Urmund und
Spina bifida
Oscar Hertwig
^ jinaFrroLOGY
or
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT lUTAU mta, tmxm, u».
DepoBited by ALEX. AGASSiZ.
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Urmund und Spina bifida.
Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie
an misBgebildeten Froscheiern.
Von
Oscar Hertwig.
Hierzu 5 Tafeln.
Bonn
Separftt^Abdiuck ans dem Archiv für mikroskopische Aimtomie, Bd. 39
Verlag von Friedrich Cohen
1892.
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J'.
; r
. Kj by Google
368
{AuH d(>nt n. anatomischen Institut ssu Berlin.)
Urmund und Spina bifidsL.
Eine vürgleicbeiul nn»ii»li<)ln:,^isclic, toratologiselie Studie au
miüsge bildeten Froscheieru.
Von
OMsar Hertwii;.
Hierzu Tafel XVI- XX.
Um der noch immer in Dunkel uelnillten Fra^e, ob durch
Ueherfruebtung Misshildiuigcu hervdii^cinlcu werden können,
nülier zu treten, nahm ieh in diesem Frühjahr Experimente an
Eieni v«iii Rana temporaria wieder auf*, welebe ich schon vor
Jahren begium, aber wieder liep'u srebissc^n liattc Ich tülute
Ueberfruobtnno" ]>pi Froscheieni, uachdem chemibclic EinjrriftV
mir nicbt den wünschten Erfol«;; p:eliefert hatten, in dujtpclter
Weise iierbei. Eiumal nahm ich die mit Eiern geftlllte (^ebär- .
mutter aus der Leibeshöhle des Weibchens heraus und brachte
sie 2 — -4 Ta^p in eine feuclite Kammer , um eine Schädigung^
durch diesen Eingriff hervorzurufen nnd ähnliclie Resultate zu
erhalten, wie an Echuiodenneneiern, die man 1 — 2 nach der
Entleerung- aus dem Ovariuni in Meerwasser hat iie^vn lassen,
che der Samen zutj;'esctzt wird. Es ist auffallend, wie weni^^ die
Froscheier im Allgemeinen bei «lieser Jieliandlnn<^ leiden. Denn
noch am dritten und vierten Ta«j; cntAvickelt sieh ein grosser
'J^heil von ihnen in normaler Weise, ciii anderer Tiieil zeigt Un-
regelmässigkeiten im Furchungsprocess, ans denen sich auf eine
L'eberfruchtung sehliessen lässt, ein dritter Theil . endlich ent-
wickelt sich nicht, wenn aach vielleicht SamentUden in den
Dotter eingedrungen sind.
Ein zweites Verfahren, um Ueberfruchtuug zu erreichen,
bestand darin, dass ich die Froschpärclien von einander trennte
nnd die Männchen während 4 — 0 Wochen von den Weibchen
isolirte. Wenn die in die (Tebännutter eingetretenen Eier so
weit Aber die normale Zeit hinaus nicht zur Ablage gelangen,
Ar«]iiv t, inikrvsk. AtML Bd. V» 34
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364
Oscar Hertwig^:
werden sie ehenfnlls <r<'S('li:i(li-'t, wie «lies aneli bei Keliinodermen
trnd Fisclien (Forellen/ hcobachtet worden ist, inid «rerathen in
einen Znstand, den ich als Urberrcitc hc/.cicliiiet hal)e. Auch
liier treten neben normal isich tlieilenden Eiern mehr oder luiuder
häufig Störungen im Fnrehung8proces8 an f.
In verschiedenen, ant* diese Weise erhaltenen Zuchten ist
mir keine einzige Mehrtaehbildnng aufgestossen, obwohl ich auf
dieselben mein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Insofern
waren meine Versuche ohne das gewünschte Ergebniss geblieben.
Auf der anderen Seite aber fielen mir in den Znchtgläsern viele
Eier auf, die in eigenthUmlicher Weise pathologisch entwickelt
waren und daher eingehender geprüft wurden, ob sie mit der
mieh interesairenden P^rage in einem ZuRanimenhang ständen.
Sie zeiehneien sich durch ein bald mehr, bald minder weites
Offenbleiben des Urmundes bis in späte Stadien der Entwick-
lung aus.
Ueber derartige Missbildungen des Froscheies liegt bis jetzt
in der Literatur nur eine etwas eingehendere Notiz von Roux
in seinen Beiträgen zur Entwiddungsmecbanik des Embryo vor.
Bous (61) beschreibt die Missbildung unter dem Namen derAsyn-
taxia oder Diastasis medullaris.
„Die beiden MeduUarwfllste*', bemerkt er, „sind weit aus-
ehiander gelegen, indem sie die Seitenränder des eine längliche,
fast ebene Platte darstellenden Embryo einnehmen; unter jedem
Medullarwulst ist eine schöne, aber gleichfalls runde, durch die
Zusammensetzung aus bloss 3 bis 4 Zellen auf dem Querschnitt
wohl characterisirte Semichorda lateralis Torhanden. Aehnliehes,
aber geringeres Auseinanderweichen der Medullarwfilste fand sich
andi mehrfach bloss partiell, besonders im Bereiche der hin-
teren Hälfte des Rückenmarkes. Hierbei war auf Schnitten das
Vorhandensein vom Entoblast nachweisbar; andererseits aber war
mit Leichtigkeit durch wiederholte Beobachtung aip lebenden Ei'
festzustellen, dass der grosse Spalt zwischen beiden Medullal^
Wülsten den Ürmund bezw. den Rest desselben darstellt''. „In
Fällen der Asyntaxia medullaris, bloss im mittleren und caudalen
Tlu ile des Embryo sah ich dann mit der Zeit öfter eine weitere
Näherung der Medullarwülste und zwar mehr auf der candalen
Seite stattfinden, so dass schliesslich nur noch ein Loch in der
Mitte der Länge des MeduUarrohrs blich, welches aber weiterbin
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Urmund und Spina bifida.
865
auch noch geachloBsen \vnrde. En lag also hier nur eine Ver-
zögerung des HerRbwaefasens der jederBeitigen halben Dorsal-
platte Yom Aeqnator des Eies vor, während die qnalitatiye
Differensdning, dadurch nicht gebennnt, die MeduUarwUlste ror
der VerschmelsEung der Dorsalplattenhälflen herstellte. Dnrch'
diese Form der Diastasis medullaris und die Ableitung des Spalt-
raumes vom .Unnund wird auf's Deutlichste eine Analogie der
Bildung der EmbryonaUinlage bei Amphibien mit deijenigen der
Fische illustrirt nnd damit auch die Asyntaxia mednllaris an die
von Banber fttr die Knochenfische beschriebene „Verzögerung
des Anschlusses der Keimringhftlften zur Bildung der mittleren
und hinteren Embrjonalanlage'' angeschlossen.''
Da mir meine Zuchten ein sehr reichliches Material von
Missbildungen lieferten, so dass ich in kurzer Zeit gegen 100
von solchen isoliren konnte, conservirte ich dieselben in ver-
schiedenen Zwischenräumen nach der Befruchtung in 1 'Vo Chrom-
säure mit Zusatz von 0,2 ^/o Essigsänce. Nach gentigender Erhär-
tung wurden die GallerthflUen nach der Angabe von Bloeb-
m ann (2 b) durch vorsichtiges Schfitteln in Ean de Javellc entfernt
nnd die so freigelegten Embiyonen in 86^U Spiritus aufgehoben.
Ich erhielt so eine sehr vollständige Serie von missgebihh ti h
Froscheiem, welche sich auf verschiedenen Stufen der Entwick-
lung befanden und trotz mannigfiicher Variationen im Grad der
Missbildung docli ein ganz typisches Gepräge zur Schau trugen.
Hierin tnnd icl> eine Aufmunterung zu weiterer Untersuchung.
Bei schwaclier Vergnisserung wurden die ('iii/clnen Eier von ver-
schiedener Seite genau betrachtet und mit der Camera hieida
abgezeiclinet. Darauf wurden sie, je naclidcm es im cni/.cliien
Fall wüu.sL'henswertli erschien, in Serien von Qut r Sagittal- oder
Frontalschnitten zerlegt. Bei Autertigung von Sagittalsclmittcii
wurde meist nur die eine Hälfte verwan<lt, die andere kunute
dann noch zu einer ^^Mu rselinittsserie dienen. Der Einschluss in
Paraffin wurde nach dem v(»n Oscar Scliultze (62) angegel)cncn
und auch von mir als zweckmässig betundeueu Verfahren vor-
genommen.
Die Ergebnisse der /.iemlicli umfangreichen üntersueJiung
theile ieh zunäclist in drei Kapiteln mit. Von diesen liandclt
das erste Kapitel über Störungen des l'uichungsproeesses, das
zweitA^ über nnuiströse Entwickhing von Eiern, bei deucu mehr
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S66
Oscar Hertwiip:
Oller minder iriossc Partieen des Dotters uugetheilt gfcbliebcn
sind, das dritte über Stöningeu im Gastrulationsproccss, d^e zu
maugelhaftem Verschluss des Urmiiiids uod iu Folge dessen zu
einer Reihe von Missbilduugen fahren.
1. Störungen des Fnrchniij^sprocesses.
Auf UnregelmäBsigkeiten des Furchungsprocesses wurde da«
Eünaterial eines mehrere Wochen isolirt gehaltenen Froschweibchens
tintersiielit , das am 14. März getödtet worden war. Die Eier blieben
noch 2 Tage in der Gcl):inniitter und wurden am 16. März be-
fmehtet. 4 Standen nach der Hefi uehtnng begann sich die Mehr-
zahl in vollkommen regelmässiger Weise zn farchen. Ein klei-
nerer Tbeil dagegen liess bei Lupenvergrösserang Störungen des
nonnalen Prooesses erkennen. Auf der schwarz pigmentirten Ei-
hiUfte erschienen anssergewOhnliche, unregelmäBsige Fnrchen,
welche nicht zn einer gleichmäsug^ Zerlegung des Dotters,
sondern nnr zn einer Abgrenzung kleinerer und gr^teserer Felder
fahrten (Tafel XVI, Fig. 32—35). Es entstanden mit einem
Worte die Bilder, welche schon Born (4) genauer beschrieben und
fUr welche er den Namen Barockfnrchung eingeflihrt hat. Es
wurden nun sogleich 25 Eier, welche Abweichungen vom nor-
malen FurehuDgsschema zeigten, in nummerirte Uhrschftlchen isolirt
und von jedem der Befond rasch aufgezeichnet
Schon an dem kleinen Material liess sich feststellen,' dass
einige eharacteristisohe Befunde häufiger wiederkehrten. Ich bin
so in der Lage, die abnorm sich furchenden Eier vorläufig ' we-
nigstens in 2 Gruppen zn theilen.
In der einen Gruppe (Fig. M n. 35) traten in der schwarzen
Eihälfte einige Hauptfimrchen auf, die meist an einer Stelle zu-
sammentrafen und wieder den Ausgangspunkt fttr seitlich ab<
gehende Aeste bildeten. Durch das Zusammentreffen mehierer
Furclien wnrden weiterhin auf der animalen Polfiäche des Eies
einige kleinere, unregdmässigc Felder abgegrenzt, von denen
nuch dem vegetativen Pol zn kfirzere oder längere Furchen aus-
strahlten. Durch diese wurde nach einiger Zeit meist auch die
helle Eihälfte in etwas grössere Felder abgetheilt.
Für (lio /weite (truppe der Eier (Fig. 32 u. 'MV) ist das
Auftreten einer ringlörniigon Furche characteristisch, welche am
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KrinuiKl uii«l Spina hifidn.
357
animalen Pol ein bald kleinerem, bald grIJsseres, kreiftrandes Feld
abgrenzt. Da die Furche bald naeh ihrem Auftireten dnrch die
Dottermasse wohl ganz hindarchgeht, wird durch sie vom £i
eine kleinere, am animalen Pol gelegene Scheibe abgetrennt,
welche wie eine Oalotte dem weit grosseren, Übrigen Theil auf-
sitzt. Von der Ringfbrehe gehen dann bald radiäre Forchen
nach dem regetativen Pol zu aus und zerlegen die flbrige
£imas8e.
Die 80 in Tcrsehiedener Weise unregelmässig gefurchten
VAer wurden in ihren kleinen Behältern mehrere Tage weiter ge-
züchtet. Der grössere Theil von ihnen blieb, naehdem noch
eine weitere Zerlcgnng in kleine Zellen stattgefunden hatte, in
der Entwicklung stehen und seinen mir Zeichen des Absterbens
(lar/uhietcn, indem an dem vi'^ctativen Pole sich ein grau-
weisser Uebcrzug: bildete. Die (Ihrigen Hier traten in das Gastnihi-
stadinm ein. Am vierten Tap: nach der Befruehtun^j: erhoben
sich die Mcdnllarwülste in rcirohnässifrer Wci.^e. Trotz des ge-
sfcd tcn AnfanirK war es also in .diesen Fällen doch noch zn einer
aiis( lu niend normalen Weiterentwicklung ^^ekoinnicn. Fast alle
diese Eier f^ehöiteii der zweiten ^Tru])pe an. Ob hier ein ^e-
setzmässiger Zusammenhanf!: (»der mir ein zutallitres Zusammen-
treffen vorlicfrt. müsste sich durch eine IksoikUis darauf fce-
riclitete, nocl» eingfclicndere L'ntcrsuchuiiff entscheiden lassen. Es
wäre dies nicht ohne Interesse, da der abnonne Furchung^sj)ro('( ss
nur durch üebertViu litnn;: hcrvorj?erufen worden -sein kann und
da die vcrseliicdencii Variationen der Barock furchnnir davon ab-
hän;rcn werden, ob 2. i) oder mehr ."^aniciitadcn in (h-n l)<»ftt'r
cingcdriuii^cn sind, nnd in welcher Zahl sie sicli mit dem Eikern
verbunden lial)on oder im Dotter t'iir sich isolirt geblieben sind.
Dass solche Vor<räni;(' hier stattfinden müssen, können wir ein-
mal ans den UntcrsiichnnfTcn von Horn (4) über die üeberfruclitnn«::
uml Harockfurchnn^' der Anipbibiencier. dann aber namentlich
aus den von Fol (17)j meinem Binder nnd mir (23, 27) ver-
fol^^ten altnormen Befruchtungs- und Furchungsprocessen der
Echinodermeneier scbliessen.
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Oscar Hertwi^:
2. Monströse Entwicklung an Eiern, bei denen mehr oder
minder grosse Fartie<g;i des Dotters nngetlieilt geblieben
sind.
(Tafel XX, Fig,21~^'Jl.)
Eine grössere Anzahl von Fro«cheiem wnrde in Sehnitt-
serien zerlegt, welche sehr eigenthfiinliehe und ttberrasehende
Befände darboten. Die HanptmaBse des Dotters oder nur die
Hälfte oder ein noeh kleinerer Tbeil war nicht in Zellen zer-
legt, während der Best ans kleinen Zellen bestand^ die sieh zu-
weilen sogar zu Keimblättern ete. znsammengeordnet hatten. In
allen diesen Fällen hatte auch der uujj^efnrciit gebliebene Dotter
seine Beschaffenheit verändert. Er war von zahlreichen, klei-
neren und grüisseren Vacnolen durchsetzt, die mit einer klaren
FlüsHigkeit erHillt waren und oft so dicht znsammenliigen , dass
sie nur dnreh dttnne Seheidewände, wie die Blasen eines Seifen-
schaums, von einander getrennt waren (Fig. 23, 27 va). Oft
waren anch grössere xmd dann unregelniässifc contonrirte Va-
cnolen dadnrch entstanden, dass die dünnen Seheidewände zwi-
schen mehreren Vacnolen eingerissen waren (Fij^. 21 va'). Ausser-
dem kamen noch in dem so veränderten Dotter mehrfacli khiue
Bläschen vor, die von dunklem L'i^iaent itiahiilli waren und zu-
weilen anch eine Strahlnnir in ihrer Umgebung»- erkennen Hessen
(Fig. 2o ])). Ich stehe iiit ht an, sie für Kerne zu halten, die
von mehrl'aeh in das Ei einfredrungent-n Saiin ntaden ahstaininen,
vielleicht anch durch Theilnuir von Samenkernen liervor^i^epiniren
sind. Bestärkt werde ieli i)i dieser Ansicht nauKiitlich durclr
die Beobaehfun/JT einzelner isnliiter Zellen in dem von Va-
cnolen durchsetzten Dotter. Dieselben tan<l ich indessen nur in
einiaen Fällen (Fi^r. 21, 22, 24, 27 ■/.') vor. während sie in an-
deren vermissl wurden. Fig'. 25 zei{L;:t uns eine solche Zelle f/')
bei etwas stiirkerer Vergnisserung. Ein in «Mnem Pi^^mentliof
jreloirener Kern ist von einer Hülle von Dultersubstanz um-
schlossen, welche durch eine platte C(»ntonr ringsum von lifni
übrigen vaeuolenhaltii^en l)(»tter sclnirt abgesetzt ist. Zuweilen
finden sich auch mclircrü Zellen in einer Gruppe beisammen
(Fig. 21 z').
An der animalen Fläche dieser eigeuthümlich veränderten
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Urmuiid und Spina bifida.
359
Eier hat nnn ein Farchnngeprocess bald in gerin^^rer, bald in
grosserer Ansdefannng: stattgefiinden; er bat einer Lage kleiner,
embryonaler, theilweise pigmentirter Zellen den Ursprung ge-
geben, welche der Keimscheibe eines meroblastischen Eies ver^
gleiehbar, dem vacnolenhaltigen Dotter anfliegt. Einen sehr ge-
ringfügigen Grad von Zellenbildnng habe ich bei dem Ei a' an-
^^etroffen (Fig. 23). Hier war etwa der vierte Theil der Dotter-
oberfl&ehe von einer ein&ehen Sehicht von kleinen, cubisehen
Zellen bedeekt. In der Peripherie der Scheibe war die Eiober-
fläehe dnreh Fnrßhen in kleine Felder abgctiieilt, die Kerne ent-
hielten, aber mit der ttbrigen Dottermasse noch zusammenhingen.
Anch hatte sieh an diesem Objeet noch eine kleine Gmppe von
Zellen in einiger Entfemung von der Hauptsehdbe gebildet.
Bei zwei anderen Eiern (Fig. 21 n. 22) war durch ]>ar-
tieUe, irreguläre Fnrchung eine 3 hk 5 Zcllenlagen dicke
Scheibe entstanden. In dem einen Fall (Fig. 21) lag unter der
Scheibe eine Art von Furehungshöhle (fh), ein grosser Hohl-
raum, Uber dessen Zustandekommen ich keine bestimmte Angabe
niaclien kann. Die Möglichkeit, dass er durch das Verschmelzen
vieler einzelnen V'nciiolen gebildet i^t, wäre hierbei in das Ange,
zu fassen. Das ganze Ei kann man als eine Keimblasc be-
zeichnen, deren vegetative Hälfte aus ungethcilter Dotternmsse
bestellt, während die animale Hälfte in Zellen zerfallen ist. He-
sondore Beachtung verdienen in der Figur 21 noch ein paar
(Iruppen kleiner Zellen ('i'), sowie auch iranz vereinzelte Zellen,
die sich in dem vacnolenhaltigen Doiter ciiigesprengt tind. n.
Wenn wir uns nach <ler Entstehung dieser monströsen !• t>r-
men fragen, welche so ganz ans dem Rahmen des normalen Knt-
wicklungsproeesses iWr Amphibieneier lieraustreten, so bin ieh
für meine Pfrson keinen Augenblick im Zweite], dass sie dmcli
reberfruehtung hervorgerufen wunicn sind. \aeh meinen Er-
fahrungen Avürde sich der ganze iiergang in tolgender ^\^'ise
gestalten. Durch Ueberreife und andere sehädlielie Einfiiis.*ie war
bei den Eiern die Erregliarkeit des Protoplasma herabgesetzt.
Die Folge davon war Ueberfruchtung. Die in grösserer Anzahl
eingedrungenen 8amenkeme, von denen auch vielleicht einer oder
einige mit dem Eikern verschmolzcu sind, haben am animalen Pol
des Eies ßarockfurchung hervorgerufen, da hier grr»ssere Mengen
von Protoplasma angehäuft sind. Entsprechend der Vieh&ahl der
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360
Oscar Herfcwi^:
KoniP hat sich die Eiriudc ^U'icli in mehrere unre^clniässigc
Felder abgetheitt, wie sie oben beschrieben worden sind. Diese
sind dann unter weiterer Yemehmiig der Kerne iu kleinere
Felder zerfallen, die sich dann vom unterliegenden Dotter abge-
schnürt und in Embryonal/ellen uni^cewandelt haben.
Iu der vegetativen Hälfte des Eies kommt es zu keiner
durchgreifenden Zellenbildung, weil in ihr wegen des nnr in ge*
ringer Menge vorhandenen Protophismas und bei der Schftdignng
des letzteren gewissermaassen die Triebkräfte znr Einleitung
eines Farehnngsproceeses zu geringfügig sind. £s ist hier somit
dnreh pathologische Zostände ein ähnliches Verhältniss geschaffen^
wie es normaler Weise bei den merobUistischeu Eiern vorliegt,
wo die Übermässige Zunahme der Dottermasse eine Sonderung
in einen protoplasmareicheren, theilbaren, und in einen proto-
plasmaärmeren, an der Fnrchnng nicht theilnehmenden Abschnitt
der Eizelle hervorgerufen hat^ Nur hier und da hat sich aus-
nahmsweise einmal um einen Samenkem etwas Dottermasse her-
umgelagert und von der übrigen Masse als selbständige Zelle
getrennt.
Wie die Vacuolen im ungefurchten Theil des Dotters zu
Stande kommen, ist mir unklar geblieben, da ich auf diese
Frage meine. Untersuchung nicht speciell gerichtet habe. An
zwei Möglichkeiten wäre zu denken. Einmal könnten die Va*
cuolen durch eine Verflüssigung des Dotters entstehen und mit
emer Zersetzung desselben zusammenhängen. Auf der anderöi
Seite könnten sie aber auch aus Samenkernen hervorgegangen
»ein, die sieh durch Theilung vermehrt und dann durch Auf-
nahme von Kernsat't in grosse Blasen umgewandelt haben und
dabei auch untereinander Verschmelzungen eingegangen sind.
Iki patlinlogisclicn Kchinodermeneiern IimIr' iclif^o) ein solches An-
schwclk'ii kleiner KcriK^ /,u ^^rosscii lilnst'ii niul ein Verschmelzen
derselben öfters })i'ol>a('litet. Ol» mm in diesom l^'all der erste
oder der zweite Kutstcliiuigsmodus auftritt, müstitc diircli eine
besonders darauf gerichtete Untersuchung entschieden werden.
Vacuolen und Kenn im ungefurchten Dotter hatKoux(61)
bei Frosciieiern beobaelitet. als er eine der beidt-n ersten Fnr-
chungskugein durch Anstechen mit einer heissgemaeliten Xadel
y>er8tr»rte. Die Vacuolen treten im Dutter der operirten Zelle
nach einiger Zeit auf mid liegen „oft so dicht, das« sie aul dem
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Urinuud und Spina bifida.
3«1
QnerselniittsUM stolk'inveise nur durch einen toinon pr(>ttn)lasnia-
tischen Faden von einander getrennt sind, und nianchmal sind
von diesen Gebilden, die körperlich belraehtet TrennungshlUite
darstellen, nur noch Reste vorhanden , so dass eine Conuntiniea-
tion oder Verschmelzung der Vaenolen sichtbar sich ausspricht*^.
Ausserdem fand Roux in dem vacuolenhaltigen Dotter noch
Kerne vor, welche er von dem Furchnngskem der operirten Für*
ehungskugel ableitet. Es würde also in diesem Fall der Kern
sieh zum Theil vermehrt haben, während der Dotter in Folge
der Sehädignng durch dss Anstechen nicht mehr hat reagiren
können.
Bei dieser Gelegenheit erwähnt auch Roux ähnliehe Be-
ftinde, wie ich sie eben mitgetheilt habe. „Gegen Ende der
Laichperiode komme beim 'Frosch zuweilen auch partielle Ent^
Wicklung des Eies ohne Operation vor. In mehreren solcher
Eier^, sehreibt er, „waren bloss 3 oder 4 Zellen -von der Be-
schaffenheit der Zellen im Stadium des üebergangs von der Mo-
rula- zur Blastulastufe vorhanden, während die ganze übrige Ei-
nlasse nicht in Zellen ^^e^^liedert war, aber an manchen Stellen
mit den oben beschriebenen Formen abnormer Kerne wie auch
auf grosse Strecken hin mit jugendlichen, normal aussehenden
Kernen iu grosser Anzahl durchsetzt war. Manchmal war j^c-
rade in der Umgebung der wenigen normalen Zellen die Eisub-
gtanz so stark vacuolisirt, dass an einen üebertritt von Kernen
ans* dieser nicht jj^edaeht werden kann." Ronx meint, dass an
Vielkernig:keit dnreh J'olyspcriiiie in diesen Fällen nicht xn
denken sei, ob^leieli sie ^••ele^^entlieli jsreiren Ende der I^jiich-
periodc vorkonnne; vielmehr niimut er an. dass der Fnrcliunfjrs-
kem theils abnorm, theils aiisclu inriKl noiiiialc Derivate ;rebildet
habe. Ich bin der f^ejjfentlu ili^^a'u Aiisiebt iiii<l halte den ei;;en-
tlimtiiichen ('«»luplex der Krsclu inun.ifeii, die Haiockf'urclinnfj:. die
partielle Zellbildnnj;-. welclie an die partielle Furcbun^; erinnert,
das Vorkommen von Kernen nnd liier und da aiicli von isolirten
Zellt n im vaciioh iilialtijren Dotter einzig; nnd allein dnrcli üeber-
Iruchtnn;^ ^;eseliädi^ter Eier bedinirt.
Partiell «retbeilte Kier sind einer wiitertMi Entwicklung'
t'ähi^^, nanientlicli wenn nur die Hälfte oder nur ein Drittel des
Dotters untirtlu-ilt ^rlilicluii ist. T'nt(»r meinem Mat<»rial habe
ich Eier vor^a>t'unden, bei denen die Zellen sich m Keimblättern
\
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962
OscAr Hertwig:
in regelrechter Weise anBamnieugeftlgt hatten, bei denen sogar
eine Art von Gastmlation stattgefiinden hatte; endlieh auch Eier,
bei denen es zur Bildung von Chorda und Medullarplatte ge^
kommen war (Fig. 24, 26, 27).
Eine pathologische Gastrula ist in Fig. 24 abgebildet. Die
eine Httlfte des Eies ist in vaeuolenhaltige Dottermasse umge-
wandelt, welche an einer Stelle, wo sie an den zelligen Thml
anstOsst, auch Kerne und isolirte Zellen einschliesst. Die andere
in Zellen ^etheilte Hftlfte ist durch eine deutliche Demarcations-
Hnie von dem unentwickelt gebliebenen Eithdl getrennt. Sie
gleicht einer kleinen Gastruki. Auf der einen Seite der Urdarm-
höhle liegt ein ansehnlicher Streifen' grosser Dotterzellen; die
entgegeugesetzte Wand ist dttnn und aus kleinen pigmentirten
Zellen zusammengesetzt, die in 2 Blätter angeordnet sind und
am Urmundrand durch Umschlag ineinander übergehen.
Zwei eigenthOmliche Missbildnngen lieferten mir die Eier
a** und a^*, bei denen etwa auch die Hälfte der Substanz un-
entwickelt geblieben ist (Fi??. '2(3 u. 27). Bei beiden Eiern liegt
in der Mitte zwischen vacuolcuhaltiger Dottermasse und <ler
zelligen Hälfte ein irrösserer Hohlraum (fh), welchen u Ii ftlr den
Rest der Furchnugshöhle halte. Der zellige Theil birgt in der
Fig. 27 eine kleine EinstUlpungshöhle, den Urdarra (ud). Nach
links bildet .seine Begrenzung^ ein Haufen ü^rosser Dotterzellen,
nach rechts und unten eine in mehrere Keimblätter i^esonderte
Masse kleiner. i»i*,'nientirter Zellen. An dieser ist eine dünne
Lage von Zellen als Eetodcrm deutlich ab^^e^renzt. Da \v<i das
Ectodenn sieli m die den ürdarm auskleidende ZcllenseJiicht um-
schlägt, ist es beträelitlieh verdiekt uüd zu einem Gebilde fmp)
umgewandelt, welches dem Querschnitt einer MeduUarplatte täu-
schend ^deicht. Da wir im nächsten Abschnitte niissgebildete
Froseheier kennen b rnen werden, bei denen das Nervensystem
sieb in entsprechender Weise am Urmundrand anlegt (y^\. die
Figuren H, 9, l.ö, 1(3 aut Tatel XVlls so stehe ich nicht an,
aueb hier den mit mp bezeichneten Theil als Mednllai'platte zu
deuten. Naeb reebts ist die (iastrula theils durch einen Spalt,
theils durch eine Demarcationslinie vom ungctheilten ?>irest ge-
trennt, nach links geht eine dttnne Zelliamelle in rlen vaenolen-
haltigen Dotter ttber« der hier ebenfalls nur eine, dUuue ^^cbicht
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Urmund und Spina bifida.
988
darBtellt und die oben erwähnte Fnrebnngshöhle (fh) mit ab-
• scblieasen bilft.
Die Fig. 26 zeigt uns auf deT einen näeh oben gekehrten
Seite eine ansehnliche, vaeuolenhaltige Dottermasae^ nach unten
von ihr einen in zwei Blätter geeonderten, zelligen Keim. Zwi-
sehen beiden befindet sieh eine ring» abgegrenzte geräumige
Fnrchnngshdlde (fh). Rechter Hand ist wieder an der Stelle,
wo der zeitige in den vacnolenhaJtigen Theil abergeht, eine
kleine Einstlllpung (nd) entstanden. An der Urmnndlippe geht
das äussere in das innere Blatt' ttber nnd hat sieh wieder, wie
in dem vorher beschriebenen Fall, zn einer Mednilarplatte (mp)
verdickt, die hier aber nnr wenig zn einer Rinne eingekrümmt
ist. Sowohl rechts als links von der Fnrchungshöhle steht der
zellige Keim nnd der imgetlieilte Dotterrest noch mit einander
in directer Verbindung.
Äehnliche Befiinde wurden noch an Schnittserien dnreh
mehrere Eier erhalten.
.Endlich habe ich auch Eier angetroffen, bei denen sich
neben einem nngetheilten, nieist kleineren Dotterrest die Anlagen
von Chorda nnd l'ist'^nienten im entwickelten Theil niehr oder
minder dcutlicli auf Schnitten nat lnvciscii litsscii. Indessen ist
die UntersHchung bei allen diesen itatli<>l(»;:is( li( ii Kiern dadurch
mit Scliwicri^keiten verkiuipft. dass mau äiisscriicli au den Kiern
sehr weui^ sieht und daher heiui iMux lilicsscu in l'aratfin nicht
<lie Richtung hcstiuimen kann, in welcher /weckmästsiger Weise
die Schnitte geführt werden niiissten.
3. Störungen Im Ga^trulationsprocess, die zn mangelhaftem
Verschluss des Urmundes und in Folge dessen zu einer
Reihe von MissbildHns:en iiihren.
Stdi iuip'n im Gastrulati« »US I nict's.s können die Ursaclir von
sehr verschiodcnartijren. ahnoruirn Formznständen werden. Um
dicHelben in systeuiatistdier Keihenlolge zu betrachten, scheint es
mir zweckmässig, sie in drei rrnippen cin/ntheilcn.
Bei dem höchsten «irade der Storuuf4: bleibt der l'riiiund
seiner _ ^^auzeu Läuf^c naeli p'Vit^nct. /n einer Zeit, wo bei den
Embryonen schon die Medullarplatten. die Chorda, mehrere Urse;jj-
mente angelegt sind. Von hier Klhren alle nur denkbaren üeber-
gänge m geringeren Graden der Störung. Mau findet missge^
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364 Oscar Hertwi^:
bildete £njbiyonen, bei denen sich nnr ein Theii des Kopfes oder
der ganze Kopf oder ausser demselben noch eine mehr oder *
minder grosse sich' anschliessende Strecke des Rumpfes in nor-
maler Weise entwickelt hat, im Uebrigen aber am Backen ein
dementsprechend grosser Theil des Ürmnndes vor dem Schwann
ende offen geblieben ist. In Folge dessen liegt nun ein bald
grosserer, bald kleinerer Theil des Dotters frei zn Tage und
sieht als eine Art Dotterpfropf, ähnlich wie beim Rnskoni-
schen After, nach Aussen hervor.
In einer dritten Gruppe endlich stelle ich die am wenigsten
aufßiOigen Störungen in dem Verschluss des Urmundes zusammen.
Hier ist die ganze Rttckengegend des Embryo wohl entwickelt
und in Nervenrohr, Chorda und Ursegmente gesondert, unterhalb
der Stelle aber, wo sich die Schwanzknospe bildet, oder der Schwanz
schon in seiner ersten Anlage vorhanden iHt, findet . sich eine
bald ziemlich umfangreiche, bald kleine Oeffhung; dnrch welche
man noch den Nahrungsdotter von Aussen her sehen kann. Das
Dotterloeh liegt bei fehlendem Schwanz genau am hinteren Ende
des Embryo, während es in demselben If aasse als der Schwanz
entwiekelt ist, ventralwüits und nach vom verschoben ist,
h Cinippe der Missbildnngen: Totale Urmandspalte.
(Tafel XVI Fig. 1—7).
Am fünften bis siobcnten nach der IWruchtnuf;- licicii
nur zwi.scliC'ii scliun weit entwickelten Embryonen einzchic Eier
auf, die in einer Riehtun^ verliiniievt nnd vom {inimalen nach «lern
ve^retativen Pol /n etwas* platt geihiiekt waren. Von der Fläche
betrachtet, bieten diese Eier einiirennaassen das Aussehen einer
ovalen Schüssel dar, di»' aut einer Seite dmchweg durch br-unu s
Pi^rnient iirefärbt ist, auf der anderen Seite dagejjfen ;;cll)\vei!js
aussiclit Tafel XVI, Pig. 1- — 7i. Die branne Seite zeijrt häufig;
in der Län^rsrichtun^^ eine (hMitliclie Einkrünlmung (Fic. ■> n. 4 .
ferner ist sie selten pin/ ,i:Iatl , häuliger in unre^eiiuiissi-^er
Weise an einzelnen Stellen mit .ü:e\vnndenen Furchen und dazwi-
schen gelegenen Wülsten, welclie Hirnwind nn^-en vergleichbar sind,
bedeckt. Es sind dies path<>log:ische Wucherungen des }Iautl)h]tts,
die ohne jede weitere Bedeutung für die Entwickhuig.s[)rueessc
sind. Hiervon abgesehen ist häufig schon eine Organanlage,
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Unnnnd und Spina bifida. 965
welclie der Froscheinbrvo erst längere Zeit nach Ablauf des
Gastriiiatioiisproeesses erhält, am vorderen Ende der braunen
Seite aufzufinden. Es ist (hlg. 3 h) die bnmne Haftscbeibe,
mit welcher sich die ausgeschlüpften Kaulquappen an Wasser-
pflanzen ansetzen. Die Haftscheibe ist eine von weit vorstehenden
Epithelwfllsten eingeschlossene Einsenkung der Epidennis, welclie
in ihrer Form otwa einem Hufeisen vergleichbar ist. Dadurch
dokumentirt sich die braune Seite selbst als die Bauchseite des zu-
künftigen Embryo und sind an ihr bereits nach der Xage der
Haftscheibe Kopt- und Schwanzende von einander zu unterscheiden.
Die nicht pigmentirte Seite entspricht somit dem Rfleken^
der bei unserer Missbildung ein eigenthttmliehes Aussehen dar-
bietet* 0ie in grosse Zellen abgetheilte Dottermasse (d) liegt firei
zu Tage (Fig. 1, 2, 4 — 7) und bildet einen bald mehr, bald weniger
nach Aussen hervorspringenden Hfigel (Fig. 4 — 5d). Derselbe
wird rings von einem braun pigmentii-ten Wulst ur umgeben,
der durch das Uebergreifen der ebenso gefärbten Bauchseite auf
die Rttckenseite gebildet wird. Der Wulst setzt sieh mit emer
ziemlich scharfen Linie gegen die hellere Dottermasse ab. Auch
hier lässt sich Kopf- und Schwanzende bei einiger Ucbung von
einander nnterseheideu. An ersterem findet sieb in geringer Ent-
fernung vom braunen Randwulst eine tiefe, eine Querspalte dar-
stellende Einsenkung vor (Fig. 1, 2, 6, 7 kd). Sie entspricht,
wie uns weiterhin Durchschnitte zeigen werden, einem Theil der
Gastrulaeinstülpung. Das zwischen ihr und dem Randwnlst ge-
legene Feld zeigt auch noch einen Anflug von brauner Pigmen-
tirung. Das Hinterende dagegen ist dadurch ausgezeichnet, dass.
der braune Raudwulst sich in 2 Höcker (Fig. 1 — 7 sk) verdickt,
die sieh durch eine tiefe Einsenkung von der Dottermasse ab-
setzen. Die zwei Höcker, die ich nach ihrer zukOnfltigen Be-
stimmung schoa jetzt als Seh wanzknospen bezeichnen will,
sind in der Medianebene durch eine Einkerbung (Fig. 1 ar) von
einander getrennt, in welche rieh dne kleine Zellmasse da-
zwischen schiebt, die als Zwischenstück bezeichnet werden
kann uiul häufig einen kleinen Voi*sj)niMg am hinteren Ende be-
dingt. Das Zwischenstück ist namentlich auf späteren Statlicn
(Fi^. D — 11, i;>, 14, 19) dentlieher wahrzunehmen und mit einer
Himu; far; versehen, die zur Eutwickluiifr des Aftei*8 in ikv.u'liung
steht und daher als Altcrrinne bezeiclniet werden kann.
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866 Oscar Hertvig:
Mehr lässt sich bei der Untorsuchuu^ des Kmbryo im Gan-
zen nicht erkennen. Um so mehr ist man überrascht, bei der
Anfertigung von Quer-, Sagittal- und Frontalschnitten schon einen
hohen Grad von innerer Organisation, MeduUarwUlste, Chorda,
mittleres Keimblatt, Ursegmente u. s. w. vorzufinden.
Am hosten gehen wir bei unserer Betrachung von einem
Querschnitt durch dle^ Mitte des iniBSgebildctoti Emhrvo aus
(Taf. XVll Fig, 2). Derselbe zeigt uns sofort, dass sclion alle drei
Keimblätter angelegt sind. Die als HUgel nach Aussen hervor-
stehende Dottermaasej welche dai^ innere Keimblatt repräsentirt,
wird ventralwärts von 2 durch einen >SpaI träum gegen einander
ahgegrensfiten Zellenschichten umhüllt, 1) von einem dünnen
äusseren Keimblatt, das die für die Anuren bekannte Stractnr be-
sitzt und am dunkelsten pigmentirt ist, und 2) von einem erheb-
lich dickeren, etwas weniger pigmentirten, mittleren Kdmblatt
(mk), das aus mehreren Zellenlagen besteht« Naeh dem Rttcken
der Missbilduug m bOren äusseres und mittleres Keimblatt mit
dem oben erwähnten braun geerbten Wulst auf, der bei Be*
traehtung von der Fläche wie ein Ring den Dotterhfigel umsehliesst
(Taf. XVI, Fig.eur).
Anf dem Durchschnitt zeigt der Wulst (Taf. XVI, Fig.Gur)
eine zusammengesetzte Structur (Taf. XVII, Fig. 2). £r besteht
aus einer dickeren Platte (mp), die sieh zu einer nach oben offe-
nen, ilachen Rinne zusammenkrümmt. Dieselbe stimmt dadurch,
dass sie ans mehrfach tiberehiander geschichteten, langgestreckten,
spindeligen Zdlen angebaut ist, in ihrer Structur mit dem Medul-
larwnlst eines normalen Froschembryo flberein. Sie repräsentirt
also die Hälfte einer normalen Rfickenmarksanlage oder eine halbe
MeduUarplatte (siehe auch Taf.XVII Fig.3, 6, T, 10—12, 18, 22 mp).
Am äusseren Rand gebt die MeduUarplatte durch Umschlag in
die dfinne Epidermis aber, nach dem inneren Rand zu wird sie
gleichfalls dttnner und verändert ihren histologischen Character,
indem die Zellen etwas grosser und weniger pigmentirt werden
(Figur 2, 3, 10, 12, 18, 22 v). Durch dieses dflnne Verbindnngs-
stock (t) hängt sie mit der Dottermaase continuirlich zusammen.
Zweitens schliesst der Wulst auf jeder Seite noch den
Durchschnitt eines runden Zell^tranges ein, der allseitig scharf
abgegrenzt ist und in seiner Stractur mit einer embryonalen
Chorda Ubereiustii|imt. Deim wie Lilngsdurchschriitte durch dieselbe
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Urmiand und Spina bifida. 967
lehren (Fig. 2U u. 21 eh), haut sie sich aus den bekannten, scheiben-
förmigen, wie Geldstlicite übereinander geschichteten Zellen auf.
Die Chorda findet sich etwas medianwärts von der bellen Me-
dullarplatte, genau unterhalb des Verliiiulungsstflckes (v), das
den Uebergang iXtt Dottennasse vermittelt.
Unter Chorda und Medullarplatte folgt endlich das mittlere
Keimblatt (mk), das hier am breitesten ist und sich ventralwftrts
allmählich verschmälert.
Bei Durchmustenmg einer Quersclmittsgerie ändern sich
die einzelnen Bilder nur wenig. Nach \-orn wird meist die Chorda
etwas stärker, umgekehrt etwas scliwäclier iiacli hinten. Am
Schwan/ciule endlich sind Medullarplatte, Chorda und mittieres
Keimblatt nicht mehr zu unterscheidem, sie verschwinden hier in
einer mehr gleiehmässigen Masse kleiner, pigmentirfter 2Selleny
welehe jedereeita am {linteren £nde einen Wulst bedingen, der bei
Betrachtung des Embryo ron der Fläche (Taf. XVI sk) schon als
Sehwanzknospe bezeiehnet wurde.
Die Niveauverhältniase zwischen Randwulst und Dotter
smd häufig naeh den einzehien Körper^genden etwas yersehieden,
aber in .einer für die einzelnen Embryonen nicht immer gleich-
bleibenden Weise. Bald hebt sich der Dotter Uber den Band-
wulst als steiler HOgel weit in die Höhe (Fig. 2, 6, 11,22), bald
schneidet er in gleichem Niveau mit ihm ab (Fig. 10, 18), oder
er zeigt sogar am yorderen nnd hinteren Ende eine mnldenartige
Vertiefung, Aber welche nun umgekehrt sich der Randwulst etwas
weiter emporhebt (Fig. 3).
Das mittlere Keimblatt lässt bei allen Missbildnngen, die
mikrotomirt wurden, schon eine Gliederung in UrBcgmente er-
kennen, deren Zahl sich mir auf 10 bis 20 Paar, je nach dem
mehr oder mukler weit vorgeschrittenen Entwieklungzustand, 2u
bekinfen schien. Am besten sind sie auf Sagittalschnitten, welche
die Chorda oder die Medullarplatte getroffen haben, zu mter-
seheiden, so auf dem Sagittalsehnitt durch einen Randwulst der Mis8-
bildung des B«. (Taf. XVI Fig. ö, Taf. XVII Fig. 20). Unter der
aus seheihenförmlg^ Zellen aufgebauten Chorda (Taf. XVII 20 ch)
liegen 4 scharf von einander g:esonderte Ursegmente (us), die sich
von dem übrigen Theil des mittleren Keimblattes oder den Seiten-
platten abgeschnürt haben. Fünf Ursegmente (us) sind auf dem
►Sagittalsehnitt (Taf. XVII Fig. 19) zu sehen, der durch die inüba
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868
Oscar Hertwigf:
Me(iullarplattc (mp) de» Embryo (Taf. XVI Fig. 7) hiudurch-
gemiirt ist.
Ks t)ii'ilMMi mis jetzt noch (iir VtM-liältimso am Kopt- und
8chwair/cn(l(' <1t>K Eiiilnyo f^euauer zu und i -n< lion, was am besten
an Sa^^ittalschnittcu ^eseliiebt. Die Bilder lallen bei den luikro-
tomirten Knil)rv<meii etwas verschieden aus.
Bei tnilH vo Ea i Taf. XVT Fi-, ö. Taf. XVII Fi-. H) ist in
der Kopfgej^end eine nocli vollständig^ offene Hirnplattc nnp) ent-
wickelt. Sie ist zu einer tieten Rinne zusammen*rekrnmmt, deren
vorderer oder äusserer Rand siel» in das dünne Hornblatt um-
schlägt, während der innere in die Dottermasse übergeht. Eine
Chorda fehlt in der Mediangegend, tritt aber in einiger Entfernung
seitlich von ihr auf. Dies sieht man an dem Querschnitt (Taf. XVII
Fig. 1 1 ch) und an dem ganz lateralwärts geführten Sagittalschnitt
(Fig. 20 eh). Bei dem vorliegenden Embryo fehlt jede Einstülpung,
welche die erste Anlage einer Kopfdarmhöhle darstellen wUrde.
Dagegen tritt uns eine solche, wenn auch noch wenig ausgeprägt,
bei Embryo fTaf. XVI Fig. T kd u. Taf. XVII Fig. 15) entgegen.
Hinter der eingekrümmten^ verdickten Himplatte (nip) folgt ein
kleiner, durch Einstülpung entstandener Hohlraum (kd), dessen
AusmUadnng schon beim Stu<liuin der ganzen Embryonen wahr*
genommen werden konnte. In Folge dessen geht der inn^ Rand
der Himplatte nicht wie oben direet in die Dottermasse, sondern
in eine einfache Lage grosser Dotterzellen Aber, welche die
vordere Wand der Kopfdarmhdhle begrenzen and an ihrem Crnind
in die compacte Dottennaase nmbiegen, welche die hintere Wand
herstellt. Bedeutend weiter entwickelt ist die Kopfdamhöhlö
bei den Embryoneu M u. B (Taf. XVI, Fig. 10 u. 2). Dieselbe
reicht jetet> wie die Sagittalschnitte lehren (Taf. XVII, Fig. 9
u. 16 kd), nicht nur bis zum Grund der Dottermasse in die Gegend
der Haftscheibe (h) herab, sondern hat bei Embryo M (Taf. XVII,
Fig. 9) auch noch eine Ausstfllpung nach vorn unter, die Him-
platte (mp) getrieben.
Bei der Untersuchung des hinteren Embryonalendes wird
niemals eine bald mehr, bald weniger tiefe Einsenkung vermisst,
die als Anlage der BeckendannbOhle oder des Enddarms gelten
kann (Taf. XVI, Fig. 1, 6, 7 cd und Taf. XVII, Fig. 8, 9, l.'), 16 cd),
Sie trennt die Dottermasse von den beiden als Schwanzknospen
(flk) bezeicliueteu H4»ekeru, mit welchem der RaiulwulKt uaeh
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Urmund und Spina bifida.
des
hinten aufhOrt iiiul zwischen welche sii li iu^dcr Medianebeiie die
intermediilre Zelienmasse mit der Afterrinne (ar) bineinseliielit
(Taf. XVI, Fig. 1 ar). Jede Schwanzknospe (Taf. XVII, 8, 9,
15, 16 sk) Iftsst theilweise 3 Schichten, den 3 Keimblättern ent-
sprechend, erkennen. 1) nach Aussen das schwarz pigmentirte
Ectoderm, 2) nach Innen ein oder mehrere Lagen grosser Dotter-
zellen, welche die hintere Wand der Beckendarmhöhle bilden,
3) zwischen beiden eine dicke Lage kleiner, gleichfalls schwarz
pigmentirter Zellen, das mittlere Keimblatt. Am Ende der Schwanz-
knospe fehlt eine Strecke weit eine Abgrenzung der 3 Schichten
gegen einander. Sie gehen mit einer kleinzelligen Masse in ein-
ander Uber, in welche häufig eine kleine Furche etwas einschneidet
(siehe die Einkerbung auf Taf. XVII, I^ig. 9 n. 15 zwischen der
Urmundlippe ^nl, und der Darmfalte ;dl).
Ehe ich zur Beschreibung^ etwas weiter entwickelter Em-
bryonen übergelle, seheint es mir zuvor geboten, auf die Frage,
die sich jeder Leser schon selbst aufgeworfen haben wird, näher
einzugehen: Wie ist diese abnorme, merkwürdige Embryonalform
entstanden und in welchem Verhältniss steht ihre Entwicklung
zur normalen Entwicklung der Amphibien und der Wirbelthiere?
Obwohl ich zu meinem Bedauern nicht in der La^e gewesen bin,
frühere Entwicklnn^tadien dieser Missbildnngen unter meinen
Vorräthen zu finden, so glaube ich doch, dass sich aus den mit-
getbeilten Befunden mit ziemlicher Sicherheit einige RUekschlHsse
niaeben lassen.
Oinie Zweifel hat ein Nollständig gestörter (Jastrulations-
|m)eess stattgefunden. Die abnorme Kiitw icklun^- iiiuhs sebon vom
ßlastnlastadiuiii au sieb bemerkbar geniaebt haben. Beim ge-
wöbnlieben A erlauf bildet sic-li einem kleinen Bezirk aus
eine Einst ül|>uiig, die'albnäblieh tiefer wird an der Stelle, welebe
wir mit (üötte als Raudzonc bezeiebucn, und an weleber die
animalen, |)igmentirten Zellen in die grösseren, nielit pigmtMitirten
Dotter/.elh Ml übergehen. Im Ansebluss an das zuerst entstandene
Säekchen kiiunnt allmäblicb ein inuner grr>sserer Tlieil der vege-
tativen Keinihlaseidiälftc oder der Dotteiuiassi> in das Innere des
DopjR'lbeeliers zu liegen. Hierbei verengt .sieh der Urmund iu
entsprecbendem Maasse bis zu einem kleinen Loeh, noeh ehe
sich <lie Mednllarwtllste ausbilden j dann schlieast er sich ganz.
Archiv f. uiikru^k. AiiaU Bd. 25
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370 08car Hertwi^i
Dieser Vorgang muss hier jedenfaJls ganz abgeändert sein, er ist
durch einen anderen Modas> der sieh aber auch als eine Art
Gastmlation bezeichnen Iftsst, ersetzt worden.
Ich denke mir, dass sich zunächst die Keimblase in einer
Kiehtung etwas verlängert und sieh Yon der Racken- zurBauch-
iläcbe etwas abpUiltet. In Folge dessen wird die Blastulaköhle
ganz oder theilweise zum Sehwund gebracht werden* Die ani-
malen Zellen bilden dann an der zukttnftigen ventralen Seite des
Eies nm die compacte Dottermasse , eine HflUsehiehty das äussere
Keimblatt.
Gldchzeitig wird die Randzone oder die UebergangssteUe
der animalen und der vegetativen Zellen zuerst am vorderen
Ende des Eies, dann von hier nach hinten fortschreitend in j2:anzer
Ausdehnung in Wucherung gLiatheu und sich zu eiutr Art v(m
Keimring umg^estalten, von dem in erster Linie alle Eiiiuick-
]nn^'^si)roccs8e ausgehen. Auf der linken und rechten Seite des
ovalen Eies wachsen vom Keimrin;i; Zellcnmassen zwischen Dotter
mui äusserem Keimblatt nach abwärts und liefern das mittlere
Keimblatt. Stelleu wir uns den \'oro:aiig- als einen Einfaltung^s-
process vor, so erhalten wir einen Befund, wie er auf Tafel XX,
Fig. 17 in einem Schema dargestellt ist. Durch Einfaltuug an
der Randzone ist ein Säekehen entstanden, dessen viscerales
Blatt mit der ■ Dotteruuisse zusannnonhän^t, während sich da«
parietale in das rmsscre Keimblatt unis(dilägt. Den äusseren
Umschlagsrand will ich weit* rliin als ünnundrand bezeicdiuen.
An ihm bildet sich eine wichtige Orii^ananlage aus. Die Eeto-
dermzellen wachsen hier liedeutend in die Länge und lagern
sich zu einer etwas eingekrümmten Meuiillarplatte (mp) anein-
ander, welche indessen nur der Hälfte einer uormaleii Kückcn-
marksanlage gleichwerthig ist.
Im weiteren Verlauf der Entwicklung .schlicsst sich das
Säckehen iän^cs des Unnnndrandcs zu (Taf. XX, Fi^i. IS j. Da-
durch tritt der innere Rand der MeduUarplatte direet mit der
Dottermasse durch eine intermediäre Zellenmasse i v) in Ver!)in-
• dung. Im Anschluss daran löst sicli das Säckchen mit seinem
parietalem und visceralen Blatt von der MeduUarplatte und der
Dottermasse ab, wobei aus dem Zellstreifen. der in Fig. 17 mit
eh bezeichnet ist, als ein neues Organ die dhorda in die Er-
scheinung tritt Damit ist durch Ineinandergreifen von Yer-
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Urmund und Spina bilula.
371
seluiiel/.nngs- und Trenmingsproeessen am Bandwulst ein Organi-
sationszustaud herbeigeführt, wie er bei nnseren Mi^^gbilduugen
vorliegt.
Wenn iii;iu die Vorj^änge. wie ich sie hier voraii!*^?^esetzt
habe, mit den uoniiakii Kutwiokhnigsproeessen eines 1 ro.seheies
vergleicht, wie sie in den scheniatischen Figuren ] !• und 20 der
Tafel XX zum Aiisdruek gebraelit sind. ' so \\ ird man leicht
tindeii, dass sie weseiitlieh (lieselheii .sind und auch /n wesent-
lich deuselhen K'esultaten tulireiK nur niuss man von den durch
die Lage hediiii;ten Unterselucden absehen. Frocesse, die sieh
mirniah'r ^^ t ist* nahe der Mcdianebcne des Rückens vollziehen,
spielen sich hier in «ler 8eitengcgen<l des Kudn-yo an der Ueber-
gangsstelle der aninnilcn in die vegetativen Hälfte der Blastula;
au der Rand/oiie (iotics, am Keimring, ab.
