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Full text of "Urmund und Spina bifida. Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie an missgebildeten Froscheiern"

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Urmund und 
Spina bifida 




Oscar Hertwig 




^ jinaFrroLOGY 

or 

COMPARATIVE ZOÖLOGY, 
AT lUTAU mta, tmxm, u». 



DepoBited by ALEX. AGASSiZ. 



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Urmund und Spina bifida. 



Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie 
an misBgebildeten Froscheiern. 



Von 



Oscar Hertwig. 



Hierzu 5 Tafeln. 



Bonn 

Separftt^Abdiuck ans dem Archiv für mikroskopische Aimtomie, Bd. 39 

Verlag von Friedrich Cohen 

1892. 



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368 



{AuH d(>nt n. anatomischen Institut ssu Berlin.) 

Urmund und Spina bifidsL. 

Eine vürgleicbeiul nn»ii»li<)ln:,^isclic, toratologiselie Studie au 
miüsge bildeten Froscheieru. 

Von 

OMsar Hertwii;. 



Hierzu Tafel XVI- XX. 



Um der noch immer in Dunkel uelnillten Fra^e, ob durch 
Ueherfruebtung Misshildiuigcu hervdii^cinlcu werden können, 
nülier zu treten, nahm ieh in diesem Frühjahr Experimente an 
Eieni v«iii Rana temporaria wieder auf*, welebe ich schon vor 
Jahren begium, aber wieder liep'u srebissc^n liattc Ich tülute 
Ueberfruobtnno" ]>pi Froscheieni, uachdem chemibclic EinjrriftV 
mir nicbt den wünschten Erfol«;; p:eliefert hatten, in dujtpclter 
Weise iierbei. Eiumal nahm ich die mit Eiern geftlllte (^ebär- . 
mutter aus der Leibeshöhle des Weibchens heraus und brachte 
sie 2 — -4 Ta^p in eine feuclite Kammer , um eine Schädigung^ 
durch diesen Eingriff hervorzurufen nnd ähnliclie Resultate zu 
erhalten, wie an Echuiodenneneiern, die man 1 — 2 nach der 
Entleerung- aus dem Ovariuni in Meerwasser hat iie^vn lassen, 
che der Samen zutj;'esctzt wird. Es ist auffallend, wie weni^^ die 
Froscheier im Allgemeinen bei «lieser Jieliandlnn<^ leiden. Denn 
noch am dritten und vierten Ta«j; cntAvickelt sieh ein grosser 
'J^heil von ihnen in normaler Weise, ciii anderer Tiieil zeigt Un- 
regelmässigkeiten im Furchungsprocess, ans denen sich auf eine 
L'eberfruchtung sehliessen lässt, ein dritter Theil . endlich ent- 
wickelt sich nicht, wenn aach vielleicht SamentUden in den 
Dotter eingedrungen sind. 

Ein zweites Verfahren, um Ueberfruchtuug zu erreichen, 
bestand darin, dass ich die Froschpärclien von einander trennte 
nnd die Männchen während 4 — 0 Wochen von den Weibchen 
isolirte. Wenn die in die (Tebännutter eingetretenen Eier so 
weit Aber die normale Zeit hinaus nicht zur Ablage gelangen, 

Ar«]iiv t, inikrvsk. AtML Bd. V» 34 



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Oscar Hertwig^: 



werden sie ehenfnlls <r<'S('li:i(li-'t, wie «lies aneli bei Keliinodermen 
trnd Fisclien (Forellen/ hcobachtet worden ist, inid «rerathen in 
einen Znstand, den ich als Urberrcitc hc/.cicliiiet hal)e. Auch 
liier treten neben normal isich tlieilenden Eiern mehr oder luiuder 
häufig Störungen im Fnrehung8proces8 an f. 

In verschiedenen, ant* diese Weise erhaltenen Zuchten ist 
mir keine einzige Mehrtaehbildnng aufgestossen, obwohl ich auf 
dieselben mein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Insofern 
waren meine Versuche ohne das gewünschte Ergebniss geblieben. 
Auf der anderen Seite aber fielen mir in den Znchtgläsern viele 
Eier auf, die in eigenthUmlicher Weise pathologisch entwickelt 
waren und daher eingehender geprüft wurden, ob sie mit der 
mieh interesairenden P^rage in einem ZuRanimenhang ständen. 
Sie zeiehneien sich durch ein bald mehr, bald minder weites 
Offenbleiben des Urmundes bis in späte Stadien der Entwick- 
lung aus. 

Ueber derartige Missbildungen des Froscheies liegt bis jetzt 
in der Literatur nur eine etwas eingehendere Notiz von Roux 
in seinen Beiträgen zur Entwiddungsmecbanik des Embryo vor. 
Bous (61) beschreibt die Missbildung unter dem Namen derAsyn- 
taxia oder Diastasis medullaris. 

„Die beiden MeduUarwfllste*', bemerkt er, „sind weit aus- 
ehiander gelegen, indem sie die Seitenränder des eine längliche, 
fast ebene Platte darstellenden Embryo einnehmen; unter jedem 
Medullarwulst ist eine schöne, aber gleichfalls runde, durch die 
Zusammensetzung aus bloss 3 bis 4 Zellen auf dem Querschnitt 
wohl characterisirte Semichorda lateralis Torhanden. Aehnliehes, 
aber geringeres Auseinanderweichen der Medullarwfilste fand sich 
andi mehrfach bloss partiell, besonders im Bereiche der hin- 
teren Hälfte des Rückenmarkes. Hierbei war auf Schnitten das 
Vorhandensein vom Entoblast nachweisbar; andererseits aber war 
mit Leichtigkeit durch wiederholte Beobachtung aip lebenden Ei' 
festzustellen, dass der grosse Spalt zwischen beiden Medullal^ 
Wülsten den Ürmund bezw. den Rest desselben darstellt''. „In 
Fällen der Asyntaxia medullaris, bloss im mittleren und caudalen 
Tlu ile des Embryo sah ich dann mit der Zeit öfter eine weitere 
Näherung der Medullarwülste und zwar mehr auf der candalen 
Seite stattfinden, so dass schliesslich nur noch ein Loch in der 
Mitte der Länge des MeduUarrohrs blich, welches aber weiterbin 



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Urmund und Spina bifida. 



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auch noch geachloBsen \vnrde. En lag also hier nur eine Ver- 
zögerung des HerRbwaefasens der jederBeitigen halben Dorsal- 
platte Yom Aeqnator des Eies vor, während die qnalitatiye 
Differensdning, dadurch nicht gebennnt, die MeduUarwUlste ror 
der VerschmelsEung der Dorsalplattenhälflen herstellte. Dnrch' 
diese Form der Diastasis medullaris und die Ableitung des Spalt- 
raumes vom .Unnund wird auf's Deutlichste eine Analogie der 
Bildung der EmbryonaUinlage bei Amphibien mit deijenigen der 
Fische illustrirt nnd damit auch die Asyntaxia mednllaris an die 
von Banber fttr die Knochenfische beschriebene „Verzögerung 
des Anschlusses der Keimringhftlften zur Bildung der mittleren 
und hinteren Embrjonalanlage'' angeschlossen.'' 

Da mir meine Zuchten ein sehr reichliches Material von 
Missbildungen lieferten, so dass ich in kurzer Zeit gegen 100 
von solchen isoliren konnte, conservirte ich dieselben in ver- 
schiedenen Zwischenräumen nach der Befruchtung in 1 'Vo Chrom- 
säure mit Zusatz von 0,2 ^/o Essigsänce. Nach gentigender Erhär- 
tung wurden die GallerthflUen nach der Angabe von Bloeb- 
m ann (2 b) durch vorsichtiges Schfitteln in Ean de Javellc entfernt 
nnd die so freigelegten Embiyonen in 86^U Spiritus aufgehoben. 
Ich erhielt so eine sehr vollständige Serie von missgebihh ti h 
Froscheiem, welche sich auf verschiedenen Stufen der Entwick- 
lung befanden und trotz mannigfiicher Variationen im Grad der 
Missbildung docli ein ganz typisches Gepräge zur Schau trugen. 
Hierin tnnd icl> eine Aufmunterung zu weiterer Untersuchung. 
Bei schwaclier Vergnisserung wurden die ('iii/clnen Eier von ver- 
schiedener Seite genau betrachtet und mit der Camera hieida 
abgezeiclinet. Darauf wurden sie, je naclidcm es im cni/.cliien 
Fall wüu.sL'henswertli erschien, in Serien von Qut r Sagittal- oder 
Frontalschnitten zerlegt. Bei Autertigung von Sagittalsclmittcii 
wurde meist nur die eine Hälfte verwan<lt, die andere kunute 
dann noch zu einer ^^Mu rselinittsserie dienen. Der Einschluss in 
Paraffin wurde nach dem v(»n Oscar Scliultze (62) angegel)cncn 
und auch von mir als zweckmässig betundeueu Verfahren vor- 
genommen. 

Die Ergebnisse der /.iemlicli umfangreichen üntersueJiung 
theile ieh zunäclist in drei Kapiteln mit. Von diesen liandclt 
das erste Kapitel über Störungen des l'uichungsproeesses, das 
zweitA^ über nnuiströse Entwickhing von Eiern, bei deucu mehr 



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S66 



Oscar Hertwiip: 



Oller minder iriossc Partieen des Dotters uugetheilt gfcbliebcn 
sind, das dritte über Stöningeu im Gastrulationsproccss, d^e zu 
maugelhaftem Verschluss des Urmiiiids uod iu Folge dessen zu 
einer Reihe von Missbilduugen fahren. 

1. Störungen des Fnrchniij^sprocesses. 

Auf UnregelmäBsigkeiten des Furchungsprocesses wurde da« 
Eünaterial eines mehrere Wochen isolirt gehaltenen Froschweibchens 
tintersiielit , das am 14. März getödtet worden war. Die Eier blieben 
noch 2 Tage in der Gcl):inniitter und wurden am 16. März be- 
fmehtet. 4 Standen nach der Hefi uehtnng begann sich die Mehr- 
zahl in vollkommen regelmässiger Weise zn farchen. Ein klei- 
nerer Tbeil dagegen liess bei Lupenvergrösserang Störungen des 
nonnalen Prooesses erkennen. Auf der schwarz pigmentirten Ei- 
hiUfte erschienen anssergewOhnliche, unregelmäBsige Fnrchen, 
welche nicht zn einer gleichmäsug^ Zerlegung des Dotters, 
sondern nnr zn einer Abgrenzung kleinerer und gr^teserer Felder 
fahrten (Tafel XVI, Fig. 32—35). Es entstanden mit einem 
Worte die Bilder, welche schon Born (4) genauer beschrieben und 
fUr welche er den Namen Barockfnrchung eingeflihrt hat. Es 
wurden nun sogleich 25 Eier, welche Abweichungen vom nor- 
malen FurehuDgsschema zeigten, in nummerirte Uhrschftlchen isolirt 
und von jedem der Befond rasch aufgezeichnet 

Schon an dem kleinen Material liess sich feststellen,' dass 
einige eharacteristisohe Befunde häufiger wiederkehrten. Ich bin 
so in der Lage, die abnorm sich furchenden Eier vorläufig ' we- 
nigstens in 2 Gruppen zn theilen. 

In der einen Gruppe (Fig. M n. 35) traten in der schwarzen 
Eihälfte einige Hauptfimrchen auf, die meist an einer Stelle zu- 
sammentrafen und wieder den Ausgangspunkt fttr seitlich ab< 
gehende Aeste bildeten. Durch das Zusammentreffen mehierer 
Furclien wnrden weiterhin auf der animalen Polfiäche des Eies 
einige kleinere, unregdmässigc Felder abgegrenzt, von denen 
nuch dem vegetativen Pol zn kfirzere oder längere Furchen aus- 
strahlten. Durch diese wurde nach einiger Zeit meist auch die 
helle Eihälfte in etwas grössere Felder abgetheilt. 

Für (lio /weite (truppe der Eier (Fig. 32 u. 'MV) ist das 
Auftreten einer ringlörniigon Furche characteristisch, welche am 



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KrinuiKl uii«l Spina hifidn. 



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animalen Pol ein bald kleinerem, bald grIJsseres, kreiftrandes Feld 
abgrenzt. Da die Furche bald naeh ihrem Auftireten dnrch die 
Dottermasse wohl ganz hindarchgeht, wird durch sie vom £i 
eine kleinere, am animalen Pol gelegene Scheibe abgetrennt, 
welche wie eine Oalotte dem weit grosseren, Übrigen Theil auf- 
sitzt. Von der Ringfbrehe gehen dann bald radiäre Forchen 
nach dem regetativen Pol zu aus und zerlegen die flbrige 
£imas8e. 

Die 80 in Tcrsehiedener Weise unregelmässig gefurchten 
VAer wurden in ihren kleinen Behältern mehrere Tage weiter ge- 
züchtet. Der grössere Theil von ihnen blieb, naehdem noch 
eine weitere Zerlcgnng in kleine Zellen stattgefunden hatte, in 
der Entwicklung stehen und seinen mir Zeichen des Absterbens 
(lar/uhietcn, indem an dem vi'^ctativen Pole sich ein grau- 
weisser Uebcrzug: bildete. Die (Ihrigen Hier traten in das Gastnihi- 
stadinm ein. Am vierten Tap: nach der Befruehtun^j: erhoben 
sich die Mcdnllarwülste in rcirohnässifrer Wci.^e. Trotz des ge- 
sfcd tcn AnfanirK war es also in .diesen Fällen doch noch zn einer 
aiis( lu niend normalen Weiterentwicklung ^^ekoinnicn. Fast alle 
diese Eier f^ehöiteii der zweiten ^Tru])pe an. Ob hier ein ^e- 
setzmässiger Zusammenhanf!: (»der mir ein zutallitres Zusammen- 
treffen vorlicfrt. müsste sich durch eine IksoikUis darauf fce- 
riclitete, nocl» eingfclicndere L'ntcrsuchuiiff entscheiden lassen. Es 
wäre dies nicht ohne Interesse, da der abnonne Furchung^sj)ro('( ss 
nur durch üebertViu litnn;: hcrvorj?erufen worden -sein kann und 
da die vcrseliicdencii Variationen der Barock furchnnir davon ab- 
hän;rcn werden, ob 2. i) oder mehr ."^aniciitadcn in (h-n l)<»ftt'r 
cingcdriuii^cn sind, nnd in welcher Zahl sie sicli mit dem Eikern 
verbunden lial)on oder im Dotter t'iir sich isolirt geblieben sind. 
Dass solche Vor<räni;(' hier stattfinden müssen, können wir ein- 
mal ans den UntcrsiichnnfTcn von Horn (4) über die üeberfruclitnn«:: 
uml Harockfurchnn^' der Anipbibiencier. dann aber namentlich 
aus den von Fol (17)j meinem Binder nnd mir (23, 27) ver- 
fol^^ten altnormen Befruchtungs- und Furchungsprocessen der 
Echinodermeneier scbliessen. 



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Oscar Hertwi^: 



2. Monströse Entwicklung an Eiern, bei denen mehr oder 
minder grosse Fartie<g;i des Dotters nngetlieilt geblieben 

sind. 

(Tafel XX, Fig,21~^'Jl.) 

Eine grössere Anzahl von Fro«cheiem wnrde in Sehnitt- 
serien zerlegt, welche sehr eigenthfiinliehe und ttberrasehende 
Befände darboten. Die HanptmaBse des Dotters oder nur die 
Hälfte oder ein noeh kleinerer Tbeil war nicht in Zellen zer- 
legt, während der Best ans kleinen Zellen bestand^ die sieh zu- 
weilen sogar zu Keimblättern ete. znsammengeordnet hatten. In 
allen diesen Fällen hatte auch der uujj^efnrciit gebliebene Dotter 
seine Beschaffenheit verändert. Er war von zahlreichen, klei- 
neren und grüisseren Vacnolen durchsetzt, die mit einer klaren 
FlüsHigkeit erHillt waren und oft so dicht znsammenliigen , dass 
sie nur dnreh dttnne Seheidewände, wie die Blasen eines Seifen- 
schaums, von einander getrennt waren (Fig. 23, 27 va). Oft 
waren anch grössere xmd dann unregelniässifc contonrirte Va- 
cnolen dadnrch entstanden, dass die dünnen Seheidewände zwi- 
schen mehreren Vacnolen eingerissen waren (Fij^. 21 va'). Ausser- 
dem kamen noch in dem so veränderten Dotter mehrfacli khiue 
Bläschen vor, die von dunklem L'i^iaent itiahiilli waren und zu- 
weilen anch eine Strahlnnir in ihrer Umgebung»- erkennen Hessen 
(Fig. 2o ])). Ich stehe iiit ht an, sie für Kerne zu halten, die 
von mehrl'aeh in das Ei einfredrungent-n Saiin ntaden ahstaininen, 
vielleicht anch durch Theilnuir von Samenkernen liervor^i^epiniren 
sind. Bestärkt werde ieli i)i dieser Ansicht nauKiitlich durclr 
die Beobaehfun/JT einzelner isnliiter Zellen in dem von Va- 
cnolen durchsetzten Dotter. Dieselben tan<l ich indessen nur in 
einiaen Fällen (Fi^r. 21, 22, 24, 27 ■/.') vor. während sie in an- 
deren vermissl wurden. Fig'. 25 zei{L;:t uns eine solche Zelle f/') 
bei etwas stiirkerer Vergnisserung. Ein in «Mnem Pi^^mentliof 
jreloirener Kern ist von einer Hülle von Dultersubstanz um- 
schlossen, welche durch eine platte C(»ntonr ringsum von lifni 
übrigen vaeuolenhaltii^en l)(»tter sclnirt abgesetzt ist. Zuweilen 
finden sich auch mclircrü Zellen in einer Gruppe beisammen 
(Fig. 21 z'). 

An der animalen Fläche dieser eigeuthümlich veränderten 



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Urmuiid und Spina bifida. 



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Eier hat nnn ein Farchnngeprocess bald in gerin^^rer, bald in 
grosserer Ansdefannng: stattgefiinden; er bat einer Lage kleiner, 
embryonaler, theilweise pigmentirter Zellen den Ursprung ge- 
geben, welche der Keimscheibe eines meroblastischen Eies ver^ 
gleiehbar, dem vacnolenhaltigen Dotter anfliegt. Einen sehr ge- 
ringfügigen Grad von Zellenbildnng habe ich bei dem Ei a' an- 
^^etroffen (Fig. 23). Hier war etwa der vierte Theil der Dotter- 
oberfl&ehe von einer ein&ehen Sehicht von kleinen, cubisehen 
Zellen bedeekt. In der Peripherie der Scheibe war die Eiober- 
fläehe dnreh Fnrßhen in kleine Felder abgctiieilt, die Kerne ent- 
hielten, aber mit der ttbrigen Dottermasse noch zusammenhingen. 
Anch hatte sieh an diesem Objeet noch eine kleine Gmppe von 
Zellen in einiger Entfemung von der Hauptsehdbe gebildet. 

Bei zwei anderen Eiern (Fig. 21 n. 22) war durch ]>ar- 
tieUe, irreguläre Fnrchung eine 3 hk 5 Zcllenlagen dicke 
Scheibe entstanden. In dem einen Fall (Fig. 21) lag unter der 
Scheibe eine Art von Furehungshöhle (fh), ein grosser Hohl- 
raum, Uber dessen Zustandekommen ich keine bestimmte Angabe 
niaclien kann. Die Möglichkeit, dass er durch das Verschmelzen 
vieler einzelnen V'nciiolen gebildet i^t, wäre hierbei in das Ange, 
zu fassen. Das ganze Ei kann man als eine Keimblasc be- 
zeichnen, deren vegetative Hälfte aus ungethcilter Dotternmsse 
bestellt, während die animale Hälfte in Zellen zerfallen ist. He- 
sondore Beachtung verdienen in der Figur 21 noch ein paar 
(Iruppen kleiner Zellen ('i'), sowie auch iranz vereinzelte Zellen, 
die sich in dem vacnolenhaltigen Doiter ciiigesprengt tind. n. 

Wenn wir uns nach <ler Entstehung dieser monströsen !• t>r- 
men fragen, welche so ganz ans dem Rahmen des normalen Knt- 
wicklungsproeesses iWr Amphibieneier lieraustreten, so bin ieh 
für meine Pfrson keinen Augenblick im Zweite], dass sie dmcli 
reberfruehtung hervorgerufen wunicn sind. \aeh meinen Er- 
fahrungen Avürde sich der ganze iiergang in tolgender ^\^'ise 
gestalten. Durch Ueberreife und andere sehädlielie Einfiiis.*ie war 
bei den Eiern die Erregliarkeit des Protoplasma herabgesetzt. 
Die Folge davon war Ueberfruchtung. Die in grösserer Anzahl 
eingedrungenen 8amenkeme, von denen auch vielleicht einer oder 
einige mit dem Eikern verschmolzcu sind, haben am animalen Pol 
des Eies ßarockfurchung hervorgerufen, da hier grr»ssere Mengen 
von Protoplasma angehäuft sind. Entsprechend der Vieh&ahl der 



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Oscar Herfcwi^: 



KoniP hat sich die Eiriudc ^U'icli in mehrere unre^clniässigc 
Felder abgetheitt, wie sie oben beschrieben worden sind. Diese 
sind dann unter weiterer Yemehmiig der Kerne iu kleinere 
Felder zerfallen, die sich dann vom unterliegenden Dotter abge- 
schnürt und in Embryonal/ellen uni^cewandelt haben. 

Iu der vegetativen Hälfte des Eies kommt es zu keiner 
durchgreifenden Zellenbildung, weil in ihr wegen des nnr in ge* 
ringer Menge vorhandenen Protophismas und bei der Schftdignng 
des letzteren gewissermaassen die Triebkräfte znr Einleitung 
eines Farehnngsproceeses zu geringfügig sind. £s ist hier somit 
dnreh pathologische Zostände ein ähnliches Verhältniss geschaffen^ 
wie es normaler Weise bei den merobUistischeu Eiern vorliegt, 
wo die Übermässige Zunahme der Dottermasse eine Sonderung 
in einen protoplasmareicheren, theilbaren, und in einen proto- 
plasmaärmeren, an der Fnrchnng nicht theilnehmenden Abschnitt 
der Eizelle hervorgerufen hat^ Nur hier und da hat sich aus- 
nahmsweise einmal um einen Samenkem etwas Dottermasse her- 
umgelagert und von der übrigen Masse als selbständige Zelle 
getrennt. 

Wie die Vacuolen im ungefurchten Theil des Dotters zu 
Stande kommen, ist mir unklar geblieben, da ich auf diese 
Frage meine. Untersuchung nicht speciell gerichtet habe. An 
zwei Möglichkeiten wäre zu denken. Einmal könnten die Va* 
cuolen durch eine Verflüssigung des Dotters entstehen und mit 
emer Zersetzung desselben zusammenhängen. Auf der anderöi 
Seite könnten sie aber auch aus Samenkernen hervorgegangen 
»ein, die sieh durch Theilung vermehrt und dann durch Auf- 
nahme von Kernsat't in grosse Blasen umgewandelt haben und 
dabei auch untereinander Verschmelzungen eingegangen sind. 
Iki patlinlogisclicn Kchinodermeneiern IimIr' iclif^o) ein solches An- 
schwclk'ii kleiner KcriK^ /,u ^^rosscii lilnst'ii niul ein Verschmelzen 
derselben öfters })i'ol>a('litet. Ol» mm in diesom l^'all der erste 
oder der zweite Kutstcliiuigsmodus auftritt, müstitc diircli eine 
besonders darauf gerichtete Untersuchung entschieden werden. 

Vacuolen und Kenn im ungefurchten Dotter hatKoux(61) 
bei Frosciieiern beobaelitet. als er eine der beidt-n ersten Fnr- 
chungskugein durch Anstechen mit einer heissgemaeliten Xadel 
y>er8tr»rte. Die Vacuolen treten im Dutter der operirten Zelle 
nach einiger Zeit auf mid liegen „oft so dicht, das« sie aul dem 



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Urinuud und Spina bifida. 



3«1 



QnerselniittsUM stolk'inveise nur durch einen toinon pr(>ttn)lasnia- 
tischen Faden von einander getrennt sind, und nianchmal sind 
von diesen Gebilden, die körperlich belraehtet TrennungshlUite 
darstellen, nur noch Reste vorhanden , so dass eine Conuntiniea- 
tion oder Verschmelzung der Vaenolen sichtbar sich ausspricht*^. 
Ausserdem fand Roux in dem vacuolenhaltigen Dotter noch 
Kerne vor, welche er von dem Furchnngskem der operirten Für* 
ehungskugel ableitet. Es würde also in diesem Fall der Kern 
sieh zum Theil vermehrt haben, während der Dotter in Folge 
der Sehädignng durch dss Anstechen nicht mehr hat reagiren 
können. 

Bei dieser Gelegenheit erwähnt auch Roux ähnliehe Be- 
ftinde, wie ich sie eben mitgetheilt habe. „Gegen Ende der 
Laichperiode komme beim 'Frosch zuweilen auch partielle Ent^ 
Wicklung des Eies ohne Operation vor. In mehreren solcher 
Eier^, sehreibt er, „waren bloss 3 oder 4 Zellen -von der Be- 
schaffenheit der Zellen im Stadium des üebergangs von der Mo- 
rula- zur Blastulastufe vorhanden, während die ganze übrige Ei- 
nlasse nicht in Zellen ^^e^^liedert war, aber an manchen Stellen 
mit den oben beschriebenen Formen abnormer Kerne wie auch 
auf grosse Strecken hin mit jugendlichen, normal aussehenden 
Kernen iu grosser Anzahl durchsetzt war. Manchmal war j^c- 
rade in der Umgebung der wenigen normalen Zellen die Eisub- 
gtanz so stark vacuolisirt, dass an einen üebertritt von Kernen 
ans* dieser nicht jj^edaeht werden kann." Ronx meint, dass an 
Vielkernig:keit dnreh J'olyspcriiiie in diesen Fällen nicht xn 
denken sei, ob^leieli sie ^••ele^^entlieli jsreiren Ende der I^jiich- 
periodc vorkonnne; vielmehr niimut er an. dass der Fnrcliunfjrs- 
kem theils abnorm, theils aiisclu inriKl noiiiialc Derivate ;rebildet 
habe. Ich bin der f^ejjfentlu ili^^a'u Aiisiebt iiii<l halte den ei;;en- 
tlimtiiichen ('«»luplex der Krsclu inun.ifeii, die Haiockf'urclinnfj:. die 
partielle Zellbildnnj;-. welclie an die partielle Furcbun^; erinnert, 
das Vorkommen von Kernen nnd liier und da aiicli von isolirten 
Zellt n im vaciioh iilialtijren Dotter einzig; nnd allein dnrcli üeber- 
Iruchtnn;^ ^;eseliädi^ter Eier bedinirt. 

Partiell «retbeilte Kier sind einer wiitertMi Entwicklung' 
t'ähi^^, nanientlicli wenn nur die Hälfte oder nur ein Drittel des 
Dotters untirtlu-ilt ^rlilicluii ist. T'nt(»r meinem Mat<»rial habe 
ich Eier vor^a>t'unden, bei denen die Zellen sich m Keimblättern 



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OscAr Hertwig: 



in regelrechter Weise anBamnieugeftlgt hatten, bei denen sogar 
eine Art von Gastmlation stattgefiinden hatte; endlieh auch Eier, 
bei denen es zur Bildung von Chorda und Medullarplatte ge^ 
kommen war (Fig. 24, 26, 27). 

Eine pathologische Gastrula ist in Fig. 24 abgebildet. Die 
eine Httlfte des Eies ist in vaeuolenhaltige Dottermasse umge- 
wandelt, welche an einer Stelle, wo sie an den zelligen Thml 
anstOsst, auch Kerne und isolirte Zellen einschliesst. Die andere 
in Zellen ^etheilte Hftlfte ist durch eine deutliche Demarcations- 
Hnie von dem unentwickelt gebliebenen Eithdl getrennt. Sie 
gleicht einer kleinen Gastruki. Auf der einen Seite der Urdarm- 
höhle liegt ein ansehnlicher Streifen' grosser Dotterzellen; die 
entgegeugesetzte Wand ist dttnn und aus kleinen pigmentirten 
Zellen zusammengesetzt, die in 2 Blätter angeordnet sind und 
am Urmundrand durch Umschlag ineinander übergehen. 

Zwei eigenthOmliche Missbildnngen lieferten mir die Eier 
a** und a^*, bei denen etwa auch die Hälfte der Substanz un- 
entwickelt geblieben ist (Fi??. '2(3 u. 27). Bei beiden Eiern liegt 
in der Mitte zwischen vacuolcuhaltiger Dottermasse und <ler 
zelligen Hälfte ein irrösserer Hohlraum (fh), welchen u Ii ftlr den 
Rest der Furchnugshöhle halte. Der zellige Theil birgt in der 
Fig. 27 eine kleine EinstUlpungshöhle, den Urdarra (ud). Nach 
links bildet .seine Begrenzung^ ein Haufen ü^rosser Dotterzellen, 
nach rechts und unten eine in mehrere Keimblätter i^esonderte 
Masse kleiner. i»i*,'nientirter Zellen. An dieser ist eine dünne 
Lage von Zellen als Eetodcrm deutlich ab^^e^renzt. Da \v<i das 
Ectodenn sieli m die den ürdarm auskleidende ZcllenseJiicht um- 
schlägt, ist es beträelitlieh verdiekt uüd zu einem Gebilde fmp) 
umgewandelt, welches dem Querschnitt einer MeduUarplatte täu- 
schend ^deicht. Da wir im nächsten Abschnitte niissgebildete 
Froseheier kennen b rnen werden, bei denen das Nervensystem 
sieb in entsprechender Weise am Urmundrand anlegt (y^\. die 
Figuren H, 9, l.ö, 1(3 aut Tatel XVlls so stehe ich nicht an, 
aueb hier den mit mp bezeichneten Theil als Mednllai'platte zu 
deuten. Naeb reebts ist die (iastrula theils durch einen Spalt, 
theils durch eine Demarcationslinie vom ungctheilten ?>irest ge- 
trennt, nach links geht eine dttnne Zelliamelle in rlen vaenolen- 
haltigen Dotter ttber« der hier ebenfalls nur eine, dUuue ^^cbicht 



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Urmund und Spina bifida. 



988 



darBtellt und die oben erwähnte Fnrebnngshöhle (fh) mit ab- 
• scblieasen bilft. 

Die Fig. 26 zeigt uns auf deT einen näeh oben gekehrten 
Seite eine ansehnliche, vaeuolenhaltige Dottermasae^ nach unten 
von ihr einen in zwei Blätter geeonderten, zelligen Keim. Zwi- 
sehen beiden befindet sieh eine ring» abgegrenzte geräumige 
Fnrchnngshdlde (fh). Rechter Hand ist wieder an der Stelle, 
wo der zeitige in den vacnolenhaJtigen Theil abergeht, eine 
kleine Einstlllpung (nd) entstanden. An der Urmnndlippe geht 
das äussere in das innere Blatt' ttber nnd hat sieh wieder, wie 
in dem vorher beschriebenen Fall, zn einer Mednilarplatte (mp) 
verdickt, die hier aber nnr wenig zn einer Rinne eingekrümmt 
ist. Sowohl rechts als links von der Fnrchungshöhle steht der 
zellige Keim nnd der imgetlieilte Dotterrest noch mit einander 
in directer Verbindung. 

Äehnliche Befiinde wurden noch an Schnittserien dnreh 
mehrere Eier erhalten. 

.Endlich habe ich auch Eier angetroffen, bei denen sich 
neben einem nngetheilten, nieist kleineren Dotterrest die Anlagen 
von Chorda nnd l'ist'^nienten im entwickelten Theil niehr oder 
minder dcutlicli auf Schnitten nat lnvciscii litsscii. Indessen ist 
die UntersHchung bei allen diesen itatli<>l(»;:is( li( ii Kiern dadurch 
mit Scliwicri^keiten verkiuipft. dass mau äiisscriicli au den Kiern 
sehr weui^ sieht und daher heiui iMux lilicsscu in l'aratfin nicht 
<lie Richtung hcstiuimen kann, in welcher /weckmästsiger Weise 
die Schnitte geführt werden niiissten. 

3. Störungen Im Ga^trulationsprocess, die zn mangelhaftem 
Verschluss des Urmundes und in Folge dessen zu einer 
Reihe von MissbildHns:en iiihren. 

Stdi iuip'n im Gastrulati« »US I nict's.s können die Ursaclir von 
sehr verschiodcnartijren. ahnoruirn Formznständen werden. Um 
dicHelben in systeuiatistdier Keihenlolge zu betrachten, scheint es 
mir zweckmässig, sie in drei rrnippen cin/ntheilcn. 

Bei dem höchsten «irade der Storuuf4: bleibt der l'riiiund 
seiner _ ^^auzeu Läuf^c naeli p'Vit^nct. /n einer Zeit, wo bei den 
Embryonen schon die Medullarplatten. die Chorda, mehrere Urse;jj- 
mente angelegt sind. Von hier Klhren alle nur denkbaren üeber- 
gänge m geringeren Graden der Störung. Mau findet missge^ 



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364 Oscar Hertwi^: 

bildete £njbiyonen, bei denen sich nnr ein Theii des Kopfes oder 
der ganze Kopf oder ausser demselben noch eine mehr oder * 
minder grosse sich' anschliessende Strecke des Rumpfes in nor- 
maler Weise entwickelt hat, im Uebrigen aber am Backen ein 
dementsprechend grosser Theil des Ürmnndes vor dem Schwann 
ende offen geblieben ist. In Folge dessen liegt nun ein bald 
grosserer, bald kleinerer Theil des Dotters frei zn Tage und 
sieht als eine Art Dotterpfropf, ähnlich wie beim Rnskoni- 
schen After, nach Aussen hervor. 

In einer dritten Gruppe endlich stelle ich die am wenigsten 
aufßiOigen Störungen in dem Verschluss des Urmundes zusammen. 
Hier ist die ganze Rttckengegend des Embryo wohl entwickelt 
und in Nervenrohr, Chorda und Ursegmente gesondert, unterhalb 
der Stelle aber, wo sich die Schwanzknospe bildet, oder der Schwanz 
schon in seiner ersten Anlage vorhanden iHt, findet . sich eine 
bald ziemlich umfangreiche, bald kleine Oeffhung; dnrch welche 
man noch den Nahrungsdotter von Aussen her sehen kann. Das 
Dotterloeh liegt bei fehlendem Schwanz genau am hinteren Ende 
des Embryo, während es in demselben If aasse als der Schwanz 
entwiekelt ist, ventralwüits und nach vom verschoben ist, 

h Cinippe der Missbildnngen: Totale Urmandspalte. 

(Tafel XVI Fig. 1—7). 

Am fünften bis siobcnten nach der IWruchtnuf;- licicii 
nur zwi.scliC'ii scliun weit entwickelten Embryonen einzchic Eier 
auf, die in einer Riehtun^ verliiniievt nnd vom {inimalen nach «lern 
ve^retativen Pol /n etwas* platt geihiiekt waren. Von der Fläche 
betrachtet, bieten diese Eier einiirennaassen das Aussehen einer 
ovalen Schüssel dar, di»' aut einer Seite dmchweg durch br-unu s 
Pi^rnient iirefärbt ist, auf der anderen Seite dagejjfen ;;cll)\vei!js 
aussiclit Tafel XVI, Pig. 1- — 7i. Die branne Seite zeijrt häufig; 
in der Län^rsrichtun^^ eine (hMitliclie Einkrünlmung (Fic. ■> n. 4 . 
ferner ist sie selten pin/ ,i:Iatl , häuliger in unre^eiiuiissi-^er 
Weise an einzelnen Stellen mit .ü:e\vnndenen Furchen und dazwi- 
schen gelegenen Wülsten, welclie Hirnwind nn^-en vergleichbar sind, 
bedeckt. Es sind dies path<>log:ische Wucherungen des }Iautl)h]tts, 
die ohne jede weitere Bedeutung für die Entwickhuig.s[)rueessc 
sind. Hiervon abgesehen ist häufig schon eine Organanlage, 



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Unnnnd und Spina bifida. 965 

welclie der Froscheinbrvo erst längere Zeit nach Ablauf des 
Gastriiiatioiisproeesses erhält, am vorderen Ende der braunen 
Seite aufzufinden. Es ist (hlg. 3 h) die bnmne Haftscbeibe, 
mit welcher sich die ausgeschlüpften Kaulquappen an Wasser- 
pflanzen ansetzen. Die Haftscheibe ist eine von weit vorstehenden 
Epithelwfllsten eingeschlossene Einsenkung der Epidennis, welclie 
in ihrer Form otwa einem Hufeisen vergleichbar ist. Dadurch 
dokumentirt sich die braune Seite selbst als die Bauchseite des zu- 
künftigen Embryo und sind an ihr bereits nach der Xage der 
Haftscheibe Kopt- und Schwanzende von einander zu unterscheiden. 

Die nicht pigmentirte Seite entspricht somit dem Rfleken^ 
der bei unserer Missbildung ein eigenthttmliehes Aussehen dar- 
bietet* 0ie in grosse Zellen abgetheilte Dottermasse (d) liegt firei 
zu Tage (Fig. 1, 2, 4 — 7) und bildet einen bald mehr, bald weniger 
nach Aussen hervorspringenden Hfigel (Fig. 4 — 5d). Derselbe 
wird rings von einem braun pigmentii-ten Wulst ur umgeben, 
der durch das Uebergreifen der ebenso gefärbten Bauchseite auf 
die Rttckenseite gebildet wird. Der Wulst setzt sieh mit emer 
ziemlich scharfen Linie gegen die hellere Dottermasse ab. Auch 
hier lässt sich Kopf- und Schwanzende bei einiger Ucbung von 
einander nnterseheideu. An ersterem findet sieb in geringer Ent- 
fernung vom braunen Randwulst eine tiefe, eine Querspalte dar- 
stellende Einsenkung vor (Fig. 1, 2, 6, 7 kd). Sie entspricht, 
wie uns weiterhin Durchschnitte zeigen werden, einem Theil der 
Gastrulaeinstülpung. Das zwischen ihr und dem Randwnlst ge- 
legene Feld zeigt auch noch einen Anflug von brauner Pigmen- 
tirung. Das Hinterende dagegen ist dadurch ausgezeichnet, dass. 
der braune Raudwulst sich in 2 Höcker (Fig. 1 — 7 sk) verdickt, 
die sieh durch eine tiefe Einsenkung von der Dottermasse ab- 
setzen. Die zwei Höcker, die ich nach ihrer zukOnfltigen Be- 
stimmung schoa jetzt als Seh wanzknospen bezeichnen will, 
sind in der Medianebene durch eine Einkerbung (Fig. 1 ar) von 
einander getrennt, in welche rieh dne kleine Zellmasse da- 
zwischen schiebt, die als Zwischenstück bezeichnet werden 
kann uiul häufig einen kleinen Voi*sj)niMg am hinteren Ende be- 
dingt. Das Zwischenstück ist namentlich auf späteren Statlicn 
(Fi^. D — 11, i;>, 14, 19) dentlieher wahrzunehmen und mit einer 
Himu; far; versehen, die zur Eutwickluiifr des Aftei*8 in ikv.u'liung 
steht und daher als Altcrrinne bezeiclniet werden kann. 



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866 Oscar Hertvig: 

Mehr lässt sich bei der Untorsuchuu^ des Kmbryo im Gan- 
zen nicht erkennen. Um so mehr ist man überrascht, bei der 
Anfertigung von Quer-, Sagittal- und Frontalschnitten schon einen 
hohen Grad von innerer Organisation, MeduUarwUlste, Chorda, 
mittleres Keimblatt, Ursegmente u. s. w. vorzufinden. 

Am hosten gehen wir bei unserer Betrachung von einem 
Querschnitt durch dle^ Mitte des iniBSgebildctoti Emhrvo aus 
(Taf. XVll Fig, 2). Derselbe zeigt uns sofort, dass sclion alle drei 
Keimblätter angelegt sind. Die als HUgel nach Aussen hervor- 
stehende Dottermaasej welche dai^ innere Keimblatt repräsentirt, 
wird ventralwärts von 2 durch einen >SpaI träum gegen einander 
ahgegrensfiten Zellenschichten umhüllt, 1) von einem dünnen 
äusseren Keimblatt, das die für die Anuren bekannte Stractnr be- 
sitzt und am dunkelsten pigmentirt ist, und 2) von einem erheb- 
lich dickeren, etwas weniger pigmentirten, mittleren Kdmblatt 
(mk), das aus mehreren Zellenlagen besteht« Naeh dem Rttcken 
der Missbilduug m bOren äusseres und mittleres Keimblatt mit 
dem oben erwähnten braun geerbten Wulst auf, der bei Be* 
traehtung von der Fläche wie ein Ring den Dotterhfigel umsehliesst 
(Taf. XVI, Fig.eur). 

Anf dem Durchschnitt zeigt der Wulst (Taf. XVI, Fig.Gur) 
eine zusammengesetzte Structur (Taf. XVII, Fig. 2). £r besteht 
aus einer dickeren Platte (mp), die sieh zu einer nach oben offe- 
nen, ilachen Rinne zusammenkrümmt. Dieselbe stimmt dadurch, 
dass sie ans mehrfach tiberehiander geschichteten, langgestreckten, 
spindeligen Zdlen angebaut ist, in ihrer Structur mit dem Medul- 
larwnlst eines normalen Froschembryo flberein. Sie repräsentirt 
also die Hälfte einer normalen Rfickenmarksanlage oder eine halbe 
MeduUarplatte (siehe auch Taf.XVII Fig.3, 6, T, 10—12, 18, 22 mp). 
Am äusseren Rand gebt die MeduUarplatte durch Umschlag in 
die dfinne Epidermis aber, nach dem inneren Rand zu wird sie 
gleichfalls dttnner und verändert ihren histologischen Character, 
indem die Zellen etwas grosser und weniger pigmentirt werden 
(Figur 2, 3, 10, 12, 18, 22 v). Durch dieses dflnne Verbindnngs- 
stock (t) hängt sie mit der Dottermaase continuirlich zusammen. 

Zweitens schliesst der Wulst auf jeder Seite noch den 
Durchschnitt eines runden Zell^tranges ein, der allseitig scharf 
abgegrenzt ist und in seiner Stractur mit einer embryonalen 
Chorda Ubereiustii|imt. Deim wie Lilngsdurchschriitte durch dieselbe 



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Urmiand und Spina bifida. 967 

lehren (Fig. 2U u. 21 eh), haut sie sich aus den bekannten, scheiben- 
förmigen, wie Geldstlicite übereinander geschichteten Zellen auf. 
Die Chorda findet sich etwas medianwärts von der bellen Me- 
dullarplatte, genau unterhalb des Verliiiulungsstflckes (v), das 
den Uebergang iXtt Dottennasse vermittelt. 

Unter Chorda und Medullarplatte folgt endlich das mittlere 
Keimblatt (mk), das hier am breitesten ist und sich ventralwftrts 
allmählich verschmälert. 

Bei Durchmustenmg einer Quersclmittsgerie ändern sich 
die einzelnen Bilder nur wenig. Nach \-orn wird meist die Chorda 
etwas stärker, umgekehrt etwas scliwäclier iiacli hinten. Am 
Schwan/ciule endlich sind Medullarplatte, Chorda und mittieres 
Keimblatt nicht mehr zu unterscheidem, sie verschwinden hier in 
einer mehr gleiehmässigen Masse kleiner, pigmentirfter 2Selleny 
welehe jedereeita am {linteren £nde einen Wulst bedingen, der bei 
Betrachtung des Embryo ron der Fläche (Taf. XVI sk) schon als 
Sehwanzknospe bezeiehnet wurde. 

Die Niveauverhältniase zwischen Randwulst und Dotter 
smd häufig naeh den einzehien Körper^genden etwas yersehieden, 
aber in .einer für die einzelnen Embryonen nicht immer gleich- 
bleibenden Weise. Bald hebt sich der Dotter Uber den Band- 
wulst als steiler HOgel weit in die Höhe (Fig. 2, 6, 11,22), bald 
schneidet er in gleichem Niveau mit ihm ab (Fig. 10, 18), oder 
er zeigt sogar am yorderen nnd hinteren Ende eine mnldenartige 
Vertiefung, Aber welche nun umgekehrt sich der Randwulst etwas 
weiter emporhebt (Fig. 3). 

Das mittlere Keimblatt lässt bei allen Missbildnngen, die 
mikrotomirt wurden, schon eine Gliederung in UrBcgmente er- 
kennen, deren Zahl sich mir auf 10 bis 20 Paar, je nach dem 
mehr oder mukler weit vorgeschrittenen Entwieklungzustand, 2u 
bekinfen schien. Am besten sind sie auf Sagittalschnitten, welche 
die Chorda oder die Medullarplatte getroffen haben, zu mter- 
seheiden, so auf dem Sagittalsehnitt durch einen Randwulst der Mis8- 
bildung des B«. (Taf. XVI Fig. ö, Taf. XVII Fig. 20). Unter der 
aus seheihenförmlg^ Zellen aufgebauten Chorda (Taf. XVII 20 ch) 
liegen 4 scharf von einander g:esonderte Ursegmente (us), die sich 
von dem übrigen Theil des mittleren Keimblattes oder den Seiten- 
platten abgeschnürt haben. Fünf Ursegmente (us) sind auf dem 
►Sagittalsehnitt (Taf. XVII Fig. 19) zu sehen, der durch die inüba 



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868 



Oscar Hertwigf: 



Me(iullarplattc (mp) de» Embryo (Taf. XVI Fig. 7) hiudurch- 
gemiirt ist. 

Ks t)ii'ilMMi mis jetzt noch (iir VtM-liältimso am Kopt- und 
8chwair/cn(l(' <1t>K Eiiilnyo f^euauer zu und i -n< lion, was am besten 
an Sa^^ittalschnittcu ^eseliiebt. Die Bilder lallen bei den luikro- 
tomirten Knil)rv<meii etwas verschieden aus. 

Bei tnilH vo Ea i Taf. XVT Fi-, ö. Taf. XVII Fi-. H) ist in 
der Kopfgej^end eine nocli vollständig^ offene Hirnplattc nnp) ent- 
wickelt. Sie ist zu einer tieten Rinne zusammen*rekrnmmt, deren 
vorderer oder äusserer Rand siel» in das dünne Hornblatt um- 
schlägt, während der innere in die Dottermasse übergeht. Eine 
Chorda fehlt in der Mediangegend, tritt aber in einiger Entfernung 
seitlich von ihr auf. Dies sieht man an dem Querschnitt (Taf. XVII 
Fig. 1 1 ch) und an dem ganz lateralwärts geführten Sagittalschnitt 
(Fig. 20 eh). Bei dem vorliegenden Embryo fehlt jede Einstülpung, 
welche die erste Anlage einer Kopfdarmhöhle darstellen wUrde. 
Dagegen tritt uns eine solche, wenn auch noch wenig ausgeprägt, 
bei Embryo fTaf. XVI Fig. T kd u. Taf. XVII Fig. 15) entgegen. 
Hinter der eingekrümmten^ verdickten Himplatte (nip) folgt ein 
kleiner, durch Einstülpung entstandener Hohlraum (kd), dessen 
AusmUadnng schon beim Stu<liuin der ganzen Embryonen wahr* 
genommen werden konnte. In Folge dessen geht der inn^ Rand 
der Himplatte nicht wie oben direet in die Dottermasse, sondern 
in eine einfache Lage grosser Dotterzellen Aber, welche die 
vordere Wand der Kopfdarmhdhle begrenzen and an ihrem Crnind 
in die compacte Dottennaase nmbiegen, welche die hintere Wand 
herstellt. Bedeutend weiter entwickelt ist die Kopfdamhöhlö 
bei den Embryoneu M u. B (Taf. XVI, Fig. 10 u. 2). Dieselbe 
reicht jetet> wie die Sagittalschnitte lehren (Taf. XVII, Fig. 9 
u. 16 kd), nicht nur bis zum Grund der Dottermasse in die Gegend 
der Haftscheibe (h) herab, sondern hat bei Embryo M (Taf. XVII, 
Fig. 9) auch noch eine Ausstfllpung nach vorn unter, die Him- 
platte (mp) getrieben. 

Bei der Untersuchung des hinteren Embryonalendes wird 
niemals eine bald mehr, bald weniger tiefe Einsenkung vermisst, 
die als Anlage der BeckendannbOhle oder des Enddarms gelten 
kann (Taf. XVI, Fig. 1, 6, 7 cd und Taf. XVII, Fig. 8, 9, l.'), 16 cd), 
Sie trennt die Dottermasse von den beiden als Schwanzknospen 
(flk) bezeicliueteu H4»ekeru, mit welchem der RaiulwulKt uaeh 



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Urmund und Spina bifida. 



des 



hinten aufhOrt iiiul zwischen welche sii li iu^dcr Medianebeiie die 
intermediilre Zelienmasse mit der Afterrinne (ar) bineinseliielit 
(Taf. XVI, Fig. 1 ar). Jede Schwanzknospe (Taf. XVII, 8, 9, 
15, 16 sk) Iftsst theilweise 3 Schichten, den 3 Keimblättern ent- 
sprechend, erkennen. 1) nach Aussen das schwarz pigmentirte 
Ectoderm, 2) nach Innen ein oder mehrere Lagen grosser Dotter- 
zellen, welche die hintere Wand der Beckendarmhöhle bilden, 
3) zwischen beiden eine dicke Lage kleiner, gleichfalls schwarz 
pigmentirter Zellen, das mittlere Keimblatt. Am Ende der Schwanz- 
knospe fehlt eine Strecke weit eine Abgrenzung der 3 Schichten 
gegen einander. Sie gehen mit einer kleinzelligen Masse in ein- 
ander Uber, in welche häufig eine kleine Furche etwas einschneidet 
(siehe die Einkerbung auf Taf. XVII, I^ig. 9 n. 15 zwischen der 
Urmundlippe ^nl, und der Darmfalte ;dl). 

Ehe ich zur Beschreibung^ etwas weiter entwickelter Em- 
bryonen übergelle, seheint es mir zuvor geboten, auf die Frage, 
die sich jeder Leser schon selbst aufgeworfen haben wird, näher 
einzugehen: Wie ist diese abnorme, merkwürdige Embryonalform 
entstanden und in welchem Verhältniss steht ihre Entwicklung 
zur normalen Entwicklung der Amphibien und der Wirbelthiere? 
Obwohl ich zu meinem Bedauern nicht in der La^e gewesen bin, 
frühere Entwicklnn^tadien dieser Missbildnngen unter meinen 
Vorräthen zu finden, so glaube ich doch, dass sich aus den mit- 
getbeilten Befunden mit ziemlicher Sicherheit einige RUekschlHsse 
niaeben lassen. 

Oinie Zweifel hat ein Nollständig gestörter (Jastrulations- 
|m)eess stattgefunden. Die abnorme Kiitw icklun^- iiiuhs sebon vom 
ßlastnlastadiuiii au sieb bemerkbar geniaebt haben. Beim ge- 
wöbnlieben A erlauf bildet sic-li einem kleinen Bezirk aus 

eine Einst ül|>uiig, die'albnäblieh tiefer wird an der Stelle, welebe 
wir mit (üötte als Raudzonc bezeiebucn, und an weleber die 
animalen, |)igmentirten Zellen in die grösseren, nielit pigmtMitirten 
Dotter/.elh Ml übergehen. Im Ansebluss an das zuerst entstandene 
Säekchen kiiunnt allmäblicb ein inuner grr>sserer Tlieil der vege- 
tativen Keinihlaseidiälftc oder der Dotteiuiassi> in das Innere des 
DopjR'lbeeliers zu liegen. Hierbei verengt .sieh der Urmund iu 
entsprecbendem Maasse bis zu einem kleinen Loeh, noeh ehe 
sich <lie Mednllarwtllste ausbilden j dann schlieast er sich ganz. 

Archiv f. uiikru^k. AiiaU Bd. 25 



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370 08car Hertwi^i 

Dieser Vorgang muss hier jedenfaJls ganz abgeändert sein, er ist 
durch einen anderen Modas> der sieh aber auch als eine Art 
Gastmlation bezeichnen Iftsst, ersetzt worden. 

Ich denke mir, dass sich zunächst die Keimblase in einer 
Kiehtung etwas verlängert und sieh Yon der Racken- zurBauch- 
iläcbe etwas abpUiltet. In Folge dessen wird die Blastulaköhle 
ganz oder theilweise zum Sehwund gebracht werden* Die ani- 
malen Zellen bilden dann an der zukttnftigen ventralen Seite des 
Eies nm die compacte Dottermasse , eine HflUsehiehty das äussere 
Keimblatt. 

Gldchzeitig wird die Randzone oder die UebergangssteUe 
der animalen und der vegetativen Zellen zuerst am vorderen 
Ende des Eies, dann von hier nach hinten fortschreitend in j2:anzer 
Ausdehnung in Wucherung gLiatheu und sich zu eiutr Art v(m 
Keimring umg^estalten, von dem in erster Linie alle Eiiiuick- 
]nn^'^si)roccs8e ausgehen. Auf der linken und rechten Seite des 
ovalen Eies wachsen vom Keimrin;i; Zellcnmassen zwischen Dotter 
mui äusserem Keimblatt nach abwärts und liefern das mittlere 
Keimblatt. Stelleu wir uns den \'oro:aiig- als einen Einfaltung^s- 
process vor, so erhalten wir einen Befund, wie er auf Tafel XX, 
Fig. 17 in einem Schema dargestellt ist. Durch Einfaltuug an 
der Randzone ist ein Säekehen entstanden, dessen viscerales 
Blatt mit der ■ Dotteruuisse zusannnonhän^t, während sich da« 
parietale in das rmsscre Keimblatt unis(dilägt. Den äusseren 
Umschlagsrand will ich weit* rliin als ünnundrand bezeicdiuen. 
An ihm bildet sich eine wichtige Orii^ananlage aus. Die Eeto- 
dermzellen wachsen hier liedeutend in die Länge und lagern 
sich zu einer etwas eingekrümmten Meuiillarplatte (mp) anein- 
ander, welche indessen nur der Hälfte einer uormaleii Kückcn- 
marksanlage gleichwerthig ist. 

Im weiteren Verlauf der Entwicklung .schlicsst sich das 
Säckehen iän^cs des Unnnndrandcs zu (Taf. XX, Fi^i. IS j. Da- 
durch tritt der innere Rand der MeduUarplatte direet mit der 
Dottermasse durch eine intermediäre Zellenmasse i v) in Ver!)in- 
• dung. Im Anschluss daran löst sicli das Säckchen mit seinem 
parietalem und visceralen Blatt von der MeduUarplatte und der 
Dottermasse ab, wobei aus dem Zellstreifen. der in Fig. 17 mit 
eh bezeichnet ist, als ein neues Organ die dhorda in die Er- 
scheinung tritt Damit ist durch Ineinandergreifen von Yer- 



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Urmund und Spina bilula. 



371 



seluiiel/.nngs- und Trenmingsproeessen am Bandwulst ein Organi- 
sationszustaud herbeigeführt, wie er bei nnseren Mi^^gbilduugen 
vorliegt. 

Wenn iii;iu die Vorj^änge. wie ich sie hier voraii!*^?^esetzt 
habe, mit den uoniiakii Kutwiokhnigsproeessen eines 1 ro.seheies 
vergleicht, wie sie in den scheniatischen Figuren ] !• und 20 der 
Tafel XX zum Aiisdruek gebraelit sind. ' so \\ ird man leicht 
tindeii, dass sie weseiitlieh (lieselheii .sind und auch /n wesent- 
lich deuselhen K'esultaten tulireiK nur niuss man von den durch 
die Lage hediiii;ten Unterselucden absehen. Frocesse, die sieh 
mirniah'r ^^ t ist* nahe der Mcdianebcne des Rückens vollziehen, 
spielen sich hier in «ler 8eitengcgen<l des Kudn-yo an der Ueber- 
gangsstelle der aninnilcn in die vegetativen Hälfte der Blastula; 
au der Rand/oiie (iotics, am Keimring, ab. 

