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Full text of "Die akademische Carriere der Gegenwart"

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Die 



akademische 
Carriere der 



Gegenwart 




Hans Louis M 
Flach 



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Die 



akademische Carriere 

der 

Gegenwart. 



Zweite verisesserte Auflage. 




Verlag von Wilhelm Friedrich, 

KSaigL HofbucblMDdlting. 



Alle Aeehte Yorbefaalteii. 



Der Verfagvser bedauert, dass seiue Schrift fiel- 
fach missrerstaudoa geL Mau hat sie eiue Schmähschrift 
und du Pamphlet genannt, was sie nieht sein sollte, 
niaoi hat portraitartiore Zeiohnimjaren darin entdeckt, 
woYon gar nicht die Kede war. Der Verfasser wollte 
keine Personen angreifen, sondern Znstftnde sehüdem, • 
indem er die Tendenz verfolorte, das» das lierrscbende 
ßjstem der Machthaber überlebt sei und in allen 
Peisonalfkagen der fiinfliuss der Sachverständigen und 
der Regierung gestärkt werden müsse. Im Uebrigen 
zeigt der Charakter der iSohriit, dass nicht alles tra- 
gisch sn nehmen sei. 



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m 

Inhalt. • ' 

Seite. 

1. Der akademische Streber 5 

IL Die Nöthe des Docenten . . , , . 11 

in. Benifung und Scheinberufimg 82 

IV. Veränderung des BenifuD^smodn.s 43 i 



I 



L • 

Der akadomisclie Streber. 



Der ProfeBsor «n der UBiyersität ist von jeher in 
Wort und Bild gefeiert worden. Er schwebte Über 
der gewöhnliehen Menschheit, wie der Adler Über der 
klemen Vogelwelt Die Hdhe, in der er sieh Jievregte, 
jdiien den geringeren Sterbliolien nnerreJehbar und 
sebwindelbaft. In den Tiefen seiner Wissenschaft 
begraben, die der Menge unverständlich blieb, lebte 
er nur dieser und seinem Beruf und liess die übrige 
Welt TorttberranBohen. OatmttÜdg und wohlwollend 
g^n die Ifitwelt, edelgesinnt gegen Jedermann, 
etwas formlos und unpraktisch — das waren die 
Eigenschaften, die man voraussetzte, die man in jenen 
alten Onginaleu wied6r£and, die heute ausgestorben 
sind, und die bei jttngecen Gelehrten la jener IdeaU- 
Bunng fttbrten, wie sie n'nnsein dentsehen Romanen 
und NoTellen von hervorragenden Dichtern wieder- 
gegeben ißt. Dem alten PiolesBor neigte sich die ganze 
Bevölkerung zu, dem jüngeren üogen alle Mädchen- 
benen entgegen. Das sdmellere Puisiren des beatiigeii 
Lebens, die gidsseien Wogen der lehrten Jabnehnte^ 



das Popiilarisiren fast aller Wissenschaften, die leich- 
teren und schnelleren Communicationsmittel haben 
an diesen Zttgen Tieles yerSndert Der Professo- 
renstand ist aas seiner Abgesehlossenbeit heraus- 
getreten und ist in der Neuzeit theils durcli den 
VerJieLr mit der übrigen Menschheit, theils durch 
seine Theilnahme an den öffentliehen und politiseben 
Dingen mehr abgeschliffen, und — um so seu sagen 
uniformer geworden. Damit ist aber auch manehes 
Aussergewühnliche zu Grunde geg-angcu, und das all- 
gemeine Niveau mehr auf die Gewöhnlichkeit herab* 
gedrückt worden. Dennoch unterscheidet sich der 
Professor noeh yon allen« anderen Berafiiklassen da- 
dnreh, dms er die grösste Entwickelnng der Indivi- 
dualität zeiut. Die grosse Freiheit in seiiu i Thiitig- 
keit — denn der Üniverßitäts-Professor itst hu ziemlich 
der. ireieste Mann unserer Beamtenwelt — die eelbst- 
stHndige nnd selbsigewollte £naehnng sirines GeistOB- 
lebens, die Eigenart seiner Denkweise, die durch die 
Bescliiiftigung mit der Wissenschaft geforderte und 
. gestärkte Qobe dcr> Kritik, welche oft und mit Recht 
Ton anderen geftlrchtet wird^ hat er tot allen Anderen 
Yomm* Ibm friid dahon 'die PeisOnliehkeift eines 
Professors selbslt nach flttehtigerBeka&ntsehail ebenso 
genau in dem Gedächtuiss behalten, wie die eines 
jungen Militärs gew()hiüioh bereita nach einer btuude 
TCifltldilet ist. 

AvA: die CEbaaktereiganscliaften der einaelnen 



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— * 7 — 

LAnder und Provimen püegeii bei den Proiessorea 
am Mfaftrftten hernnsutreten* Der Berlintr iBt ge^ 
Bolteut, gesprächig und oberflMilkli, der OiipieiiMie- 

ist zäh. aufgeklärt imcl zuvorkommend, der Holfiteiner 
begaht, selbatbewusst und iatriguant, der Pommer ^t-' 
mttthig iaid> 0ohwerf&llig, der Rheinländer lebhaft und 
Tomelim , der Sediie hfididi und wohlwaUend, der 
Thtltingfir sanft und meianehoKaeli, der Heise gesell- 
schaftlich und uacligiebig, der riillzci vvarmblüti^^ 
und launi&ch, der Schwabe gediegen, emphndlich 
und formloe, der Franke gotgelaiiat and yerachmitzt» 
der Badenaer fröhüeh and aa%Brag^, der Baier 
nUehteni and eigenwillig, der Oeatemieber gesellig, 
zutraulich und wetterwendisch, der Sehweii^er wohl- 
meinend nnd arbeitsam. 

Leider bleiben aneb doieh die »tete: Bertthrnny 
mü der uMgen* MeoMiibeit die ÜnyolÜwwtmewhfliiftit 
im Stand der Professoren niebt verborgen, denen vert- 
muthlich alle Sterblichen raelir oder minder untere 
werfen sind, obwohl man jene so gern zu höher ge- 
arteten Wesen reebnen m^iebte. Diese Kehrseite der 
bentigea alndenusoben Welt imd ibren^ Biafinsa aoi 
da» akadeBEdsehe Leben etwas genauer in's Auge zu 
tesen, ist der Zweck der folgenden Zeilen. 

Statt die hauptsächlichen Fehler ao^mzähleii, 
die beut» im Prof essorenstand angetrofto werden, und 
anter denen woUi Oharaktmohwfiehe und EltelMt 
den ersten Platz behaupten, wollen wir nur eine 



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specifiseh akadeuiiBtiie Speeles uns vorher näher an- 
sehen, die akademifloiieiL Streber, die früher 
wohl vnhekaimt geweeen sind, heute aber an jeder 
HoehBehtde auf SehritI und Tritt m die Augen fiUen. 
Manche behaii|)len, dass diese Erscheinung erst auf- 
geküuimen sei, seitdem die Juden an einzelnen Uni- 
versitäten in Anjftiahme gekomnien smd. Gewiss nül 
ünreoht Dort, wo am wenigsten Juden sind, tritt 
das Strehetthum am deutliohsten und widorwftrtigsten 
zu Tage. 

Es ist naturgemäss, dass diese Species vorzugs- 
wdse unter den jttngeien Lehran gefunden wird, die 
zimftehst beabsiehtigen, ihre Carrite gtlnstig an ge- 
stalten* la unseren Cultnrstaaien ayanoirt eben der 
Offizier von selbst, wie der Jurist und der Lehrer. 
Nur der akademische Docent kommt nicht von selbst 
weiter, sondem er bedarf dazu seiner Kebenmensehen, 
um deren Gunst er buhlen muss. Ein akademiseher 
Streber weiss nach vierundzwandg Stunden, wen er 
hofiren mnss, wer -einflussreieh ist und wer nicht, 
und während er dem Letzteren mit wohlwollendem 
und llberiegtem Laohdn sieh naht, bewirbt er sksli 
elfiig um die Gunst des Ifttehtigen, oftmals in der 
ekelhaftesten Weise. Er holt den Einflussreichen zum 
Spazierengehen ab, stellt ihm im Coucert oder bei 
andern Gelegenheiten Stühle hin, springt auf, wann 
derselbe in ein Lokal tritt und grUssl ihn in der 
derotesten und yerblndliehBlen Weise. GelegentUeh 



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sehreibt er eine verbimmelnde Eecenfiion über ein 
Werk Beines Ordinariu». Besonders gegen die Frau 
und Familie ist er Überaus zart und wird ein be- 
geisterter Kinderfreund. Man mnss mit Recht ße- 

füiclitungeu flir die Zukunft hegen, dass solche 
Charaktere an das Kuder kommen und ihren Schülern 
duroh Wissen und Wahrheit imponiren sollen. 

Eine zweite Gattung ron Strebero, die politischer 
Natur ißt, verdient grössere Aufmerksamkeit. Diese 
haben oftmals keine selbständige politische Ansicht, 
bisweilen auch keinen hervorragenden Verstand, gehen 
mit der herrsehenden Begierung oder mit einer Partei 
dureh di^ und dttnn, geben sieb ein besonderes Air, 
halten ihr Fach für die Königin der Wissenschaften 
und glauben über Alles mitreden zu können. Sie 
sind gewöhnlich mittelmässige Gelehrte, arbeiten zu 
Hause wenig und haben deshalb das Bedttrfiiiss, in 
der Aussenwelt zu glftnzen. 

Eiue ili itte Gattung ist harmloserer Natui. JSie 
buhlt um die Gunst der reicheren Docenteu, und 
meistens der jüngeren, die noch ihre Cam^re zu 
maehen haben, entweder in der einiaehen Absieht, 
um Ton ihnen bierfllr Einladungen zu erhalten, oder 
weil sie sonst etwas wullcn. Das Verfahren, das 
hierbei beobachtet wird, ist folgendes. Man schiebt 
den G^egenstand dieser Aufhierksamkeit in den Yor- 
de]^;nmd, Iftsst ihn Vortrftge halten, die man be- 
wundert, weist ihm Vorlesungen an, die man rUbmt, 



— 10 — 



spricht in allen Gea^llsohaften Ton ihm und seinen 
Talenten, knn — sacht ihm den Boden für die so- 
genannte akadendsche Oarr!^ m glSHen — ftr die 

Gegenleistung von zahlreichen Diners und Soupers. 
Diese Anbetung des goldenen Kalbes ist au manchen 
deutschen Hochschulen heute eine gewöhnliche Er- 
scheinung. 

Eine Tierte Gattung, die Utterarische, ist sehr 

ekelhaft. Diese yclueibt, wie man es wünscht, um 
Avaueements oder Orden zu erlangen, ohne Wahr- 
heitsliebe und TCiftlseht die Thatsaehen. Sie bestellt 
ans Itigenfaaften ÜTatnren, die in allen andern Bemfei- 
klassen der Yeiachtnng anheimüdlen würden. 

Doch versuchen wir jetzt die Laufbahn 
akademischen Docenteu zu veribigen. 



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Sie Nöthe des Doceiaten. 



Die Auibahme, die ißv jange Doeent bei den 
einzelnen Fakultitten DeutsehlimdB findet, ist eehr 
yerschieden. An einer groieen IJniyerBitftt betraehtet 

maTi im allg-emeinen die Habilitation eines Docenten 
als einen wüBschenswertheu Zuwachs dos Lehrkörpers» 
sodass man nicht besonders geneigt ist, demselben 
8ehwierig]ceiten in den Weg zu legen. Wenn daher 
die HabiHtatioDSschrift als gut oder befriedigend an* 
genommen ist, so ist das weitere Verfahren, dem sich 
der Doeent unterziehen muss, wesentlicher formeller 
Natur, wobei die Probevorlesung ror der Fakultät 
als das mefatigste ersebeini 

Bringt der Doeent schwerwiegende Empfehlungen 
mit, so ißt eine Fakultät leicht geneigt, ihm gleich 
zu Anfang oder sehr bald eine wichtige Vorlesung 
abzutreten, bei welcher er auf ein sieheies Oontingent 
von Zuhörern reofanen kann. 

Ganz anders ist die Aufnahme an kleineren 



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— la — 

Unirersitäten oder in kleineren Ländern, be- 
sonders in solchen, die lange Zeit hindurch gegen die 
Anssenwelt in pnrtiCulftrer Selbstgenügsamkeit abge* 

schlössen warcu. liier ist seit Jahrhunderten der 
Docent angesehen und demgemäss behandelt worden 
als ein Eindringling, der dem betreffenden Ordi- 
narius die ZnhOrer und das Geld Tcrmindert. Wenn 
er daher ohne sehr wirksame Empfehlungen kommt» 
oder Ton vorneherein in der FukuUät selbst nicht 
eine einflussreicke Unterstützung findet, so kann er 
sicher sein, dass er im wesentlichen schlecht behan- 
delt wird und anf wenig su rechnen hat. 

Findet er nicht gerade eine böswillige Stinunung 
Tor, so muss er zufrieden sein, wenn man ihm mit 
absolutem IndiÜerentismus in der l^'akuUöt gegen- 
Übersteht. 