Mit der \ crle-uug der Bezirke, in denen Nervensystem,
Chorda und Liscguicnte zur ei'sten Anlage gelangen, hängt eine
sehr auffallige Verschiebung in der zeitlichen Anfcinandcrtnige
der einzelnen Entwicklungsprocesse auf (bis innigste zusammen.
Xonnaler Weise wandelt sich die Keimblasc der Amphibien erst
v(>llständig in eine Gastrula unj; sie wird an ihrer gesammten
überflilehe zweiblätterig. Der Blastoporus ist zu einem ganz
kleinen Spalt eingeengt. Erst nach .\b8chluss des (Tastrulations-
processes bildet sich auf einem Bezirk der glatten Oberfläche in
beträchtlicher Entfernung von dem Urmundrest die MeduUarplatte
als eine einbeitlicbe, ungethcilte Anlage aus. In allen unseren
MissbUdnngen dagegen ist der Gastrulations|)rocess gleichsam in
seinen ersten Anlangen stehen geblieben. A'ur die Bauch- und
Seitenwand des Embryo ist von äusserem Keimblatt ttberx(»gen,
während an der ganzen Rückenfläche die Dottermasse oder das
innere Keimblatt freiliegt. Trotz dieser Hemmung des Gastm-
lationsprocesses setzt die ttir die Wirbelthiero eigenthündiche,
höhere Organdif^« Tvn/irung (Bildung von Chorda nud Rücken-
mark) ein, wodurcii es zu den hervorgehobenen, örtlichen und
seitlichen Verschiebungen kommt.
Die beschriebenen Embryonen sind also ihrem eigentlichen
Wesen nach Hemmungsmissbildnngen^ hervorgerufen durch
Stftmng und Hemmung des Gastmlationsprocesses, der nicht einen
reehtKettigen Beginn und nicht seinen normalen Abschluss gefunden
hat. Dadurch kommt ihnen aber ein ganz eigenartiges und besonderes
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Oscar U e r t w i g :
IflteresBe zn. Denn unter den zahlreichen HemniungsiniBshil'
düngen, die man in der Teratologie kennt, ist die hier heobaeh-
tete die am frühzeitigsten in der Entwieklung anitretende. Sie
betriiSt eines der primitiTSten OrganisationsverhältnisBe nieht nnr
der Wirbelthiere, sondern des gauzen Thierreiches flberhanpt,
nfimlieb die Urmandbildun^^ Kein Wunder daher, dass die so
erzeugte Störung d&k Grondaufbau des ganzen Körpers be-
rührt hat.
Der erste Bliek auf die Querdurchsehnitte doreh unsere
HiesUldung kann leicht bei diesem und jenem Leser eine von
der meiuigcu abweichende Vorstellung wachrufen. Die Eier
könnten ftlr Doppelmissbildung:en ^'ehalten werden, bei welchen
ein jedes ludividnnm nur zur Hälfte zur Anlage gelangt sei.
Eine solche Vorstellung aber erweist sieh bei genauerer Prüfung
als nielit lialtbar. Denn eiiunnl iichrii die sfitlieheii, auf den
ersten lilick als Uulbt uibrvoneii inijxdiiri'iKien Anlagen am Kopt-
uud Scliwaiizeude eontiiiuirlich in einainlcr ül)er. /woitens können
sie sich, wie der folgende Aliselinitt zeigen wird, zu einem ziem-
lich normal gestalteten Embryo nuehträglich verbinden, drittens
hängt der hier an erster Stelle besprochene höchste Grad der
Hemmungsniibsbildung durch alle möglichen Zwischenstufen, die
leichtere (»rade der Henmiung repräsentiren. mit normal sich
entwiekeindt'n Kmbryonen zusaunnen, viertens wird liir das ganze
Ei die.Hattseheibe ehifach und niclit. wie man bei Verdoppe-
lung doch erwarten sollte, doppelt angelegt.
Ans dem Satz, dass unsere Missbildnngen Oastrulatormen
sind, die in einer Beziehung, in dem Einstidpungsproeess und in
dem Versebhiss des Urmunds eine Ifemmung ihres normalen I']ut-
wicklungfti^anges erfahren liaben, in anderer Bezii'binig aber trotz-
dem fortgeschritten sind und sclion die wichtigsten Organa) dn^^eii
des Wirbelthierkörpei s ausgebildet haben , lassen sich einige
"interessante Con.sequenzen für die Mori)ln>logie des Wirbelthier-
körpers ziehen. Zu dem Zwecke wollen wir die Misshildnng
auf ein vereinfachtes Schema reduciren , indem wir uns die
Dottennasse in der Figur 17 (Tafel XX) aufgebraucht imd ihren
Platz durch eine einfache Schicht von Damidrtlsenzellen einge-
nommen denken. Wir erhalten auf diese Weise eine (iastrula-
form, bei welcher der noch weit offene Urmund, der vom Kopte
nach dem Schwänzende zu etwas in die Länge gezogen ist.
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ITmiutid und Spina bifida.
373
ring:suni von der Anla;re des Xcrvciisystouis cin^t'srldosscn ist.
Die Urmnndräader g^lb^t bilden eine etwas j^ekrümmte, nach
ansäen frei liegende Xervenplatte, einen M e d n 11 a r r i n g.
Eine solche primitive Fonn des NerveDByBtenis ündet sich
in der That in einzelnen niederen Abtheilnngen des Thierreiehs
dauenul erhalten. Sie kommt den Inichst organisirten Polypen
zn, den Aetinien, bei denen sie durch meinen Bruder nnd mich
(26) entdeekt worden int. Eine »olebe h-dp^a des Centralnerven»
Systems ist otfenbar eine änf^serst zweckmässige, weil am meisten
centrale, da allein am ürninnd die vei-sebiedenen Sebiehten des
Körpers, seine änssere nnd seine innere Oberfläche, in ausge-
dehnter, direeter Verbindung stehen. Von hier ans können da-
her sensible Xervenzweige am änsneren Rand der MeduUarplattc
entspringend sich direct zn den Sinnesorganen begeben, indem
sie sich im Verlauf der Hantschicht ausbreiten. Umgekehrt ge>
langen Nervenfasern, die vom inneren Rand der McduUarpIatte
ansgehen, zu den Muskelmassen, die sieh aus dem ins Innere
der Gastrula eingestülpten Zellenmaterial, innerem Keimblatt
(Actinien), mittlerem Keimblatt (Sblftttrige Thiere) entwickeln. Das
periphere Nervensystem zerlegt sich so ganz naturgemftss nach
seiner örtlichen Entstehung in einen sensiblen, von dem äusseren
Rande des Nervenriugs, nnd in einen motorischen, von seinem
inneren Rand ausgehenden Abschnitt. Indem auch bei den
Wirbelthieren das Centratnervensystem, wie unsere Missbildungen
so deutlieh zeigen, aJs Ring in der Umgebung des Urmunds zur
Anlage kommt, bietet sieh eine sehr einfache, von mir (25) sehon
frflher kurz dargelegte, morphologische Erklärung far
den BelTsehen Lehrsatz oder die Thatsaehe des getrennten
Ursprungs der sensibeln und motorischen Wurzeifasem. Die
ersteren haben sich im Ansehluss an das äussere Keimblatt aus
der äusseren oder dorsalen Kante, die letzteren im Ansehluss
an die Mnskehiegmente aus der inneren oder ^centralen Kante
einer Rttckeiunarksbälfte entwickelt. Sensible und motorische
Nerven brauchen nur dem schon in der natürlichen Scbiehten-
folge der Keimblätter vorgezeichneten Wege zu folgen, um di-
reet zu ihren Endorganen zu gelangen, die sensiblen Fasern zu
den im Eetodenn gelegenen Sinnesorganen, die niotoriseben Fasern
zu den ans dem MesixUiui entstandenen Muskelpriniitivhiindeln.
Die Beziehungen des Centralnervcnsysteins der Wirbeltliierc
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374
Oscar Hertwig:
zum üniiuiul f Piiinitiviiiiiit\ liluBtoporns^ ) sind schon oft erörtert
und anerkaiiut worden. Dabei ist ein Punkt im Unklaren ge-
blieben, die Ausdehnung nämlich, in welcher der Urmund das
Centrainervensystem seiner Länge nach gespalten hat. Durch
die vorliegende llemmungsmissbilduug ist auch in diese Frage
mehr Klarheit gebracht Die UrmnndspaUe hat ur-
sprünglich das ganze CentralnerTensyBtem in zwei .
gleiche, an ihren Enden zu einem Ring gcsclilos-
senc Hälften zerlegt. Wie die dorstile Oommisflur des Hirn-
Kückenniarks ist auch die ventrale erst sceundär durch Ver-
wachsung entstandcji. Ueber die Art und Weise, wie sich die-
selbe bei den Wirbelthieren in den einzelnen Fällen vollzieht,
werde ich in einigen Schiaasbetrachtungen noch einmal ausführ-
licher zurückkonmien, wenn ^y\T auch mit BpAteren Stadien der
Mifisbildung bekannt geworden Bind.
Meine Vergleichimg des OentralnervensyBtemB der Wirbel-
thiere auf seiner ersten Entwickhingsstufe mit der ringförmig den
Mund nmgebenden Kervenplatte der Äctinien oder allgemeiner
gesagt der Anthozoen bertthrt sich in mehrfacher Hinsicht mit
phylogenetischen Speculationen, die von A. Sedgwick (66) und in
jüngster Zeit yon L ameere (^ö) fiber den Ursprung der Wirbel-
thiere angestellt worden sind. „Toub les coelomateB descendent
d'nne forme comparable k un scyphocnidaire du groupe des Ae-
tmozoaires dont les loges m^sentöriques se seraient detach^es
de la portion axiale de la cavite digestive." Die Verwandt-
schait begründet Lameere auf die den Urmnnd umgebende
Ringfonn des Nervensystems und auf die Septenbildimg der
Actinien, namentlich des Cerianthns, in welcher er einen Vor-
läufer der in Urscguiente abgetheilten Leibeshöhle erblickt. Als
weitere ähnliche Merkmale liessen sich hinzufügen die Entstehung
der Muskulatur und der Geschleehtsprodnctc, die in letzter In-
stanz von Epithelzellen des inneren Keimblatts abstammen, da
sich ans diesem das mittlere Keimblatt abgliedert.
In der Constatirung dieser thatsächiichen Verhältnisse
stimme ich mit A. Sedgwick und Lameere flberein, mOchte
dagegen diesclhin iiiclit /ii ]>liylogenctischen Schlussfolgerungen
vcrwcuden. wcU-lic ja Www Xalur nacli mir Hypothesen von
sehr zwcifelliat'tcm AW'itli sfiii können. Tcli kann luer nur den
Gesichtspunkt wieder iiulcn, den ich in der Monograjjhie der
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trrronnd und Spina hifid«. 375
Ghaetognalben aniigesprochen habe: „Aus allen diesen Analogieen
beabsichtige ieh in keiner Weise eine nähere Verwandtsehaft der
vergliehenen Thierabtheilnngen wahrscheinlich zu machen. Denn
es gibt in der - Entwicklung des Organismns gewisse Grund-
gesetze, nach welchen die Anlage der Gewebe und Organe er-
folgt, aus deren Nachweis bei verschiedenen Thieren aber nicht
sofort auf eine nähere Verwandtschaft geschlossen werden mnss,
ebenso wenig wie man aus der Gleichheit eines Zelltheilungs-
proeesses solches thnn wird.** Je einfacher die Verhältnisse
werden, um so mehr ergeben sich nach den verschiedensten Rich-
tungen hin Vergleichspunkte. Von der Grundform eines Bechers
lassen sich alle Metazoen ableiten, wodurch aber noch nicht der
Schlnss gerechtfertigt wird, das« die Wirbelthi^ von einer Hydra
abstammen.
Den wisseiiscliuftlichen Nutzen, der ans dem Vergleicli der
Entwicklungszustände hölierer Tliiere mit entwickelten niederen
Organismen und ans der AutVleekung von Analogieen zwisclieii
Ut'idcii (.rwächst, suche ieh luuiptsäehlieh darin, dass wir Form-
zusüiudc, die in dt r Entwicklung der höheren Thiere nur als
Anlagen erseheiiu u. bei niederen Thieren als funetionireiule Ein-
richtungen keniR'u und darum hesscr in ihrer BodtMituug wür-
digen lernen. Der Zellenstah, den wir in »1er Kntwiekhing eines
Vogels und Sängethieres Chorda nennen, wird uns in sein«'r l?e-
deutnni:' erst verständlich, wenn wir bei einem ausL-childeten
Cyel(*^t•>lüen die Chorda als ein histologisch ditfercncu as Ge-
bilde, als eine Skeletaxe, wirklieh in Funelion sehen. In ,ü:leieher
Weise wird uns durch die bei den Actinien erhaltenen llefundc
verstitndiieh, wie auf niederer Stute um den Urmund herum sich
ein Ncrveimystem aule^-eu und tuuctioniren kann.
II. Oroppe der HiasMldiingen.
Partielle Umiandspalte in der Rttekengegend.
Wie schon hervorgehoben, bieten die Fonnen mit partioller
ürmundsjialte so zahlreiche Variationen dar, Störungen bald
schwereren, bald leichteren Grades, dass ich sie, um .eine tiber-
sichtliche Darstellung geben KU können, am besten in 2 Unter-
gruppen theile.
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376
Oscar Hertwij^:
1. MiBsbildnngeD mit partieller Urmnndspaltc in der
Rttekcn^^o^end auf einem frühen Entwicklnngsstadinro.
(Tafel XVI, Fig, 9, 11-16, 18, 19.)
Die Formen dieser Gruppe Behliessen sich an die bislior
besprochenen gaux niiinittelhar an, insofern noch der ^rösste Theil
des Urmunds geöffnet ist nnd den Dotter nach anssen hervor-
treten lä88t; sie nnteracheiden sieh aber von ihnen dadurch, das«
sie durchschnittlich etwas weiter entwickelt sind, was sieh in
der grosseren Zahl der abgegliederten Ursegmente zu erkennen
gibt. Dazu gesellt sich noch als zweites nnd wichtigstes Untei^
Scheidungsmerkmal, dass bei ihnen ein kleiner Theil der Kopf-
region in nahezu normaler Weise ausgebildet ist.
Bei Betrachtung der Missbildnrigen im Ganzen sind die
eben hervorgehobenen Unterschiede nicht so auffällig, erst bei
Durchmusterung von Schnittserien kommen sie zu unserer vollen
Kenntniss. Bei allen ist eine Haftscheibe wie bei einem Theil
der frflher besprochenen Missbildnngen an der ventralen Fläehe
des Kopfendes entwickelt (Taf. XVI, Fig. 16 und 18 h). 4)as
Vorhandensein eines kleinen Kopfabechnltts kann man bei der
Bticken- nnd Seitenansicht daran erkennen, dass der frei-
liegende Dotter nach vom nicht Von einem schmalen,
dunkler pigmentirten Wulst ein^osäumt ist, sondern dass sich
hier ein grösseres, pigmentirtes Feld vorfindet (Taf. XVI, Fig. H, 9,
12, 18, 19 k). Meist sieht man noch gleich hinter demselben
auf der Oberfläche des DotterliUi^^els eine runde Oeffhnng oder
eine quergerichtete »Spalte, die in die Kopfdarmhöhle fahrt (kd).
Die seitUehen Wülste (m'), welche das Dotterfeld in der Mitte
cinsännien, zeijrcn im Ver^rleich zu den in der ersten Gruppe
untersuchten Kicni wold keine ^'('|■äll(le^ln^r und stehen oft noch
ebenso weit auseinander. l);is Schwänzende daji^ej^en hat
sich wieder erhchlichcr verän<lert. es ist zugleich der Theil, der
in ^>ciucuI Aussehen am meisten variircii kami.
In den Fi-uicn 11, 12, 13 (Taf. XYU) haben .sich die
Schwanzknospen sk) ^rejren frflher ( Kijr. 1, 2, 7 sk) etwas ver-
^rössert und sind durch eniea lieteii Einschnitt f^etrennt. An dem
nacli der Ventralscite fflhrenden Ende des letzteren findet sich
die schon früher besprochene Afterrinne mit noch ^rnisserer Deut-
lichkeit ausgeprägt (Fig. Ü, 1 1, Ii), 14 ar> S'm wird vou zwei
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Urmitnd und Spina bifida.
877
kleinen Falten (af) unisüunit, die nach der Ventralseite zu in
einander umbiegen, ähnlieh den Primitivfalten in der Ümgebong;
der Primitivrinne.
In den Figuren 18, 19, 15, 16 endlich sind die Schwanss^
knospen zn langen Fortsätzen (s) ausgewachsen. Niemals fallen
dieselben in ihrer Richtung mit der Längsaxe des Körpers zn-
sammen, sondern sind meist nnter rechtem Winkel nach der
Rtlckenfläche zu umgebogen, was mau am besten bei seitlicher
Betrachtung der Embryonen erkennt. Zuweilen ist die Umbie^
gnng noeh stärker und kann einen solchen Gra^d erreichen, dass
das £nde der Schwanzfortsätzc zur Längsaxe des Körpers pa-
rallel verläuft, sich Uber den Dotter herttberlegt und mit der
Spitze nach dem Kopfe zu gerichtet ist <Fig. 21 u. 23). Beim
Auswachsen können in seltenen Fällen die Sehwanzfortsätze bis
zum Grund, wo d^e Afterriune liegt, getrennt bleiben (Fig. 16
bis 19). Gewöhnlieh aber beginnen sie von der Ursprungsbasis
an unter einander zu verschmelzen, so dass nur noch die End-
kuppen sich als letzte Anzeichen der urs]»rünj^lichcn Verdoppe-
lung erhalten. Die Nahtstelle ist in den Figui-en 11 und 14 deut-
lich wahrzunehmen und durch den Buchstaben n bezeichnet.
Durchschnitte, die in versehiedwr Richtung augefertigt
wurden, werden uu;^ jet/.t nach einem genaueren Eünbliek in den
feinere Bau der Kopfre^itm, des noch mit der Unnnndspalte
verselicncu. Mitteisttlckes und des .Schwanzeudes verschaffen.
Durch den Embryo 0 (Taf. XVI, l i^. 12 u. 11) wurden Länjr»-
schnitte angefertifjt, von denen Fi«;. 4 (Tat*. XVil) einender Median-
ebene nahe jjeloirenen darstellt. Im j^esehlossenen Kopftheil ist
ein in mehrere J 5 hiscn ^^eglü dertes Ilirnndir (mn euthiilti'ii. Unter
ihm liegt mit Ausnahme seines vonleren Drittels eine ('li<»r(la
(eil), die nach vorn spitz zuläuft, nach rückwihts (la^reircii dicker
als normal ist. Xervenrohr und Chorda stos^;»» nach liiuten an
die freilie^rende iJottt i inasse an und hören auf dem Länjpisehnitt
mit scharfer Contoiir auf. Construirt man sich aus der Selinitt-
st'i-jc das kr»r]K'rlielie Bild, so überzeuf^t mau sich, dass an (\vu
mit einem Kreuz bezeichneten Stellen beide Orcane sich in zwei
Hälften spalten, um die Dottennasse von beiti* u S( iten im Ho^th
zu umziehen. Kurz vr)r der 1'heilun^ <les Xerveiuohres hat sieh
rechts und links ein Hörbläschen von der Oberliant ab«resphntlrt,
so dasb wir die ötclie, wo der Kopf ahi geachluäseucä Uebiidu
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378
Oflcar Hert wig:
aufhört, in die Gegend des verlauji^erten Marks vei*Ie^;eu können.
Die untere Hälfte des Kopfes wird von der Koptdarnihöhle (kd)
eingenommen, die in mehrere Buchten ausläuft and von hohem
Cylinderepithei ausgekleidet wird. Sie öffnet sich nach aussen
dnreh einen feinen Spalt, der durch die Dotteraiasse dorsalwärts
aufsteigt itnd unmittelbar hinter dem Kopfende zu dem sehcoi in
der Fläehenansieht wahrgenommenen Grttbehen fflhrt (Taf. XVI,
Fig. 12; Taf. XVII, Fig. 4 (kd*). Der Spalt trennt von der
Dottermasse eine dtlnne Schicht ab, die an das hintere Ende
der Ohorda nnd jdes Nerrenrohrs angrenzt.
Eine Ergänzung zu den Sagittaldurchsehnitten gewähren uns
Querschnitte, welche durch Embryo N (Taf. XVI, Fig. 9) an-
gefertigt wurden. Der vorderste Abschnitt des Gehirns bis
jEur Gegend des Mittelhims ist normal entwickelt. So zeigt
nns Figur 1 (Taf. XVIII) einen Schnitt, der etwas schräg
durch das Zwisehenhim hindurchgegangen ist. Anf der rechten
Seite ist die Ansstfllpung der Angenblase (ab), linkerseits dagegen
nur die Abgangsstelle derselben getroffen, während der ttbrige
Theil der Blase anf den weiter nach vom gelegenen Sehnitten
zu finden ist. Der Boden des Zwisehenhims ist zum Trichter
(t) ausgestülpt und grenzt an die ziemlich geräumige Kopf<-
darmhöhle (kd). Unter dieser folgt mittlere« Keimblatt, das
eine kleine Kopfhßhle links nnd rechts erkennen Iäf»t. Die
Verdickungen an der ventralen Fläche de« Ectodeons rühren
vom hinteren Ende der Ilattseheihe her (Taf. XVII, Fig. 1 und
2 h). Endlich hat sieh von der < Hierhaut sehon das IIr>rbläs-
ehen ( Fig. 1 hh) aligesehuUrt , welches wi'gen der schrägen
Richtung des Schnittes mir linkerseits zu tiiideii. ist, während
das rechte ei*st mii einem si»äteren »Schnilt tler Serie (Fig. ^ hb)
folgt.
Fi^'-iir 2 gibt uns zugleich eiue Vorfjtelluug von der Theihiii«r
des Hirnrohrs, wie sie in Folge des Off'eiihlcibcns des Finuinds
hervorgerutiMi wird. Von einem mittleren uupaart-n Abschnitt des
HirnrohrB, der wohl der (legend des Mittelliirns entspricht, bueliten
sieh 2 seitliclie lilasen iinr) aus. die wohl das Bildungsmaterial
defci verlängerten Marks enthalten, Links ist der Ilolilrauni. rechts
die vorilere Wand der Ausstiiijanii; ^i-etrort'en. Die Decke des
so in 8 Lappen getrennten Oehims wird nur dureii eine ganx
dttnue Epithel»chiclit iicrgebtellt, au wcldier »ich die Oberbaut
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I
Urmund und Spina bifida. 379
uinnittelbar als eine obeneo feine Membran anschliesst. Eine er-
hebliehere Dicke bieten nur die leiten wandnngen der beiden
Aussackung:cn dar. Unter der linken ist das vordere spitz zu-
laufende Ende einer Chorda (eh) zu sehe^, die hier einen ziemlich
* queren Verlauf einsehlftgt. Aneh auf der anderen Seite ist wenige
Schnitte später eine ebensolehe Chorda unter der anderen Aus^
stttlpnng wahrzunehmen. Es ist bei Embryo N also der unter
dem Gehirn gelagerte Theil der Chorda in zwei vollständig ge^
sonderten Hälften angelegt.
Auf späteren Schnitten schwindet dann der mittlere Theil
der Himanlage. Rechte und linke Ansstdlpung sondern sich von
einander nnd bilden jede auf dem Querschnitt ein Rohr/ das
lateralwärts verdickt ist und aus langen, spindcligen, in einander
geschobenen Zellen besteht, während es medianwärfa nur durch
eine dfinne Lage abgeplatteter Zellen geschlossen wird. An jedes
Rohr grenzt der Querschnitt einer Chorda. Wir kommen jetzt
in der Schnittserie in die Gegend, wo das im Ganzen normal
gebildete Kopfende ganz aufhört nnd zwischen die gespaltenen nnd
auseinander gewichenen Centraiorgane desselben, zwischen die
linke nnd rechte Hälfte von Nervenrohr und Chorda etc. sich
die Dottermasse durch den offen gebliebenen Urmund dazwischen
schiebt Ein etwa in der Mitte dieses Abschnitts gelegener Schnitt
ist in Figiir 3 und ein kleiner Theil desselben, die Gegend des
Urmundrandes bei noch stärkerer VergrOssemng in Figur 4
abgebildet.
Links nnd rechts von dem Dotter, der als ein Hfigel nach
aussen hervorsieht, finden sieh die beiden Rtlekenmarkshälften
(nu'j. Diese .stellen nicht mehr wie bei den früher untei-snehten
Embryonen der ersten Gruppe (Taf. XVI 1, Fig. 2, 3 nip) frei zu Tage
liegende Platten dar, sondern haben sieh zu einem Kohr gescldossen.
Wie heim normalen Vcrsclduss des KUekenmarks hat sieh aut
jeder Seite der Medullär wulst mehr über die Obtrililche erhoben
und sieh dalii i nacli der Mediam lu rie zu eingekrümmt, bis er
mit dem Falteuraiid die in Figur 2, Tat'. XVll mit v bezeichnete Ver-
biiuhnigtsstelle der Mcdiillarplatte mit dem I)(»tter getroti'cu hat
und mit ihr verwaelist n ist. Da.s s*i t ntstaudeiie Rohr ( Fig. 4 mr)
entsprieht nur einer halben Rüekenmarksanlage. Demi nur seine
äussere Wand zeigt die zellige Zusaniinenset/nnir eiiuT Nerveu-
plattc, die innere besteht aus einer dUimen »Sciuclit platter Zellen,
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380
Oscar Hert wig:
die mcdianwärts unniittolbar an <He grossen Dotter/elleu angrenzen.
Trotz des verhindeiten VerscbiosBes des Urnmnds hat sich also
das Ceniralaerveiisystem von seinem Mntterbodeo abgetrennt. Es
liegt nun am ürnniTidnind bedeckt nach aussen und oben von
einer dttnncn ( )berhaut, grenzt mit der Innenfläche an den Dotter, •
der das Darmdrtiseublatt vertritt und ruht nach nnten auf der
Chorda, die einen runden, allseits selmrf abgegrenzten Strang
darstellt. An manchen Schnitten liegt zwischen Rückenmark und
Epidermis ein Zellenknötchen (Fig. 4 g), das dnreh Wnche-
vmg der untersten Zellenlage der letzteren entstanden m sein
scheint; es ist die Anlage eines Spinalganglions. Von aussen nnd .
unten wird die Chorda von dem Ursegmente (ns) nmfasst, da«
von dem ttbrigen Tbeil des mittleren Keimblatts, der -Seitenplatte,
scharf abgesetzt ist.
Um unseren Einblick in die Verhältnisse des Kopfendes
bei dieser zweiten Gruppe von Missbildungen m vervollständigen,
gehe ich noch kurz auf die Befunde ein, die uns Querschnitts-
Serien durch die Embryonen Bg, F nnd X darbieten.
Bei Embryo Bg (Taf. XVI, Fig. 18 u. 19) ist nur im voi^
dersten Kopfende ein kleines Sittck eines normalen Himrohres
eingeschlossen; nach rackwärts (Taf. XVIII, Fig. 16) dehnt
sieh dasselbe rasch in die Breite aus, wobei nur die Seiten^
Wandungen (mr) verdickt bleiben, der Boden und die Decke
dagegen sich zu einem äusserst feinen Epithelhäutehen (vp) ver-
dttnnen. In der Mitte zwischen den auseinander gewicheneu
Hälften tritt in der Medianebene eine Chorda (ch) auf, die Uber
die Maassen stark entwickelt ist. Sie sendet nach rechts einen
Seitenast ab, der sieh unter die entsprechende Hirnbälfte schiebt,
während nach links eka. kleinerer Höcker hervorsieht. Das Bild
erklärt sich 'bei Durchmusterung der Sehuittserie in der Weise,
dass die Chorda nur ganz am Anfang unpaar augelegt ist
und die richtige Stellung zwiHcheii ilirn und KopfdarmhOhle (kd)
einninmit, dann aber sich in 2 auseinander weichende Arme spaltet,
von denen der rechte ansehnlicher entwickelt ist. Auf den fol-
genden .Schnitten sieht man dementsprechend das mittlere Stück
der Chorda sdiwinden zngleich mit den beiden Ei)itlit'llMniellen,
welche sich in Fig. lü v|> zwischi'n den beiden llirnhält'teu ans-
spawiten. Gleichzeitig ötlnet sicli die Kopfdarmhöhlc an ihrer
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Urmnnd und Spina bifida. 881
oberen Wand nach aamen. So kommt scblienHch das in Figur 17
(Taf. XVni) dargestellte Qnersehnittgbild zu Stande.
Die Mitte der Figur 17 nimmt die in grosse Zellen abgotbeilte
^ Dottennasse ein, durcb welcbe von oben nacb unten ein spalt-
förmiger Hohlraum (kd) einschneidet, der naeh vom mit der
Kopfdarmböhle zusammenbängt und nacb oben an der Ob^äcbe
des freiliegenden Dotters mit der sehon bei der Fläehenbetrachtung
(Taf. XVI, Fig. 19kd) wahrgenommenen Grabe ausmdndet. Zu
beiden Seiten wird der obere Rand des Dotters oder der Eingang
in die noeh offeu gebliebene UrdarmhGhle von den auseinander-
gewiehenen Hälften des MeduUarrobrs und der Chorda begrenzt.
Dieselben nnd links und rechts in versehiedener Weise entwickelt.
Links setzt sich an den Dotter durcb ein schmalel Verbindungs-
stttek eine dicke Medullarplatte an, ttber deren Oberflftcbe
sieb eine Strecke weit das Hornblatt herttbersehiebt. Unter der
Vereiiiiguiig:s8telle ,der Medullarplatte mit dem Dotter ist der
Querschnitt einer sehr verkflmmerten Obordaanlage (cli^) zu sehen.
Rechts da^e^ ist die Anlage des halben Rttckenmarks m einem
Rohr (rar) geschlossen in der Weise, die för den Knibrvo N be-
reits erwähnt wurde. Ueber das Rohr geht das Hornblatt weg
und setzt sieh an den Dotter an. Die Cliorda (eh) endlieh ist
auf dieser Seite als ein ansehnlicher Strang entwiekelt.
Beim lOmbiyu F (Taf. XVI, Fig. 1.-5) ist der L'rnjuud nicht nur
im Hereich des Kopfes, an welchem sicli bereits die Hörblä.sehen
vom Hornljlatt abgetrennt haben, sondern auch noch an einem
ani^nrn/t nden Tlieil des Rückens zum Verschluss gekonnnen.
Diucli die Uebergaiigsstellen des geschlossenen in den gespaltenen
Tlieil des ürmunds sind »lie in den Fi^^nren 18—21 (Taf. XVTII)
dargestellten Querschnitte hindnrehgetiihrt. Auf dem ersti;n der-
selben ist das Rttekenmark schon stark verbreitert und seine Decke
7X1 einer dünnen Epithellamelle verwandelt. Von dieser geht
nach der Grundplatte des Rückemnaiks eine dünne Scheidewand
(Figur 18 sch) aus, die sich ;nif inehrcren Schnittuu der Si i ic
findet und aus abgeplatteten iii-^nnentirten Epithelzellen /usanimen-
geaetzt ist. Sie trennt dtn CiMifmlkanal in eine linke und rechte
Abtheilung. Zwischen Küekeninark nnd Darm, der mit grossen
Dotterzellen gefüllt ist und nur einen srnkreelitcn, engen Spalt
(kd) als Höhle aufweist, schiebt sieh die nn]);iare ('horda
{jcU) dazwischen, welche ebenfalls in querer Richtung verbreitert
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882 Oscar Hertwi^:
ißt. Auf einem der folgenden Schnitte (Fig. lOcIi ! hat diese
Verbreiterung nocb mehr znfrrnoTiimen, Ebenso sind die Seiten-
hälften des Rückenmarks, in dessen weitem Oentralkanal die
Scheidewand wieder geschwnnden ist, ein wenig mehr ausein- ^
ander gewiebeo. Noeh welter nach hinten (Fig. 20) hat sieh die
Chorda in einen starken reehten (eh) nnd einen sehr nnansehn-
lichen, linken Strang (eh^) getrennt. Das noeh breiter gewordene
Bückenmark hat sieb dnreh Schwund der dünnen Decke nach
aussen geOffinet. Mit seiner unteren Fläche ist es zwischen den
ansfuiander gerückten Hälften der Chorda mit der oberen Wand
des Darms eine kleine Strecke weit- verscbmolssen (Fig. 20).
Endlich ist in der Figur 21, welche eindn der nächsten Quer-
schnitte darsteUt, die Trennung in allen Organen vollständig
durehgeflkbrt. Zwischen beiden Rflckenmarksbälften ist die Grand-
platte ganz geschwunden, so dass nur die Dottermaase des Darms
direct in die* Lflcke eintritt und sich durch .ein Zwischenstflck
mit der Imken und rechten MeduUarplatte in Verbindung setzt.
Dabei hat der oben erwähnte spaltförmige Hohlraum im Dotter
die obere Dannwand durchbrochen, in Folge dessen die Kopf*
darmhohle auch bei diesem Embryo v^ie in allen frdheren
Fällen eine direete Ausmttndung an dem Rücken zwischen den
Urmundrändem erhalten hat.
Bei Durchmusterung der Schnittserien durch den Rücken
von Terschiedenen Embryonen ftUt die oft ungleiche Entwich-
lun^ der Organhälften an den beiden Crmnndränd^ auf. Von
dem vollständig symmetrischen Verhalten, welches uns z.B. die
Embryonen J nnd k zeigten {Taf. XVII, Fig. 2 nnd 3; Taf. XVIII,
Fig. 3 u. 4), führen Uebcrgünge (Taf. XVIII, Fig. 17 und 2Ö)
zu Betunden, in denen es auf einer Seite des üraiunds zu gar
keiner Organanlage gekommen ist.
Einen solchen extremen i'all bietet uns Embryo X (Tafel
XVI, Fig. 1;") u. 16), bei welelieni die Organdiiferenzirung im
Innern schon gios,se Fortschritte gemacht bat. Der Kopf ist
nur im Nordersten Abselmitt annähernd normal gebildet nnd mit
Ilat'tscheilje (Ii) und Ohrbläschen ausgestattet. Dann beginnt
schuii aiu Rücken die Unnundspalte, die weit geöifaet und von
freiliegender Dottermasse erfüllt ist.
Wie schon die Untersncbnng des gan/en Embryo int auf-
faileudeu Licht lehrt, ist auf der linken »Seite (Fig. 10} der
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Umumd und Spin« billdm.
888
Umnndraiul (us) zn einen] diekeu Wulst cntivickelt , der nach
hinten in ein langes Schwänzende (g) ansläuft, der Bich von der
Dottermasse abhebt und dann dorsalwärts i'eehtwinklig umge-
bogen ist, Anf den Darchsehnitt untersucht zeigt sich der Wulst
(Taf. XVm, Fig. 27) zusammengesetzt 1) aus einer halben Rttcken-
marksanlage (mr), die sich in der bekannten Weise zu einem
Rohr geschlossen hat und vom Hornblatt Aberzogen ist, das sieh
an den Dotter ansetzt; 2} aus einer kr&ftigeu Chorda (ch); 3) aus
einem Ursegment, dessen Zellen schon in der Differenzirung
zu Muskelprimitiybflndeln begrilFen sind.
Auf der entgegengesetzten Seite (Taf. XVI, Fig. 15) ist der
Urmundrand (ur) kaum angedeutet durch einen braun pigmen-
. ttrten Streifen, der die ans DotterzeUen bestehende Rflckenfläehe
von der mit pigmentirten Zellen Überzogenen Bauchüäehe scheidet.
Hier und da erhebt sieh der Streifen als kleine Falte ein wenig
Aber die Oberfläche, namentüeh nach dem Schwanzende zu, wo
er in die Begrenzung der Afterrinne (ar) Übergeht. An Quer-
schnitten können wir uns dann auf das sicherste ttberzcugcn,
dass am rechtsseitigen Urmundrand jede Or^anQntwicklung unter-
drückt ist (Taf. XYIII, Fig. 27 nr). Kerne Spar einer Rflcken-
marksanla^e, einer Chorda, seltet erneu mitileren Kdmldatts ist
vorhanden. Die Dottermasse wird auf der ganzen rechten Seite
nur von einer dAnnen Ectodennschicht Aberzogen, ^velche sich
au der Stelle des Urmundrands an die Dotterzellen ansetzt und
dabei an einzelnen Strecken zu einer mehr oder minder weit
vorepringenden Falte erhebt. Die rechte Schvvanzknospe fehlt.
Auch am Kopfende wird auf der rocliteu Seite die Hirnblase nur
in einer d(innt'ii Epithelscbicht «gebildet.
Die llcbcrgänge, welche zu diesem extremen Fall einseitiger
VerküiiiiiK-rnnp: hinleiten, bieten uns die Querschnitte durcli die
Mitte des Kuinpfcs der EmlM vouen F und lii^-.
Bei Erabry(» F (Taf. XVI, Fi^,'. FJ; Taf. XVIII. Fig. 20 u.
21) ist die rechte (Jhorda (ch) stark, die linke (ch^) weni^^ ent-
wickelt; diese hört sof^ar in der Mitte des Ruuij)f('s eine Strecke
weit ganz auf, so dass du- sou^^t gut entwickelte MeduUarplatte
direct an die ürsegmentc anstusst. In der Sehwanzgegend (Fig.
22, 23) stellt sie sich dann wieder ein , wenn auch immer noch
im Verhülfiii>i8 zur anderen Seit«' verkümmert. Auch bei l inem
anderen Embr^'o konnte ich eme dcraiiigc thcilweise Chorda-
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384
Oscar Hertwig:
etitwicklun^, eine " vt ikümmorfo An!;i«ro an einzelneu Strecken,
ein vollständiges Fehlen an anden^i Ix'ohacliten. Embryo B^?
(Taf. XVI, Fig. 19) endlich ist von Interesse, weil bei ihm sich
die mangelhafte Anlage ausser anf die Chorda auch noch auf
das Rückenmark erstreckt (Taf. XVIII, Fig. 17). Recliterscit«
ist dasselbe zu einem Rohr (mr) ^geschlossen, linkerseits erlinlt os
sieh als offene Platte, und auch diese bleibt hinsiohtlicli der
Masse ihrer Substanz hinter der anderen Seit(> zurück.
Besonderes Interesse fttr rnelirere morpkctfogisehe Fragen
• bietet das genaue Studium des SchwanzcndeB, das uns
schon bei der Flächenhctrachtun^^ der Mi.<sbildunj:^en so aafral>
lende, vom Normalznstande abweichende Befunde lieferte.
Bei 2 Embryonen Bg und X (Taf. XVI, hig. 18, 19 und
Fig. 15, 16) hatten sich die beiden Sehwanssknospen (S), trotz-
dem ne bedeutend in die Länge gewachsen waren, getrennt ge-
halten. Sie bestehen im Allgemeinen aus einer kleinzell^;en
Masse, doch lässt ein Querschnitt durch die Basis derselben er-
kennen, dass die Organdifferenzirung auch hier schon b^;onnen hat
(Taf. XVIII» Fig. 26). Das Eetoderm ist deutlieh als getrenntes
Blatt entwickelt, bis auf eine Stelle am Itfleken, wo es verdickt
ist und in die innere Zellemnasse, das mittlere Keimblatt, aber-
geht. Nahe dieser Stelle findet sieh < in der linken Schwanz-
knospe der Querschnitt durch die Äukige des RQckenmarks (mr)
und der Chorda (ch). Beide sind sehr unansehnlich. Das Rticken-
mark ist zu einem kleinen Rohr geschlossen, dessen Wand nur
Uteralwftrts Terdiekt ist, medianwärts aus einer Lage plattge-
drückter Zellen besteht. Auf der einen Seite wird es vom Eeto-
derm, auf der andern Seite vom mittleren Keimblatt begrenzt,
in welchem wahrscheinlich, nach anderen Embryonen zu schüessen,
auch die Ursegmentbildung schon begonnen hat, was indessen
nur an Längsschnitten hätte testgestellt werden kOnn^. Die
Chorda lagert median, ventralwärts vom Rackenmark. Die rechte
Schwanzknospe ist kleiner, weil sie etwas weiter von der Basis
entfernt durchschnitten wurde. Hier lässt sich nur ein kleines
Raekenmarksrohr (mr) von der bekannten Beschaffenheit unter-
scheiden. Die Ghordaanlage dagegen verschwindet in dem klein-
zelligen Gewebe, das vom Eetoderm ttberall abgesetzt ist. Zwi-
schen beiden Schwanzknospeu ist ein kleiner Hücker getroffen,
das ZwischenstOck (z), auf desMsn Oberfläche die Afterrinne, die
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Urmimd und Spina bifida.
385
bei flpii lueistcu Missbildniif^cn so deutlich entwickelt ist, ihren
We^ iiiiuiut. Anf den noch weiter distalwärts tülfj:endeu Schnitten
liört jede Or^aiidiftVreii/iriiii^'' auf oder ist wenigstf'iis nicht mehr
erkennbar, so dass nun Jede Sehwanzknospe nur aus kleinen,
pigmentirten, dicht gedrängten, nicsodermalcn Zellen bestehti die
von einer dünnen Ectodermschicht überzogen werden.
Bei dem zweiten Embryo X (Taf. XVI, Fig. 15, 16), bei
welchem die Differenzirung der Orgaue schon erhebliche Fort-
schritte gemacht ]iat, ist aar die linke Schwanzanlage entwickelt,
während die rechte vollkommen verkümmert ist, wie der ganze
rechte Urmundrand. Auf dem Qaersehnitt zeigt sie sieh za
sammeDgesetzt ans einer ssieiiilich ansehnlichen, scharf abge-
grenzten Chorda, aus einer zum Rohr geschlossenen halben Kücken-
marksanlage, aas Ursegmenten, die schon Moskelfasem differen-
zirt haben.
Als das wichtigste Ergebni^s der auf den letzten Seiten
mitgetheilten Befunde betrachte ich die £rkenntniss, dass am
hinteren Ende des Embryo der ürmnnd in einem
kleinen Be.zirk seine Beschaffenheit verändert*
Während er sonst flberall sich zur Bflckenmarks-
anläge and zur Chorda differenzirt^ za ersterer
mit seinem eetodermalen, za letzterer mit sei-
nem entodermalen Blatt, unterbleibt dieser Dif-
ferenzirangsprocess in der Gegend, welche zur
Afterrinne wird. Den sich in die oben genannten Or-
gane differenzirenden Theil kOnnen wir als Eeim-
ring bezeichnen. Derselbe ist also nach hinten
durch die Afterrinne unterbrochen. An dieser
Unterbrechung bilden sich s,eine beiden Enden
zu den Schwanzknospen.aus, die Aber die After-
rinne hinaus wachsen und sieh in derselben Weise
wie die Keimringhälften in die einzelnen Anlagen,
Bflekenmark, Chorda, mittleres Keimblatt, wei-
ter sondern.
Die eben auf die Beschaffenheit ihres Schwanzendes unter-
suehten Embryonen Bg und X bilden Ausnahmen unter der Ma-
jorität der Missbildungen. Denn in den meisten FäDen beginnen
die beiden Schwanzknospeu, sowie sie erheblichere Dun^usionen
errddien und Uber die Oboriläebe mehr henrortreten, mit ihren
Arohiv f. mikroak. Analoml«. Bd. W 26
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386
Oscar Hertwi^:
medianen Flächen auter einander zu verwachsen. Je nachdem
dieser Verschinelznngsprocess frühzeitiger oder später eingeleitet
wird, je nachdem ei* ferner ganz oder mir tlieilweise beendet
ist, kommen recht Terschiedeuartig aussehende Bilder zu Stande.
Die genaue Analyse dieses Vorgangs ist von grossem, morpholo-
gischem Interesse, da sie auf die Afterbildung Licht wirft,
auf eine Frage, welche in den letzten Jahren nielirfaeli erörtert
worden ist, ohne zu einem recht befriedigenden Absehluss ge-
langt zu sein. Im Hinblick auf die oben hoivorgehobene Ver-
schiedenheit und auf die Wichtigkeit des Gegenstandes thcile
, ich eine grossere Anzahl Ton Befunden mit, Avelche mir Schnitt-
serien durch die Embryonen J (Taf. XVI, Fig. 6), N (Fig. 9),
O (Kg. 11, 12), G (Fig. 14), F (Fig. 13) geliefert haben.
Bei Embryo (Taf. XVI, Fig. 6) haben sieh die Schwanz-
knospen in der Medianebene fest aneinander gelegt und so ein^
einheitlichen, qnerrerlanfenden Wulst erzeugt, .der die Urmond-
spalte nach hinten abscUiesst Etwas weiter nach hinten Ton
dem Widst ist die Afterrinne sichtbar, die nach Yom in einiger
Entfernung vom Ürmundspalt unscheinbar beginnt, sich dann
weiter Terdeft und von denttich entwickelten Afteriidten, die
ventralwärts in einander umbiegen, umsäumt wird. Indem der
Wnlst sieh dazwischen geschoben hat, bildet jetzt die Afterrinne
nicht mehr, wie bei Embryo J', Bm, M, Ba, eine mit der Ur-
mundspalte zusammenhängende candate Ausbuchtung derselben,
sondern ist als ein selbständiges Gebilde von ihr abgetrennt.
Fig. 13 auf Taf. XVII gibt uns euien Querschnitt durch die Ver-
wachsungsstelle, Fig. 14 durch die Afterrinne. In Fig. 13 ist die
Verwachsungsstelle bezeichnet 1) durch die Anordnung der Zellen,
2) durch die dunklere Pigmentirung, so dass dorsoventralwärts
ein schwarzer Streifen durch «lie kleinzellige Masse hindurch-
geht, 3) durch eine Einziehung der Oberfläche, in deren Bereich
das Eetoderm eine Strecke weit von den tieferen Zellen nieht
abzugrenzen ist. Unter den verschmolzenen Schwanzknospen ist
ein kleiner Darmraum abgegrenzt, die Beckendarmhöhle, deren
Wand ventralwärts aus mehrfach tlbereinander geschichteten,
grossen Dotterzellen besteht. Auf der linken Seite lässt die
Schwanzknospe, als direkte Fortsetzung' des Keimrings, nocli die
Organdifferenzirung etwas erkennen. In der kleinzelli^x u Masse
setzt sich ein der Dottci'ilächc parallel verlaufentlcr Zellcnstreifen,
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Unttind und BpbtA WL'Am. 88T
■
die Chorda (eh), ab. .Die kleinzellige Masse oherhalb wird daher
wohl Mednllarplatte, unterhalb mitderes Keimblatt darstellen.
Nach der Yerwachsungsstelle zu gehen alle Keimblfttter in ein-
ander Ober in ähnlicher Weise, wie es im Bereich des Primitiy-
streifens bei den Wirbelthieren geschieht.
Eine Anzahl Schnitte weiter rttckwärts (Fig. 14) ist die
Beekendarmhohle bis auf einen qneren Spalt vo'schwundon;
der von Dotterzellen umgrenzt wird* Das Ectoderm ist dorsal-
wftrts verdickt und zeigt in der Medianebene eine trichterförmige
Einsenkung, die von 2 Uber die OberiBäche vortretenden Falten
des Ectoderms umsftnmt wird. Die Ectodermzellen rind an dieser
Stelle siemlich hoch, fast cylindrisch ^^cworden. Auf einer ganzen
Reihe von Schnitten kehrt dieses Bild in ziemlich ähnlicher
Weise wieder. Im Bereich der Afterrinne ist nun eine Stelle
besonders dadurch aii8<;czeicliiiet, dass an ihr die Ketoderm-
zelku uiimitteUmr aii die Dottcrzollcn angrenzen, von welchen
das hinterste Ende der Beckeiidaniihohle ausgekleidet wird. Hier
mündet später die Beckendarniholilc duich den After nach
aussen. Von dieser Stelle ahgcselien grenzt die Aftcrriime sonst
Uberall an das mittlere Keimblatt an.
Ein vollständiges Pendant bieten die Querschnitte durch
das Schwanzende von iMnlu-yo X i Taf. XVI, F\s. 9\ hei welchem
die 8chwanzkuos|Hiii als ciwa-s stärkere VVulsic il(»rHal hervor-
treten mid sich in der Medianebene ziisamraengele;j:t liaben, so
tlass sie jetzt den offenen Urmnnd nach hinten al)grenzen und
wieder als einen besoudereu Tbeil die At'terrinnc von ihm abge-
trennt haben.
Der Querschnitt (Taf. XVIIF, Fig. 5; gelit unmittelbar hinter
dem offen gebliebenen Tlieil des ünnunds durch den vorderen
Anfang der VersehmelznugsstcUe hindurch. Auf der recliten
Seite sind noch die Organe gut gescnulert. die sich vom Keim-
ring eine Strecke weit hinein vertolgen lassen, l)is sie in einer
kleinzelligen, undifferenzirten Masse unseren Blicken entschwinden.
Die halbe Rttckenmarksanlagc (mr) ist etwas schräg getroffen,
weil sie hier aus dem geraden in einen schrägen Verlauf über-
geht. Unter ihr findet sich die Chorda (ch), nach aussen be-
grenzt vom mittleren Keimblatt, nach innen von Dotterzellen;
diese kleiden, wie bei dem Embryo J, eine geschlossene, kleine,
Beckeudarmhübie (cd) ans. Linkerseits ist die Schwanzknospe
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888
Oscar Hertiri^
weniger weit difTereiizirt and nur ans 3 .Zelleiiblättern znsam-
meagemttt, dem Ectoderm, einem besonders kldnzelligen mitt-
leren Keimblatt und den die BeckendamhOble auBkleidenden *
Dotterzellen, An der VerwaclisnngflBtelle und etwas nnterbalb
deiBdben gehen linkereeits alle 3 Keimblätter wieder in einander
Uber. Einige Schnitte weiter nach hinten (Fig. 6) hört der Hohl-
ranm der Beekendarmhöhle auf, wahrend die ihre hintere Wand
abschliessenden Dottersellen (eä\ noch getroffen sind. Letetere
bilden eine centrale Masse, welche ringsum vom mittlere Keim-
blatt nmgeben nnd yentralwftrts von ihm deutlich gesondert ist,
während dorsalwärts beide in einander flbeigehoi. Hier ist auch
an einer rinnenförmig Ycrtiefien Stelle das äussere. Keimblatt
vom mittleren nicht sn trennen,, wie an .der Primiti?rinne des
Hfihnchens.
Auf dnem der nächsten Schnitte (Taf. XVIII, Fig. 7) be-
finden wir uns im Bereich der Afterrinne (ar), an welcher das
Ectodenn sieh in zwei Falten (af ) emporhebt und die Ectoderm-
zellen durch Grösse und cylindrische Form sich aaszeichnen.
Ectnderm und mittleres Keimblatt gehen iiicht mehr in einander
über. Letzteres fehlt im Gegentheil wieder eine kleine Strecke
weit, indem die Dotterzcllen (ik) der Beckendarmhöhle bis an die
Altergrube heranreichen mid sich den Ectodermzellen dicht
legen. Links und rechts von dem aus Uotteraellen gebiUleicu
Fortsatz sehen wir die kleinen Zellen des raitth?ren Keimblattes,
die sich aber von ihm nicht durch einen scharfen Spalt absetzen.
Noch weiter nach hinten verlängert sich die Afterrinne noch eine
►Strecke weit, stösst aber hier überall auf mittleres Keimblatt,
von dem sie deutlich getrennt ist.
Ein Medianschnitt durch Embryo O (Tat. XVI, Fig. 11 ii.
12) und 2 Serien von Frontalschnitteii durch die Embryonen W
nnd (i wenUin uns in die verwickelten Verhältnisse, die sich
Hin Schwan/ende bei der Bildung des Afters abspielen, noch
einige weitere Einblicke gewähren.
Der Safjittalschnitt durch Embryo O (Taf. XVII, Fig. ry) ist
ein wenig von der Medianebene in sciirager Richtung abgewiclien,
was yicli leicht dami! erkennen lässt, dass sowold die Gegend
der Afterrinne als auch das Ircie Ende emcr Scliwaiizkiiospe ge-
troffen ist. Letzteres ddrfte auf einem genau in die Median-
ebeuc faUcudeit iSchuitte nicht zu sehen sein, da die beiden
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Urmunct uud Spina bifida. 389
Sehwanzknospen mit ihien Enden noeli dnrch einen Spalt ge-
trennt und nur etwa in ihrer halben Länge unter einander
reraefamohsen sind. Die Spalte hätte daher in den Bereich des
Schnittes fallen massen. Die Schwanzknospe » welche sieh
ttber die hintere Fläehe des Dotters etwas herllberlegt; besteht
aas einer sehr kleinzelligen Hasse, in welcher Organanlagen nicht
za unterscheiden sind, da nur das Ectoderm sich als eine be-
sondere liSge absetzt. In der Gegend der Afterrinne ist das
äussere Kdmblatt erheblioh verdickt und zeigt hier eine kleine
Einsenknng, an weleher eine Verbindung mit einer nach hinten
nnd abwärts gehenden Ausstülpung der Beckendarniliölile be-
steht. Das äussere Keimblatt schlägt sich hier deutlieli an einer
oberen und einer unteren Lippe um und setzt sich in eine die
hintere Wand der Heckendarnihülile auskleidende Epithelsehielit
fort. An der unteren Lippe ist das mittlere Keimblatt nach ab-
wärts ^ewaehsen. Dotter und Ectodcnu von einander trennend.
Denken wir un.>- an der Fi^nir die Scbwanzknospe entfernt, so
gleicht das Bild vollständig den Medianschnitteu durch die i\,ni-
bryunen iJa. M, J-* und Bf (,Taf. XVll, Fig. 8, 9, 15, 16: Taf.
