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Full text of "Königin Luise. Ein Lebensbild"

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Königin Luise 

Paul Bailleu 











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Äöttigin Stufe 



€trt Cebensbilb 



Von 

paul öaiUcu 

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Dcrlag ron (Bicfccfc & Dcrrient 
Sftlin 1908 Cfipjig 



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PP'tZI.'S 

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Drncf oon <5tefe<fe 6c Pendent, teipjig. 

Pen 3cid?ncrifdjcu Anteil bes IPerFfs perbanfen wir t}erm Prof. <£. Pocpler b. 3 / Berlin. 



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3nl]alt5ü(?rjdd]nis 

Partemerfung VH 

Kapitel I Kindheit «ni> _'luaen> 1 

Kapitel U Dcrlobtiiig im> BeauHeit 24 

Kapitel 111 Kronprimeflin faife 50 

Kapitel IV Stille Jafrre 84 

Kapitel V &tpifd)en Kletanter unli Napoleon . .. , iss 

Kapitel VI Bnitft mit .frgttfreitft „ 171 

Kapitel VII 3m Kriege m 

Kapitel VIII Känigin luifc in Cilfit 233 

Kapitel IX Königin fnife unb i)er .Freiherr poin Stein - ;st 

Kapitel X irühreub bes öfierre id)if<t>en Krieges SOI 

Kapitel XI Känigin tuife im> Batbenbera S2; 

Kapitel XH Der Knsqaitfl s »9 

Untätig: Pie jeitgeneffifften Bilbniffe her Königin tuife 558 

Perseiiftiiis bcr Kbbilbunaeti . Sfls 

Klpljabetifäe» Pcrseiefrnis bet Bilbttiffe 389 



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DorbcmcrPung 

Das auf 6c 11 folgcnben Blättern pcröffentlichte Cebensbilb foll neben 6en äußeren 
Borgängen in 6er ©efchiehte 6er Königin tuife bauptfachlich itjr 3nnenleben, 6ie Begebungen 
ju ihrem ©emahlc un6 6cn ©efdjwiftem, ihre etijifcfie, geiftige un6 politifrfjc ©nttpicflung 
jut Knfchauung bringen. 

Die Cöfung einet folchcit Kufgabe wäre unmöglich getpefen, wenn ftet} nicht bisher 
unbefanntes ITlaterial pon größtem IDert erfdjloffon hätte. 

Der eigentliche lilerarifche Hachlafi jtpar 6er Königin ift, »ie urfunblidj feftfteht, 
unmittelbar nach König .fricbrich IDilhelms III. Tobe pcrnidjtet tporöen. (Erhalten aber 
ift, abgefeljen pon einigen Kufjeicfjnungcn 6er Königin, 6er Bricfmechfcl mit Bräutigam 
un6 ©emahl, 6er namentlich für 6ie 3 a hre un6 foroie für 6ie Kricgsjeit 1806 
nn6 (807 h^äifte Be6eutung beftßt. Diefe gefamte Korrefponbeuj nebft an6em Schriftftücfen 
6 es Kgl. fjausarchips ju ©harlottcnburg, insbefon6ere auch hie Sammlungen 6es bodjfeligcn 
Kaifer ^rieörichs III. jur ©efcbidite 6er Königin, litten Seine ITIajcftät 6er Deutfchc Kaifer, 
König IDilljelm II. pon preufjen, 6ie h°h c ©naöe, 6em Bcrfaffer junt erften OTale jugänglich 
ju machen. 3 n gleicher IDcifc öffneten (ich ihm 6ie fjausardjipe ju Xteuftreliß mit 6en foftbaren 
Briefen Cuifcns an Batet, Bruber un6 ©rojjmutter, un6 im IDinterpalaft ju Petersburg, 
bas oranifche fjausardjip im fjaag, 6ie Krchine in Dannftabt unb Hegensburg (Papiere 6er 
prinjeffin (Ojerefe pon Tljum unb Capis). Bon Schriftftücfen biplomatifchen llrfprungs tonnte 
er bie Berichte 6er öfterrcichifchen, franjöftfchen, ruffifdjen unb fdicpcbifchcu ©efanbten benußen. 

Papiere fehr intimen ©harafters aus pripatbefiß mürben ihm jur Berfügung geftellt, 
mic er auch bei fchon peröffcntlichten Quellen, j. 8. bei Tagebüchern, auf bie ©rigiitale 
jurüefgehen tonnte. 

Bei allebem bleibt noch manche £ liefe : troij jahrelanger jorfchungen ift es nicht 
gelungen, irgenb eine Spur pon bem Bach laß 6er beiben Sehcoeftcrn 6er Königin, 6er 
fjerjogin Charlotte pon f^ilöburgfjaufen unb 6er prinjeffin ^riebcrife pon Solms, fpäteren 
Königin pon fjannooer, aufjufinben. 

,für jeben neuen Quellennachweis fühlt ftch ber Berfaffer perpflichtet, roie er allen, 
bie ihn bei feiner bisherigen Krbeit geförbert haben, feinen ehrerbietigften unb ergebenften 
Danf abftattet. 

Der iUuftratipe Teil biefes IDerfes fonnte feinen befferen fjänben anpertraut iperben, als 
benen bes fjerm Prof. p.Seibel, ber fich bereits burdj feine früheren Beröffentlichungen als heften 
Kenner ber bilblichcn ilcbcrlicferung über Königin Cuife unb ihre Umgebung beroiefen hatte. 

Berlin, 25. September l‘)OS. p ail [ ^ailku. 




I 



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(Erjlcs Kapitel 

ßinfofait unö 3ugen6 

( 1?7 6 — 1792 ) 

I. fjannoper 

^►jCämgin Cuife pon preufjen ift am fo. UTärj ^776 in Ijannooer geboten. 

(Es wüte fd)wer $u fagen, welchem beutfcf)*n Stamme fie entfproffen ift unb angebört: 
fo »erfct|iebener beutfehen Stämme Blut rnifdjt fiefj in ihren 2ibem unb fo innig oetfcfjmeljen 
fich in if)rem lüefen oberbeutfehe unb nieberbeutfehe Art. 

3 he Botet war prinj Karl pon 2TTccflenburg»Strclih. 3 n ber j weiten Ijälfte bes 
(7. Jol^rhunberts, in ben Tagen, ba bie beutfehen ^ürftenhäufer noch in immer neue Ctnien 
fid; fpalfeten, hotte bes föhnereichen Abolf Jriebrich oon ZTTecf len bürg jüngfter Sohn, ber 
ebenfalls Abolf Jriebrich hi*ff. feinen Aufenthalt in Strelifc genommen unb bort eine neue 
Cinie begrünbet, bie nach Beruhigung bes grojjen ©üftrotpfeben ©rbfolgeftreitcs im Hamburger 
Derglcid) non 1701 ficb bie Anerfennung bes Heikes erwarb. Dem neuen jürftenhoufe 
würben babei bie %rrf<haft Stargarb unb bas jürftentum Haneburg, bie burch Schwerin 
poneinanber getrennt ftnb, fowie bie ehemaligen Johanniter« Komtureien ZTlirow unb Bemerow 
jugefprodjen. Ber erfte ^erjog Abolf ^riebridj II. refibierte in Alt*Strclih, wo bamals ein 
flattUches Schlof ftanb. Unter feinem Bachfolger, Abolf Jriebrich III., brannte es nieber, 
unb ba bie Stänbe mit ber Bewilligung ber ZTlittel für einen Beubau jbgerten, fo erweiterte 
ber f^erjog ein unfern gelegenes Jagbfchlof auf einer Anhöhe an einem fleinen See, bem 





Kinbbcit unb 3 u 9 rrl & 





^ierfer See, ju feiner Xefibenj, }u beren ^üfjcn ftcfj balb ein Siäötcfjen, Heu »Streit^, 
ausbreitete. (Es }eigt feine urfprfinglicfje Einlage noch freute: com Hlarfte, in beffen Ulitte 
fich jefct bas Denfmal bes Brubers ber Königin Cuife, bes ©rofijerjogs ©eorg ergebt, 
gelten ftrafjlenfömüg bie Strafen aus, beren bebeutenbftc jum S<f;Iof unb bem buchen« 
beftanbenen Sdilofparf emporführt. Um Stabt unb Sd)lof aber rcebt es noch jeft tcie 
Schotten längft entfdjwunbener (Tage, roie ein fjauch ber Xofofojcit, aus beren munber» 
lieber ^fürftengaleric einige ber tcunberlidjften tjier gemattet fjaben. 

Xuf Xbolf ^riebrid) III., ber fetbft feine Kinbcr fjinterlief, folgte f752 feines Brubers 
ättefter Sotjn t>on ber ITIirotcfcbcn Cinie, tcie man biefen ^roeig nannte, I)crjog Xbolf 
^riebridi IV., allbefannt als ber fdjrultenreidje £jelb con ^rif Keulers „Uörd}täud)ting". 
IDenn es wahr ift, was bie mecflenburgifdje Ueberlieferung erjätjlt, fo tjat Jrif Keulers 
Sdjilberung itjm unrecht getan; es wirb behauptet, unb wie cs fefyeint, mit gutem ©runbe, 
baf Xbolf ,friebrich bei alten feinen Sonberbarfeiten fidj bodj ben Staatsgefdjaften mit 
Ernft unb (Eifer gemibmet unb fetbft im ©eifte bes aufgeftärten Uefpotismus feiner ^ctt 
mancherlei Xeformen cerfudjt höbe. Billig gefehichtlicb jcbocfj ift feine lüeiberfcheu; er blieb 
untermal)!! unb ohne Uachfommen; aber er batte Sdimcftem unb Brüber, con benen ber 
ältcfte, ber am 10. (Dftober f7^l geborene prinj Karl, ber Batet ber Königin Cuife unb 
fein Uachfolger werben follte. 

prinj Kart ift burcfj ein günftiges ©efdjicf früh ous bet (Enge bes bamaligen Sfittebens 
in Ulecftenburg tjinausgefütjrt worben; es waren Berechnungen ber hoben politif, bie in 
fein jugenblid)« Ceben eingriffen unb ihn in eine anbere unb gröfere IDelt hitteinftetlten. 

3m Frühjahre \?W hotte fich um englifcf)en fjofe wieber einmal bas ©erficht cer» 
breitet, König ^Jriebrieh II. con preufcn bcabfichtige, ben fjcrjögen con Ulecftenburg feine 
nieberrheinifch'weftfälifchen Bedungen abjutretcn unb baffir ihre Canbe im Taufd) an fich 
ju nehmen — ein ©ebanfe, ber noch oft in fritifchcn (Tagen bie europäifd)c politif beun* 
ruhigen fottte. Um biefe oermeinttichen prcufifcfjen plane ju burchfreujen, fcfte fich ber 
engtifche Ijof mit bem mecflenburgifcben £>ofmeiftcr Jjcrm con ©loeben in Berbinbung, 
ber ben Borfchlag machte, man möge einen ber Priitjen bes fjofcs con Utirorn, an ben 
bie Uachfotge in Stretif fibergehen mufte, burch Ernennung 5 um (Tbef einer Kompagnie 
in hotnooerfche üienfte aufnehmen — ber König con Englanb war bamals noch jugleich 
Kurfürft con fymnocer — , um ihn h'eburch „allemal auf gute U)ege ju leiten", bas heift: 
cor ber Umgamung burch & cn böfen preufenfönig ju behüten. Der Kurfürft con liauuocer, 
König ©eorg con Englanb, ging auf biefen Borfchlag bereitwillig ein, unb fo fam es, 
bafj ber junge prinj Karl mit patent com 7. Dcjember 1745 jum Kapitän in einem 



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Xinblftit nnb 3n$(nb 




hannoperfchen Regiment ju Juf ernannt mürbe. prinj Karl erhielt fortan (ßetjalt unb 
„(Emolumente" eines fjauptmanns unb ift — be r ^eitpunft lägt fttfp nid)t feftflellen — 
einige 3atjre fpäter tatfädilid; nadi fjannouer übergeftebelt. 3m 3at?rc 1 755 mürbe er junt 
ZTTajor, 1760 jum ©berftlcutnant beförbert. 

(Ein 3al;r barauf mürbe bie Derbinbung be s fjaufes DTecflenburg*StreIif mit bem 
Saufe ^annouer noch enger gefnüpft. Der Kurfürft, König ®eorg III., Dermalste fidi 
mit bes prinjen Karl jüngerer Sdjroefter Charlotte, bie, mie erjä^lt mürbe, burdj ein 
freimütiges üermenbungsfdjreiben bei König ^riebrid; bem ©rofen für ihr non preufjifdfen 
IDerbem ^eimgefudjtes Cänbdien bie Kufmerffamfeit auf fidi gelenft Ijatte. prinj Karl, 
ber bie Sdjmefter bis ju ifjrer Einfdjiffung im Isafen pon Stabe begleitete, mürbe bei 
biefem Knlaf jum ©berft, im 3 a fr c (762, bei einem Befudje in Conbon, 5 um ©enerab 
major ernannt. Er erbat bamals unb erhielt bie Erlaubnis, ftd) bem nad; Portugal 
beftimmten englifdjen fjeere anjufdiliefen, bejfen Krtillerie er fommanbieren follte. Don 
friegerifdfen Caten bes 20 jäl)rigen ©enerals perlautet freilid) nidjts. Doch muf ber König 
mit ifjm jufrieben gemefen fein, benn er ernannte ifjn fdjon im Jebruar 1763 jurn ©cneraU 
(eutnant unb lief ben etroas leidjtfmnigen jungen fjerm, beffen perfdjmenberifdjer ßausljalt 
aud) fpäter nidit feiten ju Eabel Knlaf gab, reidilid) mit (Selb perfclicn. Karl mar 
eine „redjt Ijübfdje" Erfdjeinung, pon fanften unb gefälligen Blanieren; bie Englänber, 
bie iljn bamals in Conbon faben, fdjilbern ifjn als roofjlgebilbet, menn audi nidit grof, 
mit befonbers fdjönen Kugen unb ^öi/nen — fpäter mollte man finben, baf er in feinem 
Keuf ereil, aud; in fjaltung unb Beroegung, bem Kaifer paul pon Kuflanb auffallenb 
gleidje: mie ein IDaffertropfen bem anbem, perfidjert eine rufjtfdie ^ofbame. IDas mir 
fonft pon iljnt bören, jeigt einen prinjen pon feinen gönnen unb rieifeitiger Bilbung, mit 
bemjenigen Blafe pon Hinneigung 5 U ben 3 ^ en bes 18 . 3af?*(?unberts, mie es ftd; für 
einen Prinjen jener §eit fdjicfte. 

Bei ber befannten IDeibcrfdicu pon Pördiläudjting Kbolf ^riebridi beruhte bie Bad)» 
folge bes ZTIiromfdjcn H au f cs ' n BIecflenburg«Strelif auf prinj Karl, fo baf man früh* 
jeitig begann, an feine Dermäljlung ju benfen. ©b eine Keife, bie ber Prinj im 3al? r(! (765 
über Kegensburg nad; EDien unternahm, angeblid; um bort feinen ©nfel, ben prinjen 
pon Sad)fen»H'lbburghaufen, ben Sefiegten pon Kofbad;, ju befudjen, pielleidtt fd;on mit 
folcben planen jufammenhing? Sidjer ift, baf eine jmeite Keife, (768, ins „Keid;", nad; 
Barmftabt, ber fünftigen ©attin gegolten h 0 *- 

IDir miffcit nidjt, mas ben prinjen gerabe an ben H°f non Darmftabt geführt unb 
mas feine EDaljl auf eine h<ff'fdie prinjeffm gelenft h a, i möglidi, baf bie fjäufer 

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Kint>tjfit unb 3“9*"& 





2TlecfIenburg»StreIiß unb Ijeffcn einanbcr nahe ftanben, (eit ber <3 eit, wo Ijefftfdje prinjen im 
Dienfte König ^rieöricfjs lange Jcit in Prcnjlau gamifonierten. ©enug, im DTärj (768 finben 
mit prinj Karl mit feinem ^reunbe, bem dürften pon fjohcnlolje - ©erringen, unb feinem 
fpätcren ITtinifter pon Dcroiß in Darmftabt, wo man ju ©hren ber erlauchten Keifenben 
Fcftlid)fciten mit mufifalif eben Kuffüljruitgen peranftaltete unb wo juglcici) Befprcdjungen 
über eine Dennäljlung angefnüpft unb balb jum Kbfdjluß gebracht würben. 

Km 28. Illai (768 erfebien ber prin$ oon neuem in Darmftabt, unb am Kbenb 
besfclben (Tages, bei einem ^feffe im Ureigen Saale bes Darmftäbter Schloffcs, würbe bie 
Verlobung bes prinjen Karl pon 2Ttecflenburg*Strelit( mit bet prinjeffin ^rieberife pon 
Reffen ■= Darmftabt perfünbigt. 

prinjeffin ^rieberifc war noch Tticfjt (6 Jahre alt. Jljr Dater prinj ©eorg UHlljelm 
pon fjeffen, ein jüngerer Sohn bcs regicrcnbcn Canbgrafen Cubwigs VIII., hatte anfangs als 
preußifdjer (Dberft in ben Scblcftfcben Kriegen fich ausgejeidinet, im Jahre (7^7 aber als 
©cneralmajor ben Kbfchieb genommen. ©r war bann gegen feine Heigung in öfterrcichifchc 
Dienfte getreten, wo er ©eneral ber Kaoallerie würbe, unb fi)licßli<h ©eneralfelbmarfcball 
bes oberrheinifeben Kreifes geworben. Jm Jahre (7^8 hatte er fiefj mit Dlarie £uife Klbertine 
©räfin ju Ceiningen * Ijcibeshcim unb Dagsburg permählt. Die ©h c war überaus glücflich 
unb gefegnet; prinj ©eorg unb feine ©attin prinjeffin ©eorg, wie man fie nannte — wir 
werben ihr noch oft begegnen — , hatten unter franjöfifchem Bilbungsfirnis beutfdjcs ©ernfit 
unb bcutfdje ^römmigfeit beipahrt; bie ©djtljeit unb bie Jnnigfeit ihrer gcgeitfeitigen Heigung 
gaben bas fdjönftc Familienleben, bas auch bie Cödjter unb Söhne in gcfchwifterlicber £iebc 
unb ©intracht umfthloß. 

prinjeffin Frieberife tpar bie öltefte ber (Töchter, gebilbet, über ihre Jahre gefcllfchaftlich 
gewanbt, „mit bem beften Ijerjen pon bet IDelt unb bem beften cOwraftor" — wie iljre 
Caittc, IjcjfeiuDarmftabts „große Canbgräfin" Karoline, beren Ciebling fie war, fie charafterifiert 
hat. Jhr Keußeres jeigt uns ein Bilb im Darmftäbter Schloß, ©in anmutig lächclnbcs 
©eficbt mit einer fräftigen Stirn, blonbcn Cocfen unb blauen Kugen, bie fie auf bie Ttlehrjahl 
ihrer Kinber pererbt hat. Km (8. September (768, einem Sonntag, würbe bie Bemiählung 
ber prinjeffin mit prinj Karl gefeiert, in ben faifcrlidjcn Jimmem bes Darmftäbter Schloffcs, 
unter bem (Thronhimmel. Der reiche unb prächtige Scfjmuc? ber Braut, großenteils ©cfdjenfe 
ber Königin (Charlotte pon ©nglanb, erweefte an bem flcincn Darmftäbter liofe nicht geringes 
Kuffehen. Hach ber fjochjcit blieben bie jungen ©heleute noch einige IDochcn in Darmftabt; 
bann reiften fte nach fymnoper, wo ber prinj balb barauf jum ©ouperneur ber Stabt 
ernannt würbe. 



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KinM)tit uni) ^iiijcnö 



IDir befißen feincrlei Badfrichten über ben Ifausftanb bes jungen paares; niemanb 
hat uns gefdjilbert, mie Königin Cuifens Batet unb Zliutter miteinanber in fjannoper gelebt 
haben. Kbcr mit haben einen anberen geugen pon juperläfftgfter Treue, beffen 2TTunb nur 
bisher perfdjloffen mar, ein flcines Tagebudf ber jungen Jrau aus ben 3<ih rcn l??«l bis l?82, 
nebft einigen Briefen an iijren «Batten, bie uns einen freunblidfen (Einblicf in bas nur ju 
furje (Slücf biefer «Elfe eröffnen. 

ZTian barf fagen, prinsefftn Frieberife fjat bie manne 3 m, igfeit bes Familienlebens, 
an ben beutfdjcn Fürftenljöfen bamals roafjrlid) feine ganj gemötfnlidfe (Erfdjeinung, aus 
bem elterlichen fiaufc in Dannflabt in bas eigene £)eim nad) fjannoper perpflanjt. «Es mar 
eine überaus glücflidfe El je, bie bie Ijeffifcfje prinjeffm mit bem inecficnburgifdfen prinjen 
führte, eine (Elfe übrigens im «Effarafter ber ^eit, gefülflpoll, empfinbfam, überfdfmenglid) halb, 
balb tänbelub unb fpielerifdj: eine Hofofo = E!)o. „ITlein Biänndfen", „mein liebes reijetibes 
Biänndfen" (mon petit öpoux, mon eher et charmant petit öpoux), „mein lieber «Engel", 
„mein angebeteter prinj", fo nennt bie prinjeffm Frieberife ben (Satten im erften mie im 
elften 3 «If« ilfrer (Efje, unb jmifdjen bie in jierlicfien Sdfriftjügen regelmäßig perlaufenben 
feilen malt fie gern fleine fjer$en. ,,3d) gehe $u Bette," heißt es roofjl einmal, „unb 
träume pon bem (Engel, pon bem prinjen meiner Seele." 2lud) ein leidfter Ijumor belebt 
3 umeilen biefe Briefe; fo, menn bie prinjeffm crjälflt, mie fte im tBalmobcnfdfen (Barten 
fpajieren gelje unb immer bie fdfönen Statuen betrachte, bamit bas Kinb, bas fie unter bem 
fjerjen trägt, ilfnen älpilicfj roerbe. 

Balb falf fid; bas fürftlidje paar pon einem Kranjc blülfenber Kinber umgeben. 3 m 
Booembcr (769 mürbe eine prinjeffm geboren, bie nad) einer Sdfmefter ber Btutter ben 
Barnen Cfjarlottc erlfielt; ihr folgte eine jmeite prinjeffm, bie Ciferefe getauft mürbe, bann 
jmei prinjen unb abermals eine prinjeffm, bie jebod; alle brei jung ftarben. 

Bei aller Crctulictjfeit bes häuslichen Cebens nahmen Karl unb Frieberife bodi lebhaft 
teil an bem gefellfcfjaftlichen Bcrfcffr unb ben gefelligeit Bergnügungen, mie fie bie pomchmen 
Kreife bes Bbels in ber Stabt fjannoper reidflid) barboten. Die Ifauptfädf lieffften F°f t,a Ö° 
maren ber 1. 3uni, ber (ßeburtsfag bes König=Kurfürften, unb ber ^9- 3 anuar , her ®eburtstag 
ber Königin, bie aucif einige Btale pon Englanb nach fjannoper herüberfam , mährenb 
König (Beorg felbft fein Stammlanb befanntlich nie gefchen hot- Kud) bie (Bcburtstage bes 
prinjen unb ber prinjeffm felbft mürben, mie fid) perftefft, feftlid) begangen; geroölfnlidf 
burdf tlfeatralifdfe Kufführungen, bei benen bie fleincn Prinjeßdfen £h ar ' 0, l c unb Cfferefe 
fdfon frül) mitgemirft hüben. Biel befudft mürben bie Konjerte in ber Conbon- unb in bet 
Beuen Sdfenfe unb „bei fjofe", befonbers fobalb bie Königin in ffannoper permeilte. Die 

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Kinbbcit un& 3 u 9 cn & 



beliebtere gefeliige Deranftaltung jener aber waren 6ie „Hffembleen", bie uns 6er be= 
fanntc Derfaffer 6es IDerfes lieber 6ie Einfamfeit, 3- ®- 5' mmennarm < bamals Hrjt in 
fjannooer, gefdjilbert bat. „fjerren un6 Damen," fo fdjreibt er einem feiner Jrcunbe, 
„erfdjeinen 6a in 6er äugerften pracht, 6ie Damen igt alle in Kleibern t>on Kilos, 6ie über 
un6 über mit blondes un6 Spieen befeget ftn6, un6 in mantilles pon Jlanbe rifdien Spigcn, 
6ie aber pon einer Hdjfel jur an6cm, un6 pon 6em Kinn bis an 6as fjerjgrüblein offen 
ftn6; in 6en fjaaren, an 6en ©gren unb am tjolf« tragen fie alle Diamanten; alle fin6 nad) 
6er neueften parifer Hrt frifterl; feine trägt ein Klctb, 6as nidjt na* 6en neueften aus paris 
gefommenen ITTuftern gefdjnitten ift; fein anberes IDort wirb gefproeben als franjöfifch: auf 
franjöftfd) wirb fofettiert, auf fran$öftf* gefeberjt unb auf franjöftfd) gefügt." 

Der prittj unb bie prinjefjin perfegrten befonbers gern bei bem hödjftfommanbierenben 
(Seneral fjannopers, bem Jelbmarfcgall Spörcfcn, augerbem bei pielen anberen ganno- 
perfdjen Hbelsfamilien, bei ben Kieltnannsegge, ben ©mpteba, Centre, Busfdie, IPalmoben, 
piatcn unb IDencfftem; aud) ber Harne fjarbenberg-Kepentlow begegnet einige ITlale in 
ben Hufjeidjnungen ber prinjeffin: es ift ber fpätere preugifdie ;fürft-Staatsfan$Ier färben 
berg, bamals Kammerrat in fjannoper, ber 1775 eine Kcpeitllow geheiratet hatte unb ein 
fjaus machte. Huget ben Hffembleen gab es im tDinter Halle aller Hrt — au* Kinber 
balle in Du ur ball — unb SAlittenparticn, im Sommer Spajicrfal)rten unb Husflüge nad) 
fjerrenhaufen unb bem ©arten bes ^elbmarfdjalls, wo bie „tt)eyh«nlöbe" ftanb. 

Die polittfdjc £agc in Horbbeutfchlanb war geeignet, biefe ruhigen jreuben bet 
©efelligfeit 5 u begünftigen. Ulan lebte in ben ftillen 3 a h ri ’ n < bie bas Enbe bes Sieben- 
jährigen Krieges pon ben Hnfängen bet Hepolutionsfriegc trennen; ein Dierteljahrhunbert, 
fo bebeutungspoil für bie fnofpenbe Dollblüte bes beutfdjen ©eifteslebens, fo unfruchtbar 
— trog Sayerifcgem Erbfolgefrieg unb Jürftcnbunb — für Deutfchlanbs ftaatlidje Ent 
wicfelung. 3 n fjannoper erfreute man ftdj bes tiefften ^riebens unb genog in ftolj- 
begaglicber Kühe bie Erinnerung an bie h c 'B cn Siegestage pon Klinben unb Krefelb. 
Don ben IDelthänbeln Englanbs, bas mit Spanien, ^ranfreid; unb feinen rebellifdjen 
Kolonien in Horbamerifa im Kampfe lag, blieb fjannoner unberührt; ber Kn teil, ben 
prinj Karl an ben Kriegen nahm , befdjränfte ft* auf gelegentliche Sefidjtigungen ber 
llnglücflichen, bie im cnglifdjcn Solbc aus Deutfd)Ianb übers ITIeer nad) Kmerifa gcfdjleppt 
würben. Kud) non bem £ärm bes öayerifegen Erbfolgefrieges tönte nur ein fdjwadjer 
Klang in bem f)annoperfd)en Sonberleben wieber, wenn bie prinjeffin einmal ben Befu* 
pon Ebelsheim erwähnt, ber in König ^riebridjs Huftrag bei bet gannoperfegen £anbcs 
regierung über eine Hrt ^ürftenbuttb perhaubelte. Don anberen Sefucgem, beren Hamen 

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öie ©efdjidjte jener (Tage nennl, f innen wir nur nodj Öen Prinjen f^einrictj pon Preußen 
erwähnen, öer auf öer Seife nad) paris fjannooet berührte, unö Öen jungen 3taliener tuediefmi, 
öer an Öen fjof König Jrieöridjs reifte unö balö preußens feinfter Diplomat weröen follte. 

JDie öie potitif feierte in bjannouer auch öas geiftige Ceben; an öer großartigen 
©ntmicfelung öer öeutfdjen Dichtung ijatte Hieöerfachfen geringen HnteiL Hur öie Hluftf 
fanö in Öen Ijöljercn Kreifcn öer Staöt eifrige unö perftänönispolle pfiege. Der berühmte 
Sangesmeifter ©uiliani wirfte hier, öer häufig Konjerte oeranftaltete; er leitete öie Kusbüöung 
öer dürften prinjeffm Charlotte, öie eine ungewöhnliche muftfalifch« Begabung jeigte unö 
fpäter unter Öen fürftlidjen fjäuptem Deutfdjtanös öie beöeutenöfte Sängerin wuröe. IDir 
Ijören aud) pon Huffüfjrungen ©lucffdjer ©pem, öenen öer prinj unö öie prinjeffm bei= 
wohnten. HTit öiefer Dorliebe für HTuftf mag es jufammenhängen, öaf öie prin}effin, pon 
öeren ©eiftesleben wir fonft wenig erfahren, noch im 3 a h re 1778 italienifch ju lernen anfing. 

Doch öas Ceben öcs prinjlidjen Paares perlief nur jum Ceil in fjannooet; oft, recht 
oft unterbrachen Seifen unö längere Kbmcfenfjeiten öen Kufenthalt in öer Ceineflaöt. ^aft 
alljährlich wuröe ein Kusflug nach Celle unternommen, wo Prinj Cmft pon HZecMenburg, 
ein jüngerer Bruöer öes prinjen Karl, als ©oupctneur lebte. ©benfo häufig wuröe öas 
öamalige ZTtoöebaö öer Pomehmen IDelt befuebt, pyrmont, wo prinjeffm ^rieöerife einmal 
Jjeröer preöigen hörte; prinj Karl fcfjcint eine befonöete Dorliebe für öiefen ©rt gehabt 
ju öem er fpäter noch ein treuer ©aft blieb unö öejfen Stahlbrunnen et auch in 

fymnoper tranf. ©rft im jwölften 3ahre ihrer ©h c < im 3 a b tc 1?79 < b at bas prinjlicfje 
paar öie mecflenburgifche fjeimat öes prinjen befueht, wobei auch bas Belpeöere in Heu* 
branöenburg — ^ri| Heulers Bellmanöür — bcfichtigt wuröe. Cs blieb bei öiefer einen 
Seife nach Heu*Streliß, wie auch Höolf ^riebrid), obgleich bie perwanötfchaftlichen Begehungen 
anfeheinenö nie getrübt wuröen, öo<h nur einmal öen Bruöer in fjannoper befudjt ju haben 
fdjeint. Um fo häufiger unö um fo lieber reifte man in öie fjeimat öer Prinjefjin; piele 
ZTlonate lang hat oft öas 2!Üe palais am Blarfte in Darmflaöt öen prinjen Karl mit 
©attin unö Kinöem beherbergt. IDie fröhlich unö glücMid} lebte es ftdj in öer Meinen 
Hcftöenj! Husflug reihte fid) an Husflug, Jeft an ,fcft — öas war öod) etwas anöeres 
als öie „Hffembleen" in fjannoper. „Bien, bien amusö“ — fo heißt es oft in öen Hotijen 
öer prinjefftn. Kbcr Dannftaöt bot öodj audj nodj anöeres: im 3anuar 1782 wuröe öort 
Hathan öer ZDeife, öer eben erfdjienen war, porgelefen. 

Sdjon 1771, wenn nicht früher, hat prinjeffm Jrieöerife mit ihrem elften Kinöe, öer 
Meinen Charlotte, öie fitem in Darmftaöt befudjt, wäljrenb prinj Karl jur Schweflet nach 
©nglanö reifte. Pier 3ah r{ fpäter, im 3ahre 1775, war öie ganje Janiilie in Darmftaöt; 

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Kinbtfrit nni> 3 M 9 fn & 




nad) mef)rmonatIid)em &ufentl)alt, fobatö bie 3 a ^? res 5 c ' t ^ klaubte, reiften fie in bie Sdjroeij, 
n>o pe in Cangnau ben IDunberboftor 2TTtd)el Sdiuppadtt befugten, ben Capater bantals 
burd; feine „phyfiognomifeben Fragmente" befannt madjle; jurüdf ging es über Strafiburg 
nad) Karlsruhe, wo fie namentlich mit ber ZHarfgräfin Cuife, einer geborenen fjefftfd)en 
prinjefftn, »erfeprten. Dann ein ferner unb gefegneter rheinifdter Sommer in Darmfiabt 
unb in ben SdjlJffem ber Umgegenb, Sruunsijarbt unb Krantdjftcin; erft in ben lebten 
3 ulitagen, ba ftd) in ber prinjeffiit febon neue Hlutterhoffnungen regten, lehrten ftc nad) 
fjannoocr jurilcl, in bas Ulte palais in ber Ceinftrafe, bas fie einige 3 d b r « oorber 
bejogen bitten. Unb als nun im nädiften 3 a h r * töe erften Frühlingstage famen, fonnte 
prinjefftn ^rieberife unter bem ( 0 . JHärj (776 in ifjr (Cagebud) fd)reiben: Accouchee 
pour la 6 *»“ (bis, ä 7 heures du matin, d'une 4 *” fille. Der glficflidje Unter, ber ber 
HTutter, wie bas (Cagebud) halb barauf perrät, banfbar ein parifer Keglige' perehrie, melbeie 
am nädiften Cage ben Perwanbten in Karlsruhe bas frohe (Ereignis mit ber Kitte, Ularf» 
gräfin Cuife möge bie patenfdiaft übernehmen unb ber fleinen prinjefftn ihren Kamen 
geben, bet iljr ©lüd bringen werbe. Um 25. UTärj, in fjannorers alter ©amifonfirdje 
„5um heiligen ©eifte", würbe bie Prinjefftn auf bie Hamen Cuife Uugufte ilKlbclmine Umalie 
getauft; ju ben Paten gehörten auf er ber HTarfgräpn Cuife bie perfönlid) anwefenbe prinjefftn 
Charlotte pon Ijeffctt» Darmftabt unb bie .fürftin non ©ehringen, bie ftd) bur<h Jelbmarfdfall 
fjarbenberg, ben Pater bcs fpäteren Staatsfanjlers, pertreten lief. UUe Caufpaten, fo wirb 
erjäblt, trugen Peildjcnfträufe; Peil<h«n fd)mücften aud» bas Caufbccfen unb bas Kiffen 
bcs (Täuflings, unb fclbft bas Köpfdjett Cuifens ruhte auf Peild)cn. 

3®ei 3a^ rc fpäter, am 2 . Hiärj (778, fattt nod) eine (Tochter jur UDelt, bie nach ber 
Hlutter Jricberife genannt würbe unb beren Sdiicffal mit betn Cebett Cuifens fo innig 
perflodjten ift. 

Das Ceben ber Kinber in feinen Unfängen geht auf im Ceben ber Eltern; nur t>on 
biefen lönnctt wir t?ier junäd)ft nod) berid)ten. 

Der perwanbtfdjaftlid)e Perleljr jwifd)en fjannoper unb Darmftabt blieb lebhaft unb 
herjlid). IPenige UTonate nad) ber ©eburt Cuifens, im KTai (776, fam bie ©rofmuttet 
mit ihrer jweiten Cod)ter Charlotte ju Kefud), unb als fte im 3°K fjannoper wicber 
pcrliefen, folgte ihnen bas prinjlid)e paar halb nad) unb perblieb ben ganjeu IPinter über 
in Darmftabt, wo bie Perlobuug unb Dermäf)lung ber britten Cod)tcr Cuife mit ihrem 
Petter Erbprinj Cubwig, bent fpäteren erften ©rofherjog pon Reffen »Darmftabt, burd) 
glänjenbe ,fefte gefeiert würbe. Erft im Upril (777 lehrten Karl unb ^rieberife nad) fjannoper 
jurücf, um bett burd)reifenben flerjog pon 2TTecflettburg Strelif begrüfen ju föiinen. Die 

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Ccifcl 2 




^oiiimmav'u 6c r priujcffin Cutfe in einem Scfjrcibljcfte 




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Sommermonat* Paletten fic jnm (Teil in ber fcbon ermähnten H>eyh*nlöbe, einem f leinen 
Cufl bauschen mit (Sorten auf bem ftaötmaüc ISannorcrs, bas ber prin jeffin nach bem 
(Tobe bes .felbmarfcballs Spörcfen im 3 un ' (776 übermiefen mar. Doch mürbe auch nach 
mie ror, faft in jebem Sommer, Pyrmont auf einige IDodten befuebt. Die Kinber, bie 
„lanfans“, bereu prinjefjtn ^rieberife gelegentlieb, aber niefjt eben häufig, in ihrem (Tagebuch 
gebenft, blieben mäbrenb biefer Seifen in ftannoper jurücf, mo eine fyofbame, jräulein 
pon IPoljogen, fte mütterlieb betreute. 

«3u ben pier Prinjefftnnen, bie alle bübfcb unb anmutig Ijeranmuebfen , fam enblieb 
enn 12. Suguft (7?9 ber erfebntc prinj unb (Erbe, ber nach Jrieberifens Srubcr (Seorg 
genannt mürbe; ein jmeiter prinj ift nur einige 3ahre alt gemorben. Sus biefer ^*it hören 
mir jum erfien ITlale mieber pon ber fleinen Cuife. IDcnige (Tage naefj (Seorgs (Seburt 
fiel ber (Seburtstag ber ZHutter, ber 20. Suguft, ber burch bie Suffübrung einer fleinen 
Komöbie por ihrem Bette gefeiert mürbe, mobei mit ben älteren Sebmeftem unb anberen 
Damen auch bie breijährig* Cuife mitmirfte. Sud) an bem Balljeft jum (Seburtstag bes 
Paters, am (0. (Dftober besfelben Jahres, nahmen bie Kinber bereits teil, Cuife als Smor, 
bie älteren beiben Charlotte unb (Th«rcfc Peftalinnen. 

Die nächften fomeit mir in bem menig gefprädyigen (Tagebuch ber prinjefftn 

ben (Ereignijfen folgen fännen, perliefen (KU; etmas Sbmedjfelung brachten nur bie Seifen 
nach Darmftabt. Denn fo glücflich ftdt ,fri*berifc, mie uns ihr* freilich nur ju feltenen 
Briefe jeigen, im palais an ber Ccinftrafe unb in „ihrem (Barten" — ber IPeyljen» 
läbe — fühlen mochte: immer mieber jog es fte h' n ins (Elternhaus nach Darmftabt, mo 
man fo fröhlich unb fo jmanglos lebte unb nicht in fteifem ^ranjöftfdj, fonbem anmutig 
rljeinfränfifd} miteinanber plauberte. Dort feierte fte (780 ihren eigenen unb ihres (Bemal; Is 
(Seburtstag, in Jranffurt ben fyxhjcitstag, in Schloff Brauns ha rbt bie TDeinlcfe. Dort 
permeille fte mieber im JDinter pon (?8( auf 1782 unb feierte IPeihnadjten unb ben 
Dreifönigstag unb ben (Seburtstag ber (Stopmutter, ben (6. ITiärj (782. (Erft atn lebten 
Spril, unter (Tränen, perlief fte bas liebe Darmftabt — es follte bie lefetc Seife ber 
prinjeffm, ber lefte Sl’fdjieb pon ber alten fjeimat fein. Kaum nach fjannoper jurücf’ 
gefehrt, mürbe ^rieberife pon einem bantals graffierenben lieber ergriffen unb porjeitig pon 
einem Kinbe entbunben, bas fcbon nach menigen Stunbcn mieber ftarb; jmei (Tage fpäter, 
am 22. BTai (782, noch ntctft breipig 3 a *? r; alt, erlag fte felbft ber Kranfheit. Die 
prinjefftn mar megen ihres licbensmürbigen Charafters in lyanttoper beliebt; man erjählte 
ftdj, fte fei fo gut gemefen, baf fte ihren Kinbem nie ein unfreunblicbes (Port habe fagen 
fönnen. Die (Trauer um ihren (Tob, mie pripatbriefe aus jenen (Tagen uns jeigen, mar 

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Kinöbeit unb 3u<jcnb 




allgemein. 3^ rc ttin&et fyabeti üjr 2tnöcnfen allcjett gefegnet. Cuife aber fdjrieb adjt 
3al)re fpäter in itjt Crbauungsbudj: „fjeute am 22. 2llai ift meine liebe erfte 2Hama im 
3aljre 1?82 geftorben, ein Dcrluft für mid), 6er fteis in meinem fjetjen eingegraben fein 
wirb. 2Högc bet fjimntel fte belofjnen, fo fetjr wie fte es perbient." Die Ceidje würbe über 
Celle nad; ITlirow gebracht, geleitet pon prinj Cmft unb bem ^räulein pon IDoIjogcn. 
prinj Karl blieb in tjamiopcr jurücf, allein mit feinen feebs Kinbem, pon benen bas 
ältefte erft 5 wöif 3a(?re alt war; es würbe bemerft, bafj ber fonft fo lebensluftige prinj ftd) 
allen ©efcllfdjaften entjog unb feinen Kinbem fortan ausfdjlieglid) lebte. 

Die Hotwenbigfcit einer jweiten HTuttcr für bic Dcrwaiften madjte ftd) jebodj balb 
fühlbar. Cs war natürlich, bafj ftd) bie Kugen bes prinjen wieber nadj Darmftabt 
wanbten, wo er fdjon einmal eine fo glüdlid)« 2Daf)l getroffen batte. Hod) im fj-erbft \ 782 
erfdjien Karl in Darmftabt, unb in fymnoper Ijiejj es balb, bag er wieber eine fjefftfdje 
Prinjefftn als ©attin heimführen werbe. Cs war bie im 3 a b rä 1755 geborene Sdjwefter 
ber Derftorbencn, prinjefftn Charlotte, bie er wählte, ©oetlje, ber fte furj oorbet bei 
einem Bcfudje in Darmftabt fal), b a tte, wie er ber Jrau pott Stein fdnrieb, befonberen 
©cfallen an ibr gefunben; für Karl war wobl beftintmenb, bajj Charlotte fd)on öfter 
längere Seit in bjannoper ftd) aufgebalten batte unb ben perwaiften Kinbem eine gute 
KTutter ju werben perfpraef). Cs bauerte bod) nod) einige Seit, ehe bie Derbinbung juftanbe 
fant. 3 m 3 un ' 1782, wenige IDodjen nad) bem Kbleben ber prinjefftn ^rieberife, war 
aud) beren Pater ©eorg IDilbelm perftorben; es gab Crbfdjaftsauscinanberfebungcn jwifd)en 
IDitwe unb Kinbem, bie erft Cnbe bes 3 a b t<s burd; einen Kcjefs ihren 2lbfd)lujj fanben. 
Dann »tupfe eine Keife nad) paris angetreten werben, wo bie Familie feit 3 a ^ rcn 
^orberungen aus franjöftfd)en Kcquifitionen geltcnb mad)te unb einen projefj wegen einer 
naffauifd)en Crbfdjaft führte. Die prinjefftn ©eorg unb einige ihrer Kittbcr waren fd)on 
mehrere 3ahre früher aus benfclben Kniäffen in paris gewefen unb hatten babei ©elegenheit 
gefunben, ftd) ber Königin ZTCaric Kntoinette ju nähern, bie für bic jungen prinjefftnnen 
eine aufrichtige Heigung fügte unb bis in bic Kepolutionsjcit hinein mit ihnen in lebhaftem 
Briefmecbfel geblieben ift. 

Crft nad) ber Kütffehr aus paris — bie Keife hatte, beiläufig bemerft, 13268 Caler 
29 ©rofehen unb 3 l / s Pfennig gefoftet — , im 2Hai 1?8$, würbe bie Derlobung jwifeben 
Karl unb Charlotte in Damiftabt gefeiert, im September 178-1, 16 3 a h r « nad) ber erften 
Demtählung bes prinjen, bie fjodjjeit. Den IDinter über bis weit in bas 3 a h r 1785 
hinein blieb bas fürftlid)e paar, wie es fdjeint, nod) in bem lieben Damiftabt. Dann 
ftebelte es nad) fiamtoper über, wo balb barauf, am 3. September 1785, bic ältefte Cod)tcr 



to 






Karls, Charlotte, nod? nid)t 16 3 a h cc alt, mit fjerjog ;friebrich pon Sachfen-bjilbburghaufcn, 
burcf) bte IHuttcr bes prinjen Karl mit 6cm mecflcnburgifchen I)aufe perwanbt, permäljlt 
mürbe. Charlotte war fdjön un6 anmutig, wie alle Kinber 6es prinjen Karl unb Jrieberifens; 
im ©efehwifterfreife fyief fte £olo ober £otte „bie Singefehwefter". 

Km 30. Hopcmbet 1785 gab prinjeffm Charlotte in fjannooct einem Knaben bas 
£eben, ber nadi bem Pater Karl genannt würbe. JPie itjr Briefwedjfd mit ZTlarie Kntoinette 
jeigt, hatte fte ihrer fdiweren Stunbe mit bangen Kettungen entgegengefeljen, bie biesmal 
nicht täufebten; furj nach ber ©ntbinbung, am (2. Dejember 1785, ift Charlotte perftorben, 
aufrichtig beweint pon ihren Stieffinbem, benen fte eine wirtliche 2TTutter geworben war. 
3n bem ©rbauungsbuef) £uifens ftnbett wir unter bem 12. Dejember 1790 eingetragen: 
„tjeute por fünf 3atjrcn ftarb meine liebe ZTtuttcr. ZUöge ©ott mir ein fjerj geben 
wie bas ihrige." 

Der (Tob ber Stiefmutter würbe für £uifens £ebensgang bebeutfamer als ber (fob 
ber eigenen ZHutter. Der Pater, bent jwei grauen in weniger als pier 3 a h rcn geftorben 
waren, nerjidjtete auf eine neue Permüijlung ; er nahm als ^elbmarfchall feinen Kbfchieb 
aus bem hannoperfeben ZITilitärbienft unb ging junächft auf Keifen, nach £onbon, nach 
Strelif, ju feiner älteften (Tochter nach tjilbburghaufcn. Die Söhne lief er in fjannoper 
jurücf, bie (Töchter (Thcrcfe, £uifc unb ^rieberife aber fanbte er nach Darmftabt, jur prinjeffm 
©eorg, ber ©rofmutfer, bie barum gebeten hatte. 

Klfo pcrlicjj im ^rühjahr 1786 prinjefjin £uife ihre ©eburtsftabt bjannoper, ber fte, wie 
fpälerc Briefe jeigen, ein frcunblicf)cs Knbenfen immer bewahrt hat. Sie geht nach Darmftabt, 
ihr junges £eben gleitet in einen neuen ©ntwicfelungsabfchnitt unb eine neue IDelt umfängt 
fie. ©ine IDelt, bie ihre wahre fjeintat werben follte. Kus ber fchwermütigen ©infönnigfeit 
ber norbbeutfehen (Tiefebene tritt fte in ein gefegnetes £anb, wo flujjburchraufchte (Täler unb 
walbuntfränjte Ijölfen anmutig wechfeln, aus tjannopers fteifem unb unfruchtbarem Sonbcr* 
leben in bie fdjönc ©cfclligfeit unb bas reiche ©eiftesleben, bas fid? burd} bas ^ufammen» 
ftrömen beutfeher unb franjöftfdjer Kultureinflüffe am Hhcin gebilbet hatte. „Hur bort 
fönnen wir hoch eigentlich leben," fcfjreibt fpäter einmal eine anbere befftfehe prinjeffm aus 
Berlin, „bort, wo bie ZTÜenfchen herjlicher, freuttblicher unb gefelliger fmb." ©s ift, als 
werbe £uife jetjt bem mütterlichen ©rbreich wicbergegeben, aus bem ihrer Hatur bie rechte 
Hahrung juwächft; als werbe fte nun in bie Umgebung perpflanjt, bie aus ihrem innerften 
IDefcn heraus ber ©rojjmuUct unb ber ZU u Her fernes ©rbteil jur reichften ©ntfaltung förbert. 
3« rheinifcher £uft, unter rheinifcher Sonne blüht prinjeffm £uife jur 3ungfrau empor. 



tl 





II. Darmpatt 



Darmpatt war niefit mehr Me Statt, Me einft Vorläuferin, faft liebenbublerin Weimars 
gewefen. Tic pon König Jrictrich bewuntcrte „große Canbgräpn" Karoline war 177*1 geporben. 
3h r ©emabl Cantgraf Cutwig IX., öer fie um fechjepn 3aljre überlebte, fümmerte pch nicht 
um tie aufblübente teutfefje Dichtung; fchruUcubaft wie nur tie Streliber „Dörchläuchting“, 
befchäftigte er fich in pirmafeits ausfchließlich mit feinen Soltaten unt feinem Crommlerforps, 
für bas er piclc Caufente t>on ZtTärfchcn ju fomponieren glaubte unt in forgfältig geführten 
Cagebüdjem perjeicf)nele. 3 n Darmpatt lebte im Schloß fein ältefter Sobn, ter ©rbprinj, 
feit I ?90 Cantgraf Cutwig X., in nicht eben glücfiicber €f?e mit fein« Coufine Cuife, ter 
Illuttersfchwefler unferer Cuife. 2In feinem fjofe hatte Dannftabts ©lanjjeit noch eine Hach» 
blüte: ©ootbe fam juweilen ron ^ranffurt oter Weimar herüber unt Schiller las tort im 
Dejember 1784 ien erften 21 ft feines Don Carlos ror, wobei auch tie mecflcnburgifche Familie 
unter ten Zuhörern gewefen fein mag. Die Cebensweife war bürgerlich befcheiten, noch fo 
wie ter jugentlicfje f)artenberg bei feinem Befuch im 3 d h ro 1 772 ten Parmßäbtcr fjof 
gefüllten hatte, als er tie heffifchen prinjeffmnen in Kleitern uon l ?jih umhergehen fah- 
©bettfo fchlicht unt einfach, aber glücfliiicr als im Schloß, lebte in tem ganj nahebei 
am illarft gelegenen „2Uten palais“, auch „Burgfreibeitspalaft" genannt, tie prinjefftn 
©eorg mit ihren trei (Enfelfintem. Das 21lte palais, jeßt in bürgerlichem Beftß, fdjaut 
noch, äußerlich wenig peräntert, auf ten Tllarftplaß; eine ©etenftafel erinnert an prinjcfltn 
Cuife. 21uch tie Umgebung ift wenig peräntert. (Ein Blarftplaß, wie in pielen fleinen 
teulfchen Jccfttenjen, mit Schloß uni Natbaus, unfern tie Stattfirche, teren ©locfen unferc 
prinjeffmnen oft an ten Befuch &cs ©ottesMenpes mahnten; hinter Ularftplaß unt Schloß 
heute wie iamals tas alle Darmftatt, ein ©ewirr enger unt unregelmäßiger Straßen. 
21ußer teilt palais befaß prinjeffm ©eorg noch einen an ter alten jjranffurter Straße 
gelegenen ©arten, ten fogenannten Schwanengarten, in tem ein „Cupbaus" pant, unt 
tie „Braunsharit", ein in ten fechjiger 3 J hren tes 18. 3dh r h un terts erbautes Schlößchen, 
eilte .fuhrpimte pon Dannpatt nach DIainj ju gelegen, ein langes nieiriges einftöcfiges 
Canthaus mit fchmerfälligcnt Dach unt fehrägen 2nanfartenjimmem. 

priiijefftn ©eorg, 1729 geboren, war nach tem ©entälbe poii Seefaß in Darmpatt, 
tas fie mit ihrem ©entahl jufainmen tarpellt, in ihrer 3 ll 3 f nt eine braunäugige Schönheit 
pou etwas blaffer ©epchtsfarbe mit einem feingefchnittenen UTunte. Die 3 al ?re runteten 
ihr 2tiitlitj, tas auf fpdtcren Biltern poll unt felbp terb erfchrint. Unperäntert blieb ihr 



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Kin&lftit unb 3ngenb 







3nncrcs: fte war burd; unb burcf) pfäljcrin, in itjtcr Sprache wie in ihrem lüefen, eine 
fembeutfdje Dafür, leichtblütig, poU ©emüt unb ,$rohfinti, babei altpäterifd; fromm — itjr 
geiftlicher £ieblingsfd)riftfteller mar ber orthoboje Silberfdjlag — unb unberührt oon ber 
fdfipärmerifdjen ©mpfinbfamfeit ber ,geit. «für fie mar „.freubigfeit bie Ulutter aller ©ugenbett". 
3bre ©nfelinnen erjog fte, wie fie einmal fdjreibt, jur ©ugenb unb Solibität unb ju ben 
wahren ©runbfäfjen einer foliben Heligion. Sie befaß eine lebhafte Unterfjaltungsgabe unb 
plauberle gern, fo baß man in Darmftabt wohl fagte: „fie fchwäßt, wie prinjefftn ©corg", 
unb fidj brollige ©efdjidjten pon ihrer naipen Urfprünglidjfeit erjäljlle. 3h ro porncljmfte 
©igenfcfjaft aber war itjr ^amilicnfmn, eine herjlidje, immer teilnehmcnbe, immer opferwillige 
Ciebe ju ihren Kinbem unb Kinbcsfinbcm, wie $u allen, bie ber wcitperjweigten Perwanbt- 
fdjaft bes Ijcffifdjen Kaufes angehörten. 3 n >h ror Krt perbient prinjefftn ©eorg picllcidit 
einen plaß jwifdjen ihrer großen Canbsmännin, ber pfäljerin fifclotte, unb ber ,frau jjj a , 
©oetbes Ptutter. 

Pon ben ©ödjtem ber prinjeffin ©corg lebten nad; bem Cobe Jriebcrifens unb 
Cljarlottens, ber Blutter unb Stiefmutter unfcrer fuife, nur nod; jwci; beibc wenig glüeflidj 
in ber ©fje, beibc, wie alle (Töditer ber prinjefftn ©eorg, pott jarter ©efunbheit; tuife, bie 
©emaljlin bes ©rbprinjcn Cubwig pott Reffen » Darmftabt, unb Kugufte, feit 1785 ©e 
mahlin bes prinjen 2Haf 3°f c Pfy oon Pfalj»3<P*>t’tücfen, bes fpäteren erften Königs bes 
Bayerlanbes. Pon ihren Söljncn ftanben einige in frentben Kriegsbienften ; in Darmftabt 
fetbft lebte meift nur einer, prinj ©eorg, ben aber unruhige Kbenteucrluft aud; oft aus 
ber Blutter fjaus entführte. Stets in ©elbperlcgentjeiten, blieb er bod; immer pon un« 
perwüftlid) Reiferer Caune, ber fröhliche ©nfel ©eorg, ber Ciebling feiner Peffen unb Pichten, 
bie er liebte, wie er feine perftorbenen Schweftem geliebt hatte, unb für beren Unterhaltung 
er burd; fleine ^efte unb Kusflüge immer bemüht war. 

3m 3<>h K 1 787 < i ur geringen Jrcube ber regierenben hefftfd)cn Familie, ftebeltc auch 
prinj Karl mit feinen beiben Söhnen ©eorg unb Karl nad; Darmftabt über, wo er ftdj an 
ber Stelle bes jeßigen 2?h e 'ntores ein £}aus faufte. ©r hat es wenig bewohnt, meift lebte 
er bei Charlotte in fylbburghaufcn, als Präftbent einer faiferlictjen Krebitfommiffion, bie ben 
jerrütteten ,finanjpcrhältniffcn bes fleitten Cattbes aufhelfen follte. ©htte Blutter unb faft 
ohne Pater aufwadjfenb, fdiloffen ftdj feine fünf Kittber um fo inniger eittanber att, bie 
B rüber poU Bewunberung unb Eingabe für bie Sd}weftent, bie Sd;weftem poU Stolj auf 
bie Srüber, befonbers auf ©eorg. Das 3ah r 1 78 9 bradjtc bem glücf liehen ©efdjwifterfrcife 
eine fdjmcrjliche Crennung, einen Kbfdjicb mit pielen Cränen. Sdiwefter ©h^fc, Kösdjen, 
wie fte in ber Familie genannt würbe, folgte, Faunt fedjjcljn 3ah re alt, bem ©rbprinjen 




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■Karl Uleyanber con ©bum uni ©ans als ©emobiin n ad) Segensburg. SSln umb geiftig 
hochbegabt, batte fie fcbon mebrfre Bewerber ont ihr« Ran i jurüJgetrtcfen, ba runter auch 
einen ihrer (Dnf«I; für ben prmjen pon ©bum uni Carls, Mfm Untrag pon i er Cant« 
in ©nglanb unterflüfet trurbe, milcht o$ fr« (ich nur jögemb uni mit ohne ncb für ihren 
epangelifcben ©lau ben polI« Befmntuisfreibett ausjumacben. 

Bi« ©rjiehung i«r Umber ies prmjen Kart batte in ficmnoper, tri« fchon ermähnt, 
anfänglich ,fräul«in con IDoljogen geleitet, n«b«n irr 3. H. Schräg«, fpäter profeffor in 
©iftingm, Unterricht erteilte. 3 m 3ahr« f785 mar ^ränlrin con IDoljogen irr neu* 
permäblten fyrjogin Charlotte nach ftilbburgbaufen gefolgt, wo ft« noch lang« 3ahr« als 
(Dberbofmeifterin g«l«bt bat. Durch häufig« Seifen uni fleißigen Briefmechfel unterhielt fie 
auch pon iort aus einen regen Derfebr mit ien ©efchmiftem, iie ibr berjheb jugetan blieben. 
Hoch im 3abre 1802 fdjrieb Cuif« irr Scfj»efter Cberefe: „Bi« gute IDoljogen ift mir fo 
achtungsroert, tri« nur irgeni «in menfilichrs IDefen fein fann, ich fenn« niemani, iem mir 
fo piel perianfen »ie ibr, nicht blofj »egen ies ©ulen, ias fie jebem einjclnen pon uns 
«rroiefen bat, fonbem »egen ies ©uten, ias fie ien ©liebem einer ^amilie unaufMrliA 
«npeift, iie fo einig ift »ie iie untere." 

Hoch t>or IDeggang ies ^räulein pon IDoljogen »urbe, »i« es febeint, ein .fräulein 
Zlgier mit iem Unterricht betraut, iie «in ftrenges aber furjes Segiment geführt haben foll. 
3br folgte, noch in f)annooer uni noch &** Cebjeiten ier 3»eiten ©emablin ies prinjen 
Karl, ,fräulein Salorni pon ®^lieu, aus iem iamals prcufifchen HeuchateL ©ine brünette 
Bante mit einem angenehmen uni jugleich »ürbigen Zleufjeren, pon heiterem ©ernüte uni 
fchlichter ,f rimntigfeit, tmifjte fie in ier ©rjiehung ier Prinjeffinnen Strenge uni Htilbe 
glücflich $u pereinigen. Hach iem Cobe ier Stiefmutter, 1786, fteielte fte mit ien prinjeffinnen 
nach Barmjtait übet, »0 fte iie pennaiften Kinier ganj in bem frommen uni fröhlich*” 
Sinne ier ©roftrnuttcr aufjog uni bis jur Dermählung fuifens uni ^rieberifens perblieb. 
Sie hat fpäter in einem ©cöidjt an beit Kronprinjen ^rieirich IDilhelm als ihr einiges 
Berbienft bejeichnet: bafj fie „ias glücfliche Haturell fuifens nicht perborben bah«"- Cuif« 
felbft hat als Kronprinjeffm, »ie als Königin, in guten »ie in böfen Cagen ianfbar uni 
herjlich ihrer gebadet, fte reichlich unterftüfct uni in ihr immer iie Cehrerin perebrt, pon ier 
fie „ias ©ute ju lieben uni ju tun gelernt habe". Uni nach Cuifens Cobe hat ^rieirich 
IDilbelm III., ier als Kronprinj in ier glücflicben Srautjeit f793 oft mit ihr geplauiert 
uni gefeberjt hatte, pietätpoll ftch ier ©reifin angenommen uni ihr im 3 a h r * I 8 i^ auf ier 
Sücffchr pon paris mit feinem 5»eiten Sohne, iem fpäteren Kaifcr IDilhelm, in ihrer 
fjeimat Colombier in Heuchatel einen Befuch abgeftattet. 

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IDie fcfjon bie IDabl ber Erzieherin bcfunbet, btlöete nach bat Sitte bet £ait bie (Et* 
lemung bet fransififdien Spraye bcn Hlittelpunft bes Unterrichts; franzöfifdj mürbe auch 
im fdjriftlictjcti Perfekt faft regelmäßig gebraucht, mäljrenb bie Unterhaltung meift beutfef) 
unb häufig im rheinfränfifdjen Diaieft geführt mürbe. Cuife fyxt fpäter als Königin, 
obgleich fte ihren Kinbem mieberholt fleißige Uebung im franzöftfehen anempfahl, es bod? 
oft beflagt, baß bie ©runblage ihrer Bilbung franjöftfch gemefen mar. Heben fräulein 
non ©Uieu, bie hauptfädjlich in franzöfifcher unb englifdjet Sprache unterrichtet ju haben 
fcheint, haben bie prinjeffinnen in Darmftabi noch anbere Ccbrer gehabt, unter benen 
namentlich ein ©etftlicher, frey, öfter ermähnt mirb. 

Cuife mar eine ziemlich mittelmäßige Schülerin; fdjon ber ^uftanb ihrer fjefte mürbe 
ihr heut« ungezählte „Cabel" jujiehen, fo nadjläffig fmb fte geführt, bcbcefl mit Zeichnungen, 
auf benen Damen in farifiertem 2Uobcpuß, mit tüoup^s unb Stöcfelfchuhcn einherftoljieren, 
ober betrieben mit übermütigen Benterf ungen, mie bem nur $u mähren Selbftbefenntnis: 
„3nhalt gefchmiert, ben 22. Hpril, 1 3 Jahre alt; S<hanb über alle Sdxmbe. 1789." Unb 
meldje Huffdjriften: „£)efte für bie Kuffäße, bie mehr als zwölf fehler haben." ©ber auf 
ben franjöftfchen tjeften ber Zwölfjährigen: „Cayez“; erft bie Dreizehnjährige, bie fidj etmas 
mehr zufammenzunehmen fcheint, fdjreibt richtig Cahier, freilich — ortljographifch beutfeh 
ober franzöftfeh zu fchreiben, hat Cuife niemals gelernt, fo oft auch fräulein pon ©ölieu ihr 
für fdjlechte Krbeiten mittags ben Hadjtifch entzog. 

Jm ganzen muß ber Unterricht recht mangelhaft gemefen fein; menn man oon bcn 
fremben Sprachen abfteht, fehr mcl fchlechter, als irgenbein Kinb heute in irgenbeiner 
ftäbtifchen ©emeinbefchule Deutfchlanbs unterrichtet mirb. Da lernt bie fdhon fünfzehnjährige, 
baß bie Erbfunbe „eingeteilt mirb in Horben unb Süben, in IDeften unb ©ften", unb baß 
es oier IDelttcile gibt, barunter „Uffricfa". Sie lernt bie HTeere, bie Europa „um* unb 
burcbfließen", unb auf bie frage, melcfjcs bie „fjauptgebürge" Europas ftnb, antmortet fte: 
„Die Küpen, Hlontblanc, HTontjurat; biefe ftnb es, bie ich mir in biefem Kugcnblicf beftnne." 
Hon ber U)eltgefehi<hte erfährt bie Zwölfjährige, baß man bie erftc Periobe „llrmelt" nennen 
fönne unb baß fie „pon Kbam bis auf bie noachifdje flui gehe" unb 1856 Jahr« „enthalte". 
„Htit ben perfifeben Kriegen," fo lernt fte meitcr, „fängt f«h bie blüh«nbe periobe ber 
©riechen an, bie anjeßt aüe für einen HTann ftanben. Die griechifdjen ©enerale thaten 
IDunber ber Capfcrfcit, pericfles unb Klziebiabes, zwei Hermanbte, trugen piel bazu bei, 
baß Hthen IDiffenfchaft unb Künfte beförberte, aber auch baß es roeibifch unb meichlich 
marb." Hoch ein U?ort pon ben Körnern: fie merben pon ßannibal, ber über bie Hpcnninncn 
nach f lorenz geht, „zu breien unb Pieren Htalen" gefcßlagen, aber „fie halten contenance" . . . 

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Befferett (Erfolg fdieint 6 « Unterricht im Zeichnen unb bcfonbers auch in ber ITtufif gehabt 
ju hoben ; ohne bas grojj e muftfalifdj« (Talent ihrer älteften Sebroeflcr ju befipen, lernte Cuife 
gut Klanier fpielen unb jur fjarfe fingen; felbft .friebrich JDilbelm III., fonft fein ZJIuftf* 
freunb, ben bie flafftfdjen ©efänge ber „Singefdiroefter" (Tbarlotle langweilten, pat ftch f pater 
oft an Cuifens flcinen liebem erfreut. 

Pen tiefften unb nachhaltigftcn (Einbrucf aber empfing Cuife pon ihrem Heligions» 
unterricht. Kucfi hier wirb man bei bem Durdiblüttcm ihrer ölteften Keligionspefte, bie ftd) 
pon ben Schreibheften äußerlich porteilhaft unterfcheiben, juweilen ein Cädrcln faum unter- 
brüefen fömten, rpenn man fo manche naipe Keuferung lieft, wie etwa folgenbe: „Pie 
Kcligion 3 c f u hat grogc Porjüge, weil fte (Sott uns auf bas theuthlichefte fennen lernt unb fo 
alles bas genau fagt, was wir 5 U tbun haben, um biefem ©ott ju gefallen"; ober wenn 
Cuife auf bie .frage: U>ie perftehen Sie, bap ©ott ewig ift? antwortet: „Pap ©oft ewig 
fei, perftefje ich f° : n hat nie einen Knfang genohmen unb wirb auch fein (Silbe nehmen." 
3hr hauptfächliches (Erbauungsbuch waren Stunns „Unterhaltungen mit ©ott in ben 
UTorgenftunben auf jeben (Tag bes Jahres", bas ihr bie ©rofmutter „3U 3hrer (Erbauung 
unb ibung im wahren ungeljeigetten dbriftenthum" (788 gcfchenft hatte, unb bas fie auch 
als (Tagebuch beimpfe. U)ie mangelhaft aber auch biefer Unterricht juweilcn gewefen fein 
mag, er erfüllte Cuife mit jenem unbebingten unb unwanbelbaren ©ottpertrauen, bas fie über 
alle Klippen unb Kbgrünbe ihres Ccbens fieghaft hin uxgge tragen hat. Pies unerfchütterliche 
©ottpertrauen fpridjt aus ben erften unbeholfenen Hicberfchriften ihrer heiteren Kinbertage, 
wie in ben fdjwerftcn Schicffalsflunben pon (807 bie Briefe ber Königin baoon burchbrungen 
finb. So hat ftd} »h c ber IPunfd} erfüllt, ben fte (7<)( in einem ihrer Keligions hefte nieber» 
fd}rieb: „©ott wolle biefen Unterricht fegnen unb mir Kraft unb Stürfe geben, bas in 
(Erfüllung ju bringen, was ich trtir porgenontmen habe: flets als eine (Thriftin ju leben." 

Piefe Schreibhefte, ^eugniffe pon Cuifens lauterer .Jrömmigfeit, perraten unbewußt 
noch einen anbereu 3ug ihres werbenben 3 < h s: bie innige Ciebe ju ihren Ungehörigen. 
Pa lieft man mitten unter Sd)reibübungen ober religiöfen Betrachtungen bie fcpwefterlich 
tcilnchmenben IPorte über ben jüngften Bruber: „ber fleine Karl ift recht franf", unb bie 
rührenbe Klage: „heute hat (Tperefe ihre (Tochter unb ihr ©lücf perloren"; anbererfeits 
wieber bie heitere Patierung: „brei (Tage nach ber KnFuitft meines geliebten Paters." Ulit 
gleich herjücher Ciebe umfagt Cuife Pater unb ©ropmuttcr, Brüber unb Schweftem, (Dnfel 
uitb (Tanten, por allen beit lieben fröhlichen ©nfcl ©eorg unb bie „engelhafte" (Tante 
Uuguftc pon pfalj ^fr'brücfen — nur (Tante Cuife, bie regierenbe Cattbgräfin, fcheint 
fte baron ausgefchloffeu ju haben. Piefer tiefgewurjelte Jamilienfinn, Piefe gegenfeitige 



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7 H 9 



€ltcm imb <5cfdnt>ifler 6cr Königin Cuifc 

I. priajcffm .friebcrife Pott HTccf Icitburg ftrclitj, ITTuttcr. z. prittjcffitt HTdric Curfe KIbcrtine poii 
Darinftdbt, törofttiiutter. 3. pritijefjin Charlotte pon OTerflriiburg'StTCltt}, ftiefmutter. 4. prtnjtfftn (Efytrcfc 
poii vEhuru nnb (Taris, 5 rf>n>eftcr. 5. fterso^ Karl rc*n lllcrflcrtburivf trelitj, Tater. 6. ixrjoain Charlotte 
uon fylbburgKuifeii, Schweflet. 7. prinj Karl pon JTtccflenbura' ftrclitj, Araber. 8. priii3effin ,frieberiff 
rou prrugen, fd?ipcjkr. 9. priiij <Scorg pon ITIccf lcnbnrwj - Strclit^, Trüber 



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txraxmbtfcfyiftlicfjc Ciebe, bie ftd) oft überfchwenglid) genug du gort, — fo fdEjreibt prinj Karl 
an feine Schwiegermutter ab bie „divine“ unb „adorable mbre“, an feine tEod)fer Cfycrefe: 
„de coeur et d’äme je veux vivre et mourir tout ä vous" — ift neben einer innigen 
Frömmigfeit ein wefentlid)er Charafterjug bes ganjcn K reifes, bet in bet ®rog mutter, 
prinjefftn ©eorg, fein £ja upt pcrefjrtc. Die bereite »erheirateten ©nfelinnen hören nieinab 
auf, baran teilsunehmen, um fo »eiliger, ba ihnen fclbft in ihren ®h cn fein »olles ©lücf 
erblühen follte. Dannftabt bleibt für fte alle ber UTittelpunft, nach bent r>on fjilbburg» 
häufen unb Kegensburg, wie fchon »orher »on JTTannheim unb Karbruhe bie perwanbt- 
fchaftlichen Jäben jufamnienlaufen. UTan befdjenft ftd), man befucht ftd), fo fnapp oft ber 
©elbbeutel ift, — pennögenb »ar nur Chcrefe — man taufdjt prebigten unb Utujifflücfe, 
neue Kloben unb neue Komane, unb Ȋhrenb in t franfrcid) eine alte IDeli perfinft unb 
eine neue emporfleigt, erörtert man grünblid) alles 2Doi)l unb XDeljc bes Familienlebens, 
wie bie Frage ber 3®e<fmägigfeit mütterlicher Pflichterfüllung gegenüber ben Säuglingen. 

3n bem warmen Sdjoge biefes Familienlebens wudjs £uife heran. Die fdimeid)elnbe 
Ueberlieferung, bie ihre Cieblinge gern bereits ab Kinbet aus ber Itlcnge heraushebt, hat 
auch um bie junge Cuife fd?on einen Strahlenfrans gewoben; ftc lägt fte ab bie bebeutenbfte 
bes Kreifcs, ab ben allgemeinen £iebling erfd)einen. Die gleichseitigen geugniffe, benen 
unfere Darftellung hier wie fonft allein folgt, wiffen bapon nichts. Cuife befag nicht bie 
reidje mufifalifd)e Begabung ihrer älteften Sdiwefter Charlotte; an geiftiger Kegfamfeit 
war ihr Ch«refe überlegen; Friebcrife, bas ©benbilb ihrer Klutter, fanft unb weich wie 
fte, war liebenswürbiger unb beliebter. £uife foll in ihrem IDefen mehr ber Stiefmutter 
Charlotte geglichen haben. Kinblid)e Unarten, bie ihr £cl)rer in fjannooer su tabeln 
fanb, trogigen Cigcnfinn unb nafeweife Unfreunblid)feit gegen bie älteren Sd)weftem, 
hatte fte überwunben; aber fte blieb ein wilbes Ding, in beffen Kbem bas pfäljerblut 
leicht unb rafd) rollte. f)übfcfi unb fd)lauf, poll Ucbennut unb fprubelnber £aune, crfchien 
„Louise l'ütourdie“, „Jungfer fjufdj", wie man ge wohl nannte, etwas flüchtig unb 
oberflächlich, obfd)on es ihrem innerften IDefen an Cmft unb liefe bes ©cmüts unb ber 
©mpfinbung feineswegs fehlte. 

Das fdfönc ©lücf bes innigen Familienlebens in Darmftabt breitet einen fonnigen 
©lans über Cuifens Kinberjaljre; ihr IDefen blieb pon feinen Strahlen burd)brungcn unb 
fein Kbglans hat fte burd) bunflc Cage hinburd) begleitet. 

Cs war ein heiteres £eben im Ulten palais am Darmftäbter ITTarfte. Jin IDinter 
gab es Jagbeit unb Schlittenfahrten, bei benen ©ufel ©eorg fclbft oftmals ben Führer 
mad)te, UTasfenfefte unb Bälle bis in ben hellen UTorgen, an bereit swanglofe Frbhlichfeit 



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Cuife fpäter in Berlin oft fehnfüAtig jurücfgebaAt bat, unb piel, piel illuftf in Kotierten 
un6 Operetten. Bei Öen Konjerten im SAloffc bat flA Cuife niAt feiten gelangmeill; um 
fo eifriger beteiligte fle flA an ben tbeatraJifdjen Buffübrungen, mit benen jebes Familien« 
feft gefeiert mürbe. So mirfte fte, erft jebnjährig, mit bei einer Buffübrung bcr „Bonne 
Mere" pon ^rau pon ©enlis. Die beflen Barfleller, fo fagt bie Barmfläbter Crabilion, 
mären ihre ©ante Cuife unb ibr Batet, prinj Karl, beut eine angenehme fräftige Stimme 
unb gefAmacfpolIer ©cfang nadjgcrübmt mcrben. Bis Borlefer bat er fpäter auA bei ber 
geftrengen ©räfln t>on Bog Bnerfennung gefunben. Bas (Aönfle ^amilien feft, mic überall 
in beutfAen Canben, mar bie IDcibnaAtsfeier. Ba mugte Cuife bie ©cfAenfe ber per* 
mäblten SAmeftem ber ©rogmama betmliA auf ben IBeibnaAtstifA legen, unb menn bann 
bie Sefcfjenfte fragte: ©en>ig pon ©berefc? fo fonntc Cuife breift leugnen, bis ©nfcl ©eorg 
mit ber erfArerfenben Brobung: „IBiUfte perblinben?" pe $um ©eftänbnis jmang. 

Ben Sommer perlebte man im ©arten unb Cuflbaus ber ©rogmama, in ber Brauns* 
barbt, unb, menn man eingelabeit mürbe, in BucrbaA an bet Bcrgftrage, mo in bent am 
meftliAen Bbbaitge bes ©benmalbes anmutig gebetteten „Jürftenlagcr" bie erbprinjliA« b^ff'f** 
^amilie ihren Sommeraufentbalt ju nehmen pflegte. BuA meiterc Keifen mürben im Sommer 
gern unternommen; lag boA Barmflabt fo rcAt mitteninne jmifAen Jranffurt unb BTannbeim, 
Karlsruhe unb Stragburg, mo man überall liebe Bcrmanbte ober gute t freunbe ju roobnen batte. 

Bie erfte Seife Cuifcns, pon ber mir miffen, ging naA Stragburg, bas fte im Bugufl 1788 
mit ber ©rogmutter, SAmefter ^rieberife unb Jräulcin pon ©elieu befuAte. 3” Stragburg 
lebte bamals bie CieblingstoAter ber ©rogmutter, Bugufte, mit ihrem ©cmabt, beni prinjen 
ZTlap pon Pfalj^u^'brücfcn, ber als ©berft bes Scgintents Koyal-Sapiire in franjöfifA*n 
Bienften ftanb. Cuife hat flA bort febr glüefliA gefühlt. Bas feit September 1785 per* 
mahlte Paar batte bereits jmei Kinber, prinj Cubmig, fpäter König Cubmig I. pon Bayern, 
unb prinjeffin Bugufte, bie einft ©emablin bes prinjen (Eugen Beaubamais, Bijefönigs 
pon 3*alien, unb bie Stammmutter ber CcuAtenbergs mcrben follte. Bon biefem Bctter unb 
bem BäsAen fpriAt Cuife in einem natürliA franjöfifA gefAriebenen Briefe an ihren 
Bruber, ben bamals neunjährigen ©eorg; cs ift ber erfte Brief, ber flA non ibr erhalten 
bat. Sie fAreibt, fle fühle flA in Stragburg mie im fymmcl. „Bcr Heine Cuper befinbet 
flA mofll, er ift rcAt artig gemorben. Bie Heine Bugufle ift auA I)übfA, unb flat ein 
präAtiges Busfeben." Cuife bat auA bas ZTIünfter bis jur plattfonn befliegen unb lieg 
flA nur fAmer jurücfbaltcn, bis ju ben ©ürrnAcn b'naufjuflettem. 

Befoitbers häufig maren Busflüge pon Bannflabt naA bem naben ^ranffurt, mo bie 
BTeffe befuAt unb (Einfäufe gemaAt mürben. Bort haben bie prinjefflitnen im ©bum 

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unb t£apsfd)en palais unb mit ber ©cmaljlin bes lajisfdjcn Dertreters, ^Jtau t>on Drints, 
porfetjrt, ber mir eine 6er erftcn Säuberungen ber prinjeffinnen oerbanfen. Sie fcfjreibt im 
September J789 6er prinjefftn tDjerefe: „3* I?atte 6as Dergnügen fjier 3hre beiben Sdiiccftern 
ju feljen un6 eine cntjücfenbe Stun6e mit ihnen ju oerlcben, wobei wir oon 3i?nen fpradjen. 
€s fin6 retsenbe Kinber, bei6e gleich tjübfdj, gciftuoll, gut, aber, ich weif nicht warum, 
mein fferj fpridjt mehr für ( friebcrife." 3 m 3 a h K (790- im ©rtober, uerweilten fte wie6er 
mehrere IDochen in ^ranffurt, um mit Sdiwefter Cfjerefe, 6er fiefj Cuife innigft anfdjlof, 
6en Jeftlichfeiten bei 6er Krönung Kaifcr £eopol6s I. beijuwotjnen. Damals, wie es fdjeint, 
machten fte auch 6ic BcfanntfUjaft non ©oethes UTutter. Die ^roljnaturen 6er ^rou 2Xja 
un6 6er ©nfelfinber 6er prinjeffin ©eorg fan6cn fid) leidjt jufammen. <£s ift befannt un6 
oft erjagt, wie Cuife un6 .frieberife mit Bru6er ©eorg im bjaus am fyrfdjgraben tjerum* 
gefprungen finb, wie fte Specffalat gegeffen unb am ^ofbrunnen IDaffer geplumpt fabelt. 
Diele 3 a h r 5 4 h n t e fpäter, 1828, Ijat ©oettje 6em prinjen ©eorg eine <3 c ’ < h nun 3 biefes 
Brunnens mit einigen Derfen gefdjenft. 

3u wieberhollcn ZUulen 6urfte Cuife auch bie ©rofmutter nadj Broid; begleiten, 
6ent um linfen Ufer 6er Suljr jwifchen Ulülbeim un6 Duisburg gelegenen Schlöffe, 6us 
aus bem ZTachlaf 6er ©rufen oon Ceiningcn ftammte. Don 6en erften Seifen, 1787 unb 
1789, wiffeit wir wenig, befto mehr oon 6er britten unb leften Seife im 3ah t4 l ‘91, als 
Cuife ihr \5. 3al)r m> lienbet hatte. Die Seifegefellfehaft beftanb aus 6er ©rofmutter mit 
ihrer Ifofbame Jräulein oon Dürfljeim, ©nfel ©eorg, Cuife unb ^rieberife mit ihrer 
©rjieberin, unb bem f leinen fünfjährigen Karl, prinj ©eorg war mit bem Dater in 
Pyrmont. 21m l. 3 U "> würbe bie Seife angetreten. 3 U Schiff ging es rheinabwürts nach 
Koblen 3 , wo fte bei ber ©räfn Klettern ich, 6er Uluttcr bes fpäteren öfterreichifchen ^ürft« 
Staatsfanjlers, 5 u 2Uittag fpeiften. Sonft wohnten, afen unb fefjlicfen fte auf bem Schiffe. 
Bach furjem 21ufenthalte in Köln fanten bie Seifenbcn am 3uni in Broich an, 070 f 14 
mit jubclttben Hurrarufen begrüft würben. 21uf ber Seife hatte ^rieberife rheinifdje Burgen 
gemalt, Cuife ein Seifetagebuch geführt, bas uns leiber nicht erhalten ift. 3 n Sroich würbe 
ber Unterricht fortgefeft, regelntäfig $wei Stunben täglich arbeiteten bie prir^effinnen mit 
ihrer ©rjieherin, hauptfächlich, wie es fdjeint, franjöfifch: fte ntuften fran$öfifche Briefe 
unb f leine ©rjählungen fd)reibeu, ©efchietjtcn uon tugenbljaften 211äbchen, bie burch bas 
2lnbenfen an ihre ITTutter t>or Derführung bewahrt werben. 3 n & 4r übrigen 3 4 '* lafen 
fte, Cuife: ^ rieb rieh ntit ber gebiffenen IDungc, was ihr fetjr gefiel, fricberife: H cn,m " n 
pon Unna, ober fpielten mit aitberen Kinbent in ber Umgegenb. Cuifens 21nbenfen ift 
bort lebenbig geblieben, riele ©efchichten erjüljlt man fid) nod) heute uon ihrer Ceutfeligfeit 




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KinMjcit unb 3 u 3 t,l & 



unb fjerjensgüte: non ihrem KTitleiben für ben armen £äufer 6er ©roßmutter, ttjrer (Teil* 
natjme für eine genefenbe Sdjarlad)ftanfe, ihrer bereitwilligen Ejilfe für einen f dimer 
arbeitenben Sauer. 

3n bas einförmige Ceben in Sroid), beffen Stille nur burd) bie aufregenben llad)- 
richten aus Jranfreidj über bie mißlungene ^ludjt König Cubwigs XVI. unterbrochen würbe, 
brachte ber gute ©nfel ©eorg eine angenehme Kbmedjfelung. Er fdjlug eine Keife nach 
bem nahen fjollattb cor; bie ©roßmutter weigerte ftd) anfangs, cs fehlte an Keifegelb, bafür 
würbe Kat gefdjafft burd) eine f leine Knlcibc bei ©räfin Polyyena Ceiningen, bann gab 
©roßmama nad) unb am 21- Kuguft würbe bie Keife nad) fjollanb angetreten. Sei großer 
fjiße ging es burd) glüljeitben Sanb nad) Xanten unb Kiene, wo bie Keifenben in einem 
Ijübfd) unb fütjl im ©rünen gelegenen ©aftljaus — „oberge“, fdjreibt £uife — ausruljtcn. 
Kiene gefiel U)nen fel)r. Sie mad)ten bort bie Sefanntfdjaft eines ^reiherrn non Spaett, 
ber fte auf fein £uftfd)loß Sellenue einlub, beffen elegante Santen jimmer ben fleinen 
Ptinjeffinnen großen €inbrucf machten. Sei Cifdje faß £uife neben bem ^reiherm, bet 
ihr prophezeite, fte werbe in brei ^afjrcn ncrmä!)lt fein — wie es aud) in Erfüllung 
gegangen iß. Sann überfd) ritten fte bie bollänbifdte ©rettje unb über Km beim unb Utrecht, 
wo bas ©aftljaus unferer prinjefftn wie ein Schloß erfdjien, erreichten fte mit ber Crecffd)uite 
am Kbenb bes 26. Kuguft Kmftcrbam, beffen glänjenb erleuchtete £äbcn Cuifens Scwunberung 
erregten, wäljrenb eine gel;eimc Kngft nor ben nad; 3 n &' cn nerfdjlcppenben „Seelcn-- 
nerfopem" fte beunruhigte. 3 n Kmfterbam befahett bie Keifenben meift unter Rührung 
bes Sarmftäbtcr Kefibenten bas Stabtljaus, bie Synagoge, bas fjaus ber3nbifd)en Kompagnie, 
bas Krmenhaus, wo ber Knbltcf ber „Alles de mauvaise vie“ £uifcn Sdjauber eittfiößte, 
bie KTarinefd)ulc, nor allem ben fjafen, beffen Klaftert malb — „ein aus bem IDaffer auf» 
taud)enbes ©ehölj" — ft« anftaunte. Kbenbs befudjten fte, wäljrenb ©roßmuttcr meift ju 
fjaufe blieb, bas franjöfifche (Theater, non beffen publifuttt, reich unb gef djmaef troll gefleibetcn 
Kaufmattnsfrauett, fte neugierig betrachtet würben. Don Kmfterbam aus fuljrcn fte ju Sdjiff 
nad) Saarbam mit feinen (Erinnerungen an peter ben ©roßen, beffen £iebc für ben Schiffsbau 
£uifens trolle Knerfennung fattb. „Quc cc grand hommc,“ fdjreibt bie fünf}ehnjäf)rigc 
Sationalöfonomin, „a fait du bien par lä, car c'cst par le commerce que provient leur 
plus grande richesse.“ 

Erft ant {. September perließen fte Kmfterbam unb reiften, wicber mit ber Erccf 
fdjuite, bei ftürmifdjcm Kegenwetter über fjaarlent, in beffen „großer Kirdjc" bie Klänge 
ber weltberühmten (Drgel fte entzücften, nad) bem Ijaag, wo fte mehrere Eage blieben, um 
bie ©etttälbegalerie, bas Saturalienfabinett, bas fjaus im Sufdi ju befidrtigen. Sie machten 



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Kin6l(rit unfc 



auch Kusflüge nach Scfjcpeningen, nach Delft, beffen l}ugo ©rotius*Denfmal 6er Prinjeffm 
fcljr gefiel, unb n ach Kotterbam, wo gera6e Kirmes gefeiert würbe, bie fte an ben Körner 
in Jranffurt erinnerte. Km H. September traten fte bie Kücfreife an, junädjft wteber auf 
einer Jacht, öfter burch f)oi)c Reefen, bei betten €uifc bes tjcrrenfjäufener ©artens, sumomme 
la boudeuse, gebadjle, naef) Utredjt, bann 5U IDagen weiter, „an ben lieben alten Kfyein", 
über Kiepe naefj Broicb, bas fie am 6. September erreichten, ron Brüberchctt Karl 
jubelnb begrübt. 