Es versteht sich von selbst» dass auf solchen 
Hocbsohnlen schon der ganze Proeess der Habili- 
tation ^on den jsrlückliehen Stelleiibesitzern mit un- 
geheuren Weitläuügkeitcn und Schwierigkeiten ver- 
bunden war, damit diese im Voraus als Abschreckungs- 
mittel dienen sollten. Nach der Annahme der Arbeit 
erfolgte ein CoUoquium, dann die Aui^llung von ge- 
druckten Thesen, welche wieder die Billigung der 
Fakultät erhalten mussten, und endlich eine öffent- 
lk»he, oft stundenlang dauernde, bisweilen durch eine 
Mittagspause unterbrochene, Disputation über diese 
Thesen, womit nicht selten auch die Besprechung 



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— 18 — 

oder lUkämjiiuu^ einzelner Sätze der lliibilitationsschrift 
verbundeii wurde. Darauf erfolgte erst allmälig die 
Genelimigiiiig der Regieroiif;, beciehttngBweise des 
Königs, Bo dass der ganie ProceM nooh nach 
der Annahme und Begutaebtnng der Arbeit iriele 
Monate sich hinrfelien konnfe. Uns ist nicht be- 
kannt, ob heute noch an einer deutschen Hochschule 
diese Disputation in Brauch ist; jedenfalls existirte 
sie noeh Yor wenigen Jahren in Sllddeatsehland. Mit 
ihrem Fortfell ist wieder ein Rest mittelalterKeber 
Rohheit und Barbarei zu Grabe getragen ^voiden — 
infolge der weniger barbarischen Auffassung Nord- 
dentschkuids. Eine solehe Disputation zwisehen swei 
nngleiehen Gfegnern, einem Besitienden und dnem 
Bntrebenden» entspraob« was die ünteilialtang anbe* 
trifft, etwa den spanischen 8tier^efechten. Wochen- 
lang vorher freute sich die gebildete Bevölkerung 
des Städtchens auf dieses Schauspiel, und diese 
Freude errdiilite den hdchsten Grad, wenn einer der 
dispnth^nden Ordinarien als Orobian bdkannt war 
— und an solchen hat es unter den Professoren nie- 
mals gefehlt — oder wenn der Dooent ein „Aus- 
länder" war, wie lange Jahiie hindurch die Nord- 
deutschen in Sllddentsehland genannt wurden und 
beute von den meisten noch als solche betrachtet 
werden. Selbst das zartere Gcsclilecht, das in kleinei'en 
Universitäten so wenig Unterhaltungen kennt, pflegte 
sich bei solchen Festlichlceiten einsufiaden, um sieh 



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— u — 



tvL weiden an dem Aubliok des gemarterten Sohlacht- 
epfen. 

Vom wkaaosehaftlieliaQ Stendpunkt aus hatte 
diese DiaputaÜon natttrlioh niolit die geringste Be- 
deutung. Die Ordinarien verfolgten auch nur selten 

die Tendenz, eine der discutablen Fragen wissen- 
schaftlieh und grUudlieh in sachlichen Auseinander- 
setenngen sq kUbren. Die eigenUieho Absieht in den 
meisten Ffillen war, den jüngeren Gegner, der sieh 
in das geheiligte Gebiet des Ordinarius hineinbegeben 
wollte, öffentlich zu blamiren, ihm ein Bein zu stellen, 
^ B. mit nichtssagenden philosophischen Deüni- 
tbnen, die im Angenbliek aar Beantwortung reriiiigt 
wurden — ihn dem Gelftehter preiszugeben, indem 
man die anwesende Menae durch t;ulc Witze auf 
seine beite zu ziehen suchte. Oefters hatte der Or- 
dinarius überhai^ von der wisscnschafUiehen Trag- 
weite einer These gar keine Vorstellnng, nnd ver« 
auobte ein mtlfasam erarbeitetes Resultat des Dooenten 
durch irgend ein oberflächliches Citat aus einem 
Handbuch zu widerlegen. Es soll sogar vorgekommen 
aein, dass der Ordinarius sehen im Anfang der Dis- 
putation seine dem JDoeenten g^genttber feindliehe 
Stellung damit motivirte, dass er viele Kmder habe, 
die er ernähren müsse, und dass ihm daher das Auf- 
tieten eines Doeenten in seinem Fach sehr unan- 
genehm sei. .Ebenso hat man auch Doeenten nooh 
aaeh der Disputation dureh&Uen lassen, sogar solehe, 



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— 16 — 

die unmittelbar darauf audeiüwo eine glänzende 
Garri^re gemacht haben. 

Ueberbaupl dttrfie MUfemMbt sein» dass weitaus 
dar gitate Thdl aller GiausanikeifteD und Bttekslehto- 
losigkeiten, die von deutschen Ordinarien gegen 
jüngere akademische Lehrer begangen werden, auf 
den Hunger zurückgeführt werden muss. Der eine 
Oidinarius hat einen Sohn, der Sebalden maeht^ der 
andere eine Fraa, die fielen Ballstaat branelit, den 
der Gatte stets mit sehwerem Herzen bezahlen muss, 
der dritte fllhlt, dass er alt wird und legt Capitalien 
an, der vierte hat eine zahlreiclie Familie, der fllnfte 
fibt aJa Lehrttr an nnd dir sieb an wenig Ansdebnngs« 
kraft aas» nnd ist jedem abhold, der ihm seine Kreise 
Sl5rt tt. s. w. Alle verfolgen den einen Plan, den zu 
unterdrücken oder möglichst klein und unschädlich 
SU maehen, der ihnen ihre Einnahjnen sehmfilert Ans 
diesem Grande etklftrt sieh andi yanogeweise jene 
viel msebrieene «vis inertiae' emer Faknltftt, die fftr 
einen jüngeren Lehrer keinen Federstrich führt und 
für jede kleine Geldbewilligung angebettelt, ange- 
schmeichelt und schriftlich gebeten sdn will, damit 
der Dooent niemals die Notbwendigkeit seiner Ab- 
bSngiglEeil, seiner UnterwUifigkeit nnd Folgsamkeit 
^aus dem ^GedAchtniss verliert. 

Auf die beschriebene Weise wurde schon durch 
die HabiUtation dem Docenten ein Eontippel awiaohen 
die Beine gewor£uL Wehrlos stead er da, man be 



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— 16 — 

bandelte ihn grob, war %n ibm oiiYeraebftiiit, maobte 
ibn Tor den Tenammelten Stndenten Bcbleebt, dam das 

Blut in den Adern deö ^eoiisshandelten jungen Mannes 
kochte. Und doch musate er an sich halten und 
seine Ruhe bewahren, weil ein einziges fibereiltes 
oder grobes Wort, ein anftteigender Zorn des Ordi- 
narius der ganaen Disputation und dandt der 'HabiH- 
tation ein Ende bereiten konnte. 

Nachher kommen die anderen Liebenswürdig- 
keiten, die gegen, den wehriosen Docenten in's Werk 
gesetst werden, den man mM haben will, oder der 
den Zorn eines Faknltifamabobs auf sieb gecogen bat 
Obwohl die venia gewöhnlich eine sehr umfassende 
ist, findet der Docent fast bei jeder Vorlesung, die 
er halten will, Sobwierigkeiten bei diesem oder jenem 
Ordinarius, denen er Beobnnng liagen nmss, wenn er 
TOI sichtig ist. Der eine bat- dies vor Jabren gelesen, 
der andere hat srerade dies Gebiet in seinem Lehr- 
auftrag, der dritte beabsichtigt gerade diese Vorlesung 
Im näebsten Semester xu lesen u. s. w. Es häufen 
sieb die Widerwärtigkeiten mit den Hdrsälen und 
mit den Stunden. Manfibe Vorlesungen kommen aas 
derartigen Verlegenheiten gar nicht zu Stande; bei 
anderen muss die dritte oder vierte Stunde der 
Woebe gestridien werden, weil alles besetzt ist. Auf 
Universititen, die sHÜsartige länriebtangen haben, 
wird nicht selten Ton oben her ein Drnisk ansgeflbt, 
den einen Docenten fleissig äu hören, den andern 



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nicht zn berücksichtigen. Ist aber ein Ordinarius 
von chroüiscliem Geldhungcr be£ällen, so versuclit 
er noch andere Manipulationea. Er eikl&rt den 
eingeladenen Studenten die Vorlesung des Doeenten 
als überflüBBig, zuckt die Aebsein, maebt sogar 
Benierkuncren in der Vorlesunor. Die zahlreichen 
StudentengeseilBcliaften in den Häusern der Pro- 
fessoren nntersttttzen solche Bemflhnngen. Denn 
wer kann ihnen wehren, wer hilft dem Doeenten? * 

■ 

Wo giebt es eine Behörde, die Taktlosigkeiten, Un- 
gerecbtigkoiten , Böswilligkeiten und Uohheiten der 
Professoren bestraft? Wer stellt sich nicht auf 
die Seite des Besitzenden? 

Hierzu gehören nun besonders aneh die Fftlle, in 
denen ein Ordinarius über einen Doeenten, den er 
nicht haben will, in Fakultät oder Senat abfällige 
und geringschätzige Urtheile fllllt, die nicht 
selten der Wahrheit widerspreohen, wie sieh später 
meistens ceigt, sobald der Doeent seine Thiligkeit 
einer anderen Hochschule widmet. An einer süd- 
deutschen Hochschule hat ein junger Gelehrter viele 
Jahre biudurch nicht die geringste Anerkennung ge- 
funden, der heute zu den angesehensten Professoren 
Dentsehlands ifthlt und gleioh als Lehrer ersten Ranges 
galt, sobald er jene Universität verlassen hatte. Ebenso 
ist an derselben Universität viele Jahre hindurcli rin 
Gelehrter aus persönlichen Gründen auf das heltigste 
und mit Mitteln jegU<dier und nioht quaUfieubarer Art 



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— 18 — 

verfolgt worden, der heute eines der renommirtesten 
Mitglieder der ganzen Fakultät ist. Auch andre denk- 
würdige fieispiele solcher Unterdrückaiig sind zur 
fkllgemeinen Kenntniss gelangt. Alle diese Fälle be- 
weisen, dass es bisweilen zweekmässig ist, neben den 
einheimischen Gutachten Urtheile Ton anderwärts ein- 
zuholen. 

Doch giebt es an kleineren Universitöten, wo 
niebt selten ein sehr fiidenscheiniges wissensebaftliehes 
iG^ewissen berrsebi, ein nntiügliehes Mittel, um Wider- 
stand niederzuschlagen und Freunde zu gewinneu. 
An manchen Hochschulen wird dem ankommenden 
Doeenten von massgebenden Persdnliehkeiten von 
vorne berein gesagt, dass es, nm an der eigenen Hocb- 
sebule weiter zn kommen, nicht auf wissenschaftliehe 
Thätigkeit aukomme, sondern ausschliesslich auf die 
sociale Stellung. Die» ist in den akademischen. 
Verhältnissen ein Gesichtspunkt, der yor De- 
^nnien noch ganz unbekannt, Ton Jahr zn Jahr 
aber eine bedeutendere und gefährlichere Rolle spielt. 
In derselben Weise nehmen auch die sogenannten 
Faiseure an den Uochschulen überhand, welche ge- 
wöhnlich zu den wissensehaftliehen Impotenzen ge- 
hören* aber in allen Personalft-agen stets die regste 
Thätigkeit und Intriguenluet entfalten. Versuchcu 
wir nun, das Wesen dieser socialen Stellung genauer 
zu, definiren. 

Ist der Doeent unTerheirathet, so ist zunächst 



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— 19 — 



ein betrilchtliehes Vermögen die allerbeste Em- 
pfehlung zu der socialen Stellung. eun mau eieht, 
dABS derselbe mit den Einnahmen der Ordinarieu 
eonourriren kann oder diese wo möglieh ttbertrifft, 
wenn man ^lanbt, dass er keine pekuniftren Anfor* 
dernngen stellen und keine Unbequemlichkeiten ver- 
ursachen wird, so ist dies eine bedeutende luiipfeiilung. 
£in sololier Doeent kann dumm oder &ul sein, etwas 
wird er immer erreiehen. 

Ist er niebt rermöglicfa, so mnss er dureh andere 
Mittel die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sieh 
ziehen. Fleissiges Tanzen mit den Töchtern der 
Professoren wird unter allen Umständen nützlich sein, 
noeh weit ergiebiger aber ist es, wenn man mimi- 
sehes Talent besitzt oder das Arrangiren yon Lieb- 
habe rtlieatern, lebenden Bildern, Schlittschuhfcsten 
u. 8. w. versteht, besonders seitdem die Wintersaisou 
an den Unirersitäten kleinerer Städte nur noch nach 
den Marksteinen von grossen Yergnilgangen, Lieb- 
habertheatem, Haskensoherzen, Bällen u. &• w. be- 
rechnet uiui beurtheilt wird. 

