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Full text of "Geschichte des deutschen Reiches unter König Wenzel"

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Geschichte 

des 

deutschen Reiches 

vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts 
bis zur Reformation. 

Von 

Dr. Theodor Lindner, 

ausserordentl. Professor an der königlichen Universität zu Breslau. 



Erste Abtheilung: 
Geschichte 

des deutschen Reiches unter König Wenzel. 



Erster Band. 



Braunschweig, 

C. A. Schwetschke und Sohn. 

(M. Bruhn.) 
1875. 



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Geschichte 



des 

deutschen Reiches 

unter König Wenzel. 

« 

Von 

Dr. Theodor Lindner, 

»UMeror.lentl. Professor an der königlichen ITijiver«ität zu Bre»l*u. 



Erster Band. 



Braunschweig, 

C. A. Schwetschke und Sohn. 

(M. B ruh n.) 

1875. 

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Vo rrede, 



Die Geschichte des deutschen Reiches vom Ende des 
vierzehnten Jahrhunderts bis zur Reformation beabsichtigt der 
Verfasser zu schreiben. Vielleicht wäre es angemessener ge- 
wesen, mit der Regierung Karls IV. zu beginnen. Aber da 
seit längerer Zeit die Regesfen desselben in Aussicht stehen, 
schien es gerathen, von der Regierung Wenzels den Ausgang 
zu nehmen. Wenn dem Verfasser Leben und Gesundheit be- 
wahrt bleiben, hofft er dereinst mit der Regierung Maximi- 
lians I. sein Werk zu schliessen. 

Es ist bekannt genug, wie wenig bisher die historische 
Forschung nicht blos in Deutschland, sondern auch in den 
übrigen Ländern Europas das vierzehnte und fünfzehnte Jahr- 
hundert berücksichtigt hat. Zwar fehlt es nicht an tüchtigen 
Vorarbeiten, aber ihre ZahT ist verglichen mit der der Schriften, 
welche die Zeiten des früheren Mittelalters behandeln, gering. 
Die Quellen liegen nur zum Theil in brauchbaren Ausgaben 
vor, zu ihrer Kritik ist wenig gethan. Freilich treten bereits 
im vierzehnten Jahrhundert die Urkunden und diplomatischen 
Actenstücke in den Vordergrund ; während sie bis dahin häufig 
nur zur Sicherstellung der Chronologie, zur Ausfüllung der 
Quellenberichte dienen können, muss die politische Geschichte 
dieser und der späteren Zeiten hauptsächlich und manchmal 
ausschliesslich auf urkundliches Material begründet werden. 
Aber wie wenig ist dasselbe geordnet und gesichtet! Wie 



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VI Vorrede. 

leicht können da selbst wichtige Sachen übersehen werden! 
Um so grösseren Dank hat der Herausgeber der Reichstags- 
acten Julius Weizsäcker zu beanspruchen, welcher mit rastlosem 
Fleisse eine Fülle von zum grossen Theil bisher unbekannten 
Urkunden zusammenstellte, dieselben mit ausgezeichnetem 
Scharfsinn ordnete, mit trefflichen Einleitungen und Anmerkungen 
begleitete und im besten Texte herausgab. Wieviel der Ver- 
fasser ihm zu verdanken hat, geht am klarsten aus seinem 
Werke selbst hervor. — Gewiss wäre aus den Archiven 
Deutschlands und der benachbarten Staaten noch manch wich- 
tiger Schatz zu heben, noch manche werthvolle Belehrung zu 
gewinnen. Der Verfasser ist sich sehr wohl bewusst, dass 
hier eine Schwäche seiner Arbeit liegt, aber unbesiegbare 
äussere Umstände haben ihn gehindert, seine archivalischen 
Forschungen weiter auszudehnen. Allerdings wird Dank den 
Reichstagsacten sich dieser Mangel in dem vorliegenden Bande 
weniger fühlbar machen, und der Verfasser hofft, dass es ihm 
möglich sein wird, für die folgenden Bände in dieser Beziehung 
besser zu sorgen. 

Mit der Bezeichnung „Geschichte des deutschen Reiches" 
ist der Rahmen gegeben, welchen das Werk ausfüllen soll. 
Nur die Ereignisse, nur die Bewegungen können berücksich- 
tigt werden, welche mit der allgemeinen Entwickelung Deutsch- 
lands im Zusammenhange stehen. Aber gerade in dieser Pe- 
riode, in welcher die einzelnen Territorien mehr oder minder 
ein selbständiges Daseiu zu führen beginnen, ist es schwierig, 
die Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren eine Geschichte 
des Reiches sich zu bewegen hat. Es ist unmöglich, die Ge- 
schichte der einzelnen Gebiete und Herrschaften zu verfolgen, 
und doch kann wieder nicht ganz davon abgesehen werden. 
Scylla und Charybdis sind zu vermeiden : weder darf die Ge- 
schichte der einzelnen Territorien allzu eingehend behandelt 
werden, da Umlang und Ziel des Werkes sonst ins Ungemessene 
erweitert werden müssten, noch darf die Darstellung sich allzu 



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Vorrede. 



vn 



s^hr auf der Oberfläche der Dinge halten. Eine Reichsgeschichte 
kann nicht zugleich eine Biographie des jeweiligen Herrschers 
sein, doch müssen unter Wenzel und Sigismund die böhmischen 
und ungarischen Verhältnisse insoweit berücksichtigt werden, 
als sie auf das Reich Einfluss üben und bestimmend auf die 
Reichspolitik des Königs einwirken. Ferner sind die Strö- 
mungen auf dem geistigen Gebiete, in Religion und Literatur, 
in Kunst und Wissenschaft nicht ausser Acht zu lassen, weil 
sie als mächtige Factoren den Fortschritt eines Volkes und 
Reiches bestimmen. Da jedoch solche Betrachtungen grössere 
Perioden umfassen müssen, können sie in diesem Bande noch 
nicht Platz finden. 

Der erste Band bringt die Geschichte des Reiches bis 
zum Jahre 1387, nur der Kampf um Lüneburg vom Jahre 
1388 ist des Zusammenhanges wegen noch in den Bereich der 
Darstellung hineingezogen worden. Dagegen mussten die Ver- 
hältnisse des Nordens, namentlich die Geschichte der Hanse, 
dem zweiten Bande vorbehalten bleiben, da sie mit dem son- 
stigen Gange der Dinge im Reiche in keinem Zusammenhange 
stehen und für sie erst die Thronbesteigung Margarethas einen 
wichtigen Wendepunkt bildet. — Umfangreichere Anmerkungen 
sind als Beilagen an den Schluss verwiesen, während sonst die 
Noten der Bequemlichkeit wegen unter den Text gesetzt sind. 
Excurse über die Quellen konnten vorderhand wegbleiben, da 
nur wenige von grösserer Bedeutung und unter diesen kaum 
eine gleichzeitige in Betracht kommen. Ein Register wird der 
zweite Band bringen. 

Je grösser die Schwierigkeiten sind, welche der Forscher 
zu überwinden hat, um so mehr wird er auf Nachsicht rechnen 
dürfen, wenn er trotz redlichen Bemühens nicht alle Ansprüche 
befriedigt oder befriedigen kann. Nicht ohne Bedenken lässt 
der Verfasser seine Arbeit an das Licht hinaustreten. Er weiss 
am besten, wie selten in dieser Periode positive Sicherheit der 
Erkenntniss zu erzielen ist, wie oft er den Weg der Ver- 

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VIII 



Vorrede 



muthung und Combination einschlagen musste. Das verarbeitete 
Material ist von eigenthümlicher Beschaffenheit, man möchte 
sagen : es ist reich und dürftig zu gleicher Zeit. Reich 
genug, um selbst tiefer gehende Verknüpfungen ahnen und 
streckenweise verfolgen zu lassen, versagt es oft gerade im ent- 
scheidenden Momente; wir erfahren eine Fülle von Nebenum- 
standen und können doch die Hauptsache nur errathen. Ob 
da überall das Richtige getroffen ist, muss der Verfasser dem 
Entscheide der Kritik anheimstellen. Er wird für freundliche 
Belehrung dankbar sein und sich hinreichend belohnt fühlen, 
wenn er die Erkenntniss der Wahrheit auch nur einigermassen 
fördert, wenn er mit seiner Arbeit besseren den Weg ebnet. 

Breslau, im October 1874. 

Der Verfasser. 



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Inhalt. 



Seite 

Einleitung 1—16 

I. Kapitel. Verhandlungen mit den deutschen Fürsten über die 

Wahl Wenzels 1361-1375 17-31 

Geburt und Taufe Wenzels 17—18. Krönung zum Könige von Böhmen 18. 
Verlobungen and Heirath 18—19. Erziehung 19. Plan Karls, ihm die 
deutsche Krone zu verschaffen 19 — 22. Mainzisch-thuringische Verhält- 
nisse 23 — 24. Bischof Ludwig von Bamberg wird Erzbischof von Mainz 
25. Verhandlungen in Mainz im November 1374 mit den Kurfürsten von 
Mainz und Trier 25 — 27. Verhandlungen mit anderen Fürsten 27. Ge- 
winnung der Kurfürsten von Sachsen uQd von der Pfalz 28 — 29. Ver- 
schiebung der Wahl bis znr Minorennität Wenzels 29—30. Frieden vor 
Tnnna. HO. 



II. Kapitel. Wahl nnd Krönung Wenzels 1376 31-44 

Verhandlungen mit dir Cnrie 31 — 33. Aufstand in Italien 33. Bot - 
schaft an den Papst 84. Aufnahme derselben in Avignon 35. Gesandt - 
schaft Audiberte 35- 37. Versammlung der Fürsten in Bacharach 37. 
Vorwahl in Rense am 1. Juni 38. Verhandlungen mit Bischof Johann 
von Agen 39. Wahl in Frankfurt am 10. Juni 40. Gesandtschaft an 
den Papet 41 — 42. Krönung in Aachen am 6. Juli 43. 

III. Kapitel. Gründung des schwäbischen Stadtebundes 1376—1377 44-53 
Befürchtungen der Städte 44. Gründung des schwäbischen Städtebundes 

am 4. Juli 44—45. Karl und Wenzel in Nürnberg 45—46. Feldzng 
gegen Ulm 46—47. Erfolge der Städte 47. Frieden zu Rotenburg a. T. 
48—49. Graf Eberhard von Wirtemberg setzt den Krieg fort 60. Er - 
neuerung des Städtebundee 60 — 51. Bündniss der Städte mit den Her- 
zögen von Oestreich 51 — 52. Fortgang des Krieges in Schwaben 52 — 63. 

IV. Kapitel. Das letgte Jahr Karls IV. 1377-1378 63-72 

Karls Verhaltnisfl zn den Herzögen von Meklenburg 53 — 54. Verhand- 
lungen mit der Cnrie über die Anerkennung Wenzels 55 — 67. Ludwig von 
Ungarn nnd die Verlobungen seiner drei Töchter 67 — 59. Gründe der 
Beige Karls IV. nach Paria 59. Belehnung Wilhelme III, von Jülich 



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Inhalt. 



Seite 

mit Geldern 60. Reise nach Paris 61 - 62. Testament des Herzogs Wenzel 
von Luxemburg 62 — 63. Mainzer Bigthumsstreit 63—64. Landfrieden 
am Oberrhein 65—66. Theilung der Erblande 66 — 68. Reichstag zu 
Nürnberg im August 1378 69 - 71. Aussöhnung in Schwaben 69. Land- 
friedensordnnngen 69-71. Tod Karls IV. 71. 

V. Kapitel. Entstehung der Kirchenspaltung 1378 72—90 

Tod Gregors XI. 72. Parteien im Cardinalcollegium 73—74. Stellung 
der Römer zur Papstwabl 74. Vorbereitungen zu derselben 75. Bartho - 
lomäus Erzbischof von Bari 75. Wahl Urbans VI. 76-80. Giltigkeit 
derselben 81 Urhan und die Cardinäle 82. Abfall der Kardinäle 82—83. 
Johanna von Neapel und Otto von Tarent 83. Erklärungen gegen Urban 
84. Wahl Clemens VII. 85. Haltung der italischen Cardinäle 8C. 
Massregeln Urbans 86. Abfall Johannas 87. Getahr der Kirchenspal - 
tung 86 87. Stellung der europäischen Staaten zum 8chisma 88-90 
(Frankreichs 88 -89, Englands 89). 

VI. Kapitel. Anerkennung Urbans VI. 1379-1380 90-105 

Karls Bemühungen für Urban 91. Verwirrung in Folge des Schisma 
92—93. Aufbruch Wenzels ins Reich 93. Errichtung des Urbanbundes 
auf dem Reichstage zu Frankfurt am 27. Februar 1379 94. Cardinal 
Pileus 94. Schreiben Wenzels an Richard von England 95, Reise nach 
Ungarn und Verhandlungen mit Ludwig dem Grossen in Altoohl 96 — 96. 
Wenzels Verhältniss zu Herzog Leopold von Oestreich 96. Karl von 
Durazzo als Thron prätendent für Neapel 96- 97. Plan Clemens VII., 

ein Königreich Adria zu errichten 99. Erfolge Urbans- 9». Clemens geht 
nach Avignon 100. Reichstag in Frankfurt im September 1379 100. 
Adolf von MftiTU tritt zu Clemens über 101. Biindniss der drei rheini- 
schen Kurfürsten gegen die Anhänger des Gegen papstes 102. Reichstag 
zu Franklnrt Im April 1380 103. Annäherung des Königs an 1 Adolf 10-L 
Gesandtschaft Stephans von Baiern nach Rom 105 

VII. Kapitel. Verhältniss zu Herzog Leopold, Frankreich und Eng- 

land 1380 1381 106-122 

Uebertritt Leopolds zu Clemens 106. Beweggründe desselben 106 — 107. 
Die Stellung Wenzels zu Leopold 107 — 108. Leopolds Verhältniss zum 
Gegenpapste 108 — 109. Thätigkeit des letzteren, um die europäischen 
Fürsten »u gewinnen 109. Geriage Erfolge 110. Plan eines Concils urid 
Erwägungen darüber 110 — 113. Beilegung des Lütticher Btetbarasstreiws 
113. Erhebung des Grafen Wilhelm von Berg zum Herzoge 113. Des 
Königs Verhältniss zu Prankreich 115. Krieg Ruprechts von 1 der Pfalz 
und Hermanns von Hessen gegen Adolf von Mainz 118. Verlotreng der 
Schwester Wenzels Anna mit Richard von England 117 — 120. Reich» 
tag in Nürnberg im Januar und Februar 1381 120. Anerkennung Adolfs 
120-121. Ludwig wird Erzbischof vou Magdeburg, sein Tod 121 122. 

VIII; Kapitel. Wenaela Reiel spolitik bis 1381 1J2— 135 

Stellung de« Königs zu den Kurt'ürnten 122---123. Aufhebung der auf 
Widerruf verlieheneu Rheineolle 123 124. Feindselige Absichten gegen 



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Inhalt XI 

Seite 

den Städtebnnd 125 —126. Uebertragung der schwäbischen Landvogteien 
an Leopold 127. Bündniss der Wittelsbacher mit dem Städtebunde 
128—129. Leopold erhält in Folge dessen die L>ndvogteien nicht 129. 
Theilung der östreichischen Erblande 130. Albrechts Bündnis« mit den 
baierischen Herzögen 131. Stellnng des Königs zu Adolf von Mainz und 
den anderen Kurfürsten 133. Erledigung verschiedener Sachen anf dem 
Reichstage zu Frankfurt im Januar und Februar 1981 134. 

IX- Kapitel. Gründung des rheinisch-schwäbischen Städtebundes 1381 135—145 
Entstehung der Ritterbände, namentlich des Löwenbandes 135 -138. 
Gründung des elsässischen Städtebundes 138 — 139. Gründung des rhei - 
nischen Städtebundes 139—141. Verbindung desselben mit dem schwä - 
bischen 141— 143. Knrverein zu Wesel 143— 144. Regensbnrg tritt dem 
schwäbischen Städtehnnde hei 144 — 145 

X. Kapitel. Reichstag zu Frankfurt im September i:>81 ; die Khingor . 

Einigung und der Weseler Landfrieden 1381 --1382 . . . . 146-162 
Wenzel und der Pfaffenkrieg in Breslau 146 — 147. Reichstag zu Frank - 
furt im September 1381 148. Land tri edenseutwürfe der Kurfürsten und 
der Städte 148 — 150. Verhandlungen über den Landfrieden 151. Fehde 
in Franken 152. Vermittlung Leopolds 153. Ehinger Einigung 154 155. 
Weseler Landfrieden 155 158. Erneuerung und Verlängerung des rhei - 
nischen Städtebundes 159. Reichstag in Frankfurt im Juli 1382 159 — 160. 
Beitritt der Städte der Wetterau zum rheinischen Städtebunde 160 — 161. 
Verhandlungen in Nürnberg im August 1382 162. 

XI. Kapitel. Der Nürnberger Herrenbund 1382—1383 163-180 

Herzog Leopold in Treviso 163 — 164. Sein Verhältniss zum Könige und 
den baierischen Herzögen 165. Herzog Alhrechts Krieg gegen die Grafen 
von Schaumberg 165 — 166. Berchtesgadener Händel 166. Verhand - 
lungen zwischen den Herzögen von Oestreich und Baiern 167 — 168. Er- 
neuerung und Verlängerung des schwäbischen Städtebundes 168 — 169. 
Verlängerung des schwäbisch-rheinischen Stadtebnndes 169 — 170. Fläne 
der Fürsten gegen den Städtebnnd 171—173. Reichstag zu Nürnberg im 
Marz 1383 173. Per Herrenbund 174— 179. Beabsichtigte Rom fahrt 180. 

XII. Kapitel. Auswärtige Beziehungen 1379-1383 181-192 

Die Visconti in Mailand 181—182. Process Urbans gegen Johanna von 
Neapel 183. Zug Karls von Dnrazzo gegen Neapel 183 — 185. Johanna 
adoptirt den Herzog Ludwig von Anjou 185. Tod Johannas 186. Zug 
Ludwigs nach Neapel 186. Urbans Bemühungen, einen Kreuzzug gegen 

die Clementisten zu Stande zu bringen 187. England und Castilien 188. 

Tod Karls V. von Frankreich 188. Aufstand in Gent and Paris 

169. Krcnzzng des Bischöfe« von Norwich nach Flandern 189. Wenzels 
Verhältniss zu Frankreich 190. Bemühungen Urbans und Richards, ihn 
vorwärts zu drängen und zur Romfahrt zu bewegen 190 192. 



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XII Inhalt 

Salt« 

XIII. Kapitel. Sigismund in Polen. Aufgabe der Romfahrt 
1382-1383 193-199 

Tod Ludwigs von Ungarn 193. Sigismund in Polen 193 — 194. Abnei - 
gung der Polen gegen ihn 194. Pläne der Königin Elisabeth von Un - 
garn 195. Wendung derselben, wahrscheinlich unter dem Einflösse König 
Wenzels 197. Gründe zur Aufgabe der Romfahrt 196 — 197. Bedeutung 
der Kaiserwürde 197— 19g. Wenzels fehlerhafte Politik 199. 

XIV. Kapitel. Französische Anerbietungen 1383 200-209 

Schlechte Erfolge Ludwigs von Anjou 200. Gesandtschaft Karls VT. nach 
Deutschland 201 —202. Ernennung des Jodocus von Mähren zum General- 
vicar von Italien 208. Verhandlungen der französischen Gesandtschaft 

in Prag 204. Vollmachten für Jodocus 205—206. Zweideutige Politik 
Wenzels 206. Urban und Wenzel 207. Urban geht nach Neapel und 
Nocera 2 08- 209 , 

XV. Kapitel. Vorgänge im Reiche 1383-1384 209 -225 

Wendung in Wenzels Reichspolitik 210. Reichstag zu Nürnberg im Sep- 
tember und October 1383 210. Streit um das Bisthum Basel 211. Die 
Städte und die Geistlichkeit 212 — 213. Kriegerische Aussichten im 
Reiche 214—215. Streitigkeiten im rheinischen Städtebunde 216. Ver- 
sammlang der Fürsten in Mergentheim 216—217. Plan, den König ab - 
zusetzen 217—220. Zuversichtliche Haltung der Stadt Ulm 221. Ver- 
mittelung des Königs 222. Basel und Nürnberg treten zum schwäbischen 
Städtebnnde 223—225. 

XVI Kapitel. Die Heidelberger Stallung 1384 225-233 

Berathungen in Speier und Heidelberg 225 — 226. Streit um das Bis - 
thum Konstanz 226. Heidelberger Stallung 227 — 230. Leopold verkauft 
Treviso 231. Seine Thätigkeit in Schwaben 232. Zollangelegenheiten 233. 

XVII. Kapitel. Erwerbung Luxemburgs 1384 233—243 

Tod Wenzels von Luxemburg 233. Verhaltnisse in Burgund 234. 
Philipp der Kühne heirathet Margaretha von Flandern 235. Verhältnisse 

in Lothringen 235. Tod Ludwigs von Flandern 236. Der König in 
Luxemburg 237, in Metz 238. Bischof Friedrich von Strasburg 239. 
Die Jülicher Familie 239 — 240. Verhandlungen des König6 mit Fürsten 
und Städten 240—243. 

XVIII. Kapitel. Ungarische Geschichten 1384-1386 ..... 243-264 
Hedwig wird Königin von Polen 243. Zustände in Ungarn 244. Wer - 
bung Jagiellos von Litthauen um Hedwig 245. Sigismund muss ans 
Ungarn weichen 245 — 246. Seine Rüstungen 247. Elisabeth von Ungarn 
will Maria mit einem französischen P rinzen ve rheirathen 247—24». Her - 
zog Leopold in Ofen 249. Verlobung Marias mit Ludwig von Orleans 
250. Tod Ludwigs von Anjou 251. Urban in Nocera 252—253. Seine 
Flucht nach Genua 254. Karl von Neapel nach Ungarn gerufen 255. 
Sigismund rückt in Ungarn ein 256. Massregeln gegen Herzog Leopold 257. 
Sigismunnd vollzieht das Beilager mit Maria 258. Karls Krönung zum 



Inhalt 



XIII 



Sali« 

Könige von Ungarn 260. Seine Ermordaag 261. Wilhelm von Oestreich 
in Krakau 262. Taufe, Hochzeit und Krönung Jagiellos 263. Bedeu- 
tung derselben 263—864. 

XIX. Kapitel. Wenzels Zug nach Ungarn. Krönung Sigismunds. 
1Sftfi-13ft7 t 2fi4-270 

Wentels Zug nach Ungarn 264. Verhandlungen in Raab 265—267. 
Gefangennahme der Königinnen 267 — 268. Sigismunds Rückkehr nach 
Ungarn 268. Tod der Elisabeth 269. Sigismunds Krönung 269. 

XX. Kapitel. Bündnis« der Reichsstädte mit den Schweizern 1386 270—280 
Wenzels Verhältnis^ zum Reiche 270—271. Judenschuldentilgung 271 — 
274. Herzog Leopold und die Schweizer 275. Widerstand der Schwyzcr 
gegen ein Bündniss mit den Reichsstädten 276. Bündnies in Konstanz 
277—279. Der beabsichtigte Kampf aufgeschoben 279—280. 

XXI. Kapitel. Kriegerische Aussichten 1386 281-293 

Ueberfall von Rotenburg 281. Mahnung des schwäbischen Städtebundes 

an den rheinischen zum Kriege gegen Leopold 282. Beschwerden der 
Städte gegen die Fürsten 282 — 283. Erhaltung des Friedens 283. Ten - 
denzen des Städtebundes 284 — 288. Haltung des rheinischen Städtebun- 
des 288 — 290. Waffenstillstand zwischen Leopold und den Schweizern 
291. Ausgleich Leopolds mit dem schwäbischen Städtebunde 292. 

XXII. Kapitel. Die Sempacher Schlacht. Friedensverhandlungen 1386 293-301 
Kampf Leopolds mit den Schweizern 293 — 294. Schlacht von Sempach 
295. Würdigung Leopolds 296. Eindruck der Sempacher Schlacht 296 

— 297. Rüstungen des schwabischen Städtebundes 297 — 298. Mergent- 
heimer Uebereinkunft 298. Waffenstillstand zwischen den Schweizern 
und Oestreich 299-300. 

XXIII. Kapitel. Errichtung des westfälischen Landfriedens 1371-1382 301-310 
Einsetzung des westfälischen Landfriedens durch Karl IV. 301. Die 
Vehmgerichte 301 — 304. Bedeutung des westf. Landfriedens 304—305. 
Befestigung desselben 305. Sonder -Landfriedenseinigungen vom 3. Mai 
1374 und 12. Juli 1376 305—307. Zweck der Erneuerung und Verbrei - 
tung des westf. Landfriedens 308—309. 

XXIV. Kapitel. Verbreitung des westfälischen Landfriedens. Der 
sächsische Stadtehund 1382-1384 310-327 

Theilungen in der braunschweigischen Herzogsfamilie 310. Vertrag vom 
29. September 1373 über den Besitz von Lüneburg 311. Herzog Otto 
der Quade von Braunschweig-Güttingen 311—312. Dessen Kampf gegen 
Hessen 312. Otto Vormund über die Sohne des Herzogs Magnus von 
Braunschweig -Wolfenbüttel 312—313. Erbvertrag desselben mit Land- 
graf Hermann von Hessen 814. Bund der sächsischen Städte vom 24. 
August 1382 315. Einfuhrung des westfälischen Landfriedens in Lüne- 
burg, Braunschweig und Hessen 315—316. Herzog Albrecht von Sach- 
sen-Lüneburg 315. Missbrauch des Landfriedens durch Otto 317. Die 



XIV ^alt. 

Seite 

thüringische Landgrafenfamilie 318. Balthasar nimmt den westfälischen 
]>andfrieden an sogleich mit Nordhausen, Mühlhausen und Erfurt 319. 
Der Landfrieden und die sachsischen Städte 320. Berathangen über die 
Gründung des sächsischen Städtehundes 321—322. Besprechungen der 
Städte mit den Fürsten 323. Beitritt des Erzbischofes Albrecht von 
Magdeburg zum Landfrieden 323 -324. König Wenzel und die sächsi- 
schen Städte 325. Der sächsische Städtebund vom 10. Juli 1384 
326—327. 

XXV. Kapitel. Vcramlrruufifti mJ Auihcluuig des westfälischen 
Landfriedens 1385-1387 327 35? 

Verfügungen des Königs 327 -328. Zwistigkeiten zwischen Adolf von 
Mainz und Hermann von Hessen 329. Verhalten Ottos des Quaden und 
Balthasars von Thüringen 329—330. Herzog Albrecht in Prag 380— 331. 
Bund vom 13. März 1385 zur Umgehung des Landfriedens 331 — 334. 
Krieg in Hessen 334. Landfriedenseinigung zu Soest vom 29. Juli 1385 
335—337. Sondereinigung vom 27. April 1386 337—338. Tod Al- 
brechts von Sachsen-Lüneburg 339. Errichtung neuer Landfrieden skreise 
und Auflösung der alten 339 — 342. Weite Verbreitung des Landfriedens 
343 — 344. Besorgniss der schwäbischen Städte vor demselben 345 — 347. 
Aufhebung desselben 347. Betrachtungen über die Bedeutung und die 
Wirkung des westfälischen Landfriedens 348 —352. 

XXVI. Kapitel. Kampf um Lüneburg 1386-1389 352-363 

Kurfürst Wenzel in Lüneburg 352. Sein Verhältniss zu Herzog Bern - 
hard 353. Einigung der drei braunschweigischen Brüder 353. Bündniss 
Friedrichs und Heinrichs mit Otto dem Quaden 354. Heirathen der drei 
Brüder 354. Vertrag mit Kurfürst Wenzel 354 — 355. Heinrich verwirft 
denselben; seine feindselige Haltung 355. Verabredung KurfürBt Wen - 
zels mit Bernhard 355. Neues Bündniss gegen Hessen 356—357. Ver - 
handlungen in Forchheim und Nürnberg 358. Krieg gegen Hessen 359. 
Bruch zwischen Wenzel und Heinrich 359. Kampf um Lüneburg 360 — 
362. Tod Wenzels 362. Verträge zwischen den Braunschweigern und 
den Sachsen 862-368. 

XXVII. Kapitel. Der König und der St&dtebund 1387 364-378 

Verhältnisse des Jahres 1386 364. Wenzel in Amberg und Wurzburg 
365. Bündniss des Königs mit dem schwäbischen Städtebnnde 866. Er - 
neuter Plan, Wenzel abzusetzen 366—369. Urtheile über den König 369. 
Wenzel und die Städte 370. Seine Absicht, das Reich aufzugeben 371. 
Weigerung der rheinischen Freistädte, ebenfalls ein Bündniss mit dem 
Könige zn schliessen 372. Streit des schwäbischen Städtebandes mit 
Eberhard von Wirtemberg 373. Verhandlungen in Nürnberg 373—377. 
Bündniss der Städte mit Erzbischof Piligrim von Salzburg 377 — 378. 

XXVIII. Kapitel. Die Mergentheimer Stallong 1387 378-385 

Berathung der Städte über die Verlängerung der Heidelberger Stallung 
378-380. Abneigung des rheinischen Bundes 881. Die Mergentheimer 



IniialL XV 

Stallung 381—383. Der rheinische Stadtebund nimmt nicht Theil 384. 
Schlnssbeirachtungeii 3S4 -385. 

Beilagen 389-436 

I. Znm Reichstage zu Rotenberg a. T. im Mai 1377 .... 389—390 

II. Verlobnug Sigismunds mit Maria von Ungarn 391 — 392 

III lieber Karls IV. Reise nach Paris , . s , : , . , , 392—393 

IV. Ueber den oberrheinischen Landfrieden vom Jahre 1378 . . 393—394 

V. Die Theilung der ErMande »»4-396 

VI. Zum Reichstage zu Nürnberg im August und September 1378 397 — 398 

VII. Zum Reichstage in Frankfurt vom Februar 1379 398-399 

VIII. Zum Reichstage in Frankfurt vom September 1379 .... 399—400 

IX. Ueber die Stellung der deutschen Fürsten zum Schisma . . 400 -402 



X. Ueber den angeblichen Krieg Wenzels gegen die Baiern 1380 102—403 
XI Ueber die Einigungen der schwäbisch - rheinischen Städte vom 



17. Juni 1381 und 15. Qctober 1382 404—405 

XII. Ueber die französische Gesandtschaft 1383 405—407 

XIII. Nicolans von Riesenburg, Bischof von Konstanz und Olmütz . 407 — 409 

XIV. Ungarische Verhältnisse 409-412 

XV. Krieg Leopolds mit den Schweibern 413 — 414 

XVI. Zeitbestimmung des Heidelberger Tage« vom Anfang Juni 1386 415—416 

XVII. Zum westfälischen Landfrieden 417 — 419 

XViri. Ueber die Verhandlungen Wenzels von Sachsen mit den braun- 

schweigischen Brüdern im Sommer 1386 419—420 

XIX. Ueber die Kriege in Hessen 1385—1387 420—423 

XX. Ueber Verhandinngen vor dem Nürnberger Reichstage vom 

Jali 1387 423—426 

XXI. Verhandlungen vor dem Mergentheimer Tage 426 — 427 

XXII. Itinerar Wenzels für di« Jahr«. l»7ft— 1M7 427-436 



Berichtigungen. 



S. 4 Z. 8 t. u. lies: beste statt leiste 

S. 17 Z. 6 v. u. lies: Anna statt Elisabeth 

S. 34 Z. 17 v. o. lies: Juni statt Mai 

S. 94 Z. 7 v. u. lies: 1378 statt 1379 

S. 105 Ann». 2 Z. 1 lies: April statt Mai 

S. 134 Z. 5 v. u. lies: 1383 statt 1382 

S. 175 Z. 13 v. o. lies: dem statt denen 

S. 176 Z. 18 v. n. lies: Stand statt Stemm 

S. 213 Z. 12 v. n. lies: dieser betrachtete 

S. 269 Z. 12 v. u. lies: Stuhlweissenburg statt Ofen 

S. 269 Z. 7 v. u. lies: nennzehnjährig statt zwanzigjährig 

S. 277 Anm 2 sind die Worte: „rheinischen und" zu streichen. 



1 



Einleitung. 

Mit Rudolf von Uabsburg, dessen Wahl den Stürmen des 
Interregnums ein Ende machte, beginnt eine neue Periode der 
deutschen Geschichte. Die universalistischen Tendenzen, mit 
denen sich noch die Staufer getragen, treten zurück, die Könige 
widmen sich hauptsächlich den Interessen ihrer Familie und 
suchen den Spielraum ihrer Politik vornehmlich in Deutschland. 

Doch wurde dabei der Anspruch auf die Kaiserkrone nicht 
aufgegeben. Nur durch eine Romfahrt war diese zu gewinnen, 
und sollte sie nicht blos idealen Werth haben, musste ihr Träger 
mehr als nur dem Namen nach Gebieter Italiens sein. In der 
Herrschaft über die apenninische Halbinsel hatten die Staufer den 
Ausgangs- und Endpunkt ihrer Politik gesehen, deshalb waren 
sie in erbitterten Kampf mit den Trägern der Tiara gerathen, 
in dem sie schliesslich unterlagen. Ihren Nachfolgern auf dem 
deutschen Throne blieb nur die Wahl, mit den Päpsten den 
Kampf zu erneuern oder thatkräftiges Eingreifen in Italien zu 
vermeiden. Es ist bekannt, wie Rudolf Frieden mit der Curie 
schloss, indem er auf den Kirchenstaat verzichtete, wie er und 
seine nächsten Nachfolger Italien ausser Acht liessen; weder er 
noch Adolf oder Albrecht haben sich um die Kaiserkrone ernstlich 
bemüht. 

Erst Heinrich VII. ergriff wiederum eine Politik von hohem 
Schwünge. Er zog nach Italien, um dort alle Rechte des Kaisers 
zu erneuern. Der Luxemburger ist deswegen ungünstig beurtheilt, 
sein Unternehmen ein thörichtes genannt worden, aber Heinrichs 
Auftreten war von den Verhältnissen geboten. Durch den Unter- 
gang der Staufer waren die französischen Könige in die Höhe 
gekommen: eine Linie ihres Hauses gewann Neapel, allenthalben 
in Italien knüpften sie die belangreichsten Beziehungen an; die 

Th. Lindner, Gewhichtc de» deuucben Reiches. I. \ 



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* 



2 Einleitung. 

■ 

Verlegung des päpstlichen Stuhles nach Trankreich verschaffte 
ihnen endlich den mächtigsten Einfluss auf dessen Inhaber. 
Wie nahe lag es da den französischen Herrschern, sich Italiens 
zu bemächtigen, und war das einmal geschehen, konnte es ihnen 
nicht schwer fallen, die Kaiserkrone zu erlangen. In ihrem Be- 
sitze würde das Diadem Karls des Grossen eine neue Bedeutung 
gewonnen haben. Wie noch ganz anders hätten sich dann die 
westlichen Theile des deutschen Reiches dem romanischen Nachbar 
zugewandt, als es ohnehin schon der Fall war, und stand dann 
ferner das von der französischen Politik so sehnsüchtig erstrebte 
Ziel, die 4eutsche Königskrone, in unerreichbarer Ferne? 

Vor einem solchen Unglück hat Heinrich unsere Nation be- 
wahrt, indem er die Rechte des deutschen Herrschers auf Italien 
und die Kaiserkrone wieder aufnahm, nachdem sie so lange 
geruht. Der Papst selbst begünstigte im Anfange Heinrichs 
Unternehmen, weil auch ihm eine Machterweiterung Frankreichs 
unerwünscht war, aber die Eintracht blieb nicht lange bestehen: 
als Heinrich ernstlich daran ging, Herr Italiens zu werden, brach 
der alte Hader mit der Curie wieder aus, den Frankreich emsig 
schürte. Fast scheint es, als hätten die Päpste in der Erniedri- 
gung Deutschlands den Franzosenherrschern Ersatz geben wollen für 
die Versagung des Imperiums. Als nach Heinrichs Tode der Thron- 
streit zwischen Ludwig dem Baiern und Friedrich dem Schönen aus- 
brach, benutzte Johann XXII. die günstige Gelegenheit, um die weit- 
gehendsten Forderungen zu erheben; aber doch waren es wieder die 
italischen Verhältnisse, welche den vollkommnen Bruch herbei führten. 
Um den Papst an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen, zog Ludwig 
nach Rom ; dort Hess er durch das römische Volk sich die Kaiser- 
würde übertragen und einen Gegenpapst erwählen, dem er selbst die 
Tiara aufs Haupt setzte. Die Theorieen der Minoriten schienen ver- 
wirklicht, aber bald genug verliess Ludwig wieder den italischen 
Boden, während sein Papst sich reumüthig Johann unterwarf. 

Ungleich grösseren Werth als diese confusen römischen Vor- 
gänge hatte der Kurverein von Rense im Juli 1338, welcher der 
päpstlichen Anmassung gegenüber die Freiheit der deutschen 
Königswahl wahrte , mit klarem Bewusstsein trat das gesammte 
Volk für die nationale Ehre ein. Leider war Ludwig nicht ge- 
eignet, auf diesem Fundamente weiter zu bauen ; sein Wankelmuth, 
noch mehr die rücksichtslose Weise, mit welcher er die Ver- 
mehrung seiner Hausmacht betrieb, eutfremdeten ihm die deutschen 



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Einleitung. 



3 



Fürsten: noch eiumal konute es geschehen, dass unter der un- 
mittelbaren Einwirkung des Papstes eiu Gegenkönig iu der Person 
Karls IV. erstand , dem allerdings erst der plötzliche Tod des 
Baiern zur thatsächlichen Herrschaft verhalf. 

Karl IV. ist unter den deutschen Kaisern der vielgewandte Odys- 
seus. Wie er an Bildung den zeitgenössischen Fürsten weit überlegen 
war — er sprach fünf Sprachen , seine literarische Befähigung hat er 
dargethan in der Selbstbiographie, seinen künstlerischen Sinn durch 
den Dom zu Prag und das Schloss Karlstein, seinen wissenschaft- 
lichen Eifer durch die Gründung der ersten deutschen Hochschule 
in glänzendster Weise bethätigt — , übertraf er sie auch in der 
Regierungskunst. Unermüdliche Thätigkeit, welche selbst schwere 
körperliche Leiden nicht achtete, zeichnete ihn aus. Die Leb- 
haftigkeit des Geistes liess auch die Hände nicht gern ruhen; 
in Mussestunden arbeitete er Schnitzwerk, selbst wenn er Vor- 
träge anhörte, liebte er es, an Holzstäben herumzuschneiden. Er 
wusste stets genau, was er wollte und erreichte es meist, weil 
er nur mit den gegebenen Verhältnissen rechnete; ging einmal 
eine Sache nicht, wie er wünschte, so stand er davon für den 
Augenblick ab, aber sicher kam er wieder darauf zurück. Ihm 
war die hohe Meisterschaft eigen, selbst' die Feinde seinen Inter- 
essen dienstbar zu machen. Mit kluger List sie zu gewinnen, 
zu umgarnen, selbst zu täuschen, zog er weit einem offnen 
Kampfe vor; immer suchte er den Entscheid des Schwertes zu 
vermeiden, obwohl er in seiner Jugend bewiesen, dass er dasselbe 
tapfer zu führen verstand. „Er war gar friedsam, was er mit 
Güte erreichen konnte, da liess er den Krieg", rühmt ihm ein 
deutscher Chronist nach. Drastischer bezeichnet ein Italiener 
des Kaisers Verfahren : „Er ist eine gewandte und schlaue Person 
und handelt stets mehr mit künstlichen Listen als mit den 
Waffen ! I ) a In der Wahl der Mittel war Karl nicht ängstlich ; 
wenn er nur einen Erfolg absah, schrak er nicht vor Gewalt 
und selbst Betrug zurück, hegte er kein Bedenken, die Würde 
seines Herrscherthums bloszustelien. Gern und mit Ostentation 
legte er Frömmigkeit und kirchlichen Sinn an den Tag, uner- 
müdlich sammelte er Reliquien und spendete zu frommen Stif- 
tungen. Gegen die Päpste führte er die ergebenste Sprache, 



1) Chron. der deutschen Städte (Stchr.) Strassburg I. 491 ; — Osio Do- 
cumenti diplomatici tratti degli archivi Milanesi II. 192. 

1* 



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4 



Einleitung. 



aber seine Devotion verleitete ihn zu keinem unklugen Schritte. 
Selbst religiöse Duldung war ihm nicht fern. Sparsam und 
haushälterisch, scheute Karl doch im rechten Augenblick vor 
keinem Geldopfer zurück; so schlicht und einfach auch sein all- 
tägliches Leben war, entfaltete er allen Pomp, wenn es galt, die 
Majestät seiner Stellung zu zeigen und durch diese auf die Ge- 
müther zu wirken. Seine grösste Leistung — und nach dieser 
Seite hin ist sein Ruhin unantastbar - ist die Verwaltung seiner 
Erblande. Mit unübertrefflicher Weisheit hat er dieselben regiert 
und in den blühendsten Stand gebracht. 

Glänzende Erfolge hat der Kaiser zu erringen verstanden, 
und man kommt in Verlegenheit, wenn man sagen soll, ob er 
mehr Bewunderung oder mehr Missachtung verdient. Bald nach 
seinem Tode fand er die härteste Verurtheilung ; mit den ver- 
ächtlichsten Ausdrücken spricht Dietrich von Niem über ihn, und 
das geflügelte Wort Maximilians von dem Erzvater Böhmens, 
dem Erz9tiefvater des Reiches wird noch heute nachgesprochen. 
Und doch wird tiefere Forschung, ruhigere Erwägung den Urheber 
der goldenen Bulle, den Schöpfer der Luxemburgisch-Habsburgi- 
schen Macht mehr und mehr würdigen lehren; sie wird zeigen, 
dass Karl trotz aller seiner Schattenseiten eine hocbbedeutende, 
fesselnde Erscheinung war, ja dass selbst das Reich mit ihm nicht 
so schlecht gefahren, wie man oft gemeint. 

Es war vielleicht ein Glück für Deutschland, dass Karl auf 
den Thron kam in einer Periode, in welcher sich Mittelalter und 
neue Zeit schieden. Allenthalben existirten noch die mittelalter- 
lichen Zustände, aber überall waren sie zersetzt und unhaltbar 
geworden. Mit bewundernswürdiger Meisterschaft wusste Karl 
sich in diesem Chaos zu bowegen; den einmal vorhandenen Ver- 
hältnissen Rechnung tragend, nirgends sie mit revolutionärer Ge- 
walt umstürzend, verstand er es doch, fast unmerklich auszu- 
gleichen, zu vermitteln, hinüber zu leiten in neue Bahnen. 

Die letzte Probe seiner Staatskunst hat Karl gegenüber der 
Curie abgelegt. Ihr verdankte er den Thron, den er mit schmäh- 
lichen Zugeständnissen erkaufte, und Clemens VI. erwartete 
gewiss, dass sein ehemaliger Schüler allezeit ein ergebenes Werk- 
zeug der Päpste sein würde. Aber seine Hoffnung ging keineswegs 
in Erfüllung. Karls Lage war schwierig genug und er selbst hat 
sich darüber keine Illusionen gemacht. Allerdings waren die 
Statthalter Christi nicht mehr so machtvoll, wie im verflossenen 



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Einleitung 



Jahrhundert: der Sturz Bonifatius VIII., die Uebersiedluug nach 
Avignon, die immer greller hervortretenden Schäden und Ge- 
brechen der Kirche hatten den Einfluss des Papstthums wesentlich 
beeinträchtigt, der Bannstrabi hatte für die Völker seinen Schrecken 
verloren. Trotzdem fehlte viel daran, dass Ansichten, wie sie 
die Minoriten unter Ludwig lehrten, in weiteren Kreisen, in der 
Masse des Volkes Wurzel geschlagen hätten; erst dem fünf- 
zehnten Jahrhundert war es vorbehalten, reformatorischen Ten- 
denzen den Boden zu ebenen. Der heilige Glanz, welcher den 
Stuhl Petri umstrahlte, war trotz mancher Trübungen noch nicht 
erloschen, in der allgemeinen Werthschätzung stand der Papst 
über dem Kaiser, auch in nicht kirchlichen Dingen wurde er als 
erste Instanz angesehen Wie sehr beherrschte die Kirche noch 
immer das gesammte Leben des Volkes, wie tief griff ihr Einfluss 
in alle Beziehungen desselben! Die Kirche aber vermochte ihrer 
ganzen Organisation nach das Papstthum nicht zu entbehren ; 
wenn auch zeitweilig einzelne Glieder derselben in Opposition 
traten — am häutigsten geschah das in Geldfragen — , der ge- 
sammte Clerus konnte das Band, welches ihn an den heiligen 
Stuhl band, nicht lösen. Die Besetzung der Bisthümer sollte 
zwar ordnungsmässig durch die Kapitel erfolgen, aber die von 
ihnen vollzogene Wahl hatte der Papst zu sanetioniren und oft 
genug geschah es, dass er aus eigner Machtvollkommenheit einen 
ihm genehmen Candidaten providirte oder die Ernennung sich 
reservirte; die Absetzung stand vollends in seinen Händen. 
Waren daher die geistlichen Fürsten Deutschlands in vielen Bezie- 
hungen vom Papste abhängig, so konnten auch die weltlichen Für- 
sten von dem Wohlwollen desselben mancherlei Vortheile ziehen, 
von seinem Zorne genug Uebles befürchten. 

Der ruhigen Ueberlegung Karls entging das alles nicht: er 
musste sich ferner sagen, wie wenig er bei einem Kampfe mit 
dem Papste der dauernden Unterstützung der Fürsten sicher war. 
Seine Wege konnten nicht die sein, welche Marsilius und dessen 
Gesinnungsgenossen vorgezeichnet hatten; an dem Wesen der 
Kirche mochte er nicht rütteln, wenn er auch Reform und Be- 



1) Vergl. Ranke Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation I. 87. 
(Erste Gesammtausgabe). Im Jahre 1381 Hessen sich die Pfalzer vom Papste 
Urban VI. das ihnen von Karl IV. verliehene Kurrecht bestätigen. Reg. Boica. 
X. 75. Acta acad. Theodoro-Palat. IV. 206. 



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6 



Einleitung. 



seitigung der Gebrechen wünsch tc. Ihm lag mehr daran, die 
Uebergriffe des Papstthums auf das politische Gebiet abzustellen, 
das deutsche Königthum und damit das Kaiserthum von der 
Bevormundung der Curie zu befreieD. Dazu war dreierlei erfor- 
derlich. Zunächst musste die Wahl des deutschen Königs eine 
vollkommen freie sein und dem Papste jeder Einfluss auf dieselbe 
und auf die Regierung des Reiches abgeschnitten werden. Anders 
stand es mit der Kaiserwürde. Nach dem seit Jahrhunderten fest- 
gestellten Gebrauch war sie nur durch die vom Papste oder 
dessen Legaten vollzogene Ceremonie zu erlangen; unmöglich 
konnten die Päpste, ohne Selbstmord an sich zu begehen, von 
diesem Rechte — denn so muss man es unbedingt bezeichnen — 
zurücktreten und der furchtbarste Kampf wäre erforderlich ge- 
wesen, um die Ertheilung der Kaiserwürde ihnen zu entreissen. 
Aber es genügte schon, wenn die Wahl des deutschen Königs 
eine vom Papste unabhängige war. Dass ersterem die Kaiserkrone 
gebühre, war gleichfalls eine seit Jahrhunderten feststehende 
Ansicht, gegen welche die Päpste doch nicht so leicht handeln 
konnten. Es kam also nur darauf an, die allgemeinen Ver- 
hältnisse so zu gestalten, dass die Päpste sich in die Unmöglich- 
keit gesetzt sahen, von dem althergebrachten Gebrauche abzu- 
weichen und dem von den Fürsten frei erwählten deutschen Könige 
die Kaiserkrone zu versagen. Und das war der Fall, wenn ein- 
mal Italien enger an das Reich gekettet, andererseits der päpst- 
liche Stuhl aus Avignon nach Rom zurückverlegt wurde. 

Alle diese Aufgaben hat Karl in mehr oder minder voll- 
kommner Weise gelöst. Zunächst musste er selbst die Kaiser- 
krone tragen und so geschickt berechnete er alle seine Schritte, 
dass er diese am 5. April 1355 erlangte, ohne mit der Curie in 
Conflict zu gerathen, obgleich er ihr keine neuen Zugeständnisse 
machte und keine Vortheile gewährte. Mit geringer Macht war 
Karl über die Alpen gekommen „wie ein zur Messe reisender 
Kaufmann" ; trotzdem öffneten ihm die Visconti die Thore Mailands, 
unterwarf sich das mächtige Florenz und zahlte fortan regel- 
mässig die Reichssteuer, huldigten die Signoren Ober- und 
Mittelitaliens. Indem der Kaiser sie zu Reichsvicaren ernannte, 
schlug er den glücklichen Mittelweg ein , sie zwar in ihrer Herr- 
schaft zu lassen, aber sie doch soweit es noch möglich war, an 
das Reich zu knüpfen; seit langer Zeit hat kein Reichsoberhaupt 
so grossen und dauernden Einfluss auf Italien ausgeübt, wie 



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Einleitung. 



7 



Karl IV. Und da er sorgfältig vermied, die Rechte der Kirche 
auf den Kirchenstaat und Neapel anzutasten, konnten die Päpste 
keinen Einspruch erheben. 

Unmittelbar darauf, im Jahre 1356 ordnete Karl in der 
goldnen Bulle die Wahl des deutschen Königs. Sie wird den 
sieben Kurfürsten übertragen, während des Papstes dabei mit 
keinem Worte gedacht wird; die Ueberweisung des Reichsvica- 
riates an die Pfalz und an Sachsen beseitigte zugleich die Prä- 
tensionen der Päpste, dass es ihnen bei Erledigung des Thrones 
gebühre. Ueber die Kaiserkrönung geht die goldene Bulle mit 
Stillschweigen hinweg, sie begnügt sich, den König, wie das von 
Alters her gebräuchlich war, als futurus imperator zu bezeichnen ; 
hier blieb eine Verständigung mit dem Kirchenhaupte offen. 

So war die Freiheit der Königswahl gesichert, ohne dass die 
Curie sich widersetzen konnte ; immer waren es die italischen 
Verhältnisse, welche ihr verboten, sich mit dem Kaiser zu über- 
werfen. Aber Karl wollte von ihr noch mehr erreichen, ihre 
Rückkehr nach Rom. Die Lage der Verhältnisse war seinen 
Wünschen äusserst günstig. Frankreich sah sich seit dem Ende 
der dreissiger Jahre durch den Thronstreit mit England aufs 
äusserste bedroht, zeitweise schien geradezu die Existenz des 
Königreiches in Frage gestellt. Die Päpste, deren Sympathien 
ganz Frankreich angehörten, suchten vergeblich zu vermitteln. 
Unter solchen Umständen war es von grosser Wichtigkeit, welche 
Stellung Karl einnehmen würde, und er verstand es, diesen 
Vortheil für sich auszubeuten. Nur einmal, gleich nach seiner 
Wahl im Jahre 1346 hat er für Frankreich die Waffen ergriffen 
und bei Crecy, wo sein Vater fiel, ruhmvoll gefochten. Wahr- 
scheinlich zahlte er so an Frankreich den Preis dafür, dass 
es seiner Erhebung bei der Curie nicht entgegenarbeitete. Nach- 
her hat er sich neutral gehalten, aber schon damit leistete er 
Frankreich erhebliche Dienste; dasselbe hatte alle Ursache, den 
Papst nicht gegen ihn zu hetzen, wie es zur Zeit Ludwigs gethan. 
So hoben sich die Hindernisse von dieser Seite und zugleich 
wurde es für das Papstthum durchaus nöthig, an seinen ursprüng- 
lichen Sitz zurückzukehren. 

Wollte das Papstthum bleiben, was es viele Jahrhunderte 
gewesen war, wollte es universal bleiben, so musste es nach Rom 
zurück. Ein längerer Aufenthalt in Avignon, eine fortwährende 
Ergänzung durch Franzosen musste endlich dazu führen, dass 



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Einleitung. 



der dort herrschende Papst nur für Frankreich Geltung behielt. 
Mochten auch die Anhänger der Curie versichern: „wo der Papst 
ist, ist die Kirche *, die Christenheit hielt doch an Rom, als 
ihrem eigentlichen und wahren Mittelpunkt fest. Wollte man Ver- 
gebung der Sünden erflehen, wallfahrtete man nach Rom, nicht 
nach Avignon. 

Obgleich der Papst nicht auwesend war, obgleich Rom und 
seine Kirchen in Trümmern lagen, hatte doch das Jubeljahr 1350 
weit über eine Million Menschen in die ewige Stadt gezogen. Die 
allgemeine Stimme wünschte demnach die Rückkehr, sie fand 
Unterstützung in dem Verlangen der europäischen Herrscher, vor 
allem des deutschen Kaisers und des englischen Königs. So 
lange der Papst in Frankreich sass, war auch die europäische 
Politik aus ihrer naturgemässen Bahn gedrängt. Die Stellung, 
welche die Tiara noch immer einnahm, machte es den Staaten 
zur unumgänglichen Notwendigkeit, dieselbe in Berechnung zu 
ziehen; wie konnte man es da ertragen, dass Frankreich auf ihre 
Unterstützung das Privileg hatte? 

Auch die Zustände in Italien forderten dringend die Rückkehr 
des Kirchenhauptes nach Rom , sonst war Gefahr, dass die welt- 
liche Herrschaft, der Kirchenstaat, verloren ging. Innocenz VI. 
nahm mit Energie das Werk in Angriff, Italien zu beruhigen und 
seine Rechte in Rom und den zugehörigen Gebieten geltend zu 
machen; mit geschickter Wahl ersah er dazu den Cardinal 
Aegidius Alborno'*, Feldherr und Staatsmann zugleich löste 
derselbe in kurzer Zeit seine so schwierige Aufgabe und resti- 
tuirte den Kirchenstaat. Erst seine Erfolge machten es Urban V. 
möglich, den eigenen Wünschen und dem Drängen Karls, der 
sogar 1365 persönlich in Avignon erschien und seine Hilfe gegen 
die Soldcompagnien zusagte, nachzugeben; am 16. October 1367 
kam der Papst nach Rom. 

Karl glaubte seinen Zweck erreicht zu haben. Als er daher 
im folgenden Jahre in Italien und Rom erschien, hütete er sich 
sehr wohl, dem Papste zu Liebe allzu grosse Anstrengungen zu 
machen. Namentlich mit dessen bittersten Feinden, den Visconti, 
schlosB er einen Frieden, der sie in aller Macht bestehen liess; 
Mailand und Rom sollten sich gegenseitig das Gleichgewicht 
halten, ihr Gegensatz die Grundlage des kaiserlichen Einflusses 
bleiben. Aber schon im September 1370 eilte Urban wieder nach 
Avignon zurück: als er wenige Monate darauf starb, glaubte 



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Eiokntung. 



9 



mau in seinem schnellen Ende uine Strafe des Himmels zu 
erblicken. Schon vorher hatte os im Kirchenstaate gegährt, da 
die mächtige Hand des Albornoz vom Tode gelähmt worden, 
jetzt, als das Papstthum für alle Zukunft gallisch zu werden 
schien, brach die Empörung in helle Flammen aus. Es blieb 
Gregor XI. nichts weiter übrig als Ende des Jahres 1376 nach 
Italien zurückzukehren; unter kriegerischem Pompe hielt er am 
17. Januar 1377 seinen Einzug in Rom. 

Das „babylonische Exil« des Papstthums war beendigt, aber 
seine Folgen nicht so schnell zu beseitigen. Bald sollte der avigno- 
nesische Palast einem Gegenpapste seine Thore öffnen. 

Der Kaiser konnte mit seinen Erfolgen wohl zufrieden sein. 
Er hat den Päpsten viel versprochen, wenig gehalten, und doch 
konnten sie ihm nichts anhaben, im Gegentheil fand die Curie es 
meist gerathen, des Kaisers Wünsche bereitwilligst zu erfüllen. 
Die deutschen Bisthümer wurden vielfach nach seinen Wünschen 
besetzt, und selbst als er den unaufhörlichen Geldforderungen 
und Erpressungen der Curie entgegentrat und die energische 
Opposition des deutschen Clerus unterstützte, gab man in Avignon 
nach. Die päpstliche Politik fand hier ihren Meister, der mit der 
ergebensten Miene es vermied, über Principien zu rechten, 
aber diese scheinbar zugestehend, doch die Thatsacheu ganz nach 
seinem Ermessen gestaltete. — 

Nicht so leicht lässt sich ein Urtheil über Karls Walten 
im Reiche fällen. 

Es ist bekannt genug und hier nicht des weiteren zu schildern, 
wie die Lehnsverfassung verfiel, die deutschen Fürsten Schritt 
für Schritt zur Landeshoheit gelangten, während zugleich die 
Zahl der reichsunmittelbaren Gebiete sich mehrte; wie dem ent- 
sprechend die Macht des Königs sich minderte. Karl fand in 
dieser Beziehung bereits bestimmt ausgeprägte und abgeschlos- 
sene Zustände vor, denen gegenüber er Stellung zu nehmen 
hatte. 

In der Idee stand freilich der König noch immer hoch erhaben 
da, und die Zeitgenossen haben gewiss das deutsche Königthum des 
vierzehnten Jahrhunderts nicht so niedrig angeschlagen, wie wir es zu 
thun geneigt sind. Wir gehen eben von einem andern Standpunkte 
aus, wir beurtheilen eine Institution nach der realen Kraft, welche sie 
entfaltet, während das Mittelalter in idealer Auffassung sich an 
ihre innere Bedeutung hält, die in ihr eingeschlossenen Rechte 



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10 



Einleitung. 



und Befugnisse, gleichviel ob dieselben thatsächlich geübt werden 
und überhaupt geübt werden können, in Anschlag bringt. Der 
deutsche König galt noch immer als die Quelle allen Rechtes, als 
der oberste Gerichtsherr, Schützer und Bewahrer der Gerechtig- 
keit und des Friedens; er war der Repräsentant und die Ver- 
körperung des Reiches. Aber thatsächlich waren die Rechte viel- 
fach verschwunden, die Pflichten nur geblieben. Jedes Reichs- 
gued verlangte von dem Könige, dass er es in seinen Rechten 
erhalte, für den allgemeinen Friedensstand wurde er verantwort- 
lich gemacht. Aber dafür die entsprechenden Gegenleistungen 
zu machen, kam wenigen in den Sinn; der Fürst, welcher vom 
Könige kräftige Hilfe gegen einen Widersacher forderte, war doch 
selbst keineswegs geneigt, die Opfer zu bringen, welche nöthig 
waren, um des Königs Macht zu stärken. Alle diese so zahl- 
reichen Glieder des Reiches, mochten sie Fürsten oder Herren 
oder Städte sein, dachten zunächst nur an sich, an die Be- 
wahrung und Vergrösserung ihrer Gebiete, ihrer Privilegien, und 
so oft sie auch das „Reich" im Munde führten, kannten sie doch 
kaum ein Interesse an der Gesammtheit desselben. Wo der 
eigene Vortheil im Spiele war, wurde wohl ein Reichstagsbeschluss, 
ein königlicher Befehl ausgeführt; sonst Hess man es ruhig 
darauf ankommen, ob der Gehorsam mit Gewalt erzwungen wurde, 
und das geschah nur in seltenen Fällen. 

Auf eine Förderung von den Ständen des Reiches konnte 
somit der König kaum rechnen, und die Mittel, welche ihm seine 
Würde bot, um seine Autorität geltend zu machen, waren sehr 
gering. Von dem Reichsgute war fast nichts zu seiner Disposition, 
das war längst vergabt und verzettelt. Die Zölle, Judengelder 
und Münze waren anderweitig verliehen oder verpfändet, die Ein- 
künfte aus der obersten Rechtspflege unbedeutend und diese 
selbst nahm fortwährend an Bedeutung ab, seitdem die Privilegien 
de non evocando immer häufiger verliehen wurden. Ob der 
Spruch des Königs oder seines Hofrichters Geltung fand, kam 
ganz und gar auf die Umstände an; die Acht hatte ihre Schrecken 
und ihre Wirksamkeit fast ganz verloren. Nur die Steuern der 
Reichsstädte bildeten eine ziemlich sichere Einnahmequelle , aber 
sie betrugen kaum über 15000 Gulden. Dazu kamen mancherlei 
Ehrengeschenke bei Gelegenheit der Reichstage, aber diese reichten 
kaum aus, um den Aufwand des Gefolges zu decken; denn die 
Kosten des Hofhaltes hatte der König aus seiner Tasche zu be- 



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Einleitung 



11 



streiten. Seitdem die Naturalwirtschaft des frühem Mittelalters 
der Geldwirthschaft gewichen war, bedurften die Fürsten des 
baaren Geldes auf6 dringendste: häufig musste es für schwere Zin- 
sen oder grosse Opfer an Rechten und Gütern verschafft werden. 
Oft schlugen daher die Könige den für ihre Autorität ver- 
derblichen Weg ein, freigebig nach allen Seiten hin Privilegien 
und Gnaden zu gewähren, dafür aber sich gebührend bezahlen zu 
lassen. Die Kriegsverfassung des Reichs schliesslich war im 
übelsten Zustande, ein wirkliches Reichsheer kaum noch zu Stande 
zu bringen; auch hier war der König durchaus auf den guten 
Willen der Reichsstände angewiesen. 

So glänzend daher auch die königliche Würde erschien, ihrem 
Inhaber legte sie weit mehr schwere Lasten auf, als sie ihm un- 
mittelbare Vortheile und wirkliche Macht bot. Und dennoch 
fürchteten die Fürsten und nicht mit Unrecht, dass es möglich 
sei, sie wieder zu erheben und zu kräftigen; in Sorge die eigene 
Stellung zu behaupten, waren sie nach dem Interregnum darauf 
bedacht, nur solche Fürsten auf den königlichen Thron zu setzen, 
deren Hausmacht gering war. Der unheilvolle Grundsatz, dass 
das Reich ein Wahlreich sei, wurde mit aller Schärfe ausgebildet, 
damit nicht der Sohn auf den Vater folge und so im Laufe der 
Generation doch wieder eine Familie die königliche Macht 
neu entfalte. 

Unter solchen Verhältnissen hat Karl die deutsche Krone über- 
nommen. Seinem ganzen Wesen lag Gewalt fern, mit den Waffen 
die Autorität seiner Stellung geltend zu machen oder gar die Selbst- 
ständigkeit der Fürsten zu unterdrücken, hat er nie beabsichtigt. 
Unendliche Kämpfe hätte er heraufbeschworen, in denen er dem 
vereinten Widerstande der Bedrohten wahrscheinlich unterlegen 
wäre. Ueberhaupt wirft man häufig sehr mit Unrecht den Kö- 
nigen nach dem Interregnum vor, dass sie der Zersplitterung 
nicht gewehrt, nicht mit Gewalt eine festere Einheit hergestellt 
hätten. Dies zu thun waren sie einmal gar nicht im Stande, aber 
selbst wenn sie es versucht hätten, würde das Reich nur in un- 
aufhörlichen Kämpfen sich verblutet, seinen völligen Ruin ge- 
funden haben. Und kann denn im Ernst von den Königen ver- 
langt werden, dass sie ihre ganze Kraft, das Besitzthum ihrer 
Familie aufopferten für ein unerreichbares Ziel, das wir wohl 
gross finden, welches ihnen selbst aber und den Zeitgenossen 
völlig fern lag? 



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12 



Einleitung 



Von ganz andern Gesichtspunkten ging Karl aus. Er suchte 
zunächst, soweit er es konnte, ein Aufeinanderplatzen der Gegen- 
sätze zu vermeiden und den allgemeinen Frieden zu bewahren. 
Eifrige Mühe nach dieser Richtung hin kann ihm nicht bestritten 
werden, nur war er nicht geneigt, persönliche Opfer zu bringen. 
Gar wohl unterschied er zwischen den Interessen des Reiches und den 
seinen und er hat erstere soweit gefördert, als es diese zuliessen. 

Als er die Frage der Königswahl löste, strebte er zugleich 
danach, die vielfach unklaren und verworrenen Verfassungsver- 
hältnisse zu ordnen, ein Reichsregini ent herzustellen, welches 
einigermassen innern Halt und in dem ewigen Schwanken der 
Zustände, welches das Wahlkönigthum herbeiführte, eine gewisse 
Stabilität besass. Das geschah, indem er der schon be- 
stehenden Institution der Kurfürsten einen endgiltigen Abschluss 
gab. Durch grosse Zugeständnisse wurden sie über den Kreis der 
andern Fürsten emporgehoben und die Möglichkeit vorbereitet, 
dass in Zukunft das Kurfürstencollegium dem Könige bei der 
Leitung des Reiches zur Seite stand. Es scheint, dass Karl beim 
Erlass der goldenen Bulle noch nicht hoffte, seinem Geschlechte 
den deutschen Thron bewahren zu können, da die Bestimmungen 
derselben durchaus auf den weitern Bestand des Wahlreiches be- 
rechnet sind. 

Bemerkenswerth sind die Gesetze der goldenen Bulle, welche 
die Städte betreffen. Es ist hier nicht der Ort, zu erzählen, wie 
die Reichsstädte entstanden, wie sie emporblühten und immer 
mächtiger wurden, noch ihre innern Verhältnisse zu erörtern. 
Kaiser Ludwig hatte ihnen im wohlverstandenen eigenen Interesse 
seine Gunst zugewandt, sogar im Jahre 1331 mit zweiund zwanzig 
schwäbischen Städten ein Bündniss geschlossen, Karl aber verbot 
in seinem Reichsgrundgesetze alle Einungen und Bündnisse, ausser 
zum Schutze des Landfriedens und noch directer war gegen die 
Städte das Verbot des Pfahlbürgerthums gerichtet. Auch damit 
bezeichnete der Kaiser seine Stellung auf Seite der Fürsten , zu 
denen die Städte sich im schroffen Gegensatze befanden. Den 
Bürgerschaften hat der Kaiser nie aufrichtiges Wohlwollen be- 
wiesen, obgleich er nicht versucht hat, sie mit Gewalt niederzu- 
drücken und gelegentlich ihnen auch näher getreten ist, aber im 
Allgemeinen betrachtete er die Städte nur als eine unerschöpf- 
liche Finanzquelle, ilie anzubohren ihm seine königliche Stellung 
ermöglichte. 



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Einleitung. 



13 



Die Befriedung des Reiches suchte Karl auf dem herge- 
brachten Wege der Landfriedensordnung zu erzielen, denen er 
besondere Sorgfalt zuwandte. Sie dienten ihm zugleich als Mittel, 
Sonderbiindnisse von Reichsgliedern zu vermeiden und zu hinter- 
treiben, den Gegensatz zwischen Fürsten und Städten auszu- 
gleichen. — Das Bündoisswesen, seit dem Ende der staufischen 
Herrschaft üppig emporgewuchert, war geradezu ein Krebsschaden 
am Leibe des Reiches. Die Zerrüttung des öffentlichen Rechtes, 
die Machtlosigkeit der Krone zwangen freilich die Reichsglieder, 
im engen Zusammenschliessen der durch Gleichartigkeit der In- 
teressen oder durch geographische Lage sich nahe stehenden 
Kreise einen Schutz zu suchen gegen Gewalt und Friedensbruch. 
Aber bald beschränkten sich die Bündnisse nicht mehr darauf, 
solchen Landfriedenszwecken zu dienen, sie wurden nicht selten 
geschlossen, um mit diesen gar nicht im Zusammenhange stehende 
Absichten durchzusetzen, die häufig dem Reichsinteresse diametral 
entgegenliefen. Was half es da, wenn auch in den Urkunden die ste- 
reotype Redensart, dass „Reich und König" ausgenommen seien, 
zu lesen war? Diese Einungen, die sich selbst leiteten, dem 
Oberhaupte des Reiches keinen Einfluss auf sich zugestanden, 
konnten nur die höchste Autorität noch wirkungsloser machen. 
Weit entfernt, dass sie ein Gegenstrom gegen die Zersplitterung 
des Reiches waren, trugen sie nur dazu bei, dasselbe noch mehr 
zu zerreissen, zwischen den einzelnen Gruppen immer tiefere 
Kluften zu schaffen. Hier hatte die Reichsgewalt ganz besonders 
vorzubeugen ; aber so lange sie nicht im Stande war, einen geord- 
neten Rechts- und Friedenszustand zu schaffen und damit den 
Sonderbündnissen jeden wirklichen und scheinbaren Grund der 
Berechtigung zu nehmen, gab es wenig Aussicht auf Besserung. 

So zahlreiche Landfrieden Karl auch in allen Theilen des 
Reiches errichtet hat, es fehlte ihnen an der rechten Kraft. Da 
die Fehde noch immer Rechtsmittel war, wenn dasselbe sich 
nicht auf andere Weise erreichen Hess, mussten alle Versuche, 
dauernde Ruhe herzustellen, vergeblich bleiben. Ein weiterer 
UebeUtand war, dass diese Landfrieden, wenn auch durch den 
Kaiser zu Stande gebracht, als freiwillige Vereinbarungen galten 
und daher immer nur auf eine gewisse Zahl von Jahren ge- 
schlossen wurden. Zu verschiedenartig waren die Interessen, zu 
entgegengesetzt die Ansprüche, als dass unter solchen Umständen 



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14 



Einleitung. 



ein anhaltender friedlicher Verkehr der Reichsglieder möglich ge- 
wesen wäre. 

Die im Landfrieden vereinigten Stände hatten nur zu oft 
den eigenen Vortheil mehr im Auge, als ihre Pflichten; wer nicht 
selbst betroffen war, hatte wenig Lust, für den Andern Anstren- 
gungen zu machen. Das Reichsoberhaupt war nicht im Stande, 
allenthalben zur rechten Zeit einzuschreiten, seinem Entscheide 
fehlte nur zu oft die nöthige Autorität, freilich zumeist aus 
dem Grunde, weil der Kaiser selten gewillt war, dieselbe mit persön- 
lichen Opfern geltend zu machen. 

Denn in erster Linie stand für Karl doch seine Familie, sein 
Hauptzweck war die Erweiterung der Hausmacht. Darin trat er 
völlig in die Fusstapfen seiner Vorgänger seit Rudolf ; er hat sich 
eben in derselben Lage befunden, wie diese. Was blieb denn 
dem König übrig, wie die Dinge einmal lagen, als seinen per- 
sönlichen Besitz und damit seine unmittelbare Kraft nach Mög- 
lichkeit zu vermehren, wenn er nicht auf dem Machtstandpunkte, 
den er vor seiner Wahl gehabt, bleiben und ein Schattenkönig 
sein wollte? Die Notwendigkeit geradezu war. es, welche die 
Herrscher zwang, das Streben nach Hausmacht an die Spitze 
ihres Thuns und Denkens zu stellen, wenn damit auch ihr oft ge- 
walttätiges Verfahren nicht entschuldigt wird. Keiner aber hat 
soviel Geschick gezeigt und so glänzende Erfolge davon ge- 
tragen, wie Karl IV. Man kann denen nicht ganz Unrecht geben, 
welche behaupten, dass für Karl die deutsche Königskrone nur 
das Mittel war, seinen Familienbesitz zu vermehren. 

Aber dabei hatte er doch wieder das Reich im Sinne: am 
stärksten tritt das Streben hervor, seitdem er hoffen konnte, 
dem 1361 geborenen Wenzel die Nachfolge im Reiche zu ver- 
schaffen, immer klarer und bewusster gestaltet sich von da ab 
seine Politik. Je grösser die Macht des Königsgeschlechtes wurde, 
desto energischer konnte es im Reiche auftreten, desto eher 
konnte es hoffen, allmälig immer mehr die kleineren Gebiete zu 

absorbiren und sich unterzuordnen. Es war vielleicht der kür- 

« 

zeste Weg, so lang aussehend auch dieser immer blieb, auf wel- 
chem der grenzenlosen Zersplitterung ein Ende gemacht werden 
konnte. 

Nach dem Osten sollte der Schwerpunkt des Reiches verlegt 
werden und dort entstand in der That eine mächtige Herrschaft. 
Nachdem Karl der grösste Wurf seiner Staatskunst im Jahre 1373 



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Einleitung. 15 

glücklich gelungen, vereinte er unter seinem Scepter Böhmen, 
Schlesien, die Lausitzen und die Mark Brandenburg. Daran 
schloss sich Mähren im Besitze der Neffen Karls Jodocus und 
Procop. Die Erbverträge, welche im Februar 1364 zu Brünn mit 
Oestreich geschlossen wurden, liessen den Erwerb der österreichi- 
schen Lande für die Zukunft erwarten und in noch nähere Aus- 
sicht standen die Krone von Ungarn und Polen, seitdem Sigis- 
mund mit Maria verlobt war. Zugleich streckte Karl seine Arme 
von Böhmen auch nach dem Westen aus. Die Ehe mit der pfälzi- 
schen Anna brachte einen grossen Theil der Oberpfalz ein, von 
der allerdings eine Anzahl Städte bei der Abtretung der Mark 
Brandenburg den Baiern überlassen wurde, daran schlössen sich 
andere Erwerbungen , so dass böhmischer Besitz bis nach Nürn- 
berg reichte und ebenso zog er sich im Norden durch Meissen 
bis vor die Thore Leipzigs. Zahlreiche Inseln waren im ganzen 
Reiche verstreut. Im äussersten Westen aber stand der alte 
Hausbesitz des Hauses Luxemburg in den Händen des kinderlosen 
Herzogs Wenzel, das reiche Land seiner Gemahlin Johanna von 
Brabant sollte nach den Verträgen auch dereinst an das könig- 
liche Haus fallen. 

Da fehlte nur noch der Schlussstein, die Vererbung der 
Königskrone auf den Sohn. Gelang es dem Kaiser, sein thaten- 
reiches Leben mit einem solchen Erfolge zu krönen, konnte er 
dereinst beruhigt sein Haupt auf das Todtenbett legen. Verstand 
der Sohn auch nur annähernd wie der Vater zu walten, dann 
war des Geschlechtes Zukunft eine glänzende, eine unberechen- 
bar grossartige. Aber eben die deutsche Königskrone war dazu 
erforderlich. So wenig positive Machtfülle sie in sich schloss, 
bot sie doch wieder dem Träger nicht unbedeutende Vortheile. 
Sie ermöglichte vor allen Dingen dem Aufstreben anderer Fürsten- 
häuser in den Weg zu treten, ihre gefährliche Rivalität abzu- 
schwächen. Was hatten die Wittelsbacher dadurch verloren, dass 
keiner von ihnen Ludwigs Nachfolger werden konnte! Wie leicht 
vermochte der König durch Ertheilung von Privilegien, durch Be- 
günstigung jeder Art, ohne doch selbst Opfer an Geld oder Be- 
sitz zu bringen, sich Freunde zu erwerben, die ihm mit ihrer 
Macht hilfreich zur Seite standen, die wieder zu jedem Zugeständ- 
niss bereit waren. Erledigte Reichslehen liessen sich, wenn sie 
auch nicht vom Könige selbst erworben werden konnten, doch an 
gute Freunde bringen und so nützlich verwerthen; eine fortge- 



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16 



Einleitung. 



setzte tüchtige Finanzwirthschaft in den Erblanden gab die Fä- 
higkeit, weitere Erwerbungen im Reiche zu machen und damit 
in demselben immer festeren Fuss zu fassen. Die Reichsstädte 
Hessen sich weiter als ergiebige Finanzquelle benutzen, oder wenn 
es dem Könige vorteilhafter schien, sie auf seine Seite zu ziehen, 
boten sie brauchbare Stützpunkte; ein gutes Einvernehmen mit 
dem Papste verschaffte höchst werthvollen EinÜuss auf die Be- 
setzung der Bisthümer. Und machte nicht noch immer die Kaiser- 
krone den deutschen König zum Ersten der europäischen Fürsten, 
wenn er nur geneigt uud fähig war, eine solche Stellung einzu- 
nehmen? So wenig die deutsche Krone auf dem Haupte eines 
machtlosen Herren zu bedeuten hatte, einem mächtigen Hause 
war sie das sichere Pfand zur Erreichung der höchsten Ziele. 



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Erstes Kapitel. 



Verhandlungen mit den deutschen Fürsten über 

die Wahl Wenzels. 

Erst im vorgerückten Alter konnte sich Karl gesegneter 
Nachkommenschaft erfreuen. Seine erste Gemahlin Bianca schenkte 
ihm nur zwei Töchter, das von Anna von der Pfalz 1350 ge- 
borne Söhnchen starb schon ein Jahr darauf. Nachdem diesem 
die Mutter bald in das Grab gefolgt war, schloss Karl seine dritte 
Ehe mit Anna von Schweidnitz-Jauer. Fast acht Jahre vergingen, 
bis sie endlich am 26. Februar 1361 in Nürnberg den späteren 
König Wenzel gebar. Als Anna in einem neuen Kindbette starb, 
erwählte Karl zur vierten Gemahlin Elisabeth von Pommern-Stettin ; 
in erster Linie hatten ihn politische Rücksichten bestimmt, aber 
vielleicht mag auch die Riesenstärke Elisabeths — sie zerbrach mit 
den Händen Hufeisen und grosse Messer — dem Kaiser die 
Hoffnung erweckt haben, dass er sie nicht so rasch verlieren 
würde, wie die früheren Gattinnen und weitere Nachkommen- 
schaft von ihr erwarten dürfe. In der That war die Ehe nach 
Wunsch fruchtbar: rasch hintereinander gebar Elisabeth sechs 
Kinder, 1366 Anna, die spätere Königin von England, Sigismund 
1368, Johann 1370, Margareth 1373, und zwei frühverstorbene 
Söhne *). 

Die Geburt Wenzels wurde von dem Vater mit der grössten 
Freude begrüsst. Er und Elisabeth meldeten dem Papste, dem 
Reiche, nach allen Richtungen hin das glückliche Ereigniss, das 
Erscheinen eines „kräftigen und wohlgestalteten Sprösslings." Mit 
unerhörter Pracht wurde am 11. April die Taufe gefeiert, welche 
der Kaiser so lange hinausgeschoben hatte, damit sich die Ge- 

1) Vgl. meinen Aufsatz: Die Wahl Wenzels von Böhmen zum römischen 
Könige, in den Forschungen zur deutschen Geschichte XIV, 252. 

Th. Linduer, Geschichte des deuUcheu Reichel. 2 



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18 



Erstes Kapitel. 



1361-1363. 



ladenen einfinden konnten. Samintliche Kurfürsten bis auf den 
von Trier, welcher einen Stellvertreter schickte, waren anwesend, mit 
ihnen zahllose Fürsten und Edle. Der Erzbischof von Prag voll- 
zog die kirchliche Handlung in der St. Sebalduskirche unter der 
Assistenz der Erzbischöfe von Mainz und Köln, denen sechs 
Bischöfe und fünf Aebte zur Seite standen. Aus Böhmen, vom 
Karlstein, waren die Reichsinsignien herbeigeholt worden; wer 
die Öffentlich zur Schau gestellten betrachtete, erwarb einen vom 
Papste Innocenz eigens für diesen Zweck bewilligten Ablass. Alle 
Gefangenen in Nürnberg wurden freigelassen, die Bürger erhielten 
Steuererlass ; soviel Gold, als das Kind wog, schickte der Kaiser 
als Weihgeschenk nach Aachen, an die Grabstätte Karls des 
Grossen. Acht Tage lang dauerten die Turniere, Gelage und 
andere Festlichkeiten. f ) Wer konnte nach solchen Freudenbe- 
zeugungen noch zweifeln, dass Karl hoffte, das Kind einst auf 
den deutschen Thron zu erheben? 

Der Sitte der Zeit gemäss, in welcher Heirathen eines der 
wesentlichsten politischen Mittel waren, bestimmte Karl alsbald 
seinem Söhnlein die zukünftige Frau; er erkor dazu Elisabeth, 
das Töchterchen des allzeit getreuen Burggrafen Friedrich von 
Nürnberg; am 3. Juni wurde in Prag die Verabredung beur- 
kundet. 2 ) 

Zunächst sollte Wenzel die Herrschaft über Böhmen gesichert 
werden, deshalb Hess ihn Karl bereits am 15. Juni 13(53 in Prag 
feierlich krönen. Es war lediglich ein Act der Vorsicht, der um 
so nöthiger erschien, da zwei Tage später des Kaisers vierte Ge- 
mahlin Elisabeth die Krone empfing; der von ihr zu erwartenden 
Nachkommenschaft gegenüber sollte Wenzels Recht unzweifelhaft 
werden. Die böhmischen Geschichtsschreiber gefallen sich darin, 
die Krönung des zweijährigen Knaben als einen Fehltritt Karls 
hinzustellen: „was soll aus einem solchen Kinde für ein Mensch, 
für ein Regent werden?" ruft der wackre Pelzel aus! Aber wie 
oft haben deutsche Könige in ihrer zartesten Kindheit die Krone 

1) Heinricus de Diessenhovea — Heinricus Rebdorfensis bei Böhmer 
Fontes rerum German. IV, 122, 547. — Die Limburger Chronik des Johannes 

hrsg. von Rossel 35: Zu der kiodstauf kamen also viel, dass vnzelig 

was vnd hüten den allerherrligsten grösesten köstlichsten Hoffe zu Nürnberg, 
der je gesehen solt werden. 

2) Pelzel Lebensgeschichte des römischen und böhmischen Königs Wen- 
ceslaus L ürk. n. L S. 3. 



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L363 -1372. 



Wenzels Verlobungen und Heirath. 



19 



empfangen, ohne nachtheiligen Einfluss auf ihren Charakter zu er- 
leiden. Es war für Wenzels Entwicklung ganz gleichgültig, ob 
er bereits pro forma die Krone trug oder nicht; die Gefahren, 
welche Kinder gekrönter Häupter in der Jugend umlauern, 
werden durch die Krönungs-Ceremonie nicht vermehrt. 

Die Verlobung des jungen Königs mit der Zollernschen Prin- 
zessin wurde schon Ende 1365 rückgängig gemacht, weil der Burggraf 
inzwischen männliche Nachkommenschaft erzielt hatte und daher 
für Wenzel eine vortheilhaftere Verbindung wünschenswerth wurde. 
Eine solche fand sich in Elisabeth, der Nichte Ludwigs des Grossen 
von Ungarn, welche voraussichtlich des OheimB Erbin wurde; 
im Februar 1366 wurden die Verhandlungen in Ofen abgeschlossen. 
Aber auch diese Versprechung führte nicht zur Ehe. Da Ludwig 
selbst Töchter erhielt, war eine Nachfolge Elisabeths nicht mehr 
möglich und er selbst wünschte die Aufhebung des Contractes, weil 
er gerade mit den Wittelsbachern gegen Karl verbündet war. 
Dieselbe politische Combination bewog den Kaiser, gleich darauf 
Wenzel mit Johanna, der Tochter des Herzogs Albrecht von Baiern- 
Holland, zu verloben, dadurch wurde letzterer von dem Bündnisse 
mit seinen Brüdern abgezogen. Schon am 29. September 1370 
wurde das junge Paar unter grossen Festlichkeiten in Prag ge- 
traut; das Beilager wird erst 1376 vollzogen worden sein. 1 ) 

Ueber die Erziehung Wenzels und den ersten Unterricht, den 
er genoss, wissen wir nichts näheres; jedenfalls wird Karl, der 
gelehrte Bildung so hoch schätzte, auch Sorge getragen haben, 
dass sie seinem Sohne nicht fremd blieb. Aber am meisten lag 
Karl am Herzen, den Erben seiner Macht mit den politischen 
Verhältnissen, in welche dieser dereinst einzutreten hatte, bekannt 
zu machen; vom Jahre 1372 ab Hess er sich von dem Knaben auf 
seinen weiten Fahrten durch das Reich begleiten und zog ihn zu 
allen wichtigen Vorgängen heran. Unverkennbar tritt das Streben 
hervor, in Deutschland seinen Sohn bekannt zu machen, das Volk 
und die Fürsten von vornherein daran zu gewöhnen , in ihm den 
künftigen Träger der deutschen Krone zu erblicken; in jeder 
Weise wird sich Karl bemüht haben, Wenzel eine gewisse Popu- 
larität zu verschaffen. Lag es doch ganz in Karls Fähigkeiten, 
wenn er wollte, sich als den volksfreundlichen, milden Herrn zu 
zeigen, wie so manches überlieferte Geschichtchen berichtet; da 



1) Vgl. Petzel a. a. 0. S. 4 ff. ; dazu Fejer Cod. dipl. Hung IX, 4. 244. 

2* 



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20 



Erstes Kapitel. 



mag er wohl öffentlich, dass es alle hören konnten, seinem Sohne 
weise Lehren gegeben und ihm gute Freundschaft mit den Deut- 
schen empfohlen haben. ') 

Alle klugen Berechnungen des Kaisers wurden noch ein- 
mal in Frage gestellt, als der Markgraf Otto im April 1371 die 
über die Mark Brandenburg geschlossenen Verträge widerrief 
und ein Krieg gegen das gesammte Wittelsbachische Haus und 
das mit ihm verbündete Ungarn auszubrechen drohte. Aber Karl 
verstand es, durch Abschluss eines Waffenstillstandes Zeit zu 
gewinnen und dann die Interessen der Gegner zu theilen ; Otto 
sah sich am 15. August 1373 zum Vertrage von Fürstenwalde 
genöthigt, in welchem er freilich gegen eine sehr bedeutende Geld- 
entschädigung Brandenburg ftir alle Zeiten Karl und dessen Erben 
abtrat. Sofort incorporirte Karl das Land der Krone Böhmen 
und verband beide Kurfürstenthümer für alle Zeiten durch Erb- 
einigung; gern gaben die märkischen Stände ihre Zustimmung, 
hoffend, dass nun endlich ihrer Heimat die seit fünfzig Jahren 
entschwundene Ruhe und der gestörte Wohlstand wiederkehren 
möchten. 

Durch diesen glänzenden Erfolg sah sich der Kaiser noch 
mehr veranlasst, nunmehr an die Verwirklichung seines Planes, 
dem Sohne die Folge im Reiche zu verschaffen, heranzugehen. 
Eine Theilung der Erblande war in Zukunft nicht wohl zu ver- 
meiden, die Erbeinigung zwischen Böhmen und Brandenburg wies 
bereits darauf hin, dass letzteres Land künftig nicht unter 
der unmittelbaren Herrschaft des böhmischen Königs bleiben sollte. 
Unmöglich konnten ferner die Kurstimmen von Böhmen und Bran- 
denburg in Einer Hand stehen, obgleich für den Augenblick 
Otto sich letztere vorbehalten hatte. Wenn nun aber einmal der 
Luxemburgische Hausbesitz getheilt wurde, war es da nicht 
höchst wünschenswerth , dem ältesten Sohne durch die deutsche 
Königswürde eine starke Stellung im Reiche zu bewahren, 
dadurch ihn aber auch den Brüdern gegenüber mit vorwie- 
gender Macht hinzustellen? So konnten am ehesten Spaltun- 
gen und Zwistigkeiten, wie sie das Wittelsbacher Haus zerrütteten, 
vermieden werden. Und war es nicht ferner mehr als wahr- 
scheinlich, dass ein König aus anderer Familie sofort danach ge- 
strebt haben würde, den Luxemburgern Brandenburg wieder zu 



1) Stchr. Strasburg I, 493. 



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1373. Plan Karls, Wenzels Nachfolge zu erreichen. 21 

entreissen? War es zwei auf einander folgenden Königen, Ludwig 
und Karl, geglückt, die Mark an ihre Familie zu bringen, warum 
sollte es nicht auch einem dritten gelingen? Für einen solchen 
wurde es geradezu Gebot der Nothwendigkeit, den Luxemburgern 
wenigstens Eine Kurstimme zu entreissen. Schliesslich war ja die 
Art und Weise, in welcher Karl Brandenburg erworben hatte, 
anfechtbar genug ; wir wissen auch nichts davon, dass die übrigen 
Kurfürsten ihre Zustimmung gegeben, Willebriefe ausgestellt hätten; 
wie gern würden die Wittelsbacher jede Gelegenheit ergriffen 
haben, den erlittenen Schaden einzubringen! 

Aber Wenzel die Königskrone zu verschaffen, war schwierig 
genug. Wir sahen bereits, wie eifersüchtig die deutschen Fürsten 
seit dem Interregnum darüber wachten, dass nicht der Sohn dem 
Vater nachfolgte. Karl selbst hatte in der goldnen Bulle absolute 
Wahlfreiheit statuiren müssen. Und eben dasselbe Reichsgesetz 
bot eine andere Schwierigkeit. Wollte Karl die Nachfolge 
seines Sohnes völlig sicher stellen, so musste er erreichen, 
dass die Wahl unter seiner persönlichen Einwirkung, während er 
selbst noch lebte, geschah ; sonst war wenig Hoffnung auf Erfolg und 
auf die bestimmtesten Versprechungen wenig Verlass. Die gol- 
dene Bulle aber sprach nur von der Besetzung des thatsächlich 
erledigten Thrones; ein Verhältniss, wie es Karl herzustellen 
wünschte, war in ihr gar nicht vorhergesehen und schon deshalb 
von Rechtswegen unmöglich. Freilich war da der Ausweg vor- 
handen, dasB Karl resignirte, das Reich aufgab. Aber in dem 
thatsächlichen Stande der Dinge wurde dadurch wenig geändert, 
nur weitere Unzuträglichkeiten geschaffen. Denn wenn auch Karl 
den Kaisertitel niederlegte, das Factum der unmittelbaren Nach- 
folge des Sohnes bei Lebzeiten des Vaters, also der Beginn der 
Erblichkeit der Krone, blieb dasselbe; ebenso wenig wurden die 
Machtverhältnisse der Luxemburgischen Familie verändert. Die 
etwaigen Besorgnisse der Kurfürsten konnten dadurch nicht be- 
schwichtigt werden. Zudem konnte Karl vorsichtiger Weise erst 
resigniren, nachdem die Wahl wirklich vor sich gegangen und 
Wenzel als König anerkannt war. Wenn daher gelegentlich bei 
den Verhandlungen die Verzichtleistung Karls als Eventualität 
ins Auge gefasst wurde, ernstlich hat weder er, noch irgend Je- 
mand daran gedacht. Wir müssen annehmen, dass Karl von 
Anfang an danach gestrebt hat, bei seinen Lebzeiten und ohne 
das s er resignirte, die Wahl Wenzels zu erreichen. Gelang es 



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22 



Erstes Kapitel. 



1373. 



ihm überhaupt, die Kurfürsten für die Nachfolge des Sohnes zu 
gewinnen, so musste sich das Weitere dann von selbst ergeben. 

Andrerseits war jetzt die Gelegenheit für Karl so günstig 
wie irgend möglich. Die böhmische Stimme führte er selbst, die 
brandenburgische stand zwar noch Otto zu, aber wie die Verhält- 
nisse lagen, konnte dieser nicht leicht Widerspruch erheben: die 
Mark war einmal verloren, aber die Summen, welche er dafür zu 
erhalten hatte, waren noch nicht völlig ausgezahlt. Durch Zuge- 
ständnisse in Schwaben konnten zudem Ottos Brüder und damit 
dieser selbst den Wünschen Karls noch nachgiebiger gemacht 
werden. Die sächsische Kurstimme fiel zuverlässig zu Karls Gun- 
sten; mit ungemeinem Eifer und Nachdruck hatte er Kurfürst 
Wenzel unterstützt, als dieser auf Lüneburg, dessen letzter Herzog 
Wilhelm söhnelos gestorben war, Ansprüche erhob. Gerade da- 
mals im Juli 1373 war Wenzels kriegerischer Gegner, Herzog 
Magnus Torquatus von Braunschweig -Wolfenbüttel bei Leveste 
gefallen und darauf im September zwischen dessen Söhnen und 
den Sachsen ein Vertrag geschlossen worden, welcher letzteren 
vorläufig die Regierung Lüneburgs zugestand. 

Demnach handelte es sich von den weltlichen Stimmen nur 
noch um die Ruprechts I., des Kurfürsten von der Pfalz, der ob- 
gleich sonst immer mit Karl befreundet doch eine Zeit lang eine 
feindselige Haltung angenommen hatte, als Karl gegen Markgraf 
Otto die Waffen ergriff, aber schliesslich doch neutral gebheben 
war. Desto eher war zu erwarten, dass Ruprecht für gebührende 
Gegenleistungen auch in dieser Frage Karl zu Willen sein würde. 
— So war nur noch die Gewinnung der drei geistlichen Stimmen 
fraglich. Auf dem Trierer Stuhle sass Kuno von Falkenstein, 
ein kraftvoller, kluger Herr, der im ganzen Westen das grösste 
Ansehen genoss, aber keineswegs Karl unbedingt ergeben war. 
Nachdem er Jahre lang auch das Kölner Erzbisthum trefflich ver- 
waltet, hatte er dasselbe seinem Neffen Friedrich von Saarwerden 
verschafft; bei dem innigen Verhältnisse, welches zwischen beiden 
obwaltete, war zu erwarten, dass Friedrich in der Wahlfrage ganz 
der Führung des Oheims folgen würde, dem er bereits am 20. 
Juni 1371 versprochen hatte, bei der Wahl eines römischen Königs 
wie dieser zu stimmen und ohne dessen Wissen seine Einwilligung 
zu einer Wahl bei Lebzeiten des Vorgängers nicht zu geben. ') 

1) Vgl. meinen Aufsatz in den Forschungen XIV, 251 ff., auf den ich für 
die Folge verweiße. 



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1873. 



Mainzisch-thüringische Verhältnisse. 



23 



Waren diese beiden Stimmen demnach ungewiss, so hatten 
sich gerade Aussichten eröffnet, die von Mainz zu gewinnen. 

Am 4. April 1373 war der dortige Erzbischof Johann nach zwei- 
jährigem Pontificate gestorben. Ihn hatte auf Karls Wunsch der 
Papst ernannt gegenüber dem jugendlichen und ungestümen Grafen 
Adolf von Nassau -Wiesbaden-Idstein, welchen das Capitel postu- 
lirt hatte. Für diesen, der inzwischen Bischof von Speier ge- 
worden war, entschied sich nach Johanns Tode das Mainzer Ca- 
pitel wiederum. Da der grösste Theil des stiltischen Adels in 
nahen Beziehungen zu den Nassauern stand, gelang es Adolf, 
sich schon im April 1373 in dem Erzbisthum unter dem Titel 
eines „ Administrator, Mompar und Provisor u festzusetzen. Aber 
der Kaiser war gegen ihn, entweder weil er fürchtete, die Familie 
der Nassauer könne am Rhein zu mächtig werden oder weil er an 
Adolfs Ergebenheit zweifelte. Er begünstigte vielmehr einen Candi- 
daten aus einer ihm treugesinnten Familie, den lebenslustigen Bischof 
Ludwig von Bamberg, dessen Ernennung mit Hilfe des Papstes durch- 
gesetzt werden sollte. Ludwig war der dritte von den vier Söhnen des 
Landgrafen Friedrichs des Ernsthaften von Thüringen-Meissen '). 
Diese Familie stand wiederum in den engsten Beziehungen und Ver- 
wandtschaft zu einer andern Karl ganz ergebenen Familie, den Burg- 
grafen von Nürnberg. Als Ludwig nach Avignon ging, hatte er Fried- 
rich von Nürnberg, seinen Schwager, zum Pfleger seiner Lande bestellt. 

Während Ludwig am päpstlichen Hofe weilte, erwies der 
Kaiser seiner Familie einen wichtigen Dienst. 

Der alte Landgraf Heinrich der Eiserne von Hessen hatte 
nach dem Tode seines Sohnes Ottos des Schützen seinen Neffen 
Hermann den Gelehrten zum Mitregenten angenommen. Otto der 
Quade von Braunschweig-Göttingen, des Landgrafen Enkel, welcher 
sich dadurch in seinen Hoffnungen auf Hessen getäuscht sah, 
beschloss , seine vermeintlichen Ansprüche mit den Waffen in der 
Hand geltend zu machen. Unschwer fand er Genossen, so beute- 
gierig wie er selbst; der gewaltige Ritterbund der Sterner unter 
der Hauptmannschaft des Grafen Gottfried von Ziegenhain wurde 
gestiftet. Im Januar 1372 begann der Kampf mit allen den 



1) Am 1. Mai 1373 vorlobte Karl seine Tochter Anna mit Friedrich, dem 
ältesten Sohne des Landgrafen Friedrichs des Strengen, des Ältesten der vier 
Söhne Friedrichs des Ernsthaften. Horn Lebens- und Helden -Geschichte 
Friedrichs des Streitbaren 647. 



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24 Erstel Kapitel. 1373. 

Gräueln und Verwüstungen, welche die damalige Kriegsführung 
bezeichnen. Standhaft leistete Hermann Widerstand, indem er 
sich in den Waffen ebenso tüchtig erwies, wie vordem in den 
Büchern, aber der Feinde waren so viele, dass Hessen Bundes- 
genossen suchen musste. Diese fanden sich nun in den thürin- 
gischen Brüdern, mit denen am 9. Juni 1373 zu Eschwege eine 
ewige Erbverbrüderung zwischen Hessen und Thüringen geschlos- 
sen wurde. Da die kaiserliche Bestätigung nothwendig war, um 
so mehr als frühere Erbverträge zwischen Meissen und Branden* 
bürg vorlagen, begab sich Hermann selbst nach Prag; am 6. 
December reichte ihm der Kaiser die Lehen von Hessen, und 
am 13. erfolgte die kaiserliche Bestätigung der Erbverbrüderung, 
welche Wenzel mit unterzeichnete, zum Zeichen, dass jene früheren 
Verträge erloschen seien. 

In diesen Tagen, am 6. December, wurde in Prag die erste 
Urkunde ausgestellt, welche sich, wenn auch nicht direct, so doch 
unzweideutig auf Wenzels Wahl bezieht. Schon früher hatte 
Karl als König von Böhmen für sich und seine Erben mit den 
Bischöfen und deren Nachfolgern und den Stiftern von Mainz und 
Würzburg ein Bündniss geschlossen. Jetzt war Mainz erledigt, 
aber von Ludwig mit Hilfe des Kaisers umworben. Bischof von 
Würzburg war Gerhard Graf von Schwarzburg, der mit seinem 
Stiefbruder Heinrich die Bestätigung der hessisch-thüringischen 
Erb Verbrüderung unterzeichnet hatte. Heinrichs Mutter aber 
war Helene von Nürnberg-Zollern, eine Tante des gleichfalls an- 
wesenden Friedrich, Burggrafen von Nürnberg, wie überhaupt 
unter den Zeugen die thüringisch -zollernsche Verwandtschaft 
stark vertreten ist. Es lag demnach einerseits nahe, die 
Mainzer Angelegenheit zu besprechen, andrerseits sah sich der 
Kaiser im Kreise seiner Getreuen; so war denn eine Combina- 
tion vorhanden, wie sie für Karls Pläne nicht erwünschter sein konnte. 

In der gedachten Urkunde wird das alte Bündniss zwischen 
Böhmen, Mainz und Würzburg erneuert und zugleich eine Be- 
stimmung über die Königs wähl aufgenommen. 

Mainz und Würzburg versprachen, wenn das Reich ledig 
würde durch Karls Tod, „oder furbazz ledig wirt, wie dick und 
wie offte daz geschiht," Wenzel getreulich „beholffen sein zu der 
köre mit aller irer macht." Es wird also schon die Möglichkeit 
einer Wahl bei Karls Lebzeiten angedeutet, jedenfalls Wenzel die 
Beihilfe von Mainz gesichert. 



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1373 1374. 



Ludwig Erzbischof von Mainz. 



25 



Ob damals in Prag noch weitere Schritte gethan worden sind, 
ist fraglich. Friedrich von Nürnberg war sicher im Einverständniss ; 
dem Herzoge Friedrich von Baiern, welcher sich in Prag aufhielt, 
um die Angelegenheiten in Betreff der Mark Brandenburg zu ordnen, 
und die Erbverbrüderung zwischen Thüringen und Hessen unter- 
zeichnete, wurde damals oder wenig später die Vogtei von Ober- 
schwaben übertragen, welche bis dahin der Nürnberger Burggraf 
innegehabt hatte. War das eine weitere Entschädigung für die 
Abtretung der Mark oder sollten die Schwierigkeiten beseitigt 
• werden, welche der Herzog, auch ohne Kurfürst zu sein, erheben 
konnte, da sein Oheim Otto noch die Kurstimme führte? 

Im Frühjahr brach Karl nach der Mark auf, wo er bis zum 
August verweilte, unablässig beschäftigt, den neuen Besitz zu sichern 
und mit immer festeren Banden an Böhmen zu knüpfen. Dort 
erschien auch Ludwig, welchen der Papst inzwischen wirklich zum 
Erzbischofe von Mainz ernannt hatte l ). Feierlich übertrug ihm 
Karl im Mai in Tangermünde die Reichslehen; als Erzbischof 
von Mainz und Erzkanzler unterzeichnete Ludwig am 29. Juni die 
Urkunde, in welcher der Kaiser die Incorporirung der Mark in 
die Krone Böhmen bestätigte. 

Im Herbst ging die Fahrt ins Reich; in Nürnberg trafen 
Anfang October sämmtliche Wittelsbacher der bairischen wie der 
pfalzischen Linie mit Karl zusammen. Verschiedene Abmachungen 
wurden getroffen, meist das brandenburgische Geschäft betreffend. 
Die Wittelsbacher entsagten nochmals sämmtlich feierlich allen 
Ansprüchen auf die Mark, die beiden grossen Familien garantirten 
sich gegenseitig ihre Besitzungen. Den bairischen Herzögen aber 
wurde eine neue Bewilligung gewährt: die Landvogtei des Elsasses 
wurde ihnen für 30,000 Gulden verpfändet. 

Von Nürnberg zog Karl, geleitet von dem Pfalzgrafen Ruprecht, 
nach Mainz. Es galt, Ludwigs Ernennung zum Erzbischofe nun 
auch zur Geltung zu bringen. Denn schon hatte zwischen beiden 
Prätendenten offener Krieg begonnen; seitdem Adolf ein enges 
Bündni88 mit Otto dem Quaden von Braunschweig geschlossen, 
verflocht sich der Bisthumsstreit mit dem Kampfe um Hessen. 
Adolf war indessen im thatsächlicben Besitze des Erzbisthums, 

1) Ludwig urkundet bereits am 21. April in Gotha als Erzbischof von 
Mainz; zu seinem Nachfolger in Bamberg- ernannte Gregor XI. am 28. April 
Lamprecht, den bisherigen Bischof von Strausburg, einen ergebenen Anhänger 
Karls IV. 



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26 



Erstes Kapitel. 



1374 



da auch das Eichsfeld und Erfurt zu ihm hielten ; die rheinischen 
Städte scheinen ihm geneigter gewesen zu sein, als dem Thürin- 
ger. Ruprecht dagegen stand auf Seiten Ludwigs, sein Gross- 
neffe Ruprecht der dritte, der spätere König, hatte im Juni 1374 
die Tochter Friedrichs von Nürnberg Elisabeth heimgeführt, und 
der Pfalzgraf konnte erwarten, für Ludwigs Unterstützung grosse 
Concessionen von diesem selbst wie von Karl zu erlangen. 

Jedenfalls erreichte Karl seinen Zweck, Mainz für Ludwig zu 
gewinnen, nicht. Nur wenige Tage scheint sein Aufenthalt in der 
Stadt gewährt zu haben. „Denn Adolf sammelte viel Ritter und 
Knechte und wollte den Kaiser fangen. Des wurde der Kaiser 
inne und bat ihn um Geleit: das gab ihm der Bischof bis aus 
seinem Lande. Also fuhr der Kaiser mit Schande vom Rhein 
gen Nürnberg; dazu wollten ihm die Städte am Rhein keinen 
Pfennig geben." 

Gleichwohl war dieser Mainzer Aufenthalt für Karl von der 
grössten Bedeutung. Denn auch Kuno von Trier und Friedrich 
von Köln waren erschienen, mit denen er alsbald über die Wahl 
seines Sohnes mit günstigem Erfolge verhandelte. 

Wir besitzen die Urkunden, welche damals zwischen dem 
Kaiser und den Erzbischöfen ausgetauscht wurden. Kuno gelobte, 
Wenzel nach Karls Tode oder wenn dieser das Reich aufgebe, 
zu wählen, nur für eine Wahl bei Karls Lebzeiten ohne Resignation 
band es sich an die Zustimmung seiner Mitkurfürsten Friedrich 
und Ruprecht, wenn diese Wenzel ihre Stimme geben, wolle er 
es auch thun. Wenn einer derselben sich weigere, sei er ebenfalls 
nicht gehalten Wenzel zu küren; da er aber die Wahl selbst 
dann nicht hindern zu wollen versprach, war dem Kaiser die 
Möglichkeit einer Majoritätswahl noch immer nicht abgeschnitten. 

Demnach war es erforderlich, zunächst mit Friedrich und 
Ruprecht zu unterhandeln. Ersterer wird wenig Schwierigkeiten 
erhoben haben ; hatte er doch einst seinem Oheime gelobt, sich 
in der Wahlangelegenheit ganz nach ihm zu richten, und die 
Urkunden zeigen, dass Trier und Köln in völligem Einverständnisse 
handelten. Soweit wir wissen, verpflichtete sich Friedrich, Wenzel 
ohne Widerrede und Verzug zu wählen und zu krönen, sobald 
er dazu aufgefordert werde; er band sich für alle Fälle. — Es 
ist sehr wahrscheinlich, dass Karl damals auch an Ruprecht sich 
gewandt hat, dem die Unterhandlungen mit den Erzbischöfen nicht 
verborgen bleiben konnten; aber ein Abschluss wurde nicht 



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1371. 



Verhandlungen mit Trier und Köln. 



27 



erreicht, wohl deshalb weil der Kaiser sich zum schleunigen 
Aufbruch aus Mainz genöthigt sah. 

Die Zugeständnisse, welche die beiden Kirchenfürsten forder- 
ten, waren freilich ganz enorm. Unter anderem bedang sich 
Kuno aus, dass mehrere grosse Reichslehen, namentlich die 
Herrschaft Limburg, künftig von Trier zu Lehen gehen, sechs 
Reichsdörfer, die an den Grafen von Sponheim versetzt waren, 
Trier zum Pfand gegeben, die Pfandsumme auf Boppard u. s. w. 
von 50,000 Mark auf 60,000 erhöht, der nur für Kunos Lebzeiten 
bewilligte Moselzoll dem Stifte auf ewig gegeben, die Landvogtei 
in der Wetterau nebst andern Aemtern an das Stift für 20,000 
Mark verpfändet oder dafür ihm vor der Wahl 40,000 Gulden 
ausgezahlt werden sollten. Vor Karls Tode oder dessen Resignation 
dürfe Wenzel keine Regierungsgeschäfte verrichten, damit nicht das 
Reich in zwei oder mehrere Theile zerrissen werde. Endlich sollte 
die Bestimmung der goldenen Bulle, dass die Wahl in Frankfurt 
ror sich gehe, widerrufen und „damit die Wahl und Kur frei 
sein möge, u sie in dem Baumgarten zu Rense vollzogen und der 
Gewählte erst dann in Frankfurt nach altem Brauche auf den 
Altar gesetzt werden. — Friedrich schuldete dem Papste von 
seiner Erhebung noch 120,000 Gulden. Karl wollte nun be- 
wirken, dass diese' Summe ganz niedergeschlagen würde, oder dem 
Erzbischofe 30,000 Gulden auszahlen, ausserdem noch 6000 
Schock Prager Groschen. Wenn ein Bisthum oder sonst eine 
Kirche ledig wurde, nach welcher Friedrich strebe, wolle ihn 
Karl unterstützen. So oft Friedrich bei Hofe wäre — und er sollte 
häufig dahin kommen, um dem Kaiser seinen Rath zu leihen — , 
würde er als dessen Tischgenosse wöchentlich 100 Goldgulden 
erhalten. 

Der Kaiser ging über Frankfurt nach Nürnberg, wo er Anfang 
December eintraf. Hier gab nun Ludwig von Mainz bedingungslos 
das Versprechen, sobald er dazu ermahnt und es ihm ange- 
muthet werde, Wenzel zum römischen Könige zu wählen und ihm 
treu zu sein. Und schon Hess Karl sich vom Grafen Eberhard 
von Wirtemberg die Versicherung ausstellen, dass er den König 
Wenzel, wenn er zu Karls Lebzeiten oder nach dessen Tode von 
den Kurfürsten oder ihrer Majorität zum römischen Könige er- 
wählt würde, als solchen anerkennen und ihm treu sein wolle. — 
Das gleiche Versprechen legten wenig später in Eger Herzog 
Albrecht von Oestreich und Burggraf Friedrich von Nürnberg ab. 



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28 



Erstes Kapitel. 



1375 



Natürlich wurden ihnen dafür Gegenverheissungen zutheil; auch 
den drei thüringischen Landgrafen wurde für ihren kräftigen 
Beistand Bestätigung der Privilegien und Ersatz aller Kosten, 
welche sie in Wenzels Dienst zu tragen hätten, zugesagt. 

So war der Erfolg mehr und mehr gesichert; im Januar 
1375 verpflichtete sich auch der Kurfürst von Sachsen, Wenzel 
seine Stimme zu geben. Demnach erübrigte nur noch, auch 
Ruprechts Zusage zu erlangen. Zu dem Zweck war der Kurfürst 
in die Nähe des Hofes gekommen; bereits am 4. Februar treffen 
wir ihn in Amberg. Wahrscheinlich erschien er nicht persönlich in 
Prag, sondern Hess durch Bevollmächtigte die Verhandlungen führen. 

Am 12. Februar stellte Karl in Prag die Urkunden aus, 
welche den Preis für Ruprechts Stimme bezeichnen; auch dieser 
war enorm hoch. Zunächst schlug Karl 50,000 Goldgulden hinzu 
zu den 100,000, welche auf Ruprechts Reichspfandschaften standen; 
ausserdem gestattete er ihm, Reichslehen zu kaufen und zu ver 
pfänden. Ferner verlieh der Kaiser Ruprecht I. und seinem 
Grossneffen Ruprecht III. Burg und Stadt Oppenheim und Gau- 
Odernheim, Schwabsburg, Nierstein, Ober- und Nieder-Ingelheim, 
Grosswinternheim nebst den dazu gehörigen Dörfern und die 
Stadt Kaiserslautern. Oppenheim aber und die anderen Ort- 
schaften waren der Stadt Mainz für 71,000 Gulden verpfändet} 
daher versprach Karl, dieselben bis zum St. Georgstage oder vierzehn 
Tage nach demselben einzulösen und dem Pfalzgrafen zu über- 
geben. Gehe Mainz nicht auf die Lösung ein, so wolle er die 
71,000 Gulden Ruprecht hinterlegen, sofort Feind von Mainz 
werden, die Stadt in die Reichsacht thun und sie so lange be- 
kriegen, bis sie das Pfandobject herausgegeben. Würde nun 
Wenzel von der Mehrheit der Kurfürsten gewählt, ehe Ruprecht 
die Städte erhalten oder das Geld hinterlegt wäre, so sollte der 
König doch die Wahl nicht annehmen, ehe er nicht den Pfälzer 
befriedigt, und dann sofort nach der Krönung den Kampf gegen 
die Stadt beginnen. Vorher aber wollen weder Karl noch Wenzel 
von Ruprecht die Abgabe der Stimme verlangen. Endlich be- 
stätigte Karl dem Pfalzgrafen und seinen Nachkommen das 
Reichsvicariat in Deutschland, wenn das Reichsoberhaupt „über 
Berg zieht f am 14. Februar gelobte Wenzel, bei seiner Krönung 
alle Freiheiten der Pfalz zu bestätigen. Mit Recht spottet ein 
gleichzeitiger Dichter über den Pfalzgraf Ruprecht: 



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1375. 



Gewinnung Ruprechts. 



29 



Solde man konige und keiser macbeD, 
du kanst dich doch vel wol besacnen 1 ). 

Am 22. Februar erfolgten die Gegen verschreibungen der drei 
Ruprechte in Amberg. Zunächst bekannte Ruprecht, dass er 
Briefe gesehen und lesen gehört, in welchen die andern Kurfür- 
sten : Kuno von Trier, Ludwig von Mainz, Friedrich von Köln und 
Wenzel von Sachsen (Brandenburg wird übergangen), jeder be- 
sonders versprochen, Wenzel wählen zu wollen. Da habe er, wie 
er verpflichtet sei, Nutzen und Ehre der Christenheit und des 
heiligen römischen Reiches erwogen und den Frieden der Lande 
und Leute und die Eintracht seiner Mitkurfürsten. Und da er 
nach bestem Gewissen, das heilige Reich und dessen Würde zu 
mehren und zu handhaben, überzeugt sei, dass Wenzel an Macht 
und Würdigkeit, wie sie einem römischen Kaiser und Könige zu- 
kommen, in deutschen Landen der beste und nützlichste sei zu 
einem römischen Könige und zukünftigen Kaiser nach dem Tode 
Karls oder dessen Entsagung vom Reiche, so wolle auch er mit 
seinen genannten Mitkurfürsten oder der Mehrheit derselben seine 
Stimme Wenzel geben. Er gelobe daher bei fürstlicher Ehre, 
sobald er von Karl oder nach dessen Tode von Wenzel ermahnt 
werde, diesen ohne jede Widerrede zu wählen und ihm gegen 
Jedermann beizustehen. — Für den Fall, dass Ruprecht I. vor 
der Wahl stürbe, verpflichteten sich zugleich dessen Neffe und 
Grossneffe, dann das Gelübde zu erfüllen. 

Nach diesem Amberger Acte war Karl der Erreichung seines 
Zieles sicher. Gleichwohl zögerte er noch ein Jahr, ehe er zur 
Vollziehung der Wahl schritt. Wenzel war im Jahre 1361 ge- 
boren, also eben erst vierzehn Jahre alt: nach dem fränkischen 
Recht war der König mit fünfzehn Jahren mündig. Freilich hatte 
Karl in der goldenen Bulle das achtzehnte Lebensjahr als Ma- 
jorennitätstermin für die Kurfürsten festgesetzt, aber unzweifelhaft 
galt für den König noch das alte Recht. Erfolgte aber Wenzels 
Wahl erst, wenn er volljährig war, so waren damit von vornher- 
ein mancherlei Bedenken abgeschnitten. Und wie es scheint, 
war noch ein weiterer Punkt von Wichtigkeit. Es war zu er- 
warten, dass die päpstliche Curie alle möglichen Hindernisse ins 
Feld führen würde ; ihr gegenüber war es nicht ohne Werth, wenn 



1) Die historischen Volkslieder der Deutschen, hrsg. von R. vod Lilien- 
kron I, 101. 



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30 



Erstes Kapitel. 



1375. 



der Throncandidat bei seiner Wahl bereits mündig war. Zwar 
erklärte Gregor anfänglich den defectus aetatis als ganz beson- 
deres Hinderniss; ohne Zweifel aber ist er bald belehrt worden, dass 
dem Rechte nach die Jugend Wenzels nicht urgirt werden könne l ). 
So sehr sich auch der Papst und seine Gesandten bemühten, 
Schwierigkeiten zu erheben, den Grund, dass Wenzel noch nicht 
mündig sei, der doch so plausibel geklungen hätte, bringen sie 
nicht mehr vor. Auch in den gesammten Wahlverhandlungen 
und Festsetzungen ist von einer Minorennität des Königs niemals 
die Rede. 

Im Sommer 1375 entbrannte der Kampf in Mitteldeutschland 
zwischen Hessen, Thüringen und Ludwig von Mainz einerseits und 
Otto von Brannschweig, Adolf von Nassau und deren Verbündeten 
aufs heftigste. Adolf war ins Eichsfeld gekommen; und nach 
mancherlei kriegerischen Actionen warf er sich in das starke 
Erfurt, dessen Bürgerschaft und Geistlichkeit ihm anhingen. Die 
Stadt wurde acht Wochen von einem zahlreichen Heere belagert, 
doch vergeblich, so furchtbar auch die Umgegend litt. Da 
gelang es dem Kaiser, welcher Ende August begleitet von seiner 
Familie im Heere der Belagerer erschien, einen vorläufigen Frieden 
zu vermitteln, am 6. September „zu Felde vor der Burg Tonna," 
der bis Johanni 1377 dauern sollte. Karl hob die Reichsacht 
auf, welche er über Erfurt und dessen Verbündete verhängt. Die 
Geistlichkeit des Mainzer Stiftes, mochte sie nun Adolf oder 
Ludwig anhängen, sollte in ihren Beneficien u. s. w. unbelästigt 
bleiben, doch dürfe Ludwig in der Zwischenzeit seinen Gegner 
nicht mit Processen oder päpstlichen Briefen beschweren. — 
Die Vermittlungspolitik, welche Karl so gern einschlug, kam auch 
hier zur Geltung; die Ruhe wurde bis über die Wahl hinaus ge- 
wahrt, .aber über die Rechte und Ansprüche der beiden Präten- 
denten kein bestimmter Entscheid getroffen. Der Kaiser erreichte 
damit, dass Ludwig für die Wahl seine Stimme nicht versagen 



1) Vergl. a. a. 0. 267. In den deutschen Quellen wird wohl über Wenzels 
Jugend geklagt, aber nur die Karl IV. höchst feindseligen Ann. Matsee. M. G. 
Ser. IX, 836 sagen: papa — eandcm electiooem confirmavit, licet idem rex 
Wenreslaus fuerit tunc temporis minorandus et sinistro modo electus. Der Ver- 
fasser der vita prima Gregorii XI. bei Baiuze Vitae pap. Aven. I, 440 (über 
ihn vergl. meinen Aufsatz in den Forsch, z. d. Gesch. XII, 151 ff.) scheint 
anzunehmen, dass Wenzel mit 18 Jahren majorenn wurde. 



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1375 



Verhandlungen mit dem Papste. 



31 



durfte, während von Adolf, der mit dem Abkommen sehr zufrie- 
den sein musste, Feindseligkeiten nicht zu fürchten waren, ein 
Umstand, der bei der Nachbarschaft von Mainz und Frankfurt 
grosse Bedeutung hatte. Und endlich soll Karl auch seinen pe- 
cuniären Vortheil nicht vergessen haben, da bedeutende Straf- 
gelder, welche Erfurt zahlen musste, in seine Tasche flössen. — 
Durch die Mark zog dann Karl nach Lübeck, wo er am 22. 
October eintraf, begleitet von zahlreichen Fürsten, unter denen 
sich auch Erzbischof Friedrich von Köln befand, der seit längerer 
Zeit den Hof begleitete, um kaiserliche Hilfe gegen die wider- 
spänstigen Kölner zu erlangen. Erst Ende des Jahres war der 
Kaiser wieder in Prag. 



Zweites Kapitel. 

Wahl und Krönung* Wenzels. 

Als die Verhandlungen soweit gediehen waren, dasB Karl 
von den Fürsten des Reiches das Versprechen einholen konnte, 
dereinst Wenzel treu zu sein, war es nicht mehr möglich, die- 
selben vor dem Papste geheim zu halten. Wie wird dieser, wie 
wird die Curie sich zur Wahl Wenzels stellen? Wird Karl im 
Stande sein, den Standpunkt zu behaupten, von welchem er bei 
Abfassung der goldenen Bulle ausging: dass nämlich Wahl und 
Krönung des Königs lediglich Sache Deutschlands sei und dem 
Papste darauf kein Einfluss zustehe? 

Zum ersten Male seit Erlass der goldnen Bulle sollte 
eine Wahl vor sich gehen; nachdem die des Vaters in vollster 
Abhängigkeit vom Papste geschehen war, sollte die des Sohnes 
frei erfolgen. Es war nicht zu erwarten, dass die Curie freiwillig 
darauf verzichten würde, ihre vermeintlichen Rechte zur Geltung 
zu bringen. Der ungewöhnliche Umstand, dass die Wahl bei 
Lebzeiten des Vaters geschehen sollte, musste sie noch mehr 
ermuthigen, sich störend einzudrängen und möglichst grosso Zu- 
geständnisse zu erzwingen. 

Mit Vorsicht und Klugheit hatte hier der Kaiser zu ver- 
fahren. 



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32 Zweites Kapitel. 1375. 

Anfang 1375 mag Karl dem Papste seinen Plan eröffnet 
haben und zwar gleich in vollem Umfange, dass er, ohne das Reich 
aufzugeben, Wenzel zum römischen König wählen lassen wolle. 
Gross war die Aufregung und Bestürzung in Avignon, wo man 
am wenigsten damit einverstanden war, dass in Deutschland 
eine Familie das Königthum dauernd inne hatte und es dadurch 
wieder kraftvoller machen konnte. War doch auf diesem Wege 
sogar die unwillkommene Aussicht eröffnet, dass aus dem schwan- 
kenden Wahlkönigthum eine feste Erbmonarchie sich entwickelte. 
Indessen ganz und gar ablehnen konnte man nicht; schon der 
Umstand, dass der apostolische Stuhl wieder nach Rom zurück 
verlegt werden sollte , gebot Rücksichten auf den Kaiser und 
dessen Wünsche zu nehmen. Und wenn nicht Alles trügt, hat 
man sich in Avignon über die Stimmung der deutschen Fürsten 
getäuscht. Denn wenn diesen auch im Anfange der Plan Karls 
nicht weniger unangenehm gewesen sein mag, als der Curie, so 
hatte bereits Karls Geschick und Opferwilligkeit die Bedenken 
beseitigt und den guten Willen erkauft; und so wenig die Mehr- 
zahl der deutschen Fürsten dem Luxemburgischen Hause ergeben 
sein mochte, noch mehr waren sie erbittert gegen das Papsthum 
und dessen masslose Ansprüche. Jene Renser und Frankfurter 
Beschlüsse von 1338 entsprangen doch der wahren Herzensmei- 
nung der Deutschen und die Missstimmung war jetzt nicht geringer, 
als vierzig Jahre früher. Daher konnte der Kaiser gerade gegen- 
über den Forderungen der Curie an die deutschen Fürsten 
appelliren, während diese glaubte, die Fürsten würden einen so 
energischen Widerstand erheben, dass Karl ohne die Hilfe des 
Papstes gar nicht zum Ziele kommen könne. Man beschloss da- 
her in Avignon, zwar auf Karls Wünsche einzugehen, aber dafür 
so grosse Concessionen zu verlangen, dass nicht nur die Gefahren 
beschworen wurden, welche Wenzels Wahl bringen konnte, sondern 
auch der päpstliche Einfluss auf die Königswahl trotz der goldenen 
Bulle für alle Zeiten gesichert blieb. Die Art und Weise der 
Erhebung Karls IV. sollte, zum Gewohnheitsrecht fixirt, die Norm 
für alle künftigen Wahlen werden. 

Zum Gesandten wurde Thomas de Amanatis bestimmt, der 
erwählte Bischof von Nismes. Der Papst schrieb dem Kaiser, 
seine Absicht, während er lebte und ohne dass er resignirte, 
Wenzel zum Könige wählen zu lassen, sei durchaus ungewöhnlich. 
Nicht allein das zu geringe Alter Wenzels, auch andere starke 



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1375-1376. 



Verhandlungeil mit der Curie. 



33 



und inhaltsschwere Gründe ständen im Wege. Daher habe 
er, der Papst, nur mit Mühe das Cardinalcollegium vermocht, 
überhaupt auf die Sache einzugehen und er müsse erst die Er- 
füllung gewisser Bedingungen fordern. Wir kennen dieselben aller- 
dings nicht in ihrem Wortlaute, vermögen sie aber aus den späteren 
Verhandlungen zu entnehmen. Karl und Wenzel sollten vor 
allem persönlich nach Avignon kommen, dort die Eide leisten, 
welche einst König Johann und Karl im Jahre 1346 vor des 
letzteren Erhebung geschworen, dann den Papst bitten, dass er 
den Kurfürsten erlaube, die Wahl vorzunehmen. Wenn diese vor 
sich gegangen, müsse sodann die päpstliche Approbation eingeholt 
werden und erst nach dieser dürfe die Krönung erfolgen. Ferner 
mü3sten beide geloben, dass in Zukunft nie mehr ohne ganz 
besondere Genehmigung des Paptes der Sohn bei des Vaters 
Lebzeiten zum Könige gewählt werde, und ihre Einwilligung dazu 
geben, dass der Papst darüber eine ausdrückliche Constitution 
erlasse. 

Im April 1375 war Thomas auf der Reise. Leider kennen 
wir den Gang seiner Verhandlungen mit dem Kaiser nicht genauer, 
aber jedenfalls zeigte sich dieser zuvorkommend, gestand einen 
TheÜ der Bedingungen zu und versprach namentlich, zum Papste 
zu kommen. Mit guten Nachrichten konnte Thomas wieder nach 
Avignon zurückkehren, wo die verabredeten Punkte näher for- 
mulirt wurden; Anfang Januar 1376 war der Nuntius wieder im 
Reiche. Aber nur zu bald sollten er und seine Auftraggeber 
über die wahre Meinung Karls aufgeklärt werden: die ganzen 
bisherigen Verhandlungen hatten nur den Zweck, die Curie in 
Sicherheit zu wiegen, sie von vorzeitigen Schritten abzuhalten, um 
sie dann plötzlich zu überrumpeln. 

Indessen war in Italien eine grossartige Erhebung gegen 
die päpstliche Herrschaft ausgebrochen ; schnell genug rächte sich 
der Fehltritt Urbans V., seine Rückkehr nach Avignon. Florenz 
stand an der Spitze, der schlimme Bernabo Visconti von Mailand, 
mit dem Gregor XL kaum erst Waffenstillstand geschlossen, 
Johanna von Neapel, achtzig Städte traten hinzu; im November 
1375 wurde auch der Kirchenstaat von der Bewegung ergriffen. 
Da bedurfte der Papst des Kaisers, dessen Hilfe er im Februar 
dringend anrief. 

Die Empörung in Italien war für Karls Pläne nicht ungünstig, 
denn sie gab ihm die Mittel an die Hand, auf den Papst einen 

Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiches. I. 3 



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34 



Zweites Kapitel. 1376 



Druck auszuüben und ihn durch scheinbar energische Schritte gegen 
die Rebellen nachgiebiger zu stimmen. Schon am 26. März 
erlie8s er von Nürnberg aus ein abmahnendes Schreiben an die 
Florentiner und verhiess, nachdem er sich in nächster Zeit mit 
den versammelten Fürsten des Reiches berathen, eine feierliche 
Gesandtschaft zu schicken. 

Dort in Nürnberg, wo der Kaiser von Mitte März bis Mitte 
Mai mit kurzer Unterbrechung verweilte, waren zahlreiche Fürsten 
erschienen. Ihn umgaben seine Söhne, Wenzel, Sigismund, der 
zum ersten Male den Titel eines Erzkämmerers des heiligen 
römischen Reiches führt, und Johann, die Erzbischöfe Ludwig 
von Mainz und Friedrich von Köln, der Kurfürst Ruprecht von 
der Pfalz, Burggraf Friedrich von Nürnberg und andere. Die 
Berathungen gingen um die Wahl Wenzels und am 30. März 
erliess der Kaiser den entscheidenden Brief an den Papst. Die 
Kurfürsten seien einstimmig überein gekommen, dass die Wahl am 
1. Mai in Frankfurt geschehen und unmittelbar darauf die Krönung 
in Aachen vollzogen werden solle. Die versprochene Reise nach 
Avignon verbiete ihm körperliches Leiden, daher schicke er 
Odoienus Bonzonis, seinen Kaplan, dem der Papst volles Ver- 
trauen schenken möge. Mit eigner Hand schrieb der Kaiser 
unter den Brief: „Heiligster Vater und zu fürchtender Herr ! Gern 
wäre ich jetzt zu Euch gekommen, aber ich bin noch sehr 
krank ! " 

Das Schreiben ist im höchsten Grade geschäftsmässig ge- 
halten: auch nicht ein Wort steht darin, welches den Papst zu 
irgend einer Theilnahme auffordert, die ganze Sache wird so 
behandelt, als ob sie denselben nicht im mindesten anginge. Un- 
zweifelhaft war das Instrument mit Wissen und Billigung der 
deutschen Fürsten entworfen, als bedeutsamer Wink für Gregor, 
wie die Dinge standen, wie sehr er Ursache habe, nicht zu weit 
zu gehen. 

Karl trug jedoch unter der Hand Sorge, dass der Papst nicht 
allzu sehr erbittert wurde. Dieser hatte am 31. März einen 
fürchterlichen Bannfluch gegen Florenz geschleudert, dem ent- 
sprechend Karl, der wohl vorher unterrichtet war, am 5. April 
die Reichsacht über die Florentiner aussprach: sie selbst, ihre 
Kinder und Kindeskinder wurden für Schuldige der beleidigten 
Majestät erklärt, aller Ehren, Aemter und Würden entsetzt, ihre 
Güter und Einkünfte der kaiserlichen Kammer zugeeignet, ihre 



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1376. 



Verhandlungen mit der Curie. 



35 



Freiheiten, Rechte und Privilegien vernichtet. Um des Reiches 
Rechte zu wahren, wurde Bisohof Lamprecht von Bamberg nach 
Italien geschickt, der dort von dem päpstlichen Legaten, dem 
Cardinal Wilhelm Noelleti, nähere Weisung erhalten sollte. 

Der Bote, welcher diese Nachricht nach Avignon brachte, 
nahm zugleich einen Brief Karls vom 4. April mit, welcher ungleich 
zuvorkommender lautete, als jener vom 30. März und den Papst 
ersuchte, er möge der Wahl Wenzels sein Wohlwollen und seine 
Beistimmung zollen und dem zu Wählenden seine Gnade und Gunst 
schenken. Freilich viel mehr als schöne Worte waren auch hier 
nicht zu lesen; als Christ und Freund erbat Karl des Papstes 
Wohlwollen, von irgend einem wirklichen Zugeständnisse ist nicht 
die Rede. 

Das erste Schreiben erregte in Avignon die grösste Bestür- 
zung, einer Commission von drei Cardinälen fiel die Aufgabe zu, 
die nöthigen Schritte zu erwägen. Die Sachlage völlig verkennend 
glaubte man noch immer, dass Karl sich würde bewegen lassen, 
die früher zugesagten Bedingungen zu erfüllen, vor allem persönlich 
nach Avignon zu kommen und des Papstes Einwilligung zu er- 
bitten. Wenn sich aber die Wahl nicht hindern Hesse, sollte 
wenigstens bewirkt werden, dass die Krönung erst nach Einholung 
der päpstlichen Approbation geschehe. 

Die schriftliche Instruction, welche Propst Audibert von 
Pignans erhielt, wies ihn an, in jeder Weise Karl zu bestürmen, 
durch freundliches Vorstellen, durch Versprechen, im Nothfall 
durch ernstliches Abmahnen. Gregor richtete persönlich ein 
Schreiben an Karl voll von Vorwürfen und Drohungen. Mit 
höchster Verwunderung habe er den von Odolenus überbrachten 
Brief gelesen. Karl werde sich erinnern, dass Gregor nur unter 
der Bedingung auf seinen Wunsch eingegangen sei, dass der 
Kaiser und sein Sohn selbst kämen, um die mit Thomas ver- 
einbarten Punkte zu beschwören. Aber jetzt scheine er Alles 
umwerfen zu wollen. Das würde dem heiligen Stuhle zur Unehre 
gereichen und des Kaisers Handlungen ungütig machen; bei der 
Liebe, welche er immer der heiligen Kirche erwiesen, möge er 
derselben solche Schmach ersparen. Seine Absicht, der Wahl 
unmittelbar die Krönung folgen zu lassen, sei aber noch viel 
staunenswerter , da dies völlig unstatthaft sei. Daher möge 
Karl durch übergrosse Eile nicht seinen ganzen Plan vereiteln 
und die Kirche herausfordern. 

3* 



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36 



Zweites Kapitel. 



1376. 



Etwa am 20. Mai traf Audibert den kaiserlichen Hof auf 
dem Wege von Nürnberg nach Heidelberg und begann sofort 
seine Unterhandlungen. Aber er erzielte nur sehr wenig zufrie- 
den stellende Resultate, da vor der Ruhe und Klugheit Karls 
seine zudringliche Beredsamkeit gar sehr den kürzeren zog. Karl 
verstand es vortrefflich auszuweichen, sich hinter den deutschen 
Fürsten zu verschanzen; er gestand nur zu, dass er und Wenzel 
dieselben Eide leisten wollten, welche einst bei seiner eigenen 
Erhebung 1346 abgelegt worden waren, dass Wenzel feierlich 
gelobe, nicht zu bewirken oder zu gestatten, dass dereinst bei 
seinen Lebzeiten ohne vorherige Resignation ein Anderer zum 
römischen Könige gewählt werde; nach Avignon zu kommen, 
schlug er rund ab. Und als nun Audibert mit dem zweiten Theile 
seiner Instruction hervorkam, dass Wenzel vor der Approbation 
weder gekrönt werden noch Regierungsacte ausüben dürfe, legte 
Karl den deutschen Fürsten den soeben vom Papste erhaltenen 
Brief vor. Da brach ihr Unwillen im gewaltigen Sturme los: 
man habe niemals gesehen oder gehört, noch stehe es irgendwo 
geschrieben, dass der Papst die Wahl eines Kaisers bestätigt 
habe. Aebte und Bischöfe könne der Papst confirmiren, nicht 
Könige; er taste an die Freiheiten der Kurfürsten und die 
Rechte des Reiches. 

So musste der Nuntius zufrieden sein, als Karl sich endlich 
bereit erklärte, die Wahl vom 1. Juni bis zum 10., aber nicht 
weiter zu verschieben. Da Gregor die Sendung des Cardinais 
Robert von Genf für die nächste Zeit in Aussicht gestellt hatte, so 
wurden diesem Eilboten entgegengesandt, damit er seine Reise 
beschleunige und noch vor dem 10. eintreffen könne. Wenzel 
selbst erklärte dem Papste durch Odolenus, der zum zweiten 
Male nach Avignon ging, seine Bereitwilligkeit, die verlangten 
Eide Heinrichs VII. und seines Vaters zu schwören; Karl fügte 
noch einen Brief an Gregor hinzu, der den päpstlichen Forderungen 
etwas mehr entgegenkam, als der vom 4. April. Gregor wurde 
darin um seine Beistimmung gebeten, damit die Wahl geschehen 
könne, und da ja der Curie daran lag, späterhin beweisen zu 
können, dass sie zu gehöriger Zeit vor der Wahl um Erlaubniss 
gebeten worden sei, erhielt der Brief das Datum des 26. April. 
So spitzfindig waren bereits die diplomatischen Künste! 

Mittlerweile hatte in Avignon ein kleiner Umschwung zu 
Karls Gunsten stattgefunden, als sein Brief vom 4. April und 



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1376. Verhandlungen mit der Carfe. 



37 



die Nachricht von seinen energischen Schritten gegen die Floren- 
tiner eintraf; man ordnete sofort den Bischof Jobann von Agen 
nach Deutschland ab, da der Cardinal Robert von Genf beauf- 
tragt war, die Soldbanden, welche die Empörung in Italien unter- 
drücken sollten, dorthin zu führen. Das Verlangen, Karl möge vor 
der Wahl nach Avignon kommen, wurde nunmehr zurückgezogen, 
doch solle sich Wenzel nach der Wahl und vor der Krönung ein- 
finden. Denn dass erstere vorgenommen würde, gestand Gregor zu, 
nur darauf beharrte er, dass die Krönung nicht erfolgen dürfe, 
ehe er nicht seine Approbation ertheilt. Indem er die italische 
Angelegenheit in den Vordergrund stellte, deutete er zugleich 
den Weg an, auf welchem eine weitere Verständigung zu erzielen 
sei. Zu derselben Zeit, in der Audibert sich seine Misser- 
folge holte, um den 20. Mai, brach Bischof Johann von Avig- 
non auf. 

In den letzten Tagen des Mai war Karl nach Bacharach ge- 
zogen. Der Stand der Dinge im Mainzer Erzbisthum war seit 
dem Frieden von Tonna unverändert geblieben; Adolf war dort 
der- unbestrittene Herr. Am 13. April 1376 hatte er mit Her- 
mann von Hessen ein Abkommen getroffen, welches hauptsächlich 
~ den Zweck hatte, die Lage der Geistlichkeit in Hessen erträglich 
zu machen, im Mai war er unterstützt durch Zuzug von Köln 
und Trier gegen Speier zu Felde gezogen. Der Kaiser mochte 
ähnliche Gefahren befürchten, wie sie ihn im November 1374 be- 
droht hatten; da er selbst im gegenwärtigen Augenblicke keinen 
Schritt thun durfte, der irgend gegen Ludwig, dessen Stimme 
man brauchte, gedeutet werden konnte, wurde Wenzel vorgeschoben, 
um den Gegner zur Ruhe zu bewegen. Unter Berufung auf das 
alte Bündniss zwischen Böhmen und Mainz gelobte Wenzel, gegen 
Adolf und sein Stift und alle von ihm innegehabten und noch 
innezuhabenden Schlösser u. s. w. nicht sein zu wollen, so lange 
Adolf lebe, sofern er zu Wenzel halte. Er wolle nie gegen ihn 
Krieg fuhren und wenn er König würde, dies Versprechen unter 
königlichem Insiegel erneuern. Man wird diese Zusage nicht als 
nur formell zu betrachten haben: dass der künftige König ihn 
nie bekriegen wollte, war für Adolf nicht ohne Werth. 

Dort in Bacharach waren sämmtliche Kurfürsten um Karl 
versammelt: Ludwig von Mainz, Kuno von Trier, Friedrich von 
Köln, Ruprecht von der Pfalz, Wenzel von Sachsen, während 
Wenzel als König von Böhmen und Sigismund als Markgraf von 



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38 



Zweites Kapitel. 



1376. 



Brandenburg die Siebenzahl der Kurfürsten ergänzen. Karl war 
bestrebt, die Kurfürsten bei guter Stimmung zu erhalten; wir 
kennen Urkunden für den Pfalzer, den Kölner und den Trierer, 
welche theils neue Verleihungen, theils Bestätigung und Vollzug 
der früheren enthielten. 

Als Tag der Wahl war ursprünglich der erste Juni bestimmt, 
aber auf Bitten Audiberts hatte Karl sie bis zum 10. Juni hin- 
ausgeschoben. Die Kurfürsten waren indessen vollzählig erschienen 
und Karl wollte diese Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. 
Auf Begehr Kunos hatte ^r früher die Bestimmung der goldenen 
Bulle, welche Frankfurt als Wahlort bezeichnete, aufgehoben, in 
Rense sollte die Wahl vollzogen werden. Karl fand nun Mittel 
und Wege, mit einem geschickten Zuge dem Papste, dem Erz- 
bischofe von Trier und der goldenen Bulle gerecht zu werden. 
Rense galt seit langer Zeit als der Ort, wo die der Wahl voran- 
gehenden Berathungen der Fürsten stattfanden; diese wurden 
nun an dem ursprünglichen Termin, dem 1. Juni, dort eröffnet, 
während der offizielle Act am 10. in Frankfurt stattfinden 
sollte. 

Der erste und wichtigste, wenn auch nur formelle Punkt der 
Berathung wird der gewesen sein, ob man überhaupt zu einer 
Wahl schreiten solle; nachdem dies bejaht war, wurde Wenzel 
als der Würdigste genannt. Noch mancherlei andere Fragen 
waren zu erledigen. Sollte man Ludwig von Mainz für vollbe- 
rechtigt halten, obgleich er vom Bisthum so gut wie nichts inne- 
hatte? Er selbst hatte einen Entscheid herausfordern wollen und 
war von der Berathung weggeblieben, erst als man seine Stimm© 
für giltig erklärte, holte ihn Pfalzgraf Ruprecht herbei. Zweifel 
konnten ferner entstehen, wie es mit der Handhabung der Kur- 
stimme von Brandenburg und Böhmen gehalten werden sollte. 
Wie wir wissen, war die erstere Otto reservirt geblieben. Wahr- 
scheinlich jedoch hatte er, der gar nicht anwesend war, vorher 
seine Einwilligung gegeben, dass Sigismund bei allen Wahlhand- 
lungen Titel und Stimme führe. Da dieser noch minorenn war, 
ist zu vermuthen, dass die Kurfürsten in Rense sich erst in der 
Frage schlüssig machten. Ebenso mögen sie einig geworden sein, 
dass Karl, nicht Wenzel, die böhmische Stimme führen solle. 

Nach Schluss der Berathung verkündete Kuno von Trier 
feierlich den 10. Juni als Wahltag. 

Von Bacharach aus benachrichtigte der Kaiser am 3. Juni 



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1376 



Verhandlungen mit der Curie. 



39 



die Stadt Frankfurt, dass Wenzel einstimmig zum römischen König 
genannt sei und den 10. Juni in Frankfurt gewählt und am 24. 
Juni in Aachen gekrönt werden solle. Der Papst habe einen 
Legaten geschickt mit der Botschaft, dass er und die Cardinäle 
„iren guten willen und volbort, sovil und sie angehöret u gegeben. 
Das war allerdings nur vom Standpunkte Karls, nicht von dem 
Gregors richtig. 

Am 8. Juni, Sonntags Abends, kamen der Kaiser und sein 
Sohn begleitet von den Kurfürsten von Mainz, von der Pfalz, 
Brandenburg und Sachsen in Frankfurt an; unter Glockenklang 
zogen sie ein, während zwanzig Knechte grosse Wachskerzen auf 
Stangen voran trugen. Die Frankfurter wollten Wenzel bereits 
königliche Ehren erweisen, aber Ruprecht verwies das: Wenzel 
sei noch nicht gewählt. Am nächsten Tage folgten die Erzbischöfe 
von Trier und Köln. 

Inzwischen war Bischof Johann von Agen mit den neuen 
Aufträgen des Papstes angelangt. Er erlangte nur, dass der 
Kaiser die auf den 24. Juni angesetzte Krönung um fünfzehn 
Tage hinausschob. Karl wollte gleich nach der Wahl Ge- 
sandte zum Papste schicken, so dass dieser (da die Dauer 
einer Reise nach Avignon auf höchstens sechzehn Tage berech- 
net wurde) die Approbation und das sonst Erforderliche noch 
vor der Krönung vollziehen könne. Im Uebrigen erklärte er 
bündig, die Krönung müsse stattfinden und könne nicht weiter 
verschoben werden. So erreichte der Kaiser durch diese Schein- 
concession, dass die Legaten sich vor der Hand zufrieden geben 
mussten. — Wenzel hatte schon in Oppenheim erklärt, die Eide 
seines Urgrossvaters und Vaters leisten zu wollen; am 9. Juni 
gelobte er den beiden päpstlichen Gesandten in Gegenwart des Erz- 
bischofs Johann von Prag, des Herzogs Heinrich von Brieg, des 
kaiserlichen Hofmeisters Peter von Wartenberg und einiger No- 
tare — Reichsfürsten als Zeugen hinzuzuziehen, war gewiss mit 
Absicht vermieden worden — , dass er, sobald er zum König ge- 
wählt würde, die gedachten Eide leisten wolle, deren Wortlaut 
in die Gelöbnissurkunde bereits aufgenommen wurde. Aber auch 
hier erhob der Kaiser Schwierigkeiten. Audibert hatte die Copien 
der Eide bereits mitgebracht, aber die Authenticität ihres Wort- 
lautes wurde bezweifelt. Karl und Wenzel schwuren daher, dass 
die Eide in ihrem echten Wortlaute sollten geleistet werden, und 
man kam beiderseitig überein, dass der Protonotar Konrad von 



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40 



Zweites Kapitel. 



1376. 



Geisenheim, welcher die Approbation in Avignon nachsuchen sollte, 
gesiegelte Membranen mitnehme, auf welche er an Ort und Stelle 
den authentischen Text schreiben solle. So erreichte der Kaiser 
in unverfänglichster Weise, dass der Papst keine bindende Urkunde 
in die Hand bekam, ehe er nicht Karls Willen nachgegeben. 

Am folgenden Tage, Dienstag den 10. Juni Vormittags um 
neun Uhr, erfolgte die Wahl in der Sakristei von St. Bartholo- 
maus nach den Bestimmungen der goldenen Bulle, einstimmig 
und ohne Widerspruch. Der Kaiser wie die Kurfürsten verkün- 
deten dem Reiche das Geschehene, jeder in besonderen Briefen, 
und forderten zur Huldigung auf. Sie gelobten dem Erwählten 
Treue und Unterstützung, während Karl und Wenzel gleichfalls 
versprachen, ihnen zeitlebens beiständig zu sein. Unter Darbrin- 
gung reicher Geschenke leistete die Stadt Frankfurt ihre Hul- 
digung; persönlich nahm dann Wenzel den Eidschwur des be- 
nachbarten Friedberg entgegen, wohin ihn Frankfurts Bürger- 
meister mit fünfzig Pferden geleitete. 

Karl verfehlte nicht, einzelnen Kurfürsten alsbald seinen Dank 
für die Gewährung ihrer Stimme abzustatten. Noch am Tage 
der Wahl bestätigte er dem sächsischen Herzoge Wenzel und 
dessen Descendenz das Kurrecht, an welches der Neffe desselben, 
Albrecht, Ansprüche erheben konnte, und beiden zusammen den 
Besitz Lüneburgs; es ist dies die sogenannte goldene Bulle Sach- 
sens. An Kuno von Trier wurden die 40,000 Gulden ausgezahlt, 
welche diesem versprochen waren für den Fall, dass er die Land- 
vogtei in der Wetterau nicht erhielte. 

Wir bemerkten bereits, dass Sigismund die Kurstimme Bran- 
denburgs geführt hatte. Gewiss geschah das nicht ohne Einwil- 
ligung Ottos, dessen Recht zugleich formell gewahrt wurde. Ob- 
gleich er nicht in Frankfurt anwesend war, wurde doch eine Ur- 
kunde, datirt vom 10. Juni, ausgestellt, in welcher er wie die 
übrigen Kurfürsten erklärte, Wenzel seine Stimme gegeben zu 
haben und ihm treu und gewärtig sein zu wollen. Wahrschein- 
lich wurde diese Urkunde später ausgefertigt, denn erst am 27. 
Juni versprach Karl in gleicher Weise, wie er es vorher den 
anderen Kurfürsten gethan, Otto beiständig zu sein, da dieser 
Wenzel seine Stimme gegeben, und bestätigte die Privilegien der 
Baiernherzöge. Die gleichzeitige Verpfändung der Reichsstadt 
Donauwörth für 60,000 Gulden war offenbar der Preis für den 
guten Willen Ottos. Wahrscheinlich war Herzog Friedrich da- 



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1376. 



Gesandtschaft an den Papst. 



41 



mals selbst beim Kaiser ; er mochte zur Krönung gekommen sein, 
die ursprünglich am 24. Juni stattfinden sollte. Wenigstens ist 
er dann in Aachen mit eingezogen. 

Die Wahl war glücklich vollzogen, ohne dass der Kaiser des 
Papstes Genehmigung abgewartet hätte, dessen Forderungen nur 
zum geringsten Theil und auch das nur scheinbar erfüllt waren. 
Jetzt kam der Cardinalpunkt derselben in Frage: die Einholung 
der Approbation vor der Krönung. Es geht klar aus den ganzen 
Verhandlungen hervor, dass Karl hierin nicht nachgeben wollte; 
andererseits kam es ihm doch darauf an, einen Bruch mit dem 
Papste zu vermeiden. Wir erinnern uns, dass er vor der Wahl 
sich des Beistandes der deutschen Fürsten versichert hatte, indem 
er ihnen das päpstliche Schreiben vom 4. Mai vorlegte. Noch 
gingen die Wogen der Entrüstung hoch, und als Karl jetzt an 
die Curie Gesandte schicken wollte, verweigerten die Kurfürsten 
oder ein Theil derselben die Briefe über die Wahl, indem sie be- 
haupteten, ihre Freiheit und die Reichsrechte würden angetastet. 
Vier Tage gingen die Verhandlungen. Karl „erhielt endlich ihre 
Briefe in der Form wie er konnte und nicht wie er wollte", ver- 
sichert Audibert. Doch dem Kaiser war die Weigerung der 
Fürsten gewiss willkommen; auf sie gestützt konnte er die Curie 
hinhalten, während er seinerseits den Schein von Ergebenheit 
und Gefügigkeit wahrte. Je länger der Abgang der Gesandten 
sich verzögerte, desto weniger wurde es möglich, dass in der 
ohnehin aufs knappste zugemessenen Zeit die päpstliche Appro- 
bation erfolgte und nach Aachen gelangen konnte. Dann aber 
war die Krönung ohne vorherige Approbation eine Thatsache, mit 
der den Papst schliesslich auszusöhnen immer noch möglich war. 
So war jener Aufschub der Krönnng, zu welchem sich Karl ver- 
standen hatte, immerhin eine Concession, aber doch ohne jeden 
praktischen Werth. 

Wahrscheinlich geschah es in Folge dieses Widerspruchs der 
Fürsten, dass die Anzeige der Wahl an den Papst in einer doppel- 
ten Form vorliegt. Die erste Abfassung ist gewiss in den Briefen 
enthalten, welche ganz in dem Tone des Schreibens vom 30. März 
dem Papste kurz die Thatsache mittheilen, die versammelten 
Kurfürsten hätten Wenzel gewählt zur Unterstützung des vom 
Alter gebeugten Kaisers; sie bäten den Papst, dem einstimmig 
Gewählten die gewohnte Gnade und Gunst zu erweisen. Wahr- 
scheinlich gelang es dann, wie Audibert versichert, dem Kaiser, 



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42 



Zweites Kapitel. 



1376. 



zu vermitteln und zweite Urkunden in milderer Sprache zu er- 
wirken. In weit umfangreicheren Schreiben wird die Wahl aus- 
führlich motivirt und in einer dem. Papste gewiss willkommenen. 
Weise namentlich auf die in Italien drohenden Gefahren hinge- 
wiesen, deren Beseitigung einen kräftigen Herrscher erfordere $ 
die Vorgänge der Wahl selbst werden näher geschildert. „Daher 
bitten wir Eure unermessliche Milde demüthig und ergeben, dass 
Ihr den Erwählten mit väterlicher Güte umfassen, ihn König 
nennen und seine Person für passend zu einer so hohen Würde 
halten möget, dass Ihr zu angemessener Zeit und angemessenem 
Ort ihm die Weihe zu ertheilen und das kaiserliche Diadem auf- 
zusetzen die Gnade haben möget, wie es von Alters her gebräuch- 
lich, damit Alle wissen und einsehen, dass Euch Gott gesetzt hat 
zur Leuchte der Völker und durch den Entscheid Eurer Heilig- 
keit dem Erdkreise nach dunklem Gewölk der ersehnte heitere 
Himmel strahle." — Der ganze Passus, der in ähnlicher Weise 
auch bei früheren Wahlen gebraucht wurde, bezieht sich lediglich 
auf die Kaiserkrönung; von einer Approbation ist keine Rede und 
die Aachener Krönung wird als selbstverständliche Folge der 
Wahl gar nicht erwähnt. 

Die Briefe zu überbringen wurden der Bischof Eckard von 
Worms, der Graf Eberhard von Katzenellenbogen und der Dekan 
von Speier, Konrad von Geisenheim bestimmt; eine Anzahl bur- 
gundischer Herren sollten unterwegs herangezogen werden, um 
in Avignon glänzender aufzutreten. Ihnen übergab auch der Er- 
wählte seine Aufträge. Sie sollten den Papst bitten, Wenzel seine 
Gunst und Gnade zu gewähren und ihn nach Karls Tode oder 
Resignation mit der Kaiserkrone zu schmücken ; ferner auf seine 
Seele zu schwören, dass er dieselben Eide leisten würde, wie 
Heinrich VII. und Karl IV. und welche sonst erforderlich wären. 

Am 16. Juni etwa traten Audibert und Bischof Johann, die 
Gesandten des Papstes, den Heimweg an; sie hatten gegenüber 
der gewandten Politik des Kaisers nichts erreicht. Bei Hofe blieb 
Thomas de Amanatis zurück, welchem Audibert die Copien der 
Eidesformeln übergeben hatte, deren Authenticität aber bezweifelt 
worden war. — In seine Hände legte Wenzel am 16. Juni den 
Eid nieder, dass er, sobald der Papst ihn approbirt haben würde, 
die bewussten Schwüre leisten wolle. Wiederum wurden die Eide 
in ihrem vollen Wortlaute aufgenommen ; gewiss aber haben Kaiser 
und König dieselbe Verwahrung eingelegt, wie am 9. Juni und 



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1376. 



Krönung Wenzels. 



43 



Thomas keine in gehöriger Form ausgefertigten Urkunden über- 
geben. 

Zar festgesetzten Zeit, am 6. Juli, wurde in Aachen die 
Krönung Wenzels und seiner Gemahlin Johanna durch den Erz- 
bischof Friedrich von Köln vollzogen; daran schlössen sich die 
glanzvollen Ceremonien der Huldigungen. Ein heftiger Streit 
zwischen dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzoge Wenzel 
von Luxemburg, welcher von beiden das Schwert vortragen dürfe, 
wurde vom Kaiser dahin geschlichtet, dass er seinen Sohn Sigis- 
mund damit beauftragte. Ueberaus zahlreich war die Menge der 
erschienenen Herren. Von den Kurfürsten fehlte nur Ludwig von 
Mainz, warum wissen wir nicht; sein Bruder, Markgraf Wilhelm 
von Meissen war dagegen anwesend. Alle drei Ruprechte von 
der Pfalz verherrlichten durch ihre Gegenwart die Feier; der 
andere Wittelsbachische Zweig war vertreten durch Herzog Albrecht 
von Holland, den Schwiegervater des Königs, und Herzog Fried- 
rich von Baiern l ). Dazu kamen die benachbarten Fürsten, der 
Herzog Wenzel von Luxemburg, die Grafen von Jülich, von Berg, 
von der Mark, von Nassau und wie die Herren alle hiessen. — 

Das grosse Ziel war erreicht, die drohenden Klippen glück- 
lich umsegelt. Die Krönung erfolgte ohne Approbation des Pap- 
stes; ohne dessen Verbot zu achten führte Wenzel Titel und 
Siegel eines römischen Königs und stellte als solcher Urkunden 
aus. Der Grundsatz der goldenen Bulle war siegreich behauptet 
worden ; nunmehr auf sicherer Basis stehend konnte Karl weiteren 
Verhandlungen mit dem Papste über die Anerkennung und künf- 
tige Ertheilung der Kaiserkrone ohne Sorge entgegensehen. 

Im Reiche scheint man die Nachricht von Wenzels Wahl 
mit Befriedigung aufgenommen zu haben; wenigstens waren die 
Kämpfe, welche seit Heinrichs VI. Tode fast jeden Thronwechsel 
begleitet hatten, glücklich vermieden. Freilich blieb nicht ver- 
borgen, mit welchen Mitteln Karl seine Absicht erreicht hatte, 
wie „tapfer der Gulden mitlief", aber war es sonst viel anders 
zugegangen, war nicht die deutsche Krone oft genug verhan- 

1) Den corrumpirten Namen aof S. 177 Z. 5 der Reichstagsacten (RA) 
heransg. v. Weizsäcker möchte ich jetzt nicht mehr „Herzog Friedrich von 
Baiern" erganzen, wie ich in den Forsch. XIV, 292 gethan. Unzweifelhaft ist 
zu lesen: Herzoge Alf von Beyeren; gemeint ist Pfalzgraf Ruprecht II., der 
häufig Adolf genannt wird. — Doch ist Friedrichs Anwesenheit beglaubigt 
durch RA. S. 170 Z. 11. 



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44 Drittes Kapitel 1376. 

delt worden? Später allerdings als Wenzel sich immer weniger um 
das Reich kümmerte und schliesslich abgesetzt wurde, als er gar fiir 
den „Aushecker der hussitischen Ketzerei" galt, erschien die Artseiner 
Erhebung um so tadelnswerther. Da genügte sogar die Wahrheit 
über die Wahl noch nicht und man gefiel sich in immer grös- 
seren Uebertreibungen. 



Drittes Kapitel. 

Gründung des schwäbischen Städtebundes. 

Die süddeutschen Reichsstädte verfolgten indessen des Kai- 
sers Politik mit schwerer Sorge. Nur zu wohl wussten sie, wie 
wenig Karl zu trauen war, der in ihren Kreisen geradezu als 
„durchächter der Christenheit" bezeichnet wurde »)« Zu wieder- 
holten Malen hatte er die Städte in gefährlichen Lagen im Stich 
gelassen, erst vor drei Jahren den grössten Theil der Kosten für 
die Erwerbung der Mark Brandenburg in unerhörter Weise von 
ihnen erpresst; da war Grund genug zu der Befürchtung vor- 
handen, dass er jetzt ein ähnliches Spiel versuchen würde. Schon 
fehlte es nicht an bedrohlichen Anzeichen. Ganz abgesehen von 
den Städten am Rhein, welche in Ruprechts Pfandbesitz über- 
gingen, war schon im April die fränkische Reichsstadt Feucht- 
wang für 5000 Gulden an Friedrich von Nürnberg verpfändet 
worden 2 ) , die nie mehr ihre Freiheit erlangte und zur Zollera- 
schen Landstadt herabsank. Am 27. Juni erlitt Donauwörth das- 
selbe Schicksal; zum dritten Male in diesem Jahrhundert wurde 
die Stadt versetzt, für die hohe Summe von 60,000 Gulden an 
die bairischen Herzöge Otto, Friedrich und Johann 8 ). 

Während die Fürsten den jungen König nach Aachen gelei- 
teten, kam ein grosser Theil der Städte überein, nötigenfalls 
mit den Waffen in der Hand ein gleiches Schicksal abzuwenden. 
Schon am 4. Juli schlössen vierzehn von ihnen, Ulm, Konstanz, 

1) Stchr. Augsburg I, 42. 

2) Mon. Zoll. IV, 362. 

3) Wilhelm Vischer Geschichte des schwäbischen Städtebundes der Jahre 
1376-1389 in Forsch, zur d. Gesch. 1861, II, 1 ff. Reg. 80, 81; vgl. S. 40. 



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1376. 



Gründung des schwäbischen Städtebundes 



45 



U eberlin gen, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, 
Reutlingen, Rotweil, Memmingen, Biberach, Isny und Leutkirch 
ein Bündnis8 gültig bis zum 23. April 1380; ein Ulmer Bürger- 
meister hat die Anregung gegeben, wie uns glaubhaft erzählt 
wird Der Bund wurde errichtet gegen Jedermann ohne Aus- 
nahme, welcher die Städte mit Schätzung, Verpfändung oder in 
anderer Weise bedrängen würde, nur dem Reiche soll sein Recht 
gehalten werden. „Wir wollen unbeschatzt, un versetzt, unver- 
kauft, unheimgegeben bei unsrer gewöhnlichen Steuer und dem 
Reiche bleiben", erklärten späterhin unzweideutig die Verbün- 
deten 2 ). Das Bündniss lief zunächst nur auf diesen einen Zweck 
hinaus, deswegen sind die einzelnen Bestimmungen energisch und 
durchgreifend. Gemeinsames Handeln ist zur strengen Pflicht 
gemacht: wird ein Mitglied dieser Sachen wegen angegriffen, so 
haben ihm alle Beistand zu leisten; ergeht eine Mahnung vom 
Kaiser, vom Könige und von irgend Jemandem deswegen an die 
Städte, so darf keine Stadt einzeln antworten oder ihren Vortheil 
suchen, sondern nach dem Beschlüsse der Mehrheit soll die Ant- 
wort ertheilt werden. Neue Mitglieder, Städte, Herren, Ritter 
und Knechte können Aufnahme in den Bund finden, wenn es die 
Mehrheit genehmigt. Zu den gemeinsamen Berathungen, welche 
bei Strafe besendet werden müssen, schicken Ulm und Konstanz 
je zwei, die übrigen Städte je einen Boten aus ihren Räthen 8 ). 

Bald sollte sich zeigen, ob dem Bündnisse die rechte Kraft 
inne wohne. Gegen Ende Juli kamen der Kaiser und der König, 
die von Aachen über Mainz und Frankfurt gezogen waren, nach 
Nürnberg, um dort die Huldigungen der süddeutschen Herren 
und Städte entgegenzunehmen. Karl schickte an sämmtliche 
Reichsstädte Bevollmächtigte 4 ), welche den Eid empfangen soll- 



1) Detmars Chronik hrsg. v. Grautoff I, 309. 

2) Ulm an Frankfurt am 8. Nov. 1376 bei Janssen Frankfurts Reichs- 
correspondenz I, S. 1, n. L 

3) Vischer a. a. O. Reg. 82. 

4) Der Huldigungsbefehl an Rotenburg a. T. in RA. n. 99, dem die an die 
andern Städte gerichteten gleich gelautet haben werden. Wir kennen Privi- 
legienbestätigungen, die gewiss erst nach erfolgter Huldigung gegeben wurden, für 
Nürnberg, Nördlingen, Dinkelsbühl, Schweinfurt, Kempten, Weil, verzeichnet 
bei Pelzel I, 54—56; für Augsburg (Stchr. Augsburg I, 46), Rotenburg a. 
T.j Windsheim (Reg. Bo. IX, 353, 355), Wimpfen (Baur Hess. Urk. I, 466), 
Pfullendorf (Hugo Mediatisirung 349), Bopfingen, Esslingen (Stälin ÜI, 317), 
Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Uri und Unterwaiden (Arch. für Schweiz. Gesch. 



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46 



Drittes Kapitel. 



1376 



ten ; ein grosser Theil gehorchte bereitwillig und erhielt dafür Be- 
stätigung der Privilegien und neue Verleihungen. Nur die Städte 
des Bundes blieben trotzig und vorsichtig zurück» sie sandten 
ihre Botschaft nach Nürnberg und erklärten nur dann huldigen 
zu wollen, wenn ihnen Briefe darüber gegeben würden, dass sie 
unversetzt und unbeschatzt bei allen Rechten bleiben und ihren 
Bund aufrecht erhalten dürften. Beide Forderungen wurden ab- 
geschlagen und der Kaiser liess wie die Städte klagten ihre Ge- 
sandten vor den Fürsten und Herren hart an. Vergebens warnte 
Nürnberg vor der schweren Ungnade des Kaisers und rieth zur 
Fügsamkeit, schon war Kaufbeuern zum Bunde getreten, am 3. 
September schloss sich ihm auch Weil an 1 ). 

Denn obgleich diese Stadt unter den ersten gewesen war, 
welche ihre Huldigung darbrachten, war sie doch am 24. August 
an den alten Städtefeind, an Eberhard von Wirteinberg für 40,000 
Gulden verpfändet worden, zusammen mit dem Schultheissenamt 
in Esslingen und Gmünd und einigen Dörfern bei Rotweil; dem 
Grafen wurde zugleich gestattet, die Reichspfandschaften in und 
ausser den Reichsstädten zu Niederschwaben — dessen Vogtei 
er seit 1371 innehatte, während die von Oberschwaben und Augs- 
burg bei den Baiern stand — und in den andern Städten, welche 
er vom Kaiser und Reich innehatte, einzulösen 3 ). Solche Vor- 
gänge konnten den Bund in seiner ablehnenden Haltung nur be- 
stärken und ihm neue Genossen zufuhren. — 

Der Kaiser beschloss den Ungehorsam zu brechen ; der Bund, 
dessen Glieder in die Reichsacht gethan wurden, sollte an seiner 
Wurzel gefasst werden. Mit gewaltiger Macht zog er über Giengen 
nach Ulm, vor dessen Mauern er am 2. October anlangte; ihn 
begleiteten der Erzbischof Ludwig von Mainz , die Bischöfe von 
Bamberg, Würzburg und Eichstädt, der Kurfürst Ruprecht, die 
bairischen Herzöge Stephan und Friedrich, Graf Eberhard, Burg- 
graf Friedrich und andere Herren und Ritter aus Süddeutschland 
und Böhmen; auch viele Städte, wie Nürnberg und Nördlingen 
hatten ihre Mannschaft stellen müssen. Aber wie es bei den 



I, 127). Ebenso hat Regensburg gewiss gehuldigt, vgl. Gemeiner Regensburg. 
Chronik II, 180. — Ueber die Huldigung der rheinischen und elsässischen 
Städte siehe RA. S. 155 Anm. 

1) Janssen a. a. 0. Stchr. Nürnberg I, 85, 131. Visoher Reg. 84. 

2) Vischer Reg. 83. 



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1376-1377. 



Karl und der St&dtebund. 