3 " ben jicmlid) einge^enben Kufjeichnungen unb Briefen, bie wir über biefen Kusfiug 
naef) ßollanb pon prinjefftn Cuife noef) bcftfcen, würbe man pergeblicf) naef) einer Keufjerung 
über niebcrlänbifche Kunft fudjen; bie einjigen ©cmälbc, beren fie erwähnt, ftnb bie Silber 
ber prinjeffin pon ©ranien, Schwefter König Jriebricf) IPilljelms n. pon preujjett, im 
fjaag; mehr gcfeffelt hat fie ber Knblicf hollänbifchcr Sauberfeit unb hollänbifchen Keichtums. 
Das h°Uänbifche Ceben überhaupt mit feiner ^üüe neuer ©rfeheinungeit prägte fiefj tief in 
Cuifens ©ebäcfjtnis ; bei Schillers ©efchicf)te bes KbfaUs ber Bieberlanbe, bie fte fpäter öfter 
las, hat ft* ftch ih rcr fcUänbifchen Keife, ber größten Keife ihrer Jugenb, gern erinnert. 

Hoch bis Diitle ©ftober f ?91 blieb Cuife in Broich mit ©efef)wiftern unb ©roftmutter, 
bie burch Beranftaltung Heiner Cfjeaterauff Übungen unb Bälle ben ©nfelfinbem ben 
Kufenthalt fo angenehm als möglich $u machen fuchtc. Kucfj ber ©eburtstag bes in Celle 
weilenben Paters, ber (0. ©ftober, würbe fo gefeiert. Ceiber fehlte babei ©nfel ©eorg, ber 
halb nach bet Kücffchr aus fjollanb Broich perlaffen halle» unb ohne beffen (Teilnahme feine 
nolle Cuft auffommen wollte. Cuife fehnte ftch f c h r na£ h Darmfiabt, nach Dtuber ©eorg. 
„Dann," fo fdjricb fie, „wirb es ein tDieberfcfjen geben, ein Stücf betitelt: IDahre ©efcfjwifter* 
freube unb Ciebe." Der IDinter in Darmftabt, ber hierauf folgte, brachte emftc Cagc für Cuife. 
Sie war rafch emporgefchoffcn, rafdjer als für ihre immer jartc ©efunbhcit juträglich war. 
Die ©rofimutter, ber fte längft über ben Kopf hmausge wachfeti , flagt hausmütterlich wohl 
ju weilen, welche Bot fie mit ben Kleibern habe, bie faft alle IHonate perlängert werben 
mufften, unb nicht feiten würben alte Kleiber ber perftorbenen DTuttcr unb Stiefmutter für 
bie prinjeffinnen umgeänbert. Schon im Sommer l<90 war Cuife Ieibenb gewefen; jefct, 
halb nach Bcujaljr \ 7 <) 2 , erfranftc fte abermals; nur lattgfam unb fpät unb nicht ohne 
(Erfdjütterungen reifte fte enblich $ur Jungfrau. Km 2^. Januar \ 7<)2 fchrieb fte in eines 
ihrer f^efte: „Bachbem ich jiemlich lange franf war, arbeite ich h cu,; jum erften BTale 
wieber unb ©ott wolle mir feinen Beyftanbt baju geben." 

Die nächften BTonate waren ber Dorbereitung beiber prinjeffinnen sur Konfirmation 
gewibmet. Beben ^rey unterrichtete fte hauptfäef)licf) ber Stabtpfarrer Cichlhamnter, ein 



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KinMjeit nn& Jugenk 




©eiftlicber pon mildem und abgeflärtem IDefen, der au* fdjon Cehrer der pfalsgräfln Sugufte 
und Scbtrefter Cfjerefetis gewefen n»ar. Oie Stunden bei Cichtbammer haben einen unauslöf<h° 
liehen Einörucf auf Cuifc gemacht und iljr religiöfes (Empfinden pertieft, obfehon fte lattgfamer 
lernte als ,fricderife. „Citfjthammcr," febreibt fte damals, „flößt uns tugendhafte (Empfin- 
dungen ein, die ich mein ganjes Ceben ju bewahren h°ffe, denn ich erfenne, baß es ohne 
fte fein ©lücf gibt. 3^ Wn n ' c glücflicfjer als trenn ich überjeugt bin, baß Cichthammer 
mit mir jufrieden ift, und wenn ich mir fagen fann: h^ u * c faß Ou wieder piel gelernt $u 
Oeinent ewigen und seitlichen ©lücf." 

2tm f5. 3uni f 792 legten €uife und ^riederifc in der Stabtfirche ju Oarmftadt ihr 
Sefennhiis ab und empfingen den Segen; jwei (Tage darauf nahmen fte das heilige Sbenb 
mahl, mit ihnen die ©roßmama und (Tante Sugufte. Sud; der Pater war anwefend. 
3n ihrem Erbauungsbuch pcrjcichnete Cuife auf franjöftfcb: „tjeute ift der wiebtigfte (Tag 
meines Cebens, der (Tag nteiner Eonfinnation. ©ott gebe mir die Stärfe, alle die Per* 
fprechungen su erfüllen, die ich ifa* gemacht habe, ihm, dem <3 { ugen meinet Schwüre"; 
und der S<hwcftcr (Thercfe, die nicht hatte 5 u t ^eier fommen fönnen, fefjrieb fte, diesmal in 
deutfeber Sprache: „©oft fegne Oicfj und mich, edelftc der Schweftern und Freundinnen. 
Pollbracht ift das IDcrf, das uns auf unfer ganscs Ceben glücflich machen foü. ©elobt ift 
©ott die ewige und unperbrücbliche treue, und ©ott, der unfern Schwur härte, wird uns 
auch ewig beiftehen, ihn ju halten, ©ib mir auch Deinen Segen, liebe, befte und järtlicbfte 
Schwefter, ftetje mir immer mit Deinem guten Säte bei, und bitte ©ott, dag et mich ßärfe 
jur Erfüllung aller meiner pflichten." 

Saum weniger aber als durch die Einfegttung wurden Cuifens und F^ederifens 
jugendliche £)er$cn damals erregt durch die Susftdit auf eine neue Srönungsfeier in FranN 
furt a. 2Tt. Hach faum swcijähriger Segierung, am l.UTärs \~ l )2, war Saifer Ceopold II. 
geftorben, tief betrauert Port prinj Sari pon Ulecflenburg, der ihn als „Ceopold den Emsigen, 
den großen und ausgejeichneten ZTTonarchcn" perehrte. Sm 5. 3uli perfündeten in Franf= 
furt 300 Sanonenfchüffe, dag fein Sohn und Erbe, F ran 5< äcr Sönig pon Ungarn und 
ööljmen, su feinem Hacbfolger auch im Deutfcben Seiche gewählt fei; am H. 3uli, dem 
3abrestcige des Saftilleftunnes, wurde er jum Saifer gefrönt. Der beiden Scbmeftem Sehnfueht 
war feit It)ocben nach Frcmffurt gerichtet, wo die Srönungsfeftlichfeiten locfeitd wittfteu. Der 
Pater wollte anfangs nichts dapon hären; die Seife, der Sufentfalt, ror allem die (Toiletten 
der jungen Damen hätten wieder Susgaben erfordert, denen feine befdjeidenen Einfünfte 
wenig entfprachen. Schließlich — welcher Pater hätte swei foldjen (Töchtern widerftanden? — 
willigte er ein; menigftens auf einige (Tage durften die prinsefftnnen nach F c< mffurt gehen. 




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HinM)rit nnt> 3 u 9 eit & 



uub Cuife fonntc 6en Ball, 6en 6er öftcrrcicfjifdje Krönungsbotfdjafter gab, mit 6em jungen 
©rafen inetlemid) eröffnen. 

Die prinjeffmnen Ijaben, wie 6er BriefweAfel Cfyercfcns $eigt, 6amals in ^ranffurt 
bereits Kufmerffamfeit erregt; man machte 6er ©rofjmama Komplimente ju itjren tjübfdjen 
©nfelinnen; un6 auch ^rau t>on Prints ftbricb im Sommer 1792: „Sie ftn6 fjübfdjer als 
je, Cuife ift fdjön, ^ricöerife fjübfcfj un6 gut." 

<£s roar 6ie leiste Krönung gewefen, 6ie 6ic alte Kaiferfta6t am ZTtain gefefjett fjat, 
wie es auf fjinaus 6er letzte frieblidje Sommer war, 6en 6ie Bewohner 6er 

Kf>cinlan6e genoffen. Hod; im Kuguft tummelten ftefj 6ie jungen prinseffinnen fröljlid) im 
©arten 6er ©rofmama, 6ie fdjon forgenooll nach paris fdjaute, wo am 10. Kuguft 6et 
Cljron 6er Bourbonen jufammenbrad; ; nur wenige IDodjcn fpäter ftn6 fie auf 6er ,flud)t 
por 6er f^ranftürmenben Keoolution. ^um erften BTalc greift in Cuifens Dafein 6ie furdft* 
bare ZTlacbt ein, 6eren fjan6 fdjwer über ifjrem teben liegen un6 6eren IDalten 6en ©ang 
ifjres SAicffals fo oft beftimmen follte. 



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^weites Kapitel 

Verlobung unö 3rautjcit 

( 1793 ) 

I. T*ie Perlobung 

20. Jtpril (702 fjatte öie franjöjifAc Hationalperfammlung auf Eintrag König 
Cuömigs XVI. Me Kriegserflärung an Öen „König pon Ungarn unö Böhmen' 1 bcfdjloffen. 
hiermit mar öas Jyicfjcu ju öcm Kriege gegeben, öer bis 1815 (Europa peripüfiet bat unö 
in Öen nad) unö nadi ade europöifcben Staaten tyineingejogen muröen. 

3unäd)ft würbe Preußen öapon betroffen. (Ein fjalbes 3 a *) r f) un & er t lang, pon 17^0 
bis 1790, fjatte öer (Begenfag jroifdjen preugen unö (Defterreid) öie politif öes europaifdien 
^eftlanöes bcljerrfdjt; öann n>ar es im Ungcftdjte öer franjöfifdpen Hepolution ju einer 
Unnäijerung jmtfd)en beiöen Staaten gefommen, öie am 7. jebruar 1792 in einem Hefen fip» 
bünöniffe mit öer Perpfliditung ju gegenfeitiger tjilfe bei irgenöcinem Angriffe itjren Kus* 
bruef fanö. Darin (ag jugleid) öer J3rud) preugens mit Jratifretd). Diefe politif. Me Öen 
frieöcricianifcben Ueberlieferungen fo ganj juipiöerlief, mar öas perfönlidje EPerf König 
^friebrid) IDil^etms II. non preugen. IPas itjn öaju reranlagte unö öabei feflbielt, mar, 
neben öem IDunfdje nad) territorialen Erwerbungen, öas Scmugtfein öer ^ufammenge^örigfeit 
mit öem non IDeften ijer beöroljten Deutfdjen Heidje, ab öeffen Porfämpfer er ju glänjen 
ftrebte, unö ebenfo öas (Sefüt)( öes (Eegenfages gegen öie franjöfifd)e Serolution, öas 
(Emigranten im Bunöe mit Hofenfreujem in iljnt ju erregen unö tradijubalten befliffen 



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Perlotaitg unb 3?raat3eit 



waren; nicht jum wenigften aber auch perfönlicbe {Teilnahme an 6 em Sdjicffale König 
Cubwigs XVI., beffen Befreiung ihm in myflifdjcn tDeisfagungen perbeigen würbe. So fam 
es, bag König Jriebrich IDilhelm II. ber Form nach nut als Derbünbeter ©cfterreichs, in 
«Erfüllung einer pertragsmägigen Pflicht, latfädjlidj angriffsluftiger unb mit größerem (Eifer 
als (Defterreicb felbft ben Krieg gegen Jranfreich unternahm, freilich, ber König ftanb mit 
folchen (Befilmungen in feinem Staate unb in feinem fjeere faft allein. Kbneigung gegen 
bas rerbünbete ©efterreich, fjinneigung $u ^ranfrcich, bem trog ober wegen ber Hepolution 
Diele Sympathien jugewanbt blieben, berrfebten noch allenthalben por. 

3m Kuguft \7$2 überfchritt bas preugifebe fjeer, bas ftcfj bei Koblens gefammelt 
hatte, unter bem ©berbefcljl bes Königs unb bes Bcrjogs pon Braunfeh weig jwifcfjen 
(Tbionpille unb Congwy bie franjöfifcfje (ßrenje; auch ber ältefte Sohn bes Königs, Krön« 
prinj ifriebrich JX>ilb«lm, war als ©berft bei ber Krmee. 2TTit fchlcppenbem (Troff überaus 
langfam porrücfenb, eroberte man Congwy unb Derbutt unb flieg enblich am 20 . September 
in ber (Champagne bei Dalmy auf bie franjöfifcben (Truppen, mit benen ftd) eine lebhafte 
Kanonabc entfpann, bei ber beibe tfeerc ihre Stellungen behaupteten. So unerheblich an 
fich bas (Treffen militärifch war, fo entfeheibenb würbe feine Bebeutung. Utan hatte ben 
(Entfcfjlug jum Kngriffe nicht faffen fönnen; nach tagclangem §ögcm mugte man fich 5 U 
einem Hücfjuge entfliegen, ber burcf> Berpflcgungsfcbwierigf eiten unb Kranfheiten überaus 
pcrluftrcicb fich gefialtete. 3 m Bopember ftanb ber König mit ben Heften feines Beer es 
wieber in Koblenj. 

jnjwifchen war bereits bie Hepolution itjrcrfeits jum Kngriff übergegangen. Don 
Canbau aus brach gegen <£nbe September ber franjöftfche ©eneral Cuftine mit etwa 
(8000 ZTTann auf, eroberte in rafchem Siegesläufe Speyer unb IDorms, nötigte am 
2 \. ©ftober HTainj jur Kapitulation unb lieg auch Jranffurt a. 21t. befegen. lieber bie 
blühenben Hbcinlanbe ergog fid) bie Hepolution mit ihren Schrecfen. Kn emftlichen IDiber« 
ftanb buchte niemanb, geiftlicbe unb weltliche fjerren Züchteten ober fuchten burch Kontributionen 
Schonung unb Bcutralität furchtfam ju erfaufen. (Es war ein fchmacfjpoliet ^ufammen» 
brach, ber ben Untergang bes Beutfchen Heicfjes unheilperfünbenb einleitete. 

3n Barmftabt erhielt man in ben erften ©ftobertagen bie Itachrichten non bem Dot» 
bringen ber ^ranjofen. Balb tarnen Scharen pon Dertriebenen, unter ihnen ber Bifcfyof 
ron Speyer; ront Baifon bes Klten palais aus fah Cuife bie Flüchtlinge, befonbers Diele 
Emigranten, über ben Barmfiäbter lltarft jlehen. Km 4 . ©ftober bieg es in Barmftabt: 
bie F ra njofen fmb ba, man wollte ihre Uniformen im nahen IDälbchen gefegen haben. 
Bie Bürgerfcbaft würbe unruhig, fchon famen einige perfteeft gehaltene Bationalfofarben 

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rnlolmng unS Srautjcit 




}um Dorfebein. ©in (Teil 6er lanbgräilichen Jamilie flüchtete nach Siefen, wohin auch 
bas heff<n = barmftäbtifcbe Ulilitär, um jebet feinblicfjen Begegnung mit Öen ^ranjofen 
ausju weichen, jurücfgejogen würbe. Da entfefjlof fich auch prinjef ©eorg jur flucht: mit 
Cuife unb ^riebcrife, ©eorg unb Karl, unb bem ^räulein pon ©flieu fuhr fte }u iljrer 
älteften ©nfelin Charlotte nad; hilbburgljaufen. 

f^orjogin Cijarlotte, mit ihrem ©emab! Igerjog 2tbolf pon Sadifen » ftilöburgfjaufen, 
nafjm bie Flüchtlinge mit bet Ciebe unb Ijerjlicbfeil auf, wie fte biefen ganjrn Familien* 
freis befeclte unb jufammcnbieil. Die fjerjogin, nicht minber fchön als bi« Scbweftem, aber 
wenig glücflicfj in bet ©bc mit einem mcbr als unbebeutenben ©alten unb oft in fcbrrxren 
finansiellcn Bebrängniffen , fanb ihr ©lücf in ber Befcbäftigung mit Ulufif unb Citeratur. 
Sie bidjtete felbft, wie fte auch eine fleifige Brief» unb Tagebuchfcfjreibcrin war. 3 tan Paul, 
ben fte Ijäufig unb gern an ihren f>of 30g, bat fte uns gefdjilbert, bie Ijimmlifcbe hersogin 
mit bem Kntlif roll €iebe unb 3ugenbrei3 unb ben fdjbnen Kinbetaugen. §u ben 
Bewunberem itjrer Sangesfunft gehörte auch UTcifter Keicfjarbt, ber fte einmal in ber 
Karwoche bei einer Kuffüfjrung non ©rauns Tob 3 c f u in ber Stabtfirhe t>on hilbburg 
Raufen härte unb burdj Ujren t>on innigftem religiöfen ©mpfinben befeelten ©efang fjin» 
geriffen würbe. 2TTit Sdjweftem unb Brübem forgte fte jefet um bie ©rofntutter, bie bie 
©ntfemung pom Rheine fdjwerer trug, als bie leichtlebige 3 u 9 en b, unb ber Unterhaltung 
unb Uufheiterung immer beburftc. 3 um ©tücf fanten oft Befuch«, ber ©emahl SrijmePer 
Cherefens, ©rbprinj Karl Kleranbcr pon Tburn unb Toris, ber leiste K urf ürft = (Erjbifchof 
pon Trier, ber mit feiner Schweflet auf ber flucht nach Kugsburg war, rot allem ber 
Pater ber prinjeffmnen felbft, prins Karl, ber pon feinen Ijäupgen Keifen immer gern im 
Ijaufc feiner älteften Tochter ausruhte. 

prin3 Karl war mit bem Kriege gegen bie Kepolution wenig einperftanben; ins* 
befonberc mißbilligte er es, baf bamals h c ff en ' Darmflabt, sum Teil unter ©inwirfung bes 
Freifjerm pont Stein, (ich an preufen anfchlof unb bantit bet Koalition gegen ^ranfreidj 
beitral. €r liebäugelte mit ben Kufflärungsibeen unb gab (ich gern als Bürger« unb 
Bauemfreunb. „Uleinetwegen," fcfjrieb er bamals feinem Schwager ©eorg, ber ihm eifrig 
bestimmte, „mag ©eburtsabel fein, nur muf foldjer nicht Derbienfte unb Talente unter* 
brüefen ober perbrängen. 3* fchäfe ben 21 bei, fobalb Dcrbienfte unb Tugenb ihm 3U 
2l!jnen bienen; ofjnebent aber felje ich fotUjen als ein leibiges notwenbiges Hebel im Staate 
an. Ueberfjaupt aber nach meinem wenigen Dafürhalten ift ber bürgerlich« unb noch ntetjr 
ber Baucmftanb ober »Klaffe bie, bie am mefjrften gefdjüft werben follte, benn ohne 
folchc, was wären bie ©rofen unb ©bien?" 3 n h’^tmrgljaufcn war Prin3 Karl eine 



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ftabtbefannte ©rfcheinung, wie er in fdilidjtem jugefnäpftem Ilebcrrocfe fpasieren ging, leutfelig 
ftd? für alle unb für alles intereffferenb, währenb bie prinjefftnnen, wie fie es non Dann« 
ftabt gewohnt waren, im Sdjloßgarten Reiter unb jwanglos luftwanbeiten. 

prinjeffm £uifc hat fidf in fjilbburgffaufen mit Berbers IDerfen befd)äftigt, aus beffen 
„gerftreuten Blättern" fte ftdj Abfcbriften unb Ausjüge machte. Berber war in Dannjtabt 
ihrer Illutter unb Stiefmutter befannt gewefen, unb fte felbft hat iljn immer befonbers »er« 
eljrt. Daneben erfreute ftdj tfjre frifdje 3 u 8 cn & ber pielen Vergnügungen am ftofe ber 
Schwefter, wo ^eftliefjPciten unb tbeatralifcbe Aufführungen, Sehlittenpartien unb ITtasfen* 
balle ben IDinter über miteinanber abroecbfclten. Auch am Spiel, bem nad; ber Sitte ber 
|jeit fiel gchulbigt würbe, nahm £uife teil, foweit es ihre befd] eibenen ATittel geftatteten; 
beim bie faft 17jährige prinjefftn halte an regelmäßigen (Einnahmen nur ein monatliches 
Cafchengelb non 5 (Bulben unb 30 Areujertt, fo baß fte wohl einmal, um ftdj (Selb ju 
perfdjaffen, einen ©ranatfdjmucf perfaufen mußte. 3m Februar 1793 betrug ihr ©in» 
fommen ganje 1 1 ©ulben, bie ße auch für ©efdienfe, fleine pußfacben, Aartengelb unb — 
ein Duftenb Bre$el su ,faftnad)t pällig perausgabte. Bei bem heiteren ^ufammenleben in 
bem trauten tfamilienfreife, wie er fidj bort in fjilbburgbaufen jufammengefunben, perfloß 
rafch unb angenehm ber IDinter, unb als bas ^rüfjjahr 1793 ins £anb fam, buchte man 
an bie Kücffcljr in bie fjeimat, bie preußen unb Ijeffen injwifchen pon ben ^ranjofen 
gefäubert hatten, an ben lieben Abrin, in bas liebe Darm ftabt. Ulan folltc nicht jurücf» 
fommen, wie man gegangen, ©ben an bie fjeimreife fnüpften ftch Ausftdjten befonberer 
Art: mährenb £uife unb ^rieberifc noch mit forglofcn Kinberherjen bie gefelligeit ^reuben 
ber fleinen ©häutiger Heftbenj genoffen, fpannen leife fchon unb heimlich ftdj bie Jähen, 
an benen in ©lücf unb Unglücf, in Jrcube unb Sdjmerj ihre (Jufunft h< n 9- 

3u ben Befuchem in fjilbburgljaufen hatte auch ©nfel ©eorg gebärt, ber im 
Dejember 1792 mit ben tapferen ljefftßhen ©renabieren bie Jranjofen aus Jranffurt per» 
trieben hatte unb bort mit Aänig Jriebridj IDilhelm II. unb beffen Sohn, bem Aronpri^en 
Jriebrich IDilhelm, befannt geworben war. Von ber ©attin bes Jranffurter Bürgermeifters, 
Jrau non ©lenfchlager, bie mit ber Jrau bes Abjutanten bes Aronprin$en, pon Scharf, 
perfehrte, erfuhr er, baß bereits pon Vermählungspläncn für ben Aronprinjcn bie Hebe 
fei. ATan benfe babei, fo h»eß es, auch an eine ber merflenburgifdien prinjefftnnen, bie 
ber Aronprinj felbft fennen ju lernen wünfdje. Jrau pon ©lenfchlager — fte war eine 
geborene pon Aettcnburg unb ffammte aus ITlecflenburg — hatte mit lanbsmänuifcher 
^utraulidjfeit unb mit weiblichem ©ifet fich fogleich an ben Vater, prittj Aarl, gewanbt, um 
ihn bapon in Aenntnis ju feßen unb ju einem entgegenfomntenben Schritte ju peranlaffen, 

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tVrlobung mtb Srttutjrit 




war aber pon ifjm an feinen Schwager unb „bewährten Jreunb", ben prinjen ©eorg, 
perwiefen worben. IDas fonnte biefem willfommener fein, als eine feinet Hinten mit bem 
Kronprinjen pon preugen ju perloben? Cebtjaft ging et auf ben ©ebanfen ein, unb et 
trat bet ZTtann, ii;n ju rerwirflidien, allen fiinbemiffen jum ©rog. 

Ilenn an Schwierigfeiten unb Beben fen fehlte es feinesmegs. (Es barf nidjt per* 
fegwiegen werben: eine (Ehe mit einem preugifdjen prinjen fdiien bamals niebt überall 
perlocfenb. ^mar perficfierte Jrau pon ©lenfcblager, „ber prinj roerbe bie ©emafjlin, bie 
et felbft wählen folle, gewig auch lieben unb ifjt treu fein". Allein man fannte ja bie 
^ugänbe in Berlin; war bocb Jrau Hig — bie fpdtcre ©rägn Cicbtenau — felbft mit ihren 
Kinbem eines Cages jum Befuefj bes Königs, für beffen ©eliebte man fte noch immer hielt, 
in ,franffurt erf<f)ienen. So h’rf « benn halb: es gehöre 2TTut ba ju, jegt mit bem 
preugifeben fjofe in üerbinbung ju treten. 3 n Barmgabt war bie eigene ©ante ber 
prinjeffmnen, ihre ITtuttersfdjmefter, Canbgrägn Cuife, ganj bagegen unb fudite jebe möglich* 
feit einer Annäherung unb Befanntfchaft ju Igntertreiben. Ber Vater, prinj Karl in 
tjilbburghaufen, lieg gefcheljcn, ohne pielen (Eifer ju jeigen. Hm fo cntfcbloffener unb 
rühriger war ©nfel ©eorg. „Bu fannft perfiefjert fein," febrieh er bem Schwager, „Alles, 
was ich für Bich un b bie Beinen tfjun fann, gefchiefjt eben fo, als wäre es für mich unb 
bie nichtigen ; Bir bienen h«igt mir felbft bienen." Unterftütjt pon bem nach .franffurt 
gefanbten ©cheimrat Kümmelmann pon IMlbburghaufen, einem Vertrauten bes prinjen Karl, 
riet er bringenb jur feblcunigen Kücffehr ber prinjeffmnen nach Barmftabt, wo man ben 
Befudj bes Königs unb feiner Söhne erwartete. Ber prinj willigte cnbliefj ein; hoch er 
felbft wollte jurücfbleiben. ©fjne bie ,feier ihres ©eburtstages am 16. lltärj abjuwarten, 
woju ber f^erjog pon fjilbburghaufen fetjon groge Vorbereitungen getroffen hatte, unb ohne 
ftd; burefj bie Vach riebt pon bem bereits erfolgten Bcfudt bes Königs in Banngabt auf« 
halten ju laffen, trat bie ©rogmutter mit £uife unb ^rieberife bie fjeimreife an. Unterwegs, 
in ,franffurt, wo fte am (3. HTärj im IPeigen Schwan abftiegen, foüte bas Sdjicffal ber 
prinjeffmnen geh erfüllen, rafeber unb gröger als irgenb jemanb hätte ahnen fönnen. 

König Jriebritb IDilhelm II. hatte nach ber HHcbercrobcrung ,franffurts fein bjaupf. 
quartier in ber alten Kaiferftabt genommen, in ber geh halb ein glänjenber Kreis pon 
beutfehen Jürgen unb fjerren, franjöftfcben prinjen unb (Emigranten, gelben unb Abenteurern 
jufammenfanb. IPährenb in paris, bas man eben noch mit leichter tjanb ju erobern ge« 
meint hatte, bas alte Regiment in Stücfe gcfehlagen würbe, fantmelte geh h> tr um ben 
föniglichen Vorfämpfer bes alten (Europa noeh einmal alles, was bas fegeibenbe 3 a h r ‘ 
hunbert an ben t fürftenhöfen unb auf ben Scblöffem ber Vachbarfcbaft prächtiges unb 

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Perlobuiuj uni Srantjtit 



Iteppiges Ijerporgebradjt Ijatte. Der König felbft, Öen man täglid) in bei' bie Stabt um» 
fäumcnben Cinbcnallce fpajicren gctjcn fatj, fanb ^ranffurt, wie er nad) Berlin ftfjrieb, 
„djarmant", unb cs gefiel itjm „ungentein". Hbcr audj er gefiel ben ^ranffurtern: feine 
ritterlidje I}öflidjfcit gewann ifjm aller Ijerjen, unb ©oetijes Hlutter fdjrieb bamals ifjrem 
Sohnes „So tute ber König pon uns KUen geliebt wirb, ift rootjl fditcerlid) nod; ein 
HTonard) geliebt worben — wenn ©r einmal weggcljt, fo weine iefj Dir gewiß 8 läge, 
unb pergeffen wirb er t>on uns KUen 5«'H c bens nidjt." Heben ifjm bemerfte man feine 
Söljne, Prinj Couis unb ben Kronprinjen ^riebridj IDilljelm, bet in ben patrijierljäufcm 
ber Stabt, bei ben Betfjmann unb Hleßler, ben ©ontarb unb ©lenfdjlagcr fdjlidjt unb leut» 
felig pcrfcljrte; oft jeigte ftd) audj bie glänjenbe ©rfdjeinung bes prinjen Couis Jerbinanb, 
ber im Ijaufc ber Jrau non Prints bie ^uljdrer burdj bie HTeifterfdjaft feines Klaoierfpiels 
entjüdtc. Jüan fafj ferner ben Sdjwiegerfoljn bes Königs, ben prinjen IDilljelm Don ©ranien, 
bie Ijerjöge Karl Kuguft pon Sadjfen-IDeimar unb Karl IDilljelm Jerbitianb pon Braun» 
fdjweig, Ijefftfdie unb foburgifdje, naffauifdje unb württembergifdje prinjen, preußifdjc 
Staatsmänner, wie Ijarbenberg unb Struenfee, unb ben geljeimnispollen IDoellncr, baju piele 
(Emigranten, unter üjnen Sombreuil, ber mit prinj Couis ^erbinanb in ben Caufgräben 
not Hlainj fid; ausjeidjnen follte unb jwei 3aljre fpäter in Quiberon ben fjelbentob fanb. 
Die preußifdjc ©arbe war in ber Stabt einquartiert; bajwifdjen gab es nod; immer neue 
Cruppeitburdjjüge: Sadjfen, Reffen, ©eflerreidjer. 3 n bas bunte Ceben unb Crciben, bas 
audj burdj bie Hälje ber ^Jranjofcn in Hlainj nidjt geftört würbe, fant faum eine leife 
©rfdjütterung bei ber Hadjridjt pon ber fjinridjtung König Cubwigs XVI., ben ju retten man 
im Sommer porfjer ausgejogen war. Die Kamepalsfefte unb bie tOjeaterauffüijrungen, bie 
ber löblidje Kat pon ^franffurt puritanifdj fonft an Sonntagen nidjt geftattet Ijatte, erlitten 
feine Hntcrbredjung. König ^nebridj IDilljelm II. befudjte fte regelmäßig unb gern. 

3m (Ojeatcr war cs benn audj, wo bie entfdjeibenbe Begegnung jwifdjen bem König 
unb ben prinjeffmnen ftattfanb. ©leid) am tage iljrcr Hnfunft, pielleidjt nidjt ganj 
abftdjtslos, war bie ©roßmutter mit ben ©nfclinnen nad; bem „Komöbienljaus" gegangen, 
in bie Coge iljrcr in Jranffurt Icbenben Sdjwefter, ber ©räfin pon Cciningcn-©untersblum, 
beren todjter polyjena fic begleitete. Der König war anwefenb; „am ©ingang ber Komöbie" 
fanb bie ©roßmutter ©elcgenljeit, ifjm iljrc beiben ©nfclinnen porjuftellen, beren fnofpenber 
Ciebreij iljn tafdj eroberte, ^riebrid) IDilljelms II. ftaunenbe Bewunbenmg ber beiben 
jugcnblidjen Sdjönljeiten Ijat einen naipen Kusbrucf gefunben in einem Briefe, in bem er 
felbft biefe benfwürbige Begegnung anfdjaulid) gefdjilbert Ijat. „Seit meinem letzten Briefe," 
fdjreibt er am 2 \. Illärj 1<93 nad; Berlin, „Ijabe gar feine 3**1 5 um Sdjrciben geljabt, 



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Perlobung nn& i3rantjtit 



mir gaben in lauter .fiten gelebt, bie befonbers burdj bie Knwefengeit tfo^cr .fremben 
peranlagt worben, nämlich r>on ber prittjeg ©eorge non Damiftabt unb ihren beiben 
herrlichen Kinbesfinbem , ben (Töchtern bes Prinjen Karl non ITtecflenburg unb alfo ber 
Königin non Ettglanb ihren luchten. H)ic ich bie beiben (Engel junt erften ITIal fab, 
es mar am Eingang ber Kotnöbie, fo war id) fo frappirt pon ihrer Schönheit, bag 
ich 9°nj auger mir mar, als bie ©rogmutter fie mit prüfentiric. 3* wünfdjte fehr, 
bag fte meine Söhne fehen möchten unb ftdj in fie perlieben. Den anbem (Tag liegen 
fie ftdj auf einem Ball präfentiren unb waren gan$ pon ihnen enchantirt. 3 <h machte 
mein möglichftes, bag fte ftdj oft fafjen unb ftdj recht fennen lernten. Die beiben (Engel 
ftnb, fo piel ich f«h«n faim, fo gut als fdjön, nun war bie Ciebe ba unb [es] würbe fur$ 
unb gut refolpirt, fte ju heiratgen." 

Kn bemfelben Kbenb, wo König ^riebrich IDilgelm feine Sdjwiegcrtödjter wählte, war 
aber audj fein Soljn, ber Kronprinj, felbft im Cgeater, auch er nicht ganj 511 fällig, nicht 
abfichtslos. IDie bei (Thronerben üblid), war in ben fjoffreifen oft fdjon pon feiner bepor* 
ftehenben Dennäglung gefprodjen worben; balb beftimmte man ihnt Cuife, bie fpätere 
Prinjefftn KabjtwiU, balb feine oranifefje Couftne ober eine babtfdje ober englifdje prinjefftn. 
Der Kronprins feinerfeits — unb ber König ftimmte ihm barin bei — mar entfdjloffen, 
allein feiner Zleigung ju folgen. Ulan gatte >h m 1,0,1 beit f dienen ntecflcnburgifchen 
prinjefftnnen erjätjlt, unb Sontbreuil, ber fie in Darmftabt gefeljen unb bewunbert, jeigte 
ihnt einmal ittt (Theater eine Dame, bie ihnen ähnlich fehen follte. Bei bent Befudj tn 
Darmftabt hotte er bann pergeblidj gehofft, fte fennen ju lernen. 3 c fc( hatte er iljre llnfunft 
in Jranffurt erfahren unb war in bas (Theater gefommen, fte ju fehen. (Er bemerfte fte 
feinem plage fdjräg gegenüber in einer pergitterten Coge, bie ihm nur unpollfotnmen ju 
feljen geftattete, bod; genug, um feine Beugter weiter 5U reijen. Sie gefielen ihm beibe, 
befonbers wie fte aufftanben, um „mit eblcttt Knftanbe" ben ©nfcl ©eorg ju begrügen, 
ber, wir ahnen warum, fte in ber Coge auffuchte. ©egen Enbe bes Stücfes wcchfelte ber 
Kronprinj feilten plag, hoch oljtte fie beffer fegen ju fönnen. 

©tödlicher war er am nädjften Cage, wo Bürgcmtciftcr ©lenfdjlager iljn unb bie 
prinjefftnnen jum .früljftüd bat. IDie lebenbig blieb igm allejeit bie Erinnerung an bas 
©lücf biefer erften Begegnung! IDie er am Eingänge ftanb, als fte eintraten, juerft Jrieberifc, 
bann Cuife; wie ©raf Klebern, ber Bruber ber fjerjogin pon Kurlanb, ign ben prinjefftnnen 
porftcllte; wie fegr beibe ign bejauberten: Cuife in igrer fchlanfen Schönheit, ^rieberife in 
igrem Ciebreij unb igrer llntergaltungsgabe. Km Kbenb, nachbent ber König mit ben 
prinjen im „IDcigen Scgwan" feinen Befudj abgeftattet, trafen fte ftdj auf einem Ball bei 

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6cm Kammer!;«™ rott IDrebe. Per Kronprinj tanjtc fleißig mit Cuife; er rerfcfoaffte ii)c 
nachher 6ic ZUelobicn Kiefer erften Eänje, 6ie fte fpäter oft gefpielt hat. 

Der Einbrucf, 6en bie prinjeffinneit machten , blieb ni<f)t unbemerft; Kümmclmann 
fonnte nach Ijilbburghaufen fditciben, er fei nod) gröjjer als man ju erwarten gewagt habe. 
Kud; 6er König, 6er gleid) am erften Kbcnbe 6ic ©rofjmutter $u längerem Perroeilen in 
Jranffurt aufgcforöcrt batte, fab mit IDohlgefallen 6ie auffeimenöe Heigung feines Sobnes. 
Km 16. ZTlärj Iu6 er ©rofjmutter unö Enfelinncn ju tTifdi nach 6em „Koten fjaufc" auf 
6er 6em jcgigen poftgebäu6e, wo er mit feinen Söhnen refi6ierte; 6er Kronprinj 

erhielt feinen plag neben Cuife, 6er fein I}erj mehr un6 mehr fief) juwanbte. Per König 
ermunterte ibn unö örängte ju rafdicr Entfdjeibung. Kber Kronprinj jricbrich IDübelm 
wäre nid)t 6er ^rieörid) IDilljelm gewefen, Öen wir alle fennen, wenn er nicht bei 6cm 
über fein Cebensglücf enifd)cibcnben Schritte unfdjlüffig anfangs gefd;wanft hätte. Er fpracb 
mit bem Bruber Couis, öeffen Heigung bereits einer anöeren Paine gehörte unö ben 6ie 
Begegnung mit Öen prinjefftnnen öesbalb gleichgültig gelaffen ^r befragte 6en 

Jltarquis Cuccbefmi, 6er beiöe prinjefftnnen engelhaft fchön fanb; was er pon ihm unö 
anöeren härte, flang jufammen mit 6er leifen Stimme feines eigenen tjerjens, unö, nachöem 
« im ©ontaröfchen Saufe noch einmal mit 6en prinjeffmnen jufammengetroffen, entfdjicb 
er (ich, öurch ben Pater bie fjartb Cuifens $u «bitten, prinj Couis, ohne alle innere (Teil- 
nahme, entfchlog fid) bann für Jrieöcrife. 

Es war am 18. ZTlärj gegen Kbcnb, als König ^ricöridi HHlhelnt II. im „TDeijjen 
Schwan" erfchien unö bei 6er ©rojjmutier für feine Söhne warb, währenö bie Prinjeffmnen, 
bie wohl merften, was porgtng, bas ^immer perlaffen mußten. Pie ©rofjmutter „fagte 
nicht Hein" ; öcs Paters Einwilligung follte eine nach fjilbburghaufen fchleunigft abgefattble 
Stafette herbeiholen. Per Kronprinj felbft betrachtete ftd) febon als perfprochen. Hoch am 
Kbcnö bes 18., auf einem Konjert unö Souper bei Blegln« jingcrlin, fafj er wieber neben 
Cuife; bie Unterhaltung würbe pertraulicher unb bebeutungspoller. Es hat etwas Schlichtes 
jugleid) unb Knmutenbes, wie fte einanber näh« kommen; er gibt ber prin jeffin bie bamals 
beliebten „Pepifen", bie fd)on wie Erflärungen lauten, fragt fte, ob er wohl h°ff cn bürfe, 
fte einmal in Berlin ju fehen : Cuife antwortet flug, ohne Ziererei, hoch noch jurücfhaltenb. 
Km nächften (Tage burften bie prinjen felbft im „ZDeijjen Schwan" ihre IDcrbung an= 
bringen; bie ©rojjmama lieg jebes ber jungen paare in einem Zimmer allein. „So froh 
ich war" — fo fdjrieb fpäter ^ricbrich HXIhelm im Knbenfen an biefe unpergejjlichcn 
Stunben — , „fo perlegen war ich bennoch, unb nach pielem Stotteni unb unjufammen* 
hängenben Phrafen fagte ich «»Midi ZTIuth unb trug ohne piel llmftänbe mein Knlicgeu 



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ror. IDir ftanfeen am ^fenfter, meine ^tau mit feem Hülfen an feie .Jenflerwanfe gelernt. 
2T2it jungfräulidyer Befdyeifeenlyeit aber tyerjlidycm 21usferud billigte fie ein, idy frag, ob idy 
feürfte, unfe ein Kuß besegelte feiefen feierlidyen 21ugenblid." 

2Ilfo fdyloß fidy in feer aiten Kaiferftafet t franffurt feer Bunfe, aus feem riet 3 a *? K 
fpäter feer erfte Kaifer fees neuen Deutfdilanfe (yeruorgeijen follte. 

Bur eine furje Spanne <5eit feurfte feer Kronprinj fein junges ©lücf genießen; faum 
jmei fclige (Tage tiody, in feenen traulidyer Derfelyr feie flüdytige Befanntfdyaft rafdy in (yerj. 
lidye Jreunfefdyaft wanfeelte. <£r fdyeufte feer prinjefftn einen Hing, golfeen mit ^acctten 
gefdyliffen, feen fie bis 5 U ilyrem Cofee trug, unfe einen Jädyer, auf feen er jene Deoifc fdyrieb, 
feurdy feie fein fyerj juerft ju ilyr gefprodyen unfe feie ityr befonfeers gefallen: „Ricn ne me 
console que vous, puisque mon coeur est a vous“, — IDorte, feeren beifee fpäter u>ie 
eines lüufylfprudyes oft gefeadyt lyaben. Die Prinjefftn gab iiym ityren eigenen Hing not» 
Ringer. Sie tanjten nody jufammen auf Bällen bei 2TTegler«Bethmann unfe IHorih Betlymann, 
Sdyon am 2 {. 2TTärj aber fdylug feie Crennuitgsftunfee: feie pritijen begleiteten feie Bräute 
ju feem alten fdymerbepaeften IDagcn, feer fie mit feer ©roß mutter feurdy feen erroadyenfeen 
.früfyling nady Darmftafet trug. 

211s lyeimatlofcr ^flüdytling tyatte Cuife Dannftafet perlaffen: als Braut eines Hinigs 
folynes, fees ©rben feer ITlonardyie ^rieferidys fees ©roßen, fam fie jurüd. 

Bidyt feer ^rütjlingsfturm einer jäty aufwallenfeen Ceifeenfdyaft, unfere ©rjätylung jeigte 
es fdyon, lyat ^rieferidy tPiltyelm in Cuifens 21rme geführt, ©s mar audy nidyt, ofeet nidyt 
hauptfädylidy, feie jinnlidye Jreufee an feem frifdyen .Jauber feiefer jungen IHäfedycnblütc: es 
fdyeint mir faft, als lyabe ihm ^riefeerife, feie reijenfefte prinjefftn ihrer 3 eit, anfangs nody mehr 
gefallen, ©ewig, Cuifens lieblidye ©rfdycinuttg hotte ihn angejogen; allein was ihn für 
fie entfdyiefe, mar feer unter liebenswürfeiger ^rälylidyfeit ftdytbare ©ruft ihres IDefcns, ihre 
ßnnerlidyfeit, feie unoerfennbaren Bilfeungsliiiieu werfeenfeer ©lyarafterfeftigfcit; feenn prinjeffitt 
Cuife, wie fie poit edyter unfe inniger ^rfemmigfeit erfüllt war, war audy bei aller 2lus» 
gelaffentyeit eine crnfte unfe ftnnenfec Seele unfe erfdyien weit über ihre 3 a h rc dyaraftcrroU. 
„prinjefftn Cuife wirfe eine ausgejeidynetc Königin abgeben," fdyrieb feamals eine Darm« 
ftäfeter bjoffeante, „fte hat einen ausgeprägten Clyaraftcr wie eine Dreißigjährige.“ ©benfo 
waren es gerafee feie beften IDefensjüge ^rieferidy IDillyelms, feie feie prinjefftn beftimmten, 
feine IDerbung anjunelymen, feiefelben IDefensjüge, an feenen ihre lye r jensf reu nfefdyaf t ju 
bräutlidyer Bcigung, ihre bräutlidye Beigung ju edyter ©attcnliebe fpäter erftarfte. 2luf» 
gewadyfeit jwifdyen Htyein unfe ITTaiit, inmitten einer aus feeutfdyeni unfe franjöftfdyem ZDcfen 
gemifdyten leidyten unfe perführerifdyen ©efelligfeit, war Cuife in ilyrem ©efülylslebett nody 



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(Eafel 4 




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Kleinere 33ilöniffc 6er Königin Cutfe 

. (Sc3cid?net rom Kronprittjen ^riebriffr IFilbclm im Kuguft 1793. 2. Das junge Brautpaar, ITTiniatiirbtlbiiis ron (EielPcr, 1793. 
3. Kolorierte ^ei^nung ron lieufiuger, 179*. <$. ^entnumg pon plöfc utib Ijomemann, t< 9 H. 5. HTebaiUe poh t79« 



Dcrlobung nnb J? raut 3 fit 



völlig unberührt geblieben; ifyre €ebenscinbrücfe Ratten fte vielleicht geraöc für Mes IZcue 
unb ^ternJ« porbereitet, bas jeßt an fie Ijerantrat. 3 n bem fteifen unb fcbüdjterncn ©ffijier, 
beffen perfbnltdjfeil im oben Einerlei feines militärifdjen Dafeins emgejmängt fafi per« 
flimmerte, erfannie itjr mciblicher 23lidf ben RTann, beffen ganjes IDefen Schlichtheit, 
€ijrlid?feit unb IDabrtjaftigfeit atmete; ben UTann, an ben ihre eigene fcfjlanfe Scbmiegfam« 
feit pertrauenspoU fiefj anlebncn fonnte. „IDir mußten beibe fofort unb ofjne Hmfcbmeife, 
moran mit miteinanber tparen," fo fjat fie ifjm gleich bamals gefcb rieben. mbdjte fagen: 
es toaren bie beiben innemofjnenben Kräfte aufrichtiger Religiöfität, ernfter unb fittlicfjer 
Cebensanfcbauung unb Cebensführung, bie bei ihrer Begegnung fiefj regten unb mahl« 
pcrmanbt einanber juftrebten. 

Damit hing noch ein anberes jufammen. 

Kronprinj ^riebrich IPilhelni, ohne alle näheren Bejiehungen jum Pater, ohne herj* 
liches Derljältnis jur Ulutter, ohne Freunbfdjaft, ohne Ciebe, entbehrte febmer ber 3nnigfeit 
bes Familienlebens, nach hem fein ganjes IDefen hoch p erlangte. IDie mußte er fiefj glücflich 
fühlen bei ber Berührung mit biefem hefftf<h° n, eeflenburgif<hen F an tilienfreife, ben ein fo 
enges Banb herjlicbfter permanbtfchaftlicher Ciebe umfchlang. prinjeffm Cuife ihrerfeits, ber 
Ulutter unb ber Ulutterftelle einnehmenben Canto früh beraubt, ohne Paterhaus aufgemaebfen, 
aber umgeben pon innigfter großmütterlicher unb gefchmifterlicher Ciebe, beburfte in gleichem 
Klage bes häuslichen ©lücfes, bas ihr bie fefflichte unb mahrhaftige perfänlichfeit bes Krön» 
prinjen ju perbürgen fdjicn. 

3« biefer llebereinftimmung ihrer beften Cmpfinbungen unb (Befühle, in biefem 
^ufammenflang ihrer Haturen, menn fie ihn auch nielleicht ftärfer junächft empfanben als 
er tatfächlich beftanb, mochten ,friebricfi IDilhelni unb Cuife ben Quell ihres Cßlücfes finben. 
„3ch fann 3h n cn nicht fagen, mie glücflich ich mich burch bie IDahl fühle, bie ich getroffen 
habe," fchrieb ber Kronprinj feiner Ulutter, unb Cuife fchrieb ber Schmefter Cherefe nach 
Regensburg: „Du fannft faum glauben, mie glücflich ich hin. Der prinj ift außerorbentlich 
gut unb grabe, er ift erftaunenb maljr. (Es bleibt mir nichts ju münfefjen übrig." 



II. Die Brautjeit 

IDährenb ber Frühling bes 3 a h re s l"9 3 « bas in ben Büchern ber IDeltgefcbichte mit 
fo blutigen Cettem perjeichnet ift, bie Canbe am Rhein mit neuem cßrün fcbmücfte, entfaltete 
ftch an ben Ufern bes beutfehen Stromes ein anmutiges Ciebesibyll: bie Brautjeit bes Krön«« 
prinjen Fricbricb IDilhelm unb ber prinjeffin Cuife. 

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Perlobnng nrtb 53rautjeit 




©leid? am (Tage nadj ber 2lbreife 6er prittjcffinnen, am 22. ITUrj, Ratten auch 6er 
König unö 6er Kronprinj an 6er Spife 6er preujjifdjen ©arbc ^ranffurt perlaffcn, $ur 
Belagerung non BTatitj, bas im ©ftober (792 auf fdjmätjlidje iüeife öen .franjofen in 
6ie fjänbe gefallen u>ar. Sie »anbten ftdj junädjft über 6en ITTain rljeinaufwärts, troburdj 
6er Kronprinj »illfommene ©elegenfjeit ertjielt, 6ie Braut in Dannftabt ju befudjen (2^. 2Tlärj), 
6ann über 6en Blaut jurürf un6 überfd) ritten 6en Kljein metjr abwärts, um rafdj 6ie 
©infdjliejjung pon BTainj auf 6er wefllidjen Seite ju pollenben. IDäljrenb 6er König 
»etter nach tDeften porrüefte, ging 6er Kronprinj über IDi es haben, r>on wo trrir feinen 
erften Brief an prinjefftu Cuife Ijaben, un6 ©ber*3tt9elljeim nach ©untersblum, füblicfj 
pon ©ppenljeim, »o er für 6ie nädjften IDodjen Quartier ttaljm, um als ©eneralmajor 
un6 Kommanbcut 6er Hcfcrue unter Kalcfreutljs ©berbefcljl an 6er Belagerung pon 2Ttaittj 
teiljuneljmcn. <Es »ar tfjm nidjt befdjicbcti, ftdj 6abei befonbers ausjujeidjnen. 2Tlan weif, 
»as 6er ^rctljcrr pom Stein pon 6er „jentnerfdj»eren Cangeweile" geflagt fjat, 6ie er im 
Kriegslager por 2Hainj laftenb fanb. Kronprinj Jriebridj IDilljcIm »ar nicht frei öauon. 
3!jm fehlte oljncljin bie frifd) jugreifenbe Catfraft, 6ie ben prinjen €ouis jfcrbinanb unb, 
»ie es fd^int, auch feinen eigenen Bruber prinj Couis befeelte; jetjt pollenbs »ar er faum 
noc^ mit falbem tjerjen bei bem Kriege, ber nie redjt feinen Beifall gehabt Ijattc unb 
bem er ein möglidjft rafdjes (£nbc fefjttlicfj »ünfdjte. 2TTodjten bodj, fo meinte er, bie 
.franjofen ju ftaufe tun, was ifjnen beliebte, wenn fte nur nidjt nadj Deutfdjlanb fämen. 
„3dj befdjäftige midj nur mit 3fy ,Kn <“ fdjreibt er einmal ber Braut, freimütig, aber 
unfolbatifdj, „alles 2lnbere ift ntir gleid^iltig unb langweilig." €r fefjnt fidj nur naefj 
Barmftabt, um »ieber „freunblidje ©eftdjter" um fidj ju feljen. (Er freut fidj, feiner 
Biutter, feinen Sdjweftem t frieberife unb „2Tiimi", ber Ijcrjogtn pon Ljorf unb ber 
prinjeffm ron ffirattien, pon feinem ©lücf unb pon feiner Ciebc fdjreiben ju fönneti. 
(Er fpielt bie Cänje, bie er mit Cuife getanjt bat; er jeidjnet ifjr bie perfdjiebenen Solbaten« 
typen bes preufjifdjen feeres, — benn audj feine fdjwadjen Kunftneigungen fleiben fidj in 
militärifdje formen: wenn er jeidjnet, »erben es Solbaten, unö pon ber 21Tuftf liebt er 
nur bie 2Tlilitärmärfdjc — unb faft alle Cage eilen Boten über bie pon ben Belagerern 
bei ©insfjeim gefdjlagene Xfjeinbrücfe, um bie Briefe ber Ciebenben jwifdjen Dannftabt 
unb ©untersblum fjin* unb Ijcrjutragctt. 

Caufdjen wir einen 2lugenblicf bem ©eplauber biefer erften (Tage. 

Der Kronprinjt „Ijaben Sie fdjon an 3l? r Bilb gebadjf? IDenn es nur äljnlidj roirb 
unb nidjt eine Karifatur 3l?res reijenben ©eftdjtdjens. 2Ttadjcn Sie, 6a ft idj nidjt ju lange 
barauf ju »arten braudje." 



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PcTlobung unb Srauljrit 



Die prinjeffin: „St e fragen, ob idj (Aon an bas Bilb gebad)t fjabc? IDie fJnnen 
Sie baran jtoeifcln. 3d) ijabe 3h nfn pcrfprodjen, cs fo fdjncll als möglid) madjen $u 
Iaffcn, unb idj bin ein HTäbchen pon IDort. Der ZTCann, ber micf) malt, giebt ftd) bie 
gräßte ITtülje, idj fjabe ifjni fdjon brci ITlal gefeffcn, unb er fjat nur crf» bie ©rdße ber 
Kugen gemalt (bie jicmlich flein ftnb, tote Sie toiffeit), ben Umriß ber Hafe unb bcs 
ITTunbes, unb porläufig fiel)! mir bas no d) gamidjt äljnlidi. Das Bilb ifl fo groß, u>ie 
Sie es mir an meiner fjanb gejeigt haben, id; Ijabc itjrn gefagt, mich ljöd)ft ein fad) ju 
malen, nid)ts auf bent Kopf unb weiß geflcibet; id) rneiß, baß Sic bas «Einfache lieben, 
unb l)abe geglaubt 3fytoit <ßefd)macf }u treffen. Bitte, fagen Sie mir, wenn Sie es anbers 
l)aben trollen. Dergeffen Sie aber, bitte, aud) nid)t mir 3^ c Bilb 511 geben. «Es fdieint 
mir am beften, toic Sic meinten, bas Bilb pon Sdiröbcr copiren 5U laffen, benn id) glaube 
nid)t, baf Sic einen ITlmiaturenmaler bei ber Krmec fjaben." 

Der Kroitprittj: ,,3d) beipunbere 3^ rc ©ebutb unb bin 3^" on Blilltoncn UTal ju 
Danf rerpflid)tet. IDenn nur bei biefen tjäuftgen Sißungen ein Bilb ju Stanbe fommt, 
bas 3ljncn einigermaßen äfjrtlidi ftef)t; benn baf es 3*? nen 9 an 3 öljnlid) trirb, baran per« 
jtpeifele id). 3*? rc <5^9* f*nb 3 U f e * n unb 3 U Ijflbfif), als baf ein DTaler fte je treffen unb 
bie Sanftmutf) unb Knmutl) roiebergeben fännte, bie Sic fo reyenb machen. 3«*? trerbc 
an ben ITlaler Scbröber fdjreiben, baf er bas „Sd)laraffengcftd)t" copirt, bas Sie ju fjaben 
trünfdien. Uebrigens bin id) gattj bamit jufrieben, roie Sie ftd) malen laffen, unb ein 
f)übfd)cs JTläbd)en tpie Sie, ift in einem einfachen Koftüm oljne Sdjntucf nur nod; l)übfd;er." 

Die prinjeffin: „Kber nidjt tpafjr, lieber prinj, Sie fagen mir nid)ts nteljr über 
meine ^üge, ob fte fein ftnb ober grob. Sie tjaben mir nie fo elegante Xebensartcn 
gemacht, unb id) bin ntd)t baran getpöljnt, baß Sie mir fd)meid)cln. Sagen Sie mir lieber, 
baß Sic mid) lieben unb baß Sic mein guter ,frcunb ftnb, bas fdjäße id) piel t)äfjer." 

Sdjlidjt unb fjerjlidi tpic biefe IDorte ift bet gan5c Briefipecbfcl bes Brautpaares, 
ben bie Iiebepolle pietät ^riebrid) IDilfjelms ber Itadjipclt crljalten bat; fd)mucflofe fleine 
Briefblätter, meift nod) in iljren Umfd)lägcn, bebeeft mit engen feilen > beibe fjanbfd) riften 
jugenblid), bie feinige fd)on ettpas enhpicfcltcr, fräftiger; bie irrige tpeiblid) unb flüdjtig, 
mit häufigen Unterftrcidmngcn. Die Brieffprad)c, faft immer franj5|ifd), ifl farblos aber 
faft forreft unter ^riebridj IDilfjelms Jeher; f)äd)ft inforreft im Kusbrucfe unb in ber 
Hcchtfdireibung bei luife, aber lebenbig unb anfdjaulid), befonbers tpenn bas Jran5äfifd)c 
pom Deutfdjen unterbrochen ober abgclöft tpirb. pünftlid)er unb fleißiger als Brieffdireiber 
ift Jriebrid) IDilf)elm, in ben Briefen an bie Braut allein fann er ja ausftrömen laffen, 
tras an ©efüfjlcn unb «Empfinbungen in if)m lebt; luife, pon fo piel liebe unb Ccilnal)me 



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Pcrlobuna tm& ^rautjeit 




umgeben, ift läfftger, unb menn fte fdjreibt, fommt ftc oft nidjt über bic jmeite ober britte 
Seite hinaus, fo baß bet Kronprinj toobl einmal über bie Pater <Unfcr» Kür je itjrcr Briefe 
fpottet. Diefe abbredjenbe Kürje ju entfchulbigen, erfinbet ißte pbantafte unerfctjöpflii) 
immer neue ©rürtbc; aber mie hätte er barüber $ümen f brüten, ba ftc über biefe mie übet 
anbere eigene Sijtnädjen felbft fo anmutig ju fdjerjett metß! 

IPalyrlyaftigfeit ift ber gemeinfame ©runbjug biefer Briefe; nicht rrollftänbig — mir 
roerben es nodj (eben — , aber fdjarf unb treu fpiegcln fie bas innere lüefert ber Sdjreibenben 
mieber: ben Kronprinjen in feiner fdjlidjten, nüchternen Creuherjigfeit unb Bieberfeit, Cuife 
in ihrem reichen 3'tnenlcbcn, in ber auf cmjlem ©runbe ermachfenen gefunben Cebensfreube, 
in ber fonnigen Jröhüchfeit ifjres ©entüts; bei Cuife baneben eine ftarfe unb innige 
Kcligiofität, bei ^riebricb H>ili)elm auch has ^objonjoUerttfcbc Pflichtgefühl. Unmöglich 
märe es, in biefen I)unberton con Briefen eine erfünftclte ©mppnbung, einen erflügelten 
©ebanfen 3U ftnben. Keine Schmärmerei, feine ©efüljbfeligfcit, feine Ueberfchmenglichfeit, 
mie fte ber noch entfprochen hätte uitb txrie fie in bem Briefmechfcl bes hefftfeh mecflen* 
burgifchen ^amilienfreifes fotift fo picl begegnet; feine Ccibenfchaft: fanfte beutfehe Ciebe. 

Das größere ITIaf ber Heiguttg, barüber laffen bie Briefe feinen 'ft, befonbers 

anfangs, auf Seiten bes Kronprinjen. 3 n f c ' n 1,0,1 °nberen ©mpftnbungen nicht bemegtes 
Seelenleben ift bic Ciebe ftegreich eingebrungen unb hat fein 3 ,u,oros in öeftfe genommen; 
fein glücflofes Dafein fehmüeft fte perfchmenberifch mit reicher ©lücfcsfülle. <£r lebt nur in 
feiner jungen Ciebe, fein ©efüßl, fein ©ebanfe, bie nicht t>on ihr beherrfcht ober rerbrängt 
mürben. Selbft ben Perlauf bes Krieges fteht er oft genug nur unter biefem ©cftchtspunfl: 
ob bie «Erfüllung feines heifeften IDunfchcs — bie Pereinigung mit ber ©eliebten — perjögert 
ober befchleunigt mirb; fein ZDort an bie Braut perrät, baß er eine ©mppnbung hätte für bic 
meltgefchichtliche ©rößc unb Bebeututtg bes Kampfes, an bem teiljunehmen ihm rergönnt ift. 

Cuifens Briefe ftnb mehr h«*äli<h <Us jdrtUdj , mehr liebensmürbig als geiftooll: ber 
Kusbrucf eines pon Ijollent Perftanbe abgeflärten ©ntpfinbungslcbens. „Klein Kopf läuft 
nicht mit meinem I^crjcn ba oott," h°t fte felbft einmal gefchrieben. „3<h h°he feine llrfache 
gehabt, Hein $u fagen," fo teilte fte bem Pater am 20. IHärj bes prinjen IPerbung mit; 
„hoch, befter Pater, 3h r * Kntmort mirb auch hie meinige fein". Unb mie fühl lautet hoch 
felbft in ber pertraulichen Ha<hfcf)rift bes erften Briefes an ben Kronprinjen ber Kusbrucf 
ihrer Heigung: „Sie ftnb mir nicht gleichgültig, Sie fennen meine ©cfüljle für Sie, 
ich alfo nicht nöthig, ju mieberholen, baß ich 3h ncn wdft herjltcb gut bin." 

Kein bjaud) ber Sehnfucht in ihren Briefen, ber ber Pemtählungsjeü entgegeneilte. XDic 
fte felbft frei ift pon leibenfchaftlichem Perlangen, fo freut fte fiefj ebenfo feßr, bie Kchtung 

st 



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Dertoinng unb Srautjeit 




bes Kronprinjen 511 hefigen als feine Ciebe. 3fjte Seigung ift nur erfl pertrauenspolles 
;freunbfcf)aftsgefühl, auf beffen ©runbe bräutliche Ciebe langfam emportpächft. Sie ift glücflich, 
aber iljr ©lücfsgefühl ijat feinen Quell bod} tpcniger in bet Kraft ifjrer Ciebe, als in ber 
feftcn au f bie ein ftilles ^ufunftsglücf perbürgcnbe fcfilichte (Treue bes Kronprinjcn. 

Cuife ift glücflich unb bräutliche ^trüben fchmücfcn unb füllen auch ifjr Ceben. Sie 
fchicft bcm Kronprinjen Briefe unb legt fruchte bei, „bantit bie Briefe einen guten ©cfchmacf 
befommen;* fie fticft Börfcn unb fenbet Stammbudjperfe. Sie fucht Brautfleiber aus für 
bie Derlobungsfeier, bie burtb bas Kusbleiben ber Singe perjbgert tpirb. ITtit regfter Ceil» 
nähme folgt fte bcn IDcchfelfällen bes Krieges; fie freut fid; febes (Erfolges „unfern", ber 
prcujjifdyen IDaffen unb jupft mit ber Schtpefter unb ihren Damen fleifig Scharpie für bie 
Dcnpunbeten. Sic ift glücflich, toie eilte ftebjeljnjäljrige Braut es nur fein fann, unb um 
ifjr übermütiges unb überpolles fjerj einmal ju erleichtern, beginnt fte einen Brief an ben 
Kronprinjen mit beit IDorten: „(Brüne, grüne peterfilie unb Krautfalat". 

Cuifens järtliefies ßerj hätte bas bräutliche ©iücf nur unpollfommen genoffen, hält« 
nicht ber ganje Kreis ihrer Familie baran teilnehmen fönnen. Schon am 27. Hlärj tpar ber 
Dater mit feinen Söhnen aus fylbburghaufen eingetroffen; mit ben IDorten: 3<h gratuliere 
Dir, liebe Cuife, begrüßte er bie (Tochter. ZDenige (Tage fpäter fam auch Schmefter <Tl)arlotte 
mit ihrem ©ernaf)!, fierjog Kbolf, aus ßilbburghaufen, unb abermals nach einigen (Tagen, 
am ff. Kpril, Schmefter (Therefe, bie prinjefftn pon (Thunt unb (Taris, mit ©rbprinj Karl 
Hlcpanbcr aus Segensburg. So traren, nach jahrelanger (Trennung, alle fccf)s ©efchroifter 
um ben Pater mieber pereinigt unb füllten bas ftillc Darmftabt mit lärmenbem ©lücf. 

Die h&hfte ^reube aber herrfhte hoch immer erft bann, tpenn Kronprinj rieb rief) 
IDilhelnt bie Braut befuchcn fam, unb er fam oft mit feinem tjunbe Sultan auf ber 
©insbeimer Brücfe über ben Sljcin herüber geritten, in Begleitung feines Kbjutanten, bes 
Blajors pon Schacf, ber immer bie ©rofmutter befcf)äftigen muffe, bie fonft gern felbft ben 
Kronprinjen in Knfpruch nahm unb ju Cuifens Derbrug pfüchtfchulbig unterhalten ju 
müffen glaubte. 3 u belrufe unb fröhlicher Sang fchallten bann burch bie Säume bes alten 
©eorgfcfjcn palais am Slarfte. IDie felig fühlte fich t)' cr her Kronprinj neben feiner Cuife, 
bie ihn mit einem „treuherjigen fjänbebruef" unb mit einem „Kügcfien in ©bren" empfing, 
bei bem jtpanglos heiteren Derfebr in biefem Kreife lieber 2tTenfcf)en, unter benen er halb 
ganj ftch heimifch fanb. Die jurücfhaltenbc Scheu feines Siefens fchmolj por ber getoinnenben 
Ciebensmürbigfeit biefer Schmeftern , unb bie jungen fjorjen erfchloffen fich- So inenig er 
felbft ©tifette unb Komplimente liebte, fo tpenig hotte er fich bapon frei ju machen gewagt. 
3etst löfte Cuife mit leichten Ringern biefc ^effeln, unb bie „Altesse“ unb „fjoheit" 

s? 





Dtrlobung unb Brautjett 






perfdjwanbert in bem filbcrf)ellen Cadjen ber Sdjweftcm. „BZ ein Heber ^ri^e" ijief es halb 
hier, „Cuifdj" unb „Cupafec" unb „Jräulein liufdj" ba, unb Sdjweftcr ^rieberife „3fa". 
llnb Ktonprinj ^riebridj IDilijcIm freute ftch unb jubelte unb trat glücflidj mit ben 
©lücflidjcn, unb ftc fpielten iljm ben (goUemmarfd) unb tanjten mit ihm ben Ciebliitgswaljcr 
„IDenn's immer, wenn’s immer fo mär", unb fangen mit itjm „Hnfre Kaße hat ftcben3ungc". 

3njwifdjen waren bie Vorbereitungen für bic Verlobungsfeier bes Kronprinjen mit 
Cuife, bes privat Couis mit riebe rife pollenbet. Hljein auf, Hinein ab ftrömte bie Der« 
wanbtfdjaft ber tjeffen unb bet Ceininger Ijerbei, bie ITaffaus unb bie Babcner, bie (Erbadjs 
unb bie Scufj, unb befonbers wiUfomtncn bie „belle et angelique princesse palatine“, 
(Tante Kugufte pon bet p>falj mit ihrem ©emahl ZITaj 3°f c Ph pon ^weibrüefen unb ihrem 
Soljne, Detter Couis, bem fpäteren König Cubipig I. pon Bayern, ber, wie erjäfjlt wirb, 
noch in fjoljen 3 a h ren f»<h biefer ^eftlidjfeiten gern erinnerte. Zille paläfie ber fleinen 
Scftbenj unb auch ber ©aftljof „3ur (Traube" waren überfüllt. Km 2$. Kpril, bem Ver- 
lobungstagc, fam mit großem unb glänjenbem ©efolgc König ,friebrich IDUljelm II. 3 m 
©eorgfeben Palais würbe bie Verlobung gefeiert: ber König felbft ftccftc ben Bräuten bie 
Singe an bic Ringer unb legte bie fjänbe ber Brautpaare ineinanber. Der Kronprinj 
fdjien babei ein anberer geworben: fein perwanbeltes IDefen fiel auf. „Du mürbeft Dich 
wunbem," fdjrieb STarquis Cucdicftni feiner ^rau, „wenn I)u feben fönnteft, wie ungewöhnlich 
perliebt ber Kronprinj ift, wie er ju gefallen fuebt unb wie liebeitswürbig er ftd; besljalb giebt." 

Zlacf) ber Kbreife ber ©äftc — aud) bie älteren Schwcftcm feljrten nad) fjilöburg 
häufen unb Segensburg jurücf — würbe es wieber ftill im füllen Dannftabt, recht „öbe", 
wie Cuife perfichert, bie fidj mit Jricberifc burch ©cplaubcr über bas ©lücf ber perfloffenen 
^efttage tröftetc. Such bie Bcfucbc bes Kronprinjen würben allmählid) feltener, befonbers 
feitbem er um bie UZittc ZTTai fein Quartier pon ©unlcrsblum nach Bobenbcim hotte perlegen 
müffen. Dafür gab es nun einen ^efttag neuer Krt. Km 28. Slai, auf ©inlabung bes 
Königs, burften Cuife unb Jriebcrife ben prinjen im Jclblager einen Befud; abftatten. 
„Sorgen Sie ja bafür," fdjrieb Cuife porfjer bem Kronprinjen, „bajj idj feine Klage über 
Sic h^rc, fonft werbe idj garnidjt thun als ob idj Sie fenne." 

3n einem Schreiben an Sdjweflcr (Tljerefc hat Jrieberife biefen Cagerbefudj gcfdjilbcrt — 
einen cntjücfenben (Tag, wie fte fdjreibt, troß Segen unb Ijagel. „©egen Slittag fanten 
wir in Bobcnheim an unb fliegen beim Kronprinjen ab, wo fidj audj mein „Partner" 
fürs Ceben einfanb. TZadj ber parabe famen piele ©fftjiere ju uns. Um ein Uhr lieg 
ber König uns rufen, unb wir erfdjienen auf Bcfeljl bes fjerm, jwar nicht ohne Kengftlidj* 
feiten . . . Der König empfing uns am fjofthore; ber ganje Ijof war poll pon (Dffijiercn. 

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Dann würbe ju Htitiag gefpeift uni fetjr lange getäfelt, unb obgleich wir im untertf)änigf!en 
Hefpeet mären, fo war bie übrige ©efellfcbaft bod} feljr luftig. £uife unb tri) waren cs 
weniger, wir waren wie auf bem 2frmefünberfri)emel, benn aller Hugen warteten auf uns!" 
3br fiel babei ber burtftbringenbe Blicf bes „liebeitswürbigen" prinjen £ouis Jcrbinaitb 
befonbers auf; at)ntc fie, baf er einmal in itjr £eben eingreifen werbe? ©egen 21benb 
befurijtcn bie prinjefftnnen nori) ben fjerjog non fDeimar in feinem Seit, ber fte mit Cee 
unb Cifören bewirtete, fjier f?at, wie befannt, ©oetl)e bie prinjefftnnen gefehen: fte famen 
iljm cor wie „l)immlifri)e ©rfdjeinungen im Mriegsgetümmel". 

Sei bem Sefurije in Sobentjeim würbe auri) bereits bet fjofftaat bes fünftigen fron» 
prinjliri)cn paares befprori)en. Die ©bcrljofmeifierin beftimmte ber König felbft: er wählte 
bie alte Jrcunbin feines Paters, bie eben perwitwete ^rau non Pop, bereu Harne mit bem 
Hnbenfen an Königin £uife für immer nerbunben ift; trof ihrer 6$ 3 a h re bamals eine 
nori) fd)önc ^rau, weltgewanbt unb warmhcrjig, if)rer jungen ©ebieterin halb mit einer 
bis jur ©iferfurijt Icibenfrijaftlirijen Ciebe ergeben. Per Kronprinj fjielt fie für plauberf)aft. 
£uife freute ftri), baf fte beiter fei, unb meinte: „irij hoffe, man wirb an unferem fjofe mehr 
lachen als weinen". Hori) jufriebener war fte mit ber ©mennung bes Jräulein fjenriette 
pon Picrecf jur erften fjofbame, beren ©eift unb fjerj ber Kronprinj befonbers frijätjte. 
fjenriette non Piercri, bie am Berliner fjofe bis weit in bas notige 3 a h r h u, 't | e r t hinein 
eine Holle gefpielt fjat, war mit ber älteften (Eorijter bes Königs, jfricberife, bei beren Per» 
mäljlung mit bem fjerjog non IJorf nari) ©nglattb gegangen; nari) if)rer Hücffefjr f)otte 
fie firi) an ben Kronprinjen gewanbt unb it)m if)rc jweite Srijwefter Poris jur fjofbame 
empfohlen. Per Kronprinj jog fjenriette vor, lief firi) aber frijliefliri) beibe gefallen, 
fjenriette unb Poris waren nirijt jung, nicht hübfri); bie ältere aber flug, währenb bie 
fjannloftgfcit ber jüngeren bem fjofe oft genug ju Hecfereien biente. Cuife baute feljr auf 
fjenriette, an beren IPeltfcnntnis fte fpäter in Berlin eine Stufe ju finben hoffte unb in 
ber (Cat, in ben emfteften (Tagen iljrer ©he, einige BTonate nari) ber Pennählung, bol P* 
nid)t nergebens auf bie Klugheit ihrer erften fjofbame gerechnet. Kammerherr folltc fjerr 
non Srijilben werben, ber bisher bei prinj ^erbinanb bie gleirije Stellung befleibet hotte 
unb als ©berljofmeifter nori) ein fjolbes 3 a h c h un ^ r l bem preufifrijen fjofe angehört hot; 
fjofmarfri)all, fjerr non ZTtaffow, früher Zfiajor im Hegiment bes Kronprinjen. ©r leitete 
fri)on jeft, unterftüft non bem ©rafen Brühl, mit ©efehief unb ©ifer bie €inriri)tungen 
für bie fünftige fjofholtung bes jungen paares. 3um erften fronprinjliri)en Kammerbicner, 
ber jugleiri) bie Heineren Hcri)nungen unb ben unwichtigeren Sricfwcchfcl ber Kronprinjefftn 
beforgen follte, würbe Peter Montane beftimmt, Cheobor Montanes ©rofnater. 

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Perlobtimi unb &rautjett 




Der Befucb in Bobenheim, befonbers bie Unterhaltungen über Öre fünftige ffäuslicbfeit, 
haben in £uifc, wie es fdieint, einen übenqueUenben Keidjtum an ©Iüdsgcfül)! unb fröhlich* 
feit ausgelöft. 3ft fte anfangs, wie wir fahen, in ihren Briefen meift jurücfbaltenb, fpäter 
beeinflußt burch ben brohenben Ubfcbieb pott Barmftabt unb ben Sieben in unb um Barm- 
ftabt, unb juglcid) wie beflommen burch bie Kusftdii auf bic frembe Berliner UMt: nie ift 
fie in ihren Briefen heiterer unb fdyalfhafter gewefen als im 3uni 1~93. So fdjreibt fie 
am 7. 3uni: „Bie fruchte, hoffe ich, werben balb reif fein; ich wenigftens, wenn ich eine 
Kirf che wäre, würbe in einem (Tage reifen, meine IDangen fmb fdion gang feuerfarben . . . 
3d) f ffe eben beim Schreiben fJftlicbc Klöße, mit Brot unb Butter; wenn ©roßmanta bas 
bei <Dfd)e merft, fo wirb £uife, obgleich fte eine Braut ift, einen tüchtigen IDifdicr friegen . . . 
papas Säufer ift an ber Cl)ür unb quält mich 5 U fdjließen. IDas foll idi tbun. Königliche 
ijot)eit? 3ft es nicht bas Befte jeßt ju fdjließen, um ju ttifd) fertig ju fein, ben Cäufer 
unb bie Sehnfucht meines lieben ^reunbes jufricben gu fieUen , ber mich gern nod) heu<* 
lefen will? ©s ift alfo bie budyftäblidie IDahrljett: idj fdi ließe meinen Brief, um 3h"en 
Ucrgnügcn ju machen." Unb wenige Cage fpäter über basfelbe Chema, in bem üjr eigenen 
föftlichen ©etnifd) oon Bcutfcf) unb ^tanjöftfdi : „Tout en mangeant des Kirfdien bien 
fehmarj unb bonnes, je prends la plume pour vous dire que j’ai parfaitement bien 
gcfd)Iaffen, que je mangc depuis ficbcn weniger un quart des cerises delicieuses noircs 
comme un tjut et que je souhaiterais pour qu’elles me paraissent tout ä fait dölicieuses, 
la presence d'un certain Monsieur de votre connaissance.“ ©in anbcrmal fdjreibt fte, 
fie lege ihrem Briefe Kirfdjen unb ©rbbeeren bei, um ihnen einen gewiffen haut goüt 
gu geben, unb unterzeichnet ftdj als bie „trös humble et tres obdissante, soumise devouöe, 
attachöe, affectionnöe servante Louise, princessc de Meclclenbourg, non bem hodiablidien 
Ijaus . . Unb am leßtcn 3 un L einem Sonntag, mit einem Unflug bcs pon ber ©roß» 
mutter erworbenen pfäljer Bialeftes: ,,3d) tf)u« nichts als fingen unb tanjen, fobaß alle 
UMt glaubt, baß mir bie tjiße ein wenig jugefeßt . . . 3d) werbe fo glücflidi fein, 
wenn id) Sie wieberfehe, baß ich, glaube id), im Stanbe bin wie fjerobes' ©öditerlein ein 
Solo por ber ganzen Krmee ju langen nadi ber Utelobie: lücnn’s immer, wenn’s immer 
fo wär ... Bic alten Schadeten, nämlich bie IBägen fahren por, bie alten metallenen 
Klocten läuten, unb id), id) h^e feine £uft in bie Kirche ju gehen, ©ott pergeihe mir’s. 
Ubieu, Altessc royale de mon cceur . . . 3<h muß fort in Kird) gehn, fonft fcf)Iägt mid) 
mey alle ©roßmäme.* 

ür bie wadifcnbe Craulidjfcit unb 3mtigfeit bcs Berfehrs jwifdien ^riebrid) UhUjelm 
unb £uifc, wie fte aus biefen unb anberen Briefen fpridit, gibt es noch ein befonberes 

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(Eafel 5 




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JJricf >cc prinjcffin Cuif« wm 27. lllärj i?93 ati iljrcii Der lobten, Kronprinj ^Jriet»rid| IDtlhclm, mit Kacbfcbrift t>on prinjeffin ^rieöcrife 





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kff r ~,rnog »s ffrrüs vn jciskät — xzt jt -lanrnea 

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Dtrlobmig nn> Brautjeit 



2Xn jeicficu : inbcm fic einander nähet rücfen unb ftdj auf hie Cebcnsgcmeinfchaft entrichten, 
beginnen fie auch, man fann fagen, einer an bem anberen ju crjiehen, pcrfuchen fic, einet 
ben anberen nach bem eigenen Silbe obeObcalc umjuformen. Kicfits ift babei cbarafleriflifcfjet 
unb bebeutungsuoller als bie Serfdjiebenljcil ber Sichtungen, in ber ftdb biefe Perfuche ber 
beiben bewegen: ein Stücf, unb ein wichtiges, ißrer ^ufunft ift barin befdjloffen. 

JTTan fennt rieb rieh IPilhelms nüdjtem = troefenes IDefen, feine ©rbnungsliebe, feine 
pebantcrie. (2s Tonnte nicht ausbleiben, baß er allmählich inne würbe, wie gcrabe bie 
entgegengefeßten (Eigenfchaßen im IDefen feiner reijenben Braut einen miß geringen piaß 
einnahmen. Unb nun begann ber Kampf gegen alle jene licbcnsmürbigen, juweilen gefäßr* 
liehen, weiblichen Schwächen: bie Porliebe für Häfcbereien, bas unregelmäßige ©ffeit jmifdjen 
ben KTahljcitcn, bie ltnpflnftlicfyfeit, bie forglofc Jrcube an Spiel unb Canj. Cuife nahm 
bie Ulahnungen unb IDamungcn gelaffen unb willig hi», perfprach lachcnb Befferuitg, 
erjählte prahlenb pon ben Schals unb (Tüchern, in bie fie ßij gegen Erfüllung wicfeln 
laffe — benn ihre ©efunbljeit war immer nur eine jarte — unb fuhr fort, ©bft unb 
Kuchen $u nafchen unb mit ben ©efehwißem herumjutanjen ober in ©nfcl ©eorgs ©arten 
herumjutollen , bis ber ©rßißung eine ©rfältung unb ber (Erfüllung ber „rhume de 
cerveau“ unausweichlich folgte. 3h tcr f c ' ts “ber griff fie bann, im IDefen bcs Kronprinjen, 
eine anbere Seite an. 

<2s ift fchon oben angebeutet, baß in ben Briefen an ben Kronprinjen Cuifens 3<h 
hoch nicht pollfommen jurn Kusbrucf gelangt. 3 n 'h r lebte ein angeborener Kufwärts-- 
brang, troß ober infolge ber nie wieber ausgeglichenen Klüngel ihrer (Erjichuug eine 
heiße Sehnfucht nach einem f^ötjeren Bilbungsleben; ihr reicher unb fcfiöner ©eift umfaßte 
Ilnlagen, bie in bräutlichem ©etänbel feine Befriebigung fanben: eine emporftrebenbe IDelt 
pon ©ebanfen unb ©efühlen, bie neben ^riebrich IDUhelm, wie er war unb blieb, pcrftummcn 
unb perfümmem mußte. 

©in fchöncs Zeugnis pon biefem IDefensjuge Cuifens liegt oor uns in einem an 
ihren prebiger unb Celjrcr Cichthammcr in Darmftabt gerichteten Briefe, gerabe aus jenen 
(Tagen, in benen ßc bem Kronprinjen nur bie ausgelaffeuften unb übermütigften Seiten ihres 
IDefens jeigte. Cichthammer hatte ihr UTenbelsfohns phaebon geliehen, unb ßc bat, ihr t>on 
^ranffurt bies Buch ju beforgen, bas ein wahrer Schaß für ihre Seele geworben fei. 
„Kleine Seele," fdjreibt ße, „wünfeht außcrorbcntlich ftcb ju bilben unb ßch nüßliche Kenntniffe 
ber Klenfchen, bes ©eißes ber rergangenen IDelfen ju fammcln . . . 3<h bcfdjäftige mich 
immer, aber was iß eine Klonatfdjrift, eine hübfehe Zeichnung ober eine fchine Sonate für 
ben ©eift? (Es jerßreuet ße woßl (bie Seele), aber es giebt ißt feine Kraft, benn fo gut 






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Derlotmng nnb Brautjeit 





wie her Körper nicht t>on anfdjauen unb anhören leben fann, ebenfo gut fann bie Seele 
feine Jortfdjritte machen, wenn fte feinen Stoff jum Denfen h 0 *-" 

Cuife tjat es oerfudjt, auf ben ©eift bes Kronprinjen in gleichem Sinne einjuunrfen. 
3hn, bet nicht aufhörte, über bie Langeweile bes einförmigen Cagerlebens ju f lagen, »er« 
forgte fte mit Büchern, Unterhaliungsleftüre leidjtejter unb gcmöhnlichftcr 21 rt, „Die leidige 
Cirolerin" etwa ober „(Dtto non Sdjwarjbutg", eine bamals eben crfdjienene ©eiftetgefdjidjte 
t>on ,finf, füt bie fie übrigens auch felbft f dt wärmte. 2 Wein, fte bemühte fictj bod» 3 un>eilen 
auch, fein 3 ntcrc ff c für ernftere Bücher 3 U treefen, für „Cobrus" 3 . 8 ., bas Craucrfpiel 
©ronegfs, beffen etwas tjausbaefene 27ToraI tfjr bie DoUfommcnljeit felbft erfdjien. Dafür 
aber war nun wicbet Jriebrich IDilljcIm nicht 3 U fjaben: fein £eben, meinte er — et lag 
bamals fdjon por Cattbau — , fei traurig genug, er brauche Weitere Ceftüre, unb ftatt „©obrus" 
las er „Sicgfrieb r>on Cinbenbcrg, eine fomifdje ®efcfjicf)te" unb „Der ©mpfinbfame, 
2liaurus panfra 5 ius 3'P r 'anus Kurt", „©in IHoberoman" non ©Ijr. ,fr. Cimme, ber als 
Satire gegen bie r>or einiger &cit „im Schwünge gewefene ©mpfinbelci" ihm befonbers 
gefiel. Die fleinc litcrarifche Dfcinungsperfdjiebenljeit crfcheint wie porbebeutenb für Cuifens 
©rfaljrungcn in ber <EIje: wie bamals, fo («heiterte fie fpäter, fo oft fte ben ©atten 3 U 
höherem unb ernfterem ©eifteslebcn emporjufüljrcn fudite. 

Der fjochfommer brachte bem Brautpaar wieber fcfjöne ©age. Um bie 2TIitte 
3uni war ber Kronprins mit swei ©arbebatailloncn t>on Bobenljeim naef) JTCarienbont 
marfchiert, wohin auch ber König fein fjauptquartier perlegtc. <£s würbe ©rnft mit ber 
Belagerung pon 2 T?ain 3 , bie burch 2Tlangel an fchwerem ©efdtüg bisher nicht porwärts 
gefommen war: bie Bcfdjiefung würbe heftiger unb wirffamer, Laufgräben würben eröffnet. 
21Tit Darmftabt aber war pon 2Tiarienborn aus ber Dcrfeljr leichter unb lebhafter als pon 
Bobenheim. 2Uan traf fiefj, nach „fujjfälligftem" Bitten bes Kronprinsen, auf hebern 
IDege in ©rojjgerau, machte jufammen einen 2lusflug nach Schloff Kranichftein, unb am 
8 . 3 u h burfte Cuife mit ber Schmefter abermals bie pri^cn im ^clblagcr befuchen. Balb 
barauf liebelten bie Prin 5 efftnnen mit ihrer ©^ieherin Fräulein poii ©flieu nach ber 
„Braunsharbt" über; ein Keines 2 TIanfarbcn 5 immer, pon bem aus man bie Bcfchiefmng 
pon 2 Uain 3 beobachten fonnte, umfdtlog Cuife unb ihr bräutliches ©lücf. 2lber wie war 
es „fo fühl" ba oben, unb „fo traulich unb gut", unb wie h*U erflang Cuifens Stimme, 
wenn ^räulein pon Bofe, ber ©rofjmutter fjofbame, ihr ©efangsunterricht erteilte, ^fleijjig 
ging fie auch >>n Sd)Iofjgarten fpa 5 ieren unb tranf pyrmonter Brunnen, eingebenf ber 
beforgten UTaljnungen bes Kronprinjen. • Hoch lieber fuhr Cuife fpa 3 ieren unb h'rit felbft 
bie ^ügel, um allmählich in ben IDeg nach ©rofsgerau ei^ulenfen, wo ber Kronprins 



V 



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rrrlobung unö Brautjrit 



erwartet merfteit fonnte. IBenn er bann fam, in feiner fdjlidjten IBeife, fegte man fid; 
crft ju einem „Jeftmaljl non Sdjmarjbrot mit frifcher Butter", bann ging es hinaus in 
ben ©arten, beffen Caubgänge bas Brautpaar befonbers liebte; unb alle maren glüdlid), 
unb bie Canbgräfin- (Tante, bie ftdj mit ber Derlobung längft ausgcföfjnt balle unb non 
Darmftabt ju Befud; fam, fagte: „ad;, es ift e gar ju ehrlicher IHann, ber gut Krottprinj, 
id; t;ab’ en gar ju lieb." Cuife fclbft aber fdirieb bem Kronprinjen, nod; unter bem frifdjen 
©inbrucfe eines folcben (Tages: „3d; liebe Sie nidjt allein mit meinem ganjen fjerjen, 
fonbem id; fdjäge Sie unb liebe Sie mit meiner ganjen Seele .... Sie glauben nidjt, wie 
glüdlid; id; mid; füfjle, menn Sie mir fagen, bag Sie ritidj lieben. Sie finb fo maljr, fo 
freimütijig, fo offenherjig, bag id; an 3^ren Pollen ©mft glaube, menn Sie mir bas fagen." 