XVI, Fif;-. ."). It i, 7, 2), bei denen die Schwanzknospen noch kaum
entwickelt sind und das Zwischenstück mit der Afterrinne iran/,
frei liegt. Den Befund in Fi^^ ö (Taf. XVII) haben wir uns
also ans einem früheren, durch die Embryonen Ra uud M re-
piast Hinten Znstand so entstanden zu denkten, dass wenn die
Seil w ;in/.kiiM>|M 1! sieh durch betraehtlichcres Waehstlium lUx-r die
. hint<'rr Fläche des Embryo erheben, sie an der Afterrinne mit
ihren Hasaltheilen aneinanderriieken und V(»n hier ans nach der
Peri}»herie zu verwachsen i)e^'innen. Nur an einer kleinen Stelle
im Bereich der Afterrinne unterblril)t die Verwachsung.*- und er-
hält sieh hier mit dem an» weitesten naeli hinten und ventral ge-
legenen Abschnitt der Beckeud u ndirdile eine direkte Verbindung
des Ectodenns, welclic den After darstellt.
Aehnliches lehren die beiden Serien von Frontalschnitten
durch die Embryonen (1 (Taf. XVI, Fi;::. 14) und W, welche
beide leichtere Grade des liclienmiten Urmaudversebliisses dar-
stellen. Üei beiden iiabcn sich die »Schwanzknospen schon sehr früh-
zeitig, ehe sie noch Uber die Dbertläche frei hervorgetreten sind,
in ganzer Ausdehnung in der Medianebenc durch eine Naht (n)
yereinigt. Sie bilden einen breiten Querwnlst, welcher die frei-
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890 OBe»r H«rtwiff:
liegende Dottermasse von hinten umgreiizt lu Folge deBsen ist die
Aiterrinne (ar) von der Dottermasse abgedrftDgtmnd ist am besten za
seben, wenn der Embryo auf den Kopf gestdlt ist und das hin-
tere Ende dem Beobachter direct zukehrt Die von niedrigen
Falten (af ) umgebene Binne yerlftaft jetzt nicht mehr horizontal,
sondern senkrecht von oben nach nnten, so dass Frontalsehnitte
zn ihrer Untersnehnng am geeignetsten sind. Nach vom von
der Afterrinne Ittsst sich eine zarte Linie, die durch eine
geringe Einziehung der Oberfläche hervoi^rufen ist, bis zum
Dotterhtigel verfolgen. . Sie stellt gewiasermaassen eine Art
Baphe dar, eine Naht, längs welcher die Verschmebsung der
beiden Schwanzknospen vor sich ge^^angen ist (Tafel XVI,
Fig. 14 n).
.Von Embryo G sind Frontalsehnitte durch drei verschiedene
Gegenden (Taf. XVni, Fig. 10—12), einschnitt durch dieRaphe
in einiger Entfernung oberhalb dei'Aderrmne, ein zweiter Schnitt
durch das vordere Ende dersdben und ein dritter durch ihr hin-
teres Ende dargest^t.
Auf dem ersten Schnitt (Fig. 10) ist der durch Versehmel-.
znng der Schwanzknospen entstandene Wulst hauptsächlich aus
dicht gedrängten, kleinen, pigmentirten Zellen des mittleren Keim-
blatts zusammengesetzt: das Ectoderm ist deutlich gesondert bis
auf die (iegend der Raphe, wo es am Grunde der Furche mit
der kleinzelligen Masse verschmolzen ist. Letztere wird nach
dem Urdarm zu, der sich zwischen Dotter und Schwanzwillst
als Hcbmale Spalte hineinschiebt, von einer Eiitodermlage über- ,
zogen, die aber erst in einiger Entfernung von der Medianebene
als gesondertes Blatt zu unterscheiden ist. Auf der linken Seite
des Schnittes geht die kleinzellige Mas^e der ."^clnvanzknospc
nach vorn zu in das Bereich der seitlichen Urmuii(iiipj)e (Iber,
wo sich Chorda und Medullarplatte angelegt haben. Ein Stück
der Chorda (cb) ist gerade vom Schnitt mit getroften.
Auf dem zweiten Schnitt durcb die Mitte der Afterrinne,
der bei t t\\;i« stärkerer Vcr^rrössemng gezeichnet ist (Fig. 11\
sind die eiuzeiucii Anl.iü:en etwas verändert. Das Ectoderm hat
sich verdickt und 2 Falten (af) gebildet, die eine kleine Grube
(ar) zwischen sich fasnen. die von Cyliuderzellen ausgekleidet
wird. Auf das Ectoderm tol^'t das ans vielen Lagen kleiner,
pigmeutirter Zellen bestechende, loittleix KeimbUtt, ist aber im
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UnuuHtl und Spina bifida.
Bereich der Aftergrabe unterbrochen; an den Grand derselben
reicht hier ein vom £ntodenn ausgehender Fortflats, welcher von
den Spalten des mittleren Keimblattes zwar nicht durch einen
Spalt ^^trennt ist^ sieh aber durch die bedeutendere GWJcmm and
den geringen Pigmentgebalt seiner Zellen trotzdem nnterseheiden
iSflBt. Die Entodermlage, welche mit diesem Fortsatz bis an die
Aftergrabe heranreicht; ist 2 — 3 Zellenlagen dick und bildet die
hintere Wand eines ganz feinen Spaltes, mit welchem die Becken-
darmhöhle in dieser Gegend endet (ed).
Am dritten Schnitt durch das hintere Ende der At'terrinne
(Till". X VIII, Fig. 12) ändert sich das Bild abcrinals. Die beiden
Aftcrfalten (af) liegen dicht bei einandti, nur durch eine i<ehr
schmale Rinne (ur) getrennt. Uni er dem Eet ( »derm Iblgt das
mittlere Keimblatt als eine zusaninienhanirende, nach innen und
aussen dm*ch Spalten gut abgegrenzte Schicht. Dann kommt
die l)ot[t'i n)asse mit der Verlängerung der Beckendarm lu>hle (cd),
die auf den nächsten Schnitten schwindet.
Ein Pendant liefern die Frontalselinitte durch das hintere
Ende von Knii)iy() W (Taf. XVIII, Fi^-. X u. 9). Dci Fi-ur 10
von Einbrvo G (Taf. XVIII) entsjn ielit Fi^^ S, ein Schnitt (hireh die
Verwaehsnngsnaht, wo äusseres und inneres Keimblatt mit dem
mittleren in der Medianebene verschmolzen sind. Der Fiirm* H.
von Kiabrvo G läs^t sieb Fig. 9 von Embryo W vergleichen.
Hier steht die Aftcr^rnbe (ar) noch mehr als in dem vorigen
Fall in breiter, direeter Verbindnn-; mit dem iriosszelligen Ento-
derm (ik), welches die ventrale Aussackung ivd) iles Urdarnis
nach hinten abschliesst. Auch ist liier eine vollständig scharfe
Absonderung des mittleren Keimblattes von der Verbintlungsstellc
zwischen Aftergrubc und hinterer Üarmwand eingetreten. Das
Bild bietet uns in sofern einen etwas weiter differenzirtcn Ent-
wickiungszttstand als der in Fig. 1 1 wiedergegebeuc Befund dar.
Eine genau entsprechende Abbildung von der Aftergrube
eines normal entwickelten Froschembrvo habe ich schon in
meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphibien i24 ; ge-
geben. Wir haben es hier mit einem Stadium der Afterent-
wicklnng zu thun, welches ich st itdem noch mehrfach au Serien-
schnitten durch normale Froschembryonen habe beobachten
können.
Schliesslich sei noch des £mbryo F (Taf. XVi, Fig. 13)
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392
Oscar H er tw i gt
gedacht, deesen beide Sohwanzknoepcn (sk) sehon in grösserer
Länge entwickelt und in erheblicher Ansdehnnng verBchmolzen
sind. Da Bie mit ihrer Längsaxe zur Hauptaxe einen nahezu
rechten Winkel beschreiben, wurden die Schnitte in frontaler
Richtung gcftlhrt, und so die Querschnittsfiguren erhalten, aus
deren Serie die folgenden 4 abgebildet wurden (^Tai. X\ iII,
b i^. 22—25).
In Figur 22 ist der Anfang des Schwanzes hinter dem
Dotterhflgel getroffen. Die dem H tickcii y.n^a'kelirte Fläche ist tief
rinnenartig ausgehöhlt. Die beiden lüiuder der breiten Riiine wer-
den von den beiden Rtlckcnniarksanlagen (mp) eingenommen, die,
Hin den freiliegenden Dotterhflgel herumziehend, wo sie von mir
auf Querschnitten i Taf. X VIII, Fig. 21) oben besehrieben wurden,
sich wieder niel»r der Mediant'ln'ne genähert haben: sie sind aber
noeh immer dureh einen Streifen v(m Dotterzellcn getrennt, der
die hintere Wand des Küddnrms odi be^^ren/t und sieh in den
Anfang der Sehwanykiinsiic liiueinzieht. Da wo die Medullar-
platten sicii medianwärts verdünnen und an die Dotterse-liu hi
unmittelbar ansetzen, treten uns unter ihnen wieder die Quer-
schnitte einer linkni und rechten, nllerdings sehr unanschnliclien
Chorda 'ch) entgeg-en. Seitwärts gelien die Mednllarplatten mit
einem Umschlagsrand, der sich wnlstartiir ül»cr die Oberfläche
erhebt, in das Ectoderm über, welches die coiivex gewrilbte
Bauchfläche des Embrj^o überzieht. Unter Medullarplattc und
Chorda liegt jederseits ein Streifen kleiner, pigmeutirter Zellen,
die das mittlere Keimblatt ausmachen und später in die Ur-
segraente des Schwanzes abgetheilt werden. Cletreuut werden
die beiden Streifen durch einen sieh zwisehen sie hineinschie-
benden Keil von Dottcrzellen, welche das Darmdrttsenblatt re-
prftsentiren und eine kleine Höhle als Aussackung des Enddarms
(ed) nach rückwärts einschliesscn.
Auf einem der nächstfolgenden Schnitte (Fig. 23) hat sich
am Rücken ein Versidiluss ausgebildet, so dass die Dottermasse
nicht mehr frei zu Tage Hegt. Die seitlichen Umschlagsfalten
der Medullarwfllste sind sich nach der Medianebene zn bis zur
Berflhmng entg^ngewaehsen (vp) und haben sich unter ein-
ander verbunden. So ist ein sehr breit gedrflcktes, bandförmiges
Kackenmark (mr) entstanden, das die Verschmelzung aus den
zwei kurz vorher noch getrennte Hälften leicht erkennen lässt,
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Urmund und Spiua bifida.
393
da nur die Seitentheile verdickt «ind nntl in der Mitte dnreli
2 ziemlich breite, dtiiine Epitheiliautclien ( vjn vcrbnndon worden.
Auch finden »ich unter dem Band in der liüheron Lage zwei
gctreimtc Rttckensaiten (cli) vor. Sonst sehen wir an dorn Quer-
sehnittsbild durcli den Schwanz noch die beiden Streilen des
mittleren Keim})lattes nnd zwisehen ihnen einen Strebten von
Dotterzellen (inneres Keimblatt) mit einer ganz kleinen Höhle (ed),
die ventralwärts mimittelbar au das Ectoderm angrenzt.
Der dritte JSchnitt (Fig. 24) schliesst sich an den eben be-
sehriebenen bald an und zeigt nns eine kleinzellige, nur weni^;-
differenzirte Masse, in welcher sich nur folgende Aidagen uu-
dentlich nntersebeiden lassen: 1> die beiden Mesoblaststreifen
(nik^ nnd der sie trennende T^otterstreilen (ik), die dorsahvärts
eine Strecke weit in einander übergehen, nnd "2^ 2 StmtVn,
welche die Verlane-ernnp: der Medullarpiatten bilden, ( horda-
anlagen sind nicht mehr zn erkennen. Anch ist der Hohlraum im
Dotterstreifen verech wunden. Das ganze kleinzellige Gewebe
wird von einem deutlich gesonderten Ectoderm ringsum um-
schlüssen. Dieses bat ventralwärts zwei weit vorstehende Falten
(af) gebildet, welche auf einer ganzen Reihe von Schnitten die
schon bei der Oberfläe henausieht des Embryo beschriebene After-
rinne (ar) begrenzen. Der firrund derselben stösst unmittelbar aji
die DotterzeUen (ik) an und schlieBst sieh der Anfang der Kinne
unmittelbar an die Stelle an, wo im Dotterstreifen die kleine
Hdhle (Fig. 23 cd) enthalten war, so da» ein Durehbruch der
Aftorgnibe wieder eine direete Verbindung mit einer AnBStOlpnng
dcB Enddarms herstellen würde.
Nahe der Spitze des Schwänzendes ist endlieh der Quer-
schnitt (Fig. 25) hindarcfageführt. Eine gesonderte Ectoderm-
schicht schliesst eine kleinzellige Masse ein, die eine Sondening
in einzelne Anlagen nicht mehr erkennen Usst. Von der Rttcken-
flftehe, die noch eine kleine Rinne zeigt, zieht ein schwanser
Pigmentstieifen senkreeht dnrch das Keimgewebe hindnreh nach
der Banehfläehe, beide Eetodermfläehen verbindend, die hier
etwas verdickt nnd von den innen gelegenen Zellen nicht gut
abzngrenzen sind. Dnrch den Pigmentstreifen wird so noch die
Verwaehsnngsflächeder beiden Schwanzknospen angedeutet, in der-
selben Weise wie daroh den in Fig. 8 abgebildeten Pigmentstreifen.
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m
Oscar Hertw i g :
2. MtssbildiiDgen mit partieller Urmundspalte in der
Bflckengegend anf einem weiter vorgerückten Ent-
wieklnngsstadinm.
Embryonen A, B, C, P, S, T, V.
(Tafel XVI, Fig. 17, 20—23).
In der zweiten Gruppe fasse ich missgebildete Embryonen
zusammen, die erheblich weit^ entwickelt sind als die im vor-
herg^ngenen Absehnitt besprochenen Formen. Seit der Be-
fmchtung ist bei ihnen schon ein längerer 'Zeitramn (2 bis 3 Tage
mehr) verflossen. Am Kopf ist die Angenaulage änsserlieh wahr-
zunehmen, indem sich schon ein Liusensäckchen gebildet ond
die Augcnblase zum Becher eingestfllpt hat Bei einigen Em-
bryonen (Taf.XYI, Fig. 20, 22) beginnen schon äussere Kiemen-
bflsehei hervorzusprossen. Der Schwanz erreicht eine grössere
Lilnge und ist zuweilen von einem kleinen Flossensanm ringsum
eingefasst (Fig. 20 — 22 sf). t)ie Ursegmeute sind in grosser An-
zahl im Rumpf und Schwanz entwickelt und beginnen im Rumpf
sich in Muskelfasern zu differenziren. Die Uniioreiigänge sind
in ganzer Länge augelegt und mit einer weiten Höhle versehen.
Die Anlage des Herzens ist vorliaiKlcn.
Bei äusserer Untersuchung der EuihryoiKii i!>t von (kr
grossen 8t<iruiii:, die als ausgedehnte Unumu[s[>alte aucli bei
ihnen in tVulirim Zeiten bestanden liabeii uiutss, nur. noch weni^'
zu bemerk» u. Das Hauptmerkmal, aus dem auf eine frühere
Storinii; ^^escidossen werden kann, ist die eigenthJimliehe Stellung
des Schwanzes zum Ruinj)!'. Der Schwanz liegt nicht, wie es
bei ntumulen Endiryonen der Kall ist, in der directen Verlänge-
rung der Rumpfaxe, sondern ist an seiner Wurzel stark nach
dem Rücken zu umgebogen. Entweder bililn er einen rechten
Winkel zur Längsaxc. wie dies auch schon bei der allerei*sten
Anlage der Sehwanzivnos])c in der ersten (Truppe sich walunchmeu
Hess, oder er ist sogar noch stärker nach oben und vom umge-
bogen, so dass sehliesslieh das Schwanzende der Hiickcntläche
parallel verläuft und sicli dicht über dieselbe herliberle^it. Der
Endjrvo ist so gcwissermaassen über seine RlVekenfläche zu einem
Ring zusammengebogen. Den leichteren Grad der pathologischen
Stellung des Schwanzes zeigen uns die Embryonen S, V u. C
(Taf. XVI, Fig. 20 u. 22), den höchsten Grad die Embryonen
A; B u. P (Fig. 21 u. 23).
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Urmund und Spina biftda.
396
UnterBncht man jetzt derartig gekennzeichnete Miflsbikliingen
des angegebenen Ansbildnngsgrades genauer, so wird man an
der.Rttckenfl&ehe vor dem Ansatz des noigebo^enen Schwanzes
bald eine grossere, bald eine nur kleine Spalte vorfinden, in der
eine Partie des Dotters zn Tage tritt. Am gröasten war diese
Bflckenspalte bei den Embryonen A, B (Fig. 21 d) und C, dagegen
war sie bis anf ein kleines Loch (iio), dareh welches vom Dotter
nur wenig zu sehen war, bei den Embryonen S, Y, P ge-
schwunden (Fi^. 20, 22, 23 no). Femer ist an d^ Wnrzel des
nnigcbogenen Schwanzendes und zwar an setner convexen Seite,
welche der Baiichfläche entspricht, eine kleine, von Hautfalten
eingesäumte Grube zu sehen, die sich oft noch eine Strecke weit
in eine nach dem Schwanzende verlaufende Kinne fortsetzt
(Fig. 20 — 22 a u. arX Das Ganze sieht einer Mediillai i nme en
miniatnre niclit unähnlich, so dass am Anfaujc: meiner Unter-
sncliüii^'^ bei mir die Verniuthung auftauchen konnte, es sei hier
am üanptembiyo noch die Anlage eines zweiten, sehr rudimentär
ausgefallenen Ncbtnembiyo vorhanden. Ks liandelt sich auch
liier wieder, wie die genauere rntersueliunir erp^beu wird, ura
(las als At'terrinne sehon l»csrliiit'i)eno Gebilde. Dasselbe wird am
besten sichtbar, wenn mau den Knibryo k in-ilicli i>o lairert, dass er
das hintere Ende dem Beobachter direct zukehrt, l^ei seitlicher
Ansieht bemerkt man bei manchen Larven, dass die Schwanz-
wur/.el sich von der Bauelitläehe de» Rumpfes durch eine Ein-
senkung absetzt und dass hier die Afterriuiie mit einer kleinen
Anschwellung- bcf^iniit Fii;-. 2U — 22).
Unter den weiter entwirkelten, älteren .Missbildun^'-en l>efand
sich auch eine, weiche noch mit einer durchgehenden Seliwnnz-
spalte versehen war 'Tat. XVI, Fig. 17). Das hintere Ende lief
in 2 nach dem Rücken zu umgekrünnute, lange Fortsätze (rs u. Isi
aus, welche zu beiden Seiten der wohl ausgeprägten Afteranlage
(ar) ihren Ursprung nahmen. .Mit ihrem kegeltormigen Ende waren
sie kreuzweise über einander .geschlagen, indem der linkssei ti^^e
Halbschwanz über die Mcdianebeae hinaus nach rechts, der rechts-
seitige nach links hinüberg'rif!'.
Ueber den Grad der Missbildung, der bei den Embryonen
dieser Gruppe aasgeprägt ist, lässt sich allein an Durchschnitten^
die in transversaler oder frontaler Richtung angefertigt werden
können, Genaueres erfiihreu. Ueber den Zustand des vorderen
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396
Oscar Hertwi^r:
und mittleren Körpertheils geben die Figuren 12—14 (Taf, XIX)
ÄDskunft, welche einer Qaerschnittsserie durch Embryo A ent-
nommen sind. Derselbe deht in seinem Aeiuneien dem in Figur 21
(Taf. XVI) abgebildeten Embryo B zum Verwechseln ähnlich aus,
80 dass ich von ihm keine besondere Abbildmig gegeben habe.
Der erste Qnersehnitt durch Embryo A liegt in einiger Ent-
femnng hinter den Obrbbuwen (Taf. XVI, Fig. 12). Das Rflcken-
mark (mr) mit stark verdickten Seitenhiliften ist etwas in die
Breite anseinandergezogeni die unter ihm befindliehe Chorda (ch),
welche sich jetzt aus blasenförmigen, mit Flllssigkeit erftlllten
Zellen snsammensetat, ist nicht mehr wie auf den vorausge-
gangmira Querschnitten kreisförmig» sondern von links nach rechts
zu einem walzenförmigen Körper umgestaltet. Unter der .Chorda -
folgt der Vorderdarm (d); der eine kleine HOhle birgt^ unter diesem
der Herzsehlaueh (hz), der eine Anzahl Blutkörperehen enthlüt
und in den Henbeutel eingeschlossen ist.
Auf den folgenden Sehnitten weichen die beiden Sdten-
hftlften des Sttekenmarks noch weiter auseinander und werden
nur durch dflnne Zellenmembranen dorsal und ventral zusammen-
gehalten. So bildet sich der in Figur 13 dargestellte Znstand
aus, wo die durch die Verbreiterung schon angedeutete Verdoppe-
lung von Rückenmark und Chorda vollzogen ist. Dai; Rücken-
mark ist in 2 Röhren zerfallen, die in der Medianebene durch
einen kleinen, mit homogener Gallerte gefüllten Zwischenraum
getrennt sind. Jedes Kohr setzt sicli aus einer hUeraieu, stark
verdickten Wand und aus einer medialen W and zusammen, die
nur ein zartes, aus a]);i^ei)]atteteu Zellen bestellendes Häutchen
darstellt, üeber beide f^etzt sieh an der Riiekenliäehe das Ecto-
denn als Ueber/ug continnirlieli fort (vpj. Unter Jedem Halb-
rü kt'iiiiiaik lie^t eine Chorda (ch* u. ch*) mit ovalem Querschnitt,
entst.iudt 11 (Inreh gabelförmige Theihing des vorderen nnpaaren
Chordaaljseluirttes. Zwischen die beiden Chordahälften und zum
Theil noch zwischen die l>ei(len Xervenrolrre schiebt sich von
unten her das Darmrohr dazwischen, die ^'■etheilten Orj^-ane aus-
einaudei- drängend. So bahnt sich wieder der iu Figur 14 dar-
geutclite Zustand an.
Die Figur 14 gleielit in ihrem juair/en Aussehen im Allge-
meinen noch dem Durchschnittsbild dureli die entsprechende
Gegend der um mehrere Tage jUugereu Missbildung, ^ (Taf. XVI,
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Umnind und Spina bifida.
897
Fig. 9, Tsf. XVIII, Fig. 3 n. 4). Nnr sind jetzt alle Organanlagen
erheblieb weiter differeDurt» tmd bediiigen daher auch zu beiden
Seiten der eentraleni «lg Hflgel vorspringenden Dottennasae
einen dickeren Wnlst; dieser Itat in nnserer Figur folgende
TheHe erkennen: 1) die zn einem Rohr dnreh ein Hftnteben ab-
geschlossene, halbe Rttokenmarksanlage (mr) ; 2) ein Spinalganglion,
das zwischen der lateralen dicken Wand des Rnekenmarks and
dem Ectodenn nach abwArts wftchst; 3) die grosse^ auf dem
Qnerschnitt kreisförmige Chorda (eh)» die von dem ünegment
(ns) seitlieh ond yentralw&rts halbmondförmig nm&sst wird; 4)
den Umierengang (ng) mit kleiner Höhle, wdoher sich zwischen
Ufsegment und Seitenplatten dazwischen schiebt In letzteren
wird hier und da die Leibeshöhle als Spalt sichtbar. Das
Ectoderm hört über dem Rflckenmarksrohr mit Tcrdiektem Wnbt
auf, der sich an die Dottermasse seitlich ansetzt.
Noch rascher als an Querschnitten kann man sich Aber den
Gharacter und den Grad der Missbildung an Durchschnittet
Orientiren» die in horizontaler Richtung durch den Embryo hin-
dnrchgelegt worden sind. Dabei wnrde der Embryo, der dorsal-
wärts zn einem Halbring zusammeagekrttmmt ist, in den meisten
Ftilen so orienthrt, dass der am mdsten dorsal gelegene Punkt
von Kopf und Schwanz mit der Sehnittebene zusauunenfiel. Da-
her wnrdc auf einem grossen Theil der Schnitte der embn onale
. Körper zweimal (Kopf und Schwanz, ein jeder fttr sich) getroffen
und zwar ergaben diese Theile dann mehr oder minder rciuc
Querachnittebikler.
Ich verweise /uiiüchBt aul' die drei Horizontalschuittc dui*ch
Embryo V (Tat". XV f, Fig. 22). Am Rücken desselben ist vor
der Schwanzwurzel nur noch eine kleine Spaltöffnung (uo) vor-
handen, durdi welebe der Dotter indessen nicht mehr nach
aussen hervorsteht. An der Oeffining senkt sich vielmehr die
Oberhaut trichtert^irmig naeh innen. Dementsprechend bemerkt
man an allen drei Horiznntalsehnitten (Tat. XIX, Fig. 7 — 9) ein
von nnreirelmässigen Oontouren iMjgrenztes Loch (t), welches an
dem am mri^iten iI ii.shI getührten Selinitt i'Fig-. 8) am weitesten
ist, während es in Fig. 9, welche einen niein- vejitral folgenden
Schnitt der Serie darstellt, stark verengt ist. Die das I.oeh
unisäinnen(ie l^^pithehneoibrau (ak; besteht aus schwarz pigmeu<
tirteu Epithclzelleu.
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386
Oscar H«rtwig;
Auf dem mittleren der drei Schnitte (Fig. 7) ist das Racken:-
mark (mr, mr^) xierolich genan der Länge nach getraifeD. Th»-
selbe bildet einen die Urmnndspalte nngebenden^ ovalen Bing,
der nach dem Sohwansende au eine kleine Strecke weit unter-
brochen ist. Linke und rechte Hälfte des Nerrenrings stellen
ein Bohr dar, dessen Uiterale Wand in der Weise wie ans den
QpfifsehnittsbUdem bekannt ist, stark verdickt ist, während die
mediale Wand nur durch eiA feines Epithelhäutcben ihren Ver-
schluss findet. Dieses schmiegt sich nnmittelbar an die Oberhaut
an, welche ach zur Umgrenzung der Urmundspalte (t) trichter-
förmig in die Tiefe senkt Wo sich vom. die verdickten Seiten-
wandungen der beiden Rflekenmarkshilften treffen und zu einer
einheitlichen Anlage aneinanderlegen, erblicken wir den Durch-
schnitt der Chorda (eh), die hier von zienüioh beträchtlicher
Grosse ist Sie ist etwas schräg durchachnitten, da sie aus der
horizontalen in eine mehr senkrechte Richtung umbiegt, um in
das nach oben umgekrflmmte Kopfende des Embryo einzudringen.
Auch nach dem Schwanzrade zu sind noch zwei Chordadurch-
schnitte (ch) zu sehen. Sie liegen unmittelbar hinter den
nach rfldcwärts frei aoslaufenden Rackenmarkshälften. Sie sind
sehr unansehnlich und von ehiander durch einen nur schmalen
Streifen von Dottersnbstauz (ds) getrennt Die beiden Quer-
schnitte erklären sich leicht in der Weise, dass unter den ge-
trennten Rttckenmarkshälften auch 2 Rttckensaiten in horizontaler
Richtlinie ihren Weg nelimeu und am liiiitcnm Ende anj^elangt
rechtwinklig umbiegen, um m das vertical aut'äteigeitde Schwänz-
ende einzudringen.
Lateral vom Xervenring und <len mehrfachen Churdadurch-
schnitten liegen zaiih-eiciie L'rHegmente aiüi, die «ieh nach vom
öchou iu Musküllasurn differcuzirt iuiljen und durcli schwur/, pig-
mentirte Linien scharf von einander getrennt sind. Ihre Anzahl
ist auf l)eiden Seiten eine ungleiche, links 12, rechts 10, ^vallr-
öcheinlich, weil im hinteren Abschnitt der Schnitt durch nicht
entsprechende Abschnitte der mittleren Keimblätter hiudurcligeht.
Nach vorn ist der vorderste Theil des Rumiiios getroifen,
der sich dann dorsalwärts in <len Kojjfabschuitt lorlsetzt. liier
ist die i^rösfite Masse den Jiotters im Darmkanal angehäuft, der
in i*'uige deäseu stark autgetriebeu ist. Ferner üiidet mau hier
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Urmund und Spina bifida. 899
die Querschnitte der ans^etinliehen Ui*niereng:änge (ug) jedereeits
zwiBchen Urseginent und Scitenplatte gelagert.
Verfolgen wir die Sehnittserie etwas weiter nach der Baneh-
gegend zu (Fig. 9), so yersebwiiidet allmählich der Nenrenring;
anstatt dessen tauehen unter ibm die horizontal yerlaufenden Ah-
sehnitte der Chorda dorsalis auf. Dieselbe beginnt Yom mit
einem stark verdiekten Knopf und gabelt sich nach hinten in
2 Aeste. Jeder Ast verjüngt sich nach hinten und biegt dann
in das Schwanzende rechtwinklig um, so dass auf dem vorher
besehriebenen Bild (Fig. 7) zwei Qaersehnitte (eh) gefunden
wurden. Die beiden TheiUlste der Chorda umfassen in der
Fig. 9 unmittelbar einen Theil des Darmkanals, der mit Dotter-
zellen gefUlt ist Es entspricht dies den von anderen Embryoneu
erhaltenen Qnerscbnittsbildem, an denen stets im Bereich der
ürmundspalte die beiden Chordahälfteh mit ihren medialen Flü-
chen sich mehr oder minder unmittelbar an den Dotter an>
schmiegen (Taf.XVII, Fig. 2, 3, 7, 18, 22; Taf. XVIII, Fig. 3,
4, 21; Taf. XIX, Fig. 14). Ausserdem aber bemerkt man noch
in der Mitte der Gabel, welehe durch die Chordaspaltnng ge-
bildet wird, das Ende der Ectodermeinsenkung (t), die mit
einer kleinen Oeffhung in dieser Gegend in d^ Darm mflndet.
Da sie sich trichterförmig verengt; nimmt sie einen viel klei-
neren Raum als in Fig. 7 (Är sich in Ansprach. Noch weiter
ventralwärts unterhalb der Chorda geführte Seimitte führen uns
;;iinz in den Dannraum, der mit Dottemiasse gefüllt ist. Letz-
tere bildet die Fortset/.iiug des Nahrungsdotters, der im vorder-
sten Theil der Fi^?. 7 abgebildet ist; sie wird auf einem früheren
Entwicklungsstadiuni des Enil)ryo V wohl in grosser Ausdehnung
am Rücken, als der Urmund liier noch weiter geöffnet war, nach
Analogie der Embryonen Bg, F, B cTat.XVl, Fig. 18, 13, 21}
frei gelegen haben.
Wenn wir jetzt noch die ISchnittserie von dem als Aus-
gangspunkt für die Hetraehtmig gewählten und in Fig. 7 darge-
stellten Befnnd nach der entfregengesetzten Rielitunir dr»rsalwärtfl
verfolgen, 8»> verseiiwindet bald der Nervenring als zusammeu-
hängendes Gebilde (Fig. 8). Nach vorn setzt er sieh fort in den
V(»rder8ten, normal entwickelten Al)seiniitt des Rfipkenniarksrohres
(mr), das in schräger Rielifnng in den Ko])! iin hicgt und daher
iu der Figur nicht genau quer durch»»ciimttcn ist. Vor ihm
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100 Osear Herlwiif:
findet sich die ausserordentlieh stark entwickelte Chorda
(eli>. Nach hinten treffen wir die 2 Quersehiiitte des in zwei .
Hälften gespaltenen Tlieili^ des Rttckenmarkfi (nir), die hier
als zwei kleine, dicht bei (Miinnder ^ele^i^ene Rrdiren nebst
den zu ihnen gehftri^ren und im Quersclmitt ^Heieiit'alls sichtbaren
Chordahälften (eh) in die Wurzel des Schwanzes unibiegen. Zwi-
schen den drei Querschnitten des uuf^etheilten und des p:es])al-
tenen Rückenmarks hat der Schnitt die äussere Mtlndung der
triehtertTtnnigen Urnuindspalte an der Hautobertläche getrotFen.
Aut den folgenden Schnitten der Serie schwindet dann die
mittlere Verbindung zwischen dem Kopf- und dem Schwanz-
abschnitt des Embryo. Denn wir gelangen in die Gegend, wo
diese Theile sich tiber die eingekrammte Rttckenflächc frei er-
heben. Wir erhalten daher jetzt yon ihnen theüs Schr%-y theils
reine Querschnitte, die uns später noch beschäftigen werden.
Entsprechende Serien von Frontalschnitten wurden von den
Embryonen S und P angefertigt (Taf. XVT, Flg. 20 und 23).
Der Frontalschnitt durch Embryo S (Taf XIX, Fig. 22) gleicht
im Ganzen sehr der Fig. 7. Es ist das Rückenmark an der
Stelle getrofl'enj wo es in zwei Hälften getheilt wie eine Gabel
die ürmundspalte (t) utnfasst. Da letztere hier noch breiter ist
als in Fig. 7, stehen die beiden Rückenmarkshälften etwas weiter
anseinander. Die ürmundspalte ist auf dem vorliegenden Fron-
talschnitt nach vom von Ectoderm eingefasst, das sich, wie bei
Embtyo V, eine Strecke weit nach iimeu einsenkt und nach
nnten in die Dottermasse flbergeht. Rechts grenzen an das eui-
gesenkte Ectoderm die röhrenförmigen Rflckenmarkshälften mit
ihrer dünnwandigen epithelialen Verschlnsaplatte an. Nach hinten
wird die Begrenzung der Ürmundspalte von Dottermasse ge-
bildet» die eine kleine Strecke- weit auch von aussen ku sehen
ist und sich yon hier in die Schwanzwurzel weiter fortsetzt. Die
Chorda ist wieder wie in Fig. 7 drei mal theils quer, theils
schiig getroffen; ein etwas ansehnlicherer SchrAgschnitt findet
«eh Yor der Stelle^ wo die beiden Rflekenmarkshftlfiten (mr) sich
zur normalen, unpaaren Anlage vereinigt haben, zwei weitm
kleinere Chordaqnerschnitte (ch<, ch*) liegen am hinteren Ende
jeder Rflckenmarkshiklfte und lassen sich wie diese auf den fol-
genden Schnitten der Serie noch ziemlieh weit in die Schwanz-
anlage hinein weiter verfolgen.
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Urmimd und Spina bifida.
401
Wenn wir in der Serie der Frontalschnitte weiter vcnfral-
wärts grellen, Stessen wir bald unter der liücktuinarksspaltuiiy auf
die (labelnnjJTSStelle der Cliorda. In Fig. 23, welche von einem
solchen Schnitt eine Abbildung: liefert, ist indessen nur der
rechte Theilast :::e trotten, während der linke auf eiueui der näch-
sten Schnitte fol«;t. An der Oabelungsstelle ist die Chorda zu
einem Wulst (cli- verdickt, der einen Vorsprung in die ürdarm-
höhle bedingt. .Soleiie frcschwulstartigen Wucherungen der Chorda
(Chorda<rcsehwiilstc) alud bei älteren Missbildungen im Bereich
des vorderen UnniptaliRchnittes, namentlich vor und an der Tliei-
lungsstelle. gnr iin lits seltenes. In eimgen Fällen habe ich sie
sogar noch in viel grösserem Umfang als an dem abgebildeten
Präparat beobachtet.
In Fig. 15 (Taf. XIX) endlich ist ein Schnitt abgebildet,
welcher durch den Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23) in mehr oder
minder qaerer Richtung hindurchgelegt ist ; er hat also gerade den
Eingang in die ürmundspaltc, ans welclier nocb etwas Dotter her-
rorsieht, getroti'en, doch nicht genaa in horizontaler Richtung^
80 dass linke und rechte Hälfte ein etwas verschiedenes Aua-
sehen darbieten. Auf der rechten Seite hat der Schnitt die eine
Bflckenmarkshälfte, welche die Urmnndspalte begrenzt, in ihrer
ganzen Länge freigelegt. An ihrem vorderen and hinteren Ende
findet sich je ein Chordaquerschnitt, em grösserer (ch) vom, ein
kleinerer (eb^) hinten. Beide gehören der im Urmundbereich
gelegenen, rechten Chordahälfite an, welche unter dem längs*
getroffenen Rtlekenmark in horizontaler Richtnng yerlftnft und
dann vom und hinten reehtwinklig nmbiegt, um senkrecht in den
Kopf und Schwanz des znm Halbring zosammengekrOmmten Em-
bryo emporzusteigen. Anf der linken Seite der Fignr hat der
Schnitt die am tielsten eingebogene Stelle des Rtlckens nur ober-
fläehlieh gestreift. Man sieht daher links vom Urmnnd nur die
ihn begrenzende Oberbant flach geschnitten nnd die Yerbmdnng
zwischen dem hinten gelegenen Qaerschnitt der Scliwsnzwarzd
nnd dem vorn gelegenen Querschnitt des Rnmpfes Tcrmittehi.
Rückenmark (mr) und Chorda (eh*) bemerkt man zweimal im
Querschnitt, erstens im vorderen Abschnitt des Embryo, zwei-
tens in der Schwanzwnrzel. Das zu jedem Organ hinzngehörige
Yerbindnngsstflek, welehes in horizontaler Richtnng am linken Ur-
mtmdrand Tcrlänfty tancht erst anf tiefer folgenden Schnitten anf.
Archiv £ mikrotk. Aul. Bd. S8 27
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402
Oscar Hertwig:
Die Urmimdspalte ist naeh dem Schwanz zu von Eetoderm fak),
nach vom von Dottcnnasse eiiigefasst. Die (luergescliinteuen Röh-
ren (ng:) sind die Umierengänge. Sic scliniiegr^^ii sich deu Ur-
scginenten an, welche die Chorda lialbsciti^ um fassen.
All den H Embryonen V, 8, 1' lüiimi der noch eilialteiie
Rest der T'iniundspalte die RückoTigegeiid vor der Schwanz-
wurzel ein. Eis kann nun aber auch vorkommen^ dass der Rest
der Unnundsjialte mitton in das Bereich der Schwanzwur/A l selb.st
fallt. Dieses interessante Verhältniss habe ich zwar nur in einem
einzigen, nämlicli ])ei Embryo T (Taf. XVI, l'ig. 17), liier aber
nnch mit all* i nur wünschenswertlicn Deutlichkeit an einer lücken-
losen Quiiscliiiittgserie beobachtet. Schon bei der Fläobeiibe-
trachtung des ganzen Embryos fTaf. XVI, Fig. 17; licss sieh eine
totale Spaltung des Schwanzes eonstatiren, dessen beide Hälften
(re und Is) hakenai-tig gekiinnint sich über dein Rücken recht-
winklig erhoben und dabei mit ihren Enden krenzA>eise überein-
ander geschlagen waren. Die Untersuchung der Qucnschuittsserie
(Taf. XIX, Fig. 21) lehrte hier nun weiter, dass die beiden
Schwanzhälften nur etwa zu 2 Drittel ihrer Länge distahvärt«
in ganzer Ausdehnung von einander getrennt waren, dass dagegen
im Bereich der Schwanzwnrzel, also an der Uebergangsstelle in
den Rumpf thcilweise eine Verechmelzung sowohl doi-sal als ven-
tral erfolg war. Ich sage theilweise, denn von der Verschmel-
zung war nur die Haut der dorsalen und ventralen Seite be*
troffen. Dagegen erstreckte sich durch die Mitte der Schwanz-
wurzel eine enge Spalte biudorch, durch welche man in die
jBeckendarmhöhle direct von aussen gelangt. Diese Spalte war
auf sechs einander folgenden Schnitten vorhanden, von denen
einer in Fig. 21 abgebildet ist. Man kann die rechte gekrammte
Schwanzhftlfbe (s^) von der Wurzel bis zur hakenfönnig umge-
legten Spitee verfolgen und bemerkt in ihr auf dem Längsschnitt
eine dflnne Chorda (eh), über derselben eine sehr wenig dentlieli
gesonderte* Rflekenmarkahälfte und auf der entgegengesetzten
Seite der Chorda zahlreiche deutlich gegen einander abgegrenzte
Ursegmente (ns). Von der linken Schwanzhältite ist nur die
Wurzel (s') und ihre Endspitze (s) getroffen , während das Ver-
bindungsstttoky das vom Sehwaazende der anderen Seite gekreuzt
wird, erat auf tiefer gelegenen Schnitten folgt. In dieser Hälfte,
die mir in ihrer Differenzinmg etwas znrflekgeblieben zu sdn
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Uriiiund und Spina bifida.
403
scbeinty ist Chorda und Rttckenmark ans d^ kleinzelligen Ge-
webe nicht gesondert heraus zu erkennen, während Ursegment-
bildung, aber auch weniger denttich als auf der entgegengesetzte
Seite, zu bemerken ist. Zwischen beiden Schwanzwurzeln nun
geht die oben erwähnte Spalte (*) hindurch, an welcher das
Ektoderm in die Dottennasse übergeht und durch welche man
in den Dannraum (ed) gelangt.
Wir haben uns jetzt noch näher mit den Eigemliüiulich-
keiteii (ies Schwanzendes und mit der Aiierrinue bei den Em-
bryonen dieser flrappe /ja. beschäftigen.
AeuHheriicli erscheint in den meisten Fällen der Schwanz,
wenn wir von der schon hervorgehobenen, eigenthümlicheu Stel-
lung desselben abseilen, nonnal gebildet (Taf. XVI, Fig. 20 — 22).
Wälircnd auf früheren Stadien der Schwanz eich ans 2 Seiten-
hälften anlegt und eine tlieilweise Verdoppelung erkennen lässt.
auch wenn er schon zu ziemlich beträchtlicher Grösse herange-
wachsen ist, wie bei den auf Taf. XVI, Fi-. 12, 13, 8, 18, 19
abgebildeten Ernl)ryoMen, ist in dieser (rrupije von einer Ver-
doppelung äusserliel] nichts waln/uneimien, mit Ausnahme des
Embryo J (Taf. XVI, Fi^^-. 17). dessen auscreprägter Doppelschwanz
schon lieselirieben wurde. Erst die Untei*suchung von Quer-
schnittssericn lehrt, dass Nervenrolir und Chorda auch bei diesen
älteren Embryonen verdoppelt sind und llaibanlagen dar-
stellen, welche noch von dem früheren Vorhandensein einer ür-
mnndspalte Zeugniss ablef^en.
Die sich darbietenden Herunde variireu etwas, wie die Fi-
guren 1—3, 10, 11, l(j, 19, 2U, 24 auf Tafel XIX, Querschnitte
durch verschiedene Embryonen, uns belehren. Am weitesten ans^
einander liegen die beiden Eückeumarksrohre und die beiden
Eüekensaiten in der Schwanzwnrzel, da in ihrem Bereich sich
der noch offen gebliebene Best der Unnundspalte in der Regel
ausdehnt. Von da an rücken sie aUmählich nach der Spitze des
Sehwanzes zusannnen, bis sie sich gegenseitig berühren, in ein-
zelnen Fällen auch verschmelzen. Das Nervenrohr wird ansier-
ordentUch klein und eng, lässt aber anfangs noch erkennen, daes
nur die laterale Wand verdickt ist und ans spindeligen, geschich-
teten Zell^ besteht, w&hrend die mediale ein feines Häntchen
ans platten Zellen ist. Jedes Rohr ist daher nur ein halbes
Rflckeninark. Der Chordaqnersehnitt ist ebenfalls sehr klein, aber
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404
Oscar Hertw'ig:
vou dem lungebeiulen Gewebe deutlich gesondert. In allen
Fällen, wo die Doppelanla^eii auseiiuiiuicr liogeu, wird der Zwi-
schenraum durch Dutlcrzellen aus^etiillt, die sich von der Wand
der Beckendamihöble in den Schwanz als ein schmaler Streifen
fortsetzen und so eine Art Schwanzdarm darstellen; dem frei-
lich stets ein Huhlrauui fehlt.
Auch zwischen die beiden, dem mittleren Keimblatt ange-
hörigen Streifen sehr kleiner Zellen, aus denen die Ursogmeute
des Schwanzes sich differeuziren, dehnt sich die aus Dotterzellen
gebildete Scheidewand aus. Im Schwanz sind beiderseits schon
viele FrseeTuente an<rele|irt. die nm besten an Seiiräg- und Län^^
scliniilcn 711 erkciiucn sind. Naeli der vSchwan/spitze 711 ver-
lieren sie sirli, indem an ihre Stelle ein kleinzelliges Keimgewebe,
bestimmt für naelifolgende weitere Diiferenzirung, tritt.
Am weitesten auseinander liegen die Anlagen von Rtlcken-
mark und Chorda in den Figuren 2 und 3 auf Tafel XIX, die
quer durch die Schwanzwurzcl v(in Kmbryo B (Taf. XVI, Fig. 21)
hindurehgelegt sind. Die Dotterniasse < Fig. 3 d), die aus der bis
hierher ausgedehnten Urmundspalte hervoreieht, enthält einen
kleinen Spalt als letzten Ausläufer der Beckendarmhöhle. Dieser
Spalt ist auf einem der nach der Schwanzspitze folgenden Schnitte
(Fig. 2) verschwunden; zugleich ist auf ihm die aus Dotterzellen
bestellende Scheidewand (d) (Schwanzdamij schmäler geword^,
so dass Nervenrolur (mr) und die Chorda eh) der linken und
rechten Seite näher zusammen gerückt sind. Noch mehr ist
dies auf dem dritten Schnitt (Fig, 1) geschehen, der durch das
Schwanzende geht, das nach vom noch einmal hakentbrmig um-
gekrümmt ist, wie Fig. 21 auf Taf XVI zeigt. Da der Rumpf-
theil des Embryo H zu einer Querschnittscrie gedient hatte,
fehlt in Figur 1 die ftusserste Schwanzspitze, indem ßie noch in
das Bereich der anderen Schnittserie gefallen ist. Man sieht
nun, da dieses Schwanzstück wegen seiner ümkrflmmung mehr
oder minder der Länge naeh getroffen ist, zahh-eiche Urseg^
mente (ns), 2 der Länge nach Terlanfende, aber nur durch
einai kleinen Zwischouranm getrennte Nerrenrohre (mr), und
in der Medianebene den Schwanzdarm (ds), einen langen Streifen
von Dotterzellen, welcher die Anlagen der linken und rechten
Seite sehddet.
Bei Embryo S (Taf. XVI, Fig. 20) liegen in der Schwanz-
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Urmund und Spina bifida.
405
Wurzel die DoppelanlajLrcn vf>n Xrrvenrohr und Chorda weit aus-
einander; in der Mitt«' des Scliwanze« (Tiif. XIX. Fi^. 24\ der
dorsal und ventral sehon einen ansehnlielien Flctsscnkannn /sf)
entwickelt hat, sind sie zwar noch getrennt, aber ganz dicht zu-
sammen^^erUekt. Zwischen die linke und rechte Chorda (ch),
aber nicht mehr zwischen die beiden Nerrenrohre (mr) legen
sich Dotterzellen (ds) trennend dazwischen.
Aebnlich ist der Befund bei Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23),
von dem Fig:. lö (Taf. XIX) einen Schnitt durch die Schwanss-
wurzel, Fiir. 16 einen Selmitt durch die Mitte des Schwanzes
darstellt. Hier ist nur dorsalwärts ein Flossenkamm (sf) hervor-
gewachsen. Der .Schwanzdarm (ds) schiebt sieh hier nicht nar
zwischen die beiden Cliordahälften, sondern auch noch zw ischen
die weiter auseinander stehenden Nervenrohre (rar) dazwischen.
Einige Besonderlieiten weisen noch die Schnittserien durch
Embiyo V (Taf. XVI, Fig. 22) und C auf. An der Schwanz-
Wurzel des ersteren sind die Doppelanlagen von Rückenmark nnd
Chorda (Taf. XIX, F\g, 8, eh, mr) sehon dnreh eine schmale
Scheidewand von Dotterzellen (ds) geti-ennt. Am Qnersehnitt
durch die Mitte des Schwanzes (Fig. 11), der wieder mit
einem dorsalen nnd ventralen Flossenkamm (sf ) ausgestattet ist,
berühren sich die beiden Nervenrohre (mr) nnd sind nnterein*
ander mit ihren medialen, dttnnen Wänden verschmolzen, derart,
dass dieselben zusammen zwischen dem noch doppelten Gentral-
kanal ein Septum erzengen. Zwischen linke und rechte Chorda
(chS eh') «ehiebt sich noch ein Streifen Dottermaese vom Sehwanz-
dam (ds) dazvrischen. An anderen Schnitten (Fig. 10) ist plötz-
lich im Rflckenmark (mr) die Seheidewand verschwunden, so dass
nur noeh die 8förmjge Fignr des Querschnitts vom Centralkanal
auf die ursprüngliche Verdoppelung hindeutet.
Eme letzte Variation in den BeAmden habe ich endlich
noch bei Embryo C angetroffen (Taf. XIX, Fig. 18—20). Hier
ist auf den Querschnitten durch die Mitte des Schwanzes das
Rflckenmark einfach in normaler Weise angelegt, die Chorda
aber unter ihm verdoppelt (ch^, ch^). Die fast zur Berührung
genäherten Chordahälften sind durch kein anderes Oewebe ge-
sondert. Unter ihnen erblickt man den rundlichen Querschnitt
des compacten Schwanzdarms (ds).
Und jetzt noch einige Worte über die Afterrinne. Dieselbe
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406
Oscar Hertwi^:
ist bei den Embiyouen diei^es Stadiiinis an der ventialcn Seite
der Schwanzwur/el fast in allen Fällen sehr deiitlieh entwickelt
and in eigenartigerweise ausgeprägt (Taf. XVI, Fig. 17, '20—23f
ar). £s kGimeii nämlich jetzt an ihr 2 Abselinitte initersehieden
werden, ein rinnenartiger Anfaiigstheil und ein. röhrenartiger End-
abschnitt, der sich entweder der Wand des BeckcudarmB dicht
anlegt oder mit der Höhle desselben in eine oifene Commnnikar
tion getreten ist. Meist zieht sich das ganze Gebilde durch eine
grössere Anzahl von Schnitten der Serie hindureli (Taf. XIX,
Fig. 1, 2, 5, 6, 19, 20, 22, 23 ar). Die Kinne (ar) wie die Rdhre
werden von einer einfachen Lage hoher, mit Pigmentkdmehen ge-
füllter £))ithelzellen ausgekleidet.
leh gebe eine kurze Beschreibung der Afterbildung nach
einigen Figuren, welche den Schnittserien dureh die Embryonen
B, V, S mid G entnommen sind.
An der yentralen Seite des Schwanzes von Embryo B
(Taf. XVI, Fig. 21) ist die Afterrinne auf mehreren Schnitten
(Taf. XIX, Fig. 1) von sehr hohen Falten (af ) eingesäumt, die
an der Oberfläche einen deutlichen Vorsprung bilden. Das Bild
ist dem Durehschnitt durch eine Medullarrinne nicht unähnlich.
Rechnet man dazu, dass die Rinne sieh dann in derselben Weise
zu einem Rohr schliesst, wie Fig.2ar zeigt, so kann wohl, wenn
man nielit den Zusammenhang aller Erscheinungen Übersieht, die
Vennuthung auftanchen, daes die Rflckenmarksanlage emes Ter*
kümmerten, zweiten Embvyo vorliege. Dass diese Verrnnthung
eine irrige ist, geht aber nicht nur aus dem ganzen Zusammen-
hang, sondern vor allen Dingen auch daraus hervor, dass das
nach aussen als Rinne sieh öffnende Rohr nach innen mit dem
Darm sich verbindet. Schon in Fig. 2 grenzt das Rohr unmittel-
bar an die Dottermasse an, in einem d^r folgenden Schnitte hat
es flieh m den Hohlraum geöffnet, der jetzt als AussttUpun^- der
Beckendarmhöhle in der Dottermasse (Fig. 3d) auftritt. Die
Lage des rinnenförmigen zum röhrenförmigen Abschnitt ist stets
eine derartige, dass der erstere der Sehwanzspitzc, der letztere
der Schwanzwurzel zugerichtet ist, oder mit anderen Worten,
der erstere distal, der letztere proximal liegt.
Hei Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22) reicht die ventrale
Sehw;in/llosse weit iiacli unten. Wo sie aufhört , beginnt die
Aftcraniage, die hier sehr kurz und nur au einer Stelle (Taf,
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UrmuiKl und Spina bifida.
407
XIX, Fi^. .") ai'i sicli iiacli ansscu (HViirt, nni dann zu einem Kohr
gpsclilossen (Fig. 6 a) mit der iicckcudanuüöhle (d) in Verbin-
dung /II treten.
Knibryo S »Taf. XVT. Fi*:. *^0) zeigt uns wieder dir ii-anze
Aftcranlage in grrisserer Länge entwiekolt nnd über die ()l»cr-
riiiclie weit voi*steliend. An dem unteren Ende diM* ventralen
Sehwanzflosse öfluet sieh die von ausserordentlich hohen Falten
eingesäumte Rinne. In Fig. 22 (Taf. XIX) sehen wir sie zum
Rohr (ar) geschlossen und von Kctodenn Uberzogen. In Fig. 23,
einem noeh weiter yentral folgenden Sehnitt der Serie, fliessen
die HtUiIen des Äfterrohres (ar) «mI des Beckendarms (edj, die
sich hier trefteu, in eins zusamirfm.
Einen abweiehenden Befund bot Embryo C dar (Taf. XIX,
Fig. 18-^20), insofern hier die Afteranlage und die Beckendarm-
waud durch eine zwisehenliegende Gewehsschicbt in ganzer Aus-
dehnung getrennt l»h ilM'i}. Fig. 20 zeigt uns die Rinne (ar),
Fig. 19 die Neubildung der Rinne zum Rohr. Di( ses hört aber
blind gesehlossen auf und ist vom Dotter ( ds) durch eine Schicht
mittleren Keimblatts (mk) getrennt. Erst mehrere Schnitte Später,
nachdem die Afteranlage schon nicht mehr vorhanden ist, tritt
eine Höhlung in der Dottermasse auf (Fig. 18 ed). Es seheint
mir daher in diesem Falle in Folge besonderer Verhältnisse m
der als Atresia ani bekannten Missbildung gekommen zu sein.