Mit der \ crle-uug der Bezirke, in denen Nervensystem, 
Chorda und Liscguicnte zur ei'sten Anlage gelangen, hängt eine 
sehr auffallige Verschiebung in der zeitlichen Anfcinandcrtnige 
der einzelnen Entwicklungsprocesse auf (bis innigste zusammen. 
Xonnaler Weise wandelt sich die Keimblasc der Amphibien erst 
v(>llständig in eine Gastrula unj; sie wird an ihrer gesammten 
überflilehe zweiblätterig. Der Blastoporus ist zu einem ganz 
kleinen Spalt eingeengt. Erst nach .\b8chluss des (Tastrulations- 
processes bildet sich auf einem Bezirk der glatten Oberfläche in 
beträchtlicher Entfernung von dem Urmundrest die MeduUarplatte 
als eine einbeitlicbe, ungethcilte Anlage aus. In allen unseren 
MissbUdnngen dagegen ist der Gastrulations|)rocess gleichsam in 
seinen ersten Anlangen stehen geblieben. A'ur die Bauch- und 
Seitenwand des Embryo ist von äusserem Keimblatt ttberx(»gen, 
während an der ganzen Rückenfläche die Dottermasse oder das 
innere Keimblatt freiliegt. Trotz dieser Hemmung des Gastm- 
lationsprocesses setzt die ttir die Wirbelthiero eigenthündiche, 
höhere Organdif^« Tvn/irung (Bildung von Chorda nud Rücken- 
mark) ein, wodurcii es zu den hervorgehobenen, örtlichen und 
seitlichen Verschiebungen kommt. 

Die beschriebenen Embryonen sind also ihrem eigentlichen 
Wesen nach Hemmungsmissbildnngen^ hervorgerufen durch 
Stftmng und Hemmung des Gastmlationsprocesses, der nicht einen 
reehtKettigen Beginn und nicht seinen normalen Abschluss gefunden 
hat. Dadurch kommt ihnen aber ein ganz eigenartiges und besonderes 



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372 



Oscar U e r t w i g : 



IflteresBe zn. Denn unter den zahlreichen HemniungsiniBshil' 
düngen, die man in der Teratologie kennt, ist die hier heobaeh- 
tete die am frühzeitigsten in der Entwieklung anitretende. Sie 
betriiSt eines der primitiTSten OrganisationsverhältnisBe nieht nnr 
der Wirbelthiere, sondern des gauzen Thierreiches flberhanpt, 
nfimlieb die Urmandbildun^^ Kein Wunder daher, dass die so 
erzeugte Störung d&k Grondaufbau des ganzen Körpers be- 
rührt hat. 

Der erste Bliek auf die Querdurchsehnitte doreh unsere 
HiesUldung kann leicht bei diesem und jenem Leser eine von 
der meiuigcu abweichende Vorstellung wachrufen. Die Eier 
könnten ftlr Doppelmissbildung:en ^'ehalten werden, bei welchen 
ein jedes ludividnnm nur zur Hälfte zur Anlage gelangt sei. 
Eine solche Vorstellung aber erweist sieh bei genauerer Prüfung 
als nielit lialtbar. Denn eiiunnl iichrii die sfitlieheii, auf den 
ersten lilick als Uulbt uibrvoneii inijxdiiri'iKien Anlagen am Kopt- 
uud Scliwaiizeude eontiiiuirlich in einainlcr ül)er. /woitens können 
sie sich, wie der folgende Aliselinitt zeigen wird, zu einem ziem- 
lich normal gestalteten Embryo nuehträglich verbinden, drittens 
hängt der hier an erster Stelle besprochene höchste Grad der 
Hemmungsniibsbildung durch alle möglichen Zwischenstufen, die 
leichtere (»rade der Henmiung repräsentiren. mit normal sich 
entwiekeindt'n Kmbryonen zusaunnen, viertens wird liir das ganze 
Ei die.Hattseheibe ehifach und niclit. wie man bei Verdoppe- 
lung doch erwarten sollte, doppelt angelegt. 

Ans dem Satz, dass unsere Missbildnngen Oastrulatormen 
sind, die in einer Beziehung, in dem Einstidpungsproeess und in 
dem Versebhiss des Urmunds eine Ifemmung ihres normalen I']ut- 
wicklungfti^anges erfahren liaben, in anderer Bezii'binig aber trotz- 
dem fortgeschritten sind und sclion die wichtigsten Organa) dn^^eii 
des Wirbelthierkörpei s ausgebildet haben , lassen sich einige 
"interessante Con.sequenzen für die Mori)ln>logie des Wirbelthier- 
körpers ziehen. Zu dem Zwecke wollen wir die Misshildnng 
auf ein vereinfachtes Schema reduciren , indem wir uns die 
Dottennasse in der Figur 17 (Tafel XX) aufgebraucht imd ihren 
Platz durch eine einfache Schicht von Damidrtlsenzellen einge- 
nommen denken. Wir erhalten auf diese Weise eine (iastrula- 
form, bei welcher der noch weit offene Urmund, der vom Kopte 
nach dem Schwänzende zu etwas in die Länge gezogen ist. 



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ITmiutid und Spina bifida. 



373 



ring:suni von der Anla;re des Xcrvciisystouis cin^t'srldosscn ist. 
Die Urmnndräader g^lb^t bilden eine etwas j^ekrümmte, nach 
ansäen frei liegende Xervenplatte, einen M e d n 11 a r r i n g. 

Eine solche primitive Fonn des NerveDByBtenis ündet sich 
in der That in einzelnen niederen Abtheilnngen des Thierreiehs 
dauenul erhalten. Sie kommt den Inichst organisirten Polypen 
zn, den Aetinien, bei denen sie durch meinen Bruder nnd mich 
(26) entdeekt worden int. Eine »olebe h-dp^a des Centralnerven» 
Systems ist otfenbar eine änf^serst zweckmässige, weil am meisten 
centrale, da allein am ürninnd die vei-sebiedenen Sebiehten des 
Körpers, seine änssere nnd seine innere Oberfläche, in ausge- 
dehnter, direeter Verbindung stehen. Von hier ans können da- 
her sensible Xervenzweige am änsneren Rand der MeduUarplattc 
entspringend sich direct zn den Sinnesorganen begeben, indem 
sie sich im Verlauf der Hantschicht ausbreiten. Umgekehrt ge> 
langen Nervenfasern, die vom inneren Rand der McduUarpIatte 
ansgehen, zu den Muskelmassen, die sieh aus dem ins Innere 
der Gastrula eingestülpten Zellenmaterial, innerem Keimblatt 
(Actinien), mittlerem Keimblatt (Sblftttrige Thiere) entwickeln. Das 
periphere Nervensystem zerlegt sich so ganz naturgemftss nach 
seiner örtlichen Entstehung in einen sensiblen, von dem äusseren 
Rande des Nervenriugs, nnd in einen motorischen, von seinem 
inneren Rand ausgehenden Abschnitt. Indem auch bei den 
Wirbelthieren das Centratnervensystem, wie unsere Missbildungen 
so deutlieh zeigen, aJs Ring in der Umgebung des Urmunds zur 
Anlage kommt, bietet sieh eine sehr einfache, von mir (25) sehon 
frflher kurz dargelegte, morphologische Erklärung far 
den BelTsehen Lehrsatz oder die Thatsaehe des getrennten 
Ursprungs der sensibeln und motorischen Wurzeifasem. Die 
ersteren haben sich im Ansehluss an das äussere Keimblatt aus 
der äusseren oder dorsalen Kante, die letzteren im Ansehluss 
an die Mnskehiegmente aus der inneren oder ^centralen Kante 
einer Rttckeiunarksbälfte entwickelt. Sensible und motorische 
Nerven brauchen nur dem schon in der natürlichen Scbiehten- 
folge der Keimblätter vorgezeichneten Wege zu folgen, um di- 
reet zu ihren Endorganen zu gelangen, die sensiblen Fasern zu 
den im Eetodenn gelegenen Sinnesorganen, die niotoriseben Fasern 
zu den ans dem MesixUiui entstandenen Muskelpriniitivhiindeln. 

Die Beziehungen des Centralnervcnsysteins der Wirbeltliierc 



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374 



Oscar Hertwig: 



zum üniiuiul f Piiinitiviiiiiit\ liluBtoporns^ ) sind schon oft erörtert 
und anerkaiiut worden. Dabei ist ein Punkt im Unklaren ge- 
blieben, die Ausdehnung nämlich, in welcher der Urmund das 
Centrainervensystem seiner Länge nach gespalten hat. Durch 
die vorliegende llemmungsmissbilduug ist auch in diese Frage 
mehr Klarheit gebracht Die UrmnndspaUe hat ur- 
sprünglich das ganze CentralnerTensyBtem in zwei . 
gleiche, an ihren Enden zu einem Ring gcsclilos- 
senc Hälften zerlegt. Wie die dorstile Oommisflur des Hirn- 
Kückenniarks ist auch die ventrale erst sceundär durch Ver- 
wachsung entstandcji. Ueber die Art und Weise, wie sich die- 
selbe bei den Wirbelthieren in den einzelnen Fällen vollzieht, 
werde ich in einigen Schiaasbetrachtungen noch einmal ausführ- 
licher zurückkonmien, wenn ^y\T auch mit BpAteren Stadien der 
Mifisbildung bekannt geworden Bind. 

Meine Vergleichimg des OentralnervensyBtemB der Wirbel- 
thiere auf seiner ersten Entwickhingsstufe mit der ringförmig den 
Mund nmgebenden Kervenplatte der Äctinien oder allgemeiner 
gesagt der Anthozoen bertthrt sich in mehrfacher Hinsicht mit 
phylogenetischen Speculationen, die von A. Sedgwick (66) und in 
jüngster Zeit yon L ameere (^ö) fiber den Ursprung der Wirbel- 
thiere angestellt worden sind. „Toub les coelomateB descendent 
d'nne forme comparable k un scyphocnidaire du groupe des Ae- 
tmozoaires dont les loges m^sentöriques se seraient detach^es 
de la portion axiale de la cavite digestive." Die Verwandt- 
schait begründet Lameere auf die den Urmnnd umgebende 
Ringfonn des Nervensystems und auf die Septenbildimg der 
Actinien, namentlich des Cerianthns, in welcher er einen Vor- 
läufer der in Urscguiente abgetheilten Leibeshöhle erblickt. Als 
weitere ähnliche Merkmale liessen sich hinzufügen die Entstehung 
der Muskulatur und der Geschleehtsprodnctc, die in letzter In- 
stanz von Epithelzellen des inneren Keimblatts abstammen, da 
sich ans diesem das mittlere Keimblatt abgliedert. 

In der Constatirung dieser thatsächiichen Verhältnisse 
stimme ich mit A. Sedgwick und Lameere flberein, mOchte 
dagegen diesclhin iiiclit /ii ]>liylogenctischen Schlussfolgerungen 
vcrwcuden. wcU-lic ja Www Xalur nacli mir Hypothesen von 
sehr zwcifelliat'tcm AW'itli sfiii können. Tcli kann luer nur den 
Gesichtspunkt wieder iiulcn, den ich in der Monograjjhie der 



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trrronnd und Spina hifid«. 375 

Ghaetognalben aniigesprochen habe: „Aus allen diesen Analogieen 
beabsichtige ieh in keiner Weise eine nähere Verwandtsehaft der 
vergliehenen Thierabtheilnngen wahrscheinlich zu machen. Denn 
es gibt in der - Entwicklung des Organismns gewisse Grund- 
gesetze, nach welchen die Anlage der Gewebe und Organe er- 
folgt, aus deren Nachweis bei verschiedenen Thieren aber nicht 
sofort auf eine nähere Verwandtschaft geschlossen werden mnss, 
ebenso wenig wie man aus der Gleichheit eines Zelltheilungs- 
proeesses solches thnn wird.** Je einfacher die Verhältnisse 
werden, um so mehr ergeben sich nach den verschiedensten Rich- 
tungen hin Vergleichspunkte. Von der Grundform eines Bechers 
lassen sich alle Metazoen ableiten, wodurch aber noch nicht der 
Schlnss gerechtfertigt wird, das« die Wirbelthi^ von einer Hydra 
abstammen. 

Den wisseiiscliuftlichen Nutzen, der ans dem Vergleicli der 
Entwicklungszustände hölierer Tliiere mit entwickelten niederen 
Organismen und ans der AutVleekung von Analogieen zwisclieii 
Ut'idcii (.rwächst, suche ieh luuiptsäehlieh darin, dass wir Form- 
zusüiudc, die in dt r Entwicklung der höheren Thiere nur als 
Anlagen erseheiiu u. bei niederen Thieren als funetionireiule Ein- 
richtungen keniR'u und darum hesscr in ihrer BodtMituug wür- 
digen lernen. Der Zellenstah, den wir in »1er Kntwiekhing eines 
Vogels und Sängethieres Chorda nennen, wird uns in sein«'r l?e- 
deutnni:' erst verständlich, wenn wir bei einem ausL-childeten 
Cyel(*^t•>lüen die Chorda als ein histologisch ditfercncu as Ge- 
bilde, als eine Skeletaxe, wirklieh in Funelion sehen. In ,ü:leieher 
Weise wird uns durch die bei den Actinien erhaltenen llefundc 
verstitndiieh, wie auf niederer Stute um den Urmund herum sich 
ein Ncrveimystem aule^-eu und tuuctioniren kann. 



II. Oroppe der HiasMldiingen. 
Partielle Umiandspalte in der Rttekengegend. 

Wie schon hervorgehoben, bieten die Fonnen mit partioller 
ürmundsjialte so zahlreiche Variationen dar, Störungen bald 
schwereren, bald leichteren Grades, dass ich sie, um .eine tiber- 
sichtliche Darstellung geben KU können, am besten in 2 Unter- 
gruppen theile. 



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376 



Oscar Hertwij^: 



1. MiBsbildnngeD mit partieller Urmnndspaltc in der 
Rttekcn^^o^end auf einem frühen Entwicklnngsstadinro. 

(Tafel XVI, Fig, 9, 11-16, 18, 19.) 

Die Formen dieser Gruppe Behliessen sich an die bislior 
besprochenen gaux niiinittelhar an, insofern noch der ^rösste Theil 
des Urmunds geöffnet ist nnd den Dotter nach anssen hervor- 
treten lä88t; sie nnteracheiden sieh aber von ihnen dadurch, das« 
sie durchschnittlich etwas weiter entwickelt sind, was sieh in 
der grosseren Zahl der abgegliederten Ursegmente zu erkennen 
gibt. Dazu gesellt sich noch als zweites nnd wichtigstes Untei^ 
Scheidungsmerkmal, dass bei ihnen ein kleiner Theil der Kopf- 
region in nahezu normaler Weise ausgebildet ist. 

Bei Betrachtung der Missbildnrigen im Ganzen sind die 
eben hervorgehobenen Unterschiede nicht so auffällig, erst bei 
Durchmusterung von Schnittserien kommen sie zu unserer vollen 
Kenntniss. Bei allen ist eine Haftscheibe wie bei einem Theil 
der frflher besprochenen Missbildnngen an der ventralen Fläehe 
des Kopfendes entwickelt (Taf. XVI, Fig. 16 und 18 h). 4)as 
Vorhandensein eines kleinen Kopfabechnltts kann man bei der 
Bticken- nnd Seitenansicht daran erkennen, dass der frei- 
liegende Dotter nach vom nicht Von einem schmalen, 
dunkler pigmentirten Wulst ein^osäumt ist, sondern dass sich 
hier ein grösseres, pigmentirtes Feld vorfindet (Taf. XVI, Fig. H, 9, 
12, 18, 19 k). Meist sieht man noch gleich hinter demselben 
auf der Oberfläche des DotterliUi^^els eine runde Oeffhnng oder 
eine quergerichtete »Spalte, die in die Kopfdarmhöhle fahrt (kd). 
Die seitUehen Wülste (m'), welche das Dotterfeld in der Mitte 
cinsännien, zeijrcn im Ver^rleich zu den in der ersten Gruppe 
untersuchten Kicni wold keine ^'('|■äll(le^ln^r und stehen oft noch 
ebenso weit auseinander. l);is Schwänzende daji^ej^en hat 
sich wieder erhchlichcr verän<lert. es ist zugleich der Theil, der 
in ^>ciucuI Aussehen am meisten variircii kami. 

In den Fi-uicn 11, 12, 13 (Taf. XYU) haben .sich die 
Schwanzknospen sk) ^rejren frflher ( Kijr. 1, 2, 7 sk) etwas ver- 
^rössert und sind durch eniea lieteii Einschnitt f^etrennt. An dem 
nacli der Ventralscite fflhrenden Ende des letzteren findet sich 
die schon früher besprochene Afterrinne mit noch ^rnisserer Deut- 
lichkeit ausgeprägt (Fig. Ü, 1 1, Ii), 14 ar> S'm wird vou zwei 



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Urmitnd und Spina bifida. 



877 



kleinen Falten (af) unisüunit, die nach der Ventralseite zu in 
einander umbiegen, ähnlieh den Primitivfalten in der Ümgebong; 
der Primitivrinne. 

In den Figuren 18, 19, 15, 16 endlich sind die Schwanss^ 
knospen zn langen Fortsätzen (s) ausgewachsen. Niemals fallen 
dieselben in ihrer Richtung mit der Längsaxe des Körpers zn- 
sammen, sondern sind meist nnter rechtem Winkel nach der 
Rtlckenfläche zu umgebogen, was mau am besten bei seitlicher 
Betrachtung der Embryonen erkennt. Zuweilen ist die Umbie^ 
gnng noeh stärker und kann einen solchen Gra^d erreichen, dass 
das £nde der Schwanzfortsätzc zur Längsaxe des Körpers pa- 
rallel verläuft, sich Uber den Dotter herttberlegt und mit der 
Spitze nach dem Kopfe zu gerichtet ist <Fig. 21 u. 23). Beim 
Auswachsen können in seltenen Fällen die Sehwanzfortsätze bis 
zum Grund, wo d^e Afterriune liegt, getrennt bleiben (Fig. 16 
bis 19). Gewöhnlieh aber beginnen sie von der Ursprungsbasis 
an unter einander zu verschmelzen, so dass nur noch die End- 
kuppen sich als letzte Anzeichen der urs]»rünj^lichcn Verdoppe- 
lung erhalten. Die Nahtstelle ist in den Figui-en 11 und 14 deut- 
lich wahrzunehmen und durch den Buchstaben n bezeichnet. 

Durchschnitte, die in versehiedwr Richtung augefertigt 
wurden, werden uu;^ jet/.t nach einem genaueren Eünbliek in den 
feinere Bau der Kopfre^itm, des noch mit der Unnnndspalte 
verselicncu. Mitteisttlckes und des .Schwanzeudes verschaffen. 

Durch den Embryo 0 (Taf. XVI, l i^. 12 u. 11) wurden Länjr»- 
schnitte angefertifjt, von denen Fi«;. 4 (Tat*. XVil) einender Median- 
ebene nahe jjeloirenen darstellt. Im j^esehlossenen Kopftheil ist 
ein in mehrere J 5 hiscn ^^eglü dertes Ilirnndir (mn euthiilti'ii. Unter 
ihm liegt mit Ausnahme seines vonleren Drittels eine ('li<»r(la 
(eil), die nach vorn spitz zuläuft, nach rückwihts (la^reircii dicker 
als normal ist. Xervenrohr und Chorda stos^;»» nach liiuten an 
die freilie^rende iJottt i inasse an und hören auf dem Länjpisehnitt 
mit scharfer Contoiir auf. Construirt man sich aus der Selinitt- 
st'i-jc das kr»r]K'rlielie Bild, so überzeuf^t mau sich, dass an (\vu 
mit einem Kreuz bezeichneten Stellen beide Orcane sich in zwei 
Hälften spalten, um die Dottennasse von beiti* u S( iten im Ho^th 
zu umziehen. Kurz vr)r der 1'heilun^ <les Xerveiuohres hat sieh 
rechts und links ein Hörbläschen von der Oberliant ab«resphntlrt, 
so dasb wir die ötclie, wo der Kopf ahi geachluäseucä Uebiidu 



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378 



Oflcar Hert wig: 



aufhört, in die Gegend des verlauji^erten Marks vei*Ie^;eu können. 
Die untere Hälfte des Kopfes wird von der Koptdarnihöhle (kd) 
eingenommen, die in mehrere Buchten ausläuft and von hohem 
Cylinderepithei ausgekleidet wird. Sie öffnet sich nach aussen 
dnreh einen feinen Spalt, der durch die Dotteraiasse dorsalwärts 
aufsteigt itnd unmittelbar hinter dem Kopfende zu dem sehcoi in 
der Fläehenansieht wahrgenommenen Grttbehen fflhrt (Taf. XVI, 
Fig. 12; Taf. XVII, Fig. 4 (kd*). Der Spalt trennt von der 
Dottermasse eine dtlnne Schicht ab, die an das hintere Ende 
der Ohorda nnd jdes Nerrenrohrs angrenzt. 

Eine Ergänzung zu den Sagittaldurchsehnitten gewähren uns 
Querschnitte, welche durch Embryo N (Taf. XVI, Fig. 9) an- 
gefertigt wurden. Der vorderste Abschnitt des Gehirns bis 
jEur Gegend des Mittelhims ist normal entwickelt. So zeigt 
nns Figur 1 (Taf. XVIII) einen Schnitt, der etwas schräg 
durch das Zwisehenhim hindurchgegangen ist. Anf der rechten 
Seite ist die Ansstfllpung der Angenblase (ab), linkerseits dagegen 
nur die Abgangsstelle derselben getroffen, während der ttbrige 
Theil der Blase anf den weiter nach vom gelegenen Sehnitten 
zu finden ist. Der Boden des Zwisehenhims ist zum Trichter 
(t) ausgestülpt und grenzt an die ziemlich geräumige Kopf<- 
darmhöhle (kd). Unter dieser folgt mittlere« Keimblatt, das 
eine kleine Kopfhßhle links nnd rechts erkennen Iäf»t. Die 
Verdickungen an der ventralen Fläche de« Ectodeons rühren 
vom hinteren Ende der Ilattseheihe her (Taf. XVII, Fig. 1 und 
2 h). Endlich hat sieh von der < Hierhaut sehon das IIr>rbläs- 
ehen ( Fig. 1 hh) aligesehuUrt , welches wi'gen der schrägen 
Richtung des Schnittes mir linkerseits zu tiiideii. ist, während 
das rechte ei*st mii einem si»äteren »Schnilt tler Serie (Fig. ^ hb) 
folgt. 

Fi^'-iir 2 gibt uns zugleich eiue Vorfjtelluug von der Theihiii«r 
des Hirnrohrs, wie sie in Folge des Off'eiihlcibcns des Finuinds 
hervorgerutiMi wird. Von einem mittleren uupaart-n Abschnitt des 
HirnrohrB, der wohl der (legend des Mittelliirns entspricht, bueliten 
sieh 2 seitliclie lilasen iinr) aus. die wohl das Bildungsmaterial 
defci verlängerten Marks enthalten, Links ist der Ilolilrauni. rechts 
die vorilere Wand der Ausstiiijanii; ^i-etrort'en. Die Decke des 
so in 8 Lappen getrennten Oehims wird nur dureii eine ganx 
dttnue Epithel»chiclit iicrgebtellt, au wcldier »ich die Oberbaut 



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I 



Urmund und Spina bifida. 379 

uinnittelbar als eine obeneo feine Membran anschliesst. Eine er- 
hebliehere Dicke bieten nur die leiten wandnngen der beiden 
Aussackung:cn dar. Unter der linken ist das vordere spitz zu- 
laufende Ende einer Chorda (eh) zu sehe^, die hier einen ziemlich 
* queren Verlauf einsehlftgt. Aneh auf der anderen Seite ist wenige 
Schnitte später eine ebensolehe Chorda unter der anderen Aus^ 
stttlpnng wahrzunehmen. Es ist bei Embryo N also der unter 
dem Gehirn gelagerte Theil der Chorda in zwei vollständig ge^ 
sonderten Hälften angelegt. 

Auf späteren Schnitten schwindet dann der mittlere Theil 
der Himanlage. Rechte und linke Ansstdlpung sondern sich von 
einander nnd bilden jede auf dem Querschnitt ein Rohr/ das 
lateralwärts verdickt ist und aus langen, spindcligen, in einander 
geschobenen Zellen besteht, während es medianwärfa nur durch 
eine dfinne Lage abgeplatteter Zellen geschlossen wird. An jedes 
Rohr grenzt der Querschnitt einer Chorda. Wir kommen jetzt 
in der Schnittserie in die Gegend, wo das im Ganzen normal 
gebildete Kopfende ganz aufhört nnd zwischen die gespaltenen nnd 
auseinander gewichenen Centraiorgane desselben, zwischen die 
linke nnd rechte Hälfte von Nervenrohr und Chorda etc. sich 
die Dottermasse durch den offen gebliebenen Urmund dazwischen 
schiebt Ein etwa in der Mitte dieses Abschnitts gelegener Schnitt 
ist in Figiir 3 und ein kleiner Theil desselben, die Gegend des 
Urmundrandes bei noch stärkerer VergrOssemng in Figur 4 
abgebildet. 

Links nnd rechts von dem Dotter, der als ein Hfigel nach 
aussen hervorsieht, finden sieh die beiden Rtlekenmarkshälften 

(nu'j. Diese .stellen nicht mehr wie bei den früher untei-snehten 
Embryonen der ersten Gruppe (Taf. XVI 1, Fig. 2, 3 nip) frei zu Tage 
liegende Platten dar, sondern haben sieh zu einem Kohr gescldossen. 
Wie heim normalen Vcrsclduss des KUekenmarks hat sieh aut 
jeder Seite der Medullär wulst mehr über die Obtrililche erhoben 
und sieh dalii i nacli der Mediam lu rie zu eingekrümmt, bis er 
mit dem Falteuraiid die in Figur 2, Tat'. XVll mit v bezeichnete Ver- 
biiuhnigtsstelle der Mcdiillarplatte mit dem I)(»tter getroti'cu hat 
und mit ihr verwaelist n ist. Da.s s*i t ntstaudeiie Rohr ( Fig. 4 mr) 
entsprieht nur einer halben Rüekenmarksanlage. Demi nur seine 
äussere Wand zeigt die zellige Zusaniinenset/nnir eiiuT Nerveu- 
plattc, die innere besteht aus einer dUimen »Sciuclit platter Zellen, 



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380 



Oscar Hert wig: 



die mcdianwärts unniittolbar an <He grossen Dotter/elleu angrenzen. 
Trotz des verhindeiten VerscbiosBes des Urnmnds hat sich also 
das Ceniralaerveiisystem von seinem Mntterbodeo abgetrennt. Es 
liegt nun am ürnniTidnind bedeckt nach aussen und oben von 
einer dttnncn ( )berhaut, grenzt mit der Innenfläche an den Dotter, • 
der das Darmdrtiseublatt vertritt und ruht nach nnten auf der 
Chorda, die einen runden, allseits selmrf abgegrenzten Strang 
darstellt. An manchen Schnitten liegt zwischen Rückenmark und 
Epidermis ein Zellenknötchen (Fig. 4 g), das dnreh Wnche- 
vmg der untersten Zellenlage der letzteren entstanden m sein 
scheint; es ist die Anlage eines Spinalganglions. Von aussen nnd . 
unten wird die Chorda von dem Ursegmente (ns) nmfasst, da« 
von dem ttbrigen Tbeil des mittleren Keimblatts, der -Seitenplatte, 
scharf abgesetzt ist. 

Um unseren Einblick in die Verhältnisse des Kopfendes 
bei dieser zweiten Gruppe von Missbildungen m vervollständigen, 
gehe ich noch kurz auf die Befunde ein, die uns Querschnitts- 
Serien durch die Embryonen Bg, F nnd X darbieten. 

Bei Embryo Bg (Taf. XVI, Fig. 18 u. 19) ist nur im voi^ 
dersten Kopfende ein kleines Sittck eines normalen Himrohres 
eingeschlossen; nach rackwärts (Taf. XVIII, Fig. 16) dehnt 
sieh dasselbe rasch in die Breite aus, wobei nur die Seiten^ 
Wandungen (mr) verdickt bleiben, der Boden und die Decke 
dagegen sich zu einem äusserst feinen Epithelhäutehen (vp) ver- 
dttnnen. In der Mitte zwischen den auseinander gewicheneu 
Hälften tritt in der Medianebene eine Chorda (ch) auf, die Uber 
die Maassen stark entwickelt ist. Sie sendet nach rechts einen 
Seitenast ab, der sieh unter die entsprechende Hirnbälfte schiebt, 
während nach links eka. kleinerer Höcker hervorsieht. Das Bild 
erklärt sich 'bei Durchmusterung der Sehuittserie in der Weise, 
dass die Chorda nur ganz am Anfang unpaar augelegt ist 
und die richtige Stellung zwiHcheii ilirn und KopfdarmhOhle (kd) 
einninmit, dann aber sich in 2 auseinander weichende Arme spaltet, 
von denen der rechte ansehnlicher entwickelt ist. Auf den fol- 
genden .Schnitten sieht man dementsprechend das mittlere Stück 
der Chorda sdiwinden zngleich mit den beiden Ei)itlit'llMniellen, 
welche sich in Fig. lü v|> zwischi'n den beiden llirnhält'teu ans- 
spawiten. Gleichzeitig ötlnet sicli die Kopfdarmhöhlc an ihrer 



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Urmnnd und Spina bifida. 881 

oberen Wand nach aamen. So kommt scblienHch das in Figur 17 
(Taf. XVni) dargestellte Qnersehnittgbild zu Stande. 

Die Mitte der Figur 17 nimmt die in grosse Zellen abgotbeilte 
^ Dottennasse ein, durcb welcbe von oben nacb unten ein spalt- 
förmiger Hohlraum (kd) einschneidet, der naeh vom mit der 
Kopfdarmböhle zusammenbängt und nacb oben an der Ob^äcbe 
des freiliegenden Dotters mit der sehon bei der Fläehenbetrachtung 
(Taf. XVI, Fig. 19kd) wahrgenommenen Grabe ausmdndet. Zu 
beiden Seiten wird der obere Rand des Dotters oder der Eingang 
in die noeh offeu gebliebene UrdarmhGhle von den auseinander- 
gewiehenen Hälften des MeduUarrobrs und der Chorda begrenzt. 
Dieselben nnd links und rechts in versehiedener Weise entwickelt. 
Links setzt sich an den Dotter durcb ein schmalel Verbindungs- 
stttek eine dicke Medullarplatte an, ttber deren Oberflftcbe 
sieb eine Strecke weit das Hornblatt herttbersehiebt. Unter der 
Vereiiiiguiig:s8telle ,der Medullarplatte mit dem Dotter ist der 
Querschnitt einer sehr verkflmmerten Obordaanlage (cli^) zu sehen. 
Rechts da^e^ ist die Anlage des halben Rttckenmarks m einem 
Rohr (rar) geschlossen in der Weise, die för den Knibrvo N be- 
reits erwähnt wurde. Ueber das Rohr geht das Hornblatt weg 
und setzt sieh an den Dotter an. Die Cliorda (eh) endlieh ist 
auf dieser Seite als ein ansehnlicher Strang entwiekelt. 

Beim lOmbiyu F (Taf. XVI, Fig. 1.-5) ist der L'rnjuud nicht nur 
im Hereich des Kopfes, an welchem sicli bereits die Hörblä.sehen 
vom Hornljlatt abgetrennt haben, sondern auch noch an einem 
ani^nrn/t nden Tlieil des Rückens zum Verschluss gekonnnen. 
Diucli die Uebergaiigsstellen des geschlossenen in den gespaltenen 
Tlieil des ürmunds sind »lie in den Fi^^nren 18—21 (Taf. XVTII) 
dargestellten Querschnitte hindnrehgetiihrt. Auf dem ersti;n der- 
selben ist das Rttekenmark schon stark verbreitert und seine Decke 
7X1 einer dünnen Epithellamelle verwandelt. Von dieser geht 
nach der Grundplatte des Rückemnaiks eine dünne Scheidewand 
(Figur 18 sch) aus, die sich ;nif inehrcren Schnittuu der Si i ic 
findet und aus abgeplatteten iii-^nnentirten Epithelzellen /usanimen- 
geaetzt ist. Sie trennt dtn CiMifmlkanal in eine linke und rechte 
Abtheilung. Zwischen Küekeninark nnd Darm, der mit grossen 
Dotterzellen gefüllt ist und nur einen srnkreelitcn, engen Spalt 
(kd) als Höhle aufweist, schiebt sieh die nn]);iare ('horda 
{jcU) dazwischen, welche ebenfalls in querer Richtung verbreitert 



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882 Oscar Hertwi^: 

ißt. Auf einem der folgenden Schnitte (Fig. lOcIi ! hat diese 
Verbreiterung nocb mehr znfrrnoTiimen, Ebenso sind die Seiten- 
hälften des Rückenmarks, in dessen weitem Oentralkanal die 
Scheidewand wieder geschwnnden ist, ein wenig mehr ausein- ^ 
ander gewiebeo. Noeh welter nach hinten (Fig. 20) hat sieh die 
Chorda in einen starken reehten (eh) nnd einen sehr nnansehn- 
lichen, linken Strang (eh^) getrennt. Das noeh breiter gewordene 
Bückenmark hat sieb dnreh Schwund der dünnen Decke nach 
aussen geOffinet. Mit seiner unteren Fläche ist es zwischen den 
ansfuiander gerückten Hälften der Chorda mit der oberen Wand 
des Darms eine kleine Strecke weit- verscbmolssen (Fig. 20). 
Endlich ist in der Figur 21, welche eindn der nächsten Quer- 
schnitte darsteUt, die Trennung in allen Organen vollständig 
durehgeflkbrt. Zwischen beiden Rflckenmarksbälften ist die Grand- 
platte ganz geschwunden, so dass nur die Dottermaase des Darms 
direct in die* Lflcke eintritt und sich durch .ein Zwischenstflck 
mit der Imken und rechten MeduUarplatte in Verbindung setzt. 
Dabei hat der oben erwähnte spaltförmige Hohlraum im Dotter 
die obere Dannwand durchbrochen, in Folge dessen die Kopf* 
darmhohle auch bei diesem Embryo v^ie in allen frdheren 
Fällen eine direete Ausmttndung an dem Rücken zwischen den 
Urmundrändem erhalten hat. 

Bei Durchmusterung der Schnittserien durch den Rücken 
von Terschiedenen Embryonen ftUt die oft ungleiche Entwich- 
lun^ der Organhälften an den beiden Crmnndränd^ auf. Von 
dem vollständig symmetrischen Verhalten, welches uns z.B. die 
Embryonen J nnd k zeigten {Taf. XVII, Fig. 2 nnd 3; Taf. XVIII, 
Fig. 3 u. 4), führen Uebcrgünge (Taf. XVIII, Fig. 17 und 2Ö) 
zu Betunden, in denen es auf einer Seite des üraiunds zu gar 
keiner Organanlage gekommen ist. 

Einen solchen extremen i'all bietet uns Embryo X (Tafel 
XVI, Fig. 1;") u. 16), bei welelieni die Organdiiferenzirung im 
Innern schon gios,se Fortschritte gemacht bat. Der Kopf ist 
nur im Nordersten Abselmitt annähernd normal gebildet nnd mit 
Ilat'tscheilje (Ii) und Ohrbläschen ausgestattet. Dann beginnt 
schuii aiu Rücken die Unnundspalte, die weit geöifaet und von 
freiliegender Dottermasse erfüllt ist. 

Wie schon die Untersncbnng des gan/en Embryo int auf- 
faileudeu Licht lehrt, ist auf der linken »Seite (Fig. 10} der 



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Umumd und Spin« billdm. 



888 



Umnndraiul (us) zn einen] diekeu Wulst cntivickelt , der nach 
hinten in ein langes Schwänzende (g) ansläuft, der Bich von der 
Dottermasse abhebt und dann dorsalwärts i'eehtwinklig umge- 
bogen ist, Anf den Darchsehnitt untersucht zeigt sich der Wulst 
(Taf. XVm, Fig. 27) zusammengesetzt 1) aus einer halben Rttcken- 
marksanlage (mr), die sich in der bekannten Weise zu einem 
Rohr geschlossen hat und vom Hornblatt Aberzogen ist, das sieh 
an den Dotter ansetzt; 2} aus einer kr&ftigeu Chorda (ch); 3) aus 
einem Ursegment, dessen Zellen schon in der Differenzirung 
zu Muskelprimitiybflndeln begrilFen sind. 

Auf der entgegengesetzten Seite (Taf. XVI, Fig. 15) ist der 
Urmundrand (ur) kaum angedeutet durch einen braun pigmen- 
. ttrten Streifen, der die ans DotterzeUen bestehende Rflckenfläehe 
von der mit pigmentirten Zellen Überzogenen Bauchüäehe scheidet. 
Hier und da erhebt sieh der Streifen als kleine Falte ein wenig 
Aber die Oberfläche, namentüeh nach dem Schwanzende zu, wo 
er in die Begrenzung der Afterrinne (ar) Übergeht. An Quer- 
schnitten können wir uns dann auf das sicherste ttberzcugcn, 
dass am rechtsseitigen Urmundrand jede Or^anQntwicklung unter- 
drückt ist (Taf. XYIII, Fig. 27 nr). Kerne Spar einer Rflcken- 
marksanla^e, einer Chorda, seltet erneu mitileren Kdmldatts ist 
vorhanden. Die Dottermasse wird auf der ganzen rechten Seite 
nur von einer dAnnen Ectodennschicht Aberzogen, ^velche sich 
au der Stelle des Urmundrands an die Dotterzellen ansetzt und 
dabei an einzelnen Strecken zu einer mehr oder minder weit 
vorepringenden Falte erhebt. Die rechte Schvvanzknospe fehlt. 
Auch am Kopfende wird auf der rocliteu Seite die Hirnblase nur 
in einer d(innt'ii Epithelscbicht «gebildet. 

Die llcbcrgänge, welche zu diesem extremen Fall einseitiger 
VerküiiiiiK-rnnp: hinleiten, bieten uns die Querschnitte durcli die 
Mitte des Kuinpfcs der EmlM vouen F und lii^-. 

Bei Erabry(» F (Taf. XVI, Fi^,'. FJ; Taf. XVIII. Fig. 20 u. 
21) ist die rechte (Jhorda (ch) stark, die linke (ch^) weni^^ ent- 
wickelt; diese hört sof^ar in der Mitte des Ruuij)f('s eine Strecke 
weit ganz auf, so dass du- sou^^t gut entwickelte MeduUarplatte 
direct an die ürsegmentc anstusst. In der Sehwanzgegend (Fig. 
22, 23) stellt sie sich dann wieder ein , wenn auch immer noch 
im Verhülfiii>i8 zur anderen Seit«' verkümmert. Auch bei l inem 
anderen Embr^'o konnte ich eme dcraiiigc thcilweise Chorda- 



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384 



Oscar Hertwig: 



etitwicklun^, eine " vt ikümmorfo An!;i«ro an einzelneu Strecken, 
ein vollständiges Fehlen an anden^i Ix'ohacliten. Embryo B^? 
(Taf. XVI, Fig. 19) endlich ist von Interesse, weil bei ihm sich 
die mangelhafte Anlage ausser anf die Chorda auch noch auf 
das Rückenmark erstreckt (Taf. XVIII, Fig. 17). Recliterscit« 
ist dasselbe zu einem Rohr (mr) ^geschlossen, linkerseits erlinlt os 
sieh als offene Platte, und auch diese bleibt hinsiohtlicli der 
Masse ihrer Substanz hinter der anderen Seit(> zurück. 

Besonderes Interesse fttr rnelirere morpkctfogisehe Fragen 
• bietet das genaue Studium des SchwanzcndeB, das uns 
schon bei der Flächenhctrachtun^^ der Mi.<sbildunj:^en so aafral> 
lende, vom Normalznstande abweichende Befunde lieferte. 

Bei 2 Embryonen Bg und X (Taf. XVI, hig. 18, 19 und 
Fig. 15, 16) hatten sich die beiden Sehwanssknospen (S), trotz- 
dem ne bedeutend in die Länge gewachsen waren, getrennt ge- 
halten. Sie bestehen im Allgemeinen aus einer kleinzell^;en 
Masse, doch lässt ein Querschnitt durch die Basis derselben er- 
kennen, dass die Organdifferenzirung auch hier schon b^;onnen hat 
(Taf. XVIII» Fig. 26). Das Eetoderm ist deutlieh als getrenntes 
Blatt entwickelt, bis auf eine Stelle am Itfleken, wo es verdickt 
ist und in die innere Zellemnasse, das mittlere Keimblatt, aber- 
geht. Nahe dieser Stelle findet sieh < in der linken Schwanz- 
knospe der Querschnitt durch die Äukige des RQckenmarks (mr) 
und der Chorda (ch). Beide sind sehr unansehnlich. Das Rticken- 
mark ist zu einem kleinen Rohr geschlossen, dessen Wand nur 
Uteralwftrts Terdiekt ist, medianwärts aus einer Lage plattge- 
drückter Zellen besteht. Auf der einen Seite wird es vom Eeto- 
derm, auf der andern Seite vom mittleren Keimblatt begrenzt, 
in welchem wahrscheinlich, nach anderen Embryonen zu schüessen, 
auch die Ursegmentbildung schon begonnen hat, was indessen 
nur an Längsschnitten hätte testgestellt werden kOnn^. Die 
Chorda lagert median, ventralwärts vom Rackenmark. Die rechte 
Schwanzknospe ist kleiner, weil sie etwas weiter von der Basis 
entfernt durchschnitten wurde. Hier lässt sich nur ein kleines 
Raekenmarksrohr (mr) von der bekannten Beschaffenheit unter- 
scheiden. Die Ghordaanlage dagegen verschwindet in dem klein- 
zelligen Gewebe, das vom Eetoderm ttberall abgesetzt ist. Zwi- 
schen beiden Schwanzknospeu ist ein kleiner Hücker getroffen, 
das ZwischenstOck (z), auf desMsn Oberfläche die Afterrinne, die 



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Urmimd und Spina bifida. 



385 



bei flpii lueistcu Missbildniif^cn so deutlich entwickelt ist, ihren 
We^ iiiiuiut. Anf den noch weiter distalwärts tülfj:endeu Schnitten 
liört jede Or^aiidiftVreii/iriiii^'' auf oder ist wenigstf'iis nicht mehr 
erkennbar, so dass nun Jede Sehwanzknospe nur aus kleinen, 
pigmentirten, dicht gedrängten, nicsodermalcn Zellen bestehti die 
von einer dünnen Ectodermschicht überzogen werden. 

Bei dem zweiten Embryo X (Taf. XVI, Fig. 15, 16), bei 
welchem die Differenzirung der Orgaue schon erhebliche Fort- 
schritte gemacht ]iat, ist aar die linke Schwanzanlage entwickelt, 
während die rechte vollkommen verkümmert ist, wie der ganze 
rechte Urmundrand. Auf dem Qaersehnitt zeigt sie sieh za 
sammeDgesetzt ans einer ssieiiilich ansehnlichen, scharf abge- 
grenzten Chorda, aus einer zum Rohr geschlossenen halben Kücken- 
marksanlage, aas Ursegmenten, die schon Moskelfasem differen- 
zirt haben. 

Als das wichtigste Ergebni^s der auf den letzten Seiten 
mitgetheilten Befunde betrachte ich die £rkenntniss, dass am 
hinteren Ende des Embryo der ürmnnd in einem 
kleinen Be.zirk seine Beschaffenheit verändert* 
Während er sonst flberall sich zur Bflckenmarks- 
anläge and zur Chorda differenzirt^ za ersterer 
mit seinem eetodermalen, za letzterer mit sei- 
nem entodermalen Blatt, unterbleibt dieser Dif- 
ferenzirangsprocess in der Gegend, welche zur 
Afterrinne wird. Den sich in die oben genannten Or- 
gane differenzirenden Theil kOnnen wir als Eeim- 
ring bezeichnen. Derselbe ist also nach hinten 
durch die Afterrinne unterbrochen. An dieser 
Unterbrechung bilden sich s,eine beiden Enden 
zu den Schwanzknospen.aus, die Aber die After- 
rinne hinaus wachsen und sieh in derselben Weise 
wie die Keimringhälften in die einzelnen Anlagen, 
Bflekenmark, Chorda, mittleres Keimblatt, wei- 
ter sondern. 

Die eben auf die Beschaffenheit ihres Schwanzendes unter- 
suehten Embryonen Bg und X bilden Ausnahmen unter der Ma- 
jorität der Missbildungen. Denn in den meisten FäDen beginnen 
die beiden Schwanzknospeu, sowie sie erheblichere Dun^usionen 
errddien und Uber die Oboriläebe mehr henrortreten, mit ihren 

Arohiv f. mikroak. Analoml«. Bd. W 26 



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386 



Oscar Hertwi^: 



medianen Flächen auter einander zu verwachsen. Je nachdem 
dieser Verschinelznngsprocess frühzeitiger oder später eingeleitet 
wird, je nachdem ei* ferner ganz oder mir tlieilweise beendet 
ist, kommen recht Terschiedeuartig aussehende Bilder zu Stande. 
Die genaue Analyse dieses Vorgangs ist von grossem, morpholo- 
gischem Interesse, da sie auf die Afterbildung Licht wirft, 
auf eine Frage, welche in den letzten Jahren nielirfaeli erörtert 
worden ist, ohne zu einem recht befriedigenden Absehluss ge- 
langt zu sein. Im Hinblick auf die oben hoivorgehobene Ver- 
schiedenheit und auf die Wichtigkeit des Gegenstandes thcile 
, ich eine grossere Anzahl Ton Befunden mit, Avelche mir Schnitt- 
serien durch die Embryonen J (Taf. XVI, Fig. 6), N (Fig. 9), 
O (Kg. 11, 12), G (Fig. 14), F (Fig. 13) geliefert haben. 

Bei Embryo (Taf. XVI, Fig. 6) haben sieh die Schwanz- 
knospen in der Medianebene fest aneinander gelegt und so ein^ 
einheitlichen, qnerrerlanfenden Wulst erzeugt, .der die Urmond- 
spalte nach hinten abscUiesst Etwas weiter nach hinten Ton 
dem Widst ist die Afterrinne sichtbar, die nach Yom in einiger 
Entfernung vom Ürmundspalt unscheinbar beginnt, sich dann 
weiter Terdeft und von denttich entwickelten Afteriidten, die 
ventralwärts in einander umbiegen, umsäumt wird. Indem der 
Wnlst sieh dazwischen geschoben hat, bildet jetzt die Afterrinne 
nicht mehr, wie bei Embryo J', Bm, M, Ba, eine mit der Ur- 
mundspalte zusammenhängende candate Ausbuchtung derselben, 
sondern ist als ein selbständiges Gebilde von ihr abgetrennt. 
Fig. 13 auf Taf. XVII gibt uns euien Querschnitt durch die Ver- 
wachsungsstelle, Fig. 14 durch die Afterrinne. In Fig. 13 ist die 
Verwachsungsstelle bezeichnet 1) durch die Anordnung der Zellen, 
2) durch die dunklere Pigmentirung, so dass dorsoventralwärts 
ein schwarzer Streifen durch «lie kleinzellige Masse hindurch- 
geht, 3) durch eine Einziehung der Oberfläche, in deren Bereich 
das Eetoderm eine Strecke weit von den tieferen Zellen nieht 
abzugrenzen ist. Unter den verschmolzenen Schwanzknospen ist 
ein kleiner Darmraum abgegrenzt, die Beckendarmhöhle, deren 
Wand ventralwärts aus mehrfach tlbereinander geschichteten, 
grossen Dotterzellen besteht. Auf der linken Seite lässt die 
Schwanzknospe, als direkte Fortsetzung' des Keimrings, nocli die 
Organdifferenzirung etwas erkennen. In der kleinzelli^x u Masse 
setzt sich ein der Dottci'ilächc parallel verlaufentlcr Zellcnstreifen, 



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Unttind und BpbtA WL'Am. 88T 

■ 

die Chorda (eh), ab. .Die kleinzellige Masse oherhalb wird daher 
wohl Mednllarplatte, unterhalb mitderes Keimblatt darstellen. 
Nach der Yerwachsungsstelle zu gehen alle Keimblfttter in ein- 
ander Ober in ähnlicher Weise, wie es im Bereich des Primitiy- 
streifens bei den Wirbelthieren geschieht. 

Eine Anzahl Schnitte weiter rttckwärts (Fig. 14) ist die 
Beekendarmhohle bis auf einen qneren Spalt vo'schwundon; 
der von Dotterzellen umgrenzt wird* Das Ectoderm ist dorsal- 
wftrts verdickt und zeigt in der Medianebene eine trichterförmige 
Einsenkung, die von 2 Uber die OberiBäche vortretenden Falten 
des Ectoderms umsftnmt wird. Die Ectodermzellen rind an dieser 
Stelle siemlich hoch, fast cylindrisch ^^cworden. Auf einer ganzen 
Reihe von Schnitten kehrt dieses Bild in ziemlich ähnlicher 
Weise wieder. Im Bereich der Afterrinne ist nun eine Stelle 
besonders dadurch aii8<;czeicliiiet, dass an ihr die Ketoderm- 
zelku uiimitteUmr aii die Dottcrzollcn angrenzen, von welchen 
das hinterste Ende der Beckeiidaniihohle ausgekleidet wird. Hier 
mündet später die Beckendarniholilc duich den After nach 
aussen. Von dieser Stelle ahgcselien grenzt die Aftcrriime sonst 
Uberall an das mittlere Keimblatt an. 

Ein vollständiges Pendant bieten die Querschnitte durch 
das Schwanzende von iMnlu-yo X i Taf. XVI, F\s. 9\ hei welchem 
die 8chwanzkuos|Hiii als ciwa-s stärkere VVulsic il(»rHal hervor- 
treten mid sich in der Medianebene ziisamraengele;j:t liaben, so 
tlass sie jetzt den offenen Urmnnd nach hinten al)grenzen und 
wieder als einen besoudereu Tbeil die At'terrinnc von ihm abge- 
trennt haben. 

Der Querschnitt (Taf. XVIIF, Fig. 5; gelit unmittelbar hinter 
dem offen gebliebenen Tlieil des ünnunds durch den vorderen 
Anfang der VersehmelznugsstcUe hindurch. Auf der recliten 
Seite sind noch die Organe gut gescnulert. die sich vom Keim- 
ring eine Strecke weit hinein vertolgen lassen, l)is sie in einer 
kleinzelligen, undifferenzirten Masse unseren Blicken entschwinden. 
Die halbe Rttckenmarksanlagc (mr) ist etwas schräg getroffen, 
weil sie hier aus dem geraden in einen schrägen Verlauf über- 
geht. Unter ihr findet sich die Chorda (ch), nach aussen be- 
grenzt vom mittleren Keimblatt, nach innen von Dotterzellen; 
diese kleiden, wie bei dem Embryo J, eine geschlossene, kleine, 
Beckeudarmhübie (cd) ans. Linkerseits ist die Schwanzknospe 



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888 



Oscar Hertiri^ 



weniger weit difTereiizirt and nur ans 3 .Zelleiiblättern znsam- 
meagemttt, dem Ectoderm, einem besonders kldnzelligen mitt- 
leren Keimblatt und den die BeckendamhOble auBkleidenden * 
Dotterzellen, An der VerwaclisnngflBtelle und etwas nnterbalb 
deiBdben gehen linkereeits alle 3 Keimblätter wieder in einander 
Uber. Einige Schnitte weiter nach hinten (Fig. 6) hört der Hohl- 
ranm der Beekendarmhöhle auf, wahrend die ihre hintere Wand 
abschliessenden Dottersellen (eä\ noch getroffen sind. Letetere 
bilden eine centrale Masse, welche ringsum vom mittlere Keim- 
blatt nmgeben nnd yentralwftrts von ihm deutlich gesondert ist, 
während dorsalwärts beide in einander flbeigehoi. Hier ist auch 
an einer rinnenförmig Ycrtiefien Stelle das äussere. Keimblatt 
vom mittleren nicht sn trennen,, wie an .der Primiti?rinne des 
Hfihnchens. 

Auf dnem der nächsten Schnitte (Taf. XVIII, Fig. 7) be- 
finden wir uns im Bereich der Afterrinne (ar), an welcher das 
Ectodenn sieh in zwei Falten (af ) emporhebt und die Ectoderm- 
zellen durch Grösse und cylindrische Form sich aaszeichnen. 
Ectnderm und mittleres Keimblatt gehen iiicht mehr in einander 
über. Letzteres fehlt im Gegentheil wieder eine kleine Strecke 
weit, indem die Dotterzcllen (ik) der Beckendarmhöhle bis an die 
Altergrube heranreichen mid sich den Ectodermzellen dicht 
legen. Links und rechts von dem aus Uotteraellen gebiUleicu 
Fortsatz sehen wir die kleinen Zellen des raitth?ren Keimblattes, 
die sich aber von ihm nicht durch einen scharfen Spalt absetzen. 
Noch weiter nach hinten verlängert sich die Afterrinne noch eine 
►Strecke weit, stösst aber hier überall auf mittleres Keimblatt, 
von dem sie deutlich getrennt ist. 

Ein Medianschnitt durch Embryo O (Tat. XVI, Fig. 11 ii. 
12) und 2 Serien von Frontalschnitteii durch die Embryonen W 
nnd (i wenUin uns in die verwickelten Verhältnisse, die sich 
Hin Schwan/ende bei der Bildung des Afters abspielen, noch 
einige weitere Einblicke gewähren. 

Der Safjittalschnitt durch Embryo O (Taf. XVII, Fig. ry) ist 
ein wenig von der Medianebene in sciirager Richtung abgewiclien, 
was yicli leicht dami! erkennen lässt, dass sowold die Gegend 
der Afterrinne als auch das Ircie Ende emcr Scliwaiizkiiospe ge- 
troffen ist. Letzteres ddrfte auf einem genau in die Median- 
ebeuc faUcudeit iSchuitte nicht zu sehen sein, da die beiden 



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Urmunct uud Spina bifida. 389 

Sehwanzknospen mit ihien Enden noeli dnrch einen Spalt ge- 
trennt und nur etwa in ihrer halben Länge unter einander 
reraefamohsen sind. Die Spalte hätte daher in den Bereich des 
Schnittes fallen massen. Die Schwanzknospe » welche sieh 
ttber die hintere Fläehe des Dotters etwas herllberlegt; besteht 
aas einer sehr kleinzelligen Hasse, in welcher Organanlagen nicht 
za unterscheiden sind, da nur das Ectoderm sich als eine be- 
sondere liSge absetzt. In der Gegend der Afterrinne ist das 
äussere Kdmblatt erheblioh verdickt und zeigt hier eine kleine 
Einsenknng, an weleher eine Verbindung mit einer nach hinten 
nnd abwärts gehenden Ausstülpung der Beckendarniliölile be- 
steht. Das äussere Keimblatt schlägt sich hier deutlieli an einer 
oberen und einer unteren Lippe um und setzt sich in eine die 
hintere Wand der Heckendarnihülile auskleidende Epithelsehielit 
fort. An der unteren Lippe ist das mittlere Keimblatt nach ab- 
wärts ^ewaehsen. Dotter und Ectodcnu von einander trennend. 
Denken wir un.>- an der Fi^nir die Scbwanzknospe entfernt, so 
gleicht das Bild vollständig den Medianschnitteu durch die i\,ni- 
bryunen iJa. M, J-* und Bf (,Taf. XVll, Fig. 8, 9, 15, 16: Taf. 
XVI, Fif;-. ."). It i, 7, 2), bei denen die Schwanzknospen noch kaum 
entwickelt sind und das Zwischenstück mit der Afterrinne iran/, 
frei liegt. Den Befund in Fi^^ ö (Taf. XVII) haben wir uns 
also ans einem früheren, durch die Embryonen Ra uud M re- 
piast Hinten Znstand so entstanden zu denkten, dass wenn die 
Seil w ;in/.kiiM>|M 1! sieh durch betraehtlichcres Waehstlium lUx-r die 
. hint<'rr Fläche des Embryo erheben, sie an der Afterrinne mit 
ihren Hasaltheilen aneinanderriieken und V(»n hier ans nach der 
Peri}»herie zu verwachsen i)e^'innen. Nur an einer kleinen Stelle 
im Bereich der Afterrinne unterblril)t die Verwachsung.*- und er- 
hält sieh hier mit dem an» weitesten naeli hinten und ventral ge- 
legenen Abschnitt der Beckeud u ndirdile eine direkte Verbindung 
des Ectodenns, welclic den After darstellt. 

