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DIE BILDENDEN KÜNSTE.
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DIE
BILDENDEN
KÜNSTE
EINE EINFÜHRUNG IN DAS
VERSTÄNDNIS IHRER WERKE
3. AUFLAGE DER EINFÜHRUNG IN DAS
STUDIUM DER NEUEREN KUNSTGESCHICHTE
VON
ALWIN SCHULTZ
NEU BEARBEITET VON
RUDOLF BERNOULLI
MIT 160 ABBILDUNGEN
1912
G. FREYTAG, g. m. b H.. LEIPZIG,
F. TEMPSKY. WIEN.
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I
Alle Rechte, einschließlich des Ubersetzungsrechtes,
vorbehalten.
Copyright by a Freytag, G. m. b. H., Leipzig, 1912.
Budidruckrrci G. Frcytnjf, GccIU.Wt m. b. H-, W.ra.
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Vorrede.
Zum dritten Male erscheint diese kleine Schrift, die einzig
und allein beabsichtigt, der Kunst und auch der Kunstgeschichte
Freunde zu gewinnen. Je mehr die staatliche Kunstpflege sich
ihrer Pflicht bewußt wird, auch den idealen Zielen gerecht zu
. werden, um so wichtiger erscheint es, daß im Volke das Verständnis
für diese Bestrebungen vorhanden ist, daß man gern und freudig
sie unterstützt. Erst muß das Interesse für alle diese Fragen in
den breitesten Schichten der Bevölkerung lebendig sein, dann
werden auch die berufenen Vertreter der Kunst und der Kunst-
geschichte die Unterstützung finden, die zu entbehren sie nicht
imstande sind. Dazu das Seine beizutragen, ist der Zweck dieses
Buches.
München 1908. A. SCHULTZ.
Professor Alwin Schultz ist noch vor der endgültigen Re-
daktion der dritten Auflage seines Buches verstorben; so wurde
mir die Neubearbeitung übertragen. Das Ziel der Schrift blieb
dasselbe; aber ich. glaubte es besser erreichen zu können, indem
ich nach Möglichkeit alles Unwesentliche und alles, was für den
Laien Name ohne Begriff bleiben mußte, ausmerzte, dafür das
Wesentliche, die Eigenart und die Entwicklung der einzelnen
Kunstzweige recht plastisch herauszuarbeiten versuchte. Weniger
zum Studium einer historischen wissenschaftlichen Disziplin soll
das Buch anregen, als vor allem dazu, die Werke der bildenden
Künste mit offenen Augen und empfänglichem Herzen zu be-
trachten.
Berlin 1011. RUDOLF BERNOULLI.
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Inhaltsverzeichnis.
EINLEITUNG S. q— 12
KUNST UND KUNSTGESCHICHTE S. 13—28
Grenzen der Kunst. Stil. Denkmälerbestand. Entwicklung. Skizze der Entwicklungs-
geschichte. Wesen des Kunstwerks. Kunsttheorie. Kunstgeschichte als Wissenschaft.
Technik und Darstellung. Kritik und Genuß.
BAUKUNST S. 29—62
1. DAS WESEN DER BAUKUNST: Zweck. Konstruktion. Regelmäßigkeit. Raum -
wirkung. Gleichgewicht. Ornamentik. Die künstlerische Einheit S. 30
2. DIE TECHNIK DER BAUKUNST: Bauzeichnungen. Geschichte der Bauzeich -
nungen. Modelle. Baumaterial (Holz, Stein, Backstein, Kalkputz, Stuck, Eisen und
Zement). Der Kampf mit der Schwerkraft. Wetterfestigkeit S. 32
3. DIE BAUKÜNSTLER: Anonymität. Künstlerische Stellung. Soziale Stellung. S. 40
4. DIE AUFGABEN DER BAUKUNST: Wohnstätten. Städtebau. Tempel- u. Kirchen -
bau. Repräsentationsbau S. 44
5. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER BAUKUNST: Ägypten und Babylonien.
Griechenland. Rom. Die christliche Kirche. Romanischer Stil. Gotik. Renaissance.
Barockstil. Rokokostil. Klassizismus. Nachwirkungen der historischen Stile. Die
neueste Entwicklung S. S2
KUNSTHANDWERK S. 63—118
1. DAS WESEN DES KUNSTHANDWERKS: Zweckerfüllung. Schönheit. Material -
stil. Stellung des Kunsthandwerks. Soziale Entwicklung S. 64
2. DIE AUFGABEN DES KUNSTHANDWERKS: Möbel. Türen, Fenster, Gitter und
Balustraden. Innenverkleidung der Räume. Heizung und Beleuchtung. Handgeräte.
Gefäßkunst. Buchkunst. Kleidung und Schmuck S. 66
3. DIE MATERIALTECHNIKEN DES KUNSTHANDWERKS: Holz. Bein. Lcder.
Stoffdruck. Weberei. Gewirkte Teppiche. Knüpfteppiche. Stickerei. Posamenten-
Spitzen. Papiertapeten. Buntpapiere. Stein. Töpferei (Fayence, Steingut, Steinzeug,
antike Kunsttöpferei, Porzellan), Glas. Gold u. Silber. Kupfer. Bronze. Zinn. Eisen S. 77
PLASTIK S. 119— 161
1. DAS WESEN DER PLASTIK: Formgestaltung. Darstellungsobjekt. Verhältnis
zur Architektur. Umgebung und Hintergrund S. 120
2. DIE AUFGABEN DER PLASTIK: Dekorative Plastik. Ideal- und Kultstatuen.
Porträtplastik. Kleinplastik. Münzen und Medaillen S. 123
3. DIE MATERIALTECHNIKEN DER PLASTIK: Gebrannter Ton. Stuckmasse.
Marmor. Alabaster. Andere Steinarten. Holz. Elfenbein. Wachs. Glyptik. Wappen-
steinschneidekunst. Stempelschneidekunst. Münz- und Medaillenschnitt. Treibarbeit.
Metallguß S. 126
4. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER PLASTIK; Assyrien und Ägypten.
Griechenland. Die klassische Plastik. Die hellenistische Zeit. Rom. Byzanz. Die
romanische Plastik. Das 13. Jahrhundert. Die Zeit des Naturalismus. Italienische
Renaissance. Barockstil. Klassizismus. Der Naturalismus des 19. Jahrhunderts.
Gebundener Stil S. 153
MALEREI UND DIE GRAPHISCHEN KÜNSTE . S. 161 — 249
1. WESEN UND VORAUSSETZUNGEN DER MALEREI UND DER GRAPHISCHEN
KÜNSTE: Flächenkunst. Das Sehen (Perspektive, Schatten, Reflexe, Farbe). Auf -
fassung des Malers. Bildausschnitt. Das geistige Vorbild. Komposition. Skizze. Format
und Entfernung. Stilisierung. Ausfüllen der Fläche. Der seelische Ausdruck. S. 162
2. DIE TECHNIKEN DER MALEREI UND DER GRAPHISCHEN KÜNSTE:
Zeichnung. Material der Bildfläche. Zeichenstift (Silberstift, Bleistift, Graphit, Feder,
Kohle, schwarze Kreide, Rötel). % Pastellmalerei. Enkaustik. Aquarell. Gouache.
Tempera. Ölfarbe (Malmittel, Malgrund, Untermalung, Farbstoffe, Restaurierungs-
arbeit, Farbenauftrag). Freskomalerei. Sgraffito. Mosaik. Glasmalerei. Email (Zellen-
schmelz, Grubenschmelz, Reliefschmelz, Maleremail). Gravierte Metallplatten. Niello.
Bilddruck (Holz- und Metallschnitt, Kupferstich, Radierung, Steindruck). . S. 165
3. DIE AUFGABEN DER MALEREI UND DER GRAPHISCHEN KÜNSTE: Monu -
mentalmalerei. Fenstermalerei. Buchschmuck. Kleine Kunstblätter. Miniaturmalerei-
Tafelmalerei. Malerei als Schmuck kunstgewerblicher Erzeugnisse S. 191
4. DIE STOFFGEBIETE DER MALEREI: Historienmalerei (kirchliche Kunst,
Schlachtenmalerei, Apotheosen, mythologische Szenen). Porträt. Genrebild (Bauern-
bild, Berufsbild, Anekdotenmalerei). Tiermalerei. Stilleben- und Blumenmalerei-
Landschaftsmalerei (heroische Landschaft, Seestück, Architektur, Alpenlandschaft,
Vedute) S. 203
5. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER MALEREI UND DER GRAPHISCHEN
KÜNSTE: Prähistorische Zeichenkunst. Ägypten. Griechenland. Rom. Frühchristliche
Malerei. Mittelalter. Italicnische Frührenaissance. Naturalismus in den Niederlanden
und Deutschland. Italienische Hochrenaissance. Barockzeit in Italien, Spanien,
Flandern und Holland. Das 18. Jahrhundert. Klassizismus. Romantik. Impressionismus.
Neue Bestrebungen. Nachwort S. 220
Zur weiteren Verfolgung der in diesem Buche gegebenen Anregungen
seien folgende Werke empfohlen:
1. EINFÜHRUNG IN DIE KUNSTBETRACHTUNG.
Brandt, Paul, Sehen und Erkennen. Leipzig 1911.
Lichtwark, Alfred, Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken. Hamburg 1897.
Volbehr, Theodor, Bau und Leben der bildenden Kunst. Sammlung „Aus Natur und
Geisteswelt". Leipzig 1904.
Waetzoldt, Wilhelm, Einführung in die Bildenden Künste. 2 Bde. Leipzig 1912.
2. KUNSTGESCHICHTE.
Lübke, Wilh.u. Semrau, Max, Grundriß d. Kunstgesch. 5 Bde. Eßlingen a. N. 1905 — 1908.
Woermann, Karl, Gesch . d. Kunst aller Zeiten u.Völker. 3 Bde. Leipzig u. Wien 1 904 — 1 911.
Cohn-Wiener, Ernst, Die Entwicklungsgeschichte der Stile in der bildenden Kunst.
2 Bde. Sammlung „Aus Natur und Geisteswelt 1 '. Leipzig 1910.
Leisching, Julius, Wege der Kunst. Leipzig und Wien 191 1.
3. ABBILDUNGSWERKE FÜR ALLE GEBIETE DER KUNST.
Bauformen-Bibliothek, herausgeg. von J. Hoffmann, Stuttgart. Bisher erschienen 6 Bde.
Klassiker der Kunst, herausgeg. von der Deutschen Verlagsanstalt. Leipzig und Stuttgart.
Bisher erschienen 21 Bde.
Die Kunst in Bildern, herausgeg. von Eugen Diederichs. Jena. Bisher erschienen 5 Bde.
Ute Welt des Schönen, herausgeg. von Karl Robert Langewiesche. Düsseldorf und Leipzig
Bisher erschienen 9 Bände.
4. BAUKUNST.
Borrmann, Richard und Neuwirth, Jos., Geschichte der Baukunst. 3 Bde. Leipzig 1904 ff.
Hartmann, K. Q., Die Baukunst in ihrer Entwicklung. 3 Bde. Leipzig 1910-1911.
Matthaei, Adalbert, Deutsche Baukunst im Mittelalter. Deutsche Baukunst seit dem
Mittelalter bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Sammlung aus „Natur und
Geisteswelt". Leipzig 1903. 1910.
5. KUNSTHANDWERK.
Lehnert, Georg, u. a., Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes. 2 Bde. Berlin 1909.
Sponsel, Jean Louis, u. a. t Monographien des Kunstgewerbes. 1 1 Bde. Leipzig 1890—1910.
6. PLASTIK.
Lübke, Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. 3- Aufl.
Leipzig 1880.
Stegmann, Hans, Die Plastik des Abendlandes. Sammlung Göschen. Leipzig 1902.
7. MALEREI.
Philippi, Adolph, Die großen Maler in Wort und Farbe. Leipzig 1910.
Voll, Karl, Vergleichende Gemaldcstudien. 2 Bde. München und Leipzig 1907-1910.
Czapek, Rudolf, Grundprobleme der Malerei. Leipzig 1908.
v. Frimmel, Theodor, Handbuch der Gemaldekunde" Leipzig 1894.
8. GRAPHISCHE KÜNSTE.
Kampmann, C, Die graphischen Künste. Sammlung Goschen. Leipzig 1898.
Kautzsch, Rudolf, Die deutsche Illustration. Sammlung ,, Aus Natur und Geistesweit".
Leipzig 1904.
Kristeller, Paul, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten. Berlin 1905.
Berteis, Kurt, u. a., Klassische Illustratoren. München 1905 ff.
9. KUNST IM ALLTAGSLEBEN.
Schultze-Naumburg, Paul, Kulturarbeiten. 6 Bde. München 1902 — 1911.
Schultze-Naumburg, Paul, Häusliche Kunstpflege. Leipzig 1900.
Lux, Joseph August, Geschmack im Alltag. Dresden 1908.
Spemanns goldenes Buch vom eigenen Heim. Berlin, Stuttgart 1905.
Lichtwark, Alfred, Palastfenster und Flügeltür. 3. Aufl. Berlin 1905.
Naumann, Friedrich, Der Geist im Hausgestühl. Dresden 1906.
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Die Werke der bildenden Künste danken ihr Entstehen der Sehnsucht,
etwas zu schaffen, was über das Alltagliche und Nützliche hinausgeht,
etwas, was uns mit innerer Freude erfüllt und unser Leben schön und
reich macht. Der Künstler empfindet das am innigsten; ihm ist die Schaffens-
freude reichlicher Ersatz für den äußeren Erfolg, der ihm so oft versagt
bleibt. Aber wenn man schon zu sagen pflegt „l'art pour Tart", die Kunst
ist um ihrer selbst willen auf der Welt, so klingt es doch wie eine Ausrede.
Die Kunst braucht nicht einsam zu sein. Sie ist reich genug, um das Leben
eines jeden zu füllen mit Freude und Genießen. Aber dazu gehört die
Empfänglichkeit des Publikums, das Vermögen, zu sehen, zu begreifen
und zu empfinden.
Es gilt für gebildet, nicht ohne Anteil die Schöpfungen der Kunst zu
betrachten; aber die meisten glauben sich dieser Verpflichtung schon dann
ledig, sobald sie ein Kunstwerk eines flüchtigen Blickes gewürdigt, das-
selbe wenn möglich getadelt und so ihre Kunstkennerschaft erwiesen haben.
Gehen in den Kunstausstellungen, in den Gemäldesammlungen die Leute
nicht herum und haben für ein Werk, das einen Künstler Wochen, Monate,
selbst Jahre hindurch beschäftigt hat, kaum mehr als einen ermüdeten
flüchtigen Blick, meinen jedoch trotzdem, recht wohl imstande zu sein,
über den Wert oder Unwert der Kunstleistung abzuurteilen?
Das mag bedauerlich erscheinen, jedoch die Tatsache, daß es wirklich so ist,
kann nicht abgeleugnet werden. Und doch, wie ein verwöhntes Kind der Liebe
bedarf und nur dann, wenn ihm dieselbe zuteil wird, seine ganze eigene Liebens-
würdigkeit zeigt, im andern Falle aber sich scheu zurückzieht, so ist für
das Gedeihen einer jeden Kunst ein liebevolles herzliches Entgegenkommen
von Seiten derer, für die das Kunstwerk geschaffen wird, erforderlich. Die
große Masse des Volkes kümmert sich gar nicht um die Kunst, und
diejenigen, die wenigstens noch einige müßige Augenblicke ihr zu schenken
geneigt sind, bringen ihr nicht mehr die erforderliche Andacht entgegen.
Es ist schwer zu sagen, warum dem so ist. Gewiß ist heute der Wille
zur Macht, zum tatkräftigen Mitleben durch die wirtschaftlichen Verhält-
nisse großgezüchtet worden. Und dieses robuste, aktive Streben ist schwer
vereinbar mit dem passiven, beschaulichen Sichhingeben, welches das
Kunstwerk von uns verlangt. Andererseits steht aber eine natürliche
Gefühllosigkeit dem Genuß im Wege. Die bildende Kunst appelliert an
unser Formempfinden. Wenn aber diese Empfindsamkeit fehlt? Oder wenn
sie falsch reagiert?
Wenn es gilt, der Kunst Freunde zu werben, Verständnis und Wohl-
wollen für ihre verschiedenartigen Äußerungen zu erwecken, so muß vor
allem das Gefühl im Beschauer wachgerufen werden, daß es sich in der
Kunst um köstliche und subtile Dinge handelt. Jede Äußerung hat ihren
Wert und ihre Berechtigung. Es gibt keine Kunstströmung, die nicht
ihren guten gesunden Kern hätte. Ihren absoluten Wert zu finden, ist
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n
ungeheuer schwer, in gewissem Sinne sogar unmöglich. Aber sie verstehen
und ihre guten Seiten wertschätzen, das kann jeder erreichen, dem es darum
zu tun ist. Wo das Ziel einer gewissen Kunstströmung erkannt wird, da
ist es auch nicht mehr allzu schwierig zu beurteilen, welche Leistung dem
Ziele am nächsten gekommen ist. Und diese Hauptwerke, welche das
Kunstprogramm einer ganzen Generation klar und voll fassen, die können
einem die Augen öffnen, ohne daß dazu ein Führer nötig wäre. Freilich
braucht es den Führer, um zu ihnen hinzuführen, aber wo der Wanderer
am Ziel ist, wird der Wegweiser nutzlos. Nun heifit es: Aufnehmen, in
sich hineinsehen, so daß es zu einem Teil seiner selbst wird.
Die Kunstmuseen sind die großen Schatzkammern, wo herrliche
Schätze aufgespeichert liegen für den, der sie zu finden und zu würdigen
versteht. Ihrer ursprünglichen Bedeutung nach sollte nur das Wertvollste
und Wichtigste, die ausgemachten Meisterwerke der Kunst, in ihnen Platz
finden. Aber längst hat auch Mittelmaß und Kunst aus zweiter Hand
in ihnen Aufnahme gefunden, so daß sie uns heute eine große, aber un-
gleichwertige Fülle präsentieren. Der Grund dazu liegt vielfach in un-
vernünftigen Geschenken, die angenommen werden müssen und ewig im
Besitz des Museums verbleiben; oft auch in der Zufälligkeit des Kunst-
markts und in der Beschränkung der Mittel. Das viele Mittelgut nimmt
nun aber den meisten Raum in Anspruch und läßt die wirklichen Meister-
werke in den Hintergrund treten.
Das Museum ist also kein Führer zur Kunst, sondern ein Labyrinth,
in dem sich nur der Kenner unter Aufwand von Mühe und Zeit zurecht-
findet. Und doch wäre es möglich, daß das Museum ohne Worte bilden
und lehren könnte, Genüsse schaffen, die man heute unter den größten
Anstrengungen mehr ahnt als durchkostet. Man sollte deshalb die besten
Werke, die ein Museum aufzuweisen hat, so aufstellen, daß man sie un-
gestört betrachten kann; diese Räume seien dem Publikum geöffnet. Die
übrige Sammlung mache man nur den Künstlern oder Gelehrten, welche
Studien zu treiben beabsichtigen, zugänglich.
Daß diese Neuerung sich nicht so leicht durchführen lassen wird, liegt
ja auf der Hand, denn das Publikum glaubt ein Recht zu haben, alle in
einem Museum aufgestellten, dem Staate gehörenden Kunstwerke zu
sehen, und ist gewöhnt, daß dieses vermeintliche Recht respektiert wird;
indessen sieht es immer doch nur, was zu zeigen die Direktion der Museen
für gut findet; was in den Depots aufbewahrt wird, ist ihm ja trotzdem nicht
zugänglich. In einem Münzkabinette werden auch nicht sämtliche Stücke
den Besuchern gezeigt, und die Masse der Besucher gibt sich zufrieden, das
anzuschauen, was ihr vorzuweisen die Vorstände für angemessen erachten.
Ein wenig mehr Strenge in der Auswahl der jedermann zugänglichen Kunst-
werke und der oben gemachte Vorschlag läßt sich sehr wohl realisieren.
Daß das Publikum durch die Menge der ausgestellten Kunstwerke beirrt
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wird, geben selbst die zu, welche sich mit so entschiedenen Maßregeln
nicht befreunden können; allein man kann zur Not wohl durch geschickte
Aufstellung, durch Hervorheben in den gedruckten Katalogen den Be-
suchern einer Sammlung die Mittel an die Hand geben, schnell das Beste
und Sehenswürdigste herauszufinden. Der wesentliche Übelstand, die
Überfüllung der Räume, die gerade für die Geschmacksbildung so nach-
teilig ist, wird aber nicht beseitigt. Das Wichtigste ist, nur Gutes zu zeigen,
es schadet gar nichts, wenn es wenig ist. Gerade dadurch gewöhnt sich das
Publikum daran, dieses Wenige gründlicher zu betrachten und wird so an
dem Wenigen mehr Genuß finden als an dem Vielen, das doch nicht ein-
gehend betrachtet werden kann.
Die Kenntnis der Umstände, unter welchen ein Kunstwerk entsteht,
die Einsicht in die technischen Bedingungen, mit welchen es verknüpft ist,
und das Erkennen einer fortschreitenden Entwicklung, in welche sich das
Kunstwerk eingliedert, das alles ist geeignet, den Genuß am Kunstwerke
zu vertiefen und noch eindringlicher zu machen. Das kann aber nicht
aus dem Kunstwerke selbst herausgelesen werden. Der Kommentar,
der den Organismus, den inneren Zusammenhang und
das Werden aller Kunstwerke aufzeigt, der somit die
vielartigen Erscheinungen in einem großen System
unterbringt und Maßstäbe schafft, an welchen
der Wert eines Kunstwerkes abge-
schätzt werden kann, dieser Kom-
mentar soll im vorliegenden
Buche gegeben werden.
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Die Kunst ist kein in sich abgeschlossenes Gebiet menschlicher Tätigkeit.
So wenig sie auf einmal in ihrer ganzen reifen Schönheit entstanden ist,
so wenig laßt sich heute eine scharfe Grenze ziehen zwischen ihr und der
Technik oder der von der Natur geschaffenen Schönheit. Aber der Geist
im Menschen, der allem gern einen bestimmten Namen gibt, der gern mit
fest abgegrenzten Begriffen arbeitet, bildet aus der ununterbrochenen
Formenreihe Gruppen, die Gleichartiges oder Verwandtes zusammenschließen.
Schrittweise läßt sich die Entstehung der Kunstformen verfolgen von
dem ersten Versuch, einen Stein zum Werkzeug umzuformen bis zum
herrlichsten Dom, der reich mit Bildern und Statuen geschmückt ist, oder
vom unbeholfenen Liebesstammeln bis zur wunderbarsten Symphonie
und dem formvollendeten Dichtwerk. Jahrtausende haben diese Ent-
wicklungen gedauert; und heute, wo Werke der verschiedenen Entwicklungs-
stufen gleichzeitig hervorgebracht werden, da bedeuten sie den Ausdruck
unendlich verschiedener Auffassungen und Fähigkeiten.
Es wird immer von dem Urteil des einzelnen abhängen, wie weit er
die Grenzen ziehen will, welche das Gebiet der Kunst umgeben. Die In-
dustrie und der von ihr abhängige Handel, wie auch das große, leicht be-
einflußbare Publikum werden leicht geneigt sein, alles, was irgendwie
darnach aussieht, zum Kunstwerk zu stempeln. Der Kunstwissenschaftler
aber und der ernsthafte Kritiker werden an Kunstwerke einen strengen Maß-
stab anlegen und nur dem ehrlich ringenden, wirklich befähigten Künstler
einen Platz auf ihrer Ehrentafel der Kunst zubilligen. Wie verständlich
ist es darum, daß immer wieder Streitigkeiten um Wert oder Berechtigung
eines Kunstwerkes ausbrechen; wie verständlich auch, daß unsere Zeit
schätzt, was die Zeit von gestern verworfen hat und umgekehrt. Die Kunst-
geschichte, welche die Entwicklungsgeschichte der bildenden Kunst zu
erforschen sucht, sieht deshalb kein reinlich abgegrenztes Gebiet vor sich.
Die Altertumskunde (Archäologie), die uns von dem Alltagsleben der Ver-
gangenheit Kunde gibt, die Volkskunde (Ethnologie), welche die Denkmäler
des Geisteslebens vergangener und fremder Völker zu deuten sucht, die
Gewerbekunde (Technologie), welche die Stoffe und Arbeitsweisen des
Handwerks in alter und neuer Zeit erforscht, die Weltgeschichte endlich,
welche die großen politischen und sozialen Ereignisse und Umwälzungen
verzeichnet, sie alle treten ergänzend zur Kunstgeschichte hinzu.
Die Kunstgeschichte sucht in die mannigfaltige Formenwelt Ordnung
und System hineinzubringen. Was die Künstler einer Rasse in einem
mäßigen Zeitabschnitt hervorgebracht haben, wird immer einen einheit-
lichen Formcharakter haben, den wir Stil nennen. Und jeden ausgeprägten
Stil pflegt die Kunstwissenschaft mit besonderen, meist sehr unzutreffenden
Namen zu bezeichnen. Dieser Stil in der Kunst entspricht immer einer
gewissen Gesinnung des betreffenden Volkes jener Zeit. In der süd-
deutschen Gotik z. B. finden wir den künstlerischen Ausdruck dessen, was
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in der Zeit des 13. bis 15. Jahrhunderts im Süden des Deutschen Reiches
gebräuchlich und vertraut war, was in aller Herz und Mund lebte.
Je nachdem die Bestimmung der Kunstwerke war, sprechen wir von
religiösen und Profan-Altertümern. Fassen wir die Werke der christlichen
Kulturvölker ins Auge, so sehen wir, daß im großen ganzen die kirchlichen
Altertümer zumal des Mittelalters recht gut gearbeitet sind.
Die Werke der Profankunst sind meist unscheinbarer und weniger an-
ziehend, dann aber sind sie bei weitem nicht so gut erhalten, da ihre Be-
wahrung bei den schnell wechselnden Moden von unberechenbaren Zufällig-
keiten abhängig war. Die alten Wohnhäuser werden immer seltener ; kein Gesetz
schützt sie gegen Verunstaltung und Zerstörung. Oft rein zum Vergnügen
werden Befestigungen demoliert, die uns das Städtebild des Mittelalters
und des 16. Jahrhunderts noch treu bewahrt hatten; der alte Hausrat in
den Bürgerhäusern, einst gering geschätzt und aus Mißachtung dem Ver-
derben ausgesetzt, wird heute hochgehalten, oft genug aber nur um ihn zu
möglichst hohen Preisen zu vertrödeln, solange noch die Sucht anhält,
solche Gegenstände zu sammeln. Gerade diese Sammelleidenschaft reicher
Privatleute ist es, welche die Erforschung der Kunstaltertümer so erschwert,
ja oft unmöglich macht. Sie verschleppt die Gegenstände, vertuscht ihre
Herkunft, bewacht sie mit Mißgunst oder entzieht sie vollständig dem
Studium; sie steigert den Preis der Gegenstände in dem Grade, daß ein
Museum, eine öffentliche Sammlung mit ihr nicht mehr konkurrieren kann.
Es läßt sich freilich nicht leugnen, daß diese Sammellust ein Zeichen der
Wertschätzung ist, welche man den Werken der Vorzeit zollt. Aber doch
sind dem Studium nur die Werke wirklich gesichert, die in öffentlichen
Sammlungen ihren Platz gefunden haben. Aus den alten Raritätensamm-
lungen, die die vorigen Jahrhunderte anzulegen liebten, sucht heute der Alter-
tumsforscher die Gegenstände heraus, die seinem Gebiete zugehören; die
Schatzkammern der Fürsten werden dem Publikum geöffnet; es ist in den
letzten Dezennien sehr viel für die Anlage solcher Museen geschehen. Heute
kommt es vor allem darauf an, zu sammeln, zu erhalten, zu retten, was
noch zu retten ist, nicht bloß dem Vaterlande zu erhalten, was ins Ausland
verschleppt zu werden droht, sondern auch die Denkmäler selbst sowohl
vor Zerstörung durch Feinde als vor Verunstaltung unberufener Freunde
zu schützen. In bester Absicht werden ja, wenn es gilt, eine gotische Kirche
zu restaurieren, heute noch unbarmherzig die meisten Denkmäler der
späteren Zeit beseitigt, durch moderne gotische Altäre meist kläglichster
Art ersetzt; für die charakteristische Form der Denkmäler des 16. bis
18. Jahrhunderts haben die Leute meistens kein Verständnis. Was aber
geschaffen und historisch geworden ist, hat immer Anspruch auf möglichste
Schonung, und dem Altertumsforscher steht es vor allem an, diese Toleranz
immer wieder zu predigen. Er darf nicht mit Verachtung über die Denk-
mäler einer Zeit hinwegsehen; mag er sie auch seinem Gefühle nach für
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häßlich halten, so muß er doch auch sie schützen, untersuchen, studieren,
ihre Eigentümlichkeiten sich und anderen klar machen, wie ja auch ein
Historiker nicht allein die glänzenden, anziehenden Epochen der Geschichte
zu schildern hat, sondern mit gleichem Fleiße und gleicher Hingebung
auch wenig interessante Perioden vorführen muß.
Die Kunstgeschichte wird sich natürlich am meisten um die schönsten
und wertvollsten Kunstschöpfungen kümmern, alles andere tritt mehr
ergänzend hinzu, bildet den Hintergrund, von dem sich die Werke der voll-
endeten Meister um so herrlicher abheben. Und nun gilt es, die seltsam
verschlungenen Fäden bloßzulegen, welche alle Erscheinungen auf dem
Gebiete des Kunstschaffens miteinander verknüpfen. Denn nie tritt das
Neue unvermittelt zutage; der Künstler von heute verwendet die Erfahrungen
der Kunst von gestern. Das große Buch der Natur liegt offen vor allen;
aber so mannigfach sein Inhalt ist, so verschiedenartig ist auch das, was
der Künstler aus ihm entnimmt, um es in eigener Umbildung uns vor Augen
zu führen. Und doch gibt es auch hier stufenweise Entwicklungen, Künstler,
die zunächst den Fährten eines andern folgen, dann aber weiter hinein-
dringen in die Geheimnisse der Kunst, die nun mit neuen Augen sehen,
uns Dinge offenbaren, die wir wohl gesehen, aber nicht empfunden haben.
Weniger starke Künstler folgen dem Entdecker, ohne indessen über das
von ihm erreichte Ziel hinauszukommen; sie haben es leicht, den Weg
zu gehen, den der Meister mühsam gebahnt; sie gewinnen die Gunst des
großen Publikums am ehesten, weil sie die schwer verdauliche Kost jüngst
entdeckter, bitter errungener Kunst versüßen und verwässern, um sie allen
denen mundgerecht zu machen, die das Niedliche und Gefällige dem kraft-
voll Gestalteten vorziehen.
Ein kurzer Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Kunst
lehrt auch, wie in längeren Zwischenräumen gewisse Tendenzen zur
Herrschaft gelangen; einmal ist es die Verfolgung eines absoluten Schön-
heitsideals, dann wieder die Anlehnung an die Formen der Natur in all
ihren Zufälligkeiten, dann die Betonung des Materials, aus welchem das
Kunstwerk geschaffen ist und des Zweckes, dem es zu dienen hat.
Die Kunst des frühen Altertums zeigt eine streng gebundene, straffe
Durchführung der Form. In Ägypten, in Assyrien, an den Küsten des
griechischen Meeres, überall herrscht diese ernste, gemessene Ausdrucks-
weise, die durch gewaltige Dimensionen und genaue Durcharbeitung der
streng stilisierten Einzelheiten unsere Bewunderung erregt. Aber obgleich
sie ihre Stoffe der Natur entnimmt, bildet sie alle ihre Werke nach den
Gesetzen, die dem Material innewohnen: die Bauten und die Steinfiguren
massig und schwer, die Malereien bunt und ohne Tiefenwirkung, Holz-
schnitzereien zierlich, aber etwas eckig, den Bronzeguß fein und glatt, alles ist auf
diese Weise streng stilisiert; ornamentale Schnörkel, Spiralen, Kreise, aus ein-
fachen Linien zusammengesetzte Gebilde, das sind die Elemente dieser Kunst.
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Griechenland allein vermochte diese ursprüngliche Kunst weiter zu
entwickeln, mehr und mehr zu durchsetzen mit Elementen, die ihr ur-
sprünglich fremd waren: mit der gewissenhaften Naturnachahmung und
mit der bewußten Verfolgung eines absoluten Schönheitsideals. Das Ge-
schlossene, Herbe der alten Kunst wurde milder, schöner und gefälliger:
Die Bauten wohl abgewogen in ihren Verhältnissen, mit wenigem, aber
sehr auserlesenem Schmuck, die Plastik von edler, aber dem Material oft
wenig gerechter Form, die Malerei sich mehr und mehr dem Raumeindruck
nähernd. Das ist die klassische Kunst Griechenlands.
Aber wo einmal die Naturnachahmung einsetzt, da geht die Entwicklung
unerbittlich weiter in dem Sinne, daß die Naturformen immer täuschender,
immer mehr im einzelnen getreu nachgebildet werden. Das Typische ver-
schwindet allmählich, um dem Persönlichen Raum zu geben. Die Einzel-
formen vergessen ihren Zusammenhang und wollen nur noch Naturbilder
sein; vollends das Material wird mißachtet und muß sich der Willkür seines
Bearbeiters in jeder Hinsicht fügen. Die hellenistische Kunst und von ihr
abhängig die römische, sie stehen beide im Zeichen des Naturalismus.
Und mit der Ausdehnung der römischen Herrschaft wurde diese Kunst in
alle Länder, die das Mittelländische Meer umgeben, hineingetragen. Freilich
mußte die Provinzialkunst derber und urwüchsiger sein als die über-
raffinierte Kunst Roms. Jungfräulicher Boden wurde für die Kunst urbar
gemacht. Germanische Schwerter richteten Roms Herrlichkeit; germanisches
Wesen verband sich mit römischer Provinzialkunst zu einem neuen Kulturkreis.
Eine neue Weltmacht war im Entstehen: Die christliche Kirche. Sie
machte die Kunst bald zu ihrer Dienerin. Und so entstanden ganz neue
Kunstformen, die doch wieder ohne die vorausgegangenen römischen
Kunstleistungen undenkbar waren. Eine Kunst, die wieder ursprünglich,
derb und naiv war. Und die Formen dieser Kunst waren wie jene des
frühesten Altertums streng gebunden von Art und Wesen des Materials.
Im christlichen Orient vor allem war sie heimisch und von dort drang sie
ein in die Länder nördlich der Alpen, während Italien zunächst selbständig
eine ähnliche Entwicklung durchmachte, die aber bald der allgemeinen
Zeitströmung folgte. Mehr und mehr klärte sich diese Kunst ab; ihre
Formen wurden edler und regelmäßiger. Eine leise Unterströmung jener
Sehnsucht nach der absoluten Schönheit und zugleich der Trieb zur Natur-
nachahmung wird wach. Die romanische Kunst, wie man die ausgereifte
Kunst des frühen Mittelalters nennt, kennt auch schon ihren Naturalismus,
der sich besonders in der Bildhauerei bemerkbar macht.
Alle Künste wirken zusammen, das Gotteshaus immer schöner
und würdiger herzustellen, und die führende Meisterin ist die Architektur,
welche den anderen Künsten die Stilgesetze diktiert und der sich diese
willig unterordnen. Der romanische Stil erreicht seinen Höhepunkt in
der zweiten Hälfte des 12. und den ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts.
SchutU-Bernonlli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. 2
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In derselben Zeit gelangte die mittelalterliche Dichtkunst diesseits der
Alpen zur höchsten Blüte. Die Plastik des 13. Jahrhunderts schafft in
Frankreich wie Deutschland ganz hervorragende Werke; nur die Malerei
-steht mit ihren Leistungen zurück.
Bis ins 12. Jahrhundert war die gesamte Kunstübung ausschließ-
lich der Kirche gewidmet; kaum daß ein Kaiser wie Karl der Große dieselbe
zur Errichtung und Ausschmückung seiner Paläste in Anspruch nahm.
Die Kunst ist aber nicht allein dem Dienste der Kirche geweiht, sondern
in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters sind es auch Geistliche,
Mönche wie Weltgeistliche, welche sich selbst als Künstler bewähren. Und
zwar sind sie, als die einzigen Träger der Kunstidee universell gebildet,
zugleich Architekten und Bildhauer, Maler und Goldschmiede, Elfenbein-
schnitzer, Metallgießer und Juweliere, kurz, sie repräsentieren in ihrer
Person die bildende Kunst ungetrennt.
Eine bedeutsame Umwandlung vollzieht sich nun um die Mitte des
12. Jahrhunderts in Frankreich: auf Grund neugefundener Baukonstruk-
tionen entwickelt sich aus dem romanischen Baustil, wie die Blume aus der
Knospe, die Stilform, die wir, das Scheltwort der Italiener als Terminus
technicus annehmend, als die Gotische bezeichnen. Zugleich tritt das
bürgerliche Element jetzt in den Vordergrund; der Einfluß der Geist-
lichkeit schwindet mehr und mehr. Die Kunst wird nun zunftmäßig be-
trieben. Leider sind wir über diese Verhältnisse wenig genug unterrichtet:
wir wissen nur sicher, daß vom 13. Jahrhundert an in Deutschland die
Kunstübung in der Art unter den Zünften verteilt wurde, daß den Stein-
metzen das Ausführen von Gebäuden und Steinskulpturen zufiel, den Malern das
Malen und das Schnitzen von Holzfiguren erlaubt wurde, den Rotgießern end-
lich allein gestattet war, plastische Kunstwerke in Erzguß herzustellen. In
dieser Weise wurde die Kunst der Plastik unter drei verschiedene Handwerks-
zünfte verteilt, und da diese eifersüchtig über die ihnen erteilten und garantierten
Privilegien wachten, war es gar nicht möglich, daß ein Meister diese nur dem
Herstellungsstoffe nach verschiedenen Kunstzweige in einer Hand vereinte.
Klassisch im eigentlichen Sinne, unfehlbar, von absoluter, unver-
rückbarer Logik durchdrungen, das ist der Kern der gotischen Kunst,
wie er besonders rein in der Baukunst zutage tritt. Indessen bewirkt der
Trieb der Naturnachahmung wieder eine Milderung, ein Menschlicher-
werden der übermenschlich strengen Kunst. Ein schalkhafter Zug tritt
bei den ausschmückenden Figuren hinzu; vor allem aber macht die
Naturbeobachtung und -nachbildung in der Malerei und der Plastik un-
geheure Fortschritte. Sie erreicht einen Höhepunkt, besonders was die
Durchbildung der Einzelheiten anbetrifft.
Im 15. Jahrhundert wird diese freie, natürliche Auffassung die herr-
schende; es ist, als ob der kirchliche Geist endgültig dem natürlichen, freien
Bürgergeiste weichen müsse.
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In Italien hatte die gotische Baukunst nie recht festen Fuß gefaßt; sie
war immer nur mit Modifikationen, welche die Schönheit ihrer Werke
bedeutend beeinträchtigten, zur Anwendung gekommen. Die damals noch
in größerer Anzahl als heute vorhandenen Überreste altrömischer Bau-
denkmale hatte von altersher die Künstler immer mehr zur Nachbildung
antiker Bauformen angeregt, so daß es für Italien ein ganz natürlicher
Entwicklungsprozeß ist, wenn wir sehen, wie seit Beginn des 15. Jahr-
hunderts die Architekten bewußt und systematisch darauf hinarbeiten,
die von Frankreich und Deutschland importierten Formen durch Nach-
bildung altrömischer Muster zu ersetzen, ein Bestreben, welches in dem all-
gemein, auch auf anderen Gebieten, kundgegebenen Wunsche begründet
war, eine Erneuerung der großen Zeit römischen Glanzes herbeizuführen,
und das deshalb von allen Gebildeten Italiens lebhaft begrüßt und unter-
stützt wurde. So entstand die Kultur der italienischen Renaissance.
Aber die Nachahmung antiker Formen machte mehr und mehr einer
selbständigen Neubildung Platz, einer Kunst, welche der Antike stamm-
verwandt war, aber ihre eigene Note hatte. Starke Persönlichkeiten, sowohl
Auftraggeber als ausführende Künstler, ließen eine Fülle von eigenartigen
Schöpfungen entstehen, die sehr verschieden gestaltet waren, aber doch
eine gewisse Ruhe und Abgeklärtheit, eine innere Harmonie und ein all-
seitig abgewogenes Gleichgewicht gemeinsam haben. In dieser Beziehung
finden wir in dieser Kunst das Höchste und Letzte; kein Wunder, daß sie
in späterer Zeit von verwandten Geistern als das Ideal schlechthin ge-
priesen wurde. Es ist auch verständlich, daß diese stark ausgeprägte Kunst
Italiens auf empfindsame Gemüter jenseits der Alpen einen mächtigen
Eindruck machte. Bald sind einheimische Künstler am Werk, die Formen
der italienischen Kunst nachzubilden und in ihrer Weise umzuformen:
die Franzosen im Sinne einer leichten, spielenden, graziösen Kunst, die
Deutschen in ungestümem, wildem Drang zu kräftiger und eindrucksvoller
Wirkung.
Und als in Italien die harmonische Ruhe in der Kunst einer inneren
Bewegung wich, als die Barocke die Renaissance ablöste, da zeigte sich die
Vorherrschaft Italiens wiederum, indem Süddeutschland, Belgien und zum
Teil Frankreich ganz und gar die italienische Formenweit und ihr Be-
streben, alles ins Malerische zu übertragen, bei sich aufnahmen.
Aber im Norden war inzwischen ein neuer Hort eigenartiger Kunst
entstanden: Holland. Sein materieller Aufschwung hatte es ermöglicht,
daß es nicht nur in seinen Grenzen einer neuen Kunst das Leben gab, sondern
daß es ganz Nordeuropa seine Kunstauffassung aufzuzwingen vermochte.
Es war ein Eroberungskrieg in kultureller Beziehung; die ganze prote-
stantische Welt fiel ihm zu. Die niederländische Frühbarocke mit ihren
mageren, oft gequälten Formen und ihrer ernsten, ja nüchternen Auf-
fassung hatte aber bald eine starke Nebenbuhlerin an der rasch aufblühenden
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Kunst Frankreichs, der großsprecherischen, gespreizten Hof- und Reprä-
sentationskunst Ludwigs XIV. Und wie nun politisch Frankreich zur
Vormacht Europas wurde, so auch kulturell. Um 1680 ist es die anerkannte
Führerin und bleibt es über hundert Jahre lang.
Klassisch zu sein war das Ideal der Louis-Quatorze- Kunst; und weil
dieses Ideal nicht in allen Lebenslagen erreicht werden konnte, begnügte
man sich damit, nicht in das Gegenteil zu verfallen. Durch die Ausführung
großartiger Bauten und Kunstwerke, durch die reichliche Beschäftigung
fremder und einheimischer Künstler, das Aufblühen der eben gegründeten
Maler- und Architektur-Akademie und der Manufacture Royale sicherte
sich Frankreich zielbewußt sein Übergewicht in Dingen bildender Kunst.
Das vornehme und steife Gebaren hielt aber nicht lange Stand; ein
starkes Bedürfnis nach Bequemlichkeit, nach fröhlichem Sichgehenlassen
macht sich noch zu Lebzeiten Ludwigs XIV. bemerkbar. — In den Aka-
demien herrschte wohl der klassische Stil weiter, aber die Leute von welt-
männischer Art wandten sich nun den leichteren Formen und Farben des
sogenannten Regence- Stiles zu, der später in der Rokokokunst seine letzte
Durchbildung erhielt. Alles atmet auf. Die Grazie und der Esprit Frank-
reichs lebt sich in dieser Kunst ganz aus; von dem höfisch-steifen Wesen
der Louis-Quatorze- Kunst ist nur noch eine elegante Note geblieben, die
der Ungebundenheit doch gewisse Grenzen setzt.
Ein Umschwung in der Kunstauffassung macht sich um die Mitte des
18. Jahrhunderts geltend. ,, Rückkehr zur Antike" wird das Losungswort.
Die Elemente der klassischen Kunst werden zum alleinseligmachenden
Vorbilde für die Moderne. Alles wird in diesem Sinne stilisiert oder idealisiert.
Die direkte Naturnachahmung tritt dagegen ganz zurück. Aber es fehlt
der freie Geist, der früher in der Kunst herrschte. Die Theorie wird stärker
als der Genius. Die Kunst wird ängstlich, steif und erscheint der folgende
Generation als ein Zopf; der Name ist der ganzen Zeit und ihrem Stil ge-
blieben.
Und endlich bricht wieder der Naturalismus durch, die Befreiung von
der Konvention der klassischen Nachempfindung und die bedingungslose
Hingabe an die Formen und Erscheinungen der Natur. Für die Malerei
war es ein neuer Aufschwung, für die Plastik eine Gefahr und für die an-
gewandte Kunst und die Architektur ein Unglück. Diese geraten in die
absolute Abhängigkeit von der Ausdrucksweise der Vergangenheit. Es
fehlt die freie Selbstbestimmung; alles wird für das große Publikum zurecht-
gemacht als Ware, ohne Individualität und Vornehmheit. Nur ein geringes
Häuflein von Künstlern ringt abseits vom großen Haufen, verlacht und
verkannt, um die Weiterentwicklung künstlerischer Möglichkeiten.
Heute ist eine neue Generation am Werk, die Architektur wieder in
ihre Herrscherrechte einzusetzen, die Malerei als Dekoration des Innern,
die Plastik als Schmuck und Zier des Äußern durchzubilden. Aber nur
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ein kleiner Bruchteil des großen Publikums vermag den führenden Meistern
zu folgen. Die Kluft ist zu groß und die kapitalistische Auffassung, die
in allem nur Marktware sieht, verlangt vom Künstler, daß er zum Publikum
herabsteigt, um nach seinem Willen zu schaffen. Ehre den Wenigen, die
dieser Versuchung widerstehen und auf einsamer Höhe weiterbauen an der
Kunst der Zukunft 1
Zur Erklärung der eben geschilderten Entwicklung muß das Wesen
des Kunstwerks und seine Entstehung untersucht werden: Jede Kunst-
leistung läßt sich zerlegen in die Begriffe der Konzeption und der Darstellung.
Die Konzeption ist die Idee von dem Kunstwerke, welche der Künstler in
sich bildet, und die vor seinem geistigen Auge als etwas Fertiges dasteht.
Von der Konzeption zur Ausführung, zur Darstellung des konzipierten
Werkes ist aber noch ein weiter, mühevoller Weg. Es gilt vor allem, sich
die Mittel der Darstellung anzueignen und ehe dies Ziel erreicht ist, können
Generationen von Menschen vergehen. Aber jeder Künstler steht auf den
Schultern seiner Vorgänger; was sie gefunden und erreicht, bildet die Grund-
lage seines eigenen Arbeitens; ihre Irrtümer und Mißgriffe sind ihm lehr-
reich; er fängt da an, wo sie aufgehört haben, und strebt mit frohem Mute
weiter, damit, wenn auch ihm selbst es nicht vergönnt ist, die höchste Voll-
kommenheit zu erringen, dies doch seinen Nachfolgern nach Möglichkeit
erleichtert werde. Deshalb ist es so überaus interessant, das Aufsteigen
einer Kunstentwicklung zu verfolgen, da wir hier mehr als sonst an anderen
Stellen jene Solidarität der Interessen finden, für die eine große Anzahl be-
deutender Menschen unverdrossen ihr ganzes Leben einsetzt.
Je schwächer die Darstellungsfähigkeit, desto größer ist in der ersten
Zeit noch die Einbildungskraft des Künstlers, und in den oft mit recht
ungeschickter Hand ausgeführten Werken finden wir zuweilen eine größere
Menge von Phantasie, von naiver Empfindung, von hingebender Liebe zur
Sache, als uns die glänzendsten, formell untadelhaften Schöpfungen der
späteren Zeit zu bieten vermögen.
Der volle Einklang zwischen Konzeption und Darstellung tritt ein,
sobald der Höhepunkt der Kunstentwicklung erreicht ist. Jetzt kann der
Künstler darstellen, was seiner Phantasie vorschwebt; er hat aber auch die
Grenzen seiner Kunst im allgemeinen wie im besonderen, vor allem seiner
eigenen Leistungsfähigkeit kennen gelernt. Gewiß, er kann, was er will;
er will auch nur, was er kann; er weiß, was mit seiner Kunst sich ausdrücken
läßt, und entwirft nicht erst Pläne, deren Unausführbarkeit ihm klar ist.
So versteht er sich weise zu beschränken; er wird nicht zu wenig geben,
aber auch um keinen Preis zu viel, nicht jeden Gedanken, der in ihm
auftaucht, zu verwirklichen suchen, sondern nur das eine für seine Kunst
am allerbesten brauchbare Moment herauszufinden und dieses nun einzig
und allein darzustellen trachten. Bei den Malern ist dies am leichtesten zu
erkennen: die älteren Künstler suchen so viel wie möglich in ihre Arbeiten
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hineinzulegen, überladen dieselben mit Nebenepisoden und schädigen
dadurch wider ihren Willen ihren Gesamt eindruckt Meister wie Raffael
z. B. verstehen mit feinem Gefühl bei jedem Stoffe das Moment heraus-
zufühlen, das am klarsten, deutlichsten und schönsten sich darstellen laßt;
dies malen sie: alle anderen Ideen, sie mögen noch so geistvoll sein, weisen
sie entschieden zurück.
Es versteht sich von selbst, daß die Kunstwerke der Kritik ihrer Zeit-
genossen ausgesetzt waren. Diese Kritik war zunächst rein subjektiv,
bald aber suchte sie nach einem absoluten Maßstab, der eine allgemeine
Gültigkeit hatte. Die Künstler selbst suchen sich darüber Rechenschaft
zu geben, welchem instinktiv gefühlten Schönheitsgesetze folgend, sie diese
oder jene Form gewählt haben. Und von diesem Nachforschen nach dem
allgemein Gültigen im Kunstwerke ist nur ein Schritt zum Aufstellen von
Grundsätzen, welche als Kunstgesetze aufgestellt werden und mehr oder
weniger unverblümt dem Künstler vorschreiben, wie er ein Kunstwerk an-
zufertigen hat.
Es ist immer ein recht charakteristisches Zeichen, wenn solche theore-
tische Werke erscheinen; dem gottbegnadeten Künstler werden sie viel-
leicht hie und da von Nutzen sein, indem sie ihn in seinen Ansichten be-
stärken, vielleicht auch dieselben hie und da modifizieren, aber, wem das
Genie nicht zuteil wurde, dem werden alle diese Handbücher, die so sonnen-
klar auseinandersetzen, wie das Schöne beschaffen sein müsse, nicht dazu
verhelfen, selbst etwas Schönes hervorzubringen. Während die Ästhetik
das Wesen und die Aufgaben der Künste festzustellen versucht, hat die
Kunstgeschichte einzig und allein den Zweck, die geschichtliche Ent-
wicklung der Kunst im allgemeinen und der einzelnen Künstler im be-
sonderen zu ermitteln und zu schildern.
Die Kunstgeschichte ist eine der jüngsten Wissenschaften und
doch hat sie schon selbst eine geschichtliche Entwicklung durchgemacht.
Ihre erste Epoche zeichnete sich dadurch aus, daß man allen überlieferten
Nachrichten einen pietätvollen, rührenden Glauben schenkte, die anerkannten
Autoritäten nur schüchtern kritisierte, und getrost auf die so sicher ge-
glaubten Fundamente seinen Bau ausführte. Es ist dies die Zeit, wo jeder
meinte, solche Studien ohne besondere Vorkenntnisse betreiben zu können;
dadurch erhielten dieselben einen nicht abzuleugnenden dilettantischen
Charakter. Die Erleichterung der Verkehrswege machte es dann möglich,
daß die Forscher, die es ernst mit ihren Studien meinten, wenigstens die
Hauptwerke selbst sahen und prüften; die Vergleichung der Monumente
führte nun zu Zweifeln an den früher so hochgehaltenen Autoritäten,
Zweifeln, die sich um so mehr vergrößerten, je mehr Arbeiten, die bisher
einem Meister vertrauensvoll zugeschrieben wurden, durch Sachverständige
persönlich untersucht wurden. Schon vorher hatte man begonnen, die aus
der Zeit der Künstler noch erhaltenen Dokumente zu durchforschen und
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hatte auf diese Weise ein unanfechtbares Material für die Künstlergeschichte
gewonnen, welches nun die Unsicherheit der ehedem so verehrten Über-
lieferung in das klarste Licht stellte.
Endlich hat die Erfindung der Photographie die Kunstgeschichte in
ganz hervorragender Weise gefördert. Sie mehrte den früher so spärlich
vorhandenen Schatz treuer, zuverlässiger Abbildungen von Kunstwerken,
machte es möglich, daß der Kunstforscher an ihnen die von den Original-
werken empfangenen Eindrücke kontrollierte und auffrischte, daß er mit
Leichtigkeit Denkmäler vergleichen konnte, die sich in den verschiedensten
Ländern, Ortschaften und Museen zerstreut vorfanden. Indem die Photo-
graphie, welche Architekturen und Skulpturen mit nie dagewesener Treue
reproduziert — die Nachbildungen von Gemälden lassen ja immer noch
manches zu wünschen übrig — indem sie auch die Handzeichnungen
der Meister vervielfältigt, die bisher in den Mappen von Privatleuten oder
vom Museen nur Wenigen zugänglich gewesen waren, hat sie dem Kunst-
forscher ein Material für seine Studien geliefert, wie solches der früheren
Zeit nimmermehr zur Verfügung stand und stehen konnte. Und täglich
mehrt sich dieser Schatz von treuen Nachbildungen; zahlreiche Kräfte sind
beschäftigt, aus den Archiven sichere Nachrichten über Künstler und Kunst-
werke zu ermitteln; immer klarer wird die Einsicht, daß man mit der Zeit
die Kunstgeschichte, zumal der letzten drei oder vier Jahrhunderte,
wenigstens in der Hauptsache ganz richtig und zweifellos darzustellen
imstande sein wird.
Allein die Zeit des blinden Glaubens, der dilettantischen Arbeit ist vorüber:
wer heute auf diesem Gebiete förderlich wirken will, muß für dieses Ziel me-
thodisch vorgebildet sein, muß sich die wissenschaftliche Schulung erworben
haben, ohne die jetzt ein wirklich ersprießliches Schaffen unmöglich ist.
Je größer und ausgedehnter sich nun das Arbeitsfeld zeigte, desto weniger
konnten die Bemühungen der Männer, die zunächst ihren Berufsgeschäften
lebten, und nur nebenbei einige Zeit für kunstgeschichtliche Untersuchungen
zu verwenden vermochten, ausreichend erscheinen; es war erforderlich,
daß diesem Gebiet der Wissenschaft Kräfte ausschließlich gewidmet wurden,
und so ist denn die Pflege und Fortentwicklung der kunstgeschichtlichen
Forschung heute wohl zumeist den Leuten anvertraut, die ihr von Jugend
auf einzig und allein ihre Studien zugewendet haben.
Freilich mußte auch hier sehr bald eine Spezialisierung stattfinden.
Die Forschung konnte nicht in Bausch und Bogen große Entwicklungs-
linien erkennen und festlegen. Sie mußte sich auf kleinere Spezialfragen
beschränken, deren Lösung dann, in einem größeren Zusammenhang be-
trachtet, erst ihre eigentliche Bedeutung erhält und den Ausgangspunkt
für weitere Untersuchungen bildet.
Übersichtliche Zusammenfassungen dieser Einzelforschungen zu einem
Gesamtbilde werden immer sehr wertvoll und wichtig sein, einmal, damit
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man den Stand unseres Wissens auf einem bestimmten Gebiete zu beurteilen
vermag, dann aber auch, um dem sich für Kunstgeschichte interessierenden
Publikum eine nicht von der Besprechung allerlei streitiger Detailfragen
oft ungenießbar gestaltete Darstellung der wichtigsten Ergebnisse wissen-
schaftlicher Untersuchungen zu geben. Von der Güte, Zuverlässigkeit und
Brauchbarkeit der Vorarbeiten wird die Tüchtigkeit einer solchen Zusammen-
stellung immer abhängig bleiben; alle Einzelheiten selbst noch zu prüfen,
ist der Verfasser nur bei den Abschnitten imstande, die er selbst gründlich
durchgearbeitet hat: bei allem übrigen muß er sich auf die von ihm benutzten
Vorarbeiten verlassen. Je umfassender die Darstellung ist, um so mehr
werden diese Übelstände sich geltend machen.
Lockender als eine solche immerhin doch nur summarische Schilderung
der kunstgeschichtlichen Entwicklung längerer oder kürzerer Epochen ist
es, sich mit einer einzigen interessanten Künstlerpersönlichkeit zu be-
schäftigen, deren Leben und Wirken zu verfolgen und zu schildern. Zu-
nächst wird untersucht, was über die Lebensumstände und die Tätigkeit
des Meisters überliefert ist. Mit diesen Nachrichten wird sich indessen ein
gründlicher Forscher nicht begnügen: er wird jedenfalls die Urkunden und
Archivalien zu Rate ziehen und versuchen, in ihnen neue, bisher unbekannte
oder unbeachtete Nachrichten über den Künstler zu ermitteln. Und diese
Ausbeute ist von allergrößter Wichtigkeit, schon weil an ihrer Glaub-
würdigkeit gar nicht gezweifelt werden kann.
Die Kunstgeschichte der Griechen und Römer beruht zum großen Teil
auf Angaben von Schriftstellern, welche der Blüte der griechischen Kunst
schon sehr fern standen, deren Quellen heute nicht mehr zu kontrollieren
sind: für die Geschichte der Kunst im Mittelalter wie in der neueren Zeit
bieten uns die Archive eine nicht hoch genug anzuschlagende Quelle
zu einer authentischen Darstellung. Bis ins 13., 14. Jahrhundert mag
diese Quelle noch spärlich fließen, aber schon im 15. Jahrhundert geben
schriftliche und gedruckte Dokumente reichlichen Aufschluß über das
Leben der Künstler und die Entstehung ihrer Werke.
Wie Taufbücher über die Geburtsdaten der Künstler, über die Zahl
ihrer Kinder, Traubücher über ihre Vermählung, Totenregister über ihren
Tod sichere Auskunft geben, so erfahren wir aus den Gerichtsbüchern der
verschiedensten Art, was sie besessen, ob sie mit der Justiz in Konflikt
gekommen; Kontrakte über Bestellungen, Quittungen über empfangene
Zahlungen sind in diese Bücher aufgenommen. Testamentbücher, Hoch-
zeits- und Trauergedichte, deren namentlich im 16. und 17. Jahrhundert
in Deutschland zahllose gedruckt wurden, geben oft erwünschte Einsicht
in das Hauswesen eines Künstlers; Ausgaberegister von Städten und Kirchen
verzeichnen die Namen und die Arbeiten der beschäftigten Künstler: kurz,
aus diesen Quellen ist oft viel zu erkennen. Schriftstücke des Mittelalters
sind indessen nicht leicht zu lesen; wer ohne die erforderlichen paläo-
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graphischen Kenntnisse es versucht, wird leicht Gefahr laufen, Falsches
und Unsinniges zu entziffern. Ebenso ist es notwendig, daß die Urkunden
recht verstanden und recht gedeutet werden, und auch diese Fähigkeit
ist nur durch Vorstudien und durch Übung zu erwerben. Der Bildungs-
gang eines Künstlers und seine Stellung zur Kunst der Vergangenheit,
sein Verhältnis zu Kollegen, wenigstens in künstlerischer Beziehung, wird
durch die Kunstwerke selbst erzählt; freilich ist dieser Bericht selten klar
und unzweideutig.
Mit der Darstellung der Lebensschicksale eines Künstlers wird nun
aber die Schilderung seines Wirkens, seiner Tätigkeit Hand in Hand gehen.
Welche Arbeiten sind ihm mit Gewißheit zuzuschreiben? Gerade die Werke
berühmter Künstler sind, seit die Sammelwut gegen Ende des x6. Jahr-
hunderts erwachte, mehr oder minder geschickt kopiert worden; Leistungen
weniger hervorragender Meister hat man für Arbeiten gesuchter Maler aus-
gegeben, auch deren Monogramme oder deren volle Namensunterschrift
gefälscht. Dem Kunstforscher liegt es nun ob, die echten Werke eines
Künstlers festzustellen und die Kopien wie die sonst demselben fälschlich
zugeschriebenen Arbeiten auszuscheiden.
Es handelt sich da zunächst darum, einige sicher und unzweifelhaft
von dem Meister herrührende Gemälde (wenn es sich um einen Maler handelt)
zu ermitteln. Viele berühmte Bilder haben ihre ganz unverdächtig über-
lieferte Geschichte; wir wissen, sie sind für den und den Besteller oder
für eine bestimmte Kirche gemalt worden, entweder noch heute im Besitze
der Familie des Bestellers oder der bezeichneten Kirche, oder aus demselben
zu gewisser Zeit in andere Sammlungen gelangt und so, wie sich verfolgen
läßt, endlich in die Galerien gekommen, in welchen sie sich heute befinden.
Diese unzweifelhaft echten Gemälde wird der Kunsthistoriker zum Aus-
gangspunkte seiner Forschung machen; sie wird er aufs eingehendste
studieren, um sich nicht allein die künstlerische Individualität des Meisters
klar zu machen und einzuprägen, sondern auch die Technik des Künstlers
zu erkennen. Je mehr sichere Werke eines Meisters vorliegen, desto frucht-
barer wird dieses Studium sich erweisen. Aus diesen Vorstudien wird der
Kunsthistoriker nun die übrigen dem Künstler zugeschriebenen Werke
ebenso eingehend und genau untersuchen und darnach entscheiden, ob er
sie für echt oder für untergeschoben erklären soll. Daß hierbei die sub-
jektive Auffassung mitbestimmend einwirkt, läßt sich nicht leugnen, und
wir sehen oft genug, daß Gemälde, die man seit Jahrzehnten und länger zu-
versichtlich einem berühmten Meister zugeschrieben hat, bei genauerer Unter-
suchung sich als Kopien oder als Arbeiten unbedeutender Maler herausstellen.
Streitig werden aber die nach subjektivem Ermessen getroffenen Be-
stimmungen der Herkunft und Autorschaft von Kunstwerken immer bleiben;
es kommt nur immer darauf an, daß der, welcher über Echtheit oder Un-
echtheit entscheidet, sich des Vertrauens seiner Fachgenossen erfreut, und es
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ist keineswegs ausgeschlossen, daß nach kurzer Frist ein anderer, der für be-
deutender gilt, jene Urteile wieder verwirf t und die seinen an deren Stelle setzt.
Für die Erkenntnis des Entwicklungsganges eines Kunstzweiges ist es
notwendig, die Entstehungszeit der einschlägigen Werke festzustellen.
Auch hier geht man aus von den sicher zu datierenden Stücken (also solche,
welche eine lesbare Jahreszahl tragen oder urkundlich einer bestimmten
Zeit zugewiesen werden können) . Die größere oder geringere Verwandtschaft
des Stiles, das heißt in der Ausführung, in der Formensprache und in der Farben-
gebung, wird dann für die Datierung grundlegend sein. Dabei ist aber immer in
Betracht zu ziehen, daß sich in den Kunstzentren der Stil rascher verändert
als auf dem Lande, wo er noch längere Zeit in vergröberter Form weiterlebt.
Der Vergleich eines Kunstwerkes mit gleichzeitig entstandenen Werken
ähnlichen Charakters wird die Basis eines ästhetischen Urteils bilden müssen.
Werden andere Maßstäbe angelegt, so wird das Urteil notwendig ungerecht
sein, wenn es auch vom Standpunkte des Kunstrichters einer einleuchtenden
Begründung nicht entbehrt. Die Kunstgeschichte zeigt sich hier als eine
notwendige Ergänzung für die Beurteilung eines Kunstwerks. Sie macht
es möglich, daß man sich ganz in die Situation des Künstlers hineinfühlen
kann und nun vom Standpunkte des Künstlers aus das Werk versteht.
Jede Zeit hat ihre eigenen Probleme, an deren Lösung die Künstler arbeiten;
auf dieser speziellen Aufgabe liegt allemal der Schwerpunkt des Kunst-
werks. Wie aber soll man ein Kunstwerk verstehen, wenn man die Ab-
sicht des Künstlers nicht kennt? Wo die Kunst des 19. Jahrhunderts die
Naturwahrheit als die Hauptforderung aufstellte, wird man diese als Maß-
stab anwenden dürfen, wo aber deutlich andere Absichten zu erkennen
sind, z. B. das Streben nach Flächenfüllung bei der Malerei oder die starre
architektonische Behandlung von plastischen Arbeiten, muß der ästhetische
Maßstab notwendig von dieser Absicht diktiert sein. Naturwahrheit wird
dann eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Aber nicht nur die Kunstgeschichte, die uns in den Geist und die Auf-
gaben einer Zeit einführt, uns über das Verhältnis eines Künstlers zu seiner
Umgebung orientiert und den einzelnen Kunstwerken ihren Platz auf den
verschiedenen Entwicklungsstufen der Kunst anweist, ist für die richtige
Einschätzung und die genußreiche Betrachtung eines Kunstwerkes not-
wendig. Man muß auch die Schwierigkeiten kennen, welche der Künstler
in seinem Material beständig zu überwinden hat. Die Art und Weise,
wie sie überwunden werden, drückt dem Kunstwerk ihren ganz besonderen
Stempel auf. In den meisten Fällen besteht ein guter Teil des ästhetischen
Genusses, den uns ein Kunstwerk bietet, im geistigen Miterleben seiner
Entstehung. Es ist daher kein Fehler, wenn die Spuren der Arbeit deutlich
zu erkennen sind, wenn man kontrollieren kann, wie der Maler mit
wenigen Pinselstrichen eine Form entstehen läßt, oder wie bei einem Bauwerk
die einzelnen Steine sorgfältig aufeinandergepaßt sind. Eine sehr wichtige Hilfe
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beim Betrachten von Kunstwerken in bezug auf ihre technische Qualität ist
einmal das Zusehen, wie ein Kunstwerk entsteht, oder das Probieren, wie weit
man es mit seiner eigenen Kunstfertigkeit bringt. Dann wird die Theorie zum
Erlebnis und in den meisten Fällen wird man erkennen, wie ganz selbst-
verständlich scheinende technische Lösungen eine große Befähigung und eine
unermüdliche Geduld erfordern.
Das Wesen und die Möglichkeit der einzelnen Künste muß uns bei der
Betrachtung von Kunstwerken immer vor Augen stehen, damit wir wirklich
alle Eigentümlichkeiten und Schönheiten eines Kunstwerks erfassen können.
Die Beschränkung, welche ein bestimmter Zweck, für den ein Kunstwerk
geschaffen worden ist, demselben auferlegt, ist für die Kunstform kein
Hindernis, so wenig wie die Kunsttechnik den Kunstwert beeinflußt. Die
Zweckerfüllung kann wie die Technik geradezu zum ästhetischen Faktor
werden: Ein Gemälde, das geschickt in einen Gewölbeabschnitt eingefügt
ist, ein Becher, der seine Zweckerfüllung zur Schau trägt und trotzdem
ein Prunkstück ist oder ein Gebäude, das seine Lage an der Straße sinngemäß
ausnützt. Der Gegenstand der Darstellung, sofern es sich um eine solche
handelt, kommt neben diesen rein künstlerischen Fragen erst in zweiter Linie
in Betracht. Er gibt nur das Thema, auf welches die ganze Formengebung
gestimmt sein will: Andacht, Bewunderung, Fröhlichkeit, Wucht; ob die dar-
gestellten Dinge in historischem Kostüm oder in zeitlosem, allgemein mensch-
lichem Idealgewande, oder ganz unbefangen in zeitgenössischer Auffassung
gegeben werden, ist dabei von ganz untergeordneter Bedeutung.