Auch scheint mir, was wohl damit in Zusammenhang steht, die
ganze Lage des Afterrohrs eine etwas abnorme zu sein, indem
sie von der Schwanzwurzel etwas mehr nach dem Sehwanzende
hinaufgerflekt ist.
AnhangsweijHe zu der zweiten Gruppe der Missbildungen
will ieh noch zwei Embryonen besprechen, die zwar Störungen
im Verschluss ihres Urmunds zeigen, aber in einem so geringen
Grad, dass dadurch dier Entwicklung von Rttckenmark und Chorda
nicht nachtheilig in der Folge beeinflusst zu werden scheint
(Taf. XVI, Fig. 36 u. 27). Beide Embryonen befinden sich auf
einem noch verhältnissmässig frühen Entwicklnngsstadium. Das
Ei ist aus der kugligeu in die ovale Fonn übergegangen und be-
ündet sich im Stadium der ersten Anlage der MeduUarplatte.
Bei dem in Fig. 26 abgebildeten Em))ryo treten in der normal
entwickelten Rttckeugegeud die 2 Medullarwttlste (mw) in ihrer
ganzen Länge hervor, beide noch durch einen weiten Abstand
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406
Oiicar Hertwig:
von eiuandcr getrennt und ein loyorartigcH Feld umsänrnend.
Das Ei j^leirht in jeder Bezicliiinc: einem normalen bis auf den
einen Punkt, dasö der Blastopoius uo am hinteren Ende,
wo die Medullarvvillste verdünnt juillK ien, noch ein ziemlieh
weites und rundes Loch darstellt und einen grossen I)ottfrf)fVoj)f
aus demselben nach aussen hervorragen lässt. Bei gauis re^ad-
mässigcm Verlauf müsste zu dieser Zeit der Biastoporus sich in
einen ganz kleinen Länt;ss])alt mit /u^ammenschliesseudeu, seitlichen
Lippen am hinteren Enii)rvonaleiide umgewandelt haben.
Der zweite Embryo (Fig. 27) ist einerseits etwas weiter
entwickelt als der oben besprochene, indem sich schon die Me-
duUarwülste (mwj in der vorderen Hälfte des Rückens einander
nähern und zusammen zu legen beginnen. Auf der anderen
Seite iBt die Störung im Verschluss des Unuunds eine etwas
grossere. Denn in der hinteren Hälfte des Ittickene stellt der
Blastoporns ein sehr weites, mndes Loch dar, ans welchem ein
grosser Hügel TCni I>ottemiasse hervorragt. DieJm vorderen Be-
reieh schon zum Versehlnss sich anschickenden ^fednllarfalteu
sehen wir daher in der hinteren Hälfte des Büekcns rechts-
winklig nach beiden Seiten im Bogen umbiegen, wobei sie nie-
driger werden und sieh bald im Umiund verlieren. Ein Quer-
schnitt durch die Mitte des Dotterpfropfs (Taf. XIX, Fig. 27)
zeigt uns daher auch die Mcdullarplatte noch nicht differenzirt«
Am ürmundrand, der einen den Dotter umschliessenden, breiten
Wulst bildet, geht äusseres und inneres Kdmblatt ohne Unter*
breehung in das mittlere Keimblatt (mk) ttber, das sich zwischen
beiden als kleinzelliger, etwaspi^entirter Streifen in die Tiefe senkt.
Wenn wir ons die Frage vorlegen, wie sich in diesen beiden
Fällen wohl der wdtere Verlauf des Entwicklungsproeesses noch
gestalten möge, so glaube ieh dieselbe ohne Bedenken da-
hin beantworten zu kOnneu: Bei dem ersten Embryo wird in der
Bildung von Chorda und Nervenrohr keine Störung eintreten,
und es wird voranssichtlieh zu einem zwar verschobenen, aber
sonst regelmässigen Verschluss des Blastoporus und einer voO-
ständigen ümwaehsung durch die MedulIarwOlste kommen. Im
zweiten Fall dagegen ist die Aufnahme der Dottermasse in den
Vrdann noch »so weit zurtlek, dass sieh an den Rändern des Ur-
munds Mednllarplatte und Chorda auf beiden Seiten düfeienziren
werden noch vor seinem Verschluss. In Fig. 27 sind auf der
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Urmund und Spina bifida.
409
linken 8eite 8elion beide Organe in der Anlage begriffen. £s
wird daher eine Hemmunj^smis^biUlung gering^eren Grades mit
einer Rttckonniarks- und Chordaspaltc entstehen, etwa derart,
wie wir «ie in der Figar 14 (Taf. XVf) kennen gelernt haben.
DasB der Blastoporns übermägsii; weit bleibt mr Zeit, wo
sich schon die Medallarwülste wie bei den in Fig. 26 und 27
dargestellten Embryonen bilden, ist ttbrigens eine E^rscheinnng,
die sieh h&nfiger beobachten Iftsst bei Eiern, die'fflch in Folge
mangelhaften Sanerstolfiaitritts sehr langsam entwickeln. In der
Mitte von Laiehballen, die in kleinen Gefässen« ohne Wasser-
wechsel anfgehoben werden, findet man wohl stets solche Eier
in grösserer Zahlj wie ich mich von anderen Gelegenheiten her
erinnere. Genaner ontersncht habe ich freilich die in dieser
Weise gehemmten Objeete bisher noch nicht Auch Ronx er-
wähnt in seiner Eingangs citirten Schrift, dass auf Hemmungen
bezw. Verzögemngen mancher Vorgänge berahende formale Ab-
weichungen hftnfig auftreten, aber oft im weiteren Verhinf der
Entwicklung wieder ansgegliehen werden.
III. («nii4>e der Missbildnnjreii,
Partielle Urmoiidspalte in der Aftergegeud.
In dem dritten Abschnitt werden Embryonen besprochen,
die schon TcrhältnissmAssig weit und anscheinend normal ent-
wickelt sind, indem ihre ganze Rttckengegend in Nenrenrohr,
Chorda und Ursegmente gesondert ist, auch Augen-, Ohrblase
und Haftsoheiben angelegt sind (Taf.XVI, Fig. 28-^1. Allen
kommt aber ein gemeinsames, vom Normalen abweichendes Merk-
mal zu; sie besitzen entweder am hintersten Ende ihres in die
Länge gestreckten Körpers, wenn noch kein Schwanz angelegt
ist, oder wenn ein solcher bereits vorhanden ist, an der Bauch-
« Seite anmittelbar vor der Sehwanzwurzel eine bald kleinere, bald
grössere Oeflhmi^^ (uo), an welcher die weisse Dottermaase aus
der schwarz pigmentirten Umgebung wie der Rnskoni'scbe
Dotterpfropf hervorsieht.
Von vier Embryonen, die ich zur Abbildung ausgewählt
und in Schnittserien zerlegt habe, zeigt der in Fig. 28 darge-
stellte am hinteren Ende ein mächtige«, ovales Dottertel<l, an
dessen oberem Kaud <lic erste Anlage des Schwaiucö (bk; in
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Oscar Hertwig:
Form von 2 Höckern sichtbar ist. liei Embryo Ac (Fig. 2t))
nimmt das Dotterfeld eine eut^precliende Lage ein, ist aber nur
etwa den dritten Thcil so gross; bei £mbryo Ab (Fig. 30) ist
es an der ventralen Seite etwas mehr nach vom gerttckt und
daher nur bei ventraler Betrachtung des Embryo zu sehen. Es
erklärt sich diese Lage einfach daraus, dass in der Verlängerung
des Rückens die Anlage des Schwanzes ein >venig Uber das
Dotterloch nach hinten hervorgewachscn ist. Von diesen sich
aneinander reihenden Formziiständen bildet dann der Embryo H
(Fig. 31 ) den Absefalnss, denn er besitzt schon einen nach hinten weit
vorstehenden, von einem kleinen Flossensaum eingefassten Sehwanz
und vor dessen ventraler Wurzel etwa in derselben Lage wie bei
Embryo A b eine orale, von Dottermasse ansgef&llte Oeiftinng (uo).
In allen diesen Fallen handelt es sich ebenfalls um den
Rest einer ürmundspalte, nnd in sofern schliesst sieh diese Gruppe
natnrgemüss an die in der ersten nnd zweiten Gmppe abgelmn-
dehen Misshildungen an. Nur ist es hier der am meisten
nach hinten und ventral gelegene Theil des Ur-
mnnds, der in seiner normalen Umbildung gehemmt und in
aussergewöhnlicher Weise oifen gehalten worden ist. Frontal-
und Sagittalscbnitte geben nns noch Uber dieses und jenes «Ver-
hältniss weitere Aufsehlflsse.
An dem Durchschnitt durch den Embryo A d (Taf. XVI,
Fig. 28 nnd Taf. XIX, Fig. 17), der noch die weiteste Oeffnung
besitzt, fallt- auf, dass sieh das äussere Keimblatt an der Bauch-
seite unmittelbar an den freiliegenden Dotter (ul*) ansetzt. Wäh-
rend sieh bei der Gastrulation dorsale nnd seitliche Urmnnd-
lippen (uP) angelegt haben, ist die Bildung einer ventralen Ur-
mnndlippe (ul*) unterblieben. Da aber durch dieselbe hinter der
Dottermasse die Beekendarmhöhle entsteht, so fehlt dieselbe in
unserem Falle ebenfalls.
Auf dem Längsschnitt von Embiyo A e (Taf. XVI, Fig. 29
und Taf. XIX, Fig. 26), dessen Blastopoms viel enger geworden
ist, tritt uns zwar eine ventrale ürmundlippe (ul^) entgegen:
dieselbe ist aber im Ganzen sehr nnscheinbar. Ucberhaupt er-
scheint die ganze Dottermassc sehr stark nach hinten isurück-
gcdrängt.
Alle Embryonen (Um- dritten Gruppe lassen ferner im Z(i-
jsammcnhang mit der maiigclhaltcn Ausbildung der ventralen Ur-
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Urmnnd und Spina bifida.
411
mnudlippe eine Afterrinne veimissen nnd dadurch unterHcheiden
sie sich von den in der ersten und zweiten Gruppe /uHiimmeii'
ji^efassten Missbildungen, bei denen die Afterrinne eine Bildung
ist, die ang^leich stärker als bei normalen Embryonen in die Er-
scheinung tritt. Mit der Afterrinne ist bei ihnen aber auch die
ventrale ürmuadlippe nicht nur sehr frdhzeitig, sondern auch
besonders stark angelegt und eine Beckendarmhöhie gebildet.
Vergleiche namentlich Taf.XVU, Fig. 8, 9, 15 ed.
Als After kOnnen wir die hier abgehandelten Oeffnungen^
obwohl sie in der Lage demselben entspi-eehen, nieht bezeichnen.
Zwischen beiden möchte ich als nnterseheidendes Merkmal einen
Punkt als ansfichlaggebend betrachten. An den Urmundlippen
stehen äusseres und inneres Keimblatt nicht in unmittelbarem Zn-
sammenhang mit einander, sondern sind durch das mittlere
Keimblatt getrennt, welches hier seinen Ursprung nimmt. Am
After dagegen gehen Ectodenn und Entoderm unmittelbar in
einander Uber, während das Mittelblatt von beiden getrennt ist
nnd eine der Afteröifniing entsprechend grosse Durchbrechung
besitzt.
Die bisher besprochenen Embryonen der dritten Gruppe
boten in der Anlage ihrer ttbrigen Organe keine Abnormitäten
dar. Embryo H (Taf. XVI, Fig. 31), der schon einen kleinen,
besonderen Schwanztheil besitzt, ' machte allein bei der Unter-
suchung auf der Qnei-schnittserie eine Ausnahme. Fig. 28, Taf.
XVIII zeigt uns einen der durch den Urroundrest (uo) und desi
Anfang der Schwanzwurzel hindnreligelegten Qnerdurchsehiiitte.
Man sieht ventralwärts das noch nicht umwachsene Dottnrfeld,
eingefasst von seitlichen, kleinen Urmundlippen. Dorsalwärts
ist eine Spur einer Rflckenflosse zu bemerken. Das unter
ihr gelegene Rückenmark ist änsserlich einfach, lässt aber in
seinem, relativ weitem Centraikanal ein feines Zellhäutchen (seh)
erkennen, das sich von oben wie eine Scheidewand hineinschiebt.
Unter dem lUiektiini^irk liegen die Qnci*schnitte zweier, sehr
kleiner Chordastränge ihi. beide durch Dotter/.elleii ^etreiiiitj
welche sich von der dorsiileii Wand des Darnis ans zwischen
sie hineiuscliieben. Diese Ver(lu[)pehnig der Chorda lässt sich
auf einer Reihe von Schnitten verfolgen. Nach \(trii liört sie
bald auf, wilbiend sie sich nach hinten eine Strecke weit iu
den Schwanz fortsetzt.
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412
Oscar Hertwijif:
Es lägst sich ans dem vorlie{5;en(leii Hcfund mit absoluter
Sieherheit der Schlnss ziehen, dass die ürniundspalte, die jetzt
nur noch an der späteren Atteretelle besteht, auf cinw jüngeren
Entwicklungsstufe sich dorsalwärts bis in die Gegend ausgedehnt
hat, wo sieh die Schwanzknospen anlegen, also noch etwas mehr
nach vorn, als es bei dem Embryo A d (Taf. XVI, Fig. 28) der
Fall ist. Die Urmundspalte mnss noch vorhanden gewesen sein
znr Zeit, wo in dieser Gegend »lie ersten Diiferenzirungen in
Nervenrohr und Chorda stattfanden. Bei ihrem bald darauf ein-
tretenden Verschluss ist die Verdoppelung der Chorda als letetes
Zeichen der Störung zurfickgeblieben.
Beurtheilunt? und Yerwerthiing der Be funde.
Um die auf den vorausgegangenen Seiten mitgetheilten Be-
funde von eigenthttmliehen Missbildungen des Froscheies theils
zu dem alten Bestand des morphologischen Lehrgebäudes in Be-
xiebung m setzen, theils ittr die weitere Ausbildung und Neubil-
dung morphologischer Lehrsätze zu verwerthen, will ich in drei
Kapiteln jetzt noch folgende Punkte eingehender besprechen:
1. Das Vorkommen entsprechender Missbildungen in anderen
Wirbelthierclassen und ihre Stellung im System der l'era-
tologie.
2. Die Bedeutung der an den Missbildungen gewonnenen Be-
funde für einige Grundfragen der Wirbelthiermorphologie:
a) der Urmundtheorie und der Goncresoenztheorie, b) der
Schwanzbildung und der Afterbildung, c) der Ooelomtheorie.
3. Die Beziehung des Urmundrandes zur Entstehung von Miss-
bildungen und die Frage nach den Ursachen, welche die
Entstehung dieser Missbildungen veranlasst haben können.
1. Bas Yorkommen ähnlicher MlssbUdnngeii in anderen
Wirbeltblerelaifsen and ihre Stellung im System der
Teratologie.
Die von Roux und mir beobachteten Missbildnngen des
Froscheies nehmen keine exceptionelle Stellung im System der
Teiatulogic ein. Aehnliche Missbildungen sind schon bei Kno-
chenfischen von Lereboullet, Oellacher und Rauber beob-
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Uriuuud und Spina bifida.
413
achtet und vou Oell acher als Terata iiiesodidyma bezeichnet
worden.
lieber SalamaiulrM inac. liegen Beobaclitun^''en von Klausa-
ner, übei- das Iliihiiclien von Richter vor. Anch bei den
Säu^^ethieren nnd beim Menschen scheinen mir Missbildungen
vorzukommen, welclie liierher g:chören und unter dem Sammel-
begriff „Spina bifida^ beschrieben werden.
a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der
Knochenfische.
Das grösste Interesse beanspruchen die Mittheilungen vou
Lerebonllet, Oellacher und Rauber, weil von ihnen die
Entstehung der Missbildung auf verhältnissniassig frühen Stadien
beobachtet und ihr weiterem Schicksal eine Zeit lan^ verfolgt
worden ist.
nie irnindlegenden Beobachtnn^^eii von Lereboullet (38)
sind enthalten in Reinem bekannten Werk : Recherches sur les nion-
stniosites du brochet, (»Ijserves dans l'oeuf und sur leur mode
de production. Bei künstlicher Befruchtung der verhältnissmässig
kleinen und durchsichtigen Hechteier erhielt der französische
Forscher in ziemlich grosser Zahl Mehrfachbildungen mit zwei
nnd drei Köpfen, aach sehr verkümmerte Embryonen olmc Kopf
und endlich eine Gruppe ziemlich hänfig vorkommender Anoma-
Hon, die in jeder Beziehung unseren missgebildeten Frosch-
embryonen entsprechen nnd schon damals sein Interesse in ganz
besonderem Maasse erweckten. Es waren Embryonen, die vorn
einen einfaclien Kopf nnd hinten einen einfachen Schwanz be-
sassen, in ihrer Mitte aber aus 2 Körpern bestanden, die derai't
von einander getrennt waren, dass sie einen mehr oder minder
grossen elliptischen Ring bildeten (Taf. XVI, Fig. 24 nnd 25),
IHe beiden Arme des Ringes vereinigten sich nach vom zu dem
einfachen Kopf, naeh hinten sn dem einfachen Schwanz. Jeder
Ast des fiinges stellt nnn aber bei animerksamer Untersnchnng,
wie Lereboullet ausdrflcklich betont, nicht einen vollständigen
Körper, sondern nnr die seitliebe Hilfte eines soleben dar. Denn
man nntersebeidet auf jeder Seite eine Rttekenmaiksbalfte (mr) nnd
eine Gbordahftlite, die sieb im Kopftheil zn einem Normalrtleken«
mark und einer Konnalchorda verbinden. .Femer bemerkt man
anf jeder Seite eine einfaehe Reibe von Ursegmenten (us), welche
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414
Oscar Hertwig:
nnr die ttfunefe Seite eines Astes Annehmen, so dass es aus-
sieht, als ob sie das Resultat einer Lftngstheilnn^ eines einfachen
Emlnryo in 2 symmetrische Hälften seien. Anch besitzt der
einfache Kopf nur 2 Augen und 2 Hörbläschen. Dagegen war
in jeder Hälfte sehr häufig ein besonderes Her/ aufzufinden, „als
ob gewissennaasseii die Xatur jede Hälfte durch Kepetition der
gleichen Organe zu vervollstän<ligen suchte".
Wenn die Embryonen einige Zeit zu leben fortfahren, so
nähern sieh allmählich die beiden Halbköi*per und verschmelzen
in der Medianehenc, so weit, dass schliesslich nur noch eine sehr
kleine ringförmige üeffuung am Ursprung des Schwanzes übrig
bloiht. „La duplicite enilirynnnaire" , schliosst daher I^ere-
bonllet, ,.provieiit iei de la se]>aration des partics symme-
triques de l embryon normal. G est ce <jui m a l'ait dire que
les deux corps embryonnaires dans ces anomalies ue sont eu
realite que des demi-corps."
Bei dieser Art der Missbildung kommt es zuweilen vor,
dass von den beiden, das Üotterloch einschliessenden Rumpf-
hälften die eine entweder in ihrer Entwicklung etwas zurflck-
geblieben (xler auch ganz unterdrückt ist, ein Vcrhältniss, , wel-
ches ich in der gleichen Weise bei den Froschmissbildungen
(Taf.XVI, Fig. ir) '~-l<3 und Taf. XVHI, Fig. 27) festgestellt habe.
T^M cb nullet konnte beim Hecht auch die erste Entstehung
dieser Missbildung aus dem ringfönnigen Keimwulst (bourrelet
erabryog^ne) beobachten. Bei anomalen Eiern entwickelte der
letztere nur einen kurzen und dicken Kopffortsatz, der sieh nieht
weiter zum Priwitivstreifen verlängerte; dagegen wurde der Keim-
wulst selbst in ganzer Ausdehung aussergewöbnlieh diek (Taf.
XVIII, Fig. 30) ; „il etait mauifestemeut beanconp plus riche eii
mati6re organisable." Der Keimwulst zerfallt daher alsbald selbst
in eine Reihe einzelner Ursegmente in derselben Weise, wie sie
sich sonst zur Seite der Mcdullarfurche bei einem normalen Em-
bryo anlegen. Die beiden Reihen vereinigen sich dann nach
yora au der Basis des Kopfhöckers, nach hinten in der Region,
welche später dem Schwanz den Urspning gibt. „Ainsi, en
Bom^, dans la monstmosit^ qui nous occupe, le bourrelet em-
bryogtoe ne donne naissanee qu'i. la r^gion eephalique, mais
il se transforme lui .mdme pour constitner le corps embryour
uaire, et ce oorps est compos6 de deux moiti^s k cause de la
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Umiiind und Spina bifida.
41ß
forme amiiiiairc du h(tiinclet ja^tMieratenr." „Le Imurrolet em-
brvoirt'iH' doit donc otro cojmiflere (toimuc un amas, \uw sorte
de niai^asin d' ok'rtionts oruaiiisateiirs, vi v(nmw !e point de d(''part
de toutt's los loniiations einhryoiinaires rc^'^ulieres ou anomales."
Auf die Arbeit v(m Lerebonllet bin iel» etwas aiisftihrlicher
einf!:ep:anjren, weil sie niclit nur eiu sehr werthvolies Beobach-
tun^matcrial enthält, sondern auch dasselbe von dem riehtigeo
Gesichtspunkte aus beleuchtet. Als Ergänzung reiht sich au die-
selbe die Arbeit von Oellacher (42) „über Terato mesodidyma
von Salmo Salvelinus".
Oellacher hatte die kflnsüiehe Befruchtung an Eierii von
Saibliuji^ ausgeführt, die er aus einem 12 Meilen von Innsbruck
entfernten Thal erhalten hatte. Unter den befruchteten ^iern,
deren Zahl er auf 400 — ÖOO schätzte, fand er eine g:eradezn er-
stannenswerthe Anzahl ron Missbilduu^en, die fast alle unter das
Genus der Mesodidymi ^-eli(">rten; ihre Zahl veranschlagt er
mindestens auf das 10 bis 20 fache im Vergleich zu der sehr
geringen Zahl, die er bei häutigen Befrnohtung»- und Zflehtungs-
versuchen von Forellen erhielt. Nach meiner Meinung scheint
das massenhafte Auftreten von Missbildungen in diesem Fall
wohl mit dem Umstand zusammen zu hängen, dass durch den
weiten und gewiss schwierigen Transport aus einem Gebirgsthal
die weiblichen Laichfisohe und die reifen Eier etwas geschädigt
worden waren und dass in Folge dessen hei der kfinstliehen
Befruchtung häufig Polyspermie eintrat.
Die Yon Oellacher untersuchten Missbildungen sind im
Durchschnitt älter und weiter ausgebildet als die von Lere-
bouUet' beschriehenCD. Bei ihnen geht die Spaltung entweder
sehr tief und ist auf eine lange Strecke (in extremen Fällen von
den Ohrbläschen bis in den Schwanz hinein} ausgedehnt, oder
sie ist seicht und nimmt nur eine kurze Strecke des Leibes ein,
oder endlich sie ist ganz kurz und nur durch einen leichten Ein-
druck an der Oberfläche eines etwas verbreiterten Stfickes des
Rumpfes angedeutet.
Die Oellac herrsche Untersuchung bietet wie ich oben
sa^e, eine Ergänzung zu der Arbeit Lerebonllcts liesonders
dadurch, dass die Missbildungen auch auf Querschnitten unter*
sucht wurden. Auf diese Weise wurde festf^estelltj dass alle
paarigen Organe in kciueiu Falle von der Verdoppelung bctrotfcn
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416
Oscar Hertwif:
werden. Es werde« daher die Augen, Gehörorgane, Ursegmente,
Uniieren, Brust- uu<l Bauchflosseu niemals in doppelter Anzahl
gefunden.
Von der Yerdüppeluug oder besser von der Spaitiiiig köiiiK U
einzig und allein alle unpaaren, der MiMÜaiu bone aii^^e hörige« Or-
gane heiniiresnelit werden, in erster Linie das lüu'kenniark und die
Chorda, misst nlcm al>cr aucii «och iu vielen Fällen d.is Herz und
der Darinkanal und die aus dem letztem hervorsprdssende Leber.
Dureli die Verdoppelunu vo« Her/. Darm und Leber unter-
scheiden sich die Fiselnnisshiltlungen in interessanter und hier
besonders hervorzuliebt*nd(M- Weise von den Froschembryonen,
wo ieli etwas derartiges ja niemals beobaeliti't lialie. Ich repro-
dncire daher, um dies Verhältnis*« m veranseiiauiiehen, aus der
Arbeit von O eil ach er einen Quersehiiitt durch einen älteren Ein-
bryo von Tvutta fario, aus der Gegend deB Leberaulage (Tat'.
XVIII, Fig. 29).
Man bemerkt in jedem Halbrunipf die in sich zusammen-
gerollte Rüekenmarkshälfte (mr), die Chorda (eh), deren Zellen '
schon blÄschenfiirmig geworden Bind, die schon stark vergrösserteu
Ursegmente (us), den ümierengang (ug), darunter dem Dotter
aufliegend das von einer einfachen Epitheiscbicht ausgekleidete
Darmrohr (d) und die aus ihm entstandene, aus vielen g;ewnnd6nen
Röhren bestehende Leberanlage (1). Von einer zur anderen
Kampf hälfte schlägt sich, den kleinen Zwischenraum tiberbrttekend,
sowohl die Epidermis als auch das DarindrUsenblatt herttber,
leteteres indem es dem Dotter unmittelbar aufliegt.
Der auf den ersten Blick auflUllige Unterscbied, der zwischen
den MiBsbildnngen you) Frosch und von Fischen in einigen Emasel-
heiteDy besonders in der Verdoppelung von Herz und Darm, be-
merkt wird, erklArt sich in leichter Weise aus den Verschieden-
heiten, wie sie beim normalen Entwickelungsgang des Herzens
mid Darms überhaupt zwischen holobh»tisehen und meroblasti-
1) Die Angabe von Oe IIa eher, dass im vordersten Be*
reich der Spaltung ab und zu aiuli ein niedianes ürsegment auf-
ti ctr, sclioint mir, zumal im Hinblick auf die mn Tj e r e b o n 1 1 p t
i]iit<j:i'tlieilteii Bcluiid'p, anf einer Täuschung ku bcruiie.n, vielU'!<^ !it <1a-
(iurcii veranla.Hst, dass «ich vom lateralen Urscgment eine Zclliua.ssc
nnter der C9iorda auf die mediane Seite etwas vorgeschoben hat.
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Urmund und Spina bitida.
417
sehen Kierii bestehen. Bei letzteren wird das Herz ja schon
normalerweise in der Form zweier seitlich fi^ele^rener Schläuche
in Anpassung- an den mäclitigcn Nahrunjrsdotlcr angelegt, wäh
reiul das Her/ hei tlt n Amphibien gleich von Anlauf- an ventral-
wärts am Ei uvni inipaar entsteht. Ebenso schnürt sich bei den
uierohlaMtiseheu Eiern der Darm als l)esoiulorer Schlauch durch
FaltenbiUlung v(m dem imicren Keiml)la(t al», ilas Anfangs seiner
Hauptmasse nach zur Bildung des Dolteibueks dient, während
bei den Amphibien Darm und Dottersack nicht von einander
gesondert sind.
An seinen Qnerscliiiiltsscrien durch die Fischmissbiiduugen
stellte terner Ocllacher fest, (hiss an den Körperstrecken, die
äusserlich einfach ei*sclieinen, am vorderen Rumiililieil und am
Schwan/, die \ erdoppehing der medianen Organe sieh noch eine
kleine Slreeke \veit fortsetzt und erst allmäldich dem Normal-
zustand Platz macht. Hierbei vereinigen sich zuerst wieder die
beiden Darmschläiicbe zur einfachen Anlage, dann die beiden
Rückenmarkshälttt n nnd /nh't/t die beiden Chordastränge, wie
es ja aueh liei den Froseliembryonen der Fal! ist.
Endlich erwähne ieh. dass Oellaehcr noch einige ältere,
aus der EihüUe ausgescidüpfte Mesodidynn beobachtet hat, die
ihren Dottersack seit ein bis zwei Wochen schon verloren hatten.
„Dieselben stellen äusserlich völlig einfache Individuen dar, nnd
würde Niemand dieselben für Mcsodidymi halten, der nicht die
cigenthümliehen Verkrümnitmgen solcher in ti'üheren Stadien
beobachtet hat, in Stadien, in denen die innere Duplicität noch
äusserlich deutlich erkennbar war.^ Auch dies erinnert an ent-
sprechende Zustände von älteren, aOB^esehlUpften Froschlarven.
Die Parallele zwischen den missgebildeten Frosch- und
Fischembryonen lässt sich noch weiter durchführen. Vom Frosch
habe ich einige Missbildungeu beobachtet, bei denen das vordere
Körperende in grüsserer Ausdehnung einfach war, während die
Spaltbildung vorzugsweise das hintere Ende und den ganzen
8cbvran% betroffen hatte, weil die \'erschmelzuug der beiden
Schwanzknospen unterblieben war. Entsprechende Missbildungen
hat Oellaeher auch vom Saibling unter der Bezeichnung „Eata-
didymus'* beschrieben. Es sind Embiyonen, von denen bemerkt
wild, dass bei ihnen „die Sehwanzknospe und das an sie za-
nächst angrenzende Stück des Hinterleibes bis auf das obere
Arobiv f. mlkroak. Anat Bd. M ' 26
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Oscar Hertwiff:
Keimblatt, &a» swisdieii beiden eine Brflcke bildet, vollkommen
gespalten sei.**
Ein dritter Forseher, der sieb mit den eigentbtlmliefaen
Spaltbildnngen des Rumpfes der Knochenfische eingeiiender be-
schäftigt hat, ist Ranber, dessen Beobachtuugen in seinem be-
kannten Aufsatz „Formbildung und Formstörung in der Entwick-
lung von Wirbelthieren" niedergelegt sind. Rauber (50, r>2) hat
eineAüZälil von ziemlich jungen Keinischeiben von der Forelle und
vom ►Sahn besehrieben, an denen ein kleinerer, vorderer Theil der
Embiyonalanlage nonnal entwickelt war, das sieh daran an-
sehliensende Stück des Rumpfes aber gespalten und dureli einen
anseliiiliehen ZwisK-ht uraum iu zwei Hälften getremit war. Linke
und rechte Hälfte des Keimrings hatten sieh in Organanlagen
schon dirt'erenzirt, ohne sieh in der Mittellinie einander genähert
und zur normalen Enibryonalanlage \ eriiinHien zu haben. Zwischen
den auseinanderstehenden Einl»r\ onalliäüten liegt indessen die
Dottenua88e nicht frei zu i agi-. sondern ist, wie schon OellaeJier
angegeben hat, von einem dünnen Zellliäutelien bedeckt, das
zum änssercu Kcinddatt gehörig sich von einer zur anderen
Hälfte herüber spannt. Aueh liier konnte Kanher iu einem
Falie Üefecte in der Ausbildung des Keimrings auf einer Seite
feststellen (52, Fig. 21).
b. Die T e r a t a m e s o d i d y m a der Amphibie n.
Ausser beim Frosch ist ein Mesodidymus bisher nur einmal
bei Salamandra maculata beobachtet und von K la ussner (33) abge-
bildet worden. Kopf und Sehwanz sind einfach und erheben
neh als Höeker senkrecht Uber die iJotterkugel. Der zwischen
ihnen gelegene, wie ein Sattel eingekrümmte Rucken des Rum))fes
ist in zwei Hälften gespalten, deren jede im Halbbogen die seiir
ansehnliche, von Dotter ausgefüllte Urmundspalte umfasst. (Kiaass-
ner, Tafel VIII, Fig. 49.)
e. Spaltbilduugen bei den drei höheren Wirbel-
thierklassen.
Spina bifida.
Missbiidtingen ans so frttber Entwieklnngneeit, wie wir sie
bei Amphibioi und bei Fisclien haben beobachten können, sind
uns bei Reptilien, Vögeln und Sflngethieren noch nicht bekannt
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Urmund und Spina bifida.
419
geworden. Ihr Studium str»sst hier üherhaui»i m jeder Beziehung
auf grössere Schwierigkeit. Denu einmal eutzielit sieb hei ihnen
der Tiefruchtungsprocefi?, da er im Innern des weihlichen Ge-
schiechtsiipparats ert'ülgt, den experiiiienteilen Eiiijun itlcü. Zweitens
ist es nicht Tn('>g"lie!K mit Leiehtigkeit grössere Mengen von Eiern
auf das Auttreten von MisslHldüngeii , namentlich am Anfang
der Entwnekhmg, zu durchmustern, sich die Keime theils
im Imierii uudurehsiehti^'-er Ilüllen (Keptilien, Vögel), theils in
der (iehärmnttcr ; Säugethicre i entwickeln. "Wir heohachten da-
her entweder nur gele^'-eiitlich eine Missbihiung (lieini Eröffnen
eines missgebildeten Hühnereies oder durch eine pathologische
Frühgehurt) oder wir lernen sie erst kennen, wenn die missge-
büdeten Geschöpfe am Ende ihrer Entwicklung stehen und ge-
boren werden. In diesem Falle sehen wir aber mir das End»
resultat des unter Umständen sclion uusKcrordentlieh früh ge-
störten Entwicklüngsproöesses, die mehr oder minder pathologische
und monströse Beschaffenheit einzelner Organe. Die Ursache
der Stömng selbst, ihr erstes Auftreten im Entwicklungsprocess etc.
bleibt uns unbekannt und kann luichstens durch Vergleich mit
dem normalen Entwicklungsverlauf mit einem mehr oder minder
hohen Cirade von Wahrscheinlichkeit ersehlossen werden.
Hier kann das Stadium der Misshildungen niederer Wirbel-
tbiere sehr viel zur Autklärung schwieriger Verhältnisse beitragen.
Bei Amphibien und Fischen können wir bei geduldiger Beobach-
tung eine Missbildnng in ihrer Entvncklung von frttben Anfangs*
Stadien bis zu Zustanden verfolgen, wo alle Organe schon mehr
oder minder ihre normale Lage erreicht haben und in Function
getreten sind. So er&hren wir, wie Uissbildungen einzelner Or-
gane beim ausgebildeten Thiere genetisch begründet sind, wie
z. B. die Verdoppelung des Rflckenmarks und der Chorda, even-
tnell auch des Darms und der Leber bei Fischen und Amphibien
durch eine während längerer Zeit bestehende Urmnndspalte her-
vorgerufen wird. Wenn wir nun sehen, dass auch l^ei den
höheren Wirbelthieren als letzte Spuren einer gestörten Entwick-
lung Abnormitäten rorkommoi, wie Spaltung des Rttekenmarks
oder der Wirbelsäule oder beider Organe zugleich, so sind wir
berechtigt, sie den entsprechenden Störungen bei niederen Wirbel-
thieren an die Seite zu stellen. Nicht minder sind wir wohl
berechtigt, den Grund der Störung in denselben Ursachen zu
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490
Os car Hertwig:
suelieu, die sieb doch sclion früh beim Beginn des gaii/ni Knt-
wickhiiij^sprocesses bemerkbar maclien und in einer Stcirun^ des
GastnUationsproces.sL.s und in einer Heuiimnig; des uomialeu Ur-
muiidscblusses bestehen.
Die Mis^lnldun^en der drei hrdiereii Wirbeltliierklassen und
vor allen Dingen auch dc8 Menseben, auf weh he in dieser \\ eise
die y,vergleichende Teratologie" Licht verbreitet, sind in
der Literatur unter dem gcmeiusamen Namen der Öpina bifida
bekannt.
Mit dem Stndmni der Spina bifida des ilidineliens hat sieh
in letzter Zeit K ie h tcr föö, 56) bescbäftiirt und dieselbe in exj)eri-
mentcller Weise dnreh Temperatursehwanlvungen währenii der lie-
brMtnng hervorzurufen versnebt. Bei einem Experiim iir l)at
er nntcr ö8 Eieni 3 Spinae l)itidae, eombiinrt niit Kxencephali,
erhalten, wiihrend drei andere Versnebe ohne Erfolg- l)lieben. In
einem Fall war der Sitz der StoriMiü- in der Mitte zwis(dien den
beidt'u Vdrderextremitäten. Au Sehuittserien zeigte sich das
Rtiekeninark in Breite und Möbe stark vergrossrrt, der Clentral-
kaual stark ausgeweitet und in zwei Hälften durch eine Scheide-
wand getreimt, die von der oberen Waiul nach abwäii« ge-
wachsen ist und sich nut der unteren Wand verbunden hat. In
noch extremeren Fällen begrenzen die beiden Rückenmarkshälften,
dorsalwärts auseinander weichend, eine Kinne, welche durch eine
feine Membran geschlossen ist. y, Diese ist gleichfalls geneigt,
unter Fortsatzbildnng nach abwärts eolossal zu hypertnjphiren,"
Leider finde ich in den vorläufigen Mittbeilungen von Richter
keine Anga])en über das Verhalten des Axcnskelets, insbesondere
der Chorda dorsnlis, was fUr das Yerständniss der Bildung doch
ausserordentlich w ieldig wäre. Dagegen erinnern die Ausweitung
des Centraikanals, die Seheidewandbildung, die häutige Ver-
schlussmeinbran bei weitem Auscinandersteben der Rückenmarks-
hälfl«n an ähnliche Befunde bei missgebildeten Froschembryonen.
Ein reichhaltiges Material f&r unsere Frage liefert die
Spina bifida des Mensehen, welche zu am häufigste
beobachteten Missbildungen unseres Gfesehlecbts gehört. Wer
sich Aber die sehr vielgestaltigen, hier in Betracht kommenden
Störungen unterrichten will, verweise ich insbesondere auf die
Untersuchung von W. Koch (B4) und auf die ssusammenfassende,
gründliehe Abhandlnng von Recklinghausen (54).
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Urmtuid und Spina bifida.
421
Dir /;il»ln'icli(Mi. !»rknmit p'wonlrnoii F;iII(* von Spina bifida
des Menschen ^eliöreii tasNl alle der postenibrvonalen Zeit an, so
da»H die beim Entwiekliin*iS|)rope.s8 stattjü^efundenen Störungen
bereits zu ihrem definitiven Abschluss gelangt sind. Uns inter-
essiren naturgemäss die Fälle der hoehgradigsten StöruIl^^ in
denen sieh der Bildungsproeess am wenigsten naehträglich der
Nonn liat nähern können. 80 wird öfters in der Literatur eine
Vollständige Zweitheilung des Kdekenmarks beschrieben, die ent-
weder nur auf eine Stelle im Hals-, Dorsal- oder LendtMitheil be-
schränkt oder in ganzer Länge vom Hini bis zum Filum ter-
minale ansgeprüL-t ist (Diastematomyelie). Bei einzelnen Miss-
bildungen stellen beide Rüekenmarksliälften parallel nebenein-
ander verlautende und durch eine Commissur verbundene itl itte
Streifen dar, von denen jederseits ventrale und dorsale Wurzeln
entspringen; in anderen Befunden ist jede ROekenroarkshälfte
wieder zn einem Rohr mit eigenem Oentralkanal ergänzt, wie
dies ja auch bei Fisch- und Amphibienembryonen fast stets der
Fall ist.
Zn zwei genauer besehriebeneu Fällen bemerkt von Ree k-
linghansen, man müsse „wohl annehmen, dass hier die em-
bryonale Umbildung der Mednllarplatte nngewOhnlieh erfolgte,
dass sich jede Hälfte für sich zu einem Rohr abschloss, statt mit
dem Partner zu einem gemeinsamen Bohr zn verwachsen'^. Nach
seiner Meinung handelt es sieh daher, worin ich ihm in jeder
Beziehnng zustimme, nicht um eine wahre Doppelbildung, um ein
Pins oder eine Zweifaehheit der Rttckenmarkssabstanz, sondeni
nur um eine Zweitheilung. Denn die Summe der Masse beider
Hälften komme nur der Masse eines ungetheilten Rückenmarks-
stttckes von derselben Läuge gleich, von Recklinghausen
verweist auf die von Raub er (und vor ihm schon von Lere-
boullet) aufgestellte Theorie, dass die Heroididymi Hemmungs^
bildnngen sind, dadurch zu Stande gekommen, dass der Anschluss
der rechten und der linken Reimringhälfke an dnander verzögert
wurde, nnd erklärt, dass dieser Theorie die Befunde von Zwei-
theilungen des Rückenmarks beim Menschen sich in der natür-
lichsten Weise anfügen.
Bei den Spaltbildnngen des Rückenmarks sind auch die
Naehbarorgane bethciligt. In einzelnen Fällen schoben sich die
weichen llirubäutc zwischen die symmetrischen, zu je einem Rohr
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432
Oscar Hertwig:
iinigestalteten RUckenmarksliältteii liiiiein, und bei einer Beob-
achtmig: von R e e k 1 i n g h a u s e n schob sieh sogar durch den
Spalt zwischen beiden Hälften ein Yerbiudongastrang zwiseben
vorderer und hinterer Dura mater hindurch.
Sehr häufig: ist mit der Rttckenniarksspalte auch eine Spalt-
bilduug der Wirbelsäule combiairt. Entweder ist nur der Wirbel-
kanal an oiner beBtimmteu Stelle oder in seiner ganzen Länge
nach (Uni Kücken zn ^eCtiTnet, indem die Bogcnhälften mangel-
hait entwickelt und beim Fehlen der Dorafortsätze nicht unter
einander verschmolzen sind (Rhachischisis posterior). £g ist dies
der gewöhnliche^ häufigste Befund. Xicht selten aber gesellt
sich hierzn noch eine Spaltbildung in den Wirbelkörpem (eine
BhaehiBcbisis anterior). Dieselbe äussert sich entweder nur als
eine den Wirbelkörper in seiner ganzen Länge durchsetzende
Fissur, oder es stehen beide Hälllen der Wirbelkörper, die dann
auch mehr oder minder rudimentär sein können, in der Breite
eines Fingers auseinander. Der Defect wird durch Bindegewebe
ansgefmit. In diesen schwereren Fällen von Wirbelspalte er-
reicht die Anzahl der vorhandenen Wirbel kaum je die Norm.
Dabei haben die aus ihrer natttrlichen Lage gerückten Wirbel-
hälften eine sehr ungleichmässige Entwicklung erfahren. Die
meisten sind unter der normalen Grösse, einige nur noch als
kleine Knochenkeme bemerkbar; wo sieh grössere Sttteke finden,
da sind dieselben nur aus der Verschmelzung mehrerer hervor^
gegangen; wie man zum Theil noch an Trennungsfurchen deut-
lich erkennen kann (Rindfleisch 62). Leider ist fiber das Ver-
halten der Zwtschenwirbelscheiben mit ihren Gallertkemen nichts
bekannt. Da durch das Vorkommen doppelter Gallertkeme bei
vorderer Wirbelspalte die Verdq)pelung der Chorda bewiesen
wäre, möchte ich zukünftigen Beobachtern diesen wichtigen Punkt
zu besonderer BerOeksiehtigung empfehlen.
Den höchsten Grad einer Spaltung des Axenskelets heim
Menschen stellt vielleicht die von Braune (8) beschriebene Missbil-
dung aus dem Hallenser Museum dar, die gew(ihnlicli als ein
Doppelmonstruni -nii'^^efasst wird. »Sie besteht ans einem heniiee-
plialischen Kopi, z,vvei Wirbelsäulen, zwei Annen, einem Brust-
bein, einem Becken mit drei an ihm befestigten hinteren Extre-
mitäten. Schon Panuni(43) hat die Vermuthnni; ausgesproclieii
und als wahrscheinlich bezeichnet, dass es sich in diesem
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Urmuiid uud Spina bifida.
423
Falle nicht nin eine wirkliche Ddpijolmi.s.sbildung;, sonflern um
eine Spaltbildung handele, weklic »Ion Terata niesoditl} rua von
Oelliichcr hin/.uzui'echnen sei. Alierding« iiui>sti' dann die
dritte überzählige Extremität durch Knospun^i- neu entstanden
sein im AiiHchluf?« an die weit nach hinten ausgedehnte 8^t-
bildun^" im Bereic)i der Knil)rv(*nalanlage.
Drn Abtsd iiitt über die Spina bifida dos Menschen schliesse
ieli mit eini^^en Sätzen, in donon v. Hocklinghansen aus seinen
Beobaehtunp:on das Ergebuiss ziolit, dn^s die Ursachen ü\r die
Kntstolnnii;- der Spina bifida in (Umi trUiizeiti<i-ston Sta<lion dos
Entwieklung:spr(>ees8e8 zu suohon sein müssen. „Dio nachge-
wiesene Häufigkeit von Verdoppelung bei Rhachisehise
und der Mvelomeningoeele bildet eine wichtige, thatsächliehc
8tttti(e tür die Theorie, dass diesen Arten der Wirbelspalte eine
«olche Ajjlasie der Skeletaxe zu Grunde liegt, welche die Ver-
einigung der beiden Hälften der Wirbel- und Medullaranla^ zmn
einfachen Kohr verhindert hat. Wenn wir die letztere so regel-
mässig an der Spaltung betheiligt finden, wenn wir selbst bei
den Wirbelspalton geringster Ausdehnung, nändieh bei denjenigen,
welche eine Rückenmaikshernie, die Mvelomeningoeele, durch-
treten lassen, diese Pei^i.ntenz der Medullarrinne als das Maai^s- .
gebende nachgewiesen haben, so ergibt sieh die Notbwendigkeit,
auch die locale Missbildung des Rückenmarks von der aller-
frflhesten Zeit der embryonalen Anlage her zu datireu und anch
hier das Primäre in einem Wachsthumsmaugel des
Blastod er ms zu suchen. Die Muskel- und Hautplatten, selbst
die Anlage der Faseie erscheinen ebenfalls von Anfang an ge-
spalten, nicht seenndär durchbrochen und durchbohrt zu sein;
auch ihrem Keimmaterial fehlte es an Wachsthumsenergie.*'
Ich schliesse mich dieser Ansicht von Ree klinghausen
durchaus an, präcisire dieselbe aber jetzt genauer dahin, dass
das, was v. Recklinghausen einen Wachsthumsmangel desBlasto-
derms bezeichnet, in einer Hemmung besteht, welche der Ver-
schluss des ürmunds erf&hrt, in der Weise, wie es thatsäehlich
fltr Amphibien- uud Fischembryonen durch Beobachtung festge-
stellt ist^). So hängt das Verstftndniss einer grossen Zahl von
1) Auch Koux bemerkt in seiner Kingang» ciiirten Schrift (61):
„Zugleich gewinnt mit unserer Deutung der an Fröschen beobachteten
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I
424 OscarHertwig:
Missbüdnu^^eu mit Grundfragcu der Wirbclthiermorphologic zn-
gammcn. Da diese (Irundfrageu zur Zeit noch viel umstrittene
sind, will icii an der Hand des neu goAvonnmen Tbatsachen-
matcrialB auf eine weitere Begprechnng derselben im zweiten
Kapitel eingehen.
2. Die Bt'deutiiit:; der an den Missbilduii^en vrewoniieneu
Befunde für einige (iruudti ugen der Wirbelthiermorphologie.
a) Die Urmundtheori e.
Die in so ei^^^euarti^er Weise niis^gebildeten Frosehembryonen
habe ich als Hemmnngsmissbildttngen gedeutet. Anf Grund
dieser Deutung müRsen %vir bei den Amphibien eine Ausdehnung
des Umninds annelinien, wie sie uns das Studium ihrer normalen
Entwicklungsgeschiehte bis jetzt nicht licnnon gelehrt hat. Um
es gleich auszusprecheu, was wir bisher bei den Amplübien und
anderen Wirlielthieicn anf den t'in/.rhu'n Kutwickhmgsstadien als
Urniund bezeichnet hal>en, ist inniier nur ein Theil desselben und
dalicr gi'iiau gcnonjmen nicht nu und dasselbe Gebilde. Denn
der Urmund ändert im LaiüV der Eutvviikluug bestandiir steine
Form, Lage und Ausdehnung. Im Koi)n>ereich der Knil)ryon;d-
anläge zuerst entstanden, tindet er sich sj>äter in der Ilalsgegend,
noch siȊler in der Brust- und Londenregion und endlicli an der
Seljwan/knospe. So nimmt der Ab^tnnd /,\vis( hen der Kopf-
gegend nnd der Stelle, wo die rrninndiilViiniiii' sich zeitweilig
betiiuk't. mit der Yermehrimg der Ursegmente gleichen Schritt
haltend, zu.
Die Erscheinung erklärt sich in einfacher
Weise daraus, d a s s d e r ü r m u n d s i e it b a 1 d n a e U
s e i n e 1- ersten .V n l a g e d n r e Ii V e r w a e h s u n g sein e r
Ränder vom V(tr deren Ende an s c h Ii e s s t , w ä h r e n d
er sich na e h h i n t e n v e r g r <• s s e r t und eine Zeit
lang <> f r c n erhält. Die einzelnen E n t w i e k 1 n n g s-
stadien eines W i r b e 1 1 h i e r k e i m s zeigen uns daher
immer nur einen kleinen, dem jeweiligen Sta-
dium entsprechenden Abschnitt des Urmnnds ge-
DiastHHis mcdullari'^ die von H <• c k 1 i n ir h a n s e n ausgosprochcuo
Autl'aKtiUug' der iiückeniuarksspallliilduugeu eiue wciture SCrüUc."
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UriDUiid oud Spina bifida.
425
t\ i'ine t. W (t n e n w i r uns e i ii p V o r s t e 1 1 u u g von sc i-
II e r (ß e b ;i m m t ii u s il e h ii n n v e r s e ii a ff e 11 , s 0 m (1 b s e w
wir uns 1 1 e die Stellen, wo vom B o is i n u d e r E n t-
w i e k 1 II n g ei 11 e Vers c Ii m e 1 / 11 11 1; (Um- U r m u u d r ä u d e r
8 1 a 1 1 g e f II n d e u hat, geöffnet denke n.
Einen solchen Befund gehen uns die Froschmisshildungen,
bei denen die Henunung im Versehluss des Unnunds den höchst-
möglichen Grad erreicht hat. Hier dehnt sieh der ünnund vom
vorderen Ende der Anlage des Nervensystemf) and der Chorda
dorsalis bis zom After, also durch die ganze spätere
Rückengegend des Embryo in gnnzerLänge aus*).
Zu Gunsten dieser Auffassung selieint nun aber auf den
ersten Blick der normale Verlauf des Grastralationsproeesses bei
den Amphibieneiern sehr wenig zu spreoheu, wenigstens nach
der Vorstellung, welche zur Zeit wohl noch die vorherrschende
ist. Prüfen wir daher, ob diese Vorstellnng bei tieferem Nach-
denken nicht not h wendiger Weise einer Ergänzung und einer
Erweiterung bedarf.
Bekanntlich ist ttber den Gastrulationsproeess bei den Am-
phibieneiem em lebhafter Streit zwischen Oscar Schultze (63)
und R 0 u X (60) in den letzten Jtthi-en geführt worden. Zahlreiche,
mit Scharfsinn angestellte Experimente wurden von beiden Seiten
zur Begründung der entgegengesetzten Ansichten ins Feld ge-
ftlhrt. Der Gegensatz zwischen den beiden Au%ssnngen ist so
gross, dass Roux an diejenige Stelle der Eioberfläche die Kopf-
anläge verlegt, an welcher Schultze den Schwanz des Embryo
entstehen Iftsst.
Nach Schultze bezeichnet die dorsale Lippe des Gastnda-
mundes von ihrer ersten Entstehung an einen dicht unterhalb
des Eiaequators gtMegenen festen Punkt der Eioberfläche, welcher
der Schwanzseite des Embryo entspricht. Die Gastrahition findet
1) Wie sfhon früher lun\ or^a*i(obeii wuidi', tritt uns ein der-
artiger spaltförmiger Urinuufl, der zugleich axich noch von einem Ner-
venring eingesehlossen ist, in der Thierreihe bei den AnthosoMi ent-
gegen. Auch findet er sieh auf frühen Entwicklungsstadien vieler
Wirbellosen, bei Perip;itii*;, bei Anneliden und bei Ai tluopodeu. Bei
Peripatus nlTimit der Unmiiul die ganze I.äiip'o dcN liiickciis ein und
ist noch zu eine r Zeit g-etiffjiei, wo schon an seincTi Iv indt i n zu beiden
Seiten des S(mltes eine Anzahl von Uraeguieuteu eutstaudeu ist.
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426
Oscar Hertwig:
nach ihm in der Weim* Htatt, dasK die uutnr Kiliält'tc oder die
ve^'etative Hälfte der BlaetTila dmcli einen iic^vw diesen festen
Pnnkt tj'crichteten Einstiilpun,i;svor^;au^ nn<l durch Fläehenans-
dclinun^^ der aninialon Hälfte in das Innere des Eies aufgenom-
men und von dem Epibhist üherwaohsrn wird. .,Demj::emSss ent-
steht das Mednll:in-«>]ir auf der oi)ereu und mit Keeht seit alter
Zeit als „animal"^ benannten Hemisphäre der Blastula."