Kock nützlicher aber ist es, einer eintlussreiohen 
Frau den Hof zu maehen und durch sie Stimmung 
erzeugen zu lassen, da nioht nur dann dureh den 
vielgeöflPneten Mund der sogenannten — in Süd- 
deutschland besonders florirenden — weiblichen Kränze 
Propaganda in den massgebenden Kreisen gemacht 

wild, sondern besonders auch der Ehemann — der 

2* 



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— ao — 



gewöbnlieh neben der einflnssTeiehen Eheliftlfte nnter 

dem Pantoffel steht — zu einer lebhaften Agitation 
för den Docenten gezwungen wird, die geschickt in 
Hcene gesetzt, nur selten erfolglos seb wird. An 
kleineren Hoehsefaulen werden dem Docenten gleich 
bei seiner Ankunft die Franen nambaft gemacht, um 
deren Gunst er sich bewerben mUssc. 

Das unti'üglichste Mittel freilicli ist es, die 
Tochter eines einflassreioben Professors xn 
heiratben, wodurch in den meisten FAIlen sehen 
die ganze akademisebe Garriöre als gesiebert zu be- 
trachten ist, da der Dorent dann entweder an der 
eigenen üocbsebule oder durch gute Freunde des 
Sebwiegenratem anderwärts untergebraeht wird» Ge- 
wiss giebi es an den deutseben Hoebsebulen mehrere 
Dutzend Schwiegersöhne, welche allein durch die 
Macht des Schwiegervaters Professoren geworden 
sind, oder jedenMis weit schneller Carriere gemacht 
haben, als dies sonst der Fall gewesen wftre. 

Doch die beiden kurs bertthrten Momente der 
Geldbewilligung und der Frauenwelt erfordern 
noch eine genauere Bespretlmiig. Preussen steht auch 
hier, was die Geldbewilligung aubetriflt, an der Spitze 
der Cultur, indem es auf Anregung eines ausgeieicb* 
neien Gelehrten allen tflehtigen Docenten Stipendien 
für 3 Jahre von je 1500 M. gewährt (vor kurzer Zeit 
ist diese Summe auf 6000 M. im ganzen erhöht 
worden). Dadurch wird wenigstens bewiikt, daas 



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— 91 — 

aiieh Begabte, aber Unbemittelte sieh der aka- 

deiiiischen Laiifbaliu widmen können. Ganz anders 
ist es in Süddeutscbland , wo die Staaten für die 
Docenten niohts getbau haben (Tübingen besitzt ein 
Stipendium toh gegen 800 M., welches Kdnig Karl 
beim Jubiläum gestiftet bat). An den kleineren 
Hocbßchulen, wo die akademische Welt sich von der 
anderen Welt gleichsam durch eine markante Grenz- 
linie abbebt, pflegen Studenten und Professoren eine 
weit bedeutendere Rolle zu spielen, als in grösseren 
Stftdten» wo mehrere BeT01kerungselemente gleiohbe- 
rechtigt und gleidi angesehen sich neben einander 
bewegen. Der Professor pflegt daher an solchen 
Orten selbstbewusster und aufgeblasener zu Bein, und 
* Fersdnliebkeiten, die anderswo nur dem Fluoli der 
Lfteberliehkeit anbeimflillen würden, können Ider 
eine bedeutende Rolle spielen, die ihrer Eitelkeit in 
hohem Grade zusagt. Ist an einer solchen Hoch- 
sehule ein allgemeiner Senat, so ist die Ueber- 
Zeugung yon der peraönlieben Bedeutung des ein- 
zelnen noch erheblich gesteigert. Man regiert mit, 
man entscheidet mit, bewilligt oder verweigert Geld, 
spricht in allen Berufsfragen mit, selbst in solchen, 
YOB denen man gar nichts verstebt — kurz man 
betrachtet sieb als regierende Behörde, etwas, was 
mit der Stellung eines Lehrers oder Gelehrten zuächst 
gar nichts zu thun haben sollte. Soll ein Doceut be- 
fördert werden, so versetzt man sich ganz vorsiebtig 



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— 22 — 

zuerst diplomatisch in den Sinn des Ministers, und 
handelt darnach, gleich als wenn eine Faknltät oder 

ein Senat eine Veisammlun^ von Diplomaten wäre, 
und uiclit vielmclir von Gclcbrteu, die unter allen 
Umständen nur die Pflicht haben, ihre saohlidie lieber- 
zeagnng auszusprechen. Aof diese Weise bildet sich 
dann leicht der Standpunkt heraus, dass der Professor 
der FinanziiiiniBter sei, der für die Finanzen des Staates 
ciozutreten habe. Er epart daher überall im Interesse 
des Staates, worunter aber nur die jüngeren Lehrer 
der Hoohschule zu leiden haben» während er selbst^ 
Terstöndlich fUr seine Person, ftlr seine Freundschaft, 
für seine Verwandten, — wenn er solche liaben Rollte — 
von diesem Sparsjstem nicht ergriffen ist. Er kommt 
allmälig zu der Auffassung, dass jeder Kreuzer, der ' 
einem Anderen gezahlt wird, aus seinem Säckel fliesst, 
oder dass er speziell geschädigt wird, wenn ein An- 
derer Geld bekommt. Es begreift sich, dasR auf 
diese Weise schliesslich alle objective Beurtheilung 
und Anerkennung verloren geht, und dass allein 
eine Intereesenwirthschaft Platz greift, wo jeder nur 
für fciich, seinen Anbang und seine Familie gewinnen 
will und alles Andere von sich weist. In dem einen 
Augenblick unterhält mau den hungernden Doeenten 
von der traurigen Finanzlage des Staates, die keine 
Zulage gestattet; in dem nächsten nimmt man selbst 
eine grosse Zulage, eine Gratification oder ein Reise- 
Stipendium an. In Württemberg beispielsweise sind 



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- 23 — 



in Folge dieses Egoismus mehrere etatsmässige Extra- 
Ordinariate gestridien wordeiii um ne nicht an jange 
Kr&lle vergeben zn mttssen. 

Im Allgemeinen aber sollte der Gnindsats mehr 

imd melir zur Anerkcnunn^ grelang^n, dass Doccnten, 
weiche Üeissig, regelmässig und mit Erfolg lesen und 
ebenso arbeiten, demgemftss auch ein nfltaliches Glied 
des akademiBchen Lehrkörpers sind, vom Staat eine 
materielle UnterstOtKang, sei es ein Stipendium oder 
eine Reniimeraüon erlialten yoilcn, wie dies jetzt in 
Preussen, ganz besonders aber in Oesterreich der 
Fall ist. Wenn man erwägt, wie viele Tausende 
Mark in kleinen Ländern durch sogenannte Rufe 
(oder SoheinbemfimgeD) yerschwendet werden, so 
scheint diese Fordenmg eine ttberaiis hillige nii l 
selbstverständliche zu sein. Umgekehrt aber sollte 
l^iemand befördert werden, der wie dies oft bei 
Medidnem in den grossen Residenzen der Fall ist 
— nur seine persönlichen Einnahmen dadurch 7ai er- 
höben beabsichtigt. Auch sollten die Titelverleihungen 
als Quittung flir dreijährige Docentenzeit gänzlich 
fort£ftllen. Doch können Fälle eintreten, ^ B. bei 
grossem Ueberfluss ron Docenten an einseinen Fakul« 
tuten, dass man ohne die persönliche Auszeichnung- 
einer Titel- oder Prädicatsverleihung nicht auszu- 
kommen vermag. 

Zu einer wirklichen Calamitftt ist in den lotsten 
Jahren die Bedeutung der Frau auf einseinen 



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- «4 — 

dentsehen Hoebsohulen gewoiden, und dieser Umstand 

scheint zu bewciBcn, dass wir mit der bisberigen 
Verfassung der Hochschulen am Anfang vom Ende sind» 
In Süddeutschland wird behauptet, dass diese Cala- 
. mität » in Ähnlicher Weise wie einige Kinderkrank* 
heiten — ndt den Novddentsohen eingewandert sei, 
was wohl Diöglicli ist, wenn man bedenkt, dass das 
gesellige Leben der bUddeutschen hinsichtlich der 
beiden Geschlechter früher wesentlich getrennt ge- 
wesen ist, indem die Frauen in Krftnzen zusammen- 
zukommen pflegten, die Mftnner im Wirthshaus beim 
Schoppen Wein. Docli wollen wir die Fra^e nach dem 
Ureprung jener Erscheinung hier nicht entscheiden. 
In jedem Fall sind mit dem Auftreten der Frauen 
am akademischen Horizont die Lllge und* der 
Klatsch in die akademischen Verhältnisse einge- 
drungen oder wenigstens gesteigert worden. Am 
meisten zu itirchten sind kinderlose und nervöse 
Frauen» Während die ersteren aus Mangel im Be- 
schäftigung auch den Personaliragen der Hochschule 
sich widmen und Öfters eine Beförderung durch- 
setzen, indem sie von Haus zu llaus laufen, flehen, 
agitiren, überreden, einladen, um ihren Zweck zu 
erreichen (sogar in Bonfungssachen sind Von Fhuien 
Briefe geschrieben worden), sind die letzteren ver- 
möge ihres krankhaften und aufgeregten Zustande« 
an ein sehr entgegenkoiiunendes Betragen der 
Mäunerwelt gewöhnt und verfolgen mit gehässigen 



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- »6 — 

lUictoi jeden, der entweder keine Lust oder keine 
Anlage hat, diese Anbetung mÜBunaehen. Jedes 
ErdgniM der kleinen akademisehen Gesellseliaft 

ist ihnen bekannt, von ihnen dringt es in die weib- 
liche Gesellschaft und von hier sickert es durch die 
ganze Stadt Bei Gelegenheit der nächsten Fakul- 
tiUssilramg, in welcher über ein Schlaebtopfer des 
weiblichen Klatsches gehandelt wird, werden Yon 
einij2:en einiUltigen Ehemännern Andeutungen darüber 
gemacht, und — der Docent wird durch die gekor- 
«amen Efaeminner schwer gesehftdigt. 

Das Weib Ist aber ancb die Begründerin der 
Clique, die gegenwärtig ftat an jeder Hochsehole ist, 
in welcher die massgebende Kritik ^etibt und alle Be- 
rut'ungsiragen vorher verbandelt werden. Die Männer, 
die dacn geibören, sind natorgemäss unbedeutende 
Gelehrte, denn ein Mann, der seine Frau in die aka- 
demischen Verhältnisse hereinsprechen lässt, und sich 
ihr darin init( i oidiiet, ist an und für sich ein AflFc 
Der Boden, auf welchem eine Clique wirkt, ist die 
Abendgesellschaft: ein halbes Dutzend Familien 
kommt wddtenüioh mehrere Male susammen, und da 
in einer kleinen Stadt kein ünterhaltungsstotf vor- 
ii:iuden ist, zu einer solchen Clique auch, wie erwähnt, 
nur unbedeutende Leute gehdren, welche wedei' 
wissenschaftliche, noch andere geistige Interessen 
haben, so bilden die Mitmenschen den ITnterbaltnngs- 
stoff, die nach der Distanz, in welcher sie zui Clique 



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- 26 — 

8teh6B, milder oder grauBamer behandelt werden. 
In weldier sehamloseii Weise bier Urtheile gefiUlt 

werden, ist unerhört: wenn einer ans der Clique sich 
in einem öffentlichen Vortrag blamirt, so wiid man 
das Urtheii in der Stadt verbreiten, dass der Vor- 
trag auBgezeiohnet war, wenn ein Anderer dann einen 
TortreffUeben Vortrag gehalten hat, bo wird man die' 
Achseln zucken und sagen, dass die Fachgenossen sich 
sehr ungünstig ausgepprochen hätten. Die ganze 
Clique bildet unter einander eine Lobesassekuranz- 
GesellBebait. Waa sie aber saaammenblllt, iat die 
eonyentionelle Lüge, die Heuehelei und das Ver- 
gnUgungsbedürfniss des Weibes. 

Bezeichnend ist es, dass die besten Lclirer einer 
Uoohsehuleund diefleissigstenundBolidesten Gelehrten 
niemalB zu einer Bolohen Clique gehören und dement- 
Bpreehend aueh Ton ihr behandelt su werden pflegen. 