Bei Kunstwerken früherer Jahrhunderte wird uns immer ein Gefühl des
Fremdseins übrigbleiben, so sehr wir uns in die Formenwelt der Vergangenheit
einleben können. Nur lückenhaft offenbart sich der Geist der Vergangenheit,
aus dem heraus diese Kunstwerke geschaffen worden sind. Anders verhält es
sich mit den Kunstwerken unserer Zeit. Die Künstler, die sie geschaffen
haben, leben neben uns, mit uns, unter den gleichen Umständen wie wir,
beseelt von denselben Ideen, strebend nach denselben Zielen: Was wir ahnen,
sprechen sie aus. Wenn wir den Geist unserer Zeit erfassen, so können wir
sie verstehen. Sie sollen uns deshalb die Nächsten sein, weil sie uns tat-
sächlich am meisten zu bieten haben. Man mag dagegen einwenden, daß
die Kunst zu andern Zeiten schönere Blüten getrieben habe als heute. Gewiß.
Jede Zeit hat die Kunst, die sie verdient. Und unsere Zeit ist weder an Ge-
sittung noch an Empfindung besonders hochstehend. Tatkraft, Organisations-
talent, rücksichtsloses Streben nach Stellung und Macht unterdrücken alle
delikateren Unterströmungen. Und das Herausstreichen der technischen
Virtuosität, das Protzen mit kolossalen Dimensionen und reichen Formen wird
vielfach als das Eigentümliche unserer heutigen Kunst erkannt. Aber die
Unterströmungen des Zeitgeistes sind auch in der Kunst fühlbar, der Sinn
für feine Abstufungen in Form und Farbe, für poetische und symbolische
Wendungen. Was uns in der alten Kunst als fertig und abgeklärt entgegentritt,
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finden wir heute lebendig und in verändertem Sinne wiedererstanden. Die
alte Kunst lehrt uns wohl, in welchem Sinne die Entwicklungsläufe in ewigem
Wechsel steigen und fallen; sie bietet uns Genüsse der auserlesensten Art. Aber
das Beste vermag sie uns nicht zu geben: Das lebendige und gegenwärtige
Ringen um die Erkenntnis der gegenwärtigen Schönheit. Das gibt nur ein ge-
duldiges Sichversenken in die verschlungenen Pfade der Kunst unserer Zeit.
Der absolute Wert eines Kunstwerks, der an den äußern Kennzeichen
erkannt und geschätzt werden kann, ist nun aber nicht der Maßstab für das
persönliche Wohlgefallen an einem Kunstwerk. Es ist ein grobes Miß-
verständnis, wenn man glaubt, daß es doch so sein müsse; und gerade
dieses Mißverständnis war die Veranlassung der Unaufrichtigkeit, welche
in vielen Kreisen heute noch bei der Betrachtung und Beurteilung von Kunst-
werken angetroffen wird. Es ist durchaus möglich, daß jemand an irgend
einem Kunstwerke von technisch ungenügender Herstellung, das durch
und durch unselbständig ist, Gefallen finden kann, während er ein Meister-
werk von erstklassiger Bedeutung aus irgend einem Grunde als unleidlich
oder abstoßend bezeichnet. Und doch kann dieser Mensch einen vorzüg-
lichen Geschmack und ein sicheres Urteil besitzen. Kunstwert und Sym-
pathie sind eben Dinge, die nicht notwendig zusammengehören.
Etwas anderes ist es, ob man den Wert, die Originalität, Technik,
Komposition und den Stimmungsgehalt eines Kunstwerks richtig beurteilen
kann. Das ist eine Kunst, bei welcher das persönliche Wohlgefallen zu
schweigen hat. Und diese Kunst ist sehr schwer; den meisten bleibt sie
verschlossen; nur wer offene Augen hat und Form- und Farbengefühl,
der mag sie mit Vorsicht und mit täglicher unausgesetzter Übung erlernen.
Wer sie ausübt, der hat das Richterschwert in der Hand, mit dem er den
Künstler in den Adelstand erheben oder ihn verdammen kann. Wie wohl
muß ein Urteil erwogen sein, das so schwerwiegende Taten vollbringen darf!
Wir dürfen nie vergessen, daß die Kunst ein seltenes und wunderbares
Wesen ist, das nichts mit der harten Notwendigkeit des Alltags gemein hat.
Und der Künstler, der Priester und Künder dieses Wesens, ist uns ein Spender,
der uns geben kann, was wir aus eigener Kraft nicht vermögen. Wer darf
das Geschenk tadeln, das ihm geboten wird? Es steht in jedermanns
Macht, an den Geschenken vorbeizugehen, die ihm nicht zu-
sagen oder die er nicht für vollwertig erachtet. Aber
wenn ein Kunstwerk seiner Seele Türen öffnet
und er Alltag und Notwendigkeit darüber
vergißt, soll er es dankbar genießen
und sich freuen, daß ihm die
künstlerische Offenbarung
zuteil geworden ist.
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1. Das Wesen der Baukunst.
„Architectura mater artium" ist eine alte Weisheit: Die Baukunst sei
die Mutter der übrigen bildenden Künste. Damit soll gesagt sein, daß in
ihr alle übrigen Künste ihren Ursprung haben, daß diese nur zur Vervoll-
ständigung und Bereicherung der Mutterkunst existieren; daß sie in vielen
Teilen der Abglanz dieser elementaren Kunst sind, so wie die Kinder ihrer
Mutter in gewissen Zügen gleichen. Die Baukunst bildet auch den Übergang
von der rein praktischen, ohne jede Absicht auf Schönheitswirkung ins
Werk gesetzten Tätigkeit zu der bewußten schöpferischen Kunst, die in
erster Linie darauf ausgeht, schön zu sein (wobei „Schön" im weitesten
Sinne gefaßt werden muß).
Die Baukunst entstand zunächst nicht aus der Lust an rhythmischen
Formen oder klaren Farben, sondern aus dem Bedürfnis heraus, Schutz vor
Kälte, Sonnenschein, Wind, Regen, wilden Tieren und feindlichen Menschen
zu finden. Mit den einfachsten und wirksamsten Mitteln werden diese
Zwecke zu erreichen gesucht. Der ZWECK bestimmt somit zunächst die
Form des Bauwerks. Daneben spielt die Beschränkung des verfügbaren
Raumes und der zu Gebote stehenden Geldmittel eine große Rolle.
Nun ist aber klar, daß eine Hütte aus langen Holzstämmen in ihrer
Form anders ausfallen wird, als eine solche aus Lehm oder grob zubehauenen
Steinen. Das Material bestimmt die Bauart, das Zusammenfügen und Auf-
einanderschichten der einzelnen Teile, d. i. die KONSTRUKTION. Und
diese bildet somit einen zweiten Faktor für die Gestaltung des Bauwerks.
In frühester Zeit machten sich Bestrebungen geltend, dem Bauwerk
eine regelmäßige, meist symmetrische, runde oder rechteckige Grundform
zu geben. Wo nicht die Gesamtanlage solche Tendenzen erkennen ließ,
waren es doch die einzelnen Bauteile. Die REGELMÄSZIGKEIT in Grund-
riß und Aufbau war der erste Schritt auf dem Gebiete der Kunst. Der
gleichmäßige Rhythmus der Stützen, die lotrechten Wände, welche das
horizontale Gebälk tragen, auf welchen das beidseitig abfallende Dach ruht,
das sind die Kennzeichen jener Bauwerke, welche den Anspruch erheben
dürfen, am Anfange einer Kunstgeschichte aufgeführt zu werden.
Der Raum, den eine Bauwerk einschließt, wirkt in seiner Form und in
seinen Dimensionen auf unser Gefühl sehr stark ein. Die Aufmerksamkeit
des Baukünstlers wurde deshalb früh auf die Probleme der RAUMWIRKUNG
gelenkt und es wurde versucht, auch in dieser Beziehung dem Bauwerk
einen künstlerischen Gehalt zu geben. Überall weicht der Zufall der be-
wußten, von künstlerischen Absichten inspirierten Form.
Jedes Bauwerk befindet sich in einem Zustand des Gleichgewichtes.
Wo diese Harmonie gestört wird, muß das Bauwerk notwendigerweise ein-
stürzen. Die Kunst sucht dieses GLEICHGEWICHT nun auch äußerlich
zu gestalten; die Natur, welche im Wachstum der Pflanzen und Tiere ähn-
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Abb. i. Vorhof des Tempels zu Edfu (Ägypten), erbaut im 3. Jahrh. v. Chr.
liehe Harmonien geschaffen hat, wird dabei vielfach als Vorbild heran-
gezogen. Die stützenden, senkrechten Bauglieder werden gestaltet, als
ob sie von einer nach oben strebenden Kraft erfüllt wären, die in dem Maße
abnimmt, als sie sich von der Erde entfernt (vgl. den Schaft der Säule,
der sich nach oben verjüngt, Abb. 2, 3). Die lastenden, wagrechten Bau-
teile werden als Last charakterisiert; und zwar wird ihre wirkliche Schwere
anscheinend vermehrt durch eine massige Behandlung des Materials, aus
welchem sie gemacht sind (Abb. 1), oder aber sie wird anscheinend ver-
mindert durch die Auflösung der Oberfläche in zierliche Ornamente (Abb. 5).
Die Last wird so schwer geschildert, daß die nach oben strebende Kraft
sie gerade noch zu tragen vermag. Damit kommt das Gleichgewicht auch
äußerlich zum Ausdruck.
Endlich hat die Lust, jedes Ding mit Zieraten und Bildern zu versehen,
also der eigentliche Kunsttrieb, bald dazu geführt, das Bauwerk in dieser
•Weise zu schmücken. Die ORNAMENTIK begleitet und betont die Ge-
samtform des Bauwerks: sie hat besondere Stellen, die sie zu allen Zeiten
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Abb. 2. Theseustempel in Athen, erbaut im dorischen Stil um 440 v. Chr.
in allen Ländern bevorzugt. Das sind die obersten Teile der stützenden
Glieder, wo sie gegen das lastende Gebälk ankämpfen (Kämpfer, Kapitelle,
Konsolen, Abb. 4), die leere Fläche zwischen zwei tragenden Gliedern
(Füllungen, Metopen, Abb. 4), die Bänder der lastenden Bauglieder (Friese,
Gesimse, Abb. 5, 16) und die als Kraftüberschuß der tragenden Glieder
oberhalb des lastenden Bauteiles aufstrebenden Bekrönungen (Akroterien,
Fialen, Statuen, Vasen; Abb. 11, 14, 16, 20). In einzelnen Fällen werden
selbst die tragenden Glieder ornamental ausgestaltet, oder das ganze Bau-
werk wird mit einem gleichmäßigen Reichtum von Zierformen oder
Malereien bedeckt (Abb. 1).
Alle diese Elemente der Baukunst sind bei einem künstlerisch voll-
wertigen Bauwerk auf einen Ton gestimmt. Der Eindruck des einen wird
verstärkt durch die Wirkung des andern, und so klingen alle diese ver-
schiedenartigen Dinge zusammen in einer einzigen großen Harmonie. Diese
letzte Anforderung an das Kunstwerk ist zugleich die wichtigste: DIE
KÜNSTLERISCHE EINHEIT.
2. Die Technik der Baukunst
Auf welche Weise, mit welchen Mitteln wird ein Bauwerk geschaffen;
welches sind die Hauptschwierigkeiten, die dabei zu überwinden sind? Das
sind die Fragen, die, unbekümmert um den Kunstwert, zunächst der Lösung
harren.
Bevor das Werk in Stein, Holz und Eisen ausgeführt wird, muß es
im Geiste genau durchdacht sein. Jede Lücke rächt sich bei der Ausführung
bitter; ein Vergessen stellt die ganze künstlerische Wirksamkeit in Frage.
Und was erdacht ist. muß zunächst zu Papier gebracht werden. Wie der
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Abb. 3. E rechtheion auf der Akropolis in Athen, erbaut im jonischen Stil 425 -408 v.Chr.
Dramatiker das Schauspiel, das er durch die Schauspieler aufführen lassen
will, erst in Rollen verteilt niederschreiben muß, so der Architekt, der ein
kompliziertes Werk durch mancherlei Handwerker erstellen läßt.
Die BAUZEICHNUNGEN, die der Architekt seinen ausführenden
Helfern, den Maurern, Steinmetzen, Zimmerleuten und Tischlern in die
Hand gibt, schreiben diesen genau und unzweideutig vor, wie gebaut werden
soll. Und als die beste Form, in der dies geschehen kann, wurde die Parallel-
projektion in verkleinertem Maßstabe erkannt: Der Grundriß, der als hori-
zontale Ebene gedacht ist, auf welcher sich alle Bauteile, die darin liegen,
abzeichnen; der Aufriß, der eine vor das Bauwerk gelegte vertikale Ebene
bildet, auf welche die sämtlichen Bauteile sich parallel projiziert abzeichnen;
der Schnitt, eine Vertikalebene, die mitten durch das Bauwerk geht und alles,
was sie trifft, getreulich abbildet. Für den Besteller wird eine perspektivische
Darstellung, die den Eindruck der Wirklichkeit am besten wiedergibt, aus-
gearbeitet.
Was die GESCHICHTE DER BAUZEICHNUNGEN anbelangt, so
wissen wir, daß die Römer in derselben Weise, wie dies noch heute geschieht,
ihre Risse zu entwerfen pflegten.
Der älteste uns erhaltene Bauriß, der für den Neubau des Klosters
St. Gallen um 820 entworfene Plan, ist mit Mennig auf drei zusammen-
genähte Pergamentstücke gezeichnet; die einzelnen Baulichkeiten sind
durch zugefügte lateinische Hexameter kenntlich gemacht. Doch ist er
kaum mehr als eine Skizze der allgemeinen Disposition der Gebäudemassen,
eher für das Auge des Laien als für den Baumeister bestimmt. Erst aus
dem 14. Jahrhundert besitzen wir eine größere Anzahl erhaltener Bau-
Schultz-Bernoulli, Die bildenden Kumte. 3. Aufl. 9
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Abb. 4. Triumphbogen des Kaisers Constantin in Rom. Errichtet 311 n. Chr.
pläne. Der bekannteste ist der Entwurf zur Westfassade des Kölner Domes,
in einer Gesamthöhe von zirka 5 Metern. Die Zeichnungen wurden zumeist
mit schwarzer Farbe auf Pergament ausgeführt. Aufrisse wie Grundrisse
waren allein dem Architekten verständlich, indem die verschiedenen Risse
übereinander gezeichnet wurden.
Auch die Entwürfe der Renaissancebaumeister sind immer nur für die
Ausführung bestimmt; für den Laien fertigte man MODELLE des Bau-
werkes an. Aus dem Mittelalter sind uns solche Modelle nicht erhalten;
daß sie aber vorhanden waren, ersehen wir aus zahlreichen Darstellungen
von Kirchenstiftern, die oft dadurch gekennzeichnet werden, daß sie ein
kleines Kirchenmodell auf einem Arme tragen.
Schon im 17. Jahrhundert werden die Baurisse auch den Laien ver-
ständlicher; die Mauermassen werden durch einen Farbenton hervorgehoben;
man schattiert die Fassaden und läßt sie sich in ihrem Relief deutlich aus-
prägen. Ansichten aus der Vogelperspektive ermöglichen eine klare Vor-
stellung über die Gesamtgruppierung eines Bauwerks. Diese Darstellungs-
weise wurde zum Teil schon im 16. Jahrhundert angewendet. Perspek-
tivische Ansichten der neuprojektierten Gebäude wurden erst im 19. Jahr-
hundert angefertigt; sie können am ersten auch dem Laien eine Idee davon
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Abb. 5. Rundtempel in Baalbek, erbaut im 2. -3. Jahrh. n. Chr.
vermitteln, wie sich der Baumeister sein Werk fertig vorstellt. Je malerischer
eine solche Perspektive ausgeführt wird, je mehr ihr der Architekt zugleich
mit Farben den Schein der wirklichen Existenz zu verleihen versteht, desto
mehr wird ein solches Werk Beifall finden; oft genug täuscht die Darstellung
über Fehler der ganzen Anlage hinweg.
Mit der neuesten Entwicklung der graphischen Künste trat die deko-
rative Behandlung gegenüber der malerischen immer mehr in den Vorder-
grund. Das Verzichten auf reizvolle, aber unwesentliche Beigaben, das
wirkungsvolle Hervortreten der Hauptsache wird immer mehr zum Wahl-
spruch auch der Architekturdarstellung, die eine geraume Zeit lang allzu-
sehr nach malerischen Effekten haschte und darüber oft vergaß, daß sie
nur Mittel zum Zweck ist.
DIE FRAGE DES BAUMATERIALS spielt heute eine ganz andere
Rolle wie früher. Heute steht uns dank der reichlichen Verkehrsmittel
jedes Material zur Verfügung, während früher immer vorzugsweise das-
jenige verwendet wurde, das in der nächsten Umgebung gewonnen wurde.
Dadurch bekam die Baukunst gewisser Landstriche einen geschlossenen
Charakter, der inzwischen, besonders in den Städten, völlig verschwunden
ist. Heute sucht die Heimatschutzbewegung wieder für bodenständige
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Abb. 6. Sophienkirche in Konstantinopel, erbaut 532 — 537 n. Chr. ; Moschee seit 1453.
Kunst zu wirken. Die Verwendung einheimischen Materials steht dabei
an erster Stelle.
DAS HOLZ kam in der Regel in erster Linie als Baumaterial in Betracht.
Seine leichte Bearbeitung, seine bequeme Herbeischaffung und seine Ver-
breitung sicherte ihm in der ersten Zeit eine allgemeine Beliebtheit. Aber
die Feuersgefahr brachte es mit sich, daß zunächst für wichtige Gebäude,
später für ganze Städte das Holz vom Steinbau verdrängt wurde. Heute
ist seine Verwendung auf holzreiche Gegenden beschränkt.
Und nun zeigte es sich, daß gerade DER STEIN das beste Material war,
um die Schönheit der Baukunst zur Geltung zu bringen. Die Monumentalität,
der höchste und gewaltigste Ausdruck der Baukunst, ist außer dem Steinbau
völlig undenkbar. Das Gefüge der Steine läßt deutlich das Spiel von Kraft
und Last verfolgen; ihr Umfang steht in einem Verhältnis zu ihrem
Gewicht, das wir unbewußt als harmonisch empfinden, wo uns Eisen als
zu dünn und Holz als zu leicht erscheinen würde. Dazu kommt noch das
schöne Aussehen gewisser Steinarten: Der Marmor mit seinen glänzenden
Farben und feinen Zeichnungen, der derbe poröse Muschelkalk, der bild-
same Sandstein mit seinen grauen oder roten Tönen mögen als Beispiele
genügen.
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Abb. 7. Inneres des Domes von Parenzo, erbaut um 570.
DER BACKSTEIN ist im Grunde als ein Surrogat für den Bruchstein
anzusehen. In Gegenden, wo dieser nicht gefunden wird, spielt der Back-
stein eine große Rolle. So in Babylonien und Assyrien, in Oberitalien,
Holland, England und Norddeutschland. Bei der geringen Größe des ein-
zelnen Steines wirkt mehr die Masse. Reiche Profilierung oder Gliederung
ist mit dem Charakter des Backsteinbaus schwer vereinbar; doch sorgen die
in Formen gepreßten Zierstücke und die eingestreuten glasierten Steine
dafür, daß trotzdem keine Monotonie entsteht. Vielfach wird auch der
Backsteinbau mit dem Hausteinbau kombiniert, was oft sehr glückliche
Wirkungen hervorbringt.
DER KALKPUTZ kommt da zur Anwendung, wo die Mauer eine
glatte Fläche darstellen soll, sei es als Untergrund für schmückende Malereien,
sei es als kahle Form, wie sie von dem Schönheitsbegriff gewisser Zeiten
gefordert wurde. Oder aber er dient einfach zur Verhüllung des unsorg-
fältig aufgeschichteten Mauerwerks. Für das Aussehen des Faues ist die
Art des Auftrags, ob glatt, körnig, gefärbt oder weiß, von Wichtigkeit.
DER STUCK bildet besonders für Innenräume ein geeignetes Material
für die plastische Dekoration, wobei auch ganze Bauglieder, ohne indessen
ihre Funktionen wirklich auszuüben, aus diesem Stoff geformt werden.
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Die Neuzeit verwendet daneben EISEN und ZEMENT, wodurch die
Mauermasse verringert, der Raum vergrößert wird.
Denken wir uns in den Fall, die Form des Bauwerks wäre bestimmt
durch die Bauzeichnungen, die Materialien wären reichlich zur Stelle, so
gilt es nun, die große Aufgabe zu lösen, den rohen Stoff in die vorge-
zeichnete Form zu bringen. Die einzelnen Bauglieder müssen also derart
ineinander gefügt werden, wie es die Bauzeichnung beabsichtigt. Und da
stellt sich eine gewaltige Naturkraft in den Weg, welche die Bautechnik
zur härtesten Arbeit macht, mühsamer und mehr Kraft erfordernd als die
Techniken der anderen Künste: Das ist die Schwerkraft. Sie ist für den
Baumeister das, was das Wasser dem Schwimmer: Das Hindernis, das
überwunden werden muß, die ständig drohende Gefahr; aber auch die
Hilfe, das ewig unwandelbare Element, das nur richtig ausgenützt werden
will, um die sicherste Gewähr zum endlichen Siege zu geben.
Beim ersten Stein, der für den Bau gelegt wird, beginnt DER KAMPF
MIT DER SCHWERKRAFT. Tief in den Boden will das Fundament ge-
lagert sein, damit die Schwere der Mauermassen nicht das weiche Erdreich
unter sich wegdrückt und so das ganze Werk einzusinken und einzustürzen
droht. Die Bausteine werden zum festen Verbände gefügt, die Fugen einer
Schicht die Fugen der darunter und darüber liegenden sorgfältig vermeidend,
alles mit Mörtel zusammengeschweißt. Doch hier zeigt sich die Schwer-
kraft als Helferin: ein schwerer Stein, einer Unterlage nur durch Zapfen
und Fugen eingepaßt oder flach aufliegend, kann des Mörtels entbehren.
Die Kraft der eigenen Schwere hält ihn auf der Unterlage fest. Die Klage-
mauer am Tempel von Jerusalem, die Pyramiden Ägyptens und die Säulen
von tausend Tempeln des Altertums sind Beispiele, wie solche Verbände
ohne Mörtel Jahrtausende überdauern, wenn nicht Menschenhände das
Gleichgewicht des Bauwerkes stören.
Je schwerer die Last, die von oben und von der Seite drückt, um so
stärker muß die Mauer sein; für Befestigungswerke, die einen Ansturm
von außen zu gewärtigen haben, wächst die Mauerstärke ins Phantastische.
Besonders schwierig wird der Kampf gegen die Schwere bei den Öffnungen,
welche die Mauer notwendig aufweisen muß. Am einfachsten half man sich
durch Balken aus Holz oder Stein, die man über die Öffnung legte (Abb. i).
Bald aber erfand man den Bogen; keilförmige Stücke wurden über einem
Leergerüst aus Holz aneinandergereiht; war der Mörtel trocken und noch
ein gutes Stück oberhalb der Öffnung fertig gemauert, so hielt nun die
Schwerkraft den Bogen zusammen und das Gerüst konnte entfernt werden
(Abb. 4). In ähnlicher Weise wurden auch gerade Tür- und Fensterstürze
hergestellt, oft mit sägezahnförmigen Fugen; freilich hatte hier die
Schwerkraft leichteres Spiel, einen Stein herunterzuholen, der die andern
dann zur Seite drückte; wenn erst ein Stein fehlte, war der Einsturz eine
Frage der Zeit.
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Abb. 8. Abteikirche Maria Laach, erbaut in den Jahren 1093 — 1156.
Wenn es galt, ganze Räume zu decken, so nahm man in der frühesten
Zeit seine Zuflucht zu dem langstämmigen Holz, in seltenen Fällen zu
ungeheuren Steinplatten. Aber von der Bogenkonstruktion der Mauer-
öffnung war nur ein Schritt zum Tonnengewölbe, das gewissermaßen einen
Bogen darstellt, dessen Mauerstärke so groß ist wie die Länge des zu
deckenden Raumes. Freilich mußte der Gewölbebogen auf den Seiten ge-
nügend Widerstand finden, sonst drückte er einfach die Mauern, die ihn
trugen, auseinander und stürzte in sich zusammen; man legte also eine
Reihe von kräftigen Strebepfeilern auf die Außenseite der tragenden Mauern
(Abb. 1 1). Die Durchdringung zweier Tonnengewölbe gleicherGröße über einem
quadratischen Grundriß (Kreuzgewölbe) war der nächste Schritt der Ent-
wicklung (Abb. 9). Wurde der Bogen nach oben in eine Spitze ausgezogen
(etwa in der Form eines Plätteisens) , so wurde der Seitenschub bedeutend
verringert, was besonders bei der Gewölbekonstruktion von großem Vorteil
war; man konnte sich nun die dicken Mauern sparen und die Strebepfeiler
leichter gestalten, als es die Tonnengewölbe oder auch nur die Kreuz-
gewölbe über Kreisbogen erlaubten (Abb. 10). In der Zeit der Gotik wurde
dieses Gewölbesystem bis zur Vollendung ausgebaut. In technischer Be-
ziehung bildet die Baukunst dieser Zeit einen Höhepunkt.
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Eine besonders kunstreiche Form der Eindeckung aber ist die Kuppel,
die den Raum nach oben halbkugelförmig abschließt (Abb. 19). Steht die
Kuppel über einem runden Räume, so entwickelt sie sich aus demselben, ohne
daß Übergänge erforderlich sind; ist sie dagegen über einem Quadrat oder
Polygon konstruiert, so wird die Vermittlung des eckigen Raumes und der
kreisrunden Kuppel durch kleine sphärische Dreiecke, sogenannte Zwickel
herbeigeführt (Abb. 6).
Eine solche Konstruktion erfordert ein gewaltiges Leergerüst, das oft
schwierig zu beschaffen ist; dieses Gerüst erlaubt es aber, daß die Kuppel
aus Gußwerk (Kalk oder Zement mit Steinbrocken) ausgeführt wird, wie
das schon von den Römern geübt wurde.
Ist das Gebäude im Rohbau aufgerichtet, so erfreuen sich ihre Erbauer
ihres Sieges über die dunkle Kraft der Schwere; das Fest der Aufrichte wird
heute noch mit bändergeschmücktem Tannenbaum auf dem höchsten Punkte
des Bauwerks, mit Reden, Essen und Trinken gefeiert.
Aber nun gilt es, noch einer anderen feindlichen Kraft zu wehren:
dem Regen und dem Schnee, die beide in die Steinfugen einzudringen ver-
suchen, den Mörtel auflösen und zersprengen, wenn ihnen nicht gewehrt
wird. Dies geschieht am besten, indem man das ganze Bauwerk mit einem
Dache überdeckt, dem Regen und Schnee nichts anhaben können. Um aber
dieses Dach nicht zu überlasten und der Gefahr auszusetzen, daß es trotz
seiner relativen Wetterfestigkeit von allzu langer Berührung mit dem Wasser
schließlich doch Schaden leidet, muß es so gesetzt werden, daß Regen und
Schnee möglichst raschen Abzug finden. Je mehr ein Land Schneefällen
ausgesetzt ist, desto steiler wird man die Neigung der Dächer anlegen
(Abb. 18), während in Gegenden, welche nur von Regen getroffen werden,
eine leichte Schräge genügt, das Wasser zum Abfluß zu bringen (Abb. 2).
Ist das Dach nur nach einer Seite hin geneigt, so heißt es Pultdach; sind
zwei Flächen desselben geneigt und berühren sie sich in der Firstlinie, so
spricht man von einem Satteldach. Am Rande des Daches wird das Wasser
in Rinnen gesammelt und entweder durch Rohre zur Erde geleitet oder,
wie das früher allgemein üblich war, durch vorstehende Wasserspeier,
die in angemessenen Zwischenräumen angebracht werden, oft aus beträcht-
licher Höhe, weit von den Fundamenten des Gebäudes, ausgegossen (Abb. 1 1).
So sind zunächst beide feindlichen Gewalten, die Schwerkraft und die
Unbill der Witterung, unschädlich gemacht; aber diese Feinde sind un-
ermüdlich, und einmal kommt sicher die Zeit, wo auch das herrlichste
Bauwerk ihrem Angriff weichen muß.
3. Die Baukünstler.
Wenn uns an jedem Werke der Malerei und der Plastik sein Schöpfer
in hohem Maße interessiert und wir dessen Namen oft für wichtiger halten
als eine Bezeichnung des Kunstwerkes selbst, ist bei den Werken der Archi-
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Abb. 9. Inneres des Domes zu Speier, erbaut 1080 — 1100. Ausmalung um 1850.
tektur das Gegenteil der Fall. Die große Gesetzmäßigkeit, die ewig gleichen
Prinzipien, die von der Schwerkraft diktiert werden, lassen dem Künstler
nur einen kleinen Spielraum; die Tradition, die im Laufe der Zeit sich
Schritt für Schritt unmerklich ändert, scheint ohne das Zutun schöpferischer
Kräfte die Werke der Baukunst zu vollbringen. Und doch ist die Baukunst
ohne Architekten nicht denkbar. Aber der Baukünstler ist kein Schöpfer
aus freier Phantasie, wie der Dichter, Maler und Musiker; er ist vielmehr
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ein Organisator, ein Ordner und Richter. Er wird eins mit dem Gesetz; er
denkt sich ganz in die Zweckmäßigkeit des Bauwerks hinein und gestaltet
so das Ganze nicht als freier Schöpfer, sondern als der Anwalt höherer Machte.
Ursprünglich war der Baukünstler, der die Idee eines Bauwerks bis
ins einzelne ausdachte und in seinen Plänen sichtbar festlegte, identisch
mit dem Baumeister, der diese Pläne zur Ausführung brachte, indem er
selbst mit seinen Helfern den Bau aufrichtete. Durch das Handwerk lernte
er die Gesetze kennen, nach denen der Bau zu gestalten war. Die Praxis
war die Lehrmeisterin der Theorie und diese hielt das einmal Erkannte fest
und vervollkommnete es auf ihre Art. Solange der Baukünstler mit der
Ausführung seiner Pläne in engem Zusammenhang stand, war eine gesunde
Entwicklung gewährleistet. Wo aber dieser Zusammenhang lockerer
wurde oder ganz fehlte, geriet er ins Abstrakte und die Bauzeichnung schien
der Endzweck seiner Kunst, während sie in der Tat nur die Vorbereitung
zum Bau ist.
Der Baukünstler war nun bloß noch Gelehrter, wo er Leiter sein sollte.
Doch auch als Gelehrter kann er eine nützliche Rolle spielen: als Lehrer
für den, der ganz in der Praxis steht, und sich mit theoretischen Auseinander-
setzungen nicht abgeben kann. So hat der römische Baumeister Vitruvius
durch seine ,,Zehn Bücher über die Architektur" eine grundlegende Be-
deutung erlangt. Die Theoretiker brachten es auch zustande, daß die
organische Entwicklung jäh unterbrochen wurde zum Ausgang des Mittel-
alters und daß die Krücken, die sie fabrizierten, die Säulenbücher und
Architekturrezepte, zum notwendigen Requisit der Baumeister wurden, die
früher selbstherrlich ihrer Werkstatttradition gefolgt waren. Die frei-
schöpferische Tätigkeit des Baukünstlers, die sowieso nur eine sehr be-
schränkte war, wurde durch den ganzen Regelschatz und Schönheits-
kanon der Theoretiker völlig in Bande geschlagen, so daß sich schon im
18. Jahrhundert eine absolute Unselbständigkeit und Erstarrung in den
Bauformen breit machte, die zunächst noch durch das treuherzige Unver-
ständnis der Praktiker den Reiz der Originalität beibehielt. Das 19. Jahr-
hundert mit seinen Bau-Akademien und seiner Lehre von den historischen
Stilen als festgelegte Formgesetze ertöteten das Leben der Baukunst vollends
und machte aus ihr eine erlernbare Wissenschaft. Aber schon ist die Re-
aktion eingetreten, welche frei vom akademischen Ballast Kunstwert über
„Stilechtheit" setzt und vor allem die Zweckerfüllung zur Richtschnur
des Bauens macht. Die Natürlichkeit, der selbstverständliche gute Geschmack
tritt mehr und mehr an die Stelle der Gelehrsamkeit.
Der Architekt von heute fühlt sich in erster Linie als Sachwalter
des Bauherrn. Er will dessen Bedürfnisse befriedigen und dafür ist die Form,
die am wenigsten Umschweife macht, die beste. Das war selbstverständlich
zu der Zeit, wo der Bauherr zugleich Architekt und ausführender Bau-
meister war. Das war noch im Mittelalter das Gegebene : Der Bauherr
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Abb. io. Inneres des Domes zu Köln, erbaut 1248 1322. Ausbau 1842 1880.
war der Gebieter, dem sich der Architekt ohne weiteres fügte. Sobald aber
die Architektur zur Wissenschaft wurde, machte sich der Baukünstler vom
Auftraggeber mehr und mehr unabhängig. Die akademische Form mußte
gewahrt werden, auch wenn darüber die Ansprüche des Bauherrn zu kurz
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kamen. Das beeinträchtigte den Kunstwert dieser Bauten nicht, aber es
ist ein Mißverhältnis, ein Widerspruch in sich selbst. Man hat sich aber
im Laufe der Zeit so sehr daran gewöhnt, daß diese akademische Maskerade
notwendig sei, daß die Bauherren nun ihrerseits nach ihr verlangten, zu
einer Zeit, .als die Baukünstler schon im Begriffe standen, statt in der
höfischen Sprache vergangener Jahrhunderte zu reden, schlecht und recht
nach ihrem Vermögen das auszudrücken, was sie zu sagen hatten.
Und wo die Architekten als Unternehmer auftreten, wird die Sache
auch nicht besser. Das Angebot richtet sich nach dem Allerweltsgeschmack;
und der war zu allen Zeiten mittelmäßig, wenn nicht schlecht. Jedenfalls
hinkt er der Entwicklung der Dinge immer einige Jahrzehnte hinterdrein.
Heute verlangt er, was vor zwanzig und dreißig Jahren von Künstlern und
Kennern als schön empfunden wurde, aufgeputzt durch einige besondere
Witze, die dem Ganzen den Stempel des Allerneuesten aufdrücken sollen.
Das ist das dunkelste Kapitel in der Kunst, wo ihre edlen Formen von
geldgierigen Händen vergröbert und der breitesten Masse mundgerecht ge-
macht werden, entstellt bis zur Unkenntlichkeit, ausgeführt im denkbar
schlechtesten Material, aber mit der marktschreierischen Etikette „hoch-
künstlerisch"! Oder, wo talentvolle Baukünstler im Solde eines gewissen-
losen Unternehmers stehen, der sich fälschlicherweise selbst als Baukünstler
ausgibt und ihren Werken seinen Namen einhauen läßt. Diese Erscheinungen
sind mit den schroffen Formen des heutigen Kapitalismus leider untrennbar
verknüpft. Es muß uns genügen, daß es trotzdem Bauherren und Archi-
tekten gibt, Mäzene und Künstler, die immer neue schöne Werke veranlassen
und hervorbringen und so das pulsierende Leben darstellen, ohne welches
die Kunst zum weltfremden, toten Ding wird, an dem nur der Forscher und
der Sammler Gefallen finden.
4. Die Aufgaben der Baukunst
Die nächstliegende Aufgabe des Bauwesens war, WOHN STÄTTEN zu
schaffen. Im ursprünglichsten Sinne war das gleichbedeutend mit Schlaf-
und Küchenraum; das ganze übrige Leben spielte sich im Freien ab. Das
Herdfeuer hatte besonders in kalten Zonen einen großen Einfluß auf die
Ausgestaltung des Wohnhauses. Es war der Sammelpunkt der Familie
bei der Mahlzeit und an langen Winterabenden. Und als die Heizung von
der Küche getrennt wurde, waren es wieder die Kamine und die öfen'die
das Leben an sich lockten.
Mehr und mehr aber wurde die tägliche Arbeit, das ganze Berufsleben
ins Innere des Hauses verlegt und damit traten neue Anforderungen an
den Wohnbau heran; vor allem mußte für genügende Beleuchtung von außen
und für die notwendigen Räumlichkeiten gesorgt werden. Es entstand ein
komplizierter Organismus, der entsprechend den verschiedenen Sitten und
Gebräuchen gar verschieden ausfiel.
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Abb. Ii. Dom zu Köln, erbaut 1248—1516, ausgebaut nach alten Plänen 1842 — 1880.
Wenn wir die Lösung dieser Aufgabe ins Auge fassen, finden
wir bis in die neueste Zeit hinein ein Überwiegen der Zweckmäßig-
keit gegenüber rein ästhetischer Tendenzen, wie etwa der Symmetrie
(Abb. 13). Nur wo ganz bedeutende Mittel zur Verfügung standen, oder
wo es sich zugleich um Repräsentationsbauten handelte, wie bei Palästen
und Fürstenschlössern, wurde das dekorative Element mehr in den Vorder-
grund gestellt (Abb. 18). Die bürgerliche Wohnungsbaukunst aber sucht
ihren Zweck mit den einfachsten Mitte'n zu erreichen. Und dadurch be-
kommt sie einen besonderen Reiz: Das Natürliche, Anspruchslose, Gemüt-
liche, das alles spricht aus ihr und macht die Wohnung zur Heimat, die
man lieben kann, fast wie man ein lebendiges Wesen liebt.
Seitdem aber durch die Fabrikarbeit und die an bestimmte Orte ge-
bundenen Industrien der Bodenwert in den Städten ungeheuer gestiegen ist,
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weicht das gemütliche kleine Wohnhaus der großen vielstöckigen Miet-
kaserne. Der Platz muß ausgenützt werden. Damit ist für den modernen
städtischen Wohnbau eine ganz andere Grundlage geschaffen als früher,
wo zwar oft genug die engen Festungsmauern der Stadt die Häuser eng
zusammenrücken ließen. Wo der Entwicklung keine Schranken gesetzt
sind, wie z. B. in Amerika, mußte die Ausnutzung des Bodens notwendig
zu den ungeheuer hohen Häusern, zu den zwanzig- und mehrstöckigen
Wolkenkratzern führen. In den europäischen Städten sorgt aber meist eine
weise Polizeivorschrift dafür, daß das Dachgesims der Häuser über eine
bestimmte Höhe nicht hinausgeht. In dem Bestreben, den Platz auszunützen,
erreichen die meisten neuen Häuser die Maximalhöhe. Dadurch ergibt sich
eine Einheitlichkeit in der Bebauung, die neben den hygienischen bedeutende
ästhetische Vorzüge hat.
In der engbebauten Stadt ist es unmöglich, ein Haus allein anzusehen.
Die Nachbarhäuser, der Platz vor dem Hause, die ganze Umgebung drängt
sich in unser Gesichtsfeld : unvermittelt und unausweichlich. Es ist überaus
bezeichnend für die Baukunst der neueren Zeit, daß sie sich dieser Tatsache
bis vor kurzem hartnäckig verschloß. Der Architekt baute Häuser „an sich"
auf dem Papier. Die Grundstücksgrenzen waren die Grenzen seiner Wirk-
samkeit, also ignorierte er geflissentlich das, was außerhalb dieser Grenzen
stand. Häuser, die auf dem Bauplan hübsch aussahen, zeigten sich nun
als Ungeheuerlichkeiten, sobald sie in ihre Umgebung hineingestellt wurden.
Aber merkwürdigerweise nahm kein Mensch Notiz von der Absonderlichkeit
einer solchen Kunstausübung.
Bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts baute man instinktiv Wohn-
häuser nach gleichen Maßstäben, in den Größenverhältnissen verwandt,
gleichermaßen bescheiden, nicht allzu abweichend in Material und Farbe
(Abb. 13). Daher die Harmonie alter Städte, auch wenn die nebeneinander
liegenden Häuser den verschiedensten Zeiten angehören. Heute will ein
Haus das andere überschreien an Prunk und Absonderlichkeit. Für den,
der Empfindung und Augen hat, ist es eine Brutalität sondergleichen.
Sollte nicht die Straße, der Platz, ja die ganze Stadt ein einheitliches, ein-
drucksvolles, harmonisches Gepräge haben können trotz der Vielgestaltigkeit,
welche sie notwendigerweise aufzeigt? Die alten Städte sagen „ja"; die
Baumeister von gestern lassen eine solche Fragestellung überhaupt nicht
gelten; die Architekten von heute und morgen aber hoffen und wollen es.
Die Frage nach der künstlerischen Bedeutung des Einzelwohnhauses
weitet sich zum Problem der STÄDTEBAUKUNST. Wie das einzelne
Gebäude, ist auch die Siedelung, d. h. das Dorf oder die Stadt, ein Organismus.
Das Herz, der Kristallisationspunkt dieses Ganzen, war in früheren Zeiten
das Forum, der Markt mit dem Rathaus, der Dorfplatz, also der Ort, wo sich
die Ereignisse des politischen und kommerziellen Lebens abspielten. Von
hier aus gingen die Straßen durch die Siedelung ins Land hinaus. Der
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Abb.\i2. Hof des Palastes von Jacques-Coeur in Bourges, erbaut im 15. Jahrh.
Hauptplatz war ein von Häuserreihen umschlossener Raum, ein riesiger Ver-
sammlungssaal ohne Dach. Die Straßen wurden im Altertum wie heute
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Abb. 13. Straße am Hauptmarkt in Nürnberg mit der St. Sebalduskirche.
von gleicher Breite und geradlinig angelegt. Im Mittelalter aber war die
Straße mehr ein Aufenthaltsort als eine Verkehrsader; sie wurde in der
Mitte ausgebuchtet; die Rücksicht auf die Verteidigung ließ sie krumm
und winklig verlaufen, um den Feind, wenn er selbst in die Stadt einge-
drungen war, aus dem Hinterhalt zu überfallen und wieder zu vertreiben.
Zudem aber hatte man Gefühl für die Raumschönheit, die Bildmäßig-
keit der Straße. Die Hauptgebäude dominierten in diesem Bilde; sie wurden
mit Verständnis in den Organismus hineinkomponiert (Abb. 13). Die
Barockkunst steigerte diese Kompositionskunst unter Zuhilfenahme der
perspektivischen Wirkung (Abb. 20). Großzügige, klare Anlagen werden
geschaffen, bei denen die gerade Straße mit einem prächtigen, in schöner
Silhouette gezeichneten Abschluß ein Hauptmotiv bildet. Im 19. Jahr-
hundert vergaß man, Abschlüsse zu setzen; die raffinierte Perspektiven-
kunst zerfloß im Wesenlosen; oft genug wurden die Tore und Triumph-
bogen, derenthalben die ganze Straße angelegt worden war, entfernt. Alles
im Namen des Verkehrs. Heute suchen wir mühselig die Elemente der alten
Städtebaukunst zusammen, suchen von ihnen zu lernen und das Gelernte
Gc
Abb. 14. Kathedrale von Orvieto; Baubeginn 1289, Fassade 1310 ff.
auf unsere neuen Verhältnisse zu übertragen. Aber der Anfang ist gemacht
und schon zeigen einige Neuanlagen, daß moderne Städtebaukunst keine
Unmöglichkeit ist.
Die höchste künstlerische Vollendung fand die Baukunst im TEMPEL-
UND KIRCHENBAU. Wie der Begriff des Göttlichen als eine zur Voll-
kommenheit gesteigerte menschliche Natur aufgefaßt wurde, so baute man
auch die Wohnstätte der Gottheit auf Erden als ein großes, reich ge-
schmücktes, herrliches Menschenwohnhaus. Erst nach und nach bestimmte
der immer komplizierter werdende Gottesdienst eine vielfältige Gliederung.
Das religiöse Gefühl des Volkes und die Autorität der Priesterschaft wett-
eiferten darin, möglichst viele, schöne und große Tempel entstehen zu lassen.
Und was besonders wichtig ist : Die Tempel wurden aus dauerhafterem
Material und sorgfältiger ausgeführt als die Wohnhäuser der Menschen.
Wo diese längst verschwunden sind, stehen noch mächtige Tempelruinen,
welche von der Baukunst vergangener Zeiten Zeugnis ablegen (Abb. 1—3).
Schultz-Bernoulli Die bildenden Künste. 3. Aufl. A
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Abb. 15.
Palazzo Pitti in Florenz, erbaut von Filippo Brunellesco 1440.
Und vielfach läßt der Sakralbau Schlüsse zu auf die Beschaffenheit der
Profanbauten: Die Ornamentik war bei beiden bis in die jüngste Zeit
hinein völlig gleichartig, die Technik durchaus dieselbe; nur in den Raum-
verhältnissen und in der ganzen Anlage zeigen sich grundlegende Ver-
schiedenheiten. Die Sakralbaukunst ist demnach das wichtigste Kapitel
der Baukunst überhaupt: Sie zeigt das höchste künstlerische Bestreben
und verfügt zugleich über die reichsten Mittel.
Ein tiefer Ernst, ein starkes Gefühl für die Heiligkeit des Zweckes,
dem das Gotteshaus zu dienen hat, läßt den unmittelbaren Einfluß der
Geistlichkeit beim Bau erkennen (Abb. 6 — 11). Im frühen Mittelalter
waren die Geistlichen selbst als Baumeister und Werkleute tätig; mehr
und mehr wurden dann aber weltliche Kräfte zugezogen und bereits am
Ausgang des Mittelalters liegt die Kirchenbaukunst völlig in den Händen
der weltlichen Bauleute. Mit der Herrschaft der Renaissance verliert der
Kirchenbau seine führende Stellung; die Baukunst ist gleichmäßig aus-
gebildet; die religiöse Begeisterung des blinden Glaubens, welche die mittel-
alterlichen Dome entstehen ließ, ist erloschen; die Kirchenspaltung wird
durch die Reformation herbeigeführt. Es ist verständlich, daß die Bauart
des Mittelalters nun als eine Erinnerung an glorreiche Zeiten da und dort
beim Kirchenbau in Anwendung gebracht wurde. Die Hauptmasse der
Gotteshäuser schloß sich aber in ihrer Bauart und in ihrer Dekoration dem
Stil der Zeit an (Abb. 17, 19).
Erst im 19. Jahrhundert drang die Auffassung durch, daß der Kirchenbau
notwendigerweise in den Formen des Mittelalters durchgeführt werden
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Abb. 16. Palazzo Reale in Venedig, erbaut von Sansovino und Scamozzi 1536.
müsse. Und merkwürdigerweise war es nicht allein die katholische Kirche,
die sich diesem Gedanken anschloß; bei ihr wäre es verständlich gewesen;
war doch das Mittelalter die Zeit ihrer uneingeschränkten Herrschaft;
die reformierten Kirchen aller Schattierungen bauten nun in den Stil-
arten des 10. bis 15. Jahrhunderts. Man ging so weit, alte Bauwerke bis
ins einzelne zu kopieren. Damit war die kirchliche Baukunst vom Leben
abgeschnitten bis in die neueste Zeit, wo vor allem die Erfüllung des Zweckes,
das Wesen der Predigtkirche für den protestantischen Kirchenbau wieder
in den Vordergrund trat. Und nun bewegte sich bald auch die ganze Formen-
sprache freier und ungezwungener. Die historische Wissenschaft wich der
freien Entwicklung. Freilich ist heute der Kirchenbau im Rahmen der
Architektur nur noch von untergeordneter Bedeutung. Andere Aufgaben
treten an die Baukunst heran, denen größere Mittel und weitere Entwick-
lungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Zwischen der streng gegliederten Sakralbaukunst und der rein zweck-
mäßigen bürgerlichen Wohnkunst steht die BAUKUNST DER RE-
PRÄSENTATION, soweit sie profanen Zwecken dient. Ihrer Bestimmung
nach dient sie als Residenz, als Verwaltungsgebäude, Privatpalast, Rathaus,
Kaserne oder dergleichen. In der Anlage wird sie daher vielfache Analogien
mit dem bürgerlichen Wohnbau aufweisen. Aber wo dieser seinen Zweck
ungeschminkt zum Ausdruck bringt, gibt jene dem Ganzen einen monu-
mentalen Rahmen, der in seiner ganzen künstlerischen Ausdrucksweise eng
mit dem Sakralbau verwandt ist. Die Symmetrie der Schauseiten, die Be-
tonung des Regelmäßigen, der reiche Schmuck, kurz, der Wille zur archi-
tektonischen Schönheit läßt die repräsentative Profanbaukunst oft mit der
Sakralbaukunst in Konkurrenz treten (Abb. 15, 16, 21).
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Weite Treppenhäuser, Vestibüle und Versammlungshallen geben einen
starken Kontrast zum bürgerlichen Wohnbau mit seiner Tendenz, Platz
zu sparen. Und wenn in jüngerer Zeit der bürgerliche Wohnbau es äußerlich
mit der Repräsentationskunst aufnimmt, ist das entschieden ein Verkennen
seiner Eigenart. Er wird zum Parvenü, der sich seiner bürgerlichen Ur-
wüchsigkeit schämt und mit völlig unzureichenden, ganz äußerlichen Mitteln
die Zugehörigkeit zu einer vornehmern Art vortäuscht. Es gibt freilich
eine Art von bürgerlicher Wohnbaukunst, die ohne ihren eigentlichen
Charakter zu verleugnen monumentale Wirkungen zu erzielen vermag,
wenn nämlich größere Häusermassen völlig einheitlich durchgebildet werden
und dadurch einen Kollektivorganismus bilden, wenn nicht tatsächlich, so
doch für das Auge (Abb. 20).
Für den Städtebau sind gerade die Repräsentationsbauten von der
größten Wichtigkeit. Sie vermögen einer ganzen Straße, einem ganzen
Quartier ihre Signatur zu geben (Abb. 13). Freilich ist das bei einer Straße,
welche geradlinig und in gleicher Breite angelegt ist, unmöglich; in der
Bauflucht vermag der Bau nur zu wirken, wenn sich vor ihm ein Platz
öffnet, oder wenn die Baulinie in einem leichten einspringenden Bogen
geführt ist, oder wenn es sich um ein Eckgrundstück handelt. Dabei ist
der letzte Fall der ungünstigste.
Jedes System muß notwendigerweise scharfe Grenzen aufweisen, die
in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sind. Und wenn hier versucht wurde,
die verschiedenen Aufgaben der Baukunst in einen Gegensatz zueinander
zu bringen, durch den ihr Wesen deutlicher zum Ausdruck kommt, so
darf andererseits nicht verschwiegen werden, daß Übergänge in allen
Variationen vorkommen. Dabei zeigt es sich auch, daß die Kunst des
Städtebaus als Ordnerin der Werke der Profan- und Sakralarchitektur
immer ein entscheidendes Wort zu sprechen hat. Die finanziellen Ver-
hältnisse, besonders der ungeheure Bodenwert in den Städten läßt freilich
eine fruchtbare Verwendung dieser Erkenntnis kaum zu. Nur wo Neu-
anlagen entstehen, Stadterweiterungen (München, Mannheim) oder Garten-
stadtgründungen (Hampstead bei London, Hellerau bei Dresden), können sie
zur Tat umgesetzt werden. Die rücksichtslose Kapitalausnützung und die
parlamentarische Stadtverwaltung, die nur zu schwächlichen Kompromissen
in Fragen des Städtebaus gelangt, das sind die großen Hindernisse, die eine
rationelle, verkehrstechnische und künstlerische Sanierung unserer bereits
festgelegten modernen Städte in absehbarer Zeit als Utopie erscheinen lassen.
5. Die Entwicklungsgeschichte der Baukunst
Selten geht eine Entwicklung ungestört und ohne Umwege vor sich.
Es gibt Zeiten des Wachstums und Zeiten der Auflösung, Zeiten der Ver-
schmelzung verschiedener Elemente und Zeiten der Trennung. Wo in
einem Lande ein bestimmter Punkt der Entwicklung erreicht ist, kann
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mmmmmmmmu
Abb. 17. Kirche del Gesü in Rom, erbaut von Vignola und Giacoma della Porta 1568.
das Nachbarland zurückgeblieben sein oder ganz andere Wege eingeschlagen
haben. Und im Lande selbst wird die Entwicklung in den lebensvollen
Städten der Entwicklung auf dem Lande vorauseilen. Dort werden brutale,
primitiv anmutende Kopien von dem entstehen, was Jahre vorher in der
Stadt geschaffen worden ist. Für den Gang der Entwicklung hat diese
Kunst aus zweiter Hand meist keine Bedeutung, aber es kommen doch
Fälle vor, wo sie befruchtend auf einen andern Kunstkreis eingewirkt hat
und so in den großen Entwicklungsgang mit eingreift.
Die beiden ältesten Kulturvölker, die ÄGYPTER und BABYLONIER,
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stehen am Anfang der Entwicklung. Die frühsten erhaltenen Bauwerke
aus dem vierten Jahrtausend vor Christi Geburt zeigen übereinstimmend
einen stark ausgeprägten Sinn für das Monumentale. Bei beiden Völkern
finden wir gigantische Stufenpyramiden, mächtige Paläste aus starkem
Mauerwerk und Gräberbauten, die in ihrer Anlage mancherlei Analogien
aufweisen. Während in Ägypten die Gebäude mit breiter Basis ohne tiefe
Fundamente aus Sand- und Kalksteinen aufgeschichtet wurden, entwickelte
sich in Babylonien der Backsteinbau, bei dem gebrannte und luftgetrocknete
Backsteine mit Asphalt verbunden wurden. Dadurch war eine verschiedene
Entwicklung beider Länder bedingt: In Babylonien und dem künstlerisch
von ihm abhängigen Assyrien wurde der Gewölbebau mit Kuppeln und
Tonnen gepflegt; Ägypten aber deckte seine Gebäude mit großen Stein-
platten ein, welche von Pfeilern getragen wurden. Diese Pfeiler waren
zunächst vierkantig, wurden später aber achtkantig gebildet und mit einer
viereckigen Deckplatte versehen. Zu Ende des dritten Jahrtausends bildet
sich der Pfeiler zur Säule um, die mit blütenähnlichem Kapitell gegen die
Decke anstrebt.
Der ägyptische Tempelbau birgt als Kern eine kleine dunkle Kammer,
das Allerheiligste, wo nur der König und der Priester mit der Gottheit
heilige Zwiesprache hält. Darum herum gruppieren sich die Vorratskammern
der Priester; nach vorn gelangen wir in immer höhere und weitere Räume,
deren Decke von einem Wald von Säulen getragen wird; immer reichlicher
dringt das Licht durch die Öffnungen zwischen den Steinplatten der Decke.
Und endlich stehen wir in dem großen Vorhof, der von einer Säulengalerie
umgeben ist (Abb. i). Hier verharrt das Volk im Gebet, wenn der Priester
das Opfer bringt. Zwei mächtige, sich nach oben verjüngende Turmbauten
flankieren den Eingang zum Vorhof. Eine Allee von knieenden Widdern
führt darauf zu. Und alles ist mit flachen, bunt bemalten Reliefs geschmückt,
welche Szenen der heiligen Opferhandlung schildern und von der Größe
der Könige, der Tempelstifter, erzählen (Abb. 78).
Die ägyptischen Gräber für die Ersten im Reiche sind als Häuser der
Toten gebaut; für den Sarkophag eine enge Kammer in der Erde, sei es
im natürlichen Boden oder im Innern der Pyramide, die nichts anderes
als ein künstlicher Berg ist; ein schmaler Gang führt in die Welt der Lebenden
hinaus; oft ist eine kleine Grabkapelle am Eingang. Dieses Thema wurde
unendlich variiert und der Bedeutung entsprechend, die man ihm im alten
Ägypten beimaß, mit großer Pracht und Sorgfalt behandelt.
In ASSYRIEN, das inzwischen Babylon in seiner Weltmachtstellung ab-
gelöst hatte, wurde der Palastbau zur höchsten Blüte gebracht. Um mehrere
Höfe gruppierten sich die eingeschossigen Gebäude. Das Licht drang durch
Oberlichtfenster in den Raum, der mit einer flachen Balkendecke oder
mit Tonnen- und Kuppelgewölben eingedeckt war. Die Haupttempel standen
auf Stufenpyramiden, die Nebentempel auf dem flachen Lande bestanden
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aus einem großen, rechteckigen Saal, der an der hintern Schmalseite eine
viereckige Nische barg: Das Allerheiligste mit dem Altar vor dem Götterbild.
Die Wände waren mit Alabasterreliefs, Stuckmalerei oder glasierten Ziegeln
bedeckt (Abb. 79).
Hin und wieder treten bei den assyrischen Bauten kleine Säulen auf,
deren glatter Schaft auf einer Basis steht, die aus Wulst und Reif zusammen-
gesetzt ist. Oben trägt der Schaft ein Kapitell mit zwei schneckenförmigen
Einrollungen, sogenannten Voluten.
Als sich um die Wende des zweiten und ersten Jahrtausends vor Christi
Geburt die HELLENEN in Griechenland festsetzten, fanden sie dort wohl
eine hohe Kultur vor, aber in ihrer Kunst nehmen sie vorzugsweise An-
regungen von Ägypten und Assyrien auf. Aus der ägyptischen acht- und
sechzehneckigen Säule entsteht die dorische Säulenordnung (Abb. 2), aus
der assyrischen Ziersäule die sogenannte jonische (Abb. 3). Die assyrische
Tempelform wird insofern bereichert, als ihr eine säulengetragene Vorhalle
vorgesetzt wird; meist ziehen sich Säulenreihen um den ganzen Tempel
herum. Die Stufenpyramide ist zu einem Unterbau mit drei oder mehr
Treppenstufen zusammengeschmolzen. Ein flaches Satteldach deckt das
ganze Gebäude. Der plastische Schmuck ist auf die vom Dach geschützten
Teile, die Giebel und die Friese und Gebälke beschränkt, dagegen trägt die
ganze Architektur eine reiche, bunte Bemalung. Alles ist aus wohl-
behauenen Steinen reinlich zusammengefügt. Und vor allem sind die
Proportionen, die Verhältnisse von Höhe zur Breite, Säulenstärken, Zwischen-
räume der Säulen, wohl abgewogen.
Mit der Zeit macht sich eine reichere, schwülstigere Art der Dekoration
geltend; die Verhältnisse werden mehr dem Zufall überlassen. Es ist die
Zeit der Nachblüte.
Inzwischen war DAS RÖMISCHE WELTREICH Griechenlands Erbe
geworden in baukünstlerischen Dingen, hatte aber den Gewölbebau als
neues Element hinzugefügt. Die korinthische Säulenordnung tritt mehr
und mehr an die Stelle der dorischen und jonischen: Ein schlanker Schaft
mit vielen senkrechten Rinnen (Kannelüren) steht auf einer Basis aus
Ring und Wulst und ist von einem reichen Akanthusblatt- Kapitell gekrönt.
Die verschiedenen Säulenordnungen werden oft an einem Gebäude gleich-
zeitig verwendet, für die untern Stockwerke die dorische, für die obern die
jonische und korinthische. Das Gebälk ist mit Rankenwerk reich verziert.
Zwischen die Säulen schieben sich nun Bogen ein, eine Anordnung, die bei
den römischen Triumphbogen besonders reich ausgestaltet wurde (Abb. 4).
Gegen das Ende der römischen Herrschaft kommt ein seltsam krauses
Leben in die Architektur; besonders in den östlichen Provinzen, Kleinasien,
und Syrien tritt dieser unruhige Zug hervor: die geraden Gebälke werden
gebogen; an allen möglichen Stellen wird plastischer Schmuck angebracht.
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Abb. 19. Invalidendom in Paris, erbaut von Jules Hardouin-Mansart 1706.
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Abb. 20. Triumphbogen in Nancy, erbaut 1751*
Im Grundriß treten häufig halbrunde Anbauten (Absiden) auf, die mit einer
Halbkuppel eingedeckt werden (Abb. 5).
Diese künstlerische Nachblüte im Osten des römischen Reiches trifft
zusammen mit der aufstrebenden Macht der CHRISTLICHEN KIRCHE,
welche die Architektur bald in ihre Dienste nimmt, ohne ihren Charakter
vorläufig wesentlich zu beeinflussen. Es findet indessen bald eine selb-
ständigere Ausbildung des christlichen Kirchenbaues statt, bedingt durch die
allmähliche Umformung des christlichen Gottesdienstes. So entsteht ein eigener
neuer Baustil von gedrungenen Proportionen, der mit Kuppel- und Tonnen-
gewölben weite Räume einzudecken versteht. Seine letzte und konsequenteste
Ausbildung findet er im sogenannten byzantinischen Stil (Abb. 6).
Im Abendlande ist inzwischen die Baukunst mehr und mehr verwildert
und auch technisch heruntergekommen. In Italien konnte sich die römische
Baukunst noch am längsten halten; in der christlichen Basilika war ihr
noch eine schöne Nachblüte beschieden (Abb. 7).
Nun drang von Osten her die neue Baukunst auch in Norditalien,
in Frankreich und Deutschland ein. Germanische Zierkunst, Flechtwerk
und Schnitzarbeit wurde auf die neue Baukunst übertragen; durch diese
Verschmelzung entstand zu Anfang des zweiten christlichen Jahrtausends
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Abb. 21. Gebäude des Militärkabinetts in Berlin, erbaut von C. W. Titel 1793.
ein neuer Stil, den wir als den ROMANISCHEN bezeichnen. Im Kirchenbau
herrscht die durch den Kultus bedingte Basilikaform vor: Ein Hauptraum,
von einer flachen Holzdecke oder mit Tonnen- oder Kreuzgewölben über-
deckt, schließt im Osten mit einer großen Absis ab; seitlich steht er durch
eine Reihe von Bogen mit den niedrigeren Seitenschiffen in Verbindung.
Er wird erleuchtet durch Fenster über den Seitenschiffen. Bald schiebt sich
zwischen Hauptschiff und Absis ein quadratischer Raum, die sogenannte
Vierung ein, die oft von einem mächtigen Turm (Vierungsturm) überragt
wird. Die Vierung setzt sich seitlich oft fort in den Querschiffen, welche
dieselbe Höhe haben (Abb. 8).
Statt der flachen Holzdecke bürgert sich seit dem EX. Jahrhundert das
Kreuzgewölbe ein; und unter dessen Einfluß bildet sich bald ein starres
System aus: Das Mittelschiff besitzt die doppelte Breite der Seitenschiffe.
Ein Gewölbeviereck des Hauptschiffes korrespondiert mit je zwei Gewölbe-
vierecken der Seitenschiffe. Eine große Schar von dünnen Säulen tragen
die Rippen der Gewölbe; diese Säulen (Dienste) schmiegen sich in die Winkel
der Pfeiler; alles fügt sich ineinander wie die Faktoren eines Rechen-
exempels (Abb. 9).
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Und als luftigere, höhere Räume mit hellerer Beleuchtung Mode werden,
als die Technik diesem Geschmack durch die Erfindung des Spitzbogens
Rechnung trägt, wird dieses System zur Grundlage des GOTISCHEN
Kirchenbaues. Die dicken Pfeiler schrumpfen zu runden Säulen und
schlanken, kantigen, stengelartigen Gebilden zusammen; die Dienste werden
schmale Rippen ; die Mauermassen werden in Fenster aufgelöst (Abb. 10).
Die glänzende Technik triumphiert über die Schwere des Materials. Der
Mangel an Baugliedern, welche die Last bedeuten, läßt uns vergessen, daß
auch der Stein Schwere hat (Abb. n). Im Profanbau tritt dieser Zug eben-
falls hervor; besonders die nervigen, kantigen Stütz- und Zierglieder sind
hier anzutreffen. Doch im übrigen bleibt die unregelmäßige Anordnung der
Räume und Gebäude im gotischen Profanbau, wie sie im romanischen ge-
wesen war. Es ist das, was wir heute als den malerischen Reiz der mittel-
alterlichen Baukunst empfinden (Abb. 13).
Das Gratige, Harte, Hochaufschießende der nordischen Gotik kommt
in ITALIEN nur gemildert zum Ausdruck. Die klassisch-römischen Bauten
mit ihrer stark ausgeprägten horizontalen Linie wirken durch das ganze
Mittelalter hindurch (Abb. 14). Es brauchte nur einen kleinen Anstoß
und die gotische Dekoration fiel ab von dem Bauwerk, das in seiner ganzen
Haltung die Abkunft von der Antike nie verleugnen konnte.
Im Jahre 1405 war Filippo Brunellesco aus Florenz als 28 jähriger
nach Rom gekommen und hier erwachte in seinem Herzen eine starke
Liebe zu den Ruinen aus der Zeit des glorreichen Kaiserreichs. Er maß
die alten Gebäude aus, zeichnete sie ab, kurz, er versenkte sich ganz in den
Geist, der jene hervorgebracht hatte. Und aus diesem Geiste heraus schuf
er die Kuppel des Domes seiner Vaterstadt, die nach Überwindung unge-
heurer Schwierigkeiten 1436 fertig eingewölbt wurde. Nach seinen Plänen
wurde eine ganze Anzahl von Kirchen und der berühmte Palazzo Pitti in
Florenz ausgeführt (Abb. 15). Damit war ein neuer Baustil zum Durchbruch
gekommen und verbreitete sich schnell in ganz Italien. Man nennt ihn heute
den Stil der Wiedergeburt antiken Formwesens: die RENAISSANCE.
Der Formenschatz dieser neuen Baukunst deckte sich im wesentlichen
mit dem der römischen Antike. Die römischen Säulenordnungen, besonders
die korinthische, wurden ganz im Sinne der Antike angewandt; freilich
wurden die Säulenschäfte meist glatt statt kanneliert gebildet. Zur Ein-
wölbung der Räume wurden alle möglichen Formen benützt, sowohl das
Kreuzgewölbe wie die Tonne, die Kuppel auf massivem Unterbau oder
auf zylindrischem Untersatz. Das Ornament tritt meistens als Füllung
umrahmter Flächen auf; Akanthusranken, Schilder mit gezackten und
gerollten Rändern, hängende Trophäen mit Instrumenten oder Waffen,
Blätter- und Fruchtkränze sind die Elemente, aus welchen es gebildet wird.
Im Kirchenbau tritt neben der Basilikaform der Zentralbau häufig
auf: um einen mittleren achteckigen oder quadratischen Kuppelraum
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mmmmmmmtstu
Abb. 22. Warenhaus A. Wertheim in Berlin, erbaut 1904 von Alfred Messel.
gruppieren sich kleine gewölbte Seitenkapellen. Der Glockenturm wird
nicht in Verbindung mit der Kirche aufgeführt, wie das im Norden üblich
war, sondern er steht abseits vom Hauptgebäude.
Besonders aber wurde der neue Stil für den Profanbau von entschei-
dender Bedeutung. Statt der unregelmäßigen Gruppierung der Räume
treffen wir nun ausnahmslos eine streng symmetrische Anlage. Die vor-
nehmen städtischen Wohnhäuser werden um einen viereckigen, von Säulen-
gängen umgebenen Hof gelegt. Äußerlich werden diese Paläste monumental
ausgestaltet durch Gesimse und Pfeilerstellungen (Abb. 16).