47 



damaligen Feldzügen zu gehen pflegte: gegen die feste Stadt ver- 
mochte das Heer, so zahlreich es war, nichts auszurichten. Nur 
die Umgegend wurde verwüstet, von den Bürgern erntete der 
Kaiser lediglich Spott und Hohn. Die grosse Unternehmung 
verlief kläglich im Sande; nachdem die Herzöge Stephan und 
Friedrich zwischen Karl und dem Bunde einen Waffenstillstand 
bis zum 18. November vermittelt, zog ersterer schon am 9. Octo- 
ber wieder ab. Auf einem Tage zu Nürnberg sollten die Sachen 
verhandelt werden, aber dieser kam gar nicht zu Stande. Die 
Städte, welche die Zwischenzeit benutzten, um ihre Umwallung 
zu verstärken, schickten ihre Boten nicht, weil sie behaupteten, Eber- 
hard habe den Waffenstillstand gebrochen, ein Vorwurf, den dieser 
freilich entrüstet zurückwies. So zog es Karl, der bis Mitte No- 
vember in Nürnberg verweilte, Angesichts der Vergeblichkeit 
längeren Zuwartens vor, nach Böhmen zurückzukehren, indem er 
mit der Führung des Krieges Eberhard und die bairischen Her- 
zöge beauftragte l ). 

Den Städten war das Glück hold, so dass sich nach Anfang 
des neuen Jahres die Baiern mehr und mehr von dem Kampfe 
zurückzogen, ihn Eberhard überlassend. Der Bund hatte seine 
erste Probe gut bestanden ;• vor dem 23. October war Kempten 
beigetreten, am 1. Januar 1377 kam auch das mächtige Esslingen 
hinzu, welches wie Ulm und Konstanz zwei Räthe zu den Ver- 
sammlungen schickte 9 ). Das neue Mitglied zeigte sich beson- 
ders rührig, da es am meisten von Wirtemberg gefährdet war; 
es richtete seine Werbung auch an andere Städte, sie zum Bei- 
tritte auffordernd. 

Der Kaiser musste einsehen, dass er diesmal nicht durch- 
dringen würde. Um weiteren Abfall zu verhüten, gab er am 1. 
Februar von Prag aus an Nürnberg die bestimmte und bündige 
Zusicherung ab, dass er mit Wenzel die getreuen Städte nimmer- 
mehr im Stiche lassen und sie nie verpfänden und beschatzen 
wolle. Die allezeit zum Frieden geneigte Stadt verfehlte nicht, 
am 15. Februar die noch nicht im Bunde befindlichen Schwestern 



1) Janssen a. a. 0. Vischer Reg. 89. St ehr. Nürnberg I, 35. Augsburg T, 
48; vgl. Staelin Wirtembergische Geschichte III, 319 und die Urkunden bei 
Böhmer Acta imperii II, 588 und Sugenheim Gesch. des deutschen Volkes III, 
377 Anm. 71. 

2) Vischer Reg. 85. 90. 



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48 



drittes Kapitel 



nach Dinkelsbühl einzuladen, um ihnen die gute Meldung zu thun ; 
Boten brachten dann dem Kaiser von ihrem Erfolge Bericht 1 ). 

Karl war jetzt ernstlich zum Frieden bereit. Er selbst sehnte 
sich danach, der neuen Erwerbung seines Hauses, der Mark Bran- 
denburg, seine sorgsame Pflege angedeihen zu lassen; das Frie- 
denswerk bot zugleich die beste Gelegenheit, den jungen König 
dem Reiche und namentlich dem unruhvollen Süden bekannter 
und werther zu machen und ihn in der Handhabung der Regie- 
rungsgeschäfte zu üben. So ernannte ihn Karl am 22. Februar 
1377 zum Verweser im Reiche und ertheilte ihm unumschränkte 
Vollmacht 2 ). 

Während der Kaiser in der Mark aufbrach, erschien der 
König schon in der ersten Hälfte des Märzmonates im Reiche ; 
er hielt sich abwechselnd in Nürnberg und Rotenburg auf , im 
lebhaften Verkehr mit den getreuen Städten. Auch mit den 
Bundesstädten wurde angeknüpft; am 18. Mai soll bereits die 
Aussöhnung zu Stande gekommen sein, in welche auch Eberhard 
von Wirtemberg aufgenommen wurde. 

Aber noch ehe diese Nachricht bekannt wurde, erfochten am 
21. Mai die Reutlinger ihren berühmten glänzenden Sieg über Eber- 
hard und die mit ihm verbündeten Herren. Dadurch wurde die 
Sachlage noch mehr zu Gunsten der Städte gewendet. Wenzel, 
ohnehin zur Nachgiebigkeit geneigt, war völlig zufrieden, wenn 
ihm die Städte nur die bisher verweigerte Huldigung leisteten; 
die auf Eberhard zu nehmenden Rücksichten fielen ausser Be- 
tracht. 

In den letzten Tagen des Mai kam in Rotenburg das Frie- 
denswerk zu Stande. 

Wenzel sicherte in Karls Namen den achtzehn Städten, „welche 
sich wider ihn und uns gesetzt hatten", des Kaisers Gnade zu, 
den vier vom Wirtembergischen Gebiete eingeschlossenen: Esslingen, 
Reutlingen, Rotweil und Weil gelobte er, dass sie in Zukunft nie 
mehr unter die Landvogtei oder in irgend ein Abhängigkeitsver- 
hältniss von Wirtemberg oder Hohenlohe kommen sollten. — 
Die Städte wurden aus der Acht gelassen und alle Sachen, derent- 
wegen sie seit einem Jahre verklagt, wurden für todt und ab- 



1) Lochner Gesch. d. Reichsstadt Nürnberg zur Zeit K. Karls IV., 212 ; 
RA. S. 187 Anra.; S. 193 Anm.; S. 202 n. 115; vgl. Stchr. Augsbnrg I, 184. 

2) RA. n. 101. 



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1377. 



Frieden zu Rotenburg a. T. 



49 



gethan erklärt. Zugleich wurde eine vollkommene Sühne zwi- 
schen dem Kaiser und dem Könige und ihren Helfern, namentlich 
Herzog Stephan von Baiern, den Grafen Eberhard und Ulrich von 
Wirtemberg, dem Grafen Heinrich von Werdenberg, dem Herzoge 
Friedrich von Teck, Kraft und Götz von Hohenlohe einerseits und 
den Städten und ihren Helfern andererseits errichtet: die Gefangenen 
sollten auf Urfehde frei sein, alle Ladung, Klage, Anleite und Acht 
gegen die Städte aufgehoben werden ; keiner der Gegner dem andern 
wegen der geschehenen Thaten weiterhin Feind sein. Der König wolle 
gegen Jeden, der diese Sühne übertrete, dem verletzten Theile 
Beistand leisten. Allen den Städten wurden ihre Privilegien be- 
stätigt und sie vor jeder Verpfändung in Zukunft sicher gestellt. 
Und indem ihnen gestattet wurde, jedem dawider Handelnden 
vereint Widerstand zu leisten, erhielten sie damit die Anerkennung 
ihres Bundes. Am 15. Juni erfolgte in Tangermünde die kaiser- 
liche Bestätigung. 

Doch sollte dem Bunde ein Gegengewicht in Schwaben selbst 
geschaffen oder wenigstens sein Wachsthum verhindert werden. 
Die treugebliebenen Städte Niederschwabens Heilbronn, Gmünd, 
Hall, Dinkelsbühl, Wimpfen, Weinsberg und Bopfingen erhielten 
ebenfalls Bestätigung ihrer Privilegien und Rechte und das Ver- 
sprechen, durch Versetzung oder dergleichen weder vom Reiche 
noch von einander getrennt zu werden. Gegen Angriffe und 
Raub dürfen sie sich gemeinsam wehren, aber niemals sich mit 
denen von Ulm und den anderen schwäbischen Städten , die sich 
gegen den Kaiser empört, vereinen. So schlössen sich diese Städte 
mit kaiserlicher Genehmigung zu einem Bunde zusammen, der 
freilich vor der Anziehungskraft des älteren und stärkeren nicht 
lange Stand hielt 1 ). 

Schon am 27. Mai hatte Wenzel mit den Fürsten und Städten 
eine Landfriedensordnung für Franken und die damit unmittelbar 
angrenzenden Lande nördlich von der Donau vereinbart. Drei 
Jahre sollte sie gelten, wenn sie der Kaiser nicht vorher widerriefe. 
Die Bestimmungen zeichnen sich unter den zahllosen ähnlichen 
Abmachungen durch ihre Energie aus. Auffallend ist auch die 



1) Von den Städten der niederschwäbischen Landvogtei waren demnach 
nur Nördiingen, Aalen und Donauwörth ausserhalb eines der beiden Bünde. 
Letzteres war bereits verpfändet und Aalen ereilte dieses Schicksal sehr 
bald. — Ueber den Reichstag siehe Beilage L 

Tb. Lind n er, Geschichte des denlsshen Reiches. I. 4 



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50 Drittes Kapitel. 1377. 

bedeutende Stellung, welche dem Kaiser oder dem von ihm er- 
nannten Hauptmanne zugewiesen ist: ihm kommt nicht nur die 
Anführung von kriegerischen Unternehmungen und eine Art von 
Polizeiaufsicht zu, er bestimmt auch in Nothfällen das Contingent, 
welches jedes Mitglied zu stellen hat. Gemeinsame Hilfe wird ge- 
leistet gegen Raub, Mord, Brand, Fangen und unrecht Widersagen, 
gegen verdächtige Personen wird streng eingeschritten. — Haupt- 
mann wurde wohl Burggraf Friedrich von Nürnberg, da gegen 
Ende September der Landfrieden in Erlbach beschworen wurde. 

Bis in die Hälfte des Juli verweilte Wenzel in Nürnberg, 
damit beschäftigt, die Angelegenheiten völlig zu ordnen; am 18. 
Juni bestätigte er dort den baierischen Herzögen die Landvogtei 
von Oberschwaben *)• Dann kehrte er nach Böhmen zurück. 

Der Frieden in Schwaben war jedoch keineswegs hergestellt. 
Graf Eberhard war allzu ungünstig gefahren, als dass er die Sühne 
hätte annehmen mögen, ohne grössere Unterbrechung tobte der 
Kampf zwischen ihm und den Städten weiter. Als auch jetzt 
der Bund die besten Erfolge errang, musste der Anschluss an 
denselben den anderen Städten im vortheilhaftesten Lichte er- 
scheinen, vor allen denen, welche in der Landvogtei Niederschwa- 
ben und somit unter dem Wirtemberger sassen. Nördlingen trat 
am 9. August ein, in den Tagen vom 16. bis zum 25. folgten danQ 
sämmtliche sieben Städte, welche Wenzel eben erst zu einem Sonder- 
bunde zu einen gesucht hatte, und Aalen. So zählte der Städte- 
bund bereits 27 Mitglieder; am 26. September trat mit Erlaub- 
niss des Abtes von St. Gallen auch das Ländchen Appenzell bei. 
Als daher Karl am 20. September Aalen mit den Schlössern 
Lauterburg und Rosenstein für 20,000 Goldgulden an Wirtemberg 
verpfändete, war das völlig wirkungslos 2 ). 

Aber gerade solche Vorgänge zeigten immer wieder den 
Städten, wie wenig sie dem Kaiser vertrauen konnten, wie rath- 
sam es sei, sich nur auf die eigene Kraft zu verlassen. 
Daher erneuerten am 20. December 1377 die 27 Städte ihren 
Bund auf derselben Grundlage, auf welcher die vierzehn am 4. 
Juli 1376 zusammengetreten waren; bis zum 23. April 1385 sollte 
er in Kraft bleiben. Wenn damals nur eine augenblickliche, Gefahr 

1) Reg. Bo. IX, 377. Die letzte von Nürnberg datirte Urkunde Wenzels 
ist vom 8. Juli, a. a. O. 379. 

2) VischerReg.100, 102-109, 112; Hugo Die Mediatisirung der deutschen 
Reichsstädte 203. 



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1377. Böndniss der Städte mit den Herzögen von Oestreich. 51 

abgewehrt werden sollte, wurde jetzt die Einigung allmälig zü 
einer dauernden Institution, um die Interessen der Städte, vor 
allem ihre Reichsfreiheit zu wahren. „Es hat sich gezeigt, dass 
die gemeinen Lande dadurch am besten geschirmt und das hei- 
lige Reich gestärkt und gemehrt wird, wenn wir einhellig, ein- 
ander beiständig und zum Frieden berathen und beholfen sind.* 
Eine Erweiterung des Bundes durch Aufnahme neuer Mitglieder 
wird ganz besonders ins Auge gefasst , die Einsetzung eines 
Schiedsgerichtes, um Streitigkeiten der Mitglieder unter einander 
zu schlichten, diente dazu, die Kraft gegen aussen zusammen- 
zuhalten 

Inzwischen boten die Herzöge Albrecht und Leopold von 
Oestreich den Städten ein Bündniss an. Die Habsburger hatten mit 
Glück und Geschick mehr und mehr in Schwaben Fuss gefasst. 
Durch die Erwerbung Tirols und Vorarlbergs war nunmehr die 
Verbindung der vorderen Lande mit Oestreich hergestellt worden ; 
eben ging Leopold damit um, die Grafschaft Hohenberg, welche 
mitten im Herzen von Schwaben lag, anzukaufen. Mit Aufmerk- 
samkeit verfolgten daher die Brüder und namentlich Leopold die 
schwäbischen Dinge und trachteten danach, dort weitere Verbin- 
dungen anzuknüpfen. Ihre guten Beziehungen zum Kaiser er- 
regten ihnen wohl schon damals Hoffnung auf die schwäbischen 
Landvogteien, umsomehr da Wirtemberg eben die obere Land- 
vogtei von Niederschwaben hatte aufgeben müssen. Darin konnte 
der gute Willen der Städte ihnen nur förderlich sein, während 
von Eberhard und den Baiern sich Widerstand erwarten Hess. Ueber- 
haupt musste letzteren ein weiteres Wachsen der Habsburgischen 
Macht im höchsten Grade störend sein, während für den Augen- 
blick wenigstens die Städte in ihr ein Gegengewicht gegen Eber- 
hard zu finden hofften. So ist es erklärlich, wenn die Habsbur- 
ger dem Bunde die Hand darboten und dieser sie annahm. In 
jedem Falle gewannen die Städte eine tüchtige Unterstützung für 
den Krieg, welchen sie eben führten, während die Herzöge durch 
das Bündniss sich sicherten, dass die Städte nicht feindlich gegen 
sie selbst auftraten, mochten sie nun mit den Schweizern oder sonst 
in der dortigen Gegend Händel finden 2 ). Ein gutes Einvernehmen 

1) Die Urkunde bei Vischer a. a. 0. S. 188; vergl. Stchr. Augsburg 1, 186. 

2) Stalin III, 825 und Vischer 81 meinen, die Herzöge hatten den Bund 
mit den Städten namentlich deswegen geschlossen, um einer Verbindung der- 
selben mit der schweizerischen Eidgenossenschaft zuvorzukommen. Das scheint 

4* 



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52 



Drittes Kapitel 



1378. 



mit den schwäbischen Städten blieb für die nächsten Jahre ein 
Hauptzug der Östreichischen Politik. 

Am 13. Februar 1378 kam das Bündniss, welches sich bis 
zum 23. April 1382 erstrecken sollte, zum Abschlüsse. Die Städte, 
zu denen damals auch ßuchau trat, und die Herzöge Leopold 
und Albrecht für ihre Länder Elsass, Breisgau, Sundgau, Aargau, 
Thurgau, Kurwalchen und Schwaben gelobten sich gegenseitig zu 
helfen wider Jedermann, Niemand ausgenommen, der sie von 
Freiheit und guten Rechten treiben wolle 1 ). 

In der That blieb das Bündniss nicht auf dem Papiere , es 
trat bald in Wirksamkeit. Die Städte nahmen Anfang 1378 den 
Krieg mit aller Macht gegen Eberhard auf und brachen zahlreiche 
Burgen; verstärkt durch 300 Spiesse unter der Anführung des 
östreichischen Landvogtes machten sie einen verheerenden Plün- 
derungszug bis in das Herz des wirtembergischen Landes und 
beschossen sogar Stuttgart. Ebenso glücklich wurde auf einem 
anderen Kriegsschauplätze gekämpft; am 17. Mai war Rotenburg 
a. T. beigetreten und damit der Bund auch nach Franken hinein 
erweitert; als der Bischof Gerhard von Würzburg und der Graf 
von Hohenlohe die Stadt belagerten, wurden sie nicht nur blutig 
zurückgewiesen, sondern selbst in ihren Landen schwer heim- 
gesucht 2 ). 

Entsetzliche Verwüstungen wurden nach allen Seiten hin an- 
gerichtet; man begnügte sich, dem Gegner möglichsten Schaden 
an seinem Gute zu verursachen, zu grösseren Gefechten und an- 
dauernden Belagerungen ist es nicht gekommen. Der Strass- 
burger Chronist Königshofen entwirft ein trauriges Bild von dem 
Kriege und seinen Folgen, welches kaum übertrieben ist. „Schwa- 
benland ward so verheert, dass auf beiden Seiten kaum ein Dorf 
war, welches nicht verbrannt oder geschätzt worden wäre. Be- 
sonders die Wirtemberger thaten den Reichsstädten grossen 
Schimpf und Schaden. Sie verheerten vor den Städten und in 
den Dörfern, was sie konnten, sie hieben das Getreide mit den 
Schwertern nieder, pflügten die Wiesen und Aecker um und säeten Senf 
hinein; denn Senf hat die Eigenschaft, dass er, einmal gesäet, 

mir nicht wahrscheinlich, da vor kurzem am 28. März 1376 der sogenannte Thor- 
bergische Frieden zwischen Oestreich und den Schweizern bis 1387 verlängert 
worden war. Letztere hielten sich auch vom Bunde völlig fern. 

1) Vischer Reg. 112, 115. Stchr. Augsburg I, 54. 

2) Stchr. Augsburg I, 55—57. Vischer Reg. 116. 



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1377. Karls Verhältniss zu den Herzögen von Mecklenburg. 53 

immer wieder wächst und nicht beseitigt werden kann. Sie schnit- 
ten auch die Reben ab und schlugen die Fruchtbäume um. So 
wurden in dorn Kriege 1500 Dörfer verheert und verbrannt und 
gegen 1400 Menschen gefangen und erschlagen." Den Wirtem- 
bergern wurde sogar nachgesagt, dass sie wehrlose Gefangene 
niederstächen. Die Städte , versichert Könighofen , hätten 
solche Unmenschlichkeit nicht begangen, sondern nur das Vieh 
genommen, geraubt und gebrannt und Gefangene gemacht, wie 
man das im offenen Kriege thut 

Es war hohe Zeit, dass endlich der Kaiser sich wieder ins 
Mittel legte. 



Viertes Kapitel. 

Das letzte Jahr Karls IV. 

Karl brachte den Sommer und den Herbst des Jahres 1377 in 
der Mark zu, meist in seinem Schlosse zu Tangermünde verweilend. 
Mit unermüdlicher Thätigkeit widmete er sich den dortigen Ver- 
1 ältnissen, um Ordnung, Friede und Gedeihen dem Lande wieder- 
zugeben ; nach allen Seiten hin schloss er Bündnisse , traf er 
Verabredungen. Die norddeutschen Fürsten erschienen zahlreich 
an seinem Hofe, aber keiner stand dem Kaiser näher, wie der 
wackere Albrecht, Herzog von Sachsen-Lüneburg, mit dem ver- 
eint er mehrere Burgen belagerte und brach , den er freilich ver- 
gebens in der Lüneburger Sache zu fördern suchte 2 ). 

Auch die Mecklenburger werden den Kaiser aufgesucht ha- 
ben; nicht minder wie die Sachsenherzöge waren sie die Säu- 
len der nordischen Politik Karls. Leider ist über dieselbe noch 
wenig geforscht, ein so dankbares Feld sie auch darbietet; nur 
mehr oder minder gewagte Behauptungen sind aufgestellt worden, 
die zu besprechen hier nicht der Ort ist. Die Beziehungen Karls 
zu den Mecklenburgern reichen in die ersten Zeiten seiner Re- 
gierung; im Jahre 1348 hatte er die Fürsten zu Herzögen erhoben. 



1) Stchr. Strasburg II, 832. 

2) üeber die Braunschweig-Lilueburgischen YerlmHuisse siehe hinten. 



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54 



Viertes Kapitel. 



1377. 



Als dann später der Kampf um die Mark gegen Otto entbrannte, 
verband sich Karl mit Albrecht L, dem er die Priegnitz zu Lehen 
gab, während er sich zugleich verpflichtete, dessen Sohne 
Albrecht II. zur Behauptung der schwedischen Krone behilflich 
zu sein, welche dieser seit 1363 trug. Gerade während Karl in 
Lübeck verweilte, am 24. October 1375, starb König.Waldemar IV. 
von Dänemark ohne männliche Erben. Alsbald suchte der Schwe- 
denkönig die dänische Krone seinem Neffen Albrecht, dem Sohne 
von Waldemars Tochter Ingeborg und Herzog Heinrich von 
Mecklenburg zu gewinnen. Auch hier begünstigte ihn Karl; er 
befahl namentlich dem mächtigen Lübeck, die Mecklenburger zu 
unterstützen, freilich ohne Erfolg. Am 1. Mai 1376 kam dann 
zu Weiden eine engere Familienverbindung zu Stande, indem 
Karls jüngster Sohn Johann mit einer Tochter des Herzogs 
Albrecht I. im Beisein zahlreicher mecklenburgischer und bran- 
denburgischer Herren verlobt wurde 

Noch immer waren die Verhandlungen mit der Curie über 
Wenzels Nachfolge auf dem Königsthrone nicht zum Abschlüsse 
gekommen. Gregor hatte sich geweigert, Wenzel als König an- 
zuerkennen, ohne Resultat waren die kaiserlichen Gesandten von 
Avignon zurückgekehrt. Doch wollte Karl einen völligen Bruch 
vermeiden. Denn Wenzel konnte nicht hoffen, dereinst auch die 
Kaiserkrone ohne Genehmigung des Papstes zu tragen; die ge- 
sammte politische Lage gebot ausserdem, auf diesen Rücksicht 
zu nehmen, mit ihm in gutem Einvernehmen zu bleiben. Ohne 
jede Concession konnte es da nicht wohl abgehen, die Frage war 
nur, welcher Gestalt und wie weitreichend dieselben sein sollten; 
unmöglich konnte das bisher so glücklich vertheidigte Princip von 
der Freiheit der Königswahl noch nachträglich durchlöchert 
werden. 

Der päpstliche Nuntius Thomas von Amanatis war in Deutsch- 



1) Vgl. die Urkunden bei Riedel Cod. dipl. Brand. II, 2, 532 ff.; Hanse- 
recessc II, 120, 121. - In der ürk. bei Riedel I, 21, 463 wird die Tochter 
Albrcchts I. nicht genannt, wahrscheinlich ist eine aus zweiter Ehe gemeint. Diese 
mag aber gestorben sein, denn Johann heirathete 1388 Richardis, eine Tochter 
des Schwedenkönigs, welche ihm in kurzer Ehe eine Tochter Elisabeth gebar. 
Palacky Ueber Formelbücher zunächst in Rücksicht auf böhm. Gesch. Zweite 
Lief. (Abhdl. d. böhm. Gesellsch. d. Wiss. V. Folge, Bd. 5.) p. 92; dessen 
Geschichte von Böhmen III, 1, 53. Voigtei Genealog. Tabellen hrsg. v. Cohn 
Tafel 141. 



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Voll. 



VerhuudliiDgen mit der Curie. 



55 



land zurückgeblieben ; da er häufig bei Hofe war, ist es möglich, 
dass er die Verhandlungen weiter führte, doch wissen wir dar- 
über nichts. Indessen mussten diese eine Unterbrechung erleiden, 
als Gregor von Avignon aufbrach, um nach Rom zu gehen. Die 
Rückkehr des apostolischen Stuhles in die ewige Stadt Hess sich 
nicht länger aufschieben. Sonst war die höchste Gefahr, dass 
diese den immer dringender werdenden Werbungen der Florenti- 
ner unterlag und abfiel. Schon im Juni war der Cardinal Robert 
von Genf mit einer furchtbaren Schaar von brettonischen und 
gascognischen Söldnern in Italien erschienen. Am 13. September 
verliess endlich auch Gregor Avignon, um zur See in seine Stadt 
zurückzukehren. Nach mancherlei Unfällen und schlimmen Er- 
fahrungen zog er am 17. Januar 1377 in Rom ein, aber die er- 
sehnte Ruhe wurde ihm dort nicht zu Thcil. 

Wie wünschenswerth war es jetzt, dass der Kaiser eine thatkräf- 
tige Unterstützung gewährte, mochte er nun selbst kommen oder 
seinen Sohn schicken. So ergab es sich von selbst, die Frage 
der Approbation wieder vorzunehmen, Ende April wurden aus der 
Kanzlei in Avignon die auf die Wahlen Karls und Wenzels be- 
züglichen Actenstücke eingefordert, die etwa Ende Juli in Rom 
einliefen. In der zweiten Hälfte des September finden wir am 
kaiserlichen Hofe in Tangermünde den Bischof Galehard von 
Spoleto als päpstlichen Gesandten. Die Bedingungen, welche er 
überbrachte, waren gegen die früheren sehr herabgestimmt. 

Der Kaiser sollte einen Brief ausstellen, datirt lange vor der 
Wahl, in welchem er zur Vornahme derselben vom Papste „gracia 
beneplacitum et favor et consensus" erbittet; diesem sollte eine 
päpstliche Genehmigungsurkunde entsprechen, mindestens einen 
Monat vor der Wahl datirt. Die Curie wünschte also, spä- 
terhin urkundlich nachweisen zu können, dass sie zur rechten 
Zeit um Erlaubniss zur Wahl gebeten und letztere erst nach 
Ertheilung derselben vollzogen worden sei. Vater und Sohn soll- 
ten ferner schwören, niemals bewirken zu wollen, dass bei ih- 
ren Lebzeiten ein Nachfolger gewählt werde. Insgeheim sollten 
sie sich sogar einverstanden erklären, dass eine zur geeigneten 
Zeit gegebene päpstliche Satzung die Vornahme einer Neuwahl 
bei Lebzeiten des Kaisers ohne Erlaubniss des Papstes verbiete. 
Endlich sind die Urkunden über die von Wenzel geleisteten Eide 
Karls IV. und Heinrichs des VII., welche der kaiserliche Gesandte 



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56 



Viertes Kapitel. 



1377. 



Dekan Konrad von Avignon vorsichtiger Weise wieder mitgenom- 
men hatte, auszuliefern. 

Der erste Punkt wurde von Karl zugestanden. In der That 
wurden Urkunden in der gewünschten Form ausgetauscht, deren 
gesiegelte Originale sich noch heute im Vatican und in Wien be- 
finden, die kaiserliche trägt das Datum, vom 6. März , die päpst- 
liche das vom 3. Mai 1376. Die Genehmigung des Papstes zur 
Vornahme der Wahl bei Lebzeiten Karls ist in die oben ange- 
gebenen Worte gekleidet, auf welche die Curie das grösste Ge- 
wicht legte, die Form ist überhaupt möglichst bestimmt und 
scharf gehalten. Ferner stellte Karl am 23. September das eid- 
liche Gelöbniss aus, solange er Kaiser sei oder Wenzel nach ihm 
es wäre, wollten sie nicht bewirken, dass ein römischer König 
gewählt würde, ja es nach Kräften verhindern. 

Das dürften sämmtliche Zugeständnisse sein, welche Karl 
machte, allerdings waren 40,000 Florentiner Gulden, welche sein 
Bevollmächtigter Konrad von Wesel nach Rom mitnahm, eine 
kräftige Unterstützung. Denn diese nachträglich ausgestellten 
Urkunden gaben den Päpsten doch nur für den auch in der gol- 
denen Bulle nicht vorhergesehenen Fall einer Neuwahl bei Leb- 
zeiten des Vorgängers ein gewisses Recht, sich einzumischen ; eine 
unter gewöhnlichen Umständen vollzogene Wahl blieb nach wie 
vor ihrem Eingriffe entzogen. Da ferner die Kurfürsten ihre 
Einwilligung nicht gaben und auch Wenzel keine bezügliche 
Urkunde ausstellte, war die Begründung der päpstlichen An- 
sprüche selbst für diesen Fall eiue schwache und Karl konnte 
späteren Zeiten ruhig die Sorge überlassen , auch hier die päpst- 
liche Anpassung zurückzuweisen. Die Eidesurkunden Wenzels 
wurden jetzt wirklich ausgeliefert und der König bat wiederholt 
in gleicher Weise, wie es am 10. Juni 1376 geschehen, den Papst 
um Anerkennung seiner Wahl und um Zusage der Kaiserkrone. 

Stürme und andere Hindernisse verzögerten die Reise der 
Gesandten, welche erst nach Beginn des neuen Jahres in Rom 
anlangten. Gregor war nicht völlig befriedigt, da nur 
Karl, nicht auch Wenzel die geforderte Zusicherung ausgestellt 
hatte; er versprach im Februar zwar, zur Approbation mit den 
gehörigen Feierlichkeiten zu schreiten, doch die Urkunde darüber 
werde er so lange zurückhalten, bis die Wenzels einträfe *). We- 



1) Vgl. meinen oben angeführten Aufsatz in den Forschungen XIV, 2%. 



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1378. 



Beziehungen zu Ungarn. 



57 



nige Wochen später ehe er sein Vorhaben ausgeführt, sank Gregor 
XI. in das Grab. Schwere Sorgen hatte er in seinem Pontificat 
getragen, aber noch angstvoller erwog er sterbend die Zukunft 
des Papstthums. — 

Schon 1376 hatte der Kaiser dio Absicht kund gethan, den 
französischen König Karl V. zu besuchen, jetzt endlich kam sie 
zur Ausführung. Wie Karl öffentlich erklärte, wünschte er zum 
heiligen Maurus zu wallfahrten, hauptsächlich aber vor seinem 
Tode noch einmal den französischen König, den Sohn seiner 
Schwester Bona, dessen Gemahlin und Kinder zu sehen und ihnen 
seinen Sohn, den römischen König vorzustellen. Wohl mag in 
Karl die Sehnsucht rege gewesen sein, Paris, wo er einen grossen 
Theil seiner Jugend verlebt, noch einmal zu besuchen, aber un- 
zweifelhaft bestimmten ihn, der von der Gicht so schlimm geplagt 
-war, dass er wenig Vergnügen von der weiten und beschwerlichen 
Reise erhoffen konnte, in erster Linie politische Rücksichten. Es 
gab mancherlei Punkte, die mit dem Frauzosenherrscher zu er- 
örtern waren. Die Uebersiedlung der Curie nach Rom war für 
denselben sicher höchst unwillkommen ; da galt es, seinen Unwil- 
len zu beschwichtigen und ihn zu bewegen, dass er nicht auf 
eine wiederholte Rückkehr nach Avignon hinarbeitete. Noch 
wichtiger waren für Karl vielleicht die ungarisch-neapolitanischen 
Angelegenheiten. 

König Ludwig der Grosse von Ungarn war ohne männliche 
Nachkommenschaft, seine zweite Gemahlin, die Bosnierin Elisabeth, 
hatte ihm nur drei Töchter, Katharina, Maria und Hedwig, ge- 
schenkt. Sie waren vermuthlich die Erbinnen seiner Kronen, 
wenn er auch die Hoffnung auf einen Sohn noch nicht aufge- 
geben hatte. Im Jahre 1374 knüpfte er über die künftige Ehe 
aller drei Verhandlungen an. Zunächst mit Frankreich, durch 
dessen Beistand Ludwig seinen alten Lieblingsplan zu verwirk- 
lichen hoffte, der Königin Johanna von Neapel, der Mörderin 
seines Bruders Andreas, ihre Lande in Italien und Frankreich zu 
entreissen. Am 16. April 1374 wurden Gesandte, unter ihnen 
Bischof Stephan von Zagrab, beauftragt, mit Karl V. einen Ver- 
trag abzuschliesscn. Der zweite Sohn desselben, Prinz Ludwig 
von Orleans, sollte diejenige der drei Töchter, welche am geeig- 
netsten erscheine, heirathen und als Mitgift Sicilien , Neapel, Ca- 
labrien und Apulien, den Principat von Salerno und den Onore 
di Monte S. Angelo, endlich Piemont, Forcalquier und die Pro- 



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58 



Viertes Kapitel. 



1378. 



vence erhalten ; zur Eroberung der Länder sollte zwischen Frank- 
reich und Ungarn ein Vertrag abgeschlossen werden. Der Ehe- 
contract wurde vollzogen für Katharina, die älteste der drei un- 
garischen Prinzessinnen. Die Gesandtschaft wandte sich zugleich 
an Papst Gregor, damit er durch Rechtsspruch erkläre, dass Lud- 
wig der rechtmässige Erbe von Neapel sei und daher nach Jo- 
hannas Tode dasselbe in Besitz zu nehmen habe. Der Principat 
von Salerno und der Onore di Monte S. Angelo sollten schon jetzt 
als Besitz Ungarns erklärt werden; in Betreff der in Frankreich 
gelegenen Länder, welche nicht kirchliches, sondern Reichslehen 
waren, werde der König sich selber Recht verschaffen. Der Papst 
^ab eine ausweichende Antwort: wenn Ludwig den regelmässigen 
Rechtsweg einschlagen wolle, habe er nichts dagegen ; doch unter- 
liess er nicht, Johanna von den feindseligen Plänen sofort zu 
unterrichten. 

Wir wissen anderweitig, dass Ludwig im Herbst 1373 in 
Kaschau die polnischen Stände verpflichtete, für den Fall seines 
Ablebens ohne männliche Erben Katharina als Königin von Polen 
anzuerkennen. Auf einer wiederholten Tagfahrt in Kaschau aber 
wurden am 17. September 1374 unter dem Drucke der dem Kö- 
nige ergebenen Kleinpolen die Verhältnisse Polens neu geordnet. 
Die Thronfolge wurde jetzt im Allgemeinen der weiblichen Des- 
cendenz Ludwigs zuerkannt; diejenige Tochter, welche er oder 
die Regentin, die Königin Elisabeth, für geeignet halten würden, 
sollte succediren. — Es schien demnach, dass Ludwig nunmehr 
beabsichtigte, Maria oder Hedwig zur Königin von Polen zu er- 
heben, während für Katharina die angiovinischen Besitzungen im 
Süden bestimmt wurden. 

Am 18. August 1374 wurde die Verbindung Hedwigs mit 
Wilhelm dem ältesten Sohne des Herzogs Leopold von Oestreich 
in Aussicht genommen, eine Verabredung, welche am 4. Marz 
1375 bestätigt wurde. Noch ist in diesen und den späteren Ab- 
machungen keine Rede davon, dass dereinst Hedwig und Wilhelm in 
irgend einem Theile des ungarisch -polnischen Reiches herrschen 
sollen, nur die pecuniüre Ausstattung der Brautleute wurde be- 
stimmt. 

Schon 1372 hatte Ludwig bei dem Kaiser um Sigismund für 
Maria anhalten lassen, aber erst Ende 1374 kam der Vertrag zu 
Stande. Karls zweiter Sohn war bereits mit Katharina, der Toch- 
ter Friedrichs von Nürnberg, verlobt; dies Versprechen wurde 



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1378. 



Reise nach Paris. 



59 



jetzt gelöst, nachdem der Papst den erforderlichen Dispens zur 
Verlobung Sigismunds mit Maria, die im vierten Grade verwandt 
waren, gegeben. Es ist nicht bekannt, welche Bedingungen die 
Väter vereinbarten, ob bereits festgesetzt wurde, welches Reich 
dereinst an Maria und ihren Gemahl fallen solle; wahrschein- 
licherweise blieb diese Frage noch eine offene. 

Aber unmittelbar darauf, im Anfang des Jahres 1375, sank 
Katharina in ein frühes Grab. Ihr Vater hatte dem französischen 
König gelobt, wenn dieser traurige Fall einträte, sollte eine an- 
dere Tochter an ihre Stelle als Braut des Prinzen Ludwig treten. 
Wenn auch Maria und Hedwig bereits versprochen waren, konnte 
doch ihr Verhältniss jederzeit wieder gelöst werden. Das ist 
nicht geschehen, aber wir hören auch mehrere Jahre hindurch 
nichts von Schritten , welche gethan worden wären, um das Ver- 
löbniss Sigismunds mit Maria zu befestigen '). 

Auch die Verhältnisse Neapels erlitten inzwischen eine Ver- 
änderung, indem Johanna am 25. März 1376 dem ritterlichen 
Herzog Otto von Braunschweig ihre Hand reichte , dem sie auch 
die Krone verschaffen wollte. 

Jedenfalls handelte es sich hier um Verhältnisse von der 
allergrössten Wichtigkeit, vor allem Jim die künftige Gestaltung 
des europäischen Ostens. Ein glücklicher Erfolg hob das Luxem- 
burgische Haus auf eine Höhe, wie sie die kühnsten Träume Karls 
nicht glänzender ausmalen konnten, da lohnte es sich schon, 
nach Frankreich zu ziehen und Karl V. zu bewegen, dass er fort- 
hin sich nicht in die ungarischen Dinge mische. 

Der Kaiser wird ferner gewünscht haben, seinen Sohn, ^den 
jungen König, dem französischen Hofe bekannt zu machen und 
auch für ihn die vertrauten Beziehungen zu gewinnen, welche 
die Luxemburgische Familie seit langen Zeiten unterhalten und 
hochgeschätzt hatte. Boten sie doch nicht blos eine werthvolle 
Garantie der Curie gegenüber, für die ganze Stellung des Reiches 
im Westen waren sie von Belang. Je mehr Burgund und die ro- 
manischen Theile Lothringens sich zu Frankreich hinüberneigten, 
desto eher schien es möglich , sie ohne Anstrengung in dem 
freilich schon sehr gelockerten Verbände mit dem Reiche zu 
erhalten, wenn zwischen dem deutschen und dem französischen 
Herrscher Freundschaft bestand. Wenzel hoffte zudem , dereinst 



1) Siehe Beilage II. 



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60 



Viertes Kapitel. 



1378 



der Erbe nicht nur seines Oheims, des Herzogs Wenzel von 
Luxemburg, sondern auch von dessen Gemahlin Johanna von 
Brabant zu werden, welche beide mit der französischen Herrscher- 
familie aufs innigste befreundet waren; auch hier war Rücksicht 
zu nehmen. 

Während Wenzel von Böhmen nach Luxemburg ging, um 
dort den Vater zu erwarten, verliess Karl Anfang November 
Tangermünde und zog über Minden, Herford und Dortmund nach 
dem Rhein. Ihn begleiteten der Bischof Heinrich von Ermeland *) 
und der Herzog Albrecht von Sachsen-Lüneburg, drei schlesische 
Herzöge Heinrich von Brieg, Wenzel von Oppeln und Boleslaus 
von Liegnitz und eine Anzahl böhmischer Herren und Hofbeamten; 
auch der kaiserliche Kanzler, Bischof Lamprecht von Bamberg, 
war im Gefolge. 

Nachdem der Rhein überschritten , langte der Kaiser am 30. 
November in Aachen an, wo er mit König Wenzel und seinem 
Bruder dem Herzoge Wenzel von Luxemburg zusammentraf und 
längere Zeit von den bestandeneu Anstrengungen ausruhte. Am 
Tage vorher hatte er in Jülich einen feierlichen Act vollzogen. 
Im December 1371 war mit Rainald III. das alte Geldernsche 
Fürstenhaus erloschen. Un^die Befreiung seines in der Schlacht 
bei Baesweiler gefangenen Bruders, des Luxemburgischen Herzogs, 
zu erreichen, übertrug Karl die Regierung des erledigten Herzog- 
thums dem Herzoge Wilhelm II. von Jülich, welcher mit der 
jüngern Schwester Rainalds Marie vermählt war, indem er 
ihren siebenjährigen Sohn Wilhelm III. als rechtmässigen 
Erben anerkannte. Damals, am 29. November in Jülich belehnte 
Karl den Knaben feierlich mit dem Herzogthume Geldern und 
der Grafschaft Zütphen ; wenig später heirathete Wilhelm Ka- 
tharina, die Tochter Herzogs Albrecht von Holland und wurde 
so der Schwager des Königs. Das verwandtschaftliche Band be- 
wirkte bald ein engeres Verhältniss zwischen den beiden Fami- 
lien 2 ). 

Ueber Brüssel, wo der Graf von Flandern die Herren be- 
grüssen sollte, aber nicht erschien, und Quesnoy, wo die Kinder 



1) Aus dem Pelzel Karl IV. II, 921 einen Bischof von Worms macht. 

2) Erst am 24. März 1379 schlössen die Jülicher definitiven Frieden mit 
Johann Grafen von Blois und dessen Gemahlin Mechthild, der altern Schwester 
Rainalds. Lacomblet III, 731. 



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1878. 



Reise nach Paris. 



61 



des in Holland weilenden Herzogs Albrecht besucht wurden, ge- 
langte der Kaiser in die Grenzstadt des Reiches, Cambray. Feier- 
lich begrü8st von Bischof und Bürgerschaft und einer entgegen- 
geeilten französischen Gesandtschaft, hielt Karl am 22. Decem- 
ber seinen Einzug. Seine Absicht war gewesen, alsbald weiter 
zu ziehen und auf französischem Boden das Weihnachtsfest zu 
begehen. Aber der französische König war ängstlich besorgt, 
jede Gelegenheit zu vermeiden, welche Karl IV. Anlass geben 
konnte, seine kaiserliche Würde zu entfalten. 

Um keinen Preis sollte es auch nur scheinen, als ob der 
Kaiser irgend welche Rechte in Frankreich besitze, als ob er 
über dem Franzosenkönige stünde; vor aller Augen sollte dar- 
gethan werden, dass Karl nur als Freund den ihm völlig gleich- 
stehenden Freund besuchte. In den Städten, welche er durch- 
zog, durften nicht die Glocken geläutet werden, in den Kirchen, 
welche er betrat, keine Procession ihm entgegenziehen, damit 
nicht Jemand darin ein Zeichen landesherrlichen Ansehens er- 
blicke ; bei dem Einzüge in Paris wurdem dem Kaiser und seinem 
Sohne Rappen entgegengesandt, weil es für Herkommen galt, dass 
der Kaiser in die Städte seines Reiches auf weissem Pferde ein- 
ritt; mit der peinlichsten Genauigkeit wurden trotz aller Höflich- 
keit Ceremoniell und Etiquette abgewogen, damit ja nicht dem 
Kaiser zu viel Ehre erwiesen würde. Der eingehende Bericht, 
welchen wir über den Besuch Karls in Paris besitzen , gehört zu 
den ergötzlichsten Schilderungen, die uns aus dem vierzehnten 
Jahrhundert aufbewahrt sind ; die Feinheit und Eleganz der Sitten 
am französischen Hofe, die sorgsame Durchbildung der Etiquette, 
die reiche Abwechselung, welche man in die Festlichkeiten zu 
bringen wusste, der Glanz und Geschmack, der entfaltet wurde, 
fesseln gleichmässig unsere Aufmerksamkeit. Dem feingebildeten 
und in Frankreich erzogenen Kaiser fiel es nicht schwer, sich mit 
aller Leichtigkeit in den fesselnden Formen zu bewegen; seine 
deutschen Begleiter mögen wohl weniger Geschick an den Tag 
gelegt und manchen Verstoss begangen haben. 

Wir müssen es uns versagen, die farbenprächtigen Scenen 
auszumalen. Leider sind wir über die politischen Verhandlungen, 
den ernstern Untergrund der heitern Oberfläche, nur sehr mangel- 
haft unterrichtet. 

Karl V. benutzte die Gelegenheit, um des Kaisers Beistand 
gegen England Zugewinnen, in feierlicher Versammlung im Louvre, 



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62 



Viertes Kapitel. 



1378. 



in Gegenwart von über hundert Fürsten und Grossen beider 
Reiche setzte er persönlich in zweistündigem Vortrage die Streit- 
sache und das gute Recht Frankreichs auseinander. Natürlich 
pflichtete der Kaiser vollkommen bei und gab den Rath, den 
Engländern keine zu günstigen Bedingungen zu stellen, er ver- 
sicherte dem Könige seine Ergebenheit und überreichte ihm später 
eine Rolle, auf der er alle seine Verbündeten, Freunde und 
Unterthanen verzeichnet hatte, auf welche jener rechnen könne. 

Werthvoller als diese vagen Verheissungen war, dass Karl dem 
ältesten Sohne Karls V., dem spätem Könige Karl VI., den Reichs- 
vicariat im Delphinat übertrug, damit freilich nur ein schon be- 
stehendes Verhältniss fortführend. Es ist das eine viel erörterte 
und vielgeschmähte Handlung des Kaisers, aus der freilich dem 
Reiche wenig Vortheil erwuchs; ganz natürlich musste auf diese 
Weise der Delphinat allmälig an die französische Krone kommen. 
Karl, der sonst schon durch seine Krönung in Arles dargethan 
hat, dass er Burgund keineswegs preiszugeben gesinnt war, wird 
sich über die letzten Consequenzen seines Thuns kaum im Un- 
klaren befunden haben, aber er brachte hier ein Opfer, um Ziele 
zu erreichen, die ihm mehr am Herzen lagen. 

Was sonst Kaiser und König in ihren öfteren vertrauten 
Gesprächen berathen und abgemacht haben, — auch ein päpst- 
licher Legat, Erzbischof Pileus von Ravenna, war anwesend — 
entzieht sich unserer KenntnisB. Am 16. Januar nahmen die 
beiden Herrscher in Vincennes von einander Abschied, sie sollten 
sich nicht mehr sehen. Ueber Meaux, Chateau-Thierry und Rheims 
kehrte der Kaiser nach Luxemburg zurück 1 ). 

Die durch gegenseitige Liebe überaus glückliche Ehe des 
Herzogs Wenzel mit der Brabanterin Johanna war nicht mit Kin- 
dern gesegnet. Schon 1357 hatten beide mit Karl IV. einen Erb- 
vertrag geschlossen. Wenn Johanna ohne Erben stirbt, folgt ihr 
Wenzel in all' ihren Fürstenthümern und Herrschaften j wenn 
aber dieser vor der Herzogin verscheidet, soll sie den Genuss 
aller seiner Lehen haben und denselben auf ihre etwaigen Kinder 
fortpflanzen. Hinterlassen aber beide keine Kinder, so fallen ihre 
Länder an den nächstberechtigten Luxemburger, zunächst also an 
Karl IV. und dessen Kinder. Die brabantischen Stände hatten 
ihre Zustimmung gegeben. 



1) Siehe Beijage III. 



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1378. 



Testament des Herzogs Wenzel von Luxemburg. 



63 



Es war nunmehr ohne Zweifel, dass die Ehe für immer unfrucht- 
bar bleiben würde; in lockender Aussicht standen also für Karl 
die beiden schönen Herzogtümer. Aber wenn Wenzel vor Jo- 
hanna starb und diese zunächst die Regierung Luxemburgs über- 
nahm, war da nicht vielleicht zu besorgen, dass sie sich bemühen 
würde, ihrer nächsten und einzigen Verwandten Margarethe, welche 
seit 1369 mit dem Herzoge Philipp dem Kühnen von Burgund ver- 
mählt war, ihre Erbschaft zuzuwenden? Dem Kaiser mochte es 
gerathen scheinen, zunächst wenigstens das Herzogthum Luxem- 
burg seinem Sohne in unzweifelhafter Weise zu sichern. Er be- 
stimmte daher seinen Bruder, am 1. Februar ein Testament zu 
machen, in welchem der König Wenzel für den Fall, dass der 
Herzog ohne Kinder stürbe, zum Erben Luxemburgs eingesetzt 
wurde. Am 8. Februar bestätigten es die Stände des Herzog- 
thums, welche dem Könige zugleich Eventualhuldigung leisteten, 
während dieser gelobte, in Zukunft alle ihre Rechte zu wahren. 
Johannas wird nicht gedacht , aber auch von einer eventu- 
ellen Erbfolge des Königs in Brabant ist nicht die Rede. Un- 
zweifelhaft wurde der Vertrag von 1357 verletzt, und wenn Jo- 
hanna auch dem Entschlüsse ihres Gemahles wird zugestimmt 
haben, gewann sie für die Zukunft einen bequemen Vorwand, 
die frühere Verabredung nicht zu erfüllen 1 ). 

Ueber Oppenheim, wo am 24. Februar geurkundet wird, ging 
der Kaiser nach Heidelberg, um den Pfalzgrafen Ruprecht zu be- 
suchen, während Wenzel in Mainz und Speier die Huldigungen 
der Städte entgegennahm 2 ). Noch immer war der Streit um 
das Mainzer Erzbisthum nicht geschlichtet. Adolf von Nassau 
behauptete sich im Besitz desselben, während der von Papst und 
Kaiser anerkannte Ludwig von Meissen nur Prätendent blieb. 
Der Waffenstillstand von Tonna war Johanni 1377 abgelaufen, 
da aber Hermann von Hessen, Ludwigs wichtigster Bundesge- 
nosse, im April 1376 mit Adolf einen Frieden bis zum 24. Juni 
1378 schloss und auch am 2. Juni 1377 die thüringischen 
Brüder sich mit ihren Gegnern vertrugen, war zwischen Adolf 



1) Chronique des Ducs de Brabant par Edmond de Dynter, publiee par 
X. de Ram III, 83 ff.; Bertholet Hist. de Luxembourg VII, 38 ff; Publi- 
cations de la section hist. de l'institut (ci-devant societe archeologiqoe du 
Grand-Duch6 de Luxembourg) XXIV, 166 ff. 

2) RA. S. 155 Anm. 1 am Schluss. 



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64 



Viertes Kapitel. 



und Ludwig der Kampf noch nicht erneuert worden Trotz- 
dem blieb der Frieden gestört. Noch dauerten die Nachwehen 
des Sternerbundes fort, namentlich in der Wetterau tobten die 
Fehden. Die Stadt Wetzlar hatte sich mit dem Grafen Johann von 
Nassau und von Solms gegen Hermann von Hessen verbündet 
und bildete ihren Hauptwaffenplatz. Vergeblich sprach Karl am 
28. Juli 1376 in Nürnberg die Reichsacht über Wetzlar aus. Die 
Stadt fügte sich ebensowenig, wie gleichzeitig ihre schwäbischen 
Schwestern 8 ). Im October 1376 hatte ferner Pfalzgraf Ruprecht 
sich bemüht, in seiner Nähe Ruhe zu schaffen, indem er die 
Städte Mainz, Worms und Speier mit seinen Getreuen und Unter- 
thanen, welche in dem Kriege der Städte gegen Graf Emicho von 
Leiningen Schaden gelitten, verglich. Freilich blieb auch hier 
ein dauernder Erfolg aus. Selbst mit Adolf von Mainz vertrug 
sich der Pfalzgraf zeitweilig wohl des allgemeinen Friedens willen, 
er versöhnte denselben im März 1377 mit der Stadt Speier 3 ). 

Als die Wahl Wenzels glücklich durchgesetzt war, verlor der 
Mainzer Bisthumsstreit für den Augenblick an Interesse. Der 
junge König trug kein Bedenken, das Adolf gegebene Versprechen, 
gegen ihn nicht die Waffen zu fuhren, nach der Krönung zu er- 
neuern; in dem Landfrieden für Franken vom 27. Mai 1877 wurde 
sogar Adolf für das Mainzer Gebiet aufgenommen , wenn er auch 
nur Bischof von Speier — denn das dortige Bisthum hielt er 
neben dem Mainzer fest — genannt wurde. 

Erst 1378 trat eine Aenderung ein, veranlasst durch den 
Papst Gregor XI. „Dem apostolischen Stuhle gereicht es zur 
Schande und zum Spott, dass-jene Kirche so lange mit Gewalt 
besetzt ist**, schrieb er am 4. December 1377. Als daher Karl 
am 6. März in Heidelberg die Privilegien der Speierer Kirche 
bestätigte und sie dem Schutze der benachbarten Fürsten em- 
pfahl, gedachte er mit keinem Worte des Bischofes. Er hoffte 
damit die Speierer Kirche von ihm abzuziehen, denselben Versuch 
machte er mit der Stadt Mainz. Ihr bestätigte nicht nur Wenzel 



1) Michelsen Urkundlicher Beitrag zur Geschichte der Landfrieden in 
Deutschland 15; Rommel Geschichte von Hessen II, 194. 

2) Landau Die Rittergesellschaften in Hessen 75 ff. 

3) Lünig Reichsarchiv V. (Pars spec.) 574. Gewiss gehört hierher die 
Angabe im Chron. Mog. misc. fragm. in Böhmer Fontes IV, 375, welche 
Schaab und nach ihm Huber zu 1378 ziehen. — Remling Geich, der Bischöfe 
zu Speyer I, 653. 



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1378. Landfrieden am Oberrhein. 65 

im Februar die Privilegien, im August verlieh ihr Karl sehr be- 
trächtliche Vorrechte 1 ). Als dann am 1. September 1378 der 
vorjährige Landfrieden für Franken erneuert wurde, blieb daß 
Mainzer Gebiet ganz unerwähnt, um nicht den thatsächlichen 
Herrn desselben mit aufnehmen zu müssen. — Bald aber gab 
die Kirchenspaltung den Dingen eine ganz neue, unerwartete 
Wendung. — 

In Heidelberg mag Karl mit dem Pfalzgrafen Ruprecht die 
Schritte erwogen haben, welche den Friedensstand der dortigen Ge- 
biete bessern könnten. Um die Fehden in der Wetterau zu beenden, 
erhielt Ruprecht die Laudvogtei daselbst 3 ); ihm wird ferner die 
Vereinbarung eines Landfriedens für den Oberrhein aufgetragen 
worden sein, der nachher vom Kaiser bestätigt wurde und somit 
als von diesem selbst angeordnet galt. 

Die Grenzen des Landfriedens werden umschrieben durch 
eine Linie von Mühlhausen nach Thann, die Vogesen entlang bis 
Neustadt an der Hardt, von da quer über den Rhein bis Wies- 
loch und im Bogen über die Gegend von Heilbronn und Pforzheim 
den Schwarzwaldkamm entlang bis zum Rhein bei Badenweiler 
und von da wieder nach Mühlhausen. Theilnehmer sind die 
Pfalzgrafen, von deren Ländern indessen der grösste Theil nörd- 
lich der Demarcationslinie bleibt, die unter Ruprechts Vormund- 
schaft stehenden Markgrafen von Baden, Herzog Wenzel von 
Luxemburg in seiner Eigenschaft als Landvogt im Elsass und 
sein Unterlandvogt Ulrich von Finstingen, endlich die elsäs- 
sischen Reichsstädte Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Weissenburg, 
Ehenheim, Rossheim, Kaisersberg, Münster, Mühlhausen, Türckheim, 
Selz und Strassburg. Die eingeschlossenen Bisthümer Speier 
und Strassburg nahmen nicht Theil, ebensowenig im Süden die 
habsburgischen Herrschaften 8 ). 

Die innere Einrichtung des Landfriedens , welcher bis Weih- 
nachten 1380 währen sollte, zeigt das Bestreben, den verschie- 
denen in ihm vertretenen Gruppen, unter denen die Städte über- 
wogen, möglichst gleichen Antheil an der Leitung des Ganzen 
einzuräumen, wohl eben deswegen, weil gegenseitige Verabredung 



1) RA. n. 90; Remling ürkundenbuch zur Gesch. d. B. v. Speyer I, 678; 
Schaan Gesch. des grossen rhein. Städtebundes I, 337. 

2) Siehe Beilage VI. 

3) Siehe Beilage IV. 

Th. Lind» er, Oeichlohte des deutschen Kelches. I. 5 



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Viertes Kapitel. 



1378. 



au Grunde lag. Der Zweck ist vor allem Sicherheit der Strassen 
zu Wasser und zu Lande; um die Hilfsleistung zu regeln, zer- 
fällt der Bund in drei Theile. Den ersten bilden die Pfalz- 
grafen und die Markgrafen von Baden, den zweiten der Landvogt 
vom Elsass und die Reichsstädte, mit Ausnahme von Strassburg, 
welches allein den dritten Theil ausmacht. Jeder ernennt zwei 
Schiedsrichter, der Siebente wird abwechselnd von den Dritteln 
je für ein Vierteljahr bezeichnet. Diese Sieben beurtheilen die 
vorkommenden Sachen und bestimmen die zu leistende Hilfe; sie 
können auch neue Mitglieder aufnehmen. Für den Schutz der 
Strassen sorgt eine stehen 'e Polizeimannschaft, indem jedes Drit- 
tel acht Gleven und vier Reisige stellt; der Hauptmann, welcher 
des Reiches Fähnlein führt, wird aus den Söldnern des gerade 
den Siebenten ernennenden Drittels genommen. Die Lehn- und 
Eigen- Gerichte bleiben in voller Wirksamkeit. — Nachdem der 
Kaiser seine Zustimmung gegeben und sein und seines Sohnes 
Siegel angehängt, untersiegelten am 5. Mai sämmtliche Theil- 
nehmer. 

Ueber Nürnberg , wo wieder ein längerer Aufenthalt genom- 
men wurde und Auerbach kehrten die beiden Herrscher nach 
Böhmen zurück, dem Karl über ein Jahr fern geblieben war. In 
den ersten Tagen des Mai fand in Budweis eine Zusammenkunft 
mit Markgraf Jodocus von Mähren statt, dem die Städte der 
Grafschaft Glatz verpfändet wurden 1 ); wahrscheinlich ist dort auch 
mit den östreichischen Brüdern verhandelt worden. 

Seit Jahren war die Gesundheit des Kaisers zerrüttet. Die 
grossen Anstrengungen, welche er trotzdem seinem geschwächten und 
von der Gicht geplagten Körper unaufhörlich zumuthete, verhin- 
derten eine Besserung; immer näher traten dem nunmehr Zwei- 
undsechzigjährigen die Gedanken an das Grab und damit die 
Notwendigkeit, über seinen Nachlass Bestimmungen zu treffen. 

Drei blühende Söhne umgaben den Kaiser, für deren Zukunft 
er zu sorgen hatte. Das konnte aber nur durch eine Theilung 
des Luxemburgischen Hausbesitzes geschehen. Wie bereits be- 
rührt, war eine solche schon deswegen geboten, weil die Mark 
Brandenburg nicht unter der unmittelbaren Herrschaft des böh- 
misch-deutschen Königs bleiben konnte; dazu traten weitere 



1) Pelzel a. n. 0. 66; vgl. Baur Hess. Urk. I, 736; Henneberg. ÜB. III, 98. 



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1377-1378. 



Tbeilung der Erblaiide. 



67 



Gründe. Noch herrschte allgemein, wo nicht besondere Verhält- 
nisse wie in den Kurfurstenthümern sie unmöglich machten, die 
altgermanische Sitte, auch die jüngern Söhne mit Ländergebiet 
auszustatten. Die Geldwirthschaft war noch nicht so weit ent- 
wickelt, dass beträchtliche Jahresrenten regelmässig und mit 
Leichtigkeit hätten ausgezahlt werden können; die Ueberweiaung 
eines bestimmten Gebietes mit seinen Einkünften erschien weit 
bequemer. Die grosse Rolle ferner, welche die Heirathen in der 
Politik spielten, — kaum gab es eine grosse Action, die nicht 
wenn irgend möglich, durch ein Eheverlöbniss besiegelt wurde — 
machte es nöthig, auch jüngere Prinzen mit belangreichem Besitze 
auszustatten, damit sie wiederum vortheilhafte Ehen eingehen 
möchten. 

Sigismund, wie Johann waren bereits verlobt, und wenn er- 
sterer seiner Braut, der muthmasslichen Erbin des grossen Lud- 
wig, des Gebieters zweier Königreiche, würdig sein sollte, musste 
er auch in Deutschland eine angemessene Stellung einnehmen. 
Nicht so nöthig war das für Johann, den Bräutigam einer meck- 
lenburgischen Herzogstochter ; es genügte, diesem einen Besitz 
zu überweisen, der ihm ein standesgemässes Leben gestattete. 

Schon im Januar 1377 befahl Karl dem Rathe von Görlitz, 
Gesandte nach Prag zu schicken, um Johann zu huldigen und zu 
schwören, da er denselben zum Herzoge von Görlitz gemacht, 
„wo ein besonderes Fürstenthum sein soll, das bei der Krone 
Böhmen zu Lehen geht". Das neu gegründete Herzogthum war 
von keinem grossen Umfange, da es nicht die ganze Oberlausitz, 
sondern nur die Stadt Görlitz mit dem vogteilichen Landbezirke 
begriff; Bautzen und Lauban verblieben unter Wenzels Herr- 
schaft, ebenso Zittau, welches ohnehin noch zu Böhmen gerechnet 
wurde; dagegen kam die Niederlausitz in den gemeinsamen Be- 
sitz des Königs und des Herzogs. Auch die Neumark wurde 
späterhin, wohl erst 1378, dem jüngsten Sohne zugewiesen, der 
sie freilich nur wenige Jahre behielt. 

Schon bei Wenzels Wahl hatte Sigismund die Kurstimme 
Brandenburgs geführt. Aber erst Mitte des Jahres 1378 erfolgte 
die Uebergabe der Mark an den zehnjährigen Knaben. Am 11. 
Juni verwies Wenzel , der gemäss der Gesammtbelehnung bis 
dahin gleichfalls den Titel eines Markgrafen geführt, die märki- 
schen Stände mit Ausnahme der Neumark an Sigismund als 
ihren Herrn. Stürbe dieser, so solle die Mark an Johann und 

5* 



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68 



Viertes Kapitel. 



1378. 



dafür das Herzogtbum Görlitz und was sonst Jobann in der 
(Nieder) Lausitz besitzt, an Wenzel fallen, der wieder eventuell 
Jobanns Erbe wird. — Der jugendliche Markgraf erschien alsbald 
in seinem Lande, nabm auf einer Rundreise die Huldigung ent- 
gegen und bestätigte den Städten ihre Privilegien. 

Die Markgrafschaft Mähren verblieb als Erblehen der Krone 
Böhmen den Söhnen Johann Heinrichs des Bruders Karls IV., 
Jodocus und Procopius. Der Vater hatte in seinem Testamente 
bestimmt, dass Jobst das Markgrafenthum erhielt, der daher auch 
später den Titel dominus et marchio Moraviae fährt; die beiden 
jüngeren Brüder Johann Sobieslaw, der sich dem geistlichen Stande 
widmete und schliesslich Patriarch von Aquileja wurde, und Pro- 
cop erhielten nicht unbedeutende Herrschaften, waren aber von 
dem ältesten Bruder abhängig. Am 9. Januar 1376 hatte Wenzel 
als König von Böhmen feierlich Jobst das Markgrafenthum als 
Lehen übertragen. 

Diese Theilung der Erblande ist Karl zum schweren Vor- 
wurfe gemacht worden. Aber abgesehen davon, dass er dieselbe 
nicht wohl umgehen konnte, war Wenzels Macht eine so bedeu- 
tende, dass die Abtretungen an die Brüder sie nicht allzusehr 
schwächten. Er gebot über Böhmen und Schlesien, von dem der 
grösste Theil ihm unmittelbar unterworfen war, während die noch 
bestehenden Herzogshäuser völlig vom Könige abhingen, ferner 
über einen Theil der Lausitz; ihm gehörten die gesammten Be- 
sitzungen in Meissen, in der Oberpfalz und sonst im Reiche, end- 
lich mus8te ihm das Herzogthum Luxemburg über kurz oder 
lang zufallen. Selbstverständlich führte er über seine Brüder, 
solange sie minderjährig waren, die Vormundschaft *). — 

Noch war der Krieg zwischen dem schwäbischen Bunde und 
Graf Eberhard von Wirtemberg nicht beigelegt, dessen traurige 
Spuren dem Kaiser, als er im Frühjahr durch Süddeutschland 
zog, deutlich genug ins Auge fallen mochten. So entschloss er 
sich, nachdem er die Angelegenheiten seiner Familie geordnet, 
wieder ins Reich zu reisen. 

Schon Mitte Juli waren in Nürnberg Verhandlungen eröffnet 
worden, um den Frieden herbeizuführen, wenigstens sehen wir 
dort den Pfälzer Kurfürsten mit seinem Neffen , einen Herrn von 
Rechberg wahrscheinlich im Auftrage Eberhards und Boten der 



1) Siehe Beiloge V. 



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1378. 



Reichstag zu Nürnberg. 



69 



schwäbischen Städte versammelt. Am 10. August erschien der Kaiser 
mit seinem Sohne, zahlreich stellten sich die Fürsten der Nach- 
barschaft ein: die Pfälzer, die Markgrafen von Meissen, Herzog 
Friedrich, der Burggraf von Nürnberg, die Bischöfe von Würzburg, 
Bamberg und Andere, endlich auch Eberhard von Wirtemberg 
selbst Unverzüglich wurden Boten zu den schwäbischen Städten 
gesandt, deren Räthe am 24. August in Nürnberg eintrafen. 

Vergeblich hatte Eberhard den Krieg weitergeführt, denn der 
Kaiser blieb der im letzten Jahre eingeschlagenen Politik getreu, 
mit den Städten sich vollkommen auszusöhnen und sie dadurch 
in der Treue gegen seinen Sohn zu befestigen. „Der Krieg ward 
verrichtet ganz nach der Städte Willen", so erzählt ein Nürn- 
berger Patricier kurz und bündig das Endresultat. Am 30. Au- 
gust erfolgte eine allseitige Sühne der verschiedenen am Kriege 
betheiligten Parteien. Jene Verpfändungen vom 24. August 1376, 
welche Weil und Rotweil betrafen, wurden aufgehoben, die Güter, 
welche Eberhard den Esslingern entrissen, musste er herausgeben ; 
anderweitige Streitigkeiten fielen Schiedsgerichten anheim. Der 
Stadt Giengen, welcher sich vor kurzem Ulrich von Wirtemberg 
bemächtigt, wurde die Reichsfreiheit bestätigt. Noch nachträglich 
verbot der Kaiser den Wiederaufbau der im Kriege zerstörten 
Burgen, bis er weiteren Entscheid gegeben. 

Noch schmerzlicher war es für den Grafen, dass er auf die 
seit sieben Jahren besessene Vogtei von Niederschwaben, die so 
manche Gelegenheit bot, die Städte zu bedrängen, gänzlich ver- 
zichten musste. Dieselbe fiel Herzog Friedrich zu, der nunmehr 
als Träger der beiden schwäbischen Landvogteien und der von 
Augsburg eine überaus einflussreiche Stellung in Süddeutschland 
einnahm. 

Der Rotenburger Landfrieden vom verflossenen Jahre muss 
seinem Zwecke wenig entsprochen haben, da der Kaiser es nöthig 
fand, denselben schon jetzt zu erneuern. Doch wurden mit dem- 
selben wesentliche Aenderungen vorgenommen , die zum Theil 
unleugbare Verbesserungen waren, aber gerade der Punkt, welcher 
dem Kaiser vielleicht der wichtigste war, die Stellung des Haupt- 
manns, wurde geändert. Zwar blieb demselben noch eine gewisse 
Oberleitung, den wichtigsten Theil seiner Functionen gab er je- 
doch einem Siebner-Rathe ab. Vier Mitglieder werden von den 
im Landfrieden begriffenen Herren, zwei von den Städten gestellt, 
den siebenten ernannte der Kaiser als Obmann oder Hauptmann. 



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70 



Viertel Kapitel. 



1378 



Diesen Sieben steht die ßeurtheilung der Landfriedensbrüche 
und Anordnung der Hilfe zu; viermal im Jahre treten sie in 
Nürnberg zusammen, doch kann sie der Hauptmann in NothfäUen 
auch öfters berufen. Eine Reihe von Bestimmungen sucht die 
durch etwa nöthige Kriegszüge in Mitleidenschaft gezogenen Ge- 
genden nach Möglichkeit zu schonen; alle Strassen, Kirchen, 
Mühlen und besonders alle Pflüge mit Pferden sollen sicher sein. 
Alle Diener und Amtleute der Mitglieder müssen den Landfrieden 
schwören, sonst werden sie als Feinde behandelt ; diejenigen Her- 
ren, welche im Gebiete des Landfriedens sitzen, ihn aber nicht 
beschwören, sollen nicht nach ihm gerichtet werden, aber auch 
keinen Vortheil von ihm ziehen. 

Aehnlichkeit mit dem für den Oberrhein errichteten Land- 
frieden tritt deutlich hervor, nur dass hier der Kaiser, der aller- 
dings durch seine fränkisch-bairischen Besitzungen zugleich Mit- 
glied war, durch die Ernennung des Hauptmanns einigen Einfluss 
übte. Es ist daher nicht unmöglich, dass diese Umänderung des 
Landfriedens unter dem Einflüsse Ruprechts geschah. Die bevor- 
zugte Stellung, welche den drei theilnehmenden Städten Nürnberg, 
Weissenburg und Windsheim eingeräumt wurde, war wohl haupt- 
sächlich darauf berechnet, sie vom Eintritte in den schwäbischen 
Bund abzuhalten. 

Pfalzgraf Ruprecht, der beim Kaiser damals in höchster 
Gunst stand, war überhaupt eifrig um den Frieden bemüht. Er 
war bereits Mitglied des elsässischen, des fränkisch-bairischen 
und des wetterauer Landfriedens; dazu kam jetzt noch ein vierter. 
Denn am 29. August 1378 vereinigte Karl die Pfalzgrafen, die 
Grafen von Sponheim, Leiningen und Katzenellenbogen, die Städte 
Mainz, Worms und Speier für zwei Jahre zur Handhabung des 
Landfriedens, innerhalb eines gewissen Bezirkes auf beiden Seiten 
des Rheins l ). 

Eine nachträgliche Frucht der Reise Karls durch die links- 
rheinischen Gebiete war der Befehl, den Landfrieden zwischen 
Maas und Rhein zu verlängern. Am 30. März 1375 war derselbe 
von Erzbischof Frie drich, Herzog Wenzel und seiner Gemahlin, 
Herzog Wilhelm von Jülich und den Städten Köln und Aachen 
für vier Jahre geschlossen worden. Ein ständiger Rath sorgte 
für die Schlichtung der Zwistigkeiten, die Mitglieder verpflichteten 



1) Arnold Verfassuugsgesch der deutschen Freistädte II, 333. 



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1378. 



Tod Karls IV. 



71 



sich, mit Waffenmacht alle Gewaltthat zu verhüten und zu be- 
strafen. Gemäss dem Befehle des Kaisers wurde der Landfrie- 
den am 1. November 1378 weiter erstreckt und später 1383 noch- 
mals verlängert 1 )« — 

Als Karl Ende September Nürnberg verliess, nahm er von 
der geliebten Stadt, in der er so oft geweilt, für immer Abschied. 
Schon am 29. November erlag er in Prag, das er zu einer der 
ersten Städte Europas erhoben, einem schleichenden Fieber. 

„Habe Deine Freunde und Gott lieb und sitze friedesam und 
wenn Du etwas mit Güte erreichen kannst, da lass den Krieg. 
Erweise Jedem Zucht und Ehre. Habe den Papst und die Pfaff- 
heit lieb und die Deutschen zu Freunden, so magst Du desto 
besser zu Frieden bleiben". Das war die Regierungsregel, welche 
er seinem Sohne eingeprägt hatte 2 ). 

Kaum achtzehn Jahre zählte Wenzel, als er die schwere 
Bürde übernahm, Welche sein Vater so lange Jahre mit nimmer 
ermüdender Kraft getragen hatte. Werden seine Schultern stark 
genug sein, wird er mit der Krone des Vaters auch den weisen 
Geist desselben erben? Trefflich genug hatte ihm Karl vorgear- 
beitet, ihm Hilfsmittel geschaffen, wie er sie nicht besser wünschen 
konnte, aber die Aufgabe, der sich Wenzel zu widmen hatte, war 
trotzdem keine leichte. Die Zustände im Reiche waren noch 
im vollen Schwanken, der königlichen Gewalt nur durch die um- 
sichtigste Handhabung eine dauernde und glückliche Einwirkung 
möglich, und dabei gestaltete sich der Gegensatz der Fürsten und 
des Bürgerthume8 immer schroffer, immer drohender wurde ein 
gewaltsamer Zusammenstoss zwischen beiden mächtigen Factoren. 
Da galt es, das Schiff des Reiches durch unzählige Klippen mit 
Geschick und Umsicht hindurchzulenken. Die grossen europäi- 
schen Verhältnisse waren nicht minder verworren, der gewaltige 
Kampf zwischen England und Frankreich war noch in der Schwebe 
und ihm gegenüber konnte der König für die Dauer nicht gleich- 
giltig bleiben. Der Tod Ludwigs des Grossen musste eine völlige Re- 
volution in dem europäischen Osten hervorrufen, und nicht min- 
der durch denselben auch die in ewigem Fluss befindlichen Ver- 
hältnisse Italiens berührt werden. Und in den letzten Monaten 



1) Siehe Beilage VI. 

2) Stchr. Strassburg I, 493. — Karl drkundete noch am 20. September 
in Nürnberg, Henneberg Urkb. III, 100. 



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72 



Fünftes Kapitel. 



1378. 



Karls war ein Ereigniss von welthistorischer Bedeutung einge- 
treten: in der Kirche entstand das grosse Schisma, welches den 
Stand der Dinge bis auf den Grund erschütterte. 



Fünftes Kapitel. 

Entstehung der Kirchenspaltung. 

Es war ein verhängniss voller Moment, als Gregor XI. am 27. 
März 1378 starb. 1 ) Noch hatte sich der heilige Stuhl nicht dauernd 
in Italien eingerichtet, denn er war erst zu kurze Zeit in Rom. 
Jeden Augenblick, ohne Schwierigkeit konnte der Rückzug nach 
Avignon angetreten werden ; dort harrte der herrliche Papstpalast, 
dort waren sechs Cardinäle zurückgeblieben, welche von Gregor 
dazu Dispens erlangt hatten. Erzählte man doch mit Bestimmt- 
heit in der Stadt, Gregor sei Willens gewesen, nach Frankreich 
zurückzukehren; deshalb habe ihn auch Gott zu rechter Zeit ab- 
gerufen, fügten die Römer hinzu. Wer wird der Nachfolger sein? 
Wird dieser bleiben oder wandern? Und noch andere Fragen 
knüpften sich an: wird es zu einer einhelligen Wahl kommen? 
Wird nicht vielleicht eine Spaltung eintreten, die eine Partei mit 
dem Rufe: „Hie Avignon!" sich von der für Rom gestimmten los- 
reissen ? 

Schon in Gregors letzten Tagen war die Aufregung allgemein, 
den Todtkranken selbst quälte die Sorge um die künftige Wahl. 
Er erwog vor allem die Gefahren, welche eine lange Sedisvacanz 
bringen konnte ; durch Bulle vom 1 9. März entband er daher die 
Cardinäle für den Fall seines Ablebens von zeitraubenden Vor- 
schriften und befahl, dass die in der Stadt anwesenden, sobald 
sie es für gut befänden, den neuen Papst wählen dürften, ohne 
auf die abwesenden zu warten, dass sogar einfache Stimmen- 
mehrheit die Wahl entscheiden solle. — Gregor kannte seine Car- 
dinäle, kannte die unter ihnen herrschende Zwietracht. 

Die römische Kirche zählte damals 23 Cardinäle; sechs von 



1) Für das Folgende siehe ineinen Aufsatz: Die Wahl Urbans VI., in 
Sybels Hist. Zeitschrift, 1872, XXVIII, 101 ff. 



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1378 



Parteien im C&rdinalcoUegium. 



73 



ihnen waren in Avignon zurückgeblieben und daher für die Wahl 
nicht in Berechnung zu ziehen. Ein anderer, Jean de la G ränge, 
der sogenannte Cardinal von Amiens, aber abwesend, um mit den 
Florentinern über den Frieden zu verhandeln ; so hatten sechzehn 
das Conclave abzuhalten. Von diesen waren nur vier Italiener, 
zwei aus Rom selbst, der alte Franciscus Tibaldeschi, Cardinal 
von St. Peter und der leidenschaftliche Jacob Orsini; Simon von 
Brossano stammte aus Mailand, Petrus Corsini aus Florenz. 
Waren demnach die zwölf Ultramontanen einig, so war die Papst- 
wahl von vornherein entschieden, denn sie geboten über Zwei- 
drittel-Majorität. Aber Einigkeit war von jeher selten im Car- 
dinal-Collegium zu finden; so waren auch diesmal die Ultramon- 
tanen in zwei Parteien gespalten. Am stärksten war die soge- 
nannte Limusiner Partei. Nur zwei oder drei waren aus dem 
eigentlichen Limusin gebürtig, die übrigen stammten aus der 
Nachbarschaft. Ihre Familien aber standen in vielfachen Beziehun- 
gen zu einander und zu dem Limusin ; fast alle waren auch durch 
die Limusiner Päpste — von den letzten vier Päpsten gehörten 
drei dieser Provinz an — befördert worden. Ihr Haupt war 
Johann, Bischof von Praeneste, gewöhnlich der Cardinal von Li- 
moges genannt; am rührigsten aber scheint Wilhelm von Agrifolio, 
Cardinal von St. Stephan gewesen zu sein. Ihre Stärke schätzte 
man verschieden, zum mindesten geboten sie über sechs Stimmen. 
Ihnen stand der andre Theil der Ultramontanen feindlich gegen- 
über. Man pflegte sie die Gallische Partei zu nennen. An Zahl 
war diese freilich schwächer, nur über vier Stimmen hatte sie mit 
Sicherheit zu verfügen. Aber unläugbar die bedeutendsten Männer 
des Collegiums gehörten ihr an. Ihr Führer war der Cardinal 
Robert von Genf, ihm zur Seite Petrus von Luna, der ihm später 
im Gegenpapstthum nachfolgen sollte, ein unbestritten tüchtiger 
Mann. Die beiden anderen Cardinäle schwankten zwischen den 
Parteien. 

Man sieht demnach, keine der Parteien hatte das Ueber- 
gewicht, und wie die Gruppirung lag, war schwer abzusehen, wie 
die Entscheidung fallen würde. Deshalb eben mochte Gregor jene 
Bestimmung über die Wahl seines Nachfolgers getroffen haben. 
Aber jedenfalls müssen die Cardinäle sich bald nach seinem Tode 
geeinigt haben, bei den alten Vorschriften zu bleiben. Wir finden 
nirgends eine Spur, dass sie von Gregors Dispens Gebrauch 
machten. 



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74 



Fünftes Kapitel. 



1378. 



Die Limusiner hatten die Absicht, einen aus ihrer Mitte auf 
den Stuhl zu erheben. Aber bei dem festen Widerstande, den 
Robert mit seiner Partei leistete, war daran nicht zu denken. 
Denn dem Cardinal von Genf war geglückt, die vier Italiener 
wenigstens soweit auf seine Seite zu ziehen, dass sie den Candi- 
daten Jener Opposition machten. So war an einen Sieg nicht zu 
denken, natürlich aber auch zugleich, dass nun die Limusiner 
ihrerseits entschlossen waren, keinem der Gegner, weder Gallier, 
noch Italiener, die Stimme zu geben. Damit war von vornherein 
eine Wahl aus dem Collegium unmöglich gemacht; sollte über- 
haupt ein neuer Papst hervorgehen, musste man an einen Com- 
promiss denken und ausserhalb des Collegiums wählen. Ob man 
aber sich dazu entschliessen, ob man sich endlich über eine Per- 
sönlichkeit einigen würde, stand in Frage. Nach früheren Vor- 
gängen zu schliessen, war eine lange Sedisvacanz zu erwarten. 
Dass es nun dazu nicht kam, bewirkten äussere Umstände. 

Niemand konnte mit grösserem Interesse dem Kommenden 
entgegensehen, als die Römer selbst. Schon einmal war ein zu- 
rückgekehrter Papst wieder aus Rom gewichen, Gregor trug sich 
angeblich mit derselben Absicht: wenn der Neugewählte dieselbe 
Gesinnung hegte, war vorauszusehen, dass Rom für lange Zeit, 
vielleicht für immer zur Wittwe wurde. Wie trostlos war dann 
die Aussicht der Stadt: Verarmung und gänzlicher Verfall war 
unausbleiblich. Denn Rom konnte nicht einmal hoffen, sich aus 
eignen Kräften Ersatz zu schaffen ; seine ganze Existenz war hin- 
gewiesen auf die Kirche. Weder an Kraft der Bürger, noch an 
Reichthum konnte die alte Welthauptstadt mit den übrigen grossen 
Städten Italiens wetteifern ; es stand in Handel und Gewerbthätig- 
keit, in künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen weit 
hinter ihnen zurück. 

Inzwischen traf man auf beiden Seiten die nöthigen Vor- 
bereitungen. Das Volk in der Stadt war im höchsten Grade auf- 
geregt; es wollte durchaus ein Stadtkind, einen Römer als neuen 
Papst erwählt wissen, während es den Behörden genügte, wenn 
nur das Papstthum in Rom verblieb; jede Wahl, welche diese 
Bürgschaft bot, waren sie mit Freuden zu aeeeptiren bereit. Frei- 
lich konnte, wie die Dinge lagen, die Bürgschaft nur in der Wahl 
eines Italieners gegeben werden. Die Behörden selbst waren be- 
sorgt, dass das Volk durch Gewaltsamkeit ihre Pläne stören 
könne, sie suchten die Cardinäle in guter Stimmung zu erhalten 



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1378. Vorbereitungen zur Papstwabl. 75 

und die Gedanken der Furcht zu verscheuchen. Denn falls die 
Cardinäle Rom verliessen — und nach den Bestimmungen des 
Verstorbenen waren sie ja nicht gebunden, dort ihr Conclave ab- 
zuhalten — so war es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass 
der von ihnen Gewählte nicht in die Stadt zurückkehrte. Daher 
versuchte man, jede Störung zu vermeiden. 

Viele der hohen italischen Prälaten waren ebenfalls von dem 
Wunsche beseelt, das Papstthum in der Stadt zurückzuhalten. 
Auch sie traten mit den Officialen in Verbindung, beriethen mit 
ihnen die einzuschlagenden Wege und mochten zur Ruhe und 
Ordnung mahnen. Unter ihnen ragte Bartholomäus, Erzbischof 
von Bari, hervor. Neapolitaner von Geburt, war er durch den 
mächtigen Cardinal Guido von Boulogne emporgekommen und von 
Gregor zum Erzbischof befördert worden. Als die Curie nach 
Italien zurückkehrte, hatte er an Stelle des zurückgebliebenen 
Cardinais von Pampelona die Geschäfte des Vicekanzlers der 
Kirche übernommen und sich durch Eifer und Geschicklichkeit 
ausgezeichnet. Mit Bestimmtheit wissen wir, dass er den Ver- 
handlungen des Magistrates beiwohnte, ihm seinen Rath lieh; 
seine Gegner behaupteten später, er habe sich ihm als Candidat 
zum Papstthron empfohlen, freilich ist es wenig wahrscheinlich, 
dass er dies geradezu gethan; der Boden, auf dem er sich zu 
bewegen hatte, war zu schlüpfrig, als- dass er ihn mit solchen 
Gewaltschritten hätte beschreiten sollen. Es war auch genügend, 
wenn er mit den leitenden Männern der Stadt in Verbindung 
trat, wenn er ihnen jeden Zweifel über seine Stellung zur schwe- 
benden Frage nahm. Er konnte dann mit Sicherheit erwarten, 
dass ihm wenigstens von dieser Seite keine Schwierigkeiten ent- 
gegentreten würden. Auf die grosse Masse aber übte er keinen 
Einfluss. Selbst die Gegner konnten ihm später nie vorwerfen, 
dass das Volk gerade ihn gewollt. 

Die Officialen traten mit kluger Mässigung auf. Sie leisteten 
den Cardinälen feierlich den vorgeschriebenen Eid, ihre Vor- 
stellungen hielten sich von Drohungen fern. Ein strenger Befehl 
wurde erlassen: Niemand solle wagen, den Cardinälen nahe zu 
treten ; SchafFot und Richtbeil, auf der Strasse zum St. Peter auf- 
gestellt, gaben dem Befehle Nachdruck. Fremder Einfluss sollte 
ferngehalten werden. Noch standen die brettonischen Söldner- 
schaaren in der Nähe Roms ; man fürchtete, irgend ein ehrgeiziger 
Cardinal oder eine herrschsüchtige Partei könne sie herbeirufen; 



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76 



Fünftes Kapitel 



man zog daher die Landmilizen in die Stadt und bewachte alle 
Thore und Brücken mit ängstlicher Sorgfalt. Selbst die stolzen 
Barone, welche so oft Störungen hervorgerufen, mussten aus der 
Stadt weichen. 

Stürmische Tage waren zu erwarten, denn das römische Volk 
hatte oft genug seine zügellose Wildheit bewiesen, seinen eigenen 
Behörden gewaltsam Trotz geboten. In kluger Vorsicht Hessen daher 
die Cardinäle ihre Kostbarkeiten und die Geräthe der Kirchen 
in die Engelsburg bringen. Den Befehl über dieselbe führte Petrus 
Rostagni, ein Provengale; der päpstliche Kämmerer, Petrus Erz- 
bischof von Arelat , ein Bruder des Limusiner Cardinais , begab 
sich gleichfalls dorthin. Die Feste wurde mit Lebensmitteln und 
sonstiger Kriegsrüstung versehen. 

Dazwischen gingen nun die Besprechungen der Cardinäle hin 
und her, theils in den Factionen, theils in der Gesammtheit. Ent- 
scheiden musste man sich vor allen Dingen : soll ein Italiener oder 
ein Franzose gewählt werden? Aber wie die oben entwickelten 
Parteiverhältnisse lagen, war an die Wahl eines Franzosen wenig- 
stens aus dem Collegium nicht zu denken. Die Partei Robert's 
wollte keinen Limusiner, diese keinen von den Galliern; dass die 
Italiener nicht auf die Wahl eines Ultramontanen drangen, war 
selbstverständlich. Wollte man einen Franzosen wählen, so konnte 
derselbe nur ausserhalb des Collegiums gesucht werden. Aber 
dieselbe Parteispaltung, welche im Collegium herrschte, musste 
auch hier . bindernd in den Weg treten. Und das konnten sich 
die Cardinäle sagen: die Verhältnisse, unter denen man zu wäh- 
len hatte, verboten geradezu die Wahl eines Franzosen ausserhalb 
des Collegiums; bei der in Rom herrschenden Stimmung war sie 
durchaus unmöglich. Da6 war von vornherein zu erwarten, als 
man von Avignon zurückkehrte. 

So konnte nur an einen Italiener gedacht werden. Im Colle- 
gium waren ihrer vier. Hatte nun einer von ihnen Hoffnungen 
und Ansprüche? Der alte, gichtbrüchige Cardinal von St. Peter, 
der sich stets tragen lassen musste, war sicherlich frei von Ehr- 
geiz; auch Simon von Mailand scheint nicht nach der Tiara ge- 
strebt zu haben. Dagegen hegten, nach allem wie wir urtheilen 
können, die beiden andern, Petrus Corsini wie Jacob Orsini, den 
Wunsch, Papst zu werden. Am stärksten wohl Orsini: war er 
doch einer der jüngsten und glaubte als Römer besondere Hoff- 
nungen und Ansprüche zu haben. Aber gerade die italienischen 



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Wahl Urbans VI. 



77 



Cardinäle batton die Papstgedanken der Limusiner durchkreuzt; 
indem sie sich auf Robert's Seite schlugen, hatten sie es unmög- 
lich gemacht, den Cardinal von Poitiers durchzubringen. Wenig 
wahrscheinlich war es daher, dass die Limusiner sich würden be- 
reit finden lassen, einem ihrer Gegner die Stimme zu geben. 

So musste man denn an einen Italiener ausserhalb des Colle- 
giums denken. Traf man die geeignete Persönlichkeit, so konnte 
es nicht schwer halten, Robert mit seinem Anhange herbeizu- 
ziehen. Dann hatte man eine so bedeutende Stimmenzahl, dass 
man ruhig abwarten konnte, wie die Italiener und etwaige Un- 
sichere sich verhalten würden. 

Es wird uns glaubwürdig versichert, die Limusiner hätten 
zuerst in dem Erzbischofe von Bari den Mann ihrer Wahl er- 
kannt. Er war geübt und gewandt in den Geschäften, sein Huf 
ein tadelloser. Es war vorauszusehen, dass er als Neapolitaner 
der Königin Johanna und auch dem französischen Königshause 
genehm sein würde; sein früherer Gönner Cardinal Guido war 
mit letzterem nahe verwandt gewesen. Da Bartholomäus sich 
lange in Avignon aufgehalten, war er den ültramontanen wohl 
bekannt ; seine Anhänger versichern, dass er namentlich mit 
Wilhelm von Agrifolio, Cardinal von St. Stephan befreundet war. 
Mit der Wahl dieses Mannes war auch Robert von Genf, ein Neffe 
des Cardinal Guido einverstanden, nicht minder Petrus von Luna 
und der Cardinal vonGlandeve; sie alle drei sollen mit ihm vor- 
her in Einverständniss getreten sein. Man schmeichelte sich zu- 
dem, Bartholomäus werde ein gefügiges Werkzeug in den Händen 
derer sein, denen er seine Erhebung zu verdanken hatte; jede 
Partei glaubte, mit seiner Wahl sich selbst zu fördern. So waren 
die Aussichten für den Barenser höchst günstig: ein grosser Theil 
der Cardinäle bereit, ihn zu wählen, er selbst mit den Stadt- 
behörden im Einverständniss ; man bezeichnete ihn bereits in der 
Stadt als den künftigen Papst. — Fraglich war nur, wie die ita- 
lienischen Cardinäle sich verhalten würden, namentlich Petrus und 
Jacobus, und endlich der Cardinal von St. Eustachius, der sich 
ebenfalls Hoffnungen auf den Pontificat machte. Und noch an- 
dere Einflüsse konnten störend auf die Wahl wirken. Das "Volk, 
welches einen Römer begehrte, wurde bearbeitet und in sei- 
nem Verlangen bestärkt nicht allein durch die Freunde Orsini's; 
auch der Abt Petrus von Montecassino Hess unter der Menge 
wühlen. 



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78 



Fünftes Kapitel. 



1378. 



Am 7. April Abends fand der Einzug in das Conclave in 
feierlicher Weise statt unter Trompetenklang, das dichtgedrängte 
Volk jubelte und lärmte, allenthalben ertönte der Ruf: „Wir 
wollen einen Römer". Die zuchtlose Menge — voll von dem un- 
gewohnten Schauspiele, welches Rom seit fünfundsiebzig Jahren 
wieder zum ersten Male erblickte — liess sich nicht abhalten, 
mit in den Vatican einzuziehen; Manche drängten sich sogar selbst 
in das Conclave ein. Erst spät und mit grosser Mühe gelang es, 
die Eingedrungenen zu vertreiben und einigermassen Ruhe her- 
zustellen; das herkömmliche Vermauern der Thür zum Conclave 
unterblieb. In der nächsten Umgebung und in der Stadt hielt 
der Lärm die ganze Nacht durch an. 

Der Morgen des 8. April brach heran. Die Cardinäle hörten 
die Messe, bei welcher Petrus von Florenz den Sermon hielt; aber 
störend drang schon wieder der Lärm von aussen, das Schreien 
des Volkes in die kirchliche Handlung. Allmälig wurde es ruhi- 
ger und man ging daran, die Wahl vorzunehmen. Die Nominatio, 
die Nennung der eventuellen Candidaten begann ; alsbald traten 
die sich kreuzenden Bestrebungen zu Tage. 

Petrus von Corsini hatte als der erste seinen Vorschlag zu 
machen ; er nannte den Cardinal von St. Peter. Seine Absicht 
konnte keine andre sein, als den Cardinälen die Ernennung eines 
Italieners aus dem Collegium ans Herz zu legen. Aber sogleich 
trat ihm der Cardinal von Limoges entgegen, als Bischof von 
Praeneste der zweite im Collegium. Der Cardinal von St. Peter 
sei zu alt und gebrechlich, der von Florenz, wie der von Mailand 
seien aus Städten gebürtig, welche der Kirche feindlich gesinnt 
wären, Orsini endlich sei zu jung. „Ich erwähle frei und offen 
den Erzbischof von Bari". Seinem Vorschlage stimmten die Pres- 
byter bei. Nur unter den Diaconen wurden Schwierigkeiten ge- 
macht. Der Cardinal von St. Eustachius erklärte, mit der Mehr- 
heit gehen zu wollen, aber er lehnte zugleich, wie es scheint, die 
Verantwortlichkeit für die Wahl ab, auf den vor dem Conclave 
herrschenden Tumult hinweisend. Geradezu that das Orsini: er 
erklärte, im gegenwärtigen Augenblick nicht wählen zu wollen, 
man sei nicht frei. Ihm lag daran, vorläufig jede Wahl zu hinter- 
treiben ; er schlug sogar vor, man möge, wie es früher schon ge 
schehen sei, irgend einen Klosterbruder holen lassen und ihn zum 
Schein als Papst ausstatten, um später bei guter Ruhe die Wahl 
yorzunehmen. Aber sein Vorschlag wurde verworfen, besouders 



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1378. 



Wahl Urbans VI. 



79 



der Cardinal vou Linioges eiferte dagegen, das Volk zum Götzen- 
dienst zu verlocken. 

Die Wahl des Barensers war damit gesichert. Die eigent- 
liche Election wurde indessen verschoben; man wollte erst früh- 
stücken und den Bezeichneten holen lassen. 

Der Lärm tobte inzwischen in der nächsten Umgebung des 
Conclave weiter; die Stimmen, welche einen Römer forderten, 
wurden immer ungeduldiger, immer drohender; man fing sogar 
an, mit den Glocken des Capitols und des St. Peter zu stürmen. 

Endlich wurde zur Wahl geschritten. „Setzen wir uns und 
bleiben wir bei dem, worüber wir uns vorhin geeinigt haben", 
wurde vorgeschlagen. Das Ergebniss konnte nicht zweifelhaft 
sein, umsomehr trieb der Tumult des Volkes zur Eile. Der Wider- 
stand, den vorher Einzelne geleistet hatten, wurde als fruchtlos 
aufgegeben; einhellig erwählten die Cardinäle Bartholomäus von 
Prignano, Erzbischof von Bari; selbst Orsini stimmte bei. 

Noch trug man Bedenken, der erregten Menge das Resultat, 
die Ernennung eines Nichtrömers bekannt zu machen. Da wurde 
das Conclave gewaltsam beendet; eine tobende Volksmasse drang 
durch die erbrochenen Thüren ein. Wahrscheinlich dauerte dem 
Volke, welches nicht wusste, dass die Wahl bereits geschehen 
sei, das Conclave viel zu lange. Es wollte dem Zaudern dadurch 
ein rasches Ende machen, dass es die Wahl eines Römers mit 
Gewalt erzwang. Die bis dahin mit Mühe gezügelte Leidenschaft 
schäumte über. 

Ein jäher Schrecken ergriff die versammelten Väter, als die 
lärmende Schaar hereindrang. Einzelne wollten flüchten, sie wur- 
den ergriffen und mit roher Gewalt zurückgeschleppt. Andere 
wichen in die Kapelle, auch deren Thür brach zusammen; mit 
wilden Drohungen wurde die Wahl eines Römers gefordert. Da 
kam einem der zum Tode Geängsteten ein rettender Gedanke: 
„Der Cardinal von St Peter ist Papst \ u rief er dem Volke zu. 
Das Wort zündete; im Augenblick wurde der Gelähmte mit den 
päpstlichen Gewändern umhangen und auf den Thron geschoben. 
Ehrfurchtsvoll warf sich die zufriedene Menge dem Ueberraschten 
zu Füssen und brachte ihm die Verehrung dar. 

Jetzt erst, als die Römer ihren Wunsch erfüllt glaubten, ge- 
lang es den Cardinälen, in der Verwirrung zu entkommen; ohne 
Hut und Mantel sollen Einzelne davon geeilt sein. Man fürch- 
tete den aufbrausenden Zorn der Römer, wenn dieselben hinter 



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80 Fünftes Kapitel. 1378. 

den Betrug kamen und den Namen de« wirklich Erwählten er- 
fuhren. So fest glaubte mau in der Stadt, der Cardinal von St. 
Peter sei Pontifex, dass Couriere mit der frohen Nachricht nach 
Florenz abgingen. Bald genug kam die Enttäuschung, da der von 
Schmerzen gequälte Tibaldeschi die Pein nicht länger ertrug; er 
erklärte, nicht er, sondern der Erzbischof von Bari sei Papst. 
Laute Verwünschungen erschollen; man drang in den Cardinal, 
seine Rolle in die Wirklichkeit zu übersetzen und thatsächlich die 
Würde anzunehmen. Erst als er sich entschieden weigerte, dem 
unsinnigen Verlangen nachzugeben, Hess das Volk von ihm ab; 
Diener trugen den völlig Erschöpften in ein Nebengemach, wo er 
zusammenbrach. Desto eifriger suchte man nach Bartholomäus; 
die Hasenden wollten ihn zwingen, zu entsagen, oder ihn tödten. 
In dem heimlichen Gemach des Papstes verborgen entging der 
Gesuchte der Gefahr; endlich verlief sich die Menge. 

Die Cardinäle hatten sich nach allen Richtungen zerstreut. 
Die vorsichtigsten gingen in die Engelsburg, andere verliessen die 
Stadt und begaben sich auf feste Burgen in der Campagna; die 
übrigen gingen in ihre Wohnungen, in denen sie ohne Störung 
und Belästigung die Nacht zubrachten. 

Bartholomäus blieb mit dem Cardinal von St, Peter allein 
die Nacht über im Vatican ; als sich der Tumult legte, kam er 
aus seinem Versteck hervor. Prälaten und andere Personen, 
welche den Sachverhalt kannten, kamen in den Palast, wo man be- 
ratschlagte, was zu thun sei. Bartholomäus wollte die Stadt 
verlassen ; aber der Cardinal rieth, zu bleiben, und der Erwählte 
folgte ihm. Jedenfalls musste die Nacht abgewartet werden, ehe 
weitere Schritte geschehen konnten. 

Am Morgen Hessen Cardinal und Erzbischof die Officialen 
benachrichtigen, welche alsbald im Vatican erschienen und die 
Wahl ohne weiteres anerkannteu. Noch war die Verkündigung 
derselben und die Inthronisation zu vollziehen, und so sehnlich 
Bartholomäus wünschte, seine Würde anzutreten, erklärte er doch 
mit kluger Vorsicht: ehe die Cardinäle nicht nochmals seine 
Wahl als giltig und canonisch anerkannt, könne er sich nicht als 
rechtmässiges Oberhaupt der Kirche betrachten. 

Erst als die in Rom anwesenden zwölf Cardinäle sich wieder 
zusammengefunden und nochmals ihre Stimmen für Bartholomäus 
abgegeben hatten, erfolgte die Inthronisation in herkömmlicher 
Weise. Das neue Kirchenhaupt nahm den Namen Urban VI. an. 



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1378. Wahl Urbans VI. 81 

Bald kehrten auch die in die Campagna Entflohenen zurück. 
Am Ostersonntage, den 18. April, wurde Urban vor versammel- 
tem Collegium von Orsini gekrönt und nahm feierlich den Lateran 
in Besitz. 

Der neue Pontifex zeigte der Christenheit und deren Fürsten 
seine Erhebung an; vorsichtig hielt er darauf, dass die Cardinäle 
sowohl einzeln, als in ihrer Gesaramtheit dasselbe thaten. Denn 
das Gerücht von den die Wahl begleitenden Tumulten hatte sich 
rasch verbreitet; sehr mit Grund sorgte Urban dafür, dass 
yon vornherein alle etwaigen Zweifel an seiner Rechtmässigkeit 
zerstreut würdeD. Alle diese Schreiben erklären Urban für den 
einhellig erkorenen Papst und warnen ausdrücklich davor, falschen 
Gerüchten zu trauen. „Denn in den meisten Fällen und nament- 
lich bei wichtigen Dingen pflegt die Geschwätzigkeit der Fama 
die Wahrheit mit falschen Farben zu verhüllen", schrieb man an 
die in Avignon gebliebenen Collegen. Ohne weiteres erkannten 
diese Urban an. Noch ging Alles gut. Ungestört vollzog Urban 
alle Amtshandlungen, von den Cardinälen unterstützt, welche 
ihrerseits ihn beschenkten und mit Bitten für sich und Andere 
überschütteten. Selbst der Cardinal von Florenz beruhigte sich bei 
dem Gedanken, dass wenigstens ein Italiener wieder die Schlüssel 
führe: »Wir haben für die Ehre des italienischen Namens durch 
Gottes Gnade mit Erfolg gearbeitet", schrieb er an einen Freund. 
Allgemein in der ganzen Christenheit wurde Urban anerkannt. 

So waren denn die unruhevollen Tage der Sedisvacanz, die 
stürmischen des Conclave vorüber. Es lässt sich nicht leugnen, 
die Wahl war nach gesetzlicher Vorschrift vollzogen und canonisch 
giltig. Aber sie war unter so eigenthümlichen Verhältnissen vor 
sich gegangen, dass nichts leichter war, als den wahren Sach- 
verhalt zu verhüllen und zu entstellen. Canonisch war die Wahl 
gewesen, aber sie war nur zu Stande gekommen, indem die ver- 
schiedenen Factionen sich gegenseitig befeindeten und den Erfolg 
missgönnten. Die Cardinäle hofften ferner, in Urban ein gefügiges 
Werkzeug geschaffen zu haben. Stellte sich nun heraus, dass das 
keineswegs der Fall war, traten Verhältnisse ein, welche jenen 
Streit der Interessen beschwichtigten und die Hadernden zur Ein- 
tracht führten, so war zu erwarten, dass der Erwählte die Kosten 
der Vereinigung der bisherigen Gegner zu tragen haben würde. 
Ohne jeden wirklichen Anhang im Collegium konnte er leicht 
seine Wähler sich in Widersacher verwandeln sehen. 

Th. Lind n er, Geschichte des deutschen Reiches. I. 6 



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82 



Fünftes Kapitel. 



Dazu kam es nur zu schnell. Sobald Urban seiner Stellung 
sicher zu sein glaubte, entfaltete er offen die ungestüme Leiden- 
schaft seines Charakters, die er bis dahin klug gebändigt hatte; 
wie so viele Päpste zeigte er sich, nachdem er die höchste Stufe 
erreicht, plötzlich als einen ganz anderen Menschen. In der rück- 
sichtslosesten Weise ging er vor, nach allen Seiten hin Anstoss 
erregend; namentlich trat er den Cardinälen als gestrenger Ge- 
bieter entgegen. Er erklärte ihnen, dass die Reform der Kirche 
an den Häuptern beginnen müsse, in der bittersten Weise tadelte 
er ihre Prunksucht; hinfort sollte jeder in seinem Bisthum blei- 
ben. So begründet Urbans Forderungen sein mochten, die Car- 
dinäle waren in anderen Gewohnheiten herangewachsen; jetzt von 
ihrem Geschöpfe, als welches sie Urban betrachteten, gemassregelt zu 
werden, ertrugen sie nicht. Am 24. April kam auch der Cardinal 
von Amiens nach Rom, ein stolzer Kirchenfürst und von dem 
grössten Einflüsse am französischen Hofe. Während Urbans Wahl 
war er in Sarzana gewesen, um Frieden zwischen dem Papste und 
den Florentinern zu vermitteln, aber der Congress hatte sich auf 
die Nachricht vom Tode Gregors unverrichteter Sache aufgelöst. 
Sei es nun, dass Urban mit der Thätigkeit Johanns unzufrieden 
war oder den übermüthigen Mann besonders hasste, es kam zu 
den heftigsten Scenen zwischen ihm und dem Cardinale. Aber 
Johann war am wenigsten geneigt nachzugehen und sich „dem 
Erzbischöflein" zu unterwerfen; die Unzufriedenheit der Anderen 
schürte er fortan aufs eifrigste 1 ). Der Nationalhass brach unver- 
halten hervor; die Franzosen, welche so lange Zeit das Papstthum 
als ihre Domaine betrachtet hatten, empörte der Uebermuth des 
Italieners. Es wird erzählt, sie hätten — natürlich ohne jeden 
Erfolg — an Urban die Forderung gerichtet, nach Avignon zurück- 
zukehren ; auch die Ernennungen zu verschiedenen Aemtern, welcho 
jener vornahm, erregten ihr Missfallen. So stieg die Erbitterung 
von Tage zu Tage. Aber in Rom, dessen Volk dem italienischen 
Papste ganz ergeben war, fühlten sich die Cardinäle nicht sicher. 
Im Mai begannen sie, einer nach dem andern aus Rom zu ent- 
weichen und nach Anagni zu gehen; die ersten waren Agrifolio 
und der von Poitiers. Noch scheuten sie vor offenem Bruche zu- 
rück, Gesundheitsrücksichten wurden als Grund der Entfernung 



1) Christophe Hist. de la papaut6 pendant le XIV. siecle III, 17 ff. 



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Abfall der Cardinäle. 



vorgeschützt, und noch von Anagni aus blieben sie mit Urban im 
officiellen Verkehre. Erst mussten möglichst viele der Cardinäle 
zum Abfall gebracht, der Zwiespalt zwischen den Limusinern und 
den Galliern beseitigt werden ; die gallischen Cardinäle hielten in 
der That am längsten bei Urban aus. Erst in der zweiten Hälfte 
des Juni waren sämmtliche bis auf die vier Italiener in Anagni, 
wo sie sich unter dem Schutze des mächtigen Grafen Honoratus 
von Fundi, eines neapolitanischen Vasallen, welchen Urban schwer 
gekränkt hatte, sicher fühlten »)• 

Der Papst war klug genug, die Aufforderung der Cardinäle, 
zu ihnen zu kommen, zurückzuweisen und nahm mit den Ita- 
lienern seinen Sommeraufenthalt in Tivoli. Noch fürchtete er, 
der sich in vollkommenen Täuschungen über seine Lage wiegte, 
keine Gefahr. Der Ergebenheit des römischen Volkes konnte er 
gewiss sein. Die Königin Johanna von Neapel hatte seine Wahl 
als die eines geborenen Neapolitaners mit Freuden begrüsst, die 
dortige Bürgerschaft sie mit Illuminationen gefeiert. Bald darauf 
war auch der Gemahl Johannas, Otto von Braunschweig-Tarent, 
welcher Gregor XI. schon manchen Dienst erwiesen, mit reichen 
Geschenken erschienen, um seine Ehrerbietung zu beweisen. Otto 
hegte den Wunsch, von Urban zum König gekrönt und damit als 
Erbe des Königreiches anerkannt zu werden; sein Schützling, der 
Markgraf Johann von Montferrat , sollte Maria, die junge Erbin 
von Sicilien ehelichen. Aber auf diese Wünsche ging Urban 
nicht ein, und wie andere, so stiess er auch Otto und 
deBsen Umgebung, darunter den einflussreichen Kanzler Nicolo 
Spinelli, durch rohe Behandlung zurück. Noch einmal kam Otto 
nach Tivoli, um seine Vermittlung anzubieten, 2000 neapolitanische 
Lanzen wurden sogar damals zum Schutz Urbans geschickt. Aber 
trotzdem war auf die Dauer ein Bruch zu befürchten 2 ). 

Die in Anagni Versammelten schwankten lange, was sie thun 



1) Sardo Ood. Pia. in Aren. stor. It. VI, 2, 197. — Baluzii vitae Pap. 
Avenion. I, 1008, 1081. — Gregorovius Gesch. d. Stadt Rom im Mittelalter 
VI, 492. 

2) Theodorici deNiem de schismate libri IV. I, c. 8. Bulaei Hist. univers. 
Paris. IV, 466. — Die Daten in den Giornali Neapol. (Muratori Scr. rer. Ital. 
XXI, 1039) sind hier sehr unzuverlässig. Das von Dietrich dem Herzoge Otto 
zugeschriebene Wortspiel: Urbanus— Turbanus stammt bereits aus den Zeiten 
des Papstes Urban LT. 

6* 



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84 



Fünttes Kapitel. 



1378. 



sollten. Vor allen Dingen bedurften sie militärischen Schutzes, 
daher wurden die brottonischen und gascognischen Soldschaaren 
berufen, welche an Rom vorbeimarschirend am IG. Juli dem sich 
ihnen entgegenstellenden Stadtvolke eine schwere Niederlage bei- 
brachten.. Die Engelsburg blieb zur Verfügung der Ultramon- 
tanen; obgleich die Cardiniile in Avignon, welchen die Vorgänge 
unbekannt waren, dem gascognischen Commandanten befohlen 
hatten, die Festung Urban zu überliefern, hatte er es doch nicht 
gethan. 

Mitte Juli waren die Cardinäle entschlossen, gegen Urban 
vorzugehen, der mittlerweile von ihrer Stimmung unterrich- 
tet die drei Italiener beauftragt hatte, nach Anagni zu gehen, 
um zu vermitteln 1 ). Officiell wurde ihnen geantwortet, die Ge- 
rüchte seien völlig grundlos; ins Geheim aber erklärte man ihnen, 
die Wahl Urbans sei als erzwungen ungiltig, der apostolische 
Stuhl müsse daher als erledigt gelten. Die Italiener möchten in 
Anagni bleiben, um die geeigneten Massregeln zu berathen. Aber 
noch waren sie Urban getreu, dem sie nach Tivoli zurückkehrend 
die Unglücksbotschaft brachten. 

Am 21. Juli richteten endlich die Schismatiker die offene 
Aufforderung an ihre italienischen Collegen, binnen fünf Tagen zu 
ihnen nach Anagni zu kommen, um den der Christenheit ange- 
thanen Scandal zu beseitigen. Die drei legten Urban das Schreiben 
vor und erklärten sich bereit, für die Eintracht und den Frieden 
der Kirche zu arbeiten und gingen am 26. Juli nach Vicovaro; 
sie sollten Urban nicht wiedersehen. Am 2. August legten die 
dreizehn in Anagni befindlichen Cardinäle in eidlicher und nota- 
riell beglaubigter Form ein Protocoll nieder, in welchem sie den 
Verlauf der Wahl schilderten und daraus deren Ungiltigkeit erwie- 
sen. Unter solchen Umständen konnten die Verhandlungen mit 
den Italienern, mit denen wenige Tage später am 5. August in 
einer Feldkirche bei Palestrina eine Besprechung stattfand, wenig 
Aussicht bieten. Letztere boten ein Concil an, ohne bestimmte 
Antwort zu erhalten. Denn schon am 9. August erliessen die 
Abtrünnigon eine leidenschaftliche offene Erklärung an die ge- 
sammte Christenheit und forderten sie auf, Urban nicht zu ge- 
horchen; dieselbe wurde an den Papst gerichtet mit dem Begeh- 



1) Bericht der ital. CArdiniUe bei Bzovii Ann. eccles. XV. 1378, 14. 



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1378 



Wahl Clemens TTT. 



85 



ren, dass er zurücktrete. Nach solchen Schritten konnte von 
einem Ooncile nicht mehr die Rede sein und in der That war 
keine der Parteien zu einem solchen aufrichtig entschlossen ge- 
wesen. Denn Urban wollte nur darauf eingehen, wenn er es be- 
rufe und ihm Vorsitze. Das konnten seine Gegner unmöglich zu- 
geben, die ein Concil schon deswegen für unthunlich erklärten, 
weil es keinen Papst gebe, der allein es zusammenrufen könne 

Nach allen Richtungen hin sandten die Cardinäle ihre Protest- 
briefe, während der Kämmerer des apostolischen Stuhles, derErz- 
bischof von Arles, aufforderte, an Urban nichts zu zahlen. So 
entschieden italische Gelehrte und Patrioten für letzteren ein- 
traten: der Riss war nicht mehr zu heilen. Es war nur die un- 
vermeidliche Folge des Vorangegangenen, wenn am 20. September 
in Fundi die Wahl eines Gegenpapstes vor sich ging, des Cardi- 
nales Robert von Genf, welcher am 31. October als Clemens VII. 
zum Papste geweiht wurde. 

Die Persönlichkeit, welche die Ultramontanen erhoben, war 
mit Glück gewählt. Robert stammte aus dem alten Hause der 
Genfer Grafen, welches mit ihm erlosch. Er gehörte daher seiner 
Geburt nach dem deutschen Reiche an, aber wie alle burgundi- 
schen Familien hatte auch sein Haus von jeher in vielfachen Be- 
ziehungen zu Frankreich gestanden, mit den ersten Fürstenhäu- 
sern Europas war es ausserdem verwandt. Im Jahre 1342 gebo- 
ren war Robert früh in den kirchlichen Dienst getreten, bald 
päpstlicher Notar geworden, dann zum Bischöfe von Terouanne 
und 1308 zum Bischöfe von Cambray befördert worden; 1372 
hatte ihn Gregor XI. zum Cardinal erhoben. Er war reich be- 
gabt und freigebig, zugleich ein Mann von kriegerischen Neigun- 
gen und gewaltiger Energie. Vor kurzem erst hatte er seinen 
Namen durch das Blutbad von Cesena in ganz Italien fürchter- 
lich gemacht. Nur eine gewisse Trägheit in der Erledigung der 
laufenden Geschäfte hatten seine Anhänger an ihm auszusetzen 2 ). 



1) Die ürkuode vom 2. August bei Baluze II, 822 und Raynaldi Ann. 
eccl. 1378, 63 ff. aber zerstückt; die vom 9. August bei Raynald. 1378, 48 ff. 
und Baluze I, 542; bei Bzovius a. a. 0. 19 ist sie an Urban gerichtet, ebenso 
mit einigen Abweichungen bei Marteue Coli. ampl. VII, 433. Ueber den Vor- 
schlag des Concils siehe Raynald. 1378. 42, 43 und Baluze I, 1106. 

2) Prima vita Cleraentis VII. bei Baluze 1, 537. (Ueber ihren Verfasser 
siehe meinen Aufsatz in den Forschungen XII, 251 ff.: Ueber einige Quellen 
xur Papstgeschichte im 14. Jahrhundert.) 



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86 



Fttnfleg Kapitel. 



1378-1379. 



Die drei Italiener (der alte Tibaldeschi war indessen in gutem 
Glauben an Urbans Rechtmässigkeit gestorben) waren bei der 
Wahl Roberts zugegen ; sie stimmten weder mit, noch protestirten 
sie. Bald darauf zogen Bie sich nach Tagliacozzo zurück, noch 
immer an dem Gedanken eines Concils festhaltend, das sie noch 
am 17. Januar 1379 Urban vorschlugen •). 

Aber dieser war ebenso wenig geneigt, darauf einzugehen, 
wie die Ultramontanen. Mit Orsini gingen im August solche Ab- 
sichten zu Grabe, seine Collegen fielen jetzt Clemens zu. Sie 
begaben sich zunächst nach Aversa unter den Schutz der Johanna, 
von da nach Nizza, wo Simon am 27. August 1381 starb, nach- 
dem er letztwillig Clemens als den ächten Papst anerkannt 2 ). 

Petrus ging dann nach Avignon, wo er noch an der Wahl 
Benedicts XIII. Tbeil nahm. Der Abfall der Italiener war für 
Urban verhängnissvoll; da man gerade auf ihre Aussagen das 
grösste Gewicht legte, wurde ihre Meinung vielfach von den Fürsten 
Europas eingeholt. 

Als Urban sich von allen Cardinälen verlassen sah, creirte 
er im September einige zwanzig neue, meist Italiener ; wenn unter 
den Beförderten sich die Erzbischöfe von Prag und von Gran be- 
fanden, so geschah es, um die Herrscher beider Länder, den Kaiser 
Karl und den König Ludwig zu verpflichten 8 ). 

Nach der Wahl des Gegenpapstes säumte er nicht, gegen 
seine Gegner mit den schärfsten kirchlichen Processen vorzugehen ; 
über Robert selbst, die Cardinäle Johann von Amiens, Gerhard 
und Petrus Flandrini und die durch sie verführten Bischöfe und 
Laien, besonders die Herren von Fundi, von Caserta und Vico 
wurde am 29. November der Bann verhängt und sie aller Würden 
entsetzt 4 ). 

Italien blieb im Grossen und Ganzen Urban getreu, wie es 
der lebhafte Nationalstolz und das politische Interesse gebot ; nur 
in Oberitalien glückte es eine Zeit lang dem Grafen Amadeus von 
Savoyen, für Clemens Propaganda zu machen. Aber der Erfolg 
war nicht von Dauer und wenn späterhin die oberitalischen Dy- 

1) Raynald. 1379, 2. Noch am 29. November 1378 nannte sie Urban 
seine »lieben Söhne". 

2) Balnze I, 104«, 1051, 1140. Achery Spicileginm I, 765. 

3) Raynald 1378, 102. Theod. de Niem I, c 17 nennt irrig den Bischof 
von Fünfkirchen. 

4) Raynald. 1378, 103. 



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1878-1379 Abfall der Königin Johanna von Neapel. 87 

nasten, wie namentlich die Viscontis, politischen Verhältnissen und 
Beziehungen zu Frankreich gelegentlich Rechnung trugen und eine 
mehr neutrale Haltung beobachteten, für Clemens geradezu ein- 
zutreten kam keinem von ihnen in den Sinn. Entschieden trat 
jedoch Johanna von Neapel gegen Urban in die Schranken. 
Auf sie übte Nicolo Spinelli bestimmenden Einfluss, den Clemens 
mit zwei andern Neapolitanern sofort zum Cardinal beförderte, 
ausserdem der Graf von Fundi, der damals seine einzige Tochter 
Jacobella mit Ottos Bruder, dem Herzoge Balthasar verlobte. Die 
Weigerung Urbans, Otto zu krönen, die giftigen Aeusserungen, 
welche er in seiner rücksichtslosen Weise üher Johanna that, 
machten den Bruch vollständig. Wenn ihr Otto nicht nachfolgte, 
musste die Regierung übergehen auf Karl von Durazzo, welchen 
Jobanna selbst im Jahre 1368 mit der erbberechtigten Prinzessin 
Margarethe vermählt hatte. Dieser Karl, der am Hofe Ludwigs 
des Grossen aufgewachsen und schon deshalb Johanna verhasst 
war, stand Urban sehr nahe l ) und wie wir sehen werden, mach- 
ten noch andere Combinationen dessen Nachfolge in Neapel höchst 
wahrscheinlich: die unumgänglichen Rücksichten auf den Kaiser 
und auf Ungarn geboten Urban unbedingt, Karl als künftigen 
Herrn von Neapel zu betrachten. Dass er sich indessen von An- 
fang an mit dem Gedanken getragen hat, Johanna alsbald abzu- 
setzen, ist nicht recht glaublich 2 ). 

Die Kirchenspaltung war unwiderruflich entschieden. Schon 
oft hatte die Christenheit zwei, ja drei Päpste auf einmal gesehen, 
von denen jeder den andern verfluchend sich für den allein recht- 
mässigen hielt, aber noch nie war die Gefahr, dass mit der ober- 
sten Leitung auch die ganze Kirche zerrissen würde, eine so un- 
geheure gewesen. Denn nichts war natürlicher, als dass die Po- 
litik sich sofort der Kirchenfrage bemächtigte. Der Westen 
Europas zerfiel ohnehin seit Jahrzehnten in zwei feindliche Kriegs- 



1) Er war im Juli 1378 in Tivoli, Bzovius 1378, 14: Barensis multum re- 
gebatur consilio aliquorum nobilium Latinorum et maxime Oaroli de Pace Doris 
Duracii. 

2) In der expositio raisei regii ad comitem Flandriae bei Bulaeus a. a. 0. 
heisst es: Intrusus (Johannam) excommunicabat, dicens quod faceret eam mo- 
nacham et daret regnum suum filio regis Franciae cum filia regis Hungariae 
ejus sponsa futura et sie lucraretur hos duos reges et per regem Franciae 
habere! avunculum suum imperatorem. Das klingt sehr unwahrscheinlich. 



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88 



Fünftes Kapitel. 



1378. 



lager: wie England und Frankreich, die in ihre Kreise wieder die 
kleineren Staaten zogen, sich mit den Waffen in der Hand gegen- 
über standen, war zu erwarten, dass sie auch in der Papstfrage 
Gegner sein würden. Zwar waren die Nachfolger Petri nicht 
mehr wie die grossen Päpste des dreizehnten Jahrhunderts die 
Schiedsherren in den Conflicten der europäischen Staaten, aber ihr 
Einfluss war noch immer mächtig genug, um sie zu werthen Bun- 
desgenossen zu machen. Wie wichtig war schon, dass mit ihrer 
Hälfte der heimische Clerus zu finanziellen Leistungen vermocht 
werden konnte. Für welchen Papst sich Frankreich auch ent- 
scheiden mochte, jedenfalls erkannte England dessen Rivalen an. 

Welche Haltung Karl V. einnehmen würde, Hess sich leicht 
voraussehen. Nur ungern hatte Frankreich die Curie aus Avignon 
scheiden sehen. Die Wahl eines Italieners drohte den bisher 
geübten Einfluss noch mehr zu untergraben, da ein solcher gewiss 
das Cardinalcollegium in autifranzösischem Sinne umgestaltete. 
Noch waren sechs Cardinäle in Avignon, der Umzug überhaupt 
noch nicht vollständig durchgeführt. Wie leicht konnte da ein 
französischer Papst an die lieb gewordene Stätte zurückkehren, 
die ausserdem durch den siebzigjährigen Aufenthalt des Papst- 
thums für Rom gleichberechtigt gelten mochte! 

Bald nach den ersten Streitigkeiten mit Urban hatten sieben 
Cardinäle an den König von Frankreich Andeutungen ergehen 
lassen, die Giltigkeit der Wahl Urbans sei trotz der officiellen 
Briefe nicht zweifellos *). Am 15. Juli bereits schickten sie Nico- 
laus de St. Saturnino an Karl V. und die Pariser Universität, um 
beide zu gewinnen. Der Rector der letzteren, Marsilius de Inghen 
weilte damals in Italien bei Urban; am 27. Juli, also einige Tage 
später, benachrichtigte er die Universität, noch sei es unentschie- 
den, was die Cardinäle tliun würden; er scheint demnach nicht 
genau unterrichtet gewesen zu sein 2 ). Unverhohlen erklärte daher 
Karl den Gesandten Urbans, noch könne er diesen nicht als Papst 
anerkennen, da er über die Vorgänge bei der Wahl nicht klar 
unterrichtet sei. Inzwischen kamen die Proteste der Cardinäle 
vom 2. und 9. August, in Folge deren eine grosse Versammlung 
von Bischöfen und Gelehrten im September in Paris zusammen- 
trat. So ohne weiteres ging sie doch auf die Wünsche der 



1) Baluze I, 1226. Cristine de Pisan III, chap. LIII. 

2) Bulaeus a. a. 0. 465 f. 



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1378-1379. Stellung der europäischen Staaten zum Schisma. 



89 



Ultramontanen nicht ein, man erwog reiflich die Schwierigkeiten 
der Lage. Hatten doch anfänglich die Cardinäle seihst die Wahl 
Urbans als vollkommen rechtmässig erklärt. So reifte der Ent- 
schluss, vorläufig keinen Entscheid zu treffen: ein allgemeines 
Concil schien auch hier am angemessensten. Freilich, von wem 
und wie dasselbe berufen werden sollte, darüber erfolgte keine 
Einigung. Anders aber stellte sich die Sache, als Clemens Wahl 
erfolgte. „Jetzt bin ich Papst", soll Karl ausgerufen haben l ). 
Schon im November erklärte sich daher eine zweite Versammlung für 
Clemens. Dasselbe thaten gleichzeitig die in Avignon zurück- 
gebliebenen Cardinäle. Vergeblich wandte sich Urban mit einem 
höchst schmeichelhaften Briefe an die Universität, um sie zum 
Kampfe gegen seinen Gegner aufzumuntern ; diese gelehrte Körper- 
schaft, welche wohl hoffte, zum Schiedsrichteramte berufen zu wer- 
den, hielt sich vorläufig neutral, bei der Rectorenwahl wurde dies- 
mal der Rotulus an keinen der Päpste eingesandt, wie es sonst 
üblich war. Erst als im nächsten Jahre mehrere der schismati- 
schen Cardinäle nach Paris kamen und nun der König mit vieler 
Ostentation die ganze Angelegenheit öffentlich verhandeln liess, 
fügte sich endlich auch die Universität 2 ). 

Mit derselben Schnelligkeit und Bestimmtheit nahm England 
Stellung. Im October trat in Glocester das Parlament zusammen, 
vor dem beide Parteien durch Gesandte vertreten waren. Der 
Spruch fiel zu Urbans Gunsten, dem nun das Reich unerschütter- 
lich treu anhing. Die clementistischen Cardinäle durften fortan 
Englands Boden nicht betreten, gegen ihre Anhänger wurde mit 
scharfen Strafen vorgegangen. Nirgends wurde so wie hier der 
Kirchenstreit zur nationalen Sache, nur in England wurde später- 
hin dem Rufe Urbans zum Kreuzzuge gegen den Antipapst ent- 
sprochen. Der Kampf gegen Frankreich wurde nunmehr als reli- 
giöser betrachtet, den Zug des Bischofes von Norwich nach Flan- 
dern im Jahre 1382 nannte man geradezu den „Papstkrieg" 3 ). 



1) Siehe meine in Anm. 3 citirte Schrift. 

2) Christophe a. a. 0. 31 ff. 

3) Walsingham Historia brevis Angliae (London 1754) p. 330. Ueber die 
Haltung Englands siehe Hoefler Anna von Luxemburg in den Denkschriften 
der Wiener Akad. phil. bist. Classe. XX, 1871. und meinen Aufsatz: Ueber 
Huttens Schrift: De schismate extinguendo, in den Theologischen Studien und 
Kritiken. Jahrgang 1873. S. 151. Vergl. auch Kapitel XII. 



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90 Sechstes Kapitel. 1378 

Demgemäss entwickelten sich die Verhältnisse in den andern 
Staaten, welche in dem Bereiche der französisch-englischen Politik 
standen. Das mit Frankreich verbündete Schottland erkannte 
Clemens an, während der Herzog von der Bretagne, so lange er 
mit England im Einvernehmen war, zu Urban hielt. Portugal 
schwankte hin und her, auch hier liess sich König Ferdinand le- 
diglich durch seine Beziehungen zu Castilien einerseits, England 
andererseits bestimmen; sein Nachfolger Johannes hielt ent- 
sprechend seiner Feindschaft gegen Castilien zu Rom. Denn wäh- 
rend Heinrich von Castilien neutral blieb, trat sein Thronerbe 
Johannes zu Clemens; dasselbe thaten nach einigem Zögern Ara- 
gon und Navarra. Mit Ausnahme von Ober- und Mittel-Italien 
und Portugal standen demnach die Romanen zu Avignon, wäh- 
rend die germanischen Staaten: England, die scandinavischen 
Reiche und vor allem Deutschland Urban als rechtmässigen Papst 
betrachteten. 



Sechstes Kapitel. 

Anerkennung Urbans VI. 

Die Wahl Urbans war für den Kaiser ein glänzender Triumph, 
feein Werk, die Verlegung des heiligen Stuhles nach 'Rom, schien 
jetzt die rechte Krönung gefunden zu haben. Karl hatte sich mit 
dem Gedanken getragen, den jungen König nach Italien zu 
schicken; wenigstens stellten Ende November 1377 die Ge- 
sandten Bischof Johann von Olmütz und Wilhelm von Hasenburg 
Wenzels Ankunft als nahe bevorstehend dar, so dass die dortigen 
Fürsten bereits erwogen, wie sie sich ihm gegenüber verhalten 
wollten. Dazwischen kam die Pariser Reise, welche wohl auch 
nach dieser Seite hin Schwierigkeiten aus dem Wege räumen 
sollte ; ehe ausserdem Gregor nicht die Anerkennung Wenzels aus- 
gesprochen hatte, war an eine Romfahrt nicht zu denken, die gar 
zu leicht vom Papste als Zugeständniss im Sinne der früher er- 
hobenen Forderungen ausgelegt werden konnte. Gregor zögerte 
seinerseits ebenfalls, bis er ins Grab sank, ohne Karls Wünsche 



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1378 



Bemühungen Karls IV. für Urban. 



91 



erfüllt zu haben, seinem Nachfolger auch diese Frage zur Lösung 
hinterlassend. 

Es ist durchaus glaublich, dass Urban, wie berichtet wird, 
Anfangs entschlossen war, Wenzel nicht anzuerkennen; die Zuge- 
ständnisse, welche Karl gewährt, mochten auch ihm zu gering er- 
scheinen. Als aber der Abfall der Cardinäle begann, fing er an, 
mildere Saiten aufzuziehen; am 26. Juli unmittelbar nachdem die 
italischen Cardinäle von ihren Collegen nach Anagni geladen wur- 
den, sprach er feierlich die Anerkennung Wenzels aus, den er zu- 
gleich dringend einlud, in Italien zu erscheinen l ). 

Die päpstlichen Gesandten, welche die betreffenden Schreiben 
überbrachten, werden dem Kaiser die unerfreuliche Nachricht von 
dem Abfall der Cardinäle, deren schlimmen Plänen mitgetheilt 
haben. Der vor kurzem mit Freuden begrüsste Erfolg war wie- 
der in Frage gestellt und unermessliche Schwierigkeiten zeigten sich 
dem besorgten Blicke des Herrschers. Welche Stellung er zu 
nehmen habe, konnte keinen Augenblick zweifelhaft sein. Sofort 
richtete er an die Cardinäle die energische Aufforderung, der 
Kirche keinen schändlichen Scandal zu erregen und Urban, dessen 
Rechtmässigkeit unzweifelhaft aus ihren eigenen Briefen hervor- 
gehe, treu zu bleiben. Auch die Königin Jobanna ermahnte er 
dringend, Urban zu unterstützen und ihrem Vasallen, dem Grafen 
von Fundi, welcher die Rebellion der Cardinäle befördere, zu ver- 
bieten, ihnen irgend Vorschub zu leisten; selbst an Otto wandte 
er sich, damit dieser seine Gemahlin auf bessere Wege bringe. 
Die Fürsten Italiens wurden angewiesen, Urban anzuhängen, den 
europäischen Herrschern und Königen dessen gutes Recht in zahl- 
reichen Schreiben auseinander gesetzt. Aber noch musste Karl 
das Schlimmste, die Erhebung Roberts von Genf, erleben 2 ). 



1) Forsch. XIV, 296, 299. — Schon am 12. Juli reducirte Urban auf Bitten 
Karls die 120,000 Gulden, welche der Erzbischof von Köln dem heiligen Stuhle 
schuldete, auf 30,000. Lacomblet III, 718. 

2) Briefe von Karl und Wenzel, welche alle in die erste Zeit dos Schisma 
fallen, bei Palacky Formelbücher II, 27, 30-32; Pelzel Karl IV. II, Urk. p. 
389 , ob sie freilich alle echt oder zum Theil nur Stilübungen sind, ist schwer 
»u entscheiden. Pcssina im Phosphorua septicornis p. 149 erwähnt ein jetzt 
unbekanntes Mscr. : Epistolae Caroli imp. ad diversos prineipes immo etiam vi- 
cinos reges pro Urb. VI. datae Pragae an. 1378 mens. Aug. Sept. Oct. Wie 
die kais. Gesandten in Rom für Urban thatig waren, zeigt Baluze I, 1247. — 
Die Erzählung Froissards (publ. par Kervyn de Letteuhove IX, 146), dass 
Karl persönlich einen Entscheid vermieden habe, ist sicher falsch. 



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92 



Sechstes Kapitel. 



1378-1379. 



Selbstverständlich hielt Wenzel den Standpunkt des Vaters 
fest, aber im Reiche, unter den deutschen" Fürsten herrschte kei- 
neswegs Einstimmigkeit in der Papstfrage. Nicht einmal ira eige- 
nen Lande des Königs, in Böhmen, wo Clemens manche Anhänger 
fand. Einzelne Geistliche, welche im Sommer 1378 in Italien und 
somit Augenzeugen der Vorgänge waren, hielten zu Clemens, sei 
es nun, dass sie es aus Ueberzeugung thaten oder durch Ver- 
sprechungen gewonnen waren. Ein Posener Canonicus Nicolaus 
Ticzkonis ging als dessen Bevollmächtigter nach Preussen und 
wiegelte später in Böhmen gegen Urban auf; selbst der Dom- 
dechant Konrad von Wesel, welcher im kaiserlichen Auftrage in 
Rom weilend dort die Wahl Urbans erlebte, schlug sich zum Ge- 
genpapste. Auch der Breslauer Domdechant Dietrich, welcher 
sich um das Bisthum bewarb, benutzte die günstige Gelegenheit 
und Hess sich von Clemens zum Bischöfe weihen *). 

Eine heillose Verwirrung drohte durch das Schisma zu ent- 
stehen nicht blos in der allgemeinen politischen Lage: die ge- 
sammten kirchlichen Verhältnisse, und da sie mit tausendfacher 
Verzweigung in das bürgerliche Leben eingriffen, auch dieses 
mussten völlig zerrüttet werden, wenn nicht bald Abhilfe ge- 
schah. Wenn die grössten Gelehrten und wissenschaftlichen Kör- 
perschaften uneinig waren, wo das Recht liege und die einen 
sich nach dieser, die anderen nach jener Seite hin entschie- 
den, wenn Könige und Fürsten zweifelten, wie sie sich zu verhal- 
ten hätten, wie sollte in dieser Wirrniss der Einzelne, Geistlicher 
oder Laie, sich zurechtfinden? Ehrliche Naturen erklärten gera- 
dezu, sie wüssten nicht, wer der rechte Papst sei. Ein wie weiter 
Spielraum war da der Intrigue, der absichtlichen Täuschung, der 
eigensüchtigen Berechnung geboten ; ein bodenloser Abgrund von 
Streitigkeiten, von Rechtshändeln öffnete sich! Denn nichts war 
einfacher, als dass die Partei, welche von dem einen Papst Un- 
recht erhielt, sich an den andern wandte, jeder Zeit sicher, von 
diesem mit offenen Armen empfangen zu werden, alle Ansprüche 



1) Voigt Cod. dipl. Prussiae VI, 5; Grünbagen König Wenzel und der 
Pfaffenkrieg zu Breslau im Archiv für Kunde Oesterreich. Gesch.quellen XXXVII, 
240. — Palacky Gesch. von Böhmen III, 1, 14. Der Prager Domdechant Hinko 
Kluk ging sogar soweit, Briefe des GegenpapRtes, von dem er sich zum Bi- 
schöfe von Leitomischl ernennen liess, an das Thor der Prager Universität an- 
zuschlagen. 



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1379. 



Reichstag in Frankfurt. 



93 



und Wünsche gewährt zu sehen! In den Capiteln der Bisthümer 
war die Eifersucht der Parteien eine chronische Krankheit, un- 
endlich oft kam es zu Doppelwahlen. Jetzt konnte sich der von 
Urban verworfene Candidat an Clemens wenden und von ihm die 
erforderliche Bestätigung erlangen, oder umgekehrt; es waren gar 
nicht einmal die ungeheuren Summen erforderlich, welche sonst 
die Gewinnung des päpstlichen Wohlwollens kostete. Blutige 
Kämpfe zwischen den beiden nun gleichberechtigten Prätenden- 
ten waren dann unausbleiblich. Der Breslauer Dietrich hatte den 
Weg gewiesen, auf dem er bald zahlreiche Nachfolger fand. In 
Mainz, in Lüttich, in Basel, in Metz, in Konstanz, in Chur, in 
Lübeck, selbst im fernen Dorpat und anderweitig standen sich in 
den nächsten Jahren Bischöfe gegenüber, jeder vom andern Papste 
anerkannt. Bis in die kleinsten Verhältnisse hinein wirkte der 
unselige Zwist. Als die Stadt Lindau mit ihrer Pfaffbeit in Streit 
gerieth, trug sie kein Bedenken, auf Clemens Seite zu treten, zum 
grossen Aerger der anderen schwäbischen Städte. — 

Alsbald nach <{em Tode Karls hatte Wenzel die Absicht aus- 
gesprochen, ins Reich zu kommen und dessen Angelegenheiten 
nach dem Rathe der Fürsten, Herren und Städte zu ordnen; 
wenig später erliess er bestimmte Aufforderungen zu eiuem Reichs- 
tage in Nürnberg, wo er am 8. Januar eintreffen wollte. Die Ab- 
reise verzögerte sich indessen, am 12. Januar war der König erst 
in Weiden. 

Der beabsichtigte Reichstag in Nürnberg kam nicht zu Stande, 
schon am 21. Januar schrieb Wenzel von dort den Strassburgern, 
dass er denselben nach Frankfurt auf den 23. Februar verlegt 
habe. Er selbst brach nach dem 8. Februar ') nach Frankfurt 
auf, wo eine glänzende Versammlung sich zum ersten Reichstage 
des jungen Königs einfand: „gar gross volk und herschaft von 
kurfürsten, fürsten und herren" und auch von allen rheinischen 
Städten; die vier rheinischen Kurfürsten, Friedrich von Nürnberg 
und andere Herren werden uns genannt. Nur die beiden strei- 
tenden Päpste waren nicht durch Gesandte vertreten und dass 
die französischen Bevollmächtigten, welche dort am 20. Februar 
die Verlobung zwischen Ruprecht Pipan, dem Urgrossneffen des 
alten Kurfürsten und der Tochter Karls V. Katharina schlössen, 
etwas für Clemens thun konnten, ist bei der entschiedenen Hai- 



1) RA. n. 125-128; vgl. das Itinerarium Wenzels am Schlüsse des Bandes. 



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8ecbites Kapitel. 



1379 



tung, welche das pfälzische Haus in der Kirchenfrage einnahm, 
wenig wahrscheinlich. 

Am 27. Februar erklärte sich der König vereint mit den Kur- 
fürsten, den drei Erzbischöfen Ludwig von Mainz, Kuno von Trier, 
Friedrich von Köln und dem Pfalzgrafen Ruprecht nebst dessen 
Neffen und Grossneffen für Urban als den rechtmässigen römi- 
schen Papst, dessen Wahl in völlig canonischer Weise erfolgt sei, 
den die Cardinäle selbst als solchen verkündigt und durch Ge- 
horsam anerkannt hätten; Robert sei ein Widerpapst. Daher ge- 
lobte er als „alleiniger und rechter Vogt, Beschirmer und Hand- 
haber der römischen Kirche, des Papstes und des christlichen 
Glaubens" mit den vier Kurfürsten und andern Fürsten des Rei- 
ches zu Urban zu halten; alle Mitglieder des Bundes wollen sich 
getreulich helfen, um den rechten Papst zur Anerkennung zu brin- 
gen und die Anhänger Roberts mit aller Macht hindern, für die- 
sen zu wirken. Stirbt der König, so muss sein Nachfolger, ehe 
er auf den Altar gesetzt wird, diesen Bund beschwören und ebenso 
Jeder, der einen erledigten Bischofssitz einnehmen soll. Jeder der 
Kurfürsten stellte über seinen Beitritt eine besondere Urkunde aus. 

Als der König über Heidelberg und Nürnberg zurückkehrend 
am Ende des März in Prag anlangte, traf er dort den Gesandten 
Urbans, den Cardinal Pileus de Prata, Erzbischof von Ravenna, 
welcher ihm bereits von Paris her bekannt war. Pileus war da- 
mals im Auftrage Gregors XI. in Flandern und Brabant thätig, 
der erste grosse Cardinalsschub, den Urban vornahm, brachte 
auch ihm den rothen Hut und den Titel der heiligen Praxedis. 
Seine Legation lautete für Deutschland und die östlich gelegenen 
Länder, auch sollte er den Erzbischöfen von Gran und Prag, 
welche mit ihm gleichzeitig zu Cardinälen ernannt wurden, die 
Tnsignien ihrer neuen Würde überreichen. Ueber Venedig, von 
wo er am 14. December 1379 an die ihm persönlich bekannten 
Herrscher von Frankreich und Flandern einen umfangreichen Be- 
richt über die Wahl Urbans sandte, scheint er zunächst nach 
Ungarn gegangen zu sein, erst Anfang März kam er über Kutten- 
berg nach Prag '). 

Er brachte dem Könige die Nachricht, wie Ludwig 
treu zu Urban halte; schon konnte Wenzel darauf Bezug 
nehmen, als er nunmehr den Fürsten Europas kund that, wie er 

1) Siehe Beilage VII. 



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1379. 



Beziehungen zu Ungarn. 



zu dem Kirchenstreite stehe, denn die Clementisten sprengten mit 
Absicht falsche Gerüchte über seine Gesinnung aus. Daher schrieb 
Wenzel am 20. Mai an König Richard von England: er wie der 
König von Ungarn stünden entschieden zu Urban und er selbst 
sei entschlossen, nötigenfalls sein Blut für die Kirche zu ver- 
giessen. „Uns ist von Gott die Leitung des gesammten weltlichen 
Staatswesens übergeben ; wie die Baumrinde dem darunter liegen- 
den Holze einen natürlichen Schutz gewährt gegen Kälte und Hitze 
und beide vereint gleichsam einen lebensvollen Körper bilden, so 
sind wir an die Oberfläche der Kirche mit dem weltlichen Schwerte 
gestellt, damit wir sie mit unserem eigenen Blute gegen alle 
Stürme vertheidigen ; so sollen geistlicher und weltlicher Staat 
zusammen einen Körper bilden" ! ). 

Bald darauf muss Wenzel von Prag autgebrochen sein, um 
König Ludwig von Ungarn persönlich aufzusuchen, wie wohl Pi- 
leus bereits verabredet haben mag ; in der ersten Hälfte des Juni 
trafen die Herrscher einander in Altsohl am Gran. Leider ist 
unsere Kunde eine sehr geringe; wir wissen nur, dass Wenzel 
und Ludwig gemeinsam eine feierliche und öffentliche Erklärung 
für Urban abgaben. Beide sollen sogar an Clemens Gesandte ge- 
schickt haben, um ihn zur Nachgiebigkeit zu bewegen, welche aber 
erklärlicher Weise nicht die beste Aufnahme fanden 2 ). 

Aber neben diesem uns allein offenkundigen Acte wurden in 
Altsohl gewiss Berathungen von grösster Tragweite gepflogen. 

Noch war die Verlobung Sigismunds mit Maria nicht voll- 
zogen, aber es wurde jetzt wahrscheinlich bestimmt, dass der elf- 
jährige Knabe in der nächsten Zeit dem ungarischen Hofe über- 
geben würde, um dort als künftiger Thronerbe erzogen zu werden. 
Da lag nun die Frage vor, welche Länder dereinst ihm und sei- 
ner Gemahlin zufallen sollten. 

Die früher gehegte Hoffnung auf männliche Nachkommenschaft 
hatte Ludwig wohl inzwischen aufgeben müssen. Als sein Haupt- 
land galt selbstverständlich Ungarn, und es war zu erwarten, dass 

1) Richard übersandte am 14. September Wenzels Brief dem Könige von 
Aragonien, am denselben zu bewegen, aus seiner Neutralitat heraus und für 
Urban einzutreten. Rayn. 1379, 40—43. 

2) Ann. Mediol. bei Muratori Scr. rer. Ital. XVI, 773. Das Itinerar zeigt, 
dass die Zusammenkunft nur vor den 23. Juni zu setzen ist; späterhin ist für 
eine so weite Fahrt kein Raum. — Theod. de Niem I, c. 15, 16 lagst noch 
Karl mit Ludwig die Schritte gegen Clemens thun. 



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96 



Sechstes Kapitel. 



1379. 



die Stände des Landes darauf dringen würden, die älteste der 
Töchter als Königin zu erhalten. Was sollte aber mit Polen ge- 
schehen? Sollte dieses Land wieder von Ungarn gelöst werden 
und unter der Herrschaft Hedwigs ein besonderes Königreich bil- 
den? Das widersprach den Interessen Ungarns und wohl noch 
mehr den Wünschen Wenzels, dem der Besitz Polens, welches sich 
so passend an Schlesien und Brandenburg anlehnte, für seine Fa- 
milie von grösster Bedeutung war. Aber Leopold von Oestreich 
wollte seinen mit Hedwig verlobten Sohn Wilhelm bei der derein- 
stigen Erbschaft Ludwigs gewiss nicht leer ausgehen sehen, wenn 
auch die bisherigen Verträge nur von einer baaren Mitgift spra- 
chen und Landgebiet noch nicht zugesichert war. Hier liegt nun 
der Schlüssel zu dem eigenthümlichen innigen Verhältnisse zwischen 
dem Könige und dem Herzoge, welches wir bald kennen lernen 
werden. Die Verpfändung der Landvogteien in Schwaben, die 
zahlreichen Begünstigungen, welche Wenzel in üppiger Fülle über 
Leopold ausströmen Hess, sie hatten den Zweck, diesen zu bewe- 
gen, für seinen Sohn Wilhelm auf einen Antheil an den ungarisch- 
polnischen Landen Verzicht zu leisten. 

Aber noch war ein zu berücksichtigender Prätendent vor- 
handen: der schon erwähnte Karl von Durazzo, dem Ludwig selbst 
wohl früher Aussichten auf Ungarn eröffnet hatte und der nun 
anderweitig zu entschädigen war. Es war nicht schwer, die Mittel 
dazu zu finden; seitdem Johanna auf die Seite des Gegenpapstes 
getreten, liessen sich die alten Pläne Ludwigs, die Königin ihrer 
Länder zu berauben, viel leichter durchführen. Da auch Frank- 
reich zu Urbans Gegnern zählte, konnte nicht mehr die Rede da- 
von sein, einen französischen Prinzen auf den Thron von Neapel 
zu bringen. Mit diesem sollte Karl, der ohnehin Erbansprüche 
hatte, entschädigt werden und zwar bald, ohne dass Johannas Tod 
abgewartet wurde. Der Papst Urban, bei dem Karl im grössten 
Ansehen stand, bot dazu gewiss gern seine Hand 1 ). 

Karl stand damals in der Mark von Treviso im Felde gegen 
Venedig. Eine der ersten Aufgaben seiner Regierung hatte Lud- 
wig in dem Kampfe gegen die Venetianer erblickt: nachdem er 
ihnen im Jahre 1358 Dalmatien entrissen, war der Krieg immer 



1) Vgl. 8. 87. Theodor, de Niem I, c. 21 sagt sogar ausdrücklich, dass 
Karl für die Aussicht auf Neapel eidlich auf Ungarn und Polen Verzicht ge- 
leistet habe. 



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1379. Zusammenkunft in Altsohl mit Ludwig von Ungarn. 97 

wieder losgebrochen, da der König nun auch der Trevisantschen 
Mark sich bemächtigen wollte. Leicht genug fand er Verbündete, 
da alle Mächte, welche irgend ein Interesse an der Schiffahrt auf 
dem adriatischen Meere und dem östlichen Theile des Mittelmeeres 
hatten, mit bitterem Neide auf die Königin der Meere blickten. 
Vor allen aber that das Genua. So war im Anfange des Jahres 1378 
ein gewaltiger Kriegssturm losgebrochen: Genua, Ungarn und Padua 
stritten gegen Venedig, welchem von benachbarten Fürsten Ber- 
nabo von Mailand zur Seite trat. Die Lagunenstadt beeilte sich 
daher, wenigstens die östreichischen Herzöge, mit denen sie im 
Streite lag, zu versöhnen, indem sie ihnen am 28. September die 
Rückgabe von San Vittore zusagte, welche auch im Mai 1379 er- 
folgte. Da wurde am 7. Mai 1379 in der grossen Seeschlacht 
von Pola Venedigs Flotte vernichtet; unmittelbar vor die Stadt 
konnten die Feinde rücken, denen es am 16. August sogar glückte, 
Chioggia zu nehmen. Inzwischen brachen die Ungarn unter der 
Führung Karls in die Mark Treviso ein, aber da dieser seinen 
Sinn bereits auf die Eroberung Neapels gerichtet hatte, trachtete 
er danach, mit Venedig Frieden zu schliessen. Am 31. August 
1379 kamen die Gesandten der kriegführenden Parteien in Tre- 
viso zusammen; Karl, der sich gemässigter zeigte, als seine 
Bandesgenossen, schickte die Boten Venedigs nach Ungarn zum 
Könige. Aber die Bedingungen, welche von diesem und seinen Ver- 
bündeten gestellt wurden, waren zu schwer, als dass Venedig, 
dessen Aussichten ohnehin sich allmälig günstiger gestalteten, 
darauf hätte eingehen mögen. So zerschlugen sich vorläufig die 
Unterhandlungen. ') 

Als Summe der Altsohler Zusammenkunft wird zu betrachten 
sein der Bund für Urban, der endgiltige Abschluss der Verlobung 
Sigismunds und Marias, denen dereinst die gesammte ungarisch- 
polnische Herrschaft zufallen sollte, und endlich der Plan, Karl 
von Durazzo auf den Thron von Neapel zu erheben. Sigismund 
hielt sich damals und bis in den August hinein in der Mark Bran- 
denburg auf; für die Folgezeit bis in den September 1381 lässt 
sich sein Aufenthalt nicht urkundlich nachweisen, aber wir wissen 
anderweitig, dass er die Zwischenzeit am ungarischen Hofe ver- 
lebt hat. Da die Kaiserin Elisabeth aliein ihren Sohn in Tyrnau 



1) Fessler Gesch. v. Ungarn. Zweite Auflage bearb. v. E. Klein II, 181. 

Tb. Lindner, Geschichte de« deutschen Reiches. I. 7 



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Sechstes Kapitel. 



1379. 



dem ungarischen Könige übergab, wird das im Herbste 1379, als 
Wenzel ins Reich gezogen war, geschehen sein. *) — 

Vielleicht waren die Herrscher noch in Altsohl beisammen, 
als überaus günstige Nachricht aus Italien anlangte. 

Urban hatte inzwischen über seinen Gegner einen wichtigen 
Erfolg davongetragen. Wenn auch Clemens von den französischen 
Cardinälen erhoben war, hatte er doch nicht von Anfang an die 
Absicht, nach Avignon zu gehen. Erst musste Urban völlig nie- 
dergeworfen, der concurrirende Stuhl in Rom, dem die Behaup- 
tung dieser Stadt einen mächtigen Vorsprung in der allgemeinen 
Meinung gab, wieder abgethan sein, ehe er ohne Gefahr auf fran- 
zösischen Boden zurückkehren konnte. Gelang es vollends, Rom 
und den Kirchenstaat in Besitz zu nehmen, so war Urbans Sache 
fast hoffnungslos. Aber nur mit Waffengewalt Hess sich ein sol- 
cher Erfolg erzielen. Die brettonischen Soldschaaren reichten zu 
grossen Unternehmungen kaum aus und von Johanna, deren Hal- 
tung die eigenen Unterthanen missbilligten, war nicht viel zu er- 
warten. Fremde Hilfe musste daher gewonnen werden und diese 
war schliesslich doch nur von Frankreich zu erlangen. Wie einst 
die Päpste des dreizehnten Jahrhunderts von dort her kriegs- 
bereite Schaaren gegen die Staufer gerufen hatten, sollte es auch 
jetzt geschehen. Das Königreich von Neapel war damals der Preis 
gewesen, um den Karl von Anjou und seine Ritter gewonnen wur- 
den: ein Königreich wurde auch jetzt wieder als Lockspeise hin- 
gehalten. Denn der König Karl V., der die Kraft seines Reiches 
gegen England zusammenhalten musste, war nicht im Stande und 
auch kaum geneigt, sich ausserdem in einen italischen Krieg zu 
stürzen. Aber sicher waren genug französische Ritter bereit, für 
Aussicht auf gute Beute und grossen Gewinn ihren tapferen Arm 
zu leihen und ihr Vermögen zu wagen, wenn ihnen nur ein Füh- 
rer gegeben wurde, der sichere Garantieen bot. Dazu ersah Cle- 
mens Ludwig, den Herzog von Anjou, den Bruder des Königs 
Karl selbst: am 17. April 1379 ernannte er ihn zum Könige eines 



1) Sigismund war noch am 15. August 1379 in Berlin, Riedel Cod. dipl. 
Brand. I, 21, 211. — Ueber die Uebergabe desselben an Ludwig s. Johannes 
de Kikullew bei Schwaudtner Scr. rer. Huugar. I, 197; Engel (Gesch. des ün- 
grischen Reiches II, 187) behauptet ohne jeden Grund, dass sie im November 
1377 geschehen sei; ebenso wenig begründet setzt Fessler a. a. 0. II, 175 sie 
in 1378. 



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1379. 



Erfolge Urbans VI. gegen Clemens VII. 



99 



freilich erst zu gründenden Königreiches, welches den stolzen Na- 
men Adria erhielt. Dieses sollte als Lehnsreich des heiligen Pe- 
trus alle Gebiete umfassen, welche die römische Kirche in Italien 
ausserhalb Siciliens besass, mit Ausnahme der Stadt Rom und 
ihres Bezirkes, der Patrimonien in Tuscien, in der Campagna, der 
Maritima und der Sabina. So trug Clemens kein Bedenken, den 
grössten Theil des Kirchenstaates preiszugeben. Allerdings pflegt 
es ja nicht schwer zu fallen, etwas zu verschenken, was man nicht 
besitzt. Mit allen Einzelheiten war trotzdem der Plan entworfen. 
Das Königreich Adria sollte nie mit Deutschland oder der Lom- 
bardei vereinigt werden; wenn daher Ludwig oder seine Nachfol- 
ger Herrscher von einem dieser Reiche würden, haben sie auf 
Adria Verzicht zu leisten. Auch mit Sicilien darf keine Verschmel- 
zung geschehen, beide Lehnsreiche der Kirche sollten sich viel- 
mehr Btets friedlich vertragen. Selbstverständlich ist Schutz der 
römischen Kirche die erste Pflicht des neuen Reiches, in welchem 
sämmtliche Kirchengüter zu restituiren sind, keine Steuern von 
Kirchen oder Geistlichen erhoben werden dürfen. Der Verkehr 
mit Rom muss stets völlig frei sein, ein jährlicher Zins von 40,000 
Goldgulden entrichtet werden. Innerhalb zweier Jahre soll die 
Eroberung geschehen l ). 

Das merkwürdige Project, ohnehin schwerlich durchführbar, 
war kaum entworfen, als es auch schon durchkreuzt wurde. Urban 
nahm eine italienische Soldschaar unter der Führung des Grafen 
Alberich von Barbiano in seine Dienste, welche am 29. April vor 
den Thoren Roms den Brettonen des Gegenpapstes eine blutige 
Schlacht lieferte und sie völlig zu Boden warf. Mit Jubel wurde 
in Italien der Sieg gefeiert, den man als nationale That betrach- 
tete ; noch an demselben Tage capitulirte der ultramontane Com- 
mandant der Engelsburg, welche er bis dahin standhaft verthei- 
digt hatte. Leider zerstörten die siegestrunkenen Römer das 
ehrwürdige Grabmal Hadrians bis auf seinen inneren, felsen- 
festen Kern 2 ). 

Damit war die Sache des französischen Papstes verloren. In 
Sperlonga, wohin er sich von Fundi gewandt hatte, ernstlich be- 
droht, flüchtete er nach Neapel. Vergeblich empfing ihn Johanna 



1) Lünig Cod. Ital. dipl. II, 1167 ff; Achery Spicileg. III. 746 ff.; Leib- 
nitz Cod. jur. gentium 239 ff. falßch zu 1382. 

2) Gregorovius a. a. 0. VI, 502 ff. 



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100 



Sechstes Kapitel. 



1379. 



aufs ehrenvollste und veranstaltete ihm einen glänzenden Einzug, 
das Volk in Neapel blieb doch auf Seiten des italienischen Papstes. 
• In wüthendem Aufstande erhob es sich und nöthigte Clemens, sich 
zu entfernen. Es erschien ihm unmöglich, sich in Italien zu be- 
haupten; zwei Cardinäle zurücklassend, welche seine Interessen 
vertreten sollten, bestieg Clemens die Schiffe und eilte nach dem 
sicheren Frankreich, wo er am 10. Juni in Marseille landete. So 
hatte die Christenheit nun einen Papst in Rom und einen in 
Avignon. 

In der ersten Verwirrung Hess Johanna Urbans Fahnen in 
Neapel aufziehen, während das Volk das frohe Ereigniss durch 
Illumination feierte. Triumphirend konnte Urban seine Erfolge 
der Welt melden; dringend forderte er zugleich den deutschen 
König auf, nunmehr zu kommen, die bereit gehaltene Kaiserkrone 
zu empfangen und dem Schisma ein völliges Ende zu machen *). 
— Seine Freude war voreilig; die Königin wandte sich bald ge- 
nug wieder seinem Gegner zu und Wenzels Ankunft schob sich 
immer weiter hinaus. 

Nur kurze Zeit hielt sich der König in Böhmen auf, da er 
bereits am 4. August von Nürnberg aus zu einem Reichstage in 
Frankfurt für den 8. September Einladungsschreiben ergehen Hess. 

Der Reichstag kam in der That zu Stande. Der König er- 
schien begleitet von zwei Cardinälen, Pileus und dem Prager Erz- 
bischofe Johann, der allerdings bereits sein Erzbisthum resignirt 
hatte; auch der Erzbischof von Köln, dem Wenzel am 14. Sep- 
tember seine Lehen reichte, war gekommen, wer sonst von Für- 
sten anwesend war, wissen wir nicht. Die Verhandlungen nah- 
men, wie es scheint, nur kurze Zeit in Anspruch und bezogen 
sich lediglich auf die Schritte, welche einzuschlagen waren, um 
die Anerkennung Urbans im ganzen Reiche durchzuführen. Die 
deutschen Fürsten und Städte wurden aufgefordert, dem im Fe- 
bruar geschlossenen Urbansbunde beizutreten und zu dem Zwecke 
wurden gleichmässig abgefasste, vom 17. September datirte könig- 
liche Schreiben versandt, in welchen die Adressaten in den Bund auf- 



1) Christophe a. a. 0. III, 51; Palacky Formelbücher a. a. O. II, 
33 Urban an Wenzel vom 24. Mai : Raynald 1379, 31 vom 12. Juni an alle 
Christen. Derselbe Brief bei Chapeaville Qui gesta Pontif. Leod. scripserunt 
auetores praeeipui III, 37, Lünig Reichsarchiv XVII, 518 und Mansi Coli, con- 
cü. XXVI, 615 an die Lüttichrr. 



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1379. üebertritt Adolf» von Mainz zu Clemens VII. 101 



genommen wurden. Daraufhin erfolgten Beitrittserklärungen, von 
denen uns jedoch nur einzelne erhalten sind ; besonders die Städte 
scheinen noch zögernd zurückgehalten zu haben *). 

Da trat ein Ereigniss ein, welches die kirchlichen und poli- 
tischen Verhältnisse des Reiches völlig zu zerrütten drohte: Adolf 
von Nassau warf sich dem Gegenpapste in die Arme. 

Wir sahen früher, wie Karl IV. im Jahre 1378 wieder ener- 
gischer sich bemühte, den Prätendenten von Mainz, dem selbst 
Speier entzogen werden sollte, zu verdrängen, freilich ohne Erfolg. 
Aber als Urban den Abfall der Cardinäle sah, stieg in ihm die 
Furcht auf, Adolf könne sich auf die Seite seiner Gegner schla- 
gen, und so suchte er zu vermitteln, von dem Erzbischofe dazu 
aufgefordert. Ludwig sollte durch den Titel eines Patriarchen von 
Jerusalem entschädigt werden und die Verwaltung des erledig- 
ten Bisthum Cambray erhalten, welches eine sichere Beute der 
Clementisten war. 

Doch dem jungen Könige, welcher mit Feuereifer die Regie- 
rung antrat, erschien mit Recht diese Abfindung nicht der hohen 
Würde angemessen, welche Ludwig wenn auch nur dem Namen 
nach bisher getragen hatte, der als Erzkanzler und Erster der 
Kurfürsten ihn selbst erwählt. Auch der Meissner war nicht 
geneigt, den schlechten Tausch einzugehen. Wenzel ersuchte viel- 
mehr den Papst, diesen Plan fallen zu lassen und Ludwig auf den 
früheren Stand zurückzusetzen, mit aller Schärfe gegen die re- 
bellischen Capitel von Speier und Mainz einzuschreiten und dem 
Abkommen mit Karl IV. gemäss auch über die Neubesetzung der 
Speierer Kirche zu entscheiden. Um den Papst noch willfähriger 
zu stimmen, machte ihn der König ausdrücklich darauf aufmerk- 
sam, so lange er durch die Mainzer Sache gehemmt sei, könne er 
auch nicht, wie er es wünsche, der römischen Mutter zur Hilfe 
eilen. — 

Dem Wunsche des Königs musste sich der Papst fügen, un- 
angefochten nahm Ludwig als Erzbischof und Erzkanzler an den 
Reichstagen des Jahres 1379 Theil. Damit war Adolfs Üebertritt 
entschieden; schon am 16. September ertheilte Clemens in Avignon 
der Universität Erfurt Privilegien, am 29. October verkündete 
Adolf seine Bestätigung durch den Gegenpapst und Hess sich in 



1) RA. n. 144—151; der Bericht in n. 150 erscheint mir völlig unzuver- 
lässig und unbrauchbar. Siehe Beüage VIII. 



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102 Sechstes Kapitel. 1380. 

Eltvil von zwei Bischöfen mit dem Pallium bekleiden. Das Dom- 
capitel, dem er unmittelbar darauf ausgedehnte Versprechungen 
machte, scheint ganz auf seiner Seite gestanden zu haben 

So war die Gefahr, dass das Schisma auch die deutsche Kirche 
ergreife, gross genug und nunmehr beschlossen die rheinischen 
Kurfürsten, für den Nothfall selbst zu den Waffen zu greifen. 
Am 11. Januar des folgenden Jahres 1380 kamen Trier, Köln und 
Pfalz zu Wesel zusammen und errichteten einen Bund gegen Je- 
dermann, Niemand ausgenommen, der Urban nicht anerkenne. 
Wer sich an den falschen Papst halte, den wollen sie an seinen 
Landen, Schlössern und Leuten nach bestem Vermögen so lange 
angreifen und schädigen, bis er zum Gehorsam zurückkehrt. Jeder 
der drei Kurfürsten soll 100 Gleven zum Kampfe stellen und sonst 
die andern nach Möglichkeit unterstützen. Die eroberten Städte und 
Burgen werden gebrochen und die Eroberungen getheilt. Die Zölle, 
welche der Widerspenstige zu Wasser oder zu Lande hat, werden 
abgethan und zerstört. Einungen, welche gegen diesen »Bund etwa 
gemacht würden, sind von Allen männiglich zu bekämpfen, ebenso 
etwaige fremde Kriegsvölker. Der Bund kann Alle aufnehmen, 
welche bereit sind, in ihn zu treten. 

In Wesel waren Gesandte der rheinischen Städte gegenwär- 
tig; an sie wurde unverzüglich geschrieben mit der Aufforderung, 
dem vom Könige errichteten Bunde beizutreten. Auch der Car- 
dinal von Prag war wieder anwesend mit Botschaften des Königs 
an die Städte; Ende Januar erschienen die Fürsten mit ihm in 
Frankfurt 2 ). 

Das Bündniss klang kriegerisch genug, aber war es nicht viel- 
leicht lediglich darauf berechnet, Adolf zu schrecken, damit er 
von Clemens ablasse und die, welche noch nicht dem Urbans- 
bunde beigetreten waren, zu veranlassen, diesen Schritt zu beeilen? 



1) Pelzel Karl IV. II, Urk 256, geschrieben zwischen dem 29. November 
und dem 11. December 1378, dem Todes- und Begräbnisstage Karls IV. Chron. 
Mogunt. miscell. fragm. bei Boehmer Fontes rer. Germ. IV, 375. Für Adolf verhan- 
delte in Rom der Domherr von Speier Hermann Rost, RA. S. 524 Anm. 1. — Die 
Urkunde für Erfurt bei Lünig Reichsarchiv XVI (pars spec. cont. IV, 2. Forts.), 
451. Am 5. November 1378 empfahl Clemens dem Kaiser den neuerwählten 
Bischof Johannes von Cambray, Pertz Archiv IX, 461. — Reg. Bo. X, 43. 

2) RA. n. 152, 153. Am 10. October hatte Ruprecht von der Pfalz den 
französischen König, mit dem er ja kurz vorher verwandtschaftliche Beziehun- 
gen angeknüpft, dringend ersucht, von Clemens zu lassen. RA. n. 149. 



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1380. 



Reichstag zu Frankfurt. 



103 



Jedenfalls hielt es .der König für erforderlich, abermals im 
Reiche zu erscheinen. Nachdem er Ende Februar Böhmen ver- 
lassen und über Nürnberg seinen Weg genommen, traf er Mitte 
März zu einem längeren Aufenthalte in Frankfurt ein, wo er als- 
bald einen Reichstag für den 1 5. April ausschrieb. Ihn begleitete 
der Cardinal Pileus, welcher den Winter über in Franken und 
Baiern gewirkt hatte und dann nach Prag gegangen war. Zahl- 
reich kamen die Theilnehmer zum Reichstage herbei: Boten der 
schwäbischen und der rheinischen Städte, die Erzbischöfe von 
Trier und Köln, Pfalzgraf Ruprecht mit seinen Angehörigen, Mark- 
graf Wilhelm von Meissen und sein Bruder, der Erzbischof von 
Mainz, der Landgraf Hermann von Hessen, Eberhard von Wirtem- 
berg, die baierischen Herzöge; Herzog Wenzel von Luxemburg- 
Brabant wurde erwartet, scheint aber nicht gekommen zu sein. 