Roux dagegen lägst im schärfsten Gegensatz zuSchultze
das Nervenrohr sieh auf der ureprttnglicll unteren Seite des Eies
bilden. „Wir haben uns, bemerkt er, vorzustellen, «lass das Mar
terial zur ßildaug der Medullarplatte jederseits durch seitliches
Herabwachsen vom Aequatorrande aus auf die Unterseite des
Eies geschoben wird, und dass diese von beiden Seit( n her ein-
ander entgegenwaebsenden Platten unten in der Medianebene
mit einander verschmelzen. Diese Versebmelining tind( t suecessive
und zwar in ee])halocaudaler Richtung statt. Auf diese Weise
erklärt sich zugleich die in der gleichen Richtung erfolgende
Wanderang des Urmundes um etwa 170* Aber die Unterflüehe des
Eies. Die Gastmlation des Froscheies vollzieht sieh also wesent-
lich durch Ueberwaehsung der weissen, unteren H&Ute des Eies
von den beiden Seitenhftlften des Aequators aus, also durch bi-
laterale Epibolie.^ Eine Einstülpung kommt dabei bloss inso-
weit vor, als das Kahmngsdottenuaterial der unteren Hälfte zu-
gleich nach ohen gegen das Dach der Furchungshöhle hinwan-
dert oder verdrängt wird bis zur vollkommenen Berflhmng des-
selben, also bis zum Schwunde der Furchnngshöhle.*'
Roux begründet diese Ansieht durch scharfsmuig ausge-
ftlhrte Experimente. Wenn befrachtete Eier nach dem von
Ff Ittger (44) zuerst angewandten Verfahren in Zwangslage gehalten
werden mit nach abwärts gekehrtem, weissem Pol, so dass sie
die Drehungen, welche während der Entwicklung normaler Weise
erfolgen» nicht ausführen können, so bilden sich die Mednllar-
wttlste, wie auch Pflttger beobachtet hatte, an der unteren
Fläche des Eies und „sind stets so orientirt, dass der quere Ge-
himwulst etwa der Stelle der ersten Anlage des TJrmundsanmes
entspricht, während das hintere Ende der Mednllarwfllste neben
der Stelle des letzten Restes des Urmnndraudes gelegen ist**. Zu
demselben Ergebniss führten „Anstech versuche'^, welche Roux
i)i der Weise uu.sfübrte. das8 er mit einer erwäruiteu; feinen Nadel
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Uniiund und Spina bifida.
427
eine bestimmte 8tellc der F^ioberfläche verletzt«' und (hinn nach
Abliint längerer Zeit untereuchtei in welcher Geilend des Knibryo
die als Folge der Verletzung entstandene Narbe zu linden war.
Wenn die Mitte der schwarzen Hemisphäre der Blastula verletzt
wurde, lag später die Narbe nicht nach der Auflfassnng von
O. Schnitze in der -Mitte des Medullarrohi*s, sondern auf dem
Banehe des £mbryo. Wurde die erste Anlage der dorsiilen Ur-
mnndslippe zeret^irt, so ergab sieh daraus „ein Bildungsdefect im
queren Gehirnwulst". Verletzung einer schon beginnenden Ga-
sftrnla seitlich am Aeqnator fithrte einen Defect „annähernd in
der Mitte eines Medullarumlstes herbei^. Wenn dagegen das Ei
bei beginnender Gastrulation an der der ünnnndsanlage gegen-
fiberliegeuden Stelle des Aeqnators verletzt wurde, so war ein
Defect am caudalen Kdrperende die Folge.
Einen dritten Beweis findet Ronx in den Missbildnngen,
die von ihm als Asyntaxia medollaris besehrieben und von mir
in dieser Abhandlung auf ihren verschiedensten Entwicklnugs-
Stadien genau untersneht worden sind. Bei diesen ist ja auf den
ersten Blick zu sehen, dass die schwarze Hemisphäre der Bk-
stula zur Bauchseite der Missbildung geworden ist, und dass die
vegetative Hälfte, umsäumt von den Mednllarwttlsten, die nur
wenig ttber den Aeqnator des Eies herttbergesehoben sind, der
Rflckenfläche entspricht.
In der Polemik, welche zwischen Roux und Oscar
Schnitze ttber die Lage von Urmund und Nervenrohr in Bezog
auf die Oberfläche der BlastnUi entstanden ist, moss ich mich
auf die Seite von Ronx stellen; auch theile ich seine im Referat
wiedergegebenen Ansichten Ober die Bildung und Umbildung des
Urmunds beim Amphibienei,- wie der Leser aus den verschiedenen
Erörterungen, welche ich an mehreren Stellen über die Urmund-
frage angestellt iiabe, schon ersehen haben wird. Auf Grund
der Roux'schen Experimente und Beweisführung wird es allein
möglich die Befunde, welche uns <lie Frübchiiiissbildungcn ge-
liefert hiiUen, mit dem normalen Gaslrulatiousprocess in Beziehung
zu setzen.
Gleichwohl linde ich in der Darstellung von Ronx ehien
nicht unwesentlichen Punkt nielit in entsprechender Weise be-
rticksichtigt; es sind dies die Kinstülpnngsproecssc, die mit den
ümwachsungsproccsscn ciiihcrgchen. Öo bildet sich durcii cmo
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428
Oscar He rtwig:
echte Einstülpung, die vom dorsalen ürninndrand aüf4g;eht, die
auseliulichc Kopfdamihöiilc ans, die in weiter Ansdelniung von
einer einfachen Schicht cylindrischer Entobhistzellen bedeckt wird.
Selbst bei den höchsten Graden unseror Mis8bildung:en, die Boax
in der Meinung, dass ihn<Mi eine Urdarmhöhle ganz fehle, auch
Anciitoblastia genannt und als dannblattlos besehneben hat, ist
eine bald mehr oder minder geräumige, znweilen in Buchten
auslaufende Kopfdannhöhle vorhanden, die lediglich durch Ein-
StÜlpTing entstanden ist. (Vgl. Taf. XVIT, Fig. 9 u. 16 kd.) Bei
normal sich eutwiekelnden Eiern fällt dieser Hohlraum aber be-
trächtlich grösser aus. Ferner linden, wenn sich der Urnmud
nach hinten ausdehnt nnd die vegetative Hälfte der Blastula da-
durch umwachsen wird, noch fortwährend Einstfllpungsprocesse
statt. Einmal legt sich, wie auch Ronx hervorhebt, das Dotter-
material bis zur vollständigen Verdrängung der Furehungshöhle
an die entgegengesetzte Wandfläehe der urspiUnglichen Blastula
an, zweitens aber wachsen von den ürmundrändem aus Zell-
massen zwischen Dotter nnd äusseres Keimblatt hinein und liefern
das mittlere Keimblatt, oder mit andern Worten: von den ür-
mundrändem ans stfilpen sich die' Leibessäcke ein. iSo zeigt uns
eine erschöpfende Analyse die nach der tlbliehen Darstellung so
einfach erscheinende Gastrnlation der Amphibien als einen in
vielen Beziehungen ansserordentlich complicirten Wachsthnms-
process.
Durch die neu gewonnenen Gesichtspunkte erseheinen mir
drei Punkte in der Amphibienentwicklung, auf welche ich schon
in meiner Monographie des mittleren Keimblattes (24) aufmerksam
gemacht habe, in einem klareren Lichte.
Bei Eiern von Tritonen, bei denen sich der Urmund schon
zu einem kleinen Loch geschlossen oder in eine Längsspalte um-
gewandelt hat, besehrieb ich, noch ehe die MedullarwOlste auf-
treten, an der. BUckenfläehe eine vom ürmund nach vom ver-
Uufende Furche und gab ihr den Kamen Rflckeni'inne (l e. Taf.XVI,
Fig. 4 — 6). In ihrem Bereich besteht die Rfickenwand nur aus
zwei Lagen cylindrischer Zellen, dem äusseren Keimblatt und
der darunter gelegenen Chorda-Anlage, (dem Ohordaentoblast);
beide Lagen sind fester tmter einander verbunden, als es seitlich
davon zwischen äusserem und dem hier entwickelten mittleren
Keimblatt der Fall ist (I.e. Taf. XVIII, I ig. 1—2;. Bei Anureu habe
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Urinund und Spina bifida.
429
ich aucli eine solche Rückeiirinne, in dercni Bereich an der
Decke der Urdannliülile die Cliorda entstellt, aber weniger deut-
lich ausiiTprilat gefunden. In der R ü c k e ii r i ii ii e erblick e
i c h j e t z t die X a h 1 1 i n i c , in welcher bald nach de m
B e g i n n e der G a s t r u 1 a t i o n die U r ni u n d i- ä u d e i* sie h
in einer von vorn nach hinten langsam fortschrei-
tenden Richtung in der M e d i a n e b e n e z u s a m m c u -
gelegt haben u n d v e r s c Ii ni o 1 z e u s i n d.
Der zweite Punkt betriift die Entstehung des mittleren
Keimblattes. Ich Hess dasselbe sicli nicht nur in der l iiiircbung
des Urmuuds, sondt rii auch zu beiden Seiten der Chonbcuilage
dadurch bilden, iiasj> sieh Zellmassen, welche die Ooeluiuiaschen
darstelU'ii. zwischen die beiden primären Keimblätter einstülpen.
Rabl (4.')) untei*schied hierauf, je nachciem der erste oder der
zweite Bildungsmodus statttindet, einen peristoninlen und einen
gastralen Mesoblagt. Diese Unterscheidnn^'- hat nur die Bedeu-
tung einer topographischen Eintheilung des Mesoblasts nach den
Verbindungen, die er auf gewissen Entwicklungsstadien mit den
Naciibarorganen zeigt. Eine tiefere, genetische Bedeutung kommt
ihr nicht zu. Denn da die Ohordaanlage sich an der Ver-
schmelzungsstelle der ürminulränder bildet, so ist das zu ihrer
Seite betindliche nuttlere Keimblatt ebenf^Us durc Ii Eintal-
tnng an den UrmundrUndern eutstaiiden, zur Zeit als dieselbeu
sieh noch nicht in der Xahtliine verbanden hatten. Alles, was
auf vorgerückteren Ent wick lungBStadien nach der
•Ausd ru eks weise von Rabl in topographischer Be-
siehung als gastralcr Mesoblast bezeichnet wer-
den kann, ist auf jttngeren £ut wieklangsstad i en
ebenfalls peristomal gewesen und erst durch den
Verschmel/.unggprocess der Urmundränder gastral
geworden. Mit einem Wort: bei den Wirbelthieren entsteht
das mittlere Keimblatt ttberhaapt mir durch Einfaltung ron den
Urmttndillndem ans.
Der dritte Punkt betrifft die Waehsthnms- und Bildmigs-
Vorgänge an dem hinteren Ende der Amphibieuembryouen. Von
denselben habe ich in meiner filteren Abhandlung (24) schon eine
völlig zutreffende Schilderung gegeben.
Dort habe ich das hintere Eörperende etwas älterer Em-
biyouen und die Umgebung des Urmunds als eine Wachstbnnis^
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480
Oflcar Hertwig:
und Neubildungszoiu' bezeichnet und durch Verfolgun^j- Qncr-
ßchnittssorien fest^M'stellt, wie von hier aus durch Anfügung neuer
Theile sicli das mittlere Keimblatt, die Chorda, das Mednllarrohf,*
die Aii/alil der Ursegmente veri^Trtssert ; so heiis.<t es Seite H7 I.e.
von Froselieiern : ^Wonn man von hier (Schnitt durch den Ur-
niund) die Schnittscrie kopfwärts weiter verfolgt, so sieht man
zunächst den spal tförmigen Blastojiorus sich Sühliessen
und d u r c Ii Vereinigung h c i d e r L i [) p c n zwischen
Aussen- und Innenfläche des Keims eine mediane
ungetheiltc Zellenmasse entstehen. Dann sieht man
die letztere in eine äussere und eine innere Lage gespalten werden.
Die äussere ist der schon zur Medollarplatte verdickte und mit
der RUekenrinne versehene Ectoblast; die innere Lage aber ist
der Chordaentoblast. Derselbe nimmt zwischen den zwei auch
hier sichtbaren Entoblastfalten, welche in derselben Breite wie
früher von einander entfernt sind, an der Begrenzung des Darms
Theil." Derselbe Vorgang wird dann an einem etwas älteren
Embryo in ähnlicher Weise durch Hinweis auf 4 Querschnitte
einer Serie (Taf. XXIII, Fig. 1—4) noch eimnid erifintert (p. 89).
Auch tttr die Tritonen wurde der Nachweis gef)lhi% dass die
seitlichen Urmundlippen verschmelzen (pag. 43 u.
44) und gezeigt, in welcher Weise sich aus der nun entstandenen
Zellmasse Chorda und Mednllaiplatte differenziren (pag. 45).
Durch logische Verarbeitung dieser Befunde, zumal im Hin-
blick auf die von His(29) gegebene Darstellung der Teleostierent-
Wicklung hätte man schon damals zu der Anschauung geführt
werden kOnnen, dass die Chordaanlage auch im vordersten Be-
reich des Embryo durch einen VerBchmekungsprocess der Ur^
mundlippen entstanden sei. ■ Schon die rein morphologisehen Ver^
hältnisse bieten, wie ich glaube gezeigt zu haben, bei richtiger
Beurtheilung Anhaltspunkte fDr die Auffassung, welche später
durch Pflüger, vor allen Dingen aber durch Roux auf Grund
experimenteller Studien von dem Gastrulationsproeess der Frosch*
eier gewonnen worden ist.
Von der QaBtruUtion der Amphibien wQrde ich daher jetzt
folgende Darstellung zu geben haben.
• An der Uebergangszonc der animalen in die vegetative
Hälfte der Keimblase oder der Randzone entsteht an einer Stelle,
welche dem Kopfende entK|>ricid, eine kleine Einstülpung, die
I
i
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Urntund und Spina bifida.
481
zur Kopfdariiiliöhie wird. Die Einstülpung veriiiossert sich weiter
nach hinten, der Randzone folgend, dadurcli, daKs ZeIhnaRsen
zwischen Dotter nnd äusseres Keimblatt hineinwaelisen und die
seitlichen Leiboüsäeke bilden. GleiL'hzeitif^ waciiseii hieiltei die
Uinsehla«rsränder oder die Cnnuiidlippen von ihrer ereten Anla^;e
am Kiae(|uator au ül)er die vegetative Hälfte der Keiniblast' iier-
über, so dass sie vorn von beiden Seiten Iut nälier aneinander
Hleken. während sie nach hinten noeb \Miter auseinanderstellen,
im Allp'meint'vi rlie Form eines Hufeisens (»esehreibend. Weim
sie sich in l^'oi^e der ümwachsung in iWr Medianebene treffen,
verschmelzen sie allmählich von vorn nach hinten. Hierdurch
wird erstens im Anschluss an die Kopfdarmhöhle (ier ürdarm
vergrössert. zweitens rückt der jeweilig- noch offen gebliebene
Theil des L'nuunds mehr caudaiwärts, drittens bildet sich die
KUckenwand des Embrvo aus, welche der Ver8chla»«atelle ent-
Bprecheud noch die Kttekenrinne zei^t.
Aus deiQ äusseren Keimblatt in der Umgebnng der Rttcken-
rinne entwickelt sich die Medullarplatte, deren querer Hiiiiwulst
ein wenig* vor die Stelle za liegen kommt, von welcher die
Oastridaeinstfilpung ihren Ausgang genommen hat; aus der nntem
Fläche der an der Rückenrinne verschmolzenen Urmundlippen
entoteht die Ohordaanlage ; das an den Urmundlippen durch £in-
" stttlpung gebildete mittlere Keimblatt (peristomaler Mesoblast) ist
jetzt im Yenicbmelzung^gebiet gastraler Mesoblast gi^worden.
Der OastruIationsproceBS erstreckt sich tiber einen längeren
Zeitraom nnd schreitet von vom naeb hinten fort Oaitdalwärts
yergrOssem rieh die seitlicben Urmundlippen^ indem sich an der
BandKone die Coelomtaseben durch EinstfilpuDg weiter ausdehnen;
sie scbliessen sieh endlieb an einer der ersten Einstttlpung Tis
k vis gelegenen Stelle der ursprUnglieben Keimblase zn einem
Bing (Entstehung der ventralen ürmnndlippe). Die vegetative
Hemisphäre ist dann bis auf das Gebiet des freili^nden Dotter-
pfropft ganz umwachsen. Die Urmundnaht hat eine entsprechende
Zunahme erfahren. Der noch offene, jetzt ein rundes Iioeb dar-
stellende Theil des Blastoporus ist vom queren Himwulst weit ab
an das Schwänzende des Embryo gewandert.
Dann wandelt sich durch weiteres Zusammenrttcken der
seitlichen Urmundrftnder das runde Loch in einen längsverhiufcndcn
Spalt um, an dem die Verschmelzung nach wie vor von vom
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Oscar H e r t w i g :
nacb hinten fortschreitet^ während der offen bleibende Theil sieh
eine Zeit lang durch Waelisthum (Einschieben durch Theiluug
neujjebildcter Zellen) ergänzt und schlieswHeh noch durch die
Bildung von Schwunz und After Veränderungen ertUhrt, anf
welche ich an späterer Stelle /miiekkonimen werde.
Auf diese Weise wird die ganze KUekenflächc de« Am-
phibienembrvo mit ihren axialen Organen vom AiifnUji; des Nerveu-
rohr» und der ('lundu bis zu ihrem hinteren ICiide durch Ver-
schmelzung der Unnundränder nnd durch l)it!ViiMi/iriiiigspri>ecs4>e
in ihrer Umgebung gebildet. Nervenrohr und Chorda legen da-
her aueh späterhin (Iber die Ausdehuuug der. Urmundspalte ge-
wiiisennaasficu nocli Zeugniss ab.
Uoi unserer Auftns^nng kann es jetzt nicht schwer fallen,
den g('sl(»rtt'n Uastrulaiinnsprocess der früher beschriebenen Miss-
bildungen auf den normalen Process zurückzuführen. Zwiselieu
beiden besteht der llauptuntersehie<l darin, das« bei den Miss-
bildungen sieh zwar die Einstülpung der Kopfdannhr»hle und die
Einstülpungen der CoelomtaselhMi an der Kandzone in einem
durch das Schema (Taf. XX, Fig. 11 j veranseliauliehten Weise
gebildet haben, dass aber das Vorwaclh^en der ürmundränder
und ihre Verschmelzung in der Medianebene des Rückens unter-
blieben und daher nicht ein Zustand herbeigeführt ist, wie
ihn das Schema Fig. 19, 20 darstellt. Zugleich aber wird mau
auch verstehen, warnm die ursprünglichen, so sehr von der Norm
abweichenden Missbildungen doch noch nachträglieli in den nor-
malen Eiitwieklungsverlauf einlenken und die Störungen bis zu
einem gewissen Grad ausgleichen ktinuen. Es brancben ja nur linke
und rechte Etlckenhälfte noch später zusammen zu Yücken und zu
verwachsen.
Der kundige Leser wird bemerkt haben, dass meine Darstellung
zu Anschauungen hinttbeiieitet, wie sie, von anderen Forsebeni »u-
nächst abgesehen, namentlich His seit längerer Zeit an Teleostier-
uttd Haiembryonen entwickelt und neuerdings als Gonereseenztbeorie
verallgemeinert bat, leb ergreife daher die Gelegenheit auf
die Conereseeiiztheorie
ausfnbrlicber einzugehen und meine Stellung zu ibr näher zu er-
läutern.
Schon in seinen „Briefen Uber unsere Körperform^ bat
H is (29) ausgesprochen, dass bei den Knochenfischen „das Material
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Urmund und Spina biüda. 433
zur Rinni)fanlage im Randwulst aufgespeichert sei und datlurc^li
an seinen Ort «relange, da«» jevveilen die, dem liiuteren Ende
des bereits abgegliederten Embryo zunächst liegenden Strecken
an diesen sich heranschioben und ihn nach rückwärts verlänö-ern."
„Die Anlage des Körp* rs ^ci ein platter Rin;^ (der Keiniwulst),
dessen 2 Seitenhälften sich siiceesiv aneinander legen _ und sich
als symmetrische KörperhäUteu vereinigen.^ Eine ülinliche Rolle
hat Lereboullet schon vor His dem „bourrelet cni])ryogcue"
zugewiesen und diesen Gedanken dann auch in zutreffender Weise
zur Erklärung der Missbiidungen des Hechts beuutzt, wie ich
schon früher (pag. 414) erwähnt habe.
Auf dasselbe Thema ist His noch in mehreren Arbeiten zurück-
gekonmien, so namentlich auch in seinem Aufsatz über die Entwick-
lung der Haitischembiyonen (28). In diesen früheren Arbeiten hat
sich His auf die Aufstellung der Wachsthumsgesetze an dem jewei-
Ugen Untersuchnugsobjekt beschränkt und nicht versacht eine allge-
meine Theorie von der Bedeutung des ganzen Vorgangs zu geben,
sondern im Gegentbeil erklärt: er sei nicht im Stande ein all-
gemeines Schema der Fiseh- oder der Wirbel^ierbildting zu
entwerfen, nicht einmal die Bildung der Chorda oder des Mo-
dullarrohrs lasse sich zur Zeit unter gemeinsame Formeln
bringen. Dagegen hat His auf dem letzten Anatomencongress
einen solchen Versneh gemaeht nnd in seinem Vortrag (31) „zur
Frage der LängsYerwachsnng yon Wirbelthierembiyonen" eine
Concreseenztheorie aufgestellt.
Aufigdiiend von seiner Beobachtung, daas bei Knoehenfisehen
nnd Selaehiem der Itumpf sich durch Lüngsverwaehsong zweier
seitlieher Hftlften bilde, indem an den zuerst oitstandenen, vorderen
Embiyonaltheü sich von hinten her neue anfügen, wirft His die
Frage auf, ob auch bei anderen Wirbelthieren an irgend einer •
SteUe euie nacbweialiche Lftngsverwachsnng von Azialgcbilden
vorkoomie? Er glaubt eine solche im Bereich der Primitivrimie
und des neurenterisehen Canals zu finden. Dabei schreibt er der
Frimitivrinne eine weitere Ausdehnnng nach vom zu, indem er
auch den Kopffortsatz aus ihr hervorgehen lässt, und bezeichnet
sie ihrer Bedeutung nach als eine Neurochordalrinne. „Die Chorda
sowohl als der Boden der Medullarplatte wachsen aus 2 Seiten-
hftlften in der Mittellinie zusammen. Die Bildung und Versehliea-
Bung der Primitivrinne geht dabei* in der ganzen RörperlAnge der
Arolüv r. ndknwk. AnAtomi«. Bd. 9« 29
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484 Oscar Her twig:
Bildiiii£^ der Chorda und der azialen Abgliederang der MedulUtr-
platte Torans.''
Herkwtlrdiger Weise stellt His die Beziehnng der PrimitiT-
rimie und des neurenterisehen Canals zum Urmuiid in Abrede.
Da der nenrenterisehe Ganal bei den ,amnioten Wirbelthieren
fleevnd&r darehbreehe, falle er ausser Vergleich mit dem seit
Rnseoni bekannten Blastoporus niederer Wirbelthiere oder dem
Urmnnd im Sinne Haeckels. „Der Blastopoms'^y bemerkt His,
„ist die allmfthlieb sieh Terkleinernde Oeffhuug, welche frei bleibt,
wenn die rascher dnrehffirchte, obere Eeimhftlfte die langsamer
dnrehihrehte, nntere Hälfte (bezw. der Dotter) umwächst. Der
Blastopoms kaim nnn zugleich nenrenterisehe Oeffhnng sein. Dies
trifft ttberaU da zu, wo die Embiyonalanhige am Eeimrand ge-
legen ist, bei Fischen nnd bei Amphibien. Bei allen amnioten
Wirbelthiereu dagegen sind Blastoporns und nearenteriBche Oeff-
nung streng auseinander zu halten. Jener ist eine Umwaehsungs-
lücke, diese dagegen ist eine Durch bruchsöflFnung, d. h. es gehört
die iieureiiteriscbe Oet!iiung von Amnioten in dieselbe Kategorie
von Ocüüuiii:cii. wie Mund und After, mit denen sie ja aueh die
axiale Stellung g(;uii III h^bcn." So kommt denn Iiis am Sclilusn
seines Aufsatzes da/.ü^ die Concrescenztlieorie von der Urmund-
frage, die meiner Ansicht nach erst das Vcrständniss ftir sie
liefert, ganz abzulösen und indem er an Stelle der Umnnidränder
eine Embryo bildende Falte setzt, seine Theorie iu folgende Sätze
zusanunenznfassen :
„Bei allen cranioten Wirbeltliieren legt sieb zunächst das
Kopfende des Körpers als eine Lufeisenffirmii^e Falte des Ecto-
blasten an. Zwischen beiden Schenkeln des llut'eisens liegt die
Priraitivrinne, dt hü Bedeutung für die Chorda und die Mark-
plattenbildung oben ertirtert worden ist. Die embryobildende
Falte kann vom Rand ausgehen und das Keimrandgebiet in <1er
i^'olge tbeilweise oder ganz in ihren Bereich ziehen, oder sie kann
vom Keinn-and entfernt auftreten. Erstcrcs ist der Fall bei den
Fischen und Amphibien, letzteres bei den amnioten Wirbelthiereu.
In dem einen wie in dem anderen Fall wirken verschiedene
Kräfte in schräger mcdiocaudaler Kiehtung auf die primäre
Faltenanlage, der Embryo wird al)solut schmäler und zugleich
unter Hinzunahme von mehr seitwärts gelegenen Theilen länger.
Bei niederen und bei höheren Wirbelthieren findet eine Yerlüthnng
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Urmuud imd Spina bifida.
436
(1er Axialg^ebilde aus 2 Seiteiihältteii statt, und so ergibt sieh
damit die Länpiverwaclmunj^ in der Mittelebcnc als ein durch-
^irifciider Voi^iau;:" tlir sümmtlicdie Wirhclthiere. Unter den
Wirbclioscu tiiKlrt dor VorjErang seine Parallele in der Keim-
Strcit'enverwacli.suii^ von Würmern und von Arthropoden."
Die Concrescenztheorie von His hat sehon in tVülieren
Jahren, aber auch neuerdings aut dem Anatoniencongress nianühe
Angriffe erfahren. In frHhereii Jahren haben sieh iiaiiieiitlich
F)allV»ur (1 bj inid Rabl selir ent^äcliiodeii ^e^i^eii sie auso-esproelien.
Balfuur rrkliirt sie für »"in»' j)ara(i(»x(' Ansieht. Ausser anderen
Gründen tiilirt er als Hauptur^^mneut ^eg^en sie an, dass der
Naln'un^''sd< Itter bei den Wirbelthieren an der Ventralseite des
Körpers liege und vom HIastoderin iniiliüllt werde, so dass bei
allen Wirbelthieren mit g-rossem Dutter die ventrale Leibeswand
offenbar durch den Verschluss der Blastoporuslippen auf der
Bauchseite vervollständig^ werde. „Wenn nun His und Rauber
Recht haben", fährt Balfour fort, „so bilden sich auch die
Dorealwandun^en durch den Verschluss des Blastoporus völlig
aus, BO dass dann die ganze dorsale sowie die g^an/e ventrale
Leibeawand des Embryo durch die Verwachsung der Blastoporus-
lippen gebildet werden mUsste, was offenbar eine rcductio ad
absurdum der ganzen Theorie ist." Balfour kommt daher zum
Sehluss: „Je eingehender man die Theorie im Lichte der ver-
gleichenden Eni1)ryoh»gie prüft, desto uidialtbarer erweist sie sich."
Nicht minder ablehnend hat »ich Ka hl (45) gegen die Tlicorie
von His verhalten. Aber auch seine thatgächiieiien Beobaeh-
tnngeu an Knochen- und Haifisehembryonen wurden beanstandet,
BO vonKastachenko (;>2)aaf Grund von Ergebnissen, zn denen ihn
operative Eingi-iife, Verletzung der Randwttlste lebender HdfiBch-
embryonen, geführt hatten. KastBohenko ist ttberzeugt, ^daSB
das Material für die Bildung der Axentheile des Embiyonalleibes
von Anfang an nicht in den RandwfllBten, sondern am hinteren
Ende der Eeimscheibe, d. h. dort wo in der That die Formimng
des Embryos vor sich geht, gelegen ist''. Diese Sehlnssfolge-
ningen kann indessen R fl ck e r t (62b) nicht theilen. Er trennte eben-
falls durch operative Eingriffe an Pristinrnsembryonen den Rand-
wnlst einer Seite ab, liesB aber die operirten Embryonen sieb bis
zn einem filteren Stadium als es Kastschenko gethan hat,
entwickeln; er hat dann in der That eine geringere Ausbildung
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I
486 Oscar Hcrtwi^r:
resp. einen Defeet auf der operirteu »Seite (bei Oberflftchenl>ctrach-
tung) gesehen.
Im Gegensatz zu H a 1 f o u r , R a b I , K a s t s c h e n k o ii. A.
haben mehrere Forseher der Concreseeii/.tlieorie von H is auch zu^ii^e-
stimint^ besonders Kaub er, Koux und 8 e d w i c k -M i n o t.
R a u b e r (46 5c>) erklärt in sehr ansprechender Weise die
Doppelmoustra von Knochenfischen aus der Art, wie sich die
KeimwUlste zusainiueulegen. Besonders alier kommt ihm das Ver-
dieiisi /.u, dass er den ganzen Troccss scliou als Urmuudschluss
zu deuten versucht hat.
R oux fßO) findet die Angaben von His über die BihUmg eiues
Knocheutiscliejübryo in UebereinstiiiHiinnp: mit den Folg-eruiiiren, die
sich auö seinen Versuchen am Fn»sehei ergeben haben. Seine schun
mehrfach erwähnten Experimente lietrachte ich als sehr wichtige
und vieles klarlegende Beiträge zur L rnmnd- und ( ■oncrescenztheorie.
In letzter Zeit endlieh hat sich ( liarles Sedgwick
Mi not (41) entschieden auf die Seite von His gestellt in einem sehr
beaehtuugswerthen Artikel: „The concrescence theoiy of the verte-
brate embryo." Minut sucht für alle Klassen der Wirbelthiere
die Entstehung der Achscngebilde durch Verwachsung nachzu-
weisen, wobei er im Priniitivstreifen die Vervvaclisungsnaht gleich
His erblickt. „The vertebrate primitive streak is fonne(i by
the growing together in the axial line of the future embryo of
the two halves of the ectentai line." Dabei entwickelt Minot
Aber die Bedeutung des ganzen Vorgangs eine an Rauher sich
anlehnende Auffassung. Nach ihm sind di(^ Verwaehsnngsränder
die Urmundlippen. Die Gaatrala der Wirbelthiere hat einen sehr
in die Länge gezogenen Urmand, der sieh während der £nt-
wickltnig von Tom naeh hinten schliesst Der jeweilig offen
bleibende, hüiterste Theil desselben ist der Blastopoms. „Oon-
ereseence is, then, a inodified method of nniting the Ups of a
greatly elongated gaatrula month.'^
Bei einem Rflckblick auf die Gesehichte der Conereseenz*
theorie sehen wir die in der Biologie nicht seltene Erscheinung»
dass ganz hervorragende Forscher zu diametral entgegengesetzten
Urtheilen Aber ihren Werth gelangt sind. Einige erklären sie
von vornherein fftr paradox, während andere sie als eine sehr
bedeutungsvolle Lehre begrflssen.
Ich selbst habe mich bisher aber dieselbe bei kemer Ge-
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Urmund und Spina bifida. 487
l^nheit aiugesproclien^ habe aber Beobaehfniigen (24) mitgetheilt,
dass bei Amphibien der vorderste Theil des Urmnnds auf ver-
schiedeDen Eotwicklungsstadien in Verwachsung angetroiTen wird
und daas ans dieser Verwachsungsstelle etwas weiter nach vom
sich Chorda, Mednllarplatte und mittleres Keimblatt difTerenziren,
dass der WirbelthierkOrper durch Ansatz von Theilen, die sich
an seinem hinteren Ende nengebildet haben, in die Länge wächst
und dass Urmund und Primitivrinne sich in demselben Maasse
vom Kopfende immer weiter entfernen. Aueh habe ich in meinem
Lehrbuch die Beobachtuu^-Lii Dnvals (13), wie sich die Sichelrinnc
in die Primitivrinne umbildet uud diese von vom nach hinten
verwächst, zustimmend anf^enonimen. Die volle Tragweite dieser
Thatsaehen nach den veisfcliiedensten Richtungen hahe ieli aber
bisher nicht s'ewürdigt. Wenn ich daher jetzt /um ersten Mal
über die Cüuerescenztbeorie mich ausspreche, so muss ich zuerst
hervorheben, dass ich im Gegensatz zu vielen andern Forschem
in der Beobachtung von His, dass sieb bei Fischembiyfmen die
Keimwülste allmählich von vorn nach Iiiuten zur J'ormirnnir der
Axenorgane znsaramenlefrcn, eine sehr wichtiire KnhicckunjL;' er-
blicke. Des^'-leieheii stimme ich seiner bedeutuni.'-svollen Yerall-
gemeineruug zu, dass im Bereiche der Primitivriiine derselbe
Process sich vollziehe und dass der Kopffortsatz au« dem vor-
dersten Tbetl der Primitivriune entstamlen sei. Für verieblt
halte ich daget]::(ni die Angaben über den ürmniid und was da-
mit zusammenhängt: und wenn His versucht, die ( 'oncrescenz-
theorie von der Urmundtheorie getrennt /.u bebandeln, so muss
ich hierzu l)emerken, dass die erstere nur in Verbindung mit der
letzteren Uberhaupt verständlich wird. Gerade in dem Umstand,
dass His das Verhältniss des ürmunds zu seiner Theorie „der
-Bildung des Wirbelthierkörpers durch Verwachsung^'' nicht klar
zu legen vermocht hat, ist mit ein Grand zu suchen, dass
Forseher wie Balfour und Rabl sich so abiebnend gegen
seine Darlegung verhalten haben. So stehe ich denn im Allge-
meinen auf dem von Rauber und 8. Minot vertretenen Standpunkt.
Nach diesem historischen Exciirs will ich des Näheren aus-
führen, in wie fern die Urmundtheorie und die Concrescenztheorie
zusammengehören und wie die letztere nur auf der Grundlage der
ersteren verständlich wird. Einige Schwierigkeiten, die dem
Gegenstand noch im Wege stehen, werden hierbei zu he-
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488
Oscar H6xvtvi|f :
seitigen sein; die Urmimdtlieorie selbst aber wird» wie ich hoffe,
bei diesem Versuche an Klarheit gewinneii.
Da bei einer allgonein-morphologischen Frage, welehe den
ganzen Gnindplan des Wirbelthierkörpers betrifft, eine systema-
tische Unterauehnng vom Einfachen zum Oomplicirten fortzn-
schreiten hat, wird zuerst zn prüfen sein, wie verhält sieh der
Gaatrulationsproeess beim Ainphioxus zur Lehre von der Ver-
waohsnng des ürmnnds längs einer Linie, welche später noch
durch die Lage rem Chorda und Nervenrohr annähernd bezeich-
net wird?
Die Antwort hierauf gibt uns die Anjphioxusmonographie
von H a t s c* Ii c k (20), dessen vorzügliche Beobachtungsgabe für
die Ricliti^jkeit seiner Angaben Gewähr bietet.
Die Gastriila de« Arnpliioxus lässt sich zuerst in ihrer Form
einer flachen, ovalen Schüssel oder einer Mütze vergleichen, an
der sich das spätere liintere Ende gut dadiuch unterscheiden
lässt, da?is die Ectodenn/.ellen grösser sind und unter ihnen be-
sonders zwei durch iiire ( i rosse sich auszeichnen. Später wandelt
sich die weite Mündung in ein kleines Loch um, das um Hinter-
ende des Embryo gelegen an der Rückenfläche ausmündet.
Hatschek hat die Frage, in welcher Weise die Verengerung
des Urmunds zu Stande kommt, sorgfältig geprüft nnd ist durch
Vergleichung der einzelnen Zwisehenformen zu dein Schluss ge-
konmien, dass dies durch Verwaclisun^- seiner Känder geschieht,
welche vom vorderen Theil ausgeht, während der hintere stets
unverändert bleibt. „Die e r w a c h s u n g erfolgt in eine r
Linie, welche <l e n g r ö s s e r e n T h e i 1 d e r s p ä t e r e n
Btlekenlinie bildet." „Der Gastrulamund ,:;ehört
gans der späteren Rückenseite an.^' Die Gastrula-
schliessnng längs der Mittellinie wird dem ähnliehen Process bei
Anneliden verglichen.
Wenn diese Darstellung von Hatschek richtig ist, was
ich sielier glaube, wflrde beim ausgewachsenen Thier das vordere
Ende dea ürmnndes, wenn wir ihn uns wieder seiner ganzen
Länge nach geöffnet denken, am Anfang des Nervenrohrs, wie
bei den Amphibien zu suchen sein. Die Chordaanlage wflrde
sich unterhalb der Verschlussstelle, die Mednllarplatte oberhalb
derselben, das mittlere Keimbhitt zm Seite der Chordaanlage
durch Ausstülpung bilden, sodass auch in diesen Beziehungen
Urmiind uncl Spina bifida.
489
eme yollständige UebereinBtimmtnig mit den bdm Frosch er-
haltenen Ergebnissen hergestellt wäre.
AmphioxBS und die Amphibien, deren Uebereinstimmnng hier-
mit nachgewiesen ist, bieten uns nnn eine sichere Grundlage dar,
nm an ihnen das Ortliehe und zeitliche Yerhültniss in der Entwick-
lung der wichtigsten Organe in Bezng zum Urmnndyerschlnss
zn erOrtem. Bei beiden wird der Urmnnd in seinem vorderen
Theil in grosser Aosdehnnu^^ geschlossen, längere Zeit bevor sieh
die Chorda in der bekannten Weise ans dem Ohordaentoblast
zn differenziren beginnt. Wir sind daher wohl nicht berechtigt,
in diesen Vorgängen einen ursächlichen ZuBammenhang zu er-
blicken in der Weise, dass wir sagen, die Chorda wird direct
durch die Verwachsung der Urmundränfkr gebildet. Vielmehr
liegt das Vi ihalmiKS so, dass durch diesen Froccss nur der
Körperbeziik geschaffen wird, die Decke des L'rdaruis, in «leren
Bereich die Chorda dorsalis aus Ursachen, die uns noch unbe-
kannt sind, spater ihren Ursprung niiinnt. Insofern ist die Chorda
nicht kurzweg als die axiale Längsnaht des Körpers /u i)ezeichnen,
sondern sie deutet uns mir durch ilirc Lage den Ort an, in deren
Bereich die f^rniundörtnung cininal bestanden hat.
Ebenso verfehlt wäre es, aus dem Yorkoininen einer dopjielten
Chorda bei ausbleibendem Urmundverschlnss zu folgern, das» die
eintaehe Chorda historisch aus Verwachsung ein( r v erdoppelten
Chorda entstanden sei. Denn die Verdoppelung der Ciiorda be-
ruht ja in diesen Fällen allein darauf, dass das Anlagematerial
durch das Versagen eines nonnalen Entwicklungsvorgangs ab-
normer Weise getrennt erhalten ist zu einer Zeit, in welcher die
Differenzimng der Anlage eintreten mtisste; sie ist aber nur be-
gründet in der Störung des zeitlichen Verlaufes von einander
abhängiger Kntwicklungsprocesse nnd daher nicht der Ausdruck
eines historischen Verhältnisses. Es liegt somit ein ähnlicher
Fall vor, wie die doppelte Anlage des Herzens bei den Wirbelr
thieren mit meroblastischen Eieni, deren Bedentung ich in meinem
Lehrbuch der £ntwicklung9geschichte (25) ausfllhrlicher ausein-
ander gesetzt habe.
Anders verhält es sieh mit dem centralen Nervensystem
Hier lässt sich eine Reihe von Gründen dafilr geltend machen,
dass das Nervensystem in primitiver Form als Nervenrmg um
den Urmnnd schon vor der Zeit seines Verschlusses angdegt ge-
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440
Oscar Hertwi ff ;
wesen ist^ wie die Anthozocn lehren. Das Auftreten dee Nerven-
gyBtems geht also historisch dem UrDiiindvergchluss voraus, und
wir können in der That Ba^en, dasR linke und rechte Hälfte des
Nervenrings dnreh eine Naht, welche die vordere Cominissur
liefert, verbunden werden. Beide Oommisanren des Gen-
tralnervensystems sind Nähte, die vordere ent-
standen dnrch den ürmnndversehluss, die hintere
durch die Umbildung der Medullarplaite zum
Mednllarrohr.
Ein letzter Punkt, der jetzt noch einer kurzen Erörterung
bedarf, betrifft das YerhültniBS, in welehem der Urmund beim
Amphioxns und bei den Amphibien zu dem Längenwaehstbum
ihres Körpers steht. Wie erfolgt dasselbe weiter zur Zeit, wo
sieh der Urmund bis auf eine kleüke Stelle am hinteren Ende "
gesehlossen hat? Wohl alle Forscher stimmen darin Qberem,
daes sieh am hintern Körperende eme NeuhÜdungs- oder Keim-
zone vorfindet, durch deren V^mittelung sieh der Körper in ähn-
liche Weise wie bei vielen Wirbellosen verlängert und welche
sich in ihrer Wirksamkeit wohl dem Vegetationskegel am Ende
von Pflanzensprossen vci^^leichen Hesse. In welcher Weise dies
aber ^^cschieht, darüber haben sich die einzelnen Forecher meist
nicht ausgesprochen und gewöhnlieh nicht einmal die Frage auf-
geworfen.
B al f 0 u r Hb) erblickt im Län^renwachsthnni einen Inlussus-
ceptionsvorgan^, wahrend Iiis von einer Appositidii redet. Bal-
four läset die volle Zahl der „MesoblahtMunitin tladiuch erreicht
werden, dass wie bei den Chaetf ihmIcu fortwährend neue 8«)initen
zwischen dan zuletzt gebildete buniil und das hintere K(»r])erende
eingeschol)cn werden". Er verwendet dies als Argument ^^c^^en
die Hi s'sche Venvachsungslebre, „da es im höchsten Grade über-
raschen mflsse, weini ein kleiner mittlerer Ktirperabschnitt auf
ganz andere Weise wachsen solle, als der Endabschnitt. Denn
nachdem das Nervenruhr einmal ^geschlossen sei und sich hinten
durch den neurenterischen Oanal ins Darmrohr fortsetze, sei es
offenbar unmöglich geworden, dass irgend eine weitere Längen-
Zunahme durch Verwachsung stattfinde."
Ich denke hierüber anders auf Gnmd meiner Amphibien-
untersuchungen'^und der Amphioxnsarbeit von Hatsehek. Ich
habe schon frtther die Befunde gcBchiidert, die man anf älteren
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Urmmid und Spina Uflda.
441
EntwickluiigBstadieii an QnereebnittBserien daroh das hintere
Körpeteade fhidet, grl^icbTiel ob die £mbiy<men 10, 11 oder 12
oder mebr Uraegmente gebildet baben. Immer findet man, wenn
man die Sebnittserien von hinten nach vom yerfolgt, erst den
offenen Urmundspalt, dann die Ränder dicht znsammen^Iegt,
dann zn einem Zellstrang yersebmolssen, hierauf eine Sondemng
desselben in Ohorda und Mednlburplatte, während seitwärts davon
ein neues Ursegment sich von den umgebenden Tbeilen absebntirt.
leb kann hierin nur eine Reihe sich an^nander anschliessender
und auseinander hervorgehender Entwicklungsxustände erUieken.
Wenn nun aber bei der Entstehung des 10. Ursegraents ein Stttck
Urmund sich schliesst und ebenso bei der Entstehunjs: des 11.,
12. und 80 weiter, der offen bleibende Urmund aber hinter deni
jeweilig letzten Segment immer noch als nahezu gleich grosser
Rest vorgefunden wird, so werden mir nothgedrnngen zn der An-
nahme geführt, dass sich der hintere Theil des Urfiiumis (lurcb
Wachsthum in demselben Maasse ergänzen muss, als er nach vorn
durch den V erschluss verliert. Ich lasse also das Längen-
wach s t h u m nicht, w i e e s B a 1 f o u r t h u t , vor d c r j e -
wellig offen bleibenden Strecke des U r ni u n fl s
stattfinden, sondern an dieser .seilest. Vordem
Urmund erfolgt nur die I) i f f e r e n / i r u n g der Zellen-
masseii , die s c Ii o n weiter Ii inten durch Zell-
t h e i I u n g e 11 (mi t s t ii ii d e n sin d. Heim Aniphioxus wird die
Zuwacliszonc durch die Lage der grossen Zellen bezeichnet, welche
Ilatscheek bei Larven der verschiedensten Grösse angetroffen
bat; bei Amphibien durch kleinzelliges Keimgewebe.
Dass die Entfernung zwischen offenem Urmundrest und
Vorderhirn mit der B^dung jedes neuen Segmentes grosser wird,
erklärt sich niclit aus dem Bestand einer Keimzone vordem
Urmnndy die zwischen ibn nnd das letzte Segment neue Segmente
einschiebt, sondern daraus, dass sich der Urmund activ darcb
Waohsthum nach hinten ausdehnt. Was wir auf den ein-
zelnen Stadien als Urmund bezeichnen, ist niebt
ein nnd dasselbe unverändert gebliebene Organ,
es sind nur verschiedene Strecken eines sich
durch Wachstbum am hinteren Ende in demselben
Maasse ergänzenden nnd ernenernden Organes,
als es nach vorn durch Verwachsung ünd Organ-
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442
Oscar Her twig:
differenzirnng anfgebrsnoht wird. Damit fallen die
Ton Balfonr geltend gemachten Bedenken gegen dieVerwach-
snngstheorie in sieh isiiBammen.
Anf größsere Schwierigkeiten als beim Amphioxns nnd den
Amphibien stOsst die Dnrehftihrnng der Urmnndtheorie und der
Ooncrescenztheorie in vielen Beziehungen bei den meroblaatiBchen
Eiern. Da bei diesen in Folge des Dotterreiehthnms nnd der
damit zusammenhängenden partiellen Fnrehnng manche Yerbttlt-
nisse wesentlich abgeändert sind, mttssen wir wob vor allen Dingen
über die eine Gardinalfrage vollständig klar werden , welehe
Einriehtmigen der meroblastischen Eier dem ürmund des Am-
phioxns und der Amphibien gleichwerthig sind. Es erscheint
mir dies doppelt nothwendig zu sein, Angesichts der Unsicher-
heit, welchf His in diese von mir sebou in meinem Lehrbiicli
erörterte Frage von Neuem hineingetragen hat. Zur Entschjeidung
dieser Frage muss man genau wissen, auf welchen Merkmalen
und Eigenschaften das Wesen des Urmunds bei den Wirbelthieren
beniht. Auipliioxus und die Amphibien haben uns nun hierüber
Folgendes ge 1 e 1 1 rt :
1) Der Uruiund ist die Aupiniinduiig eines Ilohh-aums, der
sieh durch Einstülpung aus der Keinildase anlegt und weiterhin
Darm und Leibeshöhle ans Hieb liervorgeiien lässt.
2) An der Umrandung des Urmunds (Urmnndrand oder
Lippe I gellt die oherHächliehe in die innere, die (TesaniTntli'ilile
auskleidende E)>ithelsehieht oder das äussere in das innere resj).
mittlere Keimblatt durch Umschlag eontinnirlieh über. Nur im
vordersten Hereich des Kopfes, wo der Einfaltungsprocess be-
gonnen hat, kommt es nicht xur Anlage eines mittleren Keim-
blattes, so dass sich hier allein äusseres und inneres Blatt längere
Zeit unmittelbar berühren.
3) Wenn sich die Leibessäcke durch Einialtung (hier später,
dort früher) während des Gastrulationsprocesses entwickelt haben,
dami schlägt - sich am Urmnndrand das äussere Blatt in das pa*
rietale Mittelbkitt um.
4) In der Umgebung des Urmundrandes legen sich Gehirn
und Itttekenmark in der Form eines Nervenrings an, der nur am
hintersten Ende, wo der After ans emem Theil des ürmunds
entsteht, eine Unterbrechung besitzt.
5) Die Urmundränder sehliessen sich von vom nach hinten
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[Tmund und Spina bifida.
448
in einer Längsnaht und vergrOsaeni sich gleichzeitig dnrcb etnea
vom hinteren Ende her erfolgenden Znwaehs. Der Abstand des
oflTen bleibenden Urmbndrestes vom Koptende wird ' daher all-
mfthlich grösser.
6) Ans dem hintersten Theil des ünnnnds geht der After
berror. Unmittelbar vor ihm entwickelt sich die Sehwanzknospe
(siehe Seite 452).
7) Wenn sich ein vorderer Theil des (Jrtnunds geschlossen
hat, der hintere Theil noch g^eöffnet ist, kann man in topogra-
phischer Hinsicht einen ^^astralen und einen peristomalen Ab-
schnitt des mittleren Keimblatts unterscheiden.
8) An der Decke des Urdamis ditferen'/irt sich längs der
Verschlussnaht der Urraundränder die Chorda dorsalis ans der
Chordaanlage und seliiebt sich so trennend zwisclieii Imke und
rechte Hälfte do^i 4^a>itralen mittleren Keimblatts liinein, während
der peristomale Abschnitt durch den ürmundspalt in 2 Hüllten
getrennt kt.
9) Die mittleren Keimblätter oder du ( nt^lomsäekc werden
daher in ganzer Ausdehnung paarig angelegt, mit Ausnahme
eines Bezirkfi an der hinteren oder ven<r;ilen ünnundlippe, wo
die Einfaltuiig eine unpaare Anlage hervoiTuft und zur Verbin-
dung der paarigen Abschnitte dient.
10> Die Urmundränder lassen sich nach ihrer Beziehung
zum mittleren Keiml(l;itt in 4Besurke zerlegen, in einen vorderen
Abschnitt, an welclieiii sieh kein mittleres Keimblatt bildet^ in
die seitlichen Abschnitte, wo es paarig in der Form zweier
Taschen angelegt wird, und in einen hinteren, nnpaaren Abschnitt.
Wie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, zeigt der Ur-
nmnd bei dem Amphioxus nnd den Amphibien eine ganze Summe
wichtiger Merkmale. Nur soweit wir entspreehende Merkmale
bei den merohlastischen Eiern naehweisen können, dürfen wir
die so gekennzeichnete Stelle als Urmund definiren. Ich moss
mich daher entschieden gegen eine noch immer weit verbreitete
Ansicht anssprechen, nach welcher der ganze Band der Keim-
soheihe hei meroblastischen Eiern als Unnnndrand bezeichnet
wird. Nichts ist verkehrter als eine solche Vergleichimg. Zum
Urmnnd wird der Rand der Keimscheibe nnr, soweit an ihm
eine EmstQlpnng entsteht und dadurch eine Urmnndlippe gebildet
wird, an welcher die äussere in die innere Epithelschieht ttber-
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444 Oscar Hertwig:^
gebt. Das ist aber beim Beginn der Gastralatioxi nur an einein
sebr kleinen Bezirk, vor weleben dann später der quere Hini-
wnlst 2n liegen konunt, der Fall. Der weitaus grdsam Theil
des Keimscbeibenrandes dangen zeigt nacb wie vor Merkmale,
wie sie dem ganzen Rand vor Beginn der GastraUtion zukamen.
Die Zellen vermehren sieb, wobei Meroeyten einen tTebergang
zwiseben dem nngefnrebten Dotter und dem Zellenmaterial ver-
mitteln, nnd auf diese Weise erhält ein immer grosser werdender
Abschnitt der Dotterkngel einen zelligen Ueberzng,
Um den principiellen Unterschied in der Bedentnng der
zwei Randbezirke znm Ansdraek zn bringen, habe ich für sie in
der 2. Auflage meines Lefarbncbs (25) zum ersten Male die Namen
Urmundrand und Umwaehsnngsrand eingeführt. Bald
darauf hat sich auch RabI (45) meinem Standpunkt angeschlossen.
Wenn wir ein am Beginn der Grastmlation. stehendes, meroblasti-
sches -Ei mit einem auf demselben Stadium befindlichen Frosche!
vergleiclien, so würde der UrawachRungsrand etwa der Randzonc
des letzteren entsprechen, an welcher die animaleu in die vege-
tativen Zellen übergehen. Denken wir uns die letzteren durch
Dottermasse ersetzt und diese an Volum beträchtlich vermehrt,
SU haben wir rn einfachster Weise eine Amphibiengastrula in
eine Fischgastrnla etc. unigewandelt.
Iiu weiteren Verlauf der Entwicklung zeigen ünuaudrand
und Umwachsungsrand in ihrem VerhHltniss zn einander und zur
Bildung des Embryo einige Verschiedenheiten, je nachdem wir
das Ei eines 'J'eleostiers, eines Selnchiers oder eines Reptils und
Vogels vor uns haben. Zur beiiueinrren Erklärung dciscllten
habe ich drei Reihen von schemntisclien Zeichnungen entworlcn,
Schemata ftlr den Ga8trulati(ins]>roeess eines Telenstiers, eines
Selachiers und eines Anmieten. In denselben habe ich den Ur-
mundrand auf seinen verschiedenen Formzuständen durch eine
dunkelscliwarze Linie, den ümwachsungsrand dagegen als eine
punktirte Linie kenntlich gemacht i Tafel XX, Fig. 1 — 4. 7 — 10).
Was zunächst die Tcleostierentwicklung (Fig. 1 — 4) betrifi't,
so stellt Fig. 1 schon ein etwas weiter vorgerücktes Stadium
dar. Die TJnniindliiipe, die am Beginn der Einstülpung mit dem
Rand der Keimscbeibe zusantmenfiel und die Form einer Sichel
besasSy hat jetzt eine nach der Scheibenmitte gerichtete Aus-
bnchtung erhalten. Dieselbe ist dadurch entstanden, dass linke
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Urmund und Spina bifida.
445
und rechte Hälfte der zuerst gebildeten Umnndlippe naeh dem
von His zuerst entdeckten Modus eiiumder entgegeuwachsen
und sich in der Richtung: eines naeh der Mitte des Blastoderms
gezogenen K.idius, welcher die Längsaxc des zukünftigen Eni-
biyo bezeichnet, zusammenlegen in demselben Maasse, als dije
gan/c Seheibc sich in der Fläche über die Dotterkugel weiter
ausbreitet. Der Thcil, der dureli Zusammenlegung und von vorn
nach hinten fortsclireitende Verwachsung des Urniundrandes ge-
bildet wird, ist die Kopt'anlage des Embryo, welche wie ein
Höcker ^wie ein Vorstoss nach vorn" (Raub er) dem Keuu-
scbeibenrand aufsitzt.
