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Full text of "Die Malaria-Krankheiten, unter specieller Berücksichtigung tropenklimatischer Gesichtspunkte. : Auf Grund von in Kaiser Wilhelms-Land (Neu-Guinea) gemachten Beobachtungen bearbeitet"

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Die 

Malaria-Krankheiten 

unter specieller Berücksichtigung 

tropenklimatischer Gesichtspunkte. 



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Die 



Malaria-Krankheiten 

unter specieller Berücksichtigung 

tropenklimatischer Gesichtspunkte. 



Auf Grund von in Kaiser Wilhelms-Land (Ncu-Guinea) 
gemachten Beobachtungen bearbeitet 



von 

Dr. O. Schellong, 

Arzt in Königsberg. 



Mit Abbildungen im Text und q lithographirtcn Tafeln. 




Berlin. 

Verlag von Julius Springer. 

1890 . : 



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Druck von H. S. Hermann in Berlin. 



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VORWORT. 



Die vorliegende Arbeit gründet sich auf Beobachtungen, 
welche ich wahrend eines längeren Aufenthaltes in Kaiser- 
Wilhelms-Land, dieser jüngsten Kolonie Deutschlands im fernen 
Osten, zu machen Gelegenheit fand. 

Die Insel Neu- Guinea gehört zu den wenigen Punkten der 
Erde, welche heutzutage noch fast gänzlich unbekannt und un- 
erforscht sind. Ein Reisender, welcher in kühnem Zuge diese 
Insel durchquerte, ist noch nicht gefunden und wird voraus- 
sichtlich auch nicht leicht gefunden werden. Denn es liegen 
hier Verhältnisse vor, welche jedes Eindringen in das Land 
ausserordentlich erschweren; das sind die Dichtigkeit der Vege- 
tation, der fast gänzliche Mangel an natürlichen und geschaffenen 
Verkehrsstrassen, die Spärlichkeit der Eingeborenenbevölkerung 
und das Fehlen von jagdbarem Wild. 

Waren somit die Deutschen, welche in Kaiser-Wilhelms- 
Land Pionierdienste leisteten, nicht reich an blendenden Erfolgen, 
so war es doch Manchen von ihnen vergönnt, in stiller Arbeit 
Nützliches zu leisten; und gerade in einer vergleichsweise be- 
scheidenen Thätigkeit hatten Ehrgeiz und jugendlicher Drang 
sich bisweilen ein erhebliches Mafs herber Entsagung aufzu- 
erlegen. Man riskierte auch hier Gesundheit und Leben, aber 
nicht bei Vollbringung ruhmreicher und Aufsehen erregender 
Thaten, sondern in Detailexplorationen, welche über den Bereich 
der einzelnen Stationen gewöhnlich nicht hinausgingen. 

Mit der Wahrnehmung meiner ärztlichen Obliegenheiten 
beschäftigt, wurde es mir in noch geringerem Mafse als meinen 



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VI 



Kameraden zuteil, an der geographischen Erforschung des 
Landes mitzuarbeiten. Statt dessen verbrachte ich meine Zeit 
mit dem Studium mancher mir nahe liegender Fragen aus dem 
Gebiete der Anthropologie, Ethnologie und Klimatologie; und 
es waren ganz besonders die Malaria-Krankheiten, welchen ich 
mein fortdauerndes Interesse zuwandte. 

Die Malaria-Krankheiten spielen in tropischen Ländern 
bekanntlich eine grosse Rolle; sie ziehen sich überall wie ein 
schwarzer Faden durch das frisch farbige, sonnige Bild, als 
welches man sich das Leben des Europäers in den Tropen vor- 
zustellen pflegt. 

Die klimatischen Gefahren, welche vorzugsweise in den 
Malaria-Krankheiten gipfeln, werden leicht von der einen Seite 
übertrieben, von der anderen unterschätzt; um so mehr bin ich 
in der vorliegenden Arbeit bemüht gewesen, überall den Stand- 
punkt grösst möglichster Objektivität zu wahren. 

Auch hoffe ich, dass die allgemeine Fassung, in welcher 
ich den Gegenstand behandelt habe, dazu angethan sein wird, 
dem Buche auch bei solchen .\rzten und Laien Freunde zu 
gewinnen, welche nicht gerade mit tropischen Verhältnissen 
Fühlung unterhalten. 

Dem sehr liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn 
Verlegers habe ich es zu danken, dass das Buch mit einzelnen 
zum Verständnis dienenden Bildern und Tafeln ausgestattet 
werden konnte. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle dafür 
aufrichtigen Dank aus. 

Königsberg, im März i8go. 



Dr. O. Schellong. 



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Inhalts -Übersicht. 



Sehe 

Kapitel 1. Einleitendes i 

Kapitel II. HUuHgkeit der Malaria- Krankheiten in den Tropen 

und ihre praktische Bedeutuns 6 

Kapitel 111. Die Malaria - Krankheiten in Kaiser Wilhelms - 

Land (Station Finsdihafen). Allgemeines Bild . . . . . l 2 
Kapitel IV. Allgemeine Charakteristik und Einteilung der 

Malaria -Krankheiten der Tropen . 31 

Kapitel V. Typische.s Malaria- Fieber 34 

Kapitel VI. Atypisches Malaria-Fieber, von remittierendem, 

kontinuierlichem oder Remischtem Charakter 44 

Kapitel Vll. Malaria biliosa haemoglobinurica 58 

Kapitel Vlll. Malaria comatosa . 72 

Kapitel IX. Latente Infektionen (und larvierte Formen) . . . 80 

Kapitel X. Komplikationen der Malaria 83 

Kapitel XI. Milztumor 9! 

Kapitel Xll. Ätiologie der Malaria 105 

Kapitel XIII. Theorie der Malaria-Infektionen 136 

Kapitel XIV. Die Prophylaxe und Therapie der Malaria-Krank - 
heiten unter Berücksichtigung tropenhygieinischer üesichts - 
punkte 148 



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Benutzte Literatur. 



I. Schneider; „Nachrichten Uber Kaiser Wilhelms-I.and“, heraus- 
gegeben von der Neu - Guinea - Kompagnie zu Berlin. 1886. 
III. Heft, pag. 84. 

+ 2. Hirsch: „Handbuch der historisch-geographischen Pathologie.“ 

3. „Statistica della cause di morte“ in Schmidt’s Jahrbüch. 1886, pag. 72. 

4. Paulus: „Die Akklimatisation Deutscher in PalUstina“, deutsche 

Kolonialzeitung 1886, pag. 632. 

^ 5. Golgi: „Über den Entwickelungskreislauf der Malaria-Parasiten bei 

der febr. tertiana“, Fortschr. d. Med. 1889, No. 3. 

6. P. Werner: „Beobachtungen über Malaria, insbesondere das 

typhoide Malaria-Fieber. Berlin 1887. Aug. Hirschwald. 

7. Actinson: „Forms of typhoid fever simulating remittent malarial 

fever“, americ. med. news Aug. 13 in Virchow-Hirsch Jahres- 
bericht 1887. II, pag. 6. 

Squire: „Typhomalarial fever“, amer. joum. med. April, ibidem. 

8. Jagoe: Lancet I. 3 Jan. 15. 1887, in Schmidt’s Jahrbuch. 1888. 

120. pag. 2 t 6. 

f- 9. Hertz: „Malaria- Infektionen“ in Handbuch der akuten Infektions- 
krankheiten (Ziemssen) 1886. 

10. Canstatt’s „Jahresbericht“ 1860. IV. pag. 78. 

11. Virchow-Hirsch: Jahresbericht 1868, II. pag. 200 (Barthelemy 

Benoit: archiv de med. nav. 1865, pag. 5 und Veillard: de la 
fievre bilieuse hematurique. Paris 1867). 

12. Soyka: „Bodenhygieine“. 

13. Councilman: „Neuere Untersuchungen über Lavcran’s Organis- 

mus der Malaria“, Fortschr. d. .Medizin 1888, No. 12. 

14. Schellong; „Mitteilungen über die Malaria - Erkrankungen in 

Kaiser Wilhelms - Land“, deutsche med. Wochenschrift 1887, 
No. 23 und 24. 

- 15. Marchiafava und Celli: „Weitere Untersuchungen über die 
< '■> Malaria-Infektionen“, Fortschr. d. Med. 1885, No. 24. 



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IX 






16. Schwalbe: „in den Verhandlungen der Sektion für Tropen- 

hygieine etc. auf der 6o. Versammlung deutscher Naturforscher 
und .\rzte“, deutsche Kolonialzeitung 1887. 

17. Brunhoff: „Marineverordnungsblatt“ 1887. 

18. Schwalbe: „Die experimentelle MelanUmie und Melanose durch 

Schwefelkohlenstoff und Kohlenoxysulfid, nebst einigen Be- 
merkungen Uber die Natur des Malaria - üiftes“. Virchow’s 
Archiv CV, 1886, 3, pag. 486. 

19. Kelsch und Kiener: „Le poison palustre; sa nature et ses 

proprie'te's, anal, d’hyg. No. 6. 

20. A Kelsch: „Contribution ä l’anatomie pathologique des maladics 
palustres endemiques. Arch. de physiolog., normale et patho- 
logique 1875. 

21. Arnstein: „Bemerkungen Uber MclanUmie und Melanose“, Virchow, 
Archiv fUr patholog. Anatomie und Physiologie. 61. Band. 

22. E. Neu mann: „Notizen zur Pathologie des Blutes“, Virchow’s 

Archiv fUr patholog. Anatomie und Physiologie und für klin. 
Medizin. 116. Band. 1889. 



23. Naunyn: „Fieber und Kaltwasserbehandlung“, Archiv für ex- 

perim. Pathologie und Pharmakologie. i8. Band. 

24. HUter-Lossen’s „Grundriss der Chirurgie“. 1888, pag. 66. 

4. 25. Guarnieri: „Richenche sulle alterazioni del fegato nella infezione 

da malaria (estratto dagli Atti della R. Academia medica di 
Roma anno XIII, 1886-1887, serie II, vol. III) in Baumgarten’s 
Jahresbericht 1887, pag. 326. 

26. Stadelmann: „Arsenwasserstoffvergiftung“, Archiv für exp. Patho- 

logie und Pharmacologie XVI (83). 

27. Büchner: „Klima und Hygieine in Afrika und in den Tropen- 

lUndern Überhaupt“, deutsche Kolonialzeitung 1886, pag. 559. 

28. Heine mann: „Tropenklima und Akklimatisation der EuropUer 

in Tropengegenden, nach in Mexiko gemachten Erfahrungen“, 
deutsche Kolonialzeitung 1886, pag. 608. 

29. Plehn: „Zur Prophylaxe der Malaria“, Berlin, klin. Wochen 

sehr. 1887, No. 39. 

30. Graeser; „Einige Beobachtungen Uber Verhütung des Malaria- 

Fiebers durch Chinin“, Berl. klin. Wochenschr. 1888, No. 42. 

31. -Metschnikoff: „Zur Lehre von den Malaria-Krankheiten“ (Russ- 

kaja medicina 1887, No. 12, pag. 207) in Baumgarten’s Jahresber. 
1887, 325. 

+ 32. L. Martin: „.\rztliche Erfahrungen Uber die Malaria derTropen- 

lUnder“, 1889. 

33. Schneller: „Über die Verbreitung des Wechselfiebers in Bayern 
und dessen Abnahme in den letzten Jahrzehnten“. (Inaugural- 
Dissertation. München 1887). 






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X 



34 Lemoine und Chaumier (in Schmidt’s Jahrbüch. 1887, 214. Band); 
„des troubles psychiques dans rimpaludisme“, ann. mcd.-psych, 7. 
S. 5, p. 177, 1887. 

3;. Singer und Henry Dwight Chapin (in Schmidt’s JahrbUch. 
1887, 215. Band); „Zur Pathologie der Erkrankungen des Nerven- 
systems nach Malaria“ (Prag. med. Wochenschr. 1887, 18, 19). 
— „New- York. med. record XXXI, 3, pag, 59, 1887. 

36. Charvot (in Schmidt’s JahrbUch. 1888, pag. 120); „etude clinique 

sur l’orchite paludeenne“, revue de chir. Vlll. 8. 

37. Jeannel; „La fievre palude'enne etc. .de Montpellier (in Virchow- 

Hirsch, Jahresb. 1888 11 , pag. 34). 

38. A. S. Smith; „Malarial afFection simulating Basedow’s disease“, 

New-York med. record XXX, 21, pag. 569 (in Schmidt’s Jahr- 
büchern 1887, 2t4. Band, pag. 28). 

39. Le Dentu; „orchiie palude'enne. De l’elephantiasis du testicule 

inde'pendant de celui du scrotum.“ Bull, et mem. de la Soc. 
de Chir. p. 615; in Virchow- Hirsch Jahresber. 1888, pag. 325 



Berichtigung. 

Auf .''eite i ist die geographische Lage von Kaiser Wilhelms- 
Land in Folge eines Druckfehlers unrichtig angegeben, es muss heissen; 
auf der JX.O -Küste von Neu-üuinea. 

/ 



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Kapitel I. 



Einleitendes. 

/ In den Jaliren i88d — 1888 fand ich Gelegenheit, an der 
)ß.O.-KUste von Neu-Guinea (Kaiser Wilhelmsland) als 
Augenzeuge und Mitarbeiter der ersten Anfänge deutscher Kolo- 
nisation eine Reihe von klinisch-hygienischen, im wesentlichen 
dem Bereiche der Malaria zugehöriger Beobachtungen zu machen, 
deren Resultat ich in Folgendem wiedergebc. Diese Beobachtungen 
beziehen sich vorzugsweise auf den eng begrenzten Bezirk der 
Station Finschhafen; doch ich glaube, dass die daselbst ge- 
wonnenen .Anschauungen im Allgemeinen auch Verwertung 
und Geltung finden können für das in Rede stehende Insel- 
gebiet überhaupt, sowie endlich für andere tropische oder ausser- 
tropische Gebiete, in welchen Malaria-Krankheiten endemisch 
sind. 

Finschhafen liegt ungefähr unter dem 7° südlicher Breite. 
Die Pioniere deutscher Kolonisation, ein kleines Häuflein 
deutscher Männer mit einem ebenfalls klein zu nennenden Trupp 
malayi.scher Arbeiter, begannen daselbst im November i 885 ihre 
Arbeit und besiedelten zunächst die kleine, nahe beim Festlande 
gelegene Insel Madang. Auf dieser, von nur einigen wenigen 
Kokospalmen und einigen anderen Bäumen bestandenen Insel 
spielte sich das ganze Leben und Treiben der Kolonisfen in 

Sch Io nt». t 



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2 



den ersten Monaten vorzugsweise ab. Der geologischen Be- 
schaffenheit nach ist diese Insel nackte, trockene Koralle, 
welche nach N., O. und S. in mehr oder weniger steile Tiefen 
nach dem Meere zu abfällt, nach W. in mehrfach veränderter 




Situationsplan der Station Finschhafen. 



Beschaffenheit (Kalkmergel) unter seichtem Wasserstande sich 
nach dem Festlande zu fortsetzt. N.O.- und S.W.-Winde. die 
ersteren vorzugsweise in der trockenen, die letzteien in der 
feuchten .Jahreszeit, beherrschen vorzugsweise die Insel und 



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sorgen für energische Ventilation; während der Nacht macht 
sich meist ein lauer westlicher Landwind bemerkbar. Nach 
O. und S. dehnt sich der Hafen aus; nach N. zu liegt die Insel 
offen nach dem Meere gewandt. Ebbe und Flut treiben ihr 
unablässiges Spiel bei Tage und bei Nacht; bei niedrigster Ebbe 
liegen grosse Strecken des Meeresbodens in der Richtung nach 
dem Festlande zu frei und es entströmen diesen Partien nicht 
selten mephitische Dünste mit vorherrschendem Schwefelwasser- 
stoff-Geruch. 

Im April 1886 wurde die Besiedelung des Festlandes in 
Angriff' genommen. Über die geologische Beschaffenheit des 
Festlandes äussert sich Dr. Schneider (1) in seinem Berichte: 
,,Das Land im W. der Insel besteht gleichfalls vorwiegend aus 
Korallenkalk oder aus Kalken, welche im Zusammenhänge mit 
Korallenriffen gebildet sind. Den äussern Formen nach zeigt 
sich ein Stufenland, welches teilweise durch Bäche und Flüsse 
in lange Rücken aufgelöst ist. Die Gewässer führen als Ge- 
schiebe ausschliesslich korallinische Gesteine mit sich und haben 
einen kurzen steilen Lauf. Die kleinen Bäche sind jetzt völlig 
trocken, die grösseren führen mehr Wasser, als die oft sumpfige 
Mündung erwarten lässt.*) Die Berge sind bis 400 m durchaus 
korallinisch.‘‘ 

Verglichen mit der Insel Madang liegt das Küstenland, so- 
weit es zu Anfang besiedelt wurde, auf einem ca. 3 — 8 m höheren 
Niveau, ist aber trotz der höheren l.age nur in geringem Grade 
für Winde bestreichbar, da fast von allen Seiten Urwald und 
dichtes Bambusgestrüpp den Zugang versperren. Gerade an der 
Stelle, wo die ersten Häuser hingebaut wurden, behndet sich 
eine ziemlich ausgedehnte, jetzt verlassene Eingeborenen-Plantage, 
dahinter bis zu den Vorbergen grössere Flächen trockenen Gras- 
landes (allang allang). Der Boden ist von einer nur spärlichen 
4 — IO cm dicken Humusschicht überlagert, welche Durch- 

•) Die Versumpfungen der BachmUndungen gehen nirgends 
weiter als ein paar Meter in das I.and hinein und unterliegen dem 
Einffusse von Ebbe und Flut. 



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feucluungen schnell an die tiefer gelegenen, porösen korallinischen 
Gesteinsarten abgiebt und dann hart und rissig wird. 

Die Eingeborenen der Finschhafener Gegend haben ihre 
Dörfer in die Nahe des Meeres und mit Vorliebe in Fluss- 
mündungen gelegt. .A.usser in der nächsten Umgebung des 
Hauses wird der Wohnplatz weder gesäubert noch aufgeräumt; 
die Häuser werden bald auf i'/a — m hohen Pfählen gebaut, 
bald zu ebener Erde angelegt. .Als Trinkwasser benutzen die 
Eingeborenen vorzugsweise das Wasser aus kleinen Korallen- 
bächen; ihre Pflanzungen von Yam und Taro verlegen sie stets 
in erheblicher Qi\ — '/-.(Sthndiger) Entfernung von den Dörfern. 
Fieber- Erkrankungen sind den Eingeborenen sehr wohl bekannt; 
aber sie wissen weder etwas über deren Ursachen, noch haben 
sie eine Vorstellung von .Arznei-Mitteln, diesen Erkrankungen 
zu begegnen; auch schien es, als ob die Malaria-Erkrankungen 
in ihren Dörfern zu verschiedenen Zeiten in verschiedener 
Häufigkeit und Schwere auftraten, und dass Todesfälle nicht 
selten waren. 

Die Krankheitsbeobachtungen, auf welche sich die vor- 
liegende .Arbeit gründet, wurden an den .Angehörigen ver- 
schiedener Rassen gemacht: an Europäern, Malayen, .Melanesiern 
und auch vorübergehend an Chinesen. 

Soweit es erforderlich war, sind die Erkrankungen dieser 
verschiedenen Rassen in Folgendem auseinander gehalten. 

Im .Allgemeinen hat aber gerade die klinische Seite der 
Erkrankungen nicht so nennenswerte Unterschiede gezeigt, dass 
eine solche nach Rassen gesonderte Betrachtung durchweg ge- 
boten erschiene. 

Die Verhältnisse brachten es mit sich, dass die Beob- 
achtungen nach mancher Richtung hin Lücken aufweisen, welche 
ich gern vermieden sehen hätte; es wird aber ein .solcher hier 
und da zu Tage tretender Mangel leicht erklärlich und entschuld- 
bar erscheinen für jemanden, welcher sich hineinzudenken ver- 
mag in die sehr eigenartigen Verhältnisse, unter welchen sich 
die -Anfänge einer Koloni.sation in einem ganz unwirtlichen. 



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kulturlosen Lande darstellcn. Da fehlt dem Beobachtungsmaterial 
vor allem die erforderliche Stabilität. Denn sowohl Europäer 
als auch Arbeiter verändern fortwährend Wohnsitz und Lebens- 
bedingungen; sie werden je nach Bedarf bald dieser bald jener 
Station zugeieilt, verändern aber auch auf einer und derselben 
Station häufig Wohnungen, Wohnplätze, Beschäftigung und 
damit die Bedingungen, welche besonders für die ätiologische 
Seite der Malaria von Wichtigkeit sind. Unter diesen Umständen 
war es desshalb nur immer eine beschränkte Anzahl von Per- 
sonen, welche eine Beobachtung unter sich gleich bleibenden 
Bedingungen Uber einen längeren Zeitraum zuliess. 

Für diejenigen, welche sich etwa veranlasst sehen möchten, 
aus dieser Publikation Schlüsse abzuleiten hinsichtlich der Koloni- 
sationsmöglichkeit von Kaiser Wilhelms-Land, ist es nicht un- 
wichtig hervorzuheben, dass die Beobachtungen zu einer Zeit 
gemacht wurden, wo die Bedingungen für das Zustandekommen 
der Malaria-Krankheiten in allerreichstem Mafse vorhanden 
waren, Bedingungen, welche bei fortschreitender Kolonisation 
naturgemäss in Wegfall kommen dürften. So unterliegt es für 
mich keinem Zweifel, dass ungenügende Wohnungen und mangel- 
hafte Verpflegung an der ausserordentlichen Häufigkeit der 
Malaria-Erkrankungen Finschhafens einen sehr wesentlichen 
Anteil trugen. Auch der aus ungenügender Kenntnis oder 
Unterschätzung entspringende, oder auf unbegründeten Vor- 
urteilen fussende Widerstand, welcher einer rationellen medika- 
mentösen Behandlung besonders den energischen Chininkuren 
von einzelnen Personen entgegengesetzt wurde, hat sicherlich 
seinen Teil dazu beigetragen, die Krankheiten und die Aus- 
gänge derselben ungünstig zu beeinflussen, was besonders auch 
bezüglich einiger Todesfälle gilt, welche aller Wahrscheinlich- 
keit nach bei richtigem Verhalten hätten vermieden werden 
können. 

Eis ist endlich noch eines hierher gehörenden Umstandes 
Erwähnung zu thun. Analog den Beobachtungen aus andern 
endemischen Malariagebieten Uber die Schwankungen der In- 



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tensiiat des Malariavirus innerhalb grösserer Zeiträume, so habe 
ich auch bezüglich der Malaria Finschhafens den Eindruck ge- 
wonnen, als ob während des grössten Teiles des zweiten Beob- 
achtungsjahres ein solches ungewöhnliches Intensitätsverhältnis 
vorlag. Ich schliesse das weniger aus der absoluten Höhe der 
notierten Krankheitsziffern und Todesfälle (cf. Tabelle C.) als 
aus dem Umstande, dass auch zu dieser Zeit (Dezember 1886 
bis Mai 1887) ausserordentlich zahlreiche Todesfälle unter der 
eingeborenen Bevölkerung vorkamen, und diese Thatsache von 
den Eingeborenen ausdrücklich als eine aussergewöhnliche be- 
zeichnet wurde. 

.■Mies in allem genommen, möge diese Publikation zu der 
sehr interessanten und in der Erkenntnis ihres Wesens noch 
lange nicht abgeschlossenen Frage der Malaria-Erkrankungen 
einen Beitrag liefern und das in Fachkreisen noch immer sehr 
lau diskutierte Gebiet der Tropen-Hygiene, entsprechend seiner 
gegenwärtigen Bedeutung, in Anregung bringen. 



Kapitel II. 



Häufigkeit der Malaria - Krankheiten in den 
Tropen und ihre praktische Bedeutung. 

Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Malaria eine vor- 
zugsweise Krankheit der tropischen und subtropischen Länder 
ist; sie herrscht hier endemisch und ist der gefürchtete Feind 
aller Europäer, welche ihr Weg in solche Länder führt. Die 
vielfach übertriebenen .\nschauungen von der Gefährlichkeit des 
Tropenklimas finden ihre wesentlichste Stütze in dem so häu- 
figen Auftreten der Malaria-Krankheiten in tropischen Ländern. 
Es soll zwar keineswegs geläugnet werden, dass auch rein 



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7 



klimatische Einflüsse, also besonders die tropische Hitze, ihre 
ungünstige Einwirkung auf den Körper des Europäers ausUben 
können; wenn man aber von der »Blutverdünnung« und »Ner- 
vosität« sprechen hört, welcher der Europäer in den Tropen 
erbarmungslos anheimfällt, und wiederum von der berüchtigten 
,,Tropenleber“, so kann man fast ebenso sicher annehmen, dass 
wie hier der Alkohol-Missbrauch die eigentliche Causa peccans 
bildet, im andern Falle die Malaria als das eigentliche Grund- 
übel anzusehen ist.') Demgemäss fällt auch die Frage von 
der Akklimatisations-Fähigkeit des Europäers für die 
Tropen nahezu zusammen mit der h'rage von der 
Akkommodations-Möglichkeit desselben für die Malaria 
und schon aus diesem Grunde ist den Malaria-Krankheiten der 
Tropen das weitgehendste Interesse entgegen zu bringen. 

In Bezug auf die geographische Verbreitung der Malaria- 
Krankheiten auf der Erde und speziell auch in tropischen Län- 
dern verweise ich auf Hirsch (2) „Handbuch der historisch- 
geographischen Pathologie“. 

Zur Illustration der Häufigkeit, mit welcher Europäer und 
Eingeborene in Malaria-Gebieten von dieser Krankheit befallen 
werden, mögen die folgenden Zahlenangaben dienen: 
in Britisch Guayanna (2) (Süd- 

.Amerika) erkrankten . . 77 "/n d'-''' englischen Besatzung 
in chinesischen Hafenstädten 

(2) (Asien) erkrankten . . 55,7 "/o englischen Besatzung 
in Indien (2) (Asien)erkrankten 41,1 der europäischeiiTruppen 
an der Westküste von .Afrika (2) 

(Senegambien) erkrankten 32 % der eingebornen Truppen 

*) Anämische Zustände bilden sich leichter heraus hei den 
Frauen. Zur Erklärung derselben werden eine Reihe von Hypothesen 
ins Feld geführt; van der Burg nimmt eine verminderte Energie der 
Respiration als eigentliche Ursache an; von anderer Seite wird darauf 
hingewiesen, dass die Frauen einen grossen Teil des Tages in ihren 
„verhängten“ Wohnungen zuzubringen pflegen, sich in Folge dessen 
dem wohlthätigen Einflüsse des Sonnenlichtes entziehen (cf. (Chloro- 
phyll der Pflanze!), ausbleichen (32). 



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8 



in Neu-Guinea (Kaiser Wil- 
helms - I^nd) erkrankten 

in den Jahren »886/88 ca. 99 % der Europäer. 

Ein Ueberblick Uber die Mortalität an Malaria ergiebt 
sich aus den folgenden Ziffern. Es starben: 



in Kalabrien (3) 0,17 — 0,26 ‘V„ 

in der Kolonie Jaffa (4) 2 — 3 % 

auf Ceylon (2) 

Neger 0,11% 

Inder Oi45 % 

Malayen ... 0,67 ®/„ 

Eingeborne Ceylons 0,70 “/o 

Europäer 2,46 ’Vo 

in Neu-Guinea (Kaiser Wilhelms-Land) 

Malayen i4.(X)'’/n 

Europäer 9,00 %') 



Wenngleich diese Daten nicht ohne Weiteres mit einander 
in Vergleich zu setzen sind, so erhellt daraus doch zur Genüge, 
dass ein so hohes Erkrankungs- und Mortalitäts-Verhältnis, wie 
es sich in diesen Zahlen ausdrUckt, auf die Arbeitsleistung der 
Gesammtheit oder auch nur einzelner Rassen oder Individuen 
nicht anders als von sehr einschneidender Bedeutung sein kann. 
Gar nicht zu gedenken der grösseren und kleineren Forschungs- 
Expeditionen unserer Reisenden, bei welchen die Bedingungen 
für das Zustandekommen der Malaria naturgemäss in viel 
höherem Grade vorhanden sind; auch das vergleichsweise ruhige 
und ohne auffallende Strapazen einhergehende Leben auf einer 
noch im Werden begrilfenen Station oder Siedelung wird 
durch diese Erkrankungen in so hohem Mafse beeinflusst, dass, 

*) Bei dem Zusammentreffen ungünstiger Umstände (z. B. 
schlechte Ernährung, mangelhafte Wohnung, ungünstige Jahreszeit etc.) 
kann die Mortalität an .Malaria ganz excessive Höhen erreichen. So 
berichtet Martin (32), dass ihm innerhalb dreier Monate von 200 chine- 
sischen Arbeitern mehr als 80, d. i. Uber 40%, an den schwersten und 
akutesten Formen der Malaria starben. 



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sofern nicht die Arbeitskräfte im UeberHuss vorhanden sind, der 
ganze Apparat leicht ins Stocken geräth. Ich habe in Kaiser 
Wilhelms-Land gesehen, wie das Ixben mancher Europäer dort 
nicht viel Anderes als eine ununterbrochene Kette fortwährender 
Erkrankungen darstellte. Man rechnete auf der Station Finsch- 
hafen mit dem „Fieber“ als einem so selbstverständlichen Vor- 
kommnis, dass es nicht mehr auftiel, wenn der eine oder der 
andere aus unserer Tischgesellschaft zu den Mahlzeiten nicht 
anwesend war und ein Gefühl von Teilnahme für den Er- 
krankten sich erst dann eigentlich zu regen begann, wenn man 
erfuhr, dass er an einer besonders schweren Form des Fiebers 
erkrankt .sei. Wir haben dort manchen guten Kamerad in die 
einsame Erde gebettet, und die Frage, welche bei solch trauriger 
Gelegenheit auf Aller Mienen zu lesen war, lautete immer; wer 
wird der Nächste sein? Ob cs in unsern afrikanischen Kolonien 
zu Anfang viel günstiger aussah, vermag ich nicht zu ent- 
scheiden, da ausführliche Berichte darüber mir nicht zugänglich 
waren, auch meines Wissens nicht veröffentlicht sind. Herren, 
welche in .Afrika gereist waren und darauf Neu-Guinea kennen 
lernten, versicherten mir, dass Häufigkeit und Schwere der Er- 
krankungen dort eben.so zahlreich seien wie hier. Es ist übrigens 
auch im .Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung, dieses 
Verhältnis genau zahlenmässig gegeneinander abzuschätzen. 
Das Klima ist gleich schlecht, ob 75 oder 99"/« Er- 
krankungen herauskommen. Nichtsdestoweniger be- 
weisen beide Ziffern oder selbst noch viel ungünstigere 
in keinem Falle mehr, als dass Verhältnisse vorliegen, 
welche die Kolonisation dieser Länder äusserst er- 
schweren; sie lassen aber nicht den oftmals fälschlich und zu 
Unrecht gezogenen Schluss zu, dass durch so ungünstige 
klimatische Verhältnisse nun auch die Kolonisations- 
Fähigkeit dieser Gebiete überhaupt in Frage gestellt werde. 
Grosse Leistungen verlangen grosse Opfer; und diese werden 
nicht gescheut werden, wenn ein zielbewusster Endzweck, die 
Aussicht auf ein gro.sses zu erreichendes Endresultat im Auge 



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IO 



behalien wird. Es kann in dieser Hinsicht nicht genugsam be- 
tont werden, dass kolonialpolitische Fragen von ganz 
andern als hygienischen Gesichtspunkten zu disku- 
tieren sind, dass alle etwa von Seiten der Hygiene erhobene 
Hedenken für solche grosse Fragen erst in zweiter Linie in 
Betracht kommen. Wo es sich um detaillierte Fragen, um 
spezielle .Aufgaben handelt, wird freilich naturgemUss der 
Hygiene ihr erstes Recht eingeraumt werden müssen. Es wäre 
absurd, wenn man bei der Auswahl eines für die Anlage einer 
Station geeigneten Platzes unter mehreren, bei sonst sich gleich 
bleibenden Bedingungen (Hafen etc.), nicht denjenigen aus- 
wahlen wollte, welcher die günstigeren Chancen in hygienischer 
Hinsicht darböte. Es bliebe unverständlich, wenn man den 
so ausserordentlich wichtigen F'orderungen, welche die Hygiene 
an Wohnungen, Ernährung etc. in den Tropen stellt, nicht in 
denkbar thunlichstent Mafse Rechnung tragen wollte. Denn der 
Nutzen, welchen gute hygienische Grundbedingungen in den 
Tropen stiften, ist ein doppelter: sie setzen die Erkrankungen 
zweifelsohne herunter und heben damit die .Arbeitsleistung; und 
sie heben andrerseits das Vertrauen und den moralischen Mut 
des Einzelnen, des dort lebenden Europäers, welchem ohnehin 
schon Enttäuschungen so mancher .Art zuteil werden. .So wird 
also die gehörige Beachtung und Würdigung tropenhygienischer 
Aufgaben ohne Frage dazu berufen sein, ein kolonisatorisches 
Unternehmen sehr wesentlich zu fördern; die Basis für dasselbe 
ist aber stets auf rein wirtschaftlichem Gebiete zu suchen. 

Es ist bekannt, dass in den alten blühenden Kolonieen der 
Engländer und Holländer die Malaria-Krankheiten auch heute 
noch, wenngleich zurückgegangen, .so doch keineswegs ver- 
schwunden sind und noch alljährlich eine vergleichsweise grosse 
Anzahl der dort lebenden Europäer nöthigen, das Klima zu 
wechseln. Glänzende Städte wie Batavia und Soerabaya sind 
als Fieberherde auch heutzutage noch so bekannt, dass die Ge- 
wohnheit besteht, denjenigen Personen, welche auf der Durch- 
reise daselbst zu übernachten genöthigt sind, eine Dosis Chinin 



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zu geben, bevor sie das Scliirt verlassen. Und doch! wer wird 
heutzutage ein ernstes Bedenken hegen, in diese Kolonieen 
überzusiedeln, wenn sich ihm ein grosser materieller Gewinn 
bietet. 

Auch die Kolonie Queensland in Australien mit ihrem 
Reichthum an Erzen fordert noch zahlreiche Opfer an Malaria, 
und doch bringt jedes Schifl neue Einwanderer hinein und 
grosse Städte entstehen gleichsam Uber Nacht; der Glanz des 
Goldes ist mächtiger als alle Bedenken für Gesundheit und Leben. 

Eine alte Erfahrung hat gelehrt, dass die Malaria-Krank- 
heiten allerorts in dem Mafse zurUckgehen, in welchem die 
Kultur fortschreitet; eine weitere, dass man sich in Malaria- 
Ländern einigermassen, wenn auch nicht sicher, gegen die Ge- 
fahren, welche die Malaria-Krankheiten mit sich bringen, schützen 
könne. In diesen beiden Momenten ist ein gewisser Trost ent- 
halten gegenüber der Thatsache, dass die Anfangsstadien einer 
Kolonie in den Tropen so enorm hohe Opfer an Gesundheit 
und Leben verlangen. Ein gewisses gesundheitliches 
Risiko besteht für jeden, der sich an den Schauplatz 
einer kolonisatorischen Thätigkeit begiebt; und es ist 
wichtig, dass sich ein jeder Uber diesen Punkt klar 
wird, bevor er in den Dienst eines solchen Unter- 
nehmens tritt. Nur in der offenen Anerkenntnis dieser Sach- 
lage werden Enttäuschungen auf der einen oder der anderen 
Seite erspart werden. 



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12 



Kapitel III. 



Die Malaria-Krankheiten in Kaiser Wilhelms- 
Land (Station Finschhafen). Allgemeines Bild. 

•Malaria-Erkrankungen in Kaiser Wilhelms-Land sind ein 
alltägliches Vorkommnis. Ich erinnere mich nicht einen einzigen 
Tag erlebt zu haben, wo mich diese Krankheiten als .Arzt nicht 
beschäftigt hatten. Von den zu der Zeit meines Aufenthaltes 
begründeten KUstenstationen erwies sich am ungünstigsten die 
Hauptstation Finschhafen, Uber deren Lage bereits im I. Kapitel 
nähere Angaben gemacht sind. Es erkrankten hier die An- 
gehörigen der verschiedenen Rassen: Europäer, Malayen, Chinesen 
und Melanesier in nur wenig wechselnden Prozentsätzen; die 
Infektionsbedingungen mussten hier ausserordentlich günstige 
sein: zwei Europäer, welche mehrere Jahre auf Sumatra gelebt 
hatten, ohne das Fieber zu acquirieren, erkrankten bald nach 
ihrer l.’ebersiedelung nach Finschhafen zu wiederliolteii Malen 
und erlitten alsbald nennenswerthe Störungen in ihrer Gesund- 
heit'); ein bereits hochbejahrter Herr, welcher sich einige 

1) Die hier angeführte That.saclie spricht tllr die Ungunst des 
Klimas von N’eu-Guinea, soll aber keineswegs zu dem Schluss ver- 
leiten, als ob .''umatra günstigere klimatische Bedingungen besUsse. 
Die Entscheidung darüber, welcher von 2 Orten, wo die Malaria 
endemisch herrscht, der günstigere ist, kann gewöhnlich nur unter 
aller Reserve erfolgen. Statistiken, welche darüber Aufschluss zu geben 
vermöchten, existieren entweder überhaupt nicht oder sind nicht nach 
den gleichen Gesichtspunkten verfasst; das Urteil der Laien ist oft- 
mals tendenziös gefärbt. Die kompetenteste Beantwortung würde am 
ehesten denjenigen vorurteilsfreien Reisenden, besonders Ärzten, 
möglich sein, welche die zu vergleichenden Plätze aus eigener An- 
schauung und auf Grund gewissenhafter Beobachtungen kennen gelernt 
haben. .Nach den Äusserungen, wie solche mir gegenüber von Laien 
gerade über das Klima von Deli gemacht wurden, musste ich an- 
nehmen, dass Malaria-Erkrankungen daselbst keine sehr bedeutende, 
wenigstens nicht eingreifende Rolle spielten; auch aus dem Berichte 



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Dccennicn hindurch in Australien, zuletzt mehrere Jahre in dem 
ebenfalls als Malaria-Gebiet bekannten Queensland einer guten 
Gesundheit und einer verhältnismässigen Rüstigkeit zu erfreuen 
hatte, verstarb in Finschhafen bei seiner zweiten Fiebererkran- 
kung; das gleiche Schicksal teilte ein in der Mitte der dreissiger 
Jahre stehender Herr, welcher aus Samoa zugegangen war; ein 
anderer Herr, der lange in N.- und S.-Amerika gelebt hatte, 
machte in Finschhafen seine erste Bekanntschaft mit dem Fieber. 
Von allen Europäern, welche länger als V2 Jahr auf der Station 
Finschhafen gelebt hatten, kannte ich überhaupt nur einen ein- 
zigen, welcher nicht an den Erkrankungen teil nahm und seine 
Widerstandsfähigkeit gegen die Malaria auch während der ganzen 
Zeit seines lömonatlichen Aufenthalts behauptete. Dieser Herr 
bildete in dieser Hinsicht ein seltenes und fast rätselhaftes 
Unikum; er ist auch nach seiner Rückkehr in die Heimat nicht 
erkrankt, also auch nicht einmal latent infiziert gewesen; ihm 
ist es zu danken, dass die Malaria-Statistik Finschhafens nicht 
100 ®/o, sondern nur 99®/n Erkrankungen aufweist ‘). 

von Raster (Deutsche Kolonial/.eitung 1886 S. 583) geht nicht hervor, 
dass .MorbiditUt und Mortalität daselbst sehr auffallende seien. .\'un 
erscheint eine Arbeit von Martin (32), aus welcher dem vorurteils- 
freien Beurteiler ohne weiteres einleuchtet, dass Deli zu den aller- 
wUthendsten Malaria-Herden gehört, welche überhaupt auf der Erde 
existieren mögen (Mortalität bis 40®/o). Nichtsdestoweniger nimmt die 
Tabakkultur daselbst von Jahr zu Jahr grossartigere Dimensionen an. 

•) Die JahresUbersicht der Erkrankungen der Station Finschhafen 
gestaltete sich folgendermassen: 

es erkrankten an Malaria im Jahre: 

150 Personen in 977 Fällen (651 ®/o) u. u Todesfällen (= 7,5 ®/o) 

darunter 

56 Europäer „ 412 „ (735«/o) u. j „ (= 9 , 0 %) 

42 Malayen „ 310 „ (738®/o) u. 6 „ (=14,00/0) 

52 Melanesier „ 235 ,, UQoO/o) u. o „ (= 0 , 0 %). 

Das Jahresmittel der monatlichen Erkrankungen berechnete sich 
für alle Personen zu 43,10/0, für Europäer zu 48,4 ®/n; für .Malayen 
zu 48,30/0; für Melanesier 32,50/0; es waren demnach nahezu die Hälfte 
der Europäer und .Malayen in jedem Monate fieberkrank; der (ihinin- 
verbrauch belief sich durchschnittlich auf 23 g pro Jahr und Kopf; 
39 g pro Jahr und Kopf des Europäers. 



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14 



Die Tabelle A enthält eine Zusammenstellung von 37 Euro- 
päern der Station Finschhafen (mit Ausnahme der xur Station 
Hatzfeldhafen zählenden No. 25), bei welchen längere Zeit hin- 
durch die Malaria-Erkrankungen fortlaufend und zuverlässig 
beobachtet werden konnten. Die kürzeste Beobachtungsdauer 
erstreckte sich auf 7, die längste auf 26 Monate, die durch- 
schnittliche pro Person auf 16,5 Monate, also im allgemeinen 
Uber einen Zeitraum, welcher immerhin gross genug ist, um ein 
ungefähres Urteil zu ermöglichen für die Frage, wie häutig die 
Europäer in Finschhafen den Malaria-Krankheiten ausgeseizt 
waren und in welcher Weise ihr Gesundheitszustand im allge- 
meinen litt. 

In der Rubrik a wurde der Versuch gemacht, die Personen 
rucksichtlich Geschlecht, Alter, Körperkonstitution und Tempe- 
rament unter gleiche Gesichtspunkte zu bringen; die Rubrik c 
enthält die Beobachtungsdauer für jede einzelne Person nach 
Monaten, ln der Rubrik d wurde die .Anzahl der journalmässig 
notierten Fiebererkrankungen eingetragen; die Rubrik e berichtet 
Uber das Befinden, welches jeder einzelnen Person am Schlüsse 
der Beobachtungszeit zuerkannt werden durfte, i = unverändert 
gut, 2 = wenig gelitten, 3 = empfindlich gelitten, 4 = entschieden 
geschädigt. 

Ich bin nun weil davon entfernt, denWert dieser Zusammen- 
stellung zu überschätzen. Mehrere sehr wertvolle Punkte konnten 
dabei nicht in gehöriger Weise auseinander gehalten werden ; 
so also namentlich nicht die äusseren Lebensbedingungen, wie 
Wohnung, Beschäftigung und Lebensweise, das Verhalten des 
Einzelnen zu therapeutischen Gesichtspunkten u. a. m. Auch 
ist das hier zusammengestellte Material an und für sich zu klein, 
als dass etwaige Schlussfolgerungen zu grosse Verallgemeinerung 
finden könnten. 

Was ich daraus folgern möchte, ist nur das folgende: 

I. Der Europäer, welcher i6'/a Monate, gleich 493 Tage, 
in Finschhafen lebt, hat im allgemeinen die Aussicht, während 
dieser Zeit neun Mal am Fieber zu erkranken; wenn sich seine 



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J 



während einer mehrmonatlichen 



No. 



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1) Dl 

es bedeutet ji 
entschieden 

*) A 

mehr oder 
eines Fieb 



2—3 



ein sehr blähender Mann; mit Ver- 
ständnis für Behaglichkeit; solide ver- 
anlagt. 

befindet sich in einer entschieden ge- 
sundheitswidrigen Wohnung; scheint 
sonst besonders kräftig veranlagt; 
Dosen von 2,0 Chin. lassen bei ihm 
öfter den Il.Paroxysm. heraufkommen; 
wird aus Gesundheitsrücksichten nach 
Deutschland zunickgeschickt. 



c. 45 B Chin.; den Strapazen des Busch- 
lebens längere Zeit ausgesetzt. 

schlechte Wohnung; grosser, ins Ale- 
domen herabreichender Milztumor; 
unzuverlässig im Chiningebrauch. 

c. 53 g Chin. 

hat nach seinen beiden ersten Erkran- 
kungen gute Chininkuren durchge- 
macbt; massiger potator. 

ruhiger, besonnener, sich gleichmässig 
bleibender Mann; hat sich früher 
bereits in Afrika aufgehalten; ver- 
braucht per Erkrankung stets nur 4 g 
Chin.; hat gute Wohnung; mässiger 
potator. 



Milztumor IT- 
genügend). 



•ni: c. 50 g Chin. (nicht 



ist dieses Verhältnis in Zahlen zum Ausdruck gebracht ; 
it; 2 = wenig gelitten; 3 = empfindlich gelitten; 4 = 



t 01 



kungen zählen nur diejenigen Malaria-Fieber, welche 
n einander getrennt sind; nicht die Malaria-Paroxysmen 



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iuropäern während einer mehrmonatlichen 



b. 1 

a m e 


c. 

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1 ’S s 

1 (A et 1 

CJ 3 C 1 

S ° 1 

1 

S = 1 

m 


Anzahl der zur 
Kenntnis gelangten P- , 
Fieber-Erkrankungen*) 


Gesundheit!. Befinden 1 

am Ende der ^ 

Beobachtungsdauer*) i 


Bemerkungen 

j 


.... 


7 ; 


II 


t 


siehe Krankengeschichts-Übersicht No. 5 
(p^. 22) u. Krankengeschichte No. 7 
(pag. 56). 


i . . . . 


8 

\ 


i 4 

1 


2 

1 


' war ein sehr energischer Gegner des 
Chin.; kam dabei sichtlich herunter 
und hatte Milztumor II. Nach Ver- 
1 brauch von 9 g Chin. in 9 Tagen 
bildet sich der Tumor vollständig 
zurück und Recidiv bleibt 4 Wochen 
aus. 




20 i 


17 


4 


siehe Krankengeschichts - Übersicht 
No, II (pag. 25). 


tz . . . 


13 


>4 


3 


c. 63 g Chin. ausgesprochener potator. 


1 


7 


6 1 

i 


t 

' 1 
1 


siehe Kasuistik der Malaria biliosa! 
1 schwächlicher, kränklicher, energie- 

' loser Mann, welcher sich im weiteren 

Verlauf gegen Chininkuren ablehnend 
i verhält. Siehe Krankengeschichte 

No. 9 (pag. 65). 





18 


IO 


3 


hat schon vor seiner Ankunft in Finsch- 



hafen häuHg an Malaria-Fiebern ge> 
litten. Milztumor II — III. 









achheit halber ist dieses Verhältnis in Zahlen zum Ausdruck gebracht; 
loverändert gut; 2 = wenig gelitten ; .3 = emphndlich gelitten; 4:= 
digt. 

ndere Erkrankungen zählen nur diejenigen Malaria-Fieber, welche 
längere Zeit von einander getrennt sind; nicht die Malaria-Paroxysmen 



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«5 



Erkrankungen auf regelmässige Zeiträume verteilen würden, so 
würde also auf je 55 Tage eine Fiebererkrankung entfallen. 

2. Bei 12 Personen, deren Befinden am Ende der Beob- 
aclnungszeit als unverändert gut (1) oder fast unverändert gut 
(1 — 2) notiert wurde, Hel auf den Zeitraum von je öo Tagen 
eine Erkrankung; bei 10 Personen, welche am Fieber verstorben 
oder deren Befinden am Ende der Beobachtungszeit mit 3 und 
4 notiert wurde, kam auf je 3(1 Tage eine Erkrankung, so dass 
im allgemeinen das gesundheitliche Risiko, welches 
eine Person lauft, proportional zu setzen ist der 
Häufigkeit ihrer Erkrankungen. 

3. Frauen erkranken nicht häufiger als Männer 
(eher seltener, eine Erkrankung auf je 68 Tage) und halten sich 
vergleichsweise lange Zeit hindurch auf der Höhe ihres gesund- 
heitlichen Befindens (8 und g der Tabelle). 

4. Kinder erkranken ebenfalls nicht über den Durchschnitt 
hinaus, werden aber in ihrem .Allgemeinbefinden leichter ge- 
schädigt (4 — 7 der Tabelle). 

5. Besonders kräftige Männer mit Anlage zur Korpulenz 
haben vor solchen mit Durchschnittskonstitution nichts voraus; 
die No. II — iq erkrankten im Durchschnitt genau jeden 60. Tag; 
die No. 20 — 31 jeden 61,8. Tag. 

6. Anämische, nervöse, durch klimatische oder andere 
schädigende Einflüsse (Potus) heruntergekommene Personen, ver- 
tragen das Klima am allerschlechiesten; die No. 32 — 37 erkrankten 
im Durchschnitt jeden 35. Tag und waren in ihrer Gesundheit 
empfindlich geschädigt. 

Unter den Europäern hatte ich mich gewöhnt, 4 Kategorien 
aufzustellen: 

1. solche, welche überhaupt nicht an Malaria erkrankten 
— betraf vorzugsweise das Schifispersonal, 

2. solche, welche seltene Fiebererkrankungen hatten, das 
Klima gut zu vertragen schienen, 

3. solche, welche in verhältnismäs.sig kurzen (monatlichen) 



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— i6 — 

Zwischenräumen erkrankten, das Klima nur bedingungsweise 
vertrugen, 

4. solche, welche bereits an ausgesprochener Malariaanümie 
litten und eines dringenden Klimawechsels benötigten. 

Ich selbst rechnete mich zu der zweiten Kategorie; ich 
habe von Zeit zu Zeit meine Fiebererkrankungen hinnehmen 
mUssen, bin aber trotzdem stets leistungsfähig geblieben und 
habe meine ärztliche Thätigkeit niemals länger als für Stunden 
aussetzen dürfen. Die Aufzeichnungen, welche ich mir über 
meine eigenen Erkrankungen gemacht habe, stehe ich nicht an 
hier wiederzugeben; da ich alles das, was ich zu der indi- 
viduellen Bekämpfung der Malaria für erforderlich erachtete, 
stets selbst gewissenhaft befolgte, so illustriert meine Kranken- 
geschichte zugleich das Mass dessen, was unter den ob- 
waltenden Umständen in gesundheitlicher Beziehung zu erreichen 
möglich war. 

Chinin. 

Xo. 1 . Nachdem ich (\o. 21, Tab. A.) im Laufe der 
ersten 8 .Monate meines dortigen Aufenthaltes nur wenige 
(3—4) Malaria- Fieher leichterer Art durchgemacht hatte, be- 
kam ich (1887) in der Sylvesternacht 1886/87 einen heftigen 
Parexysmus, welcher sich nach (Chinin nicht wiederholte; 3 g 5,0 
Chinin in Verbindung mit einer mehrtägigen Dienstreise Uber 
See stellten mich schnell wieder her. 

Anfang .März glaube ich wiederum Fieberprodrome zu 
verspüren (Mattigkeit, Schwere in den Gliedern); deshalb an 
je 2 Tagen 1,5 Chinin. 3,0 

12/14. III. es besteht Neigung zum Frösteln und be- 
sonders des .Nachts reichliches Schwitzen; desgleichen 
Schnupfen, aber keine nachweisbare Temperatur-Erhöhung. 

Am 14. abends sistiert der .Schnupfen wie abgeschnitten nach 
einem kalten Bade. 

31. 111 . Neuralgische .Vttaken im Gebiete des Quintus 
(besonders paroxysmweise auftretendes „Spicken“ in beiden 
Wangen). 

1. IV. Frösteln am Abend. 

2. IV. Ischias; trotz des Gefühls fortdauernder .Mattig- 
keit kein Schlaf. 

30. IV'. Heberparoxysm. Mittags 39,7. .\ls Gelegenheits- 
Ursache konnte gelten die Verlegung meiner W'ohnung in 



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17 



Chinin. 



ein anderes auf dem I'estlande (Lemboi) befindliches Haus 
oder die Obduktion einer Malarialeiche; 2*/* Stunden nach 
Heendigung der Sektion setzte der Schüttelfrost ein: Sub- 
jektives HitzegefUhl; Sensorium im Zustande der Erregung; 
dumpfe Schmerzen im Kreuz; neuralgische Attaken im Be- 
reich der untern Extremitäten; fortwährender Urindrang; 
Hüsteln; Schnupfen; gänzlicher Appetitmangel. 

Abends 10 Uhr tritt eine gewis.se Kühe ein; tianach 
mehrfach unterbrochener Schlaf. 

1. .Am Morgen besteht nur noch eine grenzenlose 
Lahmheit in allen üliedern; jeder .Schritt ist schmerzhaft; 
Temperatur normal; Haut feucht; 2,0 Uhin. in Lösung. Mittags 2,0 
lebhafter .''chweiss. 

2/14. V. 4 g Chin., danach Eisenpräparate und ver- 4,0 
suchsweise Kal. jodat. 5/200; bis auf gelegentliches, in der 
Nacht unmotiviert auftretendes Frösteln völliges Wohlbefinden. 

18. V. Milzgefühl; neuralgische Attaken und häufiges 
Gefühl von Mattigkeit veranlassen mich am 

19. V. früh 1,0 Uhin. zu nehmen; 5 Stunden später 1,0 
kommt der erwartete Fieheranfall herauf. Mittags 40,2 rausch- 
ähnlicher Zustand; abends 38,7; sehr quälender Kopf- und 
Rückenschmerz; letzterer ruft einen unerträglichen Zustand 

von Lahmheit heiwor; jede Lage erscheint zu hart; man be- 
findet sich am besten in Seitenlage mit stark angezogenen 
Knien und nach vorn übergekrümmtem Rumpf; der Kopf- 
schmerz ist bohrend, wird im Innern des Kopfes gefühlt 
ähnlich dem KatergefUhl; es besteht auch lästiges Oppressions- 
gefühl auf der Brust; die Atmung ist oberflächlich und be- 
schleunigt; steht in keinem Verhältnis zu der relativ niedrigen 
Abendtemperatur; gänzlicher Appetitmangel; gegenAbendauch 
Brechneigung und Würgen; quälender Urindraog; Bedürfnis 
äusserster Ruhe; es wird nur gekühltes kohlens. Wasser mit 
Uitronenzusatz genossen (angenehm^. 

20. V. Morgens normale Temp. 1,5 Chin. in Lösung; 1,5 
danach heisse .Milch; benimmt verhältnismä.ssig schnell den 
unangenehmen Chiningeschmack; Tag über lebhafte Chinin- 
wirkung; Appetitlosigkeit; Milzschmerz, besonders bei tiefen 

oder ruckw'eisen In-spirationen ((jähnen. Niesen); lebhafte 



Sch Weissneigung. 

21/22. V. Morgens noch Firwachen mit Kückenschmerz; 2,5 
Appetit wiederhergestellt; je 1,25 Chin. 

23. V. noch gelinder Milzschmerz. Chin. t,o. 1,0 

25/29. V. -An 3 Abenden je t,o Chin. 3,0 

8. VI. Kurzer Paroxysm. 

9/30. VI. 9,5 fihin. 9-5 

Schellong. 2 



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i8 



Chinin. 

6. IX. (’S. Kurve Fig. 29.) Gliederlahm und wahr- 
scheinlich auch bereits am Morgen fiebernd; ver- 
suchsweise 2 Pili, pikrins. Ammoniak ä 0,033. 

