiHt  unserem  Olm  jm  NtJ4jnit«r  KCl undca  haben 
Ihiuli  du  tau(^k<«.:iui)^  ik«  crlullcncn  i>tiii%  »jr  fi.iUftti«*  4c* 
(  ;ut4ki4,r  tiv^  j  m  %cm  %cmem  Su4f  jnüc  ki:itu)cn«lcti  «efiieiun  RAbi«« 
r»e>J»."«»%  ii'  ii^v  uüt.    l.r  lutic  *liv'<U<  Tide  uitd.  wimcit  c% 
w."  :iteii      >s       >:>cKhc  Gri'^^e  \»ic  unwr  (,)tcii,  tpit  «Icta  er 
tu  «Icr  l)f anoruit^:  >:<.nju  u^reiii/uniimmen  whien.   l'>en«ti  mM  <ft€ 
il;u  AI. .(..llviulc  S^huttnuvu;  —  vervt.lib«.kie  lka«>k»icuu,  Tot|^x^jaMc. 
/irSr«uleln4k  l.ehmnu\%e  uml  Bruchstui^kc  lurifcebf innief.  i  1  rt 
»iuiijH'ltcr  /ic^icl  —  Jit^cii^t,  tlic  wir  criultcti  «urJcn,  «efsfi 
ti*'Hriin  i)ivn  Ji%  lUKi'.  KfJUt,hh.uc  Mjtiruil  entnlhmen  ui 
J«.  ri)  I  lflHu^^  der  Wiiicfur.-  jii-.si uicn.  Au%\cfJetn  finden  M%h  in 
l  i.Alii  /*;.s.htti  Jen  /:v ^:t!:rummtni  k-»'"»"^"  Mtr.c«  icinc«  «esMC* 
l!ii'n\.  dem  ^ifit  Jen  mir  JiKii  mi  Pfierummm  io  i  ••r^ 

i.!;d  411  jndtT«.tj  Stellen  in  Jlt  l  ni^eb-ung  Je%%elNni  tA'^trs 

ir  hjite  ♦''^.!:;  .>i  v.  'le  dm!  K.it;Jc  der  Hju^ru;-«  äK  uo* * r*rW*"**^ 
MiTt'ii!  .  tiiLAfi  i.' d  vkit  dutvli  L  .^fM,hwenirtiuji»:c!i  in  i.c  cfirct 
*  '  .  .  i':  ■    1  v<«>'Jc::  dcüi       >ei,  cri:ib  lUvS  J  c  IWwiu4etÄ  * 

dvf  dL-i.\M  .  vfi  Hjiipt^  'al'ctj  i „;idcj>cn  Kote  Ucf  f*"^'-»*^ 
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.lif  .  .ti  i  V  tTil;.|ic,  i.:id     -  efall  lj:idvtr  mir  lul  dem  QJit-"  »"»^ 

!.  Ur  ^  r  V  :r>  J  J»:  jt.  . /  w'i '  Ich  «mJ  *pi?lKHcn(»*lA**^<'»*f* 
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—    2)1  — 


Thatsachen.  6  ni  östlich  vom  Rande  der  westlichsten  Trümtn erstatte  fan- 
den wir  den  Anf  ang  eines  aus  Dachziegeln  hergestellten  kleinen  Wasser- 
kanals,' der  auf  dem  alten  Bauhorizont  begann  und,  sich  allmählich 
senkend,  5  m  lang  in  örtlicher  Richtung  verlief,  um  schliesslich  in 
einer  mit  Ziegelpl.tttcn  belegten,  i  m  im  Geviert  messenden  Vertiefung 
zu  endigen.  Die  Ziegel  waren  z.  T.  mit  dem  Stempel  der  14.  Legion 
versehen,  wie  sie  auch  in  den  Ofentrümmern  auf  verschlackten 
Platten fraomenten  gefunden  waren.  Reste  von  weichem  Thon  auf 
dem  Buden  der  Vertiefung  und  neben  dem  Kanälciien  sprechen  dafür, 
dass  die  erstere  als  klemes  Scblämmbassin  oder  »Sumpf«  gedient  hatte. 

Was  hier  wahrscheinlich  war,  stellte  sich  als  zweifellos  richtig 
heraus  bei  einer  iihnhchen,  aber  weit  ansehnlicheren  und  besser  er- 
liaiicnen  Anlage,  die  20  m  weiter  östlich,  dicht  an  der  zweiten 
Schuttgrube  lag.*  Da  war  aus  meistens  55  cm  grossen,  z.  T,  aber 
auch  kleineren,  gutgebrannien  Ziegelplatten  und  rechteckigen  Parkett- 
zicgeln  *  ein  quadratförmiger  Plattenboden  von  2  m  Seitenlänge 
gebildet,  der  i  m  tief  in  den  natürlichen  Hoden  gebettet  und  von 
aufrechtsiehenden,  55  cm  hohen  Falzziegeln,  die  mit  den  l-aUen 
aneinander  stiessen,  eingefasst  war.  Fussbodciiplatten  und  tegulae 
bildeten  so  ein  kleines  Bassin  mit  '/»  ni  hohem  Rand,  welches  durch 
reichliche  Reste  feinen  Thons,  der  alle  Fugen  des  Budcrrs  und  der 
Einfassung  ausfüllte  und  besonders  in  den  Ecken  sich  noch  in 
ziemlich  hohen  Lagen  fand,  deutlich  genug  charakterisiert  war.  Die 
Fussbodenplatten  trugen  teils  den  Stempel  der  14.,  teils  den  der 
22.  Legion,  während  zu  dem  einfassenden  Rande  ausschliesslich  die 
letztere  das  Material  geliefert  hatte. 

Jenseits  unseres  Schlämmbassins  nach  Osten  zog  sicli  uit  m 
der  naiurliche  Boden  in  gleicher  Tiefe  von  90  cm  hoiizunial  l.m, 
reichlich  mit  Kohle  bedeckt,  bis  in  50  m  Entfernung  vom  Anfang 
des  Grabens  wiederum  die  Trümmer  eines  Ofens  s\di  tjuden.* 
In   diesem  aber  war  ausschHesslich  die  22.  Legion  vertteien,  und 


'  Taf.  II  Lageplan  bei  A  und  B. 
•  m  II  bd  B, 

>  Diese  Bcxeichnung  erfand  mein  eifriger  Mitarbdier,  Hen  Obentabsartt 
Dr.  Kuth^  för  kleine,  teils  rechteckige,  teils  rautenförmige  Ziegelplattcn,  die  wir  in 

gro5i<icr  Menge  in  und  neben  den  Öfen  f:inden,  in  welchen  sie  offenbar  hergestellt 
waren,  um  als  Fussbodenbelag  verwendet  zu  werden.  Die  rechteckigen  waren 
teils  0,127  m  1.,  0,08 j  br.,  0,04  dick,  teils  0,08s  U  0^06  br.,  0,025  dick ;  die  rauten- 
förmi|;en  massen:  <^oS  :0,06s  '<M>)  und  0,08 :  :  o^).  Von  den  grdssten  recht- 
eckigen fanden  sich  zwei  mit  dem  Stempel  der  33.  Legion  (s.  Taf.  IV  F^.  70). 
Ich  habe  ähnliche  Fundst&cke  anderwirts  nicht  gesehen. 
4  Taf.  I  und  U  B. 


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zwar  itiit  Uuicr  Sti-uipclt).  die  durch  ihre  kunttliclw.  «iK^ 
%a^cn.  Tiunicrtcftc  Vofm  uii  s\me  Zeit  hinwieset»,  «ilvco^  ilc  rt 
Jcr  i|  l      oti  vcf \».h»i\Uri  j:cluiiJcfvcn  mil  *cn:j:cn  Autiuhmcn  iA 
M..Ncr!;*h  jUci»:  l  fri»  de*  cinfachm  Rcchic*.ls  i-  T  mn  »^h««M> 
vhmjnijhnluitcfi  HndtHnimcnuii.  /ci^tvii.  (IhiraWicrmiwh 
«;i.N*.n  Dtcn  au*h  da  iloppd/ciIuMi  und  bcMHidct*  die  m.l  Vf^.jir 
njtnen  %cf\<hcnen  T\p*ii         orucili^cn  Sfcmpc)  «ctirtcn  m  ^c'J•T 
Inden  hj*>niondttirfi>tt:c  iMircn,  d:c,  mit  der  i>tfnun|f  njkh  Junct 
>:crK}<tcr,  /vi.citctlc>%  iK  /«^pM»,:  cnuitctc  Swhi»il>«T>Kh»jiiw  Mik 
vchcn  Mod.'  DicvclWn  Unden  u  ir  iiKh  10  emcm  m-iedcnan  ca  i'»  % 
«ctTcf  i'vtlich.  <iuht  in  dem  ihm  Niddjbett  und  dem  jtn  Ir  *««r 
/ci(  K'l^nntcn  I  undviitun  f^'c/ni^vm-n  VmiKhi|;rabcn.'  der  «  kJc«*v 
tute  Tlioo*,  I.chni-  und  /?c,:t:lmjs%^  olwn:  crietinhAre  f-tinn  l^'c^* 
Kh  fnuw  iwkH  hinfufu).  if>,  Ja\^  4lle  m  dicken  VcfMifchv**^^ 
t»jrrti  l '.^..htlinicn  von  lii%  in%  und  i»r üben«  Olcn^  Kim  und  Vj" 
i^fuKn  dieselbe  vici-usilKhe  Kulitun^,  ^hr.i^:  k'«^*^'*-'"  den  VeT%».."» 
ijrjhen  und  fuf     !  ilcf  I j'i#:cnifch\e  unMrrcs  ciKiltcf»eni>teÄ»  ef»»^»r* 
Iis  cti.    Dk-nv    ^hJ!^■>^hc  erklärt  »uh  mir  au*  der  |-it%ierf  rrc 
tn  defNe'.SHrn   Ru'i'.uii^   \ct!4i'ti-ndefi  Stri%%e,  die  tMxK  9u  \wm^ 
i%t  '   An  JicMTf  cnttjn^*  tut  M«.h  nun  eine  Reihe  %«in  /.«fc.c* 
Hl  icitluhrr  Aurr:nandcrtul>;e  vt»  rnt« iwkelt,  da«« dir  AltrMen  Ar«M;r* 
Iv/ciwimet  dufwh  di»  entv^hiedvne  V*when>^hen  der  nur  im  e?*-r 
Uhr  .:ndrn  in  ( ^:Hr^  er  minien  nai^hnkeivharen  I.e|EH>ncn,  ifD  ^kt^"' 
t-.t-.cti.  in  der  MiKe  neutrale*  (jt'^teC  aul  eine  AbUnun«  Äcie 
1    j  .  vUti  '\  duivH  die  eril  *en  Jim  tnde  de»  ersten  |ah(^.^rMi" 
i'ui.Ai  <  irc  23  I.ci'um  h'ndeiitei,  im  iKten  endiuh  die  i 
/fci!  u-  it-tiriTHr  lU  i/t^  und  illcin  iivT  An»c%enh«l  der  la  l  r 
\'itt":t»t'Jt  n  Su'.i  ^A  -,  t.  T.  nul  Z:e#r!i:rnanK:\  ^-vh  rsttJki» 

N..M  V  "  n»e  n  a*\  :  ffi^i«.  «orj^.s  dtnn.  »»j»e%tj-«ji.-  ^ 

I  «  ti  i  V  I »  :j  ".tT>t  i:un  Kv Ntc      vl'cf  i»det  rnl?».'.k»  \* 
•v-.»',»'v.      ^  i>  /k/it»(%n  und  »'  «.ht  *u     .  •    •  ;  • 

Hl  t.         1  .         «»n  ifci'i»»'    |),tf  l»;,**  * 

fi. *•.'!,  Jv  r  I  .-».i'tn  *i'«  dem       Matik«  *I  m!.*J«*«* 
i   "tf*   ii  if:»M  Ti;'*T*Vn    1*1   f  I    Vi  ««c   dif:'«  ,v 

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*•  • 


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—  233  — 


sein.  Es  entscheidet  hier  wie  in  Grosskrotzenburg  ganz  zweifellos 
Ar  Ziegel£dMikätion.  Zunächst  wurden  in  und  neben  den  Öfen, 
abgesehen  von  einigen  Scherben  ziemlich  roher,  und  zwar  gebrauchter 
Thongctässe  und  Krüge,  wie  sie  bei  den  Ziegelarbeitem  auch  ohnehin 
vorauszusetj^n  sein  würden,  gar  keine  Funde  gemacht,  die  auf  das 
Vorhandensein  zahlreicher  Töpferwaaren  an  unserer  Stelle  schtiessen 
lassen  könnten.  Der  Mangel  an  Gefässen  war  sogar  auffallend. 
Dagegen  war  nicht  nur  in  der  Umgebung  der  Öfen,  sondern  auch 
weit  und  breit,  wo  immer  wir  Versuchsgräben  oder  auch  nur  Löcher 
aushoben,  der  natürliche  Boden  unter  der  Ackerkrume  mit  Ziegel- 
trümmern  und  Backsteinresten  geradezu  bedeckt.  Obgleich  natur- 
gemäss  nur  ein  kleiner  Prozentsatz  der  Ziegelstücke  gestempelt  war, 
haben  wir  in  den  wenig  ausgedehnten  Versuchsgräben  ca.  400  Stempel 
gefunden,  und  zwar  zeigten  diese,  abgesehen  von  den  zum  Bau  des 
erhaltenen  Ofens  verwendeten  tegulae  und  Platten,  überall  die  ver- 
schiedensten Typen.  Wir  haben  über  160  verschiedene  Matrizen, 
und  zwar  von  6  verschiedenen  Truppenteilen,  gefunden,  eine  Er* 
scheinung,  die  bei  so  beschränkten  Aufgrabungen  selbst  in  den 
Trümmern  einer  römischen  Stadt  einzig  dastände,  die  aber  bei  einem 
Platze  wie  Nied  nur  eine  Erklärung  übrig  lässt,  nämlich  die,  dass 
er  eine  Centralstatte  (dr  Ziegelfabrikation  war,  von  der  in  weitem 
Umkreis  andere  Orte  versorgt  wurden.  Wohin  die  Materialien  vor 
allem  gingen,  das  gedenke  ich  weiter  unten  nach  zuweisen.  Hier 
nur  einige  Andeutungen.  Rings  um  den  Ofen  fanden  sich  auf  dem 
natürlichen  Boden,  d.  h.  also  auf  dem  einstigen  Niveau,  regellos 
•/crsireut  ausser  den  erwähnten  tegulae  und  Platten  fr  igmenten  quadrat- 
förmige  Platten  von  55,  44,  40,  37,  27Vt  cm  Seitenlange,  Hypokaust- 
pfeilerplättchen  von  i7</sund  20—21  cm,  femer  Kcilplatten  von  55  cm 
im  Quadrat  und  ebensolche  von  oblonger  Gestalt  von  36 :  2$  und 
28:  II  cm.  Dazu  kommen  die  früher  erwähnten  Parkctt/ici^cl  in  i^rosser 
Menge  und  von  verschiedener  Form  und  Grösse,  einige,  wie  auch  je 
ein  Keilziegel,  mit  dem  Stempel  der  22.  Legion.  Fügt  man  nun  zu 
diesen  Fundstücken  hinzu,  was  uns  über  die  früher  am  Niddaufer  aus- 
gegrabenen  und  zufällig  aufgefundenen  Gegenstände  berichtet  wird  — 
auch  damak  fiel  ia  die  relativ  grosse  Ausbeute  an  Ziegeln  mit  und  ohne 
Stempel  auf  — ,  un  '  n  chnci  man  dazu,  was  nach  Berichten  der  Be- 
wohner allein  in  den  ieuten  30  Jahren  ausgepflügt  und  beiseite  ge- 
worfen ist,  so  wird  m.in  es  nicht  als  zu  kühn  ansehen,  wenn  ich  mich 
anheischig  mache,  unter  Voraussetzung  der  nötigen  Geldmittel  und  bei 
freier  Verfügung  über  die  Grundstücke,  nich  zweiwöchiger  Arbeil 
Tausende  von  Legionsstenipeln  noch  heute  zu  Tage  zu  fördern. 


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nul ,  vkic  >*i'  ^^>J:cr  scIicn  %Mrrdcn.   L.r  ujuh  |^cr\«»n!t»^  ^-c^»  ^ 
lunc,  I-ii;  JtL"  \'crMi«.hiin>^  iniic.  ilvii  Kcvt  der  n:t  Wrt.  *  ''f*^ 
den  /t'it  >:iu/  41.1  ilirt  ^*ci!irv  l  titcr\u».ljuni;  /*j  wr  vi  c^vicr      1  ' 
dem   hl  cn    vtiT    dort   die   Afbcn   rn  Irjicrtwv  d«>f    I«  ^\;r/  ..Tvetc» 
Mji.p^i  .",  ii*c    jt^i!cl'n>».ln:ii  ,    ^oi'jld    um  (>cu.  cnbci:    r.n  <,*iVf 
aul    dl  M>    l  ildc    Midlivh    diT    Str.;  sc   t^cl'tJtcu    Hi:rjt      h  \'< 
u*i%  der  .ci^'c   BcMl/er.   jut  de  .-en  Avlker  Vkf    din  erN^er:  :,• 
i  it'iin  ii4t!efj,  liur j^crniiiNier  Sinu»ii,  JUvh  •►eiri  imfi  iMcli  Jr  «c  :  * 
i»»fi    Jcf  I  I  ■wJter-'sUen   I  Jtv;*    ^'elei'eju^  <i?inuisMxk  nif  \(,r?...-, 
l)vi  Avkif'   crsue^Kt  Nivfi  fuuh  S.  t  :s  im  Jertv  ni-',  der  \  .Ui* 
ljUrtldin    \K  le    n^rrt  teii  ,   lu^li    \.   lil'vr    die    »jIjc   S!tiv>c*  fti^mu,-^ 
bf%  iv.r  lieu:  .:en  Mjiti/er  (JiJus\ce,  t»o{   iIs.»   ( iclev'*' "»'k -t  l  "t* 

NU*.l)unf:  der    "jlicn  S:ra.  c     i.rid       ,v<.txh   der  c,   i".  ^< 

i  n-ocr  IKyHii'n  .e  ri.i..li  du  Siidtfuiu  de^  e!v,j  \i>rriandii*cn  Ki«  ; 
Mt     j  ../i  :i  Winkel   die   dreii/e    de%  A..«.ef  linde     s».h!K*ider.  tt  s*f 

IT  iic--  en  L  t. .  Ji/»,  i;;^'  an  he  deti  Su  'Icr»  i.i'd  '■pj^er 
ihnen  i,id  \«.:;jkif:\  (ifji>eii  /;Lhen     Aiuli  (iitf   sres^e»-   i*tf  i»  * 
j».f   niisNenfi-»l!e   /le^ii  llri.:iHi;er  «.•:d   nv.  r  th*  en  jur  i:f*»;  ifi 
TuIl    hcn/^'titil   \er!ju!viide    Hr  ir>d-.v  hii.  hl ,   >*est»e  ecfccrv:. 
Ut  di.f  ^l«  "^'eti  ;  1  ,  der  2i.  I  i  ^  Mir),  die  in  ihren  ii:t  %pj'.c  /e  :  J*;  ,r<- .  !- 
InfTiurt  den  im  \l )   i'v  tt.ruJeiien  et  '.sprechen,  ü  er  /i.,  e:       »    -  ' 
<  inc    Meiu  e   nen^r    I  \  pen   m  d  /  i  ,'"e r "uineti   j  .t»e.  .rT>      M  •* 
Kin>ie  JlT  \\  u  ^ei»  lu  i  der  r^j:        '.e  H«>d  n  unter  eru:  '».ini  -  '  r* 
Ai"      V    ans  le.  i.ijc  der  12.  I.v.    »Ii,'   d  e  ^u'uu  in  der  \i>-  ..-  ^ 
t  \  Me   der    S  li'ri»-  ;   vul.i)     >:v:     /-r    S  S^i  i* 

/a:-.^;,<.ii  I' Ml  uüd  der      11.1! 'itc    A;'.  i/i  t  in  den  *  tr  ::k  V^:        '  •> 
\x\\  1  ni  :iet  ^tiü  pel  der  l)   I  Lh  Vk;ll  s,i,  ;c-. •  r^tr  :>c-'v-t.- 

di  .     -  .1    >i.<.e  '  .'vkt:  hf     sU^iü^iitcr;   i.'x  r  er       .  ;  •  • 

N.  .'en   der  l|    I  «. .  ■  m   in  dt'   i.'i:e:if\  der   Ii    i"  Jt* 
Jim-:    KUli.  ir  —  Ld^tUiSli.   -      Vk  1 1  dei  lu»i:c.  tm       '-^  '  . 

'  r  dl  •'t.t  u-  A' "       1  ,  di.N  die  ir>:c  lL^!^*.:_r,  j 

K  N  i  .1  I-*:.!  I  •      ►  '        i   ,   .      ,         *!ur.'!  d      1  (    l  »  . 

.  :   ir  d.  V    ::   t  Ik  «       :  lr..}»}>cn'v        xüfU'^  ~» 

tT  U  c  Ml.   w  j:-  Jl  r  N  :  : .  ;       \  ■•  :  ••:  dl.--  %  1.  i'^Jc»:  '«.T 


I  .  I 


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-  235  - 


ihre  Züge  uns  deutlicher  zu  werden  schienen,  die  Arbeit  abbrechen; 
denn  die  Wiesen  sind  Staatseigentum,  auf  welches  wir  vorläufig  nicht 
hinübergreifen  durften.  Dort  aber  war  gerade  die  Lösung  der  Frage 
zu  erwarten»  ob  auf  unserem  Felde  ein  Kastell  gelegen  habe,  welches 
den  Kern  der  Nieder  Anlagen  bildete.  Zunächst  schienen  alle  Ergebnisse 
der  Arbeit  diese  Annahme  zu  bestätigen.   Wenige  Meter  nördlich 
vom  Ackerrande  fanden  wir  die  Trümmer  eines  massiven  Bauwerks,' 
dessen  FluchtUnien  sich  trotz  der  Zerstörung  noch  dadurch  erkennen 
Hessen,  dass  das  wertlosere  Material  in  die  Fundamentgräben  zurück- 
geworfen und   die  noch  verbleibenden  Gruben  mit  andern  in  der 
Nähe  befindlichen  Trümmern  ausgefüllt  waren.    So  landen  sich  unter 
Massen  von  Kalkbruchsteinen  uncj  Mörielbrocken  auch  einige  wenige 
wohlbehauene    Sandsleinquadern,   neben    zahlreichen  Stempeln  der 
22.  Legion  auch  einige  verschlackte  Deckplattender  21,  und  schwarz- 
gebrannte tegulae  der  i.  Legion,  ganz  gleich  den   im  Ziegelnfen 
verbauten.    Sie  waren  zweifellos  versciileppt  worden.    Hier  fanden 
wir  auch  endlich  die  ständigen  Beioaben  römischer  Wohnhäuser: 
Esirichbrocken,  Gelässreste  aus  terra  sigillata  und  andcicm  Material, 
Glasslücke,  eine  Münze  u.  dgl.    Hs  waren  die  Trümmer  eines  statt- 
lichen Hauses,  die  wir  leider  auch  nur  bis  nahe  der  Grenze  des 
Fischerschen  Grundstücks,  in  welches  sie  hineinzureichen  scheinen, 
verfolgen  konnten,  teils  mit  Rücksicht  auf  das  zu  Gebote  stehende 
Terrain,  teils  auch,  weil  unsere  Zctt  für  dieses  Jahr  abgelaufen  war. 
Die  .genaue  Auinahn.c  wird  ein  Anknüpfen  an  die  bisherigen  Er- 
gebnisse jederzeit  ermöglichen.    Vorl  uiliL  ist  auch  das  Gefundene  von 
hohem  Interesse.    Denn  die  t  :  kciiiil  ai  cn  1  luchtlinien  des  Bauwerks 
verHefen  fast  genau  parallel  iind  senkrecht  zu  dir   von   mir  vorher 
in  die  Flurkarte  hvpothetisvii  eingezeichneten  Südfront  und  zu  der 
aiten  Strasse.  Hs  lag  daher  anfangs  nahe,  das  Bauwerk  alseinen  Thorturm 
aufzufassen;  doch  bestätigte  das  Hrgcbnis  der  weiteren  Aufdeckung 
diese  Vermutung  nicht.    Für  die  Orientierung  der  gctundciicn  An- 
lagen gab  CS  nur  zwei  mögliciie  Erklärungen:  entweder  sie  war  be- 
stimmt durch  die  Orientierung  des  noch  vorhandenen  KastelLs,  oder, 
wenn  dieses  nicht  dort  lag,  durch  die  Riclitung  der  alten  Strasse. 
Darüber  wird  die  i  ortsetzung  der  Nachforschungen  iaulit  verbreiten. 

Für  diese  wurde  nun  aber  eine  sichere  Graudlage  gewonnen 
durch  den  gelungenen  Nachweis,  dass  unter  der  »alten  Strasse« 
wirklich  ein  römischer  Strassenkorper,  oder  vielmehr  mehrere  über- 
einander liegen.    Die  Arbeit  an  dieser  Stelle  war  ganz  besonders 


»  i  at.  I,  D. 


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j:n  irin  u^vT  Ji    ^u^rciu«. tiJc   Icrtjitn  tio^h  um  i  n:  v,r:J  • 
cf fi< -litcr  ^:i:r jJlitr,^:cf  l)iium  vi.JliJj  Jcf  (lluus       f'"."     l  v  » 
fuhrr.v",  JJ^^  Mine  Ik; Jc^ lun^*  Kim  l'!iu;!ctt  Jc^  IclJt\  ;       •  ^: 
iirij         von  ilwiT  S!ctti|»j Aun^  Jic  uKrall  iu\  Je  v  Dintn^t  /cnrctf? 
HtikIi^tvimc  aus  I  .ii.niis\i.hulcr  vtjiinmitri    l>its  :  ^.^•Jv.i;:t  -.»K 
\K  ir  tjniii.ri  Jic  Ki^tt  «Jrr  S:i.i'v>i.r!{».is.liir4>j  ui  Jet  .in/er:  lir.  *f  :  i 
|)>nititt'\  ufMtf  Jet      l^ci     uixjc,  uiittf  ihntti  Jt*rT,  7»»-'*- 

Jir   heutig  lU  1  )i'trtU».lii*,  cjtu  allere  Ab«iu'/unj:*v».hit!i:,  ^<  .*.r  »»^ 
iiif   Anlaste   *  Mief    lti:i\t  uiiertn  Strasse.  Jsc  tivlit    Jr.,Sef   J  > 
Mitte  J*.>\on,en  )  jlif  luituler  Is  lu  r  i  i  si». '.Ii  miu  J  .*  Itv ,  .Jie  W  e.  .i^  .  *  —  » 
i*t   :!«.lcl  'i.iicn  %Mr.l     iVi.wita -k  rci».  he  forscher   ui.Jen        .    r  • 
j!x  Jt  f  iiTiiiNvlKti  Stra-.sc  ••(.  ••m.j,:t  |label^    Ahef  uniet  ihr  JioJr- 
in  tlk  m  I  ••  *  M!,  der   stitu;  ^  >!"  den  l.;MJru».V.  des  nat..' :  c^:  Ks: 
iTijJite,   In-mi   /cffeil>en   th>Ji    sKvkiudeUupJjjfti'-se   /icic>^i*.  v 

i  l.elirn-. J:i  Jit  er 'treckte  Mwf»  in  einer  /vki^Jicn  -it  s    . -' 

*tvhse]niiL:i  Starke  bis  ni  unter  der   hcii:.».en  4*:x^''..- 

W'ir  v^:-.  «.n  |et/t.  dasN  sie   kunsi'uh  an;:e\«.huttct   \A«»rdin  ^• 
die  THuere  »alte  Stra  .-.e'  ulnr  das  I  cK  ;  .^^u t.  tutiuint.'s^ict'ie:      ^ '♦v  Nr- 
Cnlcr  ihr  ^t.^.  .^en  v^ir  :>u\  i  nc  sehr  k^te  Kii  '-viüvht       J  untf  ^  , 
u:«cKr  Ji:t  ei'u-  ^•CNjiw  .u/te  AbniH/ijn^  >- „  ft)  Jjt.    l>jrin  k:?"   c^W  ,  * 
aul  eüie  letzte  K  l  >!u:e  ^jelvltet,  f:cnau  untcf  der  M:ltt  d-'  , 
Sira  ■  uiJjtuttie'.  eitic  nur  2.2y  ni  breite  Pa^kun,^  aus  17    ^^  •."fr* 
Mild  h.ihen  S  .\svk  1.  iT k  jlksu  iiien,  die  n«>vh      lest  an  et'^i'^dt  '  f  -  » 

M.  da  .',  es  '.(.  hr  sJpAcr  xsar,  d  e  ersten  hcraiiv/ubrex  \4  «* 

dl  vr  Ta^kuru«  cT\:rewkte  s:^}»  nJe^i  N.  der  W  v  ri»». -1  •*» 
jli  :  e,  |'»vin  starke  Ku  sl  :/e,  an  die  suh  emCi'a  xn  ;~  , 
de-  in  Pr.-'     i.  *  f.  .         2  ?m  i  ■     r  J.i. 'u   fieuii.'tn  N    »  1.     ^  .       ^  ■ 

\*'",*.  ':v.-\'it%    »iv               dctv'  dv  '    r'  '^"^     i.d    dl      tvtti.'     r.,-    •  ."^-^ 

Ii.  -kr»  Ut^i  d.  r       Lf    -in;  ;  ^  '         .  •.  •     t  K  .  veil»  ::-d  /  i  '  <■ 

J.-fvh  »,tr:in  S.            ;   .v  k           ^  ■  l)  i.s  v   r       ♦  J.t  ^    .  ^  . 

Jcr  I  i  !.    l).;  r  i!  "."i .  .  K.      .  •  .  ^.1- 

ttl^U  i.J  .N«T1  ctv^av  %  ««r.'i*%  •  I  ►  ,  ••  _    .  ,    V  ,    :  *k      -i       ;     ;  .s  •     J  r-r 
i;' ••i.hli.^h  \e»^"'^  :i  :•  ,       .:      .r  !^rid     .ii,  .;wiidi.  -  ■ 

it%-t  fit  »muten  V1.V    !  :  'i.  i.'".r  d«.ti  K  .     i^:et^  L.'vd  :  iU*   *  , 

ti.s  II.  '  '  .  ■   i  (.•  ,i  /n  t   t  .  'n '    -. .  •  -st  .  V  - 

S'*.    ;    .    \  •   :;!,..  .    r       A   '         I  ^^Uf.  , 


•      .  . .    ...  ■     :  1 1  • 


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—  237  — 


niuMcnforniig  eingedrückt  /.eisten.  Nehmen  wir  die  Mitte  der 
Kalksieinp.ickung  als  die  Mitte  des  ganzen  Weges  an,  so  erhalten 
wir  für  die  älteste,  zweifellos  römische  Strasse  einschUesslich  der 
(Kraben  eine  Breite  von  7 — 8  m,  für  den  eigentlichen  Strassenkörper 
mit  den  Kiesbaiiketts  von  höchstens  5  m,  vielleicht  aber,  wenn  das 
südliche  Bankett,  wie  ich  es  bei  Strassendurchschnitten  t^ctundcn 
habe,  schmäler  als  das  andere  war,  auch  noch  weniger.  Dies  ist 
nicht  auffallend ;  denn  alle  wirklich  nachgewiesenen  römischen 
Strassenprotile  sind  im  Widerspruch  zu  früheren  Ansichten ,  die 
teils  auf  der  blossen  äusseren  Anschauung  jetzt  noch  vorhandener 
Strassen,  teils  auf  der  Verwechselung  spaterer  Schiciiten  mit  den 
ursprünglich  römischen  beruhten,  von  geringer  Breite  und  durchaus 
nicht  imponierender  Mächtigkeit.  Die  römischen  Miliiäranlagen 
imponieren  überhaupt  nicht  durch  die  von  Halbwissern  so  oft  ge- 
rühmte Stärke  und  Grösse  des  Details,  sondern  durch  die  Zweck- 
mässigkeit und  das  Zusammenstimmen  der  einzelnen  Teile  zu  einem 
grossen  Ganzen,  die  überall  erkennbare  Planmässigkeit  und  die  dadurch 
bedingte  Uebersichtlichkeit.  So  ist  es  auch  mit  unserem  Wege ; 
er  ist  meiner  Ansicht  nach  ein  Stück  der  von  Mainz  nach  Kesselstadt 
l'ulirenden  rechtsmainischcn  1  leerstrasse. 

Dies  waren  die  topographischen  Ergebnisse  unserer  Ausgrabungen, 
ücber  die  Beschaflenheit  der  wichtigsten  l  undstücke  und  ihren  Wert 
tür  die  Lösung  einiger  allgemein  wissenschaftlicher  Fragen  werden 
die  lolgenden  Abschnitte  handeln.  Ehe  wir  dazu  übergehen,  muss 
ich  aber  zur  Ergänzung  des  von  uns  selbst  Gefundenen  auf  den 
Inhalt  eines  älteren  Berichts  zurückkommen,  der,  von  allen  neueren 
Bearbeitern  und  anfangs  auch  von  uns  übersehen,  die  bisher  ver- 
öffentlichten Mitteilungen  über  1  undc  bei  Nied  in  einigen  wesentlichen 
Punk :l  11  ergänzt.  Wäre  er  uns  vor  unseren  Ausgrabungen  bekannt 
geworden,  so  luitie  er  denselben  vielleicht  eine  ganz  andere  Richtung 
gegeben;  ob  dies  vorteilhaft  gewesen  wäre,  ist  freilich  schwer  zu 
entscheiden. 

Bei  der  abschliessenden  Bearbeitung  der  Ausgrabungsresultate 
fiel  mir  eine  Stelle  der  Periodischen  Blätter '  auf,  die  ich  früher  unbeachtet 
gcLissen  hüte.  Hs  heisst  da  von  Geometer  Jost:  »der  sorgfähige 
Aufnahmen  und  Kariierungen  vorgenommen  hat.«  Zwar  musste  ich, 
da  Haninieran  gerade  diesen  wichtigen  Satz  nicht  erwähnte,  bei  der 
anerkannten  Sorgfalt  dieses  Forschers  annehmen,  dass  er  sich  umsonst 
nach  den  »Aufnahmen«  umgesehen  habe,  sei  es  dass  sie  von  dem 


'  A.  a.  Ü.,  S.  ijs. 


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-  »1»  - 

^'cTVjnmcn  (»ci>iiictcr  nie  ibi:cl;cfi:rt  w«>fJcn  u  ircfi  .  <>«icT  Jiv»  ui 
suh  vkaii^stcTiN  iu  Jen  v<U4iiv/UNf  t/cndi:r>  .Aul :  i  *  jf^n;f  i"<»':r*  ra^S* 
M»TljnJcn     i)o^h  eine   l.rkiinJi^un^   n  >kti   Jen  >.»U4* 

Jlc^cT  unter  jücn  L  TiiManiicn  vncKiii^n  M-itcfulun  nr:  ^'      \  r 
in  Herrn  t  V:<t-|>H-n  von  CUrliiiiMH  ^rcruhtctc  Anlrü^c  tr^.c":  ,*'^.- 
JUwh  n:Jit  nur  die  Mitteilung:,  Jinn  nkM  die  Aul:ii*iincn  rx-r^'  cmj— 
erljuiefndvn   Heiulitc  im  At,.Iii\  N J^\4i;" sv  Jit n  A!:*  .  ."»r- 

\t^r^:ctun«!cn  liJtien,  sondern  Muh  die  Zu^iv^Kfiing,  «Ia««  ittif  :^Jk* 
iuf  Ik-nut/iini^  liSefNjndi  werden  solle. 

Def  lWri,.lit,  der  ul>tij.;enN  sotmt  in  xcmcm  I;in^:i*^^  f  kC-^" 
l  iN<.t,  diss  \i>n  den  I  eitern  dv N.is\JuiN*.tjen  AlteTtii-n  ,  v'.  -  i'  :? 
.l[it^  reNvIulun  l^t,  um  tur  die  iin:ern*>Tiifnercn   A..^/Ti7i  '  .  . '  r 
plJnt^Vl^•  i,'e  Au-fuhruni:  /u  M«.ljer!i,  bes:Jt..:i   /univ'r*  ■.'^vc•^,     »  v 
,ii;^^;espr. »V liute  Ansudt,  di^s  di«.  .\rKiten  su  ;  uut  31*  d.    u' •: 
J111  jitcn  NidduSetie  ^elei:cnc  Terratn  efvire^lt  luSen  It 
Jie  Svfiiif ti:in:en  in  den  nienten  StclIeTj,   »ai.'.!  d;c  I  of-K?;.'-»  Jr 
(«(.ibun^    Ji.twh   besjnue"v  A».lkef!and   k'eMort  *urde,i  t 

'  t';.*-  cti  Au?^!anl^l:  der  S::iiji;o'i   !i>r!i:e>et.'t  wi-^ltv  #4 
iiixli  Jer  Heru!):  m^ln  i^.in/  dcTi  I  r-* ^nuM^^iTj  ejit  j't;..'i*,    *.  '^jr 
j;i   dix  1  'j^t>rjt  eitje\  '|'c*fJntke^^   /u   Mcileti   bere<»}i::/:  \ 
i^H^tihar  die  (iriind!.ti:t-  der  in  den  Per w »dr-^-^ien  H  rit"!  ,  , 
M:!tc;  i.'^.  en  ^.Cc  .  .Icl.    NHiMie    itn  x;ri>  -iti  und  ,  i^/cr         < -  Ir^* 
rufit:;'.  aivr  in   cin/^if^en  l'unt^rcn   di.r».li  dse         en'    ,    ^  "*  ■>^. 
div    iWr:  Jit^  r  T.i'.!cr\    ^».fjrit,      :(.der^e!  «.n       Ai...?^    dt:;-    •  ^' 
;'C'»!rT!i;^ei    thsit    min    \M>hl,   von    den   I  rl I jn;'n'en    I<  .'«^i," 
*.'  /u  c)uti   und   d:e   ol  ;tikti\en   .AtuiiJ'en  illetn  A     l    -  — 

Di    :  t    Jei  n   /uiUsh  t  k ■^t .  i:  tt ! len.   J.in>>   \t»n   ifi^'end  i' 
... Ik  :-ujtu  eti.   NkeLlie.    %Me    e^    1:1    den   l'ef  u «Jn.^ rien    Il  i'T," 
*div  \'i >: djndcii- eiti   :  vvli.  ^iteiKier   r\>siu%^hcT   ^l^'.:i^^:J■    -vc^   .*  - 
N'.cd*   K-^e   <ti.'  i'.ir   keine  KeJe     •'      A!\  i-v<- ri     f    di-  r 
iM^h.vwi  .'V  n   *NtL,.i.Ti   ji.I.H  li.n.!v 'cti,   z    I  Bfind»"^::       »  " 

hfl      t  \  f  i  Ti    . ;  (.  ?  j!  .    d:e    -i      cf  i   i!i  i  :  \  he    .Mt      ^    % .      /    .  ,  ■ 
/•t  i'i  ..  f.  V ken  —  i  it:/  ci  :  ;     ^  •  .  tu!  uti>.».     ::  He  -  •   » J  ii.-' ,  l—     -  i  .  ' 
■^j-re^  V  M  J     j  ' ,  i  i!i  V  k  T  i  'i  |i ;  .  ^  » i  iten,  \4»wi-:        /  ^  ^  ^ »,  4-4.   ■  .* 
iM»  tu;  i,iU"  u!'.  j    W  >    '•.  i  *  ...de  oder  l..r  .^ac"  \ 

*^  , 'rsv'l  J:c  i'  te      "  j  i.  T  >.•  ti  t  l-s     e  i-  J  *-e^.  *  'c  ;  c-.  jfi» 
Mci.c'  ut  i(;:t:«I*  ät  mi  der  M.w..vit%tcii  Aus.  uvhtun^  «icr  Atter:  S         .  * 

'S   .      •   t  -ä 

•        I  M   .»c  I    "V.         t  «ti  »  J        t«t  I  «•«•ff  Ik  N^ut-tTw  « 

H.  .        tf  -  »  j  »  c   ,  ?•  1,  <t>.  » .  ,  «  h 


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—  ^39  — 


sich,  zuiua]  vuid:  den  bei  unseren  Ausgrabungen  geiii.i«.litcii  i:i  lalnun^cn, 
ganz  zvvcitcUos  als  ein  Brennofen  mit  zugehörigen  Maierialräumen 
erkennen.  Ich  lasse  den  Berichterstatter  selbst  reden:  »Dann«  (nach 
Auffindung  von  Münzen  dicht  unter  der  Oberfläche)  »kam  man  etwa 
senkrecht,  von  der  Ackerfläche  4'  tief,  auf  einen  mächtigen  Aschen- 
häufen  welcher  »ch  bis  7  Fuss  tief  unter  die  Erdoberfläche  erstredete 
und  7  und  5  Fuss  Durchmesser  hatte.  Die  senkrechten  Wände, 
aus  gewachsenem  Boden,  waren  nicht  ausgemauen,  aber  bis  zu  einigen 
Zoll  Tiefe  angebrannt;*  etwa  2'  höher,  oder  5'  unter  der  Oberfläche 
kam  man  auf  eine  geebnete,  ebenfalls  brandige  Stelle,  die  unmittelbar 
an  das  Aschenloch  anschloss,  welche  aber  bis  zu  einer  Höhe  von 
2  Vit — y  mit  teils  ganzen,  noch  mehr  aber  mit  zerbrochenen  Gefässen 
aller  An  buchstäblich  angefbUt  war;  von  dieser  Stelle  sind  alle  .die 
itis  Museum  gesandten  Töpfergegenstände.  Die  Stelle  war  12'  lang 
und  wohl  ebenso  breit.  Auf  der  Ostseite  dieser  KQche  (?)  lag  ein 
mächtig  grosser  Haufen  zerbrochener  unregelmässtg  aufeinanderge- 
schobener  Dachziegeln,  wovon  nur  einige  noch  ganz  waren;  es  schien 
.  als  wäre  man  hier  tm  Mittel  eines  Holzbaues,  in  welchen  bei  Gelegenheit 
eines  Brandes  das  Dach  zusammenfallend  seine  Ziegel  geschüttet 
hätte;  unter  diesen  Ziegelstücken,  welche  bis  5'  hoch  aufeinander 
geschichtet  waren,  fand  sich  eine  Stelle,  welche  tiefer  als  das 
Plateau  der  vorher  beschriebenen  (Küchen-)  Lage  war  und  in  welcher 
sich  die  Trümmer  einer  thönemen  ellipsenförmigen  Wanne  fanden, 
welche  wohl  4  und  7'  Durchmesser  gehabt  haben  möchte ;  es  schien 
eine  Badewanne  gewesen  zu  sein.  Leider  waren  aber  eine  grössere 
Masse  dieser  Bruchstücke  ohne  alle  Consistenz,  so  dass  sie  nicht 
aulbewahrt  und  zusammengebracht  werden  konnten.«  Dann  wieder 
die  bedauerliche  Angabe,  dass  die  Ausdehnung  der  ganzen  Anlage 
nicht  ermittelt  werden  konnte,  und  darauf:  »Spuren  von  Ausmauerung 
fanden  sich  auch  hier  nicht.« 

Das  ist  aber  gerade  das  wichtigste.  Wenn  je  massive  Mauern 
dagewesen  wären,  so  mussten  sie  bei  der  otTenbar  guten  HilKÜtung 
der  AnInge  noch  wenigstens  teilweise  vorbanden  sein.  Jeder  Gedanke 
an  ein  »Bad«  ist  demnach  ausgeschlossen;  für  die  Erklärung  des 
zuerst  beschriebenen  Rnnmcs  als  »Küche«  ist  auch  keine  Spur  eines 
Grundes  vorhanden.'    Charakteristisch  ist  die  Zerbröckelung  der 


'  Man  vgl.  unsere  Schilderung  des  Helundes  bei  den  zerstörten  Ziegelöfen 
oben  Sb  330. 

*  Knochen  u.  dgl.  Abfillle  werden  nicht  erwflNi^  ebensowenig  charakteristische 
Geräte.  Die  in  den  Periodisdien  Blättern  erwähnten  »KOcbengerätschaften«  sdieinen, 


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-    1|0  - 

■  lijJcvk  annc«,  die  DutvliKluhimg  Jc\  Btnicm  an  Jctn  ilt«,hl  lUMMnrnr* 
vcnicfim  Rautik-,  s1x\  ma^^cnfultc  Vurlmmmcn      Gct4%*c  unJ  /  . 
bcMmtletN  Jcf  Ittrtcrcn.  deren  y  \nt\\c  (rj  Svlii».hlcn  m  krtncn  \ cf hihr  • 
fum  t'mljii^v  lües  angeblich  %mi  ihnen  gok«.kicn  Rjumn  »cibcr 
A     piNNt  .1  i;;t>;in  >onrcitl  vh  litt  Annahm«  cmcf  ct»a*  ku«.;-  : 
/ii^ivivi  (ur.d    loplcrci?).    Dazu  'inrnrin  mm  -lu^h  Ja*  mcrrf? 
•Inwj  6*  hoher  ab  Ict^crr  Sohle«  (J.  h  moW  Jtr  «HaJ«!.*-  i.; 
uiit   ilircr  »Wjnru-*,  dein  Hii/;;jn)^')  und   \   Kt>fKT  i.s  O  c  K-, 

iin  ^bttcr  I  truh.  bn^  mul    I6"  rrcit  t^si  ^a:^ 

hi>T./tn»:jl  uar;  er       i>ur  J"  i;jiici  der  jct/si^en  Aw*.cT<>iH'*ii»  .c 
An  den  LmtkIi  svhUn%  em  schmaler,  mir  2^t'  hrcitcr  liir^    rr - 
nu'iif!ie'--cn  ^Hj^ljtiti.  in.     Die   liH^e^   aber  »jren  \aaitl:.**i  n" 
irurnnK-rt,  Jiuh  ohne  I.if.  uti>Mcmpcl«    Wenn  ÜKtc  «lue««»«  iwr 
ur>priin^:li J>tn   Anlj^e  ^eiu'fien,  **»  halfen   »ir  eine  gaai  *^  4 
l  i^^hvmun^;  vuc  bei  unseren  Olen  in  dem  Svhatnmba»un  ursi  Ar 
mit    I  j!//ic|:cln   her^c\te!!ten  WJ^^rf rinne.     Die  Z*ff'ufrt»«»'jr« 
der  l[:^'wcn  uurdc  mi>hl  iu».h  hier  \ivh  au\  der  Ver^«(««i^r..  »te* 
MatetiiU  erik'.ifcn.    I.Mrufncuvke  landen  mir  auvh  xmi\«;her  i.r«cmr 
iKen  A   uitd   den  'rtunimcm  de*  ihm  benachbarten  I^.'xt 
I>etaii  der  At.l./c  ^^uattet  der  Beruht  keine  Vermurua^ec    « ** 
nel^eti  /.  v  j  i ^; jbnkaiioii  an  dicker  den  Wcilinun^cn  naifc«.f    ..r  ^ 
S:<!lc  Jüvh  1  i  |  !eu. betrieb  aniunehiitcn  i^t,  dis  tu  cnt'«.hci*i««  »an 
eine  tewhnuv  he  l  nie?  u.vhuu^  de%  im  Wicxi*a*icncr  Mu<M:um  m»»^  jnüe*«- 
Maiei.j'.N  n.  t      vn»lxi  aber  Voran ^M:l^ul)f:  t«l,dai>>  da^^ci^e 
\uher  >tH)  dem  an  anderen  Stellen  jf^etunJenen  tretirim  la^u  Aa> 
tüllriKl  IM  di%  kelüen  aller  Stempel   aut  ikn  I  Iie^n  —  4n 
Di^'.  '.i^etn  i\i  Jaiuber  nuht^  Unicrkt        c*  kimme  i -f  |V*r 
fiduNtne  ^|He«.hen,  die  htert  aut  «ier  Anic^-uri^  dct  M...tJrM- .a«t^ 
her\4>f^e».i;.^eu  und  \ul!cKht  \<m  Veteranen  betrieben,  nwht»  \» 
la'.lende^  Kjtte  <:;id  die  l.visien/  t>t{c^^Jr  gilt  au%geMa:tr!cT 
h.iaKT  in  u!'-t  .iie*:'afef  Nahe  der  Sul'e  und  «eiicrkdi  4ce  l 
der  Ni»Lla  n«>^h  mehr  rtk.jien  «iirde»  ii\  die  Mi!>MfaKf&eW*cr  *. 
\«.)ain  (hui. 

•Mehr  «).e  ;i;v'i«  i  atnlKh,  el«a  i(»i<'  \i>n  I.'  cnttirrv. 
K'Cuh  in  A«  Ja:      t.       .  WerWcui:.  em  Meitvcl.  Vi«r:  r^. 

J«  J  i?  *       •  k^'  «'»t     «A%  c*  J  %*i  «U  Kt-««.«         nr^    I  i  V 

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-    241  - 

zerbrochene  Geschirre  und  ein  sehr  grosser  schön  rot  aussehender 
Kuppe  (sie)  Letten,  Töpfertbon,  wovon  dem  Museum  eine  Probe 
zugesandt  wurde.  Auch  eine  grosse  angehäufte  Aschenmasse,  Knochen, 
Fischgräten  etc.«  Hier  haben  wir  also  die  oben  vermissten  Spuren 
häuslicher  Einrichtung,  wiederum  aber  daneben  unzweifelhafte  Anzeichen 
des  Töpferei-  oder  Ziegeleibetriebs. 

Wenn  es  nun  weiter  heisst:  »Zwischen  hier  und  E*  ist  die 
mehrfach  beschriebene  Brandstelle  in  einer  Tiefe  von  2*  unter  der 
Oberkrume,  überall  und  selbst  durchschnittlich  W  hoch  anzutreffen. 
Unter  dieser  Brand  Inge  kommt  gewachsener  Boden  vor,«  so  entspricht 
dies  der  Beobachtung,  die  wir  überall  in  der  Umgebung  der  Öfen, 
ja  im  ganzen  Nieder  Felde  gemacht  haben. 

Der  dritte  Einschnitt  wurde  wieder  »einige  hundert  Schritte  weiter 
am  Niddabett  aufwärts  bei  F«  gemacht.  Es  ist  dies  nach  dem  Plane  dicht 
neben  der  Stelle,  an  der  wir,  hart  am  Rande  der  alten  Nidda  und 
neben  den  Spuren  früherer  Schürfungen,  die  Reste  eines  Ofens  (C) 
zu  erkennen  glaubten  und  neben  gestempehen  Ziegeln  Massen  feinen 
rötlichen  Thons  fanden.  Jost  fand  dort  »2  Stellen,  welche  auf  eine 
Tiefe  von  7 — 8'  und  eine  Breite  von  8—  lo'  in  unregelmässiger  Form 
mit  in  Kreuz  und  Quer  aufeinander  geschütteten  Dachziegelresten, 
StQcken  von  Thonplatten  u.  dgl.  m.  ausgefüllt  waren.«  Und  hier 
kommt  nun  endlich,  was  man  bei  einem  Techniker  längst  hätte 
erwanen  sollen,  und  was  seine  Benutzer  vermöge  ihres  Verharrens 
bei  unbewiesenen  Hypothesen  übersehen  haben,  die  allerdings  noch 
schüchtern  auftretende  Ahnung  des  wirklichen  Sachverhalts.  »Hier«, 
sagt  Jost,  »sah  es  nicht  so  aus,  als  sei  irgend  ein  Gebäude  eingefallen, 
sondern  es  schien  mehr,  als  seien  Vertiefungen  mit  dem  Bruchwerk 
einer  Ziegelei  ausgefüllt  worden;  es  hat  sich  hier  kein  einziges 
ganzes  Exemplar  irgend  einer  Ziegelgattung  vorgefunden,  jedoch 
mehrere  Stücke  mit  wohl  leserlichen  Legionsstempehi.«  Ich  füge  zu 
dem  Gesagten  nichts  hinzu. 

Die  folgenden  Angaben  über  einen  »7'  breiten  Gang  (bei  B'') 
mit  gebrannten  Fliesen  belegt,«  der  »in  der  Mitte  auf  die  Breite 
von  2'  etwas  eingesenkt  war,  so  dass  sich  schliessen  liess,  es  sei  ein 
Canal  darunter  hergegangen,  dieser  aber  eingefallen«,  erregen  unsere 
Verwunderung  darüber,  dass  der  Berichterstatter,  vine  es  scheint,  diese 
»Fliesen«  gar  nicht  aufgehoben  hat.  um  sich  zu  überzeugen,  ob  seine 
Vermutung  begründet  sei.  Die  Schilderung  wie  auch  die  Zeichnung 
auf  dem  Detailplan  legen  die  Ansicht  nahe,  dass  es  sich  um  eine 
dem  oben  geschilderten  Schlämmbassin  ähnliche  Anlage  handelte. 

•  Auf  Tafel  1  bei  EJ. 

t6 


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Dem  %ur«lc  AU<h  der  t*m»ijnd  nuhi  «kiJer^prrchcn.  «1»%%  »^iiu  ^crt.  r 
der  ONduhdi  i'(>r(%ctfunK  4lic%r%  Pl4Ucii^:4"^>  v,  et»i  liit»«^* 
Atii  dem  Spc/ulplifi  liCKt  er  fiV  nordlivb       ttn  i;m  :n  Mmc 
«tchcnikr  la*  brater  (Ucul«  |:diifiiien  und  ral'H'  l^i:c  au^edr.k* 
wurde.   Dte  ZeKlinutt^  Atit  dem  «UeuilpUn«  <eii:i»  divi  Jet  kvu. 
jKit!««h  dem  m  I  rinkluri  ^vlundcneo  wi  der  ydile     t  I  aJ»  ...  - 
der  14  K^i:um  be1ei;t  «ar»  die  iber  jutfallender  Wciw  n*-s  ^ 
I  all  iu«.h  umen  lii-):en.  Wenn  min  jut  der  tiberen  l  lj^hr  der  Ncv^i 
«ulithar  «ird«  mi  heruln  die«  <«eitellt*%  Jut  einem  l  ehler  der  icm* 
nunjc.  da  dic^  An  «tm  Zie|:cln  rc»:clmi\»ii;  aul  der  Seile  f^t^pf 
Mnd,  nawh  wc:t.hcr  der  Kand  vtir^prin^t.  Mit  dem  nach  dem  IXctk 

t  lim  im  Diirvbme%«ef  (!)  breiten  TurmfundanKin  (A^)  muV 
der  %iin  HiKint  na^ti  Nied  führenden  (Ihaii»»ee«»  «cUhe%  m  der  ü": 
der  bettmarug  feMen  •|-tindamenima%%e  ane  Itmivhe  \<f:'«etf^< 
haue,  kam  man  navh  der  Mrhr  iibcrila«iiluhen  BewhreibuPi;  hjnft  ar 
Auicuhmc  eben««}  «eni}{  anlangen,  aU  o  nach  den  ffedru«»?«*  k 
ruhten  «either  der  ball  war.  Nur  da«  darf  man  mit  Nuliethcis 
da««»  menn  auf  dem  beschriebenen  l  eid  ein  Ka%tell  iac.  d>%M«  a-««* 
hfiie  lurmlundamem  ni^ht«  daiiut  lu  thun  hatte. 

Viel  «Kliii|;er  lur  eine  «patere  Wiederaulbahaic  der 
(<«f«:httnKen  i%i  r«.  da«%  »in  der  Mitte  ««iwben  A'  and  B*  9jr 
Spuren  einci  Wei;r«  fand*  wcUhrr  iikL  der  Graben  iK'  httit  %t. 
Beide (jraben  waren  mit  Braodt«,huti,  n^iirumer  alte  Kapre!.  H««Ii4.^^ 
KiMtwhcn  und  Scherben  aller  Art  nnkatnen,  Jtt«i;ela!li  •  IIa«»  iC«v 
<<rabcn.  re«p.  die%er  Wc^*  .  .  .  «le  alle«  andere  nur  aus  c-ie  «irr.* 
Sire^lc  «erit>l^(  »erden  k«inme«,  naniiuh  aul  den  bn  der  Knrna«.^'^« 
neu  an^clcfcicn  beldwefcm,  »ar  iur  die  l.f^chnt^ve  imer  .Au'A:**Nr«^ 
recht  iini;t«n\ii|;»  um  vti  i.»n«ii^'i'r  für  ena  pljnma\%i|;eWi<d«r«."«*-T!» 
der  Ka«.htorvhit.n^rn.  Da^«dir<<*be  an  den  anf;e«%hiiistcnen  vtcl-c*    • ' 
bedeutende  R€%uiiJte  «cr%pf.«ht,  da%     und  nuht  «le!  meKt  rrin 
die  Miifi.>.ii:^cn  lo^is  in  «ittlkunitiutict  t  wrri'!%!immuinf;  m  ■ 
»bin  au^l,'r^pro^hrllin,  aul  der  R«:%Khti^uii|;  dr%  leide«  **'\m*^*ta  • 
Vernm:ui*»'i-n.   I.m  tfit'vchiedefie«  Verdien«!  aber  hat  % I  <r  . 
»ttr;en  diifvh  I  riitrif  i.f:»;  der  Mra\^mt<.liiu'ti:  aul  dem  Srvr 
wenn  auvh  leider  nu  auf  eme  lur/e  Sire%ke.   l>ic  ^wA^vf  - 
VecUni  cruni»  de«  cau'rtrj^'cnen  Sfuvke«  wurde  an  umcftw  i  tr- 
olcn  A  «uruKr*  die  «ujuvituhe,  mit  der  ««m  un»  tceivAirM"     •  ■ 
k  tili«  er  gierend,  rar  4'teti  SlJda^r«iwke  !..'iren.*  Damti  as«c«  wv«: 

'.>.•>  '  '  .    -  fr     J      r      I"      »;    fr  ,  « 


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—    24?  — 


wichtige  Anhaltspunkte  für  die  Topographie  des  römischen  Nied 
und,  wie  wir  später  sehen  werden,  für  die  Lösung  der  Frage  nach 
der  Herkunft  des.  in  den  Ziegeleien  verarbeiteten  Thons  gewonnen, 
die  enge  zusainmenhängt  inil  der  nach  den  Ursachen  der  Wahl  und 
Beibehaltung  gerade  dieser  Stelle  iür  die  Anlage  einer  römischen 
Militärziegelei  ersten  Hanges. 

III.  Ve  r  k  e  hrswege  und  Herkunft  des  Materials. 

Die  weiteren  Mitteilungen  Josts  über  die  nach  Angaben  der  Orts- 
bewohner in  der  Umgebung  von  Höchst  und  Nied  noch  vorhandenen 
l'undsiellen   römischer  Gebäudereste   und   Gräber  sind   teils  auch 
anderweitig  bekannt,'  teils  gehören  sie  nicht  in  den  Rahmen  dieser 
Abliandlung.  Soweit  sie  erwähnenswert  sind,  werde  ich  sie  demnächst 
an  anderer  Stelle  und  in  anderem  Zusammenhang  verwerten.   Nur  auf 
einen  Punkt  müssen  wir  schon  hier  eingehen.  Er  betrifft  die  einzige, 
schon  früher  als  zweifellos  erwiesen  angesehene  Strasscnverbindung 
der  Niederlassung  von  Nied  mit  anderen  Römerplätzen  der  Wetteraii. 
Man  erkannte  dieselbe  in  dem  vom  Dorfe  Nied  am  Römcrhote 
vorüber  nach  Bockenheim  führenden,  auffallend  geradlinig  verlaufenden 
und  stattlichen  Vizinalwege,  auf  dessen  Benutzung  in  römischer  Zeit 
man  aus  der  AufHndung  römischer  Gebäudereste  am  »Heidenschloss« 
im  Niederwalde,  nahe  dem  Römerhofe,  und  hei  der  Bockenheimer 
Husarenkaserne  schloss.'    Als  Fortsetzung  dieser  Strasse  betrachtete 
man  den  ebenfalls  ziemlich  geradlinig  von  Bockenheim  nach  Bergen 
ziehenden  »Diehsweg«,  dessen  Richtung  jenseits  Bergen  dann  wieder 
die  »hohe  Strasse«  bis  zum  Limeskastcll  Marköbel  einhält.'  Dass 
diese  Wege  in  ihrer  Richtung  durch  das  Vorhandensein  einer  römischen 
Strasse  bedingt  sind,  ist  unzweifelhaft  und  für  den  östlichen  Teil 
von  mir  selbst  an  verschiedenen  Stelleu  näher  belegt  worden.  Dass 
aL->cr  die  heutigen  Wege,  insbesondere  auch  beim  »Heidenschlosse«, 
nicht  überall  noch  genau  die  alte  Strassenflucht  einhalten,  werden 
die  Ausgrabungen  der  Limeskommission,  die  sich  ja  auch  auf  dieses 


*  Man  vgl.  meinen  Bericht  über  »römische  Ausgrabungen  in  der  Umgebung 
von  f  lochst-NicJ  und  Rödelheim«.  Austug  im  Konrespondenzblatt  der  Westdeutschen 
Zeitschritt.  XF,  1H92,  i,  i. 

•  V.  Coluuscn,  Der  römische  Grenzwall,  S.  28*^.  Hammf  ran,  ürgesch.,  S.  27. 
'  V.  Cohausen  1.  L  Um  die  Erforschung  dieses  und  anderer  aher  in 

der  Umgebung  Frankfurts  hat  sich  Sanitätsrath  Dr.  Lots  verdeint  gemacht.  Die 
Ergebnis'^c  seiner  Begehungen  dci  Tcrr.iins  uiui  Hrkundigungen  bei  den  Ortsinsassen 
^ind  in  zahlreichen  Artikeln  des  Knrrcsponden/blattes  des  (jesamtvcrein*?  der 
deutschen  Geschichis-  und  Altertumsvereine  aus  den  Jahren  1875—88  verotienllichl. 

i6» 


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einen  Drnckfehler  als  90  bezeichnet;  das  Gtat  aus  Fuchs  zeigt, 
sie  sich  auf  93  bezieht.)  Trotz  aller  Differenzen  ist  die  Identitä 
sSmttichen  genannten  Stempel  nach  den  von  mir  vorgenomm 
Messungen  und  Vergleichungen  zweifellos.  Dasselbe  gilt  von 
folgenden  Exemplaren. 

«B  Witshadtn.  Wiesbadener  Museum  ohne  nihere  Angab« 
Fundortes.  3  Hypokaustplatten  o»3i  1.  u.  br.,  Kat.  10061  und  ic 
cf.  N.  A.  XXI,  Taf.  III,  n.  (Das  F  der  zweiten  ZeUe  fehlt). 

iK  Mariet^eU,  Wiesbadener  Museum«  4  Hypokaustplatten  o 
u.  br«,  Kat.  10346,  10247,  10249  Stempel  zweimal  quer 
einander),  10250  (fragmentarisch),  i  grössere  Plane  0,27  lang 
breit  (wohl  aus  demselben  Hypokaustum  wie  die  anderen  als  Zwis< 
läge  zwischen  dem  Fussboden  und  dem  eigentlichen  Pfeilerc 
Kat.  10209;  ^«  Brambach  1545, 8.  Die  Stempel  finden  sich  bei  B< 
und  Klein,  L  N.  nicht ;  sie  sind  also  wohl  nach  Ablassung  der  St 
ins  Museum  gekommen. 

«  Heädemhäm,  cf.  Brambach  149 1,  c,  ii;  Frankfuner  A 
VI,  17,  3.  Becker  hat  hier  das  F  der  zweiten  Zeile  richtig  erk: 
auch  der  Punkt  nach  S  scheint  nach  einem  Mainzer  Exemplare  rii 
zu  sein. 

^  Bimtadt  (?).  Becker,  I.  N.  1878,  S.  545:  'y'^.^^jiJiv** 

wohl  ein  Stück  desselben  Stempcb.  Ich  habe  das  Exemplai 
Wiesbad,  Museum,  wo  es  nach  B.  sich  befinden  soll,  nicht  geAin 
cf,  Brambach  1509,  4.   (Im  Register  $.  380  fehlt  diese  Nummer 

»  IVoms  (Fig.  I  }8  ).  2  Platten  0,42  1.  u.  br.  und  i  H 
kaustplatte  0,21  i.  Q.  Im  Faulusmuseum.  *  Weckerling  II,  S 
6,  8  und  9  (auch  7?).  Das  F  nach  dem  Namen  ist  hier  üb 
erkannt;  die  Verschiedenheit  der  Interpunktion  zwischen  6  ui 
(bei  letzterem  fehlt  der  Punkt  nach  G  und  L)  ist  irrelevant  (s.  ol 
Der  Grössenunterschied  (loVt  cm  und  10  cm  Länge)  zwisch« 
und  8  erklart  sich  durch  schrägen  Eindruck  des  Stempels  6, 
noch  deutlich  am  Abklatsch  zu  erkennen  ist.  In  der  atlgenie 
Bemerkung  zu  dem  Stempel  (S.  90),  wo  W.  die  ihm  l  ckaii 
Fundorte  desselben  angiebt,  nennt  er  auch  Birstein.  Das  beruht 
Verwechselung  mit  dem  früheren  Auf  bewahrungsorte  eines  RückL 
Stempels  (jetzt  im  Hanauer  Museum).  Üb  W.  mit  Recht  einen  1 
Schannat  Hist.  ep.  Worm.  im  ersten  Teil  des  Katalogs  als  Legi 
baustein  bezeichneten  »Denkstein«  jetzt  mit  Rücksicht  auf  die  neu 
ZieijcHnnde  bezweifelt  und  annimmt,  dass  es  »jedenfalls  auch 
solcher  war«  (S.  89)»  lässt  sich,  da  der  früher  im  Bischo£sbol 


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—  245  — 


und  der  Grenze  ansah,  hat  es  verschuldet,  dass  man  die  als  sekundiren 
Verbindungsweg  betrachtete  Linie  Bergen-Nied  an  letzterem  Orte 
gleichsam  in  einem  toten  Winkel  endigen  liess,  ohne  eine  direkte 
Verbindung  mit  Kastel-Mainz  zu  suchen,  obgleich  doch  schon  die 
früher  erwähnten  Inschriften,  wenn  sie  auf  Nied  bezogen  wurden,  auf 
eine  solche  hinzuweisen  schienen.  Man  suchte  nur  einen  nördlichen 
Anschluss  an  die  Elisabethenstrasse  und  über  dieselbe  hinaus  Ver- 
bindungswege mit  Jen  Taunuskastellen,  wobei  man  Fundstellen 
römischer  Reste  als  Wegweiser  benutzte.'  Ein  wirklicher  Strassen* 
körper  war  weder  gefunden,  noch,  soviel  sich  aus  den  Berichten 
erkennen  lässt,  ernstlich  gesucht  worden.  Um  so  auffallender  ist  es, 
dass  gerade  das  wichtigste  Ergebnis  der  Jost'schen  Ausgrabungen 
so  gänzlich  unbeachtet  geblieben  ist.  Dass  der  von  ihm  gefundene 
Weg  nicht  nur  verschiedene  Teile  der  Zieglerkolonie  verband,  sondern 
aus  derselben  hinaus  ins  Land  führte,  dafür  spricht  bei  aller  Ober- 
Bächlichkeit  des  Berichts  die  Erwähnung  von  Chausseegräben,  die  er 
mit  unserer  rechtsmainischen  Landstrasse  gemein  hat,  es  sprechen 
dafür  auch  die  Mitteilungen  der  Dorfbewohner  über  Urnenfunde  in 
der  Verlängerung  der  von  Jost  angegebenen  Kichtung  nach  NW., 
jenseits  der  Bahnlinien  Höchst-Frnnl;furt.'  Der  weitere  Verlauf  dieser 
Strasse  ist  noch  festzustellen  und  durfte,  nachdem  man  nun  bestimmte 
Anhaltspunkte  gewonnen  hat,  auch  ohne  grosse  Schwierigkeiten  fest- 
gestellt  werden 

Noch  günstiger  sttht  es  in  Beziehung  auf  die  westliche  Fort- 
setzung der  rechtsrnainisciien  Ufersirassc.  Dass  dieselbe,  der  Haupt- 
richtung des  Mains  folgend,  im  heutigen  Höchst  jenseits  des  Sulzbaches 
ein  Knie  bildete,  war  a  priori  anzunehmen ;  ebenso  dass  das  Knie  etwa 
da  zu  suchen  sei,  wo  die  Verlängerung  des  westlichen  Stückes  der 
Elisabethenstrasse'  in  der  heutigen  Stadl  die  Verlängerung  des  von  uns 
aufgedeckten  Strasscnkorpers  schneiden  würde.^    Für  die  Richtigkeit 


*  F.  \'v  uuclm  Sclimidt  in  Lukalutucräucliuiigcn  über  den  Pfahlgraben,  heraus- 
gegeben von  E.  Schmidt  in  d«n  Nass.  Ann.  Vf,  107  £,  der  S.  141  ff-  Habels  Ver- 
mutungen weiter  ausführte  und  begründete. 

*  Ähnliclic  N'.ichrichtcn  wn'cn  c$  wohl,  wckhc  Habel  uiul  luich  iliuj  Oberst- 
licutcnant  Schmidt  veranlassten,  eine  nStrasseiiiinie«  von  dem  von  ihnen  angenommenen 
Kastell  nacli  N.  (nach  der  «Heidenkirche«  am  kleinen  Feldberg)  anzunehmen. 
Vgl.  Nass.  Ann:  VI,  S.  141. 

3  Ich  incitK  den  von  Mainz-Kastel  bis  über  Diedenbergen  hinausführenden 
Teil,  che  sie  das  tioppdtc  Knie  bei  f!ofheini  macht. 

•»  Etwa  bei  dem  Buchstaben  vJ  westlich  der  bteinmülile  auf  unserem  Plan 
Tafet  L 


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—   3o6  — 


-  Saalburg  (Fig.  149*).  v.  C  u.  J.  LXXVI,  24. 

=  Haßtim,  cf.  Brambach,  150;,  €  nach  Becker,  I.  N. 
S.  547  (134)  ^i*^  museo  Wisb.« 

wm  Heddembeim,  cf.  Brambach  1491,  6,  nach  Becker,' L  N. 
^>  543  (137)  museo  Wisb.«  Ich  fiind  die  beiden  Exemph 
Wiesbadener  Museum,  das  eine  (Kat.  10174}  auf  einer  042  1. 
0^5  dicken  Platte,  das  andere  (Kat.  10 170)  auf  einer  0,28  1. 
Hypokaustplatte.  Dadurch,  dass  auf  den  Abklatschen  die  Si, 
weggelassen  wurde,  ist  es  mir  leider  nicht  mehr  mdglich,  zu 
welches  der  beiden  Exemplare  von  Hofheim  und  welche 
Heddernheim  stamnu.  Beide  aber  sind  mit  unserem  Nieder  Si 
identisch;  die  scheinbaren  Abweichungen,  Jass  nach  B.  beiff 
beimer  Stempel  das  F  nach  R,  bei  dem  Heddernheimer  nach  P 
sind,  wie  ich  mich  durch  Vergleichung  der  Originale  überz 
nur  durch  die  Be£.!nKiii:^iint:,  h/.w.  mangelhaften  Abdruck  des  Stt 
veranlasst.  Aus  Heddembätn  Hndet  sich  der  Stempel  noch  t 
sehr  gut  ausgeprägt  im  Frankfurter  xMuseum  X,  6358  (Fig. 
Was  den  Namen  betrifft,  so  ist  wohl  eher  an  Augurinus  zu  d 
als  an  Augur,  wie  Brambach  nach  dem  Register  S.  380  die  St 
1491,  c,  6  u.  14.  und  1503,  6  liest.  Hin  practectus  C.  lulius  Aug 
wird  genannt  auf  einer  Steininschrih  aus  Keros  Zeit,  die  im 
1882  bei  den  Brückenarbeiten  im  Rliein  bei  Mainz  gefunden  w 
cf.  J.  Keller,  I.  Nachtrag  zu  Beckers  K:it.  S.  12,  No.  130,  b.  Ü 
Stempel  Brambach  1491,  c,  14  von  Heddernbmmt  ^^'^  welcher 
selbe  Legende  wie  auf  dem  unsrigen,  aber  in  einer  Linie  stein 
Becker,  L  N.  1878,  S.  547  (134)  ungenau  wiedergegeben  ist, 
ich  nicht  entscheiden;  im  Wiesbadener  Museum,  in  dem  er  sich 
Beckers  Angabe  befinden  soll,  iiabe  ich  ihn  nicht  gesehen. 

=  Schlossiui.    cf.  K.  Christ,  B.  J.  XLIX,  S.  112. 

10)  LHG  XXHIM^  (Hg.  i$o). 
IVLBLLLiCl- 

I  Lalzziegclsiück,  gefunden  bei  D. 

=  U'ieshadt'ti,  nach  v.  Cofiausen,  X.  A.  XXI,  Taf.  III,  f. 
habe  den  Stempel  im  Museum  nicht  gefunden. 

Im  Wiesbadener  Museum  befmdei  sich  ein  Volivaliar  (cl.  i 
bach  1107),  der  »in  der  Mainzer  Festiinpsmauer  innerhali' 
Walle  zwischen  dem  Neuthor  und  der  C'it.ulcüe  hoch  oben  t 
mauert  war«.  Denselben  h.u  I5IBIS  TRiBLS  •  QUDKVil  (?) 
Bl  I.l  I(:\'S- V...  RA  lJiGXXÜ  P  1^  gewcihr.  Hei  der  Selu 
des  (.ognomens  ist  dieser  Stein  von  besonderer  Bedeutung  fu 
hrklurung  unseres  und  anderer  Namenstempel.  Darüber  unten  1 


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-   247  - 


ist  aus  der  alten  Sudt  nur  ein  Fund,  und  zwar  ein  Mfinzfond,  fest- 
gestellt worden,  was  sich  leicht  daraus  erklärt,  dass  für  jene  sich 
eine  mehr  als  uusendjährige  Existenz  nachweisen  lässt,  während  die 
östlichen  Teile  der  Stadt,  eben  die,  in  welchen  zahlreiche  Münzfunde 
gemacht  sind,  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  entstanden  sind.  Es  ist 
daher  auch  erklärlich,  dass  Schmidt  »vor  den  östlichen  Häusern«  von 
Höchst  noch  —  freilich  sehr  unbestimmt  angedeutete  —  Spuren  einer 
nach  N.  führenden  Strasse  konstatieren  konnte.'  Ob  dieselbe  das 
von  Schmidt  angenommene  Ziel  verfolgte,  das  können  wir  ebenso 
wenig  entscheiden,  wie  dies  bei  dem  von  der  Nieder  Fundstelle  nach  N. 
verlaufenden  Wege  möglich  war. 

Dagegen  scheint  es  mir  aus  inneren  Gründen  zweifellos,  dass, 
sei  es  bei  Nied  oder  im  heutigen  Höchst,  ein  Weg  nach  NW.  ab- 
zweigte, der,  dem  Laufe  des  Liederbachs  folgend,  der  Herbeischaffung 
des  für  den  Ziegeleibetrieb  nötigen  Materials  diente.  Auf  diese 
Richtung  wurde  bereits  während  der  Ausgrabungen  unsere  Aufmerk- 
samkeit gelenkt.  Zu  den  Besuchern  der  Ausgrabungsstätie  gehörte 
auch  der  Besitzer  einer  grösseren  Dampfziegelei  in  Münster  im  Taunus, 
Herr  Schuckmann.  Derselbe  erklärte  beim  Anblick  des  im  Schlämm- 
bassin' und  neben  dem  Ofen  A  gefundenen  weissen  Thons  sofort, 
das  sei  Münsterer  Material,. und  zwar  gerade  aus  den  Lagen,  welche 
er  wieder  in  Anbau  genommen  habe.  Zum  Zweck  der  Prüfung  dieser- 
seiner  Ansicht  nahm  er  sich  einen  Klumpen  des  Materials  mit^  um 
ihn  zu  brennen.  Ich  erinnerte  mich  später  an  diese  Bemerkung,  als 
ich,  um  die  Provenienz  unseres  Thons  festzustellen,  mich  in  der 
einschlägigen  Litteratur'  umsah  und  dabei  immer  wieder  auf  die 
Gegend  von  Münster  und  Kelkheim  verwiesen  wurde,  wo  mächtige 
Thonlat'er  zu  Tage  treten  und  daher  zu  einer  bereits  seit  langer  Zeit 
bestehenden  Ziegler-  und  Töpferindustrie  die  Grundlage  geboten  haben, 
während  in  der  Umgebung  von  Höchst,  Nied  und  Heddernheim  der 
reine  Thon  durch  eine  so  starke  I,öss-  und  Lehinschicht  bedeckt 
ist,  dass  an  eine  örtliche  Gewinnung  des  von  uns  aufgefundenen 


*  A.  a.  O.  S.  141. 

*  Nach  seiner  Angabe  wire  die  techaisch  richtigere  Bezeichnung:  »Sumpf«. 

'  Von  besonderem  NX'cit  wir  mir  die  Schrift  von  Dr.  phil.  F.  Kinkclin;  Die 
nutzbaren  (»esleine  und  Mineralien  zwischen  Taiimis  und  Spessart.  Sonderal-'druck 
au!>  dem  Hericiit  über  die  Sencitcnbcrgisclic  nalur  forschen  de  Gej^elli^chalt  in  l'rank- 
furt  a.  M.  1887/88.  Daneben  bot  mir  nummgfache  Aufklärung  über  topographische 
Tragen  das  Buch  von  Sanititsrath  Dr.  Grandhomme:  Der  Kreis  Höchst  in  gcsund- 
heitliclitr  und  <^e>undheil:-.poli/cilic:ier  Rc/ichung  cin?>chliesslich  einer  gCSChichllichen 
und  geologischen  Beschreibung  desselben.  Frankfurt  a.  M.  1887. 


t  kleines  ZlegetstQck,  auf  welchem  nur  die  bei  dem  ers 
fehlenden  Teile  der  ersten  Zeile  erhalten  sind.  Nach  der  G 
und  Form  der  Zeichen,  sowie  nach  der  Beschaffenheit  des  Mar 
durfte  es  demselben  Stempel  angehdren.  Fiindort  bei  D. 

=  Schhssau,  im  Mannheimer  Museum  (Fig.  152^);  cf. 
mann  115.  Nach  meiner  Vergleichung  des  guten  Abklatsches  is 
von  Baumann  als  zweifelhaft  beaEcichnete  Venilcalstrich  nach 
zweiten  V  nur  ein  dreieckiges  Interpunktionszeichen,  so  das: 
Namen  C  V  V*  lautet  mit  folgendem  F(ecii).  K.  Christ  hat  i 
XLIX,  S.  Iii)  frühere  irrige  Hrklärungen  z.  T.  selbst  zurOck^enoin 
Hin  C.  Vibulius  Wilentinus  milcs  leg*  XXU  wird  auf  einem  Grat 
aus  Mainz,  im  Mainzer  Museum  genannt ;  cf.  Becker,  Kat.  192. 

13)  (C?)AriTFORTF  (Fig.  i53"-*). 
kEGXXPR 

I  Backsteinbrocken  (Fig.  I53')>  gefunden  vor  Beginn  der 
grabungen  in  der  Nähe  des  alten  Niddabettes  bei  einer  Bc^ehun^ 
Feldes  durch  Gymnasiallehrer  Blflmlein  und  den  Verfasser. 

^  Htääenbfim  (Fig.  153^).  Backsteinstflck  ganz  gleichci 
im  Frankfuaer  Museum  X,  6355.  Geschenk  des  Herrn  Sanitäi 
Lot7,  angeblich  aus  Heddernheim.  Der  Namen  (C  ?)  Avitius  F 
scheint  zweifellos.  Ober  das  nomen  gentilicium  Avitius  (röm 
nicht  celttsch)  handelt  Holder,  Altceltischer  Sprachschatz,  S.  3 1  j 

•  14)  LHG  XXIIP-F  l  (1-ig.  154'"''). 
LCASKVl 

I  Ziej^clstück  o,(>  |  dick,  ijelb,  gut  gebrannt,  mit  geringem  S 
Zusätze,    l'unduri  l>  (1  i^.  J  >4  )■ 

=  Schlossau.  »Ziegel«  im  Mannhcinur  Mu.scum  (Fig.  i 
cl,  B.iuin.inn  ii8;  d.  Christ,  H.  J.  XLIX,  S.  110,  ^  Die  Deu 
L(uciü.s)  Cae(i.i!nis)  Sev(cius)  t(ecit)  ist  nur  eine  \on  vielen  r 
liehen.  Denn  w.is  B;Hini;inn  für  den  Qucisuuh  hiiucr  CA  hiclr 
nur  ein  Intorpimkiiuni/cuhfn,  wie  :nkh  K,  Christ  (R.  J.  X 
S.  iio,  1)  erk.uHue;  Brambach  6i8  \Mi\i  ein  Caldius  Severus  «;cn. 
i>t)e!i  können  gerade  bei  diesem  Stempel  alle  Citaie  nur  excii 
(ikatonschen  Wert  haben. 

15)  .  .  G  XX  HR  Ii  F  (Hg.  ijsO. 

 \  KD 

1  Backsteinbrocken  0,044  dick,  gelbrot,  gut  gebrannt,  ( 
Qitarz,  wenig  Sand. 

Nfiirnhfiiii  ^    aber  nicht    identi  ^^  li.     M  innhcimer  Mus 
(Fig.  lij'J.  cl.  Baumann  1 16^  Christ  l.  i.    216.  Die  Ähnlichkeit  be 


—  249  — 


alten  Gruben  deckt,  nach  Angabe  der  Ortsbewohner  an  Stelle  eines 
älteren  Hochwaldes  getreten,  dessen  Boden  nach  der  lokalen  Tradition 
niemals  Thon  entnommen  ist.  Diese  Aussage  gewinnt  an  Glaub- 
würdigkeit durch  die  Erklärung,  die  mir  Herr  Schuckmann  auf  meine 
Frage  gab,  warum  denn  die  Mfinsterer  die  zweifellos  weit  reicheren 
und  besseren  Thonlager  unbeachtet  Hessen  und  sich  mit  schlechterem 
Material  begnügten.  Es  sei  zu  fett  und  sandfrei,  sagte  er,  und  werde 
daher  ohne  die  richtige  Vermischung  mit  Sand  beim  Brennen  rissig; 
bei  zweckmässiger  Behandlung  dagegen  sei  es  vorzüglich  und  ebenso» 
wohl  zur  Töpferei  wie  zur  Herstellung  von  ßrandziegeln  zu  verwenden. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  die  Bemerkung  gestattet,  dass  zwischen 
Münster  und  Oberliederbach  am  Wege  nach  Höchst  Ziegeleien  liegen, 
welche  feuerfeste  Ziegel  aus  dem  dort  anstehenden  Thon  herstellen, 
der  mit  scharfkantigen  Quarzkömern  so  gemischt  gefunden  wird, 
dass  eine  künstliche  Zerkleinerung  der  letzteren  nicht  nötig  ist.  Die 
Zusammensetzung  der  Steine  erinnert  an  die  der  Decksteine  in  unserem 
Nieder  Ofen,  während  die  in  demselben  hergestellten  Hypokaust- 
kacheln  zweifellos  künstliche  Mischung  des  Münsterer  Thons  mit 
dem  geeigneten  Quarz  verraten. 