Es giebt aber noch einen anderen Kitt, welcher 
für das Zusammenbalten der durch das Weib verr 
langten und Ton ihr beherrschten Gesellschaft noth- 
wendig ist — das Geld. In der That giebt es 
heute an vielen HoohBehnlen eine Clique Yon Ver- 
mögenden, welche zu einem undurchdi in urbaren Riu^ 
zusammenstehen, die ein grosses, geseUschaftliohes 
Leben fUhren und naeh Art reich gewordener Protsen 
oder wie die Outsbesitser, wenn die WelxenpreiBe 
hoch Bind, bei jeder Gelegenheit Champagner trinken 
können. Wer die akademischen Gesellschaften der 



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— 27 — 



Beehziger Jahre mit den heutigen Tergleieht, wird 
einen ungehenren Untersehied wahmebmen. Damals 

waren dieselben materiell sehr einfach, und der 
2:cistic:e Geniiss, welcher entweder von der Unter- 
haltung oder von musikalischen Aufiüliruiigen her- 
rührte,' war weitaus die Hauptsache. Heute sind die 
Gesellsehaften sehr luzurH^s; sie ennnem durchaus 
an die Soireen der Börsenmänner und rivalisiren auch 
mit ihnen liiuölchtlich der Langeweile und Unter- 
haltungslosigkeit, da geflissentlich Alles ferngehalten 
wird, was nach einer geistigen Anregung oder An- 
strengung aussieht, die Aufmerksamkeit der Men« 
scheu von der Thätigkeit des Essens und Trinkens 
oder Tom Stadtklatsch oder von laugweiligen Fakul- 
tätsangelegenheiten abziehen könnte. Damals waren 
die GebAlter noch weit geringer, die Einnahmen 
noch viel s|>ftrlicher, und der Grundsais noch nicht 
so allgemein zur Auerkeimung gekommen, dass der 
angesehene Professor durchaus auch ein sehr reioher 
Mann sein mtisse. 

Aber auch ohne Vermögen stehen heute lahlreiohe 
Professoren — auch abgesehen von den Medidnem 
uud ihren Consultationshonorareu — weit günstiger, 
als alle anderen Beamten eines Staates, ja sie 
haben zum Thdi höhere Einnahmen als die Minister 
des Landes. Durch «usgesehlagene Berufungen, 
duroh mangelhaftes Angebot, durch momentane Ver- 
legenheiten der Eegierung, die von den Berufenen 



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— 28 — 



benutet wurden, ist die jetzige StoigeruDg entstanden, 
Yon der sehr Kw^felhaft ist» ob sie luobt spAtor einmal 
einen Rficksefalsf^ erfliliren wird, bei dem die einnelnen 

Stellen einfach, wie andere Beamtenstellen, normirt 
werden und die Regierung das Verfahren beobachtet, 
wenn der erste auf eine Stelle nicht kommen will, 
den zweiten sn berufen, und wenn dieser nieht will, 
den dritten. Der Glaube an die Unentbehrliebkeit 
des I'iiizelnen, an den bedeutenden Aufschwung, 
den eine i ai£uität gerade durch die Berufung des 
einen betreffenden machen würde, ist gewöhnlich in 
das Gebiet phantastisober Einbildungen oder ab- 
siehtiieber Lttgen zu yerweisen. Denn ob ein LehreT 
fünf Procent besser oder schlechter unterrichtet, oder 
ein Buch mehr oder weniger geschrieben hat, als der 
andere, ist in den meisten Fällen ^r das Gedeihen 
der Hoehsofaule und für das Studium des Studenten, 
die zum allergrCssten Theü Beamte werden, ziemlieh 
gleichgültig. 

Das sind die Verhältnisse, mit denen sich der 
Doeent abzufinden hat, wenn er an derselben Hoch-^ 
sebnle weiter kommen will. £r lasse, wenn er yor- 
sichtig ist, jede Hoffnung draussen, durch ausser- 
ordentlichen Fleiss Eindruck zu machen. Er kann 
arbeiten, bis er schwarz wird: es wird nieht die ge- 
ringste Auünerksamkeit erregen. £r kann lesen, bis 
er grau wird: es wird gleichgültig sein. Deshalb 
ist ihm nur der Rath zu ertheilen, dass er mehr 



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i 



- 29 - 

andiere Künste cultivire. Ist er verheiratliet und reich, 
80 gebe er zahlreiche Gesellschaften, beauftrage seine 
Frau, reeht UebenswflTdig zu den Ordinarien zu sein 
und gewinne flieh Freunde auf diese Weite. Ist er 
unverhcirathet, so tan/c er flcisRisr, besonders auch 
mit Frauen, die sonst auf andere Sterbliche keine 
Anziehungskraft mehr ausüben können, nachdem sie 
das aohte Lustrum längst übersohritten haben (an 
manchen Hochschulen finden deshalb noch Groee- 
mütter aiitnierkpame Tänzer), so laufe er Schlittscliulic, 
befestige den rrofessorenirauen geschickt die Schlitt- 
schuhe, spiele Theater, bete Ordinarien an, oder wenn 
er mnukalisch ist, spiele er vieihAndig oder Duo*a 
und ertrage die schwerste Verletzung seiner Oehör^ 
Organe: alles dieses wird ihm zuerst iu den Ansren 
der massgebenden Damenwelt zu einem jungen, liebens- 
würdigen, sehr genialen Gelehrten machen, man wird 
TÖn ihm sprechen, und in der Fakultfttositzung werden 
die gehorsamen Männer der beglückten Frauen ihren 
Eiuliuss autbieten und ihm zu einer j^-efahrlosen Ent- 
bindung verhelfen. Er wird in kurzem — gewöhnlich 
nach 3—4 Jahren — Professor, und in der Glique 
werden rauschende Vergnügungen gefeiert werden, 
* weil wieder „Einer der Unsrigen** mit unserer Hülfe 
voran gekommen ist, bei dem „die sociale Stellung" 
d. L das Gleld, den Erfolg gesichert hat. 

Wenn der Dooent aber alles dieses versäumt 
hat, so wird er eist inne werden, ans weldiem Grunde 



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- 30 — 

man vou der ,,dorueu vollen akademischen Car- 
Höre'* oder vom ,,akade mischen Parqaetboden'' 
spricht. Schreibt er yiel, so besehwert man sieh in 
der Fakuliflt, dass er m riel schreibe (gewöhnlich 
ist dann auch eine raissluiigene Arbeit darunter), 
schreibt er wenig, so muss man wissenschaftliche 
StrebsamlLeit vermissen. Liest er viel, so wird man 
achselsuckend bemerken, dass der akademische Leh- 
rer nicht allein eine pfldagogische Thätigkeit ent- 
wickeln dürfe, liest er wenig, m wird man noch 
nicht genügend von seiner pädagogischeu Fähigkeit 
ttberzeugt sein. Hat er ?iele Zuhdrer, so wird man 
klagen, dads er nur fftr die Masse sn lesen seheine» 
hat er wenig, so wird man mit Bedauern keine aka- 
demischen Erfolo^e constatircn können. Wenn man 
ihn will, so ftliit das, was er liest, eine Lücke an der 
Hochschule ans, wenn man ihn nicht will, ist es 
ttberflttssig. Wenn man ihn will, so beweisen sechs 
Zuhörer, dass er eine erspriessliche Lehrthätigkeit 
entwickelt habe, da die Eigenthllmlichkeit des von 
ihm yerfcretenen Gebietes keine Massen anziehen 
kdnno, wenn man ihn nicht will, zeigen zwanzig Zu* 
hOrer, dass die Lehrthätigkeit nicht genügend be- 
wiesen sei, da die l'jjrrenthümlichkeit seines Faches 
eine grössere Anziehungskraft ausüben müt^se. Wenn 
man ihn will, genügt das Manuscript eines CoUegien- 
heftes» welches ein Ordinaiius anf dem Tische des 
Oocenten gesehen hat, als literarische Leistung, deren 



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— 31 — 

yorausaichtUche Bedeutung man im Senat rUhmt, und 
wenn man ihn nicht will, genügen ganze Bände 
nicht Mit einem Wort, wenn man ihn nicht hahen 
will, 80 giebt auch das zuletzt den AuBBchlag, das» 
er eine krumme Nase hat oder — eine dumme Frau. 



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m. 

Berufung und SchGinterufung, 



Das akademisclie ProfessorcnthnTn erhält heute 
seinen Hauptreiz, seine Abwechselung, gleieksam 
Beine Etappen, dnrch die Berufungen, welebe an 
die einKelnen Lehrer ergehen und die in der früheren 
Zeit in weit geringerer Ausdehnung an der Tages- 
ordnung waren. Gegenwärtig ist auch wieder eine 
ruhigere Zeit eingetreten, nachdem die Wellen, weiohe 
dureh die Gründung der Universität Strasaburg er- 
regt worden sind, hat alle deutsehen Hoehsohnlen 
Jahre hindurcli in Unruhe versetzt haben. Der Ruf, 
der an den Doceuten Yon auswärts ergeht, hat heute 
eine BOlehe Bedeutung, dass an manohen Hochschulen 
ttberhaupt für jüngere Lehrer niohts gesehieht, beyor 
dieselben nieht eiuen Ruf aufzuweisen haben. Hat 
man keinen, so bor;^t niau sich einen, d. h. man setzt 
einen in H( eue, und damit gelangen wir gleich in 
das Em der ganzen Berufungafirage. 

Der gewühnliehe Modus bei Berufungen ist der, 
dass eine Fakultftt drei Namen nennt (einxelne 



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— 33 — 

schlag^en aucli uiehr vor, oder nennen noch Jemand 
in vierter oder tüntter Linie), von denen die Re- 
penmg einen wählt: eeteris paribns gewöhnlich den 
ersten. Wenn zwei abgelehnt haben, pflegt die An- 
gelegenheit in den Schooss der Fakultät zurückgegeben 
und eine neue Liste aufgestellt zu werden. Wohl- 
gemerkt, dies ist der Usus, denn die Regierung darf 
Yer&BBungBmftsBig in allen deutschen Ländern Pro- 
fessoren anstellen, ohne eine Fakultät zu iragen, und 
Fakultäten, welche gegen ein solehes Verfahren der 
Regierung protestiren, sind in der Regel über die 
staatsrechtliche Frage im Unklaren. An den Hoch- 
^ schulen, die einen allgemeinen Senat haben, wird die 
Berufung, noch beyor sie an das Hinisterium kommt, 
durch einen Senatsreferenten an den Senat gebracht^ 
der die Liste billigen kann oder nickt, gewöhnlich 
indessen nur an der Reihenfolge der Vorschläge etwaA 
zu ändern findet Doch hat der Senat auch schon 
vollständige Vorsehläge der Fakultät zurückgewiesen, 
was besonders dann der Fall ist, wenn schon in der 
Fakultät selbst eine starke ^liuojität gegen die Vor- 
schlagsliste sich ausgesprochen Ijatte. 

Man wird behaupten dürfen, daas dieses Ter- 
fiJiren als ein möglichst objeotiyes und gerechtes 
ausgewählt worden sei, und dass die deutschen Hoch- 
schulen dadurch zu einer ausserordentlichen Blüthe 
gelangt seien. Dennoch wird man sich der Annahme 

nicht Tcrschliessen kdnnen, dass dieser Modus, so 

3 



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— 34 — 



Yortrefilich er aucli nodi Tor 30 Jahren gewesen 1»%^ 
heute als überlebt angesehen werden darf, da alle 
«ooialen fiedingiugen und alle CommunieationsmiUei 
gunz andere gewoiden sind. DamiLB war Pro- 
feaaor nur naeh seinen Werken und seiner Lebr- 
thätigkeit bekannt, und diese Faotoren entschieden 
für die Berufung. Gewiss giebt es beute nocli Iloch- 
Bchulen und Fakultäten , und zweifellos zahlreiche 
Professeren, welelie genau nach jenen früheren Piin- 
dpien Terfidnren, and es Messe der deutsehen Ge- 
lehrtenwelt den Todesstoßs versetzen, wenn man an 
dieser Thatsaclic zweifeln wollte. Aber im Allge- 
meinen sind die Beruf ungsverhaltnisse wesentlich^ 
andere geworden. Besondere bab^ angefiftnsen, 
Fragen hervorgehoben zu werden, die bei der Mberen 
Abgcsclilossenheit der Geich] tenwelt ^-ar nicht in Be- 
tracht gezogen sind und kaum erörtert werden konnten. 
Wir haben jedoch zwei Ai-ten von Berufungen genau 
zu untersebeiden, die wirkliche Berufung und die 
Sebeinberufung, welobe nur die Stelle einer liebens^ 
würdii;eu Visitenkarte bei dorn Berufeueu vertritt, deren 
er zu geeigneter Zeit eingedenk sein soll. 