7. IX. Bei mittlerer Fiebertemperatur .sehr gestörtes 
subjektives Betinden: Kopfschmerz, RUckenschmerz, .Milz- 
stechen, .Muskelstechen'), Appetitmangel, anhaltendes gelindes 
Frösteln; 3 Pillen pikrinsaures .Ammoniak Uber den Tag 
verteilt. 

8. IX. Erwachen mit RUckenschmerz. Kreuzgegend 
wie gelUhmt. Aloe 0,24. 

9. IX. RUckenschmerz hat keinen rechten Schlaf auf- 
kommen lassen; jede Lage erscheint zu schwer; trotzdem ist 
man zu trUge, dieselbe zu wechseln; die kleinen Finger wie 
abgestorben. Milz.schmerz und Hüsteln bei tiefer Inspiration. 

Perverse üerUche. Nach einer Chinindosis (1,0) geringe 1,00 
Temperatursteigerung; dann .Abfall auf 38. 

10. IX. Nach anfangs gutem .''chlaf Erwachen morgens 
5 Uhr mit Temperatur 39,1 und sehr abgespannt; einige 
Diarrhöestühle. Da die Temperatur Neigung zum Fallen 
verrät (38,5:6 Uhr) so wird um n Uhr bei Temperatur 38,3 

1,0 Chinin genommen. .Mittags bei gelinder Chininwirkung r,oo 
38,4. Abends geschmack- und geruchlos. 

11. IX. Nach abermaligem geringen Ansteigen der 
l'emperatur am .Morgen tritt alsbald wiederum .Neigung zum 

Abfall hen'or; deshalb 1,25 Chinin; es tritt äusserst empfind- 1,25 
liches Hautjucken auf, welches sich besonders an den Ober- 
schenkeln wie in neuralgischen Blitzen entladet. Gefühl ner- 
vöser Unruhe. 

12. IX. Temperatur normal. 

In den nächsten l agen fbis zum 24. IX.) Wohlbefinden; 
nur öfters noch Frösteln in der .Nacht und Ischias; kleine 
und mittlere Gaben Chinin; zusammen 4,5. 4,5 

28. IX. — 17. X. Auf Dienstreise, viel auf ortiener See, 
bei vorzüglichem Befinden. 

20. XII. Schnupfen ohne Fieber mit lebhafter 
Schw'eissneigung; im Anschluss daran nervöser Zustand, dessen 
hervortretendes Symptom lästiges Hautjucken ist; dasselbe ist 
am stärksten bei plötzlicher Erwärmung oder Abkühlung der 
Haut (Bad; Ankleiden) und lokalisiert sich hauptsächlich an 
den Oberschenkeln; das Prickeln und Kribbeln ist unerträg- 
lich und kommt der grössten Schmerzempfindung gleich; 

'J Darunter verstehe ich eine prickelnde Empfindung, als wenn 
man mit kurzen Nadelstichen bald an Armen, bald an Beinen bear- 
beitet wird. 



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19 



Chinin. 

irgend eine Hautemption besteht nicht, «Uhrend dieser Zeit 
Verbrauch von 3,25 Chinin. 5,23 

(188g) 17. I. Pruritus beseitigt; dagegen la.ssen Ischias 
(bohrende .Schmerzen;, sowie öfteres Gefühl von Mattigkeit, 

Kopf- und RUckenschmerz etc. das Fortbestehen einer In- 
fektion unnehmen; deshalb im Laufe des .Monats 4,75 Chinin. 4,75 

14. II. Wiederum entschieden nervöser Zustand und 
heftiges Kribbeln. Chinin 2.25. 2,25 

17. II. /■'ieierfiaroxysm. (S. Curve No. 9). .Mattigkeit 

in allen Gliedern, Würgen und Brechen bei gUnzlichem 
Appetitmangel. Kopfschmerz, anfangs in der Stirngegend, 
dann im Nacken. I)ann oben auf dem Scheitel und rechts, 
verbunden mit eineni Gefühl des Üröhnens: geringe Fieber- 
bewegung 10. a. m. 38,7 

12. a. in. 38,7 
5 - p. m. 39 
8. p. m. 37,8 

18. II. 7. a. m. 36,2, Chinin 1,25. 1,25 

Tag über normales Betinden, bis auf .Appetitstörung. Abends 

9^/4 Uhr im BegrilF zu Bett zu gehen, unmittelbar nach dem 
Heruntertrinken eines Glases Wasser, ge«issermassen beim 
letzten Schluck setzt heftiger .■'chUttelfrost ein, mit Tempe- 
ratur 37,5. Das Schütteln h'alt 2I/2 Stunden an; jeder — selbst 
unbedeutende — Luftzug steigert dasselbe. Nach Beendigung 
des Schütteins Gefühl von .\bspannung, Lahmheit, Kopf- 
schmerz; Unfähigkeit zu schlafen, während die Temperatur 
40,2 erreicht; gegen Morgen Halbschlaf. 

19. II. Bei .Morgentemperatur 37,5 1,25 Chin.; mittags 1,73 
nochmals 0,3; trotz sehr lebhafter Chininwirkung abends 8 Uhr 
Temp. 38,6. 

20. II. Unter starkem .''chweiss dehnitiver Temperatur ■ 

abfall. 

21. bis Ende des Monats und in den ersten Tagen des 



März 8,73 Chin 8,73 

17. III. Abreise von Finschhafen. 

18/22. III. Auf See feiris rrmiiuns mit Angina; darauf 

bis zur Rückkehr nach Europa 15 g Chin i5iO° 

21. IX. Recidiv in Königsberg; darauf 15 g Chin. . . 15,00 

(1889) März. Ricidiv in Form zweier Attaken im 
v|uotid. Typus; 6,0 Chin.; darauf fortdauerndes Wohlbelinden 6,00 



tio. 2. Die Krankengeschichte der No. 23 der lab. A 
liegt mir ebenfalls über einen längeren Zeitraum vor. Herr 
G. landete in Kaiser Wilhelms-Land am 6. XI. 83 (Stiftungs- 
tag der Kolonie), hatte sich einer trefllichen Gesundheit zu 



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20 



erfreuen, solange er seine Wohnung auf einer kleinen Insel 
hatte; erst mit der Verlegung der Station nach dem Fest- 
lande begannen hei ihm die F'rkrankungen, welche sich 
unter folgender Übersicht darstellen; 

(1887) Paroxysmen am (Juni) 8. 11. 20. 27. 

(Juli) 12. 19. 30. 

(August) 13. 28. 2y. 

(Septbr.) 2. (verlässt Neu -Guinea) 

^Oktober) 3- i7 - 1 , . ,, . , 

(Novbr) 14. ; Oud der He.mre.se) 

in Kfinigsbe.g: (l)ezbr.) 5. 23. 

(.888) (Januar) 5. 20. 

(März) 26. 

(Juni) .5. .7. .(). 

(August) 30- 

(Septbr.) 14. 

(Novbr.) 30. 

(1889) (Jatiuar) 3. 

(April) 2. 4. 

(Mai) 28. 

Herr G. hatte also in dem Zeiti'aum von genau zwei Jahren 
29 Fieberparoxysmen gehabt und das trotz des regelmässig fortgesetzten 
Chiningebrauchs, Uber dessen Hohe freilich keine Aufzeichnungen 
vorliegen; es dürften jedoch die Chininkuren zu Anfang der Erkran- 
kung nicht ganz ausreichende gewesen sein, und sich vielleicht damit 
ein Teil der Kecidive erklären. 

No. <V — 1 ‘ 4 . Diesen beiden reihe ich 10 weitere Kranken- 
geschichts - Übersichten an, von welchen jede den Zeitraum von 
einem Jahre umfasst; die Erkrankten sind ebenfalls Europäer und 
zwar solche, welche mit 2 .Ausnahmen (No. 5 und 11) das Klima re- 
lativ gut vertrugen, sogar 2 darunter, welche während des Jahres nur 
je 2 und 4 F'iebererkrankungen durchmachten. Die folgende Zu- 
sammenstellung vermag besonders ein Bild zu geben Uber den Chinin- 
verbrauch, wie er sich in einem iMalariagebiet während eines längeren 
Zeitraumes pro Berson gestaltet und Uber das Verhältnis derjenigen 
’l age des Jahres, an welchen Chinin genommen wurde, zu denjenigen, 
an welchen keins genommen wurde. Es wird daraus ersichtlich, 
dass zu der Erhaltung eines leidlichen .Allgemeinbefindens 
sehr viel grossere Chininmengen erforderlich sind, als man 
gemeinhin annimmt. 

riitniiu 

No. :t. Herr .1 . . . (No. 20 der Tabelle A). 

3. III. (87) erste Erkrankung (.seit .. Tagen im Lande): 

Continua mit mehreren Bseudokrisen; Kopfschmerz, leb- 
haftes Erbrechen. Schlaflr>sigkeit. In .0 Tagen Verbraucht .4,00 



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('liiniii. 



2g. 111. zweite kirkrankung ( wUhreiid der l'atient noch 
an den Nachwirkungen seiner ersten Krkrankung leidet: 
Schlaflosigkeit und -Nervosität-: Intermit. quotid.; verbraucht 

in 2 Tagen 2,50 

16. IV. dritte Erkrankung: eintägiger Faroxysm.\ ver- 
braucht in 3 Tagen Chin. 4,5: desgleichen Eisenpräparat und 4,50 
.Arsenik 0,004 P- ehe. 

2. V. vierte Erkrankung (noch unter Arsenikgebrauch): 

interm. quotid.: verbraucht in 10 Tagen (neben Fli.sen und 
Arsenik) 0,75 

t2. VI. fünfte Erkrankung (diesmal nach 41 tägigem 
Intervall): interm. quotid: verbraucht in 2 Tagen 2,0 Chin.; 
diese Kur ist entschieden nicht ausreichend ') 2,00 

3. VII. sechste Erkrankung: einmaliger Paroxysm.\ in 

2 Tagen 2,75 

desgleichen am 19. und 20. Vll 2,25 

31. VII. siebente Erkrankung: einmaliger Paroxy$m.\ 

in 2 Tagen 3,25 

.''Odann weitere 10 Tage ä 0.4 4,00 

4. IX. achte Erkrankung: einmaliger Paroxvsm.', in 

2 Tagen 2,50 

22. X. neunte Erkrankung: einmaliger Faroxysm.\ in 

2 Tagen 2,00 

II. XI. zehnte Erkrankung: einmaliger Paroxysw.x in 

2 Tagen 2,23 

24 XI. elfte Erkrankung: einmaliger Par<ixysm.\ in 

3 Tagen 4,00 

6. XII. zwiilftc Krkrankung: einmaliger Piroxysm.'. in 

12 'Tagen; trotzdem .schon nach 18 'Tagen 7,50 

24. XII. dreizehnte Krkrankung: einmaliger Pnroxysm,', 

in 3 Tagen 2,;o 

13. I. (88) vierzehnte Erkrankung: Intermitt. quotid.; 
in 10 'Tagen 10,50 

5. 111 . fünfzehnte Erkrankung (diesmal erst nach 

52 Tagen): einmaliger Paroxxym 5,00 

Im Jahr 15 Erkrankungen: 73 Chinin- Tage; zusammen 76,25 

JVo. 4 . CI ... . (No. 26 der Tabelle .A.) 

2. II. (87) erste Erkrankung: einmaliger langer Pa- 

roxysm.', darauf i,o 

desgleichen am 12. II 1,4 



') Wenn der Kranke jetzt, anstatt mutlos zu werden, mit dem 
weiteren energischen Chiningebrauch fortgetähren wäre, so würde er 
die Infektion möglicherweise noch haben überwinden können. 



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22 



Chinin. 

3. III. zweite Erkrankung: einmaliger kurzer Paroxysm.\ 

darauf z,o 

17. III. dritte Erkrankung: einmaliger kmzfc Paroxysm.\ 

darauf in 3 Tagen 3-o 

I. IV. vierte Erkrankung: einmaliger kurzer Paroxysm.; 

darauf in 4 Tagen 4,0 

sodann in 7 Tagen 

23. IV. fünfte Erkrankung: einmaliger kurzer Pa- 
roxysm.\ darauf 1,25 

12. V. sechste Erkrankung: einmaliger kurzer Pa- 

roxysm.\ darauf 2.5® 

vom I.— 6. VI. desgleichen (6 Tage) 6,00 

28. VII. siebente Erkrankung: einmaliger kurzer Pa- 

roxysm.\ in 10 Tagen ;,oo 

13. IX. achte Erkrankung: Intermitt. tertiana; in 

13 Tagen 7 , 2 S 

27. XII. neunte Erkrankung (diesmal erst nach 104 

Tagen): kurzer Paroxysm.\ in 11 Tagen 6,25 

Bis zum 14. III. 88 (Abschluss des Jahres und der 
Beobachtung) ist ein Residiv nicht erfolgt; der energisch fort- 
gesetzte Chiningebrauch scheint hierbei doch von günstigem 
Einflüsse gewesen zu sein. 

Im Jahr 9 Erkrankungen; ca. 61 Chinin-Tage; zusammen 45 , 7 S 

yo. 5 . H (No. 32 der l ab. A.) 

3. IV. (^87) erste Erkrankung (ist 14 Tage im Lande): 
einmal heftiger Paroxysm. (bei Temp. 39,6 wird 1,5 Chinin 

gegeben; nach 4 Stunden Temp. 41,0) 1,5 

gebraucht in 3 Tagen (darunter eine einmalige Dosis 

von 6,0!) 8,50 

21. IV. zweite Erkrankung; interm. quotid.; gebraucht 

in 5 Tagen 6,25 

5/7. V. dritte Erkrankung: interm. quotid. in 3 .An- 
fällen (beim 3. Anfall Schüttelfrost von D^stündiger Dauer); 

gebraucht in 2 Tagen 3,00 

(desgl. Eisenpräparat und Jodkali). 

20. V. vierte Erkrankung: interm. quotid. in 3 .An- 
fällen; gebraucht in 4 Tagen 5,75 

3. VI. fünfte Erkrankung: einmaliger Paroxysm. (zum 
ersten Male mit aiusgesprochener .Milzschwellung); gebraucht 

4. und 5. VI 2,25 

7. VI. sechste Erkrankung: einmaliger Paroxysm.', ge- 
braucht in 10 'Lagen 7,25 

29. VI. siebente Erkrankung: interm. quotidiana 



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— 23 — 

Chinin. 

(Milzschwellung med. .Mamillarlinie nach unten der Rippen- 

sautn); gebraucht in 2 Tagen 2,50 

sodann in 10 Tagen 3 i°o 

18. VII. achte Erkrankung: interin. quotid.; verbraucht 

in 3 Tagen 3,75 

in 10 Tagen 4,00 

8, VIII. neunte Erkrankung: einmaliger Paroxysm,\ 

darauf 1,50 

sodann zur Nachkur 5,00 

II. IX. zehnte Erkrankung: interm. quotid. in 3 An- 
fällen; zwischen den Anfällen wurde 0,1 und 0,2 pikrins. 
Ammoniak gegeben; dann wegen Nutzlosigkeit desselben . . 1,25 

11. X. elfte Erkrankung: remittens i2tägig (S. Kune 

No. 33) mit Milzschwellung II^. endigend in exitus (Tem- 
peratur 42,2!) verbraucht wahrend der Erkrankung . . . . 8,00 

In 6 Monaten (= Va Jahr) 11 Erkrankungen; ca. 60 Chinin- 

Tage; zusammen 62,00 

JVo. <i. O . . (No. 30 der Tab. ,A.) 

1. II. 87 erste Erkrankung: einmal, kurz. Paroxysm. 2. II. 2,00 

16. VI. zweite Erkrankung: Interm, tertiana; in 

12 Tagen 6.00 

14. VII. dritte Erkrankung: einmal, /’örejryjw/. (geringer 
Milztumor); in 12 'Tagen 6,5 

13. II. (88) vierte Erkrankung: dreitägige Continua; in 

12 Tagen ■ ■ . ■ 7,5 

4 Erkrankungen; 38 Chinin-Tage; zusammen 22 00 

Vo. 7 . Pie .... (No. 16 der Tab. A.) 

28. III. (87) erste Erkrankung (ist seit 40 Tagen im 
Lande): Interm, quotid. in 3 Anfällen mit ausgesprochener 
Milzschwellung; verbraucht in 6 Tagen 6,0 

17. IV. zweite Erkrankung: Interm, quotid.; 2 Anfälle; 

darauf in 2 Tagen 2,25 

(desgleichen Jodkalium und Eisen). 

2. V. dritte Erkrankung: einmal. Paroxysm.\ verbraucht 

in 6 Tagen 7,00 

19. V. vierte Erkrankung: Continua (dreitägig); ver- 
braucht in IO Tagen 6,25 

(desgleichen fiäsen). 

14. VI. fünfte Erkrankung: Continua; verbraucht in 

22 Tagen 7,75 

12. VII. sechste Erkrankung: einmal. Paroxysm. mit 

Schnupfen; verbraucht in 4 'Tagen 2,25 

2. VIII. siebente Erkrankung: malaria larvata (Neu- 



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— 24 — 

("hiniii. 

ralgie auf de? rechten KopfhUlfte, in starken Schweiss 
endigend); verbraucht in 6 Tagen 5,25 

17. IX'. achte Er^ankung: interm. tertiana; zwischen 
beiden AnfUllen pikrins. Ammoniak 0,165) verbraucht in 
8 Tagen 9,00 

7. XI. neunte Erkrankung: einmal. Paroxysm. mit 

Schnupfen; verbraucht in 14 Tagen 7,30 

Milz: med. bis zur Mamillarlinie. 

Bis 16. III. 88 keine weitere Erkrankung. 

Im Jahr 9 Erkrankungen; 78 Chinin-Tage; zusammen ?J.oo 

Ho. S. Zieg .... (No. 27 der Tab. A.) 

14. IV. (87) erste Erkrankung (seit 8 Wochen im 
Lande) 3tUgige continua mit ausgesprochener Milzschwellung; 

gebraucht in 10 Tagen 8,75 

und Eisen. 

9. VII. zweite Erkrankung (nach langer Pause): Interm, 
quotid. bei kaum nachweisbarer Milzschwellung; gebraucht 

in 12 Tagen 4,5 

und Eisenpräparat. 

Bis Ende März 88 keine weitere Erkrankung. 

Im Jahr 2 Erkrankungen mit 22 Chinin-Tagen; zu.sammen '3,25 

Ho. if. Wan (No. 2 der Tab. A.) 

6. IV. (87) erste Erkrankung: interm. quolid. mit 

normal. Milzbefund verbraucht in 10 Tagen 7,75 

13- V. „ „2 2,00 

28. VI. zweite Erkrankung: interm. quodit. mit normal. 
.Milzbefund gebraucht in 12 Tagen 6,00 

19. X. dritte Erkrankung: (nach langer Pause; Aetiolog.; 
lebt seit einiger Zeit mit seiner Familie in ungeräumigem 
Zelt) continua; gebraucht in 13 Tagen 8,50 

17. XI. vierte Erkrankung: interm. quotid. mit unerhebl. 
Milzschwellung; erhält und verbraucht (?) in 10 Tagen . . 7,00 

7. XII. fünfte Erkrankung: einfach. Paroxysm,\ ge- 
braucht in 15 Tagen 6,25 

22. XII. Milzschwellung II®; gebraucht in 6 Tagen .... 6,00 

2. III. (88) sechste Erkrankung: einmal. Paroxysm. 

mit Milzschwellung II®; verbraucht in 10 Tagen 6,00 

Im Jahr 6 Erkrankungen; 78 Chinin-Tage; zusammen 49.50 

Ho. lit. Heid (No. 22 der Tab. A.) 

28. III. (87) erste Erkrankung auf der Station Con- 
stantinhafen. 



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25 



(•hilitn. 



9. IV. zweite Erkrankunt; (Kinschhafen): einmal. 

Faroxysm.\ verbraucht in 7 Tagen neben Eisen 10.50 

26. IV. dritte Erkrankung: interm. quotid.; gebraucht 



an I Tage 1,00 

31. V. vierte Erkrankung: einmal, /hroxysm.; gebraucht 

in 3 Tagen 3,50 

22. VI. fünfte Erkrankung: einmal. Paroxysm.\ ge- 
braucht in 3 Tagen 3,75 

29. VIII. sechste Erkrankung: einmal. Paroxysm.', ge- 
braucht in I Tage 1,00 

18. X. siebente Erkrankung: einmal. Paroxysm. ge- 
braucht in II Tagen 6,00 

3. XII. achte Erkrankung: Chinin- Verbrauch» 

28. 1 . (88) neunte Erkrankung {Milzschwellung): ge- 
braucht in 20 Tagen 7,5 

Bis 22. III. keine weitere Erkrankung. 

Im Jahr 9 Erkrankungen; 46 Chinin-Tage; zusammen 33.25 



No. 11 . G (No. 34 der Tab. A) (hat in den ersten 

ä/4 Jahren auf einem im Hafen verankerten Hulk gewohnt, 
bei be.ster Gesundheit; kam dann an Land in verhliltnismUssig 
ungünstige Wohnungsverhaltnisse und erkrankte von nun an 
sehr häufig, seine ersten Erkrankungen in unverantwortlich 
leichtsinniger Weise vernachlässigend; es dauerte sehr lange 
Zeit, bis sich Patient an geordnete Ghininkuren zu gewöhnen 
lernte.) 

22. I. (87) erste Erkrankung | hat die ihm proponirten 
30. I. zweite „ v Chininmengen anschei- 

8. II. dritte „ ) nend nicht genommen. 



verbraucht jetzt in 2 Tagen 3,5 

16. II. vierte Erkrankung: interm. quotidian.; gebraucht 
in 2 Tagen 3.5 



1. III. fünfte Erkrankung: einmaliger Paroxysm.'. bei 
Temperatur 40,6 tuhlt der Patient keine Temperaturerhöhung. 

Milz medianwarts an die .Mamillarlinie heranreichend; 9 g. 

Chinin proponirt. 

7. III. sechste Erkrankung: heftiges Paroxysm. mit 
Bewusstlosigkeit; (es findet sich das ganze unverbrauchte 
Chininquantum vor), welchem am 

9. u. II. III. weitere Paroxysmm folgen; entzieht sich 
wiederum der Nachkur, nachdem etwa nur an 3 Tagen ge- 
nommen wurde 4,5 

6. IV. siebente Erkrankung (will inzwischen mehr- 
fache Paroxysmen gehabt haben): hochgradige .Anämie; 



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26 



Chinin. 

sehr grosser Milztumor; untere Grenze der .Milz: .5 Finger- 
breiten oberhalb des Nabelniveau in der Medianlinie. 

Rat des Klimawechsels; verbraucht in 30 Tagen neben 

Arsenik 0,002 p. und Eisen 30, j 

7. V. auffallend gebessertes .Allgemeinbefinden; Milz- 
tumor wesentlich eingeschränkt. 

12. V. achte Erkrankung (trotz der grossen Chininkur): 

Interm, quotid. in 3 Anfällen, gebraucht in 12 Tagen . . . 14,0 

26. V. gutes Befinden: Milztumor von harter Konsistenz 
in der Mamillarlinie den Rippensaum überragend (also be- 
deutende Einschränkung). Gebraucht 8 Tage lang Arsenik 
0,01 p. d. und Eisen. 

7, VI. neunte Erkrankung: einmal. Paroxysm.\ ge 



braucht in 6 Tagen 7,; 

2g. VI. zehnte Erkrankung: einmal. Paroxysm.\ .Milz- 
tumor von ursprünglicher Grösse (6. IV',); verbraucht 

in 2 Tagen 2,5 

7. VII. elfte Erkrankung: Interm, quotid. in 3 Anfällen; 
gebraucht in 24 Tagen 13,5 



26. VII. Milz eingeschränkt, den Rippensaum um nur 
2 Fingerbreiten überragend; gebraucht fortdauernd Eisen- 
präparat, sowie s'ersuchsweise 0,2, zweimal täglich, im 
ganzen 2,4 Chinin. 

IO. VIII. Milz dabei vergrössert (IIl“). 

16. VIII. Schlechtes Befinden; Milz noch mehr ver- 
grössert (III — IVO). 

18. VIII. zwölfte Erkrankung; einmal. Paroxysm.\ ge- 



braucht in 13 Tagen neben tägl. o,ot Arsenik und Eisen . . 11,5 

I. IX. dreizehnte Erkrankung: Continua, viertägig; 
gebraucht in ii Tagen 6,0 



Desgleichen 40 Pillen pikrins. Ammoniak ä 0,033. 

10. I.\. Sehr anäm. Aussehen; enormer Milztumor 
(weicher Konsistenz) untere Grenze: 2 Fingerbr. unterhalb 
Nabelniveau. Medianwärts: 2 Fingerbr. von der .Medianlinie. 

16. IX. Geht auf Seereise; erhält 6,0 

16. IX. vierzehnte Erkrankung: einmal. Paroxysm.\ 
auf See. 

18. X, (nach der Seereise) .Milztumor; untere Grenze; 

2 Fingerbr. oberhalb Nabelniveau, medianwärts: t Fingerbr. 
nach innen von der .Mamillarlinie. 

22. X. fünfzehnte Erkrankung: Interm, quotid.; ge- 



braucht in it Tagen 7,00 

9. XI. Milztumor merklich zurUckgebildet; untere 
Grenze 2 Fingerbr. unterhalb Rippen.saum; verbraucht in 
8 Tagen ;,oo 



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Chinin. 



24. XI. Milztumor noch mehr zurlickgebildet: untere 
Grenze 1V2 Fingerbr. unterhalb Rippensaum, medianwiirts: 

1 Fingerbr. nach innen von der Mamillarlinie; gebraucht in 

8 Tagen 5,0 

5. XII. Milztumor wiederum vergrössert: untere Grenze 

2 Fingerbr, unter dem Rippensaum, med. Grenze 2V2 Fingerbr. 
innen von der Mamillarlinie. 

II. XII. sechszehnte Eirkrankung: einmal. Paroxysm.\ 



gebraucht in 10 Tagen 9,25 

19. XII. siebzehnte Erkrankung: einmal. Par<<xysm.\ 
gebraucht in 20 Tagen 12,00 



IO. III. hal seitdem keine F'ieberparoxysmen gehabt; 

An'iimie iedoch noch immer sehr hochgradig. .Milzschwellg. 
konstant 2 Fingerbr. unterhalb Rippensaum, medianw’arts 
etwas die Mamillarlinie überragend; jedoch im ganzen weniger 
schwer dem Finger aufliegend und an der hinteren Fläche 
zugänglich (Abnahme des dicken Durchmessers.) Raih des 
Klimawechsels besteht fort'). 

Im Jahr 17 Erkrankungen; ca. 168 Tage; zusammen 113,4 



JVo. Vi. E.... (iNo. 29 der Tab. .A.) 

21. II. (87) erste Erkrankung (unter dem mehr- 
monatl. prophylact. Arsenikgebrauch von 0,01 p. d. 
auftretend) einmal. Paroxysm.\ normale Milz; gebraucht in 

5 Tagen ^,00 

IO. III. zweite Erkrankung; ganz leichter Paroxysm.\ 
Temperatur 38,5; mit schnell nachfolgendem Schweissstadium; 

gebraucht in i Tage 1,25 

28. IV. dritte Erkrankung: ganz kurzer Puroxysm.\ 

ausgesprochene Milzschwellung; gebraucht in 8 Tagen 
neben Eisen und Arsenik g,oo 

28. V. vierte Erkrankung: ganz kurzer Paroxysm.\ 

39,5; normale Milz; gebraucht in 3 Tagen 3,25 

29. VI. fünfte Erkrankung: ganz kurzer Paroxynn.\ 

normale Milz; gebraucht in i Tage 1,25 

22. II (88; sechste Erkrankung: kurzer Paroxysm.\ 

(38,6); Milz deutlich palpabel (I — II®); untere Grenze; 
iVa Fingerbr. unterh. Rippensaum; med. Grenze: die Mamil- 
larlinie; gebraucht in 15 Tagen 9,25 

Im Jahre 6 Erkrankungen; ca. 33 Chinin-Tage; zusammen 30,5 



') Der p. p. G ist trotzdem in Finschhafen noch ein 

weiteres Jahr geblieben und dann nach Hause zurückgekehrt; über 
sein endgültiges Befinden liegen weitere Nachrichten nicht vor. 



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28 



Chinin. 

über die Häufigkeit, mit welcher die Angehörigen der 
nielaneeischen Ras^e vom Fieber befallen wurden, giebt die 
JahresUbersicht der Erkrankungen meines Dieners Talemur 
ein ungefähres Bild; da ich denselben täglich unter Augen 
hatte, so konnten mir seine Erkrankungen nicht leicht ent- 
gehen. Tale'mur ist auf der Insel Matupit zu Hause und der 
persönlichen Charakteristik nach ein kleiner, mässig genährter, 
auffallend intelligenter 1 8 jähriger Junge; da er nur in meinem 
Hause beschäftigt wird, so befindet er sich unter relativ sehr 
günstigen I.ebenshedingungen. 



No. i:t. 

13. u. 15. II. (87) erste Erkrankung; Paroxysm. ini 

Tertiantypus; erhält nach demselben 0,5 u, 0,8 1,25 

7. III. zweite Erkrankung: Paroxysm. Darauf . . 1,30 

22. u. 23. III. dritte Erkrankung; Paroxysm. im Quo- 

tidiantypus, dazwischen und darauf je 1,5 3,00 

7. IV. vierte Erkrankung: Pbroxysm.’, darauf in 3 lagen 4,00 
27. IV. fünfte Erkrankung: Paroxysm.-, kurz dauernd; 
kein Chinin- oder Arzneigebrauch. 

I. V. wiederum Paroxysmus (Quintantypus?) darauf an 

3 Tagen je 1,25 3,75 

at. sechste Erkrankung: Paroxysm.-, daiauf . . . 1.25 



2. VI. siebente Erkrankung: Paroxysm Keine .Arzenei. 

Weiterer Paroxysm. bleibt trotzdem aus; erst am 

30. VI. achte Erkrankung: Paroxysm.-, während des- 
selben I Esslöffel Tinct. ^^’arhurgii; weiterer Paroxysm. bleibt 
ebenfalls aus. 

9. Vll. neunte Erkrankung: Paroxysm.-, während des- 
selben und darauf je 1,0 2,00 

II. u. 13. IX. zehnte Erkrankung: Paroxysm. im Tei- 
tianlypus; zwischen beiden 4 Pillen pikrinsaures Ammoniak, 
nach dem letzten Paroxysm. 2 Tage je 3 Pilllen (i Pille 
- 0,033). 

15. u. 17. IX. elfte Erkrankung: Paro.xysm. im Tertian- 



typus; zwischen beiden 1,0 1.00 

18., 19., 20. u. 21. XI. Paro.xysm. im (Juotidiantypus; 
in der fieberfreien Zeit je 6 Pillen pikrinsaures Ammoniak 
(0,198) ohne Erfolg. 

22. XI 1,25 

Schon nach */j Stunde neuer Paroxysmus. 

23. XI. wiederum 1.25 

Paroxysmus bleibt aus. 



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Chinin. 



— 21 ) — 

Milzbelund am 2j. XI.: palpabler rumor: reicht median- 
wärts an die Mamillarlinie, nach unten 2 Fingerbr. unterhalb 
des Rippensaums; kein Arzneigebrauch. 

I. XII.: untere Grenze 4 Fingerbr. unterhalb Rippen- 
saum. 

12. .XII.; untere Grenze 2 Fingerbr. unterhalb Rippen- 



saum 0,5 

2. I. (88) zwölfte Erkrankung; Btroxytm. Milz 
medianwärts wie frllher; nach unten 3!/^ Fingerbr. unterhalb 
Rippensaum. 

3. u. 4. I. je 1,25 und 1,0 2,25 

6. I. Tumor unverändert. 

Im .lahre 12 Erkrankungen mit 23 g Chinin; zusammen 25,00 



Die ersten .Arbeiter in Kaiser VVilhelmsland waren aus holländisch 
Indien eingetlihrte Malayen. Da auf Java Malaria-Krankheiten noch 
häufig sind, so durfte man bei diesen Arbeitern eine grössere Wider- 
standsfähigkeit gegen die Malaria voraussetzen; eine solche war im 
Grossen und Ganzen nicht ersichtlich; auch die Malayen erkrankten 
an häufigen Fiebern, wofür als Beleg weitere kurze JahresUbersichten 
dienen mögen. 



No. 14 . -Ali, kleiner lebhafter, intelligenter Mann, gut genährt, 
hat reguläre Fieberparoxvsmen. 



Paroxysmen am: 



Erhält nach .Ablaut 
derselben Chinin: 



August 


12. 13. 


3Ö 


fi 


,'september 


>/• 


4,0 


9l 


Oktober 


i- 4 - 


4<o 


•>9 


Oktober 


25- 


2,0 


99 


November 


I. 2. 3. 4. 




99 


Januar 


I. 2. 3. 


5,0 


99 


Februar 


' 4 - 15- 


1,0 


99 


März 


17. 18. 19. 


3,0 


99 


April 


29. 


3,0 


99 


Mai 


I. 20. 


7,75 


99 


Juni 


'5- 


>,3 


99 


Juli 


10. 30. 


9,25 


99 



Im Jahr 12 Erkrankungen in 24 Paroxysm.D S 



*) Trotz der häufig sich wiederholenden Paroxysmen ist bei 
■Ali niemals Milzvergrösserung deutlich nachzuweisen gewesen. 



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30 



JVo. 15 . Pack Wadja, untersetzter, sehr wohlgenUhrter Malaye. 
Paroxysmen am: Chinin- Verbrauch: 

September 24. 27. (Quartan-Typ.) 6,0 g 

November 10. ? 

Januar 16, 28. ? 

Mai 5. 1,5 „ 

■luni 3- 2'75 „ 

5 Erkrankungen in 7 Paroxysm. >0,25 g 

Auch bei diesem Malayen bestand niemals eine deutliche Milz- 
vergrösserung. 



JVo. l(i. Waschmann, hagerer, Mitte der Fünfziger stehender 
Malaye. 

Paroxvsnien am: 

August 26. 27. 

Oktober 3. 





25 - 


Dezember 


2J. 


Januar 


15- 


Februar 


26. 27. 



Chinin-Verbrauch : 

5.5 8 
',5 „ 

4,0 ., 

1.6 „ 

1,5 „ 

2,25 „ 



6 Erkrankungen in 8 Paroxj'sm. 16,25 g 



Dieser Malaye befand sich stets einen grossen Theil des Tages 
unmittelbar bei einer versumpften FlussmUndu ng (Mangrove); 
er ist trotzdem nicht besonders h'aufig erkrankt. Bemerkens- 
werth war auch bei ihm das konstante Fehlen eines Milziiimors. 



JVo. 17 . Uomlock, junger, schlecht genUhrter Malaye; mit stets 
sehr bedeutender Milzschwellung, acquiriert schliesslich einen schweren, 
bis nahe an das Nabelniveau herabreichenden Tumor, welcher sich 
nur teilweise zurUckhildet. 

Paroxysmen am: Chinin-Verbrauch: 



Oktober 


2. 


4,0 


8 


November 


8. 


13,0 




Dezember 


q. 


1,5 


11 


Februar 


2. 18. 


3,5 


11 


MUrz 


q- 


1,5 


11 


April 


6. 


1,25 


11 


Mai 


I. 


7,25 


11 


Juni 


8. 


1,00 


11 


Juli 


J. 


.1,25 


11 



q Erkrankungen (to Paroxysm.) 33,25 g 



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Wenn ich damit die Aut'zäliluiig von Krankengeschicliten 
allgemeinen Inhaltes beschliesse, so möchte ich noch bemerken, 
dass das trübe Bild, welches dieselben etwa von dem Gesundheits- 
zustände auf der Station Finschhafen zu entwerfen geeignet 
waren, zu der Zeit meines dortigen Aufenthaltes thatsächlich 
bestanden hat. Es war eine harte Zeit, welche die Beamten der 
Neu-Guinea-Kompagnie, sowie die ersten wenigen Kolonisten 
damals durchlebten, und nicht gerade zu verwundern, wenn sich 
hier und da Unmut und Unlust zu regen begannen. Nur das 
Bewusstsein, dass hier eine Pionierarbeit geleistet wurde, welche 
dereinst vielleicht späteren Generationen zum Heil und Segen 
gereichen werde, konnte stärkere Naturen davon abhalten, in 
jene Schlaff heit und stumpfe Gleichgültigkeit zu verfallen, welche, 
unter fortgesetzt trüben Einflüssen, fast wie eine natürliche 
Reaktion des Geistes erscheinen möchte. An einigen anderen 
KUstenplätzen des Landes erwies sich der Gesundheitszustand 
vielleicht um etwas besser, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, 
weil hier die äusseren Lebensverhältnisse um manches günstiger 
lagen.') 



Kapitel IV. 



Allgemeine Charakteristik und Einteilung der 
Malaria-Krankheiten der Tropen. 

Wenn ich hier den Ausdruck Malaria-Krankheiten wähle, 
so beabsichtige ich damit auch nicht im Entferntesten, der 
Meinung Ausdruck geben zu wollen, als ob hier von etwas 

') Die allerschlimmsten Zustände werden hervorgerufen durch 
eine Anhäufung von Menschen an Plätzen, wo Lehensbedingungen 
erst geschaffen werden sollen: je mehr Menschen zu gleicher Zeit in 



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32 



Anderem, als einer einzigen chronischen Infektionskrankeit (im 
iiiiologischen Sinne) die Rede sein könne. Nur insofern die 
Äusserungen dieser Infektionskrankheit in verschiedener Weise 
in Erscheinung treten und somit verschiedene, klinisch von 
einander mehr oder weniger abweichende Krankheitsbilder ge- 
schaffen werden, darf es gestattet sein, von Malaria-Krank- 
heiten zu sprechen. 

Am nllerhäufigsten äussert sich die Malaria unter dem 
Bilde einer fieberhaften Krankheit, bei welcher der 
Wechseltypus häufig und in gewissem Sinne auch 
charakteristisch ist. DasFieber ist aber nur ein einziges 
der vielen Krankheitssymptome, welche in dem Krank- 
heitsbilde der Malaria auftreten und ein nützliches, insofern als 
es anzeigt, dass eine Malaria-Infektion stattgefunden hat oder 
eine bereits stattgehabte, etablierte, noch fortbesteht. Durch das 
Fieber wird die latente Infektion zu einer manifesten 
gemacht und darin liegt sein grosser Wert in diagnosti- 
schem Sinne, weil damit jedem Laien, in Ermangelung an- 
derer diagnostischer Hilfsmittel, an die Hand gegeben wird, zu 
beurteilen, ob er sich im gegebenen Falle als krank zu betrachten 
hat oder nicht. In diesem Sinne kann man das Fieber also als 
eine ganz nützliche Reaktion des kranken Organismus bezeichnen 
und nur wünschen, dass jede solche Regung der Malaria auch 
stets diejenige Beachtung linden möchte, welche sie verdient; 
dann wird es nicht leicht Vorkommen, dass der Laie seine 
Krankheit für abgethan ansieht mit dem Augenblick, wo er 
sein „Fieber“ überwunden hat und in dieser Vorstellung die 
weitere Sorge um seinen Körper ausser Acht lassend, von Re- 
cidiv zu Recidiv fällt. 

Diejenigen Fälle, wo eine Malaria-Infektion bestanden hat 
und doch niemals ein Fieber zum Ausbruch gekommen ist, 

dieser Beziehung befriedigt werden sollen, um so schwieriger gestaltet 
sich die Sache; kleinere Siedelungen mit 4 — X Europäern sind zu 
Anfang — vorausgesetzt, dass man hei den Eingeborenen auf keine 
gros.sen -Schwierigkeiten sfösst — die zweckmä.ssigsten. 



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33 



ciürften nur sehr vereinzelt dastehen. Die Regel ist vielmehr, 
dass sich jede Malaria-Infektion, sei es früher, sei es später, 
jedenfalls einmal als Fieber zum Ausdruck bringt. Dem ersten 
können sich dann weitere Fieber anreihen und diese ebensowohl 
Rückfälle ein und derselben oder auch neue Infektionen für sich 
bedeuten; schliesslich erfolgt dann Heilung oder es entwickelt 
sich daraus ein Zustand, wo der Mensch nicht mehr fiebert 
und doch die Infektion fortbesteht. 

Damit ist dann die zweite grosse Gruppe der fieberlosen 
Malaria-Krankheiten betreten; ihr hauptsächlichstes Symptom 
ist eine mehr oder minder ausgesprochene .Anämie, verbunden 
mit zahlreichen nervösen Erscheinungen. Das sind freilich 
Eigentümlichkeiten, welche auch nach jedem Malaria-Fieber 
noch eine Zeitlang fortbestehen und deshalb wohl auch unter 
Umständen als Convalescenzsymptome aufgefasst werden können. 
Den Verdacht einer noch fortbestehenden fieberlosen Infektion 
erregen sie erst, wenn ein solcher Zustand unverhältnismässig 
lange fortdauert, das .Allgemeinbefinden erheblich leidet, und 
gewöhnlich auch weitere organische Störungen nachweisbar 
sind. 

In den Tropen sind diese fieberlo.sen Malaria-Krankheiten 
ungemein häufig; es giebt dort stets Personen, welche vermeinen, 
ihre „Fieber" los geworden zu sein, weil sie thatsächlich Monate- 
lang keine Fieberanfälle bekommen haben; sie gehen ihrer Be- 
schäftigung gewohnheitsmässig nach und konsultieren den Arzt 
ganz beiläufig, weil sie sich leicht matt fühlen, mitunter schlaflos 
sind, an Appetitstörungen leiden und oft Schmerzen ganz un- 
bestimmter Natur verspüren. Verändern solche Personen dann 
gelegentlich ihren Wohnort, gehen etwa für ein paar Tage in 
See, so kommen neue Fieber zum Ausbruch und liefern ihnen 
damit den Beweis, dass sie auch vorher noch malariakrank ge- 
wesen waren. 

.Man muss also prinzipiell unterscheiden zwischen 
fieberhaften und fieberlosen Malaria-Krankheiten oder 

Schellonn. ^ 



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— ,u — 

mehr mit Bezug auf die ätiologische Seite der Frage, 
zwischen manifesten und latenten Malaria-Infektionen. 

Unter diesen beiden Gesichtspunkten würden die ver- 
schiedenen, klinisch besonders markirten, Krankheitsformen unter- 
zubringen sein. Das Schema würde dann ungefähr lauten: 

A. Fieberhafte Malaria-Krankheiten: 

1. Fieber im Wechseltypus; typische Malaria-Fieber. 

2. Atypische Fieber. 

3. Malaria biliosa haematurica (rievre bilieuse hema- 
turique). 

4. Malaria comatosa (akuter Malaria-Collaps). 

B. Fieberlose Malaria-Krankheiten: 

(Malatia-Aniimie; Malaria-Cachexie; Malaria-Neurosen.) 

Die Malaria-Krankheiten komplizieren sich öfters mit 
anderen fieberhaften Krankheiten, wie Diphtherie, Pneumonie, 
Dysenterie. In solchen Fällen ist es schwierig oder mitunter 
geradezu unmöglich, zu entscheiden, was von dem Fieber auf 
Rechnung der Malaria und was auf diejenige der Komplikations- 
Krankheit entfällt und ob in manchen Fällen die Komplikations- 
Krankheit nicht ganz für sich besteht. Immerhin erscheint es 
zur Zeit geboten, solche Komplikationskrankheiten einer be- 
sonderen Besprechung zu unterziehen. 



Kapitel 

1 

/ 

Typisches Malaria-Fieber. 

.‘Vm häutigsten äussern sich die Malaria-Krankheiten auch 
in den Tropen unter dem Bilde der febris intermittens. Die- 
selbe setzt sich zusammen aus akuten Fiebcrparoxysmen und 
ganz fieberfreien Intervallen; und je nach der Dauer dieser 
Intervalle ergiebt sich die Einteilung in quotidiane, tertiane und 
quartane Formen. 



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35 



Nach dem übereinstimmenden Urteile aller Beobachter 
sind die quotidianen Formen für die Tropen die eigentlich 
charakteristischen; der tertiane und quartane Typus treten hier 
nach Hirsch (2) nur auf zu der Zeit leichterer Epidemien oder 
an vergleichsweise gutartigen Malaria-Herden, so dass nach ihm 
der quotidiane Typus auf eine besondere Intensität des Malaria- 
Prozesses schliessen lässt. Neuere Untersuchungen von Golgi (3) 
nehmen an, dass die quotidianen Fieber im ätiologischen Sinne 
nicht existieren, sondern wo sie auftreten, stets als Verdoppelungen 
der quartanen oder tertianen Formen anzusehen sind; insofern 
dann nämlich mehrere (statt einer) zu gleicher Zeit im Blute 
kreisender Generationen des Malaria-Parasiten hintereinander zur 
Reife gelangten und jede für sich an 2 auf einander folgenden 
Tagen einen Fieberanfall auslösten. Sofern sich diese Anschauung 
bestätigte, würde damit ein weiteres Verständnis für das vorherr- 
schende Auftreten der quotidianen Fieber in besonders schweren 
Malaria-Gebieten gewonnen sein; die quotidianen Fieber würden 
demnach im Golgischen Sinne der quantitativ ergiebigeren Durch- 
tränkung des Körpers mit dem Malariavirus gleich zu setzen 
sein. Für Kaiser Wilhelmsland kann ich das überwiegende Auf- 
treten des quotidianen Typus bestätigen; tertiane und quartane 
Formen waren diesem gegenüber Seltenheiten. 

a) Fieberverlauf. 

Die Paroxvsmen setzen gewöhnlich zwischen Morgen und 
.Abend, seltener in der Nacht ein, dauern 6 — 8 Stunden und 
fallen regelmässig unter Schweiss ab. Der zweite und die fol- 
genden Paroxysmen pflegen gerne um 2 Stunden zu anteponiren, 
so dass Temperaturkurven wie in Fig. i ') zu Stande kommen. 
Die Apyrexien sind gewöhnlich reine; die Temperaturen während 
derselben unternormal, 36,5 — 36,8. 

Dieser klassische Fiebertypus, ausgezeichnet also durch 
kurz dauernde Paroxysmen und reine, nahezu gleich lange 

') Sielte die Temperaturkurven der beigegebenen Tafeln. 

3 * 



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— 36 — 

Apvrcxien, ist zwar der überwiegende, die Zahl der davon 
abweichenden Fälle aber ebenfalls eine nicht unbeträchtliche. 

Sehen ist das .Auftreten mehrerer Paroxysmen an einem 
Tage (Fig. 2), häufiger dagegen unreine Apyrexien (Fig. 3) und 
am häufigsten die ungleiche Oauer sowohl der Parox)'smen als 
auch der fieberfreien Intervalle. Fig. 4 zeigt den Temperatur- 
verlauf bei einem jungen Melanesier; cs heben sich in die.ser 
Kurve?, durch fieberfreie Intermissionen geschiedene Paroxysmen 
ab; während 5 davon von Abend bis Morgen abfallen, bleibt im 
2. und 3. Paroxysmus die Temperatur einen ganzen Tag länger 
auf der Höhe, so dass die Krise statt in 6—8 Stunden hier etwa 
erst nach 30 Stunden eintritt; auch zeigt sich hier am 6. Tage 
eine um einen ganzen Tag verlängerte Intermission.') 

Paroxysmen von ungleicher Dauer zeigt auch Fig. 5; 
während der erste Paroxysmus typisch abläuft, gebraucht der 
zweite zum Anstieg und Abfall 3'/, Tage; ähnliches ist der Fall 
bei Fig. 6 u. 7. Die Apyrexien sind öfters von sehr kurzer 
Dauer; in Fig. 8 umfasst die vollkommene Apyrexie nur die 
wenigen Stunden der Mittagszeit; auch rUcksichtlich der Tem- 
peraturhöhe, welche sie erreichen, zeigen die Paroxysmen manche 
Verschiedenheiten. 

Alles in Allem kommen also auch bei diesen tvpischen 
Formen des Malaria-Fiebers manche Unregelmässigkeiten vor, 
welche dann allmälig zu den atypischen Fiebern hinUberleiten. 

lieber tertiane und quartane Formen ist nichts besonderes 
zu sagen: eine quintana wurde ebenfalls beobachtet. Es erscheint 
mir aber zweifelhaft, ob quintane, sextane etc. Formen überhaupt 
noch den Anspruch auf selbständige Krankheitstypen machen 

*) Hier und in anderen Kurven befinden sich Vermerke über 
den Chiningebrauch, wo solcher .stattfand; es ist denkbar, dass durch 
die Einwirkung des Chinin manche Kurven ihr originales Gepräge 
eingebUsst haben; doch nur in dem Sinne, dass Fieberbewegungen 
gelegentlich ausfielen, wo .solche bei Nicht-Chiningebrauch \ielleicht 
beobachtet worden wären, nicht wohl in umgekehrter Weise, dass sie 
bei Chiningebrauch eintraten, wo sie sonst nicht aufgetretcn wären. 
Die Zahlen bedeuten das Chininquantum in Gramm. 



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37 



dürfen, ob wir sie nicht vielmehr zweckmässiger unter der 
Rubrik der Recidive aufführen sollen, wozu ganz besonders 
auch die bisher gewonnenen Kenntnisse Uber den hntwickelungs- 
gang der Malaria-Parasiten auffordern. Dass übrigens auch der 
Zufall bei der Aufstellung so komplizierter Fiebertypen oft genug 
milspielen mag, ist keine Frage; denn sicher ist, dass die Fieber 
auch ohne irgend welche Arzneieinwirkung gelegentlich als 
nur ein einziger Paroxysmus in Erscheinung treten können, ein 
Verhältnis, welches ich besonders bei den Angehörigen der 
melanesischen Rasse beobachtet habe, dass also dann von einem 
eigentlichen Typus überhaupt nicht mehr die Rede sein kann. 
Mein Diener Talemur, welchen ich stets unter Augen liatte, 
bekam am 2. Juni einen Paroxysmus, den nächstfolgenden ohne 
.Arzneigebrauch erst am 30. Juni, den nächstfolgenden, ebenfalls 
ohne Arzneigebrauch, am 9. Juli. 

b) Symptomatologie und Verlauf. 

Dem Malaria-Fieber gehen sehr oft, wenn auch nicht immer 
charakteristische Prodromalsymptome vorauf. Wenn P. Werner 
(6) dieselben in seiner treulichen Monographie ganz in Abrede 
stellt, indem er sagt (pag. 12): „Von einem Prodromalstadium, 
d. h. einer Reihe unbestimmter Symptome, die dem eigentlichen 
-Ausbruch der Krankheit vorhergehen, kann für die schweren 
Formen ebensowenig die Rede sein als für die Iniermiitenten“, 
so kann ich diese -Ansicht in Bezug auf die Tropentieber nicht 
teilen. Es ist freilich richtig, dass der Kranke von dem Anfall 
mitunter ganz unverhoflt überra.scht wird; bei weitem häutiger 
aber kommt cs vor, dass der Kranke schon Tage lang vorher 
oder doch wenigstens an dem Tage, an welcliem der Fieber- 
anfall erfolgt, ein ausgesprochenes Gefühl des Krankseins mit 
sich herumträgt; er fühlt sich ermattet, klagt Uber Schlaflosigkeit, 
ist appetitlos, und der Kenner besonders empfindet ein sehr 
charakteristisches Gefühl bleierner Schwere „in den Gliedern“, 
vorzugsweise in den Kniegelenken; die einen gähnen fortwährend, 
andere werden von unendlicher Esslust befallen, .Anderen brennen 



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3 « 



die Augen: ein jeder hat seine besonderen, von ihm gekannten 
Anzeichen des herannahenden Fieberanfalls. Wie htiutig hörte 
man den einen zum andern gesprächsweise üussern. ..ich glaube, 
mir liegt heute wieder das verdammte Fieber in den Knochen“ 
— das war morgens beim Frühstück; beim Mittagessen war der 
Betrefl'ende nicht mehr anwesend, weil dann inzwischen der 
Paroxysmus eingetreten war. Es kommt andrerseits garnicht 
selten vor, dass jemand seine Prodrome empfindet und der er- 
wartete Anfall schliesslich doch ausbleibt, ln solchem Falle 
kann sich der Mensch sein Unwohlsein eingebildet oder dasselbe 
auch nur falsch bezogen haben; es würde mir aber auch keines- 
wegs so ungereimt erscheinen, anzunehmen, dass nicht ge- 
legentlich ganz reguläre Prodromalsymptome sollten vorhanden 
sein können, ohne dass denselben das Fieber notwendigerweise 
nachzufolgen brauchte. Denn das Fieber ist eben nur eine 
Teilerscheinung der Malaria; es wäre in einem solchen Falle 
im Körper eine Infektion zwar etabliert zu denken; es fehlten 
aber noch diejenigen Einwirkungen der Infektion auf den 
Organismus, welche das Fieber erzeugten. 

Schüttelfröste zu Beginn des Anfalles sind für die 
'l'ropcnrieber nicht gerade charakteristisch; ich habe dieselben 
häufiger bei Malayen und Melanesiern auftreten sehen, als bei 
Europäern. Für die Prognose des Falles war mir der .Schüttel- 
frost stets ein erfreuliches Symptom, indem dann auf einen 
kurzen Verlauf des Fiebers gerechnet werden durfte; je typischer 
und reiner sich die Intermittens darstellte, um so ausgesprochener 
war gewöhnlich der Schüttelfrost. Es konnte aber der Schüttel- 
frost keineswegs als das Zeichen einer leichteren Infektion an- 
gesehen werden; gerade die Malayen, bei welchen der Schüttel- 
frost häufig war, litten an meist sehr erheblichen Milztumoren, 
erheblicheren gewöhnlich, als sie bei den Europäern vorkamen. 
V'ielleicht kann der Umstand, dass die letzteren bekleidet gingen, 
während die farbigen Bassenangehörigen nahezu ganz in ihren 
adamitischen Kostümen umherwandelten, zur Erklärung dieser 
bemerkenswerthen Thatsache herangezogen werden; so erinnere 



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- 3g — 

ich mich auch bezüglich meiner eigenen Fieber die hehigsten 
Schüttelfröste dann gehabt zu haben, wenn das Fieber am 
Abend einsetzte, wo ich mich in der verhdltnissmitssig leichten 
Nachtkleidung der Kühle des Abends ausgesetzt hatte. 

Statt des Schüttelfrostes wurde von Europäern hduhg ein 
Gefühl des Fröstelns oder richtiger des Durchrieseltwerdens von 
bald warmen, bald kalten Empfindungen angegeben; das war 
aber nur von kurzer Dauer und ging alsbald in das ausge- 
sprochenste Hiizegefühl über. 

Kranke, welche fröstelten, lagen gewöhnlich auf einer Seite 
mit gekrümmtem Rücken und stark angezogenen Knieen; es 
drückte sich darin das unwillkürliche Bestreben aus, die Ab- 
kUhlungsHdche des Körpers zu verringern. Jede, auch die 
geringste Abkühlung, das blosse Lüften der Bettdecke steigerte 
die Frostschauer. Ich hatte mir desshalb zur Regel gemacht, 
die Kranken in diesem Stadium mit weiteren Untersuchungen 
zu verschonen. 

Die Körpertemperatur kann wahrend des Schüttelfro.stes 
bereits gesteigert sein oder nicht; ich fand dieselbe bei mir auf 
der Höhe des Schüttelfrostes zu 37,3. Die sich dann anschliessende 
Temperatursteigerung wird nicht von allen Kranken als Hitze 
empfunden; ich mafs bei einem Kranken 40“, der mir positiv 
behaupten wollte, dass er fieberfrei sei: das fordert auf, besonders 
an Orten, wo ein Arzt nicht zur Stelle ist, jedes Unwohlsein 
mit dem Thermometer zu kontrollieren. 