2lud; ber ^all t>on Btainj, bas fid; am 23. 3uli enblid; ergab, bradjte in bem häufigen 
Pcrfefjre junächft faum eine Kenberung. Ber Kronprinj bcfai; ft d; bie eroberte Stabt, in 
beten Perfd;anjungen er nun froh ben preugenntarfd; fdylagen härte; er traf bort mit Cuife 
jufammen unb feijrte gcmeinfam mit iljr nad; ber Brauns^arbt jurücf. Bann, am Kbcnb 
bes 26. 3**Ii, mäljrenb Cuife unb ^riobcrife üjnt oon ilfren ^cnftern lange nadjfa^en unb 
nadjmitiften, brach ber prinj auf, um in befdjtoetlichcm Had;tmarfd;e bie porausgerüdten 
(Truppen in ber Pfalj ju erteidjcn. 

Cuife blieb in ber Braunsfyarbt jurüd. Sie mar befonbers traurig, bag fte ben 
3. Zluguft, ben ©eburtstag bes Kronprinjen, nidjt mit if;m feiern fonnte. Bun mugte fte 
fid; begnügen, iljm ihre fleinen ©efdjenfe jujufenben — einen tragbaren Sdjreibfefretär 
„ju pielen Briefen an fte" unb iljren eigenen nidjt benugten ZHalfaftcn — ; mertpoller 
ntodjte für ben Kronprinjen babei bie Derftdjerung fein, „bag einer iljrer Ijcifteften IBünfdje" 
fei, „iijn fo glüdlid) ju madjen als er perbiene unb ju inerben tjoffe." 3 a,c ' Tage fpdter 
fam er fclbft , um it;r ju banfen. ©in furjes glüeflidjes gufatnmenfein, unb unter bem 
©ittbrud ber fdjlidjten (Treue bes Kronprinjen, in hoffnungsfrohem Kusblid auf bie 3**funft 
fdjricb U;m Cuife: „3d; finbe immer meljr, bag mir portreff lid; ju einanber paffen, unb 
ich pcrfpredje mir eine redjt gfücflidje JSufurtft. 3a, mein tljeurer prinj, id; merbe ftd;cr 
glücflid; mit 3t? ncn » benn Sie ftnb gut." 

Bei biefer legten ^iifam mertf tauft mürbe, roie es fdjeint, ein platt perabrebet, bem 
^riebrid; IBilljelm unb Cuife nod; eine Heilje Ijerrlidjer (Tage perbanften. Bie liebe gute 
(Tante Kuguftc, bie „engelhafte" Pfaljprinjeffm, mürbe beftintmt, bas Brautpaar nad; 
B1annh«im einjulaben. €s traf ftd;, bag Jriebrid; IBilljelm felbft Cuife ron Barmftabt 
nach Blannheim begleiten fonnte, mo fte pom |0. Kugufi ab einige IBodjen perlebten, 
beren ©lüd nur burd; furje Kbmefen heilen bes prinjen bei ber Krmee unterbrochen mürbe. 




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Pie liebcnsroürbige prinjefftn Kuguftc hatte einen glänjertbett unb anregenben Kreis pon 
Peutfefjen unb (Emigranten um fleh gefammclt, unter ihnen auef) prinj Couis .ferbinanb, 
ber bort pon einer por JTiainj erhaltenen IPunbe geheilt »erben follte. <£r hotte ftdf ber 
Jrau pon Contabes julicbe — „fchön wie ein (Engel", nennt Cuife fte — auf einem 
Kbeinbootc na<h Ulannheim bringen laffen, aber es h'ff? balb, bajj er ber prinjeffin Itugufte 
»egen feine ffeilung perjögere. Kucfi König ^riebrich IDilhelm fam einmal ju Befuch unb 
freute ftcb feiner febönen jufünftigen Schwiegertochter, bie, roie Ularquis Cucchefmi beni 
Ktonprinjen rerficberte, bort feine (Eroberung pollenbete. 21n bem luftigen Pfäljer tjofe 
gab es immer Utufif unb (Theater, Spiel unb Canj, unb ber Kronprinj unb Cuife 
»aren bie ^röfjfictjftcn unter ben fröhlichen. Hlorgen, fijrcibt Cuife bamals, morgen 
»ollen »ir tanjen, trinfen, fingen, fpielen unb recht luftig fein „et je serai bie tolle Cuife, 
votre chöre petitc promisc“. 

<f nbe Kuguft trennte man ftcb: prinjefftn Cuife ging nach bem „lieben" Kuerbacb 
an ber Bergftrafjc, ber Kronprinj junächft ju feinen Cruppen nach ber Pfalj, bann burfte 
er noch einmal bie Braut betuchen; er burcfiftrciftc mit ihr bie »albigen Ijbhett, bie fteh 
über bem Kuerbadicr „f ürftenlager" fanft erheben, unb fie mögen beibe an ber Stelle 
geftanben haben, »o ein pon ber Canbgräfin gefegter Penfftein jefst an beren Schweftem, 
Cuifens UTuttcr unb Stiefmutter, erinnert. Dann ritt ber Kronprins — es »ar am 
5. September — nach (Ebenfoben, »o ihn balb ber Befehl bes Königs erreichte, bas 
(Dberfommanbo über bas Belagerungsforps por Canbau 3 U übernehmen, »ährenb Cuife 
nach Darmftabt jurüeffehrte. (Erft nach BTonaten follten fte fich »ieberfelyen. 

Per bräutliche Sommer, ber bem Perlobungsfrühling gefolgt »ar, ift ju (£nbe: bas 
©lücf ber Brautjcit, in 3 u ü en &l u ft unb Unbefangenheit unter rheinifeber Sonne genoffen, 
ift ausgelebt; über ben fjerbft legt ftcb febon faft rote ein Schatten ber <Ernft ber nahen 
Permählung unb <£be- 

3m September hatte König friebricb IPilhelnt II., bepor er feine Cruppen perlieg, 
um bie neuen polnifchen (Erroerbungen ju beftchtigen, noch bie Beftimmung getroffen, bajj 
bie Poppelbocbjcit bes Kroitprinjen mit Cuife, bes prinjett Couis mit frieberifc im Pcjembcr 
in Berlin ftattfinbcti folle. (Erft pon Xaroitfcb aus, int ©ftober, erlaubte er bem Krott 
prinjen, fobalb bie ©arbe IPintcrquarticre bejiche, auch fetnerfeits bie Krntee ju perlaffen 
unb in Berlin an ben Porbereitungen für bie ftochjeit tciljuncbmcn. Per Kronprinj »ar 
batüber »enig erfreut. Seine Cage »ar por Canbau überhaupt nicht fo günftig »ie por 
Ulainj. (Es fehlte ihm $»ar »oljl an friegerifchent Catenbrang, boch feinesroegs an 
militärifcben ©igenfebaften ; et perftanb cs portrefflid), mit ben gemeinen Solbaten 

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Verlobung unb Vroutjf it 



untjugefjen, feeren fjingcbuitg unfe 21usbauer in feen fcfjmierigften Dcrljältniffen er bemunberte. 
©r märe felbft aus Pflichtgefühl noch ju einem brüten Jclbjuge bereit gemefen, fo roenig 
feer Krieg im IDeftcn feine Sympathie featte. 21 11 ein, feiefer enfelofc Jcftungsfriegl Die 
Belagerung t>on fattfeau fdjleppte fidj unter fleinen SAarmü^eln ergebnislos bin ; feie 
2lufforfeerung $ur Sehergabe blieb ebenfo mirfungslos mie feas Sombarbement. Die fjütte 
fees Kronprinzen lag in einer Senfung, feie itjn fein fcfjönes <j5elt in DTarienbom mit feer 
pradjtpollen 2Iusficht feljr permiffen lieg. Daju feas einförmige Blocfafeelcben, bei feem er 
oft nichts Bcffcrcs ju tun mufjto, als faft feie Ijälfte feer täglichen 2$ Stunfeen im Bette 
ju liegen. IDas iljn jefst aber befonfeers perbrofj, mar feie Verlegung feer fjodjseitsfeier nach 
Berlin, feem er Darmftafet bei mcitem porgejogen l?ätte. 3n feiner entfcfjiebenen 2fbneigung 
gegen alle raufdjenben Jcftlicfjf eiten, bei fecncn et felbft eine Solle fpielen follte, feadite er 
nur mit IDifeermillcn an feen ©injug in Berlin, an feie aditfpännigen ©Iasfutfdjen unfe 
pollcnfes an „feen Jacfeltanj unfe mas feaju gehört!" IDas ifen feabei ermutigte unfe erfjob, 
mar feie innige Ciebe ju feer fdjönen Braut, nach feer je£t bei monatelanger (Trennung fein 
fjerj meljr als je fidj feljnte, unfe feas fefte Vertrauen ju ifjrcr ftegljaftcn Ciebensmürfeigfeit. 
„Sie ftnfe gemacht," fdjrieb et feantals, „alle fjerjen $u geminnen." 

21udj in prinseffin Cuife trat je^t feer ilntergrunfe ihres IDefens, feer innere ©ruft 
meljr unfe meljr 5U (Tage, Jür fic befeeutete feie Vermählung feen 2lbfdjiefe pon feem fdjönen 
Canbe iljrer glüeflidjen 3 Ul 3 4, 'btage, bie Trennung pon allem, mas am Sljein fte mit fo 
mariner Ciebe umfangen Ijielt. Sie falj feer Seife nadj Berlin, mie ftdj perfteljt, nidjt oljnc 
freubige (Ermattung entgegen; aber rnenn fte nun mit Sdjrocfter Jricberife fearan ging, ifjre 
fleinen fjabfeligfeitcn zu muftem, ITtöbel, lUppfadjen unfe alle feie Kinbfjeitserinnerungen 
ausjufudjen, feie fte in feie ferne Stabt mitneljmcn molltcn, bann perftummtc auef) Cuifens 
fröljlicfjes Cadjen unfe leife (Tränen ftaljlen ftcfj über iljre IDangen. llnfe feintet feem 21bfdjieb 
pon feem lieben Darmftafet feroljte feunfel feer ©intritt in feie frentfee Berliner IDelt, pon feer 
man im Scidje feantals mie jc(jt fo Sdjrecflidjcs fidj suflüfterte, feajs eilte Heine prinzefftn 
moljl feanor bangen mochte. Cuife fal; fdjon aller Sagen prüfenfe auf ftcfj geriefjtct. „3<h 
arme Hopije," fdjricb fte feer Schmefter (Tfjerefe, „merfee mie ein Jabeltier in Berlin 
beobacfjtct roerfecn. 3 C *! fürdjte miefj reefjt por feiefen Beobachtern. IDenigc nur merfecn 
blofj mit itjren natürlichen 2(ugen eine Perfon beurteilen, feie feodj pon gan$em fjerjen 
natürlich ift . . . . Jafjrt fjin unfchulfeige Vergnügungen, 3 u ä er, b unfe Jröfjlidjfeit." Sie 
fühlte aber moljI, baß auch f 14 ber Uachficbt befeürfen föttne: „©in mettig llaAficfjt auf 
beifeen Seüen," fcijrcibt fte feeshalb feem Kronprinzen, „unfe 2lUes mirfe gut gehen, ich h a be 
meine Jefjler, Sie fennen mich nod? recht menig, feesljalb bitte ich Sie im poraus, lj^ 4 " 




Sic riel Zlachficht mit mir, perlangen Sic rtidjt ju piel oon mir, idj bin fcijr unpollfommen, 
fctjr jung, ictj fann mid) oft irren, aber tpir »erben bodj glücflicb fein." Unb ein auber« 
mal: „Sicher »irb es bort Domen auf meinem IDege geben, bebenfen Sie nur, wie jung 
id; bin unb rnic gering meine (Erfahrung ift, unb anfangs feine ^reunbin unb fpätcr, fürdjte 
id;, auch nicht." über rafd) fügt fie Ijinju: „Sie fmb ber Quell meines ©lücfes, mein 
järtlicb geliebter ^reunb, mein fferj fegnet Sie bafür, meine Seele liebt Sie bafür, ©ott 
wirb uns Betbe fegnen unb mir »erben glücflid) unb jufrieben fein." 2tTan fietjt, tuife 
überwanb 2Ibfd)iebsfdjmerj unb ©rofftabibangen mit ber Kraft ihres innigen ©ottesglaubens 
unb mit bem unerfdnittcrlidien Dertrauen 5 U bem ZTIanne, in beffen fjänbe fie ihre ^ufunft 
gegeben butte; es »ar basfelbe ©efübl nod>, in bem 5 uerft fie ben Bunb gefchlojfen fjatte, 
bas je$t ein unjerftbrbarer Teil ihres IDefens geworben »ar unb »orin ihre ©lücfs« 
gewifbeit »urjelte. 

Heben ber großen Cebensfrage ihrer (Jufunft forberten bodf aud) bie flcincn Tages« 
forgen ihren pla$. IDas gab es nid)t alles ju bebenfen für eine Brautreife r>om Kljein 
an bie Spree! König ^riebrid) IDilljelms U. ritterliche Domebmfyeit batte fd)on manche 
Sdjwierigfeiten b' ntpc ggcrauml ; er batte geftattet, bafj bie ZTTitgift ber prinjefftnnen 
— f5000 Caler — pon ihnen felbft für ihre Kusftattung perwanbt »erben fbnne; er 
batte Hafer unb ©rofhnuttcr unb audj ben B ruber ©eorg jur tjodijoit gelaben, ba bie 
prinjefftnnen ftdj fdjon ängfllid) gefragt butten, »er fie nach Berlin begleiten folle? Uber 
nun fam bie Sorge um ©rojjniutters alten Keifewagen, bem man bie lange Jabrt quer 
burdj Beutfdjlanb faum nodj jumuten fonnte; um bie Keifebegleitung — barf fie wohl ifjr 
bisheriges ©arberobcmäbdtcn mitnebmen? — um bie Scbinucffacben, unb por allem um 
bie Brautfleiber, beren Seibcnftoffc, längft in fyon beftellt, immer nod) pergeblicb er»artct 
»urben. üerbriejjlid) fragte »obl ber Kronprinj, ob »egen foldjer „Cappalien" bie fjodijeit 
perfdjoben »erben müffe. „ 21 ber gewifj," antwortet €uife, „»ir föitnten uns nicht bei fjofe 
feben (affen, »ir buben ja nid)ts, rein garnid)ts anjujicben." 

Bad) bem aud; bies fjinbemis glücflicb befeitigt, niftete man cmfttjuft 5 ur Berliner 
Keife, fuifc, ber ber Kbfcbicb fonft $u fd)»er gefallen »ärc, in ber füllen fjoffnung, halb 
einmal »ieber mit ihrem ©emabl in bas liebe Darmftabt 5 urücf 5 ufebren. ©egen ©nbe 
Hopember butte fie bie ,Jreube, nach langer Trennungsjeit ben Kronprinjcn bei fidj ju 
feben, ber erft furj rorber feine unterirbifche IPobnung por Canbau perlaffcn butte unb 
nun über Jranffurt nad) Berlin reifte. IDie immer nach foldjem ^ufammenfein, empfanb 
fuife mit boppelter Stürfe bas ©efübl, bas fie mit bem Kronprinjcn perbanb: „3eh per» 
fpredje mir ein pollfommenes ©lücf," fdjrcibt fte bem Kronprinjen gleich uud; beffen 

«* 



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Derlobung unb ^rantjeit 



Kbreifc, ,,nicgt ein romanhaftes ©lücf, aber fidjer werben wir fo glücflicg fein, wie swei 
©atten, bie fufj lieben, werben fännen ; " unb enblicg furj vor ber Kbreife in bem lebten 
Briefe, in bem fte in wenigen IDortcn bie ftärfften unb fegöngen ©efüfjle ihres 3nneren 
jufammenfagt, igre ^römmigfeit unb ihre DcrtraucnsooUe Ciebe: „Seit Sie jum legten ZTtale 
hier waren, habe idj oiel JTlutg gewonnen. Sicher wirb ©ott mir Kraft geben, mich führen 
unb mich n><gt »erlaffen. ZTTeine geigen ©ebetc werben ihn röhren unb meine frommen 
unb tugenbgaften ©runbfägc mich t>or bem Böfen bewahren. Seien Sie überzeugt, bag idj 
Sie liebe unb »erehre, bafj ich KUcs in ber IDelt thun werbe, 3h nen J u gefallen unb Sie 
glücPlich 5 U machen, Sein Sie mein Beiftanb unb mein Jreunb unb mein Saig." 

Bergleicht man btefen legten Brief mit bem erften, fo ennigt man bie £änge unb 
bie Bebeutung bes IDeges, ben Cuife unb ^riebrieg ZDilgclm feit bem UTärj jurücfgelegt 
haben. Bo<h ift es freilich ein Beben einanber, fein UKteinanber, noch hat bie innere Ber* 
fegiebengeit ihrer Haturen jwifegen ihnen trennenbe liefen gejogen, bie bas fröhliche ©lücf 
ber Brautjeit mit feinen Blumen bebeeft hat, bie aber im ©mft ber ©ge aueber geh öffnen 
werben. Uber barüber hinweg haben Jriebricg ZDilgtlm unb Cuife ihre f)änbe ineinanber 
gelegt, unb einig in gegenfeitigem liebenben Bcrtrauen, feft unb suoerfichtlich, fchreiten fie 
ihrer gufunft entgegen. 

Km 13. Bejember, bem jur Kbreife beftimmten (Tage, weefte ju früher Stunbe 
ber £ärm einer nahen ^euersbrunft bie Bewohner bes ©eorgfegen palais in Darmftabt. 
Bei bem Scheine ber flammen, um $ Uhr morgens, wäfjrenb bas nahe ©locfenfpiel ber 
Stabtfirche ben ©goeal „3<fus meine guoergegt" erflingen lieg, traten bie prinjefgnnen 
£uife unb ^ricberife mit Batet, ©rogmutter unb Bruber ©eorg bie Seife an. 

Die Brautfahrt, »on ber uns ein lagebuch bes jungen prinjen ©eorg berichtet, ging 
über Kfcgaffenburg unb IDürjburg nach (Thüringen, wo bie Heifenben in ©rfurt r>on 
bem Statthalter Dalberg unb in tDeimar Don fjerjog Karl Kuguft unb ©oetlje begrügt 
würben. Such Karl Kugufts ©emahlin, felbft eine helfen • barmgäbtifege prinjefftn, hat bie 
Bräute bort gefegen; ge fanb befonbers £uife „fegt hübfeh"; Jrieberife ,,»iel weniger", bie 
©rogmutter „graglte wie bie Sonne". Bon IDeimar aus erreichten ge über £eipjig unb Deffau 
enblich bie preugifche ©renje. ©s war eine Brautfahrt, wie ge Dcutfchlanb wohl noch 
faum gefegen. Bon Kfcgaffenburg bis £eipjig, wo ge beim Befucge bes (Theaters mit 
ZITugf unb fjänbeflatfcgcn empfangen unb bei ber Kbreife dom einer jaglreicgen ZTlenge 
begleitet würben, gatten jubelnbe UTenfcgenmaffen bie anmutigen Bräute umbrängt unb igre 
freubige (Teilnahme fo begeigert funbgegeben, bag ©eorg einmal fegreibt: „IDenn meine 
Scgweftern niegt fo vernünftig wären, fo gälte ignen bies wogl fcgmeicgeln fönnen." 3" 



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rVrlobimg uni) Srautjeit 



Potsbam, bas fie am 2|. Dcjembcr abenbs erreichten, empfing fic bet Donner ber Kanonen 
unb bas unaufhörliche Dipatrufcn ber uniformierten Sürgerfdjaft, bie ben IDagcn mit 
Jacfeln nach bem Schlöffe geleitete. „©in Zulauf pon Iflenfchen," fdjreibt ©eorg, „ber 
ungeheuer mar, alle ^enftor beleuchtet, ber ^ug naljm fein ©nbe, unb ein IDerfen mit 
Sträußen, bafj mir orbentlieh in Blumen babelen." Kn ber Kampe bes Schloff es, beffen 
lange Jenfterreih« ebenfalls in hellftem fidjlerglanj erftraljlle, begrüßten ber Kronprinj unb 
Prin$ €ouis ifjre Bräute unb führten fte in ben Klarmorfaal, wo ihnen bie ©ffyierc ber 
potsbamer ©amifon porgeftellt mürben, bann in ifjre ©emächer, in benen bereits bie neuen 
Ifofftautcn ihrer warteten. Unter frdtjlidjen Sdjerjen, fo berichtet bas ^ourierbudj bes £)of= 
marfctjallamtes, würbe bann pon ben Brautpaaren bas Souper eingenommen. 

Km nächften 3Taae erfolgte bet ©injug in Berlin, mit all ber pradjt unb in all bem 
©lansc, ber bei folgern Kniaß entfaltet 511 werben pflegt, unter begeiftertem ßSujubeln ber 
Bepölferung. Kn ber großen ©hrenpforte Unter ben Cinben, bort, wo jeßt bas Denfmal 
^riebrichs bes ©roßen fleht, (jielt ber IDagen mit ben prinjeffmuen , unb junge Kläbchen 
ber „beutfehen Kation ber Berliner Bepölferung", wie febon porfycr Knaben ber franjöftfdjen 
Kolonie, überreichten Blumen unb ©ebichte. hfier war es, wo bie Kronprinjeffin, gerührt 
unb Ijingeriffen, bie Sprecherin umarmte unb fügte. 

Die mächtige (Erregung biefer Stunbe, wie fic bas pertrauenspolle ^ujaudijcn unbe* 
fannter ITtenfchenmaffen unb bie in ^ufunftshoffnungen fchwellenbe Bewegung bes eigenen 
inneren bernorrief, hat noch lange in Cuife naebgejittert. ß5wci 3ahre fpäter fchrieb fte 
bem Bruber ©eorg bewegten fyrjens : „©rinnerfl Du Dich noch ber ,feier bes tätigen 
©ages, wie bange wohl mir bas fferj pochte, als ich b° n ©oren Berlins näher fam unb 
alle bie Jreuben unb <E h^enbe jeugun gen empfing, bie ich bajuntal noch nicht perbiente als 
bureb ben feften Dorfatj, alles Klägliche ju tun, meinen jufünftigen Klann recht fröhlich 
unb wo möglich ^lücflich su machen, unb baburch ben Beifall bes guten Dolfes ju per* 
bienen. 3 a - heftet t freunb, es war eine feierliche Stunbe für mich, hx ber ich Berlins 
(Einwohnerin warb." .... 

Km füblichen Schlofporialc, unfeni ber fangen Brücfe mit Schlüters Denfmal bes 
©rojjeit Kurfürften, empfingen bet Kronprinj unb prittj fouis ihre Bräute unb geleiteten 
fie jum König, ber fte feiner ©entaljlin, ber regierenben Königin, unb ber Königin-lüitwe 
fowie ben anberen prinjcfftnnen bes föniglicfjeit Kaufes porftellte. ©ine pon biefen, bes 
prinjeu ,ferbinanb ©od)tcr fuife, bie fpätere ^ürftin Kabjiwill, hat uns ben ©inbruef 
gefdjilbert, ben ber Knbücf ber heiben Bräute auf fic felbft unb tpohl auch au f anbere 
berporbrachte. „niemals," fdjreibt prinjeffm fuife, „niemals fah ich porher unb auch 



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Prrlobimg unb Srantjrit 




niemals nachher ein fo entjücfcnbes IDcfen, wie 6ic Kronprinjcfftn. Don regelmäßiger uni 
eMer Schönheit, perbanb fie mit bem roijenben Zlntliß einen Kusbrucf pon Sanftmut unb 
Befcheibcnljeit, ber iljr aller fersen gewann. 3l? te S<hwefter war aud; reijenb, anmutig, 
elegant, iljre Zirme waren bewunbemswert, itjrc Farbe fcljr fdjön; aber ifjre ®aren 

benen ihrer Sdjwefter niefjt 3U oergletdjen .... ^rieberife erfdiien ftdjeror unb gewanbter 
im Zluftreten unb in ber Unterhaltung, aber bie ZIeltere, fdjön in ifjrcr einfachen Sdyänheit, 
hatte eine fdjüchteme ITliene, bie ihren Scij noch erhöhte." 

21m IDeihnadjtsabenb, im IDeißen Saale bes f öuiglicfjen Sdjloffes, würbe bie Der» 
mählung Jricbricf) IDilhelms unb Cuifens burch ben ©berhofprebiger Sacf gefchloffen. 
Zldiim pon Zlrnint, ber als page bamals bie Braut fah, hat ben Zlnblicf nie pergeffen, 
„wie fte gefenften Ijauptcs im ©lanje ihrer Schönheit burch bie gebrängten Säle fdjritt." 
IDas mag Cuife felbft in biefem Zlugenblicfe empfunben haben, wo ihre 3ugenb hinter ihr 
nerfanf, eine neue UMt, ihre ffinftige IDelt ftcfj por ihr auftat? fjinter ihr gingen bie 
IDitme ^riebrichs bes ©roßen unb bie ©emahlin ^riebrich IDilhelms II. Dachte fie wohl 
bes unglücflichen ©heföi'flals btefer beiben preußifchen Königinnen, bas ihr eine IDamung 
ober eine Drohung bebeuten fonnte? Bei ber Derlobungsfeier, an jenem Frühlingstage 
in Darmflabt, hatte Cuife ftdj 00 n allen ©efchwiftem, pon ©nfeln unb (Tanten umgeben 
gefeljen, pon jenem ganjen Kreife, in beffen Cicbe fie aufgewadjfen war unb fid) glücflich 
gefühlt hatte. 3 c fct, ' n Berlin, war außer Pater, ©roßmutter unb Bruber ©eorg nur 
noch bes Paters älterer Bruber, ber regierenbe fjerjog Zlbolf ßriibrid] pon Ulecflenburg 
Streliß, „Dördjläudjting", anwefenb. Dafür fah fte im F a deltan$ bie Pertreter bes alt» 
preußifd)en Staatsmefcns an fid; porüberfdjreiten, bie ITlinifter bes ©roßen Königs, ben 
©rafen fjerßberg unb ©armer, unb ben Ulann, ber ein 3 a h r Jehnt lang bie politif ihres 
eigenen ©entahls leiten folltc, ben ©rafen fyiugwiß. 

©s war wie ein IDint bes Sdjicffals, ber in eine ^ufunft beutete, wo neben bem 
Familienleben, in bem Cuife bisher ein ruhiges ©lücf gefunben, audj bas Staatsleben fte 
in ben Kreis feiner pflichten h'neinjichen folltc. 



W 










Drittes Kapitel 

fironprinjeffin £utf« 

( 1794 — 179 ?) 

I. Krtttfefjc ^litterwodjen 

^[m erften £DeiI;nad)tstage bes 3al;rcs t “93 bejogen Kronprinj ^riebrid) IDilfyelm unb 
Kronprinjeffm Cuife, am (Tag« vorder vermählt, il;r beim im jc$igen fronprinjUd^n palais, 
Unter Öen Cinben, wo aud) König ^riebrid) ber ©rofje einen Ceil feinet Kronprinjenjeit 
verlebt bat. prinj Couis unb prinjeffin jrieberife, beren Dermäfjlung am 26. Dcjember 
gefeiert mürbe, erhielten bas nadj ber ©berwallftrafe $u anftofenbe palais, bas mit bem 
fronprinjlidjen burd; einen Sogen rerbunben war. 

Seibe (Ehepaare, bie in regem unb trauliefjem Derfebre miteinanber lebten, führten 
einen fyiusfpili obne Uufwanb unb otjnc Prunf; fo wollte es ber fcblidjte Sinn 5 r> «briet; 
Wilhelms, beffen Seifpiel Prin} Cents ftcfj anfehlo0. Wie ber Kronprinj feinen Sdjtnuef 
an feiner <5emat)lin liebte, bie it;m faum befcb eiben genug geflcibet fein fonnte — er meint« 
felbft fpäter, es bamit anfangs übertrieben ju fyaben — fo erfdjienen ft« auef; bei ben gemein» 
famen Spajierritten unb namentlid; bei ben Uusfaljrten fo einfad;, bafj es in ber Sevblferung 
auffällig bemerft würbe. Wirtlich glüdltdi fütjlte fid) ber Kronprin 5 allein in feiner f)äuslidp 
feit, in ber ^wanglofigfeit bes Privatlebens. Don Dergnügungcn liebte et nur bas ©Ijeaicr. 
(Teilnabme an ^eftlidjfeiten, vor allem jebe Deranftaltung, bei ber er mit feiner perfon Ijervor- 
treten mufte, bas gehörte }U ben „Cappalicn", bie ihm unbequem unb felbft wiberwärtig waren. 

so 




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Kronprinjefftn fuife 



Den Demtählungsfeierlichfeiten folgten nod) Kuffübrungen ber ©per Knniba unb 
anbere .feftc, bie bis Neujahr währten; wenige tage fpäter, am 6. 3anuar begann 

6er Kamenal, roäbrenb beffen in ftreng porgefdjriebener unö inncgeljaltenet ^olge feft fid) 
an ^eft rciljte. Sonntags un6 Donnerstags waren 6ic wegen ihrer Malte un6 fteifen Cang* 
weiligfeit gefürchteten Courtage 6er regierenben Königin, bie in Dlonbijou alle formen ber 
©tifette forgfam aufrochthielt unb bie iljrcr ITTajeftät gebütjrenben tjulbigungen mit eifer« 
füd)tiger Strenge entgegennahm. DTittwochs empfing bie Königin- IDitwc, bie im Schlöffe 
eine ber oberften ©tagen bewohnte unb über beren fDunberlidjfciten man am fjofe gern 
ftefj luftig machte. Die Diontage unb ^witage waren ben ©pemauffüfjrungen Dorbefjalten. 
Dajmifchen brängte ftefj eine .fülle anberer Dcrgnügungcn : Konjerte bei bem Könige ober 
in ber „Stabt paris", Kffemblecn bei prin$ .ferbinanb in Belleoue unb bei ben Bliniftem, 
Dejeuners unb Cecs unb Bälle allenthalben. Unb überall, wie ftch uerftefjt, Dcrlangte man 
bie ©egenwart bes fronprinjlichen paares. Sefjon am 18. 3anuar l?9f fchreibt besbalb 
bie Kronprinjefftn in bem erften Briefe, ber uns aus biefen Tagen erhalten ift, an 
iljrc alte ©rjieherin, ^räulein Don ©clieu, nach Dannftabt: „Ulan töbtet mid) burd) bas 
piele Can$en", unb furj barauf an Sdjwefter Cbcrefe in Degensburg; „Dlache Dich barauf 
gefaxt, bag Du balb Don meinem Tobe hören wirft, benn feilbem ich biefen Brief begonnen 
habe (fedjs Tage früher), haben wir nichts getan ab Canjen unb bis ju meinem ©eburts« 
tag gibt es nod; fteben Bälle. Unferc Cebettsweife ift unglaublich anftrengenb, unb id) 
wunbere mid) über meine ©efunbljeit. U)as ben Canj betrifft, fo weigt Du, liebe Ctjcrefc, 
baf; mccflenburgifche Knochen baran gewöhnt unb feljr fdjwer ganj ju ermüben finb." 

Die IDahrljeit ift, bag Kronprinjefftn Cuife, roäbrenb ihr ©entafjl feine Kbneigung 
gegen alle ©effentliehfeit unb alle Depräfentationspfüdjten faum Derbergen fonnte, an biefen 
gefelligen Jreuben unb raufd)cnben ^eften nur ju gern unb freubig teilnahm, bag fte ins« 
befonbere bem Dergnügen bes Canjes, ben fie Icibenfehaftlidi liebte, nur ju willig fich l)ingab. 

U?ir erinnern uns, wie bang unb forgenooll fuife in Dannftabt bem Ceben am 
preufifdjen Königsljofe unb in ber fremben Berliner IDelt entgegengefeben hatte. 3 e £t 
mod)te fte wohl manchmal über ihre bamalige Ungft lächeln; fo DöUig anbers war anfangs 
alles geworben, als fie gefürchtet hatte. Cs fdtien fidi pielmehr erfüllen ju follen, was ihr 
ber Kronprinj gefagt hatte: bag fie gemacht fei, alle fjerjen ju gewinnen. Die liebenswürbige 
Batürlid)feit ihres IDefens, ihre hulboolle ^reunblid)feit gegen jebermann brachten Ceben unb 
IDärme in bie fteifc Ubgemcffenheit unb nüchterne Kühle ber Berliner ©cfellfdjaft. „Die Knfunft 
btefer engelfchönen .fürftin," fo fchreibt ^ouque, „oerbreitete über jette Tage einen erhabenen Cidjt« 
glattj. KUe fjerjen flogen ihr entgegen unb ihre Unmut unb fjerjensgüte lieg feinen unbeglüeft." 



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Port 6*u prinjen unö prinjeffmnen falj fie ftd; netblos bewunbert; 6er Koma über» 
häufte fte mit ©üte un6 ©nabe, er fdjenfte itjr jum erften ©eburtstage in Berlin bas 
Oranienburger Sdjlof, bas fie jebod} faft nie bewohnt fjat; auch bic Königin, bie ftcfj 
anfangs jurücfgefjalten hatte, fam itjr halb freunblirfjer entgegen. <£s mar roof?I oerjeitjliii, 
baf bie 2ld)t$eijnjäf)rige, ber man pon allen Seiten Ipulbigte, in überqucllenber ^ugenbluft 
unb febensfrcube über bie Sebranfen ber Berliner fjofetifetle adjtlos hinmegfdjritt, baf bie 
preufifdjc Kronprinjefftn am l)ofe ^riebri* IXMUjelms II. itjre rljeintfche ^roljnatur fo 
ungej wütigen ausleben $u fönnen pcrmeinte, wie eben nod; in ©rofmamas ©arten unb 
im Zillen palais am Oarmftäbter Zllarfte. 

21 Is pollenbs gegen ITlitte Februar ber Batet mit bet ©rofmutter unb bem prinjen 
©eorg, pom Könige ausgejeidjnet unb reidj befcfjenft, Berlin perlief, fdjien es faft, als 
wolle bie Kronprinjeffm ben Crennungsfdjmerj, bcn fte tief empfanb, unb bas ©efül}l bes 
fjeimtpeljs unb ber Bcreinfantung im IDirbel gcfelliger Bergnügungen erfticfen. Oer Kamcpal 
war ju ©nbe, aber bie The-dansants unb Bälle bauerten faft ununterbrochen fort, uttb Euife 
tanjte eifrig IPaljer, ber auf ihren lüunfdj bantals am Berliner fjofe eingefüljrt würbe, ben 
aber bie Königin, wie crjätjll würbe, ifjrer ©odjtcr perbot. Oiefc unermübltche Canjfreubigfeit 
ber prinjefftn, bie aud} in ber iUabl ihrer Cänjer ber ©tifcttcporfd)riften nieijt immer adjtete, 
erregte balb um fo mcl;r Zlnftof, als fid) jcBt in itjr Blutterljoffnungen ju regen begannen. 
Oaju famen anbere Berftöfe gegen bie ©tifette, bie, fo harmlos fte waren, bod) bei ber fid} 
allmählich gegen fte wenbenben Stimmung Bebeutung gewannen: ©inlabungen, bie fte an» 
nahm ober erlief, ohne mit ihrer ©berhofmeifterin gefprodjen ju haben, 21 usf ährten, bie 
fte ohne fjofbame nur mit ihrer Sdjwefter jrieberife unternahm. 

Oer Kronprinj war machtlos bagegen. Oer ©alte hatte nod} feine fjerrfdjaft über 
bie ©attin gewonnen; fie empfing pon ihm nod} nicht bas ©efef ihres Eebetts. IDas fonnte 
ihrem lebhaften unb für alle 21nregungen offenen Sinne .Jriebridj ttHlfjelms geiftige Stille 
bieten? 3 11 bcn Briefen aus ben erften ZUonaten ber ©h< gebettft fte feiner mit ben üblid}cn 
IDenbuttgen als eines trefflichen Zttannes, ber fte glücflid; madje; aber bie lOorte ftnb ohne 
IBärme unb ohne perfönlichfeitswert: ihr Ijerj flingt babei nidjt mit. 

Kud; ber Umgang mit ber Familie bes prinjen Jerbiitanb, ber ftch mehr unb mehr 
pertraulid} gefaltete, würbe ber prinjefftn bantals perargt. Oie „^erbinanberie", wie man 
bie ^amilie wohl nannte, war in Berlin nidjt beliebt, unb man fagte ihr mattdjes Böfe 
nadj. Oett prinjen ^ferbinanb, ben jüngften Stüber ^riebridjs bes ©rofen, Ijielt man für 
ganj unbebeutenb; feine ©emahlin, aus bem ©efdjledjte ber Sd)webter 2T!arfgrafen, war 
wegen ihrer fdjarfen .Junge gefürchtet; bie ©odjter Euife, flug unb bebcutenb, hodjflrebenbett 

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©eiftcs, galt füc chrgeijig; man wollte wiffen, baß fte fid} fclbft Hoffnungen auf ben Krön* 
prinjen gemacht habe. 2Int meiftcn aber gab bcr ältcfte Soljn ju rebcn, prinj Couis 
;ferbinanb, wie man ifjn jum Unterfchiebe pon prinj Couis, bem Sofjne 6cs Königs, nannte. 
(Eine glänjenbc Erfdieinung, pon Ijoljer geiftigcr Begabung, würbe er wegen feiner mililärifefjen 
<Tüd)tigfeit unb feiner perfönlid)en Capferfeit ebenfo bewunbert, wie er wegen feiner Scfjulben 
unb feiner Ciebesabenteuer perforiert war. (£r hatte bic erften IDintermonate bei bet Krmce 
am Hfjcin perlebt, in ©ppenljcim, wo fein jügellofcs Berhalten ben ©berfommanbanten, 
^elbmarfchall ZHöIIenborff, ju einer emften Köge peranlaßte. 3 m ^ebruar war er bann 
nach Berlin gefommen unb rafd; ju einem tonangebenben DTitielpunft in bcr £jofgofcllfcf)aft 
wie in ben ©ffijicrsfrcifen bcr fyiuptftabt geworben. Hud) tjier aber erregte er Hnftoß. 
3n ber „militärifdjen Hepublif" am Kljein, wie ein preußifdier ©ffijicr fclbft bamals bas 
preußifdje £)ccr bejeidjnet bat, war man freimütige Heben gewillt; ber prinj äußerte ftdj 
jeßt auch in Berlin, gegen jeben ber ibn hören wollte, mit ber größten Kücffichtslofigfcit. 
(Er f<balt auf bie preufifebe politif unb no<b mehr auf bie preugifdje Kriegführung, unb 
halb h'cß es, ber König habe ihm fagen laffen, et möge fidj erinnern, baß auch fefjon prinjcn 
auf Heftung gefommen feien. (£s würbe bemerft unb befprodjen, wie ber prinj fid) ber 
Kronprinjeffm unb ihrer Schweflet gefliffentlidj ju nähern fuchte, unb es ift fein Zweifel, 
baß prinjeffm Couis, wenig glücflich in ihrer El)c, fidj bie Hulbigungen bes ritterlichen 
prinjen nicht ungern gefallen lieg. Der prinj, bem nidjt unbefannt war, welcher Kuf 
ihm poranging, fpielte ihr gegenüber ben Bertannten unb Derlcumbeten. (Er flagte über 
ben (Ton bet Berliner ©cfcllfd)aft, ber entweber fdilcd)t ober langweilig fei, unb er fprad) 
pcrächtlid; pon ben grauen, bie es mit ber (Treue nicht ftreng nähmen, prinjeffm Couis 
— wir erinnern uns, baß fte eben erft ihr 16. 3 d h r pollenbcte — laufchtc gern fo emften 
unb perftänbigen IDortcn aus fo fchönem Jllunbe; fie fanb, baß man ben prinjen in ber 
Cat perfennc; er fei feines wegs ber KTann, für ben man ihn halte, habe pielntehr bie 
portrefflichften ©runbfäße unb perbiene alle H°^?achtung. 

(Es war unpcrmeiblich , baß bie Kronprinjeffm in biefen Bericht mit hincingcjogcn, 
unb baß bei bem böfen Kufe bes prinjen barüber gejifdjclt würbe. Cuife fümmerte fid) 
nid)t um bas ©erebe, fo wenig wie um bie Etifcttcprebigten ihrer ©bcrhofmciftcrin. Sie 
fuhr fort, manche IZadjt h*uburd) ju waljen; fie lub ein, wen es ihr beliebte, ohne ,frau 
pon Boß ju benachrichtigen, fie fuhr fpajiercn, ohne anbere Begleitung als ihre Sdjwefter. 

©egen Enbe ZTlärj l?9^ fant es ju einer emften Krifis. Die Bcwunbcmng, bie 
ber Kronprinjeffm fdjmeichelnb entgegengefommen war, hatte fid) ebenfo rafdj wieber pon 
ihr jurüefgejogen : „alle IDelt ift mit ihr unjufrieben", fdirieb bic ©bcrljofmeifterin bamals 

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in iljr (Tagebuch. ©s gab ftürmifdje Sjenen jwifAen bem jungen paare, wobei £uife 
reichliche (Tränen pergog, ohne bag barum fidj etwas änberte. Die regietenbe Königin 
,-friebcrife mifcfjte fiA hinein; fie beflagte fidj bei ber prinjeffin ©eorg über Cuife, bie in 
ifjrem ^uftanbe jupiel tanje, immer perfprcAe fte fidj ju fronen, aber pcrfpredjen unb (galten 
fei bei iljr jweierlei. Die ©rofmutter, wie ftA perftefjt, naljm ftch ber ©nfelin warnt an, 
bie boeij bie freunblidjen Balleinlabungen nicfjt ablcijnen fönne. Cuife fei ganj wie ifyre 
ZTTutter, bie auch bis ju iljren ©ntbinbungen getanjt habe. Sdjlieglid; griff auch ber König 
felbft ein. ©r peranlagte fjenriette non Pierecf, ber Kronprinjeffm emftliA unb rücftjaltlos 
jujureben, — bie fjofbamc entlebigte ftd) bes Kuf träges auA mit größtem (Taft — , unb er 
forberte ben Kronprinjen auf, itjren Caunen mit ^eftigfeit entgegenjutreten. €t folle iljr in 
aller ©üte jeigen, bag fie wie jebe ^rau in ber IDelt bent ZDiUen iljres ITTannes ju folgen 
habe unb bag „wir hier gewohnt ftnb uns bei unferen grauen ©eljorfam ju perfdjaffen". 
nötigenfalls möge er iljr mit ber llngnabc bes Königs broljen. Uebrigens urteilte er milbc 
über iljre llnbefomtenljeilen ; er fanb es erflärliA, bag es iljr an XDeltfcnntnis feljle, unb 
er empfahl besljalb feinem Soljne, iljr gegenüber ©üte mit ^eftigfeit ju petbinben. 

3n biefem cmften Kugenblicfe, wo bie Kronprinjeffm gleiAfam ben Boben unter 
itjren ^ügen manfen füljlte, wo pon ber Familie, in ber fie geboren unb aufgeworfnen 
war, auger ber jugenblicfjen Scfjwefter, bie felbft ber ^Jüljrung beburfte, niemanb iljr jur 
Seite ftanb, wäljrenb pon ber ^amilie, in bie fie eben eingetreten war, jebermann fidj gegen 
fte ju erfjeben fAien, blieb allein ber ©atte treu unb oljne TDanf ber ©attin feftefte Stüfse. 
Die Klagen über Cuifens ©tifettefrepel mochten bei iljm ofjneljin faum Knflang finben. 
Kber bie fjauptfadje war bodj: JriebriA IDilljelm fannte feine Cuife ju gut, fannte ju wohl 
bie Heinljeit unb ben Kbel ifjres fjerjens: niAt einen Kugenblicf fjat er an iljr gejmeifelt. 
Sie fanb in iljm jegt, was fte enlbefjrt unb gefudjt batte: „ben Beiftanb, ben ,freunb, ben 
Kat' 1 , ©r perteibigte fie gegen Pater unb Btuttcr, unb er Ijatte bie ^reube, balb ju feljeit, 
bag er fidj nicfjt in iljr getäufcht (jabe. Cuife felbft fjat iljm bie fAöne Crcue in biefen 
(Tagen, ba alle fidj pon iljr wanbten, nie pergeffen: fie Ijat es fpäter oft unb laut befannt, 
bafj fie burcf; iljn beffer geworben, bafj fie feiner Klugtjeit unb feiner Ciebe bantals iljr 
ganjes Cebensglücf perbanfe. 

©s mar ein günftiger llntftanb, bag gerabe jebt bas junge paar Pcranlaffung 
crfjiclt, Berlin ju perlaffen. Das ,früfjjafjr fant unb mit iljm ©rerjieren unb Kepucn, bie 
Beurlaubten fefjrten ju iljrcn Kegimentem jurücf. 2ludj ben Kronprinjen riefen militärifAe 
pflidjten ju feinem Kegimente nadj potsbant; am f. llpril ftebelte er baljin übet unb 
naljm mit Cuife im StabtfAloffe IPoljnung. 



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Kronprittjeffm futfe 








Hinweggeführt aus ber fdjwülen tuft unb 6cm gcräufchpollen SefcUfchaftslcbcn Berlins 
in 6as flillcrc polsiant mil feinen ©ärieit un6 Seen, wo fo manches fte an Darmftabt 
erinnerte — auch 6as ©locfenfpicl 6er ©amifonfirebe — ift Cuife eine an6ere geworben. 
Pielmcljr fie würbe n>as fie war. Sie brauchte nur 6er Stimme ihres ^erjens $u laufen, 
6ie ifjr 6en einjigen 2 Deg sum ©lüefe mies: nur 6urd) 6ie innigflc Cebensgemcinfcbaft mit 
6em ©atten, nur burd; fein ©lücf fonnte fie ju eigenem ©lücf gelangen. Cuife befafi ober 
erwarb in nollftem Blage 6ie (Tugcnb cchtefler TDciblichfeit, 6ie ihre Stärfe wie ihre Schwäche 
ausmad)t: fclbftuergeffene Eingebung an ben BTann. Bor betit EDillen ihrer Ciebe wichen 
alle anberen IDünfche, Hoffnungen, Begebungen weit 3urücf. Bus ber unbebingten Hingabe 
an ben ©atten wüchft fortan Cuifens weitere ©ntwicfelung heroor. Sie liebte ihn genug 
unb fie war sugleidj flug genug, um 511 werben ober minbeftens 3U fdjeinen, wie er feine 
^frau hoben wollte. Sie lernte — fte hol es fpäter bem Bruber ©eorg felbft gefagt — ben 
eigenen ©efdjntacf perleugnen uitb Cieblingsibeen entfagen; fie lernte mehr: ben (Eigenheiten 
^riebrid) IDilhelms ftdj fügen, feinen pebantifchen, oft flcinlidiert ©ewohnheiten fich anbeguemen, 
feine Caunen unb Unfreunblidjfeiten — feine „humeurs“, wie man fagte — burdj ihre 
immer gleiche golbene ^rählidjfeit überwinben. Hiebt ohne Mampf unb nicht ohne ©pfer 
errang fich Cuife fo ben ©inflang pon Pflicht unb Ciebe, ber bie ©runblage ihres Cebens* 
glüdes werben follte. 

Hidjt ohne Mampf unb nicht ohne ©pfer. Mud; bie Mbnigin, wie bie Mronprinsefftn, 
hat noch manche (Träne heimlich pergoffen: unb manche Blütenträume, bie im warmen 
unb fruchtbaren Sübcn oerheigungspoll fich entfaltet, ftnb im falten unb fanbigen Horben 
nicht 5ur Keife gelangt; manche beutfdje Schwärmerei ift in ber preujjifchen nüchtern beit 
erftieft. über bie ©runb3Üge in Cuifens H)efen ftnb bod; auch in biefen Prüfungen unb 
IPanbluitgen unangetaftet geblieben, (Es blieb ihre fonnige Hrtterfeit, beren Strahlen bie 
Her5en ihrer Umgebung erwärmten unb erleuchteten; es blieb bie (Tiefe ihres ©cmütes, bas 
frembcs Ceib mitfüblenb erleichterte unb frembe (freube teilnehmenb erhöhte ; unb cs blieb 
felbft in ihrem Herscn ein Kämmerchen poU (Träumerei unb Schwärmerei, 5U bem ^riebrid) 
IPilbclm feinen , 3 ugartg hotte unb bas fie nur gleichgeftimmten Seelen, wie bem Bruber 
©eorg ober fpäter ber ^rau pon Berg, Sffnete. Bor allem aber: jene emftcn (Tage hoben 
aud) ben emfien llntergrunb ihres lüefens pertieft unb gefräftigt unb bamit ihre perfön Udj feit 
polier, reicher unb hormonifdier ausgeftaltet; fie hoben ihr pfüchtbcwugtfcin cniwicfelt unb 
fie bamit für bie febweren Stunben porbereitet, benen bie Mänigin entgegengchen follte. 
IPie in ihrem Blute fich oberbeutfehe unb nieberbeutfdje Mrt mifchten, fo perfdjmo^cn fich 
in Cuife fortan beutfehes unb preugifches IDefen, beren gegenfeitige Burdibringung bei ihr, 

ss 



J 



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3^1 



Kronprinjefjtn £«ife 



»ie immer unb überall in unferem Dolfstum uni» in unferer <0efd)id}tc, frud)lbar unb 
fegensreih ge»irft Ijat. 

Oie IDanMung in 6er Kronprinjcffm »urbe rafh bemerft. Oie ©berhofmeifterin, 
6ie nodj am 18. 2TTärj gefdjricben hatte : „6ic prinjeffin beträgt fteft gegen iljn immer nod) 
fetjr fd»Ied)t," notierte am 2. Hpril in potsbam: „6ie prinsefftn betrug fid) 6en ganjen Cag 
Dortrefflidj", unb brei (Tage fpäter: „bie prinjefftn ift glüeflidj"; ber Kronprins felbft pertraute 
einem freunbe: „ZTTeine Jrau f^at ftdj Ijier gan$ peränbert." Oie golbenen Cage pon Oarmftabt 
fdfienen »ieberjufeljren: ein neuer Eiebesfrüljling erblühte bem jungen Paare. Soa>eit ber 
Kronprinj nicht burdj bie militärifdten pflichten, mit benen er es fcfyr emft nahm, in 2ln= 
fprud; genommen »urbc, ging er mit Cuife in ben (gärten potsbams fpajieren, befuebte 
mit itjr ben Brauhausberg unb Babelsberg, befonbers gern audj Sansfouci — ber (genius 
bcs (grofjcn ,friebrich hat auf biefen feinen Haebfolget immer eine befonbere Hnjicljung 
geübt — ober fie machten Husflüge in bie Umgegenb. Zlbeubs rourbett fte oft $um König 
gelaben, ber in bem eben pollenbeten OTarmorpalais Konjerte gab; am liebften aber blieben 
fte ftill ju ijaufe unb perfürjten ben ilbenb mit einigen Partien BTariage unb mit IDürfeU 
fpiel, ober liefen jtef) oon Utaffo» porlefen. ^utpeilen las auch ber Kronprinj felbft por. 
ZTlit ber pertrauten Umgebung bes Königs, mit ben Bifcfjoffinerber unb Cinbenau, taufchfen 
fte häufige Befudje. »Einmal nahmen fte am potsbamer Scfjüfenfeft teil, tpobei Cuife ben 
Siegern Olebaillen d erteilte, wie fte gelegentlich auch <£ferjieren bes fronprinjtichen 
Regimentes jufafj. 

Ein Brief Cuifens aus biefen (Tagen jeigt, toic bie übenounbene Krifts noch nach» 
jittert, jugleid) aber, utie fte in ber innigen (gemeinfehaft mit bem (gatten Kühe gefunben hat. 
Sie fcfjreibt bem Bruber, pon bem fte pergeblich einen Brief ennartet hatte: „Du hätteft mir 
tpohl einige Hugenblicfe tpibmcn fönnen; ach, einige IDorle nur haben fo piel (Troft für 
mich. 3h brauche ihn mannigmal — Berlin ift piel gröjjer als Oarmftabt, es finb auch 
nicl mehr Ceute allcrbanb Urten barin. — Oas »erbe ich ge»ahr . . . 3h bin in Potsbam 
unb bleibe ba fechs TDodjen lang, bis bie friegerifchen Hebungen potüber ftnb, aisbann 
gehe ich lieber nach Berlin $u meiner englifchen ^ riebe rifc, bie ich leiber habe jurücflaffen 
muffen, nicht ohne Schmer j unb Craurigfeit, aber ein Solbaten»eib mujj ihrem Berufe 
naebgehen, unb bas tat ich- 3h c ffe punft j»ölf, ich trinfe tTee nach fünf, . . unb effe 
ju Bacht punft ad)t. 3h 9h* 3 U Bette mit ben Jjühnem, Kufen unb Kifcrifis unb flehe 
mit h^hPten«»^™ wieber auf, aber ich bin beffer als fte, benn ich M* ©efh*h* c < ’h 
mache Husjüge aus ZUonfteur IDeif; fhreibe Oir unb Hnberen unb lebe }unt üergnügen 
meines ZUanncs. ZZun Srüberhett, balb einen Brief unb mir piel Jreubc unb — Jreunbe" . . . 



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Cnfol 6 





Die Königlich Preufifdie ^amilie I. 

I. prinjefftu ,frieöerife roti preujjen, tferjogiit Port l>orf. 2. König ,frieörid> Wilhelm II. 3. Königin 
,fticöerife. 4. priti3 Wilhelm &. Ke. poii preufen. 5 . priiijefjin IHarianue von preußen. 6 . prinj 
lieinri* h. 3- ppm preujjen. 7 . prittjefjin IPilbclminc pon preujjen, prinjeffin poh (Dranien, Königin her 
Mieherlanöc. h. prinj Couis pon preußen. 9. prinjeffin Kugufte pon Preußen, tErbprinjefjin ron Reffen -Kaffel 



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Hub in bentfelben Sinne febreibt bet Kronprittj feinem 21bjutanten unb Dcrtrautcn, bem 
Htajor Sdjaef: „IDir leben ßier fefjr rußig unb für mein Ceil feßr angenehm, Berlin regrettiere 
iefj gar nidit, unb ßabe ich mir fjier nod) nie fo gefallen. 21 lies lebt in ©inigfeit, ba ftdj 
feine frembe fymb ins Spiel rniftßt, unb mir benußen täglicß red)! fleißig bie fdjöne ©egenb, 
bie fo mandje anmutige ©egenftänbe barbietet; jumal für Perfotten, benen fte nod) unbefannt 
fmb . . . (Sott gebe, baß bei unferer Kücffunft nad) Berlin nidjt neue Htißßelligfeilen unb 
Klatftßcreien ben ßauslidjcn ^rieben ftören mögen" . . . 

3 n bas junge ©lücf bes fronprinjlicben paares aber griffen ftßon nadj wenigen 
lüodien friegerifdje ©reigniffe ftörenb ein, biesmal nidjt wie in bet Brautjeit pon lüeften 
ßer, fonbetn oon ®ften. 



II. (Trennung 

3 n bem unglüeflidfen polen war nad) bem im 3 atiuat 1?93 jwifdjen Preußen unb 
Hußlanb pereinbarten Ccilungs pertrag, bei bem Ban}ig unb (Tßom nebft einigen IDoiwob. 
fdjaften pon ©roßpolen unb Stüefen pon ITCafouien, Cujapien unb Klcinpolen an preußen 
abgetreten waren, eine nationale ©ärung entftanben, bie im ^Jrüljjaljr 17 <)<f 5 U einem 
gefäßrlicßen Hufftanb führte. Der polnifdjc ©eneral ITlabalinsfi rücfte mit einer HanaUerie* 
brigabe in preußifdjes ©ebiet ein, überfiel eine preußifeße Seßwabron, plünberte bie fönigließen 
Kaffen unb entfam ben ßcrbeieilcnben preußifeßen (Truppen bureß glürfließe 2tlärfd;e in ber 
Hicßtung nad) Krafau. Bier ßatte Kosriusjfo, ber pon Bresben ßerbeigeeilt war, bie 
feitung ber Bewegung übernommen; es gelang ißm, fid) mit ZTIabalinsfi 5 U pereinigen 
unb bie Hüffen am Hpril bei Haclamije $u feßlagen. Hun breitete ftd) ber Hufftanb 
über ganj polen aus; am 17. Hpril erßob fid) aud) bie Ijauptfiabt IDarfdjau, bie pon ben 
rufftfeßen (Truppen geräumt werben mußte. 

Huf bie erften XTacßricßten pon biefen Ilnruljen würben an ber preußifdjen ©ftgrensc 
militärifd;e ©egcnmaßregcln ergriffen, bie ftd) jebod) ber wadjfenben 2Iusbel)ttung bes Huf* 
ftanbes gegenüber balb als unjulänglid) ermiefen. Dolleitbs nad) ber Dertreibung ber 
Hüffen aus IDarfdjau fonnte man ftd) in Berlin nidjt perßcßlen, baß jeßt ju bem Kriege 
gegen bie franjöftfcße Hepolution im IDeften bie ©efaßr eines 5 weiten Krieges im ©ften 
broßc. König ^riebrid) IDilßelm II. felbft swat faß einem Kriege nad) $wei fronten ohne 
große Sorge entgegen. XTtit ben polnifcßen Scßaren, ßoffte er, würben feine ©cnerale 
unfdjwer fertig werben. Ber ®ften füntmetle ißn überhaupt wenig; fein Blitf war nur 
nad) IBeften gewanbt, wo er als Dorfäntpfcr bes Beutfdjen Heidjes nod) immer bie 



H 





Kronprinjefim fuife 



franjöftfcpen Xcpolutionäre pom Xpcin jurücfjutreiben badjte; ein« leifc Sepnfucpt $og ifjn 
insbefonbere nacp ^ranffurt, wo er ein 3°^ jupor fo glücflidte (Tage perlebt unö eine 
fcpöne ^ranffurterin itjn gefeffelt patte. Unb eben fdilop er — am 19. Hpril \7<)H — 
mit Englanb einen Bcrtrag, bcr ipm burch bie ©cmäprung reicplicper Subfibien bie ;fort« 
fäprung bcs Krieges gegen ^ranfreich erntöglicpen foUte. ©an$ anbere Stimmungen aber 
perrfcpten in ber Hingebung bes Königs unb im £anbe. Das Bünbnis mit ©efterreicp 
unb ber Krieg gegen ,-franfreich waren, wie wir wiffen, in Preupen nie populär 
gewefcn. 3m Dolfe wie in ber Hmiee, bei Klimpern wie bei ©eneralen, regte ficfj längft 
eine Hnjufriebenpeit, bie allntäplicp ju einer faft allgemeinen Hlipftimmung unb $u bem 
lauten Xuf ttacp ^rieben mit jfranfreicp entwuchs. Kein nationaUbeutfdies 3ntereffe, fo 
meinte man, forbcrc Proupens fernere Ceilnapme am Kriege im IDeften, bei bem nicht 
Beutfcplanb unb ;Jranfreicp um bie Xpeingrenje, fonbem ©efterreicp unb Jrattfreicp um beit 
Beftp Belgiens 5 U fämpfen fepienen. preupens territoriale 3 nterc ff cn Briefen eper ttacp 
©ften, wo ber augenfdjeiulidjc Cobesfampf ber polnifcpen Xepublif bas Einfepen ber oollen 
Kraft bcs preupifepen Staates oerlangtc. (Es war befonbers ber CDberft HTanftein, ©enerab 
abjutant bes Königs, ber ltaehbrücflicp in biefem Sinne fpradi. (Er patte feit einem 3 J b rt 
ben bis bapin fafl allmächtigen Einflup bcs ©cneralabjutanten Bifcpoffwerber jurücf jubrängen 
gewupt, unb ipm gelang es jept, ben König non bcr Hotroenöigfeit eines fräftigen (Ein« 
fepreifetts in Polen ju üherjeugen. 

Hicpt opne IDiberftreben gab König ^riebrid; IDilpelm II. nach. (Er perfügte bie 
^ufamntcujiepung eines feeres non 'fO — 50000 ITIann gegen polen; er entfdjlop fiep, fclbft 
an bie IDeiepfcl ju gepen, wäprettb bas Ijecr am Xpein unter HTöUenborffs ©berbefepl 
blieb, uttb er beftimmte, bap auch feine beiben Söpne, bcr Kronprinj unb prinj Couis, an 
bem jclbjug in polen teilnepmen follten. Er poffte noep, wie angebeutet, in furjer t frift 
bie Hupe an ber IDeiepfcl wieberperjuftellcn unö bann an ben geliebten Xpcin jurücf. 
fepren }u fönnen; ber Kronprin} war minber uertraucnsfelig , er meinte gleich jum Hlajor 
nott Scpacf: „Dies fepeint ganj ber 5 weite (Teil ber franjöftfcpen Xenolution werben ju wollen." 

Bie Haepricpt pon bem beporftepenben Kbmarfcp bes Kronprinjen, ben ber König 
auf Hütte HTai feftfepte, traf bie Kronpri» 5 efftn aufs fcpmerjlicpfte, obgleicp fte als 
„Solbatenweib", wie fte ftep füplte uttb gern nannte, barauf immer gefapt war. Hun bropte 
bie (Trennung in einem Xugcnblicfe, wo fte ju iprent ©alten eben erft bas rechte epelicpe 
Derftanbnis gefunben patte, bas ftep mit jebem (Tage in potsbam inniger geftaltete. Hur 
jept niept wieber naep Berlin jurücf, war ipr erfter ©ebanfe. ©leid) am 27. Xpril, bei 
einem Hbcnbfoitjcrt im Heuen palais, erbat fte pom König bie Erlaubnis, wäprenb 




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be r 2tbwcfenhcit bes Kronprinzen in Sansfouci wot;nen zu bürfen, rool;in aud; ifjre 
Sd)wefter überficbeln follle. Der König willigte gern ein. Rafd; pcrfloffen bann bie 
nädjften (Tage, in Kbfdjiebsbcfudien , Spajiergängen unb Waffcrpartien, wobei bas fdjöne 
©inoernehmen bes fronprinzlidien paarcs burd; nicfjts ab burd; ben Sd;mcrz ber nafjenben 
trennung getrübt mürbe. 21m (0. 2Ttai cnblicb fuhren .Jricbrid; Wilhelm unb Cuife nad; 
Berlin, n>o zwei Tage fpäter Königin Jrieberife bte föniglicbc t fanülic zu einem Kbfdficbs* 
matjl in JTTonbijou pereinigte. 2tudj bie (Offiziere com Regiment bes Kronprinzen, bas 
jetzt an Stelle eines ausrüefenben Regimentes nad; Berlin cerlegt tcurbe, nahmen baran teil. 
21 Ue waren in tiefet Bewegung, befonbers auch ber König. Die Königin äugerte Beforgniffe 
für Ujn cor 2tttentatcn burd; Reoolutionäre unb Derfdjworenc; ber König erwiberte iljr mit 
bem ftoljen Ders aus Raeines „2ftl)alic", ber in unferen tagen burd; Bbtnarcf faft zu einem 
beutfeben Sprichwort geworben ift: „Je crains Dieu et n'ai pas d'autre crainte“. 2lnt 
nädjftcn tage, 13. 2Tlai, trennte man ftd). Der Kronprinz unb prinz Couis, nod; poii 
ihren Gemahlinnen begleitet, fuhren nad; bem ITlaffowfdjen ©ute Sfeinböpel — es ift nod; 
heute im Beftg ber ^amilie — , wo man fie burd; ein ©artenfeft unb eine Bauernhochzeit 
über ben trennungsfdjmerz h'uwegzutäufdien fudjte. 2lm (5. 2Rai aber in aller Jrülje 
cerliopen bie beiben Prinzen, ber ©eneralmajor Kronprinz jfriebrid; Wilhelm unb ber 
©berft ber Kapallerie prinz Couis, bas gaftlidje Stein höüel, um über t franffurt ftd; in 
pofen bem Hauptquartier bes Königs anzufdjliegen. 2Ttit ihnen gingen 2Ttajor 3agow 
unb 2lTajot Köcfrig, ber jc^t für ben erfranften Blajor Sd)ad ben Kronprinzen als 
2(bjutant begleitete. 

3n weldjen ©cfühlen unb in weldjer Stimmung Cuifc zurüdblicb, zeigt uns ber Brief, 
ben fte wenige Stunben nad; bes ©alten Kbreife nod; oon Sleinhöpel aus bem Kronprinzen 
nad; pofen nadjfanbte. Sie fdjreibt ihm (im ©riginal franzöftfd;): . . . „©ine ^eber, mein 
teurer unb geliebter ^reunb, foll Dir nun fagen, was mein 2Tlunb Dir fdion eine illillion 
ZTtal gejagt hot: bag Du mir unausfprcd)Iid; teuer bift. IPie hart ift cs für mid;, Pich 
nicht mehr bei mir zu hoben, ©infam unb allein überlaffe id> mid; ganz meinem Sdjnterze, 
unb mein einziger troff ift, auf betnfelben Sofaplafee zu ftgen, wo Du immer fageft. © ©ott, 
fönnteft Du mid; fehen, fönnteft Du Dein unglücflidjes Weib fehen, wie fte über Deine 
2lbreife feufzt, wie unglücflid; unb perlaffen fte ift! tränen ftnb meine einzige Wohltat, 
unb wie bitter ift biefe Wohltat. Bergig mid; nidjt, mein teurer ^reuttb, erinnere Did; 
Deiner Cuife, bie nur für Did; lebt, unb bie ohne Did; unglücflid; ift . . . 3ch faun Dir 
nidjt fagen, was id; beim 2lbfd>icb gelitten habe. 2Us Du unten warft unb auf Deinen 
Sruber warteteft, ba ftanb id; am ^enfter, um noch einen troftpolien Blicf zu erfpähen, 

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Kronprinjrfftit fuife 



aber Pergebens, unb idj war ju fdjwad), um Dir Cebemoljl jujurufen unb fürchtete. Du 
mädjteft gerührt werben, was Dir bodj por fo pielen Ceuten unangenehm gewefen märe. 
21 brr was idj gelitten Ijabe, als ictj Deinen ZDagen abfaljren falj, waljrljaftig, icf» glaube, 
bas fann fid? niemanb porftellen, mir u>ar, als ob man mir bie 5eele aus 6 cm Ceibe reife, 
unö fo u>ar es auch, 6 enn was bin idj ohne Didj, mein teurer ,freunb? ? . . 3d> braudje 
Didj nidjt ju bitten, mir ju fdjreibcn, 6 enn Deine waljre utib järtlidje Ciebe ju mir, bie 
Du mir burdj fo piele piele ,f reunbfdjaft fo göttlidj betpiefen fjaft, perbürgt mir fidjer, 
baf Du es tun wirft, fobalb Du fannft . . . Sei ©ott, idj fdtwöre Dir, baf feine 
Ciebe ber gleid; ift, bie id) für Didj füfjlc, nidjt bie Ciebe 5 U Pater, ju ZTTutter, ju Sdjwefter, 
ju Bruber." Unb bann fügt fic bcutfdj Ijinju : „Du bift mein ZlHes, €ngel meiner 
Seele, in Dir finbe idj all mein ©lücf, unb oljne Didj ift mir ZI lies nidjts, unb idj bin 
unglüeftidj. 3dj bitte Didj, um ©otteswillen, antworte mir redjt aufridjtig, ob Du audj 
redjt innig unb waljrljaftig pon meiner waljren, reinen Ciebe 3 U Dir überjeugt bift?" 

Dem Bruber ©eorg aber, in bem fte meljr unb meljr Ujren pertrauteften ^reunb falj, 
unb bem fte bas 3 n,tcr fie iljres fjerjens ausfdjüttetc, fdjrieb fic einige (Tage fpäter pon 
iijrem unausfpredjlidjen Sdjmcrje über bie (Trennung pon bem ©alten, ben fte meljr liebe 
als fid) fclbfi. „©in Zlbfdjieb, wie ber war, weldjcr ntidj pon meinem ZTtann trennte, ift 
platterbings nidjt ju fdjilbem. ©r war fo gerüljrt unb fo unglüdlidj barüber, baf er felbft 
als ZTtann badjte, es nidjt überftefjen ju fonnen. Zldj, lieber 3uttge, idj bin auferorbentlidj 
glücflidj burdj iljn . . . ©efters wenn wir fo traulidj beifamnten fafen unb er mir porlas, 
fo unterbradj er fid? fdjnell unb fagte: „Didj, bie Du all mein ©lücf unb meine Seligfeit 
ausmadjft, foll idj perlaffen! Zldj ©ott, wie Ijartl" So eine ^uftdpnmd madjt einen bodj 
waljriidj glücflidj, befonbers wenn man nur ben einen IDunfdj fjat, feinen ZTtann redjt 
glücflidj rnadjen ju wollen. Die fedjs IDodjen, bie idj in polsbam mit 3h ,n jugebradjt 
Ijabe, waren unftreitig bie glücflidjften meines Cebens. ©ans °h ,lc ©ene unb ©tifette, 
fo ganj nadj feinem IDillcn fjab’ idj gelebt, unb idj füljlte bas ©lücf, foldj’ ein Ceben ju 

füljrcn, nie lebfjafter als wenn idj pon Berlin ZZadjridjt befam: Ijeute ift grofer Ball ober 

Ijcut ift grof Conjcrt unb Souper. ZJd) ba war idj pergnügt, midj an ber Seite meines 
ZTtannes ju finben, in einer Cinondjemifc unb ausgefämntte fjaare, unb iljnt redjt por« 

fdjwaßen ju fönnen, wie feljr idj iljn liebte unb fdjäftc" .... 

Bereits am 16. ZTtai waren bie prinjefftnnen rnicber in potsbam, wo fte nun in 
Sansfouci IDofjnung naljnien, einfam inmitten iljrer fjofftaaten, allein mit iljrcr Sefjnfudjt 
nadj ben fernen ©atten. ZDäljrcnb im lüeftcn unb ©ften, am Ztljein unb an ber IDeidjfel 
um bie beutfdjen ©renjmarfen gcfäntpft würbe unb bie preufifdjen ZDaffen nodj oft 

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ifjren alten Xuljm erneuerten, lebte man in Sansfouci, an bet Stätte, auf bie nod) por 
einem ^brjefynt bie Kugcn einer IDelt bemunbemb geridjtct waren, ein Stillleben, pon 
bejfen inljaltlofem (Einerlei fid; wenig crjäljlen lägt. 

Scheinbar war cs äf)nlid) wie ein 3 aljr jupor, als Cuife in Darmftabt weilte, mäfjrcnb 
6er Kronprin$ IHainj unb Canbau belagerte; tatfädjlid; war cs bodj fo ganj anbers . . . . 
3 n Darmftabt pon pielen lieben Ungehörigen unb Perwanbten umgeben, fühlte Cuife 
jegt in einer iljr fo fremben IDelt bie ganje Cajt ber Pereinfantung, bie in ben 
Umjlänben, in benen fie ftdf befanb, mit boppelter Sd;were auf iljr lag. IDofjI hatte fte 
bie Sdiwefter neben ftdj, an ber fie mit innigftcr Ciebe h>ttg, bie aber felbft mehr Hat 
beburfte als gewähren fonntc. Die fonftige Umgebung flögte ihr wenig Pertrauen ein, eine 
jfreunbin, wie fpäter an ^rau pon Kleift unb ^rau pon Sorg, hotte fte nodj itidjt gefunben. 
ITIil ber ©berfjofmeifterin !>atte ftdj nod; fein Perftänbnis gebilbet; ^rau pon Pog, ber 
jungen Kronprinjeffm an 3 ahren unb Ijcfifdjet Erfahrung fo feijr überlegen, hotte nad; ben 
Porfällen im Ulärj einen hofmeiftemben !Eon gegen ihre junge tjerrin angenommen, ben biefe 
fcfjlieglid; nadjbrücflidj jurüefweifen mugte; wie fte aud) bereit Heigung, alle möglichen alten 
©tifctteporfdjriften wieber in Kraft ju fegen, in häufigen „Bataillen" 5u befämpfen genötigt 
war. Sie hätte bestjalb bie Pog am liebften cntlaffen, unb an ihrer Stelle bie Jrau pon Sdjacf, 
beren ITTann bomals ftarb unb bie Illaffows Sdjmefler war, als ©berfjofmeifterin angenommen. 
Beffer flanb fte $u fjenriette pon Pierecf, ohne ihr bodj gan5 pertrauen ju fönnen, ba man 
ihr fäifdjlidjermeife nahe Bc5ieljungen jum Könige nadjfagtc. Die fjofbonten oollenbs ihrer 
Sdjmefler jeiglen bebcnflidje Heigung, ftdj bie potsbamer Cangeweilc burdj allerhanb fleine 
Ciebeleien ju perfürjen, unb bebutften felje ber Heberwadjung. Kn Pcrfeljr fehlte es fonjt 
feineswegs. IDeim bte prinsefftnnen felbft wenig ausgingen, fo empfingen fie bafür oft 
Befudje. Die Königin fam ju weilen; fte war jegt fetjr gnäbig unb brachte jebesntal fleine 
©efdjenfe unb Heuigfeiten, benn fte flanb in nahem Pcrfeljr mit ^rau pon Bifchoffwerber, 
bie pon ihrem UTanne immer bie beften Hadjridjten erhielt, fjäufige ©äfte waren bte jüngeren 
Brübcr bes Kronprirtjen, bie prinjen fjeinridj unb IDilhelnt, bantals 12 unb (0 3 oh« alt, aud; 
ihre Sdjwefter, bie prinjeffin Kugufte. Befonbers gern pflegte Cuife bie ©feiere pom Regiment 
bes Kronprinjen ju ftefj 3U bitten. Sie nahm flets lebhaften Kntcil an ber Sorge bes Kronprinjen 
für bies Kegiment, unb fie freute ftdj, meint fie bem ©emabl, ber wegen bes Kufentljaltes 
in Berlin nidjt ohne Sorge gewefen war, beridjten fonnte, bag cs fetnerlci Knlag 5U Klagen 
gebe unb bag ein Solbat bes Regimentes, betn fie begegnet fei, redjt „propre" ausgefehen höbe. 

Bei biefern Perfehrc war bie Kronprinseffm nach ben (Erfahrungen bes legten IDinters 
ängftlidj befliffcn, fidj allezeit ttadj ben IDünfdjen ihres ©cmafjls ju ridjten, Ijouptfädjlidj 

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Kronprinjeffin fuife 






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aber Xücfgcht auf beit KHllen bes Königs ju nehmen. Die Ubhängigfeit, in 6er ge ftdj 
befanb, ertrug jte fchwer, unö rüttelte wohl juweilen an 6en fie eittfchliegcnbcn Schranfen, 
ofjnc ftcfj boch je 6a rüber hinaus ins ^reie }u wagen. So war es, als bamals König 
^ricbrichs 6es ©rogett Bruber, prins t)eitiridj, pon Xheinsberg, bas er nur feiten perlieg, 
nach Berlin fam unb 5U allgenteinem (Erftaunen — er hatte no<h nie ein beutfehes Stücf 
gefchen — einer Kuffühning bet mit ungeheurem (Erfolge gefpiclten „Zaubcrgöie" beiwohnte. 
(Er war ber fyxhjeitsfeier fentgeblieben, unb man erwartete, bag er jegt bie Prinjefgnnen 
in Sansfouci befuchen werbe, bie barüber in nicht geringe Aufregung gerieten. Sie wugten, 
bag er bei beut König in Ungnabe war, beffen politifche Sichtung ber unentwegte Jranjofen- 
freunb mit beigenben Sarfastnen fritifierte. IDie follten fte ihn empfangen, wenn et ge 
befugte; ober wie würbe es werben, wenn fte gar 5U einem ©egenbefudje genötigt mären? 
Zu* grogen Beruhigung ber prinjefgnnen reifte jeboeh prin3 fjeinrich balb wieber nach 
Xheinsberg 5urücf, ohne nach potsbam ju fommen, ja ohne feine eigene ©cmahlin in 
Berlin 3U fehen. 

(Ein anbercr Porfall, ber ge in Unruhe perfegte, war bas Ublcben ihres ©nfels, 
bes regierenben fferjogs pott UTecflcnburg* Slrelig, „Dörcfjläuchtings", bas am 2. 3 uni 
cintrat. 3 n betn ©lüefwunfthfehteiben an ben Dater, ber nun jut Xegierung in Heuftrelig 
berufen würbe, meinte Cuifc, „er werbe jegt feinen Uhinfdi, ©utes ju tun, piel mehr 
befriebigen fönnen als bisher; ohne bas mache bas Begieren nidit fegr glücflich, benn 
es fei hoch eine fchwero Cag." Die prinjefftnnen hätten gent ben Dater in Heuftrelig 
befucht, aber ohne ausbrücfliche (Erlaubnis bes Königs wagten fte es um fo weniger, 
als fte bei ber ^agrt nach Heuftrelig wogl auch Xfjeinsberg hatten berühren tttügen. 
Die (Ermächtigung bes Königs traf fcfgieglich aus polen ein, aber nach pielfältigen 
Zögerungen fo oerfpätet, bag Jjcrjog Karl injwifchen Heuftrelig wieber perlagen hatte unb 
bie Seife unterbleiben mugte. 

So begnügten geh bie prinjefftnnen meift mit Spajiergängen in betn Heuen ©arten, 
nach bem 3apanifcf)en palais, nach ber „©rotte", wo fte oft $u Sbenb fpeiften, unb befonbers 
in Sansfouci felbft. Dem Schatten bes ©rogen Königs, ben bie bemunbembe (Erinnerung 
ber Hachmelt immer in ben Ulleen feines parfes fuchen uttb gnben wirb, ig Kronprinjefgn 
fuife nie begegnet; nie erfcheint fein Harne in ihren Briefen. Die Dergangenhcit bes Staates, 
in ben igr Schicffal ge geführt, ift ihr noch nicht lebenbig geworben; fte lebt nur ber 
©egenwart uttb einer Zukunft, in ber ge wieber mit bem ©atten pereint fein wirb, einer 
Zufunft pielleicht ju breien. Unb wenn ge Uusgüge macht in bie weitere Untgegcnb 
potsbams, etwa nach bem „Kaninchenwerber" — ber fpätcr fo geliebten pfaucttinfel — 

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Hronprinjfffirt fuife 




fo gcfjt mit ihr immer Mo (Erinnerung an bie Stunben, bie fic bort mit bent ©alten in 
glücflicheren lagen perlebt tjat. Seht Ijübfdj fyat tuife biefon ©mpfinbungen Xusbruef 
gegeben in bor Sdjilberung eines Xusfluges nad) Berlin, roobei fie bie (Einrichtung in ihrem 
palais für bie entartete ^amilie beficfjtigte. Sie fchreibt barüber bem Kronprinjen am 
6 . 3uli: „®cftcrn habe id) bort eine Stunbc gefdjlafen. Benfe nur, iefj batte bas Dergnügen, 
basfelbe Kiffen noef) 5 U ftttben, auf bem Bu gefd)lafen fyatteft, unb ich habe meinen Kopf 
baraufgelegt unb ba redjt frieblicfj geruht, aber nidjt auf bem Bette, bas fjätte mid) 
ju fefjr gerührt, fonbem auf bem ©anaptf. 3<h bin besfjalb aud) nid)t in Beine Zimmer 
berunlergegangen, roo mir nod) in ben lebten Cagen fo glüeflid) maren; aber id) Ijabe 
mid; por ben Sdireibtifd) gefegt, ben id) Seiner ©üte perbanfe, unb icb f)abe bie Solbaten 
unb bie ©ffijiere betrachtet, bie Bu gemalt Ijaft, Beine unb meine, unb id) f)abc mid) recht 
lebhaft baran erinnert, roo ber eine unb ber anbere gemalt rpurbe. <£s gibt Braunstjarbtcr 
unb Barmftäbter barunter, einige in meinem eigenen Mitunter gemalt, anbere in ben gimmem 
©roßmamas. (Einige ftnb aud) in BTarienborti eniftanben, in bem reijenben f)agebufd), roo 
mir ben angenehmen nachmittag nerlebten, ber etroas heiß mar, aber mo mir bod) fo glüeflidj 
unb jufrieben maren. IDie haben fid) bie geilen feitbem geänbertl Ber arme Sdjacf lebte 
nodj, ber bie ©roßntama befdjäftigte, bamit fte uns mit ihren ©efd)id)ten unb ihren fo 
geiftpollen Bemerfungen in Kühe lief. Bonn hätte matt fie geroähren laffett, fo batten mir 
feinen ruhigen Xugenblicf gehabt, unb id) glaube, fte hätte lieber gefcljen, baß Bu ihr ben 
fjof madjteft als mir" . . . 

3n potsbam felbft haben Me prinjeffinnen aud) an Meinen ^cftlidjfeiten teilgenommen, 
fo im tBaifenhaufe, mo fte Prämien perteilten, unb am Scbüßcnfeftc, mo bie Kronprinjeffin 
pott bet ©ilbe sur Känigin gcfchoffen mürbe, fo baß fte fid) mit einem großen ©clbgefdjenf 
iosfaufen mußte, fd)meren fjerjens, benn iljre Kaffe mar fdjon burd) llnterftüßungcn an 
Xrme übermäßig in Xnfprud) genommen. „Bie allerliebfte unb piel geliebte Scbüßengilbe," 
fo fdjreibt £uife barüber, „hat ftd) fd)on jum $mciten 2Ual Me <£f) r e ausgebeten, uns bei 
fid) ju fehen, mit bem angenehmen gufaß, baß fte hätten ein gelt auffdjlagen laffen unb 
jroei Sd)ilbroad)en bapor geftelit, bamit mir nicht pon bem pöbel beläftigt mürben, hätten 
allerhanb <£ts unb Kudjen baefen laffen, unb freueten ftd) höchlich uns ju fehen. IDas bleibt 
uns alfo übrig? K)ir müffen, mollen mir ober roollen mir nidjt, uns fd)tttoren laffen unb 
piclleid)t gar toll roerben, um bie <£h re 5 ** haben, ben Bürgern bie Cour ju machen." 

fjumorrolle Xeußerungen, mie biefc, begegnen nur feiten einmal in ben jal)lreid)en 
Schreiben ber Kronprinjeffin aus biefent Sommer. Bet ©runbton ber Briefe ift pielmeljr 
emft, jumeilen mchmütig uttb felbft traurig. 3 mmcr umbüftert bas ©efü!)l ratlofer 

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Hrotifrinjcffin £uife 



Pereinfamung Cuifens fottfl fo fonniges TBefcn. Uni ob fie an Pater uni Bruber fdjreibt, 
ober an bie ©rofmutter, an Pfarrer Cidjtfjammcr ober an ^räulein non ©cflieu, — ttjr 
©ematjl, feine Ciebe unb feine ©üte hüben ben Hauptinhalt ttjrer Briefe, tote er jegt auch 
iljr ©efühlsleben ganj beherrfefjt unb ausfüllt. So fyeifjt es jur ©rogmama: „Du glaubft 
nicht, roie biefer ©ngel mich glücflicf) gemacht hat, wie aufmerffam er für mich mar-" 
Dem ©eiftlichen, bent fte itjrc (Teilnahme bei einer ©rfranfung ausfpricht: „Sie werben 
mich gewig recht fefjr bebauert haben bei ber fdjrccflichen (Trennung non meinem UTann . . . 
Bebenfc Sie aber nur biefen einjigen ©ebanfen, bag er mich unter lauter frembe Ceute 
jurücflieg, bie ich nicht fenne, mit beren <Ctjarafter unb Perbinbungen ich ebenfo wenig 
befannt bin, als bie Hbgcfften, woburcf) fie hanbeln. Kein ^reunb, fein Hatgeber habe ich, 
ich bin ganj oerlaffen." Unb bent Jrdulein txm ©e'Iieu: „3n UUent ift meine Seele nicht 
mehr fo h c i* cc w>e cinft, bas ift freilich natürlich, wenn man bas Unglücf h at , r>on feinem 
UTanne getrennt ju fein, ben man anbetet unb ber unfer ganjes ©lücf ausmacht. Bann 
oerlägt uns ber ausgelaffene Uebennut unb man hat oft recht mclancholifcfje Uugenblicfe. 
3h« UDünfche unb 3^)« ©«bete, meine liebe ^reunbin, ftnb oSUig erhört. Denn ich bin 
bie glücflichfte ber grauen, mein ITtann macht mich ganj glüeflich, er ift fo gut, ich habe 
fo oiel Urfache, ihn ju lieben unb ju fd)ägen, bag ich wohl mit <3 ut, ergcbt mir fchmeicheht 
barf, bag mein ©lücf wirb bauerhaft fein, ba es auf ber feften ©runblage ber llchtung 
unb ber ^reunbfefjaft ruht" . . . 

Sehnfucht unb TPefjmut ift oor aüem auch ber ©runbton ber Briefe an ben Krön« 
prinjen felbft; erfüllt unb befeelt non reinftcr unb echteftcr ©attenliebe, fpiegcln fte ben ganjen 
Umfchwung roieber, ber ftcfj in £uife polljogen hat. Sie ftnb wie ein Schrei ber Sehnfucht 
bes IDeibes nach bem UTanne, bent ge geh ganj gegeben, ber in einer fremben IDelt, ju 
einem neuen Ceben, ihr Stab unb ihr Jüfjrer geworben ift; nach betn UTanne, in beffen 
iiänben ihr ©lücf ruht. — Uus ber .fülle ber oon folchen Stimmungen burchbrungenen Briefe 
wollen wir weniggens einige Uusjüge hier mitteilen, unb jwar hauptfächlich beutfefa gefchriebene 
Ueugerungcn, bie immer bie ©mpgnbungen Cuifens am oollften unb reinften wiebergeben. 

Schon am 2(. UTai fchreibt fte bem ©entahl: „Sei aüem, was Dir teuer ift, fcfjreibe 
mir oft, bas ift bas einjige Pergnügen, bas mir in meiner Pereinfammtg bleibt, bas 
einjige, wobei mein fjerj noch etwas ^reube empgnbet. Denn ich oergehere Bich, bag 
ich fett Bcincr Ubreife faum fenne, was man Jreube, ^eiterfeit, lachen nennt . . . HTein 
t)crj ift fo traurig, bag ich fein anberes Pergnügen habe, als in meinem 3'ntmet ju bleiben 
ober im ©arten fpajicren ju gehen ober bie legte Spajicrfaljrt in bem hübfehen fleinen 
©ehölj ju wieberholen, bie ich mit Bir gemacht habe. Um Sonntag war ich tn ber 



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iLJfd 7 




Uronprinjcfim Cuifc 11116 ihre fduivftor ^rioivrifc hofränjen öio 23 üftc Kenia ^riciridj IDilbclms II. 