Diese  Beobachtungen  bringen  uns  zugleich  die  einfachste  Losung 
der  Frage,  warum  die  Römer  gerade  Nicd-Höchst  für  die  Anlage 
ihrer  Militärziegeleien  gewählt  haben.  Es  ist  die  Stelle  am  rechten 
Mainufer,  welche  den  Thonlagern  des  Taunus  am  nächsten  liegt,  und 
von  den  letzteren  hat  wiederum  kein  Teil  geringeren  Abstand  vom 
Mainknie  bei  Höchst  als  die  Münsterer  Gruben. 

Nun  fiel  mir  schon  beim  ersten  Besuche  von  Münster  dicht 
östlich  vom  Dorfe,  jenseits  des  Liederliches,  ein  am  rechten  Ufer 
des  letzteren  z.  T.  liIs  Hohlweg  verlautender  Feldweg  durch  seine 
Gcradlinigkeit  und  durch  den  Umstand  auf,  dass  er,  den  Vizinalweg 
von  Soden  nach  Münster  kreuzend,  ausserhalb  des  Dorfes  bleibt  und 
nördlich  desselben  sich  so  gabelt,  dass  der  eine  Arm  nach  den 
Thongruben,  der  andere  naeh  Kelkheim  zieht,  wo  ebenso  wie  dort 
sich  alte  Thongruben  befinden  und  eine  althergebrachte  Töpfer- 
industrie bestehen  soll.  Nach  SO.  zieht  der  Weg,  z.  T.  durch  den 
Licdcrb.ich,  der  sein  Bett  verändert  zu  haben  scheint,  zerrissen,  an 
den  Dörfern  Niedcr-iiotheim ,  Oberlicderb;ich  und  Unterliederbach 
vorbei;  er  hält  sich  immer  auf  der  rechten  Seile  de^  Baches,  wahrend 
die  jetzige  Strasse  dem  linken  Ufer  folgt,  und  ist  bis  in  die  Gemarkung 
Höchst  7A\  verfolgen.  Die  Verlängerung  des  zuletzt  erkennbaren 
Stückes  würde  nördlich  von  Höchst  nach  der  Steinmühle  und  jenseits 
derselben  auf  unsere  Ziegelsiätte  führen.  Da,  wo  der  Weg  nahe  dem 


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L  l 


XXII  MAK^ 
PR  P  AEK 
F  F 

I  Platicnstück,  gut  gcbr.iiiin,  uelb,  0,05  dick,  gefunden 
(l  it'.  159').  Die  Form  des  Stempeln  w  Ärc  niis  dem  kleinen  Fni; 
welche^,  dazu  bo  unglücklicli  abgebrnchcu  war,  d.iss  rnan  das  i 
liegende  T  für  einen  Teil  des  symmetrischen  Strichornamenis 
njussie,  nic!it  /u  erkennen  gewesen,  wunu  ww  nicht  im  1  coruar  il 
dem  auf  Jcui  i  nedhule  zu  IkdJernlKini  aufgedeckten  Hvpokai 
den  LMn-^en  Stempel  (11^;.  i  y)  )  uctuiulen  und  dadurcli  zuglcK 
Müglichkcu  gewonnen  hatten,  die  Idcniit.u  unvcrcs  Fragtnent 
mehreren  anderen,  z.  T.  fali»cli  puhhzierien,  von  anderen  * 
nachzuweisen. 

=  Ht'dderuhehn  (Fig.  159'').    S.  t)bcn.    Platte  11.56   1.  u 

0.  045  »J'^^j  uiucrste  Lage  eines  H\ pokaustpfeücrs,  und  7:wei  E 
Mucke  einer  gleichen  Platte  mit  der  rechten  lülüe  des  Ster 
Im  Musemn  /w  W  iesbaden  l.md  icli  I  ragmente  des  Stei 
eins,  K.M.  10215,  .uil  einem  (^O)  ni  dicken  Plattenstucke  \ov.  i^li 
Bescli.ifkiihcit  wie  die  unsrigen,  um  .nuicie-.,  K.u.  10214,  * 
tJuntKit.n  Zu.  i;elsiück,  die  Ixidc  .ils  .uis  llcdJtiiiheim  st.nii 
bezeiclinci  .sind,  ho  dem  einen  1S60  als  j.ihr  der  hiv,e 
angegeben  ist,  so  Likl.ni  es  sicli,  d.i^^  die  Stucke  bei  Becker- 

1.  N,  noch  nicht  vorkommen.  Auch  bei  Brambacli  finde 
sich  nicht. 

«  Frieiihtijy.  Mehrere  Fragmente  des  Stempels  im  Schult 
Bau  des  Wasserturms  von  G.  DieHenbach  und  Rektor  Schaefer 
gefunden.  Diefenbach,  Handkat.  \\  93  stellt  aus  ihnen  die  Le^ 

zusammen:  [^.i^^i^fAHRF  '  ^u^ntiUt  nach  den  sorj 
hergestellten  Pausen  zweifellos. 

=s  H'ieshadni,  ^ciiind\.\)  aut  lingelhardts  Ackei«.  cl.  Bran 
1537,  f,  29  (nach  Per.  Blätter  1860,  15,  p.  365  und  Steiner  5708 
dem  Zusatz  »in  mus.  per.  (iit)«.  Thatsächlich  ist  der  Stempel 
mehr  dort  vorhanden.  Brambachs  Gewahrsmäimer  iibersalici 
liegende  T  und  lasen  in  der  otfenbar  z.  T.  zerstörten  dritten 
des  Namens  nur  die  Vertikalst riche  1 1.  Brambach  selbst  aber  f 
im  Register  S.  380  im  Widerspruch  zu  seinem  eigenen  Texte  S 

nur  MAR  an;  cf.  Becker  u.  Klein  i.  N.  S.  562,  No.  97,  wo  j| 

angeführt  ist  mit  dem  Zusatz,  dass  es  vermutlich  der  Töpicn 


—   251  — 


können.  Es  wird  für  die  mittelrheinis^hen  Lokalforscher,  welche 
in  der  Lage  sind,  die  von  mir  nur  bei  vorübergehenden  Besuchen 
der  Museen  oder  nach  Abbildungen  durchmusterten  Sammlungen  an 
Ort  und  Stelle  eingehend  zu  studieren,  leicht  sein,  zu  den  von  mir 
nachgewiesenen  Fällen  der  Identität  noch  weitere  hinzuzufügen,  welche 
dann  neue  Beweise  für  die  Stichhaltigkeit  der  von  mir  gezogenen 
Folgerungen  darbieten  würden.  Freitich  gehört  eine  lange  dauernde 
und  sehr  eingehende  Beschäftigung  mit  dem  Material  dazu,  um  in 
den  einzelnen  Fällen  volle  Sicherheit  der  Bestimmung  zu  gewinnen. 
Scheinbare  Verschiedenheit  der  Typen  erklän  sich  oft  aus  mehr  oder 
weniger  energischem,  aus  schrägem  oder  senkrechtem  Eindrücken  der 
Matrize,  oft  auch  aus  Unreinlichkeit  derselben  oder  aus  der  Be- 
schaffenheit des  Thons.  Dagegen  sind  auch  ganze  Reihen  gleich- 
zeitig gebrauchter  Stempel  oft  einander  so  ähnlich,  dass  nur  genaueste 
Vergleichung  und  Messung,  und  zwar  nicht  nur  der  ganzen  Stempel, 
sondern  besonders  auch  der  einzelnen  Buchstaben  und  ihrer  Abstände 
von  einander,  die  Verschiedenheit  der  Matrizen  erkennen  lässt. 
lo  dieser  Hinsicht  ist  besonders  vor  der  bequemen  Erklärung  kleiner 
Unterschiede  durch  das  »Schwinden«  der  Ziegel  beim  Brennen  zu 
warnen.  Das  mag  bei  verschiedenem  Material  (mclir  oder  weniger 
reinem,  bzw.  quarzhaltigem  Thon)  manchmal  richtig  sein,  bei 
gleicliartigcn  Ziegeln  aber  ist  auch  das  Schwinden  ein  so  gleich- 
mässiges,  dass  selbst  die  gati/cn  Fl  uten  nur  geringe  Massunterschiede 
zeigen,  diese  aber  bei  Jen  Stempeln  bereits  fast  wegfallen,  bei  den 
einzelnen  Buchsuben  endlich  ganz  ausser  Betracht  zu  lassen  sind. 
Anderseits  ergeben  dieselben  Matrizen,  wenn  die  Zeichen  in  konver- 
gierenden Flächen  auf  Holzpläiichen  geschnitten  sind,  bei  leichtem 
Eindruck  schöne,  breite,  aber  flache  Züge,  während  bei  tiefem  Ein- 
pressen die  Buchstaben  scharfkantigen  Rücken  haben.  Verzerrungen 
und  Verbreiterungen  durch  schiefen  Eindruck  kann  man  bei  einiger 
Übung   und   Sorgfalt   leicht  auf  das   richtige   Mass  zurückführen. 

Was  nun  das  tut  Vergleichung  herangezogene  Material  betrifft, 
so  habe  ich  mich  räumlich  auf  das  Gebiet  zwischen  l.ahn  und  Necknr 
beschränkt,  weil  sich  bald  herausstellte,  dass  durch  die  (irenze  Ober- 
germnniens  einerseits  und  einen  der  Xeckarmündung  entsprechenden 
Breitengrad  anderseits  die  Zone  bezeichnet  ist,  innerhalb  deren  sich 
bei  Ziegelfunden  Identität  der  xVlatrizen  mit  Jen  Nieder  Stempeln 
nachweisen  lässt.  Innerhalb  dieses  Gebietes  sind  mir  die  im  Hanauer 
Museum  untergebrachten  I  undc  vom  Grenzwall  seit  langer,  die  des 
Frank  turter  Museums  seit  neuerer  Zeit  durch  Autopsie  bekannt.  Das 
Material  des  Mainzer  und  des  Wiesbadener  Museums  habe  ich  Stück 


L 


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ihm  gestempelt  fanden,  erhielt  er  für  unsere  Präge  besonderen  ^ 
Durch  die  Güte  der  Herren  Prof.  Hettner  und  Geh«  Rat  Bücheler 
icli  in  den  Besitz  guter  Abklatsche  des  Bonner  Stempels,  welch 
Annahme  voUkonmiener  Übereinstimmung  mit  dem  unsrigenbestäti 
Ich  hatte  inzwischen  auf  gut  ausgeprägten  Hxeraplaren  der  letz 
\m  O  ein  kleines  n  gefunden.  Da  ferner  über  dem  angeblichen 
erhöhten  Rande  sich  der  Querstricl)  als  leichte  Verbreiterung 
selben  erkennen  liess  und  K  mit  V  otTenbar  ligiert  ist,  so 
Heitners  Konjektur,  ohne  d;Ks  irgend  welche  Ergänzung  nöt-i:  ^ 
bestätigt.  Rechts  scheint,  dicht  an  den  Rand  gedrückt,  noch  t 
beabsichtigt  zu  sein.  Ich  nniss  hier  bemerken,  dass  ich  meine 
deckungen  später  im  K.itnlog  des  Wiesbadener  Museums  (ic 
schon  von  einem  underen  (Rossel?)  ebenfalls  gemacht  fand. 

=  Heddernheim.  Frankfurter  Museum.  12  Uypukaustpl 
(Fig.  160)  0^21  :o»2i :  0^38;  neu  (noch  nicht  katalogisiert). 

SS  Hlesbaäen,  Wiesb.  Museum  Kat  10022  (Rhetnstrasse  li 
Hypokaustplatteo,  nach  Grösse  und  Material  «=  den  Heddemhe 
Exemplaren.  * 

«  Marietifeh.  Wiesbadener  Museum.  7  Hypokaustplatten,  (. 
falls  =a  den  obigen  i  nur  dass  die  Länge  und  Breite  zwischen 
und  0,22  m  variiert.  Kat.  10041,  10095,  10256,  10260,  10275, 
10259.  Brambach  1545,  9  liest  hier  MOIANSF  und  fi^gt  in 
Anmerkung  hinni  »sexies«  (?).  cf.  I.  K.  187S,  S.  545:  »lege  Mol 
neve  Moians,  Mdans,  Mojanus«.  Becker  weist  N.  A.  XDI,  235 
auf  Molianus  bei  Brambach  1050  hin. 

Die  Wichuglicit  der  Nanjcn:>uü)pel  für  die  uns  hauptsacf 
beschäftigenden  Fragen  veranlasst  mich,  den  für  Nied  nac 
wicsencn  '1  \  pen  noch  einige  andere  hnizu/utOgen,  die  leüs 
uns  in  Heddernlieim  zuerst  gefunden,  iciU  von  mir  dureh  Vergleik-Ii 
der  in  den  verschiedenen  Sammlungen  vorhandenen  LxeaipUre  \ 
i.Lmdigcr  oder  richtiger  festgestellt  worden  sind,  als  sie  s.icli 
Brambach  verzeichne:  finden. 

In  dem  1  h  pokaustuin  auf  dem  1  riedliof  m  Hedderuijeiin  wui 
ausser  deu  oben  genannten  im  Februar  1S92  folgende  Stempel  gefuac 

21)  LEGXXn-PR  P  F 
CAL-  STRABO 

fn  reich  ornaniemierier  Hinfassung  mit  reeliuvkiger  Aus/.ahii 
am  Rande,  wie  W).  6,  uiui  kleinen  .S,.h\v  alhenst^hw  .m/eii  vor  und  u 
|cdci  der  beiden  Zeilen  (mneriiaib  der  Umrahmung^. 


-    25}  — 


glüssten  Wcnc  Suchiers  Publikationen*  wegen  der  von  mir  immer 
aufs  neue  erprobten  Zuverlässigkeit  ihrer  Angaben  und  Zeichnungen, 
die  durchweg  auch  für  den,  welcher  die  Originale  nicht  m  vergleichen 
in  der  Lage  ist,  eine  vollkommen  sichere  Entscheidung  über  Indentität 
oder  Verschiedenheit  der  Matrizen  möglich  macht,  was  ausserdem  nur 
noch  bei  sehr  wenigen  Arbeiten  auf  dem  in  Betracht  kommenden 
Gebiete  der  Fall  ist.  Manches  entnahm  ich  den  älteren  Publikationen 
von  Hansselmann,'  P.  Fuchs,'  Dorow^  und  Habel,'  welche  besonders 
von  Figuren-  und  Namenstempeln  Abbildungen  in  natürlicher  Grösse 
gegeben  haben.  Wo  dies  sonst  bei  interessanten  Funden  geschehen 
ist,  werden  die  betreffenden  Werke  an  geeigneter  Stelle  angefahrt 
werden.  Dagegen  habe  ich  es  nicht  för  angezeigt  gehalten,  auch 
die  llteren  und  neueren  Publikationen,  welche  die  Stempel  nur  durch 
den  Druck  wiedergeben,  fonlaufend  zu  zitieren.  Denn  wenn  ich 
mir  auf  Grund  der  Stempclform  und  der  hinzugefügten  Erklärung 
auch  in  sehr  vielen  Fällen  eine  subjektive  Ansicht  über  die  Ober* 
einstimmung  der  angeführten  Typen  mit  den  unsrigen  zu  bilden 
vermochte,  so  genügten  diese  Merkmale  doch  nur  selten,  um  eine 
absolut  sichere  Behauptung  auszusprechen.  Dies  gilt  auch  von 
Brambachs  verdienstlichem  Werke,  in  noch  höherem  Grade  von 
Beckers  Katalog  der  Mainzer  Inschriften,  bei  dessen  Benutzung  ich 
besonders  bedauert  habe,  dass  der  Verfasser  es  unterlassen  hat,  die 
von  ihm  verzeichneten  Stempel  auch  auf  den  Originalen  mit  Signaturen 
zu  versehen  und  die  Herkunft  derselben  anzugeben^  so  weit  es 
möglich  war.  Es  war  mir  aus  diesem  Grunde  gerade  bei  den 
wichiigen  Mainzer  Steinen  nicht  möglich,  den  Angaben  Ober  die 
Übereinstimmung  mit  Nieder  Typen  die  nähere  Bezeichnung  der 
betretenden  Exemplare  hinzuzufügen.  Um  so  wertvoller  war  mir 

kürzunf:;en  H.  J.,  W.  Z.  b/\v.  K  tf.  W.  '/..  luul  N.  A  an.  Auch  dem  Archiv  des 
hisl.  Vereins  für  das  Grossherzogtum  Hessen,  sowie  dem  Arcliiv  lür  Frankfurts 
Geschichte  und  Kunst  konnte  ich  manche  Angaben  entnehmen. 

■  I)  In  der  Zeitschrift  (Ür  Hess.  Gesch.  und  Landeskunde.  Neue  Folge  VIII. 
Suppl.  1882  11,  S.  16  ff.  2)  m  den  Mitt.  des  Hanauer  Bexirksvercins  für  Hess 
Gesd).  u.  Landesk.  Nn.  ro,  1885.    j)  in  derselben  ZciTschrift.  Nn        1890  S  96  iT. 

*  Ch.  E.  Hansselmanns  Beweis,  wie  weil  der  Rtmier  Macht  in  denen  mit 
verschiedenen  teutschen  Völkern  geführten  Kriegen  in  die  nunmehrige  ostfrinkische 
sonderlich  Hohenlohische  Lande  eingedrungen  ist.  Schwabisch  Hall  1 768,  II.  Tbl.  1773. 

'  P.  ]o%  Fuchs  .Mtc  Geschichte  von  Mainz.    Bd.  I.  1771,  Hd  II,  1772. 

•*  Dnro'A ,  K^l.  preu«;';-  Hofrai.  ( ipfcr'^t.ittc  und  Grabhügel  der  Germanen 
und  Konter  am  Rhein.    1.  Heit  1819,  Ii.  Hett  1821. 

i  Von  Habds  Schriften  kommt  besonders  der  Anfsata  der  Nass.  Ann.  II» III,  i8$7 
in  Betracht:  Ober  die  Feldzeichen  des  römisclien  Heeres,  insbesondere  die  Cohorten» 
tetcbcn  der  32.  Legion.  .S.  98-269.  Nebst  Tafel  II- VIIL 


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aa)  leg  XXirP  P-F 
VALPRISCI 

Oblong   mit   abgerundeten  Schwalbenschwänzen  « 
Fig.  147^   Nachlassig  geschnitten  mit  ungleich  grossen  BuchstJ 
Das  I  nni  l-,ndc  der  zweiten  Zeile  soll  jedenfalls  F  bedeuten. 

Dachziegelstück,  im  Hypokaustum  vennauert. 

Im  Wiesbadener  Museum  15294  befindet  sich  ein  1883  d 
Schenkung  in  die  Sammlung  gekommener  Dachziegel  mit  demse 
Stempel,  gleichfalls  aus  Hedäernbdm.  Der  Stempel  war  bisher 
bekannt. 

2j)  LEG  XX  H  P  Pf 
BRIGICän 

Oblonj^  mit  halbkreisförmigen  Ohren  (sutt  der  Schwal 
schwänze  No.  2).  Der  letzte  Buchstabe  der  zweiten  Zeile  ist 
Steher.  Am  wahrscheinlichsten  ist  er  die  Hälfte  eines  zweiten  V. 
dass  dieselbe  Ligatur  vorläge,  die  ich  bei  No.  11  annahm. 

DachziegelstQck,  im  Hypokaustum  vermauert. 

■B  Hleshaden.  Wiesbadener  Museum.   Brambach  1537,  f 


Buchsube  der  zweiten  Zeile  ist  zweifelhaft.  Der  Zusatz  B.*s  in 
Anmerkung  S.  286:  »ulis,  sed  II  omissis,  dicitur  Bonnae  esse  in  1 
reg.«  Lersch  C.  IL  5  findet  keine  Bestätigung  in  Hettners  Kat 
No.  15J,  S.  60  u.  61.  Dorow,  Opferstätte  II,  p.  s  u.  Taf.  XI,  F: 
hat  denselben  Stempel.  Der  Stempel  ist  auffallend,  weil  abweicl 
von  der  sonst  bei  Ziegelstempeln  geltenden  Regel  nur  ein  und  ] 
ein  nichtrömischer  Name  angeführt  ist.  Dies,  sowie  das  M, 
innen  an  Topferstempcl,  cf.  Froehner  445  BRIC  .  .  .  .  (Augu 
Raur.  rep.). 

24)  SENTI  SÄBEL 
LEG  XXII PRPF 
Oblong,  an  den  Rändern  mit  schrägen  Strichen  als  Omam 

Hypokaustplatte  0,28  1.  u.  br.,  0,04  dick. 

=s  Wiesbaden.  Platiensnick  '  0,05  dick,  im  Wiesb.ul  Mus. 
K)i  \i.  1867  .Uli  S^luitxcnhul  gdiMuUn.  i  anderes,  aus  2  I  r.ignici 
zusammengesetztes  l'l.irtenstück.  0,04  dick  (14219)  in  der  lloii 
mauer  veiuuucrt  ^ciunJcii.  c\.  Wcstd.  /citNchr.  X,  1\  .  1891,  Na 
S.  ^9^,  wo  der  Namen  Scniiui,  habcUus  erklärt  wird  mit  dem 
sitz:    ) Ziegelmacher «  (v.  Cohausen),   und   Nass.  Ann.  XX\ 


(nach  L  N.        S.  547)  liest 


LEG  XXII  . .  . 
BRICIC  .  . . 


Das  G  als  vii 


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—  255  — 


artigen  Ziegelfragmencen.  Von  den  beiden  ganz  erhaltenen  Stempeln 
zeigt  der  eine  (Fig.  r ' )  die  Buchstaben  in  hohem  Relief  mit  schmal- 
zulaufendem Rücken  und  lässt  so  erkennen,  dass  dieselben  in  die 
Holzmatrize  von  beiden  Seiten  schräg  eingeschnitten  sind.  Diese 
Art  der  Herstellung  verrät  auch  der  Buchstaben  O,  indem  er  noch 
tien  zweimaligen  Ansatz  das  Schnitzmessers  erkennen  lässt.  Das 
andere  Exemplar  ist  weniger  tief  eingedrückt;  daher  erscheinen  die 
Typen  breiter,  wie  sie  bei  der  angedeuteten  Art  der  Herstellung 
auf  der  Fläche  der  Matrize  sich  darstellen  mussten.  Der  nach  links 
hakenförmige  Zahlstrich  tritt  auf  dem  im  übrigen  deutlicheren  Stempel 
(Fig.  I*)  weniger  hervor  als  auf  dem  anderen  und  mehreren  der 
Fragmente,  weil  der  Stein  an  jener  Stelle  verletzt  ist.  Dagegen  lässt 
sich  auf  ihm  scheinbar  hinter  dem  S  noch  ein  kleineres  T  erkennen. 
Das  Material  der  Matrize  verrät  sich  auf  beiden  Exemplaren  auch 
dadurch,  dass  der  rechte  Schwalbenschwanz  oben,  der  linke  unten 
verstümmelt  ist,  wie  es  leicht  geschehen  konnte,  wenn  die  Matrize 
aus  einem  Holzplättchcn  bestand,  dessen  Fasern  der  Längenachse 
derselben  parallel  Hefen.  Von  den  Fragmenten  zeigt  eins  den  linken, 
das  andere  (Fig.  i*")  den  rechten  Schwalbenschwanz  vollkommen 
erhalten.  Bezü^^Üch  der  Typen  zeigen  dieselben  die  nämlichen  Ver- 
schicdcnlicitcn  durch  ungleich  tiefen  Eindruck.  Die  Identität  der 
Matrize  ist  bei  allen  durch  die  Masse,  sowie  durch  gewisse  Eigentümlich- 
keiten  der  einzelnen  Buchstaben  zweifellos  festgestellt.  Der  Fundort 
aller  war  das  Praefurnium  des  Ofens  A. 

Die  Kohorte  ist  bisher  auf  Zicgelsterapeln  nur  einmal  mit 
Sicherheit  nachgewiesen,  und  zwar  wie  hier  mit  leg.  I,  VIII,  XIV 
und  XXII  zusammen,  in  Gernsheim  von  F.  Kofler.  Zuerst  veröffentlicht 
im  Quartalblatt  des  bist.  V.  für  das  Grossh.  Hessen,  1885,  3,  S.  12. 
Die  irrige  Lesart  Coh.  lasorum  ist  von  Kofler  selbst  W.  Z.  IV,  1883, 
S.  67  und  V,  1886,  S.  194  ff.  und  von  Hammeran,  Korrespondcnzblatt 
d.  W.  Z.  V,  1886,  S.  74  ri.  korrigiert  worden.  Da«;  von  mir  im 
Mu<;cum  zu  Darmstadt  verglichene  l'Acmplar  von  Gernsheim  (Katal. 
I  H  }3)  stimmt  mit  den  Nieder  Zicgehi,  was  Material  und  Matrize 
betrifft,  vollkommen  überein.  Es  existiert  also  in  Ober^ermanien 
bis  jetzt  nur  ein  Typus  der  Kohorte  (von  derselben  Matrize).  Die 
daraus  und  aus  den  Umständen  der  Auffmdung  sich  ergebenden 
Folgerungen  werden  weiter  unten  besprochen  werden. 

Aus  Germania  inferior  veröfFentlicht  Steiner  in  der  Westd. 
Zeitschrift  1885,  IV,  Muscographic  96  ein  in  der  Sammlung  des 
Nicderrhcinisclicn  Altertumsvereins  in  Xanten  befindliches,  von  Aus- 
grabungen auf  der  »alten  ßurg«  herrührendes  »Ziegelbruchstück«  mit 


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1>6 


Rundttcmpcl.  in  der  liM«cren  Linie  TRAS.RHS  i>  pvfIfJUV 
in  arrtmtrr«»  Mll.  UID.T  AST\'R.  Doch  crkba  ci  Jk  /«V.« 
I  iiJcr  II,  für  imctlcUult,  pbiJicn  Aber  für  Jic  Lc«jnCi>h.  1  Aumir 

I.  C  ^  U)  \'1 1 1    A  u     U  V  l  i. 

I)  IH,  VTTT.  AV(.  (1  iK-  2) 

I  l)4%fa/icgel  (it^uii),  licluiKicn  in  den  Trummcfv  ik« 
bei  D. 

Die  %orlieKcfiile  l'unn  mit  frei  von  Jer  Mitfire  abiicWM- 
S«.h«ilbenvb»inien,  uie  «ie  die  Ziegel  der  ii.  (aiKli  Jer  ii 
14.  LeiiMM  in  ihren  iweilellos  ilte^en  htempliren  regeimituic  ü 
i«t  bei  der  IL  Legion  «dien.  Mir  nt  ein  i-.ienipbr  der  Mi'tceMTAr 
NchltMftsimmlttng,  |ct#t  im  He^ici  (^rjd%\  nnd  tau  T^pc«  Ar 
Saithirg  (v.  Cohju«eii  und  Jjhjubi  LXXVUL  t7.  uiU  )k<\  1  * 
i»ekhen  der  eine  mit  dem  IUbe1»«,hcn  ideniiwh  tu,  Kck^fr: 
hjbcn  aber  vimtlub  «eit  gcfittgere  Mjue  il«  der  untrue.  de*  »i«^* 
dir  in  den  Stempeln  der  ai.  imd  i  f.  Legion  nihe  %tchi    AUe  lAarrs 
mir  im  Original  oder  durch  Abbildung  bekannt  ge«ordcncii  T  w 
der  K  J^gMMi,  w  beMinder%  die  |  übrigen  der  llibciKhc«»  Sae«<.«g 
und  7  von  der  Sailburg  haben  ebcnvi  «ie  die  «««  0«*rU.  -  a 
beim  Ka«tel]  Miltenberg  gclundenen  hKcfnp!are  dieuSN  *  ^'m* 
rechteckige  lortn,  wie  wir  Me  bei  den  Nicdef  Niemprin  dcv 
Adtuiru  linden  (i  ig.         mit  »ekbcn  «le  auch  tti  der  « 
Ml«  IC  in  dem  CniMand  uberein\timnien,  di%«  bei  ewigem  %^ 
den  Swhwai:*cm<h«  anren  ähnliche  Dmamcme  al%  lineare  IrSk^^w" 
innerhalb  de^revhieck  Igen  StemiH-Ueruhanen.  L«emplared<«  etr^ff 
An  fand  uh  au^h  in  den  Mmeen  nt  Wiesbaden  (Kat.  ^»«^      %  >• 
baden)  und  Darm\tadi  aus  Oberflar^tadl  (Kat.  D  I  A  Hj9m- 
burg  bei  Butzbach  ((f.  I>icrirnbawh%  llandlauU»g,  Bd  X\l  7  S« 
(Ufer%burg  (ebendatetKt  Rd.  II,  |>.        letzterer  Typu«  :«?  «J«-' 
nm  cirrm  iu%  der  Sammlung  de«  alteren  DietlcnKa^h  itin-t.«w* 
im  DarniM  Muv  (Kit.  I  A  9).   \m  lleddeinheim  «ir  ia*  * 
kimtmc»  der  K.  Lc/ion  jut  ZicccUtcnipcIn  Bramra«.h  ikH*»  ^rNtiAY 
er  hat  nur  rtne  Su  :ntnsvhrili  (14«)  2)  aii\  Praunheim  (prific  •>.v^ 
HiJJirfi!)r:'i  )     lia'i*nic*i'i   !i.hrt  (L'rt;evhuhte  N    t*»i  I        »  "* 
tScrcu^'"  %  d«r  r><fnt\^fun  Ticj^penlurper  de«  Taufiuvcvtteti 
Vv«i';-t''i  i.t;J  Su;!;!iiKhrilU(- die  X.  Le):ion  boier  der  gis*« 
iKJili'f!  *.r 'ti  an.  n«nni  aber  S  1^    71  keine  /»eier!  der « '«^ 
«ihtciij  er  «t^rie  Jet  1.  (N  7«i)  Mmte  der  14  u'ij  si  irt^^ 
(N  7;}  et««'  i«i    Lh  lind  unter  den  a!:rren  Befinden  Irv4*tf^ 
MuKi.iti»  1  'l>f>en  der  Legion  au«  Heddernheim,        ««wta  ^' 


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-  257  — 


eine  mit  einem  Stempel  der  Habelscheo  Sammlung»  der  andere  mit 
einem  von  der  Saalburg  (v.  Cohausen  und  Jacob!  LXXVIII,  22) 
identisch  ist.  Einen  beiden  ähnlichen,  aber  nicht  ganz  gleichen 
Stempel  fand  ich  selbst  im  Sommer  1892  auf  dem  Heddemheimer 
Friedhof  im  Schutt  eines  neu  ausgehobenen  Grabes.  Ein  von 
G.  DieiTenbach  1882  in  Friedberg  gefundenes  und  der  Legion  wohl 
mit  Recht  zugewiesenes  Fragment  (Handkatalog  V,  S.  338)  weicht 
von  allen  anderen  ab,  da  es  zweizeilig  ist. 

Legio  I  Adiutrix. 

1)  LEG  T  AD  (Fig.  3). 

9  Falzziegel,  mehr  oder  weniger  fragmentiert  und  gebogen,  in 
und  neben  dem  Ofen  A  gefunden,  offenbar  als  unbrauchbare  Fabrikate 
ausgeschossen.  Material  gleichartig,  ziemlich  sandhaltiger  Thon,  rot* 
gebrannt.  Vollkommen  gleiche  Exemplare  habe  ich  anderwärts  nicht 
gefunden.  In  der  Grösse  stimmt  genau  flberein  ein  Ziegel  aus  Maimi 
im  Museum  zu  Wiesbaden  9997. 

2)  lEG  T  AD  (Fig.  4). 

1  Deckplatte  eines  Brennofens  dick,  schwarzrot,  halbver- 
schlackt. Dem  vorigen  sehr  ähnlich;  aber  der  Abstand  des  D  vom 
Rand  (0,009  ni)  ist  erheblich  grösser  alS  bei  jenem  (0,004  ™}*  Ob 
dicht  am  Rande  noch  ein  I  stand,  ist  zweifelhaft. 

Im  Wiesbadener  Museum  (Katalog  No.  1023 1)  fand  ich  einen  in 
der  Form  genau  übereinstimmenden  Stempel  auf  einem  mit  zahlreichen 
eckigen  Quarzkömera  durchsetzten  (feuerfesten?)  Backsteinbrocken, 
Fragment  einer  Hypokaustpfeilerplatte  oder  einer  Ofendeckplatte. 
Er  stammt  wohl  von  derselben  Matrize.  Der  Rand  an  der  rechten 
Seite  ist  ebenfalls  undeutlich. 

5)  lEG  TADL  (Fig.  5). 

3  Falzziegelfragmente  0,02-  0,025  Fundort  neben  Ofen  A 
nach  Süden. 

4)  LEG  T  - AD  (Kg.  6). 

8  Falzziegelfragmente  wie  No.  3.  Fundort  im  Ofen  A. 

5)  LEG  - T  - AD  (Fig.  7). 

34  mehr  oder  weniger  fragmentiene  Falzziegel  0,02—0,025  dick, 
die  Stempel  z.  T.  sehr  undeutlich.  Fundort  der  meisten  in  und  neben 
Ofen  A;  2  bildeten  Bestandteile  seines  Fussbodens;  sie  sind  geschwärzt 
und  bröckelig;  ein  Fragment  wurde  südlich  der  Strasse  (bei  D) 
gefunden,  wohl  dorthin  verschleppt. 

6)  LEG  T  AD  (Fig.  8). 

2  Falzziegelfragmente.  Fundort  Ofen  A. 

17 


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7)  LEG  1  AD  (hu.  9). 

a  I  ilMicgcltrj^mcncc.  itcfimdcn  im  iHcn  A ,  i  Krwf ^«c  r 
41.4  t  m  Un|!.  ivi)  brcii,  CM17  .t^M         pdunJcn  im  l*ij*ii.T?-a.—  .\ 
(Wem  A. 

Der  Sicmpcl  m  jhnluh  tlcn  Ii>nn«n  4  u.  {.  iKf  «it-  0  *- 
Jtchtcr  an  Jen  Rjmi. 

X)  Ick  .  I  AD  (I  i«.  IC*). 

I  l'ittiicf:cltrji^nKni.   FunJort  4m  httJi  tlc%  Ka^^il«    •  • . 
A  u  B. 

Der  Cir«»«%e  fu<h  («m^^;  m  brvti)  \«.hnnt  Jcr  Ntcmp«  .Jr*"  • 
mic  aorm  im  Mu%eum  ru  Mami  bdimlluhcn  *u.\  %hs»-  i  ^ 
cm^prKht  liicGrtnic  Uit  ^ttuu  oncm  0>HiVfi«^  I  a1r/:t M.  f. 
lu  J>arm%uJt  D  A  Hl»). 

9)nAi:r-ii  »der  iecivd  (fv-.  h). 

t  fjl/fici^el  l-unJm  hct  ()len  A. 

Der  Stempel  whemt  \cm  ancm  do  S«.Krc'S-;«  -  •  - 
/ici;ler  iiA^h  dem  VorltilJ  ciih's  AMriKi«  (daher  \.«»t.^  .  • 
Kcwhniiten  tu  wm.  Die  Cirmse  eni%pru'lif  jrcniu  JtT         -s  . 
einem  la«  Miini  stimmenden  llolit/ie>:el  (im(»re«)  t-»  U  .«r«^ 
Museum  •hi>|,  de^^  l'orm,  umst  gleuh  So  1  i%t. 

nOClMOai  oder  JKCI.MD(tiK.  n) 

I  Filixiegel  lu«  dem  Ofen  A. 

V|;l  ^  dem  der  Stempel  %«br  ihnlicli  ivi,  nur  di^  J,*. 
«eitere«  Mm%er%Mndni%  lu  dem  A  cider  V  mKh  e.r  ..'»c* 
Sirivh  hmiui;ek(mtmen  im.  der  au^  ihm  ein  S  «lüer  K  ^ 

n)  LK(;fAD(  )  (1:,  lO 

I  Devkpbue  einev  C)len\,  wr;  duk.  iundun  bei  A 

12)  I.hC  (I  jd')  {hfl,  14). 

I  Ki^L%tein  v,<>i)  JisV.  \im  Sinter  hcdcAi    luiji^  D 
«^hUj  j  t).   lur  die  Zuk:eh4tri;;Vett  /ur  Lei;  IAH.  \pfi*.St  ^1  &». 
vhma'U'nvh«  jnrjKnls^hc  thnamcni  an  der  holen  Neste,  «c  *'«r»  - 
Ni  einem  ^ie\l*idener  Stempel  der  I.cirttm  «ledertsnJct  tK.' 
und  9^1*  )  Die  GroN^e  ent^pruhi  der  eine«  Main/et  Stempel  4e*-4 
lei;:i»n  im  M^inm  Museum,  dv\%en  lotm  im  i*bri|;cfi  ff  *  K 
ubcrr.nMimmi. 

Dte  in  den  Mu%een  tu  MiiTur  und  Wiesbaden  befind  «•.Sf  /  -« 
der  I  Lei:i«>n  \timmin  im  Matciut»  S4»«eil  suh  dies  du«vh  irr  i.  • 
A«.|,cn^<.han  enivheidcn  U\st.  mit  ur%eren  Nieder  I  »cmpUfe^  -  « 
ein.  Wj%  form  und  (»ftnNc  der  Sicn.|>c!  Ketritfi«  h»  b-^de"  « .  1 
«»eitere  Vjr'itu*nen  des^Iben  Thenus,  UnifSuh  rc^hte^k^;« 
in  d«e  nur  bei  eiiu|;en  «efi.|;en  an  beiden  S^hmilicim  k^rm  « 


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-   259  - 


eckige  Ornamente  flach  dogeschnitten  sind»  welche  also  auf  dem 
Fabrikat  ebenso  flach  hervonreten. 

Wenn  daher  auch  bei  keinem  Exemplar  vollkommene  Identität 
der  Matrize  mit  Nieder  Stempeln  zu  erweisen  ist,  so  nehme  ich  aus 
den  genannten  Gründen,  bei  den  Gemsheimer  Exemplaren  auch 
wegen  Jcs  gemeinsamen  Vorkommens  mit  Coh.  I  Astiiriim,  für 
sänuliclie  Heddernheimer,  Mainzer,  Wiesbadener  Ziegel  der  Legion 
die  Nieder  Provenienz  an.  Die  Litteratur  über  diese  Fundstücke 
tindet  sich  bei  Brambach  zu  1377a,  1491a,  1537a.  Abbildungen  von 
zweien  derselben  bietet  Rossel  (Ein  Militärdiplom  Kaiser  Trajans, 
Taf.  III,  Fig.  7  u.  8),  doch  nicht  ganz  genau  (vgl.  Brambach  1537a, 
I  Anm.).  Die  Trierer  und  Rheinzaberner  Stempel  der  Legion  (Bram- 
bach 829  u.  1822a)  kommen  für  unsere  Frage  nicht  in  Betracht. 

Legio  XXI  Rapax. 

1)  LEGXXIR  (Fig.  i5->). 

4  Falzzicgclsiucke  0,03  —  0,053  dick  und  i  ß.ickstcinbrocken, 
sämtlich  bei  Ofen  A  gefunden  j  der  Stempel  bei  allen  nur  teilweise 
erhalten. 

e=  Ut'ddinriheim.  Plattenfragmeni  0,06  dick,  ira  Wiesbadener 
Museum  10048,  gef.  1863. 

2)  LEGXXIR  (Fig.  i6'  ^  ). 

3  Falzziegelstücke,  gef.  beim  Ofen  A  und  in  den  Gebäudetriimmern 
D,  und  2  Deckplatten  aus  dem  Ofen  A.  Ein  Falzziegel  und  eine  Platte 
zeigen  den  Schwalbenschwanz  unten  beschnitten  (Fi^.  16'^  '-).  Auch 
im  Mannheimer  Museum  ein  Exemplar  »aus  Niddan  (Nied);  nach 
Baumann,  Römische  Denksteine  und  Inschriften  der  vereinigten 
Altertums-Sammlungen  in  Mannheim.  Mannheim  1890,  No.  96.  Der 
rechte  Schwalbenschwanz  verstömmelt  wie  bei  16'. 

Wiesbaden,  Platte  0,055  dick,  Wiesbadener  Museum  10040. 

3)  LEGXXIR  (Fig.  17). 

2  Falzziegelstücke,  gef.  bei  Ofen  A,  der  eine  fast  ganz  erhalten 
mit  beiden  Rändern,  von  dem  anderen  nur  ein  Stück. 

4)  LEGXXIR  (Flg.  18). 

8  Ofendeckplatten,  aus  dem  Ofen  A  gebrochen,  z.T.  verschlackt 
und  zerbrochen,  wodurch  die  Stempel  undeutlich  geworden  sind. 

Maini.    Hypokaustplatte  0,175:0,175:0,045,  schlecht  und 
rissig.  Museum  zu  Mainz. 

n  laHöcbsijuL  Falzziegelfragnient  im  Wiesbadener  Museum  9982. 

17' 


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5)  I  i:gxxir  (i  i^;  ui). 

lt>  /    k^r    r.   /fft'ri'vluru'  Dia  LpUttin  jus    Ai.'.y  t  *'f      V.  T 

—  S^uftürtrn  Wi  Hculiu'iri;     Mjnnhi  'nc?  M  .  «..t     r.  T»  — 

A  i  iV  «ii,  1,^1  C  hrist,  Wrh.  Je  .  Hc'.Jclhvr^ci  i*hil»»*»v^' -i.-  *■ 
S  Jl6 

Af.i.'j     2  I i\ jH)Ljuvij>!a;uti  4)1,17  *'»*r  *s**>i  »-  v-4  ^ 

%<UII1   /II  Mju)/. 

(')  !c  (•  X\  iK  {] 

1  i'.Jt!cnt:.ii'!iu  m:.  Mi'Ji  i>,<  j  in  prc:;,         tn  !jr*:,  «v-jTi  . 
r.      Mti.vh  I«»xln.r  i:,  i•.ln^^l)U^^^^•  von  S.iiu:,  K  .  ».  (     K>  Mi 
l.c.'itu  '  (»i:uiiJ«.n  III  sivi  otH-rct)  ü(Hlrii%«:uvh(  tM  i  Hrti  A  '^w^ 

;)  LI  XXIK  (I  i^-.  11). 

2  Sui^h/ic^clviuwkr,  \cr«cnJct»  um        Iu»cti  f«  .'•«- 

1  chm,  ücf  )<jrtgclM4tini  üic  Sicfrpi'UhJri.«ikc  a-.  rc*j:   .  V. 

Alllftt*.  li;kp«»k4U^lptCllcfpbtlC  11.17    I«.I7  •  .  ^ 

MuHTim)  /u  Miin/. 

M  li'uitjJfn,   IKpitLjustpt'vticrplaitr  m  M4*nr  Mw«c. 

K)  UXXIR  (Ii»:.  Ii). 

a  i)icr)J€«.VpIjiicn,  rmc  ^rrtunJcn  im  i>Tcti  A,  J:c  jricc  • 
Irummctn  an  «)cr  NiJJi  l>  (\cr«<.Mcp(n)   Dci  ^:cn«iv. 
ani:t«%hukt  i;c%vhnitirn,  er  verrat  KcnHHlet\  «l«uti  «ti  «Sc  K'*  ** 
unj  dj\  Mau'fuI  (Iii»'/). 
«  il*Wtm.  ll\pt>kJu%ipUtictitrii:m«ni  Mu^         ^    .  . 
«  H ''*'ffm    l'tjtte  t^4l  :o.|i.  Museum  lu  \^ic«'iJc*^ 
«  i^ieJ'/*c    H%(*<<kau\tp  acte.  Museum  n»  ^  o."!^*  v- 
w  $4'tt  *ujfn.   ll\p«>kao\tplaitr  Ml*^cl(:n  /u  U:c^a^- 
I  I-,XX1K  (I  .        ■  ) 

n*  .'i Jrrr  .'    I    '!iiuu:.-i'  .1::  »         A  w  %■  \.>  7.  1  •  <^r  ••i,'».— • 

\r»'v   er  v!  ^  Sc'f  A.'.tn     \  l)ct/.-irt|i;\  " 

%tf  U 'i  '   '  '  vltr  *ct  ,  rr  Irii*m» '  •  j«   .  •  t  I >iv       .       (ic-*^-,  •   .  .  .* 
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-    26l  - 

tigten  Auswüchsen  an  den  Buchstaben  L,  E  u.  R  und  der  Verbindung 
des  letzteren  mit  I,  otfenbar  infolge  des  Aussplitterns  der  Holzfaser. 

=  Maini.  3  Hypokaustplatten,  0,17 10,17  10,045  u.  0,055.  Mainzer 
Museum. 

=  Wiesbaden.  Hypokaustphitten  0,17  1.  u.  br.,  0,055  ^»03 
dick,  sehr  ungleich  und  roh.  Wiesbadener  Museum  9994. 

10)  LEGXXR  (Fig.  24'" 

4  Falzziegel,  gefunden  neben  ciem  (^tcti  A. 
=  ')N{f(f.«    Fal;:ziegel  im  Museum  zu  Wiesbaden  9985. 
=  irieshaäen.    l  alzzie^el  im  Museum  zu  Wiesbaden  loi  }6. 
SB  Matni,  nach  Abklatsch;  nur  ist  dort  der  linke  Schwalben- 
schwanz oben  abgeschntitcn. 

11)  LEGXXR  (Fig.  25). 

3  Deckplatten  aus  deoGi  Ofen  A,  2  aus  der  Decke  ausgebrochen, 
die  3.  im  Praefurnium  gefunden. 

12}  LEGXXR  (Fig.  26). 

2  Hypokaustplatten  0,17:0,17:0,045,  neben  Ofen  A  gefunden. 
Material  ganz  gleich  den  in  Mainz  gefundenen  (vieie  Quarzkömer); 
s.  oben  No.  4,  7,  9  u.  a. 

13)  LEG XXI r  (Fig.  27). 

1  Falzziegelfragment,  Stempel  sehr  schwach,  abgerieben,  auf  der 
Rückseite  sich  rautenförmig  schneidende  Striche. 

=s  »Nied,9i  Platte  0,20:0,205:0,045,  im  Museum  zu  Wiesbaden 
10469  (gef.  1834). 

14)  legxxiR  (Fig.  28). 

I  verschlacktes  Stück  einer  Deckplatte  von  Ofen  A. 

15)  Icgxxir.?  (Fi|;.  29). 

I  Keilplatte  0,39  :  0,265  :  0,06  :  u,u.|,  M<-'Hinden  im  Praeturnium  des 
Ofens  A,  50  cm  über  dem  Boden  im  Schult.  Legende  verwischt. 
Nach  Form  und  Griisse  des  Stempels  und  wegen  des  Fundortes 
durfte  das  durcii  seine  Beschaffenheit  interessante  Exemplar  (aus 
zieriilicii  reinem  l'lion,  nicht  wie  die  beim  Bau  des  Ofens  verwen- 
deten Keilplaiien  mit  vielen  eckit;en  Quarzkornern  vermischt)  der 
21.  Legion  angehören.    Doch  ist  dies  nicht  <^anz  zweifellos. 

Die  Stempel  der  21.  Legion  sind  von  allen  in  Nied  vorkommen- 
den die  gleichiörmigsten.  Überhaupt  ist  mir  am  Mittelrhein  und  Main 
unter  den  von  mir  selbst  untersuchten  und  den  von  anderen  ver- 
ötfciitliclnen  keiner  begegnet,  der  eine  andere  Form  als  die  des 
rechtecki^'en  Schildes  mit  2  frei  aus  demselben  heraustretenden 
Schwalbenschwänzen  hatte.  Auch  der  von  Dietienbach,  Handkatalog, 


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2t2  — 


BJ.  V,  Seite  77  };c/ci«,hiicic»  <Ser  im  Jihrv  iHKj  m  l-ncifec*»  <c 
tumien  i%t,  Mintmt  Mimoht  in  dicker  llimicht  al»  lo  «kr  Gr^mc  r.: 
fcncn  uL'crcio,  ucnn  %t<U  Müh  di»  IriKmctn  nuh  ikff  imar'«^ 
i^cuhtiuiig  niwhi  mit  Sishcfbeic      einen  umcrcr  T^pcn  nirui?».*^«- 
*si\\\.  L*chcrhiit|«i  sind  ille  Stempel  der  l.c|:uin  ncmlkh  flc*%^  ^^-t 
iinJ  i*sv?trctlcn  die  der  i.  und  K.  I^^mm,  mit  Autnjhmc  dr%  »«^r 
/iiundenen  der  letiieren»  erlicHuh.  Uncer  den  Miinicr  /.«£c> 
21.  I K  f:\im  habv  ich  nur  einen  ^elunden,  der  m%h:  im  Cinc9 

T%pen  Kehorte,  jber  Atah  dicur  %t«ht  Nm.  $  in  <acr  ^  ^ 
K'Sf  Rihc  und  hii  mit  ihm  d^Mrtbe  Gfi»sse.  Im  Wie\l»jd«fier  U.tcv- 
:4  n:ir  keine  abwcuhende  Matriic  hrireicnec. 

I.  e  V'  I  (>  XIIII  Gern  inj  Mirti4  V'ivCr:% 

^  1  j'.//ivi;cl,  7.  yj.  T.  -tr^Mo^hcfi.  J  /crSr^s^bene  l'"-!'r  r* 
'  ••kh  «Mf  breit,  (M>i  duL.   Uk  I  il;.'u>'cl  v^ur^kn  t.  T  drr  Ksr. 

riJHi.r!:,,hcii  li^  ^cn  Midluh  von  l>ten  A  Die  Plifilc  ^TJ-r-s"  ■  «• 

dvn  t!. .   I  i,!tJ>»rtc.  n%o  diel  runimer  cirK-.  #« eilen Otei*%(A  i,  wii*' 
%(»n  A)  den  liersivltunK^ort  diocr  und  ilcr  nie  ^un  !.<1|[codcn  /.•er 
der  l|  lA;  :ijri  \crr:iiiti.n  Ijwcn    I  ins  der  DA«:hfie|{eltrA|r«ic^c  W* 
/c'i';  dvn  Buwhsijhcn  L  imf^  rniliJi  c-r\\r:tir:       tum  t-n4cn 
hvi  vnem  anderen  l^t  liti-  rei:hie  luVc  ol^cn  jmutfMrr-iJ  «s^r 

U'lvli:  4u>»:ii n-v*  cn.   Bcivic  \.irijnten  erkUnr  ^  d«f. 
%pl'!:cr  .        am  H*»'.MtcmfH:l  (v  ohvo  /u  l.c;:  XXtR«  So  S.  « 
t>.  (^ih.  I  AMurum).        m  hcvtnJcrN  /u  bea«.htcn.  da%t  de««  j*« 
r:!'  WC  andere  lormcn»  bei  mvl^i  vM  Jcr  eni;c  /.ttummcnhafv  ir-* 
fU;r:c.«c  di%  /«cttilUi^  aiuh  Hhr  tn.i  cn  Ofm^  A  i  auf  Ir.  k  ' 
■  ..11  t,  sivh  t'i'i  Lt-srcm  Bauwerk  ativserhalb  Nied«  t:cl«.Rdc?  ^.i?^ 
2)  U  (;XniI  (\  :^.  M"  ), 

2  l'.jitui       .41.1$  <vi6.  i'undt>rt:  Btiden  des  Vblamis  «..r. 
Dat.!:/k>'el  im  Wiesbadener  Muieuoi 

«le  Ott,  statt  O 
I  P\ittr        n,|i  }«.nJ(tft  Praetuniium  det  «Vf-üi  \ 

I  I  j!//  ./i'.  l't."JoTf  B 

llt.:i.**\  M|  I  M*!i.i  Mu-kvi-'n  X*  it>v  ;  ,  i-.*4  .  - 

im  I"    •  f         l)'i,".T.  K'.*  ILndkatVot;  V,  ^^  .-i 
»  ,    i'.'i  :»  .ikti  i'i  ..'?\n  *ski.i\       un%cr(<«  T  r-«  *» 

Wf 'j  dkf  /.'  '  !•  .*s  imJ  d.«  l,'  lt':*tn,        1«  .1  »^^H-n  Je? 


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—  263  — 


wie  bei  dem  Strich  daraus  erklärt,  dass  auf  allen  Exemplaren  der 
Stempel  sehr  schlecht  au^eprägt  ist,  eine  Beobachtung,  welche  sich 
bei  zahlreichen  in  diesem  Jahre  auf  dem  Heddemheimer  Friedhof 
gefundenen  Fragmenten  der  Legion,  die  denselben  oder  einen  sehr 
ähnlichen  Typus  zeigen,  wiederholt. 

4)  legnmC  (Fig.  33). 

1  Backsteinbruchsiück  0,06  dick.  Getundcn  im  August  1891  in 
den  Fundamenten  des  Gasthauses  zur  Krone,  wohin  es  wohl  durcli 
Verschleppung  gekommen  war.  Von  Dr.  Hammer.in  dem  Museum 
übergeben.  Die  Fürm  des  Stempels  ist  abgesehen  vom  Schwalben- 
schwanz der  vorigen  sehr  ähnUch. 

5)  LEGXimc  (Fig.  34). 

2  Platten  0,28  I.  (ursprünglich  quadratisch):  0,05.  Fundort  bei  A. 
Der  Stempel,  ähnUch  No.  3,  aber  niedriger,  ist  schlecht  ausgeprägt, 
der  Zahlstrich  zweifelhaft. 

«  Wiesbaden,  Vergl.  Rossel,  Militärdiplom  Taf.  III,  2. 

=  ?  Heddernheim,  gefunden  im  Sommer  1892  auf  einem  sehr 
dicken  Backsteinfragment.  Die  Legende  ist  sehr  verwischt ;  die  Masse 
stimmen  genau  überein. 

0LEG5CiniG  (Fig.  35'). 

1  Platte  mit  sehr  undeutlichem  Stempel,  dessen  Form  z.T.  durch 
die  Vergleichung  mit  den  anderwärts  gefundenen  Exemplaren  be- 
stimmt werden  musste. 

2  Falzziegelfragmente  zeigen  nur  i  Stück  der  linken  Hälfte 
LEG,  waren  aber  zur  Feststellung  der  Identität  mit  anderen  Exem* 
plaren  wertvoll,  weil  durch  sie  sich  deutlich  erkennen  Hess,  dass 
die  scheinbare  Abrundung  auf  der  rechten  Seite  von  einem  kaum 
erkennbaren  schwalbenschwanzförmigen  Ansatz  herröhrt. 

=  Frankfnri,  Weckir.jrkt.  i:in  von  lk:i'n  Arciuieki  Thomas 
1891  bei  einer  Kanaleinfulnung  in  der  geradlinigen  V^erlani^erung 
des  1889  aufgetundcnen  Kanals  nach  SO.  getundencs  Falzziegelstück 
zci^t  die  rechte  ila.iLc  lics  Stempels  durch  Ausrutschen  der  Matrize 
etwas  verwischt  (35'').  wurde  vom  Fmder  duidi  mich  dem  Museum 
geschcuki. 

=  Hedäft  uhtim,  im  Frankf.  Museum  X,  599S.  Der  sehr  undeutliche 
Stempel  ist  von  einem  anderen  mit  der  Legende  LEGXlUlCM(v  ?) 
quer  überdruckt  (sehr  ähnlich  No.  12). 

Sehr  ähnlich,  nur  ein  wenig  kürzer  ist  ein  Stempel  des  WieS' 
badener  Museums  ohne  Angabe  der  Herkunft. 


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2i4  — 

IkvlpUttcn  vmck  i>lviiv  lutidort  A  t,  ^udluh  \tm  iMtn  \ 
K)  VM^'linXSRI  OiC  XV  )    l>cr  l>iiiil!  fij>  v 

fVi-ir  suhcr  /II  erkennen 

I  ]b«.Vs:i3nMi<%l  iM'S  ilul.  KtlunJui  in  Jct  NiJdi  :t-  Jw«*  1  - 

fluni  htfi  D. 

1  I'jil//:(.^tfIstuwL,  K^^'tunJvn  an  JefwIS:*!  Su-Ile  \«>n  C«\-'  2 

Lliinctv  Irjcmcnt  ()7')  b^^t  die  erhaltenen  BiuK^sahcti  ic«.'  ."«' 
i-f  kennen  aU  Ja\  er\:c. 

t)  llc;xinif.M  V  {i  -ü.  ;v  ). 

{  I  tl. .'.v,;e!su«ke,  J.:viin  2  au*  «lern  Kanal  r«  A  .  Ii  « 
jt.t  Ji"  Civl<ai;«!etrt.'iinicrn  an  der  SidJa  ({H") 

M  iitJJ/tmi'ttm  ({Hv).    1>4\  l*rai;mcfic  einer  Da.**;«.*  :  .  • 
u»,f*ie  \«>n  n;:r  tm  Wimer  iS'ii '^a  im  Schutt  eine«  lln«r-%«'  ,* 
I  '  *i.rt,  din  der  Könnet \  itor  de\  ^ri«lk^u^er  Mu«cuii!\  a.tp'iv 
K\v  Die  Idtmnlt  der  Ma?:i>^e       dur«.h  Umif^M.Sunjf        \l'  •  *» 
U  Tp:v 'UU:.  It  M:l<r  jS':\'.ir,  aKr  Lbt/ifer  S;eni|^*  au«  H-i^" 
}'^i:n  titij«!  %..h  im  I  rank?i.rur  Mu%euni  X«  tuSli 

i<0  UCi  XIIII  'G  M  V  (!:»;.  19). 

2  iUvkstv.nir  ..«mcnic  Juk,  K'ide  rcle^rali*l  .e.: 

m'.f      jiMt»,  j-'jur!.,:  tn  Bruch,  /«eilcllt»*  ReMe  *»t  *»•?--  • 
|t.*^ii»rt  Al»  >.  d!:vh  von  t^len  A 
II)  IK.XIIlKiMV  (1:^  41U). 
1  i  at/^u-.  i!s;L«vk,  icvlunden  bei  Al   i  i|!  |»)') 
■B  hj'i'*tttt,  (ian/er  }al//ir>:t'l  (i 't:  |<* ).  in  de'  H 
l***!  .1  s  dvn  Kar  it  k*ct'rii,.hin  und  in  l'n*  i:**r%:tf  i:tk«»i'»r  .. 
H  •  ".M'i  (Ii  •'*'.'?cr  Ar^' III  |.»\;i.  III  HJ  )     .'.t  N».-r 
HvT*-  Iv.tf  i  .r  Wiener  n4«l:,r<.«ie%en.  ^t»n  m:f  eJ*:i-ii- 

Di'f  %,T  l!»'i  ••:ciJTi  III./   I  w'k'ett  !*e  Ven       i,*  I 
■  I  n      n:.!  des«  inKf5v*n  »den? 

12H  I  •  »Min«  »MV  •M  dis-5'/?cr  l  *• '*'"r  •.«••••?/ 
(1  .  |J» 

ii.::»".  Iti'k*  ftti  Ml^ituui 

t;i    <.M\  (I  .  1:) 
II  (.Min 

iV  "i*  i'    ■,  *  ,.  4 J-M«  Hl***ndevV  •  j*'"t"»i» 


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—    26j  — 


A  Heddernbem,  im  Wiesb.  Mus.  10234,  Platte  0,30:0,30:0^0142. 
J^e  Schwalbenschwänze  sind  bei  dem  dortigen  üxciuplar  ebenso  ver- 
stfimmelt  wie  bei  dem  unsrigen. 

Diese  Form,  Verbindung  von  Kreisform  mit  Schwalbenschwänzen, 
ist  der  14.  Legion  eigentümlich.  In  der  Grösse  des  Kreises  stimmt 
mit  unseren  Exemplaren  ein  Wiesbadener  Stempel  überein  (Wiesb. 
Museum  10235);  doch  sind  don  die  Schwalbenschwänze  länger  und 
die  Legende  lautet:  LEGXIIII . 

GMV 

Dag(;gen  entspricht  in  letzterer  Hinsicht  unseren  Exempbren 
einer  der  Frankfurter  Typen  vom  Jahre  1889  (Hammeran,  Archiv 
III.  Folge,  III.  Band,  No.  2).  Aber  dieser  ist  wiederum  erheblich 
grösser  und  reicher  ornamentiert.  Ich  fand  denselben  Typus  übrigens 
unter  den  alten  Beständen  des  Frankfurter  Museums  aus  Heddem» 
heim  vertreten.  Endlich  entspricht  dem  Frankfurter  Exemplar  in  der 
Grösse  und  annähernd  in  derOrnamentierung  ein  Wiesbadener  Stempel 
(10235)  Platte  (0,28  i.  Q.)  aus  Heddernheim;  aber  (tie 

LEG 

Legende  lautet  don:  XIIII  .  Man  vgl.  auch  Rossel»  Ein  Militär- 

GMV 

diplom  Kaiser  Trajans,  Taf.  III,  5. 

14)  L  (?)XmiGmv?  (Fig.  43-). 

2  Faizziegelstücke  mit  unvollständig  erhaltenen  Stempeln.  Fund- 
ort: GebäudetrOmmer  am  Ufer  der  Nidda  (0). 

»  Rambacb*  Wiesbadener  Moseum  9932.  Dachziegel. 

Ein  aus  Wiesbaden  stammendes  Exemplar  im  Wiesbadener  Museum 
(Fig.  43^)  von  ganz  gleicher  Gestalt  und  Grösse,  nur  mit  stärker 
hervortretenden  Schwalbenschwäna^,  zeigt  im  Bogen  einen  Kreis 
nnd  zu  beiden  Seiten  desselben  Kaprikome. 

15)  kEGXfflIGMV  (Fig.  44-). 

I  Falzziegel  in  3  Stücken,  gefunden  in  den  Gebauderesten  am 
Ufer  der  Nidda.  In  dem  Halbkreise  scheint  noch  ein  Ornament  an- 
gebracht gewesen  zu  sein.  Die  Stelle  ist  auch  auf  den  anderen  Exem- 
plaren zerstört.  Nur  auf  dem  sogleich  zu  erwähnenden  Frankfurter 
Fragment  findet  sich  eine  Andeutung.  Ein  kleiner  Stempel  der  22. 
Legion  im  Mainzer  Museum  zeigt  dasselbe  Motiv  und  in  dem  Bogen 
einen  Kaprikom  und  einen  Adler  einander  gegenüber. 

=  Frankfurt.  Von  Herrn  Architekt  Thomas  neben  dem  Kanal 
mit  No.  6  gefunden,  jetzt  im  Frankfurter  Museum,  abgebildet  als 
Fig.  44^  Hin  grösseres  Stück  fand  ich  im  Museum;  es  stammt  nach 
Angabe  der  Signatur  aus 


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-  366 

«  HttUmthtm,  von  wti  nifch  Bc*:kcr,  l-rjoklun.  Ar%K 
ju«:h  ein  lUempUr  in  iU\  Wic\biJcacr  Museum  iim.  Im 
Siuwl  wurtSc        (ioR  iscIunJcn. 

M  i$'iethdJfm.  Att»  deni  ü«>ftt)!m  Ki»icll.  Wiorjtkticr  M,<«* 
<H71.  Dacliiici;cl,  nur  von  «icf  /jbl  an  tu^h  tt^ht%  ctlultc*  H 
ICcteut  Jü«.K  Vi*n  Km^U  Miliurilipt«Nn  Tii  HI«  6,  al^cf  fn:;  Vk. 
U%%uni;  <lc%  fl«>f;cn%.  Kine  D<ivlt/!ci!clpbttc  tio  Muk^is«  * 
\oU%un«iii:  crhihencRi  Siempc'.  (7H  0  i>hnc  An^jbc  «Ic»  iiAAk«* 
t\l  mohl  d;c  %'cm  Becker  VHNpriKhcnc  ««Ixn). 

M  )  I  I.(.\II1I(,M  (!  ) 

U(i.i.iffn'''.\m     I  f.mUuricf  Mu<h;uui. 
17)  I  lA  XTTTi  (I 

I   I  jl.'/ii.  .  <  :;  lii'iKüt.    I  i::iJort  /\s:  .vJ;cr:  A  t-'  J 
—  .W;.^':-  .»»1  bc:  Hc  v!cl;vri.      Mar   'v::»ur  M    <   'V,  H.." 
S    ;  *.  N.'  >n.  K.  (  Jir       \  1 -i.ri^l'uf  :i>'n       %  II.  ..v 

I  Hi«k^iL*Mth(KVcn  «t^i|  U(«.k,  ^>ttunJvn  hci  Ai  m  Je?. 
Vluvhtrn. 

H)  LhGXIui'  (In»;.  |K). 
t  IUvL\ti:in^rcKlen  im»S  «Ji^^^ 

l.l;GXmi(')  (Ii«:  H). 
1  J..T111C  STr:wS/tc»:c!pijtie  c),i>|  JuL 
21)  lck:uin(;M/('}  (<>). 
t  I  j!//:it;v'!'riKn)i-nt.  |:c!uiJi*fi  bei  B 

12)  U^WUMLm  }  (I  :^^  m)- 

I  lljice  t^tvV«  };v-ii.i>Jcn  an  iii*f  NtiU«  Kri  t)  De«  vr? 

hat  ^lcu!;c  (»?u^>e  un4  1  uf in  n^i  einem  Mimm  l.tctrp.«*.  •«  « 
die  I.c/cnJe  M<«Xnil<»M  #i  ^x.   An  «lern  un%ri):eti  .»t  ni^ 
entrn  (".«.le,  i'n  Kn  ixt  Uv»  Vlmal«<envih«anfes  etn  Bi»»  ^!a^c 
rii  crVvnviii»  dvr  der  3  Sp  t/e  de»  M  frnl^prc^hin  «v;de 

,    .  \:Tn  (1  .  • 

J%     *  r»      •    v'x'vt^  iii  J»  t  N«L  '\  Jt       .1  ..(,'.:.•..,• 
j       .  •  :» •       j.  K \  .  •  .   T.  .  -  • 


—   267  — 


Form  aber  der  unseres  Exemplars  entspricht,  nur  dass  die  Schwalben- 
schwänze etwas  breiler  sind.  Ein  Mainzer  Backstein  der  14.  Legion 
hat  dagegen  vollkommen  gleiche  Grösse,  auch  in  Bezug  aut  den 
Schwalbenschwanz. 

24)  LEG  XIIII  (Taf.  VI,  Fig.  162). 
GMV 

Dieser  Stempel,  welchen  Herr  Architekt  Thomas  bei  Kanal- 
arbciten  auf  dem  Weckmarkl  in  Frankfurt  a.  M.  im  Jahre  1891  in 
der  Verlängerung  des  früher  aufgedeckten  römischen  Kanals  mit 
anderen  Stempeln  Jerbelben  Legion  (l'ig.  ^S**  ""d  .\.\-),  und  zwar  auf 
zwei  Dachziegeln  fand,  wird  mit  Rücksicht  auf  seine  lokale  Bedeutung 
hier  mitgeteilt,  weil  er  Hammeran  (Frankf.  Archiv,  IIL  Folge,  Iii, 
Tafel  IV)  noch  nicht  bekannt  war  und,  wie  aus  der  Identität  der 
anderen  Exemplare  von  derselben  Fundstätte  mit  Nieder  Typen 
hervorgeht,  zweifellos  aus  Nied  stammt.  (Vgl.  22.  Legion  b,  47.) 

Die  Stempel  der  14.  Legion  zeichnen  sich  vor  allen  anderen, 
ausser  denjenigen  der  22,,  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  Formen  aus, 
wie  sie  auch  im  unteren  Maingebiet  an  Zahl  der  aufgefundenen  Exemplare 
nur  von  denjenigen  der  genannten  Legion  übertroffcn  werden.  Über- 
wiegend finden  sich  von  ihr  die  einfachen  Formen  des  rechteckigen 
Schildes  mit  und  ohne  Schwalbenschwanz,  der  oft,  besonders  bei  den 
im  letzten  Jahre  gefundetien  Heddernhenner  Backsreinen,  sich  durch 
Mangel  an  Symmetrie  unvorteilhaft  von  den  entsprechenden  Formen 
der  21.  Legion  unterscheidet.  An  letzterem  Orte  fand  sich  zusammen 
mit  den  genannten  Formen  öfters  ein  Stempel,  auf  dem  die  Legende 
LEGXIIII  ohne  Beinamen   in   rohen  erhabenen  Zeichen  in  eine; 
stumpfwinkeligen  Vertiefung,  die  dem  Halbkreise  sich  nähert,  ange- 
bracht ist.  Dieselbe  Matrize  findet  sich  bei  Mainzer  und  Wiesbadener 
Ziegeln,  ist  in  Nied  aber  bisher  von  uns  nicht  gefunden  worden.  Zu 
beachten  ist  dabei,  dass  auf  einer  Wiesbadener  Platte  von  0,2^  m  im 
Quadrat,  deren  i  undort  im  Katalog  nicht  angegeben  ist,  ein  Stempel 
der  genannten  Art  zugleich  mit  einem  der  oben  beschriebenen  ob- 
longen mit  Schwalbenschwanz  eingedrückt  ist  (Kat.  No.  9958).  Alle 
diese  Formen  dürften  zu  den  ältesten  der  Legion  gehören,  wenn 
.111  ch  auf  den  Umstand,  dass  bei  ihnen  die  Beinamen  meistens  ganz 
fehlen  oder  nur  der  erste  (gemina)  vorhanden  ist,  kein  Gewicht  zu 
legen  ist;  sicherlich  nicht  in  dem  Sinn,  dass  etwa  ein  Schluss  auf 
Bautii.it iu'keit  der  Legion  vor  ihrer  briunnUchen  Periode  gezogen 
werden  dürfte. 

Was  die  künstlicheren  Stempelformen  betrifft ,  so   steht  die 
Legion  in  dieser  Hinsicht  in  der  Mitte  zwischen  den  zweifellos  nur 


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WS  %chr  fruhcf  '/,tn  \rnrrtcnvn  Truppenteilen  (I  vi:  I  Ai • 
XXI  Rjpj\«  0>lu)r%  I  A^turutn,  unJ  ti<r  Jj^  untere  Mi.r>»r'  :* 
hilft  «la/u  auch  die  Lci;t<*  Vlli  AupiMJ)  und  der  22  Vk^  *    *  " 
Sub-eliivi%mu\.  der  »uh  juI  den  i.nM-fer  Afi«uhi  tu*  .  %:.*! 
I  %eirp*jreii  der  letzteren  hemerlhAr  nuvtit.  er  ««.heim  m  de*  >  - 
1  '1  fu»,.h  Jiifihh  einen  pemuMn  Ssit  trttccelu-n  Mjnri|i*4';.«^« 
Ssv'iip«!  der  I4.  Ic^ton  er\t  Jri*el«jhiii  Min«.he  Mt<>%e  der  Ut-  * 
iindei)  «if  direkt  M^n  der  er^cren  jdopturt  i«nd      ur  i   .c-  . ' 
In  d.cwr  liiii%uht  i\t  \Km  beMHiderem  IntetiN^  der  ru  S    1  . 
ifc4Mitc  Mim/er  Sti-mpcl  der  22  I.epon,  lul  «t\ficni  d  e  k*'  • 
|u;iiii-n  der  14.  (o,  iii  N«»  l|  und  i;j  |;K-:vh«j?r.  en  nu'  u'uft  «  • 
prr»:cben  \iiid  u<*d  dem  tu  Nt>.  t|  er«i'in:en  Kjpfikif^v*  «  '  ^ 
hin/i«t:i  rui>t  i«t    Wir  uerden  111  inderer  Stelle  jtd^utcn  «t* 
lo!gerun|:en  %uU  I  .r  die  (jv%whuhic  der  I.c«:»t»nen  m%  d»%r?' 
trJivhiunjsett  er^v:*cn.   Aut  eim  ibet  miK'ittn  w  r  h«'  ■  >  ■  «? 
«ei%<n.  («ende  d:c  kun^tvtklt^tin  Vnnpel  der,  l|  Lt^  •>r.  « 
«enn  iu^h  die  jwn^'Men  die^e\  TtupptDu  '  ,  dt^h  ni*.\t  d«r  .r 
^zeltenden  An%Khc  Lium  uler  dj%  «rvte  fthrhundift  h;nj«%  tc 
«erden  itmncn,  /iiicoi  Biivh^taVnitirmen,  «t!«:ic,  «etui   .c  . 
Stemm^%hri1:cn  \ 01  Linien,  diese  |!in/  «:vher  nuiit  dtr  in  cp»-. 
««.her  II:n^:»,ht  lux  di«  re^ht^rtietm^^he  I  ind  «Krvter  A;t«  t^i  • 
i:i%titteii  «i.rdi.n.  Wir  kimtnun  jul  d.e^en  Punkt  «piTer  .t  * 
/iivininicnhjn^  ruriuk. 

I. e    1  o  XXU  P  r  I  ni  I e ni i  l*  1  i  I  i d e !  ^ 
1.  t)K««**k:e  Stempel  nm  e:i:<ii'.f*er  I  etrcndc 
i)  k\  (»XXIIIW  (hl  r) 

I  I)a«.K'ur* 'ffiKWV:!,  j:cri.r.itn  jmi  N.Jdii«tct  t^i  Ii 
«■  /rvj'.f.-.  (1,  I):i!*t'n  -j.    .  H^nJküj  *n'       H»,  .  :t  C  .  /r 
in.n/  t.:      i><'77  j  .1  Jcr  Bi  ".    ,  •    '     tun  /  c>  ^  '•  ViTWi.»"». 
r..r  d:c  |l..^!i>u:'en  ^1:  cm  -  v  i  «id  vinr.jti.'.       »  c*  «le»  :i  1 ■ 
i'.i:.'»  ^t»k'i  di>  »jJvfu.  •*.  „f.ir    K    It  ricHt  ctnet»  !- \  . 

'^.tn  Jus,  ,c  I  tir  U  I.JtTc:..  i  '  J  Kt»«lH,  di»*  d:c        ie^  \ 
fc  *'  •••^•c  Jvr/i  !  j.*t  dc!  .*    vi  %«■*•' St*.  vjx^»:ini.Jr'  •»•■•»j  . 
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2)  KECXXriPRpf  (F?g.  54). 

1  I  ;ilxzicL;cIsikjck,  gelunden  neben  dem  Schlämmbassin,  ahnlich 
dem  vorigen,  aber,  wie  die  Bruchstelle  an  der  rechten  Seite  noch 
erkennen  lässi,  mit  PK;  nachlässiger  geschnitten. 

3)  leg.xXXIIPKpf  (Fig.  55)- 

I  FaUzicgelstück,  gefunden  bei  B.  Die  Gesamtlorm  und  Grösse 
lässt  ein  in  mehreren  Exemplaren  im  Frankfurter  Museum  befind- 
lieber  Stempel  aus 

Heddernheim  erkennen. 

4)  LEG  XX  II dK  (FiR.  56*). 

I  ganz  erhaltener»  aber  verbogener  Falzziegel,  der  als  Einfassong 
des  Schlämmbassins  diente,  0,52  1.,  0,41  b.,  0,025  d. 

I  Fragment  derselben  Art  von  derselben  Stelle. 

I  Platte  von  0,41  m  im  Quadrat  aus  dem  Boden  des  «Bassins. 

=  Heddernheitti.  Frankfurter  Museum  X,  6356. 

s  Gernsheim»  2  Falzziegel  im  Darmstädter  Museum  D  I  A  108 
u.  128  (Fig.  56*»). 

5)  L£GX  xnpr.p.f.?  (Fig.  57). 

I  Falzziegel  vom  Niddaufer  bei  D.  Zugehörigkeit  zur  22.  Legion 
nach  der  Form  des  Stempels  zweifellos. 

6)  LHGXXIIPRPl-  (Fig.  58).   R  auf  dem  Ziegel  deutlich. 

I  Stück  eines  Falzziegels  oder  einer  dünnen  Platte  (0,04  dick). 
Der  Stempel  ist  durch  Ausrutschen,  wie  es  scheint,  etwas  verbreitert, 

das  eigentliche  Mass  demnach  ein  wenig  geringer  anzunehmen. 

Grösse  und  i  onn  =  Dorow,  Opferstätie  I,  p.  43 ;  vgl'.  Bram- 
bach ij37,  f,  25,  Bein.  S.  286.  Nach  Hettners  Verweisung  aut  diese 
Stelle  (Katnioi4  des  Bonner  Museunis  .S.  60,  No.  i)),  2)  scheint  ein 
Hxtmpiar  durch  Dorow  ins  Bonner  Provinzialmiiseuni  gekoinmen  zu 
sein.  l:in  im  Wiesbadener  Museum  belindliches  Lxemplar  von  Nied, 
gefunden  1858  (Knt.  loi-))  ist  nicht  ganz  gleich. 

Sehr  ~  ObiTßorsiadt,  Darmst.  Mus.  I  A  52, 
»     ))   Saalbut^',  nach  Abklatsch  eines  neuen  Fundsiückes. 

7)  LEGXXIIPR  (Fii:.  59-»'). 

Lüngsstrich  quer  über  die  .Mitte  der  Buchstaben,  rechts  und 
links  doppelte  hintassungsiinien,  dazwischen  ein  kleines  halbmond- 
foriTiiges  Ornament  an  Stelle  eines  Schwalbenschwanzes.  Diese 
Details  sind  nur  durch  genaue  Vcrgleichung  sämtlicher  Exemplare 
zu  erkennen,  da  auf  keinem  der  Stempel  vollständig  ausgeprägt  ist. 

1  Backsteinfragment.  Die  I'undstelle  kann  nicht  genau  ange- 
geben werden,  da  die  Signatur  durch  den  Regen  verwischt  war. 


47*'  ' 

"  Sfunif'f:nt   Sei  HciJcIKt^      ;   I- vcnipliff   itf,  •?>r 
M*.vciini     V^!.  Hiuiiunn,       u.  oK*n  zur  2\    l       N.'  ; 

.S./jiV  ff^       Nv  ucN  I  i.n  Jsti-tK. 
^)  I.IX.XXlIl'Kl'l  (I  t-  N») 
I  \  JicrncfU,  I  unJ'-'.cIlc  ^  J. 

./)  i  I  (-XXiii  IRl'l    (l  :^  »). 

C  fiJTjlicriN:t>k:h  i>t  Jic  nvIuj^i-  Sicilun^  Jct  ii^.rv%;i;'Hk--  K 

I  '<  '»I  >  Jk'm    IMatunsuj^lw  m  2  1 1.    n  ( 1  ).  . 

M  ii  if  '.:Jrn    \V']c^^.lJctll.■r  Mi.NCum  ii»2  ^>    Nj...  j<::    K:  . 
I  nnJijrt  \Vic\bjJwn.  \'^\.  Ik-^lcr  u  Klein,  J.  N  .  >  Ji"     *)  Kr^- 
U.UtX  den  S;cnipcl  unter  W  itNludcfi  (iH7.  0  <»n.  dj^<«.^^  .  *-r 

h»>wh\t  1)1)2,  fc.  6.    Ikttncr  lulirt  im  BtHUur  Kju!«!^:  ^-J^rr  :  .  • 
Mi.  \  \(t\\\illl\V\  i))r)c  Ari>:jhv  Jcr  l*r<»\ cnit-n/    I«  C..-"t  * 
u""^i-r    I\jM.»  st:n,  Jcr  Ji,r,.h  Dorovk    tii:t  jnJvrvr;  L««tU|>4'i;'  *• 
VVu*i>.  -»Mi.n  und  Nied  in  dj^  Mu^eurn      kommen  i>: 

\U:'s;     H\}H»^iu^!^«:c^e^p!atte  o,i<-)   0,17     \       U^*  • 
I  »77.       7i,  der  die  I  i^^ende  tiN».!i  er^jan/t,  vk  is  s:^':  diJ'i',*»  i  »  • 
djs>  Jis   MJin/er   I  \empljr   m   vemet    fe«.ii:cn  W.  'i.  «J.'.' 
haU  rurrie  S:-eilen  vinJeii:ii*.!i   ^^otiu»;!".:         •.;::d  si.:.  '^i  J**%c* 
cth.iunin  'l\ik  '.on  K  und  I*  uie  c.n  1 'e.:c>  X  rt-^-  .  •"c- 

mm  <tr"i  intu.  nil   Darnuudlcr   Mu^iail'  i  A  'DL 

1..)  vv  .PKI4   (I  b2) 

I  HjwikNTcitil^roAen.  ^ifunden  :c;  A 

«  //<'.;.;>'•: /vi/»:.    I  rJi:rTUTil.   ^itlundcn  I>^  i2  aul  .lc*r  ^  i^i^i 
Sehr  -x.  {»'er'  f  :.}.!:.         [):c''\v.\^sc\\,  HinJLiuU'ji^  V,  * 

ti)  LI  (.XXIII'PI  (1      (  V  ) 

I  IVr/ifc;  :        :>:..';.!eii  im  N.!'»  '-r  iv:  ()  (l  .    "  ?' ■ 
I  ^v*.u.'tden  in  «icr  Krune  tu  Nmc4  (i  ^  * 

I  L:'jn.-f  Bj^^  Tl.  V.  \t'n  der  I  «r-ii  v;:nrrcf  I  ci-v»cr  K»-'*- 
j  •.    rt  :  f ':■  ■   .ru-  /  .  !'.:    x«-;;    Sv:d   <»dcr  t^„j';.    '*  -•«.'■-* 

,  r  w  L-  e>  V  '  (,  '  :  r-  r  I  i!  ,  L.  ri".f'.'.     Nj«.ti  l  *»?rr  --^d  i  ' 

f  '  pr  .  :!  l\.':  ;  :ir  J;?^  I  t '  :  .teiticn,  Au»  «cuftcn  4:* 

de*  /  v.  r'   't-  \  A  J  .".  c'   'irt  ujrcri 

«■  A"     ;  •    rn.    S.J  ,T   J^^'^.Ti:   1.  1-  i.  Tel!  p   \\,  l'    h   -x - 


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ms  Saalburg.    v.  Cübauscn  und  Jacobi,  Tat.  LXXN'lll,  5. 

Main:;^.  Platte  0,38  im  Quadrat.  Vgl.  Becker,  Kat.  304,  124. 
Fuchs,  Ahe  Geschichte  von  Mainz  II,  Tab.  VIII,  das.  IV,  No.  XXI 
bezieht  den  nur  bis  XXI  crhahcnen  Stempel  fälschlich  auf  die  21. 
Legion  (s.  Text  S.  104). 

Im  Wiesbadener  Museum  fand  ich  den  Stempel  zweimal  auf 
Hypokaustpfeilerplatten  von  0,21  m  im  Quadrat,  die  nach  dem  Katalog 
(X0200  u.  10207)  aus  Mainz  summen. 