Es handelte sich wieder um das Schisma, vor allem um den 
Beitritt der rheinischen Städte zur Erklärung vom 27. Februar 1379. 

Denn gerade in den rheinischen Städten war die Agitation 
für den Gegenpapst lebhaft betrieben worden. Nach Strass- 
burg war Thomas de Amanatis, der zu Clemens abgefallen war, 
gekommen. Da zwischen Bischof Friedrich und den Stiftern von 
St. Thomas und St. Peter Streit ausgebrochen war wegen Steuern, 
die er ihnen auferlegt hatte, fand der Abgesandte des Gegenpap- 
stes hier günstigen Boden ; der Bischof hielt zu ihm, weil die Stif- 
ter nach Rom appellirt hatten. Da lag nun viel daran, wie die 
Stadt selbst sich stellen würde. In energischer Weise schrieb des- 
wegen der König an den Rath: er sollte in Frankfurt ohne Wi- 
derrede und Aufschub die bündige Erklärung abgeben, dass die 
Stadt dem Reichsbeschlusse beiträte; er befahl zugleich, die Ent- 
scheidungen Urbans durchführen zu helfen. 

In der That fügte sich Strassburg dem Willen des Königs, 
in gleicher Weise wissen wir es von Worms, von Köln und von 
Mainz; die anderen Städte werden nicht zurückgehalten haben. 
Der König übernahm die Verpflichtung, die Städte vor Gefahren, 
welche ihre Erklärung herbeiführen konnte, zu sichern *). 

Von Belang war der Beitritt der Stadt Mainz, denn 
noch hielt Adolf zu Clemens und noch hatte sein Gegner Lud- 
wig in keiner Weise seine Ansprüche aufgegeben. Die Stadt 



1) Ueber Strassburg siehe RA. n. 154, n. 163; S. 283 Anm. 1 u. 2; Stchr. 
Strassburg II, 678. - Ueber den Beitritt der Städte RA. n. 156, 157. 



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104 



Sechstes Kapitel. 



1380. 



von jeher Adolf freundlich gesinnt hatte mit diesem und dem 
ihm ganz ergebenen Capitel kurz vorher am 23. Februar ein 
Bündniss abgeschlossen; wenn Mainz gleichwohl sich für Urban 
entschied, musste Aussicht vorhanden sein, trotzdem das gute 
Einvernehmen mit dem Erzbischofe aufrecht halten zu können 
Und diese hatte sich in der That eröffnet ; Adolf war, wie ja auch 
zu erwarten, bereit, zu Urban überzutreten, wenn er ihn als 
Erzbischof bestätigte. Bereits hatte der König in der Sache an 
den Papst geschrieben und Alles kam darauf an, wie dieser sich 
erklären würde. Indessen hatte ja Urban von vornherein den 
Wunsch gehegt, Adolf anzuerkennen; nur der Widerspruch Wen- 
zels war hindernd dazwischen getreten, jetzt war dieser zur Nach- 
giebigkeit erbötig. Der König, mit dem Gedanken der Romfahrt 
bereits eifrig beschäftigt, musste dringend wünschen, vorher alle 
Schwierigkeiten in Deutschland zu beseitigen. Es fragte sich nur, 
ob Ludwig, natürlich gegen gebührende Entschädigung, zum Rück- 
tritt bereit sein würde. Wir wissen, dass dieser nebst seinem 
Bruder Wilhelm und dem engverbündeten Hermann von Hessen 
selbst in Mainz anwesend war, und es scheint, dass vorläufig 
die Meissner sich nicht fügen wollten. 

Das hinderte freilich den König nicht, schon jetzt mit Adolf 
ein günstigeres Verhältniss anzubahnen, welchem er, allerdings nur 
als Bischof von Speier, sowie dem Capitel zu Mainz den Zoll zu 
Höchst auf dem Main und zu Lande, den er ein Jahr früher wi- 
derrufen, zurückgab; darin lag schon eine Anerkennung ausge- 
sprochen. „Mit Rathe der Fürsten des Reiches u erklärt der Kö- 
nig die Verleihung zu thun. Wie weit wir dabei an eine Zustim- 
mung der Kurfürsten zu denken haben, ist ungewiss; die spätere 



1) Der Stadt wurden vom Könige, der am 12. April selbst dort war, um 
sie zu gewinnen, noch besondere Begünstigungen zu Theil: Würdtwein Subs. 
dipl. IV, 393; Schaab a. a. 0. II, 264. In dem Vertrage, welchen Adolf mit 
dem Rathe schloss (Schaab a. a. 0. 260) wird gegenseitiger Frieden auf vier 
Jahre festgesetzt, über dessen Aufrechthaltung Schiedsrichter wachen sollen. 
Alle Streitigkeiten, welche wegen Ludwig, „der da bischof war zu Babenberg", 
entstanden, sind beigelegt. Für Adolfs Stellung ist bezeichnend, dass er aus- 
nimmt „unsern heil. Vater den Papst" ohne einen Namen zu nennen, die beil. 
Kirche, das Reich, König Wenzel, Kuno von Trier, Friedrich von Strassburg, 
Otto von Braunschweig und die Wirtemberger Grafen, (mit denen er am 24. 
August 1379 ein Vertheidigungsbündniss geschlossen, welches aber nur für 
Speier und Umgegend Bedeutung hat. Joannis I, 692). 



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1380. 



Gesandtschaft nach Rom. 



i 

105 



Haltung Ruprechts gegen Adolf lässt eine solche von seiner Seite 
kaum vermuthen ! ). 

Schon ehe der Reichstag zusammen trat, konnte Pileus an 
Urban guten Bericht senden. Ganz Deutschland bis auf drei, den 
Herzog von Luxemburg-Brabant, die Stadt Metz und den Mainzer 
Eindringling hänge dem wahren Papste an und bei letzterem 
komme es nur darauf an, ob ihn Urban in Gnaden aufnehmen 
wolle. Der König werde in kurzem selbst nach Rom kommen. 

So rasch ging es denn freilich nicht, aber der König schickte 
alsbald wenigstens eine Gesandtschaft, an deren Spitze der Her- 
zog Stephan von Baiern stand; er sollte über Wenzels Krönung 
und die Anerkennung Adolfs verhandeln und zugleich mit den 
italienischen Fürsten Beziehungen anknüpfen. Zu alle dem erschien 
Stephans Persönlichkeit am geeignetsten. Er war mit Adolf be- 
freundet, dem er einst Hilfe geleistet und schon früher, noch zu 
Gregors Zeiten, Vermittlung bei der Curie angeboten hatte. 
Stephan war ferner der Schwiegersohn Bernabos von Mailand und 
so am besten im Stande, dem Könige bei dem mächtigen Herrn, 
welcher stolz zurückhielt, die Wege zu ebenen. Die intimen 
Beziehungen der baierischen Wittelsbacher zu den Viscontis hatten 
sie in den Stand gesetzt, zwischen diesen und Gregor XI. zu ver- 
mitteln; Dienste die in Rom wohl noch nicht vergessen waren. 
Es war vielleicht Besorgniss, dass diese Freundschaft den Pfäl- 
zern verhängnissvoll werden könnte, welche eben damals die drei 
Ruprechte veranlasste, Urban um ausdrückliche Bestätigung des 
ihnen in der goldenen Bulle verliehenen Kurrechtes anzugehen 2 ). 

Was Stephan in Italien ausgerichtet hat, wissen wir nicht. 
Ende April kam er dort* an, von 200 Berittenen begleitet. Sein 
Aufenthalt dehnte sich lange aus, erst im October kehrte er über 
Todi, Ferrara, wo er ehrenvoll aufgenommen wurde und über 
Mailand zurück. 



1) RA. n. 159. vgl. Kap. VIII. 

2) Brief des Menendus von Corduba bei Raynald 1379, 44, welcher im Mai 
1380 geschrieben ist, vergl. Beilage IX. Chron. Sanese bei Muratori Scr. rer. 
Ital. XV, 270; Chron. Estense a. a. 0. 506; Ann. Mediol. a. a. 0. XVI, 774. 
— Vgl. S. 5. Am 23. Februar 1379 setzte Wenzel Ruprecht II. in rechte 
Gemeinschaft mit Ruprecht I. an der Kur, dem Kurfürstenthume u. 8. w. RA. 
S. 44 Anm. 1. 



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10G 



Siebentos Kapitel. 



1380. 



Siebentes Kapitel. 

Verhältniss zu Herzog Leopold, Frankreich und 

England. 

Als Pileus jenen hoffnungsvollen Brief an den Papst richtete, 
war ihm noch nicht bekannt, dass einer der mächtigsten Fürsten 
des Reiches offen auf Clemens Seite getreten war: Herzog Leopold 
von Oestreich. Gegen Ende des Jahres 1379 Hess dieser durch eine 
Gesandtschaft dem Papste von Avignon seine Ergebenheit und 
Bereitwilligkeit aussprechen, in seinen Ländern die Obedienz des- 
selben durchzuführen. 

Welche Beweggründe haben den Oestreicher zu einem so auf- 
fallenden Schritte bestimmt? Hielt er wirklich die Wahl Urbans 
für ungiltig? Wahrscheinlicher ist es, dass politische Absichten 
den Herzog bewogen, aber diese zu erkennen und zu beurtheilen, 
ist nicht leicht. Die Anerkennung des Gegenpapstes setzte Leo- 
pold in schroffen Gegensatz zu König Wenzel und zu seinem 
künftigen Schwiegervater, Ludwig von Ungarn und doch werden 
wir sehen, dass keiner von Beiden deshalb mit dem Herzoge ge- 
brochen hat, dass Wenzel vielmehr fortfuhr, ihn in jeder Weise 
zu begünstigen. Als Grund des engen Verhältnisses aber zwischen 
Wenzel und Leopold erkannten wir die Absicht des ersteren, 
Ungarn-Polen seinem Bruder Sigismund zu verschaffen, den Bräu- 
tigam der Hedwig ganz von der Erbschaft auszuschliessen, und 
als am 12. Februar 1380 der Tormin der Verehelichung Wilhelms 
mit Hedwig näher bestimmt wurde, blieb es bei der früheren Fest- 
setzung, dass der Braut 200,000 Gulden, aber kein Landgebiet als 
Heirathsgut zugesagt wurden. Leopolds gleichnamiger zweiter 
Sohn war nun seit dem 7. Juli 1378 mit Margarethe, der ältesten 
Tochter des Herzogs Philipp von Burgund verlobt l ). Liegt es da 
nicht nahe, zu vermuthen, dass Leopold diesem zu Gefallen Cle- 
mens anerkannte in der Hoffnung, dadurch seinem zweiten Sohne 
eine grössere Mitgift, womöglich ein Landgebiet zu verschaffen? 
War doch Leopold, wenn er seine Macht erweitern wollte, ohne- 
hin auf den Westen angewiesen. 

1) Lichnowsky a. a. O. IV. Reg. 1492; 1366, 136«. 



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1380. König Wenzel und Herzog Leopold. 107 

Er war ferner vor wenigen Jahren in heftige Fehde mit 
Enguerrand von Coucy, Grafen von Soissons, verwickelt gewesen, 
welcher gegen ihn Erbansprüche von seiner Mutter Katharina, 
einer Tochter Leopolds I. her erhob; im Frieden vom 13. Januar 
1376 sagte Leopold die Abtretung der Herrschaften Büren und 
Nidau zu, zögerte aber sie Enguerrand einzuräumen i ). Wollte 
nunmehr Leopold Frankreich bewegen, seinen Gegner zum Ver- 
zichte oder sonst zur Nachgiebigkeit zu zwingen? Und schliess- 
lich war zu erwarten, dass Clemens gern bereit sein würde, die 
Anhänglichkeit des Herzogs mit grossen Geldsummen zu bezahlen, 
deren der ehrgeizige, unaufhörlich mit Anschlägen auf Macht» 
erweiterung beschäftigte Mann stets im höchsten Grade bedürf- 
tig war. 

Der deutsche König sah sich so in eine eigenthümliche Lage 
versetzt. Gegen Leopold mit Waffengewalt einzuschreiten, ging 
nicht wohl an, da der Herzog über eine grosse Macht verfügte. 
Aber selbst wenn das geschah und Leopold aufs äusserste be- 
drängt wurde, wie gross war dann die Gefahr, dass er den An- 
hängern des Gegenpapstes in und ausser Deutschland die Hand 
reichte, dass dann gelockt durch Aussicht auf Vortheile noch mehr 
Fürsten sich auf seine Seite stellten und nun das Reich von einem 
blutigen Kampfe zerrissen würde? Noch mehr aber hinderten 
den König die ungarischen Projecte, die Noth wendigkeit, ihret- 
wegen nicht mit dem Herzoge zu brechen. Man könnte fragen, 
warum bewog denn nicht Wenzel den König Ludwig, der ja auch 
Urbanist war, die Verlobung Hedwigs mit Wilhelm rückgängig zu 
machen? Aber da hätte man es auch auf einen Kampf ankommen 
lassen müssen, weil Leopold selbst die doch immer höchst vor- 
teilhafte Verbindung nicht freiwillig hätte fahren lassen. Lud- 
wigs Kräfte waren jedoch in Anspruch genommen durch den Kampf 
mit Venedig, durch die Rüstungen, welche erforderlich waren, um 
Karl von Durazzo in den Besitz von Neapel zu setzen, ein Unter- 
nehmen, das für Ludwig gewiss wichtiger war, als die kirchliche 
Haltung Leopolds. Und wenn nun gar der Oestreicher das Bei- 
spiel Adolfs befolgte, wenn er sich bereit erklärte, zu Urban zu- 
rückzukehren, aber dafür Polen oder Ungarn zum Erbe seines 
Sohnes begehrte, dann konnte er der Förderung Urbans sicher 
sein und Sigismunds Aussichten waren vereitelt. 



1) Lichnowsky a. a. 0. IV, 164. 



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108 



Siebentes Kapitel. 



1380. 



Unter solchem Drange der Verhältnisse hat es Wenzel vor- 
gezogen, die Stellung Leopolds zur Kirchenfrage einfach unbeachtet 
zu lassen, nachdem er sich vielleicht versichert, dass dieser nicht 
beabsichtigte, für Clemens Schritte zu thun und dessen Autorität 
im Reiche zu fördern. Wie wenig sich das mit seinen Pflichten 
als König und künftiger Träger der Kaiserkrone vertrug, wie sehr 
er der sonst mit Eifer verfochtenen Sache Urbans schadete, Hess 
er gegenüber dem Vortheile seiner Familie ausser Rücksicht. Es 
war der erste grosse politische Fehltritt, den Wenzel beging! , 

In eben derselben Zeit, in welcher Wenzel zu seinem dritten 
Reichstage nach Frankfurt zog, pflogen die Gesandten Leopolds in 
Frankreich und in Avignon Verhandlungen. Der Herzog von 
Anjou, hocherfreut über die empfangenen Nachrichten, sicherte 
Leopold Hilfe von 2000 bis 3000 Lanzen zu, wenn er wegen seiner 
kirchlichen Haltung angegriffen würde; Clemens verhiess sofort 
ausser andern Gunstbezeugungen, ihm in Terminen bis zum l. Juli 
1381 120,000 Goldgulden auszuzahlen und ihm im Kriegsfalle 1000 
gutbewaffnete Hilfsvölker zu schicken. Zugleich bot er ein engeres 
Bündniss an, welches auch zu Stande kam, aber in seinem Wort- 
laute nicht bekannt ist. Doch wissen wir, dass Leopold versprach, 
seine Strassen Niemandem zu öffnen, der nicht gelobe, gegen Cle- 
mens nichts im Schilde zu führen. Dafür verpflichtete sich der 
Papst, ihm vom 29. Juni 1381 ab eine jährliche Rente von 120,000 
Goldgulden zu zahlen und wenn Leopold seinetwegen in Kampf 
gerathe, binnen drei Monaten 1000 Reiter zum Beistande zu 
senden *). 

Doch hatte Leopold keine Lust, sich für seinen Papst in 
Kriege zu verwickeln. Schon im folgenden Jahre musste ihm Cle- 
mens gestatten, dass er Wenzel, wenn dieser nach Italien fahre, 
ungehindert durch sein Gebiet ziehen lasse 2 ). Selbst gegen seine 
Unterthanen gebrauchte er keine Gewalt, sondern hielt den Grundsatz 
fest, zu dem noch fast zwanzig Jahre später sein Sohn Leopold IV. 
sich bekannte: wohin Jeder glaube, dahin möge er sich halten. 
Daher war Clemens in seinen Landen nicht allgemein anerkannt 
und Leopold hütete sich sehr wohl, mit Urbans Anhängern in ernste 



1) Urkunden hei Kurz Oesterreich unter Herzog Albrecht III, S. 290 ff. 
n. 37-43. Nr. 37, der Brief des Herzogs von Anjou vom 28. Jan. 1379 ge- 
hört in 1380, da in Frankreich Ostern als Jahresanfang gerechnet wurde. 

2) Pelzel I. ürk. S. 43 n. 25. 



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1380. 



Th&ügkeit ClemenB Vn. 



109 



Feindschaft zu gerathen l ). Doch konnte der Avignonese immerhin 
manche Vortheile von der Ergebenheit des Herzogs ziehen, indem 
dieser dem Cardinale Wilhelm von Agrifolio Aufenthalt in seinem 
Gebiete, in Freiburg gewährte, die fremden Pilger, welche zu 
Urban nach Rom wandern wollten, mit schweren Abgaben plagte 
und es möglich machte, dass allenthalben in der Schweiz und im 
Elsasse sich Clemens Anhänger festsetzten 2 ). In Strassburg 
musste Wenzel wiederholt einschreiten, in Basel und Konstanz 
kam es zu heftigen Streitigkeiten zwischen Bisthumsprätendenten 
beider Obedienzen; im Bisthume Chur schloss sich das Capitel 
und der grösste Theil der Geistlichkeit an den französischen Papst 
an und setzte endlich nach dem Tode des Bischofes Johannes die 
Wahl eines Clementisten durch 3 ). — 

Vielleicht ist dem Könige Wenzel erst in Frankfurt die Kunde 
von der Sinnesänderung Leopolds geworden, welcher alsbald die 
Berufung eines Conciles vorschlug, damit es über die Rechtmäs- 
sigkeit der beiden Päpste entscheide. Auch von anderer Seite 
wurde damals an den König die gleiche Aufforderung gerichtet. 

Wie Urban nach allen Himmelsgegenden Legaten schickte, 
welche die Christenheit für den römischen Stuhl gewinnen sollten, 
hatte auch Clemens alsbald nach seiner Wahl einen der hervor- 
ragendsten unter seinen Cardinälen, Wilhelm von Agrifolio be- 
auftragt, bei Wenzel in Deutschland und Böhmen thätig zu sein 
und die Urbanisten ihrer Stellungen zu entsetzen, während Car- 
dinal Guido nach England, Flandern, Brabant, Geldern, Hennegau 
und Lüttich abgeordnet wurde. Sie gingen über Avignon, wo sie 
sich von den dort zurückgebliebenen Cardinälen, welche für un- 
parteiisch gelten konnten, weitere Empfehlungsschreiben geben 
Hessen, zunächst nach Paris, wo sie im April und Mai verweilten, 
um Karl V. und die Universität völlig auf ihre Seite zu bringen 
und zugleich nach Möglichkeit in den ihnen angewiesenen Distri- 
cten Verbindungen anzuknüpfen. Nur zu bald erfuhren sie, wie 
wenig günstige Aussichten ihre xMission hatte. Der deutsche 

1) Neugait Cod. dipl. Alemauniae II, 481. — • Vita Clementis VI. bei Ba« 
luze I, 492: (Leopoldus) in propria dicto Clementi favit et adhaesit et faveri 
voluit in terris suis et locis, non tarnen omnibus, nec se cum alii3 parti adversae 
faventibus imbricavit. 

2) 1381 August 13 und 1382 März 2: Baluze I, 1011; Mohr Die Regesten 
der Archive in der Schweis. Eidgenossenschaft I. Reg. der Abtei Cappel S. 21. 
Walsingham a. a. 0. 350. 

3) Nach den Urkunden bei Mohr Codex dipl. Rhaet. IV, 83, 279. 



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HO 



Siebentes Kapitel. 



1380. 



König war den clementistischen Zumuthungen völlig unzugänglich 
und gestattete Wilhelm nicht, im Reiche seine Wirksamkeit zu 
entfalten 1 ). Nur im äussersten Westen, der ohnehin mit dem 
französischen Nachbar lebhafte Beziehungen pflegte, fand der 
Cardinal Anhang. In Metz, wo er am 27. Juni 1379 anlangte, 
gewann er bald so festen Boden, dass die Urbanisten flüchten 
mussten, da der Bischof Theodorich V. Baier von Boppard, welcher 
zu Urban hielt, nicht in der Stadt residirte und ohne Einfluss 
in derselben war. Auch die Bisthümer Toul und Verdun wur- 
den clementistisch , so dass französische Schriftsteller gradezu 
das ganze Erzbisthum Trier zur Obedienz von Avignon rechneten. 

Auch Guido durfte das Land, in welchem er hauptsächlich 
wirken sollte, England gar nicht betreten. Selbst der Graf Lud- 
wig von Flandern, obgleich sonst ganz französisch gesinnt, blieb 
bei dem einmal anerkannten Papste in Rom mit so unerschütter- 
licher Treue, dass er dem Cardinal nicht erlaubte, in sein Gebiet 
zu kommen. Herzog Albrecht von Holland, den schon die Rück- 
sicht auf seinen Schwiegersohn, den deutschen König band, war 
ebenso wenig zu ködern. 

Nur bei Herzog Wenzel wurde Guido freundlich und seiner 
Stellung angemessen empfangen, aber eine bestimmte Zusage war 
auch hier nicht zu erlangen; der Cardinal ging endlich missver- 
gnügt nach Cambray, wo er die nächsten Jahre sich aufhielt Der 
Luxemburger sah sich in einer eigentümlichen Stellung; der An- 
schluss an Clemens war durch die Haltung seines königlichen 
Neffen unmöglich und $och bot Frankreich Alles auf, um ihn, der 
der dortigen Herrscherfamilie aufs engste befreundet war, doch 
zu sich herüberzuziehen. So regte sich gerade in Wenzel der 
lebhafte Wunsch, aus diesem Widerstreite der Interessen und 
Meinungen erlöst zu werden durch den Entscheid eines allgemei- 
nen Concils 2 ). 

Daher war er gegen Weihnachten 1379 nach Paris geeilt, um 
den König Karl V. dafür zu gewinnen. Die Universität in Paris 
war trotz mancher Schwankungen auf ihre Ansicht zurückge- 
kommen, dass allein ein allgemeines Concil der Kirche Hilfe brin- 

1) Der von Kervyn de Lettenhove in seine Ausgabe Froissards IX, 524 
mitgetheilte Brief Karls VI., in welchem dieser Wenzel heftige Vorwürfe 
macht, dass er Pileus angenommen, aber die Boten Clemens VII. nicht zuge- 
lassen habe, ist sicher nur Stilübung. 

2) S. Beilage IX. 



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1380. Erwägungen über die Berufung eines Concils. 111 

gen könne, und wenn auch Karl unter dem Eindrucke der politi- 
schen Verhältnisse sich für Clemens entschieden hatte, scheint er 
doch der Berufung des Concils nicht völlig abgeneigt gewesen zu 
sein, freilich wohl in der Hoffnung, durch dasselbe Clemens Sieg 
entschieden zu sehen. 

Dazu kam, dass auch die beiden italischen Cardinäle, welche 
in Nizza weilten, die Berufung eines Concils forderten. Ihre 
Stimme war von grösstem Gewichte, da sie als unparteiisch 
galten, aber die Haltung, welche sie eingenommen, Hess 
errathen, dass sie auf einem Concile für Clemens wirken wür- 
den. Nur waren beide Päpste selbst und die Mehrzahl der Car- 
dinäle nicht geneigt, auf die schwankende Brücke zu treten. 
Schliesslich war der Entscheid des Concils in Betreff ihrer Perso- 
nen doch unsicher, aber ganz gewiss mussten die allenthalben so 
lebhaften Missstände der Kirche und ihrer Verwaltung zu Sprache 
kommen und Reformen angebahnt werden, welche dem Papstthume 
und dem mit ihm aufs engste liirten Cardinalcollegium höchst 
unerwünscht schienen. Man war daher in Avignon eifrig bedacht, 
das drohende Gespenst zu beschwören. Wir besitzen mehrere 
Gutachten, welche im Schoosse des Cardinalcollegiums erwogen 
wurden. Unter ihnen ist eines von hervorragendem Interesse, weil 
es zugleich ein helles Licht auf die Auffassung wirft, welche man 
in Avignon von der politischen Gesammtlage hegte. Das Schrift- 
stück gehört ins Jahr 1380; entworfen vom Cardinal von Viviers 
war es bestimmt, die beiden Italiener Petrus und Simon von den 
Concilsgedanken zurückzubringen. Da es also nur für in die Ver- 
hältnisse des Papstthumes eingeweihte Personen bestimmt war, 
ist es um so lehrreicher. 

Zunächst wird die Idee eines allgemeinen Concils bekämpft. 
Der kriegerische Zustand, der allgemein herrsche, mache den 
Zusammentritt eines solchen von vornherein unmöglich. Da 
jeder König sich in seinem Reiche als Kaiser betrachte, ver- 
lange jeder, dass das Concil in seinem Staate zusammentrete. 
Würde aber die Geistlichkeit eines Landes wagen, in ein 
anderes vielleicht feindliches zu gehen, würden Engländer nach 
Frankreich kommen und umgekehrt? So würde man nie über den 
Ort einig werden. Wer solle jenes Concil berufen? Wenn man 
sage: der Kaiser, so sei zunächst zu bedenken, dass es augen- 
blicklich keinen gäbe. Und selbst wenn das der Fall wäre, wur- 
den ihm die Könige nicht gehorchen, da sie in ihrem eigenen Rei- 



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112 



Siebentes Kapitel. 



1380. 



che sich ihm gleich dünken. Wenn man aber auch meine, wirk- 
lich eine Einigung der Könige erzielen zu können, so sei zu er- 
wägen, dass weder diese selbst noch ihre Gesandten zur Stelle seien 
und ehe man sie alle befragt und eine Uebereinstimmung herbei- 
geführt hätte, würde unendliche Zeit vergehen. Wer soll dem 
Concil präsidiren und es leiten? Darüber ist eine Entscheidung 
unmöglich und doch lässt sich ohne einen Vorsitzenden nichts 
thun. Ausserdem habe nach den Kirchengesetzen das Concil gar 
nicht das Recht zu entscheiden, wer Papst sei. Viele Nationen, wie 
die Deutschen, die Ungarn und der grösste Theil der Italiener 
hätten sich von vornherein hartnäckig gegen die Erkenntniss der 
Wahrheit verschlossen, seien also durchaus parteiisch, ebenso 
könne man die Völker , welche auf Clemens Seite stehen , partei- 
isch nennen. Wer würde also überhaupt ein Concil halten wollen? 
Und käme es doch zu Stande, würden dadurch nur die verschiedenen 
Meinungen in sich verstärkt und der Zwiespalt vermehrt werden. 

Dieselben Gründe sprächen auch gegen ein Particular-Concil, 
welches nur schädlich sein könnte. Denn berufe man ein solches 
von Avignon aus, so würde Bartholomäus dasselbe thun. Dazu 
würden seine Anhänger kommen, die an Zahl weit stärker wären, 
ausserdem eine Anzahl derer, welche noch nicht Partei genom- 
men hätten und nun irre geführt werden könnten. — Der Zustand 
der Christenheit sei leider so zerrüttet, dass es keine Nation 
und keine Zunge gebe, welche nicht einer anderen feindselig ge- 
genüber stände. Denn die Könige von Frankreich, von Casti- 
lien und von Portugal gehen einträchtig Einen Weg; ihnen sind 
die Könige von England und Navara feindlich gesinnt. Und 
wenn der König von Aragonien nicht geradezu Gegner von 
Frankreich und Castilien ist, so ist er doch Feind von Portugal, 
welches diesen anhängt. Der König von Aragon ist auch den 
Galliern verdächtig, weil der Herzog von Anjou Ansprüche auf 
Majorca und die Grafschaften Cerdagne und Roussillon zu haben 
behauptet. — Fast ganz Deutschland ist ferner in der Theilnahnie 
an dem französisch- englischen Streite getheilt: die Einen stehen 
zu Frankreich, die Andern zu England. Die Spaltung geht nicht 
allein durch die Laienfürsten, auch durch die grossen Prälaten. 
Es besteht ferner in Deutschland ein ziemlich alter Gegensatz, 
welcher ganz Oberdeutschland trennt, zwischen Oestreichern und 
ßaiern ; dieser Gegensatz zeigt sich selbst in der Stellung zum 
Schisma. Niederdeutschland ist zerrissen durch den Kampf zwi- 



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1380. 



Erwägungen über die Berufung eines Ooncils. 



113 



sehen dem Herzoge von Mecklenburg und dem Könige von Nor- 
wegen um die Thronfolge in Schweden und Dänemark. Auch 
hier ist die Kirchenfrage hinein verwickelt. Norwegen und seine 
Anhänger stehen zu Clemens, die Andern zu Urban. Aller Welt 
bekannt ist der Hass zwischen Ludwig von Ungarn und der Kö- 
nigin Johanna, ebenso die Streitigkeiten unter den italischen Her- 
ren. So halten Viele zu Rom, in der Hoffnung, damit ihren eigen- 
nützigen Interessen zu dienen. 

Ferner wolle der Gegner selbst durchaus kein Concil; er 
habe seine Abneigung gegenüber mehreren Königen, denen von 
Castilien, Aragon und Böhmen ausgesprochen. Dem römischen 
Könige sei ein Concil vorgeschlagen worden zuerst durch Leopold 
von Oestreich, dann durch seinen Oheim, den Herzog von Brabant. 
Aber auf Anstiften des Römers und des Ravennaten (Pileus) entgeg- 
nete er, dass er weder ein General- noch ein Particularconcil, noch 
eine Versammlung von Gelehrten, noch eine Besprechung von Geist- 
lichen, noch irgend sonst etwas wolle, was Zweifel an dem Rechte 
des Bartholomäus erwecken könne. Pileus und seine Partei hät- 
ten ihm bemerklich gemacht, dass er, wenn Bartholomäus unter- 
liege, seinen Vater zum Ketzer mache, der zu diesem gehalten. 
Die einzige Hoffnung , Wenzel zur Umkehr zu bewegen , läge in 
jetzt schwebenden Verhandlungen über die Ehe zwischen seiner 
Schwester und dem Könige von Frankreich. 

Aus allen diesen Gründen hätten sich Clemens und seine 
Cardinäle in vielfachen sorgfältigen Berathungen gegen das Concil 
entschieden. Ein solches könne nur Schimpf und Schande bringen, 
da sie dadurch nur ihre bisherigen Versicherungen in Zweifel stel- 
len würden. Es möchten sich daher die beiden italischen Cardi- 
näle für Clemens entscheiden, dann würden Castilien und Aragon 
nachfolgen. Wenn so ganz Spanien und Frankreich einig wären, 
würden sie der wahren Kirche ausreichende Stütze gewähren 
können »). — 

1) Baluze II, p. 864 n. 203; in der Ueberschrift ist statt Franciscus de 
Corsinis Petrus de C. zu setzen. Die allgemeinen Zeitgrenzen Bind der Tod 
Orsinis im August 1379 und der Simons am 27. August 1381, doch lässt sich 
noch genauer der Anfang des Jahres 1380 als Abfassungszeit bezeichnen. 
Castilien traf seine hier gewünschte Entscheidung am 19. Mai 1381, nachdem 
die Verhandlungen darüber im November 1380 in Medina de Campo begonnen, 
Baluze II, 920. Die Adoption Ludwigs von Anjou durch Johanna und der 
Zug Karls von Durazzo, Ereignisse, welche in den Juni 1380 fallen, sind noch 
nicht erwähnt; ebenso waren die Verhandlungen über Annas Verlobung mit 
Th. Lindner, Gecohiohte des deatwhen Relohe«. I. 8 



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114 



Siebentes Kapitel. 



1380 



Der König entschloss sich, von Frankfurt nach Aachen zu 
gehen, um den Gegenpapst auch im Westen zu bekämpfen und 
namentlich seinen Oheim ganz von diesem abzuziehen. Von dort 
aus sandte er alsbald zwei Ritter nach Metz mit eigenen und 
päpstlichen Schreiben, welche auch bewirkten, dass die vertriebe- 
nen Anhänger Urbans wieder zurückkehren konnten und der Car- 
dinal Wilhelm die Stadt verlassen musste l ). 

Auch der Lütticher Bisthumsstreit wurde nunmehr endlich 
geschlichtet. Dort stritten Persand von Rochefort und Arnold 
von Horn erbittert mit einander, der erstere von Clemens, der an- 
dere von Urban ernannt. Sie hatten zu den Waffen gegriffen 
und ein blutiger Kampf von grossen Dimensionen war entstanden, 
da anfänglich der Herzog Wenzel, der Erzbischof von Köln und 
der Herzog von Jülich auf Persands Seite standen. Als aber die 
letzteren beiden zurücktraten, getreu dem Reichsschlusse vom 
Februar 1379, konnte Arnold Anfang Januar 1380 in die Stadt 
Lüttich selbst einziehen. 

Jetzt erschien Arnold mit glänzendem Gefolge in Aachen und 
empfing am 24. Mai von dem Könige die Lehen 2 ). An demselben 
Tage erhob Wenzel den Grafen Wilhelm von Berg zum Fürsten 
des Reiches und zum Herzoge und machte seine Grafschaft zum 
Herzogthurae. Als besondere Auszeichnung wurde Wilhelm und 
seinen Nachkommen gewährt, bei Kriegszügen das königliche Streit- 
ross am Zügel führen und bei Gastmählern dem Könige vorschnei- 
den zu dürfen; auch Zollvergünstigungen wurden hinzugefügt. 
Vielleicht war das der Preis, für welchen Wilhelm, der im fran- 
zösischen Solde stand, Urbans Partei zugeführt wurde 3 ). 

Am wichtigsten war, dass es dem König gelang, auch Herzog 
Wenzel nun endgiltig auf seine und Urbans Seite zu bringen; der 
Luxemburger hat in Zukunft die Farbe nicht mehr gewechselt. 



Richard von England noch nicht bekannt. Baluze II, p. 854 n. 201 gehört 
wobl noch ins Jahr 1381, p. 857 n. 202 nach 1383, da Wenzel von Luxem- 
burg und Ludwig von Flandern als gestorben erwähnt werden. 

1) Beilage IX, doch urkundet Wilhelm noch am 10. Juli in Metz. Kurz 
a. a. 0. II, 167. 

2) Ucber den Streit in Lüttich besonders Radolfus de Rivo bei Chapea- 
ville III, 40 ff. und Petrus de Herentals bei Baluze I, 548 ff. Am 6. Februar 
1380 wurde Frieden zwischen Arnold und Wenzel geschlossen. Publications etc. 
(de Luxembourg) XXIV, (II,) 175. 

8) Pelzel I, 95: Lacomblet III, 744. 



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1380. 



Verhftltniss Wenzels zu Frankreich. 



115 



Dafür versprach ihm der König Beistand gegen die Städte im 
Elsass, wenn er mit diesen in Krieg geriethe *). 

Doch beabsichtigte Wenzel nicht, das freundschaftliche Band, 
welches die Luxemburger und die französische Königsfamilie 
umschlo8s, völlig zu lösen. Das Ehebündniss, welches in Avignon 
erhofft wurde, war freilich nicht möglich, denn die Verlobung 
AnnaB mit dem Dauphin schädigte entschieden Urbans Interessen 
und musste diesen tief erbittern. Eben trat auch wieder 
die neapolitanische Frage in den Vordergrund; gerade damals 
war Karl von Durazzo in Oberitalien erschienen, um Neapel zu 
erobern, während Johanna den Bruder Karls V. den Herzog Lud- 
wig von Anjou adoptirte. Unter solchen Verhältnissen war für 
den König eine Connivenz in der Kirchenfrage nicht denkbar. In- 
dessen wurde wenigstens der seit den Zeiten des Königs Johann 
bestehende Familientractat zwischen den gesammten Gliedern der 
beiden Häuser erneuert, in welchem sie sich freilich nur in all- 
gemeinen Wendungen gegenseitige Förderung zusagten; der ob- 
schwebenden grossen Fragen wurde dabei nicht gedacht 2 ). 

Auch nach einer andern Seite hin trat Wenzel Frankreich 
nicht hindernd in den Weg. Dieses strebte ebenso wie England 
von jeher danach, die kriegerischen Fürsten des Rheinlandes auf 
seine Seite zu ziehen und sie zur bewaffneten Hilfe zu ver- 
pflichten, und diesen Bemühungen hat Wenzel keine Schwierig- 
keiten entgegengestellt. Im December 1378 hatte sich Graf 
Engelbert von der Mark, im Februar 1379 Wilhelm von Jülich- 
Geldern und dessen zweiter Sohn gegen bedeutende Renten zum 
Kriege gegen England verpflichtet, eine Uebereinkunft, welche 
später auch auf den ältesten Sohn Wilhelm, der inzwischen Gel- 
dern erhalten hatte, ausgedehnt wurde; freilich ist letzterer spä- 
ter zu England übergetreten, welches schon damals versuchte, ihn 
herüberzuziehen. 

Auch Wenzel von Luxemburg bezog eine französische Jahres- 

1) Am 11. Juni; Publications XXIV, (II) 182. 

2) Pelzel I. ürk. p. 38, n. 22. Darauf bezieht sich die merkwürdige 
Aeusaerung Froissards XIII, 183: entre le roy de France et le roy d'AUe- 
maigne a de long temps grans ordonnances c'est que nuls de deux ne puet a 

main armee entrer sur la terre de son voisin sur trop grant paine 

de mise pecunielle et de sentence de pape oü ils se sont lyes et obligies et 
leur fait-on jurer solempnellement au jour de leur couronnement et cr6ation 
pour entretenir fermement les deux roiaulmes en paix et unite. 

8* 



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116 



Siebente« Kapitel. 



1380. 



rente; im Juli 1380 trat auch Wilhelm von Berg, der vielleicht in 
Wenzels Auftrage nach Paris gegangen war, in französische Pflicht »). 

Von Aachen ging der König nach Köln, welches ihm fest- 
lichen Empfang bereitete. Unter seidenen Baldachinen hielt 
Wenzel seinen Einzug und nahm reiche Ehrengeschenke entgegen, 
silberne Gefässe im Werthe von 700 Mark ; dafür bestätigte er der 
Stadt, sowie Lübeck am 18. Juni ihre Privilegien. Ende Juni 
war er wieder in Frankfurt, von wo er über Mergentheim nach 
Nürnberg zog; erst Mitte October ist er wieder in Prag anzu- 
treffen. Die in Böhmen wüthende Pest hatte ihn so lange zu- 
rückgehalten, doch ist seine Thätigkeit in der Zwischenzeit 
unsrer Kenntniss verschlossen. 

Nur so viel wissen wir, dass die Aussöhnung mit Adolf von 
Mainz immer wahrscheinlicher wurde. Am 4. Juli erneuerte 
Wenzel in Frankfurt die alten Verträge, welche zwischen der 
Krone Böhmen und dem Erzbischofe, Capitel und Stift von Mainz 
bestanden, allerdings noch ohne den Erzbischof zu nennen 2 ). Er 
bemühte sich ferner, die Kriege, in welche Adolf nach mehreren 
Seiten hin gerathen war, beizulegen. Der Pfalzgraf Ruprecht, 
welcher schon im September 1379 die ihm verbündeten Städte 
Schwabens um Hilfe gegen Adolf gemahnt, hatte sich am 22. Mai 
mit dem Landgrafen Hermann von Hessen verbunden, welcher 
nachdem der frühere Vertrag vom 13. April 1376 im Juni 1378 
abgelaufen war, sich wieder entschieden für Ludwig erklärte und 
von diesem die Mainzer Lehen nahm. Deshalb war es zum Streite 
gekommen, in welchem Adolf manche Vortheile davontrug, wäh- 
rend Papst Clemens über Hessen den freilich von Niemandem 
beachteten Bannfluch aussprach. Ruprecht nahm sich seines 
Bundesgenossen an; er selbst war wahrscheinlich einiger Schlös- 
ser wegen Adolfs Feind, auf welche dieser als Bischof von Speier 
Ansprüche hatte oder erhob, doch mag auch die clementistische 
Gesinnung des Erzbischofs ihn gemäss dem Weseler Bunde zu 
den Waffen gerufen haben. Im Juni brach Ruprecht mit gewal- 
tiger Macht in die Lande des Erzbischofs ein und verwüstete die 



1) Lacomblet III, 723, 727, 734, 745; Rymer Foedera conventiones etc. 
III, 3, 89; Publicätions XXIV, (II,) 187. 

2) RA. p. 287 Anm. 1. Der Domherr Johann von Eberstein, ein Ver- 
wandter Adolfs, welchem Wenzel „für seine redlichen Dienste" am 8. Juli 
einen Zoll bewilligte (Reg. Bo. X, 58), hat vielleicht zwischen König und Erz- 
bischof vermittelt. 



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1380. 



Verlobung Annas mit Richard von England. 



117 



Speierer und Mainzer Diöcese, worauf Adolf nicht verfehlte, zwei 
Wochen später dieselben Gewalttaten gegen das pfälzische Gebiet 
zu richten. Hermann von Hessen schloss am 22. Juli mit seinem 
Gegner Frieden und gelobte, dessen geistliche Gerichte nicht zu 
bedrängen ; die Vermittlung zwischen Adolf und Ruprecht über- 
nahm der König selbst. Er beauftragte mehrere seiner Räthe 
zwischen den Streitenden Sühne zu stiften, welches diesen auch 
im Verein mit Kuno von Trier und den Abgeordneten der Städte 
Mainz, Speier und Worms gelang. Am 8. September wurden in 
Oppenheim und Mainz die Urkunden ausgestellt, welche bis zu 
dem zu erwartenden definitiven Ausspruche des Königs Waffen- 
ruhe herstellten , ). 

Im Winter kamen die Verhandlungen mit England in Fluss, 
dessen König durch die Kirchenfrage Wenzel bereits nahe 
getreten war. Natürlich, dass man in Rom mit Wohlgefallen 
auf das ergebene Land und seinen getreuen König blickte; 
war doch auch der Umstand von Bedeutung, dass in den Sold- 
schaaren Italiens, in deren Händen das Geschick des Landes so 
ziemlich ruhte, zahlreiche Engländer standen. Gerade der bedeu- 
tendste Condottiere der Zeit, John Hawkwood, war Engländer und 
wie es scheint, mit seinem Heimatlande in gewisser Verbindung. 

Es war Zeit, dass Richard II. sich nach einer Gemahlin um- 
sah; wenn er auch erst 13G7 geboren war, lag es doch in der 
damaligen Sitte, dass fürstliche Personen frühzeitig in den Ehe- 
stand traten. Da war denn für Rom eine treffliche Gelegenheit 
geboten, durch Vermittlung einer passenden Ehe den eigenen 
Einfluss zu stärken und die ergebenen Fürstenfamilie o zu einem 
geschlossenen Kreise zusammenzufügen. 

Bernabo Visconti, eifrig bemüht durch die Verheiratbung 
seiner zahlreichen Töchter allenthalben mit den europäischen 
Fürstenfamilien anzuknüpfen, hatte die Gelegenheit benutzen wol- 
len, seine Tochter Katharina vortheilhaft an den Mann zu bringen. 
Er sandte im Beginn des Jahres 1379 deshalb zu Richard, der 
nicht abgeneigt war, auf den Vorschlag einzugehen. Aber die 
Sache kam nicht zum erwünschten Ende. Katharina heirathete 
ein Jahr später den Neffen Bernabos, Johann Galeazzo; willig 



1) Chron. Mog. misc. fragra. a. a. 0. IV, 375, 376; Rommel Gesch. von Hessen 
II, 211, Anm. 158; Vischer Reg. 139; RA. n. 172; RemÜDg a. a. 0. I, 657; 
Landau Die Rittergesellschaften 79 



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118 Siebentes Kapitel. 1380. 

gab Urban den Dispens zu einer Ehe unter so nahen Ver- 
wandten 1 ). 

Denn man hatte in Rom besseres im Sinne. Die Pläne der 
Avignonesen, den deutschen König durch eine Familien Verbindung 
mit Frankreich zu liiren, mussten durchkreuzt werden: Wenzels 
Schwester Anna sollte der Engländer heimfuhren. Gern wird 
Richard den so ehrenvollen Vorschlag angenommen haben, der 
zudem grosse Vortheile verhiess. Nicht allein wurde dadurch der 
deutsche Herrscher Frankreich entfremdet ; da Wenzel Schwieger- 
sohn des Herzogs Albrecht von Baiern-Holland war, stellte sich für 
Richard zugleich ein enges Verhältniss zu diesem in Aussicht. Auch 
Herzog Wenzel konnte vielleicht auf Englands Seite gezogen werden. 

Schon im Juni 1380 machte Richard dem Könige, welchem 
er ja bereits in Sachen des Schismas näher getreten war, seine 
Anträge. Die englischen Gesandten, unter ihnen namentlich Simon 
Burleigh, in Brüssel von den Herzögen Wenzel und Albrecht 
und zahlreichen Edelen Brabants und des Hennegaus festlich 
empfangen eilten über Löwen und Köln zu dem deutschen Kö- 
nige, den sie wahrscheinlich noch in Frankfurt antrafen 2 ). 

Anna war bereits seit dem Jahre 1373 mit dem Sohne des 
Landgrafen Friedrich von Thüringen, der später den Beinamen 
„der Streitbare" erhielt, verlobt und 1377 war der Vertrag noch 
in Geltung; er scheint von Wenzel damals willkürlich aufgehoben 
zu sein, da dieser noch 1397 seinen darauf bezüglichen Verpflich- 
tungen nicht nachgekommen war 8 ). 

So wurde von Wenzel der Heirathsantrag angenommen; im 
Januar des folgenden Jahres sollten in Brabant von Abgesandten 
der beiden Parteien die näheren Bedingungen festgesetzt werden. 
Indessen kam es nicht dazu, da inzwischen beschlossen wurde, 
eine glänzende Gesandtschaft direct nach London zu schicken. 
Das Haupt derselben war der Herzog Przemysl von Teschen, 
neben ihm fungirten der Hofmeister Konrad Kragyrz und der 
Kammermeister Petrus von Wartenberg, alle drei bei Wenzel 

1) Rymer a. a. 0. III, 3, 84; Achery Spicileg. III, 751. Richard setzte 
später den vertriebenen Söhnen Bernabos Jahrgelder aus. Rymer III, 4, 31. 

2) Rymer III, 3, 101 mit merkwürdiger Verwirrung der Namen; Froissard 
IX, 212. 

3) Horn Lebens- und Helden- Geschichte Friedrichs des Streitbaren 647, 
649, 099; vgl. Annales Veterocellenses hrsg. von Opel in Mittheil, der deut- 
schen Gesellschaft zur Erforschung Vaterland. Sprache und Alterth. Leipzig. 
1874. I, 2, 224. 



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1381 



Verlobung Annas mit Richard von England. 



119 



in höchster Gunst stehend. Nachdem ihnen die nöthigen Voll- 
machten vom Könige, von der Braut und der Mutter derselben 
übergeben waren, traten sie ihre Reise an, begleitet von Cardi- 
nal Pileus. 

Am 2. Mai erfolgte in London der Abschluss der Verträge. 
Anna sollte Michaeli in Calais dem englischen Gesandten über- 
geben werden. Zwischen den beiden Königen wird ein Bund ge- 
schlossen gegen alle Schismatiker und Rebellen, welche sich gegen 
die römische Kirche, den Papst Urban und dessen rechtmässigen 
Nachfolger auflehnen, welches Standes sie auch sein mögen. Doch 
darf in anderen Fragen mit den Schismatikern frei verhandelt, 
selbst Bündnisse mit ihnen geschlossen werden, soweit diese nicht 
den Bundesgenossen schädlich sind. Die beiderseitigen Unter- 
thanen sollen sich des freien Verkehrs zu Wasser und zu Lande 
erfreuen. 

Richard erwies sich überaus freigebig. Nicht allein dass er 
dem Herzoge von Teschen, der wie er hoffte, sein Leben lang in 
England bleiben und ihm mit seinem Rathe dienen würde, eine 
jährliche Rente von 500 Mark Sterlingen aussetzte und die 
Begleiter desselben reichlich bedachte, versprach er auch Wen- 
zel vierzehn Tage nach Uebergabe der Braut 80000 Gulden 
baar zu leihen und die Kosten der Gesandtschaft im Betrage von 
20000 Gulden auf seine Rechnung zu übernehmen. Man sieht 
daraus, wie viel Richard am Abschlüsse gerade dieses Ehebünd- 
nisses liegen musste '). 

Am besten wusste aber Pileus seinen nur kurzen Aufenthalt 
in England auszunutzen; unberechenbare Summen Geldes nahm 
er mit zurück. Zugleich beauftragte Richard den Ritter Nico- 
laus Dagworth und den Dr. Walther Skyrlaw, als Gesandte zu 
Urban zu gehen — in Italien sollte sich ihnen John Hawkwood an- 
schliessen — um denselben aufzufordern, gegen alle Feinde der 
römischen Kirche, welche zugleich die Englands wären — deut- 
lich genug wird auf Frankreich angespielt — mit den grossen 
Kirchenstrafen vorzugehen. Die Tractate, welche England mit 
Gregor XI. abgeschlossen, sowie alle alten Artikel, welche die 
Freundschaft mit der Curie begründen, sollten aufrecht erhalten, 
dagegen gewisse Beschwerden abgestellt werden. Die Gesandten 
sollten ferner in Italien nach Möglichkeit Bündnisse abschliessen 
gegen die Kirchenfeinde. Die Bevollmächtigten, welche dem deut- 
~I) Rymer III, 3, 110; 111; 113 ff. 



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120 



Siebentes Kapitel. 



1381. 



sehen Könige die Abmachungen zur Ratification überbrachten, 
wurden angewiesen, mit den deutschen Fürsten und namentlich 
mit den Kurfürsten über Hilfe-, Sold- und Handelsverträge zu ver- 
handeln *). 

Richard ging eben mit der überstürzenden Hast zu Wege, 
welche sein Wesen charakterisirt. — 

Inzwischen waren endlich die Verhandlungen mit Adolf von 
Nassau zum Abschlüsse gediehen. Nachdem Wenzel am 15. No- 
vember seine Räthe Heinrich Skopek von Duba und Thymo von 
Cholditz zu Administratoren von Böhmen ernannt, brach er gegen 
Ende December von Prag auf und war bereits am 6. Januar in 
Nürnberg 2 ). 

Zahlreiche Fürsten versammelten sich um ihn zu einem 
Reichstage: der Cardinal Piieus, die beiden streitenden Erzbi- 
schöfe von Mainz, Adolf von Nassau und Ludwig von Meissen, 
der Erzbischof Johann von Prag, die Bischöfe von Würz bürg und 
Lübeck, letzterer des Königs Kanzler, die Ruprechte von der Pfalz, 
die bairischen Herzöge, Wenzel von Sachsen, Burggraf Friedrich 
von Nürnberg, lassen sich nachweisen 8 ). 

Vor allem wurde Adolf von Nassau nun wirklich vom Könige und 
vom Reiche als Erzbischof von Mainz anerkannt. Allerdings war vom 
Papste selbst die Genehmigung noch nicht eingetroffen; sie wurde 
aber als unzweifelhaft betrachtet und Wenzel verpflichtete sich, 
sie binnen drei Monaten zur Stelle zu schaffen. Es sollten sogar 
alle Handlungen, welche Adolf als Erzbischof von Mainz und als 
Bischof von Speier vorgenommen, vom Papste bestätigt werden, 
die von ihm ernannten Stiftsgeistlichen .ihre Pfründen behalten. 
Das Bisthum Speier sollte vorläufig unter Adolfs Administration 
bleiben, bis der Papst dasselbe einem der Gebrüder von Hohen- 
lohe übertrage. Das Alles sollte von Urban „proprio motu" ge- 

1) Walsingham a. a. 0. 257, der später auch über die Geldschneiderei 
der Böhmen in Annas Begleitung vielfach klagt. Am 20. Juni war der Car- 
dinal schon wieder in Kaub. Acta acad. Theod.-Palat. IV, 206. — Rymer III, 
3, 117 ff. 

2) Pelzel I, ürk. p. 40 n. 23; RA. n. 178; PileuB ist noch am 27. Dcbr. 
in Prag, Voigt Cod. dipl. Prussiae V, 23 (irrig zu 1381). 

3) Siehe besonders das Verzeichniss derjenigen, welche am 16. Februar 
bei der Einweihung der Karthause, welche heute das germanische Museum 
innehat, zugegen waren, RA. p. 307 Anm. 1. Der dort erwähnte Hiltprant 
Blanditus Bischof Pisiranensis ist wahrscheinlich der päpstliche Nuntius Bran- 
ohinus epui. rergamensis, Fontes rer. Austriac II, 28, 16. 



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1381. Adolf als Erzbischof vod Mainz anerkannt. 121 

schehen, das heisst also, Adolf zu keinen Geldzahlungen dafür 
angehalten werden. 

Das Verhältniss Adolfs zum Reiche wurde ebenfalls vom Kö- 
nige geordnet. Der Erzbischof trat an Ludwigs Stelle in den 
Reichsbund für Urban. Der Streit zwischen ihm und Pfalzgraf 
Ruprecht wurde geschlichtet und auch hier, wie es scheint, der 
Vortheil des Erzbischofes gewahrt. Die Ertheriung aller Reichs- 
lehen und Reichsrechte wurde Adolf zugesichert, die Bündnisse, 
welche zwischen Böhmen und Mainz bestanden, jetzt ausdrücklich 
mit Nennung seines Namens erneuert, ebenso früher von Karl IV. 
dem Bisthume Speier zugestandene Privilegien. Und damit Adolt 
keinerlei Anfechtung zu befürchten habe, sicherte ihm Wenzel 
ausdrücklich seine Unterstützung zu, falls ihn Jemand im Besitze 
des Erzstiftes antasten würde, verhiess auch, binnen drei Monaten 
von Friedrich von Köln und Kuno von Trier, sowie von den 
Städten Mainz, Worms, Speier, Frankfurt, Gelnhausen und Fried- 
berg ihm Schutzversprechen zu verschaffen. Wenn der König 
nunmehr die Landvogtei der Wetterau, welche bis dahin der 
Pfalzgraf Ruprecht innegehabt hatte, an den Grafen Ruprecht von 
Nassau übertrug, wird man auch darin eine Connivenz gegen Adolf 
erblicken müssen 

Des Königs Sorge war es, den bisherigen Prätendenten zum 
Rücktritt zu bewegen und ihm eine gebührende Entschädigung 
zu verschaffen. Dieselbe konnte nur in einem andern Erzbis- 
thume bestehen, und wenn zu einer Transferirung auch des Pap- 
stes Einwilligung unentbehrlich war, so ist es doch offenbar der 
König gewesen, welcher die nöthigen Verhandlungen leitete und 
zum Vollzug brachte. Auf dem Magdeburger Erzstuhle sass Peter 
Gelyto, ein Mähre, welcher vorher Bischof von Leitomischl gewe- 
sen und durch Karls Bemühungen dorthin versetzt worden war. 
Peter war der ergebene Freund des Kaisers gewesen; ihm bot 
nun Wenzel das gerade erledigte Bisthum Olmütz an, welches in 
Folge seiner reichen Erträge allerdings kein verächtliches Tausch- 
object war. Peter kam im Anfang März nach Prag, wo er seine 
Zustimmung gegeben haben wird 2 ). Im Mai sandte bereits Lud- 
wig seine Briefe an das Magdeburger Capitel ; Peter aber, um Zeit 
zu gewinnen, die rasch zusammengerafften Schätze davon zu füh- 



1) RA. n. 166-174. 

2) Pelzel 1, 104. 



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122 



Achtes Kapitel. 



1381. 



ren, verläugnete eine Zeit lang den Tausch. Doch kam die Wahr- 
heit bald an den Tag. Am 20. August hielt Ludwig, der vom 
Papste auch den Titel eines Patriarchen von Antiochia erhielt, 
seinen Einzug in die Stadt. Freilich weigerten sich die Bürger, 
ihm zu huldigen, weil er das Pallium noch nicht erhalten. Und 
dieses Schmuckes sollte Ludwig nicht theilhaftig werden, denn 
schon am 17. Februar des folgenden Jahres fand er ein jähes Ende. 
Als er mit einer glänzenden Gesellschaft den Fastnachtsabend im 
Rathhause zu Calbe a. S. feierte, entstand plötzlich Feuerlärm. 
Alle drängten, um zu entfliehen, nach der Treppe; unter der zu 
grossen Last brach sie zusammen und der Erzbischof nebst zwei 
Anderen wurde von den Trümmern und der auf ihn stürzenden 
Menschenmasse erschlagen. Das Fräulein, welches er um es zu 
retten auf dem Arme getragen, blieb unversehrt *). 



Achtes Kapitel. 

Wenzels Reichspolitik bis 1381. 

Ueber den Bemühungen, Urbans Anerkennung durchzusetzen, 
hat der König die sonstigen Verhältnisse des Reiches nicht ver- 
nachlässigt. Aber durch jene Frage wurde seine Politik sofort in 
bestimmte Bahnen gewiesen: es war nicht wohl möglich, den 
Gegenpapst zu bekämpfen und eine Kirchenspaltung im Reiche zu 
verhindern, wenn nicht die Kurfürsten und namentlich der von 
Trier und Köln ihre Hand dazu boten. So war der junge Herr- 
scher von Anfang an auf ein Zusammenwirken mit den Kurfürsten 
hingewiesen, während es diesen leicht fiel, ihren ganzen Einfluss 
auszuüben und den König ihren Wünschen nachgiebig zu machen. 
Schon die Art und Weise, in welcher die Wahl Wenzels zu Stande 
gekommen war, gab seinen Wählern ein gewisses Uebergewicht, 
dazu trat jetzt die Gunst der Umstände: wird nun der König den 



1) Stcbr. Magdeburg I, 280 ff.; Düringiscbe Chronik des Johann Rothe 
brag. von R. v. Lilienkron 632. Spätere Chroniken geben Ludwig den Bei- 
namen „der Tänzer". 



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1379. Aufhebung der Rheinzölle. 



123 



Kurfürsten dauernd vollen Antbeil an der Leitung des Reiches 
einräumen, sich ihrem Willen fügen? 

Anfangs schien es so. In der am 27. Februar in Frankfurt 
erlassenen Erklärung für Urban treten die Kurfürsten gleichberech- 
tigt neben dem Könige auf: „er ist mit uns und wir hinwieder 
mit ihm einer Einung und Bündnisses übereingekommen", heisst 
es dann in dem Weseler Vertrage vom 11. Januar 1380; gegen- 
seitig werden die Eide geschworen. 

Auch sonst zeigte sich damals der König beflissen, die Kurfür- 
sten in guter Stimmung zu erhalten : allen dreien Hess er Vergünsti- 
gungen zu Theil werden *), er verpflichtete sich ferner, ohne ihre Zu- 
stimmung keinen neuen Zoll im Reiche zu gönnen und zuzulassen. 

Allerdings war das Zollwesen ein wunder Fleck am Körper 
des Reiches. „Der Rhein ist von seiner Quelle bis zu seiner Mün- 
dung auf beiden Ufern mit unzähligen Zöllen beschwert", klagt 
Wenzel mit Recht in der Urkunde vom 28. Februar, in der 
er alle Zölle am Rhein aufhob, welche frühere Könige oder Kaiser 
auf Widerruf verliehen ; nur die Privilegien von Trier sollten auf 
alle Zeit ihre Geltung behalten. Ausdrücklich wurden die Zölle 
in Düsseldorf und Ruhrort aufgehoben, welche Karl IV. einst den 
Grafen Wilhelm von Berg und Engelbert von der Mark ertheilt 
hatte, weil sie gegen die Privilegien der Kölner Kirche seien, wel- 
cher auf der ganzen Strecke zwischen Rees und Andernach das 
Geleit zukomme. Dasselbe Schicksal hatten die in der Landgraf- 
schaft Hessen mit Karls Genehmigung angelegten Zölle, an dem- 
selben Tage, an welchem Hermann die übrigen Privilegien bestä- 
tigt wurden. Schon von Nürnberg aus hatte Wenzel den Mitglie- 
dern des Landfriedens in der Wetterau 2 ), deren Landvogt Kur- 
fürst Ruprecht war, befohlen, die Zölle bei Höchst und Kelster- 
bach, welche Bischof Adolf von Speier widerrechtlich erhebe, mit 
Gewalt abzuthun, wenn dieser sie nicht dem Geheisse des Königs 
gemäss einstelle. Adolf gehorchte dem Befehle ; für den Fall aber, 
dass er die Zölle erneuere, wurde jetzt bestimmt, dass sie dann 



1) Für Pfalz Hoefer Zeitschrift für Archivkunde II, 493; RA. p. 44 Anm. 
!.; für Köln Günther Cod. dipl. Rheno-Mosell. III, 2, 819 ff.; für Trier siehe 
weiter im Texte. 

2) Weizsäcker in den RA. n. 133 scheint anzunehmen, dass der von Wenzel 
am 21. Januar 1379 in Nürnberg verlängerte Landfrieden der in der Wetterau 
war. Es ist vielmehr der am 29. August 1378 zwischen den Pfalzern, einzelnen 
Grafen und Mainz, Worms und Speier geschlossene. Vgl. S. 70. 



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124 



Achtes Kapitel. 



1379. 



als Raub betrachtet werden sollten ; denn zwischen Frankfurt und 
Mainz soll hinfort kein Zoll mehr zu Wasser oder zu Lande sein. 

Auffallend ist, dass der König erst wenige Tage früher, am 
18. Februar, den Städten Worms und Speier auf zwanzig Jahre 
einen Zoll von allen den Rhein auf und ab gehenden Waaren 
verlieh, der dem Handel im höchsten Grade lästig sein musste 
und in der That später vielfache Streitigkeiten hervorrief). 

Man darf eben die ganze Massregel nicht allzu optimistisch 
auffassen, von einer wirklichen, dauernden Reform in Zollsachen 
konnte damals überhaupt nicht die Rede sein. Ein klares Be- 
wusstsein von der Verwerflichkeit der Zölle im Reiche an sich 
war nirgends vorhanden; noch fehlte in dieser Richtung jede volks- 
wirtschaftliche Erkenntniss. Wohl empfanden es Alle, Fürsten 
wie Städte, sehr unangenehm, wenn ihre Leute an unzähligen 
Stätten besteuert wurden, aber im allgemeinen Interesse selbst 
auf Erhebung von Zöllen zu verzichten, kam keinem in den Sinn; 
jeder griff vielmehr hastig zu, wenn sich irgend Aussicht eröffnete, 
einen neuen Zoll auferlegen und einrichten zu können und die 
Städte nicht zuletzt. Einzelne Städte trafen allerdings unter 
einander das Abkommeu, dass ihre Bürger gegenseitig zollfrei 
Waaren einführen durften. Rücksichtsloser Eigennutz und ge- 
zwungene Nothwehr waren auch hier die alleinige Triebfeder. 
Der König selbst konnte nicht daran denken, alle Zölle abzu- 
stellen, höchstens die auf Widerruf verliehenen, ein unbesiegbarer 
Widerstand wäre ihm sonst entgegen getreten, wie einst dem Könige 
Albrecht; überdies war für ihn die Gestattung von Zöllen eine 
nicht unerhebliche Einnahmequelle. Jetzt wurde er in dieser Hin- 
sicht wenigstens an die Beistimraung der Kurfürsten gebunden 
und das wäre für die Allgemeinheit gewiss recht vortheilhaft ge- 
wesen, wenn nicht die ganze Verordnung den Eindruck machte, 
als wäre sie lediglich im Interesse der Kurfürsten ergangen 2 ). 
Wie wenig dauernden Werth sie hatte, zeigte sich nur zu bald. 

Möglich, dass auch die rheinischen Städte, deren Abgesandte 



1) RA. n. 133 -140. Das Versprechen an die Kurfürsten, welches wir nur 
durch Wencker kennen, ist erst vom 28. März aus Prag datirt; vgl. Itinerar. 

2) Im folgenden Jahre an demselben Tage, an welchem Wenzel Adolf den 
Zoll zu Höchst wieder gestattete, am 29. April 1380 (vgl. S. 104) schaffte der 
König nochmals alle auf Widerruf verliehenen oder mit Unrecht erhobenen 
Rheinzölle ab und versprach, ohne Zustimmung von Köln, Trier und Pfalz 
keine neuen Zölle zu gestatten. RA. n. 158. 



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1379. Verhftltniss Wenzels zu den Städten. 125 



vollzählig erschienen waren, durch die Erleichterungen im Zoll- 
wesen gewonnen werden sollten. Denn es handelte sich nicht nur 
um ihren Beitritt zum Urbansbunde, wichtiger noch schien es, 
die rheinischen Städte bei gutem Willen zu erhalten, weil der 
schwäbische Städtebund gesprengt werden sollte. 

Karl IV. hatte zuletzt den schwäbischen Städten gegenüber 
eine entschieden friedliche Politik eingeschlagen, indem er aufgab, 
ihre Macht zu brechen, zufrieden, dass sie seinen Sohn als König 
anerkannten. Das Bündniss mit Oestreich, der glückliche Aus- 
gang des Krieges mit Wirtemberg hob mächtig die Zuversicht und 
das Selbstvertrauen des Bundes ; nachdem im Sommer und Herbste 
1378 Buchau, Pfullendorf und Giengen beigetreten waren, umfasste 
er jetzt 31 Reichsstädte und das Ländchen Appenzell. Wie wird 
sich nun das neue Reichsoberhaupt stellen? 

Die Städte wünschten eine ausdrückliche Anerkennung und 
Genehmigung ihres Bundes von König und Reich zu erhalten, 
hatte doch Wenzel bereits 1377 denselben wenigstens indirect ge- 
stattet. Wie werthvoll ein solches Zugeständniss gewesen wäre, 
liegt auf der Hand: die Reichsfreiheit, das kostbarste Gut, war 
damit dauernd gesichert; ohne Hindernisse vom Könige fürchten 
zu müssen, konnten sie die Uebergriffe der Fürsten und Ritter 
mit vereinter Kraft zurückweisen, den Handel und Wandel auf 
Land- und Wasserstrassen energisch schützen. Wie rasch wäre 
der Bund angewachsen, sobald die Reichsautorität ihn deckte und 
schirmte; der Beitritt aller Reichsstädte Süddeutschlands Hess sich 
mit Sicherheit voraussehen. 

Als aber die Boten des Bundes in Frankfurt dem Könige 
ihren Wunsch vortrugen, erhielten sie keine bestimmte Antwort: 
er wolle die Sache erwägen. Denn wie auch Wenzel persönlich 
über die Städte denken mochte, augenblicklich waren ihm durch 
die Kurfürsten die Hände gebunden. Und zugleich erfuhren die 
Städteboten, wie die Fürsten und Herren in Wenzel drangen, den 
Bund abzuthun: Leib und Gut wollten sie mit ihm daransetzen, 
er sei kein rechter König und Herr, wenn er es nicht thue, so 
sollen sie ihm vorgestellt haben. Denn die Fürsten hatten allen 
Grund, die gewaltige Kraft, welche in dem Städtebunde vereint 
war, zu fürchten; wie leicht konnte sich dieselbe gegen sie wen- 
den! Man darf deswegen nicht meinen, dass diese Fürsten und 
Herren sich sämmtlich mit finsteren Plänen gegen die Städte ge- 
tragen haben, wie man sich überhaupt hüten muss, auf Seiten der 



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12fi 



Achtes Kapitel. 



1379. 



Bürgerschaften Alles weiss, auf der gegnerischen Seite Alles 
schwarz zu sehen. Es war eben eine gewaltthätige Zeit, in der 
alle Verhältnisse im Schwanken waren. Selbst festbegründete 
Rechte waren häufig nur mit Gewalt zu behaupten, weil die oberste 
Autorität nicht ausreichenden Schutz gewährte ; aber bei der eigen- 
thümlichen Entwickelung, welche Deutschland genommen, gab es 
allenthalben der verwickeltsten und verworrensten Fragen genug. 
So war es denn natürlich, dass der, welcher die Macht hatte, 
möglichst weitgehende Ansprüche erhob, denn er war sicher, dass 
Andere ihm gegenüber in gleicher Weise verfuhren. Die Städte 
haben sich ebenso wenig wie die Fürsten gescheut, wenn sie es 
konnten, die Linie des strengen Rechtes zu überschreiten und 
gelegentlich nach besten Kräften zugegriffen. Daneben bestand 
der alte Gegensatz zwischen Bürgern und Herren, der schon 
durch die fortwährenden Streitigkeiten über das Pfahlbürgerthum, 
über die Aufnahme von Eigenleuten in die städtischen Gemeinwesen 
seine unaufhörliche Nahrung erhielt. Wir werden dieser Verhält- 
nisse noch oft genug des Näheren zu gedenken haben 

Besonders aber erregte die Besorgniss der Städteboten, dass 
wie sie richtig erfuhren, der König in die engsten Beziehungen 
zu Herzog Leopold von Oestreich getreten sei. Zwar standen die 
schwäbischen Städte mit diesem in einem Bündniss, welches noch 
bis zum 23. April 1382 Giltigkeit hatte; sie hatten dasselbe ge- 
schlossen, um sich des Wirtembergers besser erwehren zu können. 
Aber wie jetzt die Dinge lagen, argwöhnten sie nur Schlimmes 
und fürchteten, dass König und Herzog gemeinsam gegen die 
Städte vorgehen würden. So schien überall Kampf zu drohen 
und es war gerathen, bei Zeiten auf der Hut zu sein. Schon am 
4. März forderten die Ulmer die Genossen auf, am 16. in ihre 
Stadt zu senden, inzwischen würden die Boten aus Frankfurt 
zurück sein und näheren Bericht geben. Die Ulmer waren fest 
entschlossen, Stand zu halten und was auch kommen sollte, den 
Bund nicht aufzugeben. „Sonst müssen wir und unsere Nach- 
kommen in Ewigkeit verderben. Aber wir brauchen nur kecken 
Muth zu haben, dass wir uns mannhaft wehren und geringe Opfer 
nicht scheuen. Wenn wir uns gegenseitig beistehen, wie wir es 
bisher gethan, so trauen wir auf den allmächtigen Gott, dass wir 
unsere Sache so trefflich führen, dass wir mächtiger werden, denn 
je. Vor allen Dingen verseht eure Stadt mit Lebensmitteln. Denn 

1) Vgl. Kapitel XXI. 



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1379. Verpf&ndnng der schwäbischen Landvocrteien an Leopold. 127 

es ist zu erwarten, dass ein grosser Krieg entsteht, den wir doch 
gering achten wollen, ehe wir unserer Ehre Abbruch thun lassen l ). 

Die stadtischen Gesandten waren gut unterrichtet, als sie ein 
engeres Bündniss zwischen Wenzel und Herzog Leopold in nächste 
Aussicht stellten, denn schon am 25. Februar wurden für letz- 
teren mehrere hochwichtige Privilegien ausgestellt. 

Noch am 8. Februar hatte Wenzel in Nürnberg dem Herzoge 
Friedrich von Baiern die Landvogteien von Ober- und Nieder- 
schwaben, welche durch Karls Tod ledig geworden, mit den ge- 
wöhnlichen Steuern der Städte, Nutzen und Zinsen von den Juden 
und aller anderen Rente auf drei Jahre verschrieben 2 ). Jetzt 
verpfändete Wenzel dem Herzoge die beiden Landvogteien in 
Ober- und Niederschwaben nebst der Pflege von Augsburg und 
Giengen, deren Ertrag auf 6526 Gulden gerechnet wurde, für 
40,000 Goldgulden ; die Einlösung sollte nur durch den König oder 
dessen Nachfolger geschehen dürfen. Die durch den Tod Karls 
erledigten Lehen fallen an Leopold, welcher auch vom Reiche ver- 
setzte Güter einlösen kann; die Judensteuern werden zur Hälfte 
getheüt. Zugleich erliess Wenzel specielle Befehle an Augsburg, 
Giengen, die Städte und Stände der oberen und niederen Land- 
vogtei, dem Herzoge als Landvogt gehorsam zu sein 3 ). 

Leopold hielt sich damals in seinen Besitzungen in der 
Schweiz auf. Dort gelobte er am 6. März in Baden an der Aar, 
wahrscheinlich nachdem ihm die Urkunden vom 25. Februar über- 
mittelt waren, Wenzel als König anzuerkennen und von ihm die 
Reichslehen zu empfangen 4 ). Zu einer Zusammenkunft zwischen 
dem Könige und dem Herzoge ist es damals nicht gekommen. 
Ueber Heidelberg kehrte Wenzel nach Nürnberg zurück, wo er am 
22. März die Mitglieder des Landfriedens in Franken und Baiern 
ermahnte, die von den Siebenern angesetzten Geldbeiträge für den 
Hauptmann zu entrichten. Einige Tage vorher hatte er Eich- 
städt von seinem bisherigen Gerichtsstande, dem königlichen Hof- 
gerichte eximirt und dem Bischöfe die Entscheidung der zwischen 
dem Stift und dessen Unterthanen vorfallenden Streitigkeiten un- 
tergestellt 

1) RA. n. 141. 

2) Viecher Reg. 126, 127. 

3) Lichnowsky a. a. 0. IV, Reg. 1403-1408; Viecher Reg. 128—134. 

4) RA. p. 251 Anm. 3. 

5) RA. n. 134; Reg. Bo. X, 29. 



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128 Achtes Kapitel. 1379. 

Sollte dadurch Bischof Raban gewonnen werden, den Baiern 
nicht zu helfen, wenn diese die Landvogteien nicht herausgeben 
wollten? Und wenn der kaum nach Prag zurückgekehrte König 
alsbald wieder nach Weiden eilte, dort am 2. Mai dem Bischöfe 
Lamprecht von Bamberg die Privilegien seines Fürstenthumes und 
am 10. Mai dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg den Zoll zu 
Selz bestätigte, mag auch hier die Absicht vorgelegen haben, im 
Hinblick auf gefürchtete Streitigkeiten mit Baiern sich dieser bei- 
den ergebenen Anhänger zu versichern *). 

Kaum hatte dann der König mit Ludwig von Ungarn die 
Altsohler Verhandlungen geführt, welche das Einverständniss 
Leopolds erforderten, so traf er alsbald in Znaym mit diesem 
zusammen. Wiederum erhielt Leopold am 23. Juni die umfassend- 
sten Verleihungen. Alle Privilegien, welche der Herzog oder 
dessen Vorfahren je von Königen und Kaisern empfangen, wurden 
bestätigt; unter Stellung von Bürgen verpflichtete sich Wenzel, 
bis Martini die verpfändete Landvogtei Schwabens einzuant- 
worten. Der Landvogt des Elsasses, Herzog Wenzel von Brabant 
und die dortigen Städte wurden angewiesen, Leopold Beistand zu 
leisten, wenn dieser wegen seiner Kämpfe mit den Engländern, 
welche ihm Karl aufgetragen, irgend angegriffen würde. Wahr- 
scheinlich bezog sich das auf Leopolds Erbschaftsstreit mit En- 
guerrand von Coucy 2 ). 

Trotzdem sind die Landvogteien nicht zum bestimmten Ter- 
mine in Leopolds Gewalt gekommen. Am 23. April traten die 
vier baierischen Herzöge in München zusammen, doch gewiss, 
um über die Abwendung des ihnen drohenden Verlustes zu be- 
rathen. Am 4. Juli aber wurde zwischen dem schwäbischen Bunde, 
zu dem mittlerweile auch Wyl im Thurgau getreten, und den vier 
Baiernherzögen, den drei Ruprecht von der Pfalz, den Markgrafen 
von Baden ein Bündniss geschlossen bis zum 23. April 1385 zu 
gegenseitiger Hilfsleistung wider Jedermann, welcher sie angreife 
oder schädige mit Nähme, Brand, Raub oder mit anderer Sache. 
Ausgenommen werden der König, die Rechte des Reiches, der 
Stuhl zu Rom, der König von Ungarn (zu dem die Wittelsbacher 
Beziehungen hatten), Herzog Albrecht von Baiern-Holland, Friedrich 
von Nürnberg und der Graf von Görz; doch „wenn Jemand, wer 



1) Reg. Bo. X, 32; Mon. Zoll. V, 31. 

2) Lichnowsky IV, Reg. 1428-1431. 



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1379. Bündniss der Wittelsbacher mit den Städten. 120 

er sei, die Städte von ihren Briefen, Freiheiten und guten Gewohn- 
heiten oder sie von einander drängen oder zertrennen wolle", 
sollen die Fürsten ihnen sammt und sonders zur Abwehr der Ge- 
fahr berathen und beholfen sein. Die im Kriegsfall gegenseitig 
zu leistende Hilfe wird festgesetzt, über die Führung des Kampfes 
u. s. w. werden Bestimmungen getroffen, für Streitigkeiten der 
Verbündeten unter einander Schiedsgerichte in Aussicht genom- 
men. Die Fürsten versprachen, so lange dieses Bündniss währe, 
die Hauptfeinde der Städte, Eberhard von Wirtemberg und Kraft 
Ton Hohenlohe in keine Einung aufzunehmen ; dasselbe gelobten 
die Städte in Betreff Adolfs von Nassau, des erwählten Erzbischo- 
fes zu Mainz '). 

Es kann kein Zweifel sein, dass der Bund gegen Leopold ge- 
richtet war. Es scheint zwar nicht, dass die Städte das mit ihm 
früher vereinbarte Bündniss geradezu auflösten, aber sie nahmen 
es weder mit hinüber in die neue Einung, noch wird Leopold unter 
denen genannt, gegen welche Hilfe nicht Pflicht ist. Selbst gegen 
den König Wenzel konnte die Spitze des Bündnisses gekehrt wer- 
den, wenn et, um Leopold zu fördern, die Städte antastete. Es 
ist jedoch wahrscheinlich, dass die Fürsten den Städten das Bünd- 
niss angeboten haben, denn die Baiernherzöge , deren Interesse 
die verwandten Pfälzer theilten, waren ja unmittelbar bedroht. 
Den Bürgern konnte es am Ende gleichgiltig sein, ob ein Wittels- 
bacher oder ein Habsburger ihr Landvogt war, nur erschien jetzt 
Leopold wegen seines Einverständnisses mit Wenzel besonders ge- 
fährlich. Zunächst aber erreichten sie den Vortheil, dass ihr 
Bund von grossen Fürsten des Reiches, unter denen sich sogar 
ein Kurfürst befand, anerkannt und sein Bestand für die nächsten 
Jahre garantirt wurde. Und die erste Frucht dieses Bündnisses 
war, dass das mächtige Augsburg am 27. Juli in den Städte- 
bund trat 2 ). 

Als der König im August und September im Reiche verweilte, mag 
er die Ueberzeugung gewonnen haben, dass es für jetzt nicht räth- 
lich sei, in Schwaben seine Absichten mit Gewalt geltend zu machen. 
Dem Herzoge Friedrich verblieben daher vorläufig die Vogteien s ). 
Ob er mit Leopold ein Abkommen getroffen hat, wissen wir nicht. 
Der König übernahm, sobald er nach Prag zurückgekehrt war, 

1) Reg. Bo. X, 31; Vischer Reg. 136-138; RA. p. XCIV Anm. 11. 

2) Stchr. Augsburg I, 185. 

3; Vischer Reg. 146, 153; Reg. Bo. X, 61, 62. 

Tb. Lindner, Geechicbte des deutschen Reichet. I. 9 



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130 



Achtes Kapitel. 



die Sorge, letzteren anderweitig zu entschädigen; in den Tagen 
vom 16. October bis zum 15. November ertheilte er Leopold eine 
neue Reihe von Privilegien, theils auf gerichtliche Exemptionen, 
theils auf Einlösung von Reich spfandschaften bezüglich *). Den 
grössten Dienst aber leistete er dem Herzoge, indem er dessen 
Pläne, die habsburgischen Besitzungen zu theilen, begünstigte. 

Schon seit langer Zeit hatte der unruhige Leopold auf eine 
Theilung der ursprünglich von ihm und seinem Bruder Albrecht 
gemeinsam verwalteten Besitzungen gedrungen; mehrfache Ver- 
träge waren bereits abgeschlossen worden, welche indessen eher 
auf eine Theilung der Einkünfte, als der Länder selbst hinaus- 
liefen. Als Leopold Ende Juni in Znaym mit Wenzel zusammen- 
kam, wusste er den König für die Theilung zu gewinnen 2 ) % Un- 
mittelbar darauf schlössen die Brüder Albrecht und Leopold in 
Wien einen Vertrag, nach welchem die östreichischen Provinzen 
ungetheilt bleiben, behufs der Verwaltung aber in zwei Theile zer- 
legt werden sollten; bis zum 10. Februar 1385 sollte diese Ord- 
nung gelten. Oestreich ob und unter der Enns sollen die eine 
Hälfte bilden, die anderen Länder die zweite; das Loos entschei- 
det, welchen Theil ein jeder Bruder zuerst erhält. Am St. 
Georgstage 1382 tritt der Wechsel ein. Die Besitzungen aber in 
Schwaben, im Elsass und in den oberen Ländern sollen in jedem 
Falle zuerst an Leopold fallen und erst zum obigen Termine 
an Albrecht abgetreten werden. — Man sieht, nach welcher Rich- 
tung hin Leopolds Hauptaugenmerk sich wandte. 

Indessen schon drei Monate später, am 25. September wurde 
in dem steierischen Kloster Neuberg eine wirkliche Theilung vor- 
genommen, bei der Leopold sich den Löwenantheil zu sichern 
wusste. Albrecht behielt nur Oestreich ob und unter der Enns, 
alle übrigen Länder fielen an Leopold; natürlich blieb die gegen- 
seitige Erbberechtigung der beiden Stämme völlig bewahrt — 
Beide Brüder baten den König um Bestätigung, die er auch im 
Anfang des folgenden Jahres unbeschadet der früheren Bündnisse 
mit Karl und der Rechte des Reiches gewährte 3 ). 



1) Lichnowsky Reg. 1456, 1459, 1460; Archiv für schweizerische Gesch. 
m 1,128. 

2) Als wir ew riechst selber under äugen baten. Lichnowsky Reg. 1474. 

3) Kurz a. a. 0. I, 174 ff., die Bestätigungen Wenzels vom 17. Jannar und 
19. Februar 1380 Lichn. Reg. 1483-1485, 1498. 



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1379. Albrechts Bundniss mit den Herzögeil von B&iera. 131 



Albrecht musste demnach gegen den König, der seinen Bru- 
der so überaus begünstigte, nicht gerade freundlich gesinnt sein; 
seine Besorgnisse vor Uebergriffen Leopolds führten ihn in engere 
Verbindung mit den Baiern, welche ja ebenfalls die ehrgeizigen 
Bestrebungen Leopolds mit Argwohn verfolgten. Daher schloss 
er schon am 25. November mit den baierischen Herzögen einen 
Vertrag, in welchem er ihnen versprach, nicht nach baierischem 
Gute, namentlich nicht nach den Besitzungen in der Grafschaft 
Görz trachten zu wollen, auf welche Herzog Johann Ansprüche 
hatte. Dagegen gelobte man sich gegenseitige Sicherheit der 
Grenzen; unzweifelhaft hatte diese Bestimmung den Zweck, die 
Baiern von der Unterstützung des mächtigen Grafen von Schaum- 
berg, mit welchem Albrecht ein schwerer Krieg drohte, fern zu 
halten. Von grösserem Interesse waren Bestimmungen, welche 
das Verbal tniss der baierischen Herzöge zu Wenzel betrafen. Ent- 
stünde zwischen ihnen Krieg und die Baiern brächen dem Könige 
in sein Land ein, so mag Albrecht diesem zwar helfen, aber doch 
so, dass seine Lande dabei stillsitzen; fällt aber der König wider 
Recht den Herzögen in ihr Gebiet ein, so soll Albrecht jenem 
keine Hilfe leihen 4 ). 

Die Baiern fürchteten also noch immer einen Angriff von Sei- 
ten Wenzels. Dazu konnte es kommen, wenn der König Leopold 
mit Gewalt in die schwäbischen Vogteien einsetzen wollte. Zu- 
dem war Herzog Otto soeben am 15. November 1379 gestorben. 
Die oberpfälzischen Besitzungen, welche ihm für Abtretung der 
Mark Brandenburg verpfändet waren, gingen nach den Verträgen 
an seine Brüder in weiteren Pfandbesitz über. Gar leicht aber 
konnte der König daran denken, sie mit Gewalt zurückzuerobern. 
Aber Wenzel trug sich mit Plänen, welche nach allen Richtungen 
weitaussehend ihn abhielten, durch Erweckung geringfügigeren 
Streites Hiudernisse heraufzubeschwören. Die Baiern blieben un- 
gestört in ihrem Pfandbesitze 

So nahmen die Verhältnisse Süddeutschlands für die nächste 
Zeit eine bestimmte Gestalt an. Wenzel im engen Bunde mit 
Leopold, dem gegenüber die Baiern. Und wie Albrecht vor 
seinem Bruder besorgt diesen zwar nicht unterstützte, aber 
schliesslich doch das Hausinteresse zu wahren gehabt hätte, so 



1) Lichnowsky Reg. 1466, Quellen zur baierischen Gesch. VI, 525. 

2) Vgl. Beilage X. 



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132 



Achtes Kapitel. 



1379 -1381 



stehen auf Seiten der Baiern die Pfälzer, kaum geneigt, für die 
Verwandten von vornherein Opfer zu bringen, aber doch im Noth- 
falle entschlossen , ihre Schädigung zu verhüten. Dazwischen der 
schwäbische Bund, mit beiden Antipoden verbündet, mit Leopold 
bis zum April 1382, mit den Baiern noch auf drei Jahre länger; 
die Städte mochten hoffen, in diesem Gegensatze die Mitte halten 
und nöthigenfalls sich des Einen gegen den Andern bedienen zu 
können. 

Im Laufe der Jahre 1379 und 1380 wurden keine weiteren 
Versuche gemacht, die auf dem ersten Reichstage so offen aus- 
gesprochenen feindseligen Absichten gegen die Städte durchzufüh- 
ren; König und Kurfürten waren vollauf durch die Kirchenfrage 
in Anspruch genommen. Wir sahen bereits, wie auf dem Nürn- 
berger Reichstage vom Januar 1381 wenigstens die brennende 
Mainzer Frage sich erledigte, indem Adolf zu Urban übertrat und 
als Erzbischof anerkannt wurde. Es fällt auf, dass wir von keiner 
Gegenleistung Adolfs an den König hören, dem er sich in 
Zukunft sogar keineswegs sehr verpflichtet zeigt. Fast scheint es, 
als ob der König den gelungenen Ausgleich höher angeschlagen 
habe, als Adolf selbst. Freilich war dieser ja auch von jeher im 
thatsächlichen Besitze des Erzbisthums gewesen und die Erfahrun- 
gen der verflossenen Jahre hatten gelehrt, dass es nicht so leicht 
sei, ihn mit den Waffen niederzuwerfen. Gelang es ihm aber, 
sich zu behaupten und hielt er dabei an Clemens fest, so war die 
Gefahr, dass die Kirchenspaltung in Deutschland immer weiter 
um sich griff, eine überaus grosse; die gefährlichsten Weiterungen 
und Unruhen mussten daraus entstehen. „Der König von Böhmen 
konnte keinen Fortgang im Reiche haben, so lange Adolf vom 
Papste Urban nicht bestätigt war," sagt mit richtigem Verständ- 
niss die Magdeburger Chronik *). — Hätte der König die gesammte 
Kraft Böhmens und des Reiches aufbieten mögen, so würde am 
Ende Adolf unterlegen sein. Aber wie weit die Fürsten geneigt 
gewesen wären, eine so grosse Unternehmung, aus der ein un- 
mittelbarer Vortheil für sie kaum hätte resultiren können, zu 
unterstützen, ist mehr als fraglich. Und sobald Adolf sich bereit 
erklärt hatte, eventuell zu Urban überzutreten, war an ihre Bei- 
hilfe nicht zu denken. Es wäre demnach Wenzel allein überlassen 
geblieben, Adolf zu beseitigen, da die Hessen und Meissner sich 

1) Stchr. Magdeburg I, 281. 



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1381. Wenzels Verh&ltniss zu den Kurfürsten. 133 

zu schwach gezeigt. Davor schreckte jedoch der König zurück, 
der seine Kräfte für andere Zwecke zusammen halten wollte. Er 
musste demnach sich damit begnügen, dass Adolf sich seinem 
Papste anschloss ; der Schachzug des Mainzers — denn etwas an- 
deres war der Bund mit Clemens nicht gewesen — war völlig 
geglückt. 

Indem Wenzel den von seinem Vater aufgestellten, von ihm 
selbst zuerst lebhaft unterstützten Candidaten Ludwig fallen lassen 
musste, erlitt sein Ansehen gleich am Anfange der Regierung eine 
schwere Niederlage. Während er nicht hoffen durfte, an Adolf 
eine Stütze zu finden, kränkte er eine ihm treu ergebene Familie 
und stiess sie zurück; die Thüringer Landgrafen haben dem Kö- 
nige die Aufhebung der Verlobung Annas mit Friedrich dem 
Streitbaren, sein Verhalten in dem Mainzer Streite nicht vergessen. 
— Zugleich erfuhr deB Königs Stellung zu den Kurfürsten eine 
wesentliche Aenderung; dass Adolf nun in alle Rechte eines sol- 
chen trat, war auf den Gang der Reichseachen nicht ohne grossen 
Einflu8s. 

Dem Kölner, Trierer und Pfälzer hatte bisher die Ordnung 
der Mainzer Verhältnisse nicht weniger am Herzen gelegen , als 
Wenzel und dieses gemeinsame Interesse führte König und Kur- 
fürsten gegenseitig näher, wies sie auf einander an. Wie der 
Herrscher den Fürsten zu Willen war, hatten diese auf ihn Rück- 
sichten zu nehmen. Jetzt seitdem die drohendste Gefahr des 
Schisma im Reiche gehoben, löste sich diese Verbindung. Fortan 
bildeten die vier Rheinländer wieder eine geschlossene Gruppe, 
deren Interesse keineswegs mit dem des Königs zusammenfiel. 
Die Kurfürsten — und damals kamen doch lediglich diese vier 
in Betracht — konnten nun ungestört ihre kurfürstliche Stellung 
neben der königlichen Autorität geltend machen und danach stre- 
ben, das Reichsregiment nach ihrem Willen zu leiten. So trat 
jetzt wieder der Gegensatz königlicher und kurfürstlicher Politik 
ins Leben. Es fragte sich nur, ob der König selbständig und 
entschlossen genug sein würde, seine eigenen Wege zu gehen oder 
ob er in das Fahrwasser der Kurfürsten einlenken würde; aber 
selbst wenn er dies that, konnte er doch nicht mehr, wie bisher 
darauf rechnen, dass jene ihm so recht willfährig sein würden. 
Der König war nun nicht im Stande, sich ihren Einwirkungen zu 
entziehen, da er redlich bemüht, den Frieden im Reiche zu bewah- 
ren, doch eines bestimmten, sicheren Planes entbehrte. Sein bedenk- 



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134 Achtes Kapitel. 1381. 

liches Verhältniss zu dem schismatischen Herzoge Leopold, seine 
Absicht, in Italien die Kaiserkrone zu holen, Hessen ihn noch mehr 
, wünschen, mit den Fürsten im guten Einvernehmen zu bleiben. 
Daher gab er dem Drucke der Kurfürsten nach und es tritt als- 
bald eine dem entsprechende Richtung in seiner Reichspolitik her- 
vor, namentlich den Städten gegenüber. Wenn er auch den 
schwäbischen Bund nicht anerkannte, hatte er doch bisher auch 
nichts gethan, ihn zu lösen, den einzelnen Städten eher Wohl- 
wollen bewiesen. Nun aber unter dem Einflüsse der Kurfürsten 
wird seine Haltung bald eine städtefeindliche. 

Wie dem nun auch sein mochte, für den Augenblick war un- 
leugbar die Sache Urbans wesentlich gefördert und der König 
wurde nicht müde, auch sonst im Reiche dessen Obedienz zu wah- 
ren. Er hoffte, in nächster Zeit nach Italien gehen zu können, 
wo er bereits durch Gesandte seine baldige Ankunft verkünden 
Hess. Auf dem Reichstage kam die Angelegenheit zur Sprache, 
doch wurde die Beschlnssfassung auf einen späteren Tag ver- 
schoben, der am 8. Mai in Nürnberg gehalten werden sollte; 
konnte doch der Römerzug aus Gesundheitsrücksichten ohnehin 
nicht gut vor dem Juli angetreten werden. Deshalb meldete auch 
der Herzog Stephan von Baiern an Regina della Scala, die Ge- 
mahlin Bernabos von Mailand, der König würde nicht vor dem 
Herbste kommen. In Avignon erwartete man Wenzels Zug mit 
solcher Bestimmtheit, dass Clemens dem Herzoge Leopold ge- 
stattete, gegen den zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrag dem 
Könige den Durchzug durch seine Herrschaft zu gewähren, da 
der Herzog doch nicht stark genug zum Widerstande sein würde *). 

Auch innere Angelegenheiten des Reiches kamen zur Sprache. 
Durch Urkunde vom 31. Januar wurde der Landfriede für den 
Oberrhein erneuert, welcher im Jahre 1378 gesetzt, aber am 25. 
December 1380 abgelaufen war. Er sollte nunmehr währen bis 
zum 25. December 1382 und dann weiter bis auf Widerruf des 
Königs. Die locale Begrenzung bleibt dieselbe, nur Bischof Fried- 
rich von Strassburg, der früher nicht eingeschlossen war, tritt 
als neues Mitglied ein. Da demnach vier verschiedene Parteien, 
statt der früheren drei, im Landfrieden waren, bedurfte die Or- 



i) Chiron. San. bei Muratori Scr. rer. Ital. XV, 270. RA. S. 282; vgl. Reg. 
Bo. X, 51: Der Ritter Götz von Egloffstein gelobt, Wenzel för Aufhebung der 
über ihn verhängten Acht 2 Jahre lang gegen Welscblaud zu dienen. 



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1381 



Entstehung der Ritterbande. 



135 



ganisation desselben einer Aenderung, welche vorzunehmen den 
Mitgliedern überlassen blieb. Nur wurde der Landvogt angewie- 
sen, seinen Zuzug unter „des Reiches Fahne und Geschrei" zu 
leisten. — Die Strassburger waren eben erst von Wenzel wieder 
zu Gnaden angenommen worden. Da sie den Baseler Bürger Hart- 
mann Rote, welcher auf Veranlassung Herzog Leopolds seit 1377 
in der Reichsacht war, aufgenommen hatten, entzog ihnen der 
König ihre Privilegien, welche er erst auf demüthige Bitten zu- 
rückerstattete *). 



Neuntes Kapitel. 

Gründung des rheinisch - schwäbischen Städte- 
bundes. 

Auf dem Reichstage waren auch der Städte Boten anwesend, 
wie wir von den rheinischen mit Bestimmtheit wissen, während 
wir es von den schwäbischen nur vermuthen können. Die Ge- 
sandten Frankfurts weilten sechs Wochen in Nürnberg „ wegen 
des Zolles zu Höchst, der Löwengesellschaft, der Gelder, welche 
der König der Städte Freunden schuldete und wegen anderer Noth 
der Städte und des Landes" 2 ). 

Die Städte waren damals in höchster Aufregung wegen der 
Ritterbündnisse. 

Denn in derselben Weise, wie die Städte fühlten die Ritter 
das Bedürfniss, sich enger zusammenzuschliessen, da die Einzelnen 
noch weniger im Stande waren, sich auf eigene Faust zu wehren 
und ihre Stellung zu behaupten. Der ursprüngliche Zweck dieser 
Gesellschaften war wie bei den Städtebünden ein defensiver. Die 
Theilnehmer vereinigten sich zu gegenseitiger Unterstützung, um 
den allgemeinen Frieden zu sichern, da die vom Reiche gestifte- 
ten Landfrieden doch nirgends ausreichten, um Streitigkeiten unter 



1) RA. n, 165; vgl. Forschungen III, 11. 

2) RA. n. 177. Der Zoll zu Höchst war damals von Adolf an einen Frank- 
furter Bürger um eine Schuld von 3000 Gulden verpfändet. Reg. Bo. X, 66, 
vgl. RA. S. 277 Anm. 2. 



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136 Neuntes Kapitel. 1379. 

einander, die nur schwächen konnten, friedlich beizulegen, um 
endlich Freiheit und Rechte eines Jeden gegen Angreifer zu wah- 
ren. Wie schwankend und dehnbar war jedoch der Begriff: Frei- 
heit und Recht, wie leicht entstand darüber Streit zwischen einem 
Ritter und einer Stadt oder Fürsten! Indem nun die Gesellschaft 
für den Einzelnen einzutreten hatte und die Prüfung der Rechts- 
gründe in den meisten Fällen kaum eine ernstliche war, wurde 
die Tendenz dieser Ritterbünde schliesslich eine aggressive und 
sie selbst eine Gefahr für den allgemeinen Frieden. Und da die 
Einungsgenossen nur von sich Recht nahmen, wurde auch die 
Reichsautorität geschwächt und in Frage gestellt. 

Der geeignetste Boden für die Entstehung der Ritterbünde 
fand sich da, wo der territoriale Besitz zersplittert und keine 
grossen geschlossenen Fürstentümer vorhanden waren, wo zahl- 
reiche Geschlechter ihre Unabhängigkeit neben der fürstlichen 
Landeshoheit behauptet oder erlangt hatten. Das war besonders 
der Fall in Westfalen, in der Wetterau und in Schwaben; hier 
traten sie zugleich in Gegensatz zu den Fürsten, die natürlich be- 
strebt waren, die in ihren Gebieten sitzenden Ritter sich unter- 
zuordnen. Wie gefährlich sie den Fürsten werden konnten, hatten 
Graf Eberhard von Wirtemberg und noch mehr der Landgraf 
Hermann von Hessen in seinem Kampfe gegen die Sterner erfah- 
ren. Aber der Gegensatz der Fürsten und der Ritterschaft war 
kein so grosser, wie der zwischen letzterer und den Städten. 
Immerhin fühlten jene beiden sich in gewisser Weise als Standes- 
genossen, der gemeinsame Begriff der ritterlichen Ehre, die grossen I 
Turniere, kriegerische Fahrten boten vielfache Punkte freundschaft- 
licher Berührung; die norddeutschen Fürsten namentlich wussten 
sich in der Folge gegen etwaige feindselige Bestrebungen am 
besten dadurch zu schützen, dass sie selbst solche Gesellschaften 
gründeten und an ihre Spitze traten. Auch in Süddeutschland 
geschah ähnliches, obgleich hier die Verhältnisse zu Gunsten der 
Ritter wesentlich anders lagen ; immerhin war jedoch die Macht 
der Fürsten auch hier eine so grosse, dass den Rittergesellschaf- 
ten ein Kampf gegen dieselbe bedenklich scheinen musste 

Fürsten und Rittern gemeinsam war die Abneigung gegen die 



1) Roth von Schreckenstein, Gesch. der ehemaligen freien Reichsritterschaft 
I, 309 ff.; Landau Die Ritter-Gesellschaften in Hessen wahrend des U. und 
16. Jahrh. 5 ff. Stalin III, 332. 



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1379. 



EotstehuDg der Ritterbünde. 



137 



Städte, mit denen in Streit zu gerathen, für letztere sich über- 
reiche Gelegenheiten boten. 

Die Waarenzüge zu überfallen, häufig unter dem Vorwande, 
Zoll- und Durchgangsgelder fordern zu dürfen, von den reichen 
Gefangenen Lösegelder zu erpressen, war doch für viele arme 
lütter zu verlockend und seit mehr als einem Jahrhunderte zur 
lieben Gewohnheit geworden. Die Städte aber wussten sich zu 
rächen, indem sie gelegentlich an ergriffenen adeligen Käubern 
schwere Strafe vollzogen oder die Raubnester brannten und bra- 
chen. So entspannen sich fortwährende kleine Fehden und Strei- 
tigkeiten, in denen auch von Seiten der Städte nicht immer stren- 
ges Hecht beobachtet wurde. Je mehr die Städte sich zusainmen- 
thaten, um so bedrohlicher wurde ihre Macht den Rittern. Durch 
das Geschützwesen, welches damals in den Städten in Uebung 
kam und rasch einen sehr bedeutenden Aufschwang gewann, be- 
sassen die Bürger ferner ein grosses Uebergewicht über die Ritter, 
welche sich in ihren Burgen nicht mehr sicher fühlten. 

So war es eine natürliche Folge, wenn die Gründung des 
schwäbischen Städtebundes die Veranlassung zur Entstehung zahl- 
reicher Rittergesellschaften gab und durch diese wieder die 
Städte bewogen wurden, sich noch fester zu einigen und ihren 
Bund zu erweitern. 

Im Jahre 1379 entstanden in Hessen und an der oberen Lahn 
die sogenannten Hörner, „die hielten zusammen und erzürnten 
gar sehr ihre Nachbaren*, in Westfalen und namentlich in Pader- 
born die Falkner; beide Gesellschaften waren von keiner langen 
Dauer. In Süddeutschland bildeten sich die Gesellschaft von St. 
Georg, von St. Wilhelm und besonders die Gesellschaft vom Lö- 
wen, die „brimmenden Löwen", wie sie genannt wurden. Der 
Name rührt von dem Abzeichen her, welches die Ritter in Gold, 
die Knappen in Silber auf der Gewandung trugen. — Die Vereini- 
gung sollte bis Weihnachten 1382 währen. Der Stiftungsbrief 
nennt als Theilnehmer Grafen von Wied, von Katzenellenbogen, 
von Nassau, die Reiffenberge und Kronenberge und andere, vor- 
wiegend Adel der Wetterau; mit überraschender Schnelligkeit 
dehnte sich im folgenden Jahre der Verband aus den Rhein ent- 
lang stromaufwärts und stromabwärts bis zu den Niederlanden 
und den Alpen, östlich bis Baiern und den Thüringer Wald. Ul- 
rich von Wirtemberg, der Sohn Eberhards, wurde einer der Kö- 
nige, alle grösseren Herren Schwabens traten bei, selbst die 



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138 



Neuntes Kapitel. 



1379-1380. 



Bischöfe von Augsburg und Strassburg. Auch Herzog Leopold war 
ihm günstig gesinnt, seinem Einflüsse ist es zuzuschreiben, wenn 
im Juni 1380 selbst die Stadt Basel sich aufnehmen liess. 

So entstand eine gewaltige Coalition und Niemand, am wenig- 
sten die Städte selbst, war im Ungewissen, gegen wen sie gerich- 
tet sei. „Diese Gesellschaft war gemacht gegen die Reichsstädte, 
die den Bund mit einander hielten", sagt eine in ihren Kreisen 
entstandene Aufzeichnung. 

Der Sturm entlud sich zuerst gegen Frankfurt, welches wahr- 
scheinlich gegen die unaufhörlichen Plackereien der Wetterauer 
Ritter eingeschritten war und eine Anzahl Gefangene gemacht 
hatte. Vergeblich suchte Wenzel im Juli 1380 zu vermitteln: der 
von ihm anberaumte Tag zu Mergentheim wurde von der Gesell- 
schaft nicht beschickt, welche im August Frankfurt offene Fehde 
ansagte. Die Stadt sah sich genöthigt, die Gefangenen ohne 
Lösegeld freizugeben »), 

Dieser Sache wegen hatte Frankfurt den Nürnberger Tag be- 
schickt, aber vom Könige keine Besserung zu erlangen vermocht. 
So ergab sich für Frankfurt die Nothwendigkeit, durch Vereini- 
gung mit anderen Städten sich Schutz zu schaffen. In gleicher 
Weise gefährdet waren die benachbarten rheinischen Städte, wie 
Strassburg, Mainz, Speier und Worms. Aber auch die kleineren 
elsässischen Städte waren in grosser Sorge um ihre Freiheit. 

Es scheint, dass diese die Verpfändung der Landvogtei des 
Elsasses an Herzog Wenzel von Luxemburg ungern sahen, welcher 
daher selbst vor den Städten Besorgniss hegte 2 ); aber auch die 
Freundschaft Leopolds von Oestreich mit dem Könige mag ihren 
Verdacht erregt haben. Daher verbündeten sich schon am 14. 
August 1379 Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Weissenburg, Mühl- 
hausen, Ehenheim, Rossheim und Selz „dem heiligen Reiche zu 
Ehre und zu Lobe", damit sie bei demselben bleiben, nicht ver- 
setzt oder verpfändet werden. Es sind männliche Worte, welche 
in der Urkunde gesprochen werden. „Wie unsere Vorfahren vom 
Ursprünge des heiligen römischen Reiches an, vermeinen und be- 
gehren auch wir bei demselben unverrückt und fürbass zu blei- 



1) Limburger ChroDik a. a. 0. 70, Stchr. Strassburg II, 835; Konstanzer 
Chronik a. a. 0. 327; Vischer 37 und Forsch. III, 12; Janssen a. a. 0. p. 3 
n. 3; Roth von Schreckenstein a. a. 0. 493. 

2) S. Seite 115. 



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1379-1381. Gründung des elsässiachen u. des rheinischen Städtebundes. 139 

ben. Wir wollen nun und allewege den römischen Kaisern und 
Königen und ihren Vicarien und den Landvögten des Reiches ihre 
Rechte halten und vollführen, wie wir zu thun verpflichtet sind. 
Deswegen, damit wir beim Reiche verbleiben, und wegen merk- 
licher gemeiner Nothdurft und kundlicher Gefahren willen, die uns 
bedroht oder bedrohen möchte und wegen der ungewöhnlichen 
Forderungen und Anmuthungen, die an uns gestellt worden sind, 
haben wir uns verbunden, auf dass wir ungesondert bleiben bei 
dem heiligen Reiche, von demselben uns nicht lassen losreissen, 
lostrennen, noch abscheiden, noch versetzen oder verpfänden.« 
Einem gemeinsamen Ausschusse wurde das Recht gegeben, weitere 
Mitglieder in den Bund aufzunehmen, der bis zum 15. August 
1384 währen sollte 1 )- — 

Inzwischen spannte die Löwengesellschaft ihre Netze auch 
über den Elsass; der Herzog Leopold verbündete sich mit dem 
Bischöfe von Strassburg zu gegenseitigem Beistande, wenn wieder 
Unruhen entstünden; auch darin konnte Gefahr liegen 2 ). Immer 
mehr entstand daher bei den Reichsstädten auf beiden Seiten 
des Rheins das Bedürfniss und der Wunsch, sich durch gegen- 
seitige Vereinigung zu schützen, und die Erfahrungen, welche ihre 
Abgeordneten in Nürnberg machten, brachten den Entschluss zur 
Reife. „Man habe in Nürnberg reden und verhandeln hören über 
einige Gesellschaften, die sich zu einander machen und verbinden", 
schrieb im Februar 1381 Mainz an Frankfurt. „Daher thut es 
uns Noth, dass wir uns vorsehen und auch daran denken, uns zu 
Häuf zu machen und zu verbinden, so lange wir noch Zeit haben 
und es können." Es sei von ihnen im Verein mit Strassburg, 
Worms und Speier und den Reichsstädten im Elsass beschlossen 
worden, auf den 3. März in Speier Tag zu halten und dort eines 
Bundes übereinzukommen, damit sie solchen Sachen widerstehen 
möchten. „Wenn das nicht geschieht, so fürchten wir nach dem 
was wir gehört haben, dass grosser Schade und Unheil davon 
kommen und Wir später nicht so widerstehen könnten, wie jetzt." 

Der schnelle Abschluss des Bündnisses schien so wünschens- 
wert!), dass jede Stadt mehrere Bevollmächtigte sandte, von denen 
ein Theil in Speier blieb, während der andere seinem Rathe die 
dort vereinbarten Artikel zur Begutachtung überbrachte und mit 



1) Schoepflin Alsatia dipl. II, 277; Acta acad. Thcod.-Palat. I, 62. 

2) 1380 Dec. 18. Lichnowsfay Reg. 1538. 



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140 



Neuntes Kapitel. 



13öl. 



der Antwort alsbald wieder zurückkehrte. Schon am 20. März 
kam es daher zur Errichtung des rheinischen Städtebundes. Die 
Mitglieder waren Frankfurt, Mainz, Speier, Worms, Strassburg, 
Hagenau und Weissenburg, bald trat noch Pfeddersheim hinzu: 
er sollte bis Weihnachten 1384 dauern. „Dem heiligen römischen 
Reiche zu Ehren und wegen kundlicher Nothdurft, Nutz, Frieden 
und Frommen des Landes haben wir uns zusammen gethan , dass 
wir uns getreulich berathen und beholfen sein sollen und wollen, 
in allen Kriegen, welche wir in dieser Zeit gewinnen oder uns 
anfallen, von wem es auch geschehe." 

Der Charakter des rheinischen Städtebundes ist somit ein 
anderer, als der des schwäbischen; während letzterer von dem 
Grundgedanken ausging, die Reichsfreiheit der Städte zu wahren, 
ist hier davon nicht die Rede. Denn die wichtigsten Glieder des 
rheinischen Bundes, Mainz, Worms, Speier und Strassburg waren 
keine Reichsstädte, sondern Freistädte. Als solche waren sie Ge- 
fahren, welche die Reichsstädte bedrohten, gar nicht ausgesetzt. 
Sie schwuren dem Könige nur als solchem und nicht als ihrem 
Grund- und Hofherrn, sie zahlten daher keine regelmässige Reicbs- 
steuer, sondern schuldeten dem Reiche nur einen Beitrag zu den 
gemeinen Reichslasten; da der König in den Freistädten nie die 
Grundherrschaft besessen hatte, waren sie auch nicht pfandbar *)♦ 

Der rheinische Städtebund ist demnach nur ein Bündniss zu 
gemeinsamer Verteidigung, hervorgegangen aus augenblicklichen 
Bedürfnissen, weil gerade kriegerische Verwicklungen mit den 
Rittergesellschaften und den mit ihnen vereinten Fürsten bevor- 
standen; er war geschlossen sozusagen für private Zwecke. Der 
schwäbische Bund dagegen, welcher principiell die Kräfte der Ge- 
nossen zusammenfasste, um ihre Freiheit, ihre Stellung zum Reiche 
zu wahren, war zugleich eine politische Conföderation von Bedeu- 
tung für die Gesammtheit des Reiches. 

Daher erklärt es sich, wenn von den elsässischen Städten, 
welche im August 1379 sich geeint hatten, zunächst nur Hagenau 
und Weissenburg dem rheinischen Bunde beitraten; die anderen, 
welche ihrer Lage nach von den Ritterbünden weniger bedroht 
waren, hatten kein Interesse daran. 

Auch die sonstigen Bestimmungen des Bundesvertrages zei- 
gen vorsorgliche Beschränkung. Kein Herr oder Stadt sollen auf- 

1) Arnold Verfassungsgeschichte der deutschen Freistadte II, 415 ff. 



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1381 Vereinigung des schwäbischen und des rheinischen St&dtebund es- 141 

genommen werden, ehe man nicht einhellig übereingekommen, dass 
das nützlich und gut sei. Die Ausnahmen sind sehr zahlreich: 
Alle nehmen König und Reich aus, die Bischofsstädte ihre Bischöfe, 
Frankfurt den Abt von Fulda und ebenso Weissenburg den seini- 
gen j Strassburg, Hagenau und Weissenburg den Landfrieden im 
Elsass und den Landvogt Herzog Wenzel und die beiden letzte- 
ren noch den Bund mit des Reiches Städten im Elsass; Frank- 
furt endlich den Landfrieden, den Landvogt und die Städte in der 
Wetterau. So wird, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, 
die Loyalität ängstlich gewahrt. Wie ganz anders klingen dagegen 
die Gründungsurkunden des schwäbischen und auch des elsässi- 
schen Städtebundes J ) ! 

Der rheinische Bund war kaum errichtet, als auch schon von 
dem schwäbischen das Anerbieten einer gegenseitigen Einung ge- 
macht wurde. 

Leider ist von den Verhandlungen darüber bis jetzt nichts 
bekannt, sie würden unzweifelhaft ein helles Licht auf die Ten- 
denzen der Städte, auf die Anschauungen ihrer Räthe über die 
gesammte Lage werfen. — Der Strassburger Chronist Jacob 
Twinger von Königshofen weiss zu erzählen, wie die Edlen und 
Weisen zu Strassburg die Verbindung widerriethen. Es wäre eine 
harte Sache : sollten die von Strassburg und die rheinischen Städte 
den schwäbischen helfen, alle ihre Kriege auszutragen, welche sie 
seit Alters gehabt, so könnten sie zu grossem Schaden und Kummer 
kommen. Die Weisesten ihrer Vorfahren hätten den Rath gege- 
ben, keinen Bund zu machen über Rhein mit den Schwaben oder 
Anderen, sonst würden sie nimmer Ruhe gewinnen. Aber wie 
Königshofen berichtet, Einige, welche an der Gewalt standen, 
wurden bestochen und setzten es durch, dass der Bund zu 
Stande kam. 

Wie weit dieser Bericht im Einzelnen begründet ist, muss 
dahingestellt bleiben; soviel erhellt jedenfalls daraus, dass man in 
Strassburg sich nicht in über das eigene Bedürfniss hinausgehende 
Pläne und Verwickelungen einlassen wollte. Selbst "verpfändet oder 
beschatzt zu werden hatte die Stadt nicht zu besorgen und 
empfand daher keine Neigung, für andere Städte eine dahin lau- 
tende Garantie zu übernehmen. Deswegen wird sich auch Strass- 



1) Lehmann Chronica der freyen Reichsstadt Speyer hrsg. von Fuchs 
(Frankfurt 1698) 743; RA. n. 175. 



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142 



Neuntes Kapitel. 



1381. 



bürg von dem elsässischen Städtebunde fern gehalten haben, der 
damit seines rechten Hauptes entbehrte. 

Auch der König suchte die Vereinigung der Büude zu hinter- 
treiben; er besandte die schwäbischen Städte, um sie von ihrem 
Plane abzubriugen, zugleich setzte er sich in Einvernehmen mit 
den rheinischen Kurfürsten Aber dadurch wurden die Freunde 
der Vereinigung nur veranlasst, sie zu beschleunigen; am 17. Juni 
kamen die Verhandlungen zu Speier zum Abschlüsse. 

Der Vertrag ist in demselben Geiste gehalten, wie der rhei- 
nische Städtebund. „Dem heiligen Römischen Reiche zu Ehren, 
uns und dem Lande zu Nutz und Frommen" verpflichtet sich der 
eine Theil dem audern bis Weihnachten 1384 „getreulich berathen 
und beholfen zu sein u . Der Beistand soll geleistet werden gegen 
Angriffe jeder Art und gegen Raub von Kaufmannsgut; von der 
Stellung zum Reiche wird nicht ausdrücklich gesprochen. Auf 
Mahnung sollten die schwäbischen Städte 200, die rheinischen 100 
Spiesse dem Partner zur Hilfe schicken. Kein Theil soll in Sachen, 
die sich in Folge des Bundes erheben, Frieden schliessen ohne des 
Andern Wissen und Willen; Niemand wird in den Bund aufge- 
nommen ohne einhellige Uebereinkunft. Die beiderseitigen Ver- 
bündeten bleiben ausgenommen, also von Seiten der schwäbischen 
Städte besonders die baierischen und pfälzischen Fürsten, Herzog 
Leopold u. s. w. In einem Nebentractate aber erklärten die 
rheinischen Städte, dass sie wenn einer dieser Fürsten mit den 
schwäbischen Städten in Streit geriethe, gegen denselben eben 
so Hilfe leisten wollten, als wenn er nicht ausgenommen wäre. 
Unzweifelhaft wurde dasselbe Gelöbniss von Seiten der schwäbi- 
schen Städte abgelegt 2 ). 

Wie die Städte des Nordens, war nunmehr auch der grösste 
Theil der süddeutschen Städte zu einem grossen Vereine zusam- 
mengefasst. Wenn auch der südliche Bund bei weitem nicht die 
einheitliche Organisation besass, wie die Hanse, wenn auch das 
Gefühl der Zusammenhörigkeit noch nicht durch gemeinsame, 
ruhmreiche Kämpfe erstarkt war, ein vielverheissender Anfang 
war gemacht. Die Städte geboten über eine grossartige Fülle 
militairischer, wie wirtschaftlicher Kräfte, es kam nur darauf an, 
von ihnen den rechten, vollen Gebrauch zu machen. Geschah 



1) RA. S. 306, Am». 1. 

2) S. Beilage XI. 



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1381. 



Einigung der Kurfürsten zu Wesel. 



143 



das und stellten sich die Städte mit den wachsenden Kräften 
immer höhere Ziele, so konnte noch immer ein auf neuen 
Fundamenten beruhender Reichsbau entstehen! Ks war dazu 
kaum nöthig, dass das Königthum selbst diese Möglichkeit erkannte 
und die hergebrachte Politik der Anlehnung an die grossen Für- 
sten aufgebend dem Bürgerthume entgegenkam, und mit ihm ver- 
bunden die Umgestaltung des Reiches angriff: die Städte konnten 
durch festes, planvolles Handeln das Königthum auf den rechten 
Weg drängen. Eine Verbindung der Hanse und des schwäbisch- 
rheinischen Städtebundes war allerdings vor der Hand nicht zu 
erwarten *), aber die süddeutschen Städte waren stark genUg, um 
vorläufig allein das grosse Werk zu beginnen. Sobald sie erst 
erreichten, dass das Bürgerthum in der Verfassung des Reiches 
zum lebendigen und belebenden Factor wurde, musste sich der 
Zutritt des nordischen Städtethums von selbst ergeben. Das 
deutsche Reich stand damals vor einer verhängnissvollen Entschei- 
dung! Erst aber musste sich zeigen, ob die Städte überhaupt im 
Stande waren, sich mit klarem Bewusstsein ein grosses Ziel zu 
stecken und dasselbe unbeirrt von kleinlichen Rücksichten und 
eigensüchtigen Bestrebungen zu verfolgen. So gewaltig die Coa- 
lition der schwäbisch-rheinischen Städte erschien, sie hatte doch 
von Anfang an einen schwachen Punkt, die ängstliche Vorsicht, 
die kurzsichtige Politik des rheinischen Bundes. 

Die Vereinigung der Bünde erregte die lebhafteste Besorgniss 
der Fürsten, vor allen der Kurfürsten, welche der König selbst 
auf den Vorgang aufmerksam machte. Aber auch die Rittergesell- 
schaften konnten der Macht der Fürsten Eintrag thun und viel- 
fache Friedensstörungen hervorrufen. 

So sehr Hessen sich die rheinischen Kurfürsten die Sache an- 
gelegen sein, dass sie schon sechs Tage nach der Speierer Eini- 
gung zu einem Bündnisse zusammentraten. Dasselbe trägt nicht 
den allgemeinen Charakter eines Landfriedens oder einer ein- 
fachen Vereinigung von Fürsten zum Schutze ihrer Lande gegen 
Angreifer und Friedebrecher; nicht in der Eigenschaft von Landes- 
herren verbanden sich die Vier, ausdrücklich betonten sie ihre 
Stellung als Kurfürsten; es war ein Kurverein, der geschlossen 



1) Sugenheim III, 383 glaubt an eine solche; indessen sind die von ihm 
vorgebrachten Beweise wenig stichhaltig. In den Hanserecessen findet sich 
keine Spur von einer Annäherung der süddeutschen Städte an die Hanse. 



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144 



Neuntes Kapitel 



1381. 



wurde. Daher erscheinen nur die Kurfürsten als Theilnehmer l ). 
„Mancherlei Gesellschaften von Städten und anderen Leuten sind 
auferstanden in den Landen und stehen Tag für Tag auf, von 
denen dem heiligen römischen Reiche, dem Könige, uns und anderen 
Kurfürsten des Reiches Irrungen und Schaden geschehen können. 
Daher haben wir dem Könige und dem Reiche zu Ehren und 
der Würde unseres Kurfürstenthums zu Nutz uns verbun- 
den. Keiner wird in den nächsten sechs Jahren in einen Städte- 
oder sonstigen Gesellschaftsbund eintreten, dieselben vielmehr in 
seinen Ländern verbieten. In weiterer Urkunde versprechen sie, 
sich nicht gegenseitig angreifen zu wollen, den allgemeinen Frie- 
den zu wahren und wenn einer von ihnen dieser Einung wegen 
in Krieg geräth, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Lande 
von Baiern, Hessen, Sachsen, Thüringen und Westfalen werden 
ausgenommen, gegen sie ist Hilfe nicht Pflicht. Scharf und deut- 
lich tritt so die gegen den Städtebund und die Rittergesellschaf- 
ten gekehrte Spitze zu Tage 2 ). 

Indessen gewann der schwäbische Städtebund eine erhebliche 
Verstärkung durch den Zutritt von Regensburg, der um so wich- 
tiger war, als diese mächtige Stadt sich bisher absichtlich fern 
gehalten. Aber jetzt trat die Notwendigkeit an sie heran, durch 
die Vereinigung mit den Schwestern sich gegen ungerechtfertigte 
Zumuthungen von Seiten des Königs und der baierischen Herzöge 
zu wahren. Die zahlreiche Judenschaft Regensburgs war von 
Karl IV. den baierischen Herzögen verpfändet, aber zugleich be- 
stimmt worden, dass sie in dieser Zeit mit keiner ausserordent- 
lichen Steuer heimgesucht werden solle. Wenzel hatte jedoch dem 
Herzoge Friedrich von Baiern und dem Landgrafen von Leuchten- 
berg dennoch gestattet, die Juden mit einer neuen Steuer zu be- 
legen. Dagegen protestirte die Stadt, welche eine Auswanderung 
dieses auch ihr reichen Gewinn bringenden Theiles der Bevölke- 
rung besorgte, und verbot die Beschatzung. Beide Parteien rüste- 



1) Nur Ruprecht junior als Nachfolger des Oheims participirt. Lacom- 
blet III, 750; Günther III, 836. 

2) Als dann am 1. October sich die drei Ruprechte, Adolf von Mainz, 
Friedrich von Köln mit den Bisehöfen von Metz und Strassburg, mit 7 Grafen 
und 4 Herren, mit Mainz, Worms und Speier und sämmtlichen elsässischen 
Städten auf 12 Jahro gegen die Herren von Bitsch als Strassenräuber verbin- 
den, werden die Städte einzeln aufgeführt, ihrer Eigenschaft als Bundesstädte 
wird nicht gedacht. Acta acad. Theod.-Palat. VI, 356. 



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im 



Beitritt Regensburgs zum schwäbischen St&dtebunde. 



145 



ten den Krieg. Gemäss dem Bunde vom 4. Juli 1379 mahnten 
die Baiernherzöge und Johann von Leuchtenberg die schwäbischen 
Städte um die Hilfe, welche diese in jedem Kriege zu leisten ver- 
pflichtet waren. Zugleich sprachen sie das Vertrauen aus, dass 
man die mit ihnen im offenen Kriege befindliche Stadt nicht in 
den Bund aufnehmen würde, indem sie betonten, dass sie des 
Königs Willen zur Ausführung brächten. 

Aber die schwäbischen Städte waren, wie zu erwarten, nicht 
allzu rasch bei der Hand ; insgeheim trat Ulm sofort mit Regens- 
burg in Verbindung und versprach, auf dem bald zusammentreten- 
den Städtetage zu Lieb und Dienst zu reden '). 

Darin lag deutlich genug die Aufforderung ausgesprochen, in 
den Bund zu treten und der Rath von Regensburg fasste sofort 
diesen Beschluss. 

Mittlerweile waren die Herzöge mit kriegerischen Schaaren 
vor die Stadt gerückt. Da legte sich der jüngste Ruprecht von 
der Pfalz, der in der Nähe weilte und von dem Rathe um Ver- 
mittlung angegangen war, dazwischen; am 10. Juli brachte er in 
Donaustauf den Vergleich zu Stande, dass beide Parteien noch 
einmal die Sache dem Könige zum Entscheid vorlegen sollten. Die 
Baiern zogen wieder heim. 

Der Beitritt Regensburgs zum Bunde war damit entschieden, 
er erfolgte am 2. September. Die Stadt, welche als reichsfrei mit 
keiner Steuer gebunden war, versprach solche Hilfe zu stellen, 
als wenn sie 800 Pfund Heller zahle — wie es von den Bundes- 
städten nur Augsburg und Esslingen thaten, — verpflichtete sich 
also zur Stellung von 24 Spiessen 2 ). 



1) Samstag nach Ulrich (Juli 6); statt Sonntag vor Margareth (Juli 7), dem 
Termine für die Städtezusammenkuuft dürfte wohl Sonntag nach Margareth 
(Juli 14) zu lesen sein. Gemeiner Regensburgische Chronik II, 199. 

2) Vergl. Gemeiner II, 197 ff. Vischer 39 f. und Reg. 161—167. - Der 
Entscheid des Königs erfolgte erst im Februar des folgendes Jahres, er schlug 
die Forderungen Friedrichs an die Juden nieder. Reg. Bo. X, 88. Dafür und 
för andere der Stadt erwiesene Gunst erhielt der König 4000 Gulden. Ge- 
meiner II, 204. 



Tb. Lind Der, Geschickte des deutschen Keiohei. I. 10 



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146 



Zehntes Kapitel. 



1381. 



Zehntes Kapitel. 

Reichstag zu Frankfurt im September 1381; die 
Ehinger Einigung und der Weseler Landfrieden. 

Während im Reiche so wichtige Dinge geschahen, hatte Wen- 
zel in seinen Erblanden zum ersten Male eine Probe von den ge- 
waltigen Wuthausbrüchen gegeben, die in seinen späteren Lebens- 
jahren sich mehr und mehr steigernd ihm so verhängnissvoll wer- 
den sollten. 

Das »goldene" Bisthum Breslau war seit dem Jahre 1376 er- 
ledigt. Der Erwählte des Capitels, der Dechant Dietrich hatte 
sich dem Gegenpapste angeschlossen und war daher nicht in den 
Besitz des Bisthumes gelangt; ein zweiter Erkorner, Johann von 
Neumarkt, der Kanzler Karls IV., war alsbald nach der Wahl im 
December 1380 gestorben. Vergeblich hatte schon früher der 
König einen Candidaten aus der von ihm hochbegünstigten Fa- 
milie der Duba vorgeschlagen; auch jetzt wählte das Capitel die- 
sen nicht, sondern erkannte den vom Papste ernannten Admini- 
strator Bischof Wenzel von Lebus an, den es bald darauf als 
Bischof postulirte. Während so das Domcapitel dem Könige 
Grund zum Groll gab, gerieth es zugleich in die ärgerlichsten 
Streitigkeiten mit dem Rathe der Stadt. Dieser bestritt nämlich 
der Domgeistlichkeit das Recht, Bier auszuschänken und belegte 
daher einige Fässer Bier, welche der Herzog Ruprecht von Liegnitz 
seinem Bruder, dem Domdechanten, zum Geschenke schickte, mit 
Beschlag. So gross war die Erbitterung der geistlichen Herren, 
dass sie sofort über die ganze Stadt das Interdict verhängten. 
Da kam der König im Juni 1381 nach Breslau, um die Huldigung 
entgegenzunehmen und den Streit zu schlichten. Aber das Dom- 
capitel war so hartnäckig, dass es trotz der Anwesenheit des 
Herrschers das Interdict nicht aufhob; einige Glieder desselben 
sollen sogar den König schwer beleidigt haben. Nun kannte Wen- 
zels Zorn keine Grenzen; den zügellosen Schaaren der Böhmen, 
welche ihn begleiteten, gab er die Besitzungen des Doms und die 
Curien der Domherren zur Plünderung preis, die denn auch in 
schlimmster Weise vorgenommen wurde. Die meisten Domherren 



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1381. 



Reichstag zu Frankfurt im September 1381. 



147 



waren schon vorher geflohen ; ihnen Aufenthalt zu gewähren wurde 
verboten, die Einkünfte des Bisthums mit Beschlag belegt. — 
Lange Zeit dauerte es, ehe der Zorn des Königs völlig beschwich- 
tigt und der Streit gänzlich beigelegt wurde; erst Ende 1382 er- 
kannte er den inzwischen von Urban bestätigten Wenzel als 
Bischof an 1 ). Aber deutlich genug zeigten diese Vorgänge, wie 
straff der König die Zügel der Regierung in seinen Erblanden 
anzuziehen gesonnen war, wie wenig er Scheu trug, der 
Geistlichkeit in seinen Landen selbst mit Gewalt entgegenzu- 
treten. 

Die Bundesstädte, welche Mitte Juli in Speier beriethen, 
sandten eine Botschaft an den König, welche höchst glänzend aus- 
gestattet gewesen sein mag, da Frankfurt allein zehn Pferde stellte ; 
wahrscheinlich sollte der König zur Anerkennung des Bundes be- 
wogen werden. Nachdem die Gesandten gegen fünf Wochen aus- 
geblieben, statteten sie in Worms den Städten von ihren Erfolgen 
Bericht ab und konnten vor allem melden, dass der König ihnen 
in nächster Zeit folgen würde 2 ). In der That war dieser bereits 
am 13. September in Oppenheim. 

Leopold hatte mit Kolmar Händel begonnen, weil dort einer 
seiner Mannen erschlagen und das Geleit des Herzogs verletzt 
worden war. Mitte September sollten seine Truppen sich bei 
Basel versammeln ; auch der schwäbische Städtebund wurde um 
seine vertragsmässige Hilfe gemahnt. Diesem kam die Forderung 
im höchsten Grade ungelegen: „man will uns mit grosser Ge- 
scheidigkeit in den Krieg ziehen, selbst gegen Bundesgenossen 
und uns in des Königs, des Papstes und der Kurfürsten grosse 
Ungnade bringen 4 ', schrieb Ulm an Regensburg s ). Indess nahm 
plötzlich der König selbst Partei für die bedrohte Stadt, indem er 
eben von Oppenheim aus den Strassburgern befahl, sich Michaeli mit 



1) Vgl. Grünhagen Köni^' Wenzel und der Pfaffenkrieg in Breslau, im Archiv 
für Kunde österr. Geschicbtsquellcn XXXVII. 1867. Grünhagen hat den Brief 
Urbans vom 4. Juli 1382 übersehe n, in welchem der Papst sich bereit erklärt, 
Wenzels Translation rückgängig zu machen, weil er erfahren, dass sie dem 
KöDige unangenehm. Pelzel I. Urk. S. 51 n. XXXII. Der König stand damals 
mit Urban sehr gut, nicht ungünstig, wie Grünhagen gestützt aufPalacky meint. 
Vgl. Kapitel XII. 

2) RA. n. 182. 

2) Gemeiner II, 201; dass der Herzog „des neuen Papstes (Clemens) we- 
geo w gemahnt, klingt nicht glaublich. 



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148 



Zehntes Kapitel. 



1381. 



ihren Waffen bei Hagenau zu stellen , da er Kolmar von Reichs - 
wegen zu Hilfe ziehen wolle. Aber Wenzel wollte wohl nur den 
Städten zeigen, dass sie ihm vertrauen und von ihm Hilfe gegen 
Angriffe erwarten könnten, denn noch immer war sein inniges 
Verhältniss zu Leopold ungetrübt. Zur kriegerischen Action kam 
es nicht, denn am 9. October legte der Bischof Peter von Olmütz in 
Wenzels Auftrage den Zwist zwischen Stadt und Herzog bei 1 ). 
Ihr gutes Glück ersparte schon zum zweiten Male in diesem Jahre 
den Städten die Notwendigkeit, den einmal eingegangenen Ver- 
pflichtungen getreu Fürsten gegen eine Schwester helfen zu 
müssen. Wie nahe lag da die Lehre, künftighin nicht mehr Ver- 
träge einzugehen, welche zur Verletzung von Standesinteressen 
fuhren mussten. 

Die Verhandlungen des in Frankfurt zusammentretenden 
Reichstages sind von höchstem Interesse. Die Boten der schwä- 
bischen und rheinischen Städte waren erschienen mit der Hoff- 
nung, die Anerkennung ihres Bundes durchzusetzen, während die 
vier rheinischen Kürfürsten und der König den Wunsch hegten, 
denselben, da auf Unterdrückung wenig Aussicht war, möglichst 
unschädlich zu machen und in irgend einer Weise die Städte zu 
trennen. Zu diesem Zwecke wurde ein Landfriedensentwurf vor- 
gelegt, der, wenn nicht Alles täuscht, von den vier rheinischen 
Kurfürsten ausgegangen ist. Derselbe war berechnet für das 
ganze Reich, dessen Gebiet in mehrere Bezirke zerlegt werden 
sollte, von denen indessen — und das spricht auch dafür, dass 
der ganze Plan von den Kurfürsten ausging — nur einer näher 
bestimmt wird. Dieser umfasst die Besitzungen der Kurfürsten 
und die mit diesen grenzenden und benachbarten Länder: die 
Demarcationslinie ging von dem Punkte am Rheine, bis zu wel- 
chem die Herrschaft des Bischofes von Strassburg reichte — etwas 
südlich von der Mündung der Elz — auf dem rechten Ufer über 
Pforzheim und Mossbach nach Tauberbischofsheim, von da über 
Aschaffenburg nach Hanau, umschloss die Grafschaften Sayn und 
Wied und die kölnischen Besitzungen bis Rees zwischen Wesel 
und Emmerich, dann lief sie auf dem linken Ufer, die Stiftslande 
von Köln und Trier, sowie Luxemburg umspannend über Saar- 
werden, Kaisersberg vor Kolmar vorbei an den Rhein. Von 



1) Lichnowsky Reg. 1612, 1617, 1619; vgl. die Urkunde vom 13. Juli 1382 
bei Pelsel I, 120. 



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1381. Reichstag zu Frankfurt im September 1381. 149 

Städten waren demnach Mainz, Worms, Speier, Frankfurt 1 )» 
Strassburg und die anderen elsässischen Städte, also der ge- 
sammte rheinische Bund eingeschlossen; neben ihnen aber stan- 
den die grossen Herrschaften der vier Kurfürsten, Luxemburg, die 
Bischöfe von Strassburg, Worms und Speier, Baden und zahlreiche 
Grafen, so dass das fürstliche Gebiet weit überwog. — Als weitere 
Theile waren in Aussicht genommen Franken, Schwaben, Baiern, 
dann wahrscheinlich die Schweizer und östreichischen Lande bis 
Passau 2 ). So wurden die vereinigten Reichsstädte von einander 
getrennt, überall standen neben ihnen mächtige Fürstengeschlechter. 

Als Zweck des Landfriedens wird die allgemeine Befriedung 
und Beschirmung des Landes bezeichnet, ausserdem sollen alle 
Mitglieder gehalten sein, nicht zu gestatten, dass Jemand gegen 
den für den rechten Papst erkannten Urban VI. agitire. Niemand 
soll des Anderen Bürger oder Untersassen entwenden oder ein- 
nehmen ohne dessen Willen, unter dem sie gesessen sind, es sei 
denn, dass sie sich nach dem Rechte ledig gemacht. Wird ein 
Glied der Einung von irgend Jemandem mit Gewalt oder Macht 
überzogen, so sollen ihm sämmtliche andere mit ganzer Macht hel- 
fen; ist aber der Angreifer zu stark, so müssen auch die andern 
Bezirke des allgemeinen Friedens beistehen. — Wird in der erste- 
ren Bestimmung das Pfahlbürgerthum, diese reiche Quelle des 
städtischen Machtzuwachses, verboten, so musste die zweite den 
Städten nicht minder unangenehm sein. Sie konnten durch die- 
selbe in endlose Kriege im Interesse der Fürsten verwickelt wer- 
den und lag nicht die Gefahr nahe, dass das Aufgebot sich gegen 
sie selbst richtete ? Jedenfalls waren die Städte gehindert, selbst- 
ständig ihre Kraft zu sammeln und sich ausschliesslich den eigenen 
Interessen zu widmen. 

Daher wollten sie einem solchen Plane nicht beitreten. An- 
dererseits durften sie sich einem Versuche, den allgemeinen 
Friedensstand zu bessern, nicht gänzlich versagen. Daher 
stellten sie dem fürstlichen Entwürfe einen eigenen gegenüber, 
der in keiner Weise ihre Interessen schädigen konnte. Jene Be- 
stimmungen gegen die Agitation für den Gegenpapst, gegen das 
Pfahlbürgerthum fehlen gänzlich. Die Eintheilung in Districte 



1) Frankfurt wird in § 24 nicht genannt, muss aber nach §§ 25 und 27 
eingeschlossen gewesen sein. 

2) So dürfte der lückenhafte Text von § 26 zu verstehen sein. 



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150 



ZehuteB Kapitel. 



1381. 



wird ganz übergangen, nur einmal ist die Rede von den Gebieten 
der vier Kurfürsten. Als Zweck der Einigung wird lediglich die 
Abwehr von Raub, Mord, Brand und unrecht Widersagen bezeich- 
net, eine sonstige Unterstützung im Kriege wird nicht zugesagt. 
Vor allem aber sollen alle „Bünde und Einmüthigkeiten", welche 
bereits geschlossen sind, also die Städtebündnisse, daneben in 
voller Kraft bleiben. Auch die Bestimmung, dass unter des Rei- 
ches Panier zu Felde gezogen werde, ist wohl nicht ohne Absicht 
hinzugefügt; die Bürger wollten nicht der Fahne eines Fürsten 
folgen 1 ). 

Es wurde viel hin und her berathen und geschrieben, so dass 
sich der Frankfurter Rath veranlasst sah, dem Schreiber des 
Königs 36 Schillinge zu verehren, weil er „viel Arbeit hatte in 
Sachen des Bundes zwischen den Fürsten und Städten". Wahr- 
scheinlich wurde zunächst die Errichtung des Friedens für den 
im kurfürstlichen Entwürfe begrenzten Bezirk ins Auge gefasst 
und demnach nur mit den rheinischen Städten berathen. König 
und Kurfürsten einigten sich über eine Fassung des Instrumentes, 
welche mancherlei aus dem städtischen Projecte herübernahm, 
im Wesentlichen aber den fürstlichen Interessen entsprach; 
gewiss ist der im März des folgenden Jahres verkündigte Land- 
frieden am Rhein die Frucht dieser Frankfurter Besprechungen. 
Denn in den Rheinlanden war am ehesten Aussicht, den Plan 
durchzuführen, weil hier die fürstliche Macht überwog ; damit war 
dann die Grundlage für die anderen Bezirke gewonnen und vor 
allem der rheinische Städtebund vom schwäbischen getrennt. Aber 
da die Städte die Anerkennung ihres Bundes nicht erreicht hatten, 
verweigerten sie eine Erklärung über ihren Beitritt, so dass 
dem Könige nichts übrig blieb, als ihnen Frist für ihren Entscheid 
zu geben, den er am 28. October in Nürnberg entgegennehmen 
wollte. — 

Nachdem er selbst am 2. October Frankfurt verlassen, über- 
trug er am folgenden Tage in Babenhausen dem Burggrafen von 
Nürnberg den böhmischen Antheil von Müncheberg als Reichs- 
lehen. Friedrich sollte den Diensten, welche er bereits dem Kö- 
nige geleistet hatte, einen neuen hinzufügen: in seine Hände wur- 
den die Verhandlungen mit den rheinischen Städten gelegt, denn 



1) KA. n. 180, 181. Vgl. die vorhergehenden Erörterungen, denen ich 
▼ölHg beipflichte. 



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1381 



Verhandlungen Ober den Landfrieden. 



151 



ohne Aufenthalt eilte Wenzel über Nürnberg in seine Erblande. 
Dem Burggrafen standen zur Seite Herzog Friedrich von Baiern, 
die Bischöfe von Bamberg, Würzburg und Lübeck, letzterer des 
Königs besonders vertrauter Rath und Kanzler, der Landgraf 
von Leuchtenberg, Konrad des Königs Hofmeister und Nicolaus 
von Riesenburg, das „Pröpstly von Bonn". Sie alle bis auf die 
königlichen Räthe, waren Mitglieder des fränkischen Landfriedens 
vom 1. September 1378, welcher noch bis zum 2. Februar des 
folgenden Jahres in Geltung war, aber schon jetzt durch den 
König verlängert wurde *). Zugleich sollte in Pranken der allge- 
meine Landfrieden wie er in Frankfurt geplant worden war, ein- 
geführt werden. Gab es doch hier nur wenige Reichsstädte, von 
denen auch nur Rotenburg im Städtebunde war, während die 
andern, besonders das reiche Nürnberg, ihm noch fern standen. 
Der Bund der fränkischen Ritter, der von St. Georg, sagte den 
Beitritt zu, und zwar nicht als geschlossene Gruppe, sondern 
jedes Mitglied für sich und wenn der Burggraf später erklärte, 
auch die Städte Frankens hätten den „Frieden aufgenommen" , 
mag er so ziemlich die Wahrheit gesagt haben. Es war nur 
nöthig, Rotenburg zum Beitritte zu zwingen und es vom schwä- 
schen Bunde loszureissen; dazu sollte vielleicht die Fehde be- 
nutzt werden, welche die Georgsgesellschaft damals mit der Stadt 
führte 3 ). 

Die Städteboten brachten nun Ende October den königlichen 
Bevollmächtigten in Nürnberg die Antwort, dass ihre Auftrag- 
geber dem Landfrieden nicht beitreten könnten. Vergebens 
stellte ihnen der Burggraf vor, wie in Franken kein Widerspruch 
herrsche, wie alles bereit sei, den Landfrieden aufzunehmen, wie 
die Rittergesellschaft darauf verzichtet habe, als Ganzes sich an- 
zuschlie8sen. Die Boten entgegneten ihm, wenn die Städte ihren 
Bund ausnehmen dürften, würde der Frieden zu Stande kommen 
und fragten vergebens, wie so dies ein Hinderungsgrund sei; sie 
beharrten schliesslich darauf, zu keiner weiteren Erklärung er- 
mächtigt zu sein 3 ). 

1) Dass der Landfrieden verlängert wurde, zeigt Gemeiner II, 215. Re- 
gensburg wird 1378 noch nicht als Mitglied genannt, vielleicht ist die Stadt 
spater beigetreten und daher die ursprüngliche Siebenercommission um ein 
Mitglied vermehrt worden. 

2) Viseber S. 40; die Fehde war schon im September im Gange, Vischer 
Reg. 168. 

3) RA n. 184, 185. 



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152 



Zehntes Kapitel. 



1381. 



Als die rheinischen Städte, deren Bund damals durch Schlett- 
stadt und Oberehenheim vergrössert wurde l ) , in Speier die 
Antwort an den König beriethen, beschlossen sie zugleich, einen 
gemeinsamen Zug gegen alle ihre Schädiger zu unternehmen; 
jede Stadt solle der andern ihre Gegner und deren Helfer be- 
zeichnen. Die schwäbischen Städte wurden aufgefordert, die ver- 
tragsmässige Hilfe zu leisten; sie entschuldigten sich aber wegen 
des Krieges, den sie eben selbst mit den Rittergesellschaften zu 
führen hatten 2 ). 

Die Städte waren entschlossen, das Netz, welches König, 
Fürsten und Ritter um sie zu spinnen gedachten, mit Gewalt zu 
zerreissen. Denn nicht allein die Verhandlungen über den all- 
gemeinen Frieden verriethen die feindselige Gesinnung des Königs ; 
indem er dem Grafen von Wirtemberg erlaubte, die in dem Kriege 
gegen den schwäbischen Bund gebrochenen Festen zu erbauen, ohne 
gemäss der früheren Bestimmung Karls IV. darüber die schwäbi- 
schen Städte um ihre Meinung zu fragen, hatte er deutlich ge- 
nug Farbe bekannt*). 

Im November wurde der Feldzug eröffnet, mit 1400 Spiessen 
und 500 Fussknechten zogen die schwäbischen Städte nach Fran- 
ken und in das Riess, als die Gesellschaften vom Löwen und von 
St. Wilhelm ebenfalls absagten, nahm der Krieg grossen Umfang 
an. Da der Bischof von Augsburg Mitglied des Löwenbundes 
war, benutzte die Stadt die Gelegenheit, die Pfaffheit zu zwingen, 
Bürger zu werden und Steuer zu zahlen; alle Gebäude, welche 
der Bischof oder Geistliche an der Ringmauer hatten, wurden 14 
Schuh breit abgebrochen ; die Güter der aus der Stadt entwiche- 
nen wurden confiscirt. Dafür verbrannte der Bischof der Stadt 
10 Dörfer; wie immer in jener Zeit, hatten die Bauern am 
meisten zu leiden 4 ). Die Städte kämpften indessen mit glück- 
lichem Erfolg, brachen eine Anzahl Burgen und verbrannten 
zahlreiche Dörfer, während zu gleicher Zeit der rheinische Bund 
mehrere Festen nahm 5 ). 



1) Am 31. Oct. Vischer Reg. 170; doch treten sie schon am 18. Oct. als 
Bundesglieder auf. Reg. 169. 

2) RA. n. 187; Janssen a. a. O. p. 8 n. 5, p. 4 n. 5, p. 5, 6 n. 9, 10. 

3) RA. n. 179. 

4) Stchr. Augsburg I, 69 ff. 

5) Schaab I, 346; Chron. Mog. misc. fragm. a. a. 0. 377; Limburger 
Chronik 72. 



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1381-1382. Vermittlung Leopolds. 153 

Nürnberg, welches sich durch den Krieg in seiner Nahe selbst 
bedroht sah, Hess sich angelegen sein, Frieden zu stiften; seine 
Boten gingen hin und her, zu den fränkischen Fürsten, zum 
Könige und zu den Städten. Wenzel schrieb einen Tag nach 
Eger aus, zu dem wohl zahlreiche Herren und Ritter und die 
Boten Nürnbergs kamen, aber nicht der König selbst; Alles war, 
wie es scheint, ohne Erfolg Da gelang es dem Herzoge Leo- 
pold, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, der vom 19. Januar 1382 
bis Ostern dauern sollte. Wahrscheinlich wollte Leopold dadurch 
der Verpflichtung, den Städten zu helfen, entgehen, denn sein 
ganzes Augenmerk war eben auf Oberitalien gerichtet. Der Augs- 
burger Chronist aber weiss ihm grossen Dank: „Den Krieg konnte 
weder Kaiser noch König, Herzog, freier Mann oder Dienstmann 
verrichten, nur der edle Herzog Leopold von Oestreich, den Gott 
lange behüte vor Uebel". 

Der Waffenstillstand wurde von beiden Parteien gewahrt; 
selbst als die Ulmer einige Friedbrecher fingen und ihnen die 
Köpfe abschlugen, führte dieses summarische Verfahren keine 
Störung herbei. Die Ritter hatten eingesehen, dass sie dem festen 
Verbände der Städte gegenüber nichts auszurichten vermochten, 
wenn ihnen nicht von Seiten der Fürsten Beistand gewährt wurde. 
Aber der Wirtemberger blieb ruhig, wahrscheinlich weil er sich 
von den Niederlagen des letzten Krieges noch nicht erholt hatte; 
die Wittelsbacher beider Linien hielten den mit den Städten ge- 
schlossenen Vertrag aufrecht, vermuthlich um nicht die Städte 
in Leopolds Arme zu treiben, während dieser mit andern Plänen 
beschäftigt nicht in Schwaben Verwicklungen heraufbeschwören 
wollte. Die fränkischen Herren, die Bischöfe von Würzburg und 
Bamberg, der Burggraf von Nürnberg hatten ebenfalls die Sachen 
gehen lassen, wie sie gingen; da die Einfuhrung des allgemei- 
nen Landfriedens in Franken an dem kräftigen Beistande, welchen 
die schwäbischen Städte dem bedrohten Rotenburg leisteten ge- 
scheitert war, blieb abzuwarten, wie die Dinge am Rheine sich 
entwickeln würden. Gewiss würden alle die Fürsten es gern ge- 
sehen haben, wenn die Ritter die Städte gedemüthigt hätten; 
aber für erstere sich selbst zu engagiren , lag nicht in ihren Plä- 
nen. Die Städte waren demnach als vollkommene Sieger her- 
vorgegangen, ihren Bund hatten sie glänzend aufrecht erhalten; 



1) RA. S. 329, 355. 



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154 



Zehntrs Kapitel. 



1382. 



die Rittergesellschaften aber hatten ihr Unvermögen an den 
Tag gelegt. Daher konnte es den Bürgern nur willkommen sein, 
wenn die Fehden ihr Ende nahmen, und sie boten gern ihre Hand, 
den Friedenszustand für die nächste Zeit zu sichern. 

So kam denn am 8. und 9. April in Ehingen das Friedens- 
werk zu Stande. Der Herzog Leopold stiftete eine vollkommene 
Sühne zwischen den drei Rittergesellschaftcn und ihren Gegnern, 
den Grafen von Oettingen, den Städten Rotenburg und Nord- 
lingen und dem schwäbischen Bunde: Tod gegen Tod, Brand ge- 
gen Brand, Schaden gegen Schaden. Den Friedenszustand zu 
sichern, wurde zwischen Herzog Leopold, dem Grafen Eberhard 
von Wirtemberg, den drei Rittergesellschaften und dem schwäbi- 
schen Bunde ein Landfriedensbündniss geschlossen, welches bis 
zum 6. Januar 1384 währen sollte. Der Vertrag erstreckt sich 
nur auf gegenseitige bewaffnete Hilfe gegen Raub, Mord, Brand 
und unrecht Widersagen; Streitigkeiten sollen durch Schiedsge- 
richte geschlichtet werden. Die Pfahlbürgerfrage, die zu so un- 
endlichen Zwistigkeiten Anlass geben konnte, wird in beiden 
Theilen gerecht werdender Weise geordnet , ). 

Die Bedeutung dieser Ehinger Einigung ist vielfach überschätzt 
worden. Das Bündniss war nur gegen die alltäglichen Friedens- 
störungen gerichtet und nichts anderes, als eines der zahllosen 
Landfriedensbündnisse, wie sie damals zwischen einzelnen Reichs- 
ständen auf Zeit geschlossen wurden und dann wieder zergingen; 
man möchte sagen: lediglich wurde der Waffenstillstand weiter 
verlängert. Wir finden überhaupt in der damaligen Zeit häufig, 
dass Mächte, welche sich bekriegt haben, mit dem Friedensschluss 
zugleich einen Bundesvertrag errichten. Der Zweck konnte als- 



1) Stchr. Augsburg I, 71; VischerS. 43 ff, Reg. 172-174. Von dem Löwen- 
bunde nahm nur das schwäbische Viertel, das aber zugleich Baiern und Fran- 
ken umfa88te, an dem Verträgen Theil. — Leopolds Stellung zu den Verträgen 
ergiebt sich recht deutlich aus dem Briefe, welchen er am 30. Mai an Treviso 
richtete. Er wäre gern gekommen, sed impedientibus nos arduis negotiis, que 
in bis nostris superioribus partibus pre manibus habebamus, nostra fuit hacte- 
nus intentio interrupta. Altissimo autem nobis ex benigna gratia cooperante 
prosperum fuit nostrum desiderium concordatis inter se nobilibus, maguatibus 
militibus et armigeris ac imperialibus civitatibus, quas licet difficulter ad con- 
cordie unionem reduximus, remanentes finaliter cum eis uniformes ut inter nos 
et ipsos sit generalis una liga. Verci Storia della Marca Trivigiana e Veronese 
XVI, Doc. 22. — Für Leopold trat zugleich der Vertrag mit den Städten 
an Stelle des eben am 23. April erlöschenden vom Februar 1378. 



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1382. 



Die Ehinger Einigung; der Weseler Landfrieden. 



155 



dann nur der sein, den soeben erst geschaffenen Friedensstand 
noch mehr zu sichern. Die Gegner wollten sich selbst möglichst 
binden, dass sie nicht zu bald wieder den Krieg begannen. Im 
Mittelalter und noch später finden wir ein Spielen mit öffentlichen 
Eiden, wie es unsere Zeit zum Glück nicht mehr kennt; die feier- 
lichst beschworenen Verträge werden mit Leichtigkeit gebrochen. 
Daher wandte man alle Mittel an, um den Gegner zum Halten 
des Friedens zu bewegen und so sind eben viele Bündnisse nicht 
mehr, als eine Verstärkung und möglichste Garantie desselben. 
Aehnlich steht es mit dem Ehinger Vertrage. Politischen Werth 
hatte er nicht und sollte er auch nicht haben;, die Verhältnisse der 
Parteien blieben genau dieselben, wie sie gewesen, nur dass man 
für kurze Zeit den Frieden bewahren wollte. Der allgemeine 
Passus, dass jeder Theil bei seinen Rechten und Gewohnheiten 
bleiben solle, hatte nichts zu bedeuten, weil keine Verpflichtung 
eingegangen wurde, dieselben gemeinsam zu vertheidigen. Die 
schwäbischen Städte waren zufrieden, dass für die nächste Zeit 
der Frieden gesichert war, daher forderten sie ihre rheini- 
schen Bundesgenossen auf, sich ebenfalls mit ihren Gegnern fried- 
lich zu stellen. Das ist auch, wie es scheint, geschehen. Die 
Rittergesellschaften aber hatten vorläufig keinen Bestand, sie 
lösten sich selbst auf 1 ). 

Der König hatte sich inzwischen wiederholt bemüht, die rheini- 
schen Bundesstädte zur Annahme des Friedens zu bewegen. Er 
schickte deswegen Bischof Konrad von Lübeck nach Strassburg, 
in Januar fand in Oppenheim eine Besprechung städtischer und 
fürstlicher Abgeordneter gewiss in dieser Angelegenheit statt. 
Aber alle Versuche schlugen fehl und so musste endlich von den 
Städten abgesehen werden. Am 9. März wurde daher von Bischof 
Konrad der Landfrieden publicirt 2 ), soweit er eben zu Stande ge- 
bracht war, für die Gebiete der rheinischen Kurfürsten ; seine Dauer 
wurde bis zum 24. Juni 1387 bestimmt. Hatte man die Bundes- 
städte nicht zum Beitritte bewegen können, so sollten wenigstens 
die Reichsstädte, welche dem Bunde noch nicht angehörten, vom 
Anschlüsse an denselben abgehalten werden ; die Städte der Wet- 



1) Janssen a. a. 0. S. 6, n. 11. — Stchr. Strassburg II, 836; Limburger 
Chronik 70. 

2) RA. 8. 328 Anm. 2; n. 200; n. 191. Die Urkunde ist zwar in Wenzels 
Namen ausgefertigt, aber ohne Ort, von Bischof Konrad unterzeichnet. 



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156 



Zrbntes Kapitel. 



1382. 



terau Gelnhausen, Friedberg und Wetzlar und des Elsasses Kolmar, 
Mühlhausen, Kaisersberg, Münster, Rossheim, Türkheim und Selz 
wurden daher vom Könige als in den Landfrieden aufgenommen 
bezeichnet. Er hoffte, dass sie darin einen Befehl erblicken und 
sich fügen würden. 

Die Kurfürsten sind der Kern und Angelpunkt des Landfrie- 
dens. Nach ihrem Rathe setzt der König die Bestimmungen, mit 
ihnen hat er sich vereint und verstrickt, also „dass wir bei ihnen 
und sie bei uns festiglich bleiben wollen und sollen Jeder dem 
Andern behilflich und beiständig sein gegen Alle manniglich, wer 
es auch sei, der diesen Frieden irren, hindern, brechen und gegen 
ihn handeln wolle". Deshalb haben auch die Kurfürsten mitge- 
siegelt. 

Die Bestimmungen lehnen sich im Grossen und Ganzen an 
den kurfürstlichen Entwurf, wie er in Frankfurt vorgelegen, 
dazu sind einzelne aus dem städtischen getreten, einige sind 
vom Könige hinzugefügt, um selbst etwas mehr Einfluss zu 
erhalten. Gerada die Punkte, welche der städtische Entwurf 
gestrichen hatte, sind zum grössten Theile aufgenommen ; die Ver- 
pflichtung, die Gegner Urbans VI. aus dem Lande zu weisen, 
wird wieder gleich Anfangs eingeschärft, dagegen fehlt auffallen- 
der Weise das Verbot, Pfahlbürger aufzunehmen. Das Project, 
allenthalben im Reiche und namentlich in Baiern, Schwaben und 
Franken ähnliche Verbände einzurichten, ist festgehalten, ohne 
dass aber dieselben näher bestimmt werden. Die gegenseitige 
Hilfe soll nicht blos gegen Raub, Mord, Brand und unrecht Wider- 
sagen geleistet werden, sondern gegen Jeden, der Glieder der Ei- 
nigung mit Gewalt oder Macht überzieht, nur nach Baiern, Hessen, 
Sachsen, Thüringen und Westphalen ist Niemand zur Folge ver- 
pflichtet. Hatten die Städte gefordert, dass alle von den Mit- 
gliedern vor Schluss des neuen Friedens eingegangenen Bünde 
ausgenommen und weiter in Kraft bleiben sollten, so wird jetzt 
bestimmt, dass kein früheres oder zukünftiges Bündniss dem Reiche 
oder dem gegenwärtigen Frieden Hinderniss bringen dürfe; solche 
Bündnisse werden Kraft königlicher Macht abgethan, soweit sie 
in irgend einer Weise beiden schädlich wären. Da die Bundes- 
städte nicht in den neuen Frieden aufgenommen waren, hatte 
diese Festsetzung keine Bedeutung für sie; höchstens konnten 
auf diese Weise die Wetterauer und Elsässer Städte, wenn man 
sie wirklich zum Eintritte zwang, vom Anschluss an den Städte- 



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1382. Der Weseler Landfrieden. 157 

bund abgehalten werden. Unter denen aber, welche mit gemein- 
samer Kraft zu bekämpfen wären, wenn sie ein Bundesmitglied 
angriffen oder die Einigung irrten oder hinderten, war wohl 
besonders der Städtebund zu verstehen. Vielleicht wurde die 
Aussicht nicht aufgegeben, doch auf irgend eine Weise eine oder 
die andere Bundesstadt zum Beitritte zu bewegen-; sie musste 
dann aus dem Bunde ausscheiden. Allen denen, welche innerhalb 
des Friedensbezirkes sitzend diesem nicht zuträten, wurde Hilfe 
versagt. Die Fürsten aber sollten alle ihre Städte und Amtleute 
zum Beitritte zwingen; wenn einer ihrer Untersassen, er sei ihr 
Mann, Burgmann, Stadt, Ritter oder Knecht, sich nicht verbinden 
wollte, oder gar mit Jemand anders gegen seinen Fürsten oder 
diesen Frieden sich vereinte, sollte er von allen Mitgliedern mit 
Gewalt gezwungen werden. Unzweifelhaft diente diese Verfügung 
zur Stärkung der landesherrlichen Gewalt und namentlich gegen 
die Ritterschaft, die sich derselben entziehen wollte. — Die Kriegs- 
züge geschehen, wenn esNoth thut, unter des Reiches Panier. 

- Von wesentlichen Bestimmungen treten zwei neue hinzu. 
Die Fürsten sollen die Mahnungen und Erkenntnisse, welche in 
Sachen des Friedens zu thun sind, für sich und für die Grafen, 
Herren, Ritter und Knechte, welche unter ihnen gesessen sind, 
ergehen lassen bei ihrer fürstlichen Treue. Will aber ein Graf 
oder Herr die Mahnung und Erkenntniss für sich und von ihm 
selber thun, so soll er das auf seinen Eid und mit seinen offenen 
Briefen thun. „Wenn unseren und des Reiches Städten, die wir 
mit Namen in diesen Frieden genommen haben und welche oben 
genannt sind, irgend einer Mahnung oder Erkenntniss Noth wäre 
in diesen Sachen, so meinen wir Mahnung und Erkenntniss für 
sie zu thun, oder das einem Edlen, unserm und des Reiches Manne, 
mit unseren offenen Briefen zu befehlen, der solch Erkenntniss 
und Mahnung von der Städte wegen auf seinen Eid und mit seinen 
ofienen Briefen thun soll, so oft es Noth ist. Es sei denn, dass 
wir das einem Reichsfürsten befehlen, der soll die Mahuung und 
Erkenntniss bei seiner fürstlichen Treue thun.* Den Städten der 
Wetterau und des Elsasses also war eine ganz besondere Stellung 
zugedacht, sie stehen nicht jede als selbständiges Glied da, son- 
dern sollen zusammengefasst werden unter der Leitung des Königs 
oder eines Stellvertreters. Wie dessen sonstige Befugnisse sein 
sollten, darüber fehlt jede Andeutung, aber es scheint, dass der 
König hier einen eigenthümlichen Versuch machte, die betreffenden 



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158 Zehntes Kapitel. 1382. 

Städte zu einem besonderen Bunde unter seiner Leitung zusam- 
menzuschliessen. Da zugleich ein Reichsfürst so zu sagen als 
Obmann in Aussicht genommen wurde, musste der Anschlag den 
Städten noch bedenklicher erscheinen. 

Damit dieser Frieden und die in ihn fallenden Sachen besser 
gefördert und ausgerüstet werden, sollen die Kurfürsten und die 
Städte viermal im Jahre, Sonntag nach Quatember und wenn es 
noththut noch öfter, ihre Freunde, jeder zwei oder drei von 
seinem Rathe zusammenschicken und zwar zuerst nach Bingen, 
dann nach Bacharach, nach Boppard und Andernach — also ab- 
wechselnd in die Städte je eines der Kurfürsten — , damit sie 
alles Nöthige berathen. — 

Da dieser Landfrieden späterhin der von Wesel genannt wurde, 
ist er. wahrscheinlich von den Kurfürsten auf einer Versammlung zu 
Oberwesel ratificirt worden l ). Seine Bedeutung ist vornehmlich 
darin zu suchen, dass er den Kurfürsten eine hervorragende Stel- 
lung giebt, sie zu den Trägern des Landfriedens macht; er war 
eben nur eine Fortbildung des Kurvereins vom 23. Juni 1381. 
Wie viele der übrigen Fürsten, auf welche der ursprüngliche Ent- 
wurf rechnete, beigetreten sind, wissen wir nicht; einige von ihnen 
schlössen sich bald geradezu dem rheinischen Städtebunde an. 
Wirklicher und dauernder Erfolg war nur zu hoffen, wenn es 
gelang, alle Bezirke des Reichs in eine derartige Einigung zu 
bringen. 

Auch nach Veröffentlichung des Landfriedens gingen die Ver- 
handlungen mit den rheinischen Städten über denselben weiter; 
noch im März kamen Städte und Fürsten in Oppenheim zusam- 
men, im April setzten die Städte auf einem Tage zu Speier aber- 
mals eine Antwort an die Fürsten auf, deren Laut wir jedoch 
nicht kennen 2 ). 



1) Vgl. RA. S. 332; nur ist der Tag von Oberwesel nicht erst in den 
Juni zu setzen. Denn schon am 13. April nahm, wie Weizs. selbst S. 344 
Anm. angiebt, Ruprecht einige Herren in diesen Landfrieden auf. In n. 190 
ist nicht von einem Tage zu Wesel , sondern von Koblenz die Rede, 
nur der Brief ist auf dem Wege von dort nach Frankfurt in Oberwesel ge- 
geben. Dagegen fügt sich der RA. S. 336 Anm. 2 mitgetheilte Brief ganz 
passend in den November 1382. Die Versammlung, auf welcher der Land- 
frieden ratificirt, wird wahrscheinlich im März gewesen sein und das Datum 
der Urkunde der Zeit der UnterSiegelung durch die Kurfürsten, nicht durch 
den König, entsprechen. 

2) RA. n. 200. 



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1382 



Reichstag zu Frankfurt im Juli 1382. 