Drei Pn»eefse greifen dann beim Fortgang der Entwicklung
längere Zeit in einander. Erstens wird eni immer grösserer
Theil der Dottorkngcl von den Keimblättern umwachsen. Die
Uniwachsung gescdiieht dabei an der Stelle, wo der Embryo
sich bildet, viel langsamer als In dem übrigen Umfang der
Scheibe, was durch einen Vergleich der Figuren 1 — S sofort
klar wird. Denn während in Fig. 2 z. B. der Umwachsungsrand
y<m der Zahl 1 zu uw^ fortgerückt ist, beträgt die Zunahme
im embryobildend^ Bezirk nur etwa den dritten oder vier-
ten Theil davon. Ea kann dies kanm Wunder nehmen, da
bei der Embryobildung ganz andersartige nnd eomplicirterc Zell-
verBchiebnngen, Einfaltungsproccsse u. s. w. als bei der einfachen
Umwaebsnng stattfinden. Daher darf auch nicht auf ein grösseres
Maass yonZellbildmig am rascher fortschreitenden Umwachsungs-
rand geseUossen werden, denn eher wird das Gegentheil der
Fall sein.
Zweitens wächst durch Zusammenlegung des TJrmnndrandes
der embryonale Körper in die liftnge, indem sich an den zuerst
entstandenen Kopftheil die Halsregion, die Brastregion etc. sue^
cessive ansefaliesst. Die Darstellung dieses wichtigen Vorgangs
wird Terstftndlicher werden, wenn man an der Ürmundüppe von
dem Augenblicke an, wo sich die Kopfregion angelegt hat, zwei
verschiedene Abschnitte unterscheidet, den Abschnitt ur^ und nr*.
Mit ur^ bezeichne ich den Theil des Urmundes, der sich durch
mediane Vereinigung seiner Bänder in der Urmnndnaht geschlossen
hat, mit ur* dagegen den Theil der Urmundlippe, der am hin-
teren Ende der Embryonalanlage rechtwinklig umbiegt und mit
dem Rand der Keimscheibe zuaammenfilllt. Den letzteren kann
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446
Oscar Hertwig:
ich daher auch kurzweg als r andgtftndig^en oder offenen
Theil des Urmunds, den ersteren als seinen yer
waehsenen Theil benennen. Die Längciixanabme der Em-
bryonalanlage geht dann in der Weise vor sich, daes sieb die
Tfflwachsene ürarandstrecke continnirlich auf Kosten des offenen
. (oder randständigen) Uminndtbeils, wie bei Atnphioxns und den
Amphibien) vergrössert, indem linke mid rechte Lippe nach der
Medianebene zngammenrücken und verschmelzen. Durch den
aüiiiählich von vorn und nacli hinten tbrtselireiteiKk'ii Process
würde der offene oder randständigre Theil der UnnniKllipi)e l»ald
aufgebraucht werden, wenn derBclbe nicht mich t^einorscits den
Verlust beständig- wieder durch Zuwachs ernet/en würde. Der
Ersatz ^reschieht dadurch, das>j sicli der Einfaltuiifisproce.sH, der
tiberhaupl die Unmnidlippe iu:^ Leben gerufen hat, am jeweiligen
KeiuiseJieihonrand weiter fortsetzt und das^ dadureli immer neue
Strecken des U m w a c Ii s u n gs r a n d es in Urmund-
rand unigewandelt werden. Der Gastrulationsprocess des
Teleofi^tiereies delmt »icli mitlmi iilx r einen längeren Zeitraum
der Kutwickluniu: aus als gew<'diniieli lit -^rlincln n wird, und nimmt,
während sich im vorderen Bereich der i^mbryonalanlage schon
verschiedene Organe ditFereirziren, am Rand der Keimsclieibe
(am oflFencn Theil des Urmnndrandes) in der ursprünglichen
Weise seinen Fortgang. D e i;s ei b e findet seinen A b ■
schlusB erst dadurch^ dass sicli-die seitlichen
Urmundlippen an ihrem hinteren Ende durch
Ausbildung einer ventralen Lippe mit einander
verbinden^ wodurch erst ein in sich zum Ring ge-
schlossener Einstülpunggrand hergestellt wird.
Zu dieser Zeit ist auch die Umwachsung der Dotterkugel be-
endet und wird hierbei der letzte Rest des Unnvaelisungsrandes
in das Schlussstfiek des ürmunds umgewandelt (Fig. 4 a). In
geiingor Entfernung vor demselben entsteht die Schwaiizknospe
(sk). Die Ueb^instimmang mit der Urmundentwicklung der
Amphibien wird ans memer Darstellung Ton selbst hervorleuchten
und keines wdteren Hinweises bedfirfen.
In meiner Auffassung des GaBtrulationsproeesses des Te-
leosdereies stimme ich mit His insoweit ttbereiu; als wir beide
den Rtteken des Embrjo durch Verwachsung zweier seitlicher
Hftlften sieh bilden lassen, im flbrigen aber weiche ich in einem
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Urmond und Spina bifida.
447
selir wesentliehen Funkte von ihm ab. Nach meiner DarsteUnng
ergeheint der ganze Yorgau^- als ein modificirter Gastmlations-
proces». Die Terwachsenden Theile sind die ünnundränder, und
der Keimscheibenrand ist am Verwachsnngsproccss nur, soweit er
Unmindlippe ist, betlieiligt. Xacli H i s daire^eii ist die Uranlage
des Kör{)ei*8 ein platter Rin^, dessen Hrcitc und Dieke an einer
Stelle, dem zukünlti^^eii Kopfende ein Maximum, am gegenüber-
liegenden JScliwan/ende ein Minimum besitzt. Das Material fin-
den Kopf NNiirde ur^prüncrlicb am hinteren Ende, das Material
für den Schwanz am vuiiK ien gegenüber gelegenen Ende, dem
„Gegenpol" der ursprüngliehen Keinischeibe , zu suchen sein,
während das Material /um Sehwauz sieh nach meiner Darstellung
in einer seitlichen Gegend (imieii würde Xaeh Flis bilden die
in der späteren Medianebeue de« Körpers ln- uden Oobilde
Anfangs die Peripherie der iranzen Sebeibe. I > i -rsamint* [{and-
wnlst der Keimscheibe wird zur Kmbryobilduug verbrauelit und
diese letztere verbindet sich mit der Dotterumwachsung des Kei-
mes derart, dass die Anfreihung des Embryomateriales zugleich
mit der Umwaehsung vollendet ist. „£s legen sich die zwei
Seitenhälften des Ringes aneinander und 'vereinigen sich als syin-
metrisclie Körperhülften." „Nur das vorderste Kopf- und das hin-
terste Schwanzende bedürfen keiner Yerwaehsnng, weil sie aus
denjenigen Strecken des Randwnlstes hervorgehen, welche die
zwei Seitenhälften zum Ring geschloflsen hatten.'^
Schon 0 e 11 a c h e r hat gegen die Theorie von L e r e -
bonllet, welche der His'schen sehr ähnlich ist, den nicht
unb^reehtigten Einwand gemaeht: i^Wenn die Ränder der Keim-
scheibe die beiden Rnmpfhälften büden sollen , so mfissten sie
das ganze Ei umkreisen und dann wenigstens einmal einen
grOssten Kreis der Kugel umspannen; so mfissten die beiden
Rumpfhälften einmal ganz enorm ausgedehnt gewesen sein, was
gewiss nieht wahrscheinlich ist.*^ In der That wttrde nach der
Darstellung Ton His, dass der ganze Keimrand zum Embijo
zusammenwächst» der Keimrand sich wie em kleiner Gummiring
yerhalten, den man Aber eine grosse Kugel herüberzieht Am
Aequator der Kugel angelangt, würde er auf das Maximum aus-
gedehnt sein, um dann auf der entgegengesetzten Fläehe sich
allmählich wieder zusammen zu ziehen. Wäre der ganze Keim
rand Urmundrand, so mfisste er sieh eine Zeit lang enorm aus-
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OsCÄr Hertwig:
weiten und dann wieder bedeutend verengea. Diese Seliwieriigr-
lieit ftUt bei meiner Paasong ganz binw^. Und so kann ieb
wobl sagen, erscheint die Conmeeenztbeorie von His in der
Unnnndtheorie in einer nicht nnwesentUch veränderten Form
wieder.
Zwischen dem Gastrulationsprocess der Teleostier und der
Amniüteu vemüttolii die »Solachier einen Uel)erg'ang. Während
längerer Zeit j2:elit die Bildung des Embr}'o durch Verwachsung
der ürmiiiidi ander auch bei den Selachieni in der für das Te-
leostierei gtnaucM- durchgeführten Weise vor sich. (Schema 1
und 2 kann daher auch für die ersten Stadien der Selachierent-
wickiuug dienen.) Dann aber wird eine Moditication des Pro-
cesses dnrcli die heträehthelie Grösse des Dutters nothwendig.
Es hat nämlich der T'niwachsnngsrand der Keinischcibe den
Dotter nccii nicht iran/ • inhiilien können zu der Zeit, wo sich
die seitlichen LTmumilii iien naeli liinten schon unter J^üdung
einer ventralen Urmundlippe vereinigen. In Fol^^e dessen treten
jct/.t liir die Selachier cliaraeteristisehe Veränderuniren ein, welche
ich durch die Fi^reu 7 uud 8 schematiscb wiederzugeben ver-
sucht habe.
ümwaclisungsrand (Fig. 7 uw^) und Urmundrand (ur*) trennen
sieb von einander (Fig. 8 a und uw^). Die Erabrvonalanlage löst
sieh Yom Blastodermrand ab. Hinter dem Enibrvo bildet der
tJmwacbsungsrand einen in sieh geschlossenen Ring (uw^), inner-
halb dessen der Dotter (d) noch eine Zeit lang frei zu Tage
liegt, bis er durch fortschreitende Verkleinerung des Ringes
aneh ttberwaehsen ist. Balfour bat diesem Ring den Namen
Dotterblastopoms beigelegt und in ihm einen Theil des Ürmnnds
^blickt. Wie schon finher gesagt, halte ich diese in der Lite-
ratur weit verbreitete Ansicht fttr eine irrige. Denn erstens liegt
am sogenannten „Dotterblastoporas^ überhaupt keine Oefinnng
vor, durch welche man in einen Hohh-anm gelangt, wie es am
Urmundrand, soweit er noch nicht verwachsen ist, der Fall ist*
Durch den (Jmwachsnngsring kommt man in die Dotter-
masse, die wir uns auch durch einen Haufen von Dotterzellen, in
welche sich der Umwachsungsrand verliert, ersetzt denken konnten.
Der Vergleich mit dem Blastoporus der Amphibien ist nicht
minder verfehlt. Denn dieser zeigt, wenn er fertig gebildet ist,
die oben anfge/ilhlten Merkmale des Urmuuds. Er ist daher
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Urmund und Spina bifida.
449
niclit Umwachsrnngslflcke oder, wieHis sich anedrttckt^
die allmfthlieb sich yerkleinemde Oeflnung:, welche frei bleibt,
wenn die rascher (Inrchfnrehte obere Keinihälfte die langsamer
durchfurchte untere Keimhälfte, bez. den Dotter umwachst. Er
ißt vielmehr E i n s t ü 1 p u n g s 1 ü c k e (U r m u n d).
Von den Selachiern aus genügt ein kleiner Schritt, um die
Verhältnisse der Reptilien und Vo^cl zu verstellen. Der ürmnnd-
rand der Keimseheihe ist die Siclichiiaie; diese ^ehliesst sich
hier aber, indem sie sieli in die Primitivriunc umwamlclt. wie
Duval des Kähereu beseliriehen hat, schon ausserordeutlich
frühzeitig zu einem King in sieh ah und trennt sieh dal>ei vom
Umwaclisuugsrande geraume Zeit, havoi- sich im vordersten He-
reich des ürmnndringes Medullarfalten, Chorda und Ursegnieute
anlegen. Die Enibrvonalanfnge i,^il)t daher hei den Anmioten
sehr viel früher als bei den Selaeliiern iln'o randständige T.;ifre
auf und findet sich bald in der Mitte der Keimscheibe überall
gleich weit vom Umwachsnngsrand entiernt. Die Figuren 1, 9
und 10 können als Schema für diese abgekürzte und bcschlea-
nigte Art der UiinaudbUdimg und der von ihr fr&h unabhängig
gewordenen Dotterumwachsnng dienen.
Den Unterschied zwischen der ürnumdbildung (Gastrula-
tionsprocess) und der Dottenimwachsung der Teleostier, Selachier
und Amnioten fiisae ich kurz noch einmal in folgende S&tase zu-
satnmen.
Bei. den Tel eosti ern hat der Umwachsungs-
rand der Keimsc hei be den Dotter fast vollstftndig
eingehflllt, noch ehe der ürmnod seinen distalen
Abschlnss erhalten hat. In Folge dessen wird
der letzte Theil des Um waehsungsrandesi wenn
er am hinteren Ende der Embryonalanlage nnr
noch einen kleinen Ring umgrenzt, zur Ausbil-
bildung des Urmundrandes mit aufgebraucht.
Der Embryo bleibt daher bis zuletzt, wie man
sich ausdrflekt, randständig. Beiden Selachiern
tritt der Urmuudsehluss schon ein, wenn der Um-
wacbsungsrand ein kleines Feld des Dotters
noch nicht ttherzogen hat. Von diesem Augen-
blick wird die bis dahin randst&ndige Embryonal-
anlage Tom Blastoderm abgelöst. Der ümwach-
Aralti7 f. matrosk. AMt. Bd. 8» 80
^ kjui^uo i.y Google
460
Oaear Hertwi^:
Btin^sriag sehliesst sieh getrennt vom Embryo.
Bei Reptilien und Vögeln endlieh erfolgt die
Trennung von Urmnndrand und Uuiwaehsnngs-
raud der Keimscheibe ansserordentlieh frflh-
zeitig, so dasB dadurch die Embryonalanlage
bald entfernt Tom Umwachsungsrand mehr in die
Mitte des Blastoderms zu liegen kommt.
leh bin auf die Dottemmwaehsung so ansfuhrlieh einge-
gangen, weil eine Verwirrung in der IJteratur gerade ttber diese
Frage besteht. loh führe nur den Aussprach von Balfonr
an, dass bei allen Wirbelthieren mit grossem Dotter die ventrale
Leibeswand offenbar durch den Verschluss der Blastopomslippen
aiit (kr liauchseite vervollständigt wird. Ich erinnere an Bal-
fours Argument, durch welches er die HiH'sehe Coneresecn/.-
tlieorie ad absurdum zu führen sucht, dass bei Annahme der-
selben (lio ^^anze dorsale, sowie die ganze ventrale Leibeswand
des Enihivo durch die Verwachsung der Blastoporuslippen ge-
bildet u i rden müHste. Ich criiniere endlich an die neuesten,
oben ret'erirten Aust'üliiiHigen von His.
Es wäre ein dankbares Be<rinnen, wenn von den hier ent-
wickelten Gesichtspimktcii ans der Keiuirand der meroblastischen
Eier nach seiner örtli(di und zeitlich verHchicdcncn EntwicklnngR-
weine einmal einu lKMid untersneht wdrdc. wodurch tlber manche
Punkte, die ich hier nielir tlicoretisch auseinaudergesetzt habe,
noch weiteres Licht verbreitet würde.
Den Abschnitt Uber Urmundtheorie und Concrescenzthcoric
schliesse ich, indem ich noch einige Vergleichspunkte zwischen
dem ürmundgebiet der Amphibien und dem Unnundgebiet der
Reptilien und Vögel hervorhebe (siehe auch Lehrbuch der £ut-
wieklnngsgeschiehte (25).
Der Urmund der Amnioten ist die Primitivrinne, deren
Ränder frühzeitig in einer medianen Naht zu dem Primitivstreifen
verschmelzen, an welchem alle drei Keimblätter eine Strecke
weit unter einander verbunden sind. Zu dem ürmundgebiet ist
noch der Kopifortsatz hinzuzurechnen und ist wohl derjenige
Theil, an welchem die Verschmelzung der Urmundlippen am An-
fang der Gastrulation in der fttr Ampbioxus und die Amphibien
beschriebenen Weise erfolgt ist. Demnach würde auch hier der
Anfang des Urmundgebietes bdm ausgebildeten Thier am An-
Urmund und Spina bifida.
451
fang der Chorda und iu der Zwischeuhinigegend zu suchen
seiu.
Die Bedeutung der Priinitivrinnc für <lic Üiidung der Chorda,
der mittleren Keimblätter etc. ist dieselbe wie die Bedeutung' der
ürmuiidränder beim Aniphioxus und den Anipiiibien. Bei ilirer
ersten Entstehung gehört die I*riinitivrinne dem Kopfi^ebiet des
Embrvo au; inde^m sie sie Ii daselbst iu die versehiedencu Axen-
Organe differencirt, wächst sie au ibreui liiutereu Kiule. der Wachs-
thtunszoiie. durch Einschieben neu gebildeter Embryonalzellen
weiter. 80 findet sie sich denn je nach dem Ausbildungsgrad
der Keimscheiben in der Halsgegend, der Brustge^rend, dor Lcii-
dengegend, d.h. ihr Abstand vom Anfang des Meduilarrohrs wird
mit dem Alter der Eudnyonen ein immer grösserer. Dies erklärt
sich nicht nach Baltour's Hypothese, dass sich vor der Pri-
mitivrinne nwigebildctc Körperstrecken durch Intussusception ein-
schieben, Bondeni dadurch, dass das Zellmaterial der PiimitiT-
rinne selbst nebst seiner Umgebung sich nach vorn in MeduUar-
platfte, Chorda, Ursegmente, Decke des Darms umbildet, während
sie sich nach hinten durch Wachsthnm ergänzt.
Am hinteren Ende der Primitivrinne findet sich häufig eine
kleuie Oeffhiingy durch welche man von der Ectodennseite in
den Darm gelangt, der viel besprochene Oanaiis nenrentericns.
His sagt von ihm, „es sei mit grosser Schärfe festgestellt^ dass
er bei amnioten Wirbelthieren erst secnndär durchbreche, er sei
daher DnrchbruehBöffnnng nnd gehöre in dieselbe Kategorie von
Oeffnnngen, wie der Mund. Er falle daher ausser Vergleich mit
dem seit Busconi bekannten Bkistoporus niederer Wirbelthiere
oder dem ürmund im Sinne H&eckel's^.
Ich bleibe in dieser Frage nach wie vor auf dem früher
dngeiKMnmai^ Standpunkt stehen. Wie man beim Urmund-
gebiet äee niederen Wirbelthiere einen geschloflsenen und einen
offenen Thefl zu unterscheiden hat, welch letzterer auf den eiu-
zelnen Stadien einen anderen Ort einnimmt, so auch bei den
Amnioten. Hier ist der ottcne Theil <ler Canalis ueurentericus.
Weuu nicht auf allen Entwiekluugiistadieu der Keimscheibc eine
Oeifnung am Ende des Prinü'ivstreifens nachzuweisen ist, so er-
klärt sich dies iu ungczwiiu;j;'euer Weise aus dem Umstand, dass
die Urmundräuder bis zur Berührung aneinander liegen. Wei-
chen sie dann auf anderen Stadien wieder auseiuauder, so tritt
Oscar Hertwig:
eine Oeffinin^ zu Taij;e. In diesem Falle hat tlauu aber ein
Durchbruch oder eine Bildung einer neuen Oetlnuugj wie sie
der bleibende Mund darstellt, nicht stattgefunden.
Auf einem späteren Stadium läsbt sich bei den Aumioteu
am hintersten Ende des Primitivstreifens, noch etwas hinter der
Stelle, wo der neurenterisclie Canal licp^t, die Afterg;ruiji nnter-
scheiden. Unmittelbar vor ihr eiifNvickelt sich die Schwanz-
anlage des Embiyo. Die At"ter;L;rui)e bezeichnet uns, wie die
Afterrinne bei den missgebildeten Froschembryonen, das hinterste
Ende des UrmuucU. Darüber wiid das näcbste Capitel ausführ-
licher handehi.
b) Die Schwanz- und Aftcrbildnug der
Wirbeltbier e.
Die Hemmungsmissbildungen der Froschembrjonen sind
auch fttr die Schwanz- und Afterbildung sehr lehrreich. Bei den
höchsten Graden der Hemmung, bei denen das gesanunte Ur-
mandgebiet weit geO&et ist (Taf. XVI, Fig. 1), lässt sieh schon
die Afkergegend als solche erkennen, indem sich am hinteren
Ende des Embryo im Ectoderm eine Rinne bildet (ar), die Ton
Ueinen Falten eingesäumt in die BeekendarmhOhle fbhxt. Der
Uhnnndrand zeigt hier in Folge dessen eine Ünterbreehnng, eine
Einkerbung. Zn beiden Seiten derselben sind die Crmnndrilnder
dadnrch, dass die Zellen in lebhafter Wucherang begriffen sind
und ein kleinzelliges, dem Längenwachsthnm dienendes Keimge-
webe herstellen, bedeutend verdickt und bilden zu beiden Seiten
der Afterrinne «wei Wulste (sk), die im Hinbliek auf ihre weitere
Entwieklung als Schwanzknospen bezeichnet wurden. Durch die
Afterrinne wird der Nenrenring, der sich sonst in der ganzen
Peripherie des Urmunds als If edullarplatte anlegt, an ein^r kleine
Stelle unterbrochen. Wir haben somit am Urmundrand einen
grösseren nenralra und eben kleineren, nicht neuralen Abschnitt
zu unterscheiden, was fftr die weitere Entwicklung sehr wichtig ist.
Bei anderen Missbildungen, bei denen das Unmundgebiet
einen theilweisen Vei'schluss erfahren hat, lässt sich die wichtige
Thatsache feststellen, dass sich der Urinnnd nicht nur successive
von vorn nach hinten schliesst, sondern dass uuabiiangim- davon
sich noch eine zweite Vcrschlnssstelle am hinteren Ende aus-
büdet, und zwar in folgender Weise (Taf. XVI, Fig. 9— 11, 13, 14).
9
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Urmund und Spina bifida.
468
Ueber der Afterrinne legren sicli die beiden Sehwanzknospen
(sk) mit ihren medialen Flächen aneinander im i bilden, indem
sie verschmelzen, einen breiten Querwulst (n), der aus einem klein-
zelligen, aber in die verschiedenen Keimblätter gesonderten Ge-
webe besteht. Durch den VVulst wird <ler hinterste Theil des
Uniiuutis, der später zum After (ar) wird, von dem übri^L^en
Theil getrennt, (b'ssen Verschluss an den Minsbildungen in ano-
maler Weise gehemmt worden ist. An Serien von Frontalschnitten
(Taf. XVII, Fig. 13, 14, Taf. XVIII, Fig. 8—11, 25) Hess sich
die Nahtbildung (n) an der hinteren und späteren ventralen Seite
des Wulstes noch deutlich erkennen; einmal ist eine Kinne und
eine Kaphe (id vorhanden, in deren Bereich inneres und mittleres
Blatt eine Strecke verbunden sind (Taf. XVII, Fig. 18 n. Taf.
XVIII, Fig. 2 u. 10 n.), zweitens geht am äussersten Ende eine
schwarte Pigmentlinie, erzeugt durch die Verwachsung der ecto-
dermalen Flächen, durch das kleinzellige Gewebe hiudnrob
(Taf. XVIII, Fig. 25 n).
Wenn die Verochmelzung eine vollständige wie beim nor-
malea fintwickliuigsverlauf ist, so geht fiHh ans der p.aarigen
eine unpaare Schwanzknospe hervor, welche sich von
oben Aber die Afteranlage herttberlegt. Bei manchen Missbil-
dongen aber ist die Verschmelznng nnr eine theilweise und be>
trifft nnr die Gegend oberhalb der Afterrinne, während darüber
hinaus die SehwanzknoBpen an einem mehr oder minder groBsen
Endstaek getrennt bleiben (Taf. XVI, Fig. 11, 13, 18, 19 b).
An der SehwanzknoBpe können wir eine ventrale nnd eine
dorBale Flflehe nnd demgemäsB aneh eine ventrale und eine dor-
sale Schwanznaht unterscheiden. Die erstere verläuft von der
Schwanzspitxe bis znm After, die letztere von der Schwanzspitze
bis zn dem in Folge der Hemmung offen gebliebenen Theil des
Unnunds. IKe erstere gebOrt dem nieht neuralen Theil des Ur-
mnndgebietes, die letztere seinem neuralen Theil an.
Was den After anbetrifft, so Bind in seiner ganzen Ent-
wicklung 4 versehiedene Stadien zu unterscheiden. Im ersten
Stadium erseheint er nnr als der hinterBte Absehnitt des ge-
sammten Urmundes (Taf. XVI, Fig. 1 ar).
Im zweiten Stadium hat er sich von ihm als eine besondere
Oeffnnng abgetrennt, dadurch dass am hinteren Ende des neuralen
AbsohnittB der Urmnudränder sich die Schwauzknospeu gebildet
464
0«ear Her twig:
und zur nnpaaren SehwanzaDlage verbnndeD haben (Taf. XYI,
Fijs* 11 etc. ar). Eine dtirehgangige Oeffhung . ist meist an
Dnrehsehnitten durch die Aftergegeud nicht za finden, weil die
Wandungen sieh unmittelbar berflhren. In dem Zusammenhang
der Keimblätter gibt sich aber im zweiten Stadium noch die ur-
sprüngliche Abstammung vom Uirmund zu erkennen (Taf. XYII,
Fig. 5, Taf. ZVIII, Fig. 11 ar). Denn wie bei diesem sind
an der Afterstelle alle drei Keimblätter in Zusamm^hang
mit einander. An der Afterlippe schlägt sich das äussere Bfaitt
in das parietale Mittelblatt um und einwärts davon geht wieder
an der Darmlippe das viscerale Mittelblatt in das DarmdrüKcn-
blatt (Iber. Es besteht also auf diesem 8t<uliuiii genau genomiiu n
noch keine directe Verbindung des äusseren mit dem inneren
Keimblatt, t^ündem nur durch Vermittelung des Mittelblattes.
Wir kommen daher aueb, wenn eine Oeffnung vorbanden ist,
dureb die Aftergrube erst in einen allerdings verseil windend
kleinen Rest des Urdarms. Denn als solchen müssen wir doch
den im Bereich des Mittelblatts gelegenen Raum bezeichnen,
durch welchen man sowohl in die Coelomsäcke als auch in den
secundären Darm eindringen kann.
Dieser Zustand ändert sidi auf dem dritten Entwick-
lungsstadium. In der Aftergegend nändieh trennt sich das
mittlere Keimblatt aus dem oben beschriebenen Zusammenhang,
einmal vorn an der Allerlippe von dem äusseren Keimblatt, an
der Darndippe vom Darmdrüsenblatt. Die Coelomsäcke haben
sich abgeschnürt und geschlossen. In Folge dessen treten jetzt
an den Ablösungsstellen äusseres und inneres Keimblatt in directe
Verbindung und be^rrenzen in den Fällen, wo eine Oeffnung sich
erhalten hat, das Afterrobr, welebes von Aussen nun direct uud
unmittelbar, indem es das Mittelblatt durchbohrt, in den Enddarm
fuhrt. Meist fehlt aber noch wegen des oben herrorgehobenen
Umstandes eine Oetfnung. Aeusseres und inneres Keimblatt
grenzen zwar in Folge der AbKSsung des ^littelblattes unmittelbar
zusammen, bilden aber zusammen noch einen epithelialen Ver-
schluss, die Aftermembran oder den Afterstrang. Von
einer Aftermembran (Taf. XVIII, Fig. 9) sprechen wir, wenn
die Aftergrube (ar) von der Höhle des Enddarms (ed) nur
durch eine dttnne Lamelle getrennt ist, die aus je einer einfachen
Lage von Entodennzellen und von Eetodermzellen besteht, wie
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Urmuud und Spina bifida.
es beim nomalen EDtwitdclaDgeverlauf des Frosehes der Fall »t.
Em Afterstrang dagegen entwickelt sieh in den FiUlen, in denen
wie bei manchen Missbildougen die Höhle des Enddarms und die
Aftergrabe etwas weiter auseinander gerOckt sind und so an
SteDe der dünnen Epithelmembran ein diekerer Epithelstreifen
tritt, wenn sieh das Mittelblatt aus seinem Zusammenhang trennt.
Im vierten Entwieklun^tadium endlieh wird der After
durchgängig, indem in der Mitte der epithelialen Vereehlnss-
membran die Zellen auseinander weichen. Bei vielen Missbil-
dongen bat sich zu dieser Zeit oder auch schon vorher die von
der ventralen Scliwanzu iuvaI zu der Attergrubc lulirendo Rinne,
die häufig von hohen Falten ein^efasst ist (Tat". XIX, Fig. la, ö af),
zu einem kurzen Rohr gescldosscn (Fig. 2, 22 ar). In diesem
Falle gelangt man dann in den Euddanu durch ein mehr oder
minder langes, cctodcnuales Afterrohr, das au der Wurzel des
Selnvauzes am licgiiiu der ventralen Schwanzflosse gelegen ist.
Auch bei der nonnalcn Entwicklung scheint sich mir ein solches
ectodeiTuales Angatzstück zu bilden.
Das sind kurz ztisaniiTHMigcfasst die Ergebnisse, zn denen
mich die üutersnchung der Sclnxanz- und Aftorbildung i)ci den
Missbilduugcn des Frosclies gclührt hat. Sie stinmien in crtVeii-
lieher Weise im AVescntlichen mit den Resultaten überein, zu
denen in der neuesten Zeit mehrere Forscher, besonders Schanz,
Götte, v. Erlanger über die Anlage des Afters bei normal sich
entwickelnden Froschembryonen gelangt sind.
In der Frage der Atterentwicklung hat lange Zeit grosse
Verwirrung geherrecht. Bekanntlich sind auch hier drei ver-
schiedene Ansichten aufgestellt worden.
Nach der älteren Auffassung soll der After wie der Mund
eine Neubildung sein und dadureh entstehen, dass sich am hin-
teren Körperende die Haut zu einer Grube einsenkt und sp&ter
in den Enddarm durohbrieht. . Nach einer zweiten Ansieht, die
durch das Studium von Petromyzon und Amphibien gewonnen
wurde, soll der ganze ürmund direet zum After werden. Eine
dritte G]3ippe von Forschern endlich (S c h a n z [62 c], B o n n e t [3],
Götte, Erlanger u.a.) nimmt zwar auch eine Beziehung des
Afters zum Urmund an, aber nur zum hintersten Theil desselben.
Sie lilsst sich den Urmund in 2 Oeflnungen zerlegen, in eine
vordere, welche in das hintere Ende des Nervenrohrs aufge-
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456
Oscar Hertvigr:
nommen wird (Oaoalis Denrenterieus, Ghordablastoponis) und in eine
bintere Oeffnung, die zum After wird (AfterblastoponiBy Aflerkanal).
Was besonders die Ampbibien betrifit, so kann ich im All-
gemeinen der von GOtte (19) nnd von Erlanger (14) gege-
benen Darstellung beipflicbten.
G 0 1 1 e lässt den Blastoporas^ wenn er sich za einem Längs-
Spalt umgewandelt bat, in seiner Mitte durcb Yerwaebsung seiner
Lippen sebllessen (Prostomanabt). Unter der Verseblusstelle bleibt
ein kleiner Rest des BUstopoms erkalten, der gewöbnlich Beine
Lichtung verliert, um sieb später wieder zu Oflnen nnd den After
zu bilden. Der dorsal von der Verwacbsungsstelle gelegne Rest
des Blastoporus stellt den Oanalis neurenterieus dar, der bald
von den MeduDarwfllsten umwachsen und dadnreb in das Nerven-
robr eingeschlossen wird« Aus der Yerwaehsmigsstelle entsteht
der Schwanz, an dem sieb die Prostomanabt von der Spitze bis
zum After hinzieht.
In ähnlicher Weise fasst von Erlanger das- Ergebniss
Heiner Untersuehung'eii in die Sät/e /.usairmien : ^Vergleicht mau
die Resultate der Arbeiten von Schau/ und Morgan (40 1 mit
denen meiner Arbeit, so wird man wohl zu dem Schlufes kommen,
dass der After aus dem ventralsten Theile des üruiuuds Uervor-
geht, während der dorsalste den Neuropoms und den Canalis
neurenterieus bildet. Rei den Anuren k >mmt noch der Umstand
hinzu, dass die Stelle des Blasiojjorus. aus welcher der After
hervorgeht, vorübergehend verschlossen und der After erst später
wieder durch Durchbruch erütfnet wird, wälirend bei den Urodelen
der ventralste Theil des Urmunds nie vcrwaeijsen soll. Es dürfte
daher ircrechtfertiirt eischeiuen. die Afterbildung bei den Auuren
als sceundär niodilicirt zu betrachten."
In meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphihien
(24) habe ich aus einer Serie 6 Schnitte durch das Umiuudgebiet
eines älterrn Froschembryo abgebildet, welche die sich hier ab-
spielenden Vorgänge vollkommen richtig wiedergeben. So zeigt
Fig. T), Taf. VlII einen Schnitt durcb die Verschlussstelle, durch
welche der dorsal von ihr gelegene Oanalis neurenterieus, von dem ein
Schnitt in Figur 1 abgebildet ist, von der ventral wärt« gelegenen
Aftergrube (Fig. 6) getrennt wird. Au der Verschlnssstellc tritt
noch dcntlieh die Nahtbildung hervor, indem an einer kleinen
Stelle das äussere nnd innere Keimblatt -in da» Mittelblatt direet
^ kjui^uo i.y Google
Urinund und Spina bifida.
457
Übergehen. Die Äftergrobe ist durch eine dttnne, epitheliale
VeniehlitBsmembraii Tom Enddann getrennt, wie es auf dem van
mir imterachiedenen dritten Entwicklun^sstadinm B der Fall ist
Damals freilich habe ich, wie auch Qdtte, im After eine Neu«
bildnng gemäss der herrschenden AniFassnngBweiBe erblickt^ weil
mir die Zwisebenstadien in der Entwicklung entgangen waren
imd {laniit aiith die Zugehörigkeit zum Urmundgebiet ttbcrfiehen
wurde. Aul die Abbildungen möchto ieli aber auch jetzt hin-
weisen, da sie alle fiiisciiläjLrigen Verhältnisse sehr gut wieder-
geben. Auch auf Tafel VII, Figur 12 — 14 (I.e.) sei autmerksam
gemacht.
Wenn wir jetzt noch die norinalo und die gestcirte Entwick-
lung mit einander vergleiehen, so kann die letztere auch hier
zum Verständniss der ersteren Manche;* beitragen. Namentlich
verbreitet sie tlber die Schwanzbildung untl über die m <> r p h o 1 o-
g i 8 e h e Stellung des Schwanzes zum übrigen Körper
mehr Licht. Als wichtigstes ErgeVuiiss möchte ich liervorheben,
dass der Seh\v;nr/ nicht als eine direete Verlänirei nng ties ganzen
Körpers, üonderu nur als eine Fortsatzbildung der Rücken-
fläche nach seiner Entstehung betrachtet wenlcn kann. l>ie
ganze ventral vom Urmund gelegene Fläche des Rumpfes ist an
seiner Entstehung gar nicht betheiligt. Der Schwanz erscheint
daher als eine Fortsatzbildung des Körpers, die vom Urmund-
gebiet iliren Urspning nimmt und fiber den hintersten Theil des-
selben, den After, hinauswächst. Dadurch tritt er in einen Gegenr
Satz zom ganzen übrigen Bunipt. Wir finden daher auch in seiner
Znsammensetzung nnr dorsal gelegene Organe bctheiligt, Nerven-
röhr, Chorda, ürsegmentc, während Leibesböhle, (ieschleehts-
organe, Nieren sich nicht in ihn hinein fortsetzen. Ob wir von
einem wirklichen Schwanzdarm reden dttrfen, erscheint mir tVag-
lieh. Allerdings verlängert sich das innere Keimblatt als ein
Strang in die Sebwanzanlage hinein, als eine AuBStfllpang der
Beekendarmwand. Es scheint aber meist niebt znr Ansbildnng
einer HOhlnng va kommen und später schwindet der Strang nnd
lost sich in andere Gewebe anf. Bei keinem Wirbeltbier wird
er wobl je als Darm Ainetionirt haben, so das« leb yorscblage,
den Kamen Sehwanzdarm ganz fallen za lassen und ihn
dnrcb die zu keinen falschen Vorstellungen führende Bezeieh-
uung: »Entodermstrang des Schwanzes** zn ersetzen.
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Oscar Her twig:
Da am ürmnndrand äusseres, mittleres und inneres Keim-
blatt znaammentreffen tind die median gelegenen Organe, Nerven-
TühTf Chorda, üreegmente erzeugen,, werden auch äst Sehwanz-
knoflpe die Anlagen von allen diesen Organen saertheilt. Wenn
dann die Sehwanssknospe sieh rerlängert und als Fortsatz Aber
den Kampf nach hinten hervortritt, geschieht dies m derselben
Welse, wie der ganze EOrper in die Lfinge gewachsen ist y<m
der Waehsthnmszone ans, die anf die Schwanzsintze gerflckt ist,
setzt sich Urscgment an Ursegment an und kann so einen in
Metameren gegliederten Anhang des Körpers zuweilen von sehr
betrftchtlicher Länge liefern.
Der Schwanz geht aus einer paarigen Anlage
hervor, da ttber der Aftenrinne der hinterste Abschnitt des
linken und rechten Urmundrandes zur Schwanzknospe verwächst.
Es wäre unberechtigt, wollte man hieraus die Vorstdhmg ab-
leiten von Urformen von Wirbdthieren, die an ihrem hinteren
Ende doppelte Schwanzfortsätze besessen hätten. Offenbar ist
die Verschmelzung der Urmundränder ein älterer Vor^anj^ als
die Scbwanzbildun^. Erst iiaclidem die Versehmolzung am Lm-
teren Körperende i ia^ctreten ist, entwickelt sicli aus dem so ein-
fach gewordenen Körperbeziik der Schwanzfortsatz. Xur unter
abnormen Verhältnisöeu kann die ursprilii^^liehe Duplicität der
Anlage im Entwicklnngsprocess znr (icltun^ kommen, <lann näm-
licli, wenn dureh ir^^cnd eine bfOrende ürsaehe die Verschmel-
zung der L'rüiundräuder zur cinlaeheu Schwanzknospe zur rich-
tigen Zeit verhindert wird. I);niii i ilden sich, wie wir an mehreren
Beispielen geseiieii haben, <loppeilc iSchwanzkuuspen aus, die ge-
trennt von einander ttber das Rümpfende hcrvorwaehsen uud sich
zu zwei laiifren, aus Xervenroiir, Chorda und Ursegmenten zu-
samineng^esctzten H a 1 1) s e b w il n z e n verbüi^'^ern. Dieselben sind
daher ihrer Entstehung- naeli in die Kategorie di'r llemmungs-
missbildungcu mit einzureihen. Auch hier kann nachträg-
lich noch ein Verschmelzungsprocess, der von der Schwanzwurzel
jaus beginnt, eingeleitet werden.
Die Entstehung des Schwanzes aus einem linken und rechten
Anlagematerial scheint auch bei Verstümmelung noch zum Vor-
schein kommen zu kOnnen. Vielleicht hängt damit znsammen,-
dasR bei Abtrennung des hinteren Schwanzendes bei Amphibien
und Bcj^tilien an Stelle eines einfachen Ersatzes des verlorenen
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Urinuud uud Spina bifida.
459
Endes häufig eine Yerdöppelnng zum Vorsehein kommt. Eidechflen
mit Doppelschwänzen sind ja bekannt genug. Aber aüch von
Pelobateslarven hat Brnch (9) als Folge von YeratUmmelnngen
Spaltanif des Schwänzendes, anter Verdoppelung der Chorda,
besehridi>en.
Was die amnioten Wirbelthiere betriflFt, so legt sich bei
ihnen die Aftergnibe am hintersten Ende der Piimitivrinne an
(Gasser, Kölliker, Bonn et, Strahl etc.). Dicht vor
ihr bildet sich später die Schwanzknospe aus, wodurch der After
schliesslich unter die Wurzel des HcbwauzLjJ mehr an die Ventral-
scite des Körpers rückt. Die Entwicklung-sprocesse scheinen im
Allgemeinen den vdu den Ampliibii'u bescliriebenen zu entsprechen.
Wir können d a Ii e r au e Ii a u f d i e A nin i (» t e n den
Lehrsatz ausdelincn, dass sie Ii bei ihnen der After
aus einer kleinen hinteren Strecke des l rmuiids
herleitet und dass der Seliwanz aus der vor dein A f-
t e r e 1 e e 11 e n Region des I' r m u ii d g e b i e t e s , n a e Ii -
dem in ihm e ine "N' e r s c h ni e 1 z h n g d e r V r m u n d 1 i p p e u
(Ränder der Frimiti vrinne) erfolgt ist, seinen Ur-
sprung nimmt.
3. Die Coelomtheorie.
(Hntge:;iiyng auf CWjette. Der C'hordakanal.;
in seitior Ihitwicklungsgeschiehte des Flnssneunauges hat
kOrzlich Goette iXr. 19 1 gegen meine Darstellung der Bildung
des mittleren Keimblattes der Ani])hibien und «berlinupt gegen
die Coelomtheorie eine het*ti;,-e Polemik eröftnet. Ich würde auch
hier, wie schon in anderen Fällen, geschwiegen haben, da« Weitere
der Zukunft Uberlassend, — denn zu welchem Umfange wQrde
unsere an sich schon umfangreiche Literatur ansehwellen, wollte
Jeder bei der reichen 2alil contro verser Gegenstände den hinge*
worfenen Handschuh gleich kampfbereit aufnehmen? — wenn
ich bei meinen Unterauchnngen nicht gerade wieder auf das-
strittige Object, anf die Entwicklung des Frosches, hingeführt
worden wäre. So sehe ich mich in eine Art von Zwangslage
versetzt, in welcher ich mich, wenn auch ungern, zn einigen Be-
merkungen entschliesse.
Götte fasst das Ergebniss seiner Kritik, in den Satz zu-
sammen: y^Die angeblichen Beobachtungen 0. Hcrtwigs
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460 OHcnr Hertwig:
Uber den Ursprung des MesodermB der Amphibien sind niebta
weiter als eine empirisch nnbegründete — und nach den wirk-
lichen Beobachtungen — irriffc Annahme."
Da ich selbst den GastrulationsproceBs des Froselieies nicht
wieder neuerdings untersncht habe, obwohl ich überzeug:! bin,
dass sich Manches bei Anwendung verbesserter Hülfsniittel und
neuer Gesichtspunkte noch klarer feststellen lässt, als es bis jetzt
geschehen ist, muss ich mich zur Entgegnung erstens darauf be-
schränken, hervorzuheben, dass Götte selbst kein neues That-
sachenniaterial vorlebt, sondern die Sache mit der wohlfeilen
Aeusserung abs-ethan glaubt, „er müsse auf Ornnd erneuerter
üntersuchnngen am Bombinator nnd Pelobates seme früheren
Anpraben ganz und voll aufreclit erhalten." Zweitenf? verweise
ich auf die Ariif it v<)n Seh wink ^über die Entwicklung des
mittlerea Keimblatts und der Chorda dorsalis der Amphibien^
f'Nr. 65), welche zwar ein Jahr vor Oötte's ^Flussneunauge"
erschienen ist, gleichwohl aber von ihm mit keiner Silbe erwähnt
wird. Sc h wink hat sowohl Urodelen als auch Anuren (Rana
and Bnfo I sehr eingehend antersncht und kommt auf Grand dieser
vergleichenden Stadien zu wesentlich denselben Ergebnissen wie
ich. Jeder Leser wird sofort die grosse Uebereinstimmung zwi-
sehen den von Seh wink und den von mir gegebenen Bildern
der Urodelen- nnd Anarenentwieklnng bemerk»ik und er wird so
die Feberzengung gewinnen, dass es sich nicht, wie Oötte
sagt, am ^langebliehe^, sondern nm „wirkliche*^ Beobaehtnngen
handelt.
Kiebt minder mache ich aof die guten Abbildnngen in der
•Untersnehnng von Erlanger's (Nr. 14) aufmerksam nnd auf
seinen soeben erschienenen Artikel (Nr. 15) im Anatomischen
AnsGciger, wo es heisst: „Diese Arbeit hätte doch flberhaapt and
speciell bei Bespreehang der Goelomdivertikel des Urdarms, *
welche ich in der von 0. Hertwig Jl>esehriebenen
Weise bei särnnitliehen von mir antersachten
Annrenspecies mit der grdssten Deatliehkeit ge-
sehen and vielleicht nicht dentlich genug abge«-
bildet habe, eine Erwähnung verdient.** Es wirft gewiss ein
Licht auf die Genauigkeit der erneuten Untersuchung von Götte,
dass ihm die Goelomdivertikel immer noch nicht zu Gesicht ge-
kommen sind.
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Urmuikd und Spina bifida.
461
DritteiiB endlich liebe i(;h hervor^ das» die Befunde, auf
deren Bedeutung ftlr die Entwieklung; des mittleren Keimblatts
leb Kuefst die Aufmerksamkeit gelenkt habe (die Lippenbildung
zn beiden Seiten der Chordaanlage, das Fehlen des Darmblatts
unter der letzteren, der Entstehungsmodus des peristomalen Meso-
blasts), von zahlreichen Forschern für andere Wirbelthierklassen
(Selachier, Reptilien, S&ugethiere) bestätigt worden sind. (Balfour,
Rfickert, Rabl, van Beneden, Ziegler ete. etc.)
Ich kann daher auf die ron GOtte mir gemachte Unter-
Stellung, dass ich die fittr meine AuBstOlpnngstheorie geltend ge-
machten Thatsaehen jetzt zum Theil nach meinem „eigenen still-
sebweigenden Zugestftndniss'* Air unrichtig hielte, nur kurz und
bflndig die Erklärung abgeben: Ich stehe auch heute noch auf
dem Mher entwickelten Standpunkt, dass das mittlere Keimblatt
da* Wirbelthiere sich durch einen Eanstfllpungsproeess in der Um-
gebung des Urmunds bildet und dass die Leibeshöhle von Ur-
darmdivertikeln . abstammt.
Hierihit könnte ich die Streitsache auf sich beruhen lassen^
wenn sich nicht in dem oben citirten Satz von G ö 1 1 e die eigen-
thümliche GegeiiUberstelluni? von u g i I» 1 1 e h en" und von
„wirklichen B e o b a c h t u 11 e n" fand e.
Wat> (} ü 1 1 e unter n ^ e b 1 i c Ii en B e o h a c h t u n g e n"
versteht, verräth er uns fks (lenaneren an /,wei »Stellen, wo er
von iCTrundsätzen einer so zu ^^a^en corri^^irten Beobach-
tung" redet oder sa^rt. dass O. Ilcrtwi^ „die entwicklungs-
geschichtlichen „Bcobaolitiuifren" nach den Endergrebnisscn <les
Entwieklnngsverlaufs e i n r i c h t e f. Dichtet mir doeli ^T^itto
die somlerbare Absicht an, — ich will ihn immer selber reden
lassen — ^in die vergleichende Entwickhni^2:s;resehichte eine neue
Erkenntnisstheorie einführen zn wollen, nänilieli die C'onstruction
der wirklichen Entwicklnnir eines Korpertheils nach den „End-
resultaten'*, wenn es meht anders ^elif, auch im Widerspruch
mit der Empirie.^ Darauf tolfjft ^^leich in 8perrschrift gedruckt
der Satz: „dies heisst denn doch nichts weiter als der Zoologie
und Naturwissenschaft Uberhaupt die empirische (Grundlage ent-
ziehen und durch aprioristische Begriffe ersetzen, damit aber über-
haupt die inductive Methode der modernen Naturwissenschaiten
über den Haufen werfen."
Meine Antwort hierauf fällt sehr kurz aus. Was ich zu
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462
0 Bcar Hert wi^:
sagen habe, ist in drei Worten anegedrttckt: leiehtfertigCi plumpe
Unterstellung!
£b ist wohl nieht schwer ans iiieineu Untersnehnn^en za
ersehen, dasi^ auch in meinen Angen die Thatsachen Aber Werth
oder Unwerth jeder Theorie entscheiden. Habe ich nicht in jeder
meiner Sebriften, ttberzengt von dem Tollen Werth der sinnliehen
Wahmehmnng als der nnerlAsslichen GrundUige fttr weitere Denk-
arbeit, zwisehen objectivem Thatbestand — Beschreibang des
Beobachteten — nnd zwischen den ans den Beobachtungen ge-
zogenen Sehltlssen eine haarscharfe Grenzlinie gezogen? Ich kann
irren in den Beobachtungen, irren in den Schlttasenr aber ich
habe nie „angebliche Beobachtungen'' mitgetheilt oder
Schlosse gezogen, die nicht auf Beobachtungen füssen.
Wie ein gewissenhafter Beobachter sich nicht scheut, seine
Beobachtungen mitzutheilen, stets gewärtig, dass bald Jemand
kommt, der mit mehr Talent noch besser nnd schärfer beobachtet
hat, äls er, so soll er anch ohne Sehen ans seiner Beobaehtuug
die sich ihm ergebenden Schlosse gewissenhaft zieheit, auch auf
die Gefahr hin, später eines Trugschlusses überführt zu werden.
Wie die Geschichte aller Wissenschaften lehrt, wachsen die Wissen-
sehaften nicht selten auch durch Iirtiiihuer, auf denen sich die
Wahrheit nur um so leuchtender abhebt.
Hiermit schliesse ich eine Polemik, auf welche ich mich
nngem und wider meine Gewohnheit eingelajisen habe. Da ich
demnach noch ganz von der Richtijykeit der Coelomthcorio fttr
die Wirbelthiere über/euiL^t bin, will ich einen mit ihr en^ /u-
sammenhängendcu Geg-eiistaud berühren, auch anf die (Gefahr hin,
wieder das Missfallen im iiies Str^Msburger Critik* rs zu erregen.
Aiii meisten unklar i<t zur Zeit noch die SiclJung der Säuft-e-
thierentwicklmi^'' zur Coeluintheorie: insbes<mdere macht die unter
dem Namen ( ■ hör d n k anal bekannte Bildung einiire Schwierif^keit.
Mir scheint sieb nun ein Weg- zu zeigen, auf welchem sich das
Zustandekommen eines Cbordakanals in einfaeber Weise aus den
Verhältnissen der übrigen Wirbelthiere erklären lässt. Zur
besseren JE^länternng sollen die Schemata (Taf. XX, Fig. 16)
dienen:
In der Umgebung des Urmnnds der Säugethiere oder, was das
Gleiche ist, in der ümgebini^ der Primitivrinne finden sich zwei
Lippenbildungen in nächster Nachbarschaft: 1) die Urmundlippen,
an welchen sieh das äussere Keimblatt in das parietale Mittel-
Urmund und Spina bifida.
468
blatt QmBeU>, und 2) die Darmblattlippen, an welcben Darm-
drösenblatt und viscerales Mittelbl&tt ineäiander flbergeben. Beim
UrmundwehlnBe yerwacbaen nun in der Regel in den yersehiedenen
Wirbelthierklawen nur die Urmnndlippen, w&brend die Darm-
blattlippen dnreh einen kleinen Abstand von einander getrennt
bleiben und so von beiden Seiten her die Chordaanlage begrenzen,
welche sieh an der VerscbliiBBStelle bildet und in Folge dessen
an der Begrenzung des Urdarnis Theil nimmt. Nach meiner An-
steht findet nun bei den Sängethieren eine kleine Abweichung
von diesem Bildun^ty[)us in der Weise statt, dass aueh die
Darmblattlippen vom Anfang ihrer Entstehuiig an in der Median-
ebene KQsammen zn liegen kommen (Fig. 16 B. dl), und wenn sie
auch nicht mit einander verschmelzen, wie es bei den Urmnnd-
lippen füll später der Fall ist, so doch sich dicht berühren und
eventuell auch \crkleben. So kommt unter der Chordaaulagc
(Fi|r. 16, B. eil) ein mehr o<ler minder lauerer, enjfer Kanal fehk)
zu Stande, der hinten durch die neurt'iiterisclie Oellnung au der
Oberfläche der Primitivriuuc ausimiii(iei Fi». 16 A.), und sich
vom (.Fi^. H) D.) durch eine zweite Octinun^ mit der Blastoderro-
höhle verein i;rt.
Von uiii'ii h (irs('li(M-n, die s^ich mit den ersten Stadien der
Süugetlrierentwickluiiir hcschätti^t haheii, liat wohl van TicnedcMi
(Nr. 2ai den Chordakaiial in seinen verscliiedenen Be/ielHuif^eii
am eiiigeinMidsten uikI <;f('nane8ten nntermieht. Wie wh linde,
passiMi alle seine Ang-aben zu meiner Erklilrun^r. So bemerkt
van Beneden — man vergleiche hiermit das von mir ent-
worfene Schema — 1) dass die (yoelomspalten sich Anfanges in
den Ohordakanal öflFnen, 2i dass die Chordaanlage sieb lateral-
wärtfi in die obere Schicht des Mesoblasts conthuiirlich fortsetzt,
3} dass der Boden des Kanals in die untere Schicht des Meso-
blasts übergeht. Van Bcncden lässt die Chordahöhle dem
Archenteron oder dem Dannkanal entsprechen. Nach meiner
Ansieht würde sie nur einen vorübergehend abgetrennten, kleinen
Theil desselben reprilsentiren, während der fibrige grössere Theil
in der Höhle der Keimblase gegeben ist, in welcher sich, wie
jetzt allgemein angenommen 'wird, der Dotter rückgebildet hat. •
Der Ohordakanal ist eben eine mehr nebensächliche, zniftllige
Bildung, dem eine besondere Bedeutung nicht zukommt. Daher
Offnet er sich denn auch später, wie van Beneden besehreibt,
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464
Oscar Hert-wijp:
zuerst in seiner Mitte in die lilastodeniihühle dnroh mebr^tige
Oeffnangen, die bald zu einer einzigen Längsspalte znsammen-
flieaa^n. Ich ^vürde das so ansdrQeken, dass die aneinandei*
gelegen Darmblattlippen auf einem gewissen Stadinm ansein-
anderweiehen. Scbliesalieh ist der ganze Chordakanal mit Aus-
nahme des typischen Ganalis nenrenteriens mit dem Haupttheil
der Urdarmhdhle (BlastodermhGlde van Beneden) yereinigt.