Worms.  Platte  0^2:0,42:0,05  nach  Weckerling,  Paulus- 
mttseum  II,  6.  Die  Abbildung  giebt  den  Stempel  nicht  genau  in 
halber  Grösse.  Die  Angaben  im  Text  S.  92,  14  aber,  sowie  der  mir 
vorliegende  Abklatsch  lassen  über  die  Identität  keinen  Zweifel 

12)  LEGXxii  pr.p.f.  ?  (l  ig.  64). 

I  dreieckig  behauenes  grosses  Stück  einer  grossen  Platte,  ge- 
funden bei  A. 

13)  legxXIIPPi  (Fig.  65). 

I.  Falzziegelstiick,  gefunden  am  Niddauler  bei  D. 


14)  LEGXXIIRP.  (Fig.  66"*»). 
2  FalzziegelstQcke,  gefunden  am  Niddaufer  bei  D. 
I  PlattenstQck,  gefunden  am  Niddaufer  bei  D  (Fig. 
—  Gr0sskr<>t:ietiburg.    Suchier,  Festschrift  vom  Jahre  1882, 
S.  16,  No.  2. 

BS  Rückingen  (Fig.  66'').  Sochier,  1885,  S.  11,  2  und  Taf.  I,  2. 
Neuerdings  wurde  ein  vollständig  erhaltenes  Exemplar  von  dem  ge- 
nannten Orte  durch  Dr.  Eisenach  in  Hanau  erworben  und  dem  Hanauer 
Museum  Qbergeben.  Die  von  Suchier  aus  dem  Fehlen  des  F  auf  das 
Alter  des  Stempels  gezogenen  Schlüsse  sind,  wie  wir  weiter  unten 
sehen  werden,  unberechtigt.  Damit  fallen  auch  die  daran  gekn&pften 
Vermutungen  über  das  hohe  Alter  des  »Röroerbades«  bei  Rückingen 
und  dadurch  der  Bäderanlagen  bei  den  Kastellen  sowie  der  letzteren 
überhaupt.  Das  Vorhandensein  des  zweiten  P  würde  ja  ohnehin 
zeigen»  dass  die  Legion  bereits  den  Beinamen  »pia«,  also  doch  wohl 
auch  »fidelis«  hatte,  cf.  Westd.  Korrespondenzblatt  1886,  p.  186. 

sm  Saalburg,  v.  Cohausen  u.  Jacobi,  Taf.  LXXVI,  11. 

K  Atfafiq:.  Platte  0^285  : 0,29: 0,05  und  Hypokaustplatte  0^21  im 
Quadrat. 

V  Capershurg.  Hypokaustplatte  im  Quadrat.  Darmstädt. 
Museum  I  A  33,  2. 


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-   2;a  - 


V  If^ff^«//».  WietbjdcnerMotcum.  Riclittctnfrji|tiiicfitfv»t :  i 

w  imt,  Wic%Ki4icncr  Mu\cuin.  i*bne  cm>|  Juk 
1$)  Icü.xXIlHB  (I  in.  6;). 
t  1  i!//icf!cKtu^k.  gefunden  bei  I)  ari  NiJJiufer 
Oer  Stempel  ist  «lern  vori|sen  jhnlkh,  «her  Krctter,  K, 
\tjbcii  «in«i  breiler  unJ  nihcr  anciiumler  |ceru«:it. 

-  H'»e\hadm,  Wie%Kjilencr  Museum  10114.  K>ne 
16)  l.kGXXUPRPF  (hig.  68). 

3  Strwhnegel,  gefunden  neben  Ofen  A;  %tn  dem  em  sv 
di«  Riodiimimenf  erhaUen. 

t;)  ISH'IIIXXiVI  !  (Flg.  HY 

a  i  jlriieKeUtuvke,  Jtclunden  in  dem  SvhUmmbi%«:n  >e  B 

Dei  Stempel  mit  seinen  ei|ieniunili^h  mit  eint*>dcf  ser>.«s£r«* 
Anfing: %bu<.listjben  und  r-inkethmgen  am  Rand  ser^ü,  Se«'..' 
«enn  mjn  den  ne^Jttven  Abguss  Ketrachtet,  deufuh  \r  ^ 
Herstellung  (jus  Hc»lr). 

«  .Wfurir.  V.  C  u.  J.  Taf  LXXVni.  u. 
•  l$'ifihaJfii,   I)i«:h/iegel  oder  PUtte        di^k  W:c%«*^"v* 
Museum  ioi4<i. 

'    Aitffi^'  Iis  s«.heim,  diss  Bev-Ler  (Kit.  ^14.  it)  <  * 
links  %(itlstjndt^'c%  Hxetnplir  s«ir  sich  |;ehjbc  kji. 

iK)  kH;XXni'RPI*  {Im  T«!- 

2  1  »ssbiHienpUiKhen,  re<.hi«k.kig«  gefunden  bei  l>  it  \  ' 
I  li«»h!/)eget  sim  dersell*en  lundstelle  (l»g  7<*'> 
Lh  lube  soLhe  Pljtichen  mit  Stempeln  in  keirctr 

gc\tempe'te  H«>hl/iegel  «ber  svhr  selten  gefunden 
IcKXMipRPUD  (I  K  :0 
1  ÜAkkstetnbriKken  <v>4  duk. 
■B  HeJJtrnhMm,   Im  Irjnklurter  Museum 

Aiim;>  Wic^bidener  Museum.  BevLer  u.  Klein.  J  \  * 

S  Brambjch  1177.  g,  H»). 

>*)  IcGXXIIlM'l  (Ii.-  73). 

t  I  j4//ickrcl,  üK'  i.iiJcn  »cvt!ikh  nei'^n  dem  V^hlimm^s««.* 
"  Ws/  Jim.  MuH-tiin  ii"*>>t,  gsiundrn  »im  Vnrir-!*rir' 

^  1  1,  d  c  Kriimbjvh  i:«>''^'**ui*  « 

w         ''.'rM9    2  l>j%}i^u>i;cl  im  I>irmiiid:er  Musev«?:  I  ^  • 

i.*:J  III. 

Dil  Steir}»!-!  i\i  nuU  (in»^*e  i.fid  l«»rm  e«»»em  lir-r;-*-  *.* 
der  ru  Bfufn  (tUwh  Su^^lncrs  llindfeKhnung)  uod  cir«*« 

4'       »  jj:  I  |lifr\'jO?cr  Mu  c«»n.  I  A        *ehr  Ahi:.  ..fe 


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—  273  - 


21)  leg.xxiipr.PF  (Fig.  73). 

P  ist  z.  T.  abgesplittert,  der  Bogen  am  Original  erkennbar. 
Fal7ziegelfr;)gment  aus  dem  Scblämmbassin. 

22)  kEGXXIIPRPl  (l  ig.  74). 

2  Platten  0,41  i,  Q.  aus  dem  Schlämmbassin. 

—  ?  Main:^,  im  Stephansbad  1885  gefunden.    Grosse  Platte. 

SS  ?  Wiesbaden,  Wiesbadener  Museum  10240.  Der  Stempel  ist 
ebenso  wie  ein  anderer  in  derselben  Sammlung,  der  nach  dem  Katalog 
10187  aus  Höchst  stammt,  dem  unsrigen  in  Grösse  und  Form  ganz 
gleich ;  nur  erscheint  das  F  etwas  näher  an  den  Rand  gerückt,  viel- 
leicht, weil  die  Matrize  auf  unseren  Exemplaren  beim  Eindrücken  sich 
nach  rechts  verschoben  hat. 

23)  Ll:GXXIIPR  P  F  (Fig.  75). 

I  Falzziegel,  zwischen  dem  Kanal  und  dem  Schl.Kumbnssin 
Liet linden.  Im  Wiesbadener  Museuni  befindet  sich  eine  Plane  aus 
»Höchst«  mit  demselben  Stempel,  Kat.  looi^. 

9s  Main:^.  1  al/.ziegel  im  Mainzer  Museum.  Platte  0,29 : 0,04 
im  Wiesbadener  Museum  10186. 

24)  leGXXUPRPf  (Fig.  -]€). 

I  Falzziegel,  gefunden  nahe  dem  Kanal  bei  B. 
=  Saalburg.    v.  C.  n.  J.,  LXXVI,  i. 

=  irViesbaden.    Wicsb.  Museum  10225.    Platte  0,31:0,31:0,06. 

25)  LEGXXII  PR  P  F  (Fig.  77). 

6  Platten,  0,045  —  0,06  dick,  in  mehr  oder  weniger  Iraj^men- 
larischcm  Zustande.  Fundort  teils  ini  Schlämmbassin,  teils  bei  D 
an»  Niddaufer. 

=s  Main:(     Mainzer  Museum. 

=  frieshaden.    Wiesbadener  Museum  10070.    Plane  0,04  dick. 
=  Gcf'HsJh'iin.    Darmsiadter  Museum:  i  » Heizplatte «  I  A  125 
und  I  Dachzieyelsiück  I  A  95. 

26)  LFG  XXIIPRPF  (Fig.  78»°>). 

1  Stück  einer  0,05  dicken  Platte  (Ofendeckplatte).  Fundort  D. 
"  Heddernheim.  Stück  einer  Strichxieqelpl.nte,  welclies  in  dem 

im  Winter  1891/92  auf  dem  Friedhof  aufgedeckten  Hypokaustum  ver- 
baut war  (Fig.  78''). 

Ä  Mannheim,  nach  Abklatsch,  cf.  Baumann  105. 

^  Main-.    Stück  einer  Keilplaite  0,41  (?):  0,28  :  0,05  (oben). 

~  Obeijiorsiadt.  Darmstädter  Museum  l  A  49.  Dachziegelstück. 

27^  LEG  XXII  PKPf  (Fig.  79). 

2  Falzziegelstückc,  gefunden  bei  D  am  Niddaufer. 


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-  274  - 


Ht  IViesbaden.    Wiesbadener  Museum  10078. 
HB  Heddernheim.   Wiesbadener  Museotn  10086. 
aas  Saalbttrg,  Neuer  Fund. 

28)  legxxIIPRPF  (Fig.  80). 

I  Falzziegelfragmeiit.  Fundort  D. 

«B  Heääembeim.   Wiesbadener  Museum  13293.  Falxziegi 

-B  Saalburg.  v.  C  u.  J.,  LXXVI,  3. 

29)  KEGXXITPRP^  (Fig.  81). 

8  Falzziegel,  verbogen,  mehr  oder  weniger  fragmcntarisc 
funden  sämtlich  bei  B  (Trümmer  eines  Ofens),    Die  Siempt 
sehr  undeutlich,  die  ersten  Buchstaben  sehr  nahe  an  cinandi 
röckt.  £  erscheint  nur  wie  I»  F  hat  schräg  emporgerichtete 
striche. 

c«s  Marienfels  (Villa).  Wiesbadener  Museum  1024 1.  Hypo 
platte  0,22  i.  Q. 

s>  llleshaden  (?).  Wiesbadener  Museum  10226,  ohne  A 
des  Fundorts.  HypokausipLute  0,21  i.  Q. 

=  Höchst,  Wiesb.  Museum  10065.  Hypokaustplaite  0,3 1 

B  Main;^.  Mainzer  Museum.  Hypokaustplatte  <i,2i  i.  Q 

30)  LEGXXPPF  (Fig.  82). 

3  Fal7zicL;cl  =  29.    Fundort  B. 

---  Heddeinheim.  Gefunden  im  Winter  1891/92.  H\pi»k.uisi 
=  ll'iesbadetu   Wiesbadener  Museum  101 78.  Uypokausi 
0,28 : 0,04, 

31)  KEGXXIIPRFf^  (Fig.  83»). 

4  1-alzziegelstÜcke  29.  Auch  der  Stempel  sehr  äl^ 
Fundort  B. 

=  Ilidiicrnhcifn.  (Fig.  83').  i  Hypokaustpfeilerplaitc  11 
FraguHiii  0,215  im  Quadrat,  gefunden  im  Hypokaustum  aut 
Friedhofe  im  Winter  1891/92. 

=  Höchst.  Wiesbadener  Museum  loioi.  II)  pokaustpfeilcr 

32)  ^qnxxDHJ  (Fig.  84-). 

7  Falzziegel  0  28.  Fundort  B.  Die  Ohren  sind  bei  den  m 
Exemplaren  kaum  erkennbar.  F  hat  nach  84*'  schräge  Querstri 

=  Heddertämm  (Fig.  84^).  Platte  0^37  1.,  o/>45  dick,  gdi 
im  Winter  1891/92  in  dem  Hypokaustum  auf  dem  Friedhofe. 

33)  LIiGXXIlPRPF  (Fig.  85). 
Falzziegelstück,  gefunden  sudlich  von  A. 

=  Maini.  Mainzer  Museum.  Platte  0,37  : 0,37  : 0,04. 


-   275  - 


=  Wiesbaden  (Igstadt).  Wiesbadener  Museum  10122.  Falzziegel. 
Bergen^  nach  Suchiers  Handzeichnung  No.  6;  ob  identisch, 
ist  zweifelhaft. 

34)  KEGXXIIPRPF  (Fig.  86). 

I  FalzziegelstQck.  Fundort  A.. 

SS  SaaJbttrg.  v.  C.  u.  J.  LXXVI,  i. 

a  Maini,  Mannheimer  Museum.  Baumann  11 1.  Fundon  ein 
Soldatengrab  bei  Mainz.  Fickler,  Arch.  Z.  186S,  S.  29. 

Sehr  Oberflorstaäl.  Ziegel  frag  iiient  im  Darmstädtcr  Museum 
I  A  44. 

3j)  LHgxxiiprpf  (Hg.  87). 

Ergänzt  nach  einem  Mainzer  Exemplar,  welches  die  Querstriclie 
des  F  schräg  aufwärts  gerichtet  zeigt. 

t  Falzztegelstuck,  gefunden  bei  D  am  Niddaufer. 
=  Main:^.  Mainzer  Museum.  Abklatsch. 

^r.)  KI-GXXIIlMU'l"  (I  i-.  S8). 

Sehr  .ilmlich  a,  22;  jedoch  isi  dort  das  F  sciuef  gestellt. 

1  1  .ilz/icLjclsukk,  gefunden  nm  Niddaufer  bei  D. 

Hin  licddLmhcimer  Stentpcl  des  liaiik  Im  icr  Mnscunis  h.it  i;an7. 
gleiche  Grösse  und  l  orni ;  nur  isi  bti  iinn  \iV  schief  nach  links 
gerichtet. 

^7)  KHGXXIIPr.p,  f.?  (Fig.  89). 

I  l  alzzieijelstück,  ijciunden  bei  D  .im  Niddaufer. 

38)  ll:GXXiIPr.p.r?  (Fi-  90). 

I  l'alzzici,'ektück,  i;cfunden  im  Kanal  zwischen  A  und  B. 
59)  LFGXXFr.p.f.^  (Fig.  91). 

I  Falzziegclstück,  als  Füllmatcrtal  im  Boden  des  Schlämmbassins 
benutzt. 

40)  legxXIiPKlY  (Fig.  92). 

1  Falzziegelfragment,  gefunden  bei  D  am  Niddaufer. 

=  Bei  i^eu.  Wiesbadener  Museum  13475.  Falzziegel.  Dazu  stimmt 
Suchiers  Handzeichnung  eines  ßergener  Stempels  No,  l. 

—  Heiiiieruhe'nii.  Neuer  Fund.  Sonimer  1892. 

Ein  Stückstadter  Stempel  zeigt  nach  dem  Abklatscli  dieselbe 
Form  der  Buchstaben,  nur  sind  dieselben  ein  wenig  niedriger.  Doch 
sind  die  zahlreichen  Stempelformen  dieser  Art  z.  T.  so  wenig  von 
einander  verschieden,  dass  es  oft  schwer  ist,  sie  mit  Sicherheit  zu 
unterscheiden.  Ich  habe  in  solchen  Fällen  bei  den  zuletzt  aufszcführien 
Nummern  die  ldentii;(t  als  zweifelhaft  bezeichnet»  bezw.  nicht  ganz 
sichere  ParalieU'unde  unerwähnt  gelassen. 


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■■        '  I   »11     1,4*'  litt,  - 


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-    277  - 


abgesehen  von  dem  Zusatz  I  am  Hiuic,  in  l-omi  und  Massen  gcnnu 
iibcreinstinimcndc  Typus  h,  lo  (Fig.  104)  nicht  bekannt  war.  d. 
Brambach  1377,  9,  21.  Die  Sclilussfolgerung,  welche  P.  l  uchs  (II 
p.  123)  zu  dem  auch  ihm  bekannten  Stempel  (Taf.  XI,  No.  XXXVU) 
aus  der  Form  der  Buchstaben  auf  Jic  Spätzeitigkeit  der  I'undstücke 
(Constantins  Zeit)  zieht,  ist  nicht  haltbar  gegenüber  dem  Vorkommen 
am  Grenzwall. 

=  W  iesbaden.  Dachziegel  im  Wiesbadener  Museum  10177,  doch 
ohne  Angabe  der  Fundstelle. 

Wolil  auch  =  DorieiiveiL  \^\.  Becker,  Frankfurter  Archiv  VI, 
1854,  S.  18.  Wenn  B.  ebenso  wie  Römer-Büchner  C  statt  G  schreibt, 
so  erklärt  sich  dies  leicht  aus  der  auffallenden  Form  des  Buchstabens. 

3)  1  EG- XXII  (Fig.  970- 
pR»P-F 

1  FalzziegelstOck,  gefunden  bei  B. 

=  Heddernheim.  2  Ziegelstücke  (tegulae),  gefunden  im  Jahre 
1892  auf  dem  Friedhofe  (Fig.  97''). 

Sehr  Maini;  nur  ist  der  dortige  Stempel  ein  wenig  kleiner 
und  hat  in  den  halbrunden  Ohren  je  einen  geraden  Strich.  Er  stimmt 
genau  mit  dem  Saalburgstcmpel  v.  C.  u.  j.  LXXVIII,  6  ubercin. 
Bezüglich  der  Angabe  bei  Becker  304,  78—85  vgl.  die  Bemerkung 
zu  b,  I.   Dasselbe  gilt  für  Brambach  1377,  g,  20  u.  62. 

4)  lf:gxxiipp  (Fig. 

2  Falzziegelstiicke,  gefunden  bei  B  u.  D. 

=  Ma'm:^,  Mainzer  Museum.  Platte  0,28  im  Quadrat  und 
Hypokaustpbtte  0,21 : 0j2i  :  0,06.  Auf  Jen  Mainzer  F.\emplarcn  ist 
das  Ornament  zwischen  den  beiden  sich  begegnenden  Zweigen  weit 
deutlicher  als  auf  den  unsrigen.  Es  erscheint  wie  ein  breites  lapidares 
A,  an  dessen  Querstrich  nach  unten  zwei  bogenförmige  Verzierungen 
angebracht  sind. 

s=  Heddenthe'nn.  Wiesbadener  Museum  10199.  Platte  0,285  i.  Q. 
s=  IViesbaden.  Wiesbadener  Museum  10167  ohne  Angabe  des 
Fundorts.  Der  Stempel  ist  zweimal  übereinander  auf  derselben  0,28 
I.  n.  br.  Platte  angebracht.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  einer  anderen 
Platte  derselben  Sammlung,  die  ausserdem  noch  eine  eingeritzte 
Kursivinscbrift  zeigt.  Ein  drittes  Exemplar  ebendaselbst  10200  ist 
den  genannten  gleichartig. 

«  Saalbuig.  V.  C.  u.  J.  LXXV'I,  17,  wo  der  Schluss  PF  gelesen 
ist.  Eine  genaue  Vergleichung  des  Stempels  zeigt  aber  seine  Identität 
fntt  dem  unsrigen,  zugleich  auch  den  Grund  des  Irrtums,  das  spitz- 


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lii't  j'  .riri  !<  •    I     ■^.ii.iltvti   UifJcn  KJtir». 

mm  /r»f»»...    l*!.i;!c  ""m   nuti  \V\ .  ^ vf Ki'.   II   ^  • 

i\t  ii.vK  dicni  .\hk!a:«>,. ::  vor.'  .  !  ..fi  Ji;si;cpj,^l 
, )  I  I  (,   \;i  pr  jv  !    :  (I  /     »  0 

j   i        :i /(>  i %'i i  k  I, .    ,;Ll;.rj<icu    i    *. i.f    \:L!cfl   /  «.  .  ■  ' :     '  n  .•*■ 
K"  '  s\  Ji^'ii    12  m   vuJ':J;  du   S:r.i.  v      I)».:  S'i  •  r. 
Jv  »  V«"  .1»  \«.i'f  jl.lli;,'  .    .  H    wiwt   ArlJT  i    Jv  V    -Xit-^u  1-. 
: -.'"».er      '  i}  c;r»c  .  /\s  t  ,:rv.  i        k;iur  \!v  v  ,  v  •  V  u  '  .  •         •  \V 

il'i  er  i.'  .1  *!i^r  V «  rrA ' .1. 1  cn*lc  i'nt%.pr(.vhcii,  i*t  nui« 

(.)  ki  (iXXÜI'KI  (Ii»:. 
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I  K>.  i  pJftc  •»,27  i o.i  ;  I  rt,i(,  M,ii||  li^iiii  .»     %  !. 
diin  Ic!«!«:  fi»iv«}:cn  NicJ  iii*ü  |i4H.h%l,  tili  BcmI/(  «k«  IKtin  l>e  ! 

.VL  «.;.  I'ijüf  tK2^  :.  n    (Vi  nut  jnLU';'cnJciii 

TKIMl  k'i'V^vii  14.  ii:ü«.m       i>Miinitm  Jiii  rechten  K^rJ«.  %.  . 
Jctn  Man.'cr  I  ximt^jr  ;'\Nb>ulicT»  U»nnic,  li.f  Hu»h»siX" 

7)  1 1     (I ')  /«i\«,!kii  Kiilin  Zeilen  tiii  Hl.tx:  utiji..  ^1  , 
XXII I*  P 

I  I  iit. . iiis'tt,  Hilgen  dttii  S^liljmn  t 

^)  W  (»Wll  tl  ^   1  i  ). 
I'KI'LV  ' 

I  II  :   ♦      "/ i'u-  >  •        I  .   .:.'f:  I) 

I  >  >.   l     :  ■  >    <^   ■    '.Vi.   -  .    ;      \  ■  ;  i  \  ;    t '  •  l.    V  •  .  ^ , 

»V  •  ^  1  •■,  '  ►  .  ,   ■    "i  fv   ■  »  •  •  V     ^  ■     :  •  V  ■     .       • . 

l.    i*  J  .       t:  •  S,  .      'i  .    .   Ik  <  •  .  i.t;,'   ^',f  ^ 


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-   279  - 


mir  zwcifdlos.  Ornament  und  Zusatz  haben  wir  in  Kied  sonst  nicht 
gefunden.    Da^c^cn  befindet  steh  im  Wiesbadener  Museum  eine 
der  unsrigtn  gleichartige  Hypokaustphitte  aus  Nied,  welche  einen 
kleineren  Stempel  (Fig.  102')  trägt,  der  auf  beiden  Seiten  von 
Rosetten,  ganz  gleich  dem  unsrigcn,  begrenzt  ist  (Kat.  10282).  In 
derselben  Sammlung  kommt  derselbe  Stempel  noch  einmal  auf  einer 
gleichanif;en  Platte  vor  (Kat.  10150),  die  in  Main:^  gefunden  wurde. 
Im  Wiesbadener  Museum  fand  ich  einen  im  dortigen  Kastell  ge- 
fundenen Rundstempel  mit  sonst  nicht  vorkommender  Einfassung 
und  einer  der  unscrigen  ganz  gleichen  Rosette  in  der  Mitte.  Die 
dieselbe  umgebende  Legende  zeigte  den  Zusatz  JT  deutlich.  Auch 
im  Mannheimer  Museum  befindet  sich  dieser  Stempel  auf  einer 
Ziegclplatte  aus  Schiossau.  Baumann  Kat.  122  liest  die  letzten  Buch- 
staben PA*  und  hält  sie  für  Teile  eines  Namens,  dessen  »Lesung 
und  Deutung  unsicher«  sei.  Mir  scheint  nach  dem  Abklatsch  auch 
dort  fr  gelesen  werden  zu  müssen,  indem,  was  B.  und  Christ  für 
ein  sehr  grosses  dreieckiges  Interpunktionszeichen  halten,  ein  ebeaso 
wie  in  den  oben  angeführten  Fällen  mit  N  ligiertes  T  sein  dürfte. 
Das  Ornament  bezeichnet  B.  richtig  als  Rosette.  Dasselbe  scheint 
demnach  charakteristisch  för  die  späte  Zeit  zu  sein.  Ob  lilerher  auch 
ein  Mainzer  Rundstem pel  gehört,  dessen  Ornament  Habel,  N.  A. 
l\y  3,  S.  253  als  Rad  mit  6  Speichen  ansieht  und  als  Kohorten- 
zeichen der  22.  Legion  erklärt,  lasse  ich  dahingestellt  sein.  Auf  der 
Abbildung  zeigt  das  sonst  ganz  unseren  Rosetten  ähnliche  Ornament 
allerdings  in  der  Mitte  noch  einen  kleinen  Kreis,  der  vielleicht  als 
Nabe  gedeutet  werden  könnte  (1.  1.  Taf.  VIII,  4).  Bei  den  oben 
beschriebenen  Stempeln  fehlt  derselbe;  die  Deutung  als  Rad  ist  hier 
unmöglich.  Wegen  der  Wichtigkeit  des  Zusatzes  Antoniniana  für 
die  Chronologie  der  Nieder  Zieglerkolonie  war  es  mir  wertvoll,  dass 
auch  Prof.  A.  Riese  auf  unserem  Nieder  Stempel  die  Ligatur  AT  als 
zweifellos  vorhanden  anerkannte. 
9)  leg  XX  II  (Fig.  103). 
prpif 

I  Plattenstück  0,43  1.,  0,065  dick.  Von  dem  Stempel  ist  nur  die 
Gesamtform  und  die  unteren  Enden  von  Buchstaben  zu  erkennen.  Da 
die  Form  und  Grösse  des  Stempels  genau  mit  einem  Mainzer  Exeniplir 
auf  einer  Hypokaustpfeilerplatte  von  0,18  i.  Q.  übereinstimmen  und 
dies  sich  bei  einer  gleichartigen  Wiesbadener  Platte  wiederholt, 
nehme  ich  Identität  an. 

=  Main^.  Mainzer  Museum. 

S3  H^irsbaden,  Wiesbadener  Museum  IQ029. 


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II.     .'«t)  SjtrM'V.t  i:  J..I  S%!;'«f\«  Mi'tiii^v*):  KhnJvt        «  I» 

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—    28l  — 


ringen.  Hanssclnunn,  ii,  l  ab.  XIII,  Fi^.  S.  Grosse  und 
horm  stimmen  iicnaii;  nur  fehlt  t)cr  Buckel  in  der  Mitte,  wohl  weil 
der  nacht^ebildetc  Stempel  schleclu  .uis<;epri!i^t  war. 

=  A/rt/M^.  Museum.  Platte  0,55:0,36:0,04);  die  Mitte  ist  un- 
deutlich. Eine  andere  grosse  Platte  derselben  Sammluni^  zei^t  dasselbe 
Kandornament,  aber  in  der  Mitte  eine  undeutliche,  von  der  unsri^cii 
verseil ic Jene  Hgur.  Vielleicht  identisch  mit  dem  Grosskrotzenburger 
I-ragnient  ? 

13)  LEG-  XXII  P  ■  P  P  (Pij;.  107O. 

Durchmesser  0,064  (bei  schärfer  ausgeprägten  E\eiupL\ien  0,061). 
In  der  Mitte  ein  Palniblatt,  über  der  Zahl  ein  gebogener  Strich, 
scheinbar  V'crdoppehmi»  des  Randes  des  Palmblattes. 

3  1  al/ziet^eKtueke,  gefunden  bei  D.  Der  Stempel  ist  nur  auf 
einem  Exemplar  und  zwar  sehr  undeutlich  erhalten,  ein  Fr:ii^ment 
?:eiut  nur  noch  Reste  der  Zahl,  ein  drittes  Stück  den  gan/en  Stempel- 
cindruck,  so  dass  die  Grösse  zu  erkennen  ist,  von  der  Legende  aber 
nur  schwache  Spuren.  Es  kann  daher  mit  Sicherheit  nur  das  erste 
Excnipl.ir  bestimmt  werden. 

—  Sdiilhnrii.  V.  C,  u.  J.  LXXVII,  II.  Der  Durchmesser  des 
sehr  gut  ausgeprägten  Stempels  ist  ein  wenig  kleiner;  da  aber  die 
Masse  und  Abstinde  der  Buchstaben  und  des  inneren  Ornaments 
übereinstimmen,  ist  die  Identität  zweifellos.  Die  grössere  Aus- 
dehnung und  geringere  Schärfe  unseres  Stempels  ist  wohl  durch 
Verschiebung  beim  Einpressen  zu  erklaren. 

=  iVfti/M^.  (Eig.  107^),  Main/cr  Museum.  1  Ivpokau.stp!atte  0,2: 
0,21:0,07,  und  längliche  Platte  0,41  :  0.29  :  0,05  -  (),()55.  cL  Becker 
Kat.  304,  10^:  »in  der  Mitte  ein  Bäumchen«.  Ein  im  Wiesbadener 
Museum  betuidiicher  Kundstcmpel  aus  Mainz  nut  Baumchen  (Kat.  10169) 
ist  dagegen  nicht  identisch  mit  dem  vorstehenden  und  dem  unsrigen. 

=  ll'icsbüden.   Wiesb.  Museum.    Ilypokaubiplatte  0,21  i.  Q. 

=  Mari mj eis,  Wiesbadener  Museum  iou6o.  Hypokaustplatte 
=5  der  vorigen. 

=  Friedber^.  (,.  Dieffenbach,  Handkatalog  XVI,  1  »mit  Pahne.« 

=  Hunnenhiir^  bei  But:(bacb.  Dachziegelstück  0,026  dick.  Darm- 
Städter  Museum  1  A  61.   cf  Hess.  Archiv  I\^  302,  Eig.  99. 

=  Ohrini^cn.    Hansselmann  II,  Lab.  XII,  Eig.  3. 

Habel.  N.  A.  II,  3,  243,  erwähnt  einen  Stempel  aus  Höchst  mit 
der  »Palme«.  Nach  der  Zeichnung,  Tab.  VII,  4,  ist  er  identisch  mit 
dem  unserigen;  nur  ist  statt  des  ersten  I*  ein  P  in  Verbindung  mit 
rück \v.ärtsstehendem  R  gezeichnet,  oHenhar  durch  Verkennung  des 
vorher|;ehenden  dreieckigen  Interpunktionszeichens.  Diese  Vermutung 


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—    282  — 


y:\rii  bestätigt  durch  den  Abklatsch  des  in  der  Habeischen  Samt 
vorhandenen  Exemplars. 

14)  leGXXII  Pr.p.f.  Qri'^.  iü8).  Zwisclicn  II  und  P  nur 
punktion. 

I  Plattcnstiick,  0,05  dick,  gefunden  bei  C. 

«  Maht:(.  Mainzer  Museum.  Dachzicf^elstück,  kenntlich 
Jen  Hindruck  einer  Hundcptbte.   Der  Stempel  ist  gut  erhalten. 

Haselheek,  Oarmstädter  Museuni  I  A  68.  Plane  0^8  i 
0,05.   Stempel  z.  T.  zerstört. 

Der  Saalburgstempel,  v.  C  u.  J.  LXXVII,  i,  sowie  ein 
gefundener  von  gleicher  Form  und  mit  gleicher  Legende  sind  k' 
als  der  unsrige. 

15)  LEGXXIIPP1--  (Fii;.  109).  In  der  Mitte  ein  Halbi 
mit  abi^estumphcn  landen  (oder  Ania/onenscliild  ?). 

I  IIy|)ukaii:>iplaue  0,2 1  i.  Q..  gefunden  bei  D. 
•  =  Ohrin^^en?  Hansselmann  II,  T;ib.  XII,  1  ii^.  5.  Gröss< 
l-urm  stimmen  tjenau  überein :  nur  ist  der  Halbmond  mit  sj: 
Enden  gezeichnet  und  die  Legende  ein  wenig  nach  rechts 
schoben.  Übrigens  sind  die  V^iri.mten  dieser  Form  sehr  zahl 
imd  schwer  von  einander  zu  unterscheiden,  daher  oft  falsc 
identifiziert. 

16)  LEGXXIlPq-'  (Hg.  iio). 

Der  Stempel  ist,  abgesehen  von  der  Ligatur  des  P  und  I 
vorigen  ganz  gleich.  Doch  hat  der  Halbmond  spitze  Enden 
zwischen  seinen  Hörnern  einen  kleinen  Buckel. 

I  Platte,  oblong  0,37:0,265.    Fundort  D. 

=  Siialburg.  G.  Diefl'enbach,  Handkat.  V,  27.  1878  t 
Geschenk  in  Dieffcnbachs  Besitz  gekommen  und  mit  dessen  Sanur 
wohl  ins  Darmsiädier  Museum.  l:r  befmdet  sich  auf  dem  '»^ 
einer  Heizrohre«.  Auf  der  Abbildung  fehlt  nur  der  an  F  nach  1 
wärts  (durch  Ligatur  des  P)  angesetzte  Bogen,  der  auch  auf  uns 
Exemplar  schwer  zu  erkennen  ist.  Identisch  scheint  auch  ein 
G.  Dieflenbach,  N.  A.  XIV',  S.  298,  186  beschriebener  Sitnipc 
sein,  der  sich  in  Fricdbcrg  »auf  einer  grossen  ziegeKihnlichen  W.i 
leitungsplatte«  fand.  Die  im  Gegensatz  zu  dem  bei  Habel,  N.  A. 
Taf.  Fig.  5  abgebildeten  Mainzer  Stempel  (ich  fand  den  Stc 
in  .N!;iinz  auf  einer  grossen  Platte  wieder;  Hammeran,  Westd.  Kf 
V,  1)9  konstatierte  ihn  unter  den  Florstädter  Tvpen)  angeycb 
Merkmale  passen  ebenso  wie  die  als  dem  Mainzer  Exemplar 
sprechend  nngenommcne  Grösse  genau  auf  unseren  Stempel. 


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-    281  ~ 


Ä  Heddernheim.  Wiesbadener  Musciini  iüi6o.  Backhieinfra^ment. 
Im  Katalog  steht  dazu  die  Bemerkung :  »derselbe  iand  sich  (auch)  in 
Burg  I  Vicdberf^" ;  s.  oben  S.  282. 

17)  legxxlIPKlM"  (I-ig.  III). 

I  batzziegelstückchcn.  Stempel  sehr  undeutlich;  da&s  in  der 
Mitte  eine  Figur  angebracht  ist,  kann  man  erkennen,  nicht  aber, 
welche.    Fundort  D. 

=  ?  M;/w;j.  Museum.  Xacli  Grösse  und  Form  der  auf  dem 
unsrigen  erhaltenen  Buchstaben  ist  Identität  anzunehmen.  Die  l"ii;iir 
in  der  Mitte  gleicht  auf  den  beiden  Mainzer  Exemplaren  einer  Sicliel, 
deren  Stiel  sich  über  dem  L  befindet.  Vor  ilirem  nach  links  offenen 
Bogen  sind  mehrere  erhöhte  Dreiecke.  Doch  ist  die  Deutung  und 
Identifizierung,  letztere  besonders  aus  dem  oben  angeführten  Grunde, 
zweifelhafc.  Habel  deutet  das  Zeichen  1.  1.  S.  263  als  CX  (Cohors 
dccima).  Ich  vermag  aber  die  X  auf  den  Mainzer  Exemplaren,  von 
welchen  er  Taf.  VIII,  Fig.  7  offenbar  das  eine  in  Abbildung  wieder* 
gibt,  nicht  zu  erkennen.  Wenn  nun  Habel  selbst  sagt:  »der  Stempel 
ist  von  ungemein  rohem  Schnitt,  und  kaum  ist  das  breite  Kreuz  in 
der  Mitte  für  ein  Zahlzeichen  zu  erkennen,«  so  kann  uns  dies  in 
unserer  Vorsicht  gegenüber  seiner  Erklärung  nur  bestärken. 

Aber  gerade  die  grosse  Zahl  dieser  an  Gestalt  und  Grösse  fast 
ganz  gleichen  Stempel  mul  ihr  Vorkommen  an  verschiedenen  Nach- 
barplätzen, sowie  die  Gleichheit  des  Materials  sprechen  für  Nieder 
Provenienz,  wenn  auch  von  mehreren  derselben  zu  fall  ig  bei  unseren 
Ausgrabungen  nicht  identische  Exemplare  gefunden  sind. 

18)  KEG  XXII  (Fig.  112'). 

Der  Stempel  stellt  eine  Vereinigung  des  oblongen  Schildes  mit 
eingekerbtem  Schwalbenschwanzornament  und  des  Kreis-  (oder  Kad-) 
Motives  dar.  Ob  die  speichenartigen  Verbindungsstriche  zwischen 
dem  innern  Kreis  und  dem  Rande  Buchstaben  sein  sollen  und  etwa 
(nach  links  zu  lesen)  PRIPIF  bedeuten,  ist  schwer  zu  sagen.  Habel 
scheint  den  Stempel  nicht  gekannt  zu  haben,  sonst  hätte  er  ihn 
W0I1I  für  seine  Kohorienzeichentheorie  verwendet. 

I  Falzziegelstück.    Fundort  D. 

s  Saallmrg.    v.  C.  u.  J.  LXXVIII,  S. 

ss=  Obcrßorstadt.  G.  Dietienbach,  Handkatalog  XVI,  21  u.  23. 
Thonplatienfragniente,  von  welchen  das  eine  (2^)  DieHenbach  selbst 
auf  dem  Felde  s.  ö.  von  Überflorstadt  am  12.  Oktober  1886  gefunden, 
das  andere  vom  Ortsbürger  W.  Stoffel  an  demselben  Tage  erhalten 
hat.  Die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  gewissenhaft  gezeichneten 
Stückchen  war  D.  entgangen. 


—  284  — 


sss  fViesbaden.  Wiesbadener  Museum  10097.  Fatzziegeltrag 
cf.  Rossel,  Militärdiploni,  Taf.  III,  11.  Ausserdem  befindet  si 
demselben  Museum  ein  Exemplar  ohne  Angabe  der  Provc 
Kat.  10181  (Plattenstück  0,047  ^ick). 

SB  Main;;^.  Wiesbadener  Museum  10057,  10126,  10057 
Ziegel),  10182  (Platte  0,29 :  0^45). 

SS  Gemsbeini  (Fig.  1 12'').  Vollständig  erhalten  auf  4  Hypo 
platten  von  0,29  m  im  Quadrat  (wohl  vom  Sockel  der  Pfeiler 
Darmstädter  Museum  I  A  97,  98,  109  und  113.  Fragmentaris« 
drei  Plattenstücken,  von  welchen  zwei  die  untere  Hälfte  des 
und  die  rechte  Seite  enthalten  (I  A  112  und  128),  die  dritte  (I 
nur  das  Ornament  an  der  linken  Seite  und  die  Buchstabe 
(Fig.  112').  Dieses  FundstQck  ist  aber  von  besonderem  Wene 
auf  demselben  Ziegel  noch  ein  zweiter  Stempel  (Fig.  ii2<*)  ausgi 
ist,  der  sich  mehrfach  allein  und  mit  anderen  vereinigt  gefunde: 
bisher  aber  meistens  unrichtig  wiedergegeben  ist.  Auch  wir 
ihn,  freilich  kaum  kenntlich,  zusammen  mit  einem  Namenst 
gefunden.  Ich  werde  datier  bei  der  Beschreibung  der  letzteren 
c,  3  näher  auf  diesen  interessanten  Gegenstand  eingehen. 


Charakteristische  Vereinigung  von  Kreuz*  und  Kreisforni. 

I  Plattcnfragnient  0,05  m  dick,  l'undort:  das  Feld  nebe 
Zicgelöfen.   Besitzer:  Dr.  Lina  in  Höchst. 

=  Saalburg.  v.  C.  u.  J.  LXXVII,  19. 

^  Meuns^,  Mainzer  Museum.  Neu  gefundene  Hypokausi 
o»2i  :  0,21  : 0,05.  Eine  gleichartige  Platte,  »gefunden  von  En' 
römischen  Ruinen  bei  Mainz«,  ini  Wiesbadener  Museum  10058 

20)     H  j>T  cl     (Fig.  114). 
LEGXXII 

Kreis  mit  einer  Scheibe  an  jeder  Seite.  Über  die  Form  ^ 
frühere  Ansichten  zusammenfassend,  Suchier  in  der  Eestschrif 
1882,  S.  16,  4  bei  Erwähnung  des  folgenden  Stempeb  (b,  2f^ 
1885,  S.  12,  4. 

4  FalzziegelstOcke  mit  Bruchstücken  des  Stempels,  gefi 
bei  D. 

I  Plattenstück  0,045  dick,  mit  dem  ganzen  Stempel,  von 
selben  Felde,  im  Besitze  des  Dr.  Lina  in  Höchst.    Zu  dem« 
gehört  ein  anderes  Stttck,  welchem  mit  ersterem  eine  grosse,  ii 
weichen  Thon  geritzte  Kursivinschrift  gemeinsam  angehdn.  Erl 


19)  LE   GXXii  (Fig.  113). 


0^ 


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—  285  — 


sind  von  derselben  die  beiden  Zahlstriche  und  P  nebst  der  Hälfte 
eines  F,  also  leg.  xx  II  PF. 

S8  iMtfifK^.  Plattenfragment  0,045  '^^^^*       Becker  304,  88. 

»  Rüekingert,  Sachter  1885,  S.  14,  26  u.  Taf.  I,  26.  Auch  die 
dort  gefundenen  Exemplare  sind  Plattenfragmente  von  0,045  Dicke. 

«  Saalburg,  v.  C  u.  J.  LXXVII,  18. 

3=  Worms,  cf.  Weckerling  II,  S.  92,  10  u.  1 1.  Die  Abbildung 
Taf.  II,  5  ist  etwas  zu  klein.  Die  Abklatsche  beweisen  die  Identität. 
Die  von  Weckerling  angenommenen  Unterschiede  der  beiden  Exem^ 
plare  des  Wormser  Museums  beruhen  auf  Täuschung  durch  mangel- 
haften Abdruck  der  einen  Scheibe  bei  No.  1 1  und  aufsitzenden  Sinter  — 
wie  der  Abklatsch  erkennen  lässt  —  bei  No.  10. 

a=  Capersburg.  Darmstädter  Museum  I  A  33.  Dachziegelfragment 

<)ick. 

=  Niidernberg,  2  Exemplare  nach  Abklatsch. 

SB  Wiesbaden,  Wiesbadener  Museum  10202.  Backsteinbrocken 
ohne  Angabe  der  Fundstelle.  In  derselben  Sammlung  eine  0,29  1., 
0,045  dicke  Platte  aus  Höchst  mit  gut  erhaltenem  Stempel. 

21)  .1  fl  dll  (Fig.  115^"»'). 
LEGXX 

Form  =  b,  20  (Fig.  114),  nur  dass  die  beiden  Zalilenieile  II 
von  XX  getrennt  sind. 

2  Falzzie^clstücke,  ^eluiKicü  oei  i). 

a=  Grosskrot-enburg.  Suchier  1882,  S.  16,  4  und  1885,  S,  12,  4. 
Platte  0,56  lang,  0,06  dick.    Fin  gutes  Exemplar  aus  Grosskrotzen- 
burg fand  ich  im  D.irni  .:.iJ:er  Museum  aus  der  Diellenbnehscticn 
Sammlung.   Kat.  I  A  ]2:   Ilvpokaustplatte  0,29  lim,',  0,032  Jiciv. 
=  Rückini^en.    cl.  Suchier  188),  S,  12,  4.    l  l  utc  0,29  I. 
—  Miiiii;.    Museum.    Neu  »^eiunden  au:  cmer  0,21  1.  u.  0,05 
dicken  Hvpokausiphme.  Nach  Habel,  X.  A.  11,  3,  S.  1S2  u.  Taf.  VIII,  ^, 
in  Mainz  und  Nied         i^efunden.    ^  Mainzer  Exemplare  belinden 
sich  im  Wiesbadener  Museum  K.it.  10009,  10090,  lui^r,  cbendort 
auch  zwei  ältere  aus  NicuJ :   ioi)4  (Ilvpokaustplatte  0,21  lang  und 
breit^  und  10196  (oblonge  l'i.iitc  0,41    :  0,14  :  0,04). 

=  Ohertloishidl?  el.  H.i  iunciai!,  W'estd.  Korrespondenzbl.  V,  159. 
Da  Hammerau  bei  Auizalilun^  der  Morstädrer  Stempel,  nachdem 
er  gesai^t  bat:  »So  findet  sich  der  Stempel  mit  dem  Capricorn,  dem 
Rnd,  den  beiden  Disken  vor«,  dieselben  ausdrücklich  als  identisch 
niit  den  »bei  Habel,  Nass.  Ann.  II,  3  gut  abgebildeten«  erklärt,  dori 
aber  von  den  3  Nieder  Stempeln  «mit  Disken«  nur  unser  Tvpus 
No-  115  abgebildet  ist,  so  muss  Ilamnieran  diesen  erkannt  haben. 


-   286  — 


Die  Koflerschen  Fände  von  Oberilorstadt  sind  mir  leider  im  1 
Städter  Museum  nicht  vorgelegt  worden.  Der  im  Westd.  I 
spondenzbl  VII,  1888,  No.  48»  Sp.  71  abgebildete  Stempel  ist 
unsrigen  nicht  gleich,  scheint  vielmehr  mit  No.  22  identisch  zt 

»  Wiesbaden,  Wiesbadener  Museum  10085  10417. 

=  Friedberg,   Dieflfenbach,  Handkat.  V,  45. 

SS  AttgsL  Wiesbadener  Museum  10188.  Hypokaustpbtt« 
lang,  0,055—0,06  dick. 

B  Niedemberg,  nach  Abklatsch. 

22)  LEGXXII  (Fig.  iiö-"). 

PRIPIF 

Form  B  b,  20  und  21,  aber  mehr  oval  und  grösser. 

I  Plattenstück,  0,05  dick,  gefunden  bei  D. 

Im  Mannheimer  Museum  ist  ein  ganz  erhaltenes  Exemplai 
Nidda«,  cf.  Baumann  iio;  es  ist  nach  dem  Abklatsch  mit  dem  uh 
identisch. 

=  Heddernheim  (Fig.  116'').  Grosse  Platte  0,41  i.  Q.,  fasi 
erhalten,  gefunden  im  Hypokaustum  auf  dem  l-riedhof  im  \ 
1 89 1/92.   Hbendort  fand  sich  auch  ein  Plattenfragmcnt  mit 
Teil  des  Stempels  vermauert, 

Ä=  SaaJbutg.    Neu  gefunden.  Abklatsch. 

==  Oherflor Stadl?   Vgl.  die  Bemerkung  zu  No.  21, 

23)  leg  XXII  (Fig.  117), 
pr-p  f-  ? 

Kreis  mit  Capricornus  in  der  Mitte. 

I  l-alz^.iegelstuck,  gefunden  südlich  von  de,  römischen  S 
bei  I'.  Welche  von  den  vcrscliicdcnen  Formen  des  Capricornus  vo 
lässt  sich  bei  dem  Zustand  des  Stempels  nicht  mit  Sicherheit  i 
wohl  aber,  dass  es  keine  der  bisher  verötFeoilichten  ist,  wenr 
die  Grösse  zu  mehreren  derselben  zu  stimmen  scheint.  Vgl. 
K.  A.  II,  3,  Taf.  V,  i~3;  v.  C.  u.  j.  Tat.  LXXVII,  13  ur 
Suchier  1885,  T.if.  II,  30  und  1882,  S.  17,  6.  Die  Angabc 
Becker  Kat.  304,  105  und  106,  sowie  bei  Brambach  an  verschie 
Stellen  genügen  nicht  zur  Unterscheidinig.  Sehr  ahnlich  s< 
abgesehen  von  der  Legende,  ein  aus  Heddernheim  stamn 
.Stcnipcl  des  Wiesbadener  Museums  auf  einer  0,21  langen  Hypo 
pleilerpiatte  (Kat.  10219)  zu  sein. 

24)  p  p  f     (Fij;.  iiS^. 
LIXXXII 

Kreis  mir  Capric^rtins  in  der  Mine. 
I  Falzziegelfragnieut,  getunden  bei  D. 


l 


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—  287  - 


SS  Rückingen.  Suchier  1885«  S.  1 5, 30,  Taf.  II,  30.  Die  von  Suchier 
angefühnen  Verschiedenheiten  der  3  gefundenen  Exemplare  beruhen 
wohl  auf  verschieden  sorg^Icigem  Eindruck  der  Matrize.  Müsste 
man  verschiedene  Matrizen  annehmen,  so  wäre  jedenfalls  die  eine 
nach  der  anderen  geschnitten.  Von  den  von  Suchier  im  Manuskript 
in  natQrlicher  Grösse  gezeichneten  Formen  entspricht  die  mit  a 
bezeichnete  der  unsrigen  genau. 

asB  Main^,   Platte  0,55  lang,  0,045  ^^^^  118''). 

=  SaaUfurg,  v.  C  u.  J.  LXXVl,  13. 

s  Oberßorsiadt  f '  cf.  Hammeran,  Westd.  Korrbl.  V,  159.  Ich 
habe  den  Stempel  nicht  vergleichen  können.  Nach  Hammerans  An< 
gäbe  (s,  oben  zu  No.  115)  muss  der  dort  gefundene  »Stempel  mit 
dem  Capricom«  dieser,  nicht  Fig.  117,  sein. 

X 

25)  LEG^Hd  (Fig.  119). 

cu 

Kreuz,  in  der  Mitte  ein  kreisrunder  Buckel 
2  ßacksicinstücke  (keilförmige?),  (^03  und  0,045  dick. 
I  Platte,  oblong  0,13  breit,  noch  0,17  lang,  0,045—0.04  dick, 
gefunden  bei  D. 

=  A/rt/;/^.   Brambach  1377,  g,  54. 

Ik'cker  Kat.  304,  71  meint  wohl  denselben  Stempel,  wenn  er 
auch  das  umgekehrte  PR  mit  den  Bogen  nach  rechts  gestellt  sein 
lässt:  Hb. 

=:  Saalbur^.    Neu  gefunden,  nach  Abklatsch. 

26)  KHGIXxii  priPF  (Fig.  120).  IX  auf  dem  Ziegel  deutlich 
erkennbar.  Halbkreis. 

I  Falzziegel,  gefunden  in  dem  Schlämmbausin.  Auf  demselben 
Ziegelstücke  fand  sich  der  folgende  Stempel  zweimal. 

=  Main-?  P.  1  uchs  I,  Tab.  XX,  No.  I.II,  p,  177.  Jedenfalls 
sehr  ähnlich;  nicht  ss  Brambach  1377,  g,  48. 

27)  anqi)Mi5iMiix(xT:i  i)  (Fig.  m'^^^y 

Hallikrcis,  nicht  mit  dem  Zirkel  gemacht. 

I  Falzziegelfragment;  s.  zu  No.  26.  Von  dem  einen  Abdruck  ist 
etw*as  mehr  als  die  Hülfte  von  links  aus,  doch  o\mc  die  Hnden,  von 
dem  anderen  nur  die  Fnden  ohne  Buchstaben  crlialten. 

=  SiUiU'Hn:.  Diet]liU>.ich,  Handkat.  X\*I,  S.  61.  (jclunden  1.S76, 
in  Dietenbachs  Besitz  gekommen  als  »Geschenk  der  Frau  Seminar- 
direktor Schaefer  am  29.  April  1890«. 


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I 


--aas- 
ig) LEGXXnPRPFi  .  .  .  (Fig.  122). 
Hufeisenform  (zu  lesen  mit  der  Öffnung  nach  oben). 
I  Platte  0,44 :  0^ :  0^)65  Boden  des  Schlämmb 

gebrochen. 

«  Afoiif^C.  cf.  P.  Fuchs  n,  T.  XI,  Clas.  IV,  No.  XXXVII 
einem  »ungewöhnlich  dicken  gebackenen  Stein«.  Wegen  dei 
ihm  in  der  Nähe  der  Albanschanze  gefundenen  MQnzen  verleg 
P.  Fuchs  in  die  Zeit  des  Severus  Alexander.  Leider  sind  aui 
Stempel  dieselben  letzten  Buchstaben  zerstört  wie  auf  dem  uns 
Die  bei  P.Fuchs  angegebenen  Reste  (vgl.  auch  Brambach  1577, 
lassen  ebenso  wie  bei  uns  statt  der  Ergänzung:  centuriae  DID 
in  FIDEL  zu.  Jedenfalls  würde  ich  statt  der  von  Fuchs  angc 
menen  Erklärung,  wenn  der  Name  DIDIVS  in  den  Buchst 
trömmem  stecken  sollte,  lesen  DIDIF. 

29)  LEGXXIIPPF  (Fig.  i2r). 

Halbkreis  (zu  lesen  mit  der  Öffnung  nach  oben). 
3  Falzziegelstficke,  i  gefunden  neben  dem  Schlämmbassin 
2  bei  D. 

s  Saalburg.  v.  C.  u.  J.  LXXV,  la  Dazu  ein  neuer  Fund, 
Abklatsch  identisch. 

K  Aftfinv    Platte  0,28:0,28:0,05.   (^ig'  I2)^) 

CI 1  ■■{ 

30)  IHMI1XX;)3J  (Fig.  124).  Delphin. 

I  Keilplatte  04  (?)  :  0,28 :  0,045—0,03. 

I  Falzziegelfragnient.    I-undort  beider  bei  D. 

a=  AfdiViv  J  Hypokaustplatic  0,21  im  Quadrat  und  i  1 
041:0,41:0,045.  et".  P.  Puchs,  II,  T.  XI,  Clas.  IV,  No.  XX 
Das  D  der  oberen  Linie  ist  fälschlich  als  F  aufgetasst.  Fuch 
merkt,  die  heiden  letzten  Buchstaben  seien  eingedrückt,  die  an« 
erhaben.  Das  ist  oflcnbnr,  wie  ich  mehrfach  beobachtet  habe,  < 
Aussplittcrung  der  beiden  Buchstaben  bewirkt,  die  ursprür 
ebenfalls  erhaben  waren  und  dadurch  dem  reibenden  Gegens 
Wi  !  r  f  ind  leisteten,  l  uchs'  Bemerkung,  »olfenbar«  sei  »jeder  I 
Stabe  für  sicii  ausgedrückt  worden«,  ist  sicher  falsch.  Auel 
Wiesb.  Museum  befindet  sich  ein  Exemplar  aus  Mainz,  Kat.  ick: 

=  Arnshnt;^.  Dachziegelfragment.  Darmstädter  Museum 
A  62;  cf  Archiv  d.  Hess.  V.  III,  XV,  9  (verkehrt  gezeichnet). 

=  Marietifcls{»\i\\in),  Wiesb.idener  Museum  tuo  12.  Hypoi. 
plane  0,21  i.  Q. 

=  Ihddmtham.  Wiesbadener  Museum  10087.  Hypokaust| 
0,21  i.  Q. 


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—  289  — 

"  fVieshaäetiy  nach  v.  Cohausen,  N.  A.  XXI,  9  (umgekehrt  und 
nicht  ganz  richtig  gezeichnet).  Ich  habe  diese  Platte  (0^20  im  Quadrat) 
im  Museum  nicht  gefunden. 

9  Saaihurg.  v.  C.  u.  J.  LXXVIII,  ^.  Doch  ist  der  Stempel 
umgekehrt  2U  lesen.  Die  Delphinform  konnte  aus  dem  Fragment 
kaum  erkannt  werden. 

51)  LBÜXXUPPF  (Fig.  125').  Delphin. 

Der  Vertikalstrich  des  G  ist  stark  verl.ingert,  so  dass  der  Buch- 
stabe aussieht  wie  ein  umgekehrtes  D.  Vielleicht  liegt  Ligatur 
mit  I  vor. 

r  Falzziegclstück,  geluiiden  bei  D,  enthält  nur  den  Schwanz.  Im 
Wiesbadener  Museum  Kat.  10018  ist  der  Stempel  vollständig  auf  einem 
«bei  NiVf/«  gefundenen  Falzziegel. 

=  Rückingen.  Suchier  1885,  Taf.  il,  ^4  und  Text  S,  16,  34. 
Abgebildet  Fig.  I2)^ 

=s  Kitdi'tnberg,  nach  Abklatsch,  cf.  Suchier  1. 1.  u.  Westd.  Korrbl. 
11,  5.  72,  S.  55. 

=  Maini.  Phtte  0,41  i.  Q.  Sehr  fihnÜch  ist  auch  der  Stempel 
einer  dort  befindlichen  Keiiplatte  0,28  :  0,14  :  0,06—0,055. 

52)  L  E  G  XX  n  pripf  (Fig.  1 26 ). 

Bandförmiger  Stempel,  ähnlich  einem  langgezogenen,  liegenden  S. 
I  Falzziegelfragment.  Fundstelle  wegen  Verwischung  der  Signatur 
nicht  genauer  zu  bestimmen,  wahrscheinlich  D. 
*■  Friedberg*  G.  DieiFenbachs  Handkat.  V,  4. 
SB  Saalburg,  v.  C  u.  J.,  LXXVIH,  7. 
a  ff^esbadetit  nach  Abklatsch. 

SB  Gernsheim,  Hypokaustdeckplatte  im  Darmstädter  Museum  1 
A  126. 

LEGXXIIPR  PI  F  (Fig.  127).  Hammer? 

I  Striclizicgel,  geliindcn  südlich  vom  Ofen  A. 
i  F.il/ziegel,  gclundcn  bei  D. 

Ich  liabe  diesen  autlallenden  Stempel  in  keinem  Museum  ge- 
funden; ebensowenig  ist  er  bisher  vcrötkniliclu  wurden. 

34)  LEGXXUPRPF1D(HL?)  (Fig.  128).  Sandalcnform. 

I  Plattenstück  0,04  dick.    Fundort  0, 

Auch  dieser  Stempel,  der  schon  durch  seine  breiten  und  abge- 
rundeten Buchstaben  auffällt,  ist  mir  sonst  nirgends  begegnet.  San- 
dalenform  kommt  noch  vor  im  Mainzer  Museum,  ebenso  im  Wies- 
badener Museum  100 14  und  10074  ^"s  Wiesbaden. 

«9 


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3))  H4IIXX0HJ  (Fig.  iz^"»-«»),  Sandalcnform? 

2  Plattenfragmente,  das  grössere  0,06  dick  (zusammengehe 
gefunden  bei  D.  Auch  von  diesem  Stempel  gilt,  was  zu  No.  3 
34  bemerkt  ist. 

j6)  K6GXXIIPRPF  (Fig.  ijc/-»')- 

Bandform  in  Gestalt  eines  umgekehrten  S  (Spiegelbil 
gebrochenen  Linien,  0,07  lang,  0,04  breit.  Das  L  hat  sch 
Querstrich,  das  E  ßogenform. 

2  Falzzicgclfragmente,  gefunden  bei  A. 

mm  Heddernheim.  Frankf.  Museum.  3  Exemplare  X,  5999  u. 

M  iVUsbaden,  Falzziegelstück.  Wiesbadener  Museum  100 

37)  LEGXXIIPPF  (Fig.  J31).  Langgezogenes  S. 

I  Plattenstock  0,04  dick,  wahrscheinlich  Deckplatte  eines  ( 
gefunden  bei  D. 

Maifii,  Platte  0,28  im  Quadrat.  P.  Fuchs  I,  Tab.  XX,  Ho. 
zeigt  einen  ähnlichen  Stempel,  cf.  Becker,  Kat.  304,  100,  lot, 

A  Saalburg.  Neuer  Fund  nach  Abkbtsch. 

^  fVUsbaäm,  Wiesb.  Museum  10166,  Backstetnstück  0,04s 
Fundstelle  nicht  bezeichnet. 

^  Heddernheim,  Wiesbadener  Museum  10089. 

38)  LEGXXII  P  P  FI-  (Fig.1320.  Stark  geschwungci 
I  Falzziegetstuck,  gefunden  bei  D. 

a  Saalburg.  v.  C  u.  J.  LXXV,  9. 

MziH^.  KeilziegelstQck  0,28  br.,  041 1.?  0,09  dick  (Fig. : 
cf.  P.  Fuchs  zum  vorigen  Stempel. 

SB  Wiesbaden,  Fundort  nicht  angegeben. 

—  Gernsheim.  Dachziegelstück  im  Darmstädter  Museum  I  A 

39)  ^fl^nXX^OHJ  (Fig.  133-"). 
Langgestrecktes  S.  Auffallend  grosser  Zwischenraum  zwi: 

G  und  X. 

I  Falzziegclstück,  gefunden  im  Wirtshaus  zum  Schwan  mit 
Ein  sehr  ähnlicher  Stempel,  nur  umgekehn  gebogen,  befindet 
im  Wiesbadener  Museum  Kat.  10216.  Fundort  »HochsLK 

wm  Wiesbaden  (Fig.  133*'}.  Wiesbadener  Museum  iot02, 
funden  »im  Kastell«.  Der  Stempel  ist  ganz  erhalten  und  erglnzi 
unsrigen. 

»  Saalburg.  Neuer  Fund  nach  Abklatsch. 

40)  lEGXXlIppf  (?)  (Fig.  134).   Form  unbestimmt. 

1  Falz7.iege!stiick,  gcluiidcn  bei  D. 

^  Siiülhnr^.   V.  C.  und  J.  LXXVl,  14. 


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-    291  - 

41)  LEGXXHRP  (Fig.  13$'"  0- 

Oblong  mit  gebogenen  Schwalbenschwänzen,  der  Länge  nach  in 
drei  Felder  geteilt,  im  oberen  und  unteren  Felde  scblangenförmiges 
Ornament.  R  = 

I  Falzziegelstflck,  gefunden  bei  D  (Bg.  IJS**). 

«  Rüdtti^m  (Fig.  135«).  Suchier  i8S$,  I,  16  u.  S.  13, 16. 

>-*  fTtesbaden}  N.  A.  XXI,  1889,  Taf.  III  1.  Ich  habe  den 
Stempel  im  Museum  nicht  gefunden. 

42}  leGXXIIPPf  (Fig.  156).  Unsichere  Form. 

1  Ptattenstück  0,04  dick,  gefunden  bei  B  in  den  TrQmmern 
eines  Ziegelofens. 

43)  .  .  .  IPF  (Fig.  137).  Form  und  Legende  unsicher, 
r  Falzziegelfragment,  gefunden  bei  D. 

44)  LEG XXII PRFF  (Fig.  i38-.'">  0- 

Oblong  mit  reicher  Ornamentierung  0,27  1.,  0,098  h. 

2  zusammengehörige  (.^)  Stücke  einer  Heizkachel  (Fig.  ijS*»  ''). 
Fundort  B. 

V  Wiesbaden.  Wiesbadener  Museum  Kat.  10340  und  1034 1: 
»2  Heizkacheln  gefunden  an  der  Rose«,  abgebildet  Fig.  138'.  cf.  N.  A. 
XXI  1890,  Taf.  III,  c  (nicht  Taf.  III,  i,  wie  es  im  Text  S.  12,  c 
heisst).  Der  Stempel  hat  je  11,  nicht  8  rechteckige  Zacken,  wie  er 
auf  der  dortigen  Abbildung  erscheint. 

=  Saalburi^,  nach  Abklatsch,  v.  C.  und  J.  LXXV,  Dazu 
Suchicrs  zutreffende  Berichti;;unt;  (im  hand^chi ittlichen  Nachtrag  zur 
Arbeit  von  1885),  dass  die  locken  nicht  recliteckig,  sondern  .ihu;c- 
stumpft  sind.  Nach  Suchier  ist  ein  im  Hanauer  Museum  betindliches 
»winziges  Fragment«  des  Stempels  durch  Buchenau  von  der  Saal- 
burg dortliin  verbracht. 

=  Oherßor Stadt.  »Thonröhrenstückchen«,  Geschenk  des  Wilh. 
Stoffel  von  Oberflorstadt  an  G.  Dieffenbach,  jetzt  im  Museum  zu 
Darmstadt.    (].  Dieffenbachs  Handkat.  XVI,  16. 

=  Friedberg.  »Auf  einer  Thonheizröhre«.  G.  Dieffenbachs  Hand- 
kat. XVI,  17. 

=  Gernsheim.  Fragment  im  Darmstädter  Museum  I  A  128, 
zv^-eifellos  ebenfalls  von  einer  Hcizkachel.  F>halten  sind  die  oberen 
Teile  von  XXllF  nnt  dem  angrenzenden  Kandornament. 

45)  HS4IIXX0H1  (oder  umgekehrt)  (Fig.  139).  Halbkreis. 

I  Falzziegelstück,  gefunden  bei  D  von  Prof.  Sommer,  dessen 
Sohn  es  an  der  Ausgrabungsstätte  nach  Beendigung  der  Arbeiten  zu 
Tage  gefördert  hatte. 

19- 


—  29a  — 


46)  npF  ?  (Fig.  140). 

t  abgeriebenes  FalzziegeUtQck.  Fundort  D.  Legende  uns 

47)  LEG  (Fig.  161),  Kreis. 
XXII 

PRP 

Dieser  Stempel  ist  zwar  nicht  von  uns  in  Nied  bei  den 
grabungen  gefunden;  da  er  aber  als  von  diesem  One  stammer 
Wiesbadener  Museum  mehrfacli  bezeichnet  ist  und  wir  ein  Exci 
auf  einem  Strichzicgelstück  bei  den  Ausgrabungen  auf  clcm  Hea 
bämer  Friedhofe  im  Sommer  1892  gefunden  haben,  so  lüeit  i 
mit  Rücksicht  auf  das  häufige  Vorkommen  der  Form  für  angcm« 
dieselbe  beizugeben.    Vgl.  zur  14.  Legion,  No.  24  (Fig.  162). 

=  Friedberg.  G.  Dietfenbaciis  Handkat.  1,  140.  cf.  N,  A. 
298,  No.  185. 

=  iWa/«-.    cf.  ßranib.ich  1377,  g,  15,  nach  P.  Fuchs  II, 
Taf.  X,  XXV^II.  Der  Stenipel  findet  sich  auch  heute  noch  im 
Museum  auf  einer  op^  dicken  Platte.    Becker,  Kat.  304.  35  i 
scheint  das  oben  quer  liegende  I'  übersehen  zu  iiaben.  Übrigen: 
ich  einen  sehr  ähnlichen  Stempel  auf  einer  Keilziegelplatte 
0,14 :  0,047 — ^><H)      Mainzer  Museums  ohne  das  charakteristis« 

LHG 

mit  der  Legende:  XX IIP  »  Saalburg  v.  C.  u.  J.  LXXVi 

PF 

Derselbe  fehlt  bei  Br.imbach  und  Ik-ckcr,  wenn  nicht  bei  letzterer 
304,  128  wie  das  eine  X,  so  auch  das  P  der  let/ien  Zeile  ubersehe 

=  IVieshaden.  Wiesbadener  Museum.  Zweimal  Kat.  10103.  1 
mit  ausdrÜLklichen  Angaben  über  die  Provenienz  aus  der  Stadt 
deren  n.iclistcr  L^mi^ebunq ;  zweimal,  10203  u.  10205,  ohne  ni 
Ani^abc  des  l'undorts.  Pl.uten  0,05  dick.  cf.  N.  A.  XXI,  Taf.  Ii 
Das  F  ist  auch  hier  übersehen. 

=  Orltu.  Wiesbadener  Museum.  Kat.  10148 

=  Aiiysl.  Wiesbadener  .\lu>eum.  Kat.  10204 
Aus  »XitJu  und  »Höchito  befinden  sich  im  Wiesbadener  Mus 
3  Platten  gleicher  Beschaffenheit:  Kat.  H1017,  T0129,  10159,  wo 
Suchiers  Bemerkung  1883  S.  12,  3  zu  erweitern  ist. 

3=  Rückini^en.  Suchier  1885  S.  12,  3  u.  Taf.  I,  3  :  »fünfmal 
zwar  in  dem  Hypokaustgebäudc  (im  Kastell)  auf  dicken  und  grc 
Plauen.« 

=  Gtoiskrot^cnbttrg.  Suchier  1882.  S.  16,  5.  Dort  ist  das  lieg 
F  noch  nicht  erkannt. 


I  Platten  0^05 


i 


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—  293  — 


»  Mannheim  (?).  Mannheimer  Museum.  Baumann  io8.  Ohne 
Angabe  des  Fundortes. 

Die  Deutung  der  Figurenstempet  hat  seit  mehr  als  hundert 
Jahren  den  Lokalforschern  viel  Kopfzerbrechen  bereitet,  ohne  dass 
wir  durch  die  Ober  diese  Frage  angestellten  Untersuchungen  erheb- 
lieh  weiter  oder  gar  zu  einem  Abschlüsse  gekommen  wären.  Die 
Auffindung  mehrerer,  sämtlich  mit  Nieder  Typen  identischer  Stempel 
gab  im  Jahre  1773  Ch.  E.  Hansselmann  Veranlassung,  die  Vermutung 
auszusprechen,  dass  wir  in  dem  BlitzbOndel,  dem  »Bock«  (Caprioomus), 
der  »Palme«  etc.  Kohortenzeichen  zu  erkennen  hätten,  deren  Ver- 
teilung auf  die  zehn  Kohorten  der  22.  Legion  aber  schwierig  sei.' 
Diese  Verteilung  hat  dann  60  Jahre  später  Habel  in  einem  gelehrten 
Aufsätze  durchzuführen  gesucht,*  während  schon  vorher  Lehne'  gegen 
die  Deutung  gerade  des  Capricomus,  von  dem  Habels  Beweisführung 
hauptsächlich  ausging,  als  Kohortenzeichen  polemisiert  und  darauf 
aufmerksam  gemacht  hatte,  dass  der  Capri  nus  als  Nativitätszeichcn 
des  Augustus  sich  auf  die  gan/cc  Legion  beziehe,  übrigens  auch  bei 
anderen  Legionen  vorkomme/  Das  letztere  ist  wahr,  würde  aber 
nicht  das  beweisen,  was  Lehne  behauptet.  Ebensowenig  aber  ist  es 
Habel  gelungen,  seine  Ansicht  so  /u  begründen,  dass  dieselbe,  wie 
manche  seiner  Nachfolger  stillschweigend  oder  ausdrücklich  zustim- 
mend voraussetzten,  über  allem  Zweifel  erhaben  wäre»  Denn  wenn 
auch  der  hochinteressante  Capricomus  aus  Bronze,  dessen  Auftindung 
in  der  Nähe  der  Platte  im  Taunus  Habel  zu  seiner  Hypothese  ver- 
anlasste, wohl  zweifellos  ein  Feldzeichen  krönte,  und  wenn  auch  das 
Schildchcn  mit  den  Buchstaben  COHV  zu  demselben  gehörte  und 
sich  auf  die  5.  Kohorte  der  22.  Legion  bezog,  so  beweist  dies  nicht, 
dass  auch  der  Capricomus  selbst  noch  einmal  diese  Kohorte  bezeichnen 
sollte;  er  konnte  ebensowohl  das  Ganze,  die  Legion,  andeuten,  deren 
Teil,  die  Kohorte,  durch  das  Schild  bezeichnet  wurde.  Wenn  nun 
im  folgenden  Habel  die  übrigen  ihm  bekannten  Figuren,  beson- 
ders der  Ziegelstempcl,  unter  die  einzelnen  Kohorten  unterzubringen 
versucht,  so  hält  er  sich  zwar  von  'Hansselmanns  phantastischen 


■  Ch.  £.  Han»sdinann*s  Beweis,  wie  weit  die  Römer  etc.  Baad  II,  177}, 
S.  176  fü,  bes.  177  u.  17S. 

s  F.  G.  Habel,  Über  die  Feldzeichen  des  römischen  Heeres,  insbesondere  die 
Kohorteuzeichcn  der XXII.  Legion.  N.  A,  II,  III  18 J7,  S.  98—269,  nebsi  Taf.  II 

^  Fr.  Lehne^s  gesammelte  Schriften,  herausgeg.  von  H.  Kölb.  II.  Bd.  18^7, 

S.  241  tv. 

*  L  1.  S.  341. 


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-  m  — 


Deutungen»  nicht  aber  von  mannigfachen  Willkfirlichkeiten  fre 
wir  dies  bei  dem  Stempel  b,  17  bereits  gelegentlich  an  einen 
spiele  gezeigt  haben.  Aber  während  dort  der  Mangel  einer  bt 
baren  Figur  für  die  10.  Kohorte  Habel  nötigte,  zur  angeblichen 
X  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  sind  wir  heute  in  der  umgekc 
Lage:  wir  kennen  jetzt  noch  eine  Menge  weiterer  Figurei 
Stempeb,  die  ebensogut  wie  die  von  Habel  beschriebenen 
Spruch  darauf  erheben  könnten,  als  Kohortenzeichen  angeseh« 
werden,  es  aber  ebensowenig  als  jene  sein  durften.  Es  haben 
auch  die  meisten  neueren  Forscher  Habels  Hypothese  auf 
beruhen  lassen  und,  wenn  sie  überhaupt  auf  die  Frage  zu  spn 
kamen,  sich  begnügt,  die  Bedeutung  der  ein/einen  Figuren  an 
festzustellen,  was  auch  nicht  immer  ganz  Iciclu  ist.  Wenn  ic 
l-iguien  auf  die  Herstellung  der  Ziegel  beziehe  und  ihre  Dci 
nicht  von  der  der  Namenstempel  trenne,  so  hat  dies  u.  a.  darin  s 
Grund,  dass  bei  einem  Stempel  (c,  3)  die  l  imir,  welche  zwei 
ein  grosses  lateinische^  S  darstellen  soll,  den  Anfangsbuchstabet 
beiden  verschiedenen  in  dieser  Fassung  vorkommenden  Namen  wi 
holt.  Ich  erkenne  in  den  Figurenstempeln  im  engeren  Sinne  \ 
Übergang  von  der  älteren  Sitte,  die  Legion  allein  zu  nennen  und 
durch  kleine  Nuancen  die  Hersteller  der  Ziegel  anzudeuten,  zi 
späteren  Gepflogenheit,  die  letzteren  mit  ihrem  Namen  zu  bezeich 
und  speziell  die  oben  erwähnte  Figur  mit  den  beiden  nur  durd 
ersten  Buchstaben  angedeuteten  Namen :  MS*  und  L*  L*  S  *  steht 
Wissermassen  an  der  Grenze.  Dazu  stimmt  der  Umstand,  dass  w 
einem  und  demselben  Hypokaustum  auf  dem  Friedhofe  zu  Hedd 
heim  neben  zahlreichen  Namenstempein  gerade  jenen  S-Stemp« 
den  Pfeilern  fanden,  und  ausserdem  von  den  einzeiligen,  unter  a 
zeichneten  Stempeln  diejenigen,  bei  welchen  die  halbmondförir 
Ohren  eine  spätere,  verzopfte  Abart  der  Schwalbenschwänze  erkei 
lassen,'  während  andere  einzeilige  Stempel  sich  auf  den  in 
Mauern  verbrauchten  Ziegelbrocken  fanden,  die  sehr  wohl  als  F 
älterer  Bauwerke  angesehen  werden  können.  Dass  die  cntwickcli 
Figurenstempel  mit  den  Namenstempein  f^lcichzeitlg  und  /.war  > 
zeitig  sind,  beweist  auch  das  Vorkommen  des  oben  be^prociK 
Stempels  IVSTVMFECIT  auf  denselben  Ziegeln  mit  Figuren- 
Namenstempein.  Auf  diesen  Punkt  kommen  wir  weiter  unten 
gehender  zurück. 


*  Vgl.  oben  a,  }o  (Fig.  82). 


1 


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-  29J  - 


c.  Namenstempel. 

i)  LEG- XXII  PFF  (Fig.  141*). 
MSTMF 

8  Falzzicgclstückc,  sämtlich  aus  stark  mit  weissem  Quarz 
gemischtem  Thon,  in  dem  der  Stempel  sich  meistens  undeutlich  aus- 
geprägt hat ;  vollständig  erhalten  war  er  nur  auf  einem  Exemplare. 
Fundort  B,  bei  einem  Fragmente  D. 

=  IViesbndcn.    »Aus  der  Heidengasse«.    Museum  10024. 

Bei  zwei  anderen  Fxeiiiplaren  derselben  Sammlung,  1020Ö  und 
10244,  fehlt  genauere  Angabe  des  Fundortes. 

=  Heddernheim.  Falzziegelstück  (Fig.  141'').  Gefunden  bei  den 
Ausgrabungen  auf  dem  Friedhof  im  Februar  1892. 

Der  Stempel  ist  besonders  dadurch  wichtig,  dass  er  uns  /x'igt, 
dass  Xamenstempel  und  zweizeilige  Figurenstempel  gleichzeitig  neben 
einander  gebraucht  wurden.  Unter  den  Saalburgstempeln  finden  sich 
nämlich  zwei,  welche  in  der  äusseren  Form  und  Grösse  fiist  voll- 
kommen mit  dem  unsrigcn  übereinstimmen,  so  dass  wohl  zwei  Nach- 
ahmungen eines  Originals  vorliegen.  Von  denselben  zeigt  aber  der 

eine  (Fig.  141')  die  Legende  ^  p^^^^pj^^  (cf.v.C,u.  J.Taf.LXXVIlI,  2), 

der  andere  dagegen  (links  fragmentarisch)  nach  der  Abbildung: 

^G  >n  AI^  (cf.  v.Cu.J.Taf.  LXXVI,  28).  Doch  dürfte  dieselbe  nach 

dem  Abklatsch  nicht  vollkonmien  sicher  sein.  Zweifellos  aber  ist  die 
zweite  Zeile  verschieden  von  der  der  beiden  anderen  Stempel.  Mit 
dem  letztgenannten  Stempel  ist  identisch  ein  Mainzer  Typus  auf 
einer  grossen  Keilplatte,  welche  noch  (als  Fragment)  0,37  breit 
lind  in  der  Mitte  0,055  ^^'^^  Auch  hier  ist  die  zweite  Zeile 

undeutlich  ausgeprägt;  docli  scheint  statt  des  X  ein  C  vor- 
handen zu  sein;  und  da  diese  Form  nach  dem  Abklatsch  auch 
auf  dem  Sa.ilburt^stenipel  möglich  ist  und  zwischen  (i  und  N  noch 
ein  schmales  E  zu  stehen  scheint,  so  lauiei  der  Xanie  vielleicht 
C  '  GENIAL(is).  Dem  P  der  oberen  Zeile  scheint  ausserdem  rioch 
ein  l*  in  der  unteren  entsprochen  zu  haben.  Bei  Brambach  und 
Hecker  fehlt  der  .Mainzer  Stempel.  Ob  er  erst  nach  dem  Erscheinen 
ihrer  Bücher  ins  Museum  gekommen  ist,  konnte  ich  nicht  feststellen. 
Dagegen  ist  das  bei  Becker  I.  N.  1878,  S.  5.};?  mit  der  Bezeichnung 
» incerto   loco«  unter  den  Stempein  des  Wiesbadeiier  Museums 

aufgeführte  Exemplar  mit  der  Legende         ^^p^.  zweifellos 

identisch  mit  unserem  Nieder  Stempel  uud  dem  oben  angeführten, 


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—  29^  — 


Katalo*^  i(52o8.  Die  von  Recker  angeführte  Legende  habe  i 
genannten  Miiseiiin  nicht  ^'clunden.  Dass  die  zweite  Zeile  di 
Namen  eines  römischen  Rürijers,  etwa  M.(arcus)  Statilius 
oder  M.  Statutius  (oder  Statius)  M.uurus  o.  dt;!,  enthielt,  scheir 
/weifellos,  da  bei  Ziegelstenipeln  die  Antuhrung  der  drei  > 
Ke>^cl  ist,  wenn  Abkürzungen  bis  auf  die  Anfangsbuchstaben 
wendet  !>iiid.  Das  Ml*  hat  man  bei  Toplerstcmpeln  wohl  au 
manu  fecit  erklärt.  Doch  ist  von  der  Hxempnfizierung  au 
letzteren,  wie  ich  später  nachweiscu  werde,  gänzlich  abzusehen 

2)  LEGXXIIRBF  (Fig.  I42-«-'')- 
CCSECVNF 

4  Falzziegelstücke,  3  gefunden  bei  B  und  i  bei  D. 

SMS  Heddernheim.  (Fig.  142'),  2  Falzziegel! ragnienic,  ein  PI 
fragment  und  eine  ganz  erhaltene  Platte  0,36  : 0,36  :  0,05  ni,  geh 
im  Februar  1892  bei  der  Aufdeckung  des  Hypokaustbaus  auf 
Friedhofe.  Die  Dachziegelstücke  fanden  sich  neben  dem  Hypokau 
die  Platte  lag  noch  an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  als  unterste 
grösste  Lage  eines  der  Pfeiler,  über  welcher  zunächst  eine  0,27  1 
0,28)  m  i.  Q.  messende  Platte  folgte,  die  dann  den  aus  0,21  m 
grossen  Platten  aufgeftihnen  Pfeiler  trug,  der  also  hier  eine  aus 
Platten  gebildete,  nach  unten  sich  verbreiternde  Basis  hatte. 
Heddemheimer  Stempel  waren  z.  T.  besser  ausgeprägt  als  die  K 
und  zeigten  besonders  die  Rosette  in  der  Mitte  des  die  beiden  2 
der  Legende  trennenden  ornamentierten  Streifens  deutlich. 

Ä  ll"u-shadcn.  Falzzicgelfragment  vom  »Höfcheii  bei  \ 
baden".  Mus.  1014}.  Brambach  1537,  g.  19  und  22  fu'in  Jen  Stc 
cuiiiial  ohne  nähere  l'undan^abe,  das  andere  Mal  als  »in  c 
Komanü«  gefunden  im  Wiesbadener  Museuni  an.  Einmal  hat 
selbe  ihn  in  No.  19  ganz  gleicher  Form  (das  erste  C  ist  nichi 
geprägt)  bei  Heddernheim,  149 1  c.  10,  als  im  Wiesbadener  Muj 
befindlich  aufgeführt  unter  Berufung  auf  Becker  I.  K.  1878,  S.  343  ( 
Da  er  auch  für  die  Wiesbadener  Stempel  nicht  eigene  Verglcicl 
angiebt,  so  liegt  wohl  eine  doppelte  Anführung  desselben  Exem 
für  Wiesbaden  und  Heddernheim  vor.  Übrigens  verweist  Bram 
im  Register  S.  380  auf  beide  Stellen  unter  der  falschen  Bezeichi 
S .  SECVN. 