159 



Die Bemühungen, den Städtebund zu sprengen, hatten den 
entgegengesetzten Erfolg; obgleich der rheinische noch bis Weih- 
nachten 1384 galt, erneuerten ihn seine Mitglieder gerade damals 
am 6. Juni bis Johanni 1392. Die Urkunde entspricht im Wesent- 
lichen der früheren, nur sind die zahlreichen Ausnahmen weggefallen, 
ein Zeichen, dass die Bürger die Lage für gefährlicher hielten, als 
früher und demnach auch zu energischeren Vorgehen bereiter 
waren. Daher suchten die Städte auch ihre reisige Wehrkraft zu 
mehren. Wie es in Schwaben vielfach geschah, nahm der rheinische 
Bund ebenfalls benachbarte Herren auf, Graf Simon von Spanheim, 
Graf Ruprecht von Nassau und andere, die natürlich auf den Städte- 
tagen keine Stimme hatten. Diese Herren sassen innerhalb des 
Gebietes, welches der kurfürstliche Landfrieden umfasste ; auch 
sie konnten nunmehr nicht dessen Mitglieder werden. So ge- 
dachten die Städte, zugleich die Glieder der Kette, welche um sie 
geschlungen werden sollte, zu lockern l ). — 

König Wenzel war im Mai wieder ins Reich gekommen, das 
Pfingstfest feierte er in Nürnberg. Von dort erliess er am 3. 
Juni den Befehl an Strassburg und gewiss auch an die anderen 
rheinischen Städte, Boten zum Reichstage zu senden, welcher am 
22. Juni in Oppenheim zusammentreten sollte; den gleichen Be- 
fehl trugen Nürnberger Patricier in des Königs Auftrag an die 
schwäbischen Städte. Denn die Verhältnisse Schwabens mussten 
seine Aufmerksamkeit um so mehr erregen, als er in Nürnberg 
den Ehinger Vertrag, von dessen Urkunden er sich Abschriften 
fertigen Hess, näher können lernte 2 ). 

Der Reichstag fand indessen nicht in Oppenheim, sondern 
in Frankfurt Statt, wo Wenzel am 22. Juni anlangte ; die Ver- 
sammlung wird erst im Anfange des Juli vollzählig geworden 
sein. Denn die Erzbischöfe von Mainz und Trier, die sich kurz 
zuvor in Oberwesel berathen hatten, trugen Bedenken, sich nach 
Frankfurt zu begeben, da ihnen die von der Stadt ausgestellten 
Geleitsbriefe nicht sicher genug erschienen; ebenso misstrauisch 
war die Bürgerschaft, welche die Thore sorgfältiger hüten Hess, 
als sonst. Wer sonst noch von Fürsten anwesend war, wissen 
wir nicht genau. Köln scheint gekommen zu sein, ob auch Rup- 
recht, ist ungewiss. Adolf von Mainz wurde in herkömmlicher 



1) Schaab II, 274 n. 211; 280, n. 213; Janssen 7, n. 13,14; p.8n.l9,20. 
1) Vgl. Itinerar; RA. n. 188, n. 202. 



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160 Zehntes Kapitel. 1382 

Weise feierlich belehnt, ebenso der junge Bernhard von Baden, 
der mündig geworden war *). 

Die Berathung bezog sich namentlich auf die Durchführung 
des Landfriedens vom 9. März, auf den Beitritt der darin auf- 
genommenen Städte der Wetterau und des Elsasses, welche der 
König durch mancherlei Privilegien williger -zu machen strebte 2 ). 
Aber bestimmte Antwort erhielt er nicht, von Frankfurt scheidend 
befahl er Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen „ernstlich und 
festiglich bei unseren und des Reiches Hulden", den Bund, wel- 
chen er mit den Kurfürsten gemacht und in den er sie aufge- 
nommen, zu schwören und zu geloben ; dem Erbischofe Adolf, durch 
welchen der Brief den Städten übermittelt wurde, sollten sie ihre 
Antwort zugehen lassen. 

Die drei gedrängten Städte wandten sich an Frankfurt mit 
der Bitte um Rath, was sie thun sollten. Den Frankfurtern er* 
schien die Sache wichtig genug, um sie in ernste Erwähnung zu 
ziehen; um sicher zu gehen, holten sie noch den Rath von Mainz 
ein, „denn wir besorgen, wenn die drei Städte den Frieden 
schwören, so würde es uns Bundesstädten nicht nützlich sein, 
wenn es etwa zur Zwietracht zwischen uns Städten und im Frie- 
den befindlichen Herren käme". — Mainz antwortete umgehend, 
die Sache sei so bedeutend, dass sie am besten bis zum Bundes- 
tage verschoben werde, welcher am 4. August in Speier zusam- 
mentreten sollte. Dann werde man auch erfahren, wie die drei 
Städte zum Bunde gesinnt seien. Wenn aber die Sache sich 
nicht verzögern Hesse und alle drei oder eine von ihnen geneigt 
seien, in den Bund zu treten, so sei es' besser, sie aufzunehmen, 
als dass sie zu Jemand Anders kämen; natürlich müssten sie 
auch die gebührende Bundespflicht auf sich nehmen. Der Erz- 
bischof von Mainz sammle stark Truppen; man möge auch des- 
wegen die drei Städte warnen. 

Es blieb den Städten der Wetterau, wenn sie sich dem kö- 
niglichen Gebote nicht fugen wollten, in der That nichts übrig, als 
in den rheinischen Bund zu treten, da sie allein zum Widerstande 



1) RA. n. 190; n. 200; für Ruprecht urkundet Wenzel am 2. Juli 
Acta acad. Theod. Pal. I, 365; RA. n. 199; Schöpftin Hist. Zar.- Bad. 
V, 518. 

2) Für Friedberg und Kolraar Pelzel I, 120; für Wetzlar Wetzlar. Bei- 
trage HI, 243; für Selz Schöpflin Alaat. dipl. II, 281. 



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1382. Erweiterung des rheinischen St&dtebundes. 161 

zu schwach waren. Wetzlar trat am 24. September, Gelnhausen 
am 7. November, Friedberg am 15. November bei 

Indem der rheinische Städtebund diese Städte aufnahm, that 
er wieder einen bedeutenden Schritt weiter in seiner Entwicklung. 
Ursprünglich nur ein Landfriedensbund zu particularen Zwecken, 
war er durch die Einigung mit dem schwäbischen Bund in den 
Kreis grösserer Aufgaben gezogen worden, wenn auch wider- 
willig genug und so weit wir sehen können, sich möglichst wenig 
in die allgemeinen Verhältnisse des Reiches einmischend. Die 
Erneuerung des Bundes hatte durch den Wegfall der zahlreichen 
Ausnahmen die Organisation kräftiger, die Städte selbstbewusster 
gemacht. Jetzt aber trat man in die Wege ein, wie sie die 
schwäbischen Städte gleich vom Anfang ihrer Einigung an gewandelt 
waren, in die Opposition gegen den König. Denn anders war die 
Aufnahme der drei Städte nicht zu deuten und schwerlich sind 
sich die Städte selbst über die Tragweite ihres Schrittes unklar 
gewesen. Jetzt handelte es sich nicht blos um Erhaltung des 
Landfriedens, sondern darum, den Städtebund, also doch schliess- 
lich die Gesammtheit der Reichsstädte, als einen geschlossenen 
Körper dem Könige und dem Reiche gegenüber zu stellen, den- 
selben als integrirenden Factor in alle Reichs Verhältnisse einzu- 
führen. 

Ob die elsässischen Städte dem Frieden beigetreten sind, 
wissen wir nicht; wahrscheinlich wird ihnen derselbe Befehl zu- 
gegangen sein, wie den Wetterauern. Von ihnen hat nur Selz und 
dies erst am 6. Februar 1384 sich dem rheinischen Städtebunde an- 
geschlossen. Aber auch diese Stadt übernahm nicht die Ver- 
pflichtungen, wie die übrigen Bundesglieder. Sie versprach den 
rheinischen und schwäbischen Städten mit ihren Schiffen allzeit 
zu Dienste zu stehen, wenn sie über den Rhein fahren wollten 
und gegen Feinde zu Fuss und zu Pferde zu helfen, aber doch 
nur so, dass ihre Streiter des Abends wieder heimziehen könnten 2 ). 
— Wahrscheinlich scheuten diese elsässischen Städte zurück vor 
den Verwicklungen, welche eine Einigung mit dem schwäbischen 
Bunde hervorrufen konnte, wie es ja einst auch Strassburg ge- 
than, vor den grossen Opfern, welche möglicherweise dem allge- 
meinen Interesse zu bringen waren. Deshalb ist es nicht un- 



1) RA. n. 192-196. - Vischer Reg. 181, 187, 188. 

2) Vischer Reg. 206. 

T;h. Lindner, G esohiebt e des deutschen Reiches. I 11 



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162 



Zehntes Kapitel. 



1382. 



wahrscheinlich, dass sie dem Landfrieden beitraten. Der Bund 
welchen sie dereinst zur Vertheidigung ihrer Reichsfreiheit ge- 
schlossen, war damit abgethan und in der That hört man in der 
Folgezeit von ihm nicht mehr. 

Der König ging von Frankfurt nach Nürnberg, von wo er einen 
kurzen Ausflug nach der von einem furchtbaren Brande heimge- 
suchten böhmischen Stadt Tausa unternahm, um alsbald nach 
Nürnberg zurückzukehren. Auch dort war er von einer grossen 
Versammlung umgeben. Die beiden altern Söhne des 1381 ge- 
storbenen Friedrichs des Strengen, Landgrafen von Thüringen 
und Markgrafen von Meissen waren nebst ihrer Mutter, der that- 
kräftigen Katharina von Henneberg erschienen, um die feierliche 
Belehnung zu empfangen 1 ); ausserdem nennen uns die Stadt- 
rechnungen Nürnbergs den Grafen Eberhard von Wirtemberg, 
die beiden Pfalzgrafen Ruprecht II. und III., Gesandte der 
Baiernherzöge und Leopolds von Oestreich, mehrere andere Her- 
ren, vor allen aber Boten der bedeutendsten Städte des rheini- 
schen Bundes Strassburg, Mainz und Frankfurt (auch Gelnhausen 
war vertreten) und endlich die des schwäbischen Bundes. Es kam 
also dem Könige wieder darauf an, die Verhältnisse zu den Städten, 
die noch immer schwankend waren, zu regeln. Leider wissen wir 
von den Verhandlungen und deren Resultaten durchaus nichts. Nur 
ein einziges damals vereinbartes Gesetz ist uns überliefert worden : 
ein Münzgesetz vom 9. August, „dass Niemand anders Münze 
schlagen soll, als 24 Pfennige auf ein Nürnberger Loth, am Korn 
10 l / 2 Loth feinlöthig Silber und 5% Loth Zusatz auf eine Nürn- 
berger Mark" 2 ). — Das Gesetz kam wohl am meisten den Städten 
zu gute, denen ganz besonders an guter und gleichmässiger Münze 
gelegen war; ob es aber darauf berechnet war, die Städte für 
des Königs Wünsche zu gewinnen, vermögen wir nicht zu sagen. 
Jedenfalls blieben, wie die folgenden Vorgänge zeigen, alle Ver- 
suche, die Städte zum Eintritt in den allgemeinen Frieden zu 
bewegen, vergeblich. 



1) Die Urkunde darüber wurde erst am 11. Oct. 1383 in Nürnberg ausgestellt, 
nicht am 16. Oct., wie RA. S. 357 Anm. 7 irrthümlich angegeben wird. Horn 
a. a. 0. 661. 

2) RA. n. 201, 202. 



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1381. Leopold in Treviso. 163 



Elftes Kapitel. 

Der Nürnberger Herrenbund. 

Im Sommer 1381 wurde endlich der lange Krieg gegen Ve- 
nedig beendet. Die Friedensverhandlungen, welche im August 
1379 in Treviso gepflogen wurden, hatten sich in Folge der hohen 
Forderungen Ludwigs von Ungarn zerschlagen ; der Kampf wogte 
fort. Immer günstiger aber gestalteten sich für Venedig die 
Dinge: am Ende des Jahres wurden die 'die Stadt belagernden 
genuesischen Galeeren wiederholt geschlagen, im Februar 1380 
sahen sich die Genueser ihrerseits in Chioggia eingeschlossen 
als Belagerte, im Juni mussten sie trotz tapferer Gegenwehr ca- 
pituliren. Nur zu Lande waren die Verhältnisse nicht günstiger 
geworden; nach wie vor bedrängten Franz Carrara von Padua 
und der König von Ungarn die Gebiete Venedigs, vor allem die 
Mark Treviso. Da entschloss sich der Senat, durch freiwilliges 
Opfer auch hier Besserung zu schaffen. Die Mark war nicht zu 
behaupten, aber weder Padua noch Ungarn sollten sie in die 
Hände bekommen. Daher wurde sie nebst der Grafschaft Ceneda 
mit Ausschluss von Mestre Leopold von Oestreich angeboten, wenn 
dieser sich verpflichtete, gegen Carrara zu helfen, da sich erwar- 
ten Hess, dass König Ludwig nichts dagegen haben würde. Der 
rühm- und ländergierige Herzog ging gern auf den Vorschlag ein, 
obgleich schwere Kämpfe die unvermeidliche Frucht sein mussten, 
und Ludwig genehmigte, wie es scheint, stillschweigend den Ver- 
trag, obgleich er mit Venedig im Kriege blieb. — Auch Wenzel 
war gern bereit, dem Herzoge neue Förderung zu Theil werden 
zu lassen, da ja die neuen Erwerbungen ihn um so mehr bereit 
machen konnten, auf einen Antheil an der ungarischen Erbschaft 
zu verzichten; er selbst schickte dem Herzoge eine starke Ab- 
theilung böhmischer Reiter zur Hilfe, als dieser im Mai 1381 mit 
einem glänzenden Heere von 10,000 Reitern und 4000 Fussgängern 
in sein neues Land einrückte. Die Paduaner, welche Treviso be- 
lagerten, mussten sich zurückziehen; am 8. Mai konnte Leopold 
seinen Einzug in die Stadt halten, begrüsst von dem Jubel der 

Bürger, welche sich nun von harten Drangsalen befreit glaub- 

11* 



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164 Zehntes Kapitel. 1381-1382. 

ten. Neben der östreichischen Fahne wehte die ungarische von 
den Zinnen der Stadt, als deutliches Zeichen, dass König Ludwig 
einverstanden sei, welcher auch am 26. Juni durch einen Schieds- 
spruch zwischen Padua uud Leopold letzterem den Besitz sicherte 

Die unmittelbare Folge dieser Vorgänge war die Sprengung 
der grossen Coalition gegen Venedig. Ludwig hatte seinen Haupt- 
zweck wenigstens soweit erreicht, dass die Mark von Treviso den 
Venetianern entrissen war, Carrara war durch die Vernichtung 
seiner Hoffnung auf Treviso zu weiteren Anstrengungen nicht ge- 
neigt, Genua durch die schweren Verluste geschwächt. Am 8. 
August wurde in Turin ein allseitiger Frieden geschlossen. 

Aber für Leopold begannen nun erst die Kämpfe um Treviso 
mit seinem erbitterten Gegner, Franz von Padua, der mit allen 
Kräften sofort die Mark angriff, während Ludwig unthätig zu- 
sah, da er es mit keinem der Gegner verderben wollte 2 ). — So 
sah sich hier Leopold in einen Streit verwickelt, welcher seine 
ganzen Kräfte in Anspruch nahm, daher auch seine Bemühungen, 
in den übrigen Landen nach Möglichkeit Ruhe zu halten. Jener Zug 
gegen Kolmar, die einzige kriegerische Unternehmung Leopolds 
in dieser Zeit, war gerade projectirt, als ihm der Turiner Frieden 
Aussicht eröffnete, für die nächste Zeit in Italien der Waffen 
nicht zu bedürfen. Daher mag er, als seine Hoffnungen getäuscht 
wurden, so gern Wenzels Vermittlung angenommen haben ; jeden- 
falls bewirkte er den Ehinger Vertrag unter dem Drucke der 
Verhältnisse in Italien. — 

Am 30. Mai 1382 schrieb Leopold der Stadt Treviso, dass 
er zu seinem Bruder Albrecht und zu König Ludwig eile, um 
ihre Hilfe gegen Carrara zu gewinnen. Ende Juli war er in Wien 
bei Albrecht; ob der Herzog von dort aus nach Ungarn gegangen, 
wissen wir nicht, aber es ist wenig wahrscheinlich, da er am 11. 
August im Mürzzuschlag, am 19. in Leoben urkundet. Zugleich 
trat er in lebhaften Verkehr mit König Wenzel; seine Boten 
waren Anfangs August in Nürnberg bei demselben und es wurde 



1) Kurz a. a. 0. II, 64 ff.; Lichnowsky a. a. 0. 220 ff.; Reg. 1571, 1582 
—1584, 1580»» 1601. Ueber Leopolds freundliche Beziehungen zu Ungarn in 
dieser Zeit vgl. Lichn. Reg. 1561, 1564, 1578. 

2) Ueber den ganzen Krieg besitzen wir eine sehr eingehende und werth- 
volle Correspondenz zwischen Treviso und dem Herzoge bei Verci Storia della 
marca Trivigiana e Veronese XV, XVI, aus der Lichnowsky Regesten giebt. 



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1382. 



Oestreichische Verhältnisse. 



165 



eine Zusammenkunft in Linz verabredet Es handelte sich um 
nichts Geringeres, als um die endliche Gewinnung der Landvog- 
teien von Schwaben. Wir wissen, dass die Verpfändung dersel- 
ben im Jahre 1379 gegenüber dem energischen Widerstande der 
Reichsstädte und der vereinigten Wittelsbacher nicht hatte durch- 
geführt werden können. Jetzt aber waren die drei Jahre abge- 
laufen, für deren Dauer Friedrich von Baiern ältere Ansprüche 
auf die Landvogteien hatte, und Leopold, der Vermittler im 
Kampfe mit den Rittern, stand jetzt mit den Reichsstädten offen- 
bar im besseren Einvernehmen, als die Baiernherzöge , welche 
durch die Aufnahme Regensburgs in den Städtebund gereizt 
waren. 

Trotzdem war für Leopold wünschenswert!), mit den Baiern 
Freundschaft zu haben, nicht allein um ihrer Gegnerschaft in 
Süddeutschland vorzubeugen, auch für die italischen Angelegen- 
heiten konnte sie nützlich sein. Ehe er daher zum Könige ging, 
hielt er erst Ende August mit den Herzögen Stephan und Fried- 
rich bei Burghausen Zusammenkunft. 

Dorthin kam auch Albrecht, welcher in den letzten Jahren 
manche schlimmen Kriegshändel gehabt hatte. 

Die mächtigen Grafen von Schaumberg, deren umfangreiche 
Besitzungen an der Donau zwischen dem Herzogthume Oestreich 
und dem Bisthume Passau lagen, hatten im Jahre 1361 die 
Lehnshoheit von Oestreich anerkennen müssen, obgleich sie vor- 
dem reichsfrei waren. Aber so lange die Macht der Grafen nicht 
gebrochen war, konnten Streitigkeiten nicht ausbleiben, sei es, 
dass der Lehnsherr oder der Vasall die Schuld trug. Schon im 
Jahre 1376 hatte daher Albrecht gegen die Schaumberger mit 
den Baiern eiu Angriffsbündniss geschlossen und ihnen dafür 8000 
Gulden zu zahlen gelobt; auch der Vertrag vom 25. November 
1379 war wohl indirect gegen den Grafen gerichtet. Bald darauf 
begann der Krieg thatsächlich. Die Baiern blieben dem Vertrage 
gemäss stillsitzen, wahrscheinlich empfingen sie dafür eine erneute 
Geldzahlung von 12000 Goldgulden 2 ). Dagegen gewann Graf 
Heinrich von Schaumberg Verbündete an den mächtigen Herren 



1) Verci XVI. Doc. 35. 

2) Lichn. Reg. 1288, 1289, 1518, 1519, 1527. Würdinger Kriegsgesch. v. 
Bayern I, 70 giebt irrig an, dass Herzog Friedrich sich an dem Kampfe be- 
theiligte. 



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166 



Elfte« Kapitel. 



1380-1382. 



von Rosenberg, welche die ganze südliche Spitze von Böhmen 
beherrschten; ihnen wurde das Schloss Efferding übergeben. 
Albrecht führte jedoch den Krieg mit so vieler Energie und Glück, 
dass er nicht allein das stark befestigte Schloss Schaumberg eng 
umschloss, sondern auch Eiferding eroberte. Dadurch sahen sich 
die Rosenberger bewogen, schon am 25. October 1380 einen Waffen- 
stillstand mit Albrecht zu schliessen, welcher immer weiter ver- 
längert wurde, bis endlich der König Wenzel in Budweis am 24. 
Januar 1382 vollkommen Frieden vermittelte; gegen die Ver- 
pflichtung, nicht mehr den Schaumbergern zu helfen, behielten 
die Rosenberger das Schloss Efferding. Durch diesen Verrath, 
wie man geradezu sagen muss, sah sich Graf Heinrich in 
immer bedrängtere Lage versetzt und schon im Januar 1381 ging 
auch er auf einen Waffenstillstand ein. Trotz mancherlei Ver- 
handlungen schob sich die endgiltige Erledigung immer weiter 
hinaus und noch einmal schien dem Grafen Heinrich ein günsti- 
ger Stern aufzuleuchten, als Albrecht mit den baierischen Herzögen 
in offenen Kampf gerieth. 

Der Propst Ulrich von Berchtesgaden war nämlich auf Be- 
trieb der Stiftsgeistlichkeit und der Herzöge von Oestreich, welche 
Vögte des Stiftes waren, wegen verschiedener Vergehen von Pili- 
grim, dem Erzbischofe von Salzburg, eingekerkert und ein anderer 
an seine Stelle gesetzt worden. Der Vertriebene wandte sich um 
Hilfe an die baierischen Herzöge, welche im April 1382 den Krieg 
gegen den Erzbischof und das Stift begannen, die Propstei plün- 
derten und auf salzburgischem Boden zwei Festen errichteten. 
Alsbald näherten sich die Schaumberger den Baiern, schon am 
5. März wurde das Bündniss geschlossen, wonach sie mit ihren 
Landen und aller ihrer Macht ewiglich bei der Herzöge Lande 
bleiben und wider allermänniglich ihnen darin beholfen sein 
sollen. Der Erzbischof dagegen wandte sich um Hilfe an die 
Östreichischen Herzöge, welche ihm versprachen, in dem gegen- 
wärtigen Kriege ohne sein Wissen keinen Frieden zu schliessen »). 

Ein umfangreicher Krieg drohte demnach loszubrechen, der 
den Brand über den ganzen Süden Deutschlands tragen konnte; 
Stoff war ja allenthalben vorhanden. Aber wie Leopold im Früh- 
jahr den Krieg der Städte mit den Rittern beigelegt hatte, so 
war er auch hier bestrebt, Ruhe zu schaffen, deren er so dringend 
bedurfte. 

1) Reg. Bo. X, 89; Lichn. Reg. 1385, 1388. 



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138?. Verhandlungen zwischen den Herzogen von Baiern und OeBtreich. 167 



Ende August traten daher die Herzöge von Baiern und 
Oestreich in Unterhandlungen. Wahrscheinlich waren sie alle per- 
sönlich gegenwärtig und mit ihnen zugleich der Burggraf von Nürn- 
berg; die beiderseitigen Urkunden sind am 28. August in Lauften 
und Burghausen ausgestellt. Ein Waffenstillstand wurde ge- 
schlossen; die Misshelligkeiten sollten nach Möglichkeit freundlich 
beigelegt, die streitigen Festen inzwischen dem Grafen Thomas 
von St. Georg im Namen des Königs von Ungarn überantwortet 
werden 

Der Herzog eilte von dem Friedenscongresse nach Budweis 
zum Könige Wenzel, welcher am 5. September den Angehörigen 
der Landvogteien in Ober- und Niederschwaben befahl, dem Her- 
zoge Leopold als ihrem Landvogt zu schwören. Die Landvog- 
teien wurden nicht mehr wie drei Jahre früher dem Herzoge 
verpfändet, sondern ihm zur Verwaltung übertragen. Sie blieben 
so beim Reiche, während nach der früher beabsichtigten 
Weise sie sehr leicht östreichischer Besitz werden konnten. Ohne 
Anstand hat Leopold diesmal die Landvogteien angetreten 2 ). 

Dem Laufifen - Burghausener Waffenstillstände vom Ende 
August folgten Ende November neue Verhandlungen zwischen den 
baierischen und östreichischen Herzögen zu Reichenhall und 
Salzburg. Die Streitpunkte wurden zwar noch nicht völlig ge- 
schlichtet, sondern einem weiteren Schiedssprüche, den nament- 
lich Burggraf Friedrich von Nürnberg fällen sollte, anheim gege- 
ben; indessen wurde doch der Frieden völlig wieder hergestellt. 
Die bis dahin feindlichen Fürsten, die Herzöge Albrecht und 
Leopold, Erzbischof Piligrim von Salzburg und Bischof Johann 
von Passau, die drei Baiernherzöge und Bischof Dietrich von 
Regensburg errichteten einen bis 24. April 1393 gültigen Bund. 
Sie versprachen sich gegenseitige Hilfe mit ganzer Macht, wenn 
einer überfallen würde; zu einem nicht provocirten Kriege sollte 
Jeder ein näher bestimmtes Contingent stellen. Aber nicht dieses 



1) Lichn. Keg. 1703. Reg. Bo. X, 97. — Ueber die Vorgänge ausführlich 
Kurz a. a. 0. II, 9 ff.; Lichnowsky IV, 201 ff.; Wärdinger 70 ff.; Buchner 
VI, 109. 

2) Am 7. September verlieh der König Leopold ausserdem die Reichs- 
lehen des Grafen Johann von Helfenstein. Lichn. Reg. 1706. — üeber die 
Uebertragung der Landvogteien s. Vischer Reg. 178, 179, 198—202, 215, 216, 
223, 224. Die Landvogtei von Augsburg erhielt Leopold erst im folgenden 
Jahre. 



168 



Elftes Kapitel. 



1382. 



Bündniss erregt unsere Aufmerksamkeit, sondern eine Abkunft, 
die lediglich zwischen Leopold und den baierischen Herzögen am 
8. December in Burghausen getroffen wurde; sie versprachen sich 
gegenseitigen Beistand, wenn eine von den Reichsstädten oder 
den unter einander verbundenen Gesellschaften sie widerrechtlich 
angriffe. Ein solches Abkommen war nur möglich, wenn gleich- 
zeitig die Baiern die JJebertragung der Landvogteien an Leopold 
anerkannten und sie nicht zu hindern gewillt waren; es kenn- 
zeichnet zugleich die Stellung, welche die Fürsten gegenüber den 
Städten einnahmen, das Gefühl, wie unsicher die mit diesen ge-- 
schlossenen Verträge, wie schwankend der augenblickliche Friedens- 
zustand sei l ). 

Die Bürgerschaften theilten diese Anschauung. Wie die 
rheinischen Städte im Juni, so verlängerten auch die schwäbischen 
Städte am 28. September 1382 ihren Bund, obgleich der frühere 
Vertrag noch nicht abgelaufen war. Da seit dem December 1377 
sieben Städte und darunter so grosse wie Augsburg und Regens- 
burg beigetreten waren, mochte das Bedürfniss entstehen, wieder- 
um eine gemeinsame, alte und neue Mitglieder gleich umfas- 
sende Urkunde zu entwerfen und in ihr die Aenderungen vorzu- 
nehmen, welche zeitgemäss erschienen. 

Bezeichnend ist, dass in die Bundesurkunde nun auch Be- 
stimmungen aufgenommen wurden, wie sie in den Landfrieden 
im Vordergrunde standen. Deren Zweck war ja stets gerichtet 
gegen Raub, Mord, Brand und unrecht Widersagen; so wurde 
denn in den ersten Paragraphen, welcher von der Vertheidigung 
der Reichsfreibeit handelte, ein entsprechender Passus eingescho- 
ben, der den zu schaffenden Friedenszustand ausdrücklich erläuterte 
als bestimmt für Gotteshäuser, geistliche Leute, Pilgrime u. s. w. 
Unzweifelhaft sollte auf diese Weise einmal der Vorwand gewon- 
nen werden, der Städtebund sei eine in der goldenen Bulle ge- 
stattete Landfriedenseinigung; man konnte zudem um so eher 
die Forderung, in die projectirten Landfriedensbündnisse einzu- 
treten, als überflüssig zurückweisen oder die Aufnahme als Ge- 
sammtheit beanspruchen. Ausnahmen werden nicht gemacht, 

1) Zahlreiche Urkunden bei Lichn. Reg. 1738 ff. und Reg. Bo. X, 171 ff. 

In den Schaumberger und Berchtesgadener Angelegenheiten, die uns nicht 

weiter interessiren, erfolgten späterhin noch zahlreiche Sprüche; ihre Erledi- 
gung a. a. 0. 



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1382. Verlängerung des schwäbisch-rheinischen Städtebundes. 169 

der Verträge, wie sie zwischen dem Bunde und den Wittelsbachern, 
dem Herzoge Leopold, dem Grafen von Wirtemberg und den Ritter- 
gesellschaften und anderen Herren bestanden, wird gar nicht ge- 
dacht; sie traten eben gegenüber dem grossen Zwecke des Bun- 
des, dem Interesse der Städte, in zweite Linie. Aber es scheint, 
dass es ' in dem Bunde eine Partei gab, welche weniger opfer- 
willig geneigt war, sich den Verpflichtungen und Lasten nach 
Möglichkeit zu entziehen; ihr entgegenzutreten wurden mehrere 
neue Bestimmungen eingefügt. Wenn einer Stadt in Folge krie- 
gerischer Unternehmungen Schaden oder Kosten erwachsen, müs- 
sen diese von der Gesammtheit getragen werden; Vortheil, das 
heisst also Erleichterung der Lasten wegen Armuth, Schaden 
oder Gebresten soll nur nach Bundesbeschluss gewährt werden; 
der Buud soll in Geltung bleiben auch für die Städte, deren 
Siegel zufällig nicht an die Urkunde gehangen oder zerbrochen 
ist. Aber eben diese schwachherzige Partei wird es durchgesetzt 
haben, dass Besserungen des Bundes, d. h. Erweiterung und Ver- 
schärfung der Zwecke und Pflichten nicht mehr wie früher durch 
einfache Majorität, sondern durch Zweidrittelmajorität vorgenom- 
men werden müssen ; Minderung darf wie früher nur mit Einhel- 
ligkeit geschehen. — Es war ein schlimmes Zeichen, wenn solche 
Störungen, so schwach sie auch sein mochten, sich zu zeigen be- 
gannen ; zur Stunde der Noth konnten sie dem Ganzen verderb- 
lich werden *). 

Wenn so der rheinische und schwäbische Städtebund jeder 
für sich ihre Dauer verlängerten, lag es nahe auch die Vereinigung 
zwischen beiden entsprechend weiter auszudehnen. Das geschah 
am 15. October; die Einigung sollte währen bis Weihnachten 
1391. Die Urkunde entspricht im Wesentlichen der früheren vom 
17. Juni 1381. Die schwäbischen Städte senden 218, die rheini- 
schen 104 Gleven zur Hilfe. 

Für den Fall, dass zum schwäbischen Bunde noch Nürnberg, 
Windsheim und Weissenburg und zum rheinischen Wetzlar, Fried- 
berg und Gelnhausen, hinzukämen, sollte eine entsprechende Erhö- 
hung der Contingente eintreten. Wie früher wurde gegenseitig im 
Geheimen gelobt, dass gegen die im Hauptbriefe Ausgenom- 
menen doch Hilfe geleistet werden solle, wenn sie ein Bundesglied 
bedrängten 2 ). 

1) Die Urkunde bei Vischer S. 194. 

2) S. Beilage XL 



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170 



Elftes Kapitel. 



1382 



Die Tendenz des Städtebundes, sich möglichst über alle 
Reichsstädte auszudehnen, zeigt sich recht deutlich, wenn die Er- 
wartung ausgesprochen wird, dass einerseits die Wetterauer, an- 
drerseits die drei fränkischen Städte beitreten würden; äugen* 
scheinlich waren Unterhandlungen im Gange. Am schnellsten 
kamen sie, wie wir sahen, mit den drei Wetterauern zum Ab- 
schlüsse, welche sämmtlich binnen iMonatsfrist sich anschlössen. 
— Nicht so rasch entschlossen sich die fränkischen Städte: 
Weissenburg und Windsheim traten erst am 16. Januar des fol- 
genden Jahres bei während Nürnberg sich noch länger fern 
hielt. Und doch musste dem Bunde an einem günstigen Ent; 
schlus8 dieser mächtigsten Stadt Frankens gelegen sein; bei dem 
guten Einvernehmen, in welchem die Stadt zu Wenzel und den 
fränkischen und baierischen Fürsten stand, war zu befürchten, 
dass sie auf die Landfriedensprojecte einging und dadurch für 
den Bund die grössten Unannehmlichkeiten schuf. 

Ueberhaupt werden die Städte sich nicht in Illusionen über 
die Gesinnungen der Fürsten gegen sie bewegt haben. Wenn 
auch beide Parteien zeitweilig mit einander Bündnisse schlössen, 
wie es in den letzten Jahren mehrfach geschehen war, hatten 
doch diese, wie sie überhaupt nur auf Zeit errichtet wurden, 
keinen tieferen Werth und schon deswegen keine Aussicht auf Halt- 
barkeit, wenn ein ernstlicher Conflict entstand. Jenes Badener 
Bündniss vom 4. Juli 1379 hatte seinen Zweck erfüllt, indem die 
Verpfändung der Landvogteien an Leopold durch dasselbe hinter- 
trieben wurde ; als die Baiernherzöge darauf gestützt gegen Regens- 
burg Hilfe verlaugten, war ihnen diese nicht nur nicht gewährt, 
sondern sogar Regensburg durch Aufnahme in den Bund gegen 
ihre Angriffe sicher gestellt worden. Der Ehinger Vertrag war 
nur ein Landfriedensbund, und sein Bestand höchst problematisch; 
es kam allen Parteien nur darauf an, für den Augenblick sich 
der Ruhe zu erfreuen. Und wie die Städte die Fürsten, so be- 
trachteten auch diese ihrerseits die Bürgerschaften mit lebhaf- 
tem Argwohn und trotz aller scheinbaren Friedensworte waren 
sie bedacht, sich nach Möglichkeit zu sichern. 

Zu derselben Zeit hatte sich ein drohendes Unwetter über 
dem rheinischen Bunde zusammengezogen. Vergeblich hatten sich 
die Kurfürsten bemüht, ihn zu lösen. Da sie sich durch ihn 



1) Vischer Reg. 191. 



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1382. 



Pläne der Fürsten gegen den Städtebund. 



171 



unmittelbarer bedroht fühlten, als durch den schwäbischen, sollte 
hier der Anfang gemacht werden , die Kraft der Städte zu be- 
schränken. Während man daher, soweit wir wissen, Schwaben 
vorläufig bei Seite Hess, hatte die fürstliche Politik sich vor allem 
den Rhein als Feld ihrer Thätigkeit ausersehen. Die Städte mit 
den Fürsten in einen Frieden zusammen zu ketten, war miss- 
lungen, und was das schlimmste war, die Wetterauer Städte hat- 
ten sich soeben durch Anschluss an den Bund vor Angriffen von 
Seiten des Königs und der Fürsten zu decken gesucht. Es 
scheint, dass die Fürsten noch ein anderes Mittel ergriffen, um 
den Bund zu lockern. Aus den Frankfurter Stadtrechnungen 
erhellt, dass im Herbste 1382 zunächst Graf Eberhard von Wir- 
temberg und später auch der Kurfürst Ruprecht selbst über ihren 
Eintritt in den rheinischen Bund Unterhandlungen anknüpften, 
welche aber zu keinem Resultate führten. Es ist freilich schwie- 
rig, die Absichten der Fürsten zu erkennen, da eben jeder An- 
halt fehlt »). Möglich, dass Eberhard und Ruprecht nur den 
Frieden für ihre Lande sichern wollten , indem sie zu dem 
rheinischen Bunde in ein ähnliches Verhältniss traten, wie 
sie beide mit dem schwäbischen hatten. Bei der Politik, welche 
sonst die Städte verfolgten, die gegen Verbindung mit Herren 
behufs Stellung gegenseitiger Hilfe nicht allzu spröde waren, hätten 
die beiden Fürsten ihren Wunsch wohl erreichen können ; und 
da die Städtebünde sich ohnehin verpflichtet hatten, eventuell 
auch gegen die Ausgenommenen sich zu unterstützen, lag für sie 
die Gefahr nicht vor, durch solche Bundesgenossenschaft in ge- 
genseitige Händel verwickelt zu werden. Es müssen daher an- 
dere Gründe gewesen sein, welche den Städten die Aufnahme der 
betreffenden Fürsten als nicht wünschenswerth erscheinen Hessen. 
Sie wollten wahrscheinlich wirkliche Mitglieder des Bundes 
werden, das heisst, auf den Tagen vertreten sein, dort Sitz 
und Stimme haben. Das war offenbar den andern Herren, welche 
dem Bunde beigetreten waren, nicht gestattet ; die Städte führten 
ganz allein ihre Geschäfte. Wären die Pläne Eberhards und 



1) RA. S. 338 Anm. vgl Konstanzer Chronik, die den Jahren 1376—1388 
einen zusammenfassenden Ueberblick vorausschickt, I, 320: do der von Wirten- 
berg markt wie es gieng und also schwarlich verderpt ward und sych mengk- 
lich mit den Stetten hult, do wär er och gern in den bund gewesen, do wol- 
tent sin die stett nit, won sy warent im nit hold. 



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172 



Elftes Kapitel. 



1382. 



Ruprechts geglückt, so kamen sie als fremdes Element in den 
Bund; dann konnte allmälig der Städtebund im Sinne dies all- 
gemeinen Friedens vom 9. März umgestaltet werden. 

Wie dem nun auch sein mochte, Ende November hielten die 
rheinischen Fürsten einen grossen Tag in Wesel ; die Erzbischöfe 
von Köln, Trier und Mainz, der Bischof von Strassburg, die Pfalz- 
grafen, der Herzog von Lothringen, der Markgraf von Baden, die 
Grafen von Sponheim, Katzenellenbogen, Johann von Nassau und 
viele Andere waren erschienen; die drei Rittergesellschaften vom 
Löwen, von St. Georg und St. Wilhelm waren ebenfalls vertreten. 
Die Berathung war gegen den Verband der Städte gerichtet ; wahr- 
scheinlich verhandelte man im Hinblick auf den Landfrieden vom 
9. März, in dessen Bezirk alle diese Herren sassen. Der Bischof 
von Strassburg, der Herzog von Lothringen und die Pfalzgrafen 
werden als die treibenden Persönlichkeiten genannt ! ). 

Eine günstige Gelegenheit bot sich damals dar, in den Städte- 
bund selbst Uneinigkeit hinein zu tragen. Worms und Speier 
waren am 18. Februar 1379 vom Könige Zölle auf dem Rheine 
verliehen worden. Den anderen Städten waren sie natürlich über- 
aus lästig und am 9. November 1382 hatte bereits Frankfurt seinen 
Eidgenossen darüber Vorstellungen gemacht. Wie vertrage sich 
ihre Erhebung mit den Worten, welche man vor dem Könige und 
den Fürsten gesprochen: „ Wir haben uns verbunden unserm Herrn 
Gott und dem heiligen Reiche zu Ehren und dem Kaufmann und 
den Pilgern zu Schirm und Schutz!" 

Jetzt wandten sich die vier Kurfürsten von Wesel aus selbst 
an Frankfurt mit dem Ersuchen, Worms und Speier zu veranlassen, 
dass sie die neuen Rheinzölle abstellen möchten, welche wider 
den Frieden der Lande und Leute und hergebrachte Freiheiten 
seien. Frankfurt ging auf das Begehren ein und sandte den beiden 
Eidgenossen die Abschriften der Briefe mit dem nochmaligen Er- 



1) Brief eines Ungenannten in RA. S. 336 Anm., in welchem auch erzählt 
wird, der Krieg zwischen Kurfürst Ruprecht and dem Grafen Ruprecht von 
Nassau und den anderen Herren sei verrichtet. Wie Weizsäcker angiebt, schloss 
der Kurfürst am 2. Oct. 1381 ein Angriffsbündniss mit einigen Grafen gegen 
Ruprecht von Nassau, vielleicht deswegen, weil der König im Febr. 1381 dem 
Grafen die Landvogtei in der Wetterau übertragen hatte, welche bis dahin 
der Kurfürst innegehabt hatte. Am 24. Juni 1382 trat der Nassauer in den 
rheinischen Städtebund (vgl. S. 121 u. S. 159); es ist nicht nöthig anzunehmen, 
dass er damals schon mit dem Pfälzer ausgesöhnt war. 



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1382-4383. 



Reichstag zu Nürnberg im Marz 1383. 



173 



suchen, von den Zöllen abzustehen, dasselbe that Mainz. Aber 
Worms und Speier weigerten sich gleichmässig, die vom Könige 
verliehenen Zölle aufzugeben ; der rheinische Bund forderte darauf 
den schwäbischen auf, den Handel zu schlichten. Zwistigkeiten 
schlimmster Art bereiteten sich so mitten im Bunde selbst vor 1 ). 

Der König hatte den Winter in Prag zugebracht. Er war 
nunmehr fest entschlossen, den eigenen Wünschen und den wieder- 
holten dringenden Aufforderungen Urbans nachgebend, im näch- 
sten Jahre nach Rom zu ziehen, um die kaiserliche Krone zu er- 
werben. Schon konnte sein Gesandter in Italien bestimmte An- 
gaben darüber machen ; der Propst Veit von St. Aegidius erklärte 
in Venedig, dass am 7. Febuar der Herzog Wenzel von Sachsen 
und des Königs Hofmeister Konrad Kragirz von Prag nach 
Italien aufbrechen würden, denen dann im April der König folge 2 ). 
Der Herzog Wenzel war bereits Anfang Januar beim Könige; 
sein Aufbruch aber wurde verzögert, da er denselben zum Reichs- 
tage nach Nürnberg begleitete, welcher für den 22. Februar an- 
gesetzt war. „Wir meinen mit Gottes Hilfe nach Rom zu ziehen, 
um dort die Kaiserkrone zu empfangen. Um vorher das Reich 
in deutschen Landen zu bestellen, wollen wir am 22. Februar in 
Nürnberg sein. Dorthin zu kommen, haben wir auch die Kurfür- 
sten und die andern Getreuen des Reiches, Herren und Städte 
beschieden. Daher begehren wir von euch, dass ihr uns zu solcher 
Fahrt eure Hilfe leistet, wie wir es von eurer Treue erwarten, 
und deshalb und des Bundes wegen und um andere Sachen, welche 
wir mit euch zu reden haben, sendet eure Freunde mit ordent- 
licher Vollmacht. u 3 ). — Auch Herzog Leopold konnte am 28. 
Januar den Trevisanern mittheilen, dass Wenzel unmittelbar nach 
Ostern aufbrechen werde. 

Der König weilte länger als ursprünglich beabsichtigt, in 
Prag; erst am 7. März ist von ihm die erste Urkunde in Nürnberg 
ausgestellt. Ueberaus glänzend war die Versammlung: vier Kur- 
fürsten, Adolf von Mainz, Friedrich von Köln, Wenzel von Sachsen, 



1) Janssen a. a. 0. S. 8, 9. n. 21-27. 

2) Palacky Literarische Reise nach Italien in Abhandl. d. böhmischen Ge- 
sellschaft der Wiss. Fünfte Folge. I. Bd. (Prag 1841), S. 76, unzweifelhaft 
hierher gehörig. Die Anwesenheit des Herzogs Wenzel in Prag am 6. Januar 
1383 bei Sudendorf ürkundenbuch für Gesch. d. Herzöge von Braunschweig- 
Lüneburg VI, 25. 

3) RA. n. 204, an Strassburg. 



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174 Elftes Kapitel. 1383 

Ruprecht von der Pfalz mit seinem Grossneffen, die Bischöfe von 
Bamberg, Würzburg, Eichstädt, Regensburg und Augsburg, Her- 
zog Leopold von Oestreich, die drei Baiern, Markgraf Wilhelm 
von Meissen, Friedrich von Nürnberg, Eberhard von Wirteni- 
berg, die Boten des schwäbischen und rheinischen Städtebundes 
waren anwesend. 

Zunächst kam wieder die Landfriedensfrage zur Verhandlung ; 
der König wollte, ehe er den deutschen Boden verliess, das Reich 
möglichst in Ruhe zurücklassen. Die Ordnung vom 9. März 1382 
wurde zu Grunde gelegt, aber in einzelnen Punkten weiter aus- 
geführt, in anderen dagegen erheblich geändert. 

Jene hatte nur die Gegenden am Rheine in näheren Betracht 
gezogen. Wohl war von andern Einungen die Rede, welche in 
gleicher Weise in Franken, Baiern und Schwaben errichtet werden 
sollten, doch waren deren Grenzen und Gliederung nicht näher 
erörtert worden; die regelmässigen Zusammenkünfte, welche zum 
Schutze des Friedens stattfinden sollten, bezogen sich nur auf die 
am Rheine Sitzenden. Von einer Hilfsleistung nach Baiern und 
dem ganzen Norden Deutschlands jenseits des Maines war sogar 
ausdrücklich Abstand genommen worden. Das wurde jetzt anders. 

Vier „Parteien", wie sie genannt werden, wurden festgestellt; 
die erste bildeten die grossen Gebiete im Osten und Norden : Böh- 
men mit allen zu seiner Krone gehörenden Ländern, die Mark 
Brandenburg, das Herzogthum Sachsen und Lüneburg, die zweite 
die drei Erzbisthümer am Rheiu, Pfalz, Hessen und Baden ; die 
dritte die östreich-habsburgischen Besitzungen, die baierischen 
Lande, Lothringen, Wirtemberg, die Bisthümer Strassburg, Augs- 
burg und Regensburg, die vierte endlich die Bisthümer Bamberg, 
Würzburg, Eichstädt, die meissnisch-thüringer Lande, die Ober- 
pfalz, welche damals Ruprecht III., der spätere König verwaltete, 
und das Gebiet Friedrichs von Nürnberg. Die Theilung ist nicht 
ohne Geschick gemacht, sie entspricht völlig den allgemeinen po- 
litischen Constellationen. 

Die vierjährigen Zusammenkünfte in den Quatembern werden 
beibehalten: jede Partei hält sie für sich; nur wenn Sachen vor- 
kommen, zu deren Erledigung alle Parteien nöthig sind, sendet 
der König und jeder Bezirk Räthe nach Nürnberg. — Der Frieden 
soll bis zum 23. April 1395 währen; nach dem Rathe der Fürsten 
kann er vom Könige gebessert und verlängert werden. 

Die Verpflichtung, die Agitation gegen Urban VI. zu bekam- 



Der Nürnberger Herrenbund. 



175 



pfen, ist weggefallen; sie schien Angesichts der Kaiserkrönung 
nicht mehr nöthig. In Betreff der Hilfeleistung ist die frühere 
Bestimmung gehliehen ; sie ist nicht allein bei Raub, Mord, Brand 
und unrecht Widersagen zu stellen, sondern bei jedem Angriff. 
Die Mahnung aber thut der Angegriffene ; die früheren Beschrän- 
kungen zu Gunsten der Fürsten und namentlich der Kurfürsten 
sind nicht beibehalten. Ebenso können Aufnahmen durch jedes 
Mitglied aus dem Fürsten-, Grafen- und Herrenstande vollzogen 
werden, welches. sie dann allen Parteien mittheilt; doch sollen 
nicht Solche aufgenommen werden, die offene Feinde der Einigungs- 
genossen sind. — Streitigkeiten zwischen Fürsten, Grafen und 
Herren des Bundes werden durch Schiedsspruch entschieden; der 
Kläger ernennt einen Fürsten oder Herrn zum Obmanne, denen 
jede der streitenden Parteien zwei Mannen beigiebt und diese 
fünf entscheiden. Reichsfürstenthümer und Reichslehen aber sollen 
vor König und Reich theidigen. Nur die vier rheinischen Kur- 
fürsten verbleiben in diesem Punkte bei ihrer alten Vereinbarung, 
wahrscheinlich der vom 23. Juni 1381. Entsteht aber Streit zwi- 
schen Fürsten u. s. w. und Reichsstädten, die in der Einung 
sind, so stellt der König den Obmann. Der Paragraph, welcher 
alle Bündnisse, die früher oder zukünftig geschlossen der Einigung 
Abbruch thun könnten, für aufgehoben erklärt, erscheint in sehr 
abgeschwächter Gestalt; kein Mitglied „soll gemeine Einungen 
und Bünde machen ohne unser Wissen, Willen und Wort. " — Der 
Landfrieden vom 9. März 1382 bleibt in Kraft, soweit er nicht 
Widersprüche gegen den jetzigen enthält. — Hatte sich der König 
früher verpflichtet, den Friedensgenossen beiständig zu sein gegen 
Alle, welche diesen Frieden irren wollten, so gelobt er jetzt be- 
stimmter, sie in Fürstenthümern, Herrschaften, Freiheiten und 
Rechten zu beschirmen und ihnen gegen Alle männiglich beholfen zu 
sein. Dafür versprachen sie, bei ihm als römischem Könige und 
danach als römischem Kaiser, „so wir mit Gottes Hilfe dazu ge- 
krönt werden", zu bleiben und ihm gegen Jedermann diesseits 
der Alpen beizustehen *). 



1) RA. n. 205 §. 18, 21. Weizsäcker glaubt aus diesem Artikel schliessen 
zu müssen, dass die Reichsstände der Romfahrt nicht günstig gesinnt und zu 
keinen Opfern für dieselbe geneigt gewesen seien. Das ist wohl zu weit ge- 
gangen ; da der Landfrieden nur für Deutschland bestimmt war, kann in dem- 
selben auch nur von Hilfsleistung auf deutschem Boden die Rede sein; über- 
haupt wurde er ja für längere Zeit, ohne Rücksicht auf den augenblicklich 
bevorstehenden Zug errichtet. 



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176 



Elftes Kapitel. 



1383. 



Wird der König von der Einung zu einem Feldzuge gemahnt, 
so giebt er dazu den Hauptmann von Reichswegen und das Reichs- 
banner. — Das Verbot des Pfahlbürgerthums fehlt auch hier; 
ebensowenig finden sich Artikel, dass die in der Einung nicht 
befindlichen von ihr keinen Schutz erhalten sollen, dass die Amt- 
leute u. s. w. der Fürsten ihn beschwören, und deren Unterthanen 
beitreten müssen. 

Die gleichzeitigen Aufschriften auf den Urkunden des Land- 
friedens nennen ihn zum Theil „Bund des Königs und der Für- 
sten" i ). In der That ist diese Bezeichnung durchaus gerecht- 
fertigt. Vergeblich hatte man sich bemüht, irgend einen Weg zu 
finden, um die Reichsstädte zum Eintritt in einen allgemeinen 
Landfrieden zu bewegen; eine Verständigung war nicht erzielt 
worden, weil man den Gegenwünschen der Städte, welche ihr ei- 
genes Interesse voranstellten, nicht Folge geben konnte und wollte. 
Die Städte fühlten heraus, dass es den Fürsten und dem von 
ihm geleiteten Könige daran lag, sie zu trennen, zu binden und 
damit zu schwächen. — Jetzt wurde nun ein anderer Weg ein- 
geschlagen: man sah von den Städten ab, schuf eine Vereini- 
gung, die lediglich aus Fürsten bestand, die sich aber über 
das ganze Reich erstreckte. Zu Grunde lag der Gedanke, dass 
wie die Städte über die localen Verbände hinausstrebend auf eine 
Einigung der gesammten Reichsstädte hinarbeiteten und einen 
gesonderten, einheitlichen Factor im Reiche bilden wollten, ihnen 
gegenüber auch der fürstliche Stamm sich zusammenschliessen 
mu8ste. Traten Städte bei — und ganz ausgeschlossen wurde 
die Möglichkeit nicht — , desto besser, aber um sie zu gewin- 
nen, machte man keine wesentlichen Concessionen. Das erhellt 
am deutlichsten aus der Verfügung Wenzels vom 14. März, in 
welcher er den Beitritt zum Landfrieden gebot; sie ist gerichtet 
an alle geistlichen und weltlichen Fürsten, Grafen, Freie, Herren, 
Ritter und Knechte und alle Andere, welche zu uns und dem rö- 
mischen Reiche gehören. Obgleich die Städte unter den letzte- 
ren von Natur einbegriffen sind, werden sie doch nicht besonders 
aufgeführt, wie es sonst stets geschah; nur in einigen Exemplaren 
ist es der Fall. Aber indem zugleich befohleu wird, dass wenn 
einer dieser Fürsten u. s. w. Bürger in einer Reichsstadt gewor- 



1) So heisst er auch im Egerer Landfrieden; er wird dort direct und mit 
bestimmter Betonung dem Städtebunde entgegengestellt. 



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im. 



Der Nürnberger Herrenbund. 



177 



den oder er sich mit solchen verbunden hätte, solle er sofort 
das Bürgerrecht aufgeben und vom Bunde lassen, wurde damit 
entschieden Front gegen die Städte gemacht und das Isolirungs- 
system so zu sagen, folgerecht weitergebildet. Es wurden zwei 
grosse Heerlager geschaffen, die ohne dass der Krieg bereits 
offen angekündet war, sich doch misstrauisch beobachteten und ihre 
Kräfte zusammenhielten. Entscheidend musste aber sein, welche 
von beiden Seiten am festesten geeint war und am zuversicht- 
lichsten ihren Kräften vertraute. 

Da lässt es sich nun nicht anders sagen, als dass die 
Städte vorläufig im entschiedenen Vortheile waren. Der Städte- 
buod hatte freilich eine nach unseren Begriffen mangelhafte Orga- 
nisation. Es fehlte an einheitlicher Leitung; der rheinisch-schwä- 
bische Bund bestand aus zwei verschiedenen Körpern, die selbst- 
ständig neben einander standen, zwischen denen nur gütliche 
Vereinbarung* möglich war. Am bedenklichsten war, dass jede 
Stadt die Streitkräfte selbst aufzubringen hatte; wie leicht konn- 
ten da Stockungen eintreten! Aber die Städte waren dadurch 
in grossem Vortheile, dass sie ein viel stärkeres gemeinsames 
Interesse hatten, als die ihnen gegenüberstehenden Fürsten ; handelte 
es sich doch für sie gleichmässig um Verth eidigung der Freiheit 
und des Eigenthumes. Dazu geboten die Städte über grosse Geld- 
mittel, welche den Fürsten meist fehlten; so lange sie einig blie- 
ben, konnten sie viel leichter gewaltige Streitkräfte ins Feld stellen 
und unterhalten. Hinter ihren Mauern "geborgen, aus Handel und 
Handwerk die materiellen Mittel gewinnend, wurden sie durch 
die übliche Verwüstung des flachen Landes lange nicht so schwer 
getroffen, wie die Fürsten. 

Wie stand nun dem gegenüber der soeben vom Könige und 
den Fürsten errichtete Bund? Er war wohl gut gemeint, aber 
seine Organisation derart, dass er von keinem grossen Werthe 
sein konnte. Was half es, wenn Jeder verpflichtet war, dem An- 
dern zu helfen, wenn diese Hilfe nicht näher festgesetzt und 
über die Art und Weise, wie sie zu leisten, keine klaren Be- 
stimmungen gegeben waren? 

Es fällt auf, dasB eine ganze Reihe von Bestimmungen, wie 
sie der Weseler Landfrieden über Kriegführung, Belagerung 
von Burgen u. s. w. hat, hier weggefallen sind und man sich be- 
gnügt hat, ganz allgemein gehaltene Vorschriften aufzustellen. 

Tb, Lindner, Geschichte des deutschen Reiches. L 12 



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178 



Elftes Kapitel. 



1383 



Wohl sollten im Nothfalle die Parteien sich unterstützen, aber ' 
über das Wie ? wird nichts gesagt. Bei der Lage der Verhältnisse 
war gegenseitige Hilfsleistung überhaupt kaum durchzuführen, und 
lediglich in Anerkennung dieser Thatsache hat der König sofort 
an Ort und Stelle Leopold von Oestreich und Friedrich von Köln 
wegen zu weiter Entfernung von der Hilfspflicht entbunden. Nur 
die Schiedsgerichte über Streitigkeiten zwischen Friedenstheilha- 
bern sind genauer detaillirt. Es ist offenbar, dass um den Preis, 
das ganze, Reich in diese Conföderation zu ^bringen, man sich ge- 
nöthigt sah, sie möglichst wenig bindend zu machen. Eben daher 
erklärt es sich, wenn die Kurfürsten gegen früher zurücktreten 
und der König mehr zum Mittelpunkt geworden ist, ohne dass 
aber thatsächliche Vortheile für denselben gewonnen werden. 
Haben die Kurfürsten den Weseler Frieden bewirkt, so ist es 
hier der König, der ihn zu Stande gebracht hat. Er, der in aller- 
nächster Zeit den deutschen Boden verlassen wollte, wünschte vorher 
die Fürsten mehr an sich zu fesseln. Daher sind nunmehr auch der 
Norden Deutschlands und die östreichischen Besitzungen heran- 
gezogen. Das erreichte er aber nur dadurch, dass eine straffe 
Organisation aufgegeben, also der wichtigste Zweck, Handhabung 
des Friedens, illusorisch wurde. Zugleich sah er sich genöthigt, 
dem von den Kurfürsten auf ihn geübten Drucke gegen die Städte 
wiederum nachzugeben, ihren Wünschen nicht Rechnung zu tragen 
und sie ganz auszuschliessen, ja sogar einzelne Massnahmen gegen 
sie zu ergreifen. Und doch wurde wieder darauf verzichtet, sie 
zur Theilnahme am Frieden zu zwingen! 

So erscheint dieser Nürnberger Landfrieden als ein Werk 
von äusserst geringem Werthe, als ein schwacher Versuch, allen 
Seiten Rechnung zu tragen, ohne dass irgend positive Ergebnisse 
erzielt wurden. — Nur Eins lässt sich dagegen geltend machen : 
zum ersten Male seit langer Zeit erscheint das Reich in allen 
seinen grossen Fürsten geeint und daraus konnten bedeutende 
Folgen sich ergeben. Aber waren die Fundamente nicht gar zu 
locker und schwankend? 

Ein grosser Theil der Fürsten erklärte persönlich in Nürnberg 
seine Uebereinstimmung mit dem Beschlossenen; indessen fehlten 
doch so manche. In dem Artikel, welcher von der Bildung der 
vier Parteien handelt, werden von nicht Anwesenden noch als Mit- 
glieder genannt der Erzbischof von Trier, die Herzöge Albrecht von 
Oestreich und von Lotbringen, der Landgraf von Hessen, der Bischof 



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1383. 



Der Nürnberger Herreubund. 



179 



tod Strassburg ; von ihnen sind, soweit wir wissen, nur die beiden 
letzteren wirklich hinzugetreten. Dass der Herzog von Lothrin- 
gen, wenn es irgend ging, sich fern hielt, kann nicht befremden, 
wohl aber, dass es Kuno that, der vorher so eifrig an den Reichs- 
verhältnissen Bich betheiligt. Wahrscheinlich waren sein so star- 
ker Körper und sein mächtiger Geist von Krankheit gefesselt, denn 
obgleich er noch fünf Jahre lang den Stab von Trier führte, seinen 
Namen finden wir nicht mehr mit Reichsereignissen verknüpft. 
Herzog Albrecht ist erst 1387 dem Bunde beigetreten, als er 
die Länder Leopolds in Verwaltung hatte; vorher lagen seine 
Besitzungen dem Reiche zu fern, als dass er wesentliche Vortheile 
von dem Anschluss gehabt hätte. — Wie viele der anderen Für- 
sten, namentlich der norddeutschen Bischöfe, der zahlreichen Grafen 
u. 8. w. beigetreten sind, wissen wir nicht; der erhaltenen Ur- 
kunden sind zu wenig vorhanden, als dass sie uns eine klare Ein- 
sicht gewährten. Nur Eine Stadt Basel liess sich aufnehmen ; gerade 
wie sie vorher durch Leopold sich zum Anschluss an den Löwen- 
bund drängen Hess, folgte sie auch hier dem Einflüsse des Herzogs; 
freilich nicht für lange Zeit *), 

Noch mancherlei Entscheidungen hatte Wenzel in Nürnberg 
zu treffen und es ist charakteristisch, dass ein Theil derselben 
gegen die Städte gerichtet ist. Den schwäbischen Bund oder, wie 
der vorsichtig gewählte Ausdruck lautet: die Städte Augsburg, 
Ulm, Konstanz und die andern, welche zu ihnen gehören, forderte 
er auf, Sorge zu tragen, dass Esslingen, Aalen und Reutlingen den 
Grafen von Wirtemberg an näher bezeichneten Rechten nicht 
hinderten ; den Regensburgern befahl er, die Schätzungen und 
Steuern, welche sie auf die Pfaffheit gelegt, abzuthun und die- 
selbe bei. ihren hergebrachten Freiheiten zu lassen. Eben damals 
übertrug der König dem Herzoge Leopold auch die Vogtei von 
Augsburg zu den beiden anderen schwäbischen, welche dieser 
schon inne hatte. — Trotz des Vertrages der vier Kurfürsten 
waren Ruprecht und Friedrich aus unbekannten Gründen in Streit 
gerathen ; daher vermittelte der König zwischen ihnen einen güt- 
lichen Stillstand, damit inzwischen Adolf und Kuno einen Schieds- 
spruch fällen könnten. Adolf, dem zugleich einige Privilegien ver- 
liehen wurden, war im Streit mit Nicolaus von Wiesbaden, welchem 
der Papst das Bisthum Speier verliehen hatte, während Adolf es 



1) RA. !* 205-215. 

12* 



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180 



Elftes Kapitel. 



einem Hohenlohe zugedacht. Zwischen ihnen vermittelte der 
König am 12. März einen Stillstand, der in Monatsfrist zn Stande 
kommen sollte: „und da wir mit Gottes Hilfe gewillt sind, in der 
vorgenannten Zeit persönlich zum heiligen Vater, zum Papste zu 
kommen", werde er in Rom den Streit ganz beizulegen suchen *). 

So war denn der König fest entschlossen, nach Italien zu 
ziehen ; in der zweiten Hälfte des April sollte sein Heer in Villach 
stehen. Von dort wollte er wahrscheinlich durch die trevisani- 
sche Mark über Padua weiter nach Rom; schon war Bischof 
Lambert von Bamberg nach Padua gegangen, um Frieden zwi- 
schen Franz von Carrara und Leopold zu vermitteln 2 ). 

Aber am 20. April war der König wieder in Prag, um dort zu 
bleiben ; der Römerzug war plötzlich aufgegeben worden. Nicht die 
Zustände des Reiches sind es gewesen, welche den König zu diesem 
Entschlüsse drängten, obgleich man das gewöhnlich angenommen. 
Allerdings hat er selbst in den Briefen an den Papst und in öffent- 
lichen Urkunden derartige Andeutungen gemacht; die wirklichen 
Gründe konnte er eben nicht aller Welt kund thun. Warum 
hätten ihn auch die deutschen Zustände hindern sollen ? Die 
Verhältnisse im April oder Mai, wo der Zug aufgegeben 
wurde, waren nicht andere wie im März, als der König zu dem- 
selben noch fest entschlossen war. Es müssen demnach äussere 
Momente auf den König eingewirkt haben, und diese sind zu 
suchen in Vorgängen, welche der Machtentwicklung seines Hauses 
Gefahr drohten, in der allgemeinen politischen Combination. 
Wir müssen auf diese einen Blick werfen. 



1) RA. n. 216-218; Reg. Bo. X, 110. 

2) RA. d. 219, 220. Die Worte: deinde quoque commodabit, fasst 

Weizsäcker so auf, als wenn sich der Herzog über das zu erwartende persön- 
liche Erscheinen des Königs in Italien sichtlich mit Vorbehalt ausspreche. Aber 
der Vorbehalt geht doch wohl nur auf die persönliche Unterstützung durch 
den König. 



: 4 . 



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Verhältnisse Italiens. 



181 



Zwölftes Kapitel. 

Auswärtige Beziehungen. 

Da Wenzel von Anbeginn seiner Regierung sich mit der Ab- 
sicht trug, nach Italien zu ziehen, war es natürlich, dass er den 
dortigen Verhältnissen Aufmerksamkeit widmete, wenn wir auch 
nur wenig davon wissen. 

Von den Dynastengeschlechtern Italiens spielte keines eine 
grössere Rolle als die Visconti in Mailand, welche sich allen Angriffen 
der Päpste, Karls IV., der benachbarten Fürsten zum Trotz behauptet 
hatten. Ihr Gebiet umfasste den grössten Theil von Oberitalien. Von 
den beiden Brüdern Bernabo und Galeazzo war letzterer am 4. August 
1378 gestorben und ihm sein Sohn Giovanni Galeazzo gefolgt. 
Oheim und Neffe geboten gemeinsam in Mailand, dem Centrum ihrer 
Macht, während Bernabo den Osten, das Gebiet von Bergamo, 
Brescia, Cremona, Parma, Reggio — Giovanni den Westen, das Ge- 
biet von Como, Novara, Vercelli, Alba, Alessandria, Bobbio, Pia- 
cenza, Asti selbstständig regierte. Der Einfluss der Visconti 
reichte weit über die Grenzen ihrer Gebiete hinaus. Die Gonzaga 
in Mantua, mit denen sie früher blutige Kriege geführt, hielten 
jetzt mit ihnen gute Freundschaft l ); mit dem unermüdlichen und 
gewandten Amadeus von Savoyen war wenigstens Giovanni Gale- 
azzo seit dem November 1378 verbündet 2 ). Venedigs festländi- 
sche Macht erlitt gerade damals die schwersten Schläge in dem 
Kriege gegen Genua, dessen Kraft aber schliesslich selbst aufs 
tiefste erschüttert wurde; Franz von Carrara in Padua war nur 
stark durch seine Bundesgenossenschaft mit Ludwig von Ungarn. 
Mit Montferrat und den Scala in Verona gab es zwar gelegentliche 
Zerwürfnisse, ohne dass diese jedoch den Visconti irgend Abbruch 
thun konnten. Urban VI. selbst hatte allen Grund, mit den alten, 
gefährlichen Feinden der Kirche Freundschaft zu halten. So waren 
denn im Anfang der achtziger Jahre die Visconti die gebietende 
Macht in Oberitalien. Mit ganz besonderer Sorgfalt pflegten sie 
ausserdem die Verbindungen mit dem Auslande. Bernabo erfreute 



1) Ueber das Verhältniss Ludwigs Gonzaga zu Bernabo s. Osio II, 192. 

2) Lünig Cod. dipl. Italiae III, 1063. 



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! 82 Zwölftes Kapitel 1379 -1382. 

sich einer stattlichen Anzahl von Töchtern, deren Heirathen 
seinen politischen Zwecken dienen mussten. So wusste er ver- 
wandtschaftliche Bande namentlich in Süddeutschland anzuknüpfen. 
Leopold von Oestreich war sein Schwiegersohn und nur päpst- 
licher Widerspruch hinderte, dass nicht auch Albrecht es wurde; 
besonders intim war die Freundschaft mit den baierischen Wittels- 
bachern, von denen erst Stephan, 1382 auch Friedrich Mailändi- 
sche Prinzessinnen heimführten. Auch mit den Zollern war Ver- 
wandtschaft projectirt; 1377 wurde der junge Friedrich VI. mit 
Anglesia verlobt, während im Sommer 1380 der alte Greiner für 
seinen Enkel Eberhard um Antonia als Hausfrau warb 1 ). Für 
Katharina suchte Bernabo sogar einen königlichen Gemahl, Richard 
von England, zu gewinnen; als der Bund nicht zu Stande kam, 
heirathete sie 1380 Giovanni Visconti, nachdem Urban Dispens 
gegeben 2 ). Giovanni verstand es vortrefflich, seinem gewaltthätigen 
Oheim gegenüber den Ergebenen zu spielen und ihn in völlige 
Sicherheit zu wiegen, während er selbst nach Möglichkeit seine 
Stellung befestigte. Noch war die Acht, welche Karl IV. über 
die Visconti verhängt hatte, nicht aufgehoben, obgleich diese 
ihren Titel als Reichsvicare, — auf welchem ihre Stellung zum 
grossen Theil beruhte, — ungestört fortführten 3 ). Mit dem 
Tode Karls war das Reichvicariat ohnehin erloschen, aber Wen- 
zel dachte nicht daran, es dem mächtigen Hause zu entziehen, 
welches ihm bei seinem llömerzuge Dienste leisten sollte. Mit 
stolzer Zuversicht verschmähte es Bernabo, um Aufhebung der 
Acht, um Verlängerung des Vicariates beim Könige zu bitten 4 ), 
während Giovanni im April 1379 in dieser Angelegenheit eine 
Gesandtschaft an den König schickte. Schon im Sommer gelang- 
ten Berichte nach Mailand 5 ), wie wohlwollend der König den Vis- 
conti gesinnt sei; ohne Schwierigkeiten erlangte Giovanni daher 
seine Absicht. Im Januar 1380 hob Wenzel alle Processe gegen 



1) Mon. Zoll. IV, 339. - Stalin III, 356. — Als der Coiidottiere Lutz von 
Landau gegen Bernabo Verrath übte, meldete dieser es dem Könige, Leopold 
von Oestreich, Stephan und Friedrich von Baiern, Friedrich von Nürnberg, 
Eberhard von Wirtemberg und dem Pfalzgrafen Ruprecht. Osio I, 214. 

2) Achery Spicil. III, 751. 

3) Vgl. Sickel Das Vicariat der Visconti in Sitzungsberichte der Wiener 
Acad. phil.-hist. Kl. XXX, 3 ff. 

4) Ann. Mediol. bei Muratori Scr. rer. It. XV, 794. 
6) Osio II, 202. 



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1380. 



Verhältnisse Italiens 



183 



die Mailänder Familie auf und ernannte Johann und indirect 
Bernabo für ewige Zeiten zu Generalvicaren in ihren Gebieten 

Von den Republiken Mittelitaliens hatte der König, wenn er 
nicht ausserordentliche Forderungen stellte, keinen Widerstand 
zu befürchten. Mit ihnen allen mögen seine Gesandten bereits 
vorher verhandelt haben; Florenz schickte im Sommer 1381 Bot- 
schaft nach Deutschland 2 ). Dass endlich die Aufnahme in Rom 
die freudigste sein würde, unterlag keinem Zweifel. 

Nur das Königreich Neapel war noch in Betracht zu ziehen. 

Johanna warf die Maske der Ergebenheit, welche sie im ersten 
Schrecken über Urbans Erfolge und die Flucht des Gegenpapstes 
nach Avignon vorgenommen hatte, bald genug wieder ab und 
blieb die ergebene Anhängerin von Clemens. 

Darauf hin zögerte Urban nicht länger, gegen den abtrünni- 
gen Vasall Process zu erheben. Die Königin wurde exeommunicirt 
und ihres Thrones für verlustig erklärt, und Karl von Durazzo 
gerufen, den Spruch zu vollstrecken, wie das in Altsohl projectirt 
war *). 

In Rom hoffte man, dass der König Ludwig selbst Johannis 
1380 nach Rom kommen werde, um der Krönung Karls beizu- 
wohnen, aber er begnügte sich, den Neffen mit starker Kriegsmacht 
auszustatten, indem er den Krieg gegen Venedig fortan lässiger 
betrieb. Ohne die gänzliche Beendigung desselben abzuwarten, 
trat Karl seinen Zug an. Am 12. Juli 1380 kam er nach Vicenza, 
von den Scala glänzend empfangen, von dort ging er nach Verona 
und überschritt am 3. August bei Stellata den Po, so das Gebiet 
der Visconti und Gonzaga umgehend 4 ). Im September war er 

1) Lünig a. a. 0. I, 418, III, 305 ff.: vgl. Sickel 43 Anm. 4. — Die Ge- 
sandtschaft war schon am 30. Nov. 1379 in Prag, nach Lünig II, 225. Ein 
Mitglied dieser Gesandtschaft Ubertus de Lampaniano suchte des Königs Wohl- 
wollen zu gewinnen, indem er an der Universität die Sätze vertheidigte : ante 
coronationem, facta electione, regem consequi nomen imperii et imperatoris 
respectu nominationis et universalis administrationis imperii sive totius reipu- 
blicae, und: quoscunque colentes Christum fore de imperio Romano et aliter 
dicentes enormiter errare. Gerv. Tilb. ed. Mader p. 116. 

2) RA. S. 326 Anm. 3. 

3) Die Zeit steht nicht ganz fest, da bestimmte Angaben fehlen. Raynald. 
1380, 1, 2 nimmt den April 1380 an, aber schon im December 1379 verkün- 
dete der Official Jenzko in Prag Urbans Processe gegen Johanna. Abschr. 
im böhm. Museum. 

4) Doch wurde vorher das Mantuaner Gebiet tbeilweise verheert, Ann. 
Vicentini bei Mur. Scr. rer. It. XIII, 1262. Chron. Est. XV, 507. Ueberhaupt 



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184 



Zwölftes Kapitel. 



1880-1381 



in Arezzo, nachdem sich die italienische Soldbande von St. Georg, 
welche der Papst ihm zugeschickt, mit ihm vereinigt hatte. Im 
November gelangte er nach Rom, wo er den Winter verweilte, 
vom Papste zum Senator der Stadt ernannt. 

Um die Mittel zum weiteren Zuge zu gewinnen, trug der lei- 
denschaftliche Urban, kein Bedenken, die Güter der römischen 
Kirchen und Klöster zu verkaufen, goldene und silberne Kelche 
und Kreuze, selbst Statuen der Heiligen in den Schmelzofen zu 
werfen. Erst am Anfang Juni 1381 ging jedoch die Belehnung 
und Krönung vor sich; die enormen Forderungen, welche Urban 
stellte, mögen die Verhandlungen so lange hingezogen haben. 
Die Stipulationen, wie sie endlich zu Stande kamen, wahrten mit 
der grössten Sorgfalt die Rechte und Ansprüche der Kirche und 
des Papstes. Getreu der alten päpstlichen Politik wurde 
eine Vereinigung Neapels mit dem Kaiserthume in jeder 
Weise verboten , in dem Gebiete des Papstes darf keine 
Würde oder Besitzung angenommen oder erworben werden, 
die Gesetze der Staufer und der Johanna werden für ungiltig 
erklärt. Der jährliche Tribut wird auf 8000 Unzen Gold fest- 
gesetzt, bald nach der Eroberung sind 50000 Mark Sterlinge an 
den Papst zu zahlen. Truppen zu Wasser und zu Lande sind jeder 
Zeit auf Verlangen zur Vertheidigung der päpstlichen Besitzungen 
zu stellen, Benevent darf nie angetastet werden. Die drückendste 
Bedingung war, dass der beste Theil des Reiches, das Fürsten- 
thum Capua, das Herzogthum Auialfi, die Grafschaften Caserta, 
Fundi, Menerbini und Altemare mit den Städten Aversa, Gaeta 
u. s. w. an den Neffen Urbans Francesco Prignani als päpstliches 
Lehen überwiesen wurden, der zugleich oberster Kämmerer des 
Königreiches werden sollte 4 ). Offen und unverhüllt trat hierin 
der Nepotismus des Papstes hervor. 

Die bedrohte Königin hatte das drohende Unwetter nicht 
heraufsteigen sehen, ohne nicht auch ihrerseits auf Sicherung zu 
denken. Es war sehr zweifelhaft, ob sie allein im Stande sein 
würde, Karl und damit zugleich Ludwig von Ungarn Widerstand zu 
leisten, da sie ausserdem deutlich genug erfahren hatte, wie wenig 



geben die ital. Chroniken beiMuratori viele zerstreute, aber eingebende Nach- 
richten über Karls Zug, besonders Chroo. Sanesc XV, 266 f. — Vgl. auch 
Osio II, 207 ff. die Correspondenz Bernabos mit Ludwig Gonzaga. 
1) Raynald. 1381, 2-23. 



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1381. 



Karl von Durazzo erobt-rt Neapel. 



185 



die Bevölkerung des eigenen Reiches den Anschluss an Clemens 
billigte. Aber hartnäckig hielt sie an diesem fest und beschwor 
das eigene Yerderhen herauf. Der Plan, Frankreich zu thätiger 
Hilfe durch die Errichtung des Regnum Hadriae zu bewegen, war 
missglückt; jetzt erklärte sich Johanna bereit, Ludwig von Anjou 
zu adoptiren und ihm die Nachfolge in Neapel zu sichern. Zwar 
stand die Bestimmung Karls I. im Wege, dass keiner den Thron 
Neapels besteigen solle, der nicht von seiner Nachkommenschaft 
sei, aber Clemens zögerte natürlich nicht, dieselbe aufzuheben. 
So adoptirte Johanna am 29. Juni 1380 den abwesenden Ludwig 
als Sohn und Nachfolger und ernannte ihn alsbald zum Herzoge 
von Calabrien. Am 31. Juli ertheilte Clemens dem Herzoge die 
Belehnung mit Neapel nach dem Rechte der directen Herrschaft, 
mit der Provence, Forcalquier und Piemont, welche Reichslehen 
waren, da das Reich in Gegenwart erledigt sei '). 

Aber die Hoffnungen Johannas auf baldige Unterstützung von 
Seiten Frankreichs waren eitel. Denn ehe etwas geschehen konnte, 
starb Karl V. von Frankreich am 16. September 1330 mit Hinter- 
lassung des unmündigen Thronfolgers Karls VI. Ludwig sah sich 
zunächst in längere Streitigkeiten mit seinen andern Brüdern um 
Regentschaft und Vormundschaft verwickelt; durch schwere Lasten, 
welche er dem Lande auferlegte, musste er sich erst die Mittel 
zum Zuge verschaffen. So vergingen die Jahre 1380 und 1381, 
ohne dass er den französischen Boden verlassen konnte. Darüber 
wurde das Schicksal Johannas und Neapels entschieden. 

Die Mi8S8tiramung gegen Johanna erleichterte Karl von Du- 
razzo seine Unternehmung ganz ausserordentlich; schon am 
IG. Juli 1381 konnte er in Neapel einziehen. Johanna flüchtete 
in das Castello dell' Uovo, welches jedoch nicht mit ausreichenden 
Lebensmitteln versorgt war. Der ritterliche Otto, der mit unver- 
zagter Tapferkeit die Rettung seiner Gemahlin betrieb, versuchte 
das Castell zu entsetzen, aber er selbst gerieth nach heissem 
Kampfe in Karls Gefangenschaft, der ihn ehrenvoll behandelte. 
Am folgenden Tage capitulirte Johanna; bald war fast das ganze 
Reich in Karls Händen 2 ). Er konnte seine Herrschaft als ge- 
sichert betrachten. 

1) Lünig Cod. Ital. dipl. II, 1141, 1143; Leibnitz Cod. jur. gentium 238; 
Martene Thea, anecdot. I, 1584. 

2) Ueber diese Verhältnisse hat zuletzt Julius Waschow Herzog Otto von 
Braunschweig, Fürst von Tarent. Breslau 1874 gehandelt 



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186 



Zwölftes Kapitel. 



1382. 



Trotzdem hielt Johanna an ihrem Adoptivsöhne fest; als 
daher im Frühjahr des folgenden Jahres Ludwig seinen Zug an- 
trat und unter den neapolitanischen Grossen eine Verschwörung 
zu seinen Gunsten entstand, Hess Karl zu seiner Sicherung die 
greise Königin beseitigen. Am 22. Mai 1382 endete Johanna 
„die grosse Hure jenseits der Gewässer", wie sie ein zeitgenössi- 
scher Engländer nennt, ihr vielbewegtes Leben unter den Mörder- 
händen ungarischer Söldner. Sie hat schwer gesündigt, aber 
auch schwer gebüsst. 

Wenige Tage nachdem Johanna ihr tragisches Ende gefunden, 
am 31. Mai 1382, war Ludwig von Anjou von Avignon aufgebro- 
chen *). Sein Heer war überaus glänzend und zahlreich, der 
werthvollste Bundesgenosse aber Amadeus von Savoyen, der als 
Verwandter des Papstes Clemens mit Eifer dessen Sache ergriffen 
hatte. So wurden die Alpen auf dem Passe des Mont Genevre 
ohne Schwierigkeit Ende Juni überschritten und glücklich Turin 
erreicht 2 ). Sein stattliches Heer, seine reichen Geldmittel setzten 
Alle in Verwunderung, während der Ruf der Härte und Grausam- 
heit, welcher von Frankreich ihm vorausging, Furcht erregte. Man 
erzählte sich, er sei gekommen, den italienischen Papst abzusetzen, 
und Clemens habe ihn zum Kaiser gemacht 3 ). 

Der Zug konnte nicht fortgesetzt werden, ohne das Gebiet 
der Visconti zu berühren. Aber Galeazzo war durch seine Mutter 
der Neffe Ludwigs, und als dieser ein Ehebündniss zwischen seinem 
Sohne Ludwig und ßernabo's Tochter Lucia schloss, war ihm die 
Unterstützung der Mailänder gewonnen. Der Reichsvicar konnte 
die Macht und den Reichthum Ludwigs, die Mannszucht seiner 
Truppen nicht genug loben; mit Sicherheit erwartete er, dass 
Ludwig, wenn er etwa von deutschen und ungarischen Truppen 

1) Besonders interessant über Ludwigs Stellung zu Clemens und die enor- 
men Opfer, welche der Herzog forderte, ist das Protocoll, welches wohl noch in 
1380 gehört, gedruckt bei Christophe Histoire de la papaute pendant le XIV. 
siecle III, 473. Bemerkenswerth ist die Stelle S. 477: 17° Item outre les 
choses dessus dites Notre Saint -Pere requerra le duc d'Autriche d'imposer 
en ses pays tous les subsidea dessus dits et pour ce il donera ä iceli duc au- 
cune chose, afin que il condescende plus toust ä les octroyer. — Conceditur. 
Leopold wird kaum auf die Wünsche eingegangen sein. 

2) Baluze I, 1297. 

3) Chron. Reg. bei Muratori Scr. rer. It. XVIII, 88; Tgl. p. 193. Auch in 
dem Briefe des Antonius de Lemaco (Palacky Formelbücher II, 36) heisst es : 
Clemens habe Ludwig nach Italien geschickt „non sine imperii eponsione". 



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1382 



Lage Urbans VI. 



187 



angegriffen werden sollte, den Sieg davon tragen würde *). In 
der Nähe von Piacenza überschritt der Franzose den Po; durch 
die Marken hindurch marschirend, wo manche Städte, wie selbst 
Ancona aus Furcht sich unterwarfen und Adelige sich ihm an- 
schlössen, brach er Mitte Juli über die Abruzzen bei Aquila in 
das Königreich. Fast alle neapolitanischen Barone eilten zu ihm. 
Anfang October schlug er sein Lager vor Neapel auf; sein Sieg 
konnte für gewiss gelten. 

Mit fieberhafter Aufregung hatte Urban die Ereignisse ver- 
folgt. Gelang das Unternehmen dos Franzosen, so war er in 
Rom nicht mehr sicher, sein Papsthum aufs schwerste bedroht. 
Denn es handelte sich schliesslich nicht mehr allein um Neapel, 
der Kampf hatte Bedeutung für das ganze Abendland. Urban 
oder Clemens wurden die Loosungsworte, unter denen längst 
schwebende Fragen und bestehende Gegensätze der Staateupo- 
litik neu aufflammten. Auf der ganzen Linie sollte der Krieg 
entbrennen , so wünschte es Urban ; ein grosser allgemeiner 
Kreuzzug die Clementisten niederwerfen in Spanien, in Frank- 
reich, in Italien, in Schottland. Die Gefahr trieb ihn zu ganz 
ausserordentlichen Anstrengungen. Alle seine Hoffnungen waren 
auf England und Deutschland gerichtet, die beiden Reiche, welche 
durch die im Januar 1382 vollzogene Ehe Richards mit der böh- 
mischen Anna eng verbündet und vor allen interessirt waren, das 
französische Papstthum zu bekämpfen. 

Der König Johann von Castilien hatte sich im Mai 1381 für 
Clemens entschieden 2 ) ; wie er versicherte, führte die sorgfältigste 
Prüfung des Thatbestandes seinen Entschluss herbei und in der 
That hatte der König wie sein Vater Heinrich lange geschwankt, 
ehe er den Schritt that. Aber trotzdem waren doch die politi- 
schen Beziehungen massgebend. Seitdem Peter der Grausame 
von Heinrich Trastamara gestürzt worden, war Castilien der treue 
Bundesgenosse Frankreichs gewesen , dem es mit seiner Flotte 
die wichtigsten Dienste gegen die Engländer leistete. Denn Eng- 
land hatte nicht nur Peter seine Unterstützung geliehen — die 
Schlacht an der Nnjerilla war eine der glänzendsten Heldenthaten 
des schwarzen Prinzen, der dann im heissen Sommer Spaniens 
sich das tödliche Leiden zuzog — ; nach dem Tode des Königs 



1) Osio II, 228 -230. 

2) Baluze II, 920. 



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188 



ZwMftes Kapitel. 



1382. 



hatte Eduards Bruder, Johann von Gent, Herzog von Lancaster 
als Gemahl der unehelichen, aber für echt anerkannten Tochter 
Peters Constancia de Padilla Titel und Wappen eines Königs von 
Castilien angenommen. So wuchsen die Interessen Frankreichs 
und Castiliens immer enger zusammen; der Anschluss an Clemens 
war die folgerichtige Consequenz. Urban eröffnete gegen Johann 
den Process und als dieser sich natürlich nicht zur Verantwortung 
stellte, wurde er am 28. März 1382 excommunicirt, abgesetzt und 
das Kreuz gegen ihn gepredigt. Schon im Mai 1381 war unter 
der Führung Edmunds von Cambridge ein Kriegszug gegen Ca- 
stilien unternommen worden. Aber als der beständig schwan- 
kende Fernando von Portugal plötzlich seinen Frieden mit Johann 
machte, musste Edmund ohne Ruhm und Erfolg im October 1382 
zurückkehren. Noch einmal versuchte Urban im März des folgen- 
den Jahres die Kriegsflammen anzublasen, indem er Johann von 
Lancaster zum Führer des Kreuzheeres gegen Castilien ernannte. 
Drei Jahre musste jedoch der Papst warten, ehe Johann auf- 
brechen konnte; auch dieser Zug brachte nicht die erwünschten 
Resultate, Jobann von Castilien blieb im Besitze seiner Krone *). 

Der Tod Karls V. war für Frankreichs Feinde ein vielver- 
sprechendes Ereigniss gewesen. 

Die letzten Regierungsjahre des weisen Herrschers hatten 
dem Lande nach so schweren Schlägen einen bedeutenden Auf- 
schwung gebracht, der Krieg gegen England den günstigsten Fort- 
gang genommen. Jetzt schien Alles in Frage gestellt, als ein 
minderjähriger König den Thron bestieg, um dessen Leitung sofort 
Zwistigkeiten unter den königlichen Oheimen entstanden. Dabei 
grollte es in der Bevölkerung; wie zu derselben Zeit in England 
der Druck der Auflagen den Aufstand des Wat Tyler hervorrief, 
war auch die Volksmasse Frankreichs, namentlich in den grösse- 
ren Städten tief erregt. Noch glückte es, die ersten Anfänge 
der Empörung niederzuschlagen ; da drohte die Gefahr von Flandern 
her mit um so grösserer Intensität. Ein Streit zwischen Gent und 
Brügge führte dort zur Entstehung des Bundes der Weisskappen, 
der immer grössere Erfolge errang. Das demokratische Bürger- 
thum erhob sich gegen den Herrscher und den Adel ; bald hielt 
Philipp von Artevelde Hof in Brügge wie ein Fürst und nannte 



1) Raynald. 1382, 12 ff. 1383, 7. Vgl. Pauli Geschichte von England IV, 
541 ff. 



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1382—1383. Wenzels Beziehungen zu Frankreich und England. 189 

sich Regent von Flandern. Gelang es den Weisskappen, den 
Hammermännern in Paris und Rouen die Hand zu reichen, so war 
auch das französische Reich in die bedenklichste Lage versetzt; 
ein Kampf zwischen Adel und Bürgerthum musste auch hier ent- 
brennen, der die Kräfte Frankreichs erschöpfte und es zur Beute 
der Feinde machte. 

Da Ludwig von Anjou bereits nach Italien aufgebrochen, war 
der Herzog von Burgund, der Schwiegersohn des Grafen Ludwig 
von Flandern, nunmehr leitende Persönlichkeit. Er verstand 
es, mit Energie und raschem Entschlüsse zu handeln; die gesammte 
Macht Frankreichs wurde aufgeboten; am 27. November 1382 
erlitten die Flandrer die berühmte Niederlage von Roesbecke, 
deren Opfer Philipp von Artevelde selbst wurde. Rasch eilte dann 
der König Karl VI. nach Paris zurück, welches von Schrecken 
gelähmt seine Thore öffnete. Die Gefahr war beseitigt. 

Zu spät hatte England die günstige Gelegenheit erkannt, 
welche sich hier zum Bunde gegen den alten Erbfeind darbot ; 
erst als Gent trotz der Niederlage den Widerstand gegen seinen 
Grafen fortsetzte, kam englische Hilfe. Im Frühling 1383 ging 
Bischof Spencer von Norwich an der Spitze von kriegerischen 
Schaaren nach Flandern, sein Unternehmen nannte er einen 
Kreuzzug gegen den Afterpapst, Urbans Schlüsselbanner flatterte 
über seinen Fahnen. Aber wie die castilische Expedition, schlug 
auch diese nach anfänglichen Erfolgen völlig fehl; schon Michaeli 
musste der Bischof zurückkehren. Die Folge war der Abschluss 
eines Waffenstillstandes mit Frankreich bis zum Mai 1385. Die 
Hoffnungen Urbans, mit Hilfe Englands seinen päpstlichen Gegner 
zu bezwingen, schmolzen so dahin ; auch die Erwartungen, welche 
er von dem deutschen Könige hegte, wurden getäuscht. 

Wir sahen, wie Wenzel die Bemühungen Frankreichs, ihn zu 
Clemens herüberzuziehen oder doch wenigstens zu bestimmen, 
durch ein Concil die Rechte der beiden Päpste zu prüfen, zurück- 
wies; die inneren Zustände Deutschlands hatten ihn ebenso ge- 
nöthigt, die schon von seinem Vater ausgesprochene Anerkennung 
Urbans aufrechtzuerhalten, wie die äusseren politischen Verhält- 
nisse. Aber deswegen gab er doch nicht die Traditionen seines 
Hauses auf, welche Freundschaft mit Frankreich wünschenswerth 
machten. Daher erneuerte er im August 1380 den alten Familien- 
tractat mit Karl V. und dessen Hause, der zwar ganz allgemein 
gehalten doch kriegerische Unternehmungen und Angriffe aus- 



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190 



Zwölftes Kapitel. 



1382. 



schloss. Die Familienverbindung lehnte er freilich ab, statt dessen 
gab er seine Schwester dem englischen Könige. 

Aber die Früchte dieser Verbindung waren für Urban und 
Richard bei weitem nicht so lohnend, wie sie hofften. Ruhig Hess 
der König weiter geschehen, dass deutsche Fürsten Soldverträge 
mit Frankreich abschlössen ; ob er auch die Bemühungen Richards, 
seinerseits die deutschen Fürsten zu verpflichten, begünstigt, wissen 
wir nicht. Vergeblich strebten der englische König und der Papst, 
Wenzel vorwärts zu drängen und gegen Frankreich zu engagiren. 

In denselben Tagen, in welchen Urban den Kreuzzug gegen 
Johann von Castilien befohlen , hatte er alle Verbindungen auf- 
gehoben und für ungiltig erklärt, welche Wenzel und dereinst sein 
Vater Karl mit Fürsten geschlossen, welche nunmehr zu Ketzern 
und Schismatikern geworden. „Du bist nicht verpflichtet, diese 
Verträge zu halten, im Gegentheil, in Rücksicht auf das Kaiser- 
thum, zu welchem du gewählt und durch uns approbirt bist, bist 
du gehalten, die Schismatiker zu verfolgen, da es keine Gemeinschaft 
giebt des Lichtes mit der Finsterniss oder Christi mit Belial" 

Dem englischen Könige wurde die Bulle des Papstes bekannt 
gemacht; in der Hoffnung, dass Wenzel ihr stattgeben würde, 
sollte daher der so wenig besagende Vertrag vom Mai 1381 durch 
einen andern ersetzt werden. Am 16. August 1382 beauftragte 
er seine Gesandten, welche den zurückkehrenden Herzog von 
Teschen begleiteten, mit dem Könige ein Bündniss zu schhessen 
gegen Karl, den gegenwärtigen Occupator von Frankreich, gegen 
dessen Oheime, die angeblichen Herzöge, gegen Johann, den von 
der Kirche abgesetzten und verdammten Anmasser von Castilien 
und Leon, gegen Robert, der sich König von Schottland nenne. 
Aber die Zurückhaltung Wenzels, der viel lieber den Streit zwischen 
Frankreich und England beendet gesehen hätte, war nicht zu 
durchbrechen. Das erzielte Resultat war lediglich, dass die Könige 
sich versprachen, treue Brüder sein und sich gegen alle Feinde 
beistehen zu wollen 2 ). 

1) Bulle vom 30. März 1382 bei Lünig Cod. dipl. Germ. I, 399 und Rymer 
III, 3, 137, wiederholt am 17. April 1383, bei Lünig Reichsarcbiv XV, 620 und 
Rymer III, 3, 152. In der letzteren wird Wenzel persönlich angeredet. 

2) Rymer III, 3, 141, 142. Die von Richard ausgestellte Urkunde trägt 
das Dat um vom 10. März 1382, gehört demnach ki 1383, da in England der 
25. M&rz als Jahresanfang gerechnet wurde. Lünig Cod. Germ. dipl. I, 402 
hat das übersehen. — In den Publications etc. XXV, 8 wird unter dem 12. 
Januar 1384 ein Traite d'alliance et d'amitie entre Wenc. et Richard II, nach 



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1382-1383. 



Aufforderungen zur Romfahrt. 



191 



So blieb denn allein die Aussicht, dass Wenzel wenigstens 
nach Rom ging, sich die Kaiserkrone holte und die Angelegen- 
heiten Italiens nach dem Wunsche des Papstes ordnete. Es lag 
ja ein grosser Triumph Urbans darin, wenn er die römische Kaiser- 
krone dem deutschen Könige verlieh und so vor aller Welt von 
diesem als der rechte Papst anerkannt wurde. Hoffentlich machte 
die neue Würde den König eifriger im Kampfe gegen den After- 
papst. Auch Richard that, was in seinen Kräften stand, den Papst 
in Italien zu fördern und den Zug Wenzels vorzubereiten. John 
Hawkwood wurde von Richard beauftragt, in seinem Namen Bünd- 
nisse mit Fürsten und Städten Italiens zu schliessen; der König 
befahl allen seinen Unterthanen in Italien, Wenzel und dem Papste 
zu gehorchen und sie in ihren Unternehmungen zu fördern. Selbst 
mit Karl von Durazzo ging er ein Bündniss ein. John trat in 
der That in die Dienste Urbans, freilich wohl mehr durch dessen 
Geld als durch die Befehle Richards bewogen, er eilte sogar zu 
Wenzel, um mit diesem über den Zug zu berathen *). 

Je näher Ludwig von Anjou den Grenzen Italiens rückte, je 
grössere Erfolge er errang, desto dringender wurden des Papstes 
Bitten und Briefe; jede Art von Vorstellungen, Schmeicheleien und 
Vorwürfen wird aufgeboten, um den König anzuspornen. 

„Wenn der Ruf unserer Ermahnungen Dich nicht aus Deinem 
Schlafe wecken kann, so möge Dich wenigstens die sündhafte und 
zügellose Eroberungssucht des Herzogs von Anjou anspornen, und 
die kaiserliche Tapferkeit angeregt werden, die frechen Versuche 
zu verderben. Bedenke, theuerster Sohn, wieviel Glanz würde 
Deine königliche Herrlichkeit verlieren, wenn der zarte und weich- 
liche Herzog dem feurigen und tapfersten Könige zuvorkäme und 



einer im Archiv von Lille befindlichen gleichzeitigen Copie auf Papier erwähnt. 
Der Inhalt wird charakterisirt als „Formules vagues et redondantes; nulle 
clause explicite". Die Unterhändler Richards sind die in der Urkunde vom 
16. August 1382 bevollmächtigten; die Wenzels: der Herzog von Teschen, der 
Hofmeister Konrad Kraiger, Thimo von Cholditz und Heinrich von Duba. Wahr- 
scheinlich liegt hier der in Deutschland festgesetzte Entwurf vor, welchen 
Bichard am 10. März in Westminster bestätigte. Doch ist statt 1384: 1383 zu 
setzen. — Kervyn de Lettenhove (in seiner Ausgabe des Froissard X, 553) sagt 
ohne nähere Angabe: Le 15. Octobre 1383 (vielleicht zu verbessern in 1382) 

l'emp. Wenc. en annoncant ä Charles VI. le manage de sa soeur lui offrit 

sa mediation pour retablir la paix entre la France et l'Angleterre. 

1) Urkunden bei Rymer III, 3, 134, 138, die wohl nicht in 1382, sondern 
. in 1383 gehören. 



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192 



Zwölftes Kapitel. 



1382-1383. 



die entnervte Schaar das rüstigste und edelste Volk der Alle- 
mannen und Germanen übereilte." So schrieb der Papst am 8. 
Juli 1382; aufgeregter lautet sein Schreiben vom 6. September, 
als Ludwig bereits den neapolitanischen Boden betreten hatte. 
Den Papst quälte die Sorge, dass Wenzel den Boten Ludwigs 
Gehör geben könne, welche versicherten, der Angriff sei nicht 
gegen den König und Urban gerichtet, sondern es handele sich 
lediglich um die Behauptung des Erbrechtes auf Neapel. „Wenn 
Dir doch so, wie Deinem Vater Karl bekannt wäre, wie die gallische 
Nation immer nach dem Kaiserthume gestrebt hat; die Franzosen 
möchten nicht blos das Papstthum und das Kaiserthum sich an- 
massen, nein auch die Herrschaft über die ganze Welt, wenn ihr 
Können ihren Wünschen entspräche. u Freilich stünde seine Sache 
nicht schlecht. Karl habe 3000 Lanzen von höchster Kriegstüch- 
tigkeit, die kriegerische Kraft des römischen Volkes sei soeben 
auf 36,000 Streiter geschätzt worden, John Hawkwood habe 1000 
Lanzen und 1000 Armbrustschützen „und vor allen Dingen ist 
Gott mit uns. Wen sollen wir also fürchten"? Aber würde nicht 
Wenzel die grösste Schande treffen, wenn er träge zurückbleibe? 
„Daher komme mit den Kurfürsten und richte auf Deine kaiser- 
liche Macht. Herbeieile die edle Germania, um ihrer edlen Schwester 
Italia zu helfen, welche das kraftlose Heer der schändlichsten 
Sclaverei unterwerfen will." Noch dringender schrieb Urban am 
20. November: „Wenn irgend eine Gefahr Deine Stellung bedroht 
hat, die jetzige ist ungeheuer gross. Ludwig steht im Herzen 
von Italien und will es verderben und die römische Kaiserwürde 
sich anmassen; bisher haben wir ihm widerstanden und wollen 
ihm mit Gottes Hilfe weiter Widerstand leisten." 

Endlich kam die ersehnte Nachricht, dass der König in näch- 
ster Zeit eintreffen würde. „Nicht nur wir, sondern auch das 
Herz der Cardinäle und der römischen Bürger hat darüber Freude 
und Jubel empfunden. Beseitige alle Hindernisse und komme, 
um aus unseren Händen das kaiserliche Diadem zu empfangen" f ). 

1) Briefe bei Pelzel Urk. S. 51—55 n. 32—35 aus einem Mscr. Crumlov., 
welches meines Wissens in Prag nicht mehr vorhanden ist. Nur n. 33 fand 
ich in einem gleichzeitigen Formelbuche von Saatz auf der Breslauer Stadt- 
bibliothek (IV, 2, a, 26). Vgl. auch den von Palacky (Formelbücher II, 36) 
richtig in 1382 gesetzten Brief des Antonius de Lemaco an Wenzel. 



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1382. 



Tod Ludwigs von Ungarn 



193 



Dreizehntes Kapitel. 

Sigismund in Polen. Aufgabe der Romfahrt. 

Am 11. September 1382 war König Ludwig von Ungarn- 
Polen dahingeschieden. Seine Regierung war reich an glänzen- 
den Erfolgen gewesen,» Ungarn nahm Europa gegenüber eine Stel- 
lung ein, wie nie zuvor. Weniger dankbares Andenken hatten 
ihm die Polen zu widmen ; ihr Land war unter der Herrschaft 
des grossen Königs herabgekommen, Ruhe und Ordnung waren 
vollständig verschwunden. Die ungarische Herrschaft hatte daher 
nicht nur keine Wurzeln geschlagen, sie war vielmehr dem grossen 
Theile der Polen verhasst; die Einen waren ihr abgeneigt wegen 
der unzureichenden Pflege der materiellen Interessen, die Andern, 
weil der Nationalstolz die Unterordnung unter ein fremdes Volk 
auf die Dauer nicht ertrug. Wie mochten die Grossen fernerhin 
einen eignen Königshof missen, der ihnen Gelegenheit gab, empor- 
zusteigen, sich im Glänze des Herrschers selbst zu spiegeln! 
So war von vornherein die Aussicht gering, dass die Pläne, 
welche Ludwig in Betreff der Erbfolge gehegt, sich erfüll- 
ten, dass Sigismund beide Königreiche unter seinem Scepter 
vereinte *). 

Damit dieser den Polen bekannt würde, schickte ihn Ludwig 
im Sommer 1381 in ihr Land, zugleich mit dem Auftrage, den 
Aufstand des Edlen Bartosz von Adelnau niederzuwerfen. Der 
junge Fürst erschien im October in Polen, nachdem er vorher 
die Mark Brandenburg durchzogen, welche er nunmehr ganz be- 
herrschte. Denn obgleich die Neumark dem jüngsten Sohne 
Karls IV. Johann von Görlitz bestimmt und überwiesen war, ist 
sie doch im Laufe des Sommers 1381 an Sigismund übergegangen, 



1) Ebendorfer (bei Pez Script, rer. Austr. II, 819) erzählt, Ludwig habe 
auf dem Todtenbette Wilhelm von Oestreich vor sich kommen lassen : ubi fertur, 
suam voluntatem ultimam coram multis positis aperuisse, ut dux Wilh. unacum 
sponsa Hedwiga regnum sortiretur üngariae, pro quo duces Austriae plurimum 
desudarunt; dns. vero Sigism. una cum Maria regno Poloniae potiretur, quod 
plurimum Bohemi ambierunt. Sed quia Maria jam vivente patre uti senior ad 
üngariam fuit coronata, haec verba sine effectu fuere profusa. Das ist sicher 
unrichtig. 

Th. Lindner, Geschichte de§ deutschen Reiche«. I. 13 



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^194 



Dreizehntes Kapitel 



1382. 



wahrscheinlich auf den Wunsch Ludwigs von Ungarn 4 ). Im Juli 
1382 herief der Ungarnkönig die Grossen Polens zu sich nach 
Altsohl, damit die Thronfrage entschieden würde; sie huldigten 
Sigismund als ihrem künftigen Könige. So schien Alles in bester 
Ordnung; Sigismund ging alsbald wieder nach Polen, dessen 
„Herr" er sich bereits in den Urkunden nannte 2 ). 

Als er die Nachricht vom Tode Ludwigs erhielt, eilte er rasch 
nach Posen, dessen Bürger ihm huldigten. Aber sofort erhoben 
sich Schwierigkeiten. Der grosspolnische Adel verlangte, ehe er 
sich unterwarf, das Versprechen, dass Sigismund mit Maria im Lande 
bleiben wolle und den missliebigen Günstling, den Generalstaro- 
sten Domarat seines Amtes entsetze. Unwillig wies sie der junge 
Fürst zurück, wiederholte Aufforderungen hatten keinen bessern 
Erfolg. Denn der erste Theil der Forderung war völlig uner- 
füllbar; für Maria und ihren Gemahl rausste Ungarn stets das 
Hauptland bleiben, zu dessen König das zarte zwölfjährige Mädchen 
wenige Tage nach des Vaters Tode gekrönt worden war. Gewiss 
haben die Polen es auch nicht anders vermuthet, ihr Zweck war 
lediglich, eine weitere Vereinigung der beiden Königreiche zu hinter- 
treiben. Schon Ende November schlössen die Gegner Sigimunds 
die Convention zu Radomsk; sie gelobten Treue und Gehorsam 
den Töchtern Ludwigs, wenn eine von ihnen mit ihrem Gemahle 
persönlich Aufenthalt in Polen nehme. Damit war Sigismund 
vom Throne ausgeschlossen. Zwar gab er selbst seine Hoffnun- 
gen noch nicht auf und es fehlte ihm nicht an Anhängern, be- 
sonders in Kleinpolen, Domarat und den Erzbischof von Gnesen 
Bodzantha an der Spitze. Da trat ihm seine künftige Schwieger- 
mutter Elisabeth, die Wittwe König Ludwigs, selbst in den Weg. 
Die Bosnierin hasste die Deutschen ; weder Polen noch Ungarn 



1) Vgl. Beilage V; die Urkunden Sigismunds bei Riedel Cod. dipl. Brand, 
vom 9. Sept. 1381 an; am 28. Oct. ist er in Bronyk (Wronke) a. a. 0. 
I, 18, 234. 

2) Caro Geschichte Polens II. 426, auf den ich für die Folge verweise. — 
Sigismund war am 26. Juni in Ofen, am 26. Juli in Krakau (Riedel I, 3, 79; 
87), am 31. Aug. in Brzesc in Cnjavien (a. a. 0. I, 18, 312), am 27. Sept. in 
Posen (a. a. 0. III, 1, 43; I, 24, 387); daher kann er am 5. Sept. nicht in 
Budwcis persönlich das Bündniss mit Bischof Friedrich von Merseburg ge- 
schlossen haben (a. a. 0. II, 3, 90). Seit dem 31. August, also noch zu Leb- 
zeiten Ludwigs, nennt er sich „Herr des Königreiches Polen" oder „heres regni 
Polonie." Ebenso am 27. Oct. Vgl. Aechbach Gesch. Kaiser Sigmunds I, 16. 



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1383. Pläne der Königin Elisabeth von Ungarn. 195 

sollte von Sigismund beherrscht werden, das waren die Gedanken, 
welche ihre ränkevolle Seele im Geheimen beherrschten. Auch 
Mutterliebe wird im Spiele gewesen sein; ihre jüngste Tochter 
Hedwig sollte nicht leer ausgehen. Das energische Auftreten der 
Grosspolen wies ihr selbst den einzuschlagenden Weg an ; sie gab 
ihm nach und verzichtete auf Ludwigs Plan, beide Reiche in der 
Hand der Maria zu vereinigen. An ihre Stelle sollte in Polen 
die mit Wilhelm von Oestreich verlobte Hedwig treten. Zwar 
war früher bestimmt, dass dieses Paar mit einer Geldsumme sollte 
abgefunden werden, aber leicht war anzunehmen, dass der länder- 
gierige Leopold mit Vergnügen die Gelegenheit ergreifen würde, 
seinen Sohn mit einem so grossen Königreiche auszustatten. Ob 
Elisabeth die Absicht hatte, die Ehe zum Vollzug kommen zu 
lassen, ist mehr als zweifelhaft, aber vorläufig konnte ihr Leopold 
ein guter Bundesgenosse gegen Sigismund und dessen Bruder, 
den römischen König, werden. Sie schrieb ihm daher, wie Leopold 
selbst frohlockend am 28. Januar 1383 den Trevisanern meldete, 
die Magnaten Ungarns und Polens hätten die Absicht, Hedwig 
vierzehn Tage nach der Auferstehung des Herrn zusammen mit 
Wilhelm zur Königin von Polen zu krönen und sie in Allem 
ihrer Schwester Maria gleich zu stellen. Zugleich bot sie ihm 
ihre Vermittlung mit Franz von Padua an. Nehme dieser den 
Frieden nicht an, wolle sie mit aller Macht dessen Feind werden *). 

Demgemäss ersuchte Elisabeth im December die Polen, in 
ihrer Anhänglichkeit an Ludwigs Töchter zu verharren und Nie- 
mandem, selbst nicht Sigismund, zu huldigen. So zerstreute sich 
die Partei desselben und „er selbst kehrte mit seinen unsinnigen 
Gedanken traurig zu seiner Schwiegermutter nach Ungarn zurück," 
aber doch wohl keineswegs auf alle Hoffnungen verzichtend 2 ). 

In Polen brach der Bürgerkrieg aus, indem Domarat fest an 
Sigismund hielt, während zugleich der Herzog Ziemowit von Ma- 
sowien nach dem Throne strebte. Elisabeth wiederum meldete 
Ende Februar den Polen, dass sie im Namen Marias Alle von dem 
Eide entbinde, welcher dieser oder Sigismund geleistet worden 
sei; an ihrer Stelle sollte Hedwig am kommenden Osterfeste zur 
Königin gekrönt werden. Am 28. März wurde auf dem Tage zu 



1) Verci a. a. 0. XVI, 49. 

2) Archidiaconu8 Gneznensis (Janko von Czarnkowo) bei Sommersberg Scr. 
rer. Siles. II, 139. 

13* 



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196 



Dreizehntes Kapitel. 



1383 



Sieradz das Anerbieten angenommen Pfingsten sollte Hedwig in 
Krakau erscheinen. 

Die Zukunft Sigismunds und seines Hauses, die vor kurzem 
noch so glänzend und zweifellos dastand, war aufs höchste ge- 
fährdet. Sollte nun Wenzel Böhmen verlassen, nach Rom ziehen, 
wo er in Kämpfe verwickelt werden konnte, deren Umfang sich 
nicht berechnen Hess ? Es wird daher kaum ein Fehlschluss sein, 
anzunehmen, dass diese Vorgänge in Polen-Ungarn den König be- 
stimmt haben zu bleiben; gerade um die Zeit, wo er die Kunde 
von den letzten Abmachungen der ungarischen Königin mit den 
Polen erhalten haben muss, gab er die Romfahrt auf. Die Herr- 
schaft Sigismunds in Polen zu sichern, — und bei der Haltung 
Elisabeths konnte selbst die über Ungarn fraglich werden. — galt 
für Wenzel mehr, als die Kaiserkrone. 

Leopold von Oestreich wurde vorläufig beschwichtigt. Ihm 
hatte der König schon in Nürnberg am 14. März die Vogtei in 
Augsburg verliehen; ausserdem stellte ihm Wenzel zum Kriege 
gegen Franz von Padua wirklich die versprochenen 400 Lanzen. 
Im Mai ging der Herzog über die Alpen und befreite, freilich nicht 
auf lange, Treviso von der Belagerung *)• 

Ueber Verhandlungen zwischen dem römischen Könige und 
Ungarn wissen wir allerdings nichts ; aber dass sie stattgefunden, 
dass Elisabeth sich in Folge derselben gedrungen sah, wenigstens 
zum Schein nachzugeben, zeigen die Ereignisse deutlich. Als die 
Polen zu Pfingsten nach Sandecz kamen, um Elisabeth und Hed- 
wig in Empfang zu nehmen, erschien die Königin nicht; sie ent- 
bot die Magnaten zu sich nach Kaschau. Die Krönung der Hed- 
wig wurde zwar noch in Aussicht behalten, doch bis Martini hin- 
ausgeschoben ; aber ganz entgegengesetzt den früheren Abmachun- 
gen wurde die Vereinigung der beiden Kronen im Princip beibe- 
halten: wenn Hedwig kinderlos stürbe, sollte Maria ihr in Polen 
folgen und umgekehrt 2 ). 

Eine plötzliche Wendung war demnach von Elisabeth gemacht 
worden ; sie erfolgte wie zu vermuthen unter dem Einflüsse Wen- 
zels. Wie wäre es anders zu erklären, dass bald darauf die Königin 
selbst Sigismund mit einem starken Heere von 12000 Ungarn 
nach Polen schickte, um den Herzog von Masowien zu be- 
kämpfen, der sich inzwischen zum Könige hatte ausrufen lassen? 



1) Kurz a. a. 0. II, 82; Lichnowsky IV, 227. 

2) Archidiacouus Gueznensis a. a. 0. II, 144; vgl. Caro 462 Aom. 



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1383. 



Aufgabe der Romfahrt. 



197 



Hätte sie sich Dicht genöthigt gesehen, an den alten Verträgen 
festzuhalten, gewiss hätte sie einen Andern mit dem Kriegszuge 
betraut. Unter furchtbaren Verwüstungen durchzogen die Ungarn 
Masowien und die benachbarten Gegenden, bis endlich der Herzog 
Wladislaw von Oppeln im Anfang October einen Waffenstillstand 
zwischen Ziemowit und Sigismund vermittelte. Von der Ankunft 
und Krönung der Hedwig zu Martini war unter diesen Umständen 
keine Rede; die polnische Gesandtschaft, welche Elisabeth darum 
ersuchte, wurde sogar übel behandelt *). — Vergebens erklär- 
ten im März 1384 die polnischen Magnaten mit aller Ent- 
schiedenheit, wenn Hedwig nicht binnen zwei Monaten zu ihnen 
geschickt werde, schritten sie zur Wahl eines andern Königs; 
die Antwort war wiederum der Auftrag an Sigismund, die Regie- 
rung Polens zu übernehmen. Erst als dieser sich überzeugte, 
dass er nicht durchdringen würde, knüpfte er Verhandlungen an 
und versprach seinerseits selbst, die Königin zu bewegen, dass 
sie Hedwig am Pfingstfeste nach Polen sende. Das Versprechen 
war kaum ehrlich gemeint; es wurde daher auch nicht erfüllt. 

So hatte König Wenzel für den Augenblick seinen Zweck er- 
reicht, dem zu Liebe er die Romfahrt aufgegeben. Es war ein 
bedeutungsvoller Moment in der Regierung Wenzels. Von diesem 
Augenblicke lenkte er in Bahnen, die ihn zum Unheil führen 
sollten. 

Vielleicht trug er sich noch mit der Hoffnung, später nach 
Rom ziehen zu können; aber nachdem er einmal zurückgetreten 
war, ist er nie mehr dazu gekommen, er hat sich nie mit der 
Kaiserkrone geschmückt. Dadurch wurde aber seine Stellung zu 
Deutschland und zu Europa wesentlich beeinflusst. 

Dass die Kaiserkrone dem deutschen Herrscher gebühre, war 
in Deutschland die allgemeine Ueberzeugung; Viele meinten sogar, 
die Wahl und Krönung zum deutschen Könige mache zugleich 
den Kaiser. So betrachtete und bezeichnete man oft den König 



1) Sigismund hatte während dieses Feldzuges mit Herzog Johann von 
Masowien, dem Bruder Ziemowits einen Vertrag abgeschlossen, dass er diesem 
von Elisabeth 2400 Qulden Jahrgeld aus den Salinen von Bochna verschaffen 
wolle, wofür dieser mit 30 Lanzen dienen sollte. Als Elisabeth am 30. Dec. 
1383 dem Herzoge die Summe bewilligte, heisst es in der Urkunde ausdrück- 
lich, dass Johann dienen wolle dnae. reginae Poloniae, quae ex filiabus nostris ad 
dictum regnum Poloniae coronata fuerit, also das einseitige frühere Abkommen 
in Betreff der Hedwig wird gänzlich ignorirt. Fejer X, 1, 96 und 90. 



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198 



Dreizehntes Kapitel. 



1383. 



als Kaiser, ohne dass er die Kaiserkrone trug, in Italien war dieser 
Gebrauch sogar allgemein. Gewiss bot damals das Diadem Karls 
des Grossen seinem Träger keinen wirklichen Mach t zu wachs ; der 
deutsche oder, wie er sich nannte, römische König wurde durch 
die Kaiserkrönung nicht mächtiger, als er zuvor gewesen. Doch 
war der alte Glanz des kaiserlichen Titels noch nicht erloschen, 
noch hegte die Menge des Volkes Ehrfurcht und Verehrung vor 
ihm. War doch auch der Name, unter dem man die vom deut- 
schen Könige beherrschten Gebiete zusammenzufassen und die von 
ihm auszuübende Macht zu bezeichnen pflegte, daher entlehnt. „Das 
heilige Reich, sacrum Imperium, u war in der allgemeinen Vor- 
stellung noch immer eine reale Existenz und ist es noch Jahr- 
hunderte lang geblieben. Der König erhielt eben erst seine rechte 
Weihe durch den kaiserlichen Titel, so leer und phantomhaft 
der Begriff war. 

Daher war es doch nicht ganz gleichgültig, ob der Herrscher 
sich jenen erwarb. Selbst der nüchterne Karl IV. hatte sehr 
wohl erkannt, wie wünschenswerth Mhm derselbe sei. Nicht blos 
der Menge, welche stets dem Zauber von Titeln zugänglich ist, 
auch den Fürsten gegenüber kam der König doch in andere Stel- 
lung, wenn er auch wirklicher Imperator war. War er doch als 
solcher in eine höhere Sphäre gerückt, mit grösseren Ansprüchen 
an ihre Ergebenheit ausgerüstet. Und so ungern die deutschen 
Reichsstände zu allen Zeiten Opfer für die Romfahrten gebracht 
haben, das Resultat derselben, eben die Erwerbung der kaiser- 
lichen Majestät, nahmen sie gern an, da sie als Schmuck des 
Reiches galt. Der König, der nicht danach strebte, sie zu er- 
werben, musste demnach für geringer gelten, weniger geachtet 
werden. Es ist sehr wohl möglich, dass die Absetzung Wenzels 
späterhin nicht so leicht von Statten gegangen wäre, wenn er 
auch der That nach Kaiser war. 

Und gerade damals würde die Kaiserkrone ihrem Träger un- 
gemeine Vortheile gebracht haben ! Hätte Wenzel das kaiserliche 
Diadem aus den Händen Urbans genommen, so wäre die kirch- 
liche Frage in ein anderes Stadium getreten. Urbans Ansehen 
wäre gewaltig gesteigert, ein erheblicher Vorsprung vor Clemens 
gewonnen worden. Denn wenn auch die Päpste selbst das Kai- 
serthum als eine Dependenz anzusehen liebten, die Fürsten Eu- 
ropas sich noch so hartnäckig sträubten, dem Kaiser einen Vor- 
rang vor sich einzuräumen, so war doch das Kaiserthum noch 



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Bedeutung der Kaiserwürde. 



199 



immtr die höchste weltliche Würde der Christenheit, seiner Pflege 
die Kirche besonders empfohlen. Mit dem Diadem geziert konnte 
Wenzel viel leichter an eine Beseitigung des Schisma gehen, 
denn als römischer König, und viel eher hoffen, dass das übrige 
Europa ihm folgte. Eben wurde vielfach die Frage erörtert, ob 
nicht der Kaiser das Recht habe, ein allgemeines Concil zu be- 
rufen. Und wie Wicleff den Satz aufstellte: Papa plus tenetur 
imperatori, quam e converso," so sprachen seine Anhänger geradezu 
aus, dem Kaiser stehe das Recht zu, bessernd und richtend in 
der Kirche einzuschreiten und seinen Urtheilsspruch im gegen- 
wärtigen Streite zu fällen 

Als Imperator hätte Wenzel ferner dringendere Verpflichtung 
und grösseres Interesse an der Niederwerfung des gegnerischen 
Papstthums gehabt; hätte es doch dann gegolten, die Echtheit 
seiner Krone zu erweisen. Kr wäre gedrängt worden zu einer 
Politik von grösseren, allgemeineren Tendenzen, welche wieder 
nicht verfehlt hätten, ihre Rückwirkung auszuüben. Das Kaiser- 
thum und damit die deutsche Nation wäre wieder hervorgetreten 
in den Mittelpunkt der europäischen Dinge, hätte gewaltig zuge- 
nommen an Ansehen und Bedeutung. Gelang Wenzel die Wieder- 
herstellung der kirchlichen Einheit, so verpflichtete er sich nicht 
nur die gesammte abendländische Christenheit zum tiefsten Danke, 
das Kaiserthum hätte vor allem auch wieder an innerer Kraft ge- 
wonnen, die auf die Stellung zum Papste, ja selbst auf die poli- 
tische Gestaltung Deutschlands von der grössten Wirkung sein 
musste. 

Leicht Hessen sich diese Betrachtungen in grössere Tiefen 
verfolgen, doch es mag der Hinweis genügen, wie sehr Wenzel 
seine Stellung in Deutschland schädigte, als er im Jahre 1383 den 
Römerzug für immer aufgab. Dem Interesse seines Hauses hat er 



1) Vgl. meinen S. 89 angeführten Aufsatz. — Recht bezeichnend ist die 
Stelle bei Dietrich von Niem, lib. III. cap. 7: Patet etiam ex decreto, quod 
cum schisma viget in Romana sede, quod propter authoritatis excellentiam 
et in temporalibus potentiam imperatorvel rex Romanus praelatos ecclesiasticos 
potest convocare, ut illud oranino tollatur: quod credo intelligi debeie de Ulis, 
qui re et nomine imperatores vel reges existuut Romani: non autem de illis 
qui desides seu solo nomine imperatores aut reges Romani sunt, sicuti fucrunt 
imperatores et reges Romani, quos nostro tempore habuiraus et habemus. — 
Ueber diese Verhältnisse werde ich eingehender handeln in einer Schrift über 
Dietrich von Niem, welche in nicht ferner Zeit erscheinen wird. 



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200 



Vierzehntes Kapitel. 



1383. 



das des Reiches geopfert; die ungarisch-polnischen Verhältnisse 
werden für die nächste Zeit der rothe Faden, der sich durch 
Wenzels Thätigkeit hindurchzieht. 



Vierzehntes Kapitel. 

Französische Anerbietungen. 

Als die Kunde, dass Wenzel nach Italien fahren werde, auch 
nach Avignon kam, musste sie dort Besorgnisse und Befürchtun- 
gen in reichem Maasse erwecken. Die Kaiserkrönung durch Urban 
konnte der clementistischen Sache schaden, ihr Anhänger ent- 
ziehen, und wenn Wenzel den Wünschen Urbans nachgebend Karl 
von Durazzo unterstützte, wurde die Stellung Ludwigs von Anjou 
eine sehr ungünstige. Denn so glänzend auch im Anfange die 
Erfolge des Franzosen gewesen waren, bald genug war eine Wen- 
dung zum Schlechteren eingetreten. Ludwig hatte sich nie als 
Feldherr ausgezeichnet, sein Verfahren in Neapel aber zeigte vom 
allergrößten Ungeschick. Statt sein starkes Heer sowie die gün- 
stige Stimmung des grössten Theiles der neapolitanischen Bevöl- 
kerung zu benutzen und energisch an die Belagerung der Haupt- 
stadt zu gehen, oder Karl in irgend einer Weise zur Schlacht zu 
zwingen, Hess er die kostbare Zeit ungenützt verstreichen. Der 
gewandte Ungar — wie erzählt wird, folgte er dem Rathe Ottos 
von Braunschweig, der in ritterlicher Ehrlichkeit seine reichen 
kriegerischen Erfahrungen selbst dem Feinde nicht vorenthielt — 
wusste die Unthätigkeit des Gegners trefflich auszunutzen. Sorg- 
fältig vermied er eine offene Schlacht gegen die überlegene Macht 
und hielt sich hinter sicheren Mauern; in einzelnen glücklichen 
Streifzügen aber schnitt er Ludwig die Lebensmittel ab, verwüstete 
die Umgegend. So trat in dem französischen Heere bald Mangel 
ein, dazu kam die Kälte des Winters, welche die Truppen meist 
im offenen Felde auszuhalten hatten; schon musste sich Ludwig 
unter schweren Verlusten aus seinem Lager in der Nähe Neapels 
in die Gegend von Airola zurückziehen. Da bot ihm Karl einen 
Zweikampf an, weil ihn der Herzog „feig und niederträchtig" ge- 
nannt habe; lange zogen sich die Verhandlungen darüber hin, 



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im 



Französische Gesandtschaft. 



201 



indem die Gegner die Correspondenz benutzten, um gegenseitig 
ihre Galle zu erleichtern und den andern in höchst unritterlicher 
Weise zu schmähen; schliesslich kam es doch nicht zum Duell, 
weil Karl jenes Mittel nur ergriffen hatte, um den Gegner noch 
länger hinzuhalten "). Und bald gesellte sich zu Hunger und Kälte 
der dritte furchtbare Genosse, der unter solchen Verhältnissen 
namentlich im Felde sich immer einzustellen pflegt: eine entsetz- 
liche Seuche lichtete die Glieder des französischen Heeres. Am 
22. März 1 383 erlag ihr der Graf Amadeus von Savoyen, Ludwigs 
beste Stütze. 

So standen die Sachen in Neapel ; griff Wenzel noch zu Gun- 
sten von Urbans Schützling ein, so konnte Ludwigs Niederlage 
für entschieden gelten. Dem wollte Clemens entgegenarbeiten; 
der Macht des Goldes sind ja die Thore allezeit nur zu weit 
geöffnet gewesen. Da er erfahren, dass der König von Frankreich 
Gesandte nach Deutschland schicken wollte, wies er diesen Geld- 
summen bis zu einem Betrage von 50,000 Francs in Gold an, mit 
welchem sie die Räthe und Leute Wenzels, sowie andere ihnen 
geeignet dünkende Leute gewinnen sollten. Das geschah am 13. 
April 1383; am 26. April gab Karl VI. seinen Bevollmächtigten 
den entsprechenden Auftrag 2 ). 

Die Gründe, welche Karl bewogen, sich an Wenzel zu wen- 
den, lassen sich unschwer errathen. Die Heirath Richards mit 
Anna hatte Besorgnisse erweckt; noch im letzten Augenblicke war 
geplant worden, sie zu durchkreuzen, indem das Schiff, auf wel- 
chem Anna überfuhr, genommen werden sollte. Nur den Be- 
mühungen des Herzogs von Brabant gelang es, dieses Project zu 
hintertreiben 3 ). In England wurde der Krieg gegen Frankreich 
eifrig betrieben, gerade damals rüstete der Bischof von Norwich 
seine Expedition aus; eine thatkräftige Unterstützung von Seiten 
Deutschlands machte die Gefahr zu einer sehr ernsten. Von die- 
ser sollte W T enzel gemäss den alten Verträgen zurückgehalten 
werden. Wie in Avignon wird man ferner auch in Paris bestrebt ge- 
wesen sein, dem königlichen Oheim Ludwig von Anjou seine be- 
denkliche Situation in Neapel nach Möglichkeit zu erleichtern. 



1) Die Briefe, ein interessanter Beitrag zur Charakteristik dieser Zeit, bei 
Lünig Cod. Ital. dipl. II, 1181 ff. 

2) RA. S. 392 f. 

3) Froissard IX, 460. 



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202 



Vierzehntes Kapitel. 



1383 



Gelang es noch ausserdem, den römischen König wenn auch nicht 
zu Clemens hinüberzuziehen, doch wenigstens in seinen Bestrebun- 
gen für Urban schwankend zu machen, so war für den Augenblick 
ein grosser Vortheil gewonnen. 

Vom 5. Mai ist die Urkunde datirt, welche den Gesandten 
Bischof Peter von Maillezais, Bruder Angelus von Spoleto Gene- 
ralminister der Minoriten, Guido von Honcourt und Raymund Ber- 
nardus Flamingi und dem Secretair des Königs, Johannes de 
Ailliaco die Vollmacht ertheilt, im Namen Karls VI. und seiner 
Erben, der königlichen Oheime, Herzöge von Anjou, Berri und Bur- 
gund mit Wenzel und dessen Brüdern Verträge abzuschliessen *). 

Die Abreise verzögerte sich einige Zeit, wohl deswegen weil 
inzwischen die Nachricht gekommen war, dass Wenzel nicht nach 
Italien gegangen. In Rom aber war man schon Mitte Juni über 
die Absicht des französischen Herrschers unterrichtet; am 17. Juni 
warnte Urban den römischen König, nachdem er ihm über die 
Aufschiebung des Römerzuges die lebhaftesten Vorwürfe gemacht, 
vor den Fallstricken, welche ihm die Gallier legen wollten. „Achte 
sorgfältig darauf, wie gefährlich es ist, mit ihnen Dich in Unter- 
redung einzulassen. Ihre trügerischen Worte kriechen wie der 
Krebs und wie es im Evangelium heisst, musst Du ohne Falsch- 
heit sein wie die Tauben und klug wie die Schlangen , Dich vor . 
ihrer List und Schändlichkeit hüten und sie und ihresgleichen so 
schnell wie möglich aus Deinem Reiche und von Deinem Angesicht 
gänzlich wegweisen" 2 ). 

Diese guten Rathschläge und Ermahnungen fielen freilich bei 
Wenzel auf unfruchtbaren Boden. 

Anfang Juli war die französische Gesandtschaft in Nürnberg, 
dessen Rath sie bewirthete und weiter geleitete; vielleicht ging sie 
erst zu Herzog Friedrich von Baiern, welcher von Karl VI. um 
Hilfe gegen den Bischof von Norwich angegangen worden war. 
„Dieser wünschte sehr seine Waffen für Frankreich zu führen und 
diesen Staat zu sehen; denn er liebte die Ehre und man hatte 
ihm gesagt, dass alle Ehren der Welt in Frankreich wären. 0 In 



1) RA. S. 393. In dem einen Exemplare des Procuratoriura wurden nach 
pro — — nostrisque heredibus die Worte et successoribus weggelassen, da 
man (vermuthlicb im Hinblick auf Richard von England, welcher sieb als legi- 
timen successor regni Franciae betrachtete) schwankend war, ob man sie hinzu- 
fügen solle. 

2) Pelzel Urk. S. 57 n. 37. 



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1383 Ernennung des Jodocus zum Generalvicar von Italien. 203 

der That übte das französische Ritterwesen, der glänzende Hof 
derValois einen mächtigen Reiz auf die deutschen Fürsten; ausser- 
dem hat jedenfalls Herzog Albrecht von Holland, der Oheim 
Friedrichs, die Beziehungen zu Frankreich vermittelt. Der Herzog 
war bereit, dem an ihn ergangenen Rufe zu entsprechen; mit statt- 
licher Mannschaft eilte er in den Hennegau zu seinem Oheim 
Albrecht *). 

König Wenzel hatte inzwischen, um den italischen Ver- 
hältnissen mehr Fürsorge angedeihen zu lassen, am 3. Juli Jobst 
von Mähren seinen Vetter mit den ausgedehntesten Vollmachten 
zum Generalvicar von Italien ernannt; in ganz abnormer Weise 
gestattete er ihm sogar die Vicariatsrechte nicht blos auf italischem 
Boden, sondern überall, wo er sich auch befinde, auszuüben. Jobst 
wurde vollständig in die Rechte des Kaisers eingesetzt 2 ). 

Diese Verleihung eröffnet eine Reihe zahlreicher nicht weniger 
umfassender Vergabungen und Zugeständnisse, welche der König 
seinem ehrgeizigen, habgierigen und gewissenlosen Vetter machte. 
Es galt, Jobst geneigt zu machen, Sigismund in Polen und Un- 
garn Unterstützung zu gewähren; denn sein Reichthum, wie die 
Lage seines Gebietes konnten den mährischen Fürsten zum besten 
Bundesgenossen des Candidaten der ungarischen Krone machen. 
Deswegen haben Wenzel wie Sigismund kein Mittel gescheut 
Jobst zu gewinnen, aber in dem ränkevollen Verwandten sich selbst 
die schlimmste Geissei grossgezogen. Es ist kaum anzunehmen, 
dass Jobst die Absicht hatte, nach Italien zu gehen; er hat es in 
der That auch nie gethan. Er zeigt stets das Streben, Rechte 
und Vollmachten in entfernten Gegenden an sich zu bringen, in 
welchen er doch kaum je persönlich erschienen ist; er Hess sich 
später die Mark Brandenburg, wie die Landvogtei im Elsass ver- 
pfänden, sich zum Statthalter von Luxemburg ernennen. Ueberall 
aber verstand er trotz seines erbärmlichen Regimentes, welches 
die ihm untergebenen Länder zum Verderben führte, dennoch seine 
Taschen zu füllen. Jobst war eben ein gewandter Geldmann, wie 

1) Froissard X, 237. Allerdings sagt dieser, dass der König am 15. August 
in Arras war und dort die Aufforderungsschreiben ergehen Hess, dahinter be- 
merkt er aber, dasß an Friedrich als den entferntesten zuerst geschrieben wor- 
den sei. Demnach kann die Gesandtschaft ihm ganz gut den Brief Oberbracht 
haben. Nach den Reg. Bo. war Friedrich noch am 15. Juli in Landshut, am 
5. October ist er wieder in Baiern. Sein Aufenthalt im Hennegau (Froissard X, 
241) kann nur kurze Zeit gedauert haben. 

2) Sickel a. a. 0. 84 ff. ; Palacky Form. II, 36 n. 25. 



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204 



Vierzehntes Kapitel. 



1383. 



Wenige seiner Zeit, ein geschickter Speculant. So wird auch dieses 
Vicariat in Italien von ihm gewünscht worden sein, weil immerhin 
einige, wenn auch nicht bedeutende Gelder sich herausschlagen 
Hessen , und Wenzel , für den Italien plötzlich an Interesse ver- 
loren, gab es in leichtsinniger Weise weg. 

Wenig später werden die französischen Gesandten eingetroffen 
sein. Auch Herzog Leopold war als Clementist entweder selbst erschie- 
nen oder hatte Boten geschickt l ). Die Gesandten entledigten sich des 
ihnen vom Papste Clemens gewordenen Auftrages, indem sie dem 
Könige eine Denkschrift überreichten, welche die Unrechtmässig- 
keit der Wahl Urbans darthun sollte. Sie sei von den Cardinälen voll- 
zogen unter dem Eindruck der Todesfurcht und daher nach allen 
canonischen und juristischen Regeln ungiltig. Das Actenstück 
ist sehr unbedeutend, unter den clementistischen Parteischriften 
lassen sich so manche anführen, welche ihre Sache weit besser 
vertreten. Der Beweis wird besonders geführt gegen die Bündniss- 
urkunde, in welcher am 27. Februar 1379 der deutsche König und 
die Kurfürsten sich zur Anerkennung und Durchsetzung der Le- 
galität Urbans verpflichtet; die kurze Erzählung der Thatsachen, 
welche die Wahl begleiteten, ist fast wörtlich der Declaration der 
Cardinäle vom 2. August 1378 entnommen. Bemerkens werth ist 
nur die Stelle, welche betont, dass Clemens kein Franzose, 
sondern als Graf von Genf dem Reichsboden entsprossen sei. Als 
wenn damit das avignonesische Papstthum seines specifisch-fran- 
zösischen Charakters entkleidet worden wäre ! 

Ein Erfolg war nicht zu erwarten, am wenigsten von einer 
so schwachen Argumentation ; wie hätte Wenzel auch durch 
plötzlichen Wechsel seine Antecedentien verläugnen, seine ganze 
politische Stellung gefährden sollen. „Nihil fecerunt" lautet daher 
die laconische Aufschrift, welche der französische Canzlist dem 
Briefe vom 26. April gab. Ob unter diesen Umständen die Gold- 
stücke aus Avignon in die Taschen der böhmischen Räthe ge- 
wandert sind? Vielleicht doch, denn wenn auch Clemens Aner- 
ke nnung nicht zu erreichen war, konnten doch noch wesentliche 
Dienste geleistet werden. Es sieht überhaupt aus, als wenn der 
ganze Versuch nur zum Scheine gemacht worden sei, um die 
Rechtmässigkeit des Gegenpapstes, mochte nun Wenzel an sie 
glauben oder nicht, an seinem Hofe und in Deutschland öffentlich 



1) Lichnowsky Reg. 1796-1800. 



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1383. 



Die Vollmachten des Jodocus. 



205 



zn proclamiren. Konnte doch so leicht der Glauben erweckt werden, 
als sei der Herrscher in seiner üeberzeugung wankend geworden. 
Wie richtig die Rechnung war, zeigte sich bald genug; Wenzel 
mu8ste ausdrücklich dem Gerüchte entgegentreten, dass er sich 
durch die Gesandtschaft zum Abfall von Urban habe verleiten lassen. 

Die Franzosen fanden die Ernennung des Jodocus zum Ge- 
neralvicar von Italien bereits als Tbatsache vor und daher war es 
nicht unwichtig, diesen zu gewinnen. 

In der That ist es sehr wahrscheinlich, dass die Franzosen 
Jodok nicht ohne Erfolg angingen; denn auf ihren Antrieb wird 
es geschehen sein, wenn der König gerade den Markgrafen mit der 
Erledigung der französischen Anträge betraute, mit dem Abschlüsse 
eines Bündnisses und der Vermittlung in der Kirchenfrage. Die 
Gesandtschaft versuchte demnächst die Instructionen des Mark- 
grafen in einem dem Gegenpapste und dessen Interessen möglichst 
günstigen Sinne zu beeinflussen. Sie legte Entwürfe für dieselbe 
vor, welche ihren Wünschen die weiteste Rechnung trugen. Jodocus 
sollte, sobald er nach Italien gekommen wäre, die alten Verträge 
mit dem königlichen Hause in Frankreich erneuern, ganz beson- 
ders aber mit dem Herzoge von Calabrien und Touraine, dem 
künftigen Könige von Sicilien und Grafen der Provence etc. ein 
Bündniss schliessen auf gegenseitige Vertheidigung und Wahrung 
ihrer Herrschaften u. s. w. mit aller Macht. Darin lag also die 
bestimmte Anerkennung Ludwigs von Anjou als Erbe der Johanna 
ausgesprochen. In einem zweiten Schriftstücke wird Jodocus be- 
auftragt, die Beilegung des verderblichen Schisma, welches ent- 
standen sei durch die zwiespältigen Wahlen des Bartholomäus 
von Bari und des Robert von Genf, mit aller Sorgfalt zu betreiben. 
Er solle untersuchen, wer von beiden der rechte Papst sei, und 
dem, welchen er als solchen gefunden, seinen Beistand leihen, den 
andern vertreiben. Es wurde demnach die Legalität Urbans, 
der nicht einmal mit seinem Papstnamen bezeichnet wird, als 
zweifelhaft dargestellt. 

Freilich lauteten die Urkunden, welche Wenzel für Jobst 
ausstellte, — sie sind datirt vom 21. August, demselben Tage, 
an welchem die Denkschrift für Clemens überreicht wurde — 
ganz anders; gerade die Hauptstellen der Entwürfe sind abge- 
schwächt. Der König bevollmächtigte den Markgrafen, sobald er 
nach Italien gekommen wäre, Bündnisse mit Karl VI. und dessen 
Brüdern abzuschliessen, zu erneuern und zu bestätigen, einschliesslich 



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20C 



Vierzehntes Kapitel- 



1383. 



den Herzog von Anjou oder mit demselben allein eine Liga ein- 
zugehen. Es wurde also letzterem der Titel von Sicilien versagt 
und ausserdem die ganze Vollmacht so allgemein wie irgend 
möglich gehalten. Indessen war doch so viel für Ludwig erreicht, 
dass Jodocus nicht beauftragt wurde, gegen ihn vorzugehen; der 
Streit zwischen dem Franzosen und Karl von Durazzo wurde ganz 
unerwähnt gelassen, also auch des letzteren Rechte in keiner 
Weise anerkannt. 

Mit vielem Geschick wird dem zweiten Entwürfe, das Schisma 
betreffend, die Spitze abgebrochen. Nicht Jodok persönlich wird 
ein Auftrag ertheilt, der König macht vielmehr der Welt bekannt, 
er schicke den Markgrafen als Generalvicar nach Italien und habe 
ihm Vollmacht gegeben, „dass er alle möglichen Wege und Mittel 
finde und einschlage, welche der Erhaltung und dem Nutzen 
der heiligen römischen und allgemeinen Kirche, dem Heil und 
Gedeihen des orthodoxen Glaubens nützlich erscheinen und durch 
welche Frieden und Einheit der Christenheit gefestigt werden 
könne." Kurz und inhaltlos sind demnach die Worte. Urban 
wird nicht ausdrücklich als der rechte Papst genannt, und damit 
wurde den Wünschen der Franzosen Rechnuug getragen; aber 
bei der Stellung, welche der König vorher eingenommen und bald 
wieder öffentlich bethätigte, konnte das Actenstück doch un- 
möglich zu Clemens Gunsten ausgelegt werden. 

Eine zweideutige Politik feierte ihre Triumphe, und es entsteht 
die Frage, warum Wenzel zu einer solchen griff. Und wieder 
bleibt uns nur eine Antwort übrig: die Rücksicht auf Sigismund 
war auch hier massgebend. Man muss geradezu sagen, der König 
hatte kein Verständniss für die grossen Fragen, um die es sich 
handelte. Statt in der energischen Behandlung dieser Lebens- 
frage der gesammten Christenheit den Weg zu erkennen, der ihn 
zu Ruhm und Ansehen führen musste, zog er kurzsichtig es vor, 
weitaussehenden Verwicklungen auszuweichen, um Zielen nachzu- 
gehen, die er schliesslich auch auf jenem Wege erreichen konnte. 

Wenzel wollte sich nach allen Seiten hin die Hand frei halten, 
um nötigenfalls in Ungarn eingreifen zu können. Daher vermied 
er einen Bruch mit Frankreich, denn wie die Folgezeit lehrte, 
war er gar nicht so sicher, dass nicht dieses sich in die ungari- 
schen Angelegenheiten mischte und die alten Verbindungen mit 
der dortigen Königsfamilie wieder aufnehmend sich störend zwi- 
schen Sigismund und dessen Braut drängte. In der neapolitanischen 



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1383. 



Der König und der Papst. 



207 



Sache lief Wenzels Politik auf völlige Neutralität hinaus; ihm 
konnte es nur erwünscht sein, wenn dort der Kampt sich in die 
Länge zog und Karl durch denselben hingehalten wurde, bis Si- 
gismund die ungarische Krone trug 1 ). So gerieth der deutsche 
Herrscher auf ganz haltlose Bahnen. Er blieb mit Frankreich in 
Freundschaft, aber er erkannte das französische Papsthum nicht 
an; er wies ein entschiedenes Zusammengehen mit England zu- 
rück, liess den Kampf in Neapel gehen wie er ging, aber hielt 
doch wieder an Urban fest und bekämpfte in Deutschland und 
Böhmen dessen Gegner. 

Wir wissen nicht, ob Karl VI. mit den Früchten zufrieden 
war, welche seine Gesandten heimbrachten, auch nicht, ob die 
Verträge, zu welchen der König Jobst Vollmacht gegeben, zu 
Stande gekommen sind. Da Jodocus nicht nach Italien ging, ist 
wohl die ganze Angelegenheit eingeschlafen. Als im Januar 1384 
Frankreich und England zu Leelingen einen Waffenstillstand 
schlössen, führten beide Parteien Wenzel als ihren Verbündeten 
an; die principlose Haltung desselben kann nicht deutlicher be- 
zeichnet werden. 

Urban war von der Nachricht, dass der König nicht nach Rom 
kommen werde, aufs unangenehmste berührt worden. „Es ziemt 
sich weder für deine Stellung noch für deine Ehre, deine Ankunft 
in Rom hinauszuschieben, du musst sie vielmehr nach Möglichkeit 
beschleunigen. Denn es steht geschrieben: Oft hat das Hinaus- 
schieben geschadet. Wenn dein Vater noch lebte, würde die rö- 
mische Kirche in so grossen Gefahren nicht so lange den Schutz 
und Beistand ihres Vogtes und Beschützers entbehrt haben« — 
schrieb' er in demselben Briefe, in welchem er den König vor 
den gallischen Verführungskünsten warnte. Der König erwiderte: 
wenn auch einige Missgünstige dem Papste über die Verzögerung 
der Romfahrt und über die Anhörung der französischen Gesandten 
Uebles zu berichten sich unterfangen hätten, so wisse doch Gott 
und die Wahrheit werde es an das Licht bringen, dass er, wie 
sein Vater es gethan, Urban stets treu anhänge und durch keine 
Verführung abwendig gemacht werde. Nicht sein Wille, sondern 
der Zustand gewisser Theile des Reichs und offenbarer Nothstand 
hätten ihn vom Römerzuge zurückgehalten. Wenn der Papst 
wolle, dass seine und des Reiches Lage einen glücklichen Aut- 



1 ) Raynald 1383, 1 behauptet geradezu, dass Wenzel Ludwig begünstigt habe, 



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208 Vierzehntes Kapitel. 1383. 



schwung nähme, dann möge er nach Aquileja, welches die Schlüssel 
zur Erlangung der Kaiserwürde innehabe, den Bischof von Bam- 
berg transferiren *). 

Der Wunsch wurde nicht erfüllt. Denn wie der König in 
seinen Bemühungen für Urban nachliess, war damals auch für 
diesen eine entscheidende Wendung eingetreten. Auch er setzte 
die allgemeinen Angelegenheiten der Kirche bei Seite und stürzte sich 
mit rücksichtsloser Hast in selbstsüchtige Unternehmungen, welche 
ihm die schwersten Stunden, die schlimmsten Demüthigungen brin- 
gen sollten. Nur unter den drückendsten Bedingungen hatte er 
Karl die Krone Neapels verliehen, welche dieser, namentlich seit- 
dem die Kraft des französischen Gegners erlahmte, nicht entfernt 
zu halten gewillt war. Er hatte weder dem Neffen des Papstes 
die ausbedungenen Gebiete eingeräumt, noch scheint er im Uebri- 
gen die übernommenen Verpflichtungen gegen Urban erfüllt zu 
haben. 

Denn Karl betrachtete als Quelle seiner Rechte auf Sicilien 
seine Erbansprüche, nicht die Uebertragung des Königthums durch 
den Papst; seine Darlegung gegenüber Ludwig von Anjou beruft 
sich vornehmlich auf jene. Die seiner Herrschaft drohenden Ge- 
fahren gaben dem Könige ausserdem bequemen Vorwand, seine 
Wortbrüchigkeit zu entschuldigen. 

Da entschloss sich Urbau, selbst in das Königreich zu gehen 
und seine Absichten bei Karl durchzusetzen. Im April 1383 
hatte er die Stadt Rom verlassen, in der die Pest wüthete, und sich 
in die gesunde Luft von Tivoli zurückgezogen; dann ging er in 
das campanische Schloss Valraontone, wo er sich mehrere Monate 
aufhielt 2 ). Da er inzwischen die Nachricht erhielt, dass Wenzel 
nicht komme, wurde seine Absicht nach Neapel zu gehen noch 
mehr befestigt. Einige Cardinäle riethen ab und weigerten sich 
zu folgen, indem sie auf die möglichen Gefahren hinwiesen; sie 
wurden durch drohende Briefe gezwungen, ihren Widerstand auf- 
zugeben und nachzukommen. Nach Michaeli wurde die Reise an- 
getreten, bei SanGermano die neapolitanische Grenze überschritten; 
in Aversa traf der Papst mit König Karl zusammen, der ihn mit 
heuchlerischer Ehrfurcht empfing. Aber in der folgenden Nacht 
wurde Urban durch die Soldaten Karls als Gefangener auf das 



1) Beilage XII. 

2) Doch ist der oben angeführte Brief vom 17. Juni aus Rom gegeben. 



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1383. Urban VI. geht nach Nocera. 209 

Schloss geführt. Drei Tage dauerte die Haft des Papstes, dann 
erst konnte er gemeinsam mit dem Könige nach Neapel weiter- 
ziehen. Was zwischen Beiden vereinbart worden ist, wissen wir 
nicht. 

Aber der Papst veränderte zunächst nur den Ort des Ge- 
fängnisses; er wurde von dem Könige in das Castello nuovo ge- 
wiesen, wo er streng bewacht wurde, wenn er auch dem äusseren 
Scheine nach frei war. Erst später durfte Urban den erzbischöf- 
lichen Palast in Neapel beziehen. Aber die Frevelthaten seines 
von ihm so begünstigten Neffen Franz Butillo — er hatte eine 
Nonne entführt und geschändet und war von dem Gerichte Karls zum 
Tode verurtheilt worden — gaben Karl willkommene Gelegenheit, 
seine Versprechungen nicht zu halten. Franz erhielt nur das Schloss 
Nocera zu Lehen. Während Karl gegen Ludwig im Felde stand, 
eilte im Juni 1384 Urban selbst mit den Cardinälen nach Nocera 
in der thörichten Hoffnung, noch immer seinen Willen durchsetzen 
zu können. Dort sass er verlassen und einsam, die Sache der 
Kirche völlig preisgebend; er hatte durch seine an Wahnsinn 
streifende Hartnäckigkeit sich selbst in die traurigste Lage 
versetzt *). 



Fünfzehntes Kapitel. 

Vorgänge im Reiche. 

Der Nürnberger Herrenbund vom 11. März 1383 hatte gegen- 
über dem rheinisch-schwäbischen Städtebunde die Fürsten geeint 
und so zwei Feldlager geschaffen. Noch kam es nicht zum offe- 
nen Kriege, so misstrauisch sich auch die Parteien beobachteten; 
beiderseits stand man mehr in der Defensive, als in der Offensive. 
Städte wie Fürsten waren entschlossen, Uebergriffe nötigenfalls 
mit Gewalt abzuweisen und Jeder fürchtete solche vom Andern, 
aber directe Angriffe wurden vorläufig vermieden. Denn Niemand 
konnte sich verhehlen, dass der Kampf ein furchtbarer werden 



1) Vgl. die ausführlichen Erzählungen Dietrichs (I. c. 28 ff.) und des Go- 
belinus Persona (bei Meibom. I, 299 ff.). 

Th. Lind n er, Geschichte des deutschen Reiche«. I. 14 



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210 Fünfzehntes Kapitel. 1383. 

• 

müsse und sein Ausgang nicht völlig zweifellos sein werde. 
Die Gegner waren daher vielleicht froh, wenn das Aeusserste 
noch hinausgeschoben wurde, vielleicht gab man auch die Hoff- 
nung auf einen Ausgleich noch nicht ganz auf. Entscheidend 
war die Haltung des Königs. Er hatte den Nürnberger Bund zu 
Stande gebracht in dem Gedanken, alsbald nach Italien zu ziehen ; 
jetzt war die Romfahrt vertagt und andere Sorgen erfüllten den 
Sinn des Herrschers. Sollten diese neuen Verhältnisse nicht auch 
auf die Reichspolitik Wenzels ihre Rückwirkung üben? Das ge- 
schah in der That, der König machte eine entschiedene Wen- 
dung. Er, der seit 1381 dem städtefeindlichen Einflüsse der Kur- 
fürsten gefolgt war, lässt sich jetzt nicht mehr vorwärts drängen. 
Ohne es mit den Fürsten verderben zu wollen , macht er doch 
auf dem eingeschlagenen Wege Halt und greift nicht zu weiteren 
Massregeln gegen die Bürgerschaften. Sein Streben geht viel- 
mehr dahin, zu vermitteln und den Frieden im Reiche zu be- 
wahren, um hier nicht allzusehr in Anspruch genommen zu wer- 
den. Und während vordem seine Thätigkeit fast ausschliesslich 
dem Reiche zugewandt war, wird das nun wenn auch nur all- 
mälig anders. Mehr und mehr merkt man, wie bei Wenzel das 
Interesse am Reiche zurücktritt, die Familienpolitik die erste 
Stelle einnimmt. 

Daher sind die neuen Vermittlungsversuche wahrscheinlich 
vom Könige ausgegangen. 

Ende September versammelten sich die Fürsten und die 
Städteboten zu Nürnberg: vier baierische Herzöge (wahrscheinlich 
ist Pfalzgraf Ruprecht mit einbegriffen), Leopold von Oestreich, 
Adolf von Mainz, die Bischöfe von Würzburg, Bamberg, Eichstädt 
und Augsburg, vier Markgrafen von Meissen, der Burggraf von 
Nürnberg, die beiden Wirtemberger Grafen und viele andere 
Grafen und Herren werden aufgezählt ; also eine zahlreiche, glän- 
zende Schaar. Auch der Landgraf Herrmann von Hessen kam; 
er feierte seine Vermählung mit Margaretha, der Tochter des 
Burggrafen von Nürnberg. Noch war der König nicht angekom- 
men, und man wusste über die Zeit seiner Ankunft nichts Be- 
stimmtes. Um aber keine Zeit zu verlieren und die Erledigung 
der Sachen vorzubereiten, ernannten die Fürsten den Pfalzgrafen 
Ruprecht, die Herzöge Stephan und Leopold, den Erzbischof von 



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1383. Reichstag zu Nürnberg im September und October 1383 . 211 

Mainz, und die Städte ihrerseits vier aus ihrer Mitte, welche täg- 
lich verhandelten '). 

In der ersten Hälfte des October erschien Wenzel selbst. 

Der Empfang der französischen Gesandtschaft hatte nicht verfehlt, 
im Reiche Aufmerksamkeit zu erregen; es entstanden Gerüchte 
über eine Sinnesänderung des Königs. Deswegen brachte er die 
Kirchenfrage noch einmal zur Sprache, um sein unverändertes 
Festhalten an Urban öffentlich darzulegen. Allgemein machte 
er durch Botschaften im Reiche bekannt, nur boshafte Ver 
läumdung habe ausgesprengt, dass er sich durch die Franzosen 
habe zu Clemens hinüberziehen lassen. Durch weitere Verfügun- 
gen gab er den Beweis seiner unerschütterten Gesinnung. Er 
befahl, den von Clemens bestellten Meister der Antoniter-Häuser 
zu Rossdorf in der Wetterau auszuweisen und den von Urban er- 
nannten wieder einzusetzen. Ganz besondere Sorgfalt aber wandte 
er dem Bisthum Basel zu 2 ). 

Dort war am 7. October 1382 der Bischof Johann von Vienne 
nach wenig löblichem Regimente gestorben. Das Capitel spaltete 
sich: die Mehrheit wählte den Scholastikus Imer von Ramstein, 
die Minorität den Canonicus Werner Schaler. Es wiederholte 
sich das Stück, welches in Folge des leidigen Schisma in so vielen 
Bisthümern Deutschlands spielte ; während Imer seine Bestätigung 
von Urban erbat, wandte sich Werner, vom Herzoge Leopold 
unterstützt, an Clemens. Die Stadt Basel, welche sich Anfangs 
neutral hielt und beiden den Ehrenwein schenkte, trat auf 
Schalers Seite, dem östreichischen EinHuss wie seit Jahren auch 
hier nachgebend, und wurde deswegen von Urban mit dem Inter- 
dicte belegt. Dies mochte wirken ; als Imer nach dem März 
1383 von Urban bestätigt wurde, Hess sich die Stadt von ihm 
am 18. Juni die Handfeste ertheilcn. Wenzel nahm sich Iniers 
angelegentlich an ; am 19. October ertheilte er ihm in Nürn- 
berg in absentia provisorisch auf ein Jahr die Regalien, an 
15 Städte in der Schweiz und im Elsass, darunter Strassburg, 



U RA. d. 232. — Für die drei jungen Markgrafen von Meissen wurde 
am 11. October die Belehnungsurkundo ausgestellt. Horn a. a. 0. 661; 
vgl. S. 162. 

2) RA. n. 225 ; 226 an die Bischöfe von Lütticb, Utrecht und Doornik; 
jedenfalls ergingen ähnliche Schreiben an das ganze Reich. — Die Nachrichten 
bei Bzovius 1383, 18 gehören in andere Jahre. 

14* 



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212 Fünfzehntes Kapitel. 1383. 

Basel, Bern und Zürich schickte er den Befehl, Imer zum Kampfe 
gegen Schaler die Reichsschlösser zu öffnen ; Ulrich von Vinstingen, 
Landvogt im Elsass wurde beauftragt, dem rechtmässigen Bischof 
seinen Beistand zu leihen. Selbst den Herzog Leopold forderte 
der König auf, Imer in Schutz zu nehmen. — Diesem gelang es 
in der That sich zu behaupten *). 

Von den Verhandlungen, welche der König mit den Fürsten und 
Städten pflog, ist uns nur wenig überliefert. Vielleicht ist die schon 
so lange erwogene Frage nach einer Einigung zwischen beiden Par- 
teien aufs neue erörtert worden; die Resultate der Besprechung 
sind uns verborgen. Ruprecht und Adolf, die thätigen Leiter der 
Fürstenpartei, wurden beide von dem Könige mit Gnaden bedacht: 
Ruprecht erhielt die Erlaubniss, die an Baden verpfändete Stadt 
Eppingen einzulösen, während Wenzel im Interesse Adolfs alle die 
Privilegien der Stadt Mainz widerrief, welche dem Erzbischof und 
der Geistlichkeit schädlich sein könnten, ganz besonders den 
Brief über erweiterte Gerichtsbarkeit, welchen er selbst am 12. 
April 1380 unter anderen Umständen der Stadt verliehen 2 ). 

Die Bischöfe und die in den Reichsstädten befindliche Geist- 
lichkeit befanden sich damals allerdings in einer ungünstigen 
Lage. Nachdem die aufblühenden Bürgerschaften sich von der 
bischöflichen Obmacht meist völlig befreit hatten, strebten sie 
danach, auch die Selbstständigkeit der städtischen Pfaffheit zu 
brechen. Sie verlangten von ihr Abgaben und suchten sie mehr 



1) RA. n. 227—229; Ochs Geschichte der Stadt und Landschaft Basel 
II, 269 ff.; Trouillat Monuments de l'hist. de l'ancien evöche de Bale IV. 
Am 24. Januar des folgenden Jahres befahl Wenzel überraschender Weise den 
Baselern, den ehrwürdigen Wolf hart von Ernfels, den Urban der Baseler Kirche 
zum Verweser gegeben und nachher auf des Königs Bitte mit dieser providirt 
hatte, als ihren Bischof zu halten; die früheren Briefe (also die für Imer) 
werden widerrufen. Dieser Wolfhart war früher noch zu Lebzeiten Johanns 
von Vienne Verweser des ßisthnms gewesen. Es scheint, als ob Wenzel nur 
in wenig ehrenhafter Weise von Imer Geld erpressen wollte ; denn nachdem er 
1000 Gulden erhalten, Hess er Imer unangefochten, ertheilte ihm am 16. December 
1384 in aller Form die Regalien. — Nach Ochs II, 271 wäre Schaler schon 
1383 von seinem Gegner abgefunden worden, doch geschah dies erst 1385. 
Vgl. Trouillat IV, 454, 785; Lichnowsky Reg. 1850, 1852, 1855; Forschungen 
zur deutschen Gesch. III, 14; siehe auch Kapitel XVII. 

2) Hugo Mediatisirung 231 ; Würdtwein Subsidia dipl. II, 392. Am 5. Oct. 
fällte Ruprecht mit Burggraf Friedrich in Nürnberg einen Schiedsspruch zwi- 
schen Adolf ron Mainz und Hermann von Hessen. RA. n. 281. 



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1383. Die Städte und die Geistlichkeit. 213 

der städtischen Gerichtsbarkeit unterzuordnen, dem Anwachsen 
des geistlichen Besitzes wurden Schwierigkeiten entgegengestellt. 
Ganz besonderen Anlass zu immerwährenden Streitigkeiten gaben 
die mancherlei Vorrechte, welche die Geistlichkeit in vielen Städ- 
ten in Bezug auf Weinschank und dergleichen besass; hier war 
eine ewig fliessende Quelle des Haders vorhanden. Gab die Geist- 
lichkeit nicht nach, so wurden mancherlei Massregeln gegen sie 
ergriffen, zum Beispiel den Handwerkern der Stadt verboten, für 
sie zu arbeiten. 

Die Macht, welche die Städtebünde ihren Mitgliedern verlie- 
hen, verführte dieselben leicht zu Gewaltthätigkeiten gegen den 
Clerus ; daher der Hass, mit welchem diese meist jene Bündnisse be- 
trachteten. „Die Städte verfolgten die Cleriker mehr als die 
Juden; sie handelten nach ihrer Willkür und verachteten jedes 
Recht, um die canonischen und gesetzlichen Strafen kümmerten 
sie sich nicht; sie gedachten den Clerus ganz auszutilgen. u „Und 
etliche Städte unterstanden sich auch sehr die Pfaffen, Stifte und 
Klöster und geistliche Leute zu bedrängen," klagt auch die Limbur- 
ger Chronik. Selbst Begünstigung ketzerischer Lehrer wurde we- 
nigstens den Mainzern vorgeworfen *). 

Wenzel nahm im Grossen und Ganzen die Partei der Geist- 
lichkeit, weil er dadurch die geistlichen Fürsten für sich gewann; 
er hat vielfach Rechte der Städte, wenn sie der Geistlichkeit 
schädlich waren, aufgehoben. Aber wenig vortheilhaft war es der 
Autorität der höchsten Reichsgewalt, wenn sie vor kurzem feierlich 
ertheilte Privilegien so schnell widerrief. 

Wenzel war damals um so mehr bestrebt, die Fürsten in 
freundlicher Stimmung zu erhalten, als er sich mit einem Anschlage 
auf das Vermögen der Juden trug. Der schwäbische Bund mel- 
dete darüber der Stadt Speier, was er erfahren. Die Fürsten, 
zunächst am Rheine, sollten den Zehnten von ihren Juden dem 
Könige bewilligen; dasselbe Verlangen würde dann an die rheini- 
schen Städte gestellt werden. Für den Fall, dass Fürsten wie Städte 
nicht auf die Wünsche des Königs eingingen, trügen die Räthe des- 
selben das königliche Siegel bei sich, um die Juden vorzuladen 2 ). 

Der König wollte Geld; ob die Mittel und Wege, es zu ver- 



1) Chron. Mog. misc fragm. a. a. 0. 377 f. ; Limburger Chronik 71 ; Stchr. 
Augsburg I, 72. 

2) :BA. n. 283. 



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214 



Fünfzehntes Kapitel. 



1383. 



schaffen, ehrliche waren und sich mit seiner Würde als König ver- 
trugen, machte ihm wenig Sorgen. Hatte er doch gegründete 
Aussicht, dass sein Beraubungsplan gegen die Juden bei einem 
grossen Theile der Fürsten wie der Städte lebhaften Anklang 
finden würde. Zu welchen Zwecken er des Geldes bedurfte, ist 
leicht zu errathen : Sigismund sollte unterstützt werden, um Polen 
zu behaupten. — Noch kam der Plan nicht in nächster Zeit in 
Ausführung; erst zwei Jahre später, als Sigismund auch aus Un- 
garn weichen musste und auch diese Krone in Gefahr stand, 
wurde die Erpressung der Judengelder in umfassender Weise in 
Scene gesetzt. 

Mit der polnischen Angelegenheit steht wohl auch in Be- 
ziehung, wenn der König damals die Privilegien des deutschen 
Ordens bestätigte und alle demselben etwa schädlichen Briefe wider- 
rief. Denn der deutsche Hochmeister hatte sich bereit finden 
lassen, dem Herzoge Ziemowit von Masowien auf Unterpfand be- 
trächtliche Geldsummen zu leihen, welche dieser benutzte, um 
seine Pläne auf die polnische Königskrone zu verfolgen. Bereits 
hatte sich die Königin Elisabeth mit Beschwerden darüber an den 
Hochmeister gewandt und von diesem die Versicherung erhalten, 
dass er in keiner Weise etwas gegen sie unternehmen wolle 1 ). 
Jedenfalls war es für Sigismund förderlich, wenn der mäch- 
tige Orden seine polnische Throncandidatur mit günstigen Augen 
betrachtete. 

Der König brachte den Winter in Prag zu, wo er am ersten 
November bereits wieder angelangt war; im Reiche aber waren 
beide Parteien, Städte wie Fürsten, eifrig beschäftigt sich unter 
einander zu berathen und für künftige ernste Ereignisse vorzube- 
reiten ; standen doch die Dinge so, dass ein Zusammenstoss jeden 
Augenblick möglich war. Die Spannung war aufs höchste gestie- 
gen. Die Städte hatten eine Anerkennung ihres Bundes nicht 
durchgesetzt, die Fürsten aber ebenso wenig vermocht, denselben 
in irgend einer Weise zu trennen. Je fester sich die Städte zu- 
sammenschlössen, desto gefährlicher wurde ihre Macht, desto wei- 
ter gingen auch ihre Wünsche und Bestrebungen. Und wie es 
scheint, haben besonders die Städte es nicht an kühnem Zu- 
greifen fehlen lassen; ihr Streben ging ja darauf aus, die eigene 
Macht zu mehren, desto besser, wenn es auf Kosten der fürst- 



1) Caro II, 440, 454; Pelzel I, 141. 



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Kriegerische Aussichten. 