Bei den wirklichen Berufungen ist in dea 
letsten Jahren bei der Prüfung der Qualitttten eine 
neue Frage hinzugekommen, indem untersucht wird, 
ob der verlangte Candidat umgänglich oder liebens- 
würdig sei. Mit dieser Frage wird verschiedenes 
gemeint. Bei einem jungen Manne ist sie gewölmlicb 



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— 36 . - 

gleichbedeutend mit der Frage, ab er Geld habe, 
and de enteprieht somit der in gewissen Gegenden 
DenfeMdilaiidB ttbli^hen Auskunft ttber Gemllth**. 
hk anderen FftUen beisst es mebr, ob der Berafene 

geneigt sei, sich derherrsclieiuieü (Jliqiitjanznschliessen. 
d. b. ob er möglichst abhängig und unselbständig sei. 
Aber fiwt in jedem Falle sind Selbständigkeit des 
r Einzelnen» UnabbAngig^it, OljeetiTxtit, Cbaiaktei> 

ibstlgkeit Eigenscbaften, welebe ndt dem Begriff der 
ünliebcnswürdigkeit oder Uuausstehlichkeit zusammen- 
fallen, und die etwas trockenen, etwas pedantischen, 
woblwoUenden grossen Gelehrten vergangener Zeitm 
würden bente yon den wenigsten FakultftAen berufen 
werden. Damit erklärt sieb die Tbatsacbe, dass bei 
den heute so üblichen, brieflichen Auskünften über 
eine Persönlichkeit ein einziger iklenseh von der einen 
Seite als ttberans Hebenswttrdig, ron der anderen als 
nnansstebUeb oder onTertarftglieh geadiildert wird, je 
naeb der Stellung, welche der Schreibende zu dem 
Berufenen eing^enuuiüicn hat. Corrumpirte Fakultäten 
berufen lieber eine geltigige wissenschaftliche Null, 
als eine bedeutende, aber selbständige Kraft. £benso 
ist an maneber Hoebsebnle der länflnss der berr- 
sebenden Clique oder des Ringes so mftebtig, dass 
unabhängige Lelnor mit systematischem Tlass ver- 
folgt werden, besonders wenn man instiuktiv (und 
dafür bat die Clique eine gnte Nase) berans- 

merkt, wie der ünabbftngige über sie denkt und ur- 

' 3* 



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— 36 — 



theilt. Die Geschiebte deutscher Fakultäten hat aus 
den letzten Deeennien mehrere beiTorni£;eiide Bei- 
B]iiele flolehes YerfolgmigflfiuiatiBmtts avftawetsen. 
Am der Gewohnbeit der briefliohen Anfragen 

ergiebt sich mit Nothwendigkeit , das?^ an kciaem 
aDdercu Ort der culüyirten Welt, ausser in den Fa- 
kultäten, der LUge und der Yerleomdung so Thttr 
nnd Hof geölbet werden. Oewiste FakoUAten in 
Deutschland stellen chronisch einen Tunnnelplatz filr 
diese niederen Leidenschaften dar. Man lässt Bi iefe 
schreiben in dem bmne, den man wünscht, man ver- 
bdniliebt aneh Briefe, die man fttr seinen Zweck 
niebt braudien kann, wie man, um su sebaden, ancib 
schon Arbeiten oder Recensionen unterschlagen hat, 
d. h. zu nennen imterlasscn hat, die dem Be- 
treffenden von Nutzen gewesen wären. Die grossen 
Centralpnnkte der BobweizeriBohen Alpenwelt, be- 
sonders £ngelberg, Interlaken und Pontresina, aeben 
in jedem Sommer die halbe Prolessoienwelt Deutsch- 
lands, wo der akademische Klatsch ausgetauscht wird, 
and daneben giebt es sogenannte Universitätswanzen, 
welebe die Personalien aller deutachen Hoebsehulen 
im Kopf haben und ftlr die Yerbreitong aller per- 
sönlichen Angelegenheiten sorgen. Leider giebt es 
keine Behörde, bei welcher man Verleumdungen, die 
in den Fakultäten gegen einzelne Fachgenoasen aos- 
geaprooben werden, anhängig maehen kann. 

Die zweite bei den Berufungen yorkommende 



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« 



- 87 - 

Frage hMßi die Frau. Man geht hevfte in manehen 

Fakultäten weniger Ton der YoratuNieteiuig ans, ob 
Wie ilotii.scluile einen hervürra^!:eiiden Nutzen haben 
würde, als yieimehr, ob die Geseilschatt und d. h. 
die Clique oder der fiing der Vermögeaden eine 
wUnaehenawertiie Ber^eherong erhalten werde. Und 
dazu ist die Frau notbwendig. Es gilt daher als 
eine bedeutende Empfehiuug, wenn die berufene Frau 
jung, liebenswürdig, Bchön oder musikalisch ist. 
Vollends günstig wirkt es, wenn sie gut Theater 
spielen kann. 

Aber auch die Frage nach der wissenschaft- 
lichen Beschaffenheit des einzelnen Gelehrten 
ist heute bei der ungeheuren Ueberproduction nicht 
ohne Behwierigkeit za beantworten. Grössere Werke 
werden gar nieht mehr gana dnrebgelesen, sondern 
die immer mehr in Brauch kommende Gewohnheit 
der ausführlichen Indices ermöglicht ein Naehschlagren 
der bteilen, deren man gerade bedarf. Kleinere Auf« 
sitie pflegen in sahlreiehen Zeitsehriften serstrent sn 
stehen; nnd es gehört grosse Entsagung dasn, am die 
ganze Thfttigkeit eines Gelehrten kennen zu lernen 
und richtig zu beurtheilen. Bei jüngeren T^ehrem 
entscheidet ftlr die Caniere oft eine Arbeit, deren 
nener oder entscheidender Gedanke dem promoviren- 
den Professor verdankt wird, wfthrend der glttcklieh 
Berufene später eine ziemliche Unßlhigkeit an den 
Tag legen kann. 



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— ae — 

Wenig Ton Bedeutung, aber nicht ohne fiinflnse 
and die Reeensionen der deutaehen Änzeigeblfttter.' 

Wer Yorsichtig ist, lässt sieh Yon guten Frennden 
recensiren. Wer auf Recensionen nichts giebt, hat 
leicht daB ganze Heer der Kecensenten gegen sich, 
die oftanak ihre eigene wissenBobaftüohe Biösse dar 
dnreh su verdeoken suehen, daaa sie fleissige Arbeiten 
in unhöflichem und absprechendem — in der classi- 
schen und neueren Philologie oftmals grobem und 
brutalem — Ton behandeln. In der bedeu- 
tendsten norddeutschen. Litteraturzeitong, die in 
manchen Zweigen einen sehr einseitigen StNidpnnkt 
der Schulen herauskehrt, findet man nicht selten 
Doctorarl)eiten , durch welche die WissenHcbaft gar 
nicht gefördert wird, mit grosser Anerkennung be- 
bandelt, während wissenschaftlich bedeutende Werke 
mit Hobn bebandelt werden, weil die massgebenden 
Leiter des Blattes auf einem entgegengesetzten Stand- 
punkt stehen. Nicht selten wird ein Buch in einer 
Zeitschrift mit iiobeserhebungen bedacht, das in einer 
anderen der Vernichtung oder dem Papierkorb em- 
pfohlen wird, und in Eablreichen Fragen stehen die 
beiden vornehmsten deutschen Zeitschiiften dieser 
Art in prinzipiellem Gegensatz. 

An dnem gefährlichen Abgrund bewegt sieb die 
Frage nach der pUdagogiscben Ttiebtigkeit dee 
Bemfenen. In der akademischen Lebreiwelt stehen 
sich zwei Lehrmethoden einander gegentlber. Der eine 



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— 39 - 



Lebrer rermg mebr die grosse Menge sii feBseln dnrdi 

einen zflndenden Vortrag, bisweilen auch dureh einge» 
ptreiite, sich stets wiederholende Witze (welche Mode 
indeBseu im Abnehmen begriffen ist), während der 
andere mebr yorgerMcteie Studenten in Uebongen 
and Seminaren wisseneob'afflieb sn fördern und sa 
selbständigen Arbeiten anzuhalten Teretebt. Ein 
idealer Lehrer sollte beides leisten können; man 
wird aber beide Eigenschaften selten bei einem 
Menschen vereint yorfinden. 

Im Allgemeinen wird an der Hocbsobnle der gute 
Seminarlehrer vorzuziehen sein, da es weniger schäd- 
lich ist, einen mittel iiiÄspio'en Vortrae: zu hören, aber 
eine gute wiBsenschaftliche Anregung und Anleitung 
m erhalten^ als neben einem eleganten Vortrag eine 
sobleebte Anleitung an bekommen, oder gar kefae« 
Bei dieser Sachlage ist es nicht wunderbar, dass 
nirgends die I rtlitiile ^^o auseinandergehen, wie Uber 
die Iiehr^khigkeit der einzelnen Professoren. Daher 
niijgends ein so eolossaler Missbraneb in der An- 
erkennung oder Abspreebung getrieben wird, wie auf 
diesem Gebiet, so dass nicht selten über eine und 
dieselbe Persönlichkeit die entgegengesetzten Ur- 
theile gefallt werden. So wird auch durch diese 
Beurth^ilung der pftdagogisohen Ffthi^^eit, je naeh- 
dem man einen Dooenten wül oder niebt, ein 
Tummelplatz erzeugt für Intriguen, Unwahrheiten, 
Verleumdungen^ wobei es nicht selten vorkommt, dass 



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1 

I 

I 



BOßh dtoGntaohten firtüierer oder gegenwärtiger Zuhdrer 
herangezogen werden« die unier keinen Umständen 

alB kompeteote Ri<;^bter angesehen werden eollten. 

Nach dieser Auseinandersetzung wird es be- 
greiflich erBcheinen, daas die Berufung als solche mit 
einem Glflcksepiel su yergleiehen ist, bei welchem 
einer Glllok, ein anderer Unglllek haben kann. Man 
wird aber ausserdem einsehen, dass eine Berufung 
ohne die actuelle Mitwiikunj^ eines einflubs reichen 
Lehrers, Verwandten oder Freundes gar nicht mehr 
m(^glieh iBt. Ans diesem (rrunde haben sehr mächtige 
Minner lange Jahre hindurch fast alle Stellen 
Deutschlands besetzt. Vor ciniiiren Deeeunien wurde 
die Philologie fast in gauz Deutschland von einem 
einzigen Gelehrten besorgt, der neben zahlreichen 
Koryphäen der Wissensehaft in den letiten Lebens- 
jahren aueb einige wenig branchbare Lehrer em- 
pfohlen hat. Auch die luzucht ist sehr im Zu- 
nehmen begnücu, und dass Schwiegerväter sehi- oft 
ihren Schwiegersöhnen gUnstige Stellungen rerschafil 
haben, ist erwähnt worden. Ebenso oft aber haben 
einflnssreiehe Väter ihre unbedeutenden S6hne in cUe 
akademische Carrion liinrin- eschmuggelt. Auch giebt 
es 1^'akultäten, in denen immer ein Freund den andern 
nach sieh gesogen hat Es steht fest, dass auf diese 
Weise unbedeutende Menschen befördert und hervor- 
ragende Eräde, welche einen anderen wissenschaft- 
lichen Standpunkt ciniiahmun, an terdrflckt worden sind. 



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I 



I 

I 

■ 



41 — 



Aber auch ionsl baben Lebrer ibre i^liler, deren 
geringere Ffthigkeit, io lange sie Dooenten waren, 

Kiemandem eiu Geheimniss wai , .su lange an den 
emzelnen Hocbschuieu wie saures Bier ausgeboteu, 
Mb sie endlich untergebiaoht waren, und dann die 
nTOikommende Faknliftt mit Sdireekea erkannte, 
was für ein Danaergeeebenk ibr angepriesen worden 
sei. Unter dreissig Bei u fuugen triebt es heute 
kaum eine, die aus rein sachlichen Motiven 
• und ebne persdniiebe Beziebungen erfolgt, 
wAbrend in allen anderen FftUen m&ebtige 
Freunde, 0((nner oder Verwandte dieselben 

durchgesetzt haben. 

Weniger ist über die Scheinberuiuugcu zu 
sagen. Wenn ein Ordinarius sieb bei einem Mäch- 
tigeren insinniren will, Ton dem er in Zukunft einen 
Gegendienst beanspmebt, — k. B. Bertteksiebtigung 
für die Liste, wenn der Mächtig^ere fortkommt — so 
Terschafft er ihm den Buf, von dem er weiss, dass 
er abgelehnt werden wird. Aber der Freund tbut 
so, als wwi er geben wolle, sehüdert die VerbUt- 
nisse, zu denen er geraibn wird, als ansserordenüieb 
anziehende, zieht genaue Erk 1 1 iul i 211 n iren ein, wartet und 
wallet, ehe er eine Entscbliessung tritlt, oft Wochen laug, 
bis der Minister in den saneien Apfel beisst und den 
beliebten Lebrer bAlt, mit CtewAhrung efaier sebr an- 
sebnUeben Zulage fUr den ausgeschlagenen Ruf, dem 
der Professor niemals Folge zu leisten gesonnen war. 



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l 



— 42 — 

Die Vennitteliuig dieser Getehifite, die man mit den 
DifllnrenzgeBebilfleii an der B(kBe vefgldehen kann, 

besorgt gewöhnlich ein Diitter, der an einer dritten 
Hochschule thätig ist. Diese Geschäfte haben aber 
Ulagat ihre Küthe hinter sieh, da die Regierungen be- 
aendera angealdita der allgemeinen Fmanakalamltit 
der einzelnen Lftnder in der totsten Zeit Torsiehtiger 
geworden sind. Vorzugsweine in Norddentschland hat 
das Centralisiriin^s- System diese Differenzgeschäfte 
sehwer geschädigt. Doeh sind xeitweiae erhebliehe * 
Summen za aolchen Znkgen bewilligt worden, devm 
man^e ansgereicht bitten, nm einen fixtraordinariva 
an besolden. 



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IV. 

Veränderung des Berufungsmodus. 