Aehnliches lehren die beiden Serien von Frontalschnitten 
durch die Embryonen (1 (Taf. XVI, Fi;::. 14) und W, welche 
beide leichtere Grade des liclienmiten Urmaudversebliisses dar- 
stellen. Üei beiden iiabcn sich die »Schwanzknospen schon sehr früh- 
zeitig, ehe sie noch Uber die Dbertläche frei hervorgetreten sind, 
in ganzer Ausdehnung in der Medianebenc durch eine Naht (n) 
yereinigt. Sie bilden einen breiten Querwnlst, welcher die frei- 



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890 OBe»r H«rtwiff: 

liegende Dottermasse von hinten umgreiizt lu Folge deBsen ist die 
Aiterrinne (ar) von der Dottermasse abgedrftDgtmnd ist am besten za 
seben, wenn der Embryo auf den Kopf gestdlt ist und das hin- 
tere Ende dem Beobachter direct zukehrt Die von niedrigen 
Falten (af ) umgebene Binne yerlftaft jetzt nicht mehr horizontal, 
sondern senkrecht von oben nach nnten, so dass Frontalsehnitte 
zn ihrer Untersnehnng am geeignetsten sind. Nach vom von 
der Afterrinne Ittsst sich eine zarte Linie, die durch eine 
geringe Einziehung der Oberfläche hervoi^rufen ist, bis zum 
Dotterhtigel verfolgen. . Sie stellt gewiasermaassen eine Art 
Baphe dar, eine Naht, längs welcher die Verschmebsung der 
beiden Schwanzknospen vor sich ge^^angen ist (Tafel XVI, 
Fig. 14 n). 

.Von Embryo G sind Frontalsehnitte durch drei verschiedene 
Gegenden (Taf. XVni, Fig. 10—12), einschnitt durch dieRaphe 
in einiger Entfernung oberhalb dei'Aderrmne, ein zweiter Schnitt 
durch das vordere Ende dersdben und ein dritter durch ihr hin- 
teres Ende dargest^t. 

Auf dem ersten Schnitt (Fig. 10) ist der durch Versehmel-. 
znng der Schwanzknospen entstandene Wulst hauptsächlich aus 
dicht gedrängten, kleinen, pigmentirten Zellen des mittleren Keim- 
blatts zusammengesetzt: das Ectoderm ist deutlich gesondert bis 
auf die (iegend der Raphe, wo es am Grunde der Furche mit 
der kleinzelligen Masse verschmolzen ist. Letztere wird nach 
dem Urdarm zu, der sich zwischen Dotter und Schwanzwillst 
als Hcbmale Spalte hineinschiebt, von einer Eiitodermlage über- , 
zogen, die aber erst in einiger Entfernung von der Medianebene 
als gesondertes Blatt zu unterscheiden ist. Auf der linken Seite 
des Schnittes geht die kleinzellige Mas^e der ."^clnvanzknospc 
nach vorn zu in das Bereich der seitlichen Urmuii(iiipj)e (Iber, 
wo sich Chorda und Medullarplatte angelegt haben. Ein Stück 
der Chorda (cb) ist gerade vom Schnitt mit getroften. 

Auf dem zweiten Schnitt durcb die Mitte der Afterrinne, 
der bei t t\\;i« stärkerer Vcr^rrössemng gezeichnet ist (Fig. 11\ 
sind die eiuzeiucii Anl.iü:en etwas verändert. Das Ectoderm hat 
sich verdickt und 2 Falten (af) gebildet, die eine kleine Grube 
(ar) zwischen sich fasnen. die von Cyliuderzellen ausgekleidet 
wird. Auf das Ectoderm tol^'t das ans vielen Lagen kleiner, 
pigmeutirter Zellen bestechende, loittleix KeimbUtt, ist aber im 



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UnuuHtl und Spina bifida. 



Bereich der Aftergrabe unterbrochen; an den Grand derselben 
reicht hier ein vom £ntodenn ausgehender Fortflats, welcher von 
den Spalten des mittleren Keimblattes zwar nicht durch einen 
Spalt ^^trennt ist^ sieh aber durch die bedeutendere GWJcmm and 
den geringen Pigmentgebalt seiner Zellen trotzdem nnterseheiden 
iSflBt. Die Entodermlage, welche mit diesem Fortsatz bis an die 
Aftergrabe heranreicht; ist 2 — 3 Zellenlagen dick und bildet die 
hintere Wand eines ganz feinen Spaltes, mit welchem die Becken- 
darmhöhle in dieser Gegend endet (ed). 

Am dritten Schnitt durch das hintere Ende der At'terrinne 
(Till". X VIII, Fig. 12) ändert sich das Bild abcrinals. Die beiden 
Aftcrfalten (af) liegen dicht bei einandti, nur durch eine i<ehr 
schmale Rinne (ur) getrennt. Uni er dem Eet ( »derm Iblgt das 
mittlere Keimblatt als eine zusaninienhanirende, nach innen und 
aussen dm*ch Spalten gut abgegrenzte Schicht. Dann kommt 
die l)ot[t'i n)asse mit der Verlängerung der Beckendarm lu>hle (cd), 
die auf den nächsten Schnitten schwindet. 

Ein Pendant liefern die Frontalselinitte durch das hintere 
Ende von Knii)iy() W (Taf. XVIII, Fi^-. X u. 9). Dci Fi-ur 10 
von Einbrvo G (Taf. XVIII) entsjn ielit Fi^^ S, ein Schnitt (hireh die 
Verwaehsnngsnaht, wo äusseres und inneres Keimblatt mit dem 
mittleren in der Medianebene verschmolzen sind. Der Fiirm* H. 
von Kiabrvo G läs^t sieb Fig. 9 von Embryo W vergleichen. 
Hier steht die Aftcr^rnbe (ar) noch mehr als in dem vorigen 
Fall in breiter, direeter Verbindnn-; mit dem iriosszelligen Ento- 
derm (ik), welches die ventrale Aussackung ivd) iles Urdarnis 
nach hinten abschliesst. Auch ist liier eine vollständig scharfe 
Absonderung des mittleren Keimblattes von der Verbintlungsstellc 
zwischen Aftergrubc und hinterer Üarmwand eingetreten. Das 
Bild bietet uns in sofern einen etwas weiter differenzirtcn Ent- 
wickiungszttstand als der in Fig. 1 1 wiedergegebeuc Befund dar. 

Eine genau entsprechende Abbildung von der Aftergrube 
eines normal entwickelten Froschembrvo habe ich schon in 
meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphibien i24 ; ge- 
geben. Wir haben es hier mit einem Stadium der Afterent- 
wicklnng zu thun, welches ich st itdem noch mehrfach au Serien- 
schnitten durch normale Froschembryonen habe beobachten 
können. 

Schliesslich sei noch des £mbryo F (Taf. XVi, Fig. 13) 



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392 



Oscar H er tw i gt 



gedacht, deesen beide Sohwanzknoepcn (sk) sehon in grösserer 
Länge entwickelt und in erheblicher Ansdehnnng verBchmolzen 
sind. Da Bie mit ihrer Längsaxe zur Hauptaxe einen nahezu 
rechten Winkel beschreiben, wurden die Schnitte in frontaler 
Richtung gcftlhrt, und so die Querschnittsfiguren erhalten, aus 
deren Serie die folgenden 4 abgebildet wurden (^Tai. X\ iII, 
b i^. 22—25). 

In Figur 22 ist der Anfang des Schwanzes hinter dem 
Dotterhflgel getroffen. Die dem H tickcii y.n^a'kelirte Fläche ist tief 
rinnenartig ausgehöhlt. Die beiden lüiuder der breiten Riiine wer- 
den von den beiden Rtlckcnniarksanlagen (mp) eingenommen, die, 
Hin den freiliegenden Dotterhflgel herumziehend, wo sie von mir 
auf Querschnitten i Taf. X VIII, Fig. 21) oben besehrieben wurden, 
sich wieder niel»r der Mediant'ln'ne genähert haben: sie sind aber 
noeh immer dureh einen Streifen v(m Dotterzellcn getrennt, der 
die hintere Wand des Küddnrms odi be^^ren/t und sieh in den 
Anfang der Sehwanykiinsiic liiueinzieht. Da wo die Medullar- 
platten sicii medianwärts verdünnen und an die Dotterse-liu hi 
unmittelbar ansetzen, treten uns unter ihnen wieder die Quer- 
schnitte einer linkni und rechten, nllerdings sehr unanschnliclien 
Chorda 'ch) entgeg-en. Seitwärts gelien die Mednllarplatten mit 
einem Umschlagsrand, der sich wnlstartiir ül»cr die Oberfläche 
erhebt, in das Ectoderm über, welches die coiivex gewrilbte 
Bauchfläche des Embrj^o überzieht. Unter Medullarplattc und 
Chorda liegt jederseits ein Streifen kleiner, pigmeutirter Zellen, 
die das mittlere Keimblatt ausmachen und später in die Ur- 
segraente des Schwanzes abgetheilt werden. Cletreuut werden 
die beiden Streifen durch einen sieh zwisehen sie hineinschie- 
benden Keil von Dottcrzellen, welche das Darmdrttsenblatt re- 
prftsentiren und eine kleine Höhle als Aussackung des Enddarms 
(ed) nach rückwärts einschliesscn. 

Auf einem der nächstfolgenden Schnitte (Fig. 23) hat sich 
am Rücken ein Versidiluss ausgebildet, so dass die Dottermasse 
nicht mehr frei zu Tage Hegt. Die seitlichen Umschlagsfalten 
der Medullarwfllste sind sich nach der Medianebene zn bis zur 
Berflhmng entg^ngewaehsen (vp) und haben sich unter ein- 
ander verbunden. So ist ein sehr breit gedrflcktes, bandförmiges 
Kackenmark (mr) entstanden, das die Verschmelzung aus den 
zwei kurz vorher noch getrennte Hälften leicht erkennen lässt, 



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Urmund und Spiua bifida. 



393 



da nur die Seitentheile verdickt «ind nntl in der Mitte dnreli 
2 ziemlich breite, dtiiine Epitheiliautclien ( vjn vcrbnndon worden. 
Auch finden »ich unter dem Band in der liüheron Lage zwei 
gctreimtc Rttckensaiten (cli) vor. Sonst sehen wir an dorn Quer- 
sehnittsbild durcli den Schwanz noch die beiden Streilen des 
mittleren Keim})lattes nnd zwisehen ihnen einen Strebten von 
Dotterzellen (inneres Keimblatt) mit einer ganz kleinen Höhle (ed), 
die ventralwärts mimittelbar au das Ectoderm angrenzt. 

Der dritte JSchnitt (Fig. 24) schliesst sich an den eben be- 
sehriebenen bald an und zeigt nns eine kleinzellige, nur weni^;- 
differenzirte Masse, in welcher sich nur folgende Aidagen uu- 
dentlich nntersebeiden lassen: 1> die beiden Mesoblaststreifen 
(nik^ nnd der sie trennende T^otterstreilen (ik), die dorsahvärts 
eine Strecke weit in einander übergehen, nnd "2^ 2 StmtVn, 
welche die Verlane-ernnp: der Medullarpiatten bilden, ( horda- 
anlagen sind nicht mehr zn erkennen. Anch ist der Hohlraum im 
Dotterstreifen verech wunden. Das ganze kleinzellige Gewebe 
wird von einem deutlich gesonderten Ectoderm ringsum um- 
schlüssen. Dieses bat ventralwärts zwei weit vorstehende Falten 
(af) gebildet, welche auf einer ganzen Reihe von Schnitten die 
schon bei der Oberfläe henausieht des Embryo beschriebene After- 
rinne (ar) begrenzen. Der firrund derselben stösst unmittelbar aji 
die DotterzeUen (ik) an und schlieBst sieh der Anfang der Kinne 
unmittelbar an die Stelle an, wo im Dotterstreifen die kleine 
Hdhle (Fig. 23 cd) enthalten war, so da» ein Durehbruch der 
Aftorgnibe wieder eine direete Verbindung mit einer AnBStOlpnng 
dcB Enddarms herstellen würde. 

Nahe der Spitze des Schwänzendes ist endlieh der Quer- 
schnitt (Fig. 25) hindarcfageführt. Eine gesonderte Ectoderm- 
schicht schliesst eine kleinzellige Masse ein, die eine Sondening 
in einzelne Anlagen nicht mehr erkennen Usst. Von der Rttcken- 
flftehe, die noch eine kleine Rinne zeigt, zieht ein schwanser 
Pigmentstieifen senkreeht dnrch das Keimgewebe hindnreh nach 
der Banehfläehe, beide Eetodermfläehen verbindend, die hier 
etwas verdickt nnd von den innen gelegenen Zellen nicht gut 
abzngrenzen sind. Dnrch den Pigmentstreifen wird so noch die 
Verwaehsnngsflächeder beiden Schwanzknospen angedeutet, in der- 
selben Weise wie daroh den in Fig. 8 abgebildeten Pigmentstreifen. 



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m 



Oscar Hertw i g : 



2. MtssbildiiDgen mit partieller Urmundspalte in der 
Bflckengegend anf einem weiter vorgerückten Ent- 

wieklnngsstadinm. 
Embryonen A, B, C, P, S, T, V. 
(Tafel XVI, Fig. 17, 20—23). 

In der zweiten Gruppe fasse ich missgebildete Embryonen 
zusammen, die erheblich weit^ entwickelt sind als die im vor- 
herg^ngenen Absehnitt besprochenen Formen. Seit der Be- 
fmchtung ist bei ihnen schon ein längerer 'Zeitramn (2 bis 3 Tage 
mehr) verflossen. Am Kopf ist die Angenaulage änsserlieh wahr- 
zunehmen, indem sich schon ein Liusensäckchen gebildet ond 
die Augcnblase zum Becher eingestfllpt hat Bei einigen Em- 
bryonen (Taf.XYI, Fig. 20, 22) beginnen schon äussere Kiemen- 
bflsehei hervorzusprossen. Der Schwanz erreicht eine grössere 
Lilnge und ist zuweilen von einem kleinen Flossensanm ringsum 
eingefasst (Fig. 20 — 22 sf). t)ie Ursegmeute sind in grosser An- 
zahl im Rumpf und Schwanz entwickelt und beginnen im Rumpf 
sich in Muskelfasern zu differenziren. Die Uniioreiigänge sind 
in ganzer Länge augelegt und mit einer weiten Höhle versehen. 
Die Anlage des Herzens ist vorliaiKlcn. 

Bei äusserer Untersuchung der EuihryoiKii i!>t von (kr 
grossen 8t<iruiii:, die als ausgedehnte Unumu[s[>alte aucli bei 
ihnen in tVulirim Zeiten bestanden liabeii uiutss, nur. noch weni^' 
zu bemerk» u. Das Hauptmerkmal, aus dem auf eine frühere 
Storinii; ^^escidossen werden kann, ist die eigenthJimliehe Stellung 
des Schwanzes zum Ruinj)!'. Der Schwanz liegt nicht, wie es 
bei ntumulen Endiryonen der Kall ist, in der directen Verlänge- 
rung der Rumpfaxe, sondern ist an seiner Wurzel stark nach 
dem Rücken zu umgebogen. Entweder bililn er einen rechten 
Winkel zur Längsaxc. wie dies auch schon bei der allerei*sten 
Anlage der Sehwanzivnos])c in der ersten (Truppe sich walunchmeu 
Hess, oder er ist sogar noch stärker nach oben und vom umge- 
bogen, so dass sehliesslieh das Schwanzende der Hiickcntläche 
parallel verläuft und sicli dicht über dieselbe herliberle^it. Der 
Endjrvo ist so gcwissermaassen über seine RlVekenfläche zu einem 
Ring zusammengebogen. Den leichteren Grad der pathologischen 
Stellung des Schwanzes zeigen uns die Embryonen S, V u. C 
(Taf. XVI, Fig. 20 u. 22), den höchsten Grad die Embryonen 
A; B u. P (Fig. 21 u. 23). 



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Urmund und Spina biftda. 



396 



UnterBncht man jetzt derartig gekennzeichnete Miflsbikliingen 
des angegebenen Ansbildnngsgrades genauer, so wird man an 
der.Rttckenfl&ehe vor dem Ansatz des noigebo^enen Schwanzes 
bald eine grossere, bald eine nur kleine Spalte vorfinden, in der 
eine Partie des Dotters zn Tage tritt. Am gröasten war diese 
Bflckenspalte bei den Embryonen A, B (Fig. 21 d) und C, dagegen 
war sie bis anf ein kleines Loch (iio), dareh welches vom Dotter 
nur wenig zu sehen war, bei den Embryonen S, Y, P ge- 
schwunden (Fi^. 20, 22, 23 no). Femer ist an d^ Wnrzel des 
nnigcbogenen Schwanzendes und zwar an setner convexen Seite, 
welche der Baiichfläche entspricht, eine kleine, von Hautfalten 
eingesäumte Grube zu sehen, die sich oft noch eine Strecke weit 
in eine nach dem Schwanzende verlaufende Kinne fortsetzt 
(Fig. 20 — 22 a u. arX Das Ganze sieht einer Mediillai i nme en 
miniatnre niclit unähnlich, so dass am Anfaujc: meiner Unter- 
sncliüii^'^ bei mir die Verniuthung auftauchen konnte, es sei hier 
am üanptembiyo noch die Anlage eines zweiten, sehr rudimentär 
ausgefallenen Ncbtnembiyo vorhanden. Ks liandelt sich auch 
liier wieder, wie die genauere rntersueliunir erp^beu wird, ura 
(las als At'terrinne sehon l»csrliiit'i)eno Gebilde. Dasselbe wird am 
besten sichtbar, wenn mau den Knibryo k in-ilicli i>o lairert, dass er 
das hintere Ende dem Beobachter direct zukehrt, l^ei seitlicher 
Ansieht bemerkt man bei manchen Larven, dass die Schwanz- 
wur/.el sich von der Bauelitläehe de» Rumpfes durch eine Ein- 
senkung absetzt und dass hier die Afterriuiie mit einer kleinen 
Anschwellung- bcf^iniit Fii;-. 2U — 22). 

Unter den weiter entwirkelten, älteren .Missbildun^'-en l>efand 
sich auch eine, weiche noch mit einer durchgehenden Seliwnnz- 
spalte versehen war 'Tat. XVI, Fig. 17). Das hintere Ende lief 
in 2 nach dem Rücken zu umgekrünnute, lange Fortsätze (rs u. Isi 
aus, welche zu beiden Seiten der wohl ausgeprägten Afteranlage 
(ar) ihren Ursprung nahmen. .Mit ihrem kegeltormigen Ende waren 
sie kreuzweise über einander .geschlagen, indem der linkssei ti^^e 
Halbschwanz über die Mcdianebeae hinaus nach rechts, der rechts- 
seitige nach links hinüberg'rif!'. 

Ueber den Grad der Missbildung, der bei den Embryonen 
dieser Gruppe aasgeprägt ist, lässt sich allein an Durchschnitten^ 
die in transversaler oder frontaler Richtung angefertigt werden 
können, Genaueres erfiihreu. Ueber den Zustand des vorderen 



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396 



Oscar Hertwi^r: 



und mittleren Körpertheils geben die Figuren 12—14 (Taf, XIX) 
ÄDskunft, welche einer Qaerschnittsserie durch Embryo A ent- 
nommen sind. Derselbe deht in seinem Aeiuneien dem in Figur 21 
(Taf. XVI) abgebildeten Embryo B zum Verwechseln ähnlich aus, 
80 dass ich von ihm keine besondere Abbildmig gegeben habe. 

Der erste Qnersehnitt durch Embryo A liegt in einiger Ent- 
femnng hinter den Obrbbuwen (Taf. XVI, Fig. 12). Das Rflcken- 
mark (mr) mit stark verdickten Seitenhiliften ist etwas in die 
Breite anseinandergezogeni die unter ihm befindliehe Chorda (ch), 
welche sich jetzt aus blasenförmigen, mit Flllssigkeit erftlllten 
Zellen snsammensetat, ist nicht mehr wie auf den vorausge- 
gangmira Querschnitten kreisförmig» sondern von links nach rechts 
zu einem walzenförmigen Körper umgestaltet. Unter der .Chorda - 
folgt der Vorderdarm (d); der eine kleine HOhle birgt^ unter diesem 
der Herzsehlaueh (hz), der eine Anzahl Blutkörperehen enthlüt 
und in den Henbeutel eingeschlossen ist. 

Auf den folgenden Sehnitten weichen die beiden Sdten- 
hftlften des Sttekenmarks noch weiter auseinander und werden 
nur durch dflnne Zellenmembranen dorsal und ventral zusammen- 
gehalten. So bildet sich der in Figur 13 dargestellte Znstand 
aus, wo die durch die Verbreiterung schon angedeutete Verdoppe- 
lung von Rückenmark und Chorda vollzogen ist. Dai; Rücken- 
mark ist in 2 Röhren zerfallen, die in der Medianebene durch 
einen kleinen, mit homogener Gallerte gefüllten Zwischenraum 
getrennt sind. Jedes Kohr setzt sicli aus einer hUeraieu, stark 
verdickten Wand und aus einer medialen W and zusammen, die 
nur ein zartes, aus a]);i^ei)]atteteu Zellen bestellendes Häutchen 
darstellt, üeber beide f^etzt sieh an der Riiekenliäehe das Ecto- 
denn als Ueber/ug continnirlieli fort (vpj. Unter Jedem Halb- 
rü kt'iiiiiaik lie^t eine Chorda (ch* u. ch*) mit ovalem Querschnitt, 
entst.iudt 11 (Inreh gabelförmige Theihing des vorderen nnpaaren 
Chordaaljseluirttes. Zwischen die beiden Chordahälften und zum 
Theil noch zwischen die l>ei(len Xervenrolrre schiebt sich von 
unten her das Darmrohr dazwischen, die ^'■etheilten Orj^-ane aus- 
einaudei- drängend. So bahnt sich wieder der iu Figur 14 dar- 
geutclite Zustand an. 

Die Figur 14 gleielit in ihrem juair/en Aussehen im Allge- 
meinen noch dem Durchschnittsbild dureli die entsprechende 
Gegend der um mehrere Tage jUugereu Missbildung, ^ (Taf. XVI, 



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Umnind und Spina bifida. 



897 



Fig. 9, Tsf. XVIII, Fig. 3 n. 4). Nnr sind jetzt alle Organanlagen 
erheblieb weiter differeDurt» tmd bediiigen daher auch zu beiden 
Seiten der eentraleni «lg Hflgel vorspringenden Dottennasae 
einen dickeren Wnlst; dieser Itat in nnserer Figur folgende 
TheHe erkennen: 1) die zn einem Rohr dnreh ein Hftnteben ab- 
geschlossene, halbe Rttokenmarksanlage (mr) ; 2) ein Spinalganglion, 
das zwischen der lateralen dicken Wand des Rnekenmarks and 
dem Ectodenn nach abwArts wftchst; 3) die grosse^ auf dem 
Qnerschnitt kreisförmige Chorda (eh)» die von dem ünegment 
(ns) seitlieh ond yentralw&rts halbmondförmig nm&sst wird; 4) 
den Umierengang (ng) mit kleiner Höhle, wdoher sich zwischen 
Ufsegment und Seitenplatten dazwischen schiebt In letzteren 
wird hier und da die Leibeshöhle als Spalt sichtbar. Das 
Ectoderm hört über dem Rflckenmarksrohr mit Tcrdiektem Wnbt 
auf, der sich an die Dottermasse seitlich ansetzt. 

Noch rascher als an Querschnitten kann man sich Aber den 
Gharacter und den Grad der Missbildung an Durchschnittet 
Orientiren» die in horizontaler Richtung durch den Embryo hin- 
dnrchgelegt worden sind. Dabei wnrde der Embryo, der dorsal- 
wärts zn einem Halbring zusammeagekrttmmt ist, in den meisten 
Ftilen so orienthrt, dass der am mdsten dorsal gelegene Punkt 
von Kopf und Schwanz mit der Sehnittebene zusauunenfiel. Da- 
her wnrdc auf einem grossen Theil der Schnitte der embn onale 
. Körper zweimal (Kopf und Schwanz, ein jeder fttr sich) getroffen 
und zwar ergaben diese Theile dann mehr oder minder rciuc 
Querachnittebikler. 

Ich verweise /uiiüchBt aul' die drei Horizontalschuittc dui*ch 
Embryo V (Tat". XV f, Fig. 22). Am Rücken desselben ist vor 
der Schwanzwurzel nur noch eine kleine Spaltöffnung (uo) vor- 
handen, durdi welebe der Dotter indessen nicht mehr nach 
aussen hervorsteht. An der Oeffining senkt sich vielmehr die 
Oberhaut trichtert^irmig naeh innen. Dementsprechend bemerkt 
man an allen drei Horiznntalsehnitten (Tat. XIX, Fig. 7 — 9) ein 
von nnreirelmässigen Oontouren iMjgrenztes Loch (t), welches an 
dem am mri^iten iI ii.shI getührten Selinitt i'Fig-. 8) am weitesten 
ist, während es in Fig. 9, welche einen niein- vejitral folgenden 
Schnitt der Serie darstellt, stark verengt ist. Die das I.oeh 
unisäinnen(ie l^^pithehneoibrau (ak; besteht aus schwarz pigmeu< 
tirteu Epithclzelleu. 



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386 



Oscar H«rtwig; 



Auf dem mittleren der drei Schnitte (Fig. 7) ist das Racken:- 
mark (mr, mr^) xierolich genan der Länge nach getraifeD. Th»- 
selbe bildet einen die Urmnndspalte nngebenden^ ovalen Bing, 
der nach dem Sohwansende au eine kleine Strecke weit unter- 
brochen ist. Linke und rechte Hälfte des Nerrenrings stellen 
ein Bohr dar, dessen Uiterale Wand in der Weise wie ans den 
QpfifsehnittsbUdem bekannt ist, stark verdickt ist, während die 
mediale Wand nur durch eiA feines Epithelhäutcben ihren Ver- 
schluss findet. Dieses schmiegt sich nnmittelbar an die Oberhaut 
an, welche ach zur Umgrenzung der Urmundspalte (t) trichter- 
förmig in die Tiefe senkt Wo sich vom. die verdickten Seiten- 
wandungen der beiden Rflekenmarkshilften treffen und zu einer 
einheitlichen Anlage aneinanderlegen, erblicken wir den Durch- 
schnitt der Chorda (eh), die hier von zienüioh beträchtlicher 
Grosse ist Sie ist etwas schräg durchachnitten, da sie aus der 
horizontalen in eine mehr senkrechte Richtung umbiegt, um in 
das nach oben umgekrflmmte Kopfende des Embryo einzudringen. 
Auch nach dem Schwanzrade zu sind noch zwei Chordadurch- 
schnitte (ch) zu sehen. Sie liegen unmittelbar hinter den 
nach rfldcwärts frei aoslaufenden Rackenmarkshälften. Sie sind 
sehr unansehnlich und von ehiander durch einen nur schmalen 
Streifen von Dottersnbstauz (ds) getrennt Die beiden Quer- 
schnitte erklären sich leicht in der Weise, dass unter den ge- 
trennten Rttckenmarkshälften auch 2 Rttckensaiten in horizontaler 
Richtlinie ihren Weg nelimeu und am liiiitcnm Ende anj^elangt 
rechtwinklig umbiegen, um m das vertical aut'äteigeitde Schwänz- 
ende einzudringen. 

Lateral vom Xervenring und <len mehrfachen Churdadurch- 
schnitten liegen zaiih-eiciie L'rHegmente aiüi, die «ieh nach vom 
öchou iu Musküllasurn differcuzirt iuiljen und durcli schwur/, pig- 
mentirte Linien scharf von einander getrennt sind. Ihre Anzahl 
ist auf l)eiden Seiten eine ungleiche, links 12, rechts 10, ^vallr- 
öcheinlich, weil im hinteren Abschnitt der Schnitt durch nicht 
entsprechende Abschnitte der mittleren Keimblätter hiudurcligeht. 

Nach vorn ist der vorderste Theil des Rumiiios getroifen, 
der sich dann dorsalwärts in <len Kojjfabschuitt lorlsetzt. liier 
ist die i^rösfite Masse den Jiotters im Darmkanal angehäuft, der 
in i*'uige deäseu stark autgetriebeu ist. Ferner üiidet mau hier 



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Urmund und Spina bifida. 899 

die Querschnitte der ans^etinliehen Ui*niereng:änge (ug) jedereeits 
zwiBchen Urseginent und Scitenplatte gelagert. 

Verfolgen wir die Sehnittserie etwas weiter nach der Baneh- 
gegend zu (Fig. 9), so yersebwiiidet allmählich der Nenrenring; 
anstatt dessen tauehen unter ibm die horizontal yerlaufenden Ah- 
sehnitte der Chorda dorsalis auf. Dieselbe beginnt Yom mit 
einem stark verdiekten Knopf und gabelt sich nach hinten in 
2 Aeste. Jeder Ast verjüngt sich nach hinten und biegt dann 
in das Schwanzende rechtwinklig um, so dass auf dem vorher 
besehriebenen Bild (Fig. 7) zwei Qaersehnitte (eh) gefunden 
wurden. Die beiden TheiUlste der Chorda umfassen in der 
Fig. 9 unmittelbar einen Theil des Darmkanals, der mit Dotter- 
zellen gefUlt ist Es entspricht dies den von anderen Embryoneu 
erhaltenen Qnerscbnittsbildem, an denen stets im Bereich der 
ürmundspalte die beiden Chordahälfteh mit ihren medialen Flü- 
chen sich mehr oder minder unmittelbar an den Dotter an> 
schmiegen (Taf.XVII, Fig. 2, 3, 7, 18, 22; Taf. XVIII, Fig. 3, 
4, 21; Taf. XIX, Fig. 14). Ausserdem aber bemerkt man noch 
in der Mitte der Gabel, welehe durch die Chordaspaltnng ge- 
bildet wird, das Ende der Ectodermeinsenkung (t), die mit 
einer kleinen Oeffhung in dieser Gegend in d^ Darm mflndet. 
Da sie sich trichterförmig verengt; nimmt sie einen viel klei- 
neren Raum als in Fig. 7 (Är sich in Ansprach. Noch weiter 
ventralwärts unterhalb der Chorda geführte Seimitte führen uns 
;;iinz in den Dannraum, der mit Dottemiasse gefüllt ist. Letz- 
tere bildet die Fortset/.iiug des Nahrungsdotters, der im vorder- 
sten Theil der Fi^?. 7 abgebildet ist; sie wird auf einem früheren 
Entwicklungsstadiuni des Enil)ryo V wohl in grosser Ausdehnung 
am Rücken, als der Urmund liier noch weiter geöffnet war, nach 
Analogie der Embryonen Bg, F, B cTat.XVl, Fig. 18, 13, 21} 
frei gelegen haben. 

Wenn wir jetzt noch die ISchnittserie von dem als Aus- 
gangspunkt für die Hetraehtmig gewählten und in Fig. 7 darge- 
stellten Befnnd nach der entfregengesetzten Rielitunir dr»rsalwärtfl 
verfolgen, 8»> verseiiwindet bald der Nervenring als zusammeu- 
hängendes Gebilde (Fig. 8). Nach vorn setzt er sieh fort in den 
V(»rder8ten, normal entwickelten Al)seiniitt des Rfipkenniarksrohres 
(mr), das in schräger Rielifnng in den Ko])! iin hicgt und daher 
iu der Figur nicht genau quer durch»»ciimttcn ist. Vor ihm 



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100 Osear Herlwiif: 

findet sich die ausserordentlieh stark entwickelte Chorda 
(eli>. Nach hinten treffen wir die 2 Quersehiiitte des in zwei . 
Hälften gespaltenen Tlieili^ des Rttckenmarkfi (nir), die hier 
als zwei kleine, dicht bei (Miinnder ^ele^i^ene Rrdiren nebst 
den zu ihnen gehftri^ren und im Quersclmitt ^Heieiit'alls sichtbaren 
Chordahälften (eh) in die Wurzel des Schwanzes unibiegen. Zwi- 
schen den drei Querschnitten des uuf^etheilten und des p:es])al- 
tenen Rückenmarks hat der Schnitt die äussere Mtlndung der 
triehtertTtnnigen Urnuindspalte an der Hautobertläche getrotFen. 

Aut den folgenden Schnitten der Serie schwindet dann die 
mittlere Verbindung zwischen dem Kopf- und dem Schwanz- 
abschnitt des Embryo. Denn wir gelangen in die Gegend, wo 
diese Theile sich tiber die eingekrammte Rttckenflächc frei er- 
heben. Wir erhalten daher jetzt yon ihnen theüs Schr%-y theils 
reine Querschnitte, die uns später noch beschäftigen werden. 

Entsprechende Serien von Frontalschnitten wurden von den 
Embryonen S und P angefertigt (Taf. XVT, Flg. 20 und 23). 
Der Frontalschnitt durch Embryo S (Taf XIX, Fig. 22) gleicht 
im Ganzen sehr der Fig. 7. Es ist das Rückenmark an der 
Stelle getrofl'enj wo es in zwei Hälften getheilt wie eine Gabel 
die ürmundspalte (t) utnfasst. Da letztere hier noch breiter ist 
als in Fig. 7, stehen die beiden Rückenmarkshälften etwas weiter 
anseinander. Die ürmundspalte ist auf dem vorliegenden Fron- 
talschnitt nach vom von Ectoderm eingefasst, das sich, wie bei 
Embtyo V, eine Strecke weit nach iimeu einsenkt und nach 
nnten in die Dottermasse flbergeht. Rechts grenzen an das eui- 
gesenkte Ectoderm die röhrenförmigen Rflckenmarkshälften mit 
ihrer dünnwandigen epithelialen Verschlnsaplatte an. Nach hinten 
wird die Begrenzung der Ürmundspalte von Dottermasse ge- 
bildet» die eine kleine Strecke- weit auch von aussen ku sehen 
ist und sich yon hier in die Schwanzwurzel weiter fortsetzt. Die 
Chorda ist wieder wie in Fig. 7 drei mal theils quer, theils 
schiig getroffen; ein etwas ansehnlicherer SchrAgschnitt findet 
«eh Yor der Stelle^ wo die beiden Rflekenmarkshftlfiten (mr) sich 
zur normalen, unpaaren Anlage vereinigt haben, zwei weitm 
kleinere Chordaqnerschnitte (ch<, ch*) liegen am hinteren Ende 
jeder Rflckenmarkshiklfte und lassen sich wie diese auf den fol- 
genden Schnitten der Serie noch ziemlieh weit in die Schwanz- 
anlage hinein weiter verfolgen. 



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Urmimd und Spina bifida. 



401 



Wenn wir in der Serie der Frontalschnitte weiter vcnfral- 
wärts grellen, Stessen wir bald unter der liücktuinarksspaltuiiy auf 
die (labelnnjJTSStelle der Cliorda. In Fig. 23, welche von einem 
solchen Schnitt eine Abbildung: liefert, ist indessen nur der 
rechte Theilast :::e trotten, während der linke auf eiueui der näch- 
sten Schnitte fol«;t. An der Oabelungsstelle ist die Chorda zu 
einem Wulst (cli- verdickt, der einen Vorsprung in die ürdarm- 
höhle bedingt. .Soleiie frcschwulstartigen Wucherungen der Chorda 
(Chorda<rcsehwiilstc) alud bei älteren Missbildungen im Bereich 
des vorderen UnniptaliRchnittes, namentlich vor und an der Tliei- 
lungsstelle. gnr iin lits seltenes. In eimgen Fällen habe ich sie 
sogar noch in viel grösserem Umfang als an dem abgebildeten 
Präparat beobachtet. 

In Fig. 15 (Taf. XIX) endlich ist ein Schnitt abgebildet, 
welcher durch den Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23) in mehr oder 
minder qaerer Richtung hindurchgelegt ist ; er hat also gerade den 
Eingang in die ürmundspaltc, ans welclier nocb etwas Dotter her- 
rorsieht, getroti'en, doch nicht genaa in horizontaler Richtung^ 
80 dass linke und rechte Hälfte ein etwas verschiedenes Aua- 
sehen darbieten. Auf der rechten Seite hat der Schnitt die eine 
Bflckenmarkshälfte, welche die Urmnndspalte begrenzt, in ihrer 
ganzen Länge freigelegt. An ihrem vorderen and hinteren Ende 
findet sich je ein Chordaquerschnitt, em grösserer (ch) vom, ein 
kleinerer (eb^) hinten. Beide gehören der im Urmundbereich 
gelegenen, rechten Chordahälfite an, welche unter dem längs* 
getroffenen Rtlekenmark in horizontaler Richtnng yerlftnft und 
dann vom und hinten reehtwinklig nmbiegt, um senkrecht in den 
Kopf und Schwanz des znm Halbring zosammengekrOmmten Em- 
bryo emporzusteigen. Anf der linken Seite der Fignr hat der 
Schnitt die am tielsten eingebogene Stelle des Rtlckens nur ober- 
fläehlieh gestreift. Man sieht daher links vom Urmnnd nur die 
ihn begrenzende Oberbant flach geschnitten nnd die Yerbmdnng 
zwischen dem hinten gelegenen Qaerschnitt der Scliwsnzwarzd 
nnd dem vorn gelegenen Querschnitt des Rnmpfes Tcrmittehi. 
Rückenmark (mr) und Chorda (eh*) bemerkt man zweimal im 
Querschnitt, erstens im vorderen Abschnitt des Embryo, zwei- 
tens in der Schwanzwnrzel. Das zu jedem Organ hinzngehörige 
Yerbindnngsstflek, welehes in horizontaler Richtnng am linken Ur- 
mtmdrand Tcrlänfty tancht erst anf tiefer folgenden Schnitten anf. 

Archiv £ mikrotk. Aul. Bd. S8 27 



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402 



Oscar Hertwig: 



Die Urmimdspalte ist naeh dem Schwanz zu von Eetoderm fak), 
nach vom von Dottcnnasse eiiigefasst. Die (luergescliinteuen Röh- 
ren (ng:) sind die Umierengänge. Sic scliniiegr^^ii sich deu Ur- 
scginenten an, welche die Chorda lialbsciti^ um fassen. 

All den H Embryonen V, 8, 1' lüiimi der noch eilialteiie 
Rest der T'iniundspalte die RückoTigegeiid vor der Schwanz- 
wurzel ein. Eis kann nun aber auch vorkommen^ dass der Rest 
der Unnundsjialte mitton in das Bereich der Schwanzwur/A l selb.st 
fallt. Dieses interessante Verhältniss habe ich zwar nur in einem 
einzigen, nämlicli ])ei Embryo T (Taf. XVI, l'ig. 17), liier aber 
nnch mit all* i nur wünschenswertlicn Deutlichkeit an einer lücken- 
losen Quiiscliiiittgserie beobachtet. Schon bei der Fläobeiibe- 
trachtung des ganzen Embryos fTaf. XVI, Fig. 17; licss sieh eine 
totale Spaltung des Schwanzes eonstatiren, dessen beide Hälften 
(re und Is) hakenai-tig gekiinnint sich über dein Rücken recht- 
winklig erhoben und dabei mit ihren Enden krenzA>eise überein- 
ander geschlagen waren. Die Untersuchung der Qucnschuittsserie 
(Taf. XIX, Fig. 21) lehrte hier nun weiter, dass die beiden 
Schwanzhälften nur etwa zu 2 Drittel ihrer Länge distahvärt« 
in ganzer Ausdehnung von einander getrennt waren, dass dagegen 
im Bereich der Schwanzwnrzel, also an der Uebergangsstelle in 
den Rumpf thcilweise eine Verechmelzung sowohl doi-sal als ven- 
tral erfolg war. Ich sage theilweise, denn von der Verschmel- 
zung war nur die Haut der dorsalen und ventralen Seite be* 
troffen. Dagegen erstreckte sich durch die Mitte der Schwanz- 
wurzel eine enge Spalte biudorch, durch welche man in die 
jBeckendarmhöhle direct von aussen gelangt. Diese Spalte war 
auf sechs einander folgenden Schnitten vorhanden, von denen 
einer in Fig. 21 abgebildet ist. Man kann die rechte gekrammte 
Schwanzhftlfbe (s^) von der Wurzel bis zur hakenfönnig umge- 
legten Spitee verfolgen und bemerkt in ihr auf dem Längsschnitt 
eine dflnne Chorda (eh), über derselben eine sehr wenig dentlieli 
gesonderte* Rflekenmarkahälfte und auf der entgegengesetzten 
Seite der Chorda zahlreiche deutlich gegen einander abgegrenzte 
Ursegmente (ns). Von der linken Schwanzhältite ist nur die 
Wurzel (s') und ihre Endspitze (s) getroffen , während das Ver- 
bindungsstttoky das vom Sehwaazende der anderen Seite gekreuzt 
wird, erat auf tiefer gelegenen Schnitten folgt. In dieser Hälfte, 
die mir in ihrer Differenzinmg etwas znrflekgeblieben zu sdn 



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Uriiiund und Spina bifida. 



403 



scbeinty ist Chorda und Rttckenmark ans d^ kleinzelligen Ge- 
webe nicht gesondert heraus zu erkennen, während Ursegment- 
bildung, aber auch weniger denttich als auf der entgegengesetzte 
Seite, zu bemerken ist. Zwischen beiden Schwanzwurzeln nun 
geht die oben erwähnte Spalte (*) hindurch, an welcher das 
Ektoderm in die Dottennasse übergeht und durch welche man 
in den Dannraum (ed) gelangt. 

Wir haben uns jetzt noch näher mit den Eigemliüiulich- 
keiteii (ies Schwanzendes und mit der Aiierrinue bei den Em- 
bryonen dieser flrappe /ja. beschäftigen. 

AeuHheriicli erscheint in den meisten Fällen der Schwanz, 
wenn wir von der schon hervorgehobenen, eigenthümlicheu Stel- 
lung desselben abseilen, nonnal gebildet (Taf. XVI, Fig. 20 — 22). 
Wälircnd auf früheren Stadien der Schwanz eich ans 2 Seiten- 
hälften anlegt und eine tlieilweise Verdoppelung erkennen lässt. 
auch wenn er schon zu ziemlich beträchtlicher Grösse herange- 
wachsen ist, wie bei den auf Taf. XVI, Fi-. 12, 13, 8, 18, 19 
abgebildeten Ernl)ryoMen, ist in dieser (rrupije von einer Ver- 
doppelung äusserliel] nichts waln/uneimien, mit Ausnahme des 
Embryo J (Taf. XVI, Fi^^-. 17). dessen auscreprägter Doppelschwanz 
schon lieselirieben wurde. Erst die Untei*suchung von Quer- 
schnittssericn lehrt, dass Nervenrolir und Chorda auch bei diesen 
älteren Embryonen verdoppelt sind und llaibanlagen dar- 
stellen, welche noch von dem früheren Vorhandensein einer ür- 
mnndspalte Zeugniss ablef^en. 

Die sich darbietenden Herunde variireu etwas, wie die Fi- 
guren 1—3, 10, 11, l(j, 19, 2U, 24 auf Tafel XIX, Querschnitte 
durch verschiedene Embryonen, uns belehren. Am weitesten ans^ 
einander liegen die beiden Eückeumarksrohre und die beiden 
Eüekensaiten in der Schwanzwnrzel, da in ihrem Bereich sich 
der noch offen gebliebene Best der Unnundspalte in der Regel 
ausdehnt. Von da an rücken sie aUmählich nach der Spitze des 
Sehwanzes zusannnen, bis sie sich gegenseitig berühren, in ein- 
zelnen Fällen auch verschmelzen. Das Nervenrohr wird ansier- 
ordentUch klein und eng, lässt aber anfangs noch erkennen, daes 
nur die laterale Wand verdickt ist und ans spindeligen, geschich- 
teten Zell^ besteht, w&hrend die mediale ein feines Häntchen 
ans platten Zellen ist. Jedes Rohr ist daher nur ein halbes 
Rflckeninark. Der Chordaqnersehnitt ist ebenfalls sehr klein, aber 



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404 



Oscar Hertw'ig: 



vou dem lungebeiulen Gewebe deutlich gesondert. In allen 
Fällen, wo die Doppelanla^eii auseiiuiiuicr liogeu, wird der Zwi- 
schenraum durch Dutlcrzellen aus^etiillt, die sich von der Wand 
der Beckendamihöble in den Schwanz als ein schmaler Streifen 
fortsetzen und so eine Art Schwanzdarm darstellen; dem frei- 
lich stets ein Huhlrauui fehlt. 

Auch zwischen die beiden, dem mittleren Keimblatt ange- 
hörigen Streifen sehr kleiner Zellen, aus denen die Ursogmeute 
des Schwanzes sich differeuziren, dehnt sich die aus Dotterzellen 
gebildete Scheidewand aus. Im Schwanz sind beiderseits schon 
viele FrseeTuente an<rele|irt. die nm besten an Seiiräg- und Län^^ 
scliniilcn 711 erkciiucn sind. Naeli der vSchwan/spitze 711 ver- 
lieren sie sirli, indem an ihre Stelle ein kleinzelliges Keimgewebe, 
bestimmt für naelifolgende weitere Diiferenzirung, tritt. 

Am weitesten auseinander liegen die Anlagen von Rtlcken- 
mark und Chorda in den Figuren 2 und 3 auf Tafel XIX, die 
quer durch die Schwanzwurzcl v(in Kmbryo B (Taf. XVI, Fig. 21) 
hindurehgelegt sind. Die Dotterniasse < Fig. 3 d), die aus der bis 
hierher ausgedehnten Urmundspalte hervoreieht, enthält einen 
kleinen Spalt als letzten Ausläufer der Beckendarmhöhle. Dieser 
Spalt ist auf einem der nach der Schwanzspitze folgenden Schnitte 
(Fig. 2) verschwunden; zugleich ist auf ihm die aus Dotterzellen 
bestellende Scheidewand (d) (Schwanzdamij schmäler geword^, 
so dass Nervenrolur (mr) und die Chorda eh) der linken und 
rechten Seite näher zusammen gerückt sind. Noch mehr ist 
dies auf dem dritten Schnitt (Fig, 1) geschehen, der durch das 
Schwanzende geht, das nach vom noch einmal hakentbrmig um- 
gekrümmt ist, wie Fig. 21 auf Taf XVI zeigt. Da der Rumpf- 
theil des Embryo H zu einer Querschnittscrie gedient hatte, 
fehlt in Figur 1 die ftusserste Schwanzspitze, indem ßie noch in 
das Bereich der anderen Schnittserie gefallen ist. Man sieht 
nun, da dieses Schwanzstück wegen seiner ümkrflmmung mehr 
oder minder der Länge naeh getroffen ist, zahh-eiche Urseg^ 
mente (ns), 2 der Länge nach Terlanfende, aber nur durch 
einai kleinen Zwischouranm getrennte Nerrenrohre (mr), und 
in der Medianebene den Schwanzdarm (ds), einen langen Streifen 
von Dotterzellen, welcher die Anlagen der linken und rechten 
Seite sehddet. 

Bei Embryo S (Taf. XVI, Fig. 20) liegen in der Schwanz- 



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Urmund und Spina bifida. 



405 



Wurzel die DoppelanlajLrcn vf>n Xrrvenrohr und Chorda weit aus- 
einander; in der Mitt«' des Scliwanze« (Tiif. XIX. Fi^. 24\ der 
dorsal und ventral sehon einen ansehnlielien Flctsscnkannn /sf) 
entwickelt hat, sind sie zwar noch getrennt, aber ganz dicht zu- 
sammen^^erUekt. Zwischen die linke und rechte Chorda (ch), 
aber nicht mehr zwischen die beiden Nerrenrohre (mr) legen 
sich Dotterzellen (ds) trennend dazwischen. 

Aebnlich ist der Befund bei Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23), 
von dem Fig:. lö (Taf. XIX) einen Schnitt durch die Schwanss- 
wurzel, Fiir. 16 einen Selmitt durch die Mitte des Schwanzes 
darstellt. Hier ist nur dorsalwärts ein Flossenkamm (sf) hervor- 
gewachsen. Der .Schwanzdarm (ds) schiebt sieh hier nicht nar 
zwischen die beiden Cliordahälften, sondern auch noch zw ischen 
die weiter auseinander stehenden Nervenrohre (rar) dazwischen. 

Einige Besonderlieiten weisen noch die Schnittserien durch 
Embiyo V (Taf. XVI, Fig. 22) und C auf. An der Schwanz- 
Wurzel des ersteren sind die Doppelanlagen von Rückenmark nnd 
Chorda (Taf. XIX, F\g, 8, eh, mr) sehon dnreh eine schmale 
Scheidewand von Dotterzellen (ds) geti-ennt. Am Qnersehnitt 
durch die Mitte des Schwanzes (Fig. 11), der wieder mit 
einem dorsalen nnd ventralen Flossenkamm (sf ) ausgestattet ist, 
berühren sich die beiden Nervenrohre (mr) nnd sind nnterein* 
ander mit ihren medialen, dttnnen Wänden verschmolzen, derart, 
dass dieselben zusammen zwischen dem noch doppelten Gentral- 
kanal ein Septum erzengen. Zwischen linke und rechte Chorda 
(chS eh') «ehiebt sich noch ein Streifen Dottermaese vom Sehwanz- 
dam (ds) dazvrischen. An anderen Schnitten (Fig. 10) ist plötz- 
lich im Rflckenmark (mr) die Seheidewand verschwunden, so dass 
nur noeh die 8förmjge Fignr des Querschnitts vom Centralkanal 
auf die ursprüngliche Verdoppelung hindeutet. 

Eme letzte Variation in den BeAmden habe ich endlich 
noch bei Embryo C angetroffen (Taf. XIX, Fig. 18—20). Hier 
ist auf den Querschnitten durch die Mitte des Schwanzes das 
Rflckenmark einfach in normaler Weise angelegt, die Chorda 
aber unter ihm verdoppelt (ch^, ch^). Die fast zur Berührung 
genäherten Chordahälften sind durch kein anderes Oewebe ge- 
sondert. Unter ihnen erblickt man den rundlichen Querschnitt 
des compacten Schwanzdarms (ds). 

Und jetzt noch einige Worte über die Afterrinne. Dieselbe 



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406 



Oscar Hertwi^: 



ist bei den Embiyouen diei^es Stadiiinis an der ventialcn Seite 
der Schwanzwur/el fast in allen Fällen sehr deiitlieh entwickelt 
and in eigenartigerweise ausgeprägt (Taf. XVI, Fig. 17, '20—23f 
ar). £s kGimeii nämlich jetzt an ihr 2 Abselinitte initersehieden 
werden, ein rinnenartiger Anfaiigstheil und ein. röhrenartiger End- 
abschnitt, der sich entweder der Wand des BeckcudarmB dicht 
anlegt oder mit der Höhle desselben in eine oifene Commnnikar 
tion getreten ist. Meist zieht sich das ganze Gebilde durch eine 
grössere Anzahl von Schnitten der Serie hindureli (Taf. XIX, 
Fig. 1, 2, 5, 6, 19, 20, 22, 23 ar). Die Kinne (ar) wie die Rdhre 
werden von einer einfachen Lage hoher, mit Pigmentkdmehen ge- 
füllter £))ithelzellen ausgekleidet. 

leh gebe eine kurze Beschreibung der Afterbildung nach 
einigen Figuren, welche den Schnittserien dureh die Embryonen 
B, V, S mid G entnommen sind. 

An der yentralen Seite des Schwanzes von Embryo B 
(Taf. XVI, Fig. 21) ist die Afterrinne auf mehreren Schnitten 
(Taf. XIX, Fig. 1) von sehr hohen Falten (af ) eingesäumt, die 
an der Oberfläche einen deutlichen Vorsprung bilden. Das Bild 
ist dem Durehschnitt durch eine Medullarrinne nicht unähnlich. 
Rechnet man dazu, dass die Rinne sieh dann in derselben Weise 
zu einem Rohr schliesst, wie Fig.2ar zeigt, so kann wohl, wenn 
man nielit den Zusammenhang aller Erscheinungen Übersieht, die 
Vennuthung auftanchen, daes die Rflckenmarksanlage emes Ter* 
kümmerten, zweiten Embvyo vorliege. Dass diese Verrnnthung 
eine irrige ist, geht aber nicht nur aus dem ganzen Zusammen- 
hang, sondern vor allen Dingen auch daraus hervor, dass das 
nach aussen als Rinne sieh öffnende Rohr nach innen mit dem 
Darm sich verbindet. Schon in Fig. 2 grenzt das Rohr unmittel- 
bar an die Dottermasse an, in einem d^r folgenden Schnitte hat 
es flieh m den Hohlraum geöffnet, der jetzt als AussttUpun^- der 
Beckendarmhöhle in der Dottermasse (Fig. 3d) auftritt. Die 
Lage des rinnenförmigen zum röhrenförmigen Abschnitt ist stets 
eine derartige, dass der erstere der Sehwanzspitzc, der letztere 
der Schwanzwurzel zugerichtet ist, oder mit anderen Worten, 
der erstere distal, der letztere proximal liegt. 

Hei Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22) reicht die ventrale 
Sehw;in/llosse weit iiacli unten. Wo sie aufhört , beginnt die 
Aftcraniage, die hier sehr kurz und nur au einer Stelle (Taf, 



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UrmuiKl und Spina bifida. 



407 



XIX, Fi^. .") ai'i sicli iiacli ansscu (HViirt, nni dann zu einem Kohr 
gpsclilossen (Fig. 6 a) mit der iicckcudanuüöhle (d) in Verbin- 
dung /II treten. 

Knibryo S »Taf. XVT. Fi*:. *^0) zeigt uns wieder dir ii-anze 
Aftcranlage in grrisserer Länge entwiekolt nnd über die ()l»cr- 
riiiclie weit voi*steliend. An dem unteren Ende diM* ventralen 
Sehwanzflosse öfluet sieh die von ausserordentlich hohen Falten 
eingesäumte Rinne. In Fig. 22 (Taf. XIX) sehen wir sie zum 
Rohr (ar) geschlossen und von Kctodenn Uberzogen. In Fig. 23, 
einem noeh weiter yentral folgenden Sehnitt der Serie, fliessen 
die HtUiIen des Äfterrohres (ar) «mI des Beckendarms (edj, die 
sich hier trefteu, in eins zusamirfm. 