=  Schlossan,  nach  Abklatsch  von  Conrady.  cf.  K.  Christ,  I 
XLIX  1870,  S.  199;  dsgl  nach  Abklatsch  von  ßaumann  aus  > 
Mannheimer  Museum,  cf.  Baumann,  R.  Denksteine  etc.,  S.  40,  No. 
der  aber  mit  Unrecht  gegen  K.  Girist,  Verhandl.  des  Hddelbei 


i 


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—  297  - 

Fhilologeniages  1865,  S.  216,  nach  einem  anderen  Stempel  der 
Mannheimer  Sammhing  die  fehlenden  (uiuleutlich  ausgeprägten)  ersten 
Buchstaben  ergänzt:  CAI-]('«^"ilius)  Secundus  fecit.  Der  von  R.  heran- 
gezogene Stempel  aus  Xeuenheim  (No.  116)  mit  der  deutUchen 

Legende:  ^cA  jfshxVND^       ^^^^  Grösse  und  Form  (Oblong  mit 

Schwalbenschwänzen)  von  dem  unsrigen  verschieden.  Einen  dem 
letztgenannten  sehr  ähnlichen  (ni)isi  derselbe«)  Stempel  erwähnte  K. 
Christ  a.  a.  O.  als  im  Grossh.  Antiqu.  zu  Karlsruhe  betindiich  mit  der 

Legende:  ^qV  S^EcVnI^'  später  (B.  J.  XLIX  1870,  S.  109) 

selbst  erkannt,  dass  er  mit  Mone  (Zeitschrift  für  die  Gesch.  des  Ober- 
rheins XVII,  S.  386)  und  Brambach  (add.  1736)  die  ersten  Buchstaben 
mit  Rücksicht  auf  das  vorschwebende  CAE  falsch  gelesen  hat  für  C  G . 

Ebenso  dürfte  der  Stempel  Brambach  1307,  2:  ^^^i^^^i^VN^  ^ 

der  »aus  den  im  Jahre  1862  und  1683  (sie!?)  entdeckten  römischen 
Badegemächern  des  Castclls«  stammt,  da  B,  sich  auf  Steiner  beruft, 
dem  unsrigen  gleich  sein ;  denn  das  1  der  zweiten  Zeile  ist  bei  vielen 
Exemplaren  kaum  sichtbar,  wie  auch  die  ersten  Buchstaben  meistens 
uenig  deutlich  ausgeprägt  sind.  Die  Differenzen  in  der  Interpunktion 
endlich  sind  bei  Zicgelstempeln  in  den  meisten  Fällen  nicht  mass- 
gebend, weil  die  Punkte  undeutlich,  oft  auch  bei  rauher  Oberfläche 
des  Ziegels  überhaupt  nicht  erkennbar  sind  und  daher  bald  übersehen, 
bald  fälschlich  angenommen  werden.  Ob  in  dem  GAE  des  Neuen- 
heimer  Stempels,  wie  Christ  1.  1.  meint,  »derselbe  \'orname  gemeint 
ist,«  wie  bei  unserem  Nieder  und  dem  Schlüssauer  Stempel,  mag 
umsomehr  dahingestellt  sein,  da  Christ  selbst  später  die  Erklärung 
C  (aius)  C  (ornelius)  SECVN(dus)  F(ecit)  vorgezogen  hat  (B.  J. 
XLIX,  S.  iio).   £r  bezieht  sich  dabei  auf  einen  zu  »Buchen  auf- 

LE  G  *  X\  II  PP  F 

bewahrten  Schlossauer  Stempel«  mit  der  Legende:    C(^R  SEON 

von  dem  er  aber  selbst  sagt,  dass  »das  Cognomen  undeutlich  aus- 
geprägt sei«  (a.  a.  O.  S.  110,  2.).  Ohne  Zweifel  haben  wir  aut 
unserem  Nieder  Stempel  die  3  Kamen  eines  römischen  Bürgers,  das 
praenomen  und  das  nomen  gentilicium  nur  mit  den  ersten  Buch- 
staben, das  cognomen  fast  ganz  ausgeschrieben,  zu  erkennen.  Auf- 
fallend ist,  dass  auch  Christ  (a.  a.  O.  S.  109  und  iio)  von  Töpfer- 
Danien  spricht,  wenn  er  auch  sicherlich  mit  Recht  auf  den  Schloss- 
atter Stempeln  Namen  erkennt  und  Mones  und  Knapps  z,  T.  phan- 
tastische Erklärungsversuche  ablehnt. 


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—  298  — 


5)  LEGXXIIRPF  M  S  F  (Kg.  mj«)- 

7  FalzziegelstQcke,  meistens  verbogen,  sämtlich  neben  dem 
störten  Ofen  B  gefunden,  zu  dessen  missgluckten  Fabrikaten 
ebenso  zweifeltos  gehörten,  wie  die  unter  a,  29,  30,  31  und  32 
zeichneten,  durch  ihre  halbkreisförmigen  Ohren  (statt  der  Schwal 
schwänze)  ausgezeichneten  Typen. 

=  Heddernheim,  Falzziegelstück  mit  Spuren  einer  nägelbesc 
genen  Sandale  (Fig.  14'^^). 

^  IViesbaden.  Wiesbadener  Museum.  Kat.  looii  und  ic 
2  Platten.  Sic  sind  den  unsrigen  vollkommen  gleich,  nicht  wie 
N.  A.  XXI,  k  abgebildete  Stempel  gleich  den  folgenden  Exeropli 

^  Marien/eis.  Wiesbadener  Museum.  Kat.  10 157.  Platte 
i,  Q,    cf.  Br.unbach  1545,  7  nach  Becker  I.  N.  1878,  S.  545  (84 

Die  Legende  i  rS  l'  statt  M'S'F  war  ich  anfangs  gen 
für  einen  Lesefehler  Beckers  zu  halten,  zumal  da  das  Wiesb.id 
Exemplar  von  Maricnfels  nicht  lecht  deutlich  ist.  Als  ich  aber 
bei  Becker  im  Mainzer  Katalog  unter  No.  304,  125  und  126  mit 
Bezeichnung  Bk  (Backstein)  Bd  (ßandstempel)  verzeichneten  Siei 
im  Mainzer  Museum  auf  einer  HypokaustpUttc  (Fig.  143«)  wi 
fand,  sah  ich,  wenn  auch  Beckers  Lesung  nicht  vollständig,  so  < 
die  Verschiedenheit  von  unserem  Nieder  Stempel  bestätigt. 
Schluss  der  Legende  lautet  nämlich  L'L  S  F.  Die  dreteck 
Punkte  nach  den  beiden  L  sind  zweifellos  vorhanden,  bei  S  unsit 
Die  horizontalen  Striche  des  L  fügen  sich  so  an  den  unteren  } 
an,  dass  eine  Verwechselung  mit  I  leicht  möglich  war,  wie  < 
auch  Rossel,  Ein  Militärdiplom  etc.,  Taf.  III,  Fig.  12  den  undeu 
ausgeprägten  Stempel  nach  PF  mit  wiederholtem  F:  FISF  gel 
hat.  Besonders  merkwürdig  aber  ist  die  fast  vollkommene  Übei 
Stimmung  der  beiden  Typen  in  der  Gesamtform  und  Grösse,  so  • 
da  auch  die  Buchstaben  und  Zahlen  bis  auf  den  Schluss  genau  gl 
gestellt  sind,  die  Unterscheidung  bei  schlecht  ausgeprägten  E> 
plaren  sehr  schwer  ist.  Der  einzige  Unterschied  ausser  den  B 
Stäben  besteht  darin,  dass  bei  unseren  Exemplaren  die  Enden  ei 
ausgeschweift  und  durch  ein  vertieftes  Schwalbenschwanzornar 
au^L!c:/eichnet,  bei  dem  Mainzer  Typus  dagegen  leicht  ausgez 
sind.  Da  auch  der  Stempel  c,  i  aus  dem  Ofen  B  stammt,  liegt 
Vermutung  nahe,  dass  unser  M"S'  denselben  Namen  wie  das  doi 
M'ST*  enthält.  Was  die  Gesamtform  betrifft,  so  halte  ich  dia 
nicht  für  die  Imitation  eines  Bandes,  sondern  für  ein  S,  weicht 
beiden  Fällen  auf  den  mit  S  beginnenden  Hauptnamen  des  Zici 
huiweisen  soll.  Die  vollkommene  Gleichheit  der  Form  und  Gr 


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-  299  — 


nötigt  zur  Aonahme  gleicher  Provenienz,  da  ofTenbar  ein  Stempel 
nach  dem  anderen  mit  genauer  Anlehnung  an  das  Original  geschnitten 
ist.  Ein  Exemplar  unserer  Nieder  Ziegel  ist  dadurch  von  besonderem 
Interesse,  dass  ausser  dem  sehr  gut  erhaltenen  Namenstempel  noch 
ein  anderer  eingeprägt  ist,  dessen  Legende  im  noch  weichen  Thon 
ausgekratzt  zu  sein  scheint,  während  die  beiden  konzentrischen  Kreise, 
zwischen  welchen  sie  sich  befand,  noch  vollkommen  deutlich  erhalten 
sind  (Fig.  14)*).    Da  Form  und  Grösse  dem  oben  unter  b,  t8 
erwähnten  Rundstempel  von  Gernsheim  (Fig.  112')  zu  entsprechen 
schien,  der  gleichfalls  neben  einem  anderen  Stempel  eingedrückt 
war,  so  unterwarf  ich  beide  und  mehrere  andere,  besser  erhaltene 
Exemplare  aus  Gerasheim  und  Mainz  einer  genauen  Untersuchung 
und  Messung,  welche  nun  nicht  nur  zweifellose  Identität  aller  Exem- 
plare ergab,  sondern  auch  bei  dem  Nieder  Stempel  unter  Anwendung 
wechselnden  Lichtes  noch  die  Spuren  der  Buchstaben  Cl T  in 
denselben  Massen  und  Abständen  wie  bei  den  besser  erhahenen 
Exemplaren  erkennen  liess.  Die  Legende  der  letzteren  ist  folgende: 
IVSTVM''ECIT  mit  einem  grossen  Blatt  als  Interpunktionszeichen 
nach  T  (dasselbe  ist  besonders  gut  ausgeprägt  auf  dem  von  uns 
Fig.  112^  mitgeteilten  Mainzer  Exemplare).  Derselbe  Stempel  kehrt 
teils  ganz,  teils  fragmentarisch  wieder  auf  einer  Reihe  von  Gems- 
heimer  Ziegeln,  die  wie  der  obengenannte  durch  Kofler  gefunden 
und  dem  Darmstädter  Museum  einverleibe  sind,  wo  sie  mit  I  C  30, 
31*  33»  35>  3^  und  I  A  124  bezeichnet  sind.  Eines  dieser  Exemplare 
stimmt  auch  darin  mit  unserem  Nieder  Ziegel  überein,  dass  neben 
dem  Rundstempel  ein  Figurenstempel  in  Gestalt  eines  langgezogenen 
S  (ähnlich  dem  unter  Fig.  131  aus  Nied  aufgeführten)  angebracht  ist 
(Fig.  143^)»  dessen  Legende  freilich  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt 
ist.  Ein  anderer,  von  dem  nur  die  Buchstaben  EG  sichtbar  sind,  ist 
mit  einem  kreisförmigen  Stempel  der  22.  Legion  auf  einem  Dach* 
Ziegel  vereinigt,  wobei  der  Kreis  von  einer  oblongen  Einfassung 
umrahmt  ist,  welche  an  beiden  Seiten  mehret e  bogenförmige  Aus- 
schnitte nebst  ihnen  entsprechenden  Strichornamenten  zeigt.  Die 
Art  der  Ornamente  deutet  auf  Gleichzeitigkeit  mit  einer  Gruppe  von 
Stempeln  hin,  welche  durch  den  mehr  oder  weniger  deutlich  erkenn- 
baren Zusatz  Ar(oniniana)  dem  IIL  Jahrhundert  zugewiesen  werden. 
Wie  wenig  die  Form  der  Buchstaben  bei  Stempeln  für  die  chrono- 
logische Bestimmung  derselben  ausschlaggebend  ist,  zeigte  neben  vielen 
anderen  Beispielen  dieses  in  schlagender  Weise.  Während  der  Rund- 
stempel,  wie  alle  von  mir  beigegebenen  Abbildungen  (Fig.  112^'^'',  143*') 
zeigen,  durch  schöne^  regelmässige  Buchstaben  ausgezeichnet  ist,  fliUt 


-  3a>  - 


die  Legende  des  anderen  durch  ihre  ausserordentlich  flüchtiger 

unre>;c] massigen  Zeichen  auf,  deren  Bedeutung  z.  T.  nur  zu  ei 

ist  (I  statt  L,  die  I  der  Zahl  mit  P  verbunden,  das  zweite  F 

»  I).  Der  Stempel  IVSTV\FECIT  ist  identisch  mit  dem 

rigcn  auch  in  Obernburg  von  Conrad}-  gefunden.  Vgl.  Westd. 

Schrift  IV,  II  164  und  Taf.  III,  Fig.  7.   Ein  sehr  gut  erha! 

Exemplar  befindet  sich  im  Mainzer  Museum  aus  Mainz  (l  ig. 

Endlich  ist  derselbe  auch  auf  der  Saalburg  —  also  wiederum  i 

zahlreichen  Stempeln   der  22.  Legion,   deren  Typen  auf 

hinweisen  —  gefunden  worden;  cf.  v.  C.  u.  J.  Taf.  LXXIX 

IVSTVM  •  •  CIT.  Wenn  Becker,  N.  A.  XIÜ,  236  eine  Verschi. 

heit  des  Saalburgstempels  von  dem  Mainzer  Exemplare  annimmt,  i: 

er  den  ersieren  IVSTVMECIT  (ohne  das  mit  M  ligicrtc  F) 

so  zeigt  die  Abbildung  bei  Jacobi,  dass  gerade  an  der  fragl 

Stelle  der  Stempel  so  mangelhaft  ausgeprägt  ist,  dass  Jacobi  es 

gezogen  hat,  eine  LQcke  zu  lassen.  Die  Legende  scheint  don 

selbe  wie  bei  den  übrigen  Exemplaren  zu  sein,  dagegen  ist  die 

durch  mehrere  konzentrische  Kreise  reicher  omamentien.  In 

mittelbarer  Verbindung  mit  LEGXXIIPPF  erscheint  die  Le| 

IVSTVMFECIT  und  IVST-MF  (?)  auch  auf  zwei  unter  sich 

schiedenen  Stempeln  von  Marienfels  bei  Brambach  1545,  4  und 

r" 
tn 

4)  SEMPgERO  (N  oder  F?)  (Fig.  i44»"^«»), 

I  Falzziegelsiück,  gefunden  bei  D  (Fig.  I440>* 
Den  vollständigen  Stempel  beschreibt  nach  den  Rück 
Exemplaren  (Fig.  144^)  Suchier  1885,  S.  16,  No.  38  zutreffend 
gendermassen:  »von  links  nach  rechts  LEG  XXII PR  PF  (ligier 
und  PF),  unter  dem  L  ein  X,  über  dem  letzten  P  noch  ein  X: 
unten  nach  oben  SEMP  (M  mit  P  verbunden)  FRO  und  ganz 
ein  Zeichen,  das  nicht  gut  ein  F  sein  kann.«  Wenn  er  aber 
fährt :  »vielleicht  bedeutet  es  nur  die  Zahl  II,  die  sich  mit  den  h* 
XX  zu  XXII  vereinigen  würde,«  so  möchten  wir  mit  Rucksich 
die  verzerrte  Form  auch  der  übrigen  Buchstaben  doch  entschi 
die  Erklärung  als  F(fecit)  vorziehen.   Die  Deutung  des  Ka^ 

^  Auf  der  Tafel  ist  imümlicb  bei  No.  144  ^  Nieder  Stempel  auch 
bezeichnet. 


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Sempronius  Frontinus  ist  auch  ohne  die  u«  E.  verfehlte  Hioweisung 
auf  Töpferstempel  zweifellos  richtig.  Sie  wird  besonders  durch  einen 
früher  in  Nied  gefundenen  Stempel  bewiesen,  der  in  der  Gesamtform 
dem  unsrigen  sehr  ähnlich,  aber  sorgfältiger  geschnitten  ist  und  auch 
die  gleiche  Legende,  aber  in  kleineren  und  weit  regelmässiger 
geformten  Buchstaben  zeigt  (Fig.  I440>  Sie  lautet  don  deutlich: 
SEMPR  FRONT.  Er  ist  in  2  Exemplaren  im  Wiesbadener  Museum 
(Kat.  1022 1  und  10131)  vorhanden.  Derselbe  Stempel  findet  sich  im 
Wiesbadener  Museum  auf  einem  Dachziegel  aus  dem  Kastell  Hoßam 
(Kat.  11061;  cf.  Brambach  15  p,  c,4),  aus  Mosbach  (Kat.  10092;  cf.  ibid. 
ijio),  aus  Mttini  (Kat.  10091;  cf.  ibid.  1537,  g,  98).  Ein  aus  Nied 
stammendes  Exemplar  befindet  sich  auch  im  Mannheimer  Museum; 
cf.  Baumann  1.  1.  No.  125. 

Mit  unserem  Nieder  Fragment  identisch  sind  folgende  Stempel : 
^  Rückingen,  (Fig.  144'')'  3  Exemplare.  Suchier  1885,  S.  16,  38. 
9B  Saalburg,  nach  Abklatsch,  v.  C.  u.  J.  LXXVI,  27.  Doch  ist 
die  Legende  nicht  ganz  richtig  wiedergegeben,  indem  das  mit  dem 
M  ligierte  P  übersehen  und  der  letzte  zweifelhafte  Buchstabe  als  N 
bezeichnet  ist. 

IM  Main^.  Keilziegel  041 : 0,28 :  0,092—0,055  m ;  cf.  Becker 
Kat.  304,  1:4.  Bei  Brambach  fehlt  er;  denn  1577,  g,  98  ist  der  oben 
beschriebene  andere  Typus;  auch  heisst  es  ausdröcklich :  »in  museo 
Wisbadensi«. 

«  Arnsburg,  Im  Darmstädter  Museum,  1843  gefunden.  Bram- 
bach 1422,  a,  7  giebt  den  Stempel  nach  eigener  Vergleichung  i.  g. 
richtig  wieder,  besonders  auch  in  der  Schreibung  E  für  F  bei  Fron- 
tinus.  Doch  bezeichnet  er  den  letzten  Buchstaben  auch  als  N  und 
übersieht  die  Ligatur  des  R  mit  P. 

sss  Obaflorstadt,  nahe  dem  Mithräum.  Darmstädter  Museum 
D  I  A  92.  cf.  Westd.  Korrbl.  VII,  1888,  No.  48,  S.  71. 

Im  Bonner  Museum  befindet  sich  ein  wahrscheinlich  durch 
Dorow  donhin  gebrachtes  Exemplar  aus  Nied  (»Nidda  in  Nassau«), 
welches  nach  Hettner,  Kät.  S.  61,  No.  55, 7  den  Namen  SEMP  RON 
und  die  Bezeichnung  der  Legion  in  der  Form  LEG XXII PPF  zeigt. 
Wäre  das  letztere  nicht  der  Fall,  so  würde  ich  annehmen,  dass  bei 
unserem  Typus  das  F  vor  RON  übersehen  wäre,  welches  auf  manchen 
Exemplaren  kaum  zu  sehen  ist.  In  der  mitgeteilten  Form  stimmt  der 
Bonner  Stempel  mit  keinem  der  oben  angeführten  genau  überein. 
Zweifelhaft  ist  die  Identität  des  Stempels  von  Bingen,  Brambach 
873,  b,  2,  wenn  ihn  Brambach  auch  S.  380  als  1377,  g,  98« 
bezeichnet. 


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j)  KEG  XXIIPRP^  (Fif».  145'"  '^). 
M  DEV  ATf^ 

I  Falzziegelstöck,  gefunden  bei  D  (Fig.  145  ). 

—  Saalbur<:  (Fig.  145^).  v.  C.  u.  J.  LXXVI,  25.  Der  don  ^ 
hafte  vorletzte  Buchstabe  der  unteren  Zeile  ist  nach  meiner 
gleichung  des  Abklatsches  mit  dem  unsrigen  wohl  zweifellej 
T,  dessen  oberer  Querstrich  ebenso  wie  bei  dem  F  schräg  gt 
und  nach  links  verkürzt  ist.  Der  ihm  entsprechende  untere  < 
strich  dürfte  nur  eine  ungehörige  Verbreiterung  des  Venikalstrichf 
Das  Saalburgexemplar  ergänzt  das  unsrige  nach  rechts  und  zeig 
Schwalbenschwanz,  der  auf  dem  letzteren  undeutlich  ausgepräji 
deutlich. 

6)  lEGXXIIPRPF  (Fig.  146). 
MI..VATVSF 

5  ZiegelstQcke  von  gelblichem,  mit  zahlreichen  weissen  Q 
kdrnem  vermischtem  Thon.  Dieselben  haben  die  Oberfläche 
rauh  und  den  Stempel  undeutlich  gemacht,  der  bei  dem  ein: 
ganz  erhaltenen  Exemplar  auch  noch  durch  bogenförmige  Eindi 
entstellt  ist.  Fundort  D. 

Der  Name  scheint  derselbe  wie  bei  No.  5  zu  sein.  (M.  Dr 
mit  Weglassung  des  nomen  gentilicium  ?) 

mt  IVtesbadm»  Wiesbadener  Museum  1021 1,  ohne  nähere  An 
des  Fundortes.  Platte  0,04  dick.  Auch  dort  sind  nur  die  bei  un* 
Exemplaren  deutlich  erkennbaren  Teile  erhalten.  Das  Material  sü 
mit  dem  unsrigen  überein.  cf.  Brambach  1537,  f,  28  und  6e 
I.  N.  1878,  S.  547  (97). 

7)  LEGXXnPRPF  (Fig.  147«). 

DIDIVSFE 

3  Falzziegelstücke,  gefunden  bei  B. 

In  Heddernheim  fanden  sich  im  Winter  1891/92  bei  den 
grabungen  auf  dem  Friedhofe  mehrere  Strichziegelstücke,  die 
Imitation  unseres  Stempels  in  roherer  Form  und  mit  flüchtiger 
geschnittenen  Buchstaben  zeigten  (Fig.  147''}.  Denselben  Typus 
ich  im  Wiesbadener  Museum  (Kat.  10038)  als  von  HoUerharn  s* 
mend.   Er  dürfte  identisch  sein  mit  dem  bei  Brambach  1537  f 
und  Becker,  I,  N.  1878,  S.  547  (8)  verzeichneten  Stempel  des  W 

vf  w        ^      n      1  1     r        LEG  XX  II  Fl 

iVuisciinis.    Wenn  derselbe  uurt  m  der  iorm  DI  DIN 

erscheint,  so  zeigt  schon  die  Zahl  der  Buchstaben,  dass  die  zv 
Zeile  verstümmelt  ist.  I:s  erklärt  sich  dies  aus  der  nachlässigen  I 
und  Anordnung  der  Buchstaben,  von  welchen  S  fast  nur  als  1< 


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—  30?  — 


gebogener  Strich  erscheint.  Den  Namen  DIDIVS  glaubte  auch 
Fuchs  II,  123  auf  einem  luifeisenförmigen  Main/er  Stempel  (zwischen 
der  Albanschanze  und  der  Kapelle  gefunden)  in  den  verstümmelten 
letzten  Buchstaben  zuerkennen,  die  er  las:  »piae  hdelis  centuriae  (?) 
DIDü«.    Doch  man  vergleiche  oben  zu  b,  28. 

8)  LHGXXII  F  P  F  (Hg.  148'). 
I\L-  PK  IM  VSF 

2  Falzziegelstücke,  gefunden  bei  D.  Auf  dem  einen  ist  der 
Stempel  ganz,  aber  sehr  undeutlich,  auf  dem  anderen  nur  das  rechte 
Ende,  aber  deutlich  erhalten.  Auch  im  Mannheimer  Museum  ist  ein 
gut  aasgeprägtes  Exemplar  unseres  Stempels  »aus  Niddas;  cf.  Bau- 
mann, S.  124.  Die  Platte  ist  auch  dadurch  bemerkenswert,  dass 
derselbe  Stempel  dreimal  auf  derselben  abgedrückt  ist.  K.  Christ 
(B.  J.  XLIX,  S.  112)  führt  einen  Stempel  der  22.  Legion  aus  »Nidda 
bei  Frankfurt"  als  »im  Mannheimer  Altertumsvcrein  befindlich«  an, 
worauf  in  einer  Reihe  LEG  XXP  P  IVL  PRIMVS  F-  stehe. 
Baumann  kennt  ihn  nicht.  Es  dijrfte  wohl  ein  Irrtum  Christs  vor- 
liegen.  Wo  sich  das  von  Christ  a.  a.  O.  S.  112,  7  angeführte 


doch  lässt  der  Zusammenhang  auf  Schlossau,  mindestens  auf  die 
Odenwaldlinie  schliessen.  Die  Identität  mit  unserem  Stempel  dürfte 
mit  Sicherheit  anzunehmen  sein,  wenn  auch  die  Ergänzung  nicht 
ganz  richtig  ist. 

=  Rückingen,  auf  einer  Platte.  Suchier  1885,  I,  25. 

=  Saalhurg.  v,  C.  u.  j.  LXX\'I,  21,  wo  das  I  am  Anfange  der 
zweiten  Zeile,  welches  unmittelbar  nnt  dem  \'  zusammenhängt,  und 
das  kleinere  1-  am  Ende  der  zweiten  Zeile  übersehen  sind. 

=  Mam^  (l^'K-  ^4^'")-  3  Hypokaustplatten  0,21  lang  und  breit, 
0,055  dick;  eine  trägt  denselben  Stempel  zweimal,  cf.  Brambach 
'377'  K>  93  ~95'>  angenommenen  Diflerenzen  der  Interpunktion 
beruhen  nur  auf  mangelhaftem  Abdruck  des  Stempels.  Dasselbe  gilt 
gegenüber  Becker,  Kat.  304,  116— 118.  Das  1"  hinter  dem  Kamen, 
welches  ebenso  wie  das  der  ersten  Zeile  kleiner  und  sehr  undeutlich 
ist,  haben  beide  übersehen,  obgleich  es  gerade  auf  dem  einen  der 
beiden  vollständigen  Mainzer  Stempel  deutlicher  ist  als  auf  irgend 
einem  anderen  ausser  dem  Rückinger  l-\emplare.  Auch  P.  Fuchs  hat 
es  auf  einem  II,  Taf.  XI,  XXXV  abgebildeten  und  p.  122  beschriebenen 
Stempel  nicht,  wie  er  auch  in  der  ersten  Zeile  I  statt  l*  schrieb,  cf. 
Brambach  1377,      92.   (Die  dazu  gehörige  Anmerkung  ist  durch 


Fragment 


LEG- XXII  (p.  p.f.) 
IVLPRI(mus) 


gefunden  hat,  ist  nicht  angegeben ; 


r 


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einen  Druckfehler  ab  90  bezeichnet;  das  Gm  aus  Fuchs  zeigt, 
sie  sich  auf  92  bezieht.)  Trotz  aller  Differenzen  ist  die  Identitä 
sämtlichen  genannten  Stempel  nach  den  von  mir  vorgenomm 
Messungen  und  Vergleichangen  zweifellos.  Dasselbe  gilt  von 
folgenden  Exemplaren. 

»  Wnshaden.  Wiesbadener  Museum  ohne  nähere  Angabt 
Fundortes.  5  Hypokaustplatten  o»2i  l.  u.  br.,  Kat.  1006 1  und  i( 
cf.  N.  A.  XXI,  Taf.  III,  n.  (Das  F  der  zweiten  Zeile  fehlt). 

K  Marier^äs.  Wiesbadener  Museum.  4  Hypokaustplatten  0 
u.  br.,  Kat.  10246,  10247,  10249  (^^^  Stempel  zweimal  quer 
einander),  10250  (fragmentarisch),  i  grössere  Platte  0,27  lang 
breit  (wohl  aus  demselben  Hypokaustum  wie  die  anderen  als  Zwis< 
läge  zwischen  dem  Fussboden  und  dem  eigentlichen  Pfeilerc 
Kat.  10209;  cf.  Brambach  1545,  8.  Die  Stempel  finden  sich  bei  B< 
und  Klein,  L  N.  nicht ;  sie  sind  also  wohl  nach  Abfassung  der  S< 
ins  Museum  gekommen. 

s  Heddernheim,  cf.  Brambach  1491,  c,  ti;  Frankfuner  A 
VI,  17,  3.  Becker  hat  hier  das  F  der  zweiten  Zeile  richtig  erki 
auch  der  Punkt  nach  S  scheint  nach  einem  Mainzer  Exemplare  rii 
zu  sein. 

XXII  P  P  F 

«s  Bierstadt  (?).  Becker,  I.  N.  1878,  S.  545:  rimv^ 

wohl  ein  Stück  desselben  Stempels.  Ich  habe  das  Exempbi 
VViesb:id.  Musciini,  wo  es  nach  B.  sich  befinden  soll,  nicht  gelun 
cf.  Brambach  1509,  4.    (im  Register  S.  380  fehlt  diese  Nummci 

«  Worms  (Fig.  148'').  2  Platten  042  1.  u.  br.  mul  i  Ii 
kaustplatte  0,21  i.  Q.  Im  Paulusmuseum.  cf,  Weckerling  II,  S 
6,  8  und  9  (auch  7?).  Das  F  n.icli  dem  Kamen  ist  hier  üt 
erkannt;  die  Verschiedenheit  der  Interpunktion  zwischen  6  u 
(bei  letzterem  fehlt  der  Punkt  nach  G  und  L)  ist  irrelevant  (s.  ol 
Der  Grössenunterschied  CioV«  m  und  ro  cm  Länge)  /.wisch« 
und  8  erklärt  sich  durch  schrägen  Hindruck  des  Stempels  (\ 
noch  deutUch  am  Abklatsch  zu  erkennen  ist.  In  der  allgenie 
Bemerkung  zu  dem  Stempel  (S.  90),  wo  W.  die  ihm  bekan 
Fundorte  desselben  angiebt,  nennt  er  auch  Birstein.  Das  beruhi 
\'cr\vechselun£;  mit  dem  früheren  Aufbewahrungsorte  eines  Rücki 
Stempels  (jetzt  im  Hanauer  Museum).  Ob  W.  mit  Recht  einen  1 
Schannat  Hist.  ep,  Woim.  im  ersten  Teil  des  Katalogs  als  Lci;i 
baustein  bezeichneten  '^Denkstein«  jetzt  mit  Rücksicht  auf  die  neu 
Ziegelfunde  bezweifelt  und  annimmt,  dass  es  »jedenfalls  auch 
solcher  waro  (S.  89),  lässt  sich,  da  der  früher  im  Biscliofshol 


i 


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-  — 


»Bruchstück«  cini;cmauerte  »Denkstein«  nicht  mehr  exisdcrt,  nicht 
mit  Sicherheit  entscheiden.  Brambach  bemerkt,  wohl  nls  Konjektur: 

I  FC'  XX  •  PP* 

»in  latercuto«.  Die  Legende  lautet  bei  ihm  ivL  pj^l^VlVS  '  ^* 
WeckerliDK-   I  P' '  ^^(^OP P 

=  Marköbel.  I  ra^nuiu  eines  D.ichziegels  mir  den  Biichst.ibcn 
.'IVSF  und  unbedeutenden  Resten  der  oberen  /eile,  i;elnnuen  an 
dci  poria  principalis  sinistr.i  des  Kastells  bei  deren  Auldeckung  im 
September  1892  durch  den  Streckenkoniniissar  der  Reichs- Limes- 
Kommission.  Das  winzige  i-undstück  ist  von  liervorKiiiender  He- 
deutuui^.  Denn  wie  bereits  bei  der  ersten  Adllinduni;  des  K.istells 
iliiicJ  den  Hanauer  Geschichtsverein  der  Mangel  an  gestempehen 
Zieuel  tLii';Lii  .iiiHiol  (cl.  Wolff-Daliui,  Der  romische  CJren/.wall  bei 
li.iiKU,,  S.  und  hu^hter  1885,  S.  17),  st:  iind  auch  in  diesem  fahre 
neben  zahllosen  ungestempelten  Ziegeln  ur,J  Backsteinen  nur  zwei 
gestempelte  Fragmeuic  L;etunden,  die  beide,  wie  das  einzige  Fundstück 
vom  JaluA.  1884,  der  22.  Legion  an^Liioren.  Alle  diese  l:\emplare 
stimmen  in)  Material  nnt  den  Nieder  Ziegeln  überein  und  unter- 
scl  .iden  sich  aul  ccu  ersten  Blick  von  der  Mehrzahl  der  oflenbar 
an  Ort  und  Stelle  hergestellten  übrigen  Markobeler  Steine,  welche 
ui>ei  li.ui^Jt  durch  ihre  intensiv  rote  l';irbung  eine  besondere  Stellung 
unter  dem  gleicharngeii  Material  einnehiucn.  Was  die  'i"\  pcn  betriH't, 
so  stehen  die  beiden  anderen  bragniente  den  oben  angeluluten 
Stempeln  1  ig.  94  nnd  118  sehr  nahe. 

Über  den  Stempel  IV  L  IM<iM  VS I",  tlen  auj  hautigsten  vor- 
kommenden \on  allen  Namenstempeln,  existiert  bereits  eine  ganze 
Liiter.uur,  aus  der  ich  nur  diejenigen  Werke  und  Steilen  angeluhrt 
habe,  die  lür  meinen  Zweck,  Nachweis  der  Identität  oder  \'er- 
schiedcnheit  der  Matrize,  von  Wert  suiu.  Bei  den  vielen  klcuien 
Diskrepanzen  der  uberlieterten  lorm  war  es  mir  \c)n  besonderem 
Werte,  dass  ich  durch  Vcrglcichung  der  (^rigiiKilc  oder  guter  Abklatsche 
mir  noch  die  sichere  Uberzeugung  der  Identität  aller  scheinbar  vet- 
schiedeiien  1  ormen  bilden  und  in  den  meisten  Fällen  die  Ursachen 
jener  Abw  eichungen  nachweisen  konnte.  Sie  liegen  in  der  Beschatlenheii 
des  Materials,  nicht  in  ungenügender  Sorgfalt  der  Herausgeber. 

9)  LFG  XXllPR  P  F  (Fig.  149^"  ''). 

N'LIVSAVGVKF 
2  Plattent'ragmenie  0,045        ^^-^'5  dick,  das  eine  orfenbar  von 
der  Deckplatte  eines  Otens,  braunrot  geglüht,  mit  Kesten  gebramuen 
.Lehms  auf  der  Rückseite.   Fundort  D. 

20 


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—   io6   — ^ 


»  Saatburg  (Fig.  ^*     J*  LXXVI,  24. 

=  Hoßeim.  cf.  Brambach,  150)»  6  nach  Becker,  I.  N. 
S.  547  (134)  »in  museo  Wisb.« 

«  Heddernheim,  cf.  Brambach  1491,  6,  nach  Becker,' L  K, 
S.  543  Ci)7)       museo  Wisb.«   Ich  fand  die  beiden  Exempli 
Wiesbadener  Museum,  das  eine  (Kat.  10174)  auf  einer  042  1. 
0,05  dicken  Platte,  das  andere  (Kat.  10170)  auf  einer  0,2$  1. 
Hypokaustplatte.  Dadurch,  dass  auf  den  Abklatschen  die  Si: 
weggelassen  «  urde,  ist  es  mir  leider  nicht  mehr  möglich,  zu 
welches  der  beiden  Exemplare  von  Hofheim   und  welche: 
Heddernheim  stammt.  Beide  aber  sind  mit  unserem  Nieder  Si 
idemisch ;  die  sciicinharen  Abweichunijen,  dass  nach  B.  beim 
heimer  Stempel  das  F  nach  R,  bei  dem  Heddernheimer  nach  P 
sind,  wie  icli  mich  durch  Vergieichung  der  Originale  überz 
nur  durch  die  Beschädigung,  bzw.  mangelhaften  Abdruck  des  Stc 
veranlasst.   Aus  Iledderubehn  findet  sich  der  Stempel  noch  t 
sehr  gut  ausgeprägt  im  Frankfurter  Museum  X,  6358  (Fig. 
Was  den  Namen  betrifft,  so  ist  wohl  eher  an  Augurinus  zu  d 
als  an  Augur,  wie  Brambach  nach  dem  Register  S.  380  die  St 
1491,  c,  6  u.  14.  und  ij03,  6  liest.  Ein  pracfectus  C.  lulius  Aug 
wird  genannt  auf  einer  Steinitischril't  aus  Neros  Zeit,  die  im 
1882  bei  den  Brückenarbeiten  im  Rhein  bei  Mainz  gefunden  w 
cf.  J.  Keller,  I.  Nachtrag  zu  Beckers  Kat.  S.  12,  No.  130,  b.  C 
Stempel  Brambach  149 1,  c,  14  von  Hcddernheimf  auf  welclien 
selbe  Legende  wie  auf  dem  unsrigen,  aber  in  einer  Linie  stein 
Becker,  L  N.  1878,  S.  547  (134)  ungenau  wiedergegeben  ist, 
ich  nicht  entscheiden :  im  Wiesbadener  Museum,  in  dem  er  sich 
Beckers  Angabe  befinden  soll,  habe  ich  ihn  nicht  gesehen. 

=  Schlossiiu.    cf.  K.  Christ,  B.  J.  XLIX,  S.  112. 

10)  LEG  XXIllM^  (Fig.  150). 
IVLBELLICE 

1  1-alzziegelstück,  gefunden  bei  D. 

=  IVicsbadeu,  nach  v.  Cohausen,  N.  A.  XXI,  Tal.  III,  f. 
Iiabe  den  Stempel  im  Museum  nicht  gefunden. 

Im  Wiesbadener  Museum  behndet  sich  ein  N'oiivaltar  (ct.  1 
bach  1107),  der  »in  der  Main/er  1-estungsnuucr  innerlull 
Walle  /.wischen  dem  \ cuthur  und  der  Citadellc  hoch  oben  t 
mauert  war«.  Denselben  hat  BiBlS  •  TKIBIS  ■  QVADKVll  (.-) 
BI-.I.I.IC\  S- V...  KA  i.l-r.XXTl  P  F  l  i^cwLiht.  Bei  der  Selu 
lle^  Cognomens  ist  dieser  Stein  von  l  e^omieier  Bedemung  tu 
Erklärung  unseres  und  anderer  Namensteinpel.  Darüber  unten  1 


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—   107  - 


Das  G>gnoinen  Bellicus  erklärt  Holder  in  seinem  soeben  erschienenen 
Bach:  Altceltischer  Sprachschatz,  S.  388—390  als  celtischer  Ab- 
stammung. Von  den  von  ihm  angefuhnen  Beispielen  sind  för  unsere 
Frage  von  Interesse:  C.  I.  L.  VlII,  5790:  Julia  Q,  f.  Bellica  (Beni 
Ziad)  wegen  der  Gleichheit  des  nomen  gentilicium  mit  beiden  ange- 
föhnen  Fällen,  C  L  L.  VII,  1^3:  Deo  trivii  Bellicus  don.  aram. 
(Procolttiae)  und  p.  315,  n.  191:  Deae  Conventinae  Bellicus  v.  o.  !. 
m.  p.  (ehester).  Die  angeführten  Töpferstempel  kommen  nicht  in 
Betracht. 

11)  LEGXXIIPRPF  ?  (Fig,  15 1-'  *»). 
IVLII^^F  ? 

I  Ziegelsiück,  stark  durch  Kohle  und  Asche  j;et;irbt,  von 
Herrn  Dr.  Breetz  in  Höchst  dem  I  rankl.  Museum  geschenkt.  I:s 
dürfte  mit  den  Münzen  des  Herrn  Bauunternelmier  Kunze  zusammen 
gefunden  sein;  dann  würde  seine  Bescliatfenheii  sich  aus  dem  Zusammen- 
liegen mit  dem  Inhah  der  Brandgraber  erklaren  (Mg.  iJiO- 

=B  Afa/«^  (Fig.  151^).    Platte  0,27  1.  u.  br.,  0,05  dick,  Stempel 
ganz  erhalten.    Brambach  1377,  g,  99  hat  die  Legende,  so  gut 
es  durch  beschnittene  Lettern  möglich  ist,  'Aiedergegeben.  Doch 
schreibt  er  auffallender  Weise  den  zweiten  Buchstaben  I,  während 
hier  gerade  das  E  sowohl  auf  unserem  als  auf  dem  Mainzer  Lxem- 
plare  ganz  deutlich  zu  erkennen  ist.  In  den  letzten  Zeichen  der  ersten 
Reihe  erkenne  ich  vollkommen  sicher  das  übliche  PRPF,  wenn  auch 
diese  wie  alle  Buchstaben  missgestaltet  sind  und  deutlich  erkennen 
lassen,  dass  sie  von  ungeübter  Hand  in  Holz  eingekerbt  sind,  wobei 
jede  Abweichung  von  der  geraden  Linie  möglichst  vermieden  wurde. 
Für  die  zweite  Zeile  vermutet  Brambach  —  sicherlich  mit  Unrecht  — 
den  Namen  IVL  priMus.  Becker  (Kat.  304,  34)  erkannte,  dass  in  der 
Mitte  des  Namens  eine  Ligatur  von  zwei  M  vorliegt,  der  Art,  dass 
nur  6  Striche  (statt  8)  zu  einem  Zeichen  vereinigt  sind  ;  das  Lnde 
des  Namens  festzustellen,  darauf  verzichtet  er.    Wiederholte  \'er- 
gleichungen  machen  es  mir  zweifellos,  dass  die  letzten  Buchstaben 
(unf.)  bedeuten  und  dass  der  Stempel  zu  lesen  ist:  IVL(ius) 
JM  MVN(is)  F(ecit).    Die  Namenverbindung  Julius  Immanis  scheint 
auch  in  der  Inschrift  bei  Brambach  665  zu  stecken. 

12)  LEG  XXU  P  P  F  (Fig.  isa"  «»). 
C-  V-  V  F 

I  FalzziegelstQck  von  gelblichem,  wenig  mit  Sand  vermischtem 
Thon,  von  dem  Gymnasiasten  StifTt  aus  Höchst  mir  für  das  Museum 
überlassen.   Fundort  nach  Angabe  des  Gebers  bei  D  (Fig.  152'). 


I  kleines  Ziegelscück,  auf  welchem  nur  die  bei  dem  ers 
fehlenden  Teile  der  ersten  Zeile  erhalten  sind.  Nach  der  C 
und  Form  der  Zeichen,  sowie  nach  der  Beschaffenheit  des  Mat 
dürfte  es  demselben  Stempel  angehören.  Fundort  bei  D. 

=  Schhssau,  im  Mannheimer  Museum  (Fig.  152**);  cf. 
mann  115.  Nach  meiner  Vergleichung  des  guten  Abklatsches  is 
von  Baumann  als  zweifelhaft  bezeichnete  Vertikalstrich  nach 
zweiten  V  nur  ein  dreieckiges  Interpunktionszeichen,  so  das« 
Namen  C  V  V'  lautet  mit  folgendem  F(ccii).  K.  Christ  hat  { 
XLIXjS,  Iii)  frühere  irrige  Krklarungcn  z.T.  selbst  zurückgcnom 
Bin  C.  V'ibulius  \' aleniinus  miles  leg.  XXU  wird  auf  einem  Grat 
aus  Mainz  im  Mainzer  Museum  genannt;  cf.  Becker«  Kat.  192. 

13)  (C?)AriTFORTF  (Fig.  I53*»-''). 
kEGXXPR 

I  Backsteinbrocken  (Fig.  153O1  gefunden  vor  Beginn  der 
grabungen  in  der  Nähe  des  alten  Niddabettes  bei  emer  ßegeliunt 
Feldes  durch  Gymnasiallehrer  Blfimlein  und  den  Verfasser. 

=»=  Heddernheim  (Fig.  1^3^)-  Backsteinstück  ganz  gleichci 
im  Frankfurter  Museum  X,  6355.  Geschenk  des  Herrn  Sanitäi 
Lötz,  angeblich  aus  Heddernheim.  Der  Namen  (C  ?)  Avitius  !• 
scheint  zweifellos.  Ober  das  nomen  gentilicium  Avitius  (rön: 
nicht  celtisch)  handelt  Holder,  Altceltischer  Sprachschatz,  S.  s  i  j 

•  14)  LEG  X.XIIP  P  F  (Fig.  154'"-^). 

I.  c:a  si-vf 

I  XiLi^clstiick  o,H.|  dick,  .i;clb,  gut  gebrannt,  mit  geringem 
Zusätze.    1  uikIoii  1)  (l  ii^.  i)4')- 

=:  Sihloiidu.  »»Ziegel«  im  Manalicimcr  iMuseuni  (Fig.  i 
cl.  Bauniann  iiiS;  cf.  Christ,  B,  J.  XLIX,  S.  iio,  3.  Die  Den 
L(uciiis)  Cae(ciliiis)  Sev(erus)  f(ecit)  ist  nur  eine  von  vielen  r 
liehen.  Denn  uas  ßauinann  für  den  Querstrich  hinter  CA  hielt 
nur  ein  Interpunktionszeichen,  wie  auch  K.  Christ  (B.  J.  .\ 
S.  110,  4)  erkannte;  Brauibacii  6i»S  \\  'u\\  ein  Caldius  Severus  gen. 
Doch  kdimen  gerade  bei  diesem  Stempel  alle  Cuate  nur  e.\er 
likaionschen  Wert  haben. 

IS)  .  .  G  XX  II  HUF  (Fig. 

 \'  M> 

I  Backstein  brocken  0,044  ^^^^>  M^^li^rot,  gut  gebrannt,  ( 
Quarz,  weni«^  Sand. 

^  Av/Zf  /z/'f //// ,  aber  nicht  identiscli.  M.Mi'i'iciincr  Mus 
(Fig.  1)5').  cf.  iiaumann  116;  Christi.  LS.  216.  Die  Ähnlichkeit  hc 


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^  309  - 

hcsoiKicis  darin,  dass  beide  Slcnipcl  Scli\valbtuscli\van/c  liaben,  durch 
welche  der  die  beiden  Zeilen  tieniiende  Querstrich  hindurchgeht.  Bs 
wäre  also  wohl  denkbar,  dass  wir,  wie  bei  No.  7,  zwei  Man  izen  desselben 
Zieglers  anzunehmen  hätten,  dessen  Namen  nach  Baumann  I.  c.  S.  109, 
]]6  Caecilius  Sccundus  wenigstens  gewesen  sein  könnte.  Da  nun 
anderseits  der  Stempel  Baumann  116  mit  unserem  oben  bebchricbcnen 
N'ü.  2  dasselbe  Ornament  am  Rande  der  hangseiten  (recluei:ki;^e 
Anszahnuni^cn)  Inn,  so  ist  die  Identität  des  Namens  aller  3  Stempel 
ziemlicii  wahrscheinlich. 

16)  LEGXXIIPPF  (Fig,  i56-">). 
FELCAMVL 

I  Ziegelstückcben,  gelblich,  gut  gebrannt,  feiner  Glimnierscliicfcr 
dem  Thon  heigemischt.  Fundort  D  (Fig.  156'). 

«s  Saalhurg  (1-ig.  156'').  v.  C  11.  J.  LXXVI,  19;  cf.  Becker  N. 
A.  XIII,  234.  Dass  anf  den  von  B.  angenommenen  }»Punkt  zwischen 
CA  und  MVL  nicht  zuviel  Gewicht  zu  legen  ist«,  darf  man  zugeben, 
aber  nicht,  »weil  solche  Punkte  auf  Inschriften  öfter  nicht  blos,  wie 
hier,  die  Silben,  sondern  selbst  bisweilen  die  einzelnen  Buchstaben 
trennen«,  sondern  weil  der  scheinbare  Punkt  nach  den  uns  vor- 
liegenden  Abklatschen  Oberhaupt  nicht  zur  Inschrift  gehön,  sondern 
iu  der  Beschaffenheit  des  Ziegelmaterials  seinen  Grund  hat. 

=  Wifsbaäm.  Wiesb.  Museum  10245  ohne  nähere  Angabe  des 
Fundones.  Platte  0,28  i.  Q.,  op4  dick.  Der  erste  Teil  des  Namens 
bedeutet  jedenfalls  Helvius,  der  zweite  ist  zweifelhaft,  Beckers  Deutung 
(K.  A.  XIII,  255)  Camulus  wahrscheinlich. 

17)  LE  (Fig.  157  ). 

VE  

I  Ziegelstück,  dunkelgrau  versinteri,  Brucli  gelb,  gut  gcbianni, 
Thon  wenig  mit  Sand  vermischt.  Der  in  dem  Museum  zu  Wiesbaden 
befindliche  Stempel  (Hg.  i)-;*^)  VERA  CAPIT  =  Veranius  (?)  Capito 
ist  nicht  identisch,  cf.  Brambach  1491,  c,  5  (auü  Heddernheim)  und 
1537,  f,  9  (niis  Wiesbaden?). 

18)  lEGXXiipr.p.f?  (Fig.  158). 


I  Platte,  noch  0,33  lang  und  0,22  breit,  gefunden  bei  D. 

Die  zweite  Zeile  enthält  nach  der  Zahl  der  in  ihren  Resten 
erkennbaren  und  der  unter  den  abgebrochenen  Teilen  der  oberen 
Zeile  zu  ergänzenden  Buchstaben  wohl  einen  Namen,  nicht  die 
Buchsuben  PRPF. 


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L  L 
XXII  MAK^ 
PR  P  AER 

F  F 

I  Phuicnbiück,  gut  uebriniu,  gelb,  0,05  dick,  ^cUmden  i 
(Fii;.  159')-  D'^'  l  orm  Jcs  Stempels  wäre  nus  dem  kleinen  IVag 
welches  d.i/u  so  unglücklich  .il\L;cbrochen  war,  dass  man  das  ^ 
.  liegende  T  lui  einen  Teil  des  syinnuirischen  Strichornaments  1 
mussic,  nicht  zu  erkennen  gewesen,  wenn  wir  nicht  im  I  cbruar  iJ 
dem  aut  dem  l-riedhule  zu  Heddernheim  aufgedeckten  Hypokai 
den  1,'anzen  Stempe!  (1-ig.  i)9'0  gefunden  und  dadurch  zugleit. 
Möglichkeit  gewonnen  hatten,  die  Identität  unseres  Fragment 
mehreren  anderen,  i.  T.  falsch  publizierten,  vun  audcrcn  ' 
nachzuweisen. 

=  Hi'ddci  nl-i-nn  ('-ig.  159'  ).    S.  oben.    Pkute  0,^6   1.  u 

0.  045  dick,  unterste  L.ige  eines  H\ pok.uistpfeilers,  und  zwei  £ 
stücke  einer  gleichen  Pl.itte  niit  der  reclit.n  ues  Sler 
Im  Museum  zu  Wiesbaden  fand  ich  /wci  1  i.i^niente  des  Stei 
eins,  Kat.  10215,  ^^^^^  einem  u,üj  m  dicken  l'laLtenstücke  \ongl( 
Beschatlcnheit  svie  die  unsrigen,  em  anderes,  Kat,  10214,  aut  < 
dünneren  Ziegelstück,  die  beide  als  aus  llcddernhe'un  stani 
bezeichnet  sind.  Da  bei  dem  einen  1S60  als  Jahr  der  Erwet 
angegeben  ist,  so  erklärt  es  sich,  dass  die  Stücke  bei  Becker- 

1.  N.  noch  nicht  vorkommen.  Auch  bei  Brambach  finde: 
sieb  nicht. 

B  Friedberg.  Mehrere  Fragmente  des  Stempels  im  Schutt 
Bau  des  Wasserturms  von  G.  Diedcnbach  und  Rektor  Schaefer 
gefunden.  DicflTenbach,  Handkat.  V,  93  stellt  aus  ihnen  die  Lcj 

leg.XXIIPRPF    ,v   M      .  u  i 

zusammen:     j^^^j^^j^p  '       iuentitdt  ist  nach  den  sorg 

hergestellten  Pausen  KweifeUos, 

=  Wi«/fö</*v/,  gefunden  »auf  Engelhardts  Acker«,  cf.  Brau 
'$37>  'i  29  (nach  Per.  Blätter  1860,  15,  p.  365  und  Steiner  3708 
dem  Zusatz  »in  mus.  per.  (iii)«.  I  hat.sächlich  ist  der  Stempel 
mehr  dort  vorhanden.  Brambachs  Gewährsmänner  übersähet 
liegende  T  und  lasen  in  der  offenbar  z.  T.  zerstönen  dritten 
des  Namens  nur  die  Vertikalstrichc  1 1.  Brambach  selbst  aber  f 
■  im  Register  S.  380  im  Widerspruch  zu  seinem  eigenen  Texte  5 

nur  M  A  R  an ;  ci.  Becker  u.  Klein  1.  N.  S.  562,  No.  97,  wo 

angeführt  ist  mit  dem  Zusatz,  dass  es  vermutlich  der  Töplcn 


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MsirtiaHs  sei  (?),  »quimi  1.  I  casii  potius  incis.i  esse  videatur«  (?), 
An  derselben  Stelle  p.  541,  n.  78  findet  sich  »P  •  XX  GIVI  AKl  vel 
GMARI  rep.  1732  Aq.  M.ut«.  cf.  Brambach  1537,  f,  5  und  Anm. 
S.  286,  der  den  Stempel  nach  » Schwcnck  p.  in«  (Schenck  ?) 
LEGXXHP 

XX  G  M  aIu  ß''*'**^**^^  ^^^^  ^hn  übrigens  im  Register 

fälschlich  unter  I  557'  ^5  (statt  5)  an.  Bei  der  offenbar  unsicheren 
ÜberHeferung  der  l'oi  iu  Ia<;e  es  nahe,  an  Identität  mit  unserem  Nieder 
und  Heddcrnliciincr  Txpus  zu  denken.  Umso  erJrculichcr  wnr  es 
mir,  einem  .illcrdm^s  ebenfalls  fra«;nientarisch  erhaltenen  Sicaijicl  aus 
Oberßorstadt  (Dachziegel)  im  Darmstädter  Museum  (I  A  129)  zu 

I*  G  XX  II 

be^^e^nen,  der  deutlich  die  Legende    zeigt.  Der  weit 

•  G  M  A  ^  1 

nach  hnks  überragende  Horizontalstrich  des  K,  eine  Ligatur  mit  T, 
hat  offenbar  die  verkehrte  Ligatur  Ä  veranlasst.  Vor  G  scheint  noch 
ein  C  sichtbar,  welches  zu  dem  zweifellos  verderbten  XX  W'ran- 
Inssung  gegeben  hat.  l  eider  sind  Anfang  und  Ende  abgebrochen» 
so  dass  es  zweifelhaft  ist,  öb  wir  auch  in  diesem  Namen  das  nomen 
gcntilicium  Martins  zu  erkennen  haben,  oder  ob  dieses  in  dem  G 
mit  dreieckigem  Interpunktionszeichen?  steckt  und  der  Name 
zu  deuten  ist:  C'G"  Martinus.  Hannneran,  Wcstd.  Ki)rrbl.  V,  159, 
S.  21  },  scheint  denselben  Stempel  gesehen  zu  haben,  da  er  ihn 
als  idemisch  mit  dem  von  Klein,  K.  A.  VI,  i,  S.  48  verzeichneten 
.  .  .  XGNIARI  bezeichnet  und  auf  v.  Cohausen,. N.  A.  XV,  S.  115: 
AVGNIARI  (?)  iiinwcist.  Der  Namen  unseres  Nieder  Stempels 
lautet  zweifellos  L.  Martins  Ater.  Afer  als  (^ognomeji  hndet  sich 
nach  Kellers  Ergänzung  auch  auf  einem  Grabstein  von  Mainz,  cf. 
L  Nachtrag  S.  14,  no.  140,  a. 

20)  LEGXXlIPPF  (Fig.  160). 

t€LVIVSM®TANVS(I  ?) 

Der  Stempel  befindet  sich  im  Bonner  Musciim,  wo  ihn  als  »in 
WJdiiii  in  Nassau  gefunden«  Br.nnbachs  C>c\v.ilHj>niaiuier  (Lersch, 
Ccniralmuseum  rlieinisclier  Inschrittcn  II,  64 ;  Klein,  X,  A.  \'I, 
47,  26;  Steiner.  C.  I.  R.  Rh.  662)  .luliuhrtcn.  lir.unb.Kli  (  i  ^oi,  >  Anni.) 
konnte  ihn  doti  nicht  linden  («in  incli^csi.i  I.ucruui  Lur.igiuf  nun 
inveni").  Hr  giebt  den  Namen  in  der  lorni  lULVIVS  MOIANS. 
Hetmer  fand  ihn  und  führt  ihn  im  Kat.ilog  155,  5  in  der  lutui 
i  i  1:I.\I\^S  MOTANS  an,  mit  dem  Zusatz:  »Motans  wolil  gleich 
Mont.uuis«.  Da  wir  nun  im  l  ebruir  1892  in  dem  aut  dem  lleddern- 
hciiijcr  i  riedliüie  aulgedeckten  Hypokausium  die  Pfeilerplaiien  mit 


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-    112  - 


ihm  gestempelt  fanden,  erhielt  er  für  unsere  Frage  besonderen  ^ 
Durch  die  Güte  der  Herren  Prof.  Heitner  und  Geh.  Rat  Bücheler 
icli  in  den  Besitz  guter  Abklatsche  des  Bonner  Stempels,  welch 
Annahme  vollkommener  Übereinstimmung  mit  dem  unsrigenbestaii 
Ich  halte  inzwischen  auf  gut  ausgeprägten  Exemplaren  der  letz 
im  Ü  ein  kleines  N  gefunden.  Da  ferner  über  dem  angeblichen 
erhöhten  Rande  sicli  der  Querstrich  als  leichte  Verbreiterung 
selben  erkennen  liess  und  X  mit  V'  offenbar  liniert  ist,  so 
Hettners  Konjektur,  ohne  dass  irgend  welche  lu^änzung  nötig  i 
bestätigt.  Rechts  scheint,  dicht  an  den  Rand  gedrückt,  noch  t 
beabsichtigt  zu  sein.  Ich  muss  hier  bemerken,  dass  ich  meine 
deckungen  später  im  Katalog  des  Wiesbadener  Museums  (ic 
schon  von  einem  anderen  (Rossel?)  ebenfalls  gemacht  fand. 

=  Heddernheim.  Frankfurter  Museum.  12  Hypokaustpl. 
(Fig.  160)  0,21:0,21:0,038;  neu  (noch  nicht  katalogisiert). 

B  Wiesbaden.  Wiesb.  Museum  Kat.  10022  (Rhetnstrasse  t! 
Hypokaustplattcn,  nach  Grösse  und  Material  ^  den  Heddenihe 
Exemplaren.  ' 

K  Marienfeh.  Wiesbadener  Museum.  7  Hypokaustplatteo, « 
falls  &sa  den  obigen;  nur  dass  die  Länge  und  Breite  zwischen 
und  0,22  m  variiert.  Kat.  10041,  10095,  10356,  10260,  10275, 
10259.  Brambach  1545,  9  liest  hier  MOIANSF  und  fügt  in 
Anmerkung  hinzu  »sexies«  Q).  cf.  I.  N.  1878,  S.  545:  »lege  Mol 
neve  Moiaus,  Molans,  Mojanus«.  Becker  weist  N.  A.  XIII,  235 
auf  Molianus  bei  Brambach  1030  hin. 

*  Die  Wichtigkeit  der  Xaaicii^tenipcl  tur  die  uns  liauptsaef 
beschäftigenden  I  ragen  veranlasst  mieh,  den  für  Nied  na*:! 
wiescnen  'i'\pen  noeli  einige  andere  hinzu/ulngeii,  die  teils 
uns  ni  Heddernheim  zuerst  gefunden,  leib  von  mir  durch  Vergleich 
der  in  den  verschiedenen  Sammlungen  vorhandenen  lixemplare  \ 
ständiger  oder  richtiger  festgestellt  worden  sind,  als  sie  sich 
Brambach  verzeichnet  linden. 

In  dem  Hvpokaustum  aiii  dem  I  riedhot  /u  I Icädniil'eim  wi^c 
ausser  den  oben  genannten  im  hebruar  1892  folgende  Stempel  gefutu 

21)  LEGXXII  PR  P  F 
CAL-  STRABO 

In  reich  ornamentierter  Hinfassung  mit  rechteckiger  Aus/.ahin 
am  Rande,  wie  No.  6,  und  kleinen  Schwalbenschwänzen  vor  und  n 
jeder  der  beiden  Zeilen  (innerhalb  der  Umrahmung). 


\ 

I 


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-    313  - 


2  Uypokaustplatcen  aus  dem  Sockel  der  Pfeiler  (Mittelplatten) 
0,28—0,29  1*  u*  t>r'>  0,04  dick. 

3  Bruchstücke  solcher  Platten  mit  fragmentiertem  Stempel,  z.  T. 
in  der  Seitenmauer  des  Hypokaustums  vermauert. 

I  Fragment  mit  gut  erhaltenem  Stempel  im  Frankfurter  Museum 
X,  2499. 

I  kleines  Bruchstück,  vor  Jahren  von  Prof.  Riese  auf  dem 
Heddemheimer  Felde  gefunden,  in  dessen  Besitz. 

K  ff^ieshadcH  (Spchmühle).  Dachziegel  im  Wiesbadener  Museum 
10071.  cf.  Brambach  1537,  l,  13  und  26  nach  Becker,  I.  N.  1878, 
S.  543  (104)  u.  1878,  S.  546  (10).  Becker  schreibt  CArSTRA(BO) 
und  fügt  S.  543  hinzu:  i.  e.  Giius  Strabo?  Nach  ihm  schreibt  auch 
Brambach  überall  CAI.  Nach  meiner  Vergleichung  ist  aber  der 
Wiesbadener  Stempel  (ich  find  nur  einen)  dem  Heddemheimer  voll- 
kommen gleich  und  L  statt  I  zweifellos. 

=  Marieujt'ls,  auf  einem  Ziegel  im  W  iesbadener  Museum  hk>;^; 
cf.  Brambach  1545,  11  nach  I.  N.  1878,  S.  546  (99),  vgl.  oben. 

=  Ho/lM'itii,  aul  einem  Dachziegel  im  Wiesbadener  Museum  iüi  i.S; 
ct.  I.  N.  1S78,  546  (39).  Von  Brambach  1503  und  im  Kegi!>icr 
übersehen. 

=  Oberfloi Stadt .  Üachziegelstück.  Vom  Stempel  ist  erhalten 
CAL  nebst  Resten  des  S  und  T  und  ein  Teil  des  Randes.  Die 
Identität  ist  zweifellos.  Die  Einreihung  unter  die  Kobortenstcmpel 
1  B  44  dürfte  demnach  zu  korrigieren  sein  Hammeran,  Westd. 
Korrbl.  V,  159  S.  214  sah  utfenbar  dasselbe  Fragment  bei  Koflcr 
und  bezog  es  richtig  auf  den  »aus  Wiesbaden,  Marienfels,  Hofheini, 
Hoddernheini  bekannten  CAI 'STRABO«.  Wenn  er  sagt:  »wenig- 
stens sind  die  3  ersten  Buchstaben  erkennbar  erhalten«,  so  ist  dies 
bezüglich  des  I  nach  unserer  obigen  Bemerkung  zu  korrigieren. 

Zur  Erklärung  des  Namens  vgl.  man  die  verlorene  Steininschrift 

LEG'XXIIPR-PI- 

(»titulus  lapideus«)  aus  Mainz  bei  Brambach  1062  ^^j^'.  STRABO  * 

zu  der  P.  Puchs,  I,  163,  40  vor  C  das  Centurionenzeichen  ergänzt, 
Vk'ie  es  sich  auf  zahlreichen  Legionsbausteinen  (ein  solcher  ist  nach 
der  Abbildung  bei  i-'uchs  Tab.  XX'III,  No.  XXXX  [nach  Huttich|  der 
Stein)  in  Mainz  vor  dem  Namen  änUet.  Lehne  schreibt  GAL.  Auch 
bei  unserem  Zicgelstempel  konnte  man  zweifelhaft  sein,  ob  C  oder  G 
zu  schreiben  sei,  da  das  G  auch  in  LEG,  wie  oft  auf  Stempeln,  von 
C  kaum  zu  unterscheiden  ist.  Der  Name  könnte  lauten:  Calpumius, 
aber  auch  Calvius  oder  Calvisius  etc.  Strabo. 


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22)  leg  XXIIP  P-F 
VALPKISCI 

Oblong  mit  abgerundeten  Schwalbenschwänzen  =  Xc 
Fig.  147''.  Nachlässig  geschnitten  mit  ungleich  grossen  BucliMJ 
Das  I  am  Hnde  der  zweiten  Zeile  soll  jedenfalls  F  bedeuten. 

Dach/iegelstück,  im  Hypokaustum  vermauert. 

Im  Wiesbadener  Museum  13294  befindet  sich  ein  1883  d 
Schenkung  in  die  Sammlung  gekommener  Dachziegel  mit  demse 
Stempel,  gleichfalls  aus  Heddernheim.  Der  Stempel  war  bisher 
bekannt. 

2$)  LEG  XXII  PPf 
BRl  GICKSE 

Oblong  mit  halbkreisförmigen  Ohren  (statt  der  Schwal 
schwänze  ^  No.  2).  Der  letzte  Buchstabe  der  zweiten  Zeile  ist 
sicher.  Am  wahrscheinlichsten  ist  er  die  Hälfte  eines  zweiten  M 
dass  dieselbe  Ligatur  vorläge,  die  ich  bei  No.  11  annahm. 

Dachziegelstück,  im  Hypokaustum  vermauert. 

SS  Wiesbaden.  Wiesbadener  Museum.    Brambach  1537,  f 

(nach  1.  N.  1Ü78,  S.  347)  liest  ^BRI^l  C   '  *  *  *  ^ 

Buchstabe  der  zweiten  Zeile  ist  zweifelhaft.  Der  Zusatz  B.'s  in 
Anmerkung  S.  286 :  »talis,  sed  II  omissts,  dtcitur  Bonnae  esse  in  1 
reg.«  Lersch  C.  IL  5  findet  keine  Bestätigung  in  Hettners  Kat 
No.  i$5,  S.  60  u.  61.  Dorow,  Opferstätte  II,  p.  5  u.  Taf.  XI,  Fi 
hat  denselben  Stempel.  Der  Stempel  ist  auffallend,  weil  abweic! 
von  der  sonst  bei  Zicgelstcmpeln  geltenden  Regel  nur  ein  und  3 
ein  nidurömischer  Name  angeführt  ist.  Dies,  sowie  das  M, 
innert  an  Töpferstempel,  cf.  Froehner  445  BRIC  .  .  .  .  (Augu 
Raur.  rep.). 

24)  SENTl  SÄBEL 
LEG  XXII PR  PF 
Oblong,  an  den  Rändern  mit  schrägen  Strichen  als  Ornant 
H)  pokaustplattc  0,28  1.  u.  br.,  0,04  dick. 

—  Wiesbaden.  Plattensiiick  0,05  dick,  im  Wiesbad.  Mus. 
IUI  1867  am  Schützenhof  gefunden,  i  anderes,  aus  2  Fragmci 
zusammengesetztes  Plattenstück,  0,04  dick  (14249)  in  der  Hei« 
mauer  vermauert  gefunden,  cf,  Westd.  Zeiischr.  X,  IV,  1891,  Nc 
S.  393,  wo  der  Namen  Sentius  Sabellus  erklärt  wird  mit  dem 
satz:  » Ziegelmacher  tt  (v.  Cohauscn),  und  Nass.  Ann.  XX^ 
1891,  S.  150. 


1 


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»  Main:(,  nach  Abklatsch ;  cf.  Becker  Kat.  304,  87.  Der  Stempel 
kommt  bei  Brambach  nicht  vor. 

aj)  LEG-XXUP  P  F 
C*  DO  SEl€X  F 
ObIun>;  mit  ausgezackten  Schwalbenschwänzen,  ähnlich  No.  14, 

Fig.  154. 

2  ZiegeUtQcke,  vom  Dach  des  Hypokaustgebäudes? 

Der  Stempel  ist  bisher  noch  nicht  gefunden  worden.  AU  nomen 
gentiticium  von  Centurionen  findet  sich  im  Rheinland  Donnius  (cf.  Bram- 
bach 651)  mid  Domitius  (cf.  Brambach  add.  2028  und  Hetiner, 
Westd.  Zeiischr.  II,  IV,  427),  das  letztere  bei  Soldaten  der  22.  Legion 
in  Afrika  C.  L  L.  VIII,  9655  u.  9656.  Das  seltene  cugnomen  Senex 
fand  ich  auf  einer  Grabinschrift  im  C.  J.  L.  VIII,  6750  und  unsicher 
beglaubigt  bei  Brambach  add.  2055. 

Im  Miiiinhfinii'r  Museum  bclinden  sich  .iu:>ser  den  oben  als  mit 
Xicdcr  Stempeln  idciuiscii  bczw.  ihnen  ähnlich  bezeichneten  Typen 
nocii  lolgcnJc  : 

26)  LHGXXIIPPF 
VALPR1M(VS)P 

Oblong,  ;in  den  Randern  rechteckig  .uisgc/.  ihnt,  wie  No.  6  u.  21. 

Aus  Ncuenham.  cl.  Baumann  121.  Fr  schreibt  den  Namen 
I.VAI.  PRIMV  .  .  Das  L  halte  ich  für  einen  Feil  des  linken  Kand- 
üiiiaiiicuts;  dagegen  erkcime  ich  nach  M  noch  Teile  des  1  ;  der 
Zwischenraum  zwischen  ilnicn  und  M  beweist,  dasb  der  Name  aus- 
gesehrieben war.  cf.  Christ  Verhandl.  d.  Philologenvers  1865,  S.  216. 
Der  Name  wird  von  Brambach  add.  1708  S.  ^80  als  val.  prinius 
angeführt.  Fs  ist  das  Neuenheimei  l'xcniplar  j^cmeini,  das  einzige, 
wie  es  sclicim,  welches  bis  jetzt  bekannt  geworden  ist. 

27)  LFGXXil  p.p.f.  . 
IVLFE  F  • 

Oblong,  oben  und  unten  schräge  Striche  als  Ornament,  rechts 
und  links  breite,  aber  undeutliche  Ornamente;  zwischen  beiden  Zeilen, 
nicht  parallel  den  I  angseiten,  sondern  sehrai;  von  links  oben  nach 
rechts  unten,  zwei  Parallellinicn  mit  schrägen  Strichen  im  Zwischen* 
räum  zwischen  ihnen. 

Aus  Schlossau.  cf.  Bauiiiann  iiy  u.  K.  Christ,  IV  J.  XFIX,  S.  üi. 
Die  Frgän/.ung  Julius  helix  dürfte  kaum  zweifelliaft  sein.  Der 
Stempel  war  Branibaeli  noch  nicht  bekannt  ;  dagegen  Habel  nach 
einem  in  G.  Dieticnbachs  Handkaialog  V,  bei  S.  11  eingehefteten 
\  crzeichnisse. 


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~  316  - 


28)  LliGXXliP  1>  1- 
IVLSATVRMs'SF 

Oblong,  klein,  ohne  Ornamente. 

Aus  Sihlos.uiH;  cf.  Naumann  119.  Die  Erklärung  des  N.n'ic 
als  lulius  Saturninu?^  ist  zweifellos  richtig,  die  IJcntitit  nm  de 
von  Rcckcr  K:u.  304,  123  mitgeteilten  Stempel  aber  niclu  w.ii 
scheinlicli,  wenn  auch  die  dort  vorhandenen  Buchstabenenreste  gleic 
falls  den  Namen  Saturninus  enthalten  dürften.  Brambach  kann 
weder  den  einen  noch  den  anderen. 

Ausserdem  wurden  in  unserem  Gebiete  noch  folgende  Typ* 
{■efundeo : 

29)  LEGXXUPPF 
LCOPECFE 

Oblong  mit  bogenförmigen  Ohren»  ähnlich  No.  2,  (Fig.  1 42)  ui 
No.  23.  Zwischen  beiden  Zeilen  eine  Reihe  rautenförmiger  Erhö 
ungen  als  Trennungsstrich. 

Auf  einem  Ziegel  in  Friedberg  gefunden,  gezeichnet  von  < 
Dietfenbach  im  Handkatalog  V,  S.  It. 

=  IVieshadm.  Wiesb.  Museum  ohne  Angabe  des  Fundortes.  < 
Brambach  1537,  f,  23 :  {[.^^"p^C'^p!/  •  Dicticnbaciib  Zeichuui 

ist  ohne  Zweifel  genauer;  demnach  sind  3  Namen  (etwa  L.  Cornelii 
Peculians  oder  dgl.)  anzunehmen. 

30)  LEGXXIIP-W 
BRE  QVA 

Oblong  mit  halbkreisförmigem  Ausschnitt  auf  beiden  Sciti' 
innerhalb  der  Umfassungslinie;  in  dem  Halbkreis  je  ein  schrä 
gestelltes  Kreuz.  P  und  F  ligiert. 

Im  Museum  zu  M//;/^.  Hypokaustplatte  0,21  1.  u.  br.,  0,05  liicl 

—  Rückingen?   cf.  Suchier  1885,  S.  14,  No.  24.    Hin  düiiiu 

Ziegelstuck,  auf  dem  nur         und  das  linke  Ornament  sichtbar  sini 

Iis  fand  sich  unter  den  alteren  Bestanden  dci>  H.maucr  Museums  vo: 
Suchier  vermutete,  dass  es  aus  dem  Römerbad  stamme.  In  spätere 
handschrililiclKn  Ergänzungen  zu  seiner  Arbeit  spricht  er,  da  ihn 
inzwischen  der  Stempel  auch  von  der  Saalburg  bekannt  gewordti 
ist,  die  Vermutung  aus,  das  Stück  könne  durch  Buchenau  von  de 
Saalburg  mitgebracht  sein.  Die  Provenienz  ist  demnach  unsicher 
Suchiers  Vermutung,  in  dem  BR  stecke  ein  verschriebenes  PR,  wiri 
durch  den  vollständigen  Mainzer  Stempel  widerlegt. 


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SB  Saalburg.  V.  C  tt.  J.  LXXVI,  26,  In  den  Seitenornamenten 
ist  das  X  zu  ergänzen. 

31)  LEG  XXII P  - PF 
MNCANÜIF 

Oblong  ohne  Ornamente. 

Marienfeh.  6  Hvpokanstplattcn  0,21  i.  Q.  im  Museum  zu 
Wiesbaden  10255.    ^^*l<^ll  Abklatsch,    cf.  Bnunbach  1545,  6- 

=  Mdiiiz^.  1^77,  g,  96  u,  97.  ct.  Brambach  nach  Klein.  Wenn 
No.  96  MANGANDIF,  No.  67  MNXANDIF  geschrieben  isi,  so 
ist  nur  die  letztere  l  orni  nach  einer  Vergleichung  der  Wiesbadener 
Hxcniplarc  i  icliiig,  demnach  auch  Brambach  1545, 6  und  Kcgisier  S.  580 
zu  korriiiicrcn. 

a=  Siialbtirg.  V.  C.  u.  J.  LXXV'I,  25.  .^uch  hier  ist  nach  dem 
Abklatsche  C  deutlich  und  auf  der  Abbildung  richtig  wiedergegeben, 
cf.  Becker  N.  A.  XI II,  235.  Ob  eine  leichte  Eriiöhung  zwisclien  C 
und  A  ein  inicrpunktionszeiclicn  bedeutet  und  dort  also  der  erste 
(abgekürzte)  Namen  endigt,  lasst  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen. 
W  ahrscheinlicher  ist  die  1  rennung  MAN(lius.^)  CANDI(dns?)  F(ecit), 
Becker  K.  A,  XIII,  235  lässt  in  der  Wiedergabe  der  Lcgciuie  G  oder 
zweifelhaft,  liest  dann  aber  den  Namen  Mangandius  unter  Hm- 
v^eisung  aut  die  Mainzer  Stempel ;  doch  steht  seine  Ani;abe,  Jass  bei 
diesen  »MA  teils  getrennt  geschrieben,  teils  in  eine  Ligatur  zusammen- 
gefasst  war«,  im  Widerspruch  vw  seiner  \'eri)tlemliclning  derselben  im 
Kaial.  ^o).  119—121,  wo  nur  .lul  einem  Fxemplar  die  eisten  Buch- 
staben erhallen  und  dort  wie  bei  uns  ligiert  sind.  Iis  scheint  dem- 
lucl)  nur  ein  einziger  Typus  vorhanden  zu  sein. 

32)  LEG  XX FF 
IVNIFRF 

Oblong  mir  abgerundeten  Schwalbensch wän/en,  die  nach  aussen 
zwei  halbkreisförmige  Aus;^abuungen  und  ihnen  entsprechende  bugen- 
lörmige  Strichornamente  zeigen. 

lin  Wiesbadener  Museum  kommt  der  Stempel  auf  einem  Plaiten- 
fragmeni  10119  aus  Ho/heitn  (cf.  Brambach  1503,  b,  3  nach  I.  N.  1877, 
wo  der  Name  fälschlich  VNFFR  lautet)  und  auf  einem  Dachziet  el- 
stück  10021  aus  Nied  WOT.  Identisch  ist  das  bei  v.  C.  u.  J.  LXXVI,  22 
abgebildete  Fragment  mit  undeutlicher  Legende.  Der  Name  könnte 
IVNl(us)  FR(ontinus)  F(ecit)  bedeuten.  Brambaclis  Vermutung: 
w  ^ccun  i'cc.^a  (S.  )8o)  ist  sicher  falsch. 


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I 


Fügen  wir  zu  diesen  Xunimcrn  noch  die  oben  unter  c,  i,  i 
4,  7,  17,  19  f^elegenilich  .ingetührrcn  Nnmen  bzw.  Varianten  hii 
so  steigt  die  Zahl  der  von  mir  verglichenen  Nanienstempel  aus  c 
in  Betracht  kommenden  Gebiete  auf  40.  Ausserdem  durlien  n 
eiiiiiie  Tx-pen  anzutührcn  sein,  welche  ich  weder  in  den  betreffen 
Sainnilun^en,  noch  unter  den  mir  zur  N'ertii^unii  gestellten  Abklatscl 
vollständig  wieder  autgelundcn  habe,  die  aber  doch  sicher  beglaul 
sind.   Es  sind  toigende: 

41)  LEGXXnP  P'F 
IVL  GRAT  F 

»Ziegel«  im  Mainzer  Museum,  cl.  Bc^r^cr,  Kat.  304,  l 
Brambach  1377,  g,  91.  lu  der  Habeischen  Sammlunu  auf  Sehl 
Miltenberg  bctindci  sich  ein  Stcnipclfragnieni  mit  der  Lege 
L  E  G'  X 

IVL  GR '  ^'^^^  zweifellos  mit  dem  angeführten  Main 
Exemplar  ideiltisch. 

42)  In  derselben  Sammlung  sind  auf  einer  Platte  zwei  Stcm 
übereinander  angebracht,  von  welchen  der  eine  L  XX  II ,  der  and 
SATURNV  (N  umgekehrt,  rechts  abgebrochen)  enth.ilt.  cf.  Beel 
Kat.  304»  123.  Zwar  giebt  Becker  den  Stem|>el  in  dieser  For 
L  XX  II 

ATVRN  VS  *  ^^^^      charakteristischen  Merkmale  beider  Zeil 

das  Fehlen  der  Buchstaben  HG,  die  verkehrte  lorm  des  N,  macl 
es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  Becker  eine  Platte  vorlag,  atif 
beide  Stempel  so  dicht  untereinander  aniiebracht  waren,  dass  er 
für  einen  /Zweizeiligen  Namenstempcl  hielt  und  demnach  auch 
nehmen  mussie,  die  erste  /eile  habe  die  üblichen  Beinamen  enthalt 
die  nur  nicht  deutlich  ausgeprägt  seien.    Der  Habeische  Steni 
zeigt,  dass  das  nicht  der  Fall  war.    Fr  stimmt  in  der  Form  1 
Grösse,  in  dem  Fehlen  der  beiden  genannten  Buchstaben  und  'je» 
Beinamens  (PR'P'F')  mit  einer  Reihe  von  Mainzer  und  Milt 
beri^er  l{\emp;aren  (wohl  alle  auch  aus  Main/)  überein,  die  in  je 
lluisiclu  von  allen  Nieder  Stempeln  verschieden  sind  und  mir  du 
ihre   X'erwandtschaft   mit  den   im  Spe\  erer  Museum  vorhandei 
Stempein  auf  Rheinzaberner  Provenienz  liinzuweisen  scheinen. 

43)  PPFAGRIPF 

Neben  No.  8  in  Bierstadl  bei  Wiesbaden  getunden.  ct.  H.r-i 
bach  1509.  Nach  I.  N.  1878  im  Museum  zu  Wiesbaden  vorhand 
Ich  habe  ihn  don  nicht  «gesehen. 


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44)  LEG  XXU 
ATTIVLII 

Nach  Brambach  149 1,  c,  2  u.  I.  N.  1878  in  Heddernheim  gefunden 
und  im  Wiesbadener  Museum  aufbewahrt.  Vgl.  die  letzte  Bemerkung  zu 
No.  43.  Nach  Habel  io  DiefFenbachs  Handkatalog  V  zu  S.  11  lautet 
die  Legende  ATTI  IVNL 

45)  LEG-XXtl  P  P  FQVi 

Auf  bandfürmigcni  bzw.  in  Gestalt  eines  S  gebot^enem  Stempel. 
Gefunden  auf  grossen  Platten  im  Ihpokaustum  des  Rüchin^er 
Kastells,  d.  Suchier  1S8),  Tat'.  11,  36  und  S.  16,  36.  Zweifellos 
identisch  ist  der  bei  Knapp,  Rümisthc  Denkmale  des  Odenwalds, 
Taf.  VII,  Fig.  54  abgebildete  Stempel  aus  Vielhrunn  im  Odenwald, 
der  ebenfiills  auf  grossen  Platten  eines  Hypokaustums  gefunden  wurde. 
Knapp  las  LEG  XXU  •  P  *  P  •  F  •  Q-  F ;  die  einzige  Differenz  F  statt  1 
erklärt  sich  leicht.  (Die  Punkte  kommen  bei  Ziegelstempeln,  da  sie 
oft  nicht  erkennbar  sind,  nicht  in  Betracht.)  Phantastisch  aber  «nd 
Knapps  Erklärungsversuche.  Auch  Suchiers  Deutung:  Quirinus  fecit 
hat  nur  exemplifikatorischen  Wert.  cf.  Hammeran,  Westd.  Zeitschr. 
1885,  S.  406,  dessen  Bemerkung,  dass  der  Stempel  ausser  in 
Rückingen  nicht  vorkomme,  nach  obigem  jedoch  zu  korrigieren  ist. 
Man  vgl.  auch  K,  Christ,  B.  J.  XLIX,  S.  114,  der  Knapps  Deutung 
zurückweist. 