Aus dem ernsten, herben Charakter der Florentiner Frührenaissance
entwickelt sich die reiche römische Palastarchitektur. Unter dem Einfluß
des gewaltigen Meisters Michelangelo steigert sich der Ausdruck der Archi-
tektur. Die Eigenschaften der Perspektive werden für die Wirkung des
Gebäudes ausgenützt. Die Kontraste von Licht und Schatten werden durch
kräftige Gesimse und Giebel nach Möglichkeit gesteigert (Abb. 17). Italien
wußte sich auch jetzt die nordischen Länder in Dingen der Baukunst Untertan
zu machen, wie sie es sich zur Zeit der Renaissance von sich abhängig
gemacht hatte (Abb. 18).
Aber während die italienische Renaissance diesseits der Alpen nur eine
äußerliche Gefolgschaft gefunden hatte, wurde der neue Stil, den man
später als BAROCKSTIL bezeichnete, richtig verarbeitet. Er streifte das
Zügellose ab und bekam statt dessen etwas Liebenswürdig-gespreiztes.
Frankreich fand dafür die schönsten Lösungen und übernahm die Führung
(Abb. 19). Besonders waren es neue Dachformen, welche der neuen Baukunst
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etwas ganz Eigenartiges gaben, so die gebrochenen Pultdächer, die nach
dem Architekten Mansart genannt wurden und die mannigfachen Formen
der Zwiebel- und Kuppeldächer. In Frankreich vollzog sich in der Innen-
dekoration unter dem Einfluß chinesischer Kunstwerke jene spielende Auf-
lösung der Konstruktion, der ROKOKOSTIL. Er war schon durch die
Gewalttätigkeiten der Barockkunst vorbereitet worden. Das Äußere der
Bauten blieb freilich steif und schwer, wie es dem Steinbau ziemt. Nur
hie und da traten kleinere Zierglieder in den krausen und verschnörkelten
Formen des Rokokostils auf (Abb. 20). Bald verschwanden auch diese
und mit ihnen die kleinen Absonderlichkeiten der Barockkunst.
Akademische Nüchternheit verdrängte alles, was sich nicht als klassisches
Element ausweisen konnte. Und vollends die Architektur um 1800 suchte
ihr Ziel allein in der harmonischen Ausgestaltung der Verhältnisse (Abb. 21).
Zugleich begann man auf die Stile der Vergangenheit zurückzugreifen.
Man baute chinesisch, ägyptisch und gotisch, wie man all die Zeit hindurch
griechisch und römisch gebaut hatte. Und was zunächst aus Laune und
ohne jede Verbindlichkeit für historische Treue unternommen worden war,
wurde nun bald zur Regel und zum Gesetz erklärt. Stilreinheit war das
Ideal der Baukunst des vorgeschrittenen 19. Jahrhunderts; Stilreinheit
in dem Sinne, daß aus den Zierformen und Baugliedern einer Zeit, un-
bekümmert um Raumverhältnisse und Wesen des Stils neue Bauten zu-
sammengestellt wurden.
In jüngster Zeit legt man das Hauptgewicht auf die Zweckerfüllung.
Sie soll dem Gebäude auch künstlerisch ihren Stempel aufdrücken, so daß ein
Krankenhaus nicht wie eine Kaserne, und ein Miethaus nicht wie ein Fürsten-
palast aussieht; jedem Bau soll seine Bestimmung gleichsam von der Stirne
abgelesen werden können. Die Frage der Zierformen spielt dabei eine höchst
untergeordnete Rolle; wenn nur der ganze Bau sich zu einer überzeugenden
Einheit zusammenschließt. Wo der Zweck erreicht wird, sind die Mittel gleich-
gültig. Der ganze Formenschatz der Vergangenheit dient heute als Studien-
material für den Architekten. Das ist gewiß ein Vorzug, andrerseits
auch eine Gefahr für seine Selbständigkeit. Die moderne Archi-
tektur ist sich ihrer Grundlagen wohl bewußt ; aber noch
steckt sie tief im akademischen Formalismus und
macht sich erst nach und nach frei von ihm,
um mit neuen eigenartigen Formen
die vielen modernen Baube-
dürfnisse zu befriedigen.
SP
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tuinmiAriDiuERK
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«
1. Das Wesen des Kunsthandwerkes.
Wie die Baukunst, verdankt das Kunsthandwerk seine Entstehung rein
menschlichen Bedürfnissen in Verbindung mit dem Triebe, jedem Gebilde,
das diese Bedürfnisse zweckmäßig befriedigen soll, eine schöne Form zu geben.
Man wird also auch im Kunsthandwerk zunächst das Bestreben finden,
allen Anforderungen, welche vom Gebrauche an seine Erzeugnisse gestellt
werden, gerecht zu werden. Das ist an und für sich keine Kleinigkeit;
aber eine künstlerische Qualität ist damit noch nicht gegeben. Diese tritt
erst dann in Frage, wenn die bewußte Absicht vorhanden ist, durch fein
abgewogene Verhältnisse, schmückende Zutaten, plastische oder malerische
Dekoration über das vom Zweck geforderte Ziel hinauszugehen. Form
und Farbe sind die Kennzeichen der künstlerischen Qualität; aber sie sind
von dem Herstellungsverfahren, der Technik und dem Material so stark
abhängig, daß man gerade bei den Erzeugnissen des Kunsthandwerks oft
mehr auf eine sachkundige, dem Material alle Schönheit abgewinnende
Technik sieht, als auf die künstlerisch wirksame Form an sich. Bis zu einem
gewissen Grade bestimmt das Material die Form; jedes Material trägt die
Gesetze, nach denen es behandelt sein will, in sich. Dabei sind es ursprüng-
lich nur Fragen der Dauerhaftigkeit und der einfachsten Herstellungsweise,
die einen Materialstil sich ausbilden ließen.
Übertragungen von Kunstformen des einen Materials in ein anderes
fanden zu allen Zeiten statt. Aber instinktiv wurden sie dem neuen Material
entsprechend in Einzelheiten umstilisiert (Abb. 30, 31). Dieser Instinkt
ging in der neuesten Zeit verloren, ja man unterdrückte ihn bewußt, wenn
es galt, gewisse kostbare Materialien durch weniger schwer zu beschaffende
oder leichter zu bearbeitende Stoffe zu ersetzen. Diese Imitationskunst
läuft dem Wesen des Stoffes zuwider. Der künstlerische Ausdruck des
Materials wird verfälscht. Es entsteht ein ästhetischer Mißklang, etwas,
das der Einheitlichkeit, die von jedem Kunstwerk verlangt werden muß,
entgegensteht und somit den Kunstwert des Erzeugnisses heruntersetzt
oder völlig in Frage stellt.
Es ist einleuchtend, daß die Stellung, welche das Kunsthandwerk im
Rahmen der übrigen bildenden Künste einnimmt, einen großen Einfluß
auf seinen künstlerischen Gehalt ausübt. Und überaus wichtig ist die damit
zusammenhängende Frage nach dem Hersteller kunstgewerblicher Er-
zeugnisse.
Das Kunsthandwerk des Altertums steht seinen Schwesterkünsten
ebenbürtig gegenüber; eine große Spezialisierung, verbunden mit weitgehender
Arbeitsteilung, ermöglichte schon früh eigentliche Großindustrien kunst-
gewerblicher Erzeugnisse, beispielsweise die Glasperlenfabrikation Ägyptens
oder die Herstellung von figürlich verzierten Tongefäßen Griechenlands,
die beide zugleich Exportindustrien sind. Wo ein Artikel in großen Massen
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hergestellt wird, kann dem einzelnen Stücke nicht immer die nötige Sorgfalt
bei der Ausführung gewährt werden. Die künstlerische Qualität leidet in
erster Linie, in zweiter auch die technische. Wo es sich um die Herstellung
besonders wichtiger kunstgewerblicher Gegenstände handelt (Weihgeschenke
und dergleichen), wird von der Qualität in der Regel in jeder Beziehung
das höchste zu erwarten sein.
Im Mittelalter lag der Kirche die eifrigste Förderung des Kunsthand-
werks sehr am Herzen. Die Klöster nahmen selbst starken Anteil an der
Herstellung kunstgewerblicher Gegenstände, die in der Regel für den Gottes-
dienst verwendet wurden. Besonders die Goldschmiedekunst nahm einen
glänzenden Aufschwung. Das Bürgertum trat bald an die Stelle der Geist-
lichkeit in der Rolle der Pflegerin des Kunsthandwerkes. Durch die Organi-
sation der Zünfte wurde die Ausbildung der Handwerker gefördert und das
Bewußtsein für Materialechtheit gepflegt. Jeder Handwerker war für seine
Erzeugnisse verantwortlich; vielfach durfte er sie nicht aus den Händen
geben, ohne sie durch seine Marke kenntlich gemacht zu haben. Auf diese
Weise wurde der Ehrgeiz, nur Gutes zu leisten, mächtig angestachelt.
Dabei war man sich nicht bewußt, etwas außergewöhnlich Künstlerisches
zu vollbringen. Es war schlechthin selbstverständlich, daß der höhere
Materialwert eines Gegenstandes zugleich eine veredelte Form bedingte.
So kam es, daß das Handwerk des ausgehenden Mittelalters in seinen
besseren Erzeugnissen den übrigen bildenden Künsten ebenbürtig zur Seite
stand. Maler von Ruf verschmähten es nicht, für den Handwerker Werk-
zeichnungen zu liefern. Dürer und Holbein mögen an dieser Stelle genannt sein.
Als nun zu Anfang des 16. Jahrhunderts der neue Stil, die ,, welsche
Manier" aus Italien in Deutschland eindrang, machte sich das Bedürfnis
geltend, Vorlagen für die neuen Formen zu besitzen. Italienische Ornamente
wurden kopiert und in Kupfer gestochen; deutsche Meister traten bald mit
eigenen Erfindungen hervor. Diese Produktion von Ornamentstichen ging
immer mehr in die Breite und machte den Handwerker immer mehr ab-
hängig von seinen Vorlagen, wenn er mit seinen Erzeugnissen dem Geschmack
der Zeit folgen wollte.
Durch die Begründung einer nationalen Pflanzstätte für das Kunst-
handwerk, der Künstlerkolonie im Louvre zu Paris durch Heinrich IV.,
tat Frankreich den ersten Schritt für eine staatliche Kunstpflege. Die
glänzende Entwicklung seines Kunstgewerbes in der Folgezeit hat es zu
einem nicht geringen Teile dieser Organisation zu danken. Die Prachtliebe
der französischen Könige ließ der Ausstattung ihrer Schlösser eine besondere
Aufmerksamkeit angedeihen, welche wiederum befruchtend auf das Kunst-
gewerbe einwirkte. Es bildete sich allmählich eine Aristokratie unter den
Handwerkern heraus, welche die eigentlichen Künstler umfaßte. Diese
gaben den Ton an und ließen ihre Ideen als Ornamentstiche unter ihre
weniger begabten Kollegen gehen.
SAulU-Bernoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. 5
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Das 19. Jahrhundert hatte zunächst die Parole klassischer Einfachheit
ausgegeben, welche bald, besonders im Kunsthandwerk, zur Nüchternheit
und Phantasielosigkeit ausartete. Die große Masse verlangte aber nach
Verziertem und Buntem. Der Geschäftsmann kam diesen Wünschen ent-
gegen, indem er, die technischen Hilfsmittel geschickt benützend, eine
Massenfabrikation billiger, aber prunkvoller Erzeugnisse unternahm. Das
schlug ein. Und einmal erprobt, wurde dieser Weg immer von neuem ein-
geschlagen, um Geld zu machen. Daß dabei die Freude an der Herstellung,
die Liebe zur Sache und die künstlerische Qualität der Erzeugnisse, ja
sogar ihre Brauchbarkeit schwer geschädigt wurde, das kam den Leuten
erst zum Bewußtsein, als es schon bald zu spät war. Nun galt es, wie seiner-
zeit in Frankreich unter Heinrich IV., Sammelpunkte und Pflanzstätten
zu schaffen für ein Handwerk, das, von idealen Grundsätzen geleitet, künst-
lerische Qualität und technische Vollendung anstrebte. Deutschland und
Österreich schufen in den Sechziger jähren des 19. Jahrhunderts ihre ersten
staatlichen Kunstgewerbeschulen. Man suchte sein Heil bei den Werken
der deutschen Renaissance. Aber die gesunde Handwerkstradition fehlte.
Es war eine künstliche Treibhausblüte.
In England ging inzwischen Morris auf die elementare Technik des
Handwerks zurück. Er übersah wissentlich die technische Entwicklung
des ganzen 19. Jahrhunderts. Aber sein Weg war gut: Er führte weiter.
In dem Augenblick, wo man sich auf die Grundlagen des Handwerks besann,
lag die ganze Entwicklung des neuen Kunstgewerbes beschlossen. Freilich
war damit, wenigstens vorläufig, noch keine Einigung mit dem von finan-
ziellen Rücksichten allein geleiteten Handwerk möglich. Die Handwerks-
künstler hatten nur ein kleines Publikum und ihre Werke traten höchstens
alle Jahre einmal, in den verschiedenen Kunstgewerbeausstellungen, vor die
Augen der Öffentlichkeit. Aber heute schon beginnt diese Aussaat zu wirken.
Die Industrie läßt sich vom Kunstgewerbe beeinflussen, sie nimmt künst-
lerische Kräfte in ihren Dienst und wenn man heute die künstlerisch ver-
hältnismäßig hochstehende Buchausstattung ansieht, wächst die Zuversicht,
daß die Durchdringung der ganzen Industrie mit künstlerischen Grund-
sätzen kein Ding absoluter Unmöglichkeit ist.
2. Die Aufgaben des Kunsthandwerks.
Die Baukunst schuf die äußere Hülle für das Leben. Diese feste Form
in eine Beziehung zum Leben zu bringen, sie auszustatten mit allem dem,
was zum Leben nötig ist, das ist die Aufgabe des Kunsthandwerks. Und
wie unser Leben ein Zusammenwirken der verschiedensten Tätigkeiten ist,
so bedeutet auch das Kunstgewerbe eine Erfüllung der verschiedenartigsten
Lebensbedürfnisse in künstlerischer Form.
Die primitivste Aufgabe des Wohnhauses war es, dem Menschen einen
Zufluchtsort bei Nacht und bei schlechtem Wetter zu gewähren. Und bald
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Abb. 23. Lehnstuhl, Abb. 24. Lehnsessel,
Südfrankreich, um 1588. Potsdam, Neues Palais, um 1750.
war die Wohnung auch ein Stapelplatz für Vorräte aller Art. Dement-
sprechend fällt dem Kunstgewerbe die Aufgabe zu, MÖBEL zu konstruieren,
welche bei jeder Tätigkeit und auch im Zustand der Ruhe eine bequeme
Körperstellung ermöglichen. Die ganze Klasse der Sitzmöbel, Stühle,
Bänke, Sofas usw., die Ruhebetten von der einfachen Kopfstütze bis zum
Himmelbett, die Tische und Untersätze, soweit sie nicht zur dauernden
Aufbewahrung dienen, sie alle sind dem einen Gesetze Untertan, das im
menschlichen Körper seinen greifbaren Ausdruck findet. Wo ein Stuhl
nicht bequem ist zum Sitzen, wo ein Tisch eine bequeme Körperhaltung
unmöglich macht, oder im Gebrauch sich als zu schwach erweist, da ist den
Anforderungen, welche der menschliche Körper an diese Möbel stellt, nicht
Genüge getan.
Ein anderes ist es mit der Frage nach der künstlerischen Bedeutsamkeit
dieser Möbel. Die feststehenden Tische, Bänke, Betten und Stühle sind in
ihrem Aufbau eigentlich durchaus architektonische Gebilde und zeigen das
auch in der künstlerischen Behandlung; zu gewissen Zeiten ist man sogar
so weit gegangen, Architekturformen unbedenklich auf Möbelstücke zu
übertragen (Abb. 23). Bei den beweglichen Stühlen, welche trotz ihres
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Abb. 25. Prachtschrank, Süddeutschland, Ende des 15. Jahrhunderts.
geringen Gewichtes eine große Stabilität besitzen müssen, ist die archi-
tektonische Dekoration nur im 19. Jahrhundert angewendet worden.
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Eine knappe Zweckform, die ihre Schönheit in den Verhältnissen und in
der Linienführung zeigt, war für den beweglichen Stuhl das Gegebene (Abb. 24) .
So kommt es, daß seine Formen auch in den verschiedensten Zeiten nicht
allzusehr von dieser Zweckform abweichen.
Für feststehende Tische, Bänke und Stühle, besonders wenn es sich
um eine monumentale Ausbildung derselben handelte, war Stein ein be-
liebtes Material, das besonders im Altertum viel Verwendung fand. Seltener
war es Bronze und Eisen oder gar Silber und Gold. Das gegebene und von
allen Zeiten gern verwendete Material war das Holz, das alle Vorzüge der
Bildsamkeit, Festigkeit, Zähigkeit und des geringen Gewichts, das bei den
beweglichen Möbeln besonders in Betracht kam, glücklich vereinigte.
Eine gesonderte Stellung in der in Frage stehenden Möbelgruppe nimmt
das Bett ein. Hier waren die meisten Formmöglichkeiten gegeben. Das
einzige, was feststand, war ein Lager auf möglichst elastischer Unterlage.
Alles andere war wandelbar: das Brettergehäuse, welches das Lager um-
schloß, der Betthimmel, der sich darüber wölbte und die Bettücher, welche,
oft reich geschmückt, das Lager bedeckten.
Die zweite große Aufgabe des Kunstgewerbes ist, BEHÄLTER zu
schaffen, welche die zum Leben nötigen und angenehmen Gegenstände auf-
nehmen. Allen gemeinsam ist ein festes Gestell, welches den eigentlichen
Behälter bildet und bewegliche Teile, welche ihn verschließen. Die Kiste
ist das primitivste Möbel dieser Art. Aus ihr entwickelt sich die Truhe mit
dem Deckel, der sich um ein Scharnier dreht, das Kästchen mit dem ab-
nehmbaren Deckel, der Schrank mit den Türen in seinen mannigfachen
Formen und endlich die Kommode mit ihren Schubfächern. Die größern
feststehenden Möbel dieser Art verlangen einen architekturähnlichen Aufbau
aus Pfosten, Füllungen und abschließenden Gesimsen (Abb. 25). Und wie
in der Architektur tragen die Füllungen den reichsten Schmuck, der meist
in der Fläche bleibt, während die Pfosten und Gesimse oft stark plastisch
behandelt sind. Je kleiner und beweglicher ein Möbel, um so weniger sind
die Reminiszenzen und Analogien aus dem Gebiete der Baukunst angebracht.
Selbstverständlich ist auch, daß die Detailformen im Holz (um dieses handelt
es sich hier allermeist) anders ausfallen müssen als bei dem Original in
Stein. Die kleinen Kästchen, in welchen meistens Kostbarkeiten aufbewahrt
wurden, werden, ihrem Inhalt entsprechend, reich mit plastischem und
malerischem Schmuck ausgestattet. Außer aus Holz werden sie aus Leder,
Elfenbein, aus unedlem und edlem Metall hergestellt (Abb. 62). Als reichste
Repräsentanten der letzten Art sind die Reliquienschreine anzusehen, welche
das Heiligste aufzubewahren haben und demgemäß behandelt sind. Die
Beschläge, welche ursprünglich nur dazu dienen, den Behälter mit seinem
Deckel zusammenzuhalten und zu festigen, werden als Zierat ausgestaltet,
der mit der Zeit oft seine ursprüngliche Bestimmung verliert und Selbst-
zweck wird.
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Abb. 26. Bronzetüre am Augsburger Dom. Abb. 27. Haustüre in Tönning
Gegossen um 1050. (Schleswig), um 1785.
Wesensverwandt mit den Türen und Deckeln der Behältnisse sind die
TÜREN, FENSTER, GITTER UND BALUSTRADEN, welche das Ge-
bäude nach außen abschließen und die einzelnen Räume eines Bauwerks
voneinander trennen. Sie treten zu der Architektur in ein festes Verhältnis
und sind im Charakter ihrer künstlerischen Ausgestaltung völlig von dieser
abhängig. Doch kommt bei ihnen stets zum Ausdruck, daß sie nicht völlig
zum Architekturstück werden, sondern ihr eigenes Leben haben.
Die Türen und Torflügel sind für die Bewegung eingerichtet und diese
Beweglichkeit kommt auch in der Art ihrer Dekoration zum Ausdruck.
Ja, so raffiniert sind sie oft behandelt, daß aus ihrem Äußeren auf ihr Gewicht
und somit auf den Grad ihrer Beweglichkeit Schlüsse gezogen werden
können. Je nachdem bekommen die Türen dadurch etwas Abweisendes
oder Einladendes: Wo Bronzetüren oder mit eisernen Bändern und mächtigen
Schlössern versehene Eichentüren stehen, erscheint uns die Türe nur als
Verschluß und Abwehr (Abb. 26). Wo aber Türen aus hellem Holze mit
leichten Gittern oder Fensterscheiben und freundlich blinkender Klinke
anzutreffen sind, wird man eingeladen, einzutreten (Abb. 27).
Die Fenster haben die Fensteröffnungen zu verschließen, doch so, daß
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noch genügend Licht ins Innere des Gebäudes einzudringen vermag. Im
15. Jahrhundert kam das Glas für den Fensterverschluß allgemein in An-
wendung, nachdem es schon einige Jahrhunderte früher bei Kirchen oder
besonders bevorzugten Profanbauten in geringen Mengen Verwendung ge-
funden hatte. Da zunächst nur kleine Glasflächen hergestellt werden
konnten, nahm das Sprossenwerk einen hervorragenden Anteil an dem Ein-
druck, den die Fenster in ihrem architektonischen Rahmen machten. Die
Glasmalerei trug das Ihre zur Verschönerung und Belebung des Fensters
bei; meistens wurden die bunten Scheiben im obersten Teile des Fensters
angebracht, um den Lichteintritt möglichst wenig zu stören. Mit der Zeit
wurden die Scheibenflächen größer; das Sprossenwerk infolgedessen immer
weiter. Statt des Bleis wurde nun Holz verwendet. Und heute fallen die
Sprossen vielfach ganz weg. Die Folge davon ist, daß man hinter den Fenstern
von außen gesehen werden kann. Ein System von Gardinen und Vorhängen
sucht dem vorzubeugen, vermittelt zugleich den oft harten Übergang von
der Wand zur Fensteröffnung und dient zugleich, wenn nötig, zur völligen
Verdunkelung des Innenraumes.
Gitter und Balustraden endlich sind fast ausnahmslos fest und fallen
deshalb mehr unter die Gesetze der Architektur. Freilich, oft nur als Fül-
lungen, denen ein freies Leben verstattet ist. Sie sind als Schutzvorrichtungen
gedacht und bringen vor allen Dingen das Abschließende, Abwehrende zum
Ausdruck. Eisen und Stein sind die Materiale, aus welchen sie zumeist
hergestellt werden.
Die INNENVERKLEIDUNG DER RÄUME war zunächst aus Rück-
sichten des Kälteschutzes geboten, mehr aber noch war dabei das Ver-
langen nach Schönheit maßgebend. Die Decke, die Wand und der Fuß-
boden sind ihrem Wesen nach verschieden und werden infolgedessen mit
verschiedenartigen Dekorationen versehen. Während die Wand von unten
nach oben strebt und eine horizontale oder architektonische Gliederung
begünstigt, ist der Fußboden allseitig gleichwertig. Er kennt kein oben und
unten. Die Dekoration der Decke wiederum zeigt ein gewisses Bestreben
nach den Effekten der Wanddekoration. Die Mitte der Decke will also
„oben" verstanden sein, die Ränder als „unten", wie es bei der gewölbten
Decke auch tatsächlich der Fall ist (Abb. 120). Diese Orientierung der
Dekoration ist freilich für ihr eigentliches Wesen erst eine Voraussetzung,
die noch eine Fülle der verschiedenartigsten Ausführungen offen läßt. Oft
ist die Dekoration mit der Architektur untrennbar vereinigt, oft aber nimmt
sie einen selbständigen Charakter an: die Dekorationsstücke werden als
Kunstwerk» geschätzt; ihre Wirkung im Räume spielt dabei keine Rolle;
man vergißt über ihnen die Architektur.
Bei der ganzen Raumdekoration ist nie außer acht zu lassen, daß der
Raum eine Einheit bildet, daß er infolgedessen alle Voraussetzungen zu einem
einheitlichen Kunstwerk in sich trägt. Aufgabe der Dekoration und der
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Abb. 28. Inneres der Marienkirche in Danzig, erbaut gegen 1500, Ausstattung
15. — 18. Jahrhundert.
Möblierung ist es, diese Einheit nicht zu zerstören, sondern zu stärken,
ihren Charakter noch eindringlicher zu gestalten und eine vollkommene
Harmonie aller Teile herbeizuführen. Daß dies geschehen kann, auch bei
Verwendung von Erzeugnissen der verschiedensten Länder und Zeiten,
zeigen uns viele Kirchenräume, welche, trotzdem sie nicht , .stilrein" aus-
gestattet sind, durchaus als etwas Einheitliches, Ganzes mächtig auf uns
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einwirken (Abb. 28). Andererseits darf man nicht glauben, daß ein Raum,
welcher mit den Werken einer einzigen Persönlichkeit in allen Teilen aus-
gestattet ist, dadurch notwendigerweise zu einer harmonischen Einheit
werde. So wenig alle Töne derselben Tonart einen harmonischen Zusammen-
klang ergeben. Erst in der Auswahl und im Aufbau dessen, was wirklich in
allen Teilen eine innere Verwandtschaft zeigt, entsteht ein harmonisches Ganzes.
Die ursprüngliche Raumdekoration war zugleich Kälteschutz. Das
kommt in den Wandverkleidungen aus lose aufgehängten oder straff ge-
spannten Stoffen, Holz und Papier deutlich zum Ausdruck. Der Boden-
belag mit Teppichen, Strohmatten oder die Verschalung mit Holz bedeutet
heute noch mehr den Ausdruck des Bedürfnisses als Streben nach Schönheit.
Aber von jeher suchte man beides zu vereinigen. Der steinerne Bodenbelag
fand in erster Linie wegen seiner geringen Abnutzung zu allen Zeiten An-
klang; dann aber auch wegen seiner Kühle, die er im schattigen Räume
auch bei großer Außentemperatur beibehielt.
Die Malerei und der plastische Schmuck der Decken und Wände sind
jedoch nur Zierde ohne praktischen Zweck. Sie scheiden daher aus dem
Rahmen des Kunstgewerbes aus und gliedern sich den sogenannten freien
bildenden Künsten an, der Malerei und der Plastik; immerhin bilden sie
eine Brücke zum Kunsthandwerk, indem bei ihnen das Wesen des De-
korativen, der Zusammenhang mit der Architektur stärker zum Ausdruck
kommt als bei der Tafelmalerei und der figuralen Plastik. Rein äußerlich
kommt das zum Ausdruck durch die Tatsache, daß die Wandmalerei oft
den gerafften Stoffvorhang nachbildet und daß ihr auch bei freier Wahl
des darzustellenden Gegenstandes meistens das Flächenhafte, welches das
Wesen der Wand ausmacht, anhaftet. Andererseits suchen die Wand-
teppiche und die Holzverkleidungen oft mit der Malerei zu konkurrieren,
ohne dabei ihren Stoffcharakter zu verleugnen.
Die HEIZUNG und die künstliche BELEUCHTUNG machten eine
besondere Gattung von Geräten notwendig, die oft von der größten Be-
deutung für den Charakter des Innenraumes sind, jedenfalls aber vielfach
unter die hervorragendsten Erzeugnisse des Kunstgewerbes gezählt werden
müssen. Das Herdfeuer ist der gemeinsame Ausgangspunkt für beide
Gebiete, indem es sowohl Licht als Wärme spendete. Aber das Feuer konnte
als Wärmequelle besser ausgenutzt werden, wenn man es in Kamine oder
in Öfen einschloß, während es als Lichtquelle frei in den Raum gesetzt
wurde und so nach allen Seiten strahlen konnte.
Der Kamin und der Ofen sind durch die Ableitung der Verbrennungs-
gase an feste Orte im Räume gebunden. Sie werden zur Architektur im
kleinen, indem ihr Aufbau sich unter ähnlichen Verhältnissen vollzieht
wie der Bau eines Hauses.
Der Kamin besteht zunächst aus dem großen, dachförmigen Rauchfang,
welcher auf zwei Trägern ruht, zwischen welchen sich die Feuerstelle
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Abb. 29. Kamin a. d. 15. Jahrhundert, Abb. 30. Winterthurer Fayence-Ofen
jetzt im Nationalmuseum in Florenz. um 1700 in der Abtei Salem bei Uberlingen.
befindet (Abb. 29). Allmählich rückt der Rauchfang nach unten; seine untere
Kante bildet mit den beiden Trägern eine Feueröffnung, ähnlich wie der
obere Teil eines Fensters; schließlich bleibt vom Kamin nur noch diese
übrig; der Rauchfang wird durch einen davorgesetzten Spiegel völlig ver-
deckt. Die beiden Träger bildeten zunächst den Hauptschmuck des Kamins,
zusammen mit der Hinterwand, bald aber wurde der Rauchfang mit Reliefs
verziert, bis er dann um 1700 völlig in den Hintergrund trat. Im 17. und
18. Jahrhundert spielt die eiserne Ofenplatte, die hinter der Feuerstelle an-
gebracht ist, eine künstlerisch nicht unbedeutende Rolle.
Der Ofen bestand im Mittelalter aus einem würfelförmigen Unterbau
und einem nach oben sich verjüngenden runden Aufsatz. Zunächst war
er aus Tonkacheln aufgebaut, welche zu Ende des Mittelalters mit Reliefs
und Malerei verziert wurden. Bald siegte die Malerei, während der plastische
Schmuck nur an den Kanten und den Füßen des Ofens angebracht wurde
(Abb. 30). Der Aufbau wurde freier und betonte nun mehr die Einheit des
Ofens. Im 18. Jahrhundert wurden auch eiserne Öfen gebaut, welche in
ihrer Form wenig von den Kachelöfen abwichen, doch in der Dekoration
ihre eigenen Wege gingen.
Die Formen der Heizkörper der modernen Zentralfeuerung haben bisher
einer künstlerischen Gestaltung getrotzt; man war also darauf angewiesen,
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sie mit einem Umbau oder einer Verkleidung zu versehen, welche den An-
forderungen der Schönheit zu genügen vermochten.
Die Form der Beleuchtungskörper war vor allem abhängig von der
Art ihrer Befestigung im Räume. Die schönsten künstlerischen Möglich-
keiten gewährt der Hängeleuchter: im Altertum eine flache, unten de-
korierte Bronzeschale mit eingesetzten Öllampen, im Mittelalter ein Rad,
an welchem in gleichen Abständen Kerzen oder öllämpchen angebracht
waren, zur Zeit der Renaissance ein kugeliges oder spindelförmiges, oft
reich verziertes Gebilde, an welchem strahlenförmig eine geringere oder
größere Anzahl von geschwungenen Armen befestigt waren, welche die
einzelnen Lichtquellen trugen (Abb. 28). Die späteren Formen gehen
meistens auf das letzte Prinzip zurück. Immer aber kommt das Hängen und
das Herauswachsen der Einzelglieder aus dem Stamme zur Darstellung.
Der Wand- und Deckenleuchter schmiegt sich mehr an die Architektur an
und zeigt sich gern als ihr Auswuchs, der seine treibende Kraft aus der
Wand oder von der Decke empfängt.
Die Stehleuchter, welche als Altarleuchter in der Kirche eine große
Rolle spielen, geben sich als architektonische Gebilde, von aufstrebender
Kraft beseelt, welcher die Schwere des Materials entgegensteht. Ähnlich
die Handleuchter, doch mit dem Unterschied, daß sie von geringerer Größe
und geringem Gewicht sind und nie einen bequemen Griff vermissen lassen.
Besonders die Bronze hat sich als vorzügliches Material für die Herstellung
von Beleuchtungskörpern gezeigt, daneben wird Eisen, Messing, und für
Stehleuchter Stein und Holz verwendet.
Die Handleuchter leiten über zu der reichhaltigen Gruppe der HAND-
GERÄTE, deren Formen durch den Gebrauch fast unabänderlich festgelegt
sind und der künstlerischen Gestaltung meist nur als oberflächlichem
Zierat Spielraum lassen. Und doch sind gerade die Tischgeräte und die
Waffen von jeher der Schauplatz größter Prachtentfaltung gewesen. An
edlen Stoffen ist bei der Herstellung oft genug nichts gespart worden, viel-
leicht gerade, weil die Hantierung eine absonderliche Form nicht zuließ.
Die GEFÄSZ KUNST reiht sich den Handgeräten insofern an, als
viele Gefäße für die Hand gebaut sind und wie jene durch ein beschränktes
Gewicht, eine geringe Größe und eine handgerechte Form ausgezeichnet
sind. Charakteristischer aber ist der Umstand, daß wir es mit verschwindenden
Ausnahmen mit Erzeugnissen der Drehkunst zu tun haben: Ob Ton, ob
Holz, ob Metall oder Glas, alle sind sie über einem kreisförmigen Grundriß
geformt. Und obgleich Körper, Henkel, Ausgußtüllen, Deckel und Unter-
sätze in den verschiedenen Stoffen fast übereinstimmend geformt sind, so
hat doch jedes Material seine Eigenheiten im Ausdruck (Abb. 31, 32). Ge-
wöhnlich werden diese trennenden Kennzeichen so stark hervorgehoben,
daß man darüber oft vergißt, wie sehr die Gefäßkunst einer Zeitepoche
eine Formeneinheit bildet.
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Abb. 31. Chinesische Bronzevase im Abb. 32. Chinesische Porzellanvase
Museum für Kunst und Industrie in Wien. im Musee des Arts decoratifs in Paris.
Das BUCH, der Träger der Kultur und der Tradition, war von jeher ein
Objekt künstlerischer Bestrebungen. Nicht nur, daß es sorgsam in Leder
oder Pergament gebunden wurde; die Schrift und die Ausstattung mit Bildern
und Zierstücken wurde mit der größten Aufmerksamkeit behandelt. Im
Mittelalter waren die Klöster die Pflegestätten der Buchkunst, bis dann die
Erfindung der Buchdruckerkunst neue Verhältnisse schuf. Große Auf-
lagen traten an die Stelle der wenigen Abschriften; es war eine mächtige
Entwicklung in die Breite. Die graphischen Künste sorgten jetzt für die
Illustrierung, wo früher der fleißige Miniaturenmaler tätig gewesen war;
der Typendruck setzte völlig gleichartige Schriftzeichen an die Stelle der
unregelmäßigeren Handschrift. Dadurch wurde der Charakter des Buches
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ein anderer. Aber die künstlerischen Grundregeln blieben dieselben: Ge-
schlossenheit des Satzes, Eingliederung der Bilder in den Text, harmonische
Zusammenstellung verschiedener Schriftarten. Freilich verwilderte die
Buchkunst in der Barockzeit, um aber im 18. Jahrhundert in Frankreich
im Verein mit der glänzend ausgeübten Kupferstecherkunst wieder eine
bedeutende Höhe zu erreichen. Und einem jüngeren Niedergang im 19. Jahr-
hundert folgt heute wieder ein neues Aufstreben der Buchkunst, welche das
Buch zu einem einheitlichen schönen Ganzen machen will.
Die KLEIDUNG und die mit ihr zusammenhängende SCHMUCK-
KUNST gehört dem Kunstgewerbe insofern an, als es sich dabei um
Stickerei und Weberei, um Goldschmiedearbeit und Edelsteinverarbeitung
handelt. Wandelbarkeit ist das Kennzeichen dieser Künste mehr als aller
andern, weil hier die persönliche Eitelkeit am meisten mitspricht. Die natür-
liche Grundlage, die Schönheit des menschlichen Körpers, erfährt manche
Verunstaltung; dabei war man stets bestrebt, etwas zu schaffen, das vor
allem neu und eigenartig sein sollte. So bewegt sich die Kostümkunde oft
mehr auf dem Gebiete der Kuriosität als auf dem der Kunst.
Die ganze Tätigkeit des Menschen bekommt durch die Bestrebungen
der Baukunst und des Kunsthandwerks einen Rahmen, in welchem sich
Schönheit und Zweckmäßigkeit vereinigen. Die Schönheit zieht sich nicht
vor der alltäglichen Wirksamkeit zurück, sondern sie sucht im Gegenteil
diese mit ihren Formen und Farben zu veredeln, freudiger und feierlicher
zu gestalten. Das ist zu allen Zeiten und bei allen jenen Verhältnissen
am Platze, wo auch in der Arbeit Muße zum Genuß gefunden wird. Wenn
aber die Verhältnisse die Arbeit zu hartem Kampf stempeln, findet die
Schönheit dort keinen Boden mehr; sie wird sich in diejenigen Regionen
zurückziehen, wo man nur noch genießt; und immer mehr wird sie die Ver-
einigung mit dem Zweckmäßigen vermeiden. Das erklärt den Niedergang
der Architektur und des Kunstgewerbes im Zeitalter der Maschine und der
Fabrikarbeit. Das erklärt auch die Tatsache, daß 90 Prozent aller Leute
nur an Malerei denken, wenn heute von bildender Kunst die Rede ist.
3. Die Materialtechniken des Kunsthandwerks.
Die verschiedenen Rohstoffe in die gewünschten Formen und Ver-
bindungen zu bringen, ist die Aufgabe der Technik. Gewisse Prozesse sind
bei einer Reihe von Stoffen dieselben. Freilich wird ihre äußere Form je
nach dem Material einen andern Charakter annehmen: Das Vereinigen ver-
schiedener Bestandteile durch Verschlingen oder Einfügen ist dem Möbelbau,
der Flechtarbeit und der Weberei gemeinsam. Das Herausschneiden ein-
zelner Teile sowie das Drehen kommt bei der Holzarbeit, bei Metall-,
Ton- und Glasarbeiten besonders für Verzierungen in Anwendung.
Glas, Metall, Ton und Wachs werden aus weicher Masse geformt und
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Abb. 33: Schränkchen mit Bronzebeschlägen, um 1715; Mobilier national in Paris.
nachher in festen Zustand übergeführt. Dazu kommen noch die verschie-
densten Techniken der Malerei, welche zur Verzierung kunstgewerblicher
Erzeugnisse aller Art Verwendung finden und an kein Material gebunden sind.
Das HOLZ ist wegen seiner Bildsamkeit und seiner leichten Gewinnung
von jeher das beliebteste Material gewesen. Als Balken und Brett, Klotz
und Stange wird es für große und kleine Geräte verwendet. Im Altertum
meist flächig behandelt und meist nur malerisch dekoriert, wird es im
frühen Mittelalter vielfach gedrechselt. Im späteren Mittelalter wird das
Brett reich geschnitzt und bemalt, wohl auch durchbrochen gearbeitet
(Abb. 25). Der Flächencharakter des Brettes wird immer weniger gewahrt.
Die Renaissance schnitzt unbekümmert darauf los; wo es nötig ist, werden
Teile aufgeleimt. Doch in einer Technik zeigt sich die Renaissance als
Meisterin der Flächenbehandlung: In der Intarsia, einem Mosaik aus ver-
schiedenen Holzarten. Die vollendete Holzplastik der Barockzeit unter-
drückt jeden Gedanken an die Konstruktion. Aus dicken Klötzen und
Balken werden die reichen Verzierungen geschnitzt; überall wird reichlich
Material verbraucht. Im Gegensatz dazu kehrt die Rokokokunst zur Be-
tonung des Flächenhaften zurück, überläßt die plastische Dekoration oft
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Abb. 34. Schränkchen in Boulle- Arbeit um 1720.
ganz der Bronze, welche die Möbelkanten einfaßt (Abb. 33). Sie schafft die
Grundlagen der heutigen Möbelkunst.
Der Aufbau hölzerner Geräte und Möbel geschah von jeher durch
Fugung; eiserne Beschläge, Klammern, Nägel und Schrauben mußten im
Notfall mithelfen. Um das Ziehen der Bretter zu vermeiden, wurden oft
mehrere dünne Bretter zusammengeleimt; das führte dazu, die unteren
Schichten aus weniger kostbarem aber haltbarerem Holz herzustellen, als
die oberste. Schon im Altertum war diese Kunst, das Furnieren, bekannt,
wurde aber erst in der Barockzeit allgemein angewandt, nun auch mit
immer dünnerer Deckschicht.
Die Einführung des Maschinenbetriebs verdrängt die mühsame Hand-
arbeit fast völlig. Die Maschine arbeitet rascher, genauer und billiger.
Aber ihr fehlt das Persönliche; das Gefühl, daß ein Mensch mit Freude
und Mühe an einem Stück gearbeitet hat, löst nur eine Handarbeit in uns
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Abb. 35. Jagdhorn aus Elfenbein. Deutsche Arbeit des KI, Jahrhundertsim Musee
de Cluny in Paris.
aus, welche die Spuren der Herstellung deutlich zur Schau trägt, so daß
man den Verfertiger noch in seiner Arbeit zu verfolgen meint. Und gerade
diese Gefühle erhöhen den ästhetischen Genuß.
Farbige Behandlung der Holzarbeiten war zu jeder Zeit beliebt: Im
Altertum waren es rein ornamentale, selten figürliche Darstellungen, welche
in dünner Farbe aufgetragen wurden, so daß die Maserung des Holzes
oft durch die Farbe hindurchscheint. Im Mittelalter werden oft nur gewisse
Partien bemalt, z. B. die tiefliegenden Felder geschnitzter Bretter, während
die erhöhten Partien unbemalt bleiben. Ungebrochene Töne, rot, blau und
grün werden dabei bevorzugt. Wo das Holz frei zutage trat, wurde es meist
leicht gewachst. Die Freude an der glänzenden Oberfläche erwacht erst
zu Ende der Renaissancezeit; mit Politur- und Lackierarbeit wird der ge-
wünschte Effekt erzielt. Die italienische Renaissance arbeitet zum Teil
mit Vergoldung, welche dem Holz aber niemals Metallcharakter zu verleihen
sucht, sondern deutlich das Holz als solches gelten läßt und lediglich Überzug
bleibt. Gewisse Partien, wie die Innenseiten der Truhendeckel, werden mit
Gemälden versehen, ähnlich wie die Türen der Altarschreine des Mittelalters.
In Deutschland wird in der gleichen Periode das Holz, wo es in größeren
Massen auftritt, fast ausnahmslos unbemalt gelassen. Das Eichenholz,
welches sich besonders in bürgerlichen Verhältnissen großer Beliebtheit
erfreut, gibt schon durch seine Maserung eine malerische Wirkung, welche
durch plastische Bearbeitung noch erhöht wird. Bei den Holzarbeiten der
vornehmen und reichen Stände werden die verschiedensten einheimischen,
zum Teil sogar fremde Holzarten, oft mit Einlagen von Elfenbein, Schild-
platt und Perlmutter verwendet.
Die Barockkunst geht vor allem auf malerische Effekte aus. Schön
gemaserte Hölzer, reiche Einlegearbeiten, Lackierung und Bemalung
werden von ihr dazu verwendet, um einen möglichst reichen und farben-
prächtigen Eindruck zu machen. Besonders berühmt sind die Arbeiten des
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Abb. 36. Drechslerarbeit aus Elfenbein, 17. Jahrhundert. Museo nazionale in Florenz.
französischen Kunsttischlers Andre Boulle, der um 1700 in Paris arbeitete:
Kostbare Holzarten, Elfenbein, vergoldetes Messing, Zinn und Schildpatt
werden von ihm und seinen Nachfolgern in einer raffinierten Weise ver-
arbeitet (Abb. 34).
Der einfarbige, besonders in hellen Tönen gehaltene Ölfarbenanstrich
wird bei vielen Holzarbeiten der Rokokozeit verwendet. Für reichere
Arbeiten bleiben die schön gemaserten Hölzer in Mode, dazu gehört auch das
immer häufiger auftretende Mahagoniholz, aus welchem Furniere her-
gestellt werden. Ihren Höhepunkt erreicht die Anwendung dieser Holz-
art in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Nur in einzelnen
Gegenden vermag das gelbgeflammte Birken- dem Mahagonifurnier erfolg-
reich Konkurrenz zu machen. Die farbige Behandlung beschränkt sich in
dieser Zeit auf einige eingesetzte Ebenholz- und Elfenbeinleisten, Messing-
beschläge und bei kostbaren Arbeiten Intarsien aus verschiedenen Hölzern.
Auch heute noch geht man nur ungern an die farbige Behandlung von
Möbeln. Das schöne Holzfurnier, das heute in Papierstärke hergestellt
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Schulli-Bernoulli, Die bildenden KürV.c. 3. Aufl. 6
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Abb. 37. Bucheinband mit Lederschnitt. Abb. 38. Bucheinband mit Lederpressung.
Um 1490. Wien, k. u. k. Hofbibliothek. 1580. Kopenhagen. Universitätsbibliothek.
werden kann, gilt als der vornehmste Schmuck der Holzarbeit. Dabei
stehen die sämtlichen Hölzer der Welt dem Möbeltischler zur Verfügung.
KNOCHEN UND ELFENBEIN (mit dem Sammelnamen „Bein" be-
zeichnet) werden nicht nur in Verbindung mit Holzarbeiten verwendet,
sondern sie treten als selbständiges Material kleiner Geräte und Zierstücke
auf. Es ist selbstverständlich, daß hier nur eine plastische Verarbeitung in
Frage kommt: die Schnitzarbeit (Abb. 35) und die Dreharbeit, welche, von
chinesischen Anregungen ausgehend, besonders im 17. Jahrhundert eine
raffinierte, wenn auch nicht immer künstlerisch sehr wertvolle Ausbildung
erfuhr (Abb. 36).
Während bei den Holz- und Beinarbeiten eine tektonische oder plastische
Verarbeitung stattfand, liegt der künstlerische Wert der Erzeugnisse in
Leder, Stoff und Papier in der FLÄCHENDEKORATION. Der Rhythmus
der Linien und die Harmonie der Farben sind die Grundelemente der
Flächenkunst. Das Motiv einer fortlaufenden sich wiederholenden De-
koration nennen wir den Rapport. Dabei kann sich der Rapport entweder
bloß in einer Richtung wiederholen, wie bei der Borte oder dem Fries oder
allseitig, wie bei dem eigentlichen Flächen- oder Tapetenmuster. Die
Flächendekoration wird in den meisten Fällen den Charakter der Fläche
betonen; zu bestimmten Zeiten jedoch hat sie die Tendenz, die Fläche
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Abb. 39. Ledertapete im Schloß Aurolzmünster in Oberösterreich.
anscheinend zum Räume zu erweitern, insbesondere sie wie ein Architektur-
werk zu gliedern.
Die Bearbeitung des LEDERS geschieht mittelst Pressung und Schnitz-
arbeit. Es ist also eine Reliefkunst, welche freilich von so geringer Tiefen-
ausdehnung ist, daß man sie ruhig unter die Flächenkunst rechnen darf.
Bei der Technik des Lederschnittes wurde die Zeichnung oder das Muster
aus der Oberhaut des Leders herausgeritzt und geschnitten (Abb. 37). Schon
früh kam man dazu, durch das wiederholte Einschlagen metallener Stempel
das Leder zu mustern. Mit der Zeit wurde die Form dieser Stempel immer
komplizierter. Zu Ende des Mittelalters kam man auf die Idee, die gleich-
artigen Stempel auf einer Rolle zu vereinigen, welche nun mit großem
Druck in gerader Linie über das Leder geführt wurde. Dadurch entstand ein
Bandmuster, dessen Rapport der Umdrehung der Rolle oder einem Teile
derselben entspricht (Abb. 38). Durch die Vergrößerung der Stempel zu
viereckigen Platten konnten nun fortlaufende Flächenmuster erzielt werden,
wobei die Platte jedesmal den Rapport bildete. Auf diese Weise entstanden
die Ledertapeten, welche zur Zeit der Renaissance in Italien und Spanien
hergestellt wurden (Abb. 39). Endlich wurde das Leder, besonders in Vorder-
asien, ganz dünn gespalten und in der Art von Schablonen ausgeschnitten.
Diese Schablonenstücke wurden auf Bucheinbände als Zierat aufgeleimt,
meist über bunt gefärbtem Untergrund.
Die Vergoldung spielt bei alledem eine große Rolle. Sie wird erzielt,
indem man unter den erhitzten Stempel ein Stückchen Blattgold legt, welches
nun auf die Unterlage festgeschmolzen und eingepreßt wird.
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Abb. 40. Byzantinischer Seidenstoff aus dem 7. — 9. Jahrh.
Die MUSTERUNG GEWEBTER STOFFE wird auf die verschiedenste
Weise hervorgebracht: einmal werden eingefärbte Metallstempel oder Holz-
platten aufgedruckt, oder der Stoff wird über einige verschieden eingefärbte
Rollen geführt, welche das Muster tragen. Dieses Verfahren nennt man
den STOFFDRUCK. Meistens wird es bloß als Surrogat der schwieriger
herzustellenden Techniken, der Stickerei und Weberei, verwendet. Es
entsteht erst zur Zeit des Barock, nachdem die anderen Mustererzeugungen
schon Jahrhunderte lang in Blüte standen.
Bei der WEBEREI wird der Faden zunächst partienweise verschieden
eingefärbt. In die parallel laufenden sogenannten Kettfäden werden nun
diese farbigen Fäden als Einschlag eingewebt. Das Muster entsteht dadurch,
daß der Einschlag einer Farbe nur an bestimmten Stellen zur Anwendung
kommt, um links und rechts von einem anders gefärbten Einschlag begrenzt
zu werden. Aus dem Altertum sind uns Webereien aus den Gräbern des
christlichen Ägyptens erhalten geblieben. Sie zeigen alle einen durchgehenden
Rapport, bei welchem der Kreis, in dessen Mitte sich eine Figur befindet,
eine große Rolle spielt. Wenige Jahrhunderte später wurden ähnliche Stoffe
aus Vorderasien und Byzanz ausgeführt, welche auf die Dekorationskunst
des Abendlandes einen bedeutenden Einfluß ausübten (Abb. 40). Bis in die
jüngste Zeit wurden in der Weberei meistens dekorative Flächenmuster ver-
wendet, bei welchen natürlich jeweilen in Form und Farbe der Geschmack
der Zeit den Ausschlag gab.
Doch wurde daneben auch die BILDWEBEREI, welche ähnliche
Ziele wie die Tafelmalerei verfolgte, vorzugsweise in Flandern und Frank-
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Abb. 41. Fragment eines Wandteppichs aus der Fabrik Les Gobelins, um 1700.
Schloß Fontainebleau.
reich gepflegt. Sie ist bekannt unter dem Namen der Teppichwirkerei oder
Gobelinweberei. Als Einschlag wurde dabei starke Wolle oder Seide,
seltener Leinwand, verwendet. Da es sich dabei um Teppiche handelt,
welche eine große Widerstandskraft aufweisen mußten, wurde die Kette
stets aus sehr starken Flachsfäden hergestellt. Nach ihrer Herstellungsart
unterscheidet man Haute lisse-Teppiche, bei welchen die Kettfäden auf
dem Webstuhle senkrecht aufgespannt sind, und Basse lisse-Teppiche, bei
welchen diese wagrecht liegen. In beiden Fällen wird die Vorzeichnung
hinter die Kettfäden gelegt, oft auch auf diese übertragen. Mühsam wird
nun Masche um Masche mit der Hand geknüpft, wobei durch eine Tret-
vorrichtung einmal die geraden und dann die ungeraden Kettfäden nach
vorn gehoben werden. Es ist leicht verständlich, daß auf diese Weise die
Arbeit nur sehr langsam fortschreitet, daß der Weber eine sorgfältige Schulung
durchgemacht haben muß, um den Ansprüchen seines Handwerks zu
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genügen, und daß infolgedessen die Herstellung der gewirkten Teppiche un-
gleich teuerer ist als diejenige der Webereien mit fortlaufendem Muster,
wo durch maschinelle Einrichtungen die Handarbeit schon früh auf das
Notwendigste beschränkt worden war. Nur ganz große kapitalkräftige Be-
triebe konnten diese Fabrikation übernehmen; sie waren von jeher be-
müht, für diese kostspielige Technik in gleichem Maße hervorragende
Zeichnungen, sogenannte Kartons, zu beschaffen.
Aus dem 14. und 15. Jahrhundert sind uns eine Anzahl flandrischer
Wandteppiche erhalten, welche technisch schon auf großer Höhe stehen.
Bis ins 17. Jahrhundert hinein kann mit der niederländischen Weberei
niemand konkurrieren. Sie reißt alle größeren Aufträge an sich, so z. B. die
Ausführung der zehn großen Wandteppiche für die Sixtinische Kapelle, zu
denen Raffael im Auftrage des Papstes Leo X. die Kartons angefertigt hatte.
Franz I. hatte inzwischen in Fontainebleau zu Anfang des 16. Jahrhunderts
eine Teppichmanufaktur errichtet; doch nahm die französische Fabrikation
erst unter der tatkräftigen Regierung Ludwigs XIV. einen größeren Auf-
schwung: 1662 gründete er die Manufacture royale des meubles de la couronne
in der Ortschaft es Gobelins. Die dort gearbeiteten Teppiche (Abb. 41)
und endlich alle derartigen Kunstwebereien haben nach dem Namen dieser
Ortschaft die Bezeichnung Gobelins erhalten. Auch in Beauvais wurden im
18. Jahrhundert große Wandteppiche, zum Teil nach Bouchers Zeichnungen
angefertigt.
Wer heute Bildwebereien kaufen will, deckt seinen Bedarf mit alten
Gobelins, oder er nimmt mit modernen, von der Maschine hergestellten
Surrogaten vorlieb. Daran ist vielfach auch die Zaghaftigkeit der Fabrikanten
schuld, welche sich nicht entschließen können, von den alten bewährten
Mustern abzuweichen und etwas zu geben, was der modernen Dekorations-
kunst zur Seite gestellt werden kann.
Im Orient wurden ebenfalls gobelinartige Webereien, freilich nur mit
rein ornamentalen Mustern hergestellt. Das sind die sogenannten Kelims,
welche auch heute noch in Kleinasien und dessen Hinterland hergestellt
werden und bei uns als Wandbehänge, Portieren und Vorhänge Verwen-
dung finden.
Berühmter und geschätzter als diese Kelimwebereien sind die orientali-
schen KNÜPFTEPPICHE, welche in der Weise hergestellt werden, daß in
die Kette allemal ein kurzer Wollfaden eingeknüpft wird, dessen beide
Enden nach vorn herausragen. Eine solche Knüpf ung nennt man Noppe;
je enger die Noppen stehen, um so haltbarer und kostbarer ist der Teppich.
Wenn der ganze Teppich fertig geknüpft ist, werden die hervorstehenden
Fadenbüschel gleichmäßig geschoren (Abb. 42). Während früher nur
Pflanzenfarben zum Einfärben der Wolle verwendet wurden, ist seit einigen
Jahrzehnten die Anilinfarbe im Orient eingeführt worden. Daher sind die
neueren orientalischen Teppiche nicht mehr so lichtecht und volltönend in
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Abb. 42. Türkischer Gebetteppich aus dem 16. Jahrhundert im kgl. Kunstgewerbe-
Museum in Berlin.
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Abb. 43. Japanische Seidenstickerei im Musee des Arts decoratifs in Paris.
den Farben wie diejenigen des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Zeichnung
der Teppiche, welche infolge des mohammedanischen Bilderverbots sich
meist auf Ornamente und streng stilisierte Blumen beschränkt, bleibt merk-
würdig konservativ; nach ihnen kann man die Herstellungsorte annähernd
genau bestimmen. Erst in neuerer Zeit haben durch den fabrikmäßigen
Betrieb in dieser Beziehung Verschiebungen und Vermischungen statt-
gefunden; so werden beispielsweise in Kleinasien persische und in Indien
kaukasische Muster geknüpft.
Die orientalischen Teppiche sind vor allem geschätzt wegen ihrer har-
monischen Farbenpracht und ihrer Haltbarkeit. Zudem gestatten die
billigen Arbeitskräfte Vorderasiens eine relativ geringe Preislage, so daß
die europäische Konkurrenz Mühe hat, sich auf gleicher Höhe zu halten
wie die orientalische Importware.
Allen gewebten Darstellungen ist gemeinsam, daß sich die Zeichnung
in ein Netz von kleinen Quadraten einfügt. Je mehr sich das Muster selbst
in dieses quadratische System einfügt, um so eindringlicher kommt die
Art der Technik und des Materials zur Geltung. Darin liegt der große
ästhetische Vorzug der Kelimwebereien, der kleinasiatischen und kauka-
sischen Knüpfteppiche, welche besonders das geometrische Muster pflegen.
Die moderne Weberei nimmt sich diesen Grundsatz zur Richtschnur; in
Skandinavien sind auf dieser Grundlage bemerkenswerte dekorative Bild-
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Webereien entstanden, während in Deutschland und Österreich hervor-
ragende Künstler für die Textilbranche fruchtbare Anregungen gegeben
haben.
Die STICKEREI ist im Gegensatze zur Weberei, welche nützliche,
sogar unentbehrliche Dinge hervorbringt, lediglich Zierkunst. Sie ist zudem
völlig abhängig von der Weberei, welche insofern als ihre Mutterkunst
angesprochen werden könnte: Der gewebte Stoff bildet die Unterlage und den
Hintergrund für die Stickerei. Durch Aufnähen von Woll-, Seiden- oder
Baumwollfäden, von ausgeschnittenen, verschieden gefärbten Stoffstücken
oder von Schnüren und Litzen erzeugt die Stickerei ornamentale oder figür-
liche Darstellungen auf dem gewebten Untergrund. Das leichte Relief,
welches auf diese Weise entsteht, verleiht der Stickerei einen eigenen Reiz.
Dazu ist die Linienführung der Zeichnung im Gegensatz zu dem gewebten
Muster völlig unabhängig von dem Vierecknetz des Gewebes. Nur in der
Berücksichtigung der Struktur des aufgenähten Feldes und in der Abhängig-
keit von dem verschieden eingefärbten Stickmaterial ist die Zeichnung und
die Farbengebung beschränkt. Trotz dieser Einschränkung hat es die
Stickerei verstanden, völlig mit der Malerei zu konkurrieren, was die natür-
liche Wiedergabe des Gegenstandes anbetrifft. Besonders die ostasiatische
Seidenstickerei hat in dieser Beziehung Erstaunliches geleistet (Abb. 43);
sie hat dann die europäische Stickerei des 17. und 18. Jahrhunderts stark
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Abb. 45. Italienische Klöppelspitze aus dem 17. Jahrh.
beeinflußt und ganz in die Bahnen des Naturalismus gelenkt. Die Stickerei
des Mittelalters und der Renaissance war vorwiegend für den Schmuck der
Kirche bestimmt. Altarvorsätze (Antependien) und Priestergewänder, die
sich beide während des Gottesdienstes im Brennpunkte der Aufmerksamkeit
befinden, wurden in erster Linie dabei berücksichtigt. Aber auch in der
profanen Kleidungskunst und auf dem großen Gebiete des Hausfleißes
spielte die Stickerei von jeher eine bedeutende Rolle (Abb. 44). Ihrem Wesen
nach eignet sie sich vortrefflich zur Belebung und Ausschmückung von
glattliegenden Stoff flächen; die Zeichnung kommt dabei unverzerrt zur
Wirkung. Diese Bedingung erfüllt vor allem der Wandteppich; bevor der
Aufschwung der Teppichwirkerei, zu Ende des Mittelalters, eintrat, wurde
er mit gestickten Darstellungen bedeckt. Dabei verwendete man starke und
ungebrochene Farben; erst zur Zeit des Rokoko wurden helle sanfte Farben
in der Stickerei bevorzugt, zugleich wurde die Farbenskala immer reich-
haltiger und wies von Farbe zu Farbe eine Menge von Zwischentönen in
den verschiedensten Schattierungen auf.
Heute hat sich die Maschine in den Dienst der Stickkunst gestellt. Bei
der Industrialisierung und der Arbeit für den großen Markt sank aber das
künstlerische Niveau so tief, daß die modernen Maschinenstickereien nur
noch technisches Interesse beanspruchen. Vereinzelte Versuche, die von
einigen deutschen Künstlern zur Hebung der künstlerischen Qualität der
Stickerei unternommen wurden, fanden in der Industrie keinen Widerhall.
Die Verknüpfung der Kettfäden einer Weberei, welche notwendig
war, damit nicht das ganze Gewebe sich in seine Bestandteile auflöste,
wurde vielfach, besonders bei den Teppichen, in Form von Quastenborten
oder Fransen ausgeführt. Es lag auf der Hand, diese abschließenden Borten
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Abb. 46. Flandrische Nadelspitze aus dem 17. Jahrhundert.
nun auch einzeln herzustellen, um sie dann nach Belieben an ein Gewebe
anzunähen. Dabei wurden für die Borten oft kostbarere Materialien gewählt
als für den einzufassenden Stoff. Gold- und Silberfaden spielten dabei eine
große Rolle. Und nicht nur an den Rändern wurden sie aufgenäht, sondern
auch als Besätze zur Gliederung der Stofffläche. Die ganze Kunst dieser
Borten, Besätze, Quasten und Fransen faßt man zusammen unter dem
Namen POSAMENTEN. Während ursprünglich die geknüpfte Borte aus
den Kettfäden des Gewebes mit diesem in der Farbe übereinstimmte, gingen
die Posamenten bald darauf aus, Kontraste zu der Farbe des einzufassenden
Stoffes zu geben.
Unmittelbar aus dem Wesen der Posamente entspringt die Kunst der
SPITZENERZEUGUNG, die im Grunde als eine Abart der Posamentier-
kunst angesehen werden darf; die Spitze stellt eine ungleich kompliziertere
Form dar als die geknüpften Borten, welche immer noch in ihrer Form
an die verschlungenen Kettfadenenden des Gewebes erinnern.
Die KLÖPPELSPITZE wird durch das Verschlingen mehrerer gleich-
artiger Fäden auf gerader Fläche erzeugt, wobei eingesteckte Nadeln das
Muster festlegen und bei der Knotenbildung als Stützpunkte mitwirken.
Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer reichen Musterung mit beliebig
ausgedehntem Längsrapport (Abb. 45).
Im Gegensatze dazu wird die HÄKELSPITZE aus einem einzigen Faden
mittels eigens dazu konstruierten Häkelnadeln freihändig hergestellt.
Infolgedessen liegt sie weniger flach wie die Klöppelspitze und zeigt mehr
den Charakter einer Knüpfarbeit.
Die dritte Art von Spitzen, die sogenannte Näh- oder NADELSPITZE,
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entsteht durch das regelmäßige Ausziehen der Kett- und Schußfäden eines
gewebten Stoffes und durch das Zusammennähen und Umwickeln der auf
diese Weise freigelegten Fäden, später werden die Gewebefäden durch frei
gespannte Fäden ersetzt, wodurch eine lockerere Wirkung erzielt werden
kann.
Die Nadelspitzenarbeit wurde aus dem Orient nach Europa eingeführt
und erreichte zunächst in Venedig zu Ende des 16. Jahrhunderts eine Be-
deutung. Zunächst waren es geometrische Muster, bald aber traten Blatt-
und Rankenmotive auf, denen oft tierische und menschliche Gestalten bei-
gegeben wurden, die letzteren in ausgeschnittenen Stoffstücken eingenäht.
In der Barockzeit zeigt sich besonders in Venedig eine Neigung, die Spitze
auch plastisch zu gestalten. Zur Zeit Ludwigs XIV. wurde die Spitze in
der Bekleidung vielfach verwendet, besonders als Besatz von Kragen und
Krawatten. In den Niederlanden wurde dann die Klöppel- und Nadelspitze
zur höchsten Blüte gebracht; die Brüsseler Spitzen sind heute noch als
unübertrefflich bekannt (Abb. 46).
Das PAPIER findet seine hervorragendste Bedeutung in der Herstellung
von Büchern. Der Buch- und Kunstdruck schließt sich so eng an die Malerei
an, daß er biiligerweise im Anschluß an diese behandelt werden muß.
Anders verhält es sich mit dem Papier, welches dazu bestimmt ist, als Überzug
oder Umschlag von Gegenständen aller Art verwendet zu werden. Hier wird
das Papier ähnlich behandelt wie der Stoff, bildet es doch in vielen Fällen
ein Surrogat für diesen.
Als zu Ende des 16. Jahrhunderts englische Reisende aus Ostasien
die ersten Proben von Wandschirmen, welche mit Papier verkleidet waren,
nach Europa brachten, leuchtete es ein, daß man auf ähnliche Weise die
Wände mit PAPIERTAPETEN verkleiden könnte. Damit sollte ein Ersatz
geschaffen werden für die kostbare Wandmalerei oder die Bespannung
mit Stoffen. Es war daher natürlich, daß dem Papier ähnliche Muster
aufgedruckt wurden wie den Leder- und Stofftapeten, welche sie ersetzen
sollten (vgl. Abb. 39). Rankenwerk, Blumen, Tiere und kleine Landschaften
wechselten mit geometrischen Mustern. Das Papier wurde in großen Bogen
zunächst einfarbig bestrichen und dann mit großen Holztafeln bedruckt.
Es lag in der Natur der Sache, daß man dem flächenhaften, fortlaufenden
Muster mit allseitigem Rapport den Vorzug gab. Nur oben und unten
wurden Papierborten mit Längenrapport angesetzt, welche eine Erinnerung
an die gemalten Friese darstellen. Mit der Zeit wurden die Holztafeln durch
solche aus Messing ersetzt. Endlich wurde das Papier in langen Rollen
über eine Walze geführt, welche das Muster trug, und so in kürzester Zeit
zur Tapete umgewandelt. Die größte Verbreitung fand die Tapete im
19. Jahrhundert, während Stoff bespannungen, Gobelins und Ledertapeten
immer seltener zur Anwendung kamen. Indessen wurde eine große künst-
lerische Qualität bei der Papiertapete nie erreicht. Man begnügte sich,
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Motive der dekorativen Malerei wiederzugeben oder das zeitgenössische
Flächenmuster, wie es in anderen Techniken verwendet wurde, auf dem
Papier zu reproduzieren. Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Papier-
tapete die gefährliche Aufgabe zuteil, nicht nur kostbarere Materialien der
Wandverkleidung zu ersetzen, sondern diese Stoffe auch möglichst
täuschend nachzuahmen. Diese Imitationskunst wurde mit ungeheurer
Raffiniertheit betrieben; in neuerer Zeit jedoch haben sich die führenden
Kräfte im Kunstgewerbe mit aller Entschiedenheit von ihr losgesagt.
Das Papier will heute als solches kenntlich sein und verschmäht es, den
Anschein eines vornehmen Stoffes zu erwecken.
Als Papiertapeten im kleinen wurden die BUNTPAPIERE des 17. Jahr-
hunderts hergestellt. Sie dienten zum Austapezieren von Schachteln, kleinen
Schränken und vor allem zum Beziehen von Buchdeckeln und als Buch-
vorsätze. Wie bei der Ledertapete wurde das Muster in Gold auf die ein-
farbig gestrichene Oberfläche eingepreßt. Besonders in Augsburg und
Nürnberg wurden diese sogenannten Prägedruckpapiere hergestellt. Mit
der Zeit begnügte man sich damit, das Muster einfach aufzudrucken, zunächst
noch in Gold, bald in bunten Farben. Meistens waren es ein bis vier Holz-
stöcke, welche den Papierbogen zu bedrucken hatten. Man konnte also
des Rapportmusters entraten und war ganz frei in der Darstellung. Immerhin
ging man von der Flächenornamentik nicht ab, und wo figürliche Dar-
stellungen verwendet wurden, wurden auch sie in die Fläche eingegliedert.