Man wird aus (iieaer Baisteilung die lieber- 
xeagang gewonnen haben, dass das heutige Be- 
Tafitng 8 System, tob so Yoitrefflioher Wiikitng es 

auch ursprünglich gewesen Bcin mag, als ti beriebt, 
verfehlt und überaus gefährlich anzusehen sei, 
-da nichts geringeres, als die Existenz der Wissenschaft 
und des deutsdien Hoehsefaulen dabei auf dem Spiele 
steht Aneb Andere theilen diese üeberxeugang, nur 
dass sie immer die Alternative aufstellen zu mlissen 
glauben zwischen einei lierütung durch den Staat 
allein, oder die Fakultät allein und unter diesen 
beiden Uebeln das kleinere, den FaknltfttsYorsehlag» 
torziehen. 

Indessen ist die Sache noch keineswegs so sicher, 
dass die Vorschläge durch den Staat scltädlicher ge- 
wirkt haben wfirden, wie die der Fakultäten. Wenn 
man nämlich erwägt» wie gross Freussen durch seinen 
Beamtenstand geworden ist, den doch der Staat selbst 
erzeugt und aufgezogen hat, wie die Regierung in 



— 44 - 



PreusBen in gesunden Zeiten es stets zu Wege ge- 
bracht hat| die tüchtigen Leute selbBt in den kleinsten 
^ Stellungen und Verhältnissen heraussofinden und vor- 
wärts zu bringen, so dürfte es doch fraglich sein, 
ob dieselbe Wirkung erzielt worden wäre, wenn 
die einzelnen Oolle^ien der Beamteuwelt das Vor- 
seblagsreeht gehabt h&tten, die riohterliehen sowohl 
wie die unterrichtenden. Aber gesetzt den Fall, dass 
die Berufung derUniversitätslelii ei durch die Regierung 
wirklieh manji-elliaft und in lioiiem Grade bedcüklicli 
erscheine, so müsste zunächst ein weiteres Moment 
in's Auge ge&sst werden, ob es nicht noch einen 
dritten Weg- gäbe, der beide Wege wie bisher ver- . 
einigt, ohne dabei den Fakultfiteu die IJebermaclit 
und die Initiative einzuräumen. Ein solcher Weg* 
kann nach unserer Ansicht nur davon ausgehen, 
die Macht der Regierung zu heben, da bei unseren 
politisch immer stärker und gesunder werdenden 
Verhältnissen, denen aber keine entsprechenden so- 
cialen zur beite stehen, es wahrecheinlicher ist, dass 
in zweifelhaften Fällen die Regierungen das Richtige 
treffen, als dass dies die Fakultäten thun, SolUe 
aber ein Docent durcb einen derartigen Regierungs- 
akt gcsehädi^rt werden, so ist es immerhin flir das 
Individuum weit erträglicher, von einer Beht^rde 
schlecht behandelt zu werden, als yon OoUegen, zumal 
wenn dies engherzige und obseure Leute sind. Denn 
das ist das empörendste Moment der ganzen Doeenten- 



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I 



— 4ö — 

Carriöre, dass strebsame, fähige Jünger der Wissen- 
Bchaft oftnuds bei den elencUleii Henschen, weil sie 
softUig OTdlnatien ihrer Faknltftt sind, um Liebe 
buhlen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen, 
wobei gerade die unbedeiiteudHten nmX erbärmlicbstea 
Menschen am meisten diese Umwerhuug au beaa- 
spmeben pflegen, bevor sie ein Jawort sa geben die 
Neigung haben« 

Manche sehen ein heilsames Correctiv bei Be- 
nifungsangelegeniieiten darin, dass zwischen der 
Fakultät und der ausführenden Kegierung das Mittel- 
glied eines allgemeinen Senates liege, welcher 
Einseitigkeiten oder Ungerechtigkeiten steuern könne. 
AI) CM aueli dies ist ein sebi zweifelhafter Schutz. 
Denn wenn schon zugegeben werden kann, dass in ein- 
zelnen Fällen doroh den Senat ein Fehler der Fa- 
knltftt verbessert worden ist, so liegt dooh die Gefahr 
in nahe, dass auch ein Senat nur von einigen wenigen 
Mächtigen regiert werde, die über einen grossen An- 
hang gebieten, wodurch eine Benifimg nur nach den 
persönliehen Wünschen und Zwecken der Macht- 
haber geregelt werden wird. Wo die Fakultät niehi 
gans geseUoesen anftiitt, wird dies sogar die gewöhn- 
liche Erscheinung sein. Zu den einiluhsreichsten 
Persönlichkeiten gehören aber in den seltensten Fällen 
diejenigen) welehe stets nach sachlichen oder wissen- 
sehaflliehen Gründen nrtheilen. Manche behaupten 
sogar, dass das Besulfat der Abstinunung gewöhnlich 



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46 — 



Bohon vor der Sitzung feststellt, so das» die daraus 
folgenden Beden gar keinen Einflnm mehr aiüsa- 
flboi Tennögen. In der länrielitang * des Senats 

liegt demsremäss aucli keine Gewähr für objcctive 
Behandlung der Berufungsangelegeuheit. Die Univer- 
sitätssenate werden sdten die Y^gewaltignngen ver- 
kindeni, die einaelne Fakultäten mit jüngeren MUglie- 
dem Torgenommen haben, und werden selten nidit 
entgegentreten, wenn eine Fakultät Diejenigen für 
unfähig erklärt, die einer oder der andere aus per- 
sönlichen Gründen nicht haben will. Aus diesen 
Gründen wird man behanpten dürfen, dass der all- 
gemeine Senat ftr die meisten Fragen ein läeheilkiheT 
Rest mittelalterlicher, republikanischer Verfassung sei, 
welcher nur den Professoren viel Zeit fortnimmt, die 
Einzelnen daran gewöhnt, tlber Fragen mitzusprechen, 
von denen sie gar niehts yeistehen und den Hoch* 
mntii und Selbstttbersehfitiang bei den sehwieheren 
Individuen steigert. Vor allen Dingen aber sollte 
der Senat mit Beruiungssacheu und sonstigen Perso- 
naÜen sehen darum niehts zu thun haben, weil immer 
wenige Standeft nach einer SenatMntemig bm der 
unvermeidlichen Behandlung des AmtsgehelmniBsesein 
kleines Städtchen den Verlauf der Sit/ung kennt, und 
die noch an demselben Nachmittag tagende Katiee- 
gesellsehalt der Damen ihre Vota in einiMr Art Naeh- 
senatssitanng zum Besten giebt, — gewiss dn reoht 
erfreulicher und erbaulicher Act für die Lehrer einer 



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- 47 — 



Hochschule. Was würden unsere Staatsauwälte, 
GyxaiuutaUehrer und Gerieb tsräthe sagen, wenn lÜMf 
ikie Qnaiittl die Flauen eine GeriobtieitBiBg ab- 
hielten? 

Wenn nun in den Jinufungsfragen die Maebt 
dei: Kegierung gestaikt wird, so ist die nächste Folge, 
daas das Feil sehen um die einzelnen Stellen auf- 
hört» dudtL weldies Diejenigen, welehe emfluseieiehe 
Freunde in der Fakiütftt haben, aneh weit höhere 
Gehälter für sich zu cizickn vermochten. Schon 
dadurch wird eine in keiner Weise zu rechtfertigende 
lünft enengt swisehen den Professoren, die an der- 
selben HodiMbnle tuwix&tt nnd denen, die von ander*» 
Wirts berufen sind, wiewohl es bekaantiidi ein 
grösseres Kunststück ist, an dcibelbcu iiuciischule 
Ordinarius zu werden, an welcher man Docent ge- 
wesen ist, als nadti auswärts berufen zu werden. 
Die soeiale Kluft besteht sehen an nnd für sieh an 
jeder Uniyersitaft durch die Tersohiedene Höhe der 
Honomre, wobei die theologische uml ])liil(i^upbi8chc 
Fakultät am meisten benachtbeiligt zu sein pflegen, 
wahrend Medioiner und heeenders Chemiker sehr 
betKiehÜiehe Honorare fAt Vorlesungen und Gufm 
beliehen, die nioht selten die Höhe von 10—19,000 
Mark und mehr erreichen (wobei die grössten 
Unirersitäten Wien, Berlin, Leipzig noch gar nicht 
inilgereohnet werden). Der Staat sollte aber ein 
Interesse daran haben, die ordentUehen Lehrstellen 



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unter eiDander auszugleichen und damit die sociale 
Stellung der ProfeBsoren zu nivelliren, denn es ist 
kein yemtiiilüger Gnud yoriniideii,' warum ein be- 
rfilimter Ohenuker tbenrer besalilt werden nraas, al» 
ein berühmter Philosoph, oder warum ein Ordinarius 
3600 Mark Grehalt bat, ein anderer 8—9000 Mark. 
Gewiss sollen alle Professoren so gestellt sein, wie 
es ihre Bernftstellimg yerlongt, die eine höhere is^ 
als die der meisten anderen Beamten, k. B. Geriohts- 
directoren, Gymnasialdireetoren , Oberstaatsanwälte 
u. a., aber eiue Verpßicbtuug kann für den 6tRSkt 
nicht bestehen, die zahlreichen Gesellschaften und 
die im Jahr drei oder viermal atattfindendea Ver* 
gnttgnngsrelsen in das Hochgebirge, naob Italien oder 
in grosse Städte zu bezahlen, wenn auch zugestanden 
werden kann, dass auch jeder rermogensiose Professor 
in der Lage sein sollte, einmal im Jahre eine l&ngere 
Erbolnngsreise an maehen, was dorehans nicht in aUen 
Fftllen mflglieh ist. Und nnr wenn Jemand einen 
ehrenvollen liul aiis9chlä|pt, soll er eine entsprechende 
Entschädigung erhalten. 

Aber wenn der Staat mehr ein Ansgleiehungs- 
inrindp befolgt, so wird die erste Wirkung sein, dam 
jenes Bieten und Ueberbieten ai]fb($rt, durch 
welches die Berufungen der Professoren noch vor 
wenigen Jahren mehr an das Engagement von 
T&nierinnen und Sängerinnen erinnert haben. Dann 
aber werden die einzehien Ordinariate mebr und 



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49 — 



* 



mehr mit fefiteu Gehalten verbimden werden, zu 
welchen eben Leute geenehi weiden, und wenn A. 
grdeseiB Fordenmgen macht, nimmt die Begiernnji; 

B. oder C. • " . 

In derselben Weise aber soll auch für die 
Extraordinarien gesorgt werden, und der unwür- 
dige Zustand, wie er aum Theü noch in Sfld- 
dentsehland, TorangBweise In Baiern und Wflrttem- 
beri; existirt (in Baden ist vor wenigen Jahrzehnten 
das denkwürdige Beispiel der planmässigeu, 31 Jahre 
währenden Unterdrückung und Missbandlung des 
Philologen Kayser bekannt, das ein Sehttler mit 
ao eindringlicher Wahrheit geschildert hat), dass 
etatsmässige Extrauidiuaiialc fUr den aufstreljcu len 
Doccnten ganz unerreichbar sind, sollte mit Kucksicht 
, auf das tbatsächliche Glücksspiel eines Eufes ganz 
abgeachafit werden. Es stammt ans einer Zeit, in 
der es noch gar keine Privatdooenten gab, sondern 
die Regierung solche iStcUcii mit Geistlichen, Richtern 
oder anderen Beamten bebetzte, und ist nickt nobel 
fhr einen oultivirten Staat. Der Staat sollte unter 
allen Umständen jedem, den die Fakultät zum Extra- 
ordinarius befördert, — sofern derselbe nieht so ver- 
inög;end ist, dass er dies Geld zunächst entbehren 
kann — und der einen Lehrauftrag erhält, mindestens 
1800 M. geben, denn so Tiel erh&lt ein preussischer 
Gymnasiallehrer (und 1600 M. nebst freier Wohnung 

erhalten Aasistenten und Assistenaftrzte). Die Etappen, 

4 



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— 60 — 

welclie man bei&piel8weise in Württemberg vor eiaeia 
besoldeten Eztraordinaiial durebinachen musB — vor- 
auBgesetst, dass man diese hohe Wftrde ftberhanpt 

erreicht — eiitsprccben dem neidischen Charakter, dem 
der Fremde mit Widerwillen auf Schritt und Tritt 
in dieseia Lande des Weins und der Poesie begegnet. 
Sie entspreehen aber aach jenem Zustand, den m 
geistvoller Sohwabe in die Worte gekleidet hat, das» 
es in Württemberg — dem vielgcrühmten Eldorado 
der Examina — nur zwei Classen von Menschen gäbe, 
Bolehe, die examiniren nnd solche, die examinirt 
werden. Vielleicht aber hftngt diese Erseheinung 
aneh damit lasammen, daas in Württemberg die 
Denkfähigkeit eines Menschen erst vom 40. Lebens- 
jahr an gerechnet wird (daher der jüngste dort an- 
gestellte Extraordinarius gegen 50 Jahre, der älteste 
gegen 90 Jahre alt ist). 