Unter den subjektiven Symptomen ist das gewöhnlichste 
der Kopfschmerz; bei den melanesischen Arbeitern war das 
sehr oft die einzige Klage, welche sie in ihrem Pigeonjargon in 
die Worte; „this fellow (auf den Kopf deutend) too much 
mallabang“ zusammen zu fassen pflegten. Eingeborne, welche 
hebern, hatten sich hauhg mit einer Baumwurzel den Kopf um- 
schnürt oder Skarifikationen an Stirn oder Nacken vorgenommen. 
Der Sitz des Kopfschmerzes ist ein verschiedener, bald ist es 
die Stirn, bald der Nacken, bald eine Seite des Kopfes, bald der 
ganze Kopf, selten nur eine Schlafe. Nach meiner eigenen Er- 



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40 



t'alirung handelt es sich meist um einen dumpfen dröhnenden 
Schmerz im Innern des Kopfes, ein wahres Katzenjammergefühl. 
Hei einigen lokalisiert sich der Schmerz in der Kopfhaut, sie 
geben an, dass die Haare ihnen weh thun; ich habe solche 
Klagen sogar von Melanesiern gehört. 

Das Sensorium befindet sich zu Anfang oftmals im Zu- 
stand grosser Erregung; die Kranken sind gesprächig und selbst 
in gehobener, witziger Stimmung; oder sie geben ihrem Aerger 
und L'nmut in beredten Worten Ausdruck, beschäftigen sich in 
Gedanken mit der .Ausarbeitung schneidiger Berichte und Reden, 
machen Verse, hören Musik u. a. m., sehr viel seltener sind sie 
deprimirt und in weinerlicher Stimmung. Bei allen macht sich 
aber alsbald ein Gefühl geistiger Stumpfheit und dumpfen 
Dahinbrütens bemerkbar; der Kranke hat dann nur das eine 
Bedürfnis der Ruhe und bleibt am liebsten sich selbst über- 
lassen, verharrt in ein und derselben l.age, selbst wenn sie ihm 
unbequem wird aus blosser Trägheit, giebt auf Fragen ungern 
Antwort und ist oft mürrisch und verdriesslich. Nächstdem treten 
in dem Krankheitsbilde hervor Rücken- und Kreuzschmerzen; die 
Kranken können den Schmerz ziemlich genau am Rücken 
lokalisieren; sie verlegen ihn gewöhnlich in die Gegend des 
Brustmarks, zwischen und dicht unterhalb der Schulterblätter, 
die Schmerzen werden als ziehende bezeichnet und das Ganze 
auch als Gefühl des „verlegenen Rückens“'; ich habe an mir 
selbst beobachten können, dass dieser Schmerz in seiner Heftigkeit 
einigermal'sen von der Haltung des Körpers abhängig ist, dass 
derselbe in der Seitenlage mit stark nach vorne übergekrUmmtem 
Rumpf erheblich nachlässi, dass er in der Rückenlage stärker 
wird; ich möchte es nicht für ausgeschlossen halten, dass dabei 
möglicherweise .Änderungen in den Zirkulationsbedingungen des 
Rückenmarks oder seiner Häute eine Rolle spielen; der Kreuz- 
schmerz verbindet sich gewöhnlich mit Neuralgien im Bereich 
des Ischiadicus und Cruralis; bei Einzelnen erreichen die lan- 
cinirendeu Schmerzen in den untern Extremitäten einen hohen 
Grail von Heftigkeit; sie schreien vor Schmerz laut auf; bei 



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41 



Andern ist es mehr ein dumpfes Ziehen an der liintern Fläclie 
des Oberschenkels, welches langsam an- und abschwillt. Neuralgien 
an anderen Teilen des Körpers sind seltener, am ehesten noch 
Prosopalgien: statt wirklicher Neuralgien treten auch andere 
Sensibilitätsneurosen in Erscheinung, so ein pruritus universalis 
oder lästiges Jucken und Kribbeln an den Oberschenkeln, be- 
sonders an den InnenHächen derselben; auch beschränkte 
Anästhesien an den Fusssohlen, den kleinen Fingern etc. 

IJrindrang ist ein von fast allen Kranken angegebenes 
Symptom, welches mit der allgemeinen Erregung des zentralen 
Nervensystems im engsten Zusammenhang steht. 

Auch Brechneigung und Würgen dürfte den nervösen 
Symptomen beigezählt werden, wenngleich die Ursache dafür 
öfters in einem ausgedehnten Gastro-Intestinalkatarrh zu suchen 
ist. Das Erbrechen ist besonders zu Beginn des Fiebers sehr 
stürmisch, die Kranken würgen und winden sich dann mitunter 
entsetzlich; jeder .Schluck Wasser kommt zurück und anderer- 
seits wiederum besteht so lebhaftes DurstgefUhl, dass es die 
Kranken grosse Überwindung kostet, nicht zu trinken. 

,\ls sehr lästiges Symptom äussert sich bei manchen Kranken 
ein Oppressionsgefühl auf der Brust, welches mit der Fieber- 
attacke auftritt, aber auch nach abgelaufenem Fieber als selbst- 
ständige Neurose fortbestehen kann; die Kranken ringen unter 
Anwendung aller accessorischer Hilfsmuskeln nach Luft, 2 — 3 
mal hintereinander, athmen dann eine Weile ganz ruhig, um 
bald von Neuem in einen solchen Inspirationskrampf zu ver- 
fallen. 

Den nervösen Erscheinungen beizuzählen sind wohl auch 
die im Ganzen selten zu beobachtenden Quaddeleruptionen 
(urticaria confluens) während des Paroxysmus; dieselben 
rufen lebhafte Juckemptindung hervor und zeigen ausgesprochene 
Neigungzum Wandern; in wenigen Stunden schon sinddie Quaddeln 
von der Stelle, woselbst sie soeben noch das Bild vollständiger 
Pachydermie darboten, verschwunden, um an andern Körper- 
steilen, welche bis dahin ganz frei waren, zuerst in der Form 



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— 4 ^ — 

einzelner, verschieden grosser fother prominirender Flecke auf- 
zutreten, welche alsbald confluiren und dabei von ihrer rothen 
Farbe einbUssend) 

Ganz kleine Kinder erkranken leicht unter dem Bilde von 
Konvulsionen mit Bewusstlosigkeit und Athmungsstörungen, 
auch bei relativ niedrigen Temperaturen 39,3 — 39,8; nach der 
Ansicht der Mutter handelt es sich dann um die beliebten 
„Zahnkrämpfe“. Bei den 2 F'ällen, welche ich in Erinnerung 
habe, befielen die Krämpfe besonders den Kopf und die Ober- 
extremitäten; hier Pro- und Supinationsbewegungen, dort 
SchUttelbewegungen. Eines der Kinder verstarb in wenigen 
Stunden unter dyspnoetischen Erscheinungen (cf. Kap. VIll. 
Casuistik); bei dem anderen trat nach Authören der Krämpfe 
Schlaf und Fieber-Abfall am nächsten Morgen ein. 

Ausser den nervösen Symptomen kommen die ver- 
schiedensten Katarrhe zur Beobachtung. Schnupfen tritt in 
den Tropen als blosser sog. „Erkaltungsschnupfen“ auf oder als 
Begleitsymptom des Malaria-Fiebers; häutiger sind ßronchial- 
katarrhe; sehr häutig akute Darmkatarrhe mit Diarrhoen, welche 
den Kräftezustand des Kranken dann leicht herunterbringen. 

Das gesammte Bild des Fieberanfalles ist ein sehr 
wechselvolles und im weitesten Sinne abhängig von 
individuellen Dispositionen. Manche Kranke hüllen sich 
bis auf die Nasenspitze in ihre Decke ein und liegen so laut- 
und wünschlos ein paar Stunden bis zum beginnenden Schweiss- 
stadium; andere geberden sich ungeduldig, werfen sich umher, 
lamentiren und sind für den .\rzt die denkbar unbequemsten 
Kranken. 

Das Sch Weissstadium setzt gewöhnlich mit dem be- 

t) Auf den Zusammenhang von Urticaria und Intermittens weisen 
(in Schmidts .Ihrb. 1886 pag. 256) auch Verneuil und Merklen hin; 
desgleichen Christiani „Deila orticaria malarica pirettica“; zum Ver- 
ständnis des Zustandekommens der Urticaria ist es auch nicht unwichtig 
zu wissen, dass solche auch bei Lammblut-Transfusion und periodi- 
scher Hämoglobinurie beobachtet ist. 



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43 



giniKiuien Abt'all des Fiebers ein, tritt aber auch nicht selten 
verspätet erst nach beendigten Temperaturabfällen ein. 
Manche Kranke schwitzen auch gleich bei Beginn des Fieber- 
anfalls und der ganze Paroxysmus verläuft dann in wenigen 
Stunden; andere Schweisse begleiten die weiter unten zu be- 
handelnde comatöse Form der Malaria und sind ominöser Natur. 

Zu Ende des Schweissstadiums, also bei Beginn der Apy- 
rexie, ist die Körpertemperatur gewöhnlich sehr niedrig, 36,5 bis 
36,8. Solche niedrige .Apyrexien sind gUnstig, insofern dann 
der Paroxysmus bei geeigneter Verabreichung des Chinin nicht 
wiederzukehren pHegt; war die Temperatur dagegen nur bis 37,2 
oder 37,5 gefallen, so war auch das Wiederkehren der Paro- 
xysmen ein häutiges Vorkommnis, gleichgültig ob Chinin ver- 
abfolgt wurde oder nicht. 

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Fieber mit 
dem Niedergang der Temperatur seinen natürlichen 
Abschluss erretcht habe oder ob dasselbe mit oder ohne 
arzneilichen Gebrauch neue Paroxysmen machen werde, ent- 
scheidet sonst vorzugsweise das subjektive Befinden des Kranken. 
Wenn sich der Kranke erleichtert fühlt, ohne Aufforderung das 
Bett verlässt und daran denkt, seine durch das Fieber unter- 
brochene Beschäftigung wieder aufzunehmen, so kann man 
ziemlich sicher sein, dass bei Chiningebrauch ein weiterer Anfall 
ausbleiben werde; besteht trotz normaler Temperatur dagegen 
Mattigkeit, Kopfschmerz, Übelkeit, l'nlust zur .Arbeit etc. fort, 
so mu.ss man daran denken, dass die Wiederkehr des Paroxys- 
mus auch trotz des Chinin als wahrscheinlich bevorstehe. Das 
zu wissen, ist praktisch nicht unwichtig. Ich erinnere mich in 
dieser Beziehung eines Beispiels: Es war eine Explorations- 

tour mittelst einer kleinen Dampfbarkasse festgesetzt worden; 
ein Flerr, welcher daran teil zu nehmen gedachte, hatte tags 
zuvor einen Fieberanfall gehabt; als abgefahren werden sollte, 
erschien er und wollte unserm dringenden Rate, von der Teil- 
nahme an der Partie .Abstand zu nehmen, unter Hinweis auf 
seine thermometrisch als normal konstatierte Temperatur und 



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44 



auf seine mitgebrachte GhininHasche, niclu Folge leisten. Ein 
neuer Paroxysmus setzte dann wahrend der Fahrt thatsächlich 
ein und die Qualen, welche der Kranke in dem kleinen Fahr- 
zeug erlebte, waren ebenso gross wie die Plage, welche er uns 
allen damit verursachte und die Behinderung des Zweckes 
welchen wir auf unserer Tour vertilgten. 



Kapitel \T. 

Atypisches Malaria-Fieber von remittierendem, 
continuierlichem oder gemischtem Charakter. 

Eine grosse Anzahl von Malaria-Fiebern zeigt einen von 
dem gewöhnlichen intermittierenden Typus sehr abweichenden 
Verlauf. Während der regelmässige Paroxysmus sich durch 
steiles Ansteigen und ebenso steilen Abfall der Temperaturkurve 
auszeichnet, erfolgt in diesen Fällen entweder das Ansteigen 
(Fig. io)*) oder der Abfall (Fig. 1 1 u. 5) oder beides (Fig. 12 u. 13) 
in verzögertem TemjX); statt der Apyrexien treten unvollkommene 
Intermissionen oder nur Remissionen auf (wie in Fig. 14 u. 3) 
und solche fallen bald auf den Abend, bald auf den Morgen; 
oder das Fieber hat zu Anfang (wie in Fig. 15 u. 16) oder zu 
Ende (wie in Fig. 17 u. 18) oder während des ganzen Verlaufes 
(wie Fig. ig) einen continuierlichen Charakter: es kommen dann 
durch die Kombination dieser verschiedenen Faktoren so un- 
regelmässige Temperaturenbilder heraus, dass man sich meistens 
in Verlegenheit behndet, in welche der geläufigen Fieberkate- 
gorien man den einzelnen Fall einzureihen hat. Meistenteils 
wird man sich begnügen müssen, die hierher zu zählenden Fieber 
mit der Bezeichnung der atypischen Malaria-Fieber zu versehen. 

') Siehe die Temperaturkunen der beigegebenen Tafeln. 



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45 



DaruntL-r wären aber nicln zu begreifen diejenigen Fieberformen, 
welche, weiter unten abgehandelt, durch die Eigentümlichkeit 
des Svmptomenbildes ihren besonderen Charakter erhalten; 
sondern der Begriff der atypischen Malaria-Fieber wäre 
vielmehr und ausdrücklich nur au f diejenigen Fieber- 
formen anzuwenden, deren Temperaturverlauf in un- 
regelmässiger Weise a I) weich t, wäh rend das Sym pt omen- 
bild im übrigen ein einfaches, demjenigen der gewöhn- 
lichen Intermittens entsprechendes bleibt. 

Soll somit der allgemeine Charakter dieses Fiebers als 
atypisch gekennzeichnet werden, so tritt eine gleiche l'nregel- 
mässigkcit auch bezüglich der Dauer dieser Fieberform zu tage. 
Man ist schlechterdings nicht imstande, im gegebenen Falle zu 
beurteilen, ob ein solches Fieber sich über 2 oder 20 Tage hin- 
ziehen wird; die grössere Zahl der Fällt spielt sich jedoch in 
dem ungefähren Zeitraum einer Woche ab. 

Dass diese Fieber überhaupt den Malaria - Fiebern 
und nicht etwa einer ganz andern Klasse von fieberhaften 
Krankheiten beizuzählen sind, scheint mir aus folgender 
Überlegung hervorzugehen; abge.sehen davon, dass mir eine 
fieberhafte Krankheit, welche einen gleichen, so atypischen Fieber- 
verlauf aufzuweisen hätte, nicht bekannt ist, so spricht dafür das 
Folgende: 

1. Die Wahrscheinlichkeit, dass, wenn in einem Lande, 
wo die Malaria endemisch ist, fieberhafte Erkrankungen aty- 
pischen (Charakters zu gleicher Zeit mit vielen typischen Malaria- 
Fiebern auftreten, auch die ersteren auf die Malarianoxe zu be- 
ziehen sein werden. 

2. Den atypischen Fiebern gehen reguläre Malaria -Fieber 
voran, oder sie recidivieren auch ihrerseits in regulärem Typus. 

;t. Die Temperaturkurven der atypischen Fieber lassen ge- 
wöhnlich eine Neigung zu Intermissionen nicht verkennen. 

Wenn demnach die Zuzählung dieser F'ieber zu den 
Malaria-Krankheiten als gerechtfertigt erscheinen dürfte, so bleibt 
es freilich noch immerhin schwierig, zu entscheiden, warum 



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— 4 ^» — 

eine bestehende Malaria-Infektion des Körpers in dem einen 
Falle mit typischen, in dem andern Falle mit atypischen Fiebern 
zum Ausdruck gelangt. 

Die Voraussetzung, dass in den Fallen von verzögertem 
atypischen Fieberverlauf das Krankheits-Virus in accumulativer 
Form im Körper vorhanden wäre, trifft nicht zu, da die Mehr- 
zahl aller derjenigen Personen, welche an atypischen Fiebern 
litten, gewöhnlich erst ganz kurze Zeit im Lande war und 
durchweg auch früher nicht an Malaria gelitten hatte, .^uch 
die Disposition des einzelnen Individuums ist schwerlich dafür 
verantwortlich zu machen, da die an atypischen Fiebern er- 
krankten Personen später unzählige Male an typischen Inter- 
mittenten erkrankten. Ebensowenig konnten endlich gewisse 
Lokalitäten und damit etwa besondere Infektionsbedingungen 
als die Ursache dieser Fieberformen angesprochen werden, da 
an ein und derselben Lokalität zu ein und derselben Zeit typische 
und atypische Fieber beobachtet wurden. 

Man bemüht sich also zunächst ganz vergebens, einen 
plausiblen Grund zur Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung 
des .\bweichens vom Typus aushndig zu maclien*). 

Das Verhältnis zwischen typischen und atypischen Formen 
des Malaria-Fiebers stellte sich in Kaiser Wilhelms- Land ,>^0, dass 
schätzungsweise auf 20 ty’pische etwa 1 — 2 atypische Fieber ent- 
fielen, also etwa 5 — to"/o sämtlicher Fieber-Erkrankungen. 

Bezüglich der Verteilung des atypischen Fiebers nach 
Rassen, so erkrankten vorwiegend daran die Europäer (und 
zwar wie bereits hervorgehoben in erster Erkrankung), nächst- 
dem die Melanesier, am seltensten die Malayen. 

') .Mit neueren Untersuchungen noch am mei.sten in Einklang 
zu bringen wäre die Annahme, dass in solchen Fällen sehr viele 
Generationen des Malaria-Parasiten im Blute zirkulierten, so dass 
immerfort neue in Wirksamkeit träten und Fieber auslösten, wenn die 
vorhergehenden ihr Spiel noch nicht beendigt hätten ; dem stellt sich 
andrerseits die Thatsache entgegen, dass das Chinin keinen deutlichen 
Einfluss auf den Verlauf dieser Fieber hat, was doch der Fall sein 
müsste, wenn es, wie nachgewiesen, imstande wäre, die .Malaria- 



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47 



Die in Rede stehenden Fieber sind am häutigsten unter 
dem Namen des typhoiden Malaria-Fiebers (typho malarial fever 
der Engländer) abgehandelt worden. Aainson ( 7 ) erblickte darin 
eine Mischinfektion des Typhus und der Malaria, Squire ( 7 ) eine 
.Modifikation der Malaria. .lagoe (8) leugnet zwar die Zusammen- 
gehörigkeit des Malariatyphoids mit dem enterischen Typhus, 
zählt sie aber dem biliösen Typhoid zu („also eine besondere 
Form des Typhus recurrens“?). 

Die ausführlichste Behandlung und eine nach meinem Dafür- 
halten auch durchaus zutreffende Auffassung hat das Malaria- 
typhoid in der Monographie von P. Werner (6) erfahren*). 

Ich unterschreibe es Wort für Wort, wenn er (pag. 6) 
.sagt, „dass sich von jeder Krankheit eher, nur nicht von dieser, 
eine klassische Schilderung geben lässt, d. h. eine Beschreibung, 
die, wenn nicht für immer, so doch für lange hinaus auf zu- 
künftige Fälle passt. Ein ewiger Wechsel in den Erscheinungen, 
sowohl in Bezug auf Inkubationsdauer und Krankheitsverlauf, 
als auf subjektives Leiden, Temperaturen und endlich die Kom- 



Parasiten zu töten. Nicht ganz ohne Einttu.ss ist vielleicht die .lahres- 
zeit, oder zunächst nicht näher gekannte klimatische Agenden in einer 
bestimmten Jahreszeit, ein genius epidemicus in epidemia; unter 25 
notierten atypischen Fiebern finde ich 10 auf den Monat März ent- 
fallend; das war zugleich ein Monat, in welchem die Fieber-Erkran- 
kungen eine aussergewöhnliche Höhe erreicht hatten. Das würde dann 
mit den Beobachtungen Ubereinstimmen, welche Uber diese Fieber 
auch andrerorts gemacht wurden, dass nämlich auf der Höhe einer 
Malaria-Epidemie die Fieber ihren intermittierenden Charakter öfters 
verlieren, remittierend oder continuierlich. beziehungsweise pernieiös 
werden, um dann wiederum mit Nachla.ss der fclpidemie ihre typischen 
F'ormen wieder anzunehmen. 

*) Der genannte Autor machte seine sehr reichen Beobachtungen 
in SUd-Russland, gelegentlich des Bahnbaues Samara — ürenburg. also 
noch diesseits des 50 ° nördl. Breite. Das Malariatyphoid gehört also 
keinesweges bloss den Tropen an; ich selbst habe in der Deutschen 
medizinischen Wochenschrift (1890) einen Fall von Malariatyphoid 
beschrieben, welchen ich in Königsberg kürzlich zu beobachten Ge- 
legenheit hatte, zu einer Zeit, wo Malaria-Krankheiten durchaus selten 
waren. 



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— 4S — 

plikatiünen. das ist die Signatur dieses auch darum wahrhaften 
Wechselfiebers in allen seinen Formen.“ Das .\typische ist also 
der Typus dieser Fieber und mit einer typhoiden Krankheit 
haben sie zwar mitunter eine entfernte .Ähnlichkeit im Symp- 
lomenbilde, sehr hitufig aber kaum etwas anderes gemeinsam 
als den Namen; ich habe es deshalb vorgezogen, von der Be- 
zeichnung des typhoiden Malaria-Fiebers ganz Abstand zu 
nehmen und dafür die Benennung derselben als atypische 
Malaria-Fieber schlechtweg zu wählen. 

a) Fieberbewegung. 

P. Werner (6) weist mit allem Nachdruck darauf hin, dass 
sich ein regelmässiger charakteristischer Fieberverlauf hei diesen 
Fiebern nicht finde, „der Fiebertypus im allgemeinen ist das 
Irreguläre, das Bizarre.“ Auch bei den atypischen Fiebern der 
Tropen ist die grosse Unregelmässigkeit der Fieberbewegung 
sehr in die Augen fallend, wie aus einer auch nur oberfläch- 
lichen Betrachtung der beigegebenen Kurvenfiguren ersicht- 
lich wird. 

Sehr häutig bringt sich in dem Temperaturenverlauf 
eine unverkennbare Neigung zu Intermissionen zum 
Ausdruck (Fig. 14 u. 20 — 28); andere .Male gewährte die Kurve 
mehr das Bild eines remittierenden, beziehungsweise continuier- 
lichen Fiebers (Fig. 18, 19, 29 — 34)*)- Fieber endigen eben- 



') Martin (32) ist geneigt, den continuierlichen Fieberlypus als 
den häufigeren anzusehen; er sagt (pag. 37): „Die Kemittens tiUgt 
ihren Namen mit Unrecht im Vergleich zu den nur geringen Re- 
missionen, welche in ihrem Verlaufe zu verzeichnen sind.“ Mir ist 
als das Bemerkenswerteste stets erschienen das Atypische, Irreguläre, 
so dass in den allermeisten Fällen von einem Fiebertypus kaum die 
Rede sein konnte. Ich habe deshalb die Temperaturkurven 
der hierhergehörigen Fälle beigegeben, und würde es im 
Interesse dieser Frage für wünschenswert erachten, wenn 
die Zahl der auf Temperaturmessung gestützten Beobach- 
tungen vermehrt und publiziert werden würde. Fs wäre ja 
übrigens eine Differenz im Typus an verschiedenen Lokalitäten sehr 



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49 



sowohl lytisch als kritisch; der Krise, welche überwiegend Uber 
Nacht eintritt, pflegt öfters des Abends vorher eine Exacerbation 
des Fiebers voranzugehen (wie in Fig. i6, i8, 24); bei sonst un- 
bedenklichem Allgemeinberinden des Kranken habe ich deshalb 
abendliche Erhebungen der Temperatur über das Fieberniveau 
des Falles hinaus, stets willkommen geheissen. Die Krise erfolgt 
mitunter in mehreren .Absätzen (Fig. 13, 21, 22; auch 3 u. 7); 
auch der lytische Fieberabfall zeigt nichts Charakteristisches, 
sich Gleichbleibendes; so schreitet derselbe in Fig. 39 u. 30 von 
Tag zu Tage stetig fort; in Kurve 18 tritt am vierten Tage plötz- 
licher Stillstand ein; die Temperatur hält sich zwei weitere Tage 
auf niedrigem febrilem Niveau, um nach erneutem kurzen An- 
stieg derinitiv abzufallen. Die Tagesmaxima entfallen ebenso- 
wohl auf den Morgen, als auf den Abend, als auf die Mitte des 
Tages (vergl. in dieser Hinsicht die Kurve 33 u. a.). Das Ge- 
wöhnliche sind jedoch .Abendmaxima mit Morgenremissionen. 
Die Fig. 35 zeigt den Temperaturengang bei einem an 3 tägiger 
Remittens erkrankten Melanesier; aus den 3 täglichen zwischen 
7 Uhr morgens und 8 Uhr abends ausgefUhrten Messungen ergiebt 
sich das folgende Resultat: die Temperatur erreicht ihr Tages- 
maximum gegen .Abend (3 Uhr = i Stunde vor Sonnenuntergang), 
um von da ab schon vor Beginn der Nacht (8 Uhr) und weiter 
zum Morgen hin abzufallen; das Tagesminimum fällt in die Zeit 
zwischen 7 und 10 Uhr vormittags. Von da ab erfolgt wiederum 
allmäliges Ansteigen der Temperatur. Das Fieber folgt also im 
allgemeinen dem Temperaturengange des gesunden Menschen, 
zeigt ein .Morgenminimum und ein Abendmaximum; deshalb 
wird man auch bei diesen Fiebern die .Anwendung der Anti- 
pyretica, hier also speziell des Chinin, in die Zeit der Remissionen 
verlegen sollen, also im wesentlichen in die Zeit zwischen 
abends 5 und vormittags 10 Uhr. 

wohl denkbar. — Martin bestätigt auch die Thatsache, dass Übergänge 
von der einen zur andern Form sehr häufig sind, und zählt auch er 
aus diesem Grunde die Remittenten den Malaria-Erkrankungen (und 
nicht etwa dem Typhus etc.) bei. 

Schellonc. , 



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50 



b) Symptomatologie. 

Das Symptomenbild des atypischen Malariatiebers wechselt 
von Fall zu Fall; die subjektiven Krankheitserscheinungen sind 
oftmals sehr geringfügiger Art; die Kranken haben das Bewusst- 
sein, dass sie fiebern und krank sind, vermögen sich aber trotz- 
dem herumzuschleppen und ihrer gewohnten Beschäftigung 
nachzugehen; ein 12 jähriger Knabe, mit dem Temperaturverlauf 
der Kurve 30, blätterte, im Bette aufsitzend, einen grossen Teil 
des Tages in seinen Bilder- und Lesebüchern herum, klagte nur 
über etwas Kopfschmerz, und sah ein wenig matt und an- 
gegriffen aus. Andere leiden empfindlicher, klagen über heftigen 
Kopfschmerz, RUcken.schmerz, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, 
nervöse Unruhe. Andere wieder gewähren die schwersten Krank- 
heitsbilder, denen der .^rzt überhaupt begegnet; die Kranken 
liegen da mit ängstlich verzerrten GesichtszUgen, werden von 
fortwährenden Frostschauern durchrieselt bei bereits hoher 
Körpertemperatur, würgen entsetzlich, erbrechen grünliche 
gallige Massen mit furchtbarer .Anstrengung, haben diarrhöische 
Entleerungen, werden von den wütendsten Kopfschmerzen ge- 
martert; Zustände vollständiger Schlaflosigkeit oder — Somnolenz 
und Delirien. Unter Steigerung aller dieser Symptome kann 
dann, gleichzeitig auch unter erheblichem .Ansteigen der Körper- 
temperatur der Exitus cintreten (s. Fig. 33). Die Skala, innerhalb 
welcher sich das Symptomenbild dieser Fieber bewegt, ist also 
eine sehr breite; das Bild .selbst eines regelmässigen Typus ent- 
behrend. Dasselbe lehnt sich oftmals ohne Frage sehr deutlich 
an die typische Intermittens an ; andre Male, be.sonders wenn 
man als Neuling dieser Krankheit begegnet, würde man eher 
einen Fall von Abdominaltyphus vor sich zu haben glauben. 
Zwischen den leichtesten und den schwersten Krankheitsbildern 
lassen sich alle Übergänge verfolgen. 

Gastroenterische Prozesse sind ein häutiges Svmptom 
dieser Krankheitsform. Der von P. Werner (6) häufig beobachtete 
Zustand des Hungergefühls, wobei die Kranken sich fortwährend 



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Gedanken machen, was sie geniessen konnten und andererseits 
die Speisen, nachdem sie ihnen gebracht sind, nicht zugeniessen 
vermögen, ist mir niemals begegnet; meine Kranken waren im 
Gegentheil vollständig ohne Appetit und nur bei öfterem, ein- 
dringlichem Zureden Hessen sie sich zu einem Versuche bewegen, 
etwas zu geniessen; ihre Wunsche richteten sich nur auf 
die Befriedigung des Durstes, unter weichem sie sehr zu leiden 
hatten und sie kannten darin keine Grenzen; sie konnten dem 
Versuche zu trinken nicht widerstehen, selbst wenn sie sich 
überzeugt hatten, dass die genossene Flüssigkeit doch wiederum 
sogleich erbrochen wurde. Brechneigung besteht fast bei 
allen Kranken; wenn dieser Zustand tagelang anliält, gestalten 
sich die Aussichten des Falles durch die damit verbundene 
mangelhafte Nahrungszufuhr bisweilen recht ungünstig. Noch 
in höherem Grade ist das der Fall bei gleichzeitigem Vorhanden- 
sein von Durchfällen wobei der Kräfteverfall des Kranken oft- 
mals rapide zunimmt. Die Sedes sind dünnflüssig und dunkel 
gefärbt, nicht auffallend stinkend; die Entleerungen schmerzlos; 
der Zahl nach schwanken sie beträchtlich (bis lo Entleerungen 
Nacht über beobachtet); sie erfolgen häufiger zu Beginn der 
Krankheit als gegen die Mitte derselben, öfters sind die.se Darm- 
störungen auch nur durch einige wenige Diarrhöen zu Anfang 
der Krankheit angedeutet; dieselben sisticren dann weiterhin 
schnell, ebenso Brechreiz etc. 

Häufig wurde auch Singultus beobachtet. Derselbe 
konnte für die Kranken und die Umgebung gleich lästig sein, 
wenn er stunden- und tagelang fortbestand. Selbst dreiste Opiate 
erwiesen sich dann oft wirkungslos; mitunter sistierte der 
Schluchzer! nach einem starken Brechakt, bisweilen von selbst 
bei Mafsnahmeti, welche geeigtiet waren die .\ufmerksamkeit 
des Kranken abzulenken (umkleiden, waschen), bisweilen nach 
Darreichung einer Chininlösung. 

Somnolentc und soporöse Zustände sind im Allgemeinen 
selten; wenn sie vorübergehender Weise auftreten, so geschieht 
das gewöhnlich um die Mitte oder gegen das Ende der Er- 

4 * 



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52 



krankung; eine Abhängigkeit derselben von der Höhe der 
Fiebertemperatur war nicht ersichtlich, da diese Zustände schon 
bei der relativ geringen Temperatur von 394 beobachtet wurden, 
w.ährend andererseits in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle 
Temperaturen bis 41 ohne solche Beeinflussung des Sensoriums 
verliefen. Diese Zustände waren übrigens in allen Fällen 
accidenteller Natur, traten keineswegs in den Vordergrund des 
Symptomenbildes; ich habe deshalb die Aufstellung einer koma- 
tösen Form des typhoiden Malaria-Fiebers Werner’s (6) nicht 
übernommen, beabsichtige vielmehr, diejenigen Malaria-Fieber, 
in welchen das Koma eine hervorragende Rolle spielt, weiter 
unten abzuhandeln.') 

Die atypischen Fieber sind schliesslich häufig durch zwei 
negative Symptome gekennzeichnet, durch das Fehlen von 
Milztumor und Schüttelfrost. Da atypische Fieber vorzugsweise 
die Europäer als erste Krankheit befielen, so liess sich bei ihnen 
die Abwesenheit eines Milztumors nicht gerade gezwungen durch 

*) Ebenso wenig habe ich mich veranlasst gesehen dem Werner • 
sehen Schema in Bezug auf die Aufstellung einer erethischen, ady- 
namischen und haemorrhagischen Form des typhoiden Malaria-Fiebers 
zu folgen, wenngleich ich Krankheitsbilder in Erinnerung habe, welche 
durchaus in dieses Schema hineinpassen wurden. Nur ausgesprochene 
Fälle der haemorrhagischen Form, wie sie Werner (pag. 24) schildert, 
„vom zweiten oder dritten Tage an Uber den ganzen Körper zerstreut, 
livide Blutextravasate der Haut, vorherrschend im Gesicht, am Rücken, 
den oberen Extremitäten und der Brust“, habe ich nicht zu Gesicht 
bekommen. Die Fälle dieser letzteren Kategorie deuteten sich mir 
nur an durch auflällige Anämie, Nasen- und Darmblutungen, Petechien 
unter der Haut, besonders unter den Fingernägeln. Diese in Kaiser- 
Wilhelmsland Überaus seltenen Erscheinungen knüpften sich aber nicht 
an Fieberzustände, welche von dem gewöhnlichen Typus besonders 
abwichen; sie traten sogar ganz unabhängig vom Fieber auf und haben 
mir dann angezeigt, dass sich unter dem Fänflusse der Malaria-Anämie 
(ähnlich wie beim Scorbut) Ernährungsstörungen der Gefässwandungen 
herauszubilden vermögen, welche bei gelegentlichen Drucksteigerungen 
(WUrgen, Erbrechen, Bauchpresse) zur Gefässruptur führen können. 
So erklärte ich mir auch das gelegentliche Bluten per anum bei in 
der Malaria -Rekonvaleszenz befindlichen Personen, bei welchen 
Anzeichen eines haemorrhoidalen Zustandes nicht vorhanden waren. 



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53 



die Annahme erklären, dass das noch vergleiclisweise ge- 
sunde unnachgiebige Gewebe der Milz, besonders auch eine 
straffe Kapsel, der Anschwellung des Organs hinderlich im 
Wege stände; doch ist das Fehlen des Milztumors bei den 
atypischen Fiebern ein, wenn auch häutiges und bemerkenswertes, 
so doch keineswegs konstantes Symptom. Und genau so ist cs 
mit dem Schüttelfrost: er fehlt nicht ausnahmslos, aber in einer 
grossen Zahl der atypischen Fieber, jedenfalls so oft. dass 
Fieber, welche ohne Schüttelfrost einsetzten, mir schon von 
vornherein den Verdacht henorriefen, dass sie einen atypischen 
Verlauf nehmen würden. 

Zur Differentialdiagnose mit dem Typhus abdomi- 
nalis mögen die folgenden Gesichtspunkte hervorgehoben werden: 

1. Der kurze, gewöhnlich nicht viel länger, als eine Woche 
dauernde Fieber- und Krankheitsverlauf. 

2. Die Unregelmä.ssigkcii der Temperaturkurve. 

3. Das gänzliche Fehlen von Darmerscheinungen oder doch 
das vorwiegende Auftreten derselben zu Beginn der Erkrankung. 

4. Das Fehlen von Exanthemen. 

5. Das seltene Vorkommen soporöser Zustände. Dazu 
kommt noch 

6. die relative Kürze der Hekonvaleszenzzeit. 

Eis war nämlich auffällig, wie schnell sich manche dieser 
Kranken erholten. Man sah sie oft schon 2 — 3 Tage nach dem 
Abfalle des Fiebers in gewohnter Weise ihrer Bechäftiguug 
nachgehen, wenngleich ich damit nicht ausgesprochen haben 
möchte, dass den meisten dieser Kranken nicht eine längere 
Schonung weit zuträglicher gewesen wäre; doch das dürfte 
beim Typhus nicht leicht beobachtet werden. 

Gegenüber der typischen Malaria ist hervorzu- 
heben: 

1. Das öftere Fehlen des Schüttelfrostes. 

2. Das öftere Fehlen des Milztumors. 

3. Das öftere .Auftreten von Magen- und Darmstörungen 
und Singultus. 



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54 



4- Der abweichende atypische Fieberverlaut'. 

Aus der Reihe der Krankengeschichten hebe ich in Kürze 
die folgenden hervor: 

Jirdiikeiiffeschlr/itf' t/o. 1, Herr S. ist vor 3 Wochen hier 
angelangt, hat eine fieberverdachtige Wohnung bezogen. Seine .Milz 
von normalem Tnifang. Ohne dass sich etwas vorher verrathen hatte, 
hat Pat. in der Nacht vom 6. zum 7. nicht gut geschlafen, auch einige 
Male erbrochen, und ersucht mich deshalb am .Morgen des 7., ihm zu 
sagen, ob er das Fieber habe, l'emp. 38,7 und ausgesprochene .Milz- 
vergrösserung bei Abwesenheit irgend welcher anderer lokaler Affek- 
tionen sichern ohne weiteres die Diagnose. Bei rein symptomatischer 
Behandlung, welche sich gegen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit etc. 
zu richten hatte, bewegte sich der Kall in mas.sig hohen Temperatur- 
grenzen (s. Fig. 201 und endigte erst am Morgen des 5. Tages in Krise, 
nach kurzem vorangegangenen Temperaturanstieg. 

KrankenyeHchiclite Xo. ‘4. Kbenfalls auf eine erste Kr- 
krankung bezieht sich die Fig. 26 . Herr Ew. ist seit :8 Tagen im 
Lande, klagt am 6. III. früh bei Temp. 37.6 über schlechten Schlaf, 
Mattigkeit, Nackenschmerz; im Laufe des zweiten Tages bei weiterem 
Temperaturanstieg auf 39,<> Uber Kopf-, Kückenschmerz und Gefühl 
von Unruhe. Nach 1,0 Chloralhydr. erfolgt am dritten Tage Pseudo- 
krise auf 37,5 ohne das Gefühl subjektiver Erleichterung; 
nach 1,5 Chin. abermaliger 'Temperaturanstieg und dann delinit. 
Temperaturabfall am vierten Tage unter dem Gefflhl der Erleichterung, 
des Ge.sundseins. Eine .Milzvergrösserung bestand nicht. 

KraukennescUirhle JV«. .V. Ein eben.so leicht verlaufender 
Fall entspricht der Kurve Fig. 20 . Die mich selbst betreffende Kranken- 
geschichte findet sich pag. 18 erwähnt. 

Krankeni/eHC/ticM« No 4 entspricht der Kurve Fig. 21 . Elin 
Schirtskapitän H., welcher 4 Monate auf seinem im Hafen verankerten 
Schiffe von Fiebern frei geblieben ist, macht mit einigen befreundeten 
Herren eine Bootspartie nach einer benachbarten EdussmUndung; sie 
übernachten daselb.st im Boot und erkranken sämtlich einige Tage 
später am E'ieber. 

Die Erkrankung setzt ein mit Schüttelfrost und Elrbrechen; 
am 2. läge hat sich bereits lebhafter Schweiss eingestellt; doch fällt 
die Temp. dabei nur um ein geringes, um alsbald kontinuierlich an- 
zusteigen. Eine Milzschw ellung besteh t n ich t ; dagegen Diar- 
rhiien; sonst wird über Hüsteln, Kopf- und Kreuzschmerzen geklagt; 
die Haut fühlt sich meist feucht an; am 4. 'Tage erfolgt nach gutem 
Ghloralschlaf (2,75) eine abermalige Pseudokrise; trotz recht- 
zeitig verabreichten Chin. (1,5) steigt die Temp. abermals an, um auf 



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55 



3,0 Chloralhydr. diesmal nicht mit Abfall zu reaftieren; weiterer und 
definitiver Temperaturabfall diesmal erst am 6. Tage. Es machen 
sich also hier Intermissionen im Tertiantypus bemerkbar. 

KifittJicnffenchlchte JVo. <1. Die Kun'e Fiig. 25 betrifft einen 

gracil gebauten, sonst gesunden Herrn Schl , in der Mitte der 

dreissiger Jahre; derselbe hat längere Zeit (Jahre) in trop. und subtrop. 
(Jegenden gelebt, ohne jemals Malaria acquiriert zu haben ; er befindet 
sich jetzt .seit 8 Wochen auf der Station Finschhafen. 

18. III. Nachdem sich Pat. bereits am Tage vorher unwohl 
gefühlt und wahrscheinlich auch gefiebert hat, klagt er jetzt Uber 
Kopfschmerz, Frfisteln, Appetitmangel und Brechneigung. Milz 
palpabel ( 1 °).') Temp. früh 39,0. Abends 4t. 

19. III. früh 38,4 (desgl. mittags 38,4); es haben sich einige 
(drei) diarrh. Stühle eingestellt ; erhUlt Glühwein, BettwUrme, 20 Tropf. 
Tinct. Opii. Abends 40,0. Zur Nacht wegen gänzlicher .Schlaflosigkeit 
1,5 Chloralhydr. (nicht ohne Bedenken) verabfolgt. 

20. III. früh 37.0; dementsprechend aber keine Besserung im 
Allgemeinbefinden (hat auch nur i Stunde geschlafen); es fehlt Schweiss; 
die Brechneigung wie.ieium lebhafter; Würgen paroxysmenweise 
auftretend; dagegen Tinct. Opii 2x15 'Tropf. undThee als 
Getränk mit befriedigendem Erfolg angewandt. Wegen augenschein- 
licher Pseudokrise wird vom Chin. .Abstand genommen. .Abends 40,4, 
nochmals Chloralhydr. 2,5. 

21. III. früh 37,7 mit einem gewissen Gefühl von Er- 
leichterung verknüpft; wenngleich der Schlaf ebenfalls unruhig ge- 
wesen -sein soll; wiederum vermehrter Brechreiz. Mittags 37,4; erhält 
Chin. 2,0 in geteilter Dosis; wird gut behalten und am Abend bei 
Temp. 37,8 sehr lebhafte Chininwirkung geiius.sert; trotzdem am 

22. III. früh 38,5 hei mä.ssig feuchter Haut; ein Karbunkel aut 
der linken Hinterbacke wird bemerkt und incidiert (trockener Jodo- 
torm-Verb.); vollständiger .Appetitmangel. .Abends 39,7; geniesst 
etwas Taubenbrühe und i Glas Wein. 

23. III. früh 39,4; Gefühl grosser .Mattigkeit; I nfähigkeit, sich 
ohne Hülfe zu bewegen. Die Muskulatur allenthalben auf leisen Druck 
empfindlich und schmerzhaft; wiederum Klagen über Durchfall und 
volLständigen Appetitmangel ; Puls niedrig; Glühwein, Taubenbrühe, 
.Sago-Leguminosensuppe, Portwein mit Ei, um dem Kräfteverfall zu 
steuern. .Abends 39,4; Haut feucht; wird als progn. günstiges Zeichen 
angesehn; wegen Fortbestehen des diarrh. Zustandes jetzt Kalomel 0,2 
verabfolgt. Zur Nacht; Status idem; doch nicht ganz freies Sen- 
sorium. 

24. III. 4,30 a. m.; nachdem Pat. noch kurze Zeit vorher mit 

') Teber Grössenbezeichnung der .Milztumoren nach Graden 
s. weiter unten Cap. Milztumorl 



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— 56 — 

dem Wärter in unauffälliger Weise gesprochen hat, exitus (um 
6*/4 Uhr bereits Todtenstarre). Als Todesursache ist wohl der zu- 
nehmende Kr'dfteverfall des an und tHr sich nicht sehr widerstands- 
fähigen Kranken anzusehen gewesen; die Magen- und Darmstörungen 
zeigten sich hier als eine recht ungünstige Komplikation des Fiebers: 
der Tod erfolgte so recht Uber Nacht.') 

Krunketif/enrhU-Me Ao. f>. Kurve Fig. 15 bezieht sich auf 
die erste Malaria-Erkrankung eines seit ii Tagen im l.ande befind- 
lichen Herrn v. M. Seine Klagen bestehen in Kopf- und Kreuz- 
schmerzen und neuralgischen Attacken in den Beinen. Wegen fort- 
dauernder Schlaflosigkeit, welche er schwer empfindet, wird ihm in 
den ersten Tagen viel Chloralhydr. gegeben, worauf am 4. Tage früh 
unter Schweiss Krise erfolgt. Von da ab „würgt“ und „schluchzt“ der 
Kranke fortwährend 4 l äge und 4 Nächte hindurch (bis 40 Mal 
in der .Minute), mit nur sehr geringen stundenweisen Unterbrechungen ; 
eine solche Unterbrechung tritt ein, als sich der Kranke anschickt, 
eine Morphiuminjektion zu erhalten; sodann nach 0,03 Morph, in ge- 
teilter Dosis, innerhalb '/a Stunde subcutan verabfolgt; einmal nach 
Erbrechen einer GhininlOsung 1,25; einmal beim Herunterschlucken 
einer Ghininlösung 1,25 („wie abgeschnitten“); dagegen nicht nach 
Tinct. üpii 30 Tropf. 

Kraukcuf/cschichte Ao. 7 . Die F’ieberkurve Fig. 33 entspricht 
einem sehr .schweren Krankheitsfalle mit tötlichem .Ausgang. Über 
die früheren Malaria-Erkrankungen des stets anämischen und nervös 
aufgeregten Kranken (No. 32 der Tab. A.) giebt No. 3 der jahres- 
Ubersichtlichen Krankengeschichtsauszüge Aufschluss. In dem Symp- 
tomenbilde tritt jetzt hervor; ein sehr protrahiertes, bis zum 5. Tage 
anhaltendes Froststadium (nicht eigentlich Schüttelfrost, als vielmehr 
unaufhörliches Frösteln bei hohen Temperaturen 39,5 — 40,7), grosse 
nervöse Unruhe, geradezu Aufgeregtheit, Schlaflosigkeit: gegen letztere 
erweist sich Ghloralhydr. ganz unwirksam. Ghinin, anfangs häufiger 
verabreicht, bleibt ohne Einfiuss auf den Temperaturengang; vom 
7. Tage ab ist das .Sensorium benommen; der delirierende Kranke 
befindet sich im Halbschlummer, knirscht mit den Zähnen, lässt Urin 
und diarrhöische sedes unter sich; die Sprache ist lallend und unver- 
ständlich (wie gelähmt); Blick .starr; Mund ott'en; die Zunge borkig 
belegt mit eigentümlich spezifischem Geruch aus dem Munde; 
die Respiration oberflächlich. Die gewaltsam eingeflösste Nahrung 

') Nach den Mittheilungen, welche mir Dr. KortUm, deutscher 
Vicekonsul und Arzt in Gooktown (Queensland) machte, kamen auch 
ihm ganz überraschende unerwartete Todesfälle beim .Malaria-Typhoid 
häufiger zur Beobachtung. 



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57 



wird zumeist wieder erbrochen; am tz. Tage morgens sehr lebhafter 
Schweiss bei unverändert schlechtem Befinden; dann exitus bei 
Temp. 42,2. 

Kranken (/enchtchtr Ko. 8, Kur\e Fig. 19 entspricht einem 
vergleichsweise langen. zotUgigen Krankheitsverlauf; der Temperatur- 
gang teilweise von kontinuierlichem, teilweise von remittierendem 
Charakter; der Kranke, Herr G, (No. iq der Tab. .5.) hatte schon des 
öfteren Fieberanfdlle gehabt; er fühlt sich diesmal bereits seit einigen 
Tagen krank und unfUhig, seiner Beschäftigung nachzugehn; liegt 
ziemlich apathisch im Bett, ohne bestimmte Klagen, ausser Uber Kopf- 
schmerz, zu äussern. 

Der stat. praes. ergiebt eine trockene, sich heiss anfühlende 
Haut, Temp. in der Achsel 40,7 und Milzvergrösserung; Puls voll, be- 
schleunigt; desgl. die Resp. der Höhe der Temp. entsprechend; sonst 
nichts Auffallendes. Besonders fehlen Erscheinungen seitens des Darmes 
zunäch.st vollständig (auch Ileocoecal-Gegend auf Druck unempfindlich); 
desgleichen kein Exanthem. 

Versuche, durch Chin., Excitantien und Schwitzbäder auf eine 
Krise hinzuwirken, bleiben re.sultatlos; die Temp. halten sich vielmehr 
auf konstanter Höhe zwischen 39 und 40: zeigen nur geringe Morgen- 
remissionen; der Kranke ist meist soporös und deliriert; Puls be- 
schleunigt 108 — 120, sonst schwankend rUcksichtlich .seiner Beschaffen 
heit; andrerseits hat Pat. wiederum klare Augenblicke, in welchen er 
mit Appetit die dargebotenen Speisen geniesst. 

Vom 15. VI, ab werden kalte Vollbäder von to Minuten 
Dauer gegeben; in der Zeit zwischen 6 Uhr abends und 6 Uhr 
früh; dieselben heben das subj. Befinden des Kranken, be- 
wirken ruhigeren Schlaf und führen tiefere Morgenremis- 
sionen hei bei. Sonst symptomat. Vorgehn; in der Diät roburierend. 
Regime mit Analeptica; Kälteapplication auf den Kopf. Daneben 
wurde noch versuchsweise Chin. subcut. 0,2, 3 .Mal an je 2 Tagen ver- 
abfolgt: ein Einfluss auf den Temperaturgang war nicht ersichtlich; 
ebenso wenig von Tinct. Eucalypt. 15 ebem per die. 

Vom 22. — 27. XI. hält sich das Eieber auf vergleichsw. niedrigem 
Niveau und fällt am 28. XI. ganz ab. ln dieser Zeit treten häufige 
diarrh. Entleerungen mit Tenesmus auf, gegen welche mit 
Kalomel, Opiaten, lokalen Bors'äurespülungen und schliesslich mit 
kleinen Gaben Chin. 0,5 (wie es scheint letzteres mit sehr 
gutem Erfolg) vorgegangen wird. 

Am 29. XI. normale Milzdämpfung. Die ganze Fieberbewegung 
vom 22. XI. ab dürfte jedenfalls durch die .Anwesenheit eines Kompli- 
kationsprozesses (leichte Form der Dvsenterie) zu erklären sein. 



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. 5 « 



Kapitel VII. 



Malaria biliosa haemoglobinurica. 

Die charakteristischen Symptome der hier zu behandelnden 
Form der Malaria sind akuter Icterus und Haemoglobinurie. Die 
plötzliche, sehr intensive Gelbfärbung der Haut, sowie der 
dunkelbraune, porterfarbene Urin sind es, welche zuerst die 
Aufmerksamkeit von Kranken und Arzt erregen. Hertz (q) führt 
als zwei von einander getrennte Krankheitsformen der Ma- 
laria auf: 

1. das ikterische Wechselfieber, die intermittens perniciosa 
icterica, 

2. das fievre bilieuse hematurique bezw. melanurique der 
Franzosen, welch letzteres er den Gallentiebern derGold- 
kUste anreiht. 

Nach dem daselbst (9) geschilderten Symptomenbilde, 
treten als Hauptunterscheidungsmerkmale dieser beiden Formen 
hervor: 

Bei der interm. icterica: Fieber intermittierend; Urin spär- 
lich, reich an Gallenfarbstoffen. 

Bei dem tievre bilieuse hemat.: Fieber remittierend oder 
kontinuierl.; Urin meist reichlich, bluthaltig. 

Alles L'brige haben sie gemeinsam; so den besonders 
heftigen Schüttelfrost, den Icterus, die sehr schweren Magen- 
und Darmstörungen, die sehr aufiällende Vergrösserung von 
Leber und Milz, die Schwere des Symptomenbildes im Allge- 
meinen und die Prognose. Für das tievre bilieuse hemat. wird 
dann noch hervorgehoben die Neigung zu Blutungen aus Nase, 
Magen, sowie unter die Haut (Fcchymosen). 

Als ich den ersten mit akutem Icterus und den übrigen 
Symptomen in Erscheinung tretenden Fall von Malaria sah, war 
ich schwankend, unter welche der beiden erwähnten Kategorien 



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5 ') 



ich denselben einreihen sollte; nachdem ich mehrere solcher 
Fülle gesehen haue, legte ich mir die Frage vor, ob nicht diese 
beiden Krankheitsformen als ganz identische zu betr.achten seien. 

Faymoreau (lo) hebt in Bezug auf das Krankheitsbild der 
von ihm (i858) aufgestelltcn Form der interm. icterica hervor: 
„der Harn enthielt Biliverdin, ein wenig Eiweiss“. Die Abwesen- 
heit des Blutes oder Blutfarbstortes wird in diesem Berichte (lo) 
nicht besonders hervorgehoben; andererseits aber die Farbe des 
Urin als .,tief-dunkelroih (malagafarben)“ bezeichnet; auch wird 
Blasentenesmus als heutiges Begleitsymptom hervorgehoben. 

Der Bericht schliesst mit einer Aufzahlung derjenigen 
Symptome, welche dieses „icterische Wechseltieber“ von dem 
„icto-haemorrhagischen“ Fieber unterscheiden: i. durch den 

Blasentenesmus. 2. durch den Sitz des Schmerzes in der Leber- 
gegend. 3. durch die .Abwesenheit von Blut oder Blutfarbstort 
im Urin. 

Die Form des (icto-haemorrhagischen) tievre bilieuse 
hematurique wurde von Barthe'lemy-Benoit (11) aufgestellt: ln 
dem darauf bezüglichen Bericht (11) wird hervorgehoben, dass 
durch die Publikation Barth. Benoit's der „bis dahin fest- 
gehaltene Irrthum'* dass die dunkle Färbung des Harns 
durch einen Gehalt desselben an Gallenfarbstoffen bedingt sei, 
beseitigt wurde. Vcillard (11), welcher ebenfalls Fälle dieser 
Form der Malaria mittheilt, giebt in Bezug auf das Verhalten 
des Urin an, derselbe werde innerhalb der ersten 24 Stunden 
reichlich gelassen, dann aber spärlicher entleert; wobei ein 
schwärzlicher Bodensatz auftrete und gelegentlich auch voll- 
kommene Anurie zur Beobachtung gelange. 

Es will mir scheinen, als oh zwischen den hier und dort 
geäu.sserten .Ansichten eine Vermittelung wohl möglich wäre; 
zunächst ist im dirt. diagn. Sinne kaum dem Umstande Werth 
beizulegen, ob sich das Fieber dieser Form der Malaria im 
intermittierenden, remittierendem oder einem andern Typus dar- 
siellt; in den 7 Fällen, die ich weiter unten ausführlicher mit- 
iheile, trat das Fieber im quotidianen, tertianen quartanen, als 



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6o 



auch im kontinuirlichen Typus auf; in dieser Hinsicht könnte die 
Krankheit durchaus der Reihe der „atypischen Fieber“ heigezahlt 
werden. Ebenso wenig wird man den Blasentenesmus für etwas im 
difl'. diagn. Sinne Charakteristisches ansehen können; bei jedem 
simplen Malaria-Fieber wird in dem Anfangsstadium lebhafter 
Urindrang empfunden; um wie viel mehr bei einer Form des- 
selben, wo schon der lange anhaltende Schüttelfrost sehr ge- 
steigerte Reizerscheinungen im weitesten Sinne erwarten lässt; 
auch würde hier die Anwesenheit von fremden Elementen im 
Urin, ob es nun Gallenbestandtheile oder Blut sein mögen, bei 
dem Zustandekommen des Tenesmus immerhin einen Anteil 
haben können. Ganz und garnichts ist daraus zu folgern, ob 
der Kranke seine Schmerzen in die Leber- oder in die Magen- 
gegend verlegt. Denn gewöhnlich ist nicht nur Milz und l.eber 
sehr bedeutend geschwollen, sondern es besteht zudem noch 
eine akute Gastritis. Wer will da in dem gegebenen Falle sagen, 
wo der Schmerz herrUhrt?‘) 

Es bliebe als einziges diff. diagn. Merkmal übrig das 
Verhalten des Urin. Wie steht es nun damit? Zunächst die Menge 
des gelassenen Urin: spärliche Mengen dürften nicht weiter auf- 
fallend sein, da im Schweissstadium der Körper stets viel 
Flüssigkeit durch die Haut abgiebt; andererseits speziell hier 
durch die Diarrhoen viel Flüssigkeit verloren geht. Als patho- 
gnostisch wären nur diejenigen spärlichen Absonderungen zu 
verwerthen, welche der Anurie nahe kommen oder die Anurie 
selbst. Die Anurie der biliösen Malaria kommt zu Stande durch 
eine Verstopfung der Harnwege innerhalb der Nieren; je nachdem 
diese Verstopfung eine vollkommene ist, oder nicht, oder je 
nachdem sich eine bestehende Verstopfung schneller wieder 

*) Auch den H'amorrhagien des tievre bil. he'mat. aus Nase, 
Mund etc., dem Auftreten von Petechien würde ich diff. diagn. keine 
besondere Bedeutung beilegen können. Denn ich habe solche bei 
Wechselfiebern ohne gleichzeitigen Icterus mehrfach beobachtet; 
andererseits begründet gerade auf dieses Symptom der Blutungen 
P. Werner seine hämorrhagische Form des .Malariatyphoids, also 
wiederum eine andere Krankheitsform. 