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Man nennt den Druck von diesen Holzstöcken MODELDRUCK. In die
zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt seine Blütezeit; im 19. Jahrhundert
wurde er oft mit der Stoffdruckerei gemeinsam betrieben. Wo es sich um
fortlaufende Muster handelt, werden diese wie bei der Tapetenfabrikation
auf Walzen geschnitten und auf Rollenpapier übertragen.
Eine beträchtliche Konkurrenz erwuchs dem Modeldruck im 18. Jahr-
hundert in den sogenannten TUNKPAPIEREN. Die Tunktechnik wurde
zuerst auf den Vorsätzen türkischer Bücher des 16. Jahrhunderts ange-
wendet. Sie besteht darin, daß auf eine zähflüssige Lösung von irländischem
Moos oder Tragantgummi Pflanzenfarben aufgespritzt und dann mit Holz-
stäbchen oder Kämmen leicht umgerührt werden. Die Farben bilden ein
buntes Muster, welches auf der Oberfläche des Schleimgrundes schwimmt.
Wird nun ein Papier auf diese Farbschicht gelegt und abgehoben, so haftet
diese an dem Papier fest. Das auf diese Weise hergestellte Buntpapier
erinnert durch seine wolkigen Muster entfernt an Marmor, darum es auch
als Marmorpapier bezeichnet wird. Da immer nur ein Papier von demselben
Muster abgezogen werden kann, wird nie ein Muster ganz gleich wie das
andere aussehen. Neuerdings haben sich viele Maler diesem Zweige des
Kunstgewerbes zugewandt und haben eine Fülle der anmutigsten Tunk-
papiere geschaffen.
Endlich seien noch die KLEISTERPAPIERE erwähnt, deren Muster
erzeugt wird durch einen Auftrag von gefärbtem Kleister, welcher durch
Betupfen mit Schwämmchen, Durchziehen von Kämmen und Holzstäben
oder durch einfaches Herumfahren mit der Fingerspitze gemustert wird.
Auch diese Technik wurde besonders im 18. Jahrhundert geübt und erst
wieder in jüngster Zeit zu Ehren gezogen.
Die verschiedenen Reprodukt ionsverfahren, welche den Bilddruck
erzeugen, sind zum Teil auch für die Herstellung von Buntpapieren verwendet
worden. Von ihnen wird im Zusammenhang mit der Malerei die Rede sein.
Während die angeführten kunstgewerblichen Tätigkeiten vorzüglich
auf dem Gebiete der Tektonik und der Flächenkunst tätig waren, befassen
sich eine ganze Anzahl anderer mit der PLASTISCHEN GESTALTUNG.
Die Erzeugung eines plastischen Bildwerkes kann geschehen durch das
Wegschneiden und Weghauen aller überflüssigen Teile des Materials oder
durch das Verkleiden eines Gerüstes mit bildsamem Material, welches durch
das Hinzufügen immer neuer Schichten die beabsichtigte plastische Form
erzeugt, oder durch das gewaltsame Umformen des Materials oder durch
das Gießen in feste Formen, welche auf einem der erwähnten Wege her-
gestellt worden sind; jede dieser Techniken wird an ihren Erzeugnissen
Spuren hinterlassen, welche darauf hindeuten, wie es entstanden ist. Und
oftmals sind es gerade diese Zeugen der Schöpferarbeit, welche dem Material
künstlerischen Reiz verleihen. Oftmals aber wird man alles tun, um sie
zu verbergen, wie z. B. die unschönen Gußnähte.
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Abb. 49 . Griechische Marmorvase im Abb. 50. Tonkrug mit farbiger Bleiglasur.
Musee du Louvre in Paris. Deutsche Arbeit aus dem 16. Jahrhundert.
Kunstgewerbliche Gegenstände aus STEIN werden fast ausnahmslos
aus einem Stück hergestellt, oft aber mit andern Materialien, besonders
mit Metallen kombiniert. Meistens verwendet man zu diesem Zweck schön
gezeichnete oder gefärbte Steinarten, vor allen Dingen Marmor. Durch
Sprengen, Sägen und Behauen werden die Steinstücke in die gewünschte
Größe gebracht und nun wird sorgfältig Splitter um Splitter abgehauen,
bis die gewünschte Form entsteht. Endlich wird der ganze Gegenstand
poliert, wodurch er eine glänzende Oberfläche erhält (Abb. 49). Hin und
wieder werden darauf noch Zeichnungen rein linearen Charakters mit
spitzem Eisen eingraviert, eine Technik, die bei fast allen harten Materialien
angewendet wird. Besonders im Altertum wurden viele Möbel, Geräte und
Gefäße aus Stein gefertigt; wenn wir in die früheste Vorzeit vordringen,
finden wir sogar die meisten Instrumente aus Stein hergestellt, weshalb
man dieser Periode den Namen Steinzeit gegeben hat. Von besonderem
Kunstwert sind indessen die Erzeugnisse dieser Epoche nicht.
Eine gewisse Massivität haftet allen Steinerzeugnissen an, weil dieses
Material dem Meißel stets eine beträchtliche Widerstandskraft entgegen-
stellen muß; würden die Formen zu dünn gearbeitet, so würde das Stein-
gerät oder -gefäß während der Arbeit, sicher aber beim Gebrauch zerbrechen.
Je bunter und reicher die Zeichnung eines Steines, um so weniger Zier-
formen werden dann in der Regel angewendet, weil sonst diese beiden
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schmückenden Elemente einander in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigen
würden. Oft genug sind die Formen der steinernen Gefäße und Geräte rein
geometrisch; ihre Wirkung äußert sich dann nur in der Farbe und Zeich-
nung ihres Materials.
Wie man in der Baukunst den Stein durch getrockneten oder gebrannten
TON ersetzte, so kam man bei der Gefäßkunst ebenfalls zu diesem Aus-
kunftsmittel, freilich mehr der leichteren Bildsamkeit wegen, als um das
kostbarere Material durch ein leichter zu beschaffendes zu ersetzen. Darum
finden wir die Tongefäßerzeugung in allen Ländern, auch in solchen, welche
einen reichlichen Vorrat von Stein besaßen und ihn auch bei ihren Bauten
verwendeten. Der Weg der Entstehung eines Tongefäßes ist gerade der
umgekehrte wie beim steinernen: Bei jenem wird von dem Material das
Überflüssige weggeschlagen; bei diesem wird Klumpen für Klumpen an-
gestückt und mit den Händen geformt. Die Töpferscheibe, deren Erfindung
in die vorgeschichtliche Zeit fällt, war die Grundlage für die überwiegende
Mehrzahl aller Tongefäße und war maßgebend für ihre Form, insbesondere
bedingte sie den kreisrunden Grundriß der Gefäße. Durch Trocknen wurden
die Gefäße hart, durch Brennen widerstandsfähig und in Wasser unauf-
löslich. Zunächst ist der Ton undicht, d. h. er läßt Wasser durchsickern;
wird aber eine sehr hohe Hitze beim Brennen erzeugt, so geht er in Sinterung
über und wird zu einer steinharten, undurchdringlichen Masse mit musche-
ligem Bruch.
Gefäße aus undicht gebranntem Ton müssen zum Gebrauch mit einer
Glasur überzogen werden, sie werden also vor dem Brennen in die zäh-
flüssige Glasurmasse eingetaucht, welche sich bei der Hitze des Brennofens
in einen glasartigen Überzug verwandelt. Bei den gewöhnlichen Ton-
gesch irren und der Bauerntöpferei ist es die leicht schmelzbare, durch-
sichtige Bleiglasur, die verwendet wird (Abb. 50).
Feiner ist die Zinnglasur, welche undurchsichtig ist. Sie ist den so-
genannte FAYENCEN eigentümlich. Der Name stammt von den Töpfer-
waren aus Faenza und wurde auf die ganze Gattung der Gefäße dieser Art
übertragen. Als Majoliken werden heute die italienischen Fayencen be-
zeichnet, während ursprünglich wahrscheinlich die spanischen Töpfereien,
welche über die Insel Major ca exportiert wurden, so genannt wurden.
Der grobe Ton bedingt eine ziemlich starke Form ohne scharfe Kanten und
feine Einzelheiten. Unter der Glasur werden die blauen und roten Farben
aufgetragen, welche sich beim Brennen nicht verändern; nach dem Brande
über der Glasur die andern; sie werden nachher noch besonders bei ge-
lindem Feuer eingebrannt. Oft wird auch die Farbe der Glasur beigemischt.
Die Technik der Fayence war schon in Babylon und Assyrien bekannt;
große Wandfliesen wurden dort auf diese Weise hergestellt. Die vorder-
asiatischen Völker erbten diese Kunst und brachten sie zu hoher Blüte
(Abb. 51). In Spanien wurde die Fayencefabrikation während der moham-
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Abb. 51. Fayenceteller von Damaskus. Abb. 52. Majolika von Urbino. Arbeit des
Arbeit des 16. oder 17. Jahrhunderts. 16. Jahrhunderts.
medanischen Herrschaft eingeführt. Die Ware wurde nach Italien ex-
portiert, das seinerseits im 15. Jahrhundert diese Kunst auszuüben begann.
Der Aufschwung der Malerei zur Zeit der Renaissance brachte es mit sich,
daß für die Dekoration der italienischen Fayenceteller und -vasen meistens
figürliche Motive, oft in direkter Anlehnung an Gemälde und Kupferstiche,
verwendet wurden (Abb. 52). Die Fayencetöpferei wurde auf diese Weise
Dekorationskunst, besonders als der Florentiner Bildhauer Luca della
Robbia seine Tonreliefs, die ursprünglich als Modelle für die Ausführung
in Marmor gedacht waren, brannte und mit farbiger Zinnglasur, meist
blau, grün, gelb und weiß, versah (Abb. 105).
In Frankreich war es Bernhard Palissy, welcher nach jahrelangen
Versuchen um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine Reihe bemerkenswerter,
meist plastisch verzierter Fayencen schuf. Die französische Kunsttöpferei
mit der plastischen Dekoration trug über die italienische mit der rein male-
rischen den Sieg davon. Daneben war die holländische Fayencefabrikation
mit ihrem Hauptsitz in Delft, besonders auch in der Herstellung von Fliesen,
überaus fruchtbar, während die Schweiz berühmt war wegen ihrer Öfen
aus bemalter Fayence (Abb. 30). Aber inzwischen war in England das
Steingut und in Deutschland das Porzellan erfunden worden, die beide in
kurzer Zeit die Fayence verdrängten, so daß im 19. Jahrhundert die Fayence-
fabrikation schon völlig ausgestorben war.
Das STEINGUT unterscheidet sich von der Fayence durch das ver-
wendete Rohmaterial. Dieses ist beim Steingut durch allerlei physische
und chemische Prozesse verfeinert, so daß es bildsamer, widerstandsfähiger
und weniger porös ist als der gewöhnliche Töpferton. Die Masse wird ver-
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Schulti-Bernoulli, Die bildenden Künste. $. Aufl. 7
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Abb. 53. Schwarzes Wedgwood- Steingut im Nordböhmischen Gewerbemuseum.
schiedenartig gefärbt oder wird weiß gelassen. Im Brande verändern sich
die Farben nicht. So ist es möglich, dünnwandigere Gefäße herzustellen
und statt der Zinnglasur die durchsichtige Bleiglasur zu verwenden oder
sie unglasiert zu lassen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde
die Herstellung des Steingutes zum erstenmal im größeren Maßstabe be-
trieben von Josiah Wedgwood in England (Abb. 53). Und von hier aus
nahm es seinen Siegeslauf über den ganzen Kontinent. Die Fayencefabriken
wurden samt und sonders in Steingutfabriken umgewandelt.
Mit dem Steingut darf das STEINZEUG nicht verwechselt werden.
Dieses wurde zur Zeit des Mittelalters und der Renaissance am Nieder-
rhein, in Sachsen, Franken und in Flandern hergestellt und besitzt einen ganz
eigenartigen Charakter, den es mit keinem andern Produkt der Töpferei
teilt: Die gewöhnliche Tonerde wird bei sehr großer Hitze in eine gewisse
Sinterung übergeführt, so daß der betreffende Gegenstand äußerlich wohl
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Abb. 54. Siegburger Steinzeug aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh.
den Formcharakter der Fayence hat, aber nicht wie diese glasiert werden
muß. Des bessern Aussehens halber wird immerhin die Kochsalzglasur
verwendet, welche dadurch entsteht, daß die Kochsalzdämpfe auf das
im Brennofen befindliche Gefäß einwirken und mit einer dünnen farblosen
Glasur überziehen. Dazu kommen noch einige Farben, vor allem Blau
und Violett. Je nach der verwendeten Tonmasse sind die Steinzeuggefäße
hellgelb bis dunkelbraun oder grau. Eigentümlich ist ferner die Verwendung
von Formen, während fast alle andern Töpfereien mit der Scheibe her-
gestellt werden. Die Verzierungen sind ausnahmslos plastische; sie werden
meist besonders geformt und aufgesetzt (Abb. 54). Typisch sind die kleinen
Figurenreliefs, die sich um das Gefäß herumziehen und die Masken der
Bartmännchen. Oft auch wurden die Krüge geschnitten in der Art von
Kerbschnitzereien. Das alles ergibt einen kräftigen, derben, aber nicht
unschönen Charakter. Es ist kein Zufall, daß gerade das Steinzeug in
Deutschland seine typische Ausgestaltung erhalten hat. Für Wasserkrüge,
Humpen und Becher wird es heute noch hergestellt, freilich nicht in der
Ausschließlichkeit wie zur Zeit der Renaissance.
Ein ungelöstes Problem stellt die Technik der ANTIKEN KUNST-
TÖPFEREI dar. Es gelang nämlich, die Tonerde durch den Brand an ihrer
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Oberfläche hart, glatt und glänzend zu machen, so daß eine Glasur im eigent-
lichen Sinne überflüssig wurde. Die griechische Kunsttöpferei zeichnet sich
vor allem durch ihre schönen, in Linienführung und Größenverhältnissen
unerreichten Formen aus; der Ton, der für alle feineren Gefäße verwendet
wurde, läßt sich sehr dünn verarbeiten und hält die zarteste Modellierung
fest. Die Gefäße wurden fast ausnahmslos mit Malereien in schwarzer Lackfarbe
geschmückt, welche zusammen mit dem Rot des gebrannten Tones eine sehr
schöne Wirkung ergab (Abb. 55). Die Darstellungen sind der Fläche, welche
sie zu schmücken haben, angepaßt und so vereinfacht, daß man mit den beiden
erwähnten Farben auskam. Immerhin wurde später noch Weiß und Gelb
hinzugefügt; diese Farben wurden aber nicht wie das Schwarz eingebrannt,
sondern dem fertig gebrannten Gefäße aufgemalt (Abb. 56). Es ist erstaunlich,
welchen Reichtum an Erfindung und malerische Wirksamkeit diese in der
Technik so einfachen Vasenbilder aufzuweisen haben. Selten sind mit so ein-
fachen Mitteln so vorzügliche dekorative Malereien geschaffen worden.
Den andern Höhepunkt der Kunsttöpferei bildet die PORZELLAN-
MANUFAKTUR. Sie verdankt ihre hervorragende Stellung den vorzüglichen
technischen und ästhetischen Qualitäten des von ihr verwendeten Materials:
Kein anderes ist wie dieses in der Herstellung so bildsam, in fertigem Zu-
stande so leicht, durchscheinend, in der Masse durch und durch weiß, völlig
hart und wasserundurchlässig.
Abb. 55. Griechische schwarzfigurige
Amphore im Vatikan in Rom.
Abb. 56. Griechische rotfigurige Henkel-
vase im k. k. Hofmuseum in Wien.
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101
Abb. 57. Chinesische Porzellanschüssel Abb. 58. Nymphenburger Porzellanteller
aus dem 17. Jahrhundert, im kgl. Kunst- um 1770, im kgl. Kunstgewerbe-Museum
gewerbe-Museum in Berlin. in Berlin.
Der Ursprung des Porzellans ist in China zu suchen. Dort stand von
jeher die Kunst der Töpferei in hoher Blüte. Man fabrizierte ein vorzügliches,
aber dickwandiges Steingut. Noch vor dem Ende des ersten Jahrtausends
unserer Zeitrechnung war die Herstellung des eigentlichen Porzellans
geglückt, und die Formen der Steinguttöpferei und vor allem der hochent-
wickelten Bronzegefäßkunst wurden auf dieses übertragen (Abb. 31, 32).
Die Blaumalerei unter der Glasur, welche hier zuerst ihre Anwendung fand,
wurde dann von den westasiatischen Völkern, besonders von den Persern,
für ihre eigenen Fayencetöpfereien verwendet (Abb. 51); auch in der Form
waren diese vielfach von China abhängig.
Vereinzelte Porzellangefäße kamen früh nach Europa und erregten
hier Aufsehen. Aber eine größere Bedeutung bekam der Import chinesischen
Porzellans erst nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien. Es wurde
bald zu einem begehrten, aber kostspieligen Artikel. Die europäischen Fürsten
waren darauf erpicht, möglichst viele schöne und große Porzellangefäße
aufzustellen und zu benützen. Der europäische Geschmack veranlaßte
dann auch eine eigentliche Exportindustrie in China: Das Porzellan wurde
mit europäischem Dekor versehen, wobei Kupferstiche aller Art als Vor-
lagen dienten; riesige Prunkvasen wurden eigens für die europäischen
Abnehmer hergestellt.
Es ist klar, daß man in Europa schon früh Anstrengungen machte, selbst
Porzellan herzustellen. Dies gelang aber erst dem Alchymisten Johann
Friedrich Böttger in Dresden im Jahre 1707. Unter seiner Leitung wurde
noch im gleichen Jahre die erste europäische Porzellanfabrik eröffnet,
und bald entstanden da und dort kleinere und größere Porzellanmanufakturen,
102
Abb. 59. Venezianische Glaser. Arbeiten des Abb. 60. Venezian. Gießkanne aus
17. Jahrhunderts. Filigranglas. Arbeit des 17. Jahrh.
denen das Geheimnis der Porzellanbereitung durch entlaufene Arbeiter der
Dresdner, später Meißner Manufaktur verraten worden war (Abb. 58).
Die Kunst des Rokoko war dem zierlichen und feinen Porzellan merk-
würdig wesensverwandt. Und es ist kein Wunder, daß gerade sie für dieses
köstliche Material die schönsten Formen erfunden hat. Nicht nur Gefäße
und Geräte wurden nun aus Porzellan hergestellt, sondern auch kleine
Figuren, welche bloß als Schmuck dienten. Der Bemalung wurde dabei
die größte Aufmerksamkeit zuteil. Die Farbenzusammenstellungen waren
sehr gewählt, die Muster überaus zierlich und dem Wesen des Materials
angemessen. Die dünn glasierte Oberfläche wurde durch feine Relief -
Ornamente belebt, so daß ein anmutiges Spiel von Reflexlichtern entstand.
Damit war die europäische Porzellankunst ihrer chinesischen Mutterkunst
ebenbürtig geworden; wenn sie auch nicht deren Originalität besaß, waren
doch ihre Schöpfungen von einem eigenen Geiste beseelt, und in ihrer
Art vollkommen (Abb. 57, 58).
In der Art der Herstellung und zum Teil in der Verwendung und in der
äußeren Erscheinung zeigt das GLAS mit der Kunsttöpferei eine große
Verwandtschaft. Auch es wird in weichem oder zähflüssigem Zustande
geformt und nachher erhärtet. Im Gegensatz zur Töpferei erfordert die
Erzeugung des bildsamen Zustandes eine große Hitze, während umgekehrt
die Erstarrung durch die Abkühlung ohne weiteres erfolgt. Die Gefäßkunst
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spielt beim Glas die Hauptrolle; dabei kommt zumeist die geschwungene
Form des zähflüssigen Materials zum Ausdruck. Neben der Gestaltung in
weichem Zustande, kommt noch die Ornamentierung durch Schneiden, Ätzen,
Bemalen und Färben in Betracht.
Die ältesten Glasgefäße finden sich in Ägypten, von wo aus sich die
Technik nach den vorderasiatischen und europäischen Ländern verbreitete. Be-
sonders die altrömische Glasindustrie erreichte eine hohe technische Vollendung.
Während des Mittelalters ist die Glastechnik ziemlich in Vergessenheit
geraten. Verstanden auch die Byzantiner und vor allem die Sarazenen
noch schöne Gefäße herzustellen und sie mit eingebrannten Emailfarben zu
schmücken, so sind dagegen die Arbeiten des Abendlandes von relativ
untergeordneter Bedeutung.
Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Glasindustrie erst in
Venedig, wo seit dem 16. Jahrhundert wunderbar feine, bizarr aber doch
geschmackvoll gestaltete Gläser hergestellt wurden, die so gebrechlich er-
scheinen, daß sie recht eigentlich nur den Bedürfnissen der geräuschlosen,
von keinem Wagengepolter erschütterten Lagunenstadt entsprechen. Die
durchsichtigen, weißen oder bunten, oft wie mit feinem Goldstaub über-
puderten Kannen, Kännchen, Pokale sind mit zierlichen, wunderbar ver-
schlungenen Henkeln oder Füßen versehen, die, solange sie noch weich
waren, durch Kneifen mit einer Zange eine eigentümlich phantastische
Form erhalten haben (Abb. 59). Andere venezianische Gläser zeigen weiße
oder bunte Fäden in der Glasmasse (Abb. 60).
Abb. 61. Schlesische Gläser aus der Zeit von 1720 — 1750, im kgl. Kunstgewerbe
Museum in Berlin.
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104
Die Formen der deutschen Gläser des 16. und 17. Jahrhunderts
haben keinen besonderen Kunstwert; die Glasmasse ist meist trübe, ins
Grünliche spielend. Interessant werden sie aber durch die Emailmalereien,
mit denen sie geschmückt sind; die Farben sind durch Einbrennen befestigt.
Aus dem Ende des 16. Jahrhunderts besitzen wir zahlreiche Humpen, die
mit bunten Wappenmalereien verziert sind. Besonders beliebt sind die
Wappen des Deutschen Reiches und seiner hervorragendsten Fürsten.
Seit dem 17. Jahrhundert blüht die böhmische Kristallglasfabrikation,
deren künstlerische Bedeutung nicht nur in dem ausgewählt schönen Material
zu suchen ist, sondern hauptsächlich auf der Geschicklichkeit beruht, mit
der die Gefäße durch Schleifen dekoriert sind. Das Harte, Scharfe und
Klare des Materials kommt gerade bei dieser Dekoration, die etwas steif
und starr ausfällt, vollkommen zum Ausdruck (Abb. 61). In neuester Zeit
ist das Glas mehr malerisch behandelt worden; besonders tritt die farbige
Behandlung in den Vordergrund. In der Beleuchtungstechnik werden die
farbigen Glasflüsse zu prachtvollen Effekten benützt, wobei mehr das
Material selbst als seine Form wirksam wird.
Die Verwendung farbiger Glasstücke zu Mosaikbildern und die Glas-
malerei wird im Zusammenhange mit der Malerei behandelt werden.
Die Verarbeitung der METALLE zu Gefäßen und Geräten, Schmuck-
und Nutzgegenständen aller Art geht im Prinzip ähnlich vor sich wie die
Glasfabrikation: Durch Schmelzen und Schmieden, durch Gravieren und
Schneiden des gehärteten Metalls werden Formen und Schmuck erzeugt.
Dazu kommt nun noch die Kunst des Treibens, das Bearbeiten mit dem
Hammer in festem Zustande, das Gießen und Prägen und neuerdings die
Gewinnung galvanischer Niederschläge.
Aber nicht nur die Formen des Metalls werden auf diese mannigfache
Weise zu ästhetischer Wirksamkeit gebracht, sondern das Material selbst
ist durch seinen Glanz und seine Farbe fähig, unser Auge zu erfreuen. Die
Technik muß freilich diese Vorzüge des Materials auszunützen verstehen.
Die Widerstandsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse aller Art machen das
Metall zu einem beliebten und unentbehrlichen Material für alles, dem eine
starke Abnützung droht oder was zu einer langen Lebensdauer bestimmt ist.
Neben der rein plastischen Bearbeitung kommt auch die tektonische
in Betracht: das Zusammenfügen einzelner Teile, die Herstellung ganzer
Behältnisse und Möbel, ja ganzer Bauten fällt unter diesen Begriff.
GOLD UND SILBER wurden wegen ihrer schönen Farbe, welche unter
der Oxydation nicht zu leiden hat wie die der anderen Metalle, sehr gern
verarbeitet. Doch das seltene Vorkommen setzte ihrer Verwendung enge
Schranken. Nur für den Schmuck und das Tafelgerät der begüterten Klasse,
für die Repräsentationskunst der Kirche und der weltlichen Mächte kamen
diese kostbaren Materialien in Betracht.
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Abb. 62. Silberner Reliquienschrein, rheinländische Arbeit aus dem 13. Jahrhundert,
in der Kirche zu Beckum.
Die Goldschmiedekunst des Altertums stand technisch und künstlerisch
auf hoher Stufe. Besonders die Kunst des Treibens und Gravierens, aber
auch die des Gießens und Schmiedens wurden meisterhaft ausgeübt. Antike
Schmuckgegenstände und Tafelgeräte, welche da und dort gefunden worden
sind, beweisen das zur Genüge.
Aber auch die Goldschmiedekunst des Mittelalters stand auf hoher
Stufe. Erscheint die Form der von den germanischen und keltischen Völkern
geschaffenen Goldarbeiten, vorzüglich Schmuckgegenständen, auch noch
roh, so ist die Arbeit, besonders die Ausführung der Filigranverzierungen,
doch ganz vortrefflich zu nennen. Freilich sind nur wenige Proben dieser
heidnischen Kunstleistungen uns erhalten, nur Schmuckstücke, die ent-
weder den Toten ins Grab mitgegeben wurden oder vergraben und ver-
gessen worden waren, um erst heute wieder ans Tageslicht befördert zu
werden. Nur ein verschwindend kleiner Teil der frühmittelalterlichen
Goldschmiedearbeiten hat sich in unsere Zeit hinübergerettet. Der Wert
der Edelmetalle reizte die Habgier, und was den Kriegsstürmen, den Geld-
nöten nicht zum Opfer fiel, wurde umgeformt, um, den jeweiligen Stil-
richtungen entsprechend, eine neue, moderne Gestalt zu erhalten.
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Abb. 63. Silberne vergoldete Becher, süddeutsche Arbeit des 16. Jahrhunderts, im
Rathause zu Regensburg.
Erst seit dem 12. Jahrhundert ist eine größere Zahl von Goldschmiede-
werken, der überwiegenden Mengenach für kirchliche Zwecke bestimmt, in den
Kirchenschätzen oder Museen erhalten. Wir wissen jedoch, daß an den Fürsten-
höfen prächtige Schmucksachen, Goldbroschen, Armbänder und Ohrringe ge-
braucht wurden, daß silbernes und goldenes Tafelgeschirr und kostbare Tafel-
aufsätze bei festlichen Gastmählern die Tische schmückten. Alle diese Kunst-
werke sind eingeschmolzen worden, teils um das Edelmetall wieder in Geld
umsetzen zu können, teils um zu neuen Formen umgestaltet zu werden.
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Abb. 64. Silberner Willkommbecher; Abb. 65. Silberne Schokoladenkanne,
Stockholmer Arbeit um 1730, i. Nordischen englische Arbeit um 1777, im Victoria- und
Museum in Stockholm. Albert-Museum in London.
Die tektonischen Gebilde der mittelalterlichen Goldschmiedekunst
schließen sich eng an die Architekturformen an, besonders die kirchlichen
Schreine und Behälter sind oft genaue Kopien im kleinen von Architektur-
teilen und ganzen Gebäuden (Abb. 62).
Die so hergestellten Werke werden noch mit Emaillierungen oder
Figuren verschönert, die, rund getrieben oder nur im Relief gearbeitet,
oft auch mit farbigem Email überzogen sind. Edle Steine, im frühen Mittel-
alter zumal geschnittene Kristalle, Karneole, Onyxe oder Topase, die aus
der Römerzeit noch als Kostbarkeiten bewahrt worden waren, setzt man
zum Schmucke reicherer Kunstwerke gern ein. Glatte Flächen des Metalls
werden durch eingeschnittene Verzierungen, Gravierungen belebt. So ist
der Goldschmied ein Meister, der tüchtig zeichnen und modellieren gelernt
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haben muß, der von der Baukunst einiges versteht, mit der Gußtechnik,
mit dem Grabstichel umzugehen weiß. Dies erklärt, daß die Gold-
schmiede diesseits der Alpen, wo strenge Zunftordnungen die Gebiete der
einzelnen Handwerkszünfte abgrenzten, zugleich als Münzstempelschneider
und als Siegelstecher tätig waren, daß von ihnen wahrscheinlich die Kupfer-
stichkunst erfunden, jedenfalls aber zuerst praktisch geübt worden ist.
Hatte bis in das 16. Jahrhundert die Goldschmiedekunst hauptsächlich
für die Kirche gearbeitet, so werden seit dieser Zeit die erhaltenen Denk-
mäler der Profankunst zahlreicher (Abb. 63).
Dahin gehören die mannigfach gestalteten Pokale und Trinkgefäße;
bald sind Figurenreliefs in getriebener Arbeit auf ihnen angebracht, bald
Emaillierungen eingeschmolzen. Nautilus- und seltene Schneckenschalen.
Kokosnüsse oder Straußeneier werden zu Trinkgefäßen kostbar und mit
vollendetem Geschmack gefaßt. Tafelaufsätze aus Edelmetall dürfen bei
dem vornehmen Festmahle nicht fehlen. Vor allem aber legte jene Zeit
Wert auf künstlerisch geformten Schmuck. So werden goldene und silberne
Gürtel und Ketten geschmiedet, für die Männer fein ziselierte Griffe und
Scheiden der Paradeschwerter und Dolche, für die Frauen die aufs mannig-
fachste gestalteten, mit Edelsteinen und Perlen besetzten, mit Emailschmelz-
werk verzierten Kollieranhänger.
Die Goldschmiedekunst der Barockzeit gefällt sich in schweren,
breitflüssigen Formen, welche dem glänzenden Material vielleicht noch
besser angepaßt sind als die oft allzu reichen, fast kleinlichen Formen der
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Abb. 66.
Antike Bronzegefäße im Museo nazionale in Neapel.
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Abb. 67. Deutsche und flandrische Bronzekanne aus dem 15. Jahrhundert, im
kgl. Kunstgewerbe-Museum in Berlin.
Renaissance (Abb. 64). Die Aufgaben bleiben im wesentlichen dieselben, auch die
Technik fügt nichts Neues hinzu. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts macht
sich ein Zurückgehen der Goldschmiedekunst in der Verwendung für Trink-
gerät bemerkbar: Das Glas, zum Teil auch das Porzellan, tritt mehr und
mehr an die Stelle der Edelmetalle. Dafür schafft die Taschenuhrenindustrie,
die Toilettenbedürfnisse und die Vorliebe für Dosen, Fläschchen, Anhänger,
Notiztäfelchen, Berlockes und andere Kleinigkeiten neue Formen und
Arten der Goldschmiedekunst.
Die kriegerische Zeit steht der Entstehung größerer Gegenstände aus
Edelmetall feindselig gegenüber; Ludwig XIV. ließ die kostbaren silbernen
und goldenen Tische, Leuchter, Vasen und Tischgeräte, die er einst selbst
hatte anfertigen lassen, in die Münze wandern; die Revolution zerstörte
das Wenige, was noch übrig geblieben war. Die kirchliche Goldschmiede-
kunst hatte nur indirekt unter dieser Not zu leiden: Es wurde wenig Neues
geschaffen, aber das Alte wurde nur in wenigen Fällen angetastet.
Zur Zeit des Klassizismus werden auch die Formen der Goldschmiede-
arbeiten schlichter, zeigen aber einen hohen Grad von Eleganz trotz einer
gewissen Nüchternheit und Armut an Erfindung (Abb. 65).
Die heutige Goldschmiedekunst sucht dem Material seine schönsten
Seiten abzugewinnen: Breite Flächen und Buckel, leicht gehämmert oder
völlig glatt; andere Goldschmiede zeigen im Gegenteil, wie fein sich Gold
und Silber modellieren läßt. Dabei machen die Meisterwerke der alten Gold-
schmiedekunst natürlich ihren Einfluß geltend.
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Daneben sind freilich noch eine beträchtliche Anzahl von Goldschmieden
tätig, die alte Formen genau kopieren, ohne dabei zu bedenken, daß sie damit
ihrer Kunst das größte Armutszeugnis ausstellen; oder gar solche, welche
die Naturform ihrer Vorbilder (seien es Menschen, Tiere, Pflanzen oder
Kulturerzeugnisse) in Gold und Silber nachbilden, ohne die Stilform des
Materials zu berücksichtigen. Die Ehrengeschenke und Siegerpreise, welche
als die Hauptaufgaben der heutigen Goldschmiedekunst erscheinen, sind
leider meistens von der letzten Art.
Das KUPFER wird selten rein verwendet, da es nicht leicht zu bearbeiten,
vor allem für den Guß unbrauchbar ist; nur die Treibarbeit eignet sich für
dieses Metall. Oft ist die Kupferarbeit vergoldet worden, um so ein Surrogat
für die Goldschmiedekunst zu bieten. Die Kirchenkunst des Mittelalters
bietet dafür eine stattliche Zahl von Beispielen. Im 16. und 17. Jahrhundert
finden wir kupferne Kessel, Kannen, Schalen und Prunkteller, fast aus-
nahmslos getriebene oder gravierte Arbeiten. Das Innere derselben ist
verzinnt, um das Entstehen von Grünspan zu verhindern. Die Formen sind
der Technik entsprechend breit und flächig behandelt. In neuester Zeit
werden Kupferreliefs auf galvanischem Wege gewonnen, welche aber
keinen selbständigen Kunstwert besitzen.
Die BRONZE, eine Legierung von Kupfer und Zinn, wurde schon in
vorhistorischer Zeit verwendet, da sie sich vorzüglich gießen läßt. Dabei
ist sie hart und geschmeidig, so daß sie poliert und ziseliert werden kann.
Das Messing, bei welchem Kupfer und Zink vermengt werden, zeigt ähn-
liche Eigenschaften.
Die antike Kunst fertigte einen großen Teil ihrer Geräte und Gefäße aus
Bronze: Dreifüße, Lampen, Kandelaber, auch ganze Möbel und Bauteile
(Abb. 66).
In Byzanz, wohin die Bronze von Rom aus eingedrungen war, wurde
sie unter orientalischem Einfluß flach bearbeitet, während das Abendland
im Mittelalter mehr die plastische Gestaltung und Verzierung zur An-
wendung brachte. Der Bischof Bernward von Hildesheim (gest. 1022)
machte sein Kloster zu einer Pflegestätte der Bronzekunst. Kirchliche
Geräte aller Art wurden in dieser Technik ausgeführt: Leuchter, Gitter,
Türen (Abb. 26), Thronsessel, Gießgefäße in den abenteuerlichsten Formen
(Abb. 67), Taufbecken und anderes.
Zur Zeit der Renaissance nahm die Bronzekunst besonders in Italien
einen neuen Aufschwung. Die plastische Behandlung wiegt vor; das klas-
sische Altertum wirkt auf die Bronzekunst ebenso stark ein wie auf die
Architektur. Formen von Menschen, Tieren und Phantasiegeschöpfen
werden vielfach zum Schmuck der Bronzegeräte verwendet. Die Türklopfer
und Handleuchter sowie die vielen Aufgaben der Kleingerätkunst finden
einen klassischen Ausdruck in der Bronzekunst der italienischen Renaissance.
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Abb. 68. Zinngefäße um 1600; die Kanne eine Arbeit von Francis Briot, die
Krüge Straßburger Arbeit.
Die deutschen Rotgießer nahmen die italienischen Anregungen zum Teil
auf und bildeten sie selbständig weiter.
Bemerkenswert sind die Bronze- und Messingverzierungen, welche im
18. Jahrhundert an den Ecken und Kanten der Möbel als Griffe und Schloß-
bleche Verwendung fanden (Abb. 33). Sie wurden im Stil der Zeit sorg-
fältig modelliert und gegossen: Als Rokokoschnörkel, in der klassischen Zeit
als Architekturglieder, Säulen, Karyatiden, Hermen und Löwen. In der
Empirezeit wurde mit massigen und überreichen Bronzebeschlägen geradezu
Mißbrauch getrieben. Kein Teil der Möbelkunst wurde von ihnen ver-
schont. Unsere Zeit verwendet die Bronze vor allem für die Beleuchtungs-
körper und das Kleingerät, wobei die neueren Tendenzen auf eine zweck-
dienliche Gesamtform das Hauptgewicht legen und mit plastischem Schmuck
sparsam umgehen.
Das ZINN eignet sich vortrefflich für den Guß, wird aber auch graviert
und getrieben. Obwohl seit den frühesten Zeiten bekannt, war es wegen
seiner Seltenheit nicht geeignet, im Rahmen des Kunstgewerbes eine größere
Rolle zu spielen, bis dann im 15. Jahrhundert im Erzgebirge und in Indien
eine größere Menge dieses Metalls auf den Markt kam. Im 15. und 16. Jahr-
hundert wird besonders in Deutschland und Frankreich die Zinngießerei
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Abb. 69. Italienische Tauschierungsarbeiten des 16. Jahrhunderts, im Museo d'arte
industriale in Mailand.
zu hoher Blüte gebracht. Tafelgeschirr und Kirchengefäße wurden in dieser
Technik hergestellt, nicht nur als Gebrauchsgegenstände, sondern auch
als Prunkgefäße mit reichem Reliefschmuck (Abb. 68).
In der Barock- und Folgezeit wurde die Zinngießerkunst weiterhin,
wenn auch nicht mit dem Erfolge wie zur Zeit der Renaissance, betrieben.
Zum Teil mußten ihre Erzeugnisse als Ersatz für die Silberschmiedearbeiten
dienen, welche, wie oben ausgeführt wurde, aus ökonomischen Gründen
darniederlag. Dabei wurden auch die Formen von der Silberschmiede-
kunst übernommen. Heute ist das Zinn zumeist durch andere Materialien
verdrängt worden; nur in der verfeinerten und widerstandsfähigeren Gestalt
des Kayserzinns wird es zu Tafelgeräten verwendet.
Das EISEN nimmt unter den Metallen eine eigene Stellung ein, indem
es wohl stärker und widerstandsfähiger, aber mühsamer zu bearbeiten ist
als alle andern. So erklärt es sich, daß im Altertum wohl Gebrauchsgegen-
stände aus Eisen gefertigt wurden, die aber kaum einen künstlerischen Wert
113
Abb. 70. Oberlichtgitter. Französische Arbeit vom Ende des 17. Jahrhunderts, im
kgl. Kunstgewerbe-Museum in Berlin.
beanspruchen können. Von Verzierungen des Eisens konnte dabei gar keine
Rede sein. Auch die Germanen kannten schon früh die Kunst des Schmiedens;
kam auch vor allem in Betracht, daß sie Waffen, besonders Schwerter,
die jeden Anforderungen des Krieges entsprachen, zu arbeiten vermochten,
so wußten sie doch auch Zieraten geschmackvoll auszuführen, wie die in
Frankengräbern gefundenen eisernen Zierscheiben und Gürtelschnallen be-
weisen, die gewöhnlich noch mit Gravierungen geschmückt sind, Band-
geflechten oder tierähnlichen Motiven. Diese Gravierungen werden zuweilen
mit dem Grabstichel oder durch Ätzung in das Eisen vertieft und mit Silber
oder Gold ausgelegt. Die eingeschnittenen Linien sind dann mittelst des
Stichels nach den Seiten unten erweitert; legt man nun den Gold- oder
Silberdraht auf die Gravierung und hämmert ihn ein, so füllt er jene Er-
weiterung aus und läßt sich nun nicht mehr aus dem Eisenstücke loslösen.
Diese alte Technik wird im späteren Mittelalter wieder unter Einfluß
orientalischer Vorbilder in Italien angewendet. Man bezeichnet sie mit
dem Namen Tausia (Tauschierung) oder Azzimina. Die Einlagen von
Silber oder Gold werden entweder in der schon beschriebenen Art her-
gestellt, oder man vertieft die Stellen und macht sie rauh, so daß beim Ein-
hämmern das Edelmetall festhaftet, oder man entwirft auf dem glatten Eisen
mittelst eines gezahnten Rädchens die Zeichnung und hämmert die Silber-
blättchen ein, die sich dann an den rauhen Partien mit dem Eisen verbinden
(Abb. 69). In dieser Technik sind die indischen und persischen Teller und
Flaschen ausgeführt.
Aus Italien kam diese Kunstübung auch nach Deutschland und wurde
Schultz-Bernoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. 8
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114
Abb. 71. Prachtrüstung Christians II., Kurfürst von Sachsen. Augsburger Arbeit
des 16. Jahrhunderts, im kgl. historischen Museum in Dresden.
von den deutschen Waffen- und Plattenschmieden viel verwendet. Später
geht die Technik der Tauschierung ganz verloren; nur im Baskenlande
ist sie ununterbrochen geübt worden.
Die Schmiedekunst nimmt erst im Mittelalter einen bedeutenderen
Umfang und eine höhere ästhetische Bedeutung an. Ihre ersten beachtens-
UigitizGd by
115
werten Leistungen sind die Beschläge, welche oft die ganze Holzfläche mit
einem Netz von Ranken und Bändern überzogen (vgl. Abb. 25). Daneben
waren es kunstvolle Gitter, Wand- und Kronleuchter und Sakraments-
häuschen, welche aus Eisen geschmiedet und aufgebaut wurden. Die Arbeiten,
welche eine große Haltbarkeit erforderten und nicht aus der Nähe angesehen
werden wollten, erschienen für die Ausführung in Eisen besonders geeignet.
Die Renaissancezeit hat eine Menge der trefflichsten Schmiedearbeiten
aufzuweisen; die künstlich nach Art der Schreiberschnörkel verschlungenen
Gitter zu Umwehrungen, für Brunnenhäuser, zu Oberlichten über den Haus-
türen, die schönen Beschläge, die wir an den Türen und Fenstern alter Häuser
finden, die Wirtshaus- und Herbergen Wahrzeichen, die mächtigen Kandelaber
und Wandleuchter zeugen ebenso von dem Geschmack als von der technischen
Kunstfertigkeit der Schmiede des 16. Jahrhunderts. An den Barock- und
Rokokobauten sind die Schmiedewerke oft von vollendeter Schönheit,
dem architektonischen Stile angemessen und mit bewunderungswerter Ge-
schicklickheit ausgeführt (Abb. 70).
Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts verdrängte die Kunst das
Eisen zu gießen die alte Schmiedekunst mehr und mehr. Zunächst waren
die gegossenen Eisengeräte noch geschmackvoll, wenn auch, dem Stile
der Zeit entsprechend, recht nüchtern. Die eisernen Schmuckgegenstände
aus der Zeit der Befreiungskriege vermögen, was die Form und die sorg-
fältige Ausführung anbelangt, den Vergleich mit den Erzeugnissen der
Goldschmiedekunst wohl auszuhalten. Doch wird die Behandlung des
Gußeisens um so unkünstlerischer, je mehr sie sich unserer Zeit nähert.
Die Arbeit für den Markt läßt auch hier das Gefühl für künstlerische Werte
völlig untergehen und richtet sich nur nach dem finanziellen Vorteil.
Mit dem Aufschwung des Kunsthandwerkes in den Achtziger] ahren
des 19. Jahrhunderts wurde auch die Schmiedeeisenkunst wieder zu Ehren
gezogen und hat seitdem nie mehr ganz aufgehört, für wichtigere Auf-
gaben verwendet zu werden. Die derbe und geschickte Handarbeit, welche
sie erfordert, läßt indessen nicht zu, daß sie allzu populär wird. Anderseits
wurde oft auch des Guten zu viel getan, indem man das Wesen des Schmiede-
eisens verkannte und es, statt kräftig und großzügig, in feinen, verkünstelten
Formen behandelte, die viel eher der Goldschmiedekunst angepaßt waren.
Eine Spezialität der Schmiedearbeit bildete das Plattnerhandwerk.
Kunstgerecht geschmiedete Rüstungen wurden erst seit dem 14. Jahrhundert
getragen: bis dahin hatte der Schmied nur den Eisenhelm zu fertigen gehabt.
Allmählich fing man an, auch den Leib, die Beine, die Arme durch passende
Eisenplatten zu schützen, bis dann gegen Mitte des 15. Jahrhunderts der
den ganzen Körper des Ritters unschließende Eisenharnisch aufkam, dem
man nicht unpassend den Namen Krebs gegeben hat. Diese aus blanken
oder braun, vielleicht auch blau angelassenen Stahlplatten gebildete Rüstung
wird nun oft künstlerisch ausgeschmückt, besonders wenn sie nicht in der
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Abb. 72. Dolchscheide in Eisen geschnitten. Süddeutsche oder Schweizer Arbeit
des 16. Jahrhunderts.
Feldschlacht, sondern zur Parade oder zum Turnier getragen werden sollte.
Die Azziministen zeichneten mit Silber- und Goldeinlagen zierliche Muster
auf den glatten Harnisch, oder derselbe wurde durch getriebene Arbeit mit
Reliefdarstellungen, Ornamenten wie Figuren geschmückt (Abb. 71).
Billiger stellte man die Verzierungen her, die durch Ätzung hervor-
gebracht wurden. Die Metallfläche wurde dann mit einem Ätzgrunde,
einem Überzuge von Harz oder Fett gedeckt und in diesen Ätzgrund skizzierte
nun der Künstler mit der Radiernadel die Zeichnung, so daß durch das
Zeichnen der Metallgrund bloßgelegt wurde. Will man den Hintergrund
der Ornamente tief ätzen, so entblößt man ihn ganz von dem schützenden
Ätzgrunde. Darauf läßt man Scheidewasser auf die so behandelte Zeichnung
wirken; alle vom Ätzgrund bedeckten Partien werden von demselben nicht
angegriffen, die bloßgelegten aber mehr oder weniger vertieft, je nach der
Dauer, während welcher das Scheidewasser wirkt. Füllt man nun diese
Tiefätzung mit schwarzer Farbe, so stehen die Ornamente blank auf dunklem
Grunde da. Diese Art der Stahldekoration ist noch bis zum Ende des 18. Jahr-
hunderts verwendet worden.
Seit dem Dreißigjährigen Kriege verschwinden die Rüstungen fast ganz;
sie bilden nur noch einen Teil der Galauniform eines Generals oder Fürsten,
und gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist auch diese Verwendung nicht mehr
gebräuchlich. Deshalb geht die Plattnerkunst schon gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts zurück und verschwindet in den folgenden Jahrhunderten voll-
ständig.
Mit der Plattnerkunst ist die der Eisenschneider verwandt. Man
liebte früher nicht bloß brauchbare Waffen zu haben, sondern erfreute sich
auch im Gegensatz zur heutigen Zeit an deren schönen Form und ihrer ge-
schmackvollen Verzierung. So wurden die Schwertgriffe, die Degengefäße,
die Spitzen der Degenscheiden, die Tragriemen mit in Eisen geschnittenen
Figuren und Ornamentalzieraten dekoriert, aber immer so geschickt, daß
der Reichtum des Schmuckes der Brauchbarkeit keinen Eintrag tat. Selbst
noch die Gefäße der Galanteriedegen wurden im 18. Jahrhundert von
tüchtigen Eisenschneidern aufs geschmackvollste gestaltet. Die Jagdwaffen,
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die Gewehre, Hirschfänger und Saufedern wurden oft prächtig ornamentiert;
besonderen Luxus aber trieb das 16. Jahrhundert mit den Dolchscheiden.
Dieselben waren mit Reliefs geschmückt; den Hintergrund schnitt man
aus, so daß die Bilder ä jour gearbeitet erschienen und von dem farbigen
Samtfutter, das die eigentliche Scheide bildete, sich nun wirkungsvoll ab-
hoben (Abb. 72). Meister, wie Hans Holbein d. J., haben Vorzeichnungen
zu solchen Dolchscheiden geliefert. Auch diese Kunst ist durch die fabrik-
mäßige Herstellung unserer Zeit verdrängt worden.
Wohl weisen die Körbe unserer modernen Offizierssäbel, die Gurt-
schließen und Helmbeschläge noch Zierate auf, spärliche Überreste der
einst so prunkvollen Kriegsausrüstung. Aber wenn man den Maßstab einer
Kunstleistung an diese Verzierungen anlegt, möchte man wünschen, daß
sie doch vollständig weggeblieben wären. Besser eine schmucklose Zweck-
form, als dieser unwürdige Aufputz aus gepreßtem Blech!
Diese Andeutungen mögen einen Begriff geben von der Vielgestaltig-
keit und Kompliziertheit der Techniken des Kunsthandwerkes. Die Möglich-
keiten, die einer Durchdringung der gesamten Handwerkszweige mit dem
Form-Adel der Kunst offen stehen, scheinen unbegrenzt. Darin zeigt sich die
ungeheure Wichtigkeit des Kunstgewerbes im Rahmen der übrigen Künste.
Keine andere Kunstübung hat einen annähernden Wirkungskreis auf-
zuweisen; freilich wird das einzelne Erzeugnis des Kunsthandwerkes auch
nicht die Bedeutung einer Schöpfung der freien Künste erreichen. Durch
die Zweckerfüllung sind ihm zu enge Schranken gezogen; und je willkür-
licher seine Formen sich gebärden, um so geringer wird die Aussicht auf
künstlerische Vollwertigkeit. Die Selbstverständlichkeit, der klarste Ausdruck
seiner Absicht, seines Materials, seines technischen Werdeganges, das alles
wiegt schwerer als die originelle Zierform.
Trotz dieser Wesensverschiedenheit des Kunsthandwerkes mit den freien
Künsten zeigt sich auf der andern Seite vielfach eine technische Verwandt-
schaft. Malerei und Plastik werden herangezogen, um die Schöpfungen
des Kunst hand werkes zu veredeln und zu verzieren. Die Techniken der
Malerei und der Plastik treten somit in eine unmittelbare Beziehung zu
denjenigen des Kunstgewerbes. Ja, man kann darüber im Zweifel sein, ob
ein technisches Verfahren, z. B. die Glasmalerei oder die Gobelinweberei,
dem Kunstgewerbe oder der Malerei zuzuweisen ist. In den Kapiteln:
Techniken der Malerei und der Plastik finden sich die Besprechungen der
mit dem Kunstgewerbe verwandten Arbeitsmethoden.
In allen Zweigen des Kunsthandwerkes ist seit den letzten 150 Jahren
ein allmählicher Niedergang des künstlerischen Wertes zu verzeichnen.
Und wenn heute Anstrengungen gemacht werden, der Vergröberung und
Effekthascherei solide, von künstlerischer Gesinnung getragene Qualitäts-
arbeit entgegenzuhalten, muß man sich doch sagen, daß diese Bewegung
nur kleine Kreise umfassen kann, denn einmal arbeitet der Künstler viel
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teurer als der traditionelle Musterzeichner und dann sind nur wenige fein-
fühlige Menschen empfänglich für das neue Kunstgewerbe. Freilich wird
durch das unentwegte Weiterkämpfen dieser kleinen Schar von Idealisten
auch ein gewisser Druck auf die Massenproduktion ausgeübt; und man darf
die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich diese in absehbarer Zeit ganz von
der künstlerischen Bewegung ins Schlepptau nehmen läßt.
Demgegenüber ist auf der ganzen Linie ein ungeheurer Aufschwung
in der Technik zu verzeichnen, welche heute ungleich rascher, billiger
und exakter arbeitet wie früher. Nur eins läßt die heutige Technik fast
überall zu wünschen übrig: Die Solidität. So erscheint der ganze Fortschritt
der Technik als ein Danaergeschenk, das uns Flitter- und Talmikunst
bietet, aber dauerhafte und künstlerisch wertvolle Arbeit verderben ließ.
Es ist keine Marotte, daß so viele Kunstfreunde sich mit alten Stücken aus-
statten. Sie wollen eine Leibgarde von ehrenfesten, wahrhaftigen Geräten
um sich sehen, keine aufgestutzten Windbeutel, welche bald den Dienst
versagen und unbrauchbar und unansehnlich werden. Darum ist die
Parole des neuen Kunstgewerbes eine zweifache: Vorwärts
und rückwärts I Vorwärts zu neuen Formen, welche
den neuen Lebensbedürfnissen und Gewohnheiten
in ebenbürtiger Weise dienen, rückwärts zu
der alten, handwerksmäßigen Gesinnung,
welche ehrlich und liebevoll im
Gedanken an den künftigen
Besitzer ihr Werk tut.
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1. Das Wesen der Plastik.
Die Plastik ist wie die Architektur eine Kunst der Raumgestaltung;
doch während bei jener der Innenraum als das Wesentliche angesehen
werden muß, ist es bei dieser vielmehr die konvexe, sich nach außen wölbende
Form, welche in Betracht kommt. Durch das Spiel von Licht und Schatten
und durch die Kontur des plastischen Bildwerkes ergeben sich Gesichts-
eindrücke, welche an unser ästhetisches Empfinden appellieren. Ein weiterer
grundlegender Unterschied zwischen der Plastik und den Erzeugnissen der
Architektur und des Kunsthandwerkes liegt darin, daß diese stilisierte Ab-
bildungen von wirklichen Organismen und leblosen Dingen schafft; jene
aber ihre Form allein Zweck und Schönheitsempfinden verdanken. Sind
die plastischen Arbeiten so ausgeführt, daß sie der Natur nachgebildet er-
scheinen und von allen Seiten beschaut werden können, so werden sie als
Rundplastik bezeichnet; ist dagegen das Werk so angelegt, daß es, gleich
wie ein Bild, nur von einer Seite betrachtet werden soll, daß der Hintergrund,
von dem sich die einzelnen Figuren abheben, eine mehr oder minder ebene
Fläche bildet, so nennt man es Relief, und je nachdem die Figuren
runder oder flacher aus dem Hintergrunde hervortreten, spricht man von
Hochrelief (Abb. 94) oder Flachrelief (Abb. 78, 79).
Die menschliche Gestalt darzustellen ist, wenn nicht die einzige, so
doch die Hauptaufgabe der Plastik, und zwar ist eine weit größere Kenntnis
des Körpers und seiner Struktur dazu erforderlich als bei den Werken der
Malerei, weil sich hier Fehler und Verstöße gegen die Wahrheit viel eher
bemerklich machen als bei einem Gemälde, bei welchem es auf ,, Richtig-
keit 4 4 weniger ankommt als auf malerische Qualitäten. Nicht allein in dieser
Hinsicht aber stellt man an ein plastisches Kunstwerk höhere Ansprüche:
man verlangt auch, daß Statuen, von allen Seiten betrachtet, immer eine
schöne Umrißlinie zeigen. Daß diesen Anforderungen nur schwer zu ent-
sprechen ist, daß manche gute Ideen diesen Rücksichten geopfert werden
müssen, liegt ja auf der Hand. Bei einem statuarischen Werke ist zudem
der Künstler genötigt, mit wenigen Figuren das auszusprechen, was er zu
sagen hat; er kann in einer Gruppe nicht über die Menge von Gestalten
disponieren, die dem Maler zur Verfügung steht; er muß auch mit wenig
Mitteln sein Ziel zu erreichen wissen (Abb. 94, 102).
Ursprünglich ist die Plastik an die Architektur gebunden; sie hat einzig
und allein die Aufgabe, die Werke des Baumeisters zu schmücken. Sorg-
fältig wird darum der Künstler erwägen, für welche Stelle sein Werk be-
rechnet ist; die Proportionen seiner Figuren werden sich strecken, selbst
über das Naturwahre hinaus, sobald sie hoch über dem Auge des Beschauers
ihren Platz finden sollen (Abb. 96) ; er wird mehr auf eine kräftige Wirkung hin-
arbeiten, wenn sein Werk nur aus der Ferne betrachtet werden kann (Abb. 80),
größeres Gewicht auf die Ausführung der Einzelheiten legen, so bald ein nahes
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Herantreten an die Arbeit möglich ist. Er wird wohl unterscheiden, ob seine
Arbeit im Freien einen Platz finden soll oder ob sie für einen Innenraum be-
stimmt ist, und dann wird er nicht verfehlen, die Beleuchtung mit in Betracht
zu ziehen. Die Beobachtung aller der hier nur angedeuteten Rücksichten setzt
den Künstler in den Stand, für den bestimmten Zweck ein möglichst wirk-
sames Werk zu schaffen.
Daß viele solche Arbeiten, herausgerissen aus der alten, wohlerwogenen
Umgebung oder in Gipsabguß geformt, in den Museen nicht mehr die rechte
Wirkung haben, ist ja leicht erklärlich. Ein plastisches Kunstwerk ist nicht
ein Möbel, das man ohne Schaden bald hierhin, bald dahin stellen kann;
es kann auch unter anderer Umgebung seine Schönheit bewahren, aber seine
rechte Bedeutung hat es nur an der Stelle, für die der Künstler es geschaffen.
Die Architektur bietet aber dem plastischen Kunstwerk nicht nur die beste
und passendste Stelle: sie gewährt ihm auch den schönsten und wirkungs-
vollsten Rahmen und Hintergrund (Abb. 91, 92, 101, 102).
Die Künstler des Altertums wie des Mittelalters und der Renaissance
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Abb. 74. Farbiges Wachsrelief eines Nürn- Abb. 75. Antike Kamee: Mars, in der
berger Ratsherrn, 1593, im germanischen Nationalbibliothek in Paris.
Museum in Nürnberg.
haben ihre Arbeiten ausgeführt für einen bestimmten, ihnen wohlbekannten
Zweck; sie haben sie nur übernommen, sobald ihnen eine Bestellung die
Sicherheit gewährte, den Lohn für ihre Mühe zu ernten; somit waren sie
in der Lage, alle jene eben skizzierten Rücksichten zu nehmen, und daß
sie dies taten, ist wieder ihren Werken selbst zugute gekommen. Der Künstler
der neueren Zeit kann in der Regel nicht so lange warten, bis ein Besteller
sich bei ihm meldet: er schafft, und da er das Werk doch verkaufen will,
so macht ihm die Wahl des Gegenstandes schon Schwierigkeiten, mit denen
die älteren Künstler nicht zu kämpfen hatten. Ist die Arbeit vollendet —
d. h. im Atelier ausgeführt, ohne jede Rücksicht auf die einstige Aufstellung
— und wird sie verkauft, so hängt es einzig von dem Käufer ab, ob das
Kunstwerk einen passenden Platz erhält; je weniger dasselbe einen eigen-
tümlichen Charakter trägt, je mehr es für alle möglichen Stellen verwendbar
erscheint, desto besser wird es sich präsentieren. Man muß eine solche Statue
im Garten, im Treppenhaus, im Boudoir, im Speisesaale aufstellen können,
und sie soll überall gut und schön aussehen. Welches Kunstwerk kann
allen diesen Ansprüchen gerecht werden ?
Das schlimmste aber sind die öffentlichen Denkmäler, die wie Brief-
beschwerer auf die Plätze unserer Städte gestellt werden, ohne daß die
Umgebung nur die geringste Beachtung erhält. Und wenn eine solche
Statue noch viel größer wäre, sie würde auf einem großen Platze winzig,
unbedeutend erscheinen, während sie, an der Fassade eines öffentlichen
Gebäudes angebracht, auf die Wangen der Auffahrt, im Treppenhause
eines Palastes oder in einer Nische, im Einklang mit der Architektur auf-
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i
Abb. 76. Doppeltaler Kaiser Maximilians I. Abb. 77. Medaille des Dichters Philipp
vom Jahre 1509, im germanischen Museum Marerano von Giovanni Boldu (um 1457),
in Nürnberg. in der Nationalbibliothek in Paris.
gestellt, einen bedeutenden Eindruck hervorbringen kann. Das gilt nicht
nur von den schwarzen Bronzemännern, die jetzt allerorten zum Andenken
an berühmte Männer und solche, die es werden sollen, errichtet werden,
und die kaum von Fremden beachtet werden. Auch die meisten Steinfiguren
entbehren eines guten, ruhigen Hintergrundes, der ihre Modellierung klar
zum Ausdruck kommen läßt. Die Rokokokünstler verstanden ihre Auf-
gabe besser, wenn sie ihre Marmor- und Sandsteinstatuen gegen die dunkeln
Wände der geschorenen Taxushecken setzten. Die Skulptur bedarf des
Anschlusses an die Architektur, und je mehr sie ihn sucht und benutzt,
wird sie dadurch selbst gewinnen.
Sind der Form des plastischen Kunstwerkes auf diese Weise durch seinen
Standort oder durch seine Bestimmung in ihren Grundzügen und Dimensionen
bestimmte Grenzen gesetzt, so bestimmt das Material die Art der Umriß-
führung, die Behandlung der Oberfläche und die Ausgestaltung der Einzel-
formen. Die Art und Weise, in welcher das geschieht, wird unten im Zu-
sammenhang mit den einzelnen Materialtechniken erörtert werden. Auf
dieser Grundlage schafft der Plastiker frei nach seiner Phantasie: Der Stoff,
den das Kunstwerk behandeln soll, das Gewand, in welches er ihn einzu-
hüllen beliebt, das ist seine Angelegenheit, gegebenenfalls die des Auftraggebers.
2. Die Aufgaben der Plastik.
Obwohl die Plastik keinem Bedürfnisse Untertan ist wie ihre Schwester-
künste, die Architektur oder das Kunstgewerbe, wird sie sich doch in ihrer
Eigenschaft als Schmuck einem gewissen Zwecke unterordnen müssen.
Schmücken ist ihr Beruf: Alles bekommt durch sie eine erhöhte Bedeutung,
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Abb. 78. Ägyptisches Flachrelief: Opfernder Abb. 79. Assyrisches Flachrelief : Krieger.
König, im Britischen Museum in London. Aus dem Palast des Königs Sargon in
Khorsabad, im Louvre in Paris.
ein schöneres Aussehen. Und wie man über dem Schmuck oft den Gegen-
stand vergißt, der geschmückt werden soll, so auch hier: Oft genug kommt
es vor, daß der plastische Schmuck an künstlerischer Bedeutung das Bau-
werk übertrifft, um dessentwillen er geschaffen wurde.
Tritt die Plastik in einen engen Zusammenhang mit den Erzeugnissen
der Architektur und des Kunsthandwerkes, so verliert sie ihre Naturform;
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sie paßt sich in ihrem ganzen Rhythmus, in ihrer ganzen Formengebung
dem zu schmückenden Kunstwerke an (Abb. 78 — 80, 89 — 91, 94,95). Sie wird
DEKORATIVE PLASTIK im engern Sinne. Sie steht als stilisierte Kunst in
einem gewissen Gegensatze zur frei bildenden Plastik, welche sich, soweit
es das Material erlaubt, an die Naturform ihres Modells anschließt (Abb. 85,
86). So macht sich die dekorative Plastik einerseits völlig unabhängig
von den Formen der Natur (man darf sie also ja nicht etwa auf die Natur-
treue hin beurteilen), andererseits wird sie den Gesetzen Untertan, welche
der Zweckkunst ihre Schranken setzen. Und mit der Freiheit der Gestaltung,
welche der Natur keine Rechenschaft schuldig ist, geht die Freiheit in der
Auswahl der Motive Hand in Hand. Die dekorative Plastik kann schlechthin
alles in den Rahmen ihrer Wirksamkeit hereinziehen, vom inhaltlosen
Ornament, das nur als Schmuck Sinn und Berechtigung hat, bis zum er-
zählenden Relief, das wohl als belebte Fläche dekorativ wirksam ist, das
Hauptgewicht aber auf seinen Inhalt legt: Landschaft, Städtebild, Menschen
und Tiere, alles das findet man hier, wenn auch in vereinfachter Form.
Meist im Zusammenhang mit der Architektur finden die IDEAL- und
KULTSTATUEN ihre Aufstellung. Sie dienen dann zur Belebung des ganzen
Architekturwerkes, sind aber durchaus selbständig in ihrem künstlerischen
Charakter. Durch die allgemeine und unpersönliche Haltung bilden sie
indessen keinen großen inneren Kontrast zu dem Wesen des Bauwerkes,
zu dessen Schmuck sie verwendet werden. Sie sind insofern trotz der relativ
genauen Nachbildung der Naturformen wesensverwandt mit der rein de-
korativen Plastik (Abb. 83, 92, 93).
Erst in der PORTRÄTPLASTIK setzt sich die Befreiung von der
dekorativen Auffassung durch. Und auch diese Naturform wird nicht in
allen Einzelheiten nachgebildet, sondern das Wesentliche, das Persönliche,
wird in erster Linie herausgearbeitet (Abb. 87, 88). Dieses aber läßt sich
nur selten vereinen mit den Anforderungen der Dekorationskunst, die mehr
auf das Allgemeine, das Formale, hinzielen. Darum ist auch die dekorative
Verwendung von Porträtstatuen oder Porträtbüsten im Zusammenhang mit
der Architektur nicht immer glücklich; aber auf diesen Zusammenhang
verzichten, heißt der Porträtplastik ihren natürlichen Rückhalt nehmen
und dadurch ihre Wirksamkeit in Frage stellen. Die Aufstellung im intimer
wirkenden Innenraume, in irgend einer architektonischen Achse, wurde mit
der Aufstellung vor rein landschaftlichem Hintergrunde als gute und relativ
einfache Lösung dieses Konflikts von jeher bevorzugt.
Die KLEINPLASTIK, welche nicht an einen Aufstellungsort gebunden
ist, wird allein auf den Zusammenhang mit der Architektur völlig verzichten
können. In gewissem Sinne ist ihre Aufstellung immerhin noch von archi-
tektonischen Gesetzen abhängig, insofern sie nämlich zum Schmuck des
Innenraumes verwendet wird. Doch auch dieses ist nur bei größeren Stücken
möglich; die kleinen, handgroßen plastischen Kunstwerke wirken allein
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Abb. 80. Kolossalstatuen des Königs Ramses II. am Tempel von Ibsambul.
für sich. Bei ihnen ist auch die Freiheit von jeglichem architektonischen
Prinzip gänzlich zum Durchbruch gekommen. Das Stehen, bedingt durch
das Gesetz der Schwerkraft, ist das einzige, auf was ihr Aufbau Rücksicht
zu nehmen braucht (Abb. 106). Ja, bei den kleinsten plastischen Gebilden,
den Münzen und Medaillen, fällt auch diese Rücksicht nicht mehr in Be-
tracht (Abb. 76, 77). Da trägt das plastische Bildnis seinen Rahmen mit
sich. Und an die Stelle der architektonischen Zusammenhänge tritt die
Hand des aufmerksamen, für Schönheit empfänglichen Betrachters.