ÖVIacmätöe ron Utatfö, K9- 5 » 



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Hronprinjeffln Inife 




Kirdje unb beim 21 nb lief bes Schloff es floffen meine tränen. 2 Id;, groger (Sott, wie glücflicfj 
war id) bort, ja, id) f ebnere Sit, bort t?abc icfj bie glücflichfte meines ganjen Cebens 
perbradjt, (Sott lofjn’ es Sir, Su ,freunb meiner Seele." Unb einige tage f pater: „taufenb 
Sanf, lieber guter ZHann, für alles Ciebe, was Su mir fagft, cs wirb meinem £>erjen 
babei fo weh unb fo wohl, unb (icfyj lefe bie Heberollen Stellen nod) Diel öfter burd), ab 
alles anbere. (Engelsfinb, id; liebe Dich aud) über alle JlTafen unb erinnere mid) mit 
taufenb ^reuben aller ber glüeflidjen feiten, bie id; mit Sir burdilebt hob*- lüenn ich nur 
einmal bas ©lücf hätte, red)t lebhaft Don Sir ju träumen, allein bas ©lücf ift mir nod; 
nidjt ju (Teil geworben. Ses tages befdjäftige id; mid) aber befto mehr mit Sir, benn id) 
fann mit XDat)rh*il fagen, bajj ich wohl niefft eine halbe Diertelftunbe jubringe, ohne an Sieb, 
lieber Jreunb, ju benfen. Xloij taufenb Sanf, Cieber, für alle Ciebe, bie Su mir wicber 
bemcifeft in Seinem lebten Brief, unb nehme bafür bie fefte Serftdierung ron meiner reinen 
ungefünftelten unb ewig bauemben Ciebe, mit ber id) leben unb flerben werbe" .... Unb 

nad) Cmpfang ron Briefen bes ©alten: „3<h habe mir noch einmal was ju gute getan 

unb Seine beiben lebten Briefe burchgelefen, Su bift bod) fo järtlid) unb gut, ad) id) mödjte 
Di d; füffen ror Sanfbarfeit, wenn id) nur fönnte, Su bift wahrhaftig ein (Engel gegen 
rtiid), unb Su wirft gewijj feh<n, bafj id) alles anwenben werbe, um immer mehr Seine 
Ciebe unb ©üte ju gewinnen unb ju oerbienen. ISenn Su nur wicber ba bift bis ju meinen 
IDochen, id) wünfdje es gar ju fehr, bamit Su mir burd) Seine liebe ©egenwart bcifteljen 
fannft in ben grofjen unb fd)tecflidyen Schmerjen, bie mid) erwarten, ©cm will id) bann 

leiben, was nur ein 2TIenfd) leiben fann, wenn id) nur bann auch Belohnung habe, 

Sid) bei mir ju haben" .... 

21nt |. 3uli beginnt Cuife ben Brief an ben ©alten: „3 d) fann meinen ZTTonat, lieber 
unb geliebter Jreunb, nidjt beffer anfangen, als inbem id) Dir meine erften ©ebanfen 
wibme. 3 mmsr aifo nod) getrennt ron Sir mufj id) biefe 31 tage perleben, immer Sid) 
in ©efahren wiffenb, ohne ihnen porbeugen ober Seine t>erbrieglid)f eiten linbem ju 
fönnen ... Su mein teurer unb järtlid; geliebter ^reunb, Du big ber Quell fo pielen 
©Iücfs für mich, Du bift aber auch ber Quell pieler tränen. 3<h hänge fo ganj mit 
Ceib unb Seele an Dir, es ift mir nichts fo teuer unb lieb wie Du, besfalls muff id) aber 
aud) recht leiben, ba id) alle mein ©lücf in Dir fege, ber Du fo weit ron mir bift . . . 
©ott bewahre Dich unb fd)üge unb fegne Didj, bas [finb] bie wahren unb innigen H>ünfd)e 
Deiner treuen ängftlidjen Cuife. fjätt* id; Did) bod) nur balb wieber bei mir, fonft ift hoch 
fein wahres ©lücf bei mir, benn Du wcifjft es aus allen meinen Briefen, Du bift bod; 
allein mein ©lücf unb meine ^reube. Dies ift was 211tes, lieber Jreunb, nidjt wahr? 



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Kronprinjtffin futfe 



aber eine glücflidje XDafjrfyeit, rooror imr <5ott nidjt genug öanfen Mimen. Die Derficfjerung, 
bag Du mit Deinem lieben brauchen jufricbeti bift, macht es unenblich glücflich, unb ich hoffe, 
baß cs immer fo bleiben wirb, wenigftens, ich fchwöre es Dir )u, hohe ich bie heften 
Abfällen non ber IDelt, alles ju tun, was Dicf glücflich unb jufrieben machen fann." 
IDenige Tage fpäter, nach einem Befuche ber ©rotte im Heuen ©arten, wobei alle fröhlich 
waren, fie allein fchwermütig, fchreibt Cuife: „3* träumte mir alle bie glücflichcn feiten 
ber Dergangenljcit, alle bas Unglücf, was uns noch ’ n her ^ufunft nerfchleiert liegt, uitb war 
fo traurig unb fo 5U111 IDeinen geftimmt, bag ich alle Blühe hatte, meine (Tränen junlcfs 
juhaltcn. Die Augenblicfe, bie ich mit Dir in ber ©rotte $ubracf)te, unb waren cs gleich 
nur Augenblicfe, fo waren fte hoch glücflich, unb jegt, ach! wie nerfchieben ift nicht Alles, 
benn überall entbehre ich Dich, lieber, guter Alann." 

3njwifchcn war ber Kronprins mit bem König, nach längerem Aufenthalt in pofen, 
ben bie llnfertigfeit ber Lüftungen oerurfachte, enblicb Anfang 3uni über Trebnig unb 
(Cjenftochau in Polen eingerüeft, wo fte ftdj mit ben preugifefjen Truppen unter Jacrat in 
IDoIa, einige Hteilen nörblicfj t>on Krafau, percinigten. <£be cs aber ju einem ^ufammen» 
flog mit ber unter Aosciusjfo perfammelten polnifchcn 3nfurreftion fam, entfernte ber König 
ben Kronprinjen pon ber fjauptarmee, inbem er ihm mit brei Bataillonen 3 ,l f a nterie unb 
einigen Schwabronen Kapallerie eine Diucrfton nach bem 22 ATeilen nörblich gelegenen 
petrifau auftrug, angeblich „um hem 5 c ' n he auf feiner rechten ^lanfe unb im Kücfen 
3 aloufte SU geben" unb eintretenbenfalls beffen Kücfjug nach IDarfchau 5 U bebrohen. Der 
Kronprins machte pcrgeblich Dorfteilungen gegen biefe (Entfernung pon ber fiauptarmee, 
gerabe in bem Augcnblicfc, wo ein cmfthafter Kampf beporftanb; er fchrieb bem König, 
cs fei ihm äugerft fchmerslich, pon allen „brillanten Dorfällen" ausgefchloffen su werben, 
wäbrcnb fein einiger lüunfch bahingehe, ftch unter ber Rührung bes Königs felbft „immer 
mehr $u belehren unb feine Kenntniffe 3 U erweitern". Der König fucfjte ihn ju beruhigen, 
er erwibertc il;m eigenhänbig: „ein Detachement $u führen, ift aUe$eit ein Reichen pon 
Zutrauen unb eine Diftinftiou unb piel inftruftiper als fo beim grogen Klumpen ju bleiben". 
Hach Berlin aber fchrieb er, er habe feinen Sohn abfichtlid} entfernt, weil er bem Caitbe 
für bie »Erhaltung bes (Thronerben rcrantroortlich fei; für ftch fei er nur ftch felbft per« 
antwortlich, barum bleibe er. IPährenb alfo am 9 . 3 utti bas für bie preugett ftegreiche 
(Treffen bei Kawfa gefchlagen unb prin$ Couis, ber an ber Spigc feiner Dragoner mit 
bem Säbel in ber Jauft eingehauen hatte, pom König sunt ©eneralntajor beförbert würbe, 
ftanb ber Kronprin$ ntügig in petrifau, wo, wie er fchrieb, er nientanb ftörtc unb niemanb 
ihn ftörte. Hach manchen ©rbers unb Konterorbers würbe er pon bort weiter norbwärts 



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Mronprinjeflin fuife 



nacfj Cowicj birigiert, wo er Sübpreußett gegen einen etwaigen (Einfall pon IBarfchau Ijer 
beefen follte, bann aber an bie fyiuptarmee wieber herangejogen, mit 6er er fief) am 9. 3uli 
bei ITaöatjvn pereinigte, um an 6er Belagerung IBarfchaus teiljuneljmen. Der König, mit 
6eni er jeßt wieber jufammentraf, bejeigte ihm in gnä6igen IDortcn feine nolle gufrie6ent)eit. 

Der Kronprinj felbft tuar weit entfernt, mit 6em (Sange bes .felbjuges }ufrie6en ju 
fein. (Er war nicht bloß erjümt 6arübcr, wie er felbft beifeite gefefjoben würbe, fo baß er 
tDofyl meinte, wenn bet König iljn ju nichts ©rbcntlicbcm gebrauchen wolle, fo folle man 
iljn boct) ju fjaufe [affen ; er mißbilligte auch 6ic preußifche politif, 6ie 6cn Kampf gegen 
^ranfrcich im IBcften fortfeßte unb fich jugleich, wie er meinte, burch Kußlanb ju einem 
Kngriffsfrieg in polen perleiten lief, wäljrenb man hätte in 6er Defenftpe bleiben fönnen. 
<5anj befonbers aber perurteilte er bie Kriegführung: bie Schwerfälligfeit unb Unjulänglid)» 
feit ber Lüftungen, bie ihm „bejammemswürbig" fdjicnen, bie miberfpruchspolle Befehls» 
führung, bie bas Sprichwort beftätige, baf bie „Kricgsfunft peränbcrlich fei", bie Unent« 
fcf)loffenljeit unb fjalbljeit in allen Blaß nahmen. „Bie," ruft er einmal aus, „nie habe ich 
eilten foldjen ^elbjug gefehen." Bemerfen wir es wohl: bie (Einbrücfc, bie ber Kronprinj 
f?9$ in polen gewann, mehr felbft als bie (Erfahrungen in ben Hheinfelbjügcn ber 
3af)re f 792 unb (793, erflären bie unerfchütterliihe Jriebfcrtigfcit ber politif bes fpäteren 
Königs, insbefonbere aber feine Kbneigung gegen jeben Koalitionsfricg. 

Ber Derlauf ber Belagerung pon IBarfchau, bie ITIitte 3uli (794 mit ungenügenben 
2TTittcIn jögemb unternommen, ftch ergebnislos burch ben Sommer fjirtfdjlcppt«, fchien alle 
fchlitnmcn Erwartungen bes Kronprinjen ju beftätigen. Bie (Truppen felbft jwar erwiefen 
fi<h immer wicbcr als würbige Söhne bet fjelben bes Siebenjährigen Krieges. Ber Krön» 
prinj fattn bie h'ngebcnbe (Tapferfeit nicht genug rühmen, bie fie bei ber (Erftürmung einiger 
Schanjen por IBarfchau, am 28. Kuguft, befunbeten. „IDir behaupteten enblich," fchreibt er 
bet (Semahlin, „bas burch bie unerhörte unb göttliche Brapour unferer ausgcjcidfnctcn (Truppen 
eroberte (Terrain .... Es war ein mörberliciies ^eucr, unb wir haben graufam piel Blenfchen 
perloren unb fehr piele btape rechtfchaffene ©ffijicrs, um bie es recht Schabe ift unb bie 
allgemein bebauert werben. 3^) fann Bit pcrftchern, ich habe fo etwas noch ttidjt gefehen. 
Bie Bleffterten famen immer haufenweife jurücf .... Ber Knblicf war erfchrecflich unb 
man mußte ohne Empfinbung fein, um biefes mit (Sleichgültigfeit anjufehen. 3<h fonntc 
es nicht unb bie IThränen ftanben mir unb mehreren in ben Kugen, folch herrliches brapes 
unperbroffenes ihrem Könige unb ihren ©ffijicrs fo jugetanes Dolf fo aufopfent ju fehen, 
ohne bas geringfte BTurren, pielmehr bie auffallenbften Keußerungen pon Kttachcment unb 
Ciebe für ben König pon pcrfchiebcnen fchwer bleffterten unb jämmerlich jugerichtcten Ceuten 




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auf ent ju f?3rett. Hein, gewif, id? pergeffe cs nie, ief? habe in meinem Ceben nodj feine 
rüfjrenbere Sjenc erlebt" .... 

IPas (ja(f bie Capfetfeit pon Solbaten unb ©ffijieren gegenüber 6 er nnjulänglidjfcit 
6 es ©berbefeljls? <£s mangelte an Belagerungsgefchüf , unb bann, als es enblidj auf 
ber IDeidjfel tjerbeigefdjafft n>ar, an ber paffenben UTunition, fo baf ber König mit 
Strafen gegen bie Zladjläffigen bajwifdjenfuljr. IDie wenig cntfpradj auch biefer ^elbjug 
tpicber ben (Erwartungen, mit benen er im ,Jrüf)jaljr ausgesogen war! Unter ben (Ent* 
bedungen in bem perwüfteten Canbe, bem ungefunben Klima mit feinem rafdjen IDedifet 
pon fjife unb Külte, unter ben Derbrieflicbfeiten aller 2lrt litten bas freublofe (Semüt unb 
bie ohnehin erfdjütterte ©cfunbljeit bes Königs, unb in bem Knfdjwellen feiner Seine 
jeigten fidj fdjon bie Unfängc ber Kranffjeit, bie tfjn brci 3 d h r e fpüter Ijinraffen follte. 
(Es mag bamit jufammenljängen, baf et ben (Entfdiluf ju bem Sturme auf IDarfcfjau 
nidjt faffen fonnte unb ftd) pielmeljr am l. September für Kufljebung ber Belagerung ent* 
fdjieb, bem unrühmlichen Kücfjuge aus ber Champagne einen gleich ruljmlofen Bücfjug aus 
polen Ijinjufügcnb. Der Kronprinj fdjrcibt hierüber noch am felbigen (Tage: „fjcute war 
hierfelbft eine grofe Krifts, in ber man ben ganjen Cag bis jeft geblieben ift, ob wir ben 
^einb morgen pon allen Seiten unb mit ber ganjen 2Ttadjt angreifen follten ober nicht. 
Die UTanfteinfdje partei war für bas erfte. Sun waren aber alle übrige gutgefinnte 
Ulcnfdjcn für bas leftc, inbem wir burch ben Perluft pon elf Kühnen, auf benen UTunition 
herangefahren werben follte, in bie gröftc Derlegenheit wüten gefcft worben, unb übcrbem 
bie ganje Sache ohnntöglich auf etwas Reelles abgelaufen würe unb uns blof picl UTenfdjcn 
gefoftct hätte , unb wir am (Enbe hoch hätten abjieljen müffen, unb pielleicht mit Declufi 
unfcrcs Belagerungsgefdjüfes. Hun ljat ber König enblich ben jwar harten, jeboch weifen 
(Entfdjluf gcfaft, mit ber Krmee abjumarfchieren unb Sübpreuf en $u becfen, bie Confeberations 
nehmen bafelbft tüglich überfjanb, unb es ift bie t^öchfte ^eit, baf wir Ijanb über Ijerj legen 
unb ben Ruhm hierfelbft fahren laffen .... Ulan fagt, ber König wäre gefonnen, jur Rheim 
armee 5 U gehen. IDeldjer ©ebanfe. 3^! h°ff c er fommt nidjt jur Keife . . . ." Unb in einer 
Uadjfdjrift fügt er Ijinju: „Bifdjoffwerber hat hiebei piel ©Utes geftiftet, unb ift mit einer 
pon benen, bie bem König bie ganje Sadje flar unb beutlieh bargeftellt haben." So war 
es in ber Cat: Bifdjoffwerber hatte über 2TTanftein geftegt, fein (Eiitfluf beherrfdjte fortan 
bie politif ber leften 3 a h le König Jriebrid) HXlljelnts II., fo entfdjeibcnb wie früher bie 
ber crften 3 ah re - 

Der Kronprinj, wie wir fcljen, billigte burdjaus bie Kuftjebung ber Belagerung 
IDarfdjaus; allein er empfanb bodj anberfcits brcnnenb bie Sdjmadj biefcs Küdjuges, unb 

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Kronprin3fffin £nife 



er meinte wot)l, baf bie Urheber, bie burdi iljre „fehlerhaften unb törichten 2TIafregeln" 
öiefe Hieberlage perfdjulbet hätten, „por Schani gerben müften". 

3n allen biefen Entläufchungen unb Berbrieflicpfeiten n>ar unb blieb bem Krön* 
prin 5 en ein CTrofi : bie Briefe feiner ©einahlin, aus benen ihm €uifens liebe perfbnlichfcit 
lebenbig unb gegenwärtig herportrai. (Es war ihm, als pfe fie bei ihm unb plaubere 
mit ihrer lieblichen Stimme unb fdjaue ihn an mit bem „freunblicbcn liebepollen Blicfe", 
Öen er glücfficb war auf einem Bilbe pon ihr, einem ©eburtstagsgefcfienf, wieberjufinben. 
So wenig an pd) ©efüljlsergüffe in feiner Hatur lagen, fo hat er Cuifens innige Siebes* 
betcuerungcn bo<h immer mit berfelben 3 nn '9feit erwibert. Er raufte, unb er fprach es 
aus, baf ihm nur pon ihr bas ©lücf fommen Finne. „IDie glücflich bin ich," f° f<*?rcibt 
er einmal, „eine ;Jrau ju h J i ’ tn > bie mich f° mit 21ufmerffamfeiten unb ^ärtlichfeiten 
überhäuft, ©ehe ber l^immel, baf ich alles pergelten fann, wie Du es perbienft, unb baf 
ich halb bas eine unb cinjige ©lücf habe, roieber bei Dir ju fein, bei 2lUcm, was ich Kd* 
unb anbete." Dajwifcbcn forgte er mit rührenber 2lengftlichfeit um ihre ©efunbheit, bie in 
ihrem ^uftanbe hoppelte Borficht erforbere, unb in Erinnerung an ihre Efgeraohnheiten, 
trarnte er fie bei ©intritt ber „lieben ©rtoffeljeit" por Unregelmäfigfeiten. 

Kronprinjefftn Cuife in Sansfouei war bem Ber laufe bes polnifchen ^Jelbjuges mit 
lebhafterem 3 n tereffc gefolgt, teilnahmspoll für bas ©ofdjidF bes ©alten, ben pe raieber mit 
leichtefter Unterhaltungsleftüre perforgte, »ährenb ber KJnig pon feiner freunbin Burfes 
unb Bumouriejs Schriften erhielt, unb als „gute Patriotin unb gute preufin", wie fte fiefj 
einmal nennt, beforgt um ben Huhnt bet preufifchen IDaffen. Sie hätte ficb eine Karte 
pon polen befefjafft unb neben ben ^elbjugsbriefcn bes Kronprinjen las pe „mit Sage", 
„was an IDunber grenjete" — fo fefjreibt pe ber ©rofmutter — , bie Eölnifche 3 c ’tung. 
21 us pollem Ijerjen teilte pe bie ©ntrüftung bes Kronprinjen über feine Entfernung pon 
ber tjauptarmee por bem Creffen non 2xawfa. „3ch bin wirflich ein »enig raüthenb unb 
mbchte ben prügeln, ber biefen bummen plan gemacht h at ' ber ju nichts nüft als Bich 5 u 
ermüben unb pon ber fyiuptarmee ju entfernen .... Bu bift orbentlich abgefonbert pon 
ber gaitjen 2T!ettfchheit unb bift pergraben bey bie infamen polen, ©ott perjeihe mir meine 
Sünbe, aber ich weif nicht, was ich fetjreib« noch t uc not IBut, benn fchon Bich betrübt 
unb bäfe ju wiffen, ift mir fchmerjhaft, aber Beine üble tage babei macht mich ganj 
mürrifch, hoppelt, ba ich alle ©alle por mich behalten muf unb es feiner merfen barf, fonft 
würbe es gewif ju Bero hächftem Hüffen fommen." Sie hielt nichts pon ber 21llianj mit 
Kuflanb, bas preufen hoch nur werbe „hineinplumpen" laffen, unb fchall ganj wie ber 
Kronprinj auf bie pianlopgfeit bei ber Einleitung unb Rührung bes ^elbjuges überhaupt. 

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„!Dir boten wertig ©lüi mit unfern Kriegen." „3mmcr," fo fAreibt fie, „immer wirb 
alles, um es burAjufcSen, IciAt, ganj leiAt porgefteüt, baten mirs bann erlangt fo nehmen 
mir alles auf her leisten KAM, ütereilen uns, unb foll es bann auf etwas ©rbentliAes 
hinausgeben , ja, bann fiBen mir in ber Srcbouille, baten t>ome unb hinten niAts unb 
geben uns immer ein großes Kibicül." Die Cangfamfeiten insbefonbere K*i ber Belagerung 
IDarfcbaus empörten fie: „es ift mabrbaftig um bie SAmarfcegelbefuAt ju tefommen," 
lieber SifAoffwerber unb IHanftein, mit beren (Satlinnen fie häufig nerf ehrte, urteilt fie 
einmal: „3A möAte wahrliA Perftanb genug be fiBen, um ITianftein unb BifAoffwerber 
ganj aus bem ^unbamente $u feinten, benn bies tut unb fann fein HienfA- J3aI6 glaubt 
man, ber <£inc, halb, ber Knberc fei beffer, babei bleibt es unb meüer fann ttiemanb niAts 
fagen" .... ITÜt bem Kronprinjen teilte fie bie Beamnberung für bie Eingebung ber 
(Truppen. Der BcriAt über ben Sturm pom 28. Kuguft rübrte fie ;u (Tränen. Sie eilte, 
menigftens burA SAarpiqupfen mit ihrer 5Amefter jur €inberung ber £ciben ber Per= 
munbeten etmas beijutragen unb fArieb ihrem ©atten, bem fünftigen Ifönige t>on Preugen : 
„IDas ftnb boA unfere gute preugen perebrungswürbig unb mie glücfliA ift es, fjerr unb 
König foIAer brarcr bieberer IflenfAen ju fein .... Die Preugen merben boA immer 
ihren alten Hamen behalten" .... 

Sie hatte fiA injwifAen mehr unb mehr in ben ©ebaitfcn gefunben, ber fie juerfl 
am mciften befümmert hatte, bag fie ihre IDoAeit n °A »or ber JvüAfeljr Ares ©atten aus 
polen merbe halten muffen. 3h r ©efunbheitsjuftanb, ber anfangs wenig günftig gemefen 
mar, ftA allmähliA gebeffert unb ihre Stimmung fiA gehoben. Km 3. Kuguft fonnte 
fie mit il;rcn Ijofftaaten unb mit ben ©fftjieren bes fronprinjliAen Regimentes ben ©eburtstag 
ihres ©emahls fräljliA feiern, unb bie Knfunft bes Paters nollenbs, ber fie Knfang September 
für einige (Tage befuAte — »gütig, järtliA, anbetungsmürbig wie immer" — braAtc ihre 
fröhliA* Caune mieber. Sie freute fiA uncnbliA barauf, „halb ITlama ju merben". Hur 
bie KusfiAt, »in bem fAtecfliAeii grogen Berlin" allein unb nereinfamt ihre IDoAen ju 
halten, beunruhigte fie noA fel?r. Da erhielt fie, am f2. September, bie überrafAenbe 
HaAriA 1 . bag ber Kronprinj in wenigen (Tagen mieber bei ihr fein merbe. 

€s mar ber König, bem ge bies ©lücf perbanfte. €r hatte am 6. September bie 
Belagerung pon IParfAau aufgehoben unb ftA mit feinen (Truppen, unperfolgt non 
Kosciusjfo, langfam in fübroeftliAcr RiAtung naA Sübpreugen jurüefgejogen. t£r felbjl 
reifte bann naA Breslau; er wollte es permeiben $u feinem ©eburtstagc, bem 25. September, 
in Berlin $u fein, unb baAte felbft mieber baran, an ben Hfyeiit ju gehen; feinen Söhnen 
aber geftattete er, naA Berlin ju eilen, um ihren grauen in ihrer fAmcren Stunbe nahe 

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ju fein. Bidjts gibt ein gelleres Bilb non bet innigen £ebensgemeinf<haft, wie fie ztrifdien 
bem Kronprinzen unb Cuife jegt fidj Ijerausgebilbet tjatte, als bie Briefe, bie fie bet biefct 
Bad)rid)t miteinanber med)fclten. 

Bet Kronprinz fdjrieb am 7. September (franjJfjfdj): „Bun pag einmal auf, was 
id) Btt fegt fagen »erbe. Sage mir zunäcfjft, engelhafte Cuife, mürbe ft Bu Dich mof)l fcljr 
erfdjrecfcn bei bet unerwarteten (Erfdbeinung eines gewiffen ^entanb, ber Bir niefjt gleid)« 
gültig ift, unb ber non recht weither fäme? IDürbe Bir biefe Uebetrafcbung nid)t unangenehm 
fein, unb genügt es wol;l, wenn id) Bir fagte, Bicfj auf eine folche «Erfdjeinung porjubereiten, 
bie oielleidjt gegen <£nbe biefes ZHonats unb pielleid)t fclbft nod; früher eintreten fönnte? Bun, 
was meinft Bu baju? Kljnt Bein f}erj wohl, um men es ftd; babei fjanbclt, unb fannft Bu 
Bir bcstoegen bie Jreube bejfcn rorftellen, ben biefes ©lücf erwartet? KUes was id) Bit 
fagen farm , ift, bag biefer gewiffe 3 eman & f«ft toll por ^reube ift, oljne es jebod) ju fetjr 
rnerfen ju laffen, benn es ift, glaube id), niefjt angemeffen, $u piel Cärm barüber ju machen, 
fjöre, ber König fjat mid) geftem rufen laffen unb mir biefe Badjridjt gegeben, zugleid) 
aber gefagt, baff id) (Euch barauf porbereiten möchte, bantit in (Eurem gegenwärtigen ^uftanb 
bie Badjridjt <Eudi nidjt mehr febabe als erfreue. i£r hat uns befohlen — benn, wie Bu 
Bir natürlich benfen fannft, banbeit es ftdj Ijier immer nodj um einen zweiten 3«nianb — 
porauf jureifen ; er werbe uns halb folgen .... tDaljrfjaftig, id; nerfidjere Bicb, id) bin bet 
glücflichfte Btenfd) pon ber lüelt. tt>eld)e Kusftcfjt für mid), bie nabe Hoffnung zu haben Bid) 
nrieberzufeben, bas einzige IDefcn toicberjufeljen, bas ich liebe unb bas id) anbete, unb halb 
bas pollfommene ©lücf zu geniegen, Bid) in meine Karte zu fdjliegcn unb an ein fjerz 
Zu brüefen, bas Bid) fo zärtlid) liebt. (Es war natürlich, bag id; bent König meine ^rcube 
äugerte, unb er fdjien fefjr erfreut, uns alle beibe baburd) glücflich zu mad)en. Kls guter 
Offizier mugte id) ihm nod) bie (Einweisung madjen, ob id) nid;t pielleidjt eine Kffaire 
perpaffen fönnte, wenn ftd) fjtcr etwas ereignen follte; er beruhigte mid) aber, bag bas ftdjer 
nid)t ber ^all fein würbe" .... Ber Kronprinz fd)liegt bann in beutfdjer Spradje: „Bun 
will id) bod) hoffen, bag Bir biefer mein Brief willfommcn fein wirb . . . Stelle Bir meine 
^reube red)t lebhaft bei biefer angenehmen fjoffnung por, ich tue basfelbige pon ber Beinigen, 
bie gewif aud) nidjt h*ud)lerifd) fein wirb" .... 

Bein, fie war nidjt beud)lerifd), Cuifens ^reube! ©leid) am Tage, wo fie ben Brief 
erhielt, am [2. September, antwortete fie bem ©eniafjl aus Sansfouci, aud) fte franjöftfd) 
unb beutfd; abmechfelnb: „Folie, Splitter rafenb toll por ^reube, faum fähig bie ^eber zu 
führen, bas ift mein <3 u f ,dn &< unb bas, id) wette, bag Bu es fchon geraten hup, unb bas 
wegen Beines göttlichen Briefes uom 7. September, ben id) grabe nod; oor Cifd) erhielt. 

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Kronprinjeffin £uife 



IDcld) göttliche Hadjrtdjt, id) wagte gar nidjl mel)r darauf ju Ijoffcn, um fo angenehmer. 
Kurj, id) weif ntcfjt, wo mir 6er "Kopf ficht, un6 weif nicfjt was ich tue. (Ein ,freubcbeben 
ergriff mid) bei 6er feftüre Deines Briefes, mein Kiem mürbe ganj für}, ganj furj, noch jeft 
weif id) nid)t was ich tue, un6 id) fann fafl meine ,feber nid|t in 6er gewohnten IDeife führen. 
IDas wirb es erft geben, wenn Du fömmft, wenn id) nur nidjt nieberfomme ror ^reube; 
aber ein rechtes ©Iücf ift es, bajj id? es fo lange ooraus weif, wahrhaftig, id) glaube, id) 
wäre umgefommen, 6enn fo eine Senfation läft jfid)] gar nicfjt befd)reiben, ach ®°tt, 
was ein ©Iücf, weldje ^reube erwartet mein, id) jittre an Krm unb Bein, wenn id) baran 
benfe! Dein Brief war recht will fom men unb taufenb unb taufenb BTal (jobe id) bie 
Stelle com 7. burchgelefen. IDas mich nur bcr ©ebanfe quälet, wann ift ber Cag wo 
er fommen wirb, bas ift nid)t }u fagen .... 34 bitte Did) aber auch 7*4 1 inftdnbig, 
mir ben Cag Deiner Knfunft $u fdjreiben, benn id) muf es wahrhaftig wiffen, fonft fterbe 
ich ober erfdjrecfe wenigftens }um Cobe, fömmft Du fo unb machft eine Surprife .... 34 
fd)wöre Dir, ich meif nid)t was id) tue. 34 wiü Dir einen langen Brief fdjreiben, aber 
bas gehet gar nid)t, benn meine ©ebanfen oerwhrren fid) fo, baf id) nicht weif, wo 
herausfinben" .... 

Balb follten beibe wieber oereinigt fein. 21 m 20. September fiebelte tuife mit ber 
Sd)wefter nad) Berlin über, fd)on am nädiffeit Cage fam ber Kronprinj „fröhlich unb 
gefunb" mit Klajor Köcfrif an, am 22. folgte if)m prinj Couis. (Erft am 26. September 
traf aud) ber König wiebet in potsbam ein, glüeflid), in feinem „ehrlichen ©arten" bem 
polnifdjen (Elenb entronnen ju fein. 



III. IDieber oereinigt 

Kronprinj rieb rieh IDilhelm unb tuife batten nid)t lange bie ^reube bes IDieber* 
fehens genojfen, als ein trauriges (Ereignis ihrem ©Iücf unb ihren Hoffnungen jäh ein 
(Enbe ntadjte. Km 7. ©ftober genas tuife eines Kinbes, bas tot jur IDelt fam, wie cs 
fpäter h'«f — bas Cagebud) ber ©berhofmeiftcrin erwähnt nod) nichts baoon — infolge 
eines unglflcflidjen Falles. Blit rührenber ©ebulb unb Sanftmut ertrug tuife bie teiben 
ihrer fd)toeren Stunbe; bie ^jerftörung ihrer ITTutterhoffnungen aber foftete ihr uncnblidje 
Cränen, bie ftd) erneuerten, als am 30. ©ftober ihre Sd)wefter einen Prinjen gebar unb 
balb barauf am ZTÜilchfieber gefährlich erfranfte. Dor bem Krön prinjen, beffen weidfes 
©emüt felbft fef)r litt, fudjte tuife bie Cränen möglid)ft ju oerbergen; bas gemeinfame 

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(Lafol 8 





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Kronprinjoffm Cutfe mit iljrcr Schwcftcr Jricbcrifo Kronpriiijcffm Cuifc mit 6cm am (5. (Dftobcr ( ~ ( )ö 

®eidjnnnä pph 3. M. Ii(djt.cin, 1:94 geborenen priitjcn t fric6ricb IDilbclm (IV.) 



Kronprinjjffln Inife 




llnglücf führte fie nod) nöljcr jueinanber, unb Cuife fann in il)ren Briefen bie (Bäte unb 
bic Ciebe ihres „(Engels" pon ©atten in biefen (Tagen nicht genug rühmen. Kuch bie 
Königinnen unb befonbers bet König jeigten iljr berjlichfte Knteilnal)me. Cuife felbfl fud)te 
ergebungsroll fid) in ©ottes Rügung }u fdjicfen , unb in bet Hoffnung (Troff 5 U finben, 
baß, wie fie ber ©roßmutier fdjrieb, „bet Perluft halb reichet gut gemalt reetbe*. 
Dem Bruber ©eorg aber f cf) rieb fie am (. Porember: „Kd), lieber ©eorge, reer beffer als 
Du fönnte meine Jreube, meine IDonnc, mein ©lücf teilen, reenn id) Dir von meinem 
Kinbe fdireiben fönnte! So aber fann id) leiber nur fagen: es rear fd)ön! Kleine (Tränen 
erftiefen mief). 3d) murre nicht, 34 trage mit (Ergebung ben IDillen ©ottes, ber in allen 
feinen Rügungen unfer ©lücf unb unfer Bcftcs ror Kugen fjat, auef) finb (Tränen fein 
Klurrcn, fonbem Empfinbungen ber IDeljmut, beten ftef) ein mütterlid)es l}crs nidft erwehren 
fann. Klein Klann g rufst Did; .... Er mad)t mid) $um glücflidjflen IDeibe ber Erbe. 
Er ift ein feltener Klann." 

Es folgte ein ftillcr IDinter. Kn ben offijiellen Jeftlidjfeitcn beteiligten fid) ^riebrid) 
IDill)elm unb Cuifc, foreeit fie es nicf)t permeiben fonnten; fonft lebten fie ru^ig für fid), in 
regelmäßigem Perfekt nur mit prin$ Couis unb ,frieberife, unb ben jüngeren Brübem 
bes Kronprinjen, bie fid) allfonntäglid) ein|ufinben pflegten. Das Familienleben mit feinen 
ftiUcn Jrcuben, für Cuife bod; immer ber Quell alles ©lüefes, legte ftd) allmäl)lid) linbernb 
unb Ijeilenb auf bie JDunbe, bie ein graufames ©efebief if)r gefdjlagen unb an ber fte lange 
nod) fdjreeigenb litt Die alte Cuife, poll ausgelaffener ^röfjlicfjfeit, reurbe fie erft reieber, 
als im Klärj f?<J5 Bruber ©eorg mit feinem ©oupemeur (Dberft pon ©räfe ju Befucf)e fam. 
Bruber ©eorg! KTit unenblidjer Ciebe, mel)r nod) als früher, hingen beibe Sd)»eftem an 
bem jeßt Fünfzehnjährigen ; niemanb war ihnen reillfommencr. Es rear, als brächte er 
ihnen bas entfd)reunbene aber nie pergeffene ©lücf ber rheinifdjen 3 u 9 <l, &l a 9 c reieber, unb 
jene h°lbe Schwärmerei, bie fie beibe an ber Seite ihrer ©atten entbehren mußten unb 
bod) nie gans entbehren lernten. Schon bei ber nadjridjt pon bem nahen Befudje übers 
ftrömte Cuife ein IDonnegefüI)!, bas alle ©eifter ber Caune unb F tö l?l*4fril reieber read) 
rief. „Kußer mir bin id), Euch reieber ju fcljen, 3h r Cieben, 3h r ©Uten. Kommt nur 
früh, liebe Kinbcr! Sonft möchte id) por Ungebulb bes (Tages Cänge nid)t erleben, ©efjet 
frühe weg, 3l? r alten lieben ©efdjöpfe, unb laßt nicht gar ju lange auf Euch warten, 
fjerr ©berft, id) »erbe mid) noch einmal fo tief büefen, reenn id) ben ©berft fetje. fyrt 
Erbprinj, um ©ottes IDillen fd)lafcn Sie nicht ju lange. 34 Mn bull im Kopf .... 
Kd) liebe, befte Ceute, fommt nur nicht ju fpät, id) bitte Eu4- Hun Kbieu, bes Unfmns 
ift genug. Kbieu, je vous aime tous les deux.“ 







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(Einige XDodjcn, naefjbent ©eorg wieber abgereift, im 2 Hai (795, fam „Btabufcfja", 
bie ©roßntama, überaus rüflig mit iljren 66 ’yibttn, rebfeliger als je, jum großen Per* 
bruß ber gleichaltrigen unb gleicfjtebfeligen ,frau non Poß, 6ie wäfjrenb ifjrer Knwefenfjeit 
faum ju IDorte fommen fonnte unb iljre 2(brcife ftets mit einem „(Sott fei Panf" im 
©agcbudjc ju oerjeiebnen pflegte, ©roßntama a>ar immer unterwegs, halb nad; Blonbijou 
jur regierenben Königin, balb nadj Sdjönfyaufen $ur HXtwe König ^ricbridis. Cuife liebte 
mit itjr unb itjrer fjofbame Jrau non Bofe bas plauberftünbcfjen morgens beim Kaffee, 
wo bie Cage non Pamiftabt wieber lebenbig würben, unb blieb ber Jüfjrerin ifjrer 3ugenb 
in Ciebe unb Danfbarfeit ergeben. „3<fj fann Pir bodj nie nergelten," fdjrieb fte ifjr, „was 
Pu mir ©utes getan; Pu fjaft mein irbifdjes unb geiftiges ©lücf begrünbet, kfj fann mcfjts 
tun Pir meine ©rfenntlidjfeit ju beweifen, id; werbe ewig Peine Sdjulbnerin bleiben." 
Pie ©roßmutter fjattc im nädjftett 3 a *) re ben großen Sdjmerj, iljre britte (Tochter, ifjren 
Cicbling, prinjeffm Kugufte non ber pfalj ju ncrlieren unb fiebelte bann nom Hfjeine su 
ifjrem Scfjwicgerfotjne f)crjog Karl nadj Heuftreliß über. Sie blieb in regftem Perfeljre 
mit Berlin, wofjin fie oft eingclaben würbe. „IDir fjaben plan für feefjs ©roßmüttcr," 
fdjreibt Cuife ifjr einmal, unb ein anbermal: „Pu wirft Pidj überjeugt fjaben, baß man 
Picfj liebt unb baß Pu willfommen bift in unferem fjaufe, wo bie Ciebe unb bie ©intradjt 
fjerrfdjen". ©inen Perfuch aber ber ©roßmutter, fte jur ©inmifdjung in politifefje fragen 
ju nerleitcn, wies fte f?<J5 entfdjieben jurücf: „Per König," erwiberte fte ifjr, „fjabe fdjon 
nor iljrer fjeirat ju iljrem Pfanne gefagt: grauen bürfen ftdj niefjt in politif mifdjen, eilt 
2Hann barf bas nicht leiben, ©r muß regieren unb eine ^rau muß gefjordjen; KUes, nur 
nidjt unter ben Pantoffel fontmen, bapor fjüte Picfj ja." 

Pas 3ufammenfein mit öruber ©eorg unb ber ©roßmutter fjattc alle jörtlicfjen 
©efüljle in Cuife erregt, fte Ijätte gern fefjon im Sommer \?<)5 ben Pater in Heuftreliß 
befuefjt, aber ber König münfcfjte es nidjt, um einer Berüfjrung mit prinj fjeinridj in 
Kfjeinsberg porjubeugen. Pagegen burften Kronprinj unb Kronprinjefftn im 3 U *> «in 
3ofjannitcrfeft in Sonnenburg mitfeiem, wo prinj Couis jum Koabjutor bes fjerrenmeifters 
prinj Jerbinanb erwählt würbe. Kudj beffen (Tochter prinjeffm Cuife, bie balb barauf 
bem prinjen HabjiwiU permäfjlt würbe, war bei biefem ^eftc jugegen, fte fcfjilbcrt bie 
Kronprinjefftn, bie babei „fdjönet war als je unb ftdj alle iljre Keinfjeit unb ifjrc eble 
©infacfjfjeit bewafjrte unb mit bem Kronprinjen bas Bilb einer glücflicfjen ©fje barbot." 
Kudj bie ITtaffo ws in Steinljöpcl, wo man immer Ijübfdje Jefte ju peranftatten wußte, 
würben babei wieber befuefjt; im September, bei Jrau oon fjumbolbt in Cegel ein piefnief 
gefeiert. 3 m fyrbfte fam Schweflet Colo, bie fjerjogin pon fjilbburgfjaufen, ju Befucfj, 




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Kronprinjcffin fuife 



beren angenehmes IDcfeit auch bei bet geftrengen $tau doh Poß Beifall fanb. Kurj nad) 
ihrer Kbreife trat enblid) bas «Ereignis ein, bas bie IDünfd)e bes fronprinjlidjcn paares 
frönen follte. Km (ö. ©ftober gab Cuife einem prinjen bas teben , ber am 28. ©ftober 
in ©egenmart ber ganjen föniglicben ^amilie, audi bes fjerjogs Karl unb bes (Erbprinjen 
©eorg, non Sacf auf bie Barnen Jriebricfj IDüfjcIm getauft mürbe. «Es ift ber fpätere König 
^riebrid; IDilbelm IV. Der fleinc ^rife mürbe unb blieb ber Ciebling feiner ITtutter, 
obgleid) ober oiellcicfjt gerabe roeil er einigermaßen ein Sorgenfinb mar, beffen förperlidje 
unb geiftige (Entmicfelung nidjt ganj regelmäßig perlief. 

Der IDinter fam unb ging langfam, bie (Tage nerrannen in einer (Einförmigfeit, über 
bie ,frau pon Boß in ihrem tEagcbudjc oft genug $u flagen Ijatte: regelmäßiger Perfekt 
mit prinj Couis unb ^rieberife, fjäußge Spajicrfaijrten nad) bem „Ijofjägcr", ben ber 
Kronprinj befottbers geliebt ju haben fdjeint , tDjeaterbefucfje, (Teilnahme an ben üblichen 
IDinterpergnügungen ober aud) an irgenbeinem militärifdien Sdiaufpiel, barin erfdjöpfte fid) 
gemöljnlidi ber (Tageslauf. Die geiftigen 3 n * cr£ ff en gingen nidjt hinaus über bie Komane 
Cafontaines ober eines anberen DTobefdjriftftclIers, aus benen Blaffom obcrKammcrljerr pon Bud) 
abenbs porjulefcn pflegten. Den IDcltbänbeln ftanb man am ftonprinjlidjen fjofe faß pöllig fern. 
Hlit ^franfreid) mar am 5. Kpril 1795 in Bafel ein Jfriebe gefdjloffen, ber ben guftanb 
por bem Kriege einfad) roieberbcrftclltc unb nur für ben Jall ber Kbtretung bes linfen 
Ktjeinufers an Jranfreid) im fünftigen Hcid)sfrieben für Preußen (Entfdjäbigungen in 
Kusfidit naljm. fdjmadi, Deutfdjlanb im ZDeflen ju fdjüfeen, jog preußen fidj auf bie 
Perteibigung Borbbcutfdilanbs 5 urücf, beffen Staaten cs in einem feften Sdjußbunbc jufammen« 
jufaffen fud)te. 3 m ©ften Ijatte eine britte (Teilung ben Untergang polens pollenbct, mobet 
Preußen jmar nid;t bas erfeßnte Krafau, aber bod) IDarfdtau mit anberen polnifdjen ©ebiets* 
teilen erhalten batte. Der Kronprinj, auf ben Dienft feines 3 ,l fanteriercgimentes befdiränft 
— ein Kaoallerieregimcnt, um bas er bat, fdjlug ihm ber Pater ab — , blieb pon ber 
politif ausgefdjloffen. Die Kronprinjefßn mar nidjt ohne (Teilnabine für bas Sdjieffal 
bes ben Jranjofen perfallcncn mcftlidien Dcutfdilanbs, ohne bod; bamals fd)on tiefer 
bapon berührt ju merben. 

Cebbafteren Kn teil nahm man an bem Sdiicffale ber oranifdjen Jamilie, bie burd) 
bie Kcpolution aus bjollanb pcrtricben nad) «Englanb batte flüchten müffen; ber ©rbftattbalter 
IDilbelm V. botte König Jriebrid) IDilbelms II. Sdimefter IDilbelmine jur ©attin, unb fein 
Sobn IDilbelm, ber fpätere König IDilbelm I. ber Bieberlanbe, mar feit (791 mit feiner Bafe 
IDilbelmine permäblt. Die fdßanfc unb anmutige „Blind", roie fte in ber Jamilie genannt 
mürbe, mar ^riebrid) IDilbelms II. £ieblingstod)ter, unb feine Jreube mar überaus groß, als 

is 




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ft« im ZTIai t796 mit ihrem pierjäf)rigen Söhndjen pon England glücflidt in Berlin anfam, tr>o 
ifjr ©emabl fic fdjon erwartete. Die oranifche Familie, der ftd) einige niederländifd)e Familien 
angefdjloffen hatten, brachte für 6as nädjfte 3 a *? r 5 e *? nt { ' n neues «Element in die Berliner 
tjofgefellfdjaft; namentlich UTimi , Me füfj mit der Kronprinjeffm rafdj befreundete, mußte 
durd) if)re muntere Ccbljaftigfeit Bruder und Schwägerin, auef) in trüben Stunden, oft aufju 
Reitern. Dem Erbprinjen pon ©ranien, der den Kronprinjen gelegentlich aud) in politifdje 
Unterhaltungen oertpicfelte und iljn dabei wohlwollend und einftdjtig fand, gefielen die 
beiden prinjefftnnen feljr, befonders £uife. Er fchrieb feiner IHuttcr nach England: „Da 
Du meine Uitficht über die beiden prinjeffinnen ju h<5ren wünfeheft, fo n>ill id) Dir fagen, 
daß id) fie beide reijend finde, befonders die Kronprinjeffm, die mit allen dufferen Porjügen 
eine engelhafte Sanftmut perbindet, wodurd) fte ihren ©emafjl ganj an ftd) gefcffelt hat, 
der ftd; nirgend glücflid) fühlt als bei ihr. prinjefftn £ouis ifi lebhafter und unterhaltender, 
beide beftften das Calent, den Ceuten etrpas Ungenehmes ju fagen, wodurch fie ftd) die 
fjerjen gewinnen. 3 m Publicum, das heißt in allen Klaffen der ©efellfchaft, wird befonders 
die Kronprinjefftn feljr geliebt" .... 

3m Sommer (796 erfüllte ftd) endlich ein lange gehegter Ijerjensrounfd) Cuifcns. 
IPährcnd der König, bei dem ein emftcs Ceiden immer mehr hemortrat, ju einer Badefur 
nad; pyrmont reifte, durften ^riedridj IDilhelm und £uife nad) Peuftrelifc fahren und den 
„Papa" befudten, wie ihn auch der Kronprinj nannte, der feinen eigenen Pater immer 
nur als „der König" bejeidjnete. ,foft wäre der Seifeplan nod; an einer Ungefdjicflidjfeit 
des Kronprinjen gefcheitert. Es war £uife, die den König um die Erlaubnis jur Seife 
bat. Jriedrid) IDilhelm fdjrieb darauf dem Kronprinjen eigenhändig, nicht ohne romehme 
3ronie: „Da Du nidjt ^eit haß mid) felbft um die Erlaubnis ju bitten, die prinjefftn 
Deine ©affin nadj Streit^ ju begleiten, fo müßte idj Dir durd) einen Sefretär fdjreiben 
laffen. Da id) aber piel weniger befdjäftigt bin als Du und piel mehr 5 e 't für mid) habe, 
fo finde id) glücflicberwcife einen Uugenblicf, Dich durd; diefe feilen ju benachrichtigen, 
daß es ungehörig ift, wenn mein Sohn und ein ©eneral meiner Urmee mid) durch feine 
©entahlin um Urlaub bittet. Uebrigens gebe id) Dir pierjehn Cage Urlaub für die Seife" .... 
Um 15. 3«li wurde die .fahrt angetreten; es war dos erfte 2T!aI, daß £uifens Juß den 
mecflenburgifchen Soden, das £and ihrer Pater, betrat „Papa" wurde in fjobenjierih 
überrafebt. Dort, in Heuftrelih und in 3 Den a<f »erlebte tuife glücf liehe Cage; in polier 
gtrangioftgfeil fonnte fte ftch des Umganges mit Pater und Perwandten freuen. „Die 
dürften," fdjrieb fte über diefen Uufenthalt U)rer Erjicf)erin, „perderben ftd) meift ihre 
Pergttügungen durd; unerträglichen <5 n ’ an 9 mid durch 3deen pon ©roßartigfeit, welche 



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Hronprinjeffiu £uife 



fei)r oft nur itjrc 'Kleinheit bcmerfbar maAen. Das wahre Derbienft finbet ftd? nur in 
uns felbft, unb unfere (Taten allein entfAciben barübcr. ZTCöge (Sott mir immer bie Kräfte 
rerlcifycn, bie mir notwcnbig fntb, um meine pfliAten gegen iljn unb meinen nädjften ju 
erfüllen" .... 21 m (. Suguft, nadjbcm man ttoA ©roggiewig, bas (Sut ber ^rau oon Bog, 
befudit fjatte, waren Kronprinj unb Kronprinjeffm wieber in Berlin. 

Der IPinter begann glücfliA für Cuife unb Jricberifc, bie am 10 . September \7ty6, 
erft adftjeljnjäfjrig, ihr brittes Kinb, ein (TSAterdjen gebar, mäfjrenb Cuife neuen 
ITtuttcrfrcuben entgegenfafj. (Segen ©nbe Hooember fam SAwefter (Tfjcrcfc uon (Djum 
unb (Tajis, bie , r< ftau poftmeifterin", wie ber Kronprinj fte fdjerjenb nannte. Der 
^rau t>on Bog gefiel fte am wenigften non ben SAwoftern; autf) ifjre Begleiterin, ^rau 
ron Centre, bie über Citeratur unb pijilofopljie gern unb in h°h cn (Tönen ju reben liebte, 
nennt fte etwas fpöttifdj einen „bei esprit“. IDir aber oerbanfen biefem Befuge (Tljerefens 
jwei l?öd)ft mertDolle ^ciigniffc über bas 3 nn cnlebcn Cuifens, wie cs ftcfj unter bem ©in* 
fluffe ber CEreigniffe , bie wir gefcbilbert Ijaben, gebilbet hatte unb wie es im wefentlidjen 
unneränbert geblieben ift: bas eine ein fpätercs Selbftbefcnntnis Cuifens, wahrhaft unb edjt, wie 
alles, was aus ihrer Jeber flammt; ein Befcnntnis, bas wie eine Jacfel ben tiefften (Brunb 
ihres fjerjens unb ben fdjönflcn Heidjtum Ujrer Seele por uns auf leuchten lägt; bas anbere 
ein SAreiben (Djerefens an Bruber ©eorg doII fdjarfer Beobachtung unb treffenber Beurteilung 
ber Sdfweftem unb ihrer Sejiehungen ju ben ©atten. Cuife fdjreibt an ©eorg: „Hoch ein 
IDort über bie IDahrhcit, bag ein reines J^erj feiner Philofophic bebürfe. Du 
wollteft gerne wiffen, wie ich au f &en ©ebanfen ober ju biefer Ueberjeugung gefommen 
bin. 3A fann Dir oerftchem, lieber ©eorge, bag ich f ie allein aus meinem eigenen fjerjen 
habe . . . Hun hörte iA öfters ITCettfAen über pflicfjten , Sc Ate, philofopljifAe Principien 
reben unb bisputiren unb wunberte miA bes (Tobcs, bag man erft barüber reben mügte, 
um überjeugt 5 U werben, bag man fo unb niA* anbers hanbeln mügte, wenn man gut 
unb «AtfA a ff en fein wollte, lieber pfliAten gegen ©ott, gegen bie UtenfAen unb f»A 
felbft, über pfliAten als ©attin unb Blutter, über häusliAc unb öffentliche Angelegenheit, 
barübcr ju bebattiren, war mir unglaubliA, benn, fagle iA mir, cs ift nur ein IDeg, 
glücfliA ju werben, nämliA ber, ber Stimme feines ©efüfjls, feines l)er}ens ju folgen .... 
©ine ©clegcnheit, wo mir biefe IDahrljeit wieber ganj befonbers auffiel, war, wie (Th<refe 
jum erften ITtale hier war, naA meiner fjeiratl), wo fte unb bie Centime fo riel philofophirten, 
Cegtcre Cljerefe abfolut bie Kant’fAe Philofophic beibringen wollte uttb ftA boA beibe bes 
Cobes ucrwuiiberten, wie es ntögliA wäre, fo ganj feinen pfliAten ju leben wie iA, feinen 
eigenen ©efA'nacf $u perleugncn unb alles ju tljun, was jum ©lücf eines guten, geliebten 



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©atten beitragen fonntc. Dabei, mein ©oft, baigte ich, ju was bcntt all bas Stubiren, 
wenn es (Einem nicgt einmal Kraft giebt, feinen ©efegmacf, Cicblingsibeen unb ©ewogn« 
heilen aufjuopfem, uin einen Knberen glücflicg ju macgen? Diefe unb taufenb äbnlidje 
Jällc gaben mir Knlag, mich ju überjeugcn, bag man nicht grübeln mügte, um gut 3 U 
werben, fonbem bag ©ott bie fchönen Cignamcnte tief in uitfere Seele unb Ejerj eingegraben 
hätte, unb bag man nur biefen folgen muffte, um auf bent rechten IBege ju bleiben." 

21 us bem Ejcrjen, gat man gefagt, fommen bie großen ©ebanfen. 21 us Cuifens reinem 
unb gutem Ejersen guoll bie Klarheit unb IDagrgeit igres XPefens, bie fanfte Harmonie 
iljrer ganjen perfJnlicbfcit. 

(Tgerefens Brief an Bruber ©eorg, com ( 0 . Dejember [ 7^6 batiert, beftdtigt, was 
mir pon ber inneren ©ntwicfelung Cuifens, oor allem in igrem Bergältnis $um ©alten, 
erfahren gaben. Cgerefe fcfjrcibt: . . . „3<h fanb bie Schtpcftcm fetjr gübfdj, ^rieberife 
jumal perfcfjönert unb frifdj wie eine Hofe. 3 c ht nacg jwölf (Tagen täglichen Umgangs 
lägt fid) mogr fagett. ©s finb mirfücg liebliche ©cfcgöpfe, fegr petfcgieben , aber fetjr 
Iiebenswürbig. fuife ift meljr glücflicg, aber fte ift es ficfj felbft fcgulbig. U)ie piel grauen 
an iljrer Stelle würben fieg unglücflicg füllen, wenn ber Kronprin$ niefjt alles gut in igren 
2(ugen maegte. Kleine Kauggeitcn, ©igengeiten bes Kronprinjen, wie Icictjt fönntett fte jur 
Ejärte werben, wie leicht plagenb werben, wenn nicht biefes biegfame aber immer elaftifdje 
Uogr iljnen entgegengefegt würbe. IDas bas unbänbige pferb 31 t bem gemacht bat, was es ift, 
ift ein vortreffliches Ejerj, Bemunft bureg guten Hatg befeftigt, Uacgbenfeit, ©rfagrung, unb 
bas mäcgtigftc aller 2Ttittel, bie Ciebe. Ciebe ift ftarf wie ber (Tob, beiben gegorcgt 21IIes. 
Das Bewuftfein, bag man glücflicg macht, ift ein göttliches Bewugtfein, bas erhielt igr ihren 
heiteren Sinn, bas macht, bag fte KUes belebt, KUes beglücft unb baburch alle Ijerjett 
gewinnt, rieben fe ift ein einiges [nicht beutlich lesbar] ©efegöpf, wagrgaftig nicht weniger 
$u bewunbern. IDic unglücflich, bag gerabe bas liebliche, gtttgebenbe IDefen mit fo einem 
eisfalten 2Tlann pcrbunbett fei. ©ott Cob, jegt fittben fte ftcb gattj, fte entfcgulbigt gcwijfe 
Schwädjen unb ftnbet piel ©lücf, ^reube unb Hagrung für igr Ejerj in ihren Kinbem. Ulan 
weig, wie leicht getäufchte Eröffnungen verbittern, allein bas ift gar nicht iljr fall. Sie hat 
fteg unb mir juglcidj perfprodjcn, bag fte ftch vor Klagen unb ©jplifationcn wie por ^euer 
hüten will, babei ift ihr Dichten unb (Trachten, ihr ganjer IDanbcI, ein Beftreben, bas, ihre 
Pflicht 5 U tgun, unb ihm wohl ju gefallen. Seit 3 IDochen, bag ber Ulann franf ift, 
bettft fte an fein Kusgegen, fogar ber IBunfcg, mich 5 U fegen, ginbert fte niegt baran. 3^ 
benfe, es ift unmöglich, pon biefer Begarrlicgfeit, Sanftmutg unb Ciebe niegt gerügrt 3 U 
werben, ©ott gebe es auch" .... 




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Kronpcinj<f(lti £uif» 



Zlod) währenb 6er 2Inu’cfcubcit 6er prinjcffm Cberefe, 6ie am 19. Bejember \ 7<)6 
Berlin tr>ic6et perlieg, war prinj £ouis plöglici) erfranft; trog forgfamfter pflege feiner 
©atltn, 6ie nicht Don feinem £ager mid), ftarb er am 28. Bejember 1796. Balb 6arauf, 
am 13. Januar 179?, cerfchieb auch König ^riebrichs bes ©rogcn greife IDitwe, trog ihrer 
IDunöerlichfeiten allgemein betrauert wegen ihrer großen ficrjensgüte un6 IDohltätigfeit. 21u<fj 
6er Kronprinj erfranfte an 6em £ei6en, 6em fein Brubet 5 um (Dpfer gefallen tr>ar, einer 
2lrt Bräune, un6 fdiicn jeitwcife 6em GToöe nahe; 6ie Kunft 6es t}ofarjtes Brown un6 6ie 
aufopf embe pflege £uifens, 6ie ftch 6er Sebienung bes Kranfen fclbft unterjog, retteten 
ihn. prinj ©eorg, 6er mit 6er ©rogmutter wieber in Berlin anwefenb war, fchrieb 
barüber an Scfwcftcr ©berefe : „£uife mug für ihren ITlann forgcn, öeffen Kopf 
halten, 6er ©rogmama Krtigfeitcn ermeifen u. f. w. Unb n>ie fich £uifc babei benimmt, 
nein, auf ©l;re, «s iß unmöglich, ihr ©benbilb noch «inmal ju finben. Der ©berft 
|r>on ©räfej, 6er fonft nur $u oft h>« unb ba etwas ausjufegen fanb unb es ihr bann 
freimütig fagte, beteuert mir jegt ben ganjen (Tag, fclbft wenn er raffinierte, fo wägte 
* er nichts an ihr ju fabeln" .... 

21 us ber Derlaffenfcgaft ber Königin- IDitwe bot ber König bas Schlog Schönhaufen 
bem Kronprinjcn an, ber es aber ablehnte, weil es ihm ju nahe bet Berlin lag; es würbe 
bann ber IDitwe bes prinjen £ouis, prinjefftn ^ricberife, überlaffen, bie es mit ber 
oranifchcn familie teilte. Ber Kronprinj jog bas furj porher pon ihm gefauftc ©ut pareg, 
hinter potsbam, por, beffen weltcntlcgene ©infamfeit ihm befonbers jufagte unb bas er 
jegt für ficb einriebten lieg. 

Bem trauerreichen IDinter folgte ein glficflidjes Jrühjabr. 21nt 22. Blärj 179?, 
übetrafchenb unb leicht, gab Kronprinjeffm £uife einem jweiten Knaben bas £eben, bem 
prinjen IDilhclm, ber faft 7g 3 a *?rc fpäter, nach wunberbarem Schief falswanbel, ber 
erffe Kaifer bes neuen Beutfchen Hei dies werben follte. Ber günftige Perlauf ber ©nt» 
binbung unb ber IDochen, bas Bafein eines jweiten Knaben, ber ftch jart aber gut cntwicfelle, 
haben £uife innig begtücft unb bie immer in ihr fchlummemben ©cifter übermütig fprubelnber 
£aune aufgeweeft. Sic hat bas fclbft lebhaft empfunben unb bem Bruber ©eorg bamals 
befannt: „Bie £uifcb ift noch niehr ein Bari geworben feit ihren IDochen. ©ottlob, ja! 
Sie ift feitbem fiterer geworben." Biefe befcligte Stimmung, bies ©lücfsgcfügl im Befttj 
pon ©atte unb Kinbem, belebt ihre Briefe an ben Kronprinjen, ber bamals wieber in 
Potsbam im „£angcn Stall" ejerjieren mugte unb mit bem fte eifrig forrefponbierte. 
IDenigftens einen biefer fchönen Briefe in bem uns fefjon befannten föftlichen ©entifch non 
Bcutfch unb ^ranjöftfch wollen wir h'«r mitteilen. ©r ift aus Berlin pom 25. 21pril 1797: 

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„Votre servante trcs humble et träs obcissante! J’ai attendu en vain toute la 
journäe. Point de nouvelle, point de lettre, point de räponse de Son Altesse Royale, 
et je suis aussi loin et aussi savante que je l'dtais hier avant de vous avoir ecrit, 
Bas (Sailenfieber ärgere id) midi an feen fjals, feod) feas will iefj bleiben Iaffen unfe Dir 
jagen, feaf id) midj redji feljr roofjl beftnfee, Ijeute etwas eingenommen habe, n>orauf id) 
midi geflärft unfe erleidjtert füfjle. Ma tete va extrement bien et est devenue si lägCre 
que je ne la sens plus du tout. J’ai aujourd'hui aussi meilleure mine que l'autre jour, 
et en gendral je suis einem ,fi(dj im IDaffer äbnlid). M. Brown vous portera cette 
lettre, et comme vous etes accouturnc qu'il ne vient jamais mit leeren fjünfeen, il vous 
remettra des cerises, qui auront, a ce que j’espfere, votre approbation. 

Des nouvelles, je n’en ai gufere que Maman a etä hier k Charlottenbourg, 
aujourd'hui chez moi (sans m en parier) et qu'ellc ira demain k 8 heures ä cheval 
k la faisanderie. Au reste, tpeuerfter ©emat)l, est-il io heures, je sacrifie pour vous 
sommeil, yeux, sante et tout, seulement pour vous parier, parce que je vous — aime. 

A propos, id; f)abe mir mos ausgefeadjt. Pour vous punir de ce que vous 
prenez tant de vin de Champagne les samedis, je vous avertis que je mettrai 
tout le temps de mon sdjour i Potsdam du rouge, et que si j'apprends que vous 
buvez encore tant le samedi qui vient, alors j'en mettrai aussi k Paretz, ja, ja. 
A präsent, vous n'avez qu'a vous arranger de fagon que je n'aie pas besoin de cette 
dernicre punition, car pour la premifere, vous n’en cchappez plus, nein, nein. Je crois 
rcellement que je suis le petit Amour de l’arbrc de Diane, qui se cache et qui crie 
toujours ja, ja, nein, nein. 

Pensez seulement que Heinitz a ätä hier chez la Voss, qu’il lui a dit qu'il savait 
que cela dtait grossier, mais n'importe qu'il viendrait demain matin avec ce peintre 
suädois ou danois jplölj. me faire peindre, parce que l'acadämic, la manufacture de 
porcelaine, enfin tout le monde le voulait et le demandait k cor et k cri. IPotil ofeer 
übel muf id) armes tDeibfen feran. 2Ufo morgen um 1 1 fific id) fea unfe blage höllifd) Cnibfal. 

Adieu, je vais reposer mes gräces pour etre plus fraiche que le matin qui va 
öclore. Je le sens, j'inspirerai de la jalousie demain mime a Venus. Pourvu que le 
serviteur z6\t de Mars m'aime toujours, je laisse bien volontiere ä Venus sa 
beaute et ses gräces, le bonheur est pour moi. t>u liebet Kriegsfnecht, bleibe mir 
treu unfe gut, unfe mad)e midj ftets jo glüeflid;, wie id) cs nun ferei 3a^?t« feurd) Bid) bin. 

Beine 

Louise.“ 



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3njwifchcn butte bas C et ben bes Königs, bus man einer Vergiftung in polen jufchreibcn 
wollte, ftdj fo rerf Wimmert, baf er auf Knbringen ber Kerjte am 2(. Juni ("9? eine 
j weite Babcreifc nach pyrmont antreten muffte. Km näcbften Cage folgte ifjm feine Schwieger« 
lod)ter, Prin 5 effm ^rieberife, bie fef)t in ©unft bei ihm (tanb, unb bie er nad; Pyrmont 
eingelaben hatte. Bekommenen ßerjens fafj Cuife bie Sdjwefter abreifen. Die 19 3afyre 
^rieben fens, iljre Unerfahren W't unb ju grojjc IDeicfjljeit erfüllten fte mit bangen Sorgen. 
IDürbc fie ficf; nor ^allftricfen ju hüten rntffen? IBürbe fie es oerftehen, mit Keinem ju 
gut ju werben, mit Keinem es ju Derberben? 3 n ber rüljrenben Sorge ihrer Scbwefterlicbe 
hat fte .fricberifen bamals eine Kd Jnftruftion nach Pyrmont mitgegeben, bie, wir wollen 
es glauben, bas leichte Blut ber Sdjwefter t>or Unbefonnenhciten $u hüten beigetragen hat. 
3m 3“Ii burfteit Kronprinj unb Kronprittjeffin felbft ben König in pyrmont befugen, wo 
fte eine Seihe angenehmer Cage nerlebtcn; auf ber Sücfreife, im Kuguft, haben fte ftch einige 
5eit in Cuifens ©eburtsftabt, in fjannoner, bei fflnfel Ern ft aufgehalten unb auch HTagbeburg 
mit feinem ehrwürbigen Borne beftdjtigt. Km 16. Kuguft waren fte wieber in potsbam. 

IBährenb ihrer Kbwefenheit war bie Heueinrichtung oon paretj pollenbet, unb bas 
fronprinjlichc paar jtebelte Knfang September auf einige IVochen bahin über, um (ich an 
ben ©enüffen bes Canblebens, an Spajicrritten, IDafferfahrten, 3as& 5“ erfreuen. (Eine 
Jrcunbin ber Hatur, wie Cuife war, hat fte auch bie befefjeibenen Sei je ber mürfifdjen 
Canbfchaft immer geliebt. Bie ©berhofmeifterin war anfangs feljr enttäufcht oon parets, 
fte fanb es „nicht im geringften hübfd?", hat ftcfj jebodj fpäter bamit ausgeföhnt, ^riebricb 
bDilhelm aber unb Cuife haben bie forgenfreieften unb glücflidjften Stunben ihres Cebens 
in ber Stille unb ,Jurücfgejogenhcit biefes abgelegenen fleinen Canbgutes rcrlebt, wo er als 
„Schul je" unb fte als „gnäbige ^rau oon pareb" walteten. ITTajor Köcfrih, ben fte mit- 
genommen hatten, fchrieb über bas fronprinjUcije paar: „Ber Kronprinj, biefer ltebcnswürbige 
prinj, beljanbelt mich als feinen .freunb . . . ©hngeachtet ich am fjofe lebe, fo weift ich hoch 
nichts non ^ang, benn ber Prinj ift ein Jeittb aller Ceremonien unb aller Iäftigen Etifette. 
Seine ©emahlin ift bie liebenswürbigfte Perfon ihres ©efcblechts unb fudjt fich ganj nach ber 
bieberen Benfungsart ihres portrefflichen ©emaljls ju hüben" . . . Unb nach ber Hücffcljr 
nach Berlin (am 22. September 1?9<): „Klein guter fyrr würbe auch nodj »ich! fo halb 
bas ruhige Canbleben, woju er fo piel ©efüfjl unb Stimmung hat, mit bem guälenben 
©eräufdj ber grojjcn Stabt nerwechfelt haben, wenn nicht bas fjieftge l)erbftmanöner feine 
©egenwart erforbert hätte. Bie guten KTenfch«n genoffen jum erften lllal in ihrem Ceben 
fo ganj bas Einfache ber Hatur, entfernt non allem 3nxmg nahmen fie fo herjlih Knteil 
an ben nainen Heufjerungen ber Jreube bes Canbnolfs, bcfoitbers bei bem Embtefcfte, 

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Sk 




pergafjen ihre ßohcit, mifchten fidj in ifjre Eäuje, unb f?ier amt im eigentlichen, aber malten 
Perftanbe Jrcitjeit unb ©leicbbeit. 3^? felbft buchte nicht baran, bap ich 54 3 a h rc jurücf* 
gelebt, unb tanjte gleichfalls mit, besglcichen bie Jrau ©berfjofmeifterin pon Pop, Ercellenj" . . . 
Such Prinj ©eorg, ber bamals parep befugte, rühmt in einem Briefe an Schmeftcr Cberefc 
ben „f inblichen ^robftnn" bes fronprinjlicfym paares; ben ganjen (Tag mar man beieinanber, 
fpeifte immer jufammen, unb ^riebridj IDilbelm unb Cuife ftritten um bie beften Stücfe unb 
nahmen fte fih gegenfeitig meg: „mehr brauchen fie nicht, um jufrieben ju fein". 

Pie (Tage König ^riebriefj IPilljelms II, neigten ju ihrem Enbe. 3 m ^rüt^jafjr f"96 
mar feine Cebensfraft noch einmal aufgeflacfert unb ber ©ebanfe eines neuen Krieges mit 
Jranfreicfj fcfjeint ifjm nafje getreten ju fein. Schließlich , unter ber vereinten Einmirfung 
bes ©rafen fjaugmitj unb bes ©cncrals Bifdjoffmerber, blieb es hoch bei bem Syftem ber 
norbbeutfehen Heutralitöt, bas ben 3ntereffen unb ber tage bes preufjifdjen Staates bamals 
entfpradj unb in bem ber König felbft Kufjc fanb. Panu fam ber IPinter pon i?96, 
bet bem König feinen jmeiten Sofjn nahm. Pas 3 n nenleben Jriebrich IPilljelms II. ift 
uns meift perfchloffen ; nur jumeilen geftattet eine Seufjerung pon ifjm ober eine 3 c 'le 
feiner ungelenfen fjanb einen Blicf, ber uns bas ©efjeimnis harter Seelcnfampfe, bitterer 
t eiben ahnen läßt. Per König mar ehrlich gemefen in bem Kampfe gegen bas, mas ihm 
bie falfcfje Sichtung feiner 3 eit fehlen, mie er aufrichtig mar in feinem antirepolutionären 
(Eifer. Pie lllifjerfolge nach innen mie nach oupen hotten ihn tief erfdjättert Er hotte 
ftch felbft pou feinen Ungehörigen jurücf gejogen, bie feinen bem Blyftifchcn 3 ugemanbten 
Heigungen fein Derftänbnis jeigten, unb unter benen er nur ,frcigcifter unb ©ottes* 
(eugner ju finben mahnte. Per Cob bes prinjen Couis, bie fehmere Erfranfung bes Krön* 
prinjen hoben ihn bann mit feinen Kinbeni mieber 3 ufammengeführt. „Per König," fo 
fcijrieb ITfitte 3onuar 179" Cuife bem Pater, „hot uns mährenb biefer ganzen fchrecflichon 
^ eit mit ©üte überhäuft; er Ijot fictj als ein mähret jamilienvater gejeigt" „Pie Eintracht 
ber Prinjen bes preufjifdjen fjaufes," fo fchreibt ber franjöftfcfjc ©efanbte in Berlin, „ift 
mufterhaft. Per König liebt feine Kinber aufjerorbcntlich, unb biefe hoben iljrerfcits eine 
unbegrenjte Knhönglichfoit an ihren Pater. Pie ©cfchidjte mirb über Jriebridj IPilljelm 
als König richten; als Blenfch ift unter allen, bie ihm nalje flehen, nur Eine Stimme 
über feine Kechtfchaffenljeit, feine ©üte unb feine häuslichen Eugcnbcn." 3 n beffen machte 
bas Ceibtn bes Königs, ungehemmt burch Babefuren unb anbere fjeilperfudje, rafche unb 
furchtbare ^ortfeh ritte; bie Kräfte fchmanben, ber Klein ftoefte, bas Ceben mürbe ihm ju 
einem langfamen, fühlbaren Sterben. Pabei mürbe es allgemein berounbert, mie er bie 
Qualen ber Kranffjeii mit ruhiger Ergebung trug, mährenb feine ©üte uuperänbert blieb. 




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Selbft ber bantalige ©efanbtc ©efterreidjs in Berlin, hoffen Beridjtc fonfi mandj fjartes 
IPort über ben König unb beffen Hcgierung enthalten, Ijat beseugt, bag bie ^reunblidjfeit 
bes Königs ficlj immer glcid) blieb unb bie allgemeine Teilnahme an feinem Ceibcn erljöljte. 
Km 15. Hooembcr fprad) ber König in potsbam noch einmal feine ©emaljlin unb feinen 
Sotjn, ben Kronprinjen; feine Sdjwädje war fdjon fo grog, bag an bie ©inridftung einer 
Kegentfdiaft gebadjt mürbe. Km nädjften ICagc fam bie Hadjridit, bag er im Sterben 
liege. IDäljrenb ber Kronprinj jögcrnb nadj Potsbam fufjr, begegnete iljm fdjon Bifdjoff* 
werbet mit ber Itadjridjt Pom Kblebcn bes Königs, prinjefftn Cuifc Kabjiwill war bei 
ber Kronprin 5 effm, als man Bifdioffwerbcr auf bas palais jufommen falj; gleid) barauf 
trat Jrau pon Bog ein, mit ben IDorteu : „M. de Bischoffwerder demande ä parier 
ä Votre Majestö.“ 

So war Cuife Königin geworben, ber Kronprinj König t friebridj IDilfjelm III. Seibe 
empfanben fdjwcr unb brüdenb bie €aft ber Krone, bie ©röge ifjrcr neuen Kufgabe. IDie 
ber Kronprinj bei feiner Kbfaljrt nadj Potsbam ju feiner ©cmaljlin gemeint (jattc : „Unfer 
rutjiges ©lud ift porüber, bie prüfungsjeit beginnt", fo fdjrieb Cuife am 17. Hopember 
aus potsbam bem Pater: „Klein teurer Pater. Kd;, feit geftem 9 Uljr ift ber König nidjt 
mehr, unb wir armen Kinber, wir weinen um iljn unb trauern .... ©ott wolle feiner 
Seele gnäbig fein unb meinem Klann in feinen Krbeiten bcifteljcn, bie fdjredlidjer fmb als 
man glaubt." 

Ceidjt hingeworfene IDorte, beten jufunftsfdjwere Bebeutung Cuife nidjt afjnen fonnte. 





Otertes Kapitel 

Stille 3afyre 

U797— 1802) 



I. König ^frieörid; lüilticlm III. 

djsin Hegiment 6er <5ered;tigfeit, 6er ©rönung un6 6er Sparfamfcit beginnt" — mit 
6iefen IDorten begrüßte 6ct franjöftfdjo (Befanöte in Berlin 6ie Ojronbcfteigung König 
^rieörid) IDilljelnts III. ©Ijne Zweifel bejcidjnele er öamit treffenb 6ie Kbfidjten, in benen 
6er junge König 6ie Kegierung antrat un6 burdj 6ie er 6cn Sd;wicrigfeitcn, 6ie er oorfanb, 
abbi'Ifen ju fönnen meinte. Bet Staatsfdjafc war geleert, 6ie polttifcfje £age infolge 6cs 
Knwadifens 6er franjöfifdjen llebermad)t gcfäfjröet, 6ie Derwaltung in« Stillfianb, 6ic Bisjiplin 
im Beamtentum gelodert, un6 im ©ften bot 6ie Einglieberutig 6er grojjen polnifcbon 
(Erwerbungen faft unlösbare Kufgaben. Bod; nodj gan$ anöcre fjoffnungen, als nur 
auf 6ie Bcfeitigung 6er offenfunbigften Blififtänbe, fnüpfte man in wetten Kreifen an 6en 
Kegicrungswedjfel; man erwartete, 6ag nun eine neue ;§eit für preufsen überhaupt anljebe. 
„IDir fm6 wirflid) unbefcbreiblid; glüdlid) in allem Betracht .... IBir befommen alle 
neues Ceben", fdjrieb 6er greife ^üfjrer 6er Berliner Kufflärung, Bicolai. (Ein Sdjüler 
pon Suarej, 6em Dater 6cs preugifd)cn Canöredils, fcfjien 6er junge König Öen neuen 3becn, 
wie fte im jtegreidjen Fortgang öer franjöfifdjen Xepolution unter prcujjifdjen Beamten, 
©ffijicren un6 Bürgern ftd) perbreitet Ratten, nidjt unjugänglidj. Ber glänjenöfte Sdjrift* 
ftcller öer fyiuptftabt, ^rieörid; (Rentj, ein Beamter, fomtte es wagen, in einem öer 

8 * 






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T 



Stille 3abrc 



©effentlidifeit übergebenen Schreiben ben König ju Heformen, jur Knbafjmmg wirtfcijaft« 
lieber uttb geiftiger Freiheit cinjulaben; unö 6ie neue Königin felbft, wie wenigstens ©enfc 
wiffen wollte, follte ifjrcn ©etnabl auf bies Schreiben aufmerffam gemacht hoben. 

Das Sdjicffal preufens tjing nun öaoon ab, inwieweit ber neue König nach feinem 
gansen ZDefen öiefen weitgehenben ©Wartungen cntfprcchen fonnte. 

IDir wiffen es bereits: Jricbricb IDilbelm mar ein pcrfchüchterter, in fidj gefeierter, 
fcfjmerblütiger ©fyarafter. ©ine burch unb burd; innerliche Hatur non aufrichtiger unb 
altpäterifdjer ^römmigfeit, befaf er menfehiieh febönc unb acfitungswerte ©igenfehaften: 
einen milben unb wohltätigen Sinn, Kechtfcbaffenheit unb Bieberfeif, ©reue unb |juperläfjtg* 
feit, ©rbnungsliebe unb Sparfamfeit, bic freilich oft in horte pebanterie ausarten fonnten, 
por allem eine unbebingte XDahrheitsliebe. Selbft Jrau pon Bojj, bie ihn fonft in ihrem 
perfdjwiegenen ©agebueb oft ftreng genug beurteilt, fdjrcibt einmal: ,,©r ift wirtlich ber wahr« 
haftigfte ZUcnfch, ber ejiftiert". ©ine ftattlichc ©rfdjeinung pon männlich würbiger Haltung, 
war er hoch im Derfehr ungewanbt unb wortfarg, gegen bie ©effentlicfjfeit ablehneitb unb jurücf« 
weifenb. Schmeicheleien unb fjulbigungen, pon welcher Zlri auch immer, waren ihm wiberwärtig. 
Den Herausgebern ber „3ohrbücher ber preujjifchen ZTtonarchic", bic ihm mit ben feither oft 
wicberholten lleberfchwenglichfeiten pon Hopalis Harbenberg hulbigten, lief er bebeuten, folchen 
llnftnn nicht wiebet ju bruefen. ©r war miftrauifch gegen anbere, am meiften oielleicht gegen 
ftcfj felbft. Das ©efüljl feiner Unftcherheit unb U^ulänglidjfeit machte ihn unentfdjloffen. 
€s warb ihm nicht leicht, jwifhen entgegengefeften Zlnfichten $u entfeheiben: fo neigte er baju, 
eine Sache reifen ju laffen, ©ntfcfjlüffe hinausjufdneben, ober nur porläufige, unfertige ©nt« 
fcheibungen $u geben. Das Kategorifche fehlte ihm gan$, obfehon er hortnäefig fein fonnte bis 
junt ©igenfmn. Das ,,3d) will" fiel ihm fchwer, leichter würbe ifm ein „3dj will nicht". 

©ine fchwuttglos nüchterne ZZatur, bie feinen f)erb gefährlicher Ceibenfchaften in fuh 
barg, bie aber auch Begeiferung felbft fo wenig empfanb, wie fte anbere je $ur Begeifterung 
ju erheben unb fortjureifen fähig war. ©in auf bie Klltagswirflicbfcit gerichteter Sinn, 
ber bas ©lement bes 3&«olen, ber pljantafie pöllig ausfchlog. 

^ür bie Staatsgefchäfte hatte friebrich ZDiltjclm geringe Zleigung, am wenigften für 
auswärtige politif. Seine entfehiebene Dorlicbe galt bent preufifchen Heere, unb befonbers 
feinem eigenen Hegiment, hoch flagte man halb, bajj feine ©utmütigfeit bic Disjiplin 
fchäbige. ©s fehlte ihm im ZTCilitärwefen fo wenig wie fonft an gefunbem Urteil, bas jid> 
aber oft mehr in fdjarfer unb bitterer Kritif äujjertc, als in burdjgreifenben IDillens* 
hanblungen. Ueberbies hofteten fein Blicf unb feine ©eilnahme hoch mehr an Zlcujjerlid)« 
feiten, mehr an frieblichen ©fcrjierübungen, als an friegsmäjjiger Kusbilbung. 

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Das IDcfcn ^riebrich IDilhclms jcigt einen patriardialifdjen ©runbjug: bas offenbart 
fich feinem £anbc gegenüber wie in feiner f}äuslid)feit. 

Durchaus patriardfalifch ift hoch bie Kuffaffung t>on feinem Perhältnis jum preujjifchen 
Polfe: er hoffte, wie er es f pater in einer ber großen Krifen feiner Segicrung (1809) J us= 
gefprodien fjat , „ein treu ergebenes, frieblidjes, williges, gcl^orfames unb befferungsfäljiges 
Polf ju finben", unb er war entfchlojfen, burdj fein Beifpiel, burd; „©rbnung, ©erechtig» 
feit, Sparfanxfeit" es r>on ben „Kbwegen ber J^l'S'ofdät, 3 ,T1,,,ora ^* t< ^ t nnb ©enußfudit" 
5 utücfäufüljren. ZDie er felbft an feiner Stelle wirfen wollte, fo follte auch jebet anbere 
in benx Krcifc, in bem er einmal geboren, feiner Pflichterfüllung ftill unb rufjig leben; 
ber altpreußifcbc Klaffenftaat, mit feiner ftrengen Sonberung ber Stänbe, mit bem fchroffen 
©egenfaß x>on Stabt unb Canb, war eigentlich ganj nach feinem Sinne: unruhiges fjinaus 
ftreben über bie gegebenen Sdiranfen war if)m unwiUfommen, aber jebem follte auch 
innerhalb feiner Sphäre fein Kedit ungefränft bleiben. 

IDir beft^en swei wertvolle ^eugniffc, noch aus ^friebrid; lPilbclms Kronprinjenjeit, 
bie uns bas jweifcllofe Porfjanbonfcin gewiffer reformatorifeber Begebungen, nicht nxinber 
beutlich aber auch beren enge llingrenjung aufweifen. 

3m Sommer [ 7 *) 6 , als bie ©rfranfung bes Königs, feines Paters, ihren gefährlichen 
Charaftcr offenbarte, h°lte Jriebridi IDüh’Int in einer umfangreichen Pieberfdjrift feine 
Kuffaffung ber Pflichten eines Königs t>on Preußen niebergelegt. (Ein pofitioes „Kegierungs* 
Programm" fann man es faum nennen, ©s ift mehr eine Kritif ber Kegicrung ^riebricb 
lPilbelms II., non beffen f)anblungen er felbft faft in allem unb jebem bas ©egenteil ju 
tun fich pomimmt. Den Kriegen bes Paters ftellt er ben Saß entgegen: „Das größte 
©lücf eines £anbcs befiehl jurerläffig in einem fortbauernben ^rieben", ©r wirb bie ©in« 
fünfte, „bie nicht bem Canbesherrn, foitbern bem taube gehören", nicht in unfmnigem Kuf* 
wanb pergeuben ; vielmehr felbft mit einer „guten IDirtf dja ft" porangehen. Kein turus beim 
Dlilitär, feine perfdxmenberifche fiofljaltung mit lächerlichem unb fleifem 3 cl ' cn,on ’ c U j »of 
allem feine ©ünftlingswirtfchaft, wegen beten bie tiöfe fo pielfad; als Siße bes £afters unb 
ber Ueppigfeit perabfebeut werben, ©in ^ürft barf nicht bloß „ben reicheren unb angefcheneren", 
fonbem muff auch „ben nützlicheren unb arbeitfanxeren gemeineren ©eil bes Polfes feinet 
©nabe unb Kufmerffamfeit teilhaftig" werben laffen. ©r muß ben Kat „redüfebaffener, 
bieberer, einftchtspoller unb unintereffierter" Hlänner einholen. 

©inen ITTann biefer Krt glaubte ^riebridx XPilljelm in feiner Umgebung bereits gefunben 
ju haben: ben KTajor Köcfritj, einen fj« r 3l'<h unbebeutenben DTenfdjen, bem aber Bieberfeit 
unb ©reuherjigfeit aus allen ^ügen fpradxcn, unb ber bem Kronprinzen unb bem fpäteren 



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König not allem gefiel, »eil er nie „burdj Kuffefjen erregenbe bjypotfjefen, parabojen unb 
Cljeorien ju glänjen fudjte." 

3m 3uni [ 7^)7 Ijat 6er Kronprinj eine jmciic Benffdjrift perfaßt, Me er nodj am 
Cage bes Regierungsantrittes feinem ©eneralabjutanten, bem nunmehrigen ©berftleutnant 
Ködriß eintjänbigte. €s mar, als füfjlte ^riebrid; IDilbclm bodj, baß bic tage ber abfoluten 
Se lt*ft tycrrf cfja ft rorüber feien. Bittenb menbet fidj ber (Erbe ber RTonardjie ;fricbridjs 
bcs ©ragen an einen feiner ©ffijierc, beffen Kcdjtfdjaffcnbeit unb guperldfftgfeit fein Ter» 
trauen gemonnen haben, unb in einer Spracfje, bie fdjlidjte IDafjrfjaftigfeit unb tiefen fittlidjen 
€mft befunbet, forbert er ihn auf, bem Könige ein maljrer ,freunb unb treuer Katgeber ju 
bleiben, mie er es bem Kronprinzen gemefen, unb nad; innerer Ucberjcugung, nad; pflidjt 
unb ©emiffen, über bie Rtcnfchen unb bic öffentliche RIeinung als ehrlicher ITTann ihm 
allejcit feine RIeinung ju fagen. Z u 3 ieidj enthält bas Schreiben aber audt einen tjinipeis 
auf Reformen , bie ben ©ebredjen bes preujnfdjen Staatsmefens ba, mo fte am fühlbarften 
fmb, Kbhilfc perheigen: .friebrid; IDilljclm fünbigt feinem Kbjutantcn an, bag er unter 
bem Beirat ber gefefjidteften unb erfahrenden Staatsmänner bie Zerrüttung in ben jinanjen 
befeitigen unb ein auf ©rbnung rufjenbes feftes Syftem ber Staatspermaltung einjufüljten benfe. 