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— 6i — 

lost, oder allmählich oder überhaupt nicht, wird die jedes- 
malige ürinmenge verschieden gross austallen können. Es kann 
sogar die Urinmenge gar nichts besonders Auffallendes darbieten 
und doch vorübergehende Oligurie bezw. Anurie (latent) be- 
standen haben. Die von mir beobachteten Kranken waren in 
überwiegender .Anzahl anurisch; andere zeigten bei haemoglobin- 
haltigem Urin nicht auffallende Urinmengen. 

Bietet somit die Urinmenge keinen sichern dift. diagn. 
Anhaltepunkt, wie steht es mit den sonstigen Eigenschaften des 
Urin? Faymoreaus Urine sind „tief-dunkelroth“ gewesen und 
haben Eiweiss enthalten; das legt doch den Verdacht sehr nahe, 
dass sie auch haemoglobinhaltig gewesen sind. Das Haemoglobin 
bezw. auch Blut im Urin ist mit den Hilfsmitteln, wie dieselben 
einem Kolonialarzt gewöhnlich zu Gebote stehen, durchaus nicht 
ganz leicht nachzuweisen. .Auch ich bin durchaus schwankend 
gewesen, ob man es hier wirklich mit Blut zu thun habe, 
und erst durch die Darstellung von Hüminkrystallen zu der 
Überzeugung gebracht, dass diese Urine thatsächlich bluthahige 
waren. Bei dem so hochgradigen Icterus universalis ist man 
zuerst immer geneigt, auf Gallenfarbstoft'e zu fahnden, welche ja 
thatsächlich oft genug Vorkommen mögen. 

So lange weitere Untersuchungen nicht das Gegenteil be- 
weisen, möchte ich geneigt sein, die hier in Rede stehenden 
Krankheitsbilder für ein und dieselbe Form zu halten und des- 
halb Vorschlägen, die febris intermittens perniciosa icterica ganz 
zu streichen und als besondere Krankheitsform nur die Malaria 
biliosa haemoglobinurica fortbestehen zu lassen. 

Die von mir untersuchten Urine zeigten die folgende Be- 
schaffenheit: 

I. .Äussere Merkmale: Kaft'eewasser- oder porterfarben, 
undurchsichtig, stark schäumend mit braunbierartigem Schaum; 

1) Ich habe Uallenfarbstoffe nach den verschiedensten .Methoden 
in diesen Urinen nicht nachweisen können, bekenne mich aber zu 
dem Fehler, die lirine vor den üallenfarbstoff-Proben nicht enteiweisst 
zu haben. 



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— t>2 

gegen das Licht gesehen: dunkel-röthlichbraun. Geruch stark 
ammoniakalisch. Auf dem Boden sedimentärer körniger Detritus 
oder gar kein Sediment. 

II. Specif. Gewicht loii — 1021. 

III. Mikroskopisch: 

1. Amorphe, bräunlich-rothe Massen, welche sich aus 
massenhaften, verschieden grossen, undeutlich contou- 
rirten rundlichen Körperchen von der gelblichen Farbe 
der rothen Blutscheiben zusammensetzen — nicht wohl 
erhaltene rothe Blutkörperchen. 

2. Detritus utibestimmier Natur. 

3. Vereinzelte Haemoglobinschollen und dunkelbraune 
Haematoidinkrystalle. 

IV. Chemische Reaktion: 

1. Gekocht, bildet sich ein krümeliger, schmutzig erdartiger 
Niederschlag, welcher mit dem Schaum in die Höhe 
steigt und daselbst (an der (Oberfläche) haftet, während 
die Flüssigkeit sich merklich aufhellt, eine mehr oder 
weniger durchsichtige helle Farbe atinimmt. Dabei bil- 
det sich ein charakteristischer leimartiger Ge- 
ruch. 

2. Mit Essigsäure gekocht, giebt die Flüssigkeit sehr reich- 
lichen. schmutzigbraunen, grossflockigen bis klumpigen 
Niederschlag, während die Flüssigkeit darüber sich auf- 
hellt, durchsichtig wird. 

3. Im Eshachschen Albuminimeter wird 0,11-0,15 — 0.225 
bis 0,75 'Vo Eiweis angezeigt. 

4. Rauchende Salpetersäure lässt die Gallenfarbstofl- 
Reaktion nicht zu Stande kommen; der Tropfen erzeugt 
auf der Oberfläche sofort einen kleinflockigen braunen 
Niederschlag (nicht enteiweisst!) 

5. Beim Schütteln mit Kalilauge hellt sich die Flüssigkeit 
auf, wird lackbraun bis mahagoni färben, mit deutlichem 
Stich ins OlivengrUne; gekocht: scheiden sich kaum 



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— 6j — 

merkliche Flöckchen ab, wahrend die Flüssigkeit granat- 
bis himbeersyruproth wird. 

tj. Nach Zusatz von Magn. sult'. und Ammon, chlorat., 
mit Kalilauge gekocht, bildet sich reichlicher granat- 
rother Niederschlag, aus welchem getrocknet (mit Eis- 
essig und Kochsalz) Häminkrystalle, dargestellt werden 
können. 

7 . Mit Chloroform geschüttelt, wird viel rosafarbener 
Schaum und ein flockiger, rosafarbener bis schön 
ziegelrother Niederschlag abgesetzt, welcher teils im 
Schaum haftet, teils sich zu Boden senkt, wahrend die 
Flüssigkeit sich nur zum Teil aufhellt.*) 

-\usser dem Urin kommen für die Diagnose die folgenden 
Gesichtspunkte in Betracht: 

1. Ein mit heftigem Schüttelfrost einsetzendes, im 
übrigen verschieden lange andauerndes Fieber, welchem typi- 
sche Intcrmittenten ‘gewöhnlich in grösserer Zahl, längere Zeit 
hindurch, voraufgegangen sind. 

2. Beträchtliche Milz-, gewöhnlich auch nachweisbare 
Leberschwellung (wenigstens vermehrtes Resistenzgefühl; 
Palpation des untern Leberrande.s) mit schmerzhaftem Oruck- 
gefUhl in der Magengrube. 

3. .Akut einsetzender icterus universalis. 

4. Eiti gewisses Missverhältnis zwischen Körpertemperatur 
und Puls, so dass ein hoher Puls (tew) noch fortbesteht zu einer 
Zeit, wo die Temperatur bereits normal geworden ist (37,o)."'') 

*) Alle Proben auf Jndican fielen einmal negativ aus: desgleichen 
die Eisenprobe: Salpetersäure und Ferrocyankal; desgleichen die 
Pettenkof. Probe auf (Jallensäure. 

Bekanntlich setzt die .Anwesenheit von (iallenhestandteilen im 
Blut die Körpertemperatur herunter: man hätte bei den niedrigen 
Temperaturen die.serForm des .Malaria-Fiebers also nicht mit normalen 
Temperaturen als vielmehr mit depressionirten Fiebertemperaturen 
zu rechnen; andererseits kommen trotz Icterus sehr hohe Körper- 
temperaturen zu Stande, cf. in dieser Hinsicht Fall <ie..., Kranken- 
«eschichte No. 9. 



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64 



5 . Mehr oder weniger heftige Magendarm-Störungen, 
welche hUufig von Singul tus begleitet werden. 

6. Grosse nervöse Unruhe des Kranken. OppressionsgefUhl 
aut’ der Brust. 

Die Malaria bil. haemoglobin. ist stets eine ernste, das 
Leben des Kranken im hohen Malse gefährdende Krankheit; 
von 7 Personen, welche ich daran zu behandeln hatte, starben 3, 
also 42%. Die Krankheit ist der .Ausdruck einer schweren All- 
gemeinintektion des Körpers mit dem Malariavirus; die Per- 
sonen, welche von ihr befallen wurden, hatten aus- 
nahmslos eine grosse Reihe typischer Malaria-Fieber 
hinter sich; mehret^ von ihnen hatten ungenügend 
Chinin gebraucht.') 

Therapeutisch scheint mir hier recht das Chinin am Platze 
zu sein: die dem Krankheitsprozesse zu Grunde liegenden Vor- 
gänge der Blutdissolution werden durch das Chinin wahrschein- 
lich sehr günstig beeinflusst. Die Verabfolgung des Medikaments 
im Klysma mit ca. 100 — 200 Mucil. gumm. arab. (nicht mehr!, 
wegen des dann schwerer zu überwindenden Stuhldranges) er- 
wies sich mir öfters sehr zweckmässig. 

Der Tod mag in den Fällen grosser Urinstockung von 
einer urämischen Intoxication (coma urämicum) abhängig ge- 
macht werden; andererseits dehnte sich der Zustand vollständiger 
Anurie über mehrere Tage aus (cf. Fall Thom . . ., Kranken- 
geschichte No. 14), ohne dass urämische Erscheinungen einge- 
treten wären. Auch die Annahme, dass in derselben Weise, wie 
Nieren und Leber schwere Störungen erleiden, so auch das Hirn 
der Sitz ausgedehnter Cirkulationsstörungen werden könne, 
welche den Tod herbeiführen, ist jedenfalls zulässig und dis- 
kussionsfähig. 

') Auch andere Beobachter, so neuerdings Martin (32;, stimmen 
mit mir darin Uberein, dass die perniciösen Formen der Malaria vor- 
zugsweise bei .schwächlichen, herabgekommenen und bereits an 
Malaria-.Anämie leidenden Personen auftreten. 



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— 65 



Krankengc«chicMe Ho. 9. Herr (ie . , . . (No. 36 der Tab. A.) 
hat mehrfach an intermittierenden Fiebern und Malaria-Neuralgien 
gelitten, ohne diesen Zustiinden die gebührende Beachtung zu 
schenken; er hat sich sodann zuletzt vom 28. II. — 8. 111 . krank herum- 
geschleppt. 

Am 8. III. früh wird Pat. im bewusstlosen Zustande auf 
dem Fussboden liegend angetrofl'en mit feuchter ikterischer Haut, 
Temp. 38,6; Milztumor; normal, unterer Lebergrenze. 

9. 111 . Pat. befindet sich relativ wohl, lehnt die angebotene 
‘ärztliche Behandlung jedoch ab, weil er vermeint, von dem früher 
genommenen Chin. seine Krankheit herleiten zu sollen. 

10. 111 . erneuter A n fall von Bewusstlosigkeit, mit Abgängen 
von Urin und Sedes; ikterischer feuchter Haut; Temp. 41,6; stürmischer, 
unregelmässiger Herzaktion; beschleunigter, röchelnder .\thmung; ver- 
engten starren Pupillen; Fehlen des CorneaL Reflexes. Weder Haut- 
reize noch lauwarme B'äder und per Schlundsonde eingeführte 
Kxcitantien vermögen den komatösen Zustand im geringsten zu beein- 
flussen. Am Nachm, bei Temp. 42,6 erfolgt der Tod im Opistotonus, 
mit Abgängen von Sedes und dunkelbraunem spärlichen Urin') 



') Bemerkenswert war mir in diesem Falle das postmortale An- 
dauern der gesteigerten Körpertemperatur und das ungleiche 
Verhalten in dieser Beziehung auf den beiden Körperhälften. Der Um- 
stand, dass sich die rechte Körperhälfte am Rumpfe wärmer anfühlte als 
die entsprechende linke, veranlasste mich, die Temp. beider .Achselhöhlen 
gleichzeitig zu nehmen. Zu diesem Zwecke wurden zwei gleiche, trage 
Quecksilberthermometer mit grosser Quecksilberkugel gewählt, deren 
Zuverl’ässigkeit durch Dr. C. Schräder, früherem Observator der 
Hamburger Sternwarte (dann Leiter der wissenschaftl. Kxpedition) 
kurz vorher festgestellt worden war. Es zeigte sich dabei die be- 
merkenswerte Thatsache, dass die Temp. in der rechten Achselhöhle 
diejenige in der linken 
8 Min. post exit. um 0,8°, 

13 „ „ „ „ 0,7° Uberwog, dass .sodann beide Thermometer 

bei ihrem 

18 „ „ „ erreichten .Maximum (links 41,0, rechts 41,4) um 

0,4° differierten und während des langsamen Abfallens der Queck- 
silbersäule diejenige des linksseitigen Thermometers schneller abfiel, 
als diejenige des rechtsseitigen, so dass also zur Zeit des Eintrittes des 
Todes nicht nur in der rechten Achsel die höhere Temp. 
vorhanden war, sondern auch Verhältnisse Vorlagen, welche einem 
schnelleren Abfalle der Temp. auf der rechten Körperhälfte hinderlich 
waren. Die Ablesungen gestalteten sich wie folgt: 

SchclIonR. E 



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66 



Kranhengeachichte Ko. 10 betrifft einen Malayen, welcher 
mehrfach an Malaria gelitten hat und sehr zu Milzschwellungen dis- 
ponierte. 

20. VI. früh wird derselbe krank gemeldet, nachdem er noch 
Tags zuvor in Arbeit gewesen war. Ich treffe denselben alsbald in 
tief komatösem Zustande, bewusst- und vollkommen reaktionslos; die 
Konjunktiven schwach ikterisch; Hautikterus anscheinend nicht vor- 
handen (doch bei Malayen schwierig zu konstatieren!); Pupillen er- 
weitert und starr; Fehlen des Corneal-Reflexes; Schaum vor dem 
Munde; Kiefer fest ge.schlossen ; Körpertemperatur dem Gefühl nach 
herabgesetzt; Puls kaum fühlbar; ein deutlich palpabler Milztumor 
nach unten bis zum Nabelniveau, medianwärts bis zur Medianlinie 
heranreichend. 

Nach kurzem vergeblichen therapeut. Bemühen (Chinin-Wein- 
klysma, Frottieren etc.) erfolgt der Tod im Starrkrampf mit Ab- 
gängen von sedes und wenig Urin. Derselbe war von porter- 
farbener, undurchsichtiger Beschaffenheit. 

Krankengeschichte Ko. 11 . Bosch . ., ein jugendlicher, kräftiger 
Europäer (Heilgehülfe), welcher trotz energischen Chiningebrauchs 
häufige Malaria-Fieber durchmachte. 

27. III. mittags Paroxysm. Abends während des Temperatur- 
abfalles 1,0 Chin. 

28. III. früh, bei normalem Befinden wiederum 1,25 Chin.; trotz- 
dem mittags Paroxysm.., mit sehr heftigem Schüttelfrost einsetzend und 



4,18 exitus 





links 


rechts 






links 


rechts 


4,22 


38,8 


39 ,' ] 


Zeit der 


4,37 


41,0 


4', 4 


4,24 


39,3 


40,1 [ 


Anwärmung 


4 , 5 ° 


40,9 


4', 3 


4,29 


40,4 


4 ',' 1 


der 


5,10 


40,8 


4'.2 


4,34 


41,0 


4 ',4 ' 


Thermometer 


5,23 


40,6 


41,2 



40,5 4 »,o. 

Das schnellere Ansteigen und das langsamere Abfallen des rechts- 
seitigen Thermometers sprachen also für das Vorhandensein einer 
höheren V\'ärmequelle auf der rechten Körperhälfte; als solche könnte 
doch nur die Leber in Betracht kommen; die Leber als ein an der 
WUrmeproduktion heiworragend beteiligtes Organ hat z. Z. des Ein- 
trittes des Todes nicht nur den höchsten Wärmestand des 
Körpers repräsentiert, sondern als massiges Organ seine Wärme auch 
langsamer nach aussen abgegeben. Die von der Leber ausstrahlende 
erhöhte Wärme konnte nicht zum Ausdruck gelangen während des 
Lebens, da der kreisende Blutstrom den Ausgleich übernahm, wohl 
aber nach Stillstand der Blutzirkulation. 

Da mir derartige Temperaturmessungen post mortem nicht be- 
kannt sind, so glaubte ich darüber hier kurz referieren zu sollen. 



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- 6 ; — 

sich in 2 Stunden (ii'/a — >Va Ijhr) schnell abspielend; unmittelbar 
darauf wird bemerkt HUmoglobinurie; Milz 2*/» breit unter Rippen- 

rand. 1,0 Chin. Um 5 Uhr abermals 1,5 Chin.; nichtsdestoweniger 
abends Paroxysm., ebenfalls mit sehr heftigem Schüttelfrost, und wiederum 
sich in ein paar Stunden (7 — ii Uhr) abspielend. 

29. III. norm. Temp. und Befinden. Urin 700 chcm; wird unter 
Schmerzen zu Beginn des Urinierens gelassen. Milz Uber Nacht sehr 
wesentlich vergrössert, steht 2 Fingerbr. oberhalb des .Nabelniveaus; 

2.0 Chin. in 4 Dosen. 

Es macht sich jetzt auch ganz geringer Icterus bemerkbar: 
untere Lebergrenze ist palpabel, steht in der .Medianlinie, in der Mitte 
zwischen proc. xyphoid. und Nabel: in der rechten Parasternallinie: 
2 Fingerbr. unter dem Rippensaum; dann nach der Axillarlinie zu 
der Rippensaum. 

Weitere Paroxysm. bleiben aus; der Urin hellt sich in 2 Tagen 
vollständig auf; Pat. sieht sehr anämisch aus und behält einen den 
Rippensaum um 2 Fingerbr überragenden Milztumor zurück, gegen 
welchen tägl. Chiningaben von 1,0 in Anwendung gezogen werden. 

Kranketii/etwIiicMe No. Vt. Bl..., jugendlicher Europäei. 
seit 2 Tagen krank, hat in der letzten Zeit mehrfache Fieberanfälle 
gehabt, ohne denselben die erforderliche Beachtung zu schenken. 

6. 11. Status: Temp 39,3; Puls 104; hart. Der Kranke mit 
icterisch. conjunct. bulbi, mattem Hauticterus, ist auffallend unruhig, 
wirft sich hin und her; es besteht Brechneigung und Appetitlosigkeit. 
Untere Lebergrenze von vermehrter Resistenz; etwa um i Fingerbr. 
nach unten verschoben. Milz, in Rückenlage, 2 Fingerbr. unter dem 
Rippensaum, hart. Urin von bierbrauner Farbe, stark schäumend, 
stark eiweisshaltig; desgleichen Hämoglobinreaktion. 

Ürd. 1,0 Chin. per Klysma. Abends 39,5; nochmals Klysma: 

1.0 Chin. -\- 1,5 Chloralhydr. 

7. II. Temp. 37,6; Puls 88. UefÜhl grosser Mattigkeit, trotz sehr 
nervöser Unruhe (hat nach dem Chloralhydr. nur vorübergehend ge- 
schlafen). 

Ord. t,5 Chin. bisulf. + 2 Chloralhydr. in 200 mucilg. gumm. 
arab. im Klysma; schläft bereits nach 5 Minuten; Schlaf hält aber nur 
’/4 Stunden an. Mittags 37,3; Puls 82. Abends 37,8; Puls 100, hart; 
ist etwas ruhiger geworden; auch Brechneigung sistirt; Haut mit 
Schweiss bedeckt. Ord. 1,0 Chin. bisulf. -|- 2 Chloralhydr. im Klysma. 

8. II. Temp. 37,1 hei sehr gehobenem Allgemeinbefinden, trotz- 
dem ebenfalls nur wenige Stunden geschlafen war. Icterus im Ab- 
nehmen; hauptsächlichste Klage: Druck in der Magengegend. 

Mittags 38,4 J ^ . 

Abends 38,2 f ’ 

5 * 



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68 



(>. II. früh 37,3 I 

Mittags 38,2 [ Puls 96. 

Abends 38,3 J 

10. II. früh 36,9 (erst jetzt definitive Krise!) nach gutem Schlaf; 
Urin von fast normaler Beschafl'enheit; Appetit; 1,25 Chin. bisulf. 
Abends 37,5. 

KratxkenffescMchte Ho. 13 . Dr. Schn hat mehrfach von 

Fiebern zu leiden gehabt. 

25 XI. Nachmittags Paroxysm. mit mUssiger Milzschwellung. 

26. XI. Unter reichlichem Schweiss nur unvollkommener Tem- 
peraturabfall; Brechneigung; profuse Diarrhöen; 1,0 Chin. 

27. XI. normale Temp.; 1,25 Chin.; trotz lebhafter Chininwirkung 
am Abend neuer Paroxysm. Pat. will „blutigen“ Urin gelassen haben, 
ist auffallend unruhig und exaltiert. 

28. XI. frlih 37,5; Icterus univers; bedeutender Milztumor; 
2 Fingerbr. unter Rippensaum, der Fingerkuppe schwer aufliegend; 
medw. bis zur .Mamillarlinie (in Seitenlage). I.eber weder ver- 
grössert noch druckempfindlich. Urinentleerung schmerzhaft; 
Urin porterfarhen, undurchsichtig, schäumend mit den charakterist. 
Reaktionen, ürd. 1,5 Chin. 

2q. XI. u. ff', normale Temp. ; Urin noch auffallend dunkel; doch 
garnicht zu vergleichen mit der ursprünglichen Färbung. Pat. sehr 
schwach, anämisch, wachsfarben. Ord.: tägl. 1,0 Chin. und F.isen, 
8 Tage hindurch. 

Kranlietvgeschicitte No. 14 . Missn. Th .... betrifft einen krät- 
tigen, im vollen Mannesalter stehenden Herrn, welcher seit 18 Jahren 
ununterbrochen in den Tropen (Nyas) lebte; er hat in den letzten 
Monaren an häufigeren, aber leichten Fttberanf. zu leiden gehabt. 

20. X. früh hat Pat. die Vorempfindung von dem Herannahen 
eines Ktheranf.'. und nimmt, um vorzubeugen, 1,25 Chin.; trotzdem 
setzt am Nachm, ein Paroxysm. ein, welcher bis zum Abend voll- 
ständig abläuft. 

21. X. früh bei norm. Temp. wiederum Chin.; trotz aus- 
gesprochener Chininwirkung erneuert sich mittags der Anfall 
mit grosser Heftigkeit, stürmischem Erbrechen, heftigen Diarrhöen und 
„blutigem Urin“. Glühwein sofort erbrochen; darauf 0,3 Chin. 
behalten; warm zugedeckt. 

22. X. früh 38,2, nach sehr unruhiger Nacht. Pat. klagt, dass 
er beim Einschlummern stets „Wadenkrämpfe“ bekomme; ausge- 
sprochener icterus universal.; der spärlich gelassene Nachturin 
ist kaffeebraun, undurchsichtig, mit körnigen Niederschlägen; zeigt 
charakt. Reaktionen auf Eiweiss und Hämoglobin; ord.: 1,0 Chin. 
Carbolpill. ä 0,05; leichte Diät. Rotwein, Selterswasser. Mittags 38,0, 



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— 6 () — 

Puls 96. Pat. sehr unruhig, hat (trotz des Ikterus) einen auffallend kafiee- 
farbenen, mit Schaum durchsetzten Stuhl, von weich-klebriger Konsistenz. 
Abends 38,5. Tag Uber hat Brechneigung, Würgen und Stuhldrang sistirt. 

23. X. früh 38,1. Pat. klagt Uber beengendes Oppressionsgefühl 
auf der Brust, welches es ihm unmöglich macht, auf der rechten Seite 
zu liegen. Die Lebergegend auf Druck sehr empfindlich; die untere 
Lebergrenze in der Mamillarlinie 4 Fingerbr. unterh. des Rippensaums, 
in der Medianlinie 2 Fingerbf. oberhalb des Nabels percutor. und 
palpat. nachweisbar. Bei leisem Druck auf das Abdom. werden re- 
flektorische WUrgebewegungen ausgelöst; es werden dabei gallige 
Massen heraufgewürgt. Milz desgl. ausgesprochen vergrösseit und in 
der Mamillarlinie 4 Fingerbr. unterh. des Rippensaums palpabel. Ord.: 
Leber- und MilzkUhlung. Karbolpillen. Mittags 37,2, Puls 92! kriiftig. 
Respiration 16, unregelmässig und seufzend. Abends bei derselben 
Temp. und Puls: kein Urin; zur Nacht quälender Singultus. Ord.; 
1,0 Chin; Karbolpillen; KUhlung. 

24. X. 37,2; Puls 92! weder Urin noch Urindrang. Diarrhöe 
hat nachgelassen; Würgen besteht fort, ohne dass es zu eigentlichem 
Erbrechen kommt; Leberempfindlichkeit wesentlich eingeschränkt. 
Das Allgemeinbefinden eher gehoben. Ord.; 1,0 Chin.; Karbolpillen; 
KUhlung; leichte Diät. .Am Abend: warmes Vollbad; Anurie besteht 
fort. Abends 37,2, Puls 92. 

25. X. früh 36,9, Puls 92! nach verhältnismässig guter Nacht. 
Singultus sistiert; Icterus im Abnehmen; es stellt sich .Appetit ein; 
doch kein Urin und leere Blase. Oid.: 1,0 Chin. 3mal per Tag. 
Abends 37,1. Status idem. 

26. X. früh 37,1, Puls 88. Das Allgemeinbefinden nicht besorgnis- 
erregend; doch kein Urin, auch nicht nach warmem Sitzbad. Ord.: 
1,0 Chin. Gegen Abend Sitzbad, wobei der erste Urin eintritt, 
weder besonders reichlich noch konzentrirt. 

27. X. früh 37,4, Puls 92! hat wegen lästigen Hautjuckens nicht 
schlafen können. Urin von normalem Aussehen; Leber von normalen 
Grenzen; Milz wesentlich eingeschränkt; in Rückenlage: obere 
Grenze in der mittleren Axillarlinie V'll Interc. Raum; untere Grenze 
Rippensaum; med. Grenze i Fingerbr. von der Mamill. nach aussen 
entfernt; in der Seitenlage: untere Grenze ri/j Fingerbr. unter 
dem Rippensaum palpabel; med. Grenze: (Milzspitze) Uber die Mamil- 
larlinie hinausgerUckt. 

Da sich eine Schiffsgelegenheit findet, schifft Pat. sich zum Zwecke 
des Klimawechsels ein. Pat. fühlt tich .sehr schwach und anämisch; 
nimmt in Australien Hospitalaufenthalt, und hat noch längere Zeit 
von paroxysmenweise auftretendem Hautjucken zu leiden gehabt. 

Kraiikeuyenchichte No. lö. N...(.\o. 31 der Tab. A) jugend- 
lich kräftiger 30 jähriger Mann; hat viel von Fiebern zu leiden gehabt 



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70 



und anfangs fleissig Chinin gebraucht; dann, da kein durchschlagender 
Erfolg ersichtlich war, der Chininkuren Überdrüssig; Pat. wurde nun 
ebenfalls nicht häufiger als vorher von Fiebern befallen und glaubte 
nun erst recht das Chinin verachten zu sollen. 

25. IV. fieberfaroxysm, 

26 . IV. Neuer /'aröjy'XOT., der sich mit aussergewöhnlich heftigem 
.Schüttelfrost einleitet. Pat. wird beunruhigt durch plötzlich auftretenden 
Icter. universal, und dunklen „blutigen“ Urin. 

-Status: Der Kranke macht einen schwer leidenden Eindruck, 
atmet erschwert, zeigt lebhafte Brechneigung. Die Haut von ausge- 
sprochen citrongelbem Kolorit mit Stich in’s Olivenfarbige, zu- 
gleich feucht. Temp. 41,1. Puls frequent, kräftig. Pat. klagt über 
Schmerzen in der Magengrube. Diese, sowie das rechte Hypochondr. 
auf leisesten Druck empfindlich; eine Vergrösserung der untern Leber- 
grenze percutor. nicht nachweisbar. Dagegen besteht ausgesprochene 
Milzs.hwellung. Urin porterfarben, undurchsichtig, .stark schäumend, 
mit reichlichen körnigen .Sedimenten, ca. 2no ccm, eiweiss- und hämo- 
globinhaltig. Ord.; Leiter’scher Leberkühler. Chinin; das letztere 
erbrochen. 



27. IV. .Nacht ohne Schlaf; fortwährender Singultus. Temp. 
38,0; gänzlicher Appetitmangel. Chinin, wiederum erbrochen, wird 
jetzt als Klysma (mit Opiumzusatz) gegeben, aber ebenfalls kaum 
2 Min. zurUckgehalten. .Mittags 37,4. Puls 100! auffallend voll. 0,2 Chin. 
subcutan. Abend 37,0, Puls 96! hört; Leberschwellung hat zuge- 
nommen, ist jetzt auch perkutorisch nachzuweisen; überragt in der 
.Axillarlinie 2, in der Mamiliarlinie 3 Fingerbr. den Rippensaum. 
Empfindlichkeit auf Druck besteht fort. Es wird über sich anfalls 
weise wiederholende Atemnot geklagt. Da bisher kein Urin ge- 
lassen, wird Sitzbad ordiniert; ohne Erfolg. 

28. IV. In der Nacht wiederum kein Schlaf; Status unverändert. 
Brechneigung besteht fort. Temp. 36, Puls 100! .Sensorium vollständig 
frei. Da kein Urindrang besteht, wird trotz perkutorisch leerer Blase 
katheterisiert und too ccm derselben dunkelfarbigen stark ammonia- 
kalisch riechenden Flüssigkeit entleert. 1,5 Chin. im Klysma wird be- 
halten. Warmes Vollbad. Fortge.setzte Lcberkühlung. 



Mittags 37 1 

.Abends 37,3 ^ 



Puls 100! 



Mittags und nochmals zur Nacht je 1,5 Chin. im Klysma; es besteht 
.sehr lebhafte Chininwirkung. Das quälendste Symptom ist der jetzt 
periodisch auftretende Singultus und fortwährendes Erbrechen; beides 



steht in einer gewissen Wechselwirkung, indem der .Singultus nach 
heftigem Brechakt für eine Weile sistiert. Pat. verlangt fortwährend 
nach Wasser, erbricht dasselbe aber stets, ebenso wie Wein und 



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Champagner (Eis nicht zur Stelle!), o,oi Morph, subcutan in die Magen- 
gegend ohne Einfluss. 

29. VI. Wiederum schlaflose .Nacht. Temp. 36,9, Puls 92. 
•Sensorium frei; dagegen geschwächter Allgemeineindruck. Brech- 
neigung und Singultus wie vordem; noch immer Anurie; bei der 
Katheterisat. kaum to ccm Urin entleert. Warmes Vollbad (zum Anregen 
der Transpirat., um Urämie vorzubeugen); desgleichen zweimal 0,01 
Morph, subcut., wonach Singultus sistiert. Würgen fortbesteht; 
ebenso Calomel 0,4, um ableitend zu wirken; sonst Klysmat. nutrientia. 
Mittags 37,7; nachmittags 39,2, bei noch ausgesprochener Chinin- 
wirkung, ohne Schüttelfrost. Singultus ist wiedergekehrt. 
Klysma von 2,0 Chin. muriar. Abends 39,2. Die Druckempfindlichkeit 
des Abdom. wesentlich eingeschränkt; ebenso eine Abnahme der Leber- 
schwellung zu konstatieren, ln einem warmen Vollbad lühlt sich Pat. 
sehr wohl; das beunruhigendste Symptom ist das Fortbestehen der 
Anurie. Doch scheint die Prognose im ganzen zu steigen. 

30. IV. früh 3 Uhr ist plötzlicher exitus erfolgt. .Nachdem 
sich der Kranke ganz ruhig verhalten hatte, fand ihn seine Frau 
plötzlich in schwerer Atemnot und unfähig, irgend etwas zu äussern; 
ehe ich dazu gerufen werden konnte, war der exitus eingetreten. 

Der Fall gab Gelegenheit zur .Autopsie, welche sich freilich 
teils aus äusseren Gründen, teils wegen eigenen Unwohlseins (Fieber- 
attacke) auf das Notdürftigste beschränken musste*). 

Situs vi.scerum: Die Spitze der Milz steht in der Mamillarlinie 
unterh. des Rippensaums; untere Lebergrenze: 2 Fingerbr. nnteih. des 
Rippensaums in Mamillarlinie und Axillarlinie. 

Milz; 2t, 14, 6 ccm, olivengrUn, mit gespannter Kapsel; die 
Schnittfläche zeigt braun lilafarbenes schwammiges Gewebe mit Ein- 
lagerung sagokernartiger grauer Protuberanzen. 

Linke Niere von normaler Grösse, sehr harter Konsistenz; 
Kapsel leicht abziehbar; Oberfläche gleichmässig spiegelnd mit -Muskat- 
nusszeichnung; auf dem Durchschnitt die Pyramiden sehr deutlich 
markiert und mit reichlicher Gefässinjektion. Im Hilus massenhafte 
dunkle körnige Konkremente. 

Leber besonders im rechten Lappen vergrö.ssert 33. 21, it,5cm. 
Die Schnittfläche von aloefarbenem Kolorit, schwammiger Konsistenz. 
Die Zeichnung der acini sehr ausgesprochen; sie erscheinen wie in 
einem bläulichen Maschennetz. Bei Ein.schniiten stö.sst man auf einige 
kleine circumscripte Blutextravasate. 

*) Stückchen Milz, Leber, Niere wurden, in .Spiritus konserviert, 
Herrn Geheimrat E. Neumann übergeben, welcher den Befund der 
Hämoglobinurie bestätigte und das Leberpräparat in Virchows 
-Archiv 116. Band 1889 beschrieben hat. 



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12 



Kapitel VIII. 



Malaria comatosa. 

Das Malariacoma (Synon.: Malaria collaps., Imermitiens 
apopleciica s. comatosa) stellt die allcrungünstigste P'orm der 
Malaria-Erkrankung dar und ist im wahren Sinne des Wortes 
eine perniziöse Erkrankung. Von den 7 Fällen, welche ich ge- 
sehen habe, und über welche ich kurz referieren werde, kamen 
6 ad exitum. 

Das Wesentlichste bei dieser Krankheilsform ist ein mehr 
oder weniger akut einsetzender Collapszustand, welcher weder 
abhängig zu machen ist von der Höhe der Körpertemperatur, 
noch von dem Kräfteverfall des Kranken, noch von Kompli- 
kationserscheinungen, wie Anurie, profuse Diarrhöen, Pneu- 
monie etc.; sondern vielmehr aufgefasst werden muss als der 
Ausdruck der Beeinflussung gewisser Hirncentren durch die 
Malarianoxe selbst oder doch als eine vorwiegende Äusserung 
derselben am Centralorgan. 

KrankettgotcMcMc JVo. 16. Die Erkrankung betrifft einen 
Steuermann, welcher sich mit mehreren Begleitern dem Anscheine 
nach beim Übernachten an einer Flussmündung inlicirt hatte. Nach 
zwei von einander durch normale Temp. abgegrenzte Paroxysm. am 
23. und 24. VII. setzt am 25. VII. ein neuer Paroxymi. ein, welcher 
Tags darauf nicht abfilllt, vielmehr sich am 27. VII. zu einem höchst 
bedenklichen Coma steigert. Die massig hohen Temp. (38,;) werden 
durch ein kaltes Bad und Chininklysmata, wie es scheint, in die Höhe 
gebracht, wonach am folgenden Tage Krise mit Rückkehr des Be- 
wusstseins zu Stande kommt. 

KranhenyeschMUe So. 17 betritl't einen schwächlichen 
Malayen, welcher bereits öfter von typischen Intermittenten betroffen 
war. Am iS. X. präsentiert der Kranke sich mir in massig fieber- 
haftem Zustande, ein wenig icterisch und mit zwar ausgesprochener, 
aber nicht auffallend grosser Milzschwellung (1°); ord. 1,0 Chin. und 
Analeptica. Noch an demselben Abend werde ich sodann zu dem 
Kranken hingerufen und finde denselben in einem Anfälle von Tob- 



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7.? 



sucht: völlig bewusst- und reaktionslos. Der mit starren Pupillen und 
last pulslos daliegende, die Haut mit reichlichem Schweiss bedeckte 
Kranke, gerUt in periodische ExaltationszustUnde, schreit aut', 
schlagt mit Armen und Beinen um sich, rollt sich auf der Erde um- 
her und kann nur mit MUhe festgehalten werden. Frottierungen und 
Übergiessungen mit kaltem Wasser vermögen den Kranken nicht 
zum Bewus-stsein zurUckzubringen. Der exitus tritt nach wenigen 
Stunden ein. 

Krankengeschichte Ko. 18 betrifl't ebenfalls einen Malayen, 
Uber dessen Krankheitsverlauf mir die folgenden Daten zugingen. 

29/30. IX. Fieherfaroxysm.; 30. IX. früh noch 39'3. 

I. X. bei normal. Temp. 1,25 (Ihin. 

11 •,> 11 '1^5 11 

5. X. abends heftiger Fieberparoxysm. Chloralhydr. 

6. X. früh 38,2. Milzschmerz. Abends 37,8. 

7. X. normal. Temp. 

8. X. morgens 38,7. Abends 39,2. 

9. X. morgens 38,2. Athmet röchelnd; erhalt Excitantien. Mittags 

exitus. 



Krankengeschichte Ao. 19. 2 jähriges Kind, krUftig und bis 
dahin gesund, noch nicht entwöhnt, leidet angeblich an „Zahn- 
krUmpfen“; ist am Abend vorher erkrankt. 

2. II. vormittags ist dasselbe bleich, ein wenig cyanotLsch im 
Gesicht; glinzlich bewusstlos; Kieferstarre; Zähneknirschen; klonische 
Zuckungen im Bereich der Oberextremität und des Kopfes; Athmung 
höchst unregelmä.ssig, röchelnd; mit mehreren Uber Sekunden sich 
erstreckenden Athmungsstillständen. Pupillen weit; Cornealrefiex 
matt; Milzschwellung nicht nachzuweisen. Starke Schweissabsonderung. 
Temp. 39,2. Ord.: Warmes Vollbad; kalte Umschläge auf den Kopf 
Senfteig auf die Brust (die Athmung wird sichtlich erleichtertX Mittags 
Temp. 39,4; gerötete Wangen; starker Schweiss; sehr beschleunigter, 
aber gehobener Puls. Nachmittags 2 Uhr: Respirat. wiederum er- 
schwert; oberHächlich, matt; stockt von Zeit zu Zeit und führt ganz 
unmerklich in den exitus Uber. 

Krankengeschichte Ko. 20 betrifft einen ca. 45 jährigen 
kräftigen Mann, welcher seit 30 Jahren in Australien in bester Ge- 
sundheit gelebt hatte. Wenige Wochen nach seiner Ankunft in 
Finschhafen sah ich ihn, nachdem er einer ganzen Anzahl vorauf- 
gegangener Fiebererkrankungen wenig Beachtung geschenkt hatte, 
am 12. Februar abends in vollständigem Coma, nur mit Erhaltung 
des Gornealrettexe.s, schwer athmenJ und wie in Schweiss gebadet. 
Die Haut hatte normales Aussehen; es bestand zweifelhafte Ver- 
grösserung der unteren Lebergrenze mit anscheinender Druckemptind- 



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74 



lichkeit; desgleichen eine Milzschwellung, welche den Rippensaum 
um 2 — 3 Fingerbreiten überragte. Temp 37,6; Puls voll, 88. Das Ver- 
halten des Pulses zusammen mit der starken Schweisssekretion deutete 
mir darauf hin, dass der Paroxysm. im .Abfallen begriffen sei, und ich 
stellte die Prognose deshalb nicht ganz aussichtslos, gab 1,5 Chin. im 
Klysma. 

Tags darauf trotzdem Temperaturanstieg auf 39,2 bei trockener 
Haut; Puls 94; sonst Status idem. L'asst unter sich gehen. 

10. 30 a. rn. wird die Athmung röchelnd (44); Puls 124; ich 
gebe per Schlundsonde 1,0 Chin. mit Cognac und Fleischbrühe — 
Senfteig auf die Brust — Kampherinjektionen — laues Vollbad mit 
kalten übergiessungen, ohne dass auch nur eine Spur des Bewusstseins 
zurückkehrte. 

2. p. m. ist die Temp. auf 41,1 gestiegen; die Haut wiederum 
ganz mit Schweiss bedeckt; es fehlt jetzt auch der KornealreHex. 
Eine halbe Stunde später tritt unter sich mehr und mehr verlang- 
samender, röchelnder Atmung der Exitus ein. 

Krankengeschichte Ko. 21. Den hierher gehörigen Fall habe 
ich nur wenige Tage beobachtet. Derselbe betrifft einen Herrn, über 
de.ssen Vorgeschichte Folgendes zu eruieren war: 

Herr W hatte auf Sumatra das Malaria- Fieber acquiriert; 

war sodann nach dem Bismarck Archipel übergesiedelt, woselbst er 
von Zeit zu Zeit recidivierte. Er schenkte seinen F'ieber- Erkrankungen 
anfangs, wie es scheint, nicht die genügende Beachtung, forcierte 
körperliche und besonders geistige Arbeit, bis er sich, bereits in ganz 
elendem Zustande, entschloss, einen Urlaub zum Zwecke des Klima- 
wechsels nachzusuchen. 

.Am 5. VIII. wird der Kranke nach Finschhafen übergeführt 
und gewährt daselbst folgendes Bild: Der Kranke gleicht einem Toten; 
Haut fahlbleich; GesichtszUge verfallen; Augen und Mund halb geöffnet; 
l'emp. anscheinend erhöht; Respirat. beschleunigt; Puls sehr dünn 
128; Abdomen nirgends druckempfindlich; keine Milzschwellung; kein 
Exanthem. Allgemeiner Ernährungszustand mäfsig gut. Der Kranke 
befindet sich in einem halbschlummerartigen Zustande, stöhnt und 
murmelt unverständliche Worte vor sich hin. Bei Anrufen erwacht er 
zu halbklarem Bewusstsein, erkennt sodann Personen und ist sich im 
allgemeinen seiner Situation bewusst; verfällt jedoch alsbald wieder in 
.seinen Halbschlummer zurück. Seine Sprache klingt schwer und 
näselnd. Ord.: Chininklysma 0,75; leichte, roburierende Diät; Kopf- 
kühlung; Analeptica. 

6. VIII. Temp. 37,5; Puls 104! Unverändertes Befinden. Specif. 
foetor ex ore; die dargebotenen Spei.sen werden mechanisch genommen ; 
verlangt auch selbst bisweilen zu trinken. Ord.: Chininklysma 1,20. 



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75 



Abends 37,6; Puls nicht fühlbar. Nach lauwarmem Vollbad wird das 
Bewusstsein vorübergehend etwas klarer. Zur Nacht Calomel 0,2. 

7. VIII. 37,3 nach relat. guter .Nacht. Mittags 38,0; Chin. im 
Klysma 0,75; 2 Stühle. Abends 37,6; sehr beschleunigte oberflächliche 
Respirat. 48; Puls 120. .Sonst stat. idem. 

8. VIII. bei normaler Temp. verschlechtertes Allgemeinbefinden; /Cl 
hat während der Nacht unter sich gehn lassen; ist sehr benommen. 

Puls fadenförmig, aussetzend. Respirat. oberflächlich und seufzend, 40. 

Schluckt die dargebotenen Flüssigkeiten vExcitantien) mechanisch 
hinunter. Am Abend fühlen sich Hände und Füsse kalt an; der Puls 
ist noch schwächer geworden. Der Kranke gewährt das Bild eines 
Moribunden; trotzdem wird noch 0,75 Chin. mit Wein, Sagoschleim 
und Eigelb per Klysma verabfolgt. In der Nacht atmet der Kranke 
in ausgesprochenem Chcyne Stoke’s Typus mit relativ langen (10 Sek.) 
.Athempausen, und es wird der exitus jeden Augenblick erwartet. Trotz- 
dem hat sich der Kranke am 

9. VIII. morgens wiederum erholt; Puls schwach 120; Respirat. 
wiederum regelmäfsig. Sensorium noch immer benommen. .Am 
Nachmittage wiederum Cheyne .Stoke’s. 

Der Kranke verlässt in diesem Zustande Finschhafen per Schiff, 
um in Begleitung eines mit Instruktionen versehenen Wärters nach 
Cooktown (Australien) übergeführt zu werden. 

Der exitus trat am 15. VIII. kurz vor dem Endziel der Reise 
ein, nachdem einige Tage vorher das Befinden ein etwas gehobeneres 
gewesen war. Die (gemessenen) Temp. hatten während dieser Zeit 
die Norm nicht überschritten. 

KrankengesdUchte So. 22 . (Dazu die Temp. Kurve Pig. 36 .) 

Packmar, c.a. 35 jähriger Malaye von anämischem Aussehn. 

27. XII. Fieberparoxysm. Milzschwellung II“. 

28. XII. bei Temp. 40,0 t,5 Chin. 

29. XII. u. ff. bei fortdauernder Fiebertemperatur (39,2—40,3) 
einige diarrh. Fintleerungen. 

2. I. früh 38,6; in der Nacht 2 Stühle; sonst keine Klagen; sitzt 
auf und giebt auf Befragen Antwort. Soll i Löffel Karlsbader Salz 
nehmen; erhält dasselbe und verfällt beim heruntertrinken desselben 
in ausgesprochenen schweren Collapszustand. 

8'45 a. m. Pal. vollständig bewusstlos; reagiert nicht auf Haut- 
reize; es fehlt Kornealrefiex. Pupillen verengt, reagieren nicht auf 
Lichteinfall. Respirat. beschleunigt, röchelnd. 40. Puls 132; Temp. 38,5. 
Extremitäten schlaff ; der per Katheter entnommene Urin ein wenig 
dunkel, zeigt keine Reaktionen auf Eiweiss, Hämoglobin und Bilirubin. 

Ord.: lauwarmes Vollbad mit kalten Übergiessungen; Frottieren; heisser 
Wein mit 1,0 Chin. bisulf. per Schlundsonde. 

9'45 a. m. Respirat. 32; Puls 116, sehr dünn. 



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76 



io‘i5 a. m. heissen Kaffee und nochmal i,o Chin. per Schlund- 

sonde. 

10. 45 a. m. Respirat. 32; Puls 104; 0,1 Camphor. subcutan. 

12' — Temp. 38,8. 

130 p. m. Respirat. 38; Puls 132! kaum fühl- und zUhlbar; 
Temp. 40.3; 0,1 Camphor subcutan.; ein lauwarmes Vollbad; des- 
gleichen Excitantien per Schlundsonde. 

2 30 p. m. Respirat. 38; Puls 134; Temp. 39,4; 0,1 Camphor. 
subcutan. 

3‘30 p. m. Respirat. 29; Puls 134; 0,1 Camphor. subcutan. 

4'30 p. m. Respirat. 35; Puls 132; Temp. 41,1; 0,1 Camphor. 
subcutan. 

6‘ — p. m. Respirat. 34; Puls 130; Temp. 40,6, stöhnt zeitweise. 
Schweiss. 

8’ — p. m. Respirat. 44! Puls 150! Kaffee per .Schlundsonde. 
Lasst unter sich gehn. 

11. — p. m. Respirat. 29; Puls 132; Temp. 39,8. 

3. 1 . i'30 a. m. Respirat. 34; Puls 128. 

6'30 a. m. Respirat 36; Puls 116; Temp. 37,8. 

8’ — a. m. Re.spirat. 36; Puls 112; Temp. 38,3. 

Das Allgemeinbefinden ist im ganzen gehoben; atmet zwar be- 
schleunigt, aber gleichmäfsig und nicht röchelnd. Der Kornealretlex 
hat sich wiederum eingestellt; Pupillen von mittlerer Weite, noch 
trUge auf Lichteinfall. Die Muskulatur der Oberextremitäten in Starre 
flektiert, so dass Bewegungen in Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und 
Eingergelenken nur gewaltsam ausführbar sind. Der per Katheter 
entnommene Urin zeigt nichts .Auffallendes, ürd.: Warmes Vollbad, 
während dessen der bewusstlose Zustand fortdauert: Thee und Milch 
per Schlundsonde. 

IO' — a. m. Respirat. 34; Puls 120; Temp. 37,6. 

ii'30a. m. Respirat. 48; Puls 112; Temp. 37,8. Beginne selb 
ständige Bewegungen mit Kopf und Extremitäten zu machen; lässt 
unter sich gehn. 

2- — p. m. Respirat. 40; Puls 118; Temp. 39,5. 1,5 Chin. bisulf. 
und Kaffee per Schlundsonde. 

3'30 p. m. Respirat. 52; Puls 130; Temp. 41,1. 

5‘ — p. m. Sagosuppe und Decoct. Colombo per Schlundsonde. 

8‘ — p. m. Respirat. 42; Puls 120; Temp. 39,7; noch immer be- 
wusstlos, stöhnt und wälzt sich hin und her. 

4. I. i2’3o a. m. Pat. beginnt zu sprechen, verlangt nach 
Wasser. 

6-30 a. m. Respirat. 32; Puls 124; Temp. 39,3. 

8'— a. m. Pat. bei halbem Bewusstsein, doch stark benommen 
und träge; stöhnt ohne besondere Klagen; hält die Muskulatur des 
Halses und der Oberextrcmiiäten merkwürdig gespannt; fortwährender 



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77 



Tremor; besonders ausgesprochen am Kopf. Thee und 1,25 Chin. 
wieder zum erstenmale getrunken. 

10' — a. m. Respirat. 26; Puls 120; Temp. 40,0. 

12' — Temp. 40,4. 

4. — p. m. unter fortwährendem Schwitzen Temp. 39,8. 

5’ — p. m. Schwitzen cessirt; Temp. 39,4. 

8. — p. m. Puls 116; Temp. 39,6. 

5. I. 6' 30 a. m. Puls 120; Temp. 39,8. 

8’30 a. m. Respirat. 24; Puls 120; Temp. 40,0. 

Der Kranke noch immer zitternd; stöhnt und spricht vor sich 
hin; ist benommen und apathisch, nimmt jedoch die dargebotenen 
Speisen (Milch, Ei, Sagosuppe, Wein) und macht aufmerksam zur 
Befriedigung seiner BedUrfnis.se; erhält 1,25 Chin. Kalte Umschläge 
auf Kopf 

I2‘ — m. Puls 118; Temp. 39,8. 

4'30 p. m. Puls 124; Temp. 40,0. Respirat. beschleunigt und 
unregelmässig. Bei allem dem macht der Puls nicht den Eindruck 
eines Kollabierenden, ist kräftig und hart. 

8-— p. m. Respirat. 38; Puls 128; Temp. 39,8. 

Tremor besteht fort. 

6. I. 6' — a. m. Respirat. 44; Puls 134; Temp. 40,3. 

In der Nacht einige diarrh. Entleerungen. Pat. macht den Ein- 
druck grosser Erregtheit, verfolgt alles, was um ihn her vorgeht, mit 
starrem Blick; spricht laut vor sich hin im weinerlichen Ton („tuan 
menta amboen“); zittert leicht mit Kopf und Armen. Wegen der 
relativen Stärke der PuI.swelle erscheint die Prognose nicht zu un- 
günstig, doch wird von Chin. und Excitantien einstweilen Abstand 
genommen. 

12' — m. Respirat. 40; Puls 146; lemp. 41,2. 

4'30 p. m. Respirat. 42; Puls 134; Temp. 40,8. 

Das Allgemeinbefinden nicht geändert; grosse Erregung bei be- 
nommenem Sensorium. 

8’30p. m. Pat. erhält 3,0 Chloralhydr. im Zeitraum von ’/j Stunde; 
es gelingt aber nur, ihn in vorübergehenden Schlaf zu versetzen ; 
Puls II 6. 

7. I. 6' — a. m. Puls 128; Temp. 39,6; Status idem. 

Kühle Einwickekmg; sonst robuierend. Kein Chin. 

ir3o a. m. Nach cer Einwickelung Respirat. 32; Puls 132; 
Temp. 40,1. 

12-30 p. m. 1,5 Chin.; Decubitus am Kreuzbein. 

4' — p. m. Pat. sehr unruhig; stöhnt immerwährend mit starr 
geöffneten Augen; leichtes Zittern. Respirat. 40; Puls 132; Temp. 4 1 ,2. 

8- — p. m. Puls nicht zählbar, dünn. Temp. 41,4. Pat. ent- 
schieden kollabiert; deshalb vom Chloralhydr. Abstand genommen; 
geniesst Wein und Bouillon und Ei (per Tag 4 Eier). 



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78 



lO'— p. m. Respirnt. 50; Puls 136; Temp. 40,9. 

8. !. 6‘ — a. m. Respirat. 44; Puls 128; Temp. 40,7. 

Das Befinden scheint etwas gebessert; gehobene Pulswellc. Erhält 
Exciiantien und Eibrühe; erbricht das meiste. 10,30 exitus. 

Diesen Fällen würde sich eventuell noch der im Kapitel „atypische 
Fieber“ aufgeführte Fall H (Krankengeschichte No. 7) anzu- 

reihen haben, wo der soporöse Zustand ebenfalls keineswegs von der 
Höhe der Körpertemperatur abhängig gemacht werden konnte. 

Aus den vorstehenden Krankengeschichten ist ersichtlich, 
dass bei der Malaria comatosa schwere Symptome von Seiten 
des Nervensystems in den Vordergrund treten. Sofern diesen 
Fällen Bewus.stlosigkeit und eine mehr oder weniger vollständige 
Reaktionslosigkeit gemeinsam ist, wurde sich die Bezeichnung 
der Malaria comatosa auf .sie anwenden lassen; sofern dann 
noch besondere Erscheinungen im Krankheitsbilde hervortreten, 
würden sich die Fälle auch anderen, z. B. den als Malaria 
eclamptica (No. 19), tetanica (No. 22), delirosa (No. 17), diapho- 
retica (No. 20) beschriebenen Formen beizählen lassen. 

Zu dem Symptomenbilde ist noch das Folgende hervor- 
zuhebeti. 

1. Die Krankheit kann gänzlich fieberlos verlaufen (No. 21) 
oder auch mit mässigen (No. 18 und tg) oder hohen (No. 22) 
F'iebertemperaturen verbunden sein. Der Typus ist dann bald 
der intermittierende (No. 20), bald ein gänzlich unregelmässiger, 
atypischer, bei welchen jedoch eine Neigung zu tiefen Remissionen 
bezw. Intermissionen nicht zu verkennen ist. 

2. Die Bewusstlosigkeit ist eine bald vollständige, bald 
unvollständige. Von den Reflexen wird der Cornealreflex am 
längsten erhalten. Das Koma zeigt keine oder doch wenigstens 
keine hervortretende Abhängigkeit von dem Temperaturverlauf, 
und setzt stets ganz plötzlich ein, gleich mit Beginn der Krank- 
heit oder erst nach mehreren voraufgegangenen typischen In- 
termittenten, oder im weiteren Verlaufe eines atypischen Fiebers 
(No. 22). Anzeichen, aus welchen man das Koma erwarten 
könnte, bestehen nicht; man muss auf dasselbe jederzeit ge- 
fasst sein. 