Ganz ähnlich und vielleicht noch etwas schlechter 
Bind die Docentenverhällaib;?e in Baiern, besonders 
in München, worüber in der Presse schon oftmals 
Klagen laut geworden nnd bei dem Bessortminister 
Besehwerden geführt sind. Aneh in Mftnehen giebt 
es weder Stipendien, noch kommt ein Docent weiter^ 
noch wird er für seine Leistungen honorirt; auch 
hier sind die etatsmässigen £xtraordinariate fast für 
jeden Doeenten nnerreiehbor, nnd die tfiehtigsteD 
PriTatdooenten bleiben zehn Jahre oder noch iSxiger 
in ihrer Stellung, ohne die geringste Anerkennung 



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- 51 — 

und £iiitBohftdigiiiig la finden* Titel und Bang emes 

Extraordinarius wird grundsätzlich nieht yerliehen 
(eine einzige Ausnahme ^yurde in den letzten Jahren 
gemacht, was eine befitimmte Ursache hatte), zum 
TheSif weil ein KammerbefleblnBS existirt, dass l^ein 
Eztraordinarins olme Beeoldong von 8600 If. ep* 
nannt werden soll. Da nun bekanntlich fast jeder 
Ordinanus, der 6000 M. Gehalt hat, glaubt, dass ein 
Extraordinarius» wenn er 3000 M. oder noch mehr 
Gehalt bekomme » in seinem Beiehthnm erstldLen 
mttose nnd fllr seine Gelder gar keine Verwendung 
haben könne , so ist die L'olge jenes Kammci- 
besehlußses, dass die Fakultäten Uberhaupt keinen 
Docenten xnm Extraordinarius befördern. 

. Aber noeh in andern Besiehnngen ist die Ini- 
tiatiye der Regiernng bei den akadendsehen Be- 
rufungen in hohem Grade wflnschenswertb. Wenn 
die Fakultäten leicht geiicigt sind, einen blutjungen 
Mann — ein sogenanntes Wunderkind — zum ordent- 
liehen Professor %a nuushen, wann er von seinem ein* 
flassreieben Lehrer anf das wftrmste empfohlen wird, 
— wie dies beBoiuki s iVillipr öfters vurgekuiiimen ist — 
so soll die Ecgierung in diesem Ponkt vorsichtiger sein. 
Sie wird vieUeicht erwägen, dass enn so junger Mann, 
der seinen Charakter naoh unreif in solehe Stellung 
kommt, überhaupt unfertig nnd unerzogen bleikt» 
und dass er nn fröhe Triumphe gewöhnt und von 

seiner Gottttbnüchkeit duichdrungen nur das eine 

4^ 



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62 — 

Ziel kennt, Bich za rergöttem und rergöttern sa 
lassen. 

Ferner ist unleugbar, dftss die Vetterle's and 
Interessen wirtliscba it durch eine kräftisre Re- 
gierung eingeschränkt wird. Es ^^nebt Hochschulen 
kleinerer Länder, an denen seit Jahrhunderten yon 
den Eingeborenen kein andrer Gesiehtspunkt festge- 
halten wird, als der persönliche. Zunächst bichert 
man sicli bestimmto Vorlcsnngen und durch den 
Studienzwaug eine gewisse Zahl von Zuhörern, — ein 
Yer&hren, das mit der Frdheit der Wissensehaft 
im sehrofisten Widersprueh steht Tritt eine Yacans 
ciü, so überlegt man, welchen Vcr\Mindten oder 
näheiTi Freund man unterbringen kann, oder der 
Einzelne rechnet nach, was er dadurch gewinnt; 
man hat sich an das Profitiren gewohnt und be- 
trachtet Alles aus diesem Gesichtswinkel. Es ist so- 
^ar \ orgckommen, dass eine Professur Jahre liindurch 
nicht besetzt wird, um einen allgemeinen Verwandten, 
dnen ^jungen, hoffiaungsvoUen" Mann hineinwaebsen 
zu lassen, bis man sich endlieh Ton der Unmöglich- 
keit dieses Bestrebens llberaeugte. Der Fremde iat 
llben-ascht vou diesem absoluten Mangel eines sach- 
lichen InteresscB. Wunderbar ist nur, dass auch 
die Ton auswärts Berufenen sich sehr leicht aecli- 
malisiren und nicht ungern diese Interessenwirth- 
schalt unferstflltzen. Neuerdings ist diese Methode 
selbst bei Verleihung der höchsten aloidemischen 



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I 

I 

I 



— w — 

Würde, des Dootorgrades lionoriB eansa, sa Tage 

getreten. 

Aus diesem Grunde entscheidet besonders aucb 
fUr die Wahl der niederen Beamten, wenn sie 
Ton den akademisebeii Behörden vorgenommen wird, 
allem das Haebiwort oder die FUrspraehe eines 
Guüuers zum giössten Schaden der Hochschule. 
Allerdings ist et» nicht ungewöhnlich, dass in »ulchen 
Fällen dann aucb seitens der Regierung selbst*-- 
nlebt selten mit yerblttffender Kaivitftt — Kepotia^ 
mns getrieben wird. Indessen, wenn auf der einen 
Seite der Interessenwirtlischaft gesteuert wird, 
ist wohl anzunehmen, dass auch die andere 
dann genauer controllirt wird und Toisiebtiger sein 
mnss. 

Besonders aber wird dureb eine kräftigere Re- 

giernug: auch die Auli'assung an Boden g3wiunen, 
dass iivr Professor zunächst Beamter und Lehrer 
sei» und sie wird jenen mit dieser Stellung eng Ter- 
bundenen Idealismus wieder zurfickfllbren, naebdem 
derselbe . angefangen batte, einem crassen und Ter> 
dcrbliehen Materialismus zu weichen. Es ist nicht 
zu leugnen, dass vorzugsweise durch die Medicincr, 
welche Praxis ausflben, jener Materialismus solebe 
Verbreitung gefunden bat Wo scbon das Studium 
selbst seit l&ngerer Zeit von einem höheren und all- 
gemeineren Gesichtspunkt gänzlich ahstraliirt und 
nur die praktischen Fertigkeiten beibringen will, da 



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— 54 - 



ist es nkht wunderbar, dass auek jede huhcie und 

■ 

idealere Auffassung verloren geht. Man wird daher 
beobaoliten können, dass die Medieiner am meisten 
ihre Stellungen benutzen, um Geld «n erwerben. So 

sehr man nun au ob zugeben ma^^ dass der berUbmte 
Professor PÜichteii gegen die leidende Menschheit zu 
erfüllen habe, so wenig wird man leugnen können, dass 
der Staat jenen sunfiehst als Lehrer angestellt hat, 
der gar nicht das Recht haben sollte, bei jeder 
Consulfation auswärts ohne weiteres eine Vorlesun»- 
ausfallen zu lassen. Ebenso leidet aber durch eine 
übertriebene praktisehe Thfttigkeit das gelehrte Ar- 
beiten , das jeder Professor eultiviren sollte. Bei 
dem immer grösser werdenden Hciclithum und der 
besonders in allen grösseren Städten immer zu- 
nehmenden Manie, sich von Professoren behandeln 
2u lassen, lllsst sich heute fast jede reiehe Frau von 
dem einen Professor entbinden, ron dem andern die 
Migräne behandeln. Der Staat aber sollte nur in 
den dringlichsten und wirklich ernsthalten Fällen 
eine Dispensirung des Professors von seinen Berufs- 
pflichten gestatten. Ebenso wie es heute bei manohen 
medidnisehen Professoren Sitte ist, bei Berufungen 
weniger nach Gebalt und Zuhürern, sondern nach 
Einnahmen der Privatpraxis zu fragen, so bildet sich 
aneh leieht der Gesiohtspunkt heraus, dass die Pri- 
vatpraxis bei einer aniutretenden Professur das wesent- 
liehste sei, und das UnteiTichten Nebensache. 



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— 66 — 

Zu dieser Frage gehört nuu auck, ohne dass 
wir Ka schulmeistern beabfidehtigen, eiM grössere 
Gewissenhaftigkeit in Einhaltung der officiellen 

Ferien, die an mauchen HochsclHilen, besonders in 
Norddeutschland, sehr viel zu wüuachen tibrig lässt. 
Freilich verkennen wir nicht, dass diese Frage mit 
Bfleksieht auf die akademisohe Freiheit am sdbiweiBten 
eine glfiekliehe LOsnng finden wird. 

Ferner aber winl durch die Initiative der Ke- 
gierung verhindert, dass ein Indifferentismus oder 
ein SabjeotiTismus in den Fakultäten aufzukom* 
men Termag, indem sie das Wohl der Hoehschnle fdr 
genügend besorgt halten, wenn die Ordiaarien gute 
Gehälter, Zwnngsvorlesungen. die stets eine grosse 
Menge Zuhörer insCoIleg nijtliigen, und womüglich eine 
dauernde Stellung in der PrUfungscommission babeo» 
welche ihnen immer neue ZuhOier flttssig maoht In 
Sflddentsehland sind diese Commissionen zum Theil 
eonstant, d. b. gleichsam petreficirt. Ein solcher 
Zustand entspricht vollständig einem sichern Credit- 
brief auf Zuhdrer, w&hrend die aussen stehenden 
dauernd benachtheiligt werden. In Preussen wechseln 
die CommisBionen nicht nur jftbriioh ihre Mitglieder, 
oder sollen wenigstens wechseln, sondern es werden, 
besonders an grösseren Uocbsoliuien, auch Extra- 
ordinarien und Dooenten zum Examiniren heran- 
gezogen. £s sollte aber an jeder Hochschule die 
Ansicht Platz greifen, dass ausser dem persönlichen 



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— 56 — 

WohlbeÜDden der Ordinarien noch andere Interessen 
wfthiziineluiieii seien* 

Ausserdem wird dadurch Terhindert werden, dass 
ein Ordinarius einen möglichst unbe de ut enden Fach^ 
genossen beruft, tun nicht durch die Coneorrenz ge- 
sehftdigt SU werden und selbst die erste Rolle spielen 
zu können, wie dies oft genug vorgekommeD ist. 
Denn bei solcbem Verfahren findet er leichter bei der 
Fakultät Uuterstützung, wo eine Hand die andere 
w&seht^ als in einer objectiven und personlieh un-^ 
interessirten Conunission. 

Ferner wird nicht mehr vorkommen können, dass 
der Vorsehlag eines Sachrerständigen durch fällt, 
weil ein mftehtigeTeT Mann in derselben Faknltftt, der 
aber kein SaebTerstftndlger ist, aus persönlichen 

Gründen eineTi andern wttnscht, und die andern 
Mitglieder gemäss der Schwäche des menschlichen 
Charakters ihm zustimmen. 

Auch die Scheinberul uiii; on werden dadurch 
unmöglich gemacht werden, weil der Staat möglichst 
vermeiden wird, dass der Staatssäckel aufs empfind- 
lichste gesehädigt werde. 

Ebenso wird die Kegioruns- weit eher auf einen 
tüchtigen Mann verfallen, der einer Professur würdig 
ist, aber in einer nicbtakademiscben Stellung 
lebt — z. B. ein Gerichtsvath» ein Gymnasiallehrer^ 
ein Geistlieber — als dies von Seiten einer Fakultät 



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- 67 - 

gemäss dem gewöhnlich vorkerrsohenden Kastengeist 
denkbar ist . 

Ueberhanpt wird man dem gansenlSkandal ana 

dem c^c gehn, der heute nicht selten, und in 
manchen Faknltüten gewöbnlich. mit der Nenbesetzuno: 
einer Stelle verbunden zu sein pllegrt, was besonders 
dann der Fall ist wenn Ewei feindliehe Parteien oder 
zwei gegnerisohe Riralen sieb bekämpfen, wobei als 
gröbster Unfug* bezeichnet werden darf, dass bei 
einer Neuberufuug sich jedes Fakultatsniito-licd fHr 
verpflichtet hält, je nach seiner Stellung zu der be^ 
treffenden Peniönliebkeit Briefe einzufordern nnd diese 
YOTzntragen ^ was in allen andern Bemfsklassen 
zu den grössten Indiskretionen und 1 uktlosi^keiten 
gezählt werden würde. Allerdings; ist .in solchem 
Fall in Freussen sebon oftmals der Modas eingetreten, 
— nnd worde früher häufiger beobachtet — dass der 
IGnister eine Faknlttt ignorirt bat, die ein oder 
mehrere Male ihre Uneinigkeit oder Unfähigkeit 
manifestirt hat. Auch für andere Länder kann der 
£aih nur nützlich B^n, dass die Begierong bei ge* 
wissen Fragen eine Faknlt&t ignorirt, die sebon Öfter 
gezeigt bat, dass sie besonders in der Frage Uber 
das Avancement nach persönlichen, parteilichen und 
ungerechten Gründen entschieden hat, oder dass ihre 
Maebtbaber ttberbaupt das Prineip haben, jflngere 
Lehrer zu nnterdrll<^en. 