IPir fehen: ju einem „Regiment ber ©rbnung, ©ercdjtigfeit unb Sparfamfeit" mar 
ber neue £)crr feinem gaujen IDefen nad; ohne ^rucifcl cntfdjloffen; mie er aud) jur Be* 
feitigung ber fdjreienbften Ktißftänbe unb Kusmüdjfe ber bisherigen Regierung ganj bereit 
mar. (Er erfdjeint felbft nidjt unberührt pon l;uman * bürgerlichen ©ebanfeit, pon bem 
philantfjropifcbcn ©eifte bes 18. 3at)fh u nberts, Don bem ber Katgeber, ben er nädjft Ködriß 
fid; 5 um Pertrauten roäl)ltc, ber Kabinettsrat Blenden, gans erfüllt mar. Jlber feine Beigung 
geht bod; eigentlich meniger auf bie (Einführung pon Keformen, am menigften pon 
grunbftürjenben, als auf bie Kbfdjaffung pon Rtißbräudjen. llnb mie fehr blieb babei bas 
Kegierungsprogramm, menn mir bas EPort mieberholen bürfen, überhaupt jurüd hinter ben 
theoretifd)en ^orberungen ber rationaliftifdjen 2tuff lärung nidjt bloß, fonbern aud; hinter 
ben realen Bebürfniffen bes prcußifdjcn Staates! (Es ift nur ju mahr: bie Kbfidjten bes 
Königs ebenfo mie feine nädjften Biagnal;men berührten nur oberflächlich ben eigentlichen 
Siß ber Kranfljeit bcs preufifdjen Staatsmefens, fte griffen nidjt hinein in bic großen 
Cebens* unb Bafeittsfragen. 

Bas Kegiment IPoclIncrs unb Bifdjoffmerbers mürbe befeitigt, bas brüdenbe Cabafs* 
monopol abgefdjafft, gegen Derfdjleppungcn in ber Kedjtspflege fdjritt ber König perfönlidj 
ein. Cangfam unb saghaft, mie es einmal feine 2Irt mar, magte er ftdj an anbere Keformen. 
;für fein tjecr badjte er an Penncljrung ber 3nlänber, namentlich bei ben Kcgintcntcrn 



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im ®ften, an fjebung bes militärifdjen Unterrid)tewefcns, an Kufbeffcrung 6c t wirtfcfjaft* 
liehen tage 6er Solbaten. nicht lange, un6 er Iu6 Schamhorft nad; Berlin, 6er ftd; ihm 
6urd; feine reformaiorifdwn 3& <cn hefonbers empfohlen hotte. (£r berief 6ie Kommifßon 
jufammen, bie er in 6cnt Schreiben an Köcfriß fdjon angefünbigt hotte. (Er nerfudjte ftd; 
an 6er Cöfung 6er großen ^rage, 6ie bereite feine Vorgänger pielfad; befdßiftigt batte: er 
begann öle fdjon oft geplante Bauernbefreiung, junächft 6urdj ^reigebung 6er Domänen* 
bauern. Befferungen im 5°U* un6 Steuerwefen, in 6er Derwaltung burd; llmwanbluttg 
6er Zentral» un6 fofalbetjärbcn mürben erwogen ; man fann fagen : 6ic Kefomten, mit benen 
6er große ^reiijerr com Stein fpäter feine minifterieUe IDirffamfeit bejeidjnct fjat, fmb fdjon 
in 6en erften 3 a fy r en bes neuen Königs angeregt, beraten, porbereitet worben. Kllein jur 
Derwirflidmng unb Durchführung fehlten ein Wann unb ein Wille. Das altpreufifcbe 
Staatswefen mar auf einen fraftpollen unb belebenben Kn trieb pon oben h er gerichtet, 6er 
pon König ^ricöriA IPilhelm, wie er nun einmal tpar, nidjt erwartet »erben burfte. 
ZTlit feinen ITTiniftcm hatte er »eitig Fühlung, ju feinen Beamten überhaupt anfeheinenb 
roeitig Dertrauen. Wie cfjaraftcriftifcfj ijt es, baß er bie 3 n ß TU ?Hon für bie eben 
erwähnte ^tnanjfommiffton pon einem feiner ©fftjierc, bem Kommanbanten pon potsbam, 
©eneral Küchel, f>at ausarbeiten Iaffcn. Die Kabinettsräte aber, auf beren Stimme er ju 
hören pflegte, hemmten oft bie IDirffamfeit ber Dlinifter, ohne fie hoch erfeßen $u fönnen. 
So gefebah es, baß man bei bem Reform werf über (Erwägungen unb Porbereitungen 
»enig hinausfam. 

Die auswärtige politif blieb pon bem Regierungswedjfel pöllig unberührt Bach ben 
weitausgreifenben plänen 6er erften 3 a bre König Jriebrid; Wilhelms II. hotte unter bes 
©rafen fiaugmifs’ Ceitung bie preußifdje politif fiefj auf bas Syftem 6er norbbeutfdjen 
Neutralität jurüefgejogen, bas burd; Verträge mit ,franfreid) unb burch Kbmadjungen 
mit ben norbbeutfehen Stänben felbft gefiebert war. <£s gab preußeit unb feinen beutfehen 
Badjbarftaaten eine <öeit mirlfdjaftlichen ©ebeihens unb geiftiger Blüte. Kudi politifd) war 
es bod; ein ^ortfdiritt gegen bie feiten ^riebridis bes ©roßen unb felbft gegen ben dürften* 
bunb, wenn preußen gegen ^ranf reich jeben Kitgriff auf fjannoper für einen ^riebensbrud; 
erflärte unb ftd; jugleich in fjilbesheim mit ben norbbeutfehen Stänben jur Kufftellung 
eines Schußheeres perbünbctc. Der neue König ergriff mit polier Ilcberjeugung biefe politif 
ber norbbeutfdjen Neutralität, freilid) mit einer gewiffen einfeitigen Beporjugung ber Neu= 
tralität an ftdj. Der ©ebanfe ber 3 ntc reffengemeinfchaft preußens mit ben norbbeutfehen 
Staaten, ber unter ^riebrieh Wilhelm II. oft unb ftarf betont war, erfüllte ihn weniger 
lebenbig als bie Porliebe für Neutralität unb ^rieben. „Klle Welt weiß, baß id; ben 




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(Tafel 9 




Krott priiijoffm Cuifo mit ihrer SchnKftcr ^ricberifc 

ITTarmorüirufpr reit 05. fdtatan*, rollouJ'et (79b 



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Krieg perabfdjeue," fo fchricb er eigcnßänbig feinem ©roßonfel, bem prinjen fjeinrieß, 
„unb baß ich fein größeres ©ul auf ©rbeit fenne als bie (Erhaltung non Jrieben unb 
Kuße als bas einjige für bas ©lütf bes UTenfdjengefcbledjles geeignete HTittel." 

fDäßrenb im IDeften unb Süben bas üölfermeer wie in einem IDirbclfturm feßäumte 
unb branbete , ging bes Königs unabläfjtges Bemühen baljin, bie ©egenfäße ausjugleidjen, 
unruhige Hachborn burd; permiftelnbe IDorte ju befrijmiebtigen unb ben <3 u f* an t> Hlittel» 
europas, wie er aus ben Hepolutionsfriegen ßerporgegangen, möglich ft uitperänbcrlich feftjulegen. 
„Kon ferneren, apaifieren, falntieren" waren ißm Cieblings Worte unb Cieblingsgrunbfäße. 

Der patriard)aliftf)e ©runbjug im IDefcn ^riebrid; U>ilbe!ms beljerrfdjtc aud; bas 
fjofleben unb bie fjäuslichfeit bes Königspaares, ©infach unb regelmäßig in allen feinen 
Cebensgcrootpifjeiten, perlangtc ber König in feiner Umgebung ebenfalls ©infachßrit unb 
Kegelmäßigfeit. Hur in ber Kamepalsjcit ent 5 og er fiefj nicht ben einmal ßerfömmlicßen 
fjoffeflen. IDie er bas Berliner Königsfcßloß perfdjmäßte unb im Kronprinjlidjen Palais 
wohnen blieb, fo follte auch fonft möglidift bie bisherige Cebensweife beibe galten werben, 
©r liebte weber Heuerungen nod? neue ©efidjter. Had; 3 a b r 5ebnten jum erften HTale wieber 
befaß nun preußen nicht bloß einen König unb eine Königin, fonbern ein Königspaar, 
bas in gemeinfamer fjäuslichfeit lebte — einer fjäuslichfeit freilich, für bie bes fjausberm 
peinlich ftrenger IDille alles regelte, bie Stunben ber Hlaßljriten wie bie pferbejaßl por 
bem EDagen ber Königin. U)ie im Staate batte im fjaufe jebes feinen unperänberlichen 
plaß. Hbmeichungen pon ber einmal eingefübrten unb ißm genehmen ©rbtiung bulbete 
^riebrieß IDilbelm nicht, jie waren ibm „fatal", wie eines feiner Cieblingswortc lautete, 
unb weeften ben in ißm fchlummembcn fjaustyrannen. Die .feffeln ber ©tifette ließ 
er babei ftdj locfern, bie Core 5 um Königspalaft weit fidj öffnen. 3 n feiner Kbncigung 
gegen fjofjeremoniell, in feinem fjang ju bequemer fjäuslichfeit, glitt ^riebrid) IDilßelm 
juweilcn faft ins flcinbürgerlid)e £eben ßinein. H3te ein eeßter unb rechter Berliner befueßte 
er ben EDeibnadjtsmarft unb ben Stralauer Jifcßsug, befaß ben Kufftieg eines Cuftballons 
ober ein panorama. Sein Cieblingspergnügen war bas ©bcatcr, wo er Cuftfpiele unb 
poffen beporjugte, unb bas er auffueßte felbft wenn fiefj eben ber ©rabßügel über einem 
feiner Kinber gefdjloffen hotte. 

3ttbeffen, bas fjofleben in Berlin, fo feßr es ber König perein fachte, blieb bod; immer 
ein fjofleben unter bem Dtucf bes Zeremoniells unb ber ©tifette; lieber weilte er bes halb 
in ©ßarlottenburg, in feiner ©eburtsftabt Potsbam, am Iiebften in pareß, wo er fiefj nach 
feiner Heigung swanglos geben laffen fonnte unb an Copffdjlagen unb Blinbefubfpiel teil» 
naßm. 3 n Potsbam trennte nichts ißn pon feinem Polfe; fein Poften fperrte ju ihm ben 

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IDeg, unb ein öfterreicljifchet ©efanbter, Jürft Dietrichftcin, berichtet ftaunenb unb mig« 
billigenb, wie 6er König bort mit 6em Kronprinjen, 6ie Königin mit einer prinjefftn auf 
6em 2 lrm unter 6en Bürgern einfycrging. 

„Bon bourgeois, bon pere de famille, aber fein König für biefc (geilen" — fo 
lauten halb 6ic einmütigen Urteile 6er frentben Diplomaten. „UTan mug ifjn lieben, aber 
ihn bebauern." 

£s war ein ©lücf für biefen König, wie für feinen fjof unb bas preugifije Polf, 
bag bas Sebicffal ilim biefe Königin an bie Seile geftellt batte. 



II. Stilleben 

Die erften IDocben nach ber C^ronbefteigung pergingen ber neuen Königin in ben 
jaljlreidjen Zeremonien < bie 1,0,1 einem Kegierungsweefifel unjcrtrennlidj fmb. Da waren 
Uubiettjen 511 erteilen, bie ©efanbten ber befreunbeten fjöfe jur (Entgegennahme ber Bcileibs 
funbgebungen unb BegWcfwünfcfjungen ju empfangen; ron ben fleineren beutfehen I)öfen 
eilten riele prinjen perfönlich an ben Berliner ßof, ber halb inmitten ber Kriegsftümte ju 
einem gepufften Ulittelpunft fürftlicher ©efelligfeit in Deutfeblanb würbe. Kuct; Cuifens 
Pater fam, bie ©rogmutter unb ber jüttgfle Bruber priuj Karl, ber etwas fpäter in bie 
preugifeffo Urntce eintrat. IPährcnb ber neue König pch feinen HepräfentationspfUdften nicht 
ohne pchtlidfes IDiberflrcben untersog unb überhaupt aus ber fronprinjlidjen Zurücfgejogcn* 
heit in bie h c K° ©effentlicfffeit bes Königtums nur ungern binaustrat, erfüllte f uife ihre 
fönigliehen pflichten jugleicf) mit majeftätifcher IDürbe unb bejaubernber Ciebenswürbigfeit. 
IPie mancher pal beit uttpcrgeglichen ©inbruef gefchilbcrt: IDenn bie ©elabenen erwartungs» 
roll ftch perfammelten, bie Or, auf bie (ängfi aller Blicfe gerichtet waren, fiefj öffnete unb 
bie Königin hereintrat »als ob ein glänjenbes milbes Cicht ben ganjen Saal erfüllte. 3 h r 
blaues frcunbliches feelenrolles Kuge, fcfjuell ben ganjen Kreis burdtlaufenb, halle eine fo 
eigentümliche heitere Cebenbigfeit unb hoch babei eine fo rertrauenbe 3 nn 'esfeit u,, b Kühe, 
eine fo h«rjgewinnenbe Ifulb, bag alle hätten meinen fönncit, jeber für ftch habe nur allein 
ben freuitblichen ©rüg: ,lDilIfommcn‘ empfangen." ©s wirb erjählt, bag ©efanbtc, bie 
jum erften UTale ju einer Kubienj jugelaffen waren, bei bem Unblicf ber fchönett Königin in 
ihrer Knfprachc fteefen blieben. Unmutiger noch wirfte ber Königin ©rfdjeinung im fleineren 
häuslichen Krcife, unter ben lieben Perwanbten unb jreunben, bie ftch überjeugen fonnten, 
bag pe unter bem ©lanj ber Krone noch bie alte Cuifc geblieben war. „Sie ift ein ©ngel," 

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fchreibt bie ©rojjmutter aus Berlin einem ihrer ©nfel; „fte wirb pon aller IPelt bewunbert", 
unb ^rau pon Dop, hierin einmal mit 6 er ©rof mutter einperftan 6 en, notiert in ihrem 
(Tagebuch: „La Keine est un ange en tout". 

Cuife felbft roar noch entfernt öapon, in iljrem 3 nncrfn 6 ie ruhige Sicherheit, bas 
Sclbflbcwuftfein einer Königin $u fühlen. „3<h bin nicht jur Königin geboren, bas glaube 
mir," ljattc fte tpenige IDocben pot bem (Thronwechfel bem Bruber ©eorg gefcbricbcn, unb 
biefem Bcfcheibenbcitsbefenntnis noch bie Perftdicrmtg hinjugcfügt: „Doch will ich gern bas 
®pfer roerben, trenn nur fonft in ber ^ufunft mal baburcb was ©utes geftiftet werben 
fann"; unb ferner: „Du wirft mich permutlich nie mehr fo glücflich fehen, als Du mich 
perliefeft." 3 e h* fchrieb fte ihm poll IDeljmut jugleich unb in jenem Pflichtgefühl, bas in 
ihr in ferneren (Tagen immer ben ©mft ihrer Stellung perflärt t^at: „IDir ftnb glücflich! 
3ch? So fehr als es eine Königin fein fann. ©s ift aber hoch nicht bas ©Iücf einer 
Kronprinjeffin. 211s ich 00,1 bem ©lücf fpraef), fo wollte ich fagen: Könnt’ ich bodj Sang 
unb IDürbe ablegen, unb Mop mit ITlenfchen umgehen, bie ich lieben fönnte. Die lieber« 
jeugung aber, bap ich ®utes ftifte in ber Cage, wo ich bin, gibt mir Kraft unb belebt 
meine Seele aufs neue mit bem heiligen Jcuer, bas nur (Tugcnbljaftc fühlen föttnen, wenn 
fie (ich pomchmen immer gut unb tugcnbljaft ju fein." 

©s war nicht Mop bas Bemufjtfcin pon bem, was ihr felbft noch jur Königin fehlen 
mochte, woburch fte im 3 nl, eren ftch unficher fühlte; wie es fdjeint, fah fie auch fdjon jefet 
nicht ohne Sorge auf ihren ©atten unb beffen Königtum. Sie rühmte ihm HTut unb pielen 
guten IDillen nach, ober würbe bas genügen? 3 n fo unruhigen Zeitläuften , wo nach 
faunt gcfchloffettem ^rieben mit ©efterrcidi bie ,Jranjofcn iljre Bäubc immer brohenber über 
ben Khein ausftreeften unb bas Syftcm ber norbbeutfehen Neutralität gefährbeten? Sic 
geftanb es leife bem Pater, baji fie um ben ©atten fid) beunruhige, ber jetjt jum erften 
lllale felbflänbig honbeln unb ftch burdi feine fymblungen einen Hamen machen foüe. 

IDeldjes aber auch anfangs unb seitweife ihre Sorgen gewefen fein mögen, fte 5 er« 
flatterten halb, als im Bofleben wieber bie (Tage feftlidjcr 3erftreuungen anbrachen. Die 
(Trauer um ben perftorbenen König — bas Ijatto er felbft noch beftimmt — bauerte nur 
wenige IDochett, bann begannen bie Jeftlidifeiten, fo glänjenb unb bodi fo einfönitig wie 
je, bie Bälle unb The-dansants, bie biplomatifchen Diners unb (Thcaterbcfuchc. Hientattb 
fümmerte es, baf in benfelben (Tagen 3 U Kaflatt jwifchcn franjöftfchen unb beutfcheit 
BcDolImädjtigtcu um bie Sljeingtenjc geftritten untrbe, wie man ftch audi nicht flöten lief, 
wenn bes unglücflichen Cubwigs XVI. Kamtnerbiener Clery in einer ber glätijenben ©efelb 
(.haften jur Unterhaltung ber ©äfte aus feinen (Tagebudiaufjeidjnungen über bie ©efangenfdjaft 

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im ©emplc porlas. Dem König war es ganj willfommeii, wenn man fkij in Berlin 
pergnfigtc, als ob es fein ^ranfreief) unb fein ©cfterreich auf 6er IDelt gäbe. <£ine Unter* 
bredjung erlitten 6ie fjoffeftlidjfcitcn nur, als gegen <£nbe 3 anuar 1<’9 S jucrft 6er König 
un6 6ann auch öie Königin an 6en UTafern erfranftcn; nach wenigen IDodjen waren 
fte rnicöer fjergcflellt un6 6cr K eigen 6er .feftlichfeiten begann t>on neuem. UTit befonberem 
©lanje würbe 6er erfte ©eburfstag £uifens als Königin gefeiert; bei 6er abenblidjen Cour 
erregte eine außcrorbenilidie türfifdje ©efanbtfchaft Kuffeben. Kud) an 6er .feiet bet Der* 
mählung einer fjofbame öer prinjeffm £ouis, .fräulein pon Knobelsborff, einer rielgefeierten 
Schönheit, mit 6cm Stabsfapitän oon fjünerbein beteiligte fidj bas Königspaar. 

Dem Berliner UJinterpergnügen folgte — ein 3aljt wie alle 3 a h tc — 6er nülitärifdie 
;frühjahrsbienft in potsbam. <£nbe Ulärj bejogen .frkbrich IPilbclm unb Cuife im Stabt* 
fdiloß 6en norbweftHdien Jlügcl, ber unter König ^riebrid) IDilljelm I. als ©amifonfirdje 
gebient batte. (Einrichtung unb Kusftattung ber ^immer ber Königin ftnb nodj beute faft 
unberührt erhalten. Das Bouboir ober Sdjreibjimmer mit feinen grünfeibenen Capeten 
unb einem Sofa mit grünfeibenem Kiffen, ein Ulafjagoniburcau, jwei Büdierfdjränfe, 
baneben ein einfenfitiges Sdjlafjimmer mit rotgepridjenen IDänben unb Draperien oon 
weißem UTuffelin, in ben Salons überall fdjmucflofe, fteifc, unbequeme UTöbeL Don ben 
^immeni ber Königin führte eine (Treppe ju ben <5' ,nmcrn bes Königs, bie eine nod) 
einfachere (Einrichtung jeigen; übrigens ließen ftdj bie Käumc fehmer heijen, unb es war 
befannt, baß man fieß bort gewöhnlich eine (Erfüllung jujog. 

Potsbam glich jeßt im ^rühjaßr unb im fjerbft faft einem ^elblager. Hießt jebe 
prinjeffm aus bem Seid) fanb ftch leidjt in bics Potsbamer IDefen. „Hein, bas ift 
fdjrecflid)," fdireibt einmal einige 3 a h rc fpäter bie ©emafjlin bes prinjen tüilljelm, eine 
Romburger prinjeffm, „man macht fidj feine Dorfteltung baoon, wenn man nidjt bas 
Dergnügen Ijat cs ju fdjmccfen. ©in (Tag ift wie ber anbere. Den ganjen lieben IHorgen 
ßört man nichts als ben £ärm ber IDaffen, ber Kanonen unb ©eweljre, nicht ju petgeffen 
bas ewige Kufen ber ©ffijicre. Don halb elf bis jwölf ift bie Königin bei mir, ober idj 
bei tfjt, um jwölf jieljen wir uns für bas Hlittageffen an, genau fO Ufinuten por f Uhr 
muß man bei ber Königin fein, unb wenn bas langweilige ©locfcnfpicl fagt, baß cs ein Uhr 
fei, feßt man fidj ju einem fcljr einfachen HTaljl mit wer ober fünf ©ffijieren. Zladj bem 
(Effert langweilt man fidj im ^immer bis 3 Ußr, um q Ußr bin id) im IDagcti ju jweien 
mit ber Königin, gewöhnlich gehen ber König unb feine Brüber uttb fein Sdjwager ju ,fuß, 
unb wir treffen uns in ber Kllce pon Sansfouci, wo wir nach Belieben fpajieren gehen 
bei einer fchneibenben Kälte. Um 6 Uhr muß man wieber in bem gelben ^jimmer fein . . . 

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3egt noljt ber fdjrecMicfje Kugenblicf, wir ftfeen um einen tEtfdj um ju arbeiten unb Öen 
Cee }u nehmen; wenn er genommen ift, beginnen 6 er König un 6 feine Brüber ju Icfen, 
fo fmb mir natürlich oerpflichtet ju fchweigen, manchmal fegen bie Königin unb icf) uns in 
ein anbcrcs Sintmer, bas gefjt bann feljr gut, aber bas ift bem König nicht redjt. Bicmanb 
geniert ftd;, man bleibt ftgen, wenn bie ITlajeftäten fielen. Um halb neun fegt man ftd) 
jum Hadjteffen, ich immer jwifdjen ben IHajeftäten an einem Meinen runben Cifdjc, mit 
ber lieben Familie, ju fedjfen, bie Damen unb herren ftnb an einem anberen Cifdje, gewöhn* 
lief) fpridjt niemanb unb man unterhält ftefj mit bem Cefen ber Speifefarte. Um neun tritt 
ber wachlhabcnbe (Dfgjier ein mit bem Kapport, man ftetjt auf, jieht fidj burchs Simmer, 
ober arbeitet auch bis halb elf, bas ift bie fpätefte Stunbe, in ber man ftd) jurücfjieht." 

Kucf) bie Königin fanb, wie fte bem Batet fcfjrieb, bie Cebensweife in potsbam „feljr 
einförmig", aber ihre Sdjmiegfamfeit war hoch fo gtog unb ihr Knpaffungsoermögcn fo 
ftarf, bag fte, ba ber König es nun einmal münfcfjte, in biefern militärifd)cn ©etricbe 
munter fi4j heeunitummelte. Sie erfdjien 3 U pferb ober ju IDagen bei ben Kcpuen; fie 
uerf ehrte fleißig mit ben ©encralett, befonbers mit bem neuen Bertrautcn bes Königs, Küchel; 
fie nahm lebhaften Kntcil an allen Meinen Borfällcn bei bem erften ©arbcrcginient, bem 
Kegintcnt bes Königs. Kngeneljmer hoch waren ihr bie nachmittäglichen Kusflüge nach 
pareg unb nach ber pfaueninfel, wo auf bem üppigen ©rün bes IDiefengrunbes unter ben 
herrlichen alten (Eichen ber Cee getrunfen unb gefd)er$t würbe, bis bie abenbliche Kühle 
nach bem Slabtfdjlog jurücMrieb. So erfchien ihr biefer Kufentljali in potsbam fd)lieglicf) 
hoch als eine Kciljc „glücflicber Cage". 

IDas bas ©lücfsgcfül)! ber Königin erhöhte, war bie fdjöne ©ewigheil« bag ihr 
©emahl ein teben ohne fie fehledjterbings nicht ju ertragen oermochte. IDaren bie militärifchen 
Pflichten erlcbigt unb einige Kabinettsoorträgc rafch entgegengenommen, fo gehörten bie 
übrigen Cagesftunben feiner ©cmaljlin. Sic war bie ^reunbin, bie Bertraute, n;it ber er 
alles befprach, bie über bas freublofe (Einerlei feines Dafeins ben fröljlidjen Räuber ihres 
fonnigen IBefens breitete. Sie erhielt jegt einen neuen Beweis ihrer Unentbehrlichfeit. 
Der König beftimmtc, bag feine ©entahlin ihn auf bet Keife jur Krönung nach Königsberg 
begleiten folle. Die Königin war barüber unenblich froh- Dem Brubcr ©eorg, ber geh 
beforgt um ihre ©cfunbljeit äugerle, ba ge geh hoch erft oon ihrer winterlichen Crfranfung 
erljolt hatte unb überbies wieber mit Ututterljoffnungen gefegnet mar, fchrieb fte berugigenb, 
ge werbe nur Meine Cagesreifen machen, wäljrcnb ber König, um Seit für feine Keouen 
ju haben, 20—25 UTeilen im Cage 3 urücflegcn müffe. „So gewinne ich Seit unb gehe 
meinen Iangfamen bebächtigen IBeg unb foninte immer jur Seit an. Kugerbem noch 

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»erben alle IDege meiner teuren perfon »egen ausgebeffert . . . Huri um rum reife ich? 
Diefes lägt ftcfj leicht erraten, »eil mein Hlann es münfdrt, bicfer IDuntdr, id; möchte ifjn 
begleiten, machte mich fcfjr glücflid;, ein neuer Bernds feiner Eiche fann mir nicht gleich* 
gültig fein, eine fo große Seife ju machen unter ben bewanbten Umßänben iß fjöchft 
angenehm; fonft reiße i d; nadj Jranffurt, um Krönungen jujufeljen, jefet laffe id; rrtid; 
beinahe boch nun fclbft frönen. Slsbann weiß id; mit ^uperläfßgfeii, baß iefj meinem 
Htann pon Huben bin. Hu weißt, er liebt nidjt Cour, Gene, Ctifeite, unb wie bie 
Dinger alle Reißen, unb biefe Sdfe iß eine Kette pon folchen Dingerchen; ich toerbe alfo 
bie Eaft ehrlich mit iljm teilen, unb bie Gene fällt größtenteils auf midi surücf, bie id; 
aber nidrt achten »erbe, jeh »erbe alles anroenben, um oljne ^»ang bie Eiche ber Unter* 
tanen burch bjöflidjfeil, juporfommenbes IDefen, Danfbarfeit ba, »o man mir Serocife ber 
Ciebe unb Knlränglidjfeit geben »irb, ju gewinnen unb ju perbienen, unb fo, glaube id;, 
»erbe id; mit Bußen reifen." 

Km 24. HTai würbe bie Keife pon Berlin aus angetreten, lieber ^reienwalbe, wo 
bie Königin bie ^reube hatte, ifjrcn ©nfel (Emß ju treffen unb gute Hadjridjten pon iljrem 
Pater ju erhalten, ging es junädjft nad; pommem, bann über Danjig nad; Königsberg, 
IDarfchau unb Breslau. U)ir brauchen h’ or bie Sdjüberungcn nicht 3U »ieberbolcn, bie 
uns bie Begleiterin ber Königin unb treue fjofdironiftin ^rau pon Poß in ihren Kuf* 
jeicfjnungen aufberoafjrt hat unb beren Bearbeitung in bem befannten Buch: „Heununbfechjig 
3 affre am preußifeben t)ofe" gebrueft porliegt. (Es war pon Knfang bis jum (Enbe 

ein ununterbrochener Criuntphjug, wie iffn bas alte preußen niemals porffer gefeben. 
Pon »eitffer ftrömte alles jufammen, um bem König unb namentlich ber Königin 5U 
ffulbigen. Ueberall €h ren Ff or *cn, Begrüßungen, Blumenregen, ^eßlidffeiten, jubelnbe 
begeißerte HTenfchenmaffen, (Empfänge unb Knfpradren, bem König läftig, pon ber Königin 
mit immer gleicher bejaubember ftulb entgegengenommen unb unermüblid; erwibert. Selbft 
in IDarfchau, fo berichtet ein franjößfdjer Kgent, gelang es ihrer h'xrdßertben Schönheit 
unb Knmut, bie »iberwillige Kbneigung ber polen ju überwinben. Unb halb erjählte 
man fictj im gan3cn preußenlanbe, in paläften wie in Bauentßuben, pon ihrer herj= 
gewinnenben ^rcutiblidjfoit gegen fSocb unb Hiebrig, ron ihrer faft töchterlidjen ©üte gegen 
ein altes Hlütterlein, pon ihrer mütterlichen £jerjlid)feit gegen Kinber, unb hunbert (Er* 
jählungen, heute nod; immer pon Hluub 3U IHunb »ieberholt, ßogen burd; bas Eanb. ~W 
ben pon ber hadert Ijartb ber großen Könige bes 18 . 3 abrhurrberts geformten Staat, in bas 
falte graue preußen ftrömte pon Königin Cuife eine Jlut pon Eicht unb Eiche: förmig, 
märmenb, belebenb. 

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Stille 3alut 



Don ber Königin felbft fmb nur wenige Kcußcrungen über ihre Keife unb iljre (Ein 
briiefe erhalten. Sie tjutte, wie öfter, ein (Tagebuch 5U führen angefangen, bas aber nach 
einigen Bemcrfungcn über pommem wicber abbricht. Sie rühmt bic alte pomntemtreue 
unb freut fteij an ber malerifeben (Tracht ber Bäuerinnen bei Köslin. „Hach allem was 
id) pon bem Dolf ber Pommern habe bemerfen fönnen," fehreibt fie, „fetjeinen fte picl 
Bonltomie ju beftßcn unb ber Bauer fefjeint mir im ganjen niefit arm ju fein. (Er iß 
fefjr gcwcrbfleißig unb arbeitet alles felbft, was er in feiner IPirlfcbaft brauei)t. Die Kleiber* 
ftoffc unb bie Kleiber felbft fmb ifjrcr Ifänbe Krbcit. Ber Boben, obgleich f>ie unb ba ein 
wenig fanbig, gibt ihnen genug, um mit Cciditigfeit leben ju fönnen, unb mehrere Bauern, 
bic idi fragte, ob fie nüt ihrer Efiftcnj jufrieben feien unb ob fte rcief? wären, antworteten 
mir beljaglieff: Keieh fmb wir nicht, aber sufricbcn unb haben unfer Kusfommen. IDie 
fiele fönnen in iBaljrljeit fagen, baß fte sufrieben fmb. «Sott erhalle ihnen biefc glü cf liehe 
©mpjinöung unb laffe fte nie bie Bebürfniffe unb bett Cujrus ber Stäbte fennen, ber bas 
Hnglüef fo oieler Familien macht, bie ben pfjantaften ber JTtobc niefjt genügen fönnen, 
ber größten (Tyrannin unfercr (Tage." Bem Bruber ©eorg unb ber Königin »Blutter fefjrieb 
fie aus Königsberg noll (Enljficfcn über Battjig unb beffen fianbcl unb Schifffahrt unb 
befonbers über ©lica, bas ifjr mit bem Karlsberg, bettt IDafferfall unb ber großartigen 
IHeeresausfieht tx>n bem efjineftfefjen tjäuscficn wie ein parabies erfehienen fei, ber ©roß* 
mutter aus IDarfcbau, wo cs ihr fo gut gefallen habe, baß es nicht beffor hätte fein fönnen. 
2Ttit Begcifterung fprieht ße auch pon Krfabien, bem Schloß ber KabjiwiUs, unb pon bem 
bortigen (Tempel, ben fte roll heiliger (Ehrfurcht betreten habe. 

Km 29. 3uni ("98 war bas Königspaar wicber in Charlottcnburg, fuifc etwas 
ermübet, aber hoch recht glücflih über bie Keife unb über bie £iebe, bie ihr allenthalben 
entgcgengejubelt hatte. IDcnigc (Tage fpäter, am 6. 3uli, fattb im Berliner Schloß bie 
feierliche tjulbigung ber märfifchen Stänbe ftatt, ber auch bie Königin beiwohnte. Unter 
bem (Thronhimmel nahm ber König ben (Eibfdjwur ber Derfammcltcn entgegen. 3 tt, 'fö cn 
ben gelabcnen gufdjaucm fiel ber neue ©efanbte ber franjöftfchett Kepublif auf, ber frühere 
KbW Sicyis, pon bem alle UMt wußte, baß er für ben (Tob bcs Königs Cubwig XVI. 
— la mort sans phrase — geftimmt hatte: Pertreter ber fönigmorbettben Kepolution 
inmitten einer bem Königtum begeiftert Ijulöigenbcn altflänbifchen Perfamntlung. 

Kbennals wenige (Tage fpäter, am ( 3 . 3 p li f“9 8 < genas Königin £uife in Charlotten* 
bürg ihres pierten Kinbes, einer prinjefftn, bie am ©eburtstag bcs Paters, 3 . Kuguft, auf 
ben Hamen (Eh^rlotte getauft würbe, bie fpätere Kaiferin pon Kußlanb. 3 n £h at l°ttenburg 
blieb ber fjof auch wäfjrenb ber nächften HTonate, ein friebfames Stilleben führenb. Hur 




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einmal Hopfte bie luftige politif an bie (Tür bes Königsfdjloffes. Kugeroröentlicbc Botfdjafter 
Huflanbs unb ©efterreidjs, jürft Hepnin unb ©raf Cubwig £oben$I, 6er Unterljänbler 
6es jriebens pon ©ampo ^ormio, crfdjienen in (Djarlottonburg, um 6en König ju einer 
Perftänbigung über gemeinfame 2 tbn>efjr 6er franjöfifefjen Uebergriffe 5U bewegen. 3 n einer 
ungewöhnlich langen Kubienj, 6ie 6er unge6uI6ige König mehrmals ab3ufürjen fudjte, am 
6. Kuguft in (Ojarlottcnburg, bemühte ftd) Cobenjl, ben König mit allen Bütteln 
biplomatifcher Kunft jum Knfdjlug an Kuflanb un6 ©efterreid; ju gewinnen; pcrgeblirfi. 
^riebrich ID il bei nt begnügte ftd; mit Pcrftdjerung feiner Jreunbfdjaftsgefühle für ben Kaifer 
pott ©efterreich; an allem, was nach einer Koalition ausfaf;, lohnte er feine Beteiligung ab. 
©r war un6 blieb entfdiloffen, ftd; in feiner politif 6er Neutralität un6 6es jriebetts 
nidit ftören ju laffen. Blochte Nelfon 6ie franjöftfdje flotte bei Ubufir pemidjten, Napoleon 
Nonaparte Uegypten erobern, Nuglanb ftd) mit ©nglanb un6 ©efterreid; 3U neuem Kantpfe 
gegen ^ranfreid; rüften: in Cljarlottcnburg beljarrtc 6er ©rbe 6er Nlonardjie ,frie6rid;s 
6es ©roften in 6em bequemen IBobl loben eines rennögenben ©utsbefihers inmitten feiner 
Familie, feiner Perwan6ten un6 Jreunöe. 

©s liegt eine Stimmung lotteren Behagens un6 forglofen ©eniefjens über 6iefen 
©botloltenburgor Spätfontniertagen. ^riebrich IDilbelnts unb Cuifens Ceben ging pöllig 
auf in ben fdjlidjten Jreuben 6er fjäuslidjfeit unb 6es traulichen Umgangs mit ben lieben 
Perwanbten. Kcgclmäjjiger Perfel;r Ijerrfdjte mit ben fjöfen in 5 cf;önl;aufen. Die prinjefftn 
IDilbelmine pon ©raniett unb Cuifens Sdjwefter ^neberife waren häufige ©äfte in £l;ar= 
lottenburg; „Blitni", oljne jebes Ijöfjcre geiftige 3 ntereffe, in iljrer Klltagsluftigfeit gan$ 
für ein anfprudislofes ©enujjlcben gefthaffen, „3fa" — „munterer als je" — wie prinj 
©eorg bantals urteilt — glücflid; als pielumworbene IDitwe in Sdjönlfaufen, aber noch 
glücflidjer faft, ju 6er geliebten Sdjwefter nad; Cljarlottenburg fommen 5U bürfen. „Durch 
bie Sanbwüfte bis 3um ©lyftunt", f di rieb fte woljl auf einen bet Briefe, bie pon Sdjönhaufett 
nad; £h ar l°ttenburg burd; „l'/j Bleilen arabifdjer IDüfte" gingen. Dort fühlte fie ftch mit 
Cuife in bie (Tage ihrer Kinbheit juriiefperfetjt. Denn in ©harlottenburg fanb fte alte Darm* 
ftäbter ,Jreunbe wieber. Petter Cubwig war ba, ber fpätere ©rofjI)er$og Cubwig II., ein etwas 
inboleitter junger NTann, aber, wie ^ricberife perftdjert, „ein ausgcjcid)ncter Cl;arafter"; 
unb ©itfcl ©eorg, fo unperwüftltd; fröhlich wie einft am Nfjcine. ^rau pon Pofj fah mit 
Bliftraucn auf feine Befuche, ba er immer nur ju fommen fdjien, wenn er ©elb brauchte; 
aber fte ergab ftd; bod; fdjliejj lidy feiner unwiberftehlidjen Ciebenswürbigfeit. |ju bem fröhlichen 
Kreife in ©h^Iottenburg gehörte aud; fjerjog Karl Kuguft pon Sad)fen*IDeimat, bet immer 
feine hdterfte Caune mitbrachte unb in ber ^wangloftgfeit biefcs f^ofes es ftd; wohl fein lieg. 

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Der liebfle Befudjer aber mar unb blieb bod; Bruber ©eorg, ber am ^2. Kuguft 
feinen 19- ©eburtstag in Tfjarlottenburg feierte. <£r mar ein fjübfdjer, fdjlanfer, blonber 
Burfdje geworben, etwas weiblid) gefüljlpoll unb f<bwärmerifcb, aber eben barum woljl ber 
Ciebling Cuifens unb ^rieberifens, benen er audf äußerlid; glid), wäljrenb ber fthmarjljaarige 
Karl mefjr Cfjarlotten unb befonbers Cljerefcn ähnelte. ITtit ißm würben alle bie tieblings« 
pldße in potsbam unb auf ber pfauenitifel befuefjt unb in pareß jum ©mtefranj getanjt. 
©in 2lugcn$euge fjat uns bie Ungejwungenljeit biefer ^eicr gefdjilbert. „Da fatj man eine 
Königin neben einer Dienerin, einen prinjen con ©eblüt Kotiüon taujen mit einer 
BTüllerin, einen König fiefj punfd; ferneren laffen non einem Stalljungen unb eine prinjeffin 
fteff begegnen mit itjrer Ködjin.“ 

IDie erfdjien Königin tuife in biefen Charlottenburger (Tagen? H)ie Ijatte fiefj bas 
Derljältnis ju ihrem ©atten geftaltct? Jrieberife unb ©eorg geben uns Kntmort auf biefe 
fragen. Sie traben ben prinjefftnnen ©harlotte unb (Tljerefe, bie immer mit gefdtwifter» 
ließet (Teilnahme nad; Berlin blieften, barüber bericfjtet, beibe in liebenber Bewunbcrung, 
©eorg aber auch mit einer unter bie ladjenbe ®berßüd;e bringenben Beobachtungsgabe 
unb mit nicht gewöhnlichem Berftänbnis. 

^rieberife fdjreibt: „Cuife fiefjt fo frifetj aus unb ift immer fdjön wie ein (Engel. 3h r 
©harafter unb ifjr tjerj entfpredfen itjrem ijimmlifdjen Keußem, bas maefjt fie in meinen Kugen 
nod; fdjöner. ©ott erhalte fie unb ftöre nie ißt ©lücf, bas jeßt oollfommen ift unb pon Seite 
ihres ©atten nod; nie bie minbefte Trübung erfahren tjat." (Sdiönßaufen, ff. Kuguft 1798.) 

prinj ©eorg (2. ©ftober 1798) fcbilbert bas ©lücf bes KUeinfeins mit Cuifen in 
ben Ponnittagsftunben, bei bem es faft wie eine Störung entpfunben würbe, wenn ber König 
pom ©perjierplaß ju itjncn jurüeffant. „Kber wenn id; bie Ciebe fafj , mit ber er fie unb 
fie Ujn bewlUfommncte, wenn es fo edjt burdileudjtete, wie ifjt DTorgenfuß il;m nad; ber 
Krbeit fdjmecfte unb wie fie bas befeligle, bann nerfdjwanb alles eigene 3 ntcrc ff°/ unb id) 
war in bem ©lücf einer fo guten cblcn Sd;wefter glücflidjer nod; als porter. Schwer 
würbe es mir aber audj werben , Dir ju be weifen, wie fefjr fte’s perbient; Dir ju fagen, 
wie fie fo unermübet fortfehreitet auf ber Bahn bes ©uten, fo unabläfftg ifjre pflidilen por 
Kugen Ijat, nidjts fielet als itjren BTann, nichts fucht, nichts wünfd;t, als ißm ju gefallen, 
ü;n glüeflid) ju machen, babei ber reine Sinn, ber reine IDille, immer bejfer ju werben, 
bie ©efälligfeit, bas liebliche IDefen, fo pollfommen bas alte Betragen, ohne aud) nur bie 
Spur ber Königin, unb bod; babei bie Ijolje IDürbe, bie fefte Treue unb IDänne gegen 
ifjre Jreunbe. Hein, es ift ein redjt brapes IDeib unb gewiß, wenn Du fie jeßt fo fdfjcft. 
Du würbeft fte in bem ©rabe Ijodj fdjäßen wie id;. lüillft Du wol;l glauben, baß fie jeßt 



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fanftcr wie bie 3 fa ift? welche, obgleich ich ße bitsmal munterer wie je fanb, bodj gewiß 
nicht auffahrenb ift. 3h K Bainität unb ihr bamit perfnüpftes originelles IDefen hot fie 
$war ganj behalten, unb obgleich bic Kafefcfjauer [?j unb alles was in bas jach ber Bouffons 
fchlägt, porflber ift, fo gibt es hoch immer noch Sjenen, wenn mir allein ftnb, in benen 
bie alte Cuife ju erfennen ift. — 21 ber laß bie S$ene fich änbem , eutweber ber König foli 
humeurs befommen ober bie [ein unoerflänbliches IDort] fich erfaßen unb einer fich mit ih r 
ftreiten, ja lag ihr Unrecht tun, fie fränfen, unb pon bem Kugenblicf haft Cu nichts fanfteres 
gefehen. ©ine folefj« Befcheibenheit, eine folche ©utmütigfeit, alles babei fo wenig erfünftelt, 
fo baß man fteht, es ift ©h ara f ,er unb ber überroiegenbe gute Sinn fiegt über (Temperament 
unb 3“genb. Bein, ich ßhwSre Dir, bie Cränen fmb mir oft in bie 2tugcn gefommen, 
unb ich hätte ihr bie fjänbe bafür füffen mögen. JDaht ift es, fie hat unjuberedjnenbe 
21 ufforberung, fo fiefj ftets $u bewachen unb $u beffem, benn nicht allein ihr größtes, 
nämlich ihr häusliches ©lücf erhält baburdj immer hellere unb reinere jarben, fonbem 
auch ih r plag, auf bem fie fteht, muß fie fchon unbefchreiblich auf muntern, ba es gewiß 
feine fleine Stärfung ift, bie fefte Ueberjeugung hoben ju fönnen, burch unfer Beifpiel auf 
2Ttillioncn $u wirfen, 2UilIionen baburdj glücflich $u machen unb pon ITCitlkmen bafür 
angebetet ju werben. 21 ber laß auch noch 5 «hnmal mehr ße baju anfpornen, wer bas 
unenblich große IDort Sclbßbeherrfcfjung fennt, ber wirb ihr bes wegen meber feine Ciebe 
noch feine Bewunberung um bas geringfte entsiehen fönnen. 3^) wcnigßens, ber ihre 
läge fo unperfdjleiert fah, wie’s nur immer möglich ift, fann bas in IDahrheit beteuern, 
benn fo gänjlich willenlos 3 U fein, fobalb ber König ben fleinften IDunfch äußert, unb 
täglich mit bem Bewußtfein, ben größten Danf ju perbienen, humeurs mit Cäcßeln ertragen 
ju muffen, ift unb bleibt hört, unb wenn auch ber DTann, pon bem ich f te ertrage, ein 
peretjrungswürbigcr BTann unb ein ITTann iß, ber mich lieber mit Ciebe überhäuft unb 
fein ganzes ©lücf in mir ßnbet, wie bies alles ber jall iß. Daher ßießt beim manche 
(Träne im ßillcn, bie nicht gefehen ober beren llrfache nicht flar wirb, unb ich wiebecfyole 
cs barunt nochmals: wenn auch olles bies nicht hinlänglich ift, fie ju jehlem ju berechtigen, 
fo gehört hoch eine fehr h<>h c Kraft bes fjerjens fowohl als bes ©eiftes ba ju, ßch in bem 
Blaße ber Dortrefflichfeit $u erhalten, unb ftets fo ßch getreu 3 U bleiben" . . . 

3m IDcchfel ber 3ahresjeiten war injwifdjen ber fjerbß gefommen mit feinen 2TUntöpern, 
bie jeßt, jum erften 2Tlale feit bem (Tobe bes ©roßen Königs, wieber in potsbam unb 
Umgcgeitb abgeholten würben. Die Königin war faß regelmäßig babei anwefenb, wie 
ße auch an ber IDeihe unb Kugelung ber jaßnen für bie ©arbe teilnahm, ©inige IDochen 
fpäter ßebelte ber £)of gan 5 nach Potsbam über; IHitte Bopember war man wieber in Berlin. 

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Stille 3afjre 



(Ein 3afyr war nun feit öem Cfjrotupi'difcl »ergangen, ein 3afjr felbftgenügfamer ein» 
förmiger Behaglichfeit, unö hinter {liefern einen 3°*?« lagen anöcre 3 a h rc , eK’nfo grofj an 

wie utiperänberlicf) in ifyrem Kreislauf: 6er IBinter in Berlin mit feinen ^fefiliehfeiten, 
^rübjahr unö fjerbft in potsöam mit Hepuen unö UTanöpem, öcr Sommer mit Seifen unö 
©rljolungstagen in (Djarlottcnburg. (Ein mächtiger Strom neuen politifchen Cebens braufte 
öurdi (Europa, eine geiftige Bewegung ofjne gleichen flutete burd) Beutfdjlanb: öer Berliner 
fjof, Öen non öem Alltagsleben feine Schranfe trennte, blieb jenen Strömungen nerfdjloffen. 
©eiftige IDerte Ratten in öiefem Bafeinsfreife noefj feine ©eltung. So reich öas häuslich* 
Cebcn öes Königspaares an fiillem ©lücf war, es fcfjicn bod) faft wie ein Blumenleben, 
öas Cuife führte. Dem ©emaljl alles aus öent IDege räumen, was ifjm läftig unö unan* 
genehm weröeti fönnte, für öie Hegelmäjjigfeit öes Cageslaufes forgen, öen Berörieglidjcn 
aufheitern burd; ein Cieödjen oöer ein trauliches ©cfpräcb, einen einfamen Spajiergang, eine 
luftige Unterhaltung am Jamilientifd), oöer ein fröhlich*« Spiel in öer Kinöerftube, entfteren 
Stimmungen auch wohl öurcf) eine flcine religiöfe Dorlefung entgegenfommen, öarin erfchöpfte 
fiefj hauptfächlich Cuifens Cagewerf. 3 n ber unbeöingten Unterwerfung unter Öen tDitlen 
öes ©atten, in öer rücfhaltlofen fjingabe an öas ihm bequeme phäafifcfje Bafein örohte 
Cuifens perfönlidjfeit mit allem fchluntmernöen Heidjtum ihrer Begabung utiter$ugeh*n. 

Burfte es fo weitergehen? Sollte Cuife abfeits flehen bleiben pon öem öeutfehen ©eiftes 
leben, wie ihr ©emahl abfeits ftanö pon öer europäifchen politif? Cuife war nicht blinö 
gegen öie ©cfat)r, öie ihr örohte: „3ch weig noch lange nicht genug, befonöers höbe ich 
uiel pergeffen, was ich gemufft höbe" — fo befannte fie öem Bruöer ©eorg im öritten 
3ahre ihrer <El)e; jegl im fünften 3oh rc fogte fie einmal fchetsenö: „IDenn es fo fortgeht, 
weröe ich balö nicht mehr wiffen, ob Conöon in (Englanö oöer iti Beutfchlanö liegt." 

UTit machfenber Beforgnis fahen öie ©efchwifler auf öiefe Entioicfclung. Cuife mar 
ihr Stolj, pon öer fie öas fjöchfte erwarteten: fte füllte eine Krone auch > n ber geiftigen IDelt 
tragen, ©eorg insbefonöere, nach ben Beobachtungen, bie er bei feinem legten Befucf)* 
gemacht, war traurig über öies leere Bafein. „Hein, ich fcfjwörc Bir," fo fcf)rieb er an 
Schwefter (Cherefe, „es hot mich oft fo unglücflich gemacht, baff ich hotte blutige Cränen 
pergiejjen fönnen." (Es beruhigte ihn nicht, baß öer König felbft hbh* r * Bilöung bei einer 
Jrau für überflüffig hielt; er fürchtete für eine <gufunft, in öer „öer Kcij öer 3 ll ü c,| b 
porüber unö öas Alter öa ift" — wie würöe öann bei öer Abwefcnljeit oller geiftigen 
3ntercffen öie Cangcweile ertragen weröen? Cl)erefc, ohne öie Angft öes Bruöers ganj ju 
teilen, empfahl für Cuife fleine geographifeh* unö hiftorifche Eafchcnbücher, öie oon (Englanö 
bejogen weröen follten unö als englifd) wohl por öes Königs Augen ©nabe finben würben. 



7 * 




SliBe 3afjre 




©eorg ober fein ©ouperneur follten öer Königin bie öüdjer geben; eine foldje Senbung 
pon itjr felbfi, fürchtete ftc, würbe Ieidft bent Kutobaff bes Königs perfallen. 

3nbem bie ©efdjwifter ttod) fjierüber berieten uttb Cuife felbft ftd; nach fjilfe in ihrer 
gciftigen Hot umfah, trat ein (Ereignis ein, bas biefe Begebungen junädjft jurücfbrängte 
unb bas ©lücf bes ganjen ^ainilienfrcifes crfchütterte. 

Jrieberifens ©Ije mit Priti5 Couis trat, wie fchon früher angebeutet, niemals eine 
glücflidje gewefen. IDäljrenb bcr Krottprinj bei einer gewiffen ©mpfänglidjfeit für wctb= 
licfje Keije hoch ohne jebe intimere Bejahung geblieben war, batte prittj Couis fcfjou 
früh Ciebesperhältniffe angefnüpft, bie er auch nad) feiner Bermäljlung fortfefte unb bie 
feiner jungen rau nidjt perborgen waren. Die ©eburt bes erften Sohnes, bes prinjen 
Jriebrid), ber t>om Dater grofe bunfelblaue Uugen unb pon ber 2Ttutter ©rübdjen am 
JTIunbe geerbt hatte, führte bas ©bepuar jeitweife einanber näher, unb auf einer Keife unb 
bei einem längeren 2lufentl)alt in Sdjwebt hat ^rieberife glücfliche Cage mit bent ©atien 
perleben fönnen. 3 n Berlin aber jeigte fidj ber prins ftets „perfteinert falt" unb beletbigenb 
gleichgültig gegen bie ©cmahlin, bie ihm noch $wei Kinber gebar, Jrieberife unb Karl, 
^rieberife fdjalt wohl über „bie perteufelte Stabt", bie ben prinjen mit fooiel Berführung 
umgab unb ihr ben ©alten entjog, unb bie fte felbft boch fo fehr liebte. IDiepie! bittere 
(Tränen hat fie geweint, fte bie weichfte unb anfdjmiegeubfte aller prinjcfftnnen, beren JDefen 
nichts als Cicbe atmete, unb bie bas Sd)tcffal an biefen „eisfalten 2Uann" gefeffelt hatte! 
IDie oft ihren Kummer unb ihre Derjweiflung in ©eorgs treues Bruberljcrj ausgefdiüitei! 
„© bitte ©oft mit mir, baf er mir jungem IDcibe Klugheit genug gebe, alles $u tragen, 
was er mir auflegt, baf er mir h«If* in allen Böten, baf er mich lehre, einen jungen 
unerfahrenen BTenfdjen fo 5U lenfen, baf er mir auf ewig jugetan bleibt." Unb ein anber= 
mal: „Unterlaffe es nid)t, für bie amte 3? a ju bitten. Bie heften 3 a h tc < tporin fie jeft 
lebt, wo Uläbdjen fonft am luftigften unb am tollften ftnb, perlebt ftc in Schwermut unb 
in (Traurigfeit." Sdjlieflich fanb fie ftd; in ihr Sdjicffal unb gab ftd} Blühe, nichts ju 
hören unb nichts 311 fcljcn, unb blieb auch für ben Ungetreuen „bas liebe, fanfte ©efchöpf", 
bas ftc immer gewefen war. TDäfjrcnb ber töblid}en ©rfranfung bes ©atten, ber fein (Enbe 
fonimen fah, bewies fte ihm bie aufopfernbfte Ciebe unb pflege unb ©eorg fann in ben 
Briefen an (Therefc „bie amte, fromme, ftille Bulberin" nicht genug rühmen, bie ftd) wie 
„ein ©ngel" am Kranfenbett benommen habe. Cuife aber fdirieb mitlcibig: „U)ie gut ift 
bas Sdjicffal für mid) gegenüber ^rieberife. Berbienc id) es benn aber mehr? Hein, gewif 
nicht, ©ott muf es ihr nod} einmal in bcr IDelt redjt gut gehen laffen. Sie perbient 
gewif ©lücf unb hat nichts als Kummer." 

too 




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Der jungen IDilroe war bann, wie oben erwähnt, bas Schloß von Sdjönhaufen jum 
Kufentljalt überlaffen worben, wo ftc fich halb ganj behaglich füllte, ba fte bort nidjt fo 
„ausfpioniert" werben fonnte. Der neunjeljnjäljrigen Schönheit fehlte cs nicht an Dcrefyrem 
unb Bewerbern, beren troftpolle f?ulbigungen entgegenjunefjmen fte ftef* burdj ifjr €tjeunglöcf 
berechtigt h>el*. „3ebet will fie haben", notiert ^rau pon Doß in ihrem (Tagebuch. Der 
erfte, ben fie ausjeichnrie, war prinj Couis Jcrbinanb; man baebte felbft an eine Der» 
mäljlung, bie aber, wie es fdjeint, König ^riebrid; IDilhelm III. unterfagte. Dann fant 
einer ihrer englifdien Dettem, Prinj Kuguft I}crjog pon Suffer, ber fie heiraten unb mit 
nach €nglanb nehmen wollte, wenn fie fich entfchließc, ihre Kinber auf bem ^efllanbe 5U 
laffen. ^ricberife war nicht ganj abgeneigt, batauf einjugehen; ba ftarb Kttfang Kpril 1 798 
ihr jüngftes Kinb, prinj Karl, unb biefer Derluft feiert ihr wie eine Strafe bes fjimmels 
bafür, baß fie ftch pon ihren Kinbem hotte trennen wollen. Bei ber fehwermütigen Stimmung, 
in bie fie hierüber geriet, näherte ftd) ihr als teilncljmcnbcr ^’reunb ber prinj ^riebrich 
pon Solms« Braunfels, ber, anfänglich in lj°Uönbifchen Dienften, l<95 in bas Zinsbarer 
f}u{arcnregimcnt eingetreten unb jeßt burch rieb rieh IDilhelm III. nach Berlin in bie (Barbe 
perfekt war. Der Umgang würbe wäljrenb ber fiulbigungsreifo bes Königspaares höchft 
pertraulich: aus ben Briefen ^ricbcrifens im Sommer f?y8, obfehon ftc ben prinjen nie 
erwähnt, fpricht rerfchwiegenes Cicbcsglücf. 

^rieberifens ©erhalten hotte bie (Befchwifter längfl beunruhigt, prinj ©corg nament« 
lieh, immer fchorfblicfenb, fürchtete alles für fie pon bem pcrführerifchen Müßiggang 
bes Berliner IDohllebens. <£r pcrntißte an ihr ohnehin Cuifens (Seift, Cuifens „esprit 
de conduite“ unb fcufjtc: „wenn hoch ber liebe ©ott fie recht glücflich perheiraten wollte." 

Um IDeihnaehtcn bes 3ahres 1798 erfuhr Königin Cuife, aber nidjt Pon ber Schwcfter, 
was jwifdjcn il;r unb bem prinjen Solms porgegangen; Cuife felbft mußte bann bem König 
Mitteilung machen. Bach längeren Beratungen, bei benen namentlich bie Prinjcffin pon 
©ranien für ^rieberife eintrat, würbe eine fchlcunigc Dcrmählutig mit bem prinjen Solms 
befcbloffcn, bie ber prebiger pont 3npalibenhous fofort polljog. 3 u S*eich aber befahl König 
Jriebrich U>ilhclm bie (Entfernung bes jungen paares nach Knsbach; bie Keine ^rieberife 
burftc porläufig bie Mutter begleiten, ber Sohn .friß follte in Berlin erjogen werben. Km 
(0. 3anuar 1799 perließ bie prinjeffin ben Berliner ßof; bie jüngeren Brüber ihres per« 
ftorbeuen ©emahls, bie prinjen fjeinrid) unb IDilhelm, geleiteten fte junt Keifewagen. (Erft 
pon potsbam aus burftc fich ber neue ©einahl ihr anfchliefen. Sic felbft fchien glücflidv 
„3d) hohe immer bas ©lücf gefucht unb erfehnt, ju lieben unb geliebt ju werben, enblid) 
werbe ich es genießen", fdjricb ^rieberife jum Kbfdjieb ber prinjeffin Kabjiwill, unb balb 

tot 



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nad; öer ZInfunft in Zinsbad; 6cm Bruber: „3* genieße 6as ©lücf, was in fjütten wohnt, 
un6 nidii bas, was auf (Thronen un6 in Kronen begeht. 3 d; bin perbunben mit 6cnt 
einjigen ZTtann, 6er nad; meinem «Scfiibl allein mid; je hätte glücflid; machen fönnen." 

(Es mar eine böfe (Täufchuttg. ,fric6crife follte nad; wenigen 3 d bren inne werten, 
baß 6as erfeljnte un6 erhoffte ©lücf ihr abennats nidjt befd)ie6en war. Das leid)tftnnige 
un6 brutale XDefen 6es prinjen, feine robeit Crinfcrfitten, madjtcn 6em furjeit ©lüefstraum 
baI6 ein fd;limmcs <En6e. 

Königin fuife war 6urd) 6en ^etjltritt 6er fo i^if geliebten Sdjwefter aufs fdjmerj, 
lidrfte erfdjüttert, fie war nerwunbet in öem tiefften ihrer ©cf üble: in itjrer gcfd;wiftcrlid)cn 
ficbe. 3mmer Ijatte fie mit 6er Sdjwefter tjroub un6 Ceiö geteilt un6 getragen: nichts 
fränftc fie jeßt mel;r, als 6er ZHangcl an Pertraucn, 6en ^frirterifc 6ie ganje 3 c > t h« 1 ibr 
bewiefen. 3 mmct batte fte 6ie Sdjwefter, 6eren Perhalten fdjon fo manchmal Zlnftoß gegeben 
un6 Pcröacbt erregt, gegen alle »erteiöigt: jetjt mußte fte öem Pater, Öen PcrwanÖten, felbft 
öem englifchen prinjen Öas Porgefallene eröffnen. 

lPie ergreif enö fcbludijt 6er Sdjmerj 6er Königin aus Öen 3 c ’b'n , öie fie am Cage 
nad; 6er (Trennung ron 6er Schweflet an Bruber ©corg richtete: „Sic ift fort, ja, fte ift 
auf ewig pon mir getrennt. Sie wirö nun nid;t mehr öie ©cfäljrtin meines Cebens fein. 
Diefer ©eöanfe, öiefe ©ewißheit umhüllen bermaßen meine Sinne, 6a § ich ai >d? gar nichts 
weiteres öenfe unö fühle. Zieh ©ott! helfe mir öiefe fchwere (Trennung tragen. Der fjimmcl 
allein weiß, was ich öie ,Jcit über litt, unö wiepiel (Tränen heimlich öes ITachts mein Cager 
neßten. ©! wie gerne will id; öics alles eröulöet hetben unö mit ^reuöen nod; ein ZUal . . . 
fopiel auf mid; Iaöen, hätte id; nur öie ©ewigheil, baß ihre ^ufurift heiter unö glücflid; 
wäre . . . Das unumfdjränftc Pertrauen, öas ich 3" ®e>lt höbe, öer ©laube an feine £iebe 
erhält mich, öajj idj nidit gattj flcinmütig werte. IDemt ich mir porftelle, baß ^rieöcrife 
unglücflid; werben fönnte, fo recht elenö unö gequält, fo fann id; Zlugenblicfc hoben, wo 
id; ganj rerjweifclt unö fopflos bin. Zieh, gütige Porfehung, perhinöere öies. ®s wäre 

mein (Tob * Z3alö würbe fte jeöod; ruhiger; fte fuchtc unö fattö Croft in öem 

©eöanfen, baß öie Bähe (Thortottens in fjilöbutghaufen unö (Th cr efens in Kegensburg 
günftig auf ^rieöerife einwirten werte, unö por allem glaubte fte, baß eine große Ciebc, 
wie öie ^rieöerifctts, aud; ein großes ©lücf perbürgen föttne. ©eorg aber fattö eine bittere 
©enugtuung in öer rafdjen Dcrwirflichung feiner Beforgniffe unö fdjalt grimmig auf öas 
„pcrfluehte Schlaraffenleben" itt Berlin, bei öem aud; „ein ^eiliger in ©cfal;r fontnic." 

Zluf öas l)ofkben hotte öie (Entfernung öer prittjefftn ^rieöerife nur geringen ©ittfiuß. 
Zlußcr öer Königin trauerte ihr faum jemanö nach; man meinte, £uifc fei ohne fte beffer. 

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Stille 3aljre 



KUc wetteiferten, bie Königin ju jcrftreucn uni> $u unterteilen. Die KarneoaIsfeftlid)feiten 
gingen ihren gewohnten (Bang, unb jeber Knlag ju einer befonberen ^eier, tote 6 er ©eburtstag 
eines prinjlidjen Detters ober einer fürftlidjen ©ante, toar toillfommen. ,gu faftnad)t 1799 
reranftaltete man bas erfte jener glänjenben Koftümfefle, toie fte fortan faft aUjäfjrliefj jum 
2 lbfd)lufj bes KameDals gefeiert tourben; es ftellte bar bic Demtäljlung ber fatbjolifcfjen 
Königin IHaria oon ©nglanb (Königin Cuife) mit König Philipp II. oon Spanien (prinj 
Kuguft fjcijog oon Suffcr). Ceiter biefer Jeftlidjfeiten toar ber oon ber ©räfin Cidjtenau 
nad) Berlin gebrachte Krdjäologe fjirt , ben profeffor Kieferne tter uttb für bie ZTTufif ber 
Komponift ber beliebten ©per .fandion, fjimmcl, unterftügten. ^röljlidje ^eftproben, oon 
benen jeber ©tifcttcjwang oerbannt toar, unb eine Hadjfcier für alle ©eilnehmer füllten ben 
ganjen Btonat ^ebruat. IDte mancfjmal haben Königin Cuife unb prinjeffm Cuife KabjitoiU 
fpäter in 2TtemeI unb Königsberg an biefe ©age Ijannlofer ^reuben jurüefgebadjt, too man 
feinen größeren Kummer fannte, als wenn einmal König Jriebrid) IDilhelm ftörenb in bie Dor« 
bereitungen cingriff unb ehoa ben ©ebraui) föniglictjer Jnflgnten bei ben Koftümfeften oerbot l 

Sd)on bamals aber gab es am Berliner fjofe bod) toenigftens eine petfon, bie mit 
Unbehagen auf bies feftlicfje ©reiben fafj: am 5. ^ebruar fbrieb ^rau oon Dop in iljr 
Cagebud): „2TIan benft an nidjts als an bie Keboutc, mäljrenb bie Könige oon Sarbinien 
unb Heapel auf ber flucht fmb unb cEfjroribreitftoin genommen toirb. ©ott mcifj, toie bas 
alles geljett toirb; gebe ber fjimmel, bag bie 2 Jeii)e niefjt an uns fommt." 

Denn injtDifdjcn mar ber Krieg ber franjöftfdien Kepublif mit ber großen Koalition 
©efterreid)«Kujjlanb«€ngIanb, ber Krieg, ber ganj IDefteuropa Don ben Hicberlattbcn bis 
Heapel erfchüttem follte, in ber Sdjmeij unb Jtalien jum Kusbrud) gefomtnen. 3 n Berlin 
erfebienen toieber auperorbcntlidie Botfdiafter ber oerbünbeten 21Täd)te, ©homas ©renoille 
oon ©nglanb, Jürft Dietridiftein oon ©efterreid), ©eneral Kinfel für bas Ijaus ©ranien, 
um König ^riebrid) 2Dill)clm III. ettblieh jum Knfdilup an bie Koalition ju bewegen. 
Kud) biesmal aber, obgleich oon bem prcugifcf)cn Blinifter ©raf fjaugtpig felbft lebhaft 
unterftüpt, fdjeiterten ihre Bemühungen an ber unerfdjütterlichen ^ri ebensliebe bes Königs. 
Dergcblid) fudjte matt feine perfönlidje ©eilttahmc für bas fo nahe oenoanbte f}aus ©ranien 
unb befonbers für bie alten Iinfsrheinifdjen Bedungen preufjens rege ju machen: er blieb 
nad) toie cor entfd)loffen, nur bei einem toirflidjen Kngriff ber ^ranjofen auf Horbbcutfd)- 
lanb ju ben IPaffen ju greifen: nur bann glaubte er auch auf bic oolle unb begeifterte 
fjingabe feines Dolles rechnen 3 U fönnen. 

Bei biefen Derhanblungen ift, toie es fdjeint, jum erften 21Iale aud) Königin Cuife 
etwas in bic politif hincingcjogen. Der rufftfd)e ©efanbtc, ©raf Hifita panin, h^H* fd)on 



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früher feiner Kegierung empfohlen, 6ic ©emahlin Kaifer pauls I., Kaiferin ITtaria ^eoboromna, 
eine geborene mürttembergifchc prinjefpn, ju einem certraulichen Brief med)fel mit Königin 
Cuife $u ceranlaffen, um burch fte aud) auf ben König Hinflug ju geroinnen — ein Brief» 
roechfel, ber ein 3 a brjci)ut fpäter unter fo ganj anderen Umftänbeu cencirflidjt mürbe, 
panin überjeugte pch freilich halb felbft unb fpraep es aus, bag bie Königin feinen politifcfjen 
©tngug fjabe unb überhaupt ju einer politifcfjen Solle nicht geeignet fei. ills er im Sommer 
f799 pd) oon ifjr ccrabfdjieben burfte, mar er erftaunt ju Ijören, wie roenig fie hoch oon 
bet eigentlichen Cage ber politif unterrichtet mar. Knberfeik ift anfdjeinenb im 3ntereffe 
bes Kaufes ©rattien auf bie Königin eingemirft rnorben, unb ©encral Kinrel erfuhr, bag 
fte bei ber Hacljricfjt coit ben anfänglichen Zlieberlagen ber ©efterreidjer in ©raubünben, 
ähnlich mie ^rau con Bog, geäugert habe: „Bach iljncn roerben mir an bie Keitje fommen." 
©s pnbet Pd) auch, bag bie Königin eine ber bantak entftanbenen Benffchriften für 
bie Heutralität preugens, cietieicht eine Krbeit bes ©eljeimen Kabinctkrak Beyme, eigen» 
pänbig abgefdjrieben hat. 

KUe biefe politifdjen Berljanblungen hemmten meber, nod) befdjlcunigten fte ben ©ang 
bes Berliner Ifoflcbens. pünftluh ©nbe Itlärj mürbe nad) pokbant übergejiebelt, mo bie 
Königin pd) anfangs redit traurig unb niebergefdpagen fühlte, ba bas Knbenfen an Schroeftcr 
^rieberife unb bereu Schicffal pd) ifjr bort mit neuer ©cmalt aufbrängte. Kaum batte fte 
biefe feelifdjen ©inbrüefe übermunben, ak pe ftdj con förperlidjcn Ceiben beimgefudit fab- 
©s mar ein ungemöhnlich faltes ^riibjahr unb bie IBopnimg im potsbamer Stabtfdjlog 
fchmerer nod; 5 « b c 'J cn ak fonft. „Banf einem Berg glübenber Koblen unb einem fürchter» 
lidjen ^euer", fcfjrcibt Königin Cuife an ^rau con Bog, „ift es mir [beute] gelungen, tnid) 
$u ermärmen. ©eftem aber bin idt faft ber heftigen Kälte erlegen, bie bas Blut in meinen 
Köern erfiarren lieg. 3 n biefem Kugenblicf fdjneit es ... . potsbant ift entfeglid) traurig, 
alles ift fo fall, alles ift fo ftill. ©tödlich, met mit ber äugeren Sube bie Seelenruhe per» 
binbet, bie alles ertragen lägt. lüentt id) auf bie Bergangenbeit jurücfblicfc, fo jittere idj 
nid)t unb fürchte midj nidtt, mit mir allein ju fein, um etmas ju entbeefen, roas mich 
beunruhigen fönntc. Kleine Kinber, meine Bücher, bas Schreiben befdjäftigen mich fo, bag 
biefe beiben (Tage recht fdjnell pergangen finb." IDcnige (Tage fpäter erfranfte fte, ähnlich, 
aber fchmerer ak pier 3a!) rc früher in Sansfouci. Balb b'eg es, bag ihre Bruft angegriffen 
fei, bag fte Blut fpeic. „Biefe cermünfchtcn Minimer," flagt Jrau con Bog, „in benen 
pe mobnt, unb bie Kälte, bie bort hcrrfd)t, müffen fte fchlieglidj töten. 3<*! Mn 0 an ä ror ' 
jmeifelt barüber." ©rft nad) einigen XDochen erholte pdj bie Königin. Sie fomtte ftdi bes 
Befudtes ihres Baters freuen unb felbft roieber bie üblichen Kepuebällc befuchen, mo fte, mie 

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(Lafel 10 






Pie HSntglid) preujjiftfje Familie II. 

I. RerjOvj Karl IPilfyelm ^erbinanb ron i*rann)<htrci<j. 2. Könujinll'itire <£(i(abctf) slhrifiiuc ron prenfjen. 
3 . prittj ßcinrtdj i>. Kr. rum prettgen. 4 . prinjcfüit t fcrMnanb ron prciigen. 5 . prin3 ^fcrtnnanb 
ron prciiRcn. 6. prtnsefftn lüilljclmme ron preußen, «Erbftatlhaltcrin ber ITicberlan&f. ?. priit3 Knauf} 
ron pmißcn. 8. prin3cffm £uife ron pretigen, Ka^iiriM. 9. prin3 fouis .fer&inanb ron preugen 



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Stille 3afyre 




einer ber Ceilnehmer, ©raf £cf)n 6 orff, berichtet, bie Knroefenben burd; „ben göttlichen Con 
ihrer Stimme bejauberte, bet nur biefem Engel t>on ^rau eigen ift." 

Don potsbam aus, am 25. 2TTai, würbe bie Sommerreife angetreten, biesmal nach 
IDeften, ins „Keidj". IDas luifens fjerj babei mit freubiger (Erwartung erfüllte, war bie 
Kusficgt, alle itjre Schroeftern — auch ^ricberife — unb bie Stätten tljrer Kinbfjeit, Darm» 
ftabt unb ^ranffurt , wiebcrjufchen. So batte ber König felbft alles längft angeorbnet unb 
porbereitet. „HHffe nod;," fegrieb Cuife bem Bruber ©eorg, „bag mein IHann allein, ofjne 
bag ich baran buchte, mit bem plan meiner ganzen Keife herporrüefte unb bag er cs ift, 
ber alles, alles arrangirte. Hun benfe Dir biefen Beweis feiner liebe gegen mid) ju allem 
anbern unb empfinbe lebhaft, was mein f)er 5 gegen biefen cblcn, burdjaus redjtfdjaffcnen 
guten 2Ttann empftnbef." 3 n fjilbburghaufen follte bie ^ufammenfunft ber pier Sdjweftem 
— bie erftc feit ber Dcrlobungsfeier in Darmftabt — flattftnben. „lieber ©eorg, wie wirb 
Dir bei biefem (Bebauten?" ©egen Enbe Ulai fefjott war ber ganje Jamilienfreis in fjilbs 
burgfjaufen bei Charlotte perfammelt: Cherefe unb Jrieberife, ©eorg unb Karl, unb aud; 
bie jegt fieb$igjährige ©rogmama. Ulan erwartete nod? ben Pater, bjcrjog Karl, unb Königin 
Cuife. Per Pater fam juerft. „IDeld) Kugenblicf, bies IDieberfehn," fdireibt Cherefe einer 
^rcunbin; „es gibt feinen liebepoUcren unb geliebteren Pater als ihn unb mit Kedjt, cs ift 
ein fo portrcfflidjcr, fo ritterlicher JTlaitn. 3 f ^ s feiner fünf Kinber unb neun Enfelfinber 
perlangte nadj einem Blitf, nadj einem Kug, wenigflens nach einem fjänbebruef. Er fonnte 
nicht allen genügen. IDir jerfloffen fämtlich in Cränen." Km 2 . 3uni, pon IDeftfalen ber, 
traf Cuife ein. „bjeute", fdjreibt Cherefe, „foinmt bie Königin, es ift $u piel auf einmal. 
IDas hnbe idj getan, fo mcl ©lücf ju perbienen?" Unb einige Cagc fpäter: „3<h weig 
nicht, wie i d; bas leben nennen foü, bas wir feit ber Knfunft ber Königin führen. Sie 
ift bie Seele eines Kreifes, ber auch ohne fte fidj febon auf bem ©ipfel bes ©lüefes glauben 
würbe. Kuf bem Kntlig biefer unrcrglcid)lichcn ,frau ftnb bie ©öttinnen ber Knmut, bes 
Spiels, bes Cadjens pereinigt. 3h r h c ’ ,frct fdiulblofer Blicf belebt unb beglüeft alles. Die 
,frembcn ftrönien in biefer Stabt jufammen, man hat faum 3 c 't Ktem 511 holen." 3« biefen 
Befudjem Ijilbburgljaufens gehörte audj 3 can Poul, ber bort bet Königin burdj Charlotte 
rorgeftellt würbe unb ber fpäter ben „pier febönen unb ebeln Sdjweftern auf bem Cljronc" 
feinen Citan wibmete. Ein junger Künftler, Karl Barlh, h°i bie Sdiweftem bort öfter 
auf ihren Spa 5 icrgängen im parf pon fjilbburghaufen beobachten fönnen; ihm fiel 
befonbers Cuife auf, „beren reine ^formen, por allem ber fo fdjön gebilbete unb bodj 
wieber fo inbinibucll retjenbe Kopf, fo h arm onif<h mit bem fd)lanfen fials pereimgt, 
überall an bie Kntife mahnten." 



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StiUe 3 a ^ re 






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Hm 7 . 3uni perlief £uife mit (Ojerefe unb ©eorg f}ilbburgljaufen unb erreichte über 
©tfenad; am näcfjftcn (Tage Kaffel, mo fte mit tljrom ©emaljl jufammentraf, ber injmtfdjcn 
in IPeftfalen nodj Hernien geilten Ijatte. Cängft ijatte ber Huf pon Königin Cuifens 
Sdjönfjeit unb Ijolbfcligfeit bic ©renjen preufens übcrfdjritten. Das bem preufifdjen IDefen 
fonft fo fpröbe „Keicfj" fjulbigte biefet preufifdjen Königin wie einer bcutfdjen Kaiferin. 
©öttinger Stubcnten fjaben gefdjilbert, mie bie gan5e Uniperfttät bamals „in fjife unb Staub" 
nad) Kaffel roanberte, angejogen non bem „ITlagnet", non Königin Cuife. Klle Kollegien 
mürben gefdjloffen, „benn nur Kranfe ober griesgrame Hntifen" tcaren 5urü<f geblieben. 
„Die Canbftrafe mar non Kutfdjen, Heitern, Hlenfdjen unb Karren fo bebeeft, baf man 
hier einet Dölfermattberung ober ©migration beijuroobnen fdjien." Diele fmb in ber lladjt 
nom 8. $unt 9- 3 un * 5 U ,f uf Don ®öttingen nadi Kaffel gemanbert unb füllten fidj glüJ* 
lid), am nädjftcn (Tage — einem Sonntage — bort ober auf bem IDeifenftein (IDilfyclms-- 
Ijöfje) bie Königin fcljen ju fönnen. „3l?re ©eftalt", fdjreibt ein Stubent bem ,frcunbe, 
„Ijat etrnas Hetljerifdjes, meldjes burdj bie fcljr bünne Kleibung fcljr unterftüft mirb; o bes 
fdjönen IDeibes, ber Königin — Ijätteft Du fie nur gefeljen, mie fie mit einem tjolben Blitf 
alle tjerjen fcffeltc." Kber audj (Ojerefe fanb iljre Bcrounbcrcr. ©in Beridjterftatter meint, 
baf, „mer bas pifante bem feinen ttorjiebe, iljr ben Hpfel rcidien mürbe." 

lieber ©ifcttadj, fiilbburgbaufen unb Koburg mürben bann bie bamals preufifdjen 
ITlarfgraffdjaftcn Httsbadj « Bayreuth befudjt, für bie Königin Cuife eine befonbere Dorliebe 
fafte. Hudj bic ©rabftätten bet fjoljcttjoUcni in lieilbronn mürben befidjtigt. HTit ßarben« 
berg, bem alten Bcfanntcn iljrer ©Item non Ijaiinoper ijer, ber feit einigen 3 a *? r<n * n 
preufifdje Dienfte getreten mar unb jeft bie HTarfgraffdjaften faft felbftljcrrlidj regierte, fam 
Cuife bamals in näfjere perfönlidje Bejieljungen. Dann ging es über IDürjburg nad; 
IDilljclmsbab, pon mo Kusflüge in bie llmgegenb unternommen mürben. IDeldjc Jreube 
für bie ©efdjnrifter, in Darmftabt bas „parabies" iljrer Kinbertage micberjufcljcn , unb 
^ranffurt, „ben <Drt", roie Cuife fdjreibt, „unteres erften llmljcrfeljens in ber großen Hielt, 
ben ©rt, mo idj bie intereffanteften Befanntfdjaftcn meines Cebens gemadjt Ijabe." „©anj 
Darmftabt", fdjreibt Cfjerefe, „empfing uns in rüfjrenber IDeife unb jebes Zimmer im palaft 
unterer ©rofmama crljielt einen bcfonbereit Bcfudj." 3 ,n Koten fjaus ju Jranffurt, mo 
1793 König ;Jriebridj IDilljelm II. refibiert Ijatte, gab bie Kaufmannfdjaft bem Königspaar 
ein Ballfeft, bei bem eine pon Köcfrip perbreitete Badjridjt über angcblidje franjöftfdjc 
llebcrrumpelungsplänc Beunruhigung erregte. 3 n ^tanffurt tjat, mie befannt, Cuife burdj 
prinj ©eorg audj ©oetljcs ITlutter 3U fidj in bas iOjurn= unb ©apisfdje palais gelaben 
unb mit iljr pon „porigen feiten" geplauberb Km 30 . 3 u| 'i perlief fte nadj einem rüljrenben 

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KbfAiei pon .frieberife HHlbeltnsbab unb fam über ©ifenaA, wo ficb Charlotte per* 
abfA’ebete, mit tSTfycrefc uni ©eorg am f. 3uli in IPeimar an. Ijier fab fie am näAftcn 
(Tage eine Huffübrung pon „IPalletifteins (Toi" — iie Piccolomini batte fte (Aon am 
2. 21tärj besfelben 3ai?res in Berlin gefeiten — uni lief fiA SAiller, ier pon 3enu herüber« 
gefommen n>ar, (ßoetlje uni IDielani rorftellen. SAiller fani Me Königin „fchr graziös 
uni pon perbiniliAftem Betragen"; fjerbors ,frau nennt fie „ein IPefen pon ier glüefliAften 
Batur, iie Baipetät uni ©ra$ie felbft", „eine fjebe". Hm folgenien (Tage perließ £uife mit 
bem Könige IDeimar. (D^refc, iie noA jurüefblieb, (Arcibt über ien KbfAiei pon ier 
SAroefler: „Die fiimmlifAe, fte (Alof ntiA fo feft in itjro Hrme, iA irücfle fte fo tpamt an 
mein tjerj, uni ioA permoAte man uns ju trennen ... Du fannft niAt ienfen, tpas bas 
für ein ciles, reines, anmutiges ©efAöpf ift, ier Hingang mit iljr läutert einen, ienn man 
trüric ftdj fürAten, in ihrer Balje mit unlauterem Ijerjett einfjerjugeben, piclntebr es wäre 
unmögliA. benn feiten crfAicn trobl fo lyofye (Cugenb unter einer fo reijenben ©eftalt ..." 

Km 8. 3“li war bas Königspaar tpicier in bem geliebten (Tljarlottenburg. 

Die rafAe Kusföljnung mit ^neberiFe, beren Derbanitung tpenige 211onate porter fo 
grofes Kuffeben gcmaAt batte, erregte ioA einigen 21nftoß, um fo mehr, ia es b'ffj, iie 
prinjeffm tperbe balb »ieber naA Berlin jurüAfebren. Königin Cuife nabin bas übliAe 
Berliner ©erebe febr leiAt. „Daß b' ct uni ba junge unge$ogene Ijcrren", fArieb fte einmal 
an ©eorg, „fiA bumme SpäßAen ober Benterfungen erlauben follten, uni ntiA fo trenig ab 
anbere bamit perfAont laffen, ift febr glaubliA-* Daß fte gegen SAn>efter ^ricberife unb 
attbere Berwanbtc — auA Stein bat bas fpäter getaielt — ju uaAftAtig fei, tuar iljr felbft 
reAt wohl bewußt. KUein iiefe gefAwiftcrliAe uitb penpanbtfAaftliAe £iebe bilietc fo febr 
einen IDefensjug ihrer treibliAen Batur, iaf: fein fAlintntes (Erlebnis je etwas iaran bat 
äniertt Finnen. „Kleine wahre uni aufriAtige JlnljäiigliAFeit au meine ganje Jamilie", 
fArieb fte einmal ier ©roßmutter, „ift ier Krt, baß iA niAt gatt 5 glücfliA fein fann, 
tpenn iA fte niAt alle glücfliA tueiß." Dem Bruier ©eorg aber, ier fie pon bem ©cjifAal 
benaAriAtigt batte, befannte fte: „3A bin ein fAwaAes IDeib, bas füble iA alle (Tage 
ntebr; aus ©üte ies l^erjens werbe ii) fAwaA* 3A wünfAe, es ginge allen KTcnfAen 
wobl, beslyatb perjeibe iA leubt. pergeffe gern, fAelte niAt, wo iA follte, um niAt }u 
betrüben, unb iA fürAte, iA ftifte ioA niAts gutes, weier außer mir, noA in mir; ienn 
iie nieufAiiAe Batur ift petiorben, fte will fjärte uni ier Befferuitg willen, fte iürfen niAt 
gefAont fein, unb iA b J be mir junt ©runbfaß geniaAt, fanft, fAoneni, gütig gegen 3 e beti 
5 u fein, uni eben barunt fürAte iA, werbe iA fAtvaA uni meine Selbftäniigfeit perlieten. 
Beruhige miA iarüber, lieber ©eorg. Du bift ein gefühlvoller llTenfA, ttur ju gefüblpoll, 

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bas ifl Dein ^cljlcr, manchmal fchmärmerifd). (Es barf niefjt gcfd)märmt fein, in 6 er mtrf= 
lidjen IDclt muffen mir bleiben, uns burcfwrbciten , fo mill es bas Sdjicffal. Komm! es 
blog auf mid; allein an, fo traue idj mir ju, niefjt fdimad) ju fein, fo menig in meinen 
fjanblungen, als in meinem Urteile. 3f* aber ein Anberer öamit oerbunben, hat mein 
Urteil ©influg auf bas IDofjl eines gmeiten, fo fdjmanfe idj, obglcictj bas ©effifjl bes Secfjts 
tief unb flar in meinem f^erjen fdjlägt. tDas ift biefes Schmanfen? gft cs Sdimädie ober 
ift es UTcrtfdicnltcbe? " 

Königin Euife fjat in biefen geilen ihrer ©efdjmifterliebe unb ihrer HienfAenliebe ein 
fdjönes Denfmal gefegt, ©ab fic firfj babei aber nidit nadifidittger oielleicfjt unb mcidfer, 
als fte tatfädjlid) mar? ©erabc bem Sruber gegenüber bemies fic bamals, bag fie bodi 
mit beiben ^üjjcn feft „in ber roirflidjen IDclt" ftanb unb „um ber Befferung milleit" aud) 
„hart" ju fein mugte. 

prinj ©eorg, ber bisher in Koftocf ftubiert hatte, follte nun in einer größeren Stabt 
feine Bilbung ermeitern unb neroollftänbigen. Unter bem frifdjen ©inbruef bes Aufenthaltes 
in IDeimar riet Cuife ihm, biefe Stabt 5 U mahlen, mo er auch .finanj* unb Kanteral* 
miffenfehaften lernen fönne; unb bann — „benfe Dir einmal bie herrlichen ©rljolungsftunbeit 
in IDielanbs unb ©oethes ©efcllfchaft". Euifens ©ebanfe fam nid)t jur Ausführung; cs 
mürbe cielmehr befdjloffcn, bag ber prittj nach Berlin gehen folle. So glücflich Euife 
barüber mar, ben Sruber längere geit um fidj ju haben, fo mar fte bod) nidjt ohne Sorge, 
bag ber prinj in ben beraufdjenben ©enüffen bes Serliner Aamcpals ber Verführung 
leichtfertiger unb ausfebmeifenber UTenfdjcn erliegen fönne. Sdjroefterlich roarntc fte ihn: 
tDenn fte fo etmas an ihm erlebte, „idj heulte unb fdjäntte midi tot; Du mürbeft in mir 
bie fälteffe unb frembeftc Perfon ftnbeti." Scherjcnb fügt fte biefen ©rmahnutigen ein 
attbcnnal hiuju: „fjerr Eidjthammer ift in mid) gefahren." 

gu Anfang bes IDintcrs f?99 jtebelle prinj ©eorg mirflich nach Serlin über, roo 
er im Palais bes perfiorbenen prinjeti Eouis JDofjnung erhielt. Soroeit es ihm eine 
begittnenbe Sdimcrhörigfeit gcftattetc, befudjte er bie Dorlefuttgcn bes prebigers unb Jjiftorifcrs 
Attcillon, bes fefjott ermähnten Profeffors Kiefemetter, bes Apofiels ber Kantifdjen philofoph'e 
in Berlin, ber aud; bie jüngeren Brüber bes Königs unterrichtete; ^riebrid; Schlegel u. a. 
fd)eint er ebenfalls gehört ju haben. (Er mar täglich am Ijofe, allen ein millfontmcncr 
©aft, auch bem Könige, ben er bureb feine beroegliche ( -fröf)Iidifeit aufheiterte; felbft in bie 
gefürchtete ©eeftunbe brachte er mit Euife etmas Ecbcn. UTit ber ,-frau roti Dog unb bem 
Kammerherrn von Schiiben fd)log er gute Jreunbfcbaft. Die fdiönfte ^reubc an feiner 
©egenroart hatte, mie ft di nerfteht, Königin Euife, bie namentlich im Sommer fSOO, mährenb 

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be r König Me (Truppen in pomment bepcfjtigte, in Sansfouci mii ifjm frotje (Tage perlebte. 
Sorgen um ben Bruber blieben itjr babei freilich hoch nicht gart 5 crfpart. 3n Berlin jmar 
Derzeit ftefj be r prinj tabellos, Ijerjlicf) banfbar bafür, bafj er bei Schwager unb Sdiwefter 
ein „Daterhaus" gefunben Ijabc; aber plötzlich übcrfam ifjn bie Seljnfucht nach einer älteren 
Hoftocfer Dame, in bie er pcb perliebt t?atte, unb bie er je|jt burch aus heiraten trollte. 
Da fyit ifjn Königin Cuife in fchdnen unb eniften IDorten abgemahnt ; fte bcfchmor ihn 
bei ihrer gefcbwifterlidjen Ciebe unb ^ärtlidjfcit, unb fic rief ihn aus feiner Schträrmertrelt 
in „bie roirflicfjc IDelt" jurücf: „Cajj Dich nicht fo gehen wie ein Homanhelb." prinj 
©eorg h<5rtc unb persichtete, Königin Cuife aber tröflctc bie Derlaffene. 