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79 



3- Die Abhängigkeit der Krankheit von Störungen im Be- 
reiche des zentralen Nervensystems ergiebt sich weiterhin aus 
einer Reihe von Symptomen, welche nicht anders, wie als Reiz- 
erscheinungen zu deuten sind. Dahin gehören sehr auffällige 
Störungen des Pulses und der Respiration; beide sind un- 
verhältnismässig beschleunigt (Puls bis 1 5 o) und gehen der Höhe 
der Körpertemperatur keineswegs parallel. Die Aihmung ist 
bald seufzend, bald röchelnd; in einem Falle (No. 21) wurde 
im Cheyne Stokes Typus geathmet. Es gehört dahin ferner die 
Pupillenstarre bei bald weiter, bald verengter Pupille; ebensosehr 
profuse Schweisse, ohne dass dieselben eine Krise einleiten; 
ebenso deliröse Zustände, Tobsucht, klonische und tonische 
Krämpfe, Extremitätenstarre, Sprachstörungen, unfreiwillige Ab- 
gänge von Urin und Faeces. 

4. Milzschwellungen sind überhaupt nicht vorhanden 
(No. 21) oder doch nur von mässigem Umfange; jedenfalls nicht 
zu vergleichen mit den Schwellungen, welche bei der biliösen 
Form der Malaria beobachtet wurden.*) 

5. ln der Therapie hat sich das Chinin in wiederholten 
Dosen von 1,5 ganz wirkungslos gezeigt, sowohl in Bezug auf 
die komatösen Erscheinungen als auch auf den Gang der Tem- 
peraturen. ln diesen Fällen würde von Chinin am besten ganz 
Abstand zu nehmen sein; denn es erscheint mir nicht unbedenk- 
lich, bei Zu.stiinden, bei welchen ein Insult des zentralen Nerven- 
systems bereits vorliegt, noch eine weitere Alteration desselben 
durch das Chinin herbeizuführen. Auch wirken Dosen von 
1,5 — 2,0 Chinin bereits verlangsamend und schwächend auf die 
HerzthUtigkeit ein. (Nothnagel und Rossbach 1887 pag. 636). 
Ebensowenig wie das Chinin haben mir Bäder und kalte 
Uebergiessungen etwas genützt; das Koma ist seinen Weg 
weitergegangen. Wenn man nicht ganz symptomatisch ver- 



*) Das mag darauf hindeuten, dass die sonst zuerst in der Milz 
bemerkbaren Zirkulationsstörungen in diesen Pallen sich gewisser- 
mafsen vicariierend im Hirn abspielen. 



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8o 



fahren will, so würde vielleicht von reichlicher FlUssigkeits- 
zufuhr, verbunden mit Excitantien noch am ehesten auf eine 
Wiederherstellung der zentralen Zirkulationsstörungen etwas zu 
hoffen sein. 



Kapitel IX. 



Latente Infectionen (und larvirte Formen). 

ln das Bereich der latenten Infektionen gehören die Malaria- 
AnUmie, -Kachexie- und -Neurosen. Diese Zustande knüpfen fast 
ausnahmslos an vorangegangene Fiebererkrankungen, treten sehr 
viel seltener als das Primäre einer Malaria-Infektion in Er- 
scheinung. Gewöhnlich sind die Kranken von Re^div zu Resldiv C- 
gefallen; die fieberhaften Zustande blieben dann aus; statt deren 
etabliert sich die Anämie. Solche Kranke sehen bleich (aschgrau 
oder fahlgelb) aus, fühlen sich leicht ermüdet, zu keiner energi- 
schen Arbeit aufgelegt, bluten leicht aus Nase und Darm, 
schlafen schlecht, sind verstimmt, oft appetitlos, klagen über 
Athembeschwerden und Druckgefühl in der Magengegend. Ein 
Milztumor lässt sich ausnahmslos bei ihnen nach- 
weisen; und begründet die eigentliche Diagnose der 
Malaria-Anämie.^) 

D Die Milztumoren der malaria-anämischen bezw. -kachektischen 
Personen sind gewöhnlich sehr umfangreich, gehören zu den grössten, 
welche ich überhaupt gesehen habe. Im Gegensatz dazu Uussert sich 
Martin (32): „der bei bestehender Kachexie zur Entwickelung ge- 
kommene Milztumor hat sich mir nie als besonders gross gezeigt; 
niemals sah ich ihn die Mittelinie überragen“; nun würden aber, wenn 
das letztere der Fäll wäre, die Tumoren nach meinem Schema (Kap XI' 
schon in die Kategorie IV zu rechnen sein; die untere Grenze des 
Tumors befände sich dann nämlich bereits im Nabelniveau oder unterhalb 
desselben; und das würde ich doch immerhin schon als excessive 
Vergrösserung ansehen müssen. 



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— 8i — 

So können sich die Kranken Monate lang hinschleppen; 
bei geeigneter Behandlung kann das Befinden eine vorüber- 
gehende Besserung erfahren; Heilung können diese Kranken 
aber nur ervvanen, wenn sie die Malaria-Gegend verlassen, und 
auch das nicht einmal mit Sicherheit. 

Der Urin ist frei von Eiweiss; erst wenn sich Ascites und 
hydropische Erscheinungen dazugesellen, was glücklicher Weise 
ausserst selten der Fall ist, tritt auch Eiweiss im Urin auf dann 
spricht man von Malaria-Kachexie; der Unterschied zwischen 
Malaria-AnUmie und -Kachexie ist also bloss ein gradueller. 

Das bedrohlichste für diese Kranken sind neue akut-fieber- 
hafte Erkrankungen, sei es nun, dass solche als einfache Recidive 
oder als neu hinzugekommene Infektionen aufzufassen sind. 
,,Das Leben erlischt dann, nicht wie ein hell brennendes Licht, 
sondern wie ein noch eben glimmender Funke“ (P. Werner). 
Die schwersten F’ormen der Malaria-Fieber, die biliöse und die 
komatöse Form, befallen vorzugsweise Individuen, welche längere 
Zeit unter dem Einflüsse der .Malaria-.\niimie gestanden haben. 

Neurosen gehören ebenfalls zu dem Symptomenbilde der 
latenten Infektionen; ein Theil derselben wird klinisch unter 
dem Namen der „intermittens larvata“ rubrizirt. Im Allgemeinen 
hat man zu unterscheiden zwischen neuropathischen Zuständen all- 
gemeiner Natur und zwischen wirklichen, anatomischen Neurosen. 

Alle Ärzte, welchen eine längere Erfahrung in Fieber- 
ländern zu Gebote steht, so neuerdings Martin-Sumatra (62. Vers, 
deutsch. Naturfors. u. Aerzte, Heidelberg) äussern sich dahin, 
dass viele Personen, besonders Männer, einem eigenthümlichen 
Zustande von Nervosität anheimfallen, derart, dass sie für Ge- 
mUthsaffekte aller Art ausserordentlich empfänglich sind; die 
blosse Vorstellung einer traurigen Situation zwingt ihnen ThrUnen 
in die Augen; die Aussicht auf einen unbedeutenden Schmerz, 
eine kleine chirurgische Operation, versetzt sie in die grösste 
Angst und Aufregung. Andeutungen solcher Zustände sind auch 
mir häufig begegnet. 

Unter den anatomischen Neurosen stehen oben an die 

Schellong. ^ 



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82 



Ischias und Trigeminus-Neuralgien. Gewöhnlich treten diese 
nicht im intermittirenden Typus auf, sondern regen sich in 
ganz unbestimmter Weise, Tage lang hintereinander, um dann 
wieder vorUberzugehn; oft sind es keine ausgesprochene 
Schmerzen, sondern mehr ein dumpfes Ziehen und Reissen 
in den Gliedern. Im Ganzen genommen, sind die larvirten 
Formen der Malaria in den Tropen sehr viel seltener, als man 
erwarten möchte. 

Ich selbst habe zu wenig Gelegenheit gehabt, Zustände 
von Malaria-Anämie etc. in ihrem weiteren Verlaufe zu verfolgen, 
als dass ich mich veranlasst sehen könnte, auf dieselben hier 
näher einzugehen. Ich verweise in dieser Beziehung auf Hertz 
„Malaria-Infektionen“ und auf die ausführlichen Schilderungen, 
welche P. Werner in seiner Arbeit pag. 31 u. ff. giebt. Werner 
ist der Ansicht, dass eine einmal fest etablierte Malaria-Infektion 
ihre Spuren gewöhnlich für die ganze Lebenszeit hinterlässt. Er 
sagt darüber (pag. 49); „Man findet Gelegenheit, eine ganze 
Reihe von Menschen wiederzusehen, die vor einem Jahrzehnt 
und mehr an Wechselfieber gelitten haben; kaum einer ist 
darunter, der die Krankheit ohne weitere Folgen fürs spätere 
Leben überstanden. Ganz abgesehen von denjenigen, die an 
einer präzise zu definirenden Nachkrankheit leiden, laboriert der 
eine an periodischem Kopfschmerz, den er früher nie gekannt, 
der zweite an vagen Schmerzen, bald hier bald dort, der dritte 
kann Fahren und Reiten und andere Erschütterungen nicht 
mehr vertragen; ein anderer kommt bei scheinbarer Gesundheit 
und vollem Wohlbefinden doch nicht mehr zu der früheren 
Kraft, Fülle und Leistungsfähigkeit, „ist nicht mehr der frühere“; 
noch ein anderer ist vorzeitig gealtert im Aussehen und zwar 
so rasch, wie es der Lebensperiode garnicht enspricht.“ 

In der Therapie der latenten Infektionen hat das Chinin 
obenan zu stehen. Bei der Malaria-Kachexie hat Martin (Su- 
matra) gute Erfolge von Arsenikpräparaten gesehn (Sol. arsenik. 
Fowl. mit Tinct. chin. compos.) 



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83 



Kapitel X. 



Komplikationen der Malaria. 

Wenn man von Komplikationskrankheiten der Malaria reden 
will, so muss man diese Bezeichnung auf solche Krankheitszuständc 
beschranken, welche nicht blosse ßegleitsymptome, sondern als 
selbständige Krankheiten bekannt, in dem Gefolge der Malaria 
so oft aufzutreien pflegen, dass eine ätiologische Zusammen- 
gehörigkeit mit der Malaria angenommen werden muss, ohne 
dass es sich aber mit Bestimmtheit sagen liesse, in welcher 
Weise diese Abhängigkeit von der Malaria gedacht werden solle. 
Theoretisch betrachtet, könnte es sich dabei entweder um be- 
sondere Lokalisationen des Malaria-Prozesses handeln, oder es 
könnte die Malaria auch nur die Disposition für die Kompli- 
kationskrankheit geschaffen, gewissermafsen nur den Nährboden 
abgegeben haben. 



1. Malaria-Pneumonie. 

Hertz führt als eine besondere Form der Malaria die 
Malaria-Pneumonie an und findet den Unterschied dieser Pneu- 
monie von der genuinen fibrinösen Pneumonie besonders darin 
begründet, „dass jeder Paroxysmus durch einen mehr oder 
weniger starken Frost eingeleitet wird, die Temperatur in den 
Intermissionen auf die Norm zurückgeht, und die objektiven, 
namentlich physikalischen Symptome in denselben sich massigen, 
um in den Anfällen an Heftigkeit wieder zuzunehmen.“ (Hertz, 
Malaria-Infektionen 1886, p. 6g in Ziemssen’s Handbuch der 
akuten Infektionskrankheiten.) 

JUrgensen (Ziemssen V, p. 142) erscheint es zweifelhaft, ob 
die Pneumonieen, welche in dem Gefolge der Malaria auftreten, 
wirklich croupöse Pneumonieen sind, ob dieselben nicht viel- 
mehr den katarrhalischen Pneumonieen beizuzählen seien. 

6 * 



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«4 



Unter den von mir in Kaiser Wilhelmsland beobachteten 
Malariafällen waren mehrere von erheblichen Katarrhen der 
grösseren und mittleren Bronchien begleitet. 

Ich habe dagegen nur 5 Fälle zuverlässig beobachtet, wo 
ich Pneumoniecn annehmen konnte: diese Fälle betrafen sämmt- 
lich Angehörige der melanesischen (papuanischen) Rasse und 
gelangten kurz hinter einander zur Beobachtung, 4 Fälle im 
Dezember 1887 und einer im April 1888. 

Kasuistik: 

Krankengeschichte No. 2 S. Tokolome (Melanesier). Kurve 
INg. No. :t 7 . 

25. XII. abends 40,1. 

26. .XII. morgens 39,4. Schmerz in der rechten Brusthälfte; 
physikai. nichts nachweisbar. Abends 40,7. 

27. XII. abends 40,5. Atembeschwerden. Befund: Lungenschall 
links, hinten, unten, bald unterhalb der Skapul. gedämpft. Dämpfung 
er>treckt sich auf die unteren Partien der linken Seitenfläche des 
Thorax. Pectoralfremit. abgeschwächt; auseuhat.: verschärfte Inspirien, 
mit bronchialem Beiklang. Mittelblasige, klingende Rasselgeräusche 
während ln- und Expiration; Sputaschleimig-eitrig. Milz nicht ver - 
grössert. Herpes an der Oberlippe. 

29. XII. morgens 39,0. .Auscultat.: teils ganz abgeschwächt. 
.Atmen; teils gar kein Atmungsgeräusch, teils bronchiale Inspirien; 
keine Ra.sselgeräusche. 

30. XII. morgens 37,4. Befund: hinten unten Dämpfung; kein 
Atmungsgeräusch; seitlich: verschärfte Inspirien; ganz wenige Rassel- 
geräusche bei der Expiration. 

1. I. Milztumor 1 ". 

2. I. Dämpfung noch nachweisbar; abgeschwächtes Atmen; im 
Ganzen wenig Ra,sselgeräusche. 

5. I. Entlassen; bis zum 12. II. kein Recidiv. 

Ki'ankengeschichte No. 24 . Baume, 17 jähriger Melanese. 
(Siehe Kurve Fig. 38 .) 

3. XII. Will Tags vorher Fieberparoxysm. gehabt haben; Milz- 
schwellung weder in Rücken- noch Seitenlage festzustellen. Temp. 37,7. 
Ord.: 4 Theelöffel Tinkt. Wartburg. Mittags Paroxysm. Abends 40,1. 

7. XII. Temp. 3g, 5. Atmet etwas erschwert. Lungenschall links 
hinten von der Mitte der Scapul. bis unten gedämpft; seitlich bis zur 
hinteren Axillarline; hier überall verschärfte und hauchende Inspirien 
und mittel- bis feinbiasige (krepitierende) Rasselgeräusche während 
der Inspiration. 



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85 



8. XII. morgens 36,9. Die Spitze der Milz 2 i-ingerbr. nach 
aussen von der Mamillarlinie palpabel. Dampfungsbezirk am Thorax 
wie Tags zuvor. Bronchialatmen. 1,0 Chin. 

9. XII. morgens 37,0. Pectoralfrem. links abgeschwücht. Bron- 
chialatmen; vereinzelte krepitierende Rasselgeräusche wahrend In- und 
Expiration. Sputa spürlich, dickschleimig. 1,0 Chin. 

to. XII. morgens 37,6. Bronchialatmen; vereinzelte feinblasige 
Rasselgeräusche, häutiger auch während der Expiraiion; Sputa spärlich, 
aber deutlich mit Blut gemischt. 1,0 Chin. Pectoralfrem. deutlich 
herabgesetzt. Über der Skapula neben der Dämpfung leicht tymp. 
Beiklang; nach unten zu besteht Dämpfung fort. Bronchialatmen mit 
krepitierenden Inspirien. 

II. und 12. XII. je 1,0 Chin. 

14. XII. Lungenschall links noch ganz gering abgeschwächt. 
Normale Atmungsgeräusche mit bronchialem Anklang. Keine Rassel- 
geräusche. 

Recidiv am 3. 1 . (kurzer Fieberparoxysm!)\ bis 7. I. 2,25 Chin. 

Recidiv am 4. III. {Fieierparoxysm.). 

Krankengeschichte Ko. 2ö. Topopuije, Melanesier, 26)ährig. 
(Siehe Fig 39.) 

17. XII. Temp. 39,2. Klagt Uber .Schmerz in der rechten ßrust- 
hälfte. Milz gering vergrössert ( 1 ”), in Rückenlage gerade unter 
dem Rippensaum palpabel; hüstelt und atmet beschleunigt, etwas ober- 
flächlich. Percutor. nichts nachweisbar; auscult. rechts, vorn und hinten 
oben einige Rhonchi. 

t8. XII. Pseudokrise; erhält Picrins. Ammoniak. Abends er- 
neuter Faroxysm. 

21. XII. Klagt wiederum Uber Atembeschwerden; hüstelt. 38^. 
Lungenschall: links hinten, unterhalb der Skapul. abgeschwächt; hier 
subkrepitierende inspir. und expirator. Ras-selgeräusche; über der Skapula 
selbst grobblasiges Rasseln und zahlreiche Rhonchi. Chin.! nach 
2 Stunden 39,1; nach G Stunden 39,3. Abends 39,2. 

22. XII. Rasselgeräusche, dem reinen Krepitieren jetzt sehr nahe 
kommend. 38,7. 1,5 Chin.; nach 2 Stunden 38,5; nach G Stun- 
den 39,0. Abends 40,2 

23. XII. 38,9 (6. Tag) Krepitieren. Rasseln während der In- und 
Expiration. Über der Skapula gar keine Atmungsgeräusche. Sputum 
zäh, am Glase klebend, stellenweise blutfarbig. 

24. XII. ganz bedeutend abgeschwächter Perkussionsschall; 
klingende mittel- und kleinblasige Rasselgeräusche. 

27. XII. abgeschwächies Atmen, Bronchialatmen und feinblasige 
Rasselgeräusche. Milz I — II. 



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86 



28. XII. keine Schalldifferenz: verschUrfte Inspirien mit Rhonchi 
und mittelblasige RasselgerUusche. 

7. III. Recidiv (^Fieberparoxysm.). 

Kranhengeachichte So. 2 ß. Tominibau, 15 jähriger Melanese. 
(Siehe Ptg. So. 40 .) 

5. XII. abends Paroxysm. Milzschwellung nicht nachweisbar. 

7. XII. atmet vorsichtig. Schmerz in der rechten hinteren Brust- 
hSlfte. I, ungenschall: rechts hinten, schon von der Grenze des obern 
Drittels der Skapula bis nach unten hin, deutlich gedUmpft. Der Schall 
hellt sich seitlich erst in der hinteren und mittleren Axillarlinie auf. 
Überall krepitierende Inspirien, verschärfte Expirien. 

8. XII. Dämpfung; bronchiales Atmen und feinblasige Rassel- 
gerUusche, besonders während der Inspiration, aber auch vereinzelt 
während der Expiration. Pectoralfrem. abgeschwächt. 

9. XII. derselbe Befund bei nur mässigem Hustenreiz und relativ 
gutem Allgemeinbefinden. Das Sputum dick, eitrig-schleimig, klebend; 
gering aber deutlich mit Blut untermischt (welchem die Rostfarbe fehlt). 

10. XII. Dämpfung; bronchiales Atmen verringert; lebhaftes 
Knisterrasseln, vorzugsweise während der Inspiration. Spärliche Ex- 
pektoration. Nur Spuren von Blut. 

11. XII. .Stat. wenig verändert; doch sind die Ras.selgeräusche 
weniger krepitierend und auch reichlicher während der Expiration. 
Im Pektoralfrem. kein Unterschied. Bronchophonie. 

12. XII. Lungenschall rechts hinten abgeschwächt mit tymp. 
Beiklang: reichliche, grob krepitierende (bezw. mittelblasige) Rassel- 
geräusche während In- und Expiration. Das Sputum ohne blutige Bei- 
mischung. 

13. XII. ohne Schweiss bei Temp. 36,9. Atmung noch sehr 
behindert. Neben den verschiedensten Nuancen von Rasselgeräuschen, 
unter der Spitze der Skapula auch pleurit. Reiben. 

14. XII. perkutorisch keine Schalldifferenz. Auskult, viele Rhonchi, 
neben verschiedenblasigen Rasselgeräuschen während In- und Expi- 
ration. Temp. bleiben normal. 

Bis 9. III. kein Recidiv. 

KrankengeachidUe So. 27 . Torabia, Melanesier. (Kurve 

rtg. 41) 

3- IV. 4U,2. 

4. IV. 37,6. Abends 39,8; fiebert fort; zeigt auffallend geringen Puls. 

6. IV. Atembeschwerden; rechts, hinten, unten handflächen- 
grosser pneumonischer Herd (Dämpfung, verstärkt. Pektoralfrem., 
Krepilieren); hustet und expektoriert fortlaufend nur katarrhal. Sputum, 
ohne jede Beimischung von Blut. Temp. fallen allmählich ab. 



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«7 



Die Erkrankungen setzten ein wie gewöhnliches Malaria- 
tieber, mit oder ohne Schüttelfrost, und wurden auch anfänglich 
für solche gehalten, bis Husten- und Athembeschwerden die 
Aufmerksamkeit auf das Brustorgan lenkten und einmal am 2., 
zweimal am 4., zweimal erst am 5. Tage die pneumonischen Er- 
scheinungen konstatiert wurden. 

Eis bestand nun 3mal links hinten, 2 mal rechts hinten, 
unterhalb der Scapula und sich seitlich nach der hinteren bis 
mittleren Axillarlinie fortsetzend, ein einseitiger Dämpfungsbezirk, 
bei welchem bronchiales Athmen, Bronchophonic und Krepi- 
tieren auf einen Intihrationsprozess schliessen Hessen; anderer- 
seits aber fanden sich stets die physikalischen Erscheinungen 
eines Katarrhs mittlerer und feinster Bronchien vor, wie: ver- 
schärfte oder abgeschwächte Inspirien oder überhaupt fehlendes 
Athmungsgeräusch ; Rasselgeräusche von subkrepitierendem Cha- 
rakter während der ln- und Expiration; dazwischen auch mittel- 
blasiges und grobblasiges Rasseln und zahlreiche Rhonchi. 

Der Pectoralfremitus war über dem Dämpfungsbezirk nur 
einmal deutlich verstärkt, sonst eher herabgesetzt. 

Die lixpectorationcn waren niemals reichliche; die Sputa 
trugen vorwiegend den schleimig-eitrigen Charakter, hafteten 
aber auch dem Glase an und zeigten deutliche Beimischungen 
von Blut. Zu den reichlichen charakteristischen Sputa der 
Pneumoniker kam es jedoch niemals. 

Dieses, zusammengehalten mit dem Verhalten des Pectoral- 
fremitus, und mit dem Hervonreten der katarrhalischen Er- 
scheinungen im Auscultationsbilde, lässt die Annahme als zu- 
treffend erscheinen, dass es sich bei diesen Pneumonien wohl 
nur um disseminierte Infiltrationsheerde gehandelt haben mag, 
um solche Bezirke, welche noch von viel normalem oder doch 
nur in den mittleren und feineren Bronchien katarrhalisch affi- 
ciertem Lungengewebe umlagert werden. Mit dieser Annahme 
stimmt auch überein, dass der Lungenschall stets nur abge- 
schwächt, nicht ganz vollständig gedämpft war. 

Bemerkenswert war der Temperaturverlauf: Nach raschem 



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«8 



Ansteigen der Temperatur erfolgte meistenteils am 2. oder 3. Tage 
eine deutliche Intermission, welche sodann von einem zweiten 
Ansteigen der Temperatur gefolgt wurde; jetzt behielt das Fieber 
4 — 3 Tage den remittierenden bezw. subremittierenden Charakter, 
um endlich subkritisch, kritisch oder lytisch abzufallen. 

Milzschwellungcn waren in 2 Füllen nachweisbar, in 2 Fällen 
fehlten dieselben; jedenfalls erreichten sie nicht die Grösse, 
welche sonst bei Malariaerkrankungen gewöhnlich zu sein pflegt. 

Das Allgemeinbefinden der Kranken war in hohem Grade 
alteriert, die Reconvalcscenzzeit eine vergleichsweise lange. 

Nach .\bfall des Fiebers recidivierte einer der Kranken am 
12., ein anderer am 24. Tage im regulären Malariatypus; zwei 
hatten in Monatsfrist kein Recidiv; bei einem konnte die Beob- 
achtung nicht fortgesetzt werden. 

■Mies in allem genommen, möchte ich geneigt sein, diese 
Krankheitsbilder als Pneumonien aufzufassen, welche die 
Mitte halten zwischen der croupösen und der katarrh- 
alischen Pneumonie und einen Zusammenhang dieser Pneu- 
monien mit der Malaria-Infektion zunächst fonbestehen lassen. 
Zu der letzteren Auffassung werde ich besonders dadurch be- 
stimmt. dass ein Teil dieser Erkrankungen mit kurzen Fieber- 
paroxysmen einsetzte, und ein anderer Teil in so kurzer Zeit an 
typischen Malariatiebcrn wiedererkrankte, dass diese sehr wohl 
noch als Recidive aufgefasst werden konnten. 

2. Dysenterie. 

Das öftere gleichzeitige Auftreten von Malaria und Dys- 
enterie in den Tropen hat zu der Annahme geführt, da.ss beiden 
Krankheiten ein verwandter Infektionsprozess zu Grunde liege. 
In Kaiser Wilhclmsland war die Dysenterie ein ganz vereinzelter 
Gast; die ca. 1500 Malaria-Erkrankungen, welche ich dort 
beobachtet habe, durchmusternd, finde ich nur zwei Fülle, in 
welchen Malaria durch Dysenterie komplizirt war; und in beiden 
Fällen war die Infektion wahrscheinlich in einem australischen 



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8 g 



Hafenplatze erfolgt.*) Iiitermittens und Dysenterie verliefen 
hier vollständig parallel neben einander, doch so, dass während 
der Paroxysmen die Erscheinungen der Dysenterie (Erbrechen 
und charakteristische Entleerungen) eine jedesmalige Steigerung 
erfuhren, die Apyrexien aber trotz des Fortbestehens der Darm- 
aflektion in den Intermissionen reine waren. 

Diese Komplikation gestaltete sich therapeutisch insofern 
ungünstig, als das Chinin weder per os noch per anum be- 
halten wurde. 

3. Diphterie. 

Auch inwiefern diptheritische Prozesse von der Malaria 
abhängig zu machen sind, steht noch dahin. Meine Beobachtung 
erstreckt sich auf 2 Fälle, von welchen der eine ein sehr 
schweres, der andere ein vergleichsweise sehr leichtes Krank- 
heitsbild darbot. 

Der letztere Fall begann mit einem Herpesbläschen an der 
Lippe, welchem nach wenigen Tag*^’'' akuter Fieberparoxysm. 
folgte. Tags darauf hatte Patient noch eine Morgentemperatur von 
38.5 und Uber Halsbeschwerden zu klagen; es zeigte sich dabei 
eine erhebliche Röthung und Anschwellung der Rachengebilde 
und inselförmige graue, fest anhaftende Belege der Tonsillen. 
Diese stiessen sich unter Gebrauch von Benzoewasser am nächsten 
Tage bereits zu einem Theile ab; am nächsten Tage war die 
Abstossung vervollständigt, die Temperatur normal. 

Der erstere Fall trat unter der Form eines atypischen 
Fiebers mit im ganzen hohen Temperaturen 3g — 40 auf, wobei 
Uber lebhaften Kopfschmerz und anfangs unbedeutende Schluck- 
beschwerden geklagt wurde, und Milzschwcllung bestand. Die 
lnspektion ergab massige Röthung. geringe Schwellung der 
Pharynxgebilde. 

') ln dieser Hinsicht waren mir von grösstem Interesse die Mit- 
teilungen von Martin (62. Vers, deutsch. Naturforscher und Ärzte, 
Heidelberg'), wonach er die echte Dysenterie im Zu.sammenhang mit 
Malaria auf Sumatra ebenfalls nicht beobachtet hat. 



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90 



Am 9. Tage früh war die Temperatur lytisch auf 37,2 ab- 
gefallen; jetzt wurde Chinin verabfolgt und damit die Erkrankung 
als beendigt angesehen. Da traten am Tage darauf (10. Tag) 
bei ebenfalls noch normaler Morgentemperatur erneute Klagen 
Uber Schluckbeschwerden auf; Gaumenbögen und Zäpfchen 
zeigten jetzt Röthung und Schwellung und an der einen Tonsille 
war ein gelblich-weisser, zunächst nicht charakteristischer Belag 
bemerkbar. 

Am II. Tage früh Temperatur 38,8; am 12. Tage früh 39,7; 
unter zunehmendem Fieber wachsen Schwellung der Gaumen- 
bögen und Tonsillen und die nunmehr ganz ausgesprochen 
diphteritischen Belege an; am 14. Tage tritt Tod durch Herz- 
lähmung ein, nachdem vorher massige respirat. Störungen 
bestanden hatten. 

4. Furunkulosis. 

Eine häufige Erkrankung in Malaria-Gegenden ist die 
Furunkulosis; ich habe Furunkel und Karbunkel während eines 
Fiebers oder im Anschlüsse daran oftmals auf der Hinterbacke 
des Kranken sich entwickeln sehn. Häufige Erkrankungen in 
Finschhafen waren auch schmerzhafte Furunkel im äusseren Ge- 
hörgang. Es erscheint mir keineswegs ungereimt, einen ätio- 
logischen Zusammenhang zwischen Furunkelbildung und Malaria- 
Krankheit anzunehmen. Schon Poor (Hertz, Malaria-Infektion 
86 p. 60) fuhrt Acne-, Furunkel- und Anthraxbildung, welche 
im Gefolge der Malaria-Fieber auftreten, auf „capillärc Pig- 
mentembolie“ zurück. Des häufigen Auftretens von Furunkeln 
bei Malaria-Kachektischen wird ebenfalls von Hertz (pag. 46) 
gedacht; desgleichen neuerdings von Martin (32). 

5 Andere Komplikationen. 

Von anderen Komplikationen der Malaria beobachtete ich 
zweimal Parotitiden; ebenso sind intermittierende Schwellung 
der Schilddrüse (38) und Orchitiden (36)*) mit Hodenatrophie 

') Auch Martin (Sumatra 1 berichtet (Verhandlungen der 25. Sect. 
der 62. Vers, deutscher Naturforscher und Ärzte — Heidelberg) Uber 



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— gi — 

im Anschluss an Malaria beschrieben worden. Jeannel (37) 
berichtet Uber einen Fall von Malaria mit comatösen Er- 
scheinungen, wo sich am 10. Tage Gangrän der Nasenspitze 
und des Randes der Ohrmuschel einstellte. Auch die Elephan- 
tiasis scroti (in Malaria-Ländern häufig!) wird mit Malaria- 
Einflüssen in Zusammenhang gebracht (39). Endlich sind auch 
Parrhesen und Paralysen der Extremitäten und des Gesichts 
(35) und chronische Psychosen (34) als Komplikationen der 
Malaria beobachtet worden. 



Kapitel XI. 



Milztumor. 

ln Malaria-Gegenden ist der Milztumor der Ausdruck 
einer stattgehabten Malaria-Infektion; selbst wenn ein 
Fieber noch garnicht in Erscheinung getreten ist, so deutet der 
Tumor auf eine bereits bestehende Infektion hin und es ist nur 
eine Frage der Zeit, wann das Fieber dem Tumor nachfolgen wird. 
Der Tumor kann also dem Fieber vorangehen, das primäre Symp- 
tom sein. Das Gewöhnliche ist jedoch, dass bei einem Menschen, 
welchen man von Anfang an zu beobachten Gelegenheit hat, 
Tumor und Fieber bei der ersten Erkrankung gleichzeitig in 
Erscheinung treten; dass weiterhin nach Abfall des Fiebers auch 
der Tumor allmählich, und zwar vollständig oder teilweise zurUck- 
geht, um mit erneuten Ausbrüchen des Fiebers von neuem in 
akuter Weise anzuschwellen ; dass der Tumor je älter, desto 

den aufl'allend häufigen Zusammenhang von Orchitis und Malaria. 
Derselbe Autor hat auch Bubonen ex mataria sich entwickeln sehn; 
desgleichen eigentümliche Muskelinfiltrationen, welche auf Chinin- 
gebrauch zurUckgingen (32). 



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42 



grösser wird und desto weniger Neigung zur Rückbildung be- 
kundet, bis er dann schliesslich stabil wird, zu einer Zeit, wo 
der Träger desselben das Bild der Malaria-Anämie,der chronischen 
Malaria-Infektion darbietet. 

Wenn Fieber und Tumor somit zusammen gehören, so 
giebt es doch Fieber, bei welchen ein Tumor nicht nachzu- 
weisen ist, und andrerseits Tumoren, bei welchen kein Fieber 
auftritt. Das Letztere gilt jedoch nur in eingeschränktem Sinne; 
denn wenn auch die mit einem Tumor behafteten Personen sich 
lange Zeit an ihrem Wohnorte ohne Fieber herum bewegen 
können, so tritt das Fieber doch spätestens mit dem Verlassen 
des Wohnortes, mit dem Klimawechsel, in Erscheinung; und 
der alte Satz, dass Fieher-Attakcn, gleichgültig ob früher ob 
spiuer, zu erwarten sind, so lange Milzschwellung besteht, findet 
auch nach meiner Beobachtung seine vollste Bestätigung. 

Das Wesen des Milztumors hat man sich vorzugs- 
weise als Ablagerungsdepot der Malaria-Parasiten und 
der durch dieselben bewirkten Zerstörungs- und Um- 
seizungsprodukte der zelligen Elemente des Blutes zu 
denken (siehe darüber Kapitel XIII), für welche .Annahme die 
Councilmansche (13) Beobachtung von dem Plasmodienreich- 
tum der Milz eine weitere Stütze bietet. 

Kleinere Tumoren würden demnach der ge- 
ringeren, grössere Tumoren der grösseren Infektion 
gleich zu setzen sein, was in Praxi im Allgemeinen auch 
zutriflt. 

Diejenigen Seltenheiten, wo häufigere Fieber ganz ohne 
Milztumor verliefen, würden vielleicht zum Teil durch eine 
besonders straffe Milzkapsel erklärt werden können (alte Per- 
sonen); zum andern Teile liegen hier aber thatsächlich leichte 
Infektionen vor, wenn man nämlich die Schwere der Infection 
nicht nach der Häufigkeit der sich auf einander folgenden Fieber- 
anfälle beurteilen will, als vielmehr nach den sonstigen Krankheits- 
Erscheinungen, welche die Fieber begleiten, nach den Gesund- 
heitsstörungen, welche sie im Gefolge haben etc.; zum dritten Teile 



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93 



undlich würde sich das Fehlen einer Milzschwellung etwa durch 
die Annahme erklifren lassen, dass sich in solchen Fällen 
Stauungsvorgänge in anderen Organen, gewissermal'sen 
vicariierend, abspielen mögen (cf. die sehr auffallenden Darm- 
störungen der atypischen Fieber, Malaria-Pneumonie etc.). Mehr 
noch als Milztumor und Fieber laufen Milztumor und 
Anämie einander parallel. Diejenigen Fieber, welche den 
grössten Blutverlust setzten, die Formen der Febris biliosa hämoglo- 
binurica, hatten auch die am schnellsten wachsenden Milztumoren 
aufzuweisen. Deswegen darf aber der Milztumor keineswegs 
als die direkte Folge, gewissermafsen als das Produkt der Anämie 
angesehen werden, da selbst hochgradig anämische Personen, 
wenn sie nicht zugleich häutigen Fieber-Erkrankungen unter- 
liegen, Milztumoren nicht haben; andrerseits sehr vollblütige 
Personen bei häutigen Fiebern, Milzschwellungen aufweisen, trotz- 
dem sic in der Frische ihres Aussehens nichts wesentliches 
eingebüsst haben (relative Anämie). Vielmehr ist beides, sowohl 
die Grösse des Milztumors als auch die Schwere der Anämie, 
annähernd proportional zu setzen der Häutigkeit der Fieber- 
Erkrankungen. 

Die Dauer der einzelnen F'ieber-Erkrankung ist 
ohne Einfluss auf die Grösse des Tumors; die mehrtägigen 
atypischen Fieber verliefen sogar öfters ganz ohne Milzschwellung. 
Andrerseits aber wird die Grösse des Milztumors in unver- 
kennbarer Weise beeinflusst durch den Gebrauch von 
Chinin, so dass ich geneigt bin, das Vorherrschen der grösseren 
Tumoren bei den farbigen Rassen mit dem geringeren Chinin- 
gebrauch derselben gegenüber den Europäern, in Zusammen- 
hang zu bringen. 

Frische .Milztumoren sind mitunter auf Druck schmerz- 
haft; fast übereinstimmend wird von den Kranken ein Gefühl von 
„Milzdrücken“ oder „Milzstechen“ angegeben, welches vorzugs- 
weise bei tiefen Inspirationen (Gähnen, Husten, schnelles Gehen) 
empfunden wird. Ich selbst habe stets noch mehrere Tage nach 
abgelaufenem Fieber das Milzdrücken verspürt. 



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94 



Ältere Tumoren sind ganz unempfindlich, lassen sich wie 
Steine beliebig im Abdomen hin- und herschieben, kneten, 
drücken etcÄ) 

Den Milzschwellungen sind im Allgemeinen die Ange- 
hörigen aller Rassen annähernd in gleicherweise unterworfen; 
ich habe sogar den Eindruck gewonnen, dass Melanesier und 
Malayen eine grössere Disposition bekundeten als Europäer, ein 
Verhältnis jedoch, welches, wie schon hervorgehoben, in dem 
verschiedenen Chiningebrauch seine Erklärung finden dürfte. 
Jugendliches Alter und männliches Geschlecht bekunden ferner 
eine grössere Disposition als vorgeschrittenes Alter und weib- 
liches Geschlecht; es findet hier ganz dasselbe Verhältnis statt, 
wie es auch für die Disposition für die Malaria-Infektion über- 
haupt gültig ist. 

Die Träger grosser Tumoren werden in sehr verschiedener 
Weise in ihrem Allgemeinbefinden beeinflusst. Europäer ver- 
fallen ganz ausnahmslos einem Zustande von schwerer Anämie 
und tragen in ihrem Tumor ein immerwährendes 
memento mori mit sich herum; denn es waren ganz vor- 
zugsweise die Personen mit grossen Milztumoren, welche die 
Bekanntschaft mit den schweren perniciösen Formen der Malaria 

') Die Beweglichkeit ist bisweilen eine so ausserordentliche, dass 
die Lage der Milz von der queren Richtung allmählich in die perpen- 
dikuläre übergehen kann. So der Status bei einem etwa 15 jährigen 
Melanesier: 

Der Tumor kommt in der Mamillarlinie unter dem Rippensaum 
hervor, verläuft in derselben steil nach abwärts bis fa.st zum Nabel- 
niveau. Durch Umlegen des Kranken in die rechte Seitenlage und 
gelinden Druck von links unten aussen, kann der Tumor in eine 
gänzlich abweichende Lage gebracht werden; die Spitze ist dann 
schräg nach dem Nabel gerichtet, 2*/a Fingerbreiten von demselben 
entfernt. 

Diejenigen Fälle, bei welchen die Milz in Folge einer akuten 
Schwellung rupturiert, dürften zu den grössten Seltenheiten gehören. 
Neuerdings wird von Barallier (Arch. ge'n. de med. Septbr. 88 in 
Schmidt’s Jahrb. 1889) über 2 solcher Fälle mit nachfolgender tötlicher 
Blutung im Anschluss an ein ganz gewöhnliches intermittierendes 
Fieber berichtet. Das Parenchym war weich und zerfiiessend. 



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95 



zu machen hatten.') In anderen Fällen ist es mir auffallend 
gewesen, wie wenig oftmals die Träger selbst grosser bis zum 
Nabel reichender Tumoren in ihrem Allgemeinbefinden beein- 
trächtigt wurden. Das gilt freilich nur ausschliesslich von den 
Angehörigen der farbigen Rassen, den Malayen und Melanesiern, 
während die Europäer ganz gewöhnlich dem Zustande der 
Malaria-Anämie verfielen. 

Ob Ascites und Hydrops von dem Tumor selbst abzu- 
leiten sind, möchte ich zunächst dahingestellt sein lassen; gegen- 
über dem Auftreten der Tumoren sind Ascites und Hydrops 
ausserordentlich seltene Erscheinungen. 

Die Diagnose des Milztnmors erfordert meistenteils keine 
Schwierigkeiten; ich habe bereits in einer ersten Mitteilung Uber 
die Malaria-Erkrankungen in Kaiser Wilhelms-Land (14) darauf 
hingewiesen, wie wechselvoll das Perkussions-Ergebnis sich 
je nach Haltung und Lage des Körpers gestaltet, und die Not- 
wendigkeit betont, immer nur in ein und derselben Position zu 
perkutieren, wenn man ein brauchbares vergleichendes Per- 
kussions-Ergebnis erhalten will; ich habe besonders gezeigt, wie 
die topographische Lage der Milz in der rechten Seitenlage eine 
Verschiebung erfährt, derart, dass dadurch die Milzdämpfung 
medianwärts verschoben und verkleinert wird. Je häufiger ich 
dann untersuchte, um so mehr gelangte ich zu der Überzeugung, 
dass der Sch werpunkt der Milzdiagnose nicht in der Per- 
kussion, als vielmehr in der Palpation zu suchen sei, 
weil diese sehr viel sicherere Resultate ergiebt, als die erstere. Die 
Perkussion ist z. ß. gar nicht verwerthbar bei Personen mit embon- 
point; die Milz wird aber auch bei Personen ohne besonderen 
Tympanites oftmals gänzlich durch Darmton verdeckt; so perku- 

') Die Infektionsstoffe mögen sich in dem Milztumor quantitativ 
anhäufen (Depot); oder bei dem Vorhandensein grosser Tumoren mag 
die Milz weiteren Hyperämien bezw. BluttrUmmer-Ablagerungen nicht 
mehr fähig sein, so dass dann bei weiteren Fieberanfällen andere 
wichtigere Organe an die Reihe kommen, deren functioneile Störung 
eben die Perniciosität ausmacht. 



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g6 



tierte ich einen fieberkranken Papua in aufrechter Haltung und 
notierte im Journal „keine nennenswerte Milzschwellung“; am 
nächsten Tage palpierte ich denselben in Rückenlage und fand 
einen Tumor, welcher medianwärts die Mamillarlinie nach innen 
um eine Fingerbreite überschritt, nach unten zu das Nabelniveau 
erreichte; andrerseits lässt freilich auch die Palpation gelegentlich, 
wenngleich viel seltener im Stich, wenn nämlich die Kranken, 
aus besonderer Empfindlichkeit, die Bauchdecken nicht zu er- 
schlaffen vermögen oder wenn die Konsistenz des Tumors, wie 
bisweilen bei frischen Fällen, eine sehr weiche ist. Bei der ge- 
hörigen Übung lassen sich jedoch diejenigen Grade von Milz- 
schwellung, welche praktisch überhaupt noch in Betracht kommen, 
durch die Palpation stets mit Sicherheit nachweisen und geringere 
Grade von Schwellung werden auch durch die Perkussion allein 
nicht mehr erkannt, so dass ich zur Feststellung einer Milz- 
schwellung der Perkussion für gewöhnlich ganz entbehren zu 
können glauben möchte. 

Es giebt jedoch Fülle, in welchen die Perkussion 
die Palpation sehr wesentlich zu unterstützen ver- 
mag: bekanntermafsen wird die obere Milzgrenze bei tiefen 
Inspirationen durch den Lungenrand sehr wesentlich einge- 
schränkt; bei der Perkussion vollzieht sich hier während der In- 
und -Expiration ein Schallwechsel. Die Feststellung der oberen 
Milzgrenze ist aber absolut belanglos, da der Tumor stets nach 
unten wächst, bezw. dem Zuge der Schwere folgend, sich nach 
unten senkt. Das Wichtigere ist also die F'eststellung der 
unteren Milzgrenze: Der Tumor folgt bei den Respirationen 
im allgemeinen den Bewegungen des Zwerchfelles, d. h. er wird 
bei jeder Inspiration nach unten gedrängt; indem er hier aber 
in der Bauchhöhle durch das Eingezwängtwerden der Bauch- 
contenta auf einen kleineren Raum, einen gewissen Widerstand 
findet, wird er zugleich genötigt, nach vorn gegen die Rippen- 
wand auszuweichen. Diese Beobachtung machte ich mir 
mit Erfolg zu Nutze in denjenigen F'ällen, in welchen man 
zur Erlangung eines zuverlässigen Resultates auf Perkussion und 



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I»- 



97 



Palpation zu gleicher Zeit angewiesen ist. Es kommt dann 
nämlich am Rippenrand, im Bereiche der Mamillar- 
linie oder ein wenig ausserhalb von derselben, eine 
L*spircMons€iampfung zu Stande. Alle Milzen, welche diese 
Inspirationsdämplung aufweisen, sind als vergrössert 
zu betrachten, alle, bei welchen sie fehlt, sind normal. 
Die Palpation ist gewöhnlich dann auch im Stande, an der 
Stelle der erhaltenen Inspirationsdämpfung einzusetzen. Am 
deutlichsten wird die Inspirationsdämpfung erzielt in der halben 
rechten Seitenlage, demnächst in der Rückenlage mit angezogenen 
Knien; am unzuverlässigsten ist dieselbe in der aufrechten 
Haltung des Kranken. 

Die Fig. 2, welche einem naturgetreuen Tintenstiftabdruck 
der hierher gehörigen Verhältnisse am Körper in ’/s natUrl. Grösse 
entspricht, illustriert die Inspirationsdämpfung des untern 
Milzabschnittes in der Rückenlage des Kranken: die punktierte 
Linie p stellt die obere Grenze des bei ruhigem Atmen durch- 
weg tympanitischen Perkussionsbezirks abc dar. Derselbe wird 
bei tiefer Inspiration im Bereiche von a und b, also median- 
wäris bis zur Parasternallinie, ausgesprochen gedämpft, während 
der mediane Abschnitt c den tympanitischen Ton beibehält. Es 
folgert daraus, dass die Milz in der Parasternallinie am Rippen- 
saum hervortritt.') Durch die Linien r und i wird die Stellung 
der oberen Milzgrenze angedeutet, r bei ruhiger Atmung, t bei 
tiefer Inspiration. Legt man senkrecht zu der Längsachse der Milz 
eine Linie, welche obere und untere Perku.ssionsgrenzen (während 
ruhiger Atmung und bei tiefer Inspiration) in den Punkten x Xj 
und y yi schneidet und lässt man nun eine tiefe Inspiration 
ausführen, so kann man sich leicht überzeugen, dass das Stück, 
um welches y nach yi herabrückt, grösser ist als dasjenige, 
um welches x nach x, verlegt wird. Das gestattet aber die 
Annahme, dass die Milz auch schon vorher, d. i. bei ruhiger 
Athmung, unterhalb des Punktes y gestanden haben muss, was 

') Hier (an der Milzspitze) hat dann die Palpation nötigenfalls 
einzusetzen. 

Schellong. 



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q8 



um so wahrscheinlicher wird, als die Verschiebung des Punktes x 
nach Xi sicherlich zum grossen Teil nur eine scheinbare, 
durch die Vorschiebung des untern Lungenrandes vorgetäuschte, 
ist. Der Effekt der Inspiration besteht also im wesentlichen 
darin, dass die Milz näher an die Bauch-Rippen-Wand ge- 
drängt, also in der Richtung, nicht nur nach unten, son- 
dern auch nach vorn verschoben und dadurch der Perkussion 
zugänglicher gemacht wird.') 

Man kann die Milztumoren zweckmäfsig nach ihrer 
Grösse in 4 Kategorien bringen, wenn man nämlich bei der 
Feststellung der Milzgrenzen vorzugsweise auf den 
Stand der Milz nach unten hin und medianwarts, Rück- 
sicht nehmen will. (Vgl. Fig. 3.) 

a) Die Vergrösserung des Organs erfolgt zuerst Inder 
Längsaxe, also in medianer Richtung; die Milz steht dann 
etwa 1 — zFingerbreit nach aussen vonderMamillarlinie(Milzspitze) 
und ist am oder auch ein wenig unterhalb des Rippensaumes 
bei tiefen Inspirationen, gewöhnlich schon in der Rückenlage, 
sicher aber in halber rechter Seitenlage palpabel (I®; Fig. 3). 
Bei der Perkussion wird untere und mediane Grenze gewöhnlich 
durch den Darmton verdeckt; man erhält Dämpfung nur bei 
tiefen Inspirationen (Inspirationsdämpfung). 

b) Die Vergrösserung erstreckt sich bis zu der Mamillar- 
linie oder Uber diese hinaus nach der Parastcrnallinie; sowohl 
in Rücken- als auch in Seitenlage ist die Palpation ohne jede 
Schwierigkeit ausführbar; die Spitze der Milz steht hart am 
Rippenrand oder ist bereits Uber denselben hinaus schräg nach 
unten und innen (rechts) gerichtet; von der Spitze der Milz aus 
lassen sich die Konturen des unteren Milzrandes in 2 — 3 finger- 
breitem Abstand vom Rippensaum in leichtem Bogen bis zur 
mittleren oder hinteren Axillarlinie verfolgen ( 11 ®; Fig. 3); die 
Perkussion ist hierbei unnötig. 



') Beiläufig ist dasselbe auch fUr die Feststellung der unteren 
Lebergrenze der Fall. 



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99 



c) Die Milzschwellung stellt sich als solider massiger Tumor 
dar, welcher deutlich in die Bauchhöhle herabreicht, mit der 



• Jifarnilh 




Fjg. 3- Schematische Darstellung der Milztumoren, hei Palpation in Rückenlage. 

Spitze meist nach dem Nabel gerichtet ist, dessen konvexer unterer 
Kontur das Nabelniveau in der Mamillarlinie, oder zwischen 
Mamillarlinie und vorderer Axillarlinie erreicht, dessen fast 

7 * 




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lOO 



geradliniger medianer Kontur sich von der Tumorspitze bis 
zum Rippensaum (in der Parasternallinie oder zwischen dieser 
und Mamillarlinie) also in schräger Richtung von unten rechts 
nach oben links verfolgen lässt und auf diesem Wege bisweilen 
(selten!) einen deutlich markierten Einschnitt zeigt. Der Tumor 
ist leicht hin und her zu bewegen (III“; Fig. 3). 

d) Der Tumor geht Uber das Nabelniveau hinaus und 
überschreitet nach rechts die Medianlinie (IV“; Fig 3). 

Die obere Grenze der Milz bleibt gewöhnlich die 
normale (IX. Rippe) oder dieselbe ist auch im VIII. Instercost. R. 
oder selbst auch Uber der VIII. Rippe perkutorisch nachweisbar. 

Bei der Palpation der Milz kann in den allerseltensten 
Fällen eine Verwechslung mit einem besonders dicken und 
abnormer Weise gut palpabeln linken Leberlappen Vorkommen. 
Das umgekehrte Verhältnis ist eher denkbar, dass nämlich ein 
sich unter der linken Mamillarlinie Uber den linken Leberlappen 
hinwegschiebender Milztumor für einen Lebertumor gehalten 
wird. So möchte vielleicht ein Teil der vielbeleumdeten tropischen 
Lebertumoren zu erklären sein, auf welche ich vergeblich ge- 
fahndet habe. 

Bei fettleibigen Personen begegnet die Palpation der Milz 
bisweilen grossen Schwierigkeiten; ich kam dann noch am 
ehesten zum Ziel, wenn ich bei leichter Inspiration oder besser 
noch zu Anfang der Expiration die palpierenden Fingerspitzen 
in kleinen Stössen einsetzte, in ähnlicher Weise, wie man die 
„kleinen Teile“ im gespannten Abdomen der Schwangeren zu 
palpieren pflegt. 

Die Ausführung der Palpation habe ich stets von der linken 
Seite des Kranken her geübt, indem ich beide Hände neben- 
einander oberhalb des Rippensaumes auflegte und mit den 
Fingerspitzen unter leichtem aber gleichmäl'sigem Druck die dem 
Rippenrand zunächst gelegenen Teile des Abdomens abtastete. 
Mir ist diese Methode gegenüber der gebräuchlicheren, wo von 
rechts unten her die Fingerspitzen gegen die Milzgegend gedrückt 





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01 



werden, zweckmal'siger erschienen, weil der Kranke dann weniger 
die Bauchdecken anspannt.*) 

Ein sehr bemerkenswertes Vorkommnis ist die Häufigkeit der 
Milztumoren bei den Eingeborenen des Landes. Um dieses 
Verhältnis festzustellen, habe ich mir Aufzeichnungen Uber den 
Milzbefund von 126 Melanesiern aus den verschiedenen Gegenden 
von Kaiser Wilhelms-Land und dem Bismarck-Archipel gemacht. 
Ich nahm die Leute zur Untersuchung, wie ich sie gerade fand, 
ohne Auswahl nach Konstitution, Alter etc., doch nur Männer. 
70 Personen stammten von der N. K. d. Gazcllenhalbinsel aus 
den Dörfern Kambakkada und Uamkamkombi; 37 Personen 
stammten aus der Finschhafener Gegend; 19 waren auf den 
Tamiinseln (Kap Kretin) zu Hause. 

Das Untersuchungsergebnis war das folgende: 



Milzbefund 


Alle 

Melanesier 
zusammen 
126 Personen 


Gazellen- 
halbinsel 
70 Personen 


Finschhafen 
37 Personen 


Tamiinseln 
19 Personen 


Keine Tumoren . . 


6s 


43 


6 


16 


Tumoren I“ . . . 


3' 


'S 


16 


0 


II« ... 


*4 


10 


12 


2 


, III» . . . 


s 


2 


2 


I 


„ IV« ... 


I 




1 






(61) 


( 27 ) 


(31) 


( 3 ) 


Anzahl der Personen 










mit Tumoren in % 


48 


'7 


84 


'S 



Am allerungUnstigsten stellt sich in dieser Tabelle die 
Finschhafener Gegend mit 8470 per palpationem nachweisbarer 
Milztumoren; am günstigsten die auch sonst durch eine kräftige 
Eingeborenenbevölkerung ausgezeichneten Tamiinseln mit 15 %• 

■) Ein einfaches Verfahren, um mittelst des Tintenstiftes sich 
MilzabdrUcke zu verschaffen, habe ich in der D. m. W. 87 No. 23 und 
24 angegeben. 



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102 



Ich bin nun geneigt anzunehmen, dass die Feststellung 
dieses Verhältnisses bei Eingeborenen neben dem anthropologisch- 
medizinischen, auch ein sehr wichtiges praktisches Interesse hat. 
Man kann doch mit gutem Grund annehmen, dass das Vor- 
handensein von Milztumoren bei den Landes -Eingeborenen 
mit häufigen Malaria -Erkrankungen derselben im Zusammen- 
hang steht. Wenn nun in der einen Gegend 8470» in der 
anderen i 5 “/o Milztumoren vorgefunden werden, sollte da nicht 
ein Rückschluss auf die Güte der einen und der anderen 
Gegend in klimatischer Hinsicht gerechtfertigt erscheinen? 
Wenn dem aber so ist, was wäre leichter, als sich 
über den hygienischen Wert einer bis dahin unbe- 
kannten Gegend in einem Malaria-Lande in der Weise 
sein Urteil zu bilden, dass man die dort angetroffenen 
Eingeborenen auf ihre Milzen untersucht! Bei der 
nötigen Übung und wenn Alles gut vorbereitet ist, kann man 
sich bei 100 Eingeborenen in 2 — 3 Stunden mit der grössten 
Leichtigkeit Uber diese Frage Aufschluss verschaffen; und damit 
wäre doch ein positiver Anhaltepunkt gewonnen, bei weitem 
brauchbarer und zuverlässiger, als alle jene trügerischen theo- 
retischen Betrachtungen, welche man bei der Beurteilung der- 
gleichen Fragen sonst anzustellen pflegt. Ich habe die Station 
Finschhafen nach ihrer Lage, Bodenbeschaffenheit, Windrichtung, 
Trinkwasser etc. sehr günstig beurteilt; hätte ich von vornherein 
100 Eingeborene untersucht und bei diesen 84^/0 Milztumoren 
vorgefunden, so würde ich wohl mit gro.sser Wahrscheinlichkeit 
haben Voraussagen können, dass dieser Ort als sehr bedenkliche 
Fieberquelle dem Kolonisten noch viel zu schaffen machen würde. 