Einen abweiehenden Befund bot Embryo C dar (Taf. XIX, 
Fig. 18-^20), insofern hier die Afteranlage und die Beckendarm- 
waud durch eine zwisehenliegende Gewehsschicbt in ganzer Aus- 
dehnung getrennt l»h ilM'i}. Fig. 20 zeigt uns die Rinne (ar), 
Fig. 19 die Neubildung der Rinne zum Rohr. Di( ses hört aber 
blind gesehlossen auf und ist vom Dotter ( ds) durch eine Schicht 
mittleren Keimblatts (mk) getrennt. Erst mehrere Schnitte Später, 
nachdem die Afteranlage schon nicht mehr vorhanden ist, tritt 
eine Höhlung in der Dottermasse auf (Fig. 18 ed). Es seheint 
mir daher in diesem Falle in Folge besonderer Verhältnisse m 
der als Atresia ani bekannten Missbildung gekommen zu sein. 
Auch scheint mir, was wohl damit in Zusammenhang steht, die 
ganze Lage des Afterrohrs eine etwas abnorme zu sein, indem 
sie von der Schwanzwurzel etwas mehr nach dem Sehwanzende 
hinaufgerflekt ist. 

AnhangsweijHe zu der zweiten Gruppe der Missbildungen 
will ieh noch zwei Embryonen besprechen, die zwar Störungen 
im Verschluss ihres Urmunds zeigen, aber in einem so geringen 
Grad, dass dadurch dier Entwicklung von Rttckenmark und Chorda 
nicht nachtheilig in der Folge beeinflusst zu werden scheint 
(Taf. XVI, Fig. 36 u. 27). Beide Embryonen befinden sich auf 
einem noch verhältnissmässig frühen Entwicklnngsstadium. Das 
Ei ist aus der kugligeu in die ovale Fonn übergegangen und be- 
ündet sich im Stadium der ersten Anlage der MeduUarplatte. 
Bei dem in Fig. 26 abgebildeten Em))ryo treten in der normal 
entwickelten Rttckeugegeud die 2 Medullarwttlste (mw) in ihrer 
ganzen Länge hervor, beide noch durch einen weiten Abstand 



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406 



Oiicar Hertwig: 



von eiuandcr getrennt und ein loyorartigcH Feld umsänrnend. 
Das Ei j^leirht in jeder Bezicliiinc: einem normalen bis auf den 
einen Punkt, dasö der Blastopoius uo am hinteren Ende, 
wo die Medullarvvillste verdünnt juillK ien, noch ein ziemlieh 
weites und rundes Loch darstellt und einen grossen I)ottfrf)fVoj)f 
aus demselben nach aussen hervorragen lässt. Bei gauis re^ad- 
mässigcm Verlauf müsste zu dieser Zeit der Biastoporus sich in 
einen ganz kleinen Länt;ss])alt mit /u^ammenschliesseudeu, seitlichen 
Lippen am hinteren Enii)rvonaleiide umgewandelt haben. 

Der zweite Embryo (Fig. 27) ist einerseits etwas weiter 
entwickelt als der oben besprochene, indem sich schon die Me- 
duUarwülste (mwj in der vorderen Hälfte des Rückens einander 
nähern und zusammen zu legen beginnen. Auf der anderen 
Seite iBt die Störung im Verschluss des Unuunds eine etwas 
grossere. Denn in der hinteren Hälfte des Ittickene stellt der 
Blastoporns ein sehr weites, mndes Loch dar, ans welchem ein 
grosser Hügel TCni I>ottemiasse hervorragt. DieJm vorderen Be- 
reieh schon zum Versehlnss sich anschickenden ^fednllarfalteu 
sehen wir daher in der hinteren Hälfte des Büekcns rechts- 
winklig nach beiden Seiten im Bogen umbiegen, wobei sie nie- 
driger werden und sieh bald im Umiund verlieren. Ein Quer- 
schnitt durch die Mitte des Dotterpfropfs (Taf. XIX, Fig. 27) 
zeigt uns daher auch die Mcdullarplatte noch nicht differenzirt« 
Am ürmundrand, der einen den Dotter umschliessenden, breiten 
Wulst bildet, geht äusseres und inneres Kdmblatt ohne Unter* 
breehung in das mittlere Keimblatt (mk) ttber, das sich zwischen 
beiden als kleinzelliger, etwaspi^entirter Streifen in die Tiefe senkt. 

Wenn wir ons die Frage vorlegen, wie sich in diesen beiden 
Fällen wohl der wdtere Verlauf des Entwicklungsproeesses noch 
gestalten möge, so glaube ieh dieselbe ohne Bedenken da- 
hin beantworten zu kOnneu: Bei dem ersten Embryo wird in der 
Bildung von Chorda und Nervenrohr keine Störung eintreten, 
und es wird voranssichtlieh zu einem zwar verschobenen, aber 
sonst regelmässigen Verschluss des Blastoporus und einer voO- 
ständigen ümwaehsung durch die MedulIarwOlste kommen. Im 
zweiten Fall dagegen ist die Aufnahme der Dottermasse in den 
Vrdann noch »so weit zurtlek, dass sieh an den Rändern des Ur- 
munds Mednllarplatte und Chorda auf beiden Seiten düfeienziren 
werden noch vor seinem Verschluss. In Fig. 27 sind auf der 



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Urmund und Spina bifida. 



409 



linken 8eite 8elion beide Organe in der Anlage begriffen. £s 
wird daher eine Hemmunj^smis^biUlung gering^eren Grades mit 
einer Rttckonniarks- und Chordaspaltc entstehen, etwa derart, 
wie wir «ie in der Figar 14 (Taf. XVf) kennen gelernt haben. 

DasB der Blastoporns übermägsii; weit bleibt mr Zeit, wo 
sich schon die Medallarwülste wie bei den in Fig. 26 und 27 
dargestellten Embryonen bilden, ist ttbrigens eine E^rscheinnng, 
die sieh h&nfiger beobachten Iftsst bei Eiern, die'fflch in Folge 
mangelhaften Sanerstolfiaitritts sehr langsam entwickeln. In der 
Mitte von Laiehballen, die in kleinen Gefässen« ohne Wasser- 
wechsel anfgehoben werden, findet man wohl stets solche Eier 
in grösserer Zahlj wie ich mich von anderen Gelegenheiten her 
erinnere. Genaner ontersncht habe ich freilich die in dieser 
Weise gehemmten Objeete bisher noch nicht Auch Ronx er- 
wähnt in seiner Eingangs citirten Schrift, dass auf Hemmungen 
bezw. Verzögemngen mancher Vorgänge berahende formale Ab- 
weichungen hftnfig auftreten, aber oft im weiteren Verhinf der 
Entwicklung wieder ansgegliehen werden. 

III. («nii4>e der Missbildnnjreii, 
Partielle Urmoiidspalte in der Aftergegeud. 

In dem dritten Abschnitt werden Embryonen besprochen, 
die schon TcrhältnissmAssig weit und anscheinend normal ent- 
wickelt sind, indem ihre ganze Rttckengegend in Nenrenrohr, 
Chorda und Ursegmente gesondert ist, auch Augen-, Ohrblase 
und Haftsoheiben angelegt sind (Taf.XVI, Fig. 28-^1. Allen 
kommt aber ein gemeinsames, vom Normalen abweichendes Merk- 
mal zu; sie besitzen entweder am hintersten Ende ihres in die 
Länge gestreckten Körpers, wenn noch kein Schwanz angelegt 
ist, oder wenn ein solcher bereits vorhanden ist, an der Bauch- 
« Seite anmittelbar vor der Sehwanzwurzel eine bald kleinere, bald 
grössere Oeflhmi^^ (uo), an welcher die weisse Dottermaase aus 
der schwarz pigmentirten Umgebung wie der Rnskoni'scbe 
Dotterpfropf hervorsieht. 

Von vier Embryonen, die ich zur Abbildung ausgewählt 
und in Schnittserien zerlegt habe, zeigt der in Fig. 28 darge- 
stellte am hinteren Ende ein mächtige«, ovales Dottertel<l, an 
dessen oberem Kaud <lic erste Anlage des Schwaiucö (bk; in 



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Oscar Hertwig: 



Form von 2 Höckern sichtbar ist. liei Embryo Ac (Fig. 2t)) 
nimmt das Dotterfeld eine eut^precliende Lage ein, ist aber nur 
etwa den dritten Thcil so gross; bei £mbryo Ab (Fig. 30) ist 
es an der ventralen Seite etwas mehr nach vom gerttckt und 
daher nur bei ventraler Betrachtung des Embryo zu sehen. Es 
erklärt sich diese Lage einfach daraus, dass in der Verlängerung 
des Rückens die Anlage des Schwanzes ein >venig Uber das 
Dotterloch nach hinten hervorgewachscn ist. Von diesen sich 
aneinander reihenden Formziiständen bildet dann der Embryo H 
(Fig. 31 ) den Absefalnss, denn er besitzt schon einen nach hinten weit 
vorstehenden, von einem kleinen Flossensaum eingefassten Sehwanz 
und vor dessen ventraler Wurzel etwa in derselben Lage wie bei 
Embryo A b eine orale, von Dottermasse ansgef&llte Oeiftinng (uo). 

In allen diesen Fallen handelt es sich ebenfalls um den 
Rest einer ürmundspalte, nnd in sofern schliesst sieh diese Gruppe 
natnrgemüss an die in der ersten nnd zweiten Gmppe abgelmn- 
dehen Misshildungen an. Nur ist es hier der am meisten 
nach hinten und ventral gelegene Theil des Ur- 
mnnds, der in seiner normalen Umbildung gehemmt und in 
aussergewöhnlicher Weise oifen gehalten worden ist. Frontal- 
und Sagittalscbnitte geben nns noch Uber dieses und jenes «Ver- 
hältniss weitere Aufsehlflsse. 

An dem Durchschnitt durch den Embryo A d (Taf. XVI, 
Fig. 28 nnd Taf. XIX, Fig. 17), der noch die weiteste Oeffnung 
besitzt, fallt- auf, dass sieh das äussere Keimblatt an der Bauch- 
seite unmittelbar an den freiliegenden Dotter (ul*) ansetzt. Wäh- 
rend sieh bei der Gastrulation dorsale nnd seitliche Urmnnd- 
lippen (uP) angelegt haben, ist die Bildung einer ventralen Ur- 
mnndlippe (ul*) unterblieben. Da aber durch dieselbe hinter der 
Dottermasse die Beekendarmhöhle entsteht, so fehlt dieselbe in 
unserem Falle ebenfalls. 

Auf dem Längsschnitt von Embiyo A e (Taf. XVI, Fig. 29 
und Taf. XIX, Fig. 26), dessen Blastopoms viel enger geworden 
ist, tritt uns zwar eine ventrale ürmundlippe (ul^) entgegen: 
dieselbe ist aber im Ganzen sehr nnscheinbar. Ucberhaupt er- 
scheint die ganze Dottermassc sehr stark nach hinten isurück- 
gcdrängt. 

Alle Embryonen (Um- dritten Gruppe lassen ferner im Z(i- 
jsammcnhang mit der maiigclhaltcn Ausbildung der ventralen Ur- 



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Urmnnd und Spina bifida. 



411 



mnudlippe eine Afterrinne veimissen nnd dadurch unterHcheiden 
sie sich von den in der ersten und zweiten Gruppe /uHiimmeii' 
ji^efassten Missbildungen, bei denen die Afterrinne eine Bildung 
ist, die ang^leich stärker als bei normalen Embryonen in die Er- 
scheinung tritt. Mit der Afterrinne ist bei ihnen aber auch die 
ventrale ürmuadlippe nicht nur sehr frdhzeitig, sondern auch 
besonders stark angelegt und eine Beckendarmhöhie gebildet. 
Vergleiche namentlich Taf.XVU, Fig. 8, 9, 15 ed. 

Als After kOnnen wir die hier abgehandelten Oeffnungen^ 
obwohl sie in der Lage demselben entspi-eehen, nieht bezeichnen. 
Zwischen beiden möchte ich als nnterseheidendes Merkmal einen 
Punkt als ansfichlaggebend betrachten. An den Urmundlippen 
stehen äusseres und inneres Keimblatt nicht in unmittelbarem Zn- 
sammenhang mit einander, sondern sind durch das mittlere 
Keimblatt getrennt, welches hier seinen Ursprung nimmt. Am 
After dagegen gehen Ectodenn und Entoderm unmittelbar in 
einander Uber, während das Mittelblatt von beiden getrennt ist 
nnd eine der Afteröifniing entsprechend grosse Durchbrechung 
besitzt. 

Die bisher besprochenen Embryonen der dritten Gruppe 
boten in der Anlage ihrer ttbrigen Organe keine Abnormitäten 
dar. Embryo H (Taf. XVI, Fig. 31), der schon einen kleinen, 
besonderen Schwanztheil besitzt, ' machte allein bei der Unter- 
suchung auf der Qnei-schnittserie eine Ausnahme. Fig. 28, Taf. 
XVIII zeigt uns einen der durch den Urroundrest (uo) und desi 
Anfang der Schwanzwurzel hindnreligelegten Qnerdurchsehiiitte. 
Man sieht ventralwärts das noch nicht umwachsene Dottnrfeld, 
eingefasst von seitlichen, kleinen Urmundlippen. Dorsalwärts 
ist eine Spur einer Rflckenflosse zu bemerken. Das unter 
ihr gelegene Rückenmark ist änsserlich einfach, lässt aber in 
seinem, relativ weitem Centraikanal ein feines Zellhäutchen (seh) 
erkennen, das sich von oben wie eine Scheidewand hineinschiebt. 
Unter dem lUiektiini^irk liegen die Qnci*schnitte zweier, sehr 
kleiner Chordastränge ihi. beide durch Dotter/.elleii ^etreiiiitj 
welche sich von der dorsiileii Wand des Darnis ans zwischen 
sie hineiuscliieben. Diese Ver(lu[)pehnig der Chorda lässt sich 
auf einer Reihe von Schnitten verfolgen. Nach \(trii liört sie 
bald auf, wilbiend sie sich nach hinten eine Strecke weit iu 
den Schwanz fortsetzt. 



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412 



Oscar Hertwijif: 



Es lägst sich ans dem vorlie{5;en(leii Hcfund mit absoluter 
Sieherheit der Schlnss ziehen, dass die ürniundspalte, die jetzt 
nur noch an der späteren Atteretelle besteht, auf cinw jüngeren 
Entwicklungsstufe sich dorsalwärts bis in die Gegend ausgedehnt 
hat, wo sieh die Schwanzknospen anlegen, also noch etwas mehr 
nach vorn, als es bei dem Embryo A d (Taf. XVI, Fig. 28) der 
Fall ist. Die Urmundspalte mnss noch vorhanden gewesen sein 
znr Zeit, wo in dieser Gegend »lie ersten Diiferenzirungen in 
Nervenrohr und Chorda stattfanden. Bei ihrem bald darauf ein- 
tretenden Verschluss ist die Verdoppelung der Chorda als letetes 
Zeichen der Störung zurfickgeblieben. 



Beurtheilunt? und Yerwerthiing der Be funde. 

Um die auf den vorausgegangenen Seiten mitgetheilten Be- 
funde von eigenthttmliehen Missbildungen des Froscheies theils 
zu dem alten Bestand des morphologischen Lehrgebäudes in Be- 
xiebung m setzen, theils ittr die weitere Ausbildung und Neubil- 
dung morphologischer Lehrsätze zu verwerthen, will ich in drei 
Kapiteln jetzt noch folgende Punkte eingehender besprechen: 

1. Das Vorkommen entsprechender Missbildungen in anderen 
Wirbelthierclassen und ihre Stellung im System der l'era- 
tologie. 

2. Die Bedeutung der an den Missbildungen gewonnenen Be- 
funde für einige Grundfragen der Wirbelthiermorphologie: 
a) der Urmundtheorie und der Goncresoenztheorie, b) der 
Schwanzbildung und der Afterbildung, c) der Ooelomtheorie. 

3. Die Beziehung des Urmundrandes zur Entstehung von Miss- 
bildungen und die Frage nach den Ursachen, welche die 
Entstehung dieser Missbildungen veranlasst haben können. 

1. Bas Yorkommen ähnlicher MlssbUdnngeii in anderen 
Wirbeltblerelaifsen and ihre Stellung im System der 

Teratologie. 

Die von Roux und mir beobachteten Missbildnngen des 
Froscheies nehmen keine exceptionelle Stellung im System der 
Teiatulogic ein. Aehnliche Missbildungen sind schon bei Kno- 
chenfischen von Lereboullet, Oellacher und Rauber beob- 



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Uriuuud und Spina bifida. 



413 



achtet und vou Oell acher als Terata iiiesodidyma bezeichnet 
worden. 

lieber SalamaiulrM inac. liegen Beobaclitun^''en von Klausa- 
ner, übei- das Iliihiiclien von Richter vor. Anch bei den 
Säu^^ethieren nnd beim Menschen scheinen mir Missbildungen 
vorzukommen, welclie liierher g:chören und unter dem Sammel- 
begriff „Spina bifida^ beschrieben werden. 

a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der 

Knochenfische. 

Das grösste Interesse beanspruchen die Mittheilungen vou 
Lerebonllet, Oellacher und Rauber, weil von ihnen die 
Entstehung der Missbildung auf verhältnissniassig frühen Stadien 
beobachtet und ihr weiterem Schicksal eine Zeit lan^ verfolgt 
worden ist. 

nie irnindlegenden Beobachtnn^^eii von Lereboullet (38) 
sind enthalten in Reinem bekannten Werk : Recherches sur les nion- 
stniosites du brochet, (»Ijserves dans l'oeuf und sur leur mode 
de production. Bei künstlicher Befruchtung der verhältnissmässig 
kleinen und durchsichtigen Hechteier erhielt der französische 
Forscher in ziemlich grosser Zahl Mehrfachbildungen mit zwei 
nnd drei Köpfen, aach sehr verkümmerte Embryonen olmc Kopf 
und endlich eine Gruppe ziemlich hänfig vorkommender Anoma- 
Hon, die in jeder Beziehung unseren missgebildeten Frosch- 
embryonen entsprechen nnd schon damals sein Interesse in ganz 
besonderem Maasse erweckten. Es waren Embryonen, die vorn 
einen einfaclien Kopf nnd hinten einen einfachen Schwanz be- 
sassen, in ihrer Mitte aber aus 2 Körpern bestanden, die derai't 
von einander getrennt waren, dass sie einen mehr oder minder 
grossen elliptischen Ring bildeten (Taf. XVI, Fig. 24 nnd 25), 
IHe beiden Arme des Ringes vereinigten sich nach vom zu dem 
einfachen Kopf, naeh hinten sn dem einfachen Schwanz. Jeder 
Ast des fiinges stellt nnn aber bei animerksamer Untersnchnng, 
wie Lereboullet ausdrflcklich betont, nicht einen vollständigen 
Körper, sondern nnr die seitliebe Hilfte eines soleben dar. Denn 
man nntersebeidet auf jeder Seite eine Rttekenmaiksbalfte (mr) nnd 
eine Gbordahftlite, die sieb im Kopftheil zn einem Normalrtleken« 
mark und einer Konnalchorda verbinden. .Femer bemerkt man 
anf jeder Seite eine einfaehe Reibe von Ursegmenten (us), welche 



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414 



Oscar Hertwig: 



nnr die ttfunefe Seite eines Astes Annehmen, so dass es aus- 
sieht, als ob sie das Resultat einer Lftngstheilnn^ eines einfachen 
Emlnryo in 2 symmetrische Hälften seien. Anch besitzt der 
einfache Kopf nur 2 Augen und 2 Hörbläschen. Dagegen war 
in jeder Hälfte sehr häufig ein besonderes Her/ aufzufinden, „als 
ob gewissennaasseii die Xatur jede Hälfte durch Kepetition der 
gleichen Organe zu vervollstän<ligen suchte". 

Wenn die Embryonen einige Zeit zu leben fortfahren, so 
nähern sieh allmählich die beiden Halbköi*per und verschmelzen 
in der Medianehenc, so weit, dass schliesslich nur noch eine sehr 
kleine ringförmige üeffuung am Ursprung des Schwanzes übrig 
bloiht. „La duplicite enilirynnnaire" , schliosst daher I^ere- 
bonllet, ,.provieiit iei de la se]>aration des partics symme- 
triques de l embryon normal. G est ce <jui m a l'ait dire que 
les deux corps embryonnaires dans ces anomalies ue sont eu 
realite que des demi-corps." 

Bei dieser Art der Missbildung kommt es zuweilen vor, 
dass von den beiden, das Üotterloch einschliessenden Rumpf- 
hälften die eine entweder in ihrer Entwicklung etwas zurflck- 
geblieben (xler auch ganz unterdrückt ist, ein Vcrhältniss, , wel- 
ches ich in der gleichen Weise bei den Froschmissbildungen 
(Taf.XVI, Fig. ir) '~-l<3 und Taf. XVHI, Fig. 27) festgestellt habe. 

T^M cb nullet konnte beim Hecht auch die erste Entstehung 
dieser Missbildung aus dem ringfönnigen Keimwulst (bourrelet 
erabryog^ne) beobachten. Bei anomalen Eiern entwickelte der 
letztere nur einen kurzen und dicken Kopffortsatz, der sieh nieht 
weiter zum Priwitivstreifen verlängerte; dagegen wurde der Keim- 
wulst selbst in ganzer Ausdehung aussergewöbnlieh diek (Taf. 
XVIII, Fig. 30) ; „il etait mauifestemeut beanconp plus riche eii 
mati6re organisable." Der Keimwulst zerfallt daher alsbald selbst 
in eine Reihe einzelner Ursegmente in derselben Weise, wie sie 
sich sonst zur Seite der Mcdullarfurche bei einem normalen Em- 
bryo anlegen. Die beiden Reihen vereinigen sich dann nach 
yora au der Basis des Kopfhöckers, nach hinten in der Region, 
welche später dem Schwanz den Urspning gibt. „Ainsi, en 
Bom^, dans la monstmosit^ qui nous occupe, le bourrelet em- 
bryogtoe ne donne naissanee qu'i. la r^gion eephalique, mais 
il se transforme lui .mdme pour constitner le corps embryour 
uaire, et ce oorps est compos6 de deux moiti^s k cause de la 



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Umiiind und Spina bifida. 



41ß 



forme amiiiiairc du h(tiinclet ja^tMieratenr." „Le Imurrolet em- 
brvoirt'iH' doit donc otro cojmiflere (toimuc un amas, \uw sorte 
de niai^asin d' ok'rtionts oruaiiisateiirs, vi v(nmw !e point de d(''part 
de toutt's los loniiations einhryoiinaires rc^'^ulieres ou anomales." 

Auf die Arbeit v(m Lerebonllet bin iel» etwas aiisftihrlicher 
einf!:ep:anjren, weil sie niclit nur eiu sehr werthvolies Beobach- 
tun^matcrial enthält, sondern auch dasselbe von dem riehtigeo 
Gesichtspunkte aus beleuchtet. Als Ergänzung reiht sich au die- 
selbe die Arbeit von Oellacher (42) „über Terato mesodidyma 
von Salmo Salvelinus". 

Oellacher hatte die kflnsüiehe Befruchtung an Eierii von 
Saibliuji^ ausgeführt, die er aus einem 12 Meilen von Innsbruck 
entfernten Thal erhalten hatte. Unter den befruchteten ^iern, 
deren Zahl er auf 400 — ÖOO schätzte, fand er eine g:eradezn er- 
stannenswerthe Anzahl ron Missbilduu^en, die fast alle unter das 
Genus der Mesodidymi ^-eli(">rten; ihre Zahl veranschlagt er 
mindestens auf das 10 bis 20 fache im Vergleich zu der sehr 
geringen Zahl, die er bei häutigen Befrnohtung»- und Zflehtungs- 
versuchen von Forellen erhielt. Nach meiner Meinung scheint 
das massenhafte Auftreten von Missbildungen in diesem Fall 
wohl mit dem Umstand zusammen zu hängen, dass durch den 
weiten und gewiss schwierigen Transport aus einem Gebirgsthal 
die weiblichen Laichfisohe und die reifen Eier etwas geschädigt 
worden waren und dass in Folge dessen hei der kfinstliehen 
Befruchtung häufig Polyspermie eintrat. 

Die Yon Oellacher untersuchten Missbildungen sind im 
Durchschnitt älter und weiter ausgebildet als die von Lere- 
bouUet' beschriehenCD. Bei ihnen geht die Spaltung entweder 
sehr tief und ist auf eine lange Strecke (in extremen Fällen von 
den Ohrbläschen bis in den Schwanz hinein} ausgedehnt, oder 
sie ist seicht und nimmt nur eine kurze Strecke des Leibes ein, 
oder endlich sie ist ganz kurz und nur durch einen leichten Ein- 
druck an der Oberfläche eines etwas verbreiterten Stfickes des 
Rumpfes angedeutet. 

Die Oellac herrsche Untersuchung bietet wie ich oben 
sa^e, eine Ergänzung zu der Arbeit Lerebonllcts liesonders 
dadurch, dass die Missbildungen auch auf Querschnitten unter* 
sucht wurden. Auf diese Weise wurde festf^estelltj dass alle 
paarigen Organe in kciueiu Falle von der Verdoppelung bctrotfcn 



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416 



Oscar Hertwif: 



werden. Es werde« daher die Augen, Gehörorgane, Ursegmente, 
Uniieren, Brust- uu<l Bauchflosseu niemals in doppelter Anzahl 
gefunden. 

Von der Yerdüppeluug oder besser von der Spaitiiiig köiiiK U 
einzig und allein alle unpaaren, der MiMÜaiu bone aii^^e hörige« Or- 
gane heiniiresnelit werden, in erster Linie das lüu'kenniark und die 
Chorda, misst nlcm al>cr aucii «och iu vielen Fällen d.is Herz und 
der Darinkanal und die aus dem letztem hervorsprdssende Leber. 

Dureli die Verdoppelunu vo« Her/. Darm und Leber unter- 
scheiden sich die Fiselnnisshiltlungen in interessanter und hier 
besonders hervorzuliebt*nd(M- Weise von den Froschembryonen, 
wo ieli etwas derartiges ja niemals beobaeliti't lialie. Ich repro- 
dncire daher, um dies Verhältnis*« m veranseiiauiiehen, aus der 
Arbeit von O eil ach er einen Quersehiiitt durch einen älteren Ein- 
bryo von Tvutta fario, aus der Gegend deB Leberaulage (Tat'. 
XVIII, Fig. 29). 

Man bemerkt in jedem Halbrunipf die in sich zusammen- 
gerollte Rüekenmarkshälfte (mr), die Chorda (eh), deren Zellen ' 
schon blÄschenfiirmig geworden Bind, die schon stark vergrösserteu 
Ursegmente (us), den ümierengang (ug), darunter dem Dotter 
aufliegend das von einer einfachen Epitheiscbicht ausgekleidete 
Darmrohr (d) und die aus ihm entstandene, aus vielen g;ewnnd6nen 
Röhren bestehende Leberanlage (1). Von einer zur anderen 
Kampf hälfte schlägt sich, den kleinen Zwischenraum tiberbrttekend, 
sowohl die Epidermis als auch das DarindrUsenblatt herttber, 
leteteres indem es dem Dotter unmittelbar aufliegt. 

Der auf den ersten Blick auflUllige Unterscbied, der zwischen 
den MiBsbildnngen you) Frosch und von Fischen in einigen Emasel- 
heiteDy besonders in der Verdoppelung von Herz und Darm, be- 
merkt wird, erklArt sich in leichter Weise aus den Verschieden- 
heiten, wie sie beim normalen Entwickelungsgang des Herzens 
mid Darms überhaupt zwischen holobh»tisehen und meroblasti- 



1) Die Angabe von Oe IIa eher, dass im vordersten Be* 

reich der Spaltung ab und zu aiuli ein niedianes ürsegment auf- 
ti ctr, sclioint mir, zumal im Hinblick auf die mn Tj e r e b o n 1 1 p t 
i]iit<j:i'tlieilteii Bcluiid'p, anf einer Täuschung ku bcruiie.n, vielU'!<^ !it <1a- 
(iurcii veranla.Hst, dass «ich vom lateralen Urscgment eine Zclliua.ssc 
nnter der C9iorda auf die mediane Seite etwas vorgeschoben hat. 



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Urmund und Spina bitida. 



417 



sehen Kierii bestehen. Bei letzteren wird das Herz ja schon 
normalerweise in der Form zweier seitlich fi^ele^rener Schläuche 
in Anpassung- an den mäclitigcn Nahrunjrsdotlcr angelegt, wäh 
reiul das Her/ hei tlt n Amphibien gleich von Anlauf- an ventral- 
wärts am Ei uvni inipaar entsteht. Ebenso schnürt sich bei den 
uierohlaMtiseheu Eiern der Darm als l)esoiulorer Schlauch durch 
FaltenbiUlung v(m dem imicren Keiml)la(t al», ilas Anfangs seiner 
Hauptmasse nach zur Bildung des Dolteibueks dient, während 
bei den Amphibien Darm und Dottersack nicht von einander 
gesondert sind. 

An seinen Qnerscliiiiltsscrien durch die Fischmissbiiduugen 
stellte terner Ocllacher fest, (hiss an den Körperstrecken, die 
äusserlich einfach ei*sclieinen, am vorderen Rumiililieil und am 
Schwan/, die \ erdoppehing der medianen Organe sieh noch eine 
kleine Slreeke \veit fortsetzt und erst allmäldich dem Normal- 
zustand Platz macht. Hierbei vereinigen sich zuerst wieder die 
beiden Darmschläiicbe zur einfachen Anlage, dann die beiden 
Rückenmarkshälttt n nnd /nh't/t die beiden Chordastränge, wie 
es ja aueh liei den Froseliembryonen der Fal! ist. 

Endlich erwähne ieh. dass Oellaehcr noch einige ältere, 
aus der EihüUe ausgescidüpfte Mesodidynn beobachtet hat, die 
ihren Dottersack seit ein bis zwei Wochen schon verloren hatten. 
„Dieselben stellen äusserlich völlig einfache Individuen dar, nnd 
würde Niemand dieselben für Mcsodidymi halten, der nicht die 
cigenthümliehen Verkrümnitmgen solcher in ti'üheren Stadien 
beobachtet hat, in Stadien, in denen die innere Duplicität noch 
äusserlich deutlich erkennbar war.^ Auch dies erinnert an ent- 
sprechende Zustände von älteren, aOB^esehlUpften Froschlarven. 

Die Parallele zwischen den missgebildeten Frosch- und 
Fischembryonen lässt sich noch weiter durchführen. Vom Frosch 
habe ich einige Missbildungeu beobachtet, bei denen das vordere 
Körperende in grüsserer Ausdehnung einfach war, während die 
Spaltbildung vorzugsweise das hintere Ende und den ganzen 
8cbvran% betroffen hatte, weil die \'erschmelzuug der beiden 
Schwanzknospen unterblieben war. Entsprechende Missbildungen 
hat Oellaeher auch vom Saibling unter der Bezeichnung „Eata- 
didymus'* beschrieben. Es sind Embiyonen, von denen bemerkt 
wild, dass bei ihnen „die Sehwanzknospe und das an sie za- 
nächst angrenzende Stück des Hinterleibes bis auf das obere 

Arobiv f. mlkroak. Anat Bd. M ' 26 



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Oscar Hertwiff: 



Keimblatt, &a» swisdieii beiden eine Brflcke bildet, vollkommen 
gespalten sei.** 

Ein dritter Forseher, der sieb mit den eigentbtlmliefaen 

Spaltbildnngen des Rumpfes der Knochenfische eingeiiender be- 
schäftigt hat, ist Ranber, dessen Beobachtuugen in seinem be- 
kannten Aufsatz „Formbildung und Formstörung in der Entwick- 
lung von Wirbelthieren" niedergelegt sind. Rauber (50, r>2) hat 
eineAüZälil von ziemlich jungen Keinischeiben von der Forelle und 
vom ►Sahn besehrieben, an denen ein kleinerer, vorderer Theil der 
Embiyonalanlage nonnal entwickelt war, das sieh daran an- 
sehliensende Stück des Rumpfes aber gespalten und dureli einen 
anseliiiliehen ZwisK-ht uraum iu zwei Hälften getremit war. Linke 
und rechte Hälfte des Keimrings hatten sieh in Organanlagen 
schon dirt'erenzirt, ohne sieh in der Mittellinie einander genähert 
und zur normalen Enibryonalanlage \ eriiinHien zu haben. Zwischen 
den auseinanderstehenden Einl»r\ onalliäüten liegt indessen die 
Dottenua88e nicht frei zu i agi-. sondern ist, wie schon OellaeJier 
angegeben hat, von einem dünnen Zellliäutelien bedeckt, das 
zum änssercu Kcinddatt gehörig sich von einer zur anderen 
Hälfte herüber spannt. Aueh liier konnte Kanher iu einem 
Falie Üefecte in der Ausbildung des Keimrings auf einer Seite 
feststellen (52, Fig. 21). 

b. Die T e r a t a m e s o d i d y m a der Amphibie n. 

Ausser beim Frosch ist ein Mesodidymus bisher nur einmal 
bei Salamandra maculata beobachtet und von K la ussner (33) abge- 
bildet worden. Kopf und Sehwanz sind einfach und erheben 
neh als Höeker senkrecht Uber die iJotterkugel. Der zwischen 
ihnen gelegene, wie ein Sattel eingekrümmte Rucken des Rum))fes 
ist in zwei Hälften gespalten, deren jede im Halbbogen die seiir 
ansehnliche, von Dotter ausgefüllte Urmundspalte umfasst. (Kiaass- 
ner, Tafel VIII, Fig. 49.) 

e. Spaltbilduugen bei den drei höheren Wirbel- 

thierklassen. 
Spina bifida. 

Missbiidtingen ans so frttber Entwieklnngneeit, wie wir sie 
bei Amphibioi und bei Fisclien haben beobachten können, sind 
uns bei Reptilien, Vögeln und Sflngethieren noch nicht bekannt 



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Urmund und Spina bifida. 



419 



geworden. Ihr Studium str»sst hier üherhaui»i m jeder Beziehung 
auf grössere Schwierigkeit. Denu einmal eutzielit sieb hei ihnen 
der Tiefruchtungsprocefi?, da er im Innern des weihlichen Ge- 
schiechtsiipparats ert'ülgt, den experiiiienteilen Eiiijun itlcü. Zweitens 
ist es nicht Tn('>g"lie!K mit Leiehtigkeit grössere Mengen von Eiern 
auf das Auttreten von MisslHldüngeii , namentlich am Anfang 
der Entwnekhmg, zu durchmustern, sich die Keime theils 
im Imierii uudurehsiehti^'-er Ilüllen (Keptilien, Vögel), theils in 
der (iehärmnttcr ; Säugethicre i entwickeln. "Wir heohachten da- 
her entweder nur gele^'-eiitlich eine Missbihiung (lieini Eröffnen 
eines missgebildeten Hühnereies oder durch eine pathologische 
Frühgehurt) oder wir lernen sie erst kennen, wenn die missge- 
büdeten Geschöpfe am Ende ihrer Entwicklung stehen und ge- 
boren werden. In diesem Falle sehen wir aber mir das End» 
resultat des unter Umständen sclion uusKcrordentlieh früh ge- 
störten Entwicklüngsproöesses, die mehr oder minder pathologische 
und monströse Beschaffenheit einzelner Organe. Die Ursache 
der Stömng selbst, ihr erstes Auftreten im Entwicklungsprocess etc. 
bleibt uns unbekannt und kann luichstens durch Vergleich mit 
dem normalen Entwicklungsverlauf mit einem mehr oder minder 
hohen Cirade von Wahrscheinlichkeit ersehlossen werden. 

Hier kann das Stadium der Misshildungen niederer Wirbel- 
tbiere sehr viel zur Autklärung schwieriger Verhältnisse beitragen. 
Bei Amphibien und Fischen können wir bei geduldiger Beobach- 
tung eine Missbildnng in ihrer Entvncklung von frttben Anfangs* 
Stadien bis zu Zustanden verfolgen, wo alle Organe schon mehr 
oder minder ihre normale Lage erreicht haben und in Function 
getreten sind. So er&hren wir, wie Uissbildungen einzelner Or- 
gane beim ausgebildeten Thiere genetisch begründet sind, wie 
z. B. die Verdoppelung des Rflckenmarks und der Chorda, even- 
tnell auch des Darms und der Leber bei Fischen und Amphibien 
durch eine während längerer Zeit bestehende Urmnndspalte her- 
vorgerufen wird. Wenn wir nun sehen, dass auch l^ei den 
höheren Wirbelthieren als letzte Spuren einer gestörten Entwick- 
lung Abnormitäten rorkommoi, wie Spaltung des Rttekenmarks 
oder der Wirbelsäule oder beider Organe zugleich, so sind wir 
berechtigt, sie den entsprechenden Störungen bei niederen Wirbel- 
thieren an die Seite zu stellen. Nicht minder sind wir wohl 
berechtigt, den Grund der Störung in denselben Ursachen zu 



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490 



Os car Hertwig: 



suelieu, die sieb doch sclion früh beim Beginn des gaii/ni Knt- 
wickhiiij^sprocesses bemerkbar maclien und in einer Stcirun^ des 
GastnUationsproces.sL.s und in einer Heuiimnig; des uomialeu Ur- 
muiidscblusses bestehen. 

Die Mis^lnldun^en der drei hrdiereii Wirbeltliierklassen und 
vor allen Dingen auch dc8 Menseben, auf weh he in dieser \\ eise 
die y,vergleichende Teratologie" Licht verbreitet, sind in 
der Literatur unter dem gcmeiusamen Namen der Öpina bifida 
bekannt. 

Mit dem Stndmni der Spina bifida des ilidineliens hat sieh 
in letzter Zeit K ie h tcr föö, 56) bescbäftiirt und dieselbe in exj)eri- 
mentcller Weise dnreh Temperatursehwanlvungen währenii der lie- 
brMtnng hervorzurufen versnebt. Bei einem Experiim iir l)at 
er nntcr ö8 Eieni 3 Spinae l)itidae, eombiinrt niit Kxencephali, 
erhalten, wiihrend drei andere Versnebe ohne Erfolg- l)lieben. In 
einem Fall war der Sitz der StoriMiü- in der Mitte zwis(dien den 
beidt'u Vdrderextremitäten. Au Sehuittserien zeigte sich das 
Rtiekeninark in Breite und Möbe stark vergrossrrt, der Clentral- 
kaual stark ausgeweitet und in zwei Hälften durch eine Scheide- 
wand getreimt, die von der oberen Waiul nach abwäii« ge- 
wachsen ist und sich nut der unteren Wand verbunden hat. In 
noch extremeren Fällen begrenzen die beiden Rückenmarkshälften, 
dorsalwärts auseinander weichend, eine Kinne, welche durch eine 
feine Membran geschlossen ist. y, Diese ist gleichfalls geneigt, 
unter Fortsatzbildnng nach abwärts eolossal zu hypertnjphiren," 
Leider finde ich in den vorläufigen Mittbeilungen von Richter 
keine Anga])en über das Verhalten des Axcnskelets, insbesondere 
der Chorda dorsnlis, was fUr das Yerständniss der Bildung doch 
ausserordentlich w ieldig wäre. Dagegen erinnern die Ausweitung 
des Centraikanals, die Seheidewandbildung, die häutige Ver- 
schlussmeinbran bei weitem Auscinandersteben der Rückenmarks- 
hälfl«n an ähnliche Befunde bei missgebildeten Froschembryonen. 

Ein reichhaltiges Material f&r unsere Frage liefert die 
Spina bifida des Mensehen, welche zu am häufigste 
beobachteten Missbildungen unseres Gfesehlecbts gehört. Wer 
sich Aber die sehr vielgestaltigen, hier in Betracht kommenden 
Störungen unterrichten will, verweise ich insbesondere auf die 
Untersuchung von W. Koch (B4) und auf die ssusammenfassende, 
gründliehe Abhandlnng von Recklinghausen (54). 



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Urmtuid und Spina bifida. 



421 



Dir /;il»ln'icli(Mi. !»rknmit p'wonlrnoii F;iII(* von Spina bifida 
des Menschen ^eliöreii tasNl alle der postenibrvonalen Zeit an, so 
da»H die beim Entwiekliin*iS|)rope.s8 stattjü^efundenen Störungen 
bereits zu ihrem definitiven Abschluss gelangt sind. Uns inter- 
essiren naturgemäss die Fälle der hoehgradigsten StöruIl^^ in 
denen sieh der Bildungsproeess am wenigsten naehträglich der 
Nonn liat nähern können. 80 wird öfters in der Literatur eine 
Vollständige Zweitheilung des Kdekenmarks beschrieben, die ent- 
weder nur auf eine Stelle im Hals-, Dorsal- oder LendtMitheil be- 
schränkt oder in ganzer Länge vom Hini bis zum Filum ter- 
minale ansgeprüL-t ist (Diastematomyelie). Bei einzelnen Miss- 
bildungen stellen beide Rüekenmarksliälften parallel nebenein- 
ander verlautende und durch eine Commissur verbundene itl itte 
Streifen dar, von denen jederseits ventrale und dorsale Wurzeln 
entspringen; in anderen Befunden ist jede ROekenroarkshälfte 
wieder zn einem Rohr mit eigenem Oentralkanal ergänzt, wie 
dies ja auch bei Fisch- und Amphibienembryonen fast stets der 
Fall ist. 

Zn zwei genauer besehriebeneu Fällen bemerkt von Ree k- 
linghansen, man müsse „wohl annehmen, dass hier die em- 
bryonale Umbildung der Mednllarplatte nngewOhnlieh erfolgte, 
dass sich jede Hälfte für sich zu einem Rohr abschloss, statt mit 
dem Partner zu einem gemeinsamen Bohr zn verwachsen'^. Nach 
seiner Meinung handelt es sieh daher, worin ich ihm in jeder 
Beziehnng zustimme, nicht um eine wahre Doppelbildung, um ein 
Pins oder eine Zweifaehheit der Rttckenmarkssabstanz, sondeni 
nur um eine Zweitheilung. Denn die Summe der Masse beider 
Hälften komme nur der Masse eines ungetheilten Rückenmarks- 
stttckes von derselben Läuge gleich, von Recklinghausen 
verweist auf die von Raub er (und vor ihm schon von Lere- 
boullet) aufgestellte Theorie, dass die Heroididymi Hemmungs^ 
bildnngen sind, dadurch zu Stande gekommen, dass der Anschluss 
der rechten und der linken Reimringhälfke an dnander verzögert 
wurde, nnd erklärt, dass dieser Theorie die Befunde von Zwei- 
theilungen des Rückenmarks beim Menschen sich in der natür- 
lichsten Weise anfügen. 

Bei den Spaltbildnngen des Rückenmarks sind auch die 
Naehbarorgane bethciligt. In einzelnen Fällen schoben sich die 
weichen llirubäutc zwischen die symmetrischen, zu je einem Rohr 



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432 



Oscar Hertwig: 



iinigestalteten RUckenmarksliältteii liiiiein, und bei einer Beob- 
achtmig: von R e e k 1 i n g h a u s e n schob sieh sogar durch den 
Spalt zwischen beiden Hälften ein Yerbiudongastrang zwiseben 
vorderer und hinterer Dura mater hindurch. 

Sehr häufig: ist mit der Rttckenniarksspalte auch eine Spalt- 
bilduug der Wirbelsäule combiairt. Entweder ist nur der Wirbel- 
kanal an oiner beBtimmteu Stelle oder in seiner ganzen Länge 
nach (Uni Kücken zn ^eCtiTnet, indem die Bogcnhälften mangel- 
hait entwickelt und beim Fehlen der Dorafortsätze nicht unter 
einander verschmolzen sind (Rhachischisis posterior). £g ist dies 
der gewöhnliche^ häufigste Befund. Xicht selten aber gesellt 
sich hierzn noch eine Spaltbildung in den Wirbelkörpem (eine 
BhaehiBcbisis anterior). Dieselbe äussert sich entweder nur als 
eine den Wirbelkörper in seiner ganzen Länge durchsetzende 
Fissur, oder es stehen beide Hälllen der Wirbelkörper, die dann 
auch mehr oder minder rudimentär sein können, in der Breite 
eines Fingers auseinander. Der Defect wird durch Bindegewebe 
ansgefmit. In diesen schwereren Fällen von Wirbelspalte er- 
reicht die Anzahl der vorhandenen Wirbel kaum je die Norm. 
Dabei haben die aus ihrer natttrlichen Lage gerückten Wirbel- 
hälften eine sehr ungleichmässige Entwicklung erfahren. Die 
meisten sind unter der normalen Grösse, einige nur noch als 
kleine Knochenkeme bemerkbar; wo sieh grössere Sttteke finden, 
da sind dieselben nur aus der Verschmelzung mehrerer hervor^ 
gegangen; wie man zum Theil noch an Trennungsfurchen deut- 
lich erkennen kann (Rindfleisch 62). Leider ist fiber das Ver- 
halten der Zwtschenwirbelscheiben mit ihren Gallertkemen nichts 
bekannt. Da durch das Vorkommen doppelter Gallertkeme bei 
vorderer Wirbelspalte die Verdq)pelung der Chorda bewiesen 
wäre, möchte ich zukünftigen Beobachtern diesen wichtigen Punkt 
zu besonderer BerOeksiehtigung empfehlen. 

Den höchsten Grad einer Spaltung des Axenskelets heim 
Menschen stellt vielleicht die von Braune (8) beschriebene Missbil- 
dung aus dem Hallenser Museum dar, die gew(ihnlicli als ein 
Doppelmonstruni -nii'^^efasst wird. »Sie besteht ans einem heniiee- 
plialischen Kopi, z,vvei Wirbelsäulen, zwei Annen, einem Brust- 
bein, einem Becken mit drei an ihm befestigten hinteren Extre- 
mitäten. Schon Panuni(43) hat die Vermuthnni; ausgesproclieii 
und als wahrscheinlich bezeichnet, dass es sich in diesem 



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Urmuiid uud Spina bifida. 



423 



Falle nicht nin eine wirkliche Ddpijolmi.s.sbildung;, sonflern um 
eine Spaltbildung handele, weklic »Ion Terata niesoditl} rua von 
Oelliichcr hin/.uzui'echnen sei. Alierding« iiui>sti' dann die 
dritte überzählige Extremität durch Knospun^i- neu entstanden 
sein im AiiHchluf?« an die weit nach hinten ausgedehnte 8^t- 
bildun^" im Bereic)i der Knil)rv(*nalanlage. 

Drn Abtsd iiitt über die Spina bifida dos Menschen schliesse 
ieli mit eini^^en Sätzen, in donon v. Hocklinghansen aus seinen 
Beobaehtunp:on das Ergebuiss ziolit, dn^s die Ursachen ü\r die 
Kntstolnnii;- der Spina bifida in (Umi trUiizeiti<i-ston Sta<lion dos 
Entwieklung:spr(>ees8e8 zu suohon sein müssen. „Dio nachge- 
wiesene Häufigkeit von Verdoppelung bei Rhachisehise 
und der Mvelomeningoeele bildet eine wichtige, thatsächliehc 
8tttti(e tür die Theorie, dass diesen Arten der Wirbelspalte eine 
«olche Ajjlasie der Skeletaxe zu Grunde liegt, welche die Ver- 
einigung der beiden Hälften der Wirbel- und Medullaranla^ zmn 
einfachen Kohr verhindert hat. Wenn wir die letztere so regel- 
mässig an der Spaltung betheiligt finden, wenn wir selbst bei 
den Wirbelspalton geringster Ausdehnung, nändieh bei denjenigen, 
welche eine Rückenmaikshernie, die Mvelomeningoeele, durch- 
treten lassen, diese Pei^i.ntenz der Medullarrinne als das Maai^s- . 
gebende nachgewiesen haben, so ergibt sieh die Notbwendigkeit, 
auch die locale Missbildung des Rückenmarks von der aller- 
frflhesten Zeit der embryonalen Anlage her zu datireu und anch 
hier das Primäre in einem Wachsthumsmaugel des 
Blastod er ms zu suchen. Die Muskel- und Hautplatten, selbst 
die Anlage der Faseie erscheinen ebenfalls von Anfang an ge- 
spalten, nicht seenndär durchbrochen und durchbohrt zu sein; 
auch ihrem Keimmaterial fehlte es an Wachsthumsenergie.*' 

Ich schliesse mich dieser Ansicht von Ree klinghausen 
durchaus an, präcisire dieselbe aber jetzt genauer dahin, dass 
das, was v. Recklinghausen einen Wachsthumsmangel desBlasto- 
derms bezeichnet, in einer Hemmung besteht, welche der Ver- 
schluss des ürmunds erf&hrt, in der Weise, wie es thatsäehlich 
fltr Amphibien- uud Fischembryonen durch Beobachtung festge- 
stellt ist^). So hängt das Verstftndniss einer grossen Zahl von 



1) Auch Koux bemerkt in seiner Kingang» ciiirten Schrift (61): 
„Zugleich gewinnt mit unserer Deutung der an Fröschen beobachteten 



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I 



424 OscarHertwig: 

Missbüdnu^^eu mit Grundfragcu der Wirbclthiermorphologic zn- 
gammcn. Da diese (Irundfrageu zur Zeit noch viel umstrittene 
sind, will icii an der Hand des neu goAvonnmen Tbatsachen- 
matcrialB auf eine weitere Begprechnng derselben im zweiten 
Kapitel eingehen. 

2. Die Bt'deutiiit:; der an den Missbilduii^en vrewoniieneu 
Befunde für einige (iruudti ugen der Wirbelthiermorphologie. 

a) Die Urmundtheori e. 

Die in so ei^^^euarti^er Weise niis^gebildeten Frosehembryonen 
habe ich als Hemmnngsmissbildttngen gedeutet. Anf Grund 
dieser Deutung müRsen %vir bei den Amphibien eine Ausdehnung 
des Umninds annelinien, wie sie uns das Studium ihrer normalen 
Entwicklungsgeschiehte bis jetzt nicht licnnon gelehrt hat. Um 
es gleich auszusprecheu, was wir bisher bei den Amplübien und 
anderen Wirlielthieicn anf den t'in/.rhu'n Kutwickhmgsstadien als 
Urniund bezeichnet hal>en, ist inniier nur ein Theil desselben und 
dalicr gi'iiau gcnonjmen nicht nu und dasselbe Gebilde. Denn 
der Urmund ändert im LaiüV der Eutvviikluug bestandiir steine 
Form, Lage und Ausdehnung. Im Koi)n>ereich der Knil)ryon;d- 
anläge zuerst entstanden, tindet er sich sj>äter in der Ilalsgegend, 
noch siȊler in der Brust- und Londenregion und endlicli an der 
Seljwan/knospe. So nimmt der Ab^tnnd /,\vis( hen der Kopf- 
gegend nnd der Stelle, wo die rrninndiilViiniiii' sich zeitweilig 
betiiuk't. mit der Yermehrimg der Ursegmente gleichen Schritt 
haltend, zu. 

Die Erscheinung erklärt sich in einfacher 
Weise daraus, d a s s d e r ü r m u n d s i e it b a 1 d n a e U 
s e i n e 1- ersten .V n l a g e d n r e Ii V e r w a e h s u n g sein e r 
Ränder vom V(tr deren Ende an s c h Ii e s s t , w ä h r e n d 
er sich na e h h i n t e n v e r g r <• s s e r t und eine Zeit 
lang <> f r c n erhält. Die einzelnen E n t w i e k 1 n n g s- 
stadien eines W i r b e 1 1 h i e r k e i m s zeigen uns daher 
immer nur einen kleinen, dem jeweiligen Sta- 
dium entsprechenden Abschnitt des Urmnnds ge- 

DiastHHis mcdullari'^ die von H <• c k 1 i n ir h a n s e n ausgosprochcuo 
Autl'aKtiUug' der iiückeniuarksspallliilduugeu eiue wciture SCrüUc." 



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UriDUiid oud Spina bifida. 



425 



t\ i'ine t. W (t n e n w i r uns e i ii p V o r s t e 1 1 u u g von sc i- 
II e r (ß e b ;i m m t ii u s il e h ii n n v e r s e ii a ff e 11 , s 0 m (1 b s e w 
wir uns 1 1 e die Stellen, wo vom B o is i n u d e r E n t- 
w i e k 1 II n g ei 11 e Vers c Ii m e 1 / 11 11 1; (Um- U r m u u d r ä u d e r 
8 1 a 1 1 g e f II n d e u hat, geöffnet denke n. 

Einen solchen Befund gehen uns die Froschmisshildungen, 
bei denen die Henunung im Versehluss des Unnunds den höchst- 
möglichen Grad erreicht hat. Hier dehnt sieh der ünnund vom 
vorderen Ende der Anlage des Nervensystemf) and der Chorda 
dorsalis bis zom After, also durch die ganze spätere 
Rückengegend des Embryo in gnnzerLänge aus*). 

Zu Gunsten dieser Auffassung selieint nun aber auf den 
ersten Blick der normale Verlauf des Grastralationsproeesses bei 
den Amphibieneiern sehr wenig zu spreoheu, wenigstens nach 
der Vorstellung, welche zur Zeit wohl noch die vorherrschende 
ist. Prüfen wir daher, ob diese Vorstellnng bei tieferem Nach- 
denken nicht not h wendiger Weise einer Ergänzung und einer 
Erweiterung bedarf. 

Bekanntlich ist ttber den Gastrulationsproeess bei den Am- 
phibieneiem em lebhafter Streit zwischen Oscar Schultze (63) 
und R 0 u X (60) in den letzten Jtthi-en geführt worden. Zahlreiche, 
mit Scharfsinn angestellte Experimente wurden von beiden Seiten 
zur Begründung der entgegengesetzten Ansichten ins Feld ge- 
ftlhrt. Der Gegensatz zwischen den beiden Au%ssnngen ist so 
gross, dass Roux an diejenige Stelle der Eioberfläche die Kopf- 
anläge verlegt, an welcher Schultze den Schwanz des Embryo 
entstehen Iftsst. 

Nach Schultze bezeichnet die dorsale Lippe des Gastnda- 
mundes von ihrer ersten Entstehung an einen dicht unterhalb 
des Eiaequators gtMegenen festen Punkt der Eioberfläche, welcher 
der Schwanzseite des Embryo entspricht. Die Gastrahition findet 



1) Wie sfhon früher lun\ or^a*i(obeii wuidi', tritt uns ein der- 
artiger spaltförmiger Urinuufl, der zugleich axich noch von einem Ner- 
venring eingesehlossen ist, in der Thierreihe bei den AnthosoMi ent- 
gegen. Auch findet er sieh auf frühen Entwicklungsstadien vieler 

Wirbellosen, bei Perip;itii*;, bei Anneliden und bei Ai tluopodeu. Bei 
Peripatus nlTimit der Unmiiul die ganze I.äiip'o dcN liiickciis ein und 
ist noch zu eine r Zeit g-etiffjiei, wo schon an seincTi Iv indt i n zu beiden 
Seiten des S(mltes eine Anzahl von Uraeguieuteu eutstaudeu ist. 



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426 



Oscar Hertwig: 



nach ihm in der Weim* Htatt, dasK die uutnr Kiliält'tc oder die 
ve^'etative Hälfte der BlaetTila dmcli einen iic^vw diesen festen 
Pnnkt tj'crichteten Einstiilpun,i;svor^;au^ nn<l durch Fläehenans- 
dclinun^^ der aninialon Hälfte in das Innere des Eies aufgenom- 
men und von dem Epibhist üherwaohsrn wird. .,Demj::emSss ent- 
steht das Mednll:in-«>]ir auf der oi)ereu und mit Keeht seit alter 
Zeit als „animal"^ benannten Hemisphäre der Blastula." 