215 



liehen geschehen konnte. Gern nahmen sie Leute und Unter- 
thanen der Fürsten in ihre Mauern auf und vermehrten dadurch 
die eigene Steuerkraft und Wehrfähigkeit, während es für diese 
gar verlockend war, dem Abhängigkeitsverhältniss mit allen seinen 
drückenden Folgen zu entgehen. Ganz besonders war es den 
Bewohnern des platten Landes erwünscht, sich hinter sicheren 
Mauern zu bergen und so den unsäglichen Leiden zu entgehen, 
die jede geringfügige Fehde über sie verhängen konnte. Wurden 
doch auf Krieg6zügen häufig keine anderen Heldenthaten verrich- 
tet, als das schutzlose Land zu verwüsten, die offenen Dörfer zu 
verbrennen. Daher hebt die Konstanzer Chronik mit Recht her- 
vor, wie übel es den edlen Leuten damals erging, indem ihre 
Eigenleute in die Städte flohen. Dazu kamen die Klagen der 
Geistlichkeit, welche in gewiss häufig gerechtfertigtem Grolle ge- 
gen die Städte die Fürsten aufreizten, der Aerger der kleinen 
Ritter, welche sich beeinträchtigt glaubten und sicher auch oft 
Gewaltthätigkeiten erfuhren. — Zündstoff war in genügender 
Menge aufgehäuft; jeder Feuerfunken, der hinein fiel, konnte all- 
gemeinen Brand auflodern lassen. 

Wie sehr Einigkeit noth that, fühlte man auf Seiten der 
Städte am besten; um so mehr wurde die Beilegung von Zwistig- 
keiten betrieben. Noch war der Streit um den Zoll, welchen 
Worms und Speier gemäss den königlichen Privilegien erhoben, 
nicht geschlichtet. Aber wenn die Fürsten einst gehofft hatten, 
hier die Handhabe zu finden, um den festen Yerband der Städte 
zu lockern, so wussten diese glücklich vorzubeugen. 

Als Worms und Speier sich weigerten, die Zölle abzustellen, 
riefen die rheinischen Städte den Urteilsspruch des schwäbischen 
Bundes an. Auf mehreren Tagen erwog derselbe die Frage und 
that endlich am 23. April 1383 in Esslingen den Spruch, dass die 
beiden Städte den Zoll liegen lassen und nicht erheben sollten, 
„bis sie vor dem gemeinen Bunde zu dem Rechten gekommen« ; 
wollten sie das, sollten sie es vorher verkünden, worauf ein neuer 
Tag anberaumt werden würde. Die schwäbischen Städte gingen 
also auf eine principielle Lösung nicht ein und hofften durch 
Hinausschieben die unangenehme Frage vorläufig bei Seite zu 
schaffen. Aber obgleich Worms und Speier sich mit diesem Ent- 
scheid einverstanden erklärt hatten, fuhren sie doch fort, den Zoll 
auch von den Bundesstädten zu erheben. Darüber ging Strass- 
burg die Geduld aus und es scheute sich nicht, offenen Krieg 



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216 



Fünfzehntes Kapitel. 



1383-1384. 



zwischen den Städten hervorzurufen. Am 23. Juli forderte der 
dortige Rath die rheinischen Bundesstädte auf, gegen Wonns und 
Speier die grosse Summe von Gleven zu stellen, welche am 4. 
August bei Weissenburg sich mit ihrer Macht vereinen sollten; 
der widerrechtlich erhobene Zoll müsse zurückerstattet wer- 
den. Die beiden Städte suchten ihr Verfahren damit zu ent- 
schuldigen, dass die Sache in Esslingen nicht zur vollen Erledi- 
gung gekommen wäre; aber nachzugeben und vom Zolle ohne 
Entschädigung zu lassen, hatten sie offenbar keine Lust. Zum 
Glück fällte gerade in diesen Tagen der schwäbische Bund einen 
neuen Spruch, der die Privilegirten wenigstens nicht ganz leer 
ausgehen Hess; so lange der Bund dauere, solle der Zoll zwar 
nicht erhoben werden, aber Worms wie Speier jedes zur Entschä- 
digung 2000 Gulden erhalten. Auch dazu scheinen die Städte 
nicht bereit gewesen zu sein , denn wenn auch der Kriegszug un- 
terblieb, die Sache hing noch mehrere Monate in der Schwebe. 
Endlich erkannte Frankfurt, wie dringend wünschenswerth es sei, 
die leidige Zwistigkeit aus der Welt zu schaffen ; es forderte seine 
Eidgenossen auf, die Summe zu zahlen und drang mit seiner Mei- 
nung glücklich durch. Am 11. Februar 1384 wurden die be- 
treffenden Urkunden ausgestellt. Der missliche Handel war so 
endlich beigelegt, aber er zeigte in trauriger Weise, wie wenig 
Opferwilligkeit und Sinn für die gemeinsame Sache in so mancher 
Stadt zu finden war. Wie sollte es da in der Stunde der ernsten 
Gefahr werden, welche Anspannung aller Kräfte erforderte ') ! 

Und eine solche war nahe bevorstehend! Der Ehinger Frie- 
den war am 6. Januar abgelaufen und nunmehr war ein grosser 
Theil der Fürsten entschlossen, gegen die Städte loszuschlagen. 
Im Februar kamen sie in Mergentheim zusammen: der Kurfürst 
Ruprecht und sein Grossneffe Ruprecht Klem, Bischof Gerhard 
von Würzburg, Burggraf Friedrich von Nürnberg, der alte Eber- 
hard von Wirtemberg; Adolf von Mainz, Leopold von Oestreich, 
Lampert von Bamberg hatten ihre Räthe gesandt. Die Städte, 
welche ahnten, um was es sich handele, trugen Sorge, dass ihnen 
gute Kundschaft zu Theil wurde; der treffliche Heinrich Topler 2 ) 



1) Vgl. Janssen S. 10 f. n. 29 ff; Baur Hess. Urkunden m, 546. 

2) Der Aufsatz von S. Haenle Urkunden und Nachweise zur Geschichte 
von Heinrich Topler (Jahresbericht des hist. Vereins für Mittelfranken 1871) 
bringt für diese Periode nichts Neues. 



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1384. 



Plan, den König abzusetzen. 



217 



von Rotenburg wurde beauftragt, sie einzuholen. Was man er- 
fuhr, war im höchsten Grade aufregend. Die Fürsten schlössen 
untereinander einen Bund zum Kampfe gegen die Städte und ver- 
pflichteten sich zu demselben mit den bindendsten Gelübden. An- 
fang oder Mitte März sollte ein zweiter Fürstentag abgehalten 
werden, um auch die, welche jetzt nicht anwesend, heranzuziehen. 
Wer seinem Versprechen nicht nachkommt und nicht mit gegen den 
Städtebund ins Feld zieht, wird von den Anderen als offener 
Feind bebandelt und an Leib, Leuten und Gut geschädigt. Schon 
wurden die Rüstungen berathen und mit der Anschaffung des 
Nöthigen, namentlich des Proviantes, begonnen. Einzelne Söldner 
waren herangezogen worden, die früher den Städten gedient hat- 
ten und daher deren Kriegswesen genau kannten. In derselben 
Weise sollten die fürstlichen Truppen ausgerüstet und baar be- 
zahlt werden; man hoffte so einen Theil der städtischen Söldner 
an sich zu ziehen. Indessen wollten die Fürsten den Kampf nicht 
offen beginnen; ihre Ritter und Diener sollten durch muthwiJlige 
Angriffe die Städte reizen und so den Streit veranlassen. Offen- 
bar lag es im Plane, dadurch die Städte zu täuschen. Diese soll- 
ten zum Glauben veranlasst werden, dass lediglich, wie es so oft 
geschah, kleine Fehden mit geringen Gegnern auszufechten wären, 
zu denen grosse, gemeinsame Rüstung nicht erforderlich sei. 

Merkwürdigerweise wird uns zugleich berichtet von einem 
Plane, den König abzusetzen. Der Frankfurter Caplan Heinrich 
Weider meldete in grosser Heimlichkeit von Mainz aus am 5. 
Februar einem Freunde : etliche Herren und Fürsten wollten Ver- 
änderung am Reiche vornehmen und einen König in deutschen 
Landen haben. Der Plan gehe aus „von dem, der nun nicht hier 
und auch etwas schwach am Leibe ist, aber doch Alles ärgert a ; 
offenbar ist damit Adolf von Mainz gemeint. Auch „der Augen- 
knipper* werde für den Schuldigen gehalten ; leider vermögen wir 
nicht zu errathen , auf wen diese Bezeichnung zielt ! ). Das Ge- 
rücht scheint durchaus nicht grundlos gewesen zu sein ; wie kamen 
aber die Fürsten zu solchen Absichten? Der König hatte sich, 



1) RA. n. 236 vgl. Anm. Dass einer der Pfalzgrafen gemeint sei, wie 
Weizsäcker annimmt, lässt sich nicht näher begründen. Ist indessen vielleicht 
ein Zusammenhang zwischen „Augenknipper" und „Klein", dem räthselhafton 
Beinamen Ruprechts III., des späteren Königs? Doch lässt, was wir sonst von 
der Haltung der Pfälzer in dieser Zeit wissen, gegen sie kaum einen Verdacht 
aufkommen. 



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218 Fünfzehntes Kapitel. 1384. 

soweit wir das irgend zu erkennen vermögen, ihnen willfährig ge- 
nug gezeigt; er hatte die Städte keineswegs begünstigt und 
so manchem Fürsten seine besondere Gunst erwiesen. Dem 
Reiche und dessen Angelegenheiten hatte er unleugbar eifrige 
Sorge gewidmet; wenn auch der Erfolg ein geringer war, lag das 
mehr an den Verhältnissen, als an seinem Willen und zum grossen 
Theil an den Fürsten selbst. Allerdings hatte er den Römerzug 
nicht angetreten, noch aber war nicht gesagt, dass er ihn über- 
haupt nicht unternehmen wollte; in der Kirchenfrage hatte er 
eben erst öffentlich sein Festhalten an dem vom Reiche anerkann- 
ten Papste bezeugt. „Einen König in deutschen Landen wollen 
die Fürsten haben", erzählt unser Berichterstatter. Allerdings 
war es ein grosser Uebelstand, dass der Sitz der königlichen 
Macht in den Osten des Reiches verlegt worden, dass der 
Herrscher den grössten Theil seiner Zeit ausserhalb des Reichs- 
bodens im engeren Sinne zubrachte. Nicht mit Unrecht hat 
man gemeint, dass die königliche Autorität dadurch noch mehr 
geschädigt, das Interesse der Unterthanen am Herrscher und 
umgekehrt das der Könige an den deutschen Zuständen ge- 
mindert worden sei. Wenn sich der König nur ab und zu im 
Reiche zeigte, um Reichstage abzuhalten, und meistens die 
Sorge, die Beschlüsse derselben auszuführen, den Fürsten über- 
liess, musste die lebendige Wechselwirkung zwischen König und 
Reich, die doch zu fruchtbarem Gedeihen so unentbehrlich war, 
naturgemäss erschlaffen. Kam noch dazu, dass die regierende 
Familie, wie es bei den Luxemburgern im allerhöchsten Grade 
der Fall war, noch ausserdem eine ausgedehnte Hauspolitik trieb, 
welche in erster Linie ihre Thätigkeit in Anspruch nahm, so war 
freilich die Gefahr vorhanden, dass das Reich zu kurz kam. Aber 
sollten die Fürsten damals diese Uebelstände erwogen oder soll- 
ten sie vielmehr dieselben wirklich beklagt haben und abstellen 
wollen? Schon seit Karls Zeiten mussten sie darüber im Klaren 
sein und doch hatten sie sich wenn auch für grosse Vergabun- 
gen gewinnen lassen, durch die Wahl Wenzels eine mögliche 
Besserung unmöglich zu machen. Es ist ja bekannt genug, dass 
die deutschen Herren seit mehr als zwei Jahrhunderten nach kei- 
nem Ziele eifriger strebten, als die Wiederherstellung und Er- 
starkung der königlichen Autorität zu verhindern, im eigenen 
Lande möglichst selbständig zu schalten. Wohl bedurfte man 
noch des Königs, da er der Repräsentant des Rechtes, der Träger 



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1384. 



Plan, den König abzusetzen. 



210 



der Reichsidee war, auf welcher die fürstliche Herrschaft ja be- 
ruhte, aber man sah es gern, wenn die Idee möglichst wenig ins 
Reale übersetzt wurde. Und namentlich die Kurfürsten ran- 
gen mehr und mehr danach, die Summe des Reichsregimentes in 
ihre Hände zu bringen. 

Von solchem Standpunkte aus konnten die Fürsten es unmög- 
lich aufrichtig bedauern, wenn der König sich nicht allzusehr im 
Reiche zu schaffen machte. Allerdings kamen dabei doch Zeiten, 
in denen die Fürsten auf einmal wieder an die königliche Auto- 
rität appellirten, vom Könige ausserordentliche Kraftanstrengun- 
gen verlangten: wenn es galt, ihren Interessen widerstrebende 
Elemente niederzuhalten, wie das ßürgerthum und den niederen 
Adel; wohl machte man auch den König verantwortlich, wenn 
die öffentliche Sicherheit allzusehr gefährdet schien. Jetzt war 
wieder ein solcher Zeitpunkt gekommen, die Fürsten hätten 
gewiss gern vom Könige Unterstützung gegen die Städte ange- 
nommen. Hatte ihnen Wenzel dieselbe verweigert, war er nicht 
geneigt, über die bisher gesteckten Grenzen hinaus den Fürsten 
zu Willen zu sein? Und wünschten deswegen die Fürsten seine 
Beseitigung, um Einen aus ihrer Mitte, der rücksichtsloser gegen 
die Bürgerschaften verfuhr, an die Spitze des Reichs zu stellen? 
Möglich ist es, dass solche Erwägungen sie beherrschten, und 
wenn Heinrich Weider erzählt, die Nürnberger Rathsfreunde seien 
über diese Neuigkeiten sehr erschrocken und hätten daraus grosse 
Stösse und Unheil für die Städte prophezeit, so dürfte das eine 
derartige Meinung bestätigen. 

Oder war Nationalhass der Deutschen gegen die Czechen im 
Spiele? Daran ist kaum zu denken. Später allerdings, als Wen- 
zel mehr und mehr verwilderte, hat er sich den Czechen enger 
angeschlossen und sie begünstigt, und schon im Jahre 1384 finden 
wir die ersten Spuren solcher Neigungen, indem er die Forderun- 
gen der Böhmen an der Prager Universität gewährte f ). Natür- 
lich war es ferner, dass ein grosser Theil der königlichen Räthe 
Böhmen waren, wie schon zu Karls IV. Zeiten; indessen erst in 
späteren Jahren hat Wenzel fast zu sämmtlichen Stellungen im 
Reiche Böhmen erhoben. Er versuchte auch, wenn die Gelegen- 
heit günstig war, Böhmen auf die deutschen Bisthumsstühle zu 



1) Geschichtsschreiber der hussitischen Bewegung, hreg. von Hoefler I, 14; 
II, 128-133. 



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220 



Fünfzehntes Kapitel. 



1384. 



setzen und Urban war in der ersten Zeit gern gefällig. So 
erhielt schon 1379 Potho von Pothenstein Münster, das er aber 
wegen gänzlicher Unkenntniss der deutschen Sprache bald aufge- 
ben und mit Schwerin vertauschen musste. Mit Merseburg wurde 
1382 Andreas von Duba providirt, der sich indessen nicht behaup- 
ten konnte; auch Konstanz erhielt 1384 in Nicolaus von Riesen- 
burg einen Böhmen zum Bischof. Aber trotzdem finden wir nir- 
gends eine Spur, dass man damals in Deutschland deswegen Ab- 
neigung gegen Wenzel gehegt hätte j erst die Hussitenkriege lach- 
ten auf beiden Seiten glühenden Nationalhass an. 

Diese Gründe scheinen also kaum ausreichend zu sein, um 
völlig zu erklären, wie man in fürstlichen Kreisen an eine Besei- 
tigung Wenzels denken konnte. Irgend andere Momente müssen 
noch hinzugetreten sein. Da verdient ein Punkt besonders her- 
vorgehoben zu werden. 

Am 7. December 1383 war Herzog Wenzel von Luxemburg ge- 
storben , dessen Land damit in den Besitz des Königs überging. 
So war dessen Macht erheblich vermehrt; wie im Osten, gebot er 
jetzt auch im Westen des Reichs über umfangreiche Gebiete. Dem 
Bruder des Königs Sigismund schienen zugleich die Kronen von 
Polen und Ungarn gesichert und auch dadurch wurde die Macht- 
fulle der königlichen Familie gewaltig vermehrt. Schon öfters 
hatten die deutschen Fürsten Könige fallen lassen, wenn ihre Haus- 
macht allzu bedrohlich zu wachsen begann; sollte hier nicht ein 
entsprechender Fall vorliegen? Und hegte man einmal Besorg- 
niss, dass der König seine Macht gegen die Fürsten geltend 
machen könnte, dann lag es allerdings nahe, noch weiter gehend 
zu argwöhnen, dass er es im Bunde mit den Städten thun würde. 
Immerhin aber war demnach die Motivirung, dass man einen Kö- 
nig in deutschen Landen haben wolle, nur ein Vorwand, in den 
Augen der Menge freilich bestechend genug und ganz geeignet, 
die wahren Absichten der Fürsten zu verhüllen. 

Welche Gründe nun die Letzteren auch immer haben moch- 
ten, jedenfalls verzichteten sie vor der Hand darauf, ihren Plan 
durchzuführen ; mehrere Jahre hindurch hört man nichts mehr . 
von einer Absetzung Wenzels. In der That war ja der damalige 
Augenblick so schlecht wie irgend denkbar gewählt; wollte man 
die Städte angreifen, so konnte man nicht den König geradezu in 
ihre Arme treiben. Wo sollten die Kräfte hergenommen werden, 
um gegen vereinten Widerstand Wenzels und der Städte den 



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1384. Zuversichtliche Haltung der Stadt Ulm. 221 

neuen König durchzusetzen? Aber das entscheidende Wort war 
einmal gefallen, die Sache angeregt; wie leicht konnte der nur 
flüchtig angedeutete Gedanke unter anderen Umständen festere 
Gestalt gewinnen und zur That werden! 

Dem Könige blieben die bösen Anschläge kein Geheimniss, 
denn die Nürnberger waren rasch entschlossen, ihn zu benach- 
richtigen. Die Wirkung konnte nur die ungünstigste sein; Miss- 
trauen und Argwohn gegen die deutschen Fürsten mussten den 
ohnehin so leidenschaftlichen Mann ergreifen und er entweder hin- 
gerissen werden zu schneller übereilter That gegen seine Gegner 
oder schwankend und unsicher in seiner königlichen Politik und 
damit immer unlustiger werden, den deutschen Dingen ernste Sorge 
zu widmen. Bei einer Natur, wie Wenzel war, geneigt zu der- 
bem Genuss und Scheu vor geistiger Anstrengung, war das letz- 
tere das Wahrscheinlichere. 

Ulm meldete den rheinischen Bundesgenossen die Vorgänge 
in Mergentheim. Diese Stadt, die Seele des schwäbischen Bun- 
des, scheute vor dem drohenden Kampfe in keiner Weise zurück; 
sie wünschte ihn vielmehr in stolzer Hoffnung auf Sieg. In der 
Ulmer Bürgerschaft müssen geistige Kräfte thätig gewesen sein 
von einer Energie, von einer kühnen Thatenlust und politischem 
Verständnisse, wie sie keine andere Stadt aufzuweisen hatte. Die 
Briefe, welche von Ulm ausgingen, athmen alle entschlossene Zu- 
versicht und feurigen Kampfesmutb, „Wir sollen über diese 
Sache nicht sehr erschrecken und auf den allmächtigen Gott 
bauen, dass wir, sobald sie den Krieg mit uns beginnen, ihn mit 
solchem Nutzen und solcher Ehre gewinnen, dass wir und unsere 
Nachkommen desto geruhiger in künftigen Zeiten sitzen sollen. u 
Darum sollen die nöthigen Rüstungen mit aller Emsigkeit betrie- 
ben werden x ). 

Zugleich wurden die Bundesgenossen zur gemeinsamen Be- 
rathung auf den 13. März eingeladen. Der Tag wird gewiss zu 
Stande gekommen sein, ohne dass wir wissen, was man beschloss. 
Die rheinischen Städte waren von der Allarmnachricht nicht min- 
der aufgeregt, auch Frankfurt hatte Sorge getragen, sich genaue 
Kundschaft zu verschaffen. Wahrscheinlich wurde sofort zum Kö- 
nige gesandt, um ihn zu benachrichtigen und wohl auch um seine 
Vermittlung anzurufen. Denn nicht alle Städte mochten so krie- 



1) RA. n. 239. 



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222 



Fünfzehntes Kapitel. 



1384. 



gerisch gesinnt sein, wie Ulm ; viele werden es vorgezogen haben, 
wenn es ging, das aufsteigende Gewitter abzuwenden *). 

Im Mai kam denn auch Herzog Przemisl von Teschen als 
Gesandter des Königs nach Nürnberg, welcher mit den Rathen 
des Pfalzgrafen und des Mainzers, die wohl auf des Königs Wunsch 
gesendet worden waren, und mit Abgeordneten der Städte — ge- 
nannt werden Mainz, Strassburg, Ulm und Augsburg — in Ver- 
handlungen trat. Die Fürsten müssen also die Absicht, in aller- 
nächster Zeit den Kampf zu eröffnen , wieder aufgegeben haben ; 
warum ist schwer zu sagen. Vielleicht hatten sie unter den 
Standesgenossen nicht die Unterstützung und Bereitwilligkeit gefun- 
den, auf welche sie gehofft hatten, denn der für den März projec- 
tirte zweite Tag von Mergentheim scheint gar nicht zu Stande ge- 
kommen zu sein; vielleicht hielt sie des Königs Abmahnung zu- 
rück; am wahrscheinlichsten ist es, dass sie jetzt selbst den Kampf 
scheuten, da der Plan verrathen war und die Städte eifrig und 
entschlossen rüsteten. — Die Abgeordneten beider Parteien gingen 
zum Könige; auch Nürnberg gab in Berthold Beheim und Niclas 
Muffel der Gesandtschaft Bevollmächtigte bei 2 ). 

Die Städte versäumten indessen nicht, ihren Bund nach Mög- 
lichkeit zu verstärken. Sie strebten besonders danach, die krie- 
gerische Kraft benachbarter Herren und Ritter an sich zu ziehen, 
welche dadurch auch am besten von einem Bunde mit den Fürsten 
abgehalten wurden. Ulrich von Hohenlohe wurden 15000 Gold- 
gulden zu dem für die damaligen Zeiten niedrigen Zinsfusse von 
12 Procent auf zehn Jahre geliehen, für welche Zeit er in 
den Bund trat. Die Fürsten hatten den Handel zu hintertreiben 
gesucht und wollten selbst das Geld darleihen, aber da ihre Kassen 
gewiss nicht so gefüllt waren wie die städtischen, war Hohenlohe 
lieber den sicheren Weg gegangen. Der Graf Heinrich von Mont- 
fort Herr von Tettnang, der vor kurzem noch König der Löwen 
gewesen, trat ebenfalls in den Dienst der Städte um den See, in- 
dem er sich verpflichtete, fünf Jahre lang Hauptmann ihres Bun- 
des zu sein und zehn Spiesse zu stellen. Auch über den Vertrag 
mit Hans von Seckendorf, genannt von Jagsperg, besitzen wir die 
Urkunde 8 ). Wichtiger war der Beitritt von Städten, von Selz 

1) Die Tage zu Mainz und Frankfurt, von denen in RA. n. 240 die Rede 
ist, gehören wohl in diese Zeit. 

2) RA. n. 242. 

3) Vischer Reg. 207, 209, 210; RA. n. 237. 



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1384. Basels Eintritt in den schwäbischen Städtebund. 223 

zum rheinischen, von Basel und Nürnberg zum schwäbischen 
Bunde. 

Der Zutritt von Basel hing eng zusammen mit einer Verän- 
derung im Regimente der Stadt. Der Rath der Stadt bestand 
bis dahin aus vier Rittern, den sogenannten Achtburgern und den 
von ihnen erkorenen fünfzehn Rathsherren aus den Zünften; zu 
diesen traten nunmehr auch die Zunftmeister als ständige Raths- 
mitglieder. Dadurch erlangte das demokratische Element die 
Mehrheit und alsbald strebte die Stadt danach, sich von der 
ö streichischen Bevormundung zu befreien. Willkommene Gelegen- 
heit gab hierzu der Streit um das Bisthum: indem die Baseler 
Bürgerschaft endgiltig Imer als rechtmässigen Bischof anerkannte, 
trat sie Leopold entschieden entgegen. Von dem mächtigen Her- 
zoge stand zu befürchten, dass er die alten Pläne auf Basel nicht 
gutwillig würde fahren lassen, da er auch fortfuhr, den Gegen- 
bischof Werner Schaler zu begünstigen. Basel hatte sich ferner 
durch Leopold in den Fürstenbund aufnehmen lassen und dabei 
das frühere Gelöbniss vom Jahre 1376 erneuert, ihm und seinem 
Bruder zu dienen, wie die anderen eigenen Städte der Herzöge. 
Mit kühnem Entschlüsse mussten alle diese die Freiheit einengen- 
den Bande zerrissen werden ; wo sollte dann aber, wenn der Her- 
zog zu den Waffen griff, die Hilfe herkommen? Darüber konnte 
man nicht zweifelhaft sein; der schwäbische Städtebund hatte ge- 
wiss auch schon seine Netze nach der Stadt geworfen und sie 
zur Mitgliedschaft eingeladen. Jetzt entschloss sich die Stadt, 
diesem beizutreten ; am 1 . Juni stellte sie die Urkunde aus. Auch 
Bischof Imer schloss sich zugleich an, der nicht minder von Leo- 
pold bedroht war und dem die letzten Ereignisse gezeigt hatten, 
wie wenig er sich auf den König und dessen Hilfe verlassen konnte. 
Die nächste Folge war, dass Ende Juni die Anhänger Leopolds 
aus der Stadt gewiesen wurden. — Es fällt auf, dass Basel sich 
nicht direct mit dem rheinischen Bunde vereinigte, wenn auch der 
Zutritt zu dem schwäbischen die Genossenschaft mit diesem be- 
dingte. Aber wahrscheinlich sagte man sich in Basel, dass von 
den schwäbischen Städten eine kräftigere Unterstützung zu gewär- 
tigen sei, da ja diese von Leopold weit mehr gefährdet waren, 
als die rheinischen; und wie energischer und selbstbewusster man 
unter der Führung von Ulm war, wird wohl den Zeitgenossen 
nicht verborgen geblieben sein 



1) Forschungen III, 13 f., Ochs II, 257 ff., 276 ff., Vischer Reg. 211, 212. 



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224 



Fünfzehntes Kapitel. 



1384. 



Ein noch grösserer Triumph der städtischen Sache war der 
Beitritt Nürnbergs. Der schwäbische Bund hatte schon lange 
danach gestrebt, diese reichste aller Städte Süddeutschlands für 
sich zu gewinnen, welche ihrer Lage nach bei einem Kampfe mit 
dem Burggrafen und mit den Wittelsbachern von grosser Wich- 
tigkeit war. Besonders seitdem Regensburg sich angeschlossen, 
war der Gewinn Nürnbergs wünschenswerth, um jene so weit vor- 
geschobene Position mehr zu sichern und sie mit dem Gros der 
Bundesstädte zu verknüpfen. 

Bisher aber hatte sich Nürnberg, wenn es auch manche 
freundschaftliche Dienste bei Vermittlung von Streitigkeiten lei- 
stete, vom Bunde fern gehalten. Die Stadt stand in den besten 
Beziehungen zum Könige und gegenwärtig auch zu den benach- 
barten Fürsten; ihr Reichthum ermöglichte es wohl, sich vor An- 
griffen selbst zu schützen. Daher war der Rath Anfangs nicht 
geneigt, durch Anschluss an den Bund sich in die zahlreichen 
Streitigkeiten der anderen Städte zu verwickeln. Es war ausser- 
dem vorauszusehen, dass Nürnberg beim Ausbruch eines grösse- 
ren Kampfes mit den Fürsten vermöge seiner isolirten Lage eine 
besonders schwere Kriegslast zu tragen haben würde. — Während 
in den meisten zum Bunde gehörigen Städten die Verfassung 
eine demokratische war und die Leitung der Stadt in den Hän- 
den der Zünfte lag, war in Nürnberg das Patriciat fast unerschüt- 
tert geblieben und hielt das Stadtregiment fest; auch dadurch 
wird der Beitritt zum Bunde verzögert worden sein. Als daher 
im Januar 1383 Gesandte Ulms in die Stadt kamen, um sie zur 
Mitgliedschaft aufzufordern, verlangten sie, dass ausser dem klei- 
nen Rathe, in welchem das Patriciat vorwog und der fast aus- 
schliesslich regierte, auch der grosse Rath zusammenberufen 
würde. Dieser, welchen „Genannte* aus der Gemeinde bildeten, 
wurde nur in seltenen Fällen berufen und war dem kleinen zum 
Gehorsam verpflichtet. Da der grosse Rath sich weigerte, auf 
den Wunsch der Ulmer einzugehen, gingen sie ungehört von 
dannen *). 

Erst im Sommer 1384 trat eine Wendung ein. Die Gründe 
derselben sind schwer zu erkennen; aber fast scheint es, als ob 
Nürnberg dem Bunde beigetreten sei, um auf Erhaltung des Frie- 
dens hinzuwirken. Im Mai hatten dort, wie wir sahen, die Be- 



1) Briefe in Stcbr. Nürnberg I, 136, 137. 



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1384. Beitritt Nürnbergs zum schwäbischen St&dtebunde. 225 

sprechungen zwischen dem königlichen Abgesandten, den fürst- 
lichen Rathen und den städtischen Boten stattgefunden, welche dann 
Alle zusammen begleitet von Boten Nürnbergs zum Könige gingen ; 
damals wurde bereits wie es scheint Aussicht auf Erhaltung des 
Friedens gewonnen. Unmittelbar darauf tritt Nürnberg dem Bunde 
bei, es folgen der Tag zu Speier, die Heidelberger Stallung, wo- 
durch der Frieden wider alles Erwarten bewahrt wird. Und dieselbe 
Friedenspolitik hat Nürnberg in der Folgezeit bethätigt, stets 
nach Möglichkeit vor raschem Handeln, vor gewaltthätiger Reizung 
der Fürsten gewarnt. Daher liegt die Vermuthung nahe, dass 
Dürnbergs Rath, der vielleicht gar im Einverständnisse mit dem 
Könige handelte, sich durch die Hoffnung, friedliche Vermittlung 
geltend zu machen, zum Eintritt in den Städtebund bestimmen Hess. 

Am 14. Juni 1384 erfolgte in Nördlingen die Beitrittserklä- 
rung, welche Ulman Stromer, der Verfasser des „Püchel von meim 
gesiechet und von abentewr" nebst drei anderen Boten abgab *); 
vom 21. sind die gegenseitigen Urkunden datirt. Nürnberg be- 
hielt sich vor, für den Fall der Verlängerung des Bundes nicht 
länger als bis zum 23. April 1395 bleiben zu müssen. Obgleich 
die Stadt 2000 Pfund Heller Reichssteuer zahlte, übernahm sie 
für den Bund doch nicht grössere Leistungen, als wenn sie 800 
Pfund entrichtete. Denn das war die höchste Reichssteuer, zu wel- 
cher Mitglieder des Städtebundes und zwar Augsburg und Esslingen 
veranschlagt waren; auch Regensburg, welches als Freistadt keine 
Reichssteuer erlegte, hatte sich zu diesem Betrage entsprechenden 
Leistungen verpflichtet. Dcmgemäss schickte Nürnberg zu den 
Städtetagen zwei Abgeordnete 2 ). 



Sechzehntes Kapitel. 

Die Heidelberger StaUung*. 

Die Nürnberger Patricier Berthold Pfintzing und Jobst Tetzel 
gingen von Nördlingen weiter nach Speier, wo die Städteboten 
sich versammelt hatten, um die Verhandlungen mit den Fürsten 

1) Stchr. Nürnberg I, 38; die Vollmacht (bei Viecher Reg. 213) ist erst 
vom 18. Juni datirt. 

2) Vischer Reg. 214; Stchr. Nürnberg I, 137. 

Th. Lindner, Geschichte des deutschen Kelches. I. 15 



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226 



Sechzehntes Kapitel. 



zu beginnen. Letztere waren durch Pfalzgraf Ruprecht vertreten, 
welcher sehr versöhnlich auftrat und „gar gnädiglich und freund- 
lich zu allen Sachen redete." Bald kamen auch die Gesandten 
zurück, welche Städte und Fürsten zum Könige geschickt hatten. 
Letzterer hatte versprochen, den Markgrafen von Mähren, die 
Herzöge von Teschen und Brieg und den Landgrafen von Leuchten- 
berg ins Reich zu senden, welche die Vermittlung durchführen 
sollten '). Die Verhandlungen zogen sich lange hin, wie die grossen 
Summen zeigen, welche den städtischen Boten ausgezahlt wurden. 
Wahrscheinlich auf den Wunsch Ruprechts siedelten die Städteboten 
vor Ende Juni nach Heidelberg über. Sie müssen in grosser 
Zahl versammelt und in ihren Berathungen durchaus ungestört 
gewesen sein, ein günstiges Zeichen für die Friedensarbeit; selbst 
die eigensten Angelegenheiten des Bundes konnten erledigt werden. 

In Konstanz war es nämlich im Januar 1384 ebenfalls zu 
einer zwiespältigen Wahl gekommen. Manegold von Brandis schloss 
sich an Clemens an, um Leopolds Unterstützung zu gewinnen, 
während Nicolaus von Riesenburg zu Urban hielt. Die Stadt 
erkannte letzteren an, schon aus Abneigung gegen Oestreich, und 
bereitete ihm einen festlichen Empfang 2 ). Ebenso wie Imer von 
Basel wollte Nicolaus in den Städtebund eintreten und sandte 
deswegen nach Heidelberg, aber der damalige Augenblick, in 
welchem die Städte gerade über Frieden mit den Fürsten ver- 
handelten, war wenig geeignet, einen der einflussreichsten unter 
diesen, den Herzog Leopold, zu reizen. Man wollte daher von 
einer Mitgliedschaft des Bischofes nichts wissen. Da nun aber 
die Konstanzer die Absicht verriethen, ihn zum Stadtbürger und 
damit zum Schutzgenossen des Bundes zu machen, sollte die Be- 
stimmung getroffen werden, dass keine Stadt irgend einen geist- 
lichen oder weltlichen Fürsten und Herrn, der Städte und Festen 
besitze, als Bürger aufnehmen dürfe, ehe es nicht die gemei- 
non Städte erlaubt hätten. Ehe jedoch der Beschluss darüber 
gofasst war , nahmen die Konstanzer Nicolaus als Bürger 
auf und erreichten damit den Vortheil, dass der Bischof die 
Spiesse, welche er sonst dem Bunde zu leisten gehabt hätte, nun 

1) RA. n. 240, 241. — Am 18. Juli in Heidelberg einigte sich Ruprecht 
mit Speier über den Schaden, welchen sie beide in dem Kriege erlitten, den 
er gegen die Stifter von Mainz und Speier — wohl 1380, vgl. S. 116 — geführt. 
Lünig Reichsarchiv VIII, 15. 

2) Beilage XIII. 



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1384. 



Die Heidelberger Stallung. 



227 



ihnen stellte, sie also geringere Leistungen aus ihrer Tasche zu 
tragen hatten. — Das war freilich ein durchaus unehrliches Ver- 
fahren und wurde mit Recht später von den Nürnbergern streng 
gerügt *). 

Der König, der noch am 29. Juni in Prag geurkundet hatte, 
kam über Amberg und Auerbach nach Nürnberg, wo er am 
7. Juli bereits angelangt war. Unvermuthet schnell hatte er 
seine Reise angetreten und vollendet; an Stelle der verheissenen 
Gesandtschaft unter der Führung von Jobst erschien der König 
selbst. In Nürnberg erfuhr er, dass der Städte Boten in Speier 
versammelt wären, und er befahl ihnen daher, dort seiner zu 
warten; da ihm aber inzwischen kund wurde, dass die Ver- 
sammlung nach Heidelberg gegangen, wandte er sich ebenfalls 
dorthin. Die erste in Heidelberg ausgestellte Urkunde ist vom 
19. Juli datirt. 

Am 26. Juli wurde zwischen den Fürsten und Städten die 
Heidelberger Stallung geschlossen. Auf beiden Seiten hatte der 
Wunsch, den Frieden zu erhalten, den Sieg über kriegerische Ge- 
lüste davongetragen. Die Stallung war nur ein Waffenstillstand auf 
einige Jahre — bis zum 17. Mai 1388 sollte sie gelten — im 
grossartigen Massstabe. Denn zu einer wirklichen Ausgleichung 
der Gegensätze kam es in keiner Weise. Der Nürnberger Für- 
stenbund blieb ebenso bestehen, wie die Städtebünde. Beide 
Parteien. Fürsten wie Städte, nahmen jede ihre besondere Eini- 
gung aus und behielten sich das Recht vor, sie noch zu erweitern. 
Und wenn auch die Fürsten mit den beiden Städtebünden den 
Vertrag abschlössen, so wurde damit nur deren thatsächliche, 
nicht aber auch reichsrechtliche Existenz anerkannt. Gewiss mit 
Absicht wurde die Stallungsurkunde nicht im Namen des Königs 
ausgefertigt, sondern in dem der abschliessenden Parteien, wenn 
diese auch bekennen, dass der König zwischen ihnen die Einung 
gemacht habe. Der König hiess nur die Stallung in einer beson- 
deren Urkunde gut und befahl bei seinen und des Reiches Hulden 
sie zu halten. Aber in dieser wie in anderen Urkunden fasste 
er die einzeln aufgeführten Reichsstädte nie unter dem Namen 
„Bund" zusammen 2 ). Er selbst wurde auch nicht Mitglied der 

1) RA. n. 316. 

2) RA. n. 244. Allerdings sagt er: wann wir eine freuntlichc stal- 

long geseczt und gemacht haben [ähnlich RA. n. 254], und er hat zum Zu- 
standekommen gewiss viel beigetragen; aber entscheidend ist die eigentliche 
Stallungsurkunde. 15* 



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228 Sechzehntes Kapitel. 1384. 

Einigung. Die siegelnden sechs Fürsten, Adolf von Mainz, Ruprecht, 
Gerhard von Würzburg, Leopold von Oestreich, Friedrich von 
Nürnberg und Eberhard von Wirtemberg schlössen den Vertrag ab 
im Namen „der anderen Kurfürsten und Fürsten, geistlich und 
weltlich, Grafen u. s. w., welche sich zu Wenzel vereinet haben, u 
also im Namen des Nürnberger Fürstenbundes *), aber der König 
selbst war nicht mit eingeschlossen, seine Person und das Reich 
sind ausdrücklich ausgenommen 2 ). Das Stallungsgebiet, inner- 
halb dessen Hilfe zu leisten ist „nach der Lande Gelegenheit,* 
umfasste auch nicht, wie jener Fürstenbund, das ganze Reich. 
Die Grenze ging vom Hauenstein ab bis an das Gebiet von Baiern, 
dieses umfassend zum Böhmerwald, vor diesem hinlaufend zum 
Thüringer Walde, von da zur Lahn und zum Westerwalde bis 
Dridorf, dann über Hadamar und Montabaur nach Lahnstein — 
hier sind die Bestimmungen sehr genau — von da vor dem 
Hundsrück hin nach Kaiserslautern und Dagsburg, die Vogesen 
entlang nach Rotheuburg bei Maasmünster und endlich zum 
Hauenstein zurück Es sind also ausgeschlossen die östreichi- 
schen Lande mit Ausnahme der schweizerisch schwäbisch- elsässi- 
schen Besitzungen, Böhmen, ganz Norddeutschland, Thüringen, 
Hessen, die Erzbisthümer Köln und Trier und Luxemburg. Nur 
die Gegenden sind einbegriffen, welche bei einem Kampfe zwischen 
Städten und Fürsten in Mitleidenschaft gerathen konnten. Wenn 
demnach auch sämmtliche Fürsten des Reiches, die zum Nürn- 
berger Bunde gehörten, ideell Mitglieder der Stallung waren, so 
kamen doch nur die den Städtegebieten benachbarten wirklich in 
Betracht. 



1) Von den Städten siegeln: Mainz, Strassburg und Frankfurt für sich 
und alle anderen Städte an dem Rhein, im Elsass und in der Wetteraa, die 
den Bund halten auf dem Rhein, und Augsburg, Nürnberg und Ulm für sich 
und die Städte in Ober- und Nieder- Schwaben, am Rhein, in Franken und zu 
Baiern, die den Bund halten in Schwaben. 

2) Die Angabe der Konstanzer Chronik (Mone a. a. 0. I, 320) : „item dar- 
nach kam der Roemsch Kung Wentzlaus och mit den Stetten in ain, das er ain 
ainung mit in hielt und verhiess in ze dienent mit zwain hundert spiessen," ist 
bald auf die Heidelberger Stallung, bald auf die Vorgänge vom März 1387 be- 
zogen worden. Ich glaube , dass die Chronik beide Verhältnisse in einander 
wirrt. 

3) Vgl. doo Brief Adolfs bei Janssen S. 23 n. 61. 



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vm 



Die Heidelberger Stalluog. 



229 



Auch die übrigen Bestimmungen der Stallung tragen den 
Charakter des Waffenstillstandes zwischen den beiden grossen, 
sich gegenüberstehenden Parteien. Die Städte hatten bei allen 
früheren Versuchen, sie in eine „Einmüthigkeit a mit den Fürsten 
zu bringen, die Verpflichtung zur Hilfsleistung gegen jeden Angriff 
abgewiesen; mit sorgfältiger Betonung sind daher auch jetzt nur 
Raub, Mord, Brand und unrecht Widersagen als Fälle, in denen Bei- 
ßtand zu leisten ist, genannt. Bei frischer That sollJeder sofort zu 
Hilfe eilen; kann das nicht geschehen, so klagt der Geschädigte, 
wenn er ein Städter ist, bei seiner Stadt, sonst bei dem Herrn, 
dessen Diener oder Bürger oder ünterthan er ist. Erklärt 
dann der Rath der Stadt auf seinen Eid, oder im zweiten Falle 
der Fürst auf seine fürstliche Treue und Ehre, der Graf oder 
sonstige Herr ebenfalls auf seinen Eid, dass dem Kläger in einem 
der vier Punkte Unrecht geschehen sei, so mahnen die Städte 
die nächstgelegenen Herrentum Hilfe und ebenso umgekehrt. 
Alsdann stellt die gemahnte Partei 5(TSpio8se auf eigene Kosten, 
so dass also die Städte, da sie zwei Parteien, den rheinischen 
und den schwäbischen Bund bilden, 100 Spiesse geben, während 
die Herren auch jedem Bunde je 50 Spiesse zu schicken haben; 
da der mahnende Theil immer ebenso viel zu leisten hat, wie 
der gemahnte, betrug also das gesammte Aufgebot 200 Spiesse. 
Im Nothfalle kann dies verdoppelt werden, wenn je drei von den 
Fürsten und den Städten ernannte Schiedsrichter darauf er- 
kennen; bei einem Kriege darf die Sühne nur gemeinsam sein. 
Die sonstigen Festsetzungen über die Kriegsführung, über eroberte 
Schlösser u. 8. w. enthalten nichts Ungewöhnliches. 

Hervorzuheben ist die Bestimmung über Aufnahme in das 
Bürgerrecht. Städte, Märkte, Dörfer oder Weiler, welche einem 
Mitgliede der Stallung gehören, dürfen während der Dauer der- 
selben nicht „in unsern Bund, Einung oder zu Bürgern u aufge- 
nommen werden. Einzelne Personen dürfen, wie das von Alters 
Herkommen ist, eingenommen werden, aber keine Pfahlbürger. 
Dieser Punkt war für die Fürsten von grösster Wichtigkeit, und 
das darin den Städten noch gelassene Recht, einzelne Personen 
aufzunehmen, konnte von ihnen immerhin zum Schaden der An- 
deren ausgebeutet werden. Um Streitigkeiten zu vermeiden 
liess sich daher Wenzel von den Städteboten noch besonders das 
Versprechen geben, nicht unverrechnete Amtleute und Eigenleute 



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230 



Sechzehntes Kapitel. 



1384. 



einzunehmen, welche geschworen, nicht von ihren Herren zu 
ziehen l ). 

Der Frieden war demnach für einige Zeit gesichert, die fürst- 
lichen Angriffspläne vertagt, und von dieser Seite betrachtet war 
die Stallung nicht ohne Werth. So manche der Städte mochten 
darüber hoch erfreut sein. „Die Fürsten und die Städte hatten 
einen guten Satz," schrieben die Regensburger in ihr Stadtbuch 2 ). 

Da jedoch die Städte nur eine indirecte Bestätigung ihres 
Bundes erhielten und der Gegensatz des Fürstenbundes und der 
Städteeinungen bestehen blieb, so war die eigentliche brennende 
Frage um nichts ihrer Lösung näher gebracht und daher zweifel- 
haft, ob die Ruhe wirklich dauernd erhalten bleiben würde. Es 
ist auffallend, dass in der Stallung gar nicht bestimmt wird, wie 
Streitigkeiten der Einungsgenossen unter einander, zunächst der 
Fürsten mit den Städten und umgekehrt, behandelt werden sol- 
len, dass keine Schiedsgerichte in Aussicht genommen sind. Nur 
die Uebereinkunft wurde nebenbei getroffen, dass einer Absage 
erst nach drei Tagen und Nächten die Fehde folgen dürfe. 
Denn die Bestimmung, dass der Geschädigte auf seinen Eid 
hin Hilfe erhalten solle, galt sicher nicht für den Fall, dass der 
Schädiger selbst Stallungsmitglied war. Daher zeigte sich bald, 
dass diese Heidelberger Uebereinkunft die Streitigkeiten zwischen 
Herren und Fürsten keineswegs abstellte. Ihre Bedeutung ist 
eben nur darin zu suchen, dass die Fürsten die kriegerischen 
Absichten, mit denen sie sich noch im Frühjahr trugen, für die 
nächste Zeit aufgaben. 

Für die Erhaltung des Friedens kam viel darauf an, wie sich 
Herzog Leopold stellen würde, dem wir daher unsere Aufmerk- 
samkeit zuwenden müssen. 

Die frohen Hoffnungen, welche er im Januar 1383 den Tre- 
visanern ausgesprochen, waren wie wir bereits sahen vereitelt 
worden, denn die Krönung Hedwigs zur Königin von Polen er- 
folgte nicht. Als Entschädigung gewährte Wenzel dem Herzoge 
bewaffnete Hilfe gegen Franz von Carrara, so dass Leopold Tre- 
viso von der Belagerung befreien konnte. Aber unbegreiflicher 
Weise begnügte sich der Herzog mit halbem Erfolge, indem er 



1) RA. d. 245. — Die Fürsten Hessen ganze Dörfer schwören, dass kein 
Einwohner sich ihrer Herrschaft entziehen wolle. Vischer 49, Reg. 190. 

2) Gemeiner II, 216. 



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1384. 



Leopold Fenkauft Treyiso. 



231 



trotz seines starken Heeres keinen Angriff auf das paduanische 
Gebiet machte, sondern im Juli wieder über die Alpen zurückkehrte. 
Die Folge war, dass die Schaaren des Carrara alsbald das Land 
von neuem verwüsteten. Vielleicht hoffte der Herzog wieder Hilfe 
von Wenzel zu erhalten, den er, wie es scheint, gleichzeitig mit 
der französischen Gesandtschaft persönlich aufsuchte. Der König 
erliess damals eine Reihe von Verfügungen, um Leopold völlig 
in den Besitz der schwäbischen und Augsburger Yogteien zu 
setzen. Im October erschien der Herzog auf dem Reichstage in 
Nürnberg und erhielt dabei vom Könige Bestätigung der Privi- 
legien über die eximirte Gerichtsbarkeit seiner Unterthanen *). 

Der Herzog verzichtete endlich darauf, Treviso gegen die 
fortwährenden Angriffe des erbitterten Gegners zu behaupten; 
ihm mochten die Geldmittel ausgegangen sein, deren er 
doch wieder dringend bedurfte, um die vertragsmässigen Zah- 
lungen auf die Grafschaft Hohenberg zu machen. Entschieden 
war die Erwerbung der letzteren wichtiger, als die Behauptung 
von Treviso. So verkaufte Leopold am 28. Januar 1384 Stadt 
und Gebiet von Treviso nebst Ceneda und Conegliano an Franz 
von Carrara für 118,000 Goldgulden; er beging damit an der 
Stadt, die seinetwegen die schwersten Opfer gebracht die grössten 
Leiden ertragen, den schmählichsten Verrath. Als dann zwei 
Jahre später der Herzog beim Ausbruch des Krieges gegen die 
Schweizer sich wieder in drückender Geldnoth sah, verpfändete 
er Franz von Carrara auch die Städte Feltre und Belluno für 
60,000 Goldgulden 2 ). Vergeblich hatte Leopold lange Jahre da- 
nach gestrebt, jenseits der Alpen auf italienischem Boden Fuss 
zu fassen; das Unternehmen ging über seine Kräfte, da er sich 
nicht ihm allein widmete, sondern unruhigen Sinnes daneben 
alle anderen Möglichkeiten verfolgte, seine Herrschaft zu ver- 
grössern. Auch die territorialen Verhältnisse machten eine Be- 
hauptung dieser Gebiete, welche durch die Alpen von seinen 
anderen Landen getrennt waren, überaus schwierig. Nur Triest, 
welches sich im Jahre 1382 freiwillig der österreichischen Herr- 
schaft unterworfen hatte, blieb im dauernden Besitze des Habs- 
burger Hauses. 

Fortan wandte sich der Herzog mit der Lebhaftigkeit, welche 



1) Lichnowsky Reg. 1796-1799, 1801, 1814. 

2) Lichnowsky Eeg. 1841, 1991. 



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232 



Sechzehntes Kapitel. 



1384. 



alle seine Handlungen erfüllt, wieder ganz den Vorlanden 
zu. Frühjahr 1384 hielt er sich im Äargau auf, noch immer 
trotz des königlichen Befehles bestrebt, seinen Candidaten 
für das Baseler Bisthum, Werner Schaler, zu unterstützen. 
Die veränderte Haltung Basels, der Beitritt der Stadt zum 
schwäbischen Bunde waren für Leopold schwere Schläge. In- 
dessen blieb sein gutes Verhältniss zum Könige, obgleich er 
diesem in der Baseler Bischofsfrage geradezu ungehorsam war, 
noch immer ungetrübt. In Heidelberg ermahnte Wenzel zu wie- 
derholten Malen die Reichsstädte, an Leopold als Landvogt die 
Reichssteuer zu entrichten, was auch wie die Quittungen ausweisen 
geschah. Auch sonst erzeigte der König dem Herzoge seine Gunst, 
indem er unter anderem am 28. Juli versprach, ihm gegen die 
Bürger von Basel behilflich zu sein, wenn er sich mit ihnen nicht 
einigen könne. Freilich wies Wenzel ihn eben damit an, sich 
friedlich zu vertragen , wie er am Tage vorher Leopold ermahnt 
hatte, sich mit den Reichsstädten Giengens wegen zu einigen. Da 
eben erst die Heidelberger Stallung errichtet war, musste ein Krieg 
füglich unterbleiben; wie es scheint, ist es' auch zu einem Ver- 
gleiche zwischen Oestreich und Basel gekommen. Im Herbste 
ordnete Leopold die Geldverhältnisse, welche die Erwerbung der 
Grafschaft Hohenberg betrafen 

In Heidelberg kamen wiederum die Beschwerden zur Sprache, 
welche die Schiffahrt auf dem Rheine durch die vielfachen Zölle 
erlitt, da die Irrungen, welche die an Worms und Speier verliehe- 
nen Zölle hervorgerufen hatten, diese Sache nahe legten. Aller- 
dings waren die Zölle auf eine bestimmte Zeit, auf 20 Jahre verliehen 
und daher nicht sofort abzustellen; aber wahrscheinlich wurden 
so manche auf Widerruf ertheilten Zölle , welche durch die Ver- 
ordnungen der Jahre 1379 und 1380 aufgehoben worden, noch 
immer weiter eingefordert. Daher wurden in Heidelberg noch- 
mals ausdrücklich alle Turnose widerrufen, welche von Kaisern 
oder Königen an dem Zoll auf dem Rheine auf Widerruf verliehen 
worden. Von der Verpflichtung, welche einst Wenzel übernom- 
men, ohne Bewilligung der Kurfürsten keine neuen Zölle aufzu- 
legen, wird nicht gesprochen; wie weit sich der König noch an 
sie gebunden hielt, ist fraglich. Denn wenige Tage später, am 



lj Lichnowsky Reg. 1861-63, 65, 67, 70 ff.; Viacher Reg. 215-217, 2*20 
-221, 223, 224; Mon. Bo. X, 137, 139; Forschungen m, 14; RA. S. 426. 



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1384. 



Erwerbung Luxemburgs. 



233 



28. Juli in Worms, ertheilte der König den rheinischen Städten, 
d. h. dem rheinischen Städtebunde das Recht, auf dem Maine 
zwischen Frankfurt und Mainz zu Wasser und zu Lande vier alte 
Turnose von jedem Fuder Wein oder anderer Kaufmannswaare 
so lange zu erheben, bis GOOO Gulden, welche sie ihm zu des 
Reiches Nutzen bei Gelegenheit der Heidelberger Stallung ge- 
liehen, wieder eingebracht sind ; der Zustimmung der Kurfürsten 
wird nicht gedacht. Am folgenden Tage gestattete der König 
dem Erzbischofe Adolf und dem Stifte zu Mainz den Zoll zu 
Ehrenfels und Lahnstein, der von Rechtswegen hätte abgethan 
sein sollen, in Ewigkeit zu erheben 1 ). 

Von Worms eilte der König nach Luxemburg, wo er am 6. 
August bereits angelangt war. 



Siebzehntes Kapitel. 

Erwerbung Luxemburgs. 

Am 7. December 1383 war der Herzog Wenzel von Luxem- 
burg-Brabant in Luxemburg dahingeschieden, von seinen Unter- 
thanen wegen seiner Herzensgüte aufs innigste beklagt ; er wurde 
in der Abtei Orval bestattet. Das Herzogthum Luxemburg fiel 
nunmehr gemäss den Verträgen vom Jahre 1378 an den König 2 ). 
Wenn dasselbe auch weder an äusserem Umfange noch an Reicb- 
thum und Zahl der Bewohner sich mit benachbarten Herrschaf- 
ten, wie Flandern und Brabant messen konnte, so gewann doch 
der König durch diesen Besitz festen Fuss im Westen. Jetzt 
konnte er die Erweiterung seiner Macht von beiden Himmelsgegen- 
den, von Osten und Westen her betreiben und die geographisch- 
politische Lage der Erbländer musste ihn und seine Nachkommen 
dazu drängen, eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen. Wie 
viel geringer waren die ersten Gebiete, welche die Zollern im 
Westen erwarben und wie grossartig die Folgen ! Für den Augen- 
blick war es schon wichtig genug, dass der König nunmehr Ge- 



1) RA. n. 247, 248, S. 449 Anm. 1. 

2) Vgl. S. 63. 



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234 Siebzehntes Kapitel. 1384. 



legenheit hatte, im Westen Deutschlands, der sich dem könig- 
lichen Einflüsse fast ganz entzogen hatte, thatkräftig einzugreifen. 

Denn die Reichsländer gemischter oder vorwiegend romani- 
scher Nationalität gravitirten viel mehr nach Frankreich als nach 
Deutschland hinüber. Der Auflösungsprocess des Arelatischen 
Königreiches, der bereits im dreizehnten Jahrhundert begann, war 
weiter und weiter im Fortschreiten begriffen. Zwar hatte Karl IV. 
noch einmal im Jahre 1365 sich die burgundische Königskrone 
aufsetzen lassen und so die alten Herrschaftsrechte der deut- 
schen Kaiser erneuert, aber in Wirklichkeit war damit nicht viel 
gewonnen. Die Provence nebst den dazu gehörigen Gebieten war 
mit der Krone Neapel vereinigt, und wenn auch der Lehnsverband 
mit dem Reiche erhalten blieb, so war das doch nur nominell. 
Als Ludwig von Anjou von Johanna zum Erben eingesetzt wurde, 
nahm er die Provence so gut es eben ging in Besitz, ohne nach 
der Einwilligung Wenzels zu fragen; erklärte doch Clemens, dass 
das Imperium erledigt sei und ihm daher die Verfugung über 
diese Länder zustehe. Lyon war unwiederbringlich verloren, Ve- 
naissin und Avignon von Karl selbst aus dem Reichsverbande 
entlassen worden. Der Delphinat war so gut wie ganz französisch; 
der einzige Zusammenhang mit dem Reiche bestand noch darin, 
dass der Dauphin, damals der König Karl VI., den Titel General- 
vicar des Reiches führte. Nicht besser stand es mit der Graf- 
schaft Burgund, der Franche Comte. Im Jahre 1361 war Philipp 
von Rouvre gestorben, welcher über das Herzogthum wie über 
die Grafschaft Burgund geboten hatte. Während ersteres von 
König Johann seinem Sohne Philipp dem Kühnen übertragen 
wurde, ging die Franche Comte von Rechtswegen über an Mar- 
garethe, Tochter Philipps V. von Frankreich und Wittwe des 
Grafen Ludwig IL von Flandern, welcher in der Schlacht bei Crecy 
gefallen war. Margarethe erbte zu gleicher Zeit auch Artois. Ihr 
Sohn war Ludwig III. von Flandern, welcher eine Tochter des 
Herzogs Johann von Brabant, auch Margarethe genannt, heimge- 
führt und Antwerpen zum Heirathsgute erhalten hatte. Das ein- 
zige Kind aus dieser Ehe war eine Tochter, gleichfalls den Namen 
Margarethe führend, welche mit dem Herzoge Philipp von Burgund 
vermählt gewesen war, ohne dass jedoch das Beilager vollzogen 
worden. Natürlich war die Hand der reichen Erbin vielbegehrt; 
England wie Frankreich strebten danach, sie dem eigenen Königs- 
hause zu gewinnen. Schon hatte Eduard III. den Heirathsvertrag 



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1384. 



Verhältnisse im Westen des Reiches. 



235 



für seinen Sohn Edmund, Herzog von Cambridge abgeschlossen, 
als der Papst Urban V. den Plan durchkreuzte und den zur Ehe 
nöthigen Dispens versagte. Frankreich gegenüber war der Papst, 
wie es die damalige Stellung der Curie mit sich brachte, weniger 
schwierig; Philipp dem Kühnen wurde ohne Weiteres der erfor- 
derliche Dispens ertheilt, so dass die Ehe im Jahre 1369 vollzo- 
gen werden konnte. Eine ungeheuere Gefahr war damit von den 
Valois abgelenkt, geradezu als Werk Gottes wurde von den zeit- 
genössischen Franzosen das Ehebündniss betrachtet ')• Der Streit 
zwischen Philipp und der ältesten Margaretha um die Grafschaft 
Burgund wurde dadurch zugleich geschlichtet, da ihre einzige 
Erbin die Gemahlin Philipps wurde. Margarethe behielt die Graf- 
schaften Burgund und Artois so lange sie lebte. Als sie 1382 
starb, fielen sie zunächst an Ludwig III. von Flandern, welcher 
Artois von Karl VI. zu Lehen nahm, während Wenzel gestattete, 
dass er vorläufig die Grafschaft Burgund drei Jahre inne haben 
dürfe, ohne sie vom Reiche zu Lehen zu nehmen 2 ). Immerhin 
fiel, sobald Ludwig starb, die Franche Comte an Philipp den Küh- 
nen und dann war zu fürchten, dass das Band, welches sie noch 
ans Reich knüpfte, ganz zerriss. 

Der Herzog Johann von Lothringen kam schon durch das 
verwandtschaftliche Verhältniss zu seinem Schwiegervater, dem 
Grafen Eberhard von Wirtemberg, in vielfache Beziehungen zu 
den Reichsangelegenheiten, so dass die Reichsstädte wieder- 
holt vor ihm in Sorge waren 3 ). Johann wurde auch als Mit- 
glied des Nürnberger Herrenbundes aufgeführt, er scheint aber 
demselben nicht ausdrücklich beigetreten zu sein. Dagegen hatten, 
wie wir bereits sahen, die lothringischen Bisthümer Metz, Toul 
und Verdun sich offen dem Gegenpapste angeschlossen. Als der 
Bischof von Metz, Theodorich Bayer von Boppard im Januar 1383 
starb, ernannte Clemens zu seinem Nachfolger den jungen Grafen 
Peter von Luxemburg-Ligny. Dieser, 1369 geboren, hatte in Paris 
studirt und schon in zarter Jugend mit glühender Leidenschaft 
sich den strengsten Bussübungen unterworfen und die kirchlichen 
Pflichten mit gewissenhaftem Eifer erfüllt. Bei den Clementisten 
stand er im Gerüche der Heiligkeit und war deswegen als Empfeh- 



1) Baluze I, 373. 

2) Froissard X, 102, 469. 

3) Stalin III, 283; Janssen S. 4 n. 6, S. 22 n. 59; vgl. Beilage XX. 



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236 



Siebzehntes Kapitel. 



1384, 



lung ihrer Sache besonders hoch geschätzt. Damit fasste der 
französische Papst in Lothringen fester als je Fuss *). 

Also auch hier die Autorität des Reiches völlig kraftlos ! Wie 
stand es nun im Nordwesten ? Herzog Albrecht von Baiern, Graf 
von Holland Seeland Friesland und Hennegau war des Königs 
Schwiegervater und ihm, so weit wir wissen, treu ergeben; auch 
in der Kirchenfrage hielt er zum Könige und Reiche. Gleichwohl 
stand er auch mit dem französischen Königshause in enger Freund- 
schaft. Sein Sohn Wilhelm war mit einer Tochter Karls V. ver- 
lobt, die aber noch vor dem Beilager das Zeitliche segnete; in 
dem Kriege gegen Gent, gegen den Bischof von Norwich lieh er 
Frankreich seine Unterstützung. 

Brabant beherrschte seit dem Tode Wenzels dessen Wittwe 
Johanna, die in bitterem Schmerze über den erlittenen Verlust 
sich vorläufig vor der Welt zurückgezogen hatte. Nach den Ver- 
trägen von 1357 hätte König Wenzel ihr Erbe werden müssen, 
ob aber dieselben von Jobanna noch als giltig betrachtet wurden, 
war sehr zweifelhaft. Ihr Herz hing an der französisch-flandri- 
schen Verwandtschaft, besonders an jener Margarethe von Flan- 
dern, der Gemahlin Philipps von Burgund. Flandern selbst, ohne- 
hin in eigenthümlicher Doppelstellung zwischen Frankreich und 
Deutschland, war dem Reiche völlig fremd. Wenn Graf Ludwig 
hartnäckig zu Urban hielt, so that er das nicht aus Rücksicht auf 
den deutschen König, und gerade die letzten Ereignisse, der Kampf 
mit Gent, hatten ihn ganz an Frankreich geknüpft. 

So war auf der ganzen Linie der Einfluss Frankreichs der 
vorwiegende. Nicht nur das Interesse des Reiches, auch das der 
eigenen Familie gebot Wenzel, hier nach Kräften thätig zu sein, 
um sich die brabantische Erbschaft zu sichern und um zu ver- 
hindern, dass nicht die französische Königsfamilie die Luxembur- 
gische ganz zurückdränge. 

Die Gßfahr war um so grösser, als am 20. Januar 1384 auch 
Ludwig von Flandern gestorben war, wie es heisst tödtlich ver- 
wundet durch den Herzog von Berri, den Bruder Philipps des 
Kühnen, wegen eines Streites um die Grafschaft Boulogne. Da- 
durch fiel dem Burgunder die glänzende Erbschaft seiner Gemah- 
lin zu. Ein bedeutendes Reich war so auf einmal entstanden, das 



1) Vgl. die beiden frcüich inhaltslosen Vitae beati Petri de Lux. in Acta 
Sanctor. Juli 2. 



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■ 



J384. 



Verhältnisse im Westen des Reiches. 



237 



Herzogthum und die Grafschaft Burgund, Nevers, Rethel, Artois, 
Flandern, Mecheln und Antwerpen umfassend. Noch war das 
Gebiet nicht zusammenhängend, aber gerade darin lag für den 
Herrn desselben ein Sporn, die nöthigen Verbindungen zu ge- 
winnen, nach allen Seiten hin abzurunden und zusammenzufügen. 
Grundlagen für eine grossartige schöpferische Politik waren hier ge- 
geben und Philipp ganz der Mann, sie zu betreiben 1 Fortan 
tritt die burgundische Macht als ein hochwichtiger Factor in die 
europäische Politik ein und übt ihren Einfluss auf die Entwicke- 
lung des deutschen Reiches. 

Wie hätten alle diese Verhältnisse Wenzels Aufmerksamkeit 
erregen und seine Thatkraft anstacheln müssen! Eine schwere 
Last war es freilich, die er zu tragen hatte. Das Reich im Innern 
zu beruhigen und den Zwiespalt zwischen Fürstenthum und Bür- 
gerthum auszugleichen in einer Weise, dass das Königthum seinen 
Vortheil davontrug, die Spaltung in der Kirche beizulegen und 
hier des Kaiserthums Interesse zu verfolgen, im Osten seinem 
Bruder die Erbschaft von Ungarn und Polen zu sichern, im 
Westen Frankreichs Einfluss zu beschränken und die Weiterbil- 
dung der burgundischen Macht zu verhindern! Das waren Aufga- 
ben, welche die Kraft eines vollendeten Herrschertalentes, eines ge- 
schickten, unermüdlichen Staatsmannes, der zugleich nicht vor dem 
Entscheide der Waffen zurückbebte, in reichstem Masse in Anspruch 
genommen hätten! Aber Wenzel hatte bereits die Ordnung der 
Kirchenfrage hinausgeschoben und vermieden, im Reiche eine ent- 
scheidende Stellung zu nehmen. War ja zu erwarten, dass er 
den westlichen Angelegenheiten auf die Dauer volle Energie zu- 
wenden würde? 

Ein Anfang wurde wenigstens gemacht, indem der König nach 
Luxemburg ging, um dort die Huldigungen in Empfang zu neh- 
men und die Verhältnisse zu ordnen, Ihn begleiteten der Bischof 
von Bamberg, der Herzog Przemisl von Teschen und mehrere böh- 
mische Edle, unter ihnen Potho von Chastalowitz, dem späterhin 
die Hauptmannschaft von Luxemburg und die Landvogtei des 
Elsasses übertragen wurde *). Der König beschwor feierlich die 



1) Potho nennt sich Hauptmann von Luxemburg und Landvogt des Elsas- 
ses in Urkunden vom 1. März und 11. Mai 1385. Publications XXV, 25; 
am 7. Aug. 1385 erscheint aber Kolmar von Witersheim als Landvogt des Ei- 
Basses. RA. n. 283; Palacky III, 37. 



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'238 



Siebzehntes Kapitel. 



1384. 



Privilegien Luxemburgs, bestätigte in zahlreichen Urkunden die 
der Städte und Klöster und ertheilte neue Gnaden. Seine Auto- 
rität machte er überall geltend. Robert. Herzog von Bar und 
Markgraf von Pont a Mousson, der wahrscheinlich einen Theil 
von der luxemburgischen Erbschaft an sich hatte reissen wollen, 
wurde durch Waffengewalt genöthigt, nach Luxemburg zu kom- 
men und seine Lehen von dem Könige zu nehmen. Die Bürger 
von Metz fanden es bedenklich, allein dem Könige zu trotzen, 
und schickten eine Gesandtschaft zu ihm nach Luxemburg, welche 
zugleich die zwischen Metz und Luxemburg schwebenden Streitig- 
keiten schlichten sollte. Am 13. November kam der König selbst, 
begleitet von seinen Käthen, in die Mauern der Stadt, die ihm 
kostbare Tafelgeschirre verehrte und ihre Freiheiten urkundlich 
zugesichert erhielt. Vornehmlich verpflichtete der König die 
Geistlichkeit, Urban als Papst anzuerkennen und statt Peters von 
Luxemburg Thilemann Fuchs von Dettenberg als Bischof anzu- 
nehmen. Nur zwei Tage weilte der König in Metz; mit seinem 
Fortgehen war des Reiches Autorität schon wieder dahin. Peter 
von Luxemburg blieb der anerkannte Bischof, obgleich Wilhelm 
von Jülich mit den Waffen für Thilemann eintrat. Als Peter 
1387 in Avignon starb, wohin er gerufen worden war, um den 
Cardinalshut zu empfangen, folgte ihm Raoul de Coucy, der nicht 
minder Clemens anhing 1 ). Auch Toul und Verdun und selbst- 
verständlich Cambray blieben in der Obedienz von Avignon. 

Der König war bemüht, seinen Einfluss auf dem linken Rhein- 
ufer durch mannichfache Verträge zu befestigen. 

Der Strassburger Bischof, Friedrich von Blankenheim war 
ein junger Mann — damals etwa 30 Jahre alt — von regem, 
lebhaftem Geiste, gelehrt in kirchlicher Wissenschaft, aber darüber 
keineswegs die Politik vernachlässigend, energisch und uner- 
schrocken. Hochstrebend und ehrgeizig sah er sich bald in 
vielfache Händel verwickelt. Seiner Geistlichkeit und den Stiftern 



1) Ueber den Aufenthalt des Königs in Luxemburg und Metz giebt die 
Cbronique du doyen de S. Thiebault de Metz (bei Galmet Hist. eccles. et civ. 
de la Lorraine [Nancy 17*28] II, Preuves 186), welche auf alteren Quellen beruht, 
gute Nachrichten. Diese Chronik ist auch verarbeitet in den Cbroniques Mes- 
sines publ. par Huguenin (Metz 1838), doch stehen hier die Nachrichten für 1384 
falsch bei 1387. Tergl. ausserdem die Urkunden in den Publications etc. XXV, 
12 ff. und das Itinerar. — Thilemann nennt sich noch 1393 und 1403 „Erwähl- 
ter von Metz." Calmet II, 624. 



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1384. 



Bischof Friedrich von Strassburg. 



239 



legte er schwere Steuern auf. Als das Thomasstift in Strassburg 
die Zahlung verweigerte und sich nach Rom an Urban wandte, 
8chlo88 sich Friedrich an Clemens an, und verbündete sich mit 
Adolf von Mainz , der damals ebenfalls auf des Gegenpapstes 
Seite stand. Daher war Strassburg lange Zeit ein Hauptheerd 
clementistischer Agitation gewesen ; wiederholt hatte Wenzel Be- 
fehle und Anordnungen dagegen erlassen müssen. Die politischen 
Verhältnisse des Elsasses, wie Friedrichs Haltung in der Kirchen- 
frage führten eine Annäherung desselben an Leopold herbei, deren 
Folge gegenseitige Bündnissverträge waren l ). Als Mitglied der 
Löwengesellschaft nahm Friedrich zur Stadt Strassburg eine feind- 
liche Stellung ein und trat dann im Januar 1384 in den Fürsten- 
bund. Er strebte vor Allem danach, ein reicheres Bisthum zu 
erwerben, wie das seinem Vorgänger Lampei t mit Bamberg so treff- 
lich geglückt war ; sein höchster Ehrgeiz war, geistlicher Kurfürst 
zu werden. Dazu konnte des Königs Unterstützung ihm äusserst 
forderlich sein, während dieser gern bereit sein mochte, den Bischof 
näher an sich zu fesseln, schon um ihn von Avignon fern zu hal- 
ten. So kam denn ein Vertrag zu Stande. Friedrich verpflich- 
tete sich am 15. October, dem Könige sein Leben lang beizu- 
stehen und, wenn er geistlicher Kurfürst würde, die von seinem 
Vorgänger hinterlassene Baarschaft mit Wenzel zu theilen und 
ihm drei vom Reiche verpfändete Schlösser des Bisthums zu lösen 
zu geben. Einen Monat später wurde der Bischof, der persönlich 
in Luxemburg erschienen war, mit der Landgrafschaft vom Nie- 
derelsass belehnt und seinem Bisthum die Privilegien bestätigt 2 ). 
Aber wenn wir später Friedrich während Peters Aufenthalt in 
Avignon als Verweser des Metzer Bisthums finden, scheint er doch 
wieder eine Schwenkung zu Clemens gemacht zu haben 8 ). 

Auch die Beziehungen zur Jülicher Herzogsfamilie, welche 
wir bereits kennen lernten, wurden erneuert und befestigt. Schon 
am 18. October 1383 in Nürnberg hatte der König dem jungen 
Herzoge von Geldern ein Schutz- und Hilfsversprechen gegeben, 
während im December desselben Jahres die Jülicher eine Reihe 
von Urkunden ausstellten, welche sie zur thatkräftigen Unter- 

1) Bündoiss vom 1 6. December 1380 auf vier Jahre. Lichnowsky Reg. 1538. 

2) üeber Friedrich s. Stchr. Strassburg II, 678 ff. Die im Texte erwähn- 
ten Urkunden bei Pclzel I, 157, 158. 

3) Calmet II, 627, nach ihm Bertholet VII, 158. Koenigshofen erzählt, 
dass Friedrich Bich um Metz beworben habe. 



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240 Siebzehntes Kapitel. 1384. 

Stützung Wenzels verpflichteten. Wilhelm und Maria von Jülich, 
ihr Sohn Wilhelm von Geldern und ihr Neffe Wilhelm von Berg 
gelobten, den König zu unterstützen, wenn sich Jemand gegen ihn 
aufwerfen und ihn am Reiche, an allen seinen Landen und Leu- 
ten hindern wolle. Dafür ertheilte jetzt der König in Aachen und 
dann in Koblenz weitere Gnaden, namentlich in Bezug auf Zölle 1 ). 
Diese Bevorzugung der Jülichschen Familie musste freilich auf 
Johanna von Brabant, ihre erbitterte Feindin, üblen Eindruck 
machen, aber wahrscheinlich lag es in des Königs Plan, gerade 
gegen sie sich nötigenfalls seiner Günstlinge zu bedienen, wenn 
die Herzogin sich ihm nicht willfährig genug erwies. 

Der König war von Luxemburg aus mit den Städten im leb- 
haften Verkehr geblieben. Bereits am 11. August meldete er 
den Städten am Rhein wie in Ober- und Niederschwaben, dass 
er zu ihnen Räthe mit besonderen Aufträgen senden würde. Wie 
die Rechnungsbücher Frankfurts zeigen, handelte es sich um 600 
Gleven, welche der König „uf die gesellschaft" geliehen haben 
wollte ; die Städte beriethen darüber im August in Mainz und noch- 
mals im September in Speier, doch lässt sich die Antwort, welche 
sie gaben, nicht ersehen. Jedenfalls ist unter der „Gesellschaft" 
die Ritterschaft im Bisthum Metz gemeint, welche unter der Füh- 
rung Walrams von Luxemburg und St. Paul, des älteren Bruders 
des Bischofes Peter von Metz, dem Gegenpapste anhing und wohl 
auch den widerspenstigen Herzog von Bar unterstützte 2 ). 

Während der König noch in seinem neuerworbenen Erblande 
weilte, traten auf seinem Wunsch Boten der Städte und einige 
Fürsten in Koblenz zusammen. In den ersten Tagen des Decem- 
ber kam Wenzel selbst dorthin, wo er die Erzbischöfe von Mainz 
und Köln, Pfalzgraf Ruprecht nebst dessen Neffen und Abgeord- 
nete mehrerer rheinischen Städte antraf. Auf Rath der Kurfürsten 
und der Städteboten wurde die Bestimmung der Heidelberger 
Stallung über gegenseitige Hilfsleistung dahin erläutert, dass die 
Stadt, welche bereits einem Fürsten oder Herrn Beistand leiste, 
während dessen Dauer nicht von einem andern um Hilfe gemahnt 



1) Nijhoff Gedenkwardigkeiten III, 112, 113; Laconiblet III, 769 Anm., 
781 ; Pubbeations XXIV, 197, XXV, 8. 

2) RA. S. 454 Anm. 5, S. 459 Anm. 10; n. 243. Urkunden Wenzels für 
Städte Pelzel I, 157; Hugo a. a. 0. 225, 388; Reg. Bo. X, 141. 



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1384. 



Wenzels Verhandlungen mit den Städten. 



241 



werden dürfe und umgekehrt 1 ). Was sonst Gegenstand der Be- 
rathung gewesen sein mag, ist unbekannt 2 ). 

Der König zog alsdann nach Mainz, wo ihn Bischof Lamprecht 
von Bamberg verliess, um nach Italien zu gehen. Er nahm für 
den Bischof Imer von Basel die Urkunde mit, in welcher Wenzel 
diesem die Regalien ertheilte 8 ), und da ihn sein Weg von dort 
über Savoyen führte, erhielt er zugleich ein Beglaubigungsschrei- 
ben an die Herzogin Bona von Savoyen, die Tochter des Herzogs 
Johann von Berry und einen Brief an Graf Amadeus selbst, in 
welchem dieser aufgefordert wurde, die Partei des Gegenpapstes 
zu verlassen 4 ). 

Zugleich benutzte der König seinen Aufenthalt in Mainz, um 
den Städten eine „Einmüthigkeit" anzubieten. Nur eine dürftige 
Notiz des Frankfurter Stadtbuches giebt uns von dieser Thatsache 
Nachricht und lässt uns über ihre Bedeutung ganz im Unklaren. 
Wollte der König sich einseitig mit den Städten verbünden und 
so mit den Fürsten brechen? Es ist darauf hingewiesen worden, 
dass der König, welcher von dem Plane der Fürsten, ihn abzu- 
setzen, Kunde erhalten, möglicherweise deshalb eine Schwenkung 
gemacht habe 5 ). Aber das ist doch wenig wahrscheinlich, da die 
geBammte Politik des Königs nunmehr darauf hinauslief, in Deutsch- 
land die Ruhe zu erhalten und durch Vermittlung, ohne Partei 
zu nehmen, den Ausbruch des Kampfes hinauszuzögern. Auch 



1) RA. n. 251— 254. Kuno von Trier, der soeben mit dem Könige den 
Ankauf der luxemburgischen Herrschaft Schöneck abgeschlossen hatte, ist offen- 
bar io Koblenz nicht erschienen ; es ist auffallend , wie der frUher so thätign 
Mann nunmehr den öffentlichen Vorgängen fern bleibt. 

2) Das RA. S. 457 Anm. 2 mitgetheilte Fürstenverzeichuiss aus dem Frank- 
furter Oopialbuche macht Schwierigkeiten. Weizsäcker erblickt darin eine Liste 
derjenigen, „welche seit 11. März 1383 dem an diesem Tage geschlossenen 
Landfriedensbund beigetreten und um die Zeit der Koblenzer Zusammenkunft 
anch in die Heidelberger Stallung gekommen waren". Das ist wohl nur zum 
Theil richtig, insofern ein ausdrücklicher Beitritt zur Heidelberger Stallung 
nicht stattgefunden zu haben scheint, da einfach alle zum Nürnberger Bunde 
gehörigen Herren als Mitglieder der Stallung betrachtet wurden. 

3) RegeBt der für Imer ausgestellten Urkunde vom 16. Dec. 1384 Main/, 
bei Trouillat IV, 782. Imer war nicht in Mainz, da er noch am 9. Dec. in 
Basel urkundet und er dann dort an Lamprecht die Taxe, nämlich 300 Gulden 
bezahlte. Zugleich vermittelte der Kanzler einen Vergleich zwischen Imer und 
Wolfhart von Ernfels; ebenda 452, 785-786. Vgl. S. 212. 

4) RA. S. 427. 

5) Von Weizsäcker S. 428; vgl. n. 255, 256. 

Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiche«. I. 16 



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242 



Siebzehntes Kapitel. 



1384. 



führte er damals seine Verhandlungen mit den Städten keines- 
wegs im Geheimen, was doch geschehen wäre, wenn er Feindselig- 
keiten gegen die Fürsten im Sinne getragen hätte. Dass er nicht 
beabsichtigte, sich den Städten rückhaltslos in die Arme zu wer- 
fen, zeigen am besten die entschiedenen Weisungen, welche er 
von Mainz an die Stadt Worms ergehen Hess, die mit der 
Geistlichkeit in immer schlimmer werdende Misshelligkeiten ge- 
rathen war. Wenzel erklärte die Freiheitsbriefe der Stadt für 
nur soweit giltig, als sie dem Stifte und der Pfaffheit nicht 
schädlich wären, und warnte den Rath ernstlich vor jeder Krän- 
kung der Geistlichkeit *), 

Als der König den Städten ein Bündniss anbot, wird er wohl 
nur beabsichtigt haben, von ihrer kriegerischen Macht und ihren 
Geldmitteln Vortheile zu ziehen. Wie er schon vorher von ihnen 
bewaffnete Hilfe gefordert hatte, mag er es auch jetzt gethan 
haben für den Fall, dass er im Westen des Reiches Kriegshändel 
fand, was bei den schwankenden Verhältnissen an der Grenze leicht 
möglich war. Vielleicht trug er sich auch mit Plänen auf Bra- 
bant. Geld brauchte er reichlich für die Zwecke seines Hauses 
im Osten und Westen und die nächste Zukunft lehrte, wie wenig 
wählerisch er in den Mitteln war, es sich zu verschaffen. Welche 
Gegengebote er den Städten gemacht haben mag, wird uns nir- 
gends erzählt. Sicher genügten sie den Städten nicht, denn das 
Zugeständniss, an welchem den Städten das meiste lag, Anerken- 
nung ihres Bundes, konnte er ihnen unmöglich gewähren, ohne 
sich mit den Fürsten völlig zu überwerfen. — Die Städte hielten 
über die Sache im neuen Jahre eine Berathung zu Speier, deren 
Resultat ein ablehnendes gewesen sein dürfte. 

Wahrscheinlich wurde über dieselbe Angelegenheit Ende No- 
vember in Nürnberg zwischen vier königlichen Räthen und den 
schwäbischen Bundesstädten verhandelt. Die Sache muss für sehr 
wichtig gehalten worden sein, da fast sämmtliche Bundesstädte 
vertreten waren; indessen haben auch hier lediglich die Rech- 
nungsbücher uns eine flüchtige Kunde erhalten. 

In Frankfurt, wo der König am 21. December den Grafen 
Adolf von Nassau mit der Grafschaft Diez belehnte und der Stadt 
selbst sowie Gelnhausen Privilegien verlieh, feierte er wohl auch 
das Weihnachtsfest; dann aber eilte er rasch durch Franken nach 

1) Schannat Hist. Worm. Cod. prob. 194, 195. 



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1384-1385. Hedwig Königin von Polen. 243 

Prag, wo er bereits am 11. Januar angelangt war. Gesandte des 
französischen Königs und des Herzogs Philipp von Burgund trafen 
nach seiner Abreise in Frankfurt ein und wurden ihm nach- 
gesandt ')• 



Achtzehntes Kapitel. 

Ungarische Geschichten. 

Dunkel und unklar ist die Kunde, welche uns von den Vor- 
gängen in Ungarn und Polen wird, da uns die Quellen fast ganz 
im Stiche lassen. Das Wenige, was wir erfahren, zeigt nur, wie 
verschlungen und verworren die Verhältnisse waren, ohne dass 
uns der Ariadnefaden gegeben wird, der aus dem Labyrinthe 
herausführt. Der Geschichtsschreiber ist daher auf die Vermu- 
thung angewiesen, aus dem spärlichsten Materiale muss er sein 
Gebäude errichten. 

Sigismund hatte das Versprechen, welches er den Polen im 
Frühjahr 1384 in Lublau gemacht, nicht gehalten; Hedwig war 
zu Pfingsten nicht in Polen erschienen. Die Unzufriedenheit stieg 
dort immer höher, so dass die Wahl eines Königs auf einer für 
den 22. September angesetzten Versammlung mehr als wahrschein- 
lich war. Da schickte die Königin Elisabeth von Ungarn ihre 
Tochter unter Begleitung des Cardinais Demetrius von Gran und 
des Bischofes Johann von Csanad und anderer Edlen in das auf- 
geregte Land; am 15. October 1384 wurde die dreizehnjährige 
Prinzessin in Krakau unter ungeheuerem Jubel zur Königin von 
Polen gekrönt 2 ). Aber wie es scheint, blieb Hedwig unter der 
Vormundschaft und Leitung ihrer Mutter. 

Hat Sigismund inzwischen eingesehen, dass er Polen doch 
nicht gewinnen könne und er wie sein Bruder, der König von 
Böhmen, den Widerstand gegen die Pläne Elisabeths aufgegeben, 
so dass diese nun ausgeführt werden konnten? Fast scheint es 



1) RA. S. 458. 

2) Caro 463 ff. 

16* 



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244 



Achtzehntes Kapitel. 



1384. 



so, da der Markgraf noch weiter in Ungarn verweilte 1 ). Oder 
bat Elisabeth die Eutiernung Wenzels benutzt, der gerade damals 
in Luxemburg weit ab von Ungarn weilte, und mit raschem Ent- 
schlüsse sich zu selbständigem Handeln aufgerafft? Ihre Lage 
war allerdings selbst in Ungarn nicht die glücklichste. Sie hatte 
ihre volle Gunst dem Palatin Nicolaus von Gara zugewandt, aber 
obgleich dieser nach besten Kräften für die Ruhe des Landes 
sorgte, konnte es nicht fehlen, dass die Herrschaft des Einzelnen 
unter den übrigen Grossen des Reiches Unwillen und Groll er- 
regte, da Nicolaus sich von Willkür nicht freihielt und jede Oppo- 
sition mit blutiger Gewalt zu unterdrücken suchte. Die Unzu- 
friedenen erhielten thatkräftige Führer an den vier Brüdern Hor- 
vathy, welche aus einer adeligen aber armen Familie stammend 
von König Ludwig reiche Gunst erfahren hatten. Der thätigste 
von ihnen war Paul Bischof von Agram, ein anderer, Johann, war 
Ban von Dalmatien. Letzterer liess sich in hochverrätherische 
Pläne mit seinem Oheim Johann Palisnay, dem Prior der Johan- 
niter zu Vrana ein und wurde daher abgesetzt, an seine Stelle 
trat Stephan Laszkowitsch. Die Königin selbst eilte begleitet 
von ihren Töchtern im October 1383 nach Dalmatien, um die Ruhe 
zu sichern, aber schon im Mai des folgenden Jahres musste auch 
Stephan entfernt werden 2 ). Um die Gemüther zu beschwichtigen, 
wurde im Juni 1384 ein Reichstag zusammenberufen, auf welchem 
Maria das Privileg des Königs Andreas feierlich bestätigte. Noch 
wird unter den Zeugen der Bischof Paul von Agram genannt 8 ), 
noch hatte er also nicht offen Partei gegen die Königinnen er- 
griffen. Geschah es nun unter dem Drucke der unruhigen Zu- 
stände in Ungarn, dass Elisabeth und auch Sigismund sich ent- 
schliessen mussten, Polen fahren zu lassen, um im eigenen Reiche 



1) Vgl. die Urkunde bei Fejer X, I, 153, nach welcher Sig. noch im No- 
vember 1384 eine Schenkung der Maria bestätigt. Nach DJugoss IX, 97 war 
er noch am ungarischen Hofe, als die Gesandtschaft Jagiellos dort ankam, 
also etwa Anfang Februar 1385. 

2) Fessler Gesch. von Ungarn bearbeitet von E. Klein II, 230 ff. — Engel 
Gesch. des ungrischen Reiches II, 159 sagt, dass Johann Palisnay schon im 
Februar 1383 Johann Horvathy nach Neapel geschickt habe, um Karl zur An- 
nahme der ungarischen Krone zu vermögen. Das ist jedenfalls eine falsche 
Auffassung der Stelle des Paulus de Paulo (bei Schwandtner Script, rer. Hungar. 
III.) 725 zum J. 1383. 

3) Fejer X, I, 148. 



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1385 



Werbung Jagiellos um Hedwig. 



245 



sich zu behaupten? Alle Bemühungen, den Schleier zu lüften, 
sind vergebens. 

Hedwig war zwar, wie wir wissen, mit Wilhelm, dem Sohne 
Leopolds von Oestreich verlobt, aber wird die Ehe wirklich zum 
Vollzug kommen? Die Stimmung in Polen war durchaus deut- 
schenfeindlich und es war zu erwarten, dass die Polen für ihre 
Königin einen Gemahl begehrten, der ihren Wünschen mehr ent- 
sprach. Da erschien im Januar 1385 in Krakau eine Gesandt- 
schaft des Grossflirsten Jagiello von Litthauen, welcher um die 
Hand der jungen Königin warb. Noch waren die Litthauer Hei- 
den, aber der Grossfürst versprach, mit allen seinen Verwandten 
und Unterthanen zum Christenthum überzutreten. Glänzend und 
verlockend waren ferner seine übrigen Anerbieten: er wolle seine 
weiten litthauischen und russischen Lande auf ewige Zeiten mit 
der Krone Polen vereinigen, alle dem polnischen Reiche angetha- 
nen Verkürzungen und Beeinträchtigungen, von wem sie auch her- 
rührten, auf eigene Kosten gut machen; er versprach ferner, die 
200,000 Gulden zu zahlen, welche Leopold zu fordern hatte, wenn 
die Ehe Wilhelms mit Hedwig nicht zu Stande käme l ). 

Hedwig, welche persönlich keine Neigung hatte, sich einem 
Manne anzuvertrauen, der ihr als Barbar galt, wich einer be- 
stimmten Antwort aus und schickte die litthauischen Gesandten 
nach Ungarn zu ihrer Mutter. Elisabeth hörte deren Auseinander- 
setzungen in Gegenwart Sigismunds an; auch sie hielt mit einer 
offenen Sprache zurück. Aber indem sie erklärte, ihr sei Alles 
genehm, was zur Ehre der Christenheit und des polnischen Rei- 
ches gereiche und zugleich zwei ungarische Herren beauftragte, 
zu Jagiello zu gehen und mit ihm mündlich zu verhandeln, zeigte 
sie ihre Herzensmeinung deutlich genug. 

Und wie sie die jüngere Tochter von der Heirath mit einem 
Deutschen fern halten wollte, war sie nicht minder gesinnt, die 
ältere, Maria die ungarische Königin, ihrem Bräutigam Sigismund 
vorzuenthalten. Denn um dieselbe Zeit oder wenig später erfolgte 
der Bruch zwischen der Bosnierin und dem Markgrafen. Wie er- 
zählt wird, hatte letzterer durch seine leichtfertigen Sitten die 
alte Königin beleidigt 2 ), doch wird der Grund der Zwietracht 
tiefer gelegen haben. Gewiss gab es auch in Ungarn eine starke 



1) Oaro II, 490. 

2) Dlugoss IX, 99. 

■ 



246 



Achtzehntes Kapitel. 



1385. 



Partei, welche Sigismund feindlich gesinnt war; unter dem von 
Ehrgeiz und Parteileidenschaft erfüllten Adel mochten so Manche 
hoffen, durch die Verdrängung Sigismunds empor zu kommen. 
An ihrer Spitze standen wohl jene Horvathy, geleitet von Paul, 
dem Bischöfe von Agram; seine Anhänger hatten sich zu einer 
Liga geeinigt, die gewiss nicht für Sigismund zu arbeiten geneigt 
war. Wer weiss, was für ehrgeizige Pläne die Verschworenen 
hegten ; warum sollte nicht ein ungarischer Edler die Hand der 
Maria und mit ihr die Stephanskrone erwerben? Hier konnte 
Elisabeth zunächst eine gute Stütze gegen den Luxemburger fin- 
den. Kam die Ehe Hedwigs mit Jagiello zu Stande, so durfte sie 
von diesem weiteren Beistand erwarten, und wenn Maria sich den 
Gemahl aus einem andern mächtigen Herrscherhause Europas 
wählte, bot sich Aussicht dar, auch dem deutschen Könige Wider- 
stand leisten zu können. So zögerte sie nun nicht, die Maske 
abzuwerfen und Sigismund fand gerathen, sich aus Ungarn zu 
entfernen, um in Böhmen bei seinem Bruder Hilfe zu suchen. Die 
Liga der Horvathy aber trat auf Seiten Elisabeths, die Streitig- 
keiten wurden beigelegt und die Verschworenen forderten nun 
selbst das Volk auf, der Königin und ihrer Tochter zu gehorchen *). 

Sigismund war in Böhmen eifrig bedacht, die Rüstungen zu 
betreiben, um Ungarn mit Gewalt in seinen Besitz zu bringen 2 ). 
Vor allem bedurfte er reicher Geldmittel, nicht allein zu kriege- 
rischen Zwecken, denn voraussichtlich würde ein goldener Regen 
ihm so manches Herz in Ungarn gewinnen. Gewiss gab Wenzel, 
was in seinen Kräften stand, der mit der Tilgung der Juden- 
schulden, wie wir sehen werden, soeben das beste Mittel ergriffen 
hatte, um seine Kassen zu füllen. Da dies aber nicht ausreichen 
mochte, wurde auch Jobst von Mähren in Anspruch genommen. 
Der vorsichtige und geizige Fürst verlangte jedoch Unterpfänder. 
Für 50,000 Schock Groschen, die er zu leihen versprach, gelobte 
Sigismund ihm die Altmark und Priegnitz zu verpfänden. Ausser- 
dem sollte Jobst alles eroberte Land diesseits der Waag in sei- 
nem Besitz behalten, bis ihm aller Schaden vergütet wäre. Wen- 



1) Am 16. Mai 1384. Fejer X, 8, 182. 

2) Am 9. Mai 1385 verheisst Sigismund in Beraun Wilhelm von Sternberg, 
„der in unseren Geschäften zu dem Königreiche in Ungarn uns mit seinem 
Volke dienen will", völlige Schadloshaltung. Fejer X, 8, 177; Dobner Monu- 
menta IV, 376. Wilhelm von Sternberg lieh später Sigismund 1900 Gulden, a. a. O. 



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1385. 



Pläne der Königin Elisabeth von Ungarn 



247 



zel und Johann von Görlitz gaben ihre Genehmigung. Aber sei 
es, dass die Geldmittel sich anderweitig beschaffen Hessen oder 
Jobst mit der Ueberlassung ungarischen Gebietes sich begnügte, 
zum Vollzug der Verpfändung der Altmark und Priegnitz kam es 
nicht. Wohl aber trat der Markgraf am 21. Juli die gesammte 
Mark an den König ab „wegen mancherlei Gebrechen, die unser 
Land täglich beschweren und um der Hilfe willen, welche Wenzel 
uns erzeigt hat und noch erzeigen soll in unserer Sache gegen 
das Königreich Ungarn und besonders, dass Frieden und Gnade 
in der Mark bestellet werde". Wenzel beauftragte seinen jüng- 
sten Bruder Johann mit der Verwaltung der Mark, was sich die 
Stände freilich nicht gefallen lassen wollten. Die königlichen Räthe 
unter der Leitung des Kanzlers Hanko Brunonis, Propst von Lebus, 
kamen daher am 1. December in Luckau mit den märkischen 
Ständen überein, dass diese noch einmal an Sigismund schicken 
und von demselben ausdrückliche und mündliche Verweisung an 
Johann fordern dürften, widrigenfalls sie bei Sigismund bleiben 
wollten. — Schliesslich ist dann die ganze Angelegenheit im 
Sande verlaufen und Sigismund im Besitz der Mark geblieben 

Nach der Entfernung Sigismunds legte Elisabeth ihre wahren 
Absichten, derentwegen er weichen musste, an den Tag. Nicht 
mit einem deutschen, sondern mit einem französischen Prinzen 
sollte Maria vermählt werden, das anjovinische Haus eine Fort- 
setzung finden aus französischem Blute, dem es selber entsprossen 
war. Sie griff damit nur zu den Plänen zurück, welche Ludwig 
selbst dereinst gehegt hatte, indem er seine Tochter Katharina 
dem Prinzen von Orleans verlobte. 

Aber inzwischen war die politische Constellation eine wesentlich 



1) Urkunden bei Riedel II, 6, 105; II, 3, 91-93. Unzweifelhaft übertrug 
Sigismund dem Könige die ganze Mark , nicht wie Aschbach 1 , 36 sagt , das 
Gebiet ausser Priegnitz und Altmark oder wie Klöden Die Mark Brandenburg 
unter Karl IV. I, 126 meint, nur die jetzige Mittelmark. Durch letzteren ist 
Sugenheim a. a. 0. III, 411 irre geleitet worden. — Aschbach I, 37 stellt über- 
haupt die Sache völlig verwirrt dar, die von ihm citirte Urkunde vom 13. No- 
vember 1385 existirt nicht. — Dass Sigismund im Besitze der Mark blieb, be- 
weisen die Urkunden bei Riedel I, 25, 270; II, 5, 134; vgl. Lancizolle I, 243- 
— Die Urk. Johanns bei Riedel I, 24, 89 gehört, wie der Text zeigt, zu 1388; 
nur durch Druckfehler steht in der Ueberschrift 1386, December 11. Im chro- 
nologischen Register ist dann die Verwirrung noch grösser gemacht worden, 
indem das Tagesdatum Freitag vor Lucio für das Jahr 1386 auf den 7. Pocm- 
ber reducirt wird. 



248 



Achtzehntes Kapitel. 



1385 



andere geworden. Die Länder, welche damals dem Prinzen von 
Orleans bestimmt waren, hatte jetzt zum grossen Theil Karl von 
Durazzo inne ; dagegen sollte dem Franzosen nunmehr Ungarn 
zu Theil werden. Gewiss war der Tausch an und für sich dem 
Prinzen nicht erwünscht. Die schönen, südlichen Länder, zu 
denen Frankreich seit mehr als einem Jahrhundert die lebhaf- 
testen Beziehungen hatte, waren ihm sicher angenehmer als Un- 
garn, das in Frankreich doch mehr oder minder als Barbaren- 
land galt. Aber trotzdem war die Verbindung höchst verlockend. 
Wenn man Sigismund vom ungarischen Thron fern hielt, so wurde 
damit die deutsche Königsfamilie erheblich geschwächt, die eben 
an den Grenzen Frankreichs durch die Erwerbung Luxemburgs 
Fuss gefasst hatte. Gerade in diesen Gegenden eröffneten sich 
für Frankreich damals die besten Aussichten, indem durch Ver- 
mittlung der Johanna von Brabant am 9. April 1385 in Cambray 
die Doppelheirath geschlossen wurde zwischen Johann von Nevers, 
dem Sohne Philipps von Burgund und Margarethe, der Tochter 
Albrechts von Holland einerseits und dessen Sohn Wilhelm von 
Holland mit Margarethe von Burgund, der Tochter Philipps an- 
dererseits. Wenn man auch damals kaum erwarten konnte, dass 
der Erfolg dieser Ehen für Burgund ein so glänzender sein würde, 
wie er es dann thatsächlich war, so eröffnete sich doch dem 
burgundisch-franzÖBischen Einflüsse damit ein weiter Spielraum. 
Die burgundische Herzogsfamilie trat zugleich in verwandtschaft- 
liche Beziehungen zu Wenzel und es ist sehr wahrscheinlich, dass 
die französisch-burgundische Gesandtschaft, welche ihm Ende 1384 
nachgeeilt war, seine Einwilligung zu diesen Verbindungen ein- 
holen sollte. Wahrscheinlich hat er sich einverstanden erklärt, 
denn es ist für Wenzel charakteristisch, dass er den Valois immer 
günstiger gesinnt war, als es sich mit seinen eigenen Interessen 
und denen des Reiches vertrug. Bald genug sollte er den schlech- 
testen Dank ernten. 

Die Franzosen Hessen sich jedoch für den Augenblick vielleicht 
mehr durch Rücksichten auf Italien leiten, als durch den Wunsch, 
die luxemburgische Macht zu beschränken. Denn gelang es dem 
Prinzen von Orleans wirklich, die Krone von Ungarn zu gewinnen, 
so war Aussicht vorhanden, auch Neapel zu erwerben. Zwar war 
der Zug Ludwigs von Anjou, wie wir noch sehen werden, völlig 
missglückt, er selbst im September 1384 dem italischen Klima 
erlegen. Aber die Ansprüche wurden keineswegs aufgegeben, 



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1385 Französische Gesandtschaft nach Ungarn. 249 

sondern sofort im Namen seines Sohnes Ludwig aufgenommen. 
Karl hatte hauptsächlich durch ungarische Unterstützung und 
durch die Protection Urbans das Königreich erworben. Mit dem 
Papste aber er war jetzt zerfallen, die ungarische Hilfe in Zukunft 
abgeschnitten. Mit der Hand Marias, welche sich noch immer 
Fürstin von Salerno und Herrin des Onore di Monte S. Angelo nannte, 
gewann der Prinz von Orleans zugleich Rechtsansprüche auf nicht 
unbedeutende Gebiete des neapolitanischen Königreichs. Konnte 
dann Karl von Osten und Westen zu gleicher Zeit angegriffen 
werden, so war seine Niederlage nicht unwahrscheinlich. Unter- 
stützung oder wenigstens Förderung war auch von Oberitalien 
zu erwarten, da Johann Galeazzo alsbald nach dem von ihm be- 
wirkten Sturze seines Oheims Bernabo Frankreichs Bundes- 
genossenschaft suchte V). Wie mussten dann alle diese Verhält- 
nisse zurückwirken auf die Kirchenfrage! Ludwig von Orleans 
als König von Ungarn konnte leicht sein Land zu Clemens hin- 
überführen und war dann auch in Neapel dessen Obedienz ge- 
sichert, so stand das Avignonesische Papstthum glänzender da, 
als je. Noch schwebte alles in der Luft, aber die Lösung der 
ungarischen Frage wurde für ganz Europa von eminenter Wich- 
tigkeit ! 

Ungefähr im Mai sandte Elisabeth ihre Anträge nach Frank- 
reich, welche dort bereitwillige Aufnahme fanden. Am 10. Juli 
erschien bereits eine französische Gesandtschaft unter Führung des 
Bischofes Peter von Maillezais auf dem Wege nach Ungarn in 
Venedig vor dem Dogen, um ihm mitzutheilen, dass der Heiraths- 
contract zwischen Ludwig und Maria abgeschlossen sei und um zu 
bitten, dass man dem Prinzen, wenn er komme, gestatten möge, 
zur Ueberfahrt venetianische Schiffe in Sold zu nehmen. 

Zu derselben Zeit, in welcher die französische Botschaft in 
Ofen verweilte, erschien dort Herzog Leopold, um die Ansprüche 
seines Sohnes auf Hedwigs Hand zu verfolgen. Kam er aus 
eigenem Antriebe oder von Elisaheth gerufen und stand seine 
Ankunft in Verbindung mit der Anwesenheit der Franzosen? 
Letzteres ist das Wahrscheinliche. 

Unmöglich konnten in Ungarn die Rüstungen Sigismunds ver- 
borgen bleiben, von dem man ohnehin wusste, dass er nicht 
gleichmüthig auch auf das zweite der erhofften Königreiche ver- 



1) Die Mailändischen Vorgänge werden im zweiten Bande besprochen werden. 



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250 



Achtzehntes Kapitel. 



1385. 



ziehten würde. Kam es zum Kriege, so war für Elisabeth des 
Oestreichers Hilfe nicht zu verachten; und selbst wenn er nicht 
thätigen Beistand leistete, war es doch von Werth, ihn nicht 
auch zum directen Feinde zu haben. Wie leicht konnte er, 
kriegslustig wie er war, sich mit Sigismund vereinen, wenn er 
seine Hoffnungen getäuscht sah! Das wenigstens musste ver- 
hindert werden und Elisabeth trug kein Bedenken, den Herzog 
zu diesem Behufe gröblich zu täuschen, der mit seinem ge- 
wohnten Ungestüm bereitwillig in die gestellte Falle ging. Am 
28. Juli gelobten Elisabeth und Maria, der Cardinal Demetrius 
von Gran, der Bischof von Fünfkirchen, Herzog Nicolaus von 
Oppeln und der Palatin Nicolaus von Gara, bis zum 15. August 
die Ehe zwischen Wilhelm und Hedwig zum Vollzuge zu bringen, 
so dass das Brautpaar sich fleischlich mische, während Leopold 
versprach, alsdann sofort die 200,000 Gulden Aussteuer zu be- 
zahlen. Möglich dass er noch weitere Verpflichtungen einging, die 
wir nicht kennen. Aber schon in diesem Vertrage mit Elisabeth 
lag von Seiten des Herzogs eine Feindschaftserklärung gegen 
Wenzel. Dass er überhaupt zu Elisabeth nach Ofen gegangen 
war, während gegen diese der Krieg gerüstet wurde, musste ihn 
dem Könige verdächtig machen. 

Es ist ferner zu erwägen, dass auch Leopold dem Avignonesi- 
schen Papste anhing, der nun in Ungarn zur Anerkennung kommen 
sollte. Endlich erstrebte ja der Herzog gleichfalls Verwandtschaft 
mit der französischen Herrscherfamilie; sein jüngerer Sohn Leo- 
pold war seit Jahren verlobt mit Margaretha, der ältesten Tochter 
Philipps von Burgund. Da aber für diese sich die vortheil- 
haftere Verbindung mit Wilhelm von Holland darbot, hatte Phi- 
lipp mit Genehmigung Karls VI. an ihre Stelle seine zweite Tochter 
Katharina gestellt. Die Ehe sollte bis Michaeli in Dijon vollzogen 
werden. So weist Alles darauf hin, dass Leopold mit im Com- 
plot gegen Sigismund war und die französische Ehe Marias be- 
günstigte, in der Hoffnung, dann um so eher die seines Sohnes 
mit Hedwig zu erreichen. 

Die Verhandlungen mit den französischen Gesandten kamen 
zum vollkommenen Abschluss. Ein Edelmann, Jean la Personne, 
hielt nach der Sitte der Zeit im Namen seines Herrn des Prinzen 
vpn Orleans mit Maria ein Scheiubeilager ab, um die Verlobung 
bindend zu machen. Eine glänzende Schaar ungarischer Edler 
mit 150 Pferden begleitete die durch Oberitalien zurückkehrenden 



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1384-13*5. 



Erfolge Karls von Neapel. 



251 



Gesandten, um ihren künftigen König zu begrüssen und ihm das 
Geleit in sein neues Königreich zu geben. Leopold aber begab 
sich nach Graz, wo er längere Zeit blieb, um den Gang der Dinge 
abzuwarten. Nur zu bitter sollten seine Hoffnungen getäuscht 
werden : statt Gewinn und Ehre trug er nur Verlust und Krän- 
kung davon. 

Viele Mitglieder des ungarischen Adels waren mit Elisabeth 
einverstanden ; sie wollten nicht unter die Herrschaft der 
Deutschen oder Böhmen kommen oder mochten sich dem neu 
aufgehenden Gestirn hoffnungsvoll zuwenden. Bald standen sich 
die beiden Parteien gegenüber, darum kämpfend, ob der 
Franzose oder der Deutsche die Königin heimführen solle. Neben 
ihnen bildete sich bald eine dritte ; immer verworrener und un- 
heilvoller gestalteten sich Ungarns Verhältnisse. Jene Adelsliga der 
Horvathy und Laszkowitsch wollte weder von Sigismund noch von 
Ludwig etwas wissen. Wenu keiner aus ihrer Mitte die Hand 
der Maria davontrug, sollte diese auch nicht zum Thron gelangen. 
Von Elisabeth getäuscht, wandten sie sich von ihr ab und erko- 
ren als ihren Candidaten den Maun, welchen schon Ludwig der 
Grosse als gefährlichen Nebenbuhler seiner Töchter anderweitig 
hatte abfinden wollen, den König Karl den Kleinen von Neapel. 

Dieser war inzwischen vom Glück begünstigt worden. Ludwig 
von Anjou hatte nach den ersten schweren Misserfolgen sich nicht 
mehr erholen können, immer grösser wurde die Noth in seinem 
Heere. Vergebens hofften die französichen Ritter, dass Karl sich 
ihnen in einer offenen Schlacht entgegenstellen würde. Der schlaue 
Gegner wusste stets auszuweichen, während Ludwig sich dabei 
immer weiter von Neapel und dem Gestade des tyrrhenischen 
Meeres weg an die Ostküste gedrängt sah. Endlich machte der 
Tod seinen Sorgen ein Ende, er starb am 21. September 1384 
zu Bari. Sein Heer zerstreute sich ; im tiefsten Elende, am Bettel- 
stabe kehrten die spärlichen Ueberreste der einst so herrlichen 
Armee nach Frankreich zurück. Zwar hinterliess Ludwig als 
Erben seinen jugendlichen Sohn, der in Frankreich weilte, aber 
von diesem war für den Augenblick nichts zu fürchten. Karl 
war im ungestörten Besitze Neapels. 

Noch weniger als früher war er daher genöthigt, auf den 
Papst Urban Rücksichten zu nehmen. Dieser hielt sich noch 
immer mit der Curie in Nocera, dem Besitze seines Neffen Fran- 
cesco, auf. Der Ort liegt 24 Miglien von Neapel entfernt, in 



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252 



Achtzehntes Kapitel. 



1384 -1385. 



herrlicher Gegend, deren Fruchtbarkeit und Schönheit Dietrich 
von Niem, welcher sich in Urbans Begleitung befand, nicht genug 
schildern kann; die Burg war sehr fest, aber die Stadt zählte 
kaum 70 bewohnbare Häuser. So war für die Curie der Aufent- 
halt ein höchst langweiliger und unbequemer; bald brach auch 
der Mangel herein, als die Königin Margarethe, eine Frau von 
männlichem Geiste aber auch männlichen Unsitten, welche für 
den in Apulien im Felde stehenden König die Regierung führte, 
aufs strengste jeden Verkauf von Lebensmitteln ausserhalb Nea- 
pels verbot. Urban hatte sie gereizt, indem er bei Strafe der 
Excoramunication verbot, die Abgabe vom Weinverkauf zu zahlen, 
welche Margarethe und ihr Gemahl ausgeschrieben hatten. Mit 
bitterem Humor nannte daher die Umgebung Urbans ihren elenden 
Aufenthaltsort: Miseria saurata, das „gepfefferte Elend," während 
der Papst selbst ihm den stolzen Namen Luceria Christianorum 
beilegte. Jeden Augenblick fürchtete man von umherstreifenden 
Banden, deren in dem zerrütteten Reiche genug ihr räuberisches 
Wesen trieben, überfallen zu werden. Als im August ein blinder 
Lärm entstand, eilte Alles angstvoll davon nach Neapel zu und 
nur mit Mühe vermochte Urban die Rückkehr der Cardinäle und 
Curialen zu erreichen. Der Cardinal von Reate zog jedoch vor, 
in Neapel zu bleiben. Vergebens drangen die anderen Cardinäle 
in Urban, entweder nach Rom zurückzukehren oder mit Karl einen 
sichern Frieden zu machen. Der leidenschaftliche Mann trug sich 
noch immer mit der eitlen Hoffnung, seine Absichten erreichen 
zu können, denn er bildete sich ein, unter dem Neapolitaner 
Adel genug Anhang zu haben, um Karl von seinem Throne zu 
verdrängen. Da eine Besserung nicht abzusehen war, entwarf 
der Cardinal von Reate den Plan, den sinnlosen Mann unter die 
Curatel der Cardinäle zu stellen. Als er jedoch deswegen sich 
mit den in Nocera befindlichen in Einverständniss zu setzen 
suchte, verrieth einer von ihnen den Anschlag. Von wüthendem 
Argwohne ergriffen liess der Papst am 11. Januar 1385 sechs 
Cardinäle und den Bischof von Aquila ergreifen, sie in eine Ci- 
sterne werfen und dann in scheusslicher Weise foltern, um sie 
zum Geständniss zu zwingen; er beschuldigte sie des Attentates 
gegen sein Leben. Es ist unmöglich, zu sagen, ob die Cardinäle 
wirklich schuldig waren ; zwei Zeugen, die damals in Nocera waren, 
beide Deutsche aus Westfalen , stehen sich mit ihren Aussagen 
gegenüber. Während Gobelinus Persona an die Existenz des 



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1385. 



Urban VI. in Nocera. 



253 



Complottes iü seinem vollen Umfange glaubt, bezeugt Dietrich 
von Niem, der selbst an der Untersuchung theilnahm und in sei- 
nen Ansichten und Urtheilen unendlich klarer und freier ist, als 
sein Landsmann, es freilich mit der Wahrheit nicht immer allzu- 
streng nimmt, ihre Unschuld. Dass einzelne der Angeschuldigten 
unter den Qualen der Marter das gewünschte Geständniss ab- 
legten, hat für uns keine Beweiskraft; die Zeitgenossen haben sie 
im Allgemeinen für schuldlos gehalten. Aber selbst wenn sie es 
nicht waren, die Bestialität, mit welcher der Papst gegen sie ver- 
fuhr und die selbst seine ergebensten PVeunde nicht zu verhüllen 
vermochten, lässt sich in keiner Weise rechtfertigen ; so zahlreiche 
Scheusslichkeiten auch gerade in dieser Zeit von gekrönten Häup- 
tern verübt wurden, das Oberhaupt der Kirche hat sie alle 
überboten. 

Dabei gestalteten sich die Verhältnisse für Urban immer un- 
günstiger. Im November 1384 war Karl nach Neapel zurück- 
gekehrt und hatte den Papst aufgefordert, in die Stadt zu 
kommen. Selbstverständlich weigerte sich Urban; immer bitterer 
wurden die gegenseitigen Vorwürfe, immer tiefer das Zerwürfniss, 
bis endlich Urban in seiner rücksichtslosen Weise über Karl und 
dessen Gemahlin den grossen Kirchenfluch verhängte und ihn 
seiner Krone für verlustig erklärte. Um sich Helfer zu gewinnen, 
ernannte Urban Anfang Januar 1385 eine grosse Zahl Cardinäle, 
17 oder 20, wie verschieden berichtet wird ; unter ihnen zahlreiche 
Deutsche, die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln, die Bischöfe 
von Lüttich und Bamberg und die zum böhmischen Reiche ge- 
hörenden von Prag und Breslau, indem er ihnen zugleich gestat- 
tete, ihre Diöcesen zu behalten. Aber einstimmig entzogen sie 
sich der Ehre, die unter solchen Umständen ertheilt gar zweifel- 
haft erschien *). Ja Urban trug kein Bedenken, sich mit den 



1) Stchr. Strassburg II, 599 wird als Pronuntiationstag der 13. December 
angegeben, während der dabei anwesende Dietrich von Niem (I, c. 44) ihn auf 
den 7. Januar verlegt. Detmar a. a. 0. 327 z. J. 1384 giebt den Martinstag 
an; vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit Martina (2. Januar) vor. Gobe- 
linus (a. a. 0. 316) endlich giebt gar keine Zeitbestimmung. Um auf Wenzel einen 
Druck auszuüben und ihn an seine Pflichten gegen die Kirche zu erinnern, Hess der 
Nuntius in Prag öffentlich die Urkunden Heinrichs VII. und Karls IV. an- 
schlagen, iu welchen sie sich vor der Kaiserkrönung verpflichteten, die Kirche 
zu schützen und deren Eigenthum auf das Königreich Neapel zu wahren. Raynald 



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254 



Achtzehntes Kapitel. 



1385. 



Resten der clementistisch-anjovinischen Partei, namentlich dem 
jüngeren Grafen Raimund von Nola, in Verbindung zu setzen. 

Die Spannung war aufs höchste gestiegen. Bald sah sich der 
Papst von neapolitanischen Schaaren belagert, täglich arbeitete 
das Geschütz gegen die Wälle von Nocera. Die untere Stadt 
fiel bald und zum grossen Schmerze Urbans gerieth sein theurer 
Neffe Francesco in einem benachbarten Schlosse als Gefangener 
in die Hände Karls. Aber ungebeugt blieb sein Starrsinn ; eine 
brennende Kerze in der einen, eine Glocke in der andern Hand 
erschien er täglich dreimal am Fenster, um auf Karl und. seine 
Schaar den Bannfluch herabzuschleudern. Man blieb ihm die 
Antwort nicht schuldig, auf seinen Kopf wurde ein Preis von 
10000 Gulden gesetzt *). Endlich gingen die Lebensmittel auf 
die Neige und als es dem Grafen von Nola, von einer deutschen 
Soldbande unterstützt, geglückt war. sich durch die Belagerer 
hindurch in die Burg zu werfen, ergriff der Papst am 7. Juli 
die Flucht. In wilder Hast unter mancherlei Abenteuern, 
während die Habsucht der Retter mit gewaltigen Summen be- 
friedigt wurde, eilte er an die Küste des adriatischen Meeres; 
endlich am 19. August fand er bei Trani die Galeeren, welche 
Genuas Doge auf Urbans Bitten gesendet. 

Ueber Sicilien segelte der Papst nach Genua, wo er am 
23. September landete und über ein Jahr lang blieb. Die un- 
glücklichen Gefangenen waren in Fesseln mitgeschleppt worden, 
nur den Bischof von Aquila, der erschöpft nicht mit fort- 
konnte, hatte der Papst unterwegs todtschlagen lassen. Als 
jedoch in Genua der Versuch gemacht wurde, sie zu befreien, 
Hess sie Urban bis auf einen, den er auf Bitten des englischen 
Königs freigab, ermorden und verscharren. Den Tag darauf, am 
IG. December, segelte der Papst nach Lucca, noch immer voll 
von Hoffnungen, sich Neapels bemächtigen zu können. Seine un- 
sinnigen und barbarischen Handlungen hatten ihn in allgemeine 
Verachtung gebracht, aber es ist ein trauriges Zeichen für die 
Rohheit der Zeit und ihre Gleichgiltigkeit in kirchlichen Dingen, 
dass trotzdem Niemand daran dachte, gegen Urban Protest zu 



1386, 13. — Wenzel hat in diesem Jahre mehrfach Gesandte nach Italien ge- 
schickt; ob aber diese sich mit Urbans Angelegenheiten befassten, lässt sich 
nicht sagen. 

1) Baiuze II, 982. 



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1385. 



Karl von Neapel geht nach Ungarn 



255 



erheben. Unter den Fürsten, welche auf seiner Seite standen, 
überwogen die politischen Rücksichten über die Pflicht gegen 
Kirche und Moral; mit einer Absetzung Urbans hätte man ja 
dem französischen Papstthume in die Hände gearbeitet. Da3 be- 
redte Anklagemanifest, welches vier Cardinäle gegen ihn in die 
Welt schleuderten, blieb ohne Wirkung; daher traten zwei von 
ihnen, darunter jener Pileus, zu Clemens über l ). 

Zu derselben Zeit, in welcher Urban das unglückselige Nocera 
räumte, mag Karl von Durazzo das Anerbieten der ungarischen 
Adelige* erhalten haben. Der Bischof Paul von Agrara war selbst 
zu ihm gekommen, indem er unter dem Vorwande, die heiligen 
Stätten Horns besuchen zu wollen, nach Neapel eilte. Karl war 
Anfangs unschlüssig, denn er verhehlte sich die Schwierigkeiten, 
denen er zu begegnen hatte, nicht. Vor allen warnte die Königin 
Margarethe, welche mit dringenden Bitten den Gemahl bestürmte, 
sich nicht in Gefahren zu stürzen, denen er erliegen müsse 2 ). 
Aber bald entschloss sich Karl, das Anerbieten anzunehmen. Es 
war nicht allein Ehrgeiz, der ihn trieb, sondern richtige politische 
Berechnung. Wohl war er augenblicklich der unangefochtene 
Gebieter von Neapel; aber er wusste am besten, wie wenig er 
des Adels sicher war, der zu allen Zeiten sich durch glänzende 
Treulosigkeit ausgezeichnet hat. Noch gab es eine anjovinische 
Partei, wenn sie auch momentan ohne Bedeutung sein mochte; 
und dass man in Avignon Alles aufbieten würde, um den Kampf 
neu zu beleben, um den jungen Ludwig zum Herrn von Neapel 
zu machen, war mit aller Sicherheit zu erwarten. Seitdem Karl 
sich die unversöhnliche Feindschaft Urbans zugezogen hatte, war 
von diesem und damit vom übrigen Italien Beistand nicht zu er- 
warten. Da stand nun die allerhöchste Gefahr im Anzüge, wenn 
es wirklich zur Ehe Marias mit dem französischen Prinzen kam; 



1) Baluze II, 983. Am 15. Juli 1386 wurden auf dem Prager Diöcesan- 
concil die Indulten des Pileus widerrufen und er nebst seinem Gefährten als 
Ketzer erklärt. Höfler Concilia Prageusia 33. 

2) Königshofen (Stchr. Strassburg II, 597) leitet die Feindschaft zwischen 
Urban und Karl daher, dass ersterer ihn nicht von seiner Frau habo scheiden 
wollen, damit er Maria heirathe. Auch Dlugoss hat einen ähnlichen Gedanken, 
wenn er sagt, Karl sei von Elisabeth gerufen worden, in conjugiuin Mariae 
successurus. Aber das Alles war wohl nur müssiges Gerede, dessen Entstehung 
sich leicht erklären lässt Eher ist es denkbar, dass Karl seinen Sohn Ladis- 
laus an Maria verheirathen wollte. 



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250 



Achtzehntes Kapitel. 



1385. 



von allen Seiten angegriffen, konnte Karl nicht hoffen, Widerstand 
zu leisten. Hier lag der entscheidende Punkt; das französische 
Ehebündniss musste hintertrieben werden. Am besten geschah 
es, wenn Karl selbst König von Ungarn wurde; der Besitz dieser 
Krone sicherte die von Neapel Fand er doch für sich in Un- 
garn eine starke Partei und hatte er ausserdem gegründete Erb- 
ansprüche. 

So war er bereit zu gehen, sein Sohn Ladislaus sollte ihn 
begleiten. Mit aller weiblichen Leidenschaft trat ihm Margarethe 
entgegen : wenigstens den Sohn sollte er ihr lassen und Karl gab 
nach. Am 4. September bestieg er in Barletta die Schiffe, lan- 
dete am 8. in Zengg, wo er von der italisch sprechenden Bevöl- 
kerung mit Jubel aufgenommen wurde und ging dann nach Agram, 
um seine Anhänger zu sammeln. Selbst die ungünstigen Nach- 
richten, welche er inzwischen erfuhr, vermochten nicht ihn von 
seinem Vorhaben abzubringen. 

Sigismund hatte die Zeit nicht müssig verstreichen lassen. 
Begleitet von Jost und Procop war er in Ungarn eingerückt 2 ), 
Mitte August stand er im Feldlager bei Pressburg. Die Stadt 
mit fast ausschliesslich deutscher Bürgerschaft öffnete ihm die 
Thore und erhielt dafür am 16. August Bestätigung ihrer Privi- 
legien. „Gegen die Bestimmungen und Anordnungen, welche 
König Ludwig zwischen Maria und uns getroffen hat, geschehen 
uns viele Verzögerungen und Beschimpfungen. Aber wir wollen 
sie nicht länger ertragen, sondern ohne Unterlass unsere Ge- 
schäfte im Königreich Ungarn betreiben , u sagt der Markgraf in 
der betreffenden Urkunde. Die beideu mährischen Fürsten hingen 
zur Bürgschaft ihre Siegel an, aber schon eine Woche später, am 
22. August, wurde ihnen die Stadt verpfändet 8 ). 

Von Wichtigkeit war, wie sich Herzog Albrecht von Oest- 
reich, dessen Gebiet mit Ungarn grenzte, verhalten, ob er etwa 
mit Leopold gemeinsam gegen Sigismund auftreten würde. Freilich 



1) Ganz richtig lässt Laurentius de Monacis (Carmen de casu ill. Regi- 
narum et de lugubri exitu Caroli Parvi, Anhang zu desselben Verfassers Chron. 
Venetum. Venetiis 1758) 328 den König sagen: 

Hungariae si gentis habenas 
attigero, Hungaricis supplebo viribus haustum 
Apuliae regnum; neutrum vel utrumque paratur. 

2) Am 5. Aug. war er bei Neitra. Dobner IV, 376. 

3) Fejer X, 8, 178-181. 



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1385. 



Massregeln gegen Herzog Leopold. 



257 



war das kaum zu befürchten. Das Verhältniss der Brüder war 
durch Leopolds Schuld, durch die rücksichtslose Art, mit wel- 
cher er die Theilungen betrieb, getrübt, und soweit wir 
wissen, nicht wieder herzlicher geworden. Der weise und ver- 
ständige Albrecht hatte seinem Bruder nachgegeben, soweit es 
irgend möglich war, sonst aber in kluger Selbstbeschränkung 
sich gehütet, an dessen ausschweifenden Plänen theilzunehmen. 
Er hatte weder dem Gegenpapste sich angeschlossen, noch die 
italischen Unternehmungen untorstützt; während Leopold gewal- 
tige Summen ohne Früchte zu erzielen vergeudete, hielt Albrecht 
sorglich Haus. Zwar scheute er den Kampf nicht, wenn es galt, 
seine Macht im eigenen Lande zu erweitern, wie gegen die Schaum- 
berge, oder um Ruhe und Ordnung zu wahren, aber sonst vermied 
er Krieg und Streit. So blühte unter ihm das Land auf, ganz 
besonders verdankte dem Herzoge die Wiener Universität ihren 
hohen Aufschwung. 

Immerhin war es jedoch für die Luxemburger gerathen, sich 
mit Albrecht gut zu stellen, damit er trotzdem nicht von Leopold 
zu feindseligen Handlungen gedrängt würde. Denn diesem hatte 
König Wenzel soeben schwere Ungnade erwiesen. Der Bann, 
welcher bis dahin dem Könige Leopold gegenüber die Hände ge- 
bunden hatte, war nunmehr gelöst. Nur die ungarisch - pol- 
nischen Verhältnisse hatten bisher Wenzel bestimmt, den Oest- 
reicher mit immer neuen Gnaden zu überhäufen, die urbanfeind- 
liche Haltung desselben zu übersehen. Jetzt wo Polen aufgegeben 
werden musste, fielen diese Gründe Leopold zu schonen weg. 
Und als dieser gar für Elisabeth Partei ergriff, wurde der Bruch 
zwischen König und Herzog unvermeidlich. 

Am 17. August wurde Leopold seiner Landvogteien in Ober- 
und Niederschwaben entsetzt, welche der König seinem Getreuen, 
Wilhelm dem Frauenberger zur Pflege anempfahl. Damit wurde 
ein schwerer Schlag gegen die Pläne, welchen der Herzog mit 
Vorliebe nachging und denen er sich eben mit erneuter Kraft 
zuwandte, geführt. Und wenn der König bisher nicht beachtet 
hatte, dass Leopold offenkundig zu Avignon hielt, trat auch hier 
auf einmal eine Wendung ein. Am 1. September dankte Wenzel 
fünfundzwanzig Reichsstädten in Schwaben und Franken, dass sie 
seinen Geboten getreu den Unglauben des Widerpapstes nament- 
lich im Bisthume Konstanz — dort war ja Leopold der Haupt- 
schuldige — gestört und abgethan hätten. Da aber in den dortigen 

Th. Lindner, Geschichte des deutschen Meiches. L 17 



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258 



Achtzehntes Kapitel. 



1385 



Landen noch einige Fürsten, Grafen, Herren und Städte zu Robert 
von Genf hielten, so ermahnt er sie allen Ernstes, gegen solchen 
Unglauben mit ganzer Macht einzuschreiten und seine Abstellung 
zu erwirken. „Und wer dawider ist und sein wollte, er sei wer 
er sei, Niemand ausgenommen, den greifet an und strafet ihn, 
wie ihr könnt und mögt, von uns und des Reiches wegen; das 
thuet unter unserm und des Reiches Panier, wie wir unserm und 
des Reiches Landvogte und euch vormals Macht gegeben haben" , ). 
Deutlicher konnte der König kaum sprechen! 

Mit Herzog Albrecht scheint Markgraf Jobst freundschaftliche 
Berührung gehabt zu haben, wie es die Lage der beiderseitigen 
Gebiete bedingte. Schon am 5. April 1380 gelobte Jobst alle 
demselben von seinem Vater Johann gemachten Verschreibungen 
und Verbindungen zu halten; jetzt am 24. August in Presburg 
erklärte der Markgraf, dass die alte lautere Freundschaft und 
Einigung zwischen ihnen erneut worden und gelobte, mit ganzer 
Macht den Herzog gegen Jedermann zu vertheidigen , der ihn in 
seinen Erblanden angreifen oder schädigen würde 2 ). 

Was weiter geschah, wissen wir nicht; am 28. September 
und 3. October aber finden wir Sigismund in Ofen 3 ). Sei es 
nun, dass ihn die alte Königin selbst herbeigerufen hat, um 
schnelle Hilfe gegen Karl zu finden, da von Frankreich solche 
nicht möglich war, oder sei es, dass Sigismund mit Waffengewalt 
den Sieg davontrug: das Beilager mit Maria wurde vollzogen und 
die Ehe so zur unumstösslichen Thatsache. 

Aber wahrscheinlich hatte der junge Gatte nicht Truppen 
genug, um Karl entgegentreten zu können. Die Nachstellungen 
der Feinde flössten ihm Besorgniss ein; er eilte nach Böhmen 
zurück, um stärkere Schaaren zu gewinnen, seine Gattin und 



1) Vischer Reg. 252, 253. RA. n. 230. 

2) Lichnowsky Reg. 1513, 1942. Aus dem Staude der Dinge ergiebt sich, 
dass dieser Vertrag unmöglich gegen Wenzel gerichtet gewesen sein kann, wie 
Kurz II, 2, 101 meint. Es wurden vielmehr Streitigkeiten, welche zwischen 
östreichischen und böhmischen Unterthanen schwebten, bald darauf einem güt- 
lichen Schiedsgerichte unterbreitet. Lichnowsky Reg. 1947, 1948, 1952, 1954, 
1955; vgl. Kurz II, 2, 101 ff. Im folgenden Jahre kehrte daher auch Wenzel 
aus Ungarn über Wien zurück. — Die guten Beziehungen zwischen Albrecht 
und den Luxemburgern zeigt auch die Urkunde vom 19. April 1386 bei Lich- 
nowsky Reg. 1984, in welcher Hans der Wartenfelser gelobt, ohne Albrechts 
Willen nichts gegen Böhmen, Ungarn und Mähren zu unternehmen. 

3) Fejer X, 8, 177 ; X, 1, 227. 



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1385. 



Aufgabe der französischen Heirathspläne. 



259 



Schwiegermutter in der traurigsten Lage zurücklassend Der 
grosse Vortheil war wenigstens errungen, dass Sigismund seine 
Gemahlin sicher hatte und die französischen Pläne durchkreuzt 
waren. 

Die ungarische Gesandtschaft, welche den hoffnungsvollen 
Bräutigam zu seiner Braut geleiten sollte, erschien in der ersten 
Hälfte des September am französischen Hofe. Alsbald rüstete 
sich der junge Prinz, mit der Gesandtschaft zugleich nach seinem 
neuen Königreiche zu gehen; bereits hatte er vom Könige und 
seinem Oheim, dem Herzoge von Burgund Abschied genommen. Aber 
als er erst bis Troyes gekommen war, traf am 16. October die 
Nachricht ein, dass die Ehe zwischen Sigismund uud Maria voll- 
zogen sei. Die schönen Träume waren in Nichts zerronnen, aber 
wie Froissard erzählt, machte man sich darum keinen grossen 
Kummer. Ja, der Herzog von Orleans sei ganz glücklich gewesen, 
dass man ihn um seine Frau gebracht, denn Ungarn sei zu weit 
entfernt und von den Franzosen schwer zu behaupten. Man 
hätte daraus keine Hilfe und Machtvergrösserung gewonnen. 

Man dachte also an das Sprichwort vom Fuchse und den 
Trauben und biss mit Anstand in den sauren Apfel. Zum Glück 
war auch für den Prinzen Gelegenheit vorhanden, zu einer andern 
Frau zu gelangen, indem ihm der Mailänder seine Tochter Valen- 
tine anbot. So trösteten sich die Franzosen, die Lombardei sei 
reicher und fruchtbarer als Ungarn und besser zur Hand 2 ). 

Karl Widerstand zu leisten, blieb den Königinnen überlassen. 
Um sich der Treue der Unterthanen zu versichern, schrieb Maria 
auf den 8. November einen Reichstag nach Ofen aus, zu welchem 



1) Laurentius de Mon. S. 330: insidias speculatus ab omni Parte Sigis- 
munde deserta conjuge fugit. — Am 8. October scheint er nicht mehr in 
Ofen gewesen zu sein, da an diesem Tage Maria und Elisabeth allein dem 
Cardinal Demetrius von Gran versichern, dass sie nicht die Absicht hätten, 
gegen ihn beim Papste Process anzustrengen und ihm seine Kirche au ent- 
ziehen. Am 14. November urkundet Sigismund in Prag, Riedel I, 16, 28; nur 
ist in der Datumsformel nicht der 13. Tag „nach dem Osterheifigen Tage," 
sondern nach dem „ Allerheiligen Tage" zu lesen. — Dass dem Markgrafen 
schon damals der Titel „König" beigelegt und er zum Beschützer des ReicheB 
ernannt worden, wie Aschbach I, 25 angiebt, ist unrichtig. Die bei Pray II, 
p. 164 citirte Stelle aus einer Urkunde Sigismunds vom Jahre 1409 beweist 
nichts, da sie sich auf die Ereignisse des Jahres 1383 bezieht. — Die Urkunde 
bei Fejer X, 8, 188 muss in 1395 gehören. 

2) Siehe Beilage XIV. 

17* 



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260 



Achtzehntes Kapitel. 



1385. 



von jedem Coraitate vier Abgeordnete geschickt werden sollten. 
Sie erschienen vollzählig und die Königin bestätigte alle Privi- 
legien, welche von ihren Vorgängern, den Herrschern von Ungarn, 
ertheilt worden waren *). Aber das half wenig; nachdem Karl 
drei Monate in Agram verweilt und Streitkräfte gesammelt hatte, 
konnte er, ohne Widerstand zu finden, gegen Ofen vorrücken. Die 
Königinnen, gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, 
schickten ihm Gesandte entgegen, denen er erklärte, dass er nur 
komme, um Ungarn den Frieden wiederzugeben 2 ); und als er 
vor Ofen anlangte, zogen die Frauen ihm im festlichen Aufzuge 
entgegen. Karl, der es vermied, in der königlichen Burg seinen 
Aufenthalt zu nehmen, legte sich den Titel Gubernator des Reiches 
bei und nachdem er durch unruhiges Gesindel seine Macht ge- 
stärkt, berief er nach Ofen eine grosse Versammlung. Am zahl- 
reichsten mochten seine Anhänger erschienen sein; die italische 
Wache, welche die Zugänge besetzt hielt, Hess jeden Widerstand 
unnütz erscheinen und so wurde denn der Neapolitaner als König 
proclamirt 3 ). 

Mit schlauer List fügte sich Elisabeth scheinbar, so dass das 
Gerücht ausgesprengt werden konnte, Maria habe auf die Krone 
verzichtet. Die Frauen gewannen es sogar über sich, ihren Feind 
nach Stuhlweissenburg zu begleiten, wo nach alter Ungarnsitte 
im Dom am 31. December Karls Krönung vor sich ging 4 ). Der 
Erzbischof und Cardinal Demetrius von Gran vollzog die feierliche 
Handlung, aber als er das Volk dem Herkommen gemäss dreimal 
fragte, ob ihm Karl als König genehm sei, da riefen wohl dessen 
Anhänger Beifall, die Menge jedoch blieb still und stumm, das 
Loos seiner Königin beklagend. So wenigstens erzählt uns der 
Mann, welcher später auf Wunsch der Maria ihre Schicksale be- 
sang, in rohen Versen, aber nicht ohne poetische Kraft und An- 



1) Fejer X, 1, 216. 

2) Laur. de Mon. 330 lässt Karl sagen: „Hungariam venio componere 
fractam Discordes unire ducea et regna sorori Pacificare meae. 44 - Maria sagte 
später: „dos quam promittebat prius in Corona nostra et ejus ditione tueri et 
perseverare" Fejer X, l, 279. 

3) Laur. de Mon. 331 : „firmatque latino Praesidio portara castri, proce- 
resque repente Congregat; hi raptim Hungaricum sibi tradere sceptrum Fauto- 
rum spondent suggestu, ipsique fideles Assensere metu." 

4) üeber das Datum s. Katona XI, 135. 



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1386. 



Ermordung Karls. 



261 



schaulichkeit, der Venetianer Laurentius de Monacis. Zahlreiche 
böse Vorzeichen verkündigten dem abergläubischen Volke, dass 
das neu geschaffene Königthuin ein schlimmes Ende nehmen würde. 
Ohne auf sie zu achten, kehrte Karl mit den Königinnen nach 
Ofen zurück, wo er nun ebenfalls das königliche Schloss bezog 
und die Regierung in ihrem vollen Umfange antrat. 

So geduldig bisher Elisabeth das über sie Verhängte ertra- 
gen, so wartete sie doch nur den geeigneten Augenblick zur Rache 
ab. Ihre trotzige ränkevolle Seele schreckte selbst nicht vor dem 
Meuchelmorde zurück; in ihrer Gegenwart sollte er geschehen, 
mit eigenen Augen wollte sie den Verhassten fallen sehen, von 
dem sie argwöhnte, dass er ihr selbst nach dem Leben stünde. 
Im Einverständnisse mit dem alten Freunde Nicolaus von Gara 
wurde der Plan entworfen, zu dessen Ausführung Blasius Forgacz, 
der Königin Mundschenk, ein riesenstarker Mann sich gewin- 
nen Hess. 

Am 7. Februar 1386 Hess Elisabeth den König bitten, auf 
ihr Zimmer zu kommen, da sie von Sigismund Nachrichten erhal- 
ten habe und sie ihn deshalb zu sprechen wünsche. Nicolaus von 
Gara und Blasius waren unter einem Vorwande gegenwärtig, wäh- 
rend die den arglosen König begleitenden Italiener sich entfern- 
ten. Karl liess sich neben Elisabeth nieder, um ihren Worten 
zu lauschen. Da gab Nicolaus dem lauernden Blasius das Zei- 
chen; mit einer Streitaxt versetzte dieser dem beim Anblick der 
Gefahr rasch Aufspringenden mehrere Schläge auf den Kopf, welche 
den Stirnknochen zerschmetterten und das Auge zerstörten. 
Schweigend, den furchtbaren Schmerz unterdrückend, entfernte 
sich Karl, während Johannes Horvathy sich dem verfolgenden 
Mörder mit dem Schwerte in den Weg warf und ihn schwer ver- 
letzte. Niemand in der Stadt erhob sich für den Verwundeten, 
den man wohl todt glaubte, die Italiener und seine Anhänger 
flüchteten in der Nacht, nachdem sie sich überzeugt, dass sie 
nichts für ihren Herrn thun konnten. Der Unglückliche hatte sich 
in sein Schlafgemach geschleppt, am folgenden Tage wurde er 
ergriffen und in einen Thurm des Wischegrad geworfen. Die 
Wunden waren nicht tödtlich gewesen und schon fingen sie an 
zu heilen. Um das Mordwerk zu vollenden, wurde daher Karl 
von Durazzo, König von Neapel und Ungarn, am 24. Februar er- 
drosselt. Da er im Kirchenbanne gestorben war, wurde selbst 



262 



Achtzehntes Kapitel. 



1386. 



sein Leichnam beschimpft, unter freiem Himmel der Verwesung 
preisgegeben *). 

Während dieser Vorgänge hatte sich in Krakau ein Liebes- 
roman mit tragischem Ende abgespielt. Nach mancherlei Schwan- 
kungen schloss eine polnische Gesandtschaft am 14. August 1385 
mit Jagiello von Litthauen einen Vertrag ab, in welchem dieser 
sich verpflichtete, in allen Stücken seine Anerbieten zu halten. 
Inzwischen war jedoch unerwarteter Weise Wilhelm von Oest- 
reich in Krakau erschienen, um seine Rechte auf Hedwigs Hand 
geltend zu machen; denn seitdem am 28. Juli in Ofen feierlich 
versichert worden war, die Ehe solle bis zum 15. August voll- 
zogen werden, hoffte er seiner Sache sicher zu sein. Ja es wird 
erzählt, dass Hedwig selbst ihn herbeigerufen, welche den blühen- 
den schönen Jüngling, mit dem sie seit früher Jugend vertraut 
war, weit vorzog dem um ihre Gunst werbenden Heiden, den sie 
sich nur als abschreckend und abscheulich denken konnte. Allein 
Wilhelm wurde von dem Castellan des königlichen Schlosses nicht 
eingelassen und musste Quartier in der Stadt nehmen. Zum Glück 
waren die Franziskaner barmherziger; in ihrem Refectorium spra- 
chen sich die Liebenden fast täglich und feierten fröhliche Feste 
mit lustigem Tanze. Die polnischen Magnaten waren jedoch ent- 
schlossen, das Bündniss mit Litthauen, welches so glänzende Vor- 
theile versprach, nicht fallen zu lassen zu Gunsten eines Prinzen, 
von dem sie und Polen nichts zu erwarten hatten ; während Hed- 
wig in Krakau der Liebe pflog, wurden die Verhandlungen mit 
dem Litthauer im Januar 1386 zum Abschlüsse gebracht. Ver- 
gebens griff Hedwig zum letzten Mittel, das Verlöbniss mit Wil- 
helm, der heimlich aufs Schloss kam, durch die fleischliche Ver- 
bindung unauflöslich zu machen 2 ); bald blieb dem Getäuschten 
nichts übrig, als dem Zwange der Umstände zu gehorchen und zu 
entfliehen. 



1) Der Mord erregte in ganz Europa ungeheueres Aufsehen.. Unter den 
zahlreichen Berichten darüber ist der des Laurentius de Monacis, der von 
Maria selbst den Hergang erfahren konnte, bei weitem am glaubwürdigsten; er 
wird ergänzt durch die Urkunde Marias vom 1. März 1386, in welcher sie Bla- 
sius zum Lohne das Schloss Ghymes schenkt und die That erzählt. Fejer 
X, 1, 279. 

2) Dass es zum tbatsächlichen Vollzuge des Beilagers kam, beweisen nicht 
blos einzelne Quellen, sondern das Verhalten Hedwigs lässt wohl kaum einen 
Zweifel übrig. Zur Sache siehe Caro II, 505. 



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1386. Jagiello wird König vod Polen. 263 

Auch Hedwig musste nachgeben und sich den Vernunftgrün- 
den, die ihr von allen Seiten entgeger halten wurden, fügen; 
bald erfuhr sie auch, dass ihr künftiger Gemahl keineswegs von 
grässlichem Aussehen, sondern an Schönheit und Stattlichkeit 
ihrer durchaus würdig sei. Am 12. Februar 1386 fand der feier- 
liche Einzug Jagiellos in Krakau statt; am 15. empfingen er, der 
den Namen Wladislaw erhielt, und seine Anverwandten, welche 
noch nicht Christen waren, die Taufe; am 18. Februar reichte 
ihm Hedwig ihre Hand; am 4. März beschloss die Krönung zum 
Könige von Polen die Reihe der glänzenden Festlichkeiten. 

Es waren Ereignisse von unendlicher Tragweite ; der Augen- 
blick, in welchem Jagiello sein Haupt über die Taufe beugte, ent- 
schied die Zukunft des Ostens. Durch die Vereinigung Polens mit 
Litthauen entstand plötzlich ein neues mächtiges Reich, geeignet 
einen festen Damm zu bilden gegen das Germanenthum , das bis 
dahin siegreich vorgedrungen. Seit jenem Jahre 1386 haben ger- 
manische Sprache und Gesittung im Osten keine nennenswerthen 
Fortschritte mehr gemacht bis auf die neueste Zeit. Im Gegen- 
theil, bald genug schien es, als ob das feindliche Element zu so 
grösser Kraft gediehen wäre, dass es selbst aggressiv gegen das 
Deutschthum vorgehen konnte und es errang nicht unbedeutende 
Erfolge; und wenn die Verluste nicht noch grösser wurden, so 
lag das nicht an einem kräftigen von Deutschen geleisteten Wi- 
derstände. Nun erst wurde Polen sozusagen zu einer europäischen 
Macht und von Bedeutung für die allgemeinen Verhältnisse des 
Festlandes. Am meisten aber wirkten diese Vorgänge auf den 
deutschen Orden und seine Stellung ein; ihm wurde gewisser- 
massen die Grundlage seiner Existenz entzogen. War es doch 
seine Aufgabe, das Christenthum im Osten zu verbreiten, die Hei- 
den zu bekämpfen. Da aber jetzt die Litthauer Christen wurden, 
verlor der Kampf gegen sie seine Berechtigung, wenn er auch 
nicht sogleich aufhörte. Die „ Reisen", wie man die Heiden- 
fahrten nannte, hatten den Orden in andauernder Thätigkeit, 
seine Lebenssäfte in frischer Circulation erhalten; die fort- 
während drohende Gefahr, die Notwendigkeit des gemeinsamen 
Widerstandes hatten Streitigkeiten im Orden selbst und des Or- 
dens mit den Einsassen seines Gebietes nicht zu bedrohlicher 
Stärke anwachsen lassen. Die ganze Einrichtung des Ordens- 
staates war, verglichen mit anderen politischen Gebilden, 
durchaus anomal und konnte sich in Kraft nur behaupten, so 



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264 Neunzehntes Kapitel. 1386. 

lange die Bedingungen, unter denen er entstanden und die ihn 
trugen, dieselben blieben. Der Orden hatte ferner einen grossen 
Theil seiner kriegerischen Machtentfaltung dem fortwährenden Zu- 
flüsse aus dem Westen zu verdanken. Alljährlich kamen zahl- 
reiche Ritter und Fürsten nach Preussen, um eine „Reise" mit- 
zumachen, dadurch Verdienst um Gott und ritterlichen Ruhm 
zu erwerben. Diese Zuzüge mussten nun aufhören, da es keine 
Heiden mehr zu bekämpfen gab. Während so dem Orden eine 
mächtige Unterstützung verloren ging, gewann sein alter Feind, 
nun mit Polen im Verein, an materieller und geistiger Kraft. — 
Der Orden und seine Leiter haben diese Verhältnisse klar erkannt 
und bald genug mussten sie erfahren, wie gerechtfertigt ihre Be- 
sorgnisse waren. 

Wie wurde es nun in Ungarn ? Wird es glücken, wenigstens 
hier den deutschen Einfluss zu behaupten? 



Neunzehntes Kapitel 

"Wenzels Zug nach Ungarn. Krönung Sigismunds. 

Die Ehe Sigismunds war in so tumultuarischer Weise vollzogen 
worden, so gewaltige Ereignisse seitdem vorübergegangen, dass 
es immerhin fraglich war, wie Elisabeth jetzt gesinnt sei. Durch 
die Ermordung Karls hatte sie freie Hand und bei den zahlreichen 
Gegnern, welche Sigismund in Ungarn zählte, konnte sie leicht, 
wenn sie es wünschte, Unterstützung gegen denselben finden l ). 

Daher entschloss sich König Wenzel in Person nach Ungarn 
zu ziehen, um die schwebenden Fragen zu ordnen, umgeben von 
einem starken Heere, welches im Nothfall mit den Waffen ein- 
schreiten sollte. In den ersten Tagen des April 1386 brach der 
König von Prag auf, begleitet von seinen Brüdern Sigismund und 



1) Die folgenden Ereignisse kennen wir nur aus Urkunden, da kein 
einziger Schriftsteller von ihnen berichtet. Daher ist die Nachricht des sp&' 
ten Chrooisten Thwrocz (Schwandtner a. a. 0. I, 215), dass Elisabeth Sigismund 
zu kommen aufgefordert habe, mit Vorsicht aufzunehmen. 



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1386. 



Wenzels Zug nach Ungarn 



265 



Johann »). Ueber Brünn, wo Jodok und Procop sich anschlössen, 
ging der Marsch nach Presburg und von dort nach Altenburg; 
vor Raab wurde das Feldlager aufgeschlagen. 

Elisabeth, welche der kriegerischen Macht Wenzels keinen 
Widerstand zu leisten vermochte, sah sich zu Unterhandlungen 
genöthigt. Sie kam mit ihrer Tochter nach Raab, nachdem Wen- 
zel feierlich gelobt, dass er sie von dort weder mit Gewalt fort- 
fuhren noch ihnen wider ihren Willen irgend welche Gewalt an- 
thun wolle; er stellte ihnen frei, in Raab zu bleiben oder an 
irgend einen andern ihnen beliebigen Ort in Ungarn zu gehen. 
Am 1. Mai erklärten Maria und Elisabeth sich bereit, dem Schieds- 
sprüche, welchen der König über die Streitigkeiten zwischen ihnen 
und ihren Unterthanen einerseits und Sigismund, Jodok und 
Procop andererseits fällen würde, Folge zu leisten. Die Punkte, 
um welche es sich handelte, werden näher bezeichnet. Sigismund 
sollte allen Groll gegen die Königinnen und die Ungarn fahren 
lassen, vollkommene Amnestie gewährt, die Privilegien und alten 
Gewohnheiten Ungarns und der damit verbundenen Königreiche 
bestätigt und aller Streit und Krieg im Königreiche gütlich bei- 
gelegt werden. Elisabeth wollte ihre Mitgift und Wittthum sowie 
alle Besitzungen bewahrt wissen. Der König sollte ferner ent- 
scheiden über das Zusammensein Marias und Sigismunds, welche 
Stellung letzterer einnehmen und welche Gebiete ihm zugewiesen 
werden sollten, wie und wann ihm Maria zugeführt und seinem 
Ehebette zugewiesen werden sollte. Die Königinnen versprachen 
am folgenden Tage, Sigismund ohne Wenzels Wissen und Willen 
nicht krönen zu lassen 3 ). 

Die Verhandlungen scheinen viele Schwierigkeiten gemacht 
zu haben; denn auch die drei Markgrafen erhoben ihre Gegen- 



1) Johann wurde am 15. April in Presburg (vgl. Itinerar) zum Verweser 
von Luxemburg ernannt. Er muss sich sofort dorhin begeben haben, da er 
Anfang Mai durch Frankfurt kam, RA. S. 538, Anm. 2. 

2) Fejer X, 1, 283 u. 286. — Ein Formelbuch auf der Prager Universitäts- 
bibliothek (IX, E, 4) enthält eine bisher unbekannte Urkunde Wenzels, in wel- 
cher er, da er gekommen sei, um die Irrungen in Ungarn gütlich beizulegen, 
im Namen von Sigismund, Jobst und Procop verspricht, dass Maria und Elisa- 
beth mit ihren Edlen in Jaurino nec violenter quoquam ducentur nec eisdem 

in ipsarum prejudicium vel contra ipsarum voluntatem quiequam debeat 

inferri violentiae sive damni sed habebunt ibfdem in Jaurino standi, mo- 

randi ac etiam abinde recedendi ad loca regni Hungariae ipsis placita 

liberam voluntatem . 



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26G 



Neunzehntes Kapitel. 



1386. 



forderungen , welche zu befriedigen die Ungarn wenig geneigt 
waren. Wir ersehen dieselben aus der Urkunde vom II. Mai, in 
welcher die Markgrafen ihrerseits bekennen, sich Wenzels Aus- 
spruche fügen zu wollen. Sigismund verlangte eine angemessene 
Ausstattung und zwar die Lande an den Grenzen Mährens und 
Oestreichs zu seinem Besitze, die Bezahlung aller Schulden, welche 
er wegen dieser ungarischen Geschäfte gemacht, die Sicherstellung 
seiner Anhänger und die Anerkennung der Schenkungen, welche 
er diesen gemacht; die meiste Schwierigkeit aber machte die For- 
derung, dass die Uebertragung der Länder zwischen Waag und 
Donau an Jobst anerkannt und bestätigt würde 

Am folgenden Tage, am 12. Mai, erfolgte der Spruch des 
Königs. Alle Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Parteien, 
welche nun im Frieden mit einander leben werden, sind abgethan; 
die daraus entstandenen Schäden werden gegenseitig vergessen. 
Die Stände und Unterthanen Ungarns bleiben in ihren alten Rech- 
ten und Freiheiten ; Elisabeth behält Mitgift, Wittthum und son- 
stige Besitzungen. Sigismund erhält den Comitat Eisenburg und 
das Schloss Trenczin und an den Grenzen Oestreichs und Mährens 
soviel Besitzungen und Einkünfte, wie einst Stephan, der Bruder 
des Königs Ludwig, besessen hat. Mit seiner Gemahlin kann 
er iu Ungarn leben, wo er will. Die Schulden, welche Sigismund 
gemacht hat, bezahlt Maria von den königlichen Einkünften, da 
er gezwungen worden ist, sie zu machen. Jobst erhält für die 
von ihm erworbenen Länder zwischen Waag und Donau von Maria 
200,000 Gulden, nach deren Zahlung er die Länder Sigismund 
zur freien Disposition übergiebt 2 ). 

Vielleicht sind weitere Urkunden verloren gegangen; gewiss 
wird auch die Zeit, in welcher Sigismund gekrönt werden sollte, 
näher bestimmt worden sein. Dieser verliess mit Wenzel wieder 
Ungarn 8 ), indem sie den Weg über Wien einschlugen. Die Brü- 
der waren zufrieden mit den Erfolgen, welche sie errungen : waren 



1) Fejer X, 1, 305 und öfters. 

2) Pelzel I, ürk. S. 70 n. 50. Wenzel wurde wahrscheinlich von den Kö- 
niginnen als Beschützer und Vormund anerkannt; vgl. die bei Pelzel S. 187 
angeführte Urkunde vom 17. April 1387. 

3) Die einzige mir bekannte Urkunde Sigismunds aus dieser Zeit ist am 
29. Juni 1386 in Prag ausgestellt; Sigismund ertheilt in ihr der Stadt Zittau 
ein Handelsprivileg für Ungarn, welches er bessern will, sobald er König wird. 
Carpzov Analecta Fastorum Zittaviensium 186. 



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1386. 



Gefangennehmung der Königinnen 



267 



doch Elisabeth und Maria gezwungen worden, die Verpflichtungen 
gegen Sigismund zu erneuern. „Wir haben die Zwietracht zwischen 
den Königinnen und unserm Bruder geschlichtet und herrlich und 
machtvoll ihn zurückgeführt zum Besitz und zur Regierung über 
die ungarischen Lande*, schrieb Wenzel triumphirend im Juni *)» 
freilich nicht ohne Uebertreibung , denn noch hatte sein Bruder 
keine Herrschaftsrechte in seinem künftigen Königreiche, noch 
musste er sich mit dem Titel „Markgraf von Brandenburg" be- 
gnügen. Und wenn auch der Widerstand Elisabeths erschöpft 
schien, noch war Ungarn in wilder Aufregung, noch gab es starke 
Parteien, welche von Sigismund nichts wissen wollten; um zum 
Kampfe gegen diese neue Truppen zu sammeln, wird der Mark- 
graf noch einmal nach Böhmen gegangen seiu. 

Elisabeth kehrte nach Ofen zurück, gewiss wenig befriedigt 
von den Verträgen, zu denen sie genöthigt worden war; sie hielt 
es sogar für gerathen, sich gegen den einen Schwiegersohn mit 
dem andern zu decken. Am 9. Juni versprach sie Jagiello-Wla- 
dislaw, ihm in jeder Weise Beistand zu leisten gegen Jeden, der 
ihn angreifen wolle und ihm im Nothfalle alle Schlösser zu öffnen ; 
selbst wenn Maria irgend wen gegen Wladislaw unterstütze, würde 
sie doch zu Hedwig und ihrem Gemahl halten 2 ). Unzweifelhaft 
hat der Polenherrscher entsprechende Gegenverpflichtungen über- 
nommen. Aber der ungarischen Königin stand das Verderben 
naher, als sie ahnte; für den an Karl begangenen Mord, für ihre 
treulose Politik sollte sie furchtbare Strafe erleiden. 

Der Palatin Nicolaus von Gara erfreute sich noch immer der 
höchsten Gunst der Königinnen, welche ihn sogar in seinem 
Stammschlosse Gorian in Slavonien besuchen wollten, um gleich- 
zeitig die dortigen Verhältnisse zu ordnen. Die Reisenden waren 
völlig sorglos, nicht einmal eine militärische Bedeckung führten 
sie bei sich ; nur der wiedergenesene Blasius Forgacz und der 
Palatin selbst nebst seinen Söhnen und Vettern geleiteten die 
Wagen der Herrscherinnen und ihres Hofstaates. Da am 25. Juli 
in der Nähe von Diakovar überfiel Johann Horvathy mit seinen 
Croaten den Zug; ein kurzer Verzweiflungskampf begann. Der 



1) Palacky Form. II, 68 (der Adressat ist zweifelhaft) „germanum nostrum 

ad possesBionem et gubernationem regnorum et terrarum magnifice re- 

duximus et potenter." 

2) Fejer X, 1, 295; Dogiel I, 40. 



268 



Neunzehntes Kapitel. 



1386. 



aufs tapferste kämpfende Forgacz wurde vom Pferde b erabgerissen 
und sofort enthauptet; der Palatin stellte sich auf den Tritt des 
Wagens, um die Frauen zu schützen. Mit bewundernswürdiger 
Tapferkeit hält er die ihn von vorn Angreifenden zurück ; da kriecht 
ein Croat unter dem Wagen hindurch, erfasst ihn bei den Beinen 
und wirft ihn nieder. Sofort wird ihm der Kopf abgeschnitten, 
der von Blut triefend in den Wagen, auf den Schooss der beben- 
den Frauen geschleudert wurde. Die Unglücklichen sahen sich als 
Gefangene ihres wilden Feindes, der ihre Bitten roh zurückwies 
und sie in das Schloss Krupa schleppte, dann nach Novigrad öst- 
lich von Zara an einem tief eingeschnittenen Meerbusen. 

Solche Nachrichten bewogen Sigismund, alsbald nach Ungarn 
aufzubrechen. Obgleich er noch immer für die nächste Zeit 
nur den Titel eines Markgrafen von Brandenburg führte, nahm 
er doch sofort Regierungsrechte in Anspruch und stellte Schen- 
kungsurkunden an seine Anhänger aus *) ; so zuerst am 5. Sep- 
tember in Stuhlweissenburg 2 ). Die allgemeine Bestürzung, welche 
die Unthat Horvatbys hervorgerufen hatte, konnte ihm nur for- 
derlich sein; ohne Widerstand erhielt er in Ofen Einlass 8 ), mehr 
und mehr fand er im Lande selbst Anhang. Die Nothwendigkeit, 
in irgend eine Hand die Regierung zu legen, war zu offenbar, als 
dass man hätte zögern sollen, sie demjenigen zu übertragen, der als 
Gemahl der Maria volle Ansprüche hatte; im Januar konnte sich 
Sigismund „Kapitän und Herr von Ungarn" nennen, ohne Zweifel 
mit Genehmigung der Stände 4 ). 

Er stand damals in Croatien, im Begriffe, seiner Gemahlin 
zur Hilfe zu eilen. Schon aber hatte sich für diese eine andere 
Macht ins Mittel gelegt, Venedig 5 ). So gerechte Ursache dieses 
hatte, sich über den Vater der Maria zu beklagen, war es doch 
für die Tochter im wohlverstandenen eigenen Interesse eingetre- 
ten. Die Partei der Horvathy trug sich noch immer mit dem 
alten Plane, Ungarn an Neapel zu bringen, denn wenn auch Karl 
dem Hasse Elisabeths zum Opfer gefallen war, noch lebten seine 



1) Nach Engel II, 177 nahmen die Stande die Regierung an sich und be- 
dienten sieb eines Siegels mit der Inschrift: sigillam regnicolarum üngariae. 

2) Fejer X, 1, 299. 

3) Thwrocz a. a. 0. 215. 

4) Pray Diss. VII, 142. 

5) üeber Venedigs Thätigkeit in diesen Angelegenheiten handelt ausführ- 
lich Raphainus Caresinus bei Muratori Scr. XII. 



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1386 



Sigismund König von Ungarn. 



269 



Wittwe Margarethe und sein Sohn Ladislaus. Mit ihnen hatten 
sich die Empörer in Verbindung gesetzt, ihnen angeboten, die ge- 
fangenen Königinnen auszuliefern. Venedig aber sah seine Herr- 
schaft über das adriatische Meer bedroht, wenn die Vereinigung 
der beiden Königreiche wirklich zu Stande kam. Daher legten 
sich venetianische Schiffe und Truppen vor Novigrad, um die Aus- 
lieferung der Gefangenen zu erzwingen. Allein die Belagerten er- 
griffen zu ihrer Sicherung ein abscheuliches Mittel: die Königin 
Elisabeth wurde erdrosselt und die Leiche über die Mauer den 
Stürmenden zugeworfen; wenn man nicht abliesse, würde auch 
Maria ein gleiches Schicksal bereitet werden. Da den harten 
Männern Alles zuzutrauen war, blieb nichts übrig, als von gewalt- 
samer Eroberung abzustehen, die Burg nur zu umschliessen. Wäh- 
rend Ende Februar die Rebellen noch einmal ihre Führer nach 
Neapel sandten, um von dort her Hilfe zu suchen, bemühte sich 
der venetianische Gesandte Pantaleon Barbo, in Ungarn alle 
Schwierigkeiten zu beseitigen, welche Sigismunds allgemeiner An- 
erkennung im Wege standen. Seine Anstrengungen waren vom 
besten Erfolge. Der Tod Elisabeths, welche die Hauptstütze der 
Feinde des Markgrafen gewesen war, hatte diese ohnehin ent- 
muthigt und aller Hoffnungen beraubt. Schon am 1. März konnte 
der Markgraf seine Krönung als nahe bevorstehend bezeichnen 
am 31. März wurde sie in Ofen feierlich vollzogen 2 ). Nun galt 
es Maria zu befreien. Nach glücklichen Gefechten gegen die 
Horvathy in Croatien wurde sie am 4. Juni den noch immer 
die Burg belagernden Venetianern ausgeliefert und am 4. Juli ver- 
einigte sich die viel geprüfte siebzehnjährige Fürstin in Agram 
mit ihrem zwanzigjährigen Gemahl. 

So war denn glücklich der Plan Karls IV. trotz der schwer- 
sten Hindernisse durchgeführt; Sigismund trug unangefochten die 
Krone Ungarns, wenn auch dessen innere Verhältnisse noch übel 
verwirrt waren. Sein Bruder, der deutsche König, konnte sich 
einen guten Theil des Erfolges zuschreiben; wie er im Jahre 1386 
persönlich nach Ungarn gezogen ist, hat sicher er vor allen die 

1) Fejer X, 1, 325. 

2) Die Bedingungen, welche Sigismund gestellt wurden und die hauptsäch- 
lich gegen die Begünstigung Fremder gerichtet sind, bei Palacky Formelbücher 
II, 69. Man sieht daraus, dass in den Jahren 1385 und 1386, als Sigismund 
unterstützt von den mährischen Markgrafen und seinem Bruder nach Ungarn 
kam, ernste Kampfe vorgefallen sind. 



uigiiizGO 



270 



Zwanzigstes Kapitel 



1384-1386. 



Geld- und Kriegsmittel hergegeben, deren Sigismund bedurfte. 
Wenzel hatte den Dingen im Osten die grösste Aufmerksamkeit 
zugewandt, ihretwegen die Romfahrt aufgegeben, zwei Jahre lang 
nicht das Reich betreten, während er vordem jedesmal ein- oder 
zweimal jenseits des Böhmerwaldes erschienen war. Das Bedürf- 
niss, Geld zu gewinnen, war für ihn in den Vordergrund getreten, 
seitdem er die immer lecken Taschen des Bruders zu füllen hatte ; 
ein Umstand, der eine consequente, tiefere Zwecke ins Auge 
fassende Reichspolitik nur beeinträchtigen konnte. 

Für das luxemburgische Haus war freilich Grosses erreicht, 
Wenzel selbst aber erntete von seiner Familie den schlimmsten 
Undank. 



ßündniss der Reichsstädte mit den Schweizern. 

Durch die Heidelberger Stallung war zwischen den grossen 
feindlichen Parteien, den Fürsten und den Städten ein Waffen- 
stillstand geschlossen worden, wahrscheinlich durch Wenzel 
vermittelt. Nachdem so ein Zusammenstoss für die nächste 
Zeit glücklich verhütet war, lief die Politik des Königs darauf 
hinaus, sich ohne irgend eine Partei zu ergreifen möglichst von 
einer Verstrickung in Reichsangelegenheiten fern zu halten, um 
für die Geschäfte der eigenen Familie freie Hand zu haben. 
Es war eine Schwenkung von grosser Bedeutung. Die städtefeind- 
liche Haltung, welche die ersten Jahre der Regierung Wenzels 
charakterisirt, wurde aufgegeben, und damit der Einfluss der Für- 
sten und namentlich der Kurfürsten, der so bestimmend gewesen, 
gebrochen. Wenn auch der König keineswegs gewillt war, für 
die Städte einzutreten, vielmehr auch weiterhin vermied , ihren 
Bund anzuerkennen : im Grunde, wie einmal die Verhältnisse lagen, 
enthielt doch dies Zurücktreten von früheren Plänen mehr als der 
König beabsichtigen mochte. Indem er den Wünschen der Fürsten 
nicht mehr Folge gab, wurde er, ohne es zu wollen und sich 
darüber klar zu sein, auf die städtische Seite hinübergedrängt. 
Denn in den Zeiten grosser Principien- und Parteikämpfe ist es 



Zwanzigstes 




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Judenschuldentilgung. 