Über die Ruckbildungsfähigkeit der Milztumoren habe ich 
das Folgende zu bemerken: Frische Tumoren 1 und II® gehen 
stets vollständig zurück, wenn mit Konsequenz Chinin gebraucht 
wird; auch der überwiegende Teil alter, harter Tumoren III® 
reagiert auf das Chinin sehr gut; jedoch zumeist nur am Anfang, 
die ersten 8 — 14 Tage; dann pflegt ein Stillstand in der Rück- 
bildung cinzutreten und es ist dann nicht mehr möglich, die 



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03 



bis dahin erreichte Grenze zu überschreiten; so kann man einen 
Tumor III — IV. Grösse verhältnismälsig oft und in vergleichs- 
weise kurzer Zeit zu einem Tumor II® umbilden; darüber hinaus 
wird aber nichts mehr erreicht; der Tumor ist nicht unter den 
Rippensaum zurückzubringen. Man kommt dann also mit dem 
Chinin allein nicht mehr aus und es müssen wirksamere thera- 
peutische Hebel (Klimawechsel etc.) in Bewegung gesetzt werden. 
Kurze Kasuistik; 

KrankengettcMclUe Ho. 28 . F EuropUer, welcher 

den Fiebererkrankungen sehr unterworfen ist. 

3. XI. anUmisches Au'^sehn, mit Stich ins Gelbliche; spitze Ge 
sichtszUge. Hauptbeschwerden: Mattigkeitsgefühl und immerwährendes 
Hüsteln. 

Bei der Inspektion ftlllt auf die pralle Hervorwölbung des linken 
Abdomens; durch die Palpation ist eine sehr genaue Abgrenzung des 
Tumors möglich: untere Grenze genau im Nabelniveau; die Tumor- 
spitze steht im Nabel; von da geht der mediane Kontur des Tumors 
zunächst 3 Fingerbreiten in der lin. alb. aufwärts, bildet auf diesem 
Wege einen deutlichen Einschnitt, um dann nach oben hin in der 
Parasternallinie unter dem Rippensaum zu verschwinden (HI— IV®); 
der Tumor deckt einen Teil des linken Leberlappens. Ord.; 1,0 Chin. 
per die, 8 Tage hindurch. 

28. XI. Begrenzung: median wUrts die Mamillarlinic; inderseiben 
4 Fingerbreiten nach abwärts verlaufend. Untere Grenze i*/a Finger- 
breite oberhalb des Nabelniveaus (III*). Ord.: 5,0 Chin.’ für 10 Tage. 

21. XII. Das Allgemeinbefinden und das Aussehn des Kranken 
haben sich in erstaunlicher Weise gehoben; die untere Tumorgrenze 
2 F'ingerbreiten oberhalb Nabelniveau (III— II®). Pat. setzt den Chi- 
ningebrauch aus; schon nach 9 Tagen (ohne dass Fieberanfälle 
inzwischen erfolgt wären) ist ein bedeutendes Anwachsen des 
Tumors mit Verschlechterung des Allgemeinbefindens zu konstatieren. 

29. XII. Begrenzung; medianwärts; i Fingerbreit von der Median- 
linie entfernt; unten: annähernd das Nabelniveau; Spitze: schräg nach 
dem Nabel gerichtet, in i'/a Fingerbreiten Abstand davon. 

Krankengeaehiclite No, 29 . W., ein Malaye; weich elastischer 
Tumor. 

2. XII. Palpation in Rückenlage; medianw’ärts: 2 Fingerbreit 
nach innen von der Mamillarlinie; unten: 3 Fingerbr. unterhalb 
Rippensaum (II®). Ord.; täglich 1,0 Chin., 10 Tage. 

12. XII. Palpation in Rückenlage; der Tumor ist nur noch bei 



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04 



tiefer Inspiration hart am Kippensaum fühlbar (I — 0®). Ord.: täglich 
0,5 Chin., 6 Tage. 

17. XII. Palpation in Rückenlage: der Tumor erreicht median- 
wärts nicht die Mamillarlinie; nach unten wie am 12. XII. 

Krankengeschichte No. 30 . S., Malaye: harter Tumor (II*). 

2. XII. Palpation in Rückenlage: medianwärts: 2 Fingerbreit nach 
innen von der Mamillarlinie; Spitzen nach dem Nabel gerichtet; unten: 
gut 3 Fingerbreit unterhalb des Rippensaumes. Ord.: 10,0 Chin. in 
10 Tagen. 

12. XII. Palpation in Rückenlage: medianwärts: Spitze hart am 
Rippensaum in der Mamillarlinie; unten: Rippensaum (1*). Ord.: 
6,0 Chin. in 6 Tagen. 

17. XII. und 23. XII. Status wie am 12. XII. 

Krankengeschichte Ko. 31 . T., Malaye; weich elastischer 
Tumor. 

19. XII. Palpation in Rückenlage: medianwärts: 2 Fingerbreit nach 
innen von der Mamillarlinie; unten: r Fingerbreit oberhalb Nabel- 
niveau; Spitze: schräg nach dem Nabel; i'a Fingerbreit davon ent 
femt (111®). Ord.: 1,0 Chin.; darauf kurz dauernder Fieberparoxysm. 
Ord.: 8,0 Chin. und Eisen in 8 Tagen. 

27. XII. Palpation in Rückenlage: medianwärts: 3 Fingerbreit von 
der Medianlinie; unten: 3 Fingerbreit oberhalb Nabelniveau; Spitze: 
4 Fingerbreit vom Nabel (II — III®). Ord.: 3,5 Chin. und Eisen. 

10. I. Palpation in Rückenlage; medianwärts: 3'/j Fingerbreit 
von der Medianlinie; unten: 1' a Fingerbreit vom Rippensaum ent- 
fernt (I-II®). 

Krankengeschichte Ko. 32 . T. Tumor III®. 

23. XII. Palpation in Rückenlage: medianwärts: i Fingerbreit 
nach innen von der Mamillarlinie; unten: Nabelniveau; Spitze: genau 
im Nabel. Ord.: 6,0 Chin. und Eisen (6 Tage). 

29. XII. Palpation in Rückenlage: unten: i Fingerbreit oberhalb 
Nabelniveau; Spitze: schräg 2 F'ingerbreit vom Nabel. Ord.: 5,0 Chin. 
in 10 Tagen. 

7. I. Status idem. Ord.: 4,0 Chin. 

28. I. Palpation in Rückenlage: untere Grenze: 2 F'ingerbreit 
unterhalb des Rippensaumes (II®). 

Ich bemerke zum Schlüsse dieses Kapitels, dass ich auch 
den Versuch gemacht habe, durch Massage und Kompression 
mittelst Gummibinde eine Verkleinerung des Tumors zu er- 
zielen, ohne jedoch zu Überzeugenden Resultaten gelangt zu sein. 



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— 105 — 

Ich möchte beilsuhg auch die Frage anregen, ob es durch Kom- 
pression von Milztumoren nicht gelingen sollte, Fieberattacken 
auszulösen; die in dieser Richtung begonnenen Versuche habe 
ich nicht abschliessen können. 



Kapitel XII. 



Die Ätiologie der Malaria. 

Mit der Entdeckung der Marchiafava und Cellischen Plas- 
modien (15) im Blute Malaria-Kranker und mit der zahlreichen 
Bestätigung derselben durch Councilman (13), Golgi (5) u. a. 
ist die Ätiologie der Malaria in neue und exakte Bahnen gelenkt 
worden. Wenngleich auch die Bestätigung dieser Plasmodien 
für die Malaria- Fieber der Tropen z. Z. noch aussteht, so ist es 
doch mehr als wahrscheinlich, dass auch die Tropen-Malaria 
denselben mikroparasitären Einflüssen ihre Entstehung verdankt. 
Wir kennen jetzt den Entwicklungsgang, welchen diese Para- 
siten, einmal in die Blutbahn gelangt, nehmen; wir wissen, 
wie sich an bestimmte Phasen ihrer Entwicklung in den 
roten Blutkörperchen die Fieberparoxysmen knüpfen; wir haben 
erfahren, dass für das Zustandekommen der quartanen und der 
tertianen Formen Parasiten mit verschiedenen biologischen Eigen- 
schaften existieren; es ist aber eine wichtige Frage z. Z. noch 
ollen, nämlich, wo und unter welchen Bedingungen die Para- 
siten ausserhalb des menschlichen Körpers anzutreffen sind 
und wie sie in den menschlichen Körper hinein gelangen. Erst 
mit der Beantwortung auch dieser letzten Frage wird der Nutzen 
und die praktische Bedeutung dieser Entdeckungen recht er- 
sichtlich sein. Bis dahin muss man immer wieder von neuem 
diejenigen Ansichten diskutieren, welche über die Ätiologie 



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o6 



der Malaria seit Jahrhunderten mit mehr oder weniger Überein- 
stimmung von den verschiedenen Beobachtern aufgestellt wurden 
und deren Quintessenz in Folgendem enthalten ist: 

Das Malariavirus — dieser allgemein gehaltene BegritF 
muss hier wiederum in sein Recht treten — kommt unter ge- 
wissen tellurischen und atmosphärischen Einflüssen zur Ent- 
wicklung; es wird im Erdboden produziert, bei Vorhandensein 
genügender Feuchtigkeit und Wärme; gelangt vorzugsweise des 
Nachts oder in den Morgen- und Abendstunden aus dem Boden 
in die unteren Luftschichten, dringt dann am leichtesten in die 
(wärmeren) Wohnungen und Schlafräume des Menschen ein 
und inficiert so den Menschen. Ganz durchfeuchteter Boden 
und ganz trockener Boden lässt die Entwicklung des Malaria- 
virus nicht aufkommen. Wenn man in den Tropen von trockener 
und feuchter Jahreszeit reden darf, so sind die Infektions- 
bedingungen besonders häufig zu Beginn und gegen das Ende 
der Regenzeit. Dem Malariavirus haftet eine gewisse Trägheit 
an; es pflegt nur bis zu einer gewissen Höhe über dem Erd- 
boden sich zu erheben; es wird oft erst mit der Auflockerung 
des Bodens frei, weshalb Erdarbeiter vorzugsweise der Infektion 
ausgesetzt sind; es setzt sich nicht über das Wasser fort, wes- 
halb in der Nähe des Landes verankerte Schiffe nicht inficiert 
werden u. s. f. 

Diesem Schema entspricht eine zahllose Reihe praktischer 
Vorschläge und guter Winke, welche den in Malaria-Gegenden 
lebenden Personen zum Schutze gegen diese Krankheit gegeben 
werden: Schiffe sollen nicht in der Nähe des Landes verankert 
liegen, die Mannschaften nur während des Tages an Land ge- 
lassen werden, zur Nacht wiederum an Bord sein; die an Land 
wohnenden Personen sollen den Hauptwert auf „malariasichere“ 
Wohnungen legen: die Häuser sollen auf „mehrere“ Meter liohen 
Pfählen konstruiert sein, im übrigen an einem erhöhten Punkte 
liegen, es sollen sich keine Sümpfe in i — 2 Kilometer Entfernung 
in der Windrichtung befinden; der Erdboden unter dem Hause 
soll mit einer isolierenden Schicht (Gement, Asphalt) ver- 



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— 107 — 

sehen sein; ThUren und Fenster sollen zur Nacht geschlossen 
bleiben u. a. m.; „natürlich ist es nun notwendig,“ heisst es in 
einem darauf bezüglichen Bericht Sch walbes (i 6 ), „die Wohnung 
auch richtig zu benutzen, und da bleibt denn weiter nichts 
übrig, als in der Jahreszeit, in welcher die Fieber herrschen, 
das malariasichere Schlafzimmer bei Sonnenuntergang aufzu- 
suchen und erst nach Sonnenaufgang wieder zu verlassen.“ 
Derselbe Autor empfiehlt sodann, in ausgesprochenen Malaria- 
distrikten einen Respirator vor Mund und Nase zu tragen, be- 
stehend aus einem mit Kalkwasser getränkten Gazeläppchen. 
Brunhoff (17) empfiehlt, falls auf ebener Erde kampiert werden 
müsse, sich der Gummidecke als Unterlage zu bedienen etc. 

So unzweifelhaft viel Richtiges in diesen ätiologischen An- 
schauungen und den daraus abgeleiteten prophylactischen Vor- 
schlägen enthalten ist, so sehr wichtig ist es andererseits, sich vor 
einem zu einseitigen Schematismus in dieser Beziehung fern zu 
halten. Hirsch (2) bezeichnet nach kritischer Beleuchtung aller 
einschlägigen P'aktoren diese sog. „Sumpftheorie“ als eine 
„blendende“ und führt sehr gewichtige Thatsachen an, welche 
der Verallgemeinerung dieser Theorie entgegenstehen; jeder 
Arzt, welcher in ausgesprochener Malaria-Gegend mit vorurteils- 
freiem Blick seine Beobachtungen angestellt hat, wird dieser 
Warnung rückhaltlos beistimmen. Wenn irgendwo in der 
Medizin Vorurteile ausgebildet sind und laienhafte Vorstellungen 
Eingang gefunden haben und zu wissenschaftlichen Thesen ver- 
arbeitet wurden, so ist das gerade auf dem Gebiete der Malaria- 
Ätiologie der Fall gewesen. ist ja keineswegs zu verwundern, 
dass eine Krankheit von der grossen praktischen Bedeutung der 
Malaria auch die Küpfe des Laien vielfach zum Nachdenken 
anregt; das Missliche dabei ist nur, dass der Laie sich vorzugs- 
weise an die Beobachtungen hält, welche er an seiner eigenen 
Person und allenfalls an seiner nächsten Umgebung macht, wäh- 
rend er die Allgemeinheit gewöhnlich unberücksichtigt lässt. Der 
Kolonialarzt hat täglich Gelegenheit, von seinen Kranken die 
widersprechendsten und wunderlichsten Ansichten über das 



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— io8 — 

Zustandekommen der Fieber zu hören. Solche Ansichten sind 
bei näherer Betrachtung im grossen und ganzen als nichts 
anderes zu nehmen, als die dem Publikum geläufigen An- 
schauungen Uber das Zustandekommen von Krankheiten über- 
haupt. Der Laie wird niemals in Verlegenheit sein, seine Er- 
krankung auf eine bestimmte Ursache zurUckzufUhren; in Bezug 
auf die Malaria-Fieber glaubt er um so sicherer zu gehn, als er 
sich ja nur einer der vielen allgemein beliebten und allgemein 
gekannten Hypothesen anzuschliessen braucht, von welchen die 
eine oder die andere auf seinen Fall schon passen wird. Der 
objektive Beobachter und der wissenschaftliche Arzt wird sich 
ganz im Gegensatz dazu in den meisten Fällen in gänzlicher 
Verlegenheit sehen. Als Beleg dafür ein Beispiel: 

Nachdem ich mehrere Monate von FieberanfUllen frei geblieben 
war, bekam ich eines Morgens einen Fieberanfall. Ich hatte am Abend 
vorher in einem kleinen, gerade vielfach durch BlUtter verunreinigten 
Wasserlaufe gebadet, woselbst ich sonst nicht zu baden pHegte; hatte 
sodann das Abendessen besonders schlecht gefunden und ohne Appetit 
gegessen, hatte weiterhin wegen eines Gewitters eine schlechte Nacht 
gehabt, auch wegen Sturm und Regen gegen meine sonstige Gewohn- 
heit Fenster und Thüren schliessen müssen; zum Cbertluss war gerade 
in der Nühe meines Wohnhauses ein Weg geschlagen worden; was 
sollte ich mir nun daraus auswUhlen, das Bad, das Essen, das Gewitter, 
die geschlo-ssenen Fenster oder den Weg? Bei reiflicher Überlegung 
gar nichts; denn ich hatte jedes Einzelne schon einmal oder öfters 
erlebt und kein Fieber bekommen. 

Zu den heutzutage als überwunden zu betrachtenden An- 
schauungen gehört die Annahme, dass der Genuss schlechten 
Trink wassers Malaria erzeuge. Wenn es in dieser Hinsicht noch 
eines weiteren Beleges bedarf, so dürften die Finschhafener Ver- 
hältnisse dafür ins Feld geführt werden. Dort wurde alles Trink- 
wasser entweder eisernen sogenannten Wassertanks entnommen 
oder aus frischen, klaren Korallenbächen geschöpft; das Wasser der 
Tanks war das Uber die sauberen Wellblechtafeln des Daches ge- 
leitete Regenwasser, welches nach mehrfacher Untersuchung über- 
haupt frei war von organischen Substanzen, oder in loo cbm bis 
0,00183 davon enthielt (bei gelegentlichen Verunreinigungen des 



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— log — 

Wassers von den Dächern aus); das Wasser dreier benachbarter 
Flüsschen der Station Finschhafen enthielt ebenfalls nur 0,00056— 
0,00069 — 0,00142 organische Substanz. 

Die Ansicht, dass die Malaria durch Einatmung gewisser 
in Sumpfen oder sumpfigen Gegenden gebildeter Gase er- 
zeugt werde, hat wiederum in neuerer Zeit durch eine experi- 
mentelle Arbeit Schw’albe’s (18) eine neue Anregung erfahren. 
Der Autor glaubt auf Grund eines (einmaligen) chemischen 
Nachweises des Kohlenoxysulhdgases in der Luft einer Sumpf- 
gegend annehmen zu sollen, dass sich dieses Gas häutig in 
Malaria-Gegenden mit Sumpfboden vorfinde und knüpft daran 
folgende Schlussfolgerung; ,,Man kann sich nun sehr gut vor- 
stellen, dass bei der Malaria-Krankheit die Einwirkungen des 
Kohlenoxysulfidgases, welche ja meistens während längerer Zeit 
stattfinden, solche Veränderungen im Blute bewirken, dass die 
Produkte derselben, sei es bei ihrer Ablagerung im Körper durch 
kleine Blutergüsse oder durch Diffusionen oder Diapedesis, sei 
es bei ihrer Ausscheidung, ähnlich wie die harnsauren Salze, 
mehr oder weniger typische Fieberanfälle auslösen.“ Da das 
Kohlenoxysulfidgas am Tage durch die Sonne zersetzt werde 
und nur des Nachts aufträte, und zwar sich dann vermöge 
seiner Schwere zu Boden herabsänke, so werde es auch leicht 
erklärlich, warum die meisten Infektionen zur Nachtzeit und 
zumeist zu ebener Erde stattfänden. Diese Hypothese Schwalbe’s 
findet eine weitere Stütze in der Thatsache, dass auch bei der 
Einatmung anderer Gase, wie vorzugsweise des Arsen-Wasser- 
stoffes, Krankheitsbilder hervorgerufen werden, welche mit ge- 
wissen Formen der Malaria Ähnlichkeit haben. 

Im günstigsten Falle aber könnte diese Hypothese doch 
immer nur auf solche Malaria-Gebiete Anwendung finden, wo- 
selbst Sümpfe oder den Sümpfen ähnliche geologische Verhält- 
nisse vorliegen, ln Finschhafen wäre in letzterer Beziehung 
etwa zu denken gewesen an manche meist mit Mangroven be- 
standene niedrige KUstenplätze, welche durch Ebbe und Flut 
des Meeres abwechselnd freigelegt und überschwemmt wurden 



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I IO 



und woselbst sich dann besonders zur Nachtzeit, bei eingetretener 
Ebbe, oftmals sehr Üble SchvvefelwasserstoffgerUche bemerkbar 
machten; dass die Infektionen hier aber nichts mit solchen gas- 
artigen Ausdünstungen zu thun hatten, ging mir daraus hervor, 
dass derjenige Teil der Station, welcher diese Gerüche aus 
nächster Nahe und ganz ausschliesslich in Folge der nächtlichen 
Windrichtung (W.-Wind) erhielt, die Insel Madang, (s. die 
Krankenskizze auf pag. 2), stets den relativ besten Gesund- 
heitszustand hatte, während entferntere und höher ge- 
legene Teile der Station (auf dem Festlande), wohin diese Dünste 
nicht mehr gelangen konnten, regelmäfsig den ungleich un- 
günstigeren Gesundheitszustand repräsentierten.') Wenn somit 
die Gastheorie Schwalbe’s sich auf manche Gegenden überhaupt 
nicht anwenden lässt und besonders auch gegenüber den posi- 
tiven Befunden, welche über die Plasmodien im Blute Malaria- 
Kranker neuerdings gemacht sind, nicht mehr standhalten dürfte, 
so hat sie doch ihre sehr schätzbare Seite, indem nämlich dadurch 
ein weiterer sehr wertvoller Beitrag für die Anschauung ge- 
wonnen wird, dass das Fieber sowohl als auch die meisten 
anderen Erscheinungen der Malaria vorzugsweise herzuleiten 
sind von Störungen in der Blutzirkulation, ein Punkt, auf 
welchen ich weiter unten, Kapitel XIII, zurUckkommen werde. 

Hält man an der miasmatischen Natur des Malariavirus 
fest, so müssen bis zur weiteren Kenntnis dieses Miasma im 
speziellen Falle stets diese Fragen berücksichtigt werden: 

1. Welche Abhängigkeit zeigen die Infektionsbedingungen 
vom Boden? 

2. Welche Abhängigkeit zeigen die Infektionsbedingungen 
von der Jahreszeit? 



') Below (Mexiko) berichtet in der Sektion für Tropenhyg. etc. 
der 62. Vers, deutsch. Naturforsch, und Arzte von den gänzlich dar- 
niederliegenden sanitUtspolizeilichen Zuständen .Mexiko’s. In der Haupt 
Stadt Mexiko befindet sich ein „Centralsumpf“, in welchen Alles zu- 
sammengetragen wird, was Schmutz und Unrath heisst. Trotzdem 
komme daselbst Malaria nicht vor. 



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1 1 1 



3- Welche Abhängigkeit zeigen die Infektionsbedingungen 
von individuellen Verhältnissen? (Wohnung, Lebensweise, Rassen- 
und individuelle Disposition.) 

Wenn die Entstehung der Malaria vorzugsweise von einem 
Boden abhängig gemacht wird, welcher in physikalischem Sinne 
hygroskopisch ist, d. h. der Fähigkeit entbehrt, Wasser durch 
sich hindurchireten zu lassen (Moor und Thonboden), so müssen 
in Finschhafen die denkbar ungünstigsten Verhältnisse für das 
Gedeihen der Keime im Boden vorhanden gewesen sein. Denn 
bis auf eine niedrige Humusschicht besteht der Boden daselbst 
bis in grosse Tiefen hinein aus reiner poröser Koralle und deren 
Abkömmlingen; bei 2 zum Zwecke der Brunnengewinnung an- 
gestellten Bohrungen fand sich Grundwasser erst in ca. 10 m 
Tiefe in einem Niveau, welches dem Meeresspiegel entsprach, 
ln der That bedurfte es selbst nach stärkeren Regengüssen nur 
der Zeit weniger Stunden, um das Wasser versickern zu lassen, 
ein Umstand, welcher den dort beabsichtigten Kulturen recht 
nachteilig wurde. 

Auf der Insel .Madang fehlte die Humuslage Überhaupt; diese 
kleine lasel repräsentierte die reinste nackte Koralle und doch kamen 
daselbst Malaria-Krankheiten vor; es war aber dennoch ein Unterschied 
zu bemerken in der Häufigkeit der hier und der am Festlande auf- 
tretenden Infektionen. Ein ähnliches Verhältnis trat auf einer andern 
Küstenstation Hatzfeldthafen zu Tage; hier war es die kleine korallen- 
sandige Insel Fschirimotsch, welche gegenüber dem Festlande sehr 
günstige Gesundheitsverhältnisse aufwies. .Auch die am Kap Cretin 
gelegenen kleinen Tamiinseln erfreuten sich einer besonders kräftigen 
Eingeborenenbeviilkerung, welche nahezu frei war von Milztumoren, 
was, wie in Kap XI gezeigt wurde, bei den Eingeborenen des Festlandes 
im Allgemeinen nicht der Fall war; auch diese Inseln sind korallinisch 
und von sehr dünner Humuslage. Es hat also den Anschein, als ob 
selbst in einer ausgesprochenen Malaria-Gegend Plätze vor- 
handen sein können, an welchen die Infektionsbedingungen 
ungünstigere sind. Ob indiesem Falle die vergleichsweise geringe Ab- 
weichung in der physikalischen Hodenbeschaft'enheit der wirksame Faktor 
gewesen ist, muss ich dahingestellt sein lassen; jedenfalls ebenso wichtig 
erschien mir der Umstand, dass dieser dürftige Boden auch eine vergleichs- 
weise dürftige Vegetation (vorzugsweise Kokospalmen^ trug, so dass also 
hier, zusammengehalten mit der freien Lage der Plätze am Meere, ganz 
besonders günstige Ventilationsbedingungen vorhanden sein mussten. 



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I 12 



Es kann hier füglich die Erörterung der oft diskutierten 
Frage eingeschaltet werden, ob und in welcher Weise In- 
fektionen auf Schiffen zu stände kommen mögen; ein Schifl, 
sobald es nicht unmittelbar beim Lande verankert ist, müsste doch 
von allen Bodeneinflüssen frei zu denken sein; vorzugsweise 
haben denn auch die Beobachtungen auf Kriegsschiffen gezeigt, 
dass Malaria-Erkrankungen nur bei demjenigen Teile der Be- 
satzung aufzutreten pflegten, welcher mit dem Lande kommuni- 
zierte; bei dem andern Teile, der auf dem Schiffe verblieben 
war, nicht; dass also die Infektionen auf dem Schiffe vom Lande 
herrührien. ln Kaiser Wilhelms-Land, wo eine strikt durchge- 
führte Isolierung der Mannschaften auf den Schiffen nicht statt- 
finden konnte, habe ich nur konstatieren können, dass die 
Schiffsmannschaften ungleich seltener an Malaria erkrankten, als 
die an Land wohnenden Personen. Ganz besonders galt das 
von einem als Hulk verankerten Barkschiff, welches ich mich in 
dem Mafse wie einen immunen Platz zu betrachten gewöhnt 
hatte, dass ich meine erholungsbedürftigen Kranken stets dorthin 
zu schicken pflegte; ebenso von einem Segelschiff, welches 
mehrere Monate unthätig im Hafen lag; die Matrosen lebten 
dort in bester Gesundheit und erkrankten an Malaria gewöhnlich 
erst, nachdem sie in den Stationsdienst übergetreten und an Land 
Wohnung genommen hatten. Die Fälle, wo Matrosen, welche 
ebenfalls Stationsdienst versahen, aber auf dem Schiffe wohnen 
blieben, erkrankten, waren ungleich seltener. 

Interessant ist das Auftreten der Schiffs-Malaria unter 
Verhältnissen, wo eine Infektion der Mannschaften vom Lande 
aus mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Damit 
wird doch unter allen Umständen bewiesen, dass die Boden- 
einflüsse zwar die gewöhnliche, aber keineswegs die notwendige 
Vorbedingung zur Entwickelung des Malariavirus abgeben, ln 
den von Hirsch (2) gesammelten Beispielen über Schiffs-Malaria 
ist bemerkenswert die übereinstimmende Hervorhebung der Tat- 
sache, dass die infektionsverdächtigen Schiffsräume durch die 
Anwesenheit von Schimmelpilzen ausgezeichnet waren und dass 



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die Erkrankungen sich auf diejenigen Personen beschrankten, 
welche mit der verdächtigen Lokalität (Vorratsraum, hinterer 
Teil der unteren Batterie) in Berührung gekommen waren. Die 
Zahl der Beobachtungen von Schiffs-Malaria ist freilich eine 
recht beschränkte; eine Vermehrung derselben wäre im Interesse 
der Bedeutung der Frage sehr wünschenswert.*) 

Begünstigend auf die Entstehung der Malaria wirkt, so 
lautet ebenfalls eine alte Anschauung, die Auflockerung des 
Bodens; es wäre auch a priori sehr wohl erklärlich, wie die 
im Boden eingebetteten Keime, wenn sie daselbst in grosser 
Zahl existierten, mit der Umwälzung des Erdbodens an die 
Oberfläche gefördert werden oder wenigstens unter dem Einfluss 
energischerer Bodenströmungen aus den tieferen nach den höheren 
Bodenschichten emporgebracht werden könnten. Doch sind 
die Beobachtungen, auf welche man sich hierbei vorzugsweise 
stützt, nicht ganz einwandsfrei. So sicher nämlich die Thatsache 
besteht, dass Massenerkrankungen an Malaria überall da in 
Malaria-Gebieten aufzutreten pflegten, wo Erdarbeiten in grossem 
Mafsstabe ausgefUhrt wurden (Jahdegebiet, Panamakanal, Bahn- 
bauten in Süd-Russland — Werner), so sicher sind bei allen 
solchen Gelegenheiten eine grosse Reihe anderer, das Auftreten 
der Erkrankungen in hohem Mafse begünstigender Faktoren 
vorhanden gewesen, wie Durchfeuchtungen, Erkältungen, schlechte 
Wohnungen, materielle Entbehrungen, Alkoholmissbrauch, an 
und für sich reduzierte Individuen u. a. m. 

In Finschhafen erkrankten diejenigen unter den Europäern, 
welche Plantagenarbeiten beaufsichtigten, keineswegs häufiger 
am Fieber als andere; und unter den malayischen .Arbeitern ist 
es mir geradezu aufgefallen, dass diejenigen unter ihnen, welche 

') Einen Fall von Schiffs-Malaria teilen auch Kelsch und Kiener 
mit, (le poisont palustre, sa nature et ses propriete's: annal. d’hyg. 
No. 6 in Virchow-Hirsch, .lahresb. 1888, II), dessen Beobachtungen 
allerdings im Jahre 1853 zurUckliegen; hier zeigte sich das Auftreten der 
Malaria bei demjenigen Teil der Mannschaften, welche in engen 
Räumen plaziert waren. 

Schellong. 8 



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— II4 — 

mit Pflügen beschäftigt wurden, sich eines vergleichsweise besseren 
Gesundheitszustandes erfreuten als andere.') 

Sofern es sich nicht um Auflockerungen des Bodens handelt, 
soll das Malariavirus vorzugsweise in der Zeit zwischen Sonnen- 
untergang und Sonnenaufgang dem Boden entströmen, also in 
einer Zeit, wo sich die Aussenluft gemeiniglich abkühlt. Daher 
stammen denn auch die Vorschriften, sich des Nachts in der 
Wohnung bei geschlossenen Thüren und F'cnstern aufzuhalten, 
Schiffsmannschaften zur Nacht an Bord zurUckzubeordern u. s. w. 
Am bestimmtesten drückt sich Schwalbe (i6) aus, wenn er sagt; 
„Ich stehe nicht an, die folgende These zu formulieren: der 
Aufenthalt während des Tages selbst in verderblichen Malaria- 
Gegenden ist ohne Gefahr; dagegen ist schon der Aufenthalt 
während einer einzigen Nacht in solchen Gegenden ohne 
den nötigen Schutz gegen das Malaria-Gift sehr nachteilig, 
nicht selten tötlich.“ 



') Ich darf freilich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass 
die Eingeborenen der Finschhafener Gegend, einem alten Brauche ge- 
mäfs, ihre Plantagen an Yam, Taro und Zuckerrohr niemals in der 
Nachbarschaft ihrer Dörfer anlegen, sondern stets einige Kilometer 
davon entfernt, ein Verhältnis, welches ihnen doch offenbar unbequem 
sein und für dessen ZweckmUfsigkeit sie wohl instinktive Gründe 
haben mussten. Es ist bei der Wichtigkeit dieser Frage Pflicht, alle 
zuverlä-ssigen Beobachtungen, welche nach der einen oder der anderen 
Richtung klärend wirken könnten, zu sammeln. 

.Auf der 62. Vers, deutsch Naturforsch. und Arzte (Heidelberg, 
Sektion für Tropenhyg. etc.) sprachen sich Martin (Sumatra) und 
Below (Mexiko) zu Gunsten der .Ansicht aus, dass Infektionen von der 
Auflockerung des Erdbodens abhängig zu machen seien. Ersterer 
fuhrt folgendes Beispiel an: 3 Europäer leben lange zusammen in 
einem Hau.se, ohne dass einer von ihnen jemals am Fieber erkrankt; 
da beabsichtigen sie, einen Baumtarren am Hause zu pflanzen; der eine 
von ihnen holt denselben aus dem Walde mit 2 Malayen; da ihm die 
letzteren zu ungeschickt manipulieren, sticht er den Farren selbst aus; 
nach Hause zurUckgekehrt, hat er seine Malaria- Attacke. Herr Below 
führte aus, wie in New-York das Fortschreiten sowohl der Malaria 
als auch des Typhus an die Anlage einer Strasse geknüpft war; und 
zwar erkrankten hier nicht sowohl die Strassenarbeiter, als vielmehr 
die ansässigen I.eute, welche in der Nähe der Strassenanlage wohnten 



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— II5 — 

Ausgangspunkt aller dieser Anschauungen ist wohl die 
Beobachtung geworden, dass man an den Abenden Uber sumpfigem 
Terrain Nebel aufsteigen sieht und man auch, ohne dass es zur 
Nebelbildung kommt, durch den Geruch ein eigentümliches nicht 
naher zu definierendes Etwas wahrnimmt; das habe ich aucli 
in den Tropen empfunden, wenn ich des Nachts durch den 
Urwald ging; Manchen riecht es nach Feuchtigkeit, Anderen 
nach Boden, Anderen nach Vegetation. Natürlich ist Einbildung 
dabei mit im Spiel. 

Ich habe den Versuch gemacht, dieser Frage in folgender 
Weise näher zu treten: Soyka (12) lehrt in seiner Bodenhygiene, 
dass auf das Zustandekommen der Luftströmungen im Boden 
vorzugsweise die Temperaturunterschiede von Einfluss sind, 
welche zwischen Aussenluft und Boden (=ßodenluft) bestehen. 
Gemeiniglich geht die Luft zur Nachtzeit mit erhöhter Spannung, 
mit Steigerung des Luftdrucks parallel; die wärmere Luft des 
Tages ist umgekehrt einer LuftverdUnnung oder Verminderung 
des Luftdruckes gleich zu setzen, so dass also Abkühlung der 
Aussenluft die Bodenluft herabpressen muss, Erwärmung der- 
selben die (kühlere) ßodenluft nach aussen emporhebt, ln unsern 
gemäfsigten Klimaten würde in der Sommerzeit ein Ausströmen 
der Bodenluft zur Nachtzeit also gewöhnlich nicht stattfinden, 
vielmehr das eher am Tage zu erwarten sein. 

Um für dieses Verhältnis in den Tropen einen Ausdruck 
zu gewinnen, habe ich die Luft- und Bodentemperaturen 
verschiedener Monate, besonders .solcher, welche durch hohe oder 
niedrige Erkrankungszift'ern auffielen, gegen einander in Vergleich 
gesetzt. Ich benutzte dazu die meteorologischen Aufzeichnungen 
der Station Finschhafen und zwar erschien es mir zweckmäfsig, 
von der Betrachtung ganz kleiner Zeiträume (Tage) absehend, 
nur jedesmal das Greifbarste aus den Notierungen von je 5 Tagen 
des Monats (einem Monatssechstel) herauszuheben. 

So suchte ich mir heraus, aus je 5 Tagen (s. Tabelle B): 

1. die höchste Lufttemperatur morgens 7 Uhr (Rubrik 11), 

2. die niedrigste Bodentemperatur morgens 7 Uhr (Rubrik 111) 

8 « 



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und nahm die Differenzen beider in Rubrik IV. Es wurde damit 
ein Ausdruck für die denkbar grösste Schwankung dieser beiden 
Werte gewonnen. Denn wenn die aus 5 Tagen notierte niedrigste 
Bodentemperatur die aus 5 Tagen notierte höchste Lufttemperatur 
Uberwog, so war damit zugleich ausgedrUckt, dass dieses Ver- 
hältnis für jeden einzelnen Tag des Monatssechstels statt hatte, 
da es sich ja offenbar immer nur noch um niedrigere Luft- 
temperaturen bei gleichbleibender oder höherer Bodentemperatur, 
oder um höhere Bodentemperatur bei gleichbleibender oder 
niedrigerer Lufttemperatur handeln konnte. 

Das Überwiegen der Bodentemperatur drückte mir dann 
zugleich eine Bodenluftströmung in ansteigender ( 1 ), das Über- 
wiegen der Lufttemperatur eine solche in aufsteigender Richtung 
(t) aus. 

Ich nahm weiterhin an, dass dasjenige Verhältnis, welches 
sich zur Zeit morgens 7 Uhr, also eine Stunde nach Sonnen- 
aufgang, hcrausstellte, wohl im Allgemeinen auch während 
der Nacht statt gefunden haben dürfte; denn während der Nacht 
waren die Lufttemperaturen entschieden niedriger als an dem 
.■\blesungstermine morgens 7 Uhr. 

Um noch sicherer zu gehen verfuhr ich dann weiter 
folgendermafsen: 

Die Luftminima für den Zeitraum eines vollen Tages (da 
dieselben in die Nacht fallen, so also auch die Nachtminima) 
lagen mir vor. 

Nach mehrfachen Berechnungen betrugen diese im Durch- 
schnitt 4° C weniger als die Lufttemperaturen morgens 7 Uhr. 
Die Bodenminima waren nicht genommen worden; da die 
Temperaturschwankungen im Boden aber trägere sind, so werden 
die Boden-Minima sicherlich nicht 4° weniger als die ßoden- 
temperaturen morgens 7 Uhr betragen haben. 

Es ist also ganz entschieden zu Gunsten der Bodenluft- 
strömungen in der Richtung aufwärts (der für die Nachtzeit 
gemeiniglich behaupteten) ein Plus eingeräumt, wenn ich in der 



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Tabelle B 



I 


11 


III 


IV 


V 


VI 


VII 


VIII 


i 

1 

i 

Datum 


aus 5 Tagen: 


ßoden- 

lufl- 

strömnng 

t 4 


Luft- 
minimum 
aus dem ' 
Durch- 
schnitt 
von 

5 Tagen 


Boden- 
minimum 
(approxi- | 
mativ) j 


Boden- 

luft- 

strömung 

t i 


Summierte 

Werte 


höchste 

Luftlcmp. 


niedrigste 

Boden- 

icmp. 



August 87 (26,5%) 



»-- 5 - 


27.0 


26.0 


t '-0 


21. 1 


22.0 


0.9 i 


t 04 


6. — IO. 


24.6 


25.2 


0.6 4 


20.7 


21.2 


0.5 i 


I.I i 


II.— 15. 


25.1 




04 J 


21.8 


21.5 


t 0.3 


O.I j 


16. — 20. 1 


25.6 


26.3 


0.7 1 


21.9 


22.3 


t 04 4 


I.I 4 


2f. — 25. 


24.2 


25.9 


'■7 4 


21.2 


21.9 


! 0.7 i 


2.4 1 


26.— 31. i 


1 ^ 4 '^ 


24.9 


0-3 4 


21. 1 


20.9 


1 0.2 


O.I 4 



4-7 I 



Dezember 87 (30%) 



1.— 5. 


27.2 


27-5 


0.3 4 


21.8 


23-5 


1-7 4 


2.0 4 


6. — 10. 


26.7 


275 


0.8 4 


21.7 


235 


1.8 4 


2.6 4 


II.— 15. 


25.8 


27,5 


1-7 4 


21.6 


23.5 


1.9 4 


3-6 4 


16.— 20. 


26.7 


27.2 


0.5 4 


21.3 


23.2 


1.9 4 


2.4 4 


21. — 25. 


27-9 


27.0 


t 0-9 


22.9 


23.0 


O.I 4 


t 0.8 


26.— 31. 


26.4 


27-3 


0.9 4 


22.1 


23.0 


1.2 4 


2.1 4 



11.9 I 



Januar 88 ( 35 ®/o) 



I.— 5. 


27.8 


28.0 


0.2 4 


22.5 


24.0 


1.5 4 


«■7 4 


6.— 10. 


27-5 


27-5 


t 0 4 


22.9 


23 5 


0.6 4 


0.6 4 


II.-I5- 


26.9 


27-3 


0.4 4 


23.1 


23-3 


0.2 4 


0.6 4 


1 6. — 20. 


250 


27.0 


2.0 4 


23.2 


23.0 


t 0.2 


1.8 4 


21. — 25. 


25-3 


27.0 


1.7 4 


22.8 


23.0 


0.2 4 


1.9 4 


1 

r« 


0» 

be 


27.4 


■•6 4 


23.0 


24.4 


0.4 4 


2.6 4 



8.6 I 



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Tabelle B 



1 


II 


III 


IV 


V 


VI 


VII 


VIII 




aus 5 Tagen: 


ßodcn- 

lufi- 

strömung 

t i 


Luft- 
minimum 
aus dem 
Durch- 
schnitt 
von 

5 Tagen 




Boden- 

luft- 

Strömung 

t i 




Datum 


höchste 

LufUcmp. 


niedrigste 

Boden- 

temp. 


Boden- 

minimum 

(approxi- 

mativ) 


Summierte 

Werte 



Februar 8S (30 **/n) 





24.8 




i 






t 0-4 


T.I 1 


6. — 10. 


26.S 


281 


1.6 J 








1.6 1 


»•—13. 




28.7 


L 4 i 


24-9 


liJ . 


f 0.2 


1.2 4 


16.— 20. 


26A 


27.6 


Ul i 




2^.6 


0.5 l 


1.6 ; 


21,— 2^. 


26.4 


2Q.0 


2.6 4 




2^.0 


1.6 i 


4.2 4. 


26, — 2q, 


27,2 


2f),2 


2^ 1 


2i2 


2^.2 


1-5 1 


3*5 l 



Juni 82 (54%) 



Mai 8j (69%) 



>3-2 l 



1— <;■ 


24.6 


28.2 




2T.S 


24.2 


2-7 l 


5-3 4 


6. — 10. 


26.0 


28.6 


LZ i 


21.4 


24^ 


3-2 4 


4'9 4 


»I— 13 - 


2:;,2 


28.6 


M ^ 


2 U 4 


24.6 


2.8 4 


6.2 4 


16.-20. 




28.7 


i 


21.2 




3-5 4 


6.7 4 


21. — 2S. 


2 S.2 


28.0 


23 i 


22.1 


24.0 


1.9 4 


4-7 4 


d 

1 

^d 


24.6 


26.1 


L 3 1 


2UI 


22.T 


i.o 4 


2.5 4 



30-3 i 



I.-S. 


2LS 


30.0 


Lli 


21.8 


26.0 


4.2 4 


9-7 4 


6.— 10. 


HLH 


39-9 


i 


21.6 


aS-9 


4-3 4 


9.0 4 


'»•— «5- 


2J^ 


28.8 


^•9 4 


20.7 


24.8 


4.1 4 


7.0 4 


l6.— 20. 


2L1 


23^ 


4 


20.8 


2:^.6 


4.8 4 


9.0 4 


21.— 24. 


26,7 


»9-3 


LS 4 


21.7 


2 Si 3 


3.6 4 


6.1 4 


26. — 41. 


^4-9 


29.0 


4-1 4 


21.8 


25-0 


3.2 4 


7-3 4 



48.1 I 



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II? 



Hubrik VI die Bodenminima durch Subtrahieren der Werte der 
Rubrik III mit IV, schätzungsweise berechnete. 

Die so erhaltenen Bodenminima wurden nun mit den 
l.uflminima in Vergleich gesetzt und wiederum in Rubrik V'II 
die Differenz beider zahlenmälsig ausgedrUckt.*) 

In der Rubrik VIII endlich wurden die gleichnamigen 
Werte der Rubrik IV und VII addiert, die ungleichnamigen 
subtrahiert. 

Die Addition der Werte der Rubrik VIII unter einander 
ergab dann schätzungsweise Werte für das gegenseitige Ver- 
halten der Luft- und Bodentemperaturen im Monate, bezw. 
einen Ausdruck für das Verhältnis, in welchem Bodenluft- 
strOmungen in auf- oder absteigender Richtung (t oder f) im 
Monat statt fanden. 

Das Resultat, welches diese Untersuchungen ergeben haben, 
ist ein sehr überraschendes. Es zeigt sich nämlich, dass in allen 
sechs Monaten Tendenz zu abwärts gerichteten Luft- 
strömungen ( 4 ) im Boden während der Nachtzeit vorhanden 
war, dass aber dieses Verhältnis ganz besonders in den un- 
günstigsten Monaten Mai mit 60% uüd Juni mit 54 “/o Er- 
krankungen zu Tage trat, während der allcrgünstigste Monat 
August mit 26,5% Erkrankungen die allergeringste Tendenz zu 
abwärts gerichteten Strömungen bekundete. Die Monate De- 
zember 1887 ( 30 ®/o)i Januar 1888 (35%), Februar 1888 (30%) 
mit ebenfalls vergleichsweise niedrigen Erkrankungsziffern hatten 
ebenfalls geringe Abwärtsströmungen. 

Wenn man die herausgerechneten Temperaturwerte 
(Rubrik VIII) einer Infektionskraft gleich setzen darf, so würden 
sich verhalten haben die Monate: 

') Es wäre für diese Untersuchungen allerdings von weit 
grösserem Werte gewesen, statt der niedrigsten Bodentemperaturen des 
Ablesungstermins (7 Uhr) die wirklichen Bodenminima zu haben und 
solche den Luftminima und zwar, beide getrennt in Tages- und Nacht- 
minima, gegenüber zu .stellen. 



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— ii8 — 

August 87 (i6,$o n) : Dezember 87 (30“ ; Februar 88 (30% Erkrank.) 
wie 5 : 12 : 13, oder diese 

Kräfte auf den j 

niedrigsten I ^ 

Wert 5:1 
reduziert ' 

Januar 88 (35"/o) : Juni 87 (54%): Mai 87 (640,0 Erkrank.) 

wie 9 ; 30 ; 48, oder diese 

Kräfte auf den | 

niedrigsten L,,je , g ; 6,0: 9,6; 

Werth 5:1 I 
reduziert ' 

Die I.uftstrbmungen in der Richtung nach dem Roden waren also 
in dem ungünstigsten Monat Mai nahezu 10 Mal so stark, wie in dem 
günstigsten Monat August. Das spricht also keineswegs für die An- 
nahme, dass das .Malariavirus vorzugsweise zur Nachtzeit aus dem 
Roden frei werde. 

Nun wird aber weiterhin und wahrscheinlich mit grösserem 
Hecht, hervorgehohen, dass besonders ein Zuströmen der Boden- 
luft während der Nacht in die Wohnungen statt habe. Die 
Wohnungen zu ebener Erde werden mit wärmenden Glocken 
verglichen, welche die darunter befindliche kühlere Luft des 
Bodens während der Nacht in dauernder Aspiration zu halten 
vermögen. Man bleibt sich allerdings nicht ganz konsequent, 
wenn man daran die Vorschrift knüpft, Thüren und Fenster 
des Nachts geschlossen zu halten; warum das? um die wärmende 
Glocke noch wärmer zu machen und die Difterenz zwischen 
Zimmer- und Bodenluft noch zu vergrössern? ln Konsequenz 
derselben Vorstellung wird dann auch die Forderung gestellt, 
den Untergrund des Hauses mit einer isolierenden Schicht aus 
undurchlässigem Material, Gement, Asphalt etc. zu versehen. 

Nun kommt es für diese Frage aber sehr darauf an, in welcher 
Weise das Haus konstruiert ist. Ein Haus aus massiven Wänden 
wird während der Nacht mehr Wärme in sich schliessen, als 
ein leichtes Bretterhaus. Da Holzhäuser fernerhin wohl aus- 
nahmslos (mit Ausnahme der sogenannten Blockhäuser) auf einen 
Pfahlunterbau gesetzt werden, der Fussboden dann also stets 
in einer bestimmten Höhe über dem Erdboden zu liegen kommt. 



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'9 



so wird die Luft unter dem Hause freien Spielraum genug 
haben, um sich mit der das Haus umgebenden Luft nahezu 
oder vollständig auszugleichen; es wird also hier nicht leicht zu 
einem Einströmen der Bodenluft von unten her in die Wohn- 
raume kommen können. Ich habe verabsäumt, in dieser Richtung 
thermometrische Messungen anzustellen, was ich im Interesse 
dieser Frage bedaure. 

Ich sowohl wie die meisten meiner Freunde liaben in 
Finschhafen bei offenen Fenstern und 'I'hUren in Holzhäusern 
geschlafen; und ich hatte die Empfindung, dass dann in dem 
Schlafzimmer annähernd dieselbe Temperatur vorhanden war 
wie draussen, dass also die luftaspirierende Wirkung des Hauses 
keine sehr grosse gewesen sein konnte. 

Auch hier ist eine Betrachtung der bei den Eingeborenen 
in dieser Beziehung herrschenden Gewohnheiten am Platz. Es 
heisst allgemein, die Papuas bauen ihre Häuser auf Pfählen, und 
wer nichts Näheres darüber weiss, würde nur zu leicht geneigt 
sein, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Papuas sich in dieser 
Weise ähnlich wie die Landbevölkerung der Campagna gegen 
die Malaria zu schützen suchten. Die Papuas konstruieren ihre 
Häuser allerdings öfters auf Pfählen; es wechselt diese Bauart 
jedoch nicht nur nicht mit der Gegend, sondern an ein und 
demselben Orte kann man oftmals ebenso viele Pfahlhäuser als 
zu ebener Erde gestellte antreffen.') In einem grossen Teile 
des Bismarck- Archipel (so Gazellen-Halbinsel und Nordspitze 
von Neu-Mecklenburg — Nusa-Distrikt) wohnen und schlafen 
die Leute aber überhaupt nicht in Pfahlhäusern, sondern durch- 
weg zu ebener Erde. Die Wände der Häuser sind dort durch 
mehrere über einander gelegte Bündel trockenen Grases besonders 

Wenn die Eingeborenen ihre Häuser auf Pfählen bauen, so 
denken sie bewusst oder instinktmäfsig vielleicht weniger an die Her- 
stellung einer geeigneten Ventilation für den Wohnraum und die darin 
gewöhnlich vorhandenen Eeuerstellen, als vielmehr an andere praktische 
Seiten dieser Konstruktion (Kochen unter dem Hause während der 
Regenzeit etc.). 



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20 



fest und iindurchgängig gefügt; einzige Öffnung, durch welche 
ein Zuströmen der Luft möglich, ist die niedrige, kaum manns- 
breite Thür; wenn man durch dieselbe eintritt, setzt man den 
Fuss auf dasselbe schwarze Erdreich, welches die Umgebung 
des Hauses ausmacht; so gleichen diese kleinen Grashauser mit- 
unter gelben Strohhaufen, in welche man sich durch ein kleines 
Loch hineingewühlt hat. Diese Hauart entsprang sicherlich 
dem Bestreben der Leute, sich recht warme Schlafstellen zu 
beschaffen; denn da sie unbekleidet sind, bedürfen sie eines 
solchen Schutzes, wenn sie nicht, wie an manchen Orten, vor- 
ziehen wollen, am Feuer zu liegen. Unter solchen Umständen 
würde ein Zuströmen der Bodenluft in diese Hütten ganz vor- 
wiegend zu denken sein und trotzdem findet man in dieser Gegend 
gerade einen besonders gut genährten und vergleichsweise 
kräftigen Menschenschlag, mit einem sehr viel geringeren Pro- 
zent.satz Milztumoren, wie im Finschhafener Bezirk, wo die 
Pfahlkonstruktionen vorherrschend sind (siehe darüber Kapitel 
Milztumor). Dass die Infektionen zur Nachtzeit durch das Ein- 
strömen der Bodenluft in die Wohnungen zu stände kommen, 
bedarf also immerhin noch zum wenigsten der weiteren Unter- 
suchung und Bestätigung. Ein Faktum scheint noch am meisten 
für diese Annahme zu sprechen, nämlich der Umstand, dass die 
auf den Schiften wohnenden (d. i. schlafenden), aber mit Land- 
dienst beschäftigten Personen sehr viel seltener erkranken als 
die an Land wohnenden; nach meinen Beobachtungen gestaltete 
sich dieses Verhältnis ungefähr wie i : 3; jedenfalls habe ich 
daraus schliessen müssen, dass die auf den Schiften stationierten 
Personen sich zur Nachtzeit unter anderen und zwar günstigeren 
Bedingungen befunden haben müssen, als die an Land wohnenden. 

Welche Abhängigkeit zeigen die Infektionsbe- 
dingungen von der Jahreszeit? Die Jahreszeit ist das Produkt 
des Zusammentreffens verschiedener meteorologischer Faktoren; 
sofern den letzteren ein Einfluss auf das Gedeihen oder Nicht- 
gedeihen der Malariakeime zufällt, werden die Erkrankungen zu 
verschiedenen Zeiten des Jahres in verschiedener Intensität auf- 



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12 



treten; sofern weiterhin die beeinflussenden meteorologischen 
Faktoren mit einer gewissen Regelmässigkeit im Jahre wieder- 
kehren, wird auch bei den Erkrankungen eine konstant sich 
wiederholende Jahreskurve zu erwarten sein. 

Man spricht in den Tropen von einer trockenen und 
einer Regenzeit, oder von einer kühleren und einer Regenzeit; 
diese Gegenüberstellungen sind nicht ganz korrekt. Unter dem 
7° südlicher Breite gab es eine trockene und zugleich 
he iss ere und andrerseits eine feuchte und zugleich kühlere 
Jahreszeit (Trocken- und Regenzeit) und, was für unsere Ver- 
hältnisse von ebenfalls grosser Wichtigkeit ist, zwischen beiden 
mehr oder weniger ausgedehnte Übergangszeiten. 

Der Luftdruck war stets nur geringen Schwankungen unter- 
worfen, bewegte sich im Allgemeinen einige Millimeter oberhalb 
oder unterhalb 760 mm; ebenso wenig traten Temperaturdift'e- 
renzen von solcher Grösse innerhalb der einzelnen Monate zu 
Tage, dass man daraus irgend welche Schlüsse zu ziehen sich 
berechtigt ansehen könnte. Die 'remperaturmaxima und -minima 
im Monat zeigten eine äusserste sich ziemlich konstant bleibende 
Differenz von g° — 13°; höchste Temperatur in der ausgesprochen- 
sten Trockenzeit (Januar 87) war 34,1°; höchste in der aus- 
gesprochensten Regenzeit (August 87) 31,3°; die niedrigste Tem- 
peratur in diesen Monaten 20,5° und 20,7°. Es waren jedenfalls 
während des ganzen Jahres diejenigen Temperaturen vorhanden, 
welche der Entwickelung des Malariavirus sonst förderlich zu 
sein pflegen (20° und mehr, nach Tomasi-Crudeli). 

Die am meisten zu Tage tretenden Schwankungen zeigten 
die Niederschläge; und hier galt es, aus den vorhandenen Zahlen 
einen gesetzmäfsigen Zusammenhang herauszuflnden. 