Roux dagegen lägst im schärfsten Gegensatz zuSchultze 
das Nervenrohr sieh auf der ureprttnglicll unteren Seite des Eies 
bilden. „Wir haben uns, bemerkt er, vorzustellen, «lass das Mar 
terial zur ßildaug der Medullarplatte jederseits durch seitliches 
Herabwachsen vom Aequatorrande aus auf die Unterseite des 
Eies geschoben wird, und dass diese von beiden Seit( n her ein- 
ander entgegenwaebsenden Platten unten in der Medianebene 
mit einander verschmelzen. Diese Versebmelining tind( t suecessive 
und zwar in ee])halocaudaler Richtung statt. Auf diese Weise 
erklärt sich zugleich die in der gleichen Richtung erfolgende 
Wanderang des Urmundes um etwa 170* Aber die Unterflüehe des 
Eies. Die Gastmlation des Froscheies vollzieht sieh also wesent- 
lich durch Ueberwaehsung der weissen, unteren H&Ute des Eies 
von den beiden Seitenhftlften des Aequators aus, also durch bi- 
laterale Epibolie.^ Eine Einstülpung kommt dabei bloss inso- 
weit vor, als das Kahmngsdottenuaterial der unteren Hälfte zu- 
gleich nach ohen gegen das Dach der Furchungshöhle hinwan- 
dert oder verdrängt wird bis zur vollkommenen Berflhmng des- 
selben, also bis zum Schwunde der Furchnngshöhle.*' 

Roux begründet diese Ansieht durch scharfsmuig ausge- 
ftlhrte Experimente. Wenn befrachtete Eier nach dem von 
Ff Ittger (44) zuerst angewandten Verfahren in Zwangslage gehalten 
werden mit nach abwärts gekehrtem, weissem Pol, so dass sie 
die Drehungen, welche während der Entwicklung normaler Weise 
erfolgen» nicht ausführen können, so bilden sich die Mednllar- 
wttlste, wie auch Pflttger beobachtet hatte, an der unteren 
Fläche des Eies und „sind stets so orientirt, dass der quere Ge- 
himwulst etwa der Stelle der ersten Anlage des TJrmundsanmes 
entspricht, während das hintere Ende der Mednllarwfllste neben 
der Stelle des letzten Restes des Urmnndraudes gelegen ist**. Zu 
demselben Ergebniss führten „Anstech versuche'^, welche Roux 
i)i der Weise uu.sfübrte. das8 er mit einer erwäruiteu; feinen Nadel 



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Uniiund und Spina bifida. 



427 



eine bestimmte 8tellc der F^ioberfläche verletzt«' und (hinn nach 
Abliint längerer Zeit untereuchtei in welcher Geilend des Knibryo 
die als Folge der Verletzung entstandene Narbe zu linden war. 
Wenn die Mitte der schwarzen Hemisphäre der Blastula verletzt 
wurde, lag später die Narbe nicht nach der Auflfassnng von 
O. Schnitze in der -Mitte des Medullarrohi*s, sondern auf dem 
Banehe des £mbryo. Wurde die erste Anlage der dorsiilen Ur- 
mnndslippe zeret^irt, so ergab sieh daraus „ein Bildungsdefect im 
queren Gehirnwulst". Verletzung einer schon beginnenden Ga- 
sftrnla seitlich am Aeqnator fithrte einen Defect „annähernd in 
der Mitte eines Medullarumlstes herbei^. Wenn dagegen das Ei 
bei beginnender Gastrulation an der der ünnnndsanlage gegen- 
fiberliegeuden Stelle des Aeqnators verletzt wurde, so war ein 
Defect am caudalen Kdrperende die Folge. 

Einen dritten Beweis findet Ronx in den Missbildnngen, 
die von ihm als Asyntaxia medollaris besehrieben und von mir 
in dieser Abhandlung auf ihren verschiedensten Entwicklnugs- 
Stadien genau untersneht worden sind. Bei diesen ist ja auf den 
ersten Blick zu sehen, dass die schwarze Hemisphäre der Bk- 
stula zur Bauchseite der Missbildung geworden ist, und dass die 
vegetative Hälfte, umsäumt von den Mednllarwttlsten, die nur 
wenig ttber den Aeqnator des Eies herttbergesehoben sind, der 
Rflckenfläche entspricht. 

In der Polemik, welche zwischen Roux und Oscar 
Schnitze ttber die Lage von Urmund und Nervenrohr in Bezog 
auf die Oberfläche der BlastnUi entstanden ist, moss ich mich 
auf die Seite von Ronx stellen; auch theile ich seine im Referat 
wiedergegebenen Ansichten Ober die Bildung und Umbildung des 
Urmunds beim Amphibienei,- wie der Leser aus den verschiedenen 
Erörterungen, welche ich an mehreren Stellen über die Urmund- 
frage angestellt iiabe, schon ersehen haben wird. Auf Grund 
der Roux'schen Experimente und Beweisführung wird es allein 
möglich die Befunde, welche uns <lie Frübchiiiissbildungcn ge- 
liefert hiiUen, mit dem normalen Gaslrulatiousprocess in Beziehung 
zu setzen. 

Gleichwohl linde ich in der Darstellung von Ronx ehien 
nicht unwesentlichen Punkt nielit in entsprechender Weise be- 
rticksichtigt; es sind dies die Kinstülpnngsproecssc, die mit den 
ümwachsungsproccsscn ciiihcrgchen. Öo bildet sich durcii cmo 



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428 



Oscar He rtwig: 



echte Einstülpung, die vom dorsalen ürninndrand aüf4g;eht, die 
auseliulichc Kopfdamihöiilc ans, die in weiter Ansdelniung von 
einer einfachen Schicht cylindrischer Entobhistzellen bedeckt wird. 
Selbst bei den höchsten Graden unseror Mis8bildung:en, die Boax 
in der Meinung, dass ihn<Mi eine Urdarmhöhle ganz fehle, auch 
Anciitoblastia genannt und als dannblattlos besehneben hat, ist 
eine bald mehr oder minder geräumige, znweilen in Buchten 
auslaufende Kopfdannhöhle vorhanden, die lediglich durch Ein- 
StÜlpTing entstanden ist. (Vgl. Taf. XVIT, Fig. 9 u. 16 kd.) Bei 
normal sich eutwiekelnden Eiern fällt dieser Hohlraum aber be- 
trächtlich grösser aus. Ferner linden, wenn sich der Urnmud 
nach hinten ausdehnt nnd die vegetative Hälfte der Blastula da- 
durch umwachsen wird, noch fortwährend Einstfllpungsprocesse 
statt. Einmal legt sich, wie auch Ronx hervorhebt, das Dotter- 
material bis zur vollständigen Verdrängung der Furehungshöhle 
an die entgegengesetzte Wandfläehe der urspiUnglichen Blastula 
an, zweitens aber wachsen von den ürmundrändem aus Zell- 
massen zwischen Dotter nnd äusseres Keimblatt hinein und liefern 
das mittlere Keimblatt, oder mit andern Worten: von den ür- 
mundrändem ans stfilpen sich die' Leibessäcke ein. iSo zeigt uns 
eine erschöpfende Analyse die nach der tlbliehen Darstellung so 
einfach erscheinende Gastrnlation der Amphibien als einen in 

vielen Beziehungen ansserordentlich complicirten Wachsthnms- 
process. 

Durch die neu gewonnenen Gesichtspunkte erseheinen mir 
drei Punkte in der Amphibienentwicklung, auf welche ich schon 
in meiner Monographie des mittleren Keimblattes (24) aufmerksam 
gemacht habe, in einem klareren Lichte. 

Bei Eiern von Tritonen, bei denen sich der Urmund schon 
zu einem kleinen Loch geschlossen oder in eine Längsspalte um- 
gewandelt hat, besehrieb ich, noch ehe die MedullarwOlste auf- 
treten, an der. BUckenfläehe eine vom ürmund nach vom ver- 
Uufende Furche und gab ihr den Kamen Rflckeni'inne (l e. Taf.XVI, 
Fig. 4 — 6). In ihrem Bereich besteht die Rfickenwand nur aus 
zwei Lagen cylindrischer Zellen, dem äusseren Keimblatt und 
der darunter gelegenen Chorda-Anlage, (dem Ohordaentoblast); 
beide Lagen sind fester tmter einander verbunden, als es seitlich 
davon zwischen äusserem und dem hier entwickelten mittleren 
Keimblatt der Fall ist (I.e. Taf. XVIII, I ig. 1—2;. Bei Anureu habe 



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Urinund und Spina bifida. 



429 



ich aucli eine solche Rückeiirinne, in dercni Bereich an der 
Decke der Urdannliülile die Cliorda entstellt, aber weniger deut- 
lich ausiiTprilat gefunden. In der R ü c k e ii r i ii ii e erblick e 
i c h j e t z t die X a h 1 1 i n i c , in welcher bald nach de m 
B e g i n n e der G a s t r u 1 a t i o n die U r ni u n d i- ä u d e i* sie h 
in einer von vorn nach hinten langsam fortschrei- 
tenden Richtung in der M e d i a n e b e n e z u s a m m c u - 
gelegt haben u n d v e r s c Ii ni o 1 z e u s i n d. 

Der zweite Punkt betriift die Entstehung des mittleren 
Keimblattes. Ich Hess dasselbe sicli nicht nur in der l iiiircbung 
des Urmuuds, sondt rii auch zu beiden Seiten der Chonbcuilage 
dadurch bilden, iiasj> sieh Zellmassen, welche die Ooeluiuiaschen 
darstelU'ii. zwischen die beiden primären Keimblätter einstülpen. 

Rabl (4.')) untei*schied hierauf, je nachciem der erste oder der 
zweite Bildungsmodus statttindet, einen peristoninlen und einen 
gastralen Mesoblagt. Diese Unterscheidnn^'- hat nur die Bedeu- 
tung einer topographischen Eintheilung des Mesoblasts nach den 
Verbindungen, die er auf gewissen Entwicklungsstadien mit den 
Naciibarorganen zeigt. Eine tiefere, genetische Bedeutung kommt 
ihr nicht zu. Denn da die Ohordaanlage sich an der Ver- 
schmelzungsstelle der ürminulränder bildet, so ist das zu ihrer 
Seite betindliche nuttlere Keimblatt ebenf^Us durc Ii Eintal- 
tnng an den UrmundrUndern eutstaiiden, zur Zeit als dieselbeu 
sieh noch nicht in der Xahtliine verbanden hatten. Alles, was 
auf vorgerückteren Ent wick lungBStadien nach der 
•Ausd ru eks weise von Rabl in topographischer Be- 
siehung als gastralcr Mesoblast bezeichnet wer- 
den kann, ist auf jttngeren £ut wieklangsstad i en 
ebenfalls peristomal gewesen und erst durch den 
Verschmel/.unggprocess der Urmundränder gastral 
geworden. Mit einem Wort: bei den Wirbelthieren entsteht 
das mittlere Keimblatt ttberhaapt mir durch Einfaltung ron den 
Urmttndillndem ans. 

Der dritte Punkt betrifft die Waehsthnms- und Bildmigs- 
Vorgänge an dem hinteren Ende der Amphibieuembryouen. Von 
denselben habe ich in meiner filteren Abhandlung (24) schon eine 
völlig zutreffende Schilderung gegeben. 

Dort habe ich das hintere Eörperende etwas älterer Em- 
biyouen und die Umgebung des Urmunds als eine Wachstbnnis^ 



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480 



Oflcar Hertwig: 



und Neubildungszoiu' bezeichnet und durch Verfolgun^j- Qncr- 
ßchnittssorien fest^M'stellt, wie von hier aus durch Anfügung neuer 
Theile sicli das mittlere Keimblatt, die Chorda, das Mednllarrohf,* 
die Aii/alil der Ursegmente veri^Trtssert ; so heiis.<t es Seite H7 I.e. 
von Froselieiern : ^Wonn man von hier (Schnitt durch den Ur- 
niund) die Schnittscrie kopfwärts weiter verfolgt, so sieht man 
zunächst den spal tförmigen Blastojiorus sich Sühliessen 
und d u r c Ii Vereinigung h c i d e r L i [) p c n zwischen 
Aussen- und Innenfläche des Keims eine mediane 
ungetheiltc Zellenmasse entstehen. Dann sieht man 
die letztere in eine äussere und eine innere Lage gespalten werden. 
Die äussere ist der schon zur Medollarplatte verdickte und mit 
der RUekenrinne versehene Ectoblast; die innere Lage aber ist 
der Chordaentoblast. Derselbe nimmt zwischen den zwei auch 
hier sichtbaren Entoblastfalten, welche in derselben Breite wie 
früher von einander entfernt sind, an der Begrenzung des Darms 
Theil." Derselbe Vorgang wird dann an einem etwas älteren 
Embryo in ähnlicher Weise durch Hinweis auf 4 Querschnitte 
einer Serie (Taf. XXIII, Fig. 1—4) noch eimnid erifintert (p. 89). 
Auch tttr die Tritonen wurde der Nachweis gef)lhi% dass die 
seitlichen Urmundlippen verschmelzen (pag. 43 u. 
44) und gezeigt, in welcher Weise sich aus der nun entstandenen 
Zellmasse Chorda und Mednllaiplatte differenziren (pag. 45). 

Durch logische Verarbeitung dieser Befunde, zumal im Hin- 
blick auf die von His(29) gegebene Darstellung der Teleostierent- 
Wicklung hätte man schon damals zu der Anschauung geführt 
werden kOnnen, dass die Chordaanlage auch im vordersten Be- 
reich des Embryo durch einen VerBchmekungsprocess der Ur^ 
mundlippen entstanden sei. ■ Schon die rein morphologisehen Ver^ 
hältnisse bieten, wie ich glaube gezeigt zu haben, bei richtiger 
Beurtheilung Anhaltspunkte fDr die Auffassung, welche später 
durch Pflüger, vor allen Dingen aber durch Roux auf Grund 
experimenteller Studien von dem Gastrulationsproeess der Frosch* 
eier gewonnen worden ist. 

Von der QaBtruUtion der Amphibien wQrde ich daher jetzt 
folgende Darstellung zu geben haben. 

• An der Uebergangszonc der animalen in die vegetative 
Hälfte der Keimblase oder der Randzone entsteht an einer Stelle, 
welche dem Kopfende entK|>ricid, eine kleine Einstülpung, die 



I 

i 

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Urntund und Spina bifida. 



481 



zur Kopfdariiiliöhie wird. Die Einstülpung veriiiossert sich weiter 
nach hinten, der Randzone folgend, dadurcli, daKs ZeIhnaRsen 
zwischen Dotter nnd äusseres Keimblatt hineinwaelisen und die 
seitlichen Leiboüsäeke bilden. GleiL'hzeitif^ waciiseii hieiltei die 
Uinsehla«rsränder oder die Cnnuiidlippen von ihrer ereten Anla^;e 
am Kiae(|uator au ül)er die vegetative Hälfte der Keiniblast' iier- 
über, so dass sie vorn von beiden Seiten Iut nälier aneinander 
Hleken. während sie nach hinten noeb \Miter auseinanderstellen, 
im Allp'meint'vi rlie Form eines Hufeisens (»esehreibend. Weim 
sie sich in l^'oi^e der ümwachsung in iWr Medianebene treffen, 
verschmelzen sie allmählich von vorn nach hinten. Hierdurch 
wird erstens im Anschluss an die Kopfdarmhöhle (ier ürdarm 
vergrössert. zweitens rückt der jeweilig- noch offen gebliebene 
Theil des L'nuunds mehr caudaiwärts, drittens bildet sich die 
KUckenwand des Embrvo aus, welche der Ver8chla»«atelle ent- 
Bprecheud noch die Kttekenrinne zei^t. 

Aus deiQ äusseren Keimblatt in der Umgebnng der Rttcken- 
rinne entwickelt sich die Medullarplatte, deren querer Hiiiiwulst 
ein wenig* vor die Stelle za liegen kommt, von welcher die 
Oastridaeinstfilpung ihren Ausgang genommen hat; aus der nntem 
Fläche der an der Rückenrinne verschmolzenen Urmundlippen 
entoteht die Ohordaanlage ; das an den Urmundlippen durch £in- 
" stttlpung gebildete mittlere Keimblatt (peristomaler Mesoblast) ist 
jetzt im Yenicbmelzung^gebiet gastraler Mesoblast gi^worden. 

Der OastruIationsproceBS erstreckt sich tiber einen längeren 
Zeitraom nnd schreitet von vom naeb hinten fort Oaitdalwärts 
yergrOssem rieh die seitlicben Urmundlippen^ indem sich an der 
BandKone die Coelomtaseben durch EinstfilpuDg weiter ausdehnen; 
sie scbliessen sieh endlieb an einer der ersten Einstttlpung Tis 
k vis gelegenen Stelle der ursprUnglieben Keimblase zn einem 
Bing (Entstehung der ventralen ürmnndlippe). Die vegetative 
Hemisphäre ist dann bis auf das Gebiet des freili^nden Dotter- 
pfropft ganz umwachsen. Die Urmundnaht hat eine entsprechende 
Zunahme erfahren. Der noch offene, jetzt ein rundes Iioeb dar- 
stellende Theil des Blastoporus ist vom queren Himwulst weit ab 
an das Schwänzende des Embryo gewandert. 

Dann wandelt sich durch weiteres Zusammenrttcken der 
seitlichen Urmundrftnder das runde Loch in einen längsverhiufcndcn 
Spalt um, an dem die Verschmelzung nach wie vor von vom 



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Oscar H e r t w i g : 



nacb hinten fortschreitet^ während der offen bleibende Theil sieh 

eine Zeit lang durch Waelisthum (Einschieben durch Theiluug 
neujjebildcter Zellen) ergänzt und schlieswHeh noch durch die 
Bildung von Schwunz und After Veränderungen ertUhrt, anf 
welche ich an späterer Stelle /miiekkonimen werde. 

Auf diese Weise wird die ganze KUekenflächc de« Am- 
phibienembrvo mit ihren axialen Organen vom AiifnUji; des Nerveu- 
rohr» und der ('lundu bis zu ihrem hinteren ICiide durch Ver- 
schmelzung der Unnundränder nnd durch l)it!ViiMi/iriiiigspri>ecs4>e 
in ihrer Umgebung gebildet. Nervenrohr und Chorda legen da- 
her aueh späterhin (Iber die Ausdehuuug der. Urmundspalte ge- 
wiiisennaasficu nocli Zeugniss ab. 

Uoi unserer Auftns^nng kann es jetzt nicht schwer fallen, 
den g('sl(»rtt'n Uastrulaiinnsprocess der früher beschriebenen Miss- 
bildungen auf den normalen Process zurückzuführen. Zwiselieu 
beiden besteht der llauptuntersehie<l darin, das« bei den Miss- 
bildungen sieh zwar die Einstülpung der Kopfdannhr»hle und die 
Einstülpungen der CoelomtaselhMi an der Kandzone in einem 
durch das Schema (Taf. XX, Fig. 11 j veranseliauliehten Weise 
gebildet haben, dass aber das Vorwaclh^en der ürmundränder 
und ihre Verschmelzung in der Medianebene des Rückens unter- 
blieben und daher nicht ein Zustand herbeigeführt ist, wie 
ihn das Schema Fig. 19, 20 darstellt. Zugleich aber wird mau 
auch verstehen, warnm die ursprünglichen, so sehr von der Norm 
abweichenden Missbildungen doch noch nachträglieli in den nor- 
malen Eiitwieklungsverlauf einlenken und die Störungen bis zu 
einem gewissen Grad ausgleichen ktinuen. Es brancben ja nur linke 
und rechte Etlckenhälfte noch später zusammen zu Yücken und zu 
verwachsen. 

Der kundige Leser wird bemerkt haben, dass meine Darstellung 
zu Anschauungen hinttbeiieitet, wie sie, von anderen Forsebeni »u- 
nächst abgesehen, namentlich His seit längerer Zeit an Teleostier- 
uttd Haiembryonen entwickelt und neuerdings als Gonereseenztbeorie 
verallgemeinert bat, leb ergreife daher die Gelegenheit auf 

die Conereseeiiztheorie 
ausfnbrlicber einzugehen und meine Stellung zu ibr näher zu er- 
läutern. 

Schon in seinen „Briefen Uber unsere Körperform^ bat 
H is (29) ausgesprochen, dass bei den Knochenfischen „das Material 



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Urmund und Spina biüda. 433 

zur Rinni)fanlage im Randwulst aufgespeichert sei und datlurc^li 
an seinen Ort «relange, da«» jevveilen die, dem liiuteren Ende 
des bereits abgegliederten Embryo zunächst liegenden Strecken 
an diesen sich heranschioben und ihn nach rückwärts verlänö-ern." 
„Die Anlage des Körp* rs ^ci ein platter Rin;^ (der Keiniwulst), 
dessen 2 Seitenhälften sich siiceesiv aneinander legen _ und sich 
als symmetrische KörperhäUteu vereinigen.^ Eine ülinliche Rolle 
hat Lereboullet schon vor His dem „bourrelet cni])ryogcue" 
zugewiesen und diesen Gedanken dann auch in zutreffender Weise 
zur Erklärung der Missbiidungen des Hechts beuutzt, wie ich 
schon früher (pag. 414) erwähnt habe. 

Auf dasselbe Thema ist His noch in mehreren Arbeiten zurück- 
gekonmien, so namentlich auch in seinem Aufsatz über die Entwick- 
lung der Haitischembiyonen (28). In diesen früheren Arbeiten hat 
sich His auf die Aufstellung der Wachsthumsgesetze an dem jewei- 
Ugen Untersuchnugsobjekt beschränkt und nicht versacht eine allge- 
meine Theorie von der Bedeutung des ganzen Vorgangs zu geben, 
sondern im Gegentbeil erklärt: er sei nicht im Stande ein all- 
gemeines Schema der Fiseh- oder der Wirbel^ierbildting zu 
entwerfen, nicht einmal die Bildung der Chorda oder des Mo- 
dullarrohrs lasse sich zur Zeit unter gemeinsame Formeln 
bringen. Dagegen hat His auf dem letzten Anatomencongress 
einen solchen Versneh gemaeht nnd in seinem Vortrag (31) „zur 
Frage der LängsYerwachsnng yon Wirbelthierembiyonen" eine 
Concreseenztheorie aufgestellt. 

Aufigdiiend von seiner Beobachtung, daas bei Knoehenfisehen 
nnd Selaehiem der Itumpf sich durch Lüngsverwaehsong zweier 
seitlieher Hftlften bilde, indem an den zuerst oitstandenen, vorderen 
Embiyonaltheü sich von hinten her neue anfügen, wirft His die 
Frage auf, ob auch bei anderen Wirbelthieren an irgend einer • 
SteUe euie nacbweialiche Lftngsverwachsnng von Azialgcbilden 
vorkoomie? Er glaubt eine solche im Bereich der Primitivrimie 
und des neurenterisehen Canals zu finden. Dabei schreibt er der 
Frimitivrinne eine weitere Ausdehnnng nach vom zu, indem er 
auch den Kopffortsatz aus ihr hervorgehen lässt, und bezeichnet 
sie ihrer Bedeutung nach als eine Neurochordalrinne. „Die Chorda 
sowohl als der Boden der Medullarplatte wachsen aus 2 Seiten- 
hftlften in der Mittellinie zusammen. Die Bildung und Versehliea- 
Bung der Primitivrinne geht dabei* in der ganzen RörperlAnge der 

Arolüv r. ndknwk. AnAtomi«. Bd. 9« 29 



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484 Oscar Her twig: 

Bildiiii£^ der Chorda und der azialen Abgliederang der MedulUtr- 
platte Torans.'' 

Herkwtlrdiger Weise stellt His die Beziehnng der PrimitiT- 
rimie und des neurenterisehen Canals zum Urmuiid in Abrede. 
Da der nenrenterisehe Ganal bei den ,amnioten Wirbelthieren 
fleevnd&r darehbreehe, falle er ausser Vergleich mit dem seit 
Rnseoni bekannten Blastoporus niederer Wirbelthiere oder dem 
Urmnnd im Sinne Haeckels. „Der Blastopoms'^y bemerkt His, 
„ist die allmfthlieb sieh Terkleinernde Oeffhuug, welche frei bleibt, 
wenn die rascher dnrehffirchte, obere Eeimhftlfte die langsamer 
dnrehihrehte, nntere Hälfte (bezw. der Dotter) umwächst. Der 
Blastopoms kaim nnn zugleich nenrenterisehe Oeffhnng sein. Dies 
trifft ttberaU da zu, wo die Embiyonalanhige am Eeimrand ge- 
legen ist, bei Fischen nnd bei Amphibien. Bei allen amnioten 
Wirbelthiereu dagegen sind Blastoporns und nearenteriBche Oeff- 
nung streng auseinander zu halten. Jener ist eine Umwaehsungs- 
lücke, diese dagegen ist eine Durch bruchsöflFnung, d. h. es gehört 
die iieureiiteriscbe Oet!iiung von Amnioten in dieselbe Kategorie 
von Ocüüuiii:cii. wie Mund und After, mit denen sie ja aueh die 
axiale Stellung g(;uii III h^bcn." So kommt denn Iiis am Sclilusn 
seines Aufsatzes da/.ü^ die Concrescenztlieorie von der Urmund- 
frage, die meiner Ansicht nach erst das Vcrständniss ftir sie 
liefert, ganz abzulösen und indem er an Stelle der Umnnidränder 
eine Embryo bildende Falte setzt, seine Theorie iu folgende Sätze 
zusanunenznfassen : 

„Bei allen cranioten Wirbeltliieren legt sieb zunächst das 
Kopfende des Körpers als eine Lufeisenffirmii^e Falte des Ecto- 
blasten an. Zwischen beiden Schenkeln des llut'eisens liegt die 
Priraitivrinne, dt hü Bedeutung für die Chorda und die Mark- 
plattenbildung oben ertirtert worden ist. Die embryobildende 
Falte kann vom Rand ausgehen und das Keimrandgebiet in <1er 
i^'olge tbeilweise oder ganz in ihren Bereich ziehen, oder sie kann 
vom Keinn-and entfernt auftreten. Erstcrcs ist der Fall bei den 
Fischen und Amphibien, letzteres bei den amnioten Wirbelthiereu. 
In dem einen wie in dem anderen Fall wirken verschiedene 
Kräfte in schräger mcdiocaudaler Kiehtung auf die primäre 
Faltenanlage, der Embryo wird al)solut schmäler und zugleich 
unter Hinzunahme von mehr seitwärts gelegenen Theilen länger. 
Bei niederen und bei höheren Wirbelthieren findet eine Yerlüthnng 



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Urmuud imd Spina bifida. 



436 



(1er Axialg^ebilde aus 2 Seiteiihältteii statt, und so ergibt sieh 
damit die Länpiverwaclmunj^ in der Mittelebcnc als ein durch- 
^irifciider Voi^iau;:" tlir sümmtlicdie Wirhclthiere. Unter den 
Wirbclioscu tiiKlrt dor VorjErang seine Parallele in der Keim- 
Strcit'enverwacli.suii^ von Würmern und von Arthropoden." 

Die Concrescenztheorie von His hat sehon in tVülieren 
Jahren, aber auch neuerdings aut dem Anatoniencongress nianühe 
Angriffe erfahren. In frHhereii Jahren haben sieh iiaiiieiitlich 
F)allV»ur (1 bj inid Rabl selir ent^äcliiodeii ^e^i^eii sie auso-esproelien. 
Balfuur rrkliirt sie für »"in»' j)ara(i(»x(' Ansieht. Ausser anderen 
Gründen tiilirt er als Hauptur^^mneut ^eg^en sie an, dass der 
Naln'un^''sd< Itter bei den Wirbelthieren an der Ventralseite des 
Körpers liege und vom HIastoderin iniiliüllt werde, so dass bei 
allen Wirbelthieren mit g-rossem Dutter die ventrale Leibeswand 
offenbar durch den Verschluss der Blastoporuslippen auf der 
Bauchseite vervollständig^ werde. „Wenn nun His und Rauber 
Recht haben", fährt Balfour fort, „so bilden sich auch die 
Dorealwandun^en durch den Verschluss des Blastoporus völlig 
aus, BO dass dann die ganze dorsale sowie die g^an/e ventrale 
Leibeawand des Embryo durch die Verwachsung der Blastoporus- 
lippen gebildet werden mUsste, was offenbar eine rcductio ad 
absurdum der ganzen Theorie ist." Balfour kommt daher zum 
Sehluss: „Je eingehender man die Theorie im Lichte der ver- 
gleichenden Eni1)ryoh»gie prüft, desto uidialtbarer erweist sie sich." 

Nicht minder ablehnend hat »ich Ka hl (45) gegen die Tlicorie 
von His verhalten. Aber auch seine thatgächiieiien Beobaeh- 
tnngeu an Knochen- und Haifisehembryonen wurden beanstandet, 
BO vonKastachenko (;>2)aaf Grund von Ergebnissen, zn denen ihn 
operative Eingi-iife, Verletzung der Randwttlste lebender HdfiBch- 
embryonen, geführt hatten. KastBohenko ist ttberzeugt, ^daSB 
das Material für die Bildung der Axentheile des Embiyonalleibes 
von Anfang an nicht in den RandwfllBten, sondern am hinteren 
Ende der Eeimscheibe, d. h. dort wo in der That die Formimng 
des Embryos vor sich geht, gelegen ist''. Diese Sehlnssfolge- 
ningen kann indessen R fl ck e r t (62b) nicht theilen. Er trennte eben- 
falls durch operative Eingriffe an Pristinrnsembryonen den Rand- 
wnlst einer Seite ab, liesB aber die operirten Embryonen sieb bis 
zn einem filteren Stadium als es Kastschenko gethan hat, 
entwickeln; er hat dann in der That eine geringere Ausbildung 



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I 



486 Oscar Hcrtwi^r: 

resp. einen Defeet auf der operirteu »Seite (bei Oberflftchenl>ctrach- 
tung) gesehen. 

Im Gegensatz zu H a 1 f o u r , R a b I , K a s t s c h e n k o ii. A. 
haben mehrere Forseher der Concreseeii/.tlieorie von H is auch zu^ii^e- 
stimint^ besonders Kaub er, Koux und 8 e d w i c k -M i n o t. 

R a u b e r (46 5c>) erklärt in sehr ansprechender Weise die 
Doppelmoustra von Knochenfischen aus der Art, wie sich die 
KeimwUlste zusainiueulegen. Besonders alier kommt ihm das Ver- 
dieiisi /.u, dass er den ganzen Troccss scliou als Urmuudschluss 
zu deuten versucht hat. 

R oux fßO) findet die Angaben von His über die BihUmg eiues 
Knocheutiscliejübryo in UebereinstiiiHiinnp: mit den Folg-eruiiiren, die 
sich auö seinen Versuchen am Fn»sehei ergeben haben. Seine schun 
mehrfach erwähnten Experimente lietrachte ich als sehr wichtige 
und vieles klarlegende Beiträge zur L rnmnd- und ( ■oncrescenztheorie. 

In letzter Zeit endlieh hat sich ( liarles Sedgwick 
Mi not (41) entschieden auf die Seite von His gestellt in einem sehr 
beaehtuugswerthen Artikel: „The concrescence theoiy of the verte- 
brate embryo." Minut sucht für alle Klassen der Wirbelthiere 
die Entstehung der Achscngebilde durch Verwachsung nachzu- 
weisen, wobei er im Priniitivstreifen die Vervvaclisungsnaht gleich 
His erblickt. „The vertebrate primitive streak is fonne(i by 
the growing together in the axial line of the future embryo of 
the two halves of the ectentai line." Dabei entwickelt Minot 
Aber die Bedeutung des ganzen Vorgangs eine an Rauher sich 
anlehnende Auffassung. Nach ihm sind di(^ Verwaehsnngsränder 
die Urmundlippen. Die Gaatrala der Wirbelthiere hat einen sehr 
in die Länge gezogenen Urmand, der sieh während der £nt- 
wickltnig von Tom naeh hinten schliesst Der jeweilig offen 
bleibende, hüiterste Theil desselben ist der Blastopoms. „Oon- 
ereseence is, then, a inodified method of nniting the Ups of a 
greatly elongated gaatrula month.'^ 

Bei einem Rflckblick auf die Gesehichte der Conereseenz* 
theorie sehen wir die in der Biologie nicht seltene Erscheinung» 
dass ganz hervorragende Forscher zu diametral entgegengesetzten 
Urtheilen Aber ihren Werth gelangt sind. Einige erklären sie 
von vornherein fftr paradox, während andere sie als eine sehr 
bedeutungsvolle Lehre begrflssen. 

Ich selbst habe mich bisher aber dieselbe bei kemer Ge- 



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Urmund und Spina bifida. 487 

l^nheit aiugesproclien^ habe aber Beobaehfniigen (24) mitgetheilt, 
dass bei Amphibien der vorderste Theil des Urmnnds auf ver- 
schiedeDen Eotwicklungsstadien in Verwachsung angetroiTen wird 
und daas ans dieser Verwachsungsstelle etwas weiter nach vom 
sich Chorda, Mednllarplatte und mittleres Keimblatt difTerenziren, 
dass der WirbelthierkOrper durch Ansatz von Theilen, die sich 
an seinem hinteren Ende nengebildet haben, in die Länge wächst 
und dass Urmund und Primitivrinne sich in demselben Maasse 
vom Kopfende immer weiter entfernen. Aueh habe ich in meinem 
Lehrbuch die Beobachtuu^-Lii Dnvals (13), wie sich die Sichelrinnc 
in die Primitivrinne umbildet uud diese von vom nach hinten 
verwächst, zustimmend anf^enonimen. Die volle Tragweite dieser 
Thatsaehen nach den veisfcliiedensten Richtungen hahe ieli aber 
bisher nicht s'ewürdigt. Wenn ich daher jetzt /um ersten Mal 
über die Cüuerescenztbeorie mich ausspreche, so muss ich zuerst 
hervorheben, dass ich im Gegensatz zu vielen andern Forschem 
in der Beobachtung von His, dass sieb bei Fischembiyfmen die 
Keimwülste allmählich von vorn nach Iiiuten zur J'ormirnnir der 
Axenorgane znsaramenlefrcn, eine sehr wichtiire KnhicckunjL;' er- 
blicke. Des^'-leieheii stimme ich seiner bedeutuni.'-svollen Yerall- 
gemeineruug zu, dass im Bereiche der Primitivriiine derselbe 
Process sich vollziehe und dass der Kopffortsatz au« dem vor- 
dersten Tbetl der Primitivriune entstamlen sei. Für verieblt 
halte ich daget]::(ni die Angaben über den ürmniid und was da- 
mit zusammenhängt: und wenn His versucht, die ( 'oncrescenz- 
theorie von der Urmundtheorie getrennt /.u bebandeln, so muss 
ich hierzu l)emerken, dass die erstere nur in Verbindung mit der 
letzteren Uberhaupt verständlich wird. Gerade in dem Umstand, 
dass His das Verhältniss des ürmunds zu seiner Theorie „der 
-Bildung des Wirbelthierkörpers durch Verwachsung^'' nicht klar 
zu legen vermocht hat, ist mit ein Grand zu suchen, dass 
Forseher wie Balfour und Rabl sich so abiebnend gegen 
seine Darlegung verhalten haben. So stehe ich denn im Allge- 
meinen auf dem von Rauber und 8. Minot vertretenen Standpunkt. 

Nach diesem historischen Exciirs will ich des Näheren aus- 
führen, in wie fern die Urmundtheorie und die Concrescenztheorie 
zusammengehören und wie die letztere nur auf der Grundlage der 
ersteren verständlich wird. Einige Schwierigkeiten, die dem 
Gegenstand noch im Wege stehen, werden hierbei zu he- 



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488 



Oscar H6xvtvi|f : 



seitigen sein; die Urmimdtlieorie selbst aber wird» wie ich hoffe, 
bei diesem Versuche an Klarheit gewinneii. 

Da bei einer allgonein-morphologischen Frage, welehe den 
ganzen Gnindplan des Wirbelthierkörpers betrifft, eine systema- 
tische Unterauehnng vom Einfachen zum Oomplicirten fortzn- 
schreiten hat, wird zuerst zn prüfen sein, wie verhält sieh der 
Gaatrulationsproeess beim Ainphioxus zur Lehre von der Ver- 
waohsnng des ürmnnds längs einer Linie, welche später noch 
durch die Lage rem Chorda und Nervenrohr annähernd bezeich- 
net wird? 

Die Antwort hierauf gibt uns die Anjphioxusmonographie 
von H a t s c* Ii c k (20), dessen vorzügliche Beobachtungsgabe für 
die Ricliti^jkeit seiner Angaben Gewähr bietet. 

Die Gastriila de« Arnpliioxus lässt sich zuerst in ihrer Form 
einer flachen, ovalen Schüssel oder einer Mütze vergleichen, an 
der sich das spätere liintere Ende gut dadiuch unterscheiden 
lässt, da?is die Ectodenn/.ellen grösser sind und unter ihnen be- 
sonders zwei durch iiire ( i rosse sich auszeichnen. Später wandelt 
sich die weite Mündung in ein kleines Loch um, das um Hinter- 
ende des Embryo gelegen an der Rückenfläche ausmündet. 
Hatschek hat die Frage, in welcher Weise die Verengerung 
des Urmunds zu Stande kommt, sorgfältig geprüft nnd ist durch 
Vergleichung der einzelnen Zwisehenformen zu dein Schluss ge- 
konmien, dass dies durch Verwaclisun^- seiner Känder geschieht, 
welche vom vorderen Theil ausgeht, während der hintere stets 
unverändert bleibt. „Die e r w a c h s u n g erfolgt in eine r 
Linie, welche <l e n g r ö s s e r e n T h e i 1 d e r s p ä t e r e n 
Btlekenlinie bildet." „Der Gastrulamund ,:;ehört 
gans der späteren Rückenseite an.^' Die Gastrula- 
schliessnng längs der Mittellinie wird dem ähnliehen Process bei 
Anneliden verglichen. 

Wenn diese Darstellung von Hatschek richtig ist, was 
ich sielier glaube, wflrde beim ausgewachsenen Thier das vordere 
Ende dea ürmnndes, wenn wir ihn uns wieder seiner ganzen 
Länge nach geöffnet denken, am Anfang des Nervenrohrs, wie 
bei den Amphibien zu suchen sein. Die Chordaanlage wflrde 
sich unterhalb der Verschlussstelle, die Mednllarplatte oberhalb 
derselben, das mittlere Keimbhitt zm Seite der Chordaanlage 
durch Ausstülpung bilden, sodass auch in diesen Beziehungen 



Urmiind uncl Spina bifida. 



489 



eme yollständige UebereinBtimmtnig mit den bdm Frosch er- 
haltenen Ergebnissen hergestellt wäre. 

AmphioxBS und die Amphibien, deren Uebereinstimmnng hier- 
mit nachgewiesen ist, bieten uns nnn eine sichere Grundlage dar, 
nm an ihnen das Ortliehe und zeitliche Yerhültniss in der Entwick- 
lung der wichtigsten Organe in Bezng zum Urmnndyerschlnss 
zn erOrtem. Bei beiden wird der Urmnnd in seinem vorderen 
Theil in grosser Aosdehnnu^^ geschlossen, längere Zeit bevor sieh 
die Chorda in der bekannten Weise ans dem Ohordaentoblast 
zn differenziren beginnt. Wir sind daher wohl nicht berechtigt, 
in diesen Vorgängen einen ursächlichen ZuBammenhang zu er- 
blicken in der Weise, dass wir sagen, die Chorda wird direct 
durch die Verwachsung der Urmundränfkr gebildet. Vielmehr 
liegt das Vi ihalmiKS so, dass durch diesen Froccss nur der 
Körperbeziik geschaffen wird, die Decke des L'rdaruis, in «leren 
Bereich die Chorda dorsalis aus Ursachen, die uns noch unbe- 
kannt sind, spater ihren Ursprung niiinnt. Insofern ist die Chorda 
nicht kurzweg als die axiale Längsnaht des Körpers /u i)ezeichnen, 
sondern sie deutet uns mir durch ilirc Lage den Ort an, in deren 
Bereich die f^rniundörtnung cininal bestanden hat. 

Ebenso verfehlt wäre es, aus dem Yorkoininen einer dopjielten 
Chorda bei ausbleibendem Urmundverschlnss zu folgern, das» die 
eintaehe Chorda historisch aus Verwachsung ein( r v erdoppelten 
Chorda entstanden sei. Denn die Verdoppelung der Ciiorda be- 
ruht ja in diesen Fällen allein darauf, dass das Anlagematerial 
durch das Versagen eines nonnalen Entwicklungsvorgangs ab- 
normer Weise getrennt erhalten ist zu einer Zeit, in welcher die 
Differenzimng der Anlage eintreten mtisste; sie ist aber nur be- 
gründet in der Störung des zeitlichen Verlaufes von einander 
abhängiger Kntwicklungsprocesse nnd daher nicht der Ausdruck 
eines historischen Verhältnisses. Es liegt somit ein ähnlicher 
Fall vor, wie die doppelte Anlage des Herzens bei den Wirbelr 
thieren mit meroblastischen Eieni, deren Bedentung ich in meinem 
Lehrbuch der £ntwicklung9geschichte (25) ausfllhrlicher ausein- 
ander gesetzt habe. 

Anders verhält es sieh mit dem centralen Nervensystem 
Hier lässt sich eine Reihe von Gründen dafilr geltend machen, 
dass das Nervensystem in primitiver Form als Nervenrmg um 
den Urmnnd schon vor der Zeit seines Verschlusses angdegt ge- 



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440 



Oscar Hertwi ff ; 



wesen ist^ wie die Anthozocn lehren. Das Auftreten dee Nerven- 
gyBtems geht also historisch dem UrDiiindvergchluss voraus, und 
wir können in der That Ba^en, dasR linke und rechte Hälfte des 
Nervenrings dnreh eine Naht, welche die vordere Cominissur 
liefert, verbunden werden. Beide Oommisanren des Gen- 
tralnervensystems sind Nähte, die vordere ent- 
standen dnrch den ürmnndversehluss, die hintere 
durch die Umbildung der Medullarplaite zum 
Mednllarrohr. 

Ein letzter Punkt, der jetzt noch einer kurzen Erörterung 
bedarf, betrifft das YerhültniBS, in welehem der Urmund beim 
Amphioxns und bei den Amphibien zu dem Längenwaehstbum 
ihres Körpers steht. Wie erfolgt dasselbe weiter zur Zeit, wo 
sieh der Urmund bis auf eine kleüke Stelle am hinteren Ende " 
gesehlossen hat? Wohl alle Forscher stimmen darin Qberem, 
daes sieh am hintern Körperende eme NeuhÜdungs- oder Keim- 
zone vorfindet, durch deren V^mittelung sieh der Körper in ähn- 
liche Weise wie bei vielen Wirbellosen verlängert und welche 
sich in ihrer Wirksamkeit wohl dem Vegetationskegel am Ende 
von Pflanzensprossen vci^^leichen Hesse. In welcher Weise dies 
aber ^^cschieht, darüber haben sich die einzelnen Forecher meist 
nicht ausgesprochen und gewöhnlieh nicht einmal die Frage auf- 
geworfen. 

B al f 0 u r Hb) erblickt im Län^renwachsthnni einen Inlussus- 
ceptionsvorgan^, wahrend Iiis von einer Appositidii redet. Bal- 
four läset die volle Zahl der „MesoblahtMunitin tladiuch erreicht 
werden, dass wie bei den Chaetf ihmIcu fortwährend neue 8«)initen 
zwischen dan zuletzt gebildete buniil und das hintere K(»r])erende 
eingeschol)cn werden". Er verwendet dies als Argument ^^c^^en 
die Hi s'sche Venvachsungslebre, „da es im höchsten Grade über- 
raschen mflsse, weini ein kleiner mittlerer Ktirperabschnitt auf 
ganz andere Weise wachsen solle, als der Endabschnitt. Denn 
nachdem das Nervenruhr einmal ^geschlossen sei und sich hinten 
durch den neurenterischen Oanal ins Darmrohr fortsetze, sei es 
offenbar unmöglich geworden, dass irgend eine weitere Längen- 
Zunahme durch Verwachsung stattfinde." 

Ich denke hierüber anders auf Gnmd meiner Amphibien- 
untersuchungen'^und der Amphioxnsarbeit von Hatsehek. Ich 
habe schon frtther die Befunde gcBchiidert, die man anf älteren 



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Urmmid und Spina Uflda. 



441 



EntwickluiigBstadieii an QnereebnittBserien daroh das hintere 
Körpeteade fhidet, grl^icbTiel ob die £mbiy<men 10, 11 oder 12 
oder mebr Uraegmente gebildet baben. Immer findet man, wenn 
man die Sebnittserien von hinten nach vom yerfolgt, erst den 
offenen Urmundspalt, dann die Ränder dicht znsammen^Iegt, 
dann zn einem Zellstrang yersebmolssen, hierauf eine Sondemng 
desselben in Ohorda und Mednlburplatte, während seitwärts davon 
ein neues Ursegment sich von den umgebenden Tbeilen absebntirt. 
leb kann hierin nur eine Reihe sich an^nander anschliessender 
und auseinander hervorgehender Entwicklungsxustände erUieken. 
Wenn nun aber bei der Entstehung des 10. Ursegraents ein Stttck 
Urmund sich schliesst und ebenso bei der Entstehunjs: des 11., 
12. und 80 weiter, der offen bleibende Urmund aber hinter deni 
jeweilig letzten Segment immer noch als nahezu gleich grosser 
Rest vorgefunden wird, so werden mir nothgedrnngen zn der An- 
nahme geführt, dass sich der hintere Theil des Urfiiumis (lurcb 
Wachsthum in demselben Maasse ergänzen muss, als er nach vorn 
durch den V erschluss verliert. Ich lasse also das Längen- 
wach s t h u m nicht, w i e e s B a 1 f o u r t h u t , vor d c r j e - 
wellig offen bleibenden Strecke des U r ni u n fl s 
stattfinden, sondern an dieser .seilest. Vordem 
Urmund erfolgt nur die I) i f f e r e n / i r u n g der Zellen- 
masseii , die s c Ii o n weiter Ii inten durch Zell- 
t h e i I u n g e 11 (mi t s t ii ii d e n sin d. Heim Aniphioxus wird die 
Zuwacliszonc durch die Lage der grossen Zellen bezeichnet, welche 
Ilatscheek bei Larven der verschiedensten Grösse angetroffen 
bat; bei Amphibien durch kleinzelliges Keimgewebe. 

Dass die Entfernung zwischen offenem Urmundrest und 
Vorderhirn mit der B^dung jedes neuen Segmentes grosser wird, 
erklärt sich niclit aus dem Bestand einer Keimzone vordem 
Urmnndy die zwischen ibn nnd das letzte Segment neue Segmente 
einschiebt, sondern daraus, dass sich der Urmund activ darcb 
Waohsthum nach hinten ausdehnt. Was wir auf den ein- 
zelnen Stadien als Urmund bezeichnen, ist niebt 
ein nnd dasselbe unverändert gebliebene Organ, 
es sind nur verschiedene Strecken eines sich 
durch Wachstbum am hinteren Ende in demselben 
Maasse ergänzenden nnd ernenernden Organes, 
als es nach vorn durch Verwachsung ünd Organ- 



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442 



Oscar Her twig: 



differenzirnng anfgebrsnoht wird. Damit fallen die 
Ton Balfonr geltend gemachten Bedenken gegen dieVerwach- 
snngstheorie in sieh isiiBammen. 

Anf größsere Schwierigkeiten als beim Amphioxns nnd den 
Amphibien stOsst die Dnrehftihrnng der Urmnndtheorie und der 
Ooncrescenztheorie in vielen Beziehungen bei den meroblaatiBchen 
Eiern. Da bei diesen in Folge des Dotterreiehthnms nnd der 
damit zusammenhängenden partiellen Fnrehnng manche Yerbttlt- 
nisse wesentlich abgeändert sind, mttssen wir wob vor allen Dingen 
über die eine Gardinalfrage vollständig klar werden , welehe 
Einriehtmigen der meroblastischen Eier dem ürmund des Am- 
phioxns und der Amphibien gleichwerthig sind. Es erscheint 
mir dies doppelt nothwendig zu sein, Angesichts der Unsicher- 
heit, welchf His in diese von mir sebou in meinem Lehrbiicli 
erörterte Frage von Neuem hineingetragen hat. Zur Entschjeidung 
dieser Frage muss man genau wissen, auf welchen Merkmalen 
und Eigenschaften das Wesen des Urmunds bei den Wirbelthieren 
beniht. Auipliioxus und die Amphibien haben uns nun hierüber 
Folgendes ge 1 e 1 1 rt : 

1) Der Uruiund ist die Aupiniinduiig eines Ilohh-aums, der 
sieh durch Einstülpung aus der Keinildase anlegt und weiterhin 
Darm und Leibeshöhle ans Hieb liervorgeiien lässt. 

2) An der Umrandung des Urmunds (Urmnndrand oder 
Lippe I gellt die oherHächliehe in die innere, die (TesaniTntli'ilile 
auskleidende E)>ithelsehieht oder das äussere in das innere resj). 
mittlere Keimblatt durch Umschlag eontinnirlieh über. Nur im 
vordersten Hereich des Kopfes, wo der Einfaltungsprocess be- 
gonnen hat, kommt es nicht xur Anlage eines mittleren Keim- 
blattes, so dass sich hier allein äusseres und inneres Blatt längere 
Zeit unmittelbar berühren. 

3) Wenn sich die Leibessäcke durch Einialtung (hier später, 
dort früher) während des Gastrulationsprocesses entwickelt haben, 
dami schlägt - sich am Urmnndrand das äussere Blatt in das pa* 
rietale Mittelbkitt um. 

4) In der Umgebung des Urmundrandes legen sich Gehirn 
und Itttekenmark in der Form eines Nervenrings an, der nur am 
hintersten Ende, wo der After ans emem Theil des ürmunds 
entsteht, eine Unterbrechung besitzt. 

5) Die Urmundränder sehliessen sich von vom nach hinten 



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[Tmund und Spina bifida. 



448 



in einer Längsnaht und vergrOsaeni sich gleichzeitig dnrcb etnea 
vom hinteren Ende her erfolgenden Znwaehs. Der Abstand des 
oflTen bleibenden Urmbndrestes vom Koptende wird ' daher all- 
mfthlich grösser. 

6) Ans dem hintersten Theil des ünnnnds geht der After 
berror. Unmittelbar vor ihm entwickelt sich die Sehwanzknospe 
(siehe Seite 452). 

7) Wenn sich ein vorderer Theil des (Jrtnunds geschlossen 
hat, der hintere Theil noch g^eöffnet ist, kann man in topogra- 
phischer Hinsicht einen ^^astralen und einen peristomalen Ab- 
schnitt des mittleren Keimblatts unterscheiden. 

8) An der Decke des Urdamis ditferen'/irt sich längs der 
Verschlussnaht der Urraundränder die Chorda dorsalis ans der 
Chordaanlage und seliiebt sich so trennend zwisclieii Imke und 
rechte Hälfte do^i 4^a>itralen mittleren Keimblatts liinein, während 
der peristomale Abschnitt durch den ürmundspalt in 2 Hüllten 
getrennt kt. 

9) Die mittleren Keimblätter oder du ( nt^lomsäekc werden 
daher in ganzer Ausdehnung paarig angelegt, mit Ausnahme 
eines Bezirkfi an der hinteren oder ven<r;ilen ünnundlippe, wo 
die Einfaltuiig eine unpaare Anlage hervoiTuft und zur Verbin- 
dung der paarigen Abschnitte dient. 

10> Die Urmundränder lassen sich nach ihrer Beziehung 
zum mittleren Keiml(l;itt in 4Besurke zerlegen, in einen vorderen 
Abschnitt, an welclieiii sieh kein mittleres Keimblatt bildet^ in 
die seitlichen Abschnitte, wo es paarig in der Form zweier 
Taschen angelegt wird, und in einen hinteren, nnpaaren Abschnitt. 

Wie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, zeigt der Ur- 
nmnd bei dem Amphioxus nnd den Amphibien eine ganze Summe 
wichtiger Merkmale. Nur soweit wir entspreehende Merkmale 
bei den merohlastischen Eiern naehweisen können, dürfen wir 
die so gekennzeichnete Stelle als Urmund definiren. Ich moss 
mich daher entschieden gegen eine noch immer weit verbreitete 
Ansicht anssprechen, nach welcher der ganze Band der Keim- 
soheihe hei meroblastischen Eiern als Unnnndrand bezeichnet 
wird. Nichts ist verkehrter als eine solche Vergleichimg. Zum 
Urmnnd wird der Rand der Keimscheibe nnr, soweit an ihm 
eine EmstQlpnng entsteht und dadurch eine Urmnndlippe gebildet 
wird, an welcher die äussere in die innere Epithelschieht ttber- 



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444 Oscar Hertwig:^ 

gebt. Das ist aber beim Beginn der Gastralatioxi nur an einein 
sebr kleinen Bezirk, vor weleben dann später der quere Hini- 
wnlst 2n liegen konunt, der Fall. Der weitaus grdsam Theil 
des Keimscbeibenrandes dangen zeigt nacb wie vor Merkmale, 
wie sie dem ganzen Rand vor Beginn der GastraUtion zukamen. 
Die Zellen vermehren sieb, wobei Meroeyten einen tTebergang 
zwiseben dem nngefnrebten Dotter und dem Zellenmaterial ver- 
mitteln, nnd auf diese Weise erhält ein immer grosser werdender 
Abschnitt der Dotterkngel einen zelligen Ueberzng, 

Um den principiellen Unterschied in der Bedentnng der 
zwei Randbezirke znm Ansdraek zn bringen, habe ich für sie in 
der 2. Auflage meines Lefarbncbs (25) zum ersten Male die Namen 
Urmundrand und Umwaehsnngsrand eingeführt. Bald 
darauf hat sich auch RabI (45) meinem Standpunkt angeschlossen. 
Wenn wir ein am Beginn der Grastmlation. stehendes, meroblasti- 
sches -Ei mit einem auf demselben Stadium befindlichen Frosche! 
vergleiclien, so würde der UrawachRungsrand etwa der Randzonc 
des letzteren entsprechen, an welcher die animaleu in die vege- 
tativen Zellen übergehen. Denken wir uns die letzteren durch 
Dottermasse ersetzt und diese an Volum beträchtlich vermehrt, 
SU haben wir rn einfachster Weise eine Amphibiengastrula in 
eine Fischgastrnla etc. unigewandelt. 

Iiu weiteren Verlauf der Entwicklung zeigen ünuaudrand 
und Umwachsungsrand in ihrem VerhHltniss zn einander und zur 
Bildung des Embryo einige Verschiedenheiten, je nachdem wir 
das Ei eines 'J'eleostiers, eines Selnchiers oder eines Reptils und 
Vogels vor uns haben. Zur beiiueinrren Erklärung dciscllten 
habe ich drei Reihen von schemntisclien Zeichnungen entworlcn, 
Schemata ftlr den Ga8trulati(ins]>roeess eines Telenstiers, eines 
Selachiers und eines Anmieten. In denselben habe ich den Ur- 
mundrand auf seinen verschiedenen Formzuständen durch eine 
dunkelscliwarze Linie, den ümwachsungsrand dagegen als eine 
punktirte Linie kenntlich gemacht i Tafel XX, Fig. 1 — 4. 7 — 10). 

Was zunächst die Tcleostierentwicklung (Fig. 1 — 4) betrifi't, 
so stellt Fig. 1 schon ein etwas weiter vorgerücktes Stadium 
dar. Die TJnniindliiipe, die am Beginn der Einstülpung mit dem 
Rand der Keimscbeibe zusantmenfiel und die Form einer Sichel 
besasSy hat jetzt eine nach der Scheibenmitte gerichtete Aus- 
bnchtung erhalten. Dieselbe ist dadurch entstanden, dass linke 



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Urmund und Spina bifida. 



445 



und rechte Hälfte der zuerst gebildeten Umnndlippe naeh dem 

von His zuerst entdeckten Modus eiiumder entgegeuwachsen 
und sich in der Richtung: eines naeh der Mitte des Blastoderms 
gezogenen K.idius, welcher die Längsaxc des zukünftigen Eni- 
biyo bezeichnet, zusammenlegen in demselben Maasse, als dije 
gan/c Seheibc sich in der Fläche über die Dotterkugel weiter 
ausbreitet. Der Thcil, der dureli Zusammenlegung und von vorn 
nach hinten fortsclireitende Verwachsung des Urniundrandes ge- 
bildet wird, ist die Kopt'anlage des Embryo, welche wie ein 
Höcker ^wie ein Vorstoss nach vorn" (Raub er) dem Keuu- 
scbeibenrand aufsitzt. 