Den Gmnd unr Entstehung dieser Modification hei den
Sftngethieren glanhe ich darin erblieken zu darfen, dass heim
Beginn des Emstlllpnngsprocesses alle Falteuhildnngen auf einen
sehr engen Raum am Hensen'schen Knoten zusammengedrängt
smd, in Folge dessen sieh ihre Lippen von allem Anfang an be-
rflhren und erst später in die Nonnalkige fibergehen. Hiennst
wäre die Uehereinstimmniig mit den übrigen Wirbelthierklassen
hergestellt.
4. Beziehungen des Urinn?id;« zii verschiedeneu Formen
von Missbildungeu.
Nachdem auf mehrfache Weise fcst^;estellt ist, (las« die in
dieser AbhaiKtiun^^ beschriebenen monströsen Froschlarveu, sowie
die Mesodid villi der Knochenfische und die unter dem Namen
der Spina bifida bekannten Störungen ihrem Wesen nach Hem-
mungsmissbildungen sind, entstanden durch behinderten VerRchlnss
des Urmunds und daniii /usaniiin nlirmf^cndo Spaltung der Axeu-
oi^^aae, will ich in diesem Absciudit notli auf einige andere
Beziehungen des ünnunds zu versehie denen Formen von Miss-
bildunjsren die Aufmerksamkeit lenken. wird sich hierbei
zeigen, dans von mein* m st;uidpunkt aus die erste Entstehung
der Doppel- und Drcitachbibiungen noch vollständi^-er aufgeklärt
wird; als es selion durch die vortreif lieben Aulbätze von Kaub er
(Nr. 46 — 53) geschehen ist.
Zunächst muss ich eine, wie ich glaube, irrige Vorstellung
beseitigen. Roux (Nr. 61) erörtert am Schluss seiner oft er-
. wähnten Abhandhing die Frage, ob nicbt bei den durch Ur-
. muiidspalte erzeugten Froschmissbildungen, seinen Hcmiembiyones
laterales, jede Hälfte sich zu einer vollständigen Anlage ergänzen
kOnne und ob nicht auf diese Weise aus einem einfachen £i
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Urmimd und Spina bifida.
465
DoppelmisBbildtiiigen zu Stande kommen kGimten. Roqx hält
es Är möglieh, daes die Semimednlla, die Semiehorda und das
unterhalb der Chorda gelegene Mittelblatt sich an den Stellen,
wo sie direkt an Dotterzellen anstossen, durch Fostgeneration
ergänzen können. „Jede Antimere wflrde in dem Dotter unter
Umwandlung desselben, i-äumlich snccessiye fortschreitend, so
weit ein Stflek der anderen Hälfte postgeneriren, bis beide Bil-
dungen in der Medianebene des ganzen Eies zusammenstossen.
In dieser Berahnm^s^^egend mflssen dann die nachträglich ge-
bildeten Stacke von seitlichen Körperhälften mit einander ent-
sprechenden Theilen zusammentreffen, sofern die Bildung von beiden
Seiten her annähernd gleichmässig erfolgt. Wir erhielten dann also
auf eine seeundäre Weise nnvollkommene Doppelbildungen, welche
dem in der Sache schon von Meckel deutlich beschriebenen,
von mir benannten Gesetz der doppelten Symmetrie der Organ-
anlagen entsprechen. Namentlich wtirdc auf diese Weise die
noch iiiclit während ihrer Entstehung heobachtett' Duplicitas dor-
«alis hervorgeht 11 köiiueii, und zwar häutiger die Duplieitas dorsi-
caudalis. seltener dorsiceplialica.^
Diese Hypothese steht mit den Thatsaelien in Widerspruch.
Denn einmal seilen wir ja, (hiss bei Ampliibieu und Fiselicu die
in der Medianebene nicht vmv Ycrwaclisang gelangten Axenorgane
aut .späteren Stadien noeli in einen mehr oder minder der Nonn
ents|)rech enden Zustand übergeführt werden, zweitens l)esitzt ja
jeder Theil schon sein zu ihm ^^ehiiriges (Tegenstdck, so (hiss
nur in der räumlichen Anordnung eine Abweichnn-^- untergeurd-.
neter Art von der Norm besteht und, was nicht fehlt, auch nicht
postgenerirt zu werden braucht, dritfoü^ sind die Dotterzellen
nicht als ein inditi'erentes, der Differeuisinin^'' harrendes Eimaterial
zu betrachten, sondern selbst schon Bestaudtheile einer Orgau-
anlagc, nämlich des Darms.
Der von Roux mehr gelegentlieh geäusserten Hypothese hat
bald darauf Klaus sn er '83) eine sehr ausgedehnte Bedeutung für
die Erklärung von Mehri'achbildungen beigemessen. Er theilt
letztere in zwei grosse Gruppen ein, 1. in solche, die durch
primäre Pluralität der Anlage und 2. in solche, die durch Fis-
sion mit Fostgeneration entstehen. Die erstere schlägt er
vor als Zwillings-, Drillinprs ^ Vierlings-Bildungen, die letzteren
als Zwei-, Drei-, Vierfach-Bildungen zu bezeichnen.
Archiv f. mlkroak. Anat. Bd. S8 3]^
466
Oscar Hertwi^^:
Im G^egeneatz zn Elanssner und Ronx bin ich niin der
Heinmig, dass bei den Wirbelthieien Mehrfacbbildmi^D niebt
auf dem Wege der Postgeneration von schon reUtiy weit
differenzirten Halbanlagen ans entstehen, sondern dass sehon im
Keim auf sehr frflhen Stadien die Bedinguugen
fflr zwei oder mehr Anlagen vorhanden sind. An
Teleostierembryonen hat Raub er (50—53) den Beweis fOr diese
Ansiebt geführt, indem er die Entstehung von Doppel- und Drei-
fachmonstra ziemli<^ weit znrflckverfolgt hat, nämlich bis sn dem
Stadium, wo die Keimseheibe noeb ziemlich klein ist und die
erste Anlage eines Kopffortsatzes erkennen lässt. „Statt dass
nun", bemerkt Rauber, „wie im gewöhnlichen Falle, bei der
allmäliliebeu VergrOsscrung und Ausdehnung dieses Koiiiis über
die Dottcrkiig:el eine einzi^^e, /Aniächst vordere Enibnonalaii-
lage 7MY Ausädildun^- gelangt, gelangen im Falle einer Achsen-
veniiehrung gleichzeitig zwei oder drei Embryonalanlagen zur
Erschein Ving." Er bezeichnet dieselben an anderen Stellen auch
als ^Voonisse des Keiiurings", die von ihm in meridionaler
Richtung ausgehen und auf dem Umund senkrecht stehen. In
Folge dessen sind „stets die Sehwanztheile der Keiniptortc zuge-
wendet; die Köpfe von ihr abgewendet*. „Die Ausbildung
mehrerer Anlagen erfolgt daher", nach Rauber. ..stets als eine
„pluriradiale" und „stomaton-ene", sie beruht zugleich auf einer
Theilung des Keimscheibenge liietes und in letzter Instanz des
Kcinnnateriales. ' Verschiedene Formen der Monstra resultiren
je nach der Stellung, welche die mehrfachen Anlagen am Keim-
ring einnehme, je nachdem sie näher oder entfernter von ein-
ander liegen. Rauher gibt eine sehr zutreffende und einleuch-
tende Darstellung von allen diesen Verhältnissen.
In einem Punkte jedoch, der von ziemlicher Tragweite
ist, kann ich ihm nicht beipflichten. Rauber betrachtet den
ganzen Keimscheibenrand als ürmundrand, was
ich schon oben (Seite 443) als nicht zutreffend nachzuweisen
versucht habe. Er lässt dabei die Mehrfachbildungen sich nicht
nur aus einer einfachen Zelle, sondern auch aus ^er einfachen
Gastrula entwickehiy aus einer Gastrula, an welcher sich zuwider
dem normalen Verlauf zwei oder drei Medullaranlagen bilden.
So bemerkt Raub er (52 Seite 163) ui nicht misszuTerstefaender
Weise Ton einer Doppelbildung des Forellendes: „Während nur
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Urmund und Spina bifida.
467
e i 11 0 Gastrula vorlicjart, besteht eine doppelte N e u r u 1 a",
unter welchem Namen er das Stadium bezeichnet, wo am Keim
die Anlage des Meilullarrolus au l/.ii treten beginnt. Und an einer
anderen Stelle Kagt er: „So entwickelt sich bei den MelirfaeU-
bildungen aus einer eiufacheu Gastrula eine melirfache Neurula"
(46 pag. 84).
Naeli meiner Auffassung dagegen sind die Mehrfaeh-
b i 1 d u n g e n auf ni e Ii r 1" a c Ii e (I a s t r u 1 a e i ii - i i M p u u g e n
z u r tt c k z u f Ii h r e n. Da iium in den verschiedenen Wirbeltliier-
klassen je nach den Eigenselial'ten der Eizelle, die in erst(;r
Linie durch ihren Dottergehalt bestinnnt wcrdciij der GastruLatioiis-
process sehr verschiedene Irinnen annimmt, — ich erimici e /. H.
an das ausführlich erörterte Verhältniss von Urmundrand und
Umwachsungsrand zu einander bei Telcostieren, Selacliicrn, Am-
nioten — so läset sich erwarten, dass die Art des Oastnilations-
processes sich auch bei der speciellen Ausgestaltuug der Mehr-
fachbildungen in den einzelnen Wirbelthierklassen äusseni wird.
In dieser Hinsicht hat auch schon Kaub er auf tiefgreifende
gesetzmässige Beziehungen zwischen nonnaler und „pluriradialer
Entwicklung" die Auinaerksamkeit gelenkt. Anknüpfend an eine
Angabe von Hunter, „dass jeder Thierart eine eigene Art von
Missbildnng besonders eigenthflmlich sei", fügt er hinzu: „In
wie weit die Angabe Wahres enthält, lässt sich die veranlassende
Ursache wesentlich aiif Unterschiede in der normalen Entwick-
lung^ ztirttcki%lhrett. Die verBcbiedenen rftnmiichen Beziehungen
zwischen Ei und EmbryonalanlagC; die Verschiedenheit in dem
Maasse der Verwendung* des Keimrings fttr die Embryonalanlage,
das Vorhandenseiu totaler oder partieller Furehung^ diese Veiv
hältnisse sind es, welche die wesentlichen Unterschiede auch der
Mehrfaehbilduttgen der verschiedenen Wirbelthierabtheilungen be-
dingen, ohne dass das Wesen der Mehrfaehbildungen dabei eine
Aenderung erleidet.^
Die Beziehungen zwischen Einfach- und Mehrfaehentwick-
lung glaube ich noch etwas genauer feststellen und durch fol-
gende Theorie weiter aufklären zu können: Die mehrfajshen
Gastrulaeinstulpungen, welche den Ausgangs-
punkt ffir die Entstehung von Mehrfachbildungen
abgeben, zeigen in ihrem gegenseitigen Verhalten
je uaeh dem Character des Eies und des ihm eigen-
4Q> Oscar H e r t w i gr :
thflinliehen Gastrnlationsproeesses Yeraelkiedeii-
heiten^ welche den Monstrositäten in den einzelnen
Wi rbelthicrklasHen ein charaeteristisches Gepräge
verleihen.
Zur Erläuterung^ dieser G a 8 1 r u 1 ii t i o u s t h e o r i e der
M e Ii r f a c h h i 1 d u n i;- e n bediene ich mich wieder einiger Sche-
mata. Dieselben sollen nur zei^^en, wie der Gegensatz, der in
der n(»rnialcu l^ntwicklung zwischen den Kiiochenfiselien und den
Vögeln besteht, auch im Charactcr ihrer Missbildungeu wieder
znm Vorschein kommt.
Ich beginne mit den Knoehentischen. Im Schema Fig. II
(Taf. XX) sind am Keimseheibenrand in gerin^^er Entfennmrr von
einander zwei Einstülpungen entstanden und haben, indem sich
ihre Kinsttilpungsrändrr in der bekannten Weise in der Kiclitung
eines Radius zusammengelegt haben, zwei vordere End)ryonal-
anla^en ik' und k^) gebildet. Don kleineren Tlieil des Keim«-
scheibcnrandes (z) , weleher die lieiden Keime trennt , nennt
Bauber die innere oder mediale Zwischenstrecke,
den grösseren Umfang die äussere oder laterale Zwi-
Bch enst recke. Jede dei*selben zerflült wieder dadurch, dass
Bich von der vorderen Embryonalanla?:e (oder dem in Schluss
begiififenen Theil des Urmunds) die Einstülpung eine Strecke
weit auf den Keimscheibenrand fortsetzt, in zwei Abschnitte, in
den Urmundrand und in den Umwachsungsrand. Da bei den
TeleoBtiern die Gastrulation sich anf einen längeren Zeitraum
ausdehnt und dabei ein ziendich betrftehtlicher Theil des Um-
wacfasnngsrandes in Ununndrand uuigewanddt wird^ mnes die
innere Zwischenstrecke, je geringer die Entfernung zwisoh^ den
zwei in Ansbildnng begriffenen Embiyonalanlagen ist, nm so
frflher znr Yergrdssemng der yon links nnd rechts sich ans-
dehnenden ürmundränder aufgebraucht werden. In Folge dessm
müssen jetzt die ursprünglich getrennt entstandenen
doppelten GastrulahOhlen nach hinten in einen
gemeinsamen Hohlraum zusammenfliessen. Aus
Schema 11 ist Schema 12 hervorgegangen.
Im weiteren Verlauf können nun die Ürmundränder sich
auf Kosten des Umwachsungsrandes nur noch auf der lateralen
Zwischenstreeke vergrösseru; sie verhalten sich genau wie die
Randtheile einer einfachen Gastmhi und legen sich dement-
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Uriiiunrt und Spina bifida. 469
sprecliend allmählich in der Medianebene znr Bildung«: eines ein-
lachen Rnnipfthcils zusammen, wie in ^^chema 13 dargestellt ist.
Es lic^t auf dor Hand, dass je weiter die ersten Einstül-
pungen am Keim8cheil>euriiud von einander entfernt sind, um so
länii:cr die zwei Urmundgebietc sich getrennt erhalten und um so
grösser die zwei Eml)ry<>nalk(">r|)er, die durch Concrescenz der
ürmundränder entstehen, anstallen werden. Und in dem Falle, dass
die zwei Urnunnlgebiete am Keiinseheibenrand einander mehr oder
minder fogeuUber liegen, werden sie sich überhaupt ganz getrennt
erhalt 11 und indem sich jedes für sieh zum Ring schliesst. zwei
voUstUndig nnsgebihlete Einl>ryonen lieferit. die nur mit einer
Strecke der l^auehwand in Fdkc ihrer j^emeiusamen Ent-
stehung auf nnem Dotter /usanmienliängen. Auch muss in
diesem Fall die Emwaehsung des Dotters in einer etwas anderen
Weise als beim normalen Verlauf vor sieh gehen, da der Lin-
wachsungsrand durch die doppelte Embrj'onalanlage in zwei mehr
od^ minder symmetrische Hälften zerlegt ist. Die Umwachsung
miu8 eine ringförmige werden und sich zwischen die beiden
embryonalen Körper trennend hineinschieben.
Bei der Ansicht von His und Rauber, dass der ganze
Keimring Embiyonalrand sei und znr Bildung des Körpers auf-
gebrancht werde, macht die Erklärung der „Gasfrodidymi oder
Omphalodidymi*^ Schwierigkeiten und fordert einige Hilfsan-
nahmen. Man vergleiche hierüber die von Raab er (50) in
VirchowB Arebiy (Bd. 74, pag. 7d— 81) gegebene Barstellnng.
Bei meiner Theorie der mehrfachen Urmundanlage and auf Gnmd
meiner Fassang des Gastrolationsprocesses föllt jede Schwierig-
keit bei der Erklärung weg.
Es wird jetzt von hohem Interesse sein, von den ange-
deuteten Gesichtspunkten aas den Telostiem die Vögel, die wir
als Vertreter der Amnioten flberhanpt betrachten können^ ver>
gleichend gegenflberzostellen.
Nach der Analyse, die auf Seite 449 gegeben wurde, ist
bei den Vögeln der GastrolationsproceBS ein in hohem Grade ab-
weichender. Denn bei ihnen wütl nar ein kleiner Theil des
Eeimseheibenrandes in Vrmondrand umgebildet. Letzterer schUesst
sich meist caudalwärts zum Hing und löst sich dadurch vom
Umwachsungsrand ab. Dies muss auf die Formnng der Mehr-
fachbiiduugcu a priori von wdtreichendem Einiluss sein. Denn
L.icjui^L.ü cy Google
470
Oscsr Hertwig:
wenD bei den Vdgeln am EeimBcheibenrand zwei
Einstülpungen entstehen, so darf man erwarten,
dass sie hier getrennt erhalten werden, aneh bei
einer Kabelage, wo sie bei den Knochenfisehen
bald in eins verschmelzen. Zur Veransehauliohung ver-
weise ieb auf die Schemata Fignr 11, 14, 15. Figur 11, welche
uns schon als Schema für die Ans^an^sstellnng zweier Embryonal-
anlagen eines Knochenfisches gedient hatte, boU jetzt eine ent>
sprechende Ans^angsstellnng für die Dop])eIbiIdnng eines Hühn-
chens darstellen. Hier erhält sich jetzt in Folge des oben her-
vorgehobenen Umstandes bei der Vergrösserun^ der Keimseheibe
ein Theil der inneren Zwischenstrecke und nur ein geringer Theil
von ihr wird durch Umwandlung in Urniundrand nacl) links und
rechts zur Verlängerung der beiden Primitivstioit'eii abgegeben.
Diese bleiben daher {hn Gegensatz zu den Teleostierii > bis zu
ihrer Ablösung von dem Keimrand immer durch ein Stück
Zwischenstreeke, welches die Kiirenschaft des Ümwachsungsrandes
besitzt, getrennt. Während im »Schema 12 und lo Verselnnel-
zung der beiden ürmundgcbiete, ist im Schema 14 nnd In
dauernde Sondenmg derselben durcii ihre Ablösung vom Keim-
scheibenrand eingetreten.
Was hier aus dem Verhuit' des (-iafitrulationsi)r()eesses theo-
retiscli entwickelt wurde, findet sieli in dw 'Ih-At durch die lie-
obaehtungen bestätigt, welche man über Mehrtiichbildungen beim
Hühnchen und anderen Vrigehi und Keptilien zu machen Gelegen-
heit gehabt hat. In der That zeigen bei ihnen die Mehrfach-
bildungen in typisclier Weise ein anderes Verhältniss, als bei den
Knochenfischen. Wenn wir die Beselireibungen nnd Abbildungen
von D a r ( s t e (11), Panum (43), Raube r , (fcrlacb, Klauss-
ncr und Anderen näher durchsehen, so linden wir, dass »ehr
häufig innerhalb eines gemeinsamen hellen Fruchthofes zwei oder
drei von einander getrennte, mehr oder minder weit entwickelte
Embryonen vorkommen. Dabei sind stets die Köpfe nach dem
Centrum des hellen Fruchthofes, die Schwänzenden nach dem
Keimseheibenrand zu gerichtet, wie es dem schon von Rauber
betonten Gesetz ihrer Entstehung nach der Fall sein mues. Die
Axen der £lmbryonälanlagen können zu einander den verschie-
densten Einstellungswinkel zeigen. Zuweilen sind sie parallel
gerichtet, wenn sie dicht neben einander liegen, oder sie bilden
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Urmuud uiul Spiua biflda.
471
einen spitzen, öfters einen etnmpfen Winkel miteinander. Endlich
können nie auch so orientirt sein, dcoss die Axe de^ einen in die
gerade Vcilanojernng des anderen füllt, die Köpfe nach dem Cen-
trnin, die Schwänzenden nach Aussen gekehrt. (Oppositions-
stelJung.)
Es wird von Interesse sein, die Unterschiede zwisehen hei-
den Wirbelthierkiassen im Einzelnen noch etwas genauer zu be-
stimmen und einander jre^^onüber zu stellon.
Bei den Knochen lisclu'u sind vollständig gesonderte Zwei-
tachbilduii^eii. die nur durch den Dottersaek zusammenhängen,
sehr selten, bei den Vögeln bilden sie die Majorität.
Ik'i den Fischen bleiben die Embryonen nur dann ^^esondei-f,
Avcnn sie sich in Oppositionssteliung, d. h. an ent^'e^en^ufesetzten Stel-
len der Keiniseheibe anlep'n, denn bei jeder grösseren Annäherung
kommt es früher oder später zu einer Verschmelzung ihrer hinteren
Enden. Bei den Vögeln dagegen sehen wir auch bei grösserer
Naheläge keine Vei-sehmelzung eintreten, weil die Zwischen-
strecke sich grösstentheils als Umwachsungsrand erhält. Die
Mehrfachanlagen werden daher mit ihren Caudalenden nicht nur
nicht genähert, sondern oft sogar noch weiter in divergenter
Richtung auseinander geftlhrt.
Bei den KnochenfiBchen sind niemals Doppelbildungen mit
seenndär verschmolzenem Kopfende nnd doppeltem getrennten
Rumpf und Sdiwanzende beobachtet worden, bei den Vdgeln
entwiekelu de flieh hftufig, denn da die yorderen Enden der Pri-
mlÜTStreifen nach dem Oentrum der Keimscheibe zu dicht zu-
sammenliegen, sind, wie G e r 1 a c h (18) bemerkt, y^vorzogRweise die
Bedingungen fUr eine CoUtnon der Kopfenden der beiden Em-
bryonen gegeben**. Vielleieht werden sogar in Folge der früh-
zeitigen Ablösung des Urmundrandes rom Keimscheibenrand und
des dadurch hervorgerufenen Waehstbums des hinteren Theils
der Primitivriutte durch Intussuseeption, ihre vorderen Enden
noch mehr als es ihrer ersten Entstehung entspricht, nach dem
Centrum der Keimseheibe zusammengeschoben. „Demgernftss
findet man**, wie Ger lach in seiner Zusammenfassung fortführt,
„bei den Doppelmissbildnngen theils eine mehr oder minder tief-
gehende Verschmelzung der beiden Köpfe, wodurch dieselben so-
gar als ein änsserlich zwar einfaches, dagegen in hohem Grade
missgestaltetes Gebilde erscheinen können, theils aber auch nur
L.icjui^L.ü cy Google
472 Oscar Hertwig^: «
einen mehr oberflächlichen Zoflammenhang der beiden Köpfe,
femer der Hals^ und Bntstgcgend. Bei den opponirt einstrahlen-
den ' £mbryonalanla([^n endlieh treffen im FaUe einer Ver-
waeheiing die Köpfe direct aufeinander , woraus verschiedene
Formen der Craniopa^en resultiren." Zwischen der Versehmel-
zun^; der Kopfenden zweier Vogelembryonen und der Bildung eines
einfachen hinteren Endes beim Doppclmoiistrum eines Lachses be-
steht ein priiicipiell wieliti^jrer Unterschied. Dort handelt es sich um
ein secnndäres Ziisaniiucntrcten bereits vollHtändi?? und normal
angelegter Kürj)iistro(k('ii. hervorgerntt u durch Kaiunniangel, in
Folge dessen sieh die <MjL,'^aiu' lici ilireni Waehsthuni gegenseitig
beeinirächtigen. Hier dagegiii handelt es siel» «ni die Verselnnel-
zung zweier Kör])erhHlt'ten, die sieh zu einem ncrniud besehafi't uen
Körj)erabselinitt ergänzen und in so fern als Gegensttteke zu ein-
ander gehrnt'ii.
Wahrend bei den Knochenfischen Missbildungen mit vor-
derer Verdo|ij)ehnig einfacher Rumpf mit 2 Köiden i am häutig-
sten sind, treten sie bei den Vögeln gegenüber den anderen
Formen nn Zahl !>ela- zurück. Räuber bemerkt V(m ihnen:
„Schwierigkeiten für die Erklärnng bieten 8onderbarer Weii«
gerade Be(il»aeiitungeu von vorderer Divergenz, d. i. Y-tV^rmige
Doppelbildungen des Hühnchens. Es ist, als ob das bei der
Weiterentwicklung von Dop|)elanlagen der Knochenfische so stark
hervortretende k<)njnnkti\e Moment unter bestinuntcu Verhält-
nissen auch bei Duppclaulagen der Vögel in stärkerem ^laasse
hervortreten könne, als es normal geschieht. Falle solcher Art
sind verhältnissmässig selten. Ueber ihre Heurtbeilang können
noch Zweifel böstehen und ist darum die Nothwendigkeit her-
vorzuheben, weitere He(d)achtungen dieser Art von früheren Sta-
dien zu sannueln.^' G e r 1 a c h ist der Ansicht, dass diese Doppcl-
bildungen des Hühnchens trotz äusserer Gleichartigkeit sich nicht
in derselben Weise wie bei den Knochenfischen erklären lassen
und er ist dadnreh veranlasst worden, der Radiationstheorie von
Rauber noch eine Theorie der Bifnrcation zur Seite
zu stellen. Nach der Erklärnng von Gerlaeh geht im Gegen-
satz zur Radiation die Bifurcation in der Weise vor sieh, dass
„nur eine einzige £mbryonaianlage in die Area pellucida ein-
strahlt, welehe in ihrer weiteren nach vorwärts gerichteten Aus-
bildung bald irtther, bald später die Medianlmie verlässt^ um ga-
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Uruituid und Spiim bifida.
473
belig divergfirend in . zwei Schenkel ansznlaiifen. Jeder dieser
Schenkel entspricht dem bei Beginn der Bifnrcation noeh niebt
gebildeten Theile der Embryonalanla^^e^ so dass dicBelbe sieb
vor der Biftircationwtelle doppelt entwickelt, während sie hinter
da^lboi einheitlich erscheint. Daraus ergibt sich, das» durch
die Biftircation die Doppelniissbildnngen mit vorderer Ihiplicität
ins Leben treten, deren höhere Grade (Ischiopagns) ein frOhzei-
tigere« Eintreten der Bifurcation voraussetzen, als diejenigen For-
meu der vorderen V^erdoppelung, welche nur die Kopf- und Ge-
sichtstheile betreffen (Diprosopus, Dicephalus)."
Den Iiil(]ung8niodus der Rifnrcation für gewisse Doppel-
niissbiklungen der XiS^e] anziuu lutien und ihnen dailurcli eine
exceptionelle Stellung :ui/u weisen, liegt nun aber durehaus kein
Grund vor, wenn wir die vorrreffliohe Darstellung Duval s i l.'li über
die Entstehung der Priniitivriimo ans* der Sichelrinne "berücksich-
tigen. Danach legt sieh bei dvw \'ögc]n ebenso wie bei den
Kiioehenfischeu der L'rmundraiul lun Keimscheibenrand an und
bildet sieh durch „Conjuuetion" zur Primitivriniic um. Wenn
daher zwei Gastrulaeinstnlpnn^rn sehr dicht nvln-u einander ent-
stehen, werden auch beim lluiniehen. in derselben Weise wie
bei der Forelle, aus ihnen zwei Primitivrinnen hervorgehen
müssen, die am vorderen Ende eine Strecke weit getrennt sind
und nach hinten in eins verschmelzen, wenn die kleine sie
treimende, innere Zwischenstrecke zum Urmnndrand autgebraucht
ist. Bei den Viigeln setzt dieser Vorgang nur eine viel gi-össere
Nahesteilnng der beiden Anlagen als bei den Knochenfischen
voraus wegen der früher dargelegten, veränderten Beziehungen
zwischen T rinund- und Umwaehsungsrand.
Endlich finden sich bei den Fischen nie Doppehnonstra mit
parallel gerichteten Achsen, die in der Berührungsebene je nach
dem Grade der Annäherung mehr oder minder weit verschmoizen
sind. Bei den Vögeln werden solche beobachtet, und sie werden
hier entstehen, wenn von Haus aus die beiden Gastrulaeinstttl-
pungoi nur wenig weiter als in dem vorher erörterten Fall ausein-
anderliegen. Die innere Zwischenstrecke mnss bei diesen immer-
hin seltenen Vorkommnissen eine solche Grösse besitzen, dass
sie bei der Ausbreitung der Keimscheibe und der zugleich sich
vollziehenden Bildung der beiden Primitivrinnen an diese nach
links und rechts nur so viel durch Umwandlung in Urmnndrand
474
Oscar Hert wig:
abgibt^ als ihr TJmwacbBimgsraiid in dieser . Zeit an AnBdehnung
spmmmt Unter diesen Bedingungen werden die sieb bildenden
FrimitiTStreifen an ihren binteren Enden anf den verscbiedenen
Stadien immer gleieben Abstand bewahren bei gleieb bleibender
6r<J68e der inneren Zwisebenstrecke, während sie bei den Kno-
ebenfisehen eenvei^ren rnttsaen nnter Schwund der Zwlsehen-
streeke. Liegen bei den YOgeln endlieh die beiden Gastmla*
einstttlpungen noch etwas weiter als im letzten Fall auseinander,
so mttssen die hinteren Enden der ans ihnen entstehenden Pri-
mitivrinnen divergiren, weil bei einer weiteren Ycrgrösserung der
inneren Zwisehenstreeke der Umwachsungsrand an Anadehnnn^
mehr zanimmt, als ürmnndrand ^^e bildet' und znr Verlängerung
der Primitivrinnen aufgebraucht wird.
Im Anschluss an meine Gegenüberstellnnj^ der Mehrfach-
bildungen von Fisch und Vogel sei noch daiaiii aufmerksam ge-
macht, dass, wie schon von anderer Seite (Raub er, Gerlaclii
hervorgehoben worden ist, „durch die Radiationstheorie eine von
Seiten der Teratologen vielfach discutirte Ersclieinnng ihre höchst
einfache und natüiliehe Erklärung iindet: nämlich die bei Doppei-
missbiUiungeu höheren Grades (vollkommenen Axenduplicitäten)
sofort in die Augen fallende Thatsaehc, dass die beiden Com-
ponenteu derselben an gleichartigen Krupertheilen mit einander
verbunden sind" 'Oerlach). Kopf mit Kopf, Hrnst mit Hrust
müssen lK»i grosser Xaliestellung beider Componcnten verschmelzen,
weil diese vom Keimraud ausgehend in gleichem Siune orien-
tirt sind.
Die Theorie, durch welche die verschiedene Beschaffenheit
der Doppel misshildungen bei Knochentischen und bei Vögeln er-
klärt worden ist, kann uns vielleicht auch weiter noch zur Er-
klärung dienen, warum bei den Wirbelthieren, welche sich ans
kleinen, lioloblastischcn Eiern entwickeln, bei Cyclostomen, Am-
pbibien, Ganoiden, Doppelmissbildnngen entweder noch gar nicht
oder nur sehr selten beobachtet worden sind.
Von Salamandra, bei welchem aber die Eier gerade aus-
nehmend gross sind, ist ein Doppelembryo von Braun (Nr. 7)
beschrieben worden. Born hatte (Nr. 6) Gelegenheit, ans
einer Zucht von Rana mehrere Doppelembryonen zu sammeln,
hat aber von der Anatomie derselben noch keine genaueren De-
tails veröffentlicht. Berücksichtigt man indessen, wie oft Frosch-
Umrand und Spina bifida, 475
laieh unteisacht und die künstliche Befmehtong von Frosoheiem
ansgeftlhrt wird, so mofls die SpArliehkeit deiaiüger Angaben
gewiss llberraschen und ans die Annahme nahe legen, dass in
den genanntep Thierklaasen sich wahrscheinlich Mehrfaehbildnngen
nieht so häufig wie hei den Teleostiem und Amniote% yielleicht
anch gar nieht bilden werden. Anch Rauher hat diese Er-
seheinung hervorgehoben und dadurch zu erklftren gesucht, dass
bei den holoblastischen Eiern ^det Platz ftlr eine zweite An-
lage sehr besebrttnkt ist und dass Eier dieser Beschaffenheit
ansserordentlieh wenig daxii geeignet sind, Doppelbildungen .nicht
sowohl anznlegen, als vielmehr zu irgend einer vorgeschrittenen
Stufe der Entwicklung zu bringen".
Xac'li meiner Ansiclit könnte die berührte Er^eheiiiunf: aueh
hier mit der Art des Gastrulationsprocesses zusamuicnhaiigen,
entweder in der Weine, dass wegen des besehränkten Raumes
an der Hlastula sich überhaupt nicht Einstülpungen an zwei ver-
schiedenen Stellen bilden k<5nncn, oder vielleicht in der Weise, dass
zwei getrennte Einstülpungen zwar entstehen, aher iVidrzntig
unter einander in eins verj^ehmelzeu, ehe es mn-U /.ur Verwachsung'
der Urmundränder an zwii g< treniiten Miellen und dadurch zur
Entstehung von /a\v\ getrennten Mednllarplatten gekommen ist.
In letzterem Falle könnte man sagen, dass eine der Anlage nach
im Keim vorhandene Mehrt'aclilMldnntr irewisscrniaassen l.*Ttent ge-
blieben ist, weil sie nicht die Möglichkeit ihrer Eutt'altuug ge-
funden hat.
Es lässt sich vielleicht hoffen, dass durch Untersuchung
von Froscheiem auf früheren Ötadien der Entwicklung , als sie
dieser Arbeit zum Ausgangspunkt gedient haben, eine Antwort
auf die aufgeworfene Frage zu erhalten sein wird. Auch wäre
daran zu denken, dass die von mir als Henunungsmissbildungen
besehriebenen Froscheier vielleicht in ihren extremen Formen zu
Mehrfachmissbildungen in einer ursächlichen Beziehung stehen
und durch gleiche Bedingungen hervorgerufen worden sind.
Eine derartige Vermuthung lässt ^eh nieht ganz von der
Hand weisen, zumal wenn man eine Beobachtung von Bau her
beachtet. Danach „treten bei Vorhandensein zweier vorderer
Embryonalanlagen leicht Hemmungen f)lr den unmittelbaren^ wei-
teren Anscbluss der äusseren Zwischenstrecke zur Bildung eines
gemeinsamen Körpertheils ein. Zu einer vorderen Verdoppelung
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476
Oscar Hertwig:
geseUi eich dann die Bftckenspalte im Bereich des gemeinsamen ein-
fachen KörperabecbnittB^.
Ueher diese und andere Fragen werden w aber erst Klar-
heit gewinnen können, wenn wir znvor wissen, welche tieferen
Ursachen im Ei wirksam sein mttssen, wenn statt einer normalen
einfachen sich mehrere getrennte Oastmlaeinstfilpuiigen oder ans
einer einfachen Eizelle zwei Embryonen entwickeln sollen.
5, Unter welchen Bedingungen können ans einer einfachen
Elzelle mehrfaelie Anlagen herTorgehen 2
Die im vorigen Capitel aufffcworfcne und diesem Capitel
' zur Ueberschrift dienoiulo Fra|?c (Iriin^^t sieh einem Jeden natur-
gemäss auf, der sich mit dorn Stndium der Melirfachbilduugen
eingehender beHclijiftiL't hat. An Hypothesen, welche uns den
Vorgang veretiiiKiliclit r machen sollen, hat es in der Literatur
nieht gefehlt, auch Versuche sind häufiij: anc^cstcllt \vt»nhMi, um
auf oxperimiMitcllcui Wege, namentlich durcli uieehaiiische Ver-
letzuii^^on Spaltung der EmhiTonalanlage) oder durch andere
Eingriffe Misshilduiigcii küiistlicli zn orzcu^^-cii. Wer hierüber
näher nrientiren will, sei auf die geschichtlichen Darsii llun- i n
von Kauber nnd von (xcrlacli hingewiesen. Mir li< ::t j'-t/t
daran zu zeigen, wie nach uuseicn gegenwärtigen Erlahrungeu
die Antwort aut die Krage ausfallen wflrde.
Mir scheinen veri*chiedene Wege möglich zu sein, auf denen
die ursprünglich einfache Anlage einer Eizelle auf zwei oder drei
vermehrt werden kann. Ein solcher Weg ist d i e S o n -
dernng der T h eilprodnkte eines Eies in mehrere,
sieh in ihrer Entwicklung nieht mehr gegenseitig beeinflussende
TheUe.
Nach der von mir in zwei Schriften (Nr. 22) näher ansge-
-filhrten Vererbungstheorie erhält jedes Theilstück der Eizelle
durch den Kemtheilungsproeess nach Quantität und Qualität
gleichviel Erbmasse in ihrem Kern. Durch . den Besitz dieser
Erbmasse trägt es die Möglichkeit in sich, unter geeigneten Be-
dingungen ans sich das Ganze zu reprodneiren. Ich freue mich
fttr diese Auffassung ein neues, wichtiges Argument in den inter-
essanten Experimenten von Driesch und Ghabry erhalten
zu haben.
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Ummnd und Spina bifida.
4T7
Drir<;oh (Nr. 12) liat Seeigeleier, nadidem sie sich eben
zum ersten Mal getlicilt iiabeii, naeh einem von mir sebon fttr
aiulerc Zwcu ki^ benutzten Verfabren geschüttelt und ho in vidtn
Fällen die beiden ersten Furcbiingszelleu von einander isolirt
und für sitli getrennt weiter gezücbtet. In T.O Fällen erhielt er
anf diesem Wege 30 normale Hlastulae von balber Grösse und
in 15 Fällen am Ende des zweiten Tages kleine Gastrulae, von
denen drei sich noch zu richtigen Plutci weiter entwickelten.
Hiermit hat Driesch die wichtige, mit meiner Auffassung or*
ganischer Bildung in Harmonie stehende Thatsaclic festgestellt,
dass „eine isolirte Furchungszelle sich^ wenn, sie
überhaupt lebt, stets zu einem Gebilde entwickelt
das sich nur durch seine (»rosse vom normalen,
unter scheide t% dass sie ans sieh keine Halbbildung im
Sinne Roux's, sondern wieder „ein ganzes Individuum halber
Grosse, eine Theilbildung'' crKPUgt. Zuweilen war durch das
energische Schütteln die Eihaut nicht zerrissen, sondern „nur
stark gedehnt und der sonst im Zweistadium ziemlich enge Kon-
takt der Furelmngszellen gelockert worden". Die Folge war,
dass sich in mehreren Fällen in einer EihfUle zwei kleine Bla-
stnlae und zwei kleine Gastrulae entwickelten. Die beiden ans
einem Ei durch Theilung entstandenen Fnrebungszellen hatten
daher Zwillinge geliefert, die meist von einander ganz getrennt
waren, aber in einem Fall in bleibender Verbindung standen.
Wenn es möglich wäre, bei einem iu zwei llalbkugeln ge-
tbeilten Froscbei die eine derselben ohne jede Beschädigung der
anderen vollständig zu t'nttcrnen, so iniisste sich auö der Theil-
hältte eine vollständige, normale, nur etwas kleinere Froschlarve
züchten lassen. Die TheiUiält'to wiirdu sicli, luu'ink'in sie sich
weiter geturcht hättCj zu eiiu-r normalen KiMiiililaso, einer nor-
malen Gastrula etc. in «lersrihni Weise wie das :;anze Ki, um-
bilden und würde nur an Grosse redueirt sein, wie es durch die
Halbirung der entwicklungsfähigen Substanz iioth wendig geworden
ist. Wenn es t'enier möglieh wäre, zwiseheii die beiden ersten
Fureliungszelleii eines t'roseheies in ihrer HerUhrungsebene einen
Isolator dazwischen zu schieben, der jede Beziehung zwischen
ihnen aufhebt, so müsstc sich aus jeder Hälfte, einzig und allein
iu (^olge ihrer Isolirung, ein ganzer normaler Embryo bilden.
Aus dem £i würden Zwillinge hervorgeben.
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478
OBoar Hert vig:
Mit diesen Folgernngen seheinen nmi wenig die Besnltate
m harmonireny zn denen Ronx (Nr. 61) in seinem Aufsatz „Uber
die kflnstiiehe HeryorbriDgang; halber Embijonen durch ZergtO-
mng einer der beiden ersten Furchnngskogeln" gelangt ist.
Rons bat selbst seine wesentlichsten Ergebnisse kurz dahin
resttmirt: ^^Naeh ZerstOrong einer der beiden ersten Farchungs-
zellen vermag die andere sich anf dem normalen zn einem
im Wesentlichen normalen halben Embryo zu entwickeln. Anf
diese Weise erhielten wir Hemiembryones laterales und anteriores
nebst den entsprechenden Vorstufen der Semiblastula und Semi-
gastrula. Auch wurden Dreiiriertelembrjonen mit Fehlen einer
seitlichen Kopihälfte durch Anstechen des Eies nach der zweiten
Furchuiig gewonnen.''
Schon Driesch hat den Gegensatz zwischen seinen und
den von Rouz erhaltene Ergebnissen betont. Ich glaube nun
nicht, dass dieser Gegensatz wirklich anf einem verschiedenen
Verhalten der Furchungszellen eines Echinoderms und de» Frosches
beruht, sondern mit Mängeln zusammenhängt, die den Roux -
sehen Experimenten anhaften.
Roux hat (hireli seine Ansteeliversuche die verletzten
Fnrchungszellcn gar nicht aus dem Kntwicklungsprocess voll-
stänflifT auBgeschieden ; er hat sie nur mehr oder minder in ilirer
Entwickinng geschädigt und gehemmt; diesen Umstand liat übri-
gens Roux schon selbst bei seinen Experimenten atfirend
empfunden. Anfangs hat er die Eier nur angestochen, wobei
Extraovata entstanden ; dieses Verfahren wurde aber bahl aufge-
geben, da selbst bei mehrfachem Aiisteelien mit einfachen, feinen
Nadeln und trotz der so hervorgerufenen grossen Extraovata sich
die Zellen normal entwickelten. Es wurde daher die Nadel vor
dem Einstechen heiss gemaelit, wodurch bessere Resultate erzielt
wurden; aber diese w^iren auch jetzt noch der Art, „dass bei
etwa 20^/0 der operirten Eier bloss die unversehrte Zelle den
Eingriff überlebte; während die Mehrzahl ganz zu Grunde ging
und einige wenige, bei denen wohl die Nadei schon zu kalt ge-
wesen war, sieh normal entwickelten.'^ Femer operirte Roux
mit grossen Massen „nicht isolirter, sondern in Ballen bei-
sammen liegender Eier nach Bildung der ersten l^rclie, um da-
von nach einigen Stunden oder am anderen Tage di^enigen
Urmiind und Spina bifida.
479
auszulernen und gesondert aufzustellen^ bei welehen sieh die ope-
rirte Furcliunj^sku^^el nicht j^efurcht hatte".
RoQx hat daher, wie ieli die Sache beartheile, bei seinen
Versuchen ^^ar Iceine Halbblastnla, Halbgastrnia, oder einen Halb-
enibryo erhalten, sondern eine ganze Blastnla, eine ganze Gastrula,
einen ganzen Embrjo, die allerdings in Folge der ihnen zuge-
fügten Schfldignng ans einem normal nnd einem anormal ent-
wickelten Theil bestanden. An einigen der von Rons abge-
bildeten Durchschnitte war die Dottermasse nieht in Zellen ab-
getheilty aber dass eie nicht als todter Theil aus der Entwicklung
eliminirt war, lässt sich schon daraus schliessen, dass sie von
zahfareichen Kernen durchsetzt war, um welche sich sogar Strah-
lung des Protoplasma gebildet hatte. Roux ist geneigt, die
Kerne von dem Fnrchungskem der operirten Furchungskugel
herzuleiten, welcher daher durch den Eingriff nicht abgetödtet
gewesen sein kann.
Durch die AnsteehTersnehe ym Roux sehe ich also nur
das eine bewiesen, dass bei dem ungestörten Verlauf der Ent-
wicklung das Zellenmaterial der einen Körperseitc hauptsächlich
von einer der beiden ersten Furchungszellen abstammt. In Fol^e
der Continuität der Entwicklung muss ja natdilicher Weise jede
ältere Zellen^ruppe sich auf eine voraus^regangrene jtingere (i nippe
wnd so schliesslich bestimmte Korpeitheile auf bestinnnte Fur-
chungszellen zurückführen lassen. Dagegen finde ich durch die
RüUx 'sehen Versuche nicht den Card!nal]mnkt bewiesen, dass
sich aus der linken Finchungszelle nichts anderes als die linke
Körperhälfte unter allen Umständen entwickeln müsse, weil sie
nur für diese die diflf i > n/irenden und gestaltenden Kräfte enthielte.
Der Dilferenzpunkl ist von ausserordentliehcr Tragweite für
die Benrtheilung des organischen Entwiekliuigfsprocesses : Nach
Roux sind die Entwicklungsvorgänge „nicht als eine Folii-e der
Zusammenwirkung aller Theile oder auch nur mIIci- Kerntheile
des Eies zu betrachten, sondern an die Stelle solcher differenzi-
renden Wechselwirkungen auf einander tritt die Selhstditferenzi-
rung der ersten Furchungszellen nnd des Complexes ihrer Deri-
vate zu einem bestimmten Stück des Embryo". Jede der beiden
ersten Furcbungskugeln „enthält also nicht nur das Hildungsmaterial
zu dem entsprechenden Stück des Embryo, sondern auch die
differenzirenden und gestaltenden Kräfte^. „DieFurchung
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460
Oscar Hör tvi j^:
scheidet den die direete Entwicklung des Individnunis vollzieben-
den Theil des Keiuiniaterials, inshosondcre des KernmateriaiB
qualitativ and bestimmt mit der daljei stattfindenden Anordnung
dieser yerschiedenen, gesonderten Materialien zugleich die Lage
der späteren dilferenzirten Organe des Embryo." „Es voll/jeht
sich'^y bemerkt R o n x , „die Gastmlation in jeder Antimere selbst-
Btftndig und das Gleiche ist auch in der caudalen uud eephalen
' Hälfte der Fall. Demnach gilt es aueli für die betreffenden
Viertel, und wir können mit Berttcksiebtigung der beobachteten
Weitereiitwicklung dieser Viertel sehliessen: die Entwicklung der
Froschgastrnla und des Kunächst daraus- hervorgehenden Embryo
ist von der zweiten Fnrchung an eine Mosaikarbeit und zwar
aus mindestens vier vertikalen, sieb selbständig entwickelnden
Stücken.*'
Diesen Thesen muss ich die Antithesen gegenaberstellen:
1) Die Entwicklung eines Organismus ist keine Mosaikarbeit;
2) die Theile eines Organismus entwickeln sieh in Beziehung zu
einander oder die Entwicklung eines Theiles ist abhängig von
der Entwicklung des Ganzen.
Worauf diese Thesen und Antithesen schKesslich hinaua-
laufen, wird der Leser am besten ei-seben, wenn wir uns, wie
schon oben bemerkt wurde, die beiden ersten Furchungszcllen
des Froselieies in der Theilnngsebene durch einen Isolator ge-
trennt denken. Da kein schatii^cndei- Emgi ill stattgefunden Init,
abgesehen von der Aufhebung der Wechselbeziehungen, so nuiss
die EntAvickhmg zu beiden Seiten de8 Isolators weiter vor sieli
gehen. Nach Roux würden wir ans der linken und reeliteu
Fnrcbuugszelle, da jede nur die (litiV'ren/irenden mul jücstalteiiden
Kräfte für die linke und ref-hto K/irperseite des Embryo eiitliält
uud diflferenzirende Wecbsehvn kuncren übcrliaii])! in Abrede ge-
stellt werden, zuerst eine linke nu l rechte lilastnlahälffe, aus
jeder wiedei- eine dementspreclieude Gastrula luid sciiliesslich
zwei vollständige Kürperhälften entstehen, die, wenn sie nicht
in der Medianebene von einander dureli den Isolator ^-etrennt
wären, sich zusannnen zu einem Normalembryo ergänzen würden.
Nach meiner Auffassung, und das ist wohl auch die Auffassung,
zu welcher Driesch auf (rrund seiner Experimente hingeführt
sein wird, wandelt sieh jede der beiden Furchungszellen in einen
Zellkaufen um, aus dem weiter eine vollständige Blastnla, eine
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Uiniuüd und Spina bifida.
481
voUständige Gastnda, ein vollständiger Embryo nnr von geringerer
Glrösse hervorgeht. Naeh meiner Auffassung enthält
daher jede der beiden ersten Farchnngszellen
nieht nar die differenzirenden nnd gestaltenden
Kräfte fttr eine KOrperhälf te, sondern fflr den
gauzeu Organismus und nur dadurch entwickelt
sieh normaler Weise die linke F ii r e h u n g s z c 1 1 e
zur linken K ö r p e r h ä 1 f te , dass sie zu tiuer rechten
F u r c Ii n n g s z e 1 1 e in Ü e z i e Ii u n ^ e s e t z t ist.
Teil erwähnte oben als Stttt'/e fttr nit ine Anftassuiig nehen
Driesch aucli die Experiment«' des französischen Forschers
Chabry (Nr. lu der Tliiorie steht dieser Forscher auf
dem Standpunkte von Ronx. Er nimmt tiir die Ascidicn und
für Thiere, deren Fnrehungszellen frUhzeitii; dilTorenzirt sind, an,
„que ehaque hla**t(>niere eontient en puissaiu'c ci rtaines parties
dont sa mort cntraine la )i('rt(» irnMuediahle et i\üc Ics diffe-
r e n t e s parties de 1 a n i ni a 1 s o n t p r e f o r m e s d a n s
1 e s d i ff (' r 0 11 1 0 s a r t i e s de F o pu i'^. Seine Exjjerimente
scheinen mir aber gerade «las (lo'rtMitheil (hivon zu beweisen.
Mit Hülfe besonders erfundener, sinnreicher Instrumente hat
Chabry (1887) einzelne Furchuugszellen von Ascidiella aspersa
durch Anstechen mit feinsten Olasnadeln zerstört. Zerstörte er
nun von den beiden ersten Fnrehungszellen die linke, welche das
Material für die linke KOrperhälfte enthalten sollte, so züchtete
er in mehreren Fällen aus der rechten unversehrten Furchnngs^
zelle eine Larve, dont la queue avait la forme, la longnenr et
la structure hahituelle. Les trois feuillets du blastoderme etaient
distincts et le Systeme nervcux represente par une taehe pigmen-
taire k grains fins gitu6e k la base de la queue dans la eon-
eavit6 de son point d'attaohe au tronc. En avant il ezistait
une Papille de fixation.^ Wurde die reehte Furchungskugel zer-
stört, so erzengte Chabry, wie er sich ausdruckt: linke Halb-
individnen, von denen er bemerkt: „Iis peuvent pr^nter les
meines organes quo les demi-individus droits k Texeeption saus
doute de Totolithe.*^ Das Resultat war dasselbe, wenn auf dem
IL Furehungsstadium die zwei rechten oder die zwei linken
Zellen zerstört wurden. Chabry bildet eine so erhaltene Larve
ab mit dem Bemerken: Malgr6 sa ressembhmce frappante avec
une larve ordinaire, eile n'est pourtant que la rooiti^ d'une larve.
Aroblv für mUtrosk. An»! Hd. S» BSt
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482 ögear Hertwig:
La forme g^n^rale est assez bonne, le tronc et la qneoe sont
distincls." Aueh bei Zerey^xuag der Dach Yom oder der nach
binteD gelegenen zwei Zellen oder nur von einer derselben konn-
ten Larven gezttchtet werden.
Gbabry le^t im Sinne seiner Theorie ein Gewicht auf den
Umstand, dass bei ZerstOmng gewisser Zellen sich kein Otolith
mid nur 1 Haitpapillc vorgefunden habe. Das sind aber doch
sehr untergeordnete Momente, wenn man bedenkt, dass sieh alle
drei Keimblätter, Chorda/ Muskeln, Kervenanlage, Darmkanal ete.
im Ganzen der Norm entsprechend entwickelt haben. Und wahr-
sc'heiiilicb wtlrden auch noch der Otolith und die Haftpapillen
entstanden sein, wenn die 80 vielen sehädi^enden Manipulationen
(öftere Untersuchung) au.%^esetztcii Larvt-U nicht «o ii ilh zu Grunde
gegangen wären, l^üdcn sich doch bei Ascidien sogar Ocellen
in der Umgebung von ktinstlich erzeugten Ocflnungen ihres Pc-
rithoracalraums (Loeb 39).
Am Schluss seines Aufsatzes niässigt denn auch Obabry
selbst die volle Strenge seiner Auffassung, dass (iie Orgaue in
cinzrliu n Purcliun^^s/dlcn prätunairt seien, durch den Satz, den
man als ein halbes Zngcständniss meiner Auffassung betrachten
kann: ^11 ra'a paru en effet que, par la mort d'une ecllulc,
1 a p u i 8 8 a n c e des s u r v i v a n t e s c t a i t c Ii a n g c c et
q u ' c 1 1 e s (1 ü n n a i c n t a 1 o r s n a i b s a n c e a des p a r t i e S
q u e 8 a n s cd a c 1 1 c s n'a u r a i c n t ]) a s p r <> d u 1 1 c s.^
Die ansgezeiclineten Experimente von Chabry haben in
meinen Augen ein sehr wichtiges Ergebniss zu Tage gefürdert,
das schon Driesch in folgende Sätze zusammeugefasst hat.