Aus der Taf. IX ist zunächst ersichtlich, da.ss die Regenmengen der- 
selben Monate in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht ganz gleiche 
waren; so Hel die grösste Regenzeit im Jahre 86 auf den Juli, im Jahre 87 
auf den August; aber im Allgemeinen Helen die Hauptregenmengen 
doch in die Zeit von Juni bis September, während die Monate De- 
zember bis Mürz die trockenste Jahreszeit darstellten. Lässt man mit der 
Kurve der monatlichen Regenmengen eine Kurve der monatlichen Er- 



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122 



krankungen in Prozenten parallel laufen, so springt ein VerhUltnis 
sofort in die Augen, d. i. das Zusammenfallen der beobachteten 
niedrigsten Erkrankungen mit der beobachteten höchsten Regenmenge 
im August 87; annähernd bringt sich ein gleiches VerhUltnis für den 
ausgesprochensten Regenmonat des Jahres 86 (Juli) zum Ausdruck; 
es zeigt sich auch, dass ein plötzliches Abfallen der Erkrankungen im 
Februar 87 mit einer plötzlichen Vermehrung der Niederschläge (von 
19 auf 226 mm) im Zusammenhang steht; ebenso sieht man mit dem 
allmUhligen Ansteigen der Regenmengen von Juni bis August 87 ein 
allmUhliges Abfallen der F'rkrankungskurve parallel gehn. 

Aus allem dem dürfte das alte Gesetz wohl seine Bestäti- 
gung finden, dass grosse Regenmengen die Entwickelung des 
Malariavirus hemmen. 

Schwieriger ist es, ein solches gesetzmülsiges Verhalten für 
die trockenen Monate zu erkennen. Im Jahre 86/87 zeigt sich 
mit beginnender Trockenzeit im Oktober ein auffallendes Steigen 
der Erkrankungen; der Beginn der Trockenzeit im nächstfolgenden 
Jahre (87/88), ebenfalls Dezember, mit annähernd denselben 
Niederschlägen (dort 64 mm bei 16 Regentagen, hier 58 mm hei 
13 Regentagen), lässt in dieser Beziehung aber vollständig im 
Stich, da hier die Erkrankungszill'ern gerade sehr niedrige sind 
(dort 64 «/o, hier 3o“/„). 

Für die Trockenzeit 85/86 liegen meteorologische Daten nicht 
vor, doch weiss ich aus den Notierungen, welche ich mir gemacht 
habe, dass die Monate Anfang F ebruar bis Anfang Mai 86 den Charakter 
einer ausgesprochenen Trockenzeit trugen, während dann im Monat 
Mai die Regenzeit einsetzte. Die in die Mitte der Trockenzeit fallenden 
Monate März und April zeigen auffallend niedrige Erkrankungsziflern; 
das zusammen gehalten mit den Beobachtungen der Trockenzeit des 
3. Jahres 87/88 wlirde dazu angethan sein, ebenfalls zur Bestätigung 
des alten .Satzes zu dienen, dass ganz trockene Monate ebenfalls 
auf die Abnahme der Erkrankungen Einfluss haben, freilich 
nicht einen so ausgesprochenen wie ganz nasse Monate. 

Die Trockenzeit 86/87 bildete demnach wahrscheinlich eine Aus- 
nahme, für deren Erkenntnis die Gründe zunächst ganz fehlen; es 
mag sein, dass die im Februar 87 in die Trockenmonate eingeschobene 
Regenmenge von 226 mm wie eine kleine Regenzeit für sich wirkte, 
nach deren Aufhören die Erkrankungen wieder häufiger wurden. Es 
mag sich aber während dieser Zeit überhaupt um eine aussergewöhnliche 
.Steigerung der Infektionsbedingungen gehandelt haben, wie solche in 



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123 



Malaria-Gegenden ohne VerUndening der meteorologischen Bedin- 
gungen gelegentlich in bisher unerkUirter Weise verkommen. Oie 
Anzahl der Regentage im .Monate läuft der Menge der monatlichen 
Niederschläge annähernd parallel. Ob etwa die einzelnen Regengüsse 
im Monat und die Bedingungen, unter welchen sie fallen, ob zur 
Tages- oder Nachtzeit etc. von Bedeutung für die in Rede stehende 
Frage sind, ist aus der Tabelle nicht ersichtlich. Kine solche Beob- 
achtung hätte es mit überaus kleinen Zeiträumen zu thun und be- 
nötigte eines sorgfältigst eingerichteten Beobachtungsapparates. 

Es bleibt noch übrig zu erörtern, welche Bedeutung dem 
Winde beziehungswei.se der Windrichtung bei dem Zustande- 
kommen der Malaria-Infektion zuzuschreiben ist. Einer alten 
Anschauung zufolge vermag das Malariavirus Uber eine bestimmte 
Höhe Uber den Erdboden sich nicht zu erheben; desshalb auch 
die Vorschrift, Häuser auf i'/a m hohe Pfähle zu setzen, in den 
II. Stockwerken zu übernächtigen etc.; andrerseits aber wird 
wiederum angenommen, dass die Malaria-Keime meilenweit mit 
den Winden fortgerissen werden und so neue Infektionsheerde 
bilden, alte ihrer Keime berauben könnten. Mir ist es immer 
unfassbar gewesen, wie die Malaria-Keime, welche doch nicht 
anders als feinste Partikelchen zu denken sind, einmal in der 
Luft befindlich, nicht ebenso hin und her bewegt werden sollten 
wie jedes feine Stäubchen sonst; ich habe daher auch nie 
anders als an die Ubiquität des Malariavirus in einer 
Malaria-Gegend glauben können; dem steht natürlich nicht 
entgegen, dass sich die Keime nicht irgendwo in ganz besonderer 
Häufigkeit deponieren, beziehungsweise irgendwo nicht ganz 
besonders wirksam werden könnten. Winde kommen in den 
Tropen hauptsächlich in Betracht als die Träger von Regen 
oder Sonnenschein; doch sofern die Windbewegung von der 
See herkommi, wird sie auf die Küste reinigend wirken, sofern 
sie seewärts geht (also stets die Nachtwinde) wird sie die 
Siedelungen der Menschen an der Küste auch mit Keimen aus 
dem Urwalde des Landes besäen können. 

Wie wirken individuelle Verhältnisse auf das Zu- 
standekommen von Infektionen? Wenn man von allen 



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24 



klimatischen Faktoren im weitesten Sinne absieht, so bleibt für 
die Erörterung der ätiologischen Seite der Malaria noch das 
breite Feld übrig, welches unter dem Begriffe der individuellen 
Verhältnisse zusammengefasst werden kann. Hierher gehört 
also Alles, was dem Menschen nach Rasse, Geschlecht, Konsti- 
tution, Lebensgewohnheiten etc. eigentümlich ist, was, sofern 
es sich bei jedem Menschen in verschiedener, individueller Weise 
vorfindet, auch für jedes Individuum in verschiedener Weise 
im ätiologischen Sinne mitwirken kann. 

Bei weitem die grösste Beachtung verdient hier die 
Wohnung des Menschen; wie dieselbe möglicherweise die 
Malaria-Keime aus dem Boden emporzuheben, in sich hinein- 
zuziehen und in die gefahrbringende Näiie des Menschen zu 
bringen vermag, ist bereits hervorgehoben worden; es kommt jetzt 
darauf an, diejenigen Gesichtspunkte herauszufinden, welche, der 
Wohnung als solcher anhaftend, von Einfluss aufdie in Rede stehende 
h'rage sein könnten: da der Mensch in seiner Wohnung 
sich fast die Hälfte von 24Stunden aufhält, so müssten 
die Infektionsbedingungen, welche der Wohnung etwa 
anhaften, ganz besonders in Wirkung treten können. 
Ich habe in Finschhafen der Wohnungsfrage alle Aufmerksam- 
keit entgegen gebracht und beobachtet, dass die Häufigkeit der 
Erkrankungen »n den verschiedenen Wohnungen eine so un- 
gleich verschiedene war, dass man dieses Verhältnis nicht als ein 
bloss zufälliges ansehen konnte. Wenn — um ein Beispiel anzufüh- 
ren — an den monatlichen Erkrankungen in dem einen Hause i,6, 
in dem anderen 8,9 Personen teilnehmen (beides auf Grund einer 
halbjährlichen Beobachtung auf die Zahl von 10 Hauseinwohnern 
berechnet), so war man doch sehr versucht, die Ursachen für 
dieses auffällige Verhältnis in der Wohnung selbst zu suchen. 

Beide Häuser waren im Allgemeinen nach den gleichen Prin- 
zipien konstruiert; sie unterschieden sich aber dadurch sehr wesentlich, 
dass das eine Haus bei q,ox6,o m in 3, während das andere bei 
12,5x2,5 m in IO Zimmer geteilt war, das letztere mithin pro Zimmer 
nur 3V2 m Quadratflächc darbot. Ich kann nun nicht anders als an- 



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— 125 — 

nehmen, dass die BauplUnc nicht mit der genügenden Sorgfalt geprüft 
worden waren; denn es wUre ja ganz absurd, einem Menschen in den 
Tropen zumuthen zu wollen, in derartigen Puppenstuben zu leben; 
aber auch nachdem je 2 dieser Zimmer zu einem vereinigt worden 
waren, blieb der Raum, welcher jetzt mit ca. 6 m QuadratHUche der 
Person zu Gebote stand, noch immerhin ein recht beschränkter. 

Wie in engen Wohnungen, so war auch in Zelten, 
welche längere Zeit als Wohnung dienten, die Häufig- 
keit der Erkrankungen eine sehr auffallende. Ein älterer 
Mann, welcher mehrere Monate in Finschhafen gelebt hatte, ohne 
am Fieber zu erkranken, wurde fast mit dem Augenblicke krank, 
wo er ein Zelt zu beziehen sich genötigt sah und fiel seitdem 
von Fieber zu Fieber. 2 Missionare, welche sich in Zelten ein- 
quartien hatten, fielen den schwersten Fiebererkrankungen an- 
heim und das änderte sich erst, als sie in die Lage gekommen 
waren, ein geräumiges, luftiges Haus zu beziehen. Die Zahl 
solcher Beispiele liesse sich vergrössern; sie haben mir die Über- 
zeugungbeigebracht, dass enge, ungenügende Wohnräume 
dem Zustandekom men der Infektionen förderlich sind.*) 
Man fragt sich nun, worin die Schädlichkeiten solcherWohnungen 
bestehen; es lie.sse sich doch, so sollte man meinen, auch 
in engen Wohnräumen durch permanentes Oft'enhalten von 
Fenstern und ThUren ein solcher Grad von Ventilation er- 
zielen, dass für den darin wohnenden Menschen jedenfalls das 
erforderliche Quantum von Sauerstofl' vorhanden sein dürfte. 
Nichts desto weniger musste es in diesen Wohnräumen 
zu einer Art Stagnation der Luft kommen, was 
mir daraus hervorging, dass sich hier allenthalben 
Schimmelpilze in grösster Zahl vorfanden. Die Verhält- 

t) In welcher Weise die Malariakrankheitcn von der Wohnung 
abhängig zu machen sind, wurde mir auch aus der Dissertationsschrift 
von Schneller (33) ersichtlich, ln derselben befinden sich statistische 
Daten Uber die Morbidität an Malaria in den Kasernements Ingolstadt 
und Germersheim während einer grossen Reihe von Jahren; in beiden 
Statistiken findet sich eine fast plötzliche, sehr auffällige Abnahme der 
®/o Erkrankungszitt'ern; und man erfährt, dass dieselbe im engsten Zu- 
sammenhänge steht mit der Belegung neuer Kasernementsgebäude. 



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I2Ö 



nisse brachten es mit sich, dass zudem für die erforderliche Rein- 
haltung dieser- eng angelegten Wohnungen in genügender Weise 
nicht gesorgt werden konnte; es fehlte an dem erforderlichen 
Bettzeug; durchfeuchtete Kleider hingen an den Wanden, Stiefel 
und anderer Kram lagen in den Ecken umher und schimmelten; 
dazu kam, dass in solchen Häusern alltäglich beinahe i Person, 
öfter mehrere, einmal alle 6 darin wohnenden Personen zu 
gleicher Zeit vom Fieber befallen wurden, dass diese Kranken er- 
brachen, schwitzten, Durchfälle hatten, dass sie in Energielosig- 
keit und Stumpfsinn verfielen und es auch ihrerseits unterlicssen, 
zu der thunlichsten Aufbesserung solcher Verhältnisse ihren Teil 
beizutragen. Was Wunder, wenn sich solche Behausungen schon 
dem blossen Gerüche nach als stickige Pesilöcher darstellten! 
Es gab dort 2 Häuser, welche mir stets als eine absolut 
unfehlbare Infektionsquelle imponierten, da jeder 
Mensch, welcher mit ihnen in Berührung kam, aus- 
nahmslos vom Fieber ergriffen wurde; im Interesse dieser 
Frage habe ich stets bedauert, dass der eine einzige Europäer, 
welcher bei aömonatlichem Aufenthalt in Finschhafen an der 
Malaria nicht erkrankte, die eine dieser Wohnungen nicht zeit- 
weise bezogen hatte. 

Hierher gehört auch die Beobachtung, dass manche Ein- 
geborenendörfer sehr hohe Erkrankungsziffern aufzuweisen haben, 
gegenüber andern Dörfern, wo die Erkrankungen seltener waren; 
Dorfplatz und Häuser machten dann auch einen sehr ver- 
schiedenen Eindruck; in dem einen Falle sauber gehaltene 
Dorfplätze, grosse saubere Häuser, in dem andern das reine 
Gegenteil.*) 

1) Die Behausungen der Eingeborenen sind im Allgemeinen 
keineswegs geräumig zu nennen; wenn darin dennoch i Dutzend 
ungewaschene Papuas ungestraft zusammenliegen können, so hat das 
.seinen Grund vorzugsweise in der grösseren Reinlichkeit derselben 
trotz (oder vielleicht gerade auch wegen) der permanent räucherigen 
Atmosphäre, welche sich darin vortindet und trotz der mangelnden 
Anwendung von Seife und Scheuerbürste; die.selben sind aber desshalb 
reinlicher im hygienischen Sinne, weil ihnen nichts anklebt, was die 



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21 



Ich glaube nach Allem dem, dass für die Ätiologie 
der Malaria der Wohnung eine ganz besondere Be- 
deutung beizumessen ist: enge, unsaubere VV'olinrüume 
mit Schimmelpilzen befördern das Zustandekommen 
der Malaria-Infektion, geräumige und auch sonst allen 
Anforderungen der Hygiene entsprechende, schliesscn 
die Möglichkeit der Infektion nicht aus, verringern sic 
jedoch. Die Wohnung würde also darnach in einem Fieber- 
lande zum lokalen Infektionsherd werden können, ein Ver- 
hiiltnis, welches neuerdings auch von Kelsch und Kiener (iq) 
hervorgehoben wird. 

Auch der Lebensweise und Beschäftigung kommt 
ein individueller Anteil an dem Zustandekommen der Malaria- 
Infektionen zu. Es kann selbstverständlich keine Rede davon sein, 
dass hierher gehörende Momente, wie Arbeiten in der Sonne 
oder im Wasser, .Mkoholmissbrauch und Excesse anderer Art, 
körperliche Strapazen oder anstrengende Arbeit am Schreibtisch, 
eine gute oder schlechte Tischkost Malaria zu erzeugen ver- 
möchten. Das sind aber alles zweifelsohne begünstigende Mo- 
mente für das Entstehen der Krankheit, beziehungsweise für 
das Manifestwerden denselben. Dass ein Mensch, welcher in 
einer Malaria-Gegend lebt, als Ausnahme überhaupt nicht er- 
krankt oder der Erkrankung seltener anheimfällt als die Mehr- 
zahl, kann unter Ausschluss näher liegender Momente doch 
nur dadurch erklärt werden, dass er den Infektionsbedingungen 
gegenüber eine grössere individuelle Widerstandsfähigkeit besitzt. 

Der bereits mehrfach erwähnte Herr, welcher nicht an der 
Malaria erkrankte, erfreute sich eines ganz aussergewöhnlichen körper- 
lichen Wohlbefindens; er kam in seinem Körpergewicht zwar ebenfalls 
wie alle Europäer herunter, erhielt sich aber fortdauernd sein blühendes 
Aussehen und die Kraft seiner Muskulatur; ihm waren in dieser Be- 
ziehung nur wenige andere ähnlich; aber auch bei diesen war eine 



enge Wohnung des Europäers zu einer ungesunden macht, schmutzige 
Wolldecken, ungelUftete Matratzen, schweissige Hemden, schimmelige 
Stiefel u. a. m. 



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128 



fjrössere Widerstandsfähigkeit insofern nicht zu verkennen, als sic, 
die vollblütigeren Individuen seltener erkrankten oder um ihren üe- 
sundheitszustand wieder zu erlangen, weniger andauernder Chinin- 
kuren bedurften. 

# 

Was man da etwa auf Rechnung einer verminderten indi- 
viduellen Disposition setzen wollte, geht wohl zum grössten Teil 
in dem Begriff „besserer Ernährungszustand“ auf. Es ist sehr 
wohl denkbar, dass vollblütige Individuen die in den 
Körper hinein gelangenden Parasiten vermöge ihrer 
besseren Blutbeschaffenheit ganz oder wenigstens so- 
weit zu eleminiren vermögen, dass es bei ihnen zu 
Fieberausbrüchen nicht kommt; gehen doch Anämie und 
Malaria-Krankheiten oftmals einander so parallel, dass die Heilung 
der letzteren mit der Bekämpfung der Anämie annähernd zusam- 
menfällt. ln dieser Beziehung bewegt sich der Mensch in der 
Malaria-Gegend in einem ewigen circulus vitiosus, indem jede 
Malaria-Erkrankung eine grössere Anämie setzt und jede Anämie 
wiederum die Veranlassung zu neuen Malaria-Erkrankungen wird. 
Insofern die erfolgreiche Bekämpfung anämischer Zustände bezw. 
der Schutz gegen solche vorzugsweise durch ein entsprechendes 
Ernährungsregime bewirkt wird, werden mangelhafte Er- 
nährung und ungenügende Kost einen sehr grossen 
Anteil an der Infektionsfrage haben können.’) ln Kaiser 
Wilhelms-Land lagen die Verhältnisse in dieser Beziehung sehr 
ungünstig, da Wild nicht existierte und auch die Schweinezucht 

>) .Mit mir ganz übereinstimmend spricht sich Martin (32) aus, 
wenn er pag. 15 sagt: „Auch der Ernährung ist als eines ganz erheb- 
lichen Faktors bei der Infektion durch Malaria zu gedenken, da sowohl 
der Mangel an Nahrung wie eine geringe Qualität derselben die Ge- 
neigtheit zum Befallenwerden erhöhen. Häufig suchen europäische 
Neulinge ihre Befriedigung im Ersparen kleiner Summen auf Kosten 
ihres Tisches und leben dann nur von Reis und gesalzenen Fischen, 
ohne Fleisch und Genussmittel. Immunität wird in solchen Fällen nie 
gewonnen, wohl aber zwingen ernstliche Malaria-AfT'ektionen den an 
unpassender Stelle Sparenden zur Verausgabung seiner geringen Schätze 
für eine absolut nötige Reise nach F 2 uropa behufs Wiederherstellung 
seiner oft für immer geschädigten Ge.sundheit.“ 



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29 



der Eingeborenen einen so geringen Umfang hatte, dass man 
von dieser Seite gar keine Unterstützung erwarten konnte; so 
war man denn monatelang auf das ewige Einerlei der geschmack- 
losen Konservenkost angewiesen und auch späterhin, als mit 
Aufbietung grosser Opfer der Anfang zu einer Viehzucht ge- 
macht war, wurde frisches Fleisch nur i — 2mal in der Woche 
auf dem Tische gesehen. Von einer Krankenkost konnte aus 
diesen und mancherlei anderen Gründen erst recht nicht die 
Rede sein; und wenn man sah, wie weder Gesunde noch Rekon- 
valescenten von ihren Mahlzeiten befriedigt wurden, so konnte 
man sich — das zusammengehalten mit den häufigen Erkran- 
kungen, welchen alle Personen ausgesetzt waren — über bleiche 
W’angen und hohle Augen nicht wundern. Da man es hier mit 
höchst schwierigen Anfangsverhältnissen zu thun hatte, so war 
Abhülfe nicht leicht zu schaffen; ich bin aber der festen 
Überzeugung, dass, wenn, wie nach Analogie anderer 
Tropenkolonien zu hoffen ist, auch die Gesundheits- 
Verhältnisse in Kaiser Wilhelms-Land sich günstiger 
gestalten werden, das neben der Sorge für gute 
Wohnung vorzugsweise der Hebung der Ernährungs- 
bedingungen zuzuschreiben sein wird. Ich glaube auch 
dass alle Massenerkrankungen an Malaria, wie solche bei Ge- 
legenheit von Eisenbahn-, Kanal-Bauten etc. Vorkommen, nicht 
sowohl aus einer besonderen Anhäufung des Malariavirus in 
solchen Gegenden als vielmehr zum grössten Teil aus mangel- 
haften Wohnungs- und Ernährungsbedingungen zu erklären sind. 

Strapazen, Excesse etc. setzen die Widerstandsfähigkeit 
des Körpers, besonders diejenige eines ungenügend genährten 
Körpers selbstverständlich des weiteren herab und erhöhen da- 
durch die Empfänglichkeit für das Malariavirus. Häufiger 
aber noch sind sie die Veranlassung, dass eine schon 
bestehende, latente Infektion manifestiert wird. Ich 
sah Fieberanfälle sich anschliessen an anstrengende, körperliche 
oder geistige Thätigkeit, an durchwachte oder durchkneipte 
Nächte, an Gemütsbewegungen, Menstruation, kurz an alle 

Schellonfi. q 



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— 130 — 

möglichen aussergewöhnlichen Einwirkungen; eine sonst unbe- 
deutende Erkältung, ein Schnupfen, ein einfaches kaltes Bad, die 
Veränderung des Aufenthalts, eine Seereise etc. bewirkten bei 
einem bereits infizierten Menschen den Ausbruch einer 
Fieberattacke. Die irgendwo gegebene Notiz, dass in einer 
Malaria-Gegend ein Mensch, um einen Fieberparoxysmus zu 
erzielen, sich nur für i Stunde der Einwirkung der brennenden 
Mittagssonne auszusetzen brauchte, erscheint mir durchaus glaub- 
würdig. Sehr bemerkenswert war mir die Beobachtung, dass 
die aus dem Bismarck-Archipel nach Finschhafen eingefUhrten 
Arbeiter in den ersten Tagen nach ihrer Landung, oft bereits 
auf dem Schiffe während ihrer Überführung in grosser Zahl am 
Fieber erkrankten, was doch nur mit der Annahme zu erklären 
war, dass sie bereits in ihrer Heimat infiziert gewesen waren, 
wofür unter anderem die Häufigkeit der bei ihnen konstatierten 
Milztumoren sprach; in derselben Weise sind die Erkrankungen 
mitten auf hoher See bei solchen Personen zu erklären, welche 
aus Malaria-Gegenden kommen. Alle, welche sich aus Kaiser 
Wilhelms-Land auf die Reise nach der Heimat begaben, recidi- 
vierten, so viel mir bekannt ist, ausnahmslos während der 
Überfahrt. 

Dass der Kleidung ein nennenswerter Einfluss auf das 
Zustandekommen der Infektionen zuzuschreiben ist, möchte ich 
nicht annehmen. „Hie Wolle, hie Baumwolle“ ist auch in den 
Tropen die moderne Losung geworden. Ich will die Bedeutung 
einer zweckmäfsigen Kleidung für die Tropen keineswegs in 
Abrede stellen, glaube aber, dass dieselbe auf einem ganz anderen 
Gebiete zu suchen ist. Nur in sofern die Kleidung Erkältungen 
zu begünstigen oder zu verhüten im Stande ist, würde ihr ein 
Wert für die in Rede stehende Frage zuerkannt werden können. 

Unter der Rubrik der „individuellen Disposition“ ist als 
wirksamer Faktor noch das Bestehen bezw. Bestandenhaben 
anderer Krankheiten abzuhandeln. Vor allem sind es die 
Malaria-Krankheiten selbst, welche den Grund zu immer sich 
folgenden neuen Malaria-Krankheiten legen. Was in dem 



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— I3I - 

gegebenen Falle als Recidiv oder was als Neuinfektion 
anzusehen ist, lasst sich schlechterdings gar nicht aus 
einander halten; denn wir wissen eben, dass Recidive nach 
mehrmonatlichen und jährlichen Zwischenräumen sich noch 
einzustellen vermögen. Nächstdem muss allen anämischen und 
nervös beanlagten Menschen eine gewisse Disposition für die 
Malaria zuerkannt werden. In diesem Sinne würden auch Phtise 
und andere konsumierende Krankheiten das Zustandekommen 
der Malaria begünstigen können; meine Erfahrung stützt sich 
nur auf einen einzigen Fall von Phtisis pulmonum und einen 
andern von carcinoma hepatis, deren Träger recht häufig er- 
krankten.*) 

Das Alter der Individuen ist ebenfalls nicht gleichgültig 
für die Infektionsfrage. Das Kindes- und jugendliche Alter bis 
zum 35. Jahre etwa stellt das grösste Kontingent, im gereiften 
Mannesalter werden die Erkrankungen seltener; Greise zeigen 
die geringste Disposition, werden aber durch die einmalige 
Krankheit in weit höherem Grade gefährdet (Debilität). 

Rücksichtlich des Geschlechts, so ist von besonderem 
Interesse die Beobachtung der Thatsache, dass Frauen seltener 
erkranken als Männer; gerade bei anämischen Frauen^) habe ich 
zu meinem Erstaunen die Erkrankungen, welche anfangs mit 
grosser Häufigkeit wiederkehrten, sich späterhin beschränken 
sehen; das steht so wenig im Einklang mit der an anämischen 
Männern gemachten Beobachtung, dass ich es nicht für ganz 
unberechtigt halte, die Frage aufzuwerfen, ob nicht dem Vor- 

*) Ob ein Antagonismus zwischen Phtise und Malaria besteht, 
so dass die eine Erkrankung die Entstehung der andern hinten anh'ält, 
erscheint mir zunächst noch als ganz ofl'ene Frage. Martin (Sumatra) 
berichtet auf der 62. Vers, deutsch. Naturforsch, und Arzte (Sekt. 25) 
von Lungenkrankheiten in Malaria-Gegenden, welche im Symptomen- 
bilde mit der Phtise die grös-ste Ähnlichkeit haben, von der Malaria- 
Infektion abhängig zu machen sind, aber keine Tuberkelbacillen auf- 
weisen. 

*) In dieser Richtung stand mir freilich ein sehr geringes Beob- 
achtungsmaterial zu Gebote. 

9 * 



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32 



gange der Menstruation etwa hier eine gewisse Einwirkung zu- 
geschrieben werden sollte. Mag doch durch den Menstrualfluss 
der Stofl’wechsel, hezw. die Blutbildung eine besonders günstige 
Anregung erfahren. 

Es bleibt endlich übrig zu erörtern, inwiefern die Rasse 
bei dem Zustandekommen von Malaria-Infektionen von Be- 
deutung ist. Ohne Zweifel wird man bei der in tropische 
Klimate zugewanderten Rasse, d. i. also zumeist dem Europäer, 
die grösste Disposition für Malaria-Erkrankungen voraussetzen 
müssen, aus dem Grunde, weil hier ja auch schon andere 
klimatische Faktoren, zunächst ganz abgesehen von der Malaria, 
auf den Körper schwächend einwirken. Angehörige von Rassen, 
welche in anderen tropischen oder auch nur subtropischen 
Ländern heimisch sind, würden dagegen eine grössere Akkli- 
matisationsftthigkeit, wie für das Klima überhaupt, so auch für die 
Malaria bekunden müssen. Die .\utochtonen eines tropischen 
Malaria-Gebietes endlich müssten malariafest sein. 

Diese 3 Kategorien wurden in Finschhafen repräsentiert 
durch die Europäer, Malayen und Melanesier (Papuas). Wenn 
man die Erkrankungen dieser Rassen gesondert für sich be- 
trachten will, so ist nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die 
Angehörigen jeder derselben unter ganz verschiedenen äusseren 
Bedingungen lebten. Die auch noch so ungünstigen Lebens- 
bedingungen der Europäer waren immerhin glänzende zu nennen 
gegenüber denjenigen der beiden farbigen Rassen; würden die 
Europäer annähernd so zu wohnen, zu schlafen, zu essen und 
zu trinken genötigt gewesen sein, wie diese es gewohnt sind, 
so würden sic wahrscheinlich bis auf den letzten Mann vom 
Fieber vernichtet sein. Wenn daher trotz dieser günstigeren 
äusseren Verhältnisse der Europäer, die Erkrankungen dieser 
denjenigen der farbigen Rassen auch nur gleichkamen, so be- 
kundete das bereits eine überwiegende Prädisposition der Er- 
krankungen für die kaukasische Rasse; denn Malayen und Papuas 
würden, unter europäischen Bedingungen lebend, voraussichtlich 
nicht so oft erkrankt sein. 



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33 



Es ist auch nicht zu übersehen, dass die Europäer bei 
ihren Erkrankungen gewöhnlich energischere Kuren in An- 
wendung brachten, als die Angehörigen der farbigen Rassen. 
So entfielen von den 3529 g Chinin, welche in dem .lahre 
März 87/Februar 88 auf der Station Finschhafen journalmäfsig 
verbraucht wurden, allein 2209 g auf die Europäer, wiewohl sie 
nur ca. '/j der Gesamtheit des Kopfbestandes ausmachten. Es 
kommt ferner darauf an, unter welchen Formen, ob leichteren 
oder schwereren, die .Angehörigen der verschiedenen Rassen 
erkranken, und in welchem Grade sie schliesslich in ihrem ge- 
sundheitlichen Befinden Schaden erleiden oder nicht; und da 
tritt nicht nur ein bemerkenswerter Unterschied zwischen der 
kaukasischen und den farbigen Rassen, sondern auch ein solcher 
zwischen den farbigen Rassen unter einander zu Tage: 

In Kaiser Wilhelms-Land waren schwerere gesundheitliche 
Störungen, wie chronische Anämien, nervöse Zustände, Milz- 
tumoren, Ernährungsstörungen die häutige Folge der Malaria- 
Erkrankung der Europäer; die Malayen begnügten sich mit 
Milztumoren und gelegentlichem Ascites, erhielten sich aber 
trotzdem merkwürdigerweise eine gewisse körperliche Frische. 
Die aus dem Bismarck-Archipel importierten Melanesier wurden 
durch ihre Fieber am wenigsten behelligt; sie lagen i — 2 Tage, 
gelegentlich auch länger'in ihren Wolldecken zusammengekauert, 
fieberten ab, erhielten einen Schluck der stets bereiten Chinin- 
lösung und liefen dann vergnügt zu ihren Kameraden, froh, 
dem Hospitalzwange entronnen zu sein. Ebenso bekundeten die 
Melanesier eine geringere Neigung zu den schweren Formen 
der Malaria; die pernieiösen Formen der Malaria biliosa und 
comatosa entfielen ausnahmslos auf Europäer und Malayen. 
Todesfälle unter dem freilich jugendlichen papuanischen Arbeiter- 
personal der Station Finschhafen kamen überhaupt nicht vor, 
während in der März 87/P'ebruar 88-Statistik Europäer 9,o®/n 
Malayen i 4 ,o 7 o Mortalität aufwiesen. 

Wenn somit der eingeborenen Landesbevölkerung 
eine geringere Disposition für Malaria-Krankheiten im 



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134 



Allgemeinen zuerkannt werden muss, so ist doch von 
einer auch nur annähernden Immunität gegen diese 
Erkrankungen bei ihr auch nicht im Entferntesten die 
Rede. Kamen unter den importierten Leuten aus dem ßismarck- 
.\rchipel auch keine Todesfälle vor, so habe ich oft genug 
Gelegenheit gehabt, Papuas in unsern Nachbardörfern am 
Malaria -Fieber wegsterben zu sehen; es gab eine Zeit, wo 
die Erkraokungen unter den Eingeborenen unserer Nachbar- 
schaft sogar in so grosser Zahl und Heftigkeit auftraten, dass 
in manchen Dörfern die Bewohner fast dezimiert wurden, 

ln welchem Grade die Eingeborenenbevölkerung der 
Malaria-Erkrankung ausgesetzt ist, kann aber am deutlichsten 
aus der frappanten Thatsache geschlossen werden, dass an 
manchen Orten nahezu die Hälfte der Eingeborenen an grossen 
palpablen Milztumoren leidet, worüber ich mich in dem Kapitel 
Milztumor pag. tot bereits ausgesprochen habe. Es ist wohl 
auch nicht ohne einen kausalen Zusammenhang, dass die Ein- 
geborenenbevölkerung von Kaiser Wilhelms- Land, soweit es 
sich wenigstens um die bisher bekannten KUstenplätze handelt, 
spärlich ist und bezüglich ihres Körperbaues durchaus nur das 
Prädikat „dürftig‘‘ verdient. 

Diese Erwägungen vorausgeschickt, so bleibt noch übrig, 
die Disposition der verschiedenen Rassen an der Hand einer 
statistischen Zusammenstellung zu prüfen. 

Ich habe mich bemüht, eine solche für den Zeitraum eines, bezw. 
von P/a Jahren, in Finschhafen zusammen zu bringen und die so ge- 
wonnenen Daten (der Tabelle C) in der Tafel IX durch Kurven zu 
veranschaulichen. Ich verfuhr derart, dass ich die wahren ICopf- 
bestande am Ende eines jeden .Monats aus Zu- und Abgängen be- 
rechnete, und zwar gesondert für Europäer, Malayen, Melanesiern; 
dass ich dann weiterhin damit parallel laufen liess, sowohl die Zahl 
der Fiebererkrankungen in Prozenten, als auch die Zahl der an diesen 
Erkrankungen beteiligten Personen in Prozenten — also die Kecidive 
einer Person im .Monat ausser Acht lassend — für jede der Rassen 
und für alle zusammen genommen; die fett gedruckten Prozentzahlen 
bringen demnach Monats- Erkrankungen unter Zugrundelegung der 
denkbar günstigsten Auffassung, zum .Ausdruck. 



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pro Person 






Tabelle 




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*35 



Es können nun aber auch bei der sorgfültigsten Durchführung 
einer solchen Statistik immer nur approximative Werte gewonnen 
werden. ZunUchst waren die Schwankungen der Kopfbestände in den 
einzelnen Monaten sehr erhebliche, so dass sich z. B. die Erkrankungen 
der Melanesier einmal auf 4, das andere .Mal auf 165 Köpfe berechneten; 
der monatliche Kopfbestand der Europäer zwischen 40 und 70, der 
gesamte Kopfbestand zwischen 92 und 276 schwankte. Bringt man 
weiter in Anrechnung, welchen Einfluss eine Reihe von Umständen 
der verschiedensten Art, auf das Zustandekommen gerade der Malaria- 
erkrankungen hat, so wird man den Wert der statistischen Daten, 
zumal solcher, welche mit vergleichsweise kleinen Zahlen rechnen, 
nicht zu hoch veranschlagen sollen. Nichtsdestoweniger geht auch 
aus dieser Statistik zur Genüge henor, dass auch die Erkrankungen 
der farbigen Rassen ausserordentlich hohe sein können, so hohe, dass 
man in Kaiser Wilhelms-Land mit den Malaria-Erkrankungen auch 
des farbigen Arbeiterpersonals als mit einem praktisch sehr wichtigen 
Faktor zu rechnen haben wird. 

Wenn ich zum Schlüsse dieses Kapitels mein persönliches 
Glaubensbekenntnis über das Zustandekommen der Malaria- 
Infektion abgeben soll, so würde dasselbe so zu lauten haben; 
In Malaria-Gegenden, wo die Erkrankungen die unter den ver- 
schiedensten äusseren Bedingungen lebenden Personen annähernd 
in gleicher Weise betreffen, wird man wohl annehmen müssen, 
dass die Infektionsstoffe allenthalben und zu allen Zeiten in der 
Umgebung des Menschen sich befinden; dennoch müssen sich 
diese Stoffe an bestimmten Punkten mit Vorliebe anhäufen, 
wofür die nicht wegzuleugnende Thatsache spricht, dass Menschen, 
welche mit bestimmten Lokalitäten in Berührung kommen, aus- 
nahmslos und in auffallender Häufigkeit bezw. Schwere er- 
kranken. Zu solchen lokalen Infektionsherden sind besonders 
zu rechnen: unsaubere, schlecht ventilierte Wohnungen und 
Wohnplätze. Absolut immune Lokalitäten giebt es in einem 
Malaria-Lande nicht, dagegen muss sehr günstig, besonders auf 
kleinen unbewaldeten Inseln, gelegenen und opulent ausge- 
staneien Wohnplätzen und Wohnungen, sowie der Wohnung 
auf Schiffen eine relative Immunität zugesprochen werden. Der 
Lebensweise bezw. den Lebensbedingungen ist eine nur indivi- 
duelle Bedeutung für die Infektionsfrage zuzuschreiben, insofern 



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— 136 — 

dadurch die Widersiandsfahigkeii des Individuums tangiert wird. 
Manchen hierher gehörigen Faktoren kommt unter Umstanden 
auch die Bedeutung zu, latente Infektionen manifest zu machen. 
Rasse, Alter, Geschlecht kommen für die Infektionsfrage nur in 
untergeordnetem Mafse in Betracht. Die Abhängigkeit der In- 
fektionen von dem Boden überhaupt, von Auflockerungen des 
Bodens, von den Bodenausdünstungen zur Nachtzeit etc. bleibt 
zunächst oftcne Frage; die Abhängigkeit der Infektionen von 
Witterung und Jahreszeit erfolgt nach den altbekannten Ge- 
setzen; besonders haben grosse Regenmengen einen nicht zu 
verkennenden, herabmindernden EinHuss auf die Intensität des 
Malariavirus. 



Kapitel XIII. 



Theorie der Malaria-Infektionen. 

Wenngleich die Natur des Malariavirus ausserhalb des 
menschlichen Körpers zunächst noch ganz unbekannt ist, so 
lassen doch manche Beobachtungen darauf schliessen, dass wir 
es hierbei nicht mit einem reinen Miasma in dem Sinne zu 
thun haben, wie es ältere Anschauungen lehrten, sondern zum 
wenigsten mit einem in gewissem Sinne kontagiösen Miasma, 
einem solchen, welches von einem Orte zum anderen 
verschleppt, sich zu reproduzieren und somit neue 
Infektionsherde zu schaffen vermag. Hirsch (2) führt die 
2 bekannten und mehrfach citierten Beispiele an, wo in dem 
einen Salisbur}’ 2 Kästchen Malaria-Boden in ein Haus bringt 
und dadurch die Bewohner inriziert, in einem anderen von einer 
Dame berichtet wird, welche in gänzlich freier Malaria-Gegend 



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137 



lebend, von einem aus einem Malaria - Distrikt zureisenden 
Herren infiziert wird. 

Wenn ich in Kaiser Wilhelms-Land die Infektionen mit 
besonderer Häufigkeit in gewissen Wohnrilumen zu stände 
kommen sah, so nahm ich ebenfalls an, dass das auf irgend 
eine Art eingeschleppte virus denselben selbst angehaftet und 
sich hier reproduziert habe, an den Wänden, Fussböden, 
Kleidungsstücken oder sonst irgendwo. Ich habe dann noch 
Folgendes beobachten können: meine 3 Krankenwärter, welche 
ich der Reihe nach hatte, erkrankten aussergewöhnlich häufig 
an Malaria; einer derselben (No. 32 der Tabelle A) starb 
an einer perniciösen Form der Malaria, trotzdem er gewissen- 
hafte Chininkuren gebrauchte; ein anderer bekam sein erstes 
Fieber, nachdem er eine Nacht hindurch bei einem schwer 
darniederliegenden Kranken gewacht hatte. Ich .sowohl als der 
mir bei der Sektion einer Malaria-Leiche assistierende Malaye 
erkrankten wenige Stunden nach Beendigung der Sektion. Die 
Erkrankungen bei Mann und Frau fielen sehr häufig zusammen, 
desgl. die Erkrankungen bei Geschwistern.') 

Auch Uber die Wege, auf welchen das Malariavirus in den 
Körper hineingelangt, ist Sicheres zur Zeit noch nicht bekannt. 
Alle neueren Beobachter neigen zu der Annahme, dass dasselbe 
per respirationem aufgenommen werde; es darf aber auch die 
Möglichkeit der Übertragung des virus per contagionem nicht 
ganz von der Hand gewiesen werden, seitdem Gerhard sowie 
Marchiafava und Celli (Sulla infezione malarica Arch. med. 
Vol. XII 8) positive Übertragungsversuche mit dem Blute Malaria- 
kranker an Menschen ausgeführt haben. 

Einen viel sichereren Boden betritt man mit dem Augenblick, 
wo man das unbekannte Malariavirus in den Körper hinein ge- 
langen lässt und dasselbe hier als den bekannten Parasiten in 
den roten Blutscheiben wiederfindet. Dass der Angriffspunkt 

1 ) Diese Beispiele sind keineswegs einwandsfrei, doch bemerkens- 
wert genug, hier erwähnt zu werden. 



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- 138 - 

des Malariavirus im Körper das Blut, bezw. die Elemente des 
Blutes sind, ist eine für das weitere Verständniss des ganzen 
Krankheitsprozesses sehr wichtige Entdeckung. Schon bevor 
man den Vorgang der Zerstörung der roten Blutscheiben genauer 
studiert hatte, wusste man bereits, dass im Malaria-Fieber viel 
Blut verloren gehe: jedem Laien fällt das bleiche, bald mehr 
ins wachsfarbene, bald ins aschgraue hinüberspielende Kolorit 
auf, welches die Kranken nach einem Fieberanfallc darbieten. 
Kelsch (20) berechnete den während des Malaria-Fiebers ein- 
tretenden Verlust an zelligen Elementen des Blutes zu '/s ‘des- 
selben. 

Weiterhin war auch schon vor dem Bekanntwerden der 
neuesten Malaria-Arbeiten das Auftreten von Pigment innerhalb 
der Blutbahnen eine bekannte Thatsache. Durch die Unter- 
suchungen von Golgi (5) ist dann gezeigt worden, in welcher 
Weise sich diese Pigmentbildung innerhalb der von den Parasiten 
eingenommenen roten Blutscheiben vollzieht, wie das Pigment 
gewissermafsen unter dem Bersten des Blutkörperchens frei in 
die Blutbahn gelangt und wie mit diesem Vorgänge das Auf- 
treten des Malaria-Paroxysmus zu.sammenfällt; wie dann das 
Pigment von den weissen Blutkörperchen (Phagocyten) im Sinne 
Metschnikoffs (31) aufgenommen und in bestimmten Organen 
des Körpers abgelagert wird. Als solche Ablagerungsdepots 
hatte schon 1874 Arnstein (21) vorzugsweise die Milz, Leber 
und Knochenmark bezeichnet und darauf hingewiesen, dass 
diese Organe gerade wegen der in ihnen stattfindenden Verlang- 
samung des Blutsiromes zur Aufnahme des Pigments besonders 
geeignet erschienen. Sowohl von diesem Autor als auch von 
anderen [E. Neu mann (22)], waren Pigmentablagerungen aber 
auch in anderen Organen gefunden worden, so im Hirn und in 
den Nieren und zwar innerhalb der Gefässkapillaren oder in 
der Umgebung derselben. 

Nächst dem Pigment ist neuerdings dann auch die Ab- 
lagerung der Malaria-Plasmodien selbst in solchen Depots be- 
kannt geworden. Councilman (13) hat gezeigt, dass direkt 



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139 



(mittelst der Pravaz'schen Spritze 23 Mal) entnommenes Milzblut 
die Plasmodien ungleich reichlicher enthalt, als zu gleicher Zeit 
entnommenes Fingerblut; derselbe äussert sich auch bezüglich 
dreier Falle von perniciöser Malaria, dass er die Plasmodien 
besonders reichlich im Hirn angetroflen habe: „Bei einem Kranken, 
welcher anscheinend wahrend des Schüttelfrostes verstarb, waren 
die Kapillargefasse des Hirns mit segmentierenden Formen des 
Malaria-Organismus ausgestopft.“ 

Das Primäre beim Malaria-Fieber ist also stets 
eine mehr oder weniger ausgedehnte Zerstörung der 
zelligen Elemente des Blutes durch den Malaria-Para- 
siten; eine Hämatokytholyse, und insofern dabei Hämo- 
globin frei wird, auch eine Hämoglobinämie. 

In dieser Beziehung nehmen aber die Malaria-Fieber keines- 
wegs eine ganz gesonderte Stellung ein, sondern fast identische 
Vorgänge dürfen angenommen werden bei denjenigen Fiebern, 
welche durch Intoxikation mit Schwefelkohlenstoff durch Schwalbe 
(18) künstlich erzeugt wurden, sowie bei den Fiebern der periodi- 
schen, aus mannichfachen Ursachen auftretenden Hämoglobinurie, 
endlich bei fieberhaften Krankheiten überhaupt, auch ohne dass 
sie einen der Malaria ähnlichen Typus aufzuweisen brauchen. 

Denn alle fieberhaften Krankheiten setzen einen mehr oder 
weniger erheblichen Verlust von zelligen Elementen des Blutes, 
als deren Ausdruck die Anämie in Erscheinung tritt [Naunyn 
(23)]. Man fragt sich dann konsequenter Weise weiter, wo denn 
die Zerfallsprodukte der roten Blutkörperchen bleiben? ein Teil 
wird, wie bereits hervorgehoben, als Pigment in den verschieden- 
sten Organen abgelagert und daselbst noch Jahre lang nach dem 
-A.ufhören der Intermittens angetroffen; doch das gilt lediglich 
für die Malaria und verwandte Fieber. Jedoch wirft Naunyn (23) 
die Frage auf, ob nicht die in dem Urin des Fiebernden 
reichlicher vorhandenen Kalisalze und der vermehrte Harn- 
farbstoffgehalt des Urins als die Endprodukte der Umsetzung 
gelöster Blutkörperchen anzusehen seien. 

Bekannt ist ferner die vermehrte Harnstoff-Ausscheidung 



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40 



in fieberhaften Krankheiten. Für die Malaria-Fieber ist eine 
solche durch die Redtenbacherschen Untersuchungen (Hertz, 
Malaria-Infektion, pag. 62) zur Evidenz für das Frost- und 
Hitzestadium bewiesen. 

Sehr bemerkenswert ist auch die hierher gehörige That- 
sache, dass die Harnstoffmenge bereits erhöht sein kann, bevor 
das eigentliche Fieber in Erscheinung tritt (vermehrte antefebrile 
Harnstoff-Ausscheidung), ein Verhältnis, welches ich auch für 
die Malaria-Fieber vermute, das aber für diese noch zu er- 
weisen bleibt. 

Bei solchen ümsetzungsprozessen im Körper wird nebenbei 
Wärme produziert und es entsteht die weitere Frage, ob man 
das Fieber seihst etwa als den einfachen Ausdruck des erhöhten 
Stoffumsatzes, der erhöhten Wärmeproduktion, gelten lassen 
solle. Eine solche Hypothese wird von Vogel, Lossen (24) u. a. 
vertreten; diese Autoren denken sich den zur abnormen Wärme- 
bildung führenden gesteigerten Gewebszerfall nicht nur in dem 
Blute zu Stande kommend, sondern auch in einigen mit der 
WUrmebildung im engsten Zusammenhänge stehenden drüsigen 
Organen (Milz, Leber). Nach ihnen ist also das Fieber gleich- 
bedeutend mit gesteigerter Würmeproduktion und diese wiederum 
die Folge eines specifischen Reizes. 

Ich möchte hier einige aus der Beobachtung der Malaria- 
Fieber gewonnene Gesichtspunkte hervorheben, welche sich mit 
dieser Hypotliese nicht in Einklang bringen lassen: 

I. Die Richtigkeit der obigen Hypothese zugegeben, so 
möchte konsequenter Weise das länger dauernde oder mit be- 
sonders hohen Temperaturen einhergehendc Fieber den ge- 
steigerteren Gewebsumsatz voraussetzen lassen und demnach die 
grössere Anämie zur Folge haben, und umgekehrt das kürzer 
dauernde oder mit niedrigerer Temperatur einhergehende Fieber 
auf einen geringeren Gewebszerfall schliessen lassen und von 
der geringeren Anämie gefolgt sein. Ein solches Verhältnis 
tritt bei den Malaria-Fiebern nicht zu Tage. Diejenigen Fieber, 
bei welchen ein sehr energischer Gewebszerfall angenommen 



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— I4I — 

werden musste, die Fälle der febris intermittens biliosa hUmo- 
plobinurica zeigten bei der allerauffälligsten Anämie, welche sie 
im Gefolge hatten, einen stets nur kurzen P'ieberverlauf und im 
Ganzen auch niedrige Temperaturen; (cf. Krankengeschichte 
No. 14) und umgekehrt bewirkten die Fälle mit protrahiertem 
Fieberverlauf (10 — i4tägig) keineswegs immer ausgesprochenere 
Zustände von Anämie, als sie einfache oder wiederholte kürzere 
Fieberparoxysmen machten; mit anderen Worten; es stand die 
an die Malaria-Fieber anschliessende Anämie keineswegs in 
direktem Verhältnis zu der Dauer oder Höhe des Fiebers.*) 

2. Denkt man sich aber die erhöhte Wärmeproduktion im 
Fieber vorzugsweise in den drüsigen Organen von statten gehend, 
so ist nicht recht ersichtlich, warum bei den malariainfizierten 
Personen mit grossem Milztumor, in welchen doch eine solche 
erhöhte Wärmebildungsquelle vorhanden sein müsste, Fieber 
oft Monate lang nicht zur Beobachtung gelangen. 

3. Die vermehrte antefebrile Harnstoffausscheidung (welche 
ich für die Malaria- Fieber allerdings zunächst supponiere) beweist 
doch, dass ein gesteigerter Gewebszerfall stattfinden kann, ohne 
dass sich derselbe durch erhöhte Körpertemperatur zu mani- 
festieren braucht. Doch angenommen, dass erst ein bestimmter 
Höhegrad der gewebsumsetzenden Vorgänge erreicht sein müsse, 
bevor die zugleich dabei produzierte Wärme messbar wird, so 
wäre doch stets zu erwarten, dass das Ansteigen der Körper- 
temperatur allmählich erfolge und andererseits die Rückkehr zu 
den normalen, Wärme bildenden Vorgängen sich auch in einem 
allmählichen Heruntergehen der Körpertemperatur zum Aus- 



*) Die Anämie ist freilich ein Verhältnis, welches nur schätzungs- 
weise beurteilt werden Itann; viel bessere Anhaltspunkte für diese 
Frage würde man gewinnen, wenn man quantitati\e Harnstoft'be- 
stimmungen bei typischen und atypischen (protrahierten) Malaria- 
Fiebern eine bestimmte Reihe von Tagen hindurch ausfUhren und 
darnach Zusehen wollte, ob dem länger dauernden oder dem mit 
höheren Temperaturgraden einhergehenden Fieber auch die grössere 
Flarnstotfmenge entspräche. 



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druck bringen würde. Dem widerspricht beim typischen Malaria- 
Fieber durchaus das sehr plötzliche Einsetzen des Fiebers, der 
Anstieg von der Norm bis zu den höchsten Temperaturgraden 
innerhalb nur weniger Minuten und der kritische Temperatur- 
abfall. 

Rechnet man dazu die ganz unregelmäfsigen und sehr 
weiten Schwankungen in dem Temperaturengang einer grossen 
Zahl von Malaria-Fiebern (siehe die Kurven der atypischen 
Fieber!), so kann man sich der Ansicht nicht verschliessen, 
dass auch andere als rein wärmebildende Faktoren bei dem 
Zustandekommen des Fiebers eine Rolle spielen, und damit 
wird man immer wieder zur Annahme einer Störung einer 
centralen Wärmeregulation geführt. 

Nach Naunyn (23) hat man sich das Fieber zu denken 
als eine Störung der normalen Regulation zwischen (vermehrter) 
Wärmeproduktion und (vermehrter) Wärmeabgabe, einer Regula- 
tion, welche durch die Gefässe vermittelt wird und in einer ge- 
wissen Abhängigkeit steht von den vasomotorischen Nerven 
bezw. den denselben vorstehenden Nervencentren, „und zwar 
scheint die Wärmeregulation die Funktion zu sein, die zuerst, 
d. h. schon bei dem niedrigsten Infektionsgrad leidet“. Derselbe 
Autor lässt aber auch den sogenannten aseptischen, nicht von 
einer Infektion abhängig zu machenden Fiebern ihr Recht zu 
teil werden, wenn er hinweisend auf die Fieber nach Rticken- 
marksdurchschneidung bei Hunden (Albert), bei epileptischen 
Insulten, Tetanus, Katheterismus, auch bezüglich der Erkältungs- 
fieber sich weiterhin äussert: „für viele andere der genannten 
Krankheiten sind die Ursachen des Fiebers noch ganz dunkel, 
und auch für das Infektionsfieber sind sie noch nicht klar“. 

Für die Erklärung des Fiebers bei der Malaria scheinen 
mir die Schwalbe’schen (18) Versuche eine wichtige Stellung 
einzunehmen, bei welchen durch Einatmen von Schwefelkohlen- 
stoff an Kaninchen der Malaria ganz ähnliche Krankheitsbilder 
mit Melanämie und Melanose und mit (aseptischen) Fieber- 
paroxysmen hervorgerufen werden konnten. 



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143 



Diese Versuche, bei denen die Auflösung der roten Blut- 
körperchen das primäre ist, scheinen doch zu beweisen, dass 
auch bei den Malaria-Fiebern, wo sich gleiche Vorgänge inner- 
halb der Blutbahn abspielen, der Fieberreiz nicht durch die 
Plasmodien, als vielmehr durch den durch die Anwesenheit der- 
selben bedingten Blutkörperchenzerfall bewirkt wird. 

Damit würde man aber der Hüter’schen Hypothese, welche 
das Fieber im wesentlichen von Cirkulationsstörungen, von so- 
genannten globulösen Stasen abhängig macht, sehr nahe gebracht 
werden. 

Nur müsste man sich die globulösen Stasen nicht in 
solcher Ausdehnung im Körper zu stände kommend denken, 
wie es Hüter (24) annimmt („die Ausschaltung zahlreicher 
Hautgefässe aus dem Kreisläufe mit gleichzeitiger Stauungswärme 
im inneren Körper“), sondern sich vielmehr vorstellen, dass 
durch solche an und für sich selbst unbedeutende Cirkulations- 
störungen die Wärmeregulationscentren getroffen, aus dem 
Gleichgewicht gebracht werden. 

Wie sehr das centrale Nervensystem im Fieber in Mit- 
leidenschaft gezogen wird, zeigt sich in eklatanter Weise auch 
bei den Malaria-Fiebern, wo heftige Kopf- und Rückenschmerzen, 
neuralgische Attacken, Urindrang u. a. niemals fehlende Symp- 
tome sind. 

Ich mache mir Uber den Gang der Malaria-Infektion beim 
Menschen die folgenden hypothetischen Vorstellungen: 

Das Malariavirus wird von jedem Menschen, welcher in 
einer Malaria-Gegend lebt, je nach den Umstanden, d. i. also 
besonders je nach der Intensität der lokalen Infektionsherde, 
bald in grösserer, bald in geringerer Menge in den Körper auf- 
genommen und cirkuliert hier im Blut, Blutkörperchen fort- 
während auflösend. Damit finden Vorgänge gesteigerter Wärme- 
bildung statt, welche sich wohl in einer mehr oder weniger 
gesteigerten Harnstoff-Ausscheidung nachweisen lassen würden. 
Mit dem Zerfall roter Blutkörperchen ist aber auch zugleich die 
Disposition zu Cirkulationsstörungen geschaffen, welche eben- 



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144 



falls unbemerkt vorUbergehen oder sich auch in einer, dann 
aniefebrilen, Milzscliwellung zum Ausdruck bringen können; 
indem die Milz Plasmodien und Zerfallsprodukte der ßlutzellen, 
Pigmente, ßlutkörperchentrUmmer etc. in sich aufnimmt und 
in dem Sinne Metschnikoff’s verarbeitet, fallt ihr die Rolle eines 
regulativen Organs zu. 