46)  LEGXX  MVSF 

Ein  Kieisstcnipel,  gcluiiden  \  'Sk:!' SaaUmrg.  cf.  v.  C.  u,  |.,  EXX VII, 
20.  Die  Buchstaben  sind  nusserordeinlich  flüchtig  geschnitten,  so  dass 
sie  7.  T.  fast  wie  Kursivschrift  aussehen,  jacobi  giebi  die  Lebende 
nach  PPF  so,  dass  man  etwa  R1.'\.\U'S  liest.  Es  dürfte  wohl  der 
Name  PRIMVS  darin  7x\  erkennen  sein.  Anderwärts  ist  der  Stempel 
ni.  VV.  nicht  gefunden. 

47)  (?)  LEG  XXII  PPF 

IVLSAEVIO 
Diesen  Stempel  führt  K.  Christ  B.  J.  XLIX,  112  als  aus  Schlossau 
Stammend  unter  den  Exemplaren  des  Mannheimer  Altertunisvereins  an 
und  erklärt  ihn:  »>Iulii  Saevi  ofllcina?«  Unter  den  mir  zugestellten  Ab- 
klatschen der  Mannheimer  Sammlungen  fand  sich  der  Stempel  nicht. 
l:benso wenig  führt  ihn  Baumann  nn.  Die  von  Christ  a.a.O.  S.  112, 
8,  9,  10  aufgeführten  Mannheimer  Namenstempel  scheinen  falsch 
gelesen  zu  sein.  No.  8  dürfte  in  seinem  letzten  Teil  den  Beinamen 
Antoniniana  enthalten,  No.  ^;  lautet  /.weifelios  LEGXXilPRlPF 
Vgl.  auch  Baumanu  a.  a.  O.  S.  40. 


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—  — 


Im  Ganzen  sind  also  bis  jetzt  etwas  mehr  als  40  Namenstem 
der  22,  Legion  aus  Obergermanien  bekannt.  Von  denselben  kan 
Brambach  26,  grösstenteils  in  verstümmelter  oder  falsch  Qbertiefei 
Form.  Ganz  neu  sind  von  uns  gefunden :  No.  7  in  zwei  Typen  1 
Nied  und  Heddernheim»  xo,  13,  17  in  Nied,  ^2,  25  in  Heddemhe 
Bei  einer  sehr  grossen  Anzahl  boten  unsere  Funde  und  ihre  Vergleichi 
mit  den  in  den  verschiedenen  Sammlungen  vorhandenen  Exempta 
die  Möglichkeit  sicherer  Ergänzung  und  Deutung.  Mit  sehr  weni| 
Ausnahmen  aber  weisen  sie  durch  die  Form  der  Stempel  sowie 
Beschaffenheit  des  Materials  auf  gleiche  Provenienz  hin.  Von  besi 
derem  Interesse  ist  es,  dass  von  den  angeführten  Namenstemp 
die  Hälfte  bei  den  vorjährigen  Ausgrabungen  in  Nied  gefunden,  be: 
wiedergefunden  worden  ist,  während  ausser  dem  benachbarten  Heddc 
heim  keine  andere  Fundstätte,  selbst  Mainz  und  Wiesbaden  nicht,  mi 
als  10  Namen  aufzuweisen  hat,  wobei  noch  in  Betracht  kommt,  d 
bei  einigen  Wiesbadener  Ziegeln,  von  welchen  der  Fundort  nicht : 
gegeben  wird,  die  Herkunft  aus  Nied  wahrscheinlich  ist. 

Was  nun  die  Bedeutung  der  Namen  auf  Militärziegeln  beiri 
so  sind  hierüber  ebenso  verschiedene  Ansichten  geäussert  worJ 
wie  über  die  Figurenstempel  Man  hat  sie  für  die  Namen  der  G 
turionen  gehalten,  von  deren  Abteilungen  die  Ziegel  hergestellt  04 
die  Bauten  ausgeführt  worden  seien,  bei  welchen  die  erstcren  V 
Wendung  fanden.  Man  konnte  sich  dabei  auf  die  zahlreich  in  Ma 
gefundenen  Bausteine  berufen,  auf  welchen  ebenso  wie  auf  li 
Ziegeln  in  einer  rechteckigen  Umrahmung  mit  Schwalbenschwän;* 
unter  der  Bezeichnung  der  I.egidn  ein  dreiteiliger  Namen  mit  Q 
turicn/.cichen  davor  eingenieisselt  ist.  Riner  dieser  »>tituli  lapide 
der  freilich  nicht  mehr  existiert,  hatte  nach  P.  Huchs  I,  lab.  40  11 
p.  164,  40  genau  dieselbe  Legende  (ohne  Centunenzeichen)  wie  uus 
Stempel  c,  21  (cf.  Brambach  1062),  und  bei  einem  anderen  hat  diese  vo 
kommene Übereinstimmung  mit  dem  Stempel  c,  8  sowohl  Brambach 
veranlasst,  im  Widerspruch  zu  der  ausdrücklichen  Angabe  Schaiinats  a 
Rand  die  Bezeichnung  »in  laterculo«  hinzuzufügen,  als  auch  Weck« 
ling  bewogen,  seine  frühere  Ansicht  im  Hinblick  auf  die  späteren  Hon 
der  Ziegelstempel  in  gleichem  Sinne  zu  andern,  cf.  Kat.  des  Pauli 
Museums  I,  76,  2u.  11, 89.  Diesen  beiden  nicht  ganz  sicher  beglaubigt 
Fällen  stehe  ein  anderer  gegenüber,  wo  ein  Nieder  Stempclnanicn,  ui 
zwar  ein  seltener,  genau  in  derselben  Form  auf  einer  Weihinscbr 
vorkommt  (c,  10  und  Brambach  1107^,  auf  der  letzteren  aber  sein  Träg 
als  veteranus  leg.  XX  II  p.  p.  f.  bezeichnet  ist.  Als  Beweise  können  bcii 
Fälle  weder  für  noch  gegen  die  angefühne  Ansicht  betrachtet  wcnic 


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—    321  — 


Andere  bezciclineicn  gleichf-ills  mit  einer  von  der  Bcwcispliiclu 
sich  entbindenden  Selbstverständlichkeit  die  auf  den  Ziegeln  genannten 
Personen  als  «centnriones  labrum«.  Dabei  ist  es  unklar,  ob  sie  sich 
bei  einer  Legion  nur  eine  oder  mehrere  centuriae  fabrum  hglinorum 
denken.  Das  letztere  wäre  kaum  denkbar,  dem  erstercn  würde  die 
von  uns  in  Heddernheim  beobachtete  Thatsache  widersprechen,  dass 
in  einem  einzigen  H\  pokaustuin,  und  jrwar  in  den  untersten  Lagen 
der  Pfeiler,  die  allein  noch  vorhanden  waren,  nicht  weniger  als  zehn  ver- 
schiedene Namenstempel  sich  landen,  und  zwar  unter  Umstanden,  welche 
die  Annahme  teilweiser  Zerstörung  und  späterer  Wiederherstellung 
aus  zerstreutem  Material  ausschlössen.  Auch  in  der  Villa  zu 
Marienfels  scheint  nach  den  Notizen  im  Katalog  des  Wiesbadener 
Museums  dieselbe  Erscheinung,  wenn  auch  in  geringerem  Umfange 
beobachtet  zu  sein.' 

Demnach  sclieint  es  wie  vorsichtiger,  so  auch  zutreffender  zu 
sein,  mit  Brambach,  K.  Christ,  Baumann  u.  a.  in  den  Namen  ein- 
fach die  Bezeichnung  der  Ziegelbrenner  —  oder,  wie  v.  Cohausen  es 
ausdrückt,  der  Ziegelmacher —  zu  sehen,  sei  es,  dass  dieselben  aktive 
Soldaten  waren,  die,  weil  sie  bestimmte  Mengen  von  Ziegeln  fertig- 
stellen mussten,  ein  Interesse  daran  hatten,  ihre  Erzeugnisse  durch 
Kamen  oder  andere  Zeichen  kenntlich  zu  machen,*  oder  sei  es,  was 
jedoch  nur  in  später  Zeit  der  Fall  gewesen  sein  dürfte,  dass  Veteranen 
auf  eigene  Rechnung  für  die  Legion  arbeiteten. 

l  ür  die  Entscheidung  dieser  Frage  würde  der  oben  bei  b,  i8 
und  c,  3  erwähnte  rätselhafte  Stempel  IVSTViVFECIT  von  beson- 
derem Werte  sein,  wenn  er  von  C.  Klein  richtig  gedeutet  sein  sollte 
durch  die  Worte:  ocr  hat  das  Gerechte  gethan«  (cf.  Becker,  N.  A. 
XIII,  S.  236);  wir  würden  dann  in  dem  Stempel  einen  Approbations- 
stcmpel  zu  erkennen  haben,  welchen  der  die  Aufsicht  führende 
Militärbeamte,  vielleicht  der  bei  Brambach  105  (nach  Janssens  Kon- 
jektur) erwähnte  magistcr  figulorum,  auf  den  in  anderem  Zusammen- 
hang auch  Hammerau  (Westd.  Zeitschr.  IV,  iv,  1885,  S.  406)  auf- 
merksam macht,  auf  die  Schlussziegel  der  einzelnen  straturae  (cf 


'  Man  vgl.  .luch  Brambach  1545.  Auch  bei  der  Villa  bezw.  dem  Badegebäude 
beim  Kastell  Schlossau  fällt  die  Mannigfaltigkeit  der  ijcfundenen  Namenstempel  auf. 


Für  diese  Annahme  sprechen  besonders  auch  die  Ziegclstempel  von  Aaclieu, 


welche  Heitner,  W.  Z.  II,  IV,  S.  428,  in  überzeugender  Weise  ergänzt:  »trans 
Rbenum  f(edt)  .  .  .  .  us  lullinus  ni(iles}  l(egkmis)  I  M(inemae).«  Die  Bezeich- 
nung »Fabrikanteostempel«,  welche  licttncr  gebraucht,  ist  wohl  in  dem  von  uns 
angenommenen  Sinne  zu  fassen,  da  der  »Fabrikant«  sich  ja  als  aktiven  Soldaten  zu 
erkennen  gicbt. 


-    .322  - 


Brambach  1397  und  Hammeran  1.  c.)  drückte.  Ffir  die  Richtig 
dieser  Deutung  und  gegen  Beckers  Erklärung  (N.  A.  XUI,  S. 
und  Kat.  S.  99,  VII,  A,  VII)  als  Namenstempei:  Justufn(us)  t 
sprechen  aber  mehrere  gewichtige  Gründe.  Kur  würde  die  Ü1 
Setzung  wohl  besser  lauten:  »£r  hat  das  rechtmässige  (ihm  gebührer 
Quantum  (von  Ziegeln)  gemacht.«* 

Zunächst  würde  die  Ligatur  bei  aller  gerade  auf  diesem  Geb 
herrschenden  Regellosigkeit  doch  auffallen,  wenn  der  eine 
ligierten  Buchstaben  zum  vorhergehenden ,  und  zwar  verkür? 
Namen,  der  andere  zum  Verbum  gehörte,  während  sie  sehr  erklär 
ist,  wenn  iustumfecit  zu  einer  Approbationsformel  erstam  v 
Femer  fällt  die  regelmässige,  an  lajndare  Inschriften  erinnernde  Fe 
der  Buchstaben  umso  mehr  auf,  wenn  sie  sich,  wie  oben  gezeigt 
auf  derselben  Ziegelptatte  mit  anderen  Stempeln  finden,  welche  tr 
wenn  man  die  allgemeinen  chronologischen  Merkmale  der  Epigrap 
auf  diese  An  von  Inschriften  anwenden  dürfte,  in  eine  weit  spät 
Xcit  setzen  müsste.  Die  Sache  verliert  alles  Auffallende,  wenn 
den  Lcgionsstenipcl  als  Privateigentum,  vielleicht  eigenes  Fabrl 
des  Ziegelmachers,  den  anderen  dagegen  als  offizielles  Instrum« 
ansehen. 

'  Dass  das  Adjdctivutn  iustus  in  Verbindung  mit  etnem  von  einem  Verb 
weldies  eine  Leistung  (wie  facere)  ausdrfickt,  abhängigen  Objektssubstantivum 

der  oben  angenommenen  entsprechende  Bedeutung  hatte,  und  zwar  besonders  . 
in  der  niiHtarischen  Spraclie,  zeigen  u.  v.  a.  besonders  auch  Stellen  wie  C! 
bell.  civ.  I,  25,  3,  III,  76;  bell.  gall.  \'III,  jy.  Man  vgl.  besonders  dcu  Ausdi 
»iustum  iter  conficere«  in  der  Stelle  b.  c  III,  76:  »confecto  iusto  itinere  eins  • 
ijuod  proposuerat  Caesar«,  in  welcher  mit  Recht  »iusto«  auf  ein  bestimmtes,  di 
das  militärische  Reglement  festgesetztes  Quantum  bezogen  wird;  vgl.  I-(»rcelIini  (n 
Lipsiuii)  sub  V.  »iustus«.  Aut  dieselbe  Bedeutung  weist  auch  die  Steile:  »li 
iusta  muri  altitudu  expicatur«  Caes.  b.  g.  \°II,  23  hin.  Au  der  Substantivier 
des  ncutr.  sing,  im  Sinne  eines  vorschriftsmässigen  Cbiantums  wird  man  bei  i 
entsprechenden  Gebrauche  des  verwandten  debituro  (x.  B.  persoKere)  und  gm 
über  Stellen  wie  »iumentuni  ad  iusta  perduccre«  =  ad  solitum  ac  debituni  o 
prac»tandum  (Coluni.  de  rc  ru&t.  1.  c,  ü)  am  wenigsten  bei  einer  Stempelinsd 
Anstoss  nehmen,  bei  der  es  auf  Kurze  ankam. 

•  Der  Stempel  ist  von  allen  Nieder  Typen  der  einzige,  der  gan«  eotschic 
den  Eindruck  macht,  als  ob  er  von  einer  Metallmatriae  herrühre;  und  den  ent»pr 

.luch  das  von  der  Saalburg  stammende  Hxemplar  nach  Jacobis  Abbildung.  D; 
wurdr  sich  tk-r  grosse  Unterschied  der  Huchstabenformen  auf  zwei  gleichzeitig  < 
gcdrucl<tcn  Siempchi  desselben  Ziegels  erklären,  iiiu  gut  gearbeiteter  Metallitem 
würde  in  der  Hand  eines  beaufsichtigenden  Beamten  ebenso  natürlich  sein,  wie 
demselben  (centurio)  ein  so .  sdilechtgcarbeiteier  oder  gar  mit  falscher  Legende  t 
scheuer  I lol/steinpel  auliallen  würde,  wie  wir  sie  oben  beschrieben  haben  und  u 
bei  Fig.  1 1,  u,  2},  6i,  94  und  selbst  bei  einem  Namenstempei  Fig.  151  dargestellt  seh 


i 


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-  3*3  - 


Ebenso  erklärt  sich  bei  unserer  Annalimc  das  öftere  Kebeii- 
einandervürkonimen  des  letzteren  mit  den  unserer  Ansiclit  nach 
sämtlich  gleich  den  Nnmenstenipeln  nuf  persönliche  Leistungen  hin- 
weisenden i  igurcnstempchi.  Wenn  dei  Approbaiionsstempel  gelegent- 
lich auch  ohne  Lci^ionsstenipcl  —  aber  immer  mit  solchen  gemein- 
sam verbaut  —  vorkommt,  so  ist  dies  daraut  zuriick/.utuhren,  dass 
nicht  alle  Ziegel  einer  Lieferung  gestempelt  wurden,  wie  das  der 
Befund  bei  unseren  Ziegelöfen  bestätigt  liat,  und  wie  es  auch  heutigen 
Gepriügcnheiien  entspricht. 

Dass  auf  unserem  Ziegel  c,  3  der  Approhationssieinpel  wieder 
aubgekrutzt  ist,  kann  man  darauf  zurückführen,  dass  bei  näherer  Unter- 
suchung sich  herausstellte,  dass  die  richtige  Zahl  noch  nicht  erreicht 
war.  Wollte  man  mit  Becker  annehmen,  dass  von  zwei  Namen  der 
eme  genigt  sei,  so  iniisste  man  wohl  un  betrügerische  Stempelung 
fremden  Materials  denken,  wälirend-  der  öfters  vorkonnneiide  i'all, 
dass  zwei  Stempel  verschiedener  Lorm  auf  einem  Stein  abgedrückt 
sind  —  von  Numenstempeln  ist  mir  dies  nicht  bekannt'  ohne 
dass  der  eine  getilgt  wäre,  auf  einen  Irrtum  neben  einander  arbeitender 
Ziegler  zurückgeführt  werden  kann.  Das  mehrmalige  Xebeneinander- 
vorkonnnen  derselben  borm  auf  einem  Stein  endlich  wird,  wo  nicht  der 
mangelhafte  Abdruck  des  einen  Stempels  eine  genügende  Erklärung 
bietet,  .ils  Spielerei  gedeutet  werden  müssen. 

Welche  Kategorie  der  bei  der  Ziegelfabrikation  beschäftigten 
Personen  die  Xamen  bezeichnen,  mag  aber  um  so  mehr  unentschieden 
bleiben,  da  in  dieser  Beziehung  unter  verschiedenen  \'erhaltnissen  und 
zu  verschiedenen  Zeiten  verschiedene  GepHogenheiten  geherrscht  zu 
haben  scheinen.  So  kann  z.  B.  mit  unseren  Nieder  Xanienstenipeln 
nicht  in  Vergleich  gebracht  werden  der  in  Mucbcau  gefundene  Stempel 
LI-:G-VIII-AVC'L' APPIO  LEG-,  den  man  sicherlich  mit  Recht 
aut  den  StatiiiaUer  L.  Xorbanus  Appius  Maximus  bezogen  hat.*  Eben- 
sowenig wird  man  spatzciiige  Stetnpel  heranziehen  dürfen,  auf 
wcltlitn,  wio  /  B.  aui  pannonischcu  Ziegeln  C.  I.  L.  III,  37.19  tV.  hohe 
Beamte  mit  Titeln  bezeichnet  sind.    Aber  das  zeigt  sich  doch 

übt  I  .lix,  L^ai-K,  jui  solchen  Stempeln  Persotun  genannt  sind,  .Aclchc, 
;>ei  als  AuUraggeber,  sei  es  als  Ausführende  mit  der  Herstellung 
der  Ziegel  in  Zusaiuuicnhang  stehen;  und  dies  allein  scheint  auch  der 
Sitte  der  verschiedensten  Zeiten  und  Völker  und  ganz  besonders  auch 


(  Der  von  Hettner,  Westd.  Z.  II.  n,  (88^  Museogniphie  von  t882»  S.  22t, 
erwähnte  Fall  bezieht  sich  nicht  auf  Militarziegcl. 

'  Th.  Mommsen,  Lingooische  Legionsstempel,  Hermes  XIX,         S.  437. 


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der  unsrigen  zu  entsprechen.  Es  ist  daher  auffallend,  dass  Socli 
bei  Besprechung  des  Stempelnamens  Frondnus  sagt:  »Die  Töpl 
Stempel  nennen  den  Verfeniger  der  Gefasse,  die  Namen  auf  Legio 
steinen  können  aber  nicht  den  bezeichnen,  der  die  Backsteine  mad 
sondern  nur  den  Stempelschneider«.  Diese  Annahme  ist  vieli» 
die  denkbar  anglaublichste,  wenn»  wie  es  ja  nach  Suchiers  Wor 
angenommen  werden  moss  und  für  die  kunstvolleren  Stempelfoni 
auch  siclierlich  anzunehmen  ist,  Stempelschneider  und  Ziegelmad 
vcrscliiedene  Personen  waren.*  In  diesem  Falle  könnte  der  Siemf 
Schneider  seinen  Namen  an  irgend  einer  SteUe  des  Instruments  : 
gebracht  haben,  sicherlich  aber  nicht  so,  dass  derselbe  in  gleid 
Grösse  wie  die  Be7:cichnung  der  Legion  auf  Jera  Ziegel  prang 
Aber  nn  es  auch  denkbar  wäre,  dass  der  Besteller  der  Matr. 
dem  Holzschnitzer  gestaltete,  seinen  Namen  in  so  anspruchsvol 
Weise  anzubringen,  wie  dies  z.  B.  auf  dem  prächtigen  Stempel  c, 
(Fig.  ij^**)  der  Fall  ist,  sei  st  es  dagegen  kaum  denkbar,  dass  ein  sold 
Stempclungeheuer  wie  das  c,  ii  (Fig.  151)  von  einem  Spezialk ünst 
herrührte,  und  dass  dieser  den  Ehrgeiz  besessen  haben  sollte,  sich  ; 
den  unverwüstlichen  Ziegelplatten  ein  monumentum  aere  perenni 
seiner  Unfähigkeit  zu  setzen.  Von  dem  Ziegelmacher,  der  nicht  sei 
Fertigkeit  im  Holzschnitzen,  sondern  die  Thatsachc  der  HersteUui 
einer  gewissen  Anzahl  von  Ziegeln  dokumentieren  wollte,  ist  es  t 
gegen  sehr  wohl  denkbar,  dass  ihm  auch  ein  den  Anforderungen  d 
Epigraphik  und  Ästhetik  nicht  entsprechendes  Instrument  genügte. 

Mit  Recht  bemerkt  Hammeran'  gegen  Suchler,  dass  die  Hera 
Ziehung  der  Töpferstempel  keinen  Zweck  habe.  Den  einzigen  Grui 
aber,  den  er  dafür  anführt,  dass  die  Töpferstempel  »doch  naturgcnij 
meist  der  letzten  Zeit  römischer  Okkupation,  also  dem  ^.  jahrliupJc 
angehören,  die  Namenstempel  aber  grossenteils  aus  der  Zeit  c 
Erbauung  des  Kastells  stammen  werden«,  kann  ich  weder  als  bewiest 
noch  nach  meinen  Beobachtungen  auch  nur  als  wahrscheinlich  a 


'  Weitere  römische  Münzen  und  Stempel  etc.  iSSj,  S.  16  Anm. 

'  Auch  Hammeran,  Westd.  Zeitschr.  IV,  iv,  S.  406  spricht  von  dem  «Narr 

dcs  Stcmpelschncidcrs,  den  dieser  in  eine  Holztbrni  einschnitt«,  ohne  dass  man  )ed( 
seine  Ansicht  i;.  das  Verhältnis  desselben  zum  Benutzer  des  Stempels  crkein 
konnte.  Wenn  er  an  anderer  Stelle  (Westd.  Zeitsclvr.  III,  Ii,  S.  lyi)  Jic&cri  Sttfmp 
den  Charakter  von  Urkunden  vindiziert,  so  ist  nicht  recht  verstindlich»  was  ; 
diesen,  die  doch  nur  die  Herstellung,  brK,  Verwendung  des  Baumaterials  berurkund 
kl  nncn,  der  Namen  eines  von  dem  Benutzer  verschiedenen  Holsscbnitzers  zu  th 
Iwben  solhe. 

i  1.  l.  S.  406. 


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—   325  - 


erkennen.  Sämtliche  Namenstempel  von  Rückingen,  auf  die  sich  zu- 
nächst Suchiers  und  Hammerans  Bemerkungen  beziehen,  stammen 
aus  dem  Hypokaustbau  und  dem  sog.  Römerbad,  die  zweifellos  nicht 
in  der  ersten  Zeit  der  Anlage  des  Kastells  erbaut  wurden,  und  die 
meisten  Namenstempel  aus  Nied,  von  welchen  genauere  Fundnotizen 
vorbanden  sind,  besonders  die  zahlreichen  Exemplare  von  Marienfels 
und  Heddernheim  wurden  in  Hypokausten  gefunden,  welche  aus 
später  Zeit  stammen,  wie  denn  der  grosse  Gebäudecomplex  in  Heddern- 
heim nachweislich  auf  Trümmern  älterer  Bauwerke  errichtet  bt. 
Auch  die  komplizierte  Umrahmung  mancher  Namenstempel,  welche 
eine  Kombination  aller  älteren,  einfacheren  Stempelformen  darstellt, 
spricht  für  ihre  Spätzeitigkeit.  Hiermit  sind  wir  an  die  Frage  nach 
dem  Werte  der  Stempel  Hir  die  Entscheidung  historischer,  besonders 
chronologischer  Fragen  herangetreten,  welche  ein  näheres  Eingehen 
erfordert. 

V.   Über  die  wissenschaftliche  Bedeutung 
der  Nieder  Z  i  c  g  e  1  f  u  n  d  e. 

Ich  habe,  veranlasst  durch  die  Auffindung  ausgedehnter  Ziegeleien 
der  4.  Vindelicierkohortc  beim  Kastell  Grosskrotzenburg  und  die  That« 
Sache,  dass  die  Ziegel  dieses  Truppenteils  an  auffallend  vielen  Orten 
des  Taunuslimes  einerseits  und  der  Mainltnie  Miltenberg^Gross* 
krotzenburg  anderseits,  und  zwar  an  der  letztgenannten  Strecke  mit 
den  gleichen  Stempcitypen  wie  in  Grosskrotzeoburg  gefunden  werden, 
zuerst  im  Jahre  1885'  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  i)  die  Auf- 
findung von  Stempeln  irgend  eines  Truppenteils  in  einem  bestimmten 
Kastell  allein  nicht  massgebend  sein  könne  für  die  Bestimmung  der 
Garnison  des  letzteren  und  dass  2)  die  Auffindung  derselben  Typen 
von  Stempeln  der  4.  \'indelicierkohorte  an  verschiedenen  Funkten 
der  Mainlinie  sich  am  leichtesten  erkläre,  wenn  man  annähme,  dass 
die  Grosskrotzenburger  Ziegeleien  auch  andere  Truppenteile,  die  mit 
den  Vindeliciem  zu  einem  Armeeverbande  gehörten,  mit  Baumaterial 
versahen. 

Der  von  mir  ausgesprochene  Gedanken  fand  in  den  meisten  Be> 
sprechungen  der  Arbeit  mehr  oder  weniger  entschiedene  Zustimmung.' 


'  Wolff-Dahm,  S.  8  ff. 

'  So  mit  aller  Entschiedenheit  O.  Keller  in  der  Berliner  phil.  Wochenschrift, 
188s  29/30,  S.  9}0  f.  und  P.  Ladewig  in  den  Jahresberichten  der  Gcschiehts» 
Wissenschaft,  herausg.  im  Auftrage  der  Hist  Ges.  zu  Berlin,  VII.  Jahrg.,  II,  7.  Eben- 


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—    }26  — 


Von  besonderem  Werte  aber  war  es  mir,  dass  v.  Cohausen,  der, 
ich  wusste,  gerade  auf  diesem  Gebiete  auch  in  technischer  Hinsicht 
eingehendsten  Stadien  gemacht  hatte  und  der  noch  in  seinem  gros 
Pfablgrabenwerk,  der  bis  dahin  als  selbstverständlich  angesehenen 
gemeinen  Ansicht  folgend,  die  Garnisonen  der  Kastelle  nach  den 
fundenen  Ziegeln  bestimmt  hatte,  die  ausgesprochene  Ansicht  n: 
nur  ruckhaltlos  als  berechtigt  anerkannte,  sondern  durch  Hinzufög' 
des  neuen  Grundes  befestigte,  »dass  wir  Ziegel  mit  Militärstem] 
auch  bei  Villen  und  Gehöften  finden,  die,  fem  von  Gamisonsor 
nichts  mit  dem  Militärwesen  zu  thun  hatten.«'  Einen  von  mir 
angedeuteten  Grund'  führt  v.  Cohausen  weiter  aus  durch  die 
merkung,  dass  »der  bei  der  Knpersburg,  Saalburg,  am  Feldberg 
bei  Holzhausen  an  der  Heide  vorkommende  Lehm«,  wie  es  sehe 
»nie  ein  Ziegelprodukt  geben  könne,  wie  es  die  dort  gefunde 
Legions-  und  Kohortenziegel  geben.«'   Wenn  er  Jinn  hinzuff 
»das  sind,  wenn  auch  unangenehme,  aber  schlagende  Wahrheiten, 
uns  abhalten  müssen,  aus  den  Ziegel  stempeln  zu  schliessen,  dass 
darauf  genannten  Truppcnkörper  da  in  Garnison  lagen,  wo  wir  j 
gefunden  haben«,  so  ehrt  dieses  Zugeständnis  den  verdienten  Torsc 
jedenfalls  mehr,  als  wenn  er  seine  Autorität  eingesetzt  hätte, 
einen  Irrtum,  den  wir  alle  mit  ihm  geteilt  haben,  festzuhalten. 

Entschiedenen  Widerspruch  fand  die  Hypothese  nur  von  ei 
Seite:  A.Hammeran  erklärte  in  einer  Recensioo  unserer  Schrift^ 
von  mir  angenommene  Lieferung  von  Ziegeln  an  einen  Ort,  an  < 
die  auf  den  Stempein  genannte  Kohorte  nicht  gamisoniert  habe, 
einen  »merkwürdig  unrömischen  Betrieb«  und  sagt  an  diaer  and< 
Stelle:^  »Die  Anwesenheit  der  einzelnen  Truppenkörper,  welche 
Stempel  bekunden,  an  den  Fundorten  kann  und  darf  nicht  bezwei 


so  V.  Collhusen  Im  KorrespondenzbUtt  des  Gesamtvereins  der  deutschen  G4 
und  Altertumsvereine  188$  Ko.  6  und  in  den  Nus.  Annalen  Bd.  XIX»  1886  S. 

Man  vg!.  A.  Dunckcr  in  v.  Sybels  Hist.  Zdischr.  i88>  S.  J65  und  A.  ^■^!  " 
der  Dei!:<;chen  I.itteraturzeitung  1885  No.  40,  der  die  Frage  unentschieden  i 
Wenn  Hl.  Moninisen  im  Hermes  XIX.  458  bei  Besprcdiung  der  Liugonen^ 
bemerkt,  dass  im  allgemeinen  die  Zickel  filr  Garnison  in  der  Provina  bewei 
seien,  im  vorliegenden  Falle  nicht,  so  begrüsse  ich  diesen  Sata  als  ein  indin 
Zeugnis  des  bcnilmncn  Forschers  für  meine  Ansicht,  dass  die  Stempel  nidit  bewct 
sind  lür  Garnison  in  loco. 

•  Vgl.  Korrespondeuzblati  a.  a.  O.  und  N.  A.  XJX,  S.  160. 

•  1.  1.  S.  10. 

J  N.  A.  ;i.  a.  Ü,  S,  160. 

»  Westd.  Zeit-schr.  IV,  11,  1885,  S.  177  If.,  bes.  S.  185. 
i  Westd.  Zeiiscbr.  IV,  iv,  S.  404, 


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—  3^7  — 

werden,  wenn  wir  niclu  alle  Verhältnisse  auf  den  Kopf  stellen  wollen, 
und  es  erscheint  als  eine  verhängnisvolle  Verkennung  der  lumulichen 
Voraussetzungen  römischer  Militärbauten,  sich  die  Ziegel  und  Back- 
steine von  anderen  Weikleuten  als  den  darauf  bezeichneten  verbaut 
zu  denken«.  Dab  Vorkommen  derselben  Typen  an  verschiedenen 
Orten  erklärt  er  daraus,  dass  »eine  identische  Matrize  bestanden  haben 
werde,  woraus  an  verschiedenen  Orten  gleichzeitii?  von  Abteilungen 
derselben  Kohorte  Stempel  gebrannt  winden.«'  Anderseits  sagt  er 
an  derselben  Stelle:  »Der  fruchtbarste  (kdanke,  der  in  Wolffs  Aus- 
iuhrungen  liegt,  ist  der,  dass  überhaupt  von  auswärts  fertige  Ziegel 
geliefert  und  dass  nicht  alle  in  dem  Kastell,  wo  sie  sich  landen,  ge- 
brannt wurden,  liin  bcstimn>ter  Fabrikationsort,  ein  Depot  gleichsam 
für  den  Truppenbedarf  wird  supponiert  werden  dürfen;  wo  geeignete 
Thoniager  sich  fanden,  fabrizierte  man,  an  anderen  Orten  nicht«.* 

Die  zuletzt  aniretührtcn  Satze  entsprechen  so  vollkommen  meiner 
Überzeugung,  die  schon  vorher  bei  verschiedenen  Gelegen- 
heiten ausgesprochen  hatte,'  sie  bezeichnen  so  sehr  den  eigentlichen 
Kernpunkt  meiner  Hypothese,  dass  ich  auf  die  einzelnen  Ausstellungen 
um  so  weniger  einzugehen  Veranlassung  habe,  da  sie  teils,  w  ie  z.  B. 
die  Annahme,  dnss  eine  identische,  an  veischicdcnen  Orten  gleich- 
zeitig gebrauchte  (also  doch  wohl  in  verschiedenen  Exemplaren  vor- 
handeoe?)  Matrize  das  Vorkommen  derselben  Typen  an  verschiedenen 
Orten  erkläre,  durch  meine  Bemerkungen  zu  den  einzelnen  Typen 
hinlänglich  widerlegt  erscheinen,  teils  von  mir  als  bereclitigt  zuge- 
standen  werden.  So  gebe  ich  selbstverständlich  die  damals  aus* 
gesprochene  Vermutung,  die  in  Friedberg  und  Rückingen  gefundenen 
Heizkacheln  mit  identischen  Stempeln  der  22.  Legion  möchten  aus 
einer  Friedberger  Ziegelei  stammen,  auf,  nachdem  ich  den  Fabri* 
kationsort  der  Rückinger  und  Friedberger  Ziegel  bei  Nied  gefunden 
habe.  So  habe  ich  es  langst  als  eine  Inkonsequenz  erkannt,  wenn  ich 
noch  im  Jahre  1885  ^^s  dem  Vorkommen  von  Ziegeln  der  22.  Legion 
neben  denjenigen  der  Kohorten  in  den  Limeskastellen  mit  Uammeran^ 


•  \\'esid.  Zeitschr.  IV,  ii,  1885,  S.  186. 

*  Derselbe  Gedanke  wird  von  H.  mit  noch  fjrösscrcr  l'tusclncdcnlicit  in  der 
Kcccnsion  von  Suchicrs  Arbeit  über  »Weitere  römische  MLin2cii  und  Slcujpel  *U5 
der  Nähe  von  Hanau«,  Wescd.  Zeitschr.  IV,  iv,  S.  406,  beront  und  durch  neue 
Grunde  gestützt.  Daneben  aber  wird  ebenso  entschieden  »die  Anwesenheit  der  auf 

den  Stempeln  gen.mtüen  Trappt-  :\m  Fundort«  betont. 

5  So  Wolff-Dahm,  Der  r  nnibche  Gren/wall,  S.  10. 

4  Hammeran  a.  a.  O.  IV,  u,  S.  187  nimmt  nicht  nur  von  der  L^on  an, 
dass  sie  »in  sehr  ausgiebiger  Weise  auseinander  gerissen  werden  mosste,  um  der 


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—    12%  — 


und  den  meisten  anüci  tn  lorsLhcrn  lolgcric,  dass  kleine  Abteilun 
des  L;ct  ;  ii  icn  Truppenteils  neben  der  aus  den  Auxiliarkohorien 
siehenden  Garnisün  in  den  Kastellen  gelegen  hätten.  Bei  allen  dit 
Fragen  waren  wir  bis  in  die  neueste  Zeit  so  sehr  genötigt,  aus  t 
Kulien  heraus  zu  arbeiten,  und  überhaupt  war  und  ist  die  gcsai 
Limesforschung  in  einem  solchen  Hntwicklungsprozess  begriffen,  ( 
CS  ein  zweifelhafter  Rahm  wäre,  hier  mchts  gelernt  und  nichts  ^ 
gessen  zu  haben. 

Der  eigentliche  Fundamentalsatz  meiner  Ausfbhrungen  vom  Ja 
18S5,  dass  aus  dem  Vorhandensein  von  Stempeln  eines  Truppenc 
an  einem  Platze  nicht  sofort,  wie  man  bis  dahin  allgemein  geti 
hatte,  der  Scbluss  gezogen  werden  könne,  dass  der  Truppenteil 
Besatzung  des  betreffenden  Platzes  gebildet  habe,  dürfte  jetzt  als 
gemein  anerkannt  betrachtet  werden;*  bestände  noch  Irgend 
Zweifel  an  seiner  Richtigkeit)  so  mOssten  ihm  die  Nieder  Stern 
und  die  Art  ihrer  Auffindung  jetzt  ein  Ende  bereiten.   Eben  di 
aber  bietet  fflr  die  vermutete  Existenz  einer  »Centraiwerkstätte 
Ziegelfabrikation«  der  22.  Legion  einen  ebenso  überraschenden  ^ 
erfreulichen  Beweis.  Dass  neben  dieser  Centraiwerkstätte  »ein 
sondener  Betrieb  in  den  Kastellen  bestand«,'  steht  nicht  im  Wid 
sprach  zu  meiner  früher  geäusserten  Ansicht.  Hatte  ich  doch  ger: 
die  Existenz  der  Kohortenziegel  beim  Krotzenburger  Kastell  na^ 
gewiesen  und  daneben  Legionsziegeleien  vermutet,  die  ich  nur 
Friedberg  suchte, 'wie  Hammeran  in  Mainz,'  während  die  Wahrh 
uns  beiden  räumlich  viel  näher  lag.  Ja  ich  habe  sogar  an  einer  1 
deren  Stelle  eben  jener  von  Hammeran  besprochenen  Schrift^  auf  1 

I.inic4u'sclzung  /u  entsprechen w.  sondern  j;Iaubi  auch  »tiic  gleichzeitige  Anwcsciil 
(der  4.  Vindelicicrkohorte)  auf  der  Saalburg,  in  Krotzenburg  und  Miltenberg  na 
gewiesen  lu  haben«. 

*  »Dass  dieser  Schlnss  zu  unmöglichen  l'ulgcrungen  iiihrt,«  betrat  at 
E.  Hübner  in  seinen  »Neuesten  Studien  Ober  den  römischen  Grenzwall«  in  c 
Bonner  JahrbOchern  LXXK,  1889,  S.  j8. 

'  Westd.  Zeitschr.  IV,  iv,  S.  406. 

'  Westd.  Zeitschr.  IV,  iv,  S.  40$. 

*  S.  62  und  Taf.  III.  Dass  bei  einem  KastelJ,  welches  zu  gewisser  Zeit  eigen 
Zicgclbctricb  hatte,  irot7deni  sic!i  Fabrikate  von  anderen  Hcrsiellungsoricn  firniß 
habe  ich  bereits  damals  aus  der  langen  Dauer  der  Okkupation  erklärt  (S.  10),  währe 
welcher  man  wohl  schwerlich,  wenn  nach  längerem  Stillstand  ein  Neubau  hcrgc:>te 
werden  sollte,  »immer  sogldcb  eine  besondere  Zi^lei  baute  oder  eine  vor  Jah 
zehnten  gebrauchte  wieder  herstellte«.  Ich  gebe  auf  diesen  Punkt  weiter  unten  a 
Grund  neuerer  Erfahrungen  näher  ein* 


1 


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—    p9  - 


wahrscheinliche  Fundstätte  einer  Ziegelei  auch  heim  Röcktnger  Kastell 
hingewiesen. 

Gegen  die  Annahme  einer  Centralwerkstätte,  von  der  »dann  die 
Ziegel  nach  allen  Seiten  versandt  sein  müssten,«  erhöh  £,  Hühner' 
Bedenken,  die  so  lange  eine  gewisse  Berechtigung  hatten,  als  eine 
solche  Centralwerkstätte  nicht  thatsächlich  nachgewiesen  war.  Er 
meinte,  gerade  die  grosse  Verschiedenheit  der  wenn  auch  dem  Inhalte 
nach  gleichen  Stempel  eines  und  desselben  Truppenteils  spreche  viel- 
mehr daför,  ihre  Herstellung  an  verschiedenen  Orten  anzunehmen. 
Ich  glaube  oben  eine  mit  den  Thatsachen  besser  in  Einklang  stehende 
Erklärung  dieser  Erscheinung  für  die  Stempel  der  2a.  Legion,  für 
welche  die  erwähnte  Beobachtung  ja  doch  in  erster  Linie  gilt,  gegeben 
zu  haben.  Wenn  aber  Hühner  bemerkt,  das  Vorkommen  »völlig 
identischer,  aus  einer  Matrize  stammender  Stempel  an  verschiedenen 
Orten«  beruhe,  »wie  häufig  nachgewiesen  werden  könne,  auf  Ver- 
schleppung in  modemer  Zeit,«  so  habe  ich  auf  Fälle  dieser  Art  wieder* 
holt  selbst  hingewiesen  und  daran  die  Mahnung  geknüpft,  bei  alten 
Ziegelfunden  sorgfähig  die  Fundumstände  zu  notieren;'  ein  grosser 
Teil  des  in  <ien  Museen  vorhandenen  Materials  ist,  wie  wir  oben  an 
zahlreichen  Beispielen  sahen,  wegen  des  Mangels  zuverlässiger  Fund- 
notizen iur  wissenschaftliche  Fragen  wertlos.  Auf  diejenigen  Fälle, 
die  mich  zu  den  angegebenen  Schlussfolgerungen  veranlassten,  passt  * 
die  Bemerkung  nicht.  Auch  »die  successive  Benutzung  derselben 
Matrizen  an  verschiedenen  Orten«,  die  an  sich  wohl  denkbar  wäre, 
kann  viele  der  oben  beschriebenen  Erscheinungen  nicht  erklären,  ins^ 
besondere  diejenigen  nicht,  wo  die  Matrize  in  verschiedenen  Stadien 
der  Erhaltung,  bezw.  Verletzung,  an  Stempeln  verschiedener  Orte 
nachweisbar  ist.  Wenn  daher  der  verdiente  Forscher  sagt:  »bis  auf 
den  schwerlich  zu  erbringenden  Gegenbeweis  werde  man  stets  anzu- 
nehmen haben,  dass  in  der  Regel  auch  die  Ziegel  in  loco  von  den 
für  die  Bauten  kommandienen«  (also  nicht  notwendig  in  loco 
stationierten?!]  »Truppenteilen  hergestellt  worden  seien«,'  so  glaube 
ich  gegen  die  Notwendigkeit  der  Annahme  einer  Herstellung  in  loco 
nicht  nur  durch  die  angedeuteten  Thatsachen,  sondern  vor  allem 
durch  die  Auffindung  der  Centralziegeleien  den  vermtssten  Gegen- 
beweis erbracht  zu  haben. 


■  A.  a.  O.  S.  39. 

*  So  schon  in  der  Festsdirift  vom  Jahre  1882,  S.  6},  Anm.  f «  ferner  Röm. 
Grenxwali  188;»  S.  9  u.  10,  und  an  vielen  anderen  Stellen. 

3  A.  a.  O.  S.  40. 


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-  330  — 


So  bleibt  denn  nur  ein  Punkt,  auf  den  sich  eigentlich  I- 
merans  Widerspruch  im  Grunde  allein  bezog  und  worin 
Hühner  beistimmt,  die  Möglichkeit,  dass  die  Ziegel  von  and 
Trup)>enteilen  als  den  auf  ihren  Stempeln  genannten  verbaut  ^ 
den.  Denn  nur  die  Möglichkeit  dieses  Vorgangs  habe  ich  ; 
behauptet  und  speziell  für  die  MiUenberger  Ziegel  der  4.  Vindele< 
kohorte,  von  welcher  die  ganze  Untersuchung  ausging,  ausdrüc) 
die  Alternative  gestellt,  dass  die  «Kohorte  entweder  bei  der  i 
Stellung  des  nachweisbar  z.  T.  /.erstörten  und  wieder  aufgeba 
Kastells  thätig  war  oder  nur  Ziegel  für  die  Bauten  in  und  bei  c 
selben  lieferte«.*  Aber  freilich,  die  Möglichkeit  einer  solchen  Licfei 
genügt,  um  den  Ziegelfundcn  unter  Umständen  einen  Teil  ihrer 
weiskraft  für  die  Stationierung  ihrer  Hersteller  zu  nehmen  und  dad 
manchen  früher  einfach  als  selbstverständlich  hingenommenen  Sch 
folgerungen  ihre  trügerische  Grundlage  zu  entziehen. 

Aber  handelt  es  sich  denn  wirklich  um  ganz  andere  Trup 
teile  in  den  von  mir  angenommenen  i-älien?  Dass  das  Heer  0 
germanicns  in  der  in  Betracht  kommenden  Zeit  ein  geschioss 
Corps  bildete,  dürfte  ja  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen.  Nm 
aber  doch  sicherlich  anzunehmen,  dass,  seit  nur  zwei  Legionen  in  C 
germanicn  lagen  und  diese  nach  Domitians  Aufhebung  der  Do] 
lager  ihre  Garnisonen  dauernd  in  Strassburg  und  Mainz  hatten,  ( 
Legionen  samt  den  ihnen  beigegebenen  Kohorten  bestimmt  1 
grenzte  Bezirke  hatten  wie  unsere  Armeecorps.  Die  geographi 
Lage  und  die  Ziegelfunde  sprechen  übereinstimmend  dafür,  dass 
Bezirk  der  22.  Legion  sich  nach  Süden  bis  über  den  unteren  Nc 
hinaus  erstreckte.  Wenn  innerlialb  desselben  sich  Inschriften 
Ziegel  der  8.  Legion  tinden,  so  dürften  beide  Arten  von  Denknii 
zum  grüssteu  Teil  aus  der  Zeit  vor  und  während  der  Anlage 


*  A.  a.  O.  S.  8.   Bei  dieser  Gelegeohat  bemerke  ich,  dass  auch  id 

bciwciiclt  liabc,  dass  die  Zicrrcl  in  den  weitaus  meisten  Fällen  von  dem  Tru 
teil  verbaut  wiinien.  der  sie  1  r.uitr.e  und  stet^pclte  Wenn  nun  eine  Inkonsc 
gegenüber  meiner  Hypothese  dann  gesellen  iiat,  dass  ich  doch  die  4.  Vinde 
koliortc  in  Grosskrotzenburg  und  die  DalmatcrkduHte  in  Rückingen  statto 
so  übersieht  man,  dass  ich  mich  für  erstenm  Ort  auf  Steininschriften,  dar 
besonders  auf  den  vot!  mir  autgerundenen  d  itierten  grossen  Doliclicnusaltar  s 
und  dass  wir  auch  in  Hückingen  ein  Inschrifilragment  der  Coh.  III  Dilm.  gcti 
haben,  weldics  nach  Fürm  und  Grosse  der  Budistabcn.  sowie  njit  Hückiicl: 
den  Fundort,  als  ein  architektonischer  Bestandteil  des  Praetoriums  angesehen  w> 
muss.  Vgl.  WoIlT-Dahm  S.  38.  Wo  Steininschriften  und  Ziegel  so  schön  zusam 
stimmen  • ,  ;t  i  niemand  s(i  thöriclii  sein,  auch  den  ietxtereti  Beweiskraft  ß 
^btdtiunierung  des  betr.  Truppimtcils  bcuumesseu. 


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—  331  - 


Pfahlgrabens,  also  auch  vor  der  definitiven  Teilung  der  Bezirke, 
stammen,'  T.  auch  durch  gelegentliche  Verschiebungen  zu  erklären 
sein,  deren  Veranlassungen  uns  naturgemäss  zum  grössten  Teil  ver* 
borgen  sind  und  bleiben  dürften.  Dass  zur  Zeit,  wo  der  Pfalilgraben 
zweifellos  vollendet  war,  also  in  der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts,  die 
8.  Legion  ihr  Stuidquartier  dauernd  in  Strassburg  hatte*  und  in 
Mainz  nur  die  22.  Legion  lag,  kann  als  allgemein  anerkannt  betrachtet 
werden.'  Nur  auf  diese  Zeit  aber  konnten  und  sollten  sich  die  Be- 
merkungen aber  Versendungen  von  Zicgelmaterial  an  benachbarte, 
mit  der  fabrizierenden  Kohorte  unter  einem  Oberkommando,  dem 
des  Legionskommandeurs,  stehende  Truppenteile  beziehen.  So  gut 
wie  derselbe  von  den  grossen  Legionsziegeleien  Sendungen  nach  den 
seiner  Oberaufsicht  unterstellten  Grenzkastellen  dirigieren  konnte, 
ebensogut  konnte  er  auch  eine  Kohortenziegelei,  welche  wegen  des 
in  der  Nähe  ihres  Gamisonsortes  vorkommenden  guten  und  reichlichen 
Thons  die  Ziegelfabrikation  Ober  das  nächste  Bedürfnis  hinaus  fort- 
setzte, zu  ergänzenden  Lieferungen  heranziehen.  Dass  dies  geschah, 
lehren  die  Thatsachen,  wenn  man  ihnen  unbefangen  ins  Auge  sieht. 
Einen  Widerspruch  gegen  das,  was  wir  sonst  durch  Schriftsteller  und 
Inschriften  von  den  militärischen  Gepflogenheiten  der  Römer  wissen, 
wird  man  in  einem  solchen  Vorgang  wohl  schwerlich  erkennen. 
Wohl  aber  kann  derselbe  uns  dazu  dienen,  das  noch  sehr  lückenhafte 
Bild  römischen  Lebens  an  der  Grenze,  welches  wir  uns  nach  jenen 
Quellen  entwerfen,  zu  ergänzen. 

Aber  sehen  wir  zunächst  von  jenen  Lieferungen  der  Kohorten 
ab  und  suchen  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  Nieder  Funde 
unbeeinträchtigt  durch  Rück-  und  Seitenblicke  so  festzustellen,  wie 
sie  sich  bei  vorurteilsfreier  Betrachtung  von  selbst  mit  Notwendigkeit 
darbieten.  Schon  bei  der  Beschreibung  der  einzelnen  Ziegelstempel 
habe  ich  bemerkt,  dass  dieselben  nach  ihren  Typen  in  zwei  sich  streng 

'  Dass  die  8.  I-cgion  auch  den  nördlichen  Teil  des  Grenzwal!«;  anlegen  half, 
zt^igen  uns  u.  a.  Inschriften,  wie  die  Brambach  1548  vom  Linieskasteil  Orlen  bei 
Idstein:  PEDN •  TREVEROR /  VMJP-  LXXXXVI / SUB •  CUR •  AGENTE  CRES/ 
CENTINO  RESBECTO  g  LEG-'W^AVG' 

*  Nach  Piolcniacus  Geographia  II,  9,  9. 

>  Dass  7.iir  Zeit  der  Besetzung  des  I.imes  nicht  nur  die  Knhnrren,  sondern 
auch  die  22.  Legion  »»in  sciir  ausgiebiger  Weise  auseinandergerissen  werden  musstc, 
um  der  Limesbeseuung  zu  entsprechen«  (Westd.  Zeitschr.  IV,  ii,  S.  187),  dürfte 
nach  dem,  was  niiiitärische  Forscher  über  die  Bedeutung  des  Limes  tn  den  letzten 
10  Jahren  geschrieben  haben,  k.umi  noch  annehmbar  sein.  Denn  so  weit  ihre  An- 
sichten im  cinzchicn  auseinandergehen,  so  «stimmen  sie  liocli  d.irin  alle  überein,  d.iss 
der  Pfahlgraben  mit  seinen  kleineu  Kastellen  und  kleinen  Garnisonen  ah  eigentlich 
militärisches  Centrum  Mainz  mit  einer  starlten  Besatzung  voraussetze. 


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—   332  — 


von  einander  scheidende  Gruppen  teilen,  zwischen  welchen  die  Ster 
der  14.  Legion  gleichsam  eine  verbindende  Brücke  herstellen.  D 
Scheidung  steht  nun  aber  auch  in  vollkommenem  Einkiang  mit 
Geschichte  der  auf  den  Stempeln  vertretenen  Legionen,  soweit 
selbe  bis  jetzt  festgestellt  werden  konnte. 

Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  von  den  in  Betr: 
kommenden  Truppenteilen  die  21.  und  i.  Legion  nur  im  ersten  J. 
hundert  einige  Zeit  in  Obergermauien  gestanden  haben*  und  < 


'  Über  die  21.  LegkNi  ist  die  grundlegend«  Arbeit  die  von  H.  Mcycr,  Gesch 
der  XI.  und  XXL  Legion  in  Mitth.  der  antiq.  Gesellscfa.  in  ZOricK  Band  VII,  1 

S.  125  IT.  Don  ist  auch  die  ältere  Litteratur  besprochen,  S.  144  ff.  Dass  die  Le 
vor  dem  Bürgerkriege  in  Obcrgennanien  stand,  ist  zwc-IfLlIos ,  ihre  Staiinnic 
la  V'indonissa  in  dieser  Zeit  wird  durch  Grabi>tcine  und  Zickel  bewiesen.  Am  Büi 
kriege  nahm  sie  hervorragcoden  Anteil;  nach  Beendigung  des  iulisdioi  Kri 
wird  sie  zur  UnterdrGdcung  des  Aufstandes  des  Cl.  Civilis  an  den  Rhdn  gesd 
und  bleibt  einige  Zeit  in  Germania  inferior  (cf.  Momtuscn,  R.  G.  V,  145,  Anm 
Von  da  an  wird  üirc  Geschichte  dunkel:  seit  Domitians  Zeil  fehlen  alle  Spuren 
den  I-egionsverzciciinissen  aus  der  zweiten  Hälfte  Je>  2.  Jahrli.  fehlt  sie.  Über 
und  Ursache  ihres  Unterganges  bestehen  verschiedene  Meinungen ;  doch  setzen 
Neueren  denselben  spätestens  unter  Traiao  an.  Ausser  den  genannten  QücUen 
man  bes.  Riticrlin^',  DcIi-t;.  X  j^cmina,  S.  69  ff.;  .Schiller,  R.  Kaiserzeit,  I,  2,  S. 
V.  l)om.i";:''C'A --kl  in  M.irqu.irdt.  Hämische  Stantsvcrw.iluin?:^  III.  S.  450,  Anm.  S  i 
Uergk,  Zur  tjesciiiciite  und  Topographie  der  Rhcinlandc  in  römisdicr  Zeit,  S, 
E.  HQbner»  Heimes  XVI,  S.  584;  Hettner»  Bonner  KaL  S.  9,  Na  2;.  Nach  Rt 
ling  a.  a.  S.  69  blieb  sie  von  70  n.  Chr.  an  in  Untergermanien,  wurde  aber 
Domiti.m  rxim  Chaitenkriege  herangezogen,  was  bereits  Meyer  ;i.  .1.  O.  S  142 
mutet  li.utL  1111 J  neuerdings  Asbach,  Westd.  Ztschr.  Y,  1886,  S.  570  mit  Entschic 
lieit  aiininum.  .\ucii  Keller,  VVestd.  Ztschr.  VI,  1887,5.81  ff.  sdiUessl  sich  Ritterl 

Die  ältere  Litteratur  Qber  die  Leg.  I  Adiutrix  findet  man  bei  Marquardt,  R 
Staatsverwaltung,  II.  .\uf1.,  III,  S.  449,  Anm.  j  mit  Zusatx  von  v.  DoraaszeM 
Nach  Mommsen,  R.  Gesch  .  V.  ^9  .\nm.  k.im  Jio  von  Galba  gestiftete  Legion 
.Spanien  im  Bataverkrieg  an  <k-u  l^heiii.  kehrte  J.iiin  n.Kh  Spat^ien  zurück,  kam 
Jahre  88  n.  Chr.  zum  zweitenmal  nach  Germanien,  locht  unter  Domitian  an 
Donau  und  stand  unter  Traian  noch  in  Obergermauien  (a.  a.  O.  145,  Anm.  i  r. 
der  Inschr.  bei  Brambach  1666).  S.  199,  Anm.  i  bestimmt  er  den  Aufenthall 
der  '.et^tcren  Provinz  gennitcr  bis  n\m  Anfang  von  Traians  Regierung  und  t 
die  I.ef;io!i  Jjtin  nach  Pannonien  kommen,  wo  Inschriften  und  Ziegel  il: 
Auicuilialt  in  Brigctio  im  2.  Jalirhuudcrt  beweisen.  Dagegen  lässi  Riticri 
a.  a.  O.  S.  70,  n.  i  sie  seit  70  in  Obergermanien  bleiben  und  am  Chanenkriege  1 
nehmen,  S.  74.  Dersellv  poleini^ert  S.  75  gegen  Pfitcner,  Kaiserlegionen  S. 
n.nch  dem  die  Legion  seit  Domiti.m  J.uiernJ  ;in  vier  Donau  stand,  wohl  mit  Re 
Wenn  aber  R.  aus  dem  \'orkommen  ilirer  Stempel  in  Friedberg  und  ßergeo 
und  dem  Pehlen  derselben  am  Limes  sclUiesst,  sie  sei  8$  oder  86  an  die  Doi 
beordert  und  unter  Traian  noch  dnmal  nach  Obergermanien  gekommen,  $0 
dieser  Sciüuss  nicht  überzeugend.  Man  könnte  eher  folgern,  dass  der  eigcntli 
Grenzwall  später  angelegt  sei,  als  R.  annimmt.  Asbach,  der  NN'estd.  Zeitschr.  III. 
nacit  Mommsen  a.  a.  O.  die  i.  Legion  mit  d«:  7.  gegen  Antonius  an  den  Rh 


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—   5^3  - 


mit  ihnen  gleich/.citi^  hcrciis  die  Coli.  I  Asturum'  und  die  8.  Legion* 
sich  dort  beraiid.  Von  der  14.  Legion  '  wcibs  man,  dass  sie  70  n.  Ch. 
n.icli  Dbcrgcrin.inien  zurückkehrte,  und  nimmt  aus  guten  Gründen 
an,  d.iss  sie  ums  Jahr  100  n.  Ch.  nach  Pannonien  verlegt  wurde  oder 
bereits  verlegt  wnr.  Dagegen  ist  die  22.  Legion  erst  seit  dem  linde 
des  ersten  Jjiiirhunderts  wieder  in  der  Provinz  nachweisbar,  in  die 


geführt  werden  licss,  ninmu  Wcstd.  Ztschr.  V,  )70  ih^  Betdligiing  am  Chatteokrieg 
mit  Ritterling'  an.  N'.ich  Schiller  I.  2,  'j^t,  n.  2  \v;irc  sie  unter  Dnmitian  aus 
Hisp.mien  nach  Pannonien  ^'ehiiirt  worden  tur  die  im  D.tkcrkrieL;  <S6  n,  ("h,  ver- 
nichtete 21.  Legion.  Die  Inschriften  und  Ziegel  sprechen  bei  ilir  jedenfalls  für 
einen  liageren  Atifenthalt  am  Mittelrhein  und  Main  als  bei  der  XXI  Rapax.  Was 
die  Nieder  Stempel  betrifft,  so  wird  man  wegen  des  oben  bewiesenen  engen  Zu- 
sammenhangs der  Erzeugnisse  beider  Legionen  sich  entsclieiden  müssen,  oh  mnn 
die  I.  Legion  bereits  wahrend  des  Chattenkrieges  im  Maingebict  stationiert  sein 
oder  die  Nieder  Ziegeleien  schon  im  Jahre  69/70  in  Betrieb  seiij  lassen  will. 

*  Die  Coh.  I.  Asturum  stand  in  den  Jahren  74  und  82  n.  Ch.  nach  den  Militär- 
diplorocn  IX  und  LXVIII  in  Germania  bzw.  Germania  superior.  Die  Zeit  ihrer 
Verlegung  nach  und  von  Germanien  ist  zweifelhaft,  besonders  niis  welcher  Periode 
die  Inschriften  in  Noricum  stammen;  cf.  C.  L  L.  III,  48 J9,  4842,  5292  u.  5530  (?); 
Pidiier,  Virunum,  Graz  j8S8,  S.  2$6;  Urlichs»  Die  Schlacht  am  Berge  Graupius, 
WOnburg  i88a,  S.  23.  Aus  Germanien  Usst  sie  Urtichs  a.  a.  O.  S.  26  im  Jahre  84 
nach  Brii.uMiien  kommen,  während  Hühner,  Das  römische  Heer  in  Britannien, 
Hermes  X\  |,  S.  576  n.  577  annimmt,  dass  dies  erst  unter  Hndrianns  geschehen 
sei.  Die  Folgerung  Henzens,  Riicin.  Jahrb.  Xlli,  S.  66,  dass  die  Kohorte,  da  sie 
kun  vor  und  nach  Hadrians  Regierung  in  Britannien  nachweisbar  sd,  wohl  auch 
in  der  Hadrianischen  Zeit  dort  stationiert  gewesen  sein  möge,  ist  in  dieser  allgemeinen 
Fassung  unhaltbar,  seit  bei  den  ersten  Arbeiten  der  l^eichsHmeskommission  im 
Herb<;tc  J.S92  in  Ncckarbnrken  ein  Militärdiplom  vom  Jahre  gefunden  ist, 
welches  die  Kohorte  als  Bestandteil  des  Heeres  in  Obergermanien  erkennen  lasst. 
F.  Hetmers  Bericht  über  die  Thatigkeit  der  ReichsUmesliommission,  wo  S.  154 
dieses  wichtige  Dokument  mm  ersten  Mal  veröffentlicht  wird,  ging  mir  «t,  als  das 
.Vlanuskript  dieses  Rögens  berdts  in  der  Druckerei,  aber  noch  nicht  abgedruckt  war. 
Ich  konnte  daher  die  Mitteilung  noch  verwerten:  die  früheren  I>ivähnungen  der 
Kohorte,  bes.  S.  268,  zu  ändern,  war  dagegen  nicht  melir  möglich,  übrigens  auch 
kaum  nötig,  da  imsere  Nieder  und  die  Gemsheimer  Ziegel,  wie  ihre  Form  und  die 
Pundumstände  beweisen,  zweifellos  aus  dem  ersten  Jafarhiudertn.  Ch.  stammen 

*  Über  die  früheren  Schicksale  der  8.  Legion  vgl.  man  Mommsen,  C.  I.  L. 
III,  482.  Vor  dem  Bürgerkriege  war  sie  in  Mösien  stationiert  (Tac.  hist.  II,  85 ; 
vgL  Marquardt  a.  a.  O.  S.  449,  Anm.  >);  nach  Beendigung  des  Bataverkrieges  blieb 
sie  dauernd  in  Obergermanien  (Mommsen,  R.  G.  V,  143  n.  1),  wo  sie  au  Ptolemaeus 
Zeit  ihr  Sundquartier  in  Argentoratum  hatte.  E.  Hflbner  (Westd.  Ztschr.  V,  S.  339) 
lässt  sie  vom  Jahre  70  an  »längere  Zeit  vn  unteren  Germanien«  mit  der  22.  Legion 
vereint  sciti.  Dies  könnte  höchstens  bis  zur  Zeit  des  Chattenkrieges  der  Fall  gewesen 
sein.    Doch  vgl.  man  auch  Ritterling  a.  a.  O.  71. 

>  Mommsen,  C.  L  L.  III,  416  u.  483.  Hübner,  Hermes  XVI.  535  u.  a.  FOr 
unsere  Frage  kommt  nät  der  «weite  Aufinithah  m  Obergermaoien  seit  dem  Jahre  70 
n.  Ch.  in  Betracht 


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—   3H  — 


sie  vielleicht  ums  Jahr  90  n.  Chr.  kam,  um,  eine  vorfihergehei 
Anwesenheit  in  Afrika  abgerechnet,'  bis  zum  Ende  der  römisch 
Herrschaft,  bzw.  ihrer  Auflösung,  dort  zu  bleiben.* 

Nun  ist  eine  ebenso  allgemein  geltende  Annahme  die,  dass  i 
Maingebiet  und  die  Wetterau,  abgesehen  von  der  unmittelbaren  Ui 
gebung  von  Mainz,  nach  der  Räumung  des  rechtsrheinischen  Gebiet 
erst  unter  den  Flaviem,  in  weiterer  Ausdehnung  wohl  durch  Oomitia 
Chattenkrieg,  wieder  besetzt  wurde.'  Da  nun  die  Existenz  von  Ziegeid 
an  der  NiddamQndung  den  Besitz  der  Wetterau  mindestens  bis  Frankfi 
und  Homburg,  wahrscheinlicher  aber  bis  Hanau-Kesselstadt  und  Frit 
berg  voraussetzt,  und  da  ferner  der  Gedanke,  dass  die  ältesten  Nied 
Ziegelstempel  schon  in  der  Zeit  der  ersten  Okkupation  unter  August 
'  hergestellt  seien,  unbedingt  abzulehnen  ist,*  so  bleibt  för  den  Zieg 


*  MommseD,.C.  L  t.  VIII,  817.  Hcttner,  Wesrd.  Zeitschr.  V,  S.  24;,  Anra 

*  Wie  bei  der  i  i  J.is  I-nde.  so  steht  bei  der  22.  Legion  der  Anlang  ib 
obergertiumischcn  Auftntli.dts  nicht  f^anz  fest,  (irotcfcn.'l  m  Pauly's  RealencvUopj 
(sub  V.  !e^*0)  nahm  an,  sie  sei  von  Claudius  gestiltct  und  seitdem  immer  in  Gc 
sup.  gewesen,  nur  dass  ein  Teil  von  ihr  mit  Vitcllius  nadi  Italien  zog.  Gc^ 
Pfitzner,  der  sie  von  71—91  n.  Cb.  in  Pannonien  verweileD  Usst,  weist  RiRer} 
a.  a.  O.  S.  d8  auf  die  DetiKtn  ikr  ihres  Attfenthatis  in  Untergermanien  hin.  Er  v 
mutet,  dass  die  LcL'iiin.  nachdem  sie  nus  Obergermanicn  mit  Vitcllius  nach  Im' 
gezogen  war  (S.  oöi,  nach  Illyricum  geschickt  wurde  und  von  dort  ca.  71  n.  ' 
nach  Germania  inferior  kam  (S.  67).  Dort  erhielt  sie  nach  ihm  wegen  ihrer  Tn 
gegen  Antonius  Saturainus  im  Jahre  89  n.  Ch.  den  Beinamen  »pia  fidelis«  und  Ic 
bald  darauf,  vielleicht  schon  90  n.  Ch.  nach  Übergermanien,  wo  sie  dann  in  Ma 
dauernd  ihr  St.ni  Jquartier  hatte  fS.  76  f.).  Dagegen  lasst  Hettner  im  Bonner  Kat. 
zu  No.  aj,  Anm.  2  u.  S.  10  sie  in  Germ.  inf.  nur  unter  Traian  und  Hadrian  itch 
ähnlich  schliesst  Urliclis,  Bonner  Jahrb.  XXXVI,  1864,  S.  loi  aus  der  Form 
Denkmäler  auf  die  Zeit  von  104—120.  Ihm  stimmt  Klein,  B.  J.  LXXX,  21} 
bezüglich  der  neueren  Ziegelfundc  vom  .\ppdlhofe  in  Köln. 

'  Der  Chattenkrieg  Domitians  ist  in  neuerer  Zeit  ?um  GL'^enstnn  Je  eingehen* 
und  erfolgreichen  Studiums  gemacht,  bes.  von  J.  Asbach,  Die  Kaiser  Domitian  t 
Traian  am  Rhein,  Westd.  Zeitschr.  III,  S.  i  Hf.,  dann  von  K.  H.  Zwan2iger,  I 
Chattenkrieg  des  Kaisers  Domitian,  WQnburg  188$,  und  neuerdings  von  J.  Asb; 
in  einer  Besprechung  der  letztgenannten  Arbeit,  Westd.  Zeitschr.  V,  1886,  S.  ; 
bis  37 j.  Die  Ergebnisse  .\sbachs,  wie  sie  diese  Besprechung  z.  T.  korrigiert  i 
ergänzt,  siimn»cn,  was  die  Beteiligung  der  I,  VIII,  XI,  XXI  u.  XIV  Legion  (S.  > 
an  dem  Kriege  betrifft,  volikommen  mit  den  Sehlossfolgerungeu  überein,  zu  weld 
mich  unsere  Nieder  Funde  und  ihre  vtrissenschaftliche  Verwertung  genötigt  hab 

*  Über  C.  Koencns  Vermutung  (Bonner  Jahrb.  LXXXXII,  240  ff.),  d 
bereits  in  augusteischer  Zeit  Liger  und  Kastelle  mit  massiven  Mnuern  bis  zur  Ki:>.' 
mündung  angelegt  seien,  habe  ich  oben  (S.  219,  Anm.  i)  gesprochen.  Aber  ai 
wenn  dieser,  wie  ich  glaube,  verfehlte  Gedanken  des  vodicnten  Forschers  f 
erkennung  fände,  so  wfirde  doch,  wie  u-ir  weiter  unten  sehen  werden,  und  wie  ai 
Koeiicii  S.  2 12  andeutet,  an  Herstellung  gestempelter  Lcgionsztegd  in  der  damalig' 
Zeit  nicht  zu  denken  sein. 


1 


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betrieb  der  zuerst  genannten  Truppenteile  nar  der  sehr  beschränkte 
Zeitraum  von  höchstens  20  Jahren,  wahrscheinlich  aber  ein  noch 
geringerer  übrig.  Zu  diesen  Truppenteilen  aber  rechne  ich  auch  die 
8.  Legion,  die  zwar  in  der  Provinz  noch  lange  Zeit  verblieb,  nicht 
aber  in  deren  nördlichen  '  Teilen,  und  für  deren  nur  frühzeitige 
Fabrikation  in  Nied  sowohl  die  geringe  Zahl  der  dort  gefundenen 
Ziegel  als  auch  bei  dem  einzigen  ganz  sicher  beglaubigten  Exemplare, 
weiches  wir  selbst  fanden,  die  von  allen  anderen  bekannten  Typen 
abweichende,  mit  den  Stempeln  der  21.  und  14.  Legion  und  der 
Coli.  I  Ast.  übereinstimmende  Form  spricht.  Während  daher,  wie 
wir  oben  sahen,  bei  der  21.  und  i.  Legion  es  mehr  als  wahrschein- 
lich ist,  dass  von  ihnen  während  ihres  Aufenthalts  in  Obergermanien 
nur  in  den  Nieder  Ziegeleien  gestempelte  Ziegel  und  Backsteine  her- 
gestellt worden  sind,  stammen  die  an  verschiedenen  Orten  gefundenen 
Stempel  der  8.  Legton  ebenso  zweifellos  grösstenteils  aus  anderen, 
wahrscheinlich  später  angelegten  Öfen,  deren  Lage  noch  unbekannt 
ist.  Der  umgekehrte  Fall  scheint  bei  der  14.  Legion  vorzuliegen. 
Im  Mainzer  Museum  fand  ich  eine  Anzahl  von  Ziegehi  der  genannten 
Legion,  welche  von  allen  Nieder  Rxemplaren  durch  die  Beschaffen- 
heit des  Materials  sowie  dadurch  abweichen,  dass  der  den  älteren 
Nieder  Exemplaren  ähnliche  Stempel  die  Buchstaben  G  M'V  ganz 
oder  teilweise,  sowie  auch  andere  Buchstaben  in  den  Schwalben- 
schwanzen aufweist ,'  und  dass  ein  Teil  von  ihnen  die  Legende 
LXllU  statt  LHG'XÜH  h.n.'  Dieselben  Formen  finden  sich  nun  im 
Museum  zu  Speyer.  Da  bei  ihnen  die  Provenienz  aus  Rheinzabern 
ausdrücklich  angegeben  wird,  so  nehmen  wir  wohl  auch  bei  ersteren 
dieselbe  mit  Recht  an  u!  il  schreiben  sie  der  Zeit  kurz  vor  der  Okku- 
pation des  rechtsrheinischen  Gebietes  zu.  Dagegen  spricht  bei  einer 
Anzahl  von  linksrheinischen  Stempeln  der  22.  Legion,  die  z.  T.  ebcn- 
talls  auf  Rheinzabern  zurückgeführt  werden,  die  geringe  Grösse  des 
Stempels  und  die  verwildertCj  der  Kursivschrift  nahekommende  Fiirm 


•  Das  meint  offenbar  auch  Rr.iinbachs  Gewihrsmann  r.u  No.  1822,  wenn  er 
von  Stempeln  der  i.j.  I  cj^ion  aus  Rheinzabern  «.priclit,  »die  sich  durch  die  Buch- 
staben K  und  N,  A  und  (j  in  den  ClrilTen  (f)  auszeichnen.« 

'  Nur  beiläufig  mache  ich  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  aufmerksam,  dass 
diejenijjen  meistens  in  Holland  gefundenen  Stemp«!  der  jo.  Legion,  bei  welchen 
d«r  Zusat;:  P(>^)  f  (ideli$)  fehlt,  /um  grössten  Teil  die  Legende  LXG  zeigen,  während 
die  mit  dem  Zusatz  versehenen,  welche  nach  Rinerlings  einleuchtender  Beweisführung 
der  Zeit  nach  88  n.  Ch.  angehören,  sowie  die  pannomsclieii  Ziegel  in  überwiegender 
Zahl  den  Stempel  LEGXG-PF-  tragen. 


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-  3J6  - 


für  späte  Zeit,  wo  der  Verlust  des  Mainlandes  wieder  auf  linksrheinis 
Thonlager  anwies. 

Neben  der  Kürze  der  Zeit,  die  für  die  Ziegelthätigkeit  der  älte 
Legionen  Obrig  bleibt,  fällt  die  Thatsache  auf,  dass,  abgesehen  ^ 
den  Funden  identischer  Matrizen  in  Mainz,  Friedberg,  Wiesbaden  e 
in  Gernsheim  am  Rhein  von  Kofler  neben  Ziegeln  der  22.  Leg 
auch  solche  der  8.,  14.  und  i.  Legion  sowie  der  'Coh.  I  Ästun 
und  zwar  alle,  die  ich  vergldchen  konnte,  von  Nieder  Matri; 
stammend,  gefunden  sind.  Besonders  ist  dies  zweifellos  und  hoc 
auifallend  bei  den  Stempeln  der  Kohorte.  Es  legt  dies  den  Gedanl 
nahe,  der  sich  schon  aus  der  gemeinsamen,  wie  es  schien,  abwei 
selnden  Benutzung  desselben  Ofens  seitens  mehrerer  der  genanni 
Truppenteile  ergab,  dass  dieselben  —  abgesehen  von  der  22,  Legii 
deren  Vorkommen  an  allen  benachbarten  Römerstätten  nichts  Ai 
fallendes  hat  —  zur  Zeit  der  Herstellung  der  Ziegel  zu  einem  Hei 
vereinigt  waren,  von  welchem  und  für  welches  Bauten  sowohl 
eroberten  Gebiete  als  auch  rückwärts  in  Mainz  und  Gemsheim,  ^ 
man  sicherlich  mit  Recht  einen  wichtigen  Rheinübergang  sucht,'  ai 
geführt  wurden. 

Eine  bedeutende  Stütze  flkr  diese  Ansicht,  zugleich  aber  au 
neue  Rätsel  bietet  nun  aber  der  an  sich  höchst  merkwürdige  Zieg 
fund  von  Mirebeau-sur-B&ze  bei  Dijon,  den  Th.  Mommsen  im  Henr 
nach  Mowat  beschrieben  und  erklärt  hat*.  Da  fanden  sich  zuoäcl 
zahh'dche  Dachziegel  mit  dem  Stempel  LEG'VÜI'AVG',  von  welch 
die  Hälfte  den  Zusatz  hatte:  L'APPIO'LEG*  gleich  den  in  Neris 
Aquitania  zu  Tage  gekommenen,  was  Mommsen  mit  Mowat  auf  d 
Statthalter  L.  Norbanus  Appius  Maximus,  den  Besieger  und  Nachfolg 
des  aufständischen  L.Antonius  Satuminus  bezieht.  Wichtiger  für  unse 
Frage  ist  eine  Gruppe  von  ebendort  gefundenen  Ziegeln,  die  sämtli* 
von  kombinienen  Vexillationen  verschiedener  Truppenteile  gebrao 
sind.  Abgesehen  von  zwei  ganz  fragmentansch  erhaltenen  Stempe 
....     .  .        .VEXIL- LEGION VM     ,  .  VEXIL  LEGIOXun 

sindMebe^eichnei:  Oi.vm-XI'Xmi  XXl  ""^     VIII •  XI •  XIUI •  X X 

Hier  haben  wir  also  zunächst,  was  ich  soeben  als  \'Lrmutung  au 
sprach:  Ziegel  eines  vereinigten  Heeres,  die  sogar  die  Teile  diesi 
Heeres  auf  einem  Stempel  vereinigt  enthalten.  Aber  weit  wichtig) 
ist  es,  dass  wir  genau  dieselben  4  Legionen  vereinigt  finden,  die  i 


•  Hübner,  Bonner  Jalirb.  LXXX,  S.  ji  nach  Kofler,  Wesid.  Korrbh  lY,  i8fl 
S.  145  ff. 

*  Un((onisdie  Legtonsziegel,  Hermes^  XIX,  1884,  S.  4J7  AT. 


i 


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Nied  als  die  ersten  nebeneinander,  ja  in  demselben  Ofen  gebrannt 
haben."  Zu  ihnen  kommt  noch  eine,  die  ii^  welche  zwar  in  Nied 
noch  nicht  gefunden  ist,  dagegen  in  Friedberg,  und  zwar  in  einer 
Form,  die  den  Typen  der  21.  und  den  älteren  der  14.  Legion  ganz 
ausserordentlich  nahe  steht.'  Sollte  das  Zufall  sein?  Mommsen  hebt 
hcr\'or,  dass  die  Fünfzahl  der  Legionen  (lir  eine  ausserordentliche 
Konzentricrung  von  Truppen  spreche  und  stützt  Mowats  Vermiitiint:, 
dass  dieselbe  bei  Gelegenheit  des  Bataverkrieges  stattgefunden  habe, 
durch  einleuchtende  Gründe.  Er  hält  den  Fundort  für  eine  Reserve- 
und  Depotstellung  der  konzentrierten  Armee. 

Nun  hat  aber  12  Jahre  später  für  den  Chattenkrieg  Domitians 
zweifellos  auch  eine  starke  Truppenkonzentraiion  in  Übergermanien 
stattgefunden;  die  beteiligten  Legionen  werden  uns  von  den  Quellen 
nicht  genannt.  Wir  finden  aber  eben  jene  5  Legionen  in  dem  da- 
mals eroberten  Gebiete  auf  Ziegelsteinpeln  vertreten,  und  zwar  unter 
Umständen,  die  sowohl  ihre  Zusammengehörigkeit  zu  einem  Heere, 
als  auch  die  Kürze  ihres  Aufenthalts  in  jenen  Gegenden  beweisen.' 
Und  wiederum  dieselben  Truppenteile  kommen  endlich  auf  Ziegeln 
mit  gleichen  Matrizen  bei  einer  Rheinübergangsstelle  vor,  die  für  die 
Sicherung  des  neu  gewonnenen  Gebiets  jedenfalls  höchst  wichtig 
war  und  überdies  in  der  Verbindungslinie  zwischen  jenen  vorge- 
schobenen Posten  und  der  von  Mommsen  angenommenen  Depot- 
stellung bei  MirebeaUy  dem  Knotenpunkt  der  von  Genf  und  Lyon 


'  Vgl.  oben  S.  239. 

*  über  die  11.  Legion  vgl.  man  neben  der  grundlegenden  Arbeit  von  Meyer, 
Gesch.  der  XI.  u.  XXI.  Legion,  a.  .1.  O.  S.  146  tY.  Marquardt  a.  a.  O.  S.  448, 
Aniii. }.  Ihren  Aufenthalt  in  Genn.  sup.  zu  An£uig  der  Regierung  Traians  beweist 
Mommsen,  R.  G.  V,  S.  145,  Anm.  1  durch  die  Jnsdurift  bei  Brambach  1666.  Er  ISsst 

sie  C.  I.  L.  III,  280  n.ich  Tac.  hisi.  IV,  68  b.ild  n.ich  69  n.  Ch.,  wo  sie  noch  in 
Dalmatien  stand  (Tac.  hist.  II,  11,  67,  86  u.  III,  50)  nncli  Cierni.  sup.  verlegt  worden. 
Dass  sie  niit  der  i.,  14.,  21.  und  8.  Legion  am  Chattcnkriege  teilnaimi,  ninuut  Ritter- 
ling a.  a.  O.  S.  74  wohl  mit  Recht  an;  nach  ihm  auch  Asbach,  Westd.  Ztschr.  V,  1886, 
S.  )7a  Einen  kurzen  Aufenthalt  in  Mainz  und  Friedberg  nach  70  n.  Ch.  hält  auch 
Hammeran,  Westd.  Korrbl.  VI,  1887,  No.  48,  S.  So  »T.  für  wahrscheinlich. 

'  Während  die  bei  der  Rczicliung  der  Lingoncn/ict^rl  .uif  den  B.itavcrkricg 
vorausgesetzte  Zusanimcnset/ung  des  obergermanischen  Heeres  in  den  Jahren  69,  70 
doch  mit  Rücksicht  auf  die  handscluriftlichen  Lesarten  der  wichtigen  Stelle  Tac 
hist.  IV»  68  immerhin  zweifelhaft  ist  cf.  Tadtus  ed.  C  Hahn,  tom.  I,  p.  XXVIII. 
68»  19  u.  22.  A.  Riese,  Das  rheinische  Germanien  m  der  antiken  Littcratur,  V,  92, 
S.  142,  nebst  .-Xnm.  l  u.  2.  Schon  Ritterling,  a.  .1.  O.  S.  75,  n.  i,  h.u  die  Ver- 
mutung ausgesprochen,  dass  die  Lingonen/iegel  auf  den  Chattenkrieg  zu  beziehen 
seien,  obgleich  er  mit  Mommsen  an  der  angetührtcn  Stelle  der  Hatorien  die  t.,  nicht 
äk  la  Legion  liest 

32 


-   538  - 


nach  Mciz  und  Paris  (nicht  auch  zum  Rhein  ?)  führenden  Heerstrass 
lag.  Wie,  wenn  bei  Mirebeau  die  Depots  (Ür  Domitians  Chattenkrieg  { 
wesen  wären?  Dann  würde  auch  die  mit  dem  Namen  des  Norbai 
versehene  Gruppe  von  Ziegeln  der  8.  Legion  der  unsrigen  zeiili 
nahe  rücken ;  vor  allem  aber  würde  auf  ein  für  die  Geschichte  < 
rheinischen  Germanien  hochwichtiges  Ereignis,  den  Chattenkri 
Domitians,  über  den  wir  zu  unserem  Bedauern  so  mangelhaft  unt< 
richtet  sind,  ein  neues  Licht  fallen.  Auf  die  Zusammensetzung  d 
kaiserlichen  Heeres,  seine  Anmarsch-  bzw.  Rückzugslinie,  die  seh 
damals  vorhandenen  befestigten  Rheinübergänge  würden  sich  me 
oder  weniger  zwingende  Sclilüsse  ziehen  lassen. 