IDir hrrhen biefer ©pifobe gebacht, nicht blof bes Anteils ber Königin Cuife wegen, 
fonbem weil ein Dierteljahrhunbert fpäter, unter entfielt unb für bas preujjifcf)c Königshaus 
bebeutfamen Umftänben, noch einmal baran erinnert würbe. 21 Is prinj IDilljelm, ber fpätere 
Kaifer, in fernerer fjerjensnot um bie fjanb ber prinjefpn ©life Kabjiwill fämpfte, hal 
prinj ©eorg als ©rofsherjog bent Iteffen pon feinem eigenen Cicbesleib erjählt unb mit 
ben perftänbnisroll tröftenben IDorten eines Sdjicffalsgenoffen ihn jur ©ntfagung ermutigt. 

Bach etwa breijährigem Kufenthalt, im 2Tlai (802, rerlief Prinj ©eorg Berlin, 
um bie Schweij, wo er in Beuchatel Jräulein ron ©riieu befuchte, unb 3t a l' en 5 U 
bereifen, ©r blieb längere 3*it in Hont, wo er mit IDilhelnt ron fjumbolbt näher befannt 
würbe unb Kunftfachen für ben Berliner f)of attfauffe. Königin Cuife trug bie lange 
(Trennung fehrner. IDas mürben ihr bie Berliner IDinter ohne ben Bruber fein? Die 
gefcbwifterliche Ciebe aber fchien mit ber ©ntfemung noch ju wachfen, unb Cuife fonnte 
ftcfj nicht genug tun in Derftcherungen järtlichfter 2 lnljänglichfeit an ben fernen ^reunb unb 
Bruber. „3ch fenne meinen ©eorg," fdjreibt fte halb nach beffen Kbreife, „bem nichts fo 
heilig ip als .freunbfehaft, unb gottlob, wir begreifen nicht, wie man leben fann unb 
glücflid) fein ohne biefe hintntliphe ©mppnbung." Unb ju feinem ©eburtstage: „Die 
Kenntnis meines fjerjens muß Dir fagen, baj? ich liefen ©ag preife unb ©ott ewig bafür 
banfen werbe, ber mir meinen Bruber gab, ben ich mit allen ftarfen uttb jartett ©mppnbungen 
meines fjerjens unb meiner Seele lieben fann." 

©eorg hat ber Schwefter järtlicbe Ciebe allejeit mit fchwämterifcher 3nnigfcit erwibert. 
Der ©ropmuttcr befannte er einmal, bafj „bas ©efühl, mit bem bie Katholifen an ihren 
^eiligen hingen, nicht pon bem rerfcfjieben fei, bas ihn an ben ©ngel feffele". Unb ber 
Sd)mefter fdjrieb er jum ©eburtstag: „Sei mir gegrüjjt unb brei UTal willfommen, bu ©ag, 
ben auch fommenbe ©enerationen noch mit bem ©riffel ber Ciebe in ihr fjerj jeichnen 
werben, ber genannt werben wirb, fo lange bie UTcnfehheit noch Sinn ftch erhält für ben 





©ebanfen, bag roirflid; einft bas fchönfte ©emüt in ber fehönften fjülle lebte." Die 
©efchwifterherjen frf)lugen in einem ©leichflang, für Öen Cuife einmal öas IDort fanö: 
„llnfere Seelen perftefjen ftdj fo gan$, ein f)audj belebt öie Saiten, unb ber Krcorb ift öa 
unb wirb eroig ba fein." 

Unter ben Schweftem mar es Prinjefftn Cljerefe non Cl)um unb Cajis, bie in biefer 
geil bem fjerjen ber Königin am näcbfien ftanb; fte trat gleicbfam an Jrteberifens Stelle, 
bie iljtrc (Etferfucbt barüber nicht »erljeljlen fonnte. Hach (Therefe feljnte ftd) Cuife befonbers 
im Frühjahr 1800, als ber (Tob eines nur roenige HTonate alten (Töcbtercbcns, ^ riebe rife, 
unb eine (Erfranfung bes Königs fte fdjmcrjlicb crfcfjütlert fetten; bringenb lub fie bie 
ScfjuH'ftcr ju einem 8 efud)e ein. Die Briefe, bie Cuife unb (Therefe barüber »cchfclten, 
führen uns ijinein in bie ganjc 3nnigfeit ihrer Scbmeftem liebe unb jugleid) in bie über* 
fdjmänglicfie ©efüljlsfeligfeit jener (Tage. 

„3<b fyabe," fehreibt Cuife, „brei lüocfjen lang graufam gelitten, unb erft feit einigen 
(Tagen beginnt meine Seele ruhiger ju »erben. Der graufame unb serreigenbe Derluft 
meiner (leinen J riebe rife, bie (Erfranfung bes Königs, bie pot iljrer (Entfcbeibung mich 5 U 
ITobe ängftigte, alles bas überfiel micf; mit einem UTale. 3 <h »ar in einem bebaucms* 
mürbigen 5 u f* an ^ c » bas fcfjtoör’ id) Dir. HTeine (Tränen, bie gerecht roaren, ftocften 
plöglich por Sdjrecf, als icf; eines UTorgens meinen HTann in ftarfem Riebet unb fefjr 
franf fanb. Des Hacfjts »eint’ idj, bei (Tage am Kranfenbett lächelt' ich, um bem Ccibenbcn 
HTut ju geben, bei ben fehönften Sommertagen fein Ceib 5 U tragen .... Den 30. [ITCärj] 
perlor ich meinen (Engel, itjre Kgonie bauerte pon 6 bis 8 bes Kbenbs, ba pcrfdjicb ber 
(Engel unb erwartet tnid) nun oben in befferen Sphären mit aufgeflärtem ©eifte . . ." 

Die Königin bittet bann bie Scbmefter, fie im HTai in (Ojarlottenburg }u befudjen; 
pom 2 $. an »erbe fie bort IH (Tage lang allein fein, bie fie ganj ber Jrcunbfcbafi »ibmen fönne. 

<Ef?ercfc lehnte ab, aus Kücfficbt junäcfjft auf ihre Kinber, bie bet HTutter bebürften, 
bann »egen bes in Sübbeutfdjlanb »ütenbeit öfterreicfjifch * franjöfifdjcn Krieges. Cuife 
enpiberte ((3. UTai 1800): „IDie (onnteft Du einen Kugenblicf 5 »eifcln, bag idj Dich 
pon Deinen Pflichten abhalten würbe? ©eficgt hot bas UTuttergefühl, fobalb ich Deine 
©rünbe las, unb bie Sci)»efter fleht gern ben Kinbem nach. Bleib, befte (Therefe, bei 
Deinen lieben Kinbem, forge für fie, pflege fie, unb wenn Du glücflidj burch bie (Erfüllung 
Deiner pflichten bift, fo benfe, bag ich Dich nicht h'nbcrtc, biefe feligen ©efühle ju geniegen. 
3ch geftehe Dir bennoef; meine Schtpachhcit, bag geftem, als ich Beinen Brief (in Cljar* 
[oltenburg gcrabe) empfing unb las, einige (Tränen bem fcfjän geträumten (Traum fioffen. 
Henne es (Eigennut}, nenne es aber auch Ciebe, benn »ahrlich, i<h lirb« Dieb! unb es 

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foftet mir nicht wenig, gatij Öen ©eöanfen ju unterörücfen, Didj iiidjt ju feiert, inöem icfj 
öic fjoffnung unfercr Bereinigung fo lange unö fo beforgt nährte. Caufenb IDünfdje fcfjicfe 
id; }um fjimmel für Dein IDoljl." 

JDenige (Lage fpätcr, am 18. ITCai, fügt fic binju: „IDas finö wir ITfenfdjen bodj 
für fdjwadje ©efdjöpfe. Kaum fjaben wir einen Entfdjlug gefagt, fo wanfen wir auef) 
(Aon wieöer. ©lücfluf), wenn wir nur wanfen unö nicht ga «5 erfdjüttert mit famt Öen 
IDurjeln untcrgefjit. Diefes tjat Bejug auf meinen <guftant>. Denfe, liebe Cijcrefe, bag 
ich in öiefem Uugenblicf Deine beiöen Briefe empfange, öen pom 8. unö öen com U. . . . 
ITTein fjerj bebte unö füllte itocfj einmal mit aller £cbfjaftigfcit öas ©Iücf unferet Der» 
einigung, öic feligen Stunöen, öie fie uns gewährt fjaben würöe. Doch neinl Das, was 
ich einmal für gut erfannt, öem blieb id) treu. Du bleibft bei Deinen Kinöcm, icfj bleibe 
ofjne Sdjwefter! aber öoefj mit öem Bewugtfcin, rcdjt getan ju fjaben, öas wirö mein Croft 
fein .... (Eine Bitte fjabc icfj ju Dir, befter (Engel, fehiefe mir eine Kleinigfeit, öie Du 
aber piel trägft oöer getragen fjaft. «Ein Hing ober Banö ober Kette, nur etwas, iifj bitte 
Did). Diefe Kleinigfeit perlägt mich bann niefjt öie (geit, öie wir fjätten fönnen jufantmen 
fein, unö icfj fefje es an, örücfe es an ntidj unö öenfe Dein! Schiefe es mir öurcfj eine 
Stafette, icfj bitte Dich, bann fann iclj es balö fjaben . . . Kbicu, Engel! Es ift fall, graues 
unö trauriges IDetter. ©ott gebe Deinem fjerjen immer Sonncnfcfjein .... Sterbliche finö 
wir unö fterbliefj all unfere IDünfdje. £eib unö ^reuö, fie geljen oöer wir geljen porbei. 
IDie wahr ift öiefes! £ebe wohl, befter Engel, unö pergeffe um ©ottes willen nicht meine Bitte." 

Cfjerefe erfüllte rafch öen IDunfcfj öer Schwerer unö fanöte ihr ein Hrbeitsfäftdjen 
nebft einem Hinge mit einem „armen gefcffclten gejerrten Iferjcn, öem Bilö öes ihrigen." 
Zugleich fefjrieb fte ihr einen Brief, öer fpätcr öas Scfjicffal geljabt fjat, öurch Hapoleon 
aus Charlottenburg nach Paris entführt ju werben, unö uns baburefj erfjalten geblieben ift. 

„£uife, Engel, Sdjwefter, £iebling meiner Seele," fcfjreibt Cljerefe am 22. BTai, „wie 
foll ich Did) nennen, wie Dir ausörüefen, was idj empfinbe? IDortc fönnen es nidjt, 
nimm meine Cränen, ach, fie fliegen Dir, unferet Iiidjt* Bereinigung im Pollen Blage. 
IDie ift es möglich, bag öas eifeme Sdjicffal fo öem Drang sweier ftch liebenöer fjerjen 
wiöerftehen fann. Sdjicffal ift cs, nicht Du, nidjt icf), öie öas Hein ausgefprodjen Ijnhen. 
Es ift ja unmöglich- IDie fönnte ich meine £uife trauemb, wünfdjcnö laffen, wenn es 
irgenö in meinen Kräften ftänbe, cs abjuänöern. Ehe idj Didj nicht wieöer heiter weig 
elj< ift fein Sonnenfdjein für mein Jjerj. ©ott ift mein ,gcugc, liebe, einjige £uife, öag 
jetst meine erfle pflidjt midj jur Sdjwefter ruft. ITteine Kinöer finö wohl, Sophie ift fcfjr 
geftärft, unö wahrhaftig, ich Perliege fie ruhig. Unö an Deinem fvrjen fönnte mir jcRI 

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ganj roofjl werben, ©laube, «Engel, baf mein gebeugtes Ijerj ganj bie tjolje Entfagung 
bes Deinen fühlt, unb baß, wenn ich recht tue, i<h es Dir allein perbanfe. 3 U biefem 
wohltätigen «Engel müfte ich, wollte id) bin, bei bem wäre idj beinahe fdjon jeßt , hätte 
ber ilUes pernichtenbe Krieg nicht auch "teilte fcbJnfte Hoffnung Derniditet . . . Hein, ich 
barf nicht an ben ßiiumel benfen, beffen «Eingang ich offen f«h« unb bejfen Eintritt mir 
perfagt wirb. Dierjebn (Tage mit Dir im fcf|öncn Cfwrlotteiifnirg ober in bem lieblichen 
Sansfouci, fo was wirb mir wohl nicht mehr. £uife, Cuife, was für arme ZTtenfchen finb 
wirl ZZein, Du fannft es nicht benfen, mit was für Dielen heißen tränen Dein Brief ijt 
beließt worben. Es h«rrfcf)t barin eine Schwermut, bie mich ganj $u Boben geworfen hat, 
unb ich, i«h Kuscrforene, je pourrais voir refleurir ce cceur flütri, unb bas bleierne Scbicf= 
fal hält mich- Klein hohes ©lücf macht mich h&hft unglücflich. Zieh nur, Engel, fiehe 
recht in mein wunbes fjerj — forbere was Du will ft doii mir, bas fcfiwerftc ©pfer, mir 
beucht, ich hätte Dieles wieber gut ju machen . . . Coib unb ^reube, fte gehen ober wir 
gehen porbei. Jrau Don Centfje hat herjlich mit mir geweint, fte betet Dich an, *h r t?erj 
ift wie bas meine serfnirfdjt, ,unb bie Jrau,‘ fagte fie, ,ift betrübt, unb man eilt nicht $u 
ihr? 1 ... 3n bem Kiftd)en finbefl Du eine Cocfe, bie ich pon nteinen fjaaren abgefebnitten 
habe. Engel, Engel, fönntc ich halb biefen glücflichctt ©egenftänben folgen, bie Dich 
erinnern follen an Deine treue Cherefe." 

(Troß ber Kriegsnot in Sübbeutfcblanb brachte bas 3ah r 1800 ben beiben Schweftem 
fcijlteflich bo<h noch bie Erfüllung ihrer fehnfücljtigen IDünfche. Zlnfang September fam 
Prinjeffin <Th«fcfe, ungebulbig erwartet, ju längerem Kufenthalt nach potsbam, jur geringen 
Jreube ber ©berhofmeifterin, ba fie immer einen Kreis Don Derefjrem an ben tjof jog. 
Einer pon biefen, ©raf fehnborff, hat ihre „raffige Schönheit", ihre anmutigen JTtanieren, 
iljre Kennhtiffe unb ihren überlegenen ©cifl bamals in fchwärmerifchen IDorten gefeiert. 
Erft gegen Enbe ©ftober, pon ber Königin bis nach Baumgartenbrücf geleitet, unter Dielen 
(Tränen reifte (Therefe na«h Segensburg 5 urücf. 

Don bem äuferen Ccben Cuifens in biefen 3ah rcn 'ft fonft wenig ju etjählen. 
Kurj por ber Knfunft (Th crc f ons » Kuguft 1800, hatte fte mit bem König wieber Schiefen 
befueßt. Km 18. Kuguft erfliegen fte bie Scßneefoppe, bie Königin ju pferbe, in einem 
Kntajonctimijug, ftrablenb in ©lücf unb Schönheit. Den Kugenblicf, wo fte auf bem ©ipfel 
anlangte, umgeben pon einer bewunbemben Dolfsmenge, hat fte immer für einen ber feligften 
ihres Cebetis gehalten: „Es war ihr," pflegte fte ju fagen, „als wäre fte, erhoben über 
bie Erbe, ©ott näher." Km nächften Cagc würbe im ZDalbenburger Bergwerf ein Schacht 
befahren, unb matt weif aus bes f}ofprebigers Eylert fcf)öner unb ergreifenber Ersäßlung, 

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wie unter ben Bergleuten bort Me «Erinnerung an bie fjolbfeligfeit bet Königin lebenbig 
geblieben ift. Bann würbe ^ürftenftein, bas fchönc Sdjlofj bcs ©rafen pon I^odjberg, bie 
Kbersbadicr ^elfengruppe, bie fjerren^uter= Kolonie ©nabenfrei unb aud; bie Befigung bes 
Uliniflers ©raf fjaugwig, Hogau mit feinem fdjönen parf, bcfietjtigt. Ber IPintet perlief 
unter ben gelohnten Jcftlidjfeiten, beren ©lanj bureg jahlrcid)e fürftiidje Befucher unb 
Bcfuchcrinncn erhöht rourbe. IDäljrenb bes Sommers 1801 blieb man in Cl^arlottenburg; nur 
im Ulai begleitete bie Königin ifjtcrt ©emabt $u ben Ulanöoern nad) 2Tiagbeburg, roo ftc 
unter 24 prinjen, ju benen aud) ©nfel ©eorg gehörte, einige überaus Ijeiierc Ca ge cerlebte. 

So begann bas neue 3a^rl;unbert, roie bas alte geenbet hatte, in bem IDedjfel con 
winterlichen fjoffeften unb fommerlidjen Keifen. Bas „Schlaraffenleben" — aud; bie Königin 
hat bas IDort einmal gebraucht — ging in ewigem ©leichmajj weiter? 

Bein, eines war bod; anbers geworben. Unter ber unceränberten ©berfläcbe regte 
ficfj ein Heues: ©in geheimes feljnenbes Ceben, bas ftd; nach äugen nid)t auswirfett fonnte; 
unter ber ©infönnigfeit ihres äufjeren Bafeins erblühte in £uife ein 3 nne nlcben, reich unb 
fchön unb coU froher Perheigungen. 



III. Königin Cuife 

Cuife hotte bisher gelefen, wahllos, was ihr ber ^ufall in bie fyinbe gab; fte hatte 
fjerber perehrt, aber Cafontaine feineswegs pcrfdjmäht. Sie war (ich, wie fdjoti oben 
angebeutet, ber Cücfcn ihrer Bilbung längft bemufst unb nod; als Kronprinjeffin fudjte fie 
biefe lemenb ausjufüUen. Sie roanbte ftd; an Sd;we fter Cherefe, bereit Ijofbante Jrau 
pon fenthe iljre £cftüre regeln follte. Sie nahm englifche Stunben unb fie bachte baran, 
auch h’ftorifchen Unterricht }u nehmen, bei bem Sohne bes Ü?eoIogen Spalbing, einem 
Berliner Sdjulmann, ober bei bem ©berfonfiftorialrat Zöllner, bem prebiger an ber 
Hifolaifirdte, ben fie feljr fchägte unb ber ihr neben religiöfem ^ufprudi juweilen aud; 
gefd)id)tlid;e Unterweifung gegeben ju hoben fcheint. Hicfjts aber bejeichnct mehr bie rat* 
lofe Perlcgcnljcit iijres Biibungsbrangcs, als bag fte, gleich nad; ber Chronbefteigung, ben 
alten Prinjen tjeinrid; bat, ihr eine Knjahl Bücher ausjuwählcn, nicht für ihr Pergnügen, 
fonbern jum Bugen ihrer Familie, ihrer Kinber, bcs Staates. Ber prinj empfahl ber 
jungen Königin jutn Stubium ber UToral ©piftet unb 2Uarc Kurei, pon neueren UToraliften 
Ulontaigne unb £a Bruyirc, baneben Conbillac, ^enclons Cclemad; unb bie Briefe ber 
Sipigni; pon Bidjtem fjoraj, Ijomer unb Pirgil; pon hiftorifdjen IPerfen plutarch unb 

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Me Citeratur juc ©efdjichte 6er Ciga unb Cubtpigs XIV. pon ^ranfrcid). ZTIan wirb ftch 
nicht wunbent, in bem noch erhaltenen Derjeichnis fein beutfdjes Such ju finben; felbft 
für beutfdje ©cfchichte empfahl 6er prutj 6as franjöftfche ZDerf pon pfeffel. 

©s fcficint nicht, öag 6ic Königin pon 6en Ralf cb lägen 6es ptinjen ffeinricb irgenb 
welchen ©ebraud) gemacht b a he. So fetjr fie 6ie franjöftfche Sprache liebte un6 fidj ihrer 
im fyöfifchen Serfchrc wie in 6em Sriefwechfel mit 6em ©ematjl faft ausnahmslos, feltener 
mit 6cn ©efchwiftem bcbiente, ihr ©erlangen ging nach beutfcher, nicht nach franjöfifcher 
Silbung. Hur baf fie ftctj nicht felbft bic Kraft unb bie ©inftcht jutraute, ben ZDcg ju 
beit tjöljcn beutfchon ©eifteslebens ju finben: h*er, wie fonft, beburfte ihr ganj weibliches 
lDcfen frembcr Zlnrcgung unb einer fühtenben fjattb. 

Su ben (Dffijiersfamilicn, mit beuen Cuife fchon als Kronprinjeffin in potsbam per» 
fehrt ha«r- gehörte auch h'e jamilie bes fjauptmanns pon Kleift poni froitprinjlichen 
Regiment. Seine ^rau ZTTarie mar eine geborene poit ©ualtieri, beren 23 ruber bent Kreife 
ber Xabcl angehörte unb fpäter als junger Diplomat bei ber preujjifcfjcn ©cfanbtfcfiaft in 
Hlabrib ftarb. ©ine S<hiP«ftcr pon ihr, Zlmalie, mar mit bem ©berft pon ZHaffenbach 
pcrmählt, her ftch im Kriege pon 1806 als ©eneralftabschef Zjohenlofjes einen fo böfen Hamen 
gemacht hat- ZTtarie pon Kleift fiel ber Kronprinjeffin burcf) ihre ungewöhnliche Silbung 
auf, mehr noch burdj ihr fjetj unb ihr ©efühl, was Cuife immer weit höher ftellte als 
alles ZDiffcn. Salb entwicfeltc fid) eine ^reunbfehaft jwifchen beiben, bie (ich nach Cuifens 
©hronbefteigung noch inniger geftaltele, jum eiferfüchtigen Kummer ber Jrau pon Hofs, 
Me cs nie ertragen fonnte, ftch eine anbere ,Jrau porgejogen ju fehen. 

So oft bie Königin in potsbam lebte, lief fte frau pon Kleift ju ftcfo rufen, um 
ftch bisweilen ftunbenlang mit ihr einjufchliefen. Sie hielt ihren Sohn, ZIbolf, über 
bie Caufe unb folgte auch ben ©inlabungcn ber Jrau pon Kleift, bie in ihrem fjaufe 
muftfalifchc ZIbenbe peranftaltcte. „Caufcnb unb taufenb Danf, meine teure Kleift," fcfjreibt 
Cuife einmal, „3hrem ©atten unb 3l?nen für Me ganj göttliche unb föftliche Soircfe, Me 
ich geftem mit 3l? n en »erlebt habe. Hein, Sie föntten ftch nicht benfen, wie glücflich unb 
jufrieben ich war, orbcntlich finblich froh! Die ©rinnerung baratt wirb mir lange bleiben 
unb wirb mir immer füf unb foftbar fein, ba ich '»eine ^freube nur in fo harmlofen unb 
fo einfachen Dingen gefunben habe, in einer fo angenehmen unb fo auserlefenen ©efellfchaft; 
ich hin noch heute ganj übermütig unb heiter barüber!" Die Jrcunbfchaft mit ^rau 
pon Kleift nerflärte ihr felbft potsbam, wo ihr nun Me Ceutc „beffer als irgenbwo" erfchienen. 

ZI II mählich gab Cuife ber ,Jtau non Kleift neben fich ungefähr bic Stellung, bie 
Köcfrif bei bem König einnahm: fie folite ihr ©ewiffensrat werben. Schon 1798 fcfjricb 

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fte ihr: „Wenn Sic noch meine ^rcunöin (mb tt>ie cinff, fo oerlange ich poit 3ijnen bie 
Wahrheit. 34 Wtte Sie inftänbig, mir ju fagen, wo ich etwa fehle unb was ich tun mug, 
um non (Tage ju (Tage beffer ju werben, fähig bie gute ITieinung aufrecht ju erhalten, bie 
man non mir tjaf, roürbig bes grojjen Hamens : ©attin unb IHutter. 34 merbe bei biefen 
feilen bis ju (Tränen geröhrt, biefc teuren Hamen , ©attin unb ITTutter 1 haben meine Seele 
crfchüttert, unb ber ©ebanfe, meine Pflichten nicht ju erfüllen, trat pläfslich nor mich, aber 
mein fjerj war ruhig, unb bie Begeiferung für bas ©ute unb bie ©rfenntlidjfeit gegen 
©ott, ber mid; befduitf unb mich fegnet, lägt biefe fanften (Tränen fließen. Brächten Sie 
nie anbere weinen, teure Jreunbin, unb glauben Sie mir, wenn ich 3^ nen fage, bafs ich 
Sie ebenfo liebe wie ich Sic fchäBe. Diefe ©mpfinbungen feffeln mich für immer an Sie." 
Hnb ein anber 2Tlal: „34 bitte Sie aus meines fferjens ©runbe, mir 3h rc järtlihe 
Jreunbfchaft ju erhalten, bie non unfhägbarem Wert für mich ift • . . . Wie angenehm ift 
es hoch, eine ^reunbin ju hüben, welche bie Sprache bes fyrjens perfteljt .... Mur}, ich 
bin überjeugt: Sie fmb ,ma sympathique“." 

HTan fteht: es ift eine Jreunbfdjaft, gan 3 im 3 c '4 en ber ©efühlsfeligfeit, bie Mänigin 
fuife mit ^rau pon Kleift perbinbet; gemeinfame Schwärmerei für Jreunbfcfjaft, für bas 
©ute, für eine recht allgemeine unb unbeftimmte „(Tugenb". „IDenn Sie nur eine Stunbe 
mit mir jufammen gewefen finb," perfuhert bie Mänigin, „bie wir bamit h'ubringen 3 U 
plaubem unb unfere fferjen ausjufefjütten, fo finbe ich m ’4 immer in meinen guten (Ent* 
fchlüffen beftärft. 3h r Beifpiel ntug biefe Wirfurtg haben, weil es fo feiten ift, eine Seele 
ju finben, welche bie (Tugenb liebt unb übt aus Ciebc jum ©uten felbft. 34 bebe pon 
ganjem tferjen bas ©ute unb alle (Tugenben, welche bie Seele läutern unb uns ber J?olI-- 
fommenheit nähern, aber, meine teure ^reunbin, es ift hoch fo fchwer, immer bas befte $u 
tun .... ©ine Seele braucht nur einen Mugcnblicf Heberlcgung, um ftdj ju fagen, bag es 
nur bie Hebung ber (Tugenb ift, bie uns glücflih macht, bie uns bie Seelenruhe erhält, 
unb bie uns Mraft gibt, bas Hnglücf ju überwinben, bas bas Shicffal für uns bereit 
halten fännte .... Sie perbinben mit ber (Tugenb unb beren Hebung bie Hachfüh 1 , bie 
fjeiterfeit, bie ©üte, bie nätig ift, um bie (Tugenb fo ju jeigen, wie fie ift; Sie nehmen % 
bie pebanterie, bie fie fonft oftmals perhaft macht ober wenigftens pon ihr jurüefhält. Sie 
geben mir fo gute unb fo folibe ©ebanfen pom ©Uten, pon meinen Pflichten als Jrau 
unb als Hlutter. Sie fagen mir bie Wahrheit! Sie lieben mich aufrichtig! Unb ich f*Ut« 
Sie rerlaffen?" ^rau pon Kleift aber urteilte fpäter über bie Mänigin: „©s fcfjien, als 
hätte bas Shicffal einen ©ngel auf ben ©h ron gefegt, um bie (Tugenb in ihrer ganjen 
Ciebcnsmürbigfcit, in ihrem ganjen ©lanjc ju jeigen". 



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3nbeffen, nidjt immer mürbe jtcifdjen Königin Cuife unö Jrau pon Kleift nur über 
JreunbfAoft unö Cugcnb gefAwärmt. Sie tjabcn aucb ciel mitcinanber gelefen. (Es mar 
bie Zlufgabe ber ^rau t>on Kleift, für Bücfjer ju forgen, wobei fie, wie ifjr SAmager 
2TtaffcnbaA perfidjert, immer bemüijt mar, „ben Sinn ber Königin auf höhere Dinge ju 
lenfen". „taffen Sie fid) nicfjt einfaüen," maijnt einmal Cuife, „anbers $u mir ju 
fommen als mit einem bicfen 23ucf;e." 2Die man fdjon aus ben oben mitgeteilten Briefen 
oljne weiteres fcfjliefcn wirb unb wie mir tatfäAiiA erfahren, fmb cs pomeljmliA 3«an Pauls 
tDerfe gcmcfen, beren Befanntfdyaft ^rau non Kleift ber Königin bantals rermittellc. 
Cuife, bie ben Didjler, wie mir uns erinnern, in fjilbburgljaufcn fid) porftcllcn ließ, l)at bann 
mit ii)m Kufmerffamfeiten ausgetaufAt; fein „BcrjciAnis berer, welAe l)cute bet fAbnen 
unb eblen Königin (Slüi junt ©eburtstag münfAen" (fO. ZRärj f80f) mit bem ©efAcnf 
eines SAreib3cuges erroibert, unb als er naA Berlin fam unb fiA bort perlobte, ii)m ein 
Kaffee- Serpice gefanbt unb iljn in Sansfouci empfangen. „3A fpwA un & aß," fA rc 'bt er 
batüber, „mit ber gefrönten Zlpfjrobite, beren SpraAe unb Umgang ebenfo reijenb ift, als 
ifjre eble ZUufengeftalt." Uebrigens gehörte Cuife bei aller ihrer bamaligcn SAmämterei 
unb ©cfühlsfeligfcit feinesmegs ju ben gerabe in Berlin fo jaljIreiAen unbebingten Ber» 
eljrerinnen 3 can pauls. Sein ZTlangcl an ©cfAntacf unb fclbft an ICaft, fo äußerte fie 
gegen ,frau pon Krübener, ftimrne niA* ju iljrcc eigenen ©efüf)lsmeife. „3A liebe niAt 
bics Zlmalgant pon Cripialcm unb erhabenen 3& cen / biefe ZTlifAung pon tjeiligent unb 
profanem." 

(Ein befonberes Berbienft ber ^rau pon Kleift aber ift cs, baß fte bie (Teilnahme ber 
Königin Cuife für il)ren ZIeffen, ben großen märfifAen Dramatifer, ben DiAter bes prin$en 
pon fymtburg unb ber fjermannsfAlaAb fjeinriA pon Kleift, 3U ermeefen Ptrftanben l)at. 
2UÜ 60 Couisbor jäljrliA unterftüßte iljn bie Königin in feiner fAwcrftcn 5 c 'l/ mie f'c 
auA feinem ( freunbe, bem bamaligcn Ceutnant pon pfuel, bem fpäteren ©encral unb 
Zniniftcrpräftbcnten pott (8^8, unb manA^m anbereu in äljnliAer IDcife gei)olfcn hat. 

UTit Jrau pon Kleift beeinflußte auA beren SA mager ©berft ZTTaffenbaA Cuifens 
Ccftüre. BTaffcnbaA f)<itte bem Königspaare gegenüber eine eigenartige Stellung. Das 
Zimt, bas ber König bem ©berft Köcfriß, bie Königin ber Jrau pon Kleift übertragen, 
maßte er ßA felbft an. <£r glaubte fiA berufen, über bas petfönliAe Bertolten bes Königs» 
paares ebenfo 3U roaA<n, wie übet ben (Sang ber preußifAen Politif unb über bie (Ent» 
micfelung bes preußifAen ffeermefens. Ungefragt, oft breift unb taftlos, gab er XatfAläge, 
IDarnungen unb (Ermahnungen. Dabei perel)rte er anfAeinenb aufriAtig beit König unb noA 
mehr bie Königin. HoA als Kronprinj hatte ihm ^riebriA IDi%lm, fo pcrftAert er roenigftens 

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felbft, feine «Sattin porgeftellt mit ben IDorten: „Pas ift meine ,Jrau uni meine ^reunbin". 
Port Cuifens Begabung unb Beruf fjatle er bie Mdjfte Dorfteilung. iPiebcrljott fornrnt er 
in feinen — ungebrueften — Hufjciimungcn barauf jurücf : fte foüte werben, was bie 
bänifefje Sophie Hmalie, ja biefe noch übertreffen. Sie foüte auch beit König mit empor, 
reißen. „Sie mar bie belebenbe, bie fdjaffenbe, auf bas fjolje ,J>el ber ©röße Preußens 
Ijinmcifcnbe, bas (Semüt bes Königs nach ijotjen ©egenftänben fjinleitenbe pfjantajie. Bie 
ift eine Königin mit reinerer Ehrfurcht geehrt worben." «Er erfdjraf, als er erfuhr, baff 
fie HHelanbs Hgathon, ben man ihr empfohlen, lefe unb baraus Husjüge mache. Htit Hecht 
forberte er für bie Königin eine gefunbere, gcbaltpollere geiftige Bohrung. Er lenfte ihre 
Hufmerffamfeit auf bie großen engtifchen Jjiftorifer, auf Hobcrtfon, beffeit ©efebtebte Kaifer 
Karls V. furj oorher in beutfdjer Itebcrfeßung erfebienen war, unb ©ibbon, beffen ©efchichle 
bes Dcrfalls bes Hömifcfjcn Heiches Cuife — nach ihrem eigenen Bcfcnntitis — „las unb 
las, baß ihr fjören unb Sehen perging", fjumes englifche <Scfcfjicfjte hat bie Königin 
bamals ebenfalls fennen gelcmt. Klaffenbach überfetjte auch bie früher pielgelefene Cobrebe 
pon Chomas auf Klare Kurei unb eignete fie ihr ju. 

Don ber allergrößten Bebeutung aber für bie ganje geiftige Entwicfelung ber Königin 
£uife würbe bie nähere Bcfannlfcfjaft mit ber ^rau pon Berg, bie ungefähr um bie 3‘>h r ’‘ 
hunbertwenbe anhebt Karoline Jricbcrife pon Berg, geborene pon fjäfeler, 17 3aljre älter 
als Cuife, war bie Coäjter eines preußifeben Piplomaten. 3h ro Klutter, bie Eochtcr bes ©rafen 
pon pobewils, bes befannten Klinifters 5 r > f brichs bes ©roßen, eine bebeutenbe Erfcheinung 
in ber Berliner ©efellfchaft bes 18. 3 J h r h un ^erts, war piermal permählt gewefen, juleßt 
mit bent ©rafen fjSrbt, ber aus fchwebifchen in preußifche Pienfte getreten war. ,Jrau 
ron Berg.fjäfeler, wie fie gewöhnlich genannt würbe, hatte früh bas ©lücf gehabt, mit 
ben ©roßen pon IDeimar, mit ©oethe unb namentlich mit f)crbcr, in porfönlicfjc Bejahung 
ju treten; auch mit 3 £ an Paul, ber fte eine „geiftige Kmajone" nannte, mit ben ©ebrübertt 
3acobi unb Stolberg, mit ©leim unb Doß war fie befannt. Ijcrbcr perehrte in ihr „einen 
Schaß pon Demunft unb tätiger IDeisheit" ; „es lebte fich, fagt er, mit ihr ungemein fctjön, 
holb, leicht, anmutig unb pernütiftig." Knberfeits war fte feit bem 3 a h rc l«83 mit bem 
^reiherm Pont Stein befreunbet, ber ebenfalls ihren „mannigfaltig gebilbeten, tätigen Der- 
ftanb" rühmte, wenn er auch >h rv ' Ceftüre „überhäuft unb unjufantmenhängenb" fanb. 
3hre Cochter Cuife pcmtähltc ftch im 3 a h re 1800 mit Huguft pon Doß, bem Enfel ber 
©bcrhofmciftcrin. 3 n Berlin perfehrten in ihrem am (Tiergarten gelegenen liaufe bie 
Dertreter bes altpreußifchen ilbcls unb bes h°heu Beamtentums ebenfo wie bie Dertreter 
pon Picbtfunfl unb IDiffenfchaft. 



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Das mar überhaupt bas (Eigene uni ©roge an öiefer ,Jrau: (Enfelin non pobemils, 
^reunbtn non 1) erber, pereinigte fie in (ich eine fefie unb (tolje prcugifcfie Staatsgcftnnung mit 
bem ©eift ber neuen beutfetjen Bilbung. ©ben bierburd; mürbe jie bebeutfam für Königin Cuife. 

IPir miffen nichts über bie Knfänge ber Bcfanntfchaft jwifeben ber Königin unb 
^rau pon Berg, pielleidjt mar ,frau pon Kleift bie Permittlerin. Schon im 3 a '? rc (800 
ift bie Jreunbfchaft mit ber Königin unb auch mit ©rbprinj ©eorg fetjr pertraulich. Bie 
Königin fefyenft ifjr einen King unb ©eorg fagt ju ifjr „ITTania". ©anj mie bie 3 rlt ' mon 
bes Jfaufes am ^ranffurter bjirfdjgraben 5U Jrau Kja „2Ttama" $u fagen pflegten. Pon 
3af?r ju 3uf?r mürbe bie ,frcunbfd?aft inniger. „Schon jwei lange (Lago habe ich Sie nicht 
gefetjen," fdjreibt i£jr einmal bie Königin, „bas ift mir unerträglich." „©lauben Sie an 
meine .Jrcunbfdjaft, bie ich langfam gebe, aber bann für’s Ccben, menn ich f?erj fh*bt, 
mie bas 3h r ’9 c -" Hub ein anbermal: „3ch habe neulich 3h rctn>c 9 cn einen Streit mit einer 
Dame gehabt ; ich fagte, Sic mären eine ^ rau, bie man nicht als Beifpiel 5U nehmen magc. 
So ein Perein finbet ftch unter taufenb grauen nicht jmci. Um bas ju miffen, mas Sie 
miffen, mug man fopiel Perftaub haben mie Sie, biefen hellen richtigen BUcf in allen großen 
mie in allen flcinen Sachen, ber nie fehlt, immer richtig urteilt, immer bas hefte aus allem 
hcrausfucht. Kurj, bics feltene Hnterfcheibungspcrmögen. IDer 3h ncn nachahmen mill, 
fennt ftch felbft nicht. Die Ulanta Berg ift eine ber grauen, bie man nicht als 5“ 
nehmen magt, ober man muff burch Sie erlogen fein, mit ber Btilch bas eingefogen haben, 
mas 3 a h r e pon Krbeit nie erreichen merben. 3 n 3h rcn > Umgang $u fein, ift mahrer 
©eminn für einen jeben; aber bie (Eitclfcit, es 3h T,cn je gleichjutun, eitler IPahn." 

$rau pon Berg, bie piel bebeutenbere, fchob ^rau pon Kleift mehr unb mehr in ben 
Jjintergrunb; nach ben Unglücfsjahren 1806 unb 1807 polienbs mürbe fie bie Ijerjens* 
freunbin, ber Cuife $u beichten pflegte, mas fie felbft bem Bruber nicht pertraute. Hiemanb, 
auch Jricbrich U)ilhelm unb ©eorg nicht, ha 1 «inen fo tiefen (Einblicf gemonnen in bas 
innerfte U)efen Cuifens, in bie gcheimften Kegungen ihrer Seele. Bie fur3e Biographie, bie 
fie 1814 ber peremigten Königin gemibmet unb „bem preugifchcn Polfe" gefdjenft hat, 
bleibt immer bie befte (Cbaraftcrffijjc ber Königin. 

Kuch Jrau pon Berg murjelte mit ihrer ©efühlsmcifc im 18. 3ah t h un bcrt: „3ch 
meig ju lieben, aber ich meig nicht ju fchreiben", äugert fie einmal ju ©eorg. Kllein bie 
Perbinbung mit U?eimar hatte fie geläutert unb in eine anbere IBelt erhoben, in eine UMt, 
in bie fie nun auch Königin Cuife cinjufüfjren fucfjtc. ©s mar nicht (Teilnahme nur für 
eine aus befiemmenber ©nge in befreienbe IDeiten, aus bem Schatten nach Cicht unb Sonne 
perlangenbe Seele, ,frau pon Bergs Kl’ftcht, auf bas ©roge unb Kllgcmeitie gerichtet, 

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ging fydfyer. Kls bas »icfjtigftc BToment in 6er bcutfchen ©cfcbichte ber nächften 3ai)rt 
erfdjeint uns heute 6ie Vcrfdjmeljung 6es altpreufifdjen ©eifies mit 6em ©eifte ber neuen 
beutfdjen Bilbung, auf ber bie preujjifdje unb bie beutfdje ©efdjidjte im (9- Juljr^unbert 
beruht: ^rau non Berg bat biefer Entnricfelung mit Be»uftfein oorgearbeitet. 3^re 
©ebanfen berührten fiel; mit benen Klaffenbachs. Curd) Cuife foDtc bie neue Bilbung in 
preufien einftrömen, Cuife auch politifd; eine ^üfjrerin unb bem preufjcnpolF ein Dorbilb 
unb ein Segen »erben. 

Jrau non Berg mar es, bie nun bie Bücher für bie Königin ausjumäijlen pflegte. 
„Bringen Sic ein Buch mit,“ febreibt ifjr bie Königin, „etwas für bjerj unb Kopf." 
Sic lief ftd; auch gern non ifjr Erläuterungen geben unb bic beachtenswerten Stellen 
bejeiditten : „Sic »erben flnben, bajj id;, »ic ©corg, eine red)te fjcrrfdjaft bin, bic es ftd; 
gemächlich mad)t." Cafontainc perfdjroinbet nun oöllig; aus ber ©efül;ls»elt 3 <an puuls 
tritt Cuife in bas ©eiflcsleben ber Klafflfer. fjerber roirb »icber gclefen, insbefonberc bic 
Kbraftea unb bic „Briefe jur Beförbetung ber fjumanität", por allem aber Sdjiller, beffen 
Etljif ganj nad; bem tjerjen Cuifcns ift. Sic nimmt immer »icber bie ©ebidjte jur tjanb, 
„benn man mujs fic öfter lefen, um fie ju perfieljcn" — unb erfreut ftd; namentlich an 6cm 
©cbid;t „Bie 3bealc" mit iljtcm ^reunbfcbaftsfult unb mit bem Sdjiujjpcrs ron ber „nie 
ermattenben Befdjäftigung", ber ht ifjr ben tOunfd; nad; Bilbung ftets pon neuem »ccft. 
Sic lieft bie 3 u ngfrau ron ©rleans unb nennt ben repueljaltcnben ©cmabl wolfl einmal 
„Talbot" ; iljr CieblingsftücF fdjeint ZTlaria Stuart gc»cfen ju fein, beren Verfe oft in ihren 
Briefen begegnen. Ebcnfo l;at fie bie Ijiftorifdjcn Sdjriften SdjiUcrs unb bie t>on it;m i;eraus 
gegebenen Ktemoiren piel gelefen, aber aud; ©oetbe unb felbft ShaFcfpcare, »ie ^rau 
t>on Berg berichtet. 

Bei Cuifens empfänglicher Veranlagung fonnte bie glücflidjc IDirfung biefer geiftigen 
Sucht nidjt ausbleiben: feit 1803 et»a fpiegelt fie ftd; in ihren Briefen. Ber urfprünglicbe 
emfte S u 9 * n ihrem IDefen tritt »ieber mehr fjerpor, ihr ©emüt pertieft ftd;, »ie i!;r 
©eift reifer »irb. 3b r f)erj fcblägt für ^reunbfebaft unb Tugcnb ttod; fo ftarf unb fo beifi 
»ie je, aber bas ©efühl »irb abgeflärtcr unb bet Kusbrucf gebämpfter. 

Es »arb bet Königin nidjt leicht gemacht, in biefe neue ©eiftes»clt porjubringen. 
Bie Tageseinteilung unb bic ganje Cebens»eife liegen ihr »enig Kluge ju ftiller Befd;äftigung 
unb geiftiger Sammlung; fie felbft mit ihrer jarten unb fd;»anfenben ©efunbheit befajj auch 
»ohl nid;t Kraft unb Kusbauer genug, um foldje Hemmungen unb tjinbemiffe ju über* 
»inbeit. Bas BebenFlidjfte aber blieb immer, bajj ihr ©emahl, König Jricbricb IDilljclm, 
Feineswegs geneigt »ar, fte auf ihren neuen Bahnen ju begleiten ober gar $u förbem. Seine 

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^rau follte nicht ftcigcn , wohin er ihr nicht folgen fonnte; follle fein geiftiges Sonberleben 
führen. ©r war gan$ jufrieben, bag man ihre „wiffenfehaftiiehe Bilbung" in 6er 3ugen6 
„pcrnacbläffigt" h a,,c - unb meinte, bag fte eben hiedurch „ihr reines un6 unoerfchrobenes 
©emüt" bewahrt habe. 3l? m genügte „6er natürliche un6 richtige Derftanb un6 öas fjöchfle 
©cfüljl für alles ©ute un6 Schöne", 6ie er an feiner ©attin bewun6erte. Seiner Ungcbt 
nach hatte P< feinerlei Pcranlaffung, ftch felbft für ungebi!6ct, an6ere grauen aber für „höh«« 
IDefen" un6 6eren Uusfprüche für „©rafel" ju halten, ©r beflagte es, bag „unberufene 
perfonen ihr unucrftänöliche Schriften beutfeber UTobeliteratoren, erjentrifeher ITlobcfchriftftellcr 
in 6ie fjättbe fpielten", un6 fuchte bas ju ocrbinöem, wie er auch 6en Umgang mit ^rau 
pon Berg ein}ufcf)ränfen wünfd)te. 3 n ih r fanb er ein „©emifch non ©nthufiasmus unb 
hoher pocfie mit ©riuialität, ejjentrifchem IDefen mit Hatürlichfeit unb Uuftcrität mit 
Ceichtftnn unb Ubulation gepaart" unb betrachtete ihren ©ingug, beffen Stärfe ihm nicht 
entging, gcrabeju als gefährlich- Uber feine Bemühungen, fte non Cuife fernjuhalten, 
fliegen bei ber fonft fo fügfamen unb nachgiebigen Königin auf einen unbeugfamcu IDiber 
ftanb. Cuife hielt mit fefter ©reue an biefer ^reunbfebaft, bie ihr namentlich > n Königsberg 
manche fchwere Stunbe tragen half, unb an bie Bruft ber ^rau non Berg gelehnt, hat 
fte ihren lebten Utemjug ausgehaucht. 

©benfowenig freilich g«lang es ber Königin, ihren ©entahl mit in bas neue Canb 
hinüberjunetjmen, bas ftch >b r jegt «rfdjloffen hatte. Der König liebte hiftorifche Iftemoiren, 
er las gern mit feiner ©emaljlin in ben IDerfcn ^riebriefjs bes ©rogen, auch in beffen 
barnals noch ungebrueften Briefen an preugifefje ober braunfchweigifche prittjen. Uber 
bcutfdie „Ulobeliteratur", philofophifche Schriften unb pollenbs Unterhaltungen barüber am 
©cetiph waren ihm tjSchft unangenehm unb erregten feinen UHberfprucf). ©r jeigfe ftch 
babei, wie ein Uugenjeuge einer folchcn Sjene ersählt, als „Umufos, ffeptifd; unb bitter." 
Königin Cuife, bie freh htcrburdj nicht ftören lieg, hat es mehrfach oerfuebt, ihn ju befehren. 
Sie las ihm felbfl eines Ubenbs bie „Pier 3 a h rcs 5°iten ber Ciebe" oon 3«an paul por 
unb war entjücft, als er fte babei mit ber Bemcrfung unterbrach, 3 can Paul fei $u fchnell 
über ben Sommer ber Ciebe htnweggegangen. Uls fte gcenbet hatte, fcfjicn er gerührt unb 
Cuife weinte an feinem fjalfe beige ©ränen banfbarer Jreubc barüber, bag ihr unb ihres 
©atten fjerjen ben pon 3«an Paul gefdjilberten Ijerjett fo fehr glichen. Könnte cs nicht 
immer fo fein ? meinte ge. Ullein ber König fpradj ihr feine Bcforgnis aus, ge würbe auf 
einer höheren Bilbungsgufc ihm gegenüber eine anbere werben unb ihn nicht mehr leiben 
mögen. € r fürchtete: fte werbe ihm entgleiten. Sie aber follte ihm gehören, mit jeber 
Stunbe ihres ©ages, wie mit jeber ^Jiber ihres fjerjens. 

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(Lafol U 




Kronprinjeflin €utf* 
Oeljcnülöt ron 3- S- '*• ®WW«, 1 “9* 



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(Es mag in biefen feiten, 6a Cuife um bas Kedit ihres emporftrebeitben 3<h* fämpfte, 
mol)l Stunben gegeben haben, mo fte alle Ciebe unb alle ^ärtlicbfeit 5 U it?rcm (Satten wie 
jum Selbflfchuß im fjerjen jufammennehmen mußte; ja als fic unter ber perbrießlid)eu 
Caune bcs (Satten einft mehr als billig ju leiben batte, ijt if;r rrvotjl einmal bas (Seftänbnis 
cntfefilüpft: „Siefe golbene Kette mad)t mir fein Bergnügen, benn fie foftet mich (Tränen." 
(Es maren feitene Kugcnblicfe bcs Hlißmuts, bie bod) rafcb porüberflogen. 3" benfelben 
(Tagen hat fte auch gejagt: „(Ein guter, liebevoller Ulann ift ber (Brunbftein alles (Buten." 
IDotjI mar es nun baljin gefomnten, unb es blieb aud; babei, baß Cuife neben ^riebrid) 
fDil^elm ein geiftiges Eigenleben füfjrtc, an bem er feinen Knteil hatte, bas er aber bulben 
lernte, roie fte fidj feinen (Eigenheiten anbequemt hatte : ihr f)erj gehörte bodi eben nad; mie 
cor ihm allein, unb gerabc in biefem gegenfeitigen ©ernähren laffcn, rote ber König fpäter 
felbft anerfannf hat, mudjs bie ©attenliebe jmifd)cn Beiben nod; an 3'migfeit unb fjerjlid)* 
feit. IDenn Cuife an ben permanbten unb befreunbeten fjöfen, in Kegensburg unb f)ilbburg* 
häufen, in TDeintar unb Kaffei, bie ungliicflidien <£b°" (ab/ fo mürbe fte immer mieber 
ittne, mas ihr bie burdj unb burd) mahrtjaftige unb reine Hatur ihres ©atten bebeutete, unb 
ihr elaftifdjcs IDcfen trug es leidjt, aud; menn einmal, um ein IDort ^Jriebcrifens ju roieber- 
holen, „feine humeurs fo groß mürben roie Kirchtürme". Ser treue ©efelie in ihrer Bruft, 
ihr golbener fjumor, half barüber hmmeg. gärtlidj halb unb balb fdjalfhaft, ftets mußte 
fte ben IDeg ju feinem tjei^en $u ftnben. „Vous ctes donc toujours lc meme envers moi," 
fdjreibt fte ihm einmal, „toujours bon et indulgent, car vous m'aimez malgrö tous mes 
döfauts. Könnte idj Sir nur meine Seele fo gan 5 auffdjließett, bamit Su h'ncinfcljen fönnteft, 
fehen unb empftnben, roas Su mir bift. 3a. mahrlidt, fehr viel. Oui, aimons nous toujours, 
continuons a ne pas nous trouver heureux quand nous ne sommes pas ensemble, et 
nous le resterons, j’espbre, cncore longtcmps.“ Unb nad) einer Sd)ilberung ber „ZTarr= 
heiten", mit benen fte unb ihre Umgebung jtef) in „©hneforge" bie ,3eit verfürjen: „Ulitten 
unter biefem allen iß Sir mein Ijerj fo gut als Su es fennft unb an Seinem f)als miß 
id) Sir fagen, mie ich Sidj liebe." Unb mie hätte er perbrießlid) bleiben föttnen, menn fte 
ihm folgenbe Bittfdirift überfanbte: 

„ 21 llerburdilaudjtigfter, ©roßmäd)tigfter König unb fjerr! 

Unter ben uiclen Bittfdjriften , bie 3h K Königlichen ZTtajeftdien täglich befomttten, 
möge bod) ber fjerr mollen, baß biefe mit einem gnäbigen Blicf beleuchtet merbe, bamit 
meine alleruntertänigfte, bemütigfte, mehmütigfte Bitte nicht unbefriebigt bleibe, hierbei 
liegcnbe Strümpfe follen als Probe meiner ©efdjicflicfjfeit in ber Stricferfunft $um Beroeife 
bienen unb mir hoff^rrUtc^ mein ©efudj su erlangen halfen, cs befiehl nämlid) barin: 



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Sttüe 3atjre 




„baß 3h c ° Ktajeftäten 6ic ©nabe für mid) hätten unö mit jufünftig alle bero Strümpfe 
(triefen laffen unb mir babei ben Citel als mirfliehe fjofftrieferin allergnäbigf) erteilen liefen." 

Diefe fjofye ©nabe mürbe icfj all mein leben in tieffler Untertänigfeit erfennen unb 
mit banfbarem fjerjen erfterben. Cm. KönigL Htajeftät 

als allemnterlänigfte UTagb 
unb Untertanin 
luife." 

Der König anberfeits, troß bes Kuseinanbergehens ihrer geiftigen Kid) tungen, fdjenfte 
feiner luife unbebingtes Vertrauen; er befpraetj mit il)r bie Staatsangelegenheiten um fo 
unbefangener, als in ben groß en fragen pon Krieg unb ^rieben nod; fein gmicfpalt jmifdien 
iljnen h^rporgetreten mar; erfranfte er, fo las fie ihm bie eingegangenen Berichte por. Bei 
feiner fonftigen Perfd)loffenl)eit empfanb er biefe innige ©emeinfehaft als „eine große 
(Erleichterung unb IDohltat". Selbft in bie Hlilitärpermaltung burffe luife ftd) erlauben 
hineinjureben. Kls ber portragenbe ©eneralabjutant l)olßmann im Frühjahr 1803 ftarb, 
fdjlug bie Königin ben ©berft ^aftrom als Vertreter por, bis fi<h ein Had)folger unter ihm 
herangebilbet habe, fjierju aber empfahl fte ben ©rafen p. ©ößen , ber Kenntniffe aud; in 
ben Sprachen, ,Jleiß, ©eift unb einen 5 uperläfftgcn Chorafter beftße. 3 n bet Cat mürbe 
©raf ©Öfen im folgenben 3ah te junäd)ft $um Jlügclabjutanten ernannt. Cr hat ftd; bann 
im Kriege pon (806 unb (807 als Perteibiger Sdjleftens unfterblidjcn Kubm ermorben, 
unb man mag ftd; mohl ausmalcn, ob er nid)t, nad; Königin tuifens Kat an bie Spiße 
bes Hlilitärfabinetts berufen, manchem Schlimmen porgebeugt, manches ©ute geftiftet hätte. 

Bas geiftige Keifen ber Königin, in Petbinbung mit ber roadjfenben 3 nr, tgfeit ihres 
ehelichen Pcrhältniffes ju bem ©emahl, entging aud) ber Umgebung bes Königspaares nid)t. 
„Sie lieben ftd; täglich mehr", urteilt ^rau pon Poß in einer ihrer !teujahrsbetrad)tungen; 
unb ber Kammerherr pon Sdjilben berichtet im 3 a h rc t S0<^ an Crbprinj ©eorg, ber furj 
porhet aus 3talien nach Berlin jurüefgefehrt mar: „Km ntehrften ^reube hat es 3h nc ” 
fidjer gemacht, baß bas häusliche ©lücf bes Königs unb ber Königin fo auffaUenb fort* 
fchrcitenb unb ftd? befeftigenb ift. Bie Königin hat in ben jmei 3ah ctn unenblid) nod) in 
fjinfidjt ihrer Cntmicfelung gemomten, bas fafjcn Sie unb id) unb einige pon uns porher, 
jeßt aber merft es auch has größere publifum mit mahrer Chtfurdjt unb einer Knl)äng 
lichfcit an bie Königin, bie mahrljaft rüljrenb ijt. Sie fteht aber auch ba als UTufter in 
jebem Cblen unb in jeber Pflicht. Kuffallcnb ift es, mie ber König biefen h°h fn ®crt 
mehr mie je erfennt unb mas fonft nicht immer ber ^all mar, anfängt, es bis in bie 
feinften Ztuancen ju äußent. Sie merben ftd) bapoti felbft über 5 cugcn, unb, fopiel es bie 

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Stille 3a^re 



einmal beftehenbe Krt unb IPeife erlaubt, fclbft in ben Keugeningen Spuren ber gröjjtcn 
Knhänglidffeit unb TDertfchähung finben." .... 

ZTlan bemerft in Sdjilbens IDorien ben Ieifen Cabel gegen bie „einmal beftehenbe Krt 
unb ZDeifc" bes Königs. <£s lag nicht in ^riebridj IDilljelms mortfarger Hatur, ben ©cfühlcn 
für feine ©cmaljlin münblidjen unb gar öffentlichen Kusbrucf ju geben. Sein Derljalten 
gegen fie erfdjicn ben Beobachtern barum nicht feiten urtfreunblidjer als es mar. ZDas er 
aber not ber JDelt feufdt in ftdi perfcblojj, tjat er fpäter in ber Stille feines Schrcibjimmers 
um fo treuherjiger offenbart, roll innigfter Ciebe unb tieffter ©mpfinbung für bas, mas il;m 
feine Cuife in guten rric in böfen (Tagen pcrfönlid) gemefen mar. So gebenft er iljres Der» 
Raitens an feinen ©eburtstagen unb bei feinen ©rfranfungen : 

„ZHein ©eburtstag", febreibt ber König, „mar für fie ber feierlich fte (Tag im 3aljr, 
meine IDünfdje aisbann ju erraten unb ju erfüllen, mar itjr gan 5 es Beftrebcn. Q)ie rnoljl 
mar mir an folgen feierlichen Tagen bei iljr, mit meleher Heberollen ^reunblidjfeit fprad) 
fie aisbann 5 U mir. 3^ r e Kugen mürben in foldyen Kugcnblicfen $um mafjrcn Spiegel ihrer 
reinen tjimmlifeffen Seele . . . 3*? r 3 nn erftes trat gleichfam fjerror unb iljr Blicf 

mar mie pcrflärt." 

Bcfonbers banfbar aber empfanb ber König Cuifens fjingebenbe Ciebe in feinen nicf)t 
eben feltenen ©rfranfungen, bei benen er ftcfj immer als menig bequemer, ungebulbiger 
Patient jeigte. 

„IDar id) franf," fo l}at er fclbft fpäter gefch rieben, „fo mar fie meine Pflegerin unb 
mas für eine teilnefjmenbe järtliche Pflegerin, menn fte mtd) für bebcutenb franf Hielt! 3 n 
biefem Jail perlieg fie faft nie mein Bett unb fudjte midj burcf) ifjre maljrc, nie läfHg 
merbenbe, icfj möd)te fagen himmlifche ^ärtlidjfeit unb (Teilnahme jujufpredjen, ju beruhigen 
unb meinen Sdjmerj 5 U erleichtern unb erträglicher ju machen. Da mar feine Krt ron 
Dienft, bie fic fich nicht unterjog, um mir I^ilfe ju leiften unb für mich etmas ilngcnchmes 
ju tun. 3a, idj möchte faft fagen, bag in folcljcn fällen ihre Ciebe ju mir einen noch 
meit innigeren ©haraftcr erhielt, als gemöhnlich- 3 J < '<h fagte ihr molp fclbft bismeilen, 
bajj id? manchmal gern franf mürbe, um mich % pflegen 3 U laffen, ba fte aisbann 
gar ju gut gegen mich märe." 

„©attin unb ZHutter", mir harten es aus Cuifens ZlTunbe, maren ihr teure IDorte, 
bie ihr heilige pflichten bebrüteten. Diellcicht ift fie noch mehr ©attin gemefen als ZHuttcr, 
einfach weil ber König ihrer nod; mehr beburfte als ihre Kinber. iDer möchte bas abmägen 
molien ? IDar Cuife unter ihren Kinbem, mit ihnen fpielenb, ihnen IHärdjen erjählenb ober 
am Kranfenbett madfenb, fo mar fie ganj ZHutter unb ber Ztlittelpunft unb bie Seele eines 



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trauten .familienglücfs, bas fte aus 6 er ©roßeltem un 6 6 er (Eltern fjaufc nadj Berlin per» 
pflaiijt un 6 bort heimifdj gemalt bat. 

Beidjer Kinberfegen frönte 6 tes häuslidje ©Ui cf. Es war, als ob Cuife, fo fagt 6 et 
König, nad) iljren IDodjen immer „perjüngt un 6 pcrfdjönt crfdjien", fie wirften bei iljr, 
meint ein anberer, „wie eine ^rühjaljrsfur". IDie oft badjte ber König fpäter „ihrer IDonne 
unb i!)res Entjücfens", „wenn fte nad) glücflidjcr Entbinbung ihn juerft wieber an ihr fjerj 
brücfte unb ihr Kleines in bie Krmc nahm." ,gu 'hrem „Kleeblditdjen", wie fie bie brei 
älteften, ,friß, IDiltjelnt unb Charlotte nannte, fam im 3 U,I > 1801 ein prin 5 , ein bcfonbers 
Ijübfdjcs unb liebenswürbiges Kinb, pon bcm ber ©rojjpater Karl, beffen Hamen er erhielt, 
fagte: er ift unwibcrftehlidj, unb im Jebruar 1803 eine prinjeffin, bie nadj Kaifer Klcjanber 
pon Bufjlanb unb beffen Sdjwcftcr fjclena pawlowna Klejranbrinc fjelene genannt würbe. 

Die Kinbcr wudjfen in grofjcr .Jreifjeit auf, nidjt anbers wie Cuife felbft in Darmftabt 
aufgewad)fen war, in herjlidifter Ciebe 5 U ben (Eltern unb jucinanber, wenn es audj an 
Streitigfeiten unb Balgereien nidjt fehlte. Sie tummelten fid) in ben ©arten ju potsbam 
unb Cfjarlottenburg, auf ben IDiefen pon parcfe unb ber pfaueninfel, unb befugten in 
Berlin ben IDeitjnadjtsmarft unb bie IDeiljnadjtsausftellungen. 3h r « gröjjte ^reube war, 
ber 2tTutter entgegenjueilen, wenn fte pon einer Keife $urücffam, ihr h<5djfter ^efttag ber 
Blutter ©eburtstag. Die beiben Hoffen bes Königspaares, prin$ ^riebridj, ^rieberifens 
Sohn, unb prinj IDilfjelm pon ©ranien, ber artigfte unb woljlerjogenftc Don allen, beteiligten 
fidj oft an ihren Spielen unb gelegentlich audj an ihren llnterridjtsftunben. Es war eine 
fröljlidje Sdjar, pon beren Kinbertagen Bouffeaus Ersicljungsprcbigten unb Cuifens 3 u 9 c "b« 
erinnerungen allen (gwang nahmen unb ihnen einen Cebensfrühlittg fdjcnften, an beffen 
©lüd bie Erwadjfenen — jwci Könige, ein Kaifer uitb eine Kaifcrin — oft 3 urücfgebadjt 
haben. Die Königin hat ftdj freilich felbft juweilen bebenflid; gefragt, ob fie nidjt $u nad} 
fidjtig gegen ihre Kinber fei. 

3« einem Briefe an ben Bruber ©eorg pom 13. Jllai 1803 hat Cuife bicfcn Kinber» 
freis gefdjilbert: „HTetn flein Cödjterdjen, Klejaubrine fjelene genannt, ift fo Ijübfd), fo fett, 
fo runb, als idj es nur roüttfdjen faitn . . . Karl ift bas fdjönfte meiner Kinber. Charlotte 
ift fcljr groß, faitft unb gut unb iljte Erjicljung wirb nidjt fdjwer, IDilhelm ift ein feljr 
fluges, fomifdjes Kinb, pofficrlidj unb wißig, Jriß über alle Blaßen lebhaft, oft unbänbig, 
aber feljr gefdjcit unb ein gutes fjcrj. Er perfpridjt piel unb ©ott wirb meine ljrif? cn 
©ebete nidjt unerfüllt laffen." 

©rojje Blutterliebe unb audj etwas HTutterforge fprechen aus biefen IDorten. Cuife 
liebte innigft ihren Erftgeborenen, unb Kronprinj Jriß h '"9 ebenfo mit fdjwärmerifdjer Ciebe 



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an ber JTCuttcr, bercn Schönheit er finblid) bewunberte. Seine wadjfcnbe Cebhaftigfcit, bie 
fid) nicht feiten in Unarten austobte, machte es im 3atjre 1800 notwenbig, ifjn unter 
männliche ^uebt ju ffeilen. £um £rjieher wählte ntan nadj einigem ^ögern ben Heftor 
bes altberühmtcn päbagogiums am Klofter ltnfer Cieben grauen ju Hlagbeburg, Jriebridj 
Delbrücf, einen Sdjüler Bafcbows, eine emfte unb finnige, etwas träumerifdje unb febttärnterifebe 
Hatur, uicb! unberührt oon ber ©efüijlsfeligfcit unb weichen Philanthropie bes 18. ^ahr» 
hunberts, meUeidjt mehr 3 um Prcbiger als jum Erjicljer geeignet. 3 m 3uli 1800 trat er 
fein Krnt bei bem Kronprinzen an, im UTai i 80 1 würbe ihm auch bie Jürforge für ben 
prinjen lüilhclnt übertragen. Eine befonbere 3 n f lru f J ' on für ©rjieljung unb Unterricht, 
wie es fonft im fjohciijollenthaufc üblich gewefen war, erhielt Dclbrücf nicht; Königin Cuife 
begnügte fidj ihm ju fagen, er möge ben Kronprinzen „ju einem guten ITlcnfdjen unb 
dürften" erziehen. HHe er biefe Kufgabe ju löfen uerfudjt hat, Pinnen wir jetjt Cag für 
Cag oerfolgen in feinen eben erfdjiencnen Kufjeidjnungen, einer überaus reichhaltigen Quelle 
für bas fjofieben unter Jricbridj IDilljelm III. unb Cuife. Delbrücfs UKrffamPcit blieb nicht 
auf bie Erziehung ber beiben Prinzen befdjränPL Cr würbe 3 ur Cceftunbe gezogen, bei ber 
bie Königin gern (itcrarifche unb wiffenfchaftliche fragen aufwarf, an beren Erörterung er 
ft d) beteiligte. UHe alle, bie in ihren Kreis traten, würbe er halb sunt märmften Bewunbcrer 
ber höh™ ;frau. Er hat auch bie Königin auf Bücher auftnerPfam gemadjt; Klopftocf, 
beffen 5 r ühüngsfeier ihr befonbers gefiel, unb Engels „Philofoph für bie U)e!t" hat ftc 
burdj ihn Pennen gelernt. Sdjerjenb meinte ftc besfjalb einmal: „Delbrücf ersieht UTutter 
unb Kinb." Jreilidj war er babri nicht immer glücflidj; er ift cs, ber ber Königin IDielanbs 
Ugathoit empfahl, aus bem ftd) nodj Uusjüge ron ihrer fjanb erhalten haben. 

BTit ben Kufjeichnungen Uelbrücfs ftnb auch einige Briefe befannt geworben, bie 
jwifchen ber Königin unb ihren Kittbent gewcdjfelt würben; beffer als alle Schilberungen 
jeigen ftc uns bie Ciebesinnigfeit jwifchen UTutter unb Kinbern, fowie bie ©röfe unb sugleich 
bie Schlichtheit bes ^amilienglücfes in ,friebrich IDilljelms unb Cuifens fjaufc. 

Cuife fdjrcibt an ihr „Kleebldttcben" ( 9 . September 1801): 

„Cieber ,$rig! Cieber IDilljelm ! Ciebes (Djarlottdjen ! 

©uten morgen liebe liebe Ktnbcrdjen. papa fügt euch alle in ©ebanfen mit mir, 
unb trägt mir auf euch 5 U fagen, bag ihm wie mit bie mohrrüben, Etbfen, Kerbel, peterfilic, 
Bohnen, Kohl unb Salat aus eurem ©arten augcrorbentlich oicl Dcrgnügen gemacht haben. 
Das ftnb recht fleißige Kinber! hat papa gefagt, ich will alles auf ihre ©efunbljeit effen; 
unb ich fagte, bie guten Kinber haben cs fo gern gegeben, es machte ihnen fouicl .freube, 
es ju fdjicPen, weil fte rnugten, papa unb Blanta würben fidj recht freuen, unb bas tat 

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ihren f leinen f^erjen wol)l! — 3a, licbo Kinbcrd)cn, wir fjaben uns red)t baju gefreut, unb 
cs allen ZITenfehen gejeigt unb tjerbeigerufen, bag fic euren ,fleig bewundern foUten. fjeute 
ZTZittag effen wir ein ©crichf ZTlof)rrüben, bas ihr gepfianjt unb gesogen habt. Das wirb 
fd)tnecfcn! . . . Bun lebet woljl, liebe Kinber, id) liebe eud) pon ganjer Seele unb pon 
gansem Ijersen unb bin ewig eure järtlidie DTutier. £uife." 

JDir fügen nod) einen unbatierten Brief an Cfjarlotte Ijinsu, beffen fransöftfehes 
©riginal im IDinterpalais ju Petersburg aufbewatjrt wirb. 

„ITTeine gute Charlotte. 3* fenbe Dir hierbei einen Caler. ©laube nid)t, bag ich 
bamit bie reisenbe flcine ©irlanbe besagen will, bie Du mir gefebieft h a ft unb bie mir 
fopiel Dergnügen macht. ZTTan fatm nicht besah len, was Ciebe uns barbietet, biefe Ciebe, 
bie Didj biefe ©irlanbe winben lieg unb babei benfen: „fte wirb ZTlama Dergnügen machen, 
unb id; madje ZTTatna fo gern Dergnügen." Sonbern id) fenbe Dir biefen Caler, bamit Du 
heute bas Dergnügen haben fannft, einem Zirmen su helfen unb bafür su forgen, bag ein 
^amiiieiiDater mit ,frau unb Kinb vielleicht einmal eine gute Suppe effen unb fidj fähigen 
fann. 3d? weif, bag ber ©ebanfe, anbem ©Utes su tun, ein wahrer ©enug für Dein gutes 
Heines Ijerj ift, unb id) bin erfreut, ihm inbireft biefen ©enug verfchaffen su fönnen. 

Deine särtlidje Hlutter unb Jrcunbin Cuife." 

Der ^amilienfreis bes Königspaares erweiterte fid) mehr unb mehr. Sd)on im 
3ahre 17<)7 hatte fid) ^riebrid) IDilhelms jüngfte Sdtmefter, prinseffm Zlugufte, mit bem 
(Erbprinzen pon fjeffen ^Zfaffel permählt, unb mit ben nahperwanbten prinsen bes Kaufes 
Braunfdjweig gehörten fortan bie heffifchen prinsen su ben häuggften ©äften bes Berliner 
£jofes. Die ©he war pon Zlnfang an nid)t glüdlid) unb es fam felbft im Berliner Sd)log 
SU Streitigfeiten swifchen bem jungen paare, bei benen Zlugufte unter ber gewalttätigen 
Dafür ihres ©atten hart su leiben hatte. 

©lüeflidjer würbe bie ©he. bie im Zlnfang bes 3 a h r es t.804 bes 'Königs jüngfter 
Brubcr IDilheim mit feiner Bafe ITtarianne pon Reffen »f)omburg fchlog. Die prinjefftn 
hatte fdjon ihren fjersensroman erlebt, als fie bie fjanb bes prinsen annahm; ge trat ohne 
©lüefserwartung in bie ©h°, in ber fte bod; reiches ©lücf gnben folltc. 3" Berlin erfd)ien 
fte anfangs fall, wie ihre perfönlid)feit aud) fonft enttäufd)tc: bie fjersogin pon Kurlanb, 
bie an ben Dermählungsfeierlid)feiten teilnahtu, meinte, man hätte picl eher Königin Cuife 
für bie jugenblidje Braut halten fönnen. Zlber obgleich fte ftd) nur recht fdtwer eingewöhnte 
unb ihr „über alles geliebtes" fjontburg nie pergeffen founte, fo wugte ge ftd) bod) halb am 
f}ofe sur ©eltung su bringen, {^odjgebilbet — Stein perglidj fte mit Ditloria Colonna — 

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Stille 3oflte 



uni bei aller äugeren (Jurücfholtung gemütpoll uni warmherjig, feffelte „(ßilletle", wie man 
ge nannte, ihren ©omabl eng an fiel) uni gewann auA ju Königin Cuife bali ias rechte 
Bergältnis. Beiie teilten fie iie €iebe jur alten bjeimat, jum „Seid;", ju ien ©efAroiftern. 
Kber Cuife war iabei eine gan$e preugin geworben, ÜTTarianite tjat nie aufgehört, ficfj auA 
als Ijefftfcbe prinjeffm ju füllen. Dem König, icffen Sdjmädjen uni fehler Cuife ftets $u 
entfAuliigen bereit war, flani ZTlarianne mit intern ©atten fritifA gegenüber. 3 n ben 
3*il)rcn ies Unglücfes aber bat Cuife an ZtTarianne, wie an Cuife Haijiwill, eine treue 
uni fluge ^reuniin gcfunien. 

3n iem ftofftaat ier Königin batte ftA feit ier fronprin$licf)en (geit wenig geäniert. 
Heben ITtaffow, Sdjilien uni Buch waltete nocff iie ©räfin oon Bog, wie fie feit igrem 
i{. ©eburtstag (fl. ZTTärj 1800) tjieg, als ©berbofmciftcrin ftattliA uni rüftig ihres Kmtes, 
mehr als je bemüht, non ien alten ©tifettcnorfAriften ju retten, was fictj unter einer fo 
jeies ^n^uges fpottenien tjerrfAaft retten lieg, ©tjne alle 2Kenfdjenfurci)t fAraf fte t>or 
feinem Streit jurücf, fobali es gA um iie KufreAtbaltung ier ifjr heiligen Jormen hanielte. 
Sic hatte einen flugen Kopf, ein warmes bjerj uni eine immer frifAe lirfprüngliehfeit, iie 
ihr auch über iie prcugifAen ©renjen hinaus neben ier Königin eine gewiffe Popularität 
fijufen. Königin Cuife felbft ftani mit ihrem „Konteffinchen", „IHaiamAen", ihrer „Boto", 
uni wie ge fonft ihre ©berhofmeifterin fofeni nannte, auf iem frcunifdjaftlichften ^ugc, 
uni fah auch über ieren fleine Schwächen wohlwolleni hinweg. 

3u ien fcfjon früher erwähnten bjofbamen, fjenriette uni Boris p. Bierecf waren nach 
ier tTh T °nbefteigung noch mehrere hinjugefommen, Kugufte pon Reinig, fpäter mit iem 
Kijutanten uni ©berflallmcifter ies Königs pon 3us°w pcrmählt, Kbelgeib pon bjarbenberg, 
iie ien ^ranjofen Ce Camus, pon König 3 ctomoä ©naien ©rafen non .fürftenftein, 
heiratete; ge uni aniere blieben nur wenige 3 a h rc am bjofe. Kn ihre Stelle traten iie 
©rägnncn Cifhtfa pon CauenBien, iie Codjter ies befannten ©enerals, uni Bertha 
pon CruAfeg, IjübfAc uni muntere, etwas fAwärmerifche junge Barnen, Ctgnfa als Karten» 
legerin uni Hachahmungsfünftlerin beliebt. Beiie hüben ftch erft nach iem Kblebcn ier 
Königin permählt, Cifmfa mit iem ©rafen ©uftao bjaefe, Bertha mit iem mecflenburgifAen 
^reiherm non peng. 3h nen allen war Cuife eine gütige bjerrin, herjliA teilnehmeni an 
ihren Ceiien uni jreuieti, naAgAtig gegen ihre harmlofen f leinen Kofettcrien, auA wenn 
iiefe einmal fogar iem König galten, uni ge felbft hüben iie bjuli ier Königin mit 
fehwärmerifdjer Bereijrung pergoltcn. 

©ine nur unter ien bjofbamen fAeint ier Königin wirfliA näher geftanien ju hüben, 
©rägn Charlotte ZTToltfe, iie bjalbfAwefter ies bjersogs pon b)olftein»Becf, iie fdton l?9? 



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3aljce 

an beit fjof fam unb ihn crft pcrlieg, als fte fidj fsog mit Jriebricb Kuguft Cubroig 
o. b. Blarroig, bem befamttcn (Regnet fjarbenbergs, pcrmäblte. Kudt fte war begeiftert pon 
ihrer fjerrin. Die Königin erfchien iljr, fo fdjilbert fte ben erften ©inbruef, „in ber Ifödjfien 
unb pollenbetften Blüte itjrcr Schönheit, licbrciefj , cinfeuh, freunblich, tpte icfj nod; nie ein 
IDefett gefefjen habe." Charlotte Btoltfe fam halb in groge ©unft bei ber Königin, bie an 
ifjr ben fte (elbft befeelenbcn Bilbungstrieb unb bie Cugenbfcfiroärmerei liebte unb roic eine 
ältere erfahrene Sdiroefter ber Ccibenfchaftlidjen burdj gute Katfdjläge ben IDeg junt ©lücf 
ju ebnen fud;te. „IDenn Sie fortfahren, 3h r{ Cebgaftigfeit ju bämpfen", fo fdjrieb fte ihr, 
„unb 3bre ©mpfmblichfeit ju mäßigen, fo roerben Sie feljen, roie Sie pon aller IDelt geliebt 
unb percljrt roerben. Bichls untergräbt bas ©lücf unb befonbers eine Bäuslidjfeit mehr, als 
roenn man ftch ber €mpftnblid)feit überlägt, mag fte taufenbmal gerecht fein. Sanftmut muß 
überall perjeifjen, bas ift bie Stärfe unferes ©efdilecbtes." g'itroeife Salt ®räfin Bloltfe für 
eine Bcbcnbuhlerin ber Jrau pon Kleift unb Cuifens ,$reunbfchaft fdjien jroifchen beiben $u 
fdttoanfen. Dann aber glaubte fte ju bemerfen, bag bie ©räfin, alljuftolj auf ihre Bilbung, 
iljr fühlen auf Koften ihres IDiffctis pemadjläfftge — in Cuifens Kugen bas fdjroerfte 
Bergeljett. Sie rourbe fortan etroas jurücfhaltenber gegen ihre £)ofbame, blieb aber bod; in 
näheren Bejahungen 5 U ihr als ju ben anberen, unb bebauerte fpäter lebhaft ben IDeggang 
biefer „ausgejeidjneten" Perfon. 

3« biefem Krcife nun, jroifdjcn ©emahl unb Kinbem, Perroanbten unb fjofftaaten, 
perlief in Berlin roie in potsbam Cutfetts tägliches Ceben mit ber Hegeltnägigfeit, bie alles 
am fjofe ^riefertdj IDilhelnts III. beherrfdjte. 

jroifchen acht unb neun erwachte bie Königin; bie Kammerfrau Sdjaboro, bie Sdjroefter 
bes grogen Bilbhauers, fam unb ftellte quer über bas Bett ein niebriges Ctfchdjen, pon 
bem Cuife bas ^rütjftücf nahm, nteift einige (Taffen Sdjofolabe mit Saljne unb ^witbad. 
Bann crfdjien bie ©räftu Bog, ber Küchcujettel rourbe befprodjen, wobei auf bie einfachen 
Cicblingsfpeifen bes Königs Hücfftcht genommen roerben mugte, pug rourbe porgelegt unb 
bie tToiletten für ben ITag ausgcroählt. Bie jüngfton Kinber, bie Cuife immer gern in ihrer 
näd)ftcn Bähe hotte, würben h* : rbeigerufen , bie ZTlultcr herjlc unb fügte fte im Bett unb 
lieg fte bann im 3'ntmer herumfpielen. Cuife hotte eilten fjattg 3 ur ©emäd)lichfcit, roie fte 
audj trog ber Blahnungen bes Königs fid) wenig Bcroegung machte. Bod) im Bett las 
fte bie geitungen, befonbers bte fjamburger, audj roogl Bücher. ©egen ff Ugr genog fte 
häufig etwas ©erftenfchlcim, ben fte eine Jyttlaug roie eine Kur gebrauchte, um ftärfer ju 
roerben. ©croöhnlich erft nad; ff Ufjt erhob ge ftdj uttb blieb in einem roeigen Blorgero 
fleib mit einem Blorgcnmügchen, bie älteren Kinber entpfangenb, ben Krjt, aud) einett ober 

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ben anberen tljter Ceflrcr im ©nglifdjen unb in ber ZTTuftf. lim 12 Ufyr etwa fant bet König, 
unb mit Cuifens Freiheit tpar cs aus. Hafd) fleibcte ftc ftd) an, um im Tiergarten mit ifjrn 
fpajieren $u fahren; bei ungünftigem IDettor leifiete fte ihm bafjeint plaubemb ©efellfd)aft. 
pünftlicf) um 2 Ul)t ging es sur Ittittagstafei, ju ber Cuife, Me erft Toilette machen mußte, 
nid)t immer redjtjcitig erfcf)icn, was ber König fdjmollenb ju rügen pflegte. Bei ber ÜTaifljeii 
tranf fte gern Stettiner Bier; non Speifen liebte fle befonbers rohen Scflittfcn unb Kartoffeln. 
ITadj ber Tafel, bie eine gute Stunbc bauerte, machte fte es fiefj toofjl auf einer Chatfelongue 
bequem, wobei fle ein Sud) las ober aud) ein wenig fijlummerte. Dann empfing fte Sefudje, 
bie Komponiften I}imntel ober Keicharöt, mit betten mufljiert unb gelungen würbe. Die 
Keinen Cieber, bie Cuife $ur ©itarre mit einer angenehmen Stimme rortrug, erfreuten auch 
ben fonft fo amuflfeben König. Cuife felbft fdjerjte barüber, bafj fle juweiten beutfd; 
unb franjöflfcf) las, englifdie Stunbe hatte unb italienifd) fang. (Sing bie Königin nicht ins 
Theater, bas fle feltener befudjte als ber König, fo oerfammelte matt fleh um fleben jur 
Teeftunbe, wobei fle felbft fafl niemals Tee nahm. Sie fucCjte babei bie Unterhaltung in 
(Sattg ju bringen, was ihr freilich nid)t immer gelang. IHeift faflen bie Damen über ihren 
fjanbarbeiten, wäbrenb bie fjerren fleh mit Schadj ober Kriegsfpicl befehd ftigten. ffäufig 
würbe aud) Karte gefpiclt, namentlidj Habugc. Zuweilen las Budj r>or, UTentoirenlileratur; 
juweilcn jogen fleh auch König unb Königin ju eigener gemcinfamer Ccftüre in ein 
Hebenjimntcr jurücf. Um neun fdflofl fleh ein Kbenbcffen an, bei bem es, wie wir 
fdjon aus ber Schilberung ber prinjeffln UMlheltn wiffen, nicht lebhafter herging, als 
währenb ber Teeftunbe. 

Küfer ben genannten Uluftfem hat Cuife aud) Ulaler unb Bilbfjaucr bei fleh gefeljen 
unb bei ©enelli Zeichenunterricht gehabt, wie fte überhaupt für Kunft 3ntereffe unb Der* 
flänbnis jeigte. Die Senbungen ©eorgs aus Kom machten ihr bie größte ^Jreube unb bie 
Derlufte an Kunftwerfen bureb bie plünberungen ber ^ranjofen fd)nterjten fte fpätcr tief, 
©ent unterhielt fte fld) mit Schabow, bem fle aud; ihr €im>erftänbnis mit bem bamals 
uicl angegriffenen preufifchen Koftüm feiner felbherrnftatuen äuflerte; im ©efpräd) mit 
ihm hat fte ben ©ebanfen eines UTonumentes für ^riebrid) ben ©roßen angeregt. Dem 
Bilbhauer Bauch, bem fpäteren Schöpfer ihres ©rabbenfmals, ber eine Z e 'tlang ihr 
Kantmerbiencr war, hat fle bie erften Schritte auf feiner ruhnwollcn Caufbahn erleichtert, 
©ft empfing Cuife bie Befudye Don Berliner ©eiftlidien; auch ffufelanb, ihr Ceibarjt, 
war ihr jugleid) ein Seelenarjt, beffen tiefiitnerliche ^römmigfeit fte fcht fchäßte. Z u & ct 
Umgebung bes Königs, feinen Kbjutanten unb Kabinettsräten, hatte fte feine näheren 
Bejahungen; ebenfowettig ju ben ZUiniftem, mit Uusnahmc fjarbenbergs, beffen ganje 

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perfönlidjfeit itjr Ijöcbft fympatl)ifcb war. Unter Öen ptcufifdjett Diplomaten forrefponöierte 
fic mit öem UTarquis Cucd)efini, öem preufifdjen ©efanöten in paris, unö mit öeffen 
©emafjlin, einer geborenen pon Carrad); fte beforgten iljr Kopien pon Kapbaol , für 
öen fie nad) iljrem eigenen ©eftänönis „fchwärmtc", aber and) parifer Utoöcmaren, wofür 
Cuife öem Ularquis einmal mit Öen iDorten öanfte: „U)em nichts 3 U grof ift, ift nichts 5 U 
Mein." Die Dertreter öer fremöen Staaten fal) öie Königin faft nur bei feierlichen 
(Empfängen oöer grofen fjoffcftlidjfeiten. Kud) öiefe Kreife teilten öie allgemeine Be» 
wunöerung für Cuife. „©in ;Jejl ohne öie Königin ift fein jfeft" bief es bei ihnen. Hoch 
längere Seit nad) öem IDcggang pom Berliner fjofe fing ein englifd)er Diplomat mit einem 
Kollegen Streit an, weil er „öas Utajcftätspcrbredien" begangen hak«, in öem ©eficht öer 
englifd)en Königin, öer Cante Cuifens, eine geroiffe Uei)nlid)Feit mit öer unoerglcid)lid)en 
prcufifd)cn „Sdjönheitsfönigin" finöen 3 U wollen. 