3. Die Materialtechniken der Plastik.
Um die Qualitäten eines plastischen Kunstwerkes voll und ganz würdigen
zu können, muß man billig die Natur des Materials in Betracht ziehen,
welche für die Ausführung von vornherein gewisse Beschränkungen auf-
erlegt; sodann wird die Kenntnis der technischen Schwierigkeiten, welche
bei der Herstellung des Kunstwerkes zu überwinden waren, immer für seine
Wertschätzung ins Gewicht fallen. Mehr wie jeder andere bildende Künstler
muß der Plastiker körperlich arbeiten. Es genügt nicht, daß er bloß eine
Zeichnung ausarbeitet und diesen Entwurf dem Handwerker zur Aus-
führung überläßt. Mindestens das Modell muß er eigenhändig ausführen
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Abb. 8 1. Ägyptische Holzstatue einer Frau, Abb. 82. Ägyptische Steinstatueeines
im Museum ägyptisch. Altertümer in Kairo. Mannes, im Louvre in Paris.
und das will bei einem einigermaßen umfangreichen plastischen Werke
etwas heißen. So bietet auch die rein technische Seite der Plastik Anhalts-
punkte zum verständnisvollen ästhetischen Genuß.
Plastische Kunstwerke aus GEBRANNTEM TON herzustellen, war eine
schon im Altertum wohlbekannte Kunst. Die ersten Bildhauer der Ägypter,
Babylonier und Griechen haben sich ihrer bedient; auch die Etrusker wußten
mit ihr umzugehen. Jedenfalls ist das Bildwerk, aus Ton geformt und durch
Brennen gegen die Verwitterung geschützt, immer der aus Holz geschnitzten
Arbeit vorzuziehen, die leichter durch Verbrennen oder Verfaulen der
Zerstörung ausgesetzt ist. Ehe das Werk der Glut ausgesetzt wird, muß
dasselbe ganz und gar ausgetrocknet sein, da die vorhandene Feuchtigkeit,
bei der Erhitzung in Dampf verwandelt, die Tonmasse sonst zersprengt,
jedenfalls aber Risse verursacht. Ein so gleichmäßiges Austrocknen einer
Tonmasse ist jedoch nur sehr schwer zu erreichen, und deshalb bemüht sich
der Künstler, die Tonschicht seines Bildwerkes möglichst dünn herzustellen.
Das läßt sich nun bei der Modellierung von Reliefs ohne große Mühe er-
reichen, indem man nach Vollendung der Arbeit die Rückseite, so viel es
erforderlich ist, aushöhlt; schwieriger wird sich dies ausführen lassen, wenn
eine größere Rundfigur hohl zu bilden ist. Dazu ist die Anfertigung eines
Tonmodells notwendig, welches genau in der Form und Größe ausgeführt
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Abb. 83. Athenestatue, im Akropolis- Abb. 84. Amazonenstatue von Polyklet
Museum in Athen, 6. Jahrh. v. Chr. (zweite Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr.), in
der Glyptothek in Kopenhagen.
wird wie das beabsichtigte Kunstwerk. Damit der Ton auch hält und nicht
zusammenbricht, wendet man bei kleinen Hilfsmodellen Stützen aus Drähten,
Holzsrücken und dergleichen an; bei größeren Werken sind den Bedürfnissen
entsprechend geformte Eisenstangen und Eisenschienen erforderlich. Der
Ton wird mit der Hand angetragen und dann die feinere Durchbildung
mit Modellierhölzern verschiedener Form bewirkt. Unerläßlich ist es nun,
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den Ton immer feucht und bildsam zu erhalten, da er leicht beim Trocknen
Risse bekommt und zerfällt; deshalb muß der Bildhauer ihn durch Be-
spritzen mit Wasser, durch Einhüllen in nasse Tücher gegen das Austrocknen
schützen. Von dem fertigen Modell wird nun eine Form abgenommen und
vermittelst dieser Form durch Eindrücken einer entsprechend starken Ton-
masse das Kunstwerk reproduziert; die einzelnen Teile werden dann
durch Zusammenpressen wieder vereinigt.
Als Kleinplastik sind die Terrakottafiguren des griechischen Alter-
tums von höchster Bedeutung. Sie wurden als Massenartikel hergestellt.
Der Ton wurde in zweiteilige Formen gestrichen und die beiden geformten
Hälften wurden dann aufeinander gepaßt und gebrannt. Die künstlerisch
hochstehende Form der Modelle und die sorgfältige Ausführung der ge-
formten Stücke lassen die antiken Terrakottastatuetten der Stein- und
Bronzeplastik des Altertums ebenbürtig erscheinen (Abb. 73).
Im großen Maßstabe ist die Tonplastik im Altertum und im Mittel-
alter selten verwendet worden: man zog es vor, größere Bildwerke, die
nicht aus Stein oder Metall gearbeitet werden sollten, in einer festen
Stuckmasse zu formen, die dann durch Bemalung ihre letzte Vollendung
erhielt. Größere Terrakottaarbeiten finden wir erst seit dem 15. Jahrhundert
in Italien. Teils sind dieselben bemalt, wie die zahlreichen Porträtbüsten,
die uns noch erhalten sind (Abb. 97) , oder sie zeigen ihre natürliche Farbe,
wie die mit der Architektur in Verbindung gebrachten Reliefs. Die Glasur
und die Bemalung mit Emailfarben wandte zuerst für größere Skulpturen
Luca della Robbia an (1399 bis 1482) (Abb. 95). Gewöhnlich übergießt
er die Figuren mit einer weißen Zinnglasur und färbt die Hintergründe
blau, verwendet aber zuweilen auch Gelb, Violett und Grün, zumal zur
Belebung der reizenden Blumen- und Fruchtgewinde, mit denen er seine
Werke zu schmücken liebt. Die Nachfolger des Meisters, sein Neffe Andrea
und dessen Söhne, haben diese Kunstweise noch mehr vervollkommnet.
In der Folgezeit hat die Terrakottaplastik nur relativ selten Verwendung
gefunden und auch heute handelt es sich nur um Versuche.
Die verschiedenen STEINARTEN waren von jeher die beliebtesten
Materialien der Plastik. Während die Ägypter ihre Kolosse aus Granit
oder aus dem ebenso schwer zu bearbeitenden Basalt meißelten und dies
harte und unbildsame Material mit bewunderungswürdiger Kunst zu be-
arbeiten verstanden (Abb. 78 > 82), haben die Griechen und Römer mit Vor-
liebe sich des MARMORS bedient, der verhältnismäßig leicht zu verwenden
ist und dem Künstler die allerfeinste und zarteste Ausführung gestattet
(Abb. 83—89). Wo dies schöne und edle Material dem Bildhauer zur Ver-
fügung steht, sehen wir auch die Plastik am herrlichsten sich entfalten.
Wenn wir die Arbeiten der Florentiner Bildhauer des 13. bis 15. Jahr-
hunderts mit denen der Meister diesseits der Alpen vergleichen, so müssen
wir immer den Faktor mit in Rechnung bringen, daß jene Künstler ihre
Schultz-Bernnulli, Die biWenden Künste. S. Aufl. 9
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Werke in Marmor schufen (Abb. 93),
die deutschen und französischen
Meister aber darauf angewiesen waren,
im besten Falle in Kalkstein, meist
aber in Sandstein zu arbeiten (Abb. 92)
Und in diesem Material ist es un-
möglich, eine solche Feinheit zu er-
zielen. Im 16. Jahrhundert hat man
dann für kleine Bildwerke vielfach
ALABASTER verwendet; allein so
leicht er sich bearbeiten läßt, besitzt er
doch zu wenig Härte, und so werden,
falls die Arbeit nicht sehr sorgfältig be-
handelt wird, bald die Details abge-
griffen und verschliffen. Auch der Mar-
mor ist nicht wetterbeständig; mit der
Zeit wird durch atmosphärische Ein-
flüsse die Oberfläche angegriffen und
dann nach und nach der Stein selbst zer-
stört. Wenn es schon in Italien nicht rat-
sam ist, Marmorstatuen ohne Schutz
der Witterung preiszugeben, so er-
scheint es um so gewagter, in einem
nördlicher gelegenen Landstrich, wo
Schnee, Frost und Eis noch die Zer-
Abb. 85. Faun und Bacchus; Statue der Störung befördern, dies zu versuchen,
hellenistischen Zeit, im Museo nazionale Marmor erscheint in dem grauen nörd-
m Nea P el - liehen Himmel grau und kalt, erheischt
eine häufige Reinigung und fällt dem Klima schließlich doch zum Opfer. Die
einheimischen Steinarten dagegen, besonders der poröse Muschelkalk,
bewähren sich ausgezeichnet in den von der Sonne nicht so freigebig heim-
gesuchten Himmelsstrichen. Sie passen in die Landschaft, erfordern keine
Pflege, und wenn sich die Spuren der Witterung auch an ihnen bemerkbar
machen, empfinden wir es viel eher als einen malerischen Reiz wie als eine
Zerstörung. In der richtigen Beurteilung dieser Tatsachen verwendete auch
die Gartenkunst des 17. und 18. Jahrhunderts nördlich der Alpen für ihre
plastischen Gruppen und Einzelstatuen häufig die einheimischen Stein-
arten; nur selten wurden Marmorwerke im Freien aufgestellt.
Der Marmorblock, aus welchem ein plastisches Kunstwerk ausgehauen
werden soll, hat den verschiedensten Anforderungen zu genügen. Vor allem
muß er ohne Sprünge sein, denn beim Bearbeiten vergrößern sich dieselben.
Dann aber sind Flecken und Adern im Stein dem Künstler sehr unwill-
kommen. Es macht doch einen störenden Eindruck, wenn das Gesicht der
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Figur oder sonst ein recht sichtbarer
Teil durch dunkle Flecken oder Streifen
entstellt ist. Bevor jedoch die Arbeit in
Stein ausgeführt wird, ist es üblich,
ein Modell anzufertigen. Ohne Modell
sofort aus dem Stein das projektierte
Werk herauszuhauen, wird selbst dem
begabtesten Künstler nur selten ge-
lingen, da leicht im Eifer der Arbeit
Steinstücke fortgemeißelt sind, deren
man später notwendigerweise bedarf.
Von Michelangelo wird erzählt, daß
er ohne Modell zu arbeiten liebte;
doch auch ihm ist infolgedessen mehr
wie eine Arbeit mißraten und unvoll-
endet geblieben (Abb. 99, 100).
Bei der Herstellung des Modells
muß der Bildhauer schon wohl er-
wägen, was sich im Stein auch wirklich
ausführen läßt. Im Modell werden frei
ausgestreckte Arme, sehr bewegte
Gewänder und Ahnliches durch die
Eisenstützen gehalten: bei der steiner-
nen Figur kommt es darauf an, ob die
Kohäsion des Steins so groß ist, daß
Abb. 86. Gallier und sein Weib. Statue der
hellenistischen Zeit, in der Villa Ludovisi
in Rom.
nicht ein Abbrechen so gefährdeter Teile zu befürchten ist. Was man un-
bedenklich dem Bronzeguß zumuten darf, kann man in Marmor nicht aus-
führen, und wenn die Griechen und Römer Bronzestatuen in Marmor
kopierten, sind sie häufig genötigt gewesen, die zu sehr exponierten Teile
durch eigens angelegte Stützen zu festigen. So ergibt sich für die Steinplastik
ganz von selbst ein geschlossener Umriß, der auf Silhouettenwirkung ver-
zichtet, während das Spiel von Licht und Schatten um so nachdrücklicher
ausgebildet wird (Abb. 104).
Die Übertragung des Modells auf den Stein geschieht in rein
mechanischer Weise mittelst des sogenannten Punktierens. Nach ver-
schiedenen Methoden werden zunächst die hervorragendsten Punkte des
Modells im Steinblock fixiert und nach und nach zieht sich das Netz der
Punkte immer enger, bis zuletzt alle wesentlichen Punkte im Stein fest-
stehen. Nun wird das dazwischen liegende überflüssige Material sorgfältig
weggeschlagen und zuletzt kommt die Feinarbeit, die besonders die Be-
handlung der Oberflächen ins Auge faßt. Dabei ergeben sich ungesucht
Verschiedenheiten zwischen Modell und Ausführung, indem die Material-
behandlung eine verschiedene ist. Und gerade die Feinarbeit, welche ge-
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Abb. 87. Römische Porträtbüste, Abb. 88. Römische Porträtbüste,
im Musee du Louvre in Paris. im Wallraff-Richartz-Museum in Köln.
wissermaßen die Handschrift, den Meißelschlag des Künstlers verraten soll,
kann für den Eindruck, den das Bildwerk macht, von der größten Bedeutung
sein. Wenn man bedenkt, daß gerade im 19. Jahrhundert diese wichtige
Arbeit als etwas Nebensächliches angesehen und vielfach italienischen Hilfs-
kräften überlassen wurde, versteht man es, da3 die Steinbildwerke dieser
Zeit in ihrer Glätte so unpersönlich und kalt wirken (Abb. 103).
Die farbige Behandlung der Steinbildwerke spielt bis zu Ende der Re-
naissance teilweise eine hervorragende Rolle. Bei Marmorarbeiten wurde
das Material wirksam gelassen und nur teilweise mit einem Farbenton
oder mit Vergoldung belebt. Die Sandsteinskulpturen des Mittelalters sind
meist bemalt. Die Gesichter der Statuen haben einen Fleischton; Wangen
und Lippen sind gerötet, die Augen gefärbt, die Haare oft durch Vergoldung
als blond bezeichnet; die Gewänder werden mit Farbe hervorgehoben, einzelne
Teile oder ganze Flächen vergoldet. Die polychrome Behandlung der Skulptur
ist in voller Harmonie mit der Bemalung der Architektur, und da sie nie
darauf ausgeht, eine Illusion der Wirklichkeit hervorzubringen, da sie sich
vielmehr darauf beschränkt, die Formen des Bildwerks klarer hervorzuheben,
als dies bei unbemaltem Stoffe die Licht- und Schattenwirkung allein ver-
mag, so dürften auch gegen diese Kunstgattung die vielfach geäußerten
Bedenken der Ästhetiker im allgemeinen nicht stichhaltig sein (Abb. 92).
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Seit dem 16. Jahrhundert hat man, beeinflußt durch die ausgegrabenen
plastischen Kunstwerke des Altertums, deren polychrome Behandlung
entweder im Laufe der Jahrhunderte zerstört oder wenigstens bis auf geringe
Spuren verloren gegangen war, die Ansicht festgehalten, daß ein rechtes
Skulpturwerk unbemalt sein müsse. Jetzt kann wohl kaum noch ein Zweifel
obwalten, daß die Griechen und Römer auch ihre Marmorskulpturen be-
malt haben (Abb. 83); trotzdem hat der Geschmack an unbemalten Skulp-
turen so feste Wurzel geschlagen, daß nur selten ein Künstler es wagt,
Farben zu verwenden.
Die Zusammensetzung von Skulpturwerken aus verschiedenartigem
Material wurde schon im Altertum an Stelle der Bemalung hin und wieder
angewendet. So finden wir vielfach Statuen, bei welchen die Augen aus
einem andern Material angefertigt und eingesetzt wurden. In der Barock-
zeit wurde diese Technik wieder stark zu Ehren gezogen und in den ver-
schiedensten Materialien ausgeführt. Heute werden besonders verschieden-
farbige Marmorarten miteinander kombiniert; Klingers Beethoven- Statue
war der erste Versuch dieser Art. Wenn auch vorauszusehen ist, daß diese
Technik nur in beschränktem Maße ausgeführt wird, so ist ihre Anwendung
doch ein Zeichen der Lebensfähigkeit und der mannigfachen künstlerischen
Möglichkeiten in der modernen Plastik.
Die HOLZBILDHAUEREI wurde in den meisten Fällen ohne Ton-
modell ausgeführt; von dem Holzklotz wurde zunächst mit groben Instru-
menten das überflüssige Holz weggehauen, bis die Skulptur in den Haupt-
formen herausgearbeitet war. Nun setzt die Feinarbeit ein mit Meißel
und Schnitzmesser, deren Spuren in der Oberfläche noch zu erkennen sind.
Hervorstehende Teile werden angesetzt und mit Klammern oder Ver-
zapfungen festgehalten, so daß die Fugen kaum zu erkennen sind. Das
Material läßt eine große Feinheit der Ausführung zu, so daß es sich be-
sonders für die Kleinplastik eignet, andererseits aber auch ein starkes Heraus-
arbeiten der einzelnen Teile begünstigt, das für die malerische Wirkung großer
plastischer Werke notwendig ist. So ist es möglich, aus Holz sehr belebte,
reich gegliederte, und bis ins einzelne scharf geschnittene Bildwerke her-
zustellen, Eigenschaften, welche besonders die deutsche Plastik des aus-
gehenden Mittelalters bevorzugte und infolgedessen der Holzbildhauerei
ganz besondere Aufmerksamkeit zuwandte (Abb. 94).
Eine hohe Blüte der Holzbildhauerei zeigte sich im alten Ägypten:
Leicht bemalte, beinahe lebensgroße Statuen von überraschender Lebendigkeit
zeugen von der scharfen Beobachtungsgabe, dem großen technischen Können
und der hohen künstlerischen Durchbildung ihrer Erzeuger (Abb. 81).
Die Holzplastik hat dagegen in Griechenland und Rom kaum eine Rolle
gespielt. Sie wird mit Eifer erst wieder im Mittelalter betrieben, und zwar
hauptsächlich in solchen Ländern, wo ein guter, für feinere Plastik geeigneter
Stein nicht beschafft werden konnte. So ist in Italien die Holzskulptur
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Abb. 89. Dekoratives Relief vom Forum Trajanum in Rom, im Lateran in Rom.
meist nur auf dekorative Arbeiten beschränkt, während in Deutschland
zahllose Statuen und Reliefs für die seit dem 13. Jahrhundert immer höher
emporwachsenden Altäre aus Holz angefertigt wurden (Abb. 94). Vielfach
sind auch die Triumphkreuze aus Holz gearbeitet, die seit dem 12. Jahr-
hundert beim Beginne des Chores an der Wölbung der Kirche angehängt
werden; sie stellen den gekreuzigten Heiland dar, zu seiner Seite Maria
und Johannes.
Wie die Steinplastik, so wurde auch die Holzplastik in Deutschland
vielfach farbig behandelt. Mit dem Meißel und dem Schnitzmesser wurde
das weiche Lindenholz, das man gewöhnlich verwendete, wenn die Arbeit
bemalt werden sollte, geformt und erhielt dann einen Überzug von Kreide-
grund, einer Mischung von Leim, Kreide und ein wenig Honig, der sie
länger schmiegsam erhielt. Dieser Kreidegrund wurde bis 2 mm stark
aufgetragen; damit er fest hafte, überzog man kostbare Skulpturen auch erst
mit grober Leinwand. Er wurde dann noch einmal sorgfältig durchmodelliert,
manches Detail nur in ihm ausgedrückt. Die so vorbereitete Schnitzerei
wurde nun bemalt: Einzelne Teile, Gewänder, Zieraten wurden mit einem
zinnoberfarbenen Goldgrunde noch besonders überzogen und dann mit den
dünnen, vom Goldschläger hergestellten Goldblättchen belegt. Die Malerei
ist eine völlige: alle einzelnen Teile des geschnitzten Werkes erhalten ihren
angemessenen Lokalton. Eine ganz beträchtliche Menge solcher geschnitzter
Altarschreine ist uns noch erhalten; einige unter ihnen sind in der Tat
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bedeutende künstlerische Leistungen, während der Kunstwert der über-
wiegenden Menge nicht sehr hoch anzuschlagen ist.
In Deutschland ist die Holzschnitzkunst dann noch bis in das 18. Jahr-
hundert hinein mit mehr oder minder Erfolg geübt worden. Zumal für die
Barockaltäre sind eine Menge Figurenskulpturen ausgeführt worden, die
bald einfarbig gehalten, bald mit Vergoldung und Farben ausstaffiert sind.
Das 19. Jahrhundert stand zunächst zu sehr im Banne der Antike,
um der Holzbildhauerei besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Aus-
führung in Stein wurde als die einzige Möglichkeit einer Monumental-
plastik anerkannt. So kam es, daß man an den alten Schnitzereien bloß
noch die Form schätzte, die Farben aber für eine barbarische Zutat hielt.
Und so wurden gerade die hervorragendsten Stücke mit grauer Ölfarbe an-
gestrichen, um ja dem klassischen Ideal nahe zu kommen.
Auch als eine freiere Kunstauffassung an die Stelle dieses extremen
Klassizismus trat, konnte sich die farbige Holzplastik keine Stellung mehr
unter den modernen Künsten verschaffen. Die Restaurationsarbeiten und
Nachbildungen im Stile des Mittelalters können kaum als ernsthafte Kunst-
werke aufgefaßt werden.
Dagegen war die farblose Holzplastik zu allen Zeiten beliebt. Die Klein-
plastik der Renaissance bevorzugte das harte Buchsbaumholz; die meisten
Goldschmiedemodelle wurden auf diese Weise angefertigt. Die Weihnachts-
krippen, welche im 18. Jahrhundert besonders in Italien in großen Mengen
hergestellt wurden, weisen eine Fülle kleiner Figuren auf, die füglich den
Anspruch darauf machen dürfen, als Werke der Kleinplastik im Rahmen
der Kunstgeschichte berücksichtigt zu werden. Die moderne Holzplastik
versucht sich in Genredarstellungen in kleinem Maßstab, vor allem aber
betätigt sie sich im Rahmen der dekorativen Künste.
Kunstwerke aus ELFENBEIN haben schon die Griechen angefertigt,
im großen Maßstabe führten sie Götterstatuen aus Gold und Elfenbein aus
und auch die Römer haben sich desselben, wenn auch nicht zu monumen-
talen, so doch zu Zwecken der Kleinkunst bedient, ja es sind uns eine ganze
Reihe geschnitzter Elfenbeintafeln aus spätrömischer Zeit erhalten ge-
blieben, Diptycha, die, mit Wachs an den Innenseiten bestrichen, ehedem
als kostbare Schreibtafeln dienten. In einer Hinsicht hat nämlich das
Elfenbein vor anderen wertvollen Materialien etwas voraus, daß es, einmal
geformt, kaum noch zu einem anderen Zwecke verwendet werden kann,
und diesem Umstände verdanken wir es, daß gerade Kunstwerke aus Elfen-
bein besser erhalten wurden als solche aus Gold, Silber oder sonst einem
kostspieligen Stoffe: umformen ließ es sich nicht und zum Fortwerfen war
es zu wertvoll.
So finden sich denn in öffentlichen wie in Privatsammlungen, in Kirchen-
schätzen und in den Kunstkammern der Fürsten noch eine recht ansehn-
liche Menge von Elfenbeinarbeiten vor, die uns oft selbst dadurch wichtig
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werden, daß sie uns eine Vorstellung von dem Zustand der Skulptur in
Zeiten ermöglichen, für die die größeren plastischen Kunstwerke uns jetzt
ganz fehlen. Das frühe Mittelalter fußt ganz auf der Technik und dem
Formenschatz des Altertums; freilich verdrängen die Darstellungen aus der
christlichen Glaubenslehre jene der antiken Götterwelt (Abb. 90). Aus dem
12. und 13. Jahrhundert besitzen wir neben den für die Kirche gefertigten
Werken Arbeiten, die dem Profangebrauch bestimmt waren: Schachspiele,
geschnitzte Schreibtäf eichen, Spiegelkapseln, Jagdhörner (Abb. 35). Besonders
reich an Elfenbeinschnitzereien ist das 14. Jahrhundert; zu den Diptychen, die
religiöse Darstellungen enthalten und die als Andachtsbilder verwendet
werden, gesellen sich Darstellungen des ritterlichen Lebens; kleine Truhen,
Minnekästchen werden mit Liebesszenen verziert.
Auch die Elfenbeinskulptur wird vielfach gefärbt: Spuren von Bemalung,
von Vergoldung haben sich hier und dort erhalten. Einen neuen Aufschwung
erhielt diese Kunst im 16. und 17. Jahrhundert: zahlreiche Prachtkruzifixe
werden von Künstlerhand geschnitzt; vor allem aber beginnt diese Kunst
jetzt für den Privatluxus tätig zu sein. So entstanden die wunderschönen,
aus Elfenbein geschnitzten Kannen und Krüge, deren Reliefs Bacchanalien
und andere mythologische Szenen vorführen. In neuerer Zeit ist das Elfen-
bein immer wieder besonders zur Herstellung von Statuetten und kleinen
dekorativen Arbeiten verwendet worden. Da jedoch das Material immer
seltener zu werden beginnt, hat auch die Elfenbeinplastik ihre besten Zeiten
hinter sich.
Die WACHSBILDNEREI ist besonders für die Anfertigung von Modellen
kleinerer und größerer Bildwerke zu allen Zeiten geübt worden, da das
Wachs, besonders bei Zusetzen von Terpentin, Baumöl und ähnlichen
Ingredienzien, sich als überaus bildsam erweist. Das erhärtete Wachsmodell
wird mit einer dicken Schicht Lehm umgeben, welche allmählich getrocknet
und erwärmt wird. Bei der Erwärmung wird das Wachsmodell flüssig
und das Wachs fließt aus einer eigens dazu angebrachten Öffnung am
tiefsten Teile des Modells aus. Die Form wird nun völlig hart gebrannt
und kann nun mit beliebigem Gußmetall ausgegossen werden. Diese Methode
des Wachsausschmelzverfahrens ist die älteste und wichtigste aller Metall-
gußarten. Sie wird heute noch vielfach verwendet. Ihre Voraussetzung
aber ist die Kunst der Wachsbildnerei.
Vielfach sind Wachsbildwerke als Votivgeschenke hergestellt worden,
besonders zur Zeit der Renaissance in Italien. Auch Porträts und Ideal-
büsten aus Wachs entstanden in hoher künstlerischer Vollendung. Die
Weichheit und Durchsichtigkeit des Fleisches wird von dem Material trefflich
wiedergegeben; darin lag auch die Gefahr, in der Naturnachahmung allzu
weit zu gehen. Und die Wachsbildnerei ist daran schließlich als Kunst
zugrunde gegangen und fristet heute bloß noch als Reproduktionstechnik
für anatomische Präparate oder als Sensations- und Jahrmarktsschau-
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Abb. 90. Byzantinisches Elfenbeintriptychon; Arbeit des 10. Jahrhunderts.
, stück ein kümmerliches und ruhmloses Dasein. Besonders verhängnisvoll
war der Wachsbildnerei die farbige Behandlung geworden. Die zurück-
haltende Farbengebung der Renaissance, wie wir sie an den wenigen
erhaltenen Werken bewundern, wich der unbedingten Nachahmung der
natürlichen Farben, und von da war es nur noch ein Schritt, natürliches
Haar, Glasaugen und Stoffe für die Bekleidung anzuwenden, ein Vorgehen,
das uns heute als die böseste Geschmacklosigkeit und als denkbar unkünst-
lerisch vorkommt.
Als Miniaturkunst war die Wachsbildnerei vor diesen Verirrungen auch
nur zum Teil bewahrt geblieben. Kleine Porträtreliefs, meistens in dünnem
Wachsauftrag über einem Grunde aus anderem, dunklerem Material, zeigen,
wie reizvoll gerade das Wachs behandelt werden kann: Der dunkle Grund
schimmert in den tiefen Partien ganz leise durch und bringt dadurch im
Verein mit der überaus feinen Modellierung des Profilkopfes eine sehr zarte
Wirkung hervor. Aber auch aus farbigem Wachs wurden kleine Porträts
modelliert, nun in hohem Relief, von kräftigerer Wirkung (Abb. 74).
Unter GLYPTIK verstehen wir die Kunst, harte Steine, Bergkristall,
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Edel- und Halbedelsteine plastisch zu bearbeiten, und zwar unterscheiden
wir zwei Arten des Schnittes: den Hochschnitt, welcher die Figuren usw.
im Relief ausführt — diese Arbeiten werden KAMEEN genannt — und
den Tiefschnitt, welcher die Darstellungen so arbeitet, daß erst bei einem
Abdruck in Siegellack oder dergleichen sie als Relief sichtbar werden, das
sind die INTAGLIEN. Mit welcher Kunst die Griechen wie die Römer beide
Arten der Glyptik gehandhabt, wie vorzüglich ihre Kameen, wie fein und
selbst im kleinsten Maßstabe noch künstlerisch ausgezeichnet ihre Intaglien,
das geht schon daraus hervor, daß diese Denkmale des Altertums von jeher,
selbst während des Mittelalters hoch geachtet und geschätzt worden sind.
Während des Mittelalters scheint man, wenigstens in Westeuropa,
den Steinschnitt verlernt zu haben; Fürsten siegeln noch lange immer
mit einem antiken Intaglio. In Byzanz dagegen konnte sich die Kunst
halten und wurde von hier aus im 15. Jahrhundert nach Italien verpflanzt.
Frankreich und Deutschland eigneten sich die Kunst bald an und übten sie
bis ins 19. Jahrhundert.
Der Stein wird folgendermaßen geschnitten: Der Steinschneider fertigt
sich aus weichem Eisen fingerlange Stäbchen, die mit einem Ende in eine
horizontal rotierende Kurbel befestigt werden, am anderen mehr oder weniger
große und breite Scheibchen, Rädchen oder Kügelchen haben. Diese Enden
der Stäbchen werden mit Diamantstaub, der mit feinem öl angerieben ist,
benetzt und sind nun imstande, in £tn härtesten Edelstein einen bald zarteren,
bald breiteren Einschnitt zu machen. Der Künstler fertigt sich zwar ein
Modell, ist aber bei der Arbeit selbst ganz auf die Sicherheit seines Auges,
die Geschicklichkeit seiner Hand angewiesen.
Zur Ausführung einer Kamee eignet sich am besten der Onyx, dessen
verschieden gefärbte Schichten der Steinschneider geschickt auszunutzen
verstehen muß (Abb. 75). Ein Intaglio wird dagegen meistens in einen
durchsichtigen Stein geschnitten, damit es sich recht klar ausprägt und
deutlich sichtbar wird.
Die WAPPENSTEINSCHNEIDEKUNST erblüht zu derselben Zeit,
in der man anfing, allgemein mit Siegellack Briefe zu schließen oder Ur-
kunden zu beglaubigen; die Adeligen führten ebenso wie die Bürgerlichen
ihre Siegelringe mit ihren Wappen stets bei sich, und diese Wappen sind
zumeist nicht in Metall, sondern in Stein geschnitten. Es fanden deshalb
eine große Menge Wappensteinschneider seit dem 16. Jahrhundert bis in
die neueste Zeit ihr Brot, und aus diesen Wappensteinschneidern rekrutierten
sich wieder die künstlerisch höherstrebenden Steinschneider, die überdies,
wenn Aufträge zur Ausführung von Kunstwerken fehlten, in dem Schneiden
der Wappen immer einen lohnenden Erwerb fanden. Dadurch, daß die
gummierten Briefumschläge das Versiegeln mehr und mehr überflüssig
machten, verloren auch die Wappensteinschneider immer mehr ihre ehedem
gesicherte Einnahme, und da die Aufgabe, eine künstlerische Leistung zu
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Abb. 91. Portal der Kathedrale von Bourges aus dem 12. Jahrhundert.
liefern, eine Kamee zu schneiden, heute noch viel seltener als vor hundert,
ja vor fünfzig Jahren an einen Steinschneider herantritt, so ist es gar nicht
zu verwundern, daß dieses Kunstfach allmählich abstirbt. Eine gute Arbeit
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140
Abb. 92. Statue von einem Strebepfeiler Abb. 93. Marmorstatue von Giovanni
der Kathedrale von Bordeaux aus dem Pisano (1250— 1328), in der Domsakristei
13. Jahrhundert. in Pisa.
ist natürlich auch teuer und da die Mehrzahl der Käufer heute für möglichst
wenig Geld gern etwas recht großartig Scheinendes zu erhalten liebt, so
sind alle diese Werke der Glyptik, deren hohen Wert nur die in heutiger
Zeit so seltenen Kenner zu beurteilen vermögen, jetzt nicht mehr zeitgemäß.
Die STEMPELSCHNEIDE KUNST ist dem Wesen nach verwandt mit
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der Steinschneidekunst, indem sie wie diese vertiefte Siegelbilder herstellt.
Der Siegelstempel, das Typar, besteht aus einer dicken Platte, Bronze,
Messing, Silber oder Schiefer, und in diese schneidet der Stempelschneider
die Bilder entweder nach einem von ihm gefertigten Modell vertieft mit
Sticheln und anderen Werkzeugen, oder der Künstler macht ein Wachs-
modell, formt dasselbe in Gips, drückt die erhaltene Hohlform in Ton aus,
den man dann trocknet und als Form benutzt, um durch Ausgießen mit
Metall nun eine erzene Hohlform zu erhalten, die endlich noch nach dem
Modell fein ziseliert wird. Die Siegelstempel sind wohl geeignet, uns ein
Bild von der Entwicklung der Plastik zu geben, da sie fast ausnahmslos
von tüchtigen Modelleuren ausgeführt worden sind. Vom u. Jahrhundert
an besitzen wir eine große Zahl mehr oder weniger gut erhaltener Wachs-
siegel, solche, die Korporationen, Kirchen und Stiftern, Städten und Zünften
angehören und dann oft lange Zeit unverändert blieben, oder solche, die nur
von bestimmten Personen gebraucht wurden. Diese letzteren sind deshalb
von großer kunstgeschichtlicher Wichtigkeit, weil ihre Entstehungszeit sich
mit voller Sicherheit ermitteln läßt; sie sind nur für gewisse Personen her-
gestellt, und die Stempel wurden nach deren Tode vernichtet.
Die Stempelschneidekunst wird im Mittelalter von den Goldschmieden
geübt; später, im 16. Jahrhundert, sehen wir die Petschierstecher auftreten,
die gewöhnlich die Petschafte gravierten und sich über Handwerksleistungen
kaum erheben, zuweilen jedoch, wenn ihnen Gelegenheit geboten wurde,
eine Kunstleistung zu schaffen, auch dieser Aufgabe gerecht zu werden
verstehen.
Der MÜNZ- UND MEDAILLENSCHNITT ist mit dem Stempelschnitt
eng verwandt. Der Prägestock entspricht dem Petschaft; doch nimmt jener
Rücksicht auf das weiche Material, das Wachs und den Siegellack, das
gefügig auch ein hohes und feines Relief abformt, während der Prägestock
mit einem Schlage das Bild in das harte Metallblech einschlägt; das Relief
kann in diesem Falle nur flach sein, weil sonst die Prägung nur unvoll-
kommen wiedergegeben wird (Abb. 76).
Man ist in den wenigsten Fällen versucht, die Münzen, das kursierende
Geld, als Kunstwerk zu betrachten; es steht künstlerisch auch selten auf
einer bedeutenden Höhe, denn mit verschwindenden Ausnahmen sind es
gefühllose Handwerker, denen der Entwurf und die Ausführung der Münz-
stempel anvertraut wird. Das war im Altertum anders, wo bald jede Münze
ein Kunstwerk darstellt in der Art der Prägung, in der Komposition, der
Schriftenordnung und in der vereinfachten Modellierung der Darstellung.
Und auch die Zeit der Renaissance und des Barock fand für das gewöhnliche
Geld eine Prägung, die uns heute mit Neid erfüllt, wenn wir daneben unsere
korrekten, aber unkünstlerischen Geldstücke ansehen.
MEDAILLEN oder SCHAUMÜNZEN nennen wir diejenigen Münzen,
welche nie als Geldwert benutzt und in Verkehr gebracht worden sind,
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Abb. 94. Die Beweinung Christi. Holzrelief von Tilman Riemenschneider ( 1460 1531),
im Römer-Museum in Hildesheim.
sondern zur Erinnerung an Personen und an denkwürdige Eeignisse her-
gestellt wurden. Gewöhnlich nennt man Medaillen nur die etwa in
Talergröße ausgeführten Schaumünzen, während größere Werke den Namen
Medaillons, kleinere die Bezeichnung Jetons erhalten. Vortreffliche Me-
daillen wurden schon von griechischen und zumal von römischen Künstlern
hergestellt. Während des Mittelalters war diese Kunst, wie es scheint, gänzlich
in Vergessenheit geraten, und erst die Meister der italienischen Renaissance
versuchten sich, angeregt durch die erhaltenen Vorbilder antiker Kunst,
wiederum im Medaillenschnitt.
Neben den geprägten Medaillen werden seit etwa 1430 auch welche ge-
gossen. In Wachs oder Ton wird das Relief der Vorder- wie der Rückseite,
des Averses und des Reverses, modelliert, dann jedes Stück in Formsand
oder sonst einer passenden Gußform abgeformt; die zugehörigen Formen-
stücke setzt man dann zusammen und gießt sie mit Bronze, selten mit
Silber, noch seltener mit Gold aus. Der Guß wird nach seiner Vollendung
vollständig nachziseliert (Abb. 77).
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Auch die deutschen Schaumünzen, die etwa bis 1500 zurück
zu verfolgen sind, erscheinen als Kunstwerke im höchsten Grade inter-
essant. Sie wurden im Beginn des 16. Jahrhunderts meist gegossen und
nach dem Gusse sorgfältig ziseliert; gerade diese Arbeiten erscheinen deshalb
um so wertvoller, weil der Künstler selbst noch die letzte Hand an sie
legte. Die Modelle sind gewöhnlich aus hartem Holze, Kehlheimer Kalk-
stein oder Speckstein geschnitten und werden vielfach noch in den Samm-
lungen aufbewahrt.
Was die Verwendung der Medaillen anbelangt, so legte man sie bei
Gründung von Bauwerken zum Andenken in die Fundamente ein. Fürsten
verliehen sie als Gnadenzeichen; diese Gnadenpfennige wurden an goldene
Ketten gehängt und so wie jetzt die Orden, nur als etwas kostspieligere
Auszeichnungen, verliehen. Privatleute bestellten ihre Porträtmedaillen, um
sie ihren Freunden zur Erinnerung zu verehren, wie man später sein Bildnis
in Kupfer stechen ließ; die Silhouetten traten dann an die Stelle der doch
immerhin noch als Kunstwerke anzusehenden Kupferstiche, bis auch Sil-
houetten und Lithographien durch die Photographien verdrängt wurden.
In neuester Zeit hat die Medaillenkunst in Frankreich einen neuen
Aufschwung genommen. Flache, weich geformte Reliefs mit breiter, rund ge-
schnittener Schrift geben ihr einen eigentümlichen Charakter, völlig abweichend
von dem der früheren Zeiten, aber künstlerisch gleichwertig mit jenem.
Die TREIBARBEIT ist wie die PRÄGEKUNST eine Bearbeitungs-
methode von gewalztem Metallblech in kaltem Zustande. Die Dehnbarkeit
des Edelmetalls, des Kupfers und des Eisens ist schon den Metallarbeitern
des Altertums bekannt gewesen und hat Anlaß gegeben, kleine Kunst-
werke aus Gold und Silber, größere aus Kupfer- oder aus Eisenblech durch
Treiben, d. h. durch Hämmern, herzustellen. Von den Goldschmieden ist
die Treibkunst zuerst ausgebildet worden, und wie vorzüglich sie in dieser
Technik zu arbeiten verstanden, dafür sind die noch erhaltenen antiken
Schmuckgegenstände Zeugen. Die Goldschmiedekunst des frühen Mittel-
alters ist zwar nicht lange auf dieser Höhe geblieben, aber schon die roma-
nischen Goldschmiede haben die Treibarbeit wieder vortrefflich zu hand-
haben gewußt.
Das Verfahren ist im Grunde einfach, daß nämlich der Künstler nach
einem vorliegenden Modell von der Rückseite eines Metallbleches Beulen
heraushämmert, wobei er bald aus freier Hand arbeitet, bald sich besonderer
Instrumente bedient, bis die Beulen die Höhe des beabsichtigten Reliefs
erreicht haben. Die feine Ausführung der Arbeit wird dadurch erzielt, daß
nun der Meister die Details mit Bunzen zurückhämmert. Um dem Bleche
die gehörige Widerstandskraft zu geben, wird es mit einer Mischung von
Pech und Ziegelmehl hinterlegt. Eisenblech muß durch Glühen erweicht
werden, und während der Arbeit ist diese Prozedur öfter zu wiederholen;
die fertige Arbeit wird dann wieder gehärtet.
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Abb. 95. Farbig glasiertes Tonrelief von Luca della Robbia (1399 1482) in Fiesole.
Bei der Herstellung von getriebenen plastischen Werken verfuhren die
Goldschmiede folgendermaßen: Sie modellierten ihr Relief oder ihre Figur
aus Wachs und gössen das Modell in Bronze ab; auf diese Bronzereliefs
legten sie nun das Silber- oder Goldblech und hämmerten dasselbe ver-
mittelst stumpfer hölzerner Bunzen, bis es sich ganz dem Modell an-
schmiegte. Bei der Herstellung von Rundfiguren wurden die so erhaltenen
Reliefs aneinandergelötet. Wenn das Werk nahezu fertig ist, wird es mit Kitt
aus Wachs, Harz, Ziegelmehl ausgefüllt und nun wird mit stumpfen Bunzen,
die nur drücken, aber nicht schneiden, die Arbeit vollendet.
Während man während des Mittelalters auf diesem Wege bloß Reliefs
herzustellen verstand, benützt man die Treibtechnik seit dem 17. Jahrhundert
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145
auch zur Herstellung größerer rundplastischer Werke. Da die getriebenen
Statuen aus einzelnen relativ dünnen Blechen zusammengesetzt sind, braucht
ihre Herstellung weniger Metall als zum Guß und ihr Gewicht ist weit geringer,
was beim Transport oft stark in Betracht fällt.
Der METALLGUSZ hält neben der Stein- und Holzbildhauerei und der
Treibarbeit die vorzüglichste Stellung in der Erzeugung von größeren plasti-
schen Werken inne. Vor allen Dingen ist er absolut wetterfest, was ihm
gegenüber den ersten beiden eine Bevorzugung bei der Aufstellung im
Freien eintrug.
Die Basis für den Metallguß ist das Modell, welches in der Größe des
beabsichtigten Gusses entweder in Holz geschnitzt oder in einer weichen Masse,
Ton oder Wachs, modelliert wird. Ist das Werk von bedeutender Größe oder
von bewegtem Umriß mit herausspringenden Teilen, so muß das Modell
durch ein inneres Gerüst widerstandsfähig gemacht werden. Das Problem,
wie nun das Modell in Metall umgesetzt werden kann, ist zu den verschiedenen
Zeiten und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel auf die mannigfachste
Weise gelöst worden.
Die ältere Gießtechnik ist folgende: ein Tonmodell wird genau in der
Größe des beabsichtigten Gusses angefertigt, getrocknet und gebrannt.
Über die geschwundene (durch das Trocknen und Brennen bdeutend ver-
kleinerte) Figur legt man nun eine Schicht Wachs und modelliert in diesem
Wachs die Figur so groß, wie sie eben werden soll. Dieses Wachsmodell
wird mit einer isolierenden Schicht überpinselt und dann mit Formerde
sorgfältig überzogen. Eine andere Art, eine brauchbare Gußform herzu-
stellen, ist die folgende: Das Modell wird in Gips stückweise abgeformt;
in die etagenweise aufgeschichteten Formstücke drückt man dünne Wachs-
platten. Der Hohlraum innerhalb der Wachsplatten wird mit einer Mischung
von Gips und Ziegelmehl ausgefüllt. Werden nun die äußeren Gipsform-
stücke entfernt, so hat man ein Modell vor sich, dessen Oberfläche aus
Wachs besteht; dieses hat die Dicke, die nach dem Gusse das Metall zeigen
soll; der Kern besteht aus jener Masse von Gips und Ziegelmehl. Der
Künstler überarbeitet jetzt nochmals seine Wachsstatue und übergießt sie
dann mit einem Brei von Gips und Ziegelmehl, etwa 10 cm dick. So wird
die äußere Gußform gebildet.
Es kommt nun darauf an, das Wachs, welches an Stelle der Bronze
sich befindet, zu entfernen. Zu dem Zwecke wird um die ganze Form eine
Art Ofen aufgemauert, derselbe mit glühenden Kohlen gefüllt und so die
Form derartig erhitzt, daß das Wachs zum Schmelzen kommt und heraus-
fließt. War das Wachs entfernt, so brauchte man nur noch Gußrinnen und
Windpfeifen anzubringen, und der Guß konnte vor sich gehen.
So lange auch diese Manier in Gebrauch gewesen ist, so muß sie doch
immer viel Bedenkliches an sich gehabt haben. Die Form aus Gips und
Ziegelmehl wurde durch die Erhitzung leicht brüchig und bekam Risse;
Sdiultz-Bcrnoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. IO
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146
Abb. 96. Bronzestatue des Feldherrn Colleoni, von Andrea del Verrocchio ( 1 435 1 488)
in Venedig.
so mag mancher Guß ein schlechtes Ende genommen haben. Vortrefflich
eignete sich dagegen dies Verfahren zur Herstellung kleinerer Gußwerke,
bei denen man auch die Eingüsse und Luftzüge so anlegen konnte, daß ihre
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Spuren beim Betrachten der Statuen nicht ins Auge fielen. Dann war ein Nach-
ziselieren nicht erforderlich und der Guß blieb ganz und gar so, wie er aus der
Form hervorgegangen war. In dieser Art sind die berühmten Florentiner
Bronzen gegossen, die heute viel Bewunderer finden wegen ihrer reizvollen,
oft naiven Art der Darstellung, wegen ihrer vortrefflichen plastischen Durch-
führung und wegen des schönen dunkelglänzenden, durch das Alter und einen
leichten Lacküberzug malerisch schattierten Materials.
Die neue Gußmethode, die Formen aus Formsand herzustellen, wurde
in Frankreich erfunden, indem man die von den Gelbgießern längst an-
gewandte Technik nun auf den Kunstguß übertrug.
Man stellt das Modell auf eine drehbare Eisenplatte und fängt an, N
dasselbe mit Formsandstücken abzuformen: Der Sand wird in solchen Stücken
fest an das Modell angedrückt, daß sie sich leicht mit einer Art Gabel ab-
nehmen lassen. Diese Formstücke werden scharf beschnitten, die Schnitt-
flächen mit Lykopodium (Bärlappsamen) gepudert und wieder an das Modell
gelegt, darauf wird in derselben Weise fortgefahren. Über eine entsprechende
Menge solcher Formsandstücke wird nun wieder eine etwa 10 cm starke
Gipsschicht gegossen, in welche diese genau hineinpassen. Nach außen ist
in die Gipsschicht ein eiserner Anker mit Schraubenlöchern eingegossen,
damit die ganze Form später fest zusammengepreßt werden kann. So wird
etagenweise, immer aus einzelnen Mantelteilen und den zugehörigen Form-
sandstücken bestehend, die Form vom Sockel bis zum Scheitel allmählich
aufgebaut. Ist die Form vollendet, so nimmt man sie vom Modell ab, be-
festigt vermittelst feiner Drahtstifte die Formsandstücke an den zugehörigen
Mantelteilen und kann so die Hohlform der Statue aufbauen.
Da jedoch eine Statue massiv zu gießen einmal der kostbaren Bronze
wegen zu teuer sein würde, dann aber auch die Figur dadurch eine zu große
Schwere erhielte, muß man nun einen Kern der Gußform herstellen. Um
den Kern der Gußform zu bilden, befestigt man zunächst an der eisernen
Bodenplatte eine starke Eisenstange, das Kerneisen, welches etwa in
der Achse des Modells angebracht ist und über den Kopf der Figur hinaus-
ragt. Bodenplatte und Kerneisen werden sodann vermittelst eines Kranes
in die sogenannte Dammgrube hinabgelassen. Man setzt um das Kern-
eisen die Formstücke auf, zunächst die untere Etage. Die Formsandform
ist mit Kohlenpulver oder Lykopodium bestäubt, so daß die Formsand-
schicht, mit welcher man jetzt die Form von innen her überzieht, nicht fest-
haftet. Ist auf allen Seiten der unteren Formetage die Sandschicht gleich-
mäßig eingepreßt, so gießt man den Raum zwischen dieser Schicht und
dem Kerneisen mit einer Mischung von Gips mit Ziegelmehl aus. Sodann
wird die nächstfolgende Etage aufgebaut und so fortgefahren, bis die ganze
Statue in dieser Weise vollendet dasteht.
Nimmt man jetzt die äußere Form stückweise ab, so steht die Figur
in der Form des Modells vor uns; ihr Kern besteht aus Gips, ihre Oberfläche
IO*
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Abb. 97. Bemalte Tonbüste des Filippo Strozzi Abb. 98. Marmorbüste der Marietta
von Benedetto da Majano (1442 — 1497), im Strozzi von Desiderio da Settignano
Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin. (1428^ — M64), im Kaiser Friedrich-
Museum zu Berlin.
aus einer Schicht Formsand. Von letzerer schält nun der Gießer mit einem
Messer so viel ab, als für die Dicke des Metallgusses erforderlich ist, also
ungefähr 1 bis 3 cm stark. Wird jetzt die äußere Form um den Kern
wieder aufgebaut, so ist die Aufgabe des Formers gelöst; der Raum, welchen
das Metall beim Gusse auszufüllen hat, ist umgrenzt. Nun ist es nur noch
erforderlich, die Gußkanäle und die Luftzüge (Windpfeifen) anzulegen,
die der in der Form befindlichen Luft den Ausgang ermöglichen; wäre ein
solcher Luftzug nicht vorhanden, so würde die von dem flüssigen Metall
zusammengepreßte Luft die Form zersprengen.
Die Gußkanäle sind aber so angelegt, daß sie bis unten an die Form
erst sich füllen, dann durch Querkanäle in die Form selbst eintreten, dieselbe
also von unten nach oben allmählich ausfüllen. Diese Gußkanäle durch-
schneiden natürlich die Form, ebenso wie die Züge der Windpfeifen dies tun.
Bevor man zum Gusse selbst schreitet, wird der Kern und die einzelnen
Stücke der äußeren Form völlig ausgetrocknet. Nun wird die äußere Form
zusammengesetzt; die eingegossenen Anker werden fest angezogen, alle
Fugen außen mit Gips verstrichen. Mit Balken und Blöcken wird die Form
gestützt, endlich Sand und Erde um sie festgestampft, bis sie, wie erforderlich,
eingedämmt ist. Über der Form legt man ein Becken aus Backsteinen an,
in dessen Boden die Enden der Gußrinnen münden; an der Außenwand steigen
die Luftkanäle empor. In dies Becken fließt, einer steinernen schrägen
Rinne folgend, das flüssige Metall aus dem Schmelzofen; man läßt stets mehr
mmmm m mvamu
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Metall als erforderlich in Fluß bringen, da das überschüssige, in dem Becken
stehen bleibend, durch seine Schwere das Metall in alle Fugen hereinpreßt
Das Metall, welches gewöhnlich zum Abguß von Kunstwerken benutzt
wird, ist Bronze, eine Mischung von Kupfer, Zinn und Zink. Eine andere
Mischung besteht aus neunzig Teilen Kupfer, sieben Teilen Zink und einem
Teile Blei. Der Zusatz ist erforderlich, einmal um das Kupfer dünnflüssig
zu schmelzen, dann aber auch, um die Farbe des Metalls zu verbessern.
Bei dem Schmelzen kann es leicht vorkommen, daß das Zinn durch zu
große Hitze sich verflüchtigt, dann bleibt das Kupfer zäh und unbrauchbar.
Benvenuto Cellini beschreibt den Guß seiner Perseusstatue in seiner Selbst-
biographie überaus drastisch, wie er sein ganzes Zinngeschirr in den Schmelz-
ofen warf und feuerte, bis das Dach der Gießhütte in Flammen stand, wie
aber alles doch endlich einen guten Ausgang gewann (Abb. 101).
Bronze ist immer verhältnismäßig teuer, wollte man daher einen
Guß billiger herstellen, so verwendete man Blei oder eine Komposition von Blei
und Zinn. Aber Bronze widersteht den Einwirkungen der Atmosphäre
besser und ist auch nicht so leicht durch äußere Angriffe zu verletzen.
Sobald das Metall im rechten Fluß ist, wird der Zapfen ausgestoßen;
die flüssige Masse strömt in die Rinne, aus dieser in das Eingußbecken
und, sobald die Pfropfen, welche die Gußkanäle verschlossen, geöffnet sind,
nun in diese hinab und von unten allmählich in der Form hinauf. Aus
den Windpfeifen steigen blaue Feuersäulen auf, und so füllt sich die Form;
die Metallmasse bleibt im Eingußbecken stehen: der Guß ist beendet.
Wenn der Guß erkaltet ist, räumt man die Grube aus, faßt das Kern-
eisen der Statue und hebt mit einem Krane dieselbe samt der Form aus
der Dammgrube. Dann wird die Form abgeschlagen, und jetzt kann man
erst beurteilen, ob das Werk wirklich gelungen ist. Die Eingußkanäle, die
wie die Windpfeifen mit Metall sich gefüllt haben, werden zunächst mit
Hammer und Meißel entfernt, dann der Guß durch Abbrennen mit Scheide-
wasser oder Schwefelsäure gereinigt. Kleine Löcher bessert man aus, indem
man sie ausschneidet und ein passendes Stück Metall an ihrer Stelle ein-
setzt. Die Nähte werden abgefeilt und abgemeißelt und dann der ganze
Guß mit Feilen und Bunzen überarbeitet (ziseliert), so daß die Oberfläche
nun ganz gleichartig erscheint. Endlich fügt man die Stücke zusammen,
wenn man zur Vereinfachung des Gusses die Statue zerlegt hat; mit Schrauben
und Bolzen werden sie befestigt, die Schnittflächen sauber mit dem Hammer
überarbeitet, so daß sie nicht mehr zu erkennen sind (Abb. 96).
Was die Kosten eines gegossenen Standbildes anbelangt, so berechnet
Eduard Uhlenhuth (1862) dieselben für eine lebensgroße Statue auf
10.100 Taler, und zwar für den Bildhauer 3900 Taler, für Guß und Ziselierung
4000 Taler, für das Piedestal 2200 Taler. Allern das sind Preise, die vor
mehr als fünfzig Jahren fixiert wurden: heute würde sich ein solches
Werk noch bedeutend höher stellen.
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Abb. 99. Marmorfigur am Grabdenkmal des Lorenzo de Medici (der Abend) von
Michelangelo Buonarroti (1475 -1564), in der Mediceerkapellc zu Florenz.
Ferner teilt Uhlenhuth mit, wie hoch sich die Kosten des von Rauch
geschaffenen Denkmals Friedrichs des Großen zu Berlin beliefen. Der
Künstler arbeitete zwölf Jahre (1839 — 1851) an dem Werke und erhielt
jährlich einen Gehalt von 3000, also 36.000 Taler
An Remunerationen wurden ihm gezahlt 20.000 „
für das Modell des Reiterstandbildes 17.000 „
für die Modelle des Piedestals 28.000 „
Guß und Ziselierung der Reiterstatue kosteten 30.000
Desgl. der Figuren des Piedestals 80.000
Fundamentierungsarbeiten 8.000
Granitunterbau 16.000 „
Gitter und Kandelaber 5.000 ,,
Summa . . . 240.000 Taler.
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Abb. ioo. Marmorfigur vom Grabdenkmal des Lorenzo de Medici (der Morgen)
von Michelangelo Buonarroti (1475 — 1564), in der Mediceer kapeile zu Florenz.
Diese Notizen mögen genügen, nachzuweisen, daß ein Bronzemonument
ausführen zu lassen nicht unbedeutende Geldmittel erfordert, und daß die
Leute sich gründlich täuschen, die meinen, wenn sie ein paar hundert Mark
zu einem Denkmale irgend einer bisher noch nicht genug geehrten Per-
sönlichkeit gesammelt haben, daß sie mit diesen Mitteln die Kosten einer
Bronzestatue bestreiten können. Das kommt öfter vor als man denkt.
Der neu hergestellte Bronzeguß blitzt und blinkt und wirkt deshalb
unruhig. Erst allmählich verliert sich durch die Einwirkung der atmo-
sphärischen Luft jener störende Glanz, und das Werk überzieht sich mit
einer bräunlichen oder grünen Schicht, der sogenannten Patina. Oft
wurde aber auch, besonders von den italienischen Renaissancemeistern,
dem Guß eine künstliche Patina gegeben in Gestalt eines Überzuges von
gefärbtem Firnis. Die Gußwerke wurden zuerst mit Glaspulver abgeschliffen,
dann mit Nußöl eingerieben, endlich mit Firnis überzogen. Dadurch war
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Abb. 101. Bronzestatue des Perseus von
Benvenuto Cellini (1500 — 1572), in der
Loggia dei Lanzi zu Florenz.
Abb. 102. Marmorgruppe: Der Raub der Sa-
binerinnen v. Giovanni da Bologna ( 1 524
1608), in der Loggia dei Lanzi zu Florenz.
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es möglich, auch die Ungleichheiten der Metallfarbe zu verstecken, dem
Ganzen einen gleichmäßigen Ton zu geben.
Die modernen Bronzestatuen überziehen sich nicht mehr mit einer
so schönen Naturpatina, sondern setzen in unseren Städten bald eine Kruste
von Kohlenruß an; sie werden einfach schmutzig. Man versucht jetzt durch
periodische Säuberung, durch Abspritzen und Abwaschen, die bronzenen
Standbilder rein zu erhalten, so daß sie eine natürliche Patina ansetzen
können. Denn daß das plastische Kunstwerk durch eine Reproduktion in
einer stumpfgraubraunen Masse gewinnt, wäre doch zu bezweifeln; schön
sehen jedenfalls diese dunkeln Gestalten nicht aus. Die künstlich patinierten,
d. h. mit Säure behandelten und mit einer Grünspanschicht bedeckten,
verkupferten Zinkfiguren, die für unwissende Kunstgönner hergerichtet
werden, sehen allerdings noch widerwärtiger aus.
Damit sind die Materialtechniken in ihren Grundzügen charakterisiert.
Von der technischen Durchführung hängt ein ganzer Teil der künstlerischen
Wirksamkeit eines Bildwerks ab; darum mußte der Würdigung der tech-
nischen Vorgänge ein verhältnismäßig breiter Raum gegönnt werden.
d) Die Entwicklungsgeschichte der Plastik.
Am Anfang der Entwicklung der Plastik steht das Flachrelief, das in einer
Steinfläche oder einem Holzbrett eingemeißelt ist. Die Plastik berührt sich hier
direkt mit den graphischen Künsten; sie folgt denselben Gesetzen der Dar-
stellung in der Fläche und gewährt, sofern sie bemalt wird, fast den gleichen
Anblick wie eine bemalte Zeichnung desselben Kulturkreises.
Die klassischen Länder des Flachreliefs sind Assyrien und Ägypten
(Abb. 78, 79). Und in beiden Ländern wird nach und nach das Relief ver-
tieft, so daß sich das plastische Werk der Naturform nähert. Wo das Relief
um die Kanten einer Steintafel herumgeführt wird, odereinen ganzen Holz- oder
Steinklotz bedeckt, ist der Übergang zur Rundplastik monumentalen Stils nicht
mehr ferne. In der Kleinplastik war es leichter, die Naturform zu erreichen;
sie geht der Monumentalplastik ein gutes Stück voraus. Harte, scharf umrissene
Formen in strenger Stilisierung; die Figuren im Profil (als Hauptansicht, wo es
sich um Rundplastik handelt) ; die Menschen als Typus, nicht als individuell
verschiedene Einzelwesen charakterisiert ; das sind einige Merkmale jener ersten
Blütezeit der Plastik. Aber Ägypten kennt daneben noch einen freieren Stil,
welchem die Holzstatuen des alten Reiches entstammen. Sie sind von einer
überraschenden Lebenswahrheit und zeigen das Streben nach Porträtähnlich-
keit und genremäßiger Auffassung (Abb. 81). Und endlich bricht diese freiere
Stilrichtung durch; die Monumentalplastik freilich behält immer ihre strenge,
fast architektonische Haltung bei, die uns aber bei der Größe der Denkmäler
(bis zu 20 m hoch) durchaus angebracht erscheint (Abb. 80).
Inzwischen nahm die Entwicklung in Griechenland einen bedeutenden Fort-
gang. Die Körperpflege stellt den nackten Körper in den Brennpunkt der all-
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Abb. 103. Theseusgruppe von Antonio Canova (1757 -1822), im Kunsthistorischen
Hofmuseum in Wien.
gemeinen Aufmerksamkeit. Und daß der Plastik die Aufgabe zukam, den Siegern
in den olympischen Spielen Standbilder zu setzen, bestimmte vollends die Rich-
tung und die Problemstellung der plastischen Kunst: Es handelte sich um die
naturgetreue, aber als Standbild durchgeführte Darstellung des menschlichen
Körpers. Die anfängliche Starrheit (Abb. 83) verschwindet mehr und mehr. Es
entstehen Bronzestatuen von technischer Vollendung, daneben Figuren aus
porösem Kalkstein und Marmor, die beiden letztern stets farbig behandelt.
Wenn nun gleich die Bildung des menschlichen Körpers des schönsten
Vorbildes, das man sich denken kann den Künstler am meisten inter-
essierte, so konnte die Plastik doch nicht in ein zweckloses Artistentum
ausarten, wie die heutige. Die Plastik Griechenlands hatte ihren Zweck:
Der Tempel braucht ein Götterbild, Figurenschmuck außen und innen;
der Privatmann braucht Schmuck seines Hauses und Gartens, der Staat
braucht Standbilder für Männer, die er ehren will.
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155
Das Gleichgewicht zwischen Naturform einerseits und rein dekorativer
Gestaltung andererseits, die technische Geschicklichkeit in der Behandlung
der Materialien und ein feines Gefühl für die Schönheit der Linie und der
Form, alle diese Faktoren treffen in der griechischen Plastik der klassischen
Zeit zusammen und erheben sie zu einem allgemein gültigen, für alle Zeiten
feststehenden Ideal (Abb. 84).
Es ist darum erklärlich, daß immer wieder die klassischen Künstler späterer
Jahrhunderte diesem Ideal nachgestrebt haben. Aber es lag dazu keine Not-
wendigkeit vor: Jede Zeit trägt ihre Ideale in sich. Es ist Aufgabe des Künstlers,
sie zu suchen und zu gestalten. Die Probleme seiner Zeit verleugnen und das grie-
chische Ideal zum Universalrezept für die Plastik zu machen, zeugt von einer
inneren Unselbständigkeit und von einer Abkehr vom zeitgenössischen Leben
und Denken. Anerkennen soll nicht gleichbedeutend sein mit Nachahmen. Und
wenn die klassische Plastik Griechenlands einen Höhepunkt bedeutet, so hat die
Plastik von heute allen Grund, nicht denselben Weg zu gehen. Denn auf diese
Weise wird die griechische Plastik der heutigen überlegen sein. Es muß von
vornherein eine andere Basis vorhanden sein, welche ein ganz anderes Resultat
herbeiführen muß. Und diesem steht immer die Möglichkeit offen, an Bedeutung
der griechischen Plastik zur Seite gestellt zu werden.
Was der griechischen Plastik der klassischen Zeit fehlt, ist das Persönliche,
das Zufällige, welches dem einzelnen Menschen anhaftet, das Eigenartige, das
gelegentlich bis zur Häßlichkeit gesteigert werden kann. Und gerade diese Lücken
sind bedingt durch die Richtung der klassischen Plastik. Es ist kein Zufall, daß
die Porträtplastik Griechenlands über eine allgemeine Charakterisierung nicht
hinauskommt. Das Schöne, welches allgemeine Geltung hat, ist das Ziel der
klassischen Zeit, daher auch das Bestreben, die als schön anerkannten Pro-
portionen und Kompositionstypen in Gesetz und Regel festzulegen. Aber das
innere Leben, welches der griechischen Plastik innewohnte, bewahrte sie davor,
diese Regeln als Vorschriften für die Ewigkeit hinzunehmen.
Die Plastik entwickelte sich weiter, nachdem sie im fünften und vierten
Jahrhundert ihren Höhepunkt im klassischen Sinne erreicht hatte. Das be-
deutet nichts anderes, als daß die Entwicklung nun auf andere Ziele gerichtet
wurde. Dem Schönen, das in der absoluten Harmonie aller Teile, in der Eben-
mäßigkeit und in einer leidenschaftslosen Ruhe seine Erfüllung gefunden hatte,
tritt nun das unruhig Bewegte, das Niedliche und das Groteske entgegen. Und
allmählich gestaltet sich die ganze Plastik nach den neuen Gesichtspunkten. Das
Phantastisch- Genrehafte, das Humorvolle und Sinnlich-Ausgelassene steht dem
Pathetisch-Heroischen, dem Grauenhaften und Gewaltigen gegenüber (Abb. 85,
86). Und in beiden Strömungen schafft die nachklassische griechische Plastik,
die man als die hellenistische bezeichnet, Vollkommenes.
Damit hatte aber die griechische Plastik ihre Führerrolle ausgespielt.
Als ein Zeichen von Mangel an künstlerischem Selbstbewußtsein muß es
angesehen werden, daß immer mehr Kopien von den Meisterwerken der
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Abb. 104. Danaide, Marmorplastik von Auguste Rodin (geb. 1840), im Musee du
Luxembourg in Paris.
klassischen und frühen Zeit angefertigt werden. Während zur klassischen
Zeit das Bildwerk ohne Modell in den Stein gehauen wurde, verwendet man
jetzt Tonmodelle. Die Bronze tritt hinter dem Marmor zurück; bronzene
Bildwerke werden vielfach in Marmor kopiert.
Diese Plastik des Niedergangs blühte vorwiegend auf italienischem
Boden. Es war ein richtiger Parvenü- Gedanke der römischen Machthaber,
die griechische Plastik der Blütezeit nun auch bei sich zu Hause zu haben.
Und daher blühte nun das Kopistentum höher auf als die neu schaffende
Kunst. So wenig dieses Wiederkäuen alter Schönheit für die Kunstent-
wicklung jener Zeit bedeutet, so wichtig ist es für die heutige Kenntnis
der griechischen Plastik: Die Großzahl der griechischen Bildwerke ist uns
nur durch diese Kopien der Römerzeit bekannt geworden.
Die einheimische römische Plastik, die technisch von der griechischen
absolut abhängig wurde, fand ihre glänzendste Ausbildung im Porträt;
Büsten und ganze Gestalten entstehen in großer Zahl und in hoher künst-
lerischer Vollendung (Abb. 87, 88).
Das Charakteristische des Dargestellten wird geschickt hervorgehoben,
das Nebensächliche wird unterdrückt. So verfällt die Porträtplastik nicht
der kleinlichen Naturnachahmung, sondern sie bleibt ein durchaus ernst
zu nehmendes Kunstgebiet.
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mvsxmmmmmmn
Die dekorative Plastik nimmt einen sehr breiten Raum ein in der
römischen Architektur und im Kunsthandwerk, hält sich aber nicht auf
der Höhe der griechischen (Abb. 89). Es zeigt sich eine Sucht, den Schmuck
zu häufen und als Masse zu gestalten, wobei die Einzelform vernachlässigt
wurde und endlich völlig verwahrloste. Mit den politischen Wirrnissen der
Völkerwanderung tritt ein technischer Niedergang zu der künstlerischen
Verrohung hinzu. Das Christentum begünstigt die Ausbildung der Plastik
nicht, wie der alte Götterkultus. So ist im frühen Mittelalter ein allgemeiner
Tiefstand der abendländischen Bildhauerei zu verzeichnen.
Im oströmischen Reiche, das sich einer ruhigeren Entwicklung der Dinge
erfreuen durfte, blieb mehr von der antiken Plastik lebendig, als in Italien oder
Gallien. Die Elfenbeinschnitzerei stand in hoher Blüte, bevorzugte vorwiegend
dekorativ gearbeitete, streng und steif stilisierte Darstellungen, wobei die Kom-
position ihren Rahmen völlig ausfüllt (Abb. 90). Die Steinskulptur ordnet sich
völlig der Architektur unter und bewegt sich ganz auf dem Gebiete der plastischen
Ausgestaltung der Bauglieder. Die Kleinkünste bleiben technisch auf der Höhe
und bilden einen wichtigen Exportartikel für die westlichen Länder.