Drei Pn»eefse greifen dann beim Fortgang der Entwicklung 
längere Zeit in einander. Erstens wird eni immer grösserer 
Theil der Dottorkngcl von den Keimblättern umwachsen. Die 
Uniwachsung gescdiieht dabei an der Stelle, wo der Embryo 
sich bildet, viel langsamer als In dem übrigen Umfang der 
Scheibe, was durch einen Vergleich der Figuren 1 — S sofort 
klar wird. Denn während in Fig. 2 z. B. der Umwachsungsrand 
y<m der Zahl 1 zu uw^ fortgerückt ist, beträgt die Zunahme 
im embryobildend^ Bezirk nur etwa den dritten oder vier- 
ten Theil davon. Ea kann dies kanm Wunder nehmen, da 
bei der Embryobildung ganz andersartige nnd eomplicirterc Zell- 
verBchiebnngen, Einfaltungsproccsse u. s. w. als bei der einfachen 
Umwaebsnng stattfinden. Daher darf auch nicht auf ein grösseres 
Maass yonZellbildmig am rascher fortschreitenden Umwachsungs- 
rand geseUossen werden, denn eher wird das Gegentheil der 
Fall sein. 

Zweitens wächst durch Zusammenlegung des TJrmnndrandes 
der embryonale Körper in die liftnge, indem sich an den zuerst 
entstandenen Kopftheil die Halsregion, die Brastregion etc. sue^ 
cessive ansefaliesst. Die Darstellung dieses wichtigen Vorgangs 
wird Terstftndlicher werden, wenn man an der Ürmundüppe von 
dem Augenblicke an, wo sich die Kopfregion angelegt hat, zwei 
verschiedene Abschnitte unterscheidet, den Abschnitt ur^ und nr*. 
Mit ur^ bezeichne ich den Theil des Urmundes, der sich durch 
mediane Vereinigung seiner Bänder in der Urmnndnaht geschlossen 
hat, mit ur* dagegen den Theil der Urmundlippe, der am hin- 
teren Ende der Embryonalanlage rechtwinklig umbiegt und mit 
dem Rand der Keimscheibe zuaammenfilllt. Den letzteren kann 



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446 



Oscar Hertwig: 



ich daher auch kurzweg als r andgtftndig^en oder offenen 
Theil des Urmunds, den ersteren als seinen yer 
waehsenen Theil benennen. Die Längciixanabme der Em- 
bryonalanlage geht dann in der Weise vor sich, daes sieb die 
Tfflwachsene ürarandstrecke continnirlich auf Kosten des offenen 
. (oder randständigen) Uminndtbeils, wie bei Atnphioxns und den 
Amphibien) vergrössert, indem linke mid rechte Lippe nach der 
Medianebene zngammenrücken und verschmelzen. Durch den 
aüiiiählich von vorn und nacli hinten tbrtselireiteiKk'ii Process 
würde der offene oder randständigre Theil der UnnniKllipi)e l»ald 
aufgebraucht werden, wenn derBclbe nicht mich t^einorscits den 
Verlust beständig- wieder durch Zuwachs ernet/en würde. Der 
Ersatz ^reschieht dadurch, das>j sicli der Einfaltuiifisproce.sH, der 
tiberhaupl die Unmnidlippe iu:^ Leben gerufen hat, am jeweiligen 
KeiuiseJieihonrand weiter fortsetzt und das^ dadureli immer neue 
Strecken des U m w a c Ii s u n gs r a n d es in Urmund- 
rand unigewandelt werden. Der Gastrulationsprocess des 
Teleofi^tiereies delmt »icli mitlmi iilx r einen längeren Zeitraum 
der Kutwickluniu: aus als gew<'diniieli lit -^rlincln n wird, und nimmt, 
während sich im vorderen Bereich der i^mbryonalanlage schon 
verschiedene Organe ditFereirziren, am Rand der Keimsclieibe 
(am oflFencn Theil des Urmnndrandes) in der ursprünglichen 
Weise seinen Fortgang. D e i;s ei b e findet seinen A b ■ 
schlusB erst dadurch^ dass sicli-die seitlichen 
Urmundlippen an ihrem hinteren Ende durch 
Ausbildung einer ventralen Lippe mit einander 
verbinden^ wodurch erst ein in sich zum Ring ge- 
schlossener Einstülpunggrand hergestellt wird. 
Zu dieser Zeit ist auch die Umwachsung der Dotterkugel be- 
endet und wird hierbei der letzte Rest des Unnvaelisungsrandes 
in das Schlussstfiek des ürmunds umgewandelt (Fig. 4 a). In 
geiingor Entfernung vor demselben entsteht die Schwaiizknospe 
(sk). Die Ueb^instimmang mit der Urmundentwicklung der 
Amphibien wird ans memer Darstellung Ton selbst hervorleuchten 
und keines wdteren Hinweises bedfirfen. 

In meiner Auffassung des GaBtrulationsproeesses des Te- 
leosdereies stimme ich mit His insoweit ttbereiu; als wir beide 
den Rtteken des Embrjo durch Verwachsung zweier seitlicher 
Hftlften sieh bilden lassen, im flbrigen aber weiche ich in einem 



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Urmond und Spina bifida. 



447 



selir wesentliehen Funkte von ihm ab. Nach meiner DarsteUnng 
ergeheint der ganze Yorgau^- als ein modificirter Gastmlations- 

proces». Die Terwachsenden Theile sind die ünnundränder, und 
der Keimscheibenrand ist am Verwachsnngsproccss nur, soweit er 
Unmindlippe ist, betlieiligt. Xacli H i s daire^eii ist die Uranlage 
des Kör{)ei*8 ein platter Rin^, dessen Hrcitc und Dieke an einer 
Stelle, dem zukünlti^^eii Kopfende ein Maximum, am gegenüber- 
liegenden JScliwan/ende ein Minimum besitzt. Das Material fin- 
den Kopf NNiirde ur^prüncrlicb am hinteren Ende, das Material 
für den Schwanz am vuiiK ien gegenüber gelegenen Ende, dem 
„Gegenpol" der ursprüngliehen Keinischeibe , zu suchen sein, 
während das Material /um Sehwauz sieh nach meiner Darstellung 
in einer seitlichen Gegend (imieii würde Xaeh Flis bilden die 
in der späteren Medianebeue de« Körpers ln- uden Oobilde 
Anfangs die Peripherie der iranzen Sebeibe. I > i -rsamint* [{and- 
wnlst der Keimscheibe wird zur Kmbryobilduug verbrauelit und 
diese letztere verbindet sich mit der Dotterumwachsung des Kei- 
mes derart, dass die Anfreihung des Embryomateriales zugleich 
mit der Umwaehsung vollendet ist. „£s legen sich die zwei 
Seitenhälften des Ringes aneinander und 'vereinigen sich als syin- 
metrisclie Körperhülften." „Nur das vorderste Kopf- und das hin- 
terste Schwanzende bedürfen keiner Yerwaehsnng, weil sie aus 
denjenigen Strecken des Randwnlstes hervorgehen, welche die 
zwei Seitenhälften zum Ring geschloflsen hatten.'^ 

Schon 0 e 11 a c h e r hat gegen die Theorie von L e r e - 
bonllet, welche der His'schen sehr ähnlich ist, den nicht 
unb^reehtigten Einwand gemaeht: i^Wenn die Ränder der Keim- 
scheibe die beiden Rnmpfhälften büden sollen , so mfissten sie 
das ganze Ei umkreisen und dann wenigstens einmal einen 
grOssten Kreis der Kugel umspannen; so mfissten die beiden 
Rumpfhälften einmal ganz enorm ausgedehnt gewesen sein, was 
gewiss nieht wahrscheinlich ist.*^ In der That wttrde nach der 
Darstellung Ton His, dass der ganze Keimrand zum Embijo 
zusammenwächst» der Keimrand sich wie em kleiner Gummiring 
yerhalten, den man Aber eine grosse Kugel herüberzieht Am 
Aequator der Kugel angelangt, würde er auf das Maximum aus- 
gedehnt sein, um dann auf der entgegengesetzten Fläehe sich 
allmählich wieder zusammen zu ziehen. Wäre der ganze Keim 
rand Urmundrand, so mfisste er sieh eine Zeit lang enorm aus- 



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OsCÄr Hertwig: 



weiten und dann wieder bedeutend verengea. Diese Seliwieriigr- 
lieit ftUt bei meiner Paasong ganz binw^. Und so kann ieb 
wobl sagen, erscheint die Conmeeenztbeorie von His in der 
Unnnndtheorie in einer nicht nnwesentUch veränderten Form 

wieder. 

Zwischen dem Gastrulationsprocess der Teleostier und der 
Amniüteu vemüttolii die »Solachier einen Uel)erg'ang. Während 
längerer Zeit j2:elit die Bildung des Embr}'o durch Verwachsung 
der ürmiiiidi ander auch bei den Selachieni in der für das Te- 
leostierei gtnaucM- durchgeführten Weise vor sich. (Schema 1 
und 2 kann daher auch für die ersten Stadien der Selachierent- 
wickiuug dienen.) Dann aber wird eine Moditication des Pro- 
cesses dnrcli die heträehthelie Grösse des Dutters nothwendig. 
Es hat nämlich der T'niwachsnngsrand der Keinischcibe den 
Dotter nccii nicht iran/ • inhiilien können zu der Zeit, wo sich 
die seitlichen LTmumilii iien naeli liinten schon unter J^üdung 
einer ventralen Urmundlippe vereinigen. In Fol^^e dessen treten 
jct/.t liir die Selachier cliaraeteristisehe Veränderuniren ein, welche 
ich durch die Fi^reu 7 uud 8 schematiscb wiederzugeben ver- 
sucht habe. 

ümwaclisungsrand (Fig. 7 uw^) und Urmundrand (ur*) trennen 
sieb von einander (Fig. 8 a und uw^). Die Erabrvonalanlage löst 
sieh Yom Blastodermrand ab. Hinter dem Enibrvo bildet der 
tJmwacbsungsrand einen in sieh geschlossenen Ring (uw^), inner- 
halb dessen der Dotter (d) noch eine Zeit lang frei zu Tage 
liegt, bis er durch fortschreitende Verkleinerung des Ringes 
aneh ttberwaehsen ist. Balfour bat diesem Ring den Namen 
Dotterblastopoms beigelegt und in ihm einen Theil des Ürmnnds 
^blickt. Wie schon finher gesagt, halte ich diese in der Lite- 
ratur weit verbreitete Ansicht fttr eine irrige. Denn erstens liegt 
am sogenannten „Dotterblastoporas^ überhaupt keine Oefinnng 
vor, durch welche man in einen Hohh-anm gelangt, wie es am 
Urmundrand, soweit er noch nicht verwachsen ist, der Fall ist* 
Durch den (Jmwachsnngsring kommt man in die Dotter- 
masse, die wir uns auch durch einen Haufen von Dotterzellen, in 
welche sich der Umwachsungsrand verliert, ersetzt denken konnten. 
Der Vergleich mit dem Blastoporus der Amphibien ist nicht 
minder verfehlt. Denn dieser zeigt, wenn er fertig gebildet ist, 
die oben anfge/ilhlten Merkmale des Urmuuds. Er ist daher 



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Urmund und Spina bifida. 



449 



niclit Umwachsrnngslflcke oder, wieHis sich anedrttckt^ 
die allmfthlieb sich yerkleinemde Oeflnung:, welche frei bleibt, 
wenn die rascher (Inrchfnrehte obere Keinihälfte die langsamer 
durchfurchte untere Keimhälfte, bez. den Dotter umwachst. Er 
ißt vielmehr E i n s t ü 1 p u n g s 1 ü c k e (U r m u n d). 

Von den Selachiern aus genügt ein kleiner Schritt, um die 
Verhältnisse der Reptilien und Vo^cl zu verstellen. Der ürmnnd- 
rand der Keimseheihe ist die Siclichiiaie; diese ^ehliesst sich 
hier aber, indem sie sieli in die Primitivriunc umwamlclt. wie 
Duval des Kähereu beseliriehen hat, schon ausserordeutlich 
frühzeitig zu einem King in sieh ah und trennt sieh dal>ei vom 
Umwaclisuugsrande geraume Zeit, havoi- sich im vordersten He- 
reich des ürmnndringes Medullarfalten, Chorda und Ursegnieute 
anlegen. Die Enibrvonalanfnge i,^il)t daher hei den Anmioten 
sehr viel früher als bei den Selaeliiern iln'o randständige T.;ifre 
auf und findet sich bald in der Mitte der Keimscheibe überall 
gleich weit vom Umwachsnngsrand entiernt. Die Figuren 1, 9 
und 10 können als Schema für diese abgekürzte und bcschlea- 
nigte Art der UiinaudbUdimg und der von ihr fr&h unabhängig 
gewordenen Dotterumwachsnng dienen. 

Den Unterschied zwischen der ürnumdbildung (Gastrula- 
tionsprocess) und der Dottenimwachsung der Teleostier, Selachier 
und Amnioten fiisae ich kurz noch einmal in folgende S&tase zu- 
satnmen. 

Bei. den Tel eosti ern hat der Umwachsungs- 
rand der Keimsc hei be den Dotter fast vollstftndig 
eingehflllt, noch ehe der ürmnod seinen distalen 
Abschlnss erhalten hat. In Folge dessen wird 
der letzte Theil des Um waehsungsrandesi wenn 
er am hinteren Ende der Embryonalanlage nnr 
noch einen kleinen Ring umgrenzt, zur Ausbil- 
bildung des Urmundrandes mit aufgebraucht. 
Der Embryo bleibt daher bis zuletzt, wie man 
sich ausdrflekt, randständig. Beiden Selachiern 
tritt der Urmuudsehluss schon ein, wenn der Um- 
wacbsungsrand ein kleines Feld des Dotters 
noch nicht ttherzogen hat. Von diesem Augen- 
blick wird die bis dahin randst&ndige Embryonal- 
anlage Tom Blastoderm abgelöst. Der ümwach- 

Aralti7 f. matrosk. AMt. Bd. 8» 80 



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460 



Oaear Hertwi^: 



Btin^sriag sehliesst sieh getrennt vom Embryo. 
Bei Reptilien und Vögeln endlieh erfolgt die 
Trennung von Urmnndrand und Uuiwaehsnngs- 
raud der Keimscheibe ansserordentlieh frflh- 
zeitig, so dasB dadurch die Embryonalanlage 
bald entfernt Tom Umwachsungsrand mehr in die 
Mitte des Blastoderms zu liegen kommt. 

leh bin auf die Dottemmwaehsung so ansfuhrlieh einge- 
gangen, weil eine Verwirrung in der IJteratur gerade ttber diese 
Frage besteht. loh führe nur den Aussprach von Balfonr 
an, dass bei allen Wirbelthieren mit grossem Dotter die ventrale 
Leibeswand offenbar durch den Verschluss der Blastopomslippen 
aiit (kr liauchseite vervollständigt wird. Ich erinnere an Bal- 
fours Argument, durch welches er die HiH'sehe Coneresecn/.- 
tlieorie ad absurdum zu führen sucht, dass bei Annahme der- 
selben (lio ^^anze dorsale, sowie die ganze ventrale Leibeswand 
des Enihivo durch die Verwachsung der Blastoporuslippen ge- 
bildet u i rden müHste. Ich criiniere endlich an die neuesten, 
oben ret'erirten Aust'üliiiHigen von His. 

Es wäre ein dankbares Be<rinnen, wenn von den hier ent- 
wickelten Gesichtspimktcii ans der Keiuirand der meroblastischen 
Eier nach seiner örtli(di und zeitlich verHchicdcncn EntwicklnngR- 
weine einmal einu lKMid untersneht wdrdc. wodurch tlber manche 
Punkte, die ich hier nielir tlicoretisch auseinaudergesetzt habe, 
noch weiteres Licht verbreitet würde. 

Den Abschnitt Uber Urmundtheorie und Concrescenzthcoric 
schliesse ich, indem ich noch einige Vergleichspunkte zwischen 
dem ürmundgebiet der Amphibien und dem Unnundgebiet der 
Reptilien und Vögel hervorhebe (siehe auch Lehrbuch der £ut- 
wieklnngsgeschiehte (25). 

Der Urmund der Amnioten ist die Primitivrinne, deren 
Ränder frühzeitig in einer medianen Naht zu dem Primitivstreifen 
verschmelzen, an welchem alle drei Keimblätter eine Strecke 
weit unter einander verbunden sind. Zu dem ürmundgebiet ist 
noch der Kopifortsatz hinzuzurechnen und ist wohl derjenige 
Theil, an welchem die Verschmelzung der Urmundlippen am An- 
fang der Gastrulation in der fttr Ampbioxus und die Amphibien 
beschriebenen Weise erfolgt ist. Demnach würde auch hier der 
Anfang des Urmundgebietes bdm ausgebildeten Thier am An- 




Urmund und Spina bifida. 



451 



fang der Chorda und iu der Zwischeuhinigegend zu suchen 
seiu. 

Die Bedeutung der Priinitivrinnc für <lic Üiidung der Chorda, 
der mittleren Keimblätter etc. ist dieselbe wie die Bedeutung' der 
ürmuiidränder beim Aniphioxus und den Anipiiibien. Bei ilirer 
ersten Entstehung gehört die I*riinitivrinne dem Kopfi^ebiet des 
Embrvo au; inde^m sie sie Ii daselbst iu die versehiedencu Axen- 
Organe differencirt, wächst sie au ibreui liiutereu Kiule. der Wachs- 
thtunszoiie. durch Einschieben neu gebildeter Embryonalzellen 
weiter. 80 findet sie sich denn je nach dem Ausbildungsgrad 
der Keimscheiben in der Halsgegend, der Brustge^rend, dor Lcii- 
dengegend, d.h. ihr Abstand vom Anfang des Meduilarrohrs wird 
mit dem Alter der Eudnyonen ein immer grösserer. Dies erklärt 
sich nicht nach Baltour's Hypothese, dass sich vor der Pri- 
mitivrinne nwigebildctc Körperstrecken durch Intussusception ein- 
schieben, Bondeni dadurch, dass das Zellmaterial der PiimitiT- 
rinne selbst nebst seiner Umgebung sich nach vorn in MeduUar- 
platfte, Chorda, Ursegmente, Decke des Darms umbildet, während 
sie sich nach hinten durch Wachsthnm ergänzt. 

Am hinteren Ende der Primitivrinne findet sich häufig eine 
kleuie Oeffhiingy durch welche man von der Ectodennseite in 
den Darm gelangt, der viel besprochene Oanaiis nenrentericns. 
His sagt von ihm, „es sei mit grosser Schärfe festgestellt^ dass 
er bei amnioten Wirbelthieren erst secnndär durchbreche, er sei 
daher DnrchbruehBöffnnng nnd gehöre in dieselbe Kategorie von 
Oeffnnngen, wie der Mund. Er falle daher ausser Vergleich mit 
dem seit Busconi bekannten Bkistoporus niederer Wirbelthiere 
oder dem ürmund im Sinne H&eckel's^. 

Ich bleibe in dieser Frage nach wie vor auf dem früher 
dngeiKMnmai^ Standpunkt stehen. Wie man beim Urmund- 
gebiet äee niederen Wirbelthiere einen geschloflsenen und einen 
offenen Thefl zu unterscheiden hat, welch letzterer auf den eiu- 
zelnen Stadien einen anderen Ort einnimmt, so auch bei den 
Amnioten. Hier ist der ottcne Theil <ler Canalis ueurentericus. 
Weuu nicht auf allen Entwiekluugiistadieu der Keimscheibc eine 
Oeifnung am Ende des Prinü'ivstreifens nachzuweisen ist, so er- 
klärt sich dies iu ungczwiiu;j;'euer Weise aus dem Umstand, dass 
die Urmundräuder bis zur Berührung aneinander liegen. Wei- 
chen sie dann auf anderen Stadien wieder auseiuauder, so tritt 



Oscar Hertwig: 



eine Oeffinin^ zu Taij;e. In diesem Falle hat tlauu aber ein 
Durchbruch oder eine Bildung einer neuen Oetlnuugj wie sie 
der bleibende Mund darstellt, nicht stattgefunden. 

Auf einem späteren Stadium läsbt sich bei den Aumioteu 
am hintersten Ende des Primitivstreifens, noch etwas hinter der 
Stelle, wo der neurenterisclie Canal licp^t, die Afterg;ruiji nnter- 
scheiden. Unmittelbar vor ihr eiifNvickelt sich die Schwanz- 
anlage des Embiyo. Die At"ter;L;rui)e bezeichnet uns, wie die 
Afterrinne bei den missgebildeten Froschembryonen, das hinterste 
Ende des UrmuucU. Darüber wiid das näcbste Capitel ausführ- 
licher handehi. 

b) Die Schwanz- und Aftcrbildnug der 
Wirbeltbier e. 

Die Hemmungsmissbildungen der Froschembrjonen sind 
auch fttr die Schwanz- und Afterbildung sehr lehrreich. Bei den 
höchsten Graden der Hemmung, bei denen das gesanunte Ur- 
mandgebiet weit geO&et ist (Taf. XVI, Fig. 1), lässt sieh schon 
die Afkergegend als solche erkennen, indem sich am hinteren 
Ende des Embryo im Ectoderm eine Rinne bildet (ar), die Ton 
Ueinen Falten eingesäumt in die BeekendarmhOhle fbhxt. Der 
Uhnnndrand zeigt hier in Folge dessen eine Ünterbreehnng, eine 
Einkerbung. Zn beiden Seiten derselben sind die Crmnndrilnder 
dadnrch, dass die Zellen in lebhafter Wucherang begriffen sind 
und ein kleinzelliges, dem Längenwachsthnm dienendes Keimge- 
webe herstellen, bedeutend verdickt und bilden zu beiden Seiten 
der Afterrinne «wei Wulste (sk), die im Hinbliek auf ihre weitere 
Entwieklung als Schwanzknospen bezeichnet wurden. Durch die 
Afterrinne wird der Nenrenring, der sich sonst in der ganzen 
Peripherie des Urmunds als If edullarplatte anlegt, an ein^r kleine 
Stelle unterbrochen. Wir haben somit am Urmundrand einen 
grösseren nenralra und eben kleineren, nicht neuralen Abschnitt 
zu unterscheiden, was fftr die weitere Entwicklung sehr wichtig ist. 

Bei anderen Missbildungen, bei denen das Unmundgebiet 
einen theilweisen Vei'schluss erfahren hat, lässt sich die wichtige 
Thatsache feststellen, dass sich der Urinnnd nicht nur successive 
von vorn nach hinten schliesst, sondern dass uuabiiangim- davon 
sich noch eine zweite Vcrschlnssstelle am hinteren Ende aus- 
büdet, und zwar in folgender Weise (Taf. XVI, Fig. 9— 11, 13, 14). 



9 



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Urmund und Spina bifida. 



468 



Ueber der Afterrinne legren sicli die beiden Sehwanzknospen 
(sk) mit ihren medialen Flächen aneinander im i bilden, indem 
sie verschmelzen, einen breiten Querwulst (n), der aus einem klein- 
zelligen, aber in die verschiedenen Keimblätter gesonderten Ge- 
webe besteht. Durch den VVulst wird <ler hinterste Theil des 
Uniiuutis, der später zum After (ar) wird, von dem übri^L^en 
Theil getrennt, (b'ssen Verschluss an den Minsbildungen in ano- 
maler Weise gehemmt worden ist. An Serien von Frontalschnitten 
(Taf. XVII, Fig. 13, 14, Taf. XVIII, Fig. 8—11, 25) Hess sich 
die Nahtbildung (n) an der hinteren und späteren ventralen Seite 
des Wulstes noch deutlich erkennen; einmal ist eine Kinne und 
eine Kaphe (id vorhanden, in deren Bereich inneres und mittleres 
Blatt eine Strecke verbunden sind (Taf. XVII, Fig. 18 n. Taf. 
XVIII, Fig. 2 u. 10 n.), zweitens geht am äussersten Ende eine 
schwarte Pigmentlinie, erzeugt durch die Verwachsung der ecto- 
dermalen Flächen, durch das kleinzellige Gewebe hiudnrob 
(Taf. XVIII, Fig. 25 n). 

Wenn die Verochmelzung eine vollständige wie beim nor- 
malea fintwickliuigsverlauf ist, so geht fiHh ans der p.aarigen 
eine unpaare Schwanzknospe hervor, welche sich von 
oben Aber die Afteranlage herttberlegt. Bei manchen Missbil- 
dongen aber ist die Verschmelznng nnr eine theilweise und be> 
trifft nnr die Gegend oberhalb der Afterrinne, während darüber 
hinaus die SehwanzknoBpen an einem mehr oder minder groBsen 
Endstaek getrennt bleiben (Taf. XVI, Fig. 11, 13, 18, 19 b). 

An der SehwanzknoBpe können wir eine ventrale nnd eine 
dorBale Flflehe nnd demgemäsB aneh eine ventrale und eine dor- 
sale Schwanznaht unterscheiden. Die erstere verläuft von der 
Schwanzspitxe bis znm After, die letztere von der Schwanzspitze 
bis zn dem in Folge der Hemmung offen gebliebenen Theil des 
Unnunds. IKe erstere gebOrt dem nieht neuralen Theil des Ur- 
mnndgebietes, die letztere seinem neuralen Theil an. 

Was den After anbetrifft, so Bind in seiner ganzen Ent- 
wicklung 4 versehiedene Stadien zu unterscheiden. Im ersten 
Stadium erseheint er nnr als der hinterBte Absehnitt des ge- 
sammten Urmundes (Taf. XVI, Fig. 1 ar). 

Im zweiten Stadium hat er sich von ihm als eine besondere 
Oeffnnng abgetrennt, dadurch dass am hinteren Ende des neuralen 
AbsohnittB der Urmnudränder sich die Schwauzknospeu gebildet 



464 



0«ear Her twig: 



und zur nnpaaren SehwanzaDlage verbnndeD haben (Taf. XYI, 
Fijs* 11 etc. ar). Eine dtirehgangige Oeffhung . ist meist an 
Dnrehsehnitten durch die Aftergegeud nicht za finden, weil die 
Wandungen sieh unmittelbar berflhren. In dem Zusammenhang 
der Keimblätter gibt sich aber im zweiten Stadium noch die ur- 
sprüngliche Abstammung vom Uirmund zu erkennen (Taf. XYII, 
Fig. 5, Taf. ZVIII, Fig. 11 ar). Denn wie bei diesem sind 
an der Afterstelle alle drei Keimblätter in Zusamm^hang 
mit einander. An der Afterlippe schlägt sich das äussere Bfaitt 
in das parietale Mittelblatt um und einwärts davon geht wieder 
an der Darmlippe das viscerale Mittelblatt in das DarmdrüKcn- 
blatt (Iber. Es besteht also auf diesem 8t<uliuiii genau genomiiu n 
noch keine directe Verbindung des äusseren mit dem inneren 
Keimblatt, t^ündem nur durch Vermittelung des Mittelblattes. 
Wir kommen daher aueb, wenn eine Oeffnung vorbanden ist, 
dureb die Aftergrube erst in einen allerdings verseil windend 
kleinen Rest des Urdarms. Denn als solchen müssen wir doch 
den im Bereich des Mittelblatts gelegenen Raum bezeichnen, 
durch welchen man sowohl in die Coelomsäcke als auch in den 
secundären Darm eindringen kann. 

Dieser Zustand ändert sidi auf dem dritten Entwick- 
lungsstadium. In der Aftergegend nändieh trennt sich das 
mittlere Keimblatt aus dem oben beschriebenen Zusammenhang, 
einmal vorn an der Allerlippe von dem äusseren Keimblatt, an 
der Darndippe vom Darmdrüsenblatt. Die Coelomsäcke haben 
sich abgeschnürt und geschlossen. In Folge dessen treten jetzt 
an den Ablösungsstellen äusseres und inneres Keimblatt in directe 
Verbindung und be^rrenzen in den Fällen, wo eine Oeffnung sich 
erhalten hat, das Afterrobr, welebes von Aussen nun direct uud 
unmittelbar, indem es das Mittelblatt durchbohrt, in den Enddarm 
fuhrt. Meist fehlt aber noch wegen des oben herrorgehobenen 
Umstandes eine Oetfnung. Aeusseres und inneres Keimblatt 
grenzen zwar in Folge der AbKSsung des ^littelblattes unmittelbar 
zusammen, bilden aber zusammen noch einen epithelialen Ver- 
schluss, die Aftermembran oder den Afterstrang. Von 
einer Aftermembran (Taf. XVIII, Fig. 9) sprechen wir, wenn 
die Aftergrube (ar) von der Höhle des Enddarms (ed) nur 
durch eine dttnne Lamelle getrennt ist, die aus je einer einfachen 
Lage von Entodennzellen und von Eetodermzellen besteht, wie 



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Urmuud und Spina bifida. 



es beim nomalen EDtwitdclaDgeverlauf des Frosehes der Fall »t. 
Em Afterstrang dagegen entwickelt sieh in den FiUlen, in denen 
wie bei manchen Missbildougen die Höhle des Enddarms und die 
Aftergrabe etwas weiter auseinander gerOckt sind und so an 
SteDe der dünnen Epithelmembran ein diekerer Epithelstreifen 
tritt, wenn sieh das Mittelblatt aus seinem Zusammenhang trennt. 

Im vierten Entwieklun^tadium endlieh wird der After 
durchgängig, indem in der Mitte der epithelialen Vereehlnss- 
membran die Zellen auseinander weichen. Bei vielen Missbil- 
dongen bat sich zu dieser Zeit oder auch schon vorher die von 
der ventralen Scliwanzu iuvaI zu der Attergrubc lulirendo Rinne, 
die häufig von hohen Falten ein^efasst ist (Tat". XIX, Fig. la, ö af), 
zu einem kurzen Rohr gescldosscn (Fig. 2, 22 ar). In diesem 
Falle gelangt man dann in den Euddanu durch ein mehr oder 
minder langes, cctodcnuales Afterrohr, das au der Wurzel des 
Selnvauzes am licgiiiu der ventralen Schwanzflosse gelegen ist. 
Auch bei der nonnalcn Entwicklung scheint sich mir ein solches 
ectodeiTuales Angatzstück zu bilden. 

Das sind kurz ztisaniiTHMigcfasst die Ergebnisse, zn denen 
mich die üutersnchung der Sclnxanz- und Aftorbildung i)ci den 
Missbilduugcn des Frosclies gclührt hat. Sie stinmien in crtVeii- 
lieher Weise im AVescntlichen mit den Resultaten überein, zu 
denen in der neuesten Zeit mehrere Forscher, besonders Schanz, 
Götte, v. Erlanger über die Anlage des Afters bei normal sich 
entwickelnden Froschembryonen gelangt sind. 

In der Frage der Atterentwicklung hat lange Zeit grosse 
Verwirrung geherrecht. Bekanntlich sind auch hier drei ver- 
schiedene Ansichten aufgestellt worden. 

Nach der älteren Auffassung soll der After wie der Mund 
eine Neubildung sein und dadureh entstehen, dass sich am hin- 
teren Körperende die Haut zu einer Grube einsenkt und sp&ter 
in den Enddarm durohbrieht. . Nach einer zweiten Ansieht, die 
durch das Studium von Petromyzon und Amphibien gewonnen 
wurde, soll der ganze ürmund direet zum After werden. Eine 
dritte G]3ippe von Forschern endlich (S c h a n z [62 c], B o n n e t [3], 
Götte, Erlanger u.a.) nimmt zwar auch eine Beziehung des 
Afters zum Urmund an, aber nur zum hintersten Theil desselben. 
Sie lilsst sich den Urmund in 2 Oeflnungen zerlegen, in eine 
vordere, welche in das hintere Ende des Nervenrohrs aufge- 



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456 



Oscar Hertvigr: 



nommen wird (Oaoalis Denrenterieus, Ghordablastoponis) und in eine 
bintere Oeffnung, die zum After wird (AfterblastoponiBy Aflerkanal). 

Was besonders die Ampbibien betrifit, so kann ich im All- 
gemeinen der von GOtte (19) nnd von Erlanger (14) gege- 
benen Darstellung beipflicbten. 

G 0 1 1 e lässt den Blastoporas^ wenn er sich za einem Längs- 
Spalt umgewandelt bat, in seiner Mitte durcb Yerwaebsung seiner 
Lippen sebllessen (Prostomanabt). Unter der Verseblusstelle bleibt 
ein kleiner Rest des BUstopoms erkalten, der gewöbnlich Beine 
Lichtung verliert, um sieb später wieder zu Oflnen nnd den After 
zu bilden. Der dorsal von der Verwacbsungsstelle gelegne Rest 
des Blastoporus stellt den Oanalis neurenterieus dar, der bald 
von den MeduDarwfllsten umwachsen und dadnreb in das Nerven- 
robr eingeschlossen wird« Aus der Yerwaehsmigsstelle entsteht 
der Schwanz, an dem sieb die Prostomanabt von der Spitze bis 
zum After hinzieht. 

In ähnlicher Weise fasst von Erlanger das- Ergebniss 
Heiner Untersuehung'eii in die Sät/e /.usairmien : ^Vergleicht mau 
die Resultate der Arbeiten von Schau/ und Morgan (40 1 mit 
denen meiner Arbeit, so wird man wohl zu dem Schlufes kommen, 
dass der After aus dem ventralsten Theile des üruiuuds Uervor- 
geht, während der dorsalste den Neuropoms und den Canalis 
neurenterieus bildet. Rei den Anuren k >mmt noch der Umstand 
hinzu, dass die Stelle des Blasiojjorus. aus welcher der After 
hervorgeht, vorübergehend verschlossen und der After erst später 
wieder durch Durchbruch erütfnet wird, wälirend bei den Urodelen 
der ventralste Theil des Urmunds nie vcrwaeijsen soll. Es dürfte 
daher ircrechtfertiirt eischeiuen. die Afterbildung bei den Auuren 
als sceundär niodilicirt zu betrachten." 

In meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphihien 
(24) habe ich aus einer Serie 6 Schnitte durch das Umiuudgebiet 
eines älterrn Froschembryo abgebildet, welche die sich hier ab- 
spielenden Vorgänge vollkommen richtig wiedergeben. So zeigt 
Fig. T), Taf. VlII einen Schnitt durcb die Verschlussstelle, durch 
welche der dorsal von ihr gelegene Oanalis neurenterieus, von dem ein 
Schnitt in Figur 1 abgebildet ist, von der ventral wärt« gelegenen 
Aftergrube (Fig. 6) getrennt wird. Au der Verschlnssstellc tritt 
noch dcntlieh die Nahtbildung hervor, indem an einer kleinen 
Stelle das äussere nnd innere Keimblatt -in da» Mittelblatt direet 



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Urinund und Spina bifida. 



457 



Übergehen. Die Äftergrobe ist durch eine dttnne, epitheliale 
VeniehlitBsmembraii Tom Enddann getrennt, wie es auf dem van 
mir imterachiedenen dritten Entwicklun^sstadinm B der Fall ist 
Damals freilich habe ich, wie auch Qdtte, im After eine Neu« 
bildnng gemäss der herrschenden AniFassnngBweiBe erblickt^ weil 
mir die Zwisebenstadien in der Entwicklung entgangen waren 
imd {laniit aiith die Zugehörigkeit zum Urmundgebiet ttbcrfiehen 
wurde. Aul die Abbildungen möchto ieli aber auch jetzt hin- 
weisen, da sie alle fiiisciiläjLrigen Verhältnisse sehr gut wieder- 
geben. Auch auf Tafel VII, Figur 12 — 14 (I.e.) sei autmerksam 
gemacht. 

Wenn wir jetzt noch die norinalo und die gestcirte Entwick- 
lung mit einander vergleiehen, so kann die letztere auch hier 
zum Verständniss der ersteren Manche;* beitragen. Namentlich 
verbreitet sie tlber die Schwanzbildung untl über die m <> r p h o 1 o- 
g i 8 e h e Stellung des Schwanzes zum übrigen Körper 
mehr Licht. Als wichtigstes ErgeVuiiss möchte ich liervorheben, 
dass der Seh\v;nr/ nicht als eine direete Verlänirei nng ties ganzen 
Körpers, üonderu nur als eine Fortsatzbildung der Rücken- 
fläche nach seiner Entstehung betrachtet wenlcn kann. l>ie 
ganze ventral vom Urmund gelegene Fläche des Rumpfes ist an 
seiner Entstehung gar nicht betheiligt. Der Schwanz erscheint 
daher als eine Fortsatzbildung des Körpers, die vom Urmund- 
gebiet iliren Urspning nimmt und fiber den hintersten Theil des- 
selben, den After, hinauswächst. Dadurch tritt er in einen Gegenr 
Satz zom ganzen übrigen Bunipt. Wir finden daher auch in seiner 
Znsammensetzung nnr dorsal gelegene Organe bctheiligt, Nerven- 
röhr, Chorda, ürsegmentc, während Leibesböhle, (ieschleehts- 
organe, Nieren sich nicht in ihn hinein fortsetzen. Ob wir von 
einem wirklichen Schwanzdarm reden dttrfen, erscheint mir tVag- 
lieh. Allerdings verlängert sich das innere Keimblatt als ein 
Strang in die Sebwanzanlage hinein, als eine AuBStfllpang der 
Beekendarmwand. Es scheint aber meist niebt znr Ansbildnng 
einer HOhlnng va kommen und später schwindet der Strang nnd 
lost sich in andere Gewebe anf. Bei keinem Wirbeltbier wird 
er wobl je als Darm Ainetionirt haben, so das« leb yorscblage, 
den Kamen Sehwanzdarm ganz fallen za lassen und ihn 
dnrcb die zu keinen falschen Vorstellungen führende Bezeieh- 
uung: »Entodermstrang des Schwanzes** zn ersetzen. 



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Oscar Her twig: 



Da am ürmnndrand äusseres, mittleres und inneres Keim- 
blatt znaammentreffen tind die median gelegenen Organe, Nerven- 
TühTf Chorda, üreegmente erzeugen,, werden auch äst Sehwanz- 
knoflpe die Anlagen von allen diesen Organen saertheilt. Wenn 
dann die Sehwanssknospe sieh rerlängert und als Fortsatz Aber 
den Kampf nach hinten hervortritt, geschieht dies m derselben 
Welse, wie der ganze EOrper in die Lfinge gewachsen ist y<m 
der Waehsthnmszone ans, die anf die Schwanzsintze gerflckt ist, 
setzt sich Urscgment an Ursegment an und kann so einen in 
Metameren gegliederten Anhang des Körpers zuweilen von sehr 
betrftchtlicher Länge liefern. 

Der Schwanz geht aus einer paarigen Anlage 
hervor, da ttber der Aftenrinne der hinterste Abschnitt des 
linken und rechten Urmundrandes zur Schwanzknospe verwächst. 
Es wäre unberechtigt, wollte man hieraus die Vorstdhmg ab- 
leiten von Urformen von Wirbdthieren, die an ihrem hinteren 
Ende doppelte Schwanzfortsätze besessen hätten. Offenbar ist 
die Verschmelzung der Urmundränder ein älterer Vor^anj^ als 
die Scbwanzbildun^. Erst iiaclidem die Versehmolzung am Lm- 
teren Körperende i ia^ctreten ist, entwickelt sicli aus dem so ein- 
fach gewordenen Körperbeziik der Schwanzfortsatz. Xur unter 
abnormen Verhältnisöeu kann die ursprilii^^liehe Duplicität der 
Anlage im Entwicklnngsprocess znr (icltun^ kommen, <lann näm- 
licli, wenn dureh ir^^cnd eine bfOrende ürsaehe die Verschmel- 
zung der L'rüiundräuder zur cinlaeheu Schwanzknospe zur rich- 
tigen Zeit verhindert wird. I);niii i ilden sich, wie wir an mehreren 
Beispielen geseiieii haben, <loppeilc iSchwanzkuuspen aus, die ge- 
trennt von einander ttber das Rümpfende hcrvorwaehsen uud sich 
zu zwei laiifren, aus Xervenroiir, Chorda und Ursegmenten zu- 
samineng^esctzten H a 1 1) s e b w il n z e n verbüi^'^ern. Dieselben sind 
daher ihrer Entstehung- naeli in die Kategorie di'r llemmungs- 
missbildungcu mit einzureihen. Auch hier kann nachträg- 
lich noch ein Verschmelzungsprocess, der von der Schwanzwurzel 
jaus beginnt, eingeleitet werden. 

Die Entstehung des Schwanzes aus einem linken und rechten 
Anlagematerial scheint auch bei Verstümmelung noch zum Vor- 
schein kommen zu kOnnen. Vielleicht hängt damit znsammen,- 
dasR bei Abtrennung des hinteren Schwanzendes bei Amphibien 
und Bcj^tilien an Stelle eines einfachen Ersatzes des verlorenen 



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Urinuud uud Spina bifida. 



459 



Endes häufig eine Yerdöppelnng zum Vorsehein kommt. Eidechflen 
mit Doppelschwänzen sind ja bekannt genug. Aber aüch von 
Pelobateslarven hat Brnch (9) als Folge von YeratUmmelnngen 
Spaltanif des Schwänzendes, anter Verdoppelung der Chorda, 
besehridi>en. 

Was die amnioten Wirbelthiere betriflFt, so legt sich bei 
ihnen die Aftergnibe am hintersten Ende der Piimitivrinne an 

(Gasser, Kölliker, Bonn et, Strahl etc.). Dicht vor 
ihr bildet sich später die Schwanzknospe aus, wodurch der After 
schliesslich unter die Wurzel des HcbwauzLjJ mehr an die Ventral- 
scite des Körpers rückt. Die Entwicklung-sprocesse scheinen im 
Allgemeinen den vdu den Ampliibii'u bescliriebenen zu entsprechen. 
Wir können d a Ii e r au e Ii a u f d i e A nin i (» t e n den 
Lehrsatz ausdelincn, dass sie Ii bei ihnen der After 
aus einer kleinen hinteren Strecke des l rmuiids 
herleitet und dass der Seliwanz aus der vor dein A f- 
t e r e 1 e e 11 e n Region des I' r m u ii d g e b i e t e s , n a e Ii - 
dem in ihm e ine "N' e r s c h ni e 1 z h n g d e r V r m u n d 1 i p p e u 
(Ränder der Frimiti vrinne) erfolgt ist, seinen Ur- 
sprung nimmt. 

3. Die Coelomtheorie. 

(Hntge:;iiyng auf CWjette. Der C'hordakanal.; 

in seitior Ihitwicklungsgeschiehte des Flnssneunauges hat 
kOrzlich Goette iXr. 19 1 gegen meine Darstellung der Bildung 
des mittleren Keimblattes der Ani])hibien und «berlinupt gegen 
die Coelomtheorie eine het*ti;,-e Polemik eröftnet. Ich würde auch 
hier, wie schon in anderen Fällen, geschwiegen haben, da« Weitere 
der Zukunft Uberlassend, — denn zu welchem Umfange wQrde 
unsere an sich schon umfangreiche Literatur ansehwellen, wollte 
Jeder bei der reichen 2alil contro verser Gegenstände den hinge* 
worfenen Handschuh gleich kampfbereit aufnehmen? — wenn 
ich bei meinen Unterauchnngen nicht gerade wieder auf das- 
strittige Object, anf die Entwicklung des Frosches, hingeführt 
worden wäre. So sehe ich mich in eine Art von Zwangslage 
versetzt, in welcher ich mich, wenn auch ungern, zn einigen Be- 
merkungen entschliesse. 

Götte fasst das Ergebniss seiner Kritik, in den Satz zu- 
sammen: y^Die angeblichen Beobachtungen 0. Hcrtwigs 



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460 OHcnr Hertwig: 

Uber den Ursprung des MesodermB der Amphibien sind niebta 
weiter als eine empirisch nnbegründete — und nach den wirk- 
lichen Beobachtungen — irriffc Annahme." 

Da ich selbst den GastrulationsproceBs des Froselieies nicht 
wieder neuerdings untersncht habe, obwohl ich überzeug:! bin, 
dass sich Manches bei Anwendung verbesserter Hülfsniittel und 
neuer Gesichtspunkte noch klarer feststellen lässt, als es bis jetzt 
geschehen ist, muss ich mich zur Entgegnung erstens darauf be- 
schränken, hervorzuheben, dass Götte selbst kein neues That- 
sachenniaterial vorlebt, sondern die Sache mit der wohlfeilen 
Aeusserung abs-ethan glaubt, „er müsse auf Ornnd erneuerter 
üntersuchnngen am Bombinator nnd Pelobates seme früheren 
Anpraben ganz und voll aufreclit erhalten." Zweitenf? verweise 
ich auf die Ariif it v<)n Seh wink ^über die Entwicklung des 
mittlerea Keimblatts und der Chorda dorsalis der Amphibien^ 
f'Nr. 65), welche zwar ein Jahr vor Oötte's ^Flussneunauge" 
erschienen ist, gleichwohl aber von ihm mit keiner Silbe erwähnt 
wird. Sc h wink hat sowohl Urodelen als auch Anuren (Rana 
and Bnfo I sehr eingehend antersncht und kommt auf Grand dieser 
vergleichenden Stadien zu wesentlich denselben Ergebnissen wie 
ich. Jeder Leser wird sofort die grosse Uebereinstimmung zwi- 
sehen den von Seh wink und den von mir gegebenen Bildern 
der Urodelen- nnd Anarenentwieklnng bemerk»ik und er wird so 
die Feberzengung gewinnen, dass es sich nicht, wie Oötte 
sagt, am ^langebliehe^, sondern nm „wirkliche*^ Beobaehtnngen 
handelt. 

Kiebt minder mache ich aof die guten Abbildnngen in der 
•Untersnehnng von Erlanger's (Nr. 14) aufmerksam nnd auf 
seinen soeben erschienenen Artikel (Nr. 15) im Anatomischen 
AnsGciger, wo es heisst: „Diese Arbeit hätte doch flberhaapt and 
speciell bei Bespreehang der Goelomdivertikel des Urdarms, * 
welche ich in der von 0. Hertwig Jl>esehriebenen 
Weise bei särnnitliehen von mir antersachten 
Annrenspecies mit der grdssten Deatliehkeit ge- 
sehen and vielleicht nicht dentlich genug abge«- 
bildet habe, eine Erwähnung verdient.** Es wirft gewiss ein 
Licht auf die Genauigkeit der erneuten Untersuchung von Götte, 
dass ihm die Goelomdivertikel immer noch nicht zu Gesicht ge- 
kommen sind. 



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Urmuikd und Spina bifida. 



461 



DritteiiB endlich liebe i(;h hervor^ das» die Befunde, auf 
deren Bedeutung ftlr die Entwieklung; des mittleren Keimblatts 
leb Kuefst die Aufmerksamkeit gelenkt habe (die Lippenbildung 
zn beiden Seiten der Chordaanlage, das Fehlen des Darmblatts 
unter der letzteren, der Entstehungsmodus des peristomalen Meso- 
blasts), von zahlreichen Forschern für andere Wirbelthierklassen 
(Selachier, Reptilien, S&ugethiere) bestätigt worden sind. (Balfour, 
Rfickert, Rabl, van Beneden, Ziegler ete. etc.) 

Ich kann daher auf die ron GOtte mir gemachte Unter- 
Stellung, dass ich die fittr meine AuBstOlpnngstheorie geltend ge- 
machten Thatsaehen jetzt zum Theil nach meinem „eigenen still- 
sebweigenden Zugestftndniss'* Air unrichtig hielte, nur kurz und 
bflndig die Erklärung abgeben: Ich stehe auch heute noch auf 
dem Mher entwickelten Standpunkt, dass das mittlere Keimblatt 
da* Wirbelthiere sich durch einen Eanstfllpungsproeess in der Um- 
gebung des Urmunds bildet und dass die Leibeshöhle von Ur- 
darmdivertikeln . abstammt. 

Hierihit könnte ich die Streitsache auf sich beruhen lassen^ 
wenn sich nicht in dem oben citirten Satz von G ö 1 1 e die eigen- 
thümliche GegeiiUberstelluni? von u g i I» 1 1 e h en" und von 
„wirklichen B e o b a c h t u 11 e n" fand e. 

Wat> (} ü 1 1 e unter n ^ e b 1 i c Ii en B e o h a c h t u n g e n" 
versteht, verräth er uns fks (lenaneren an /,wei »Stellen, wo er 
von iCTrundsätzen einer so zu ^^a^en corri^^irten Beobach- 
tung" redet oder sa^rt. dass O. Ilcrtwi^ „die entwicklungs- 
geschichtlichen „Bcobaolitiuifren" nach den Endergrebnisscn <les 
Entwieklnngsverlaufs e i n r i c h t e f. Dichtet mir doeli ^T^itto 
die somlerbare Absicht an, — ich will ihn immer selber reden 
lassen — ^in die vergleichende Entwickhni^2:s;resehichte eine neue 
Erkenntnisstheorie einführen zn wollen, nänilieli die C'onstruction 
der wirklichen Entwicklnnir eines Korpertheils nach den „End- 
resultaten'*, wenn es meht anders ^elif, auch im Widerspruch 
mit der Empirie.^ Darauf tolfjft ^^leich in 8perrschrift gedruckt 
der Satz: „dies heisst denn doch nichts weiter als der Zoologie 
und Naturwissenschaft Uberhaupt die empirische (Grundlage ent- 
ziehen und durch aprioristische Begriffe ersetzen, damit aber über- 
haupt die inductive Methode der modernen Naturwissenschaiten 
über den Haufen werfen." 

Meine Antwort hierauf fällt sehr kurz aus. Was ich zu 



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462 



0 Bcar Hert wi^: 



sagen habe, ist in drei Worten anegedrttckt: leiehtfertigCi plumpe 
Unterstellung! 

£b ist wohl nieht schwer ans iiieineu Untersnehnn^en za 
ersehen, dasi^ auch in meinen Angen die Thatsachen Aber Werth 
oder Unwerth jeder Theorie entscheiden. Habe ich nicht in jeder 
meiner Sebriften, ttberzengt von dem Tollen Werth der sinnliehen 
Wahmehmnng als der nnerlAsslichen GrundUige fttr weitere Denk- 
arbeit, zwisehen objectivem Thatbestand — Beschreibang des 
Beobachteten — nnd zwischen den ans den Beobachtungen ge- 
zogenen Sehltlssen eine haarscharfe Grenzlinie gezogen? Ich kann 
irren in den Beobachtungen, irren in den Schlttasenr aber ich 
habe nie „angebliche Beobachtungen'' mitgetheilt oder 
Schlosse gezogen, die nicht auf Beobachtungen füssen. 

Wie ein gewissenhafter Beobachter sich nicht scheut, seine 
Beobachtungen mitzutheilen, stets gewärtig, dass bald Jemand 
kommt, der mit mehr Talent noch besser nnd schärfer beobachtet 
hat, äls er, so soll er anch ohne Sehen ans seiner Beobaehtuug 
die sich ihm ergebenden Schlosse gewissenhaft zieheit, auch auf 
die Gefahr hin, später eines Trugschlusses überführt zu werden. 
Wie die Geschichte aller Wissenschaften lehrt, wachsen die Wissen- 
sehaften nicht selten auch durch Iirtiiihuer, auf denen sich die 
Wahrheit nur um so leuchtender abhebt. 

Hiermit schliesse ich eine Polemik, auf welche ich mich 
nngem und wider meine Gewohnheit eingelajisen habe. Da ich 
demnach noch ganz von der Richtijykeit der Coelomthcorio fttr 
die Wirbelthiere über/euiL^t bin, will ich einen mit ihr en^ /u- 
sammenhängendcu Geg-eiistaud berühren, auch anf die (Gefahr hin, 
wieder das Missfallen im iiies Str^Msburger Critik* rs zu erregen. 

Aiii meisten unklar i<t zur Zeit noch die SiclJung der Säuft-e- 
thierentwicklmi^'' zur Coeluintheorie: insbes<mdere macht die unter 
dem Namen ( ■ hör d n k anal bekannte Bildung einiire Schwierif^keit. 
Mir scheint sieb nun ein Weg- zu zeigen, auf welchem sich das 
Zustandekommen eines Cbordakanals in einfaeber Weise aus den 
Verhältnissen der übrigen Wirbelthiere erklären lässt. Zur 
besseren JE^länternng sollen die Schemata (Taf. XX, Fig. 16) 
dienen: 

In der Umgebung des Urmnnds der Säugethiere oder, was das 
Gleiche ist, in der ümgebini^ der Primitivrinne finden sich zwei 
Lippenbildungen in nächster Nachbarschaft: 1) die Urmundlippen, 
an welchen sieh das äussere Keimblatt in das parietale Mittel- 



Urmund und Spina bifida. 



468 



blatt QmBeU&gt, und 2) die Darmblattlippen, an welcben Darm- 
drösenblatt und viscerales Mittelbl&tt ineäiander flbergeben. Beim 
UrmundwehlnBe yerwacbaen nun in der Regel in den yersehiedenen 
Wirbelthierklawen nur die Urmnndlippen, w&brend die Darm- 
blattlippen dnreh einen kleinen Abstand von einander getrennt 
bleiben und so von beiden Seiten her die Chordaanlage begrenzen, 
welche sieh an der VerscbliiBBStelle bildet und in Folge dessen 
an der Begrenzung des Urdarnis Theil nimmt. Nach meiner An- 
steht findet nun bei den Sängethieren eine kleine Abweichung 
von diesem Bildun^ty[)us in der Weise statt, dass aueh die 
Darmblattlippen vom Anfang ihrer Entstehuiig an in der Median- 
ebene KQsammen zn liegen kommen (Fig. 16 B. dl), und wenn sie 
auch nicht mit einander verschmelzen, wie es bei den Urmnnd- 
lippen füll später der Fall ist, so doch sich dicht berühren und 
eventuell auch \crkleben. So kommt unter der Chordaaulagc 
(Fi|r. 16, B. eil) ein mehr o<ler minder lauerer, enjfer Kanal fehk) 
zu Stande, der hinten durch die neurt'iiterisclie Oellnung au der 
Oberfläche der Primitivriuuc ausimiii(iei Fi». 16 A.), und sich 
vom (.Fi^. H) D.) durch eine zweite Octinun^ mit der Blastoderro- 
höhle verein i;rt. 

Von uiii'ii h (irs('li(M-n, die s^ich mit den ersten Stadien der 
Süugetlrierentwickluiiir hcschätti^t haheii, liat wohl van TicnedcMi 
(Nr. 2ai den Chordakaiial in seinen verscliiedenen Be/ielHuif^eii 
am eiiigeinMidsten uikI <;f('nane8ten nntermieht. Wie wh linde, 
passiMi alle seine Ang-aben zu meiner Erklilrun^r. So bemerkt 
van Beneden — man vergleiche hiermit das von mir ent- 
worfene Schema — 1) dass die (yoelomspalten sich Anfanges in 
den Ohordakanal öflFnen, 2i dass die Chordaanlage sieb lateral- 
wärtfi in die obere Schicht des Mesoblasts conthuiirlich fortsetzt, 
3} dass der Boden des Kanals in die untere Schicht des Meso- 
blasts übergeht. Van Bcncden lässt die Chordahöhle dem 
Archenteron oder dem Dannkanal entsprechen. Nach meiner 
Ansieht würde sie nur einen vorübergehend abgetrennten, kleinen 
Theil desselben reprilsentiren, während der fibrige grössere Theil 
in der Höhle der Keimblase gegeben ist, in welcher sich, wie 
jetzt allgemein angenommen 'wird, der Dotter rückgebildet hat. • 
Der Ohordakanal ist eben eine mehr nebensächliche, zniftllige 
Bildung, dem eine besondere Bedeutung nicht zukommt. Daher 
Offnet er sich denn auch später, wie van Beneden besehreibt, 



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464 



Oscar Hert-wijp: 



zuerst in seiner Mitte in die lilastodeniihühle dnroh mebr^tige 
Oeffnangen, die bald zu einer einzigen Längsspalte znsammen- 
flieaa^n. Ich ^vürde das so ansdrQeken, dass die aneinandei* 
gelegen Darmblattlippen auf einem gewissen Stadinm ansein- 
anderweiehen. Scbliesalieh ist der ganze Chordakanal mit Aus- 
nahme des typischen Ganalis nenrenteriens mit dem Haupttheil 
der Urdarmhdhle (BlastodermhGlde van Beneden) yereinigt. 