(Einem öiefer jungen cnglifd)en Cegationsfcfretäre, ©eorge 3<Kffon/ peröanfen wir eine 
anmutige Sdjilöerung öer Königin; er fdjrcibt im Februar 1805 an feine Sdjwcftem: 
„©eftern Ubenö war bjofball jum ©eburtstage öer priitjefftn fjeinrid). Die Königin war 
3 ugcgen, perlief aber Öen Ballfaal baiö nad) neun Uhr. Kur$ nor ( \ Uhr erfdjien öie 
©berbofmeifterin ©räfin Pof wieöer im Saale unö perfünöete öie glücflid)e ©ntbinöung 
3hrer 2Ttajeftät pon einer Codjter. Dies glüdlidje (Ereignis betradjten piele Knwefcnöc unö 
pieic Kbwefcnöe als fchr 3 « Urzeit um einige Cage 5 U früh eingetreten. Denn öie Königin 
hatte pcrfprodjen, am l. UTärj an einem grofen ZTTasfenball teiljunehmcn .... IDie man 
perfidjert, beöauert öie Königin ihre unfreiwillige Ubwefcnhcit ebenfo feljr wie ihre ergebenen 
Untertanen unö Bewunöerer. Das h<tft: eine grofe UTenge, öenn in öer ©efellfcbaft, 
befonöers unter Öen jüngeren Ceuten, fjcrrfdjt ein ©efühl ritterlicher ©rgcbenljeit für fie, unö 
ein fonniges Cädjcln oöer ein Blicf ihrer heU lachenöen Uugen ift eine ©imfibcjougung, 
nad) öer man eifrig trachtet. UJcnige grauen ftnö mit fopicl Cieblidjfeit begabt als fie, 
unö fie ift ebenfo liebenswüröig unö anmutig, als fte fdjön ift, fte ift poll Cebhaftigfeit unö 
geht mit ©cift unö ^reuöc auf jeöes Pergnügen ein. Dod) id) ntuf innehalten oöer 3h r 
weröet öenfen, öaf mir öer Kopf peröreht ift, wie cs fd)on fopiele Köpfe ftnö öurd) öie 
Sd)önheü unö Unmut öer Königin Cuife pon preufett." 

IDir fah«n Cuife in ihrem geiftigen Ceben, im Kreife ihrer ©efdjwifter, mit ihrem 
©alten unö ihren Kittöem, wie in Öen Bcjicf) tingelt ju ihrer näheren unö weiteren Umgebung. 
Sudten wir nod) öie fjauptjüge ihrer (£tfd)einung uttö ihrer pcrföttlid)fcit fürs jufantmen* 
3 ufaffen unö uns 5 U pergegenwärtigen. 



tso 



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Stille 



Königin Cuife war feine flafftfdje Scfjänfjcit, itjc etwas blaffes Hntliß aber hatte 
— nach ben; Zeugnis 6er UTalerin Digfe le Brun — feine un6 regelmäßige 6er 

biegfantc fjals, auf 6em 6as fjaupt eöel rufjle, 6ie Schultern un6 6ic Hrme waren t>on 
fcfjöncr ,fomt un6 ifjrc Jarbe blen6cn6 frifdj ; 6as fjaar war blonb, 6ie ©eftalt t>on taöellofem 
(Ebenmaß, obwohl 6ie fjänöe un6 6ic ;Jüße etwas ftarf erfdjicnen. Hus 6em großen 
feelettnollen Hugc ftrafjlte ein Blicf nott gewinnenbem Cicbrcij. Die Scfjöntjcit 6er ©eftalt 
$eigte ftd) befonbers in ben elaftifdjen Bewegungen ifjres ©anges, unb wenn fte ritt ober 
tanjte. „Sie war nie fcfjöner ab ju pferbe" meint einmal ber König. 3*? rc Kleibung unb 
tl)r Sdjmucf, wenn fte öffentlich erfdjien, waren immer reiefj unb gefdjmacfpoll; ber König 
felbft batte fte allmählich ju größerem Kufwanb peranlaßt, ba es if)n Derbroß, wenn er 
immer bie elegante Erfdjeinung ^rieberifens rühmen härte. 3h rc bjaltung war würbepoll 
unb ungcjwungen; bie Stimme flangnoll, mit einer leidjten 6ialeftifd)en Färbung, bie itjr einen 
befonberen Keij gab; iljr ©cfpräd; ftets eingetjenb, tcilneljmenb; fte perftanb gut 5Ujuf)ören 
unb ber Husbrucf ihres ©eficbts jeigte Ieid)t bas 3 ntcrc (T e am Er$ä()lct unb am ©rjätjlten. 

Der <5auber iljrer anmutigen perfön lidjf eit, bent ftd) niemanb entsog unb niemanb 
entjiefjen fonnte, lag bod) nidjt fo feljr in ihrer äußeren Erfdjeinung: er ftrömte aus ihrem 
3nnem, beffen fdiöne fanfte fjarmonie ihre Bewegungen befcelte unb in iljren IDorten 
roieberflang. Heber ihrem IDefen lagen feine Sdjleier, feine Kätfel; auf ihrem Kntliß las 
man feine %rjensfämpfe, fonbem ben tiefen ^rieben einer unbefangenen reinen Seele unb 
bas warme ©lücf eines ijerjens, bas ftd) felbft froh unb glücflid) fühlt unb alle froh uttb 
glücflid) machen möchte. ^rau pon Berg fdjreibt ihr „eine angeborene poefie" ju; anbere 
fprcd)en pon bem ibealen Schimmer, ber fte umfloß unb alle bezauberte. Des Königs unfrohes 
IDefen fiel oft brücfenb unb lähmenb auf feine Umgebung: Cuifens £rfd)einuug wirfte befreienb, 
erheitemb, beglüefenb. Es war nidjt ©nabe, nidjt Ijerablaffung; jeber fühlte eine aus bem 
fjerjen fontmenbe unb jum fersen fpredjenbe natürliche ©üte, bie ftd) audj rafdj in taten 
bes IDohlwaüens unb ber fjilfe äußerte. „3<h bin ben UTenfdjen fo gut," fdjrieb Cuife 
einmal an ^rau nott Kleift, „mein ganjes IDefen ift Ciebe für fte, id) mödjte fo gerne bie 
lUenfdjljeit glücflid) wiffen unb baju beitragen, auf Koften meiner felbft!" 3 n ber 8e= 
glüefung anbercr fuchfc unb fanb fte ihr eigenes ©lücf. So erfdjien fte immer gleich gütig, 
unb fte ftrahlle perfdjwenberifd) ihre fjulb unb ihren Ciebreij aus über alle, bie ihr nahten, 
piclleidjt bisweilen ;u rafd) unb zu perfdtwenberifd). 

Cuife wäre fein IDeib gewefen, wenn nidjt ber Sdtlüffel $u ihrem IDefen eben in ihrem 
fjerjen gelegen hätte. Dies Ijerj aber hatte ftd) währeitb ihrer 3 u 9 CI, b in bem bjefftfcf)* 
mecflenburgifdjen Jamüienfreife non ©efühl gleichfam fo pollgefogcn, baß es jeßt leicht 

9 * 



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überftrömle. Es fdirodgtc in liebe uni ^reunbfehaft, rote in allen ben b°h en unb cblen 
©efüljlen, bie luife unter bem lüorte „Cugenb" perflani. Sie liebte es, geliebt ju roerben. 
„© roic füg, fo geliebt ju roerben" fcfjrieb fte bem Bruber ©eorg als Kntroort auf einen 
feiner Briefe. 3ljre ©üte perfagte alletual nur ba, roo fte ©cfüljbleere ju bemerfen 
glaubte. „Jür bie, bie lieben, »einen, beglüefen, füllen unb lachen, für bie tjabe idj fjer$, 
Kraft bes IDiUcns unb Dollbringcns." „IDer liebt ber lebt, unb nur ber lebt ber liebt, 
bas ift mein IDaljlfprudj , mit bem ich lebe unb fterbe." Der Stimme ihres fjerjens folgte 
luife mit unbebingtem Dertrauen, in allen ^roeifeln uttb Kämpfen; roie Karolittc Spiegel 
hätte fte pon ftdj fagen f innen: „3* mußte mid? perlaffen auf mein fjers über Hot unb 
tob hinaus." Denn felfenfeft roar fte übcr 5 cugt, baß, roie ße an ©eorg fcfitieb, „im Ijcrjen 
flar unb beutlirf) bas IDaljre mit golbenen Budjftaben aus ©ottes £}aub ftcfjt." 

2lud) luifens ^rämmigfeit roar mehr ©cfüljl, ©laubensgefübl, als bogntatifche lieber« 
jeugung. Bie fcßlicbten religiöfen Einbrüche, bie fte aus ber ©roßmutter fytufe mitgebracht, 
roaren in Berlin im Umgang mit Spalbing unb ,3öllncr leidjt umgeftaltct. Sie machte 
ft cf), roie Spalbing, ein Cßriftentum jureefjt, bas in ber ^röntntigfeil eine Stüße für bie 
Cugenb, unb in ber Cugenb eine Stüße für bie jrbmmigfeit ficht. Heligion haben hieß ihr 
in ©ott bie hb<hftc Cugenb perehren, ißr naebftreben unb ficb ihres Urbilbes juperftcßtlich 
freuen. Bies unerfchütterliche ©laubensgefühl aber burdjbrang lebenbig ißr ganjes IDefen. 
Bie h^lle fte ju CDftem Beichte unb Kbenbmatjl perabfäumt, auf bas fte ftd) in ftiller 
Sammlung (Tage lang porjubcrciten pflegte unb bas fte in einer ber Berliner Kirchen nach 
lutherifd}em Befenntnis nahm, roähreitb ber König als Xeformierter bie Potsbamer ©amtfon* 
firdje beporjugte. Hoch finb Kufseidjnungen erhalten, in benen fte an foldjen roeihcpollcn 
tagen ihre ©ebanfen uttb Empftnbungen ausfpradj: ihren ©tauben an bett Erlöfer, ihre 
bemutpolle Ergebenheit in ©ottes Ifanb, ihr Pflichtgefühl, ihren reinen IDillen, ben XDuiifch 
burch itjr Beifpicl jur Bachahntung befonbers bei ihren Kinbern anjuregett. 

jminblid) unb liebepoll, gütig unb fromm, fo roar luife in ben ruhigen unb heiteren 
tagen, fo blieb fte aud) in ben ftürmifdjen unb bunflen feiten, bereit Schatten ftdj ihr 
langfam nun näherten unb beren Streifen hoch auch no <h anbere IBefcnsjüge in ißt 
offenbaren follten. 



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fünftes Kapitel 

21fepanöcr unb Hapolcon 

(( 802 — ( 805 ) 

I. 3 u f a,,,,ncn ^ u,, f* * n ITtem«! 

^j^reugen batte, wie wir fatjeu , auch roäbrcnb 6er Koalition «Englanbs, ©cfterrcidis 
un6 Kuglanbs gegen ^ranfreid; in 6en 3ub ton (7 99 un6 (300 (eine Heutralität behauptet. 
Der Verlauf 6es Krieges febien ihm redjt ju geben. IT ad) anfänglichen glänjenben «Erfolgen 
war 6as groge Bünbnis fjauptfädjticfj infolge non Streitigfeiten Huglanbs mit (Englanb 
unb ©efterreid) jerfallen. Jranfreid), bas feine (ßrcujen fetjon non einer ^nnafion bebrobt 
gefeiten Ijatte, blieb in ber f ebtoeij unb in £)olIanb fiegreid), unb an bie Spiße ber Kepublif 
trat als erfter Konful ber aus Kegypten jurüefgcfeljrte (ßeneral Itapolcoti Bonaparte, ber 
bie ©efterreicber bei BTarengo entfebeibenb fdjlug unb bamit ©beritalien 3 urücferoberte. 
Bie friegfübrenben ITTäcbte fdjienen erfdiöpft; eine frieblidje Strömung, ftärfer als je feit 
adft 3a(jren, ging im fterbft (800 bureb bie europäifdte politif. 3" preugen war man 
mit biefer IBenbung ber Binge nidjt unjufrieben; ein augerorbent(id)cr Kbgefanbter Bonapartes, 
ber ©eneral Buroc, ber nod) oft in cntfdjcibungsoollen (Tagen ben IDeg nadj Berlin machen 
follte, fanb am preufifd)en ßofe bie freunblicbfte Kufnabme. ITTan wfinfebte eine Uns- 
föhnung jwifeben ^ranfreidj unb Xuglanb unb jugleidj eine nähere Berbinbung preugons 
mit biefen beiben Staaten, unter beren Schuß man jwei groge politifebe ,<5iele erreidien ju 
fbnnen hoffte: eine polle Cntfdiäbigung für bie Kbtretung preugifebett ®ebietes am linfen 




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Kljeinufer unb Me f öfter?, fojufagcn pölferrcd)tlid)e Begrüiibimg einer preufifdien ^üfjrer» 
ftellung in Horbbeutfcblanb. 

Die Kusföljnung jwifdien Kuflanb uni .franfreid) fam rafcb juftaube; wenn man 
jidj aber in Berlin gefdjmeidjelt tjatte , Me Bedienungen jtpif<fjcn beiöeit Btädjten ju be- 
Ijerrfdien ober wenigftens 3 U beeinfluffen, fo trat piclntefjr bas ©egenteil ein: preufen 
mürbe abljängig pon bent jcbesmaligen Stanbe ber ruffifd^franjöfifdjen Bcjicljungen, modjten 
biefe freunblidje fein ober feinbfelige. 

^unadift jmang ber gemeinfame Drucf ,franfreidjs unb Huflanbs, bie fid) gegen 
Englanb perbünbeten, im Jrüljjafjr f 80 1 preufen jur Befcfung fjannooers. Pergeblid) 
Ijatte man non (jannoperfdjer Seite bie Permenbung ber Königin £uife für ihr fjeimatlanb 
nadjgefudjt; fie erflärte bem Ijannoperfdjen Kbgefatibten, ber König werbe jur porläufigcn 
Befefung genötigt, benfe übrigens nidjt baran fidj frembes ©ut anjueignen. Kud; itjr 
Pater war pon Keuftrclits Ijerbeigefonimcn, um gegen bie ©ffupation 3 U wirfen. 

Kaum aber waren bie preufen in fyinnoDer eingerüeft, als Me Hadjridjt aus peters« 
bürg eintraf, bajj Kaifer paul pon Kußlanb in ber Had;t pom 23. jum 2 $. lllärj 1801 
ermorbet fei. Sein XXadjfolgor Kaifer Xllefauber I. perftänbigte f:d) mit Englanb, unb bie 
preufifdjen (Truppen würben wieber aus Ijannoper Ijerausgejogen. Xtnberfeits glüefte es 
im 2TTai (802, nadj wedjfelnollen Perbanblungen mit ^ranfreid) 5 U einem Pertrage über 
bie preufifdjen Entfdjäbigungen ju gelangen. Preufen batte anfangs aufer fjilbesljcim, 
©snabrücf unb bem Eidisfelb bie fränfifdjen Bistümer Bamberg unb XPürjburg geforbert. 
©eftüft auf biefe Erwerbungen, würbe preufen eine ntafgebenbe Stellung in Sübbeutfdjlanb, 
eine pöllig befjerrfdjcnbe in IXorbbeutfdilanb erlangt traben. Sadjfen, Reffen, ßannooet 
wären Ijierburd; geograpljifd) unb bcsfyalb audj politifdj pon preufen ebenfo abhängig 
geworben, wie Braunfcbwcig unb XHecflcnburg es bereits waren. 21 II ein, als bie preufifdjen 
pläne bei Kuflanb unb bei ^ranfreidi auf XDiberfprud; fliegen , lief man fie oljne piel 
Umftänbe fallen unb begnügte ftd) fdjtieflidi mit paberbom, Xjilbesljeim, Eicbsfelb nebft 
Erfurt, einem (Teil bes Bistums fflünfter unb einigen Heicbsftäbtcn unb Xlbteicn. (Territorial 
waren biefe Enlfdjäbigungen für bie preufifdjen Perlufte überrcicblid; bemeffen; politifd; 
war es eine Bieberlage. Hiebt bie Erforberniffe ber beutfdjen politif preufens, fonbern 
bie IDünfdje ^ranfreidis unb Huflanbs beftimmten bie Entfdjäbigungen preufens, wie bie 
Itmwanblung Peutfeblanbs bureb ben Heicbsbeputationsfdjluf ((803) überhaupt. Zugleich 
erlofdjen burdi biefe Perträge bie Xlbmadiungen über bie Bemarfationslinie unb Me Per* 
abrebungen pon fjilbesljeim (ftelje oben S. 88), bie nad; einem IDort pon fiaugwif ber 
©runbftein für ben Bau ber preufifdjen fjerrfdjaft in Borbbeutfdjlanb hatten werben follen. 



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^»nnfdjcn 2IIcranöer uni Ilopolcoit 



preugens Derbinbung mit bem Deutfdfen Seiche löge ficfj mehr unb mehr, oljiic bag feine 
Stellung in Horbbeutfchlanb an ^cftigfeit gewonnen hätte. 

^riebrief) HJilhelm III. unb ©raf fjaugwifs waren nicht ofjne ©ntpfinbung für biefe 
Hachteile; aber im fjinbltcf auf preugens internationale Stellung gingen fie barüber hinweg. 
Sie glaubten noefj an bie 2TT<5glictjfeit bes erfeljnten Dreibunbes mit ihren beiben mächtigen 
Bachham, um fo mehr, ba man mit ^ranfreidj in gutem ©inpernehmen ftanb unb mit 
Kugianb foeben bie alte jugleuh politifcfjc unb bynaftifdje jreunbfchaft erneuert würbe. 

Kaifer Slepanbcr I. pon Suflanb, beffen ZTtutter IHaria .fcoboromna mit bem preugifchen 
Königshaufe perwanbt war, hatte unmittelbar nach ber ©hronbefteigung in feinem erften 
Schreiben an König jjriebricf) IDilljelm III. non ber Jeftigung ber 5 wifchcn ihnen beftehenben 
perwanbtfchaftlichen unb freunbfchaftlichen Danbe unb non ber Konfotibierung ber Be» 
jieljungen jwifchen ben beiben Staaten gefprochen. König .friebctch IDilhelm III. ging gern 
barauf ein: neben ben politifchen (Erwägungen haben gan 5 perfönliche Stimmungen wefcntlich 
hierzu beigetragen. 

Hoch unter Kaifer Pauls Kegierung, gegen ©nbe 3 a nuar 1801 , hatte ber ©rbprinj 
^riebrich tubwig pon Itlecf lenburg » Schwerin mit feiner ©cmahlin Helena pawlowna, ber 
(Tochter Pauls, ben Berliner I)of befudjt. Die ©rbprin$effin, eine blenbenbe Schönheit oon 
faum f6 3ahren, feit 15 HTonaten permählt unb Itlutter eines Knaben, bes fpäteren 
©rofherjogs Paul, gewann burch ihre jugenbliche Unmut unb ihre natürliche liebe ns» 
würbigfeit rafch bie ^rounbfefjaft ber Königin fuife unb bie fchwännerifche Derehrung 
König rieb rieh IDilljelms III. ©länjenbe ^efte würben peranftaltet, an benen beutfehe unb 

frembe ^ürftlichfeiteu gatjlreich teilnahmen, auch Hapolcon Bonapartes jüngerer Bruber 
f ouis mit feinem Kbjutanten ^lahault, unb oiele ©migranten, wie Kioarol unb ber in 
ber bamaligen Berliner ©efellfchaft tonangebenbe Caraman. Befonbers prunfooll würbe 
^aftnacht gefeiert, wobei bie ©rbprinjeffin als gütige .fee ben König entjücfie, unb ber 
©eburtstag ber Königin, ber Ijelena reiche ©efefjenfe machte. Huch fie gefiel ftch ungemein 
am Berliner fjofe, wo fie fcfjlieglich nicht mehr als Befuch betrachtet, fonbent 5 ur fönig» 
liehen ^antilie gerechnet würbe. Kaifer paul, erfreut über bie herjliche Kufnahme feiner 
(Tochter, überfanbte ber Königin ben Katharincnorben unb 5 eid)nete auch ben Kronprinjen 
burch rufftfetye ©rben aus. 

Unmittelbar nactjbem bie prinjeffin Berlin perlaffen hatte, erfuhr man bie Kataftropffc 
ihres Daters unb bie ©hronbefteigung ihres Brubers Sleranber. Kn ber Heigung für bie 
Sdjwefter belebte ftd) bie Teilnahme für ben Bruber. Die prinjeffin, bie mit ihrem ©emal)l 
im Sommer 180f nach Xuglanb reifte, trug bes Königs freunblichfte ©rüge, Keugerungen 



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gtrifdjcn Jllerartber unb Hapoleort 




bes 3 n,et ' < 'ff es unb brr Bcwunberung für 6c n jungen Kaifer naef} Petersburg. 3 n il?ren 
bjänöen liefen 6ie ^Jäben $ufammen, 6ie frefj jeßt jroifdjcn 6en beiben dürften fnüpften; in 
ihren unb itjres ©emaijls llnterrebungen mit Klejanbet if» bas erfte IDort oon einer 
^ufammenfunft jwifchen bem rufftfeften Kaifer unb bent preugifdjen Könige gefallen. 

Kuf ber Kücfreife »on Petersburg, im ©ftober (80f, befudjte bas erbprinjlidte Paar 
abermals ben preußifdjen Hof, wieber mit Ijödjpcr Jreunblicbfeit aufgenommen. Des Königs 
Schwärmerei für bie „fchöne ^elena" war nodj geftiegen. Had) iljrer Kbreife im Klärj 
war feine fdjledjte Caune aufgefallen, fein geringes (Entgegenfommen gegen anbere Befudter. 
Dafür I>atte er ber (Erbprinjeffin in ebenfo berjlidvn wie fjumoriftifdjen Briefen, wohl ben 
perfönlichftcn unb eigenartigen, bie je aus Jriebridj IDilljelms ^eber gefloffen, feine 
Bewunberung offen ausgefprod;en. 3 c fct überhäufe ber fonft jurücfhaltenbc König fte fo 
feljr mit Kufmerffamfcitcn, baß bie ©berljofmeifterin Knftoß naljm, nxitjrenb bie Königin 
ber gegenfeitigen Knnäberung läcbelnb sufafj unb bie ©rbprinjefjin nur noch immer mehr 
in ihr ffi rj fdjloß. 3 n Berlin crjäfjltc man ftcb, ber König habe »oh ber prinjefftn »er- 
langt, fie folle ihn ^riß nennen, unb ba fte es nicht getan, ftch fchmollenb »on ihr entfernt; 
barauf hohe fie ihn beim Kntte genommen unb „mit bem lieblidtften Kusbrucf" gefragt: 
„5riß, maulft bu noch?" 

Bei biefem Befudje teilte ber ©rbprinj ben IDunfdt Klepanbers nach einer ^ufammen- 
funft mit, bie »on ^riebrieb IDilhelnt bereitwilligft angenommen würbe. Hach bem Borfdtlag 
bes Königs follte bie Begegnung währenb feiner Keife in bie prcujjifcbcn ©ftpro»injen im 
3uni 1802, unb jwar in Klemel ftattfinben. 

Km 25. KTai traten ^riebrieb IDilhelnt unb Cuife mit ben Brübern bes Königs bie 
Keife an; auch bie ©räfinnen Bog unb llloltfc waren im ©efolge. lieber Stargarb, wo 
bie Königin an ber Ke»ue teilnahm unb bie (Truppen „fuperb" fanb, 3wifch«n ITlanöpem 
unb Kecuebällen ging es über fjammerftein unb lllocferau nach bent fchönen Schloß ber 
Dohnas in Schlobitten, bas bie Königin an (Ojarloltenburg erinnerte. Sie fcblief in einem 
großen Himmelbette, in bem fefton ^riebricb IDilhelnt I. unb ^riebrid; 2X>ilIjcIm II. gefdtlafen 
hatten; ber König in einem benachbarten ^imnter, in feinem Keifebett auf einer lllatraße 
unter einer einfachen pifeebccfc, bie et immer mit ficti führte. Dem König gefiel es in 
Sdilobittcn, wo er bas patriarchalifche Derhältnis swifchen ©utsherrfchaft uttb Ceuten fo recht 
nadj feinem Sinne fanb. Km morgen, beim .frühftücf, äußerte er fidi hierüber mit wanner 
Kncrfennung. „Das ftnb bie guten ^rüchte", bemerfte er, „oon einem langen ©ütcrbefiß 
»on ©roßeitern bis auf Urenfel. Da föntten ftch Herren unb Unterfaffen recht fennen 
lernen unb Siebe, Bertrauen unb Knhänglichfeit gegeneinanber faffen; aber wo man bie 

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doh prcufjcn. Hrd^ts im Porbcrgutnta ^ofmarfdjaU doii Muffen» 





Canbgüter wie eine ZDare behanbelt, bie oft felbft unbefef)en aus einer fjanb in bie anbere 
für übertriebene prcife übergeben, ba fann nichts ©Utes aus 6er IDirtfctjaft werben." 

1 lad) furycm üufcnttjalt in Königsberg trafen t friebridj ZDill^elm unb Cutfc am 

8. 3uni in HTemel ein; am (0. 3uni fam Kaifer Hleyanber, infagnito als „comte de Russic“, 
aber non Uliniftcrn unb Ubjutanten begleitet. 

Die ofterjäljlten (Einyelheiten ber gufamtnenfunft, bie bis $um |6. 3uni bauerte, 
brauchen fjier nicht wiebergegeben ju werben. (Truppen würben befiditigt, Bälle peranftaltet; 
babei perfehrten König unb Königin mit ihrem faiferlidjcn ©afte in einer Ungcywungcm 
heit, bie eine Ijcrslicfje Unnäherung geftattetc unb begünftigte. „Ulan pergnügte ßd)", 
fdjreibt bie Königin, „wie bie Kinber unb fprang Ijcrum wie bie Böcfdjen, alles war 

glücflid; unb jufrieben." Bur einmal erfuhr bie ^eftfreubc eine jälje Unterbrechung; 
bie Königin würbe pon einem piößlichen Bruftframpf befaüen, ber jeboef; glücflidjerweife 
rafefj wicber porüberging. 

gwifeben bem prcußifchen Königspaare unb bem rufßfdjen Kaifer fchloß fiefj ein 
^reunbfcbaftsbunb, in Schwärmerei unb ©efüljlsfeligfeit eine fpäte Blüte aus ben (Tagen 
ber ©mpßnbfamfcit, unb juglcid) eigenartig burd) bas Spiel ber ftefj freujenben perfönlichen 
Beigungen wie btircb bas Jjincinwirfen politifcf;er 3n(eroffen. Bes jugenblidjen ,5arcn 
tippen floffen über pon Cugettb unb Kedjtfchaffenheii, pon Utenfdicnlicbe unb Bölfcr» 
beglüefung — war es ein lüunber, baß bie fctjlicfftcn tjerjen bes prcußifchen Königspaares 
foldjem ,5a über erlagen? Ber König fagte ju feiner ©cmahlin: „Bas fann ich Bir per* 

ßdjem, bie Hüffen haben nie einen Kaifer gehabt wie biefen." ^ür Cuife pollenbs war 

bie Begegnung mit Kaifer Uleyanbcr ein (Erlebnis, bas (Erlebnis ihrer ^rauenjahre. (Es 
war gerabe bie <3«t, in ber bie Befanntfchaft mit ber neueren beutfehen Sichtung ihr 3"neres 
tief aufgewühlt hatte. Sie fanb ben jungen Kaifer feineswegs „regelmäßig fchön"; nur 
fein Untliß perflärt burch einen ^ug engelhafter ©üte. Uber in Ulcyanber trat ihr ein 
HTanu entgegen, ber mit ber Schlichtheit unb IDahrhaftigfeit ihres eigenen ©atten auch 
jene glättjenben (Eigenfcbaften yu perbinben fchien, bie fie in ihrer nächften Umgebung per* 
mißte. £}ier fah fte es por ßch, bas 3^’al, pon bem ihr weibliches Sehnen geträumt 
haben machte, wenn ße ihren 3 can Paul aber ihren Schiller las. ©in 3beal, bem fte 
ihre ^reuubfcffaft unb Bewunbcrung freigebig unb rücfljaltlas fdjenfte, an beffen Pollfommen« 
heit ße ßch aber gany unbefangen pon jeßt ab ein Hecht yufdjricb. Barum bat- ße ben 
Kaifer jii bleiben, wie er fei; barum warnte bie Scchsunbjtranyigjährige fchmcßerlid), nein 
mütterlich ben Selbßherrfcber Hußlanbs par ben ©efahren jugcnblidjcr Uuerfahrenhcit unb 
jugenblicher Ceibenfchaft. 




Hber and; Haifet Hlejranber bat 6odi unter bem Räuber bicfer (Tage gcftanben. Die 
fdjöne Königin, bie bcfonbers Ijcrrlidj ausfab, rt>cnn fte jwifAen ben beiben dürften 

5ur Parabe ritt, ober wenn fte mit bcm Kaifer tanjte, bie „föe enchanteresse“, wie ber 

Habinettsrat Combarb, ein Hugenjeuge ber .gufamnwnfunft, fie nennt, macfjtc auf Hicranber 
einen tiefen unb nachhaltigen Einbrucf. „Es fdjeint mir", fdjreibt bie ©räftn fiepen, beten 
©cmaijl ben Kaifer nad} ITTemel begleitet batte, „cs fdjeint mir nad) fjörenfagen, baf man 
entjücft ift pon ber Königin; idj weiß felbft nidjt, ob fie nidjt nodj mehr gefällt, als bie 
Haiferin, obgleich bas f dimer ift." Unb bie polnifdjen Segnet eines preu£ifd)= ruf ftf dien 
Bunbes warfen mit beutlidjer Hnfpielung bem Kaifer fpäter nor, er habe feit ZTtemel 

„in preufjen nidjt mehr einen Staat im politifdjen Sinne gefeben, fonbem eine perfon, 

bie ibm teuer fei." HIcranber felbft aber fyit nodj nadj 5tpci 3abty’b n i en Don einer 
Prinjefjin, beren (Erfdjeinung feine (Erwartungen übertraf, nidjts fdjöneres $u fagen gewußt, 
als baß fie ber Königin Cuife febr ätjnlidj felje. 

So gefdjalj es, baß wäbrenb man ben König mit feiner Heigung für Klejanbers 
fdjöne Sdjwefter fjeleita neefte, Hlcrunber unb Cuife in fdjwärmerifdjcn ,freunbfcbaftsgef üblen 
ftdj ju einanber fanben, unb baß audi ber König pon Kleranbers gewinnenber perfönlidjfeit 
angejogen würbe, auf ben wicbcr bie treuljerjige Bieberfeit unb offenbare guperläffigfeit 
bes Königs günftig einwirften. 

Ber Kaifer unb ber König nabmen es beibe emft mit biefem ,freunbfdjaftsbunbe; 
unb bod; täufdjte man fidj auf beiben Seiten. 3 eber glaubte in bem anbern einen perfön» 
lidjen 5 rcu, 'b nidjt nur, fonbern audj einen politifdjen Bunbesgenoffen gewonnen ju haben. 
IDie febr perfdjieben aber waren bod) ihre (Ojaraftere unb bie ihren Cbarafteren entfpredjenben 
politifdjen Syfteme ihrer Staaten: bie rücfftänbige preußifdje Cerritorialpolitif unb bie auf* 
fteigenbe rufftfdje IDeltpolitif. rieb rieb IDilbelm fab in ber 3 ntimität ber Bcjieljungen 3U 

Kußlaub unb beffen Kaifer nur eine Bürgfdjaft mehr für ben über alles geliebten rieben ; 
ber Kaifer, bem bie ©roßmutter Katharina ben Hamen bes IDelteroberers Klejranber 
gegeben, glaubte ftdj berufen jum Befreier bes pon ^ranfreid; gefnedjteten Europa unb 
bes felbft pon Hapoleon gefnedjteten Jranfreidj. Er swcifelte nidjt, wenn bie Stunbe fdjlage, 
audj ben neuen ^reunb ju bcm Hlejanbcrsug nach IDeftcn mit fortxeißen 311 fönnen. 

Königin Cuife bat über bie 3 u fantmenfunft in ITlemel ein Eagebudj geführt, in bem 
fie bie einseinen Borgänge, bie pataben unb prunfmable, Eeeabenbe unb Eänse, mit 
djronifalifdjer ©ewiffenbaftigfeit perseidjnct, pon Hlcfanber felbft unb ihren Einbrücfen nur 
in gebämpftem Eone rebet. Hber fdjon am Eage, nadjbent man in Hlemcl unter Eränen 
poneinanber Kbfdjieb genommen, fdjrieb fte bem Kaifer, pon ihrem Sdjmers über bie 

isa 



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greifen JllcjanStr nnb Hapolton 





(Trennung, non bem tTroft, bcn fie in 6 er Hoffnung auf ein XDieberfeijen in jwci 3a!) rcn 
empfinbe. Pollenbs, als fie über IDarfcbau un 6 pofen Anfang 3 U '* wieöcr babeint war, 
gab fte in Briefen an 6 ie Pertrauten ihres fjerjcns ihrer fchwärmcrifcbcn Ben>un 6 erung 
für Kaifer 21lejanber begcifterten 2tusbrucf. So fdjrieb fte 6 em Bruber ©corg, 6 er ifjr 
pon feiner Sdjweijerreife berietet batte, am (3, 3uli: „3<h fab J»ar feine 21 lpen, aber ich 
fab 2Ttcnf<f)en, ober pielmebr einen 2.17 e n f cfj , im ganjen Sinn bes IDorts, ber burcb einen 
Klpenbewoh’ier ift crjogen worben unb beffen Befanntfcbaft mehr wert ift als alle 21lpen 
ber IPelt. Penn biefe wtrfen nidit, aber jener wirft, perbreitet <Blücf unb Segen mit jebem 
©ntfcblufj, mit jebem Blicf macht er ©lücf liehe unb ^af^ebene burdj feine f)utb unb 
bimmlifdje ©üte. Pag ich pon bent Kaifer, t>on bem emsigen Züeranbet fpredje, bafl Pu 
boefj roobl perftanben. Cieber ©eorg. 21 <h, wie piel, wie niel ift mir biefe Befanntfdjaft 
wert. Hiebt ein IPort, welches man 5 U feinem Cobe fpriefjt, fann je in Sefjnreicfjelei aus* 
arten, beim er perbient alles, was man nur ©utes fagen fann . . . Pie HTemeler ©ntrepue 
war göttlich, bic beiben Blonarcben lieben frefj järlltcb unb aufrichtig, gleichen ftch in ihren 
herrlichen ©runbfäbcn ber ©ereehtigfeit, Plenfchenlicbe unb Ciebe jum IPobl unb Beförberung 
bes ©uten. 21 ud; ihr ©efehmaef ift gleich- Piele ©infachbeit, fjajj ber ©tifette unb 
©eprängc bes Königs* unb Kaifertums. 21 lies ging erwünfeht unb gut unb es wirb 
immer fo gehen" . . . 

Pen Briefwechfel mit Kaifer Klepanber, „ihrem lieben Petter", fegte Cuife fleißig 
fort, wie fte auch ©efchenfe mit ihm austaufchte. Pcm König blieb bie Perehrung 
feiner ©emablin für ben rufftfehen Kaifer feineswegs nerborgen; aber er muffte auch, baf 
biefe Bejahungen „rein unb ebel" waren, ©r feinerfeits forrefponbierte eifrig weiter 
mit ber ©rbprinjefftn fjelena, bie bereits im fjcrbft 1802 abcnnals ju längerem Befucf} 
eintraf unb babei an bem ihr ju ©hren perfchobenen ©miefranjfeft in pareg tcilnahm. 
€s ftnb eben noch bie (Tage jener fchwärmerifchen Jreunbfdjaften, bie, wie wir aus 
IDilhelm pon fjumbolbls fürjücfj peröffcntlichten 3 u 9 i,I bbriefen wieber gefehen haben, 
^reunbfehaften bleiben, aber jumeilen hoch in bie ehelichen Bejahungen h’nübergreifen unb 
gleichfam auf beren Koften ftch ausbehnen. 

Pie neue prcufjifch * rufftfdie ^reunbfdjüft erfuhr gleich im 3 a h r « 1803 eine fehwere 
Belaftungsprobe. lPährenb bie preufifdie politif auf ber ©rhaltung bes europäifchen 
^riebens beruhte, erfalteten bie Bejiehungen jwifebett Jraitfreieh unb Kujjlanb unb jwifdjen 
Jranf reich unb ©ltglanb fam es ju heftigen 2Iuseinanbetfegungen, welche bie Pauer bes 
Jriebetts in Jrage ftellten. fiieroon würbe preujien in feinen tebensintereffen fofort aufs 
empfinbtichfte getroffen. 21nt 20. 211ärj (803 crfchien ©eneral Puroc in Berlin, um -int 




groifcgcn 3Itrranber imb Üapotfon 




Huftrage Hapoleon Bonapartes ansufünbigen, bag Jranfreich bei Husbrudi bes Krieges 
mit Englanb bas Kurfürftentum fjannopet beferen werbe. 

Htit Duroc fam aud) ein Hbjutant Hapoleons, ©raf Segur, nach Berlin, ber ftch fpäter 
burd) feine „©cfdndjte bet grogen Hrmce in Kuglanb" einen berühmten Hamen gemacht 
gat. (Er gatte bie Egre, bet Königin €uife porgeftellt ju werben, pon ber er eine Segilberung 
entwirft, bie gier wogl eitigcfhaltet werben barf. „Eine ber Erinnerungen," fchreibt er, 
„bie mir non meiner furjen Keife nad) Berlin geblieben jinb, ift bie Bewunberung, weldje 
mir bie fdjöne unb geiftreiege Königin non pr engen cinflögte . . . 3* glaube noefj biefe 
Bürgin por mir }U fegen: galb gingeftreeft auf ein prächtiges Sofa, ein golbencr Dreifug 
neben igr, ein Sditeier pon orientalifchem purpur um bie elegante unb anmutige (Taille. 
3n bem Klang itjrer Stimme lag eine fo gatmonifege Sanftheit, in igren IDorten etwas 
fo liebenswürbig unb rügrenb fjinreigenbes, in igr er Haltung fo picl Key unb ZTTajeftäl, 
bag id) einige Hugenblicfe pöllig betroffen, mich einer jener Erfcheinungcn gegenüber glaubte, 
beren berüefenbe unb bejaubembe Bilber uns bie fabeln ber alten feiten gefcgilbert gaben." 

Die Eröffnungen Durocs riefen in Berlin nicht geringe Beflutung gerpor. Hahbem 
man sunäcgft pergeblich perfucht tjatte, ben Husbrudi bes Krieges burd) biptomatifche Büttel 
mögliihft ginausjufcgicben unb bie ©egenfäge ber in tjamiopcr aufeinanberftogenben 3 n tereffen 
burd) woglgemeinte Dorftellungen nach allen Seiten gilt ausjugleichen unb 3 U perfögnen, 
empfagl ber HTinifter ©raf fjaugmig, jur Sidjerftellung Preugens gegen bie folgen bes 
Krieges, bie abermalige Belegung bjannopers burd; preugifdje (Truppen. IDieberum würbe 
Königin Cuife an ben gierbei gepflogenen Dergaublungen beteiligt. Der fxrjog pon Eambribge, 
igr Detter, fdirieb igr im 3"(ereffe fjannopers, unb fle permittelte bem gannoperfegen Hb* 
gefanbten, Blajor p. b. Decfen, auf beffen Bitte eine prioataubienj bei bem König. Huf bie 
Hitregungen bes ©efanbten wegen einer neuen Deniarfationslinic 5 um Sdiuge Horbbeutfdj* 
lanbs pergielt fidj ber König ablegnenb; bas würbe, meinte er, jegt ju einem Kriege mit 
^raitfreid; fügren, ben er bis aufs äugerftc penneiben müffe; aud; eine Belegung bes 
Canbes burch preugifdie (Truppen werbe ^franfreieg nicht jugeben; übrigens gäbe er burd) 
bie (Dffupation im 3<*g M (SOI, bie boch lebiglid) ju Ifamtopers Beftem gewefen, bei bem 
Canbe felbft wenig Danf geerntet. 

Heben ber Jriebfertigfeit bes Königs, bie por ber biogen HTöglicgfeit einer friegcrifchen 
Derwicfelung mit ,franfreich jurüdfdjrecfte, war es Kücfficgtnagme auf Kuglanb, was 
bie preugifege politif entfegeibenb beeinflugte. ^5wei 3agre t’rüger war bie Belegung haupt 
fädilich auf rufftfegen Bittrieb gefegegen; jegt erMärte fid) Kuglanb bagegen, anfdjeinenb aus 
Hrgwogn gegen ein geintlicges Einperftänbnis Preugens mit ^ranfreidj. 



140 




V 






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IPenn gicmacg bie Befegung tjannooers burcg preugifcge Truppen unterblieb, fo 
beantragte ©raf fytugtoig, »enigftens burcg gemiffe ntilitärifcge Küftungen ftcfj auf alle 
5u>ifdjenfäIIe bes englifd)*franjögfcgen Krieges oorjubereiten. Der König jögerte, einer Uiag* 
reget jujuftimmen, bereu Tragweite geh ferner abfegen lieg. ©r perfegob bie ©ntfegeibung 
auf eine Befpredjung mit feinen militärifdjen Katgebern, bie bei ben ITtaitöDem in ber 
Umgegenb pon 2Ttagbeburg ftattfinben follte unb ju ber er auch ben ©rafen fjaug»ig cinlub, 

Km 25. JTlai traten König unb Königin bie Sommetreife an, bie jugleid) Truppen» 
reuuen, ber Bcgcgtigung ber neuen ©Werbungen preufiens in Thüringen unb penuanbtfcgaft» 
liegen Befucgen, namentlich bes furgefftfegen fjofes in IDilgelmsbab, gelten fottte. Drei Tage 
fpäter, am 28. 2TTai, fam es in Törbelig auf bent rechten ©Ibufer ju Beratungen, bie für 
bas Sdjicffat preugens unb Deutfcglanbs pon großer Bebeutung »erben mufften, ©raf 
f)aug»i6 legte einen ©dag an bie preugifcge ©efanblfcgaft in Paris por, in roekbem ber 
franjöftfchen Kcgierung ber Perjicgt auf ben ©inmarfeg in fiannoner porgefcglagen, juglcicg 
aber bie Pomagme militärifei)er Küftungen in preugen ausbrücfltcg angefünbigt »urbe. 
Der König, in Uebereinftiminung mit feiner lnilitärifcfjen Umgebung, namentlich bem 
©berft pon Köefrig, per»arf ben Porfcglag bes ©rafen 6aug»ig. ©r erftärte, bag ber 
UTiniftcr ju fch»ar$ fege: nur fcgmache Truppenteile feilten an ber gannoperfegen ©reu je 
aufgeftellt »erben. Km näehfteu Tage, in fcglccgter Caune, fegte er mit ber Königin bie 
Keife nach ©geringen fort: aus ©rfurt, am 3t. 2TTai, fegrieb ber Kabinettsrat Combarb 
an ffaugmig: „ Uicgts »irb uns perginbern, naeg IDilgelmsbab ju reifen." 

Das Syftem ber Neutralität Horbbeutfcglanbs lag jertrümmert am Boben. Nachbem 
preugen fieg pon ber Perteibigung bes Deutfdjen Krieges t795 unb (796 jurüefgejogen 
gatte, perfagte es nun aueg ben Staaten Norbbeutfcglanbs bie ffilfe, bie boeg feine eigenen 
3ntcreffen unbebingt geboten gälten; wie lange »erben bie preugifegen ©renjen felbft noeg 
unperleglicg bleiben unb auf ben Segug igres Staates reegnen fönnen? 

IDägrenb franjöftfcge Truppen bas Kurfürftentum fymnoocr überfluteten unb j»ifcgen 
©Ibe unb IDefer ficg feftfegten, reifte ber König, ber feine gute Caune halb »ieberfanb, mit 
ber Königin über f)ilbburggaufen , Koburg unb Knsbach naeg IDilgelmsbab, »o fämtlicge 
£<g»eftem ber Königin ebenfo »ie bie Brüber unb Scg»eftem unb Sdjroäger bes Königs 
ficg jufammenfanben. Kucg Königin £uife gatte bie politifegen Sorgen, »enn fte igr über* 
gaupt näger gefommen »aren, halb pergeffen. 3 n IDilgelmsbab lieg fte ©oetges Uiuttcr 
»ieber ju ficg cinlaben, plauberte mit igr pon ben unpergegliegen 3ugenbtagen in ^ranffurt unb 
befdjenfte ge mit einem golbenen „fjalsgefcgmeibc". Pon ganjem fjerjen genog ge bie Jreuben 
ber Keife, por allem bie IDonne bes IDieberfegens mit igren brei Scg»eftern. Dem Bruber 

m 




,?>trifdjcn 2IIcranber unb ITapoIecm 




©eorg, ber noch in Italien meilte, fchriob fic nad) 6er Kücffegr non Charlottenburg aus: 
„34 mar alfo mieber in 6«n glücflichcn ©efiI6en, mo mir unfere ungetrübte Kinbgett un6 
3ugen6 jubraegten. Ud)l 34 fann cs nid)t befdjreiben, mit meldjen ©efüglen id) fte 
6urd)Iicf. Dod) bas fdimbre i cf), bag Du immer unter uns marft, mo bie pier Sdjmeftern 
maren, unb bag unter Zlusruf aus allen Keglen gleidi mar: ,©ott, mas gnb mir ioef) 
glücflid), märe ©eorge nur bei uns, fo märe es pollfommcn 1 , unb mas am fonberbarften 
mar, ift, bag biefe IDahrgcit geh bis auf bie Kammerfrauen erftreefte; mie oft beim 2lus* 
Siegen in UXlgeltnsbab fagte mir bie Sdyabom nicht: ,<£s fefjlt niemanb, mie bet £jerr 
(Erbprinj, ber macht alles fegbner unb Iebenbiger*. 34 fam beit (■ 3uni nad) £)ilbburg« 
häufen. Unten am Sdjlog ftanben bie jmei älteften Sdjmeftem, alle Kinber, bie ftdj nad) 
ber Seige an meinen fjals, Kleiber unb Schleppe gingen. Das mar mieber ein gimnilifcgcr 
Kugenblicf ! . . . Den 3uni gingen mir über Koburg nach ^ürtf} . . . 3 n ^ürtfj fanb id) 
Jrieberife. Diefe ,5ufainmeufunft mar beinahe mehr fchmerjlid) mie erfreulich. 34 glaube, 
mir empfanben im Uugenblicf bes IDieberfegens unb ber erften Umarmung ben ganjen 
Umfang bes Unglücfs, poneinanber getrennt ju fein, benn ge meinte fo heftig, bag ge geh 
nidjt erholen fonnte, unb ich, als ge mid) aus ihren Krmen loslieg, beinah ohnmächtig. 
3<h fanb ge fo gut unb gübfeg als möglich . . . Den f2. fanten mir alle mieber $ufammen 
in XDiltjelmsbab, fomogl bie preugtfdie als bie meeflcnburgifche Familie. Kaum maren 
mir beifamnten, fo fallt Dein teurer Harne in aller Hlunb unb ber IDunfd) Did) bei unb 
um uns 5U fehen. Der 5 u f a, nniengug pon Prinjcn mar unbegreiflich, $2 prinjen unb 
prinsefgnnen maren mir bei Cifch . . . Den 16. maren mir in Darmftabt, alle pier [Schmefiem] 
in einem IDagett. Klle Core, Stragen, ©äuge mit Sefannten unb Ceuten angefüUt. 
fjoffmann, Straug, €id)tgammer, alles fattb geh mieber. Der Canbgraf, einfach, aber 
herjüdj. Die alte Kätin am ;Jenfter, ftreefte beibe Urnte aus unb über ben Kopf. 3 m 
IDagcit fdjric alles, ad), fege, papa fein l)aus, bem ©nfel Karl feins, unb fo bis ans 
palais, mo Cränen mid) erftieften unb fo aud) beim Kusfteigen im Schlog. 34 fonnte 
nid)t fprcchctt, aber benfen tat id), fügten, unb entpfanb bas, mas man nicht in IPorten 
ausfpriegt. 34 wette, Du bift mie bagin oerpganjt beim Cefen biefer feilen unb lieft in 
meinem 3nnem. ®ott, mie ift boch pieles fo gut, fo fonberbar, fo unbegreiflich in ber 
IDelt" . . . Uud) bet ©rogmutter berichtete ge über ben Sefud; in Darmftabt: ,,3d) mar im 
lieben Darmftabt, id) fant bei bent lieben palais porüber, unb taufenb föftlid)e (Erinnerungen 
unb bie poüfomntenfte Danfbarfeit erfüllten mein f^erj. 34 mar fo gerügrt bei bem 
Knblicf biefer teueren Stätten unb bei bem ©ebanfen an 3gre ©ütc unb an 3h rc ^ürforge, 
bag id) in Cränen bas Schlog erreichte." 




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Km 30. 3unt war feer König mit feer Königin feafjcim in potsfeam, mo feie politifcben 
Sorgen fogleid) miefeer auf itjn einftürmten. Hod) an feemfelben Tage erhielt er eine 
Denffd)rift fees (Srafen feer infolge fees Cinmarfd)es feer Jranjofen unfe bei feer 

gefäi)rfeeten Cage Sorbbeuifd)lanfes feie BTobUifierung eines preugifdjen Cruppenforps non 
40 — 50000 Blann nad)fecücflid) forfeerte. Seine Porftcllungcn blieben nid)t oi)ne IDirfung 
auf feen König; nod) permod)te er fid) nidjt oljne meiteres ju Lüftungen zu entfdjliefien, aber 
er fanfete feinen pertrauten Kabinettsrat Contbarfe }u Hapoleon nad) Srüffel, um fid) n ad) 
feeffen Cinferücfen über feie Knträge fees (Brafen fiaugipiß ju cntfdjeifeen. 3°^ ann IDilhelm 
Combarfe, fdjon unter jrieferid) feem (Broten Kabinettsfcfretdr, fjatte fid; in feie Knfdjauungen 
König ^riefend) IPilbclms fo eingelebt, feafj er feer befte Dolmctfdjer feiner (Befeanfen ge* 
irorfeen mar unfe bei feen fremfeen (Befanfeten in Berlin aud) feafür galt Cr teilte feie 
Porlicbe fees Königs für feas Bcutrulitätsfyfteni, momit er nod) eine auf Kbftammung 
unfe literarifd)en Sympathien berabeitfee Hinneigung ju ;Jranfreid) perbanfe. Durd) feie 
beftimmteften unfe feierlid)ften Perfid)erungen lief er fid; jetst in Srüffel überzeugen, feafj 
XIapoIcon nur mit feem Kriege gegen Cnglanfe befd)äftigt fei unfe felbft feen ^rieben auf 
feem ^eftlanfe erhalten ipolle. (Ohne fid) bei Bapoleons Cbaraftcr für alle ^ufunft per« 
bürgen }u mollcn, h><U Combarfe feod) $unäd)ft jefee (Befährbung Preußens für ausgefd)loffen 
unfe glaubte feesljalb feinem König ron militärifdjen Lüftungen abraten ju feilen. 

Hod) mäf)renb feer Knmcfenhcit Combarbs in Srüffel perfud)te Itapoleon feie Knfnüpfung 
perfönlid;er Beziehungen z u feem preufifd)en Königshaufe. Sd)on im IPintcr pon 1800 
auf 1801 batte fid), roie ermähnt, fein jüngerer Brufeer, Couis Bonaparte, längere ^eit in 
Berlin aufgehalten. Sein befdfeifeenes Kuftreten mad)te am fjofe einen günftigen Cinbrucf, unfe 
aud) ihm beljagte cs feort fo, feafj er erft auf ausferüdlid)en Befehl ZTapoIcons im Februar 1801 
abreifte. Cr hot feie freunfelid;e Kufnahme am Berliner fj°f c nie pergeffen unfe als König 
pon liollanfe fpäter miefeeri)olt feine Danfbarfeit betpiefen; für Königin Cuife insbefonfeere 
empfanfe er aufrichtige Perehrung: ihr Silfe hing in feinem Schlafzimmer. IPir erinnern 
uns, baff ein rufftfd)er Diplomat einige 3 a h rc früher empfohlen hotte, feie rufftfehe Koiferin 
ZU Königin Cuife in Beziehung zu bringen unfe feaburd; auf feen König einzuipirfen. IPolIte 
IZapolcon je|jt in ähnlicher IDetfe perfahren? Pon Brüffel aus febrieb feine <Bemaf)tin 
3ofephinc an Königin Cuife (28. 3nli 1803): 

„ jrau pon Cuedjcjini, gnäfeigfle £rau, hat mir einige Blale pon feen Aufträgen erzählt, 
feie Cm. Slajeftäi ihr für franzöftfdje Biofeen gegeben hoben; id) feaebte mir feeshalb, feafj 
es 3hncn angenehm fein mürfee, menn id) fic mährenfe ihrer Safeercife perträte, fj ert 
Combarfe tjut es freunfelid)ft übernommen, 3hnen Bjüte unfe Brüffeler Spieen zu überbringen. 




§n>tfd^n 2Uerattber unb Hapolcon 







Hicfc pugfacgcn fönnen bie Üictje nicgt ergögen, öic Me Bemunberung aller er werfen , bie 
bas ©iürf gaben, ficg 3g' 1 «’ 1 Wägern }u bürfen. Kber tnbem icg ge 3fjneit anbiete, gäbe 
icg ben augcrorbentlicgen Dorjug, (Eurer ZTtajcftät bie fjulbigung meiner Entpfnbungen 
barbringen ;u bürfen. 3of e Pg> nc Bonaparte." 

Bei allem weiblicgen Entjürfen über bicfe ©efcgenfe, ron benen fie gleicg ben Bruöer 
©corg benaegricgtigte, begnügte fidj Königin Cuife borf 1 , ihren Hanf burdj bie ZHarquife 
CucAcgni übermitteln 5 U laffen; erft im Zitat (80^ fegrieb fie felbft an 3of<pgine. Zlodn 
länger bauerte bie fjerffcllung bes ©egettgcfAenfes, einiger mit Kngegten r>on ZTialmaifon 
gcfcgmücftcn Pafen ber Königlicgen porjcllanfabrif, bie nicgt befonbers gefcgntarfpoll gerieten 
unb im 3af?re 1805 naeg paris gefanbt mürben. 

Hie pon Contbarb überbraegten Pergcgerungen Napoleons befeitigten 3 mar junäcgft 
ben ©ebanfen an eine ZUobilifterung; ba aber bie allgemeine tage ber curopäifcgen politif 
für preugen bebroglicg blieb, fo mugte micber ber IDeg biplomatifdjer Perganblungett 
befdiritten »erben, um bem erfAüttertcn preugifegen Zleutralitätsfyftem eine neue unb feftere 
©runblage ju geben. Habei ftellte es fiefj immer megr geraus, mic Me Zlnwcfengeit ftarfer 
franjöftfcger Cruppenmaffen in Ijannoper eine unerfcgöpflicge Quelle t>on SAwierigf eiten 
unb Pcrwirfelungen für preugen biibete. ZZacgbem man juerft mieber txxfuAt gatte, mit 
Buglanb unb .franfreiA jugleiA, bann mit .franfreieg allein ;u einer PerftänMgung 3 U 
gelangen, braeg man im Kpril (80^ alle Pcrganblungen mit ber (Erflärung ab: man erwarte 
mit Bcftimmlgeit, bag ^ranfreteg feine (Truppen in IfanuoDcr nicgt weiter perftärfe unb bie 
Neutralität ber norbbeutfegen Staaten nicgt megr perlege; bei (Erfüllung biefer Bcbingungen 
werbe preufjen fidj nie an feinbfeligen planen gegen .franfrcicfi beteiligen. (Einige IHocgcn 
fpäter unterjeiegnete ber König auf Kaifcr Klcjanbers IDunfA eine jweite (Erflärung, worin 
er bie Kufje ZZorbbeutfcglanbs aueg Huglanb gegenüber perbürgte. Eine igm angetragene 
Kilian; mit Xufjtanb aber, bereit Spige geg boA gegen Jranfreicg gefegrt gälte, perwarf 
ber König ebenfo wie ein Bünbiüs mit JranfreiA, an bem Nuglanb feinen ITeil gaben 
follte. Er wollte ber Jreunb ber einen wie ber anberen ZTTacgt fein unb bleiben, ©raf 
bjaugwig, ber bem König pergebens feine anbeutete, ob man bicfe beiben ,freunb« 

fegaften auf bie Hauer miteinanber werbe percinigen fönnen, überlieg im Kpril 180*1 bie 
teitung ber preugifegen Politif bem Jrcigcrm poit Ijarbenbcrg. Her ZllinifterweAfel bebeutete 
feinen Umfdjwuttg in ber preugifegen politif: naeg wie por war es König jriebrii) 
ZPilgelm UI. felbft, ber igren Egarafter unb igre Kiegtung beftimmte. 

IHägrenb preugen ben beiben ZZacgbarftaateu gegenüber eine burAaus frcunbfegaftlicge 
fjaltung beobaegtete, gatten Me erfolglofen Pcrganblungen über fyinnorer in Jriebrieg 



l« 



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IDiIbdm boij eine gemiffe perfönlidje Derftimmung gegen Hopoleon beroorgerufen, öie 
nod) öurdi öie ©rfcbicfung öes Herjogs non ©ngljien perfdjärft mürbe. Königin £uife hätte 
gern ©tauer um Öen Prinjen angelegt. Kuf öie politifdjen Bejahungen aber batte 
öas ©reignis feinen ©influf. Die Knjeige Hapoleons pon feiner ©rljebung jum erblichen 
Kaifer öer ^franjofen cririöerte öer König mit lebhaften unö aufrichtigen ©lücfmünfdjen. 
Hapoleon benutzte öas abermals ju einem Derfud; , ftdi öem preufifdjen Königsbaufe ju 
nähern. ©r fanöte feinen Kammerfjerm ©raf Krberg an König .fricörict) IDilbelm 

mit einem Schreiben, in roelcfjem er für öas Derbalten preufetts bei öer ©rridjtung öes 
Kaiferreidjs öanftc unö feine Bcreitmilligfcit ausfpradj, feinerfeits jur ©rljähung öes ©Ianjes 
öer preufifdyen Krone beantragen. IPäljrenö öer Knmefenljeit Krbergs in Berlin mar piel 
öapon öie Hebe, baf preuf en mit (Juftimmung ^ranfreidjs 5 um Kaiferreidf erhoben merben 
falle. Die fy)ffreife, fo birf *s, aud? bjaröenberg unö öie böseren ©fftjierc mären öafüt 
gemefen: öer fdjlicfjte Sinn t frieöricb IDilljelms aber bemabrtc Preuf en por öer ©efabr 
eines Kaifertums pon Hapoleons ©naöen. 

Der franjöjtfdje ©efanöte roill öabei erfahren hoben, öaf auch Königin Cuife öem 
König jur Hblebnung öes franjöftfcben Eintrages geraten habe, obgleich fte im 3nneren 
eigentlich öafür gemefen fei. IDir haben feinerlei authentifches Zeugnis über öie Haltung 
öer Königin in öiefer ,frage; feiner ihrer Briefe aus öiefer £tit enthält irgenbmeldje 
politifche Hnfpietungen. Bei aller perfönlichen Hinneigung 5 U Kleyanöer unö bei einer 
machfenöen HTifftimmung gegen Hapoleon, billigte fie hoch pon ßerjen öas preufifebe 
Heutralitätsfyftem; öen frentöen ©efanöten galt fie öurch ihren angeblichen ©influf auf 
Öen König für eine H au PiftülK öiefer Politif, jumeilen fogar eher für franjofenfreunblid;. 

Diel näher als öas politifche ©etriebe lag öer Königin öie Ceilnabme an öem S<hicffal 
ihrer .freunöin Helena pamlomna. Die prinjeffm mar nicht lange nach ihrem lebten Befuch 
am preuf ifdjen H°f e «tftanft, mie es fpätcr b'rfi infolge einet ©rfältung in potsöam. 
Sie fiedjte langfam öahin, jur grofen Derjmeiflung öer Königin, öie mit öer innigflen £icbe 
an ihr hing. KIs im Frühjahr 1803 perlautete, öaf öie feibenbe jur IDieöerherftellung 
ihrer ©efunöheit nach öem Süöen reifen folle, Iuö fie öie prinjeffin öringenö ein, ftefj unter« 
megs einige ^cit in Sansfoud aufjuhalten unö auch öen Meinen paul mitjubringen, öer 
mit ihren Kinöern Befanntfchaft machen folle. „©ngel meines Hajens," fdjrieb fte ihr, 
„öas fchöne Sansfouci muf Sie reijen, öie guten fruchte ebenfalls unö 3hre Jreunöe auch 
ein menig. 3<$ ®eröe 3bncn ein Bett machen pon pfirfichen unö pon Crauben; menn 
Sie fi<h auf öie eine Seite menöen, mirö 3b non ein Pfirftch in öen HTurtö fallen, unö 
menn Sie fid) öaitn auf öie anöere Seite öreljen, fo mirö eine ©raube öa fein, öie pon 



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gmifdftn Jllejatt&cr uttb Hapoleon 




3f)ticn t>erf*lucft werben will. XDclcfj reijenbes £cben, unb bann werbe tefj Ijerrtt Brown 
(ben 21rjt) quälen, bis er mir erlaubt, einige Stunben bes Cages bei 3*? n « n jujubringen, 
meine liebe .freunbin, unb i* werbe 3h»eu ©ef*i*ten ersähen „ä la morbleu“. Kurj, 
Sie müffen nach Sansfoud, ohne Sattsfouei fein tjeil" . . . 

Die (Erbprtnjeffin reifte ni*t unb fant nicht na* Sansfouei; fte erbat ft* bas porträt 
ber Königin, um cs, wie fie fagte, mit bemjenigen ihrer ZTTutter jufamnten an il?r tjerj }u 
brüefen. über ba ifjr ^uftanb immer bebenf lieber würbe, machten ,-friebri* UHUjelm unb 
Cuife bei einer Keife na* Heuftrel* im Kuguft 1803 ifjr einen Bcfu* in £ubwigsluft, 
pon bem fte in tiefer (Ergriffenheit jurüeffamen. Km 2q. September ftarb bie prmjeffm. 
Kn ber Schwelle ber neuen fo bebeutfamen unb fo lange nachwirfenben pljafc ber preufif*« 
rufftf*cn ftaatli* bynaftifeben Begehungen ftcfjt für immer bie liebli*e £rf*einung biefer 
priiijcfftn, untfloffen non ber rührenben Cragif eines frühen Hobes, ber fte tjinraffte, faum 
ein 3 a h^ na*bem fte bie fjänbe ihres Brubers " Klejanber unb ihres ^reunbes ^riebri* 
IPilhelm ineinanbergeiegt hatte. Das preugifefje Königspaar würbe burch btefen !Eob auf 
bas f*mcrjli*fte erf*üttert; befonbers bie Königin, bie mitten in ben BTanöpcrserftreuungcn 
bie Ha*ri*ten über ben Hobesfampf ber unglücflichen ;Jrcunbitt erhielt. 3" 3 ahlrct*en 
Briefen hat fte ihrem tiefen S*merj Kusbrucf gegeben. Dem Bruber ©eorg flagte fte: 
„Der Hob ber engelsguten, engelsreinen Crbprinseß hat mi* um nieles in biefer IDelt 
gebracht. 3<*? glaube, ich fagte Dir fchon einmal, baß fte ft* in bem lebten 3ah ri gan 3 
befonbers an mi* gef*miegt hatte. 3 n nier IDo*en, bie fte nötigen fjerbft h>er 
jubraAte, hatte fte nti* ganj genau fennen lernen. Kein ©eräuf* ber großen IDelt ent« 
femte uns, unb baf i* in ihren Kugen bei näherer 8efanntf*aft niefjt nerlor, hat fte mir 

bur* unjäljlige proben gejeigt. Die BefanntfAaft mit ihrem Bntber, ben fte anbetet, bie 

näheren Derhältniffe, bie babur* jwif*en ihrer Familie unb ber unfrigen entftanben, flögten 
ihr unbegrenjtes Zutrauen ein. Sie war fo gut gegett mi*, ber König war *r mit fo 
nielem IDohltnollen jugetau, wir nerlebten fo angenehme Stunben in ihrer ©cfcllf*aft. 
Sie hatte fo wenig fleinli*e fehler an ft*, bie fo oft ,freunbf*aft ftören unb untergraben, 
fte war fo unfähig, etwas ju unternehmen, was mir ober *r na*teilig fein fonnte, alles 
biefes ift bahin unb wie für*terli* bahin ! . . . 3^? war fehr herunter unb au* meine 

©efunbheit hat gelitten, bo* meine cifeme ZTatur hat gefiegt, unb ber eifeme lDille, ben 

König ni*t bur* meinen S*mer} ju plagen, hat mir Blut gegeben, wieber fröhlt* ju 
fein unb ju f*einen“ . . . (Einen gewiffen Hroft unb (Erfaß für bie uerlorene Jrcunbin 
fanb Königin Cuife in ber Jjreuitbf*aft mit ber ©roßfürftin Zinna, einet geborenen prinjefftn 
non Sa*fen«Koburg, bie mit ©roßfürft Konftantin, beut jüngeren Bruber Kaifet Klejanbers, 

H« 



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in unglücflidjer Ehe lebte. Königin Cuifc batte fte bei 6er Durdireife burch Koburg (803 
näher fennen gelernt. 2luf iljre «Einlabung fam 6ie (Srojifürftin Knfang 2TTai ( 80 + mit 
ihrem Bruber na* (Tfjarlottenburg, wo fte ftdfj bis junt 20. 3uni auffjielt. €uife f*Io§ mit 
iijr innige Jreunbfchaft, bie ftch in Dielen Briefen äußert. «Bleich am tage nach 6er 
Kbreife Unnas fdjrieb fte ibjr: „Die (Tage, 6ie ich mit Dir uit6 Deinem Bruber perlebt 
habe, werbe iefj immer unter meine glücflichften (Tage rechnen . . . 3«*) freue mich fo innig, 
bap icf) Dicf; ganj fenne un6 Dt* fo tyerjlicfj lieb haben fann, bleib mir au* nur ein 
wenig gut." . . . 

3'u Jrübjafjr (80^ faij 6er preufjifdjc fjof noch anbere bebeulfante Befudje. Bo* 
tpäbrenb 6er Kitwefenfjeit 6er «Srojifürftin war ^riebri* Scftiller, Cuifens Cieblingsbidjter, 
am Ijofe Dorgeftetlt worben; fte f)at es immer bebauert, 6a p bie bamals angefnüpften 
Berhanblungen uiefit ju feiner lleberfiebelung nad; Berlin geführt haben. Kurj normet war 
^rau Don Stael pon 6er Königin empfangen worben. Kls bie Scbriftftellerin, beren Kornau 
„Delphine" eben großes Kuffefjen machte, ber Königin gegenüberftanb, war fie r>on beren 
Knblicf fo öberwältigt, bafj fte, wie fte felbft ihrem Bater Hecfer f*rteb, in tiefet Bewegung 
perftuntmle — oielleicfjt $um erften unb einjigett Hlale in ihrem Cebettl Die beiben 
grauen wechfelten einige Komplimente miteinanber. Jrau Pori Stael war geblenbet. „©fjne 
Schmeichelei," fcfjrcibt fte, „es ift bie reijenbfte ,frau, bie id; je gefeljen habe." 

Die übluhe Sommerreife biefes 3ol?res befdjränfte ftdj auf einen furjett Kusflug, ber 
gegen «Enbe Kuguft nad; Schleften unternommen würbe. Der IDinter bradjte bem Königs* 
häufe ^reub unb £cib, Ceben unb (Tob. 2Xm ( 3 . Dejcmber ( 80 ^ gebar bie Königin 
iljren oierten Knaben, ber am 6 . 3 a uuar (805 auf ben Hamen t ferbinanb getauft würbe. 
IDenige IDodjen fpäter erlitt bie Königin »ZHutter einen Schlaganfall, bem fte nach einiger 
Seit erlag. 3l? r Kbleben perbreitete tiefe «Trauer bei ihren Kinbent nid)t nur, fonbem bei 
ben pielen, benen fte eine gütige IDohltäterin gewefen war. Hach bem füllen IDinter, ber 
biefem (Trauerfall folgte, freute ft* bie Königin uni fo mehr ju ber Sommerreife bes 
3ahres ( 805 , bie wieber ins ^ranfcnlanb führen follte. IDie gewöhnlich würbe am 25 . ITlai 
aufgebrochen. Bon ber Hepue in «Törbelip, ber aud> franjöftfdje «Benerale beiwohnten, ging es 
nadj HTagbeburg, wo bie Königin, wie Karl 3'umermaitn ausführlich gefchilbert hat, burch ihre 
liebenswürbige bjulb gegen ein Kinb bie fvrjen aller (Einwohner eroberte, lieber IPerttigcrobe, 
pon wo ber Brocfen befliegen würbe, über Horbhaufeit, beffen eben erft preufifd; geworbene 
(Einwohner einen jubelnben (Empfang bereiteten, «Erfurt unb Koburg reifte man in bie fränfifchen 
Hlarfgraffchüften , bereu Knljänglichfeit unb Ergebenheit gegen bas preufifdje Königshaus 
pon feiner ber alten propinjen übertroffen würben. 3" bem Bayrcutfjer ©berlanbe, in bem 




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fl einen Babcorte SiAersreutlj (Klcjanbersbab), inmitten einet reijen&en ©ebirgsgegenb, rer« 
lebte bas Königs paar Weitere unb glücflicfje (Tage. Die prinjeffin Solms, beren ZDefcn man 
porteilljaft peränbert fanb, unb bie ©rofifürftin Zinna nannten jur $xeubt bet Königin baran 
teil. (Täglich mürben 3U pferbe Kusflüge in bie benachbarten Berge unternommen, oft unter 
ber Rührung fjarbeitbergs. Der preufifdje ©efanbte in paris, fuccfteftni, hatte (ich ebenfalls 
eingefunben; er crjäljlt in ben Briefen an feine in ran f reich jurü cf gebliebene ^rau, wie 
alles I>«rbeiftr5mo , „angejogen bureb bie ^reunbliebfcit bes Königs unb bie bejaubembe 
5<hönh<it ber Königin." fuife ^at fich bort ungemein gefallen, bas fanb erfdjien ihr als 
ein „©ben", unb es ift befannt, roie bas Knbenfen an bie Königin unter ber fränfifdjen 
Bepölferung, namentlich in 3 {an pouls ©eburtsort ZDunjiebcI, iebenbig geblieben ifl unb 
burch Cuifenburg, f utfcrtfir, unb anbere Hamen Iebenbig erhalten roirb. Kudi ©ger mit 
ben ©rinnerungen an ZDallenftein, bie Stelle, „tpo er feinen febönen heroifeben ©eift aufgab", 
fotme .franjensbab hot fuife bamals befucht. 

©s mar bie leljte jener Seifen, bei benen bie Königin immer fo riel ©lücf genoffen 
unb fo picl ©lücf perbreitet batte. ZPas fie fth bei ihrer erften Seife porgenommen: „bie 
fiebe ber Untertanen ju geminnett", mar ihr im reichftcn Blaffe gelungen. Der 5ouber ihrer 
perfönlichfeit fchlang um bas preupifhe Königshaus mtb bas preufsifebe Dolf ein feftes 
Banb, bas auch bie Stürme ber nächften 3uh ro nxcfjt gelocfcrt hoben. 

Km 8. 3uli 1805 maten Jriebrih ZDilhelm unb fuife mieber in ©horlottenburg unb 
bas fjofleben nahm feinen gemohnten ©ang. König unb Königin befuchten in Bellcpuc 
bie ^amilie bes alten prinjen t fcrbinanb unb beffen Scfjmiegerfohn, ben dürften SabjimiU, 
in ^riebrichsfelbe bie fjerjogin pon fjoIftein«Becf; jic fuhren nach potsbam unb Berlin ins 
(Theater, mo ,Jrau 3ogemann aus IDeimar gaftierte, unb faljen „Krmiba" unb „König fear" 
unb ben „©eijigen" ZTloliires, ben 3ffl j nb bamals junt erften ITlale mit großem ©rfolge 
fpielte. Sic beftd}tigten bie ZTlerfmürbigfeiten, bie Kleranber pon Zjumbolbt r>on feinen Seifen 
mitgebracht unb bie er im prins fyeinridjfefjon palais, ber fpäteren Unioerfttüt, ausgeftellt 
hatte, uitb in bet porjellanfabrif bie Hafen mit Knftchtcn pon ZTtalmaifon, bie, roie ermähnt, 
ber ©cmaljlin Hapoleons als ©egengabe für bie ber Königin gefdjenften Spi(senfleibet unb fjüte 
beftimmt maren. Sonntags ging man in bie XZieolaifirche, um ben neuen prebiget probft 
Sibbecf, ben Hachfoiger Kellners, ju hören, ber fehr gefiel, fjäufig unb gern mürben 
Kusflüge gemacht, nach ber pfaucninfel, mohin auch bie föniglichen Kinber pon Sansfouri 
aus famen, unb nach Parefi, beffen meltentlegenc ©infamfeit ^ricbrich ZDilhelm immer 
noch jebem anberen Kufentljaltsorte por3og. (Dft, roährenb ber König feinen militärifcben 
Befchäftigungen nachging, ritt bie Königin fpajieren in Begleitung ihrer fjofbamc, ber 







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(Sräfin Cifinfa ©auentjien, ober ixt ©räfm Klärte Brühl, öic ftcfj fpäter mit 6cm großen 
Kriegsthcorctifer ©laufewig permählte. 

Der ITtonat Kugufl brachte 6er föniglictjcn Familie jnxt fefjöne ^efttagc: am 3. Kuguft 
Öen ©eburtstag 6es Königs, am [ 2 . Kuguft 6cn ©eburtstag 6cs Bruöcrs 6er Königin, 6cs 
©rbprinjen ©corg. €s ift 6od) bcjcicfjnenb, wie pcrfdjicbcn bri6e ©eburtstage gefeiert 
würben. Km 3. Kuguft: grofses ^eftmafjl, oiel militärifdjer Prunf, por allem pid, pid 
3anitfeharenmufif, 6cnn IHujtf pon Blasinftrumenten war, wie Königin £uife einmal 
fchreibt, 6es Königs „einige ;freu6e", un6 3ffl<*n6 muffte itjr jumeilen 6ie ZTlufif beliebter 
©pern, wie öcs „Unterbrochenen ©pferfeftes", für Blasinftrumente beforgen. ^ür ©rb= 
prinj ©eorg, 6er im 3aljre porfjer aus 3talien jurücfgefdjrt mar, Ijatte man einen ©eil 6es 
nach 6em ©arten 5U gelegenen run6cn Saales im Charlottenburger Schlaffe in ein ©rangen« 
tpäl6d)en rcrtpan6elt, hinter 6em 6ie ITTufif perborgen tpar, roäljrenb Herren un6 Damen 6es 
fjofes in öer ©rächt römifdjer un6 albanifcher Säuern un6 Bäuerinnen Quaörillen auf* 
führten. Den Sdjlufs 6es ^eftes machte in 6er mit Blumengirlan6cn gefdjmüeften ©alerie 
ein allgemdner Ball, bei 6em Königin Cuife im Pollen ©tan5 ihrer Schönheit ftrahlte, un6 
auch «?« fchänen fjoföamen, 6ie ©räfinnen ZHottfe un6 fjaröenberg, 6urch anmutigen ©anj 
aufficlen. ©räfin Bofj fan6 6ie Herren in ihren Bauemfleibem recht häßlich; aber 6er 
König, obgleich ettpas Iei6en6, freute fidj 6er ilcberrafchung frines Schwagers un6 meinte: 
„€s ift rin recht fchöncr Ball, ich hätt’s nicht ge6acht." 

IHinber erfreulich perlief eine an6crc Kngdegenheit, öie 6amals 6cn Berliner fjof piel 
befchäftigte. Hachöem , wie wir uns erinnern, ein 3*% vorher 6er jüngfte Sruber 6es 
Königs, prinj IDilhdm, mit Prinjeffin IHarianne pon £jeffen»f)omburg permählt wor6en, 
baebte man jefst 6aran, auch 6en jüngeren Bruöer, prinj Ijeinrid), ju perheiraten. 
€ine bänifefje Prinjeffin war ju feiner ©attin auserfehen, un6 6änifcfje Bepollmächtigte, 
unter ihnen ©raf Bcmftorff, 6er Bru6er 6es UTinifters, waren fcfion ju 6en Derhanblungen 
in Berlin cingetroffen. Kber prinj Heinrich fonnte ju feinem ©ntfcbluf fommen; 6er 
fjciratsplan fcheitcrte, wie alle an6eten plane 6erart gefheitert finb, un6 6er prinj ift be» 
fanntlich unpermählt geblieben. 

3« 6ies fric6fame un6 häusliche Stilleben 6es Berliner fjofes brach nun im September 
6er Kriegsfehreefen herein, 6er nach einem 3 a b? r 5 c *? nt 6es jjriebens jrijn fchwere 3 a *?r* 
lang auf 6em Can6e laften follte: am 7. September 1805 begann 6ie UTobilifierung 6er 
preufjifhen Krmee. 



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II. Bündnis mit F ra nfreief; 

fän «ft n>ar eine neue große Koalition gegen ^ranfreii; in Vorbereitung. 

Schon im Booember |80+ halten Kufslanb und ®efterreicb einen Vertrag abge* 
fdjloffen, her noch einen befenfipen Ebaraftcr trug unb nur bei weiteren Uebergriffen 
Bapoleons ben Krieg gegen ^ranfreieb in Kusftcbt nahm. (Ein rufftfdj-englifdjer Vertrag 
dagegen rom Kpril |805 ftellte Forderungen an Bapoleon fefl, deren Kblehnung fofort den 
Krieg nach fich jieljen follte: Käuntung 3laliens und Borbbeutfchlands, ilnabljängigfeit 
lyollands und der Schweij. Ein ruffifdier Diplomat, Bowoffilfeow, follte diefe Bedingungen 
in paris porlegcn, gab aber in Berlin die Keife auf, als die Hai; riebt non der oljne 
Küeffidjt auf die feb webenden Verhandlungen rolljogenen Einperleibung ©enuas in das 
fraitj5ftfd>e Kaiferrcich eintraf. 2luf allen Seiten rüflete man jeßt ju dem nun unoermeid* 
liehen Kriege: ©efterreicb traf Knftalten sunt Einmarfch in Bayern und in das neue 
napoleonifdje Königreich Julien, ruffifche Cruppen häuften fidj an der preußifehen ©renje, 
und in Keoal fammclte (ich ein ruffifebes Korps, das, wie es hiejj, an der hannoperfeben 
Küfte landen oder non dem damals febwebifeben Stralfund aus die Franjofen angreifen follte. 

IVährend fo ringsum die IDelt ftefj mit IDaffenlärm füllte, ahnete in preufen alles 
den tiefften Frieden. $nebtii) IVilhelm mar 1805 fo friedfertig gefinnt wie je 5 uoor. Er 
war nieijt gleichgültig gegen das gefahroolle Knfcb mellen der napoleonifcbett Uebermacht 
und flagt wohl einmal in einer feiner wenigen politifehen Bieberfchriften aus diefer ,3cit 
über die unruhige und unbeftänbige politif feines Ba<hbars und deffen maßlofen Eljrgei} 
und maßlofe fxrrfcbfucht. Solange aber die oon ifjm in der Deflaration pont Kpril (80^ 
(flehe oben Seite I i4) gejogene ©renje nicht perletst, folange nicht gerabeju prcujjifcbes ©ebiet 
angegriffen wurde, war er entfcbloffen, feine Bcutralitäi nach allen Seiten h* n aufrecht 5 u 
erhalten. Königin Cuife, ungeachtet ihrer Kbneigung gegen Bapolcoit, die doch mehr ethifeber 
als politifcher Batur war, teilte die friedlichen Beigungen ihres ©atten durchaus. Von 
ihrer Sommerreife war fte mit ungünftigen Eindrücfen und peinlichen Empfindungen jurücf= 
gefontmen. Es hatte iljr nicht entgehen fönnen, wie der franjöftfche Einfluß tiefer und 
tiefer in das „Keich" eindrang, während preufsens Knfeben in gleichem Blage jurüefging. 
Es war ihr erjählt worden, dag der ftanjöfifcbe ©cfandle in Kurheffen, Bignon, der früher 
als ©efd)äftsträger in Berlin für die Ijoffcfllicbfciten ©elegenlycitsocrfe dichtete, einmal an 
der Qoftafel in Kaffel geäußert habe: „Des Allemands? Mais y cn a-t-il encore des 
Allemands?“ Sie halt« dapoit in Berlin gefprodjen. Kls Dcutfche, wie fte fidj immer 

($0 



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gefüllt f>at, mochte fie fo breifter hjobn entrüftcn; als Königin non preufen mar fie mit 
bem preußifchen Heutralitätsfyftem gleichwohl rollfommen einrerftanben. 

(Es ift allbefatmt unb braucht hier nicht naher ausgefübrt 311 werben, wie bic leitenben 
Staatsmänner bes bamaligen Preujjcn, ber Jreibcrr ron tjarbenberg unb ©raf Sdjulenburg, 
unb bic nähere Umgebung bes Königs, fein ©cneralabjutant ©eneral ron Köcfrih unb feine 
Kabinettsräte fombarb unb Beyme bie politif ber Heutralität billigten unb förberten. 21 ber 
auch bie öffentliche ZTlcinung preujjcns, foweit eine folche (Aon jieb regte, war in weit über» 
wiegenbem HIafte für biefe Politif eingenommen. Seit bem Bafelcr ^rieben ron l? 9 ö lebte 
bie preufjifdje Berölfcrung in fclbftsufriebener Kulje Ijiitter ber Demarfationslinic, hörte ron 
ben Schlachten Hapoleons, (Ershe^og Karls unb Suworows, als ob fie in anberen Weltteilen 
gefcblagen mürben, unb fat) ber Zertrümmerung bes alten Deutfcbcn Keidjes unb bem Perluft 
bes linfen Kljeinufers gleichmütig unb teünalpnlos 5U. IPeltbürgerlichfeit unb partifularismus, 
Ueberbebung unb ^urchtfamfeit, Kriegsfpielerei unb .Jriebensfeljufudjt batten fidj vereinigt, 
eine fchwächlicb laue ©cfinnung berrorjubringen, in ber bas lebenbige «ßefüfjl für ben ratcr 
länbifdjen IPaffenrubm unb bie raterlänbifdje Ehre nicht mehr gebeiben wollte. Zmncift 
gefiel man fich in ber Porftcllung, bas Hcutralitätsfyflem für einen Beweis ber Stärfe, 
nidjt für ein Zeichen ber Sdjwädje anjufeben. Bie Befctjung fjannorers burch bie ^ranjofeit 
unb bie baraus entftanbenen mirtfchaftlicben Störungen unb Perlufte bitten biefe felbft» 
genügfamen Stimmungen leife erfdjüttert, ohne bod; einen tieferen UXinbel berrorrufen 
3 U fönnen. lllochten einsclne große ©ciftcr wie ^riebricb ©ettß unb halb auch 3 °*h lnltos 
ron ITTüller bic Hotmenbigfeit einer allgemeinen IPaffenerbebung gegen bie napoleonifdje 
Uebermad)t mit eifriger Berebfamfeit prebigen, bic IDortfübrcr ber öffentlichen 2tteinung 
ftanben in bem bamaligen franjöftfcb-englifcben IDcltfampfe noch 1805 mehr auf Hapoleons 
Seite. So ^riebrich Budjl;ol 5 , ber Perfaffer bes „Heuen Ceriathan", beffen febre ron 
ber Hotwenbigfeit einer napolconifdjen IPeltberrfdjaft 3 ur Sicherung aller höheren Kultur 
güter unter Beamten, ©ffijieren, ©elebrten riele unb begeifterte Zlnfjängcr faitb; fo Karl 
£ubmig lPoltmann, ber in feiner ^eitfdjrift „©efchichtc unb politif" bie beutfehe Hation 
bem ©ettius ber 2Henfchbeit um fjSfjcrcr Zmecfe willen gern 5 um ©pfer brachte unb iljr 
nur einen befdjeibenen plaß in ber fränfifeben llnirerfalmonarchie 3 uwies; fo bie ITiilitär» 
fcfjriftfteller HTaffenbadj unb I). ron Bülow, ber Bruber bes fpätcrcn Siegers ron Dcnnewifc. 
2lueb bie beiben Berliner Zeitungen, bie ihren politifchen Ztibedt ohnehin mcift ben franjöfifcben 
Blättern entnahmen, waren im gansen fran$ofenfreunblidj. 

Dies waren bie Stimmungen am Berliner fjofe unb in ber Berliner Benölfetung, als im 
Sommer 1805 sugleidj ron franjöfifchcr unb ron ruffifdier Seite ein Kngriff auf bic preujjifdje 

üt 



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^tpifdjfn 2IIfranber unb ITapolcon 



Beutralitätspolüif unternommen würbe, preugen (jattc, wie wir miffen, feine 3 n<er «ff« n * 
fpljäre auf fein eigenes (Rcbiet unb feine nöijften Uetcbbaru in norbbeutfdilartb eingefchränft; 
es war fett König Jriebridjs (Eobc non ber fjbije einer europäifchen ©roginadjt allmählich ju 
einer bcutfdjen, feit \?95 nur noch norbbeutfdjen Cerritorialmadjt tjerabgcfunfen. Die Bebeutung 
ber Verflanblungen, bercr mir i)ier nur furj gebenfen fbnnen, liegt bodj eigentlich barin, bag 
gerabe bie europäifdjen ©rogmädjte preugen wieber an beit Gebens fragen ber europäifdjen 
politif ju beteiligen unb in ben Kampf ber europäifchen ©egenfäge I?iiteinju$iel?en fuditen. 