Ganz im Geiste der byzantinischen Plastik sind die Bildwerke des n. und
12. Jahrhunderts, die nun in immer größerer Zahl in Deutschland, Frankreich
und Italien entstehen. Vor allem das hochentwickelte Gefühl für die dekorative
Wirkung und die absolute Unterordnung unter irgend einen konstruktiven Ge-
danken ist der romanischen Plastik eigentümlich. Dabei scheint die Natur-
beobachtung völlig ausgeschaltet. Die Typen der byzantinischen, teilweise auch
der römischen Kunst werden variiert und kombiniert. Die Monumentalplastik
fügt sich ganz in den Rahmen der Architektur ein und trägt zu ihrer Belebung
wesentlich bei; besonders ist das bei den Kirchenportalen der Fall. In dieser
Beziehung hat die Plastik wieder einen Höhepunkt erreicht (Abb. 91).
Während dieser Zeit ist ein allmähliches Steigen der künstlerischen und
technischen Fähigkeiten bemerkbar. Und mit dem 13. Jahrhundert gewinnt
die Plastik ein eigenes Leben, das sie von der Architektur in gewissem Sinne
unabhängig macht. Die dekorative Behandlung weicht einer selbstbewußten,
von neuerwachtem Naturerkennen befruchteten Gestaltungskraft. Ein
starkes Schönheitsempfinden, ein feines Gefühl für Linienführung und
innere Beseelung läßt die deutsche und französische Bildhauerkunst des
13. Jahrhunderts als eine Blütezeit der Plastik erscheinen, die sich eben-
bürtig der griechischen zur Seite stellen läßt (Abb. 92).
Die gleichzeitige italienische Plastik bewegt sich auf der Grundlage
der römischen weiter, zeigt aber eine Innerlichkeit, die wir bei jener ver-
missen. Die Marmorplastik feiert ihre Auferstehung und ist in steter Ent-
wicklung begriffen (Abb. 93).
Die naturalistische Kunstblüte in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts in den Niederlanden und in Deutschland kommt auch der Plastik
zugute. Die Verhältnisse haben sich aber inzwischen verschoben, indem
vavaxsimmmmmu
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weniger monumentale Aufgaben an die Plastik herantreten als im 12. und
13. Jahrhundert. Die neue Plastik eignet sich dafür auch nicht. Ihre besten
Seiten zeigt sie im holzgeschnitzten, reich bemalten Altarwerk, wo der
Farbensinn, die Naturbeobachtung und die Vorliebe für intime, genrehafte
Szenen am besten zur Entfaltung kommen konnte. So entsteht auf ganz
neuer Basis wieder eine sehr bedeutsame, in ihrer Art unerreichte Plastik.
Das figurenreiche Relief spielt dabei eine große Rolle; noch nie war es mit
so bewegter und anschaulicher Geste vorgetragen worden wie jetzt, noch
nie hatte es in dem Maße die Malerei ersetzt, wenn nicht an Eindringlichkeit
und malerischer Wirkung übertroffen (Abb. 94).
Während in Deutschland diese farbenreiche, bewegte Holzplastik blühte,
nahm die Entwicklung in Italien einen ganz andern Verlauf. Die klassischen
Traditionen waren hier nie ganz vergessen worden und nun legte man von
neuem Gewicht darauf, im Geiste der Antike zu arbeiten. Neben dem
Schönheitssinn ist es das Streben nach der Charakteristik des Einzelnen
und des Persönlichen, welches die Plastik der italienischen Renaissance
beherrscht und das auch die ausgezeichnete Porträtplastik erst ermöglicht
(Abb. 97, 98). Dabei macht sich in der ganzen künstlerischen Auffassung
und in der technischen Fertigkeit ein immer stärkeres und bewußteres
Können geltend, dem schließlich nichts mehr unmöglich ist.
Die nackte Menschengestalt tritt wieder in ihr Recht als das eigentliche
Abb. 105. Bronzerelief von Adolf Hilde- Abb. 106.
brand (geb. 1847).
Diana, Bronzestatuette
von Georg Wrba.
159
und herrlichste aller plastischen Probleme; sie stellt in ihrer tausendfältigen
Bewegung, in ihrer Charakterisierung des wechselvollen Geisteszustandes
und der Persönlichkeit des Individuums ein unerschöpfliches Thema dar.
Sie ist voll von geheimnisvoller Schönheit, ein Wunderwerk der Natur,
wie kein anderes; das Werkzeug von geistigen Kräften, die einer höheren
Weltordnung angehören. Ein Bibelwort erzählt, daß Gott den Menschen
nach seinem Bilde schuf. So ist denn Gottes Ebenbild das rechte Vorbild
für die formgestaltende Kunst der Plastik (Abb. 99, 100).
Und wie haben die Renaissancemeister mit diesem Vorwurf umzugehen
gewußt! Erst zaghaft, fast verschämt, bald freier und endlich, jedem Ge-
danken Form verleihend, so haben sie die menschliche Gestalt zum Aus-
druck ihrer Ideen von Schönheit und zum Symbol göttlicher Kräfte, aber
auch als dekoratives Element im Rahmen der Architektur immer wieder
nachgebildet in Marmor, Bronze, Wachs und Ton. Wie erbärmlich stellt
sich vielfach zu diesem hohen Liede der Menschenschönheit das heutige
Publikum, das darin nur noch sinnliche Anreize findet.
Da die in der Renaissancezeit aufgefundenen antiken Marmorskulpturen
keine Farbspuren mehr aufwiesen, so machte sich die Anschauung geltend,
daß die Marmorplastik unbemalt bleiben müsse. Dagegen wurde die Terra-
kottaplastik, welche vielfach als Modell diente, oft farbig behandelt, um
das unedle Material zu heben (Abb. 97). Diese Bemalung wurde oft durch
eine farbige Zinnglasur ersetzt, so daß eine neue Art von Plastik — es handelt
sich dabei meist um Reliefs entstand (Abb. 95). Die Bronze- und die
Wachsbildnerei standen in hoher Blüte; von der letzteren sind leider alle
Werke bis auf ganz wenige zugrunde gegangen.
Die italienische Renaissanceplastik setzt mit detailreichen, bis ins
einzelne liebevoll behandelten Werken ein und entwickelt sich zur macht-
vollen Monumentalplastik, die aufs Ganze hinstrebt. Und als der gewaltigste
Ausdruck gefunden war, mußte wieder eine Umkehr eintreten: Das war
das Streben nach malerischer Wirkung, zugleich nach naturgetreuer Wieder-
gabe des Wirklichen, nach der Darstellung der Bewegung. Es wurde das
Unmögliche versucht, Lichtstrahlen, Wolken und Wasser plastisch dar-
zustellen. Die innere Erregung der Einzelgestalten wird nicht durch den
geistigen Ausdruck, sondern mit ganz äußerlichen Mitteln zur Anschauung
gebracht. Die solide gute Technik wird durch allerlei Kunststücke über-
trumpft. Dabei macht sich eine große Vorliebe für theatralische Effekte
geltend, die einer unerhört prächtigen Dekorationskunst Vorschub leistet.
So sehr die ganze Entwicklung dem innersten Wesen der Plastik wider-
strebt, ist doch alles mit großer Überzeugungskraft vorgebracht und bildet
in gewissem Sinne einen Höhepunkt, indem in der malerischen Auffassung
das denkbar Mögliche geleistet worden ist (Abb. 101, 102).
Die Reaktion des Klassizismus wirkt nach dem Formenrausch der
Barockplastik wie ein fader Abklatsch der Antike, ohne inneres Leben,
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verknöchert in einem öden Schematismus. Wohl waren es formvollendete
Werke, die geschaffen wurden, hin und wieder wohl auch solche, welche
den Vergleich mit der Antike aushalten, aber ein selbständiges, frisches
Leben ist bis auf wenige Ausnahmen kaum zu finden (Abb. 103).
Der Naturalismus löst die klassizistische Auffassung ab und setzt an
ihre Stelle die Nachbildung der Naturform. Es ist in gewissem Sinne eine
Rückkehr zum Barockstil; auch die malerische Auffassung macht sich da
und dort in der Plastik geltend. Immer höher steigt das Können und die
Vergeistigung der plastischen Kunst. Alles wird mit dem äußersten Raffinement
ausgedrückt; der Marmor bekommt ein inneres, vibrierendes Leben (Abb. 104),
die Bronze scheint Fleisch und Bein, nicht der Form, sondern der Wirkung nach
(Abb. 105, 106). Hin und wieder werden Versuche in farbiger Plastik gemacht;
alles mit der höchsten Geschicklichkeit, geistreich, ein wesensverwandter Aus-
druck der überraffinierten Verstandes- und Geschmackskultur.
Noch zählt diese Kunst eine überwiegende Zahl von tüchtigen Ver-
tretern, während sich bereits eine neue Wendung in der modernen Plastik
bemerkbar macht. Die Grundlagen der plastischen Kunst wurden zum
Leitstern der Arbeit gemacht. Nicht mehr für das Museum oder für den
Kunstmarkt soll das plastische Werk geschaffen werden. Die Plastik soll
wieder Zweckkunst werden. Sie stellt sich wieder in den Dienst der Archi-
tektur, aber nicht mehr wie im Mittelalter, weil sie nichts anderes kennt,
sondern bewußt, aus Überlegung, weil sowohl die Architektur als die Plastik
bei diesem Zusammenwirken nur gewinnen können.
Das Material spricht ein gewichtiges Wort bei der Ausbildung des
plastischen Kunstwerks, ein Faktor, der jahrhundertelang kaum beachtet
worden war. Weich und voll bildet der Künstler die Formen des Marmors,
geschlossen und schwer; dagegen die Bronze hart und glatt, bewegt im Um-
riß, schlank und biegsam; das Holz endlich kantig und derb, in geschlossenem
Umriß. Das Material soll selbst einen Teil der Schönheit des Kunstwerks
ausmachen. Es soll also für sich sprechen, in seinen Eigentümlichkeiten zum
Ausdruck kommen. In vielen Zügen gemahnt die moderne Plastik an die früh-
griechische; aber sie verleugnet die lange Entwicklung durchaus nicht.
Sie ist nicht primitiv aus Laune, sondern sie kam auf die ver-
einfachten Formen durch stete ernsthafte Arbeit und durch
gründliches Nachdenken über ihre Aufgaben und ihr
Wesen. Noch ist der letzte Ausdruck nicht gefunden,
das Problem der Verbindung mit der Archi-
tektur erst zum Teil gelöst; aber eine
Fülle junger Kräfte bürgen für
einen guten Fortgang der
begonnenen Arbeit.
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162
a) Wesen und Voraussetzungen der Malerei und der
graphischen Künste.
Wie eng begrenzt in ihren Möglichkeiten erscheinen neben der Malerei
alle übrigen bildenden Künste! Hier gibt es kein Ding, keine Kombination,
welche nicht dargestellt werden könnte und der Art der Darstellung sind
keine Grenzen gesetzt. Die Malerei und die graphischen Künste kennen
nur eine Einschränkung: Die begrenzte Fläche; aber diese gehört ihnen
ganz. Wie in unserm Auge sich die vielgestaltige Welt widerspiegelt,
so nimmt diese Fläche alles auf, was durch die Phantasie und die Beob-
achtung des Künstlers im Geiste geschaffen und durch seine Hand in Form
und Farbe umgesetzt wird. Dieser Vorgang zerfällt seinem Wesen nach
in mehrere, durchaus verschiedenartige Tätigkeiten, denen wieder ganz
besondere Verhältnisse zugrunde liegen.
Die erste Tätigkeit ist das Sehen, das Aufnehmen und Beobachten
der Umwelt. Das Sehen ist abhängig von unserm Auge und zeigt uns die
Dinge nicht, wie sie sind, sondern als veränderliche, in Form und Farbe
immer wechselnde Bilder. Die Größe des Bildes ist wandelbar: Je näher
dem Auge, je größer erscheint der Gegenstand (Linearperspektive). Von
verschiedenen Seiten gewährt er einen andern Anblick. Je nach der Be-
leuchtung zeigt er helle, belichtete und dunkle, unbelichtete Stellen; die
letztern nennt man Lokalschatten. Steht er auf einer Unterlage, so wird
diese von ihm verdunkelt; es entsteht auf ihr der Schlagschatten, der um so
schärfer umrissen erscheint, je konzentrierter die Lichtquelle ist und um so
dunkler, je heller diese strahlt. Die beleuchteten Gegenstände strahlen nun
aber ihrerseits wiederum Licht aus; wo solche Reflexe den Lokalschatten
treffen, lassen sie ihn heller erscheinen. Wo Licht ist, da sind auch Reflexe
vorhanden, und je heller das Licht, desto heller sind auch die Reflexe;
durch sie gewinnt der schattierte Gegenstand erst Rundung, löst sich vom
Hintergrunde ab und tritt gebührend hervor. Die Reflexe sind es, welche
die Schattenmassen durchsichtig machen, welche selbst in die tiefsten
Schatten Leben und Abwechslung bringen. Nach der Farbe und Intensität
des Lichts, nach den Farben der Umgebung richtet sich die Farbe des be-
obachteten Gegenstandes. Und mit der größer werdenden Entfernung
werden die Farben des Gegenstandes blasser, weniger intensiv und bekommen
einen Stich ins Blaue (Luftperspektive).
Diese wechselvollen Bilder hält das Auge fest und bringt sie dem Künstler
zum Bewußtsein. Er sieht wohl alles, aber er faßt nicht alles gleichmäßig
auf. Sein Interesse konzentriert sich auf bestimmte Punkte, während er
andere geflissentlich oder unwillkürlich übersieht. In der Malerei läßt
sich deutlich die Entwicklung des bewußten Sehens erkennen. Es handelt
sich dabei um Entdeckungen, welche von der Maltechnik völlig unabhängig
sind; Entdeckungen, welche oft genug von Kunstlaien gemacht wurden
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163
und auch nicht immer in der Malerei ihre erste Aussprache erhielten, sondern
in der literarischen Form der Beschreibung.
Aus dem Gesichtsfeld wählt sich der Künstler den Abschnitt, der ihn
interessiert; oder er stellt aus Erinnerungsbildern früherer Gesichtseindrücke
ein Phantasiebild zusammen. Und diese Auswahl, diese Zusammenstellung
legt er seinem Werk zugrunde. Im Geiste sieht er sein Bild schon fertig
vor sich; doch wird die technische Ausführung dieses Phantasiebild noch
wesentlich modifizieren. Was am frühsten und am unbedingtesten fest-
steht, ist die Komposition, d. h. die Anordnung der verschiedenen Teile
des Bildes in der Fläche.
Bei der Ausführung des Bildes wird zunächst die Komposition in ihren
Hauptlinien festgelegt. Und in der ersten Skizze läßt sich schon erkennen,
ob die Komposition, die in der Phantasie befriedigt, auch schwarz auf
weiß einwandfrei ist. Diese Fixierung mag andererseits oft genug dem im
Geiste geschauten Bilde nicht völlig entsprechen; neue Gedanken werden
lebendig, und so sind auch Änderungen erforderlich; die ganze Komposition
wird aufgegeben und es wird versucht, ob eine andere Auffassung und An-
ordnung vielleicht eher den Ansprüchen, die der Künstler an seine Arbeit
selbst stellt, genügt. Gerade große Meister haben sich mit erstaunlicher
Ausdauer bemüht, bis sie endlich den besten Ausdruck fanden, der wenigstens
annähernd dem Idealbilde, das ihnen vorschwebte, entsprach. An manchen
Skizzen Raffaels läßt es sich verfolgen, wie sich die Komposition allmählich
immer reicher und schöner zu ihrer vollen Reife entwickelt.
Aber auch dann, wenn die Wahl unter den Skizzen getroffen und nun
der Entwurf aufgezeichnet ist, wird er dem Künstler in der Regel nicht ganz
genügen. Je geübter seine Hand, desto eher wird er befähigt sein, seine
Komposition festzuhalten; je großartiger und bedeutender jedoch der
Entwurf seinem Geiste vorschwebt, desto weniger wird das aufgezeichnete
Bild dem in der Phantasie geschauten völlig entsprechen. Daher erklärt
sich die große und ernste Arbeit, die ein echter Künstler an die Wiedergabe
seiner Komposition setzt, die Unzufriedenheit, die er oft genug an seiner
Schöpfung empfindet.
Nachdem die Komposition festgelegt ist, werden die einzelnen Teile
des Bildes genauer umrissen, die Schattenpartien angedeutet und die Einzel-
heiten vorgezeichnet. Die Darstellung geht immer mehr ins einzelne,
nähert sich immer mehr dem Idealbild der Phantasie. Oft bricht der Künstler
nach der Durchführung eines Stadiums die Arbeit ab und das Bild bleibt
Skizze. Er braucht diese, um bei der definitiven Fassung des Bildes eine
Vorlage zu haben, die ihn davor schützt, daß er sich allzusehr in Einzel-
heiten verliert.
Die Skizze, welche die Ideen des vollendeten Bildes in großen Zügen
enthält, hat auch als solche eine große künstlerische Bedeutung. Sie weist
die unmittelbare Handschrift des Künstlers auf und ist in ihrer Durchführung
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164
oft frischer und packender als das ausgeführte, fertige Bild. Dabei ist aber
nicht zu vergessen, daß die Skizze nur Mittel zum Zweck ist. Sie ist kein
abgeschlossenes, sondern nur ein angedeutetes Kunstwerk. Wie ein Kind
an und für sich viele Vorzüge aufweisen mag, aber eben doch noch kein
fertiger ausgereifter Mensch ist. Und wie es Menschen gibt, die sich am
liebsten mit Kindern abgeben, hat auch der Kunstliebhaber, der Skizzen
mehr schätzt als ausgeführte Bilder, eine Daseinsberechtigung, die ihm
niemand abstreiten kann.
Bei der Durchführung des Bildes, bei der Ausbildung der Einzelheiten,
spielt das Format eine große Rolle. Große Bilder wollen aus größerer Ent-
fernung betrachtet werden und werden infolgedessen meist keine kleinliche
Detailmalerei enthalten, welche den Eindruck von dem entfernten Stand-
punkt stört. Kleine Bilder dagegen verlangen, daß man nahe an sie heran-
tritt, weil man sonst zu viel von der störenden Umgebung mit sieht. Die
Einzelheiten werden dementsprechend ausgeführt sein. Ein Bild, das in
seinem Format auf kurze Distanz eingestellt ist, in seiner Technik dagegen
auf eine bedeutend größere, kann nicht als ein harmonisches, durchgebildetes
Kunstwerk gelten; es muß als Skizze bezeichnet werden, was ja seiner rein
künstlerischen Wertung keinen Eintrag tut. Ein großes Bild dagegen kann
so viele Einzelheiten aufweisen, als wenn es von nahem betrachtet werden
wollte; wenn sie den Ferneindruck nicht stören, haben sie ihre Berechtigung.
Die Ökonomie der Mittel läßt es dagegen ratsam erscheinen, die Ausbildung
der Einzelheiten nur so weit zu treiben, als es die Betrachtung von jenem
Standpunkte aus erfordert, welcher durch die Größe des Bildes gegeben ist.
Die Stilisierung bleibt vollständig dem Ermessen des Künstlers über-
lassen. Er hat es in seiner Hand, die Farbenskala seines Bildes auf Hell
und Dunkel zu beschränken oder der Natur alle Zwischenschattierungen
und gebrochenen Farbentöne abzulauschen. Er darf die Vereinfachung der
Linien bis zum Ornament durchführen, er kann aber auch, wenn er will,
bis ins einzelne den Formen der Natur nachgehen. Das alles hängt von seiner
Individualität, von seiner Stimmung und von seinen Absichten ab. Und
aus diesen Möglichkeiten ergeben sich die Verschiedenheiten der einzelnen
Kunstwerke und Künstlerindividualitäten. Die Komposition und der Vor-
wurf, d. h. das, was auf dem Bilde dargestellt ist, ist viel mehr der Tradition
unterworfen als die Formen- und Farbengebung. Es steht dem Künstler
auch frei, den dargestellten Raum scheinbar ins Unermeßliche zu vertiefen,
oder ihn auf ein Weniges zu beschränken und dadurch das Flächenhafte
des Bildes zu betonen. Wo monumentale Wirkungen angestrebt werden,
ist fast immer das letztere der Fall.
Je nach der Wirkung, die der Künstler hervorbringen will, wählt er
seine Technik; nach den Aufgaben, die ihm gestellt werden, richtet er die
Stilisierung. Technik und Stil sind vielfach voneinander abhängig, indem
die Technik die Farbengebung und die Linienführung stark beeinflußt.
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In der ganzen Kunst der Malerei und der Graphik macht sich (mit
Ausnahmen der Skizzen) das Bestreben geltend, die zugrunde liegende
Fläche dekorativ auszufüllen. Sie ist die Einheit des Bildes und innerhalb
dieser Einheit muß eine absolute Harmonie der Form und Farbe herrschen.
Wird willkürlich ein Stück der Fläche unterdrückt oder angeflickt, so
muß diese Harmonie Schaden leiden: Die Komposition verändert sich in
ihrem Verhältnis zur Bildfläche; die Farbenwerte, welche aufeinander
gestimmt waren, werden verschoben. Je besser ein Bild in sich abgewogen
ist, um so weniger verträgt es einen solchen gewaltsamen Eingriff.
Je besser ein Künstler sich auf alle diese formalen Dinge versteht,
um so höher wird er von der Kunstkritik bewertet werden. Er wird in der
Kunstgeschichte dementsprechend eine bedeutende Stellung einnehmen, als
der Erschließer einer neuen Ära der Malerei oder als der Erfinder eines
graphischen Verfahrens gepriesen werden. Aber es gibt etwas, was den
Künstler über die Kunst hinauswachsen läßt. Das ist das Wunderbare,
was besonders bei der Malerei zum Ausdruck kommt: Es gibt Bilder, die
eine Seele haben; die nicht durch ihren Kunstwert, ihre technische Aus-
führung, sondern durch ihre Innerlichkeit uns mächtig ergreifen; die uns
einen Eindruck machen, der nicht auf ästhetischer, sondern auf psycho-
logischer Grundlage beruht. So greift die Malerei über das Gebiet der Kunst
hinaus, sie wird ein Stück Menschheitsreligion. Und die Künstler sind
Priester und Künder göttlichen Wesens.
b) Die Techniken der Malerei und der graphischen Künste.
Die Grundlage jeder Malerarbeit und jedes graphischen Verfahrens
ist die ZEICHNUNG. Je nach dem Material, auf welchem gezeichnet wird,
und nach dem Stoff, der auf diese Unterlage strichweise aufgetragen wird,
ist das Aussehen und die Wirkung der Zeichnung verschieden; doch der
strichweise Auftrag, die Zerlegung der Halbschatten in Strichlagen und
die Beschränkung auf eine, höchstens zwei Farben ist allen Zeichentechniken
gemeinsam.
Als MATERIAL DER BILDFLÄCHE wurde im Altertum Pergament,
Palmblätter und aus Papyruspflanzen hergestelltes Papier verwendet. Das
Mittelalter kennt nur noch Pergament; seit dem 14. Jahrhundert wird
auch Leinenpapier hergestellt, welches dem Pergament bald erfolgreich
Konkurrenz macht.
Das Pergament wurde meist in seiner Naturfarbe verwendet; für feinere
Zeichnungen überzog man es auch wohl mit einer Lage Bleiweiß, das mit
Leimwasser gemischt war; diese Farbenschicht wurde vor dem Gebrauche
glattgeschliffen. So zubereitete Pergamentblätter sind bis in die neueste Zeit
für feinere Arbeiten verwendet worden. Die verschiedenen Papiere sind nicht
ohne Einfluß auf die Qualität der Zeichnung: ihre Oberfläche, ihre Färbung, ihre
Härte und ihre Konsistenz kommen dabei in erster Linie in Frage.
mpavammmtximu
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166
Abb. 107. Getuschte Federzeichnung von Raffael (1483—1520): Studie zum Karton:
Der wunderbare Fischzug, in der Albertina in Wien.
Der ZEICHENSTIFT des Mittelalters ist ein Metallstäbchen mit einer
Spitze aus reinem Silber (Silberstift) oder ein Griffel aus einer Mischung
von zwei Teilen Blei und einem Teile Zinn (Bleistift). Der Name Bleistift
wurde dann auch auf die aus Graphit gefertigten Zeichenstifte übertragen,
die zwar schon im 16. Jahrhundert bekannt, aber erst im 18. mehr in Ge-
brauch kamen. Verfehlte Striche wurden früher mit Brotkrume, seit Ein-
führung des Gummi elasticum mit diesem entfernt.
Die vorgezeichneten Linien zieht häufig der Künstler, um sie vor dem
Verwischen zu schützen, mit der Feder nach; Gänse- oder Schwanenfedern,
für sehr zarte Zeichnungen Rabenfedern, wurden bis in die Mitte des 19. Jahr-
hunderts dazu benutzt; in neuerer Zeit sind sie mit verschwindenden Aus-
nahmen durch die Stahlfedern verdrängt worden. Gewöhnlich bediente
man sich bei den Federzeichnungen der gewöhnlichen Galläpfeltinte, doch
scheint man schon im Mittelalter den chinesischen Tusch gekannt zu haben,
der seit dem 16. Jahrhundert mehr und mehr Verwendung findet.
Zeichnete man auf farbiges Papier, so konnte man leicht eine plastische
Wirkung erzielen, wenn man die Schatten mit Farbe tuschte und mit reinem
oder gefärbtem Bleiweiß die Lichter aufsetzte (Abb. 107).
ZEICHENKOHLE ist schon lange von den Künstlern gebraucht worden.
Da die Kohlenzeichnung leicht verwischt wird, so muß sie fixiert werden;
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167
Abb. 108. Pastellmalerei von Roslin: Abb. 109. Griechische Enkaustik -Malerei:
Porträt einer Unbekannten, 1771. Die Muse Polyhymnia.
dies geschieht durch Benetzen mit Leim- oder Tragantwasser (Fixatif). Tauchte
man die Kohle selbst in öl und trocknete sie dann, so gab sie einen glän-
zenderen Strich, der auch fester am Papier haftete.
Die SCHWARZE KREIDE, eine Art von Tonschiefer, wurde schon
zur Renaissancezeit zum Zeichnen verwendet; das heute gebräuchliche
Verarbeiten der Striche mit dem Wischer scheint indessen den alten Meistern
unbekannt gewesen zu sein. Sehr häufig brauchten die Italiener den RÖTEL.
In Deutschland bediente man sich seiner erst im 16. Jahrhundert hin und
wieder; im folgenden Jahrhundert zeichnen die niederländischen Meister
viel in dieser Manier, die sich seitdem bis auf unsere Zeit noch mehr ver-
breitet hat. Durch gleichzeitige Verwendung von schwarzer Kreide und
Rotstift kann schon eine ganz bedeutende Wirkung erzielt werden; diese
wird gesteigert, sobald man dazu noch mit farbigen Stiften arbeitet.
Die PASTELLMALEREI bildet einen Übergang von der Zeichnung
zur Malerei; oft wird sie bloß als Zeichnung mit deutlich ausgeprägten
Strichen, oft aber auch als Malerei mit völlig ineinander gearbeiteten Flächen
durchgeführt. Die Farben werden aus einem Teig von Gips, Honigwasser
und der Farbsubstanz in Form von Stiften hergestellt. Man zeichnet mit
diesen Farbstiften auf Pergament oder Papier und kann die staubartig sich
ablagernde Farbe mit dem Wischer vertreiben und so die duftigsten und
zartesten Übergänge erreichen. So schön jedoch diese Pastellbilder aussehen,
sobald sie frisch aus dem Atelier des Malers kommen, so leicht sind sie dem
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168
Verderben ausgesetzt. Sie müssen unter Glas aufbewahrt werden, da die
Farbe sich bei der leisesten Berührung verwischt oder abstäubt. Ein Mittel,
die Pastellfarben zu fixieren, sie mit dem Papier fest zu verbinden, doch so,
daß die Schönheit der Farbenwirkung nicht beeinträchtigt wird, ist trotz
aller Versuche bis jetzt nicht aufgefunden worden. Farbige Stifte haben
schon im 16. Jahrhundert Maler zum Skizzieren benutzt; ausschließlich zur
Herstellung von Kunstwerken scheint man sie aber erst gegen Anfang des
18. Jahrhunderts verwendet zu haben. Im 18. Jahrhundert werden die
weichen Stifte bevorzugt; der Wischer spielt eine große Rolle (Abb. 108).
Neuerdings kehrt man wieder zu der alten Manier der Renaissance-
künstler zurück: Mit härteren Stiften setzt man die Farben Strich an Strich
zusammen; wobei dann die moderne Art der Farbenmischung dazukommt:
Statt eine Mischfarbe aufzutragen, zeichnet man Striche derjenigen Farben
nebeneinander, welche gemischt diese Farbe ergeben würden. Das Auge
des Beschauers übernimmt nun die Arbeit des Mischens, indem es die neben-
einander liegenden Linien aus einiger Entfernung nicht mehr auseinander-
halten kann. Die Mischfarbe ist auf diese Weise intensiver und lebendiger,
als wenn sie gleich fertig gemischt aufgetragen worden wäre.
Eine andere Art des trockenen Farbenauftrags, die ENKAUSTIK, wurde
von den Malern im Altertum angewendet: Die Farbe wurde mit Wachs und
ähnlichen Bindemitteln zu einer Pasta angerieben, welche nun mit einem
spatelartigen Instrument auf den Malgrund aufgetragen wurde; dieser be-
stand in der Regel aus Holz oder präparierter Leinwand. Mit heißen Metall-
stäben wurden die aufgetragenen Farben geglättet und zu weichen Über-
gängen ineinander gearbeitet (Abb. 109).
Die AQUARELL- oder WASSERFARBENMALEREI verwendet durch-
sichtige, transparente Farben, die, sobald sie über eine Untermalung an-
gelegt werden, dieselbe im Ton wohl verändern, aber sonst ganz und gar
durchscheinen lassen. Was also licht in dem Bilde erscheinen soll, muß
ausgespart werden, und auf lichte Untermalung werden die dunkleren
Schattentöne aufgesetzt. Ein gutes Aquarell zu malen, erfordert eine große
Übung, je schneller der richtige Ton getroffen wird, je weniger übermalt wird,
desto klarer und leuchtender wird die Farbe erscheinen. Wenn nun die
älteren Maler sich auch der Wasserfarben hin und wieder bedienten, Skizzen
leicht zu kolorieren, so haben sie doch nicht eigentliche Gemälde, sondern
nur getuschte, lavierte Zeichnungen zu schaffen beabsichtigt: zur Kunst ist die
Aquarellmalerei erst von den Engländern ausgebildet worden (Abb. 110V Die
Gefahr liegt sehr nahe und ist nicht immer vermieden worden, daß die
Aquarellmalerei in ein Virtuosentum ausartet, das wohl eine brillante
Technik, aber keinen tieferen seelischen Gehalt aufzuweisen hat. Es muß
ja schnell gemalt werden, damit die Farben nicht völlig eintrocknen; und
ein Korrigieren ist fast unmöglich, soll es nicht die Frische und Unmittel-
barkeit des Bildes beeinträchtigen. Als Malgrund kommt körniges, nur
169
Abb. iio. Aquarell von Oliver Hall: Fischerdorf.
gut geleimtes Papier zur Verwendung, als Auftragemittel wird wie bei allen
folgenden Maltechniken der Pinsel gebraucht.
Werden die Aquarellfarben mit Deckweiß versetzt, so verlieren sie
ihre Durchsichtigkeit, können also beliebig übereinander gemalt werden,
ohne daß die untermalte Farbe durchscheint. Man nennt diese Technik
DECKFARBEN- oder GOUACHEMALEREI; sie wurde schon im frühen
Mittelalter zur Buchverzierung (Miniaturmalerei) verwendet (Abb. 123),
zur Zeit der Renaissance und späterhin wurden die kleinen Porträtminiaturen
auf Elfenbein in dieser Technik ausgeführt.
Die TEMPERAMALEREI wurde schon im Mittelalter für größere
Bilder angewendet. Sie erfordert einen Malgrund aus Pergament oder Holz,
der mit einem Kreidegrund überzogen ist. Die Farben werden mit Eiweiß
oder mit Leim angerieben; dieses Bindemittel konnte erforderlichenfalls
mit Feigenmilch (in Italien), mit Wein oder Essig verdünnt werden. Das
Mischen der Farbensubstanz mit dem Bindemittel nennt man im Mittel-
alter temperare; davon hat diese ganze Art der Malerei ihren Namen er-
halten. Die Leimfarbe ist weder besonders glänzend, noch leicht zu hand-
haben; die Übergänge der Schatten müssen mühsam mit Stricheln und
Punkten ausgeführt werden: die ganze Wirkung der Temperamalerei hat
etwas Hartes an sich. Dabei ist sie zumal in einem feuchten Klima leicht
170
der Zerstörung ausgesetzt; die Farben müssen dünn aufgetragen sein, sonst
blättern sie ab; Nässe wird einem solchen Gemälde immer verderblich sein.
Man schützt sie deshalb mit einem Firnis, einem Überzug aus aufgelöstem
Harz, und dieser Firnis gibt der Farbe auch mehr Glanz und Leuchtkraft.
Schon im Norden Italiens, besonders aber in Deutschland hatte man den
Glanz und die Haltbarkeit der Farben dadurch zu erhöhen gesucht, daß man
zu dem Bindemittel aufgelöstes Harz, Honig und ähnliche Stoffe zusetzte.
Die Farbe wurde dadurch geschmeidiger, trocknete nicht sofort auf und
ließ sich deshalb leichter verarbeiten. Durch einen gefärbten Firnis endlich
suchte man dem Bilde einen schönen Gesamtton zu geben (Abb. 129, 14c).
Die Anwendung von ÖLFARBEN ist dem ganzen Mittelalter sehr wohl
bekannt gewesen; so hat man sie häufig zur Bemalung von plastischen
Werken verwendet. Banner und Fahnen sind schon in früher Zeit mit
Ölfarben gemalt worden. Später hat man dann, wie es scheint, in den Nieder-
landen auch einzelne Partien der Gemälde, Gewänder usw. mit Ölfarben
zu malen versucht, ohne daß diese Neuerung besonderen Einfluß auf die
Entwicklung der Malkunst gewonnen hat. Das Verdienst, den praktischen
Gebrauch der Ölfarbe zuerst gelehrt zu haben, wird dem Jan van Eyck
(1390 — 1440) zugeschrieben. Als ihm ein gefirnißtes Gemälde, das er zum
Trocknen in die Sonne gestellt hatte, gesprungen war, suchte er einen Firnis
zu bereiten, der auch im Schatten nicht zu langsam trocknete, und fand,
daß Leinöl mit Nußöl vermischt und mit einigen anderen Substanzen gekocht,
am besten seinem Zwecke entsprach. Er ging nun noch einen Schritt weiter
und mischte mit diesem präparierten öl seine Farben, statt die gewöhnlichen
Bindemittel zu verwenden, und fand jetzt, daß einmal die Farbe eine die
Tempera weit übertreffende Leuchtkraft erhielt, daß aber auch die zäh-
flüssigen Farben sich mit Leichtigkeit verschmelzen ließen. So bildete er
um 1410 — 1420 die Ölmalerei aus, an deren Technik die folgenden Genera-
tionen wenig zu bessern fanden. Von den Niederlanden ist dann diese Kunst
durch Antonello da Messina (nachzuweisen 1465—1478) nach Venedig ge-
bracht worden, und von da aus verbreitete sich ihre Kenntnis und An-
wendung bald über ganz Italien. Früher noch war in Deutschland und
Frankreich die neue Technik zur allgemeinen Geltung gelangt (Abb. 150 — 1 53) .
Für die Ölmalerei war die Anwendung des so leicht zu zerstörenden
Kreidegrundes nicht erforderlich, wenn auch nur langsam die deutschen
Meister auf ihn verzichteten; man konnte das Holz selbst mit einer Schicht
Ölfarbe grundieren, und diese haftete viel besser als der recht gebrechliche
Kreidegrund. In Venedig soll die Ölmalerei auf Leinwand zuerst üblich
geworden sein: bei der Feuchtigkeit der Luft gingen Wandmalereien schnell
zugrunde, Holztafeln warfen sich, und so zog man es vor, sie durch Ölfarben-
gemälde, die auf starker Leinwand ausgeführt waren, zu ersetzen. Die Holz-
tafeln sind aber noch lange, selbst bei den niederländischen Meistern, be-
liebt geblieben.
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171
Die Maler des 15. Jahrhunderts malen gewöhnlich auf weißen Grund,
die späteren ziehen einen grauen, bald mehr ins Rötliche, bald ins Bläu-
liche spielenden Grundton vor. Die Maler der italienischen Barocke haben
ihre Gemälde mit Bolus (braunrot) grundiert. Auf diesen Grund wird die
Zeichnung entworfen und die Schatten blaugrau untertuscht, sodann das
Relief durch Durchmodellierung mit Grau erzielt; die Lichter werden dann
im Lokalton oder in Weiß aufgesetzt. Schließlich übermalt man diese ein-
farbige Vorbereitung, die von den Niederländern auch in Braun gehalten
wird, mit durchscheinenden Lasur- und erforderlichenfalls mit Deckfarben.
Die alten Maler bereiteten sich ihre Farben selbst zu, kauften nur die
Rohstoffe und wachten mit ängstlicher Sorgfalt darüber, daß nach den Jahr-
hunderte hindurch erprobten Verfahrungsweisen die Malerfarbe hergestellt
wurde. Deshalb konnten sie auch für die Haltbarkeit ihrer Farben einstehen,
und in der Tat haben sich gerade die Farben der älteren Staffeleibilder vor-
züglich gehalten, während die Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts stark
nachgedunkelt sind oder ihren ehemaligen Glanz eingebüßt haben.
Seit die Malerfarben fabrikmäßig hergestellt werden, ist der Maler in
den seltensten Fällen in der Lage, die Güte der Farben zu prüfen. Ein großer
Teil derselben ist verfälscht (z. B. Zinnober) und verliert bald seine eigentüm-
liche Färbung. Andere moderne Farben bestechen zuerst durch ihren Glanz,
werden jedoch bald matt und grau. Die käuflichen Farben sind aber auch
nicht immer mit demselben Bindemittel angerieben, oder wenigstens ist das-
selbe nicht im gleichen Verhältnis verwendet. Werden nun diese Farben über-
einander gemalt, so trocknen sie in verschiedener Zeit; ist aber die obere
schon getrocknet, wenn die untere noch nicht erhärtet ist, so bekommt
das Bild unzweifelhaft Risse. Ebenso wenn es gefirnißt wird, ehe die Farben
wirklich trocken geworden sind.
Doch selbst gut und mit aller technischen Sorgfalt gemalte Ölgemälde
werden im Laufe der Zeit schadhaft, wenn sie nicht genügend geschützt
sind. Die Farbe lockert sich hier und da; es bilden sich Blasen, und wenn
dann nicht bald von geschickter Hand gebessert wird, so lösen sich größere
oder kleinere Partien des Gemäldes los. Solche Defekte sind nur durch
sehr gewissenhafte, geübte Restauratoren zu ergänzen; in der Photo-
graphie dieser Gemälde werden die Ausbesserungen immer deutlicher sicht-
bar als bei den Originalen selbst. Ungeschickte Maler übermalen wohl,
wenn es ihnen nicht gelingen will, den rechten Farbenton zu treffen, einzelne
Partien des Bildes, manchmal selbst das Ganze und richten so großen Schaden
an. Doch lassen sich solche Übermalungen von kundigen Restauratoren
wieder entfernen, und so geschieht es etwa, daß unter einem anscheinend
unbedeutenden Gemälde ein wertvolles Originalbild entdeckt wird. Altar-
bilder haben einmal durch Staub, dann durch den Kerzenrauch, den Qualm
des Weihrauches gelitten; es hat sich auf der Bildfläche eine Schicht von
Schmutz abgelagert, welche das Gemälde nur undeutlich durchscheinen läßt.
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Bilder auf Holztafeln sind auch vom Wurmfraße oft beschädigt worden.
Man pflegt in einem solchen Falle das Holz durch Hobeln soweit zu ent-
fernen, bis nur noch eine dünne Lage übrig bleibt; diese wird nun geschickt
abgeschält, so daß endlich nur die Farbschicht vorhanden ist, die man dann
auf eine präparierte Leinwand aufklebt. Wird die Leinwand eines Bildes
schadhaft, modrig usw., so sucht man sie Faden für Faden von der Farb-
schichte abzulösen und befestigt letztere nun wieder auf frischer Leinwand.
Dieses Verfahren nennt man Rentoilieren.
Der Farbenauftrag der alten Meister ist sauber und sorgfältig; die Töne
sind vertrieben, ihre Intensität durch öfteres Übermalen gesteigert (Abb. 150).
Das kecke, derbe Hinbürsten der Farbe wird erst gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts gebräuchlich. Rubens hat für seine dekorativen Malereien oft
die Töne unvermittelt nebeneinandergesetzt, und diese wirkungsvolle Art des
Vortrags hat seit der Zeit immer Verehrer gefunden (Abb. 155, 156). Anderer-
seits haben die holländischen Feinmaler die delikate sauberste Malweise
immer hochgehalten, einige von ihnen haben geradezu eine porzellanartige
Glätte ihrer Malereien erstrebt (Abb. 135). Unter den modernen Meistern
finden wir hin und wieder Künstler, die mit stark pastosen Farbenmassen
arbeiten, manche setzen ihre Farben in derben Stücken nebeneinander, so daß
ihre Bilder in der Nähe betrachtet wie Mosaiken aussehen (Abb. 160).
Malereien in öl- und Temperafarben wurden nicht nur auf Holz- und
Leinwandtafeln ausgeführt, sondern auch direkt auf dem Verputz der Wand.
Allein die Farbe blättert leicht ab; wird die Wand feucht, so löst sie sich
auf und fließt ineinander, und das ist der Grund, der den Gebrauch der bei
weitem schwierigeren, aber dafür auch viel dauerhafteren FRESKO-
MALEREI herbeigeführt hat.
Auch der Freskomaler malt auf die gekalkte Wand, aber er
wartet nicht, bis die Putzschicht trocken ist, sondern er führt seine Arbeit
auf dem nassen oder wenigstens feuchten Kalk aus. Zuerst wird ein dicker
und fester Rauhputz angeworfen, und sobald dieser trocken ist, eine dünnere
feinere Putzschicht, auf die dann der aus gutem, mit feinem Sande ver-
mischten Kalk bestehende Wurf in einer ganz schwachen Lage angelegt
wird. Diese letzte Schicht, auf die gemalt wird, der Intonaco der Italiener,
wird fein geglättet und von Sandkörnern möglichst gesäubert. Von dem In-
tonaco wird nur soviel an die Wand angetragen, als der Maler an einem Tage
zu bemalen imstande ist; wenn er seine Arbeit beendet, wird der nicht be-
malte Putz sorgfältig entfernt und bei Fortsetzung der Malerei immer wieder
stückweise aufs neue angesetzt. Sobald der Intonaco so weit erhärtet ist,
daß er nicht leicht mehr dem Drucke der Finger nachgibt, kann die Malerei
beginnen; würde der Künstler auf den nassen Kalk malen, so könnten die
Farben leicht ineinander fließen. Bei der Freskomalerei kommt es darauf
an, schnell ein Stück der Arbeit ganz fertig zu machen; der Maler muß also,
ehe er die Arbeit beginnt, genau wissen, was er will.
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173
Abb. in. Freskomalerei von Paolo Veronese (1528— 1588) : Der Ackerbau; in der
Villa Francolo bei Castelfranco.
Die Malerei wird mit wetterbeständigen Mineralfarben ausgeführt. Da
der feuchte Bewurf die Farbe aufsaugt, so muß diese wiederholt auf-
getragen werden; Übergänge der Schatten sind durch Vertreiben mit einem
weichen Borstenpinsel zu erreichen (Abb. m).
Die Schwierigkeit der Freskomalerei ist eine sehr große, einmal, weil es
gilt, sofort den richtigen Farbenton zu treffen, dann aber, weil diese Farben,
so lange sie feucht sind, viel tiefer aussehen, als wenn sie aufgetrocknet
sind. Wenn nun auch eine Farbenskizze dem Maler die Wahl und Tönung der
Farbe erleichtert, so kann er doch erst nach Tagen, ja bei nasser Witterung
erst nach Wochen die Wirkung seines Bildes beurteilen. Und dann noch zu
bessern ist sehr schwierig. Will er einzelne Partien ändern, so muß das ganze
Stück Putz entfernt, abgekratzt und neu aufgetragen werden, und es fragt
sich dann, ob der Maler genau den zu dem übrigen Bilde stimmenden
Farbenton trifft. Ein Übermalen des trockenen Gemäldes ist wohl aus-
führbar, allein diese Übermalungen blättern mit der Zeit ab und dann sieht
das Bild schlimmer aus als zuvor. Doch alle Mühen lohnen sich: Die
Freskomalerei saugt sich fest in die Mauer ein und ist gewissermaßen un-
zerstörbar. Nur wenn der Verputz der Mauer heruntergeschlagen wird, geht
auch sie zugrunde. Eine ebenfalls sehr wirkungsvolle und wetterbeständige
Wandmalerei, die sich indessen auf zwei Farben beschränkt, besitzen wir in
der SGRAFFITOMALEREI, die sich besonders im 16. Jahrhundert großer
Beliebtheit erfreute:
Über den Bewurf der Wand wird eine Schicht dunkelbraun oder schwarz
gefärbten Mörtels aufgetragen und über diesen eine dünne Lage hellgefärbten
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Abb. 1 12. Mosaik: Der Kaiser Justinian und sein Gefolge. Arbeit des 6. Jahrhunderts,
in der Kirche S. Vitale in Ravenna.
Putzes gelegt. Wenn man nun in diesen hellen Putz, solange er weich ist,
mit löffelartigen Spachteln die Zeichnung so tief einkratzt, daß man die
dunklere Farbschicht bloßlegt, so tritt diese sichtbar hervor. Die Zeichnung
erscheint also dunkel auf hellem Grunde. Zur Verzierung von Fassaden
hat man die Sgraffitomalerei schon im 15. Jahrhundert benutzt; auch in
Deutschland und Böhmen ist sie bis zum Dreißigjährigen Kriege vielfach
ausgeübt worden.
Die Ausschmückung der Wand mit Bildern geschah nun aber nicht
allein durch die Malerei. Die Teppichwirkerei und Stickerei wetteiferten
mit den Wirkungen der Fresko- und Ölmalerei; vor allem aber war es die
MOSAIKKUNST, welche besonders im Altertum und im Mittelalter die
Malerei ersetzte (Abb. 112).
Die Völker des Altertums verstanden das Mosaik meisterhaft zu be-
handeln; die Römer zumal zauberten damit die reizvollsten Gemälde und
Dekorationen auf ihre Fußböden. Von ihnen haben es die christlichen Meister
übernommen und nun nicht allein zur Verzierung des Fußbodens, sondern
auch zum Schmucke der Kirchenwände und Gewölbe verwendet.
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In der Nähe betrachtet gleicht ein solches Mosaikgemälde einer auf
grobem Kanevas ausgeführten Kreuzstichstickerei; doch wirkt es, sobald
der Beschauer weit genug absteht, überaus dekorativ und monumental.
Seiner Dauerhaftigkeit halber ist es sehr wohl geeignet, die immerhin leichter
zu zerstörenden Wandmalereien zu ersetzen. In Italien ist diese Kunst
deshalb auch seit dem Beginne christlicher Kunsttätigkeit bis in das 13. Jahr-
hundert unausgesetzt geübt worden, und wenngleich in der Folgezeit die
Wandmalerei sich einer überwiegenden Beliebtheit erfreute, so ist doch bis
in das 18. Jahrhundert hinein die Mosaikarbeit immer, besonders für rein
dekorative Arbeiten, verwendet worden.
Das Mosaik wurde in der Art gearbeitet, daß man die Mauer, an der
es angebracht werden soll, erst rauh machte, damit die Mörtelschicht festeren
Halt erhielt. Aus dem Backsteinmauerwerk wurde bis 10 cm tief der ver-
bindende Mörtel entfernt, an Quadermauern schlug man Nägel in die Fugen;
in dieser und ahnlicher Weise erreichte man, daß der Mörtel sehr fest an
der Mauer haftete. Auf diese Unterlage kam nun der eigentliche Kitt,
zusammengesetzt aus Kalk, Marmorstaub, Wasser und Eiweiß oder ver-
mischt mit Leinöl. Da dieser Kitt schnell erhärtet, wird nicht mehr als
zum augenblicklichen Bedarf erforderlich aufgetragen. Auf den Kitt über-
trägt man nun die Zeichnung, in der Regel mit roten Umrissen, gibt auch
zuweilen die Farben an und untermalt die Stellen gelbrot, an denen Gold
angebracht werden soll.
In den Kitt drückt man dann die Steinchen, respektive Glasstückchen,
der Zeichnung entsprechend, dicht aneinandergereiht, ein. Es liegt auf der
Hand, daß sich eine mannigfaltigere Schattierung durch künstlich zusammen-
gesetzte Glasflüsse erzielen läßt, während es schwer ist, alle Farbennuancen
aus natürlichen Steinen zu beschaffen. Die Glasflüsse werden in flache
Scheiben gegossen und dann auf einem geschärften Amboß in Würfel ge-
schlagen. Die notwendige Form wird ihnen durch Abschleifen gegeben.
Den Goldgrund bildeten die Mosaikisten aus Glas, belegten dasselbe auf einer
Seite mit Goldblättchen, deckten über das Gold wieder eine entsprechend
große Glasplatte und brachten im Ofen beide Glasstücke zum Zusammen-
schmelzen.
Sobald die Arbeit des Mosaikisten vollendet ist, wird das Werk auf der
Oberfläche geschliffen und poliert.
Solange die Mauer, deren Mörtelbewurf und der Kitt nicht zerstört
werden, hält auch das Mosaik; sollte die Oberfläche desselben rauh und
undeutlich geworden sein, so genügt ein Abschleifen, ihm seinen Glanz
und seine Farbenpracht zurückzugeben. An Orten, deren Feuchtigkeit
den Wandmalereien, die an Gebäuden frei und ungeschützt angebracht sind,
verderblich wird, wird sich die Mosaikkunst besonders entwickeln; das ist
z. B. in Venedig der Fall. Die Haltbarkeit dieser Kunstwerke erklärt es,
daß sie uns noch aus ältester Zeit in großer Zahl überliefert wurden, und
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daß sie für die Geschichte der italienischen Malerei der ersten zehn christ-
lichen Jahrhunderte uns nebst den Miniaturen das wertvollste Material zu
bieten vermögen.
Kleine Schmuckmosaiken werden aus feinen Glasstiften, die der Ar-
beiter nach Bedarf mit dem Nagel abbricht, in einem Kitt von Kalk,
gepulvertem Stein und Gummitragant zusammengesetzt.
Die GLASMALEREI erzeugt Bilder durch mosaikartiges Zusammen-
fügen von verschieden gefärbten Glasstücken. Zunächst waren es bloß
kleine Stücke, welche durch die Bleifassung voneinander getrennt waren.
Nach dem 13. Jahrhundert werden die Glasstücke größer und neben den
durch und durch gleichartig gefärbten Hüttengläsern erscheinen schon
Überfanggläser, die nur durch eine dünne, auf einer Seite der Scheibe
befindliche Glasschicht gefärbt sind; sobald diese Farbschicht abgeschliffen
ist, tritt das reine weiße Glas hervor. Zur Erzeugung von Schattierungen
verwendete man das Schwarzlot, eine schwarze Farbe, die sich ein-
brennen ließ; daneben wurden später Emailfarben zum Malen verwendet:
Blau, Gelb und Grün. An Stelle der farblosen Gläser, auf die man früher
die Gesichter grau in Grau malte, tritt nun ein schönes rötlich gefärbtes.
Das für die letzte Zeit des Mittelalters übliche Verfahren ist folgendes:
Auf eine geweißte Tafel zeichnete der Glasmaler in starken schwarzen Linien
die Umrisse seiner Figuren und Ornamente in natürlicher Größe auf.
Das ist die Visierung, der Karton, wie wir heute sagen würden. Auf
diese Zeichnung legt nun der Künstler die farbigen Gläser, schneidet mit
einem glühenden Eisen die Scheiben aus den verschiedenen Farben zu, daß
sie genau auf die entsprechenden Farbenpartien des Kartons passen.
Glühendes Eisen brauchte man, bis gegen Ende des Mittelalters der Diamant
in Anwendung kam. Die zusammengehörigen Glasstücke werden durch
Bleifassungen vereinigt, und zwar legt man die Verbleiung, wenn möglich,
so an, daß sie in die dunkleren Schattenpartien kommt, da sie sich als schwarze
Linie später geltend macht. Hatte man dann sämtliche Teile des Gemäldes
in dieser Art vereinigt, so stellten dieselben ein farbiges durchsichtiges
Glasmosaik dar.
Es galt nun, dasselbe durch Schattierung zum Gemälde auszubilden.
Zu diesem Zwecke überstrich man die gefärbten Gläser mit einer dünnen
Schicht Schwarzlot; dadurch erhielten sie einen tieferen, dunkleren Ton.
Die Schattierung selbst wurde durch Schraffieren mit Schwarzlot her-
gestellt, und die Lichter erzielte man dadurch, daß man an den geeigneten
Stellen den Schwarzlotüberzug fortkratzte und dadurch das Glas in seiner
ursprünglich helleren Farbe wieder zum Vorschein kommen ließ. Bei dieser
Art der Malerei sind also die bunten Farben schon vorhanden und werden
nur durch schwarze Übermalung schattiert.
Sobald die Malerei beendet ist, gilt es, sie durch Einbrennen zu be-
festigen. Man nimmt die bemalten Glasstücke aus der Bleifassung heraus,
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und bringt sie in den Schmelzofen, bis die Farbe flüssig wird und sich mit
der Oberfläche des erhitzten Glases fest verbindet. Sobald die Farben ein-
gebrannt sind, werden die Stücke wieder zusammengesetzt, und damit ist
das Glasgemälde beendet (Abb. 121).
Je mehr diese Kunst sich vervollkommnete, Glasflüsse entdeckt
wurden, die es möglich machten, auf einer großen weißen Glasscheibe
wie auf Leinwand oder Papier zu malen, um so höhere Ansprüche stellte
man an die Ausführung der Malerei, desto schwieriger wurde die Technik.
So nebenher konnte sich ein Maler nicht mehr mit ihr abgeben, und deshalb
standen sich auch hier bald Künstler und Techniker gegenüber. Der eine
entwarf die Vorbilder, der andere führte sie aus. Je weniger aber die Künstler
noch geneigt waren, sich für diesen mehr und mehr absterbenden Kunst-
zweig zu interessieren, um so mehr waren nun die Glasmaler darauf an-
gewiesen, ihre Vorbilder zu nehmen, wo sie etwas Brauchbares finden
konnten. Holzschnitte, Kupferstiche älterer und zeitgenössischer Meister
wurden als Motive verwendet, ja man versuchte die Wirkung von Ölgemälden
in der Glasmalerei zu erreichen (Abb. 122). Meisterhafte Leistungen sind
noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu verzeichnen, doch das
17. Jahrhundert zeigte schon eine geringere technische Geschicklichkeit.
Im 18. Jahrhundert war die Glasmalerei als Kunst in Vergessenheit
geraten; nur Handwerker betrieben sie noch und benutzten sie zur De-
korierung von Gefäßen. Mit der Nachahmung des gotischen Baustiles, mit
der neuerwachten Bewunderung für die Kunstdenkmäler des Mittelalters
ging das Bestreben Hand in Hand, auch die Glasmalerei wieder einer ge-
deihlichen Entwicklung entgegenzuführen. Wenn auch die Kompositionen
des 19. Jahrhunderts künstlerisch zum Teil sehr beachtenswert sind, fehlt
doch durchweg das Gefühl für die Eigenart der Technik. Erst mit dem
jüngsten Aufschwung des Kunsthandwerks fand die Glasmalerei wieder den
Zusammenhang mit ihrer technischen Grundlage und hat da und dort,
besonders aber in England, Bedeutendes geleistet.
Die EMAILMALEREI verwendet als Farbe das Email, eine sehr leicht-
flüssige Glaskomposition, die sich durch Zusatz von Borax schnell schmelzen
läßt und durch Beimischung von Metallkalken verschiedene Farben annimmt.
Die besonders von den Byzantinern gepflegte Art dieses Kunst-
zweiges ist der sogenannte ZELLENSCHMELZ (6mail cloisonne). Auf einer
Goldplatte wird die zu emaillierende Figur aufgezeichnet und deren Um-
risse durch feine, vorher gebogene Golddrähte gebildet, dieselben sodann
durch Löten befestigt und in die so entstandenen Zellen (cloisons) die fein
pulverisierte, mit Wasser angefeuchtete Emailmasse gestrichen. Durch Er-
hitzen wird das Email zum Schmelzen gebracht, so daß sich die einzelnen
Zellen wohl mit der durchsichtigen Farbe füllen. Wenn das Plättchen
erkaltet und erhärtet ist, wird es abgeschliffen. Zwischen den bunten
Emailflächen wird dann die feine Kontur des Golddrahtes sichtbar.
Sdiultz-Bernoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. 12
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Während das Zellenemail nur auf Gold-
platten sich ausführen laßt, kann der
GRUBENSCHMELZ (email champleve) auch
auf kupferner Grundlage angebracht werden.
Die Zeichnung wird auf die Kupferplatte
übertragen, und alle die Stellen, welche man
zu emaillieren beabsichtigt, werden vertieft.
Diese Vertiefungen werden mit dem Email
gefüllt, das man dann schmilzt. Endlich
wird die Platte glatt geschliffen, und die
sichtbaren Partien der kupfernen Grund-
lage werden vergoldet.
Im Abendlande hat man fast aus-
schließlich von diesem Champleve-Email
Gebrauch gemacht, und es ist noch eine
ziemlich bedeutende Zahl von Denkmälern
dieser Art vorhanden. Der Hauptsitz dieser
Kunstfertigkeit ist in und um Köln zu suchen
(Abb. 113).
In der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts entsteht die später so hochberühmte
Emailleurschule von Limoges. Bis zum
1 5. Jahrhundert arbeiten die Limousiner Gold-
schmiede ihre Champleve-Emails ganz in
derselben Weise, wie dies die rheinischen
Künstler tun; nur die Farbenskala ist ver-
schieden. Sie fertigen nicht nur Kirchen-
geräte an, sondern auch Prunkstücke für
den Privatgebrauch, Leuchter, Schüsseln
und ähnliches.
Der RELIEFSCHMELZ (email de basse-
taille) entsteht folgendermaßen: Auf ein Gold-
oder Silberplättchen wird die Zeichnung ent-
worfen und sodann im flachen Relief aus-
geführt; mit Zuhilfenahme der Grabstichel
wird das Werk graviert, kurz es wird zu-
nächst eine künstlerische Goldschmiede-
arbeit hergestellt. Über die Flächen dieses
Reliefs wird nun transparentes Email auf-
getragen, das, an den tieferen Stellen sich
Diese Art von Arbeit ist besonders in
Italien heimisch, in Frankreich und Deutschland aber nur selten zur An-
wendung gekommen.
Abb. 1 13. Johannesder Evangelist.
Kupferschmelzplatte: Arbeit eines
Schülers des Nikolaus v. Verdun,
um 1220, im kgl. Kunstgewerbe-
Museum in Berlin.
sammelnd, dunkler erscheint.
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Abb. 1 14. Emailmalerei von Leonhard Limousin (1505 - 1577) : Die Toilette Psyches.
Das MALEREMAIL (Emaux peints) ist in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts in Limoges zuerst in Gebrauch gekommen. Man bedient
sich bei dieser Arbeit sehr dünn gehämmerter Kupferbleche, welche auf
beiden Seiten mit einer Emailschicht gleichmäßig überzogen werden. Dann
wird durch Erhitzen das Email zum Schmelzen gebracht. Sobald diese
Arbeit beendet ist, überträgt man durch Pausen die Vorzeichnung auf die
Emailplatte, umzieht die Konturen mit schwarzer Schmelzfarbe und brennt
dieselbe, wie die Gold- und Silberf littern, die zur Verzierung dienen, ein.
Sodann werden die Lokaltöne mit dem Spachtel aufgetragen; die Gesichter
erhalten einen veilchenfarbenen Ton. Nachdem diese Farben durch Ein-
schmelzen befestigt sind, beginnt man das Gemälde zu modellieren, Licht
und Schatten aufzusetzen. Das Licht in den Gesichtern wird aus weißem
Email aufgesetzt und modelliert; die Schatten werden in Schwarz aufge-
malt; Lichter werden in Gold gehöht (Abb. 114).
Im 16. Jahrhundert überzog man die ganze Fläche des zu emaillierenden
Gegenstandes mit einem dunkeln, schwarzen Email. War dasselbe auf-
geschmolzen, so malte man die Lichter der Figuren mit weißer Schmelzfarbe. Die
Fleischtöne wurden rötlich gefärbt, dazu kamen noch goldene Linien und Punkte.
12*
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Mit dem 17. Jahrhundert macht sich in der Limousiner Emailmalerei
ein allmählicher Rückgang bemerkbar; im 18. Jahrhundert ist sie völlig
bedeutungslos geworden.
Inzwischen war es gelungen, die Goldplatte mit einem weißen Email
zu überziehen und Farben zu komponieren, mit denen man auf diesem
weißen Grunde ebenso leicht malen konnte wie mit Wasserfarben auf
Elfenbein oder auf Pergament.
Dieses Verfahren wurde fast ausschließlich für kleine Porträtmedaillons
verwendet; seine Blütezeit fällt ins 17. und 18. Jahrhundert. Nach seinem
Erfinder wird es Toutin-Email genannt.
Eine andere Art von Metallmalerei stellen die GRAVIERTEN METALL-
PLATTEN dar, welche besonders als Grabdenkmale Verwendung fanden.
Auf eine oder mehrere Bronze- oder Messingplatten hat man das Bildnis
des Verstorbenen gezeichnet und diese Zeichnung tief eingegraben, die ver-
tieften Linien endlich mit farbigem Kitt ausgefüllt. Dieser Kitt ist meist
ausgebröckelt, so daß der Staub sich in die Gravüren gesetzt hat; dadurch
erscheint heute meist die Zeichnung hell auf dem dunkeln Bronzegrunde.
Schon aus dem 13. Jahrhundert sind solche Grabplatten bekannt; diese
Kunst blühte bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts.
Die eben geschilderte Technik, Bilder mit vertieften Konturen in Metall-
platten zu schneiden, dann diese Linien durch eine Kittmasse auszufüllen,
um sie klarer hervortreten zu lassen, ist von den Goldschmieden des Mittel-
alters zur Verzierung kostbarer Kirchengeräte und von Hausrat, der dem
Luxus zu dienen hatte, vielfach angewendet worden. Statt des Kittes wurde
aber eine Komposition von Silber, Kupfer, Blei und Schwefel verwendet,
die zusammengeschmolzen eine schwarze Masse bildet, welche wir Schwefel-
silber, die Italliener NIELLO nennen. Die Zeichnung wird in eine Gold-
oder Silberplatte graviert, und nachdem das Metall sorgsam gereinigt ist,
wird das pulverisierte Schwefelsilber etwa einen Messerrücken stark mit
einem Spachtel aufgetragen und zum Schmelzen gebracht. Der Arbeiter
achtet darauf, daß alle Teile der Zeichnung wohl ausgefüllt werden, entfernt
dann mit der Feile das überflüssige Niello und poliert endlich sein Werk;
die Zeichnung hebt sich nun von dem Metallgrunde in glänzendschwarzer
Farbe ab.
Das Niello soll schon den Römern bekannt gewesen sein; so sollen
die Gravierungen der sogenannten etruskischen Spiegel Spuren von Niello
zeigen. Jedenfalls ist es von den Künstlern des Mittelalters häufig gebraucht
worden. Zur Verzierung von Waffen, von Schüsseln und Kannen wird es
schon im Beginn des 13. Jahrhunderts gebraucht, und noch heute werden
niellierte Geräte in Tula in Rußland (,,Tula- Silber") angefertigt.
Wie uns Vasari berichtet, pflegten die italienischen Goldschmiede, um
die Wirkung ihrer Arbeit zu erproben, die gravierten Platten, ehe das Niello
eingeschmolzen wurde, in Gips oder Erde abzuformen und die Form dann
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mit Schwefel auszugießen. Dieser Schwefelabguß wurde mit Rauch ge-
schwärzt, dann mit öl abgerieben, und so zeigt sich nun die Zeichnung dunkel
auf dem hellen Grunde des Schwefels. Der Künstler konnte also die Wirkung
seines Werkes beurteilen und je nach Bedürfnis an der Silberplatte noch
Änderungen anbringen. Nun sei ein Florentiner Goldschmied um 1450
darauf gekommen, einen solchen Schwefelabguß auf Papier abzudrucken,
indem er Papier auf die Schwefelplatte, deren vertiefte Linien mit Ruß und
öl ausgefüllt waren, auflegte und mit einer kleinen Walze fest anpreßte.
So soll die Kunst, durch Abdruck auf Papier eine Gravierung zu übertragen,
erfunden worden sein.
Während die bisher erwähnten Techniken der Malerei und der Zeichen-
kunst mit verschiedenen Werkzeugen Bilder erzeugten, die als einzelne
Kunstwerke einen bedeutenden Wert besitzen, sollen nun die Techniken
kurz skizziert werden, die durch das Abdrucken von Platten eine größere
Zahl von völlig gleichen Bildern herstellen. Man nennt diese Künste ver-
vielfältigende oder Reproduktionsverfahren; treffender und kürzer ist der
Name „BILDDRUCK". Die Herstellung der Druckplatten ist dabei von
der höchsten Wichtigkeit; dann aber auch das Einfärben derselben und das
Verfahren des Druckens.
Für die künstlerischen Fragen kommen nur diejenigen Bilddruck-
techniken in Betracht, bei denen der Künstler selbst die Druckplatte herstellt.
Alle Verfahren, die auf der Photographie begründet sind, scheiden dafür
aus; sie erstreben lediglich eine möglichst getreue Wiedergabe der Vorlage,
während die Drucke von den mit der Hand hergestellten Druckplatten
eigenartige künstlerische Qualitäten besitzen.
Je nach der Beschaffenheit der Platten unterscheiden wir Hochdruck
(bei welchem die abfärbenden Partien hoch liegen), Tiefdruck (bei welchem
sie in der Platte vertieft sind) und Flachdruck (bei welchem die Druckplatte
eine ununterbrochene Fläche bildet).