So kann es beliebig lange weiter gehen, so lange der An- 
gritf der Plasmodien auf die ßlutkörperchen noch immer durch 
die Thätigkeit der Milz, verbunden mit neuer energischerer 
ßlutbildung, paralysiert wird. 

Dann kommt ein Zeitpunkt, wo entweder die Infektions- 
stoffe in gesteigerter Menge dem Körper zugefUhrt werden (fort- 
dauernder Aufenthalt an einem lokalen Infektionsherde) oder 
wo bei gleichbleibender Infektionsintensität die ßlutregeneration 
eine Störung erleidet und relative Anämie eintritt (infolge 
unzureichender Ernährung, Magen- und Darmkatarrh, Indispo- 
sition, Menstruation, Erkältungen, körperliche und geistige 
Strapazen) oder endlich, wo die in der Milz deponierten Plas- 
modien, sei es, weil diese sich nicht mehr leicht ausdehnungs- 
fähig erweist, sei es infolge von gelegentlichen Milzkontraktionen 
(kaltes ßad, Chininreiz etc.) in grosser Anzahl von neuem in 
die ßlutbahn geschwemmt werden; oder aber schliesslich, es 
wirken mehrere dieser Faktoren zusammen ein. 

Die Folge davon ist zunächst eine absolute oder relative 
Steigerung der hämatokytholytischen Vorgänge in der ßlutbahn 
(und damit oftmals — wahrscheinlich — zugleich vermehrte 
antefebrile Harnstoff-Ausscheidung), weiterhin aber auch eine 
erhöhte Disposition für Cirkulationsstörungen, welche sich an 
verschiedenen Teilen des Körpers bemerkt oder unbemerkt ab- 
spielen können, und, wenn sie die Wärmeregulationscentren 
treffen, das Fieber in Erscheinung treten lassen. Der also 
bereits vor dem Fieber bestehende erhöhte Stoffumsatz, die 
erhöhte Würmeproduktion, kommt erst zum Ausdruck, nach- 
dem auch das Warmeregulationscentrum in Mitleidenschaft ge- 
zogen ist. 



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145 



Das Fieber hält nun so lange an, so lange die Störungen 
des Wärmeregulationscentrums Fortbestehen; Antipyretica wirken 
auf den Stoffumsatz hemmend ein und vermögen in einer Ver- 
ringerung der Warmeproduktion die Körpertemperatur vorüber- 
gehend herunter zu drücken; sie lassen aber die Cirkulations- 
störungen im Bereiche des Wärmeregulationscentrums unbeein- 
flusst: die Temperatur steigt, nachdem die Wirkung der 

Antipyretica vorüber ist. 

Ein spontaner Abfall des Fiebers tritt erst ein, nachdem 
die Cirkulationsstörungen im Bereiche der Wärmeregulations- 
centren beseitigt sind. Dieser Zeitpunkt fällt bei den Malaria- 
Fiebern gewöhnlich mit dem Moment zusammen, wo die Ent- 
wickelungsperiode einer Plasmodiengencration ihren Abschluss 
erreicht: das Fieber Iiat einen kritischen Abfall;*) waren die 
Cirkulationsstörungen im Bereiche der Wärmeregulationscentren 
dagegen besonders ausgedehnte, so reicht das Unwirksamwerden 
der diese Störungen veranlassenden und unterhaltenden Plas- 
mödiengeneration nicht aus, die Wärmeregulationscentren bleiben 
noch weiter gestört (kontinuierliches oder remittierendes 
Fieber) oder die Cirkulationsstörungen in denselben lösen sich 
allmählich: lytischer Fieberabfall; sind endlich mehrere 
Plasmodiengenerationen im Blute zu gleicher Zeit wirksam, 
von denen die eine nach der anderen in Wirksamkeit tritt, 
wird somit die Disposition zu Cirkulationsstörungen fortwährend, 
bald in geringerer, bald in grösserer Intensität unterhalten, so 
werden auch die Störungen im Bereiche der wärmeregu- 
lierenden Centren sehr wechselvoll beeinflusst werden: man 
erhält die Bilder der atypischen Fieber. 

Mit Beseitigung der Wärmeregulationsstörungen treten die 

*) Die am plötzlichsten gewissermafsen unter dem Finger an- 
wachsenden .Milztumoren zeigten die mit Hämoglobinurie einher- 
gehenden Malaria-Fieber; diese hatten aber auch zugleich die kürzesten 
Fieberparoxysmen; sollte das nicht den Schluss rechtfertigen, dass sich 
in solchen Fällen Bildung und Lösung der kapillaren Stasen sehr 
stürmisch vollzogen hätte? 

Schcllons:. lo 



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146 



Wärmeregulatoren wieder in Kraft, gleichgültig, ob der erhöhte 
Stoffumsatz noch fortbesteht oder nicht. 

Bleibt der Mensch in der Malaria-Gegend oder am lokalen 
Infektionsherd und findet unter dem Einflüsse einer unzweck- 
mäfsigen Ernährung oder eines ungenügenden Chiningebrauchs 
eine Wiederherstellung der früheren Blutbeschaffenheit, eine 
restitutio in integrum niclit statt, so bemüht sich die Milz noch 
fortdauernd einen Ausgleich zu übernehmen: Malaria- Anämie 
und Milztumor werden permanent; der letztere nimmt immer 
grössere Dimensionen an und schliesst die Infektionsstoffe in 
immer grösser werdenden Mengen in sich. 

Tritt dann ein Zeitpunkt ein, wo wiederum die Bedingungen 
zu dem Zustandekommen eines neuen Fiebers gegeben sind, so 
werden jetzt auch • die Bedingungen zu Cirkulationsstörungen 
in viel erheblicherem Mafse vorhanden sein, und da auch die 
Milz wegen der Grösse, welche sie inzwischen erlangt hat, 
die unter dem neuen Fieberan falle entstehenden Zerfallsprodukte 
nicht mehr gänzlich aufzunehmen vermag, so werden sich jetzt 
nachweisbare schwere Cirkulationsstörungen auch in anderen 
Organen des Körpers etablieren können. So entstehen die 
mannichfachcn Komplikationen des Malaria- Fiebers und die 
pernieiösen Formen der Malaria (biliosa hämoglobinurica, 
comatosa etc.) 

Werden die Nieren der Sitz des Cirkulationshindernisses, 
so äussert sich die Stauung zunächst in den glomerulis; indem 
Hämoglobin in die Kapseln Uberfiltriert, entsteht die Hämo- 
globinurie; in schwereren Fällen verstopft das reichlich in 
- die Harnkanälchen gelangende Hämoglobin (bezw. auch Blut 
durch Ruptur von Kapillargcfässen) die Harnkanälchen; oder 
es kommt wohl auch zur Schwellung des Nierengewebes und 
somit wiederum zur Kompression der Harnkanälchen; der Effekt 
ist dann in beiden Fällen; Hämoglobinurie mit gleichzeitiger 
Oligurie oder überhaupt Anurie.*) 

‘) Eine andere Erklärung findet die Hämoglobinurie in der 
Senatorschen Hypothese; nach ihm wird das in der Blutbahn bei 



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In gleicher Weise würde bei deniComa das Cirkulations- 
hindernis im Hirn zu suchen sein. Wenn dagegen geltend ge’- 
macht wird (Hertz, Malaria-Infektion 1886, pag. 58), dass öfter 
bei den heftigsten Gehirnsymptomen das Hirn ganz frei von 
Pigment gefunden wurde, so würde gegenüber solchen Fällen 
noch immer die Annahme zulässig erscheinen, dass das Cirku- 
lationshindernis hier nur vorübergehend nach Art eines Chock 
gewirkt habe.*) 

Von Cirkulationsstürungen, welche sich in der Leber 
abspielen, ist der Icterus abhängig zu machen. Indem diese 
sich nur in einem Teile des Kapillaren-Gebiets der Arteria 
hepatica etablieren, in einem andern Teile nicht, kann die Aus- 
scheidung der Galle deshalb zunächst noch fortbestehen und 
wird um so reichlicher erfolgen, als ja im allgemeinen die Be- 
dingungen zur Gallenproduktion im Malaria-Fieber in höherem 
Mal'se vorhanden sind.*) 

Zu der immerhin seltenen Leberschwellung kommt 
es erst dann, wenn die aktive Stauung so bedeutend ist, dass 
dadurch auch die Endäste der ven. ven. hepaticae (intralobularia) 
komprimiert werden. 

dem Vorgänge der HUmatokytholyse frei werdende Hämoglobin in der 
Leber stets in Bilirubin umgewandelt; die so erzeugte Hypercholie 
bringt sich in dunkel gefärbten Fäces zum Ausdruck; erst wenn die 
Leber diese Umwandelung des Hämoglobin nicht mehr vollständig 
zu leisten vermag, tritt das Hämoglobin auch in den Harn Uber; das 
soll geschehen, „wenn die Menge des freien Hämoglobin etwa Vso des 
im Gesamtblut vorhandenen Blutfarbstoffes übersteigt“'. 

t) In denjenigen Fällen, wo das Coma in Verbindung mit Anurie 
auftritt, wird man dasselbe wohl auch durch eine urämische Intoxi- 
kation erklären können. Garnieri (25) macht das Coma malaricum 
abhängig von einer bis zur Stase gehenden Verlangsamung der Pfortader- 
cirkulation, bewirkt durch die Anhäufung von Plasmodien und Blut- 
körperchen in den Pfortadercapillaren; das wirke gleich einer Pfortader- 
unterbindung im Ludwig’schen Experiment. 

*) Stadelmann (26) erklärt den Icterus bei den analogen Vor- 
gängen der Arsenwasserstoff-Vergiftung dadurch, dass eine reiche, 
aber abnorm eingedickte Galle produciert werde, welche durch diese 
ihre Eigentümlichkeit zur Resorption Veranlassung gebe. 

IO* 



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48 



Ob die Pneumonien, Parotitiden, Karbunkel, Furunkel und 
^as ganze Heer der Malaria-Komplikationen in ähnlichen Cirku- 
lationsstörungen, in solchen lokalen thrombotischen Vorgängen 
innerhalb der betreffenden Körperregionen ihre letzte Ursache 
und Erklärung finden, oder ob dieselben ganz zufällige, ausser- 
halb des Malaria-Prozesses stehende Erscheinungen sind, wage 
ich nicht zu entscheiden. Immerhin wäre auch eine solche 
Annahme die Konsequenz der in Vorstehendem entwickelten 
hypothetischen .Anschauungen. 



Kapitel XIV. 



Die Prophylaxe und Therapie der Malaria- 
Krankheiten unter Berücksichtigung tropen- 
hygieinischer Gesichtspunkte. 

Mit Rücksicht auf die ätiologische Seite der Malaria als 
einer Infektionskrankheit hat jede Therapie mit einer möglichst 
umfassenden Prophylaxe ihren Anfang zu nehmen. Gerade 
bei den Malaria-Krankheiten kommt es ganz wesentlich darauf 
an, die erste Erkrankung zu vermeiden, da erfahrungsgemäfs 
jede einmalige Erkrankung die Ursache zu immer weiteren, 
nachfolgenden wird. Entsprechend der Vorstellung, welche ich 
mir Uber die Art der Einwirkung des Malariavirus auf den 
Organismus mache, nehme ich an, dass die Bekämpfung der 
Malaria-Infektion im Wesentlichen mit einer Bekämpfung der 
Anämie zusammenzufallen hat. Die Anämie braucht nicht ein- 
mal eklatant zu sein, sondern bloss eine relative, individuelle, 
eine solche, welche einem Zustande des Blutes entspricht, in 
welchem dieses das Malariavirus nicht mehr zu eleminieren 



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49 



vermag. Den Hauptwert sowohl im prophylaktisclien, als auch 
im eigentlich therapeutischen Sinne würde ich demnach auf 
die konsequente Durchführung eines roburicrenden Regimes 
legen zu sollen glauben; dazu gehört freilich manches, was 
in tropischen Ländern, besonders in denjenigen, in welchen sich 
die Kolonisation erst vorbereitet, nicht leicht durchführbar ist, 
und desshalb wird die Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes 
oftmals ein frommer Wunsch bleiben müssen. Eis gehön hierzu 
vor allem die Beschaffung möglichst vollkommener hygieinischer 
Grundbedingungen, wofür unter anderem auch Max Büchner 
(27) und Heinemann (28), letzterer auf Grund einer 18jährigen 
Eirfahrung in Mexiko, eintreten. Hauptberücksichtigung ver- 
dient die Sorge für reichliche Fleischkost, was ich im 
Gegensatz zu denjenigen .Anschauungen hervorheben möchte, 
welche unter Hinweis auf manche von Vegetabilien lebende 
Eingeborenenvölker auch für den Europäer die Fleischkost 
auf ein Minimum beschränkt wissen wollen.') Heinemann 
sagt darüber; „nirgends kann der europäische Vegetarianer 
grösseres E'iasko machen, als in Tropenländern. Fleisch muss 
hier für den Europäer unbedingt den Hauptbestandteil der 
Nahrung ausmachen.“ Derselbe Autor lässt auch tüchtig Alko- 
holika (besonders Porter) trinken und rechnet dieselben direkt 
zu den Präservativmitteln gegen Malaria. Ich selbst habe mir 
Uber den Wert des Alkoholgenusses in einem tropischen 
Ficberlande das folgende Urteil gehildet: Die Ansicht, dass man 
in den Tropen den Alkohol wie seinen grössten Feind zu meiden 
habe, beruht in ihrer Allgemeinheit sicher auf Vorurteil. Der 
mäfsige Genuss von Bier und Wein empfiehlt sich nicht nur 

') Wenn Eingeborenenvölker Vegetarier sind, so sind sie es 
meist infolge des Mangels an genügenden Fleischvorrüthen; sowohl 
der Reis essende Malaye, als der Yam essende Melanesier kennen 
keinen grösseren Genuss, als ein Stück frischen Fleisches; man muss 
ferner hierbei die Quantität der vegetabilischen Speisen berücksichtigen, 
an welche solche Füngeborene gewöhnt sind; auch die stärksten euro- 
päischen Esser würden in Bezug auf das Volumen der .Mahlzeit nicht 
mithalten können. 



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50 



für den gesunden Menschen, sondern in noch weit höherem 
Mafse für denjenigen, welcher häufigen Fiebererkrankungen aus- 
gesetzt ist. Die Beobachtung lässt sich nicht von der Hand 
weisen, dass diejenigen, welche niemals oder doch nur ganz 
selten vom Fieber befallen wurden, gewöhnlich Leute waren, 
welche einem soliden Alkoholgenuss nicht abhold waren, die 
Herren mit dem embonpoint und dem stets heiteren, Uber Kleinig- 
keiten hinweg sehenden Gemüt. — Es ist aber auf der anderen 
Seite unleugbar, dass die Schnapstrinker, die pctatores com- 
munes, nicht nur keine Spur von Immunität, sondern ganz im 
Gegenteil eine offenbare Disposition zu Fiebererkrankungen be- 
kunden; das eine so leicht verständlich für den Arzt wie das 
andere. Denn es wird sich derjenige gegenüber den Malaria- 
Erkrankungen stets am widerstandsfähigsten zeigen, welchem 
vermöge seines Lebensberufs und der für ihn in Betracht 
kommenden Lebensbedingungen die Möglichkeit gegeben ist, 
sich auf der Höhe seines körperlichen Gleichgewichts zu halten. 
Nach dieser Richtung unterstützend wirkt zweifelsohne der 
mäfsige Alkoholgenuss, weil er den Appetit anregi und auch 
wie bekannt als Sparmittel für den körperlichen Haushalt in 
Betracht kommt. Der abusus spirituorum dagegen „entnervp‘ 
den Menschen in den Tropen sowohl, wie irgend wo anders, 
und macht ihn in der Malaria-Gegend eben als reducierten, 
anämischen Menschen ganz vorwiegend für das .Malariavirus 
empfänglich. 

Dass alle „Konservenkost“ thunlichst auf das Minimum 
beschränkt und durch frische Kost ersetzt werde, ist eine weitere 
unerlässliche Forderung des Tropenhygieinikers. Denn nichts 
wirkt ermüdender auf die Thätigkeit der Magen- und Darm- 
funktionen als die Gleichförmigkeit einer reizlosen Konserven- 
kost. Die Beschaffung frischen Fleisches ist in Gegenden, welche 
keine Jagd darbieten und wo auch von den Eingeborenen des 
Landes nicht viel zu erhandeln ist, nicht ohne grosse pekuniäre 
Opfer zu erzielen. Sofern es sich um kleine Haushalte handelt, 
welchen ich das Wort reden möchte, würde sicher durch die 



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— I5I — 

Anschaffung von Hühnern und Ziegen viel genützt werden 
können, auch an Fischen dürfte es nicht leicht ganz fehlen. 
Auch auf die Zubereitung der Speisen ist nicht geringerer 
Wert zu legen, als bei uns zu Lande; die Ansicht, dass man in 
den Tropen die Speisen stark würzen und besonders pfeffern 
müsse, ist wohl nur eins von den vielen gangbaren Vorurteilen, 
an welchen das Leben in den Tropen so reich ist; doch wollen 
manche Beobachter wie neuerdings Martin (62. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte) in dem Pfeffergenuss that- 
sächlich ein Präservativ gegen die Malaria erblicken. 

Früchte aller Art werden natürlich zur Abwechselung des 
Mahls willkommen sein. 

Die Einteilung der Mahlzeiten ist ziemlich belanglos und 
kann dem Belieben eines jeden Einzelnen überlassen bleiben; 
doch gilt die Sitte, die Hauptmahlzeit auf den Abend (6 Uhr) 
zu verlegen, im allgemeinen als empfehlenswert. 

Nächst der Sorge für die Beschaffung einer gesundheits- 
gemässen Kost, kommt für die Malariaprophylaxe die Wohnungs- 
frage in Betracht. Ich habe gezeigt, wie enge, überfüllte 
Wohnräume zu lokalen Infektionsherden werden können. Erste 
Bedingung für eine gesundheitsmässige Wohnung ist 
deshalb die Sorge für viel Raum, Licht, Luft und Rein- 
lichkeit. Dieses sind Faktoren, von denen das Fehlen jedes 
einzelnen, schon unter gewöhnlichen Verhältnissen, als höchst 
zweifelhaft für das gesundheitliche Befinden des Menschen be- 
trachtet werden muss; um wie viel mehr in einem Lande, wo 
der Körper dem Verhältnisse erschwerter und demnach auch 
erhöhter Arbeitsleistung entsprechend, auch der grösseren Er- 
holung und Bequemlichkeit bedarf. Sogenannte „Kasernen- 
wohnungen“, wo vielen Menschen zugleich nicht viel mehr als 
eine Schlafstelle gewährt werden kann, sind vollständig zu ver- 
werfen. Die Lage des Wohnplatzes wird oftmals durch 
praktische Gesichtspunkte bestimmt; wenn man die Wahl hat 
wird man selbstredend höher gelegene Punkte bevorzugen, wegen 
der besseren Ventilation und des leichteren Abflusses des Regen- 



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52 



Wassers; kleine unbewaldete Inseln sind als Wohnplätze noch 
entschiedener vorzuziehen. Dem Baumaterial ist für die in Rede 
stehende Frage kein besonderer Wert beizulegen; wenn man 
Holzhäuser, wie meistenteils, wählt, so empfiehlt sich ein Vs — ‘ >ri 
hoher Unterbau aus Pfählen, aus Gründen der Ventilation wie 
auch aus anderen praktischen Gesichtspunkten'). Holzhäuser 
durften im allgemeinen der Veranda nicht entbehren; diese 
schützt die Wände des Hauses gegen zu grosse Hitze, wie auch 
gegen Durchfeuchtungen^). 

Unerlässliches Erfordernis für die Erhaltung körperlicher 
Frische ist das tägliche Bad. Es müssen deshalb bequeme Bade- 
(Douche-) Einrichtungen im Hause oder in der Nähe des Hauses 
beschafft werden. 

Auch in anderer Weise ist für die Stählung des Körpers 
zu sorgen; durch reichliche Bewegung, Turnübungen, Reiten, 
Schwimmen u. a. Leib- und Bettwäsche sind häufig zu wechseln, 
häufiger wie bei uns zu Lande. Die Stuhlthätigkeit ist nötigen- 
falls durch Arzneien zu regulieren 5). 

Eine regelmässige, fleissige Beschäftigung ist auch 
für die Tropen goldene Lebensregcl. Nichts erschlafl't mehr als 
Unthätigkeit, nichts rächt sich andererseits auch in höherem 
Grade, als forcierte körperliche oder geistige Anstrengungen; 
besonders ist auch nach durchgemachten Fiebern eine Rekon- 
valescenzzeit geboten. 

Die bisher hervorgehobenen Gesichtspunkte entfallen in 
das Bereich der individuellen Prophylaxe; ich habe dieselben 

') Ich will nicht direkt in Abrede .stellen, dass .sehr hohe Pfahl- 
konstruktionen auch einen direkten Schutz gegen die Malaria bilden 
können; es müsste dabei aber an sehr hohe Pfahlbauten gedacht werden, 
15—20' über dem Erdboden, wie Martin (62. Vers, dtsch. Ntfr. und 
Ärzte in Heidelberg) dieselben für Sumatra angiebt. 

*) Über die Konstruktion brauchbarer Veranden siehe meinen 
Aufsatz „l'ropenhygieinische Betrachtungen“ in der „Deutschen Kolo- 
nial-Ztg.“ 1888, No. 43—46. 

V Über zweckmäfsige Kleidung siehe meinen Aufsatz in der 
„Deutschen Kolonial-Ztg.“ 1888, No. 43— 40. 



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53 



vorangestellt, weil ich glaube, dass sie in erster Stelle berück- 
sichtigt werden sollen; denn ich meine, dass es, praktisch be- 
trachtet, hier vorzugsweise darauf ankommt, die Widerstands- 
fähigkeit des einzelnen Individuums gegenüber den Infektions- 
bedingungen zu stärken und dass erst in zweiter Stelle füglich 
daran gedacht werden kann, den eigentlichen Offensivkampf 
gegen das Malariavirus zu führen. 

Man wird Sümpfe trocken legen, wo solche existieren, wird 
Drainagearbeiten ins Werk setzen, wo solche benötigt sind, wird 
kulturloses Land zur Kultur führen und Wege und Strassen 
anlegen — aber Alles das wird gleichen Schritt halten 
müssen mit den Überlegungen, welche aus wirtschaft- 
lichen Gesichtspunkten hervorgehn. Wie diese sich 
allmählich fortschreitend entwickeln, so wird auch der 
Kampf gegen die In^fektionsbedingungen nur schritt- 
weise von statten gehn; er dauert Jahrzehnte; sein End- 
ziel ist die Kultur. 

Sehr wichtig ist es dagegen, von vornherein auf die 
Berücksichtigung gewisser sanitärer Mafsnahmen Bedacht zu 
nehmen. Dazu gehört vor allem die Begründung eines 
komplett eingerichteten Hospitals. Ein solches ist in den 
Anfangsstadien einer Kolonie gradezu erstes und unentbehrliches 
Erfordernis. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass sich 
an der Centralstelle einer neu zu gründenden Kolonie vor- 
wiegend unverheiratete Männer zusammenfinden, welche für die 
Pflege erkrankter Kameraden gewöhnlich nicht Neigung und 
Verständnis zeigen, welchen aber auch selbst bei dem besten 
Willen, solches zu leisten die dazu erforderlichen Mittel fehlen, 
ln Kaiser Wilhelms-Land war aus solchen äusseren Gründen an 
eine rationelle Krankenpflege lange Zeit hindurch garnicht zu 
denken. 

Zu der medikamentösen Prophylaxe und Therapie über- 
gehend, so empfiehlt sich der öftere Gebrauch von Eisenprä- 
paraten. 

Ob man in Malarialändern prophylaktisch Chinin ge- 



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'54 



brauchen solle oder nicht, ist eine noch nicht hinlänglich ent- 
schiedene Frage; ich habe mich früher dagegen ausgesprochen; je 
mehr ich aber zu der Erkenntnis gelangt bin, in welcher Weise 
das Chinin auf den malariakranken Organismus wirkt, um so 
weniger würde ich jetzt dagegen etwas einzuwenden haben, 
dass gleich von vornherein im prophylaktischen Sinne 
kleine Chiningaben Verwendung finden. Man wird Eisen- 
und ChininprBparate, etwa in Pillenform, kombinieren können 
(i.5 — 3 . Chinin muriat. und 10 Fern lactic. auf 5o Pillen). Es 
wird nun freilich dadurch eine sichere Prophylaxe 
nicht zu erzielen sein; eine solche giebt es überhaupt 
nicht in einer ausgesprochenen Malariagegend; immerhin aber 
wird das Allgemeinbefinden von vornherein auf einem 
höheren Niveau gehalten werden können und damit ist 
schon viel gewonnen für die Therapie aller später cintretender 
Erkrankungen. Aus den im Cap. 111 gemachten Zusammen- 
stellungen geht hervor, dass der Europäer, welcher an den 
Fiebererkrankungen teilnimmt, ein immerhin grosses Chinin- 
quantum von 25 — 5o gr. pro Jahr zu verbrauchen sich ge- 
nötigt sieht. Ich würde mir die Sachlage für ihn sehr viel 
günstiger denken, wenn er von Anfang an, gleich mit dem Be- 
treten des Fieberlandes, mit einem eben solchen Chininquantum 
pro Jahr rechnen würde, schon bevor er sein erstes Fieber be- 
kommt. Wenn der Beweis erbracht werden würde, dass man 
sich in einem Malarialande gegen die Infektion durch den 
wöchentlichen Verbrauch von etwa 1 gr. Chinin gegen die Er- 
krankungen schützen könnte, so würde ich gar kein Bedenken 
tragen, diesen modus des Chiningebrauchs anzuempfehlen. Der- 
selben Ansicht ist auch von anderer Seite bereits Ausdruck ge- 
geben worden, so von Plehn ( 29 ), welcher annimmt, dass man 
sich durch den Verbrauch von je i gr. Chinin in 7 tägigen Inter- 
vallen, von dem Eintreffen in die Fiebergegend ab gerechnet, 
gegen die Erkrankungen schützen könne. Der genannte Autor 
denkt sich die Wirkung des Chinin in der Weise, dass es in die 
Gewebsflüssigkeit aufgenommen, die noch frischen Krankheits- 



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keime zu ersticken vermöge und setzt dabei stillschweigend 
voraus, dass die Inkubation langer als 7 Tage dauere. Nach ihm 
sind neuerdings auch Graeser (30) und Buwalda, letztererauf 
Grund seiner Beobachtungen in niederländisch Indien, fUr den 
prophylaktischen Chiningebrauch eingetreten. Buwalda verab- 
folgte das Chinin wöchentlich 3 mal zu je i gr., was im Laufe 
des Jahres allerdings zu dem enormen Chininverbrauch von 
i 56 gr. pro Person führen würde. Jedenfalls halte ich Versuche 
in dieser Richtung für sehr empfehlenswert; ich würde raten, 
einem Teile eine einmalige wöchentliche Dosis von i gr., einem 
zweiten Teil eine solche geteilt an 2 bestimmten Tagen der 
Woche, einem dritten Teil das Chinin in Tagesdosen von 
o,t 3 ein Jahr hindurch zu verabreichen; ein Nachteil erwächst 
dabei in keinem Falle. Um solche Experimente durchzuführen, 
bedarf es freilich einer gewissen Stabilität der Verhältnisse, und 
soweit es sich nicht gerade um Drill handeln kann, auch eines 
intelligenten zuverlässigen Versuchspersonals, llberhaupt bin 
ich der Ansicht, dass man an gewisse hierher gehörige Fragen 
experimentell herantreten sollte; so besonders an Fragen, welche 
sich auf W'ohnplatz, Wohnung, Schlafen bei geöft'neten oder 
geschlossenen Fenstern u. a. beziehen. Verständnis für diese 
Fragen wird man bei dem intelligenten Teile der Kolonisten 
stets voraussetzen dürfen; es kommt nur darauf an, dass nicht 
ein jeder seine persönlichen Anschauungen in solchen Experi- 
menten zum Ausdruck bringt, sondern dass die .Anregung und 
Anleitung von einer Centralstelle, dem Arzt, den Behörden etc. 
aus geschieht. In geradezu grossartiger Weise könnten solche 
Versuche bei dem farbigen Arbeiterpersonal durchgeführt werden 
an Orten (Plantagen), wo mehrere hundert Arbeiter unter den- 
selben Bedingungen zusammen leben. Hauptsache bliebe da nur 
die Verständigung aller der dabei beteiligten Faktoren: Arzt, 
Plantagenvorsteher, Aufseher etc.*) 

*) Mit Rücksicht auf die eminent praktische Seite der Malaria- 
Erkrankungen wird es meist auch nicht zu schwer halten, intelligente 
Kräfte für die .Mitarbeit an einer zuverlässigen Statistik zu ge- 



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Handelt es sich nicht mehr um die Prophylaxe, sondern 
um die Therapie der Malariaerkrankungen im engeren Sinne, 
so wird je nach der Form, unter welcher sich die Erkran- 
kung darstcllt, und je nach den jedesmaligen Symptomen, eine 
symptomatische Behandlung eingeleitet werden sollen. Am 
wichtigsten bleibt auch hier die Beantwortung der Frage: Soll 
man während des Malariafiebers Chinin verabreichen? 
Bei der typischen Intermittens ist dasselbe während des Par- 
oxysmus sicherlich zu entbehren; atypische Fieber von unregel- 
mässigem, protrahienem Temperaturverlauf lassen sich in ihrem 
Gange auch nicht im geringsten durch das Chinin beeinflussen; 
alle Versuche mit schon recht wirksamen Gaben von i,o und i,3 

winnen. Ich habe für Kaiser Wilhelms-Land die folgenden Gesichts 
punkte in Vorschlag gebracht: 

I. Allgemeine Situation: 

Kurze Beschreibung der Lage des Wohnplat/.es, ob am oder 
wie weit ab vom Meere, oder im Flach- oder Hochland, ob und 
für welche Winde zugänglich, welcher Art der Baugrund, wie der 
Untergrund, welcher Art das Trinkwasser (Fluss-, Brunnen- oder 
Regenwasser), welche grössere Anpflanzungen in der Nähe des Hauses 
und in welcher Entfernung und Richtung, welcher Art das Baumaterial 
zum Wohnhause; wenn auf Pfählen konstruiert, wie hoch der Unter- 
bau; wie gross die Schlafzimmer und mit wie vielen Personen belegt; 
nach welcher Richtung sich die Fenster und ThUren des Schlafzimmers 
öffnen, ob solche während der Nacht geschlossen gehalten werden? 
welches das Körpergewicht, welches die vorwiegende Ernährung? wie 
oft in der Woche frisches Fleisch? wie der frühere Gesundheitszustand? 
wird mediziniert? 

II. Monatsrubrik: 

Trockener Monat oder Regen, mäfsiger Regen oder auffallend 
viel Regen? zur Tages- oder Nachtzeit? welches die vorwiegenden 
Windrichtungen? 

III. Erkrankungsrubrik: 

No.; 1 Dat.; | Name; | die wievielte Malaria-Erkrankung; | Tem- 
peraturmessung (eine oder zwei); ( wieviel Chinin nach der Erkran- 
kung; I auf wieviel Tage verteilt; | andere Medikamente. | 

In derselben Weise habe ich auf den Wert der Körpertempe- 
raturmessungen hingewiesen und mich dahin ausgesprochen, dass in 
Malaria-Gegenden das Fieberthermometer das wichtigste Besitzthum 
jedes intelligenten Menschen bilden müsse. 



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157 



Chinin muriat. die Temperatur herabdrücken zu wollen, haben 
sich als vergeblich gezeigt (siehe die Temperaturtabellen und 
Krankengeschichten!), ln den Fallen von Malaria comatosa 
würde mir das Chinin wegen der starken Erregung des 
centralen Nervensystems nicht unbedenklich erscheinen; die 
einzige Form, in welcher das Chinin, wie ich glaube, auch 
während des Fieberstadiums angezeigt erscheint, ist diejenige 
der Malaria biliosa haemoglobinurica wegen der unzweifelhaft 
günstigen Einwirkung, welche das Chinin hier auf die ge- 
störten Cirkulationsvcrhaltnisse in Nieren und Leber ausübt. In 
allen andern Fällen würde ich nach meiner Erfahrung das 
Chinin während des Fiebers entbehren können; dasselbe 
höchstens bei protrahiertem Fieberverlauf als schätzbares Roburans 
nicht ganz (in kleinen Gaben) missen wollen. Ganz anders stellt 
sich die Frage, ob das Chinin nach abgelaufenem Fieber 
verabreicht werden solle, was ich für alle Fälle unbedingt be- 
jahen möchte. 

Es kommt allerdings wesentlich darauf an, sich eine richtige 
Vorstellung darüber zu machen, in welcher Weise das Chinin auf 
den kranken Organismus überhaupt einwirkt. Ist dem Chinin eine 
spezifische Einwirkung auf das Malariavirus zuzuschreiben, be- 
sitzt es die Fähigkeit, das im Körper bezw. im Blutstrom 
kreisende virus abzutöten? Nach den Councilmanschen Unter- 
suchungen müsste man das insofern annehmen dürfen, als er 
nach einer dreimaligen Dosis von je i g Chinin, 2 darauf 
folgende Tage hintereinander verabfolgt, alle Formen der Plas- 
modien zum Verschwinden brachte, mit Ausnahme der „Halb- 
monde“, welche noch monatelang trotz energischster Chinin- 
kuren nachgewiesen werden konnten. Es fragt sich also, was 
man unter diesen „Halbmonden“ zu verstehen habe; wenn etwa 
„Dauersporen“, so würde die specifische Wirkung des Chinin 
auch immer nur eine unvollständige, nicht ausreichende ge- 
wesen sein. 

Am Krankenbette zeigen selbst grosse Dosen Chinin keine 
deutliche Einwirkung auf den Krankheitsverlauf; ich gab in dem 



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- 158 - 

einen Falle fünf Tage hintereinander 2,0; 4,5; 1,0; 3,0; und 3,5 g, 
ohne dass dadurch die Temperatur herabgedrUckt oder Krise 
herbeigeführt wurde; ein Heilgehülfe nahm bei Beginn eines 
Fieberparoxysmus aus purem Übereifer 6 g Chinin in ein- 
maliger Dosis; seine Temperatur blieb trotzdem Uber 
40° stehen und das Fieber fiel nicht früher ab als sonst; auch 
folgte das Recidiv in dem gewöhnlichen Zeitraum. 

Ein anderer Kranker erhielt nach Ablauf des Fiebers 
IO Tage hindurch täglich 1,0 g Chinin; am 11. Tage bekam er 
mit Ausselzen des Chinin sein Recidiv. Wäre das Chinin ein 
Speciticum, so müsste man doch mit einem bestimmten Quantum 
desselben, welches etwa nur mit dem Alter des Kranken zu 
variieren hätte, den gleichen Heileffekt erzielen, oder aber mit 
einem grösseren den grösseren Heileffekt; man müsste das für den 
einzelnen Fall zu seiner Heilung erforderliche Chintnquantum 
ungefähr empirisch feststellen können. Das ist aber schlechter- 
dings nicht möglich, sondern nach allen Versuchen kommt man 
immer wieder zu der Überzeugung zurück, dass die zur Heilung 
erforderliche Chininmenge für jeden Fall eine ganz individuelle 
ist; und damit erscheint mir der Glaube an das Chinin 
als an ein Specificum arg erschüttert. 

Die häufige Beobachtung der Malariaerkrankungen hat mir 
jedoch die folgende Überlegung nahe gelegt: 

Wenn ich die Reihe derjenigen Kranken durchmusterte, 
welche trotz geringer Chininkuren vergleichsweise lange gesund 
blieben und andrerseits die andere Reihe derjenigen Kranken, 
welche bei wohl durchgeführten, sehr energischen Chininkuren 
doch immer wieder erkrankten, so konnte ich mich zugleich 
leicht überzeugen, dass die ersteren — die grosse Minorität — 
sich durchweg eines befriedigenden Ernährungszustandes, einer 
für tropische Verhältnisse ausserordentlichen Körperfrische zu 

1 ) Von einer temperaturherabsetzenden Wirkung des Chinins 
hei den Malaria-Fiebern in sonst wirksamen Dosen von 1,5 — 2,0 g 
habe ich mich niemals überzeugen können, was ich hier gegenüber 
gegenteiligen Ansichten ausdrücklich henorheben möchte. 



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«59 



erfreuen hatten; dass den letzteren dagegen — der grossen 
Majorität — eine mehr oder weniger hochgradige Anämie zu- 
kam; ich konnte weiterhin beobachten, dass, wenn bei der 
letzteren Kategorie die Chininkuren einschlugen, das immer auch 
nur der Fall war, wenn sich unter dem Chiningebrauche zu- 
gleich die Anämie hob. Daraus habe ich gefolgert, dass das 
Chinin vorzugsweise durch die Hebung der Anämie wirkt, da- 
durch wahrscheinlich, dass es das Hämoglobin fester an die 
Blutkörperchen direkt oder durch Vermittelung des Sauerstoffes 
— wie Binz, Rossbach etc. es annehmen — bindet und somit 
dem Zerfall der rothen Blutkörperchen, der Hämatocj'tholyse 
entgegen wirkt.«) Ich stelle mir vor, dass eine normale Blut- 
beschaffenheit die malariaparasitären Einflüsse mehr oder weniger 
zu paralysieren vermag, dass es aber bei mangelhafter Blut- 
beschaffenheit (relative Anämie) zu einer Zerstörung und Auf- 
lösung der roten Blutkörperchen durch die Malariaplasmodien, 
zur Hämoglobinämie kommt, in welcher sich das einzelne 
Malariafieber zum Ausdruck bringt, manifestiert. Ich stelle mir 
weiter vor, dass die nach einem abgelaufencn Fieberanfalle stets 
mit Erfolg gegebene Chiningabe den gestörten Zusammenhang 
zwischen dem Hämoglobin und den roten Blutkörperchen wieder- 
herstellt und dass dazu ein bestimmtes, empirisch auf i,25 — 1,5 
festgestelltes Chininquantum erforderlich ist; dass dieses Quan- 
tums für gewöhnlich jeder, auch der kräftigste und vollsäftigste 
Mensch bedarf; dass dieser aber damit bereits oftmals genügendes 
gethan hat, während andrerseits anämische Personen den Reiz 
des Chinin längere Zeit auf ihr Blut wirken lassen müssen, um 
vor neuen Hämatocytholysen bewahrt zu bleiben. 

In diesem Sinne wirkt das Chinin also immer günstig 
und ist ein sehr wertvolles, unentbehrliches Arzeneimittel; und 



') Dementsprechend ist auch die im Urin als Umsetzungsprodukt 
des Körpereiweisses erscheinende Harnstott'menge verringert. Zunts fand 
bei einer Dosis von 2,0 g Chinin eine Herabminderung der Harnstotf- 
ausscheidung um 39 % (Nothnagel und Rossbach, Handbuch der 
Arzeneimittellehre, 1887, pag. 661). , 



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— i6o — 

von diesem Gesichtspunkte aus wäre es dringend zu wün- 
schen, dass jeder im tropischen Fieberlande lebende 
Mensch die so oft und an so verschiedenen Stellen er- 
probte Thatsache der günstigen Chinineinwirkung ganz 
unbedingt auf Treu und Glauben hinnehmen möchte, 
ohne viel darüber nachzugrübeln, wie es kommt, dass er selbst 
oder der eine oder der andere seiner Bekanntschaft dem etwa 
widersprechende Beobachtungen gemacht habe. 

ln dieser Beziehung kann dem Laien im allgemeinen nicht 
energisch genug die Fähigkeit abgesprochen werden, sich in 
solchen schwierigen Fragen ein objektives, allgemein gültiges 
Urteil anzueignen. 

Was also das Chinin leistet, ist dieses: i. es verhindert 
gewöhnlich, in der fieberfreien Zeit gegeben, das Zustande- 
kommen des zweiten Anfalls: 2. es trägt, längere Zeit fort- 
gebraucht, stets zur Hebung der Anämie bei und giebt 
dem Blute seine verloren gegangene Fähigkeit, das 
Malariavirus zu cleminicren, zurück. Es schützt somit 
gegen Recidive oder wahrt doch denselben, wenn sie eintreten, 
einen relativ gutartigen Charakter, lässt die pernieiösen Formen 
der Malaria gewöhnlich nicht aufkommen. 

Wenn das Chinin gelegentlich im Stich lässt, so ist ent- 
weder eine unzweckmässige (Chinin, sulph. in Pulverform) oder 
verspätete Darreichung desselben daran schuld oder es liegen, 
wie nach akuten Malariaattacken häufig, Störungen in der 
Magen- und Darmthätigkeit vor, welche die Resorbtion er- 
schweren. Auch ist es wichtig zu wissen, dass wenn die Apy- 
rexien nicht ganz reine sind, der zweite Anfall auch trotz wirk- 
samer Chiningaben cintritt. Ich habe es deshalb für zweck- 
mässig befunden, das Chinin nur in denjenigen Intermissionen 
zu verabreichen, bei welchen die Temperatur unterhalb 37,5 ge- 
fallen war. Nachteilige Einwirkungen des Chinin braucht 
man nicht zu besorgen; die Fälle von Chininintoxikationen, von 



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— i6i — 

welchen in der neueren Zeit berichtet wird,*) dürften teils 
anders zu deuten, teils als sehr seltene kaum in Betracht zu 
ziehende Ausnahmen anzusehen sein. Man wird freilich, wie 
ich glaube, nicht ohne Grund Uber die Tagesdosis von 2 g 
hinausgehen sollen. 

Von Chininpräparaten verdienen das doppelschwefelsaure 
und salzsaure wegen ihrer Löslichkeit in Wasser den Vorzug; 
in dieser Hinsicht sind sie auch als Klysmata mit Mucilg. gum. 
arab. sehr wohl verwendbar; bei nervöser Reizbarkeit des Kranken 
zugleich mit Chloralhydrat zusammen, um Schlaf zu erzielen. 

Gewöhnlich wird das Chinin in gelöster Form (mit Wasser 
oder Cognac, und Zusatz von viel Tinct. oder Syrup. cort. 
aurantior. als Corrigens) auch gut per os genommen; es muss 
hierbei schon etsvas an den energischen Willen des Kranken 
appelliert werden. 

Die subkutane Applikationsmethode habe ich nicht em- 
pfehlenswert gefunden, einmal, weil das mit einer Spritze in- 
korporierte Quantum nicht ausreichend ist, sodann, weil sich an 
den Einstichstellen, auch bei strengster Beobachtung antiseptischer 
Cautelen, oftmals lokale Entzündungen bilden. 

Die für jeden einzelnen Fall erforderliche Chinin- 
menge richtet sich weniger nach theoretischen Er- 
wägungen, als nach dem jedesmaligen Allgemein- 

*) Barata Ribeiro hat nach Verabreichun.g von 1,5 Chinin, 
sulph. bei hebr. intermittens adynamica mit Temperatur 41 (!) Hallu- 
cinationen gesehen; Hilario de Gonveia nach einer Gabe von 4 g 
Amaurose und Ischämie der Netzhaut; Pispiris bei Anwendung von 
1,25 Chinin, sulph. Magenblutung und blutige Darmentlcerungen, in 
anderen Fullen bloss Diarrhöen (in .Schmidt’s .lahrbUchern 1889); Pam- 
poukis undChomatianos (rccherches cliniques et experimentales sur 
i’hemospherinurie quinique Progres med. No. 27 in Virchow-Hirsch 
1888, II, pag. 34), berichten sogar von Fällen, wo nach Chiningebrauch 
(im II. Anfalle) Hämoglobinurie auftrat, was sich mit den so günstigen 
Einwirkungen, welche das Chinin sonst gerade bei den Fällen von 
lievre bilieuse hematurique zeigt, garnicht zusammenbringen lässt. 

Schellong. II 



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— IÖ2 — 

befinden des Kranken; ich habe gewöhnlich nicht unter 
5 und nicht Uber i5g in einer Tour fortbrauchen lassen, in 
kleinen Tagesdosen von o,3 oder einer grösseren Dosis, jeden 
zweiten oder dritten Tag. Selbstverständlich war nach Abfall 
des Fiebers stets zunächst eine Dosis von i,o — 1,25 — 1,5 Chinin, 
2 Tage hintereinander gegeben, erforderlich. 

Die grössten Chinintnengen kommen bei der chronischen 
Malariainfektion in Betracht und der Einfluss derselben auf 
Milztumor und Anämie ist dann stets ein hervorragender. Nicht 
recht verständlich ist die häufig zu beobachtende Thatsache, dass 
im Malariasiechtum befindliche Personen mit dem Moment, wo 
sie anfangen Chinin zu nehmen, bisweilen Fieberanfälle be- 
kommen. Es mag hier der Chininreiz auf den Körper wie eine 
Indisposition wirken, und analog einer Erkältung, dem kalten 
Bade etc. einen Fieberanfall auslösen;') wo und in welchen 
FäUen man aber auch das Chinin anwenden mag, erster Grund- 
satz bleibt immer, das Chinin nur als ein unterstützendes 
therapeutisches Moment anzusehen; erst alles andere, was mit 
dem Chinin zusammen berücksichtigt werden muss, kann einen 
durchschlagenden Kurerfolg sichern; das ist vor allem absolute 
Schonung und exquisite Pflege; in manchen hartnäckigen Fällen 
ist ein wenigstens temporärer Klimawechsel, etwa auch nur 
in der Form einer längeren Seereise, unerlässliches Erfordernis. 

Kurze Kasuistik: 

KrankeimeschirlUe Jio. HS. 

I. Ein ca. 14 jähriger Melanesier hat am 7. XII. FUberparoxysm. 
mit grossem Milztumor (III); erhält am 8. XII. bei normaler Temp. 
1,0 Chin.; darauf vom 9. — 11. XII. täglich 1,0; vom 12.— 16. XII. täglich 
0,5 Chin. (also zusammen 6,5 g); am 17. XII. wird das Chin. aus- 
gesetzt; am 18. XII. setzt neuer Paroxysm. ein. 



') Man kann sich vorstellen, dass das Chinin (und wohl auch 
ein kaltes Bad) die kontraktilen Elemente der .Milz zur Kontraktion 
veranlasst und damit schlummernde Keime in den Blutstrom schickt, 
welche den Paroxysm. auslösen. 



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63 



2. Derselbe Kranke fiebert vom i8. XII. — 20. XII. im kontinuier- 
lichen Typus; am 20. XII. frllh Temperatur 40,1, um 8 Uhr Chin. 1,0; 
die Temperaturen betragen um ro Uhr 40,0, um 2 Uhr 40 , 8 , um 
5 Uhr 40,1. 

Bei einem andern Melanesier ebenfalls im kontinuierlichen Typus 
fiebernd, ist die Temperatur morgens auf 38,5 herunter gegangen; 
erhUlt ebenfalls 1,0 Chin.; 2 Stunden später 38,6; 6 Stunden später 
40,2; am Abend 40,3. 

Ein anderer zeigt nach einem Fieber im kontinuierlichen Typus 
morgens 37,7; erhält 1,5 Chin. in LOsung; Temperatur steigt an dem- 
selben Tage auf 38,2, 38,6, 38,7. 

In der Vorstellung, dass das Chin. dadurch wirke, dass es das 
Hämoglobin fester an die roten Blutkörperchen binde, versuchte ich 
in einer Reihe von Fällen das Eisen, welchem ja eine ähnliche 
Wirkungsweise zugeschrieben werden muss; ich verabreichte liq. ferr. 
dialysaL bei melanesischen Kranken 2— 3 mal des Tages theelüff'elweise 
und etwas darüber und fand, dass ein Einfluss des Eisens nicht zu 
verkennen ist: der Anfall blieb überhaupt aus oder er wiederholte sich 
im Tertiantypus oder im verspäteten Quotidiantypus. 

Kurze Kasuistik: 

Kranketigesehichte Ao. 34. 

1. 27. XII. Paroxysm. mit Milzschwellung I. 

28. u. 29. XII. je 2 LöH'el liq. ferr. 

29. XII. mittags kurzer Paroxysm., schon am Abend abgefallen. 

30. u. 31. XII. u. I. I. täglich 2 Löft'el liq. ferr. 

Anfall bleibt jetzt aus. 

2. 27, XII. Paroxysm. 

28. XII. Paroxysm. 

29. XII. I Theelöft'el liq. ferr., abends Paroxysm. 

30. XII. täglich 2 Löflel liq. ferr. 

3 ». XII. „ „ „ 

31. XII. abends Paroxysm. 

3. 27. XII. Paroxysm. mit Milzschwcllung II. 

28. XII. — 31. XII. = 4 Tage je 2 Löffel liq. ferr. 

1. I. entlassen; Paroxysm. nicht wiedergekehrt. 

4. 28. XII. mittags Paroxysm., Milzschwellung III. 

29. XII. — 31. XII. = 3 Tage je 2 Löffel liq. ferr. mit merklich 
zurUckgebildetem Tumor (II — III) entlassen. 

2. I. Paroxysm. 

5. 27. XII. Paroxysm. mit Tumor III. 

28. XII.— 31. XII. = 4 Tage je 2 Löffel liq. ferr. 



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— 164 — 

31. XII. mit wenig zurUckgebildetem Tumor entlassen. 

II. I. Recidiv. 

6. 29. XII. Paroxysm. Milzschwellung III. 

30. XII. — I. I. = 3 Tage je 2 LöHel liq. ferr. 

II. I. Recidiv. 

Uber die Verwendbarkeit anderer Antipyretica als des 
Chinin habe ich selbst keine Erfahrungen gesammelt. Von 
anderer Seite, so besonders Martin (32), wird jedoch sowohl 
dem Natr. salicyl., als auch dem Antifebrin eine recht 
günstige Wirkung in Fällen von febris remittens zuge- 
schrieben. Martin gab das Natr. salicyl. in grossen einmaligen 
Dosen von 3 — 5 g und sah darnach „stets“ die Tempe- 
ratur zur Norm zurUckkehren, ohne dass kollapsartige Er- 
scheinungen dabei eingetreten wären, ln leichteren Fällen blieb 
die Temperatur dann auch normal, während in schwereren 
Fällen dazu noch eine zweite Gabe, kombiniert mit Chinin, 
nötig wurde. Bezüglich des Antifebrins äussert sich Martin 
(pag. 63): „Bei typhoider Remittens jeden Tag gleichzeitig mit 
der an und für sich eintretenden tiefsten Remission gereicht, 
war es im stände, aus dieser Remission eine kleine Intermission 
zu machen oder selbe doch erheblich zu verlängern, so dass 
ich in solchen Fällen vom Chinin, welches den Krankheitslauf 
kaum beeinflusst, ganz absehen und nur .\ntifebrin und Bäder 
anraten möchte. Nur ein Nachteil haftet dem Antifebrin an, 
dass es nämlich in der Wiederholung bei der 3. oder 4. Gabe 
eine entschieden schwächere Wirkung zeigt, welche sogar in 
schweren Fällen mit der 5. oder 6. Gabe ganz ausbleibt.“ 

Die Zahl der zur Heilung der Malaria-Fieber angepriesenen 
Medikamente ist eine sehr grosse;') ich habe von denselben 
näher geprüft das Picrins. Ammoniak, die Warburg’sche Tinktur^) 

') Ich denke dabei garnicht einmal an die zahlreichen, mit 
schwindelhafter Reklame angepriesenen l'atentmedizinen. 

*) Siehe darüber meine „Bemerkungen zur medikamentösen 
Therapie des Malaria- Fiebers“. Therapeutische Monatshefte 1889, 
pag. 540. 



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— i65 — 

und Eucalyptus- und Arsenikpraparate. Auch nicht ein einziges 
dieser Medikamente hat mich mit seinen Erfolgen annähernd 
so befriedigt, wie das Chinin; ohne Frage bleiben Fieberanfälle 
bisweilen aus; aber zur richtigen Würdigung dieses Verhält- 
nisses muss man wissen, dass solches auch vorkommt, wenn 
überhaupt gar keine Arzeneien genommen werden. Das ist z. B. 
der Fall bei den Landeseingeborenen von Kaiser Wilhelms-Land, 
denen der Begriff von Arzenei und Arzeneiwirkung ganz un- 
bekannt ist. Wenn manche Autoren die Wirkung ihrer Medi- 
kamente emphatisch als unübertrefflich und niemals versagend 
anpreisen, so werden sie sich wohl sicherlich oftmals über die 
wahre Sachlage in vollständigem Irrtum befunden haben und 
die Heilungen, welche sie erzielt haben, dürften wohl zum 
grossen Teile nur scheinbare gewesen sein; die Mehrzahl ihrer 
sogenannten „geheilten“ Fälle dürfte sich vielmehr wohl unter 
der Rubrik „chronisches Malariasiechtum“ weiter fortführen 
lassen; die Güte der Therapie lässt sich nicht be- 
urteilen nach der grösseren oder geringeren Anzahl 
von Fiebererkrankungen, welche ein Mensch durchmacht; 
sondern für die Frage, ob Heilungen anzunehmen sind 
oder nicht, ist lediglich ausschlaggebend das Allgemein- 
befinden, welches die Kranken nach ihren Fiebern 
weiterhin aufzuweisen haben; und das Verhalten der 
Milz. 

Zur symptomatischen Bekämpfung der verschiedenen 
im Verlauf des Malariafiebers auftretenden Krankheitszustände 
kommen selbstverständlicher Weise eine Reihe der geläufigen 
Medikamente in Betracht; so findet man besonders häufig Ver- 
anlassung, ausgiebigen Gebrauch von den Opiaten zu machen. 
Von einigen Autoren (Falkenstein, ,, Ärztlicher Ratgeber“) wird 
das Chloralhydrat besonders wertgeschätzt und demselben 
auch die Eigenschaft nachgerühmt, Krisen herbeizufUhren; in 
denjenigen Fällen, in welchen ich das Chloralhydrat wegen 
Schlaflosigkeit verabreichte, habe auch ich öfters beobachten 
können, dass ein Fieber, welches mehrere Tage fortbestanden 



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i66 



hatte, Uber Nacht nach gutem Chloral-Schlaf abfiel; ebenso oft habe 
ich diese Wirkung aber auch nicht eintreten sehen (vergl. in dieser 
Hinsicht die Temperaturkurven Fig. 3, 5 , 8, 14, 15, 21 u. a.), so 
dass ich einen Entscheid in dieser Frage nicht zu treffen vermag. 
Immerhin erwies sich das Chloralhydrat als ein sehr brauch- 
bares Medikament, dessen häufiger Anwendung leider nur zu 
oft die das Fieber begleitenden Magendarmstörungen entgegen- 
stehen. 



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Pigur 1-8. 




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4 




Figur 9 - 16, 







Verlftg von Julme Springer in Berün N . 



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Fiflur 17-19 



19. 




tMl^e (hutntum iiv gvm.. 

£JlloT'ltJJ^^dj*CLt . Verlag von Julms Springer in Bcrim. N . 



1 



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Figur 20-25 




ali^e (hiarituni in /jm. 

fJlIoPCLUiVcli^a ^ . Verlag v^n J^us Springer in Berän N 



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Fiyur 26- 30 




üunntiim in tjrm.. 
•'alJivdriLt. 



Verlafl von Jiüms Syruiger in. fi«rtn K 



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Oi'CtifiVfintit . Vtriia vjr. Julius Spruis« uiBsrliuN. 



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Quantum. in tfPm.. 
’ura//wc/j‘fU,. 



Verlag vor. Jubus Springer in Berii:- K. 



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Figur 38 “41 




'iffe Quantum in^jjrrm. 

lloPoUhyciT'CCt. Verlag von Julius Spnngsr m Berlin. H . 



i, 



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Tafel IX. 




Verlag von Julius Sfrisger in Berlin N 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



3 9015 07099 028 







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