Dass  aVcr  etwa  umt'ckehrt  das  Nebeneinandervorkommen  u 
Zusammenarbeiten  der  genannten  Truppenteile  bei  Nied  für  ei 
dauernde  Besetzung  derWetterau  bereits  vor  dem  Bataverkriege  sprecl 
wird  man  beim  gegenwartigen  Stand  der  auf  die  Okkupation  d 
rechtsrheinischen  Germanien  bezüghchen  Torschung  kaum  anzunehm 
geneigt  sein.  Es  würde  dagegen  auch  die  Beschatfenheit  der  Zie^: 
und  die  Form  der  Stempel  sprechen,  die  eine  zweifellose  Kontinuii 
des  Ziegeleibetriebe.s  in  Nied  zwisclien  jenen  älteren  und  den  z. 
weit  ins  3.  Jahrhundert  hinein  reichenden  Erzeugnissen  der  22.  Legn 
erkennen  lassen,  wie  anderseits  die  Nieder  Ziegel  sich  deuthch  v( 
denjenigen  Exemplaren  derselben  Legionen  unterschieden,  die  n 
grosser  Wahrscheinlichkeit  vor  das  Jahr  70  n.  Ch.  zu  setzen  sind. 

Dies  führt  uns  auf  die  Frage  über  das  Alter  der  Sitte,  iMilita 
ziegel  mit  dem  Stempel  des  betretiendcn  Truppenteils  zu  versehe 
die  nicht  ohne  weiteres,  wie  oft  geschieht,  mit  der  nach  dem  Ah 
der  Militärziegeleien  überhaupt  identitiziert  werden  darf.  E.  Hubn 
hat  darauf  aufmerksam  gcin.iclii,  dass  in  Britannien  vor  dem  En* 
des  I.  Jalirhundcrts  die  dort  liegenden  Legionen  keine  Ziegeleien  ti 
ihren  Bt\Lir:  angelegt  li.ibcu.'  Lbcn.so  sagt  Th.MonurjSLn  von  Pannunie 
dass  dic  Siue,  Militärziegel  zu  stempeln,  erst  aai  Lnde  des  i.  Jah 
hunderts  beginne,"  und  von  Dalmatien,  dass  vor  Vespasian  keir 
»figlinae  militares«  angelegt  seien.'  Das  Fehlen  der  Miiii.uziegLl  : 
ganz  Kärnten  aber,  welches  F.  Pichler  hervorhebt,*  erklärt  dieser  darau 
dass  Noricum  bereits  im  ersten  Jahrhundert  »als  friedliches  Gebici 
•  zu  betrachten  war. 


*  Hermes  XVI,  $21  und  $31. 

'  C.  I.  L  III,  482  und  41*. 
3  C.  I.  I..  III,  280. 

*  \  irurium,  Graz  1878,  S.  222  und  76. 


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Diese  Beobachtangeo  stimnien  voUkommen  mit  der  Oberzeugung 
dberein,  die  ich  mir  seit  längerer  Zeit  durch  das  Studium  der  ger- 
manischen Militirstempet  gebildet  habe,  nur  dass  die  Anfangsgrenze 
hier  gegenüber  Britannien  etwas  zurückzusetzen  ist.  Die  in  der 
Varianischen  Niederlage  untergegangenen  Legionen  (XVII,  XVIII, 
XIX)  haben  keine  Stempel  hinterlassen.  Ebensowenig  scheinen  von 
den  beiden  im  Jahre  45  n.  Ch.  nach  Britannien  geführten  Legionen, 
II  Aug.  und  XX  Val.  Victr.,  Stempel  am  Rhein  vorhanden  zu  sein.' 
Dagegen  hat  die  13,  Legion,  die  unter  Nero  nach  Pannonien  verlegt 
wurde,*  nach  der  Überlieferung  durch  P.  Fuchs  einige  Stempel  in 
der  Umgebung  von  Mainz  himerlassen,'  und  ebenso  sind  im  Otter- 
bach bei  Rheinzabern  neben  zahllosen  Produkten  der  dortigen  Privat- 
ziegeleien einige  wenige  Ziegel  mit  Stempeln  der  i).  (?)  und  4.  Legion 
gefunden  worden.^  Von  der  letztgenannten  Legion,  die  ebenso  wie 
die  I  Germ.,  V  Alauda  und  XVI  nach  dem  Bataverkrieg  aufgelöst 
wurde,  kommen  in  den  mittelrheinischen  Museen  Stempel  vor;  aber 
sie  sind  selten,  von  jedem  Truppenteil  nur  in  wenigen  Typen  ver- 
treten, überdies  z.  T.  zweifelhaft  oder  falsch  gelesen  (z.  B.  Uli  Mac. 
statt  XIIIIG  M  V-). 

£s  scheint  demnach,  dass  am  Rhein  die  Sitte,  Militärziegel  mit 
dem  Stempel  des  Truppenteils  zu  versehen,  kurz  vor  dem  Jahre  70 
n.  Ch.  aufgekommen  ist  und  sich  von  dort  erst  später  nach  Britannien 
verbreitet  hat,  so  dass  z.  B.  die  14.  Legion,  als  sie  im  genannten 
Jahre  aus  Britannien  nach  Obergermanien  zurückkehrte,  dort  noch 
keine  gestempelten  Ziegel  zurückliess.  Es  ist  daher  schon  aus  diesem 
Grunde  das  Fehlen  des  Zusatzes  G'M'V*  auf  Ziegeln  im  Main-  und 
Rheinlande  bei  ihr  nie  als  ein  Beweis  dafür  zu  betrachten,  dass  der 
betr.  Ziegel  vor  dem  Jahre  43  n.  Ch.  gebrannt  sci.^ 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  würden  die  Ziegel  der  21.  Legion 
für  die  Lösung  dieser  Frage  sein,  wenn  ihre  Geschichte  nach  dem 


'  Brambach  128,  b  und  g  dürfen  nach  des  Verfassers  begrünvlctcn  Zwcifchi 
Schwerlich  als  Bewen  für  d.is  Vorhandensein  je  eines  Stempels  mit  der  Legende 
LII  und  L'XX'V'  angesehen  werden,  ganz  abgesehen  davon,  dass  der  erstere  eben- 
sogut auf  die  II  Adiutrix  bezogen  werden  könnte. 

*  cf.  Mommsen,  C.  I.  L.  III»  482. 

J  Brambach  1377,  d,  i,  2,  5. 

«  Westd.  Zeitschr.  IV,  S.  205  (Harster), 

S  Wenn  die  Legion  bereits  vor  dem  Jahre  4)  n.  Ch.  in  Gerftianieii  Ziegel 
gebrannt  iüite,  so  wäre  es  schwer  verständlich,  dass  sie  während  der  27  Jahre  ihres 

britannischen  Aufenthalts,  in  welchen  sie  an  der  Eroberung  der  hisel  und  an  dcy 
Gründung  der  ersten  Stationen  und  Städte  so  hervorragenden  Anteil  nahm,  kein 
derartiges  Zeiclien  ihrer  Tliätigkcit  dort  hinterlassen  hatte. 

22* 


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Jahre  70  n.  Ch.  weniger  dunkel  w  äre.  Ausser  dem  von  mir 
Lieferungsgebiet  der  Nieder  Ziegeleien  in  Anspruch  genommer 
Bezirk  sind  Stempel  der  Legion  in  grösserer  Anzahl  im  all 
\  imloiiissa  und  dessen  Umgebung,  nördlich  bis  in  die  Gegend  f 
Schaffliauscn  (Sclilcithelm),  und  einige  wenige,  z.  T.  unsicher  äb 
liefert,  am  Niederrhein  gefunden  worden. 

V^on  diesen  sind  die  oberrheinischen  und  ein  Bonner  Typus 
natürlicher  Grösse  von  Meyer  veröffentlicht.*  Die  ersteren  cntbehi 
sämtlich  des  Beinamens  R(apnx),  haben  dagegen  z.  T.  andere  Biu 
Stäben  nach  der  Zahl,  welche  noch  nicht  sicher  erklärt  sind.*  1 
haben  ferner  alle  bis  auf  einen,  dessen  Zugehörigkeit  zur  Legion  c 
sicher  ist,'  die  Legende  L  XXI*,  nicht  LEG*  oder  LE*  Die  Buc 
Stäben  sind  bis  auf  einen  Typus  vertieft,  wie  Meyer  wohl  mit  Rci 
meint,  durch  eiserne  Stempel  eingedrückt.*  Die  niederrheiniscb 
Ziegel  scheinen,  soweit  sie  sicher  beglaubigt  sind,  sämtlich  den  ß 
namen  zu  zeigen.  Hin  von  Meyer  in  natürlicher  Grösse  veröffentlich 
Bonner  Stempel »  stammt  zweifellos  von  einer  hölzernen  Matrize,  l 
erhöhte  Buchstaben,  die  in  ihrer  iinref^clm.issii^cn  1  orm  fast  gen 
mit  unseren  beiden  Nieder  Typen  l'ig.  22  und  2^  übereinstimmen.  AI 
der  Beiname  der  Legion  ist  durch  ^  ikiciistaben  RAF  (R  und 
ligiert)*^  .ingedeutet;  d.i^eLicn  ist  das  Won  le^io  abweichend  von  all 
Nieder  Stempeln  und  übereinstimmend  mit  den  Schweizer  Tvp 
nur  durch  L  bezeichnet.'  Da  wir  die  letztere  Schreibart  auch  ;i 
den  nicht  aus  Nied  stammenden  und  nur  auf  dem  linken  Rhcinu' 
vorkommenden  Stempein  der  i.j.  Legion  hnden,"'  die  auch  aus  ander 
Gründen  als  die  ältesten  dieses  Truppenteils  zu  betrachten  sind, 
haben  wir  hier  woiil  eine  Geptlogenheii  ^u  erkennen,  welche  in  J 
ersten  Zeit  in  den  MiÜtär^^iegeleien  des  Ober-  und  Mittelrlieins  eben 
allgemein  verbreitet  war,  wie  später  die  Schreibweise  LEG. 
würden  dann  in  den  Schweizer  Stempeln  die  ältesten,  in  den  Nici' 
Typen  die  jüngsten  formen  zu  erkennen  haben,  zwischen  welch 


I  Minh.  der  antiq.  Ges.  in  Zürieh,  VII,  Taf.  1  un4  H. 

*  A.  a.  O.  Taf.  I,  lo,  ir,  12  und  Taf.  II,  i}— 16.  Vgl  Text  S.  14$. 

5  Taf.  II,  16. 

^  A.  a.  O.  S.  ij8. 

i  Taf.  II.  17. 

<  Mnn  \  gl.  .luch  Brambach,  C.  I.  R.  5 1 1,  c,  i  und  Hcttner,  Bonner  Katalog,  1 
7  Die  von  Rr.inib.icli  und  Hettner  vcnekhncten  Bonner  Exemplare  hab 

iingcqcn  die  Form  I.FCjXX  11^ AP. 

s  \i,r  hc"  V    N'i -der  Typus  ist  die  Fomi  L'XIIIIG  wahrsdieiiiUdi(Fig.4} 
aber  uuvli  d.i  nicht  sicher. 


t 


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-   341  - 


die  niederrheinischen  eine  Übergaii^^spliase  bilden.  Dies  entspricht 
aber  vollkommen  den  Vermutungen,  welche  bereits  Meyer  in  Beziehung 
auf  die  Schicksale  der  Legion  nach  dem  Jahre  yon.Ch.  ausgesprochen 
hat.  Insbesondere  spricht  die  Gleichförmigkeit  der  Schweizer  Stempel  für 
die  Richtigkeit  seiner  Annahme,  dass  die  21.  Legion  nach  dem  Jahre 
70  n.  Ch.  vom  Niederrhein  nicht  noch  einmal  nach  Vindonissa  zurück- 
kehrte,' sondern  von  dort  aus  an  den  Main  kam,  und  zwar,  wie  die 
Gleichförmigkeit  ihrer  mittelrheinischen  und  wetterauischen  Stempel 
im  Gegensatz  zu  denjenigen  der  14.  Legion  annehmen  lässt,  erst 
später  als  diese,  wohl  im  Chattenkriege.  So  stimmen  alle  uns  be- 
kannten Thatsachen  darin  überein,  dass  sie  uns  beweisen,  die  21.  Legion 
habe  nur  verhältnismässig  kurze  Zeit  nach  dem  Jahre  82  in  Mainz 
und  dessen  Umgebung  gestanden. 

Dagegen  nimmt  unter  allen  äheren  Legionen  die  14.  eine  be- 
sondere Stellung  ein,  teils  durch  die  grosse  Zahl  der  von  ihr  vor- 
handenen Ziegel  und  ihrer  Fundorte,  teils  durch  die  Mannigfaltigkeit 
ihrer  Stempel  und  die  Verwandtschaft  mancher  der  letzteren  mit 
solchen  der  22.  Legion.  Diese  Umstände  erklären  sich  wohl  am 
leichtesten  durch  die  Annahme,  sie  habe,  während  jene  nur  die  Wetterau 
erobern  und  mit  den  ersten  Veneidigungsanstalten  versehen  halfen, 
noch  einige  Zeit  nach  ihrem  Abgange  in  hervorragender  Weise  die 
Besatzung  derselben  gebildet,  bis  sie  dies  der  22.  Legion  und  deren 
Hülfskohorten  allein  überlassen  konnte.' 

Die  22.  Legion  endlich  hat  den  Ziegelbctrieb,  den  sie  von  iiireii 
Vorgängerinnen  übernommen  hatte,  wahrend  der  ganzen  Zeit  fried- 
lichen Besitzes  der  durch  den  Grenzwall  gesicherten  Wcttcr.m  fort- 
gesetzt.  Jetzt  erst,  unter  den  veränderten  \'crhältnisscn,  da  anderthalb 
Jahrhunderte  lang  keine  nennenswerten  Veränderungen  in  den  Besitz- 
crhältnissen,  ja,  so  auffallend  dies  erscheinen  mag,  selbst  in  den 
Truppendisiokationen  an  der  germanischen  Grenze  stattfanden,  kann 


'  Auch  der  L"mft;nK!,  dass  die  21.  Legion  nur  wenige  Mülicn  über  Jen  Rlicin 
nach  N.  bis  Scitlcitheini,  nordwc!>tUcli  von  Sclidtfluui>cn  nacli\vci:>bar  ist,  wahrend 
die  II.  Spuren  iltrcr  Anwesenheit  in  Baden-Baden  und  Ronweil  hinterlassen  hat^ 
stimmt  zu  der  Annahme  Meyers,  dass  die  «rstere,  ab  die  Besetamg  des  Neckar- 
gcbictcs  begann,  nicht  mehr  in  Vindonissa  stand. 

*  Dns^  bei  der  Anhupe  de?  Pfah!<.^rabens,  an  der  die  14.  Legion  nicht  beteiligt 
gcwcicn  /.u  sein  scheint,  Abteilungen  der  «.  Lcgiüu,  bzw.  der  ilir  beigegebenen 
Hülfstruppea,  auch  in  den  nördlichen  Gegenden  thätig  waren»  habe  ich  oben  ah 
wahrscheinlidi  bezeichnet.  Iis  setzt  dies  nicht  zugleich  ehie  Stationierung  der  Legion 
in  Mainz  vor.ius.  Dieselbe  scJieint  vieimehr  zu  jener  Zeil  bereits  in  Argentoratum 
in  Garni&ou  gclcgeu  zu  haben. 


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-   342  — 


von  einer  Centraiwerkstätte  für  Zicgclbctrieb  in  dem  oben  anjz 
deuteten  Sinn  mit  allen  aus  dieser  Annahme  gezogenen  Konsequcnzi 
die  Rede  sein. 

Besondere  Schwierigkeiten  bietet  die  Frage  nach  dem  Verhälir 
der  Legionsziegeleien  von  Nied  zu  den  einzelnen  Kastellen  bezQgli 
der  Gründe,  welche  zu  Ziegelsendiingen  von  der  ersteren  Stelle  a 
Veranlassung  gaben»  wenn  die  letzteren  eigene  Ziegeleien  am  G 
oder  in  der  Nähe  hatten,  zumal  wenn  dieselben,  wie  es  in  Gros 
Krotzenburg  zweifellos  der  Fall  war,  lange  Zeit  hindurch  über  d> 
eigenen  Bedarf  hinaus  produzierten.  Hier  genügen  in  weitaus  d 
meisten  Fällen  die  Fundnachrichten  nicht,  um  ein  bestimmtes  Urteil 
gestalten.  Manche  Arten  von  Ziegelfabrikaten  scheinen  nur  in  d 
Nieder  Öfen  der  22.  Legion  gefertigt  zu  sein;  so  die  grossen  H\p 
kaustkacheln,  die  Keilzicgel,  die  Parketplättchen  und  oblongen  Bac 
steine,  anderseits  scheinen  die  Krotzenburger  Vindelider  besonders  vi< 
kleine  Hx  pokaustpfcüerplatten  versandt  zu  haben,  welche  wiederu 
in  Nied  seltener  und,  wie  es  scheint,  nur  zu  einer  gewissen  Zeit  g 
brannt  wurden.  Aber  andere  Kategorieen,  wie  Dachziegel,  grosse 
Hypokaust'  und  Fussbodenplatten  kommen  an  denselben  Orten  s 
wohl  aus  den  Öfen  der  22.  Legion  als  auch  mit  Stempeln  der  vc 
schiedenen  Kohorten  so  zahlreich  vor,  dass  man  hier  nur  an  zeitli' 
verschiedene  Bauten  einerseits  und  an  einen  die  Leistungsfahigki 
der  Kohonenziegelei  übersteigenden  Verbrauch  bei  schnell  herz 
stellenden  Bauten  anderseits  denken  kann.  An  manchen  Stell 
scheinen  die  Kohortenziegel  hauptsächlich  an  den  Türmen  des  Kaste 
selbst  verbaut  worden  zu  sein,  während  Legionsziegel  besonders 
den  grossen  Badegebäuden  und  den  Hypokaustbauten  im  Kaste 
die  zweifellos  aus  späterer  Zeit  stammen,  gefunden  werden.  Leuter 
ist  in  Rückingen  auch  bezüglich  der  von  Grosskrotzenburg  stamme 
den  Vindeltcterstempel  der  Fall.  Was  die  von  v.  G>hausen  erwähn 
Thatsache  betrifft,  »dass  wir  Ziegel  mit  Militärstempeln  auch  in  Villi 
und  Gehöften  finden,  die^  fern  von  Garnisonsonen,  nichts  mit  de 
Militärwesen  zu  tbun  hatten«,  so  sind  dies  m.  W.  ausschliessli« 
Legionsziegel  und  zwar,  wie  es  scheint,  m.r  solche  der  22.  Legion  ai 
verhähnismässig  später  Zeit.'  Die  in  der  Villa  Marienfcls  gefunden« 
zahlreichen  Stempel  sind  fast  sämtlich  Namenstempel  und  zwar  zu 


*  Von  Ranibach  erwahm  Brambach  15}Ö  nach  1.  N.  1876  und  Aulop: 
mehrere  Stempel  der  14.  Legton  ohne  nähere  Fimdangabe.  v.  Cohausen  crwih 
an  der  von  ihm  als  »Villa«  bezeidineten  Stelle  nur  einen  Stempel  der  22.  Leg» 
Der  r.  Grenxwall,  S.  4. 


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—   M3  - 


Teil  dieselben  Typen,  die  wir  im  vorigen  Winter  in  einem  spiten 
Hypokaustum,  das,  wie  es  scheint,  mit  dem  Militärwesen  nichts  zu 
thun  hat,  auf  dem  Friedhofe  zu  Heddernheim  fanden.  Aber  alle  diese 
Bemerkungen  erbeben  keinen  Anspruch  darauf,  abschliessende  Resultate 
2U  geben;  sie  sollen  nur  andeuten,  worauf  man  bei  künftigen 
Funden  mehr  als  bisher  zu  achten  hat,  um  denselben  wissenschaft- 
lichen Wert  zu  verleihen.  Wenn  man  bei  den  Arbeiten  der  Limes- 
kommission  alle  gefundenen  Ziegelstempel  nach  den  angedeuteten 
Gesichtspunkten  inventarisiert,  so  wird  man  sicherlich  in  wenigen 
Jahren  mehr  als  jetzt  in  der  Lage  sein,  dieselben  —  wenigstens  die 
der  22.  Legion  —  chronologisch  zu  bestimmen.  Dass  aber  dann 
diese  unscheinbaren  Denkmäler  recht  wichtige  Quellen  für  die  Ge- 
schichte des  Pfahlgrabens  und  seines  Hinterlandes  werden  können, 
leuchtet  von  selbst  ein.  Kur  wird  man  darauf  verzichten  müssen, 
für  die  -Zeitbestimmung  der  Ziegelstempel  die  bei  Stein-  und  Metall- 
inschriften, ja  auch  bei  Griffelinschriften  massgebenden  epigraphisch- 
palaographiscben  Grundsätze  ohne  weiteres  als  massgebend  anzusehen. 
Auf  welche  Irrwege  das  führen  könnte,  glaube  ich  oben  bei  Be- 
sprechung der  einzehien  Typen  an  einigen  wenigen  Beispielen  dar- 
gethan  zu  haben.'  Wichtiger  als  die  Buchstabenform  ist  die  Gesamt- 
form der  Stempel,  wichtiger  als  diese  die  genaue  Feststellung 
der  Fundumstände.  Mit  Hülfe  beider  Kriterien  habe  ich  bereits  die 
Möglichkeit  gewonnen,  gewisse  Gruppen  von  Stempeb,  auch  inner- 
halb der  22.  Legion,  chronologisch  zu  unterscheiden;  nur  auf  diesem 
Wege  wird  man  weiter  kommen. 


Anhang  L 


Zur  Erklärung  der  Tafeln. 

Tatcl  I  ist  nach  einer  im  Besitze  des  Ticlbauamts  zu  I  r.inkfurt  a.  M.  be- 
hndliclicn  Aufnahme,  bei  der  die  Katasterblätter  zu  Grunde  gelegt  wurden,  im 
IkUssstab  i:$ooo  gexeicbnct  worden.  Sie  zeigt  die  und  Grandstädcsgrenzen, 
wie  sie  seit  der  Konsolidierung  vom  Jahre  i8$8  bestehen;  die  früheren  Crcni^en  zu 
erlangen,  wurde  vergeblich  versucht.  Die  neueste  Regulierung  der  Nidda  wurde, 
weil  sie  für  das  Verständnis  der  Auslührungen  belanglos  ist  und  bei  dem  Masssubc 


'  Auch  die  Vergleichung  des  Bonner  Stempels  der  2!  I/^lmoh  mit  den  Nieder 
und  Schweizer  Typen  derselben,  die  doch  samthch  in  dib  i.  Janrhuudcri  gehören, 
zeigt,  wie  gefahrlich  einseitige  Schlüsse  aus  der  Form  der  Buchstaben  auf  das  Zeit- 
alter  der  Aosieddongen,  in  welchen  sie  gefmiden  werden,  sein  können. 


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—   344  — 


des  Kirtchens  nur  verwirrend  wirken  würde,  weggelassen;  dagegen  ist  das  in 
Aus;^r.ibnn;;sbcr)clu  oft  crw.llniic  ».iltc  NidJabcti«,  obglcicli  es  l.'mgst  vollkonmi 
ausm.-tr<)Ll,iK't  und  jvfine  L'tcr  teilweise  in  neuester  Zeit  versclileilt  sind,  eingczcichi 
worden.  Die  1  crrainunterscliicdc  ^ind  durch  [iorizonulkurven,  welche  Höht 
schichten  von  2  zu  2  Fnnkf.  Fuss  von  einander  trennen,  bezeichnet,  wobei  zi^ie: 
durch  Abschattierung  der  höheren  L4g^tt  versucht  worden  ist,  das  Bild  dnag. 

nnssen  pl.istiseh  zu  machen. 

Die  Hinzeidarsiellungen  auf  Tafci  il  sind  ursprünghdi  im  doppelten  Masi> 
gezeichnet.  Die  von  Herrn  QjuilUng  beschriebene  Münze  ist  ab  Zeichnung 
natürlidier  Grösse,  sowie  anderthalbfach  vergrössert  nach  tinemGipsabguss  ab  Pho 
graphie  wiedergegeben.  Bei  dem  Profil  A— F— E  durch  das  ganze  Ausgrabun 
iTcbiet  sind  die  Höhen  ini  lofachen  Massstab  der  Längen  gezeichnet.  Das  Lichtt 
des  Ziegelolens  bei  A  ist  au  Ort  und  Stelle  in  dem  Augenblick  aufgeaomiu 
als  die  zur  Erkenntnis  der  Konstruktion  und  Baugeschichte  des  Ofens  notwenJ 
Zerstörung  so  weh  vorgeschritten  war,  dass  sie  einen  Einblidc  üi  die  Gesai 
anläge  von  aussen  gestattete. 

Bei  der  WiedcTf^abe  des  Stempeltvpen  auf  Tafel  III — VI  war  die  Auf^. 
/u  luicn,  dass  die  grosse  Zahl  vou  160  Typen,  bczw.  235  Stempeln  aul  .niöglic 
geringem  Raum  mit  möglichst  grosser  Deutlichkeit,  und  zwar  unabhängig  von  }c 
subjektiven  Auflassung  des  Ver&ssers  oder  eines  Zdebners  dargestellt  wurde.  W« 
es  gelungen  ist,  dieses  Ziel  in  einem  so  hohen  Grade  zu  erreichen,  dass  die  z 
Teil  nur  fragmentarisch  erhaltenen  und  sehr  undeutlich  ausgeprägten  Stempel  tr 
der  Reduktion  auf  V»       Grösse  auf  den  iafein  ebenso  deutlich,  z.  T.  —  we^ 
der  Beseitigung  der  Farbenunterschiede  —  noch  deutiicher  «1  lesen  sind,  als 
den  Ziegelplatten,  so  bt  dies  vor  allem  dem  rastlosen  Eifer  des  Herrn  Ingenii 
Wehner  zu  verdanken,  der  keine  Mühe  scheute,  um  durch  immer  neue  Versu. 
das  angewendete  Vcrt'.ilireM  von  allen  ihm  .nit.uiL^s  anh.Utenden  Mangeln  /u  betrc 
und  so  sclUicsslicli  cia  Resultat  zu  gewinnen,  wie  es  der  Vcriasscr  als  Gruuuia 
itkr  seine  Beweisführung  nur  wünschen  konnte,  aber  kaum  zu  erhoffen  ^wagt  ha 
Von  den  verschiedenen  ins  Auge  gefassten  Methoden  der  Wiedergabe  erschien 
Hcrsrelhtni^  von  Gipsabgüssen   für   die   photographische   Aufnnhme  am  t^.v 
massigsten,  teils  wegen  ihrer  Vor/uge  tur  die  letztere  an  sich,  teils  weil  die  Lii 
platten  Iciciit  bis  zu  dem  tur  die  Darbteilung  dcb  Stempeb  notwendigen  Masse 
schnitten  und  so  in  mü^Bchst  grosser  Zahl  auf  verhiltnismässig  geringem  Rau 
gruppiert  werden  konnten.    Die  Matrizen  wurden  aus  feinem  weissen  Thon  (Pfeif' 
erde)  hergestellt,  der  vermittelst  einer  höl/ernen  Wal/e  in  Kuchenfomi  auf 
Ziegelplatten  autgerollt,  nach  seiner  lintfernung  von  den  letzteren  beschnitten  i 
durch  Umrahmung  mit  Stäbchen  aus  demselben  Material  in  eine  zur  Aufnahme 
Gipsbreis  geeignete  Gussform  verwandelt  wurde.   Bei  sorgfältiger  BdiandU 
gab  der  Abguss  nicht  nur  (ten  Stempel  auf  das  genaueste  wieder,  sondern  Hess  ai 
die  Bcscliaflenheit  des  Steins  tnil  allen  seinen  auf  der  Verschiedenheit  seines  Mater 
und  seiner  Schicksale  beruhenden  Higentümlichkeiten  erkennen.    Dadurch  ist 
Leser  in  die  Lage  verseut,  besonders  mit  Hülfe  der  Lupe,  die  Riditigkelt  der  Lesi 
und  Deutung  der  Stempel  so  sicher  zu  kontrollieren,  ab  wenn  er  die  Zkgd  sei 
vor  sich  hätte. 

Für  die  in  IVivalbesit/  oder  .luswärtigcn  Museen  befindlichen  Stempel,  wel 
teils  zum  Nachweis  der  Identität  mit  Nieder  Typen,  teils  besonders  zur  Hrgan^i 
der  letzteren,  wenn  dieselben  nur  fragmentarisch  erhalten  waren,  dienen  mussi 
wäre  eine  Herstellung  der  Abgüsse  an  Ort  und  Stelle  zu  umständUdi  gewes 
Hier  leisteten  die  oft  erwähnten  Abklatsche  auf  Filtrierpapier  gute  Dienste.  E 
selben  wurden  möglichst  trocken  auf  einige  Sekunden  in  eine  klare  Spiritusa 


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lösnng  gebleichten  Schellacks  f;cbracht,  so  d.iss  sie  von  dem  I.ack  nicht  iiber/.ogcn. 
sondern  nur  durchtrankt  waren.  Nachdem  sie  darauf  an  der  Luit  oder  am  Olcn 
getrocknet  waren,  wurden  sie  in  feines  ijebJeichtcs  LeinAl  geuucht  und  dieses  dann 
mit  Fliesspapier  sorgfaltig  abgetupft.  Die  Abklatselie  waren  nun  so  hart  und  un» 
durchlässig,  dass  sie,  die  negative  Seite  nach  oben  gelegt,  ganz  wie  Thonabdrücke 
gebraucht  werden  konnten,  indem  man  sie  mit  Thonstnbchen  iinTr.ilinnc  und  mit 
Gipsbrei  übcrgoss.  Mit  Hülfe  soldicr  Abklatsche  sind  alle  nicht  von  uns  selbst 
gefbodeneo  oder  im  Frankfurter  Museum  befindlidien  Stempel  wiedergegeben  worden, 
mit  Ausnahme  des  grossen  und  schAnen  Wiesbadener  Exemplars  Taf.  V,  Fig.  i)8c, 
welches  direkt  vom  Papierabklatsch  Photographien  worden  ist.  Die  Gipsplaitcn 
wurden  schliesslich  beschnitten  und  .uif  einem  Brett  zu  Tafeln  in  dreifacher  Grösse 
iltis  beabsichtigten  Formats  zusammengestellt.  Ein  Ralimen  mit  cingezeiclmetcn 
Centimelerabteilungen  liess  die  beabsiditigie  Verkleinerung  leichter  kontrollieren 
und  bietet  auf  unseren  Tafeln  selbst  fikr  die  Vergleichung  mit  anderen  Fund- 
stücken einen  zuverlässigen  M.issstab. 

Znm  ScliIusNC  mache  ich  die  Benutzer  dieser  Tifeln  noch  auf  eine  Eigen- 
tümlichkeit derselben  aufmerksam,  welche  sich,  ohne  unsere  Absicht,  als  eine 
Folge  des  angewandten  Verfahrens  ergab.  Wenn  man  die  BUtier  umkehrt,  sodass 
die  Buchstaben  auf  dem  Kopfe  stehen,  sieht  man  statt  der  positiven  Wiedergabe 
des  Stempels  das  Bild  der  negativen  Matrize.  Die  Abbildung  giebt  so  genau  den 
Allblick  der  Oberfläche  des  benutzten  Instruments  u  iedcr.  was  wesentlich  dazu  bei- 
tragen dürfte,  meine  Bemerkungen  über  .Material  und  Herstellung  der  Matrizen, 
besonders  auch  über  erkennbare  Beschädigungen  der  letzteren,  leichter  verständlich 
zu  nuchen. 


Anhang  II. 


An  dieser  Stelle  sollte  der  Arbeil  die  im  chemisch- technischen  Institut  der 
flerren  Dr.  Popp  und  Dr.  Becker  ItergestcUte  Analyse  einer  grösseren  Anzahl  von 
Zicgclproben  aus  Nied  und  Heddernheim  beigegeben  werden.  Leider  ist  die  zeit- 
raubende Arbeit  vor  der  Beendigung  des  Druckes  noch  nicht  vollendet.  Die  Ver- 
öflcntlichung  ihrer  Ergebnisse  muss  daher  für  einen  späteren  Band  des  Archivs 
aufgespart  werden.  Nach  den  bisher  festgestellten  Analysen  von  S  /üe^elstfickcn 
verschiedener  Art  aus  Heddernheim  (mit  Nieder  Stempeln)  steht,  wie  mir  Herr 
Dr.  Popp  schreibt,  schon  jetxt  fest,  dass  der  für  dieselben  »verwendete  Thon  der- 
selben Fundstätte  entstammt.«  Der  Thon  ist  je  nach  dem  Zwecke  der  Fabrikate  in 
verschiedenem  Verhältnis  gembcht.  Besonders  von  den  von  Hypokaustpfeilern  und 
Hci/kachc!n  entnommenen  Proben  wird  gesagt,  dass  sie  »ein  augenscheinlich  durch 
Mischung  erzieltes,  ausgezeichnetes,  teuerfestes  Material  darstellen«. 

Diese  durch  die  beigegebeuc  .\nalysc  begründete  Ansicht  stimmt  voUkonuuen 
^       zu  der,  welche  ich  auf  anderem  Wege  gewonnen  und  oben  (S.  24S  ff.)  dargelegt 

-  habe,  dass  unsere  Ziegel  nicht  aus  dem  bei  Nied  anstehenden  Lehm,  sondern  aus 

-  Mfinsterer  Thon  in  berechneter  Mischuni;  mit  anderen  Best.inJleilen,  besonders 
>  Sand-  und  QjuarzkOrncrn  hergesielU  seien.  Sic  eutsprichi  auch  den  Angaben  der 
^-       Alten  über  das  Material  (creta  nicht  luturo)  der  Brandziegel  (tcgulae,  tcsta,  lateres 


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—  }4<»  — 


cocti,  latcrculi  coctiics),  die  von  technischen  Autoren  ebenso  deutlich  von  den  Li 
siegeln  (latercs)  unterschieden  werden,  wie  bei  den  Griechen  (z.  B.  Xcnoft 
Meni.  III,  I,  7)  Ktpa^oi;  von  «X(v6og  wenn  auch  die  Ausdrücke  bteres  und  «Xiv 
im  weiteien  Sinii  oft  fiir  Branddegd  gebraucht  werden,  ganz  ebenso,  wie  wir  ni> 
immer  zwischen  Ziegel  und  Backstein,  Tlion  und  Lehm  untcrbcheidcn.  Man  v 
Vitnivius  de  archit.  II,  8,  18  und  19  neben  If,  3,  i  ff.  und  Plinius  N.  H.  XXV,  i 
Wir  haben  es  in  unserer  Arbeit  bei  den  gut  crhahenen  Dachziegeln  und  Plati 
selbstverMändlidi  pur  mit  der  crsteren  Kategorie  an  thiui,  auf  wddw  mao  Yan 
Angaben  (II.  )>  3  C)  Qber  die  Ablieben  Masse  u.  4gL  mäA,  «ne  es  oft  geschie 
anwenden  sollte. 


Berichtigungen. 

Auf  5.       Z.  16  «t  (Schult)  graben  statt  graben  ni  lesen. 

Auf  S-  26}  zu  Leg.  XIIII,  4  und  S.  270  zu  Leg.  XXII,  a,  11  ist  als  Fundort  fälsch!) 
das  Gasthaus  »«ur  Krone«  pcnjnnt,  wahrend  es  heisscn  niuss :  w7um  Schwan 

Auf  S.  388,  No.      Z.  2}  ist  der  erste  Buctistabc  ^1  nicht  I  lu  Ic^n. 


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V. 

Die  in  Höchst,  Nied  und  Umgebung  gefundenen 

antiken  Münzen. 

Von 

F.  Quilling. 


So  reich  die  Erj^ebnisse  der  in  der  Nieder  Gemarkung  im  vorigen 
Jahre  veninstaUeten  Ausgrabungen  im  Allgemeinen  gewesen  sind,  so 
gering  war  die  Ausbeute  an  den  neben  den  Zicgelstcmpeln  besonders 
für  Daiirung  der  Funde  wichtigsten  Monumenten,  den  Münzen:  es 
sind  deren  w\ihrend  der  Ausgrabungen  selbst  nur  zwei  (No.  17  u.  31) 
gefunden  worden. 

Um  so  mehr  war  es,  wenn  das  gesammte  bis  jetzt  vorliegende 
Fundmaterial  zur  Verwendung  kommen  sollte,  geboten,  die  bereits 
früher  in  Höchst,  Nied  und  Umgebung  gefundenen,  in  Privatbesitz 
daselbst  und  sonst  zerstreuten  Münzen  zu  sammeln  und  zu  verzeichnen, 
so  weit  noch  möglich,  mit  genauer  Angabe  des  Fundortes  und  der 
Fund  umstände.  Diese  Arbeit  wurde  sehr  erleichtert  durch  das  bereit- 
willige Entgegenkommen  der  verschiedenen  Besitzer,  welchen  auch 
an  dieser  Stelle  mein  Dank  hierfür  ausgesprochen  sei, ' 

Für  einen  Theil  der  Münzen  —  wenn  auch  nur  einen  geringen  — 
Hess  sich  der  Fundort  nebst  den  Fundumständen  noch  ganz  genau 
feststellen,  für  einen  anderen  wenigstens  noch  im  Allgemeinen ;  beide 
Theilc,  zusammen  genommen,  ergeben  fast  die  Hälfte  der  gesammten 
überhaupt  in  Betracht  kommenden  Münzen.  Die  andere  Hälfte  ist 
nach  Aussage  der  Besitzer  zwar  ebenfalls  in  Höchst,  Nied  und  Um- 
gebung zu  Tage  gefördert  worden,  doch  konnten  Fundort  und  Fund- 
umstände meist  gar  nicht  mehr,  vereinzelt  nur  sehr  unsicher  an- 
gegeben werden;  jedenfalls  ist  dieser  Theil  der  Münzen  wissenschaftlich 
nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  verwerthen  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen: 


'  Zu  ganz  besonderem  Danke  bin  ich  auch  Herrn  Gymnasiallclirer  Dr.  E.  Suchicr 
in  Höchst  verpflichtet  für  seine  thatkraftigc  Unterstützung  während  meiner  Arbeiten 
dortselbst. 


-  34»  - 


1)  Haben  Einige  der  Besitzer  neben  den  in  ihrer  Nachbarscl^ 
gefundenen  Münzen  auch  andere  gesammelt,  auswärts 
Auktionen  erworben  und  sonst.   Es  können  infolgedcs: 
sehr  leicht  Verwechslungen  der  Münzen  untereinander  v 
gekommen  sein. 

2)  Fand  sich  unter  den  Münzen  der  zweiten  Gruppe  eine  grt 
Fälschung  (No.  56).  Hs  ist  dies  schon  an  und  lör  sich 
bedenkhcher  Umstand;  dazu  kommt  aber,  dass  das  Sti 
seinem  Äusseren  nach  niemals  —  wie  man  etwa  annehn 
könnte  —  in  der  Erde  (vielleicht  schon  früher  durch  Verl 
dahin  gerathen)  gelegen  haben  kann,  also  irgendwoher  erwort 
sein  muss* 

3)  Machen  die  Mönzserien  einzelner  Besitzer  durch  die  ununt 
brochene  Reihenfolge  der  darin  vertretenen  Kaiser  in  ih; 
Vollständigkeit  den  Eindruck,  als  seien  sie  nicht  etwa  einz« 
und  von  verschiedenen  Seiten  nach  und  nach  erworbi 
sondern  als  Gesammtheit  auf  einmal,  als  Theil  eines  grösser 
Ganzen. 

4)  Damit  im  Zusammenhange  steht  ein  Moment,  welches  ein 
scharfen  Unterschied  zwischen  der  ersten  und  iinsrcr  Grup 
markirt,  hier  aber  nur  angedeutet  werden  kann:  Hier  ». 
gleichmässige  Vollständigkeit,  dort  eine  grosse  Lücke  zwisch 
der  Münze  des  Alexander  Severus  (No.  36)  und  den 
Consinntins  I.  (Ko.  38  ff.).  Wir  kommen  auf  diese  nb( 
raschende  Thatsache  und  ihre  Erklärung  weiter  unten  zurue 

Aus  den  angeführten  Gründen  empfahl  es  sich,  die  beidi 
Gruppen  nicht  ineinander  zu  verarbeiten,  sondern  eine  Scheidung  d 
gesammten  Münzen  in  zwei  Abtheilungen  vorzunehmen: 

A.  solche,  welche  sicher  in  Höchst,  Nied  und  Umgebung  gefundt 

sind  und  deren  1  undort  und  Fundunistände  (wenigstens  ; 
den  meisten  Fällen)  noch  angegeben  werden  konnten, 

B.  solche,  welche  angeblich  zwar  ebenfalls  in  Höchst,  Nied  ur 
Umgebung  gefunden,  jedoch  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen  ^in^ 

Die  verschiedenen  Besitzer  vertheikn  sich  auf  beide  Gruppe 
wie  folgt: 

A.  Gymnasiallehrer  Brotz'  in  Höchst. 

B.u'.unternelnner  B.  Elzenheimer  in  Hanau. 
Kaulmann  Lugenbühl  in  Wiesbaden. 


'  Merr  H.  i  -t  im  I?csi:/e  der  \  o:i  srincm  Sclnvics^ervatcr,  dem  BauunteroehOK 
Herrn  Kunz,  ni  den  Jaiucn  1 0)7—^3  in  Höchst  gefundenen  Mün2ca. 


I 

1 


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Städtisches  Museum'  zu  Frankfurt  a.  M. 
Museum  zu  Wiesbaden. 
Tischlermeister  Schäfer  in  Höchst. 
Fabrikbesitzer  Scriba  in  Höchst. 
Steuerrath  von  Winckler  in  Wiesbaden. 
B.  Lackfabrikant  Basten 

Gastwirth  G.  Döft  (»Krone«) 

Spezereihändler  L.  Döft  Höchst 
Gastwirth  J.  B.  Hartmann  (»Schöne  Aussicht«)  ^ 
Gymnasiallehrer  Dr.  Lina 
Tischlermeister  Schäfer 

Für  beide  Gruppen  gebe  ich  im  Folgenden  je  zwei  Tabellen, 
die  erste  chronologisch,  die  zweite  nach  den  Besitzern  angeordnet. 
Letztere  wurde  beigefügt,  um  einen  Oberblick  zu  ermöglichen,  ein- 
mal  Ober  das  Gepräge  der  einzelnen  Sammtungen  (woraus  sich,  wie 
wir  gesehen,  wichtige  Schlüsse  ergeben  können),  zweitens  über  deren 
augenblicklichen  Bestand,  von  welchem  dann  die  später  erworbenen 
und  später  zu  bearbeitenden  Münzen  leicht  zu  trennen  sein  werden. 

Den  Beschluss  bildet  ein  fünftes  Verzeichniss,  in  welchem  die 
Münzen  soweit  möglich  nach  Fundorten  (mit  den  Buchstaben  q— z 
—  vgl.  die  zu  der  vorhergehenden  Abhandlung  des  Herrn  Prof.  WolfT 
gehörige  Karte  —  angegeben)  unter  genauer  Mittbeilung  der  Fund- 
umstände, soweit  sie  noch  bekannt  waren,  zusammengestellt  sind. 


'  Der  Bestand  des  Frankfurter  Museums  an  H&dister  MQnzen  setzt  sich  ni- 
sammen  aus: 

8  Stück  (No.      7—9.  II.  IJ.),   wclclie  Herr  nnuuntcmclimcr  Seide!  in 

Höchst  ihm  in  libcraUter  Weise  zum 
Geschenk  machte, 

I    •    (No.  t7.)t  Geschenk  des  Herrn  Prof.  G.  WolflT. 

I    j»    (No.  }!.),  Geschenk  des  Herrn  Domänenrath  Thalcr  in  HöchsL 


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Nicht  aufgenommen  in  vorstehende  Verzeichnisse'  wurde  eine 
Münze,  deren  Bestimmung  nicht  absolut  sicher  ist;  ich  halte  sie  flQr 
einen  Alexander  Severus»  ebenso  Herr  Prof.  B.  Pick  in  Zürich;*  doch 
ist  nach  des  letzteren  Meinung  bei  der  schlechten  Erhaltung  des 
Stückes  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  dem  Elagabalus 
oder  alleD&lls  dem  jugendlichen  Caracalla  angehört.  Ich  gebe  diese 
Münze,  da  sie  meines  Wissens  bisher  noch  nicht  publicirt  ist,  in 
mechanischer  Reproduktion  auf  Tafel  II  vergrössert  wieder;  neben 
dem  Lichtdruck  befindet  sich  eine  von  Herrn  Ingenieur  Wehner' 
ausgeführte  Federzeichnung  in  natürlicher  Grösse  zur  Verdeutlichung 
der  Typen  und  fiuchstabenvertheilung. 

Beschreibung:  [IMPJCM  AV XAND  AVG  Beiorb.  K.  n.  r. 

R.  GENlCOL?JCRE   Genius  mit  Schale 
und  Füllhorn  n.  1.  stehend. 

Die  Münze  gehört  also  nach  Cremna  in  Pisidien. 

Was  nun  die  Beobachtungen  und  Folgerungen  betrifft,  zu  welchen 
man  bei  eingehender  Betrachtung  der  gegebenen  Zusammenstelkmgen 
£,'clan^t,  so  sind  dieselben  nur  von  geringer  Bedeutung,  wenn  anders 
man  nicht  den  sicheren  Boden  verlassen  und  sich  zu  allzu  gewateten 
Hypothesen  verleiten  lassen  will.  Es  sind  eben  zu  einer  richtigen 
Beurtheilitn^'  des  bis  ]et/t  aus  Höchst,  Nied  und  Umgebung  vorliegenden 
Münzcnmateriali.  immer  zwei  Punkte  im  Auge  zu  behalten:  einmal 
der,  dass  die  Anzahl  der  wissenschaftlich  verwerthbaren  Mün/.en  nur 
eine  vcrhaltnissmassiu  geringe  ist  und  ferner,  dass  alle  diese  Münzen 
nicht  planmassigen  und  erschöpfenden  Ausgrabungen  entstammen. 


'  S.imnitlichc  darin  .luft^cfüliric  Mimzen  kenne  ich  aus  Autopsie  und  habe  ich 
selbst  bcNtiinmt  mit  Ausnahme  Jcr  im  Museum  Wiesbaden  und  ir;  Jer  I,u;;cnbuhr- 
sdicn  .Sammlung  befindlichen.  Doch  hat  mir  Herr  Dr.  FIorschQtz  treundhchst  ein  Ver- 
zeidiiiiss  der  in  beiden  Sammlungen  vorhandenen,  für  mich  in  Betracht  kommenden 
Münsen  zur  Verfikgung  gcstelh,  worin  dieselben  nach  Bestimmung  n  des  stets  sorg- 
fältig arbeitenden  Herrn  Isenbeck  .iufL'Cf'fihri  sind;  Idt  li.ibe  tiic^es  \'cr/ei^:hIn^s, 
welches  nach  der  ersten  Aut  läge  von  Cohen  citirt,  nach  der  zweiten  /Vuriage  dieses 
Wcrkei  umgeändert.  Ebenso  wie  Ur.  Florschütz  gebe  auch  ich  —  in  Klammern 
hinter  der  Beschreibung  —  jedesmal  die  Katalognummem  der  im  Museum  zu  Wies^ 
baden  befindlichen  Exemplare. 

*  Für  wichtige  Mittheilungen  bezüglich  dieser  Münze  sowie  der  Nummern  55 
und  60  spredie  ich  Herrn  Prof.  Pick  auch  hier  meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 

'  Herrn  Wehoer  bin  icli  ausserdem  fax  Überwachung  der  Reproduktions» 
arbeiten  tu  lebhaftestem  Danke  verpflichtet 


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—  $66  — 


sondern  einzelnen,  gelegentlich  gemachten  Funden.  Erst  wenn  die  fu 
die  nächste  Zeit  in  Aussicht  genommenen  grösseren  undsystematischei 
Ausgrabungen  daselbst  zum  Abschlüsse  gelangt  sein  werden,  ers 
dann  wird  man  durch  Heranziehung  des  gesammtm  Münzenmateriale 
zu  bedeutenderen  und  endgültigen  Resultaten  gelangen  können. 

Immerhin  lassen  sich  auch  jetzt  schon  zwei  Ergebnisse  als  ge 
sichert  betrachten: 

1.  Bei  einer  genaueren  Betrachtung  des  Verzeichnisses  No.  J 
muss  es,  wie  schon  oben  angedeutet,  aufiEallen,  dass  siel 
zwischen  der  Münze  des  Alexander  Severus  (no.  36)  un- 
denen  Constantins  I  (no.  38  ff.)  eine  grosse  Lücke  finde 
(der  eine  ref^i  us  no.  37  kommt  dem  gegenüber  kaum  it 
Betracht).  Diese  Lücke  kehn  nun  aber  regelmässig  wieder  ii 
sämmtlichen  Verzeichnissen  der  Münzfunde  an  Limesplätzen. 
Zuletzt  hat  Herr  Prof.  Wolff  in  seiner  Abhandlung  »Römisch 
Totenfelder  in  der  Umgebung  von  Hanau«  (Westdeutsch 
Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Kunst  II  (1883)  H^*^  4  P^g-  4^6  tf.)  au 
diese  Thatsachc  hinuewiesen  und  dafür  a.  a.  O.  eine  ausser 
ordentlich  ansprechende  HrklärunL'  .luf  Grund  der  damalii^ci 
H;indclsvcrhaltnissc  t^t\i;cben.  Seine  Vernnuhung  erhalt  durcl 
unsere  Zusamnicnsicllung  der  in  Höchst  etc.  gefundenci 
Münzen  ihre  volle  Bestätigung. 

2.  Ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  dass  sämmtliche  Stellen,  ai 
welchen  bis  jetzt  Munzfunde  gemacht  sind,  in  einer  Rtchtuni 
von  Ost  nach  West  liegen  und  zwar  dermassen  in  gerade 
Linie,  dass  die  Vermuthung  gerechtfertigt  erscheint,  es  se 
dort  eine  römische  Strasse  zu  suchen.  Herr  Prof.  Wolff  is 
auf  Grund  anderer  Beobachtungen  zu  derselben  Annahnw 
gelangt  und  ein  Stück  dieser  Strasse,  genau  in  der  ange 
gebenen  Fluchtlinie  liegend,  ist  auch  wirklich  früher  zu  Tagt 
gekommen  in  dem  Hofe  des  Herrn  Eisenhandler  Brende 
gehörigen  Gebäudes  (Ecke  Hauptstrasse  und  Homburgerstrasse 
bei  Erdarbeiten,  welche  unter  Leitung  des  Herrn  Seidel  daselbs 
stattfanden.  Der  Fundort  q  liegt  genau  in  der  Verlängerung 
dieser  Fluchtlinie  nach  Westen  zu. 


*  Der  Urostand,  dass  dies  bei  Gruppe  B  nicht  der  Fall  ist,  spricht  g^et 
ihre  Zuverliasigkeit  (vgl.  den  unter  no.  4  bei  Beleudituog  derselben  angefäbncr 
Grund)w 


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Nach  den  längs  dieser  Strasse  gemachten  Funden  darf 
man  schliessen,  dass  schon  in  der  frühesten  Kaiserzeit* 
Niederlassungen  daselbst  bestanden,  dass  solche  noch  in  der 
letzten  Zeit  römischer  Herrschaft,  ja  noch  sp&ter  dort  exiscirt 
haben  und  von  den  »unter  germanischer  Herrschaft  zurQck- 
gebliebenen  Romanen«  besiedelt  waren. 

Diese  beiden  Schlussfolgerungen  sind  meines  Eraclitens  die  ein- 
zigen, welche  mit  Recht  aus  den  oben  gegebenen  Zusammenstellungen 
zu  ziehen  sind;  alle  anderen  würden  zu  sehr  in  das  Gebiet  der 
Hypothese  'gehören  und  müssen  daher  unterbleiben.  Ist  es  doch  auch 
nicht  der  Zweck  dieser  Zus;\mmenstelUingen,  zu  epochemachenden 
Resultaten  r.u  führen,  sondern  der,  das  bis  jetjrt  in  Höchst,  Nied  und 
Umgebung  an  Münzen  zu  Tage  geförderte  Material  lest  zulegen,  es  zu 
retten  und  zugänglich  zu  machen  für  eine  wissenschaftliche  Ver- 
-werthung. 


'  Dass  die  an  den  beieichiieten  Fundstellen  entdeckten  Münzen  auch  wirklich 

zu  Rückschlüssen  auf  die  Zeit,  welcher  sie  ihrem  Gepräge  nach  4ngch(^ren,  berech- 
tigen und  dass  sie  nicht  etu;i  vpitcr  durch  irgcndwclclieti  /ul  ill  in  den  Bovien  gc- 
ratben  sind,  beweisen  die  FundLm):>tandc,  namentiicii  die  iiuisachc,  dass  samnitliclie 
Münzen  der  früheren  Zeit  in  einer  Tiefe  von  2—)  m,  die  der  späteren  meist  nur 
I  m  tief  gefunden  worden  sind. 


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Kleinere  Miitheiiungen. 


1.  Die  Anfange  der  Porzellan-Fabrikation  in  Frankfurt  a.  NL 

Von  Stadurdüvar  Dr.  R.  Joag. 


Als  17 II  Johann  Friedrich  BOttger  in  Dresden  den  Chinesen  die 

Fabrikation  des  Porsellans  nacherfunden  hatte,  entstanden  bald  eine 
ganze  Reihe  kleinerer  oder  grösserer  Manufakturen  in  Deutschland,  von 
denen  nur  die  Fabriken  von  Meissen,  Wien  und  Berlin  ihr  Dasein  bi« 
auf  un'^ere  Tage  fortführen  konnten.  Die  Meissener  Anstalt  war  dit 
Stammmutter,  ihre  älteste  To«  hier  war  die  W  iener,  die  Zweitälteste  dit 
Höchster  Fabrik.  Von  der  Bedeutung  der  Manutaktur  im  benarhiiarten 
Mainstädtchen  hat  vor  einigen  Jahren  Herr  Ern^t  Zais  in  einem  irefT- 
liehen,  schOn  ausgestatteten  Werke  eingehende  Nachrichten  gegeben,' 
von  der  Schönheit  ihrer  Erzeugnisse  können  wir  uns  an  der  stattlichen 
Anzahl  der  Höchster  Porzellane  in  unserem  historischen  Museum  noch 
heute  überzeugen.  Mit  berechtigtem  Stolze  mag  der  Frankfiirter  beim 
Anblicke  dieser  niedlichen  Figtlrchen  sich  erinnern,  dass  Frankfurter 
Unternehmungsgeist  und  Frankfurter  Kapital  die  Grtlndung  der  Höchster 
Fabrik  zu  verdanken  ist.  Die  hiesigen  Bürger  Johann  Christoph  GöU/ 
und  Johann  Felician  Clani«;  vereinigten  sich  1746  mit  dem  Techniker 
Adam  Friedrich  von  Löwenfint  ken.  dem  l.andsrnanne  Höltgers,  zur  An- 
legung der  Porzellanfabrik  in  Hörhst.  welche  die  zahlreichen  Neben- 
buhlerinnen in  der  unteren  Maingegend  weit  tiberragte.  Denn  gerade 
unsere  Gegend,  die  einerseits  den  Bezug  billigen  und  guten  Rohmaterials 
und  andereiseits  dank  ihrer  emsigen  Handelsthätigkeit  und  ihren  günstigen 
Verkehrsverhältnissen  den  leichten  Vertrieb  der  Erzeugnisse  gestattete, 
sah  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  eine  ganze  Reihe  solchet 
Manufakturen  entstehen  und  leider  auch  vergehen:  aus  der  nächsten 
Umgebung  seien  nur  Offenbach,  Kelsterbach,  Flörsheim,  Weissenau, 
Neu-Hanau,  aus  der  weiteren  Frankenthal,  Kassel,  Fulda,  Ludwigsburg 


'  Zats,  Die  Kurnuinziscfae  Porzellan-Msaufsktur  zu  Höchst,  ein  Bdtrag  zur 
Geschichte  des  deutschen  Kuns^ewerbes  (Mainz  1887). 


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genannt.'  Die  ältesten  dieser  Fabriken  wurden  noch  im  17.  Jahrhundert 
gegründet  und  swar  fOx  die  Hentelhing  von  Fayencen,  welche  der 
Sprachgebrauch  damals  ah  Porzellan  bezeichnete.  Erst  nach  Böttgers 
Erfindung  wurde  diese  BeflKchnung  auf  die  durch  ihn  berühmt  gewordene 
Masse  beschränkt.  Von  diesen  Ponellan*  oder  richtiger  Fayence>Fabriken 
entstanden  die  Hanauer  1661.  die  Kasseler  16S0. 

Nur  wenige  Tage  vor  der  Gründung  der  HanaucT  Fabrik  wurde 
auch  in  Frankfurt  der  Vcrsiu  h  gemacht,  die  Fabrikation  der  Fayence 
in  der  alten  Handelsstadt  am  Main  einzuführen.  Am  21.  Februar  1661 
wurde  im  Käthe  das  nachfolgende  Gesuch  vorgetragen  :  * 

Wollcdcll,  ge5.trc!ip,  edle,  vcst.  hochgelehrt,  wolfQr- 
Stchtig  undt  hochweisc,  insondcrs  grossgünstige,  hoch- 
geerte  und  gebietende  Herrn  Schulteiss,  Bfirgermdsier 
und  Rhade. 

Ew,  Wohledel  Gestrengen  undt  Herrlichkeiten  beliebe  Ihne  imi  Under- 
thcnigkeit  anbringen  /.u  besscn,  wass  mas«.en  wir  underschribene  aliiiesigc 
Einwohner  unss  entschlossen,  wann  es  tnic  i;w.  Wohledel,  Gestrengen  undt 
Herrlichkeiten  grossgflostigem  Conseos  zu  erhalteti  wdire  undt  uttss  auflf  die 
zweinzig  Jahr  sicherer  Freyheit,  dass  unss  kein  anderen  cinnichcn  Eintrag  thun 
dörffe,  neben  Verstattung  einer  hierzu  erfmdercnder  Few  erNStadtgerechtigiikcit 
undt  dass  der  Otien,  an  des«>eu  \'crici'tigung  überaus  viel  gelegen,  weil  solches 
fasset  Ort  Meistern  unbekandt,  garrcn  (?)  Hollendischer  Maarer  aufzurichten  unss 
verguDstiget  wurde,  dass  wir  alhicr  ein  Porcellcnbadcherey  annchten,  ein  gewisses 
Capital  hiezu  anwenden  undt  damit  Wagenuss  thun  wollten,  wann  allein  von 
Ew.  Woledcl,  Gestrengen  und  Herrlichkeiten  wir  bencben  discs  erlangten 
möchten,  dass  so  wohl  die  ienige  Materia,  so  wir  hierzu  gebrauchen,  undt 
Materiau  über  dass,  wo  mit  aeye  iezunder  belegt,  in  dass  kOniitig  mh  femer 
AuiTlag  nicht  beswhen,  alss  auch  unsern  Director  undt  dessen  Gesiodt,  denen 
wir  dieses  Negotium  acnvertrauwcn  möcliten,  gepen  Ivrlegung  eines  billichcn 
undt  erträglichen  Bcysictzsgeh  alhicr  gelitten  wurden,  dass  seyc  sonsten  anders 
geraeinncr  Statt  Bes werten  nicht  undcrwürthg  sein  mochten. 

Nachdemahlen  wir  dann  an  unserem  underthenigen  Ort  derf&r  gehalten, 
weiln  durch  dergleichen  Negotii  keinem  dnnkhen  Menschen  den  geringste 
Eintrag!)  oder  Naclitheil  mit  bescluchet,  hingegen  aber  Nahrungh  undt  Cewerb 
zu  der  Burgerschaäts  besten  vermehret,  benebens  auch  gcnjeinen  Stadt  Khumb 
und  Aufnehmen  hiedurgh  befordert  wirdt,  dass  Ew.  Woledel.  GföUcngcn 
und  Herrlichkeiten  zu  obverstandcnncr  VergQostigung  nicht  al^eneigt  sein 
möchten. 

Weshalben  Ew.  Woledcl.  (»e^trengen  undt  Herrlichkeiten  wir  hiemit 
gehorsaroblich  ansuchen  wollen,  die  geruhen  grossgünstig  unss  nicht  allein  zu 
verstatten,  dass  wir  in  alhiesigem  Tcrritorto  ein  dergleichen  PorceUain>Backcrey 
anrichten,  ein  Inerau  bequemliches  Haus  bestehen  undt  unss  der  Feuwers» 


'  Leber  die  Fabrik  am  letztgenannten  One  vgl.  PfcilTer,  Die  Ludwigsburgcr 
Poraellaniabrik,  in  den  WQrttembergischen  Vierteljahrshdten  für  Landesgeschtchte, 

Neue  Folge,  I,  241  tT.,  woselbst  reichliche  Anmerkungen  Ober  die  Litteratur  zur 
Geschichte  der  einzelnen  F.ibriken  zu  linden  sind. 

'  Rathssupplikaiionen  des  Stadiardiivs  I,  Jahrgang  1661. 

34 


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—  370 


Gerechtigkeit  bedienen  mögen,  sondern  iinss  bcvelen  mit  solchem  Privile^ie  unJt 
i  ryheidt,  dass  in  denen  neclisi  nach  einander  folgende  zwcintzich  Jahren  der 
gleiclien  Gewerb  aihier  Niemant  sonsteo  gebrauchen  und  aentange  möge,  ai» 
dass  auch  die  Materia  andt  Materiate  höcher,  alss  ietdcbf^  Zdt  beschicbt. 
nicht  ferner  beleght,  dann  auch  unser  Dircctor  undt  Gcsindt  gegen  F.rlcgung 
eines  biI!i,;Jien  undt  crtragliclK-!  Schu;/i;clis  f're\  wuhnen  undt  gelitten  u-crda: 
möchten,  verseilen  unJt  bitten  auch  unss  dcs^wcgcn  einen  schrifftlichcii  Schciti 
schleunigst,  sinienialil  ^ich  die  Arbeytsknecht  ehistcu  Tlugcn  aul  die  Rcisj» 
erheben  werden,  eftheiten  zu  lassen,  diesem  obrigkeitlichen  Favoor  sein  umb 
Hw.  Edel.  Gestrengen  undt  Herrlichkeiten  wir  andernwertigh  in  Underthenidi- 
keidt  erbietig  undt  willigst,  alss  wir  ohne  dem  verbleiben 


Es  handelte  «r.h  somit  um  die  Einführung  eines  ganz  neuen 
Gewerbes  in  die  Stadt«  für  welches  die  Bittsteller  auch  ganz  besondere  Ver- 

i^Unstigungen  seitens  des  Rathes  beanspruchen.  Die  wichtigste  dieser 
Vergünstigungen  ist  der  monopolistische  Betrieb  auf  die  Dauer  von 
20  Jahren,  der  das  junge  Unternehmen  vor  jeder  Konkurrenz  «rh(tt/er 
sollte :  weniger  von  Bedeutung  und  fUr  den  Rath  Icii  hier  zu  erfüllen 
sind  die  Gesuche  um  eine  Feuerstätte,  um  billige  Sc  hutzlxdingungen 
für  das  Personal,  um  Versthonung  mit  Abgaben,  welche  das  Rohmaletial 
für  die  Fabrik  und  deren  Erzeugnisse  vcrtheuern.  Von  Interesse  ist  lOr 
uns  noch  die  Angabe  der  Gesuchsteller,  dass  es  zur  Errichtung  des 
Ofens  eines  holländischen  Maurers  bedarf,  dass  also  die  erforderlichen 
technischen  Kenntnisse  hier  und  in  der  Umgebung  fehlten. 

Auf  diese  Eingabe  fasste  der  Rath  den  nachfolgenden  Beschluss; 

Alss  Daniel  Rch.iu'c'  vor  sich  undt  im  Namen  Jacobus  von  der  Wallen 
gebetten,  ihnen  iISuc  eint-  Feucrsiäti  undr  Pi:rce!b!n-Backerc\  uff  20  Jahr  der- 
gestalt ^u  vergönnen,  dass  in  solcher  Zeit  dergleichen  keinem  andern  vergönnet 
undt  die  Arbdtere  bey  einem  leidlichen  Schutzgclt  geiasen  werden  aiödiien: 
sollen  sich  die  Herrn  Burgemieistere  der  Umbstände  mehrers  erkundigen  undt 
mh  ncchstem  referiren. 

Dieser  vorsichtige  Beschluss  des  Frankfurter  Rathes,  der  in  Hin 
sieht  auf  die  Begründung  einer  neuen  Industrie  in  der  Stadt  und  auf  die 
von  den  Unternehmern  geforderten  Gegenleistungen  des  (iemeinwesen«. 
nicht  ungerechtfertigt  erscheint,  wurde  von  P.ehaghel  und  seinem  Sc  hwager 
von  der  Walle  offenliar  al<  Ablehnung  uufgefassi.  Denn  nur  wenige 
Tage  später,  am  i.  Mar/.  i66i,  wandten  sie  sicii  mit  dem  gleichen  (le=iKbc 
an  den  Rath  der  Neustadl  Hanau.  Hier  hatte  sich  durch  die  in  der 
/weiten  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhunderts  erfolgte  Einwanderung 
zahlreicher  Wallonen  und  Niederländer  eine  bltlhende  industrielle  Thstig* 
keit  entfaltet,  welcher  die  Verwaltung  der  Stadt  wie  auch  der  I^andes* 
herr  allen  Vorschub  leisteten.  Die  Vorbedingungen  fbr  die  GrOadung 
eines  industriellen  Unternehmens  waren  hier  gleich  günstige  wie  in  der 


Rw.  Wolledel,  Cesfengen  undt  Herrlichkeiten 


underthemghe  gelujrsame  Scbutzverwante 
Daniel  Behaghd  in  meio  alss  meines  Swafers 
Jacobus  von  der  Wallens  Nähme. 


u 


Handelsstadt  am  Main,  die  Freiheit  in  der  Führung  eines  solchen  bei 
dem  Entgegenkommen  der  Behörden  eine  grossere,  die  Kosten  des 
Grunderwerbs  und  des  Baues  der  Fabrik  sowie  der  Lebenshaltung  der 
Angestellten  geringere.  Das  Gesuch  an  die  Stadt  Hanau,  nach  welchem 
die  Bittsteller  in  dieser  Sache  schon  verschiedene  Reisen  in  Sachen  ihrer 
Gründung  nach  den  Niederlanden  untcrnotntnen  hatten  und  auch  Ober 
ein  Kapital  von  6oon  fl  verfügten,  ging  auf  Oewährung  eines  Privilegs 
ftlr  die  alleinige  Fabrikation  auf  25  Jalire,  Zollfreiheit  fUr  den  Import 
der  Materialien  und  den  Kxport  der  Fabrikate,  Erleichterung  der  bürger- 
lichen Leistungen  für  das  Personal  der  Fabrik  —  also  ungefähr  dasselbe, 
was  die  Bittsteller  von  dem  Frankfurter  Rathe  begehrt  hatten.  Die 
von  diesem  mit  misstrauischer  Vorsicht  betrachteten  Unternehmer  wurden 
in  Hanau  mit  offenen  Armen  aufgenommen;  bereits  vier  Tage  nach 
Einreichung  des  Gesuches  wurde  von  dem  Grafen  Friedrich  Casimir  von 
Hanau  das  Privileg  unterfertigt,  kraft  dessen  Daniel  Behaghel  und  Jakob 
von  der  Walle  ihre  Fabrik  in  Neu^Hanau  gründeten. 

So  wurde  Frankfurt  in  der  Fabrikation  der  Fayence  von  der  kleinen 
Nachbarstadt  uberholt ;  aber  bald  darauf  muss  auch  hier  ein  derartiges 
Unternehmen  entstanden  sein.  Die  erste  Spur  einer  hiesigen  Porzellan- 
fabrik  findet  .si(  h  in  einer  Notiz  Lersners, '  laut  welcher  am  19.  Januar 
1713  ein  »Porcelain-Mahler  in  dem  Porcciain  HolTc  \  on  einer  Stiege 
abstürzend  \LTunglUt;kte.  Dieser  Porzellanhof  lag  auf  dem  (irundstttcke 
Lit.  B  No.  213  der  Stclzengasäc,  die  Erinnerung  an  ihn  lebt  noch  heute 
in  dem  Namen  der  nach  ihm  benannten  Gasse  fort.'  Nur  wenig  ist  Ober 
die  Geschichte  der  Fabrik  in  dem  Hofe  bekannt.  Noch  174t  wird  in 
diesem  eine  Fabrik  erwähnt,  aber  nicht,  was  diese  Fabrik  erzeugt.  Die 
Frankfurter  Porzellan^Fabrik  wird  in  den  dreissiger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  als  Konkurrentin  der  Hanauer  genannt.  In  der  1747 
erschienenen  Beschreibung  Frankfurts  von  J.  B.  Müller  wird  der  Fabrik 
nach  den  Seiden-  und  Tabak- Manufakturen  an  dritter  Stelle  gedacht: 
»Na«  h  diesen  ist  die  Tor«  ellain-l-'abric,  worinnen  vieles  Por<  ellain  wohl 
gemacht  und  vieler  Orten  hin  verführet  wird.«  1773  wird  .sie  nodi  als 
Konkurrentin  der  Hanauer  Fabrik  von  dem  BesitÄcr  derselben  in  einer 
Eingabe  an  seinen  Landesherrn  erwähnt.  In  den  1786-  1  /  öS  erschienenen 
Beschreibungen  der  Stadt  von  Moritz,  Faber  und  Gercken  wird  unter 
den  hiesigen  Fabriken  keine  Porzel1an>Fabrik  mehr  genannt;  sie  war 


■  Chronik  II,  825. 

'  Das  Bürgcr-Rcceptionsprotokoll  der  Neustadt  Hanau  m  1736  SAgt  von  dem 
Porzcllanbrenncr  Philipp  l-'riedrich  Lav  .  er  i^t  50  j.iliic  \ou  1  Luise  weg.  binnen 
welcher  Zeit  er  /u  iTanckfuri  in  dem  dasigen  l'orcellain-Hauss  gewesen«;  wenn  diese 
Angabe  wörtlich  genommen  werden  darl,  so  hätte  die  hiesige  Porzelbnlabrik  *»chon 
etwa  1706  bestanden. 

24* 


-   372  - 


alio  damals  bereits  eingegangen.  Im  Haadelskalender  von  1771  —  dem 
ältesten  mir  bekannten  —  werden  die  Porseltenwaaren-GesdiMfte  Carl 
fiebagel,  HöcUein,  Jordis  und  Dilges  au%ef)lhrt;  sie  handeln  mit 
Dresdener,  Ostindischen,  Frankenthaler  und  Höchster  Fabrikaten,  aber 
nicht  mit  Frankfurter.  So  ist  uns  von  der  hiesigen  Fabrik  ni«  ht> 
weiter  als  die  Existenz  in  der  ersten  Hälite  des  vorigen  Jahrhunden- 
bekannt,  (iern  wtlrden  wir  diesen  Mangel  an  Nachrichten  verschmerzen, 
wenn  wir  uns  noch  einiger  Krzeugnisse  dieser  vaterstädtischen  Industrie 
erlreuen  könnten;  solange  aber  die  Marke  der  Frankfurter  i-aunk  noch 
nicht  festgestellt  werden  kann,  sind  wir  lediglich  auf  Vermuthungen 
angewiesen. ' 

Wir  kehren  zu  den  zwei  Männern  zurück,  welche  1661  den  ersten 
Versuch  machten,  in  Frankfurt  eine  Pondlan-Fabrik  so  begründen. 
Beide  sind  interessante  Menschen. 

Die  Familie  Behaghel  gehörte  zu  jenen  Auswanderern,  welche  durch 
die  kirchliche  Reaktion  der  spanischen  Gewalthaber  um  die  Mitte  des 
sedissehnten  Jahrhunderts  gezwungen  wurden,  ihre  Heimath,  die  süd- 
lichen Niederlande  und  das  nördliche  Frankreich,  zu  verlassen.  Der 
Zuwachs  an  Bevölkerung,  welchen  diese  Auswanderung  dem  westlichen 
Deutschland  brachte,  war  zwar  gering  an  der  Zahl,  aber  reich  an  Werth 
und  Bedeutung.  Ueberall,  wohin  sie  sich  wendeten  und  ihre  Sonder- 
gemeinden begründeten,  rief  ihr  Gewerbfleiss  neue  Industrien  ins  I.el  en 
oder  gab  den  bereits  vorhandenen  einen  frisc  hen  Aufschwung.  Eine  der 
bedeutendsten  niederländischen  Kolonien  entstand  in  Frankfurt  .im  Main. 
In  dem  Verzeichniss  ihrer  Angehörigen  vom  &.  Juli  1560  finden  wir 
auch  »Nicles  Behagele,  Jaquemeyn  seyn  weyb,  1  raagt;a  bereits  am 
30.  April  hatte  er  den  BOrgereid  geleistet  und  das  Burgerbuch  nennt 
uns  auch  Sund  und  Heimath;  er  war  ein  Handelsmann  aus  Kemmel 
bei  Yperen.  Er  ist  bald  wieder  von  hier  verzogen;  1573  wird  er  nicht 
mehr  in  dem  Verzeichniss  sdner  hiesigen  Landsleute  erwähnt ;  von  den 
Schicksalen  dieses  Zweiges  der  Familie  ist  mir  tlberhaupt  nichts  bekannt. 
Einige  Jahre  vor  dem  ersten  Behaghel  war  auch  der  erste  Walle  nach 
Frankfurt  gekommen;  das  BUrgerburh  verzeichnet  unter  dem  13.  März 
1556:  Johann  und  Rupert  \on  Wall  aus  St.  '^h(>ma«^,  welche  beide 
dun  h  Heirath  mit  Burgcrstöchtern  das  Frankfurter  Bürgerrecht  erwarben. 
Diese  Familie  pflanzte  sich  io  Frankfurt  fort. 


'  Nur  vermuthlich  darf  ein  im  Historischen  Museuni  betindlicher  Fayence- 
Knig.  dessen  Boden  mit  »Johsna  Carl  Auer  174s  s  Fraokfurdi«  beieiefanet  ist  und 

Jer  einen  in  R'.iu  .uifgcni alten  Adler  mit  F  auf  der  Brust  trägt,  als  Erzcugniss  der 
hiesigen  Fibrik  betraciitct  weiden  -  L'cbcr  die  beiden  bedeutenden  Frankfurter 
Porzellanmaler  Kunuc  vgl.  Hüsgens  Artistisches  Magazin  S.  }j6  if.;  dass  sie  in  der 
hiesigen  Fabrik  gearbettct  haben,  in  nicht  bdtannt 


t$6»  fluchtete  Jakob  Behaghel  aus  der  Gegend  von  Nieukerken, 
Waraeton  und  Amuuiti^res,  welche  Städte  ebenso  wie  Kemmel  zwischen 
Yperen  und  Lille,  also  an  der  heutigen  Grenzscheide  zwischen  Belgien 
und  Frankreich  liegen,  nach  Norwirh  in  England  nnd  fand  hier  bald 
seinen  Tod.  Dessen  gleichnamiger  Sohn  aber  wanderte  1569  aus  Nieu- 
kerken  nach  Frankenthal  aus  und  gründete  hier  eine  Familie,  deren 
Zweige  sich  bald  auch  nach  Hanau  und  Frankluri  ausdehnten.  Ein 
Enkel  dieses  Jakob  Behaghel,  des  Gründers  der  Familie,  war  UDsn* 
Dmiel  BdiagheL  Er  wurde  am  18.  November  1625  in  Hanau  geboren, 
heiratbete  am  20.  Kai  1654  in  Mülheim  bei  Köln  Magdalena  v.  Blas- 
tricht  und  starb  am  15.  A^l  1698  in  Frankfurt  Hiesiger  Bürger  ist 
er  niemals  gewesen,  sondern  nur  Beisasse,  Scbuts verwandter;  seine 
beiden  Shesten  Brtlder  dagegen  waren  die  ersten  Behaghel,  welche  1638 
bezw.  1641  das  Frankfurter  Bürgerrecht  erwarben.  V^icl  ist  von  Daniel 
nicht  bekannt.  Seine  Mutter  war  16  v  '^r^  Hieronymus  Simons  van 
Alphen  aus  Köln  m  Hanau  eine  zweite  Ehe  eingegangen  ;  eine  Tochter 
aus  dieser  Verbindung,  Johanna,  heirathete  1655  Jakob  van  der  Walle 
aus  Rotterdam;  der  letztere  war  also  der  Gatte  einer  Stiefschwester 
Daniels  und  wie  dieser  niemals  Bürger,  sondern  nur  Beisasse  in  Frankfiut.' 
Aus  den  oben  roitgetheilten  Thatsadien  haben  wir  eifthren«  dass  und 
in  welcher  Weise  sich  die  beiden  Schwäger  zu  geschäftlichen  Unter- 
nehroungen  vereinigten* 

Bs  werde  hi^  noch  ein  kurser  Blick  auf  das  Schicksal  ihrer 
gemeinschaftlichen  Gründung,  der  Hanauer  Fayence -Fabrik,  geworfen. 
Nach  vierzehnjährigem  Betriebe,  im  Jahre  1675,  bewarben  sich 
Daniel  Behaghel  und  Jakob  \'an  d«T  Walle  bein^  Grafen  von  Hanau 
tun  die  Erneuerung  ihres  Privilegs :  in  iluer  Eingabe  sagen  sie, 
dass  die  Fabrik  zwar  der  Neustadt  Hanau  vielen  Vortheil  bringe, 
ihnen  selbst  aber  nur  einen  bescheidenen  Nutzen  getragen  habe.  Die 
Intriguen  ihres  Werkmeisters  Johann  Baly  brachten  ihr  Gesuch  zum 
Schdtem  und  verschafften  diesem  selbst  im  Jahre  1679  ^  Privileg  auf 
iq  Jahre.  Nach  Balys  und  seiner  Wittwe  Tode  erlangten  aber  1694 
Daniel  Behaghel  und  seine  Stieftchwester,  die  inswiichen  ihren  Gatten 
Jakob  van  der  Walle  verloren  hatte,  wiederum  das  Privileg.  Sie  und 
ihre  Erben  betrieben  nun  das  Geschäft  gemeinsam  bis  1727,  in  welchem 
Jahre  Daniels  Sohn  Abraham  und  Schwiegersohn  Gerhard  Bieben  ihren 


'  Ueber  die  Genealogie  der  vieiverzwcigtcu  i  amilic  Behaghel  gibt  deren 
sStammbucfa«  dngehcnde  Auskunft;  es  wurde  17 12  von  Isaak  B.  jua.  in  Frankfurt 

angd^  und  von  Karl  B.  jun.  ebenda  1744  fortgesetzt.  Auch  befindet  sich  noch 
eine  Faycncc-Piattc  mit  dem  Wappen  des  Geschlechtes,  welches  sich  der  Vater 
Isaaks  1710  aus  Holland  hatte  mittheilcn  lassen,  im  Besitze  der  Familie;  dir  Platte 
wurde  nach  der  Unterschrift  171 1  angefertigt,  das  Wappen  in  Farben  daraui  ein- 
gebrannt, wohl  dne  Arbeit  der  Hanauer  Fabrik. 


—    374  - 


Anthcil  an  Henrich  Sinions  van  Alphen,  den  damaligen  Besitzer  der 
van  der  VVaileschen  Hälfte,  verkauften.  Die  weitere  Creachidite  der 
Fabrik  gehört  nicht  hierher.' 

Und  noch  auf  einem  anderen  Gebiete,  das  vom  geschäftlichen 
Treiben  weit  ab  liegt,  treten  uns  die  beiden  Schwäger  als  innig  ver- 
bundene Genossen  cTit  j^ri^en,  Daniel  Behaj^hel  und  Jakob  van  der 
Walle  gehörten  zu  jeiicm  Kreise  f'roiiimcr  Seelen,  die  sirh  um  den  neu- 
berufenen Senior  des  Prediger-Ministeriums.  Dr.  rhilip))  lakol»  S|)ener, 
schaaricn.  Al.s  am  20.  AugiiMi  1677  V\ilbam  Penn,  der  bekannte 
Quäker-Apostel,  nach  Frankfurt  kana,  wurde  er  von  Jakob  van  der 
Watle  vor  der  Stadt  empfangen  und  hielt  dann  in  dessen  Wohnung 
eine  eindrucksvolle  Ansprache  an  die  versammelten  Gesinnungsgenossen. 
Fünf  Jahre  s|>äter  ging  aus  diesen  Kreisen  die  Frankfurter  Kompagnie 
hervor,  welche  in  dem  I^nd  Pensylvania  in  Aroerika,  dem  Besitztbume 
des  Quäkers,  Land  ankaufte  und  dasselbe  besiedeln  wollte.  Zu  den 
ersten  Mitgliedern  und  Landbesitzern  in  Amerika  gelierten  Jakob 
van  der  Walle  und  Daniel  Hcha;:hc!.  Sie  selbst  haf>en  freilich  die  alte 
W  elt  niemals  \  erlassen  ;  der  ( lesi  häftsfulirer  der  Gc-^cHm  h.ift  in  Amerika 
war  Kran/  i)aniel  IMstorius,  die  dortige  drtlndun^' Germantown.  die  erste 
deutsche  Ansiedelung  in  den  V  ereinigten  Staaten,  bildet  jetzt  emen  l'iieil 
der  Riesenstadt  Philadelphia.' 

Daniel  1-Jehaghel  und  seinem  bchwager  Jakob  van  der  V\aile  gebunri 
auf  alle  Fälle  das  Verdienst,  die  Porzellan*  oder  Fayence-Fabrikation  in 
Frankfurt  zuerst  in  Anregimg  gebracht  xu  haben.  Die  Familie  fiehaghel  ist 
seitdem  der  Porzellan^Branche  bis  auf  den  heutigen  Tag  treu  geblieben: 
sie  hat  die  Fabrikation  in  Frankfurt  einführen  wollen,  hat  sie  dann  in 
Hanau  mit  Erfolg  betrieben,  hat  schon  1771  das  grösste  Porzellan- 
Geschäft  in  Frankfurt  besessen  und  noch  heute  steht  die  Firma  J.  M.  Be- 
haghel  und  Söhne  an  der  Spitze  der  Frankfurter  Porzellan^Geschäfie. 


'  M.1U  vergleidie  darüber  die  oben  niehrtach  benutzte  Arbeit  von  Professur 
C.  A.  V.  Drach  in  der  »Deutschen  Töpfcnseitung«,  Jalirg.  XXI,  No.  42  ff. 