271 



herrschenden Persönlichkeiten nie möglich, sich völlig parteilos zu 
halten; jedes Nichteingehen auf die Forderungen der einen Seite 
schliesst nothgedrungen eine Annäherung an die andere in sich 
ein. Im verstärkten Grade aber geschieht das, wenn der, welcher 
sich neutral halten will, vorher der einen Partei nahe stand. Hört 
er auf, sie zu begünstigen, so geräth er leicht in schiefe Lage zu 
ihr, wird ihr verdächtig und verhasst. Der von dieser Abneigung 
Getroffene wird sie bald fühlen, und wenn er nicht gesonnen ist, 
die frühere Haltung wieder aufzunehmen, schliesslich mehr und 
mehr sich denen zuneigen, denen er Anfangs übel wollte. So ging 
es König Wenzel. 

Dazu kam als weiteres Moment das Geldbedürfniss, welches 
ihm die Unterstützung Sigismunds auferlegte. Von den geldarmen 
Fürsten, welche der Mittel, die sie besassen, selber dringend be- 
durften, war für ihn wenig zu hoffen, desto mehr von den wohl 
gefüllten Kassen der Städte. Wenn daher der König auch an 
und für sich kein Freund der Städte war und nicht die Absicht 
hatte sie zu begünstigen, so konnte dochallmälig der Schein ent- 
stehen, als ob er den Städten mehr wohl wolle, als den Fürsten. 

Die Jahre 1385 und 1386 hindurch hat Wenzel den deutschen 
Boden nicht betreten. Er widmete sich in dieser Zeit ganz der 
Erhebung Sigismunds auf den ungarischen Thron. Sein Bedürf- 
niss nach Geld aber wusste er auf eine Weise zu befriedigen, die 
nur allzusehr im Geist der Zeit begründet war, wenn sie sich 
auch gerade dem Reichsoberhaupte am wenigsten ziemte. 

Seit den Kreuzzügen war der Hass gegen die Juden nicht 
geschwunden ; unzählige Male war er in scheusslichster Weise her- 
vorgebrochen ')• Trotzdem wurden die Verhassten immer unent- 
behrlicher, seitdem der enorme Umschwung eingetreten war und 
die mittelalterliche Naturalwirthschaft immer mehr der Geldwirth- 
schaft wich, seitdem der Haudel und die Gewerbthätigkeit der so- 
cialen Entwickelung ganz neue Bahnen eröffnet hatten. Alle 
Stände empfanden immer stärker die Notwendigkeit , baares 
Geld zur Verfügung zu haben und immer mehr wuchs die Gier, 
es zu erwerben. Wie konnte man diese in bequemerer Weise be- 
friedigen, als durch Beraubung der verachteten Israeliten, die in 



1) Ueber die allgemeine Lage der Jaden in dieser Zeit, auf die hier nicht 
weiter eingegangen werden kann, siehe Stobbe Die Juden in Deutschland wäh- 
rend des Mittelalters. Braunschweig 1866. 



272 



Zwanzigstes Kapitel. 



1385. 



der That eine unerschöpfliche Goldquelle waren. Denn merkwür- 
diger Weise kamen diese, so oft sie auch ausgeplündert wurden, 
immer rasch wieder zu Vermögen. Die Verhältnisse ermöglichten 
ihnen eben allezeit, umfangreiche Geschäfte jeder Art zu machen 
und ihre geleerten Kassen aufs neue zu füllen. Natürlich nahm 
dabei der Hass der Menge stetig zu, und je mehr Städte und 
Fürsten sich genöthigt sahen, die Dienste der Juden in Anspruch 
zu nehmen, desto geneigter waren sie, die beschwerlichen Gläu- 
biger anzutasten. Vorwäude für Gewaltthaten liessen sich leicht 
finden. Ein sächsischer Edelmann, verklagt weil er jüdische 
Weiber ihres Geschmeides beraubt hatte, erklärte vor Gericht 
geradezu : alle Feinde Gottes wären auch die seinen und da die 
Juden Gottes Feinde wären, so habe er ihnen ihr Gut als seinen 
rechten Feinden abgenommen; und diese Einrede scheint Erfolg 
gehabt zu haben Alle Augenblicke tauchten die albernen Er- 
findungen von Vergiftung der Brunnen durch die Juden, von ge- 
schlachteten Christenkindern, von geschändeten Hostien auf und 
verfehlten selten, nicht nur den Pöbel, sondern auch die besseren 
Stände zu Gräuelthaten anzufeuern. 

So kläglich die Lage der Juden war, Viele fanden sie noch 
viel zu glänzend. Heinrich von Hessen, damals einer der berühm- 
testen Professoren der Wiener Universität, bezeichnet geradezu 
„die Erhöhung der Juden" als Vorzeichen des kommenden Anti- 
christes. Dieser wird zuerst von den Juden aufgenommen, durch 
deren Schätze er einen immer grösseren Anhang gewinnt, bis er 
endlich mit Gewalt binnen zwei und einem halben Jahre Herr der 
Welt wird. Was er dann thun werde, darüber seien die Ansichten 
getheilt. Viele glauben, dass er Jerusalem wieder aufbauen wird. 
Seine Katastrophe erfolgt sicher am Oelberge, wenn er wie Chri- 
stus vor Aller Augen in den Himmel fahren will. — Wie mussteu 
solche Ansichten, von hochgefeierteu Gelehrten vorgetragen, die 
Köpfe verwirren und jede Rohheit gegen die angeblichen Jünger 
des Antichristes entschuldbar erscheinen lassen 2 ). 



1) Detmar z. J. 1385 a. a. 0. 329; Stchr. Magdeburg 1, 287. Die grosse 
Versammlung der Juden in Weissenfeis (im Februar 1385, von welcher Detmar 
ehrlich sagt, er wisse nicht, was sie dort getrieben, während der Magdeburger 
Chronist sie „stechen und turniren" l&sst) stand wahrscheinlich im Zusammen- 
hange mit der unmittelbar darauf folgenden Judenschuldentilgung. 

2) Tractatus contra quendam eremitam de ultimis temporibus vaticinantem 
nomine Theolophorum, geschrieben 1392. Bei Pez Thes. aneedot. nov. I, 2 



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1385. 



Judenschuld entilgung. 



273 



Mit schlimmem Beispiele ging der König selbst voran. Schon 
im October 1383 war dessen Plan, die Juden auszubeuten, ruch- 
bar geworden, der im Laufe des Jahres 1385 in Böhmen und 
in den Reichsstädten, welche zum schwäbischen Bunde gehörten, 
ausgeführt wurde. Die Bürgerschaften kamen den Wünschen des 
Königs so bereitwillig entgegen, dass es fast unnütz scheint, dar- 
über zu streiten, ob Wenzel oder die Städte zuerst den Streich 
geplant haben. Während die den böhmischen Juden abgedrungenen 
Summen dem Könige allein zufielen, begnügte er sich hier mit dem 
verhältnissmässig geringen Gewinne von 40000 Gulden ; dafür erhiel 
ten die Städte freie Hand, auf das schmählichste gegen die Juden 
vorzugehen. An Einem Tage, am 16. Juni 1385, wurden in den 38 
Reichsstädten, die betheiligt waren, sämmtliche Juden verhaftet und 
ihnen die Schuldverschreibungen abgenommen ; die auf die Städte 
selbst lautenden wurden vernichtet, die Beträge der übrigen durch 
die Städte von den Schuldnern, welche Ermässigung erhielten, 
eingezogen. Die erst im letzten Jahre ausgeliehenen Kapitalien 
waren ganz zurück zu erstatten, nur die Zinsen fielen weg, wäh~ • 
rend die früher entlehnten mit den ausstehenden Zinsen zusam- 
mengerechnet und als ein neues Kapital betrachtet wurden, von 
welchem die Schuldner drei Viertheile zu erstatten hatten. Die 
demnach zu bezahlenden Summen hatte der Schuldner den Städ- 
ten durch Pfand sicher zu stellen, erhielt aber gegen Verzinsung 
von 10 Procenten Aufschub der Zahlung bis zum 2. Februar 1 388. 
Bis dahin dürfen die Städte von ihren Juden beliebigen Vortheil 
ziehen ; späterhin aber müssen sie den aus denselben erwachsen- 
den Gewinn mit König und Reich theilen *). — Die Städte mach- 
ten ein glänzendes Geschäft; Nürnberg allein erpresste von seinen 
Juden 80000 Gulden und die übrigen werden nicht zurückgeblie- 
ben sein. 

Zu derselben Zeit verhandelte der König mit den Städten 
über ein Münzgesetz, welches endlich am 16. Juli 1385 publicirt 
wurde. Es soll eine neue Hellermünze geschlagen werden „mit 
Kreuzen und Händen" in Augsburg Nürnberg Ulm und Schwä- 

p. 508— 564. vgl. Otto Hartwig Heuricus de Langenstein, dictus de Hassia 
II, 34. 

1) Ueber diese Juden Schuldentilgung handeln sehr eingehend Hegel in 
den Stchr. Nürnberg I, 111 ff. und Weizsäcker in RA. S. 461 ff. — Die Maß- 
nahmen gegen die böhmischen Juden erhellen aus Palacky Formelbücher 
II, 147 ff. 

Th. Lindner, Geschiente des deutschet! Reiches. J. 18 



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274 



Zwanzigstes Kapitel 



1384-1385. 



bisch-Hall und nirgend anderswo, die in den Reichsstädten und 
allen anderen Landen und Städten zu Schwaben und Franken gang 
und gäbe und auch rechte Währung heissen und sein soll. Ein 
Pfund derselben ist gleich einem guten böhmischen und ungarischen 
Gulden, an Korn l / 3 fein löthig Silber und 2 / 3 Zusatz ; an der 
Aufzahl 49 Schillinge 4 Heller auf eine Nürnberger Mark. Die 
Fürsten, Herren oder Städte, welche von König und Reich das 
Münzrecht haben und Pfennige schlagen wollen, sollen diese so 
prägen, dass ein Pfennig gleich zwei Hellern ist, an Korn % Loth 
fein Silber und halb Zusatz, an der Aufzahl 39 Schillinge und 4 
Pfennige auf eine Nürnberger Mark ; jeder muss sein deutlich er- 
kennbares Zeichen aufschlagen. Die Münzmeister der Fürsten 
und Städte haben die Münzen zu prüfen und eventuell für falsch 
zu erklären; wenn daraus Fehde oder Feindschaft entsteht, wird 
der König ihnen helfen, bis diese gänzlich abgethan ist. 

Das Gesetz war im Interesse der Städte, für deren Verkehr 
und Handel gute Münze die Hauptbedingung war; indessen Jag 
darin nicht geradezu eine Begünstigung. Eine rechte Wirkung 
blieb freilich aus; der Werth des Silbergeldes sank immer 
tiefer *). 

Der schwäbische Bund konnte durch die Erfolge und Ereig- 
nisse des Jahres 1384 nur ermuthigt und angespornt werden. 
Wenn man auch für den Augenblick der kriegerischen Rüstungen, 
welche im Frühjahr getroffen worden, nicht bedurfte, so konn- 
ten dennoch die Hände nicht in den Schooss gelegt, nicht der 
Zukunft sorglos ins Auge gesehen werden. Die schwächste Seite 
des Bundes war die östliche, wo Regensburg ganz isolirt und auch 
Nürnberg rings von feindlichem Gebiete umschlossen lag. Gerade 
die Baiernherzöge legten unverhohlen ihre feindliche Gesinnung an 
den Tag. Deswegen war es ein grosser Vortheil, wenn am 18. 
üctober 1384 der Bischof von Eichstädt auf fünf Jahre zum Bunde 
trat. Er versprach, mit 16 Gleven, im Nothfalle mit mehr zu 
dienen und alle seine Städte und Schlösser dem Bunde in dessen 
Kriegen und Nöthen zu öffnen. Friedrich stammte aus der Fa- 
milie der Oettinger Grafen, welche bereits seit längerer Zeit dem 
Städtebunde angehörten; vielleicht hat ihn die Verwandtschaft 
zum Anschlüsse bestimmt 2 ). 

1) Vgl. Hegel a. a. 0. 238 ff. RA. a. a. 0. 

2) Vischer Reg. 227. Friedrich war der Nachfolger Rabans, eines der 
Theünehmer am Nürnberger Herrenbunde ; am 12. Febr. 1385 ertbeilte ihm Wenzel 



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1385. Leopold und die Schweizer. 275 

Eiu noch gefährlicherer Gegner als die Baiernherzöge war 
Herzog Leopold von Oestreich, denn seit er die Absicht in Ober- 
italien festen Fuss zu fassen hatte aufgeben müssen, waren ihm 
die Pläne, in den schwäbischen Vorlanden seine Macht zu erwei- 
tern, wieder in den Vordergrund getreten. Einen Theil des Gel- 
des, welches er von Franz von Carrara für Treviso erhalten, ver- 
wandte der Herzog zu Zahlungen auf die Grafschaft Hohenberg, 
deren Verhältnisse zu ordnen er im Herbst 1384 beschäftigt war, 
und zu anderen Ankäufen in Schwaben. Streitigkeiten, welche 
er mit den schwäbischen Städten über Hohenbergische Besitzun- 
gen hatte, wurden durch gütlichen Schiedsspruch am 7. December 
1384 ausgeglichen *). Freilich blieben Streitpunkte genug übrig, 
welche nicht geschlichtet wurden und zu neuen Zwistigkeiten 
führen konnten. Die Stellung des Herzogs, dessen Verhältniss 
zu König Wenzel noch nicht gestört war und der sich noch im- 
mer im Besitze der schwäbischen Landvogteien befand, war sehr 
gefahrdrohend. Wenn gegen irgend Jemand, so mussten diesem 
Herrn gegenüber die Städte sich durch Bündnisse zu stärken 
suchen. Da lag es nun am nächsten, an die schweizerische 
Eidgenossenschaft zu denken, deren Bund im Kampf gegen Oest- 
reich entstanden war und sich noch immer von dieser Seite her 
bedroht fühlte. 

Zwar hatten seit Jahren die Waffen geruht, indem der soge- 
nannte Thorbergische Frieden, welcher am 7. März 1368 von Lu- 
zern, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug abgeschlossen war, im- 
mer wieder erneuert wurde. Nach seiner letzten Verlängerung 
vom 28. März 1376 sollte er bis zum 23. April 1387 währen. 
Aber Grund zur Besorgniss gab es für die Eidgenossen genug, 
schon die Umtriebe des Herzogs in Bisthum und Stadt Basel 
mahnten zur Vorsicht. Unter solchen Umständen erregte es um 
so grössere Erbitterung, als Leopold in der schweren Fehde, 
welche die Eidgenossen in den Jahren 1382 bis 1384 mit den 
Grafen von Kiburg zu führen hatten, eine sehr zweideutige Stel- 
lung einnahm. Und so glücklich auch der Streit für die Schweizer 



in Prag die Regalien, Reg. Bo. X, 149. — Die Grafen Ludwig und Friedrich 
von (Dettingen erscheinen jedoch im August 1386 nicht mehr als Bundesmit- 
glieder. Vgl. Vischer 85. 

1) Vischer Reg. 228. Ueber Leopolds Erwerbungen siehe Lichnowsky 
194 ff. 

18* 



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276 



Zwanzigstes Kapitel 



1385. 



ausging, das einmal erweckte Misstrauen blieb. Die herrschende 
Verstimmung erleichterte den schwäbischen Städten ihre Werbung 
um die Bundesgenossenschaft der Eidgenossen ausserordentlich 

Die Schwyzer wollten zwar davon nichts wissen; sie fürch- 
teten nicht ohne Grund, in weitaussehende Verwickelungen hin- 
eingezogen zu werden. Sie hatten nur das Interesse, ihre eigene 
Freiheit zu wahren, jede darüber hinausgehende und weitere In- 
teressen verfolgende Politik lag ihnen fern. Stolz auf die frü- 
heren Heldenthaten glaubten sie selbst stark genug zu sein, die 
Freiheit zu behaupten; was kümmerten sie da die Gegensätze, 
wie sie das Reich zerrissen, der Zwiespalt zwischen Fürsten und 
Städten ? Freie Bauern waren sie und wollten sie bleiben, mit 
den Städten des Reiches hatten sie keine Berührungspunkte, 
Sie hielten daher nicht nur selbst zurück, sondern hinderten auch 
gemäss den Bundbriefen Uri, Unterwaiden, Luzern und Glaras, 
dem Anerbieten der schwäbischen Städte Folge zu leisten. Bern, 
Zürich und Zug dagegen hatten sich das Recht vorbehalten, neue 
Bündnisse ausser der Eidgenossenschaft einzugehen und hier fan- 
den die schwäbischen Städte besseren Willen. Bern und Zürich, 
dessen Einflüsse das kleine Land Zug folgte, waren Reichsstädte 
und daher den schwäbischen Städten näher stehend, für allge- 
meine Interessen zugänglicher; namentlich Zürich, welches von 
Wenzel manche schöne Privilegien erworben 2 ), stand in engeren 
Beziehungen zum Reiche. Ihnen lag es daher nicht fern, mit an- 
deren Reichsstädten im Bunde die eigene Reichsfreiheit zu 
sichern und deren Bedeutung zu erhöhen. — Ausserdem wirkte 
gewiss die Besorgniss vor einem Kriege mit Leopold ein, der 
Bern und Zürich schwerer treffen musste als die Urcantone, da 
sie leichter angegriffen werden konnten und ihnen auch der grösste 
Theil der Kosten zufallen musste. 

In ähnlicher Lage befand sich die mit Bern im ewigen 
Bunde stehende Reichsstadt Solothurn, welche kaum einem 
mörderischen Ueberfalle der Kiburger entgangen war. Da auch 



1) Klingenberger Chronik hrsgeg. von Anton Henne von Sargans 109 ff. 
Die Abhandlungen Ober diese Chronik sind verzeichnet bei Kleissner Die Quellen 
zur Serapacher Schlacht (Göttingen 1873) 25. — Die Berner Chronik des Con- 
rad Justinger hrsg. von Studer 161. 

2) Vgl. die Zürcherischen Königs- und Kaiserregesten aus dem Zeit- 
räume von 852—1400, bearbeitet von Gerold Meyer von Knonau, im Archiv für 
schweizerische Geschichte 1843, I, 127 ff. 



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1385. Bnndniss der Schweizer mit den Reichsstädten. 277 

das benachbarte Basel dem schwäbischen Bunde angehörte, hatte 
sie im Falle der Noth Hilfe um so rascher zur Hand. 

Daher kam es denn, dass am 21. Februar 1385 in Konstanz, 
Bern, Zürich, Solothurn und Zug sich mit den rheinisch- schwäbischen 
Städten verbündeten. Die schwäbischen Städte vollzogen zugleich 
im Namen der rheinischen die Urkunde. Auch die Luzerner, die 
sich am wenigsten vor Oestreich sicher fühlten, wussten trotz der 
von den Schwyzern erhobenen Hindernisse sich doch an dem 
Bunde zu betheiligen. Die Stadt verpflichtete sich nämlich, der 
Stadt Zürich, so lange deren Bündniss mit den Reichsstädten 
währte, auf jede Mahnung hin Zuzug zu leisten und zu helfen 
gegen Jedermann innerhalb der Kreise, welche die Bünde Luzerns 
mit Zürich, Uri, Schwyz und Unterwaiden weisen. Es waren das 
eben dieselben, in denen Bern, Zürich, Solothurn und Zug den 
Reichsstädten zu helfen verpflichtet waren, nämlich von der Aar- 
quelle den Fluss entlang bis Bern, von dort über Solothurn 
wiederum längs der Aar bis zur Mündung, rheinaufwärts bis zur 
Thür und diese hinauf bis zur Quelle, von dieser durch Chur- 
walchen hinauf bis zur Feste Ringenberg und über Monte Pion- 
tino zur Aarquelle zurück. Dagegen versprach Zürich, wenn es 
von den Luzernern um Hilfe gemahnt würde, zu deren Gunsten 
die Reichsstädte zu mahnen '). 

So wurde denn der Bund zwischen den rheinischen, den 
schwäbischen und den genannten schweizerischen Städten ge- 
schlossen „Gott zu Lob und dem heiligen römischen Reiche zu 
Ehren, um Friedens und Schirmes willen des Landes gemeinlich 
und zum Nutz und Frommen unserer Städte und Länder, un- 
serer Leute und Güter gegen alle die, so uns an Leib und 

Gut, an Ehren und unsern Freiheiten und Rechten und an unseren 
guten Gewohnheiten mit Gewalt oder wider Recht bekümmern. u 
Bis zum 23. April 1394 sollte der Vertrag Geltung haben 2 ). 

Aus den einzelnen Bestimmungen sieht man recht deutlich, 
dass der schwäbische Bund es war, welcher nach der Genossenschaft 
der Schweizer gestrebt hatte. Denn die Abmachungen fielen sehr 
zu Gunsten der letzteren aus. Sie brauchen den Bundesgenossen 

1) Doch wird in der grossen Bundesurkunde (Vischer Reg. 234) von den 
Luzernern als Genossen gesprochen, nur unter den Vertragschliessenden sind 
sie nicht mit aufgeführt. 

2) Nicht 1395, wie Vischer 56 irrig sagt: also ein Jahr kürzer als der 
Bund der rheinischen und schwäbischen Städte. 



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278 



Zwanzigstes Kapitel. 



1385. 



nur innerhalb des oben bezeichneten Kreises zu helfen, ausserhalb 
desselben nur, wenn es ihr eigener guter Wille ist. Die schwäbischen 
Städte dagegen, wenn sie gemahnt werden — die Mahnung geht 
an Basel, Konstanz, Ulm oder Rotweil — schicken den Schweizern 
zu ihren Kriegszügen ausserhalb und innerhalb des bezeichneten 
Revieres binnen vierzehn Tagen 100 Spiesse und nach abermals 
vierzehn Tagen ebenso viel, die jene behalten, so lange sie ihrer 
bedürftig sind und deren Vertheilung und Verwendung ihnen an- 
heim gegeben wird. Die rheinischen Städte sind zur Entsendung 
bewaffneter Macht nicht verpflichtet, tragen auch nichts zu ihren 
Kosten bei. Die Truppen erhalten Behausung, aber keine Zeh- 
rung, welche sie sich selbst beschaffen. Wenn die Schweizer 
jähen Schaden oder Angriff erleiden, der rascher Abhilfe bedarf, 
so hat ihnen die nächste Stadt oder wenn diese es nicht allein 
ausmachen kann, die anderen benachbarten sofort Hilfe zu stellen. 
Dazu sind die rheinischen ebenfalls verbunden, die Schweizer je- 
doch in dem entsprechenden Falle nur innerhalb ihres Revieres. 
Ist die Sache so bedeutend, dass ein Kriegszug oder längeres 
Lagern erforderlich ist, so wird zuerst in Zürich ein Tag gehalten, 
um die beste Art der Hilfe zu berathen; auch hier tritt die Be- 
stimmung in Kraft, dass die Schweizer nur freiwillig ausserhalb 
des Bezirkes helfen brauchen. Streitigkeiten zwischen den Bun- 
desmitgliedern werden durch Schiedsgericht geschlichtet, welches 
zu Zürich tagt. 

Unter den anderen Artikeln nehmen diejenigen besonderes 
Interesse in Anspruch, welche das Verhältniss zu Oestreich be- 
treffen ; offenbar glaubte man, dass jeden Tag der Krieg ausbre- 
chen könne. Luzern und Zug waren noch für ein Jahr durch 
den Thorbergischen Frieden gebunden ; daher wurde für den Fall, 
dass vor Ablauf desselben die schwäbischen Städte mit Leopold 
in Kampf geriethen, bestimmt, dass sie alsdann Zürich mahnen 
sollten, welches gemäss dem ewigen Bunde jene beiden Orte zur 
Hilfe auffordern würde; im umgekehrten Falle sollte Zürich für 
Luzern und Zug die schwäbischen Städte mahnen. Indessen 
wollten die Schweizer Städte sich eine gewisse Freiheit der 
Bewegung gegenüber Oestreich wahren: „Und was die Herrschaft 
von Oestreich oder Jemand anders zu uns allen gemeinlich oder 
zu einer Stadt im besonderen zu sprechen hat, darüber sollen 
wir vor diesem Bunde nicht gehalten sein das Recht zu thun, 
sondern in all' diesen Sachen bei unserer alten Gewohnheit 



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1385. 



Aufschub des Kampfes 



bleiben." Im Fall, dass die schwäbischen und rheinischen 
Städte von Jemandem, der ausserhalb des bezeichneten Revieres 
sitze, angegriffen wurden, waren die Schweizer nicht zur Hilfe 
verpflichtet; wenn aber die Herrschaft von Oestreich oder irgend 
eine innerhalb des Revieres sesshafte Macht den Angreifern bei- 
stand, dann trat die Hilfspflicht sofort ein. Die Verträge, welche v 
früher geschlossen worden, bleiben solange sie währen, in Kraft; 
in Zukunft aber geht dieser Bund allen anderen vor. Ausgenom- 
men wurden nur das römische Reich und die den Gotteshäusern 
geschuldeten Rechte. Also selbst gegen die Person des Königs 
galt das Bündniss, eine Bestimmung, die sehr wohl verständlich 
ist, da ja damals der Bruch zwischen Leopold und Wenzel noch 
nicht eingetreten war. 

Dem Herzoge war die Kunde von diesen Vorgängen höchst 
unwillkommen. In der Hoffnung, das Bündniss noch hintertreiben 
zu können, ging er selbst gegen Ende März nach Zürich. Aber so 
ehrenvoll er auch aufgenommen wurde, seine Absicht vermochte 
er nicht zu erreichen. In allen Städten des Bundes wurde der 
geschlossene Vertrag beschworen, in Zürich fand der feierliche 
Act am 11. Juni statt. 

Einen Monat nach dem Konstanzer Bündniss trat auch Mühl- 
hausen im Elsass zum schwäbischen Bunde. Der elsässiche Bund, 
dem es angehört hatte, war im August 1384 abgelaufen und nicht 
mehr erneuert worden, da die meisten seiner Mitglieder zum rhei- 
nischen Bunde getreten waren. Wenn Mühlhausen sich nicht die- 
sem, sondern dem schwäbischen anschloss, war gewiss die Nähe 
Basels das entscheidende Motiv 0- 

Schon schien es, als ob der Conflict zum Ausbruch kommen 
sollte. Die Stadt Basel und Bischof Imer hatten mancherlei Kla- 
gen gegen den Herzog und mahnten deshalb den schwäbischen 
Bund, welcher wieder die Schweizer zur Hilfe aufforderte. Das 
schwäbische Bundescontingent sollte am 25. Juli zusammen sein 
und alsdann der Kampf beginnen. Doch den Schweizern kam die 
Sache zu schnell ; sie wollten erst ihre Ernte einbringen und baten 
daher um Aufschub. 

Aber Leopold selbst war damals von andern Sorgen in An- 
spruch genommen. Im April hatte er Schwaben verlassen, um 
über Tirol und Steiermark nach Ofen zu gehen, wo er am 28/29. Juli 



1) Vischer Reg. 236. 



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280 



Zwanzigstes Kapitel 



1J85. 



die Abkunft über die Vermählung seines Sohnes Wilhelm mit 
Hedwig schloss. Ihm lag nunmehr daran, im Westen zunächst 
Frieden zu haben. Seine Landvögte in den Vorlanden gaben da- 
her in den Beschwerdepunkten nach und schlössen am 7. Juli 
mit Bischof Imer und der Stadt Basel einen Waffenstillstand bis 
zum 14. September 1 ). Da führte inzwischen der König seine 
Schläge gegen Leopold. Am 17. August entzog er ihm die schwä- 
bischen Landvogteien , am 1. September forderte er die Städte 
zum Kampfe gegen die Schismatiker auf. Grund genug für Leo- 
pold, der in Steiermark blieb und sorgenvoll Wilhelms Erfolge 
in Krakau abwartete, sich wenigstens für den Augenblick nicht 
in grosse Unternehmungen einzulassen. Bald erkrankte er auch 
so schwer, dass selbst die für den 8. Januar festgesetzte Ver- 
mählung seines Sohnes Leopold mit Katharina von Burgund wei- 
ter hinausgeschoben werden musste 2 ). 

Als daher am 14. September der Waffenstillstand abgelaufen 
war, kam es doch nicht zum Kampfe. Die Jahreszeit, welche für 
kriegerische Unternehmungen am ungünstigsten zu sein pflegt, 
nahte ausserdem heran. Der October brachte furchtbare Regen- 
güsse, welche namentlich im Gebirge die schlimmsten Verheerung 
gen anrichteten 3 ). Es wurde daher mit dem Landvogte und den 
Käthen Leopolds eine neue Zusammenkunft auf den 5. Januar 
nach Baden verabredet. Die schwäbischen Städte gaben jedoch 
ihre kriegerischen Absichten keineswegs auf. Nach dem October 
meldeten sie den in Zürich versammelten Schweizern, wenn auf 
diesem Badener Tage nicht alle Stösse beigelegt würden, wollten 
sie den Kampf gegen die Herrschaft von Oestreich eröffnen, und 
mahnten zu Rüstungen. Das war den Schweizern freilich nicht 
lieb zu hören 4 ). 



1) Klingenberger Chronik 112; Forschungen III, 32 ff. 

2) Lichnowsky Reg. 1959, 1960. 

3) Stchr. Augsburg I, 77. 

4) Klingenberger Chronik 112. — Die von Vischer Forschungen III, 15 
Anm. 6 angeführte Stelle aus dem Nürnberger Rechnungsbuche bezieht sich 
wohl noch auf die erste Mahnung. 



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1385-1386 



Beginn des Krieges in der Schweiz. 



281 



Einundzwanzigstes Kapitel. 

Kriegerische Aussichten. 

Und doch sollte gerade von den Schweizern der Anstoss zu 
neuen Verwickelungen ausgehen. Den Luzernern war der östrei- 
chische Zoll zu Rotenburg längst überaus lästig, ohne dass sie 
die Abstellung desselben hätten erlangen können. Da zogen 
am 28. December 1385, während in Rotenburg Kirch weih gefeiert 
wurde und der grösste Theil der Einwohner in der Kirche war, 
die Luzerner hinaus, brachen Schloss und Ringmauer und kehrten 
nach Hause zurück, ohne sonst irgend Jemandem ein Leid gethan 
zu haben *)• Dieser energische Akt der Selbsthilfe war nichts anders 
als eine offene Kriegserklärung, welcher sofort die Absage des 
Herzogs und der zu ihm haltenden Fürsten und Herren folgte. 
Zürich mahnte dem Bunde gemäss Basel und dieses die schwä- 
bischen Städte, welche in Ulm zu einem Tage zusammentraten 2 ). 

Da erhob sich denn freilich von mancher Seite lebhafter 
Widerspruch gegen den Krieg. Wir wissen, dass innerhalb des 
Bundes eine Friedenspartei bestand, welche wohl zur Vertheidi- 
gung nicht aber zum Angriff geneigt war. An ihrer Spitze 
standen die Nürnberger, welche auch jetzt entschieden für den 
Frieden, für Stillsitzen eintraten. Sie beriefen sich darauf, 
dass gemäss dem Konstanzer Vertrage alle früher geschlossenen 
Bünde und Abkommen, so lange sie währten, in Kraft bleiben 
sollten. Leopold gegenüber aber sei man durch die Heidel- 



1) Klingenberger Chronik 114. 

2) In der von Th. von Liebenau herausgegebenen Sammlung von Acten- 
stücken zur Geschichte des Sempacherkrieges (Archiv für schweizerische Ge- 
schichte XVII. 1871) findet sich S. 111 ein Brief Luzerns an Zürich, in wel- 
chem ersteres klagt, es seien ihm von Oestreichern sieben Bürger erstochen 
worden „in eim fride, daz diu erbern wisen des heil, riches stette hotten ge- 
worben vnd an vns bracht hatten." Daher fordert Luzern Zürich auf, die vier 
Städte Basel, Konstanz, Ulm und Rotweil zu mahnen, damit diese wiederum 
die schwäbischen Städte um die bundesgemässe Hilfe von 200 Spiessen mahnen. 
Der Brief trägt das Datum: dominica post Hilarii anno 1386. Doch gehört er 
unzweifelhaft in 1387, wie sein Inhalt zeigt, ist also am 20. Januar 1387 aus- 
gestellt — Leider bringt die oben erwähnte Sammlung kein neues Licht über 
die Beziehungen der Schweizer zu den Reichsstädten. 



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282 



Einumlzwanzigetcs Kapitel. 



1386. 



berger Stallung verpflichtet. Ganz unzweifelhaft war auch die 
That der Luzerner als unrecht Widersagen zu betrachten und 
demnach eher Leopold, als diesen zu helfen. Jemandem, der im 
Unrecht sei, meinten die Nürnberger, seien sie nicht verpflichtet, 
beizustehen 1 ). 

Diese gerechtfertigten Einwürfe blieben ohne Erfolg, denn 
auch der Badener Tag am 6. Januar war vorüber gegangen, ohne 
dass die Städte auf ihre Klagen von Oestreich guten Bescheid er- 
halten hätten. Der Bund beschloss, die geforderte Hilfe zu leisten. 

Am 7. Februar 1386 erliessen „die gemeinen Städte des Bundes 
in Schwaben, welche jetzt zu dieser Zeit zu Ulm zusammen ge- 
wesen sind" die Mahnung an die rheinischen Städte, die ganze 
Summe der Gleven, welche sie dem Vertrage gemäss zu stellen 
hatten, auszurüsten. Diese sollten am 11. März in Mühlhausen 
erscheinen, um den Krieg gegen die Herrschaft Oestreich be- 
treiben zu helfen. Die Sache sei „so mächtig und heftig," dass 
mehr Hilfe nöthig sei, wie auf Eid versichert wird. Daher möch- 
ten die rheinischen Städte am 23. Februar in Speier zusammen- 
kommen und die stärkere Hilfsleistung beschliessen, wie es nach 
Laut der Bundesartikel geschehen soll 2 ). 

Nicht nur gegen Oestreich wurde das Schwert erhoben ; auch 
in Baiern, Schwaben und Franken sollte mit den unerquicklichen 
Zuständen ein Ende gemacht werden. Denn auf allen Seiten 
glaubten sich die Städte von den Fürsten beeinträchtigt. 

Die fränkischen Bundesstädte, zu denen im Mai 1385 auch 
Schweinfurt getreten war, hatten Zwistigkeiten mit dem Burggra- 
fen von Nürnberg und dem Bischöfe von Würzburg ; andere Städte 
hatten solche mit dem Grafen von Wirtemberg und dem Herzoge 
von Teck. Am bedenklichsten war aber die feindselige Haltung, 
welche die baierischen Herzöge, namentlich Friedrich und Stephan 
angenommen hatten. Vielleicht war Letzterer üm so übermüthi- 
ger, seitdem er der Schwiegervater des französischen Königs ge- 
worden 8 ). Namentlich die Regensburger, denen die Herzöge den 



1) RA. D. 316 S. 570. Nach der Konstanzer Chronik 324 scheint man 
auch in dieser Stadt nicht sehr kriegslustig gewesen zu sein. 

2) RA. n. 250. 

3) Karl VI. heirathete am 13. Juli 1385 in Amiens Elisabeth, die Tochter 
Herzogs Stephan von Baiero, die in Frankreichs Geschichte so berüchtigte 
Isabeau. Ueber Brautwerbung und Hochzeit siehe die reizende Erzählung 
Froissards X, 344—357. Nach Froissard bestimmte Karl V. auf seinem Todten- 



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Ki iberische Aussichten. 



283 



Eintritt in den schwäbischen Bund nicht verziehen hatten, erhoben 
laute Klagen über Kränkungen aller Art. Ihre Kaufleute wurden 
ausserordentlichen Beschatzungen unterworfen, neue Zölle in den 
benachbarten baierischen Orten eingerichtet und mannichfache 
andere Plackereien ersonnen, wie sie böser Wille damals so leicht 
ausfindig machen konnte. Ganz besonders wurde ein Edel- 
mann Hans von Auer beschwerlich, der allerlei Gewaltthat ver- 
übte und darin offenbare Unterstützung bei den Herzögen fand. 
Die Stadt sah sich schliesslich genöthigt, gegen ihn die Waffen zu 
ergreifen. Die benachbarten Bundesstädte wurden um Hilfe ge- 
mahnt, auch Nürnberg, an welches sich Regensburg schon ein- 
mal gewandt, aber wenig Förderung gefunden hatte, weil Strei- 
tigkeiten um den obersten Sitz und Rang im deutschen Hofe zu 
Venedig die beiden Städte gegenseitig erbittert hatten. Im Octo- 
ber 1385 fand deswegen eine Berathung in Weissenburg statt, 
bei der es sich zugleich um Abstellung eines ungerechtfertigten 
Zolles handelte, welchen Burggraf Friedrich von den Reichs- 
städten erhob *)• 

So gab es allenthalben Beschwerden der Städte gegen die 
Fürsten. Wie Regensburg hatte auch Augsburg mit Stephan 
Zwistigkeiten; kurz, überall war der Brennstoff aufgethürmt, den 
der erste hineinfliegende Funken zu einem ungeheueren Brande 
entflammen konnte. 

Und nun schien es, dass der entscheidende Augenblick ge- 
kommen und der Kampf unabwendbar sei. Alle Vorbereitungen 
wurden getroffen, die Summen, welche die Mitglieder zu zahlen 
hatten, die Anzahl der zu stellenden Spiesse und Söldner fest- 
gesetzt 2 ). 

Ueberraschender Weise blieb der Frieden dennoch erhalten, 
das schon gezückte Schwert wurde wieder in die Scheide gesteckt. 



bette, dass sein Soho eine deutsche Fürstentochter heirathe „par quoy des 
Aleman8 plus grans aliances se fecissent as Francois." Man war in Frankreich 
sehr erzürnt, dass Anna von Böhmen den englischen König geheirathet hatte, 
aber man tröstete sich, dass Herzog Stephan „estait ossi grans ou plus que Ii 
rois d'Alemaigue." Merkwürdig ist auch die Ansicht „Ii Baivier anchieunement 
ont toudis este dou conseil de France." — Die Verpfändung von Donaustauf 
und Sulzbach um 21,000 Gulden an die Stadt Rogensburg am 28. März 1385 
(Reg. Bo X, 152) sollte jedenfalls die zur Ausstattung nötbigen Summen decken. 

1) Gemeiner II, 218-221 ; Reg. Bo. X, 167. 

2) Gemeiner II, 224. 



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284 



Einundzwanzigstes Kapitel. 



1386. 



Wie ist das gekommen? Welche Gründe haben den schwä- 
bischen Bund bewogen von den Wegen, welche er bis dahin 
scheinbar mit Entschlossenheit verfolgte, plötzlich abzulenken? 
Sind die Ursachen in ihm selbst zu suchen, in dem Einspruch 
und zögernden Zurückhalten einzelner Mitglieder? 

Allerdings Hessen sich auch früher ähnliche Schwankungen in 
der Bundespolitik wahrnehmen und die Friedenspartei hatte ge- 
legentlich die Oberhand davongetragen. Wir haben ferner alle 
Ursache, uns die inneren Verhältnisse des Bundes und die gegen* 
seitigen Beziehungen der Glieder nicht in allzu idealem Lichte 
zu denken. Die Beschwerden der Nürnberger und die späteren 
Vorgänge lassen klar erkennen, wie wenig straff die Disciplin 
war, in welcher die Mitglieder standen, wie die einzelnen sich 
nicht selten ihren Pflichten entzogen und sogar Bundessprüche 
nicht befolgten *). Nicht in allen Stadtgemeinden mochte rück- 
sichtslose Opferfreudigkeit, uneigennützige Hingabe an ein grosses 
gemeinsames Ziel leben. Ja es erscheint zweifelhaft, ob 
ein solches dem Bunde oder auch nur seiner Mehrheit vor- 
schwebte, ob nicht die Bestrebungen der meisten Mitglieder sich 
darauf beschränkten, die eigensten Interessen zu wahren und Hab 
und Gut zu schirmen. 

In den Aufzeichnungen, wie sie damals in den Städten ent- 
standen, und in den Urkunden finden wir keine Andeutung, auch 
nicht die leiseste Hinweisung wird gemacht, dass man ein grosses 
politisches Programm besessen, ein Programm welches die all- 
gemeinen Verhältnisse, die Zustände des Reiches ins Auge fasste, 
eine Ausbildung oder Aenderung von dessen Verfassung im Sinne 
des städtischen Wesens, des Bürgerthums, beabsichtigte. Das 
will freilich nicht allzuviel bedeuten : Verschwiegenheit und Heim- 
lichkeit galten damals als die wichtigsten und ersten Grundsätze 
der Politik und gerade in dem Regimente der Städte herrschte 
die grösste Heimlich thuerei. So glaubte man allen Grund zu ha- 
ben, die innersten Gedanken, die tiefsten Pläne zu verschweigen, 
und wir könnten denken, dass sie mit ihren Trägern zu Grabe 
gingen. 

Ein neuerer Forscher hat sich das Programm der Städte in 
folgender Weise gedacht: „Der Zweck dieses Bundes war nicht 
blos Abwehr feindlicher Angriffe, sondern er strebte noch weiter. 



1) RA. n. 316. 



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1386. 



Tendenzen des Städtobundes. 



285 



Um es kurz zu sagen : er beabsichtigte dasselbe, was Cola Rienzi 
in Italien, was Stephan Marcel in Frankreich, was die Artevelds 
in Flandern: er wollte eine neue Ordnung der Dinge begründen, 
mit vorwiegendem Einflüsse des Bürgerthums, mit Beseitigung 
oder Beschränkung der Aristokratie und des Fürstenthums. u l ) 

Das ist sicher viel zu weit gegangen. Wenn der Vergleich 
mit den Plänen des römischen Tribunen als durchaus unpassend 
zu bezeichnen ist, muss auch der mit den Absiebten der franzö- 
sischen und flanderischen Bürger zurückgewiesen werden. Denn 
deren Stellung war von der der deutschen Städte zu verschie- 
den, als dass eine Parallele möglich wäre. Unter ganz unglei- 
chen Verhältnissen können gleiche politische Bestrebungen nicht 
vorhanden sein. Die französischen Städte haben sich einerseits 
nie einer solchen Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihres Staats- 
wesens gegenüber der Krone zu erfreuen gehabt, wie die deutschen 
Reichsstädte; andrerseits wieder bildete in Deutschland das Bür* 
gerthum keinen geschlossenen Stand, keinen bestimmten Factor 
in der Gesammtheit des Staates, wie das in Frankreich der Fall 
war. In Frankreich kam das Bürgerthum in die Höhe, gehoben 
durch die Krone; in Deutschland wenn auch nicht gerade im 
Kampfe mit derselben, doch wider' ihren Willen oder wenigstens 
ohne ihr Zuthun. 

Die flandrischen Städte ferner spielten in dem kleinen Staate, 
dem sie angehörten, eine ungleich bedeutendere Rolle als die deut- 
schen Reichsstädte im Reiche. Ihre Macht überwog völlig die der 
Fürsten und des Adels. Hier war so recht der Spielraum für die 
Entwickelung demokratischer Tendenzen und zur Uebertragung 
derselben auf den ganzen Staat gegeben. — Es ist wohl kaum 
nöthig, die Unrichtigkeit der gedachten Ansicht noch weiter zu 
erörtern. 

Die Städte haben selbst als Zweck ihres Bundes angegeben: 
ihre Reichsfreiheit aufrecht zu erhalten, ungerechter Beschatzung 
über die Reichssteuer hinaus zu entgehen, Eigenthum, Handel und 
Verkehr auf den Strassen zu schützen, während sie zugleich be- 
theuerten, dem Reiche seine Rechte wahren zu wollen. Alles das 
ist leicht verständlich, und es fragt sich nur, ob die Städte nicht 



1) Hagen Ueber die politischen Verhältnisse zur Zeit der Sempacher- 
schlacht, im Archiv für schweizerische Geschichte 1858, XII, 15. — Dieselbe 
Ansicht nur mit etwas veränderten Worten giebt Sugenheim III, 366, 367. 



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28f> 



Einundzwanzigstes Kapitel. 1386. 



doch darüber hinaus gehende Pläne hegten und ob sie nicht nament- 
lich beabsichtigten, sich dem Reiche, das heisst dem Könige und 
den Fürsten gegenüber zu Erreichung dieser Zwecke eine Stellung 
zu verschaffen, welche auf eine Aenderung der Verfassung hinauslief. 

Bei der Abhängigkeit, in welcher sich der König von den 
Fürsten befand, war die Stellung der Städte zu diesen von Wich- 
tigkeit. Wiederholt haben wir darauf hingewiesen, dass zwischen 
den Fürsten und den Reichsstädten ein schroffer Gegensatz be- 
stand. Aber war dieser ein klar bewusster, auf politischen Grün- 
den beruhender, oder war er nur instinctiv und hervorgerufen 
durch die Verhältnisse, da Adlige und Fürsten immer wieder 
den Wohlstand und Handel der Bürger beschädigten und die 
Strassen unsicher machten, während die Städte die Herren durch 
Aufnahme ihrer Unterthanen oft sehr beeinträchtigten? Es 
ist schwer, darauf eine bestimmte Antwort zu geben. Aber wenn 
wir deutlich sehen, dass bei den Fürsten, wenigstens bei den Kur- 
fürsten die Opposition gegen die Städte eine systematische war, 
dass hier das Bewusstsein lebendig war, ein weiteres Aufkommen 
und Erstarken der Städte könne dem Reiche, das heisst dessen 
Verfassung, in welcher sie die wichtigsten Glieder waren, Gefahr 
drohen, so müssen wir auch von Seiten der Städte annehmen, 
dass ihrem Kampf gegen die Fürsten tiefere Motive zu Grunde 
lagen, als die blosse Sicherung der Existenz. Sollten nicht von 
den Bürgern, deren geistige Bildung eine weit bessere war als 
die ihrer Gegner, grosse politische Ideen erfasst und ausgespon- 
nen worden Bein ? Sollten sie nicht bedacht haben, dass das feste 
Zusammenhalten die Reichsstädte auf die Dauer zu einer politi- 
schen Körperschaft machen musste, der eine Rückwirkung auf das 
Reich nicht fehlen konnte? Gewiss haben sie das gethan und 
solche Erfolge gehofft. Darauf weist das ganze Verhalten we- 
nigstens des schwäbischen Städtebundes hin. Hier im Süden, in 
den Gebieten, welche der Bund umfasste, war ja fast allein ein 
lebendiges Bewusstsein vom Reiche vorhanden, hier allein strömte 
noch allgemeines politisches Leben. 

Trotz alledem wird man sich hüten müssen, das Programm 
der Städte in allzu scharfen Umrissen zeichnen zu wollen. 

Nur dadurch, dass die Städte sich zu einem Bunde zu- 
sammenschlössen, waren sie im Stande, jene bereits erwähn- 
ten, von ihnen offen ausgesprochenen Ziele zu erreichen. 
Um diesem Bunde Stärke zu verleihen, war eine möglichst 



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1386. 



Tendenzen des Städtebundes. 



287 



grosse Zahl von Mitgliedern erforderlich und diese zu ge- 
winnen war der Bund unermüdlich thätig. Aber als wirkliche, 
das heisst stimmberechtigte Mitglieder wurden offenbar nur Reichs- 
städte aufgenommen. Die Fürsten und Herren, mit denen Ver- 
träge zu gegenseitiger Kriegshilfe abgeschlossen wurden, hatten 
an den Städtetagen und den dort gepflogenen Berathungen 
keinen Theil. Nur Reichsstädte vom Rhein, von Schwaben und 
von Franken waren im Bunde. Hat man nun daran gedacht, 
auch die Reichsstädte in Nord- und Mitteldeutschland heranzu- 
ziehen? Wir haben davon bis jetzt wenigstens keine Spur. 

Die Städte strebten ferner danach, für ihren Bund die An- 
erkennung des Reiches zu gewinnen. Diese war wünschenswerth, 
weil dadurch zunächst dem Könige wie den Fürsten die legale 
Berechtigung entzogen wurde, die Städte eben wegen ihres Zu- 
sammenhaltens zu bekriegen. Mit der Anerkennung des Bundes 
wäre aber auch dem Könige von Reichswegen das Recht entzogen 
worden, die Städte zu verpfänden; es wäre diesen zugleich ge- 
stattet worden, die Sicherheit der Strassen, die Bestrafung der 
Friedensbrecher von Bundeswegen zu handhaben. 

Bald würde sich eine weitere Folge ergeben haben. Schon 
seit geraumer Zeit wurden die Städte zu den Reichstagen heran- 
gezogen. Indessen war dies nur ein Gebrauch, keine rechtlich 
begründete Einrichtung, und es stand durchaus im Belieben des 
Königs, welche Städte er einlud. Dass den Städten die Theil- 
nahme an den Reichstagen gänzlich entzogen werden könne, war 
bei der grossen Bedeutung, welche sie hatten, wohl nicht zu be- 
sorgen.' Sobald jedoch der Bund anerkannt war, lag es nahe, 
dass seine und seiner Mitglieder Beziehungen zum Reiche durch 
die Gesammtheit geleitet und geregelt wurden, dass er allmälig 
als geschlossene Körperschaft an den Reichstagen theilnahm und 
so von grossem Einflüsse wurde. 

Es kann also nicht davon die Rede sein, dass der Bund das 
Bürgerthum an sich im Reiche zur Herrschaft oder auch nur zur 
Geltung bringen wollte. Es handelte sich lediglich um die Stel- 
lung der Reichsstädte und auch nur um die der im Süden ge- 
legenen. Gewiss wären, wenn man das vorgesteckte Ziel er- 
reicht hätte, die Consequenzen für die politische Gestaltung des 
Reiches tief einschneidend geworden. Immerhin hätte es zu 
einer Vereinigung mit den nördlichen Reichsstädten, mit der Hanse, 
obgleich deren Ziele wesentlich verschieden waren, kommen 



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238 



Einundzwanzigstes Kapitel. 



1386. 



können ; möglicher Weise würden auch die nicht reichsunmittel- 
baren Städte hier einen Anhalt gefunden haben, um sich von den 
Landesherren zu emaneipiren. Dann wäre schliesslich eine Revo- 
lution im Interesse des Gesammtbürgerthums möglich geworden. 
Aber es ist ganz zwecklos, solches „Wenn" und „Aber 0 zu erör- 
tern und Phantasiebilder auszumalen, denen jede Wirklichkeit 
fehlt. Die klare historische Anschauung wird dadurch nur allzu 
leicht verwirrt. Und dass solche Folgen bereits dem Geiste jenes 
, Ulmer Bürgermeisters und seiner Gesinnungsgenossen klar vorge- 
schwebt haben und von ihnen erstrebt worden sind, lässt eine 
ruhige, unbefangene Erwägung als undenkbar erscheinen. 

Diese Abschweifung war nothwendig, um für die Beurtheilung 
des Folgenden festen Boden Unter den Füssen zu haben. Trotz 
des Einspruches der Nürnberger war der schwäbische Bund ent- 
schlossen, Krieg zu führen. Dass die Luzerner im offenbaren 
Unrecht waren, kam nicht in Betracht, denn den fürstlichen und 
adligen Gegnern gegenüber wurde überhaupt das Recht nicht 
immer allzu ängstlich abgewogen. Die Mehrheit des Bundes war 
für den Krieg; mit den bisherigen Zuständen musste ein Ende 
gemacht werden. Und es kann kein Zweifel sein, dass das Ziel 
des Krieges nicht allein war, von den Fürsten Abstellung 
der Beschwerden zu erlangen. Ein glücklicher Ausgang desselben 
musste sicher alle die Früchte bringen, welche die treibenden 
und leitenden Kräfte des Bundes in ihren Entwürfen plan- 
ten. So standen die Reichsstädte nicht vor einem Gelegenheits- 
kriege, sondern vor einem principiellen Kampfe. Und dass dieser 
jetzt, wo die günstigsten Aussichten vorhanden waren, doch nicht 
zu Stande kam, war entscheidend für den Städtebund, für das 
Reich 1 

Wenn nicht Alles trügt, sind es die rheinischen Städte ge- 
wesen, welche den glühenden Kriegseifer zu dämpfen, den ins 
Rollen gerathenen Stein zu halten wussten, ehe er vernichtend 
ins Thal herabgedonnert war; unter ihnen war es vielleicht be- 
sonders Strassburg, welches auf Erhaltung des Friedens drang. 
Hatte doch diese Stadt gleich Anfangs gegen die Einigung mit 
dem schwäbischen Bunde gesprochen, weil sie nicht in andere 
über ihren nächsten Kreis hinausgehende Verwickelungen gezogen 
werden wollte. Der rheinische Bund stand, wie wir sahen, durch- 
aus nicht auf demselben Boden, wie die schwäbische Kriegspartei ; 
ihm hatte es sich immer nur darum gehandelt, die eigenen In- 



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1386. 



Verhalten des rheinischen Städtebundes. 



289 



teressen zu verfolgen, von einer grossen Politik war hier nicht 
die Rede. Man wollte wohl den Frieden wahren, hose Schädiger 
bestrafen; dazu bot man den schwäbischen Städten gern die 
Hand, da Jedes für sein eigenes Beste sorgte, wenn es im 
Verein mit den Anderen Ruhestörern und Raubgesellen das Hand- 
werk legte. Aber einen so umfangreichen Krieg zu führen, wie 
jetzt zugemuthet wurde, bei dem es sich weit mehr um allgemeine 
Fragen, als um Abstellung einzelner Uebelstände handelte, war 
geringe Lust vorhanden. 

Und wenn auch im schwäbischen Bunde manche hässlichen 
Störungen vorfielen und Klagen über mangelnde Opferwilligkeit, über 
Missachtung der Bundesbeschlüsse laut wurden : in seinem Schoosse 
kam es nicht zu so schweren Differenzen, wie wir sie bei den 
rheinischen Städten kennen. Wie wenig bundesfreundlich war es 
von Worms und Speier, dass sie den ihnen verliehenen Zoll auch 
von den Genossen ihrer Einigung, von den Reichsstädten erhoben 
und sich endlich mit schweren Summen abfinden liessen! Noch 
schlimmer aber trieb es Strassburg, welches gar den Bürgerkrieg 
in den Bund hineintragen wollte! *) Als dann der König am 
28. Juli 1384 den Städten gemeinsam einen neuen Zoll verlieh, 
rief auch dieser sofort Zwietracht hervor, da sie sich über seine 
Bestellung nicht einigen konnten. Frankfurt wurde beschuldigt 
die Sache hinzuhalten, und alsbald beschlossen die Bundesglieder, 
den dortigen Markt nicht zu besuchen 1 2 ) Worms lag seit län- 
gerer Zeit mit seinem Bischöfe und der Pfaffheit im heftigsten 
Streite wegen des Weinschankes und anderer Dinge; die gewalt- 
tätigsten Scenen waren vorgefallen, offener Krieg ausgebrochen. 
Nachdem auch Wenzel gegen die Stadt entschieden und ihre 
Freiheitsbriefe nur für soweit giltig erklärt hatte, als sie dem 
Stifte und der Geistlichkeit nicht schädlich wären, wandte sich 
Worms im März 1385 an seine Bundesgenossen und rief sie um 
Hilfe an. Diese aber wurde, soweit wir wissen, nicht gewährt. 
Frankfurt wenigstens hatte über ein Jahr später im Mai 1386 
dem Bischöfe noch nicht den Fehdebrief gesandt, obgleich inzwi- 
schen Worms vom königlichen Hofgerichte zu einer beträchtlichen 
Geldbusse verurtheilt worden, bis zu deren Zahlung die Stadt in 
Acht erklärt wurde, obgleich selbst der Papst Urban über die 



1) Siehe S. - 

2) Janssen S. 17 n. 47 und 48. 

Tb. Lindner, Geschichte des deotochen Reiche». I. 19 



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290 



Einundzwanzigstes Kapitel. 



1386. 



Frevler den Bann verhängt hatte. Erst im Juni 1386 wurde der 
verdriessliche Handel durch einen Schiedsspruch des jüngsten 
Ruprecht von der Pfalz und des Grafen Heinrich von Sponheim, 
sowie der Boten von Mainz und Speier beigelegt ! ). 

Das Verhalten des rheinischen Bundes in dieser Wormser 
Angelegenheit lässt auf seine geringe Neigung schliessen, mit den 
Fürsten einen grossen Kampf zu beginnen. Dazu wäre gerade 
damals in diesen Gegenden eine treffliche Gelegenheit geboten 
gewesen, da im Jahre 1384 der Kampf in Hessen wieder ent- 
brannte und alle Gebiete nördlich vom Main, vom Rhein bis nach 
Braunschweig* in Mitleidenschaft zog; namentlich gegen den 
Mainzer Erzbischof konnten schwere Schläge geführt werden. Der 
Landgraf Hermann wollte sogar in den Bund treten und führte 
mit den Städten in den Jahren 1383 und 1384 lebhafte Verhand- 
lungen darüber 2 ), ohne dass sie ein Resultat ergaben. Der 
Streit fand jedoch im Juli 1385 für einige Zeit ein Ende, ehe 
die Städte irgend Anstalten gemacht hatten, ihn für sich auszu- 
nutzen. Letztere scheinen im Gegentheil bemüht gewesen zu sein, 
mit den Fürsten möglichst gutes Einvernehmen aufrecht zu er- 
halten. Mehrfach haben die Bürger mit diesen im Verein Züge 
gegen Friedebrecher und Strassenräuber unternommen ; die Heidel- 
berger Stallung hatte hier wohl grössere Bedeutung als in Schwa- 
ben und wurde ernstlich gehandhabt. 

Unter solchen Umständen dürfte den rheinischen Städten 
an dem in Konstanz mit den Schweizern geschlossenen Bunde 
nicht viel gelegen haben. Derselbe war ein Werk der schwä- 
bischen Bürgerschaften und wenn auch gemäss den einmal be- 
stehenden Verhältnissen die rheinischen Städte sich anschliessen 
mussten, so war ihr Beitritt doch ein nur formeller, da ihre Pflicht 
Hilfe zu leisten sehr enge Grenzen hatte. Wenn schon die 
Nürnberger die Heidelberger Stallung vorgeschützt hatten, um 
den Krieg gegen Leopold zu hintertreiben, so war ähnliches von 
den rheinischen Städten noch bestimmter zu erwarten. Es ist 
sehr bezeichnend, wenn die schwäbischen Städte in dem Schreiben 
vom 7. Februar 1386 mit keinem Worte der Schweizer gedenken, 
sondern den Kampf gegen Leopold nur mit eigenen Händeln be- 



1) Vgl. die Urkunden bei Schannat II. Cod. prob. S. 191 ff.; bei Janssen 
S. 17 ff. — Chron. Mog. misc. fragm. 379 f. 

2) RA. S. 391, 436. - Vgl. Kap. XXV. 



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1386. 



Friedensvermittlung der rheinischen Städte. 



291 



gründen. Der wahre Sachverhalt konnte freilich nicht verborgen 
bleiben. 

Kaum vierzehn Tage nachdem das Ulmer Schreiben an den 
rheinischen Bund ergangen war, am 22. Februar — der Ort der 
Handlung ist in der Urkunde nicht genannt — wurde ein Waffen- 
stillstand bis zum 17. Juni geschlossen zwischen Leopold und den 
vier Waldstätten nebst Zug und Zürich, vermittelt durch die 
Boten von Strassburg, Basel, Regensburg, Augsburg, Konstanz, 
Ulm, Rotweil, Nördlingen, Ravensburg, Ueberlingen und Mem- 
mingen *). Offenbar war von Seiten des schwäbischen Bundes 
eine Kriegserklärung an Leopold noch nicht erfolgt, und indem 
auch Uri Schwyz und Unterwaiden, die zwar nicht in der Einung 
waren, aber durch ihre Eidgenossenschaft mit Luzern und Zürich 
die schwäbischen Städte in den Kampf ziehen konnten, zu fried- 
licher Haltung bewogen wurden, eröffnete sich die Aussicht, dass 
der Krieg gegen Leopold gänzlich beseitigt würde. 

Es ist kein Zweifel, dass Strassburg, sei es im Namen des 
rheinischen Bundes oder für sich allein, den Waffenstillstand be- 
wirkt hat. Vielleicht haben ausser der allgemeinen Friedensliebe 
noch andere Motive auf diese Stadt eingewirkt. Zu ihr hatten 
die Habsburger seit alten Zeiten gute Beziehungen und gewiss 
zählte Leopold dort manchen Freund. Vier Strassburger Ritter 
fanden bei Sempach an seiner Seite den Tod, unter ihnen 
ein Mühlenheim ; 2 ) einer aus diesem Geschlechte, Eberhard — 
vielleicht sogar mit dem Erschlagenen identisch — untersiegelte 
für Strassburg die Urkunde des Waffenstillstandes. 

Die rheinischen Städte hatten erreicht, was sie wollten, der 
schwäbische Bund konnte nun füglich den Kampf gegen Leopold 
nicht eröffnen. Ohne den Beistand der Bundesgenossen, dessen 
er sogar noch über den einfachen Satz hinaus zu bedürfen 
glaubte, war er dazu nicht im Stande, da der Streit mit Oest- 
reich sofort alle anderen Fürsten ins Feld gerufen hätte. Die 
Friedenspartei innerhalb des Bundes mochte damit zufrieden sein, 
aber ihre Freude war eine voreilige. Selbst wenn der Waffen - 



1) Vischer Reg. 257. Bern und Solothurn werden in der Urkunde nicht 
genannt, obgleich nach Justinger 162 erstere Stadt wenn auch ungern sich am 
Kriege betheiligt hat. 

2) Stchr. Strassburg II, 829. Die Stelle 826: Do disen krieg nieman 
künde verrihten, wie vaste men derzwüschent rette, deutet darauf hin, dass 
Strassburg die Vermittlung übernahm. 

19* 



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292 



Einundzwanzigstes Kapitel. 



1386. 



stillstand sich in einen Frieden verwandelte, konnte dieser doch 
nur ein fauler sein; wenn auch die augenblicklichen Beschwer- 
den abgestellt wurden, in ungemessener Zahl mussten sie doch 
wieder aufsteigen. Die grosse Entscheidung war hinausgezogen, 
aber nicht für immer zu vermeiden. Liess man da nicht den 
günstigsten Augenblick unbenutzt vorübergehen? Man hat den 
schwäbischen Bund der Kurzsichtigkeit beschuldigt, weil er da- 
mals nicht losschlug, aber nicht er, sondern der rheinische trägt 
die Schuld ; dieser hat den bereits erhobenen Arm zurückgehalten. 
Zum zweiten Male binnen Jahresfrist war der Krieg so sicher 
er schien doch nicht zu Stande gekommen; zuerst wollten die 
Schweizer nicht, jetzt hintertrieben ihn die rheinischen Städte. 
Vielleicht zauderte ein drittes Mal der schwäbische Bund, nach- 
dem er gesehen, wie wenig seine Bundesgenossen ihm folgten, 
nachdem dadurch die zurückhaltenden Elemente in ihm an Kraft 
gewonnen hatten! 

Wie nun die Dinge einmal gegangen waren, wurde der Ver- 
such gemacht,, die Streitpunkte allerseits zu erledigen und aus 
der Welt zu schaffen. Leopold hatte bis Ende des Monats März 
in Tirol geweilt, beschäftigt sich zu rüsten und Geldmittel zu 
schaffen ; er wandte sich selbst an seinen alten Feind Franz von 
Carrara mit der Bitte um ein Darlehn. Dieser liess die gute Ge- 
legenheit nicht vorübergehen, ohne die letzten Besitzungen, welche 
der Oestreicher noch in Oberitalien hatte, an sich zu bringen; 
für 60,000 Goldgulden wurden ihm Feltre und Belluno verpfändet l ). 
Dem Herzoge war viel daran gelegen, sich jetzt mit den schwä- 
bischen Städten gut zu stellen, über deren Ansprüche und 
Klagen auf einem Tage zu Baden verhandelt werden sollte; 
wenigstens wies er die Freiburger, gegen welche zahlreiche Kla- 
gen vorlagen, an, sich dort zu verantworten. In der That 
wurde am 15. Mai in Baden ein günstiges Resultat erzielt; die 
Beschwerden, welche von nicht weniger als zehn Bundesstädten 
erhoben wurden, fanden theils ihre Erledigung, theils nahm man 
ihre gänzliche Schlichtung durch Schiedsgerichte in Vorbereitung 2 ). 
Dadurch wurde der Kriegseifer gegen Leopold abgestumpft und 
es erschien jetzt wichtiger, sich gegen die anderen Feinde in 
Baiern und Franken zu wenden. Denn noch nahmen die Belästi- 



1) Licbnowsky Reg. 1991. 

2) Viseber Reg. 260. 



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1386. 



Die Schlacht von Sempach 



293 



gungen von Seiten der Baiernherzöge ihren Fortgang und Anfang 
Februar hatten die Glieder des Nürnberger Herrenbundes in 
Würzburg eine grosse Berathung gehalten, welche kaum für die 
Städte günstig ausgefallen sein wird '). Seitdem es zwischen 
Leopold und dem Könige zum Bruche gekommen und ersterem 
die schwäbischen Landvogteien entzogen waren, stand er auch 
den Städten nicht mehr so bedrohlich gegenüber; es ist nicht 
undenkbar, dass dieses Moment allmälig in den Erwägungen der 
städtischen Kreise grösseres Gewicht erlangt hat. 

• 



Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

Die Sempacher Schlacht, Friedensverhandlungen. 

Nicht so leicht erledigten sich die Streitigkeiten zwischen den 
Schweizern und Leopold ; man darf vermuthen, dass hier der Her- 
zog weniger geneigt war, nachzugeben. Der Ueberfall Rotenburgs 
war eine zu schwere Beleidigung, als dass er ihn ohne weiteres 
hätte vergessen mögen. Unzählig waren ferner die Klagen, 
welche er gegen die Schweizer und diese gegen ihn zu erheben 
hatten. Die Verhältnisse, wie sie hier obwalteten, waren so ver- 
wirrt, dass beide Theile eine Entscheidung wünschenswerth fan- 
den. Wenn Luzern, Glarus und Zug nach den Verträgen unter 
Oestreichs Herrschaft standen und doch dabei dem eidgenössi- 
schen Bunde angehörten, so war dies wirklich ein unhaltbarer 
Zustand. Natürlich strebten die den Schweizern benachbar- 
ten Städte und Gemeinden, welche unter Oestreichs Herrschaft 
standen, danach sich jenen anzuschliessen, und es war für sie 
unter diesen Umständen leicht genug, sich ihrer Herrschaft zu 
entziehen 2 ). 

Umgekehrt war die Eidgenossenschaft sich wohl bewusst, 
dass Oestreich ihren Bestand nur so lange duldete, als es musste, 
dass jede Gelegenheit, ihr ein Ende zu machen, dem Feinde will- 
kommen war. Ob von den schwäbischen Städten Hilfe kommen 



1) RA. d. 287. 

2) Lorenz Leopold III. und die Schweizerbünde (Wien 1860) 23. 



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294 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 1386 



würde, war freilich ungewiss. Aber schon wiederholt hatte die 
Kraft der Eidgenossen ausgereicht, um allein Oestreich zu wider- 
stehen, und für den schlimmsten Fall, wenn der Krieg wirklich 
schlecht ging, durfte man doch Beistand von den befreundeten 
Städten erwarten. Unmöglich konnten diese ruhig zusehen, wenn 
die Schweizer unterlagen. 

Nachdem ein Tag zwischen Oestreich und den Eidgenossen 
ohne Resultat geblieben, wurde ein neuer für den 3. Juni in Zü- 
rich angesagt *), auf welchem ebenfalls keine Verständigung er- 
zielt wurde. Da der Waffenstillstand mit dem 17. Juni zu Ende 
ging, entbrannte der Krieg aufs neue. 

Leopold fand bereitwillige Unterstützung bei den süddeut- 
schen Adeligen, welche unter „der Zierde der Ritterschaft" gern 
Ruhm erwerben wollten. Ueber anderthalbhundert Absagebriefe 
erhielten die Schweizer, darunter auch vom Markgrafen von Ba- 
den und Eberhard von Wirtemberg. Leopold konnte sich auf 
den Nürnberger Herrenbund und auf die Heidelberger Stallung 
berufen und somit nicht nur von den Fürsten Hilfe fordern, son- 
dern auch von den rheinischen und schwäbischen Städten je fünf- 
zig Spiesse verlangen. Ob ihm von den Fürsten die vertrags- 
gemässe Hilfe geleistet worden ist, wissen wir nicht, dürfen 
es jedoch annehmen. Die Städte aber mahnte der Herzog ge- 
wiss nur, um sie von einer Unterstützung der Schweizer abzu- 
halten. Am 22. Juni schrieb er von Brugg an die Strassburger 
und verlangte von ihnen „gemäss der Einung, welche unser Herr 
der römische König und andere Fürsten mit euch haben" un- 
verzüglich Hilfe „um das grosse Unrecht, das uns und den Un- 
seren die von Luzern, Zug und etliche ihrer Eidgenossen, die 
Waldstätte, gethan haben gegen die Frieden und Briefe, die wir 
und sie miteinander hatten." Der Strassburger Rath wählte den 
Weg, welcher in diesem Conflicte der Interessen der bequemste 
war: er schob die Sache hinaus. Er sandte den Brief Leopolds 
weiter an Speier und die anderen Bundesglieder, da die Mah- 
nung sie alle anging. Am 7. Juli sollte in Speier darüber bera- 
then werden. Dort kam man jedenfalls überein, die Sache vor- 
läufig auf sich beruhen zu lassen. Am 3. August war der Mah- 
nung noch in keiner Weise entsprochen worden 8 ). 



1) Vischer Reg. 259. 

2) Janssen S. 22 n. 57, 58, 61. - Sugenheim III, 392 schliesst aus die- 



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1386. 



Die Schlacht von Sempach. 



295 



Jedenfalls wurden in ähnlicher Weise die schwäbischen Städte 
von Leopold zur Hilfsleistung aufgefordert; natürlich hatte er 
hier noch weniger Aussicht auf Erfolg. Leider wissen wir nicht, 
welche Haltung die schwäbischen Städte nunmehr einnahmen. Da 
die rheinischen Bundesgenossen zurückhielten, konnten sie nicht 
gut den Schweizern Beistand leisten. Auch hatte Leopold wie 
schon vorher auch jetzt sich bereit gezeigt, alle Beschwerden der 
Reichsstädte abzustellen, um ihnen jeden Grund zu Feindselig- 
keiten zu nehmen *). Damit war jedoch ein völliges Stillsitzen noch 
nicht geboten. Wenn man im eigenen Gebiete gegen die Fürsten 
losschlug, hinderte man diese, Leopold gegen die Schweizer bei- 
zustehen, während dieser wieder im Süden beschäftigt in Schwa- 
ben und Baiern nicht eingreifen konnte. Auf diese Weise konnte 
das Konstanzer Bündniss doch noch für beide Parteien gute Früchte 
abwerfen und die rheinischen Städte zur allgemeinen Sache her- 
angezogen werden. 

Da kam die grosse Nachricht von Sempach. In der Schweiz 
begann Ende Juni der Streit mit erneuerter Heftigkeit und bald 
erfolgte die Entscheidung. Am 9. Juli erlag Herzog Leopold mit 
der Blüthe seiner Ritterschaft in der Sempacher Schlacht. Durch 
ganz Europa flog die Kunde von dem glorreichen Siege der Schwei- 
zer und erregte das Staunen und die Bewunderung der Zeitge- 
nossen. Bald gesellte sich die Sage hinzu, welche den herrlichen 
Erfolg der heldenmüthigen Aufopferung Eines Tapferen zuschrieb : 
der Name Arnolds von Winkelried fand in dem Gedächtnisse der 
Nachwelt eine ruhmreiche Stätte und wird sie wohl noch lange 
behalten. Denn nur ungern und langsam entschliesst sich die 
Gesammtheit, liebgewordene Erzählungen von edlen Thaten der 
Aufopferung und der Vaterlandsliebe aufzugeben und sie den 
nüchternen Resultaten der historischen Kritik zu opfern. Und 
doch bedarf die kühne That von Sempach ebensowenig einer 
Ausschmückung, wie die von Morgarten oder Näfels 2 ). 

Glänzende Beute fiel den Eidgenossen in die Hände. Drei 

sem Schreiben irrig, dass die rheinischen Städte sich verpflichtet hätten, Leo- 
pold gegen die Schweizer beizustehen. 

1) Zwei Tage nach der Sempacher Schlacht am 11. Juli wurden in Kon- 
stanz durch östreichische Bevollmächtigte die Beschwerden Basels erledigt, dazu 
muBS also schon früher ein Tag angesetzt worden sein. — Merkwürdiger Weise 
scheint Leopolds Tod noch nicht bekannt gewesen zu sein. Vischer Reg. 261. 

2) Siehe Beilage XV. 



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296 



ZweiundzwaDzigstes Kapitel. 



1386. 



Tage lang blieben die ausgeplünderten Leichen auf dem Felde 
liegen, unter dem heissen Strahl der Sonne bald in Verwesung 
übergehend! In dem Kloster Königsfeld fand der Herzog Leo- 
pold mit vierzig seiner Getreuen die letzte Ruhestätte, dort wo 
einst der König Albrecht dem mörderischen Stahle erlegen war. 
Wohl gleichen sich Vorfahr und Urenkel in Ehrgeiz und Herrsch- 
begier, aber doch waren ihre Charaktere tief verschieden. Wäh- 
rend Albrecht sich ein grosses Ziel mit aller Klarheit gestellt 
hatte und diesem mit unerschütterlicher Consequenz, nicht ängst- 
lich in der Wahl der Mittel nachging, war Leopold von unruhi- 
gem Thatendrange erfüllt, unstät durch und duroh. Bald hier 
bald da knüpften seine Pläne an, um ebenso rasch wieder abzu- 
springen. Immer kriegslustig verschwendete er grosse Mittel, 
ohne doch viel zu erreichen, weil er nicht an Einem Ziele festhielt. 
Ehrende Beinamen wurden ihm zuertheilt, „der Fromme, die 
Zierde der Ritterschaft," und sein Fall bei Sempach Hess ihn nur 
noch mehr in Heldenglorie erstrahlen. Selbst um die schwäbi- 
schen Pläne schlang sich die ritterliche Legende von der Minne, 
welche ihn an eine edle Frau Schwabens fesselte. Manches hat 
ihm Oestreich zu danken: die Gewinnung von Triest, werthvolle 
Erwerbungen in Schwaben; aber seine Uneinigkeit mit Albrecht, 
seine Haltung in der kirchlichen Frage schwächten erheblich den 
Einfluss, welchen Oestreich auf das Reich hätte ausüben können. 

Welche Rückwirkungen werden diese Vorgänge auf das 
übrige Deutschland ausüben? Werden die rheinischen Städte in 
ihrer Friedenspolitik verharren, die schwäbischen in ihrem Kriegs- 
eifer bestärkt werden? Neben den Verhandlungen, welche die 
Schweizer Angelegenheit betrafen, waren andere mit den rheini- 
schen Fürsten gegangen. Anfang Juni fand in Heidelberg eine 
Zusammenkunft der Fürsten und Städte statt, welche auch die 
schwäbischen Städte beschickten, wie wir es von Nürnberg wissen. 
Auch der König Wenzel war ersucht worden, nach Heidelberg 
zu kommen. Da er aber Anfang April nach Ungarn aufbrach, 
lehnte er ab zu erscheinen und vertröstete die Kurfürsten auf 
Johanni, sie zugleich ermahnend, mit den Städten „einen längeren 
Frieden" zu machen. Nürnberg, wie wir wissen immer friedlich 
gesinnt und mit dem königlichen Hofe stets im regen Verkehr, 
sandte nochmals zu Wenzel und bat ihn, einen seiner Räthe 
nach Heidelberg abzuordnen. Ob dem Begehr entsprochen wurde, 
wissen wir nicht. Ebenso wenig ist uns bekannt, welche Punkte 



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1386 



Eindruck der Sempacher Schlacht. 



297 



in Heidelberg erörtert, welche Festsetzungen getroffen wurden »). 
Wir dürfen wohl annehmen, dass sie friedlicher Natur waren, da 
sich unmittelbar an den Heidelberger Tag die Aussöhnung in 
Worms schloss 2 ). Die rheinischen Städte konnten mehr und 
mehr auf Erfüllung ihrer Friedenswünsche hoffen. Wenn wir nicht 
sehr irren, wurde zugleich ein neuer Tag in Mergentheim in 
Aussicht genommen, welcher die Streitpunkte zwischen dem schwä- 
bischen Bunde und den Fürsten schlichten sollte 8 ). 

Inzwischen war der Krieg in der Schweiz ausgebrochen, 
die Sempacher Schlacht geschlagen worden. Ihre Wirkung auf 
die Gemüther muss eine sehr verschiedenartige gewesen sein. 
Die kriegsbegierigen Seelen unter den Bürgern erhielten mächtige 
Anregung, während die Friedfertigen nun, nachdem ein so mäch- 
tiger Gegner gefallen, um so mehr auf Erhaltung der Ruhe hof- 
fen konnten. Die Herren und Fürsten wurden zwar erbittert und 
zur Rachelust gestimmt, aber zugleich auch zur Vorsicht gemahnt. 
Für wie wahrscheinlich der Krieg galt, zeigen die Rüstungen und 
Vorbereitungen Regensburgs, welches allerdings bei seiner vorge- 
schobenen Lage am meisten gefährdet war. Jedem, welcher Ge- 
treide, Rosse, Vieh oder dergleichen in die Stadt flüchte, wurde 
volle Sicherheit für seine Person und Hab und Gut zuge- 
sagt; allgemein wurde aufgefordert, Korn einzukaufen, aber nur 
wer Pferde hatte, durfte Hafer kaufen. Um wehrhafte Mann- 
schaft zu gewinnen, wurden Alle, welchen die Stadt verboten war, 
wieder eingelassen, mit Ausnahme der Mörder, Kirchenräuber und 
Mordbrenner; selbst die Spielverbote wurden aufgehoben. Am 
26. Juli schwuren alle Bürger, in der Zeit des Krieges getreulich 
bei einander zu halten mit Leib und Gut und den Anordnungen 
Gehorsam zu leisten ; den in Sold genommenen Kriegsleuten wurde 
ein Hauptmann gesetzt 4 ). Schon glaubten auch die rheinischen 

1) Siehe Beilage XVI. 

2) Siehe S. 290. 

3) Man muss annehmen, dass die am 3. August in Mergentheim statt- 
findende sehr zahlreich besuchte Versammlung längere Zeit vorher verabredet 
war und das kann sehr gut in Heidelberg geschehen sein. 

4) Gemeiner II, 227 ff. Auch Basel traf mancherlei Anordnungen für 
den erwarteten Krieg (Ochs II, 306). Die Rüstungen, welche Augsburg in 
Schulden stürzten, so dass es 1387 ein Ungeld auflegen musste (Stchr. Augs- 
burg I, 79), werden wohl zum Theil 1386 gemacht sein. — Der Brief Weils 
an die rheinischen Bundesstädte vom 25. Juli (Janssen S. 22 n. 59) wird wohl 
besser ins folgende Jahr zu setzen sein. 



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298 



Zweiundzwanzigstes Kapitel. 



1386. 



Städte, dass es zum Kampfe kommen würde und trafen ihre Vor- 
bereitungen *). 

Durch die Mergentheimer Uebereinkunft vom 3. August wurde 
vorläufig das Schwert noch in der Scheide gehalten. Die Ver- 
sammlung scheint sehr zahlreich gewesen zu sein; ausser den 
Städten in Schwaben und in Franken — die rheinischen waren 
nicht vertreten — erschienen Erzbischof Adolf von Mainz, die 
Bischöfe Lamprecht von Bamberg und Gerhard von Wiirzburg, 
die Pfalzgrafen Ruprecht II. und III., die Herzöge Stephan und 
Friedrich von Baiern, der Burggraf Friedrich von Nürnberg, der 
Graf Eberhard von Wirtemberg und andere Herren. Von beiden 
Seiten wurden vier Schiedsrichter ernannt, von den Fürsten Her- 
zog Friedrich, Bischof Lamprecht, der Deutschordensmeister Sieg- 
fried von Veningen, welcher in Mergentheim seinen Sitz hatte, 
und Graf Friedrich von Spanheim; die Städte vertraten je ein 
Bürger von Regensburg Augsburg Nürnberg und Ulm. 

Der grösste Theil der Beschwerdepunkte wurde Schieds- 
richtern untergestellt, welche bis zum 11. November urtheilen 
sollten. Es fällt auf, dass im Allgemeinen die Städte als die 
nachgebenden erscheinen: von jeder Partei wurden zwei Schieds- 
richter gestellt, der fünfte als Obmann war meist ein Fürst. 
Auch bei Punkten, welche sofort erledigt wurden, geschah es 
theils zum Nachtbeile der Städte. Die Heidelberger Stallung 
sollte in Kraft bleiben; die Pfahlbürger, welche seit ihrem Be- 
stehen wider Recht von beiden Seiten aufgenommen, gänzlich ab 
und ledig sein 2 ). 

In den nächsten Monaten wurden die verschiedenen Schieds- 
sprüche gefällt, soweit wir davon wissen. Am 30. August schlich- 
tete Herzog Friedrich persönlich in Nürnberg die Streitigkeiten 
dieser Stadt mit dem Burggrafen und erhielt dafür ein sehr an- 
sehnliches Honorar, am 5. October entschied Lamprecht von 
Bamberg zwischen dem Bischöfe von Würzburg und der Stadt 
Windsheim 8 ). Noch einmal schien es trotz aller Friedensbestre- 
bungen doch zum Kriege kommen zu sollen, da Herzog Stephan 
von Baiern seine Gewalttätigkeiten gegen die Städte nicht ein- 



1) RA. S. 532 Anm. 1. 

2) RA. n. 289 ; vgl. auch die Anmerkungen. 

3) Stchr. Nürnberg I, 259; Vischer Reg. 266. 



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1386. Waffenstillstand zwischen den Schweizern und Oestreich. 299 

stellte; am 3. November forderten die schwäbischen Bundesstädte 
die rheinischen auf, ihnen Hilfe zu leisten, da sie mit aller Macht 
sich gegen den Friedensstörer wenden wollten. Schon trafen 
letztere ihre Vorbereitungen. Da legte sich Herzog Friedrich ins 
Mittel ; er erschien persönlich in Augsburg, der am meisten geschä- 
digten Stadt und brachte am 20. November einen Ausgleich zu 
Stande. So konnte Ulm bereits am 23. den Genossen am Rhein 
melden, dass die erbetene Hilfe nicht von Nöthen sei 

Am Rhein und in Schwaben war demnach der Frieden ge- 
wahrt gebheben und selbst in der Schweiz erlosch der Feuerheerd, 
welcher Süddeutschland in Flammen zu setzen gedroht hatte. 
Die Reichsstädte waren dem einmal eingeschlagenen Wege, den 
Krieg mit Oestreich zu vermeiden, auch nach der Sempacher 
Schlacht treu geblieben. Jetzt nachdem die Habsburger so 
schwere Verluste erlitten, war die Hoffnung um so grösser, dass 
sie zum Frieden geneigt sein und sich auch nicht in den Krieg 
in Schwaben und Baiern mischen würden, der im Juli in fast 
sicherer Aussicht stand. Weder Leopolds Bruder Albrecht noch 
seine Söhne waren Mitglieder des Nürnberger Herren bundes oder 
der Heidelberger Stallung. Daher vermittelten die Reichsstädte 
schon am 25. Juli einen vierzehntägigen Waffenstillstand 2 ), der 
freilich ablief, ohne dass er zum Frieden geführt hätte 8 ). Den 
Eidgenossen blieb das Glück hold; von besonderem Werth war 
die Einnahme von Weesen am Wallensee. 

Leopold hatte vier Söhne hinterlassen, deren ältester Wil- 
helm war, jener unglückliche Bräutigam der ungarischen Hedwig. 
Da dem sechzehnjährigen Jüngling die Aufgabe, welche er auf 
seine Schultern nehmen sollte, zu schwer erschien, entschloss er 
sich verständiger Weise, die Leitung der väterlichen Erbschaft 
seinem Oheim, dem Herzoge Albrecht zu überlassen. Am 10. 
October kam der Vertrag zu Stande, nach welchem die Theilung 



1) Janssen S. 23 n. 63; RA. n. 293. 

2) Tschudi Schweizerchronik I, 533. In der Klingenberger Chronik 128 
ist die Chronologie verwirrt. 

3) Die in Mergentheim versammelten Fürsten hatten wiederholt die rhei- 
nischen Städte anfgefordert, gegen die Waldstätte Hilfe zu senden (Janssen 
S. 23 n. 61); natürlich war der Erfolg nicht besser, als ihn Leopold selbst 
erzielt hatte. Die Fürsten schickten zugleich den Schweizern ihre Absage 
(Tschndi I, 533); aber wirkliche Hilfe haben sie kaum geleistet. 



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300 



Zweiundzwanzigstes Kapitel 



1386-1387. 



der östreichischen Lande aufgehoben wurde und Albrecht für 
seine Lebenszeit die Regierung übernahm ■)• 

Die weise Mässigung und Friedfertigkeit dieses Herrschers 
gab für die Wiederherstellung des Friedens die beste Bürgschaft. 
So glückte es den wiederholten Mühen der Reichsstädte, schon 
am 8. October einen neuen Stillstand bis zum 2. Februar des 
folgenden Jahres 1387 zu erwirken 2 ). Um diesen zu einem wirk- 
lichen Frieden umzugestalten, schickten die Städte ihre Boten zu 
Herzog Albrecht nach Bötzen, welcher ihnen in freundlichster 
Weise dankte und erklärte, dass er Keines Vermittelung lieber 
sähe als die der Städte. Er versprach zugleich, für den 6. Januar 
seine Räthe und Botschaft nach Baden zu senden, damit man 
dort sehe, wie ein längerer Frieden zu Stande kommen möchte. 
Er bot sogar den Städten ein Bündniss an, aber diese lehnten 
ab darauf einzugehen, ehe nicht die Sache mit den Waldstätten 
völlig geschlichtet sei. Die Schweizer ihrerseits verharrten noch 
in ihrer Kriegslust. Wiederholt und dringend forderten sie den 
schwäbischen Bund auf, ihnen nunmehr Hilfe zu leisten, indem 
sie mit Recht darauf hinwiesen, dass der Tod Leopolds die Städte 
aller Rücksichten entbunden habe, welche sie etwa auf frühere 
Verträge mit diesem zu nehmen hätten. Daher lud Ulm die Ge- 
nossen zu einem Tage nach Kostnitz auf den Neujahrstag ein; 
dort wolle man neben anderen Bundesangelegenheiten berathen, 
wie man sich in Baden zu verhalten habe 8 ). 

Die Berathungen in Konstanz und Baden müssen leidlich 
guten Fortgang gehabt haben; am 14. Januar in Zürich wurde 
durch die Reichsstädte der Waffenstillstand zwischen Albrecht 
und den Eidgenossen auf ein Jahr bis zum 2. Februar 1388 ver- 
längert. Ein wirklicher dauernder Frieden kam nicht zu Stande. 
Wenn auch das Jahr hindurch die Waffen ruhten, hatten doch 



1) Kurz III, 2, 116 f. 

2) Lichnowsky Reg. 2019. Stälin III, 340 giebt nach der mir unzugäng- 
lichen amtlichen Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede 1839, Beil. 
Nr. 26 den 12. October an. Die Klingenberger Chronik nennt S. 128 den St. 
Gallentag (16. October), S. 129 Anm. den Samstag vor St Gallus (13. October). 
Justinger 167 giebt gar kein Datum. 

3) Schreiben des Rathes von Ulm vom 17. December 1386 an Schwein- 
furt, welches Herr Dr. Stein in Schweinfurt mir mitzutheilen die Güte hatte. 
Es wird demnächst im Codex dipl. Swinfurtensis veröffentlicht werden. 



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Errichtung des westfälischen Landfriedens. 



1371. 



301 



beide Theile gegen einander so viele Klagen zu erheben, dass 
der Stillstand „der böse Frieden" genannt wurde 1 ). 



Dreiundzwanzigstes KapiteL 

Errichtung des westfälischen Landfriedens. 

Am 25. November 1371 hatte Kaiser Karl in Bautzen auf 
Bitten des Erzbischofes Friedrich von Köln, der Bischöfe Florenz 
von Münster, Heinrich von Paderborn und Melchior von Osna- 
brück, sowie des Grafen Engelbert zu der Mark, um den Unfrie- 
den in Westfalen zu beseitigen, einen Landfrieden verliehen, wel- 
cher der westfälische genannt wurde. Sein Wirkungskreis um- 
fasste nur die in Westfalen liegenden Besitzungen dieser Herren, 
die Länder Kölns am Rhein waren nicht mit eingeschlossen. 
Bischof Heinrich von Paderborn soll das Verdienst haben, der 
eigentliche Schöpfer und Urheber dieses Landfriedens zu sein 2 ). 
Derselbe ist nach mancher Seite hin merkwürdig, besonders aber 
deswegen, weil das westfälische Vehmgericht zu seiner Handha- 
bung herangezogen wurde und daher grössere Bedeutung erlangte, 
als es bisher gehabt. 

Ueber die Vehmgerichte ist in den letzten Jahrzehnten viel 
geforscht worden, so dass wir jetzt ihr Wesen genau kennen. 
Die alten Vorurtheile und thörichten Vorstellungen, welche so 
lange im Schwange waren, sind überwunden. Dagegen ist der 
Entwicklungsgang, den sie genommen, noch keineswegs klar dar- 
gelegt und wenig Aussicht, dass die Wissenschaft alle Stufen, 
welche zwischen dem karolingischen Grafengerichte und der 
Vehme des fünfzehnten Jahrhunderts liegen, wird nachweisen kön- 
nen. Die Zeiten Karls IV. scheinen bereits der Entwickelung 

1) Lichnowsky Reg. 2036, 2036. Justinger 168, Klingenberger Chronik 
128, 129. Die Stadt Luzera betont in einem Briefe an Zürich, welcher über 
die Verlängerung des Friedens handelt, besonders, dass auch die Städteboten 
des Reiches ihr Siegel an die Urkunde hängen sollen, damit der Frieden desto 
festiglicher gehalten werde. Liebenau Sammlung etc. a. a. 0. 159. Vgl. auch 
8. 281 Anm. 2. 

2) Siehe Beilage XVII. 



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302 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 1371. 

der westfälischen Freigerichte sehr günstig gewesen zu sein. 
Unter der Regierung Wenzels gewannen sie so gewaltig an An- 
sehen und Wirksamkeit, dass wir schon unter König Ruprecht 
die Vehme in ihrem ganzen eigenthümlichen Wesen entwickelt 
finden. Es ist daher nicht überflüssig, an dieser Stelle einen 
Blick auf dasselbe zu werfen. 

Das Charakteristische der Vehmgerichte ist, dass sie sich als 
kaiserliche Gerichte erhielten. Der Gerichtsbann wurde vom Kai- 
ser oder Könige dem Freigrafen verliehen, welchen der Stuhlherr 
präsentirte. Erst im Jahre 1382 gestattete Wenzel dem Erz- 
bischofe von Köln, in den Herzogthümern Westfalen und Engern 
Freigrafen einzusetzen und sie mit königlicher Autorität zu re- 
cipiren und zu investiren *). Dem Kölner Kirchenfürsten als Her- 
zoge von Westfalen stand überhaupt über die Freistühle eine 
Oberaufsicht zu. Karl IV. verlieh ihm die Macht, Personen, 
welche in den Freigerichten mit Unrecht verurtheilt wären, wie- 
der in ihre Ehre und ihren guten Ruf einzusetzen, taugliche Män- 
ner als Richter zu bestellen und die unbrauchbaren abzusetzen. 
Zunächst galten alle diese Rechte nur für die dem Erzbischofe 
direct unterstehenden Gebiete, für das Herzogthum Westfalen, 
allein schon im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts wurde er 
als des Reiches Statthalter und Verweser sämmtlicher Freistühle 
betrachtet, deren Grafen er zu Generalcapiteln, welche zuerst in 
Dortmund, später in Arnsberg stattfanden, versammelte 2 ). Jene 
oben erwähnte Verleihung Wenzels mag dazu viel beigetragen 
haben. 

Unter solchen Verhältnissen liegt es nahe zu vermuthen, dass 
die Kölner Kurfürsten sich besonders die Pflege der Freigerichte 
angelegen sein Hessen, und Friedrichs Einflüsse wird es vielleicht 
zuzuschreiben sein, wenn Karl IV. in dem westfälischen Frieden 



1) Seibertz ürkundenbuch zur Landes- und Rechtsgesch. d. Herzogthu- 
mes Westfalen II, 643; Eichhorn Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte 

ni, i9i. 

2) Wigand Das Femgericht Westfalens 245, 246. Im Jahre 1372 bestimmte 
Karl, dass ohne des Erzbischofes Wissen und Willen kein Freigraf den Ge- 
richtsbann erhalten und ausüben dürfe und dass die Unterthanen Kölns nicht 
vor andere Freigerichte geladen werden sollten. Auch sonst erwies er sich in 
dieser Richtung Köln günstig gesinnt. Kopp Ueber die Verfassung der heim- 
lichen Gerichte in Westphalen 297 ff.; Eichhorn a. a. 0. 187. 



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1371. 



Die Vehme. 



303 



vom 25. November 1371 die Freistühle als Landfriedensgericbte 
hinstellte. Die andern Theilnehmer konnten damit einverstanden 
sein, da sie sämmtlich Stuhlberren waren und deshalb im Besitze 
des Rechtes, die Freigrafen zur Ertheilung des Bannes dem Kai- 
ser zu präsentiren. .Dem widerspricht nicht, dass Heinrich von 
Paderborn der intellectuelle Urheber des Landfriedens an sich war. 

Nur kurz mag hier (um das Verständniss des Folgenden zu 
erleichtern) die Einrichtung und d>s Verfahren der Vehme ge- 
schildert werden, wie sie zur Zeit ihrer vollen Wirksamkeit war. 

Ihre Befugnisse erstreckten sich über Criminal- und Oivil- 
gerichtsbarkeit oder, wie man das ziemlich allgemein auszudrücken 
pflegte: über alle Verbrechen gegen die zehn Gebote und das 
heilige Evangelium. Verhandelt wurde nur auf Anklage hin, die 
ein Freischöffe erhob, zu erheben sogar verpflichtet war. Die 
Gerichtsbarkeit wurde ursprünglich nur über die zur Freigraf- 
schaft gehörigen Freistuhlgüter und die in ihr auf solchen Gütern 
angesessenen Freien und deren Angehörige ausgeübt; allmälig 
aber fühlten sich die Freistühle berechtigt — und ihre Stellung 
als kaiserliche Gerichte befugte sie dazu — dieselbe auch auf 
Verbrechen, welche ausserhalb des Sprengeis begangen waren, 
auszudehnen, wenn der ordentliche Richter nicht im Stande war, 
des Schuldigen habhaft zu werden, oder nicht den guten Willen 
hierzu besass. Zu welcher Zeit dieser Gebrauch aufgekommen 
oder grössern Umfang gewonnen, ist schwer zu ermitteln. Am 
Ende des vierzehnten Jahrhunderts und in den letzten Zeiten des 
Königs Wenzel war er bereits im Schwange *). Jedenfalls wird 
die Erstreckung des westfälischen Landfriedens über fast ganz 
Norddeutschland, von der wir bald sprechen werden, der Thätig- 
keit der Vehmgerichte ausserordentlich in die Hände gearbeitet 
haben. 

Indessen durfte das Gericht nur „auf rother Erde" in West- 
falen selbst gehegt werden 2 ). Der Freigraf rausste ein freier 
Westfale sein. Freischöffe konnte wenigstens späterhin jeder 
freie deutsche Mann von gutem Rufe werden, wenn er sich in 
Westfalen „wissend" machen Hess. Je mehr die Vehme an An- 



1) Vgl. Oeisberg Die Fehme in Ztschr. für vaterl. Gesch. u. Alterthums- 
kunde Westfalens, Neue Folge, 858, IX, 81. 

2) Ueber die geographische Bestimmung siehe Berck Gesch. der westpfal. 
Vehmgerichte 183 ff. 



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304 



Dreiundzwanzigstes Kapitel. 



1371. 



sehen gewann, desto mehr drängte man sich zum Schöffenamte, 
das grosse Vortheile gewährte; soll es doch im fünfzehnten 
Jahrhundert zu Einer Zeit ihrer mehr als hunderttausend gege- 
ben haben! 

Erschien der Angeklagte, so wurde g£gen ihn im offenen 
Gerichte verhandelt. Nur wenn er sich nicht stellte, verwandelte 
es sich in ein heimliches oder Stillgericht, in die „heimliche beschlos- 
sene Acht". Doch fand auch dieses unter offenem Himmel an 
den uralten Malstätten am hellen Tage statt, nur musste sich 
jeder Nichtwissende bei Todesstrafe fern halten. Wurde der 
Verklagte für schuldig befunden, so wurde gegen ihn das Todes- 
urtheil ausgesprochen und, wenn er anwesend war, sofort voll- 
zogen, indem er mit dem Weidenstricke gehängt wurde. Dem- 
jenigen, welcher nicht erschien, wurde das Urtheil verheimlicht 
Sämmtliche Freischöffen waren verpflichtet es auszuführen, doch 
mussten sie dabei zu Dreien sein. Wo sie den Vervehmten tra- 
fen, knüpften sie ihn sofort an den ersten besten Baum *). 

Der westfälische Landfrieden unterscheidet sich wesentlich 
von den zu gleichem Zwecke bestimmten Ordnungen, welche da- 
mals für andere Theile Deutschlands erlassen wurden oder üblich 
waren. Er soll nicht für eine gewisse Zeit von bestimmten Jah- 
ren gelten, sondern für ewiglich, wenn er nicht vom Kaiser oder 
dessen Nachfolgern widerrufen wird. Wer gegen den Frieden 
handelt, verfällt in des Reiches und Landes Acht und Vehme; 
er ist rechtlos, Jeder soll ihn greifen, seine Lehen und Güter fal- 
len an den zurück, von dem er sie hat. Wer den Uebelthäter 
hauset oder ihm sonst Förderung leistet, verfällt der gleichen 
Strafe. Allen Fürsten, geistlichen und weltlichen Herren und 
Freigrafen, welche Freigrafschaft haben von dem Reiche in West- 
falen, und allen freien Schöffen, Rittern, Knechten und Städten 
wird anbefohlen, den Uebelthäter zu hängen. 

Es traten also die Freigerichte geradezu in die Stelle von v 
Landfriedensgerichten und die Freigrafen haben für die Ein schwö- 
rung ordentlicher Schöffen zu sorgen. 

Mit besonderem Eifer wird der Frieden des Landes und die 
allgemeine Wohlfahrt ins Auge gefasst, und hierin unterscheidet 
sich unser Landfrieden vortheilhaft von andern. Die Sorge für 



1) Hauptsächlich nach Waechter Beitrage zur deutschen Geschichte. Tü- 
bingen 1845. 



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1371-1372, 



Befestigung des westfal. Landfriedens. 



305 



den gemeinen Mann, für den Bauer und Kaufmann, tritt 
überall in den Vordergrund. Nicht nur im Frieden, auch im 
Kriege sind alle Kirchen, Kirchhöfe, alle Hausleute darauf mit 
Leib und Gut sicher, ebenso der Pflug mit den Pferden und zwei 
Ackersleuten, alle Kaufleute, Pilgrime und Geistlichen auf der 
Strasse. Wer bei einer Heerfahrt ohne Vorsatz dagegen fehlt, 
hat in vierzehn Tagen den Schaden zu ersetzen, widrigenfalls er 
als „Handthätiger", das heisst als der That überführt, bestraft 
wird. Fehden sollen drei Tage vorher angesagt werden. Die 
Fürsten haben das Recht, in den Frieden aufzunehmen, wer ihnen 
gut dünkt ! ). 

Ein solcher Landfrieden konnte sehr segensreich wirken, 
wenn er mit Gerechtigkeit und Ernst gehandhabt wurde, und 
wir haben kein Recht, bei den Fürsten, die ihn vom Kaiser 
verlangten, die gute Absicht wegzuleugnen. Im folgenden 
Sommer, am 25. Juli 1372 verbanden sich dieselben Herren und 
die Stadt Dortmund, ein Hauptort der Vehmgerichte, aufs feier- 
lichste und förmlichste unter einander zur Aufrechthaltung des 
von Kaiser Karl verliehenen Friedens für ewige Zeiten. Alle ihre 
Städte mussten denselben beschwören und an die Urkunde ihre 
Siegel hängen j die Fürsten erklärten, dass ihren Nachfolgern von 
den Untersassen nicht gehuldigt werden dürfe, bevor sie nicht 
den Frieden beschworen 2 ). — Leicht möglich, dass eine noch- 
malige Besprechung mit Karl IV. vorangegangen war, welcher 
kurz vorher zusammen mit seinem Sohne Wenzel festliche Tage 
in Köln verlebt hatte a ). 

Ueber die Handhabung des Friedens wird nichts Näheres be- 
stimmt. Der Freigerichte wird nicht gedacht, aber da auch keine 
dagegen sprechenden Bestimmungen gegeben werden, ist anzu- 
nehmen, dass ihnen die im verflossenen Jahre zugewiesene Thätig- 
keit für den Landfrieden verblieb. 

Ob der Frieden alsbald in rechte Wirksamkeit trat, wissen 
wir nicht und fast scheint es, dass dem nicht so war. Denn 

1) RA. n. 296. 

2) Haeberlin Analecta medii aevi (Norimbergae et Lipsiae 1764) 319. 
Nach seiner Angabe hangen 33 Siegel an der Urkunde, also von 28 Landstäd- 
ten. Nach Seibertz II, 659 Anm. trat Graf Johann von Diepholz schon am 
24. Mai 1372 dem Landfrieden bei, doch ist das Jahr wahrscheinlich falsch 
angegeben, vielleicht in 1374 zu verbessern. 

3) Ennen Gesch. der Stadt Kocln IT, 689. 

Th. Lindiier, Geschichte de» deutschen Reiches. I. 20 

fr 

t 

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306 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 1374. 

■ 

am 3. Mai 1374 schlössen die Bischöfe von Münster und Pader- 
born mit Graf Engelbert von der Mark und den Städten Mün- 
ster, Soest, Osnabrück und Dortmund eine neue Vereinigung, um 
den vom Kaiser verliehenen Frieden zu halten. Wenn auch im 
Allgemeinen die früheren Festsetzungen bleiben, so werden sie doch 
mehr ausgebildet und entwickelt, um eine nachdrücklichere Hand- 
habung zu ermöglichen. Die Fehde soll einen Tag und eine 
Nacht vorher angesagt werden Wer ohne Arglist und Vor- 
satz dagegen handelt, soll dies beschwören und binnen vierzehn 
Tagen Ersatz leisten. Doch kann der Angeschuldigte sich durch 
den Eid von sechs unbescholtenen Männern, welche den Frieden 
beschworen, reinigen, sonst kann ihn der Kläger mit zwei Eides- 
helfern überwinden. Handhaftige That wird gleichfalls durch den 
Eid zweier Beistände überführt. Für Schaden bei einem Heeres 
zuge haftet der Thäter gemäss dem Frieden, oder die mit ihm 
zu Felde liegenden sollen ihn von ihretwegen richten. Gegen den 
überführten Friedebrecher, der im Lande Schlösser inne hat oder 
gegen die, welche solche beherbergen, soll gemeinsames Aufge- 
bot geschehen „nach Mannzahl, wie man den Landfrieden zu hal- 
ten pflegt 0 2 ), oder auf seinen Kopf ein Preis gesetzt werden, den 
der Landvogt mit den vier Städten vereinbart. Landvogt und 
Amtmann haben die Ueberführten den Genossen zu nennen, da- 
mit sie gemeinsam verfolgt werden können. Die Untersassen müs- 
sen den Frieden schwören, sonst können sie nach ihm kein Recht 
erlangen, ausgenommen Kaufleute 5, und Pilgrime auf den Strassen 
und Hausleute mit Leib und Gut in Kirchen und Kirchhöfen. Wer dem 
Bunde beitreten will, hat sein Siegel an die Urkunde zu hängen 3 ). 

Auffallend sind zwei Punkte. Zunächst dass weder der Erz- 
bischof von Köln noch der Bischof von Osnabrück als Mitglieder 
genannt werden, obgleich deren Städte Soest und Osnabrück Theil 
nehmen. Allerdings tritt Heinrich von Paderborn als Marschall 
von Westfalen und für seine Nachfolger in diesem Amte bei 4 ), 

1) Nach Sudendorf Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braun- 
schweig und Lüneburg etc. Einleitung 10 hat eine Ausfertigung „drei Tage 
und drei Nächte", entsprechend dem Landfrieden von 1371. 

2) Wahrscheinlich sind die Ansätze der früheren Landfrieden gemeint. 
Vgl. den von 1365 bei Fahne Urkundenbuch der freien Reichsstadt Dortmund 
II, 2, 126. 

3) Fahne a. a. 0. II, 2, 143; Ludewig Reliquiae Manuscript X, 246. 

4) Dieses Amt war von 1370 bis 1877 im Besitze des Bischofes von Pa- 
derborn. Seibertz II, 570, 623. 



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1374-1376. Landfriedenseiuigungen vom 3. Mai 1374 u. 12. Juli 1376. 307 

ob aber damit auch die Giltigkeit des Vertrages für das Herzog- 
thum, ohne vorherige Genehmigung des Erzbischofes von Köln, be- 
zeugt wird, ist zweifelhaft. Es ist ferner von den Freigerichten 
nirgends die Rede, sondern die Handhabung des Friedens liegt in 
den Händen des Landvogtes, der Amtleute und der Bürgermeister 
in den Städten 

Der Vertrag ist wahrscheinlich als eine besondere Einigung 
innerhalb des grösseren kaiserlichen Landfriedens, allerdings aui 
Grund desselben, zu betrachten. Denn dass dieser weiter be- 
stand, zeigt die nur wenige Tage später ausgestellte Beitrittsur- 
kunde des Grafen Heinrich von Waldeck für sich und seine vier 
Städte, welche gleichfalls angewiesen wurden, den Nachfolgern 
des Grafen nicht zu huldigen, ehe sie nicht den Frieden be- 
schworen 8 ). Und darf man einen Schritt in der Vermuthung wei- 
ter gehen, so könnte der Grund der besonderen Einigung in Strei- 
tigkeiten gesucht werden, welche möglicherweise mit Köln über 
die Thätigkeit der Freistühle entstanden sind und die es den 
Fürsten wünschenswerth machten, die Bewahrung des Friedens 
mehr in der eigenen Hand zu halten. Denn da ein besonderer 
Landvogt — wahrscheinlich einer für die Gebiete sämmtlicher 
Contrahenten — eingesetzt wurde, dem die Amtleute zur Aus- 
hilfe zur Seite standen, waren damit die Freigerichte wenigstens 
für die Wahrung dieses Landfriedens überflüssig gemacht. 

Dass aber solche Sonderabkommen dem Gedeihen des 
westfälischen Landfriedens nicht förderlich sein konnten, war 
natürlich, und so geschah es denn, dass am 12. Juli 1376, nur 
sechs Tage nach König Wenzels Krönung, wiederum zwischen dem 
Erzbischofe von Köln, den Bischöfen von Münster und Paderborn, 
dem Grafen Engelbert von der Mark, den Städten Soest, Münster, 
Dortmund und Osnabrück ein Landfrieden auf vier Jahre geschlos- 
sen wurde, der früheren entsprach 3 ) und sich in dem gewöhnlichen 
Gleise bewegte. Des vom Kaiser angeordneten Friedens wird 



1) Die Ansicht Geisbergs a. a. 0. 93, dass dem Landvogte oder den Ämtleuten 
nur die Verfolgung des Verbrechers und eine sofort gegen den Ungehorsamen 
zu vollstreckende Execution zugestanden habe, das letzte Urtheil über die Acht 
und Vehme aber den Gerichten und zwar den Vehmgerichten geblieben sei, 
weil gerade sie über Todesverbrechen zu befinden hatten, lässt sich unserer 

■ Urkunde gegenüber nicht aufrecht erhalten. 

2) Haeberlin a. a. 0. 330. 

3) Namentlich dem vom 30. März 1365 bei Fahne a. a. 0. II. 2, 126, den 

20* 



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308 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 1376-1382. 

gar nicht gedacht, und wenn der Vertrag vom 3. Mai 1374 sich 
wenigstens an diesen anlehnte, so ist hier gar keine Ueberein- 
stimmung vorhanden. 

Jeder Fürst und jede Stadt setzen zwei Richter, die den 
Landfrieden richten und bewahren. Der Landvogt — es ist nicht 
recht ersichtlich, ob nur einer von Allen bestellt oder mehrere einge- 
setzt wurden — sorgt für die Verfolgung des Friedebrechers und 
den Vollzug des Urtheils. Jedes Mitglied hat eine bestimmte 
Zahl guter gewappneter Männer zu stellen, die nach Bedarf zu 
vermehren ist. Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt durch 
die Landvögte oder die theilnehmenden Herren. Die Untersassen 
müssen den Landfrieden beschwören, sonst erhalten sie nach ihm 
kein Recht. Die Sicherung der Kaufleute und so weiter bei der 
Fehde wird nicht verbürgt 1 ). Es liegt also in diesem Frieden 
ein entschiedener Rückschritt. 

Der vom Kaiser gebotene Frieden blieb zwar weiter bestehen, 
aber wahrscheinlich ohne rechte Bedeutung 2 ). 

Erst im Jahre 1382 tritt er plötzlich wieder hervor, um zu 
raschem Wachsthum zu gelangen. Schon im Anfange des Jahres 
nahmen ihn der Herr zur Lippe und Abt und Capitel zu 
Corvey auf. 

Es war die Zeit der Landfriedensversuche, welche dem Nürn- 
berger Herrenbunde vorangingen. Die Kurfürsten waren eifrig 
bemüht, den allgemeinen Frieden herzustellen, aber dabei ver- 
gassen sie nicht, den eigenen Einfluss möglich zu heben, die 
ihnen entgegenstehenden oder widerstrebenden Elemente zurückzu- 
drängen. Die anderen Reichsfürsten theilten vollkommen diese 
Absicht. Man schlug daher den Weg ein, Landfriedensbünd- 
nisse zu errichten, deren Leitung bei den Fürsten stand, denen 
beizutreten die Städte genöthigt werden sollten. 

Eine Institution nun, wie sie im westfälischen Frieden be- 
griffen, war für solche Zwecke trefflich geeignet. Wurde sie in 
andere Lande übertragen, so gab sie den Fürsten das Recht, 



Lorenz Geschichtsquellen 128 Anm. 6 mit dem westfälischen Landfrieden ?er- 
wechselt. 

1) Fahne II, 2, 149. Am 27. Juli bekennen die Theilnehmer, dass 
Friedrich von Köln in diesem Frieden den römischen Stuhl, das Reich und die 
urtheilsmässigen Vorschritte gegen die Stadt Köln ausgenommen habe. La- 
comblet m, 689. 

2) Siehe Beilage XVII. 



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1382. Verbreitung des westfälischen Landfriedens. 309 

Friedensrichter einzusetzen, die mit des Reiches Bann bekleidet 
über die Eingesessenen, Ritter und besonders über die Städte ganz 
andere Autorität besassen, als sich sonst üben liess. Damit waren 
die Herren in den Stand gesetzt, die fürstliche Gerichtsbarkeit in 
unbedingter Weise geltend zu machen, die unabhängige Stellung, 
welche viele Städte einnahmen, zu untergraben. Die richter- 
liche Selbständigkeit, deren sich so manche Städte erfreuten, 
konnte so am leichtesten beseitigt werden. Denn noch war be- 
sonders im nördlichen Deutschland die Frage, welche Stellung 
die Landstädte zu ihren Fürsten hätten, keineswegs zum Austrage 
gekommen. Wie im Süden die Reichsstädte ihre Freiheit zu wah- 
ren, ihre Kraft in Bündnissen zu stärken suchten, strebte im Nor- 
den manche fürstliche oder bischöfliche Stadt, sich von ihrer 
Herrschaft unabhängig zu machen. 

Der Kernpunkt des westfälischen Landfriedens ist eben die 
Einsetzung eines Landfriedensrichters, der im Namen des Reiches 
den Bann hatte und die Acht verhing. Dieser aber wurde er- 
nannt von den Fürsten und konnte auch von ihnen abgesetzt 
werden. Wie nahe lag es da, dass sie den Absichten ihrer Her- 
ren dienstbar waren! Und da der Begriff „Landfriedenssache" 
sich leicht ins Ungemessene ausdehnen liess, war hier das Mittel 
gefunden, die Selbstständigkeit der Städte anzutasten. 

So erscheint die plötzliche Verbreitung des westfälischen 
Landfriedens auch nur als eine Masche in dem Netze, in welchem 
die Fürsten die Städte zu fangen gedachten. Wie der Nürnber- 
ger Herren bund gegen die Reichsstädte gerichtet war, zielte je- 
ner gegen die Städte von Nord- und Mitteldeutschland! 

Die schlimme Absicht trat allerdings nicht sogleich zu Tage. 
Denn es lässt sich auf der anderen Seite nicht verkennen, dass 
dieser Landfrieden auch seine guten Eigenschaften hatte, welche 
sogar Anfangs die Städte, die doch nicht zur Vertraue nssebgkeit 
neigten, bestochen haben. Die Einsetzung eines Landrichters 
für einen weiten Kreis ermöglichte schnelle Justiz. Indem in 
Landfriedenssachen alle besonderen Gerichtsstände vor dem Land- 
friedensgerichte zurücktraten, wurde eine grössere Kraft des Ur- 
theiles erzielt und ganz besonders kam in Betracht, dass es nun 
eher möglich wurde, mächtige und höher gestellte Missethäter zu 
bestrafen. Uebcrall wo der Landfrieden eingeführt wurde, trat 
ein gloichuiässiges und gemeinsames Verfahren gegen den Frie- 
densbrecher ein und das war von grossem Wertbe; der furcht- 



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310 Vierundzwanzigstes Kapitel. 



1382. 



baren Strenge der Strafe konnte zudem die Wirkung nicht 
fehlen. Endlich wurden die verderblichen Folgen der Fehden 
beschränkt und gemildert. 

Auf dem Reichstage zu Frankfurt im Juli 1382 wurde unter 
dem Einflüsse der Erzbischöfe von Mainz und Köln der Plan ge- 
faBst, dem westfälischen Landfrieden einen grösseren Wirkungs- 
kreis zu geben. Der König gestattete am 15. Juli dem Erzbischöfe 
von Köln, in den Landfrieden alle diejenigen aufzunehmen, von 
denen es ihm für König, Reich und Frieden gut und nützlich 
dünke. 

Demgemäss nahm Friedrich am 29. September den Bischof 
Gerhard von Hildesheim auf, am 5. October den Erzbischof von 
Mainz für alle Besitzungen, welche dieser in Hessen, Westfalen, 
Thüringen und Sachsen hatte. Der König selbst aber verlieh be- 
reits am 25. Juli den Herzögen Wenzel und Albrecht von Sach- 
sen-Lüneburg für das Land Lüneburg den westfälischen Land- 
frieden ganz in der Weise, wie derselbe 1371 war festgesetzt 
worden *). In demselben Jahre traten noch der Landgraf Her- 
mann von Hessen, die Herzöge Otto von Braunschweig-Göttingen 
und Friedrich von Brauusch weig- Wolfenbüttel dem Landfrie- 
den bei. 

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Verhältnisse dieser 
Gebiete. 



Viemndzwanzigstes Kapitel. 

Verbreitung des westfälischen Landfriedens. 
Der sächsische Städtebund. 

Wie die meisten Herrscherfamilien Deutschlands nahm auch 
die der Weifen Ländertheilungen vor, die nicht weniger 
dem Reichsganzen, wie den Familien selbst verhängnissvoll 
und schädlich wurden. Im Jahre 1267 theilten die Söhne Otto 
des Kindes: Albrecht der Grosse erhielt den südlichen Theil, Ca- 
lenberg, Braunschweig, Wolfenbüttel, Grubenhagen und Göttingen, 



1) Siehe Beilage XVII. 



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i:i69 -1374. 



Verhältnisse in Braunschweig- Lüneburg. 



311 



Johann nahm Lüneburg, Celle und Hannover. Die Söhne Albrechts 
schritten zu einer weiteren Sonderung in drei Gebiete: Grubenha- 
gen, Göttingen und Braunschweig-Wolfenbüttel und selbst diese 
wurden gelegentlich noch mehr verzettelt; daneben entstanden die 
ungesundesten Condominatsverhältnisse. 

So wurde der reiche weifische Hausbesitz zerrissen und schon 
schien es, als ob in Folge dessen ein grosser Theil verloren ge- 
hen würde. Als nämlich 1369 der lüneburgische Zweig mit Her- 
zog Wilhelm ausstarb, entstand ein jahrelanger Krieg, indem die 
Herzöge von Sachsen- Wittenberg, denen der Kaiser selbst nach- 
drücklichste Unterstützung gewährte, mit dem ritterlichen Herzoge 
von Braunschweig-Wolfenbüttel Magnus Torquatus um die Erb- 
schaft stritten. Dieser erlag jedoch am 25. Juli 1373 bei Leveste 
dem Schwerte des Grafen Otto von Schaumburg. Seine nachge- 
lassenen Söhne gingen am 29. September mit den Gegnern einen 
Vertrag ein, der nach der Sitte der Zeit in Ehegelöbnissen seine 
Bekräftigung fand. Die wackere Wittwe des Herzogs Magnus, 
Katharina von Anhalt reichte (am 7. Juni 1374) dem Neffen des 
Kurfürsten Wenzel, dem Herzoge Albrecht, welcher die Regie- 
rung Lüneburgs übernahm, die Hand, während zwei ihrer Söhne, 
Friedrich und Bernhard, mit Töchtern Wenzels versprochen wur- 
den. Die Herrschaft Lüneburg blieb ungetheilt und huldigte den 
Herzögen von Sachsen gemeinsam mit den Söhnen des Herzogs 
Magnus. Zunächst sollte das Land an Albrecht und Wenzel fal- 
len, nach ihrem Tode der älteste der weifischen Brüder oder 
dessen erstgeborener Sohn der Regierung vorstehen; in regel- 
mässiger Weise würde dann in Zukunft der Besitz zwischen den 
beiden Häusern wechseln Ein Abkommen von sehr zweifel- 
haftem Werthe, welches den Keim weiterer Zerwürfnisse in sich 
trug! 

In Braunschweig-Göttingen herrschte seit dem April 1367 
Herzog Otto, den die Zeitgenossen wegen seiner wilden Fehde- 
lust und rücksichtslosen Eroberungssucht den „Quaden", den 
Bösen nannten. Alle seine Nachbarn, besonders aber die Städte 
hatten von dem ungestümen und treulosen Kriegsmann schwer zu 
leiden, während seine Ritterschaft an den Fahrten und wohl 
noch mehr an den prächtigen Festen und Turnieren, die er mit 
verschwenderischer Freigebigkeit häufig veranstaltete, volles Be- 



1) Havemaun (jesch. der Laude Braünschweig und Lüneburg I, 509. 



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312 



Vierundzwanaigstes Kapitel. 



1374-1375 



hagen fand. Aus allen benachbarten Ländern strömten dann die 
Ritter nach Göttingen zusammen und mit ihnen „viele gar schöne 
Frauen, in purpurne Gewänder gekleidet mit schellenbehangenen 
Gürteln, die schür, schür, schür, kling, kling, kling tönten, et 
in posterioribus satis ample" ■). 

Die Person dieses Fürsten bildet die nächsten Jahrzehnte 
hindurch den Mittelpunkt der Ereignisse in den sächsischen 
Landen. 

Schon früher wurde erzählt, dass Ottos Hoffnungen, der Erbe 
des alten Landgrafen Heinrichs des Eisernen zu werden, nicht in 
Erfüllung gingen, da dieser seinen Neffen, Hermann den Gelehr- 
ten, zum Nachfolger ernannte und sogleich zum Mitregenten an- 
nahm. Der ergrimmte Herzog, welcher mit den Waffen seine 
Absichten durchzusetzen suchte, fand Unterstützung bei dem weit- 
verzweigten Ritterbunde der Sterner, während die Hessenfürsten 
durch die ewige Erbverbrüderung, welche sie am 9. Juli 1373 mit 
Thüringen schlössen, den Beistand der drei Brüder, Balthasar, 
Friedrich und Wilhelm von Thüringen und Meissen gewannen 2 ). 

Bald erhielt der Kampf noch grössere Ausdehnung, als der 
vierte der thüringischen Brüder Ludwig gegen Adolf von Nassau 
den Mainzer Erzstuhl zu behaupten oder richtiger zu erwerben 
trachtete. Am 30. August 1374 verbündeten sich Adolf und 
Otto von Braunschweig-Göttingen zum gemeinsamen Kampfe gegen 
die Thüringer und Hessen 8 ). Zu gleicher Zeit aber richtete der 
unruhige Mann seine Blicke auf ein anderes Ziel: mit kluger Be- 
nutzung des Aufstandes, welchen die Braunschweiger im April 
1374 gegen ihren Rath erhoben, nöthigte er im October die Söhne 
des Herzogs Magnus, ihn als Vormund anzuerkennen und nahm 
das Schloss von Wolfenbüttel in Besitz. 

Da jedoch der inzwischen weiter geführte Krieg gegen Hes- 
sen nicht den gehofften Erfolg brachte, entschloss sich Otto, am 
2. Juli 1375 Frieden zu machen, indem er gegen eine geringe 
Entschädigung allen Ansprüchen auf Hessen entsagte 4 ). Nach- 
dem Karl IV. vor Tonna zwischen den beiden Prätendenten Waffen- 
stillstand gestiftet, vertrugen sich im April 1376 auch Hermann 



1) Urkundenbuch der Stadt Göttrogen I, 292. 

2) Siehe S. 23—24. 

3) Sudendorf V, 39. 

4) Sudendorf V, Einl. 18. 



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1376-1381. 



Otto der Quade. 



313 



von Hessen und Adolf von Mainz, welcher zugleich den Braun- 
schweiger von seiner Verpflichtung, ihm gegen die hessischen Land- 
grafen Beistand zu leisten, entband. Da am 2. Juni 1377 Ludwigs 
Brüder sich auch mit ihren thüringischen Gegnern setzten, 
war in diesen Gegenden wenigstens der allgemeine Krieg be- 
seitigt *). Wirklicher und dauernder Frieden wollte sich freilich 
immer noch nicht einstellen, denn die unruhige Ritterschaft ver- 
anlasste immer neue Fehden 2 ). 

Herzog Otto aber war nicht gewillt, nunmehr still zu sitzen. 
Er begann sofort Streit mit dem Herzoge von Lüneburg, welcher 
erst im October 1377 vom Kaiser persönlich in Tangermünde 
beigelegt wurde. Das Abkommen über Lüneburg vom Septem- 
ber 1373 blieb in Kraft 8 ). Otto hegte kaum einen andern Plan, 
als sich in den Besitz des Herzogthums Braunschweig zu setzen. 
Obgleich im Sommer 1380 seine Vormundschaft über Friedrich 
ihr Ende erreichte, behielt er, dem der grösste Theil des raublustigen 
Adels ergeben war, dennoch seine Stellung im Lande und nament- 
lich das Schloss Wolfenbütte]. Aber die Stadt Braunschweig 
hatte seine Tücke genugsam kennen gelernt, um nicht seine Herr- 
schaft über alles zu fürchten. Nachdem sie im März 1381 ein 
Bündniss mit den lüneburgischen Herzögen geschlossen und dann 
Herzog Friedrich von Otto abwendig gemacht, wurde Anfang 
September Wolfenbüttel überrumpelt und Otto zu schmählicher 
Flucht genöthigt. „Er Hess sich in einem Schiffe über die Ocker 
setzen und dankte Gott, dass er hinweg kam.* 4 ). 

Seine Pläne gab jedoch Otto um so weniger auf, als sich 
ihm soeben die Aussichten eröffneten, in Hermann von Hessen, 
dem früheren Gegner, einen Helfer zu finden. Die Lage Hermanns 
war noch immer eine unerfreuliche. Den Erzbischof Adolf von 
Mainz hatte er stets als geschworenen Feind zu betrachten, wenn 
auch der im Sommer 1380 entstandene Krieg bald wieder be- 



1) S. 30; Reg. Bo. IX, 345 j Sudendorf V, 80; Rommel II, 194; Michelsen 
Urkundlicher Beitrag zur Gesch. der Landirieden in Deutschland 15. 

2) S. 64. - 1378 versuchten die Sterner vergeblich Hersfeld zu über- 
rumpeln; nach ihrer Auflösung entstanden die „Horner" in Oberhessen und die 
»Falkner" in Westfalen, mit welchen der Landgraf ebenfalls in Streit gerieth. 
Rommel II, 205 ff. 

3) Sudendorf V, 123 ff. 

4) Vgl. die treffliche Darstellung dieser verwickelten Vorgänge in Stchr. 
Braunschweig I, Beilage..!. 



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314 



Viernndzwanzigstes Kapitel. 



1381-1382 



schwichtigt wurde; die Ritterschaft Hessens und der benachbarten 
Gebiete verharrte in fast ununterbrochenem Fehdezustande und 
selbst die Stadt Kassel war dem gestrengen Herrn, der ihre Frei- 
heiten zu beschneiden suchte, wenig geneigt. Die Unzufriedenen 
knüpften Verbindungen mit den thüringer Fürsten an, wozu die 
1373 geschlossene Erbeinigung Gelegenheit bot, so dass sich 
Hermann veranlasst sah, die Rädelsführer aus der Stadt zu ver- 
weisen So trat eine gewisse Spannung mit den Markgrafen ein. 
Das Bündniss mit ihnen hatte ja auch für Hermann an Werth ver- 
loren, seitdem ihr Bruder Ludwig die Ansprüche auf Mainz auf- 
gegeben und sich mit Magdeburg hatte abfinden lassen. 

Hermann trug demnach kein Bedenken, wider den Erbver- 
trag mit Thüringen am 2. October 1381 mit Otto dem Quaden 
„wegen unrechter Bedrängniss und Gewalt, die uns beiden oft 
geschehen ist," eine Einigung zu schliessen. Wenn einer von ihnen 
ohne Erblassen stürbe, so sollte der Herzog Niederhessen mit 
Kassel, Eschwege, Melsungen u. s. w., der Landgraf dagegen die 
gesamrate Herrschaft Göttingen so lange innebehalten, bis er 
300000 löthige Mark ausgezahlt erhalten. Kommt einer von ihnen 
dieser Verstrickung wegen zum Kriege, so ist der andere im Noth- 
falle gehalten, in eigener Person mit Land und Leuten zur Hilfe 
zu kommen. Mit den Söhnen des Herzogs Magnus oder den 
Meissner Markgrafen darf kein Vertrag abgeschlossen werden, 
der den gegenwärtigen beeinträchtigen kann. 

Nicht minder, wie die thüringer Herren in ihren Rechten 
auf Hessen, wurden Friedrich und sein Bruder durch diese Eini- 
gung in ihren Rechten auf Göttingen gekränkt ; die nächste Folge 
war denn auch, dass bereits am 31. October ein enges Bündniss 
zwischen Wenzel und Albrecht von Sachsen-Lüneburg, Friedrich 
und der Stadt Braunschweig auf sechs Jahre geschlossen wurde 2 ). 
Trotzdem entging die Stadt Braunschweig nicht schwerer Beschä- 
digung durch die Genossen des Quaden, die am 25. August des fol- 
genden Jahres unmittelbar vor den Stadtthoren 17 Bürger er- 
schlugen, deren Leichname schändlich verstümmelten, und über 
30 gefangen nahmen 3 ). 

1) Rommel II, 205 u. Anm. 155. Nebclthau Denkwürdigkeiten der Stadt 
KasseJ, in Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. 
Neue Folge. III. 1871 S. 32 ff. 

2) Sudendorf V, 249, 254. 

3) Stchr. Braunschweig I, 75. 



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1382. Einführung i. wcstfäl. Landfriedens in Lüneburg u. Braunscbweig. 315 

Braunschweig und die anderen Städte, welche sich gleichfalls 
von Otto und dessen raub- und fehdelustigen Rittern bedroht fühlten, 
sahen gar wohl ein, wie wenig sie ernste Hilfe von ihren Fürsten 
erwarten durften. Wie die Reichsstädte im Süden schlugen 
sie den Weg ein, der allein zur Besserung führen konnte : der 
eigenen Kraft vertrauend diese zu sammeln. Schon am Tage vor 
jenem Unglücke Braunschweigs, am 24. August 1382, hatte sich 
dieses mit Göttingen, Goslar, Hildesheim, Lüneburg, Hannover, 
Helmstedt und Uelzen zu gemeinsamem Schutze verbunden bis 
Michaeli 1385. Die Bestimmungen des Bündnisses sind freilich 
vorsichtig genug gefasst und treten den Rechten der Herren mög- 
lichst wenig nahe. Indessen ein Anfang war gemacht und der 
Bund, welcher durch Zahl und Stärke seiner Mitglieder, wenn sie 
nur fest zusammenhielten, wohl vermochte, die allgemeine Fried- 
losigkeit zu bessern, dem räuberischen Adel und wohl auch ein- 
zelnen Fürsten energisch zu begegnen, konnte in Zukunft weiter 
ausgebildet werden. 

Gerade jetzt, wo kriegerischer; Stoff allenthalben aufgehäuft 
war, wurde der westfälische Landfrieden in diesen Gebieten ein- 
geführt und merkwürdiger Weise nahmen ihn die Gegner gleich- 
massig für ihre Länder an. Die Beweggründe waren freilich ge- 
wiss sehr verschiedener Natur. 

Die Ersten, welchen der westfälische Landfrieden verliehen 
wurde, waren die Herzöge Wenzel und Albrecht für das Land 
zu Lüneburg. Von ihnen darrman nicht zweifeln, dass sie das 
redlichste Bestreben hatten, Ruhe Frieden und Ordnung zu schaffen, 
den endlosen Fehden, welche seit mehr als einem Jahrzehnt Lüne- 
burg allenthalben verheerten und den' Wohlstand seiner Bewohner 
brachen, ein Ende zu machen, wenn sie auch nicht, wie ihr Nach- 
bar Herzog Heinrich von Meklenburg, daran Vergnügen fanden, 
die Uebelthäter eigenhändig aufzuknüpfen. Die neue Friedens- 
ordnung war für sie nur eine; willkommene Waffe mehr gegen die 
Unruhestörer. Wenige Fürsten der damaligen Zeit haben sich 
der Pflege ihrer Lande so eifrig beflissen, wie Albrecht. Die Aus- 
gabenregister ^seiner Vögte , r welche uns gestatten, des Herzogs 
Lebensgewohnheiten bis ins kleinste zu verfolgen, zeigen ihn als 
sparsamen Herrn von grösster Einfachheit und Mässigkeit, als un- 
unterbrochen thätigeu Regenten. Im Mai hatte er Bünduisse ge- 
schlossen mit Bischof Gerhard von Hildesheim, einem kräftigen 
gefürchteten Herrn, und mit der Stadt Minden, im Juli war er 



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316 



Vierundzwanzigstes Kapitel. 



1382. 



nach Calbe geritten und hatte dort für sich und Herzog Friedrich 
ein Bündniss errichtet mit Bischof Friedrich von Merseburg, er- 
wähltem Erzbischofe von Magdeburg. Letzterer war, nachdem 
Ludwig beim Fastnachtstanz auf dem Rathhause in Calbe verun- 
glückt, von dem Magdeburger Capitel postulirt worden, aber auch 
ihm war es nicht beschieden, mit dem Pallium geschmückt zu 
werden ; schon im November starb er in Merseburg *). 

Indem auch Friedrich von Braunschweig dem westfälischen 
Landfrieden beitrat, wird er wohl dem Einflüsse Albrechts gefolgt 
sein. Der von Albrecht ernannte Landvogt Lambert von Alden 
hatte auch in Braunschweig den Frieden zu wahren. 

Den Städten, welche sich von allen Seiten bedrängt sahen, 
war die neue Friedensordnung, die richtig gehandbabt nur zum 
Segen gereichen konnte, überaus erwünscht. Freilich sollten sie 
bald bitter enttäuscht werden. Braunschweig bewarb sich alsbald 
um Aufnahme, für welche Herzog Friedrich eine Gabe verlangte. 
Schon am 28. November leistete der Rath den Eid, während der 
Landvogt gelobte, „ Armen und Reichen zu richten in allen Stü- 
cken, welche der Landfriedensbrief ausweiset* 2 ). 

Noch früher waren Herzog Otto von Braunschweig-Göttingen 
und Landgraf Hermann von Hessen beigetreten ; schon am 4. Septem- 
ber hatte Göttingen den Eid geleistet 3 ). Hier wurde Hans von 
Gladebeck, ein Ritter Ottos, Landvogt, der sich „zu Sachsen und 
zu Hessen" nannte. 

So umschloss am Ende des Jahres 1382 der westfälische Frie- 
den schon weite Gebiete und der König Hess sich seine Förderung 



1) Sudendorf VI, 6, 7, 11. Vorher hatte Friedrich von Merseburg einen 
Bund mit den Städten Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben geschlossen 
(Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg bearb. v. Janicke I, 166); am 5. Septem- 
ber verbündete er sich mit der königlichen Familie, mit Wenzel, Sigismund 
und Johann gegen alle Angreifer. Riedel II, 3, 90. Ueber ihn siehe Stchr. 
Magdeburg I, 285. 

2) Sudendorf VI, 27 ; Stchr. Braunschweig I, 82. Das Geschlecht der von 
Alden war ein loneburgisches, wie die Urkunden erweisen: Sudendorf V, 173, 
243, VI, 145 u. s. w. Lambert nennt sich „Landvogt zu Sachsen, der Fürsten, 
Herren und Städte;" siehe sein Schreiben an Braunschweig. Stchr. Br. I, 83. 
Anm. 6. 

3) Urkundenbuch der Stadt Göttingen I, 345 Anna. I. Ueber den Beitritt 
Hermanns wissen wir nichts näheres; nach Sudendorf VI, Einl. 15 wurde er 
1383 wieder aus dem westfälischen Landfrieden gesetzt; 3püter erscheint er 
aber wieder als Theilbaber. 



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1383. 



Misibrauch des Landfriedens durch Otto. 



317 



angelegen sein. Der Kurfürst Wenzel erschien im October selbst 
bei Hofe und wurde sogar ausersehen, als königlicher Gesandter 
nach Italien zu gehen. Er wie sein Neffe Herzog Albrecht er- 
hielten am 6. Januar 1383 die Macht, den westfälischen Landfrie- 
den in ihren Landen nach Nothdurft zu bessern, und damit ein 
einheitliches Wirken der verschiedenen Gruppen erzielt werde, 
wurde bestimmt, dass wer in der einen verfestet und vervehmt 
sei, es auch in der anderen sein solle »)• 

Bald zeigte Herzog Otto, wie wenig ernst sein Anschluss an 
den Frieden gemeint war, wie er nur hoffte, darin ein weiteres 
Mittel zu finden, seine Städte zu drücken. Ihm besonders ist es 
zuzuschreiben, wenn die Institution bald in Misscredit kam. Trotz 
des Landfriedens und trotz aller Verheissungen fuhr er fort, 
Göttingen zu beschädigen, und der Landvogt, der von ihm über 
den Frieden gesetzt und mit seinem Herrn ganz eines Sinnes 
war, lud endlich im März 1383 die gesammte männliche Bevölke- 
rung der Stadt die das zwölfte Jahr zurückgelegt, vor seinen 
Richterstuhl. Die Göttinger vermutheten wohl mit Recht, dass 
hinter dieser ungeheuerlichen Citation nur die Absicht lauere, 
die Stadt wehrlos zu machen und so leichter in Ottos Hände zu 
spielen; vorsichtig sandten sie nur vier Rathsherren ab, um die 
Bürgerschaft zu vertreten. Als der Landvogt Hans von Gladebeck 
diese, wie das Spiel einmal abgekartet war, nicht zuliess, sondern 
dem Herzoge den Vortheil des Beweises zuerkannte und ihn auf 
den Eid dreier Knechte, die in dessen Dienste standen, für er- 
bracht erklärte, appellirten die Göttinger sofort an die höchste 
Instanz, an König und Reich. Und Wenzel that, was Rechtens 
war: der ungerechte Spruch wurde aufgehoben und Erzbischof 
Adolf von Mainz und Herzog Albrecht von Lüneburg mit der 
Entscheidung der Sache beauftragt, die dann auch beide Theile 
befriedigt zu haben scheint a ). 

Der Herrenbund, den König und Fürsten am 11. März 1383 
in Nürnberg abschlössen, scheint Sachsen, welches mit Böhmen 
und Brandenburg zusammen ein Viertel bildete, wenig berührt 



1) Sadendorf VI, 25 u. 26.£ Letztere Bestimmung ist zwar nur für Fried- 
rich von Köln und Albrecbt gegeben, hat aber unzweifelhaft allgemein gegol- 
ten. — Wenzels! Gegenwart in Prag am 8. October 1382 bezeugt Herrgott Ge- 
nealog, dipl. gentis Habsburg. III, 742; vgl. auch S. 173. 

2) ürkundenbucb der Stadt Göttingen I, 326 ff. 



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318 



Vienmdz wanzigstes Kapitel 



1383 1384. 



zu haben, da die Tendenz desselben ohnehin weniger dahin ging, 
den Frieden zu wahren, als die Kraft der Fürsten gegenüber den 
Reichsstädten zusammenzufassen und namentlich dem schwäbisch- 
rheinischen Städtebunde einen fürstlichen entgegenzustellen. Daher 
kennen wir aus den Gebieten nördlich vom Harze, wo Goslar die 
einzige Reichsstadt war, keine Beitrittserklärungen, während meh- 
rere thüringer Herren, die abgesehen von der Nachbarschaft Mühl- 
hausens und Nordhausens lebhafte Beziehungen zu Franken hatten, 
sich dem Herrenbunde anschlössen l ). 

Das Jahr 1383 verging ohne grössere Fehden, selbst die Ent- 
stehung einer neuen Rittergesellschaft in Sachsen und Westfalen, 
der sogenannten Sichler, welcher zahlreiche Fürsten beitraten, wie 
die Herzöge Otto von Göttingen und Albrecht von Grubenhagen, die 
Bischöfe von Hildesheim und Paderborn, störte nicht den allge- 
meinen Frieden 2 ). Erst das folgende Jahr, welches im Süden die 
Heidelberger Stallung brachte, war auch für die Entwickelung der 
Verhältnisse des Nordens von grösster Bedeutung. 

Bald im Anfange des Jahres trat Balthasar von Thüringen 
dem westfälischen Landfrieden bei 3 ). — Nachdem Markgraf Fried- 
rich der Strenge im Mai 1381 gestorben war, hatte seine Wittwe 
Katharina von Henneberg, eine thatkräftige Frau, für die minder- 
jährigen Söhne die Regierung übernommen. Im November 1382 
wurde dann die schon früher vollzogene Theilung erneut. Die 
Söhne Friedrichs erhielten Osterland und Landsberg, ihre Oheime 
Wilhelm Meissen und Balthasar Thüringen, während Freiberg im 
gemeinsamen Besitze blieb 4 ). Von Balthasars Gebiete wurden 
demnach die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen und das 
mainzische, aber doch fast unabhängige und ausserordentlich 
mächtige Erfurt umschlossen. Sie alle drei waren im Streite um 



1) RA. ii. 208 mit Anm. 3, 209. Es waren der Bischof Nicolaus I. von 
Meissen, Bischof Christian von Naumburg, Wilhelm Markgraf zu Meissen im 
Osterlande und Landsberg f die Grafen von Schwarzburg und andere Herren. 
Dagegen bezieht Weizsäcker irrig Markgraf Balthasars Urkunde vom 17. Octo- 
ber 1684 (vgl. S. 319 Anm. 2) auf diesen Nürnberger Herrenbund. 

2) Sudendorf VI, Einl. 16. — Das Braunschweiger Fehdebuch hat in die- 
sem Jahre auffallend wenig Beschädigungen zu berichten. 

3) Vielleicht schon Ende des Jahres 1383; am 14. Februar 1384 wenig- 
stens ist bereits von dem Landvogt zu Thüringen die Rede. Stchr. Braun- 
schweig I, 90. 

4) Horn 658. 



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1384. Anschluss Thüringens an den westfälischen Landfrieden. 319 

den Mainzer Erzstuhl auf Adolfs Seite getreten und hatten da- 
durch verhindert, dass Ludwig, des Markgrafen Bruder, die stifti- 
schen Besitzungen in Thüringen eroberte. Erst im Juni 1377 war 
ein Waffenstillstand geschlossen worden, der später bis Johanni 
1381 verlängert wurde, Ludwigs Versetzung nach Magdeburg ent- 
fernte endlich die Ursache zum Kriege. Die allgemeine Unsicher- 
heit der Strassen veranlasste darauf im Juni 1383 ein Bündniss 
auf zwei Jahre zwischen Balthasar und Erfurt und Mühlhausen 
zum Schutze der Strassen, zu dem bald Nordhausen und zahl- 
reiche Herren der Umgegend kamen *). Als Balthasar sich dem 
westfälischen Landfrieden anschloss, nahm er auch die drei Städte 
auf, die offenbar eben so bereitwillig wie die braunschweigischen 
Bürgerschaften beitraten. Den Landrichter wird Balthasar ernannt 
haben; indessen ist uns über die Organisation, die der Landfrie- 
den hier erhielt, nichts näheres bekannt 2 ). 

Die sächsischen Städte hatten inzwischen nicht verfehlt, aus 
den Vorfällen des letzten Jahres eine Lehre zu ziehen. Wie der 
Frieden einmal beschaffen war, hatte keine von ihnen Sicherheit, 
dass sie nicht ähnlichen Irrungen ausgesetzt wurde, wie Göttin- 
gen. „Hütet euch vor der Herrschaft und der Mannschaft, denn 
da fehlet Treu und Glauben \ u war die letzte Mahnung, welche 
Kurt Döring vom Schaffot herab den Braunschweiger Bürgern ans 
Herz legte. Und Tiicht sie allein, alle Bürgerschaften konnten die- 
selbe befolgen, um wohl zu fahren; denn nur selten meinte einer 
von den Fürsten oder vom Adel es mit den Städten ehrlich, wie 
etwa Herzog Albrecht von Lüneburg. Die Bürger konnten daher 
nicht besorgt genug sein, nicht ängstlich genug um sich schauen, 
um alles zu vermeiden, was ihnen schaden, um alle Mittel zu fin- 
den, die ihnen nützen mochten. Ausschliesslich und allein auf 



1) Ueber diese Verhältnisse siehe die Urkunden bei Michelsen Urkundlicher 
Beitrag u. s. w. und Erhard Mittheilungen. Erfurt trat am 10. März, Mühl- 
bausen am 17. März, Nordhausen wohl zu gleicher Zeit bei. 

2) Am 29. September 1384 befahl Wenzel in Arlon Balthasar und den 
drei Städten, dass der Landfrieden unverändert gehalten und was denselben 
anrühre, von den dazu bestimmten Richtern gerichtet werden solle; wer mit 
solchen Gerichten zu thun hat, hat freies Geleit; als Instanz über diesen Ge- 
richten stehen Kaiser und Reich. Am 17. October macht Balthasar den im 
westfälischen Landfrieden Befindlichen bekannt, dass Wenzel ihm für sein Für- 
Btenthum, „in das auch Erfurt, Nordhausen und Mühlhausen gezählt sind, da 
sie darin liegen", obige Urkunde verliehen hat. - Weizsäcker RA. S. 376 
Anm. 3 bezieht dieselbe irrig auf den Nürnberger Herrenbund. 

* 



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320 



Vierundzwanngstes Kapitel. 



1384. 



sich angewiesen wurden sie demnach durch die Verhältnisse ge- 
drängt, einander näher zu treten, die gleichartigen Interessen ge- 
meinsam zu verfolgen. Hatten sie doch in den süddeutschen 
Städten ein deutliches Beispiel vor Augen, was entschlossener 
Bürgersinn, was Einigkeit vermochte. Zwar ist eine directe Ein- 
wirkung des schwäbisch-rheinischen Bundes auf die nordischen 
Schwestern weder nachweisbar, noch selbst zu vermuthen, — Nor- 
den und Süden Deutschlands gingen ja seit langer Zeit getrennte 
Wege — aber es ist selbstverständlich, dass man in Sachsen wohl 
Bescheid wusste über den Städtebund im Süden, dass das Bei- 
spiel anregte, Aehnliches zu versuchen. Allerdings waren die säch- 
sischen Städte bis auf Goslar sämmtlich keine Reichsstädte und 
damit von vornherein Tendenzen verschlossen, wie sie wenigstens 
in einem Theile der schwäbischen Städte lebten , aber immerhin 
konnte man von den oberdeutschen Standesgenossen Mancherlei 
lernen, was im eigenen, enger begrenzten Kreise Anwendung fin- 
den konnte. Galt es dort, die Reichsfreiheit zu wahren, mussten 
hier die Städte streben, das innere Leben möglichst unabhängig 
von den Landesherren zu gestalten, ihren Uebergriffen jederlei 
Art zu wehren. Handel und Wandel durch Sicherung des allge- 
meinen Friedens zu schirmen und zu fordern, lag ohnehin allen 
Städten gleichmässig am Herzen. 

Es war somit erforderlich, dass die Städte Sachsens sich zu 
einem Bunde vereinigten, der allerdings, wenn er wirklich Erfolg 
haben sollte, energischer sein musste, als der schwächliche 
Versuch eines Städtebundes vom 24. August 1382. 

In der That war nunmehr ein reger Geist in die sächsischen 
Städte gefahren, eine gewiss von den Fürsten nicht beabsichtigte 
Folge des westfälischen Landfriedens, denn dieser ist der Punkt, 
um den sich für die nächsten Jahre die Interessen dieser Gegen- 
den drehen. Eben war es im Werke, demselben noch weitere 
Gebiete zu eröffnen. 

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal kurz die Kreise, welche 
ihre eigenen Landrichter hatten. Den grössten bildete Westfalen 
und wahrscheinlich gehörte dazu auch das Bisthum Hildesheim, 
den zweiten die Besitzungen von Mainz in Westfalen, Hessen, 
Thüringen und Sachsen, den dritten Balthasars Lande in Thürin- 
gen und die drei Städte Erfurt, Nordhausen und Mühlhausen, 
den vierten Lüneburg und Braunschweig, den fünften die Land- 
grafschaft Hessen mit Braunschweig-Göttingen oder wenn wirklich 



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1384. Berathungen über die Gründung dea sächsischen Stadtebundes. 321 

Hermann vom Könige aus dem Landfrieden gesetzt worden war *), 
letzteres allein. Den Fürsten musste daran gelegen sein, den 
Landfrieden über ganz Sachsen zu verbreiten und man darf ver- 
muthen, dass Herzog Albrecht von Lüneburg die Sache in die 
Hand nahm und gegen Ende 1383 Schritte that, indem er die 
Fürsten und Herren zum Beitritt aufforderte und zur Besprechung 
nach Braunschweig einlud. 

Das veranlasste die betheiligten Städte, ebenfalls daran zu 
denken, wie sie sich verhalten wollten. Es handelte sich um 
zwei Punkte: den Landfrieden zu einem recht wirksamen zu 
machen, aber dabei die Städte vor Beeinträchtigung zu wahren, 
sie womöglich zu selbständigen Mitgliedern desselben zu machen. 
Braunschweig scheint die Anregung gegeben zu haben, denn dort 
wurden schon Ende December die Punkte festgesetzt, welche man 
zur Besprechung vorlegen wollte. Sie handelten eben vom Land- 
frieden und von engerer Vereinigung der Städte 2 ). 

Solche Zwecke führten daher Anfang Februar 1384 die 
Boten von Goslar, Lüneburg, Hildesheim, Hannover, Halberstadt, 
Quedlinburg und Aschersleben in Braunschweig zusammen; auch 
Helmstedt muss irgendwie vielleicht durch eine der anderen Städte 
vertreten gewesen sein. Von den Mitgliedern des Städtebundes 
hatten Göttingen und Uelzen keine Abgeordnete gesandt, ebenso 
wenig das Grubenhagensche Eimbeck, welches inzwischen auch 
dem Städtebunde beigetreten zu sein scheint; indessen wurde auf 
sie Rücksicht genommen. 

Unter den getroffenen Abreden war am wichtigsten die Verein- 
barung eines Bundes auf 10 Jahre. Wenn einer Stadt Unrecht 
geschieht, ausgenommen von der eigenen Herrschaft, und sich auf 
dem Wege des Rechtes nicht abhelfen lässt, so sollen alle dem 
Thäter Feind werden und Kriegsfolge leisten. Gewinn und Ver- 
lust sind gemeinsam zu tragen; ersterer wird nach Abzug der 
Kosten nach der Zahl der gestellten Krieger getheilt. Goslar stellt 
10, Hildesheim 20, Helmstedt 5, Braunschweig 30 Gleven und 10 
Schützen, Halberstadt und die anderen 40 Gleven s ). — Iii Betreff 
des Landfriedens soll jede Stadt ihre Herren ersuchen, dass 

1) Vgl. 8. 316 Anm. 3. 

2) Stchr. Braunschweig I, 87 Anm. 4. 

3) Jedenfalls wurde der Bund noch nicht wirklich abgeschlossen, sondern 
erst der Plan erörtert; man musste auch erst die Zustimmung der nicht ver- 
tretenen Städte abwarten. 

Th. Llndnor, Geschichte de« deutschen Reiches. I. 21 



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322 



Vierundzwanzigates Kapitel. 



1384. 



derselbe besser gehalten würde, sie wollten ihnen dann auch 
um so besser dienen. Vor allem aber wurde auf gemeinsame 
Kosten eine Gesandtschaft an den König geschickt, welchem in 
einem Schreiben vorgestellt wurde: die Städte seien gern bereit, 
* * den von seinem Vater und ihm gegebenen westfälischen Land- 
frieden zu halten. Aber böse Leute zögen vor das Landfriedens- 
gericht Sachen, die gar nicht dahin gehörten; ja es sei vorgekom- 
men, dass deswegen zwanzig, hundert und noch mehr Leute aus 
einer Stadt vorgeladen worden, während sie doch von Alters her 
das Recht besässen, dass zwei aus dem Rathe die Stadt verant- 
worteten. Die bösen Leute beabsichtigten, mittelst des Landfrie- 
dens Gnaden Privilegien und Briefe der Städte zu brechen und 
zu kränken, sich zu fördern und diesen zu schaden. Daher bitten 
sie den König um die Gnade, dass er ihnen und anderen Städten 
in dem Lande zu Sachsen einen biderben Mann zum Richter gebe, 
den sie heischen und setzen mögen, vor welchem sie sich in Land- 
friedenssachen verantworten und Klagen erheben können. Ausser- 
dem möge der König gestatten, dass zwei Rathsmänner jede Stadt 
oder den einzelnen Bürger vor Gericht vertreten oder dass die 
Städte für die Gesammtheit einen Procurator senden dürfen. 

Erreichten die Städte ihre Absicht, so waren sie allerdings 
vor den Ausschreitungen der fürstlichen Landvögte geschützt; ob 
es aber der Landfriedenssache an sich und den Zwecken des Rei- 
ches forderlich war, wenn die Stühle vermehrt und die Kreise zer- 
splittert wurden, blieb doch sehr fraglich. Es war natürlich, dass 
der von den Städten gestellte Landvogt häufig anders entschied, 
als der fürstliche ; die Gefahr lag somit nahe, dass schliesslich die 
ganze Einrichtung in dem Gegensatze widerstreitender Interessen 
ihre Kraft verlor und zerfiel. 

Wenige Tage später, am 14. Februar, waren zahlreiche Herren 
in Braunschweig versammelt: der Bischof Albrecht von Halber- 
stadt, Herzog Albrecht von Lüneburg, die drei braun schweigischen 
Brüder Friedrich, Bernhard und Heinrich, die Grafen Albrecht und 
Konrad von Wernigerode, der Graf von Regenstein (bei Halber- 
stadt), viele braunschweigische und lüneburgische Ritter, der „Pro- 
consul" von Verden, die Boten der Städte Braunschweig, Hanno- 
ver, Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben *). Es wurde über 



1) Es fehlen also: Hildesheim, Lüneburg, Goslar. — Ob alle Genannten 
bereits Mitglieder des Landfriedens waren, ist ungewiss; wenigstens wissen wir 



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1384. Erzbischof Albert von Magdeburg tritt dem Landfrieden bei. 323 

den Landfrieden verhandelt und mehrere Ausfubrungsbestimmun- 
gen vereinbart, die zum Theil den in Westfalen bereits 1374 fest- 
gesetzten entsprachen. Wer vor den Landfrieden geladen ist oder 
vorladet, steht unter Rechtsschutz. In Betreff des Kaufmannes 
soll es nach dem Landfriedensbriefe (es ist die zu Grunde lie- 
gende Ordnung vom November 1371 gemeint) gehalten werden, 
bis darüber Anweisung und Belehrung von dem Landvogte in 
Westfalen und Thüringen eingeholt ist und man danach Besserung 
treffen kann. Wahrscheinlich sollte des Kaufmanns Sicherheit 
noch besser geschützt werden. Auch versprachen die Herren den 
Städten, dieselben nicht zu verantworten, d. h. keinen entschei- 
denden Urtheilsspruch gegen sie fällen zu lassen, wenn sie in dem 
Falle, dass zwanzig, dreissig oder mehr ihrer Bürger vorgeladen 
würden, nur zwei aus dem Rathe vor Gericht sendeten und gegen 
den Beweis Appellation einlegten *). 

Die Bürgerschaften erhielten demnach einige Zugeständnisse, 
die erste Frucht ihres gemeinsamen Auftretens, und bald machte 
das gute Einvernehmen mit den Fürsten noch weitere Fortschritte. 

Am 31. März beschwor auch der Erzbischof von Magdeburg 
den Frieden vor dem Landvogte und einem Braunschweiger Raths- 
herren und versprach, dass bis Walpurgis auch seine Städte und 
Untersassen schwören sollten. 

Nach dem schnellen Tode Friedrichs von Hoym wurde der 
Canonicus Albert von Querfurt vom Magdeburger Capitel zum Erz- 



von den Städten Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben, dass sie erst am 
13. December 1384 beitraten. Gewiss aber hatten alle die Absicht, es zu 
thun und fahrten sie auch aus. Detmar sagt zu 1384 a. a. 0. (I, 325): 
By dersulven tyd do besworen sik de heren unde de stede in Sassen enen 
gantzen Steden landvrede to holdene; hir was mede der bisscop van Meyde- 
borcb, van Halverstad, Hertoge Otte over wolt (Göttingen), Hertoge Albert van 
dem solte (Grubenhagen), de greve van ßegensten, de greve van Honsten unde 
al ere stede unde vele anderer heren, ridder unde knapen, unde holden den 
vrede to körten jaren ghar strenge. Ebenso die Magdeburger Chronik: 1384 
worden de heren und vorsten hir in Sassenlande to rade, dat se ok satten einen 

lantvrede, und leiten den bestedigen van koning Wentzlawe und nemen 

des orsake van dem lantvrede, den koniog Karl den heren bi dem Rine vor- 
mals vorbrevet hadde. dissen Sassen lantvrede sworen de heren und ore man 
und ichteswelke stede. Stchr. Magdeburg I, 288. — Doch ist dabei nicht an 
einen einmaligen Act zu denken, der Anschluss der verschiedenen Herren er- 
folgte sehr allmälig. 

1) Anders ist die Sache Stchr. Braunschweig I, 91 Anm. 1 gefasst. 

21* 



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324 



Vierundzwanzigstes Kapitel. 



1384« 



bischofe erwählt, der auch der Bürgerschaft genehm war. Albert 
weilte gerade in Rom, wo er sich um den Merseburger Stuhl be- 
warb, als er die Nachricht erhielt, dass er zu grösseren Ehren 
ausersehen sei; ohne grosse Mühe erlangte er von Urban Bestä- 
tigung und das Pallium. Ende Juni 1383 hielt er seinen Einzug 
in Magdeburg, mit aller Pracht von den Bürgern empfangen ; denn 
„die Leute in dem Lande waren seiner froh" ! ). — Schon vorher 
war Herzog Albrecht von Lüneburg zu ihm geeilt, wie immer eifrig 
beflissen, durch ein Bündniss etwaigen Streitigkeiten zuvor zu 
kommen; in der That wurde auch am 19. Mai das früher mit 
Friedrich geschlossene Bündniss auf drei Jahre verlängert 2 ). Am 
Ende des Jahres verbündete sich Erzbischof Albert mit Kurfürst 
Wenzel von Sachsen, mit Balthasar und Katharina von Thüringen 
und der letzteren Söhnen für ewige Zeiten, sich gegen jeden An- 
griff mit aller Macht beizustehen •). 

Auch diesen Fürsten wird der Herzog von Lüneburg zum 
Anschluss an den Landfrieden bewogen haben, denn der lünebur- 
gische Landvogt hatte auch im Erzbisthume die ihm gebührenden 
Sachen zu richten. Doch nicht bedingungslos trat der Erzbischof 
bei, er wusste sich freie Hand zu bewahren, indem er sich vor- 
behielt, wenn er oder die Seinen vor den Landfrieden geladen 
würden, solle ihm vorher die Sache kund gethan werden; wenn 
er dann binnen vierzehn Tagen dem Kläger sein Recht verschaffe, 
müsse dieser es annehmen 4 ). — 

Inzwischen hatten die Städte die Unterhandlungen mit den 
Fürsten weiter geführt, doch nicht blos über den Landfrieden. 
Sie wünschten auch einzelne derselben auf ihre Seite, in ihr Bünd- 
niss zu ziehen, in der Hoffnung, dadurch vor Gewalt und Unrecht 
besser geschützt zu sein. Konnten doch ausser den Landfriedens- 
sachen zahlreiche Irrungen entstehen. Namentlich mit dem 
Bischofe Gerhard von Hildesheim trat Braunschweig in das freund- 
lichste Einvernehmen. Auf einem Tage zu Peina am 3. April 
machte er der Stadt die besten Zusagen und verhiess, die Her- 
zöge Otto von Göttingen und Friedrich von Grubenhagen (der 



1) Stchr. Magdeburg I, 286. 

2) Stchr. Braunschweig I, 463 Anm. 3 und 4. 

3) Am 20. December 1383, Horn 663; sie alle nehmen den Papst und den 
König aus, und jeder besonders einzelne Fürsten. 

4) Stchr. Braunschweig I, 92. 



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1384 



König Wenzel und die s&cbsischen Städte. 



325 



seinem vor kurzem verstorbenen Bruder Albrecht nachgefolgt war) 
für ein Bündniss mit den Herren und den Städten zu „bearbeiten". 
In jedem Falle wolle er sich mit den Herzögen von Lüneburg und 
Braunschweig und den anderen Herren und Städten einen und 
setzen. 

Ueber diese Dinge verhandelten am 5. Mai die Boten Braun- 
ßchweigs mit denen von Goslar. Ein Bündniss mit Otto war die- 
sen nicht erwünscht, gewiss weil sie mit Recht vermutheten, dass 
dieses werthlos sein und nur zu Weiterungen Anlass geben würde, 
dagegen hatten sie gegen den Lüneburger und den Bischof von 
Hildesheim nichts einzuwenden. Zugleich konnten sie berichten, 
dass Eimbeck und Hameln der gemeinsamen Sache geneigt seien, 
während Göttingen noch Bedenken trage *). 

In diesen Tagen führten die Boten der Städte in Prag vor 
dem Könige ihre Sache, aber nur Goslar vermochte für sich gün- 
stigen Bescheid zu erlangen. Wenzel trug mit Recht Bedenken, 
den fürstlichen Landstädten, welche bereits im Landfrieden waren, 
die Erlaubniss zu ertheilen, sich selbst einen Landvogt zu setzen, 
und dadurch den einmal geschaffenen Verband zu sprengen und 
die Fürsten zu beleidigen. Er hätte ja damit zugleich den Städte- 
bund anerkannt, also im Norden gestattet, was er im Süden und 
unter doch ganz anderen Verhältnissen verweigerte. Anders stand 
die Sache mit Goslar, das Reichsstadt war und jetzt erst durch 
ihn in den Landfrieden aufgenommen wurde. Der Stadt wurde 
das Recht ertheilt, zusammen mit dem Bischöfe von Hildesheim, 
der bis dahin wahrscheinlich im westfälischen Verbände gestanden 
hatte, einen Landrichter zu kiesen und da dieser zu Goslar in 
der alten Kaiserburg zu richten hatte, war die Stadt um so mehr 
bevorzugt. Auch die Städte, welche noch keinem andern Land- 
friedenskreise angehörten, konnten diese Vortheile gemessen ; Gos- 
lar erhielt das Recht, Andere zu sich und in den Landfrieden zu 
ziehen. Demgemäss Hessen sich Quedlinburg, Aschersleben und 
Halberstadt durch Goslar recipiren, traten damit zu dem neuge- 
büdeten Landfriedenskreise. Zugleich wurde die zweite Bitte den 



1) Stchr. Braunschweig I, H. Die Worte: We scullen bearbeyden by 
nsem heren van Lnneborch unde by den van Hildensem umme den biscop, be- 
ziehen sich wohl auf Beilegung noch obwaltender Streitigkeiten zwischen dem 
BiBchofe und der Stadt Hildesheim und Albrecht; in Stohr. Braunschweig 
I, 468 sind sie sicher unrichtig wiedergegeben: „Hildesheim und Braunschweig 
sollten des weiteren mit beiden Fürsten unterhandeln". 



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326 



Vierundzwanzigstes Kapitel. 



1384. 



Goslarern gewährt, sich vor jedem Landgerichte durch zwei oder 
drei aus dem Rathe verantworten zu lassen *). 

Die Braunschweiger sahen sich dagegen in ihren Hoffnungen 
getäuscht, während ihr Herzog Friedrich und hildesheimsche Ritter 
sich wenig um den Landfrieden kümmerten und sie mannigfach 
schädigten. So war es wünsch enswerth, den geplanten und berathe- 
nen Bund nun auch abzuschliessen , da die in den benachbarten 
Ländern drohenden Kriegsgefahren gleichfalls zur Vorsicht mahn- 
ten. Am 10. Juli kam die Einigung wirklich zu Stande zwischen 
Goslar, Hildesheim, Hannover, Eimbeck, Braunschweig, Halberstadt, 
Quedlinburg, Aschersleben 2 ). 

Wenn eine Stadt von dem Landfrieden Unrecht erfährt, tra- 
gen alle gemeinsam die Kosten der Appellation (an den König); 
dazu wird sofort eine Summe nach der Grösse der Städte ver- 
theilt hinterlegt. In demselben Verhältnisse werden die Summen 
für die Truppen aufgebracht, so dass die Stadt, welche sie in An- 
spruch nimmt, ihnen nur Kost und Futter zu reichen hat. Zur 
Deckung der Auslagen dafür kann sie die Beute zu Hilfe nehmen, 
während etwaiger Schaden von allen getragen wird. Frieden und 
Sühne darf nur gemeinsam gemacht werden. Der Bund soll sechs 
Jahre gelten, ausgenommen sind das Reich und die Herrschaft 
jeder Stadt. 

Auch Helmstedt war mit eingeschlossen, aber auffallender 



1) ürkundenbuch der Stadt Quedlinburg I, 180. In den Schutz werden 
ausdrücklich die Berg- und Hüttenwerke Goslars und die dort beschäftigten 
Arbeiter eingeschlossen. — An demselben Tage, am 4. Mai, bestätigte der Kö- 
nig Goslar alle Rechte, Freiungen, Briefe und Handvesten der Kaiser. GobI. 
Stadtarchiv nach gütiger Mittheilung von Dr. E. Volger. — Ob auch der Bischof 
von Halberstadt, von dessen Zutritt wir nichts Sicheres wissen , diesem Kreise 
angehörte, muss fraglich bleiben, indessen ist es sehr wahrscheinlich. Am 23. 
Mai 1384 schloss er auf Rath seiner lieben Getreuen, Domherren, Mannen ond 
Städte Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben auf Lebenszeit ein Bündniss 
mit Balthasar von Thüringen zum gegenseitigen Schutz ihrer Leute. Des Land- 
friedens wird darin nicht gedacht. Urkb. d. St. Quedl. I, 177. 