^Aus der nicht operirten Furchungszelle entwickelt sieb nicht
ein halber rechter oder linker Embryo, sondern stets ein ganzer
von halber Grösse, dem allerdings gewisse Organe von minderer
Bedeutung (Ofolitli. ein Haftorgan) fehlen. Die speciellen Aus-
flihmngen und Bilder von Chabry inaohen dies sicher: das
Resultat ist also demjenigen Boux's im Wesentlichen entgegen-
gesetzt."
Die hier vertretene Auffassung der organischen Entwick-
lung harmonirt mit den Experimenten der Botanik« und mit den
in ähnlicher Weise auf thierische Objecte ausgedehnten, ergeb-
nissreiehen Versuchen von Loeb (Nr. 39).
Der an erster Stelle besprochene Weg, auf welchem Mehr-
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Urmimd und Spina bifida.
488
fachbikluugcn aus oinom t'iiit'jiclien Ei ihren rrsjirun^ nelimeii
können, scheint mir im natürlii ln ?? Vt'rhiuf der i)in«?e di r Re^^el
nach nicht einireschhig'en zu ucrdt ii. Dureh mechanisclio Kin-
wirkung das Ei in zwei ent\vieklmi;:staliii;e Theile zu zcrleii^en
ist kein einfaches noirinuon. Auch h'hrt die directc Beol»achtung
bei den Knoclu ntisehen, dass ^ieh die niehrt'aehen Anlagen ans
einer einheitlichen Keiniseheibe hervorbihien. „Sämmtlichc
Fiscbeier, die Mchrfachbihhingen auf dem Xeurulastadium beher-
ba'gten, waren nicht ^rr^f^j^er als gewöhnliche und onterscbieden
Bich, abgesehen Ton der Mehrlach bildnng selbst, in nichts ande-
rem von den gewöhnlichen, mit Einfaehbildung vcrselienen."
Daraus schliesst Rauher: „Der Keim einer späteren Mehrfaeh-
bildinig- muss den mehrfachen Kräfteplan, dessen Vollzug die In-
dividualität bedingt, entweder schon vor der Befruchtung be-
sitzen, was das Wahrscheinlichere, oder er muss ihn durch die
Wirkung des Samens auf das £i erhalten.'' Auch ich glaube,
dass es sich um Ursachen handelt, die schon vor dem
FurchnngsprocesB anf das Ei eingewirkt haben
müssen, und nnter den hier in Frage kommenden
Ursachen halte ich Anomalien des Befruehtnngs-
processesCPolyspermie oder Ueberfruchtnng) fttr
die wahrscheinlichsten.
Wie von mir (Nr. 21, 27) mid F oi (Nr. 16, 17) bei £chinode1^
men zuerst festgestellt vnirde, wird nnter normalen Bedingungen das
£i von einem einsigen Samenfaden befruchtet, während in Eier,
die in irgend einer Weise gelitten haben, mehr oder minder zahl-
reiche Samenßtden emdringen. Nur einfach befruchtete Eier
entwickeln sich normal, alle anderen zeigen Störungen des Fur-
chungsprooesses und wurden daher schon in meiner ersten Arbeit
als pathologische bezeichnet. Fol hat die Entwicklung der-
selben weiter verfolgt und geftmden, dass aus ihnen Keimblasen
hervorgehen, an denen sieh mehrere Einstülpungen bilden. Er
nannte sie dal>«r Polygastrecs, k(nnite sie aber über das ange-
deutete Stadium hinaus nicht länger am Leben erhalten. Er
knüpfte an sie die Hypothese, dass ans mehrfacli bctruchteten
Eiern Doppcl- oder Mehrlaclibildung-cn hervor/ugclicn scheinen.
Einige ,I;{hrc später kt Fol in einer kur/A>n Mittheilung
iu dem Genfer Archiv noch einmal auf seine Hypothese zurück-
gekommen. Er hat die Eier von Seeigeln dadurch, dass er sie
ivicjui^L-ü cy Google
484
Oscar Hertwipf:
in eine KohlenBftnreatmoBphftre braelite, yorttbergebend gelähmt
und darauf bei Znsatz von Sanien Ueberfruehtung hervorgerufen.
Er ^bt m, auf diese Weise Larven, die Dop})cl- nnd Mebrfaeh-
missbildungen (Polygastr^) darsteUen, erhalten zu haben. Seine
ursprtlnglichc Ilypothese modiflctrt er in sofern, als er zugibt,
dass manchmal die Einführung von zwei Spermatozoen kein ano-
inakf? Phänomen hervorruft. Dagegen glaubt er, dass mit der
Zahl 3 die Grenze erreicht ist, welche von einein Ei iiiclit un^'cstraft
überschritten werden kanii. „Le fait a ihr' importauco tlu'orique
incontestable^ bemerkt Fol hierzu, „puisqu'il montre que le
spt rniato/oaiic ne represente pa« par lui mßmc une individualitc,
maiö Rculcmeut une certaine dose de substance nucleairc, poss^-
dant mm donte des i)roprietes speciales." ,.La questiou de
l'origine de 1 individualite n'cst pas abs^oiiuaent liee a la dose
ni ä la provenance de la substance du noyau. Le nombre des
individualites qiii prendront naissance dans un oeuf normal, ne
peilt sc roeomiaitre qu'an norabre des amphiasters qui se mou-
treut \or^ He la preniiere caryokin^se."
Bei kurzer Asphyxie der Eier (iiin-en nach Fol drei bis
vier Samentaden in ein Ei ein und lieleni Larven, welehc selir
häufig Doppelbildungen darstellen ; bei länger dauernder Asphyxie
erfolgt Ueberfmchtung durch 5 — 10 Samenfaden. Wenn Weiter-
entwicklung eintritt (was nicht immer der Fall ist), entstehen
häufig Yielfachbildungen (monstres poljgastrdes).
Mein Bruder und ich haben, unabhängig von Fol, durch
chemisohe Stoffe (namentlich Karcotica), durch mechanische £r-
sebfittemng, durch Wärme und Kälte Eizellen von Echinodermen
gelähmt und bei Samenzusatz geringere und höhere Grade von
Ueberfmchtung hervorgerufen. Die dadurch bedingten Entwick-
lungsproeesse haben wir eingehend verfolgt, die höchst sonder-
baren Eemtheilungsfignren, die Knospenfurchung etc.,^ worüber
die Originalaxbeiten (Nr. 27) nachzusehen sind. Ueber das Ver-
hältniss zur Entstehung von Mehrfaehbildungen l^onnten wir uns
aber an dem Untersnohungsmaterial keine Gewissheit verschaifen. Es
ergab sich zwar die wichtige Thatsaebe, dass mehrfach llberfiruchtete
Eier, trotzdem sie auf dem Wege der Knospenfurchung sich m
ganz irregulärer Weise in ein^ Haufen von Zellen getheilt
hatten, doch schliesslich im Ganzen nonnale Keimblasen lieferten,
die sich vermöge ihrer Flimmerang rotirend im Wasser fort-
uiyiii^ed by Google
LTzuund und Spiua blAda.
bewegten. Hänfig aber entwickelten sich viele über dfcM St»-
diiim nicht uciter. trotzdem sie noch einige Tage am Leben
blieben, eine Erücheinnn^-. die sehr gewöhnlich anch bei Bastard-
befrnchtuu^' vorkommt. Et? haben also offenbar die Eier, sei es
als Xachwirkniig der schädigenden Eingriffe, sei «'s dureli den
Act der Ueberfmchtmig selbst, au Lebenskraft verloren, l'eb^r
die Hy]K)thest^ von F»»l haliea wir uns in der oben erwähnten
Arbeit auf Grund ^unserer Erfabningeu lolgendermaasseu ge-
äussert:
«Während nn«-er(s Mt'crniffntbalts haben wir der Frage
naeh der Enlstehun^' vt»ii Mebrtaehlnldnn^^en ganz in -cndere Ant-
nKTks:ynkeit, ^re^^^dmet, Wir haben Tankende von Larven aus
tibertruclitetea Eiern gezüchtet und auf dem <^Iastrula- und Plii-
tensstadinm untersucht, da voraussichtlich um diese Zeit Zwil-
lingsbildungen am besten hätten erkannt werden müssen. Allein
nnsere Au§beate war eine ganz versehwindende : wir haben einige
wenige Lanren mit doppelter Gastrulaeinstfllpnng und einige
wenige Phitei mit doppelter Spitze aufgeftuiden. Die geringe,
höchstens ungefähr zehn betragende Zahl von Doppelgastrulae
Steht in gar keinem Verfa<niss zu den Tausenden von einfachen
Gastrulae, welehe wir ans überfrachteten Eiern gezüchtet haben,
so dass man sie keineswegs als Beweise Dir die Ansicht, dase
Doppelbefrnehtong Doppebmflsbfldnngen vemrsacht, ausnutzen
kann. Immerbin mochten wir aneh nicht die Theorie dadurch
für widerlegt halten.*'
Das Letztere ist anch jetzt noch mein Standpunkt. Ob-
wohl meine diesmaligen Experimente an Füoscheiem gleichfalls
zu keinen poi«itiven Ergehnissen gefilhrt haben, mOchte ich doch
rathen, auf dem rorgezeichneten Wege die Lösung noch weiter
zu suchen. Eine» freilich kOnnen wir schon jetzt mit ziemlicher
Bestimmtheit sagen, dass ein unmittelbarer directer Zusammen-
hang zwischen üeberfmchtnng und Hehrfaehbildung nicht be-
steht. Es ist nicht mehr daran zu denken, dass zwei Samen-
ftden durch ihr Eindringen eine Doppelbildung, drei Samenfaden
eine Dreifachbildong TcrurBachcn. Gibt doch anch Fol zu, dass
bei Echinodermen, wie schon Selenka betont hatte, die Ein-
fftbrnng von 2 Spennakernen kein anormales Pliänoinen liervor-
roft. Und mein Bruder und ich haben nurinale (lastmlae nnd
Plntei aus Eiern erhallen, von denen dem Mengenverhältniss
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486
Oscar Hertwig:
nach za nrtheilen ein grösser Theil aas ttberfrneliteteii Eiern
seinen Ursprung genommen haben muas (Einzeleultnren Uber*
fmchteter Eier waren nicht ansgeftlhrl worden). Aach jetzt
habe ich gefunden, dass Froscheier, die ganz nnregehnässige
Farchnng zeigten und daher nach dem allgemeinen Stand unserer
Erfahrungen mehrfach befrachtet gewesen sein mttssen, in ein-
zelnen Fällen, in denen sie isolirt worden waren, normale Larven
lieferten. Wie ans einem Minus der normalen Sub-
stanzmenge (ans Eifra gmenten oder isplirten Fnr-
cbuugskugelii); so lassen sich auch aus einem
Plus — einem Ei und mehreren Sp ermatozoen —
normale Individuen gewinnen. Wir können so-
mit einer T h c il- eine üeberschussentwicklung*)
gegenüberstellen. '
Wen« zwischen Ueheit'iiu litiiiig- und Mehrfachbildung mm
auch kein directer Zusaiiiim nhaiig nachweisbar ist, so könnte ein
solcher doch auf indircH tLui Wege bestehen. Wir müssen mim-
lich einen wichtigen Punkt nicht Ubersehen. Jedes noiinal be-
fruchtete Ei stellt — um mich eines Ausdrucke von Chabry zu
bedienen — „ein im (ileichge\viclit befindliches, organisches Sy-
stem dar. bei wclclicm os unmuglieh ist die lAV^a oder Form
eines jHciner Theile zu stüreu, ohne dass die anderen spuatau und
unmittelbar einen anderen Gkicliiiewicbtszustand annähmen"
(pai!'. 147). Entlcrnuiig R>vvo]d nln aueli HinznlllL-nu^'- eincfi gleich
or^^anisirten Tlieils wird unter allen Umständen als Eingrifl' in
dii.s System eine Störung liervorruf'en und es werden regnlatonsclie
Vorgänge Platz greifen müssen, damit sieh trotzdem die Kntwiek-
lung der Norm näiiert. Wenn Störungen im System nicht aus-
geglichen sind, so werden sie sieh im ersten Fall voruUmlieh in
Defecten änaseni : Ktinstliche Theilbiidungon werden ieicht, me
dies auch ans den Experimenten von Chabry hervorgeht, an
dieser oder jener Stelle irgend einen Mangel anfweisen. Sollte
1) £8 scheint mir sogar der FhI! nicht undenkbar und gewisser-
inaftssen nur ein Geg'cnstück zu der scll»st;ni(li<;eii Entwicklung einer
Eihälfte zu sein, riass zwei eben hefnit htctc Hier, wenn sie aus ihren
Hüllen b( iroit nach Art der ersten Furehimgshaibkugeln icusammen-
getiigt und mit einer gemeinsamen Hülle umgeben werden könnten,
sich nach Art einer getheilten Fnrchungskugel weiter verhalten und
zusaminen sn einem einfachen Embryo entwickeln würden.
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Urtnuud und Spinn bifida.
487
bei der Ueberschuäseutwicklang nicht aaeh unter besonderen Be-
dingnngien das Entgegengesetzte eintreten?
Das Eindringen von zwei nnd mehr SanienfUden bedingt
immer eine sehr erhebliehe Störung im Entwieklnngsproeess des
£ies. Verbinden sieh bei Echinodermen zwei Samenkeme mit dem
Eikern, so entsteht ein Tetraster imd anstatt sieh zn zweitheilen,
sehnOrt sich das Ei etwa zu derselben Zeit gleieh in vier Zellen
ab. Beim Eindringen von drei nnd mehr Samenfäden erscheinen
die eomplicirtesten Kemtheilnngsfiguren^) nnd das Ei zer^lt auf
dem Wege einer ganz onregelmUssigen Sdiospenfurchnng in eine
grössere Zahl von TheilstQeken, die sieh weiterhm auf dem Wege
der Zweitheilun^ vermehren. Wenn der Protoplasmakörper des
Eies nicht sehen vor der Befruchtung in seiner Lebensfähigkeit
zu sehr geschädigt war, bildet sieh ein Haufen kleiner Zellen,
und diese ordnen sich, indem sie Oylindergestalt annehmen, zu
einer Keimblase an, der man nieht mehr ansehen kann, ob sie
von einem einfach oder mehrfach befrachtete Ei abstammt. Ob
eine Meiirfachbildnn^ entsteht oder iiiclit, lägst sich erst auf dem
Gastnilastadiuin entscheiden, indem statt einer zwei oder mehrere
Einslüljnmgen wahrnehmbar werden. Wir können daher siigen:
Die durch ü e b e r tru c h t u n g h e r v o r c r u f e n e S 1 0 -
Y n n jLj . Ji A c h (1 cm sie i m K c i m h 1 a » e n s t a d i ii m f ü r uns
latent geworden war, findet einen Ausdruck erst
wieder i u der A b ä u d e r u ng des G a s t r u i a t i o u s p r o -
c e s s e B.
Für Echinodunueneier gibt Fol an, hänHir<'r zwei Gnstrula-
einstlilpungen beobachtet zu haben; uns ißt es nur in einigen
wenigen Ausnahnufällen gcliiui^cn. Nach diesen und anderen
Erfahrungc'u will es mir scheiucii. als ob kleine, (bjttcrarme Eier
sich zur Pr(»duction von Melnfaehhildungen eben wegen ihrer
Kleinheit Uberhaupt wenig eignen, weil an der Hlascnobertläche
wenig Raum fiir mehrfache Einstülpungen gegeben ist und die
Entstehung einer Eiustfllpung schon ein Verhiaderungsgrund iür
1; Nchenlici Avill ich hrmerken. dass in der Anzald der Oiro-
niosomeu, "svelche den Tochtfrl^enieii zu^ellioilt wcr«loii, sein* variahelc
Verhältnisse i'latz grcitcn iiiu.sseu, woraul in zukünftigen Unter-
suchungen einmat an günstigen Objecten ein besonderes Augenmerk
wird SU richten sein, ebenso darauf, ob in irgend einer Weise noch
eine BeguUrung der Zahlenv^hlUtnisse nachträglich bewirlct wird.
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488
Oscar^Her twi|r:
die Entstehung weiterer sein kOnnte. Auf dieses Moment liat
schon Ran her in einer etwas anderen Form hingewiesen. Da-
her bieten Asteracanthioneier, die grösser sind als Seeigeleier
nnd mehr Dentoplasma besitzen, was ich gleichfalls nieht für un-
wesentlich halte, vielleicht schon günstigere Bedingungen dar,
wie denn Fol an diesem Object zuerst anf das Anftreten mehrerer
Gastrulaeinstalpnngen anfmerksam geworden ist.
Die Qrdsse und der Dotterreichthnm d^ £ier scheint mir
in folgender Weise in die Wagscbale zn faUen. Nehmen wir die
meroblastischen Eier der Fische und VOgel, an denen ja bis
jetet die Mehrfaohbildnng am häufigsten wahrgenommen worden
ist. Bei Mehrfachbefruchtung wllrden sich viele Kernfiguren in
der Eeimscheibe bilden, welche dadurch rascher in Zellen zer-
legt würde. Da Kerne in ihrer Umgebung das Protoplasuia an-
sammeln, 80 würden hierdurch vielleicht auch die protoplama-
tischen Theile mehr nocii als es schon normaler Weise geschieht,
aus dem Nahrungsdotter nach der Keimscheibe gezogen werden.
Diese wUrdc daher nicht nur rascher zerklüftet, sondern zugleich auch
reicher an entwicklungsfilhiger Substanz und so zur Production
von zwei oder drei Einstülpungen veranlasst werden. Die mehr-
fache Giistrulation gibt aber, wie wir gesehen haben, den mit
Sicherheit nachgewiesenen Ausgangspunkt fllr die typischen Mebr-
fachbildungen der Wirbelthierc ab.
Die Frage nach der Wirkungsweise der Ueberfruchtung
wird endlich noch durch ein weiteres Moment complicirt. Jedes
gesunde Ei hat ein wunderbar eingerichtetes, regulatorisches Ver-
mögen, durch welclies Ueberfruchtung verhütet wird. Dasselbe
beruht in einer grossen Heizbarkeit, welche unmittelbar contractile
und secretorische Vorgänge zur Folge hat. Auf den durch die
Berflhrang mit dem Kopf eines adäquaten Samenfadens hervor-
gerufenen Beiz antwortet die Eizelle durch Abseheidung einer
Membran und Auspressen einer geringen Menge von Licjuor peri-
vitellinus, wodurch das Eindringen eines weiteren Samenfadens
, unmöglich gemacht ist. Der ganze Mechanismus arbeitet so
prompt, dass künstlich befruchtete Eier wirbelloser Tbiere, auch
wenn ihre Oberfläche bei Vermisehnng mit viel Samenflflssigkeit
alsbald von vielen Sainenföden bedeckt ist, doch nur das Ein-
dringen eines einzigen gestatten. Ueber&uchtung setzt daher
ftlr gewöhnlieh emen geringeren Grad der Reizbarkeit der l^izellen.
. kj i.uo i.y Google
Umnnd und Spinit bifida.
489
einen langsameren Verlauf der Abscheidnng einer Membran, ttber-
hanpt eine Störung des regnlatorisehen Blechanismns yorans; diese
aber wird immer die Folge einer geringeren oder grosseren
SehAdignng sein, welche das Ei yor der Befrncbtnng erfahren
hat. In Folge dessen werden ssu den dureh die
Ueberfrnehtung an sieh yerursaehten Abände-
rungen der Normalentwieklung noeh die Störungen
hinsukommen mttssen, welche mit der yonAnfang
an yorhandenen Schädigung des Protoplasma-
kOrpers der Eizelle zusammenhängen.
Ein Zeichen einer derartigen Störung erblicke ich an liber-
frnchteten Eehinodermeneiem darin, dass aus dem ' Eiinhalt glän-
z^de Kügelchen, gewissermaassen abgestorbene- und unnfltz ge-
wordene Theile^ in die Höhle der Keimblase ausgeschieden werden
(Stereoblastulae). Viel tief prreifendere Verändeningen Hessen
sich an Uberfruelitoteii Piosclieiern beobachten H'af. XX. Fi;;. 21
bis 21). Manchmal war mir die aniniale Hüllte des Eies in den
Entwiekhuigsprocess eingetreten «Fi^. 21. 22). während die vege-
tative Hälfte, da sie eine geringere Quantität Protophisma ent-
hält, nicht in Zellen abgctheilt ist und Merkmale des Zerfalls an
sich trägt (Vacnolisirnnir ete.\ Doeh k(»minen in ihr Kerne und
sogar einzelne, isolirt oder in Gruppen /asanimenliegende Zellen
(Z^) vor. I)erarti|frp Befunde kimnen doch nnr so gedeutet werden,
dass sieh in <l e n) e s e h ä d i g t e n Ei in Folge der
B e f r u r Ii t ii n die lebensfähigen und die dem Ab-
sterben anheini fallenden Substanzen von einander
sondern, was in den auf Tafel XX ab^el)ilderen Präparaten
in ijehr verschiedener Weise durehgeführt ist. In einem Ei
Fig. 23) haben sich nur in der Kinde des aninialen Poles Inseln
kleiner pignieutirter, in ein bis zwei Lagen ausgebreiteter Zellen
(Z*) auf der \aenolisirten Dottenuasse gebildet, in einem andern
Fall (Fifr. 21) ist eine Blastula entstanden, bei welcher nur die
animale Hälfte ans Zellen, die \negetative ans theilweise abge-
storbener Dottenuasse besteht. Und in einigen anderen Fällen
(Fig. 24, 26, 27 ] sehen wir, dass die lebendige Substanz, die sich
vom nicht entwicklungsfähigen Rest des Eies abgeti'ennt hat nnd
oft nur die Hälfte odei- nur ein Drittel des Ganzen beträgt, sogar
sieh zur Gastrula einstülpt, sogar eine Nervenplatte (Fig. 26, 21
mp) und Chorda entwickelt. So sind Theilbildungen entstanden,
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490 Obcaf Hertwig:
die in mancher Beziehung mit dea Thcilbildungcn Ubereinstimmen,
die Roux durch vollständige oder partielle Zerstönug; einer der
beiden ersten Furclmngskogehi hervorgerufen hftl.
In dieselbe Reihe von £r8eheinnngen rechne ieb Befunde,
die nns Chabry (Nr. 10) von monströsen Larven von Ascidielia
aspersa mittheilt. Er giht an» im Herbat gegen Ende der Laieli-
periode nnd eboMO auch von Individuen, die sieh längere Zeit
in Gefangenschaft befunden hatten, Eier erhalten zu haben, die
fast aussehlieaelich monströse Larven hervorbraehten. Es zeigte
sieh dies sehen frtth an Unregelmässigkeiten des Fnrchongspro-
eesses. Abbildungen, die Chabry hiervon gegeben hat, stimmen
mit dem ttberem, waa ieh bei Echinodermen als Enospenfhrehung
bezeiehnet habe. Weiterhin beobachtete Ohabry, dass Theile
des Eies abstarben, zuweilen die Hälfte oder sogar drei Viertel
und dass aus dem lebenslahig gebliebenen Best sich monströse
Larven entwiekelten, an denen man die drei primitiven Keim«
blätter und noch verschiedene Organe unterscheiden konnte.
Einmal wurde auch eine Larve aufgefunden, die zwei Ruder*
schwänze.und eine doppelte Chorda besass.
Obwohl Chabry seine Befnnde nur durch die Annahme
von parents monstripares und durch die Doctrin einer monstruositc
dn germe zu erklären sucht, glaube ich doch, dass es Kich auch
Im'i Ascidiii uui ^esehädigte und uichrtach betruchtete Eier handelt,
wie CB Fol, Born (Nr. 4), mein Bruder und ich an anderen
Objecten festgestellt haben.
Wie au8 meiner Darstellung hervorgegangen sein wird,
ui ii sr s e n i n e i n e Ui ü b e r f r u c Ii t e t e it Ei verschiede n e
Factoren mit einander concurriren, Kräfte, welche
zur Entwicklung tendireu und Einwirkungen heni-
ni i' u der und st ö r e ii <1 e r Art. I > i e e r s t e r c n werden
durch die B e t' r u e Ii t ii n g , a u c Ii wenn sie eine m e h r -
fache ist, angeregt, die letzteren sind die Folgen
der Schädigung, w e 1 e Ii e d a s E i d u r c h e 1) c r r e i f e
und EinflüRse verschiedener Art vor der Befruch-
tung erfahre!» hat. Je nachdem der erste oder der
zweite Factor über w i c g t , werden d i e E n d e r g e b -
nisse der Entwicklung sehr verschieden ausfallen
müssen.
Ueberblickcn wir nun von diesem Gesichtspunkt aus die
Urmiind und Spina bifida.
491
teiatologischen Befunde, die man von Ifccht- oder Lachseimi
gewonnen hat. Da zeigt sich denn nach den Erfahrungen von
Lerehoulle't und Raaber, dam monströse Eier in manchen
Zuchten reichlicher vorkommen nnd verschiedene Charaetere dar-
bieten. Neben typischen Mehrfachbildungen finden Bich £ier mit
Urmnndspalte und bei diesen wieder ist der Urmnndrand xuweilen
nur auf einer Seite zu einem Halbembrjo entwiekelt, wfthrend
er auf der anderen Seite seine organbildende Fähigkeit eingebüsst
bat. Endlich lernen wir Eier kennen, bei d^en nur der Dotter
von einer dflnnen Zellschicht umwachsen worden ist, welche die
Fähigkeit eine Embryonalanlage zu schaffen gar nicht mehr oder
nur theilweise besitzt (Molen). Im letzteren Fall kann von der
Zellblase ans das Rudiment eines Schwanzes angelegt worden
sein, während Kopf und vordere Rumpf hälfte fehlt. Auch bei
den monströsen Froscheiem bot sich uns eine Reihe dar: Em-
bryonen mit verschiedenen Graden der Urmnndspalte, Hemmnng
der organbildenden Thätigkeit auf einer Sdte des ürmnndrandes,
Eier, bei denen nur eine partielle Entwicklung Platz gegriffen hat.
Naeh dem Vorausgeschickten ist die Möglichkeit nicht von
der Hand zu weisen, das» die oft so verschiedenartigen Befände
in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, dass es sich um in
verschiedenem Maasse gescliädifj^te und in Fol^re dessen über-
fruchtete EiiM- liandelt, hei wclclirn sich die den Kntwickliin^^s-
process torderuden und liennueiuU n Faetoieii bald in dieser bald
in jener Weise, bald in iliesem bald in jenem Theile der Anlage
geltend gemacht haben.
Man sieht, die Frage nach dem Zusammeniiang zwischen
ÜeberlVuehtan^^ und Mehrfnchbildnnjr lie«j:t nicht so cinfaeh, als
es nach der 1I\ jxitliesc vo n 1(1 /n sein schien. Es handelt sich
um coniplieirte. in ihrem Ziisammenhang noch schwer zu tlber-
schauendc VerhiiUnis.se. Von einer Beziehung zwischen Zalil rler
eingrcdrnn^^'nen Samenfäden und der Arf der MehrtachbiUlnng
wird zuniiehsf iranz ahzusehen sein; da^^t^^i?^ werden die durch
Ueberfruchtung hervorgerufenen Abändenui'ren des normalen Ver-
laufes des Kntwiekhnigsprocesses, sowie die Grösse und <lie ()r-
ganisation des Eies bei der Entstehung von Monstrositäten eine
Hauptrolle spielen und bei Erklärungsversuchen in erster Linie
zu beachten sein. So dunkel das ganze Gebiet der monströsen
Entwicklung auch immerhin noch sein mag, so glaube ich doch,
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493 Oscar Hertwig:
da88 es eSner pUumUUHngen, experimentellen Forsehung, wenn sie
in der angebahnten Richtung weiter vorgeht, gelingen wird, ttber
viele Dinge Licht zu verbreiten. Bei Eiern von Fischen, Amphibien
und wirbellosen Tbieren wird man dareh kflnstliche Eingriffe
Ueberfruehtnng hervormfen mflssen. Von den Eingriffen ver-
dienen diejenigen natnriicfa am meisten den Vorzug, welche
die Entwicklnngsflihigkeit der Eier am wenigsten schädigen (üeber-
reife, Behandlnng mit Kohlensäure, Kälte ete.)- Äbnonnitäten
des Furehnogsprooesses werden dabei zu beobachten, die abnorm
gefurchten Eier werden, wie es schon Born (Nr. 5) in einer
Versuchsreihe unternommen hatte, isolirt weiter zu zttehten sein.
Ein Erfolg fUr diese Mtthen wird bei Wahl eines geeigneten Ob-
jeetes nieht aasbleiben.
Figoren-Erklftrimg.
a Alter.
ab Augenblase.
ar Altorrinne, Afterrohr.
af Afterfalten.
ak äusBeres Keimblatt
au Auge.
ch Chorda, ch' der linken, ch^ der
rechten Seiu*.
ehk Chordakanal,
d Dotter,
dp Dotterpfropf,
da Darni.
dl Darmlippe,
ds Dannstrang".
eil Enddarrn.
f Flosse.
fh Fnrchnngshöhle.
Spinalgangliott.
Ii Hattscheiben.
hV) H(irblft»ch6a.
hz Herz.
ik inneres Keimblatt,
k Kopf, k*, k* linke und rechte
Kopfanlage der Doppelbildung.
kd Kopidaniiliöhle.
Id Kiemen.
1 Leber.
l8 linke Schwanzhaifte.
mk mittleres Keimblatt,
inr MeduUarrohr,
mp Modnilarplatto.
law Medullarwülste.
ms Mnskelsegmente.
n Naht,
p Pigment.
pr Primitivrinne, pr^ pr^ der linken
und rechten Anlage.
r Humpf.
r« rechte Schwunzhälfte.
s Schwans.
sf Schwansflosse.
sk Schwanzknospe, »k* sk^ der
linken und rechten Seite,
sch Scheidewand.
t Trichter,
ud UrdaruK
ul Urmnndlippe, dorsale ul*
Tentrale.
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♦
Umnind und Spina bMda. 498
uo Unnund.
ur Unnundrand, ur* der in Ver-
schmelzung" begriffene Tlu'il,
ur^ der am Keimscheibenrand
gelegene.
US Unegment.
vg Umierengang.
VLW Umwachsungrsraud auf
verschiedenen Stadien).
1 va Vacuole.
I vp Verbindnnp;"splatte.
I V Vorbindung8«telle.
2 Zwiücheustück.
z< Zellen im Dotier.
X* an der OberflAebe abgefürcbte
Zellen.
* Eingang in die Eopfdarmböhle.
Erklärung der Figuren auf Tafel XYI— XX.
W = Weibchen, get. = abgetödtet. befr, ■= befruchtet, cons. =
conservirt.
•^T a r e 1 XVI.
Fig, 1. Mi.ssg('l)ildeter Froschembryo (Bm) mit höchstem Grad der Ur-
mundspalte vom Rücken aus gesehen. Eli eines am 14. Mttrz
getödteten Froschweibchens, am 16. befruchtet und am 23.
eingelegt.
Fig. 2. Eine ebenaolche Missbildung Bf vom Bttclien aus gesehen.
Ei am 17. befruchtet, am 23. eingelegt.
Fig. 3. Scitliclie Ansieht von Fig. 2.
Fig. 4. Eine ebensolche Missbildung Bb.
Fig. 5. Eine ebensolche Missbildung Ba.
Fig. <>. Misfibildung
Fig. 7. Misabildung J\ Die Embryonen und J* rühren von Eiern
eines am 14. getodt^n Weibchens her, welche am 10. be-
fruchtet und am 21. eingelegt wurden.
Fig, Ö. Schon zienilk-li weit entwiekelte Misshildung Bk mit normal
gebildetem Kopfende (Augen- und Ohrblasen) mit ürmund-
spalte in der Milte des Bückens vor dem dorsalwärts umge-
bogenen Schwanzende.
Fig. 9. Misabildung N mit Verschluss des Urmunds im vordersten
Abschnitt des Kopfesy wihrend es sonst noch in ganxer Aus-
dehnung geöffnet ist. Der Embryo rflUirt von Eiern eines am
14. getödteten Weibe hens her. Welche am 16. befruchtet und
am 23. abgetödtet wurden.
Fig. 10. Missbildung M. Weibchen am 14. getödtet, 16. befruchtet,
23. conservirt
Fig. 11 u. 12. Misshildung 0 mit thellweise entwickeltem Kopfende,
ausgedehnter Urmundspalte und doppelter Schwanslcnospe*
Fig. 11 Ansicht von der Schwanisseite, nm die OberflHchc m
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494 Oscar Hertwig:
seigen. Tig. 12. Embryo rtm der Rückeuflftcfae etwas seit-
witrts' p-eseheii. W. 14. ffet., 16. Ix fr., 23. conservirt.
Fig. 13. MisHbildun^' F mit normal entwickeltem Koj>fpndo. ITnnniid-
Hpalte i)i der Mitte des Kückens und Auftreten der Schwauz-
kno.spen. W. 14. f^et., 16. befr., 23. cons.
Fig. 14. Missbiidung G mit normal entwickeltem Kopf- und vorderem
Rümpfende» mit lJrmimd8|MÜte rot der Schwatizwiincel. (W.
14. get| 16. befr., S8. cons.)
Fig. 15 U. 161. MbwbüdiiBg mit Urmiindspaltc und Verkümmernnj;? der
rechten Körperseite, mit entwickelter Unker Schwan%iiAU1te.
(W. 17. befr., 23. cons.)
Fig. 17. Mi^M!^bildung T mit gehchloissenem Kopf und Rumpf, aber ge-
spaltenem Schwansende. (17. befr., 23. cons.)
Flg. 18 11. 19. lÜBsbildung Bg mit wenig aiiBgebildetem Kopfende
und gespaltenem Schwaniende , mit weitem Urmnndrand,
Fig. 18 bei seitlicher, Fig. 19 bei Ansicht vom Rücken.
Fig. 20. Weit entwickelter Embryo S mit dem Rest einer Urmund-
spalte vor dem dorsal wftrts umgebogenen Schwänzende. (17.
betr., 23 cons.)
Fig. 21. Weit entwickelter Embryo B mit Rest einer Urmnnd^alte vor
dem rechtwinklig umgebogenen Schwansende.
Fig. 22. Weit entwickelter Embryo Y mit rechtwinklig umgebogenem
Scfawanisende und einer kleinen, kaiinn .sichtbaren OefTnung
am Rücken, dein Rest einer Urmundspalte. (17. befr., 23. cons.)
Fig. 23. Aehnlich wie in Fig. 22 gestaltete MisHbilduug F. (W. 14. get.,
16. befr., 25. cous.)
Fig. 24. Hechtembryo am Ende des dritten Tage« mit Urmiindspalte.
Flg. 25. Derselbe am siebenten Tage. Copie.nach Lereboullet.
'Beide Figuren sind um die Hälfte verkleinert und mit Tusche
angelegt worden.
Fig. 36. MiHshildung Cb. In der Ko]>f- und Rumj^ffre^end, in welcher
sich der Urmund geschlossen hat, entwickeln sich die Medullar-
wiilste, aber am hinteren Ende ist der Urmund nocii weit
offen. (17. befr., 2L cons.)
Fig. 27. Missbildung Ca. Ei, in dem sich die Medullarwülste am Kopf-
ende ^twickeln, wAhrend das hintere Ende einen noch weit
geofflnetcn Urmund zeigt. Die Missbiidung entstammte Kioi n
eines nm 14. getodteten Woibcheim. die am 16. befruchtet
wurden. Das Ki zeig-te unrcgclmilssigo Furchung und wurde
isolirt, am 23. eingelegt.
Fig. 28. Missbildung Ad mit normal entwickelter Bückengegend, aber
«in«r weiten Urmundspalte an dem hinteren Ende unterhalb
der Schwansknospe, von der Seite gesehen.
Fijg. 29. Missbildung Ac mit einem Rest der Urmundspalte am hinteren
Ende, vom Rücken gesehen.
Fig. 30. Mitisbildung Ab mit einem Rest der Urmundtipalte am hinteren
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Uinmnd und Spina bifida. 4{l&
Ende, wo er e/twtta auf die Bauchseite verschoben ist, von der
Bauchseite aus g-esohen.
Pig. 31. Missbildung: H mit bt n-inncndor SeliwanzbiUlung und eiuoni
lieht der Urniundspaltc, welche .sich ventralwSrtH vor der
Scliwanzwurzel Uudet, vou der Seite geseiuni. (W. 14. g&t.,
2ft. befr., 28. cons.)
Fi^. 82— S5. Eier eines am 14. getödteten Weibchens, die am 16. be-
fruchtet wurden und 4 Stunden nacli Zu.'^at/. des Samens in
der skizzirten Weise Harokfurclniii«): zciii-ten. Die Eier wurden
isolirt. Aus den in Fig. 22 und 2Ü abgebildeten Eiern erit-
wicki'lien .sich Enibryoiieu mit Medullarwülsten, bei den in
Fig. 34 und 35 abgebihleten Eieru trat keine Ga^trulation
etc. ein.
^afel XVn.
Fig. 1. Querschnitt durch das vorderste Kopfende von Missbildong '
J» (Taf. XVI, Fig. 6).
Fig. 2. Querschnitt durcti die Mitti' des Kumpfe» derselben (J^).
Fig. 8. Querschnitt durcli da» hintere Drittel des Bumpfes von der-
sclhi'ii Missl)iltlnng' (.)*).
Fig. 4. Sagittulbchniit nahe der Mediiincbeue diu'ch die Mit^biidung O
(Tttlel XVI, Fig. 12).
Fig. 6. Vou demselben Objcct ein Sagittalschnitt, der mit der Median»
ebene ziemlich BUsammenfKIlt und von dem nur dasSchwana-
ende abgebildet ist.
Fig. G. Querschnitt durch den seitlichen Urmuudrand desselben Ob»
jcctcs etwa in der Mitte des Rumpfes.
Fig. 7. Quersclniitt «luicl» den nicht zuui Schliiss ^'•planjrten Theil des
seitlichen Urmundraudes von Missbildun^- F <.Taf. XVI, Fig. 18).
Siehe auch Taf. XVII J, Fig. 19—25.
Fig. 8. Medianschnitt durch Missbildung Ba (Taf. XVI, Fig. 5). Siehe
auch Fi{?. 11, 12 und 20 auf Taf. XVII.
Fig. 9. Medianschnitt durch Missbildung M (Taf. XVI, Fig. 10). Siehe
auch Fijf. 17, Taf. XVII.
Fig. 10. Querschnitt durch den seitlichen liiniUMdrand im hinteren
Drittel des Rumpfes von Embryo Bf (Tat. XVI, Fig-. 2). Siehe
auch Fig. 16 und 22, Taf. XVH.
Fig. 11. Querschnitt durch den seitlichen Umiundrand im vorderen
Drittel des Bumpfes von Missbildung Ba. Siehe auch Fig. 8
und 12.
Fig. 12. Von demselben Ohiert ein (.»uersclmitt durch den seitlichen
Uruiuudrand im hinteren Drittel dvs Rumpfes.
Fig. 13. Querschnitt durch das hintere Ende von Missbilduug (Taf.
XVI, Fig. 6) an der Stelle, wo sich die Urmundrftnder über
der Enddarmhöhle aur Schvaninaht zuMmmengelegt haben.
(Siehe auch Taf. XVn, Fig. 1—8).
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496 Oscar Hertwtg:
Fig'. 14. Desgleichen, noch etwas weiter nach Hinteln.
Fig. 15. Medi anschnitt durch Misshildunf? ja (T;if. XVT, Fig. 7). Siebe
auch die Figuren 18, 19 und 21 nut Tai". XVII.
Fig. 16. Medianschnitt durch Missbilduug Bt (Taf. XVI, Fig. 2). Siehe
auch die Figuren 10, 22 auf Taf. XVII.
Fig. 17. Sagititalachnitt in einiger Entfernung von der Medianebene
yon MiBBbUditng M (Taf. XVI, Fig. 10). VergL auch den Me-
dianschnitt Fig. 9.
Fig. 18. Querschnitt durch den spitlichon Urmundrand von Missbildung^
J^, von welcher in Fig. 15, 19, 21 Sagittabchnitte abgebildet
bind.
Fig. 19. Sagittalscbiütt duich die MeduUarplatte und die Ursegmente
am seitiichen Umnmdrand derselben Missbf Idnng. (Siehe flg.
15 und 18.)
Fig. 20. Sagittalsidinitt in der Gegend der am seitlichen Urmundrand
gelegenen (Thorda von Missbildung Ba. (Siehe auch Flg. 8,
11 und 12).
Fig. 21. Sagittalschnitt in der Gegend der am geitlichen Urniundraud
gelegenen Chorda von Missbildung Prftparate derselben
Schnittserie sind auch in Fig. 15 und 19 abgebildet. {VergL
auch den Querschnitt Fig. 18.) «
Mg. S2. Querschnitt durch den seitlichen Ummnd im vorderen Drittel
des Rumpfes von Missbildung Bf. (Verg-l. auch den Quer-
schnitt Fig. 15 und den Medianscbnitt Fig. 16.)
■^Tafel XVIII.
Fig. 1. Querschnitt durch das Kopfende von Missbildung N (Taf. XVI,
Fig. 9).
Fig. 2. Von demselben Object ein etwas melir nach liinten folgender
Qaerscbnitt der Serie, in welcher linke und rechte Himhftlfte
auseinander weichen.
Flg. 8. Von demselben Object ein Qüersr initt durch das vordere
Drittel des Rumpfes iin Bereich der Urmundspalte.
Fig. 4. Von Fig. 3 der linke Urmundrand bei etwas stärkerer Ver-
grüsserung gezeichnet.
Fig. 5. Querschnitt durch das hintere Ende derselben Missbildung N,
im Bereidi der Verschmelzung von linkem und reehtem Ur-
mundrand. *
Fig. 6. Ein etwas weiter nach hinten folgender Querschnitt der Serie
von demselben Object.
Fig. 7. Ein Querschnitt durch die Aiterrinne, etwas stärker vergrössert,
von demselben Object.
Fig. b. EUn Horizontalschnitt durch Missbildung W durch das hin-
tere Ende in der Gegend Uber der Altergrube«
Fig. 9. Desgleichen ein etwas mehr Tentralwttrts folgende^ Horiaon-
talschnitt der Serie durch die Aflergrubc.
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Umund und fipina bifida.
497
PIg. 10 — 12. 3 Horizontalschnitte oincr Serie durch d.as hintere Ende
von F.inl)ryo C, fTuf. XVT. Fi--. M^. Fin. 10. Sflniitt nh.'i hall»
der Attei Ln uhc. Fi;;. 11. Sclinitl durch die Attcrgrubc. Fi^. 12.
Schnitt unteihall) lier AlU'rgrubü.
Fig. 13—15. £iii%ehie c^ucrachnitt« aua einer Serie dureh dus uuigiv
krttmmte Schwanaende von MiMsbildung: Bk (Taf.XVI, Fig. 8).
Fig. IC. Quersdinitte durch den hinteren Kopftheil von Miasbildung Bg.
(Taf. XVI, Fig. 18) aus der Gej^end, wo die Hirnhiilften Beitlich
aus einander weirhen und die Cliorda siefi llieilt.
Fig. 17. Von deniseH)en Embryo ein buhl tV)l;;('nder QucrHchnitt aus
• dem vorderHten Bereicli der Unuundspaltc, wo die Kopldarui-
höhle nach ausften mündet Siehe auch Fig. 26.
Fig. 18. Quernchnitt dnrcli Embryo F (Taf.XVI, Fjg. 13) aus der Go-
gend hinter dem Kopf, wo die Thcilnng von Rückenmark und
Chorda bejifinnt.
fig, 19—21. Von derselben Missbildung nfU'htolir(Mule (^>nors< Iinitt<' der
Si i i< . Fi»i;, 21. Schnitt durch die Ausniüuduufi" der Kopfdurm-
liöhle. Siehe auch Tal. XVII, Fig. 7.
Fig. 22—%. Frontalachnitte aus einer Serie durch da« hintere Körper-
ende von Mißbildung F, deren vorderer Körportheil in Quer-
.schnitte (Fig. 18—21) zerlegt wurde. Flg. 22. Ihii-chKcIniitt
(lurcli das hintere Ende der Urniundspalte.
Fig. 23. Dnrchsrtniitt durch die VerüciimelzuugMttelie der hinteren Ur<
iiiiiiKlriiinlci".
Fig. 24. Durclisclniiit durch die Scliwanzw ur/.el und die Aliergrube.
Fig. 25. Durchschnitt durch die Schwansknospe.
Fig. 26. Querschnitt durch die umgokrümmto in 2 Hülften gOHpaltene
Scliwanzanlage von Missbildun-: F.- (Taf.XVI, Fig. 18 u, 19).
Siehe auch Fig. KJ und IT (Taf. XVIII).
Fig. 27. Querschnitt durch dir Mitte des Kuni|)fes von Missbildunj;- X
(Taf. XVI, Fig. 15 und IG) nut vorkünauerteiu reclitent Ur-
nmndraud.
Fig. 2H. Querschnitt durch MissbUdung U (Taf. XVI, Fig. 31) in der
Gegend des ventralwflrts vor der Schwanzwurzel gelegenen
Reates einer Urnmndspalte.
Fig. 29. Cojne nach Oellacher (1. c. Tat. XVIII, Fi;;-. 6). Zur Hälfte
verkleinert. (Juersehnitt durch einen Katadidynnis vnn Trutfn
Fario, der bis /auh Lobus opticus oine Urniundspaite bcsass.
Der Schnitt ist durch die Lcber^fgeiui j^eliihrt.
Fig. 30. Copie nach Lereboullet (1. c. Flg. 32). Keimwulst eines
Hechteies von 50 Stunden; Dotterloch. Keiniwulst Ver-
längerung desselben.
"Tafel XIX.
Fig. 1—3. Querschnitte durch das Schwänzende von Embryo B (Taf.
XVI, Fig. 21) mit Alterrinne.
Fig. 4. Querschnitt durch die Aftergegend von Embryo K.
Arehf V fttr uilkrvsk. Auat Ud. 33
498 Oscar Ttertwi^:
Fig'. r> u. G. Desfrleicheii von Embryo V (Taf.XVI, Fi;?. 22).
Fig. 7 — J>. 3 Horizontalschnitt (■ durch den Hniii])! \ nn Knibryo V
(Taf.XVI, FifT. 22). Fi^. 7. Durch das «fe-spaltciu' Iiiukciunark.
Fi^, i>. Dureli die ^cspaitcno Chorda. Fija:. H. Durcli die Aus-
niündung' der llrumnd.spalte (t) am Rücken.
Fijf. 10 Q. 11. QtterAchnitte durch das Sehwanzendc von Embryo V
(Tftf. XVI, Flg. 22) mit verdoppeltem Rückemnark und dop-
pelter Chorda (ch^ ch^).
Fig. 12 — 11- (Jm rsehnitte durch Ernl^ryo A. F'i«r. 12. In der Oej>-('nrl
des Hiiitci kopts. Fig-. Kl An (ier Spaltunji^.sstelle von Kücken-
mark unci Chorda. Fig. 14. Durch die Unnundspalte. ■
Fig. 15. Horizontatsehnitt durch Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23) an der
Ausmündung der UrmundHpalte.
Fig. 16. Querschnitt durch das Schwanzende deKBclbeu Embryo.
Fig. 17. Längsschnitt durch Embryo Ad Taf.XVI, Fig. 28).
Fig. 18—20. Ans einer Sehnittseri»> duii-li das ScIiM'anzende von Em-
bryo (' mit Spaltung- der Ciiorda :cli', ch-).
Fig. 21. liorizontalschnilt tlurcli Embryo T ^inf. XVI, Fig. 17) mit
Doppelschwanz (s^, si).
Fig. 22 tt. 23. 2Horizontaiitchnitte durch Embryo S (Taf. XVI» Fig. 20).
Fig. 22. Durch das gettpaltcne Rückenmark. Fig. 23. Durch
die jfesjialteue Chorda.
Fi«:. 24. Querschnitt durch d;is Schwair/ctide desselben Embryo.
Fi-^. 25. Querschnitt durch die Afteriimic dcsM lhcn Kinbiyo.
P^ig. 2G. Medianschnitt durch Embryo Ab (Tal. XVI, Fi^. 30).
Fig. 27. Qnenielmitt durch Embryo Ca (Taf. XVI, Fig. 27) an der Ui--
inundspalte.
' Tafel XX.
Fig. 1—4. Schemata, um die Bildung eine» Lachsembryos durch Zu-
)«mimeni*ückeu und Verwachsen der UrnmndrHnder und das
Verhiiltniss des Umiuudrandes (ur) zum Umwachsungsrand
inw) zu •/.(■i'^en.
Fig. 5 u. Scbemata, um die Entsteliun;^' der Urmundspaltc durch
mangelhaften Verschluss der Urmundränder (Henunuug) bei
Lachsenibryonen zu erläutern.
Fig. 7 u. 8. Schemata, um das VerhOltniss von Ürmundrand (ur) und
Umwachsungsrand (uw) bei Selachierembryonen zu erklfti^n.
Fig. 9 II. 10. Schemata, um dasselbe Verhältnis» wie in Fig. 7 und 8
für die Eier von Vögeln und Re})tilien zu erklilren.
Fig. 11— l.-l. Schemata über die Entstellung der DoppelnuKsbildungoii
vom Luch» auH zwei GaMtrulaeiuHtülpuugen.
Fig. 14 u. 1&. Schemata zur Erklärung der Doppehnissbildungcn vont
Hühnchen.
I ig. Ki. Schemata zur Erklärung des Chordakanals der Säugethiere.
Fig. 17—20. 4 Schemata, um die Henuuuugsmissbilduugen mit Ur-
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Ümmiid und Spina bifida.
499
inumispalte Fijf. 17, Ib mit der uomaleu Entwicklung Fig. 19,
20 zu vt'r^leiclien.
Fi^. 21—23. Pathologische Kicr, bei denen nur in einem beschränkten
Bezirk Zellenbildun^ eing^etreten ist» während der grösste
Theil des Dotters sich nicht getheilt hat.
Fig. 24. Tlieilweisr entwickelti'H Ei, hei welcliciii der in Zellen getlieilto
Abschnitt 2 KciinMMtter gebildet and sich isu einer Art Ga-
stnila 11111- ( biidet hat.
Fig. 2.5. Eine isoiirte Zelle (z), untgebeu von un«rt'theiltcr DottenniiHse.
Eine starker vergrösserte Partie von 1 ig. 21.
Fig. S6 tt. 27. Zwei Eier, bei denen sich die H&lfte der Dottennasse
nicht entwickelt hat, die andere Hälfte in Zellen zerlegt ist,
die sich zu zwei resp. drei Keiiiiblilttcrn angeordnet und so-
gar eine Mcdullarpiatte (uip) angelegt haben.
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Urrttttiid und Spina bifida. 503
Inhalt.
Seite
Einleitung ' 353
A. Speoieller ThelL 3d(>
1. Störanii^ini des Furchun^^HproccKBCB 35(>
2. MonstrÖHtt £iitwickluiij>: von Kioni, bei dtnicu mehr oder minder
ffiosse Pal•ti^^(•n dvs Dotters unj^etlioilt <2«bli<:tbou .siiwl . . . 368
3. Sti)nm^''ou im nn^tnilntionsproccss, die. zu iii;nitr<'lhat'ltMn \'vy-
Kcliluss (los t iiiiuiiiis uud iii Folj^e det^ücn zu t;iner Reihe von
Mibbbilduugcii liihron , . , . , «MJä
I. Ciruppt' (li'V Misshi Iii uu;ifu.
Totalf Uniiumlspaltt' .'{Gl
II. (ti uppc ilcr Missbi Idu nj; «'ii.
Partiell« Urmundspaltc in der Kncken^(';4<'iid . . . 375
1. Mistibildungen mit partieller Üriiiundspalte in der Rttcken^e{>rctid
auC ciiit'tn frühen Entwicklun^stadium 376
2. Mis.sliil«luii;"('n mit parlicllor Unnuii«l.spalt<i in ilvr Hürkeiifyefcend
auf einem weiter vor;;ci'ückt(Mi Knt\vicklun^s»ttidiuni .... SM
ITT. r; nippe «1er M i s sl>i I d u u o ii.
PHrticlIe l rinuiKispalle in <1< i .\rn'r{;^e«j:end . . . 400
B. Allgemeiner Theil.
l'furf lieilmm und \ Crw ( rt liiin^ der Belunde . . . il2
1. f>a.s Vorkomiuen ilhiiiiclier Missbiidunffen in anderen W irlu'l-
thicrklansen und ihre Stellung im System der Teratologie . . 413
a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der Knoelicu-
flsche 413
1>) Die Teratn mesodidynia der Anipliibien 418
c) Spaitbildnn;>en flt r Axennr^rnne bei den drei höheren
Wirl)elthierkl;i>.scii, S]»iii;i hitida 418
2. Die Bedeutung der an tlen Mis8l)il(lungen gi'wonuenen iielunde
rür einige Grmidfragen der Wirbelthiermorpholo^-ie .... 424
a) Die irrmundthcorie 424
Di»* ConcreHcen7.tlieorle 4:12
h) Die Scliwanz- und Al'terblldun^^ der Wirl>eitl»iere . . . i't'2
.*). Die ("oelrtnitJicorie .'Knf^;i'<rTnTnir auf (5 i» { t c. Der ('luii'dnkanal) 450
4. iie./iieliungen ^U•^ l'rumiul.s /.n verscliicdcnen Formen \ »>nMi.s.s-
l>ildungen KU
5. Unter vrelcheu Beding; ungen können aua einer einfachen Ei-
sselle mehrfache Anlagen hervorgehen? 476
a> Sondertniü* der Tlieilproducte eine» Eies. (Exp<'rimente
von Driesch, Uoux, C'liabry) 47<»
b) Bedeutung der TJeberfruchtmii:' ' Polyspennic i l'iir die
Entstehung von Mehrfaehl»ildunj»en und aiiileren Mon-
strositüte» 483
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Archiv pnilavskof i . AiKilotn IC. Bd. XXXIX.
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