*  Vgl.  Seldenstickcr,  Die  erste  deutsche  Einwanderung  in  Amerika  und  die 

Gründung  von  Germantown  1685  (Pliiladclphia  iH8}).  —  Stricker,  Die  hktorischen 
Beziehungen  von  Frankfurt  zu  Nordamerika,  in  den  Mittheil unpcn  unserem  Vereins 
V,  266  ff.  —  Dechcnt,  Johann  Jakob  Schütz,  ein  Frankfurter  Liederdichter,  in 
nChriittiichcu  Welt«  1889  und  im  Kirchen-Kalender  für  die  cvang.-iuth.  Gciucinüe 
Frankfurt     M.  1S90. 


—   375  - 


s.  Lessinys  nMinna  von  Barnhelm''  und  „Freigeist"  auf  der 
Frankfurter  Bühne  in  den  Jahren  17O7  und  176S. 

Von  E.  MenUel. 

Das  bedeutendste  theatralische  Ereigniss  des  Jahres  1767  ist  das 
Erscheinen  von  Lessings  Lustspiel  »Minna  von  Barnhelm.«  Niemand 
hat  den  Werlli  dieses  Stückes  klarer  erkannt  und  gerechter  c^ewUrdigt  als 
Goethe.  Er  nennt  dies  Werk  »die  erste,  aus  dem  bedeutenden  Leben 
gegriffene  Theaterproduktion  von  specifisch  temporärem  (lehalt,  die 
deswegen  auch  eine  nie  /.u  berechnende  Wirkung  that.«  -  •  Matte  Lessing, 
als  er  zum  ersten  Male  htlrgerliche  Personen  in  das  deutsche  Schauspiel 
einführte,  den  steifen  Alexandriner  verschmähte  und  seine  Gestalten  die 
einfiAch  natttrliche  Sprache  des  Umgangs  reden  Hess,  in  »Miss  Sara 
Sampson«  eine  tragische  Familiengeschichte  auf  die  .Bahne  gebracht,  so 
gab  er  seinem  neuen  Werke  dadurch  eine  erhöhte  Bedeutung,  dass  er 
die  familienhaften  Motive  durchtränkte  mit  den  politischen  Elementen 
der  Gegenwart  und  den  Gegenstand  des  Lustspiels  zum  getreuen  Spiegel 
der  Zeitstimmung  werden  Hess.  So  ist  »Minna  von  Barnhelm«  wohl  ein 
bürgerliches  Lustspiel,  jedoch  zugleich  auch  ein  historisches,  ein  im 
edelrten  Sinne  patriotisches  Stück.  Aus  Lessings  eignen  Erlebnissen^ 
aus  seinen  unmittelbaren  Anschauungen  erwuchs  dies  Werk,  dessen 
lebendigen  Gehalt  die  Zeitgenossen  solort  herausfühlten. 

^'ic  1755  „Miss  Sara  Sampson«  einen  ganz  ausserordentlichen 
Erfolg  erlebte  und  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  die  Runde  (Iber  alle 
deutschen  Theater  machte,  so  bahnte  sich  au»  Ii  »Minna  \un  Üarnhelm« 
sofort  den  Weg  auf  die  meisten  Buhnen.  Bereits  1767  wurde  dat.  Stück 
in  Hamburg,  Berlin  und  Frankfurt  a.  M.  mit  grossem  Beifall  gegeben. 
Wie  man  bis  jetzt  mit  Sicherheit  annahm,  gebührt  Hamburg  die  Ehre,  das 
Sittck  suerst  auf  die  Bretter  gebracht  zu  haben.  Die  dortige  Vorstellung 
fand  muthmaasUch  unter  Lessings  Augen,  der  damals  Dramaturg  des 
Nationaltheaters  war,  am  28.  September  1767  auf  der  Bohne  desselben 
statt  Die  berühmte  und  berüchtigte  Frau  Hensel  spielte  die  Minna, 
EckhofT  den  Tellheini.  die  M^cour  die  Franzisca,  Borchers  den  WirUi. 
Auch  die  übrigen  Rollen  waren  in  guten  Händen.  Wann  die  erste  Auf« 
fuhrung  von  »Minna  von  Barnhelm«  in  Herlin  stattfand,  können  wir  nicht 
feststellen,  keines  Falls  ging  das  Stück  dort  \  or  dem  Heginne  der  Wintcr- 
saison  in  Scene.  Jedoch  erst  im  Frühjahre  1768  erlebte  dasselbe  in 
Berlin  seinen  durchsc  hlagenden  Erfolg.  Vom  21.  März  bis  Ende  April 
wurde  es  dort  dreissig  Mal  bei  stets  vollem  Hause  gegeben. 

Da  bisher  in  Frankfurt  keine  frtlhere  Aufführung  von  »Muiua  von 
Bamhelm«  nachzuweisen  war,  als  diejenige  von  Ende  Oktober  1767,  so 
durfte  man  mit  einiger  Sicherheit  annehmen,  dass  das  Lustspiel  hier  wohl 


-  - 


auch  nicht  eher  auf  die  Bühne  kam.  Nun  spricht  aber  ein  neuerdings 
aufgefundener  The«teraettel  fUr  eine  bereits  firtlher  erfolgte  hiesige  Auf» 
ftohrung  von  Leasings  Meisterwerk.  Ehe  wir  dies  fast  126  Jahre  alte 
Programm  in  buchsubengetreuer  Wiedergabe  folgen  lassen,  diene  Fol* 
gendes  su  seiner  Erlilaterung. 

Im  Frdhling  1 767  erhielt  der  Theaterdirektor  Josef  v.  Kurtz,  der 
die  Maske  des  oHcrnardono,  eines  tölpischen,  luderlichen  und  dem 
Srapino  in  der  italicnisc  lien  Komödie  verwandten  Gesellen  srhuf  und 
daher  den  Heinanien  »Bernardona  führte,  vom  Rathe  der  Reichsstadt 
Frankfurt  die  Erlaubniss,  auf  dem  Rossmarkt  ein  Theater  bauen  zu 
dürfen.  Die  Aufrichtung  dieses  für  die  damalige  Zeit  sehr  gut  ein- 
gerichteten bretternen  Musenlerapels  erregte  wegen  der  damit  verbundenen 
»Tügend*  und  Feuersgefahr«  bei  der  Nachbanchaft  grosses  Aergerniss, 
konnte  aber  trotz  mehrerer  Bittschriften  an  die  Väter  der  Stadt  nicht 
verhindert  werden.  Ehe  die  Ostermesse  begann,  war  die  «grosse  Hatte« 
fertigt  deren  Aufbaq  Kurts  nicht  weniger  als  5000  Thaler  gekostet  hatte. 
Zum  Entsetzen  aller  Anwohner,  besonders  eines  auch  als  Schriftsteller 
thätigen  Frankfurter  Advokaten,  Namens  Johann  Balthasar  Kölbele,  der 
den  Rath  immer  wieder  mit  dern  Ersuchen  bestürmte,  das  Niederrei-jern 
der  Hütte  zu  befehlen.  Miel)  diesel!>e  dorh  bis  Knde  Oktober  1767 
stehen.  Kurtz  hatte  .cute  KUrsiirerher  bei  den  \'ätern  der  Stadt;  besonders 
suchte  btin  hoher  (lönner.  der  Kurfürst  Emmerich  losef  von  Mamz. 
seinen  Einfluss  für  ihn  gellend  /.u  machen.  Ivurti  hclbst  war,  wie  schon 
oben  angedeutet  wurde,  ein  ausgezeichneter,  wahrhaft  genialer  Komiker, 
seine  Frau  Theresina,  eine  frühere  italienische  Tänserin,  leistete  als 
Columbine,  Harlekinnetta  und  als  Darstellerin  naiver,  lustiger  Rollen 
VorsUgliches.  Zu  dem  Personal  der  Kurtzischen  Truppe  zahlten  ausser- 
dem einige  sehr  tüchtige  Kräfte.  Wir  nennen  hier  nur  den  Heldendarsteller 
Bergobzoomer,  den  Charakterspieler  Waitzhoffer,  die  später  als  Madame 
Sacco  so  berühmt  gewordene  nemoiselle  Risrhar  (Ric  liard)  und  den  jungen 
Friedrich  1-udwig  S<  hröder,  welcher  letztere  kurz  vor  der  Ostermesse  von 
Kurtz  in  .Mainz  als  Tänzer  und  Schauspieler  engagirt  worden  war. 

Cilei«  Ii  nach  Ostern  1767  wurde  die  neue,  mit  allen  möglw  hen 
Maöcliinenen  und  sonstigen  dekorativen  Hulfsmitteln  fUr  die  damalige 
Zeit  prächtig  eingerichtete  Buhne  eröffnet.  Die  erhaltenen  Kurtzischen 
Theaterprogramme,  welche  Vorstellungen  vom  April  bis  Ende  Oktober 
1767  anktmdigen,  sind  grosse  Plakate,  die  leider  nicht  den  Tag  der 
Auffahrung  angeben.  Stets  findet  sich  auf  ihnen  die  damals  Qbliche 
Form:  »die  Bühne  wird  eröffnet  und  auf  derselben  aufgeführt,«  welche 
Bemerkung  leicht  zu  dem  irrthUmlichen  Schluss  verleiten  kann,  als  ob 
die  betreffende  Vorstellung  das  £rÖffnungsstttck  der  Saison  gewesen  sei. 
Hiervon  ist  also  abzusehen. 

^^  ie  eine  Anzahl  neu  autgefundener  Theaterzettel  beweist,  gab 
Kuitz  wahrend  seines  Aufenthaltes  in  Frankfurt  in  den  Jahren  1 767  und 


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1768  viel  mehr  Schau-  und  Lustspiele,  als  seither  aus  Mangel  an  Nach* 
richten  angenommen  werden  konnte.    Freilich  pflegte  er  daneben  die 

Bourleske,  das  Stegreifspiel  und  die  Bemardoniaden.StUcke,  in  denen  er  meist 
durch  komische  Eingebungen  des  Augenblicks  das  Publikum  zu  stürmischem 
Beifall  htnriss.  Auch  auf  jedes  ernste  Stück  folgte  ein  lustiges  Nachspiel 
oder  ein  pantoniimisrhes  Ballet,  in  welchen  beiden  der  Harlekin  stets 
seine  tollen  Possen  trieb.  Im  Jahre  1767  brac  hte  Kurt/  verschiedene 
Neuheiten  auf  die  hiesige  Bühne,  die  erst  kurz  vorher  im  Hamburger 
Nationaitl»e<iter  gegeben  worden  waren.  Vm  diesen  Novitäten  zählte 
auch  Lessings  »Minna  von  Bamhetm.«  Wie  Direktor  von  Kurtz  aber 
auf  dem  Zettel  bekannt  macht,  ftihrte  er  das  Stüde  Überhaupt  zum  ersten 
Male  auf,  war  dies  bis  dahin  in  keinem  anderen  Orte  gegeben  worden. 
Die  Frage  ist  nun,  ob  Kurts  es  wagen  durfte,  mit  einer  haltlosen  Be- 
hauptm^  Reklame  zu  madien,  oder  ob  er  ihatsächlich  die  Wahrheit  be> 
richtete?  Da  der  Zettel  kein  Datum  trägt,  so  lässtsich  dies  heute  nicht  mehr 
entscheiden,  allein  so  viel  steht  fest,  dass  eine  derartige  Bekanntmachung 
den  hiesigen  Theaterdirektor  in  eine  peinliche  T.agc  hätte  bringen  können, 
in  Hamburg  lebte  ja  der  Dichter,  der  ihn  leicht  zur  Rerhenschaft  ziehen 
kcmnte  und  ohne  dessen  Genehmigung  eine  Auffuhrung  der  »Minna  von 
Barnhelma  in  Frankfurt  gar  nicht  denkbar  war.  Uebrigens  macht  auch 
der  ganze  Ton  des  Zettels  den  Eindruck  der  Wahrheit,  er  lässt  sogar 
den  Schluss  su,  dass  Kurtz  Ober  die  Entstehungsgeschichte  des  I^istspiels 
genau  unterrichtet  war.  Das  Programm  zur  ersten  Frankfurter  Vorstellung 
desselben  lautet  folgendermassen: 

Mit  gnädigster  Bewilligung 
Eines  Hodiedlen  und  Hodiweisen  Magistrats  der  Kayscrl.  Wahl-,  Freien- 
Reichs-  und  Handel-Stadt  Frankfurt 
Wird  heute  unter  der  Direktion  des  Herrn  Josephs  von  Kurtz,  als  Entrepreneur, 

Die  neu-erbaute  Schaubühne 
erOfnet  und  auf  derselben  aiifföhren: 
Hin  ganz  neues,  hier  und  an  keinem  Ort  noch  vorgestelltes 

Lust-Spiel, 

In  ungebunJner  Rede  und  fünf  Aul/uqen. 
Nur  vor  unsre  Hohe,  gnädig  und  geneigte  Gönner  und  Kenner  unsrer  Schaubune 

Auf  diesen  Tag  aufbdulhen; 
Bedtielt: 

Minna  von  Barnhelm, 

oder 

Das  SoidateuglucK. 
Von  Gotthold  Ephraim  Lessing. 
Personen : 


Major  von  Tellheitn,  verabschiedet   Herr  Waimhofler. 

Minna  von  Bamhclm   Madn«  Rischarm. 

Graf  von  Bruchsall.  ihr  Oheim   Hr.  Grünberp. 

Fraiiciska,  ihr  Mädchen   Madame  von  Kuru. 

Just,  BeiScnter  des  Majors   Hr.  Köppc 


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Paul  Werner,  gewcsoier  Wachtmeister  des  Majors    ....    Hr.  BergdMOonier. 


Wir  liefern  unsem  Hohen,  gnäJig  und  geneigten  Gönnern  und  Kennern 
von  imsrer  Schaub&hnc  ein  Meisterstück  des  Herrn  GotthoM  Ephrum  Lesang. 

M.in  sieht  und  liört  in  dem  ganzen  Stück  nichts  Geborgtes,  sondern  eine  soldatiichc 
Denkimgsnrt,  die  sich  selbst  /i:  einem  Original  m.ichct.  Die  C.ir.ictcur'-  «-ind  dj-ch- 
aus  vollivOniiuen  und  sciion  geschildert:  der  Major  ein  verdienätvuilcr,  dudi  durch 
Armuth  verunglückter  Mann,  zeigt  einen  edlen  Cacacteur,  ohne  Prahlerey;  Minna 
von  Bamhelni,  ein  junges  Fräulein,  aus  Sachsen,  xejgt  3ir  Ichhaftes  und  nach  ilirer 
angebohmen  Landesart  schertzvollcs  und  munteres  \Ve«;en;  Fr.mcisli.i  cii  .erliebtes 
und  geschwätziges  .Vlagdgcn,  hat  der  .\utor  auch  vollkommen  nach  Saciiseu  gebildet. 
Paul  Werner,  ein  rcchtsclutTner  zärtlicher  Mann,  der  vor  seinen  Major  Gut,  Blut 
und  Leben  opfern  will,  schildert  der  Verfasser  als  einen  edlen  und  redttsdufinen 
Freund  und  guten  Soldaten;  Soy  wie  die  Rolle  des  Justs,  der  seinen  Herrn  aodi 
in  dem  L'nt^lück  nicht  verlassen  will:  Der  ('haracteur  de«»  Winhs,  eines  intriguantcn 
Mannes,  hat  der  Autor  voiikommei],  nadi  emigen  aul  dergleichen  Art  m  der  grosM;ii 
Welt  »ch  beAndendc,  geschildert.  Das  Stikb  ist  abwechsekid  und  voll  UamUung. 
die  Natur  vollkommen  nachgeahmet,  und  die  Redensart  Poetisch  —  Prosaisdi,  ein 
Stil,  an  welchem  uns  bereits  ein  (;c«'>ner.  ein  Wieland,  ein  Gcrstetibcrg,  ein 
Schmidt  etc.  und  .uulerc  gelehrte  ^l.iniier  CJc^chni.ic!-;  ni  finden  ^^elehn  haben. 
Unser  Lob  wird  nicht  hinreichend  scyn,  das  gebührende,  dem  Verlasser,  zum  Lohu 
seiner  Verfassung,  zu  geben,  seine  MSihe  su  vergelten,  da  er  4  J«hre  das  Stück 
liegen  gelassen,  um  täglich  mit  neuen  Schönheiten  2U  verbessern;  Ndn  ein  all- 
gemeiner Ikyläll  miiss  ^ei:ic  Arbeit  krönen 

Wir  haben  also  heute  die  f!hre,  /um  crsienmale  dieses  Stück  aufzutührcn, 
und  unsem  Hohai,  gnädigen,  geneigten  Gouner  luid  Kciutcr  damit  tu  unterhalten. 
Em  Stück,  wo  wir  uns  schon  mm  Voraus  nicht  wenig  einbilden:  aber  was  werden 
wir  uns  nicht  erst  einbilden  f  wenn  wir  und  das  Soldaten>Glück  von  unsem  Hohen, 
gnädigen  und  geneigten  (Sönnern  und  Kennern  sind  mit  einem  Laut,  mit  einem 
gnädigen  Beyfall  autgenommeu  wurden. 


Preis  deren  Plätze: 

Loge,  im  ersten  und  anderen  Rang  j  4  Personen  4  H.;  Gallericn,  im  ersten 
und  anderen  Rang  die  Person  i  fl.;  im  Parterre  die  Petton  10  Batten,  im  dritten 
Rang  die  Person    Batzen  und  im  fünften  Rang  die  Person  $  Batzen. 

Der  Eingang  in  das  llieater  von  der  Cnssa  aus  in  dk  erste  und  andere 
Gallerie,  wie  auch  denen  Trogen  i.st  rechter  Hand.  Zu  der  dritten  und  vierten 
Galleric  aber  i:>t  er  linker  Hand.  Zu  Ende  des  Schauspiels  werden  aut  beiden  Seite; 
Tbüren  eröflhet,  damit  man  desto  be<]u«ner  aus  dem  Schauplatz  kommen  liaiui. 
Die  Billieter,  welche  man  auf  den  heutigen  Tag  ablangen  lisaet,  werden  den  andern 
nicitt  prashvt. 

N.  ß.  Auf  d.ts  l  Iteater  wird  niemand,  weder  bd  der  Probe,  noch  währcndau 
Schauspiele  mit  oder  ohne  Geld,  gelassen. 


Hin  Gastwirth     .  . 
Line  Daotc  in  Trauer 
Ein  Feldjiger  .  .  . 


Mad.  Koppe. 


Hr.  M.ivcr. 


Herr  Pul. 


Nachriclit : 


Den  gänzlichen  Beschluss  machet  ein  neues  Ballet: 
Genannt : 

Die  eifersüchtigen  Bauern. 


u 


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Die  Logen -Schlüä:»cl  ünd  zu  bekommen  auf  der  grossen  Gollcngassen 
Lit.  B.  Nr.  6.  in  des  Hrn.  Hauptmann  von  Kahlden  Behausung,  bey  dem  Herrn 
Entreprcncur. 

Der  Sc)i.uipl.it/  ist  auf"  dem  Rossmurkt,  in  dem  ncuerbaulen  Comoiddieil« 
Hauss.   N.  B.   Der  Anlang  ist  gewiss  mit  dem  Schlage  6  Uhr. 

Da  sich  im  Laufe  des  Oktober  noc^  zwei  Aufführungen  von  »Minna 
von  Barnhelm«  auf  der  Kurtzischen  Bühne  nachweisen  lassen  und  an- 
genommen werden  darf,  dass  mindestens  acht  Tage  zwischen  jeder 
dieser  Vorstellungen  liegen,  so  muss  das  Lustspiel  zum  ersten  Mal 

entweder  Ende  September  oder  Anfangs  Oktober  in  Frankfurt  gegeben 
worden  sein,  l^is  in  die  achtziger  Jal^e  des  vorigen  jahrluinderts 
kommt  es  nämlic  h  hier  nicht  vor,  dass  ein  Sttlelt  an  mehreren  Abenden 
hintereinander  aut  die  Htlhne  gelangte.  Dies  verbot  damals  die  RiU  k- 
sieht  auf  das  \  erlüilinissnuii5.sig  nit  lu  sehr  grosse  PiibHkuiu,  das,  wie  die 
verschieden.sten  Wanderprinzipalc  in  Bittschriften  an  den  Kall»  äussern, 
nur  zu  befriedigen  war,  wenn  es  jeden  Abend  etwas  Neues  gab.  Lessings 
»Minna  von  Bamhelm«  muss  also  einen  grossen  Erfolg  in  Frankfurt 
errungen  haben ;  denn  sonst  h&tten  nicht  in  einigen  Wochen  »auf  vieles 
Verlangen«  drei  Vorstellungen  davon  stattgefunden.  Die  Besetzung  der 
Rollen  ist  stets  die  gleiche.  Es  fehlt  Riccaut  de  la  Marlini^re,  dessen 
Partie  jedenfalls  gestrichen  war,  weil  keiner  der  Schauspieler  die  fran- 
zösische Sprache  beherrschte.  Der  junge  Friedrich  Ludwig  Schröder 
!^rach  zwar  gut  französisch,  allein  er  unterzog  sich  im  Herbste  1767 
einer  Kur  bei  einem  hiesigen  Arzte.  Dr.  HofTmann,  weither  l'mstand 
muihtnasslich  mit  dem  Fehlen  der  Rolle  zusammenhängt.  Alu  r  Schröder 
hielt  sich  doch  in  Frankfurt  auf,  er  wurde  zweifellos  von  seiner  Mutter 
und  seinem  Stiefvater  A(  kermann  Uber  die  ihcalralischen  ^'orgänge  in 
Hainl)urg  genau  unterrichtet  und  würde  sicher  bei  seinem  gerechten  und 
muthigen  Naturell,  wie  es  ja  auch  bei  einem  anderen  Anlass  vorkam, 
gegen  sdnen  Direktor  aufgestanden  sein,  wenn  dieser  die  Ankfhidigung 
der  allerersten  Aufmhrung  eines  Lessing'schen  Werkes  grundlos  in  die 
Welt  geschleudert  hfttte.  Es  ist  auch  kaum  denkbar,  dass  Kurtz,  der 
sonst  für  einen  sehr  vorsichtigen  Mann  galt,  eine  solche  Behauptung 
gewagt  haben  sollte,  wenn  er  nicht  den  Beweis  der  Wahrheit  antreten 
konnte.  Dies  wttre  eine  Reklame  gewesen,  die  ihn  leicht  um  die  Gunst 
»der  geneigten  Gönner  und  Kenner«  seiner  Schaubühne  hAtte  bringen 
können.  Gab  es  doch  gerade  zu  jener  Zeit  eine  grosse  Anzahl  an- 
gesehener Personen  in  Frankfurt,  die  sich  für  alle  neuen  Hühnenwerke 
sehr  interessirten  und  au<  h  Uber  die  Vorgänge  an  anderen  Theatern 
genau  unterrit  htet  waren.  Dass  aber  Herr  son  KLurtz  von  der  .\uffuhrung 
der  »Minna  von  Barnliciju«  in  Haniburg  nichts  gcwusst  haben  sollte, 
ist  völlig  ausgeschlossen.  Er  unierhielt  lebhafte  V^erbindungen  mit  dort, 
hatte  ausser  Schröder  noch  einige  Hamburger  Schauspieler  bei  seiner 
Truppe  und  bewies  durch  gelegentliche  Improvisationen  in  den  Possen 


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dass  er  das  BtthDenleben  an  anderen  Theatern  genau  kannte.  Als  ein 
weiterer  Beweis  iUr  die  Wahrheit  der  Ankündigung  »ein  gana  neues, 
hier  und  an  keinem  anderen  Ort  vorgestelltes  Lustqiielc  durfte  folgende 
Thatsache  gelten.  Kurtz  bemerkte  es  immer  auf  den  Zetteln,  wenn  die 
Novitäten,  die  er  brachte,  bereits  auf  anderen  Buhnen  anr  AufiUhning 
gelangt  waren.  Zum  Beispiel  finden  sich  auf  den  Programmen  zu  den 
Lustspielen  »Der  blinde  Ehemann«  von  Krüger.  »Solimann  der  Zweite« 
von  Favart  und  »Das  Cafe-Haus«  von  Hume  Mittheihmgen  über  den 
Beitali,  welchen  diese  Stücke  bereits  an  anderen  Orten  erzielten.  Auch 
der  Zettel  su  dem  Lustsi)iel  »Medon  oder  die  Rache  des  Weisen«  von 
Professor  Clodius  in  Lcij^zig  erhillt  den  Vermerk :  acfies  Stock  hatte  das 
GlOck  in  Mainz,  wie  an  jedem  Ort,  wo  es  vorgestellet  wurde,  mit  einem 
gnädigen  Bei&ll  aufgenommen  zu  werden.« 

Es  durfte  also  kaum  noch  ein  Zweifel  darQber  walten,  dass  Frank- 
furt a.  M.  diejenige  deutsche  Stadt  gewesen  ist,  in  der  »Minna  von 
Bamhelm«  zuerst  Uber  die  Bretter  ging.  Um  so  mehr  gewinnt  diese 
Annahme  an  Wahrscheinlichkeit,  als  Lessings  Verhältnis';  ?um  National- 
Theaier  in  Hamburg  damals  bereits  einen  gereizten  Charakter  trug  und 
es  ihm  jedenlails  nicht  s<  hwer  werden  Hess,  das  Recht  der  ersten 
Auffuhrung  einem  auswärtigen  Theater  zu  uberlassen.  Zudem  war  die 
von  Kurtzische  Gesellschaft  eine  der  angesehensten  Wandertruppen,  und 
Frankfurt  selbst  eine  Stadt,  deren  Bedeutung  Air  das  deutsche  Bllhnen- 
leben  längst  anerkannt  war.  Freilich  wären  noch  mehr  Beweise  fllr 
die  Premiere  der  »Minna  von  Bamhelm«  in  FrankAiit  zu  wflnsdien. 
hoffentlich  werden  dieselben  auch  noch  gefunden.  Glauben  wir  aber 
Kurtz  einstweilen  unbedingt,  halten  wir  jeden  Zweifel  an  seiner  An* 
kUndigung  fur  ausgeschlossen,  dann  sind  es  beinahe  126  Jahre,  dass 
»Minna  von  Bamhelm«  in  Frankfurt  a.  M.  zum  ersten  Male  in  Deutsch» 
land  aufgeftihrt  wurde. 

Seit  der  Premiere  von  »Minna  von  Barnheim«  scheint  man  hier 
der  Auffuhrung  Lessing'scher  Dramen  mit  grosser  Spannung  entgegen 
gesehen  zu  haben.  Dies  beweisen  nicht  nur  die  weiteren  Vorstellungen 
des  »auf  vieles  Verlangen  wiederholten,  hier  zum  erstenmahle  gegebenen 
Lustspiels,«  sondern  auch  die  Darstellung  von  Lessings  Jugendwerk 
»Der  Freigeist«.  Zwar  wurde  dies  Stack  nicht  mehr  1767  in  dem 
brettemen  Theater  auf  dem  Rossmarkte,  vielmehr  erst  in  der  Ostennesse 
des  folgenden  Jahres  in  dem  grossen,  ftlr  musikalische  und  theatralische 
Zwecke  in  damaliger  Zeit  vielbenutzten  Saale  im  Junghofe  aufgeführt. 
Obwohl  sich  Direktor  von  Kurtz  eifrig  beim  Rathe  bemühte,  auch  in 
der  Ostermesse  1768  seine  geräumige  und  im  Innern  prächtig  ausgestattete 
Hude  auf  dem  Rossmarkte  wieder  aufrichten  zu  dUrten,  gelang  es  ihm 
doch  diesmal  nicht,  den  Einfluss  der  Gegner  dieses  Unternehmens  zu 
Uberwinden.  Aber  trotz  der  Beschränktheil  des  Lokales  und  der  ver- 
hältnissmässig  sehr  hohen  Abgabe,  die  KurU  an  den  Besiuer  des  Saales 


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im  Junghof,  den  Oberst  von  Bienentfaal,  entrichten  sollte,  fligte  er  sich 
doch  dem  fllr  ihn  höchst  unangenehmen  Bescheid  des  Rathes  und 
erOfinele  »die  Schaubahne  im  Junghof«  beim  Beginne  der  Ostenneise 
1768  mit  dem  von  Johann  Benjamin  GrOnberg,  einem  Mitgliede  der 
Gesellschaft,  verfassten  neuen  Vorspiele  »Der  Reiz  des  Frühlings  oder 
die  an  dem  Ufer  des  Majrnstrohms  opfernde  Schauspielkunst«.  Diesem 
scenischen  Prolog,  der  »auf  einem  herrlich  aiis^^eschmückten  und 
beleuchteten  Schauplatz  unter  'i'rompeten-  und  l'aukenschalhc  aufgeführt 
werden  sollte,  folgte  das  rührende  Lustspiel  »Die  Freundschaft  auf  der 
Probe«  von  Christian  Felix  Weisse.  Bald  nach  der  EruiiViung  der 
Kurtzischen  Schaubühne  m»  Junghofe  muss  dann  die  Vorstellung  von 
Lessings  Lustspiel  »Der  Freigeist«  stattgefunden  haben.  Elf  Jahre  frtther 
hatte  die  Ackermännische  Gesellschaft  das  Stock  schon  zweimal  während 
der  Oster*  und  Herbstmesse  hier  gegeben,  doch  diese  Aufführungen 
«cheinen  ganz  in  Vergessenheit  gerathen  zu  sein.  Wenigstens  wuaste 
Direktor  von  Kurtz  nichts  davon ;  denn  er  kündigte  Lessings  Erstlings- 
werk in  der  Ostennesse  176S  für  Frankfurt  als  eine  Novität  an.  Wie 
schon  oben  erwähnt  wurde,  sind  sämmtliche  Theaterprogramme  der 
\  on  Kurtrisrhen  Trn|>pc  datumlo.s,  auch  der  Zettel  zum  »Freigeist«,  den 
wir  mit  dem  Vermerk  hier  folgen  hissen,  dass  er,  wie  aus  seinem 
Druck  und  seiner  Faföung  hervorgeht,  sicher  aus  dem  Jahre  1768 
stammt. 

Mit  gnädigster  Bewilligung 

Eines  Hochedlen  und  Hochweisen  Magistrats 
der  Kaiserl.  Wahl-  Freien  Reichs-  und  Handels-Stadt  Frankfun 

Wird  heute 

Von  der  von  Kurtzischen  Gesellschaft  vorgesieliet 

Ein  neues  althier  noch  niemals  gesehenes 

Lustspiel 

In  ungebundner  Hede  und  lunl  Aul/ügcn 
Betiteh: 
Der  Freigeist. 
Von  tessing. 

Personen: 

Adrast   Herr  Wahr. 

Theophan,  ein  junger  Geistlicher   Harr  Brockroann. 

Lisiitor,  Vster  der   Herr  GrfiDbefg. 

Juliane,  Schwester  der   Mdlle.  Risdur. 

Henriette  ,   MaJatnc  von  Kurt/. 

Libette   .Mdllc.  Ingcrmannin,  die  ältere. 

Ara^pe  Theophans  Vetter   ...  Herr  Schwager. 

Ein  Wechsler    .  '   Herr  Volbnann. 

Johann,  Bedienter  des  Adrast   Herr  Köppc. 

Martin,  Bedienter  des  Thcophans   Herr  PiaL 

Nachricht 

In  der  vorigen  Zeit  luben  \\ir  das  vcrj-weifelndc  Ende  des  Freigeists  im 
Trauerspiel  vun  Herrn  ilrave  mit  ailgemcincm  ikifall  vorgestellt.    Heute  aber 


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erscheinet  der  Freigeist  von  Herrn  Lessiofr  im  Lustspiele;  Es  w&rde  lu  sdundchel- 

hafi  seyii,  wenn  wir  sagten,  dass  in  dem  heuti>;en  Stücke  die  Charaktere  so  geschildert 

sind,  dass  wir  wenig  dergleichen  satyrische  Lustspiele  von  dic<;er  Art  auf  unserer 
deutschen  Buikiic  haben.  Voltaire  hat  in  seinem  TariüHe  vieles  angebracht;  doch 
Herr  Lessing  zeiget  in  seinem  Theophan  den  rechtschaflenen  und  undgennützigen 
Menschen,  w  eichen  er  zum  Gegensatz  des  Ffeydenkers  gewihltt  Die  Verwicklung 

dieses  Stuckes  wird  viele  Aufmerksamkeit  verdienen.  Lind  da  jede  spielende  Person 
nach  seinen»  (Jharaicter  seine  Roile  spielen  wird,  so  hotlen  wir  uns  und  deni  Ver- 
fasser Ehre  zu  machen  und  unsere  hohe  gnädige  Gönner  mit  diesem  sJtynscheii 
Lustspiele  «i  vergnügen. 

Den  völligen  Beschluss  machet 
Das  grosse  Pamomimisdie  Ballen^ 

Genannt : 

Die  verkehrte  Welt, 
Oder: 

Die  bösen  Weiber. 

Preiss  deren  Platze. 
Auf  denen  Galierkn  zahlt  die  Person  i.  fl.,  Amphidieater  12  Batten,  Parterre 
10  Ratzen,  letzten  Platz  5  Batzen. 

NB.  MB.  Es  stehen  alle  Logen  offen,  die  nicht  ganz  bestellet  sind,  und  kann 

jedermann  mit  einein  Gallerie-Billet  von  1  ri.  dahin  gelangen.  Wer  aber  eine  ver- 
sperrte Loge  vor  sich  allein  behalten  will,  ist  der  Preiss  8  fl. 

Die  Bilüetter  wie  auch  die  Logen  sind  Vorinitt;igs  von  9  bis  11  Uhr  und 
Nachmittags  von  2  bis  3  ühr  in  dem  Junghof  bei  der  Frau  von  Kunz  zu  bestellen 
und  zu  bekommen. 

lX*r  Antang  ist  um  5  Uhr. 

Wie  ein  Vergleich  zwischen  den  Besetzungen  der  verschiedenen 
Rollen  im  Herbste  1767  und  im  Frühling  1768  lehrt,  waren  inzwischen 
im  Personalbestände  der  von  Knrtzischcn  Truppe  grosse  Veränderungen 
eingetreten.  Der  ]  leklendarslciler  Waitzhoffer  hatte  die  (Jeselhc  hafr 
verlassen,  seine  Aufgabe  Ubernahm  der  Schauspieler  Wahr,  ein  suu- 
ticher  junger  Mann,  der  hier  zuerst  grössere  Partien  gespielt  zu  haben 
scheint  Bis  zum  Schlüsse  der  Saison  1767  finden  sich  swet  Ehepaare 
Usler  and  eine  Madame  Denns  auf  den  Zeltein,  deren  Namen  später 
nicht  mehr  vorkommen.  Auch  Madame  Waitahofier,  die  komische 
Rollen  spielte,  tmd  eine  Mdlle.  Rockin  werden  auf  den  ICortxischen 
Theaterprograromen  von  1768  nicht  mehr  genannt,  ebenso  fehlt  von  da 
ab  der  Name  des  später  so  berühmt  gewordenen  Friedrich  Ludwig 
Schröder.  Die  schöne  und  begabte  Mdlle.  Ris«  har  theilte  sicli  1767 
noi  h  mit  Madame  Dcnns  in  die  Rollen  jagendli*  her  Heldinnen,  während 
die  crstere  in  dem  fol_:^enden  Jahre  dies  Fach  allein  beherrscht.  Als 
/weite  Liebhaberin  trat  Mdlle.  Jngermann  die  ältere  in  die  1  ruppe. 
deren  jüngere  Schwester  Kinderrollen  spielte  und  im  Ballet  mitwirkte. 

Den  wichtigsten  Zuwachs  erfuhr  die  von  Kurtzisdie  Gesellschaft 
im  Frühling  1768,  durrh  den  später  zu  grossem  Ansehen  gelangten 


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Schauspieler  Brockinann,  der  damals  ein  junger  Mensch  von  23  Jahren 
war.  Wie  für  Friedrich  Ludwig  Schröder  so  wurde  auch  für  Brockmann 
der  Aufenthalt  bei  der  von  Kurtzischen  Truppe  eine  ernste  Kunstschule. 
Brockmann  trat  zuerst  in  Frankfurt  in  der  Eröflnungsvorstellung  des 
Theaters  im  Junghofe  als  Nelson  in  dem  Weisse*schen  StOck  »Die 
Freundschaft  auf  der  Probe«  auf  und  spielte  als  eine  seiner  nächsten 
Rollen  den  Teophan  in  Lessings  Lustspiel  »Der  Freigeist.«  Ausserdem 
wurde  er  noch  mit  einer  Anzahl  Partien  betraut,  die  er  auch  drei  Jahre 
später  in  Hamburg  Übernahm,  als  er  1771  in  die  damals  unter  Srhroden? 
Leitung  stehende  Ackermann'si  he  Truppe  eintrat.  Damals  fanden  die 
Kollegen  seinen  Ton  zu  wemerlich  '(Mnen  Anstand  zu  geziert,  ^eine 
AusspraHie  dialektisch  und  iinvollkoninicn.  Trotz  dieser  Unvollkonimen- 
heiten  erkannte  S<  hröder  in  I'rockniann  das  hofTnunt,'svol)e  Talent  und 
weissagte  ihm  mit  künstleris<  hciu  Scharfbink  eine  grosse  Zukunft.  An 
geistiger  Bedeutung  üheiragte  Brockmann,  dessen  Rut  später  durch  seine 
vortreffliche  Hamletdarstellung  begründet  wurde,  zweifellos  seinen  da- 
maligen Kollegen  Bergopzoomer.  Dieser  soll  nach  dem  Urtheil  von 
Zettgenossen  zwar  sehr  bahnengewandt,  jedoch  auch  »ein  grosser  Effekt- 
Spieler  und  Coulissenreisser«  gewesen  sein.  Bergopzoomer  ist  auch  der 
erste  deutsche  Schauspieler  gewesen,  den  man  als  Zeichen  des  Beifalls 
hervorrief.  Dieser  aus  Italien  stammende  Gebrauch  fand  in  Nord- 
deutschland in  den  70"  und  So"  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  noch 
wenig  Verbreitung,  bildete  si<  h  aber  auch  dort  bald  zu  einer  oft  sehr 
störenden  Unsitte  aus.  Brockmann  war  der  erste  deutsche  Schau« 
Spieler,  dessen  feurige  Hamlet- Darstellung  in  Berlin  durch  Her^'r>rruf 
belohnt  wurde.  Oh  die  Künstler  bereits  1767  und  1768  in  Krankfurt  a.  M. 
in  der^ellien  Weise  ausgezei*  hnet  wurden,  können  wir  mit  Bestimmtheil 
nu;ht  sagen.  Da  aber,  wie  aus  den  Hittschrifien  der  Nachbarschaft  an 
den  Rath  hcrvorgelu,  oft  ein  so  lauter  Jubel  »n  der  »grossen  Komödien- 
hotte  auf  d^  Kossmarkt  erschallte«,  dass  die  Anwohner  dadurch 
gestört  wurden,  könnte  man  schliessen,  dass  der  Gebrauch  rauschender 
Beifallsbezeugungen  damals  auch  hier  schon  Mode  gewesen  sei.  Wir 
dtlrfen  unseren  Bericht  Uber  den  Personalstand  der  von  Kurtsischen 
Truppe  in  Frankfurt  nicht  schliessen,  ohne  zu  bemerken,  dass  1768 
auch  Brockmanns  junge  Frau  bei  derselben  engagirt  war.  Sie  scheint 
keine  bedeutende  Künstlerin  gewesen  zu  sein,  wenigstens  trat  sie  damals 
nur  in  Nebenrollen  auf.  Auch  die  Namen  der  Herren  Mayer,  Volk- 
mann  und  Schwager  treffen  wir  auf  den  neu  aufgefundenen  Kurtzischen 
Zetteln.  Der  letztgenannte  Schauspieler  wurde  später  ein  bekannter 
Wanderprin/ipal  in  den  Rhein-  und  Main-Gegenden. 

Ob  Ixssings  T  iistspiel  »Der  Preigeist«  damals  auch  wiederholt 
niif^eführt  worden  ist  wie  »Minna  von  Barnhelm«,  nitlssen  wir  wegen 
mangelnder  Nachrichten  daiun  ;4estellt  sein  lassen.  Iroudem  die  Per- 
sonen  des  Lessing's<hen  Jugendwerks  noch  den  stereotypen  Figuren 


-  384  - 

der  französischen  Komödie  nachgebildet  sind  und  des  individuellen  Lebens 
seiner  späteren  Gestalten  entbehren,  wurde  das  StOck  doch  noch  oft  in 
den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Frankfurt  mit  groMeni 

Beifall  gegeben.  Diejenigen  Personen  des  von  fnuuöaischen  Mustern 
abhängigen  Lustspiels,  die  Bedienten  und  Kammerzofen,  welche  nirhi 
nur  die  Vertrauten  ihrer  Herren  und  Damen  sind,  sondern  auch  gar  oft 
der  gebrechlichen  Kunst  der  damaligen  iJraniaiiker  in  der  Entwicklung 
ihrer  Siückc  aufiielfen  iuüi>sen,  besassen  durc  h  ihre  meist  sehr  flotte 
Darstellung  die  Gunst  des  deutschen  Publikums  noch  lange  nach  Lcssings 
Reformbestrebungen.  Vermochte  doch  der  grosse  Kunstrichter  selbst  in 
seinen  reifsten  Schöpfungen  die  Wegspur  ntdit  au  verlassent  die  er  in 
seiner  Jugend  betreten  hatte.  Im  »Freigeist«  haben  wir  einen  Johann  and 
eine  Lisette,  die  das  grosse  Wort  fuhren  und  in  die  Handlung  eingreifen: 
in  »Minna  von  Barnhelmu  finden  wir  den  Just  und  die  Franziska,  welche 
letztere  sogar  die  Stellung  einer  Freundin  bei  ihrer  Herrin  inne  hat. 

Welches  Ansehen  sich  Lessing  durch  das  Erscheinen  der  »Haro- 
burgischen  Dramaturgie«  in  der  theatralischen  \\  elt  Deutschlands  erworben 
hatte,  das  beweist  nicht  nur  die  1767  und  1 76S  wiederholte  Aufführung  seines 
neuesten  W  erkes,  sondern  auch  sein  geistiger  Einiluss  aut' das  künstlerische 
Programm  der  von  Kurtzischen  Gesellschart  überhaupt.  Bisher  hattt 
der  Direktor  das  Stegreifspiel,  die  Burleske  und  die  Maschinenkomödie 
in  seinem  Repertoire  sehr  bevorzugt  und  sich  in  Bezug  auf  das  ernste 
Drama  der  Autorität  des  französischen  Geschmacks  unterworfen«  jeut 
fuhrt  er  immer  häufiger  deutsche  Stacke  und  sogenannte  nationalisine 
Bearbeitungen  fremder  Originale  auf.  Durch  die  aufgefundenen  Zettel 
lassen  sich  1768  nicht  nur  Vorstellungen  von  Dramen  Lessings  tuid 
Christian  Felix  Weisses,  sondern  auch  Darstellungen  von  Bühnenwerken 
anderer  zeitgenössischer  Dichter  nachweisen.  Zuerst  nennen  wir  von 
diesen  Autoren  die  drei  hoffnungsvollen,  leider  zu  früh  vcrstorl)enen 
Dichter  Elias  Schlegel,  Joseph  Franz  von  Cronegk  und  Joachim  W  ilheln^ 
von  Brawe,  dann  Clodius,  Krtlger  und  einige  andere  ungenannte 
Dramatiker.  Zu  den  Letzteren  sählt  auch  ein  Frankfurter  »Liebhaber 
der  schönen  Wissenschaften«,  der  ein  Original>Trauerspiel  »Die  Corsen« 
oder  »Die  Liebe  zur  Freiheit«  schrieb,  das  hier  zum  erstenmale  1768  in 
Scene  ging.  Der  Stoff  dieses  Ruckes  behandelt  ein  damals  zeitgemtsses 
Thema  aus  der  corsischen  Geschichte,  ist  aber  in  ziemlich  steife 
Alexandriner  gezwängt.  Direktor  von  Kurtz  führte  das  Trauerspiel  nach 
dem  Manu.skripte  mehrmals  auf;  ein  Jahr  später,  1769,  erschien  es. 
durch  einen  bcachtenswerthen  Vorbericht  emgeleitet,  im  Druck.  .Auch 
hier  ist  der  Name  dieses  Frankfurter  Dichters  leider  nicht  genannt. 

Der  immer  n\ehr  zu  Tage  tretende  Unisf  hwung  nn  Geschmack 
des  Publikums,  durch  den  in  der  Dramatik  der  siebziger  Jahre  eine 
folgenwichtige  Wendung  herbeigeführt  wird»  zeigt  sich  auch  an  der 
hiesigen  beifiLlligen  Aufnahme  des  sogenannten  »weinerlichen  Dnimssi 


-   385  - 


(com^e  lannoyante),  dem  Direktor  von  Kurte  1767  und  1768  ebenfalls 
grossen  Raum  in  seinem  Repertoire  gewährte.  Das  Diderot*sche  Schatt- 
spiel »Der  Hausvater«  (Lc  p^re  de  fatnllle)  wurde  in  dieser  Zeit  mehr- 
mals gegeben,  auch  von  dem  Drama  »Eugenie«  von  Beaumarchais  lassen 
sich  drei  Aufführungen  feststellen.  Dies  Drama  ging  am  29.  Januar  1767 
in  Paris  zum  ersten  Male  über  die  Bretter  und  wurde  dort  bis  Anfang 
Mai  zehnmal  aufgeführt. .  Bald  darauf  erfolgte  seuie  Uebersetzung  in  die 
meisten  Kultursprachen  und  seine  Vorstellung  auf  vielen  ausländiäi.hen 
Bühnen.  Die  Frankfurter  Premifere  des  Rührstücks  »Eugenie«  in  der 
Ostermesse  1768  war  wohl  eine  seiner  ersten  Darstellungen  in  Deutsc  h- 
land, wenn  es  nicht  überhaupt  die  erste  gewesen  ist. 

Dass  auf  der  Kurtsischen  Btthne  nach  wie  vor  neben  den  ernsten 
Dramen  auch  lustige  Stücke  aller  Art  aufgeführt  wurden«  versteht  sich 
von  selbst.  Ebenso  mirden  zwischen  den  einzelnen  Akten  dtt  »seriOsen 
Produktionen«  und  am  Schlüsse  derselben  heitere  Zwischen*  und  Kach> 
spiele,  die  oft  recht  derbe  Titel  fuhren,  zur  Darstellung  gebracht.  Es 
geschah  dies,  wie  es  auf  einem  Zettel  heisst,  um  »die  fUneberen  Im- 
pressionen  derer  geneigten  Liebhaber  wieder  ein  wenig  zu  refraischiren.« 
Die  stärkste  Anziehungskraft  unter  den  auf  dem  Kurtzischen  Theater 
gegebenen  ii  n  lcsken  übten  die  Bernardoniadcn  aus,  in  denen  der  Direktor 
seü'st  in  der  kuinis<  hen  Maske  des  Bernardon  das  Publikum  durch  seine 
kecken,  doch  stets  anständigen  Witze  belustigte. 


y.  Zur  Erinnerung  an  Dr.  med.  Wilhelm  Stricker.' 

Von  Dr.  med.  &  Cohn. 


Nun  ist  selbst  dem  alten  Biographen  der  medizinischen  Wissen- 
schaft die  ßeissige  Feder  entfallen,  die  seit  (hnf  Jahrsehnten  die  Verlust- 
liste der  Naturforscher  und  die  Würdigung  derselben  so  peinlich  genau 
und  gewissenhaft  zu  geben  wusste»  und  er  selbst  in  den  dunklen  Schatten 
des  Nachrufs  getreten! 


*  Aus  dem  »Berichte  der  Scnckcnbcrgischcn  naturforschenden  (iesellschatt  lur 
1891«  mit  Berichtii:una;en  und  Zii-^ntzcn  abgedruckt.  Die  Jon  beigefügte  Biblio- 
graphie der  Strickcr  .sclieii  Arbeilen  ist  hier  insofern  abgeändert,  als  ein  von  Herrn 
Stadurchivar  Dr.  Jung  ausgearbeitetes  Verwichniss  der  Arbeiten  Strickers  aus  dem 
Gebiete  der  Frankfurter  Geschichte  vorangestellt  wird.  Für  dasselbe  ist  Vollzählig- 
keit angestrebt  worden;  sie  ist  aber  bei  Strickers  sehr  zerstreuter  Tliätigkeii  auf  dem 
l-rnnkfurter  Gebiete  schwer  crreiclicn.  Für  die  sonstigen  litterarischen  Arbeiten 
Strickers  gilt  das  zweite  V'erzeichuiss,  welches  die  wesentlichsten  Schrillen  Strickers 
auf  anderai  Gebieten  aufieähht  es  ist  dn  nur  wenig  vennchrter  Auszug  aus  der 
oben  erwähnten  BibKographie  des  Herrn  Dr.  Cohn. 

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-   j86  - 


W  illiclm  Friedrit  h  Carl  Stricker  wurde  am  7.  Juni  1S16  zu  Frankfut 
im  Seiiioratshause  als  Enkel  des  Seniors  der  evangelischen  Geistlicher 
Huiiugci  geboren.  Nach  dem  Tode  seines  Vaters,  der  im  Hause  Man^ 
kopf-Sarasin  angestellt  war.  siedelte  er  von  dem  hiesigen  Gymnasiun 
nach  dem  Kreuznacher  Uber.  Seine  akademischen  Studien  begann  ei 
183$  auf  Wunsch  des  Prof.  Friedrich  August  v.  Ammon,  eine 
Vetters  setner  Mutter,  der  den  Beginn  seiner  Studien  überwachen  wollte 
in  Dresden  auf  der  medico-<  hirurgisrhen  Akademie,  »die  zur  Erlangung 
sowohl  tllrhiiger  f"eldsrhcerer  bei  der  Armee,  als  auch  andrer  geschicktet 
Barbierer  un<l  Bader  vor  das  Publikum«  gegründet  war.  i80  ging  i  i 
nach  Göttinnen  und  blieb  dort  bis  1838.  die  Vorlesungen  von  iSlumen 
bach,  llimly.  K.  M.  I.angenberk  und  Wöhler  besucliend.  Von  der 
Landsleutcn  traf  er  dort  Heinrich  üernhard  Oppenheim,  den  späterer 
politischen  PaMiaisten,  Theodor  Creisenach,  den  stud.  jur.  Meyer  Karl 
V,  Roths(*hild  und  war  in  enger  Freundschaft  K.arl  Vierordt,  dem  Physio- 
logen, augethan.  Die  politischen  Zustände  des  lindes  warfen  ihre 
Schatten  in  das  Universitätsleben  hinein.  Entfesselte  auch  das  loojähng« 
Jubilaeuin  der  Cöltinger  Hochs«  hule  die  helle  Festesfreude  der  Jugend 
so  blieb  doch  ein  düsterer  Hintergrund  dem  ruhigen  Heobachter  nichi 
verborgen.  Denn  längst  war  in  Böttingen  der  Hoden,  auf  dem  die 
Wissenschaft  Mühen  konnte,  unteruühlt.  Ks  erlolgtc  die  Aiifhcl>iing  de- 
Staatsgruiulneset/cs,  der  IVotcst  und  die  A ns\v  eisung  der  sieben  Vro- 
fcssoren.  Unter  der  neuen  N  luiar  l)egeistcrler  Siudenien,  die  Dahlmann. 
Jakob  Grimm  und  Gervinus  das  Geleite  von  Witzenhausen  aus  gab, 
befand  sich  auch  der  Studiosus  Stricker  mit  seinem  Landsmanne  Theodor 
Creizenach.  der  beim  Uebergang  auf  das  hessische  Gebiet  den  Verbannten 
einen  poetischen  Abschiedsgruss  zurief.  Die  darftigen  poliklinischen  An* 
stalten  Güttingens  befriedigten  Stricker  nicht,  desshalb  siedelte  er  zur  Be- 
endigung seiner  Studien  nach  Berlin  über.  Hier  traf  er  alte  Bekannte  und 
I.andsleute:  wiederum  Oppenheim  und  Meyer  Karl  v.  Rothschild  sowit 
Gustav  Passavant.  Nur  mit  Mühe  gelang  es  ihm,  zum  Exnmen  zugelassen 
zu  werden,  da  er  m«  ii  nicht  vier  Jahre  auf  Uni\ ersitaten  studirt  hatte 
Die  Erlaubnis  erfolgte  auf  die  Wrwendung  \i>n  Joliannes  Müller  unici 
der  feierlichen  Hedingiuig,  nie  jn  IVcussen  als  Arzt  zu  praktiziren.  Mit 
der  Dissertation  »Evolutionis  auris  per  animalium  Seriem  brevts  historia«. 
einem  Abschnitt  aus  einer  Gottinger  Preisbewerbungsschriflc,  wurde  die 
Promotion  vollzogen.  Unmittelbar  nach  derselben  trat  er  eine  Keise 
narh  Italien  zur  Begleitung  eines  rekonvaleszenten  jungen  Frankfurters 
an.  l>as  Bewusstsein  glücklich  vollendeter  Studien,  die  Brust  von  Hoff- 
nungen geschwellt,  das  Auge  geschärft  für  die  Schönheiten  der  Natur, 
alles  vereinte  sich,  um  die  Reisceindrn<  ke  zur  harmonischen  VoHenduni; 
/u  gestalten.  Ihre  Erinnerungen  sind  der  Schmuck  seines  Lebens  ge- 
bliei  ien,  dem  er  in  Wort  und  Schrift  gcluildiiLjt  hat.  1 S40  kehrte  er  nai  Ii 
Berlin  /urü<.k,  wo  mit  Schoniein  ein  frischer,  belebender  Hauch  in  djt 


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klinischen  Hallen  eingezogen  war.  Nach  einem  kurzen  mit  Ch.  £.  Neeff 
gemeinsamen  Aufenthalte  in  Paris  im  Sommer  2841  nahm  er  bei  Prof. 
V.  Ammon,  der  sich  von  der  Praxis  zurttckziehen  wollte,  die  Assistenten* 
stelle  an,  unterwarf  sich  dem  sächsischen  Staatsexamen  und  erlangte 
das  Dresdner  Rnrgerrerht.  Aber  vergebens  war  aller  Liebe  Müh';  die 
Privatpraxis  des  Prof.  v.  Ammon  war  inzwischen  seinen  früheren  Assi- 
stenten zugefallen.  Die  unfreiwillige  Müsse  verwandte  er  trcfnii  h.  indem 
er  sich  der  Politik  und  Littcjratur  zuneigte.  Kinc  Zaiil  hcrvorragcnfk'r 
politist  her  Kräfte  hatte  sich  nach  Dresden  gc/ogen.  An  ihrer  Spille 
Arnold  Rüge,  unter  ihnen  Bakunin,  I5iederniann,  Robert  lihmi.  Die 
Frucht  jener  Anregungen  iur  Stricker  waren  die  von  nationalem  Geiste 
angehauchten  Artikel  in  Biedermanns  Monatsblättern :  die  Sprachmengerei 
der  Deutschen,  Uber  die  Ursachen  der  Beschrilnkung  des  deutschen 
Sprachgebiets,  ttber  Kolonisation  und  Auswanderung. 

Gleich  im  Beginn  der  ersten  Arbeit  bekennt  sich  der  Verfasser  zu 
dem  Bestreben»  mit  gewissenhafter  Vermeidung  aller  Fremdwörter  die 
Sprache  in  ihrer  Reinheit  zu  pflegen,  dem  zu  entsprechen  er  sich  in 
urofangreirher  schriftstellerischer  Wirksamkeit  bemüht  hat.    Ueber  der 
journalistischen  Thätigkeit  war  die  Berufswissenschaft  nicht  vergessen 
worden.    1841  war  sein  Reisehandbuch  für  Aerzte  und  Naturforscher 
zugleich  ah  Vorlni«  h  eines  W  ürterbuches  der  medicinisrhen  (Geographie 
erschienen.    Kiner  Anregung   des  Prof.  v.  Ammon  entsprossen,  uiuer- 
niinint  das  \\  erk  eine  Ueber^i»  ht  des  für  den  reisenden  Arzt  und  .Nalur- 
lorsciicr  V\  issenswerthen  mit  sorgfältiger  Angabe  der  Littcratur.  eine 
Zusanmmenstcllung  der  Bäder  und  Heilquellen,  sammtlichcr  Kranken-, 
Armen-  und  Arbeitshäuser,  medicinischer  oder  naturgeschichtlicher  l^br> 
Anstalten,  der  gelehrten  Vereine  und  Zeitschriften,  der  geograpliisch, 
geologisch  und  mineralogisch  merkwttrdigen  Punkte  in  alphabetischer 
Anordnung.   Es  war  eine  Riesenarbeit,  die  mit  Aroeisenfleiss  aus  den 
zerstreuten  K.enntnis'ken  in-  und  ausländischer  Werke  gesammelt  war, 
und  deren  Zusammenfassung  vielfach  persönliche  Anschauung  oder  örl- 
Ii»  hc  Krkundigung  erheist  hte.    Noch  war  das  wissensc  haftlic  he  Vercins- 
lebcn  Deutschlands  zu  sehr  in  den  Anfängen  begriffen,  um  fördernd  in 
cJas  Unternehmen  eingreifen  zu  können,  aber  aurh  das  Wrständni.ss  für 
die  Wichtigkeit  desselben  zu  wenig  ausgebildet,  um  eine  zahlreiche  Mit- 
arbeiterschafl,  wie  deren  sii  Ii  neuere  Kompendien  erfreuen,  zu  erniöi^lu  l,cn. 
Vier  Jahre  später  ers(  hien  euic  zweite- Auflage.  \\  ahrcnd  die  eiste  nur  Mittel- 
europa umfai>.Nt  hatte,  erstrec  kte  sich  die  zw  eite  über  die  ganze  zivilisiricKrde, 
die  Zahl  der  einzelnen  Artikel  war  von  to8oaufi9oo  gestiegen.  DieHoffnung 
des  Verfassers,  ein  Jahrbuch  mit  allen  Neuerungen  in  dauernder  Zeitfolge  zu 
beschaffen,  hat  sich  nicht  verwirklicht.  So  ist  das  Werk  stehen  geblieben 
als  ein  rtthmliches  Zeugniss  für  den  unermUdeten,  die  gesammte  Fach- 
iitteratur  umspannenden  Fleis.s  des  Autors,  sowie  als  Baumaterial  ftlr  spätere, 
von  der  Gunst  der  Zeitgenossen  in  hdherem  Masse  getragene  Unternehmen, 


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—   }8«  - 


1841  war  von  der  Redaktion  der  »Annales  oculistiques«  in  IkUss^il 
die  Prclsaufgabe  gestellt :  »Determiner  par  les  recherches  d'anatomit 
pathologiqiie  la  nature  et  le  si^ge  de  la  cataracte.«  Zwei  Gründe 
bestimmten  Stricker  zur  Betheiligung:  die  Erzielung  einer  physio- 
logischen Auflassung  der  Krankheiten  des  Linsensystems  und  die 
Aussicht,  die  Bekanntschaft  mit  der  vollständig  unbekannten  Litteratur 
durch  die  Brüsseler  augeoärztliche  Zeitschrift  in  Frankreich  einzufllhren, 
um  die  herrschenden  irrigen  Malgaigne'schen  Angaben  zu  bekämpfen. 
Der  Preis  wurde  am  13.  September  1842  der  Stricker 'sehen  Schrift 
sowie  gleichzeitig  der  eines  Heilbronner  Arztes  zu  gleichen  Theiten 
zuerkannt.  Aber  er  bekam  weder  die  versprorbene  goldene  Medaille 
zu  sehen",  noch  sein  eignes  Manuskript,  noch  Überhaupt  irgend  eine 
Antwort  auf  seine  wiederholten  Anfragen.  So  blieb  der  Preis  ein  pretiuni 
affectionis. 

1844  verliess  Dr.  Stricker  Dresden,  um  mit  der  rekonvaleszenten 
Gräfin  Reichenbach -Lessonitz  (der  späteren  Gräfin  Bose)  nach  Italien 
zu  gehen.  Nach  seiner  Rückkehr  im  selben  Jahre  trat  er  in  die  Zahl 
der  Frankfurter  Aerzte,  in  demselben  Hause  seine  Praxis  beginnend,  das 
er  bis  zu  seinem  Hinscheiden  47  Jahre  lang  bewohnt  hat.  Die  Stadt 
zählte  damals  ca.  56000  Einwohner  mit  74  Aerzten,  von  denen  jetxt 
(Anfang  1895)  nur  noch  Dr.  H.  Hofmann  lebt.  Die  Aussichten  auf 
Erlangung  von  Praxis  waren  wenig  gtinstig,  tler  Kanii)f  um  das  Dasein 
hart.  Von  Assistenzar/.tstellen  gab  es  nur  eine  im  Meiligen  Geist -Spital: 
sie  gewahrte  freie  Station,  keinen  Gehalt.  Auch  die  von  diesem  Sjuiale 
abhängigen  Armenar/tstcllcn  waren  thatsä(  litich  nicht  besoldet.  Nur  in 
dem  Falle,  dass  auf  öffentliche  Auiiuraerung  zur  unentgeltlichen  Ueber- 
nähme  der  Stellung  sich  keine  geeigneten  Bewerber  meldeten,  sollte 
eine  Bezahlung  von  200  fl.  eintreten.  Stets  aber  fand  ein  Wettlauf  von 
zahlreichen  Anwärtern  statt  und  nur  mit  Mtthe  gelang  es  Dr.  Stricker, 
das  unbesoldete,  ihm  nur  Beschäftigung  gewährende  Amt  am  i.  April 
1846  zu  erhalten.  Nach  1856  trat  ein  festes  Gehalt  von  75  fl.  ein,  das 
allmählich  auf  1000  Mk.  erhöht  wurde.  1845  hatte  er  im  Verein  mit 
Dr.  Appia  und  Dr.  Ctustav  Passavant  aus  öffentlichen  Beitragen  die 
Augenheilanstalt  gegründet.  1846  trat  er  als  Nachfolger  von  H,  Hnfmann 
in  die  Annenklinik  em.  In  demselben  Jahre  beginnt  seine  Thäiigkeii 
an  der  Scnt  kcnbcrgischen  Bibliothek.  Dem  standigen  Bibliuihckai 
Dr.  Christian  Ernst  Neefl"  wurden  Vertreter  der  Senckenbergisrhes 
naturforschenden  Gesellschaft  und  des  Physikalischen  Vereins  beigesellt. 
Von  letzterem  war  Dr.  Stricker  mit  Dr.  Kloss  entsandt  worden. 

Bald  nach  seiner  Niederlassung  in  Frankfurt  hatte  er  sich  an  den 
aufblähenden  Vereinsleben  betheiligt  Seine  erste  Lehrthätigkeit  widmete 
er  dem  Geographischen  Vereine.  Derselbe  befand  sich  damals  noch  nicht 
in  der  ghirklirhen  Lage,  die  hervorragenden  Reisenden  und  Vertreter 
der  geographischen  \Vissens<:haft  aus  weiter  Ferne  heranzuziehen.  10  II. 


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-   38i^  - 


var  das  Honorar  ftlr  eine  Vorlesung.  Freudig  begrilssteder  Verein  die  junge, 
arbeitstreudige«  aus  eignen  Anschauungen  und  fleissigen  Studien  schöpfende 
Kralt.  Fast  vierzig  Jahre  hat  Dr.  Stricker  in  jedem  Winter  in  dem 
kräftig  aufttrebenden  Vereine  Vortrage  Ober  viele  lJ.nder  und  Völker 
gehalten.  Als  rother  Faden  zieht  sich  vielfach  durch  dieselben  das 
Bestreben,  die  Kenntniss  des  Deutschthums  mit  patriotischem  Geiste  zu 
erweitern:  so  in  den  Vorträgen  tlber  die  Verbreitung  des  deutschen 
Volkes  Uber  die  Erde,  deutsch-russische  Wechselwirkungen  oder  die 
Deutschen  in  Russland  fbei'!e  \n  Buchform  erschienen  und  letzteres  in 
Russland  verboten,  aber  von  dem  Akademiker  R^ne  Taillandier  aus- 
zugsweise in  der  »Revue  des  deiiv  mondcs«  übersetzt),  die  Deutschen 
in  Spanien  und  Portugal,  die  deuisch-französisclien  Grenzbezirke,  die 
Deutsciien  im  Venetianischen,  in  (Jber-Ungarn.  die  deutsche  Sprachkarte, 
die  dcuijjche  Sprachgrenze  gegen  Westen  sowie  die  deutsch-welsche 
Sprachgrenze  vor  300  Jahren. 

Es  ist  unmöglich  in  dem  engen  Rahmen  eines  Nachrufs  auch  nur 
annäherungsweise  ein  Bild  der  geographischen  und  historischen  Ver- 
öffentlichungen des  Verfassers  zu  geben.  Ist  doch  mit  der  geographischen 
und  historischen  Thätigkeit  nur  ein  Theil  der  Gesammtletstungen  zu 
schildern.  Es  sei  nur  gestattet  zu  erwähnen,  dass  der  fruchtbare  Schrift- 
steller Uber  seinem  Blick  in  ferne  Zonen  die  Vaterstadt  nicht  vergessen 
hat.  Davon  zeugen  seine  vielfachen,  unermüdlichen  Arbeiten  über 
Frankfurts  Vergangenheit  in  vielen  Monats-  und  Jahresberichten  der 
gelehrten  Vereine,  sowie  sein  Werk  »Nettere  Gesrhi<  hte  Frankfurts  von 
1S06  66. ('  Auch  die  GoethefurschuDg  ist  ihm  für  manchen  werlhvullen 
Beitrag  dank!)ar. 

Aber  au«  ii  grOHücre  litlerarii><  he  l'nicrnehuiungcn  vvur/.elten  in 
Frankfurts  Boden.  Nachdem  am  24.  September  1846  die  erste  Ger- 
manistenversammlung  im  Kaisersaale  getagt  hatte,  liess  er,  angeregt  von 
ihren  Zielen,  die  Zeitschrift  »Germania,  Archiv  zur  Kenntniss  des  deuts«:hen 
Elements  in  allen  Ländern  der  Erde«  erscheinen,  deren  erster  Band 
Arndt  und  Dahlmann  zugeeignet  war.  Sie  brachte  es  unter  der  Mit- 
arbeit der  gefeiertsten  Namen  der  germanistischen  Wissenschaft  auf  drei 
Jahrgänge.  Dann  ging  sie  in  dem  Reaktionsstrudel  des  Jahres  1849 
unter«  Gleichzeitig  mit  dem  ersten  Kande  der  Germania  erschien  ein 
grösseres  medicinisches  Werk  »Die  Geschichte  der  Heilkunde  und  der 
verwandten  Wissenschaften  in  Frankfurt  a.  M,«,  das  für  die  Kenntniss 
der  hygienischen  Entwicklunp;  der  Stadt  von  grossem  Werthe  ist. 

Das  Jahr  1S48  rief  den  emsigen  Gelehrten  unter  die  W  allen.  Kr 
trat  bei  den  S(  hutzwachen  ein,  die  zur  Krleic  hlenmg  der  Stadtwehr 
berufen  waren.  Mit  Wachstuchkiippi,  schwarzrothgoldener  Kokarde, 
messingner  Quartiernuramer  angcthan,  um  den  Arm  die  Binde  in  den 
F  rankfurter  Farben,  so  marschirte  er  festen  Schrittes  in  der  Kolonne,  die 
unter  dem  schneidigen  Befehle  des  strengen  Dr.  Fabricius  stand.  Aber 


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—   590  — 


er  ging  nirht  ganz  in  seinem  Berufe  als  S<  hutzwachmann  auf.  Der  Ein- 
Auss  der  Nationalversammlung  in  der  Paiilskinhe  Hess  den  Cledanken, 
die  (le'U*irhe  Auswanderun r.u  überwachen  und  den  auswandernder 
Söhnen  «ics  X'alcrlandcs  Fürsorge  und  Schutz  angedeihen  zu  lassen, 
reifen  und  tührtc  zur  Bildung  des  Nationalvcreins  für  dc.usrhe  Aus- 
wanderung und  Ansiedelung.  Dr.  Stricker  und  Dr.  Küntzcl  m  Darmstadt 
erstatteten  den  ersten  Bericht  Uber  denselben  und  gaben  als  dessen 
Organ  »den  deutschen  Auswanderer«  heraus.  Im  deutschen  Reicbs- 
handelsministeriuro  Duckwttz  wurde  eine  besondere  Abtheilung  ftr 
Auswanderungsangelegenheiten  errichtet,  die  jene  Zeitschrift  mit  allen 
eingelaufenen  Berichten  der  Konsuln  versorgte.  Dem  Zuge  der  Zeit 
folgend  ging  1850  aus  dem  Verein  ein  Auskunftshureau  hervor,  das 
jährlich  hunderte  von  Auswanderern  mit  wcrthvolkni  Rate,  mit  prak- 
tischen Handbuchern,  mit  iil>crsccis(  hcn  Kniprchlnngcn  ausstattete.  So 
führten  die  Studien  des  stillen  Gelehrten  zu  ticfemgreilenden  praktischen 
Maassn  ahmen. 

Nach  dem  Tode  Ch.  Ernst  Neeffs,  dem  er  in  seiner  Biographie  ein 
pietätvolles  Denkmal  gesetzt  hat.  dem  poetisch  hochbegal^en  und  um 
die  physikalische  Wissenschaft  wohlverdienten  Manne,  war  er  1854  zum 
zweiten,  1865  zum  ersten  Bibliothekar  der  Senckenberg-Bibliothek  er- 
nannt  worden.  Es  gibt  wohl  Niemand  in  Frankfurts  Gelehrtenwelt,  der 
nicht  an  sich  erfahren  hätte,  wie  freundlich  und  entgegenkommend 
Stricker  dieses  Amtes  gewaltet  hat.  Ihm  selbst  erschlossen  sich  die 
Schätze  der  Bibliothek  :  über  viele  C.cbiete,  (lesrhirhte.  Ethnologie. 
Mc  cIk  iu  hat  er  mit  ihrer  Hülle  VerolTentli«  hungen  gtbraclit.  hc^i'fiders 
aber  ^tets  die  histori»  he  Seite  gepflegt.  DafUr  gebührt  ihm  .Anerkennung 
zu  einer  Zeil,  die,  durc  lj  neue  Errungenschaften  und  Entdeckungen  ver- 
anlasst, geneigt  ist,  sich  von  der  buchmässigen  Ueberlieferung  loszusagen/ 
sich  auf  eigne  Beobachtung  und  Untersuchung  sttttzend.  Es  ist  und  wird 
aber  immer  werthvoH  bleiben,  auf  die  Quellen  zurückzugehen  und  die 
Rntwickelung  einer  wissenschaftlichen  Frage  litterarisch  aus  ihnen  dar< 
zustellen.  »Es  wird  dabei  der  Geist  der  Zeiten  klar  und  der  Zusammenhang, 
den  die  Medicin  mit  der  Richtung  der  Zeitepoche  gehabt.«  Von  diesem 
Gesichtspunkte  sind  die  Studien  zu  beurtheikn.  die  in  Fachzeits«  hriftcn, 
wie  Virchows  Archiv,  der  Vierteljährige  liriü  für  öfTentliche  Gesundheits- 
pflege, der  Allgemeinen  Deutschen  }!i<l^ra}dne,  dem  biotiraphischcn 
I.evikon  der  hervorragenden  Aerzte  und  dem  Zoologischen  (iarten,  den 
Jahresberichten  der  Senckenbergischen  Gesellschaft  und  des  Physikalischen 
Vereins  sowie  in  den  Publikationen  des  Vereins  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde  niedergelegt  sind,  deren  staunenswerthe  Fülle  es  unmttg' 
lieh  macht,  auch  nur  ihre  Titel  anzuführen.  1860  wurden  seine  Studien 
aber  Menschenblattem,  Vaccination  und  Revaccination  mit  dem  Preise 
der  Genfer  medizinischen  Gesellschaft  gekrönt ;  zwar  wurde  ihnen  nicht  der 
Hauptpreis  zuerkannt,  sondern  eine  besondere  Anerkennung  in  Form  einer 


1 


391  - 


graviricn  ( iol(lniUn/.c.  medaille  d'ein  oiiragcmcnt.  Neben  den  »Heitriigen  zur 
äretliclicn  Kulturgeschirhtc«  sind  die  Al)hand!ungen  für  die  SainniUing 
wissenschaftlicher  Vorträge  von  Virchow-IIoltzendorff  zu  erwähnen  :  Mono- 
graphien ober  die  Amazonen,  die  Feuerzeuge,  Geschichte  der  Menagerien 
und  der  zoologischen  Gürten,  über  den  Blitz  und  seine  Wirkungen.  Letzteres 
Werk  ist  für  den  betreffenden  Abschnitt  der  Fitha<Bil]roth'schen  Chirurgie 
und  der  Maschka'schen  gerichtHchen  Medicin  grundlegend  geworden. 
Eines  Werkes  sei  besonders  gedacht,  da  es  in  seiner  pietätvollen  Ge- 
sinnung den  Autor  ziert:  »Samuel  Thomas  von  Soemmerring,  nach  seinem 
Leben  und  Wirken  geschildert.«  Trotzdem  das  bedeutungsvolle  Buch 
von  Rudolf  Wagner  über  den  grossen  Anatomen  erschienen  war,  so  ist 
es  doch  keine  llias  posl  Homentm.  Ks  war  ein  Grund  vornehmlich, 
der  Dr.  Stricker  die  Feder  in  die  Hand  drückte:  die  Fdhrung  des  Nach- 
weises, dass  Soemmerring  der  Erfinder  des  elektris<  hcn  '['elegraphen  sei. 
Aber  es  genügte  ihin  ni»  ht,  dem  \ on  ihm  hex  h\ erehrteii  Manne  die 
l'rioniat  zu  retten,  es  war  ihm  Herzcn.s.sa<  he,  auf  diesem  Ütwcihe  tub^end 
dem  Erfmder  des  elektrischen  Telegraphen  ein  üfTentUchcs  Denkmal  zu 
setzen.  Auf  seine  Mitanregung  traten  Männer  in  unserer  Vaterstadt 
zusaniinen,  die  das  Monument,  von  der  Meisterhand  Eduard  v.  d.  Launitz*s 
geschaffen,  bei  Gelegenheit  der  in  Frankfurt  1867  tagenden  Versammlung 
der  deutschen  Aerzte  und  Naturforscher  einweihen  wollten.  Die  politischen 
Umwälzungen  jener  Zeit  haben  den  Plan  vereitelt,  der  erst  jetzt  seiner 
Verwirklichung  entgegenzugehen  scheint. 

Neben  der  wettverzweigten  litterarischen  sowie  der  gewissenhaften 
bibliothekarischen  Thättgkeit  hat  Dr.  Stricker  die  mtlhsamste  Wirksamkeit 
seines  Fachberufes,  die  armenärztliche,  ausgeübt.  41^/4  Jahr,  von  1846 
bis  t886,  ist  er  Armenarzt  gewesen.  Erst  die  Rücksicht  auf  seine 
erschütterte  Gesundheit  sowie  auf  die  Neuordnung  des  Armenwesens 
bewogen  ihn,  von  dieser  Stellung  zurQckzutreten.  Mit  seltener  Treue 
lind  Hingebung  hat  er  die  Armenpraxis  ausgeübt ;  in  ihr  konnte  er  seine 
Herzensgute  vollauf  bethätigen.  Stets  hulfsbereit  wandte  er  nicht  blos 
dem  Einzelnen  seine  Fürsorge  iw,  sondern  suchte  durch  die  Anregungen 
und  Kr;;el)ni*;se  seiner  Studien  über  Volkswohlfahrt,  wie  tlber  Kinder- 
sterbli(  hkeit,  Prostitution,  Hygiene  Frankfurts  an  der  Hebung  der  I^ge 
der  Armen  milzuwirken. 

Welche  Anerkennung  sein  vielseitiges,  unermudetes  Streben  gefunden 
hatte,  bewies  die  Feier  des  50jährigen  Doktorjubilaeums,  die  der  Aerzilii  he 
Verein  am  17.  August  1889  ihm  und  seinem  nun  atK  h  dahingest  hiedenen 
Altersgenossen  1  )r.  Flesi  Ii  darbrachte.  Die  ( llUckwünsche  und  I  )anksamingen, 
die  viele  gelehrte  KoriJcrschaJten  der  Stadt,  des  Vaterlandes  nnd  selbst  des 
Auslandes  ihm  widmeten,  fanden  ihren  Nachhall  in  den  weitesten  Kreisen 
der  Bürgerschaft.  Die  Erinnerung  an  dieses  l  est  verklärte  mit  goldenem 
Abendroth  seine  letzten  Tage.  Am  4.  März  1891  wurde  er,  im  Begriffe 


-  39*  — 


in  sein  alicü  Heim  einzutreten,  in  die  ewige  Heimat  gerufen,  nachdem 
er  des  Tages  noch  in  gewohnter  Treue  ^nes  Amtes  gewaltet  hatte. 

Ein  l)is  zuiii  Tode  arl>eit??ames,  mühevolles  Leben  hatte  seinen 
Abschluss  gefunden.  Eine  stille,  lleissige  Gelehrtennatur  fand  nicht  im 
Erwerb  materiener  Gttter,  sondern  in  einngen  Studien,  sowie  in  Armen- 
praxis  Befriedigung.  Als  ihm  die  Gattin  nach  einer  glocklichen  Ehe 
entrissen  war,  gestalteten  seine  Kinder,  eine  Tochter  und  awei  SOhne. 
seine  Häuslichkeit  zu  einer  innigen,  gemathvoUen. 

Veberblickt  man  seine  aber  viele  Gebiete  der  Wissenschaft  weit» 
verzweigten  Arbeiten,  so  ist  ihnen  allen  ein  bewussler  historischer  oder 
kulturhistorischer  Zug  eigen.  In  einer  Zeit,  die  auf  allen  Gebieten  die 
berechtigte  Einzelforschung  bis  in  ihre  miskroskopische  Faserung  erstrebt, 
ist  es  notwendig,  die  in  der  Vergangenheit  geschaffenen  Bimieglieder 
nachzuweisen,  wenn  nicht  der  historische  Zusammenhang  verloren  gehen 
soll.  Es  ist  dies  kein  antiquarisches  Interesse,  sondern  gebieteri'^rh  durch 
die  Kin<iirht  j^ewonnen.  dass  in  dem  Kurvengang  der  Gest  liic  htc  die 
licbircbungen  und  Erfahrungen  vergossener  Zeiten  der  Forteniwickclung 
der  Gegenwart  dienen.  Besonders  für  unser  Zeitalter,  in  welchem  sich 
das  Reich  der  Naturwissenschaften  sowie  der  Geschichte  in  unzählige 
Provinzen  aufzuKisen  droht,  bt  der  Nachweis  der  Verbindungen  wichtig, 
die  froher  bestanden  haben,  der  Nachweis  der  abgebrochenen  Brocken, 
die  wieder  geschlagen  werden  können.  Nach  diesem  Ziele  hat  Wilhelm 
Stricker  gestrebt. 

Ueber  so  viele  Gebiete  des  Erdballs  aber  auch  seine  Studien 
gerichtet  waren,  am  liebsten  kehrten  sie  doch  bei  seiner  Vaterstadt  ein. 

In  der  Liebe  zu  ihr  wurzeln  seine  besten  Bestrebungen,  sei  es  in  der 
Aufhellung  ihrer  Ges<:hi<:hte,  ihrer  Topographie,  ihrer  Baudenkmäler, 
ihrer  hygienischen  Entwicklung,  in  der  Schilderung  ihres  ärztlichen 
Standes  und  dessen  hervorragender  Vertreter,  in  der  Würdigung  ihres 
-lössten  Sohnes,  des  unsterblichen  Dichters.  Ein  guter  Frankfurter  isi 
gleit  hbedentend  mit  einein  guten  Deutsc  hen.  Nächst  Frankfurt  galten 
seine  Studien  dem  Vaicrlande.  Er  bemühte  sich,  die  aus  demselben 
Auswandernden  zu  berathen,  die  Geschicke  der  frOher  in  ferne  Wellen 
Ausgewanderten  zu  verfolgen,  den  Kampf  und  die  Wandlungen  des 
Deutschthums  in  der  Fremde  zu  schildern,  die  Sprachgrenzen  fesua- 
stellen.  Diese  Wanderungen  in  der  Feme  befreunden  ihn  der  geo* 
graphischen  Wissenschaft,  in  der  ihn  indess  nicht  die  Gestaltung  des 
Bodens,  sondern  stets  das  ethnologische,  durch  V^ergleichungen  geschärfte 
Interesse  fesselt.  Vor  allem  aber  zieht  ihn  der  Mensch  mit  seinem 
tausendfachen  Weh  an.  So  schliefst  sich  in  der  Kette  seiner  Bestre- 
bungen das  Ende  an  den  Anfang  an.  Der  .\r7.t,  der  Historiker,  der 
Kiilturhistoriker  wirken  glei«  limäs^ig  in  seinen  aus  einer  ersiaunliclien 
kaleidoskopischen  i^üile  des  Wissens  geschaffenen,   wenngleich  nicht 


t 

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krilisch  angelegten  Arbeiten«  Sind  es  auch  disjecta  membra,  immerhin, 
sie  werden  als  feste  Steine  in  dem  stoUen  Bau  der  Wissenschaft  ver- 
wandt werden  iind  Strickers  Namen  stets  in  Ehren  tragen* 


A.  Verieicbniss  der  Arbeiten  Siriekers  aus  dem  Gebiete  der  iraokfurler  Geechicbtc. 

Zu:>aumjcagcslclll  vuti  MUilurcliiv.ir  Dr.  K.  }uitg. 

Vgl.  Jic  Aiimi^kung  auf  S.  jSj.  —  M  =  Miuheitungeii  an  die  Miiglictkr  Ju  Vcrviiu  tur  Ge>;bi»bic 

uad  AltcnkoBilnuide  in  Pnalfun  II. 


Geschichtliches  und  Kulturgeschiclitliclies. 
ßcitroiie  zur  KuHuigCschichte  von  Fraokfun.  Zeitschrift  {ur  deutsche  Kuhurgc- 

schlchie,  Neue  Folge,  Bd.  I,  317  (1872). 
Kulturhistorische  Bilder  aus  Frankfurt.  DidascaUa  i8S7,  No.  89  tf,  120  iT. 
Beiträge  ?»  einer  Naturgeschichte  der  Frdstädte.  Monatsschrift  für  deutsches  Städtv- 

und  Gcmcindcwesen  V,  492  (18)9). 
Kulnirhistorischc  Skizseu  aus  dem  Verkehrswesen.  M  IV,  344. 
Die  Frankfurter  Messen.   Im  Neuen  Reich  1873,  II,  372. 