2) Stchr. Braunschweig I, 97. Auch die Bischöfe von Halberstadt und 
Hildesheim werden als Theilnehmer an den Beschlüssen aufgeführt. Aber ob 
sie wirkliche Mitglieder des Bundes wurden, erscheint doch sehr zweifelhaft; 
wie hätte sonst Braunschweig nöthig gehabt, späterhin noch besondere Frie- 
densbündnisse mit Gerhard von Hildesheim zu scbliessen. (Stchr. Braunschweig 
I, 107 Anm. 2.) Auch tragen sie zu den Kosten der Appellation u. s. w. nichts 
bei. — Wahrscheinlich haben die Bischöfe nur ihre Zustimmung im Allgemei- 
nen gegeben und ihren Städten die Einung gestattet. 



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1384. 



Der sAchsische Städtebund. 



327 



Weise blieb Lüneburg fern. Wahrscheinlich machte die schwere 
Schuldenlast, welche auf ihr lastete, dieser Stadt wünschens- 
werth, sich von allen Ausgaben fern zu halten; durfte sie doch 
ihrem Herrn volles Vertrauen schenken. Dasselbe kann von 
Uelzen gelten, während Göttingen überhaupt keinen Antheil an 
den Verhandlungen genommen hat, aus Sorge, seinen ohnehin 
so ungnädigen Gebieter noch mehr zu reizen. 

Die Einung war demnach ihrer Tendenz nach energisch ge- 
nug und wenn sie auch nicht gegen die Gebieter der Städte Gel- 
tung hatte, konnte sie den unaufhörlichen Plackereien der Ritter- 
schaft mit Erfolg entgegentreten und es den Mitgliedern ermög- 
lichen, dem Landfrieden gegenüber ihr Recht zu wahren. Zweifel- 
haft war nur das eine, ob der König immer, wie im vorigen Jahre 
für Göttingen, zu Gunsten der Städte entscheiden würde, aber 
mit Geld Hess sich ja bei Hofe so manches erreichen. Im Hinter- 
grunde lag zudem die Absicht, wenn auch die Appellation nichts 
half, sich mit Gewalt zu wehren. — Höhere Ziele konnten sich 
diese sächsischen Städte nicht stecken. Den Fürsten das Gleich- 
gewicht zu halten oder sich gar von ihnen ganz zu emancipiren, 
war für sie nicht möglich. Die Bürger mussten zufrieden sein, 
wenn es ihnen gelang, Uebergriffe abzuweisen, ungerechte Urtheils- 
sprüche zu durchkreuzen und im eigenen Hause unangefochten 
und unangetastet zu wohnen. 



Fünfundzwanzigstes Kapitel. 

Veränderungen und Aufhebung des westfälischen 

Landfriedens. 

Auf dem Tage, den der König, aus Luxemburg zurück- 
gekehrt in Koblenz hielt 1 ), kam auch der. westfälische Land- 
frieden zur Sprache, jedenfalls auf Anregung der Erzbischöfe 
von Köln und Mainz. Ersterer hatte soeben eine schwere Fehde 
mit seinem alten Gegner, dem Grafen Engelbert von der Mark 
wegen des Besitzes von Lippstadt und Horneburg und anderer 

1) Vgl. 8. 240. 







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328 



Fünfundz wanzigstes Kapitel. 



1385. 



Zwistigkeiten bestanden. Sie waren schliesslich auf Vermittlung Kunos 
von Trier übereingekommen, durch ein Schiedsgericht entscheiden 
zu lassen, für welches Friedrich Adolf von Mainz, Engelbert den 
Göttinger Herzog Otto den Quaden, erwählte; die Streitigkeiten 
in Betreff des westfälischen Landfriedens sollte ein von beiden 
Theilen ernannter Landvogt nach Inhalt der Briefe des Kaisers 
und der Herren ausrichten *). Somit war es nahe liegend, vor 
dem Könige die Landfriedenssache nochmals zu erörtern. Ausser- 
dem scheint Adolf von Mainz Klagen erhoben zu haben, welche 
wohl gegen Hermann von Hessen, mit welchem Adolf auf feind- 
lichem Fusse stand, gerichtet waren. 

Wenzel verfugte daher, da er erfahren, dass der westfälische 
Landfrieden „mit seinen Punkten, Stücken und Artikeln, wie er 
begriffen und bisher in Westfalen gehalten worden", nicht beob- 
achtet würde, dass man sich streng nach seinen und seines Va- 
ters Briefen richten möge. Wenn er selbst irgend Jemandem 
Gnade und Freiheiten ertheilt habe, die dawiderlaufen, sind sie 
widerufen und ungiltig 2 ). — Eine Bestimmung, welche Adolf bald 
in seinem Interesse auszubeuten verstand. 

Neue Beschwerden wurden dem Könige in Prag von Seiten 
Goslars vorgetragen. Es war vielfach geschehen, dass Leute, die 
den Landfrieden offenbar gebrochen hatten, lediglich auf ihren 
Eid hin freigesprochen wurden; die von den Fürsten gesetzten 
Landvögte mögen in der That gelegentlich adligen Genossen die 
Reinigung von der Klage sehr leicht gemacht haben. Wenn da- 
her der Bürgermeister von Goslar selbsiebend aus dem Rathe zu 
schwören bereit sei, solle der Verklagte nicht zum Eide zuge- 
lassen werden und der Kläger seiner Klage nach Landfriedens- 
rechte folgen. Doch ist dieses Gesetz dem Landfrieden zu West- 
falen und den Freistühlen daselbst unschädlich 8 ). 

Bald darauf erschien Herzog Albrecht von Lüneburg bei Hofe, 
um bei dem Könige selbst die Landfriedensangelegenheit zu for- 
dern und wohl auch, um sich dessen Gunst gegen Herzog Otto 
von Göttingen zu erwerben. Er hatte da nicht nur seine eigene 
Sache, sondern auch die des Landgrafen Hermann zu betreiben. 

1) Jacobi de Susato Chron. ep. Colon, bei Seibertz Quellen der Westfä- 
lischen Geschichte I, 211. — Lacomblet III, 777. 

2) RA. n. 253. 

3) Prag 1385. Febr. 21. Goslarer Stadtarchiv nach gütiger Mittheilung 
von Dr. E. Volger. \ 



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1384. Neue Zwistigkeiteu zwischen Adolf v. Mainz und Herrn ann v. Hessen. 329 

Zwischen Letzterem und dem unruhigen Erzbischofe von 
Mainz drohte der alte Zwist, den die verwickelten kirchlichen 
Verhältnisse in Hessen immer wieder wach riefen ! )i von neuem in 
hellen Flammen aufzulodern. Seitdem in Süddeutschland der 
Kampf gegen die Städte aufgeschoben worden, hatte Adolf wie- 
der freie Hand für den Norden erhalten 2 ). Er suchte die frü- 
heren Bundesgenossen wieder zu gewinnen, besonders den Herzog 
Otto. Aber dieser hatte seitdem mit dem Landgrafen von Hes- 
sen gute Freundschaft geschlossen, mit ihm sogar am 2. October 
1381 eine vielversprechende Erbeinigung getroffen. Indessen war 
die Aussicht auf Fehde und baldige Beute für den Quaden viel 
zu verlockend, als dass er ihr so leicht hätte widerstehen kön- 
nen. Um jedoch Hessen gegenüber den Schein zu bewahren, als 
ob er wider Willen und nur gezwungen den Krieg beginne, ver- 
abredete er mit dem Mainzer ein unwürdiges Gaukelspiel. Der 
treulose Fürst mochte hoffen, zunächst von Hessen einige Vor- 
theile zu erobern und schliesslich doch für alle Fälle die Erb- 
einigung aufrecht erhalten zu können. Am 13. April 1376 nämlich, 
als Adolf mit Hermann von Hessen Waffenstillstand schloss, hatte 
ersterer zugleich auf die Hilfe verzichtet, welche ihm Otto gemäss 
dem Vertrage vom 30. August 1374 gegen Hessen zu leisten verpflich- 
tet war 8 ). Jetzt am 30. Juni 1384 erklärte der Erzbischof, diese 
Urkunde sei wider sein Wissen von seinem Vitzthume Ulrich von 
Kronenberg ausgestellt worden und dieser erklärte eidlicb, dass 
dem der Fall sei : ohne das Geheiss, Wissen und Willen Adolfs 
habe er den Brief für Hermann ausgestellt, in der Erwartung, 
dass er ihn zurückgeben werde 4 ). Gewiss war das nur eine Ko- 
mödie, aber Otto konnte nun vorschützen, als ehrenhafter Mann 
sei er gezwungen, dem früher Adolf geleisteten Versprechen treu 
zu bleiben. 

Hermann hatte Grund genug, sich vorzusehen. Wenige 
Wochen später, am 23. August verbündete er sich mit Herzog 
Albrecht von Lüneburg zum gemeinsamen Kampfe gegen Otto 

1) Düringische Chronik des Johann Rothe, hrsg. von Lilienkron 636 

2) Die erste Spur der ausgebrochenen Zwietracht ist die Erklärung des 
Abtes Hermann von Helmarshausen vom 11. Juni 1384, auf Verlangen Adolfs 
der Feind des Landgrafen werden zu wollen. Sudendorf VI, Einleitung 20. 

3) S. S. 312. Otto hatte am 16. October 1382 seinerseits ebenfalls auf 
sein Bündniss mit Adolf verzichtet. Rommel II, Anm. 159. 

4) Sudendorf VI, 102 f. 



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330 



Fünfundzwanzigstcs Kapitel. 



1384-1385. 



für den Fall, dass dieser ihr Feind würde, und ebenso gegen den 
Grafen Wilhelm von Berg, wenn dieser Otto Beistand leiste. 
Auch Albrecht betrachtete den Herzog, mit dem er schon so 
manchen Strauss gehabt, mit misstrauischen Blicken, und er er- 
kannte schnell, wie Recht er gehabt, als Otto ihm offene Feind- 
seligkeit zeigte ')• 

Am schlimmsten für Hermann war, dass auch seine früheren 
Freunde, die thüringischen Markgrafen sich mit Adolf verbünde- 
ten. Die Schuld lag freilich an dem Hessenfürsten selbst, wel- 
cher nicht nur durch die Erbeinigung mit Otto die früheren Ver- 
träge mit Thüringen gröblich verletzt, sondern letztere sogar 
offen im November 1384 widerrufen hatte, indem er sich von den 
hessischen Stadien die Huldigungsbriefe zurückgeben Hess 2 ). 
Wie erzählt wird, war er auch dem Markgrafen Balthasar die ge- 
bührende Entschädigung für die grossen Dienste, welcher dieser 
früher geleistet, schuldig geblieben. So lieh Balthasar den An- 
trägen Adolfs offenes Ohr und schloss mit ihm am 22. Fe- 
bruar 1385 ein Bündniss auf gegenseitige Hilfe in allen ihren 
Ländern 3 ). 

So lagen die Dinge, als Herzog Albrecht vor dem Könige in 
Prag erschien, der den Begleiter auf der Pariser Fahrt, den alle- 
zeit eifrigen Pfleger des Friedens wohl freundlich wird empfan- 
gen haben. 

Der Herzog erwirkte zunächst für Braunschweig, Hannover 
und alle Städte, welche er in den Landfrieden aufgenommen oder 
noch aufnehmen würde, dass, wieviel Bürger auch vorgeladen 
seien, stets zwei Rathsleute und sechs unbescholtene Bürger die 
Stadt vertheidigen könnten. Eine weitere ausdrückliche könig- 
liche Verfügung stellte Alle, die zu den Gerichtsstätten des Land- 
friedens hinziehen oder von ihnen heirareiten unter Rechtsschutz ; 
Dem Herzoge wurde ferner gestattet, alle die, welche durch ge- 
richtliches Urtheil aus dem Landfrieden zu Sachsen oder zu West- 
falen ausgestossen seien, in denselben und in ihr Recht wieder 
einzusetzen, wenn sie dem Kläger Genugthuung geleistet 4 ). 



1) Sudendorf VI, 106, 108. 

2) Nebelthau a. a. 0. 38. 

3) Job. Rothe 636. — Joannis Script, rer. Mogunt. 696. 

4) Vergleiche die Urkunden vom 23. März 1385 bei Sudendorf VI, 125 
und 126, ürkundenbuch der Stadt Braunschweig I, 189. An demselben Tage 



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1385. Rüstungen der Geguer Hermanns von Hessen. 331 

Was sonst noch zwischen Wenzel und Albrecht verhandelt 
worden sein mag, wissen wir nicht; aber wahrscheinlich werden 
die Verfugungen im Interesse Hessens, welche der König am 18. 
und 19. März traf, von Albrecht befürwortet worden sein. Her- 
mann wurde mit drei in seinem Gebiete liegenden Freistühlen 
belehnt, dagegen wurde die Freigrafschaft, welche Friedrich von 
Padberg, einer der zahlreichen Gegner des Landgrafen, innehatte, 
aufgehoben. Der Fürst erhielt zugleich das Recht, einen Landrich- 
ter für Hessen zu ernennen und wurde damit von dem Bande 
befreit, welches ihn mit Otto verknüpfte. So wurde er wenigstens 
davor geschützt, dass nicht seine Feinde im eigenen Lande gegen 
ihn die Friedensgerichte in Thätigkeit setzen konnten 1 ). 

Während Albrecht der Prager Fahrt oblag, verstanden die 
Gegner ihrerseits es trefflich, sich zu verstärken und zvl sichern. In 
den früheren Kriegen hatten die Ritter Hessens und der Umgegend 
die besten Dienste gegen den Landgrafen geleistet; auch jetzt 
sollten sie wieder herangezogen werden und gern waren sie be- 
reit, gegen den Fürsten, der seine Gewalt mit Nachdruck und 
Härte geltend machte, wieder zu Felde zu ziehen. Aber die west- 
fälische Landfriedensordnung, welche alle Gebiete umfasste, die 
bei einem Kriege gegen Hessen in Betracht kamen, war für jede 
kriegführende Partei höchst unbequem. Hermann selbst war 
Theilhaber und Herr mehrerer Freistühle, bei einem Kriege 
konnten auch die anderen Gebiete, deren Herren entweder dem 
Landgrafen freundlich gesinnt oder wenigstens neutral waren, 
leicht in Mitleidenschaft kommen, und schliesslich war zu besor- 
gen, dass selbst der König eine Verletzung der von ihm begün- 



hob Wenzel die Reichsacht auf, in welche Lübeck in Folge einer Streitigkeit 
mit Herzog Albrecht gerathen, da dieselbe jetzt beigelegt sei. Urkundenbuch 
der Stadt Lübeck IV, 496. Zugleich wurde Albrecht beauftragt, den Herzog 
Friedrich von Braunschweig mit den Reich sieben zu investiren, da dieser 
wegen Unsicherheit der Strassen zur Zeit nicht selbst zum Könige kommen 
könne. Scheidt Bibl. Goett. 131. Vergl. Stcbr. Braunschweig I, 104. 

1) Wenk II, 458. Rommel II, Anm. 154. — Am 19. December 1384 hatte 
der königliche Hofrichter Graf Günther von Schwarzburg den Landgrafen wie- 
derholt zur Zahlung von 60000 Mark an die Herren von Ochsenstein in einer 
seit langem schwebenden Ehesteuersache verurtheilt und ein Hilfsvollstreckungs- 
raandat erlassen. Da von dieser Sache in Zukunft nicht mehr die Rede ist, 
hat sie der König damals vielleicht niedergeschlagen. Vgl. Rommel II, Anm. 143. 
Ueher Hermanns Th ei In ahme am westfälischen Frieden vgl. die Notiz bei Friess 
(Ludewig, Geschichtsschreiber von dem Bischofthume Würzburg 661). 



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332 



Ffinfundz wanzigstes Kapitel- 



1385. 



stigten Institution nicht dulden würde. Es war also nöthig, schein- 
bar den Landfrieden zu bewahren und doch Mittel zu finden, 
seine Wirksamkeit zu verhindern. 

Mit vielem Geschick wurde dieser Plan ins Werk gesetzt. 
Erzbischof Adolf, Herzog Otto, Heinrich Graf von Waldeck, Gott- 
fried Graf von Ziegenhain, Heinrich Herr zu Homburg, Friedrich 
Herr zu Lisberg und vierunddreissig Ritter aus Westfalen, Hessen, 
Sachsen und der Buchenau schlössen am 13. März einen Bund 
auf zehn Jahre. Der kriegerische Zweck trty klar zu Tage, ge- 
nau wird die Yerthcilung der Eroberungen u. s. w. bestimmt. 
Der Bund zerfällt in vier Parteien: die Mainzer Gebiete, West- 
falen, Sachsen und Hessen mit der Buchenau; jede ernennt drei 
„Gekorne", denen die Leitung obliegt, und die, wenn es Noth 
thut, Capitel halten. Sie dürfen neue Mitglieder aufnehmen, 
jedoch Fürsten nur mit Willen der bereits in der Einung be- 
findlichen. Trotz alledem wird die Miene vorgenommen, als wenn 
der Bund nur geschlossen wäre, um den westfälischen Landfrie- 
den zu wahren, An der Spitze der Urkunde erklären die Theil- 
nehmer, dass sie zusammengetreten, „um den Frieden, den Karl IV. 
den Herren und Städten zu Westfalen gegeben und andere Briefe 
und Gesetze, die darüber gegeben und gemacht sind, zu halten 
und zu schirmen nach aller ihrer Macht*. Andere Gerichte aber 
von Herren und Städten, die der Kaiser nicht gegeben und 
sie nicht beschworen haben, mit denen sie verunrechtet und ihre 
Freiheiten und Gewohnheiten verletzt werden, erkennen sie nicht 
an ! ). Aber wie wollen diese Herren den Frieden haben ! Wenn 
einer von ihnen von Landfriedens wegen angesprochen wird, so 
sollen er und seine Freunde unter Rechtsschutz hingehen und ant- 



1) Darin liegt zugleich eine Bezugnahme auf Wenzels Befehl vom 7. De- 
cember 1384 (vgl. S. 328), der willkürlichen Deutungen, wie sie hier beabsich- 
tigt wurden, weiten Spielraum gewährte. — Die Ansicht (Stchr. Braunschweig 
I, 471, wo auch irrthümlich der Erzbischof von Köln statt des von Mainz als 
Mitglied genannt ist), dass die Vertragschliessenden sich nur auf den von 
Karl IV. gegebenen Landfrieden verpflichtet hätten, ist irrig; es heisst in der 
Urkunde ausdrücklich : den friede, den — Karl — — geben hait, den vnd an- 

deren brieffen vnd gesecze, die darüber gegeben vnd gemachet sin und 

dahinter: nach vzwisunge des vorgescbriben Rom. Eeysers und ander brieffe 
und gesecze, die den vorgeschriben lantfrieden aneruereu, die wir gesworn 
haben. — — Also sind die späteren Weiterbildungen unter Wenzel mit ein- 
geschlossen. 



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1386. Bund vom 13. Mftrz 1385 ztir Umgehung des Landfriedens. 333 



worten und thun, wie sie von Ehren schuldig sind nach Auswei- 
sung der Gesetze. Wollte man aber das von denen, die in der 
Einung sind, nicht annehmen und sie darüber verlandfrieden und 
verweisen, so ist solches Urtheil nicht als zu Recht bestehend 
zu betrachten. Wenn Jemand, der vor Gericht geladen ist, Be- 
gleitung bedarf, so sollen die Gekornen seiner Partei dieselbe be- 
stimmen und wenn es erforderlich ist, auch die anderen dazu 
heranziehen. Wenn der Vorgeladene in die Stadt, in welche er 
vorgefordert ist, wegen „ehafter kundlicher Noth* nicht kommen 
mag, so kann er Scheinboten schicken, die das erklären und wenn 
er dann verlandfriedet wird, so wollen ihm seine Genossen mit 
aller Macht beistehen *). — Das hiess ganz einfach jede Hand- 
habung des Friedens völlig unmöglich machen; entweder erschien 
der Geladene unter so starkem Schutze, dass ihm fuglich nichts 
angehabt werden konnte, oder er stellte sich gar nicht, ohne 
davon Nachtheile zu haben. 

Im grellsten Lichte zeigt dieser Fall, wie mangelhaft die 
Reichsgesetzgebung , wie unfähig sie war, Institutionen zu 
schaffen, die klar und unzweideutig dem Rechte und der Ordnung 
dienten. Aber so ging es immer; auf dem Papiere machten sich 
alle die unzähligen Landfrieden recht schön, aber da über ihre 
Ausführung sehr selten oder nie etwas Genaueres bestimmt wurde, 
dieselbe meist in den Händen der Fürsten lag, ohne dass das 
Reichsoberhaupt sich darum kümmerte, — und es lag ja kaum 
in seiner Macht, es zu thun — so zerflossen sie meist in Nichts, 
blieben ohne Erfolg. Wenn vollends ein Kurfürst, der Erzkanz- 
ler den Ton angab bei der Beugung des Rechtes, dann waren 
die Zustände völlig trostlos und hoffnungslos 2 ). 

Indessen konnte man sich unter Umständen des Landfriedens 

■ 

« 

1) Sudendorf VI, 120. 

2) Göttingen und Duderstadt, für welche diese neue Vereinbarung bedenklich 
war, wandten sich an den König, um von demselben ein ähnliches Privileg zu 
erlangen, wie Braunschweig und Goslar. Es wurde ihnen auch gewährt: wenn 
mehr als sechs Bürger vor den Landrichter geladen würden, dürften sie durch 
zwei aus dem Rathe und vier oder fünf ehrbare Bürger vertreten werden; vor 
dem Landrichter sollten nur Sachen anhängig werden, die den Landfrieden 
beträfen; nur der Landrichter des Herzogs, kein anderer, sollte gelten. — 
Darauf beschwor Göttingen am 8. November vor dem Herzoge noch einmal 
den Landfrieden; ob dem Schwur aber die frühere Verleihung von 1382 oder 
die Vereinbarung vom März 1385 zu Grunde lag, läset sich nicht erkennen. — 
Ürkundenhuch der Stadt Göttingen I, 344, 345. 



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334 



Funfundzwanzigsles Kapitel- 



1385. 



gegen den Feind sehr gut bedienen. Daher wollte man der „Ge- 
richte die wir haben, die in dieser Einung sind, sie seien heim- 
liche oder offene, sich behelfen und wollen des Alle getreulich bei 
einander bleiben. u Ein Versuch dieser Art scheint auch gegen Her- 
mann gemacht worden zu sein, freilich vergeblich, da dieser vom 
Könige Vernichtung des Spruches erlangte *). 

Immer grösser wurde die Zahl der Feinde Hermanns, sämmt- 
liche westfälische Fürsten erklärten sich gegen ihn ; es ist sehr 
wahrscheinlich, dass Adolf gemäss dem Nürnberger Herrenbund 
sie um Hilfe gemahnt hatte 2 ). 

Von allen Seiten brachen die Feinde in das unglückliche 
Land. Markgraf Balthasar eroberte Eschwege und Sontra, Schloss 
Boyneburg öffnete ihm die Thore, vor Kassel vereinigte er sich 
mit Otto dem Quaden, den Erzbischöfen von Mainz und Köln, 
den Bischöfen von Münster, Osnabrück und Paderborn, dem Gra- 
fen Engelbert von der Mark und den anderen Genossen. Aber 
vergebens wurde die Stadt bestürmt, welche die Bürger unter 
Hermanns persönlicher Leitung mannhaft vertheidigten. Dagegen 
wurde Immenhausen am 19. Juli völlig verbrannt. Hermann blieb 
nichts übrig, als den Frieden mit schweren Opfern zu erkaufen. 
Die Vermittlung übernahmen die westfälischen Fürsten, so dass schon 
am 22. Juli vor Immenhausen das Friedenswerk zu Stande kam. 
Friedrich von Köln verhandelte für sich, Erzbischof Adolf und die 
hessischen und westfälischen Ritter. Dem Erzbischof von Mainz wur- 
den als Kriegskosten 20000 Gulden zugesprochen, für welche ihm 
die drei Schlösser Grebenstein, Immenhausen und Wolfshagen ver- 
pfändet wurden, die auch späterhin in seinen Besitz übergingen. 
Zwischen Hermann und Otto richteten der Graf Engelbert von 
der Mark und Bischof Heidenreich von Münster. Die Erbeinigung 
vom Octoberl381 blieb aufrecht, aber ebenso die Bündnisse zwi- 
schen Mainz und dem Quaden, der ausserdem Schloss Altenstein 
bei Allendorf erhielt. Dieser Entscheid musste den Markgrafen 
Balthasar verletzen; er schloss keinen Frieden und blieb unver- 



1) Rommel II, Anm. S. 161. 

2) Ueber die Betheiligung Simons von Paderborn sagt Gob. Pers. p. 312: 
cum arepo. Colon. — intravit partes Hassiae in exercitu magno et violata ab 
eis est pax illa, quam Henricus Spegel epus. tamquam perpetuis temporibus 
duraturam introduxerat. — Ueber Adolfs Vorbereitungen 8. auch die Urkunden 
bei Quden III, 558; Joannis Scr. rer. Mog. 697; Henneberger Urkundenbucb 
138 ff. 



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1386. Vereinigung über den Landfrieden zu Soest. 335 

söhnt im Besitze seiner Eroberungen Eschwege und Sontra, doch 
scheinen feindselige Handlungen beiderseits für die nächste Zeit 
unterblieben zu sein *)• 

Merkwürdig genug, dass die westfälischen Herren unmittelbar 
nachdem sie aus Hessen aufgebrochen, in Soest am 29. Juli eine 
Vereinbarung trafen, um den Landfrieden in der Heimath noch 
wirksamer und segenbringender zu gestalten. Fast könnte man 
glauben, dass die wilden Scenen des Krieges und der Zerstörung, 
die sie soeben gesehen, in ihnen den Wunsch erweckt haben, 
ihren Landen dergleichen Schrecknisse nach Möglichkeit zu er- 
sparen. Nur auf westfälischem ßoden, wo er entsprungen und 
lange bestehenden Einrichtungen entsprach, scheint der Landfrie- 
den überhaupt wirklich ernstlich gehandhabt worden zu sein und 
Früchte getragen zu haben. Wessen Verdienst das war, ist schwer 
zu sagen, denn von den dortigen Städten war doch ein grosser 
Theil zu unbedeutend, als dass er von Einfluss hätte sein können 
und ausserdem hatten sie mit der Handhabung des Friedens wenig 
zu thun ') ; dieselbe lag in den Händen eines Landvogtes, der wie 
anzunehmen ist, von den über die geeigneten Persönlichkeiten 
sich einigenden Fürsten ernannt wurde. Vielleicht wirkte der 
Umstand günstig ein, dass hier in Westfalen die Macht hauptsäch- 
lich in den Händen geistlicher Fürsten lag, die nicht so ängstlich 
auf die Erweiterung ihres Gebietes bedacht zu sein brauchten, 
wie die weltlichen Fürsten, da sie keine Nachkommenschaft aus- 
zustatten hatten. Wie dem auch sein mag, die Festsetzungen, 
welche damals in Soest vereinbart wurden, bilden einen leuchten- 
den Punkt in der damaligen düstern, an Fehde, Raub und Blutver- 
giessen so überreichen Zeit. Wenn auch die Fehde so sehr im Rechts- 
charakter des Mittelalters begründet war, dass sie sich nicht gänz- 
lich vermeiden Hess, so suchte man hier doch die Rücksichten 
der Humanität walten zu lassen, so weit es irgend ging. 

Die Sicherheit im Frieden, wie im Kriege, die 1371 dem 
Pfluge verliehen worden war, wurde ausgedehnt auf Wagen und 



1) Siehe Beilage XIX. und Kapitel XXVI. — Am 2. December 1385 ge- 
lobte Graf Heinrich von Henneberg dem Landgrafen Hermann, wahrend dessen 
Kriege mit dem Markgrafen still zu sitzen. Henneberg. Urkundenbuch IV, 22. 

2) Sudendorf VI Ein!. 19 (und ähnlich Stchr. Braunsen*. I, 464) meint 
allerdings, in Westfalen seien die Städte stark genug gewesen, ihr Recht 
den mitverbündeten Fürsten gegenüber zu wahren und hätten den Missbrauch 
des Landfriedens kaum zu fürchten gehabt. — Das ist doch wohl zu viel gesagt. 



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330 



Fönfundzwanzigstes Kapitel. 



1385. 



Karren mit zwei Leuten, deren Gespann und Inhalt. Ebenso auf 
alle Feldarbeiter, auf Wein- und Hopfengärten, Jäger mit ihren 
Hunden, auf jeden Mann, wer es auch sei, innerhalb seines Zaunes 
oder Grabens oder seiner Einsiedelung und auf dem Kirchgange. 
Wer des Landfriedens wegen aus ist, soll drei Tage von und nach 
Haus „velich« sein, besonders der Landvogt*;und die mit ihm zum 
Frieden reden. 

Auch das Verfahren bei Gericht wurde so geordnet, dass 
Härten und Ungerechtigkeiten vermieden wurden. Niemanden soll 
man friedlos legen (ausser dem Handthätigen), als bei seinem 
Vor- und Zunamen und in dem Gerichte, darinnen er ist oder die 
That begangen bat und in Sachen, in denen es nach Recht ge- 
schehen kann. Der Angeklagte, der seine Unschuld darthun will, 
soll die Sache Wort für Wort erzählen, ebenso seine sechs Eides- 
helfer. Wenn eine ganze Stadt vorgeladen wird, so mag sie der 
Bürgermeister mit sechs biederen Leuten verantworten. Fehde 
muss unter Siegel angesagt werden. Münzen darf nur, der dazu 
vom Kaiser das Recht hat. Ihren Bauern und eigenen Leuten 
gegenüber bewahrten sich jedoch die Fürsten freie Hand; was sie 
mit ihnen thun, gehört nicht vor den Landfrieden. Nur Friedrich 
von Köln und Engelbert von der Mark, die sich schon so oft mit 
den Waffen gemessen hatten, behielten sich für den Fall des Krie- 
ges vor, nicht an diese neue Ordnung, sondern nur an den eigent- 
lichen Kaiserfrieden gebunden zu sein, indem sie sich besonders 
das Recht reservirten, alsdann gegenseitig Eder, Zaun und Kar- 
ren angreifen zu können. Denselben Vorbehalt machte später 
Herzog Wilhelm von Berg. 

Für den Frieden wurde eine allgemeine Auflage auf den Hof, 
Zaun oder Karren gesetzt; wer sie nicht entrichtet, soll desselben 
nicht gemessen. Bemerkenswerth ist, dass der Landvogt eine 
andere Stellung einnimmt, als in dem Sondervertrage von 1 374. Ihm 
liegt jetzt offenbar nur die Executive ob, während er dort zugleich 
Richter war. Die richtende Gewalt aber liegt nunmehr in den 
einzelnen Territorien. Die anderweitig gemachten Erfahrungen 
wurden in diesem Punkte ebenso berücksichtigt, wie in der Be- 
stimmung, wie es mit der Vorladung ganzer Städte zu halten sei. 
Die Gerichtsbarkeit in den einzelnen Gebieten stand sicher bei 
den Freistühlen; diese erlangten also jetzt die Stellung wieder, 



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1385-1386. Landfriedensbündniss vom 27. April 1386. 373 

die ihnen ursprünglich zugedacht war; erst von nun an werden 
sie mit rapider Schnelligkeit an Bedeutung zugenommen haben , ). 

Als der Vertrag geschlossen wurde, waren der Erzbischof 
Friedrich von Köln, die Bischöfe von Münster, Paderborn und Os- 
nabrück, die Grafen Engelbert zur Mark und Heinrich von Wald- 
eck, Simon von der Lippe, die Boten der Städte Soest, Münster, 
Osnabrück und Dortmund anwesend. In demselben und im fol- 
genden Jahre erfolgten zahlreiche Beitrittserklärungen, welche 
zum Theil bereits in dem Grundpactate vorgesehen waren: der 
Bischöfe Otto von Minden und Florenz von Utrecht 2 ) für ihre 
in Westfalen liegenden Lande, der Grafen von Bentheim, Limburg 
und Sayn, der Herren von Diepholz, Steinfurt, Isenburg u. s. w. 
Dagegen hielten sich die Grafen von Teklenburg 3 ), Schaumburg, 
Rietberg und Eberstein fern, obgleich ihr Anschluss erwartet 
worden war. 

Offenbar wollten sie sich nicht in so bindende Fesseln ein- 
engen lassen. Wie den Genossen Ottos von Braunschweig war 
auch vielen in der Nachbarschaft angesessenen Herren der west- 
fälische Frieden überaus lästig und ihrer Fehdelust hinderlich; 
wie jene suchten auch sie eine Hinterthür, um unter dem besten 
Scheine sich vor energischer Handhabung des Friedensgerichtes 
zu schützen. So kam es auch hier schon am 27. April 1386 zu 
einer Sonderabkunft, an welcher nicht nur solche Herren theil- 
nahmen, die bereits im westfälischen Landfrieden waren, sondern 
auch andere, denen entweder der Beitritt, wenn er nur unter be- 
quemeren Formen möglich war, wünschenswerth erschien, oder 
welche dazu sei es durch den König oder die grossen Fürsten 
Westfalens gedrängt wurden. Der Herzog Wilhelm von Berg, 



1) Die Urkunde mit sämmtlichen Beitrittserklärungen ist gedruckt bei Hä- 
berlin Analecta 344; ohne dieselben bei Jung Hist. com. Bentheim. Cod. dipl. 
232; im Auszuge bei Seibertz II, 656. 

2) Florenz war 1379 durch den Papst von Münster nach Utrecht versetzt 
worden. Ihm folgte auf Wenzels Wunsch der Böhme Potho von Pothenstein, 
der jedoch — schon deswegen, weil er nicht deutsch verstand — sich nicht be- 
haupten konnte, sondern sich in das ihm besser zusagende Bisthum Schwerin 
transferiren Hess. Den Stab von Münster erhielt der thatkräftige Heinrich oder 
Heidenreich Wolf von Lüdinghausen. Erhard 183; Gobelinus Persona 292; 
Ficker Geschichtsquellen des Bisthums Münster I, 72. — Potho fand auch in 
Schwerin Schwierigkeiten; Detmar ad a. 1382, a. a. 0. 320. 

3) Nach Detmar 332 wurde er in diesem Jahre von den Städten Osnabrück 
und Münster besiegt. 

Th. Lindner, Geschichte dea deutachen Reiche». I. 22 



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338 



Fünfundzwanzigstes Kapitel. 



1386-1387. 



Graf Engelbert von der Mark, die Grafen Johann von Nassau -Dillen- 
burg und Adolf von Nassau-Dietz, die Grafen von Waldeck, Teklen- 
burg, Hoya. Schauenburg, Katzenellenbogen, Eberstein, Bentheim, 
Rietberg, Solms-Ottenstein, Delmenhorst, Limburg, die Herren 
Dietrich von der Mark, von Diepholz, Steinfurt und Wildenberg 
kamen überein, des Kaisers Landfrieden zu Westfalen zu halten. 
Die wesentlichen Punkte über den Schutz der Pflüge, der Karren, 
der Personen werden aus der Urkunde vom Juli 1385 herüber- 
genommen. „Wenn der Landvogt", heisst es aber weiter, „den wir zur 
Zeit haben (also der von den geistlichen Fürsten gesetzte) uns Her- 
ren oder den Unseren nicht richten will, Einem allein oder uns 
Allen, wie die Briefe ausweisen, die über den Frieden gegeben sind, 
so haben wir Herren einträchtiglich einen anderen Landvogt ge- 
setzt, der uns richten soll." Wer zum Zwecke des Landfriedens 
Folge bedarf, soll sie vierzehn Tage vorher heischen ; die Zahl der 
Mannschaften, welche Jeder zu stellen hat, wird genau bestimmt. 
Alle Monate findet ein „Landtag" statt, abwechselnd in Hamm und in 
Bielefeld. Bezeichnend ist, dass keine Städte beitreten, dass ferner 
Wilhelm von Berg den Erzbischof von Köln und seine Verwandten 
in Jülich, Geldern, Cleve, der Graf von Katzenellenbogen Ruprecht 
den Aelteren ausnimmt; wenn der Bund den Zweck verfolgte, 
der vorgeschützt wurde, war das durchaus überflüssig. Wir 
können demnach die ganze Abmachung nur als ein Widerspiel 
des Vertrages betrachten, welchen die Gegner des hessischen 
Landgrafen am 13. März 1385 schlössen und dessen Zweck war, 
die Mitglieder vor allen unangenehmen Folgen des Landfriedens 
zu schützen *). Nun erst entschloss sich auch der Herzog Wilhelm 
von Berg, dem neuerdings errichteten westfälischen Landfrieden 
beizutreten, am 30. Januar 1387; nur behielt er sich, wie Graf 
Engelbert von der Mark vor, wenn er mit Erzbischof Friedrich 
in Krieg geriethe, dann nur an die Satzung von 1371 gebunden 
zu sein 2 ). 



1) Lacomblet III, 803. Im December forderte Johann von Nassau aui 
Grund dieses Vertrages vom Herzoge Wilhelm Hilfe, a. a. 0. 806. 

2) Am 8. Nov. 1386 versprach Graf Engelbert, den Herzog von Berg in 
den Frieden, welchen er mit verschiedenen Herren aufgerichtet, zu begreifen 
und auch dahin zu wirken, dass der Erzbischof von Köln diesen in den west- 
fälischen Landfrieden aufnehme. Lacomblet III, 806. - Die Beitrittserklärung 
Wilhelms bei Häberlin 362. An demselben Tage schloss Friedrich mit Wilhelm 
und Herzog Otto von Braunschweig gegenseitigen Frieden auf sechs Jahre 



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1385. 



Tod Albrechts von Sachsen-Lüneburg. 



339 



Noch weniger günstig war die Entwicklung, welche der west- 
fälische Landfrieden in den östlichen Gebieten nahm. Am 28. 
Juni 1385 war der wackere Herzog Albrecht von Lüneburg, als 
er die räuberischen Ritter von Mandelsloh in ihrer Burg Ricklin- 
gen belagerte, durch den Steinwurf einer Blide so schwer verletzt 
worden, dass er fünf Tage später seinen Geist aufgab. In ihm 
brach die festeste Säule des Friedens in diesen Gegenden; wenn 
auch sein Oheim Wenzel, welcher nunmehr die Regierung des 
Landes übernahm, nicht minder ein friedeliebender vortrefflicher 
Fürst war, sah er sich doch bald in schwere Streitigkeiten ver- 
wickelt, welche den Friedensstand untergruben und erschütterten. 
Obgleich der Landfrieden bestehen blieb, war er doch ohne 
rechte Kraft. Herzog Friedrich von Braunschweig hatte sich 
stets wenig um den Frieden gekümmert und gab fortwährend zu 
Klagen Anlass; scheute er sich doch nicht einmal, durchreisende 
Domdechanten von Lübeck und Schwerin überfallen und ausplün- 
dern zu lassen *). 

DassHessen seit dem Anfange des Jahres 1385 wieder einen 
besonderen Landfriedenskreis bildete, wurde schon erwähnt; auch 
hier hinderten die Umtriebe des Erzbischofs Adolf und des Herzogs 
Otto, die schwere Fehde des Jahres 1385 eine gesegnete Wirk- 
samkeit. 

Kurz vorher am 30. Januar 1385 hatten die Söhne Friedrichs 
des Ernsthaften, die drei Brüder Friedrich Wilhelm und Georg, 
Herren des Osterendes, vom Könige das Recht erhalten, einen 
Landrichter zu kiesen, der in ihrer Herrschaft zu Franken und 
im Osterlande „zu beiden Seiten des Waldes" nach dem westfä- 
lischen Landfrieden richten solle 2 ) ; sie vermieden es also, ihre 
Unterthanen dem Landvogte ihres Oheims Balthasar unterzuordnen. 
Am 3. Mai nahmen sie Heinrich von Stolberg, erwählten Bischof 
von Merseburg, in den Landfrieden auf, der sich ihres Landrich- 
ters bediente. In Merseburg standen, seitdem Friedrich nach 
Magdeburg versetzt worden, zwei Prätendenten sich feindlich gegen- 



unter Anordnung eines Schiedsgerichtes für entstehende Zwistigkeiten. La- 
comblet III, 806 ; Sudendorf VI, 178. Der Herzog von Berg lag mit dem Erz- 
bischofe über Zölle in Streit. Ennen, Gesch. der Stadt Köln II, 757. 

1) Stcbr. Braunschweig I, 110. In dem Fehdebuche finden sich vielfache 
Beziehungen auf den Landfrieden: 86, 93, 99, 100, 111 j die letzte S. 116 vom 
Mai 1387. 

2) Horn 666. 

22* 



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340 



Fünfuodzwanzigstes Kapitel. 



1385. 



über. Daß Capitel hatte Burkhard von Querfurt zum Bischöfe 
gewählt. Der Papst Urban indessen, dem ja nichts mehr am 
Herzen lag als sich Wenzel geneigt zu erhalten, providirte auf 
dessen Wunsch — wie vorher in Münster — einen Böhmen 
Andreas aus der dem Könige sehr nahe stehenden Familie der 
Duba, der sich jedoch im Bisthume nicht fest setzen konnte. Als 
Burkhard bereits im Juni 1384 starb, kor das Capitel, ohne die 
Befehle des Papstes zu achten, Propst Heinrich von Stolberg, 
der natürlich ebenso wenig von Urban Bestätigung erlangen 
konnte. Lange Jahre zog sich der Streit hin, in den sich der 
König nicht gemischt zu haben scheint, erst 1392 wurde Heinrich 
von Bonifacius IX. confirmirt. Eben deswegen wird sich Bischof 
Heinrich den thüringischen Landgrafen angeschlossen haben, um 
ihren Beistand zu erlangen, und diese nahmen zwar ihre Pflich- 
ten gegen den König, aber ebenso den Krieg gegen den von Duba 
vom Landfrieden aus. Heinrich war demnach sicher, dass der 
Landfrieden nicht gegen ihn in Anwendung gebracht wurde *). 

In denselben Tagen, in welchen Herzog Albrecht von Lüne- 
burg auf dem Sterbebette lag, am 1. Juli, erlangte auch Erz- 
bischof Albrecht von Magdeburg vom Könige das Recht, einen 
eigenen Landrichter zu nennen und schied damit aus dem braun- 
schweigisch -lüneburgischen Kreise aus 2 ). Ihm selbst mochte das 
willkommen sein, aber der allgemeinen Sache war es sehr unzu- 
träglich. Als Albrecht im März 1384 dem Landfrieden beitrat, 
hatte er gelobt, dass seine Städte bis Walpurgis ihn gleichfalls 
beschwören sollten. Aber die Stadt Magdeburg weigerte sich es zu 
thun, da der Frieden gegen das gemeine Sachsenrecht und auch 
gegen ihr eigenes sei. Wahrscheinlich wollte sie, durch die Erfah- 
rungen der braunschweigischen Schwestern gewarnt, nicht frem- 
dem fürstlichem Gerichte sich unterordnen, vielleicht auch war 
sie nicht gewillt, die Abgabe, welche für den Landfrieden erhoben 
wurde, zu entrichten 8 ). Die Stadt kam jedoch deswegen bald in 



1) Horn 671. Chron. episc. Merseb. (Mon. Germ. bist. Scr. X) 202; nach 
demselben hatte Heinrich die markgräflichen Brüder mit Ausnahme des älte- 
sten, Wilhelm zu Feinden. 

2) Erhard Mittheil. 38. 

3) Eine solche scheint überall, wo der Landfrieden eingeführt war, erhoben 
worden zu sein; so in Westfalen vgl. S. 336, in Braunschweig heisst sie „der 
Landfriedens-Pfennig' 1 fa. a. 0. 96). Die Magdeburger Schöppenchronik klagt 
(a. a. O. 288), die Fürsten hätten die Klöster, Dörfer und armen Leute be- 



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1386. 



Auflösung der LandfriedenBkreise. 



Bedrängnis8 ; als sie mit Albrecht gegen des Gotteshauses Feinde 
auszog, wurde sie vor den Landrichter zu Goslar geladen und zu 
einer Strafe von 200 Mark verurtheilt, wohl zum Schadenersatz. 
Die Bürger ersuchten den Erzbischof um Vertheidigung, welche 
dieser ablehnte, da sie nicht den Landfrieden beschworen; nur 
wenn sie es thäten, könnten sie vor dem Gerichte antworten. 
Die Bürger zogen vor die Summe zu zahlen, welche der Schoppen- 
Schreiber, der treffliche Verfasser der Chronik, nach Goslar über- 
brachte. Doch der dortige Rath übernahm die Vermittelung, 
bo dass schliesslich Ladung und Verurtheilung niedergeschlagen 
wurden '). — Als Albrecht selbst den Landrichter bestellte, scheint 
die Stadt ihren Widerstand gegen den Beitritt aufgegeben zu 
haben. 

Ein halbes Jahr später wurde ein anderer der bestehenden 
Landfriedenskreise zerlegt, nämlich derjenige, welchen die Reichs- 
stadt Goslar, der Bischof von Hildesheim und die von Goslar auf- 
genommenen Städte Quedlinburg, Aschersleben und Halberstadt 
bildeten. 

Am 1. Februar 1386 gestattete der König der Aebtissin Irmgard 
von Quedlinburg für ihre Lande und namentlich für die Stadt Qued- 
linburg sowie für Aschersleben und Halberstadt, die mit einander 
ein ewiges Bündniss „durch Friedens willen* haben, einen Land- 
richter zu setzen. Die genannten Städte müssen demnach aus 
dem Landfriedenskreise, dem sie bisher angehörten, ausgeschieden 
sein; sie konnten erwarten, in dem kleineren Verbände, in welchem 



schätzt; an einer anderen Stelle S. 289, dass die Herren von dem Pfluge einen 
„ Vierding" dem Landfrieden zu Hilfe genommen hätten. — In Hessen musste 
jeder Pflug, jeder Kaufmann und wer eine oder zwei Meilen wanderte, dem 
Landgrafen ein Pfund Pfennige erlegen; Eschwege musste den Landfrieden 
mit 400 Gulden erkaufen (vgl. Zeitschrift des Vereins für hess. Gesch. N. F. 
IH. 1871. 37 aus einer freilich parteiischen Quelle). 

1) Stchr. Magdeburg I, 288. — Die Sache ist nicht recht klar, der Ver- 
fasser scheint einseitig im städtischen Interesse darzustellen. Gegen wen der 
Zug gerichtet war, auf welchem die Stadt den Erzbischof unterstützte, wird 
nicht gesagt; jedenfalls können es nicht die Unternehmungen gegen märkische 
Ritter, von denen gleich dahinter die Rede ist, gewesen sein, da diese nicht 
im Landfrieden waren. Albrechts Verhalten in dieser Angelegenheit „Arglist" 
zu nennen, wie es in Stchr. Braunschweig I, 92 Anm. 4 geschieht, ist wohl zu 
weit gegangen. Denn in allen diesen Landfriedensbriefen steht ausdrücklich 
die Bestimmung, dass der, welcher ihn nicht geschworen, sich seiner auch nicht 
bedienen kann. 



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342 



Fünfundzwanzigstes Kapitel. 



ihre Macht besser zur Geltung kam, mehr Sicherung ihrer 
Interessen zu finden. Ohnehin scheint der Bund der Sachsen- 
städte vom Juli 1384 keine rechte Lehenskraft besessen zu 
haben. — Der König aber konnte durch solches Verfahren dem 
Landfrieden nur die geringe Kraft rauben, die er überhaupt hatte; 
je zahlreicher und kleiner die Gerichtssprengel wurden, desto 
weniger war natürlich eine Wirkung im Grossen möglich; die 
Landfriedensgerichte wurden mehr und mehr Territorialgerichte 
und allein noch gegen Verbrecher geringen Standes anwendbar. 
Und noch bedenklicher war die gleichzeitige Bestimmung, dass 
wenn einer der stiftischen Untersassen vor einen anderen Land- 
richter oder ein anderes Gericht geladen und dort yerurtheüt 
würde, der Spruch keine Kraft haben sollte. Das hiess einfach, 
die Grundpfeiler der ganzen Institution wegreissen '). Am schlimm- 
sten aber war, dass der König hier offenbar im eigenen Inter- 
esse das öffentliche Wohl schädigte. Denn die der Aebtissin ge- 
währte Gnade war wohl nur der Dank dafür, dass sie dem lu- 
xemburgischen Hause als Gesammtinhaber der Mark die Graf- 
schaft Lindow (in Ruppin) und die Herrschaft Möckern zum rechten 
Lehen übertrug 2 ). 

Trotzdem der Landfrieden immer mehr an Werth einbüsste, nahm 
er doch an Umfang stetig zu. In demselben Jahre wurde er von 
einem grossen Theile der Grafen vor dem Harze beschworen, von 
den Grafen von Reinstein, Mansfeld, Wernigerode, Stolberg, Schwarz- 
burg, Querfurt und Barby; der Lage der einzelnen Herrschaften 
nach werden sie verschiedenen Landfriedenskreisen angehört haben s ). 
Die Reinsteiner Grafen lagen seit längerer Zeit mit denen von 
Wernigerode in Fehde 4 ). Als Graf Dietrich von Stolberg- Werni- 
gerode, der schon durch so manchen kecken Raubzug berüchtigt 
war, Landfriedensgesetze verletzte, wurde er von den Reinsteinern 
vor dem Landrichter in Goslar verklagt und ihm später ein neuer 
Tag vor dem Erzbischofe Albrecht von Magdeburg bei Blanken- 

1) Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg 187; der Landfrieden wird mr 
nicht ausdrücklich als der westfälische bezeichnet, indessen kann nur dieser 
gemeint sein. 

2) Riedel Cod. dipl. Brand. II, 3, 94; vgl. Pelzel Karl II, 918. 

3) Sudendorf VI, Einl. 29. 

4) 1383 April 19. Bündniss der Grafen von Reinstein mit den Schwarz- 
burgern und den Städten Quedlinburg, Halberstadt und Aschersleben gegen die 
Grafen yon Wernigerode. Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg 172. 



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1386. Weitere Verbreitung des westfälischen Landfriedens. 343 

bürg gesetzt, damit er dort seine Gegenrede beweise. Er erschien 
mit geringer Begleitung; schuldig befunden verfiel er nach dem 
Rechte dem Tode durch den Strang. Doch die äusserte Schmach 
sollte ihm erspart bleiben ; auf Befehl der Fürsten gab ihm ein 
Knappe mit dem Schwert die Todeswunde, dann stiessen die 
Herren ihm ihre Dolche in den Leib; den todten Körper hängte 
man eine kurze Zeit auf, um die vorgeschriebene Form zu er- 
füllen. — Der strenge Act gegen einen so vornehmen Herrn er- 
regte die allgemeine Aufmerksamkeit, aber er scheint doch ein 
zu vereinzelter gewesen zu sein, als dass er nachhaltige Wirkung 
hätte haben können , ). 

„Zu derselben Zeit machte der römische König mit all den 
Städten in Böhmen und Polen einen Landfrieden, zu dem er Für- 
sten und Herren heranzog, welche die Fehme so streng hielten, 
dass man Räuber und Schalke hängte, die vorher über zwanzig 
Jahre geraubt hatten." So erzählt der ehrliche Detmar, der 
immer mit besonderer Freude berichtet, wenn Verbrecher von 
dem verdienten Strange ereilt wurden. Es ist anzunehmen, dass 
der König für seine Lande ein ähnliches Gerichtsverfahren ein- 
führte, wie es in dem westfälischen Landfrieden begriffen war; 
leider fehlen uns alle Nachrichten, um genauere Einsicht in diese 
Verhältnisse zu gewinnen 2 ). 

Jedenfalls aber lag es in Wenzels Absicht, den Landfrieden 
über das ganze Reich zu erstrecken und die Wünsche der Fürsten 
kamen ihm bereitwillig entgegen. Bereits am 23. October 1384 
hatte der König dem Bischöfe Gerhard von Würzburg das Recht 
verliehen, in seinem Lande einen Biedermann als Landrichter zu 
kiesen, der alle Sachen gemäss dem westfälischen Landfrieden 
richten solle; 3 ) am 13. December 1386 gab er dem Bischöfe 



1) Sudendorf VI, Eiol. 29 und 30 hat die einschlagenden Stellen gesammelt, 
zu denen noch die in der Magdeburger Chronik 290 (falsch mit 1387) und die 
freilich ganz werthlose bei Engelhus ed. Mader p. 281 zu ergänzen sind. Am 
besten ist wohl Detmars Bericht 

2) Detmar z. J. 1386 S. 337. Das Friedensbündniss der altmärkischen 
Städte, welches der Hauptmann Leuthold von Krumsdorf am 6. Mai 1386 ver- 
einbarte (Riedel I, 25, 270), zeigt, dass dort der westfälische Landfrieden 
nicht eingeführt war. Die lausitzischen Vehmgerichte haben mit unserm Land- 
frieden nichts zu thun. 

3) Reg. Bo. X, 142. — Friess (bei Ludewig, Geschichtsschreiber von dem 
Bischofthume Würzburg 661) sagt: 1385 Mittwoch vor Lichtmess (Februar 1.) 



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344 



Fünfundzwanzigstes Kapitel. 



Lampert von Bamberg, dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg 
und dem Erzbischofe Kuno von Trier denselben Landfrieden. 
Der König nahm zugleich Gelegenheit, einige Bestimmungen ein- 
zuschärfen: Niemand soll ohne seine ausdrückliche Genehmigung 
dem von Karl Verordneten Stücke oder Artikel zusetzen; sobald 
an den König und das Reich Appell eingelegt wird, darf der Land- 
richter kein Urtheil fallen. Die Diener und Unterthanen der 
königlichen Erblande dürfen vor keinen Landrichter geladen werden, 
diejenigen, „die dem Rotenberg gelegen sind, soll man vor den 
dortigen Pfleger fuhren, die luxemburger Insassen vor den Grafen 
Simon von Sponheim genannt von Vianden, welche beide der König 
zu Richtern gegeben und gesetzt hat, nach dem westfälischen Land- 
frieden zu richten. u Derselbe war demnach auch für die könig- 
lichen Lande jenseits des Böhmerwaldes und Luxemburg einge- 
führt worden *). 

Auch die baierischen Herzöge werden um dieselbe Zeit den 
Landfrieden erhalten haben 2 ). So galt derselbe fast in ganz 
Deutschland; nur in Schwaben und in den Ländern am oberen 
und mittleren Rhein war er noch nicht eingeführt, in den Gegen- 
den also, welche der schwäbisch-rheinische Städtebund durchzog. 
Je enger um ihn sich die Landfriedenskreise schlössen, um so 
aufmerksamer wurden die Bürgerschaften; ohnehin argwöhnisch 
alle Handlungen der Fürsten beobachtend und verfolgend glaub- 
ten sie bald, dass dieser plötzliche Friedenseifer ihrer Gegner nur 
eine neue Tücke sei, um ihnen zu schaden. Und in der That 
waren diese Besorgnisse nicht ohne Grund, denn die Vorgänge 
im Norden hatten deutlich gezeigt, wie sehr die Städte auf der 
Hut sein mussten, wenn sie nicht der gröbsten Willkür preis- 
gegeben sein wollten. Einigen Schutz gewährte es freilich, wenn 
die Städte selbst die Landrichter setzen konnten, wie das Goslar 
wenn auch im Vereine mit dem Bischöfe von Hildesheim erreicht 
hatte. Eben damals im October 1386 erhielten auch Erfurt, Mühl- 
hausen und Nordhausen vom Könige die Erlaubniss, einen Land- 



ist Bischof Gerhard zu König Wenzel, Bischof Adolf von Mainz und Land- 
grafen von Hessen in den westfälischen Frieden kommen. — Wahrscheinlich 
lag Friess eine Urkuüde vor, doch muss io den Worten „zu König Wenzel" 
ein Irrthum Btecken. 

1) RA. n. 296 und 297. - Publications XXV, (in), 36. 

2) Sonst hatte der König das Widerrufungsschreiben nicht auch an nie 
gerichtet. RA. n. 298. 



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1386. Besorgnisse der Reichsstädte. 345 

richter zu ernennen, der in einer der drei Städte die einschlagen- 
den Sachen richten soll; kein anderer Landrichter soll über sie 
Macht haben. Zwei Rathleute aus jeder Stadt sollen die Ihrigen 
„verantworten und versprechen an allen steten" , da es Noth thut 
und wenn sie denken, dass ihnen Unrecht geschieht, an den Kö- 
nig Berufung einlegen. Wenn Sieben aus dem Rathe beschwören, 
dass die beklagte That wirklich geschehen sei, soll dagegen kein 
anderer Eid gelten und dem Kläger sein Recht werden. Da die 
Städte damit noch nicht zufrieden waren, erlangten sie die wei- 
tere Gnade, dass ihre Bürger der Ladung keines anderen Land- 
richters folgen sollten; wer dagegen handele, sei als Landfriedens- 
brecher zu erklären *). 

Indessen waren das doch nur aussergewöhnliche Concessio- 
nen, auf die nicht immer gerechnet werden konnte ; dass sie über- 
haupt gegeben wurden, war im Süden zudem gewiss unbekannt. 
Dort genügte das, was man über den westfälischen Landfrieden 
hörte, Richtiges und Unrichtiges, vollständig, um die Gemüther in 
die höchste Aufregung zu versetzen. Wir besitzen eine inter- 
essante Aufzeichnung, etwa im November 1386 gemacht, welche 
das allezeit rege und thatkräftige Ulm seinen Genossen über- 
mittelte; überaus deutlich spiegeln sich in ihr die Anschauungen 
wieder, welche die Städte von den Absichten und dem Gebahren 
ihrer fürstlichen Gegner hegten *). 

Einige Fürsten und Herren hätten einen Landfrieden, der 
Faim (Vehme) genannt, aufgebracht, welcher sich immer weiter 
verbreite; wahrscheinlich würden ihn alle Mitglieder des Nürn- 
berger Herrenbundes 8 ) beschwören. Wer den Faim nicht schwört, 
kann sich, wenn er vorgeladen wird, nicht verantworten, wird ver- 
vehmt und von den Faimgrafen, „die man heimlich darüber ge- 
setzt bat, so dass Niemand weiss, wer dieselben sind", ohne alles 
Urtheil gehängt. — Man sieht, wie Wahrheit und Missverständniss 
hier zusammengeflossen sind. In der That galt beim westfälischen 
Landfrieden die Bestimmung, dass man nur denen, die ihn be- 
schworen, richten solle, d. h. nur solche konnten vor Gericht ge- 
genüber der Anklage sich verantworten. Andernfalls oder wenn 
der Beklagte nicht erschien, wurde dem Kläger ohne weiteres der 



1) Vgl. die Urkunden bei Erhard 44 ff. 

2) RA. n. 292. 

3) Dieser ist jedenfalls im Paragraph 2 gemeint. 



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346 Fünfundzwanzigstes Kapitel. 1386 - 

Beweis zugestanden und wenn dieser für erbracht befunden wurde, 
das Urtheil gefällt und vollzogen. Das war aber ein Brauch, der 
sich auch bei anderen Landfriedensverträgen findet; offenbar wollte 
man dadurch einen Druck ausüben und möglichst Viele nöthigen, 
sie zu beschwören. Freilich war das für die Städte, die nicht 
theilnahmen, sehr misslich und es konnten sich die grossten 
üebelstände daraus ergeben. Denn sie oder ihre Bürger konnten 
von jedem Landfriedensmitgliede verklagt werden und die Yer- 
urtheilung war dann so gut wie sicher ; die eigenen Gerichte der 
Städte wurden natürlich in diesem Falle nicht berücksichtigt. 
Wie die Aufzeichnung berichtet, war Derartiges auch vorgekommen 
„und wie es gehen wird, weiss Niemand". Dagegen gab es Frei- 
grafen nur in Westfalen, deren Namen und Stand keineswegs m 
Dunkel gehüllt war. Nur dort konnte sich das Gericht in ein heim- 
liches Ding, in die beschlossene Acht umwandeln; bei den übrigen 
Landfriedensgerichten findet sich keine Spur davon. Und dass 
die westfälischen Vehmgerichte schon damals ihre Thätigkeit über 
den Boden ihrer Heimat hinaus ausgedehnt , läset sich nicht er- 
weisen. Wenn es geschehen wäre, wenn namentlich Bürger der 
Reichsstädte bereits dem heimlichen Gerichte zum Opfer gefallen 
wären, würde unsere Aufzeichnung sicher die Thatsachen anfüh- 
ren, nicht blosses Gerücht erwähnen. 

Diesen Gerichten wird zudem nachgesagt, dass sie keinen 
wirklichen Rechtsschutz gewährten und ein Fall angeführt, wie ein 
ehrbarer Mann von dem, der ihn eben beraubt, vor denFaim ge- 
laden und von dem Räuber aufgefordert wird, ihn zu sichern auf 
ein freundlich Recht. Vergebens macht der Vorgeladene geltend, 
dass jener ihn beraubt ; der Verbrecher beschwor seine Unschuld, 
so dass ersterem nichts übrig blieb, als die Forderung zu ge- 
währen. — Wie weit die erzählte Thatsache begründet war, lässt 
sich natürlich nicht entscheiden. Es war vorgekommen, dass der 
wirklich Schuldige durch einfachen Eid sich von der Klage reinigte, 
und vielleicht war es nur ein solcher Fall , der in übertriebener 
Form den süddeutschen Bürgerschaften zu Ohren gekommen war. 
Königliche Verordnungen, wie Vereinbarungen der Herren hatten 
solche Missbräuche abzustellen gesucht. 

Nichts jedoch schreckte die Städte mehr, als die Besorgniss, 
dass die ganze Institution nur gegen ihre Interessen gerichtet sei. 
„Die Fürsten lassen ihre Unterthanen nur deswegen den Land- 
frieden schwören, damit sie durch ihn der Ihren gewaltig werden 



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1386-1387. Aufhebung des westfälischen Landfriedens. 347 

und sicher sind, dass sie mit den Städten kein Bündniss machen 
noch Bürger in denselben werden. Es ist zu besorgen, dass man 
den Faim gegen Niemanden gemacht hat, als wider die Städte. 
Die Fürsten meinen sich dadurch zu stärken und ihre Ritter und 
Knechte, Bürger und Bauern damit zu hinterkommen, dass sie 
nicht zu den Städten kommen mögen." 

Die Städte suchten demnach die Gefahr an einer anderen 
Stelle, als sie wirklich lag. Soweit unsere allerdings nur lücken- 
und maugelhafte Kenntniss reicht, bot der Landfrieden den Für- 
sten keinen Anhalt gegen das Pfahl bürgerthum und zwar wohl 
einfach aus dem Grunde, weil dieses in Norddeutschland nicht 
entfernt die Bedeutung hatte, wie im Süden. Die Städte grün- 
deten ihre Vermuthung darauf, dass Etliche meinten, wer den 
Faim schwöre, müsse dabei bleiben und ihn halten; sie schlössen 
daraus, dass kein Mitglied desselben sich in eine andere Verbin- 
dung einlassen dürfe. Der Landfrieden war allerdings für ewige 
Zeiten gesetzt worden, wenn ihn der König nicht widerriefe, 
aber Einzelbündnisse zu irgend welchen anderen Zwecken schloss 
er keineswegs grundsätzlich aus. 

Wie dem nun auch sein mochte, die Städte waren auf 
ihrer Hut; am 23. November 1386 schickte Ulm den be- 
sprochenen Bericht an Speier zur weiteren Berathung im rheini- 
schen Bunde, der denn auch im Januar 1387 in Speier darüber 
verhandelte *). — 

Die Besorgnisse der Städte wurden jedoch bald zerstreut. 
Schon am 10. März 1387 widerrief der König in Würzburg „feier- 
lich und gänzlich" den von seinem Vater und ihm errichteten 
westfälischen Landfrieden. „Denn es wird mit demselben jetzt 
grosse Gefährde getrieben und geführt, Landen und manchen 
Leuten zu Verderbniss und zu Schaden und er wird nicht so ge- 
halten, wie er begriffen ist, wie wir des kundlich unterwiesen sind 
und grosse Klage an uns gekommen ist." Wer mit demselben 
glaube, zu Schaden gekommen zu sein, möge an den König und 
sein und seines Reiches Hofgericht berufen 2 ). 



1) RA. n. 293, 294. Ob der Posten Frankfurts für den „heimlichen Diener 
zu Westfalen" im October bereits mit unserer Sache in Verbindung steht, ist 
zweifelhaft. Weizsäcker nimmt es an. — Auch auf der Ordnung des Tages, 
welchen die schwäbischen Städte am 1. Januar zu Konstanz hielten, stand: 
„von der buntnisse wegen, die vf erstanden ist, die man nampt die faymgrafen." 

2) RA. n. 298. Dass die Verfügungen vom 13. December 1386 (S. 343) 



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Fünfundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



„Mit wohlbedachtem Muthe und gutem einträchtigem Rathe 
unser und des Reiches Kurfürsten, Fürsten, Edlen und Getreuen, 
die mit uns auf dem Tage zu Würzburg waren*, erklärt der Kö- 
nig, seinen Befehl zu erlassen. Wir wissen nicht, welche von den 
Fürsten den König in Würzburg umgaben und dadurch wird eine 
Kritik des königlichen Entschlusses wesentlich erschwert ! ). Es 
ist geradezu behauptet worden, dass er auf den Wunsch der Städte 
gefasst worden sei 2 ) und wenn man bedenkt, dass diese eben da- 
mals an der Aufhebung der Institution das wärmste Interesse 
hatten, dass ihnen wenige Tage später der König die weitgehend- 
sten Zugeständnisse machte und sich mit ihnen sogar verbündete, 
so scheint eine derartige Annahme fast geboten. Und doch wird 
man sich hüten müssen, ihr allzu einseitig nachzuhängen. 

Denn nicht blos die Städte sahen sich durch den westfälischen 
Landfrieden bedroht, in ganz gleichem Masse war es auch die 
Ritterschaft. Das Bild des hingerichteten Stolberg mochte Man- 
chem aus ihrer Mitte schreckhaft vor Augen schweben. Denn der 
Landfrieden konnte selbst in der Hand der Fürsten zur furcht- 
baren Waffe gegen die fehdelustigen Ritter werden, und jetzt 
hatten auch sogar Städte das Recht erhalten, einen Landrichter 
zu ernennen. Von beiden Seiten durfte die Ritterschaft keine 
grosse Schonung erwarten. 

Andererseits mussten auch der König und die grossen Für- 
sten selbst erkennen, dass die Hoffnungen, welche sie auf den 
Landfrieden gesetzt, sich nicht erfüllten. Die ursprüngliche Ab- 
sicht, nur grosse Kreise zu schaffen, die mit einander in 
Wechselwirkung standen, war nicht durchgeführt worden. Ein 
Anlauf dazu wurde allerdings gemacht, indem der König be- 
stimmte, dass die Sprüche eines Landfriedensgerichtes auch in 
andern Kreisen Geltung haben sollten, aber von diesem richtigen 
und fruchtbringenden Gedanken wurde bald wieder abgewichen. 
Nur zu bald strebten die einzelnen Glieder des Landfriedens da- 
nach, auch in ihm ihre Sonderstellung zu behaupten, eigenes Ge- 
richt und einen eigenen Richter zu erlangen. Der particularistische 

bereits unter dem Einflüsse der Städte erlassen sind, wie Weizsäcker S. 522 
annimmt, glaube ich nicht. Einmal spricht dagegen die Zeitfolge, dann ent- 
halten die Verfügungen nichts, was der König nicht schon früher angeord- 
net hätte. 

1) Siehe Kapitel XXVII. 

2) So fasst Weizsäcker S. 521-522 die Sache. 



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1387. 



Aufhebung des westfälischen Landfriedens. 



349 



Geist, welcher die ganze Zeit beherrscht, übte auch hier schnell 
seinen verderblichen Einfluss. 

Es wäre Unrecht, wenn man einseitig alle Schuld an dem 
Verfalle dieser Landfriedensinstitution dem Könige zuschreiben 
wollte, denn die Verhältnisse waren mächtiger als er. Und ebenso 
wenig begründet wäre es, deshalb über die damaligen Fürsten, 
Herren und Städte rücksichtslos den Stab zu brechen, sie mit mo- 
dernem Maasse zu messen. Die Schuld lag eben an dem Ge- 
sammtzustande des Reiches. Erst mussten wieder Mittel und 
Wege gefunden werden, eine einheitliche und wirksame oberste 
Gerichtsbarkeit zu schaffen, ehe von den Einzelnen ein Aufgeben 
der Sonderstellung im Interesse des Ganzen erwartet und gefor- 
dert werden konnte. Aber da diese neu begründete oberste Ge- 
richtsbarkeit so beschaffen sein musste, dass sie der Landeshoheit 
nicht zu nahe trat, war sie nicht durch Stärkung der persön- 
lichen Autorität des Königs zu erzielen. Das Streben, diese an 
sich widersprechenden Gesichtspunkte zu vereinen, wird dann 
auch im fünfzehnten Jahrhunderte der leitende Faden der Ver- 
handlungen im Reiche. 

Eine consequente Durchführung des Landfriedens erforderte 
von den in jedem Kreise eingeschlossenen Reichsständen das 
schwerste Opfer, welches es geben konnte, den theilweisen Ver- 
zicht auf eigene Gerichtsbarkeit. Denn wenn auch über die Per- 
sönlichkeit des Landrichters mit dem Kreishauptmann — wenn 
hier der Ausdruck gebraucht werden darf — meist eine gütliche 
Vereinbarung stattfinden mochte, war das eine sehr geringe Ent- 
schädigung, die vor unerwünschten Urteilssprüchen keinen Schutz 
gewährte. Diese Friedensgerichte nach westfälischem Muster 
griffen zudem ganz anders und ungleich tiefer als die gewöhn- 
lichen Landfriedensgerichte in das innerste Leben der Gebiete 
ein. Was Wunder, wenn nun Jeder, der es irgend erreichen 
konnte, danach strebte, sich von dem grösseren Kreise loszu- 
reissen und seinen eigenen Landrichter zu setzen. Häufig genug 
wird sich diese Forderung durch anfechtbare Urtheile des allge- 
meinen Landfriedensgerichtes haben begründen lassen. Demge- 
mäss waren in Niederdeutschland eine Anzahl von Landfriedens- 
kreisen entstanden und es ist wahrscheinlich, dass uns nicht ein- 
mal alle derartigen Urkunden bekannt oder erhalten sind. 

Dabei blieb der Verlauf der Dinge noch nicht stehen. Selbst 
wenn man den eigenen Landrichter hatte, konnten die Unter- 



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350 



Fünfundzwanzigstes Kapitel 



1387. 



thanen doch noch immer bei den benachbarten Landfriedensge- 
richten belangt und verurtheilt werden. Auch diesen Eingriff in 
die selbstherrliche Gerichtsbarkeit galt es abzuweisen und wie wir 
es von der Aebtissin Irmgard von Quedlinburg und den ihrem 
Schutze anbefohlenen Städten, dann von Erfurt, Mühlhausen und 
Nordhausen wissen, werden wohl noch andere Landfriedensglie- 
der solche Nicht-Evocationsprivilegien erhalten haben. Wenig- 
stens war doch einmal dieser Weg betreten. Leider muss ja auch 
zugestanden werden, dass solche Wünsche nicht ganz unbillige 
waren, da es unter den Fürsten immerhin einzelne gab , die den 
Landfrieden als ein Mittel der eigenen Machtfbrderniss betrachte- 
ten, eine gerechte Handhabung nicht im entferntesten beabsich- 
tigten! Wem kann man es verdenken, wenn er nicht Lust hatte, 
dem bösen Otto von Göttingen irgend richterlichen Einfluss auf 
seine Unterthanen zu gestatten? 

Unter solchen Umständeu aber war nicht nur die Wirksam- 
keit des Landfriedens wesentlich gestört, die grossen Fürsten 
sahen sich auch um den gehofften Einfluss auf die in ihrem Ge- 
biete sitzenden und benachbarten Herren und Städte gebracht. 
Wie leicht ausserdem sich noch immer Hinterthüren fanden, um 
die Landfriedensgerichte unwirksam zu machen, zeigten genug- 
sam die Vereinigungen der braunschweigisch-hessisch- westfälischen 
und der rheinisch- westfälischen Herren. 

Verringerten sich so mehr und mehr die Vortheile, so blieben 
die Nachtheile bestehen. Denn die Bestimmungen des Friedens, 
so grossen Segen sie der Masse des Volkes brachten, waren doch 
für die Fürsten überaus lästig. Wie sehr wurde jede Fehde er- 
schwert, wenn man den Gegner nicht mehr nach Herzenslust 
brennen und schädigen konnte, — und schliesslich liefen ja alle 
damaligen Kriege mehr oder minder darauf hinaus, — sondern 
allerhand Rücksichten zu nehmen hatte; wie unbequem war es 
namentlich, wenn man sich nicht mehr am Gute des Kaufmanns 
„erholen** konnte. Wo war schliesslich die Garantie gegeben, 
dass der Gegner gleich schonend zu Werke ging? 

Daher konnte es geschehen, dass selbst Kurfürsten, wie Adolt 
von Mainz, durch einen Sondervertrag dem Landfrieden die Spitze 
abbrachen, oder wie Friedrich von Köln, gewisse Ausnahmen 
statuirten oder gar dem Landfrieden geradezu Trotz boten 



1) Vgl. die Verträge Friedrichs mit Engelbert von der Mark und Wilhelm 



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1387. 



Aufhebung des westfälischen Landfriedens. 



351 



So sah sich der König vor einem Gewirr verschiedener und 
entgegengesetzter Ansprüche, während die Institution zugleich 
ihre rechte Bedeutung eingebüsst hatte. Es war Zeit, dass sie 
fiel, da sie nur wenig Nutzen, desto mehr Unheil stiften konnte. 
Wenn es daher auch wahrscheinlich ist, dass die Wünsche der 
Städte den Ausschlag gegeben, Wenzel zur Aufhebung des Land- 
friedens veranlasst haben, so hat er doch dabei von den Fürsten 
kaum Widerspruch erfahren. Der ruhelose Erzbischof von Mainz 
scheint sogar nur auf das Aufhören des Landfriedens gewartet zu 
haben, um sich wieder in den Krieg gegen Hessen zu stürzen. 

In städtischen Kreisen wird man allenthalben das Ende 
der zweischneidigen Einrichtung mit Freuden begrüsst haben. 
„Da die Herren die armen Leute also beschatzt hatten, war der 
Frieden aus", meldet die Magdeburger Schöffenchronik, die ein- 
zige, die des Ereignisses gedenkt. 

Der westfälische Landfrieden hatte dasselbe Schicksal, wie 
so viele andere in jener wirren Zeit; es war mit ihm nur wieder 
einmal einer der Versuche fehl gegangen, die allgemein so schwer 
empfundene Friedlosigkeit zu bessern. Doch verging der Frie- 
den nicht ohne Folgen zu hinterlassen. Ganz abgesehen davon, 
dass durch ihn mancher Friedebrecher den längst verdienten 
Lohn gefunden haben mag, hatte er doch wenigstens in seiner 
Heimath, in Westfalen, sich so bewährt, dass dort später auf ihn 
wieder zurückgegriffen wurde. Es haben ferner die Vehmgerichte 
Westfalens erst durch ihn ihre rechte Bedeutung erlangt. Aller- 
dings sind dieselben nur in beschränkter Weise als eigentliche 
Landfriedensgerichte zur Geltung gekommen; aber es war von 
Wichtigkeit, dass ihr Verfahren Jahre lang in einem grossen 
Theile wenigstens des nördlichen Deutschlands in Uebung ge- 
wesen war und dort manche gute Früchte getragen hatte. Nicht 
über das Verfahren an sich klagte man, sondern dass es will- 
kürlich und ungleich gehandhabt würde. Die Freigerichte waren 
dadurch allgemein bekannt und von den Einen mit Beifall, von 



von Berg, die allerdings nur die Erweiteruog des ursprünglichen Friedens für 
den Kriegsfall negiren (S. 336 u. 338). — Am 11. November 1385 schloss Friedrich 
mit der Stadt Köln ein Bündniss gegen Wilhelm von Berg. „Im Falle eine 
der Parteien auf Grund dieses Bündnisses vor das Reich oder das stille Ge- 
richt zu Westfalen geladen würde, sollten beide einander beistehen mit ganzer 
Wehr und Hilfe, bis sie der Ansprüche (wird wohl heissen: Ansprache) ent- 
laden, los, ledig uod quitt sind". Ennen Gesch. der Stadt Köln II, 757. 



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352 



Sechsundzwanzigstes Kapitel. 



1385. 



den Anderen mit Schrecken gewürdigt worden ; so wurde für ihre 
Wirksamkeit der Boden geebnet. Die Freigrafen und Schöffen 
selbst sahen sich gewissermassen in das Centrum der Friedens- 
bestrebungen gerückt und manche Rechtsbelehrung wird von ihnen 
eingeholt worden sein ; was lag da näher, als dass sie den errun- 
genen Vortheil nicht mehr aufgaben? Nachdem der Landfrieden 
aufgehoben worden, gab es in den Ländern Deutschlands keine 
Gerichte mehr, welche nach dem Brauche der Vehmgerichte rich- 
teten, welche so unnachsichtig und unfehlbar wie sie die Verbre- 
cher trafen. Um so mehr fühlten sie sich veranlasst, in die ent- 
standene Lücke zu treten. Das allgemeine Bedürfniss kam ihnen 
nur zu sehr entgegen, aber unmöglich hätte die Vehme in kurzer 
Zeit so gewaltiges Ansehen erlangen können, wenn nicht die öffent- 
liche Meinung für sie vorbereitet gewesen wäre. 



Sechsundzwanzigstes Kapitel. 

Kampf um Lüneburg. 

Alsbald nach Herzog Albrechts jähem Tode war der Kur- 
fürst Wenzel von Sachsen in Lüneburg erschienen. Am 11. Juli 
zog er in die Stadt ein, welche ihm und Bernhard von Braun- 
schweig huldigte Seine erste Sorge war, sich gegen den fehde- 
lustigen Otto von Göttingen zu sichern, der mit Albrecht im 
Zwiste gelegen hatte und nun, nachdem er soeben die hessische 
Fehde mit Glück durchgekämpft, sicher versuchte, aus der Ver- 
änderung im Regimente Lüneburgs irgend welchen Vortheil zu 
ziehen. Daher schloss Wenzel schon am Ende des Monats mit 
Bischof Gerhard von Hildesheim ein Kriegsbündniss gegen Otto 2 ). 

Diese Vorsicht war keineswegs unnütz, denn jetzt musste es 
sich zeigen, ob jener Compromiss vom 29. September 1373 wirk- 
lich lebensfähig war. Schon einmal war versucht worden, den 
Vertrag zu durchlöchern, nachdem er kaum geschlossen und im 
folgenden Jahre durch Albrechts Ehe mit Katharina, durch die 



1) Haremann Geschichte der Lande Brannschweig und Lüneburg I, 516. 

2) Sudendorf VI, 143. 



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1385. Einigung der drei braunschweigischcn Brüder. 353 

Verlobung Friedrichs und Bernhards mit den Töchtern Wenzels 
scheinbar bekräftigt worden war. Eben Herzog Otto, als er sich 
die Vormundschaft über Friedrich und dessen Brüder angemasst, 
erhob gegen die Sachsen Krieg, den erst des Kaisers Vermitte- 
lung im October 1377 beilegte. Die frühere Vereinbarung blieb 
in Kraft, während der vom Kaiser und den Sachsen gemachte 
Versuch, wenigstens Friedrich und die jüngeren Brüder Heinrich 
und Otto gänzlich abzufinden und die Nachfolge auf den Einen 
Bernhard zu beschränken , scheiterte *)• Gleichwohl scheinen 
Albrecht und Wenzel die Absicht nicht aufgegeben zu haben, 
Bernhard, der während des Krieges treu zu ihnen gestanden 
hatte, allein die Nachfolge zuzuwenden, vielleicht in der Hoffnung, 
dass auch dieser dann irgendwie entschädigt und so das askanische 
Haus zum alleinigen Gebieter Lüneburgs würde. Daher wurde 
Bernhard von ihnen sorgsam herangezogen ; die meisten Urkunden 
für Lüneburg sind unter den Namen Wenzels, Albrechts und 
Bernhards ausgestellt. 

So lange Albrecht lebte, blieb das Einvernehmen zwischen 
ihm und den braunschweigischen Brüdern unter dem wohlthätigen 
Einflüsse Katharinas ungestört. Als die wackere Frau dem Be- 
sieger ihres ersten Gatten die Hand bot, that sie es im Interesse 
ihrer unmündigen Söhne; jetzt, als diese herangewachsen waren 
und die zweite unfruchtbar gebliebene Ehe gelöst worden, wandte 
sich die Fürstin ganz der Sorge für ihre Kinder zu. Vor allem 
war es nöthig, unter denselben Zwistigkeiten zu vermeiden, wie sie 
so manches deutsche Fürstenhaus zerrissen und schwächten. Vor 
der Mutter, auf dem ihr zum Leibgedinge angewiesenen Schlosse 
zu Celle gelobten am 6. December 1385 die drei Brüder Fried- 
rich, Bernhard und Heinrich — der vierte, Otto, hatte sich der 
Kirche gewidmet — , vereint jede Gefahr zu bestehen. Alles, was 
ihnen gehöre oder sie noch erwerben würden, solle gemeinsamer 
Besitz sein und bleiben 2 ). 

„Alles, was wir erwerben können" — eine vielsagende Wen- 
dung; und wenn sie auch Bernhard harmlos auslegen mochte, 
Friedrich und Heinrich dachten dabei sicherlich an Lüneburg, 
dessen Besitz für alle Zeit mit Sachsen zu theilen sie nicht ge- 



1) Vgl. die Urkunden bei Sudendorf V, 109 ff. vom 12. Juni bis 25. Octo- 
ber 1377. 

2) Sudendorf VI, 148. 

Th. Linda er, Geschieht« de« deutschen Reiches. I. 23 



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351 



Sechsundzwanzigstes Kapitel . 



138«. 



sonnen waren. Indessen war ein leichter Erfolg nicht zu hoffen, 
denn Wenzels Macht war der ihrigen weitaus gewachsen und 
auch der König vermuthlich nicht geneigt, die Vernichtung des 
Täterlichen Werkes zu gestatten. Langsames und vorsichtiges 
Handeln, strenges Geheimhalten des Planes war durchaus nöthig. 

Kam es zum Kampf, so gab es keinen bereitwilligeren Bundes- 
genossen als Herzog Otto, der von jeher die Sachsen hasste. 
Schon am 4. Februar 1386 machten Friedrich und Heinrich mit 
ihm eine vollkommene Sühne über alle obschwebenden Streit- 
punkte, stellten ihm für alle Kriege, die er führe, Schloss Wolfen- 
büttel zur Verfügung, sagten ihm Hilfe gegen ihre eigene Stadt 
Braunschweig zu. — Deutlich genug sieht man, wie die beiden 
Brüder den Quaden zu gewinnen strebten. Bereits am 9. Juni 
schlössen sie mit ihm den directen Vertrag zum Kriege gegen „Her- 
zog Wenzel zu Sachsen". Wenn ihnen Otto zum Lande Lüneburg 
verhilft, so dass es ihnen huldigt, wollen sie ihm binnen fünf 
Jahren 5000 Mark Silber zahlen und weder ihren Bruder Bern- 
hard noch sonst Jemanden, ehe er nicht diese Schuld anerkannt 
hat, zum Lande Lüneburg gelangen lassen »). 

Das Bündniss wurde vorläufig geheim gehalten, und um den 
Kurfürsten völlig zu täuschen, führte Friedrich unmittelbar darauf 
dessen Tochter Anna heim, während Bernhard ihrer Schwester 
Margarethe die Hand reichte. Zu gleicher Zeit zog der dritte 
der Brüder nach Pommern und vermählte sich dort mit Sophia, 
der Tochter des Herzogs Wratislav von Stettin. Am 25. Juni 
138C wurde die Urkunde ausgestellt, laut welcher Kurfürst Wen- 
zel nebst seinen drei Söhnen sich mit Friedrich, Bernhard und 
Heinrich „unsem lieben Söhnen und Schwägern u verband, „gänzlich 
mit dem härtesten getreulich" zu einander zu halten und die 
vereinbarten Briefe zu befolgen. 

Diese besagten nichts anderes, als dass Herzog Friedrich 
für fünf Schlösser und die Zahlung von 3000 Mark vorläufig 
auf die Erbfolge in Lüneburg verzichtete. Die Herrschaft sollte 
bei Wenzel bis zu dessen Tode bleiben, dann ihm Herzog Bern- 
hard und, wenn dieser bereits todt wäre, Herzog Heinrich, even- 
tuell deren älteste Söhne und erst wenn solche nicht vorhanden 
wären, Herzog Friedrich folgen. Sterben sie alle Drei ohne Erben, 
so fällt Lüneburg erblich an Wenzels Familie und umgekehrt; 



1) Sudendorf VI, 149, 154. 



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1386-1387 



Herzog Heinrich von Braunschweig. 



355 



sonst geht die Regierung in dem früher festgesetzten Turnus 
zwischen den Häusern Braunschweig und Sachsen abwechselnd 
weiter. Deingemäss entband Friedrich die Stände Lüneburgs 
von der ihm früher geleisteten Eventualhuldigung. Möglich, dass 
er in der That für den Augenblick sich .mit den ihm gemachten 
Zugeständnissen begnügte, wahrscheinlicher freilich, dass er die 
einmal aufgenommene treulose Rolle weiter spielte, den geeigneten 
Augenblick abwartend, um die Maske abzuwerfen »). 

Dagegen versagte Heinrich, als er aus Pommern zurückkehrte, 
dem Vertrage seine Zustimmung. Die allzu entfernte Aussicht, 
in den Besitz Lüneburgs zu gelangen, genügte ihm nicht. Die 
erste Handlung, welche wir von ihm kennen, war ein Act der 
Feindseligkeit gegen die Lüneburger 2 ). In den Besitz von Warpke, 
einem lüneburgischen Schlosse an der märkischen Grenze ge- 
langt 8 ), eröffnete er von dort aus die Fehde, bei welcher ihm 
seine Mutter Katharina, voll Liebe zu dem Jüngstgeborenen, von 
Celle aus Förderung gewährt zu haben scheint. Aber da der 
kühne Jüngling allein nichts zu erreichen vermochte, sah er sich 
bald genöthigt, mit den Lüneburgern Waffenstillstand zu schliessen, 
indem er sich am 11. Januar 1387 zu Uelzen verpflichtete, das 
Schloss Warpke dem Ritter Ludwig von Estorp zur treuen Hand 
des Rathes der Stadt Lüneburg auszuliefern. Wenn bis Weih- 
nachten, innerhalb welcher Zeit beide Parteien getreuen Frieden 
halten, die Irrungen nicht beigelegt sind, soll Heinrich das Schloss 
zurückbekommen. Doch soll bereits am 2. März zu Uelzen über 
die Streitfrage verhandelt werden 4 ). 

Wenige Tage vorher, am 7. Januar, hatte Wenzel mit Bern- 
hard eine Verabredung getroffen, um diesen ganz auf seine Seite 
zu ziehen. Auf Rath der Prälaten, Mannschaft und Städte der 
Herrschaft von Lüneburg werden Wenzel und sein Sohn Rudolf, 
sowie Herzog Bernhard fortan die Herrschaft gemeinsam und zu 
gleichem Rechte erblich besitzen. Der Aelteste, welcher im Lande 
gegenwärtig ist, führt die Regierung, doch ertheilt der Aelteste 
von Allen, mag er anwesend sein oder nicht, die Lehen. Dem 



1) Beilage XVIII. 

2) Sudendorf VI, 167 n. 154. 

3) Dass es mit Gewalt geschah, sagt späterhin König Wrnzel, a. a. 0. 211. 

4) A. a. 0. 175, 176. 

23* 



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350 



Sechsundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



entsprechend übertrug der Kurfürst sofort Bernhard die Regie- 
rung für die Zeit, welche er ausserhalb des Landes verweilte *). 

Von einer Erbfolge Heinrichs ist nicht die Rede, sie sollte 
gänzlich beseitigt sein. Aber diese Absicht scheiterte an dem 
Widerspruche der drei Städte Lüneburg, Hannover und Uelzen, 
welche in Besorgniss, dass aus diesem Vertrage „in künftigen 
Zeiten Unwille und Ansprache von der ersten Sühne wegen u ent- 
stehen könnte, die Zustimmung versagten 2 ). Die Einigung ver- 
lor damit ihre Giltigkeit und Heinrichs Erbrecht blieb bestehen. 
Wenn daher auch der ursprünglich für den 2. März zu Uelzen 
verabredete Tag nicht zu Stande gekommen war, so erfolgte doch 
am 30. April in Lüneburg selbst eine Sühne zwischen Bernhard 
und Heinrich , dem gewisse Entschädigungen zugesagt wurden 8 ). 

Die Sache blieb also auf dem alten Standpunkte. Scheinbar 
war der Friede zwischen Wenzel und den braunschweigischen 
Brüdern hergestellt, während doch gegenseitiger Argwohn die 
Herzen erfüllte. Unter solchen Umständen konnte die Lösung 
des Bandes, welches der westfälische Landfrieden um Braunschweig 
und Lüneburg schlang, dem Herzoge Friedrich, der sich ohnehin 
wenig genug um denselben gekümmert hatte, nur erwünscht sein, 
während Wenzels Sorgen dadurch wuchsen. 

Zum Glück war der Herzog Otto wieder so tief in kriegerische 
Unternehmungen nach einer anderen Seite hin verstrickt, dass er 
an einen Kampf gegen den Sachsen nicht wohl denken wollte. 

Am 28. März 1387 verbündeten sich zu Eschwege Erzbischof 
Adolf von Mainz, Markgraf Balthasar und Herzog Otto zum Kriege 
gegen Hermann von Hessen, so lange dieser lebe. Von den zu 



1) A. a. 0. 171, 173; vgl. Chron. Lüneburg, bei Leibnitz Script. Brunsvi- 
censia illustr. III, 188 ad a. 1387 (statt des irrigen 1377). 

2) Am 14. April 1387 (a a. 0. 192) erklärten die Städte Lüneburg, Han- 
nover und Uelzen: Herzog Wenzel, Rudolf und Bernhard hätten, als sie die 
Einigung vom 7. Januar schlössen, mündlich erklärt, dass dieselbe nur dann 
giltig sein solle, wenn die drei Städte sie gutheissen und untersiegeln wollen. 
Diese weigern sich nun, es zu thun (s. Text) und somit ist die Einigung macht- 
los. — In der Vertragsurkunde steht von diesem Vorbehalte nichts, doch ist 
eine Urkunde von demselben Datum vorhanden, in welcher die Räthe der drei 
Städte geloben, in dieser Sache „in allen Stücken, die uns anrühren" Beistand 
zu leisten. Das ist eben die Urkunde, welche die Städte zu untersiegeln und somit 
rechtsgiltig zu machen verweigerten. — Das Chron. Lüneburg a. a. 0. 189 ad 
cl 1388 kennt nur die von den Herzögen ausgestellte Urkunde. 

3) Origines Guelficae IV, praef. 54. 



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1387. 



Büodni8B gegen Hessen. 



357 



machenden Eroberungen erhält Balthasar zwei Viertheile, Adolf 
und das Stift von Mainz das dritte, während das vierte Adolf zur 
beliebigen Verwendung zufällt. Offenbar sollte dieses dem Qua- 
den zu Theil werden, welcher für gut fand, die einmal vorgenom- 
mene Maske, als wenn er wider seinen Willen Adolf von Mainz dem 
früheren Vertrag gemäss unterstütze, noch weiterhin festzuhalten. 

Das Btindnis8 zwischen Otto und Balthasar war an sich ein 
unnatürliches, da ja beide gemäss den mit Hermann geschlossenen 
Verträgen Erbansprüche an Hessen hatten. Allerdings war die 
Erbverbrüderung mit Thüringen von Hermann widerrufen und 
bisher nicht wieder als giltig anerkannt worden, während Hermanns 
Vertrag mit dem Braunschweiger viel von seinem Werthe verloren 
hatte, seitdem der Landgraf im Jahre 1383 eine zweite Ehe mit 
Margaretha, der Tochter Friedrichs von Zollern geschlossen. Wenn 
Balthasar auch nicht die Hoffnung aufgeben mochte, die Wieder- 
herstellung der früheren Einigung zu erreichen, konnte er doch 
Otto gegenüber seine Absicht nicht offen aussprechen. In Esch- 
wege wurde daher nur verabredet, dass Otto den Brief, welchen 
er von Hermann über die Huldigung des Landes zu Hessen habe, 
dem Grafen Heinrich von Hohnstein ausliefern solle, der ihn Bal- 
thasar und Otto zu Gute halten würde, so lange Hermann lebe. 
Wer von ihnen des Briefes bedarf, soll ihn sich vom Grafen Hein- 
rich geben lassen, doch nachher ihn wieder zurückerstatten. In 
keinem Falle soll die Urkunde in Hermanns Hände gelangen, son- 
dern sobald dieser stirbt, Otto wiedergegeben werden 

Doch wurde der Krieg gegen Hessen nicht sogleich begonnen. 
Adolfs Aufmerksamkeit wurde durch wichtige Vorgänge im Reiche 
gefesselt, während der Quade mit zahlreichen Helfershelfern eine 
grimmige Fehde gegen seine eigene Stadt Göttingen eröffnete, die 
das in ihren Mauern gelegene herzogliche Schloss bis auf den 
Grund brach 2 ). In der Zwischenzeit kam es zu Verhandlungen 
zwischen dem bedrohten Landgrafen von Hessen und Balthasar 
von Meissen, welche vereinbarten, ihre Streitigkeiten dem Spruche 
von Schiedsrichtern zu unterwerfen. Balthasar erwählte dazu den 
Kurfürsten Wenzel, Hermann seinen Schwiegervater, den Burg- 
grafen von Nürnberg; zum Obmann wurde Herzog Stephan von 
Baiern auserkoren. 



1) ßudendorf VI, 184 ff. n. 170-172; Tgl. Einleitung p. XXXIV. 

2) ürkundenbuch der Stadt Uöttingen I, 348 ff.; Detmar z. Jahre 1387. 



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358 Sechsundiwanzigstes Kapitel. 1387. 

Am J. Juli trat das Schiedsgericht in Forchheim zusammen. 
Einstimmig entschied es, dass die Erbeinigung zwischen Thürin- 
gen und Hessen in alter Kraft bleiben und die nöthigen Huldi- 
gungen alsbald vorgenommen werden sollten, während der Ver- 
trag Hermanns mit Otto ungiltig sei. Sorgfältig wurde ferner die 
Frage erwogen, wie mit den Bürgern Kassels zu verfahren sei, 
welche Hermann wegen ihres Einvernehmens mit Balthasar ver- 
trieben hatte. Nur über den Besitz von Eschwege und Sontra 
gingen die Ansichten der Richter auseinander. Wenzel erklärte, 
dass Balthasar die beiden Städte mit gutem Rechte behalten 
könne, Friedrich dagegen meinte, sie seien Hermann zurückzu- 
erstatten, und da Stephan der letzteren Ansicht beipflichtete, 
drang sie durch 

Von Forchheim zog Herzog Wenzel zum Könige, der seit 
einigen Tagen in Nürnberg verweilte. Der Sachsenfürst war jetzt 
in einer Lage ähnlich derjenigen, welche Anfang 1385 seinen 
Neffen, den Herzog Albrecht nach Prag geführt hatte. Bedroht 
von der Gesammtheit der braunschweiger Herzogsfamilie wollte er 
sich des Königs Beistand sichern und nebenbei dem Herzoge Otto 
Hindernisse in den Weg legen, denn damit förderte sich der Kur- 
fürst selbst. Es ist ganz bezeichnend, dass Wenzel in Forchheim 
sich Balthasar günstiger zeigte, als die anderen Schiedsrichter; 
ihm lag eben daran, den Thüringer vom Kriege gegen Hessen 
und damit zugleich vom Bündnisse mit Otto abzuziehen. 

Auf dem Reichstage erschien auch eine Gesandtschaft von 
Göttingen, welche sich gewiss der Fürsprache des Kurfürsten von 
Sachsen zu erfreuen hatte. Daher erwies der König der Stadt 
reiche Gnaden und erlaubte ihr sogar, sich so oft es Noth thäte, 
einen Beschützer zu wählen 3 ). Kein Wunder, wenn Otto unter 
diesen Umständen es vorzog, mit Göttingen Frieden zu schliessen, 
der bereits am 8. August zu Stande kam 8 ). 

Die Hoffnung auf Frieden, welche der Forchheimer Spruch 
erregt hatte, erwies sich indessen eitel, doch vermögen wir die 
störenden Ursachen nicht zu erkennen. Jedenfalls hat Balthasar 



1) Sudendorf VI, 194 ff. n. 180- 182. 

2) Urkunden für Göttingen vom 13. und 22. Juli im ürkb. d. St. Gott. 
352 ff.; vgl. RA. S. 565 Aom. 1. üeber Wenzels Anwesenheit in Nürnberg 8. 
Sudendorf VI, 200 und RA. S. 565 Anm. 1 und 2. 

3) ürkb. der Stadt Göttingen I, 355. 



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1387. 



Krieg gegen Hessen. 



Eschwege und Sontra dem Landgrafen nicht ausgeliefert, denn 
selbst wenn letzterer die Erbeinigung wirklich wieder in Kraft 
setzte, was wir nicht wissen, hätte doch Balthasar hier den Sper- 
ling in der Hand für die Taube auf dem Dache hingeben müssen. 

Das Bündniss gegen Hessen vom 28. März trat somit in Kraft. 
Am 25. August sagten Erzbischof Adolf und wahrscheinlich auch 
dessen Bundesgenossen dem Landgrafen die Fehde an, in Folge 
dessen ihre Schaaren in das unglückliche Land einbrachen. Schnell 
nacheinander fielen die hessischen Städte und Schlösser Roten- 
burg, Melsungen, Gudensberg, Niedenstein, Falkenstein, während 
Kassel wiederum standhaften und glücklichen Widerstand leistete, 
obgleich die Feinde Geschützkugeln und Feuerpfeile in die Stadt 
warfen. Hermann sab sich aufs neue zum nachtheiligen Frieden 
genöthigt, in dem der Erzbischof Adolf die Schlösser Melsungen, 
Rotenburg und Niedenstein behielt, während Balthasar natürlich 
im Besitze der früher gemachten Eroberungen blieb; welche Ent- 
schädigung Otto erhalten hat, ist unbekannt 1 ). 

Ein dauernder Frieden wurde auch jetzt noch nicht ge- 
schlossen, denn immer wieder brach der alte Hader aus, ohne dass 
es jedoch noch einmal zu so bedeutenden Zügen kam, wie die 
der Jahre 1385 und 1387 gewesen waren. Erst im Anfange des 
folgenden Jahrzehntes stellte sich zwischen Hermann und Beinen 
Nachbarn ein friedliches Verhältniss her. 

Gegen Ende des Jahres loderte der Streit zwischen Wenzel 
und Heinrich wieder auf und zwar wegen des Lüneburg anver- 
trauten Schlosses. Warpke. Gemäss dem Vertrage vom 11. Januar 
sollte es, wenn bis Weihnachten nicht eine Sühne zwischen Wen- 
zel und Heinrich getroffen wäre, an Heinrich wieder ausgeliefert 
werden. Deragemäss forderte es letzterer nunmehr von Lüneburg, 
während Wenzel das SchloBS gleichfalls verlangte, wahrscheinlich 
sich darauf stützend, dass ihm Warpke von Rechtswegen gehörte 
und ja auch am 30. April wirklich Herzog Bernhard zwischen ihm 
und Heinrich vermittelt hatte. Die Stadt Lüneburg, ungewiss 
was sie thun sollte, wandte sich nach der Vorschrift des Sachsen- 
spiegels an den König, der am 8. Februar 1388 den Rath anwies, 
das Schloss zu bewahren, bis sein und des Reiches Gericht ihr 
ürtheil gefällt hätten 3 ). 



1) Beilage XIX. 

2) Sudendorf VI, 207, 211. 



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360 



Sechaundswanzigstes Kapitel. 



1388 



Lange ehe des Königs Entscheid eintraf, war der Krieg aus- 
gebrochen. Es handelte sich weniger um einzelne Streitpunkte, 
als um die eine grosse Frage, wer in Zukunft Lüneburg beherr- 
schen solle. Die Unzulänglichkeit des Vertrages vom 29. Septem- 
ber 1373 war immer deutlicher zu Tage getreten; ein so künst- 
liches Verhältniss konnte nicht auf die Dauer aufrecht bleiben. 
Bei einzelnen Schlössern oder kleinen Gebieten mochte Condo- 
minat zweier Familien, wechselnder Besitz möglich sein, aber nicht 
bei grossen Herrschaften, vollends nicht, wenn jeder Theilhaber 
das Recht auf alleinigen Besitz zu haben glaubte. Es riss wieder 
einmal eine Masche in dem von Karl IV. mit Vorliebe gestrickten 
Netze der Compromisse. Seine Neigung, durchgreifende Entschei- 
dungen zu vermeiden, die Lösung brennender Fragen zu vertagen, 
so glückliche Erfolge sie ihm auch in einzelnen Fällen gebracht 
hatte, war doch nicht überall gleich segensreich und hat seinem 
Sohne Wenzel, der die väterliche Virtuosität im Laviren nicht 
besass und doch die Knoten zu entschürzen hatte, manche bittere 
Stunde bereitet, manche schwere Last auferlegt. — 

Es wäre verfehlt, wegen des Krieges die Schuld einseitig 
auf die Weifen oder Kurfürst Wenzel werfen zu wollen; beide 
sahen sich von . der Unnahbarkeit der Verhältnisse vorwärts ge- 
drängt. Es konnte Niemand von den Braunschweigern verlangen, 
dass sie die Verträge über Lüneburg länger hielten, als sie dazu 
durch eigene Schwäche gezwungen waren. Seit mehr als zwei- 
hundert Jahren war das Land weifischer Besitz und die Rechte 
der Sachsen darauf zweifelhafter Natur. Zwar lässt sich nicht 
mit Bestimmtheit behaupten, dass Wenzel danach strebte, die 
Weifen ganz zu verdrängen ; aber es lag doch von vornherein im In- 
teresse der sächsischen Familie, allein die Herrschaft zu behaup- 
ten. Die Versuche, welche der Kurfürst gemacht, um nur Bern- 
hard als Mitberechtigten zur Seite zu behalten, konnten nicht 
verfehlen, bei dessen Brüdern den schlimmsten Argwohn wachzu- 
rufen, ganz abgesehen davon, dass selbst wenn Bernhards Rechte 
ganz ungekränkt blieben, doch sie selbst und ihre Erben jeden 
Nutzen aus dem Lande in Lüneburg völlig in Frage gestellt sahen. 
In ihren Landen war überdies die Meinung verbreitet, dass wirk- 
lich Wenzel die Braunschweiger ihrer Rechte auf Lüneburg be- 
rauben wolle l ). Und abgesehen von dem allgemeinen Familien- 



1) Vgl. Stchr. Braunschweig I, 458 Anm. 6. 



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1388. 



Kampf um Lüneburg. 



361 



interesse bot der glückliche Ausgang des Kampfes Friedrich wie 
Heinrich unmittelbare Vortheüe: Friedrich konnte alsdann hoffen, 
Braunschweig allein zu behalten, Heinrich, sofort Antheil an Lüne- 
burgs Regierung zu erhalten. Auf Herzog Bernhard Rücksicht 
zu nehmen war nicht nöthig, da der Sieg über die Sachsen seinen 
Rechten keinen Eintrag that. 

Im Anfang des neuen Jahres war der Krieg bereits erklärt. 
Herzog Heinrich fand Unterstützung nicht nur bei Friedrich und 
Katharina, auch Herzog Otto erhob dem längst geschlossenen Ver- 
trage gemäss für ihn die Waffen. Vergebens hatten die Gegner 
des Quaden sich gefreut, als dieser nach dem zweiten glücklichen 
Feldzuge gegen Hessen von der damals allenthalben wüthenden 
Pest gepackt wurde, indem sie hofften, dass der schlimme Nach- 
bar, wenn er auch nicht den Tod fände, doch wenigstens nur als 
geistig und körperlich gebrochener Mann der fürchterlichen Seuche 
entrinnen würde. Sie sollten sich bald zu ihrem Schaden von 
dem Gegentheile überzeugen. Wenzel hatte schon am Ende des 
Jahres sich bemüht, das frühere Bündniss mit Bischof Gerhard 
von Hildesheim zu erneuern und wohl auch gegen Herzog Hein- 
rich zu erweitern ; die Lüneburger boten dem Bischöfe eine statt- 
liche Summe, wenn er Frieden stifte *) ; aber Gerhard war seiner 
Ritter, die namentlich mit dem Quaden durch manche gemeinsame 
Waffen that verknüpft waren, so wenig mächtig, dass ein Theil 
derselben sich sofort zu Wenzels Gegnern schlug. Kurt von Stein- 
berg und dessen Genossen glückte es, etwa im Februar oder März 
Herzog Bernhard gefangen zu nehmen und in Gewahrsam 
nach Schloss Bodenburg zu führen 2 ). Damit war den braun- 
schweigischen Brüdern der wichtige Dienst geleistet, dass ihr 
Bruder der Genossenschaft mit den Gegnern entzogen wurde, ihr 
Kampf nunmehr lediglich den sächsischen Fürsten galt. Von 
noch grösserer Bedeutung war es, dass auch die Stadt Braun- 
schweig auf die Seite der Herzöge trat, wie sie am 31. März der 
Stadt Lüneburg mittheilte; mit Recht ist darauf hingewiesen wor- 
den, dass lediglich Handelseifersucht gegen Lüneburg die Standes- 
genossin zu diesem Schritte bewog, für welchen sie allerdings von 
ihren Herren schlechten Dank erntete 3 ). 

1) Sudendorf VI, 208, 210. 

2) Ohron. Lüneburg. 189; Bothonis Chron. 390 ; Detmar 340 noch au 1387. 

3) Stchr. Braunschweig I, 474 ff.; Sudendorf VI, 214; Rehtmaier Braun- 
Bchweig-Lüneburgische Chronica I, 671. 



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362 



Sechsundzwanzigstes Kapitel. 



1388. 



Die Stützpunkte Heinrichs waren die festen Schlösser zu 
Winsen a. d. Aller und Celle; vor beiden führte Wenzel Versch^n- 
zungen auf und belagerte sie mit aller Energie. Da ereilte ihn 
plötzlich der Tod; am 15. Mai starb der Kurfürst, »ein frommer, 
biederer, weiser Herr, gut und friedesam", wie ihm Detmar nach- 
rühmt ! ). Nur vierzehn Tage später, am 28. Mai, erfochten vor 
Winsen Friedrich und Heinrich, unterstützt von Herzog Otto, den 
Rittern Kurt von Steinberg und Hans von Schwicheldt den ent- 
scheidenden Sieg über die Lüneburger und ihre Helfer; gegen 100 
feindliche Ritter wurden erschlagen oder in den Fluss gesprengt, 
zahlreiche Gefangene gemacht, unter ihnen der Bischof Otto von 
Minden und der Graf Otto von Schaumburg 2 ). 

Die Söhne Wenzels gaben bald den Kampf auf, so dass schon 
am 15. Juli in Lüneburg der Frieden sschluss erfolgte. Es ist an 
dieser Stelle nicht erforderlich, die Verhandlungen und Verträge 
im Einzelnen zu verfolgen und zu berichten; es mag genügen, 
das Hauptresultat anzugeben. 

Die Herrschaft über Lüneburg ging über auf Bernhard und 
Heinrich. Doch blieben die Rechte der Sachsen, wie sie auf dem 
Septembervertrage von 1373 beruhten, in Geltung. Friedrich ver- 
zichtete auf Lüneburg, indem er Braunschweig nebst einer Anzahl 
abgetretener Schlösser allein behielt. Natürlich wurde die gegen- 
seitige Erbfolge für den Fall, dass einer der Brüder ohne Kinder 
stürbe, vorbehalten 8 ). 

Noch immer blieb demnach das alte Verhältniss bestehen, 
wenn auch vorläufig die Sachsen aus dem Lande wichen. Sie 



1) Ueber den Todestag s. Stcbr. Braunschweig I, 476 Amn. 2. Mehrere 
Chroniken erzählen, dass er vergiftet worden sei; aber plötzliche Todesfalle 
wurden zu häufig derartig zu erklären gesucht, als dass man solchen Gerfich- 
ten Glauben beimessen dürfte. 

2) Havemann I, 522. Der Bürgermeister von Lüneburg Dietrich Springint- 
gut, welcher das Zeichen zur Flucht gegeben haben soll, wurde kurz darauf, am 
13. Juli, von Bernhard mit reichen Gütern ausgestattet „umme grotes denstes willen, 
de he uns to usen tyden williclichen gedan heft." Zeitschr. des hist. Vereins 
für Niedersachsen 1858, 402. War Verrath im Spiele? 

3) Sudendorf VI, 221 ff. Die eigentliche Yertragsnrkunde zwischen den 
Söhnen von Magnus und von Wenzel ist nicht bekannt, da die Urk. bei Suden- 
dorf VI, 232 nur das Gelöbniss enthält, den Vertrag zu halten, ohne ihn näher 
anzugeben. Indessen giebt das Chron. Luneb. S. 190, Z. 3 ff. einen Auszug, 
aus dem man ersieht, dass die lüneburgischen Stände die Vermittelung über- 
nommen hatten. 



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1389. 



Verriebt der Sachsen auf Lüneburg. 



363 



mochten sich schwer entschliessen, ihre Ansprüche auf Lüneburg 
aufzugeben; als Rudolf im November 1?88 zu Bettlern persönlich 
dem Könige Huldigung leistete, Hess er sieb ausdrücklich mit 
Sachsen und Lüneburg belehnen l ). Aber Rudolf und seine Brü- 
der konnten sich nicht verhehlen, wie schwer es ihnen fallen 
würde, ihre Ansprüche geltend zu machen. Daher fanden sie 
sich im Anfang des nächsten Jahres zu völliger Verzichtleistung 
bereit, nachdem sie vielleicht inzwischen eingesehen hatten, dass 
sie von Wenzel nicht die Unterstützung erhalten würden, welche 
dereinst ihr Vater bei Karl IV. gefunden. Am 21. Januar 1389 
schlössen demnach die drei sächsischen Brüder zu Wittenberg mit 
den drei Braunschweigern eine Erbverbrüderung. Ihr Land Sach- 
sen und alle ihre Lande mit der Pfalz Sachsen und dem Reichs- 
erzmarschallamte sollen, wenn sie ohne männliche Erben sterben, an 
die drei Söhne des Herzog Magnus fallen, während sie selbst, wenn 
jene keine Söhne hinterlassen, die Herzogthümer Braunschweig 
und Lüneburg erben. Die beiderseitigen Lande leisten sofort 
Eventualhuldigung. Jede andere, den drei Herzögen von Sachsen 
im Lande Lüneburg geleistete Huldigung und alle übrigen zwischen 
ihnen oder ihrem Vater oder Vetter und den drei Herzögen von 
Braunschweig- Lüneburg über das Herzogthum Lüneburg geschlos- 
senen Verträge und Bündnisse sollen erloschen sein 3 ). 

Der Versuch der sächsischen Askanier, ihre verhältnissmässig 
geringe Macht auf Kosten Braunschweigs zu erweitern, war miss- 
glückt; der Plan Karls . IV., die ihm befreundete kurfürstliche 
Familie zur vorwiegenden Macht in Niedersachsen zu machen, 
wurde nicht durchgeführt. Unthätig hatte sein Sohn König Wenzel 
dem Gange der Dinge zugesehen und sich damit begnügt, in 
werthlosen Documenten sein Wohlwollen für die Sachsen auszu- 
sprechen. Sein Verhalten in dieser Angelegenheit steht im eng- 
sten Zusammenhang mit den anderen Ereignissen des verhäng- 
nissvollen Jahres 1388, des entscheidenden Wendepunktes in der 
Geschichte des römischen Königs Wenzel. 



1) Sndendorf VI, 254. 

2) Sudendorf VI, 263. 



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3G4 



Siebenundzwanzigstes Kapitel. 



1386-1387 



Siebenundzwanzigstes Kapitel. 

Der König und der Städtebund. 

So reich das Jahr 1386 an Verwickelungen gewesen war, der 
König hat auf den Gang der Dinge kaum Einfluss geübt In der 
ersten Hälfte des Jahres war er nach Ungarn gezogen, den wei- 
teren Bemühungen Sigismunds um die Krone wird er seine rege 
Theilnahme geschenkt haben ; auch die luxemburgischen Angele- 
genheiten nahmen seine Sorge in Anspruch. Seine Thätigkeit für 
das Reich beschränkte sich hauptsächlich auf Massregeln für den 
westfälischen Landfrieden. Grossen Eindruck rausste der Tod Leo- 
polds auf den König machen. Wie in der letzten Zeit König und 
Herzog zu einander gestanden, konnte Wenzel Leopolds Fall nur 
als ein günstiges Ereigniss betrachten, da er durch ihn freiere 
Hand gewann 

Bald trat er auch wieder zu den Verhältnissen im Süden in 
engere Beziehungen. Auf dem Mergentheimer Tage vom 3. August 
1386 waren mehrere Streitigkeitenzwischen Eberhard von Wirtem- 
berg und einzelnen Städten dem Entscheid des Königs anheim- 
gestellt worden, welcher am 19. October in Prag sein dem Wir- 
temberger günstiges Urtheil fällte. Das dadurch betroffene Ess- 
lingen schickte sofort eine Gesandtschaft nach Prag, welche Rück- 
nahme der Verfügung in Betreff der Nellen burger Vogtei erzielte. 
Eberhard wurde aufgefordert, am 2. Februar deshalb zusammen 
mit den Esslingern vor dem Könige zu erscheinen ? ). 

Das ist jedoch nicht geschehen, vielmehr trat der König 
selbst nach dem 5. Februar die Reise in das Reich an. Er wählte 
diesmal nicht den gewöhnlichen Weg über Eger und Weiden, 
sondern den kürzeren aber unbequemeren über Tauss nach 
Amberg, wo er einen längeren Aufenthalt nahm. Dort war der 
Kurfürst Ruprecht mit Neffe und Grossneffe anwesend, und mit 



1) Am 1. August bereits übertrug Wenzel der Stadt Basel die durch Leo- 
polds Tod erledigte Reichsvogtei in der Stadt; allerdings scheint sie ihm dafür 
1000 Gulden bezahlt zu haben. Ochs II, 303. 

2) RA. S. 527 Anm. 3; 564 Anm. 6; Vischer Reg. 267. 



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1387 



Wenzel in Amberg und Würzburg. 



365 



ihnen zu verhandeln wird der Zweck Wenzels gewesen sein »). 
Irgend eine plötzlich eingetroffene, unerwartete Nachricht scheint 
den König bewogen zu haben, so schnell Böhmen zu verlassen, 
und zwar die, dass es im Plan sei, ihn vom Throne zu stürzen. 
Dann wird der weitere Schluss gestattet sein, dass Ruprecht, da 
ihn der König so schnell aufsuchte, entweder an jenem Plane 
nicht betheiligt war, oder wenigstens von Wenzel für unschuldig 
gehalten wurde. 

Dort in Amberg empfing der König, dem schon in Tauss 
ein Nürnberger Bote entgegengekommen war, eine städtische Ge- 
sandtschaft. Es erschienen, vom schwäbischen Bunde auf gemein- 
same Kosten gesandt, zwei Nürnberger mit je einem Bürger aus 
Regensburg und Ulm, um mit dem Könige von heimlichen Sachen 
zu reden. Bundesangelegenheiten und besonders die Faimsache 
werden zur Sprache gekommen sein, und die Nürnberger beeilten 
sich, von den erzielten Erfolgen nach Ulm Kunde zu senden 9 ). 
Auch Boten von Frankfurt und Friedberg trafen in Amberg ein, 
welche indessen wahrscheinlich nicht Bundessachen, sondern nur 
besondere Aufträge ihrer Entsender auszurichten hatten s ). 

Ueber Nürnberg und Ansbach zog der König nach Würzburg, 
um dort mit den Fürsten einen Tag zu halten. Welche und wie 
viele von ihnen zugegen waren, ist freilich nicht mit Sicherheit 
zu sagen. Die Pfälzer gaben wahrscheinlich von Amberg aus dem 
Könige das Geleit. Herzog Stephan von Baiern, Burggraf Fried- 
rich von Nürnberg und die Grafen von Schwarzburg scheinen 
ebenfalls an der Berathung Theil genommen zu haben. Die Städte 
waren nicht officiell vertreten, wenn auch der Nürnberger Patri- 
cier Nicolas Muffel im Gefolge des Königs war und Frankfurt 
in eigenen Angelegenheiten eine grosse Gesandtschaft von sieben 
Käthen und sechs Gemeindebürgern geschickt hatte 4 ). 



1) Siehe das Itinerar. Nach Reg. Bo. X, 200 waren Ruprecht I. und II., 
nach Mon. Zoll. V, 198 auch Ruprecht III. in Amberg. 

2) RA. S. 549 n. 305; S. 538 n. 295. 

3) RA. S. 534 Anm. 1 ; vgl. die Urkunde für Friedberg vom 18. Februar in 
Amberg bei Pelzel I, 186. Frankfurt war durch die Angelegenheit Seiffrieds 
zum Paradiese zur Besendung des Königs veranlasst. Kriegk Frankfurter 
Bflrgerzwiste 93 f. 

4) RA. S. 540 n. 299; S. 541 n. 300 heisst es: do unser herre der kunig 
und ander forsten und herren ein Tag do (in Würzburg) betten; die Ver- 
sammlung wird also nur als eine der Forsten betrachtet. — Ruprecht I. und 



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366 



Siebenundzwanzigstea Kapitel. 



1387. 



Nur Eine Handlung von Wichtigkeit scheint vorgenommen 
worden zu sein: die Aufhebung des westfälischen Landfriedens, 
deren wir bereits gedachten. 

Am 17. März war der König wieder in Nürnberg, wo die Boten 
der Städte, welche den schwäbischen Bund hielten, versammelt 
waren. Sie alle erschienen am 21. März vor Wenzel, welcher 
ihnen mündlich versprach, so lange er lebe, ihren Bund nie ab- 
zunehmen noch zu widerrufen. Urkundlich sicherte er ihnen zu, 
dass sie bei allen ihren Rechten und Freiheiten bleiben sollten, 
dass er sie miteinander bei sich und beim Reiche behalten und 
ihnen gegen Jeden Schutz gewähren würde, der sie darin irren, 
beschweren oder kränken wolle. 

Dagegen gelobten die Städte ebenfalls urkundlich, wenn Je- 
mand sich gegen Wenzel als König aufwerfen und ihn „von dem 
kunigkriche dringen" wollte, ihm beizustehen in Deutschland dies- 
seits der Alpen *). 

Ein Vorgang, merkwürdig und schwer zu verstehen. 

Schon einmal, im Anfang des Jahres 1384, sind wir dem 
Plane begegnet, Wenzel abzusetzen. Damals hiess es, die Für- 
sten wollten einen König „in deutschen Landen" haben. Aber 
so plötzlich damals diese Absicht aufgetaucht war, so schnell 
scheint sie wieder aufgegeben worden zu sein. 

Wir sahen, dass wahrscheinlich der Zuwachs, welchen Wen- 
zels Macht damals durch die Erwerbung Luxemburgs erhielt, den 
Fürsten Besorgniss erregte und sie veranlasste, an eine Verände- 
rung im Reichsregimente zu denken. Jetzt hatte nun auch Sigis- 
mund wirklich die Herrschaft in Ungarn erworben. Dass dadurch 
Wenzels Macht in keiner Weise vermehrt wurde, Hess sich noch 
nicht übersehen; im Gegentheil mussten die Fürsten vorläufig um 
so mehr die Fortschritte der königlichen Familie mit Argwohn 
betrachten. Alierdings hatte Wenzel noch keine Kinder, aber die 



III., sowie Herzog Stephan werden nnter dem 27. Februar in den Nürnberger 
Rechnungsbüchern erwähnt (RA. S. 540 Anm. 3) ; die Anwesenheit Friedrichs 
und der Schwarzburger folgt aus Reg. Bo. X, 202; Mon. Zoll. V, 201 ff. — 
Wenn unsere Annahme, dass der König sich sehr schnell zur Fahrt ins Reich 
entschlossen hat, richtig ist, kann der Würzburger Tag nur kurze Zeit vor- 
her angesagt worden sein, und somit ist es natürlich, wenn er nur wenig be- 
sucht war. 

1) RA. n. 901—303; siehe dort auch über die Stellung, welche Basel und 
Regensburg als freie Städte zu dem GelÖbniss einnahmen. 



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1387 



Erneuter Plan, den König abzusetzen. 



367 



unfruchtbare Ehe mit der holländischen Johanna war vor kurzem 
durch den Tod getrennt worden und der König konnte jeden 
Augenblick zu einer neuen Verbindung schreiten und aus dieser 
Nachkommenschaft erzielen *). Vielleicht fanden demnach die 
Fürsten gerathen, bei Zeiten sich vorzusehen und Wenzel zu ent- 
fernen, ehe die gefurchte te Hilfe aus Ungarn ihm zur Seite stand. 

Auch sonst werden die Fürsten mit Wenzels Walten nicht 
zufrieden gewesen sein, denn seit dem Jahre 1384 waren die 
Vorwürfe, welche sie dem Könige machen konnten, begründeter 
geworden. 

Von einer Romfahrt war nicht mehr die Rede. So sehr sie 
der Papst wünschte, — und gerade damals hat er sie wieder an- 
geregt — Wenzel hatte nicht die mindesten Anstalten dazu ge- 
troffen, in keiner Weise mehr die Absicht kund gethan, sie anzu- 
treten. Und der Römerzug konnte jetzt noch nöthiger erscheinen, 
als früher. Die Clementisten regten sich selbst im Reiche noch 
allenthalben. Die Lage Urbans, wenn auch zum grössten Theil 
selbst verschuldet, war immer schmachvoller geworden, immer 
unwürdiger eines Papstes, den das Reich anerkannt hatte. Auch 
die Verhältnisse Oberitaliens erforderten ein thatkräftiges Ein- 
greifen des Königs, seitdem Johann Galeazzo in treuloser Weise 
seinen Oheim Bernabo beseitigt hatte 2 ). 

In Deutschland selbst sahen die Fürsten sich noch immer 
nicht an dem erwünschten Ziele, die Städte demüthigen zu können. 
Wenzel hatte ihnen dazu keinerlei Beistand geleistet, sich über- 
haupt mehr von den Fürsten zurückgezogen; es ist auffallend, 
wie wenig Urkunden für Fürsten wir von ihm seit der Heidelburger 
Stallung finden. Die Städte konnten freilich auch kein zu grosses 
Maass von Wohlwollen, das ihnen der König erzeigt hätte, auf- 
weisen, aber doch standen sie ihm in den letzten Jahren un- 
zweifelhaft näher, als die Fürsten. Ein Hauptführer der letzteren, 
Herzog Leopold, war sogar im Kampfe gegen Bauern und Städte 
zu Grunde gegangen ; dem Nürnberger Herrenbunde gemäss wäre 



1) Nach der von Pelzel I, 183 mitgeteilten Grabschrift starb Johanna 
am 31.December 1386; gemäss dem damaligen Zählungsmodus würde der Tod 
noch zu 1385 gehören. Bekanntlich erzählt Dinter, dass Johanna von einem 
der Jagdhunde Wenzels erwürgt worden sei. Die Sagen über König Wenzel 
werden später im Zusammenhange behandelt werden. 

2) Ueber die Beziehungen Wenzels zu Urban und Italien in dieser Zeit 
wird im zweiten Bande gesprochen werden. 



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368 



Siebenundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



Wenzel verpflichtet gewesen, dem Herzoge zu helfen. Ueberhaupt 
hatte der König seit der Heidelberger Stallung ganz unleugbar 
dem Reiche weniger Sorge zugewandt, als früher. 

Gründe Hessen sich also wohl aufführen, wenn man gegen den 
König auftreten wollte, aber ob einer derselben wirklich für die 
Fürsten massgebend war, steht doch dahin. 

Eine weitere und noch schwerer zu beantwortende Frage 
ist: wer wollte den König absetzen? Jedenfalls müssen einer oder 
mehrere der Kurfürsten betheiligt gewesen sein. Von dem Sach- 
sen, der ohne Einfluss und ausserdem Wenzel befreundet war, 
ist völlig abzusehen. Dagegen wissen wir, wie eng die rheinischen 
Kurfürsten zusammenhielten und in ihrem Kreise haben wir jeden- 
falls den Urheber des Planes zu suchen. Kuno von Trier, der 
seit langer Zeit leidend war und sich bereits mit dem Gedanken 
zu resigniren trug, stand seit 1383 den Dingen im Reiche fern 
und es ist daher nicht glaublich, dass er so weittragende Pläne 
angeregt haben sollte. Von Ruprecht lässt sich nur Günstiges 
berichten. Kein anderer Fürst hat so wie er, der immer bereit 
war auszugleichen, sich bemüht, den allgemeinen Friedensstand 
zu bewahren; gerade zu ihm war Wenzel geeilt, als er die ver- 
hängnissvolle Kunde erhielt. Auch ihn dürfen wir nicht als den 
Anstifter betrachten *). 

So bleiben nur Adolf von Mainz und Friedrich von Köln 
übrig. Karl IV. wie Wenzel hatten letzterem vielfach ihre 
Gunst bewiesen. Allerdings ist es möglich, dass die Bevor- 
zugung der Jülicher und namentlich des Herzogs Wilhelm 
von Berg Friedrich verstimmt hat; vielleicht verdross ihn 
auch die Wendung, welche der westfälische Landfrieden 
genommen hatte. Friedrich stand im besten Verhältniss zu 
Adolf, und wenn nicht Alles täuscht, war dieser ein Gegner 
des Königs, der sich dem Mainzer nie wohlwollend erwies. Ob- 
gleich Wenzel bei seiner Wahl Adolf versprochen hatte, nicht 
gegen ihn thätig zu sein, war er doch nachher bemüht gewesen, 
Adolf zu verdrängen und Ludwig an dessen Stelle zu setzen. 
Seine Schuld war es dann, dass die Anerkennung Adolfs erst so 
spät erfolgte. Die Mainzer Bürger hatte er mit reichen Privile- 
gien ausgestattet, um sie von Adolf abzuziehen, und wenn dann 



1) Die Vermuthung Sagenheims III, 394, dass der König besonders die 
Baiern in Verdacht gehabt habe, läset sich nicht begründen. 



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1387 



ürtheile über den König. 



Adolf sich über seine Stadt öfters zu beklagen hatte, erfahren 
wir doch nicht, dass der König ihn gegen sie unterstützt habe. 
Dem Kampfe gegen Hessen, der Adolf ganz besonders am Herzen 
lag, sah Wenzel zwar ziemlich theilnahmlos zu, aber was er ir- 
gend in dieser Sache gethan hat, war doch eher zu Gunsten des 
Landgrafen Hermann. Auch das 1381 gegebene Versprechen, 
einem Hohenlohe das Bisthum Speier zu verschaffen, war nicht 
erfüllt worden. Der Papst hatte Nicolaus von Wiesbaden zum 
Bischöfe ernannt und Wenzel diesem die Kegalien ertheilt, wäh- 
rend Adolf sich mit Gewalt als Administrator behauptete '). 

Wahrscheinlich ist danach Adolf als die Seele der Agitation 
gegen Wenzel zu betrachten. Aufrichtig ergeben waren dem 
Könige wohl nur wenige Fürsten, und selbst auf die Anhänglich- 
keit der Städte durfte er nicht allzu fest bauen. Denn auch ih- 
nen hatte er sich nicht so günstig gezeigt, dass sie ihm volles 
Vertrauen hätten schenken können. Von einem guten Freunde 
waren sie erst vor kurzem vor des Königs Politik gewarnt worden. 
Dieser wünsche nichts lieber, als dass Beide, Herren und Städte, 
zu Nichte würden; daher möchten sie sich vorsehen, damit sich 
der König so zwischen zwei Stühlen niedersetze. Denn Deutsch 
und Böhmisch könnten nicht überein sein 2 ). 

Du schreibest dich Augustus, 
ich furchte leider, es sei umbsus. 
Das reich bei dir sich deine meret, 
du wurdest denn icht anders geleret. 
Nicht vorbasz ich hie sagen so], 
denn es weiss vil leute wol, 
in allen landen neden und oben, 
bort man dich in keim dinge loben. 

So spottete man in Mitteldeutschland schon vor dem Jahre 
1385 über den König 3 ). 



1) Remling Gesch. der Bischöfe zu Speyer I, 659 ff; dessen Urkunden- 
buch I, 684. 

2) RA. n. 309; siehe Beilage XVI. 

3) Lilienkron Die historischen Volkslieder der Deutschen I, n. 30. Wie 
L. bereits bemerkt, ist das Gedicht nach 1381 entstanden, gewiss aber vor 
1385, da sonst der Kampf in Hessen, welcher in diesem Jahre stattfand, er- 
wähnt sein würde. Der Verf. stammte offenbar aus der Hessisch-Thüringischen 
Gegend. Nebelthau erwähnt in der Ztschr. für Hess. Gesch. N. F. III, 36 ein 
„Klagelied 4 * über Hermann, welches i. J. 1385 die Stadt Eachwege an die 

Tb. Lindnec, Geschichte des deutschen Reiches. I. 24 



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370 



Sicbenuudzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



Auch jetzt wandte er sich den Städten nicht ganz voll zu. 
Denn ihren Bund erkannte er keineswegs unumwunden au, indem 
er nur mündlich gelobte, denselben nicht abzuthun, während in 
dem Briefe, welcher den Städten ihre Privilegien bestätigte, die- 
selben einzeln, ohne Erwähnung ihres Bundesverhältnisses aufge- 
führt werden. Auch in der städtischen Gegenurkunde wird das 
, Versprechen der Treue und Ergebenheit nicht von dem Buude 
als solchem abgelegt. Allerdings stand die goldene Bulle im 
Wege, welche Vereinigungen, wie der Städtebund war, unbedingt 
verbot. Aber diese verletzte Wenzel schon durch das müudliche 
Versprechen, und es ist daher sehr fraglich, ob er sich überhaupt 
durch Rücksichten auf sie bestimmen liess. Er suchte vielmehr 
in doppelzüngiger Weise sich des Beistandes der Städte zu ver- 
sichern und doch wieder den Fürsten gegenüber gedeckt zu sein. 

Wie oft wurden feierlich und urkundlich verbriefte Ge- 
lübde ohne weiteres widerrufen oder nicht beachtet, wenn die 
Lage der Dinge sich geändert hatte; wie viel weniger Gewicht 
war daher auf ein nur mündlich gegebenes Vorsprechen zu legen ! 
Trotzdem musste den Städten das gemachte Zugeständniss hoch- 
willkommen sein, und sie trugen Sorge, dass jenes Versprechen 
wenigstens in möglichst officieller Weise vor den Vertretern von 
26 Städten abgelegt wurde, die dann über den Vorgang ein Pro- 
tokoll aufsetzten. Unter dem ersten freudigen Eindrucke der 
Vereinigung des Königs mit den Städten spendete Nürnberg eine 
bedeutende Summe zu frommen Zwecken. Die Urkunde, in welcher 
der König den Städten Schutz ihrer Privilegien zusagte, die nur 
in einem Exemplar für alle insgesammt ausgefertigt wurde, blieb 
im sorgsamsten Verwahr. Gewiss meinten es die Städte unter 
solchen Umständen mit ihrem Gegengelöbniss ernst, denn die Ab- 
setzung des Königs konnte ihnen die grössten Gefahren bringen 
und alle bisherigen Errungenschaften in Frage stellen. 

Obgleich der König bereits die Absicht haben mochte, im 



Stadt Allendorf richtete; vielleicht hilft dieses auf die Spur, wenn Nebelthau 
wirklich ein Qedicht meint. — Die sonderbare Fabel, welche unserem Gedichte 
zu Grunde liegt, führt vielleicht auf ein Ercigniss zurück, welches damals gros- 
ses Aufsehen erregte. Der König Leo von Armenien kam nämlich i. J. 1384 
nach Europa, um die dortigen Fürsten um Hilfe gegen die Türken anzurufen, 
welche ihn seines Landes und seiner Familie beraubt und seine Mannen er- 
schlagen hatten. Froissard X, 229 und die Chron. du Religieux de St Deny» 
publ. par Bellaguet I, 319 gedenken sehr ausführlich dieser Sache. 



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1387. 



Wenzels Absicht, das Reich aufzugeben. 



371 



Sommer einen Reichstag zu berufen, kehrte er noch einmal in 
sein Königreich Böhmen zurück. 

Im Reiche benutzten die verschiedenen Parteien die Zeit, 
um sich angesichts der eingetretenen Wendung unter einander 
zu verständigen. Denn dass die Verhandlungen des Königs mit 
den Städten den Fürsten verborgen geblieben seien, ist kaum 
anzunehmen, da es eher im Interesse der Bürger lag, sie zur 
öffentlichen Kunde zu bringen, als sie zu verheimlichen. 

Gegen Anfang April hatten Fürsten und Herren „wegen heim- 
licher Sachen" eine Berathung in Würzburg, zu welcher wohl 
auch Erzbischof Adolf von Eschwege herüber kam. Wenn er den 
dort gegen Hessen geplanten Krieg doch noch hinausschob, mag 
die neue Kunde mitwirkende Ursache gewesen sein. 

Am 23. April bereits kamen die vier rheinischen Kurfürsten 
in Wesel überein, wenn Wenzel das Reich übergeben und an Je- 
mand anders wenden würde oder wollte, sollte Jeder von ihnen 
nur dann seine Einwilligung geben, wenn alle vier einverstanden 
wären *). 

Hat vielleicht Wenzel in Würzburg selbst solche Absichten 
verlauten lassen? War er wirklich der Bürde des Reiches über- 
drüssig und bereit dieselbe niederzulegen, wenn nur die Krone 
in seiner Familie blieb ? 

Dagegen scheint allerdings das Gelöbniss, welches er sich 
von den Städten geben Hess, zu sprechen. Indessen war doch 
noch immer ein Unterschied, ob Wenzel vom Throne gestossen 
wurde oder ihn freiwillig aufgab und einem Verwandten verschaffte. 
Denkbar ist es immerhin, dass der König den Fürsten solche 
Vorschläge gemacht hat. Als seinen Nachfolger konnte Wenzel 
nur Jobst von Mähren ins Auge fassen, der ja bereits Reichs- 
verweser von Italien war. Diesem war Sigismund für geleistete Hilfe 
in Ungarn verpflichtet. Konnte da nicht Jobst am besten und 
für die Königsfamilie am billigsten mit der deutschen Krone 
entschädigt werden? Gerade damals war Wenzel eifrigst bemüht, 
den Bruder von Jobst, den Bischof Johann von Leitomischl, auf 
den erledigten Stuhl von Olmütz „das vorzüglichste Glied des 
Königreiches" zu bringen. Freilich war Jobst noch weniger ein 
König »in deutschen Landen" als Wenzel, aber reich wie er 
war, konnte er hoffen, durch „Handsalben" die Kurfürsten geschmei- 



1) RA. n. 306, 306. 

24* 



372 



Siebenundzwanzigstes Kapitel 



1387 



dig zu machen. Denn ohne deren Genehmigung war die Thron- 
änderung nicht wohl möglich. 

In Speier versammelten sich zu derselben Zeit die rheinischen 
Städte. Boten der schwäbischen waren erschienen, um des Kö- 
nigs Anerbieten zu einem dem Nürnberger entsprechenden Bünd- 
nisse zu überbringen ; die Sache wurde im Mai zu Esslingen weiter 
berathen. Denn nachdem der König sich der Beihilfe des schwä- 
bischen Bundes versichert hatte, lag es nahe, ebenso den rheini- 
schen Städtebund an sich zu fesseln. Spuren in den Rechnungs- 
büchern Frankfurts weisen darauf hin, dass Wenzel selbst ent- 
sprechende Anträge stellte. Der Sohn des Herzogs Przemysl 
von Teschen war späterhin mit den Verhandlungen betraut, haupt- 
sächlich wurden sie indessen vom schwäbischen Bunde geführt. 

Die Freistädte des rheinischen Bundes, Strassburg, Mainz, 
Worms und Speier blieben dennoch ihrer Politik getreu, nur so- 
weit sich einzulassen, als es ihr eigener Yortheil erheischte. 
Ihnen, die nicht verpfändet werden konnten, stellte ein Thron- 
wechsel weit weniger Gefahren in Aussicht. Sie trugen Beden- 
ken, sich schon jetzt in Verpflichtungen zu verstricken, die sehr 
drückend werden konnten, sich mit dem Könige allzu eng zu ver- 
binden, dem sie doch kein volles Zutrauen schenkten. Die Frei- 
städte verweigerten daher den Beitritt zur Einung, während die 
Reichsstädte des rheinischen Bundes, Frankfurt, Hagenau, Schlett- 
stadt, Weissenburg, Wetzlar, Friedberg, Gelnhausen, Oberehen- 
heim und Selz bereit waren, dem Könige dieselbe Zusicherung 
zu geben, wie die schwäbischen Städte. Die betreffende Urkunde 
wurde unter dem 11. Juni ausgefertigt und untersiegelt, aber 
vorläufig noch nicht dem Könige oder dessen Bevollmächtigten 
ausgeliefert 

Wieder zeigte sich bei dieser Gelegenheit, wie doch der 
schwäbische und rheinische Bund nicht zu einer rechten Vereini- 
gung der Interessen kommen konnten, die doch allein der Dauer 
und dem Werthe ihres Bündnisses eine Garantie für die Zukunft 
geben konnte. 

Inzwischen waren Streitigkeiten zwischen den schwäbischen 



1) RA. n. 307. Es fehlt Pfeddersheim, welches seit langer Zeit an die Her- 
ren von Falkenstein verpfändet war (Hugo Mediatisirung 128); kurz darauf, 
am 23. Juli 1387, bestätigte Wenzel Philipp von Falkenstein die innegehabten 
Reichspfandschaf ten, namentlich Pfeddersheim. Baur Hess. Urk. III, 553. 



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1387. Streit des schwäbischen St&dtebundes mit Wirtcmberfc 373 

Städten und Eberhard von Wirtemberg ausgebrochen, da dieser 
mehreren Städten Gelder schuldig war, deren Zahlung er entwe- 
der verweigerte oder hinausschob. Ihm, dem alten Feinde der 
Städte wurde überhaupt mit dem grössten Misstrauen begegnet. 
Das schon am Ende des Jahres 1386 verbreitete Gerücht, Eber- 
hard rufe von seinem Schwiegersohn aus Lotbringen und aus 
Welschland Kriegsvolk gegen die Städte herbei, kam wieder und 
nicht ohne Grund in Umlauf. In Esslingen wurde über die Sache 
berathen, aber zu einem gütlichen Vergleiche kam es auch jetzt 
nicht, weil einzelne Städte zu hohe Zinsen, 20 Procent, forderten. 

So brach denn die Fehde aus, in welcher Eberhard bei Her- 
zog Stephan Unterstützung fand, während er zugleich seinen 
Schwiegersohn in Lotbringen um Hilfe anging. Im Juni kam die 
Sache noch einmal in Würzburg zur Berathung, wo die Bevoll- 
mächtigten des Königs, der Herzog von Teschen, die Bischöfe 
von Bamberg und Konstanz mit den rheinischen Städteboten ver- 
eint die Händel zu schlichten suchten. Herzog Stephan war 
wahrscheinlich selbst anwesend, aber von den schwäbischen Städ- 
ten waren nur drei Boten zur Stelle, welche zudem keine Voll- 
macht besassen. Die königlichen Räthe und die rheinischen 
Städte schickten daher eine Botschaft an die in Ulm versammel- 
ten schwäbischen Städte in der Absicht, einen Waffenstillstand 
bis zum 25. Juli zu vermitteln, da bis dahin der König eintreffen 
würde. Aber die in Ulm waren nicht so friedlich gesinnt; sie 
mahnten vielmehr am 28. Juni die rheinischen Bundesgenossen 
um Hilfe gegen den Wirtembergef. Mit gewappneter Hand wurde 
gegen diesen zur Pfändung geschritten und von beiden Seiten Ge- 
fangene gemacht. 

Inzwischen kam der König am 29. Juni nach Nürnberg, wo 
allmälig im Laufe des Juli ein glänzender Kreis von Fürsten und 
Städteboten sich um ihn sammelte. Die Boten der schwäbischen 
Städte wurden von Nördlingen, wo sie gerade tagten, herbei ge- 
rufen; neben ihnen waren die rheinischen Städte durch Mainz, 
Strassburg, Worms, Frankfurt, Gelnhausen, Friedberg vertreten 
und, als seltene Erscheinung auf den Reichstagen, kam auch 
eine norddeutsche Stadt, Göttingen Dem Könige zur Seite 
standen sein jüngster Bruder Herzog Johann von Görlitz, der von 
Luxemburg herbeigekommen war, und seine Schwester Margarethe, 



1) Siehe S. 358. 



374 



Siebennndzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



die wahrscheinlich um diese Zeit mit ihrem Bräutigam Johann, 
dem Sohne des Burggrafen Friedrich, vermählt wurde, nachdem sie 
schon fünf Jahre vor ihrer Geburt dem ebenfalls noch nicht gebo- 
renen Prinzen verlobt worden war. 

Die Verhandlungen hatten von des Königs Seite der Herzog 
Przemysl von Teschen und der Kanzler Hanko Brunonis zu leiten. 
Die Kurfürsten waren vertreten durch Adolf von Mainz und 
Wenzel von Sachsen - Lüneburg , den vielleicht Balthasar von 
Meissen und Hermann von Hessen von Forchheim her begleiteten. 
Der alte Pfalzgraf Ruprecht schickte seinen Grossneffen, Ruprecht 
Klem; die bäurischen Wittelsbacher waren fast sämmtlich zur 
Stelle: die Herzöge Stephan und Friedrich, Albrecht, der Sohn 
des Herzogs von Holland, Schwager des Königs. Selbst Eberhard 
der Greiner kam in die städtischen Mauern; neben ihm noch so 
manche andere Herren *). 

Es ist schwierig, den zeitlichen Zusammenhang der Ver- 
handlungen herzustellen, obgleich das nicht ohne Wichtig- 
keit ist. 

Gleich zu Anfang drohte das gute Einvernehmen zwischen König 
und Städten einen schweren Stoss zu erhalten. Wenzel hatte, 
wie wir sahen, seine Absicht, auch mit den rheinischen Städten 
einen Bund zu schliessen, bisher nicht erreicht. Auch jetzt wur- 
den darüber Verhandlungen gepflogen, deren Ergebniss schliess- 
lich war, dass die von den Reichsstädten des rheinischen Bundes 
bereits ausgestellte Urkunde nicht in des Königs Hände gelangte. 
Wahrscheinlich hat er sie selbst zurückgewiesen, da der beschränkte 
Erfolg ihm nicht genügen konnte. Da die mächtigen Freistädte 
zurückhielten, konnte ihm an den übrigen Städten, welche bis 
auf Frankfurt unbedeutend waren, wenig gelegen sein *). 

Wurde schon dadurch des Königs Unwillen erregt, so brach 
sein Zorn in helle Flammen aus, als der Nürnberger Rath Wenzels 
Begehren, das Schloss mit seinen Mannen zu besetzen, abschlug. 
Es fehlte nicht an Leuten, welche den König noch mehr reizten, 
so dass er schon Miene machte, mit Gewalt sich in den Besitz 
des Schlosses zu setzen; endlich aber verliess er wuthentbrannt 
die Stadt, in der sein Gefolge mancherlei Unfug verübte. Das 



1) Beilage XX. 

2) Die Verhandlungen ergeben sich aus RA. n. 319; im übrigen siehe RA. 
S. 545. 



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1387. 



Verhandlungen zwischen Fürsten und Städten. 



375 



geschah am 13. Juli. Drei Tage lagerte der König vor der Stadt 
„bei den Weiern*, dann zog er in sein Bergschloss Rotenberg. 
Die Nürnberger waren in grosser Sorge und fürchteten sogar 
einen Gewaltstreich gegen die Stadt; Boten über Boten wurden 
bis nach Prag ausgesandt, um Kunde zu bringen, ob etwa 
böhmisches Kriegs volle heranziehe. Endlich ritt Jobst Tetzel, der 
schon so oft Botschaft zum Könige getban, mit Anderen zu ihm 
hinaus. Der Zorn, der wie er rasch entstanden, sich ebenso 
schnell wieder legte, wurde beschwichtigt ; bereits am 22. Juli war 
der König wieder in der Stadt Welch ungünstigen und 
abschreckenden Eindruck mussten solche Vorkommnisse auf die 
Bürger machen. 

Die Verhandlungen zwischen den Städten und den Fürsten 
erlitten durch diesen Zwischenfall keine Unterbrechung, da alsbald 
nach des Königs Rückkehr eine Uebereinkunft erzielt wurde. 
Dem äusseren Anscheine nach kamen sich beide Parteien freund- 
lich entgegen und boten die Hand zur Bewahrung des Friedens. 
Die Verständigung, welche zwischen dem Könige und den Städten 
erfolgt war, blieb den Fürsten kaum verborgen; noch Hess sich 
nicht übersehen, welchen Bestand und Werth sie haben würde. 
Die Herren fanden daher gerathen, den Groll, welchen sie im 
Herzen trugen, vorläufig noch zu verscbliessen und bessere Zeiten 
abzuwarten. Der König überzeugte sich vielleicht, dass der Plan, ihn 
abzusetzen, doch nicht so tiefe Wurzel geschlagen hatte, wie er 
gefürchtet; eben erst von den rheinischen Freistädten zurückge- 
wiesen und seines Zornes gegen die Stadt Nürnberg kaum ledig, 
war er geneigt, wieder zu der Haltung zurückzukehren, die er in 
den letzten Jahren beobachtet hatte: sich an keine der beiden 
Parteien zubinden, ihren Zusammenstoss möglichst hinauszuschieben. 
Daher wohl auch sein Eberhard von Wirtemberg günstiger Spruch 
in der Nellinger Vogteisache. Bei den Städten überwog seit dem 
verflossenen Jahre die Friedenspartei, wenn auch deswegen den 



1) Vgl. Stchr. Nürnberg I, 424, 4*25; dazu die Anm. in den RA. & 566 
567. Die Erzählung Müllners ist zwar sagenhaft, doch glaube ich den Kern 
derselben — dass der König die Schlüssel des Schlosses forderte, um es mit 
seinen Leuten zn besetzen — für richtig halten zu müssen, vgl. die Anfangs- 
worte der alten Aufzeichnung a. a. 0. : do unser herre der kunig mit Unwillen 
uff die purg kome und do er sieb und die seinen wappeneten. — Vielleicht ge- 
hören in die Zeit der Abwesenheit des Königs die Vorfälle, deren Erzbischof 
Johann von Prag bei Pelzel I, Urk. S. 149 gedenkt. 



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376 



Siebenundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



Fürsten keine grosse Nachgiebigkeit gezeigt wurde ; und dass man 
auf den König nicht allzu fest bauen dürfe, hatten die allerletz- 
ten Tage klar dargethan. Um unnütze Reibungen mit den Für- 
sten zu vermeiden, beschlossen damals die Städte sogar, keine 
Bürger weiter einzunehmen, weil viele Edelleute das Bürgerrecht 
nur nachsuchten, um den Fürsten besser trotzen zu können ! ). 

So waren Herren und Städte geneigt, den Frieden noch län- 
ger aufrecht zu erhalten. Der Streit mit Eberhard von Wirtemberg, 
der leicht zum allgemeinen Kriege führen konnte, sollte beigelegt 
werden. Der Entscheid über die Vogtei zu Nellingen wurde in 
des Königs Hand gelegt, der sie am 30. Juli Eberhard zusprach 2 ) ; 
über die Schuldfrage wurde ein gütliches Uebereinkommen in 
Aussicht genommen. Die Heidelberger Stallung bleibt aufrecht 
und so lange sie währt, soll kein Streit erhoben werden. Rup- 
recht und Adolf sollen für den 25. September oder den 3. Octo- 
ber einen Tag der Fürsten und Städte ansetzen, auf dem Jeder 
seine Klagen vorbringen kann, besonders aber, um zu berathen, wie 
Beide sich künftig verhalten wollen und der Frieden sich ver- 
längern lasse 8 ). 

Und doch trauten die Städte so wenig dem eben zu Stande ge- 
brachten Frieden, dass sie in eben denselben Tagen ein Bündniss ab- 
schlössen, welches ihnen zwar für den Kriegsfall manche Vor- 
theile bot, aber zugleich drohte, einen solchen herbeizuführen. 

Auf dem Reichstage war auch Erzbischof Piligrim von Salz- 
burg erschienen 4 ) ; die Anwesenheit des Königs bot ihm Gelegen- 
heit, es in unverfänglicher Weise zu thun. Sein Zweck war 
jedoch, mit den schwäbischen Städten ein Bündniss gegen seine 
allen Feinde, die Baiernherzöge zu schliessen. 

Zwar stand noch immer das Friedensbündniss vom 5. De- 
cember 1382 in Geltung, — es sollte bis zum Jahre 1393 rei- 
chen 5 ) — aber der alte Groll war nicht gewichen und der Aus- 
bruch eines neuen Kampfes stand bevor *). Die Befestigungen, 



1) Gemeiner II, 381. 

2) RA. n. 318. 

3) RA. n. 311, 312, 320. 

4) Dass er persönlich da war, zeigen die Nürnberger Rechnnngsböcher 
RA. S. 565 Anm. 2. 

5) Siehe 8. 167. 

6) Am 6. Juli 1886 befiehlt Wenzel dem Tyter Frauenhofen dem Abte 
Kenrad von Berchtesgaden die Reichslehen zu ertheilen. Pelzel I, 177. 



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1387. Bündniss der Städte mit Erzbischof Piligrim Ton Salzburg. 377 

welche bei Burghausen angelegt wurden, waren doch sicher nur gegen 
Piligrim gerichtet, und die Fahrt seines früheren Bundesgenossen, 
des Herzogs Albrecht, nach München musste seine Besorgniss 
erregen f ). So suchte Piligrim, ehe es zu spät war, beim schwä- 
bischen Bunde Hilfe, der in die dargebotene Hand gern einschlug. 
Nur zu oft hatten die baierischen Herzöge ihre feindselige Ge- 
sinnung an den Tag gelegt, und wenn sie auch augenblicklich 
eine freundliche Miene zeigten, war doch an dem im Hintergrunde 
lauernden bösen Willen nicht zu zweifeln. Da war nun Piligrim 
ein überaus werthvoller Bundesgenosse, der Baiern vom Rücken 
her im Osten fassen und am besten dem durch seine Lage 
sehr gefährdeten Regensburg die Hand reichen konnte. Es 
lag ganz in der bisher befolgten Politik des Bundes, das hier 
gebotene Bündniss zu acceptiren ; dennoch ist nicht anzunehmen, 
dass die Städte gewillt waren, sofort den Krieg mit Baiern zu 
beginnen 2 ). 

Am 25. Juli wurde der Vertrag geschlossen. Die Städte 
verbanden sich mit dem Erzbischofe zunächst gegen jeden An- 
greifer, in einer zweiten Urkunde aber ausschliesslich gegen die 
Herzöge von Baiern, deren Freunde, Diener und Helfer. Nur in 
solchem Falle konnten sich ja die Verbündeten wirksame Hilfe 
leisten. Auf zehn Jahre wurde die gegenseitige Hilfspflicht er- 
streckt, „und wenn die Herzöge von Baiem, sie alle zusammen 
oder ihrer einer oder mehrere besonders, in dieser Zeit zu Vica- 
rien des Römischen Reichs gesetzt oder ihnen das empfohlen 
würde in Deutschen und Welschen Landen, oder wenn ihrer einer 
oder mehrere zum Pfleger des Reichs erwählt werden," ist doch 
die Hilfe gegen Baiern zu leisten. Wurde dabei an die mögliche 
Vacanz des Thrones durch Wenzels Absetzung oder Rücktritt ge- 
dacht? Möglich ist es immerhin, aber nicht mit Nothwendigkeit 
zu folgern. Würde dann nicht bei dem grossen Gewicht, welches 
beide Theile, dem Bündniss beilegten, auch dieser Fall ausdrück- 
lich erörtert worden sein? Was konnte Alles in zehn Jahren 
geschehen! warum sollte nicht auch gelegentlich Wenzel selbst 
einen der Baiern zum Reichsverweser bestellen. Denn die Städte 
betrachteten den König nicht als Feind der Baiern, da sie die all- 



1) Siehe Beilage XX. 

2) Anders Viecher 65 und nach ihm RA. S. 555. Aber ihrer Ansicht wider- 
spricht das Verhalten des Stadtebundes in diesem Jahre. 



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378 



Achtundzwanzigstes Kapitel. 1387 



gemeine Bestimmung, welche Reich und König ausnahm, dahin 
erläuterten, dass sie nur gelte, wenn der König die Baiern im 
Kriege unterstütze durch Verleihung des Reichspaniers oder „von 
sach wegen, die das rieh selb anrürten ; u sonst wollen sie dem 
Erzbischofe auch gegen den König behilflich sein, wenn er den 
Herzögen hilft , ). Damit zeigten sie zugleich, wie wenig sie selbst 
auf eine dauernd fürstenfeindliche Haltung des Königs rechneten. 



Achtundzwanzigstes Kapitel. 

Die Mergentheimer StaUung\ 

Erst nach dem 1 8. August verliess der König Nürnberg, wäh- 
rend sein Kanzler Hanko Brunonis im Reiche zurückblieb, um die 
begonnenen Verhandlungen weiter zu führen. 

Die bevorstehende Zusammenkunft mit den Fürsten erfüllte 
natürlich die Räthe der Bürgerschaften mit regem Eifer und noch 
in Nürnberg wurden vorläufig die Punkte aufgestellt, welche bei 
der eventuellen Verlängerung der Heidelberger Stallung ins Auge 
zu fassen wären. Gewiss nahmen die Boten jeder Stadt sie mit 
nach Hause, damit sie dort in Erwägung gezogen und dann ge- 
meinsam festgesetzt würden 2 ). Nur die wichtigsten dieser Punkte 
mögen genannt werden. 

In der Stallung war über Streitigkeiten der Mitglieder unter- 
einander nichts näheres bestimmt, mit peinlicher Sorge die gegen- 
seitige Hilfe auf Mord, Raub, Brand und unrecht Widersagen be- 
schränkt worden. Die Ereignisse der Zwischenzeit zeigten indes- 
sen klar, dass der Frieden nur dann wirklich bewahrt werden 
konnte, wenn den fortwährenden Reibereien wirksam, vorgebeugt, 
oder wenigstens ihre gütliche Beilegung ermöglicht wurde. Dazu 
gehörte aber eine bereits im Vertrage selbst festgesetzte Einrich- 
tung; wenn bei jeder Störung erst über die Art und Weise, wie 
sie zu schlichten sei, berathen werden sollte, entstand eine un- 
bequeme Verschleppung, und schliesslich blieb noch zweifelhaft, 



1) RA. S. 554-556. 

2) Siehe Beilage XXI. 



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■ 



1887. Berathungen der Städte. 379 

ob dann jede Partei sich dem extraordinären Entscheid fügen 
würde. Deshalb schlugen die Städte jetzt die Einsetzung eines 
Schiedsgerichtes vor. Doch sollte jeder etwa geschehene Ueber- 
griff zunächst unverzüglich abgethan und erst dann dem Schieds- 
gerichte vorgelegt werden. Damit zeigten die Städte ihren guten 
Willen deutlich genug, denn willige Unterwerfung unter einen 
Schiedsspruch erforderte auch von ihrer Seite grosse Opfer. Dafür 
sollten alle Fürsten und Städte die Einung beschwören, — was 
früher nicht geschehen war — und die sofortige Abstellung des 
Uebergriffes eidlich geloben; gegen den Säumigen haben dann 
Alle Beistand zu leisten. Wenn die neu geschlossene Einung aus- 
läuft und durch keine andere ersetzt wird, so soll doch das gute 
Einvernehmen bis zu einer directen Absage bestehen bleiben und 
auch nach dieser noch ein Vierteljahr. Die Mehrheit der Für- 
sten oder der Städte kann die Einung absagen, aber selbst dann 
bleibt noch das Friedensvierteljahr. Zur Beschlussfassung soll 
jede Stadt für den nächsten auf den 25. August zu Esslingen an- 
gesetzten Tag ihre Boten mit Vollmacht schicken ! )- 

Dort in Esslingen wurde neben anderen Sachen besonders 
über die Hauptfrage verhandelt. Die vorgeschlagenen Artikel 
wurden theils genehmigt, theils geändert und erweitert. Die neue 
Einung soll bis Pfingsten 1389 dauern, in dieser Zeit kein Theil 
dem anderen absagen oder ihn angreifen ; auch nach ihrem Ab- 
lauf bleibt sie aufrecht bis zur Absage der Mehrheit einer Partei 
und dann noch ein Vierteljahr. Wenn Uebergriffe nicht binnen 
14 Tagen „widerkehrt" sind, soll in den nächsten zwei Wochen 
das Schiedsgericht einschreiten. Zu diesem bestimmen die Fürsten 
sechs Räthe aus den Stadträthen und die Städte ebensoviel aus 
den Fürsten oder ihren Käthen, die vereidet werden. 

Hat ein Herr gegen die Städte zu klagen, so ernennen die 
Herren von den sechs den Städten angehörigen „gemeinen Leu- 
ten" drei, und die Städte ebensoviel aus den fürstlichen; von letz- 
teren tritt einer aus. Natürlich wird es bei einer Klage von Städ- 
ten gegen Herren umgekehrt gehandhabt. Der Spruch der Fünf 
oder ihrer Mehrheit hat bindende Kraft. Das Schiedsgericht tritt 
nach jeder Klage binnen vierzehn Tagen zusammen. Wenn ein 
Theil ohne Noth ausbleibt, so wird doch das Urtheil gefällt. Die 



1) RA. n. 321, S. 583 Arnn. 6. 



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3-0 



Achtundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



Feinde einer Partei sollen von der andern in keiner Weise unter- 
stützt werden. 

Immer mehr brach also die Friedensstimmung durch und 
darauf scheint wiederum Nürnberg eingewirkt zu haben, welches 
zugleich eine lange Reihe von Beschwerden einreichte, die sich 
namentlich gegen die unruhige Kriegspartei richteten. Um jede 
Verzögerung zu vermeiden, wurde noch beschlossen, dass für den 
Tag mit den Fürsten jede Stadt ihre Botschaft mit genügender 
Vollmacht ausrüste, damit es nicht nöthig sei, wieder „hinter 
sich zu schicken" 

Wie wird sich der rheinische Städtebund zu diesen Plänen 
stellen? Der Kanzler des Königs, Hanko Brunonis, ging selbst 
nach Frankfurt, um die rheinischen Städte zu gewinnen und setzte 
sich von dort mit den benachbarten Fürsten in Verbindung *). 

Am 1. September waren die Boten der rheinischen Städte 
in Speier versammelt ; Vertreter der schwäbischen Städte erschie- 
nen, welche die Esslinger Beschlüsse überbrachten. Soweit die- 
selben allgemeine Sachen betrafen, wurden sie ebenfalls angenom- 
men, aber über die Verlängerung der Heidelberger Stallung wurde 
noch kein Beschluss gefasst, indem wahrscheinlich jeder der Bo- 
ten die Vorschläge des schwäbischen Bundes erst in seine Stadt 
mitnahm, um sie dort berathen zu lassen s ). 

Als Ort der Zusammenkunft, welche nach der ursprünglichen 
Verabredung Ende September oder Anfang October stattfinden 
sollte, wurde inzwischen Mergentheim bestimmt. 

Vorher traten noch einmal die Boten der rheinischen Städte 
in Speier zusammen, um die schwebende Frage zu erörtern. Die 
Mehrheit war zwar bereit, die Stallung in der alten Weise einfach 



1) RA. n. 322, n. 315, n. 317. 

2) RA. n. 319. 

3) Meine Annahme, dass in Speier noch kein Beschluss Ober die Verlän- 
gerung der Stallung gefasst wurde, gründet sich darauf, dass RA. n. 317 davon 
nicht spricht. Weizsäcker S. 572 glaubt freilich, dass n. 317 unvollständig Bei, 
aber sollte Wencker, aus dessen Excerpten sie herrührt, einen so wichtigen 
Punkt übergangen haben ? — Als culturhistorisch verdient bemerkt zu werden, 
dass damals auch beschlossen wurde: christliche Mägde und Ammen, welche 
bei Juden dienten, sollten mit einem Brandmale unter dem Auge gezeichnet 
und auf ein Jahr aus der Stadt gewiesen werden; der jüdische Dienstherr zahlt 
100 Qulden Strafe. Fast humoristisch ist der Beschluss, in den Judeneid zu 
setzen, dass der Jude, wenn er recht schwöre, als ein seliger Jude, wenn er 
falsch schwöre, als ein seliger Christ sterben wolle. 



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1387. 



Die Mergentheimer Stallung. 



zu verlängern, aber sie hatte keine Lust, sieb auf die vorgeschla- 
genen Aenderungen einzulassen. Nur Mainz war nicht abgeneigt, 
auf die Schiedsgerichte einzugehen. Weissenburg im Elsass mel- 
dete dagegen schriftlich, es wolle von einer Verlängerung nichts 
wissen. Von der Einung mit den Fürsten habe die Stadt keine 
Vortheile gehabt; ihre Bürger seien während derselben in der 
Fürsten Gebiet gefangen und weggeführt worden '). — Diese 
Meinungsverschiedenheit liess wenig Gutes erhoffen. 

Unbekannte Gründe führten einen Aufschub herbei, so dass 
erst Ende October die Verhandlungen zwischen den Fürsten und 
den Städten in Mergentheim begannen. Die rheinischen Städte 
hatten auch ihre Boten geschickt, aber gerade die einflussreichste 
von ihnen, Strassburg, blieb aus, und dieser Umstand, wie die 
im Schoosse des Bundes herrschende Meinungsverschiedenheit hatte 
zur Folge, dass der rheinische Bund sich vorläufig fern hielt 2 ). 
So schlössen die schwäbischen Städte allein am 5. November mit 
den Fürsten die sogenannte Mergentheimer Stallung ab B ), 

Sie beruhte im allgemeinen auf der Heidelberger Stallung. 
Wie dort sind die Abschliessenden auf der einen Seite die in dem 
Nürnberger Bunde mit dem Könige vereinten Kurfürsten, Fürsten 
und Herren, aber in ihrem Namen stellen nur drei Fürsten die 
Urkunde aus, weil auf der andern Seite nur der „Bund in Schwa- 
ben" — ausdrücklich so bezeichnet — durch die drei Städte 
Augsburg, Nürnberg und Ulm vertreten den Vertrag eingeht. 
Herzog Stephan von Baiern und Herzog Albrecht von Oestreich 
stehen demnach an der Stelle, welche früher Adolf von Mainz, 
Ruprecht von der Pfalz, Bischof Gerhard von Würzburg, Leopold 
von Oestreich und Eberhard von Wirtemberg einnahmen; nur 
Burggraf Friedrich ist geblieben. Herzog Albrecht trat einfach 
an Leopolds Stelle, nachdem er sich soeben, am 16. October, 
noch in den Nürnberger Herrenbund hatte aufnehmen lassen *). 
Dagegen ist Stephan für Eberhard von Wirtemberg genannt, 
gewiss weil letzterer seine Schuldsache noch nicht ausgeglichen 
hatte. Diese Alle erklären, dass des Königs Räthe — unter denen 
sich jedenfalls der Kanzler Hanko befand — „von des Königs 



1) RA. n. 318. 

2) RA. u. 329. 

3) RA. n. 324. 

4) RA. n. 215. 



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332 Achtundzwanzigstes Kapitel. 1387. 

wegen zu unserem und des gemeinen Landes Nutz und Frieden," 
die frühere Abkunft bis St. Georg 1390 verlängert haben. 

Die Artikel der Heidelberger Stallung über gemeinsame 
Kriegshilfe gegen Raub, Mord, Brand und unrecht Widersagen, 
über das dabei zu beobachtende Verfahren u. s. w., sind aus 
derselben nur mit den durch das Ausscheiden des rheinischen 
Bundes gebotenen Aenderungen herübergenommen 1 ); ebenso die 
Bestimmungen über Aufnahme zu Bürgern. Die locale Begren- 
zung, innerhalb deren Hilfe zu leisten ist, bleibt dieselbe, gewiss 
weil doch noch auf den Zutritt der rheinischen Städte, die inner- 
halb der Grenzen sassen, gerechnet wurde. 