Den Gmnd unr Entstehung dieser Modification hei den 
Sftngethieren glanhe ich darin erblieken zu darfen, dass heim 
Beginn des Emstlllpnngsprocesses alle Falteuhildnngen auf einen 
sehr engen Raum am Hensen'schen Knoten zusammengedrängt 
smd, in Folge dessen sieh ihre Lippen von allem Anfang an be- 
rflhren und erst später in die Nonnalkige fibergehen. Hiennst 
wäre die Uehereinstimmniig mit den übrigen Wirbelthierklassen 
hergestellt. 



4. Beziehungen des Urinn?id;« zii verschiedeneu Formen 

von Missbildungeu. 

Nachdem auf mehrfache Weise fcst^;estellt ist, (las« die in 
dieser AbhaiKtiun^^ beschriebenen monströsen Froschlarveu, sowie 
die Mesodid villi der Knochenfische und die unter dem Namen 
der Spina bifida bekannten Störungen ihrem Wesen nach Hem- 
mungsmissbildungen sind, entstanden durch behinderten VerRchlnss 
des Urmunds und daniii /usaniiin nlirmf^cndo Spaltung der Axeu- 
oi^^aae, will ich in diesem Absciudit notli auf einige andere 
Beziehungen des ünnunds zu versehie denen Formen von Miss- 
bildunjsren die Aufmerksamkeit lenken. wird sich hierbei 

zeigen, dans von mein* m st;uidpunkt aus die erste Entstehung 
der Doppel- und Drcitachbibiungen noch vollständi^-er aufgeklärt 
wird; als es selion durch die vortreif lieben Aulbätze von Kaub er 
(Nr. 46 — 53) geschehen ist. 

Zunächst muss ich eine, wie ich glaube, irrige Vorstellung 
beseitigen. Roux (Nr. 61) erörtert am Schluss seiner oft er- 
. wähnten Abhandhing die Frage, ob nicbt bei den durch Ur- 
. muiidspalte erzeugten Froschmissbildungen, seinen Hcmiembiyones 
laterales, jede Hälfte sich zu einer vollständigen Anlage ergänzen 
kOnne und ob nicht auf diese Weise aus einem einfachen £i 



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Urmimd und Spina bifida. 



465 



DoppelmisBbildtiiigen zu Stande kommen kGimten. Roqx hält 
es Är möglieh, daes die Semimednlla, die Semiehorda und das 
unterhalb der Chorda gelegene Mittelblatt sich an den Stellen, 
wo sie direkt an Dotterzellen anstossen, durch Fostgeneration 
ergänzen können. „Jede Antimere wflrde in dem Dotter unter 
Umwandlung desselben, i-äumlich snccessiye fortschreitend, so 
weit ein Stflek der anderen Hälfte postgeneriren, bis beide Bil- 
dungen in der Medianebene des ganzen Eies zusammenstossen. 
In dieser Berahnm^s^^egend mflssen dann die nachträglich ge- 
bildeten Stacke von seitlichen Körperhälften mit einander ent- 
sprechenden Theilen zusammentreffen, sofern die Bildung von beiden 
Seiten her annähernd gleichmässig erfolgt. Wir erhielten dann also 
auf eine seeundäre Weise nnvollkommene Doppelbildungen, welche 
dem in der Sache schon von Meckel deutlich beschriebenen, 
von mir benannten Gesetz der doppelten Symmetrie der Organ- 
anlagen entsprechen. Namentlich wtirdc auf diese Weise die 
noch iiiclit während ihrer Entstehung heobachtett' Duplicitas dor- 
«alis hervorgeht 11 köiiueii, und zwar häutiger die Duplieitas dorsi- 
caudalis. seltener dorsiceplialica.^ 

Diese Hypothese steht mit den Thatsaelien in Widerspruch. 
Denn einmal seilen wir ja, (hiss bei Ampliibieu und Fiselicu die 
in der Medianebene nicht vmv Ycrwaclisang gelangten Axenorgane 
aut .späteren Stadien noeli in einen mehr oder minder der Nonn 
ents|)rech enden Zustand übergeführt werden, zweitens l)esitzt ja 
jeder Theil schon sein zu ihm ^^ehiiriges (Tegenstdck, so (hiss 
nur in der räumlichen Anordnung eine Abweichnn-^- untergeurd-. 
neter Art von der Norm besteht und, was nicht fehlt, auch nicht 
postgenerirt zu werden braucht, dritfoü^ sind die Dotterzellen 
nicht als ein inditi'erentes, der Differeuisinin^'' harrendes Eimaterial 
zu betrachten, sondern selbst schon Bestaudtheile einer Orgau- 
anlagc, nämlich des Darms. 

Der von Roux mehr gelegentlieh geäusserten Hypothese hat 
bald darauf Klaus sn er '83) eine sehr ausgedehnte Bedeutung für 
die Erklärung von Mehri'achbildungen beigemessen. Er theilt 
letztere in zwei grosse Gruppen ein, 1. in solche, die durch 
primäre Pluralität der Anlage und 2. in solche, die durch Fis- 
sion mit Fostgeneration entstehen. Die erstere schlägt er 
vor als Zwillings-, Drillinprs ^ Vierlings-Bildungen, die letzteren 
als Zwei-, Drei-, Vierfach-Bildungen zu bezeichnen. 

Archiv f. mlkroak. Anat. Bd. S8 3]^ 



466 



Oscar Hertwi^^: 



Im G^egeneatz zn Elanssner und Ronx bin ich niin der 
Heinmig, dass bei den Wirbelthieien Mehrfacbbildmi^D niebt 
auf dem Wege der Postgeneration von schon reUtiy weit 
differenzirten Halbanlagen ans entstehen, sondern dass sehon im 
Keim auf sehr frflhen Stadien die Bedinguugen 
fflr zwei oder mehr Anlagen vorhanden sind. An 
Teleostierembryonen hat Raub er (50—53) den Beweis fOr diese 
Ansiebt geführt, indem er die Entstehung von Doppel- und Drei- 
fachmonstra ziemli<^ weit znrflckverfolgt hat, nämlich bis sn dem 
Stadium, wo die Keimseheibe noeb ziemlich klein ist und die 
erste Anlage eines Kopffortsatzes erkennen lässt. „Statt dass 
nun", bemerkt Rauber, „wie im gewöhnlichen Falle, bei der 
allmäliliebeu VergrOsscrung und Ausdehnung dieses Koiiiis über 
die Dottcrkiig:el eine einzi^^e, /Aniächst vordere Enibnonalaii- 
lage 7MY Ausädildun^- gelangt, gelangen im Falle einer Achsen- 
veniiehrung gleichzeitig zwei oder drei Embryonalanlagen zur 
Erschein Ving." Er bezeichnet dieselben an anderen Stellen auch 
als ^Voonisse des Keiiurings", die von ihm in meridionaler 
Richtung ausgehen und auf dem Umund senkrecht stehen. In 
Folge dessen sind „stets die Sehwanztheile der Keiniptortc zuge- 
wendet; die Köpfe von ihr abgewendet*. „Die Ausbildung 
mehrerer Anlagen erfolgt daher", nach Rauber. ..stets als eine 
„pluriradiale" und „stomaton-ene", sie beruht zugleich auf einer 
Theilung des Keimscheibenge liietes und in letzter Instanz des 
Kcinnnateriales. ' Verschiedene Formen der Monstra resultiren 
je nach der Stellung, welche die mehrfachen Anlagen am Keim- 
ring einnehme, je nachdem sie näher oder entfernter von ein- 
ander liegen. Rauher gibt eine sehr zutreffende und einleuch- 
tende Darstellung von allen diesen Verhältnissen. 

In einem Punkte jedoch, der von ziemlicher Tragweite 
ist, kann ich ihm nicht beipflichten. Rauber betrachtet den 
ganzen Keimscheibenrand als ürmundrand, was 
ich schon oben (Seite 443) als nicht zutreffend nachzuweisen 
versucht habe. Er lässt dabei die Mehrfachbildungen sich nicht 
nur aus einer einfachen Zelle, sondern auch aus ^er einfachen 
Gastrula entwickehiy aus einer Gastrula, an welcher sich zuwider 
dem normalen Verlauf zwei oder drei Medullaranlagen bilden. 
So bemerkt Raub er (52 Seite 163) ui nicht misszuTerstefaender 
Weise Ton einer Doppelbildung des Forellendes: „Während nur 



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Urmund und Spina bifida. 



467 



e i 11 0 Gastrula vorlicjart, besteht eine doppelte N e u r u 1 a", 
unter welchem Namen er das Stadium bezeichnet, wo am Keim 
die Anlage des Meilullarrolus au l/.ii treten beginnt. Und an einer 
anderen Stelle Kagt er: „So entwickelt sich bei den MelirfaeU- 
bildungen aus einer eiufacheu Gastrula eine melirfache Neurula" 
(46 pag. 84). 

Naeli meiner Auffassung dagegen sind die Mehrfaeh- 
b i 1 d u n g e n auf ni e Ii r 1" a c Ii e (I a s t r u 1 a e i ii - i i M p u u g e n 
z u r tt c k z u f Ii h r e n. Da iium in den verschiedenen Wirbeltliier- 
klassen je nach den Eigenselial'ten der Eizelle, die in erst(;r 
Linie durch ihren Dottergehalt bestinnnt wcrdciij der GastruLatioiis- 
process sehr verschiedene Irinnen annimmt, — ich erimici e /. H. 
an das ausführlich erörterte Verhältniss von Urmundrand und 
Umwachsungsrand zu einander bei Telcostieren, Selacliicrn, Am- 
nioten — so läset sich erwarten, dass die Art des Oastnilations- 
processes sich auch bei der speciellen Ausgestaltuug der Mehr- 
fachbildungen in den einzelnen Wirbelthierklassen äusseni wird. 
In dieser Hinsicht hat auch schon Kaub er auf tiefgreifende 
gesetzmässige Beziehungen zwischen nonnaler und „pluriradialer 
Entwicklung" die Auinaerksamkeit gelenkt. Anknüpfend an eine 
Angabe von Hunter, „dass jeder Thierart eine eigene Art von 
Missbildnng besonders eigenthflmlich sei", fügt er hinzu: „In 
wie weit die Angabe Wahres enthält, lässt sich die veranlassende 
Ursache wesentlich aiif Unterschiede in der normalen Entwick- 
lung^ ztirttcki%lhrett. Die verBcbiedenen rftnmiichen Beziehungen 
zwischen Ei und EmbryonalanlagC; die Verschiedenheit in dem 
Maasse der Verwendung* des Keimrings fttr die Embryonalanlage, 
das Vorhandenseiu totaler oder partieller Furehung^ diese Veiv 
hältnisse sind es, welche die wesentlichen Unterschiede auch der 
Mehrfaehbilduttgen der verschiedenen Wirbelthierabtheilungen be- 
dingen, ohne dass das Wesen der Mehrfaehbildungen dabei eine 
Aenderung erleidet.^ 

Die Beziehungen zwischen Einfach- und Mehrfaehentwick- 
lung glaube ich noch etwas genauer feststellen und durch fol- 
gende Theorie weiter aufklären zu können: Die mehrfajshen 
Gastrulaeinstulpungen, welche den Ausgangs- 
punkt ffir die Entstehung von Mehrfachbildungen 
abgeben, zeigen in ihrem gegenseitigen Verhalten 
je uaeh dem Character des Eies und des ihm eigen- 



4Q> Oscar H e r t w i gr : 

thflinliehen Gastrnlationsproeesses Yeraelkiedeii- 
heiten^ welche den Monstrositäten in den einzelnen 
Wi rbelthicrklasHen ein charaeteristisches Gepräge 
verleihen. 

Zur Erläuterung^ dieser G a 8 1 r u 1 ii t i o u s t h e o r i e der 
M e Ii r f a c h h i 1 d u n i;- e n bediene ich mich wieder einiger Sche- 
mata. Dieselben sollen nur zei^^en, wie der Gegensatz, der in 
der n(»rnialcu l^ntwicklung zwischen den Kiiochenfiselien und den 
Vögeln besteht, auch im Charactcr ihrer Missbildungeu wieder 
znm Vorschein kommt. 

Ich beginne mit den Knoehentischen. Im Schema Fig. II 
(Taf. XX) sind am Keimseheibenrand in gerin^^er Entfennmrr von 
einander zwei Einstülpungen entstanden und haben, indem sich 
ihre Kinsttilpungsrändrr in der bekannten Weise in der Kiclitung 
eines Radius zusammengelegt haben, zwei vordere End)ryonal- 
anla^en ik' und k^) gebildet. Don kleineren Tlieil des Keim«- 
scheibcnrandes (z) , weleher die lieiden Keime trennt , nennt 
Bauber die innere oder mediale Zwischenstrecke, 
den grösseren Umfang die äussere oder laterale Zwi- 
Bch enst recke. Jede dei*selben zerflült wieder dadurch, dass 
Bich von der vorderen Embryonalanla?:e (oder dem in Schluss 
begiififenen Theil des Urmunds) die Einstülpung eine Strecke 
weit auf den Keimscheibenrand fortsetzt, in zwei Abschnitte, in 
den Urmundrand und in den Umwachsungsrand. Da bei den 
TeleoBtiern die Gastrulation sich anf einen längeren Zeitraum 
ausdehnt und dabei ein ziendich betrftehtlicher Theil des Um- 
wacfasnngsrandes in Ununndrand uuigewanddt wird^ mnes die 
innere Zwischenstrecke, je geringer die Entfernung zwisoh^ den 
zwei in Ansbildnng begriffenen Embiyonalanlagen ist, nm so 
frflher znr Yergrdssemng der yon links nnd rechts sich ans- 
dehnenden ürmundränder aufgebraucht werden. In Folge dessm 
müssen jetzt die ursprünglich getrennt entstandenen 
doppelten GastrulahOhlen nach hinten in einen 
gemeinsamen Hohlraum zusammenfliessen. Aus 
Schema 11 ist Schema 12 hervorgegangen. 

Im weiteren Verlauf können nun die Ürmundränder sich 
auf Kosten des Umwachsungsrandes nur noch auf der lateralen 
Zwischenstreeke vergrösseru; sie verhalten sich genau wie die 
Randtheile einer einfachen Gastmhi und legen sich dement- 



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Uriiiunrt und Spina bifida. 469 

sprecliend allmählich in der Medianebene znr Bildung«: eines ein- 
lachen Rnnipfthcils zusammen, wie in ^^chema 13 dargestellt ist. 

Es lic^t auf dor Hand, dass je weiter die ersten Einstül- 
pungen am Keim8cheil>euriiud von einander entfernt sind, um so 
länii:cr die zwei Urmundgebietc sich getrennt erhalten und um so 
grösser die zwei Eml)ry<>nalk(">r|)er, die durch Concrescenz der 
ürmundränder entstehen, anstallen werden. Und in dem Falle, dass 
die zwei Urnunnlgebiete am Keiinseheibenrand einander mehr oder 
minder fogeuUber liegen, werden sie sich überhaupt ganz getrennt 
erhalt 11 und indem sich jedes für sieh zum Ring schliesst. zwei 
voUstUndig nnsgebihlete Einl>ryonen lieferit. die nur mit einer 
Strecke der l^auehwand in Fdkc ihrer j^emeiusamen Ent- 
stehung auf nnem Dotter /usanmienliängen. Auch muss in 
diesem Fall die Emwaehsung des Dotters in einer etwas anderen 
Weise als beim normalen Verlauf vor sieh gehen, da der Lin- 
wachsungsrand durch die doppelte Embrj'onalanlage in zwei mehr 
od^ minder symmetrische Hälften zerlegt ist. Die Umwachsung 
miu8 eine ringförmige werden und sich zwischen die beiden 
embryonalen Körper trennend hineinschieben. 

Bei der Ansicht von His und Rauber, dass der ganze 
Keimring Embiyonalrand sei und znr Bildung des Körpers auf- 
gebrancht werde, macht die Erklärung der „Gasfrodidymi oder 
Omphalodidymi*^ Schwierigkeiten und fordert einige Hilfsan- 
nahmen. Man vergleiche hierüber die von Raab er (50) in 
VirchowB Arebiy (Bd. 74, pag. 7d— 81) gegebene Barstellnng. 
Bei meiner Theorie der mehrfachen Urmundanlage and auf Gnmd 
meiner Fassang des Gastrolationsprocesses föllt jede Schwierig- 
keit bei der Erklärung weg. 

Es wird jetzt von hohem Interesse sein, von den ange- 
deuteten Gesichtspunkten aas den Telostiem die Vögel, die wir 
als Vertreter der Amnioten flberhanpt betrachten können^ ver> 
gleichend gegenflberzostellen. 

Nach der Analyse, die auf Seite 449 gegeben wurde, ist 
bei den Vögeln der GastrolationsproceBS ein in hohem Grade ab- 
weichender. Denn bei ihnen wütl nar ein kleiner Theil des 
Eeimseheibenrandes in Vrmondrand umgebildet. Letzterer schUesst 
sich meist caudalwärts zum Hing und löst sich dadurch vom 
Umwachsungsrand ab. Dies muss auf die Formnng der Mehr- 
fachbiiduugcu a priori von wdtreichendem Einiluss sein. Denn 



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470 



Oscsr Hertwig: 



wenD bei den Vdgeln am EeimBcheibenrand zwei 
Einstülpungen entstehen, so darf man erwarten, 
dass sie hier getrennt erhalten werden, aneh bei 
einer Kabelage, wo sie bei den Knochenfisehen 
bald in eins verschmelzen. Zur Veransehauliohung ver- 
weise ieb auf die Schemata Fignr 11, 14, 15. Figur 11, welche 
uns schon als Schema für die Ans^an^sstellnng zweier Embryonal- 
anlagen eines Knochenfisches gedient hatte, boU jetzt eine ent> 
sprechende Ans^angsstellnng für die Dop])eIbiIdnng eines Hühn- 
chens darstellen. Hier erhält sich jetzt in Folge des oben her- 
vorgehobenen Umstandes bei der Vergrösserun^ der Keimseheibe 
ein Theil der inneren Zwischenstrecke und nur ein geringer Theil 
von ihr wird durch Umwandlung in Urniundrand nacl) links und 
rechts zur Verlängerung der beiden Primitivstioit'eii abgegeben. 
Diese bleiben daher {hn Gegensatz zu den Teleostierii > bis zu 
ihrer Ablösung von dem Keimrand immer durch ein Stück 
Zwischenstreeke, welches die Kiirenschaft des Ümwachsungsrandes 
besitzt, getrennt. Während im »Schema 12 und lo Verselnnel- 
zung der beiden ürmundgcbiete, ist im Schema 14 nnd In 
dauernde Sondenmg derselben durcii ihre Ablösung vom Keim- 
scheibenrand eingetreten. 

Was hier aus dem Verhuit' des (-iafitrulationsi)r()eesses theo- 
retiscli entwickelt wurde, findet sieli in dw 'Ih-At durch die lie- 
obaehtungen bestätigt, welche man über Mehrtiichbildungen beim 
Hühnchen und anderen Vrigehi und Keptilien zu machen Gelegen- 
heit gehabt hat. In der That zeigen bei ihnen die Mehrfach- 
bildungen in typisclier Weise ein anderes Verhältniss, als bei den 
Knochenfischen. Wenn wir die Beselireibungen nnd Abbildungen 
von D a r ( s t e (11), Panum (43), Raube r , (fcrlacb, Klauss- 
ncr und Anderen näher durchsehen, so linden wir, dass »ehr 
häufig innerhalb eines gemeinsamen hellen Fruchthofes zwei oder 
drei von einander getrennte, mehr oder minder weit entwickelte 
Embryonen vorkommen. Dabei sind stets die Köpfe nach dem 
Centrum des hellen Fruchthofes, die Schwänzenden nach dem 
Keimseheibenrand zu gerichtet, wie es dem schon von Rauber 
betonten Gesetz ihrer Entstehung nach der Fall sein mues. Die 
Axen der £lmbryonälanlagen können zu einander den verschie- 
densten Einstellungswinkel zeigen. Zuweilen sind sie parallel 
gerichtet, wenn sie dicht neben einander liegen, oder sie bilden 



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Urmuud uiul Spiua biflda. 



471 



einen spitzen, öfters einen etnmpfen Winkel miteinander. Endlich 

können nie auch so orientirt sein, dcoss die Axe de^ einen in die 
gerade Vcilanojernng des anderen füllt, die Köpfe nach dem Cen- 
trnin, die Schwänzenden nach Aussen gekehrt. (Oppositions- 
stelJung.) 

Es wird von Interesse sein, die Unterschiede zwisehen hei- 
den Wirbelthierkiassen im Einzelnen noch etwas genauer zu be- 
stimmen und einander jre^^onüber zu stellon. 

Bei den Knochen lisclu'u sind vollständig gesonderte Zwei- 
tachbilduii^eii. die nur durch den Dottersaek zusammenhängen, 
sehr selten, bei den Vögeln bilden sie die Majorität. 

Ik'i den Fischen bleiben die Embryonen nur dann ^^esondei-f, 
Avcnn sie sich in Oppositionssteliung, d. h. an ent^'e^en^ufesetzten Stel- 
len der Keiniseheibe anlep'n, denn bei jeder grösseren Annäherung 
kommt es früher oder später zu einer Verschmelzung ihrer hinteren 
Enden. Bei den Vögeln dagegen sehen wir auch bei grösserer 
Naheläge keine Vei-sehmelzung eintreten, weil die Zwischen- 
strecke sich grösstentheils als Umwachsungsrand erhält. Die 
Mehrfachanlagen werden daher mit ihren Caudalenden nicht nur 
nicht genähert, sondern oft sogar noch weiter in divergenter 
Richtung auseinander geftlhrt. 

Bei den KnochenfiBchen sind niemals Doppelbildungen mit 
seenndär verschmolzenem Kopfende nnd doppeltem getrennten 
Rumpf und Sdiwanzende beobachtet worden, bei den Vdgeln 
entwiekelu de flieh hftufig, denn da die yorderen Enden der Pri- 
mlÜTStreifen nach dem Oentrum der Keimscheibe zu dicht zu- 
sammenliegen, sind, wie G e r 1 a c h (18) bemerkt, y^vorzogRweise die 
Bedingungen fUr eine CoUtnon der Kopfenden der beiden Em- 
bryonen gegeben**. Vielleieht werden sogar in Folge der früh- 
zeitigen Ablösung des Urmundrandes rom Keimscheibenrand und 
des dadurch hervorgerufenen Waehstbums des hinteren Theils 
der Primitivriutte durch Intussuseeption, ihre vorderen Enden 
noch mehr als es ihrer ersten Entstehung entspricht, nach dem 
Centrum der Keimseheibe zusammengeschoben. „Demgernftss 
findet man**, wie Ger lach in seiner Zusammenfassung fortführt, 
„bei den Doppelmissbildnngen theils eine mehr oder minder tief- 
gehende Verschmelzung der beiden Köpfe, wodurch dieselben so- 
gar als ein änsserlich zwar einfaches, dagegen in hohem Grade 
missgestaltetes Gebilde erscheinen können, theils aber auch nur 



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472 Oscar Hertwig^: « 

einen mehr oberflächlichen Zoflammenhang der beiden Köpfe, 
femer der Hals^ und Bntstgcgend. Bei den opponirt einstrahlen- 
den ' £mbryonalanla([^n endlieh treffen im FaUe einer Ver- 
waeheiing die Köpfe direct aufeinander , woraus verschiedene 
Formen der Craniopa^en resultiren." Zwischen der Versehmel- 
zun^; der Kopfenden zweier Vogelembryonen und der Bildung eines 
einfachen hinteren Endes beim Doppclmoiistrum eines Lachses be- 
steht ein priiicipiell wieliti^jrer Unterschied. Dort handelt es sich um 
ein secnndäres Ziisaniiucntrcten bereits vollHtändi?? und normal 
angelegter Kürj)iistro(k('ii. hervorgerntt u durch Kaiunniangel, in 
Folge dessen sieh die <MjL,'^aiu' lici ilireni Waehsthuni gegenseitig 
beeinirächtigen. Hier dagegiii handelt es siel» «ni die Verselnnel- 
zung zweier Kör])erhHlt'ten, die sieh zu einem ncrniud besehafi't uen 
Körj)erabselinitt ergänzen und in so fern als Gegensttteke zu ein- 
ander gehrnt'ii. 

Wahrend bei den Knochenfischen Missbildungen mit vor- 
derer Verdo|ij)ehnig einfacher Rumpf mit 2 Köiden i am häutig- 
sten sind, treten sie bei den Vögeln gegenüber den anderen 
Formen nn Zahl !>ela- zurück. Räuber bemerkt V(m ihnen: 
„Schwierigkeiten für die Erklärnng bieten 8onderbarer Weii« 
gerade Be(il»aeiitungeu von vorderer Divergenz, d. i. Y-tV^rmige 
Doppelbildungen des Hühnchens. Es ist, als ob das bei der 
Weiterentwicklung von Dop|)elanlagen der Knochenfische so stark 
hervortretende k<)njnnkti\e Moment unter bestinuntcu Verhält- 
nissen auch bei Duppclaulagen der Vögel in stärkerem ^laasse 
hervortreten könne, als es normal geschieht. Falle solcher Art 
sind verhältnissmässig selten. Ueber ihre Heurtbeilang können 
noch Zweifel böstehen und ist darum die Nothwendigkeit her- 
vorzuheben, weitere He(d)achtungen dieser Art von früheren Sta- 
dien zu sannueln.^' G e r 1 a c h ist der Ansicht, dass diese Doppcl- 
bildungen des Hühnchens trotz äusserer Gleichartigkeit sich nicht 
in derselben Weise wie bei den Knochenfischen erklären lassen 
und er ist dadnreh veranlasst worden, der Radiationstheorie von 
Rauber noch eine Theorie der Bifnrcation zur Seite 
zu stellen. Nach der Erklärnng von Gerlaeh geht im Gegen- 
satz zur Radiation die Bifurcation in der Weise vor sieh, dass 
„nur eine einzige £mbryonaianlage in die Area pellucida ein- 
strahlt, welehe in ihrer weiteren nach vorwärts gerichteten Aus- 
bildung bald irtther, bald später die Medianlmie verlässt^ um ga- 



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Uruituid und Spiim bifida. 



473 



belig divergfirend in . zwei Schenkel ansznlaiifen. Jeder dieser 
Schenkel entspricht dem bei Beginn der Bifnrcation noeh niebt 
gebildeten Theile der Embryonalanla^^e^ so dass dicBelbe sieb 
vor der Biftircationwtelle doppelt entwickelt, während sie hinter 
da^lboi einheitlich erscheint. Daraus ergibt sich, das» durch 
die Biftircation die Doppelniissbildnngen mit vorderer Ihiplicität 
ins Leben treten, deren höhere Grade (Ischiopagns) ein frOhzei- 
tigere« Eintreten der Bifurcation voraussetzen, als diejenigen For- 
meu der vorderen V^erdoppelung, welche nur die Kopf- und Ge- 
sichtstheile betreffen (Diprosopus, Dicephalus)." 

Den Iiil(]ung8niodus der Rifnrcation für gewisse Doppel- 
niissbiklungen der XiS^e] anziuu lutien und ihnen dailurcli eine 
exceptionelle Stellung :ui/u weisen, liegt nun aber durehaus kein 
Grund vor, wenn wir die vorrreffliohe Darstellung Duval s i l.'li über 
die Entstehung der Priniitivriimo ans* der Sichelrinne "berücksich- 
tigen. Danach legt sieh bei dvw \'ögc]n ebenso wie bei den 
Kiioehenfischeu der L'rmundraiul lun Keimscheibenrand an und 
bildet sieh durch „Conjuuetion" zur Primitivriniic um. Wenn 
daher zwei Gastrulaeinstnlpnn^rn sehr dicht nvln-u einander ent- 
stehen, werden auch beim lluiniehen. in derselben Weise wie 
bei der Forelle, aus ihnen zwei Primitivrinnen hervorgehen 
müssen, die am vorderen Ende eine Strecke weit getrennt sind 
und nach hinten in eins verschmelzen, wenn die kleine sie 
treimende, innere Zwischenstrecke zum Urmnndrand autgebraucht 
ist. Bei den Viigeln setzt dieser Vorgang nur eine viel gi-össere 
Nahesteilnng der beiden Anlagen als bei den Knochenfischen 
voraus wegen der früher dargelegten, veränderten Beziehungen 
zwischen T rinund- und Umwaehsungsrand. 

Endlich finden sich bei den Fischen nie Doppehnonstra mit 
parallel gerichteten Achsen, die in der Berührungsebene je nach 
dem Grade der Annäherung mehr oder minder weit verschmoizen 
sind. Bei den Vögeln werden solche beobachtet, und sie werden 
hier entstehen, wenn von Haus aus die beiden Gastrulaeinstttl- 
pungoi nur wenig weiter als in dem vorher erörterten Fall ausein- 
anderliegen. Die innere Zwischenstrecke mnss bei diesen immer- 
hin seltenen Vorkommnissen eine solche Grösse besitzen, dass 
sie bei der Ausbreitung der Keimscheibe und der zugleich sich 
vollziehenden Bildung der beiden Primitivrinnen an diese nach 
links und rechts nur so viel durch Umwandlung in Urmnndrand 



474 



Oscar Hert wig: 



abgibt^ als ihr TJmwacbBimgsraiid in dieser . Zeit an AnBdehnung 
spmmmt Unter diesen Bedingungen werden die sieb bildenden 
FrimitiTStreifen an ihren binteren Enden anf den verscbiedenen 
Stadien immer gleieben Abstand bewahren bei gleieb bleibender 
6r<J68e der inneren Zwisebenstrecke, während sie bei den Kno- 
ebenfisehen eenvei^ren rnttsaen nnter Schwund der Zwlsehen- 
streeke. Liegen bei den YOgeln endlieh die beiden Gastmla* 
einstttlpungen noch etwas weiter als im letzten Fall auseinander, 
so mttssen die hinteren Enden der ans ihnen entstehenden Pri- 
mitivrinnen divergiren, weil bei einer weiteren Ycrgrösserung der 
inneren Zwisehenstreeke der Umwachsungsrand an Anadehnnn^ 
mehr zanimmt, als ürmnndrand ^^e bildet' und znr Verlängerung 
der Primitivrinnen aufgebraucht wird. 

Im Anschluss an meine Gegenüberstellnnj^ der Mehrfach- 
bildungen von Fisch und Vogel sei noch daiaiii aufmerksam ge- 
macht, dass, wie schon von anderer Seite (Raub er, Gerlaclii 
hervorgehoben worden ist, „durch die Radiationstheorie eine von 
Seiten der Teratologen vielfach discutirte Ersclieinnng ihre höchst 
einfache und natüiliehe Erklärung iindet: nämlich die bei Doppei- 
missbiUiungeu höheren Grades (vollkommenen Axenduplicitäten) 
sofort in die Augen fallende Thatsaehc, dass die beiden Com- 
ponenteu derselben an gleichartigen Krupertheilen mit einander 
verbunden sind" 'Oerlach). Kopf mit Kopf, Hrnst mit Hrust 
müssen lK»i grosser Xaliestellung beider Componcnten verschmelzen, 
weil diese vom Keimraud ausgehend in gleichem Siune orien- 
tirt sind. 

Die Theorie, durch welche die verschiedene Beschaffenheit 
der Doppel misshildungen bei Knochentischen und bei Vögeln er- 
klärt worden ist, kann uns vielleicht auch weiter noch zur Er- 
klärung dienen, warum bei den Wirbelthieren, welche sich ans 
kleinen, lioloblastischcn Eiern entwickeln, bei Cyclostomen, Am- 
pbibien, Ganoiden, Doppelmissbildnngen entweder noch gar nicht 
oder nur sehr selten beobachtet worden sind. 

Von Salamandra, bei welchem aber die Eier gerade aus- 
nehmend gross sind, ist ein Doppelembryo von Braun (Nr. 7) 
beschrieben worden. Born hatte (Nr. 6) Gelegenheit, ans 
einer Zucht von Rana mehrere Doppelembryonen zu sammeln, 
hat aber von der Anatomie derselben noch keine genaueren De- 
tails veröffentlicht. Berücksichtigt man indessen, wie oft Frosch- 



Umrand und Spina bifida, 475 

laieh unteisacht und die künstliche Befmehtong von Frosoheiem 
ansgeftlhrt wird, so mofls die SpArliehkeit deiaiüger Angaben 
gewiss llberraschen und ans die Annahme nahe legen, dass in 
den genanntep Thierklaasen sich wahrscheinlich Mehrfaehbildnngen 
nieht so häufig wie hei den Teleostiem und Amniote% yielleicht 
anch gar nieht bilden werden. Anch Rauher hat diese Er- 
seheinung hervorgehoben und dadurch zu erklftren gesucht, dass 
bei den holoblastischen Eiern ^det Platz ftlr eine zweite An- 
lage sehr besebrttnkt ist und dass Eier dieser Beschaffenheit 
ansserordentlieh wenig daxii geeignet sind, Doppelbildungen .nicht 
sowohl anznlegen, als vielmehr zu irgend einer vorgeschrittenen 
Stufe der Entwicklung zu bringen". 

Xac'li meiner Ansiclit könnte die berührte Er^eheiiiunf: aueh 
hier mit der Art des Gastrulationsprocesses zusamuicnhaiigen, 
entweder in der Weine, dass wegen des besehränkten Raumes 
an der Hlastula sich überhaupt nicht Einstülpungen an zwei ver- 
schiedenen Stellen bilden k<5nncn, oder vielleicht in der Weise, dass 
zwei getrennte Einstülpungen zwar entstehen, aher iVidrzntig 
unter einander in eins verj^ehmelzeu, ehe es mn-U /.ur Verwachsung' 
der Urmundränder an zwii g< treniiten Miellen und dadurch zur 
Entstehung von /a\v\ getrennten Mednllarplatten gekommen ist. 
In letzterem Falle könnte man sagen, dass eine der Anlage nach 
im Keim vorhandene Mehrt'aclilMldnntr irewisscrniaassen l.*Ttent ge- 
blieben ist, weil sie nicht die Möglichkeit ihrer Eutt'altuug ge- 
funden hat. 

Es lässt sich vielleicht hoffen, dass durch Untersuchung 
von Froscheiem auf früheren Ötadien der Entwicklung , als sie 
dieser Arbeit zum Ausgangspunkt gedient haben, eine Antwort 
auf die aufgeworfene Frage zu erhalten sein wird. Auch wäre 
daran zu denken, dass die von mir als Henunungsmissbildungen 
besehriebenen Froscheier vielleicht in ihren extremen Formen zu 
Mehrfachmissbildungen in einer ursächlichen Beziehung stehen 
und durch gleiche Bedingungen hervorgerufen worden sind. 

Eine derartige Vermuthung lässt ^eh nieht ganz von der 
Hand weisen, zumal wenn man eine Beobachtung von Bau her 
beachtet. Danach „treten bei Vorhandensein zweier vorderer 
Embryonalanlagen leicht Hemmungen f)lr den unmittelbaren^ wei- 
teren Anscbluss der äusseren Zwischenstrecke zur Bildung eines 
gemeinsamen Körpertheils ein. Zu einer vorderen Verdoppelung 



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476 



Oscar Hertwig: 



geseUi eich dann die Bftckenspalte im Bereich des gemeinsamen ein- 
fachen KörperabecbnittB^. 

Ueher diese und andere Fragen werden w aber erst Klar- 
heit gewinnen können, wenn wir znvor wissen, welche tieferen 
Ursachen im Ei wirksam sein mttssen, wenn statt einer normalen 
einfachen sich mehrere getrennte Oastmlaeinstfilpuiigen oder ans 
einer einfachen Eizelle zwei Embryonen entwickeln sollen. 

5, Unter welchen Bedingungen können ans einer einfachen 
Elzelle mehrfaelie Anlagen herTorgehen 2 

Die im vorigen Capitel aufffcworfcne und diesem Capitel 
' zur Ueberschrift dienoiulo Fra|?c (Iriin^^t sieh einem Jeden natur- 
gemäss auf, der sich mit dorn Stndium der Melirfachbilduugen 
eingehender beHclijiftiL't hat. An Hypothesen, welche uns den 
Vorgang veretiiiKiliclit r machen sollen, hat es in der Literatur 
nieht gefehlt, auch Versuche sind häufiij: anc^cstcllt \vt»nhMi, um 
auf oxperimiMitcllcui Wege, namentlich durcli uieehaiiische Ver- 
letzuii^^on Spaltung der EmhiTonalanlage) oder durch andere 
Eingriffe Misshilduiigcii küiistlicli zn orzcu^^-cii. Wer hierüber 
näher nrientiren will, sei auf die geschichtlichen Darsii llun- i n 
von Kauber nnd von (xcrlacli hingewiesen. Mir li< ::t j'-t/t 
daran zu zeigen, wie nach uuseicn gegenwärtigen Erlahrungeu 
die Antwort aut die Krage ausfallen wflrde. 

Mir scheinen veri*chiedene Wege möglich zu sein, auf denen 
die ursprünglich einfache Anlage einer Eizelle auf zwei oder drei 
vermehrt werden kann. Ein solcher Weg ist d i e S o n - 
dernng der T h eilprodnkte eines Eies in mehrere, 
sieh in ihrer Entwicklung nieht mehr gegenseitig beeinflussende 
TheUe. 

Nach der von mir in zwei Schriften (Nr. 22) näher ansge- 
-filhrten Vererbungstheorie erhält jedes Theilstück der Eizelle 
durch den Kemtheilungsproeess nach Quantität und Qualität 
gleichviel Erbmasse in ihrem Kern. Durch . den Besitz dieser 
Erbmasse trägt es die Möglichkeit in sich, unter geeigneten Be- 
dingungen ans sich das Ganze zu reprodneiren. Ich freue mich 
fttr diese Auffassung ein neues, wichtiges Argument in den inter- 
essanten Experimenten von Driesch und Ghabry erhalten 
zu haben. 



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Ummnd und Spina bifida. 



4T7 



Drir<;oh (Nr. 12) liat Seeigeleier, nadidem sie sich eben 
zum ersten Mal getlicilt iiabeii, naeh einem von mir sebon fttr 
aiulerc Zwcu ki^ benutzten Verfabren geschüttelt und ho in vidtn 
Fällen die beiden ersten Furcbiingszelleu von einander isolirt 
und für sitli getrennt weiter gezücbtet. In T.O Fällen erhielt er 
anf diesem Wege 30 normale Hlastulae von balber Grösse und 
in 15 Fällen am Ende des zweiten Tages kleine Gastrulae, von 
denen drei sich noch zu richtigen Plutci weiter entwickelten. 
Hiermit hat Driesch die wichtige, mit meiner Auffassung or* 
ganischer Bildung in Harmonie stehende Thatsaclic festgestellt, 
dass „eine isolirte Furchungszelle sich^ wenn, sie 
überhaupt lebt, stets zu einem Gebilde entwickelt 
das sich nur durch seine (»rosse vom normalen, 
unter scheide t% dass sie ans sieh keine Halbbildung im 
Sinne Roux's, sondern wieder „ein ganzes Individuum halber 
Grosse, eine Theilbildung'' crKPUgt. Zuweilen war durch das 
energische Schütteln die Eihaut nicht zerrissen, sondern „nur 
stark gedehnt und der sonst im Zweistadium ziemlich enge Kon- 
takt der Furelmngszellen gelockert worden". Die Folge war, 
dass sich in mehreren Fällen in einer EihfUle zwei kleine Bla- 
stnlae und zwei kleine Gastrulae entwickelten. Die beiden ans 
einem Ei durch Theilung entstandenen Fnrebungszellen hatten 
daher Zwillinge geliefert, die meist von einander ganz getrennt 
waren, aber in einem Fall in bleibender Verbindung standen. 

Wenn es möglich wäre, bei einem iu zwei llalbkugeln ge- 
tbeilten Froscbei die eine derselben ohne jede Beschädigung der 
anderen vollständig zu t'nttcrnen, so iniisste sich auö der Theil- 
hältte eine vollständige, normale, nur etwas kleinere Froschlarve 
züchten lassen. Die TheiUiält'to wiirdu sicli, luu'ink'in sie sich 
weiter geturcht hättCj zu eiiu-r normalen KiMiiililaso, einer nor- 
malen Gastrula etc. in «lersrihni Weise wie das :;anze Ki, um- 
bilden und würde nur an Grosse redueirt sein, wie es durch die 
Halbirung der entwicklungsfähigen Substanz iioth wendig geworden 
ist. Wenn es t'enier möglieh wäre, zwiseheii die beiden ersten 
Fureliungszelleii eines t'roseheies in ihrer HerUhrungsebene einen 
Isolator dazwischen zu schieben, der jede Beziehung zwischen 
ihnen aufhebt, so müsstc sich aus jeder Hälfte, einzig und allein 
iu (^olge ihrer Isolirung, ein ganzer normaler Embryo bilden. 
Aus dem £i würden Zwillinge hervorgeben. 



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478 



OBoar Hert vig: 



Mit diesen Folgernngen seheinen nmi wenig die Besnltate 
m harmonireny zn denen Ronx (Nr. 61) in seinem Aufsatz „Uber 
die kflnstiiehe HeryorbriDgang; halber Embijonen durch ZergtO- 
mng einer der beiden ersten Furchnngskogeln" gelangt ist. 
Rons bat selbst seine wesentlichsten Ergebnisse kurz dahin 
resttmirt: ^^Naeh ZerstOrong einer der beiden ersten Farchungs- 
zellen vermag die andere sich anf dem normalen zn einem 
im Wesentlichen normalen halben Embryo zu entwickeln. Anf 
diese Weise erhielten wir Hemiembryones laterales und anteriores 
nebst den entsprechenden Vorstufen der Semiblastula und Semi- 
gastrula. Auch wurden Dreiiriertelembrjonen mit Fehlen einer 
seitlichen Kopihälfte durch Anstechen des Eies nach der zweiten 
Furchuiig gewonnen.'' 

Schon Driesch hat den Gegensatz zwischen seinen und 
den von Rouz erhaltene Ergebnissen betont. Ich glaube nun 
nicht, dass dieser Gegensatz wirklich anf einem verschiedenen 
Verhalten der Furchungszellen eines Echinoderms und de» Frosches 
beruht, sondern mit Mängeln zusammenhängt, die den Roux - 
sehen Experimenten anhaften. 

Roux hat (hireli seine Ansteeliversuche die verletzten 
Fnrchungszellcn gar nicht aus dem Kntwicklungsprocess voll- 
stänflifT auBgeschieden ; er hat sie nur mehr oder minder in ilirer 
Entwickinng geschädigt und gehemmt; diesen Umstand liat übri- 
gens Roux schon selbst bei seinen Experimenten atfirend 
empfunden. Anfangs hat er die Eier nur angestochen, wobei 
Extraovata entstanden ; dieses Verfahren wurde aber bahl aufge- 
geben, da selbst bei mehrfachem Aiisteelien mit einfachen, feinen 
Nadeln und trotz der so hervorgerufenen grossen Extraovata sich 
die Zellen normal entwickelten. Es wurde daher die Nadel vor 
dem Einstechen heiss gemaelit, wodurch bessere Resultate erzielt 
wurden; aber diese w^iren auch jetzt noch der Art, „dass bei 
etwa 20^/0 der operirten Eier bloss die unversehrte Zelle den 
Eingriff überlebte; während die Mehrzahl ganz zu Grunde ging 
und einige wenige, bei denen wohl die Nadei schon zu kalt ge- 
wesen war, sieh normal entwickelten.'^ Femer operirte Roux 
mit grossen Massen „nicht isolirter, sondern in Ballen bei- 
sammen liegender Eier nach Bildung der ersten l^rclie, um da- 
von nach einigen Stunden oder am anderen Tage di^enigen 



Urmiind und Spina bifida. 



479 



auszulernen und gesondert aufzustellen^ bei welehen sieh die ope- 
rirte Furcliunj^sku^^el nicht j^efurcht hatte". 

RoQx hat daher, wie ieli die Sache beartheile, bei seinen 
Versuchen ^^ar Iceine Halbblastnla, Halbgastrnia, oder einen Halb- 
enibryo erhalten, sondern eine ganze Blastnla, eine ganze Gastrula, 
einen ganzen Embrjo, die allerdings in Folge der ihnen zuge- 
fügten Schfldignng ans einem normal nnd einem anormal ent- 
wickelten Theil bestanden. An einigen der von Rons abge- 
bildeten Durchschnitte war die Dottermasse nieht in Zellen ab- 
getheilty aber dass eie nicht als todter Theil aus der Entwicklung 
eliminirt war, lässt sich schon daraus schliessen, dass sie von 
zahfareichen Kernen durchsetzt war, um welche sich sogar Strah- 
lung des Protoplasma gebildet hatte. Roux ist geneigt, die 
Kerne von dem Fnrchungskem der operirten Furchungskugel 
herzuleiten, welcher daher durch den Eingriff nicht abgetödtet 
gewesen sein kann. 

Durch die AnsteehTersnehe ym Roux sehe ich also nur 
das eine bewiesen, dass bei dem ungestörten Verlauf der Ent- 
wicklung das Zellenmaterial der einen Körperseitc hauptsächlich 
von einer der beiden ersten Furchungszellen abstammt. In Fol^e 
der Continuität der Entwicklung muss ja natdilicher Weise jede 
ältere Zellen^ruppe sich auf eine voraus^regangrene jtingere (i nippe 
wnd so schliesslich bestimmte Korpeitheile auf bestinnnte Fur- 
chungszellen zurückführen lassen. Dagegen finde ich durch die 
RüUx 'sehen Versuche nicht den Card!nal]mnkt bewiesen, dass 
sich aus der linken Finchungszelle nichts anderes als die linke 
Körperhälfte unter allen Umständen entwickeln müsse, weil sie 
nur für diese die diflf i > n/irenden und gestaltenden Kräfte enthielte. 

Der Dilferenzpunkl ist von ausserordentliehcr Tragweite für 
die Benrtheilung des organischen Entwiekliuigfsprocesses : Nach 
Roux sind die Entwicklungsvorgänge „nicht als eine Folii-e der 
Zusammenwirkung aller Theile oder auch nur mIIci- Kerntheile 
des Eies zu betrachten, sondern an die Stelle solcher differenzi- 
renden Wechselwirkungen auf einander tritt die Selhstditferenzi- 
rung der ersten Furchungszellen nnd des Complexes ihrer Deri- 
vate zu einem bestimmten Stück des Embryo". Jede der beiden 
ersten Furcbungskugeln „enthält also nicht nur das Hildungsmaterial 
zu dem entsprechenden Stück des Embryo, sondern auch die 
differenzirenden und gestaltenden Kräfte^. „DieFurchung 



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460 



Oscar Hör tvi j^: 



scheidet den die direete Entwicklung des Individnunis vollzieben- 
den Theil des Keiuiniaterials, inshosondcre des KernmateriaiB 
qualitativ and bestimmt mit der daljei stattfindenden Anordnung 
dieser yerschiedenen, gesonderten Materialien zugleich die Lage 
der späteren dilferenzirten Organe des Embryo." „Es voll/jeht 
sich'^y bemerkt R o n x , „die Gastmlation in jeder Antimere selbst- 
Btftndig und das Gleiche ist auch in der caudalen uud eephalen 
' Hälfte der Fall. Demnach gilt es aueli für die betreffenden 
Viertel, und wir können mit Berttcksiebtigung der beobachteten 
Weitereiitwicklung dieser Viertel sehliessen: die Entwicklung der 
Froschgastrnla und des Kunächst daraus- hervorgehenden Embryo 
ist von der zweiten Fnrchung an eine Mosaikarbeit und zwar 
aus mindestens vier vertikalen, sieb selbständig entwickelnden 
Stücken.*' 

Diesen Thesen muss ich die Antithesen gegenaberstellen: 

1) Die Entwicklung eines Organismus ist keine Mosaikarbeit; 

2) die Theile eines Organismus entwickeln sieh in Beziehung zu 
einander oder die Entwicklung eines Theiles ist abhängig von 
der Entwicklung des Ganzen. 

Worauf diese Thesen und Antithesen schKesslich hinaua- 
laufen, wird der Leser am besten ei-seben, wenn wir uns, wie 
schon oben bemerkt wurde, die beiden ersten Furchungszcllen 
des Froselieies in der Theilnngsebene durch einen Isolator ge- 
trennt denken. Da kein schatii^cndei- Emgi ill stattgefunden Init, 
abgesehen von der Aufhebung der Wechselbeziehungen, so nuiss 
die EntAvickhmg zu beiden Seiten de8 Isolators weiter vor sieli 
gehen. Nach Roux würden wir ans der linken und reeliteu 
Fnrcbuugszelle, da jede nur die (litiV'ren/irenden mul jücstalteiiden 
Kräfte für die linke und ref-hto K/irperseite des Embryo eiitliält 
uud diflferenzirende Wecbsehvn kuncren übcrliaii])! in Abrede ge- 
stellt werden, zuerst eine linke nu l rechte lilastnlahälffe, aus 
jeder wiedei- eine dementspreclieude Gastrula luid sciiliesslich 
zwei vollständige Kürperhälften entstehen, die, wenn sie nicht 
in der Medianebene von einander dureli den Isolator ^-etrennt 
wären, sich zusannnen zu einem Normalembryo ergänzen würden. 
Nach meiner Auffassung, und das ist wohl auch die Auffassung, 
zu welcher Driesch auf (rrund seiner Experimente hingeführt 
sein wird, wandelt sieh jede der beiden Furchungszellen in einen 
Zellkaufen um, aus dem weiter eine vollständige Blastnla, eine 



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Uiniuüd und Spina bifida. 



481 



voUständige Gastnda, ein vollständiger Embryo nnr von geringerer 
Glrösse hervorgeht. Naeh meiner Auffassung enthält 
daher jede der beiden ersten Farchnngszellen 
nieht nar die differenzirenden nnd gestaltenden 
Kräfte fttr eine KOrperhälf te, sondern fflr den 
gauzeu Organismus und nur dadurch entwickelt 
sieh normaler Weise die linke F ii r e h u n g s z c 1 1 e 
zur linken K ö r p e r h ä 1 f te , dass sie zu tiuer rechten 
F u r c Ii n n g s z e 1 1 e in Ü e z i e Ii u n ^ e s e t z t ist. 

Teil erwähnte oben als Stttt'/e fttr nit ine Anftassuiig nehen 
Driesch aucli die Experiment«' des französischen Forschers 
Chabry (Nr. lu der Tliiorie steht dieser Forscher auf 
dem Standpunkte von Ronx. Er nimmt tiir die Ascidicn und 
für Thiere, deren Fnrehungszellen frUhzeitii; dilTorenzirt sind, an, 
„que ehaque hla**t(>niere eontient en puissaiu'c ci rtaines parties 
dont sa mort cntraine la )i('rt(» irnMuediahle et i\üc Ics diffe- 
r e n t e s parties de 1 a n i ni a 1 s o n t p r e f o r m e s d a n s 
1 e s d i ff (' r 0 11 1 0 s a r t i e s de F o pu i'^. Seine Exjjerimente 
scheinen mir aber gerade «las (lo'rtMitheil (hivon zu beweisen. 

Mit Hülfe besonders erfundener, sinnreicher Instrumente hat 
Chabry (1887) einzelne Furchuugszellen von Ascidiella aspersa 
durch Anstechen mit feinsten Olasnadeln zerstört. Zerstörte er 
nun von den beiden ersten Fnrehungszellen die linke, welche das 
Material für die linke KOrperhälfte enthalten sollte, so züchtete 
er in mehreren Fällen aus der rechten unversehrten Furchnngs^ 
zelle eine Larve, dont la queue avait la forme, la longnenr et 
la structure hahituelle. Les trois feuillets du blastoderme etaient 
distincts et le Systeme nervcux represente par une taehe pigmen- 
taire k grains fins gitu6e k la base de la queue dans la eon- 
eavit6 de son point d'attaohe au tronc. En avant il ezistait 
une Papille de fixation.^ Wurde die reehte Furchungskugel zer- 
stört, so erzengte Chabry, wie er sich ausdruckt: linke Halb- 
individnen, von denen er bemerkt: „Iis peuvent pr^nter les 
meines organes quo les demi-individus droits k Texeeption saus 
doute de Totolithe.*^ Das Resultat war dasselbe, wenn auf dem 
IL Furehungsstadium die zwei rechten oder die zwei linken 
Zellen zerstört wurden. Chabry bildet eine so erhaltene Larve 
ab mit dem Bemerken: Malgr6 sa ressembhmce frappante avec 
une larve ordinaire, eile n'est pourtant que la rooiti^ d'une larve. 

Aroblv für mUtrosk. An»! Hd. S» BSt 



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482 ögear Hertwig: 

La forme g^n^rale est assez bonne, le tronc et la qneoe sont 
distincls." Aueh bei Zerey^xuag der Dach Yom oder der nach 
binteD gelegenen zwei Zellen oder nur von einer derselben konn- 
ten Larven gezttchtet werden. 

Gbabry le^t im Sinne seiner Theorie ein Gewicht auf den 
Umstand, dass bei ZerstOmng gewisser Zellen sich kein Otolith 
mid nur 1 Haitpapillc vorgefunden habe. Das sind aber doch 
sehr untergeordnete Momente, wenn man bedenkt, dass sieh alle 
drei Keimblätter, Chorda/ Muskeln, Kervenanlage, Darmkanal ete. 
im Ganzen der Norm entsprechend entwickelt haben. Und wahr- 
sc'heiiilicb wtlrden auch noch der Otolith und die Haftpapillen 
entstanden sein, wenn die 80 vielen sehädi^enden Manipulationen 
(öftere Untersuchung) au.%^esetztcii Larvt-U nicht «o ii ilh zu Grunde 
gegangen wären, l^üdcn sich doch bei Ascidien sogar Ocellen 
in der Umgebung von ktinstlich erzeugten Ocflnungen ihres Pc- 
rithoracalraums (Loeb 39). 

Am Schluss seines Aufsatzes niässigt denn auch Obabry 
selbst die volle Strenge seiner Auffassung, dass (iie Orgaue in 
cinzrliu n Purcliun^^s/dlcn prätunairt seien, durch den Satz, den 
man als ein halbes Zngcständniss meiner Auffassung betrachten 
kann: ^11 ra'a paru en effet que, par la mort d'une ecllulc, 
1 a p u i 8 8 a n c e des s u r v i v a n t e s c t a i t c Ii a n g c c et 
q u ' c 1 1 e s (1 ü n n a i c n t a 1 o r s n a i b s a n c e a des p a r t i e S 
q u e 8 a n s cd a c 1 1 c s n'a u r a i c n t ]) a s p r <> d u 1 1 c s.^ 

Die ansgezeiclineten Experimente von Chabry haben in 
meinen Augen ein sehr wichtiges Ergebniss zu Tage gefürdert, 
das schon Driesch in folgende Sätze zusammeugefasst hat. 
^Aus der nicht operirten Furchungszelle entwickelt sieb nicht 
ein halber rechter oder linker Embryo, sondern stets ein ganzer 
von halber Grösse, dem allerdings gewisse Organe von minderer 
Bedeutung (Ofolitli. ein Haftorgan) fehlen. Die speciellen Aus- 
flihmngen und Bilder von Chabry inaohen dies sicher: das 
Resultat ist also demjenigen Boux's im Wesentlichen entgegen- 
gesetzt." 