Wenn auf diese Weise die materialistische Bicb- 



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— 68 

tong des Gelehrteiisteiides getödtei ist, so wiid aveh 

die gelehrte Thätigkcit \vieder mehr in Aufnahme 
kommen, die au einzelnen Hocliscliuieii sehr viel zu 
wOnseiien ttbrig läast. Mit den geringeien £ia- 
nalimen wird das sociale Leben wieder anf ein Ter- 
nflnftigeres l^irean herabgedrttekt werden, und die 
Lehrer werden wieder häufiger freie Zeit imd' freien 
Kopf zu augestreugten Arbeiten bekommen. Der 
Professor wird lernen, dort seine Beftiedignng m 
finden, wo er sie der Katnr der Sache naob finden 
sollte — in der Wissenschaft und nicht in der Ge- 
sellschaft. Und dadurch wird wieder die Professon n- 
frau aus der akademischen Sphäre mehr herausge- 
"drängt und in die Einderstabe hineingedrängt werden, 
was sowohl KQm Besten der Hoohsehnlen, als aneh 
ziini Heil iliici is^iiider gereichen wird, die nicht 
selten heute gerade in Professorenfamilien eine sehr 
Temachlässigte Erziehung erhalten. Sollte die Frau 
aber dnrehaus kinderlos sein — nun, so mag sie 
arme Kinder an Eindesstatt annehmen oder Strümpfe 
fBr WaiscDknabeTi fsfricken oder Hosen für die Congo- 
knaben und für Kamerun nähen oder sich musikalisch 
ausbilden, was ihr alles viel besser ansteht, als sieh 
in die akademischen Verhältnisse hineinzamisehen 
oder llbeihaupt in derOeffentliohkeit eine Bolle spiden 
zu wollen. 

Eine audere Wirkung wird sein, dass damit das 
akademische Faiseurthnm Ton den Lehrkörpern 



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- 69 — 



der Universitäten ferügelialten wird, das heute fest 
an jeder Hoobsohale mehr oder minder vertreten ist« 
welehea Beine Aufgabe niolit darin erkennt, f&r die Lelir- 
tbfttigkeit nnd die Wiasensebaft zu leben, sondern fAr 

Essen und Trinken, Gesellscliaften und Bälle, Ver- 
guUgungen und Keisen, Vorsehung spieleü für die 
eigne nnd fremde Hoebsebulen, Seiireiben Ton dis- 
kreten nnd indiskreten Briefen n. s. w. Kurz und 
gut, damit wird das geistige oder wissenschaftliche 
Proletariat aus der Welt geschaßt. 
( In welcher Weise soll nun der eigentliche Pro* 

f zesB des Ayaneements nnd der Berufung vor 

! Mbh gebeut Der Ministerialratlx oder der Deeement, 

der diese Angelegenheiten im Ministerium besorgt, 
soll mit einem Referenten der Fakultät, den die 
Fakultät aus ihrem Bchoosse zu envählen hat» d. h. 
dem eigentlichen und hauptsSobliebsten SaebTerst&ndi- 
gen, und mit zwei andern Experten, deren einen der 
Minister aus einer pmktischen Stell uug auswählt 
(Medicinalräthe, Sanitätsräthe, Regierungsräthe, Forst- 
räthe, Finanzräthe, Gonsistorialrätbe , Oberstudien- 

■ 

rfttbe, Gymnasialdirektoren), den andern die ITakultät 
entweder aus einer verwandten Fakultät (sei es der- 
selben oder einer andern Hochschule) oder — wenu 
säe (lies vorzieht — auch aus einer praktischen 
Stellung, — zu einer Gommission zusammentreten, 
I wdcbe sieh persdnlieh oder brieflich auf drei Vor- 

zuBcbUigende einigt, die dann der Fakultät zur Be- 



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— 60 — 

g-utaclituTig Ubcrg'cbcn werden (etwas ähnliches bieten 
^^cbon die ööterreicbißcben Comuiini^ionen). Die Fa- 
kultät darf obne zwingende Gründe von dieser Aua- 
Wahl nicht abgehen, ebenso wie Bie nnr unter der 
sorgfältigsten saehKehen Motiyirunii; von der Reihen- 
folge, welche die Commission vorgeschlagen, ab- 
weichen darf. Die Regierung bewerkstelligt dann 
die Ernennung dessen, der ihr der Beste scheint 
In der Commission hat sie bei Stimmengleichheit die 
Entscheidung. Ein Senat soll naturgonSss von den 
Bemfungsangelegenheiten vollständig befreit werden. 
Bei Avancements an der gleichen nocTischulc kann 
der Minister sein Recht aufgehen und der Fakult&t 
die Entscheidung Uber den Vorschlag überlassen. 
Liegt aber der Verdacht nahe, dass ein Docent von 
der eignen Fakultät unterdrllckt wird, so soll der 
Minister eine andere Fakultät um ein Gutachten 
eisuchen oder auch yom Docenten selbst ein Memo- 
randum einfordern, was ihm oftmals einen klareren 
Einblick in die wirklichen Verhältnisse gewähren 
^^i^d, als das Gutai^htcn der Fakultät. Besonders 
Boll der Minister in allen Fällen, wo ein bekaunter, 
tüchtiger und namhafter Gelehrter an der eigenen 
Fakultät nicht vorw&rts kommt und auf kleinlichen 
Gründen nicht aufkommen gelassen wird, sofort von 
einem andern CoUegium ein Gutachten einziehen 
und darnach ohoe Berücksichtigung der Fakultät 
verfahren. 



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- 61 — 

Nor we&a mau die Avancements und die 
Berufungen TertraoensYotter in die Hände der 
Regierungen legt, denen de nnr deshalb nklit Über- 
geben woi ilcü sind, ^^ eil die mittelalterliehe Auffassung 
die Universität als ein rcpublilcanieehes Gemeinwesen 
betrachtet hat (als dessen Rest der allgemeine Senat 
anfsafassen ist), welehes in sieb abgesdüossen seine 
Gesetze, sein Gericbt« seine Verwaltung nnd sein 

Veimö^cu Latte, eine Auiiabbung, die mehr und 
mehr der modernen und lichtigeren weichen mubi*, 
dass die Uniyersitftton Staatsinstitate sind, wie die 
Sehnlen anderer Art, gehoben nnd geläutert dnreb 
die Fr^eit der Wissensebafk» und melir oder minder 
fast tiberall schon gewiclien ist — nur dann wird 
man in Zukuuit jene Centnerlasten von Elend und 
Tbrftnen, von Jammer nnd ünglOek, Ton fingberzigkeit 
und Geis, von Lüge und Grausamkeit yermdden, welebe 
beute von so yerscbiedenen Lagern aus zum Gegen- 
stand eines Angriffs gemacht werden. Ausserdem retten 
dadurch allein die i^'akultäten ihre Mitwirkung bei Be- 
rufungen, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass bei 
dem xunebmenden Anwaebsen der Cliquen wirOisebafl in 
Nacbabmung des Verfahrens, wie es schon oft in 
Preussen üblich gewesen ist, über kurz oder lang auch 
die Minister der andern Länder irich um die Fakultäten 
« und ihre Vorsebläge nicht mehr viel kümmern würden. 
Wenn die Verfechter der FakultStebemfungen auf 
ungern Vorschlag entgegnen, dass der ei^eiithümlicbc 



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4 



— 62 — 

Reiz der akademischen Carri^.re in ihrem Risiko Hege, 
dem der einzelue sich freiwillig unterziehe, so soll 
yon aoBerer Seite dmehans nicht verlaogt weiden, 
däw' jeder Doeent ron «elbat avaneire, wie der 
Fäliudrich und der Relerendarius. Gerade deshalb 
soll die Habilitation nicht erschwert werden, weil 
die Fakultät keine Verantwortung oder Garantie iSar 
die Zukunft und die Garriöre fibemelimen kann und 
soll. Kur darum kann es rieh handeln, dass Do- 
centen , welche schriftstellerischen und Lehrerfolg 
haben, beiordert werden müssen, dass ihre Be- 
fdrderuog nicht durch kleinliche, persönliche Gfflnde 
oder die Gegnerschaft etnes neidischen oder böa- 
artigen Ordinarius hintertrieben werden kann, dass 
die Extraordinarien einen Gebalt vom Staate er- 
halten, der wenigstens die Person des Lehrers 
vor Sorgen sicher stellt und ihnen nicht die 
Freude an ihrer Thätigkeit ranbt dureh langsames 
Untergraben ihrer geistigen Elasticität und Schö- 
pfungskraft, and dabö endlich die Ordinarien nicht 
mehr berufen werden nach tiberwiegend persön- 
lichen, sondern nach ttberwiegend sachlichen Grün- 
den. Nur auf diese Weise ist ein Fortschritt der 
deutscheu Universitäten möglich, die von allen heu- 
tigen Instituten am meisten und deutlichsten die 
Spuren eines überlebten und unvollkonmmen Mittel- * 
alters bewahrt haben. Denn die Universitflts^er- 
&ssang ragt in unser modernes, festgefügtes, staat- 



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liehes Leben hinein^ wie eine alte Säule, die bemoo8t 
und mit Spinnweben bedeckt, abgebröckelt, unter- 

giaben und vermodert, von dem nächsten Sturm auf 
die Seite geschleudert wird , um nie wieder eine 
Auferßteliung zu feiern. Und mit einem Wort — 
nur die Macht einer yernttnftigen Regierung 
wird im Stande sein, den akademischen 
Unfug auszurottcu, der die deutsche So- 
lidität an den deutsciien Hochschulen zu 
untergraben begonnen hat. 



Im Verlage der K. Hoil>uchhaudlung von Wlllicliii f rleiLrlek 
in Leipzig? und Berlin eiBohira: 

Abel 9 l'arl Dr. pli.: Spraclnvissenscbaftiiche Abhandlungeo. 

1885. iu jjr. l.r. Mk. 10.- . 

Aristokratie« l>ie, den iiieistes ak Löbung der docialeü. 
Fm^e. ISn GrondriM te natttrlidien und der vernünftigen 
Zuchtwalil in der Menschlieil 188K. in gr. 8^ eleg« br. Hk. 8.—. 

lütter« C« H«, EOnigL StaainiuniBter: Oamamelte Sefaxiften. 

1886. in gr. 8*. br. Mk. la— . 

CmmI» 1^. P««lw: Aue littomtoy and Symbolik. Abband* 

lungen. 1885. in gr. 8o. br. Mk. 8.—. 
Ciir istaller) Enisi: Ueber nnser GymnaBislveeen. 1885. in 8*. 

br. Mk. 1 

Conrad» M. Ur*s Flsnunen für freie Oeister. 1888. in 8«. 

br. Mk. 5.—. 

£ii£r<^l» Ednard Dr.: Die rt'bei-s(>t/Ain'^.>d6uclie in Deataobland. 

Vierte Autlago. 18^9. in 8«. Mk. —.80. 
ITiirHt; Julias l>r*: L^Bdiiig's Nathan der Weise. Historisch 

nud philo.-^ophisch erläutert, 8®. br. Mk. 1. — . 
tjfixyekly ixcorg \au, Hr.: Grundzüge der Moral. Geki-önte 

PceiBMhrift. 188i. in 8«. br. Mk. 1.50. 
CUbktherf Ctoorff Dr«: QmndsSge der tmgiscben Knnal 1885. 

gr. 8^ br. Mk. 10.—. 
Kleine^ BU Dr»: Der Yerfall der Adfil^gescUecbtor BtaÜBtiach 

nacbgewieaen. Dritte Auflage. 8*. br. Mk. 2. — . 
Iiftzaras« Horits Pvof* Ilr*: Sobiller und die Sohillentiftang. 

8". br. Mk. 1.-. 

IS^liaslery :YIa^ ]>r.: Das Syateni der Kilnate. Zweite Auflage« 

1885. in 8», br. Mk. (>.— . 
Seemann, O. Dr.: Ueber den Ursprung der Sprache, 

80. br. Mk. -.50. 
Suttner« ü« tob.: Inventarium einer Seele. 188^ in 8 br. Mk. 6. — . 



TorrfttUf Sk sUea BncUiaiiiluifett* 

Droek von C. O. RMtr In Ldpslg . 



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für die Litteratur des In- und Auslandes 

Degründet 1832, 

ist (lit! einzige grosse Wochenschrift, welch»' ck-ra gebildeten Leser 
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DAS MAGAZIN bringt nicht nur Kritiken und litterarische 
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sondern es wendet sich in feraelnder Damtelliuiff und geistreicher, 
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litterarischem Interesse, luu sie fiber alles Wissenswerte in der 
Weltlittüratur auf dem Laufenden zu erhalten und ihnen bezüg- 
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DAS MAfrAZIN, dos Orean des Allf^erneinen Dentschea 
Schriftstellerverbandes, ist durchaus frei von jedem litterarifichen 
Cliquenwesen wie von jeder Partei-Einseitigkeit und es verdankt 
dieser seiner ünabhftngigkeit sein Ansehen daheim und im Aus* 
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DAS MAGAZIN erscheint wöchentlich in 83 Spalten Gross- 
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Abonnement auch innerhalb des Jahres jederzeit erfolgen. 

Ijeipsig -Berlin. jjj^ Verlagshandiiing des 

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IL Hofbni^handluDg tot Wilhelm Fziedrieh. 

Drnek von C. Q, RMcr in Lot|iftlg^ 



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