Wie die Städte gewünscht hatten, wurde nun in der That, 
„ damit diese Staliung zwischen uns beiderseit desto freundlicher 
gehalten werde," der Austrag von Streitigkeiten zwischen 
Herren und Städten durch Schiedsgerichte festgesetzt. Um die- 
selben besser einrichten zu können, wurden beide Parteien in 
vier Gruppen zerlegt. Der schwäbische Bund zerfiel bereits in 
vier Viertel, welche für diesen Zweck beibehalten wurden, die 
Fürsten nahmen einfach die Viertheilung aus dem Nürnberger 
Herrenbunde in die Stallung herüber 2 ). 

Die Bildung des Schiedsgerichtes erfolgte in eigenthümlicher 
Weise. Haben die Fürsten eine Stadt anzusprechen, so ernennen 
sie aus dem Rathe derselben oder dem einer anderen Stadt im 
betreffenden Viertel einen „gemeinen Mann", während die Städte, 
falls sie gegen einen Herren Klage führen, einen Obmann unter 
den Fürsten des Viertels, dem jener angehört, erwählen. Dieser 
setzt innerhalb der nächsten zwei Wochen an einem geeigneten 
Ort den Tag an. Jede Partei giebt dem Obmanne einen oder 



1) §. 1-12; in §. 5 ist die Erläuterung vom 8. Dec. 1384 (RA. n. 254) 
eingearbeitet. 

2) Nur zum Zwecke des Schiedsgerichtes wurde diese Eintheilung getroffen ; 
mit der Hilfeleistung hatte sie nichts zu thua. Es kann deswegen kaum Ge- 
wicht darauf gelegt werden, wenn einzelne Fürsten, die in der Urkunde vom 
11. März 1383 genannt sind, wie der Erzbischof von Trier, der Herzog von 
Lothringen, der Bischof von Eichstädt, oder solche, deren Beitrittsurkunde uns 
erhalten ist, wie z. B. Bischof Nicolaus von Meissen u. A. hier weggelassen sind. 
Dass dagegen die Grafen Ludwig und Friedrich von Oeningen zur dritten Par- 
tie ausdrücklich zugeschrieben werden, hat seinen guten Grund, da diese Her- 
ren früher mit den Städten verbündet gewesen, aber schon 1386 mit ihnen 
im Streit waren. 



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1387. 



Die Mergentheimer Stellung. 



383 



zwei Schiedsleute zur Seite, welche zuerst eine gütliche Beilegung 
versuchen. Glückt das nicht, so sprechen sie nach ihrem Eide 
Recht; Obmann und Schiedsleute dürfen aber nicht auseinander- 
gehen, ehe sie die Sache mit der Minne oder mit dem Recht 
zum Austrag gebracht haben. Doch mag derjenige Schiedsmann, 
welcher dem Obmann sein Urtheil „beschrieben und versiegelt" 
giebt, davonreiten, wann er will. Den Urtheilsspruch, ob er nun 
einstimmig oder von der Mehrheit gefällt ist, übergiebt der Ob- 
mann dem, der es begehrt, schriftlich und untersiegelt; beide 
Parteien sind gehalten, demselben Folge zu leisten, widrigenfalls 
gegen den Ungehorsamen gemeinsam eingeschritten wird. Ueber- 
griffe müssen unverzüglich, noch ehe man zu Recht darüber 
kommt, „widerkehrt" werden 

Man sieht, das Schiedsgericht wurde nicht ganz in der Weise 
organisirt, wie es die Städte gewünscht hatten. Der gewählte 
Modus war viel einfacher, als jener ziemlich complicirte Vorschlag, 
und darin lag an und für sich ein Vortheü. Der Unterschied 
war freilich der, dass kein stehendes Schiedsgericht existirte, son- 
dern ein solches für jeden Fall gebildet werden musste, und wäh- 
rend früher die klagende Partei nur zwei gegen drei vertreten 
war, hatte sie jetzt zwei gegen eins, wenn auch von diesen Zweien 
einer aus der Gegenpartei genommen war. Immerhin war es aber 
möglich, dass der von den Herren aus den Stadträthen erkorene 
Schiedsmann ein Anhänger der ersteren war, während der umge- 
kehrte Fall weniger wahrscheinlich war. — Sobald das für den 
Augenblick minder rege Misstrauen lebhafter erwachte, musste 
den Städten die getroffene Einrichtung unvortheilhaft erscheinen ; 
kein Wunder daher, wenn im nächsten Jahre, als eine kurze Zeit 
lang die Verbesserung der Mergentheimer Stallung von den 
Städten beabsichtigt wurde, diese sofort wieder auf ihren früheren 
Vorschlag zurückgriffen 2 ). 

Wie früher wurden auch diesmal der König, das Reich und 
die Krone Böhmen ausgenommen, ebenso nahmen beide Parteien 
ihre besonderen Einungen aus. Die Baiernherzöge Stephan, 
Friedrich und Johann, sowie Herzog Albrecht nahmen ausserdem 
den Erzbischof von Salzburg und den Bischof von Passau aus, mit 
denen sie bis zum Jahre 1393 verbündet waren; der schwäbische 



1) §. 12 a-1. 

2) RA. n. 323. 



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Achtundzwanzigstes Kapitel. 



1387. 



Bund ebenfalls den Erzbischof von Salzburg und die rheinischen 
Städte »). 

Letztere nahmen keinen Theil an der Stallung aus früher 
erwähnten Gründen. Einzelne von ihnen waren jedoch einem 
Beitritte nicht abgeneigt. Worms übersandte daher an Stras- 
burg, dessen Boten in Mergentheim nicht erschienen waren, am 
10. November eine Abschrift der Stallung, mit der Aufforderung, 
einen für den 23. November in dieser Sache angesetzten Bundes- 
tag in Worms zu beschicken 2 ). 

Allein auch hier erschienen Strassburgs Boten nicht, angeb- 
lich „vieler Unmusse halber und sonderlich wegen eines Streites 
mit Speier;" die Stadt erklärte nur in einem Schreiben an Mainz 
sich bereit, -die Heidelberger Stallung bis zu ihrem Ausgange 
— Pfingsten 1388 — getreu zu halten s ). Vergebens forderte 
Worms wiederholt Strassburg zur Besendung des Tages auf; jeden- 
falls ist der Beitritt der rheinischen Städte zur Mergentheimer 
Stallung nicht erfolgt. Offenbar wollte Strassburg — und schliess- 
lich werden ihm noch andere Glieder des Bundes beigepflichtet 
haben — sich in keine weiteren Verbindlichkeiten mit den Für- 
sten einlassen; es blieb getreu der immer verfolgten Politik, weit- 
verzweigten Verwickelungen möglichst aus dem Wege zu gehen, 
sich auf die nächstliegenden eigenen Interessen zu beschränken 4 ). 

So trennten sich auch jetzt die Wege der beiden grossen 
Vereinigungen der Städte. Werden sie sich in der Stunde der 
Gefahr doch treulich die Hände reichen? Aber selbst wenn die- 
ses geschah, — und in der That war dem später so eine 
rechte Einmüthigkeit, ein gemeinsames Streben nach einem be- 
stimmten grossen Ziele wohnte den Städten Süddeutschlands 
nicht inne. Eigennützige Interessen walteten allenthalben; wenn 
nun der Kampf mit den Fürsten nicht gleich die gewünschten 
Erfolge brachte, lag da nicht die Gefahr überaus nahe, dass die 
scheinbar so fest geschlossene Einheit sich löste, dass jedes Glied 
nur an sich denkend vor der äussersten Gefahr zurückscheute? 



1) Ob erst dadurch den Baiern das Bündniss der Städte mit Piligrim 
bekannt geworden, wie vielfach geglaubt wird» ist sehr zweifelhaft. — An dem- 
selben Tage erfolgte ein Ausgleich der St&dte mit Eberhard von Wirteinberg 
über dessen Schulden. RA. n. 325. 

2) RA. n. 329. 

3) RA. n. 330. 

4) Vgl. RA. S. 576. 



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1387. Schlussbetrachtungeu. 385 

Die schwäbischen Städte gaben in der Mergentheimer Stallung 
einen unzweideutigen Beweis ihrer Friedensliebe; sie hegten die 
Hoffnung, dass der Kampf mit den Fürsten sich werde vermeiden 
oder wenigstens hinausschieben lassen. So wenig man den Bür- 
gerschaften einen durchaus loyalen Sinn nachrühmen kann, so 
muss ihnen zugestanden werden, dass nicht sie den bald ge- 
nug mit allen Schrecknissen losbrechenden Krieg leichtsinnig her- 
aufbeschworen haben. Ob derselbe überhaupt zu umgehen war, 
ist eine andere Frage ; die einmal bestehenden Gegensätze der 
Fürsten und Städte waren so schroff, dass ein gewaltsamer Zu- 
sammenstoss naturgemäss und nothwendig war. An dem Erfolg, 
welchen er hatte, hing die Zukunft des Reiches. 

Des Königs Verhalten war kein gieichmässiges, von bestimm- 
ten Ideen ausgehendes gewesen; bunt genug zeigt sich Wenzels 
Spiel. Im Anfange auf Seite der Fürsten stehend, wenn auch 
dabei nicht gewaltthätig gegen die Städte, wechselte er seit dem 
Jahre 1383, seitdem er mit dem Römerzuge eine grossartige 
Reichspolitik aufgab, seine Stellung. In Familienangelegenheiten 
fast ganz aufgehend strebte er nunmehr darnach, seine Kräfte für 
diese zu bewahren, im Reiche durch mehr oder minder geschicktes 
Balanciren grosse Störungen zu vermeiden. Dadurch verdarb er 
es mit beiden Parteien. Die ihm kund gewordenen Pläne der 
Thronänderung scheuchten ihn zeitweilig aus seiner Ruhe empor; 
er bewarb sich um die Gunst der Städte, um doch alsbald wieder 
in die Rolle des erfolglosen Vermitteins zu verfallen. Per- 
sönlich den deutschen Thron, der ihm mehr Mühe als Gewinn 
zu bringen schien, nicht hochhaltend, wollte er ihn doch nicht 
seiner Familie entgehen lassen; in diesem Widerspiel der Inter- 
essen schwand seine Thatkraft, die Fähigkeit, seine königliche 
Stellung mit Entschiedenheit geltend zu machen. 



Tb. Liidncr, Geschichte dea deaUcheu Keiohes. I. 



2b 



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Beilagen. 



25* 



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Beilage I. 

Zum Reichstage zu Rotenburg a. T. im Mai 1377. 

Ueber denselben and die ihm vorangehenden Ereignisse siehe RA. n. 
102—115; Konstanzer Chronik bei Mone Quellensammlung zur badischen Lan- 
desgeschichte I, 822; Stchr. Nürnberg 1,36, Augsburg I, 54, Strassburg 11,834; 
Stalin Wirtembergische Geschichte III, 322; Vischer in Forschungen II, 28. - 
Dass Herzog Friedrich von Baiern, wie die Augsburger Chronik sagt und 
Vischer a. a. 0. Anm. 2 bezweifelt, zum Frieden redete, zeigen die Nürnberger 
Stadtrechnungen RA. n. 115 S.203: [mai 13] item propinavimus den Swebischen 
steten 18 sh. hl. umb wein, do sie hie waren mit herzog Friedrich. 

Weizsäcker nimmt in den RA. S. 186 Anm. 1 an, Karl IV. sei im Früh- 
jahr selbst in Nürnberg gewesen. Doch war dem nicht so. Dass der Kaiser 
damals nicht ins Reich gekommen ist, bezeugen zunächst die Stadtrechnungen 
von Nürnberg und Augsburg (Stchr. Augsburg I, 184; RA. n. 115), welche 
seiner Anwesenheit nicht gedenken; die Rotenburger Rechnungen (RA. n. 114) 
gehören jedenfalls zu 1376. Karl IV. kam am 5. April in Tangermünde an, 
wie die Magdeburger Chronik (Stchr. Magdeburg I, 269) angiebt Nur hat die 
Chronik irrthümlich 1376; der Herausgeber hat dieses Versehen wohl bemerkt 
und in der Anmerkung berichtigt, aber gleichwohl im Texte das Datum » achte 
dage na paschen" auf den 21. April, also für das falsche Jahr 1876 reducirt 
Es liegt demnach gar kein Grund vor, in der Urkunde bei Wilkü Ticemannus 
Cod. dipl. 203 p. 250 den Ausstellungsort Berlin in Bettlern zu ver- 
wandeln, wie Weizsäcker in den RA. S. 187 Anm. will. Die Urkunden Karls 
für Köln vom 12. März und 6. April, welche den Ausstellungsort Nürnberg 
tragen (Lacomblet III, 696), sind demnach nicht von Karl, sondern kraft der 
Vollmacht vom 22. Februar 1377 von Wenzel in des Vaters Namen ausgestellt. 
Dasselbe ist der Fall mit der Urkunde Karls in den Reg. Bo. IX, 378 vom 
25. April Nürnberg, denn an diesem Tage war der Kaiser ganz bestimmt in 
Tangermünde; die Urkunde für Ruprecht III. vom 7. Mai 1377 (Reg. Bo. IX, 
874) ist richtig als in Tangermünde ausgestellt bezeichnet. Demnach ist RA. n. 104 



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390 Beilage I: Zum Reichstage zu Rotenburg a. T. im Mai 1377. 

ganz unzweifelhaft von Wenzel allein ausgefertigt. Ebenso stammt RA. n. 108 
vom 1. Juni gewiss aus Wenzels Kanzlei, obgleich sie den Ausstellungsort Tan- 
germunde zeigt. Selbst die kaiserlichen Bestätigungen des Friedens RA. n. 
109 und 110 Tom 15. Juni scheinen nicht wirklich in Tangermünde erlassen, 
sondern in Wenzels Kanzlei entstanden zu sein, da dieser schon am 17. Juni 
an die achtzehn Städte Bevollmächtigte schickt, um diese Urkunden zu über* 
bringen. (RA. n. 111.) 

Ebenso irrthümlich ist die Angabe, welche sich in einer nach 1381 ge- 
machten Aufzeichnung in den Ann. Reinhardsbrunn, (hrsg. von Wegele in Thüriug. 
Geschichtsquellen I, 310 Anm. 5) findet, dass Wenzel am 19. Mai 1877 mit 
seinem Vater, den Brüdern und zahlreichen anderen Fürsten in dem Kloster 
Jericho gewesen sei. — Die inRA.S. 194 Anm. 2 angeführte Stelle (welche ich 
nicht einsehen kann), nach der Karl vor dem 24. April 1377 in Heilbronn war, 
kann sohon deswegen nicht zu 1377 gehören, weil der dort erwähnte Mark- 
graf Johann von Mähren bereits im November 1375 starb. 

Ueber den in Rotenburg vereinbarten Landfrieden siehe RA. n. 112, 113. 
König Wenzel bezeichnet ihn später als den Landfrieden zu „Franken und 
Baiern 44 (RA. n. 134). Mitglieder waren: Adolf von Speier für die Stiftslande 
von Mainz von Miltenberg an, die Bischöfe von Würzburg, Bamberg und Eich- 
städt, die drei Rupreohte und die baierischen Herzöge für ihre fränkisch- ober- 
pfälzischen Besitzungen, die Markgrafen von Meissen, der Burggraf von Nürn- 
berg, der Kaiser selbst für seine Herrschaften diesseits des Böhmer • Waldes 
u. s. w., endlich die Städte Nürnberg, Rotenburg, Windsheim, Weissenburg, 
Schweinfurt. Daher iBt im Text S. 49 als Landfriedensgebiet genauer 
„Franken mit den daran grenzenden Ländern nördlich von der Donau 44 be- 
zeichnet — Weizsäcker betrachtet n. 112 als Entwurf Karls. Mir ist wahr- 
scheinlicher, dass es nur eine in Nördlingen gefertigte Copie ist. Da dort allein 
der Inhalt Interesse hatte, wurde das Mitgliederverzeichniss weggelassen und 
als Eingang die kaiserliche Bestätigung benutzt, welche sicher erfolgt ist, da 
der Landfrieden später beschworen wurde. Das gesohah in Erlbach (RA. n. 
115 S. 203 Zeile 37, 38, vgl. Zeile 25-29); daher ist im Texte S. 50 ange- 
nommen, dass Friedrich von Nürnberg Landfriedenshauptmaun wurde. — Am 
21. Februar 1378 entschieden Friedrich von Nürnberg, Günther von Schwarz- 
burg und Gerlach von Hohenloh einen Streit zwischen WOrzburg und den 
Markgrafen von Meissen, doch wird dabei des Landfriedens nicht gedacht 
Mon. Zoll. IV, 418. 

Wie dann im folgenden Jahre der Landfrieden erneuert und verändert 
wurde, siehe S. 69 des Textes und Beilage VI. 



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Beilage II: Verlobung Sigismunds mit Maria von Ungarn. 391 



Beilage IL 

Verlobung Sigismunds mit Maria von Ungarn. 

Ueber die französich-ungarische Verlobung siehe die Vollmacht Ludwigs 
des Grossen für seine Gesandten vom 16. April 1374 beiFejer Cod. dipl. Hung. 
IX, 4, 558, Katona III, 556. Die Briefe Gregors an Ludwig und Johanna vom 
18. und 22. September 1374, 8. Januar 1375 bei Theiner Vetera monumenta Hunga- 
riae I, 143, 149, 150. Eervyn de Lettenhove sagt in seiner Ausgabe des Frois- 
sard X, 557: Charles V. dans quelques lignes qui nous ont ete conservees, 
avait Charge Bureau de Riviere d'en r6diger les conditions parmi lesqueUes se 

trouvait la cession ä la France de la Pouille et de la Sicile. on lit au 

dos du projet de contrat : tractatus matrimonü non consummati quia Catha- 
rina decessit. (Archives de l'Empire.) — Dass Ludwig damals noch auf einen 
Sohn hoffte, zeigen die Worte Gregors : rogantes cordialiter Deum, ut de prole 
masculina te tuaque regna et ecclesiam Dei dignetur misericorditer consolari, 
Theiner I, 143. Wann Katharina starb, ist ungewiss; jedenfalls war sie noch 
am 30. November 1374 am Leben, wie die Urkunde bei Fejer a. a. 0. IX, 4, 
578 zeigt. Laurentius de Monade (Cbron. de rebus Venet ed. Flam. Corne- 
lius. Von. 1758 p. 116) stellt ihren Tod dar als Strafe Gottes, weil Lud- 
wig die Venetianer so oft bekriegt: moritur Catharina primogenita desponsata 
filio regis Franciae, cum qua salus üngariae paene interiit. 

Kervyn de Lettenhove a. a. 0. IX, 574 theilt aus einer Cambrayer Hand- 
schrift einen merkwürdigen Brief Karls V. an Ludwig von Ungarn mit. Er sei 
glücklich, auB den Briefen, welche ihm Christian von Bionnoroes überbracht, 
zu ersehen, dass Ludwig, die Königinnen und Katharina mit den andern Kin- 
dern wohl seien und der König grosse Erfolge über seine Feinde errungen 
habe. In Betreff der Verlobung zwischen seinem Zweitgeborenen Ludwig und 
Katharina freue er sich, dass der König nunmehr auf seine Wünsche eingehe, 
dass nämlich der Prinz das Königreich Sicilien behalten solle, wenn Katharina 
nach vollzogener Ehe ohne Kinder zu hinterlassen stürbe. Auch habe Ludwig 
gemäss den Vorschlägen, welche ihm Alesinus Bristelli (magister requestarum 
hospitii nostri) übermittelt, zugestanden, dass Karl oder sein Sohn von nun an 
die Provence erblich besässen. Zur Sicherung bitte er nun, Ludwig möge die 
Grossen Ungarns verpflichten, dass sie nach seinem Tode Katharina als Herrin 
und wahre Königin Ungarns anerkennen wollten. Ueber die Cession Siciliens 
und der Provence möge ihm Ludwig recht bald „litteras patentes et quam effi- 

caciores poteritis", zustellen. Ceterum avunoulus noster imperator, qui 

de longinquis adveniens partibus nos in regno nostro celebre visitavit, inter 
alia saepe iteratisque vicibus per plures et multum instanter nos requiri fecit 



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392 Beilage III: Ueber Karls IV. Reise nach Paris. 

et ipsemet improprie requisivit, ut in quantum pro dicto filio nos concernit 
conseDtiremu8 quod haberet regnum Poloniae. Aber er habe geantwortet, ohne 
des Königs von Ungarn Zustimmung könne er in dieser Sache nichts thun. — 
Die soeben erschienenen und daher für den Text nicht mehr benutzten Mande- 
ments et actes divers de Charles V. publ. p. L. D61isle 802 (vgl. 817) erwäh- 
nen unter d. 28. Jan. 1377 (1378) : Crestien de Blommeroes, Chevalier et con- 
seillier de nostre frere le roy de Hongrie, lequel chev. est nouvellement venuz 
devers nous de par nostre dit frere. Dieser war also wirklich gleichzeitig mit 
Karl IV. in Paris. A. o. 0. 807 wird auch „Aleaume Boistel maistre des re- 
questes de nostre hostel" genannt. Trotzdem möchte ich das Schreiben nur 
für eine Stilübung halten oder wir müssen annehmen, dass Katharina 1378 noch 
am Leben war. Vgl. auch die S. 87 Anm. 2 mitgetheilte Stelle. 

Ueber die Kaschauer Tagfahrten von 1373 und 1374 siehe Caro Geschichte 
Polens II, 386, der aber Katharinas Tod zu früh angesetzt bat. 

Ueber die Verlobung Wilhelms mit Hedwig siehe Lichnowsky Geschichte 
des Hauses Habsburg IV, Reg. 1181, 1209, 1362; über die Sigismunds mit 
Maria Chron. Benessii de Weitmuel ed. Pelzel et Dobrowsky Script, rer. Bohem. 
II, 45; Theiner Vet. mon. Hungar. I, 163; Pelzel Karl IV, II, Urk. 304 falsch 
zu 1375, dieselbe Urkunde Mon. Zoll. IV, 346, ebenso falsch zu 1375. Vgl. auch 
Fessler Geschichte von Ungarn. Zweite Aufl. bearb. von E. Klein II, 169 f. 

Beilage III. 

Ueber Karls IV. Reise nach Paris. 

Ueber den Weg, den Karl auf der Reise nach Frankreich einschlug, vgl. 
Pelzel Karl IV., II, 921 ff. und Wenceslaus I, 62. In Dortmund urkundete der 
Kaiser am 21. und 22. November (Fahne Urkundenbuch der freien Reichsstadt 
Dortmund II, 182; II, 2, 154); in Aachen verweilte er nach zahlreichen Urkunden 
vom 30. November bis zum 8. Deoember. Demnach ist in der Urkunde für 
Braunschweig (Stchr. Braunschweig I, 380 und Hansarecesse II, 162) das Da- 
tum: Bruxellis 16. Kalendas Decembr. sicher falsch; es ist entweder zu 

verbessern: 16. Kai. Januar, oder 16. die Decembris. 

Ueber die Belehnung WilhelmB von Jülich-Geldern siehe Leo Zwölf Bücher 
Niederländischer Geschichten I, 853 ff. und Sugenlieim a. a. 0. III, 440; La- 
comblet Niederrhein. Urkb. III, 708 f.; Nijhoff Gedenkwardigheden III, 51 ff. 

Der Aufenthalt Karls in Frankreich ist in der eingehendsten und an- 
sprechendsten Weise geschildert in einer gleichzeitigen am französischen Hofe 
entstandenen Aufzeichnung: Entrevue de Charles IV. empereur et roi de 
Boheme . . . etc. publ. par F. Godefroy. Paris 1614. Ich konnte nur die 



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Beilage IV: Heber den Oberrheio. Landfrieden vom Jahre 1378. 393 

deutsche Uebersetzung von Job. Ritter von Rittersberg in der Monatsschrift 
der Gesellsch. des vaterländ. Museums in Böhmen. Jahrg. 1828 benutzen. 
Christine de Pisan (le livre des fais du sage roy Charles bei Petitot Coli, compl. 
des mem. VI, 64 ff. und anderweitig) hat den oben angeführten Bericht in ver- 
kürzter Gestalt in ihr Werk aufgenommen. Vgl. auch Mandements 734—846. 

Die Ernennung Karls VI. zum Generalvicar erzählt die Entrevue ausführ 
lieh, doch spricht sie fälschlich vom Generalvicariat über das ganze Königreich 
Arelat. Die mit goldenem Siegel versehene Originalurkunde scheint vernichtet zu 
sein; jedenfalls aber giebt die undatirte Abschrift, welchePelzelKarlIV.II, ürk. 
250 mittheilt, den echten Text. Vgl. Mandements 787, 788. Die Beschuldigung 
Dietrichs von Ntem, dass Karl das ganze burgundische Königreich dem Reiche ent- 
fremdet habe, ist schon von Samuel Schurzfleisch : Quod Karolus IV. Aug. non 
dissipaverit imperii Patrimonium, quatenus pertinet ad regnum Arelatense. Witten- 
bergae 1684 zurückgewiesen worden. Vgl. auch dessen Vindiciae juris imperii 
in Provinciam et Delphinatum. Wittenbergae 1707 und Recusae 1736; Jo. Jac. 
Mascov De nexu regni Burgundici cum Imp. Romano-Gerraanico. Lipsiae 1720. 
In neuerer Zeit sind diese Sachen meines Wissens nicht behandelt worden, so 
dringend eine genaue Untersuchung zu wünschen wäre- Vgl. auch Hoefler 
Oesterreichische Geschichte für das Volk. V. Die Zeit der luxemburgischen 
Kaiser 74, 103. 

Beilage IV. 

Ueber den oberrheinischen Landfrieden vom Jahre 1378. 

Den Text desselben siehe RA. n. 116; n. 117 enthält den Befehl Karls 
an Strassburg vom 21. Juni 1378, für die Beobachtung des Landfriedens Sorge 
zu tragen. — Der Landfrieden kann nur ins Jahr 1378 gesetzt werden, da 
Karl erst am 14. September 1377 die elsassische Landvogtei für 30000 Gulden 
(für welche Summe er sie von den baierischen Herzögen eingelöst hatte) an 
Herzog Wenzel von Luxemburg verpfändet hat. Publications de la section 
historique de l'institut ci-devant societe archeologique du Grandduche (de 
Luxembourg) XXIV, 164. Am 19. Februar 1378 befahl Karl den elsässisohen 
Städten, Wenzel zu gehorchen (a. a. 0. 170); am 31. October 1378 gab Erz- 
bischof Kuno von Trier als Kurfürst seine Einwilligung zu dieser Verpfandung 
(Görz Regesten der Erzbischöfe von Trier). — Pas Schriftstück trägt das Datum 
des ö. Mai und Weizsäcker ist der Ansicht, dass Karl an diesem Tage, an 
welchem er sich in Budweis aufhielt, den Landfrieden publicirt habe. Seine 
Meinung scheint eine weitere Unterstützung in dem Unistande zu finden, dass 
Karl ebendort am folgenden Tage für den Pfalzgrafen Ruprecht urkundete 



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394 



Beilage V: Die Theilung der Erblaode. 



(Baur Hessische Urk. I, 736). Aber wie bereits im Texte 8. 65 ausgeführt, 
zeigt die innere Einrichtung des Landfriedens, dass wir in ihm eine von den 
Theilhabern getroffene Vereinbarung zu erblicken haben, für welche dann die 
Zustimmung Karls eingeholt wurde, der die Urkunde in seinem und Wenzels 
Namen publicirte und untersiegelte. Dafür spricht auch, dass die mitten im 
Landfriedensgebiete liegenden Bisthümer 8peier und Strassburg nicht theünah- 
men, ferner die Ausnahmen, welche von den Mitgliedern gemacht wurden. Ich 
denke, dass erst nachdem der Kaiser seine Genehmigung gegeben, die Land- 
friedensurkunde, die ich nicht, wie Weizsäcker als blossen Entwurf ansehe, von 
den Städten besobworen und untersiegelt wurde, wie am Schlüsse ausdrücklich 
mitgetheilt wird, und dass dies am 5. Mai geschah. Daher die Fassung des 
Datums, die ganz entschieden gegen eine Pormulirung desselben in der kaiser- 
lichen Kanzlei spricht; derCopist hat die einzelnen Unterfertigungen derTheil- 
nehmer zusammengezogen. — Bemerken will ich noch, dass in der Ergänzung 
der ersten Zeilen sicher falsch: „Wentzela von gotz gnaden „erweiter" Kernig* 
gesetzt ist; so hat er sich nach der Krönung nie geschrieben. Die Verlän- 
gerung dieses Landfriedens bis zum 25. December 1383 siehe 8. 134 des Textes, 
wo irrig 1382 statt 1383 steht. 

Beilage V. 

Die Theilung der Erblande. 

Die Gründe, welche Karl zur Theilung der Erblande unter seine Söhne 
bewogen, habe ich im Texte S. 20 und 66 f. erörtert; die Vorwürfe, welche 
Palacky Geschichte von Böhmen II, 499 und Sugenheim Geschichte des deut- 
schen Volkes III, 409 deswegen dem Kaiser machen, sind meiner Ansicht nach 
unbegründet. 

Die Frage, wie und wann Karl seine Besitzungen unter die Söhne getheilt 
hat, ist mehrfach erörtert worden, ohne dass sich völlige Klarheit ergeben hätte. 
Eberhard Windeck (cap. I u. II) erzählt, der Kaiser habe für Wenzel das deutsche 
Reich und Böhmen bestimmt, Johann Schweidnitz, Görlitz und das lausitzer 
Land zugewiesen, Sigismund persönlich in die Mark geleitet und ihm dort als 
Markgrafen huldigen lassen; das sei 1386 (wohl Versehen für 1376) geschehen. 
Obgleich diese Angaben ungenau und zum Theil geradezu irrthümlich sind, ist 
ihnen doch mehrfach Glauben geschenkt worden; so von Aschbach Geschichte 
Kaiser Sigmunds I, 10. Pelzel (Karl IV., II, 896 und ebenso Wenceslaus I, 
45) setzt die Theilung kurz vor Wenzels Wahl. Damberger (Synchronistische 
Geschichte XV, 850) verlegt die Theilung in dieselbe Zeit, meint aber, dass sie 
damals „mehr dem Namen, als der Sache nach" geschah. Gustav Koehler im 



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Beilage V: Die Theilung der Erblande. 



395 



Neuen Lausitzischen Magazin 1840, XV III, 97 ff. und nochmals Geschichte der 
Oberlausitz 8 meint, dass Karl jedenfalls 1376 testamentarische Bestimmungen 
darüber getroffen, wie seine Lander unter die Sohne vertheilt werden sollten. 
All ihm jedoch 1377 noch ein Sohn geboren wurde (siehe Forschungen zur 
deutschen Gesch. XIV, 252), habe Karl die betreffende Urkunde vielleicht selbst 
vernichtet und keine neue dafür gegeben. — Koehlers Ansichten theilen im 
Wesentlichen Palacky II, 399 und Sugenheim III, 409. 

Ob Karl wirklich in einer besonderen Urkunde über alle seine Länder zu- 
gleich verfügt hat, bleibt zweifelhaft, doch ist es wenig wahrscheinlich, da sich 
nirgends eine Spur davon erhalten hat. Allerdings war er wohl bereits 1376 
zur Theilung entschlossen und über die Grundzüge derselben im Klaren. 

Die erste auf sie zielende Verfügung ist der Befehl Karls an die Stadt 
Görlitz vom 7. Januar 1377, Gesandte nach Prag zu schicken, um Johann zu 
huldigen und zu schwören, da er denselben zum Herzoge von Görlitz gemacht 
habe, „wo ein besonderes Fürstenthum sein soll, das bei der Krone von Böh- 
men zu Lehen geht". Dem Befehle ist entsprochen worden, da schon am 27. 
Januar der junge Prinz in Prag die Privilegien der Stadt bestätigte (Neues 
Laus. Mag. XVIII, 98; XXXV, 404). Am 20. März 1377 entband Karl von 
Berlin aus die Städte Guben, Sommerfeld, Peiz und Fürstenberg, „welche 
Johann nebst etlichen anderen Städten, Landen und Leuten zu seinem Erbtheil 
und von ihm und Wenzel, als Königen von Böhmen, zu rechtem fürstlichem 
Lehen empfangen hat", von der ihm und Wenzel geleisteten Huldigung. Wilkii 
Ticemannus cod. dipl. p. 250. (Ueber den Ausstellungsort dieser Urkunde s. 
Beilage L) Ueber den Umfang, welchen Johanns Besitz hatte und wie es über- 
haupt bei dieser Theilung mit der Lausitz gehalten wurde, siehe Koehler a. a. 0. 
97. Besonders instruetiv ist darüber die Urkunde des Jodocus vom 6. Februar 
1397 bei Riedel Cod. dipl. Brand. II, 3, 133. 

Nachdem Karl die Mark Brandenburg der Krone Böhmen incorporirt 
hatte, führten zunächst alle drei Söhne den Markgrafentitel bis in den Sommer 
1378. Erst am 11. Juni 1378 verwies Wenzel die märkischen Stände an Sigis- 
mund als ihren Herrn. Der dabei über die Erbfolge getroffenen Bestimmun- 
gen ist S. 67 gedacht (Riedel II, 3, 66 ff.; I, 21, 465; I, 4, 73), doch sind keine 
entsprechenden Urkunden über die Neumark vorbanden. Wie es damals mit 
dieser gehalten wurde, ist ungewiss ; da sie nicht unter den Besitzungen Johanns 
angeführt wird, welche eventuell bei Sigismunds Tode an Wenzel fallen sollen, 
kann sie auch noch nicht in dessen Besitz gewesen sein. Karl kann also erst 
nach dem Juni 1378 für Johann die Neumark bestimmt haben. Denn dass er das 
gethan hat, ist nach der Urkunde vom 22. Mai 1388 (Riedel II, 3, 97) unzwei- 
felhaft. Dort erklärt Sigismund, dass er mit Wenzels und Johanns Bewilligung 
dem Markgrafen von Mähren die Mark Brandenburg verpfände: exceptis civi- 



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396 



Beilage V: i>ie Thcilung der Erblaude. 



tatibus et pertineneiis earum, quas clare memorie ser. pater et dns dos Karo- 
lus R. I. et Bo. B. secundum continentias suarum litterarum excisit de marchia 
memorata et ill. fratri nostro Johanni supradicto applieuit et que ad praefa- 
tum dnmJoh. ducem et marchionem pertinere diDoscuntur. Dass darunter die 
Neumark gemeint ist, folgt aus der Urkunde Sigismunds vom 31. Mai (Riedel 
I, 19, 281), in welcher er die Stande der Neumark dem Herzoge Johann auf- 

lässt: wann wir daz lant vnd die lant schafft in der Marchk ober Oder 

mit allen stuchken vnd zugehorungen , als dasselbe land ettwenn Karol 

Rom. Keyser — — dem — Johansen, Marggr. zu Brandenburg vnd zu Lusitz 
vnd herzog ze Görlitz — benant, gemacht vnd mit seinen brifen gegeben bat 

, Wir besitzen auch wenigstens Eine Urkunde, welche beweist, dass die 

Neumark wirklich in Johanns Besitz gekommen ist. Denn am 23. Februar 
1381 urkundet Caspar von Donyn für Koenigsberg als Vogt und Hauptmann 
der Mark diesseits der Oder des Markgrafen und Herzoges zu Görlitz Johann 
(Riedel I, 19, 274). Doch tritt schon am 12. October desselben Jahres Sigis- 
mund als Herr der Neumark auf (a. a. 0.)> als welchen ihn dann zahlreiche 
Urkunden bis zum Jahre 1388 erweisen. (Vgl. S. 193.) 

Sigismund erhielt die Mark als selbstständigen Besitz, nicht etwa als böh- 
misches Lehen, doch wurde gemäss der früheren Bestimmung Karls die Erb- 
einigung mit Böhmen aufrecht erhalten. Indessen führen hinfort Wenzel und 
Johann nicht mehr den markgräflichen Titel. Die Stande der Altmark ver- 
wahrten sich am 27. März 1379 ausdrücklich, dass sie bei erblosem Abgange 
Johanns und Sigismunds bei Böhmen bleiben sollten; die Krone von Böhmen 
wird geradezu als „Markgraf von Brandenburg" bezeichnet (Riedel II, 3, 69). 
Als daher im Juli 1385 Sigismund die Altmark und die Priegnitz an Jobst ver- 
pfänden wollte, gab Wenzel in seinem und Johanns Namen die Zustimmung 
(Riedel II, 3, 91). Am 19. December 1385 bekennt Wenzel für sich und seine 
Brüder, dass sie die Grafschaft Lindow u. s. w. von der Aebtissin Irmgard von 
Quedlinburg zu rechtem Lehen empfangen haben (Riedel II, 3, 94). — Wie 
sich dann die märkischen Verhältnisse in und nach dem Jahre 1388 gestalteten, 
wird später gezeigt werden. 

Ueber Mähren siehe Sugenheim III, 409 und die dort Anm. 3 angeführten 
Stellen. Wenzel belehnte als böhmischer König am 9. Januar 1376 Jobst feier- 
lich mit dem Markgrafenthume. Pelzel I, 46. 



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Beilage VI: Zum Reichstage zu Nürnberg im Aug. u. Septbr. 1378. 397 



Beilage VX 

Zum Reichstage zu Nürnberg im August und September 1378. 

Die Urkunden über denselben siebe RA. S. 204—225 n. 116-124; (der 
S. 224 Anm. 2 mitgetbeilte Brief gehört jedoch nicht hierher, sondern ins Jahr 
1387, s. Beilage XX) ferner Stchr. Nürnberg I, 38, Augsburg I, 58; vgl. Vischer 
S. 33, Stalin III, 326. 

Der von Wenzel am 27. Mai 1377 in Rotenburg errichtete Landfrieden mochte 
nicht viel geholfen haben, denn bereits am 27. Mai 1378 schliessen die haupt- 
sächlichsten Mitglieder desselben, die Bischöfe von Würzburg und Bamberg 
und Burggraf Friedrich ein Bündniss zur Sicherung der Strasf en in ihren Lan- 
den auf drei Jahre ; am 12. August 1378 noch einmal die Bischöfe von Würz- 
burg und Bamberg auf Lebenszeit zu demselben Zwecke und um Wenzel besser 
dienen zu können. Reg. Bo. X, 12 und 16. — Die Begrenzung des Landfrie- 
dens vom 1. September 1378 ist dieselbe, wie die desjenigen vom vorigen Jahre. 
Nur ist Adolf für die Mainzer Besitzungen um Miltenberg weggelassen, ver- 
muthlich deshalb, weil er als unrechtmässiger Besitzer galt; doch ist nach RA. 

5. 225, Z. 17—19 immerhin möglich, dass er denselben mit untersiegelt hat. 
Ebenso fehlen von den Städten auffallender Weise Rotenburg und Schweinfurt; 
ersteres vielleicht deswegen, weil es in den schwäbischen Städtebund getreten 
war. — Der vom Kaiser ernannte Obmann Graf Gottfried zu Rieneck ist ent- 
weder gar nicht in Function getreten oder hat dieselbe bald niedergelegt, schon 
im December tritt an seiner Stelle Friedrich von Stritberg auf. 

Die guten Beziehungen Ruprechts zu Karl ergeben sich aus mehreren 
Urkunden. Wie wir sahen, hatten ihn Karl und Wenzel im Frühjahr persön- 
lich in Heidelberg aufgesucht, wo Wenzel am 7. März die Privilegien von Neu- 
stadt an der Hardt bestätigte (Boehmer Acta imperii II, 589) und Karl ihm den 
Schutz der Speierer Kirche anempfahl (vgl. S. 64, 65). Ob die bei Scriba 
Hess. Reg. IH, 221 angeführte Urkunde vom 14. Februar 1378 wirklich hierher 
gehört, ist mir zweifelhaft. Wahrscheinlich liegt im Datum irgend ein Irrthum, 
doch konnte ich die von Scriba citirten Bücher nicht einsehen. Die Uebertra- 
gung der Landvogtei in der Wetterau ist vor dem Mai erfolgt, wie aus Karls 
Befehl an Friedberg vom 6. Mai 1378 (Baur Hess. Urk. I, 736) hervorgeht. 
Am 27. October erhält Wetzlar den strengen Befehl, Ruprecht zu schwören 
(Wenk Hess. Landesgesch. II, 455), dem der Kaiser am 30. October zur Ent- 
schädigung für die Kosten, welche ihm der Landfrieden im Elsass und in der 
Wetterau verursacht, einen Zoll verleiht (RA. S. 210 Anm. 1). — Schon am 

6. März hatte der Kaiser in Heidelberg einen Schutzbrief für Oppenheim aus- 
gestellt, dem er am 3. September noch ein Jahrmarktsprivileg hinzufügte. Am 10, 



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398 Beilage VIT: Zum Reichstage in Prankfurt vom Februar 1379. 

und 15. August wurde die Verpfandung Oppenheims und der anderen Städte 
an Ruprecht I. und III. auch auf Ruprecht IL ausgedehnt. (Urkunden bei 
Franck Gesch. der ehemaligen Reichsstadt Oppenheim 366 ff. ; Hoefer Zeit- 
schrift n, 502.) 

Ueber die Verlängerung des Landfriedens zwischen Maas und Rhein 8. RA. 
n. 123 nebst den Anm. Dass derselbe nicht ohne Wirksamkeit war, zeigen die 
Urkunden bei Lacomblet III, 766, 767 vom Mai und Juli 1383 und ebenda 787 
vom 11. October 1385. Als Friedrich von Köln am 30. Januar 1387 einen 
Frieden auf sechs Jahre mit Wilhelm von Berg und Otto von ßraunschweig- 
Göttingen errichtete, nahm er darin aus „den Landfrieden, den wir mit Herren 
und Städten jenseits des Rheins auf der Seite, auf der Köln gelegen ist, haben" 
(Lacomblet III, 806, Sudendorf VI, 178). Darunter ist jedenfalls der Landfrieden 
zwischen Maas und Rhein zu verstehen, der danach im Jahre 1386 noch ein- 
mal verlängert wurde. 

Beilage vn. 

Zum Reichstage in Frankfurt vom Februar 1379. 

Die bei Gelegenheit der Anerkennung Urbans erlassenen Urkunden s. RA. 
n. 129 ff. — Gemäss der in n. 129 getroffenen Bestimmung schwur am 11. 
September 1382 der von Munster nach Schwerin versetzte Bischof Potho vor 
dem Erzbischofe Johann von Prag, dass er Urban anhängen, Clemens verfolgen 
wolle. Abschrift im böhm. Museum. — 

In einer Handschrift der Breslauer Stadtbibliothek (IV, 2, p. 9) heisst es 
in einer unter Friedrich III. geschriebenen, sonst sehr dürftigen Fortsetzung 
des speculum historiale: Wenceslaus Karoli filius rex Bohemie patre vivente 
in imperatorem coronatus venit anno domini 1379 in februario in Franckevoert, 
ubi principes electores convocavit et ibidem ante carnisprivium curiam magnam 
convocavit, ubi etiam principes, duoes, comites et domini cum baronibus sua 
feodalia a rege susceperunt ei adjurantes secum jura regalia et rempublicam 
auxilio et consilio ipsum adjuvare. Iste Wenceslaus totus catholicus sedi 
romane semper obediens fuit et fidelis, cum tempore suo magnum schisma fuit 
in ecclesia. 

Ueber den Weg, welchen der König auf der Rückkehr nach Böhmen ein- 
schlug, siehe das lünerar in Beilage XXII. 

Die S. 94 erwähnten Relationen des Cardinal Pileus vom 14. December 
1378 (im Texte ist irrthümlich 1379 gedruckt) finden sich bei Raynald. 1379 
(falsch statt 1378), 51 und Achery Spicilegium III, 748. Die von Buchner Ge- 
schichte von Bayern VI, 105 zum 18. Januar 1379 angezogene, in Regensburg 



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Beilage VIII: Zum Reichstage in Frankfurt im September 1379. 390 

ausgestellte Urkunde des Pileus aus den Mon. Bo. XXIV, 130 gehört zum 15. 
December 1379. — Am 6. Marz 1379 aberreichte Pileus (wahrscheinlich aus 
Ungarn kommend) in Kuttenberg dem Erzbischofe Johann von Prag in Gegen- 
wart der Kaiserin Elisabeth und zahlreicher Barone und Geistlicher den Car- 
dinalshut; Scr. rer. Bob. ed. Pelzel et Dobrowsky II, 441, Dobner Mon. bist. 
Boem. III, 40. Pileus, von dem wir sehr zahlreiche Urkunden besitzen (die 
erste meines Wissens vom 5. April Prag, Abschrift im böhm. Museum), urkun- 
det in Prag bis zum 10. Mai (Fontes rer. Austr. II, 23, 177, Mon. Bo. XXVI, 
214), vom 12.-18. Juni in Nürnberg (Reg. Bo. X, 34, 35), vom 12.-14. Juli 
in Mergentheim (Wibel Cod. dipl. Hohenloh. 326; Mon. Bo. XVIII, 209), vom 
7.-9. August in Speier (Reg. Bo. X, 37; Mon. Bo. XXXIII, 527—531), vom 
25.-29. August in Worms (Reg. Bo. X, 39; Baur Hess.Urk. III, 527; Remling 
Urkundenbuch I, 680) und trifft dann den König in Frankfurt wieder. — Die 
weiteren Regesten des Cardinais können hier nicht mitgetheilt werden, erwäh- 
nen will ich nur, dass er sich bis Anfang 1382 im Reiche aufgehalten hat Die 
letzten mir bekannten, auf deutschem Boden ausgestellten Urkunden sind in 
Wien am 27. Februar und 1. Marz 1382 erlassen (Fontes II, IG, 348, Pez Thes. 
aneedot. nov. VI, 73). Am 8. Marz erklärt Pileus in einer in Oedenburg aus- 
gestellten Urkunde, dass er auf Urbans Befehl schleunigst nach Rom kommen 
müsse (Breslauer Stadtarchiv). 

Beilage VITT 

Zum Reichstage in Frankfurt im September 1379. 

Es sind hier einige chronologische Schwierigkeiten zu überwinden. Wie 
das Itinerar (Beilage XXII) zeigt, urkundete Wenzel am 11. August und am 
1. September in Nürnberg. In die Zwischenzeit fallt die Belagerung des Raub- 
schlosses Hatstein bei Frankfurt, an welcher der König nach dem Zeugnisse 
einer Urkunde und eines Chronisten Theil genommen haben soll. Das Schloss 
wurde vom Erzbischofe Kuno von Trier und den Genossen des Wetterauer 
Landfriedens bestürmt; nach der Urkunde bei Goerz Regesten der Erzbischofe 
von Trier sühnten sich die Burggenossen am 17. August mit den Belagerern, 
unter welchen der König Wenzel ausdrücklich genannt wird. Die bereits in 
Beilage VII angeführte Handschrift erzählt ebenfalls: Eodem tempore rex Wen- 
ceslaus cum magno exercitu obsedit Castrum dictum Haetsteyn, ubi sui et hn- 
perii spoliatoreB invenit, quos expugnavit et Castrum armata manu cepit et 
victoriose subegit. Eodem tempore cum civitatibus obsedit Rikenberch, (eben- 
falls bei Frankfurt), qui obsessi in Rikenberch, quod factum fuit in Haecsteyn 
timuerunt et placitare promiserunt et sie permanserunt. Die Fragmente des 



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400 Beilage IX: Heber die Stellung der deutschen Fürsten zum Schisma. 



Chron. Mog. misc. bei Boehmer Fontes IV, 375 geben als Anfang der Belage- 
rung den 25. Juli an, und diese dauerte nach der Limburger Chronik 69 vier- 
zehn Tage. Damit würde der oben angegebene Tag der Oapitulation wenig- 
stens ungefähr stimmen. Die beiden letztgenannten Chroniken berichten nicht* 
von einer Theilnahme des Königs und es scheint mir sehr zweifelhaft, ob er 
wirklich persönlich im Heere der Belagerer anwesend war. Denn es wäre doch 
merkwürdig, wenn der König von Nürnberg in die Nachbarschaft Frankfurt* 
gezogen wäre , um sofort nach Nürnberg zurückzukehren und von dort bald 
wieder nach Frankfurt aufzubrechen. Wahrscheinlich hat der König nur den 
Zug gegen die Burg befohlen, zu dem er vielleicht Mannschaft stellte und das 
Reichspanier lieh. So wird er auch im October 1385 unter den Belagerern des 
Schlosses der Reinerscheide genannt, obgleich er zu dießer Zeit sicher in Prag 
weilte (Lacomblet III, 787). — 

Niesert in der Münsterischen Urkundensammlung V, 258 tbeilt eine Ur- 
kunde des Königs mit, welche zum Rotenberg (östlich von Nürnberg) Sonntag 
nach Fruuen Geburt ausgestellt ist. Das wäre der 11. September. Am 14. 
September ist aber bereits in Frankfurt die Urkunde ausgestellt, in welcher der 
König erklärt, dass er Friedrich von Köln feierlich die Reichslehen gereicht 
habe (Lacomblet HI, 737). Dass der König nicht am 11. September in Roten- 
berg und am 14. September in Frankfurt gewesen sein kann, ist offenbar. 
Weizsäcker S. 257 spricht daher Zweifel aus, ob der König damals wirklich 
selbst in Frankfurt war, ob er nicht vielleicht nur seine Boten gesandt hat 
Indessen glaube ich, dass vor der erwähnten Urkunde vom 14. September alle 
Bedenken schwinden müssen. Die von Weizsäcker citirte Stelle aus der Klage- 
schrift des Erzbischofes Johann von Prag hat wenig Beweiskraft, da der Car- 
dinal Johann auch im Januar 1380 mit königlichen Aufträgen in Frankfurt war 
(RA. S. 270, Anm. 2). Vielleicht ist in der Niesertschen Urkunde statt Sonn- 
tag nach Frauen Geburt Sonntag vor Fr. G. (4. September) zu lesen. 



Beilage IX. 

Ueber die Stellung der deutschen Fürsten zum Schisma. 

Der im Texte S. 105 erwähnte Brief des Cardinal Pileus an Urban VI. 
ist uns bekannt aus einem Schreiben, welches Menendus episcopus Cordubensis 
an den König vonAragonien richtete. Dasselbe ist gedruckt beiRaynald 1379, 
44; doch hat es dieser irrig zum Jahre 1379 gezogen. Weizsäcker hat sich 
anfänglich in den RA. S. 237 Anm. zu demselben Irrthum verleiten lassen, ihn 
jedoch in den Nachtragen verbessert und das Schreiben richtig dem Jahre 1380 



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Beilage IX: Ueber die Stellung der deutschen Fürsten zum Schisma. 401 

zugewiesen. Denn Menendus war im Januar 1379 in ;die Gefangenschaft der 
Clementisten gerathen, wie Urbans Schreiben an Peter von Aragonien bei Ray- 
nald 1379, 43 beweist. Menendus erzählt selbst in seinem Briefe, dass er un- 
decim menses in der Gefangenschaft geblieben sei, bis es ihm glückte, hoc 
anno de mense praeterito in nocte S. Catharinae zu entfliehen. Gleich darauf 
erzählt er aber, er sei am IL April von Rom weggegangen. Daher kann 
seine Befreiung nicht am Katharinentage im November geschehen sein, sondern 
der Bischof muss die inventio corporis am 13. März meinen; demnach ist auch 
statt undecim: quindecim menses zu lesen. Der Brief ist also im April 1380 
geschrieben. 

Ueber Adolfs Verhalten ist im Texte eingehend gehandelt; über die 
Stellung, welche Metz und die benachbarten Diöcesen zum Schisma nahmen, 
geben gute Auskunft die Chroniques du doyen de St. Thibaut de Metz bei 
Calmet Histoire de Lorraine II, Preuves 186 (Nancy 1728). Darauf beruht zum 
grossen Theil die Chronique de Metz par Phil, de Vigneulle in Chroniques 
Messines publ. par Huguenin, Metz 1838. Vgl. auch Froissard IX, 146. Die 
Histoire de Metz par des religieux Ben6dictins konnte ich nicht benutzen. 

Die Bemühungen des Avignoneser Papstes, die europäischen Fürsten zu 
gewinnen, und seine Erfolge sind übersichtlich geschildert iu der prima Vita 
Clementis VII. bei Baluze I, 486 ff. ; über deren Verfasser siehe meinen Auf- 
satz in den Forschungen zur deutschen Geschichte XII, 251 ff. 

Thomas de Amanatis gab als Clemens Anhänger an: Dux Austriae domi- 
nus Lupoldus et dux Jullianensis et dux Barbinciae et dux Bavariae (Baluze 
I, 1265). Ueber Leopold ist im Texte eingehend gesprochen; über den dux 
Barbinciae, unter dem offenbar Wenzel von Luxemburg gemeint ist, siehe un- 
ten. Der Herzog von Jülich ist vielleicht deswegen hier genannt, weil er an- 
fänglich den Lütticher Gegenbischof Persand von Rochefort unterstützte und 
ausserdem französische Jahrgelder bezog (S. 114, 115); sonst ist es unzweifel- 
haft, dass er zu Urban gehalten hat. Wer unter dem dux Bavariae geraeint 
ist, bleibt völlig unklar. Man könnte an Herzog Friedrich denken, der 1383 
Karl VI. gegen den Bischof von Norwich unterstützt hat (S. 203); doch schei- 
nen Thomas Aussagen einer früheren Zeit anzugehören. Jedenfalls hat kein 
Wittelsbacher wirklich zu Clemens gehalten. — Auch ein marchio Moraviae 
wird als Anhänger des Gegenpapstes bezeichnet. Das kann sowohl auf Jodo- 
cus, wie auf Procopius gehen. Denn ersterer war eine Zeit lang wegen seiner 
Uebergriffe gegen die Geistlichkeit im Banne, wurde aber schon am 20. Februar 
1380 von Pileus absolvirt; vgl. Wollny Excommunication des Markgrafen von 
Mähren u. s. w. im Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen 1852, VIII. 
180. Dass Procop schismatische Neigungen hatte, sagt Dudik Geschichte von 
Raygern I, 373. 

Th. Lindner, Geschichte tlea deutachen Kelches. I. '26 



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4Q2 Beilage X: Ucber den angeblichen Krieg Wenzels etc. 

Gobefinus Persona (Meibom. I, 296) nennt als heimliche Anhänger des 
Gegenpapstes Engelbert von der Mark und Adolf von Cleve. Engelbert war 
im französischen Solde (S. 115); ebenso Adolf (Mandements 844), welcher auch 
am 8. Januar 1394 ausdrücklich Clemens als echten und wahren Papst an- 
erkannt hat. Pertz Archiv IX, 461, vgl. Lacomblet III, 893. 

Von der Thätigkeit des Cardinais Guido (S. 110) erzahlt Froissard IX, 
147, ohne dass sich seine Angaben im Einzelnen controlliren lassen, üeber 
die Bemühungen Wenzels von Luxemburg, ein Concil zu Stande zu bringen, 
vgl. Baluze II, 857, 858, 869; Dinteri Chron. ducum Brab. et Lothar, publ. 
par F. X. de Ram III, 103; Froissard X, 507. 

Yalentinelli Regesten zur deutschen Gesch. aus den Handschriften der 
Marcusbibliothek zu Venedig in Abbdl. der Münchner Akad. hist. Klasse 1866. 
IX, 472 ad a. 1379 führt an: Copia litterarum missarum a consilio Venceslai 
VI cardinalibus Gallicis petentibus, quod fiat generale concilium (L. XIV, 
254 f. 87). Inc. Quum verendum sit, ne quos duces recti itineris habere nos 
credimus, seminatores habeamus erroris. — Coactis comitiis a Vene. Rom. et 
Boh. rege decernitur de validitate electionis ürbani VI. neque esse quod cele- 
bretur concilium generale. — Ist letzteres Inhalt der Urkunde oder Zufügung 
Valentinellis? 

Eine Handschrift der Prager Universitätsbibliothek (XI. C. 8. p. 290) ent- 
hält folgendes Fragment. Epistola concordie compilata Parisiis anno domini 
1380 sie ineipit: Illustrissimo prineipi domino Wenceslao dei gratia Ror. et 
Boemie regi gloriosissimo. Scisma invalet in regno filiorum Israel id Christia- 
norum peccatis exigentibus ad castigationem nostram. Ad omnes omnino 
scientes ac volentes obviare et resistere usque ad sanguinem pertinet Christia- 

nos. Apparet nounullis sapientia praeclaris, quod quaecumque partium 

concilio generali convocando refragaretur et resisteret absque notoria et ratio- 
nabili causa, ipso facto se et causam suam tamquam lucem odiens suspectam 
redderet totl mundo. Quia tunc scilicet in concilio generali apparebit totum 
corpus ecclesie misticum in unum consensisse et nil prorsus remanebit de 
fermonto. 



Beilage X. 

Ueber den angeblichen Krieg Wenzels gegen die Baiern 1380. 

Buchner Geschichte von Bayern VI, 107 erzählt, Wenzel habe nach dem 
Tode Ottos (15. November 1379) im Jahre 1380 die den Baiernberzogen von 
Karl IV. verpfändeten Städte in der Oberpfalz zurückgefordert und kriegerische 
Schaaren bis Brenberg geschickt, um sie zu besetzen. Die Böhmen seien aber 



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Beilage X: Ueber den angeblichen Krieg Wenzels etc. 403 

geschlagen worden und darauf die Baiern bis vor Prag gerückt. Wenzel habe 
die Flucht ergriffen und Prag wäre verloren gewesen, wenn nicht der Propst 
Sulko von Ohotieschov und der Erzbischof von Prag eiligst Truppen herbei- 
geführt hätten. Diese Erzählung beruht auf Adlzreiter Ann. Boicae Gentis II. 
lib. VI. p. 113, welcher die Ereignisse ins Jahr 1384 setzt, aber zugleich den 
Erzbischof von Prag ausdrücklich Zbinko, succeBsor JohaDnis nennt. Da dieser 
erst 1403 Erzbischof wurde, kann der erwähnte Kriegszug weder 1384 noch 
1380 geschehen sein. Die irrige Angabe Adlzreiters, welche sich in ähnlicher 
Weise bei Aventin und Hajek findet, ist längst nach dem Vorgange Finks von 
Palacky Gesch. von Böhmen III, 1, 210 und Höfler Ruprecht von der Pfalz 
349 berichtigt worden und ich würde ihrer gar nicht gedacht haben, wenn sie 
nicht von Würdinger Kriegsgeschichte von Baiern u. s. w. I, 70 wieder aufge- 
nommen worden wäre. Dieser beruft sich auf „Regensburger Archivalien, 
sowie Schadloshaltungen, welche an verschiedene Personen für um diese Zeit 
erlittene Verluste gegeben wurden." Aber diese Regensburger Archivalien 
scheinen nichts anderes zu sein, als die von Gemeiner II, 194 z. J. 1380 aus 
den Stadtrechnungen entnommene Notiz: „Die Böheim zogen heraus von den 
Freynberg bis Prennberg." Gemeiner fragt zweifelnd: Gegen wen? Vielleicht 
war das irgend ein Fehde- und Plünderungszug böhmischer Herren, keineswegs 
ist aber darunter ohne weiteres eine von Wenzel selbst angeordnete Expedition 
zur Eroberung der oberpfälzischen Städte zu verstehen. Würdinger scheint 
auch selbst S. 264 Beine frühere Angabe zu widerrufen. — Dass Wenzel da- 
mals allerdings Verwickelungen mit den baierischen Herzögen, welche er durch 
die Verpfandung der schwäbischen Landvogteien an Herzog Leopold in ihren 
Rechten gekränkt hatte, besorgte, sahen wir im Texte S. 128 und ebenso 
S. 131, dass auch die Baiern dergleichen befürchteten. Aber da Herzog 
Friedrich schliesslich die Landvogteien behielt, wurde der Kampf vermieden 
und die Baiern blieben ruhig im Besitze ihrer Pfandschaften. Muffat, welcher 
in den Abhandlungen der histor. Classe der kgl. Bayerischen Akad. der Wiss. 
X, 1867, S. 701 ff. über die Grösse und Schicksale der Entschädigungen, welche 
dem Hause Wittelsbach für die Abtretung der Mark Brandenburg an den 
Kaiser Karl IV. verschrieben worden sind, in eingehender Weise gehandelt 
hat, weiss nichts von einem Versuche Wenzels im Jahre 1380, die Pfandschaften 
an sich zu bringen. Wenn Wenzel in diesem Jahre gegen die Wittelsbacher 
Krieg geführt hätte, würde er gewiss nicht Herzog Stephan als Gesandten nach 
Rom geschickt haben. 



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401 Beilage XI: Ueb. d. Einigungen d. schwäbisch- rheinischen Städte etc. 

Beilage XI. 

Ueber die Einigungen der schwäbisch-rheinischen Städte vom 
17. Juni 1381 und 15. October 1382. 

Ueber den Bündnissvertrag vom 17. Juni 1381 siehe Yiscber S. 38 und 
Reg. 159, 160. Es ist nur die von den schwäbischen Städten ausgestellte Ur- 
kunde bekannt, der Nebentractat, welcher Hilfe gegen die im Hauptbriefe Aus- 
genommeneu zusichert, ist dagegen nur von den rheinischen Städten erhalten. 
Da aber späterhin bei der zweiten Einigung vom 15. October 1382 die schwä- 
bischen Städte denselben Nebentractat ausstellten (Vischer Reg. 186), ist mit 
Sicherheit anzunehmen, dass sie auch im Juni 138L dieselbe Zusicherung den 
rheinischen Städten gaben. Die in den Reg. Bo. X, 75 angeführte Urkunde 
vom 15. Juni, in welcher nur 17 schwäbische Städte den Vertrag mit den 
rheinischen abschliessen, ist doch wohl nicht blos ein ungenauer Auszug, wie 
Vischer Reg. 159 meint. Dagegen spricht die abweichende Datirung: St. Veits- 
tag, während die eigentliche Urkunde: Montag vor Johannis Bapt. hat; ausser- 
dem hängen nur zwei Siegel an, während jene alle 33 trägt. Wahrscheinlich 
wurden von der Originalurkunde Abschriften für die einzelnen theilnehmenden 
Städte gefertigt, welche etwas abgekürzt und nicht mit allen Siegeln versehen 
wurden; eine solche liegt hier vermuthlich vor. Zu bemerken ist, dass am 
St. Veitstag Pfeddersheim dem rheinischen Bunde beitrat (Vischer Reg. 158), 
daher erklärt sich vielleicht, wie dieses Datum auf die Abschrift kam. — Die 
schwäbischen Städte nahmen die Fürsten und Herren aus, mit welchen sie 
bereits im Bündnisse standen; die rheinischen Städte Ijaben wahrscheinlich 
dieselben Ausnahmen gemacht, welche sich in dem Bundbriefe vom 20. März 
1381 finden. 

Bei Schollius Annales BingenseB ed. Sanderus (Mainz 1853) S. 171 heisst 
es, wie mir Dr. Scbeffer-Boichorst gütigst mittheilte: Anno 1381 hatt die Statt 
Biugon sambt allen Rheinstätten sich mit den schwäbischen Reichstätten ver- 
bunden wider etliche Fürsten. D. 1381 Montag vor Jacobstag (Juli 22.). Diese 
jedenfalls auf irgend einem Missverständnisse beruhende Angabe hat Weiden- 
bach in den Regesta Bingensia 33 willkürlich noch weiter ausgeführt. 

Ueber die Verlängerung des Bündnisses vom 15. October 1382 siehe 
Vischer Reg. 183—186. Auch diesmal ist die Haupturkunde nur in der von 
den schwäbischen Städten herrührenden Abfassung vorhanden und merkwür- 
diger Weise fehlen in dieser neun Städte, welche Mitglieder des schwäbischen 
Bundes waren : Kempten, Kauibeuern, Pfullendorf, Leutkirch, Isny, Wangen, Buch- 
horn,Gmünd, Hall. Haben sich diese geweigert, der Verlängerung beizutreten? In 
Anbetracht der im Texte S. 169 berührten Verhältnisse wäre das immer mog- 



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Beilage XII: U^ber die französische Gesandtschaft 1383. 105 

lieh und somit läge ein weiteres Zeichen von inneren Spaltungen im schwä- 
bischen Bunde vor. Doch ist das vom schwäbischen Bunde zu stellende Hilfs- 
contingent das schon im vergangenen Jahre festgesetzte, nur sind die 18 Gleven 
hinzugetreten, welche Regensburg zu stellen hatte (Vischrr Reg. 169). Die 
geheime Verpflichtung in Betreff der Hilfeleistung gegen die im Hauptbriefe 
Ausgenommenen ist nur von Seiten der schwäbischen Städte vorhanden, welche 
jedoch unzweifelhaft dasselbe Versprechen von den Genossen erhielten. Merk- 
würdiger Weise ist aber weder in der Verlängerungsurkunde des rheinischen 
Bundes vom 6. Juni 1382 (Vischer Reg. 175, doch ist hier zu lesen: Schaab 
II, Nr. 2 11), noch in der des schwäbischen Bundes vom 28. September (Vischer 
Reg. 182) von Ausnahmen die Rede. Indessen darf wohl angenommen werden, 
dass Scbaab n. 216 nur diejenigen Stellen der Erstreckungsurkunde vom 15. Oct. 
1382 abdruckt, welche von der Bündnissurkunde vom 17. Juni 1381 abweichen. 
Dann ist es wahrscheinlich, dass beide Theile jetzt die früher gemachten Aus- 
nahmen beibehielten. 

Beilage XII. 

Ueber die französiche Gesandtschaft 1383. 

Die dem Könige überreichte Denkschrift steht RA. n. 224; sie trägt das 
Datum Prag 21. August, wahrscheinlich war das der Tag der Uebergabe. Wie 
bereits im Texte S. 204 bemerkt wurde, ist die kurze Erzählung der Thatsachen 
fast wörtlich der Declaration der Cardinäle vom 2. August 1378 (Baluze II, 
822; Raynald. 1378, 63) entnommen. Bemerken will ich noch, dass in den RA. 
S. 400 Zeile 7 die Worte : per clavellatam mit den folgenden : Italicum volumus 
etc. zu verbinden sind. Diese Betheuerungsformel : „beim Gekreuzigten« oder 
auch „bei Christi Nägelmalen u findet sich vielfach in anderen Wahlrelationen 
in demselben Zusammenhange; vgl. Baluze I, 460, 1215. S. 405 Zeile 13 und 
Anm. 8 sind unter der chronica Damasi nicht die Werke des Peter Damiani 
zu verstehen. Man bezeichnete damals den Liber pontificalis häufig als Werk 
des Papstes Damasus I, ohne auf die chronologische Unmöglichkeit zu achten. 
Der Irrthum bildete sich wohl deshalb, weil von Damasus eine Anzahl von 
Grabschriften der Päpste herrührte. Vgl. meinen S. 89 Anm. 3 angeführten 
Aufsatz S. 157. 

Nach Zantfliet (Martene et Durand V, 324) wäre zufällig in Prag ein aus- 
zeichneter Gelehrter, von Nation Normanne, anwesend gewesen, welcher die von 
der Pariser Universität übersandten Briefe als von den Rectoren erzwungen 
bezeichnet habe. Daher habe Wenzel eine bindende Antwort vermieden und 
erklärt, er wolle sich bei der Prager Universität und den Gelehrten seines 
Reiches Raths erholen. 



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406 Beilage XII: Ueber die französische Gesandtschaft 1383. 

In Betreff der beiden bei Baluze II, 890 ff. gedruckten Entwürfe von 
Vollmachten für Jodocus theile ich vollständig die Ansichten, welche Weiz- 
säcker RA. S. 394 f. begründet. Dass dieselben in der französischen Kanzlei 
entstanden sind, zeigt schon der Wenzel hier beigelegte, aber von ihm in Ur- 
kunden nie geführte Titel: futurus imperator. 

Weizsäcker S. 395 vermuthet, dass die bei Palacky Formelbücher II, p. 
85 n. 84 und p. 86 n. 85 gedruckten Briefe sich auf die in Rede stehende Ge- 
sandtschaft beziehen. Aber da in beiden Sigismund erwähnt wird, (in dem er- 
sten Briefe sogar mit dem ausdrücklichen Titel rex Ungariae), müssen die 
Briefe einer späteren Zeit angehören. Denn damals war die Lage Sigismunds 
keineswegs so, dass Wenzel ihn zur Berathung wichtiger Reichsangelegenheiten 
hätte heranziehen können. Eher könnte man denken, dass das Schreiben Wen- 
zels an Urban VI. bei Pelzel I, Urk. p. 50 n. 31, zu welchem Palacky Formel- 
bücher II, 12 wesentliche Verbesserungen giebt, hierher zuziehen sei; indessen 
gehört dasselbe unzweifelhaft dem Jahre 1388 an. 

Dagegen gehört der Brief Wenzels au den Papst bei Palacky a. a. O. p. 
59 n. 51 sicher in das Jahr 1383 und bezieht sich auf die Gesandtschaft Karls VI. 
Der Text ist allerdings sehr entstellt und die Namen sind gänzlich unterdrückt. 
Palacky will den Brief dem Jahre 1395 zutheilen. Das Schreiben kann jedoch 
nur an Urban VI. gerichtet sein, da nur dießem gegenüber Wenzel sagen konnte, 
dass er ihm schon zu Lebzeiten seines Vaters angehangen habe. Der Brief 
handelt hauptsächlich von der Besetzung des Stuhles von Aquileja. Dieser 
war unter Urban zweimal, 1381 und 1387 erledigt ; 1387 aber war Urban weder 
in Rom, noch hatte Wenzel damals die Absicht, dorthin zu ziehen. Wenn nun 
Wenzel sich entschuldigt, dass er die Romfahrt verschoben und eine Gesandt- 
schaft Frankreichs empfangen habe, liegt es sehr nahe, an das Jahr 1383 zu 
denken. Auch die im Patriarchate von Aquileja obwaltenden Verhältnisse 
stehen der Einreihung des Briefes in dieses Jahr nicht im Wege. Das Pa- 
triarchat war nämlich durch den im Januar 1381 erfolgten Tod Marquards 
von Randeck erledigt worden und Urban hatte sofort den Cardinal Philipp von 
Alencon damit providirt, welchen aber das auf sein Wahlrecht eifersüchtige 
Kapitel aufzunehmen verweigerte. Daraus entstand ein langjähriger Streit, 
welcher die gesammte Nachbarschaft in Mitleidenschaft zog. Auch Ludwig 
von Ungarn suchte einen Gandidaten seiner Wahl auf den erledigten Stuhl zu 
bringen, wie die Regesten Valentinellis p. 473, 474 (siehe Beilage IX), und 
Schreiben bei Verci Storia di Marca Trivig. XVI zeigen. Das Kapitel hat, 
wie der in Rede stehende Brief zeigt, sich in dieser Angelegenheit auch an den 
römischen König gewandt, welcher aber ebenfalls das Patriarchat einem sehr 
ergebenen Anhänger zugedacht hatte. Nach allem, was Wenzel über ihn sagt, 
kann er nur den Bischof Lamprecht von Bamberg im Sinne gehabt haben, welcher 



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Beilage XIII: Nicolaus von Riesenburg etr. 407 

damals auch in der dortigen Gegend verweilte, um zwischen Leopold vonOest- 
reich und Franz von Padua zu vermitteln (8. 180). Der Unterkämmerer von 
Böhmen, welcher an Lamprechts Stelle in Bamberg treten sollte, ist Hanko 
Brunonis. Schliesslich resignirte Philipp von Alencon 1387 und an seine 
Stelle trat Johann Markgraf von Mahren, vorher Bischof von Olmatz. — Czoer- 
nig Das Land Götz und Gradisca 337 hat diese Verhältnisse nur flüchtig be- 
handelt, wie das allerdings in der Anlage seines Buches begründet ist. 

Beilage xm. 

Nicolaus von Riesenburg, Bischof von Konstanz und Olmütz. 

Stälin III, 329 glaubt, dass Nicolaus der Burgauer Familie der Keisens 
bürge angehört habe, während Pottbasts Bischofscatalog (Supplement der Bi- 
bliotheca medii aevi 372) ihn aus Preussen stammen lässt. Aber Nicolaus ist 
offenbar identisch mit dem Domherrn von Magdeburg und Breslau, Propst 
zu Cambray, welcher zu den vertrautesten Käthen Karls IV. gehörte. Später 
erhielt er die Propstei zu Bonn, daher wurde er gelegentlich das „Pröpstly von 
Bonn" genannt (Stälin a. a. 0. Anm. 5, vgl. RA. 8. 327); wahrscheinlich er- 
hielt er diese zum Ersatz für die Propstei von Cambray, deren er gewiss ver- 
lustig ging, als dieses Bisthum zu Clemens übertrat. In dem Breslauer Bisthums- 
streite spielte er eine hervorragende Rolle, indem er Administrator des Bis- 
thums wurde und in dieser Eigenschaft die Versöhnung des erzürnten Königs 
bewirkte. (Vgl. Text S. 146 und 147 und den dort citirten Aufsatz Grünhagens 
22). Er schrieb sich damals: Nicolaus de Resemburg, praepositus s. Cassii 
martiris Bunnensis Colon, dioec. et canonicus Wratislaviensis (Stenzel Urkunden 
zur Gesch. des Bisthums Breslau 345). Auch in dem von Wattenbach im Cod. 
dipl. Silesiae V. herausgegebenen Formelbuche des Domherrn Arnold von Pro- 
tzan wird Nicolaus mehrfach erwähnt, doch ist er nicht identisch mit dem 
Pfarrer Nicolaus von Riesenburg (Script rer. Pruss. III, 32), wie Wattenbach 
S. 304 meint, da dieser schon 1374 gestorben ist. — Diese engen Beziehungen 
zn Karl IV. und Wenzel, sowie der Umstand, dass Nicolaus Bich später um 
Olmütz bewarb, lassen vermuthen, dass er aus der böhmischen Familie der 
Riesenburge stammte. Wahrscheinlich war seine Ernennung zum Konstanzer 
Bischöfe eine Gefälligkeit Urbans gegen Wenzel, dessen Wünsche in Betreff 
der deutschen Bisthümer zu erfüllen der Papst eifrig beflissen war. 

Ueber des Nicolaus Erbebung auf den Konstanzer Stuhl geben das 1519 
verfasste Chron. Constanciense des Joh. Manlius bei Pistorius III, 679—681 
und die Konstanzer Chronik bei Mone I, 324 nähere Auskunft. Sein von der 
Minorität des Kapitels gewählter Gegner war der von Herzog Leopold begün- 



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40* 



Beilage XIII: Nicolaus von Riesenburg etc. 



stigte Manegold von Brandis. Die Eonstanzer Chronik sagt: Manegoldus erat 
confirmatus ab episcopo Magunt., qui credidit in Rupertum Gebennensem, qui 
se nominavit dementem. Diese Angabe ist jedoch nicht ganz genau, da Adolf 
1383 und 1384 nicht mehr zu Avignon hielt. Dieser beauftragte allerdings am 
7. Mai 1384 in Schaffhausen den Abt Heinrich von St. Blasien, Manegolds Wahl 
zu confirmiren (Neugart Cod. dipl. Alemann. II, 468). Jedenfalls geschah das 
auf den Wunsch Leppolds, der sich damals in der Nahe Schaffhausens aufhielt, 
also wohl mit dem Mainzer persönlich zusammenkam. Wahrscheinlich war 
damals der päpstliche Entscheid noch nicht bekannt, (Nicolaus hielt nachMan- 
lius erst am 15. Juni seinen Einzug in Eonstanz) und Manegold wird erst, 
als er von Urban verworfen wurde, offen zu Clemens übergetreten sein, wenn 
auch Seine Neigung nach dieser Seite hin bekannt war. Der Eon Stanzer Chro- 
nist denkt an Adolfs Vergangenheit und die spätere Haltung Manegolds und 
hat sich danach die Sache zurecht gelegt. Uebrigens wurde Nicolaus bald von 
seinem Gegner durch dessen Tod befreit. 

Nicolaus, der ein jähzorniger und verschwenderischer Mensch gewesen sein 
soll, wurde bald seines Bisthuines überdrüssig und strebte danach, ein reiche- 
res zu erlangen. Da wurde durch den Tod Peters der mit glänzendem Besitze 
ausgestattete Stuhl von Olmütz erledigt. Nach der gewöhnlichen Annahme 
starb Peter am 13. Februar 1387, doch glaubt Wollny a. a. 0. 182 diese An- 
gabe in Zweifel ziehen und das Hinscheiden des Bischofes in das Jahr 1386 
setzen zu müssen. Am meisten scheint ihn der Umstand zu bestimmen, dass 
eine alte Olmützer Aufzeichnung berichtet, Urban habe „feria IV. post Judica 
anno dorn. 1386" Nicolaus von Eonstanz nach Olmütz transferirt. Da aber 
zugleich angegeben wird, diese Handlung sei in Lucca geschehen, ist un- 
zweifelhaft statt 1386: 1387 zu lesen. Am 22. April empfahl Urban 
ebenfalls von Lucca aus den Regensburgera unsern Nicolaus, welchen 
er bereits als Bischof von Olmütz bezeichnet, da er diesen nebst dem 
Erzbischofe von Messina an den Eönig Wenzel als Legaten schicke (Ge- 
meiner II, 233). Nicolaus war nämlich, sobald er von Peters Tode hörte, an 
den päpstlichen Hof geeilt, um seine Wünsche durchzusetzen. Aber er fand 
unerwartete Hindernisse, denn Wenzel hatte das Olmützer Bisthum bereits dem 
mährischen Prinzen Johann Sobieslaw, bisher Bischof von Leitomischl, zuge- 
dacht und machte dem Papste darüber dringende Vorstellungen (Palacky 
Formelbücher II, 50, das Schreiben gehört zu 1387, nicht 1388). Dadurch sah 
sich Urban veranlasst, die frühere Verfügung aufzuheben und Nicolaus blieb 
vorläufig Bischof von Eonstanz, obgleich das dortige Eapitel bereits Burchard 
von Hoewen zu seinem Nachfolger erwählt hatte. Im Juni wird er wieder als 
Bischof von Eonstanz bezeichnet (Beilage XX). Indessen fand sich bald eine 
Lösung, indem Johann Sobieslaw an Stelle des Cardinais Philipp von Alencon 



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Beilage XIV: Ungarische Verhältnisse. 



409 



zum Patriarchen von Aquileja befördert wurde, so dass Nicolaus endlich den 
Olmätzer Sitz einnehmen konnte. Konstanz erhielt Burchard, der sich freilich 
auch erst eines clementistischen Gegners zu erwehren hatte (Neugart Cod. 
dipl. Alemanniae II, 471; Schreiber Urkundenbuch von Freiburg i. Br. II, 54). 



Beilage XIV. 

Ungarische Verhältnisse. 

Die Zeit, in welche die Verhandlungen der Königin Elisabeth von Ungarn 
mit Frankreich über die Verlobung Marias fallen, lässt sich ziemlich genau 
bestimmen. Bei Fessler Geschichte von Ungarn. Zweite Auflage bearbeitet 
von E. Klein II, 239 Anm. wird (nach Gustav Wenzel Uj Magyar Museum, 
Jahrg. 1851—52, Heft I, welches ich nicht benutzen konnte) aus den „Vene- 
tianischen Staatsschriften im kais. Archive zu Wien" folgende Nachricht vom 
10. Juli 1385 mitgetheilt: „Ambassatores seren. et excell. D. Regia Franciae 
comparuerunt coram nostro Domino cum placabilibus verbis annuntiantes nobis, 

quod tractatus nuptiarum celebratarum inter D. Ludovicum, fratrem D. 

regis Franciae, et Reginam Hungariae erat ductus ad effectnm per verba 

de praesenti; et quod D. rex Ludovicus erat venturus ad istas partes pro 
eundo ad regnum Hungariae. Et eapropter rogabant nostrum Dominum, quod 
veniendo dehinc posset naulisare et soldare de nostris navigiis pro transitu gSuo 
ad suas partes." Ich vermuthe, dass diese Gesandtschaft erst auf dem Wege 
nach Ungarn war, da sonst zwischen ihr uud der ungarischen, welche den 
künftigen König aus Frankreich abholen sollte, ein zu langer Zeitraum läge. 

Die Worte: quod tractatus etc. de praesenti sind unklar. Man könnte 

versocht sein, das „nuptiarum celebratarum" auf das unten zu erwähnende 
durch Jean la Personne abgehaltene Beilager zu beziehen, und dann müsste 
freilich angenommen werden, dass diese Gesandtschaft bereits aus Ofen zu- 
rückkehrte. Aber wahrscheinlicher ist doch nur der Heirathscontract gemeint, 
der schon in Paris mit der ersten Botschaft Elisabeths verabredet sein wird. 
Danach lässt sich vermuthen, dass Elisabeth etwa im Mai, wie ich im Texte 
S. 249 angenommen habe, ihre Anträge nach Frankreich gesandt hat, welche 
dort im Juni angelangt sein mögen. Wie Froissard X, 343 berichtet, wurden 
die ungarischen Boten dort ehrenvoll aufgenommen und reich beschenkt; mit 
ihnen ging der Bischof von Masseres (wohl Bischof Peter von Maillezais, der- 
selbe welcher 1383 am deutschen Hofe verhandelte) und Messires Jehans la 
Personne. Diese müssen es also sein, welche am 10. Juli vor dem Dogen von 
Venedig erschienen. Jean la Personne hielt nach Froissard „sus uo lit tout 



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410 Beilage XIV: Ungarische Verhältnisse. 



courtoisement" mit Maria das Scheinbeilager ab. Der französische Chronist 
befindet Bich freilich in grosser Confusion Ober die ungarischen Verhältnisse: 
Maria nennt er Marguerite, Sigismund Henri de Blanqnebonrg; aber doch er- 
scheinen seine Nachrichten, soweit sie speciell die Verhandlangen Ober die 
Ehe Marias mit Ludwig betreffen, durchaus zuverlässig. Froissards Erzählung 
benutzte Villaret Histoire de France. Paris 1770. III, 471; er bemerkte dazu: 
ce fait qu'on rapporte est regarde comme suspect, cependant Froissard auteur 
contemporain en marque tous les circonstances ; il se trouve d'ailleurs dans 
un manuscrit du meme siecle conserve a la bibliotheque du roi. Das ist wahr- 
scheinlich die in der Collection de chroniques Beiges inedites, Becueil des 
chroniques de Flandre III veröffentlichte Chronique des Pays-Bas, de France, 
d'Angleterre et de Tournai, welche hier (S. 282) offenbar ans Froissard schöpft. 
Die von Kervyn de Lettenhove (X, 666) angefahrte Chronique de Flandre 
(Bibl. royale de Bruxelles 10233), welche gleichfalls von dem durch Jean la 
Personne vollzogenen Scheinbeilager erzählt, wird wohl auch auf Froissard 
beruhen. 

Darauf schickte Elisabeth eine neue glanzende und zahlreiche Gesandt- 
schaft nach Frankreich; es ist nicht recht ersichtlich, ob der von Froissard 
X, 370 und 372 genannte Bischof von Basseres der oben erwähnte Peter von 
MaiUezais oder ein ungarischer Bischof, dessen wirklichen Namen ich jedoch 
nicht enträthseln kann, sein soll. 

Dietrich von Niem erzählt im 58. Kap. des ersten Buches De schismate, 
dasji er in Pavia „satis notabiles nuncios CL numero euntes ad Franciam," 
welche Elisabeth in dieser Angelegenheit schickte, gesehen habe. Aus ihm hat 
Dlugoss (Leipzig 1711) Hb. X, p. 99 fast wörtlich geschöpft Der polnische 
Chronist hat überhaupt Dietrich vielfach benutzt; die Sache verdiente eine ge- 
nauere Prüfung. Dietrich hatte am 10. August Neapel verlassen und sich 
dann einige Zeit in Corneto aufgehalten (I, c. 49, 55); er wird also Ende 
August oder Anfang September in Pavia gewesen sein. Nach Froissard X, 370 
trafen die Ungarn den König Karl VI. in Ertvelde (Artevelde) in Flandern, 
wo dieser von Ende August bis zum 12. September weilte, während nach einer 
andern ungedruckten Chronik (X, 564) erst in Paris die Zusammenkunft er- 
folgte. Der Herzog von Orleans rüstet sich zur Reise und nimmt Abschied 
von der königlichen Familie, aber in Troyes hört er bereits, dass inzwischen 
seine Braut an Sigismund verheirathet worden (Froissard X, 374). Wie Kervyn 
de Lettenhove (X, 564) angiebt, erzählt die Chronique de Berne, dass am 
16. October die ungarischen Posten eingetroffen seien; das Datum stimmt 
sehr gut. 

Dietrich von Niem und nach ihm Dlugoss geben unrichtig an, dass die 
Anträge Elisabeths deshalb gescheitert seien, weil der Herzog von Orleans be- 



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* 



Beilage XIX: Ungarische Verhältnisse. 41 1 

reite den Heirathscontract mit der Tochter des Mailänder Herzoges abge- 
schlossen habe, wahrend Froissard X, 674 berichtet, dass man erst nach dem 
Scheitern des ungarischen Projectes an die Verbindung mit den Viscontis ge- 
dacht Jobann Galeazzo hatte alsbald, nachdem er seinen Oheim Bernabo ge- 
stürzt, mit Frankreich angeknüpft nnd gerade damals am 81. Äugast schloss 
er mit Karl VI. ein Bündniss ab (Lünig Cod. Italiae dipl. II, 422). Vielleicht 
bat er zugleich seine Tochter Valentine angeboten, welche jedoch erst 1889 
mit Ludwig von Orleans verheirathet wurde. 

Die Urkunde vom 28. Juli, in welcher Elisabeth, Maria, der Cardinal 
Demetrius u. s. w. dem Herzoge Leopold geloben, die Ehe Hedwigs mit Wil- 
helm bis zum 15. August zum Vollzug zu bringen, ist bei Fejer X, 1, 141 mit 
der falschen Jahreszahl 1384 abgedruckt, dann noch einmal X, 8, 170 mit der 
richtigen 1385. Leopolds Gegenurkunde steht ebenfalls bei Fejer X, 1, 228 
und anderweitig; vgl. Lichnowsky Reg. 1935 und 1936. Es ist sehr auffallend, 
dass Hedwig in beiden Urkunden nicht regina Poloniae, sondern einfach do- 
mina genannt wird. Die Vertreter der Ansicht, dass Hedwig erst 1385 gekrönt 
worden sei, könnten darin eine Stütze finden; für uns ist diese Frage gleich- 
giltig. Fest steht jedenfalls, dass Hedwig damals schon in Polen war. 

Ueber die Veränderung des östreichischen Heirathsvertrages mit Burgund 
siehe Lichnowsky Reg. 1898—1900. Der Vollzug der Ehe wurde dann immer 
weiter hinausgeschoben (Lichnowsky Reg. 1959, i960) und diese kam erst nach 
dem Tode des Vaters Leopold zum Abschlüsse. 

Für die Stellung der Parteien in Ungarn sind die Verse des Laurentius 
de Monacis 327 recht bezeichnend: 

Proque Sigismundo hi vulgant pugnare marito 
Reginae, Hungariam negat hic parere Bohemo 
Francigenamque vocat, se spondet utrique puella. 

Cum tendant alii votis discordibus — esto! 
Ad regifl natam et pugnent de conjuge solo — 

Ueber die Art und Weise, wie Sigismund den Vollzug der Ehe mit Maria 
erreichte, lauten die Berichte sehr verschieden. Dlugoss (X, 100), welcher 
über diese Vorgänge einen offenbar verwirrten Bericht giebt, dessen Quellen 
sich nicht nachweisen lassen, erzählt, einige ungarische Edle, erzürnt darüber, 
dass Elisabeth den Markgrafen durch den Franzosen verdrängen wollte, hätten 
versucht, sie vom Throne zu stürzen. Daher habe sich die Königin mit Maria 
in em festes Schloss geflüchtet, während Karl von Durazzo sich inzwischen 
zum Könige krönen Hess. Elisabeth dadurch gereizt wandte sich an König 



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Beilage XIV: Ungarische Verhältnisse. 



Wenzel, söhnte sich mit Sigismund aus und rief diesen zurück. Nachdem Karl 
durch Mord beseitigt, wird die Ebe Marias mit dem Markgrafen vollzogen. 

Nach Froissard (X, 372 ff.), der freilich noch viel confuser ist als Diu- 
goss, zog Sigismund mit einem Heere von 10000 Mann vor das Grenzschloss, 
in welchem sich die beiden Königinnen aufhielten und begehrte Maria zur Ge- 
mahlin. Die Mutter weigerte sich, ihm zu willfahren. Als ihr aber die Un- 
garn erklärten, der Handel mit Deutschland sei ihnen ebenso werthvoll wie der 
. mit Frankreich und daher keine Hilfe sandten, und der Markgraf ihr drohte, 
sie zeitlebens in einen Thurm bei Wasser und Brot einzusperren, gab sie nach. 
„Si fu (le marquis) rois de Honguerie." 

Offenbar sind in beide Berichte die späteren Ereignisse, namentlich der 
Zug Wenzels, hineingezogen und so ist die Verwirrung entstanden. Laurentius 
de Monacis 329 sagt nur kurz: 

Conjuge Caesareus dotata sanguine natus 
Hungarico interea potitur. 

i 

Der Text ist offenbar verstümmelt und vielleicht zu lesen: Conjuge Cae- 
sareo dotata sanguine natus — Hungarica interea potitur. Auch hier scheint 
gewaltsame Handlung angedeutet zu seiu. Vgl. auch S. 269 Anm. 2. 

Warum den ferner stehenden Schriftstellern, wie Detmar u. s. w., welche 
versichern, dass Elisabeth selbst Karl habe rufen lassen, mehr Glauben beige- 
messen werden soll, als dem Laurentius de Monacis (wie Caro II, 495 will), 
sehe ich nicht ein. Das Benehmen der Königin gegen Karl konnte im Aus- 
lande allerdings den Glauben erwecken, dass sie selbst ihn herbeigerufen. Aber 
der ganze Zusammenhang der Dinge spricht dagegen. Wie hätte Elisabeth 
mit Frankreich anknüpfen können, wenn sie zu gleicher Zeit nach Neapel ge- 
sandt hätte? Wie wäre es zu erklären, dass sie Karl in so schändlicher Weise 
ermorden Hess? Unmittelbar nach der That sprach Maria öffentlich aus, Karl 
sei gekommen: quorundam nostrorum rebellium mfidelium verbis allectus et 
sermone mollitus (Fejer X, 1, 279). Laurentius würde die Bemühungen der 
Verschworenen nicht in so umständlicher Weise schildern, sondern über diesen 
Punkt flüchtiger hinweggehen, wenn er nicht die Wahrheit berichtete. Dass 
Dlugoss sich widerspricht, hat schon Katona gut nachgewiesen. Sollte endlich 
Elisabeth selbst die Hand geboten haben, ihre Tochter vom Throne zu ver- 
drängen? 



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Beilage XV: Krieg Leopolds mit den Schweizern. 



413 



Beilage XV. 

Krieg Leopolds mit den Schweizern. 

In Betreff der Verhandlungen, welche dem Ausbruche des Krieges vor- 
angingen, wird gewöhnlich dem Berichte des Lübecker Chronisten Detmar 
(hrsg. v. Grautoff I, 337 f.) grosses Gewicht beigelegt. Dieser erzählt nämlich, 
die Schweizer hätten dem Herzoge im verflossenen Jahre 16 Schlösser abge- 
nommen, welche dieser gern zurückgekauft oder eingelöst hätte. Als die 
Schweizer darauf nicht eingingen, wandte sich Leopold au die Bundesstädte 
und gab ihnen Vollmacht zu verhandeln. Diese verlangten vergebens von den 
Schweizern, dass sie dem Begehren des Herzoges willfahrten. Da erklärten 
die vom Bunde: Zo kone wy uns nicht bewaren iu den hertogen, de wedder 
iw wil kyven; wi en sitten dorsto stille. — Ja, spreken die Tzwitzer, dat dot! 
Wi willen uns alleyne wol wedder ene.weren. — Ich trage doch Bedenken, 
diesen Bericht so ohne weiteres für vollglaublich zu halten. Denn Detmar war 
offenbar nicht ganz genau unterrichtet, schon obige Erzählung enthält that- 
sächliche Unrichtigkeiten und ebenso ist das bei dem darauf folgenden Berichte 
über die Sempacher Schlacht der Fall. — Man wusste in den Hansestädten, 
dass die Reichsstädte zu vermitteln gesucht hatten, dann am Kriege gegen Leopold 
nicht theilnahmen; aus diesen richtigen Grundzügen kann sehr leicht Detmars 
Combination gemacht Bein. 

Die kriegerischen Ereignisse, welche der_Scblacht vorangingen, näher zu 
verfolgen, ist für unsere Aufgabe überflüssig ; . ebenso wenig sind hier die ver- 
schiedenen Beschwerden, welche beiderseitig erhoben ..wurden, des weiteren zu 
erörtern. Es genügt, auf das Material hinzuweisen, welches Liebenau an der S.281 
Anm. 2 angegebenen Stelle gesammelt hat. Auch auf die so vielfach besprochene 
Winkelriedsage braucht nicht nochmals eingegangen zu werden. Otto Kleissner 
hat neuerdings die Quellen zur Sempacher Schlacht und die Winkelriedsage 
einer eingehenden Untersuchung unterworfen, welche die Haltlosigkeit jeuer 
wiederum dartbut; ich kann kurz auf diese Arbeit verweisen. Ich möchte nur 
hinzufügen, dass die ulte Sage vom Kampfe Winkelrieds mit dem Lindwurm 
(Deutsche Sagen hrsg. von den Brüdern Grimm. Zweite Auflage. Berlin 1865. 
I, 263) bereits die wesentlichen Elemente der jüngeren Sage enthält. Winkel- 
ried erbietet sich freiwillig, den Drachen anzugreifen und tödtet ihn, indem er 
ihm ein Bündel Dörner in den aufgesperrten Rachen stüsst. Dadurch wird das 
Thier zur Vertheidigung unfähig, so dass ihm der tödtliche Stoss versetzt wer- 
den kann. Aber das giftige Drachenblut fliesst dem Helden an den Arm und 
auf die blosse Haut und er muss alsbald sein Leben lassen. Da sind Anklänge 
in reicher Fülle vorhanden. 



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414 Beilage XV: Krieg Leopolds mit den Schweizern. 

Von den Schilderungen der Schlacht, die alle sehr dürftig sind, ist doch 
wohl die von Königshofen gegebene (Stchr. Strasburg II, 827) die beste. Es 
ist unmöglich, die Einzelheiten festzustellen; jedenfalls haben die Ritter durch 
UngestOm und vorschnellen Angriff ihren Gegnern den Sieg ausserordentlich 
erleichtert. Vielleicht ist der Hergang folgender gewesen. 

Die Ritter von übermüthiger Kampfbegierde erfüllt sassen ab, als sie die 
Schweizer erblickten, welche durch den Wald in die Ebene herabgezogen kamen, 
und eilten ihnen entgegen; das aufsteigende Terrain war für die Pferde nicht 
günstig. Die Schweizer schlössen sich zusammen in einem „Spitz" und rückten 
Tor; sie hatten dabei den Vortheil, von der Höhe herabstürmend desto kraf- 
tiger vorstossen zu können. Anfangs mussten sie freilich grosse Verluste er- 
leiden, wie auch die Klingeuberger Chronik und Justinger hervorheben. Denn 
nur die Spitze und die Flanken konnten kämpfen oder wurden vielmehr den 
Rittern in die Waffen gedrängt, während die Masse nachdrückte. Die Ritter 
aber waren wahrscheinlich ohnehin nicht sehr fest geordnet, da sie zu unge- 
stüm vorgegangen waren ; ausserdem erschwerte ihnen die ungemeine Hitze den 
Kampf. Daher wurden sie von dem Keile der Eidgenossen auseinandergedrängt 
und in zwei Theile zerrissen. Das ist jedenfalls gemeint, wenn Königshofen 
sagt: dovon wart den heren zehand der drug anegewunnen, oder wie es in der 
Kling. Ohr. 120 heisst: vnd also nament si (die Eidgenossen) erst do den 
truck. Dadurch wurde es zugleich den Schweizern möglich, sich zwischen die 
Ritter und deren zurückgelassene Pferde und die bei diesen gebliebenen Knechte 
zu werfen, so dass letztere von ihren Herren abgeschnitten flohen. Jetzt erst 
begann die Mordarbeit: die Schweizer lösten den Keil auf, schwenkten aus- 
einander und stürzten sich auf die erschöpften Ritter. Justinger 168 sagt ganz 
der Lage entsprechend : Bald Hessen die eydgnossen von dem spitze und lieffen 
in die herren und singen so grülich mit den halbarten, daz nüt vor den streichen 
gestan mocht. Denn ohne Auflösung der geschlossenen Ordnung konnte die 
Masse der Schweizer gar nicht zum Handgemenge kommen ; Kleissner hat sich 
diesen Umstand wohl nicht recht klar gemacht. Jetzt fiel es den leicht ge- 
rüsteten und daher beweglicheren Schweizern nicht schwer, die durch die wuch- 
tige Rüstung am Einzelkampfe gehemmteu und ohnehin an Zahl schwächeren 
Ritter niederzuschlagen. — Indessen kommt man bei den dürftigen Nachrichten 
über die Vermuthung nicht hinaus. 



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Beilage XVI: Zeitbestimmung des Heidelberger Tages etc. 415 

Beilage XVI. 

Zeitbestimmung des Heidelberger Tages vom Anfang Juni 1386. 

Dieser Heidelberger Tag wird mehrfach in den Rechnungsbücbern Nürnbergs 
und Frankfurts erwähnt. In letzterem (RA. n. 290) heisst es unter dem 7. Juli: 
66 gülden virzerten Aduelff Wiesse unde Bruen zu Bruenenfels 15 dage gein 
Heidelberg mit der andern stede frunden zue unsern herren den forsten, unde 
gein Wormsse zusehen der paffheid unde der stad zue te dingen, alse der 
zweiunge ein ufslag sehs jare gemacht ward. Die Sühne in Worms (vgl. S. 290) 
erfolgte nach Janssen S. 22 n. 56 am 18. Juni, wahrend die darüber ausge- 
stellte Urkunde (bei Schannat Hist Worm. IL Cod. prob. 199) den 25. Juni 
tragt; sie wurde vermittelt unter anderen durch den jüngsten Pfalzgrafen 
Ruprecht und die Boten von Mainz und Speier. Jedenfalls ist aber hier in 
den Rechnungsbüchern das erstere Datum, der 18. Juni gemeint Da dieselben 
Boten, welche in Heidelberg waren und im Ganzen fünfzehn Tage ausblieben, 
dem Acte in Worms beiwohnten, ist demnach der Heidelberger Tag in den 
Anfang Juni zu setzen. Dass die Eintragung der Kosten in Frankfurt erst am 

7. Juli geschah, thut nichts zur Sache. 

Eine nähere Zeitbestimmung lässt sich wohl aus der Münzconvention der 
vier rheinischeu Kurfürsten entnehmen (RA. n. 286). Diese ist datirt vom 

8. Juni, bat aber keinen Ausstellungsort. Indessen ist es doch sehr wahr* 
scheinlich, dass dort in Heidelberg, wo eine zahlreiche Versammlung gegen- 
wärtig gewesen zu sein scheint, die Verhandlungen darüber zum Abschlüsse 
kamen, wenn auch nicht alle vier Kurfürsten in Person anwesend waren. 

Die Nürnberger Rechnungsbücher haben zwei Notizen (RA. n. 291); zu- 
nächst zum 20. Jnni : item ez kost die vart, die Ott Pascheimer tet zu unserem 
herren dem kuenig von dez tags wegen zue Heydelberg, daz er einen seins 
rats dorauf schickt, 7 Ib. 8 sh. hlr. Und zum 18 Juli: item es kost die vart, 
die Bertholt Pfiotzing und Jobs Tetzel teten gen Speier zu gemeinen steten 
und do ein tag waz zwischen herren und steten zue Heydelberg, mit allen 
Sachen 189 lb. und 15 sh. hlr. Das Datum der Eintragung giebt auch hier 
keinen Anhalt zur Zeitbestimmung; unter demselben folgen alsbald die Aus- 
gaben für den Mergentheimer Tag am 3. August. Der erwähnte Tag in Speier 
ist wahrscheinlich der vom 7. Juli (vgl. S. 294); da die Kosten der Botschaft 
so hoch sind, ist zu vermnthen, dass die Abgeschickten so lange am Rhein ge- 
blieben sind. 

Diese Feststellung des Heidelberger Tages ist von grösster Wichtigkeit, 
da sich danach der Brief des Unbekannten an Peter Kreglinger und Heinrich 
Toppler (RA. n. 309) bestimmt, welchen Janssen in das Jahr 1384, Weizsäcker 



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4\(\ Beilage XVI: Zeitbestimmung des Heidelberger Tages etc. 

1387 ansetzt. Letzterer hält sich an die im Schreiben enthaltene Angabe, dass 
Wenzel nach Ungarn gehen und dort seinen Bruder krönen wolle. Allerdings 
ist die Krönung Sigismunds erst am 31. Marz 1387 geschehen, aber trotzdem 
kann der Brief sehr wohl schon 1386 geschrieben sein. Da hat der König 
wirklich seinen Bruder nach Ungarn geleitet, und dass man vorher als seine 
Absicht bezeichnete, Sigismund zu krönen, d. b. doch nur, ihm die Krone zu 
verschaffen, war ganz natürlich. Ausserdem kann Wenzel ursprünglich die 
Absicht gehabt haben, auch die Krönung sogleich durchzusetzen. Mit der in 
diesem Stücke von Wenzel gethanen Verheissung, „uf sant Johans dag zu 
sunwenden" bei den Kurfürsten sein zu wollen, stimmt sehr gut Überein, wenn 
er dann am 8. Juni seine Ankunft in Oppenheim für den 25. Juli ansetzt; vor- 
her habe er wegen der Dinge in Ungarn nicht kommen können (RA. n. 288). 

In dem Briefe des Unbekannten wird ferner erzählt, einige genannte böh- 
mische Herren seien heftig erzürnt auf Cbwal von Kosteletz, welcher auf Ge- 
heiss des Königs gegen einen böhmischen Landherrn gezogen war, und hätten 
dem Könige ins Angesicht gedroht, dem Ohwal das Haupt abzuschlagen. Chwal 
von Kosteletz war im October 1385 als Schiedsmann in den Streitigkeiten 
zwischen Böhmen und Albrecht von Oestreich thätig (Lichnowsky Reg. 1947, 
1952), und es ist nicht unmöglich, dass die hier erwähnten Händel irgendwie 
auf jene Angelegenheiten zurückführen; sie können demnach ganz gut in den 
Anfang 1386 gehören. Offenbar aber sind sie gänzlich verschieden von den 
böhmischen Unruhen, deren Palacky HI, 1, 48 gedenkt, und welche Weizsäcker 
anzieht, um seine Annahme, dass unser Schreiben in 1387 gehöre, zu begrün* 
den. Auch der Umstand, dass unser Brief jedenfalls am Anfange eines Jahres 
gesehrieben ist, verbietet an jene Unruhen von 1387 zu denken, die erst am 
Ende dieses Jahres entstanden sind. 

Endlich wird in dem Schreiben gesagt: ouch solt ir kurzlich innen wer- 
den, daz das land zue Lutzeinborg verloren ist. Was der Verfasser damit 
meint, ist allerdings nicht recht klar, aber wahrscheinlich stand damit die Er- 
nemmug des Herzogs Johann von Görlitz zum Verweser des Herzogthumes, 
welche am 15. Mai 1386 in Presburg erfolgte (vgl. S. 265 Anm. 1), im Zusammen- 
hange. Wahrscheinlich spielt der Schreiber auf die damals beginnenden Zer- 
würfnisse zwischen König Wenzel und der Herzogin Johanna von Brabant an, 
deren im nächsten Bande gedacht werden wird. 

So dürfte es nicht fehlgegriffen sein, wenn wir das in Rede stehende 
Schreiben in den Anfang 1386 setzen. Da der König Anfang April Prag ver- 
liess, muss es vorher abgefasst sein. Der Heidelberger Tag war also von 
langer Hand her vorbereitet. 



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Beilage XVII: Zum westfälischen Landfrieden. 



417 



Beilage XVII. 

Zum westfälischen Landfrieden. 

Daas Bischof Heinrich von Paderborn den westfälischen Landfrieden zu 
Stande gebracht habe, sagt Gobelinus Persona im Oosmodromium (Meibom. Scr. 
rer. Genn. I, 291): Hic Henricus episcopos comites et nobiles Westfaliae in- 
duxit ad faciendum pacem, sie quod ecclesiae et coemiteria ac personae eccle- 
siasticae, mercatores, peregrini et arantes cum rebus suis übertäte tali gaude- 
rent, quod nemo eis violentiam inferret et quicumque pacem illam infringeret, 
suspendio interiret. Et haec pax jurata est servari et imperiali decreto, ut 
esset perpetua, Henrico episcopo procurante confirmata est. Et multi contra- 
rium huius pacis facientes suspendio perierunt. 

Aehnüch Lerbecke im Chron. Mindense (Leibnitz Scr. rer. Brunsvic. II, 
315): Anno primo [irrig] Wedekindi facta est in Westph. pacis et concordiae 
quaedam confoederatio, quae landfrede nominabatur, quae sie habebatur, quod 
ruatici in agro pacem habebant, quod nullus audebat tangere tarn pecora 
quam homines, qui erant circa aratrum. Illud durabat per aliquot dies: cujus 
autor Hinricus dictus Speygel Päd. ep. extitit gloriosus. 

In spateren Becensionen der Chronik des Florenz von Wewelinkhoven 
(Ficker Geschichtsquellen des Bisthums Münster I, 68) heisst es nur: Item 
mazima pax et privilegia ecclesiis, coemeteriis, mercatoribus et villariis per 
Karolum B. I. sub banno imperiali fuit data et mandata. 

Dass der westfälische Landfrieden nach 1376 weiter bestand, zeigen meh- 
rere Urkunden. Als Friedrich von Köln am 16. August 1379 ein Bündniss mit 
Graf Heinrich von Waldeck schloss, nahmen beide den Frieden aus, »der dem 
Lande, von Westfalen vom heiligen Reiche gegeben ist u ; Friedrich ausserdem 
den Landfrieden, „den wir mit anderen Herren und mit den Städten in West- 
falen haben", und ebenso Graf Heinrich für den Fall, dass er ihm beiträte. 
Lacomblet HI, 704. — Am 3. September 1379 trat Graf Bernhard von Bent- 
heim dem Kaiserfrieden bei. Seibertz a. a. 0. II, 659 Anm. — Am 5. Sep- 
tember 1379 (Jung Hist. comit. Bentheim. Cod. dipl. 27) erklären die Bischöfe 
von Münster, Paderborn und Osnabrück, der Graf Engelbert, die Grafen von 
Waldeck und Rietberg und Godener von Wewelinkhoven, zur Zeit Marschall in 
Westfalen und die Stadt Soest, dass sie um die Fehde, in welche sie mit dem 
Grafen von Tecklenburg wegen Bruch des westfälischen Landfriedens gerathen 
sind und in der dieser Rheda belagert hat, gesühnt sind. Unter den Bedingungen 
befindet sich auch die, dass Graf Otto von Tecklenburg, seine Erben und Unter- 
sassen „des Kaisers Frieden" geloben und schwören müssen. — Zu dieser Be- 
lagerung von Rheda hatte Friedrich von Köln seine Hilfe verweigert (Gobel. 

Tb. Lindner, Getoblobte des deoUohen Reichel. I. 27 



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418 Beilage XVII Zum westfälischen Landfrieden. 

/ 

Per«. 292), ein weiterer Beweis dafür, dass er, wenn auch Mitglied des Land- 
friedens, doch demselben nicht seine Thätigkeit widmete. Der Beitritt des 
Herrn zur Lippe folgt aus der Erklärung Lemgos vom 1. Februar 1382 bei 
H&berlin Analecta 341 ; Abt Bodo und Capitel von Corvey treten am 20. April 
bei (Wigand 249). 

In Stchr. Braunschweig I, 465 wird unrichtig gesagt: „Es findet sich 
keine Nachricht, in welcher Art die Landrichter bestellt wurden. Sie nannten 
sich „der Fürsten, Herren und Städte," möglich dass bei ihrer Wahl die drei 
Stande gleichmässig betheiligt waren." Nach den Urkunden ist es ganz un- 
zweifelhaft, dass die Landrichter von den Fürsten eingesetzt .wurden, für deren 
Gebiet der Landfrieden verliehen wurde. Am 1. April 1383 setzt Erzbischof 
Adolf von Mainz kraft des ihm von König Wenzel gegebenen Vollmachtbriefes 
den Ritter Bernhard von Talwig auf ein Jahr ein als seinen Richter über den 
Landfrieden, der von Karl IV. zu Westfalen und da in den Landen gesetzt 
und gemacht und in welchen er selbst mit seinen Schlössern, Städten, Landen 
und Leuten gekommen ist (RA. S. 350 Anm. 4). Vgl. die Urkunden für Würz- 
burg Reg. Bo. X, 142; für Nassau-Dillenburg bei Erhard Mittheilungen znr 
Geschichte der Landfrieden in Teutschland 24 und für Magdeburg ebenda 38; 
für Thüringen bei Horn a. a. 0. 666 u- s. w. Einzelne Städte erwarben dann 
ebenfalls das Recht, eigene Landrichter zu setzen; siebe im Text S. 344. 
Ob der Landrichter vorher dem Könige präsentirt werden musste, ist zweifel- 
haft; bei den Städten war es der Fall, bei den Fürsten wohl nicht. 

Die Urkunde vom 15. Juli 1382, in welcher Wenzel dem Erzbischofe von 
Köln gestattet, alle passend scheinenden Personen in den Landfrieden aufzu- 
nehmen, ist gedruckt in RA. n. 197. An demselben Tage gestattet ihm Wenzel 
die Investirung der Freigrafen in den Herzogthümern Engern und Westfalen 
(Seibertz II, 643; vgl. S. 302). Die Aufnahme von Hildesheim und Mainz 
siehe RA. S. 350 Anm. 3. 

Die Urkunde für die Herzöge von Sachsen-Lüneburg RA. n. 198 und 
Sudendorf VI, 13. Die Vcrleihungsurkundc entspricht wörtlich der vom 
25. November 1371, welche Karl IV. für die westfälischen Herren gab. 
Nur ist immer statt Westfalen Lünehurg gesetzt, obgleich die Verhältnisse 
beider Länder nicht übereinstimmten. In einem späteren Falle, als der König 
dem Bischöfe von Bamberg und dem Burggrafen von Nürnberg denselben 
Frieden verlieh, wurde passender die Urkunde Karls für Westfalen selbst ein- 
geschaltet. RA. n. 296. 

Dass der Frieden sofort Wirksamkeit erhielt, zeigt eine Aufzeichnung im 
Braunschweiger Fehdebucb, Stcbr. Braunschweig I, 82. Der Graf von Tecklen- 
burg hatte Kaufleuten unter dem Vorwande, dass sie um den schuldigen Zoll 
betrogen, ihr ganzes Gut genommen. Doch der Landfriedensbund entschied, 



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Beilage XVIII: Verh null. Wenzels v. Sk-Ii^-ii tili f <leu urämisch*. Brüdern. 41U 

dass Kauflcute, welche den Zoll übertraten, nur 30 Schillinge zahlen sollten, 
die man ihnen von ihrem Gute nehmen dürfe, mehr aber nicht. Er zog daher 
vor Schloss Rheda und nöthigte den Grafen seine Beute herauszugeben. Es 
mus8 dies eine zweite Belagerung von Rheda gewesen sein, da die erste bereits 
in 1379 fällt. Vgl. S. 417. 

Beilage XVIII. 

Ueber die Verhandlungen Wenzels von Sachsen mit den braun- 
8chweigischen Brüdern im Sommer 1386. 

Die Zeit, in welcher die Herzöge Friedrich, Bernhard und Heinrich hei- 
ratheten, wird in den Chroniken sehr verschieden angegeben. Detmar 328 
erzählt bereits z. J. 1384 die Heirath Friedrichs und Bernhards mit den Töch- 
tern Wenzels, doch sagt er noch einmal 840 z. J. 1387: In demcsulven jare 
hadde hertoge Berend hertogen Wentzlaves dochter nomen to enen echten 
wyve. Das Chronicon picturatum Bothonis (bei Leibnitz Script, Brunsvicensia 
III. III) spricht S. 389 z. J. 1385 von der Hochzeit Friedrichs und Bernhards, 
und noch einmal S. 391 z. J. 1390 von der Friedrichs allein. Dagegen be- 
richtet das Chron. S. Aegidii (ebenda 594) sehr bestimmt: Tres duces Bruns- 
wichzenses pariterque fratres vid. Frid. Bern, et Hein, duxerunt uxores in 
quatuor septimanis. 

Mit dieser Angabe stimmen auch die Urkunden überein. Kurfürst Wenzel 
nennt in der Urkunde vom 25. Juui 1386 (Sudendorf VI, 161, ist hier „Berne- 
burch" ein Versehen für Lüneburg?) zum ersten Male die drei Herzöge seine 
„lieben Söhne und Schwager". Am 31. Juli 1386 ist ferner die Urkunde aus- 
gestellt, in welcher Herzog Wratislaw von Stettin nähere Bestimmungen über 
die Mitgift seiner Tochter Sophia, welche er dem Herzog Heinrich zur ehe- 
lichen Frau gegeben, trifft (Sudendorf VI, 161). Die Abwesenheit Heinrichs, 
deren das Chron. Lüneburg. (Leibnitz Scr. Brunsvic. ill. III, 189) gedenkt, 
kann nur in das Jahr 1386 fallen ; es liegt daher nahe, an seine Hochzeitsreise 
nach Pommern zu denken und zu schliessen, dass er der Doppelhochzeit der 
Brüder nicht beiwohnte. 

Mit Sudendorf nehme ich an, dass die von ihm S. 157 n. 143 publi- 
cirte undatirte Urkunde hierher zu ziehen sei; ob sie in Lüneburg aus- 
gestellt ist, bleibt freilich zweifelhaft. Die alte Aufschrift derselben sagt: 
Nota dessen nascreven breff, also de ludet, hebbet hertoge Bernd vnd hertoge 
Hinric erer een dem anderen gelovet vul to thende vnd to holdende. Dubitatur 
autem, an sit sigillata et ad effectum producta. Letzteres ist gewiss nicht 

geschehen. Denn das in der Urkunde enthaltene Abkommen war offenbar nur 

27* 



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420 Beilage XIX: Ueber die Kriege in Hessen 1385-1387. 

zwischen Wenzel einer- und Friedrich und Bernhard andererseits in Heinrichs 
Abwesenheit vereinbart worden, welcher zurückgekehrt seine Zustimmung ver- 
weigerte. Trotzdem ist ganz gut möglich, dass Friedrich, wie das Chron. 
Lüneburg, berichtet, wirklich schon damals Lüneburg von der ihm geleisteten Hul- 
digung losgesprochen hat. Das Chron. Lüneburg. S. 188, dessen einschlagende 
Partie überhaupt fast ganz auf Urkunden beruht, hat die in Rede stehende 
Urkunde gekannt und ausgezogen; dort wird allerdings versichert, dass diese 
Eintracht mit „gesiegelten Briefen gelobt und gefestet" worden sei. Ob diese 
Angabe richtig ist, ob der Verfasser des Chron. die Siegel wirklich gesehen 
hat oder seine Angabe nur gemäss den Schlussworten der Urkunde macht, 
muss dahingestellt bleiben. Da die Chronik die Urkunde z. J. 1385 setzt, ist 
es wahrscheinlich, dass dem Verf. das von Sudendorf benutzte Stück, dessen 
Datumsformel unvollständig ist, vorgelegen hat, doch ist er in der Chronologie 
überhaupt nicht sehr sorgfältig. — Wenn in dem Concepte der Urkunde die 
drei Sühne Wenzels als Mitabschliessende genannt werden, in dieser selbst 
aber nur der älteste Rudolf erscheint, ist darin wohl eine freilich nur formelle 
Concession an die Braunschweiger zu erblicken. 

Havemann I, 517 ist offenbar dem Chron. Lün. gefolgt. Aber er hat 
nicht bemerkt, dass dieses, welches allerdings die Zeitfolge verwirrt, nur die 
in Rede stehende Urkunde auszieht. Er bringt diese selbst daher noch- 
mals S. 518 mit der am l.Mai (richtiger 30. April) 1387 ausgestellten (s.S. 356) 
in Verbindung. 

- 

Beilage XIX. 

Ueber die Kriege in Hessen 1385—1387. 

Die Nachrichten über die Kriege, welche Erzbischof Adolf von Mainz 
und seine Verbündeten gegen den Landgrafen Hermann von Hessen führten, 
sind ziemlich verworren. Wir besitzen keine gleichzeitige hessische Chronik 
und sind daher, abgesehen von einzelnen in der Nachbarschaft entstandenen 
Aufzeichnungen, auf die Werke späterer Zeit angewiesen, welche namentlich 
in Bezug auf Chronologie sehr mangelhaft und unzuverlässig sind. Zu ihrer 
Kritik ist bisher wenig gethan worden und auch ich muss mich hier auf die 
Ereignisse der Jahre 1385—1387 beschränken. Leider konnte ich weder Lauzes 
handschriftliche Chronik noch die von Rommel II, Anm. 163 citirte „Hessische 
Zeitrechnung" benutzen, welche nach seiner mir etwas zweifelhaften Versiche- 
rung den Bericht eines Augenzeugen enthält. 

Die Zeit des ersten Zuges lässt sich genau feststellen. Wir besitzen zu- 
nächst eine Anzahl Urkunden, welche die von beiden Seiten getroffenen Vor- 



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Beilage XIX: üeber die Kriege in Hessen 1385-1387. 421 



bereitlingen zeigen (S. 334); die alte Inschrift der Kirche von Immenhausen, 
welche die Einäscherung der Stadt auf den 19. Juli, den Tag nach St Arnolf 
verlegt (Bommel II, Anm. 164) ist um so glaubhafter, als wir die Sühnesprache 
vom 22. Juli besitzen, deren einer in Immenhausen selbst ausgestellt ist. Dort 
vermittelte Erzbischof Friedrich von Köln zwischen Mainz und Hessen (Rommel 
II, Anm. 192, dazu Guden III, 572 ff.), während an demselben Tage Bischof 
Heidenreich von Münster und Graf Engelbert zur Mark den Streit zwischen 
Otto und Hermann schlichteten (Sudendorf VI, 142). Von diesem Zuge 
erzählen, unter richtigem Jahre wenn auch ohne Tagesdaten, die Ghron. Mog. 
misc. fragm. bei Böhmer IV, 378 und die Limburger Chronik 74, welche aber 
Immenhausen mit Göbenhausen verwechselt. Johann Rothe (636) zieht die 
Feldzüge von 1385 und 1387 in einen Bericht zu 1386 zusammen, nach ihm nimmt 
Balthasar Eschwege und Sontra, während er, der Erzbischof von Mainz und 
Otto zusammen die Schlösser Gudensberg, Niedenstein, Melsungen und Roten- 
burg erobern. Die Hist. de Landgrav. Thuring. (Eccard. Hist. geneal. princi- 
pam Sax. 462 und Pistorius-Struve I, 1354; über ihren Zusammenhang mit 
Johann Rothe s. Lorenz 137) erzählt dasselbe, nur vertheilt sie die Ereignisse 
auf die Jahre 1386 und 1387 und bemerkt, der Krieg habe drei Jahre gedauert. 

Gerstenberg z. J. 1385 (Schmincke Mon. Hass. I, 502) nimmt wie er selbst 
angiebt, die Hauptmasse seines Berichtes aus der Limburger Chronik, aus der 
Hessenchronik entlehnt er nur die Sage von der Intervention der Markgräfin. 

Das sogenannte Chron. Thür, et Hass. (bei Senckenberg Selecta juris HI, 
392), welches zwischen 1493 und 1508 geschrieben ist, giebt aus einer, wie es 
scheint, ihm eigentümlichen Quelle nur Nachrichten über die eroberten Schlösser 
unter 1386. 

Die hessische Reimchronik (bei Kuchenbecker Analecta Hassiaca Coli. 
VI, 311) als deren Verfasser Johann Ratz genannt wird, giebt z. J. 1385 einen 
Bericht, der aus Gerstenberg und eioer anderen Quelle compilirt ist, welche 
auch in der sogenannten Congeries benutzt ist. Diese Congeries ist in einer 
älteren Form gedruckt bei Kuchenbecker Anal. Hass. Coli. I, in einer neueren 
und erheblich erweiterten mitgetheilt von Nebelthau in der Zeitschrift des 
Vereins für hess. Gesch. etc. VII. Für die Congeries ist neben der Quelle, 
welche auch Gerstenberg kannte und als Hessen-Chronik bezeichnete, noch eine 
andere, wahrscheinlich eine verlorene Stadtchronik von Kassel, benutzt, welche 
sowohl dem Verf. des Chron. Thür, et Hass., als auch Gerstenberg unbekannt 
war, aber Jobann Ratz vorlag. In dieser wird nun, aber z. J. 1386, von dem 
Kriege des Jahres 1385 mit sehr genauen Daten berichtet, welche aber merk- 
würdiger Weise gar nicht mit den Urkunden stimmen wollen. Denn dass nur 
der Krieg von 1385 gemeint sein kann, ist ganz unzweifelhaft. Nach derCon- 
geries kamen die Fürsten Dienstag nach Francisci (10. Oct.) vor Kassel, zogen 



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422 Beilage XIX : lieber die Kriego in Hessen 1385-1387. 

nach zwei vergeblichen Stürmen am St. Wolfgangstage (31. Oct.) ab, den Mitt- 
woch darauf brannten sie Imraenhausen ab (1. Nov.), am folgenden Donnerstage 
(2. Nov.) erfolgte der Friedensschluss. Dieselben Daten hat nun die Reim- 
chronik 312, welche nur aus Gerstenberg und wohl Phantasie weiter ausmalt; 
nur setzt sie den Abzug auf St. Arnolfstag, wie es dem oben dargelegten ur- 
kundlich festgestellten Hergänge entspricht. Wir sehen also deutlich, dass die 
ursprüngliche Quelle richtig St. Arnolf gesagt hat, welches die späteren Ab- 
schreiber und Zusammensteller der Congeries fälschlich für St. Wolfgang, wie 
sich leicht erklären lässt, lasen. Daher dürfen wir annehmen, dass auch in 
St. Franciscitag ein Irrthum steckt, und da liegt es nahe, an eine Verwechs- 
lung mit VII. Fratres zu denken. — Dann stimmt die Chronologie ausgezeichnet. — 
Der Tag der VII. Fratres ist am 10. Juli; danach wären also die Fürsten am 
12. Juli vor Kassel erschienen, am 18. Juli abgezogen, den 19. Juli brannten 
sie Immenhausen ab, am 20. Friedensschluss. Damit stimmen sehr gut die 
Angaben der Reimchronik sowie der Nebelthauschen Congeries über den Tag 
der Einnahme von Eschwege und Sontra. Dass diese ins Jahr 1385 gehört, 
ist unzweifelhaft. Nach der Reimchronik wurden die Städte am 8. Juli 1382 
erobert, nach der Congeries Sonuabend vor Margareth 1383, welches 1385 
ebenfalls der 8. Juli war. Jedenfalls hat also die ursprüngliche Vorlage richtig 
138') gehabt, aber noch vor der Abfassung der Reimchronik ist in dieselbe 
Confusion gekommen. 

Diese Verwirrung ist dann auch Schuld, dass in der Nebelthauschen Con- 
geries (die KuchenbeckerBche schweigt darüber), wie in der Reimchronik die 
Kriegsereignisso des Jahres 1387 dort z. J. 1383, hier z. J. 1382 gestellt sind. 

Auch hier haben wir über die Zeitfolge urkundlich gesicherte Anhalts- 
punkte. Am 25. August sagt Adolf von Mainz die Fehde an, am 8. September 
liegt er zu Felde vor Gudensberg (Joannis Script, rer. Mog. 699); am 20. 
September erscheint der Frieden als geschlossen (Guden III, 586). Ueber den 
Verlauf der Fehde berichten das Nähere die Chron. Mog. misc. fragm. 980 
richtig zu 1387, die Limburger Chronik 74 im Grossen und Ganzen damit 
übereinstimmend zu 1388 (oder ist nicht doch 1387 gemeint?); Rothe hat, wie 
wir sahen, beide Fehden zusammengezogen, während die Hist. Landgrav. auch 
z. J. 1387 ihren Bericht bringt. Dass das Chron. Thür, et Hass. nur z. J. 
1386 über eroberte Schlösser berichtet, erwähnten wir bereits. Gerstenberg 
hat z. J. 1388 seinen Bericht combinirt aus Rothe, Limburger Chronik und der 
Hessen-Chronik, aus der das Verzeichniss der Herren, welche an der Fehde 
gegen Hermann thcilnahmeu, herrühren mag. Von allen diesen Quellen ge- 
denkt nur das Chron Mog. einer nochmaligen Belagerung Kassels. 

Dagegen bringen wieder die Reimchronik und die Nebelthausche Congeries 
einen detaillirten Bericht mit genauen Tagesangaben freilich unter falschen 



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Beilage XX : Ueber Verhandlungen vor d. Nürnberger Reichstage etc. 423 

Jahren. Indessen können die von ihueu berichteten Ereignisse nur in dieses 
Jahr fallen. Die Reiinchronik hat ausserdem das Chron. Thür, et Hass. benutzt und 
auch die in der Congeries folgenden Verse aus dem Volksliede finden sich in dem 
Chron. Thür, et Hass. S. 375 uud 376. Aus diesem Verhältnisse ergeben sich die 
schwierigen Fragen, ob der Zusammenstcller der Congeries die Reimchronik oder 
das Chron. Thür, et Hass. benutzt hat oder ob er nur aus einer Quelle schöpfte, 
auf welche auch jene beiden sich stützten. Ich will hier diese Fragen nicht 
weiter untersuchen, doch scheinen mir Congeries und Reimchronik von einander 
unabhängig zu sein. 

Nach der Reimchronik brach Adolf am 26. August ins Land ein, nach 
der Congeries am dritten Tage nach Bartholomaei, welcher 1387 ebenfalls der 
26. August war; die ursprüngliche Vorlage muss also auch hier das richtige 
Jahr gehabt haben. Am 28. wird Rotenburg, am 29. Melsungen eingenommen, 
am 30. und 31. wird Kassel belagert und bombardirt, am 2. September Gudens- 
berg, dessen Schloss sich jedoch hielt, am 3. September Niedenstein erobert. 

Hat nun noch eine dritte Belagerung Kassels im Jahre 1388 stattgefunden? 
Von den besprochenen Quellen weiss keine etwas davon zu erzählen. Nach Rommel 
II, 165 unterscheidet „der alte Augenzeuge in der gedruckten Hess. Zeitrechnung 
23 Forts." drei Belagerungen : 1385 im Julius, 1387 im August und September 
und 1388 im October. Aber da für letztere der Dienstag nach Francisci ange- 
geben wird, ist es offenbar, dass wir es nur mit demselben Berichte, welchen 
wir oben in 1385 einordneten, zu thun haben. Ich glaube daher, vorläufig 
eine dritte Belagerung Kassels im Jahre 1388 in Abrede stellen zu müssen. 
Doch deutet Manches darauf hin, dass in dem Jahre 1388 kleinere Fehden 
stattgefunden. So soll Hermauu am 13. October Rotenburg wiedergenommen 
haben (Rommel II, Anm. 165), am 28. October verwahrten sich eine Anzahl 
Ritter gegen die Stadt Güttingen, da sie Landgraf Hermann gegen Herzog 
Otto beistehen wollten, (ürkundenbuch der Stadt Göttingen I, 360.) 



Beilage XX. 

Uebcr Verhandlungen vor dein Nürnberger Reichstage vom Juli 1387. 

Der Tag, welchen die schwäbischen und rheinischen Städte in Esslingen 
hielten, ersieht sich aus den Stadtrecbnungsbüchern. Die rheinischen Städte be- 
sprachen sich vorher in Worms über die Haltung, welche sie dort einnehmen 
wollten; die Kosten, welche Frankfurt diese vorläufige Berathung verursachte, 
sind unter dem 4. Mai eingetragen. Unter dem ersten Juni sind dann die 
Kosten für die Gesandtschaft nach Kssliugcu selbst, welche '23 Tage aasblieb, 



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424 Beilage XX : Ueber Verbandlangen vor d. Nürnberger Reichstage etc. 
verzeichnet ; als Zweck der dortigen Berathang wird angegeben : umb eine ein« 

Vi 

müdekeit raschen unserme herren dem konige unde den Steden (RA. n. 306). 

Die Nürnberger schrieben in ihr Stadtbach unter dem Datum des 15. Mai 
item es kost die vart, die Jobs Tetzel and Peter Haller teten zu der manung 
gen Esslingen, do man teidingt zwischen dem von Wirtenberg und den steten, 
do die Reinischen stet auch do woren und do sie wol vier wochen awssen 
woren etc. (RA. S. 562 Anm. 10). 

Der Esslinger Tag ist demnach mit Sicherheit auf den Mai zu setzen. 
Auf ebendenselben beziehen sich wohl auch einige Punkte in der Beschwerde- 
schrift Nürnbergs (RA. n. 316). Die Städte unter der Alb sollen dort mitge- 
theilt haben, dass der Wirtemberger „fremdes Volk" habe kommen lassen, von 
dem sie einen Angriff fürchteten. Daher mahnten sie die Städte um ihre 
Spiesse, die ihnen auch zugesandt wurden, ehe ein Bundesschluss darüber ge- 
fasst war. „Und die Spiesse lagen lange oben und kosteten den Städten grosses 
Gut und schickten doch nichts." — Schon in dem Briefe» welchen Ulm am 17. 
December 1386 an Schweinfurt richtete (s. S. 300 Anm. 3), heisst es: Item von der 
grossen schult vnd gult wegen, die der von Wirtenberg in ettwievil stett schul- 
dig ist vnd den er darumbe nit gegeben maynet wider sin brief vnd insigel vnd 
sett man, dass er darumbe wider gen Lutringen vnd gen wälschen landen vmb 
frömde volk werbe vnd geworben habe. In dem unten zu besprechenden Briefe 
heisst es ebenfalls, dass Stephan von Baiern und der Wirtemberger „die 
Frantzosen" habe gen Schwaben bringen wollen, die ihnen gegen die Städte 
helfen sollten. — Eberhard war der Schwiegervater des Herzogs Johann von 
Lothringen, von welchem er gar wohl Hilfe erhalten konnte; und in der That 
beklagte sich späterhin am 25. Juli Weil, dass der Herzog von Lothringen im 
Bunde mit Eberhard ihre Leute schädige und wie man höre, von anderen 
Herren am Rhein Zuschub erhalten sollte (Janssen S. 22 n. 59, hier irrthüm- 
lich zu 1386 gestellt). So ganz aus der Luft gegriffen waren demnach die Be- 
fürchtungen der Städte unter der Alb nicht. 

Auch der letzte Punkt in der Nürnberger BeBchwerdeschrift wegen der über- 
triebenen Forderungen, welche einzelne Städte an Eberhard stellten, gehört auf 
diesen Esslinger Tag vom Mai. Weizsäcker in den RA. S. 570, 571 bezieht 
beides auf einen späteren Tag im August. 

Dass es wirklich zum Kriege kam, bezeugen die späteren Verhandlungen 
in Nürnberg, da dort über die gegenseitig gemachten Gefangenen bestimmt 
wurde (RA. n. 311, 312; siehe S. 376). Von Wichtigkeit ist nun die richtige 
Ansetzung eines Briefes, welcher in den RA. S. 224 Anm. 2 aus Wenckers 
Papieren in der Strassburger Stadtbibliotbtk mitgetheilt wird. Derselbe trägt 
ohne Jahreszahl das Datum: Würzburg uf mitwochen post Johannis baptiste. 
Weizsäcker spricht über die Zeit, in welche er fällt, keine bestimmte Meinung 



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Beilage XX: üeber Verhandlungen vor d. Nürnberger Reichstage etc. 425 



aui, ist aber geneigt, ihn in das Jahr 1378 zu setzen, offenbar deswegen, weil 
es in dem Briefe heisst: in Würzburg seien der Herzog von Teschen, die 
Bischöfe von Bamberg and Konstanz „von des Keiszers wegen", unter welchem 
Weizsäcker Karl IV. verstehen möchte. Aber es ist nichts ungewöhnliches, 
dass der König auch vor der Kaiserkrönung als Kaiser bezeichnet wurde, und 
nur wenige Zeilen spater heissen dieselben Bevollmächtigten „des künigee 4 * 
Räthe. Wir brauchen kein Bedenken zu tragen, unter dem „Kaiser" Wenzel 
zu verstehen, denn alle sonstigen Angaben in dem Schreiben deuten ohne Zwei- 
fel auf das Jahr 1387 hin. % 

Der Herzog von Teschen war einer der getreuesten Räthe des Königs 
und mit ihm auch im März in Nürnberg gewesen (RA. n. 305). Der Bischof 
von Konstanz ist wohl noch Nicolaus von Riesenburg, den wir schon öfters im 
königlichen Auftrage thätig fanden; allerdings war er damals im Begriff, Kon- 
stanz mit Olmütz zu vertauschen (s. Beilage XIII). Dass die Angabe von dem 
Kriege Eberhards mit den schwäbischen Städten, von seiner Absicht, welsche 
Hilfe herbeizurufen, ganz in unsere Zeit passt, sahen wir bereits. Dass Stephan 
dem Wirtemberger Beistand leistete, geht aus der Frankfurter Aufzeichnung 
RA. n. 319 hervor, wenn auch in den Nürnberger Verhandlungen sein Name 
nicht genannt wird. — 

Diese Räthe beratschlagten, wie in dem Schreiben mitgetheilt wird, in 
Würzburg mit den Boten der rheinischen Städte und einigen Pürsten, wie der 
Krieg beizulegen sei. Doch waren vom schwäbischen Bunde nur drei Abgesandte 
zur Stelle, die ohne Vollmacht waren. Daher schickten die Räthe des Königs 
und die rheinischen Städte nach Ulm, wo die schwäbischen Städte versammelt 
waren, um womöglich einen Waffenstillstand bis zum 25. Juli zu vereinbaren. — 
Diese Tage zu Würzburg und Ulm sind erwähnt in den Nürnberger Stadtrech- 
nungen n. 314 unter dem 12. Juni : item ez kost die vart, die Berthold Bebeim 
und Jobs Tetzel teten gen Ulme zu der manung, do Jobs Tetzel für Wirtzburg mit 
gemeiner stet boten hinauf rait etc. Am 28. Juni mahnen dann von Ulm ans 
die Bundesstädte die rheinischen Genossen um Hilfe gegen den Wirtemberger, 
Janssen S. 25 n. 66. 

Von Würzburg reiten die Fürsten und Herren nach Forchheim, um dort 
den König zu erwarten. Dort wurden am 2. Juli die S. 358 besprochenen 
Schiedssprüche gefallt, während Wenzel bald darauf in Nürnberg eintraf, vgl. 
Itinerar. Die königlichen Räthe aber gehen nach Nürnberg, in dessen Rech- 
nungen auch der Herzog von Teschen erwähnt wird (RA. n. 314). Dass weder 
der Bischof von Bamberg noch der Bischof von Konstanz aufgeführt werden, 
beweist noch nicht, dass sie nicht gegenwärtig waren. 

Unzweifelhaft iBt also der in Rede stehende Brief auf den 26. Juni 1387 
zu setzen. 



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426 Beilage XXI: Verhandlungen vor der Mergeutheimer Stallung. 

Die Kosten, welche Nürnberg „die raise gen Swoben, do man den von 
Wirtenberg von gemainer steten wegen pfentcn u (RA. S. 571 Anm. 1) verur- 
sachte, sind zwar erst unter dem 7. August eingetragen, doch fällt der Zug 
selbst sicher vor den Reichstag. 

Die Liste der auf diesem selbst Anwesenden ergiebt sich aus den Nürn- 
berger Rechnungen RA. n. 314, wenn auch nicht anzunehmen ist, dass in die- 
sen sämmtliche Erschienene augeführt sind, da wohl nicht Alle Verehrungen 
erhielten. So wird z. B. der doch gewiss anwesende Burggraf Friedrich nicht 
erwähnt, veVrauthlich deshalb, weil er das seiner Schwiegertochter Margaretha, 
der Schwester des Königs, geschenkte Fass Wein sich rechnen musste. Mar- 
garethe wird bereits Junge Burggräfin" genannt. Die Urkunde über ihre Ver- 
lobung vom 18. Februar 1368 bei Pelzel Karl IV., Urk. II, 293. 

Da der König sehr lange in Nürnberg verweilte, ist nicht anzunehmen, 
dass alle in den Rechnungsbüchern Erwähnten gleichzeitig anwesend wareu. 
Kurfürst Ruprecht, welcher nicht vorkommt, ist wahrscheinlich in Heidelberg 
geblieben, wo er wenigstens am 14. Juli urkundet (Schannat Hist. Worm. Cod. 
prob. 204); der in Nürnberg anwesende Ruprecht III. Klem urkundet am 22. 
Juli in Lengenfeld (Reg. Bo. X, 208). — Sollte nicht auch Herzog Albrecht 
von Oestreich, der sich seit Mitte Juni in Baiern und Schwaben aufhielt, den 
Reichstag besucht haben? (Albrecht ist am 29. Juni in München [Reg. Bo. X, 
207], am 1. und 2. Juli in Augsburg [Lichnowsky Reg. 2059; Reg. Bo. X, 207] 
am 4. Juli in Ulm [Lichnowsky Reg. 2060|). — Dass der RA. n. 314 erwähnte 
Herzog von Holland der gleichnamige Sohn des Herzoges Albrecht war, zeigen 
die Urkunden vom 11. April und 28. August in den Reg. Bo. X, 204 und 210. 



Beilage XXI. 

Verhandlungen vor der Mergenthehner Stallung. 

Weizsäcker hat in den RA. n. 321—323 drei innerhalb des schwäbischen 
Bundes entstandene Gutachten mitgetheilt, welche sich auf die Mergentheimer 
Stallung beziehen, doch hat er über ihre chronologische Einordnung keine be- 
stimmte Ansicht ausgesprochen. 

Es ist natürlich, dass die Städte sich schon in Nürnberg, sobald einmal 
der Plan, die Heidelberger Stallung zu verlängern, aufgetaucht und ergriffen 
worden war, mit dieser Frage beschäftigten. Dort mag das in n. 321 raitge- 
theilte Gutachten entstanden sein, dessen j;anzi r Tenor der von Vorschlägen, 
nicht von Beschlüssen ist. n. 322 ist offenbar die Antwort auf 321 und da wir 
nur von einem Bundestage zu Esslingen etwas wissen, kann man ihm das Stück 



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Beilage XXII: Itinerarium des Kölligs Wenzel von 1379-1387. 42 7 

ohne Bedenken zuweisen, n. 323 dagegen ist hier ganz auszuscheiden; es ge- 
hört in die Zeit nach Abschluss der Mergentheimer Stallung, als man das Be- 
dürfniss fühlte, sie zu „bessern", wie die Ueberschrift ganz unzweideutig sagt. 
Jedenfalls ist das Stück ins Jahr 1388 zu setzen. — Meine Anordnung scheint 
auch die Handschrift, welcher die Stücke entnommen sind, zu bestätigen, so- 
weit ich darüber nach Weizsäckers Angaben urtheilen kann. n. 321 steht fo). 
la— 2 a; fol. 3a — 3b folgt die Abrede zwischen Städten und Fürsten in Nürn- 
berg vor 25. Juli (n. 312); fol. 4 ab schliessen sich die Beschlüsse an, welche 
Weizsäcker gewiss richtig auf den Esslinger Tag verlegt und darauf folgt un- 
mittelbar fol. 5 a— 5 b das zweite Gutachten n. 322. Fol. 7 b -10a stehen die 
Beschwerdeartikel Nürnbergs, welche ganz gut an diesem Esslinger Tage vor- 
gebracht sein können, zu welchem Weizsäcker sie rechnet, wenn ich auch unter 
dem dort § 13 erwähnten Esslinger Tage den im Mai dort gehaltenen annehme 
(siebe Beilage XX). N. 323 steht erst fol. 65a. Schwierigkeiten macht nur 
die kleine von Weizsäcker S. 585 Anm. 1 mitgetheilte und unzweifelhaft aus 
östreichischer Quelle stammende Notiz ; sie folgt in der Handschrift unmittelbar 
auf n. 321. — Sollte sie, wie Weizsäcker annimmt, wirklich erst von dem Mer- 
gentheimer Tage selbst herstammen, so wäre es immerbin möglich, dass sie 
nachträglich auf die leer gebliebene Stelle geschrii-ben wurde. Solche Fälle 
sind in den Stadtbüchern sehr häufig. Indesseu kann diese Notiz auch noch 
den Verhandlungen in Nürnberg angehören ; wir wissen , dass Albrecht damals 
in Verhandlungen mit den schwäbischen Städten stand, deren Spuren sich hier 
finden (s. Beilage XX). 



Beilage XXII. 

Itinerarium des Königs Wenzel von 1379—1387. 

Vollständige Regesten des Königs Wenzel zu geben, ist an dieser Stelle 
unmöglich, da dieselben ein Buch für sich beanspruchen würden. Ausserdem 
dürfte jetzt, wo eine Anzahl von Urkundenbüchern soweit geführt sind, dass 
sie in den nächsten Jahren die Zeit Wenzels erreichen, noch nicht der geeig- 
nete Augenblick sein , mit den Regesten dieses Königs hervorzutreten , da sie 
allzu schnell der Ergänzung bedürfen würden. Eher hätte ein chronologisches 
Urkundenverzeichniss nur mit Nennung der Druckorte sieh beilegen lassen, aber 
ohne Anführung des Urkundeninhaltes würde dasselbe nur geringen Werth 
haben. Es schien mir daher angemessener, hier vorläufig nur die Aufenthalts- 
orte des Königs festzustellen , um dadurch einen Anhalt für die Einreibung 
und Kritik der Urkunden zu grwühreu. Ich habe stets, soweit es sich thun 
Hess, den ersten und letzten Tag, an welchem wir den König an dem betreffen- 



4 



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428 Beilage XXII: Itinerarium des Königs Wenzel von 1379 -1987. 



den Orte nachweisen können, verzeichnet; die dazwischen ausgefertigten Diplome 
mussten ausser Acht bleiben. Da ich für wflnschenswerth hielt, einen Vergleich 
mit Pelzeis sorgfaltiger Arbeit zu ermöglichen, habe ich stets bemerkt, wenn 
er die betreffenden Daten angicbt. Daher konnte ich bei Urkunden, welche 
seit seiner Zeit nicht mehr gedruckt sind, einfach auf ihn verweisen ; sonst sind 
ausserdem die neueren Urkunden- und Regestensammlungen citirt Vielleicht 
ist dabei ein oder der andere Druck übersehen oder nicht angegeben worden; 
für den hier verfolgten Zweck kam es darauf nicht so genau an. Wenn meh- 
rere Urkunden von demselben Tage vorhanden sind, ist doch gewöhnlich nur 
eine verzeichnet, da sie zur Feststellung des Aufenthaltes ausreicht. 

Freilich muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir nicht immer 
absolute Sicherheit haben, ob der König sich wirklich an dem Orte befunden 
bat, welchen die ausgestellte Urkunde nennt, ob dieselbe überhaupt von ihm 
selbst oder in seiner Kanzlei erlassen ist Einige Beispiele mögen hier genü- 
gen. In der Beilage I sind Urkunden Karls IV. erwähnt, welche am 12. Marz 
und 6. April 1377 in Nürnberg ausgestellt sind, obgleich Karl dort nicht an- 
wesend war; in diesem Falle urkundete für ihn sein Sohn Wenzel. — Am 23. 
September 1377 machte ferner Karl IV. in Tangermünde den päpstlichen Ge- 
sandten gewisse Versprechungen (RA. n. 89) und schon am 22. September ist 
eine damit im engsten Zusammenhange stehende Urkunde Wenzels in Pisek 
ausgestellt (RA. n. 85). Entweder ist also letztere dort in Tangermünde, ob- 
gleich Wenzel nicht anwesend war, in seinem Namen durch Karl IV. gegeben 
und der Ort Pisek mehr oder minder willkürlich hingesetzt, oder Wenzel hat 
späterhin jenes Datum übergenommen. In diesem Falle wäre auch nicht mit 
Bestimmtheit zu sagen, ob der König am 22. September wirklich in Pisek war. 
— Am 2. Mai 1381 verspricht ferner Wenzel in Nürnberg, an König Richard 
von England 20000 Gulden zu entrichten (Rymer III, 3, 115). Damals aber 
war Wenzel nicht in Nürnberg; die betreffende Urkunde wurde von seinen 
Gesandten, welche an diesem Tage in London den Ehecontract für Anna mit 
Richard abschlössen, ausgestellt. Offenbar haben gelegentlich Bevollmächtigte 
in des Königs Namen und mit seinem Siegel Urkunden erlassen; diese tragen 
aber nicht den Ort, an welchem sie wirklich gegeben sind, sondern den, an 
welchem sich der König in diesem Augenblicke vermuthlich aufhielt. Das geht 
in ganz unzweifelhafter Weise aus Wenzels Urkunde für Cambray vom 28. 
December 1395 hervor (Scheidt Bibl. Goetting. 175) Dass auch andere Für- 
sten sich öfters nicht an den Orten befanden, an welchen unter ihren Namen 
Urkunden ausgefertigt sind, hat Paul Scholz Erwerbung der Mark Branden- 
burg durch Karl IV. S. 72 nachgewiesen. 

- Daher sind Urkunden, deren Ausstellungsort dem sonst constatirten Itinerar 
des Königs widerspricht, nicht ohne weiteres für unecht zu erklären. Aber 



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Beilage XXII: Itinerarium des Königs Wenzel. 1379. 429 

ebenso wenig hat man nöthig, jedesmal zu bezweifeln, ob der König auch wirk- 
lieb an dem Orte war, den die Urkunde nennt; denn die Ausnahmefalle werden 
doch nicht zu häufige sein. Die diplomatische Wissenschaft hat leider bisher 
die nachstaufische Zeit ganz ausser Acht gelassen, obgleich sie hier lohnende 
Arbeit genug finden würde. Denn mehr als in den früheren Perioden kann 
man hier aus den Ausfertigungsformeln u. s. w. auf die Regierungsweise und 
damit zusammenhangende Verhältnisse schliessen. Ich hoffe, darüber bald 

Niesert Münstersche Urkunden- 
sammlung V, 256. 
Pelzel I, 74; RA. n. 127. 
P. 75; RA. n. 128. 
P. 77 ; Vischer Reg. 126, 127 »)• 
P. 77. 

RA. n. 138, 139. 
P. 80; RA. n. 140. 
Reg. Bo. X, 28. 
Reg. Bo. X, 29 2 ). 
Archiv für Schweizer. Gesch. 1, 128. 
P. 81; vgl. RA. S. 246 Anm.3*). 
P. 82. 

P. 82; Niesert Beitr. zu einem 

Münster. Urkb. II, 29. 
P. 82; Reg. Bo. X, 32. 
P. 82; Mon. Zoll. V, 31. 
P. 83 ; Raynald. 1379, 40-41. 
P. 84. 

Vgl. Text S. 95. 

P.84; Lichnowsky Reg. 1428— 31. 
Palacky Formelbacher II, 133 4 ). 

1) An der in RA. S. 227 citirten Stelle der Hist. Norimb. dipl. 320 ist der 
dies Gertrudis am 17. März, nicht die elevatio G. am 10. Februar zu verstehen. 

2) Schöpflin AJsat. dipl. II, 276 theilt den Auszug einer Urkunde für 
Hagenau vom 16. März 1379 Prag mit, welche an eine andere Stelle gehören wird. 

3) Der König kann nicht in vier Tagen von Nürnberg nach Prag gelangt 
sein; die fragliehen Urkunden sind vielleicht von seinen Bevollmächtigten gemäss 
den Reichstagsbeschlüssen nachträglich ausgestellt. 

4) Hierher wird auch die im Verzeichnis Oberlausitz. Urkunden 109 zu 
1380 gezogene Sonntag vor Margareth (10. Juli) in Karlstein ausgestellte Urkunde 
gehören. 



einige Nachweise bringen zu können. 



1379 



Januar 



Februar 
März 



April 



Mai 

Juni 
Juli 



1. 

12. 
21. 
8. 
18. 

1. 
3 
6. 
14. 

; 23. 
| 28. 

28. 

30. 

2. 
10. 
20. 
21. 

23. 
8. 



Prag 

Weiden 
Nürnberg 

Fraukfart 

Oppenheim 
Heidelberg 
Nürnberg 

n 

Prag 



Weiden 

Prag 
» 

Altsohl 
Znaym 
Karlstein 



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430 Beilage XXII: Itiucrarium des Königs Wenzel von 1379-1381. 



1379 



1380 



1381 



Juli 


13. 


Beraun 


P. 85. 


ga 


1 


Nürnberg 


RA. il 144, 




LL 


f) 


P. 8£L 


September 


L 


II 


P. 86; vgl. Beilage VIII. 


r> 


IL 

(4.?) 


Zum Rotenberg 


Niesert Münster. Urkundensamml. 
V, 258: vgl. Beilage VIII. 


am 

n 


14. 


Frankfurt 


Lacomblet III, 737. 


a 


JA 




P. 8L 


October 


HL 


Prag 


P. 89; Lichnowsky Reg. 1456. 


Januar 


18. 


r 


P. 91 

• 


n 


2L 


Beraun 


P. 92. 


Februar 


5. 


Prag 


P. 92. 


— 


iL 


H 

k 7» 


Urkunden zur Gesch. d. Appen- 
zeller Volkes I, 301 


n 






P. 93; Lichnowsky Reg. 1498; 
Reg. Bo. X, 50. 


März 


a 


Nüi uberg 


P. 93. 


ZI 


& 




Reg. Bo. X, 5L 


11 


n 


Frankfurt 


Vischer Reg. 146. 


April 


8 


■ 


P. 94. 




12 


Mainz 


P. 3L 


■ 

m 


18, 


Frankfurt 


P. DL 




29, 




RA. n. 158. 


Mai 


24. 


Aachen 


P. 95 ; Lacomblet III, 743. 


Juni 


13, 




P. 95; RA. S. 283 Anm. 1 


ii 


18. 


Köln 


Ennen Gesch. der Stadt Köln II, 
754; Lübecker Urkb. IV, 419. 


21 


22. 


Frankfurt 


P. 96. 


Juli 


12. 




P. 96, 


ii 


ia 


Mcrgentheim 


Janssen S. ^ n. 3*).' 


October 


hl 


Prag 


Reg. Bo. X, (iL 


November 


15. 


♦» 


P. 1DL 


Januar 




Nürnberg 


RA. n. L7R 



1) Würdtwein Monast. Palat II, IM bringt eine in Frankfurt ausgestellte 
Urkunde für Ingelheim mit den Daten: 138i>, 4. Kai. Junii, ind. 3^ regn. Bo. UL, 
Rom. 4. Alle Daten, bis auf den annus R. Bo sprechen für 1.380. 

2} Am L, August war der den König begleitende Cardinal Pileus, also viel- 
leicht auch Wenzel seihst, in Nürnberg. Ussenuann Episcop. Bamberg. Cod. 
prob 211. 



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Beilage XXII: Itinerarium des Königs Wenzel von 1381-1382 431 



1881 



1382 



Februar 


6. 


Nürnberg 


März 


3. 


Prag 


*» 


12. 




April 

• 


22. 


Pisek 

1 


i^i ft i 


23. 


Prag 


Juni 


27. 


Breslau 


Juli 


13. 




« 


22 


Prag 


Senteinber 


1. 




n 


13 


Oppenheim 


n 


25. 


Frankfurt 


N 


29. 




October 


3. 


Babenhausen 


N 


9. 


Nürnberg 


» 


10. 


n 




15. 


Tachau 


November 


17. 


Prag 


Januar 


10 


" l 




24. 


Budweis 


Februar 


21. 


j 

• 

i 


März 


15. 


Prag j 


Mai 


18. 


M 


Juni 


3. 


Nürnberg 




15. 




n 


22. 


Frankfurt 


Juli 


17. 






18. 


Miltenberg 




19. 


» 


n 


25. 


Nürnberg 


n 


_ 


Tauss 


August 


4. 


Nürnberg 








September 


5. 


Budweis 



Heg. Bo. X, 67. 
P. 104. 

Verzeichuiss Oberlaus. ürkd. 110. 
P. 105; Mon. Bo. XXX, 352. 
P. 105. 
P. 106. 

Bresl. Stadtarchiv. 
P. 107. 
P» 111. 
P. III. 
RA. n. 179. 

P. 111; Wetzlarische Beiträge 

III, 242 i). 
P. 112; Mon. Zoll. V, 104. 
RA. n. 183. 
Reg. Bo. X, 82. 
RA. S. 315 Anm. 1. 
RA. S. 328 Anm. 2. 
P. 114. 

Lichnowsky Reg. 1643. 

P. 114; Vischer Reg. 171; Reg. 

Bo. X, 88. 
P. 115. 
P. 118. 
RA. n. 188. 

Worbs Invent. dipl. Lusatiae in- 

fer. 197. 
RA. n. 189. 
P. 120; RA. n. 199. 
RA. S. 354 Anm. 3. 
RA. n. 192. 
RA. n. 198. 
RA. S. 357 n. 202. 
P. 121 ; Reg. Bo. X, 96. 
RA. n. 201. 

P. 121; Riedel Cod. dipl. Brand. 
II, 3, 90; Mon. Zoll. I, 266. 



1) üie im Archiv für Hess. Gesch. III, 1, 23 im Auszug mitgetheilte Ur- 
kunde für das Petersstift in Wimpfen vom Michelstage 1382 Frankfurt gehört 
wohl auch hierher. 



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432 Beilage XXII: lünerarium des Königs Wenzel von 1882-1384. 



September 
October 



November 



December 

i» 

1383 Februar 
Marz 

April 

« 

Juli 



August 



n 



September 
October 



November 
1384 Marz 



April 

Mai 

» 

r 

r 

Juni 

N 



7. 

22. 
28. 
25. 
26. 
10. 
; 24. 
23. 
7. 
16. 
20. 



6. 

21. 

24. 



28. 
28. 
IL 
19. 

L 
9. 
17. 

i» 

23. 

29. 

4. 

13. 

25. 

26. 

27. 

30. 

1. 

7. 

I 18 * 



Budweis 
Prag 

n 

Eger 

Prag 
Ratobink (?) 
Katobiuk (?) 

Prag 

n 

Nürnberg 
»» 

Karlstein 
Prag 

Bettlern 
Prag 



Bettlern 
Prag 

n 

Nürnberg 
Prag 

n 

Bürglitz 
Prag 

Bürglitz 

Prag 
Bürglitz 

Prag 
Bürglitz 

Prag 
Bürglitz 

Prag 
Beraun 
Bürglitz 



Lichnowsky Reg. 1706. 
P. 122. 
P. 



P. 123. 

Verz. Oberlausitz, ürk. 114. 
Bresl. Stadtarchiv. 
Boehmer Acta imp. II, 590. 
P. 126. 
P. 129. 

Reg. Bo. X, 109. 
Reg. Bo. X, 110. 
P. 135. 

Baur Hess. ürkd. I, 467. 

Worbs Invent dipl. Lusat. infer. 

199 (falsch zu 1384). 
Reg. Bo. X, 118. 
P. 137. 

P. 137; Reg. Bo. X, 118; Lich- 
nowsky Reg. 1797. 

P. 137; Lichnowsky Reg. 1796, 
1798, 1799. 

P. 138. 

P. 140. 

P. 141. 

RA. n. 227-230. 

P. 143. 

P. 151. 

P. 151. 

P. 151. 

P. 152. 

P. 152. 

Goslar. Stadtarchiv. 
P. 152. 
P/153. 
P. 153. 

Zeitschr. für schles. Gesch. IX, 92. 
Palacky Formelbücher II, 136. 
Archiv für Schweizer. Gesch. 1, 129. 
P. 153 
P. 153. 



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Beilage XXII: Itinerarium des Königs Wenzel. 1384. 433 



1384 



Juni 
Juli 

M 

n 



* 



August 



September 



- 
- 



■ 

October 



November 



n 



24 
29 



7 

8. | 
19 

27 



29 

6. 

13 



29. 

7. 

8. 

18 

23. 
24. 
27 

28. 
29 
3. 
9. 
15. 
16. 
3. 
15 
18. 
| 19. 



Bfirglitz 

Prag 
Amberg 
Auerbach 
Nürnberg 
n 

Heidelberg 



Worms 



Alsei 
Luxemburg 



Buhtogne 
Luxemburg 

Arlon 
Luxemburg 

» 

Ivois 
Arlon 
Luxemburg 

Arlon 

Luxemburg 
Aachen 

Luxemburg 

Metz 
Dudenhofen 
Luxemburg 



Reg. Bo. X, 134. 

P. 153; Sudendorf VI, 100. 

RA. n. 242. 

RA. n. 242. 

P. 154; Reg. Bo. X, 135. 
RA. n. 241 »). 

Fraj/m. Gesch. des Hauses Gerolds- 
eck Urk. 89. 

Licbnowsky Reg. 1865. 

P. 156; Baur Hess. Urk. m, 549; 
RA. n. 248. 

RA. S. 449 Anm. t 

P. 156. 

Public- dt- la sect. hist. de Tin- 
ütitut (ci-devant soc. arche'ol. 
du Graud-Duche) de Luxem- 
bourg XXV, (III,) 13. 

Publ. 14. 

Publ. 14. 

Publ. 14. 

Publ. 14. 

Publ. 15. 

Publ. 16. 

Publ. 16. 

P. 157; Hugo Mediatisirung 225, 



Publ. 16. 
Publ. 16. 
Publ. 18. 

Lacomblet III, 709. 
P. 157. 

Reg. Bo. X, 141. 
Publ. 19. 

P. 158; RA. n. 252. 

Publ. 21. 

P. 158; Publ. 21. 



1) Da Wenzel noch am 29. Juni in Prag war, kann er nicht am 1. Juli, 

wie die betr. Urkunde sagt, in Nürnberg gewesen sein : es wird hinter post*. „octa- 
vam" P. et P. aplor. ausgefallen sein. 

Th. Lindn<!f, 0<*ehlehte dea deuteohen Kelche«. I. 28 



uiguizeo 



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434 Beilage XXII: Itinerarium des Königs Weuzel von 1384—1386. 



1 384 November 
December 



25. 

I 



i 



r 
1» 
r 



1385 Januar 



(i. 
11. 

16. 

18 
19 
21. 
28. 

ii.l 



Luxemburg 
Koblenz 



Mainz 



Frankfurt 

n 

Nürnberg 
Prag 



Publ. 21. 

Publ. 22; Lacomblet III, 781. 
Publ. 24; Nijhoff Gedenlcwardig- 

heden III, 115. 
P. 159; Riedel Cod. dipl. Brand. 

I, 18, 239 ; RA. S. 253 Anm. 
P. 160. 

Guden. Sylloge I, 649 »), 
P. 160. 

Reg. Bo. X, 171 falsch zu 1385). 
P. 161 ; RA. n. 278 ff. 



Für das Jahr 1385 kann ein Nachweis der Aufenthaltsorte füglich unter- 
bleiben, da Wenzel das ganze Jahr hindurch in Prag oder dessen nächster 
Umgebung, in Bürglitz und Karlstein verweilte. Bei der Ausstellung der Ur- 
kunden wurde in diesem Falle der momentane Aufenthaltsort gewiss nicht 
immer mit Genauigkeit angegeben. Erwähnen will ich nur, dass der König 
am 2. Juli, ferner in der Zeit vom 17. August bis zum 1. September in Beraun 
urkundet (RA. n. 272; Reg Bo. X, 163; Vischer Reg. 252; RA. n. 230). 

1.S86 



I 



Januar 


15. 


Bürglitz 


i 


20. 


» 


Februar 

< 


1, 

1 

i 


Beraun 


r 


1 

6. 


Prag 


März 


13. 


Kuttenberg 


r 


31. 


Prag 


April 


10 


Brünn 


i) 


15. 


Presburg 


Mai 


1. 


Altenborg bei Raab 


n 


6. 




T. 


11. 


• in campis prope 
Jaurinum (Raab) 


n 


12. 


n Ii 



P. 172; Mon. Zell. V, 171. 
P. 172. 

Scbannat Hist. Worm. Cod. dipl. 
196; ürkb. d. Stadt Quedlin- 
burg I, 187 »). 

Stchr. Strassburg II, 985. 

Reg. Bo. X, 177. 

P. 173. 

Verz. Oberlausitz. Urk. 121. 
Publ. 30. 
P. 174. 
P. 175. 
P. 175»). 

P. 175. 



1) In der Urkunde im Archiv für hess. Gesch I, 218 wird wohl statt XIV. 
üec. Frankfurt: XIX zu lesen sein. 

2) P. 173 setzt die erste Urkunde falsch zum 29. Januar, die zweite ebenso 
falsch zum 7. Februar. 

3) Klöden Die Mark Brand, unter Karl IV. I, 131 hält merkwürdigerweise 
Jaurinum für Jauer in Schlesien. 



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Beilage XXII: Ttiiierarium des Königs Wenzel von 1386-1387. 1 3 5 



1388 





22. 


Wien 


P. 176; Lichnowskv Reg. 1995. 


Juni 


7. 




P. 176. 


n 


8. 


_ 
n 


RA. n. 288. 




11. 


Prac 


Ree. Bo. X. 185. 


• 




• 


P. 177. 




18. 


Bürditz 


P 177. 


tm 


24. 


Prac 


P. 177. 


Juli 


4. 




Lacomblet III. 805. 


H 


6. 


Karlstein 


P 177: Ree. Bo X. 187. 


n 


o 


Pracr 


P 178 

X • II V.l. 


October 


28 


■ 


P 180 


November 


7. 


Beraun 


Palackv Formelbücher II. 115. 


77 


11 


Karlstcin 

A m, %ML A O V-V III 


Palaekv Formelbüehor II 141 


w 


.'30. 


Prac 


Ree. Bo. X. 195. 


Februar 


5 




P 186 


»7 


_ 


Taus8 


RA. n. 305. 




18. 


Amberg 


P. 186. 

A • A >»» V» 




24. 




Reg. Bo. X, 200. 


März 


3. 


Nürnberg 


Reg. Bo. X, 201. 


TT 




Ansbach 


RA. n. 305. 


n 


8. 


Würzburg 


P. 186; Reg. Bo. X, 201. 


99 


10. 


P. 186- RA. n. 298. 


n 


12. 


Heidingsfeld 


Reg. Bo. X, 202. 




13. 




Publ. 29 f falsch zu 1386 März 28 ) 


M 


17. 


Nürnberg 


Reg. Bo. X, 203. 


» 


22. 




Hist- Norimberg. dipl. 470. 


April 


17. 


Beraun 


P. 188. 


• 


24. 


Prag 


P. 188, 


Mai 


20 


» 


P. 189. 


Juni 


12. 


Bürglitz 


RA. n. 310. 


• 


29. 


Nürnberg 


RA <3 >^£& n 41 A 
IVA. o. DOO n* OA*t. 


Juli 


13. 


» 


ürkb. d. St. Göttingen I, 352. 


V 




zum Kotenberg 


Vergl. S. 375. 


n 


19. 


Neuwermberg 


Sudendorf VI, 200 


» 


22 


Nürnberg 


P. 190; Sudendorf VI, 201. 



1) Wenn hier nicht einfach Nürnberg zu verstehen ist, kann Neubiirg ge- 
meint sein. Ueber die Lage dieses Ortes Stehr. Nürnberg I. 158. 

28* 



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436 



Beilage XXII: Itinerarium des Königs Wenzel. 1387 



1387 ! August 



18. 

30. 
14. 
23. 



Nürnberg 
Bettlern 
Karlstein 
Prag 



P. 191»). 
Reg. Bo. X, 210. 
Reg. Bo. X, 213. 
P. 191 



I 

n 



October 



1) Nach Häberlin Neue Reichsgeschichte V, Vorrede 51 bestätigt Wenzel 
mit Urkunde vom 2. August Prag dem Jacob Werme die Güter, welche ihm die 
Herren von Scala geschenkt haben. Wahrscheinlich ist diese Urkunde vom könig- 
lichen Bevollmächtigten in Italien ausgestellt. 

2) Die P. 191 citirte Urkunde vom 23. October für Erfurt u. s. w. gehört 
zum 21. October 1386, Erhard Mittheilungen 44. 



I>ruck von M. Uruhn in Braunsch weig. 




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