Die hier vertretene Auffassung der organischen Entwick- 
lung harmonirt mit den Experimenten der Botanik« und mit den 
in ähnlicher Weise auf thierische Objecte ausgedehnten, ergeb- 
nissreiehen Versuchen von Loeb (Nr. 39). 

Der an erster Stelle besprochene Weg, auf welchem Mehr- 



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Urmimd und Spina bifida. 



488 



fachbikluugcn aus oinom t'iiit'jiclien Ei ihren rrsjirun^ nelimeii 
können, scheint mir im natürlii ln ?? Vt'rhiuf der i)in«?e di r Re^^el 
nach nicht einireschhig'en zu ucrdt ii. Dureh mechanisclio Kin- 
wirkung das Ei in zwei ent\vieklmi;:staliii;e Theile zu zcrleii^en 
ist kein einfaches noirinuon. Auch h'hrt die directc Beol»achtung 
bei den Knoclu ntisehen, dass ^ieh die niehrt'aehen Anlagen ans 
einer einheitlichen Keiniseheibe hervorbihien. „Sämmtlichc 
Fiscbeier, die Mchrfachbihhingen auf dem Xeurulastadium beher- 
ba'gten, waren nicht ^rr^f^j^er als gewöhnliche und onterscbieden 
Bich, abgesehen Ton der Mehrlach bildnng selbst, in nichts ande- 
rem von den gewöhnlichen, mit Einfaehbildung vcrselienen." 
Daraus schliesst Rauher: „Der Keim einer späteren Mehrfaeh- 
bildinig- muss den mehrfachen Kräfteplan, dessen Vollzug die In- 
dividualität bedingt, entweder schon vor der Befruchtung be- 
sitzen, was das Wahrscheinlichere, oder er muss ihn durch die 
Wirkung des Samens auf das £i erhalten.'' Auch ich glaube, 
dass es sich um Ursachen handelt, die schon vor dem 
FurchnngsprocesB anf das Ei eingewirkt haben 
müssen, und nnter den hier in Frage kommenden 
Ursachen halte ich Anomalien des Befruehtnngs- 
processesCPolyspermie oder Ueberfruchtnng) fttr 
die wahrscheinlichsten. 

Wie von mir (Nr. 21, 27) mid F oi (Nr. 16, 17) bei £chinode1^ 
men zuerst festgestellt vnirde, wird nnter normalen Bedingungen das 
£i von einem einsigen Samenfaden befruchtet, während in Eier, 
die in irgend einer Weise gelitten haben, mehr oder minder zahl- 
reiche Samenßtden emdringen. Nur einfach befruchtete Eier 
entwickeln sich normal, alle anderen zeigen Störungen des Fur- 
chungsprooesses und wurden daher schon in meiner ersten Arbeit 
als pathologische bezeichnet. Fol hat die Entwicklung der- 
selben weiter verfolgt und geftmden, dass aus ihnen Keimblasen 
hervorgehen, an denen sieh mehrere Einstülpungen bilden. Er 
nannte sie dal>«r Polygastrecs, k(nnite sie aber über das ange- 
deutete Stadium hinaus nicht länger am Leben erhalten. Er 
knüpfte an sie die Hypothese, dass ans mehrfacli bctruchteten 
Eiern Doppcl- oder Mehrlaclibildung-cn hervor/ugclicn scheinen. 

Einige ,I;{hrc später kt Fol in einer kur/A>n Mittheilung 
iu dem Genfer Archiv noch einmal auf seine Hypothese zurück- 
gekommen. Er hat die Eier von Seeigeln dadurch, dass er sie 



ivicjui^L-ü cy Google 



484 



Oscar Hertwipf: 



in eine KohlenBftnreatmoBphftre braelite, yorttbergebend gelähmt 
und darauf bei Znsatz von Sanien Ueberfruehtung hervorgerufen. 
Er ^bt m, auf diese Weise Larven, die Dop})cl- nnd Mebrfaeh- 
missbildungen (Polygastr^) darsteUen, erhalten zu haben. Seine 
ursprtlnglichc Ilypothese modiflctrt er in sofern, als er zugibt, 
dass manchmal die Einführung von zwei Spermatozoen kein ano- 
inakf? Phänomen hervorruft. Dagegen glaubt er, dass mit der 
Zahl 3 die Grenze erreicht ist, welche von einein Ei iiiclit un^'cstraft 
überschritten werden kanii. „Le fait a ihr' importauco tlu'orique 
incontestable^ bemerkt Fol hierzu, „puisqu'il montre que le 
spt rniato/oaiic ne represente pa« par lui mßmc une individualitc, 
maiö Rculcmeut une certaine dose de substance nucleairc, poss^- 
dant mm donte des i)roprietes speciales." ,.La questiou de 
l'origine de 1 individualite n'cst pas abs^oiiuaent liee a la dose 
ni ä la provenance de la substance du noyau. Le nombre des 
individualites qiii prendront naissance dans un oeuf normal, ne 
peilt sc roeomiaitre qu'an norabre des amphiasters qui se mou- 
treut \or^ He la preniiere caryokin^se." 

Bei kurzer Asphyxie der Eier (iiin-en nach Fol drei bis 
vier Samentaden in ein Ei ein und lieleni Larven, welehc selir 
häufig Doppelbildungen darstellen ; bei länger dauernder Asphyxie 
erfolgt Ueberfmchtung durch 5 — 10 Samenfaden. Wenn Weiter- 
entwicklung eintritt (was nicht immer der Fall ist), entstehen 
häufig Yielfachbildungen (monstres poljgastrdes). 

Mein Bruder und ich haben, unabhängig von Fol, durch 
chemisohe Stoffe (namentlich Karcotica), durch mechanische £r- 
sebfittemng, durch Wärme und Kälte Eizellen von Echinodermen 
gelähmt und bei Samenzusatz geringere und höhere Grade von 
Ueberfmchtung hervorgerufen. Die dadurch bedingten Entwick- 
lungsproeesse haben wir eingehend verfolgt, die höchst sonder- 
baren Eemtheilungsfignren, die Knospenfurchung etc.,^ worüber 
die Originalaxbeiten (Nr. 27) nachzusehen sind. Ueber das Ver- 
hältniss zur Entstehung von Mehrfaehbildungen l^onnten wir uns 
aber an dem Untersnohungsmaterial keine Gewissheit verschaifen. Es 
ergab sich zwar die wichtige Thatsaebe, dass mehrfach llberfiruchtete 
Eier, trotzdem sie auf dem Wege der Knospenfurchung sich m 
ganz irregulärer Weise in ein^ Haufen von Zellen getheilt 
hatten, doch schliesslich im Ganzen nonnale Keimblasen lieferten, 
die sich vermöge ihrer Flimmerang rotirend im Wasser fort- 



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LTzuund und Spiua blAda. 



bewegten. Hänfig aber entwickelten sich viele über dfcM St»- 
diiim nicht uciter. trotzdem sie noch einige Tage am Leben 
blieben, eine Erücheinnn^-. die sehr gewöhnlich anch bei Bastard- 
befrnchtuu^' vorkommt. Et? haben also offenbar die Eier, sei es 
als Xachwirkniig der schädigenden Eingriffe, sei «'s dureli den 
Act der Ueberfmchtmig selbst, au Lebenskraft verloren, l'eb^r 
die Hy]K)thest^ von F»»l haliea wir uns in der oben erwähnten 
Arbeit auf Grund ^unserer Erfabningeu lolgendermaasseu ge- 
äussert: 

«Während nn«-er(s Mt'crniffntbalts haben wir der Frage 
naeh der Enlstehun^' vt»ii Mebrtaehlnldnn^^en ganz in -cndere Ant- 
nKTks:ynkeit, ^re^^^dmet, Wir haben Tankende von Larven aus 
tibertruclitetea Eiern gezüchtet und auf dem <^Iastrula- und Plii- 
tensstadinm untersucht, da voraussichtlich um diese Zeit Zwil- 
lingsbildungen am besten hätten erkannt werden müssen. Allein 
nnsere Au§beate war eine ganz versehwindende : wir haben einige 
wenige Lanren mit doppelter Gastrulaeinstfllpnng und einige 
wenige Phitei mit doppelter Spitze aufgeftuiden. Die geringe, 
höchstens ungefähr zehn betragende Zahl von Doppelgastrulae 
Steht in gar keinem Verfa&ltniss zu den Tausenden von einfachen 
Gastrulae, welehe wir ans überfrachteten Eiern gezüchtet haben, 
so dass man sie keineswegs als Beweise Dir die Ansicht, dase 
Doppelbefrnehtong Doppebmflsbfldnngen vemrsacht, ausnutzen 
kann. Immerbin mochten wir aneh nicht die Theorie dadurch 
für widerlegt halten.*' 

Das Letztere ist anch jetzt noch mein Standpunkt. Ob- 
wohl meine diesmaligen Experimente an Füoscheiem gleichfalls 
zu keinen poi«itiven Ergehnissen gefilhrt haben, mOchte ich doch 
rathen, auf dem rorgezeichneten Wege die Lösung noch weiter 
zu suchen. Eine» freilich kOnnen wir schon jetzt mit ziemlicher 
Bestimmtheit sagen, dass ein unmittelbarer directer Zusammen- 
hang zwischen üeberfmchtnng und Hehrfaehbildung nicht be- 
steht. Es ist nicht mehr daran zu denken, dass zwei Samen- 
ftden durch ihr Eindringen eine Doppelbildung, drei Samenfaden 
eine Dreifachbildong TcrurBachcn. Gibt doch anch Fol zu, dass 
bei Echinodermen, wie schon Selenka betont hatte, die Ein- 
fftbrnng von 2 Spennakernen kein anormales Pliänoinen liervor- 
roft. Und mein Bruder und ich haben nurinale (lastmlae nnd 
Plntei aus Eiern erhallen, von denen dem Mengenverhältniss 



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486 



Oscar Hertwig: 



nach za nrtheilen ein grösser Theil aas ttberfrneliteteii Eiern 
seinen Ursprung genommen haben muas (Einzeleultnren Uber* 
fmchteter Eier waren nicht ansgeftlhrl worden). Aach jetzt 
habe ich gefunden, dass Froscheier, die ganz nnregehnässige 
Farchnng zeigten und daher nach dem allgemeinen Stand unserer 
Erfahrungen mehrfach befrachtet gewesen sein mttssen, in ein- 
zelnen Fällen, in denen sie isolirt worden waren, normale Larven 
lieferten. Wie ans einem Minus der normalen Sub- 
stanzmenge (ans Eifra gmenten oder isplirten Fnr- 
cbuugskugelii); so lassen sich auch aus einem 
Plus — einem Ei und mehreren Sp ermatozoen — 
normale Individuen gewinnen. Wir können so- 
mit einer T h c il- eine üeberschussentwicklung*) 
gegenüberstellen. ' 

Wen« zwischen Ueheit'iiu litiiiig- und Mehrfachbildung mm 
auch kein directer Zusaiiiim nhaiig nachweisbar ist, so könnte ein 
solcher doch auf indircH tLui Wege bestehen. Wir müssen mim- 
lich einen wichtigen Punkt nicht Ubersehen. Jedes noiinal be- 
fruchtete Ei stellt — um mich eines Ausdrucke von Chabry zu 
bedienen — „ein im (ileichge\viclit befindliches, organisches Sy- 
stem dar. bei wclclicm os unmuglieh ist die lAV^a oder Form 
eines jHciner Theile zu stüreu, ohne dass die anderen spuatau und 
unmittelbar einen anderen Gkicliiiewicbtszustand annähmen" 
(pai!'. 147). Entlcrnuiig R>vvo]d nln aueli HinznlllL-nu^'- eincfi gleich 
or^^anisirten Tlieils wird unter allen Umständen als Eingrifl' in 
dii.s System eine Störung liervorruf'en und es werden regnlatonsclie 
Vorgänge Platz greifen müssen, damit sieh trotzdem die Kntwiek- 
lung der Norm näiiert. Wenn Störungen im System nicht aus- 
geglichen sind, so werden sie sieh im ersten Fall voruUmlieh in 
Defecten änaseni : Ktinstliche Theilbiidungon werden ieicht, me 
dies auch ans den Experimenten von Chabry hervorgeht, an 
dieser oder jener Stelle irgend einen Mangel anfweisen. Sollte 



1) £8 scheint mir sogar der FhI! nicht undenkbar und gewisser- 
inaftssen nur ein Geg'cnstück zu der scll»st;ni(li<;eii Entwicklung einer 
Eihälfte zu sein, riass zwei eben hefnit htctc Hier, wenn sie aus ihren 
Hüllen b( iroit nach Art der ersten Furehimgshaibkugeln icusammen- 
getiigt und mit einer gemeinsamen Hülle umgeben werden könnten, 
sich nach Art einer getheilten Fnrchungskugel weiter verhalten und 
zusaminen sn einem einfachen Embryo entwickeln würden. 



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Urtnuud und Spinn bifida. 



487 



bei der Ueberschuäseutwicklang nicht aaeh unter besonderen Be- 
dingnngien das Entgegengesetzte eintreten? 

Das Eindringen von zwei nnd mehr SanienfUden bedingt 
immer eine sehr erhebliehe Störung im Entwieklnngsproeess des 
£ies. Verbinden sieh bei Echinodermen zwei Samenkeme mit dem 
Eikern, so entsteht ein Tetraster imd anstatt sieh zn zweitheilen, 
sehnOrt sich das Ei etwa zu derselben Zeit gleieh in vier Zellen 
ab. Beim Eindringen von drei nnd mehr Samenfäden erscheinen 
die eomplicirtesten Kemtheilnngsfiguren^) nnd das Ei zer^lt auf 
dem Wege einer ganz onregelmUssigen Sdiospenfurchnng in eine 
grössere Zahl von TheilstQeken, die sieh weiterhm auf dem Wege 
der Zweitheilun^ vermehren. Wenn der Protoplasmakörper des 
Eies nicht sehen vor der Befruchtung in seiner Lebensfähigkeit 
zu sehr geschädigt war, bildet sieh ein Haufen kleiner Zellen, 
und diese ordnen sich, indem sie Oylindergestalt annehmen, zu 
einer Keimblase an, der man nieht mehr ansehen kann, ob sie 
von einem einfach oder mehrfach befrachtete Ei abstammt. Ob 
eine Meiirfachbildnn^ entsteht oder iiiclit, lägst sich erst auf dem 
Gastnilastadiuin entscheiden, indem statt einer zwei oder mehrere 
Einslüljnmgen wahrnehmbar werden. Wir können daher siigen: 
Die durch ü e b e r tru c h t u n g h e r v o r c r u f e n e S 1 0 - 
Y n n jLj . Ji A c h (1 cm sie i m K c i m h 1 a » e n s t a d i ii m f ü r uns 
latent geworden war, findet einen Ausdruck erst 
wieder i u der A b ä u d e r u ng des G a s t r u i a t i o u s p r o - 
c e s s e B. 

Für Echinodunueneier gibt Fol an, hänHir<'r zwei Gnstrula- 
einstlilpungen beobachtet zu haben; uns ißt es nur in einigen 
wenigen Ausnahnufällen gcliiui^cn. Nach diesen und anderen 
Erfahrungc'u will es mir scheiucii. als ob kleine, (bjttcrarme Eier 
sich zur Pr(»duction von Melnfaehhildungen eben wegen ihrer 
Kleinheit Uberhaupt wenig eignen, weil an der Hlascnobertläche 
wenig Raum fiir mehrfache Einstülpungen gegeben ist und die 
Entstehung einer Eiustfllpung schon ein Verhiaderungsgrund iür 

1; Nchenlici Avill ich hrmerken. dass in der Anzald der Oiro- 
niosomeu, "svelche den Tochtfrl^enieii zu^ellioilt wcr«loii, sein* variahelc 
Verhältnisse i'latz grcitcn iiiu.sseu, woraul in zukünftigen Unter- 
suchungen einmat an günstigen Objecten ein besonderes Augenmerk 
wird SU richten sein, ebenso darauf, ob in irgend einer Weise noch 
eine BeguUrung der Zahlenv^hlUtnisse nachträglich bewirlct wird. 



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488 



Oscar^Her twi|r: 



die Entstehung weiterer sein kOnnte. Auf dieses Moment liat 
schon Ran her in einer etwas anderen Form hingewiesen. Da- 
her bieten Asteracanthioneier, die grösser sind als Seeigeleier 
nnd mehr Dentoplasma besitzen, was ich gleichfalls nieht für un- 
wesentlich halte, vielleicht schon günstigere Bedingungen dar, 
wie denn Fol an diesem Object zuerst anf das Anftreten mehrerer 
Gastrulaeinstalpnngen anfmerksam geworden ist. 

Die Qrdsse und der Dotterreichthnm d^ £ier scheint mir 
in folgender Weise in die Wagscbale zn faUen. Nehmen wir die 
meroblastischen Eier der Fische und VOgel, an denen ja bis 
jetet die Mehrfaohbildnng am häufigsten wahrgenommen worden 
ist. Bei Mehrfachbefruchtung wllrden sich viele Kernfiguren in 
der Eeimscheibe bilden, welche dadurch rascher in Zellen zer- 
legt würde. Da Kerne in ihrer Umgebung das Protoplasuia an- 
sammeln, 80 würden hierdurch vielleicht auch die protoplama- 
tischen Theile mehr nocii als es schon normaler Weise geschieht, 
aus dem Nahrungsdotter nach der Keimscheibe gezogen werden. 
Diese wUrdc daher nicht nur rascher zerklüftet, sondern zugleich auch 
reicher an entwicklungsfilhiger Substanz und so zur Production 
von zwei oder drei Einstülpungen veranlasst werden. Die mehr- 
fache Giistrulation gibt aber, wie wir gesehen haben, den mit 
Sicherheit nachgewiesenen Ausgangspunkt fllr die typischen Mebr- 
fachbildungen der Wirbelthierc ab. 

Die Frage nach der Wirkungsweise der Ueberfruchtung 
wird endlich noch durch ein weiteres Moment complicirt. Jedes 
gesunde Ei hat ein wunderbar eingerichtetes, regulatorisches Ver- 
mögen, durch welclies Ueberfruchtung verhütet wird. Dasselbe 
beruht in einer grossen Heizbarkeit, welche unmittelbar contractile 
und secretorische Vorgänge zur Folge hat. Auf den durch die 
Berflhrang mit dem Kopf eines adäquaten Samenfadens hervor- 
gerufenen Beiz antwortet die Eizelle durch Abseheidung einer 
Membran und Auspressen einer geringen Menge von Licjuor peri- 
vitellinus, wodurch das Eindringen eines weiteren Samenfadens 
, unmöglich gemacht ist. Der ganze Mechanismus arbeitet so 
prompt, dass künstlich befruchtete Eier wirbelloser Tbiere, auch 
wenn ihre Oberfläche bei Vermisehnng mit viel Samenflflssigkeit 
alsbald von vielen Sainenföden bedeckt ist, doch nur das Ein- 
dringen eines einzigen gestatten. Ueber&uchtung setzt daher 
ftlr gewöhnlieh emen geringeren Grad der Reizbarkeit der l^izellen. 



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Umnnd und Spinit bifida. 



489 



einen langsameren Verlauf der Abscheidnng einer Membran, ttber- 
hanpt eine Störung des regnlatorisehen Blechanismns yorans; diese 
aber wird immer die Folge einer geringeren oder grosseren 
SehAdignng sein, welche das Ei yor der Befrncbtnng erfahren 
hat. In Folge dessen werden ssu den dureh die 
Ueberfrnehtung an sieh yerursaehten Abände- 
rungen der Normalentwieklung noeh die Störungen 
hinsukommen mttssen, welche mit der yonAnfang 
an yorhandenen Schädigung des Protoplasma- 
kOrpers der Eizelle zusammenhängen. 

Ein Zeichen einer derartigen Störung erblicke ich an liber- 
frnchteten Eehinodermeneiem darin, dass aus dem ' Eiinhalt glän- 
z^de Kügelchen, gewissermaassen abgestorbene- und unnfltz ge- 
wordene Theile^ in die Höhle der Keimblase ausgeschieden werden 
(Stereoblastulae). Viel tief prreifendere Verändeningen Hessen 
sich an Uberfruelitoteii Piosclieiern beobachten H'af. XX. Fi;;. 21 
bis 21). Manchmal war mir die aniniale Hüllte des Eies in den 
Entwiekhuigsprocess eingetreten «Fi^. 21. 22). während die vege- 
tative Hälfte, da sie eine geringere Quantität Protophisma ent- 
hält, nicht in Zellen abgctheilt ist und Merkmale des Zerfalls an 
sich trägt (Vacnolisirnnir ete.\ Doeh k(»minen in ihr Kerne und 
sogar einzelne, isolirt oder in Gruppen /asanimenliegende Zellen 
(Z^) vor. I)erarti|frp Befunde kimnen doch nnr so gedeutet werden, 
dass sieh in <l e n) e s e h ä d i g t e n Ei in Folge der 
B e f r u r Ii t ii n die lebensfähigen und die dem Ab- 
sterben anheini fallenden Substanzen von einander 
sondern, was in den auf Tafel XX ab^el)ilderen Präparaten 
in ijehr verschiedener Weise durehgeführt ist. In einem Ei 
Fig. 23) haben sich nur in der Kinde des aninialen Poles Inseln 
kleiner pignieutirter, in ein bis zwei Lagen ausgebreiteter Zellen 
(Z*) auf der \aenolisirten Dottenuasse gebildet, in einem andern 
Fall (Fifr. 21) ist eine Blastula entstanden, bei welcher nur die 
animale Hälfte ans Zellen, die \negetative ans theilweise abge- 
storbener Dottenuasse besteht. Und in einigen anderen Fällen 
(Fig. 24, 26, 27 ] sehen wir, dass die lebendige Substanz, die sich 
vom nicht entwicklungsfähigen Rest des Eies abgeti'ennt hat nnd 
oft nur die Hälfte odei- nur ein Drittel des Ganzen beträgt, sogar 
sieh zur Gastrula einstülpt, sogar eine Nervenplatte (Fig. 26, 21 
mp) und Chorda entwickelt. So sind Theilbildungen entstanden, 



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490 Obcaf Hertwig: 

die in mancher Beziehung mit dea Thcilbildungcn Ubereinstimmen, 
die Roux durch vollständige oder partielle Zerstönug; einer der 
beiden ersten Furclmngskogehi hervorgerufen hftl. 

In dieselbe Reihe von £r8eheinnngen rechne ieb Befunde, 
die nns Chabry (Nr. 10) von monströsen Larven von Ascidielia 
aspersa mittheilt. Er giht an» im Herbat gegen Ende der Laieli- 
periode nnd eboMO auch von Individuen, die sieh längere Zeit 
in Gefangenschaft befunden hatten, Eier erhalten zu haben, die 
fast aussehlieaelich monströse Larven hervorbraehten. Es zeigte 
sieh dies sehen frtth an Unregelmässigkeiten des Fnrchongspro- 
eesses. Abbildungen, die Chabry hiervon gegeben hat, stimmen 
mit dem ttberem, waa ieh bei Echinodermen als Enospenfhrehung 
bezeiehnet habe. Weiterhin beobachtete Ohabry, dass Theile 
des Eies abstarben, zuweilen die Hälfte oder sogar drei Viertel 
und dass aus dem lebenslahig gebliebenen Best sich monströse 
Larven entwiekelten, an denen man die drei primitiven Keim« 
blätter und noch verschiedene Organe unterscheiden konnte. 
Einmal wurde auch eine Larve aufgefunden, die zwei Ruder* 
schwänze.und eine doppelte Chorda besass. 

Obwohl Chabry seine Befnnde nur durch die Annahme 
von parents monstripares und durch die Doctrin einer monstruositc 
dn germe zu erklären sucht, glaube ich doch, dass es Kich auch 
Im'i Ascidiii uui ^esehädigte und uichrtach betruchtete Eier handelt, 
wie CB Fol, Born (Nr. 4), mein Bruder und ich an anderen 
Objecten festgestellt haben. 

Wie au8 meiner Darstellung hervorgegangen sein wird, 
ui ii sr s e n i n e i n e Ui ü b e r f r u c Ii t e t e it Ei verschiede n e 
Factoren mit einander concurriren, Kräfte, welche 
zur Entwicklung tendireu und Einwirkungen heni- 
ni i' u der und st ö r e ii <1 e r Art. I > i e e r s t e r c n werden 
durch die B e t' r u e Ii t ii n g , a u c Ii wenn sie eine m e h r - 
fache ist, angeregt, die letzteren sind die Folgen 
der Schädigung, w e 1 e Ii e d a s E i d u r c h e 1) c r r e i f e 
und EinflüRse verschiedener Art vor der Befruch- 
tung erfahre!» hat. Je nachdem der erste oder der 
zweite Factor über w i c g t , werden d i e E n d e r g e b - 
nisse der Entwicklung sehr verschieden ausfallen 
müssen. 

Ueberblickcn wir nun von diesem Gesichtspunkt aus die 



Urmiind und Spina bifida. 



491 



teiatologischen Befunde, die man von Ifccht- oder Lachseimi 
gewonnen hat. Da zeigt sich denn nach den Erfahrungen von 
Lerehoulle't und Raaber, dam monströse Eier in manchen 
Zuchten reichlicher vorkommen nnd verschiedene Charaetere dar- 
bieten. Neben typischen Mehrfachbildungen finden Bich £ier mit 
Urmnndspalte und bei diesen wieder ist der Urmnndrand xuweilen 
nur auf einer Seite zu einem Halbembrjo entwiekelt, wfthrend 
er auf der anderen Seite seine organbildende Fähigkeit eingebüsst 
bat. Endlich lernen wir Eier kennen, bei d^en nur der Dotter 
von einer dflnnen Zellschicht umwachsen worden ist, welche die 
Fähigkeit eine Embryonalanlage zu schaffen gar nicht mehr oder 
nur theilweise besitzt (Molen). Im letzteren Fall kann von der 
Zellblase ans das Rudiment eines Schwanzes angelegt worden 
sein, während Kopf und vordere Rumpf hälfte fehlt. Auch bei 
den monströsen Froscheiem bot sich uns eine Reihe dar: Em- 
bryonen mit verschiedenen Graden der Urmnndspalte, Hemmnng 
der organbildenden Thätigkeit auf einer Sdte des ürmnndrandes, 
Eier, bei denen nur eine partielle Entwicklung Platz gegriffen hat. 

Naeh dem Vorausgeschickten ist die Möglichkeit nicht von 
der Hand zu weisen, das» die oft so verschiedenartigen Befände 
in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, dass es sich um in 
verschiedenem Maasse gescliädifj^te und in Fol^re dessen über- 
fruchtete EiiM- liandelt, hei wclclirn sich die den Kntwickliin^^s- 
process torderuden und liennueiuU n Faetoieii bald in dieser bald 
in jener Weise, bald in iliesem bald in jenem Theile der Anlage 
geltend gemacht haben. 

Man sieht, die Frage nach dem Zusammeniiang zwischen 
ÜeberlVuehtan^^ und Mehrfnchbildnnjr lie«j:t nicht so cinfaeh, als 
es nach der 1I\ jxitliesc vo n 1(1 /n sein schien. Es handelt sich 
um coniplieirte. in ihrem Ziisammenhang noch schwer zu tlber- 
schauendc VerhiiUnis.se. Von einer Beziehung zwischen Zalil rler 
eingrcdrnn^^'nen Samenfäden und der Arf der MehrtachbiUlnng 
wird zuniiehsf iranz ahzusehen sein; da^^t^^i?^ werden die durch 
Ueberfruchtung hervorgerufenen Abändenui'ren des normalen Ver- 
laufes des Kntwiekhnigsprocesses, sowie die Grösse und <lie ()r- 
ganisation des Eies bei der Entstehung von Monstrositäten eine 
Hauptrolle spielen und bei Erklärungsversuchen in erster Linie 
zu beachten sein. So dunkel das ganze Gebiet der monströsen 
Entwicklung auch immerhin noch sein mag, so glaube ich doch, 



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493 Oscar Hertwig: 

da88 es eSner pUumUUHngen, experimentellen Forsehung, wenn sie 
in der angebahnten Richtung weiter vorgeht, gelingen wird, ttber 
viele Dinge Licht zu verbreiten. Bei Eiern von Fischen, Amphibien 
und wirbellosen Tbieren wird man dareh kflnstliche Eingriffe 
Ueberfruehtnng hervormfen mflssen. Von den Eingriffen ver- 
dienen diejenigen natnriicfa am meisten den Vorzug, welche 
die Entwicklnngsflihigkeit der Eier am wenigsten schädigen (üeber- 
reife, Behandlnng mit Kohlensäure, Kälte ete.)- Äbnonnitäten 
des Furehnogsprooesses werden dabei zu beobachten, die abnorm 
gefurchten Eier werden, wie es schon Born (Nr. 5) in einer 
Versuchsreihe unternommen hatte, isolirt weiter zu zttehten sein. 
Ein Erfolg fUr diese Mtthen wird bei Wahl eines geeigneten Ob- 
jeetes nieht aasbleiben. 



Figoren-Erklftrimg. 



a Alter. 

ab Augenblase. 

ar Altorrinne, Afterrohr. 

af Afterfalten. 

ak äusBeres Keimblatt 

au Auge. 

ch Chorda, ch' der linken, ch^ der 

rechten Seiu*. 
ehk Chordakanal, 
d Dotter, 
dp Dotterpfropf, 
da Darni. 
dl Darmlippe, 
ds Dannstrang". 
eil Enddarrn. 
f Flosse. 

fh Fnrchnngshöhle. 

Spinalgangliott. 

Ii Hattscheiben. 
hV) H(irblft»ch6a. 
hz Herz. 

ik inneres Keimblatt, 
k Kopf, k*, k* linke und rechte 
Kopfanlage der Doppelbildung. 



kd Kopidaniiliöhle. 
Id Kiemen. 
1 Leber. 

l8 linke Schwanzhaifte. 
mk mittleres Keimblatt, 
inr MeduUarrohr, 
mp Modnilarplatto. 
law Medullarwülste. 
ms Mnskelsegmente. 
n Naht, 
p Pigment. 

pr Primitivrinne, pr^ pr^ der linken 
und rechten Anlage. 

r Humpf. 

r« rechte Schwunzhälfte. 

s Schwans. 

sf Schwansflosse. 

sk Schwanzknospe, »k* sk^ der 

linken und rechten Seite, 
sch Scheidewand. 

t Trichter, 
ud UrdaruK 

ul Urmnndlippe, dorsale ul* 
Tentrale. 



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♦ 

Umnind und Spina bMda. 498 



uo Unnund. 

ur Unnundrand, ur* der in Ver- 
schmelzung" begriffene Tlu'il, 
ur^ der am Keimscheibenrand 
gelegene. 

US Unegment. 

vg Umierengang. 

VLW Umwachsungrsraud auf 
verschiedenen Stadien). 



1 va Vacuole. 

I vp Verbindnnp;"splatte. 

I V Vorbindung8«telle. 

2 Zwiücheustück. 

z< Zellen im Dotier. 

X* an der OberflAebe abgefürcbte 
Zellen. 

* Eingang in die Eopfdarmböhle. 



Erklärung der Figuren auf Tafel XYI— XX. 



W = Weibchen, get. = abgetödtet. befr, ■= befruchtet, cons. = 

conservirt. 

•^T a r e 1 XVI. 

Fig, 1. Mi.ssg('l)ildeter Froschembryo (Bm) mit höchstem Grad der Ur- 
mundspalte vom Rücken aus gesehen. Eli eines am 14. Mttrz 
getödteten Froschweibchens, am 16. befruchtet und am 23. 
eingelegt. 

Fig. 2. Eine ebenaolche Missbildung Bf vom Bttclien aus gesehen. 

Ei am 17. befruchtet, am 23. eingelegt. 

Fig. 3. Scitliclie Ansieht von Fig. 2. 
Fig. 4. Eine ebensolche Missbildung Bb. 
Fig. 5. Eine ebensolche Missbildung Ba. 
Fig. <>. Misfibildung 

Fig. 7. Misabildung J\ Die Embryonen und J* rühren von Eiern 
eines am 14. getodt^n Weibchens her, welche am 10. be- 
fruchtet und am 21. eingelegt wurden. 

Fig, Ö. Schon zienilk-li weit entwiekelte Misshildung Bk mit normal 
gebildetem Kopfende (Augen- und Ohrblasen) mit ürmund- 
spalte in der Milte des Bückens vor dem dorsalwärts umge- 
bogenen Schwanzende. 

Fig. 9. Misabildung N mit Verschluss des Urmunds im vordersten 
Abschnitt des Kopfesy wihrend es sonst noch in ganxer Aus- 
dehnung geöffnet ist. Der Embryo rflUirt von Eiern eines am 
14. getödteten Weibe hens her. Welche am 16. befruchtet und 
am 23. abgetödtet wurden. 

Fig. 10. Missbildung M. Weibchen am 14. getödtet, 16. befruchtet, 
23. conservirt 

Fig. 11 u. 12. Misshildung 0 mit thellweise entwickeltem Kopfende, 
ausgedehnter Urmundspalte und doppelter Schwanslcnospe* 
Fig. 11 Ansicht von der Schwanisseite, nm die OberflHchc m 



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494 Oscar Hertwig: 

seigen. Tig. 12. Embryo rtm der Rückeuflftcfae etwas seit- 

witrts' p-eseheii. W. 14. ffet., 16. Ix fr., 23. conservirt. 
Fig. 13. MisHbildun^' F mit normal entwickeltem Koj>fpndo. ITnnniid- 

Hpalte i)i der Mitte des Kückens und Auftreten der Schwauz- 

kno.spen. W. 14. f^et., 16. befr., 23. cons. 
Fig. 14. Missbiidung G mit normal entwickeltem Kopf- und vorderem 

Rümpfende» mit lJrmimd8|MÜte rot der Schwatizwiincel. (W. 

14. get| 16. befr., S8. cons.) 
Fig. 15 U. 161. MbwbüdiiBg mit Urmiindspaltc und Verkümmernnj;? der 

rechten Körperseite, mit entwickelter Unker Schwan%iiAU1te. 

(W. 17. befr., 23. cons.) 
Fig. 17. Mi^M!^bildung T mit gehchloissenem Kopf und Rumpf, aber ge- 
spaltenem Schwansende. (17. befr., 23. cons.) 
Flg. 18 11. 19. lÜBsbildung Bg mit wenig aiiBgebildetem Kopfende 

und gespaltenem Schwaniende , mit weitem Urmnndrand, 

Fig. 18 bei seitlicher, Fig. 19 bei Ansicht vom Rücken. 
Fig. 20. Weit entwickelter Embryo S mit dem Rest einer Urmund- 

spalte vor dem dorsal wftrts umgebogenen Schwänzende. (17. 

betr., 23 cons.) 

Fig. 21. Weit entwickelter Embryo B mit Rest einer Urmnnd^alte vor 
dem rechtwinklig umgebogenen Schwansende. 

Fig. 22. Weit entwickelter Embryo Y mit rechtwinklig umgebogenem 
Scfawanisende und einer kleinen, kaiinn .sichtbaren OefTnung 
am Rücken, dein Rest einer Urmundspalte. (17. befr., 23. cons.) 

Fig. 23. Aehnlich wie in Fig. 22 gestaltete MisHbilduug F. (W. 14. get., 
16. befr., 25. cous.) 

Fig. 24. Hechtembryo am Ende des dritten Tage« mit Urmiindspalte. 

Flg. 25. Derselbe am siebenten Tage. Copie.nach Lereboullet. 
'Beide Figuren sind um die Hälfte verkleinert und mit Tusche 
angelegt worden. 

Fig. 36. MiHshildung Cb. In der Ko]>f- und Rumj^ffre^end, in welcher 
sich der Urmund geschlossen hat, entwickeln sich die Medullar- 
wiilste, aber am hinteren Ende ist der Urmund nocii weit 
offen. (17. befr., 2L cons.) 

Fig. 27. Missbildung Ca. Ei, in dem sich die Medullarwülste am Kopf- 
ende ^twickeln, wAhrend das hintere Ende einen noch weit 
geofflnetcn Urmund zeigt. Die Missbiidung entstammte Kioi n 
eines nm 14. getodteten Woibcheim. die am 16. befruchtet 
wurden. Das Ki zeig-te unrcgclmilssigo Furchung und wurde 
isolirt, am 23. eingelegt. 

Fig. 28. Missbildung Ad mit normal entwickelter Bückengegend, aber 
«in«r weiten Urmundspalte an dem hinteren Ende unterhalb 
der Schwansknospe, von der Seite gesehen. 

Fijg. 29. Missbildung Ac mit einem Rest der Urmundspalte am hinteren 
Ende, vom Rücken gesehen. 

Fig. 30. Mitisbildung Ab mit einem Rest der Urmundtipalte am hinteren 



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Uinmnd und Spina bifida. 4{l& 

Ende, wo er e/twtta auf die Bauchseite verschoben ist, von der 

Bauchseite aus g-esohen. 

Pig. 31. Missbildung: H mit bt n-inncndor SeliwanzbiUlung und eiuoni 
lieht der Urniundspaltc, welche .sich ventralwSrtH vor der 
Scliwanzwurzel Uudet, vou der Seite geseiuni. (W. 14. g&t., 
2ft. befr., 28. cons.) 

Fi^. 82— S5. Eier eines am 14. getödteten Weibchens, die am 16. be- 
fruchtet wurden und 4 Stunden nacli Zu.'^at/. des Samens in 
der skizzirten Weise Harokfurclniii«): zciii-ten. Die Eier wurden 
isolirt. Aus den in Fig. 22 und 2Ü abgebildeten Eiern erit- 
wicki'lien .sich Enibryoiieu mit Medullarwülsten, bei den in 
Fig. 34 und 35 abgebihleten Eieru trat keine Ga^trulation 
etc. ein. 

^afel XVn. 

Fig. 1. Querschnitt durch das vorderste Kopfende von Missbildong ' 

J» (Taf. XVI, Fig. 6). 
Fig. 2. Querschnitt durcti die Mitti' des Kumpfe» derselben (J^). 
Fig. 8. Querschnitt durcli da» hintere Drittel des Bumpfes von der- 

sclhi'ii Missl)iltlnng' (.)*). 
Fig. 4. Sagittulbchniit nahe der Mediiincbeue diu'ch die Mit^biidung O 

(Tttlel XVI, Fig. 12). 
Fig. 6. Vou demselben Objcct ein Sagittalschnitt, der mit der Median» 

ebene ziemlich BUsammenfKIlt und von dem nur dasSchwana- 

ende abgebildet ist. 
Fig. G. Querschnitt durch den seitlichen Urmuudrand desselben Ob» 

jcctcs etwa in der Mitte des Rumpfes. 
Fig. 7. Quersclniitt «luicl» den nicht zuui Schliiss ^'•planjrten Theil des 

seitlichen Urmundraudes von Missbildun^- F <.Taf. XVI, Fig. 18). 

Siehe auch Taf. XVII J, Fig. 19—25. 
Fig. 8. Medianschnitt durch Missbildung Ba (Taf. XVI, Fig. 5). Siehe 

auch Fi{?. 11, 12 und 20 auf Taf. XVII. 
Fig. 9. Medianschnitt durch Missbildung M (Taf. XVI, Fig. 10). Siehe 

auch Fijf. 17, Taf. XVII. 
Fig. 10. Querschnitt durch den seitlichen liiniUMdrand im hinteren 

Drittel des Rumpfes von Embryo Bf (Tat. XVI, Fig-. 2). Siehe 

auch Fig. 16 und 22, Taf. XVH. 
Fig. 11. Querschnitt durch den seitlichen Umiundrand im vorderen 

Drittel des Bumpfes von Missbildung Ba. Siehe auch Fig. 8 

und 12. 

Fig. 12. Von demselben Ohiert ein (.»uersclmitt durch den seitlichen 
Uruiuudrand im hinteren Drittel dvs Rumpfes. 

Fig. 13. Querschnitt durch das hintere Ende von Missbilduug (Taf. 
XVI, Fig. 6) an der Stelle, wo sich die Urmundrftnder über 
der Enddarmhöhle aur Schvaninaht zuMmmengelegt haben. 
(Siehe auch Taf. XVn, Fig. 1—8). 



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496 Oscar Hertwtg: 

Fig'. 14. Desgleichen, noch etwas weiter nach Hinteln. 

Fig. 15. Medi anschnitt durch Misshildunf? ja (T;if. XVT, Fig. 7). Siebe 

auch die Figuren 18, 19 und 21 nut Tai". XVII. 
Fig. 16. Medianschnitt durch Missbilduug Bt (Taf. XVI, Fig. 2). Siehe 

auch die Figuren 10, 22 auf Taf. XVII. 
Fig. 17. Sagititalachnitt in einiger Entfernung von der Medianebene 

yon MiBBbUditng M (Taf. XVI, Fig. 10). VergL auch den Me- 

dianschnitt Fig. 9. 

Fig. 18. Querschnitt durch den spitlichon Urmundrand von Missbildung^ 
J^, von welcher in Fig. 15, 19, 21 Sagittabchnitte abgebildet 
bind. 

Fig. 19. Sagittalscbiütt duich die MeduUarplatte und die Ursegmente 
am seitiichen Umnmdrand derselben Missbf Idnng. (Siehe flg. 
15 und 18.) 

Fig. 20. Sagittalsidinitt in der Gegend der am seitlichen Urmundrand 
gelegenen (Thorda von Missbildung Ba. (Siehe auch Flg. 8, 

11 und 12). 

Fig. 21. Sagittalschnitt in der Gegend der am geitlichen Urniundraud 
gelegenen Chorda von Missbildung Prftparate derselben 
Schnittserie sind auch in Fig. 15 und 19 abgebildet. {VergL 
auch den Querschnitt Fig. 18.) « 

Mg. S2. Querschnitt durch den seitlichen Ummnd im vorderen Drittel 
des Rumpfes von Missbildung Bf. (Verg-l. auch den Quer- 
schnitt Fig. 15 und den Medianscbnitt Fig. 16.) 

■^Tafel XVIII. 

Fig. 1. Querschnitt durch das Kopfende von Missbildung N (Taf. XVI, 
Fig. 9). 

Fig. 2. Von demselben Object ein etwas melir nach liinten folgender 
Qaerscbnitt der Serie, in welcher linke und rechte Himhftlfte 
auseinander weichen. 

Flg. 8. Von demselben Object ein Qüersr initt durch das vordere 
Drittel des Rumpfes iin Bereich der Urmundspalte. 

Fig. 4. Von Fig. 3 der linke Urmundrand bei etwas stärkerer Ver- 
grüsserung gezeichnet. 

Fig. 5. Querschnitt durch das hintere Ende derselben Missbildung N, 
im Bereidi der Verschmelzung von linkem und reehtem Ur- 
mundrand. * 

Fig. 6. Ein etwas weiter nach hinten folgender Querschnitt der Serie 
von demselben Object. 

Fig. 7. Ein Querschnitt durch die Aiterrinne, etwas stärker vergrössert, 
von demselben Object. 

Fig. b. EUn Horizontalschnitt durch Missbildung W durch das hin- 
tere Ende in der Gegend Uber der Altergrube« 

Fig. 9. Desgleichen ein etwas mehr Tentralwttrts folgende^ Horiaon- 
talschnitt der Serie durch die Aflergrubc. 



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Umund und fipina bifida. 



497 



PIg. 10 — 12. 3 Horizontalschnitte oincr Serie durch d.as hintere Ende 
von F.inl)ryo C, fTuf. XVT. Fi--. M^. Fin. 10. Sflniitt nh.'i hall» 
der Attei Ln uhc. Fi;;. 11. Sclinitl durch die Attcrgrubc. Fi^. 12. 
Schnitt unteihall) lier AlU'rgrubü. 

Fig. 13—15. £iii%ehie c^ucrachnitt« aua einer Serie dureh dus uuigiv 
krttmmte Schwanaende von MiMsbildung: Bk (Taf.XVI, Fig. 8). 

Fig. IC. Quersdinitte durch den hinteren Kopftheil von Miasbildung Bg. 

(Taf. XVI, Fig. 18) aus der Gej^end, wo die Hirnhiilften Beitlich 
aus einander weirhen und die Cliorda siefi llieilt. 

Fig. 17. Von deniseH)en Embryo ein buhl tV)l;;('nder QucrHchnitt aus 
• dem vorderHten Bereicli der Unuundspaltc, wo die Kopldarui- 
höhle nach ausften mündet Siehe auch Fig. 26. 

Fig. 18. Quernchnitt dnrcli Embryo F (Taf.XVI, Fjg. 13) aus der Go- 
gend hinter dem Kopf, wo die Thcilnng von Rückenmark und 
Chorda bejifinnt. 

fig, 19—21. Von derselben Missbildung nfU'htolir(Mule (^>nors< Iinitt<' der 
Si i i< . Fi»i;, 21. Schnitt durch die Ausniüuduufi" der Kopfdurm- 
liöhle. Siehe auch Tal. XVII, Fig. 7. 

Fig. 22—%. Frontalachnitte aus einer Serie durch da« hintere Körper- 
ende von Mißbildung F, deren vorderer Körportheil in Quer- 
.schnitte (Fig. 18—21) zerlegt wurde. Flg. 22. Ihii-chKcIniitt 
(lurcli das hintere Ende der Urniundspalte. 

Fig. 23. Dnrchsrtniitt durch die VerüciimelzuugMttelie der hinteren Ur< 

iiiiiiKlriiinlci". 

Fig. 24. Durclisclniiit durch die Scliwanzw ur/.el und die Aliergrube. 

Fig. 25. Durchschnitt durch die Schwansknospe. 

Fig. 26. Querschnitt durch die umgokrümmto in 2 Hülften gOHpaltene 

Scliwanzanlage von Missbildun-: F.- (Taf.XVI, Fig. 18 u, 19). 
Siehe auch Fig. KJ und IT (Taf. XVIII). 
Fig. 27. Querschnitt durch dir Mitte des Kuni|)fes von Missbildunj;- X 
(Taf. XVI, Fig. 15 und IG) nut vorkünauerteiu reclitent Ur- 
nmndraud. 

Fig. 2H. Querschnitt durch MissbUdung U (Taf. XVI, Fig. 31) in der 
Gegend des ventralwflrts vor der Schwanzwurzel gelegenen 
Reates einer Urnmndspalte. 

Fig. 29. Cojne nach Oellacher (1. c. Tat. XVIII, Fi;;-. 6). Zur Hälfte 
verkleinert. (Juersehnitt durch einen Katadidynnis vnn Trutfn 
Fario, der bis /auh Lobus opticus oine Urniundspaite bcsass. 
Der Schnitt ist durch die Lcber^fgeiui j^eliihrt. 

Fig. 30. Copie nach Lereboullet (1. c. Flg. 32). Keimwulst eines 
Hechteies von 50 Stunden; Dotterloch. Keiniwulst Ver- 
längerung desselben. 

"Tafel XIX. 

Fig. 1—3. Querschnitte durch das Schwänzende von Embryo B (Taf. 

XVI, Fig. 21) mit Alterrinne. 
Fig. 4. Querschnitt durch die Aftergegend von Embryo K. 
Arehf V fttr uilkrvsk. Auat Ud. 33 



498 Oscar Ttertwi^: 

Fig'. r> u. G. Desfrleicheii von Embryo V (Taf.XVI, Fi;?. 22). 

Fig. 7 — J>. 3 Horizontalschnitt (■ durch den Hniii])! \ nn Knibryo V 
(Taf.XVI, FifT. 22). Fi^. 7. Durch das «fe-spaltciu' Iiiukciunark. 
Fi^, i>. Dureli die ^cspaitcno Chorda. Fija:. H. Durcli die Aus- 
niündung' der llrumnd.spalte (t) am Rücken. 

Fijf. 10 Q. 11. QtterAchnitte durch das Sehwanzendc von Embryo V 
(Tftf. XVI, Flg. 22) mit verdoppeltem Rückemnark und dop- 
pelter Chorda (ch^ ch^). 

Fig. 12 — 11- (Jm rsehnitte durch Ernl^ryo A. F'i«r. 12. In der Oej>-('nrl 
des Hiiitci kopts. Fig-. Kl An (ier Spaltunji^.sstelle von Kücken- 
mark unci Chorda. Fig. 14. Durch die Unnundspalte. ■ 

Fig. 15. Horizontatsehnitt durch Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23) an der 
Ausmündung der UrmundHpalte. 

Fig. 16. Querschnitt durch das Schwanzende deKBclbeu Embryo. 

Fig. 17. Längsschnitt durch Embryo Ad Taf.XVI, Fig. 28). 

Fig. 18—20. Ans einer Sehnittseri»> duii-li das ScIiM'anzende von Em- 
bryo (' mit Spaltung- der Ciiorda :cli', ch-). 

Fig. 21. liorizontalschnilt tlurcli Embryo T ^inf. XVI, Fig. 17) mit 
Doppelschwanz (s^, si). 

Fig. 22 tt. 23. 2Horizontaiitchnitte durch Embryo S (Taf. XVI» Fig. 20). 
Fig. 22. Durch das gettpaltcne Rückenmark. Fig. 23. Durch 
die jfesjialteue Chorda. 

Fi«:. 24. Querschnitt durch d;is Schwair/ctide desselben Embryo. 

Fi-^. 25. Querschnitt durch die Afteriimic dcsM lhcn Kinbiyo. 

P^ig. 2G. Medianschnitt durch Embryo Ab (Tal. XVI, Fi^. 30). 

Fig. 27. Qnenielmitt durch Embryo Ca (Taf. XVI, Fig. 27) an der Ui-- 
inundspalte. 

' Tafel XX. 

Fig. 1—4. Schemata, um die Bildung eine» Lachsembryos durch Zu- 
)«mimeni*ückeu und Verwachsen der UrnmndrHnder und das 
Verhiiltniss des Umiuudrandes (ur) zum Umwachsungsrand 

inw) zu •/.(■i'^en. 

Fig. 5 u. Scbemata, um die Entsteliun;^' der Urmundspaltc durch 

mangelhaften Verschluss der Urmundränder (Henunuug) bei 

Lachsenibryonen zu erläutern. 
Fig. 7 u. 8. Schemata, um das VerhOltniss von Ürmundrand (ur) und 

Umwachsungsrand (uw) bei Selachierembryonen zu erklfti^n. 
Fig. 9 II. 10. Schemata, um dasselbe Verhältnis» wie in Fig. 7 und 8 

für die Eier von Vögeln und Re})tilien zu erklilren. 
Fig. 11— l.-l. Schemata über die Entstellung der DoppelnuKsbildungoii 

vom Luch» auH zwei GaMtrulaeiuHtülpuugen. 
Fig. 14 u. 1&. Schemata zur Erklärung der Doppehnissbildungcn vont 

Hühnchen. 

I ig. Ki. Schemata zur Erklärung des Chordakanals der Säugethiere. 
Fig. 17—20. 4 Schemata, um die Henuuuugsmissbilduugen mit Ur- 



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Ümmiid und Spina bifida. 



499 



inumispalte Fijf. 17, Ib mit der uomaleu Entwicklung Fig. 19, 
20 zu vt'r^leiclien. 

Fi^. 21—23. Pathologische Kicr, bei denen nur in einem beschränkten 
Bezirk Zellenbildun^ eing^etreten ist» während der grösste 
Theil des Dotters sich nicht getheilt hat. 

Fig. 24. Tlieilweisr entwickelti'H Ei, hei welcliciii der in Zellen getlieilto 
Abschnitt 2 KciinMMtter gebildet and sich isu einer Art Ga- 
stnila 11111- ( biidet hat. 

Fig. 2.5. Eine isoiirte Zelle (z), untgebeu von un«rt'theiltcr DottenniiHse. 
Eine starker vergrösserte Partie von 1 ig. 21. 

Fig. S6 tt. 27. Zwei Eier, bei denen sich die H&lfte der Dottennasse 
nicht entwickelt hat, die andere Hälfte in Zellen zerlegt ist, 
die sich zu zwei resp. drei Keiiiiblilttcrn angeordnet und so- 
gar eine Mcdullarpiatte (uip) angelegt haben. 



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Urrttttiid und Spina bifida. 503 

Inhalt. 

Seite 

Einleitung ' 353 

A. Speoieller ThelL 3d(> 

1. Störanii^ini des Furchun^^HproccKBCB 35(> 

2. MonstrÖHtt £iitwickluiij>: von Kioni, bei dtnicu mehr oder minder 

ffiosse Pal•ti^^(•n dvs Dotters unj^etlioilt <2«bli<:tbou .siiwl . . . 368 

3. Sti)nm^''ou im nn^tnilntionsproccss, die. zu iii;nitr<'lhat'ltMn \'vy- 
Kcliluss (los t iiiiuiiiis uud iii Folj^e det^ücn zu t;iner Reihe von 
Mibbbilduugcii liihron , . , . , «MJä 

I. Ciruppt' (li'V Misshi Iii uu;ifu. 

Totalf Uniiumlspaltt' .'{Gl 

II. (ti uppc ilcr Missbi Idu nj; «'ii. 

Partiell« Urmundspaltc in der Kncken^(';4<'iid . . . 375 

1. Mistibildungen mit partieller Üriiiundspalte in der Rttcken^e{>rctid 

auC ciiit'tn frühen Entwicklun^stadium 376 

2. Mis.sliil«luii;"('n mit parlicllor Unnuii«l.spalt<i in ilvr Hürkeiifyefcend 

auf einem weiter vor;;ci'ückt(Mi Knt\vicklun^s»ttidiuni .... SM 

ITT. r; nippe «1er M i s sl>i I d u u o ii. 
PHrticlIe l rinuiKispalle in <1< i .\rn'r{;^e«j:end . . . 400 

B. Allgemeiner Theil. 

l'furf lieilmm und \ Crw ( rt liiin^ der Belunde . . . il2 

1. f>a.s Vorkomiuen ilhiiiiclier Missbiidunffen in anderen W irlu'l- 
thicrklansen und ihre Stellung im System der Teratologie . . 413 

a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der Knoelicu- 

flsche 413 

1>) Die Teratn mesodidynia der Anipliibien 418 

c) Spaitbildnn;>en flt r Axennr^rnne bei den drei höheren 

Wirl)elthierkl;i>.scii, S]»iii;i hitida 418 

2. Die Bedeutung der an tlen Mis8l)il(lungen gi'wonuenen iielunde 

rür einige Grmidfragen der Wirbelthiermorpholo^-ie .... 424 

a) Die irrmundthcorie 424 

Di»* ConcreHcen7.tlieorle 4:12 

h) Die Scliwanz- und Al'terblldun^^ der Wirl>eitl»iere . . . i't'2 

.*). Die ("oelrtnitJicorie .'Knf^;i'<rTnTnir auf (5 i» { t c. Der ('luii'dnkanal) 450 

4. iie./iieliungen ^U•^ l'rumiul.s /.n verscliicdcnen Formen \ »>nMi.s.s- 
l>ildungen KU 

5. Unter vrelcheu Beding; ungen können aua einer einfachen Ei- 
sselle mehrfache Anlagen hervorgehen? 476 

a> Sondertniü* der Tlieilproducte eine» Eies. (Exp<'rimente 

von Driesch, Uoux, C'liabry) 47<» 

b) Bedeutung der TJeberfruchtmii:' ' Polyspennic i l'iir die 
Entstehung von Mehrfaehl»ildunj»en und aiiileren Mon- 
strositüte» 483 



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Archiv pnilavskof i . AiKilotn IC. Bd. XXXIX. 




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