Der HOLZSCHNITT ist das weitaus verbreitetste künstlerische Hoch-
druckverfahren. Die Platte wird folgendermaßen hergestellt: Auf dem glatt-
gehobelten Holzstock wird die Fläche, auf der der Holzschnitt ausgeführt
werden soll, mit einer Kreidelösung geweißt und dann die Zeichnungen auf
sie übertragen. Der Zeichner wird darauf zu achten haben, daß beim Abdruck
sein Entwurf im Sinne des Spiegelbildes zur Geltung kommt. Mit einem
scharfen Messer schneidet der Künstler nun alle die Stellen sauber aus, die
im Abdruck weiß erscheinen sollen, und vertieft sie, so daß nur die Partien,
die beim Drucke die Farbe auf das Papier zu übertragen haben, erhöht
stehen bleiben. Im 14. und 15. Jahrhundert wurden zuweilen auch Metall-
platten in dieser Weise geschnitten und auf Holzklötze montiert; ge-
wöhnlich aber bediente man sich der leichteren Arbeit wegen der Holz-
stöcke. Die älteren Meister verwendeten Bim- oder Pflaumenbaumholz,
das parallel der Achse des Baumstammes gespalten war (Langholz), während
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Abb. 115. Holzschnitt von Michael Wolgemut (1434 — 15 19): Gastmahl des Herodes.
(Aus Hartmann Schedels Welt-Chronik, Nürnberg, 1493.)
die neueren Holzschneider seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Hirnholz
verwenden, Querschnitte des Baumstammes. Der Holzschneider der
neueren Zeit benutzt meistens Buchsbaumholz und bearbeitet dasselbe mit
einer Menge verschieden geformter Stichel.
Ein Übelstand der alten Holzschnittplatten war, daß sie sich durch
den Gebrauch schnell abnutzten, daß einzelne Linien sich loslösten oder
die Platten selbst zersprangen. Diesen Unfällen hat die neuere Zeit dadurch
vorgebeugt, daß man von den Originalholzstöcken überhaupt kaum noch
Abdrücke macht. Auf galvanischem Wege werden genaue Nachbildungen
desselben hergestellt ( Klischees, Galvanos) , die nun zum Druck benutzt werden
und jederzeit, sobald sie schadhaft geworden sind, ersetzt werden können.
Vor Erfindung der Druckerpresse legte man auf die geschwärzte Holz-
schnittplatte das befeuchtete Papier auf und rieb nun mit einem Ballen
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oder einem Reiber so lange auf der Rückseite des Papiers, bis sämtliche
geschwärzten Stellen des Holzstocks sich auf dem Papier abzeichneten.
Die ersten Holzschnitte weisen bloß Umrißlinien auf, die oft mit der
Hand farbig ausgetuscht wurden. Bald wurden schraffierte Schatten an-
gelegt; mit der Zeit lernte man alle Übergänge durch verschieden dichte
Schraffierungen als Tonwerte herzustellen (Abb. 115, 124).
Nachdem im 17. und besonders im 18. Jahrhundert der Holzschnitt
stark von der Konkurrenz des Kupferstichs zu leiden hatte, nahm er
im 19. Jahrhundert einen neuen Aufschwung und bildete sich zum Ton-
holzstich aus, der die zartesten Halbtöne durch ein äußerst feines Netz
von Linien und Punkten wiederzugeben vermochte. Trotz der photomechani-
schen Verfahren wird der Tonholzstich heute noch viel verwendet, ohne
indessen einen bedeutenden künstlerischen Wert zu besitzen.
Der FARBENHOLZSCHNITT arbeitet mit mehreren Druckplatten, von
denen jede mit einer andern Farbe eingefärbt wird; die Platten werden dann
nacheinander auf dem Papier über derselben Fläche abgedruckt. Für jede
Farbe muß also eine Platte geschnitten werden; doch können auch durch
Übereinanderdrucken von verschiedenen Farben Mischfarben erzeugt werden.
Beim Farbenholzschnitt sind Fehldrucke häufig, indem oft nicht alle Druck-
platten genau über derselben Fläche gedruckt werden und so ihre Konturen
nicht genau übereinander zu liegen kommen. Halbtöne müssen wie beim
einfarbigen Holzschnitt in Linien aufgelöst werden; für die Schatten wird
meist eine schwarz eingefärbte Druckplatte verwendet, dieselbe, welche
auch die Konturen der Zeichnung zu drucken hat.
In der deutschen und italienischen Kunst der Renaissance wurde der
Farbenholzschnitt mit kräftigen Farben und starken Konturen ausgebildet.
Überaus eigenartig und raffiniert wird er von den japanischen Meistern
des 18. Jahrhunderts gehandhabt. Neuerdings wurden Versuche gemacht,
den Farbenholzschnitt wie den TonhoLzstich zu behandeln und für die
getreue Wiedergabe von Gemälden dienstbar zu machen. Für den gleichen
Zweck werden in Japan Holzschnitte mit einer großen Zahl von Farbplatten
gedruckt, welche nun alle Nuancen des Originals wiederzugeben imstande
sind. Andererseits greift man heute vielfach auf die klassischen Zeiten der
Holzschneidekunst zurück: Deutschland und Italien der Renaissance und
das japanische Rokoko. Aus diesen Quellen nahm der moderne Holzschnitt
seine Nahrung, hat aber bald ein eigenes Wesen gezeigt: Er arbeitet
mit starken Kontrasten und sucht alles auf den einfachsten Ausdruck der
Form und Beleuchtung zurückzuführen. So entstand in der neuesten Zeit
aus der alten Technik eine exquisite Kleinkunst, die freilich nur eine kleine
Gemeinde von Genießern um sich versammelt.
Das Tiefdruckverfahren findet seinen hervorragendsten Vertreter im
KUPFERSTICH. Die Zeichnung wird mit dem Stichel in eine Kupferplatte
eingeritzt; eine mühsame und zeitraubende Arbeit, die eine überaus sichere
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Abb. 116. Kupferstich von Martin Schongauer (X445— 1491): der Marktbauer.
Hand erfordert, indem das Kupfer dem Werkzeug einen beträchtlichen
Widerstand entgegensetzt. Die Druckfarbe wird vermittelst Ballen auf die
Platte aufgetragen, in die vertieften Linien hineingerieben, sodann sorg-
fältig abgewischt und darauf das weiche ungeleimte Druckpapier feucht
aufgelegt (Abb. 116, 125, 128).
Um den Druck der Presse zu mildern, werden auf die Rückseite der
Platte wie des Papiers Filztafeln gebreitet; dann läßt man die so geschützte
Platte, die mit dem Druckpapier zwischen zwei passende Bretter gelegt
ist, durch die Walze der Druckerpresse hindurchziehen. Trotz aller Vorsicht
nützt sich aber doch mit der Zeit die gestochene Platte ab; die nur leicht ein-
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gegrabenen feinen Linien verschwinden mehr und mehr, und so treten die
Schatten in ungebührlicher Weise hervor. Die Linien werden endlich
so flach, daß sie nur wenig Schwärze aufzunehmen vermögen: dadurch er-
scheint der Abdruck matt. Will man fernere Abzüge machen, so muß die
Platte retuschiert werden, indem man die zu flachen Linien (Taillen)
wieder vertieft.
Ein geübtes Auge wird mit Leichtigkeit einen guten von einem schlechten
Abdruck zu unterscheiden wissen; bestimmt doch allein die Güte des Ab-
druckes (epreuve) den Wert des Kupferstiches (estampe). Man hat aber
auch äußere Merkmale, welche die Beurteilung erleichtern: Die älteren
Kupferstiche sind von den Meistern selbst abgedruckt worden, später jedoch
haben die Stecher oft für Kunsthändler gearbeitet, und diese haben dann
ihre Namen (die Adresse) auf die Platte setzen lassen, entweder lateinisch:
,excudit' oder ,impensis' oder französisch: ,se trouve chez', oder deutsch:
,zu finden bei*.
Die allerersten Abdrücke eines Kupferstiches sind in der Regel rauh;
dann kommen eine Anzahl vorzügliche Drucke. In den Stichen des 17.,
zumal aber des 18. Jahrhunderts und der neueren Zeit werden diese aus-
gezeichneten Blätter dadurch kenntlich gemacht, daß die Unterschrift des
Stiches noch gänzlich fehlt: sie sind ,,vor der Schrift (avant la lettre)".
Hin und wieder radiert oder sticht der Künstler auf den Rand der Platte
auch Improvisationen, die später abgeschliffen werden. Solche Abdrücke
heißen „epreuves de remarque". Dann wird auf der Platte die Unterschrift
angebracht; später wird etwa noch eine Dedikation oder die Adresse des
Kunsthändlers hinzugefügt. Alle diese verschiedenen Zustände (etats) der
Platte bestimmen den Wert eines Kupferstiches.
Dieser Wert wird jedoch nicht einzig und allein durch die Seltenheit
oder die Schönheit des Abdruckes bestimmt, sondern hängt wesentlich auch
von der guten Erhaltung des Blattes ab.
Zur untadeligen Erhaltung eines Kupferstiches gehört zunächst, daß
derselbe gut gedruckt ist, daß das Druckpapier nicht etwa eine Falte ge-
bildet hat und daß es nicht fleckig ist. Daß Tinten- und Ölflecke einen Stich ent-
werten, daß Risse, Abreibungen, so gut sie auch geflickt oder überzeichnet sind,
selbst ein vorzügliches Blatt eigentlich wertlos machen, das liegt ja auf der Hand.
Eine andere wichtige Frage ist: wie ist der Rand des Kupferstiches er-
halten? In der Regel hat man die Darstellung mit einer Linie abgegrenzt,
die Stichlinie; die Kupferplatte selbst prägt sich bei dem Drucke in das
weiche Papier ein: man kann genau beobachten, wie groß die Platte war,
die der Stecher benutzt hat. Bis zu dieser eingedruckten Plattengrenze
rechnet man den sogenannten „Plattenrand". Was über diese Platten-
grenze hinaus noch von Papier erhalten ist, wird „Originalrand" (voller
Rand) genannt. Je mehr Rand erhalten ist, desto wertvoller ist der Kupfer-
stich; das sollten alle die bedenken, die so gern bereit sind, ein Kunstblatt,
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wenn es nicht in ihre Sammelmappen hineinpaßt, zu beschneiden. Ein Blatt,
bis zum Plattenrande beschnitten, gilt weniger, als wenn der Originalrand
erhalten ist, mehr als ein Stich, der bis zur Stichlinie beschnitten, und dieser
ist wiederum mehr wert, als wenn etwas von dem Stiche selbst abgeschnitten
(verschnitten) worden ist. Diese unter den Sammlern verbreitete Liebhaberei
für breite Ränder beeinflußt die Preise, die für einen Stich gezahlt werden,
nicht unbedeutend.
Es erschien notwendig, kurz auf diese Umstände, die den Geldwert
eines Kupferstiches bedingen, hinzuweisen, weil vielfach die irrigsten An-
sichten verbreitet sind. Abgesehen von den Leuten, die meinen, jeder in
ihrem Besitz befindliche Kupferstich müsse ein bedeutendes Kapital wert
sein, gibt es genug, die nicht fassen können, weshalb einer kleinen Ver-
letzung wegen ihr Stück nun einen viel geringeren Preis erzielen solle als
ein anderer, bei dem jener Schaden nicht vorhanden ist. Andererseits ist
es immer wieder notwendig, darauf aufmerksam zu machen, daß Kunst-
blätter nicht wie ein Zeitungsblatt behandelt werden dürfen. Mit beiden
Händen muß der Stich am Rande gehalten werden, wobei darauf zu achten
ist, daß der Bildspiegel, wenn irgend möglich, unberührt bleibt. Jeder
Kniff, jede Falte ist zu vermeiden, da die Schönheit des Blattes sonst un-
widerbringlich dahin ist; ein ästhetischer und finanzieller Verlust, der durch
sorgfältige Behandlung vermieden werden kann.
Ursprünglich sind die Kupferstecher wohl aus dem Kreise der Gold-
schmiede hervorgegangen, bald aber sind es vorzüglich Maler, die ihre eigenen
Entwürfe auf diese Weise vervielfältigen. Sie waren dadurch in den Stand
gesetzt, ihre Phantasie frei walten zu lassen und Gegenstände zur Dar-
stellung zu wählen, die gemalt schwerlich Abnahme gefunden hätten, die
aber für das wenige, was ein Kupferstich kostete, gern gekauft wurden.
Abarten des Kupferstiches sind die STICHE MIT DER KALTEN NADEL,
bei welchen statt des vierkantigen Grabstichels eine scharfe Stahlnadel
verwendet wird, welche die Zeichnung einritzt; dann auch der PUNZEN-
STICH, bei welchem die Zeichnung mit Punzen Punkt an Punkt auf die
Platte eingeschlagen wird; der CRAYONSTICH, der entsteht, wenn ein
scharfes Zahnrädchen die Zeichnung auf der Platte besorgt, die nun aus
lauter kleinen Punkten besteht, und deren Abdruck einer Kreidezeichnung
auf rauhem Papier ähnlich sieht; der STAHLSTICH, bei welchem statt
der Kupferplatte eine erweichte Stahlplatte bearbeitet wird, die nach
dem Stich wieder erhärtet wird; endlich die SCHAB KUNST, welche darin
besteht, daß die Kupferplatte durch ein geeignetes Instrument (Gravier-
stahl oder Wiegeeisen) gleichmäßig aufgerauht wird; in diesem Zustande
eingefärbt, würde sie eine tiefschwarze, sammetartige Fläche erzeugen.
Nun schabt aber der Künstler die aufgerauhte Schicht an bestimmten Stellen
weg; diese Stellen nehmen die Schwärze dann nur noch zum Teil oder gar
nicht mehr an; es entstehen so hellere Partien und Lichter.
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Abb. 117. Radierung von Salvator Rosa (1615— 1673): Flußgötter.
Die RADIERUNG ist das andere wichtige Tiefdruckverfahren; während
der Kupferstich nur mechanische Mittel verwendet, benutzt diese die
chemische Zersetzung von Metall durch Säuren, das Ätzen.
Die Kupferplatte wird zunächst mit einem Ätzgrunde überzogen,
indem man die Platte erhitzt und sie darauf mit einem Firnis übergeht,
der aus Wachs, Mastix, Kolophonium und Asphalt besteht. Dann, wenn
der Firnis erhärtet ist, schwärzt man die Platte über der Kerzenflamme und
überträgt nun die Zeichnung. Die Radiernadel ist eine in einen Holzgriffel
gefaßte Stahlnadel; man zeichnet mit ihr wie mit einem Bleistift, nur bemüht
man sich, sie sehr steil zu halten, damit sie überall das Kupfer bloßlegt.
Ist die Zeichnung vollendet, so macht man einen Rand von Wachs um die
Platte und gießt nun das Ätzwasser darauf.
Dieses Ätzwasser (Aqua Fortis, eau forte), früher Scheidewasser,
jetzt entsprechend verdünnte Salpetersäure, greift das Kupfer an allen den
Stellen an, wo es durch die Radiernadel vom Firnis entblößt worden ist,
und vertieft die Linien, je nachdem es längere oder kürzere Zeit wirkt.
Sobald der lichteste Ton genug geätzt ist, wird das Scheidewasser abgegossen,
die Platte gewaschen und dann die Partie, die nicht mehr der Wirkung des
Ätzens ausgesetzt bleiben soll, mit Firnis gedeckt. So werden nach und nach
in wiederholtem Ätzen und mit sukzessivem Decken einzelner Partien die
erforderlichen Abstufungen erzielt.
Beim Drucke kann noch viel für den Effekt der Arbeit geschehen:
Während die Grabstichelplatte ganz sauber abgewischt wird, kann hier der
Drucker die Druckerschwärze, je nach Belieben, an den Lichtstellen ab-
putzen und in den Schattenpartien stärker auftragen. Rembrandt, der
seine Platten selbst druckte, hat auf diese Weise ganz wunderbare Wirkungen
hervorzubringen verstanden.
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Die Linien der Radierung erscheinen als gleichstarke stumpf auslaufende
Striche, während die des Kupferstichs Schwellungen und spitze Endigungen
aufweisen (Abb. 117). Ihr Charakter entspricht dem leichten Dahingleiten der
Nadel in dem weichen Ätzgrunde. Sie weisen mehr wie das beim Kupferstich
der Fall sein konnte, die eigentümliche Handschrift des Künstlers auf. Be-
sonders die Art und Weise, Halbtöne und Schatten durch mehrere Strich lagen
zu erzeugen, ist charakteristisch für die verschiedenen Auffassungen dieser
Bilddrucktechnik: Bald schmiegen sich die Strichlagen der Struktur des
dargestellten Gegenstandes an, dessen Modellierung sie auf diese Weise in
ihrem Verlaufe beschreiben, bald bilden sie ein regelloses Gekritzel, das
mit möglichst einfachen Mitteln den gewünschten Tonwert zu erreichen
sucht. Oft haftet der Radierung der Charakter des Skizzenhaften an; die
Art ihrer Darstellung hat etwas Prickelndes, Geistvolles, das ihr zu
allen Zeiten eine treue Gefolgschaft von verständnisvollen Liebhabern ge-
sichert hat.
Die Radierer der Gegenwart verwenden öfters statt des harten Firnis,
den die alten Meister benutzten, den weichen Firnis (VERNIS MOU). Über
die gefirnißte Kupferplatte wird ein Blatt Papier gespannt und auf demselben
mit einem scharfen Stift die Zeichnung ausgeführt. Die Striche drücken in
den weichen Ätzgrund ein und wenn man dann das Papier sorgfältig ab-
hebt, ist an jeder Stelle, wo auf dem Papier ein Strich gezeichnet wurde,
die Kupferplatte bloßgelegt und kann sofort geätzt werden. Die Abdrücke
sind weicher wie die der gewöhnlichen Radierungen, geben aber weniger
Abzüge.
Um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert wurde die PUNKTIERTE
MANIER hin und wieder angewendet, bei welcher die Radiernadel keine Linien
zieht, sondern nur Punkte sticht, so daß das Bild aus lauter Punkten besteht.
Weit malerischere Wirkungen werden mit der AQUATINTAMANIER
erzielt, die oft in Verbindung mit der Radierung zur Anwendung kommt.
Man bestäubt die wohlgereinigte Kupferplatte in einem verschlossenen
Kasten mittelst eines Blasebalges mit fein pulverisiertem Harz oder Pech,
erwärmt darauf die Platte, so daß die Harzteilchen anschmelzen, und taucht
dieselbe nun in schwaches Ätzwasser. Hat dies genug gewirkt, so nimmt man
die Platte heraus und wäscht sie ab, deckt wieder die Teile, die einer ferneren
Ätzung nicht bedürfen, und taucht die Platte aufs neue in das Ätzwasser.
So fährt man fort, bis alle erwünschten Nuancen erreicht sind. Auf diese
Weise kann man eine ganze Skala von verschieden getönten Flächen hervor-
bringen.
Schon im 17. Jahrhundert sind Versuche angestellt worden, um in der
Art, wie die vielfarbigen Holzschnitte ebensolche Kupferstiche und Ra-
dierungen zu erzeugen. Doch hat diese Technik nie eine große Verbreitung
gefunden; heute gehört sie zu den Raritäten, die von den Sammlern sehr
gesucht und geschätzt, im übrigen aber völlig in Vergessenheit geraten sind.
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Abb. 118. Steinzeichnung von Ch. Gavarni (1801 — 1866): Die Spieler.
Der STEINDRUCK (Lithographie) repräsentiert das dritte Verfahren
des Bilddrucks, den Flachdruck, auf dem Gebiete der künstlerischen Arbeit.
Das Verfahren der Lithographie beruht darauf, daß Kalksteinplatten
(am besten eignen sich dazu die von Solenhofen), welche durch Übergießen
mit Gummiwasser und einer verdünnten Säure leicht geätzt sind, die Drucker-
schwärze nicht annehmen. Bedeckt man aber vor dem Übergießen des
Steines einige Partien desselben mit fetthaltiger Substanz, so nehmen diese
Partien die Druckerschwärze an, geben sie aber, wenn der Stein auf ein
Papier gedrückt wird, an dieses ab. Man kann also mit der Feder oder
mit fetter Kreide auf Stein zeichnen und auf diese Weise die Feder- und
die Kreidezeichnung vervielfältigen (Abb. 118). Eine andere Methode be-
steht darin, daß man den Stein gleichmäßig mit lithographischer Farbe
schwärzt und durch Herausradieren die Lichter und Konturen der Zeich-
nung hervorbringt; es ist auch möglich, auf präpariertes Papier die Zeich-
nung zu entwerfen und sie dann auf den Stein zu übertragen (AUTO-
GRAPHIE).
So zeigt sich der Steindruck als vielseitiges Verfahren von relativ einfacher
Technik; dazu kommt noch der Vorzug der Billigkeit, indem die Platten
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nach dem Gebrauch einfach wieder abgeschliffen werden. Doch fehlen ihm
die Reize des leichten Reliefs, die den Hoch» und Tiefdruck so interessant
machen. Die Druckfarbe muß dünn aufgetragen werden, damit sie nicht
zerquetscht wird. So ist die flächige Wirkung das eigentliche Feld des
Steindrucks.
Einen wichtigen Fortschritt hat man durch Ausbildung des FARBEN-
STEINDRUCKES (Chromolithographie) gewonnen. Derselbe wird mit ver-
schiedenen übereinander gedruckten Platten hergestellt. Auf die erste
werden die Umrisse des Bildes gezeichnet, und der Abdruck dieser Platte
wird auf die anderen erforderlichen durch Umdruck übertragen. Auf die Platte,
die mit blauer oder grüner Farbe gedruckt werden soll, zeichnet nun der
Lithograph nur die Partien mit schwarzer Fettkreide aus, die blau bzw.
grün erscheinen sollen. Je nach der Menge der Platten kann eine feinere
oder minder zarte Abstufung der Farben erzielt werden. Für die künst-
lerische Eigenart des Farbensteindrucks erweist sich die Beschränkung auf
wenige Farben als das Wirkungsvollste. Besonders für Wandbilder und
Plakate findet der Farbensteindruck heute eine häufige Verwendung.
Damit sind die Haupttechniken des künstlerischen Bilddrucks erschöpft.
Die geschilderten Verfahren werden natürlich, wie alle künstlerischen Tech-
niken, nicht nur zur Erzeugung von Kunstwerken verwendet, sondern auch
für die rein handwerkliche Herstellung von Abbildungen, die keinen Anspruch
auf irgendwelchen Kunstwert haben. Vor allem stellen sie sich aber in den
Dienst der Nachbildung von Werken der Malerei und Zeichenkunst.
Je genauer der Bilddruck im einzelnen das Original wiedergibt, um so
weniger Anspruch hat er auf eine Wertung als selbständiges Kunstwerk.
Wenn er aber den Eindruck des Originals, gewissermaßen die Stimmung
und den Geist, widerspiegelt, völlig frei schaltend mit seinen ihm eigen-
tümlichen Mitteln, so wird auch der reproduzierende Bilddruck zu einem voll-
wertigen Kunstwerk. Am wertvollsten sind die völlig selbständigen Arbeiten
des Bilddrucks, die aus der Technik heraus geschaffen sind, als leibliche
Kinder ihrer Kunst. Sie stellen sich den Schöpfungen der Malerei ebenbürtig
zur Seite.
Diese Originalarbeiten sind um so wertvoller, als sie zumeist von dem
Urheber selbst gedruckt sind oder doch in ihrem Druck überwacht werden.
Die Absichten des Künstlers kommen auf diese Weise restlos zum Ausdruck;
die Bilddrucktechnik, die bei der Wiedergabe von Kunstwerken als ein
störendes Zwischenglied empfunden wird, welches das Gelingen (nämlich
die möglichst genaue Wiedergabe) erschwert oder gar in Frage stellt, wird
hier zum mächtigsten Faktor bei der Erreichung des vom Künstler sich selbst
gesetzten Zieles; ja, oft genug liegt der Kunstwert eines Bilddrucks mehr in
seiner reizvollen Technik als etwa in der geistreichen Schilderung des Gegen-
standes. Das Ideal besteht darin, daß zwar die Drucktechnik nur Mittel zum
Zweck ist, aber an und für sich dennoch einen Schönheitswert in sich schließt.
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c) Die Aufgaben der Malerei und der graphischen Künste.
Die Freude am Leben, an seinen mannigfachen Formen und Farben war
es, welche die Kunst ins Leben gerufen hatte, auf der Fläche Bilder jener
Dinge und Vorgänge festzuhalten, die das Interesse fesselten. Ursprünglich
allein diesem beseligenden Schaffen gehörend, das keine Notwendigkeit
und keine Schranken kennt, wurden die Malerei und die graphischen Künste
bald zur Ausschmückung der Architektur, des feinern Geräts und des Buches
herangezogen. Jede neue Aufgabe bedingte durch ihren Maßstab, ihren
Standpunkt und durch das Material ihres Gegenstandes die künstlerischen
Gesichtspunkte, denen sich die Malerei bedingungslos zu unterwerfen hatte.
In welcher Weise das geschah, soll hier kurz skizziert werden.
Die MONUMENTALMALEREI fügt sich in den Rahmen der Architektur
ein; ihr Wirkungsfeld ist vom Architekten begrenzt; sie hat sich in diese
Verhältnisse hineinzufinden. Geschickt verwendet, steigert sie den Aus-
druck der Architektur und benutzt andererseits die Linien und Verhält-
nisse der Architektur, um selbst durch diesen großen Rahmen an Bedeutung
zu gewinnen. Als Wand- und Deckenmalerei, als Theaterdekorationsmalerei
und Fassadenschmuck weiß sie der Architektur eine Fülle von Reizen ab-
zugewinnen. Aber es genügt nicht nur, daß sie sich mit den ihr zugeteilten
Raum- und Flächenabschnitten begnügt. Sie muß die ihr zugeteilten
Felder auch ihrem architektonischen Wesen entsprechend behandeln.
Tragende Glieder finden wir infolgedessen selten mit figürlichen Darstellungen
geschmückt, weil dadurch ihre Funktion verdeckt würde; in den flachen
Wandfeldern und auf der ungegliederten Decke oder in den einzelnen Decken-
feldern hat die Malerei erst freien Spielraum.
Je nach dem Charakter der zu schmückenden Architektur wird die
Malerei entweder in strengen Rhythmen geführt, als Flächendekoration
mit geringer perspektivischer Tiefe und mit fast mathematischer Ausfüllung
des vorhandenen Raumes, oder sie weitet die Wand zum freien Räume,
setzt scheinbar zufällig die Darstellung in ihren Rahmen, so daß man die
Illusion der Wirklichkeit in weit stärkerem Maße hat, als bei der strenger
stilisierten Auffassung (Abb. 119). Dabei mußten stets die perspektivischen
Verkürzungen, die sich beim Betrachten des Bildes ergeben, berücksichtigt
werden.
Im allgemeinen gilt der Grundsatz, daß ein Gemälde um so besser
wirkt, je mehr der Augenpunkt des Beschauers mit dem vom Künstler
beabsichtigten zusammenfällt. Bei Wandmalereien hat man jedoch mit
Recht von dieser Forderung Abstand genommen: man würde von Gemälden,
die hoch an der Wand angebracht sind, nur den Vordergrund sehen; der
Hintergrund würde gänzlich verschwinden.
Konsequent dagegen wird die perspektivische Konstruktion für die
Deckengemälde festgehalten; alles ist so gezeichnet, wie es dem unten,
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Abb. 119. Wandbild im Vatikan; Papst Sixtus IV. mit seinen Nepoten. Freskobild
von Melozzo da Forli (1438 — 1494).
an bestimmtem Punkte stehenden Beschauer in Wirklichkeit erscheinen
müßte (Abb. 120).
Es ist also klar, daß ein gutes Bild von mäßigen Dimensionen ins Fünf-
fache vergrößert keine Monumentalmalerei ist; obgleich die Malerei größeren
Maßstabes dadurch entsteht, daß zunächst eine kleine Skizze hergestellt
wird, welche dann mit Hilfe eines Quadratnetzes vergrößert wird. Die
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193
Abb. 120. Freskobild von Andrea Mantegna (1431 — 1506). Deckengemälde im
herzoglichen Palast in Mantua (1474).
Skizze muß schon für den Ort, den das ausgeführte Gemälde zu schmücken
hat, komponiert sein, ist also eine Monumentalmalerei in verkleinertem
Maßstabe.
Da die Monumentalmalerei schon durch ihre Dimensionen die Über-
Sdiultx-Bernoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. 13
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194
sieht nur aus einiger Entfernung gestattet, muß sie andererseits danach
trachten, die Darstellung so packend und eindringlich wie möglich zu ge-
stalten, um trotz der Entfernung ihre ganze Wirksamkeit zu entfalten.
Deshalb wird der Künstler darauf achten, daß seine Komposition recht
klar und einfach ist; er wird mit möglichst wenigen Gestalten auszukommen
trachten und sich hüten, durch Überladung mit Einzelheiten die Wirkung
des Ganzen abzuschwächen. Eine sorgsame Ausführung des Details würde
nicht zur Geltung gelangen, ja, sie würde vielfach kleinlich wirken und
die Wucht des Gesamteindrucks vermindern. Einfachheit und Schlichtheit
der Komposition ist also geboten; die Größe der Auffassung muß für den
Mangel eines blendenden Kolorits, einer genauen Detailschilderung Ersatz
leisten. Die italienische Kunst, die sich aus der Wandmalerei heraus-
gebildet hat, hat dieser Schulung die monumentale Wirkung ihrer Gemälde
zu verdanken (Abb. 152, 153), während die ältere deutsche, die nieder-
ländische Malerei, aus der Miniatur- und Staffeleimalerei sich entwickelnd,
immer einen Hang zeigt, im Detail sich zu verlieren, kleinlich zu wirken
(Abb. 150, 151).
Der Künstler bedient sich der Freskomalerei oder er malt mit Mineral-
farben auf die sorgsam glatt geputzte Mauer, da sich Pflanzenfarben auf
dem Kalkgrunde der Wand nicht halten würden; so ist seine Palette relativ
beschränkt. Die Umrisse der Zeichnung werden auf die Wand entworfen
oder nach einer vorliegenden Skizze übertragen und mit Farbe nach-
gezogen. Diese Umrisse füllten die Maler des frühen Mittelalters mit
den Lokalfarben aus, deuteten die Schatten an, setzten die Lichter auf und
vollendeten das Gemälde, indem sie die Konturen noch einmal hervorhoben.
Ein solches Bild wirkt flach wie ein gewebter oder gestickter Teppich und
ist darum zur Wanddekoration vorzüglich geeignet. Die Lokalität der
Handlung ist nur angedeutet; bei den Figuren wird nur das unerläßlich
Notwendige gegeben: alles Fehlende zu ergänzen, wird der Phantasie
des Beschauers überlassen (Abb. 147). So erfüllt diese Art der Wand-
malerei, wie sie bis etwa in das 13. Jahrhundert geübt wurde, in der Tat
ihre Aufgabe, für die des Lesens Unkundigen eine verständliche Schrift
zu bieten. Wie aber das Lesen mit einiger Mühe verbunden ist, so mußten
auch die Beschauer dieser Gemälde selbst mit tätig sein, wollten sie von der
Betrachtung eine volle Wirkung gewinnen.
Die Renaissance- und vor allem die Barockzeit opfert die dekorative
Auffassung des Mittelalters der malerischen Wirkung, die sich in der Schil-
derung weiter Räume und effektvoller Beleuchtungskontraste gefällt (Abb. 119,
120). Erst in allerjüngster Zeit macht sich ein Rückschlag bemerkbar: Man
geht auf die Prinzipien der Flächenkunst zurück und glaubt darin das Wesent-
liche der Monumentalmalerei getroffen zu haben (Abb. 127, 130). Selbst-
verständlich hat diese Kunst nichts gemein mit der absichtlich primitiven
Wandmalerei, die im 19. Jahrhundert ,,in romanischem oder gotischem Stil"
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in alten und neuen (stilechten) Kirchen an-
gebracht wurde, die aber durchaus keinen
selbständigen Kunstwert hat.
Die FENSTERMALEREI bringt noch
mehr wie die Wand- und Deckenmalerei ein
vielfarbiges Leben in die Architektur. Die
transparenten Farben wirken jedoch in diesem
Rahmen mehr als die Linienkomposition,
welche infolge der Technik vielfach auf kleine
Maßstäbe beschränkt bleibt, jedenfalls aber
durch den harten Farbenwechsel und die not-
wendigen Bleisprossen stark beeinträchtigt
wird.
Im Mittelalter steht die Fenstermalerei
fast ausschließlich im Dienst der Kirche.
Hand in Hand mit der Architektur erlebt
sie ihren Höhepunkt mit der Stilperiode der
Gotik (Abb. 121). Die dekorative Wirkung
ist wie bei der Wandmalerei ihre starke Seite.
Mit dem Naturalismus des 15. Jahrhunderts
sucht sie dann der Erscheinung der Dinge
näher zu kommen und verliert infolgedessen
ihre strenge Stilisierung; sie wetteifert mit
der Tafelmalerei in der Darstellung der
Naturform, erweitert also ihre künstlerischen
Möglichkeiten.
Aber die Reformation der Kirche und
die Erfindung der Buchdruckerkunst führen
ihren Verfall herbei.
Solange in der Kirche der Priester nur
aus seinen Missalen und Antiphonalen, die
mit großen Buchstaben geschrieben waren,
zu lesen und zu singen hatte, genügte das
durch die bunten Glasfenster einfallende
Licht vollkommen. Anders war es, als die
Gemeinde gedruckte Gebet- und Gesang-
bücher beim Gottesdienste zu benutzen an-
fing; da war dieses Schummerlicht nicht
ausreichend. Man entfernte deshalb vielfach
die vorhandenen Glasgemälde und ersetzte
sie durch weiße durchsichtige Scheiben.
Statt der das ganze Fenster aus-
füllenden Gemälde, die während des Mittel-
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Abb. 121. Fenster i. d. Katharinen-
kirche in Schwab. -Hall, um 1343.
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alters so viel zum Schmucke der Kirche
beigetragen hatten, liebte man es jetzt,
einzelne gemalte Scheiben oder Glas-
bilder in die Fenster der Wohnzimmer,
der Ratsäle oder der Zunftstuben ein-
zusetzen. Dabei spielten die Wappen-
darstellungen eine große Rolle. In der
Schweiz wurde diese Kunst zur höchsten
Blüte gebracht; die Sitte, bei jeder Ge-
legenheit gemalte Scheiben zu stiften
oder zu schenken, ließ eine ausgedehnte
Industrie entstehen, deren Erzeugnisse
heute von den Sammlern besonders hoch
geschätzt werden (Abb. 122). Mit dem
17. Jahrhundert ist auch diese Form der
Fenstermalerei im Aussterben begriffen.
Die Restaurierungssucht des 19. Jahr-
hunderts ließ auch die Glasmalerei
wieder aufblühen; vorerst nur für Er-
gänzungen und Rekonstruktionen , dann
Abb. 122. Wappenscheibe von Andreas aber unter dem Einfluß der modernen
Höhr in St. Gallen, im kgl. Kunstgewerbe- Bewegung im Kunstgewerbe, als selb-
Museum in Berlin. b . ,
standige, eigenartige Dekorationskunst.
BUCHMALEREI und BUCHSCHMUCK dienen zur Verzierung und zur
sachlichen Illustrierung des Buches. Die mit Deckfarben gemalten Bilder
und Zieraten der mittelalterlichen Handschriften nennen wir Miniaturen.
Ursprünglich wurde darunter etwas ganz anderes verstanden, als was wir
heute mit diesem Worte bezeichnen. Minium ist Mennig, Bleirot, während
Rubrica Zinnober bedeutet. Mit beiden Farben, in der älteren Zeit mit Mennig,
in der späteren mit Zinnober, pflegte man die Kapitelüberschriften, die recht
ins Auge fallen sollten, zu schreiben, und der Mann, der dies besorgte, hieß
Miniator oder Rubficator. Das Malen nannte man Illuminare, den Maler
Illuminator oder Illuminist; doch schon im 13. Jahrhundert wird Miniare
und Illuminare in gleicher Bedeutung gebraucht.
Aus dem Altertum sind uns begreiflicherweise nur wenige Handschriften
überliefert, meist ägyptische Papyrusrollen, welche mit Federzeichnungen
geschmückt sind, die mit Wasserfarben ausgetuscht wurden (Abb. 145).
Das oströmische Reich bildet die Buchmalerei in Deckfarben aus und be-
herrscht mit seinem Einfluß die ganze frühmittelalterliche Buchkunst des
Abendlandes. Die Bilder sind oft in einen architektonischen Rahmen hinein-
gesetzt, ja sogar der Text wird von solchen Rahmen eingefaßt. Die An-
fangsbuchstaben (Initialen) sind ebenfalls farbig behandelt und nehmen
oft eine ganze Seite ein. Dabei wird vielfach der Hintergrund durch ein
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Abb. 123. Textseite aus einer französischen Handschrift vom Ende des 14. Jahrh.
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Abb. 124. Schlußblatt eines Nürnberger Druckes vom Jahre 1475.
kleinfiguriges Muster oder durch aufgelegtes Gold gebildet. Die Zeichnung
war sehr konventionell, fußte sie doch lediglich auf der immer mehr ver-
knöchernden Überlieferung, ohne von den Naturformen Anregungen zu
schöpfen. Mit dem 13. Jahrhundert aber kommt ein frischeres Leben
in die Miniaturmalerei. Die Seite wird statt mit dem schwereren Rahmen
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199
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Abb. 125. Buchseite in Kupfer gestochen von Martin Maroye, Paris, 1752.
von losen Ranken eingefaßt. Die Formen werden mehr der Natur abgelauscht
und entwickeln sich auf dieser Basis weiter. Dabei wird die Kunst des Schreibens
sorgfältig gepflegt; gleichmäßig und im einzelnen schön geformt bilden die
Buchstaben eine ruhige Fläche, angenehm belebt durch die miniaturierten
Initialen und die vom Rubrikator eingestreuten roten und blauen Striche und
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200
Punkte (Abb. 123). Immer reicher gestaltet sich die Buchmalerei; die Bilder
wetteifern an Schönheit mit der Tafelmalerei. Doch der Zusammenhang mit
dem Buche wird dadurch immer lockerer.
Eine grundlegende Umwälzung ereignet sich durch die Erfindung der
Buchdruckerkunst. Dem Schnitt der Typen und dem gleichmäßigen Schrift-
satz wird eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Initialen, die vorerst
noch eingemalt wurden, wurden bald durch Holzschnitte ersetzt, ebenso
die Bilder. Die frühe Druckkunst ist zugleich der Höhepunkt der Buch-
ausstattung überhaupt. Die Bilder fügen sich vortrefflich in den Textsatz
ein, indem sie das gleiche Verhältnis von Schwarz zu Weiß, dieselbe Stärke
der Teilstriche aufweisen wie dieser. Text und Bild werden im Hochdruck
hergestellt, prägen sich also gleichmäßig in das Papier ein, das übrigens in
dieser Zeit in vorzüglicher Qualität hergestellt wird (Abb. 124).
In der Zeit der Renaissance wird wohl die Kunst des Holzschnittes ver-
feinert; bedeutende Künstler befassen sich damit, Titelrahmen, Initialen
und Textbilder für die Bücher zu schaffen, aber doch ist der Gesamteindruck
des Buches als Kunstwerk wenig einheitlich im Vergleich zu den Drucken
der gotischen Zeit.
Um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts verdrängt der Kupfer-
stich allmählich die Holzschnittausstattung des Buches und stellt damit
die Buchkunst auf eine neue Basis. Eine hervorragend schöne Ausbildung
findet diese Kombination in den französischen Büchern des 18. Jahrhunderts,
wo die Titelkupfer und Bildertafeln der Bücher von den vorzüglichsten
Grabstichelkünstlern ausgeführt wurden (Abb. 125).
Eine höchst feinsinnige und poetische Ausstattung findet das Buch in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders in Deutschland, wo der
Holzschnitt wieder als Bildertechnik gepflegt wurde. Doch diese Blüte war
von kurzer Dauer.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist wieder ein Aufblühen der
Buchkunst zu verzeichnen. Unter dem Einfluß der gotischen und der
japanischen Druck- und Illustrationskunst entwickelt sich eine Produktion
von schönen Büchern; Lettern, Textanordnung und Bilddruck vereinigen
sich wieder zu einer einheitlichen Buchkunst. England ist darin voran-
gegangen und Deutschland hat diese Anregungen weitergebildet.
Selbstverständlich handelt es sich dabei nur um einen verschwindenden
Bruchteil der gesamten Buchproduktion im Gegensatz zu der gotischen Zeit,
wo eben alles auf einer relativ hohen künstlerischen Stufe stand. Aber unter
den heutigen Verhältnissen, wo in erster Linie eine möglichst billige Pro-
duktion angestrebt wird, muß man froh sein, wenn daneben der Sinn für schöne
Buchausstattung in der weitverzweigten Gemeinde der Bücherfreunde (Biblio-
philen) und bei den Malern und Druckkünstlern noch rege ist und Früchte trägt.
DIE KLEINEN KUNSTBLÄTTER, welche zu allen Zeiten hergestellt
wurden, schließen sich zum Teil eng an die Buchkunst an, wurden auch oft
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201
als Bilderfolgen herausgegeben, die man geradezu als ungebundene Bilder-
bücher bezeichnen kann. Die volle Entfaltung dieses Kunstzweiges wurde
durch die Erfindung des Kupferstichs und des Holzschnittes herbeigeführt.
Während der Holzschnitt aber zum Teil bei der Buchausstattung eine
Rolle spielte, diente der Kupferstich während des 15. und 16. Jahrhunderts
allein der Produktion von Einzelblättern.
Vor allem waren es Bibelbilder, welche in dieser Weise unter das Volk
gebracht wurden, dann aber auch Bildnisse von Fürsten und berühmten
Männern, Andachtsbilder, Schilderungen von Naturmerkwürdigkeiten und
ähnlicher Dinge, welche die große Menge zu interessieren vermochten.
Als Wandschmuck sind diese Blätter besonders in kleineren Räumen
oder in den Wohnungen der Leute, die sich keine Ölbilder kaufen konnten,
vielfach verwendet worden. Sie verzichten zumeist auf eine strenge
Stilisierung im Sinne der Form, nutzen im Gegenteil die Freiheiten der
Flächenkunst nach allen Richtungen hin aus. Das erklärt andererseits den
Umstand, daß nicht alle diese Einzelblätter als Wandschmuck geeignet sind.
Als besondere Kostbarkeiten werden von jeher die Zeichnungen be-
deutender Maler geschätzt und gesammelt. In jüngerer Zeit kamen dazu noch die
Aquarell- und Pastellmalerei, die Silhouettenkunst und die besonders sorg-
fältig gedruckten Abzüge aller Arten des neueren Bilddruckes.
Die MINIATURMALEREI, das Malen in kleinstem Maßstabe (nicht zu
verwechseln mit der Buchminiatur), hat besonders für die Porträtkunst Ver-
wendung gefunden, oft in Verbindung mit der Goldschmiedekunst, welche
die Miniaturporträte einfaßte zu Medaillons, Anhängern und Broschen. Die
ungeheuer feine Ausführung verlangte ein besonderes Spezialistentum oder
doch eine eigenartige Veranlagung zur Pflege dieses Kunstzweiges. Eine
bedeutende Rolle hat die Miniaturmalerei indessen nie gespielt.
Die TAFELMALEREI widmet sich in der ersten Zeit ihrer Entwicklung,
im Mittelalter, ausschließlich dem Altarbild. Bis ins 19. Jahrhundert hinein
finden wir im Altarbild noch hervorragende Vertreter der Tafelmalerei,
doch dann arbeitet sie nur noch für die Dekoration der Wand oder ohne
besondere Absicht, gewissermaßen für das Museum (wovon unten die Rede
sein wird). Auf der Altartafel werden der Malerei eine Reihe von Be-
schränkungen auferlegt, ähnlich wie bei der Wanddekoration großen Stils.
Doch siegt endlich die rein malerische, freie Auffassung über die strengere
architektonische Anordnung, welche die Mittelachse der Tafel betont und
alles symmetrisch oder doch im Gleichgewicht gruppiert (Abb. 149—153).
Die Tafelmalerei ist der eigentliche Schauplatz der Entwicklungs-
geschichte der Malerei. Sie bevorzugt im Mittelalter ausschließlich kirch-
liche Stoffe, um bald alle Stoffgebiete der Malerei in ihren Bereich zu
ziehen. Sie ist sich stets ihrer Aufgabe bewußt, als Dekoration des Innen-
raumes zu wirken, hält streng auf die bis zum Rande des Bildes durch-
geführte Ausbildung der Einzelheiten, soweit es der Maßstab erfordert.
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202
Erst mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird dieser Rahmen
gesprengt; nun entwickelt sich die Malerei völlig frei, ohne Rücksichten
auf irgendwelche dekorative Wirkung, die Kunst um der Kunst willen.
Es ist, als ob die Bilder wirkliches Leben bekommen hätten, eine solche
Raumwirkung, soviel Bewegung und Kontrastreichtum liegt in der neuen
Malerei, die man gemeinhin mit dem Namen des Impressionismus bezeichnet.
In der Tat hält sie nur das wirklich Eindrucksvolle fest und trägt es ein-
dringlich und wirksam vor, während das Unwesentliche nur angedeutet
wird, insofern es der Hauptdarstellung als Folie dient. Bei dieser Auffassung
der Malerei tritt die dekorative Wirkung prinzipiell vollständig in den Hinter-
grund; oft wird sie erreicht, oft nicht. Für die künstlerische Wertung des
Bildes kommt sie nicht in Frage. Aber damit ist dem Bilderliebhaber (sofern
er nicht eine Gemäldegalerie besitzt) nicht gedient. Er will Dekorations-
stücke für seine Räume haben. Eine öffentliche oder private Bildersammlung
dagegen wird alles, was stark und gut ist, in ihren Besitz zu bringen suchen,
ohne Rücksicht auf eine dekorative Wirkung. So hat sich in der neuesten Zeit
die Tafelmalerei zu einem zwiespältigen Wesen entwickelt; nicht allein in der
Theorie kommt das zum Ausdruck, sondern gerade die Praxis weist immer
wieder mit Nachdruck auf diese Doppelstellung der modernen Malerei hin.
Auf der einen Seite wird die unbedingte Freiheit der Kunst, insbesondere
der Malerei gefordert, die dekorative Aufgabe als etwas Nebensächliches hin-
gestellt, das allenfalls den Handwerker angeht. Auf der andern Seite wird betont,
daß die Kunst überhaupt nur als Dekoration eine Existenzberechtigung habe.
Wie das meist der Fall ist, scheint die Wahrheit hier in der Zusammen-
fassung der beiden, scheinbar so unvereinbaren Standpunkte zu liegen. Wenn
die Kunst nicht verknöchern soll, muß sie sich entwickeln können und dazu
braucht sie Freiheit in jeder Beziehung. Aber ihre Ziele liegen gewiß nicht
in der planlosen Ausnutzung der Unbeschränktheit. Die Kunst hat eben nicht
bloß als Kuriosität zu existieren, sondern es harren ihrer eine Fülle von Auf-
gaben; und diese Aufgaben liegen ausnahmslos auf dem Gebiete der Dekoration.
Verweigert die Kunst die Erfüllung dieser Auf gaben, so ist sie Spielerei. Unter-
zieht sie sich denselben, so muß sie die Gesetze der dekorativen Wirkung
anerkennen und befolgen.
Die Frage der Genußmöglichkeit hat damit natürlich nichts zu tun. Es ist
selbstverständlich , daß ein gänzlich undekoratives Kunstwerk dennoch einen be-
deutenden ästhetischen Genuß darbieten kann. Bloß muß dagegen entschieden
Einspruch erhoben werden, wenn der Kunst solcher Art die Alleinherrschaft
eingeräumt wird. Jedes Programm in der Kunst bedeutet eine Beschränkung
und eine Verarmung.
Die MALEREI ALS SCHMUCK KUNSTGEWERBLICHER ERZEUG-
NISSE hat nie eine sehr selbständige Bedeutung, hält sich entweder ganz
im Rahmen des Ornamentes oder kopiert die Werke der Tafelmalerei
und der graphischen Kunstblätter (Abb. 51, 52, 55^58).
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203
d) Die Stoffgebiete der Malerei.
Je nach dem Vorgange oder dem Gegenstande, auf welchen sich die
Malerei konzentriert, ist ihr Charakter, ihre Stilisierung und Aufmachung,
vor allem auch ihr Maßstab ein verschiedener. Der Stoff wirkt auf die Form
ein, mehr noch aber auf den Gefühlswert, den das Gemälde in sich schließt.
Die HISTORIENMALEREI schildert die Vorgänge der Weltgeschichte,
erzählt die Geschichten und Legenden der Götter und der Heiligen, schafft
Repräsentationsbilder, die als Idealporträte der dargestellten Personen auf-
gefaßt werden können. Im Altertum wurde sie eifrig gepflegt; die Wichtigkeit
des Staatsgedankens ließ eine Fülle diesbezüglicher Darstellungen auf den
Wänden der öffentlichen Gebäude und Tempel entstehen.
Im Mittelalter rückt die Kirche in den Mittelpunkt der Kunst. Das
war noch eine schöne Zeit, als der Maler sich allein bemühte, mit seiner
Kunst Gott zu dienen. Der Verherrlichung Gottes und seiner Heiligen ist
all seine Arbeit gewidmet, und was er schafft, das wird nicht mit kritischem
Blicke betrachtet, sondern mit Ehrfurcht angeschaut; die Verehrung, welche
die Menge für die dargestellten Personen hat, überträgt sich auch auf die
Darstellung derselben. So unbeholfen diese anfangs auch ist, sie genügt;
denn das, was der Künstler zu sagen hat, das ist allen wohl bekannt, lebt
in ihren Herzen, ist ihnen heilig und teuer.
Immer lebensvoller gestalten sich die Gemälde; die einfarbigen, goldigen
Hintergründe werden durch Landschaftsbilder ersetzt, und diese Land-
schaften sucht der Maler so zu gestalten, daß sie mit der dargestellten Haupt-
handlung in Harmonie stehen und sie wirkungsvoll ergänzen (Abb. 126).
Schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts wird dem Maler die Verpflichtung
auferlegt, auch Porträts auf seinen Gemälden anzubringen. Auf den Epi-
taphiumsgemälden sehen wir rechts von dem dargestellten Heiligen den
Familienvater samt seiner männlichen Nachkommenschaft, Söhnen,
Schwiegersöhnen und Enkeln kniend, während links die Hausfrau mit
ihren Töchtern und Schwiegertöchtern dem Heiligen ihre Verehrung dar-
bringt. Aber auch auf Altargemälden kommen solche Bildnisse vor: es
sind die Porträts der Leute, die den Altar gestiftet haben, damit für sie und
die Ihrigen an ihm gebetet und die Messe gelesen werde (Abb. 126). Gegen
Ende des 15. Jahrhunderts werden in den Nebenfiguren auf Historienbildern
auch etwa bekannte Persönlichkeiten dargestellt, die dem Stifter oder dem
Künstler nahestehen.
Je weniger Schwierigkeiten es dem Künstler bereitet, seine Figuren
zu malen, desto minder nimmt er auch Rücksicht darauf, ob die Gestalten
unerläßlich notwendig sind; in der Freude am Schaffen, am Schönen, läßt
er da die Phantasie walten, und bald sehen wir Nebenepisoden erscheinen,
die, mit eben der Liebe wie die Hauptsache durchgeführt, doch einen rein
genrehaften Charakter an sich tragen. Dieses genrehafte Element ist lange
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Abb. 126. Teilstück aus den sieben Freuden Marias, von Hans Metnlini', ( 1430 — 1494),
in der Pinakothek in München.
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vorhanden, ehe die Genremalerei als solche sich eine Existenzberechtigung
erworben hat. Die Erkenntnis, daß derartige Episoden den Blick vom
Wesentlichen ablenken, ließ die großen Meister auf ihre Darstellung ver-
zichten; die Freude jedoch, die man an solchen Bildern des taglichen Lebens
hatte, ermutigte die Künstler, nun das, was bisher als Nebensache betrachtet
worden war, zur Hauptsache zu machen, und so sehen wir schon um den
Beginn des 16. Jahrhunderts Gemälde entstehen, die nicht mehr den An-
spruch erheben, eine Darstellung der heiligen Geschichte zu geben, sondern
die einzig ein Stück Menschenleben festhalten wollen (Abb. 151).
So ist die Historienmalerei die Kunst, in der alle die anderen später
getrennten Arten der Malerei ursprünglich vereint waren; von ihr haben
sie sich nach und nach losgelöst und sich dann selbständig weiter entwickelt,
aber noch heute muß der Künstler, der die Historienmalerei zu seinem Fache
erwählt hat, sich eine überaus vielseitige Ausbildung erwerben.
Durch die Reformation wird die Tätigkeit des Historienmalers bedeutend
eingeschränkt. In den lutherischen Ländern stand man der kirchlichen Kunst
zwar nicht gerade feindselig, aber doch recht kühl gegenüber, und so hat sich
eine protestantische Kirchenmalerei eigentlich nie entwickeln können; in
den Ländern des Calvinismus ist man dagegen der Kunst geradezu feindlich
gesinnt; nicht nur bleiben die Bethäuser ohne Schmuck, sondern was in den
alten Kirchen, die der neuen Konfession gewidmet wurden, an Denkmälern
der Kunst vorhanden war, das wird zerstört und beseitigt.
Auch die kirchliche Kunst der katholischen Völker hat durch die Re-
formation einen durchaus anderen Charakter erhalten. Früher, im 15. und
beginnenden 16. Jahrhundert war sie mild und liebenswürdig; wenn wir
von den Darstellungen des jüngsten Gerichtes absehen, hat man das Grausige,
Entsetzliche meist vermieden und selbst die Szenen der Passionsgeschichte,
die Martyrien der Heiligen so gemalt, daß nicht die Marter, sondern das
Überwinden des irdischen Schmerzes, die Zuversicht auf ein besseres Leben,
sich dem Beschauer einprägte. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts und in
der Folgezeit haben die Künstler, dem Zuge der Zeit folgend, alles dem
einen Ziele geopfert, eine mächtige Wirkung auf den Beschauer hervor-
zubringen, ihn zu erschüttern oder grausen zu machen. Aus den sanften
Heiligen der früheren Zeit sind athletische Gestalten geworden, die in
mächtiger Bewegung auf den Beschauer einreden oder mit halbgebrochenen
Augen zum Himmel emporschauen. In der Mehrzahl der Kirchenbilder des
17. und 18. Jahrhunderts ist ein solches Pathos vorhanden; sie bieten eher
ein mehr oder weniger geschickt arrangiertes Schaustück dar, als den Aus-
druck wahrer Frömmigkeit.
Als aber der Kunstgeschmack die Werke der alten Meister aufs neue
zu würdigen begann, da glaubten viele Künstler, es sei der einzige Weg, der
auch sie zur wahren Kunst führe, wenn sie da wieder anknüpfen, wo durch
die gewaltsame Gegenreformation nach ihrer Ansicht der Faden der rechten
206
Abb. 127. Der Untergang des Pharao im Roten Meer, Freskomaleret von Joakim
Skovgaard (geb. 1856), im Dom zu Viborg, Dänemark.
Kunstentwicklung zerrissen worden war. Die deutschen Romantiker und
die englischen Präraffaeliten bauten auf dieser Grundlage eine neue Hi-
storienmalerei auf, die, obwohl sie künstlerisch auf einer gewissen Höhe
steht, uns neben ihren Vorbildern recht flau und unselbständig vorkommt.
Eine neue religiöse Historienmalerei scheint indessen eben im Ent-
stehen begriffen zu sein. Die herrliche Ausmalung des Domes von Viborg
(Dänemark) von Joakim Skovgaard läßt uns das Beste hoffen (Abb. 127).
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Abb. 128. Landung der Prinzessin Maria von Medici in Marseille von P. P. Rubens
( x 577 — ^640), im Musee du Louvre in Paris. (Nach einem Stich von Duchangc.)
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Abb. 129. Die Geburt der Venus, von Sandro Botticelli (1446 -1510), in den Uffizien
in Florenz«
Wie die Kirche sucht der Fürst, der Staat und der reiche Privatmann
die Historienmalerei für seine Zwecke dienstbar zu machen. Zur Zeit der
Renaissance waren es Darstellungen von Schlachten, teils aus der Geschichte
des Altertums, teils aus der Gegenwart. Zur Verherrlichung einzelner
Personen wurde oft die ganze Götterwelt und die Personifikationen sämt-
licher Tugenden aufgeboten; besonders theatralisch und pompös gestaltet
sich diese allegorische Aufmachung in der Barockzeit (Abb. 128).
Großer Beliebtheit erfreuten sich schon seit der italienischen Früh-
renaissance die Darstellungen aus dem Kreise der antiken Mythologie.
Beliebt war dieser Stoff auch deshalb, weil er eine ungesuchte Veranlassung
dazu gab, die Schönheit des nackten menschlichen Körpers darzustellen
(Abb. 129). Aber während sich die klassische Malerei an dieser Schön-
heit berauscht und nicht müde wird, immer von neuem das Göttliche
im Menschenleibe zur Darstellung zu bringen, neigen die Künstler der
Spätrenaissance und der Barockzeit mehr zu einer pikanten und humor-
vollen Auffassung. Sie lieben weniger die beschauliche Würde der
hohen Götter des Olymps als das Treiben der Diana und deren Nymphen.
Bald sehen wir diese fröhlich sich im Bade tummeln, bald wird
da der Nymphe Calisto Abenteuer entdeckt oder Aktäon für seine Neu-
gierde bestraft. Oder, wenn es gilt, die Reize einer einzigen Schönheit
zu malen, da gibt der Mythus der Danae den gewünschten Vorwand.
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Abb. 130. Karl Martells Rückkehr nach Poitiers, von Puvis
de Chavannes (1824 — 1898), im Rathause von Poitiers.
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Schultz-Bernoulli, Die bildenden Küiute. 3. Aufl. 14
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Die Formenschönheit, die Tüchtigkeit der Malerei kann allein diese Bilder
zu wahren Kunstwerken stempeln (Abb. 153).
Wo historische Vorgänge dargestellt werden sollen, begnügt man sich
bis ins 18. Jahrhundert hinein, sie als gegenwärtige Ereignisse im zeit-
genössischen Kostüm zu schildern. Man greift zu phantastischen Ver-
kleidungen, wenn es gilt, Begebenheiten in fremden Ländern zu malen.
Die Hauptsache ist dem Maler der geistige Inhalt des betreffenden Vorganges
und die Möglichkeit, mit glänzenden Farben und malerischen Gruppierungen
zu wirken (Abb. 126).
Gegenüber dieser freien und phantasievollen Historienmalerei der
Renaissance und der Barockzeit wirkt die neuere matt und steif. Und daran
ist vielfach die allzu gewissenhafte historische Treue schuld, die man beim
Historienbild in Kostüm und Landschaft beinahe zur Hauptsache gemacht
hat. Man wollte gleichsam eine Photographie des Vorganges festhalten
und darüber ging das Wesentliche, der geistige Inhalt und die wirkungsvolle
Darstellung, verloren.
Stoffe aus der modernen Geschichte in dieser Weise darzustellen ist
deshalb schwer, weil sie sich in den seltensten Fällen malerisch wirksam
behandeln lassen. Wir können ganz davon absehen, daß wichtige, folgen-
schwere Ereignisse oft in den Parlamentshäusern vor sich gehen: der Ge-
schichtschreiber wird mit hinreißender Beredsamkeit eine solche Sitzung
schildern können, die Gestalten der Redner den Lesern lebendig vorführen
und ein ergreifendes, dem Gedächtnis sich einprägendes Gemälde schaffen:
der Maler wird dann nur den Redner, nicht aber die Rede malen; der Be-
schauer des Bildes muß wissen, was da vorgeht; der Künstler kann es ihm,
wenn er nur den Tatbestand auf dem Bilde festhält, nicht verständlich machen.
So ist gewiß der Moment, in welchem nach der Schlacht von Sedan der General
Reille dem König Wilhelm Napoleons Brief überreicht, von allerhöchster
Bedeutung: das Gemälde wird uns immer kalt lassen, wenn der Maler nur
den Brief abmalt und uns nicht durch besondere Umstände auf die Wichtigkeit
desselben hinweist.
In der Barockzeit hatten die Götter und die allegorischen Gestalten die
Aufgabe, die Wichtigkeit eines Aktes vor Augen zu führen (Abb. 128). Heute
verschmäht man diese Mittel. Ist es nicht selbstverständlich, daß ein Gemälde
dieser Art von seinem Inhalt nichts ahnen läßt, wenn der Künstler es nicht ver-
steht, durch andere Mittel die Bedeutung des Vorganges zu kennzeichnen?
Die moderne Historienmalerei ist zu diesem Ziele gelangt einmal durch
Weglassen alles dessen, was nicht notwendig zum Verständnis der Handlung
gehört, dann aber durch die Steigerung des Ausdrucks dieser Handlung
ins Übernatürliche; da handelt es sich nicht mehr um photographische
Treue im Äußerlichen, sondern jetzt muß mit allen Mitteln der geistige
Gehalt des Vorgangs zum Ausdruck gebracht werden, ob darüber die Natur-
treue in den Einzelheiten tausendmal in die Brüche geht (Abb. 130, 160).
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Abb. 131. Bildnis eines Unbekannten, von Hans Holbein, 1497 1543, im kunst-
historischen Hofmuseum in Wien.
14.
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Abb. 132. Die Vorsteher der Tuchmacherzunft in Amsterdam (genannt die Staal-
mesters), von Rembrandt van Rhyn (1606 — 1669), im Museum in Amsterdam.
Die PORTRÄTMALEREI als solche reicht weit ins Mittelalter zurück,
doch erst gegen 1500 fängt sie an, die Ähnlichkeit im einzelnen und den
geistigen Ausdruck des Porträtierten festzuhalten. Nun aber entstehen
Werke von wunderbarer Charakteristik. Die Aufmachung zeigt, wes Standes
der Abgebildete war; das Bild selbst läßt die Gesinnung, die Eigentümlich-
keiten des Modells erkennen. Jedes Detail ist festgehalten, ohne indessen
den Gesamteindruck zu stören (Abb. 131).
Die Spätrenaissance geht mehr auf den Ausdruck aus, als auf die Er-
scheinung der Einzelheiten. Zugleich machen sich die ersten Versuche
geltend, das Gruppenbildnis künstlerisch zu gestalten. Früher hatte man
wie der schlechte Photograph von heutzutage die einzelnen Personen steif
nebeneinander gestellt und gesetzt. Nun sucht der Künstler eine unge-
zwungene Gruppe daraus zu machen, stellt Beziehungen her zwischen den
einzelnen, ordnet sie einer Gesamthandlung unter. Die Meister in dieser
Kunst sind Rembrandt und Hals (Abb. 132).
Eine fröhliche Tafelrunde, ein kriegerischer Auszug, eine Kommissions-
sitzung, eine wissenschaftliche Demonstration, das sind die Themen, welche
die Porträts von größeren und kleineren Gesellschaften zu eigentlichen
Genrebildern umgestalten, die von der Absichtlichkeit, dem „Bitte recht
freundlich" keine Spur mehr zeigen.
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mixtvammmtxivati
Abb. 133. Die Kinder des Königs Jakob I. von England, von Antonius van Dyck
(1590— 1641).
Freilich stellt die Barockkunst andererseits das Repräsentative stark in den
Vordergrund. Die Dargestellten zeigen sich in ihrem Sonntagsanzug und schauen
selbstbewußt und stolz auf den Beschauer herab. Wallende Vorhänge und mäch-
tige Säulen bilden den Hintergrund (Abb. 133). Oder auf dem mächtig ausgreifen-
den Pferde sitzt sattelfest mit lässiger Gebärde der Feldherr oder der Fürst.
Die Porträtmalerei des Rokoko streicht bei ihren Dargestellten das
Elegante, Mondaine heraus, das sie so hoch einschätzten. Die Schmeichelei
wurde zu einer Kunst, die der Porträtmaler nicht vernachlässigen durfte.
In neuerer Zeit gibt es noch der Schmeichler genug; doch hat die Groß-
zahl der Porträtmaler das Bestreben, wirklich nur das Charakteristische
und das Geistige des Porträtierten festzuhalten.
Die berufenen Porträtisten aller Zeiten haben es verstanden, aus einem
Bildnis ein wahres Kunstwerk zu schaffen, das heißt, sie wissen ein jedes
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Porträt so lebendig und frisch, so außerordentlich eigenartig wiederzugeben,
daß ein solches Gemälde immer Interesse erregt, gleichviel ob man die
dargestellte Persönlichkeit kennt oder nicht. Das ist das maßgebende Kenn-
zeichen für die künstlerische Vollendung eines Porträts, daß dasselbe selbst
dann noch seinen Wert behält, wenn es die Züge einer uns ganz unbekannten
Person wiedergibt.
Das GENREBILD ist dem Historienbilde im Aufbau und in der Problem-
stellung nah verwandt. Ihr Gegensatz besteht darin, daß der Historien-
maler ein bestimmtes Ereignis, das sich mit genau festzustellenden Persön-
lichkeiten zu einer gewissen Zeit zugetragen hat, darstellt, während der
Genremaler an diese Voraussetzungen nicht gebunden ist. Der Historien-
maler malt die Verbrennung des Hus, der Genremaler eine beliebige Hin-
richtung von Ketzern; der eine Schlacht, die am soundso vielten Tage
des und des Jahres geschlagen wurde, der andere ein Schlachtbild aus einer
gewissen Zeit, ohne die Prätension zu erheben, ein bestimmtes historisches
Ereignis zu schildern. Der Porträtmaler stellt eine Persönlichkeit, vielleicht
auch noch von deren Angehörigen umgeben dar, der Genremaler malt
eine Bürger-, eine Bauernfamilie und es kommt nicht darauf an zu wissen,
wer die Leute sind, ob sie überhaupt je gelebt haben oder ob sie nur der
Phantasie des Künstlers ihr Dasein verdanken.
Genreartige Darstellungen sind schon ziemlich früh, schon im 13. Jahr-
hundertnachzuweisen; die Bilder, mit denen die Kalender geschmückt wurden,
stellen in der Regel die Beschäftigungen des Bauern in den verschiedenen
Monaten dar. Die Elfenbeinschnitzereien der Minnetruhen, Spiegelkapseln
schildern uns das Liebesleben im 14. Jahrhundert. Häufiger werden diese
Kunstwerke erst im 15. Jahrhundert, als die Erfindung des Kupferstiches
dem Künstler Gelegenheit bot, seine Zeichnungen zu vervielfältigen und
zum Kauf auszubieten. Die älteren Stiche des 15. Jahrhunderts sind oft
anstößig; solche Bildchen mußten also Abnehmer finden, wie denn über-
haupt die große Masse von jeher dieser Art von Bildwerk ein großes Interesse
entgegengebracht hat. Im übrigen herrschen Schilderungen aus dem Leben
des wohlhäbigen Bürgerstandes vor.
Das Bauerntreiben ist im 15. Jahrhundert nicht ohne einen satirischen
Zug vorgeführt worden; die damalige bürgerliche Gesellschaft war gerne
bereit, über den täppischen Bauern zu lachen. Die Künstler des 16. Jahr-
hunderts indessen stellten das Bauernleben ohne irgendwelchen gering-
schätzigen Beigeschmack dar.