Frankfurter  Familien-Namen.  Im  Neuen  Reich  1871,  II,  427  und  (mit  Eq^äitsuogen) 

M  iV,  454- 

Die  Prostitution  in  «icr  Stadl  i  ranklurt.    Virchows  Archiv  für  patii.  Anatomie. 
Bd  LXXX,  i8f. 

Der  Sdbstmord  in  I  rankfurt  in  statistischer  und  «tieugeschichtlicher  Hinsicht.  Au& 

dem  Nicdf^MU  i<S69.  N'o.  }02. 
Hin  Brand  im  mittelalterlichen  Frankluri.   M  IV,  329, 
Die  Artikel  der  Frankfurter  1J25.   M  IV.  19). 

Die  Einwirkungen  des  dreissigjihrigen  Krieges  auf  die  Main-  und  Rbeingi^cnden. 

Neue  Frankfurter  Zeitung  1861,  S.  S06. 
Die  historischen  Rc/ichunpfcn  von  Frnnkfurt  zu  Nordamerika.    M  V,  266. 
Zur  Kulturgeschichte  von  Frankfurt  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhundcrii. 

Didascalia  187 j,  No.  lai  ff. 
Der  grosse  Christenbrand  xu  Frankfurt  a.  M.  am  26.  und  27.  Juni  1719  im  Uchte 

der  Kulturgeschichte.    M  IV,  555. 
Zur  Geschichte  der  französischen  Kolonien  in  Deutschbnd.    Raumers  lüsturische» 

Taschenbuch,  V.  Folge,  II,  201. 
Fninkfurttr  Secularsdirift.    Der  Ueberfall  der  Reichsstadt  Frankfurt  durch  die 

Franzosen  am  2.  Januar  17S9  und  die  vier  ersten  Monate  der  fransÖMScbcn 

Besetzung.    Frankfurt  1859. 
Die  Besetzung  der  Reichsstadt  Frankfurt  durch  die  Franzosen  (I7S9)-  Räumers 

hbtorisdies  Taachaibuch,  VI.  Folge,  IV.  M  VII,  109  (Beiicht  ikbcr  dnenVortragX 
Aktenstücke  über  den  Ueberfall  voif  Frankfurt  durch  die  Franxosen  am  2.  Januar  1759U 

M  I,  272. 

Der  Ueberfall  der  Reichsst.uii  1  rnnkturt  durch  die  Franacosen  am  2«  Januar  17J9. 

Im  Neuen  Reich  187J,  II,  18  tf. 
Frankfurt  a.  M.  und  die  Fransosen  17^9—1814.  Zeitschrift  für  prew»uehe  Geschichte 

und  Landeskunde  1869. 
Ueber  den  Aufenthalt  Königs  jüsepli  II.  ini  Cronstett'schen  Stifte  1704.  M  IV,  516, 

521  (Bericht  über  einen  Vortrag). 
Frankfurts  angeblicher  Verlust  an  Kanonen  bei  der  Belagerung  von  iMainz  (1792). 

M  III,  352  (Bericht  Ober  einen  Vortrag). 


-  m  - 


Ueber  das  Auftreten  der  fraii«d»iscfaen  Revolutionsarmeen  in  den  RheinlanJen. 

M  III,  226  (Beriolu  über  einen  Vortrag). 
Briel  des  SchötVcn,    paicr  st.Kttschultheissen  vou  Günderrode      den  Senior  Dr. 

Huinagcl  (liHijj.    M  1,  14J.  '  i 

Verzeichnis»  der  Kosten  bei  Erlangung  einer  börgerlichen  Fähndnchsstelle  aus  dent 

Jahre  180^    M  III,  5«. 
Neuere  Geschichte  von  IVanklurt  am  Main  j8o6^i866.    Frankfurt  j.  M.  1881. 
Napoleons  zwcimAÜgrr  Himug  in  Frankfurt.   Im  Neuen  Reich  JÜ74,  I,  227. 
Wer  föhrte  den  Kaiser  Napoleon  ani  }i.  Oktober  181 Aus  dem  Niedgau  (Bei- 

la^  zu  dem  Fr.  Familienblatt)  1870,  No.  i-j. 
Die  AuflAsang  des  Grossherzogthunis  Frankfurt.  Em  geschichtlicher  Rückblick  .luf 

die  beiden  letzten  Monate  des  Jahres  läo}.  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte 

und  Kunst,  N.  F.,  III,  $12. 
Frankfurter  Monardiencongress  181;.  Im  Neuen  Reich  1874,  II«  414. 
Das  ,\ttei)i,i;  vom  ].  April  18)5  und  dessen  Folgen.  Im  Neuen  Rcicii'iSyi.  1,  .s^o. 
Das  Frankfurter  .Attentat  vom  3.  April  i8)j.  Picks  Monatshefte  für  die  Geschichte 

We:>tdeutschlands  \',  62. 
Oer  18.  September  1848.   Ebenda  VI,  385. 

Statistik  der  freien  Stadt  Frankfurt  und  ihres  Gebietes.  Zeitschrift  des  Vereins  lur 

deutsche  Statistik  1847. 
Kuri^e  St.nistik  von  Frankfurt.  RunJsch.ui  für  (jeopraphie  und  Statistik  iSSj,  S.  250. 
l'rankturter  Verfassungs-Jubilaum.    liiustrirtes  Familien- Journal  1661,  No.  4)2. 
Zur  Geschichte  des  Frankfurter  Buchhandels.  M  V,  9$. 

Ueber  den  merkwürdigen  Blit/schlag,  der  am  20.  Juni  die  Taubstummenanstalt  tral. 
Gemeinmit/ipc  Chronik  VI,  14  ];  Po<^'gendorfs  Annalen  CXLV,  ij4;  Dtnglers 
Pol}'techniächcä  Journal  1^147,  S.  265. 


Ortsbeschreibung  und  B  a  u  g;  c  s  c  h  i  c  h  t  c. 

L'chcr  d:c  lintsteliung  und  bauliche  f  niwict.c-Kin^  von  l'rankfurt.    .M  V,  70. 
Frankfurt  in  den  Topographien  und  Reisebcschrcibungen  des  16.  und  1 7.  Jahrhunderts. 

Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  N.  F.,  \' I,  407. 
Mittheilungen  aus  Kappels  Beschreibuni;  von  Frankfurt  am  Main  (181s).  M  III,  })9 

f  Bericht  ul  cr  einen  Vortrag). 
Vergleichende  Charakteristik  europäischer  Grossstädtc.  i.  Frankfurt  a.  M.  Didascalia 

1854,  No.  291  ff. 

Wanderungen  durch  Frankfurt.  Festschrift  für  doi  10.  deutschen  Juristentag, 
Frankfurt  187». 

Historisdie  W'anderun^ren  diircli  Frankfurt.    Festschrift  der  |i.  Hauptversammlung 

des  Gustav-Adolf- Vereins,  Frankfurt  1877. 
Ueber  den  Güldenthurni  und  dessen  Ableitung  von  Gotiathenthumi.  M  V,  39; 

(Bericht  Ober  fcinea  Vortrag). 
Gasse  und  Strasse.    M  V,  290. 

Gassen-  und  Hausernamen  in  Fr.ankfurt  und  Str.issburg.  Im  Neuen  Reich  187;.  I,  si. 

Zur  Topographie  von  Frankfurt  (Strasscnnanico,  Hau»  zur  Jungfrau,  Barfüsserklo^tcr 
und  Umgehung»  Goethesdier  Garten,  Schwarzer  Stern,  Grosser  Kornmarkt, 
Falkenspeicher,  Judengasse  und  Judenfriedliof)»  M  IV,  135;  Zusätze  dazu  V,  )7 

(Berichte  über  einen  VorTr.i<j). 
Die  Ciallusgasse,  d.is  ( J,iI:.;entlior  unJ  CJal^enfeld,  Aus  dem  Niedu.u:  1S70,  N'o. 
Das  Ochs  von  Ücltsensteui  sehe  Haus  (Gr.  Hirschgraben  j8).    M  V,  20j  (Beridu 

über  einen  Vortrag). 


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—  395  — 


Zur  Geschichte  des  Hauses  n/uin  grossen  Rudenberg«  (l'riiu  Karlj,  I  i(;9,  Alte 

Mainzergasse  ^2.   MV,  467. 
Die  Baugcschichte  der  Paulskirche  (Batrf&sserkirche)  su  Frankfurt  am  Main  1782 

bis  181  ^   Neujahrsblatt  des  Vereins  fllr  Geschichte  und  AHertiiumskunde  zu 

1-rankfiirt  n.  M.  1870. 
Das  Grab  des  Kurfürsten  Albrecht  Achilles  von  Braiideuburg.   M  IV,  \y2. 
Zur  Frankfurter  Local-Orthographie  (Galljctigass,  Cksern  Hof).  M.I1I,  451. 
Auf  den  Tr&mmern  der  Frankfurter  MainJust.  M  V,  7$. 
Das  X  auxhal!  in  Frankfurt.    M  IV,  559. 

I")iLj  fudciif^asie  in  Frankfurt,    Im  Neuen  Reich  1X73,  I,  611. 

iXr  alle  israelitische  tiegrabntsspiatz.    i  raiikiurrie  Famihenblatier  i8oy,  No.  2}^. 

M  e  d  i  c  i  n  a  1  \v  e  s  e  n. 
Die  Geschichte  der  Heilkunde  und  der  verwandten  Wissenschaften  in  der  Siadt 

Frankfurt  a.  M.  Frankfun  1847. 
Geschichte  der  öflentlichen  Gesundlieitspflege  tn  Frankfurt.  Vtrchows  Archiv  CXIX.. 
Beiträge  nn  ir/tlichen  Kulturgeschichte.    Frankfurt  1865,    (Die  nur  Frankfurt  bc 

trettendcn  Abschnitte  sind  hier  unter  den  einzelnen  Rubriken  besonders  int'eführt.) 
Kulturgeschiduliche  Ai\naien  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  nut  besonderer  Rücksicht 

auf  Gesundi^csxustand  und  Medicinalverfossung.    Zeitschrift  flQr  deutsdic 

Kulturgeschichte  i8$6.  1857. 
Beiträge  zur  mediclnischen  Topographie  Frankfurts.  M  IV,  4)7  (Bericht  über  einen 

Vortrag). 

Geschichte  der  Volkskrankhciten  der  Siadt  Frankfurt  u.  M.  Archiv  für  1-rankfurts 
GcsdUchte  utid  Kunst,  Heft  IV,  147. 

Physikat^tachten  pcto.  Impotentiae.  Beiträge  üur  ärxtUchen  Kulturgeschichte,  Ab- 
schnitt II. 

Das  Senckt.'nhi.Ti^iN.iic  Stifl  .li.uis.    M  Hl,  t  i^. 
Zur  Ge&cl)icl)te  der  Scncktnbcr-^ischen  Stiliiiiauscr.    M  V,  2^1, 
Geschichte  di»  vereinigten  Dr.  Senckenbergischcn  Bibliothek.  Archiv  fiir  Frankfurts 
Geschichte  und  Kunst.  Heft  VIII,  1  }s  und  Jahresbericht  Ober  die  Verwaltung 

des  Medicinalwesens  etc.  in  Frankfurt  1857,  S.  275. 
Die  Incun.1!  !cn  der  Scnckenbergischeu  Bibliothek  in  Frankfurt.   M  iV,  148. 
Das  Riedhotier  W  asser.    M  I,  142. 

Mittheilungen  über  die  Lebensumstände  von  Frankfurter  Aerzten.   M.  IV,  13^. 

Historisches  über  Frankfurter  medicinische  Jubiläen.   Kleine  Chronik  188],  No.  12. 

Jodenärttc  in  Deutschland,  besonders  in  Frankfurt.  Zeitschrift  (ur  deutsche  Kultur- 
geschichte 1858.  S.  2?0. 

Ver^ccichniss  von  Frankluriern,  welclic  derzeit  auswärts  in  dem  Fache  der  Medicin 
und  der  Naturwissenschaften  thätig  sind.  Frankfurter  Zeitung  1868,  No.  52. 

Uebersicht  der  lebenden  oder  jQngst  verstorbenen  Frankfurter,  wdche  in  Natur- 
wissenschaften und  Heilkunde  in  auswärtigen  Stellungen  sich  ausgezeichnet 
haben     M  IV.  161. 

liutwickelung  der  populären  Belehrung  in  Naturkunde  in  Frankfurt.  Jahresbericht 

des  Physikalischen  Vereins  für  1879—80. 
Sätze  zur  Frage  der  Arbeiter»  und  Amienwohnungen  in  Frankfurt  a.  M.  Deutsche 

Vierteljahrsscbrift  (ur  öffentliche  Gesundlieitspllcge  XVIII. 

Biographisches. 

Zur  lirinnerung  an  Fritz  Bamberger.    M  V,  98. 

Minheilungen  zur  Frank fuitcr  Familiengeschichte  (Bimsen,  Stricker,  Hufnagel). 
M  III,  472;  Kleine  Chronik  V,  No.  aj. 


-    396  - 


Uebcr  das  Leben  des  jüngeren  Dr.  Burggravc  und  dessen  niedicinischc  Topographie. 

M  V,  j6o  (Bericht  über  einen  Vortrag);  Virchows  Archiv  LXIV. 
Ueber  Johann  von  Cube,  Siadtarrt  zu  Frankfurt  a.  M.  und  Verfasser  des  Orius 

sanitatis.   Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Heft  VII,  i lo;  Janus, 

Zeitschrift  für  Geschichte  der  Medicin. 
Theodor  Creizenach  in  Göttingea.    M  V,  62$, 

Johann  Christiaa  Ehrmann.  Beiträge  zur  ärztlichen  Kulturgeschichte,  .\bschnitt  L 
Ludwig  von  Hörnigk,  ein  Charakterbild  aus  der  Geschichte  der  Medicin.   Virchou :» 

.Archiv  XLI  und  (erweitert)  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kuiiil. 

N.  F.,  IV,  2J2, 

Lrinnerungsblätier  an  Wilhelm  Friedrich  Hufnagel.   Frankfurt  185 1. 
Zur  modernen  Sagenbildung  (über  Hufnagel).    M  V,  uxL 
Wilhelm  Friedrich  Hufnagel,  ein  Lebensbild.   Im  Neuen  Reich  187J,  II,  jjj  tf. 
Hermann  Kloss.  Jahresbericht  über  die  Vc^^•altung  des  Mcdicinalwcsens  etc. 
S.  267. 

Nekrolog  des  Stadtarchivars  Dr.  phil.  G.  L.  Kriegk.    .M  V',  6ji. 

Worte  der  Erinnerung  an  Prof.  G.  Lucae.  Jahresbericht  der  Senckenbergischen 
naiurforschenden  Gesellschaft  1884— 8j. 

Johann  Christian  Gustav  Lucae.  Jahresbericht  über  die  Verwaltung  des  Medicinal- 
wesens  etc.  188$,  S.  270. 

Nekrolog  des  Dr.  med.  Georg  Melber.  Bericht  über  die  Senckcnbergischc  natur- 
forschende Gesellschaft  1872—73;  Jahresbericht  über  die  Verwaltung  de^ 
Medicinalwesens  etc.  187}  S.  232. 

.Sebastian  Münster,  der  Cosmograph.    M  IV,  jk. 

Christian  Ermt  Neeff.    Frankfurter  Konversations-Blatt  1849,  No.  17;. 

(Christian  Hrnst  NeetT.    Frankfurter  Hausblätter  III,  No.  109. 

Zur  Erinnerung  an  Christian  Ernst  Neeff.  Kleine  Chronik  1882,  No.  6^  Jahresbericht 

des  Physikalischen  Vereins  1881 — 82. 
Hert  von  Rcineck.   Neues  Frankfurter  Museum  1861,  No.  21: 
Herr  von  Rcineck.    Im  Neuen  Reiche  1872,  L  376;  M  VI,  460. 
Ueber  Kramers  Buch  »Karl  Ritter,  ein  Lebensbild«  (Halle  1864—70).    M  IV.  296. 
Pfarrer  Roos.    Frankfurter  Nachrichten  1880,  Jan.  12, 

Denkrede  auf  Eduard  Rüppell.   Jahresbericht  des  Frankfurter  Vcrein>  für  Geographie 

und  Statistik,  Jahrgänge  48—49  (1883—85). 
.\us  Rüppells  Briefwechsel.    Ebenda  Jahrgänge  51—52  (1886—88). 
Eduard  Wilhelm  Peter  Simon  Rüppell.  Ohne  Ort  und  Jahr.  Wohl  Sonderabdruck 

aus? 

Nekrolog  des  Gymnasialprofessors  Dr.  Schn)idt.    Bericht  über  die  Senckenbcrgische 

naturforschende  Gesellschaft  1872 — 73. 
Zur  C^liarakteristik  Johann  Christian  Senckenbcrgs.    M  IV,  326. 
Dr.  Johann  (Christian  Senckeuberg  und  seine  Zeitgenossen.   Kleine  Chronik  1883, 

No. 

Detmar  Wilhelm  Soenm)erring.  Jahresbericht  über  die  Verwaltung  des  Medicinal- 
wesens etc.  1871  S.  272. 

Samuel  Thomas  von  Soemmcrring,  nach  seinem  Leben  und  Wirken  geschildert. 
Neujahrsblatt  des  Vereins  für  Geschichte  und  .'\ltcrthumskundc  in  Frank- 
furt a.  M.  1862. 

Nekrolog  von  Georg  Eduard  Sieitz.    .M  V,  653. 

Nekrolog  von  Dr.  Stichel.    Preussischer  Staatsanzeiger  1869  April  Virchows 

Archiv  XLVII,  S.  314. 
Lebenserinnerungen  1833—44.   Kleine  Chronik  IV— VII. 


i 


—  397  - 


Zur  Erianemag  an  den  kfinigl.  Geheimen  Sanitttsnith  Dr.  med.  Georg  Vantntrapp 
Jahresberidic  des  Frankfurter  Verdns  für  Geographie  und  Statistik,  Jahr- 
gang )0  (18S5-86). 

J.  P.  Wagner.    Jalircsbcricht  des  I^hvsikali,sclii.'n  Vereins  jS-q—So. 

In  der  »Allgemeinen  Deutschen  Biographie«  stammen  laut  treundlicher  Mitthciiuiig 
der  Redaktion  die  nachfolgenden  Anikel  von  Stricker: 


Bamberger,  Fritt. 

Bethmann,  Simon  Morita  v, 

Bo/zini,  Pliiüpn 

de  Bry,  Maicrumilie. 

Hurggrave,  Johann  Philipp. 

^Herold,  Johann  Moritz, ' 

Hcssemer,  Friedrich  Maximilian. 

Hufnagel.  Wilhelm  Friedrich. 

Humbradit,  Joltann  Maximilian. 

Jügel,  Karl. 

jungen,  Max  zum. 

Jüngkcii,  Johann  Helfrich. 

Juncker,  Justus. 

Kirclwer,  Anton. 

V  Kittlita»  Friedrich  Heinrich. 

^Kleebcrger,  Johann. 

Kloss,  Georg. 

Kriegk,  Ccor^  Ludwig. 

Ledere,  i^avid. 

Lentxner,  Johann  Nicolai». 

V.  Lersner,  Achilles  August. 

i.inJhcinicr,  Ferdinand. 

Lingelbach,  Johann. 

Lippold,  Franz. 

Loüi,  Johann  Michael  v. 

Lonicerus,  Adam. 

»      ,  Philipp. 
Lotichius,  Joh;inn  Peter. 


Macklot,  Heinrich. 
Malss,  Karl. 

Mappes,  joh.inn  Michael. 
Meidinger,  Johann  \  alentin. 
Morgenstern,  Christian  Emst. 
*MQhk»ii>erg,  Heinr.  Melchior  Bernhard. 

*        »        ,  l*etcr. 

Mühlig.  Johmn  (jottfVied  Gottlieb. 

Necff,  Christian  Hrnst. 

Nothnagel,  Johann  Andreas  Benjamin. 

Orth,  Johann  Philipp. 

Prestel,  Johann  Amadeus. 

Radi,  Anton. 

V.  Reineck,  Friedrich  Ludwig. 
Reis,  FhUipp. 

Römer-Büchner,  Bei>edikt  Jakob. 

•Rosenberg,  Karl  B.  H. 
Roth,  Johann  Franz. 
Rothschild,  Meier  Anselm. 
Rfippell,  Wilhehn  Eduard. 
Sandrart,  Joachim. 
*.S.irtorius,  Christian. 
*Schlcgcl.  Hermann. 
Schmidt,  Maximilian. 
Sdiütx,  Malcrfamilie. 
'Schwab,  Daniel. 
Soemmerring,  Samuel  Thomas. 
>      ,  Wilhelm. 


Lucae,  Samuel  Christian. 

Strickers  überaus  aahlrdche  Artikel  in  Hirschs  »Biographischem  Lexikon  der 
hervorragenden  Aerzte«  können  hier  nicht  einaehi  aufgeftthn  werden. 

Zur  ü  o  c  t  h  c  -  L  i  1 1  c  r  .1 1  u  r. 

Goethe  und  1  rankturt  a.  M.    Die  Beziehungen  des  Diduers  zu  seiner  Vaterstadt. 
Virchow  und  HoItsendoriT,  Sammhing  wissenschaftlicher  Vorträge,  .Serie  Xt, 

Heft  261 

Goethes  Bezicliungen  zu  seiner  Vaterstadt,  Frankfurter  Konversations^Blatt .  1862. 

No.  T)6,    Auch  separat. 
Ucbcr  Goethes  Ik/.iehungen  zu  Q^ctelet.    M  III,  248. 

Die  Aerxte  in  Goethes  Jugendgeschichtc.  Frankfurter  Konversationsblatt  t86{, 
S.  447;  \'ircho\\  s  Archiv  XXVI;  auch  in  den  Beiträgen  aor  äntlichen  Kultur* 
geschichte,  Abschnitt  IV. 


'  n.   rn  t  •  vrr«li>  nc:>  Njn  c  i  :  I.  ircii  ^clicn  PerwiieR  «<i,  wakbv  nicht  tm%  Frinkfuri  iiaminen 
nnJ  keine  h«zirtiuii};cii  /»r  SuJi  gclijbi  lulnn. 


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-    39«  - 


Drei  Besuche  bei  Gocibe.   Frankfurter  Nachrichten  1877.  Juni  5;  Kleine  Chronik 

1H82,  No.  48. 
Ungedruckte  Briefe  Goethes.  M  V,  78. 
Zwei  ungedruckte  Briefe  Goethes.  M.  III,  115. 

Zu  Ciocthes  Leben  und  Werken.    Im  Neuen  Reich  1880,  I.  549;  M  VI,  245. 
Randbemerkungen  zu  Goethes  Dichtung  und  Wahrheit.  Im  Neuen  Reich  1871, 11, 194. 

Umgebung  der  Stadt. 

Die  Wctierau  und  ihr  Weinb.iU.   M  V,  272. 

Meusenstauini.    M  V,  95. 
(ichihausen.    M  IV,  15. 


B.  Sonstig«  Arbeiten  Stricken. 
Zusammengestellt  von  Dr.  med«  £  Coba. 

I.  Heilkunde  und  Katurwissenschalt. 
Medicini^.-Iio  Roisebemerkungen  über  Italien  und  SiciKen.  Oppenheims  Zeitschrift 

La  nauirc  et  le  siige  de  la  caiaracte.    1841.    Gekrönte  i'reisschriü. 
Die  Krankheiten  des  Linsensy&tems.   Frankfurt  184^ 
Reisch;indbuch  für  Aerzte  und  Naturforscher. 

Anwendung  des  Gnlvanismus  xur  I'rüluiig  de<i  Kh'tzableiters.  FoggcndoriTs  Annalcn 

XI. IX  (1846);  Dingler,  Poljtechmsclies  Journal  1847. 
Lebensregeln,   l-rankfurt  1854. 

Studien  über  Menschenblattem,  Vaccination  und  Revaccination.  Frankfurt  i86t. 

Von  der  SociM'  midicale  in  Genf  gekrönte  Preisschrift. 
i>er  Ritter  Taylor,  ein  Beitrag  /.ur  Goschtclite  Jer  .Xuijcnheilkundc  vor  iix)  J.ilircn 

Journal  für  Cliirurgie  und  Augenheilkunde,  N.  K.  II ;  Beilrage  zur  är/.tlicl>en 

Kulturgeschichte,  Abschnitt  X. 
Ueber  dic\\  irkungen  des  Blitzes  auf  den  mcnschliclien  Körper.  Virchows  Archiv  XX. 
Pockenpoesie,   lübenda  XX;  auch  Beiträge  xur  äratlichcn  Kuiturgcschichtc.  Ah- 

schniit  III. 

Die  getJgraphische  Verbreitung  des  Lippen i<reb.ses.    l;benda  XXV. 
Ueber  Kindersterblichkeh.  Ebenda  XXXIi,  LIV. 

Der  Abonus  in  seiner  Bedeutung  für  die  Zunahme  der  Bevölkerung.  Kbenda  XXXII. 

Ilttners  niedicini^clu-  Roir.inc,    Tbcrida  XXXVU. 
.Mitiheilungen  nw»  der  Praxis.    i;benda  XLI. 
Ueber  bürtige  Frauen.  Ebenda  XLIV.  LXXI,  LXXUL 

Historische  Studien  über  Heereskrankheiten  u.  Militärkrankenpflege  Ebenda  I.XIII. 
Ueber  Menstruatio  praecox  mit  einer  Tabelle  aller  bis  jetxt  beobachteten  Halte. 

i:benda  LXVllI,  LXXII,  LXXVf,  I.XXVIII. 
Litterarhisiorische  Studien  über  Zwitterbildung  beim  Menschen  von   i))4— i8ji. 

Ebenda  LXXXII 

Ueber  ausländische  Preisvertheilungen  an  dcutsclM!  Aerzie  und  Naturforscher. 
FKndi  LXXXII,  LXXXIV,  l.XXWI. 

Der  Blitz  und  seine  Wirkungen.  Virchow-HoltzendorHsche  .Sainnilung  wissen- 
schaftlicher Vortrage  1872. 

Die  Amazonen.  Ebetida  187). 

Die  Feuerzeuge.  Ebenda  1874. 


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-    399  - 


Geschichte  der  Menagerien  und  zoologischen  Girten.   Ebenda  1879. 

Albrecht  von  Hnller,  Johann  Georg  Zinimermann.  Paldamus,  deutsche  Dichter  und 

Prosaisten.  Leipzig  186t. 
Die  afrikanische  Tiiicrlabcl  vcrxüchcii  mit  lier  curopaisclien.    Ikrichl  über  die 

Senckenbergische  naturf.  Gesellschaft  187U— 71. 
Ueber  die  sogenannten  Haarmenschen,  insbes.  die  bärtigen  Frauen.  Ebenda  1876—77. 
Ueber  die  Sprache,  naturwissensch.  Mitiheilungen  in  Vergangenlieit  und  Gegenwart. 

Hbcnda  18S6. 
Ueber  (icsichtsurucn.    Hbcnda  1888—89. 

3.  Geographie,  Geschichte  und  Kulturgeschichte. 

Die  Sprachmcngerei  der  Deutschen.    Riedcrmanns  Monatsblätter  1842. 

Ueber  die  Ursachen  der  Beschränkung  des  deutschen  Sprachgebietes.  Ebenda  1842, 

Ueber  Kolo:iis.itton  und  .\us\vanderung.    I'beiuia  1842. 

Die  Verbreitung  des  deutschen  Vollics  über  die  Hrde.    Leipzig  184). 

Ueber  deutsch-russische  Wechselwirkungen.  Leipzig  184  5. 

Germania,  Archiv  zur  Kenntniss  des  deutschen  Elenients  in  allen  Ländern  der  Erde. 

5  B.inde.    I'rankfurt  1846  49. 
Der  deutsche  Auswanderer.  Zeitsclirift  tür  deutsche  Auswanderung  und  Ansiedelung 

von  Dr.  Stricker  und  Kuntzel.    Frankfurt  1849. 
Entwicklungsgeschichte  der  deutschen  Nationalität  seit  dcni  RcfnrmationNxeitalter. 

IVanklurt  18^0. 
Die  Deutschen  in  Spanier,  und  Portugal.    Leipzig  1850. 
Ueber  Slaven  und  Wenden,    l-ranklurt  iSsi. 
Die  Deutschen  in»  Vcneliamsclien.    Frankluri  i8j}. 
Die  Deutschen  in  Ober-Ungarn.   Frankfurt  1854. 
Die  deutsche  Sprachkarte.   Franklur:  i8j$. 
Die  deutsche  Sprachgrenze  gegen  W  esten.    18^  ^ 
Die  Jcutsch-weKchf  Sprachgren/c  v«ir  500  Jahren.  1X56. 

Die  deulsclj-walsciie  Spracligren/e  in  der  Schwei/,  und  Italien  vor  {o  >  J.djren. 
M  III,  170. 

Zwei        \  .ibische  Reichsst.idlc.    .VI         559.  • 
Reisen  der  ikiider  Sclionibuigk  in  Brilish-CJiiian.i.    IV.inklurt  l8jl. 
Charakteristik  europäischer  (irossst.idte.    l-ranklnit  l8ft2. 

Ueber  die  Bedeutung  der  europäischen  .Sprachen,    jahresbericlit  des  I  rankiuiier 

Vereins  (Ür  Geographie  und  Statistik  1869—70. 
üebcr  Robinsonaden  und  tingine  Reisen.    Kbenda  1870  71. 

Die  deutsch-lranzösischen  ( Ircn/he/irkc.    I'rankfurt  1871. 

Christi.in  Sartorius.  Jahresbericlit  des  I-rankkuter  Vereins  lür  (leogr.  u.Stai  72. 
Beiträge  zur  politischen  und  Kulturgeschichte,  zumal  vt>n  l'reiissen,  aus  ungedruckten 

Briefen  mitgetheih.   M  III,  409. 
Zwei  schwäbische  Reichsstädte.    M  IV,  5^9. 
Das  angebliche  Testament  Peters  des  Grossen.   M  VI.  7. 


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Verein  für  Geschichte  und  Alterthumskuiide 

zu 

"Prankfurt  a.  M. 


Oeschftfiliche  Mitthellongen. 


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l.  Bericht  über  die  Thiitigkcit  des  Vereins  im  Jahre  1891. 

Erstattet  in  der  Generaiversamnilung  am  2$.  Januar  1892. 


Wenn  der  Vorstand  Ihtien  beute  in  üblicherweise  über  das  I.ebcn 
des  Vereins  im  abgelaufenem  Jahre  1891  berichtet,  so  thut  er  dies  mit 
dem  Gefühle  der  Genugthuung,  dass  Uber  die  Vereinsthätigkeit  und  ober 
die  Theilnabme  der  Mitglieder  an  derselben  nur  Erfreuliches  gemeldet 
werden  kann. 

Den  Vorstand  bildeten  na«  h  den  in  der  (leneralversamralung 
am  36.  Januar  vorigen  Jahres  geschehenen  Wahlen  die  Herren 

Konservator  Ott<y  Comt'll, 

Pfarrer  Dr.  Hermann  Declwnt. 

Maler  Otto  Donnfr--<on  Ru  htt  r, 

Stadtarchivar  Dr.  Kudolj  Jnn^, 

Oberstabsarzt  a.  D.  Dr.  Karl  Tkwdor  Ktithe, 

Kaufmann  Vf^lhilm  Mappis, 

Senator  Dr.  Emil  von  Oven, 

Steuerkasse« Vorsteher  Gustop  RtutUngtr, 

Professor  Dr.  Alexander  Riese, 

Professor  Dr.  Georg  Wolff. 
Den  Vorsitz  führte  Herr  Professor  Dr.  Riese  und  in  dessen  Stell- 
vertretung Herr  Dr.  Kuth,\  das  Amt  des  Schriftführers  bekleidete  Herr 
Mappes,  das  des  Kasscnfuhrcf^  Herr  R,utlin-^er.  Die  nach  den  Sa!7itn«;en 
seitens  des  Vorstandes  gebildeten  Konmiissioncn  waren  loigenderns.i.'v^cn 
zusammengesetzt:  Die  Redaktions-Kommission  aus  den  Herren  Professor 
Dr.  Riese^  Dcniur-von  Richter  und  Dr.  Jung;  die  Lokal-Kommission 
aui  den  Herren  Reutlinger^  Dr.  von  Nathusius  und  Padjera;  die  Ex- 
kursions-Kommission aus  den  Herren  Dr.  Kuthe^  K<^r  und  Dr.  von 
Nathusius;  die  Bibliotheks- Kommission  aus  den  Herren  Dr.  Jung^ 
Dr.  Heuer  und  Dr.  J*allmann.  Die  Gcs<  häfie  des  Bibliothekars  der  in 
den  Benutzungsrnumen  des  Stadt-Archivs  I.  .Abtheilung  mit  dessen 
Büchern  vereinigt  aufgestellten  15iI)liotlu'k  des  Vereins  versah  Herr 
l>r.  //////f.  Die  Redaktion  der  im  Korresj^ondenzhlatte  der  W'estdetitPchen 
Zeitschrift  zur  Veröffenllit  hung  gelangten  Vereinsnachrichten  Ubernahm 
ebenfalls  Herr  Dr.  Jung. 

Nach  zwcij.lhriger  Amtsthätigkcit  haben  jetzt  die  in  der  General- 
versammlung des  Jahres  1 890  gewählten  Herren  Cornilty  Donntr^ron  Rifhfer. 


-  IV  - 


AfappeSf  ReutUnger  und  Rhu  aus  dem  Vorstande  auszuscheiden.  Da 
diese  fUnf  Herren  sich  bereit  erklärt  haben,  eine  etwaige  Wiederwahl 
anzunehmen,  so  hat  sich  der  Vorstand  gestattet,  deren  Namen  auf  dem 
in  Ihren  Hfintlcn  Ijcfmdlif  hen  Stimmzettel  für  die  Neuwahlen  an  erste 
Stelle  -fw  setzen.  Auf  dcniscilien  w  erden  Sie  zugicif  h  die  Namen  vf»n 
fünf  anderen  \'ereinsrniti;liedern  linden,  deren  eventuelle  W  .ihl  in  den 
\'«irsland  Ihnen  in  dureiiaus  unma-ssgeblit:her  Weise  cmptulilen  wird.  F> 
ist  Ihnen  bekannt,  dass  nach  den  Satzungen  jedes  Vereins-Mitglied  m 
den  Vorstand  wählbar  ist,  dass  aber  nur  solche  Stimmzettel  gültig  sind, 
auf  welchen  nicht  mehr  als  ftlnf  Namen  stehen. 

Die  Revision  der  Kassenfflhrunig  haben  wie  seit  Jahren 
so  auch  fUr  das  abgelaufene  Jahr  die  Herren  Ferdinand  Eysstn  und 
Wilhelm  Wfinnann  auf  Ersuf  hen  der  vorjährigen  Generalversammlung 
bereitwilligst  tlliernommen.  Dem  Danke  des  Vorst."i  ^  -  werden  Sie 
siih  gewiss  mit  I  retiden  ansrhliessen  und  diesem  Danke  AusdriteJc 
geben,  indem  Sie  die  l»eiden  Herren  wiedermn  bitten,  uns  nnrh  ttlr 
1893  ihre  Mitw  irkung  nicht  /u  \  ersagen.  Als  Ersafz-Rcvisi ircn  bringen 
wir  au»  h  dieses  Mal  die  Herren:  Rentner  Joseph  Dtbtika  und  Buchhändler 
Karl  Schickhürd  in  Vorschlag,  welche  erforderlichen  Falles  in  alpha* 
betischer  Reihenfolge  die  verhinderten  Revisoren  zu  vertreten  hätten: 
doch  geben  wir  uns  der  Hoffnung  hin,  dass  die  Herren  Eysstn  und 
Weismann  ihrem  gewohnten  Amie  unverhindert  obliegen  können  und 
dass  wir  die  Herren  DibeJka  und  Sckuthhard  nicht  zu  bemtlhea 
brauchen. 

l'nser  Mitgliederbestand  hat  sieh  auch  im  abgelaufenen  Jahre 
nur  wcntp,  \cr.1ndert.  Kr  i)etriig  zum  Beginne  desselben  \2z  Miti:^1ieder. 
von  denen  wir  dun  h  'l  od  imd  Austritt  34  verloren;  diesem  \  erlu-'t' 
stehen  1 5  neue  Aufnahmen  gegentiber,  so  dass  wir  mit  einem  Üc-sianiit 
von  403  Mitgliedern  in  das  neue  Jahr  eintreten.  An  unsere  Mitglieder, 
besonders  an  diejenigen,  welche  sich  an  den  Versammlungen  und  Ar* 
beiten  des  Vereines  regelmässig  betheiligen,  richten  wir  abermals  die 
dringende  Bitte,  uns  neue  Mitglieder  zuzuführen,  welche  an  der  Geschichte 
des  alten  Frankfurt  und  deren  Aufhellung  regen  Antheil  nehmen.  Wir 
sind  Überzeugt,  dass  es  bei  vielen  unserer  Mitbürger  nur  einer  An- 
regung bedarf,  sich  uns  anzuschliessen,  denn  das  Interesse  an  der  Ver 
gangenheit  Frankfurts  ist  in  den  weitesten  Kreisen  der  Bürjxerschaft  ein 
lebendiges,  und  der  von  uns  verlangte  Mmdest-lJeitrag  von  6  Mark 
ein  mässiijer  im  Vergleich  /u  dem,  was  der  Verein  seinen  Mitgliedern 
durch  Vcransiultung  von  Vorträgen  und  Ausflügen  sowie  durch  Ver- 
öffentlichung von  Schriften  über  das  alte  Frankfurt  zu  bieten  bestrebt  ist. 
Möge  Jeder  von  uns  in  seinem  Kreise  dem  Vereine  neue  Genossen  werben! 

Das  Jahr  1891  hat  uns  leider  eine  Reihe  recht  schmerzlicher  Ver- 
luste gebracht  Von  den  Herren,  welche  duirch  das  Shrenverhältniss 
als  korrespondierende  Mitglieder  uns  angehörten,  haben  wir  nicht  weniger 


als  vier  zu  beklagen:  Rcihtsanwalt  Frrisf  Horner  in  Darmsladt,  Kauf- 
mann Gustav  Dieffenbach  in  Friedberg,  Universitätsprofessor  Ür.  WUhtlm 
ffollaiui  in  Tubingen,  GymnasialdiickiDf  a.  1>.  Dr.  Johannes  Classen  in 
Hamburg.  Der  letztere,  welcher  zu  den  (irtlndcrn  des  Vereins  im 
Jahre  1857,  dann  zu  den  ersten  und  th.it igstcn  N'orsiandsmitghedcrn 
gehörte,  wird  nur  noch  wenigen  in  unserer  Mitte  aus  personhi  her 
Bekanntschaft  in  Erinnerung  stehen,  da  er  bereits  1864  das  seil  1852 
bekleidete  Amt  des  Direktors  des  städtischen  Gymnasiums  niederlegte, 
um  die  gleiche  Stelle  am  Johanneum  in  seiner  Vaterstadt  Hamburg 
anzunehmen;  dort  ist  er  am  51.  August  vorigen  Jahres  im  beinahe 
vollendeten  86.  Lebensjahre  heiibgegangen.  SUnd  er  auch  der  ThAtig« 
keit  des  Vereins  seit  seinem  Wegzuge  nat  h  Hamburg  nicht  mehr  so 
nahe  wie  früher,  so  nahm  er  doch  an  dem  Gedeihen  der  von  ihm  mit- 
begrUndeten  Genossenschaft  und  an  den  Arbeiten  auf  <'iMn  C^ebiete  der 
Frankfurter  Ges(  hi(  hte  reiben  Antheil.  Unter  den  Männern  aber.  w  eU  hc 
der  Erforschung  der  Wrgangenheit  Frankfurts  ihre  Kraft  gewidmet 
haben,  wird  sein  Name  alle  Zeil  mit  Ehren  genannt  werden:  seine 
Schrift  Uber  Jakob  Micyllus,  den  bedeutendsten  Leiter  unseres  Gym- 
nasiums in  der  Reformationszeit*  sein  Programm  Uber  die  Beziehungen 
Melanchthons  zu  Frankfurt  sind  gründliche  und  ihren  StolT  erschöpfende 
Arbeiten,  welche  tn  feinsinniger  Weise  die  Anfilnge  unserer  eisten 
Bildungsanstalt  und  das  bedeutungsvolle  Eingreifen  Melanchthons  in  die 
Frankfurter  evangelische  Bewegung  dargelegt  haben.'  —  Auch  Wtxx  Ernst 
Horner,  der  am  8.  Se])tembcr  1890  in  Darmstadt  starb,  ist  uns.  weni'^stens 
in  den  letzten  Jahren,  nicht  persönlich  näher  getreten.  Er  winde  iSSi 
in  Anerkennung  seiner  vielen  Verdienste  um  die  Geschichte  des  benach- 
barten Hesseniandes  und  seiner  regen  Thätigkeit  für  die  Bestrebungen 
des  Gesammtvcreins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthumsvereine, 
dessen  Organ,  das  Korrespondenzblatt,  er  1875— 1884  trefflich  redigiert 
hat,  zu  unserem  korrespondierenden  Mitgliede  ernannt;  der  uns  befreun- 
dete Darmstädter  Verein  hat  durch  seinen  Tod  einen  schweren  Verlust 
erlitten.'  —  Der  am  4.  April  189 1  verstorbene  Hen  Gus/av  Dieffenbach 
in  Friedberg,  seit  1879  unserem  Vereine  als  korrespondierendes  .Mitglied 
angehörend,  hat  hiiufig  unsere  A'ersammlungen  und  unsere  Ausflüge  mit 
seiner  stets  anregenden  Theilnahme  beehrt,  hat  vielen  von  uns  gern 


*  Vgl.  den  Nekrolog  in  deo  Mittheiltin^  des  Vereins  f&r  Hamburgische 
Geschichte,  Jahrg.  XIV,  S.  271  ff. 

'  N'.»ljcrcs  über  ihn  in  dem  Nckrolojj  «Fricdricli  Ritsert  unJ  Frnst  W'nrncr« 
in  den  Qyartalblattern  des  historischen  Vereins  für  das  Ciriisshcr nLMhiini  H.'^^cn. 
Jahrgang  1890,  S.  87—100.  Der  am  i>.  Januar  1890  gestorbene  Ht.>rrct  l-ncdncli 
Ritsert  hat  sidi  besonders  um  die  Geschichte  der  benachbarten  Adclsgcschlechter 
verdient  gemacht;  in  unserem  Neajahrsblatt  für  1882  hat  er  gemeinschaftlich  mit 
Dr.  Grotefend  Qber  die  Familien  von  Eschbora  und  Cronberg  gehandeh. 


-  VI  — 


den  Anblick  seiner  prächtigen  Alterthumssammlung  gestattet,  deren 
schönster  llieil  seit  einigen  Jahren  unser  historisches  Museum  ziert,  und 

hat  unsere  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  prähistorischen  Forschung 
stets  mit  bestem  Eifer  und  reichen  Kenntnissen  gefördert.  —  Professor  Dr. 
Wilhelm  Uvllii >!if,  der  am  22.  Aufust  1891  aus  diesem  l  eben  schied, 
j^ehörte  seit  25  jalircii  unscrt-m  \'ereine  als  korrcs]«)ndicrcndes  Mit^jÜed 
an;  seine  \  crdienNic  aul  dem  üei)iete  der  rom.inisi  hcn  und  deulst  hen 
Spiat  h-  und  Littcraturfors<  hung  sowie  seine  'I  hatigkeii  a.u  der  Spit/u 
des  Litterarischen  Vereins  in  Stuttgart  sind  uns  allen  bekannt. 

Von  den  hiesigen  Mitgliedern,  die  wir  im  Laufe  des  vergangenen 
Jahres  verloren,  sei  zunächst  des  am  4.  März  1891  verschiedenen  Herrn 
Dr.  med.  HtiAe/m  Sfrüker  gedacht.  Durch  sein  Abteben  verloren  wir 
eines  unserer  ältesten  und  thätigsten  Mitglieder,  die  Frankfurter  Gc< 
hchichtsforsrhung  aber  einen  Arbeiter,  dem  sie  viel  zu  verdanken  hat. 
Seinen  Verdiensten  dur«  h  die  Aufzählung  der  einzelnen  S<  hriften  und 
Aulsäl/e  gerecht  /u  werden,  ist  uns  in  dem  enuen  Rnhmen  diesem  Jalire^- 
beri«  htes  ni<  ht  moglit  ii  ;  wir  hoffen,  llI1^crn  Mitgliedern  im  naihMeri 
Ar«  luv  batide  eine  liebcvail  und  sorgfäliiu  gex  hncbcnc  liiographie  des 
Verstorbenen  mit  Aufzählung  aller  seiner  Aibeiicn  aus  der  Feder  seines 
Kollegen,  des  Herrn  Dr.  £,  CoAUf  vorlegen  zu  können,  welche  bereits 
im  letzten  »Bericht  der  Senckenbergischen  naturforschenden  Gesellschafl« 
erschienen  ist.  Wenn  deren  Verfasser  von  Strickers  Thätigkeit  für  die 
Frankfurter  Geschichte  urtheilt:  »Ueber  so  viele  Gebiete  des  Erdballs 
aber  auch  seine  Studien  geric  htet  waren,  am  liebsten  kehrten  sie  (!och 
bei  .seiner  Vaterstadt  ein;  in  der  Liebe  zu  ihr  wurzeln  seine  besten 
Bestrebungen,  sei  es  in  der  Aufhellung  ihrer  Ges<hi<:hte,  ihrer  To^hj- 
j^rajihie,  ihrer  llaudenknialrr,  ihrer  hygieni-i  hen  Kntwicklung.  in  der 
S<  iiilderung  ihres  ärziiithen  Standes  und  dessen  hervorragenden  Ver- 
tretern, in  der  Würdigung  ihres  gto.»ien  buhnes,  des  unsterblichen 
Dichters«  —  so  sind  hier  kurz  die  mannigfaltigen  Gebiete  angedeutet, 
denen  er  seine  Forschungen  gewidmet  hat;  es  sei  aber  hier  nur  hervor- 
gehoben, dass  das  von  ihm  mit  grOsstem  Erfolge  angebaute  und  bear- 
beitete Feld  das  der  Geschichte  der  Heilkunde  in  Frankfurt  in  allen 
seinen  Zweigen  gewesen  ist.  In  unserem  Verein  gehörte  er  Jahrzehnte 
lang  zu  den  häufigsten  Rednern,  unsere  Vereinsschriften  enthalten  die 
meisten  seiner  auf  Frankfurt  bezüglichen  Aufsätze.  -  /-u  unseren  ältesten 
Mitgliedern  zählte  ferner  au«-h  der  am  Tage  vor  W  eilina«  hten  ans  dem 
Leben  abgerufene  Prälat  Professor  Dr.  foha)iiiis  /ijr!<s,n.  Ks  ist  lirer 
nicht  der  Ort,  eine  urdi;,'unir  der  wisscnst  luifili«  hen  l  iiaiigkeit  dic>C3 
Mannes  im  Allgemeinen  auszusprechen,  der  als  Cieschiehtsschreibcr  von 
seinen  Gegnern  so  bitter  befehdet  wurde,  wie  ihn  seine  Freunde  erhoben; 
wir  haben  hier  nur  seiner  Verdienste  um  die  Geschichtsforschung  unserer 
Vaterstadt  zu  gedenken,  die  ihm  eine  zweite  Heimath  geworden  war. 
Die  Veröffentlichung  von  Urkunden  und  Aktenstttcken,  welcher  die  Ver- 


-   VII  - 


arbeitung  des  Materials  in  einer  allgemein  lesbaren  Darstellung'  iiKtiigcU, 
ist  kein  Werk,  we!rhes  den  Namen  seines  Verfassers  in  weite  Kreise 
triiuX :  es  wird  nur  den  (»elehrten  nSher  vertraut,  welchen  es  das  Roli- 
niaierial  für  ihre  Arbeiten  bietet.  So  kommt  es,  dass  /anssens  erstes 
grösseres  Werk  »Frankfurts  Rci<  Iiskorrespondenz  1376—1519«  nur  einem 
kleinen  Kreise  von  Freunden  der  vatersUdtischen  Geschichte  vertraut 
geworden  ist;  diese  aber  wissen  den  Fleiss  des  Verfassers,  mit  dem  er 
die  Schätze  unseres  städtischen  Archivs  aufgestöbert,  und  das  Verdienst, 
welches  sich  durch  den  Abdruck  dieser  Akten  nicht  nur  um  die 
Geschichte  Frankfurts,  sondern  auch  um  die  allgemein-deutsche  Oeschichiu 
er^\  fiiben  hat,  in  vollem  Masse  zu  schätzen.  Von  nicht  geringerem  Ver- 
dienst ist  seine  Biograi)hie  Johann  Friedrich  Höhmcrs,  des  bedeutendsten 
Frankfurter  (Icschiehtssc  hrellK  rs  in  diesem  jahrhundt  rt ;  das  ^V'erk  ist 
ein  werihvoUer  Beitrag  zur  ( .  hi»-hte  der  wissensi  liattlic  hen  und  kdnst- 
Icrist  hen  Bestrebungen  in  Frankiuri  m  Böhmers  Lebzeiten.  Den  Arbeilen 
unseres  Vereins  ist  der  Verstorbene  stets  mit  lebhaftem  Interesse  und 
warmer  Anerkennung  gefolgt,  wenn  ihm  auch  seine  historischen  Studien 
auf  weiteren  Gebieten  und  seine  Gesundheitsumstände  in  den  teteten 
Jahren  eine  persönliche  Theilnahme  nicht  gestatteten. '  —  Lassen  Sie  uns 
endlich  dem  am  7.  September  verschiedenen  Herrn  August  Ehingtr  ein 
Wort  der  Trauer  nachrufen  I  Auch  er  gehörte  zu  unseren  ältesten  und, 
was  mehr  wiegt,  zu  unseren  eifrigsten  und  treuesten  Mitgliedern.  Er 
war  einer  der  deissigsten  Besucher  unserer  Vortragsabende,  der  f(lr  alle 
Uestrehungcn  des  Vereins  auf  dem  Gebiete  der  Alterthumskunde  ein 
lel)ha(tes  Interesse  und  hNufig  aurh  eine  offene  Hand  hatte.  Mit  dank- 
barer Anerkennung  soll  liier  erwähnt  werden,  dass  er  auch  in  seinen 
letzten  Willensverfügungen  dieses  Interesse  bewährt  hat,  indem  er  dem 
historischen  Museum  seine  ganze  werthvolle  Sammlung  von  Bttchern, 
Kunstwerken  und  AUerthUmem  und  ein  ansehnliches  I^at  vermachte. 

Das  Andenken  der  aus  unserer  Mitte  geschiedenen  Mitglieder,  der 
genannten  wie  der  nichtgenannten,  soll  in  Ehren  bleiben;  und  zum 
Zeichen  dessen  wollen  Sie  sich  von  Ihren  Sitzen  erheben! 

Wie  schon  im  vorjährigen  Berichte  angekündigt,  haben  wir  im 
abgelaufenen  Jahre  ausser  dem  Korrespondenzblatt  der  West- 
deutschen  Zeitschrift.  Jahrgang  1890,  au(  h  einen  weiteren 
.■\  rc  h  i  V  b  a  n  d.  den  dritten  der  dritten  Folge,  ausgegeben.  Der  dritte 
Band  der  von  uns  mit  städtischer  Subvention  herausgegebenen  »Inven« 
tare  des  Frankfurter  Stadtarchivs«  konnte  Hder  noch  nicht 
ganz  fertig  gestellt  werden,  naht  aber  jetzt  seiner  Vollendung  und  wird 
den  Mitgliedern  in  den  nächsten  Wochen  zugehen.   Er  enthält  die 


>  Vgl.  über  Janssens  Leben  die  Arbeit  seines  Sdifliers  Ludwig  Pastor,  lohannes 
Janssen,  1829— 1S91,  ein  Lebensbild,  vornehmlich  nach  den  uugtdrackten  Briefen 
und  Tagebüchern  desselben  (Freiburg  1892). 


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-  VIII  — 


Verzcirhnissc  der  für  die  auswärtige  Politik  der  Stadt  im  Mittelaiter 
wit  litigstcn  Archiv ht'ijtaadthcile  :  die  Privilcj^ien,  die  Kaiscrs<  hrciben,  die 
KopialbUcher,  die  Wahltagshandlungen  und  die  Reiclistagsakten ,  in  der 
Bearbeitung  dieses  Bandes  hat  sich  neuerdings  Herr  Dr.  R,  Froning 
dem  bisherigen  alleinigen  Bearbeiter,  Herrn  Stadtarchivar  Dr.  R.  Jun^, 
zugesellt  und  wir  hoffen,  dass  diese  neueingelretene,  aber  altbewährte 
Kraft  diesem  jüngsten  und  für  die  Forschung  auf  dem  Gebiete  der 
städtischen  und  allgemein-deutschen  Geschichte  Uberaus  wichtigen  Unter* 
nehmen  des  Vereins  noch  recht  lange  erhalten  bleibt 

Herr  Dr.  Froning  hat  im  abgelaufenen  Jahre  eine  grössere  Arbeil 
Uber  das  Drama  des  Mittelalters  vollendet,  welche  einen  '1  heil  des  von 
Joseph  Kürschner  herausgegebenen  Sammelwerkes   »Deutsche  Nauunai- 
litteratur«    bildet;    von  dem  Absclmiltc,   welcher  die  Frankfurter 
Passionsspiele  behandelt,  hat  der  Vorstand  für  die  Mitglieder  des 
Vereins  450  Sonderabdrttcke  erworben,  welche  demnächst  mit  dem 
dritten  Inventarbande  und  dem  Jahrgange  1891  des  Korrespondenz«- 
blattes  der  Westdeutschen  Zeitschrift  zur  Vertheilung  gelangen.  Wir 
freuen  uns,  dass  wir  Dank  dem  Entgegenkommen  der  Verlagshaadhmg 
unseren  Mitgliedern  die  hübsch  ausgestattete  Schrift  des  Herrn  Dr.  Froning 
darbieten  können,  dessen  Vorträge  Uber  das  Passionsspiel  in  Frankfurt 
in  unserem  Vereine  so  reichen  Beifall  fanden  und  wohl  allen  '/uliörcrn 
den  Wunsch  nahe  legten,  die  interessanten  Ausfulirungen  des  Kedners 
durch  den  Druck  verbreitet  zu  sehen.   Der  nac  hste  Are  hivband.  dcsb.Ln 
ersten  Aufsatz  die  schon   fertig  gedruckte  Neuausgabe  des  »Prorektor« 
mit  erklärendem  Texte  von  Herrn  Archivrath  Dr.  Grotefend  bildet,  wird 
erst  im  Anfange  des  nächsten  Jahres  ausgegeben  werden.    Von  einer 
Neuerung,  die  mit  diesem  Bande  beginnen  wird,  wollen  wir  Ihnen  schon 
jetzt  Mtttheilung  machen.  Es  sollen  fortan  in  jedem  Archivbande  etwa 
2  bis  3  Bogen  fUr  Aufsüt^e  kleineren  Umfanges  vorbehalten  und,  um 
Raum  zu  sparen  und  sie  besser  von  den  grösseren  Arbeiten  hervonni- 
heben,   in  kleiner  Schrift  gedni»  kt  werden.    FUr  solche  kleinere  Mit- 
thciiungen   belassen  wir  früher  eine  besondere  Zeitschrift :   seit  deren 
Eingang  hat  sich  mehrfach  das  Ikdürfniss  geltend  gemacht,  derartige 
Arbeiten  aufzunehmen,  was  bei  der  seitherigen  Einrichtung  der  Archiv- 
bände aber  stets  Schwierigkeiten  begegnete. 

Der  Vorstand  hatte  urs|)rUnglich  noch  die  Absicht,  Ihnen  eine 
schone  Arbeit  des  Herrn  Doniur-von  RUhter  über  die  Baugeschichte 
und  die  Wandgemälde  des  hiesigen  Karmeliter-Klosters 
entweder  in  einem  Archivbande  oder  in  einer  besonderen  Schrift  als 
Vereinsgabe  zugänglich  /u  inachen.  Der  Stand  unserer  Finanzen  hat 
uns  aber  nicht  gestattet,  das  Werk,  zu  dem  Herr  Donner  17  Tafeln  mit 
Abbildungen  jener  herrli(  hen,  wenn  aurh  jetzt  leider  fast  völlig  ver- 
blichenen Gemälde  gezeichnet  hatte,  auf  eigene  Kosten  drucken  zu  l.xssen. 
\\  ie  schon  so  oft  in  den  letzten  Jahren  hat  sich  die  Administration  des 


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-   IX  - 


Dr.  J.  Fr.  Böhmer'schen  Nachlasses  auch  dieser  hötlisi  inieressanten 
Arbeit  angenommen  und  wird  sie  demnächst  als  besonderes  Werk  an 
die  OefTentVi«  hkcit  treten  lassen.  Können  wir  auch  nnsern  Mitgliedern 
diese  S(  hrift  mit  den  dazu  gehörigen  Tafeln,  welrhe  die  Firma  Kuhl  <^  Co. 
in  trcfflii  her  W  eise  mit  Lichtdruck  hergestellt  hat,  ni(  ht  als  \  erems- 
\  eröfl'entli(  hung  darbieten,  so  ergreifen  wir  doch  gern  die  ütlcgenheit. 
an  dieser  Stelle  aut  das  demnächst  erscheinende,  lUr  die  Frankfurter 
Bau-  und  Kunstgeschichte  höchst  wichtige  Werk  aufmerksam  «u  machen 
und  der  Freigebigkeit  der  Herren  Administratoren  des  Böhmer'schen 
Nachlasses  rahmend  zu  gedenken. 

Bei  einem  anderen  Werke,  welches  bestimmt  ist,  ein  nunmehr  ver> 
schwundenes  Bauwerk  Frankfurts,  den  Russischen  Hof,  in  allen  seinen 
einaelnen  Schönheiten  der  Nachwelt  zu  ttbeiliefa'n«  war  nur  die  moralische 
Unterstützung  des  Vereins  nöthig.  Die  auf  Veranlassung  des  Arcliitekten- 
Vereins  und  unter  Leitung  des  Herrn  Professor  O.  Sommer  zur  Veröffent- 
Uchung  fertiggestellten  Pläne  und  Ansichten  des  Russischen 
Hofes  sollen  von  einer  Berliner  Firma  herausgegeben  werden;  doch 
verlangt  diese  einen  namhaften  Zuschuss  zu  den  hohen  l)ru(  kkos(en 
des  Werkes.  Mit  den  anderen  Vereinen,  weh  he  vor  vier  Jahren  gemein- 
schaftlich für  die  KrliaUung  des  herrlic  hen  dehäudes  eingetreten  sind, 
haben  auch  wir  Schrille  in  Aussiclu  genommen,  welche  dem  schönen 
Werke  hoffentlich  zum  Erscheinen  verhelfen  werden. 

Noch  ein  weiteres  wissenschaftliches  Werk,  dessen  Zustandekommen 
unser  Verein  oder  vielmehr  eine  grosse  Zahl  unserer  VereinsmitgUeder 
hat  ermöglichen  helfen,  dttrfen  wir  hier  zu  unserer  Genugthuung  er« 
wAhnen.  Wie  Ihnen  erinnerlich  sein  wird,  haben  sehr  viele  Herren  des 
Vereins  im  Herbste  1887  zu  der  von  seinen  Freunden  dem  scheidenden 
Herrn  Dr.  Greiefenät  dem  Ehrenmitgliede  unseres  Vereins,  gewidmeten 
Ehrengabe  Beiträge  gesteuert.  Der  wissenschaftliche  Zweck,  dessen 
Erreichung  sie  fördern  sollte,  war  die  Neubearbeitung  des  von  Herrn 
Dr.  Grotefcnd  1872  veröffentlichten  »Handhurhes  der  liisiorist  lu-n 
Chronologie«,  eines  von  allen  auf  dem  (»ebiele  des  deutschen  Mittel- 
alters thätigen  Forschern  hochgeschätzten  W  erkes.  In  erweiterter  ( Jestall 
und  mit  stark  vermehrtem  Lihalte  ist  vor  kur/ein  der  erste  I'.and  des 
Werkes  erschienen,  welches  den  Titel  trägt;  »Zeilrechnung  des 
deutschen  Mittelalters  und  der  Neuzeit  (Hannover  i89i)u. 
Freilich  werden  nur  die  wenigsten  unter  uns  Gelegenheit  haben,  dieses 
Werk  in  näherem  Gebrauche  kennen  und  schätzen  zu  lernen ;  wir  wollten 
aber  nicht  unterlassen,  in  diesem  Berichte  die  Vollendung  einer  wissen* 
scbaltlichen  Arbeit  zu  erwähnen,  an  welcher  unser  Verein,  wenn  auch 
nur  mittelbar,  betheiligt  bt. 

In  den  w  i  sse  n  sc  h  af  t  Ii  (  h  e  n  Sitzungen  des  Vereinn,  deren 
wir  14  im  altgewohnten  Lokale  des  Restaurants  Palmen  abhielten, 
wurden  die  nachfolgenden  Vorträge  abgehalten: 


-  X  - 


1)  l)asPassionb^])ici  im  niittelalterlic  licn  Franklurt.  (Dr.  Froniii^.\ 

2)  Die  Baugeschichte  des   ICarmeliter -Klosters.     (O.  Dinner- 
tfon  Richter.) 

3)  Das  Friedberger  Thor  im  Mittelalter.    {E.  Padjeta.) 

4)  Der  Riedschtag,  der  Schafhof,  die  Quiriitspfbrte.  {O.  Cn-mll.) 

5)  Die  Frankfurter  MOttersunft.   {A.  Norm,) 

6)  Das  Frankfurter  Gymnasium  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts. 
(Dr.  K,  Reinhardt.) 

7)  Die  Vertreibung  der  Schweden    aus  Sachsenhausen  1635. 
(Dr.  /.  Kraiuiuer.) 

8)  Die  Einwanderung  Tri 'ionischer  Familien  in  Frankfurt  im  17. 
und  18.  Jahrhundert.    (Dr.  /\.  Juni:.) 

9)  Die  Kamille  Textor.    (Dr.  O.  HcurrA 

10)  Zinzendorls  Beziehungen  zu  Frankiurt.    (Dr.  H.  Diifunt.) 

1 1)  DerRusslscheHof  und  die  Familie  von  Schweitzer.  (Dr.  L.HolthoJ.) 

1 2)  Bilder  aus  dem  kirchlichen  Leben  wahrend  der  Franzosenseit. 
(Dr.  H,  Deckend) 

13)  Die  neuesten  Ausgrabungen  in  der  Dreieich.   (/^  Küßtr.) 

14)  Die  .\usgrabungen  bei  Dortelweil.   (Prof.  Dr.  G,  Weif  und 
Prof.  Dr.  A.  Ä'üsr.) 

15)  Neuere  Römische  Funde  bei  Höchst  und  Rödelheim.  (Prof. 
Dr.  G.  Uoiff.) 

Von  diesen  Vorträgen  sind  oder  werden  demnächst  in  crMeitcrler 
Gestalt  gcdriK  kt : 

No.  I  und  2  in  besonderen  Schriften,  worüber  bereits  das  Nöthigc 
bemerkt  wurde;  No.  10  in  unserem  »Archiv  für  Frankfurts  Geschidile 
und  Kunst«  dritte  Folge,  vierter  Band;  No.  11  in  einem  besonderen, 
nicht  in  den  Handel  gelangten  Schriftchen,  welches  die  letzten  Besitzer 
des  Russischen  Hofes,  die  Herren  GebrQder  Drexelf  drucken  Hessen; 
No.  12  im  Kirchenkalender  ftlr  die  evangelisch-lutherische  Gemeinde  flJr 
189s  und  in  der  Didaskalia  1891;  No.  15  im  nächsten  Archivbande. 

Der  Dank  an  die  Vortragenden,  welchen  wir  den  einzelnen  Herren 
schon  ausgesprochen  haben,  werde  hier  nochmals  im  (lanzen  wiederholt 
und  damit  der  Wunsch  verbunden,  dass  sie  uns  au(  h  ferner  durc  h  Mi!- 
theilung  der  Ergebnisse  ihrer  Forschungen  an  unseren  Veremsabendcn 
erfreuen  mögen!  Unsere  Mitglieder  aber  bitten  wir,  den  Herren  Vor- 
tragenden filr  Ihre  Bereitwilligkeit  durch  möglichst  häufigen  und  zahl- 
reichen Besuch  der  von  uns  zu  veranstaltenden  Vortragsabende  zu  danken. 

£ine  solche  Mahnung  und  Bitte,  unsere  Vereinssitzungen  zu  be* 
suchen,  erscheint  angebracht,  wenn  wir  einen  Blick  auf  die  statistische 
Uebersicht  des  Besuchs  unserer  wissenschaftlichen  Sitzungen  werfen,  die 
wir  der  fleissigen  Arbeit  unseres  Schriftftlhrers,  des  Herrn  Mappes.  ver- 
danken. In  den  rwei  Jahrzehnten  1S71  -1890  schwankt  die  Zahl  der 
jährlich  abgehaltenen  wissenschaftlichen  Sitzungen,  die  Generalversamm- 


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hing  und  Winckelinaonsfeier  abgerechnet,  zwischen  lo  und  19;  die  Anzahl 
der  anwesenden  Herren  betrug  jährlich  im  Durchschnitt  zwischen  35 
und  35.  Zwar  k<lnnen  wir  da  nicht  von  zahlreichem  Besuche  sprechen, 
doch  wollen  wir  nicht  unterlassen,  festzustellen,  dass  der  Besuch  der 
Sitzungen  in  den  letzten  Jahren  und  besonders  in  diesem  Winter  ver- 
hältnissmjissig  erfreulich  gewesen  ist. 

Die  V\  i  n  k  e  1  m  a  n  n  s  f  e  i  c  r  wurde  am  9.  Dezember  im  neuen 
1,(jkale  der  Kiinstlcr-( iesells<  halt  abgehalten,  die  Vcraii<taltun£(  hatte 
der  Verein  tUr  das  hisiorih«  he  Museum  ubcrnutnmen  und  die  Mitglieder 
des  Freien  deutschen  Hochstifts  und  des  Alterthumsvereins  wie  gewöhn- 
lich dazu  eingeladen.  Herr  Dr.  O,  Htuir  s])rach  aber  »Wincketmann 
und  Goethe«,  Nach  dem  Festvortrage  hatten  jdie  Anwesenden  noch 
Gelegenheit,  eine  von  Sigmund  Feyerabendt  David  ZOpfel  und  Johann 
Rasch  in  Frankfurt  1560  gedruckte  und  mit  prächtigen  Bildern  ge- 
schmückte Bibel  in  näheren  Augens«  hein  zu  nehmen,  welche  die  Stadt- 
bibtiothek  seitdem  käuflich  erworben  liat. 

Die  Administration  des  Städelschen  Instituts  hat 
uns  auch  in  diesem  Jahre  wieder  mit  einer  Einladung  zu  ihren  Kupier- 
stichbeschauungen  beehrt:  sie  finden  an  den  Donnerstag  Abenden  statt 
und  bringen  in  diesem  Winter  die  Werke  der  französischen  Schule  zur 
Vorlage.  Indem  wir  unsere  Mitglieder  nochmals  von  diesem  dankens- 
werthen  Entgegenkommen  benachrichtigen,  fordern  wir  zur  fleissigen 
Befolgung  dieser  Einladung  auf. 

Mit  den  Vorständen  anderer  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  und 
Wissenschaft  gleichstrebender  Vereine  wurde  au(  h  der  unsere  aufgefordert, 
einen  Vertreter  in  das  aus  allen  Krei'^en  der  Bürgerschaft  gebildete 
("omite  zu  entsenden,  welches-  si«  h  die  Krri<  htung  eines  Denktnales  fUr 
den  am  28.  Marz  Nori^^^en  Jahres  aus  dem  Leben  geschiedenen  Friedrich 
Sloltze  zum  Ziele  gesetzt  halte.  Wir  glaubten  uns  dieser  Einladung 
nicht  vcrschliessen  i\\  sollen:  hat  der  verstorbene  Di<hter  unserem 
Vereine  auch  fern  gestanden,  so  hat  doch  der  Sänger  und  Humorist  des 
alten  Frankfurt  —  und  nur  diese  Seite  seines  dichterischen  Schaffens 
konnte  fllr  den  Verein  als  solchen  in  Betracht  kommen  —  auf  einem 
anderen  und  schöneren  Wege  dasselbe  Ziel  wie  wir  gesucht  und  erreicht: 
das  Interesse  an  der  Vergangenheit  Frankfurts  und  damit  die  Liebe  zur 
Vaterstadt  zu  wecken  und  zu  pAegen.  Als  unser  Vertreter  betheiligte 
sich  Herr  Senator  Dr.  von  Oven  an  den  Berathimgen  des  weiteren 
Comites;  eine  werkthatige  I  heilnahine  an  der  Angelegenheit  des  Stoltzc- 
Denkmales  dun  h  Zei<  hnung  eines  Beitrages  verbietet  uns  ausser  anderen 
Gründen  schon  der  Wortlaut  unserer  Satzungen. 

Den  Ausgrabungen  nach  Spuren  der  Vorzeit  in  unserer  Stadt 
und  im  Gebiete  der  benachbarten  Ortschaften  haben  wir  im  abgetaafenen 
Jahre  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Mehrere  Vorträge 
des  Herrn  Professor  Wolff^  welcher  hauptsächlich  diesen  Zweig  der 


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V'ereinsthrf tigkeit  mit  unermüdlt(  heni  Kifer  und  reic  hen  Erfolgen  pflegt, 
haben  Ihnen  gezeigt,  wie  die  Ausgrabungen  der  letzten  Jahre  unsere 
Kenntniss  von  dem  Zubiande  des  von  uns  bewohnten  Gebietes  in 
Fränkischer,  Römisc  her  und  vorgeschichtlicher  Zeit  in  ungeahnter  Weise 
erweitert  haben,  wie  viele  Fragen  von  wissenschalUicher  Bedeutung  die 
DurchwUhlung  des  Erdbodens  schon  gelöst  hat  und  noch  lösen  muss. 
Mit  dankbarer  Anerkennung  sei  auch  in  diesem  Berichte  wiederholt, 
dass  mehrere  Herren  und  Damen  die  Arbeiten  des  Herrn  Professor  Woljf 
durch  eine  reiche  (Geldspende  zu  Ausgrabunj^wecken  gefördert  und 
damit  der  Wissenschaft  einen  trefflichen  Dienst  erwiesen  haben ;  dürfen 
wir  auch  zu  unserem  Bedauern  die  Namen  der  hochherzigen  ficbcr 
nicht  nennen,  so  t'uhlcn  wir  uns  doch  verpflichtet,  auch  hier  den  Iteiden 
Herren  ( )berstabsarit  Dr.  Küthe  und  Sanitätsrath  Dr.  Herxheiincr . 
deren  Bemühungen  es  gelang,  jene  Geldsumme  zu  sammeln,  den  Dank 
des  Vereins  abzustatten. 

Die  knappen  Geldmittel  des  Vereins  haben  uns  nicht  gestattet, 
die  Ausgrabungen  in  unserer  Nachbarschaft  finanziell  zu  unterstQtzen. 
Ii>er  Vorstand  hat  aber  in  eingehende  Erwägung  gezogen,  in  welcher 
Weise  den  S<  hu  icrigkciten  zu  begegnen  sei,  welche  vielfach  von  Seite  n 
der  I,4indbewohner  diesen  Arbeiten  bereitet  werden  und  deren  Erfolg 
sc  hwer  gefährden.  Den  meisten  St  baden  verursachen  die  planlosen 
Naciigrabungen,  welche  die  Anwohner  lediglich  in  L'cwinnstSchtiger  Ab- 
sicht zur  Erlangung  von  Fundstücken  anstellen.  So  wenig  wir  den 
Eigenfhümer  hindern  können,  sein  CirundslU«  k  nach  sokhen  Resten  der 
Vergangenheit  zu  durchwühlen,  so  sehr  sind  wir  berechtigt  und  ver- 
pflichtet, Einsprache  zu  erheben,  wenn  dieser  Raubbau  von  Unbefugten 
auf  öiTentlichero  (irund  und  Boden  ausgeübt  wird.  In*  Gemeinschaft  mit 
dem  Verein  ftlr  das  historische  Museum,  der  gegenwärtig  nach  einem 
von  wissenschaftlichen  Grundsätzen  eingegebenen  Plane  Ausgrabungen 
anstellen  lässt,  haben  wir  Schritte  bei  den  staatlichen  Behörden  in 
Aussicht  genommen,  um  deren  Unterstützung  für  unsere  Bestrebungen 
zur  Hebung  tmd  Erhaltung  der  antiken  Schat/e  der  Römischen  Trümmer- 
statte  ])ei  Heddernheim  zu  gewmnen.  l'eber  den  Erfolg  un&eres  Vor- 
gchenis  wurden  wir  Ihnen  semer  Zeit  Beri(  ht  erstatten. 

Die  im  vergangenen  Jahre  von  unserer  Exkursions-Ronunis&ion 
veranstalteten  Ausflüge  nahmen  den  erfreulichsten  Verlauf.  Dar  erste 
wurde,  wie  üblich,  am  Himmelfahrtstage  unternommen;  sein  Ziel  war 
Langen,  Dreieichenhain  und  Heusenstamm.  Unter  den  53  Theilnehmern 
am  Ausfluge  befanden  sich  auch 'einige  Herren  vom^Alterthumsvereine 
in  Langen  und  aus  Darmstadt.  Der  zweite  Ausflug  galt  der  Begehung 
der  Münilinglinie  \ on  Lützelbach  bi>  Eulbach;  die  sachkundige  Führung 
hatte  der  bewährte  I  reund  unseres  Vereins,  Herr  F.  Kofler  an<  Darm- 
stadt, übernommen,  der  uns  im  voraufgeijantrenen  ^\  inter  in  einer  Sitzung 
des  Vereins  einen  interessanten  Vortrag  Uber  die  Römischen  Reste  in 


i 


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jener  Gegend  gehalten  hatte.  Ein  dritter  Ausflug  bezweckte  die  Besieh* 
tigung  des  südlichen  Theiles  der  Mttnilinglinie  von  WUr/.burg  bis  Schlossau. 
I>er  letzte  Ausflug,  der  nur  einen  Nachmittag  in  Ansprucli  nahm,  galt 
der  Besichtigung  des  Museums,  der  Heidenmauer,  des  Rathshauskellers 
und  der  Textilausstellun£?  in  Wiesbadt-n:  durrh  die  ^i^dtigst  iihcrnommene 
Führung'  der  leider  nicht  sehr  zahlrcit  hen  'riicilnehmcr  haben  uns  die 
lierrcn  Oberst  von  Cohauseu,  Sanitalsraih  Dr.  Fior schütz  und  Direktor 
Fischbach  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet.  Für  die  treffliche  Anordnung 
der  einzelnen  Ausflüge  und  für  die  Bemühungen  zur  Unterhaltung  der 
theilnehroenden  Mitglieder  und  Freunde  des  Vereins  sei  auch  hier  den 
Herren  von  der  Exkursions-Komtnission  bestens  gedankt. 

Auf  der  vorjährigen  Cf  eneral-Versam  mlung  des  Gesammt* 
Vereins  der  deutschen  Geschirhts-  und  Allerthumsvereine  waren  wir 
durch  den  Vorsitzenden,  Herrn  Professor  Dr.  Kiese,  vertreten,  welcher 
Ihnen  in  einer  wissenschaflliciu ti  Sitzung  des  V'ereins  den  üblichen 
Kcricht  Uber  den  Verlauf  der  Versammlung  abgestattet  hat.  Die  Ver- 
handlungen, deren  ausftihrb«  lies,  mit  interessanten  I.i<  htdru<  keii  in 
schöner  Ausfuhrung  geschmücktes  Protokoll  Sie  dur<  h  Vermitilunj^  des 
Vorstandes  beziehen  können,  boten  unserem  Vertreter  keine  Veran* 
lasfiung,  dort  besondere  Interessen  und  Wtlnsche  unseres  Vereins  zur 
Geltung  zu  bringen. 

In  den  Verhältnissen  unserer  Vercinsbibliothek  und  des 
Lagers  unserer  Vereinsschriften  sind  im  letzten  Jahre  keine 
Veränderungen  eingetreten.  Diejenigen  unserer  Mitglieder,  welche  ihren 
Resitz  an  den  von  uns  veröfTentlichten  Schriften  zu  dem  den  Mitgliedern 
zustehenden  Vorzugsjireise  ergänzen  wollen,  werden  ersucht,  sich  an 
den  \  er\valier  unserer  lübholhck,  Herrn  Arc  hivar  Dr.  ///«j^.  zu  wenden. 
Seit  der  vor  drei  Jaliren  erfolgten  let/Aen  V'cfürfcuilK:hüng  des  Ver- 
zeichnisses der  mit  uns  im  Schriftenaustausch  stehenden  Geschichts- 
vereine sind  mit  uns  neuerdings  die  folgenden  Gesellschaften  in  Aus- 
tausch getreten: 

Birktnjeldf  Verein  fOr  Alterthuniskunde, 

Frankfurt  a.  M.,  Verein  für  Geographie  und  Statistik, 

Heidelberg,  Historisch-philosophischer  Verein, 

Insterburg,  Alterthums-(^esellschaft. 

KifL  Gesellscluift  für  Kieler  Stadtgeschichte, 

Werden,  Historischer  Verein  lUr  das  Gebiet  des  ehemaligen 

Stiftes  Werden, 
Antwerpen,  Stadtarchiv, 
LondM^  The  Huguenot  Society, 
IVieUt  Heraldische  Gesellschaft  Adler. 
Die  Schriften  der  sechs  letztgenannten  Gesellschaften  gehen  ver* 
tragsgemäss  an  die  Stadtbibliothek  über,  die  der  anderen  drei,  deren 
Forschung-  und  Arbeitsgebiete  sich  vielfach  mit  den  unseren  berühren, 


-  XIV  - 


verbleiben  der  Ver«insbibUotbek.  Dagegen  sind  ai»  unserem  Austausch' 
verzeichniss  zu  streichen: 

Aathettj  Verein  fUr  Kfinde  der  Aachener  Vorzeit, 

Mtts,  Verein  für  Erdkunde. 

IVieHt  k.  k.  Geographische  Gesellschaft. 

Indem  der  \  or^iand  die  Mitglieder  beim  l^iiUritt  in  das  neue 
Vereinsjahr  auf  das  herzliciistc  begrüsst,  hofft  er,  dass  sie  auch  ferner 
den  Arbeiten  und  Interessen  des  Vereinslebens  die  gleiche  Theilnahme 
entgegenbringen  wie  in  dem  abgelaufenen  Jahre,  tiber  welches  sich  dieser 
Bericht  erstreckt.  * 


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II.  Kechnungs-Abschluss  für  das  Jahr  1891. 


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XXVIII  - 


1 

1  1892. 

l 

>  An  Cftssa-Conto 

i 

•      •  1 

M. 

»w 

1 

ai.  Dez. 

An  initglieaer-Deilrajj-C/onlü 

Inhresbcitr.igL-  der  Mitglieilcr  tlcs  Vereins  . 

n  » 

,  An  Subventions-Conto 

i     Subvention  der  städtisthen  Hchördcn  Ix  bufs 
Drurkleijung  der  Ar«  hivirucntarc     .    .  . 

■  ■  i 

n  n 

;  An  Verlags-Conto 

Abgesetzte  Vcrein&schriltcn  

1  •  ■ 

An  £ffokten*Gonto 

Erlös  der  Cotipons  der  österr.  Ixiose  .   .  . 


F  r  a  n  k  t  u  r  i  i 


I 


-  XXIX 


H92. 
.Dex. 


n 


Pr.  Verlags-Gonto 

A.  Osterrieth,  hier,  Satz  und  Druck  des  Archivs 
für  Frankfurts  Geschichte  u.  Kunst,  lU.Folge, 
Band  3   

Kuhlft  Cie.,  Lichtdruckarbeilen  lür  das  Archiv, 
III.  Folge,  Band  4  

Honorare  

Pr.  Bibfiothek-Conto 

Ankauf  von  Bachern  und  Zdtschriflen  .  . 
Buchbinderarbeiten  


M. 

1680 
577  ' 


Pf. 

15 
50 


M. 


Pf. 


49 
43  ! 


20 
80 


2764  65 


93 


Pr.  Unkusten-Conto 

Lokaliniethe  

Zuschuss  pro  1891  und  1892  zu  den  Druck- 
kosten  des  Werkes  von  A.  Bing  »Rflck» 
hli<  ke  Ulf  die  Geschichte  des  Frankfuner 
Stadt  theaiers«  

Erhebung  der  Mitgliederbeiträge  und  Zu- 
stellung der  Vereinsschriften  

Fr.  Lintz  in  Trier  fbr  440  Exemplare  des 

Korrcspondenzhlittes   der  Westdeutschen 

Zeitschrift  1892  

l^nkosten  l>ei  den  Ausflugt-n  des  Vereins  , 
K.  6.  Mililer  <Sc  Sohn  in  Berlin  fur  das  Kor- 
respondenzblatt des  Gesammtvereins,  den 
Beitrag  zu  demselben  und  10  Protokolle 
der  (kner.il Versammlung  in  Sigmaringen  , 
Dru<  karhciten  ! 


loO  ,  — 

200  — 
HU  To 


212 
12 


(10 


I 


Reisespesen  

Schriftliche  Arbeiten  

Heizungsbeitrag  filr  das  I^kal  im  Archiv- 
gebäude   

Porti,  Schreib-  und  Packmaterial,  Vergütungen 
für  Dienstleistungen  und  sonstige  kleine 

Ausgaben  

Vercinsdiener  


25 


17  I  50  Ii 

11 
:t2 


«0 
70 


5  : 


Pr.  Cassa-Conto 
Baarbestand 


18«; 


9:. 


M  31.  Dezember  1893. 


G.  Reutlinger, 

<].  Z.  Kassenf ahrcr. 


9.'>2  (»0 


^117 


84 


-  XXX  — 


Das  Vermögen  des  Vereins  bestand  am  31.  Dezember  1893  in: 

Cama-Conto   Mk.  917.59 

Sparka886*Conto  ^  1,202.39 

EfTekten-Conto  „  .'»ril.Gb 

Bibiiothek-Conto  ,  1.977.05 

Verlags-Conto  «  10,000.— 

Inventar-Conto  «  1,171.37 

Mk.  15,82ü.08 


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WOLFF,  Römische  Ziegeleien  von  Nied. 


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1 

Taf.  Tl. 


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WOLFF,  Römische  Ziegeleien  von  Nied. 


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RIES  .  STANFORD  UNIVERSITY   LIBRARIES  .  STANFORD  UN 
FORD   UNIVERSITY  LIBRARIES        STANFORD   ONIVERSITY  L|  ß 


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