Dem holländischen Künstler des 17. Jahrhunderts zumal ist der Bauer
durchaus nicht ein Gegenstand des Spottes: er weiß sehr wohl, was dieser
kurzbeinige, dickköpfige Leuteschlag geleistet hat, als es galt, Freiheit und
Religion zu verteidigen; ihm ist er ein geachteter Mitbürger, dessen un-
beholfenes Treiben er höchstens mit einem freundlichen, verständnisvollen
Lächeln betrachtet. Da steht unter der Linde der Fiedler auf der Tonne,
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Abb. 134. Holländische Bauern beim Tanz, von David Teniers d. Jüng. ( 1 610 — 1690).
und um ihn stampfen in heller Freude die untersetzten Bauerngestalten;
andere sprechen dem Biere zu oder ergehen sich in handgreiflichen Zärt-
lichkeiten (Abb. 134). Ein anderesmal steht der Bauer am Feiertag an der
Tür seines Häuschens und betrachtet schmunzelnd das fette Schwein, das
ihm noch manchen Genuß in Aussicht stellt; dann kommt das Schwein-
schlachten, die laute Lustbarkeit; es wird getrunken und zum Schlüsse
noch tüchtig gerauft.
Weniger durch die Erfindung als durch ihre malerischen Qualitäten
zeichnen sich die porträtartigen Typen- und Berufsdarstellungen aus: Die
Köchin inmitten ihrer Kessel und Pfannen, der Maler an seiner Staffelei,
das junge Mädchen vor dem Spiegel. Dabei spielt das Stilleben, eine
malerische Gruppierung der zur Charakteristik der Darstellung notwendigen
Gegenstände und Geräte oft eine große Rolle, füllt zuweilen sogar den
ganzen Vordergrund aus (Abb. 135).
Endlich finden wir in Holland die ANEKDOTENMALEREI ausgebildet,
wo auf dem Bilde eine fein ausgesponnene, meist mit einer humoristischen
Pointe gewürzte Geschichte erzählt wird. Hier muß die malerische Auf-
fassung über den im Grunde unkünstlerischen Stoff hinweghelfen: Die
Gefahr, daß das Interesse am Stoff, an der Anekdote, die Schätzung der
Darstellung und ihrer ästhetischen Werke völlig überwuchert, ist damals
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Abb. 135. In der Wildbrethandlung, von Gerard Dou (1613 — 1675), in der National-
galerie, London.
noch vermieden worden (Abb. 136). Aber in der Malerei des ausgehenden
19. Jahrhunderts ist ihr die ganze Genremalerei zum Opfer gefallen.
Die französische Genremalerei des 18. Jahrhunderts hält sich mit Vor-
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Abb. 136. Der Lautenunterricht, von Gerhard Ter Borch (1617 1681), in der
Nationalgalerie, London.
liebe an die Schilderung der galanten Gesellschaft. Schön gekleidete Herren
und Damen belustigen sich im Freien mit Ballspiel, Tanzen (Abb. 137),
Bogenschießen, oder zierliche Schäfer und niedliche, mit Bändern und
Schleifen geputzte Schäferinnen führen die in jener Zeit so beliebten Ko-
mödien auf. Es ist eine distinguierte Fröhlichkeit, die ja nicht etwa vorlaut wird ;
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Abb. 137. Schäferszene, von Nicolas Lancret( 1690 — 1743), i. d. kgl. Schlössern, Berlin.
distinguiert ist auch der Vortrag: In feinen, silberig schimmernden Tönen vor
dämmerig leuchtendem, halbverschwommenem landschaftlichen Hintergrund.
Daneben macht sich das bürgerliche Milieu mit einem oft moralischen
oder sentimentalen Beigeschmack bemerklich: Der Tod des Großvaters,
das arme Bettelkind und ähnliche Stoffe werden rührend und umständlich
vorgeführt.
Auf dem Gebiete der Buchillustration leistet das Genrebild während
des ganzen 18. und 19. Jahrhunderts Vorzügliches. Hier kann sich der Er-
zähler im Künstler frei ausleben, was bei der Tafelmalerei immerhin sehr
gefährlich wäre. Sittenbilder und Kindergeschichten vor allem, dann aber
auch komische Situationen, die oft zur Karikatur ausarten, gelingen in
der stenographischen Niederschrift der Zeichnung, die sich auf die Haupt*
linien beschränkt, ausgezeichnet. In neuester Zeit hat besonders die Kari-
katur einen bedeutenden künstlerischen Aufschwung genommen, ja eine
eigenartige Technik der abgekürzten Darstellung erfunden.
Das 19. Jahrhundert kam mehr und mehr in das Fahrwasser der rein
inhaltlich interessanten Anekdotenmalerei hinein. Besonders verbreitet war
die süßliche Kitschmalerei der Liebespaare, Mädchen mit Kätzchen, Tiroler-
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Abb. 138. Viehweide, von Paulus Potter (1625 — 1654), im Louvre in Paris.
buben im Streit und dergleichen. Alles mit blank gewichsten Stiefeln und
frisch gewaschenen rosaroten Gesichtern. Auch heute ist diese Art der
Malerei noch sehr beliebt, trotz ihres Mangels an ernsthaften künstlerischen
Absichten und ihrer offenkundigen Verlogenheit in jeder Beziehung.
Nur selten gibt es heute wirklich bedeutende Künstler, die sich diesem
Zweige der Malerei widmen. Und dann sind es meistens Szenen aus dem
Volke mit ausgeprägtem seelischen Grundton, während die Handlung auf
ein Minimum beschränkt wird. Aber der ernste Grundton dieser ,, Arme-
leutemalerei' behagt der großen Masse nicht. Sie hängt am Kitsch und so
wird es trotz allem noch geraume Zeit bleiben.
Die TIERMALEREI ist auf dem Gebiete des Tierreiches, was die Porträt-
malerei für den Menschen bedeutet. Das Eigenartige der betreffenden Tier-
rasse, die besondere Bewegung, die geistigen Fähigkeiten kommen neben
der äußeren Erscheinung stark in Betracht. Dann aber ist besonders bei
den Haustieren eine gewisse Individualität ausgeprägt, welcher der Künstler
Rechnung zu tragen hat. Alles das erfordert ein geduldiges Versenken in
die Tierseele, eine Fülle von Studien am bewegten Tierkörper, so daß es nicht
verwundern kann, wenn die Tiermalerei als besondere Spezialität gepflegt wird.
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Abb. 1 39. Blumenstilleben, v. J . v. Huysum ( 1 659- 17 1 6) , i. d. Nationalgalerie in London.
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Oft wird nach dem Vorgang der alten Tierfabel ,,Reineke Fuchs"
menschliches Denken und menschliches Kostüm auf die Tiere übertragen,
was ein scharfes Auge für die Charakteristik erfordert und weit über das
Nachmalen von Naturformen hinausgeht. Ein helles Auge für komische
Situationen und ein glücklicher Griff im Festhalten und maßvollen Über-
treiben einzelner Charakterzüge ist das Erfordernis dieser Bilder. Wie das
Genrebild hat auch das Tierbild nicht nur in der Malerei, sondern auch in
der Buchkunst und in der Graphik hervorragende Vertreter.
Die STILLEBEN- und BLUMENMALEREI ist dadurch besser gestellt
als jeder andere Zweig der Malerei, daß sie ihren Gegenstand vollständig
nach ihrem Geschmack gruppieren kann, auswählen, was ihr paßt, die Be-
leuchtung und den Hintergrund so einrichten, daß der Phantasie des Künstlers
nichts mehr übrig bleibt, wenn es gilt, das Vorbild auf die Bildfläche zu über-
tragen. Die Zurichtung des Vorbildes, die geschmackvolle Verteilung der
Farben der einzelnen Gegenstände, der Aufbau der ganzen Gruppe, das ist
schon ein gutes Stück der künstlerischen Arbeit. Das Nachmalen ist dann nur
noch eine Frage der Auf nahmef ähigkeit und des technischen Könnens (Abb. 1 39) .
Die Gegenstände, aus welchen ein Stilleben zusammengestellt wird,
sind mannigfacher Art: Appetitliche Früchte, delikate Eßwaren, daß einem
das Wasser im Munde zusammenläuft, Wildbret, Geflügel, Gefäße aus
edlen Stoffen, kostbare Decken, Blumen vasen mit auserlesenen Blumen-
sträußen, andererseits aber auch derbe Kupferkessel, staubige Wein-
flaschen, irdene Teller mit mißfarbigem Gemüse auf schmierigem Tischbrett.
Die Kunst des Stillebens besteht nun darin, daß einmal die malerischen
Qualitäten des Dargestellten zur Geltung kommen, also die Reflexe, die
Durchsichtigkeit, das leicht Verschleierte und das farbig Glänzende; dann
aber soll das Stoffliche, das Wesenhafte in uns das Gefühl auslösen, daß
wir uns nicht einem Bilde, sondern der Wirklichkeit gegenüber befinden.
Je weniger geistige Bedeutung diesem Genre von Malerei innewohnt, desto
berechtigter ist der Anspruch, daß eine meisterhafte Ausführung ein solches
Blumenstück zum Kunstwerk erhebe. Malt aber ein Maler oder eine
Malerin die Blätter, als wären sie aus lackiertem Blech, die Blüten, als
seien sie aus Tuch gefertigt, die Früchte, wie wenn sie aus Wachs oder
Seife bestünden, nun, dann sollen sie es nicht übelnehmen, wenn man ein
solches Machwerk nicht als Kunstwerk anerkennt.
In der dekorativen Malerei spielt das Stilleben eine große Rolle, aber
nun in ganz anderer Bedeutung. Jetzt kommt es nicht mehr auf die Stoff-
lichkeit an; im Gegenteil: Der Fruchtkorb, die Blumenguirlande wird zum
Ornament, wird willkürlich umgestaltet je nach dem Zweck, den sie bei
der Innendekoration oder als Buchschmuck zu erfüllen hat.
Die LANDSCHAFTSMALEREI fängt erst im 14. Jahrhundert an, an-
deutungsweise die Hintergründe der Historienmalerei zu beleben. Es bleibt
aber bei einer ganz schematischen Behandlung; einige kärgliche Bäume,
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später kommen noch Berge hinzu, von denen silberne Ströme herunter-
fließen (Abb. 148). Im 15. Jahrhundert begegnen wir auf den Gemälden
deutscher Meister einer Vorliebe, die Hintergründe mit schroffen Felsmassen,
mit steil emporsteigenden Burgbergen auszufüllen. Immer aber erscheint
die Landschaft untergeordnet dem historischen Vorgange, welchen der Maler
zu schildern hat; sie bietet nur den Rahmen für das Historienbild, und wenn
sie auch, gut ausgeführt, mit dazu beiträgt, die Wirkung desselben zu steigern,
so beansprucht sie doch nicht eine selbständige Bedeutung (Abb. 151).
Der Übergang der Historienmalerei zur Landschaftsmalerei wird dadurch
vermittelt, daß die Figuren kleiner werden, während der landschaftliche
Hintergrund zu immer bedeutenderer Größe anwächst, so daß also die dar-
gestellte Handlung nicht mehr ausschließlich oder hauptsächlich die Auf-
merksamkeit des Beschauers in Anspruch nimmt, vielmehr eher die Staffage
der Landschaft bildet (Abb. 150).
Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts führen niederländische
Meister in Italien die völlige Unabhängigkeit der Landschaftsmalerei durch.
Die Gesetze der Perspektive wurden nun Schritt für Schritt auf die Land-
schaftsmalerei angewendet; der Raum weitet sich und zeigt eine malerische
Komposition; denn selten haben die Maler einen Landschaftsausschnitt so
aufgezeichnet, wie er gesehen wurde: Das Bild wurde aus verschiedenen
Eindrücken und Einzelheiten zusammengestellt.
Die französischen Meister des 17. Jahrhunderts entlehnten die Staffage
ihrer Landschaften entweder den biblischen Erzählungen oder der alten
Mythologie, versuchten, die Landschaft in die rechte Harmonie mit der
vorgeführten Handlung zu versetzen, den Grundton der geschilderten
Szene auch in der ganzen Haltung des dargestellten Stückes Naturleben
wiederklingen zu lassen; oder sie bemühten sich, die Stimmung der Tages-
zeiten wiederzugeben, legten dabei mehr auf den Eindruck der Landschaft
im großen ganzen Gewicht, als daß ihnen an einer besonders genauen
Nachbildung der Einzelheiten viel gelegen war. Absichtlich verlieren sie
sich nicht in der kleinlichen Wiedergabe aller Details; in der ganzen Kom-
position ihrer Landschaft wie in deren Ausführung gehen sie vielmehr darauf
aus, durch große Linienführung, mächtige Massen die beabsichtigte Wirkung
hervorzubringen. Diese Werke einer großen Auffassungsweise bezeichnen wir
gewöhnlich mit dem Namen Historische (heroische) Landschaft" (Abb. 140).
Die Landschaftsmalerei ist in den Niederlanden mit besonderer Vorliebe
gepflegt worden; scheint es doch, daß im Norden es viel mehr Bedürfnis
ist, während der langen unfreundlichen Winterszeit ein Stück grünender Natur
in das Zimmer zu retten. Jedenfalls haben die Nordländer der Landschaft
stets mehr Sympathie entgegengebracht als die Kinder des sonnigen Südens.
Einige niederländische Meister haben sich nun bemüht, die Schönheit
der italienischen Landschaft wiederzugeben, andere aber suchten die ver-
steckteren Reize ihrer Heimat zur Geltung zu bringen, wieder andere ziehen
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Abb. 140. Italienische Küstenlandschaft im Morgenlicht, von Claude Gellee (le Lorrain)
(1600 -1682), im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin.
ins Gebirge und lassen die überwältigende Macht dieser Landschaft in ihre
Bilder übergehen.
Die Wolkenmassen in ihrer mannigfachen Gestalt und Färbung, die
Wirkungen der durchbrechenden Sonnenstrahlen, die Effekte der Wolken-
schatten, das Spiel des Nebels, alle diese gerade der nordischen, speziell
der niederländischen Landschaft eigentümlichen Elemente haben diese
Künstler mit besonderer Vorliebe dargestellt. Sie haben recht eigentlich
erst die Poesie des bewölkten Himmels gefühlt und wiedergegeben, während
die früheren Meister nicht müde wurden, das blaue, höchstens durch einige
leichte Wölkchen belebte Firmament zu malen.
Und wie der weite bewölkte Himmel, spielte das Wasser in der hollän-
dischen Landschaftsmalerei eine bedeutende Rolle. Mancher Maler hat die
Kanäle seiner Heimat auf seinen Bildern dargestellt; die Seeküste, das
Leben des Meeres, ist von einer ganzen Reihe von Künstlern zum Gegen-
stande ihrer Gemälde gewählt worden. Und es konnte wohl auch kaum
ein Sujet geben, das um die Mitte des 17. Jahrhunderts, als die holländische
Flotte die Meere beherrschte, im Lande so populär war, als gerade diese
Seestücke. Dazu kommt, daß die Schiffe selbst dem Meere eine sehr an-
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Abb. 14z, Holländische Seelandschaft, von Adrian van de Velde (1635 — 1672), in
der Nationalgalerie in London.
sprechende Staffage liefern. Die hochbordigen Kriegsfahrzeuge mit ihren
mächtig aufragenden Kastellen, mit den Masten und Raaen, mit dem zart
gegen die Luft sich erhebenden Tauwerk und den Strickleitern der Wanten,
mit den schimmernden Segeln und den lustig im Winde flatternden Flaggen
und Wimpeln, diese alten reichgeschnitzten und buntbemalten Schiffe boten
dem Maler einen Anblick, der seine Darstellungslust unbedingt reizen mußte
(Abb. 141).
Die Architekturmalerei ist schon frühzeitig als ein selbständiger
Kunstzweig betrieben worden. Die Künstler traten nicht frei schöpfend
auf, sondern sie suchten die Baudenkmäler topographisch genau wieder-
zugeben, so daß gerade die Architekturgeschichte hier ein bedeutendes
Quellenmaterial findet (Abb. 142). Im 18. Jahrhundert locken besonders
die römischen Ruinen den Maler; es entsteht daraus eine phantastische
Ruinenmalerei, die besonders für Dekorationszwecke sehr beliebt wird.
In neuerer Zeit pflegten meistens die Architekten diesen Zweig der Land-
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Abb. 142. Kircheninneres, vonPieterNeeffs(l570 i65i),i.d.Nationalgalenein London.
schaftsmalerei, allerdings mehr zu Studienzwecken, doch sehr oft mit be-
deutendem künstlerischen Geschick.
Die Ausbildung von Spezialitäten auf dem Gebiete der Landschafts-
malerei ist also nicht neuen Datums, vielmehr schon im 17. Jahrhundert
angebahnt worden. Der Aufschwung der neueren Landschaftsmalerei hat
diese Sonderung vielleicht noch weiter ausgebildet. Zunächst ist es neben
den heimischen Szenerien hauptsächlich Italien, dessen Landschaftsbilder
den Künstlern stets neue und dankbare Motive liefern.
Später erst entwickelt sich die Art von Landschaftskunst, welche die so lange
gering geachteten oder vielmehr unbekannten Reize der Hochgebirgsnatur,
der Schweizer- oder Alpenlandschaft, darstellt. Die Anregungen zu der Be-
wunderung für die malerische Schönheit der Schweiz boten Albrecht von Hallers
Alpen" (1728) und Rousseaus Beschreibungen in der „Nouvelle Heloise".
Seither haben in erster Linie schweizerische, zum Teil auch deutsche
Maler in mannigfaltiger Auffassung die grandiose Alpenschönheit geschildert
(Abb. 143). Gegenwärtig arbeitet die junge Schweizer Schule an einer
dekorativen Vereinfachung des Alpenbildes, das in konzentrierter Form die
großen Eindrücke wiedergibt.
Indessen hat bald jede Landschaft ihren Biographen gefunden; und
wo Heimatliebe und Kunstverständnis zusammenarbeiten, da ist am meisten
Aussicht vorhanden, daß das Landschaftsbild mehr gibt als eine photo-
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SchuKz-Bcrnoulli. Die bildenden Künste. 3. Aufl. 15
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Abb. 143. Der Schmadribachfall im Berner Oberland, v. Josef Anton Koch (1768- 1839).
graphische Aufnahme, daß es die tiefgefühlten Empfindungen des Malers
wiederzugeben versteht.
Die Mehrzahl dieser Maler bieten Ansichten (Veduten), d. h. ihre Land-
schaftsgemälde sind nicht wie die des historischen Genres komponiert;
der Künstler hat nicht versucht, aus seiner Phantasie die einer bestimmten
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Gemütsstimmung entsprechende Landschaft zu erfinden, sondern er hat
sich begnügt, einen schönen oder interessanten Punkt, der ihm auf seinen
Wanderungen begegnet ist, zu zeichnen oder zu malen und diese Studie
dann für ein Gemälde zu benutzen. Er wird bei der Ausführung des Bildes
alles das Störende fernhalten, was, ohne die Ähnlichkeit zu beeinträchtigen,
fortbleiben kann, und wird in den weniger charakteristischen Details zu-
setzen, was dazu beitragen mag, das Gemälde noch wirksamer zu gestalten;
er verfährt wie ein guter Porträtmaler, der ja auch den sprechendsten Aus-
druck seinem Vorbilde abzulauschen sucht, der seine Virtuosität nicht
darin sucht, jede Runzel, jede Falte eines Gesichtes sorgfältig zu registrieren,
sondern den Gesamtcharakter der Persönlichkeit möglichst wirkungsvoll
wiederzugeben. Und wenn dies der Landschaftsmaler vermag, ist er darum
nicht geringer zu schätzen, weil er eine Vedute malt und keine komponierte
historische Landschaft; diese kleinliche Schulmeisterei ist bei Beurteilung
eines Kunstwerkes gewiß nicht am Platze. Vorausgesetzt das Landschafts-
bild ist wirklich bedeutend, dann gebührt ihm dieselbe Anerkennung, ob
es erfunden oder der Natur nachgezeichnet ist.
Die Landschaftsmalerei Hollands hatte einen bestimmenden Einfluß
auf die Entwicklung dieses Zweiges der Malerei. So vorzüglich sie als selb-
ständige Schöpfung war, so verkehrt war es, nun die Natur ausnahmslos
durch diese holländische Brille anzusehen. Die ganze Landschaftsmalerei
des 18. und der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts steht vollständig
unter diesem Einflüsse. Die Farbengebung ist bestimmt durch die braun
getönten holländischen Vorbilder.
Die Stilisierung der Baummassen, welche bei den Holländern gebräuch-
lich, .war, wurde nun schematisiert und maniriert. Man erfand besondere
Methoden, um den Baumschlag zu zeichnen. Ludwig Richter erzählt in
seinen Lebenserinnerungen von seinem Lehrer aus der Dresdener Akademie:
Um seine Methode, Baumschlag zu zeichnen, recht anschaulich zu machen,
nahm er einen Streifen Papier, brach dies zusammen, daß es vielfache
Zacken bildete, bog dieses dann rund herum und so war der Baumschlag
fertig; nur daß man solche Partien aus mehr oder weniger Zacken per-
spektivisch zusammensetzen mußte. '
Diese braunen Bilder mit ihrem schematischen Aufbau und ihrem ewig
gleichen Baumschlag haben indessen einen großen Vorzug: Als Dekorations-
stücke in Innenräumen wirken sie prachtvoll.
Aber die Landschaftsmalerei steckte mit Recht ihre Ziele weiter. Eine
kleine Gruppe französischer Künstler schloß sich zu der Schule von Barbizon
zusammen und hatte die damals unerhörte Kühnheit, die Landschaft so
zu malen, wie sie dieselbe empfand, ohne jede Konvention, allein auf ihre
guten Augen vertrauend.
Und sobald die Bresche in die alte Schultradition geschlagen war,
kam neues Leben in die Landschaftsmalerei. Die farbige Erscheinung der
15*
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Abb. 144. Die Kirche von Varangeville, von Claude Monet (geb. 1840).
Dinge, die undefinierbare Stimmung, welche über der Landschaft liegt,
die Wirkungen der Luftperspektive, das sind alles Probleme, mit deren Dar-
stellung sich die Landschaftsmalerei nun befaßt.
Die billigen Effekte des Sonnenunterganges und der Mondschein-
stimmung locken den Künstler weniger als gerade die Darstellung der licht-
und sonnenvollen Mittagsstimmung. Die Farbenzerlegung zeigt sich hier
als das geeignete Mittel, die eigenartige Transparenz der Dinge in der Mittags-
glut wiederzugeben; die braunen und schwarzen Schatten der Malerei alten
Stils werden jetzt vermieden; alles wird in ungebrochene Farben umgesetzt,
die erst in einiger Entfernung sich zu den beabsichtigten Mischungen zu-
sammenschließen. Es ist, als ob mit einem Male der ölige Schleier, der
über dem Bilde der alten Zeit lag, zerreiße und als ob Licht und Sonne dem
Bilde eine eigene Leuchtkraft geben (Abb. 144).
Und noch ist diese Eroberung nicht in jeder Hinsicht zurTatsache geworden,
da zeigt schon ein Pfadfinder von ferne neue künstlerische Möglichkeiten: Die
rhythmische Stilisierung der Landschaft. Ferdinand Hodler ist es, der als
Pionier dieser noch keimhaften Kunst mutig voranschreitet.
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e) Die Entwicklungsgeschichte der Malerei und der
graphischen Künste.
In der Entwicklungsgeschichte der einzelnen Kunstzweige nimmt die
Kunst des Zeichnens eine eigene Stellung ein. Sie ist die Vorbedingung
oder doch das Hilfsmittel für alle Künste; wenn die Architektur das Ziel
war, auf welches alle Künste hinstreben, um zu ihrem Ausbau und zu ihrem
Schmuck beizutragen, so ist die Zeichenkunst, „die Kunst des Reißens",
der Ausgangspunkt. Ihre Entwicklung macht erst die der andern Künste
möglich.
Und die ersten Kunstwerke, die wir überhaupt kennen, sind dement-
sprechend Zeichnungen, Werke von Menschen, die noch keine Häuser zu
bauen verstanden, von Höhlenbewohnern, die sie mit primitivem Griffel
auf die Wand ihrer Wohnung einritzten. Es waren einfache Niederschriften
dessen, was das Auge des Höhlenbewohners erspähte, was seinen Geist be-
schäftigte: Tiere aller Art, Frauen und Männer in mannigfachen Stellungen
und Beschäftigungen. Oft mit überraschender Sicherheit erfaßt, oft kindlich
hingestammelt. Jedenfalls aber ordnet sich diese Zeichenkunst keinem
höheren Prinzip unter. Sie ist Selbstzweck, Spiel, Zeitvertreib.
Erst die Entwicklung einer höheren Kultur erhebt die Zeichenkunst zur
Dekorationskunst, läßt sie sich zur Malerei entwickeln; die Kunst der Linie
wird zur Kunst der Fläche und gar bald macht diese Flächenkunst An-
strengungen, um selbst den Raum zu bemeistern. Dieser rein formalen
Entwicklung geht eine malerische Entwicklung parallel. Die Farben-
gebung beschränkte sich zunächst auf das Ausmalen der Umrisse mit
einem gleichmäßig aufgetragenen Farbenton. Erst viel später erfolgte
die Modellierung durch das Abstufen der Farbtöne innerhalb einer
Lokalfarbe und zuletzt fallen die begrenzenden Linien fort; die Farbe
gibt zugleich Form.
Was aber der Malerei jeder Kulturepoche eigen war, ist ihr Bestreben,
im großen Zusammenhang aller Künste eine Rolle zu spielen. Wo sie
scheinbar unabhängig ihre technische Eigenart entwickelt, ist meist eine
Vorstufe zu einem höheren Aufschwung im Sinne der Dekorationskunst
zu finden. Fast immer kommen nach den technischen Virtuosen umfassende
Künstler, welche die neuen Ausdrucksmittel erst in den Zusammenhang
mit der dekorativen Aufgabe bringen, welche aus verstreuten Einzel-
erscheinungen ein harmonisches Ganzes zu schaffen vermögen, das zu den
andern Künsten in einem angemessenen Verhältnis steht. Diese Rück-
sichtnahme auf den Rahmen, die Eingliederung in den Zusammenhang der
Künste erweist sich weniger als ein Gebundensein der an sich freien Malerei,
vielmehr als eine Selbstbestimmung zum denkbar wirkungsvollsten Zu-
sammenklang, bei welchem Rahmen und Füllung, das heißt Architektur
und Malerei, ihre Wirkung gegenseitig steigern.
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230
Abb. 145. Ägyptische Malerei auf Papyrus: Das Totengericht.
Ägypten zeigt eine eigenartige symbolische Malerei, die als eine monu-
mentale Bilderschrift von dekorativer Anordnung aufgefaßt werden muß.
Auf perspektivische Wirkungen verzichtet sie vollständig, stellt aber mit
kluger Berechnung jedes Ding so dar, daß seine Körperhaftigkeit aus der
Anordnung der einzelnen Teile hervorgeht. Wie in der mittelalterlichen
Malerei werden hier untergeordnete Personen in kleinem Maßstab dar-
gestellt; je höher sie stehen, um so größer werden sie gezeichnet. Die Farben
sind durch dunkle Konturen gegeneinander abgegrenzt und zeigen keine
Schattierung; dadurch erweist sich die Malerei als ausgezeichnete Flächen-
dekoration, zumal die gleichmäßige Ausfüllung der zur Verfügung stehenden
Fläche mit bildlichen Darstellungen stets konsequent durchgeführt wird.
Von Denkmälern sind uns monumentale Wandmalereien, die größten-
teils flach reliefiert sind, Buchillustrationen auf Papyrus (Abb. 145) und
reich mit Bildern verzierte Sarkophage und Geräte erhalten. Doch soll
daneben noch die Tafelmalerei gepflegt worden sein.
Die griechische Malerei ist in ihrer Auffassung der ägyptischen nah
verwandt, wo es sich um die Dekoration von Gefäßen oder Sarkophagen
handelt; dagegen strebt die Wandmalerei nach perspektivischer Vertiefung,
wendet die Schattierung bald mit großem Geschick an und versucht sich
in der Schilderung der kompliziertesten seelischen Vorgänge.
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Abb. 146. Römisches Freskobild (Teilstück), vom Esquilin in Rom.
Die hellenistische Periode bringt eine glänzende Entwicklung der
Porträtmalerei, pflegt die naturalistische Auffassung und erreicht namentlich
in der Mosaikkunst eine ungeheure Fertigkeit. Römische Kopien, Über-
tragungen in Stein und ausführliche Beschreibungen ergänzen den spär-
lichen Denkmälerbestand zu einem wenigstens in den Hauptzügen kennt-
lichen Bilde von der griechischen Malerei (Abb. 109).
Wie die Plastik ist auch die Malerei in Rom eine Tochterkunst der
griechischen. Freilich existiert schon vor dem griechischen Einfluß eine
italische Malerei, doch ist sie kaum literarisch bekannt. Wandmalereien
und Bildnisse sind ihre Hauptaufgaben; besonders die ersteren sind uns
noch in großer Zahl erhalten (Abb. 146). Ein feines Gefühl für die dekorative
Verwendung der Farbe und für die Eingliederung der Bilder in den architekto-
nischen Rahmen läßt die Wandmalerei als überaus bedeutungsvoll er-
scheinen. In den Feldern der Wand, vielfach durch einen besonderen
gemalten Rahmen hervorgehoben, finden wir abgeschlossene Darstellungen
in der Art von Tafelbildern, die in der ganzen Art der Malerei völlig auf den
Grundlagen der modernen Malerei aufgebaut sind: Landschaftsbilder, Szenen
aus der Mythologie, Genrebildchen mit Amoretten und Zwergen, Bilder
aus dem täglichen Leben, Bacchanten, Zentauren, Satyrn und Tänzerinnen.
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Abb. 147. Freskomalerei in der Kirche St. Maria l'Antica in Rom.
Die Wand- und Deckenmalerei der frühchristlichen Zeit zeigt sich
technisch weniger geschickt und verfügt vor allem nicht über die reichen
Mittel wie die römische Malerei der Blütezeit. Statt der heidnisch-mytho-
logischen Motive treffen wir nun Szenen aus dem Alten und Neuen
Testament, symbolische Darstellungen, Bilder Christi, der Propheten und
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Apostel. Für die Mosaikmalerei beginnt eine Zeit der höchsten Blüte, indem
sie vor allem für die Ausschmückung der christlichen Kirche heran-
gezogen wird (Abb. 112). Mehr und mehr bildet sich eine überaus strenge,
monumentale Auffassung aus, die wir im oströmischen Reiche noch bis
ins 12. Jahrhundert verfolgen können. Dort entwickelt sich nun auch die
Buchmalerei, die sich meist mit religiösen Stoffen befaßt, daneben aber auch
wissenschaftliche Werke illustriert. Endlich finden wir dort eine Menge
von Altartafeln, meist mit Madonnenbildern.
Die frühmittelalterliche Malerei fußt ganz auf der oströmischen und
der römisch-altchristlichen. Da ihr die Verjüngung durch das Naturstudium
fehlt, so verfällt sie einer schematischen, aber dekorativ sehr wirksamen
Manier. Die gezeichneten und gemalten Bilder der Handschriften sind oft
von großer Frische und zeigen Anläufe, um sich von der allgemein-typischen
Auffassung zu befreien. Die Wandmalerei nimmt gleichzeitig mit der Archi-
tektur in Deutschland einen neuen Aufschwung, während in Italien die
Mosaikmalerei besonders gepflegt wird. In Frankreich blüht besonders die
Glasmalerei.
Mit der Entwicklung des gotischen Stils in Frankreich geht die Ent-
faltung und Befreiung der Zeichenkunst und der Malerei Hand in Hand.
Die französische Miniaturmalerei geht im 14. Jahrhundert im Gegensatz
zu der früher üblichen, ohne Modellierung und Schattierung durchge-
führten, zu einer mehr naturalistischen Schilderung der Dinge über. Es
entstehen Gebetbücher von unerhörter Pracht und Kunstentfaltung. Da
die gotische Kirche viel Fenster- und wenig Wandfläche zeigt, entwickelt
sich daher die Glasmalerei auf Kosten der Wandmalerei. In den Nieder-
landen und in Deutschland bereitet sich indessen der große Aufschwung
der Tafelmalerei vor; besonders in Köln bildet sich eine überaus zarte und
blumenhafte Altarmalerei aus, deren Werke zu den schönsten Blüten der
Malerei gehören.
In Italien wird im 13. Jahrhundert die Mosaikmalerei von der Fresko-
malerei verdrängt und nun beginnt eine gewaltige Entwicklung des monu-
mentalen Stils, dessen Hauptvertreter der Florentiner Giotto ist (Abb. 148).
Florenz und Siena sind die Hochburgen der gotischen Monumentalmalerei;
das Campo santo in Pisa vereinigt Hauptwerke beider Richtungen.
Die Malerei in der italienischen Renaissance erfährt nicht in dem Maße
wie die Baukunst und die Plastik den Einfluß der antiken Kunst; waren
doch die Werke der antiken Malerei zu jener Zeit so gut wie unbekannt.
Aber in der ganzen Durchführung zeigt sich ein entschiedener Gegensatz
zu den Schöpfungen der gotischen Malerei.
Einmal werden die Darstellungsmittel mit größerer Geschicklichkeit
und mit gründlicherem Wissen gehandhabt: Man studiert die Formen des
menschlichen Körpers, mißt seine Proportionen und untersucht seine
Anatomie; die Gesetze der Perspektive werden ergründet und wissenschaftlich
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Abb. 148. Freskomalerei von Giotto (1266 1337), in der Kirche S. Francesco in Assisi.
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Abb. 149. Madonna, von Sandro Botticelli (1446 — 1510), in den Uffizien in Florenz.
dargelegt. So ist eine Darstellung der Natur in der Form möglich, wie
sie sich unserem Auge darbietet.
Dann aber macht sich, zum Teil unter dem Einfluß der zeitgenössischen
Literatur, eine allgemein menschliche Auffassung des behandelten Stoffes
geltend. Der mystische Zug, welcher der Malerei des Mittelalters anhaftet,
weicht mehr und mehr einer lebenskräftigen, wirklichkeitsdurchdrungenen
Darstellung.
Was zunächst bleibt, ist der Zug ins Große, der Monumentalstil; doch
haftet er nicht mehr bedingungslos an der Fläche; er vermag nun auch die
Darstellung des weiten Raumes dekorativ zu bemeistern. Plastische Model-
lierung und kräftige Licht- und Schattenwirkung kommen hinzu, um dem
Bilde eine eindringliche Wirkung zu sichern (Abb. 149).
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236
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237
Zu Ende des 15. Jahrhunderts wurde zunächst in den Niederlanden
die Ölmalerei, die bisher nur für untergeordnete dekorative Arbeiten Ver-
wendung gefunden hatte, für die Herstellung von Tafelbildern verwendet.
Und nach den ersten großen Erfolgen drang diese Technik in Deutschland
und Italien ein und hat seither ihre dominierende Stellung beibehalten.
Niederländische Künstler wurden nach Italien berufen und vermittelten einen
regen Austausch von Ideen zwischen den beiden Ländern. So finden wir
denn in der Malerei der Frührenaissance diesseits und jenseits der Alpen
mannigfache Analogien.
Was die Niederländer vor allem auszeichnet, ist die unermüdliche Ge-
duld und Hingebung, mit welcher sie selbst die unbedeutendsten Erzeugnisse
der Natur nachbilden. Es liegt fast ein religiöser Zug in dieser innigen Freude
an dem was ist. Farbenfrisch und packend kommt das zum Ausdruck.
Es ist kein Wunder, daß gerade das Porträt und die Landschaft, die Gebiete,
welche von der Naturbeobachtung aus am besten zugänglich sind, in den
Niederlanden am besten geraten (Abb. 150).
Eigentümlich ist die minutiöse Art der Detailbehandlung. Bei den
delikaten Bildern, mit denen der Maler die Handschriften schmückte, war
sie* wohl selbstverständlich; nun aber wurde dieselbe Auffassung auf die
größeren Tafelbilder, ja auf die mannshohen Altaraufsätze übertragen.
Die Einzelheiten nehmen die ganze Aufmerksamkeit des Malers in Anspruch ;
zunächst waltet noch das gotische Kompositionsschema vor (das steife
Nebeneinanderstellen der einzelnen Gestalten), später wird alles wie zu-
fällig über die Bildfläche hingestreut (Abb. 126). Die Freude am Charakte-
ristischen artet hin und wieder im Übertriebenen, unfreiwillig Komischen,
Abstoßenden aus. Alle diese Züge zeigen denselben Grundton: Die Abkehr
vom Konventionellen und Schematischen und andererseits das Bestreben,
alles in seiner eigentümlichen individuellen Erscheinung wiederzugeben.
Koloristisch macht sich der neue Geist weniger fühlbar. Die Vorliebe
des Mittelalters für grelle, ungebrochene Farben lebt bis gegen Ende des
16. Jahrhunderts in den Ländern nördlich der Alpen weiter. Die Model-
lierung wird mehr angedeutet, als wirklich konsequent durchgeführt. Zu-
sammen mit der zeichnerischen Starrheit und Kleinlichkeit ergibt sich daraus
der Charakter einer gewissen Härte, die erst später durch den Einfluß Italiens
gemildert wird (Abb. 151).
Die erste Entwicklung des Kupferstichs und des Holzschnitts zusammen
mit der neu erfundenen Buchdruckerkunst sichern den graphischen Künsten
eine große Verbreitung. Sie erleben zugleich einen Höhepunkt, den sie
seither nie mehr eingenommen haben. Die Hochschätzung der Schön-
schreibekunst hat auf die Strichführung einen bedeutenden Einfluß, indem
die einzelnen Striche nicht allein auf ihren Zusammenhang im ganzen
eingeschätzt werden, sondern im einzelnen bestrebt sind, eine gefällige
Linienführung aufzuweisen (Abb. 115, 116).
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Abb. 151 . Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, von Hans Baidung Grien (1475 — 1545) •
im Germanischen Museum in Nürnberg.
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Abb. 152. Die Madonna mit den Kirschen, von Tizian (1476 — 1576), in der Kaiserl.
Gemäldegalerie in Wien.
In Italien geht die Entwicklung einen andern Weg. Ihr Ziel ist die
große Komposition, das Abwägen der Farbenwerte und Formgruppen gegen-
einander. Und vor allem die Erreichung des Schönheitsideals. Keine Kunst,
außer vielleicht der griechischen Plastik, hat das Schöne so in den Mittel-
punkt alles Strebens gestellt, wie die Malerei der reifen italienischen Re-
naissance. Sie verzichtet damit freilich auf das Eindringliche und Über-
raschende, das die Darstellung des Charakteristischen in sich hat; die Gefahr
liegt nahe und ist nicht immer überwunden worden, daß statt eines seelischen
Vorganges, der ergreifend wirken sollte, eine schöne, aber ausdruckslose
Komposition entstand, die den Beschauer kalt läßt. Dafür werden die
Farben immer glühender, die Formen lösen sich immer mehr los von der
Fläche, sie werden plastisch, ohne indessen die harmonische Ruhe der
Bildfläche zu stören (Abb. 152). Im Mittelpunkte des Interesses steht die
schöne Frau, hoheitsvoll, mit allen Reizen ausgestattet, von verhaltener
Leidenschaft erfüllt; die Reaktion der Sinnenfreudigkeit gegen die klöster-
liche Befangenheit des 15. Jahrhunderts.
240
Abb. 153. Merkur und die drei Grazien, Wandfüllung im Dogenpalast in Venedig,
von Tintoretto (1518 — 1594).
Die Belebung, das Element der Spätrenaissance und des Barockstils,
äußert sich auch in der Malerei dieser Epoche. Die abgeklärte, in sich ab-
geschlossene Ruhe der italienischen Hochrenaissance weicht mehr und
mehr einer pathetischen Bewegung, die heiteren und ruhig leuchtenden
Farben weichen einer unbestimmt beleuchteten, schwülen Stimmung. Dem
sonnigen Genießertum, dem die Malerei Ausdruck gegeben hatte, folgt als
Reaktion der düstere, gewaltige Ernst, der sich gelegentlich bis zur Askese
steigert. Der Geist der Gegenreformation macht sich bemerklich. Die
freie Auffassung der religiösen Malerei der Hochrenaissance mußte sich eine
bittere Kritik gefallen lassen. Andererseits zeigt sich ein bewußtes Zurück-
greifen auf die Elemente der Hochrenaissance, das indessen, gerade weil
es allzu bewußt und willkürlich war, oft genug am Äußerlichen hängen
blieb. Die Malerakademie in Bologna, begründet 1593, pflegte diesen Geist.
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Abb. 1 54. Die Übergabe von Breda, v. Diego Velasquez ( 1 599 1 660) , im Prado in Madrid.
Auf die verstandesmäßige Malerei der akademischen Richtung folgte
ein Rückschlag im Sinne des Naturalismus. Das Schönheitsideal wich der
Naturbeobachtung. Aber die Malerei kehrte nicht zum Naturalismus des
15. Jahrhunderts zurück. Die Technik hatte sich inzwischen weiterent-
wickelt; der Gesamteindruck war nun das Maßgebende. Alles wird mit
breitem Pinsel, oft ungeheuer virtuos, heruntergemalt. Dazu kommt
eine raffinierte Gegenüberstellung der hellen und dunklen Partien und
eine scheinbar zufällige, im Grunde aber wohl erwogene, großzügige
Komposition.
Die spanischen Maler zeigen sich als die Meister dieses Stils. Glänzende
Charakteristik im einzelnen verbindet sich mit einer wahrhaft genialen
Pinselführung zum Eindrucksvollsten und Vollendetsten, was die natura-
listische Malerei je hervorgebracht hat. Ein derber demokratischer Zug,
der auch vor dem Häßlichen nicht zurückschreckt, zeigt sich neben eksta-
tischer Schwärmerei und neben wahrhaft vornehmer und kühler Auf-
fassung. Überall aber ordnet sich die Malerei durchaus dem Inhalt des
Bildes unter; sie ist Mittel zum Zweck.
Schult*- Bcrnoulli, Die bildenden Künste. 3. Aufl. l6
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Abb. 155. Die vier Erdteile, von Peter Paul Rubens (1577 1640), in der Kaiserl.
Gemäldegalerie in Wien.
Flandern und Belgien nimmt in der Malerei der Barockzeit eine be-
sondere Stellung ein. Hier war es die Manier, die Stilisierung, welche
den Naturalismus noch übertönte. Bald tritt sie auf als die ungeheure
Massigkeit und die satten Farbentöne eines Rubens, bald als das einförmige
Goldbraun, mit dem alles Übergossen scheint. Der Grundton ist eine ge-
sunde Üppigkeit, die zu allem ein freudiges Ja sagt. Die Kirche selbst stellt
sich freundlich zu dieser Auffassung; der Triumph der Gegenreformation
hat sie tolerant werden lassen. Geistige Gewalten werden nun ins körperlich
Ubermächtige umgesetzt; es ist eine Versinnlichung, die weit über die Alle-
gorien der früheren Zeiten hinausgeht (Abb. 128). Repräsentation ist die
Parole; sei es als die Steigerung ins Gewaltige oder als die Betonung des
Aristokratischen (Abb. 133).
Neben der breit hingeworfenen Malerei großen Formats wird die Klein-
malerei eifrig gepflegt; hier finden wir eine intimere Lebensauffassung,
eine freiere Bewegung als in den machtvollen Werken der Großmalerei
(Abb. 134).
Die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts weiß nichts von dem
glänzenden, pompösen Auftreten ihrer flämischen Nachbarin. Das Bürger-
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Abb. 156. Porträt eines Unbekannten, v. Franz Hals ( 1580- 1666) , im Museum Schwerin.
tum spiegelt sich in ihr wider, es protegiert sie. Der Protestantismus,
jeder schönen Phrase abhold, beeinflußt auch die Malerei. So kommt es,
daß sie uns ungeheuer schlicht und wahrhaftig anmutet; in ihren Farben
sparsam, bloß auf eine wirkungsvolle Verteilung von Licht und Schatten be-
dacht; bald sauber und zierlich gemalt (Abb. 135, 136) , bald genial hingebürstet
(Abb. 156). Das Halbdunkel, das sie liebt, begünstigt eine mehr andeutende
Ausführung; oft scheint es, als ob die Malerei durch die äußere Erscheinung
der Dinge in ihr innerstes Wesen eindringe. Mit überraschender Sicherheit
weiß sie die Stimmung einer Landschaft (Abb. 141), die Weihe eines Kirchen-
innern (Abb. 142), das Geistige im Menschen festzuhalten (Abb. 132). Auf
dieses kommt es ihr an, nicht auf die Einzelform. Dabei fehlt es anderer-
seits nicht an scharfer Beobachtung der stofflichen Wirkung: Die Blumen
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sind fast fühlbar geworden, sie scheinen zu duften (Abb. 139), den Seiden-
stoff, den Pelz, die Haare meint man anfassen zu können (Abb. 136).
Die Malerei des 18. Jahrhunderts ist ganz im Banne der holländischen
Malerei geblieben. Der Eindruck war so nachhaltig, ihre ganze Art so über-
zeugend, daß man bei ihr anknüpfen mußte. Die ganze Technik, die Vor-
liebe für das unbestimmte Dunkel, aus welchem sich die wichtigen Gestalten
und Dinge lösen, das Andeutende in der Form, der geheimnisvolle Schleier
der Stimmung, der über dem ganzen Bilde liegt, das alles ist geblieben, aber
der Stimmungsgehalt selbst ist ein anderer geworden.
Frankreich erlebte zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine starke Reaktion
gegen das frühere geistliche Regime. Ein mächtiges Aufflackern der Sinnen-
lust ist die Signatur seiner Malerei, aber nicht brutal wie bei den Flamen des
17. Jahrhunderts, sondern von erlesener Delikatesse, von aristokratischer
Haltung. Aus dem unbestimmten Braungrau des Hintergrundes knallen
lebhafte Farben; oft auch ist das Ganze in einen feinen Silberglanz ein-
gehüllt (Abb. 137). Und schon beginnt die Sentimentalität zu keimen,
welche im 17. Jahrhundert noch unbekannt war. Das Schwärmen für länd-
liche Einfachheit ist das höchste Raffinement; aber es bleibt ein Spiel, bis
endlich am Schlüsse des 18. Jahrhunderts Ernst daraus wird.
Nun hat auch Frankreich seine bürgerliche Malerei, der es um die Ver-
herrlichung der Moral zu tun ist; der Duft der Unwirklichkeit, des Märchen-
haften, der den Gemälden jener vornehmen Sphäre anhaftet, macht der
Wirklichkeit Platz. Alles wird nun erzählt, wie es sich zugetragen hat,
hausbacken, ohne Phantasie. Es ist die Ernüchterung nach dem Traum;
aber nun sieht man vieles genauer an, was man im Taumel der Gefühle
hat links liegen lassen. Die farbige Erscheinung der Dinge wird wieder mehr
geschätzt, man hält sich an das Natürliche, das freilich mit einem starken
Schuß Sentimentalität versetzt ist.
England pflegt inzwischen eine stammverwandte, aber im einzelnen
selbständige Malerei, die wohl einen aristokratischen Zug, aber nicht den
prickelnden Reiz der französischen hat. Nicht immer wird die Süßlichkeit
und Sentimentalität vermieden; ja sie steigert sich, je mehr wir uns dem
19. Jahrhundert nähern. Der Manierismus der ganzen Durchführung läßt
erkennen, daß eine Entwicklungsmöglichkeit ausgeschlossen ist.
Auch in Frankreich verarmt die Malerei in jeder Beziehung. Unter
dem Vorwande der Klassizität wird die Farbe kühl und grau, die Formen leer
und langweilig. Der Vortrag ist geschraubt und unnatürlich; oft wird alles
in ein griechisches Gewand eingekleidet. Eine gewisse Anmut ist den Bildern
dieser Zeit nicht abzusprechen, öfter aber ist es die Süßlichkeit, die über-
wiegt (Abb. 157).
Deutschland folgt im allgemeinen der Entwicklung Frankreichs; Spanien
und Italien allein führen die Tradition ihres Landes weiter, indem sie an den
einheimischen Stil des 17. Jahrhunderts anknüpfen.
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Abb. 157. Porträt einer Unbekannten, von Jacques Louis David (1748 1829).
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts sieht einerseits die konsequente
Durchführung der klassizistischen Malerei, die schließlich in einem beinahe
vollständigen Verzicht auf die Farbe endigt, andererseits eine Reaktion im
Sinne der Farbigkeit, der leidenschaftlichen Bewegung. Die erste Strömung
ist charakteristisch für Deutschland, die zweite für Frankreich. Gemeinsam
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Abb. 158. Der heilige Sebastian, von Eugene Delacroix (1799 — 1863).
ist beiden der Sinn für das Romantische. Der Maler will über die Alltäg-
lichkeit hinausgehen. Er schildert das Märchenhafte, Außerordentliche.
Dafür eignet sich freilich die Graphik am besten, die über die Körperlichkeit
ihrer Darstellungen weniger Rechenschaft abzulegen hat als die Malerei.
Ein starkes Streben nach Schönheit, nach symbolischer Tiefe und ein
feines Empfinden für delikate farbige Reize zeichnet die Malerei der Romantik
aus. Andererseits lehnt sie sich stark an die Malerei der Vergangenheit
an, wie ja der ganze Geist der Zeit auf Vergangenes gerichtet war. Die
korrekte Zeichnung wird als erstes Erfordernis der Malerei betrachtet,
die infolgedessen oft eine gewisse Befangenheit zeigt (Abb. 158).
Frankreich brachte endlich einen endgültigen Umschwung. Immer
mehr wurde die rein malerische Erscheinung der Dinge, die Ausschaltung
der Verstandestätigkeit beim Sehen, betont. Man verließ die alten bewährten
Pfade, die die Entwicklung hemmten und fing von vorne an, so zu malen,
wie man es empfand. Nun erst wurde der Einfluß der Atmosphäre, der
wechselnden Beleuchtung, der mannigfachen Reflexe studiert und in seinem
Wesen festgehalten. Der braungoldene Schleier, der sich seit der Barock-
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Abb. 159. Jager am Kamin, von Honore Daumier (18 10 — 1879).
zeit über jede Malerei gelegt hatte, zerriß mit einem Male und die Sonne
schien in blendender Helligkeit im Bilde selbst. Es ist verständlich, daß
neben dieser vor allen Dingen malerischen Qualität die Delikatesse der
Zeichnung zurücktreten mußte. Mit der grellen Lichtwirkung der Wirk-
lichkeit zu konkurrieren, darauf gingen die Bemühungen der Malerei nun
aus. Und sie strebte ferner nach der möglichsten Sparsamkeit der Mittel,
mit welchen das zu erreichen war. Viele Worte machen eine Rede
wirkungslos; bei der Malerei ist es ähnlich: Je knapper und präziser, um so
überzeugender trifft sie uns (Abb. 144, 159).
Aber auch ein anderes Prinzip verkörperte sich in der Malerei und
Graphik des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Der Sinn für die Besonderheit
ihrer Aufgaben. Die Wandmalerei wurde sich ihres dekorativen Wesens
bewußt und strebte nach Flächenhaftigkeit und nach architektonischer
Haltung (Abb. 130). Die Zeichnung strebt nach Klarheit und größter
Ausdrucksfähigkeit der Linie, der Holzschnitt, die Radierung, der Stein-
druck, sie alle zeigen nun mit absichtlicher Deutlichkeit das Eigentümliche
ihrer Technik.
Das 20. Jahrhundert blieb in der Entwicklung nicht stehen. Nun galt
es, die Resultate der letzten Periode zusammenzufassen, das Allgemein-
gültige und Typische aus der Fülle der Einzelheiten herauszuschälen, die
Entwicklung der Farbenkomposition weiter zu verfolgen. Schon früher
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Abb. 160. Ferdinand Hodler (geb. 1853): Teil.
hatten einige Vorläufer, verkannt und nur von wenigen beachtet, versucht,
eine Malerei des Typischen zu erfinden. Alles Individuelle sollte mehr und
mehr abgestreift werden. Die Malerei strebte über das Einzelwesen hinaus.
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Der Kern der Dinge, ihr zeitloser Inhalt, ihre absolute Erscheinung, dieses
darzustellen ist das Problem der neuesten Malerei. Gewiß entfernt sie sich
unter solchen Umständen von der Naturform; aber wenn die geistige Er-
regung, in welcher der Maler sein Gemälde erschaffen hat, durch dieses
restlos auf den Beschauer übergeht, ist das nicht ein Ziel, das des Strebens
wert ist? Zugegeben, daß es nicht leicht ist, den Revolutionären der modernen
Malerei zu folgen, ist das ein Grund, um sie zu verdammen? Liegt die
Schwierigkeit nicht vielleicht an unserm eigenen Unvermögen, dem raschen
Vorwärtsdrängen des Künstlers mit dem schwerfälligeren Verstände des
Laien zu folgen?
Die Kunst ist niemals abgeschlossen und wird sich immer ändern, wie
die Lebensformen, in deren innerstem Wesen die stete Veränderlichkeit
Gesetz ist. Die Malerei und die graphischen Künste unserer Zeit sind in
besonderem Grade dazu angetan, dieses wechselvolle Leben, dieses Ringen
um eine Weiterentwicklung anschaulich zu machen.
So herrlich die alte Kunst in ihrer Unantastbarkeit und in ihrem fest-
stehenden Werte uns erscheint, dürfen wir doch nie vergessen, daß wir unserer
Zeit angehören und daß vor allem die Lebenden ein Recht darauf haben,
in ihrem Schaffen von uns unterstützt zu werden. Die Toten fühlen nichts
mehr von Anerkennung und Ruhm. Den Lebenden ist es das Elixier, das
ihre Schaffenskraft zu neuen Werken anspornt. Seien wir ihnen dankbare
Zuschauer und nachsichtige Richter. Dem tüchtigen Künstler von heute
eine Förderung angedeihen lassen, zeigt mehr Verständnis und Liebe
zur Kunst, als mit Werken alter Meister zu handeln. Und dem
Künstler ruft William Morris zu: „Lassen Sie uns die alte
Kunst mit Klugheit erforschen; aber seien wir zur
gleichen Zeit fest entschlossen, sie weder nachzu-
ahmen noch zu wiederholen ; und verzichten
wir lieber ganz auf die Kunst, wenn
wir keine von uns selbst ge-
schaffene haben können."
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Verzeichnis der Abbildungen mit Quellenangabe.
Titelbild: Michelangelo, Madonna-Relief. Phot. Neue Photogr. GeseUsch., Berlin S«*»
Abb. L Edfu, Tempel. Phot. Schröder, Zürich 31
t. Athen, Theseustempel. Phot. Neue Photogr. GeseUsch., Berlin ... 32
3. Athen, Erechtheion. Phot. Neue Photogr. GeseUsch., BerUn .... 12
4. Rom, Konstantinsbogerl. Phot. Neue Photogr. GeseUsch., Berlin . . 34
5. Baalbek, Rundtempel. Phot. Bonfils, Kairo 35
6. Konstantinopel, Sophienkirche. Phot. Sebah 8c Joaillier 36
7. Parenzo, Dom. Phot. Alinari, Florenz 32
Maria-Laach, Abteikirche, Phot. Neue Photogr. GeseUsch., BerUn . . 32
9. Speier, Dom. Phot. Stoedtner, Berlin 41
10. Köln, Dom, Inneres. Phot. Stoedtner, Berlin 43
ix. Köln, Dom, Außeres. Phot. Neue Photogr. GeseUsch., Berlin ... 45
L2. Bourges, Palasthof. Phot. Neurdein, Paris 47
13. Nürnberg, Straße am Hauptmarkt. Phot. Schmidt, Nürnberg . ... 40
14. Orvieto, Kathedrale. Phot. Alinari, Florenz 42
15. Florenz, Palazzo Pitti. Phot. Alinari, Florenz 50
15. Venedig, Palazzo Reale. Phot. Alinari, Florenz 51
17. Rom, Kirche del Gesü. Phot. Alinari, Florenz 53
16. Nürnberg, Pellerhaus. Phot. Schmidt, Nürnberg 55
iq. Paris, Invalidendom. Phot. Neurdein, Paris 5^
20. Nancy, Triumphbogen. Phot. Neurdein, Paris 58
21. Berlin, Militärkabinett. Phot. Schwartz, Berlin
22. Berlin, Warenhaus A. Wertheim. Phot. Schwartz, Berlin
23. Lehnstuhl um 1588. Phot. Victoria- u. Alber
24. Lehnstuhl um 1750. Phot. Wasmuth, Berlin
23. Lehnstuhl um 1588. Phot. Victoria- u. AI bert - Museum , London . . 67
24. Lehnstuhl um 1750. Phot. Wasmuth, Berlin $7
25. Prachtschrank, Ende des 15. Jhdts. Phot. Ziegler, München . . . . 55
2L Bronzetüre um 1050. Lichtdruck 70
27. Haustüre um 1785. Lichtdruck 70
2Ä. Danzig, Marienkirche, Inneres. Phot. Kuhn, Danzig 72
29. Kamin, 15. Jhdt. Phot. Brogi, Florenz 74
30. Ofen um 1700. Phot. Wolf, Konstanz Tg
32^ Porzellanvase, China. Lichtdruck 7$
31. Bronzevase, China. Phot. k. k. Museum, Wien
33. Schränkchen um 1715. Photogravüre 7_8
34. Schränkchen um 1720. Phot. Obernetter, München 73
35. Jagdhorn, iL Jhdt. Phot. Giraudon, Paris 8a
36. Elfenbeinarbeiten, 17. Jhdt. Phot. Brogi, Florenz 81
37. Bucheinband um 1490. Phot. k. k. Museum, Wien 82
38. Bucheinband, dat. 1580. Phot. Hendriksen, Kopenhagen 82
39. Ledertapete, 17. Jhdt. Phot. Einsidl, Linz a. D 83
40. Seidenstoff, 7. bis 9. Jhdt. Lichtdruck 84
41. Wandteppich um 1700. Phot. Giraudon, Paris 85
42. Gebetteppich, in. Jhdt. Phot. Wasmuth, Berlin 87
43. Seidenstickerei, Japan. Phot. Calavas, Paris 8S
44. Seidenstickerei, 17. Jhdt. Phot. Calavas, Paris 85
45. Klöppelspitze, 17. Jhdt. Lichtdruck 90
46. Nadelspitze, i^Tjhdt. Lichtdruck 9_i
47. Prägedruckpapier um 1760 93
48. Tunkpapier, jJL Jhdt 93
40. Marmorvase, griechisch. Lichtdruck 95
50. Tonkrug, i& Jhdt. Phot. Bude, Graz 95
51. Fayenceteller, syrisch. Phot. Wasmuth, Berlin 97
52. MajolikateUer, lA. Jhdt. Lichtdruck 92
53. Steingut, i& Jhdt. Phot. Engel, Reichenberg 98
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Abb. 54. Steinzeug, in. Jhdt. Phot. Bude, Graz 99
SS» Amphore, griechisch. Phot. Brogi, Florenz lqq
56. Henkelvase, griechisch. Phot. k. k. Museum, Wien ino
57. Porzellanschussel, chinesisch. Phot. Kullrich, Berlin im
58. Porzellanteller, um 1770. Phot. Kullrich, Berlin lai
SQ. Gläser, Venedig, 17. Jhdt. Phot. k. k. Museum, Wien 1Q2
60. Gläserne Kanne, 17. Jhdt. Phot. Bette, Berlin xaz
dr. Gläser, Schlesien, 1720 — 1750. Phot. Wasmuth, Berlin ioj
62* Reliquienschrein, Jhdt. Phot. Blattmann, Münster 105
63. Becher und Humpen, liL Jhdt. Lichtdruck loq
64. Willkommbecher um 1730. Phot. Nordisches Museum, Stockholm . 107
65. Schokoladenkanne um 1777. Phot. Victoria- u. Albert- Museum, London 107
M. Bronzegefäße, römisch. Phot. Wasmuth, Berlin ioa
67. Bronzekannen, 15. Jhdt. Phot. Wasmuth, Berlin . 109
6JL Zinngefäße um 1600. Phot. Wasmuth, Berlin III
69. Tauschierungsarbeiten, iiL Jhdt. Phot. Rossi, Mailand 112
70. Oberlichtgitter um 1700. Phot. Wasmuth, Berlin ilj
71. Prachtrüstung, iiL Jhdt. Phot. Hanfstaengl, München ....... 114
72. Dolchscheide, x&. Jhdt. Phot. Hermann, Godesberg tiA
73. Terrakottafigur, griechisch. Photogravüre 121
74- Wachsrelief, datiert 1593. Phot. Wasmuth, Berlin 122
75. Kamee, griechisch. Phot. Giraudon, Paris 122
76. Doppeltaler, datiert 1509. Phot. Wasmuth, Berlin 123
77- Medaille, um 1457. Phot. Loewy, Wien 123
To- Flachrelief, ägyptisch. Phot. British Museum, London 124
70. Flachrelief, assyrisch. Phot. Giraudon, Paris 124
&o. Kolossalstatuen, ägyptisch. Phot. Schröder, Zürich 126
&L. Holzstatue, ägyptisch. Phot. Museum, Kairo 127
82. Steinstatue, ägyptisch. Phot. Giraudon, Paris '. . 127
83. Athenestatue, fL Jhdt. v. Chr. Phot. AkropoUsmuseum, Athen . . 128
84- Amazonenstatue, 5. Jhdt. v. Chr. Phot. Ny Glyptothek, Kopenhagen 128
85. Faun und Bacchus, hellenistisch. Phot. Giraudon, Paris 130
Sit- Gallier und sein Weib, hellenistisch. Phot. Brogi, Florenz . ... 131
87. Weibliche Porträtbüste, römisch. Phot. Giraudon, Paris 132
8JL Männliche Porträtbüste, römisch. Phot. Hermann, Godesberg . . . 132
89. Dekoratives Relief, römisch. Phot Brogi, Florenz 134
90- Elfenbeintriptychon, byzantinisch. Photogravüre 137
Qi- Portal der Kathedrale von Bourges, 12. Jhdt. Phot. Mieusement, Paris 139
92. Statue v. d. Kathedrale v. Bordeaux, 13. Jhdt. Phot. Mieusement, Paris 140
93. G. Pisano, Madonnenstatue. Phot. Brogi, Florenz 140
94- T. Riemenschneider, Beweinung Christi. Phot. Lax, Hildesheim . . 142
95. L. della Robbia, Madonnenrelief. Phot. Alinari, Florenz 144
96. A. del Verrocchio, Colleoni. Phot. Anderson, Rom 146
97- Benedetto da Majano, männliche Büste. Phot. Alinari, Florenz . . 148
98. Desiderio da Settignano, weibliche Büste. Phot. Alinari, Florenz . 148
00. Michelangelo, Grabfigur. Phot. Anderson, Rom 150
IPiL Michelangelo, Grabfigur. Phot. Anderson, Rom 151
ioju B. Cellini, Perseus. Phot. Alinari, Florenz 152
102. Giovanni da Bologna, Raub der Sabinerinnen. Phot. Alinari, Florenz 152
IQ3. A. Canova, Theseusgruppe. Phot. Wlha, Wien 154
104- A. Rodin, Danaide. Phot. Giraudon, Paris ISO
IQS. A. Hildebrand, Porträtrelief. Phot. Bruckmann, München 157
iq£l. G. Wrba, Diana. Phot. Wasmuth, Berlin IS7
IQ7. Raffael, Federzeichnung. Phot. Löwy, Wien 166
m8_ A. Roslin, Pastellmalerei. Photogravüre 167
ioo- Enkaustik-Malerei, griechisch. Phot. Brogi, Florenz 167
im. O. Hall, Aquarell. Photogravüre 169
in. P. Veronese, Freskomalerei. Lichtdruck 17J
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Abb. IL2. Mosaik, <L Jhdt. Phot. Alinari, Florenz 174
113. Schule von Verdun, Kupferschmelzplatte. Phot. Kullrich, Berlin . 178
1 14. L. Limousin, Emailmalerei. Phot. Giraudon, Paris 179
1 15. M. Wolgemut, Holzschnitt 182
ii£u M. Schongauer, Kupferstich 184
117. S. Rosa, Radierung 187
1 iK Ch. Gavarni, Steinzeichnung 189
i iq. Melozzo da Forli, Wandbild. Phot. Anderson, Rom 192
I2SL. A. Mantegna, Deckengemälde. Phot. Anderson, Rom 193
iax. Kirchenfenster, um 1343. Phot. Kratt, Karlsruhe 19,5
1 22. A. Höhr, Wappenscheibe. Phot. Kullrich, Berlin 196
1 23. Geschriebene Buchseite, Ende des 14. Jhdts . 107
124. Gedruckte Buchseite, dat. 1475 158
1 25. Gestochene Buchseite, dat. 1752 155
1 26. H. Memling, Die sieben Freuden Maria. Phot. Bruckmann, München 204
1 27. J. Skovgaard, Untergang Pharaos. Phot. Tryde, Kopenhagen . . . 206
12JL P. P. Rubens, Landung der Maria v. Medici. Kupferstich .... 207
1 20. S. Botticelli, Geburt der Venus. Phot. Anderson, Rom 2Q&
1 30. P. de Chavannes, Karl Martell. Phot. Giraudon, Paris 20g
1 31- H. Holbein, Bildnis eines Unbekannten. Phot. Braun, Dornach . . 211
1 32. Rembrandt, Die sog. Staalmesters. Phot. Braun, Dornach .... 212
1 33. A. van Dyck, Die Kinder Jakobs L Phot. Braun, Dornach .... 213
1 34. D. Teniers, Tanzende Bauern. Photogravüre 215
135. G. Dou, In der Wildbrethandlung. Phot. Hanfstaengl, München . . 216
1 36T G. ter Boren, Der Lautenunterricht. Phot. Hanfstaengl, München . 217
1 37. N. Lancret, Schäferszene. Phot. Hanfstaengl, München 218
138. P. Potter, Viehweide. Phot. Paulussen, Wien 210
1 39. L van Huysum, Blumenstilleben. Phot. Hanfstaengl, München . . 22a
1 40. C. le Lorrain, Der Morgen. Phot. Hanfstaengl, München ..... 223
141. A. van de Velde, Seelandschaft. Phot. Hanfstaengl, München . . . 224
1 42. P. Neeffs, Kircheninneres. Phot. Hanfstaengl, München 225
143. - J. A. Koch, Der Schmadribachfall. Phot. Hanfstaengl, München . 226
144- C. Monet, Die Kirche von Varangeville. Photogravüre 228
1 45. Papyrusmalerei, ägyptisch. Phot. Trenkler, Leipzig 230
140. Freskomalerei, römisch. Phot. Anderson, Rom 231
1 47. Christus am Kreuz, frühchristlich. Phot. Alinari, Florenz 232
148] Giotto, Antonius, den Vögeln predigend. Phot. Neue Phot. Ges., Berlin 234
1 49. S. Botticelli, Das sog. Magnificat. Phot. Alinari, Florenz 235
i go. G. tot sint Jans, S. Johannes. Phot. Phot. Gesellsch., Berlin . . . 236
1 51. iL B. Grien, Die Flucht nach Ägypten. Phot. Stoedtner, Berlin . . 238
1 52. Tizian, Madonna mit den Kirschen. Phot. Alinari, Florenz . . . 239
I S3- Tintoretto, Merkur und die drei Grazien. Phot. Bruckmann, München 240
1 54. D. Velasquez, Ubergabe von Breda. Phot. Hanfstaengl, München . 241
1 55. P. P. Rubens, Die vier Erdteile. Phot. Löwy, Wien 242
1 56. F. Hals, Porträt eines Unbekannten. Phot. Nohring, Lübeck . . . 243
1 57. J. L. David, Porträt einer Unbekannten. Lichtdruck 245
1 58T E. Delacroix, Der heilige Sebastian. Photogravüre 246
159, hL Daumier, Jäger am Kamin. Photogravüre 247
loa- F. Hodler, Teil. Phot. Miethke, Wien 248
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