Km 8 . Kuguft 1805 erfdjien ber franjöflfdje ©efanbte in Berlin, Caforeft, bei bem 
2TIiniftor tjarbenberg auf beffen Canbgut Cempelbcrg unb fdflug igm einen Vertrag por, 
worin preugen fld) jur Untcrftügung ^franfreidts Perpflichten folltc, falls irgenbeine Hladjt 
ben Beflgftanb in 3talien gewaltfam 3 U änbem nerfudjen würbe. IDas preugen im eigenften 
3 ntereffe für Ilorbbeutfcblanb übernommen, folltc es im franjöftfdjen 3 n,ctc ff e auf 3 la lien 
ausbehnett. ^ür bie fdiwerc £aft einer foldjen Verpflichtung fonnte ^frunfreid; eine pollwidflige 
©egengabe bieten. Es Dcrfpradj, Ijannooer an preugen fofort abjutreten unb bie ^eftfegung 
biefer Kbtretung in ben fünftigen ;friebensfd)lug mit Englanb aufjunegmen. Um bem fric 6 » 
liebenben Könige ben Vertrag annehmbar 3 U machen, würbe jugleidt ttachbrütflicb betont, 
bag einem preugifd) franjöflfdjen gweibunbe gegenüber niemanb ben ^rieben bes ^eftlanbes 
ju ftören wagen werbe. 

Die «Erwerbung fjannooers war pon ju ungeheurer Bebeutung für preugen, als bag 
man bas franjöflfdte Kngebot ohne weiteres hätte jurüefweifen bürfen. Sie befeitigte bie Klüngel 
ber geographifdjen ^erriffentjeit preugens, fic ergab in politifd)er, fommcrjieller unb militärifcher 
fjinftdjt bie uttfdjägbarflen Vorteile. Diefe Erwägungen lagen fo febr am (Tage, bag König 
friebrid; IDilgelm unb Ijarbenberg aud) ibrerfeits ben ©ebanfen einer Erwerbung bjannooers 
bereits mehrfach erörtert hatten. IDenn fle aber fegt auf bie franjöfifdjen Kllianjaitträge 
junächft eingingen, fo meinten fle, unb insbefonbere war bas bie Knfldfl ober ber IVunfcg 
bes Königs, bamit hoch jugleidj an ber bisherigen ©runblagc ber preugifchen politif feft» 
halten ju fömten. Eifrig ergriffen fle bie franjöflfdjc Knbeutung, bag bie Kllianj preugens 
unb ^ranfreidjs ben ^rieben bebeute. Um aber hierfür nod; eine breitere ©runblage ju 
gewinnen, forberten fle im 3 ntereffc ©efterreid)s unb Kuglanbs nun audj pon ^ranfreid; Bürg» 
fefjaft für bie Unabhängigfeit ber noch felbftänbigcn Staaten 3laliens, ber Schweij unb fytllanbs. 
Sie fchmeichelten fleh, bamit ben tt)üttfd)en ©efterreidts unb Kuglanbs entgegenjufommen 
unb ihnen bie Bewcggrünbe ju ihrer Jeinbfcligfeit gegen ^ranfreidj biplomatifcb ju entjiehen. 

KUein Hapoleon, wie er felbft einmal gefagt hat, falj in 3<alien eine ©eliebte, bie er 
für fldj allein haben wollte; man fann fldj benfen, wie er bie ^orberung pon Bürgfdjaften 

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(Eafol \5 




Kronprinjcfftn fuifc 
paficll<jcinöli>c von ,fclicitc Cüffaert um <797 



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§tr>if d?«n Jllcjanbcr unb ZTapoieon 



für 3talifi, bie ifjn felbft perpflidyten follten, aufnatym. Sein fjausmarfdyall Duroc, ber 
am (, September (805 ju meiferen Perfyanblungen in auferorbentlidycr Senbung in Berlin 
eintraf, erflärtc auf ausbrütflidien Befeijl Hapoleons, baf bie italienifdyen Derlyälfttiffc gauj 
pon ber Perfyanblung ausgefdiloffcn bleiben muffen, unb baf ^ranfreicb ijädiftens ben 
Befifftanb, nidyt aber bie Unabhängigfeit fjollanbs unb ber Sdymeij jugeftefyen roolle. Dafür 
aber pcrlangte er, baf preufen burdy energifdye ©rflärungen, feibft burdy Cruppenbemegungen 
©eftcrreid; bebrolye. Der König unb fjarbenberg , mit bem Duroc am 3. September fteben 
Stunben lang perfyanbelte, mieberfyolten ifyrerfeits, baf jte ju einer näheren Derbinbung 
mit ^raiifretch geneigt feien, baf aber auch ^raufreidy ©arantien gegen meitere Uebergriffe 
geben müffe; ber König erinnerte perfönlidy an bie überrafdienbe ©inperleibung ©enuas 
unb gemijfe Porbereitungen gegen Cucca, moburdy felbft bie beften ^reunbe ^ranfreidys 
beunruhigt mürben. Zladybrücflidj unb in fdjrifttidj rerbinblidyer ^orm mürbe jugleidy 
ausgefprodyen, baf bes Königs Syftem bie (Erhaltung bes ^riebens fei unb bleibe, unb baf 
er nur ju biefem ^meefe Hapoleons Dorfdilägen näfjcrgetretcn fei. 

©s mar ber alte ©egenfats, ber feit bem Bafeler rieben trof aller gegenfeitigen 
Knnäfycrungsperfudye preufen unb ^ranfreid) immer mieber auseinanbergelyalten batte, ein 
©egenfaf, ben auch bie gefdyidtefte Diplomateiifunft nidjt fyinmegjuräumen pemtodyt batte: 
Jranfrcid;, unter ber Kepublif mie unter Ifapoleons Kegiment, fudite Preufens Bünbnis 
jur Durchführung feiner friegerifdjen ©j-panfionspolitif , preufen mar $u einer Kllianj 
bereit, fomeit baburch bie fjerftellung ober bie Kufredyterlyaltung bes ^ riebe tts geförbert 
merben fonnte. 

3« benfelben erften Septembertagen, mo Jranfreidys Kngriff auf bas preufifdje 
neutralitätsfyflem jum Sdyeitem fam, erging audj nad; Petersburg fy<n burdy König 
^riebridj IDilhelm felbft eine entfdyiebene Ubfage an bie rufftfdje Kufforberung, ftdj ben 
Küftungen gegen Jranfrcidy mitmirfenb anjufdyliefen. 

Seit ber 5ufammenfunft in BTemel roat Kaifer Ulejanber I. pon Kuflanb unabläffig 
bemüht geroefen, ben mit bent preufifdyen Königspaar gefdyloffeiten Jreunbfdyaftsbunb ju 
einer intimen politifdyen KUianj im Sinne ber ruffifdyen Koalitionspläne ju ermeitem, 
mährenb König jriebridy UHIfyelm III. allem Bitten, Sdymeidycln unb Drängen gefdyicft 
ausjumeidyen perftanben ijattc. 3™ Sommer (805 nun führte biefe porftdytige ,i5urücf= 
haltung preufens ju einer emften Krifts, ber emfteften pielleidyt, bie im (9- 3 a ^? r i? un ^ cr * 
bie preufifdy* ruffifdyen Bejahungen por (878 erfdyüttert tjat. Bei ben Staatsmännern unb 
dürften, pon benen bie grofe antifranjöfifdye Koalition ron (805 ausgegangen ift, hatte bie 
neutrale fjaltung preufens allmählich eine malyre (Erbitterung tyerporgerufen. Die früheren 



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Unternehmungen gegen Jr an (reich waten gcfcficitert; für ben (Erfolg eines neuen ^elhjuges 
fdiion bie ffilfe 6 er 2 lrmee ^riebridis 6 es ©ro^en unentbehrlich. 3 U gut aber (an nie man 
6 ie friedfertige ©egnnung König jricbrich IVilhetms, als 6 a g man einen bereitwilligen 
2lnfcfjlug non ihm erwartet hätte. So tauchte 6 enn 6 er unhcilpolle ©e 6 anfe auf, 6 en Seitritt 
Preußens su 6 em IVeltbunbe gegen Jranfrcich burch eine ruffifefje 21rmee $u erjroingen, — 
6 er ©ebanfe, 6 er 6 er politifchen Cage im Spätfommcr (805 ihr befon 6 eres ©epräge gibt 
Ser plan 6 er Vergewaltigung preugens fan 6 rafch ©ingang in 6 en aus 6 iefem o 6 er jenem 
©runbe öamals gegen Preugen aufgebrachten Kreifen; felbft 6 ie Sftorreicfjifcfjc Diplomatie 
billigte ihn, 6 er augeroröenllicbc 21bgefanbte ©efterreichs in Petersburg, 6 er ©eneral 
Stutterheim, ebettfo wie 6 er Vertreter ©efterreichs in Berlin, ©raf Uietternicb. 217it 
befonberer Jreube griffen natürlich polen un 6 Kuffen 6 en willfommenen ©ebanfen auf, 
por allem 2lleranbers pornehmfter Katgeber, Jürft 216am ©jartorysfi; er unb feine ^rcunbe 
hätten es am liebften gefegen, wenn 6 er Krieg gegen Jranfreidi 6 ur<h einen Kngriff auf 
preugen eingeleitet unb preugen babei feiner polnifchen (Erwerbungen beraubt wäre. 21uch 
Kaifer 2llejunber, entrüftet über 6 en hartnäefigen IViberftanb 6 es Königs gegen jebe Beteiligung 
an bet Koalition, aufgeftadjelt burch 6 ie unabläfftgen IVühlereien feiner preufcnfeinblichen 
Umgebung, ift auf folefje Entwürfe eingegangen. 21Iag er feinerfeits einer freunbfchaftlichen 
Verftänbigung mit König Jricörich IVilbelm noch ben Vorjug gegeben hob™ : foUto ge 
miglingen, fo war 6 ocfi auch er entfchloffen, ohne weitere Kücfficht feine fjeerc in preugen 
einbreeben 3 U laffen. 

2ITiIitärifch wie politifch würbe im Uuguft (805 alles sur Ueberrumpelung preugens 
porbereitet. gwei rufgfdje Urmeen follten geh in Brjesc unb ©robito fammeln unb pon 
bort ben ©inmarfcb in preugen antreten. ^ugleicf) würbe unter bem ( 8 . 2luguft (805 
ber rufftfehe ©efanbte in Berlin, Ulopeus, mit ben genaueften IVeifungen perfeljen, bie ben 
biplomatifchen ^elbjug gegen preugen in allen (£in$clheiten regelten. Ulan gab bie Hoffnung 
noch nicht ganj auf, bag ^riebricb UHlbelm einem gewiffen fangen Jypange naebgeben unb 
endlich ben Kuffen fjeeresfolge leiften werbe; wenn nicht, fo mochte preugen, ungerüftet 
wie cs war, bie folgen ber ßartnäcfigfeit feines Königs tragen. Schon war felbft bas 
Kricgsmanifeft gegen preugen porbereitet, in bem Kaifer Uleranber nach feiner IVeife ©ott 
unb bie IPelt ju beugen für bie Cauterfeit feiner politif anrief. 

,3wci eigenhänbige Schreiben Kaifer 2llcrattbers an König ^riebrich IVilgelm follten 
bie einjelnen pbafen ber UnlcrljaHblung einleiten. 

21m ( 9 . 21ugug benachrichtigte ber Kaifer ben König pon ben Küftungen Kuglanbs 
unb perlangte bie 2TUtwir(ung bes Königs 5 U 2Uagregeln für fjerftellung bes allgemeinen 

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©tuifien Uterjnbcr unb flapolcon 




^riebens, ober, wenn ein foldjcr noch nid)t ntö^licfj tpärc, jur Befeftigung einer ©rbnung 
6er Dinge in (Europa, bei 6er 6ie ilnabhängigfcit aller Staaten gefiebert n>äre. Daju be6ürfc 
cs 6es Zufammenwirfens pon 200000 Preußen, ebenfoniel Hüffen un6 300000 ©efterrcicbem 
mit 6en Streitfräften 6es Deutfcfjen Heidjes. Seljr oiel beftimmter lautete 6as jtceite Schreiben 
pom 4 . September. 3 c fct würbe 6 ic (Erlaubnis für 6 en Durdjmarfd; ruffifefjer (Truppen 
naehbrücflid} geforbert; 6er Kaifcr werbe fiefj felbft ju 6er 2lrmee begeben unb gern bie 
©elegcnheit ju einer Zufamtnenfunft mit betn König ergreifen, bei ber alle noch nötigen 
Einjclheitcn geregelt werben fönnten. Der (Ton bes Schreibens mar Ijöebft fatogorifd) unb 
fdiien bie Jllöglicbfeit einer Ublehuung überhaupt ausjufcbließen. 

Bereits bas erftc Schreiben HIejranbers aber, bas am 28. Huguft in Berlin eintraf 
unb fogleidj wie eine 21 rt „IKarfcborbcr" auf gefaxt würbe, reichte hi”» um lebhafte Be* 
unruhigung unb namentlich bei bent Könige eine tiefe Bestimmung heroorjurufen. Es 
fam binju , baß pon ben ruffifcben Eruppenanfammluitgen in ber Bähe ber preußifeben 
©renje immer bebenflidicrc Badjrichten einliefcn unb baß hochfatjrcnbc Prahlereien rufftfdjer 
©fftjierc über einen bcporflchenbcn Einmarfd) in Preußen befannt würben, mit bem frieb* 
famen Stilleben war cs porbei: Sorgcttpolle (Tage famen unb gingen nid)t fobalb wieber. 
„lleberall brennt’s, es ift eine abfdjeuliche Z**t" flogt bie ©räfin Bog in ihrem (Tagebuch. 
Schon bas ^ufammcnprönten heimlicher unb auswärtiger Staatsmänner unb 2lbgefanbter 
gab bem fjofleben ein ungewohntes 2lusfcljen. 2lnt (. September, wie bereits erwähnt, 
war Duroc in Berlin crfdjicnen; am H. September fam aus IDien in außerorbentlidier 
2TTiffton ber ©eneralleutnant ©raf 2TleroeIbt. Der König hotte bas Bebürfnis, feine 
bewährten Hatgeber um ficb ju famnteln. Der fjerjog pon Braunfchweig unb bie ©rafen 
fyiugmih unb Scbulcnburg würben herbeigerufen ; audi ber Kabinettsrat fombarb, ber für 
längere 3°’* nad) 3talicn beurlaubt gewefen, traf am 6. September in Berlin ein. 

3«mitten aller Unruhe, beftürmt pon Hußlanb, Jranfreidj unb ©efterreid;, war 
König ^riebrid) IBilljelm jefet nur noch um fo mehr entfdjloffen, uncrfdjütlerlidj an feinem 
BeutralitätsfYftem feftjuhaltcn. IDie et Durocs 2lnträge jurüdwics, fo beantwortete er 
Kaifer 21lc;anbcrs Zumutungen am 6. September mit einer cntfdncbcnen Hhlehnung. Er 
erinnerte an feine fo oft ausgefprochenen ©runbfäge, bie ihm eine (Teilnahme an offenftpen 
2Uaßregeln nidit geftatteten; bie in ber Deflaration pon (804 porgefehenen ,fälle feien 
noch nicht eingetreten. Er fünbigte jugleidi an, baß er ein (Truppenforps jur 2Jufrccbt* 
erhaltung ber Beutralilät auf Kriegsfuß fegen werbe. 

3n ber (Tat würben am 7. September bie Befehle jut 2Hobilmadiung pon etwa 
80000 21Tann erlaffen, angeblich „jur 2lbwehr frarijöfifcher Uebergriffe", tatfädüidi aber 




5n>ifdj€n Jllejaniwr unb XTapoleon 



bodj cf)cr gegen Kuflanb. IDenn 6er König bas 6em ruffifd)en Kaifer rerfdweigen mochte, 
fo würbe es 6em ruffifdjen ©efanbten um fo bcuflidjcr gefaxt. Dicfer Diplomat, 6er ^inn= 
Iänber Kiopeus, ijat in jenen ernften (Tagen, in 6enen ein unbebadji hingeworfener ^unfe 
6ic Kriegs fiamme jmifdjen Kuflanb un6 pteufen entjün6en fonnte, bei6en Cänbern, 6ie er 
gleichmäfig liebte, unfcbäfbare Dicnfte geleiftet. €r hat feinem Kaifer nicht Dcrljcfjlt, weiden 
perhängnispollen ©inbruef 6ie Bebrohung 6er preufifdjen Heuiralität in Berlin fyeroorrufe: 
rote 6er König, 6er £}of, 6ie Hlinifter, 6ie ©eneralc, alle einmütig feien in öem ©ntfdjluf, 
lieber unterjugeljcn ab 6as 3U 6ul6en. 

Der Bericht non Kiopeus, 6er 6icfe IDarnungcn enthielt, un6 6as Schreiben 6es Königs, 
bei6e pom 6. September, brachten in Petersburg einen rafdten Umfefjroung (jeroor. IDäljrenb 
Metternich noch am (6. September eigcnljänbig nach IDien fchrieb : „Die Maf regeln fin6 
ergriffen, um 6as ju nehmen, roas nicht jugeftanben roir6; preufen roir6 in je6em ^alle 
überrumpelt werben roie Hapoleon", fanbte Kaifer Klejanber jur geringen ^reube feinet 
Umgebung am 18 . September rorläuftge ©egenbefehlc an 6ic 5 um (Einmarfch in preufen 
bereitgefteüten (Truppen. Drei Cage fpätcr ging er felbft 5U feiner Krmce ab. 

©he biefc IZachrichten in Berlin eintrafen, fjatte man nodj einmal bange Stunben 
ju burchkben. Km 15 . September, furj por Mitternacht, war jenes Schreiben Klejanbcrj 
pom 4. September eingetroffen, bas bie ©cnchmigung jum Cruppcnburchmarfd} in brofjenben 
IDorten forbertc unb jugleicfj auf bie UTöglichfeit einer gufammenfunft 6 er beiben Soureräne 
hinwies. Die Kufregung, bie hicrburch am Berliner fjofe entftanb, rourbe noch gefteigert, 
als Kiopeus jugleid? porjeitig bie pertrauliche Mitteilung an F)arbenberg gelangen lief, baf 
bie rufftfehen (Truppen unter allen Umftänbcn in preufen cinrücfen würben. Der König, 
roie Kiopeus am ( 8 . September berichtet, erflärte feinem ITtiniftcr Ijarbettbcrg abermals: 
er werbe efjer untergeben, als fi<h pon Kuflanb ©efefe porfebreiben Iaffen. „Kber ift cs 
benn nur möglich," fo fuhr er fort, „baf ber Kaifer, ben ich als meinen erften ^reunb 
befrachtet habe, bem ich, ®ott ift »wein 5 eu 8 e < c ' n unbegrenztes Pertrauen gefdjenft habe, 
bas mif brauchen fönntc? IDenn er fich in ©efaljr befunben hätte, wenn iljm bei bem 
beporfteljenben grofen Kampfe ein Mifgefdjicf begegnet wäre, fo wäre id; ihm 3U Ijilfe 
geflogen. Daf er aber mich 5 U etwas swingen will, baf id; bie Cage ber Dinge unter 
6 cm nämlichen ©efidjtspunfte wie er felbft betrachten foll, bas pcricft bodj meine Un« 
abljängigfeit. IDenn biefe aber angetaftet ift, fann id; bann nodj auf meine Porfahren 
fd)auen, fann ich benfen, baf ein Jricbrich U., ein ©rofer Kurfürft unter ihnen ift? Hein, 
mag ich untergehen, aber mit Kuhnt. werbe bann als ©pfer meines Pertrauens ju 
einem dürften fallen, ber mein tjers ju gewinnen perfianben h a t-" 

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IDcnn biefe Ueufserungen bes Königs gegen fjarbeitberg fjauptfädjlidj auf Hufjlanb 
beredinet roarcn, fo crfcnnt man feie inneren ©rütibe feines politifdjen Perfjaltcns fidjerer 
aus einer Unterrebuug mit bem öfterreidjifdjen Hbgefanbtcn, ©rafcn HTerpclbt, bem er 
bamals eine Uubienj gcroäfjrte. «Wärt« ber König, er fei nidjt gleid)gültig gegen 

bas llmftdjgreifen ^ranfreidjs, aber roenn ftdj bie «Erfjaltung b cs Jricbens als unmöglidj 
fjerausftellen foüte, muffe man ftdj bodi über einen Krieg unb beffcn 5>*l e redjtjeitig unb 
grünblid; perftänbigen. «Er Ijabe immer bcn .felbjug non \?<)2 in «Erinnerung, roo man 
fo leidjtfmnig barauf losgegangen fei. ,faft propfjetifd; aber, roenn man ftdj an Kleyanbers 
Perljalten nadj Huftcrlifs unb ^rieblanb erinnert, erfdjeint bas ZHiptrauen, bas ber König 
bann gegen Hufjlanb äußerte. Hujjlanb, meinte er, fönne ftdj jurücfjietjen, felbft otjne ^rieben 
5u fdjliefjen, unb bie anberen itjrem Sdjieffal überlaffcn. 

Der König lief cs nidjt bei IDorten beroenben. Huf feine cigenfte Pcranlaffung rourbe 
feit bem (8. September audj ber Heft ber preujjifdjcn Hrmee friegsbercit gemadjt, mit be« 
fonberer Bcfdjlcunigung bie Hegimenter an ber rufftfdjen ©ren;e. Dem Kaifer Hleyanber 
fdjrieb ber König am 2f. September, bafj bie ©eftattung bes «Einmarfdjes rufftfdjer (Truppen 
eine Unmöglidjfcit fei. «Tijarafteriftifdj ift bie Hntroort auf bie pom Kaifer angeregte 
(gufammenfunft. 3 n be» 1 erften Briefentrourfe nahm ber König ben Porfefjlag „avec 
reconnaissance“ an; in bem roirflid) abgegangenen Schreiben perroies er auf bie Pfiidjten, 
bie iljn in einem fo fritifdjen Hugenblicfe in Hnfprudj näijmen; roenn aber ber Kaifer im 
3ntereffe ber ©efdjäfte eine Begegnung für nü^tidj halte ober aus Jreunbfdjaft roünfdje, fo 
roolle er über alle Bebenfen fjinroegfeljen, unb ber Kaifer möge ifjm burdj ben Ueberbringer 
bes Briefes feine »eiteren ©ntfdjlüffe barüber mitteilen. 3 n ber (Tat empfanb ber König, 
roie Combarb bamals an tjarbenberg fdjrieb, einen roaljren „Sdjreefen" ror ber ^ufammen« 
funft unb roar im poraus entfchloffen, ifjr unter irgenbeinem Porroanbe ausjurocidjen. 

JTtit biefen HTajjnafjmen glaubte König Jrieferidj IDilljelm ben «Erforbernijfen ber 
£age pöllig genügt ju Ijabcn: fdjon am 22. September feljrtc er roieber in bie länblidje 
Stille pon pare§ jurücf. €s roar pergeblidj, bafj — bereits einige (Tage oorijer — färben» 
berg, Jjaugroib unb felbft Köcfritj ifjn befdjroorcn Ijatten, in Berlin $u bleiben — „auf ben 
Knien", roie fjarbenberg feinem ^reunbe Hlopeus perftdjerte. Dem Könige roar eigentlich 
bie ganje ausroärtige poiitif läfiig. IHan bemerfte feine Ungebulb, namentlidj bei Per« 
(janblungen, in benen pon ber IHöglidjfeit friegerifdjer Perroidelungcn bie Hebe roar. Um 
bem Drude ber aufs äufjerfte gefpannten Cage unb bem politifdjen IDirrroarr ftdj ju ent« 
jieljen, ntieb er fopiel als möglidj Berlin, roo UTinifter unb ©efanbte mit unbequemen 
Hnliegen feiner »arteten. TDoju langroeilte man iljn übertjaupt mit biefen uitenblidjen 




ist 




biplomatifcben DcrljanMungcn, biefen ewigen Konferenjen unb Kubienjen, da er doch uner« 
fcbütterlich entfcbloffen war, nicht eilten t fuf breit non feinem Hcutralitätsfyftcm abjuroeichen? 
Dabei überfam ifjn wohl einmal bic Kirnung bes Unheils, bas für if?n wie für proufen 
aus feiner ftarren Jricbfcligfeit ermadjfcn follte; bat er boch, wie wieberum Klopeus berichtet, 
bantals $u Köcfrife gefügt: „JUebr als ein Köllig ift untergegangen, weil er ben Krieg 
liebte; ich, ich werbe untergeben, weil ich ben ^rieben liebe." 

IDäbrenb bie franjöftfchcn (Truppen ben Hbein Übertritten unb Hapolcon pon Straf» 
bürg aus ben biplomatifchen unb militärifdjen felbjug einleitete, ber bie fübbeutfdien Staaten 
Jranf reich unterwarf unb bas öftcrreichifche f)cer bei Ulm jertrümmerte, während auch bie 
preufifdjen (Truppen ju ihren Sammelpläfecn eilten, blieb König ^friebrid? IDilljelm III. 
ru!)ig in parcB, wo in ben leften Septembertagen bas ©mtefeft in gewohnter UXufe gefeiert 
würbe. Hur einmal perlief er fein geliebtes Canbljaus unb nur 5U einem ^amilienfefte: 
am 27 . September würbe bie golbene ftochjeit bes prinjen Ferdinand burch ein ©artenfeft 
in Sdjlof Bcllepue unb ein prunfmaljl oom golbenen Serpiee in (OjoUottcnburg gefeiert. Schon 
am nächften (Tage fctjrte ber König fchleunig nach Potsdam unb parefe jurücf, wo er porläufig 
blieb, trotjbem früh einfretenbe Ijcrbftfröfte feiner Umgebung ben Kufenthalt feht perleibeten. 

Hoch uiarcn auch £?of unb ©efcllfchaft — bas (Tagebuch ber ©räjin Hof pergegen» 
wärtigt biefc Stimmungen — mit ber Politif ber Heutralität einperftanben. Selbft Königin 
£uife. Sie war gerade wieder ganj (Tochter unb Schwefter. Sie fyittc faft alle ihre ©c« 
fchwifter um ftcfj perfammelt, auf er ben beiden Brüdern prinj ©eorg unb prinj Karl 
auch die prinjeffinnen (Therefe poit (Thum unb (Taris und ^rieberife Solms. Ulan plante 
eine grofe Jamilicnjufammcnfunft, ju ber auch bie rierte Schwerer prinjcffin Ch^ott* 
pon fjilbburgljaufcn erwartet wurde, um am ( 0 . (Dftober ben 64. ©eburtstag bes Paters 
in Heuftrelif 5U feiern. Über bic leidige Politif, fo febr man in paref bie (Türen por ihr 
5ufperrte, drang auch dort ein, durchfreujte bie plane ber Königin unb foflete ihr manche 
(Träne. Der König war entfcf)loffcn, franf ju werben, nur um ber gefürchteten ^ufammen« 
funft mit Kaifer Klcjaitber ju entgehen: wie fonnte da bie Königin ihren ©atten perlaffen? 
Unb wenn es ©mft wurde, wenn bie ^ufanimenfuitft nicht ju umgehen war, unb preufen 
doch noch in ber einen ober anderen IPeife in ben Krieg h'neingejogen wurde, bann mufte 
bie Königin natürlich erfl recht an ber Seite bes Königs ausharren. 

Und es wurde ©ruft. Km 4 . ©ftober fam ^ürft peter petrowitfeh Dolgorufij mit 
einem neuen Schreiben Klcranbers, in dem ber Kaifer feine Freude darüber ausfprach, 
baf bet König, wie er poit feinem ©cfanbten erfahre, bie .gufammenfunft annehnie; 
er erwähnte bie ©egenbefehle gegen bic übereilten Hlärfdjc feiner (Truppen, bat aber doch 



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juglekh um Befcfjleunigung ber «Erlaubnis 5 um DurAmarfrfi. Hut 6. ©ftober tit Sansfouci, 
in ©egenwart tjarbenbergs, überreichte Dolgorufij bem Ziönig bas Schreiben. Bei 6er Unter« 
Haltung mit betn ©efanbten berührte Jriebricb IPilfjclm fogleich bie brobenbett Zlnfammlungen 
rufjtfcher (Truppen an ber preufifdjen ©reit je , bie Ujn befümmert unb gezwungen hätten, 
alles ber Perpflichtung ju opfern, feine El;re unb llnabhängigfeit su wahren; er äußerte 
(ich bann feljr fetjarf über Uapoleon uttb beffen Begicrungsgrunbfäpe, roieber holte aber 
immer wieber, bap ^ranfreich ihm feinen ©runb junt Bruche gegeben höbe. Er fünbigte 
jugleicfj feine berorfteljcnbe Zlbreifc jur Zufammenfunft mit Hlejranber an, tpar aber trop aller 
Einmcnbungen fyirbenbergs unb auch ber Königin £uife innerlich entfchloffcn, nicht abjureifen, 
fonbem ben fjerjog pon Braunfcbweig mit feiner Pertretung ju beauftragen. Da traf eine 
Bach rieht ein, bie ben König aus feiner friebfeligen Stimmung gewaltfant hewuswarf unb 
ber bisher mehr gegen Kujjlanb gerichteten bewaffneten IZeutralität preujsens eine ZPenbung 
gegen ^ranfreich gab. 

3n bem Hugenblicf, wo fjarbenberg unb Dolgorufij ben König perlaffen hatten, 
brachte ein Kurier bie ZTlelbung, baß am 3. ©ftober ja bl reiche fraitjöfifcfje unb bayerifche 

(Truppen bei ihrem Z U 9 C Pom ZUain jur oberen Donau burch bas preupifche ©ebiet in 

Hilsbach marfhiert feien. U?as Kujjlanb nur angebroht h a *le, war pon franjöftfcher Seite 
rücfftchtslos gefchehett; ber König felbft, ber gegen bie ruffifchen Zumutungen (ich immer 
auf Bapoleons Dertragstreue berufen hntte, fühlte ftch perfönlich aufs fchwerfte beleibigt. 3 n 
ber jontigen Zlufwallung bes erften Kugeitblicfes baebte er bie ©efanbten feines Beleibigers, 
Caforeft unb Duroc, aus Berlin ausjuweifen. Das Perljängnis preufjens wollte es, baff 
fiarbenberg, ber fogleich jttrücfgerufen war, bes Königs Entrüftung bcfdjroicbtigte unb bie 
Entfernung ber ©efanbten perhinberte. ZKan begnügte ftch, bie Unterhanblungen mit Jranf« 
reich burch bie Erfläruttg abjubreetjen, bap preupen jeet feine 3 n t° re ff CM felbft militärifch 
ficherftellen werbe. Es würbe jugleid) befchloffen, jwifchen bett friegführenben ZHächten eine 
bewaffnete Pcrmittclung in ber IDeife ju perfuchen, bap preupen ben ^ranjofen billige 
Bebingungen porfchlagen unb bei beren Kblelptung am Kriege teilnehmen follte. Das 

ber preufiifchen politif war babei nach wie por bie Erwerbung bjannopers, bas man nun 

freilich burch eine Perftänbigung nicht mehr mit ZZapoleon, fonbem mit beffen Jeinben ju 
gewinnen h°ffl c - Km 13. ©ftober ergingen bie Befehle an bie preujjifchen (Truppen, bie 
eben nach ©ften hin jufammengejogen waren, nach IDeften untjufehrett unb bjattnoper ju 
befepen. Zln Kaifer Zllejartber würbe ber Jürft Dolgorufij mit einem Schreiben bes Königs 
Surücfgefanbt, in bem ber Einmarfch ber Zvuffen nunmehr geftattet, aber in Hücfficht auf 
bie tage um Zluffchub ber Zufammenfunft gebeten würbe. 

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gttifdfm lllffdnfctr unb ttapoteon 




2TTan fattn rticfjt fagen, Sag bet allen biefen Befdjlüffen 6er 'König nun 6ie Teilnahme 
am Kriege gegen franfreidj bereits mit polier ©ntfebiebenbeit ins Jluge gefaxt hätte. ©r 
mar, ttrie 6ie ©berfjofmeifterin berichtet, „mütenb" über 6ie ,Jranjofen un6 Bayern, 6ie 
bei ihren Purdjmärfcben burch preufjifches (Sebiet manche Kusfdjreitungen begingen; fein 
2Iusfetjen mar fummerpoll un6 finfter; erft 6ie neue Kusgeftaltung 6er politif 6er bewaffneten 
Heutralität, 6ie ganj feinem immer auf ftarres ,feft halten eines befümntten Syftems gerichteten 
Sinne entfprad), fdjien ihm Kulje un6 ©ntfdjloffenljeit wieberjugeben. Pon einer ^ufantmen» 
funft mit Klcpanber aber mailte er nach mie por nichts hären, tro$ alles ,5 ur ebens feiner 
Umgebung; er ifi „wie ein UTaultier," pertraut 6ie ©berhofmeifterin ihrem perfdjmiegenen 
(Tagebuch an. ftartnäcfig perblieb er in parets , ohne Kücfftcht auf 6ie in fo fritifdjer ( öcit 
fidj 6rängen6en Kegierungsgcfdjäfte, 6eren ©rkbigung baburdj immer perjögert würbe. 

3n pare? würbe 6amals aud; 6er (Eintritt 6es Kronprinjen in 6as prcufjifdje fjeer 
gefeiert, nad; fjohenjollernfttte an feinem 10. ©eburtstage, 6em 15. ©ftober. Per König 
felbft überreichte ihm ©ffijiershut utt6 Pegen. ITlitten in 6ie fcftliche Stimmung hinein 
aber trafen 6ie erften ZTachriehten pon 6en öfterreidjifdjen Picberlagcn. Königin Cuife, 
ohnehin ettpas Iei6en6, tpar tief bewegt; mie fte felbft ein 3al;r fpäter an ©entj crjahlt hat, 
ermahnte fte ihren Sohn mit öen befannten IDorten: „3d? hoffe, 6a§ an öem (Tage, 6a Pu 
(gebrauch ntadjft pon biefent Kocfe, Pein einjiger ©ebanfe fein mirb, Peine unglücf liehen 
Brüber $u rädjen." Per ©räfitt Pojj fchrieb fte einige (Tage fpäter: „Per König ift feljr 
jufricben mit Jrifc, mit feinem Kusfeljen unb feinem Betragen. IPas mein fjcr$ empfinbet, 
ift unfagbar. ©s ift aber auch maljr, bajj er ftdj an feinem ^efttage ausgejeidjnet be* 
nommen hat. ©ott fegne ihn unb feine neue Caufbaljn unb ben König unb bic Krmee 
unb ganj preufien." 

U>ir betnerfen, mie fidj bei Königin Cuife eine innere IPanblung langfam nor« 
bereitet: fte beginnt ftdj ber Politif jujumenben, 6er fte bisher, ich wieberljolc es, ganj fern 
geftanben hatte, ©s ift nidjt weiblicher ^ürmih, ber fte baju treibt; bie ZTTadjt ber ©reig- 
niffe felbft brängt fte an einen ptaft, ben fte einnehmen mufj, meil nur fte ihn einnehmen 
fann. 3 n ben IPirrniffen unb ©rfchütterungen biefer Cage erfennt fte beutlidjer als bisher, 
mie fehr ber König eines guten unb treuen ©efäljrten bebarf, ber fein Selbftpertrauen unb 
feine ©atfraft fteigert; fie mirb ftcfj ihrer hohen Kufgabe berougt, unb fo fehr ihr fjerj nach 
bem Pater perlangt, fo fühlt fie, bajj fte auf einem poften fleht, ben fie nidjt pcrlaffen barf. 
Parum fdjreibt fte ihrer Jreunbin, ber ©rojjfürftin Unna pon Hujjlattb, Sdjmägeritt Kaifer 
Klepanbers: „3dj höbe meinen Pflichteu, bie mir heiliger finb unb teurer als alles auf ber 
IPclt, ein redjl grojjes unb redjt peinliches ©pfer gebracht," unb bem Bruber ©eorg: „3<h 

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fletjc auf meinem poften unb finbe Croß in ber (Erfüllung meiner Pflicht, aber mein armer 
Dater, menn ich baran benfe, tjeule ich. Hein, bas Scfjicffal iff hoch manchmal ju hart." 

IBenn bic (Entrüfiung über ben frait}öfifd)en Heutralitätsbrud) in Berlin unb am fjofe 
eine friegorifijc Strömung Ijerporgcrufen batte, fo tcar pollcnbs in ben ©ffijicrsfreifen 
ber fjauptftabt, bie nach alter friberijianiftfycr Heberlieferung bisher eher ©egner ©efter* 
reichs gemefen mären, bie Stimmung pöllig gegen .franfreid; umgefd; lagen. Bas jeigte fid) 
befonbers am tage nad; bcm ©eburtstag bes Kronprinjen, am ( 6 . ©ftober, als man im 
Hationaltbeater „auf Begehren" IDallcnfteins Cager gab. Bas Chcatcr mar überfüllt non 
IBachtmciftern, Hnteroffijieren, Solbaten, für bie bas ©ffijierforps bes berühmten Hegiments 
©ensbarmes bie pläße beftellt hatte. 21 Is bas Heiterlieb perflungen mar, begann ber picco» 
lomtnifüraffier nad; einer an bic Hlclobie pon „ 2 lm Hhein, am Hhein" anflingenbcn IDeife 
ein pon HTajor t>. b. Knefebecf oerfaßtes Kriegslieb ju ftngen, in bas bic übrigen Sdjau» 
fpieler einftimmten; non ben Cogen flatterten bie Cepte patriotifdjer fieber herab, unb halb 
burchbraufien , oon allen begeiftert mitgefungen, bie Klänge bes „Ejeil bir im Siegerfranj" 
ben SaaL 

Biefe Bemegung ergriff audj bie Sürgcrfdjaft Berlins. 2lm f 6 . ©ftober mar ,Jürft 
peter Bolgorufij mit bem bie ^ufammenfunft h'nausfchiebcnben Briefe bes Königs bei 
Illeranber eingetroffen, bet bereits einige ©age pother bie Hadjridjt pon bcm franjößfchcn 
Burdnnarfd) burch 2Xnsbad) unb bem in Berlin eingctretenen Umfchmung erhalten f^atte. 
Illepanbcr atmete erleichtert auf; er mar nahe baran gemefen, noch einmal ben ©in* 
fiüfterungen feiner preußenfeinblichen Umgebung ©eljör $u geben, unb hatte febon ein 
Schreiben porbereitet, in bem er unter Klagen über preußifche Hüftungen unb bas ©er- 
halten bes prcujjifd)cn HTinifteriums ben Bormarfd; feiner Cruppen anfünbigte. 3 c ßt befann 
er (ich eines anbern. IBar es ber Jreunbesrounfdj, nadj ben porhergegangenen 3rrungen 
ben König unb bie Königin ganj 5 U perföhnen? IBar bie Hbfidjt jugleich ober nod; mehr 
politifd;: ben König in feiner (Erregung 3 um Hnfdßuß an bie Koalition fortjureißen ? 
Hlepanbcr faßte ben (Entfcfjluß unb teilte ihn bem König in einem neuen Schreiben mit, baß 
er felbft am 25. ©ftober in Berlin eintreffen merbe. 

Scf)on am 22 . ©ftober perbreitete ftd) biefe Itadjricht in Berlin, unb, mie $r. Belbrücf 
aufgejeidjnet hat, „eine freubige Bemegung" ging burdj bie <Einmohnerfd)aft. Ilm f?ofc mar 
bie Stimmung geteilt; bic Königin fah bcm Befudje froh entgegen; ihre ©berhofmeifterin, 
bie für ben ritterlichen unb freigebigen Kaifer fd)roärmte, mar „außer fich Por ^reube". 
Ber König seigte ftdj jurücfhaltenber; fein pertrautefter ©eneralabjutant, ©encral Köcfritj, 
ber bem Kaifer bis Jranffurt a. ©. entgegenreifen folltc, fcfjalt fogar laut auf Illepanber. 






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girifdpn lllcranb« unb tlapolcon 

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Km 25. ©ftober nachmittags hielt Kaifer Klejanber unter bem Donner ber Kanonen 
feinen £in$ug in Berlin. Die Berölferung bereitete ihm einen jubelnben Empfang, ber 
fi* in ben nächften (Tagen bei einer Dorftellung ron ©lucfs „Krmiba" roiebertjolte. Der 
Kaifer, bet urfprünglid) bei feinem ©cfanbten ijatte abfteigen roollcn, bejog auf bes Königs 
(gureöen öie gimmer König Jriebricf) IDilbelms II. im Berliner Schlof , Ijielt ftd) aber 
cu* uielfad) in potsbam auf. 3'” übrigen »erlief ber Befud), roie fürftlicfje Befudje bamals 
unb heute 5 u perlaufen pflegen. (Es gab paraben — bei König felbft führte in potsbam 
bem Kaifer feine Karalleric por — prunfntaijle, Bälle unb ^eftauffüljrungen. Der Kaifer 
befichtigte, roas es im bamaligen Berlin ju fetjen gab: bas Zeughaus, bie ITlilitärafabemic, 
bas Kabettenlyaus, bie porjellanmanufaftur, bie Dcnfmäler bes IDilhdmsplafes. 

Der kEinbrud, ben Kaifer Kleranber am Berliner fjofe mad)tc, mar, roie brei 3al?re 
3 UDor bei ber ^ufammenfunft in ZTTemel, geminnenb, f)inrei)jcnb. leicht blof bie Damen, 
roie Prinjefftn lDi!l)elm, bes Königs Sdjroägerin, ihrem Bruber in ^omburg fchrieb, fanben, 
baf man fid) „nichts lieblicheres nereint mit allem eblen" porflellcn fönne; aud) ein 2 Ttann 
roie ber ftolje 2Jeid)sfreil)ert rom Stein rourbe fo oon Kleranber bejaubert, baf er halb 
barauf in ruffifdje Dienfte 3 U treten badite. IlTit bem preufifchcn Königspaare Derfel)rte 
ber Kaifer in ber einfachen unb beglichen IDeifc, roie fte gerabe bem ©efdjmacf jriebrid) 
IDilhelms unb Cuifens am meiften entfprad). Der König, obfehon er auf ben Befud) pielleidjt 
nicht ungern perjiehtet hätte, pennochte bod) bem fiegbaften .^auber ber pcrfönlidjfeit feines 
©aftes nicht 3 U roiberftehen. ^ür Königin Cuife roar ber Befud) Kleranbers ein ©reignis, 
bas bie (Tiefen ihres 3unenlebens beroegte. Seit Dtemel fühlte fie fid) bem Kaifer — mir ftnb 
nod) in ber 3 eit ber Xomantif — burch eine Krt Seelenfreunbfchaft perbunben; ihre Der» 
ehrung umfleibete feine geiftige unb fittlid)e pcrfönlidjfeit mit allem 3 ^'alcn, bas in ihrem 
eigenen IDefen tag. Die ©nttäufchung formte nicht ausbleiben. 3h r roeibliches ©mpfinben 
begann fdjon bamals inue ju roerben, roie bas IDefen bes Kaifers hinter glänjenbcr unb 
befted)enber Kufenfeite ber (Tiefe unb bes ©eljaltes entbehrte. So fchlof ber Befud) für fie 
mit einem geroiffen Kliff lang, roenn fie aud) einige ITlonate fpäter ben letzten (Tag ber 
Kmpcfcn()cit Kleranbers als ihren leisten glücflichen (Tag bezeichnet Ijat. Dem Kaifer fiel 
jefit befonbers auf, roie fie ber Illöglichfeit eines Krieges mutig cntgegeufal). ©r ahnte nid)t, 
roie tief bie Königin innerlich crfdjüttert roar; iljrc jarte ©efunbheit befaf roeitig IDiberftanbs» 
traft gegenüber folchen Kufregungen, unb fte perfid einmal, bei einem Jefte in Bellepuc, 
einer Herpcnfrifis, bie fid) in einem (Träncnftrom löfte. 

Diefe ©ftober unb liorembertage roaren ricUeidit bie (Tage gröften auf ereil ©Ianjes 
in ber ©efchidjte bes alten preufen. IDelch auscrlefene ©efellfchaft, bie fid) bamals in ben 

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groifdfen Jlltfan&tt uni Ztapolecm 




prunffälen bes Berliner S&loffes jufammenfanb, — bes Schloffcs, in beffen fenftem genau 
ein 3aljr fpäter ftcfi bie IPadjtfeuer wiberfpiegelten, um bie Hapoleons ©arbe im Cuftgarten 
fi<f; gelagert hatte. Heben Kaifer ülcrunbcr, in beffen grogem unb glänjenbem ©efolge 
ntan ben dürften ©jariorysfi bemerfte, mar als Hertreter bes beutfegen Kaifers ©rjgerjog 
Unton aus H)ien erfdjienen, ber aber bei aller Bieberfeit feines ttJefens nach bem Urteil 
ber Barnen bureb feine gefcbmacflofe Kleibung unb auffallenbe ftaartraebt pon ber rufjtfcfjen 
©leganj unoorteilbaft abftad). Hlit Hapoleons Hertreter Buroe, ber gegen bie Königin 
fidj befonbers aufmerffam erwies, begegnete fidj ein augcrorbentlicher Ubgcfanbter feiner 
englifeben ©obfeinbe, Corb fjarromby. Sie alle waren gefommen, um bie fjilfe bes 
preugifegen Schwertes ju werben, um bie Unterftügung jenes fjeeres , an beffen Jahnen 
noch ber Xuljm friebrichs bes ©rogen haftete, unb pon beffen ©ingreifen jegt ber Uusgang 
bes großen Kampfes ab ju bangen fehlen. 

Benn inmitten ber raufebenben .fefte batte bie Biplomatic enblich ibr IDerf pollenbct. 
Km 3. Hopember würbe in potsbam ber Hertrag unterzeichnet, ber bie Bebingungen ber 
bewaffneten Hermittelung preugens regelte, ©in preufifeber Staatsmann — ©raf ßaugmifi 
würbe baju in Uusficbt genommen — follte bem Kaifer Hapoleon bie forberungen nad; 
Unabgängigfeit ber Schmeij, Heapcls, fjollanbs, Käumung Beutfeblanbs ufw. porlegen, beren 
Herwerfung bie (Teilnahme preugens am Kriege gegen .franfreieg ohne weiteres 3 ur .folge 
haben würbe, .für bics ^ugeftänbnis preugens an bie Koalition perpflicbtete fiefj Kuglanb, 
ben König pon ©nglanb jur Ubtretung fjannooers an preugen ju beftimmen. IDic man 
gebt, bilbet ber Hertrag ein Kompromig, in bem fub englifcb»ruffifcbe unb prcugifdje 
3"tereffcn unb 5'°^ ncrfchmoljen. 

©leith am ©age nach bet Unterjeichnung bes Hertrages, am ■$. Hopember, rüftete 
Kaifer Ulepanbcr jur Ubreife. Bei bem abcnblicben Ubfchicbsmabl in potsbam äugerte er 
noch ben IDunfcb, bie ©ruft König .friebrichs ju fegen. Bie ©amifonfirebe würbe erleuchtet ; 
halb nach Hlitternacht begab man ficb jur ©ruft, Kaifer Uleranber unb Königin Cuife traten 
ßattb in ßaub jum Sarge, ben ber Kaifer fügte, wägrenb ber König am ©ingang flehen 
blieb. Bann reifte Kleranber ju feiner Schroefter nach IDeimar, König unb Königin in tieffter 
Bewegung jurücflaffenb. 

Bie perfönlicbe ©egenwart Kaifer Ulepanbcrs batte bie ^B’ttfet, Sebcnfen unb 
Scbwaitfungen am Berliner fjofe für furje gett überwinben fönnen; nach feiner Ubrcifc 
lebten fie in alter Kraft wieber auf. Bie Königin jroar, nachbem fie nun einmal bie Partei 
ergriffen, bie patriotifches .fühlen unb fittliches ©mpfinben ihr jur Pflicht ju machen fchienen, 
blieb unerfebüttert feft: roll ßeiliegen ©ifers, mit Bitten unb mit ©rauen fämpfte fie für 

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bie Sadfi, bie Jllcjanöer — „unfer Kaifcr", mic fie mit ihren Damen fagte — ju 6er 
(einigen gemacht tjattc , für 6en ©ebanfen öes prcufifd)=ruffifd;en 23ünbnif[es überhaupt; 
fie lief fclbfi 6en ßrafen fjaugroif $u ftd) rufen, um ifjm Jcftigfeit 5U prebigen unb (Energie 
einjufläfen. Den trxdjfoln&en lladjrichten t>om Kricgsfcbauplaf folgte fie in ängftlidjer 
Spannung. (Treu ju iljr hielten 6ie fjofbamen, alle eifrig ruffrfdj gefinnt, befonbers bie 
©räfin Uloltfe, bie mit ber üblichen tjofbamenfebmärmerei leibcnfdjaftlidjes politifefjes 3 nr 
tereffe perbanb, por allem aber bie ©berljofmeiftcrin ©räfin Dof, „fjauptmann Dof", mie 
man fic bamals in Serlin nannte, benn in intern oon Heuigfeitsjägem oiel auf gefuchten 
©mpfangsjimmer im Scblof lag bie Karte bcs Kriegsfcbauplafcs immer aufgefcfjlagen unb 
mürben Kriegspläne eifrig erörtert. 

©anj anbers mar bie Stimmung bei bem König unb feiner Umgebung. Hach ber 
beftimmten unb non anbem beftäfigten Derftd)crung ber ©räfin Dof mären es aber jeft nicht 
bie befannten Kabinettsräte gemefen, benen bie Sdjulb jugefdjrieben merben müfte; cs mar 
pielmebr ©eneral Köcfrif, ber ©encralabjutant, ben ber König $u feinem ©emiffensrat gefeft 
batte, ber bas 23ünbnis mit Kuflanb unb bie friegerifäje IDenbung ber preufifhen politif 
unabläffig befämpfte. „Köcfrif ift finbifäj, unausftcljlid) ; er ift unfcr Unglücf" fdjrcibt 
bie friegerifhe ©räfin. (Täglich im intimften Derfeljr mit bem König, mar er nur ju 
geeignet, beffen gmeifcl unb Bcbcnfen ju näljren, fein Utiftraucn, feine Heigung jum peffi» 
mismus ju fteigern. Der König hotte ben potsbamer Dertrag 00m 3. Hopcmbet unter* 
3 eignet, nicht fo fefjr getrieben con crfjtcftcr innerfter Ueberjcugung, als pielmebr bem 
Drängen Kaifcr Ulcjranbers freunbfcbaftlich nadtgebenb. Er bat bem ©rafen fjaugmits, ben 
er am (“f. Uopcmber 3U Uapoleon entlief, beim Ubfdjicb ben U)unfä) unb bie Hoffnung 
ausgefprodjen , baf ber Triebe erbalten bleiben möge. Seine Stimmung gerabe in biefen 
(Tagen, mo bie Entfärbung unausweichlich näher rücflc, erfd;ien abfcbeulid). Den rufftfeben 
Siegesbulletins, bie bie Damen eifrig lafen unb perbreiteten, oerfagte er allen ©lauben. Es 
fann nicht bezweifelt merben: in feinem 3nncm lebte noch unauslöfcblicb ber ©ebanfe an 
^ rieben unb an Hcutralität, beren Erhaltung feine gan$ unfriegerifebe Ilatur allem 
IDaffenrubm unb allen Eroberungen porgejogen hätte. Ullein ebenfo ficber ift boeb 
anberfeits: ber König erfanntc in pollem 2Ttafe bie Hotmcnbigfeit, Uorbbeutfcblanb 
gegen Uapolcon $u febüfen. Daju aber mar bie enbgültige Entfernung ber ^ra^ofen 
aus bjannoper unb, naebbem bie Kbcinlinic einmal perloren, bie ©eminnung ber IDcfer* 
linie unerläflidj. Dor allem aber: er batte fein IDort gegeben, er mar entfcbloffcn, es 
3u holten. Durch alles, mas gefebeben mar, fühlte er feine Ehre pcrpflicbtct, unb menn 
cs benn gegen alle feine Dorfäfe unb gegen alle feine Heigungett boeb 3um Kriege fommen 

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follte, fo (jiclt er ftdj ganj gerechtfertigt burch bas Bemugtfein, einen guten Kampf für 
eine gute Sache 5U fämpfen. 

Wir würben über bie wedjfelnben Stimmungen unb Knficfjten bes Königs riclleicht 
ficf?ercr unterrichtet fein, wenn et nicht, wie er politifchen Unterrebungcn gern ausroich, auch 
nur feiten für politifche Briefe sur $tbtr gegriffen hätte. Don bem Briefwedjfel mit Kaifet 
Klcfdiibcr abgefchen, ber hoch jum (Teil auch «twas offijielle Färbung hat, Hegt aus 
biefer ganjen (5 eit nur ein einziges pon bem König unmittelbar ausgegangenes Schreiben 
intimeren £harafters nor, ein an ben fjofprebiger Sacf gerichteter Brief, in beffen 3 n Kalt 
mir roohl ben Kusbrucf ber Knfdjauungen bes Königs erbiiefen bürfen. Sacf flotte bem 
König „in biefem h&hft wichtigen ^eitpunft ein Wort fycrältcfjcr (Teilnahme" fagen wollen. 
€r roiffe, fchrieb er ihm fdjon am 19. ©Hoher, wie gern ber König feinem Dolfe bie 
Segnungen bes ^ricbens erhalten hätte, unb wie nur bie f dunere Kegentenpflicht, bie <£h re 
feiner Krone unb „bie Wohlfahrt feiner Cänber," nid)t Unwille ober 3 °m, Huhmfudjt 
ober Wadjtbegierbe ben König unwiberftchlid) in ben Krieg fortriffen. Hur fo fönnc bie 
llnabhangigfeit bes Staates erhallen werben; bie Dorfefjuitg wolle einmal, bag um bie 
Segnungen bes ^ricbens gefämpft »erbe. Seinem Dolf fei fein ©pfer bei biefem gerccf)tcftcn 
aller Kriege 5U fdjwcr, unb ber König fclbft werbe burch bas Bewugtfein ber gerediteften 
Sache über alle menfchlidjcn Beforgniffc hinweggehoben werben. 

Oer König — auch bas ift bejeichnenb — hat erft am 20. XTopember ben Brief Sacfs 
noch beantwortet. <£r hat beffen richKge Beurteilung ber Cage mit „tftcubc unb Beifall" 
aufgenommen: Sacfs Folgerungen unb Betrachtungen , fchrieb er ihm, feien gan3 in bem 
Sinne, wie er felbft bie Oinge beurteile, entfprädjen röllig feiner eigenen lleberjeugung. „Sie 
haben ein Wort ju feiner ^eit gerebet; es bient mir aufs neue sur Stärfung unb sur 
Beruhigung. Dertrauen auf ©ott unb bie gerechte Sache (ein Kusbrucf, ber h’ cr gcroig 
niefjt gcmigbraucht ift) mug einen jeben brapen Canbsmann mit Wut unb Kraft befeelen." 

<£s fonntc aber niefit ausbleiben, bag ber Wangel an einem frifchen unb rücfhaltlofen 
c&itfchlug sum Kriege, wie er bei bem König unb einem grogen (Teile feiner miiitärifchen 
Katgeber immer noch bemerfbar war, auf bie Küftungen in preugen hemmenb einwirfte. 
Bebädjtig unb langfam, mit einem fcblcppenben (Trog, ber auch bei nichtmilitärifchen 
Beobachtern Knftog erregte, hatten fich bie preugifdjen (Truppen, in mehrere fleinc Korps 
Serfplittert, in Bewegung gefegt, teils um ftannorcr einsunehmen, teils um geh in (Thüringen 
Su fammeln unb bann nach & cm oberen Wain h*n porsurüefen. Don einem energifdjen 
Kngriffsplanc war überall nichts su merfen. Oie (Truppenbewegungen fdjicnen pielmchr, 
wie prins Couis F cr b>nanb einmal meinte, mehr beftimmt, bem F c >nbe aus$uweichen, als 

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ein gufammentreffen mit itjm ju fudicn. Das ZlTerfwürbige fjietbei ift, baß in ben 
militärifdyen Beratungen, Me in Berlin unter ^ujieljung aud) öfterrcidjifdjer, rufftfAer unb 
cnglifAet BenoUmäditiater gepflogen würben, ber mobeme ftrategifA« ©ebanfe, wonach bas 
feinblicbe ftecr bas ©perationsjiel unb 2tngriffsobjeft für Me pereinigten Truppen hübet, 
meljrfadi pon 5fterreicf)ifcf|er fowohl wie pon prcußifAer 5eite niAt bloß ausgefproAen, 
fonbem nacbbrüdliA unb grunbfäßliA betont worben ift. Bon biefer gefunben ttjeoretifAen 
©rfenntnis freilieb wie weit entfernt blieb bie IDirflidjfeit! 

3mmerljin, fo langfam es ging, man fam boA porwärts. Der <3uftanb ber 
Truppen felbft erfdiien audj ben ,fremben portreffliA. 2Infang Dejember waren etwa 
126000 Blann 3 n f an,cr *e mit 35000 Pfcrben friegsbereit, um fid), wie am 3 . Desember 
beftimmt würbe, je naA ben ©reigniffen auf bem KricgsfAauplaß unb je naA bent 2t us* 
gang ber biplomatifAen Berljanblungen, gegen bie franjöftfAe plante naA B5f)n"-'n ober 
itaA ber oberen Donau Ijinjuwenben. 2tm q. Dejember rücftcn enbliA auA bie Truppen 
ber potsbamer ^nfpeftion aus, poratt bie ©arbe bu Korps, mutig unb fampfluftig, begleitet 
pon unjäl;ligen ITtenfAenmaffen. Sie marfAicrtcn am König porüber, ber mit gejogenem 
Degen Befehle erteilte; bie ©fßjierc falutiertcn, unb bie ,faf)ncn neigten PA t>or ber Königin, 
bie mit iljren beibett SAwcftem unb itjrer SA möge rin, ber prinjeffm pon ©ranien-Julba, 
pom Jenfter bes potsbamer SAIoffes bem KusmarfA jufap. 21m näAflen Tage, — bem 
3aljrestag pon Ceutben — folgten bie lebten Truppen ber Berliner 3 |1 fpef f >°n. SAon am 
3 . Dejember war bie ^felbequipage bes Königs abgegangen, ber babei ju bem alten ^elb« 
marfAall ZlTölIenborff bemerfte: er werbe felbft als Kurier folgen, fobalb es nötig fei. KuA 
feinem jüngften Bruber, bem prinjen KKlljelm, ber mit feinem Kaoallerie * Regiment aus* 
rücfte, fagte er beim 21bfAieb: „3« pierjepn Tagen fontme iA naA!" Königin Cuife, fo 
war (Aon perabrebet, follte ipn ins ,fclb begleiten. 

2(llein wenige Tage fpäter, am 7 . Dejember, man war gerabe junt Tee bei ber Königin 
perfamntclt unb freute fnA an ber JrifAe unb HTunterfeit bes greifen prinjen jerbinanb, 
famen jwei Stafetten pon bem preußifAcn ©efanbten in ©Imütj unb braAten bie SArctfens» 
funbe pon einer pölligen Hieberlage ber Hüffen bei Hufterlifj (2. Dejember). „IDie ein 
DonnerfAIag wirfte bies auf bie ©emüter," beriAtet ein 2lnwefenber. Die Königin war aufs 
tieffte erfAüttert. ,,©ott belnite DuA." fA™k f ,c bem Bruber ©eorg, „iA glaube an fein 
©lücf niepr bienieben." TäufAenbe HaAriA ,(n 00,1 bem jäpen IDiberftaitb ber Hüffen, bie 
riel feute Perloren, aber ifjre Stellungen behauptet hätten , beruhigten bie Königin wieber 
einigermaßen, unb fie fArieb ber prinjeffm Jerbinanb pon ben IDunbem ber Tapferfeit, 
bie bie Hüffen unter Bcfefjl bes Kaifers unb bes ©roßfürften Konftantin perriAtet hätten ; 

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grptf<t)tii 2U<ianbtr unb Hjpoleon 



„©ott fcgne Me IPaffen ber guten Sache. 3^? Mn gewifj, liebe Cante, bag Deine Bitten 
ft* mit ben meinigen »er einigen, unb fcfjmeidjele mit, baff fte allem, a>as uns teuer ift, 
©lücf bringen werben." ( 9 . Dejember.) 

Die bjoffnung währte nur furj. 3« ben itädiften ©agen famen Schlag auf Scfjlag 
bie Unglflcfsbotfdjaften, bie ben ,gufammenbruch ber Koalition bebeuteten: non ber ^ufammen* 
fünft bes Kaifers ^rattj mit ITapoleon, bem Hbfcfjlujj eines IDaffenflillftanbes ju ^naym, 
ben ,JriebensperhanbIungen , bem Hbjug ber Hüffen unb ber fluchtartigen Hücfreife Kaifer 
Hleranbcrs nach Petersburg. Schlimmer noch als biefe Hach richten wirfte bas Perhalten 
ber Hüffen unb ©efterreietjer gegeneinanber: was etwa in Berlin an Kampfesfreube unb 
Kriegsluft nod} lebte, mufte baburcf; erftieft werben, ^aft pom Schlachtfelbe weg, ängftlicfj 
beforgt, einer bem aubem jupor$ufommen, eilten öfterreichifvhe unb ruffifdje Pertreter 
nach Berlin, um fjilfe ju erbitten unb fid) bes Perrats, ber ©reuloftgfcit unb Unfähige 
feit gegenfeitig aitjuflagen. Der erfte, ber eintraf, war ber öfterreichifche ©eiteral 
Stuftet heim, ber jahrelang in Petersburg ben Kaifer gegen preujjen aufgelegt hatte; 
je$t fam er, um burch prcugifche ©inwirfung milbere Jricbcnsbebingungen für ©efterreich 
ju erlangen. Sein Bericht über ben Perlauf biefer ZITiffion ift ungemein nterfwürbig; 
er jeigt, bag König .friebrich HXlhelm auch in Mcfetit Hugenblicf noch bereit gewefen 
wäre, fein IDort einjulöfen unb am Kriege teiljunehmen, wenn er nur auf bie ^eftigfeit 
©efterreichs hätte rechnen fönnen. 

Der König empfing ben ©enetal mit ben bitterften Porwürfen, bog man ihn feinen 
Beforgniffen unb Zweifeln überlaffen h fl M; olles was er bisher über Hufterlig wiffe, höbe 
er nur pon ben ^ranjofen erfahren. Bachbem er ruhiger geworben, perficherte er bem ©encral, 
man folle überjeugt fein, bag er ©efterreichs Sache als bie feinige betrachte; er perlange 
aber offenherjige Mitteilung über bie Perljanblungcn wegen eines Sonberfriebens, beten 
Hnfnüpjung Stutterheim bann jugab unb mit ber 3foIierung ©efterreichs entfchulbigtc. Der 
©eneral brachte nun feine Klagen über bie Hüffen por, bie bem König nach feinen eigenen 
(Erfahrungen nicht unberechtigt fehienen; por allem aber fudjte er ben König ju Überreben, 
bie preugifchen Hüftungen unb Cruppenbcwcgungen an ber fächfifch böhmifdyen ©renje ju 
befchleunigen, natürlich ohne Ueberfchreitung ber ©renje, was ber öfterreichifch * franjöfifdje 
IDaffenflillftanb unterfagte. Hach pielem fjin« unb öerreben fam fchlieglich ber König auf 
bie f}auptfache jurücf unb gab bie beftiinmte ©rflärung: „IDeun ber Kaifer mir perfpreeben 
will, feinen Sonberfrieben 5 U fchliegen, wenn er mir fagen will, wie er 3 U ben ©perationen 
mitjuwirfen benft, falls Jranfrei* burch 3 U h ar, ° Bebingungen ben Jrieben unmöglich 
macht, fo bin ich bereit, feine Sache mit meiner gaitjen Macht ju unterftüfeen." 

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Der öfterrcidjifdje ©eneral war nidjt crmädjtigt, eine entfpredjenbe ©rflärung abju» 
geben. Er glaubte fdjon ben ißmtd feiner Senbung erreidjt 3U tjaben, wenn er preufens 
Unterftüßung für ©eftcrreidj jur Erlangung gemäßigter ;Jriebensbebingungen geftdjert Ijielt 

Stutterljeim f>af aud; Königin tuife gefprodien, fte fonnte bei ber Unterrebung über bie 
unglüdlidje IDcnbung ber Dinge ifjre (Tränen nidjt jurüdljalten unb entfdjulbigtc iljre (Erregung 
mit bcn IDortcn: „ITTan müßte fein Dcutfdjcr fein, um alles bies nidjt ju fütjlen" — es 
finb bie einzigen beutfdjen IDorte in Stutterljeims fonft fran3öftfdj abgefaßtem Beridjte. 

2Tuf Stutterljeim folgte am (7. Dejember ^ürft peter Dolgorufij mit einem Sdjreiben 
Kaifer Klcjunbcrs t>om 6. Dcjember, bas bem König überließ, fid; mit ^ranfreidj ju per* 
ftänbigcit, iljn aber suglcidj auf alle grille unb auf immer ber Unterftüßung bes Kaifers 
pcrfidjcrte, unb jwei (Tage f pater bes Kaifers Brubcr, ©roßfürft Konftantin, ber fidj in ben 
leibenfdjaftlidjften unb geljäffigften Knflagen gegen bie ©efterrcidjer gar nidjt genug tun 
fonnte unb ber burdj fein brutales IDcfen überhaupt in Berlin ben ungünftigften Einbrucf 
madjte. „Es ift nidjt mein Klepanber," fdjrieb ©räfin Doß rcfignicrt in iljr (Tagebudj. 
ITTan bemütjte fidj eifrig, feine üble Caunc burdj fjoffefte aufjufjeitem, bie gerabe in biefem 
IDinter, mitten im tärm ber IDaffen unb im ,§“fammenbrudj bes alten Europa, fo glänjcnb 
unb fo jaljlreidj gefeiert würben, wie faum je suuor, unb bei benen fidj Konftantin ebenfo 
tanjluftig seigte wie Königin tuife felbft. Kudj iljrc Sdjweftcm, bie ftdj abwedjfelnb in 
Berlin aufljielten, naljmen baran teil, unb bie Sdjwefter Ulcfanbers unb Konftantins, 
©roßfürftin ITTaria pawloama, bie Erbprinjeffin r>on IDeimar, bie Knfang 3 anuar 1806 
nadj Berlin fam. 

IDenn nun audj Kaifer Klepanbcr felbft in feinem Sdjreiben Pom 6. Dcjember ben 
König pon ben Bcrpflidjtungen bes potsbanicr Vertrages freigefprodjen Ijatte, fo war bodj 
bie leßlc Entfdjeibung über Krieg unb ^rieben bamit nodj nidjt getroffen. 3 n Berlin felbft 
war wenigflens in Königin tuife bie friegerifdje Stimmung nod; feineswegs erlofdjen. ITTan 
erjäljlte fidj am Ijofe pon Iebljaften Kuseinanbcrfcßungcn jwifdjen iljr unb bem König; fte 
felbft fpridjt einmal pon „IDortwedjfel" infolge „ganj perfdjiebencr ITTeinungeti". „Die arme 
Königin," fdjreibt bamals ein rufftfdjer Diplomat aus Berlin, „ift wirflidj unfere ^reunbitt . . . 
Sie ift fcfjr ju beflagen; laffen Sie fidj alle bie Sjenen erjäljlon , bie fte mit itjni geljabt 
Ijat, unb alle bie (Tränen, bie wir iljr foften. Beiläufig, wie Ijübfdj ift fte, biefe Königin." 
Unter ben (Truppen, bie iljrc Bewegungen ju größerer Konjentrierung nadj ber fädjfifdj» 
böljmifdjen ©renje Ijin oljne Unterbrcdjung fortgefeßt fjatten, war bie Stimmung bie aller« 
befte. „Sage ber Königin," fdjrieb prittj fouis Jerbinanb feiner Sdjwefter, ber prinjeffm 
tuife lutbjiwill , „wenn itjre ©efüljle unb bie entfdjloffene 21 rt, wie fte fidj für bas ©Ute 

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§n>ifd?cn JJUranber nnb Hapoleon 



unö für encrgifcge Hlagregeln ausgcfproegcn gat, befannt wären, fo würben alle gut» 
gefilmten Ccute unö Me ganje 21rmec itjr 21ltärc errichten." Bei biefer £age öer Dinge 
Ijing nocg alles pon öem 21usgang öer Herganblungen öes ©rafen fyiugroib mit Hapoleon ab. 

Den IDcignacgtsabenb, öer jugleicg Kaifer 21lefanbers ©eburtstag mar, tjattc öer 
Berliner t)of unter Beteiligung öes ©rogfürften Konffantin unö öcs fjerjogs ©ugcn 
non IDürttcmberg nach mit gewogntem ©lanje gefeiert. 21m erften IHeignacgtstage fam 
©raf liaiigroiR felbft non Hapoleon jurücf, unö mit Öen Hacgricfcten, öic er brachte, fatj 
man ficg por eine ©ntfcgeibung gcftellt, öie öer politif öer legten HIonate pöllig juwtberlief. 
©raf fyiugwig, öer fcbon bei feiner erften llnterrebung mit Hapoleon in Brünn nocg r>or 
öer Sdjlacgt bei Kufterliß öie igm auf ©runö öes potsöamer Hertrages aufgetragenen 
Joröcrungcn nicgt oorjulcgen gewagt gatte, mar nad; öer Zertrümmerung öes ruffifcgen 
fjeeres jufrieben gewefen, öie Beöingungen anjunegmen, öie igm am 15. Dejember ju 
SAönbrunn Hapoleon für einen preugifd)»franjöftfcgen Hertrag anbot. preugen follte gegen 
Abtretung con 2lnsbacb, ©lene, Heuenburg unö ©arantie öes franjöfifdjcn Befibftanöes 
öas geig umworbene fiamiorier ergaben. ©fjne langes Beöenfen, überjeugt, öag er nur 
jmifdjen Krieg unö Bünönts $u wägten gäbe, unterjeicgnetc ©raf l)augwig. 

3n Berlin war man öodi nicgt wenig betroffen, als fjaugmig mit öiefem Hertrage 
jurücffant. 3fy n einfad} ab 5 ulegnen gatte nicmanö auf ficg negmen mögen. Um aber öie 
in Öen napoleonifdien Beöingungen liegenöe jeinöfeligfeit gegen ©nglanb unö Kuglanö ju 
permeiben, oerftel man auf Öen Zlusmeg, ign nur mit ©infcgränfungen anjunegmen, 
weldje öic Erfüllung öer 21bmacgungen bis nacg öem allgemeinen ^rieben ginausfegoben. 
Dian ermigt leidit, wie Hapoleon öiefe Kenöcrung, ju öeren Hcdjtfertigung ©raf fymgmig 
felbft nad) paris ging, aufnegmen mugte: er jwang Öen preugifegen Bepollmäcgtigten am 
15. ^ebruar 1806 ju einem neuen Hertrage, öer preugen aueg noeg jur Scgliegung öer 
fyjfen unö öamit jur Ceilnagme am Kriege gegen ©nglanb nerpfüegtete. 

Die preugifdje Hcgierung gatte tnjwifcgen felbft ficg öer ZTiöglidjfeit beraubt, öen neuen 
Joröerungen Hapoleons ZDiöerftanö entgegenjufegen. ©inen mit Kbftdjt ganj unbeftimmt 
unö freunölid) gegoltenen ©rlag öes franjöftfcgcn Hlinifteriums an Caforcft gatte man im 
Sinne einer ©enegmigung öer pon preugen porgeftglagcnen Hertragscinfcgränfungcn, über» 
gaupt als eine , (t friebcnsbotfcgaft" geöeutet unö öaraufgin, nicgt ogne Beöenfen öes Königs, 
Öen grögeren (Teil öer preugifegen (Truppen auf Öen Jrieöcnsfug gefegt, ©egen ZTlitte 
Februar fag man öic ftoljcn ©aröeregimenter wieöer in Berlin unö potsöam cinrücfcn, 
einjelne öureg Defertioncn fegr jufamntengcfcgmoljcn, insbefonöcre gcraöe öas Kegimcnt öes 
Königs, öas öer König felbft öeswegen nicgt fegen moegte. 21 Ue Cruppcn, ©ffijierc wie 

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Solbatcn, mären poII Sdjant unb (Erbitterung über biefc fampflofe unb unrühmliche Xücffebr, 
nadf ben jmeeflofen 2Kärfd)cn pon ©ften naef) IDeften unb mieber pon IDeften nach fflftcn. 
Unter ben burdjmarfdiierenben Hegimentem nur audi bas (eit ^ofjenfriebberg hodi berühmte 
Dragoner=Hegiment KnsbadiBayreuth, beffen Ct;ef, ber leiste Utarfgraf, eben geftorben mar 
unb bas nun ber Königin perlieljen mürbe, jegt Küraffier=Xegiment Königin. Die Ber» 
leiljung ermeefte grofje unb allgemeine Begeiferung. „HTöge einft", tjieß es, „in einem 
entfdjeibenben Kugenblicfe, ftc felbft an bie Spige bes Regiments ftef? fegen." 

Km Kbenb besfelben (Tages, mo biefe Derleiljung erfolgte, am 23. Februar, fam ber 
preugifdje ©efanbte in Paris, ber Ularquis Eucdjefini mit bem neuen pon ßaugroig unter» 
jeidjneten Verträge in Berlin an. So grog audi bie ITligftimmung barüber fein modjtc: 
mie es fdjeint, mar es bodj nur Königin Cuife, bie bem Knfdilug an ^ranfrcii) nod; $u miber* 
fpredsen roagte. IDenigftens fdjrcibt Cucd^efmi, ben bie Königin am 2 q. Februar empfing, am 
nädjften (Tage an feine ^rau: „3<h fanb bie Königin fo fdjön unb fo liebensmürbig mie je, 
aber (unter uns gefagt) pollfommen uupcmünjtig in ber politif." 

IDaffenlos, mie jefet preugen ben nodj in Sübbeutfd)Ianb perfammelten l)eeren Hapoleons 
gegen überftanb, roer Ijätte es magen mögen, bas neue Kbfommen 5 U permerfen? Sebon 
am 25. Jebruar mürbe befdiloffen, ben Beitrag 5 U ratifijiercn, ber nun preugen jum Ber» 
bünbeten franfreidjs machte. preugen, bas nod; eben mit Ruglanb, ©efterreidj unb (Eng» 
lanb gegen ^ranfreid) perbünbet fdiien, mar ju Hapoleon übergegangen. Kus Hapoleons 
fjänben nahm es bas Kurfürftentum fiannooet entgegen, auf bas fein Canbcsljerr nod; nidjt 
pcr$idjtet hatte unb bas, mit Kusnatjme ber Regung f)amelu, pon ben ^raitjofen nidit mehr 
befegt spar. Dclbrücf fdjrieb in fein (Tagebud;: „preugen Ijat aufgefjört preugen ju fein, 
unb ber Cag ift gefommen, mo fein Kuljm finft." Kllc Hoffnungen, bie man in Horb» 
beutfdilanb unb aud) in Sübbeutfdilanb auf Kbfdsüttelung ber napoleonifdjen Uebermadjt an 
bie preugifdie IDaffenerljebung gefnüpft Ijatte, maren pon preugen felbft pemiditet morben. 
(Tiefer Hatte fidi preugen nidit Ijerabgemürbigt, tiefer mar es in ber Kditung ber IDelt, in 
ber Kdjtung por allem ber Deutfdien nie gefunfen ; felbft bas in ben Jreifyeitsfricgen pergoffene 
preugifdie Blut Ijat bie brennenbe (Erinnerung an jene Sdimadj nidit ganj auslöfdjen fönnen. 



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Secfcftes Kapitel 

Brucfj mit ^wnfrcidj 

(1806) 



stjlm Heujahrstage bes Jahres 1806 fArieb ber Dertreter SAmebens in Berlin, 6er unter 
6ent Hamen Selntar auch als beutfAcr Dichter befannte Brincfmann, an 6ie ©räfin Pop, 
6ie (ToAtet 6er frau pon Berg un6 (Semablin 6es (Enteis 6er ©berljofmeifterin : 

n>as follen mir uns fAlagen, feit6em mir fo meife un6 fo aufgefidrt gemorben, 
baff uns nichts mehr heilig ift; feit6em mir remünftig genug gemor6en, um jc6e Anhang* 
liAfeit an 6as Alte un6 <Eh ru, ürbige, 6as pon unfern Patern auf uns pererbt mur6e, als 
ein 2lmmenurteil ju Derf polten, feitbem mir cnbliA einfeben gelernt haben, bag jenes mvftifdjc 
IDort „Paterlanb" nicht einen fittlidjen, fottbem blog einen geographifAftatiftifchen Begriff 
bezeichne, unb feitbem mir enbliA ju pljilofophifch benfen gelernt haben, um unfere Jürften 
für etmas anberes 5 u ballen, als für Kegierungsinftrumente, bie mir alfo, gleiApiel moher, 
am liebften fo mohlfeil mie möglich ertaufen. IDarum beim nicht lieber einem HTurat in 
Hul;e gehorchen, als ben <Th ron ^riebrichs bes ©ragen mit höchft unbequemen Aufopferungen 
bes mirf liehen Cebensgenuffcs perteibigen? Das bißAen Cupus pon 3been unb tEmpfhtbuttgen, 
bem bie menfchliAe Seele bod) nicht PöUig entfagen fann, mögen mir ja ju poefie unb 
Aunft perbrauchen, nur perberbe man bamit nicht ben Polfsdjaratter unb perfaufe nicht für 
folehe (Chimären bie Bcalien bes pegetierenben febetts!" 





Brincfmann felbft ijat biefe bittere Satire auf bas aufgeflärte UMtbürgcrtum ber 
Deutfcfjen wenige EDochen fpäter wieber eingefcfjränft, als er in ben erften Blärjtagcn, nach 
2lbf<hlug bcs Parifer Beitrages, feiner Regierung berichtete: „5ur £fjre ber öffentlichen 
Bleinung mug ich geftehen, bag, fo picle 3ahre ich Preugen fenne, ich bas ZTationalgefühl 
nie fo tief perletjt gefehen höbe, als in biefem 2 Iugcnblicf." 

ITlan hat längft bemerft, wie burA bie Ummäl$ungen im IDinter non 1805 auf f806 
in ben ©eftnnungen ber gebilbeten Kreife PcutfAlanbs unb befonbers Preugens ein tief* 
greifenber llmfAuumg eintrat, wie bie ©ebattfen an IDeltbürgcrtum unb Uniperfalmonarchie 
pon ben ©e iftern abgelen , unb bie ©rfenntnis ber Derwerflichfcü fclbftgcnügfamer 
2Ibfchliegung gegen bie Stammesgenoffen unb ber notwenbigen Eingabe bes einjclncn an fein 
Datcrlanb ftegreich auflcuchtete. 21m fchönften ptclleiAt unb beutlichften fann man biefen 
(Entwicflungsgang bei prinj fouis ^erbinanb perfolgcn. 2Ibet auch König ^riebrich 
IDilhelm III. felbft ift pon bent mächtigen ,3uge biefer Bewegung nicht unberührt geblieben. 
3n (5°m unb (Erbitterung über bie plumpe Cift ber napoleonifdjen politif, bie ihm bie 
IDaffen aus ber fjanb gewunben, über ben Drucf, ber ihm bie Verträge pon SAönbruttn 
unb paris aufgejwungcn, wanbeite ftch bie politifAe ©eftnnung bcs Königs. SA wer litt fein 
fricbliebettbes ©emüt unb feine trübfelige Stimmung fiel allgemein auf; man erfühlte ftch, 
bag er häufig weine unb bag er bas IDort „KnsbaA" in feiner ©egenwart aussufprcAett per* 
boten lyabc. Seine üerlwnblungen waren bisher jumeift bahin gegangen, ber (Erhaltung ober 
IDieberherftellung bes ^riebens }u bienen unb bem preugifchen Staate feine neutrale Stellung 
5 U bewahren. 3 c gt begann er ftch uoti bem bisher fo jäE>e perteibigten Heutralitätsgebanfen 
auch innerlich ju befreien unb, bie felbftjufriebenc 3 t°I'erung aufgebettb, engfte Zlnlclinung 
an Kuglanb $u fuchen, bie er, wie befannt, währenb feiner ganjen Hcgierungsjeit feftgchalten 
hat. Damit perbanb ftch eine Kbwenbung pon Jranfreicfj unb ein perfönlicfjer IDiberwille 
gegen Hapoleon, ber ihn aus feinen ^riebensträumen fo rauh aufgcfdjrccft hatte. Der* 
gebens bemühte ftch ©raf Raugwits, ber nach fetrter Kucffegr aus paris an Stelle Rarbcn* 
bergs bie Ccitung ber auswärtigen Politif preugens wieber allein übernahm, ihn mit ber 
neuen (Drbnung ber Dinge aus 5 uföl)tten. 

Iliemanb aber am Berliner Rofc hat ben IDanbel ber (Tage, ben llebcrgang pon ber 
2tUianj mit 2Ilej-anber ju bem Bunbc mit Hapoleon, ben ^ufammenbrueb bcs preugifchen 
2lnfehens, perfönliA fo fchrner unb fo fchmerjlich empfuuben wie Königin tuife. 3 e mehr ge 
auch PolitifA« Jragcn pomchmlich etbifA aufjufaffen pflegte, um fo tiefer mugte fte geh 
erfcf)üttcrt fühlen. 2Illes was Schottes unb (Ebles unb Roges in igr lebte, alles was ge felbft 
als „ITugenb" empfanb, war im 3 T 'tierften getroffen. Der 2Ibfchlug bes parifer Vertrages 

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(Darf fic gerabeju aufs Kranfonlager. £s mar öie volle IDafjrfjcit, wenn ein beutfcher 
Diplomat, öer Cegationsrat IDoltmann, einige IDodion fpäter fdjrieb: „Die Königin foll bei 
biefern (Sang öer politifcben Angelegenheiten unausfprecblich leiben unö befonöcrs Öen Derluft 
Ansbachs nicht verfdjmerjen fönnen. Der ©ram foll an ihrer ©efunbfjeit nagen, bag öer 
feibarjt fjufelanb ungemein für fie fürchtet." Aber förperlidj leiöenö, wie ft« mar, ift fte 
in öiefer Krifts geiftig erftarft unö gomachfcn. Sie fjat es fclbft ausgefprodjen, öaß fie fief? 
öantals öer Kräfte bewugt geworben fei, öie in ihr fdilummerten. Hie fühlte fte ftch in 
weihevollerer Stimmung sum (Empfang öes hellten Abenömahls als ©ftem 1806. 

3n öem allgemeinen Umfchwung öer Dinge äitöerte ftch aucf} th rc Beurteilung in öer 
öffentlichen ZHeinung. 

HTait fennt öas herrliche Sonett, in öem Heinrich von Kleift gefchilöert hol» wie ju 
öer Anmut unö Schönheit öer Königin, öie 3 U bemunbem man längft gewohnt war, auch 
ihre ©rüge fich ungeahnt unö übermältigenb offenbart höbe. Die ©cfüljlc unö (Empfinbuvgcn, 
öenen öer Dichter hier ergreifenöen Ausörucf gab, begannen fchon öamals ftch ju verbreiten. 
ZTTan fing an 3 U ahnen, was Königin Cuife neben Jricörich IDilhelm beöeute: lebhaften 
Sinn für öas ©roge unö Schöne mit etwas Schwärmerei unö Geologie, rcijbares öeutfches 
Hationalgefühl mit frifch jugreifenöer preugifcher Catenluft, afle öie (Eigenfchaften, öie man 
bei öem König venuigte, fanö man bei öer Königin. Don einem König, öer l)aröenberg gehen 
lief unö fytugwig wieöer ju feinem erftcn Hatgeber erhob, erwartete man nichts mehr; felbfi 
ein ITtann wie Beyme, fo wirb glaubwüröig berichtet, empfahl öie fjeranjieljung öer Königin 
ju öen Staatsgefdjäften. An Königin Cuife flammerten ftch &i« Hoffnungen aller Patrioten; 
fchon fprach man von einer „Partei öer Königin". Auf ihre Untcrftüfcung bauten öie 
HTänner, öie ftch Jur £?etrbcifülj run 9 eines Umfchwungs im 3 nn «m wie nach äugen hin 
öamals vereinigten. 

Die AUian 5 mit Jranfreich unö ihre folgen, öie Cänöervertaufchungen, vor aüem aber 
hoch öas Hegiment öer vertagten fiauawifc, Combarö unö Beyme, hatten in öer Berliner 
©cfeUfchaft aUer Klaffen eilte tiefe ilnjuf rieben heit hervorgerufett, öie ftch in bisher urige« 
fannter XDeife laut unö rücfhaltlos äugerte. Durchmarfdjierenbe Hegimenter hatten öem 
fcheiöenöen Aliniftcr £}ar Öen borg lärmenöe f) u löigungen öargebracht. Den ©ffijiercn mugte 
öurch parolcbefehl öas politifteren unö Häfonnieren verboten werben. Die Dertreter Hapoleons 
unö feiner Derbünöcten würben gefeUfchaftlich ebenfo gemieöen, wie öie preugifchen Staats« 
mättner, öie man jur „franjöfifchen Partei" rechnete. (Es beöurfte erft eines ausörücflichen 
Befehls öes Königs, ehe ftch bie ©berhofmeiftcrin öer Königin, ©räfin Pog, h«rbeilieg, 
öen ©rafen fytugwig nach feiner Kücffchr aus paris ju empfangen. Sein £jaus mugte 

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£<rti$ mit ;frflnfrcid> 



unter polijeüidjen Schuß gegellt werken, nadjkem jwei Häcfjte tjintereinanöer 6ie Jenfter 
eingeworfen waren. En tfdjeikenk aber wurke, kag kie Bewegung bei ken Perfönlidjfeilcn 
nicht fteijen blieb: fte wankte ftdj auch gegen kie innere (Einrichtung kes preugifd?en Staats» 
wefens. IDas felbft in ken fdjlimmften 3 f ** cn .friekrid) IDilijclms II., unter ker Jjerrfchaft 
ker IDoclIner unk Bifcfjoffwerker nicht gefdjeljen war: es bilkete fid; aus ken prinjen kes 
fönigliefjen fjaufes, aus ken erfien Blätinem im Staate unk in ker Kmtec eine Bereinigung, 
kie kie Kegierungsfomi in preugett kurd) kie Befeitigung ker Kabinettsregierung unk ihrer 
(Träger unk kureb kie (Einführung eines wirtlichen Staatsminifteriums umjugeftalten ftrebte. 
Bas alte abfolute Regiment in preugen wurke in feinem inneren Beftanke wie Dorfjcr 
fchon in feiner auswärtigen politif angegriffen. Ejier haben wir ken Knfang $ur pohtifdien 
Parteibilkung in Preugen, nielleicht ken Knfang jur neueren ©efdndjte pteugens überhaupt. 

Bie Rührer kiefer oppofitioncllen Bewegung in ker fyiuptftakt waren prinj Couis 
^Jerkinank unk ker ZTtinifter kes f)ankels unk ker ^inanjen, ker Freiherr nont Stein, kie einanker 
feit fahren febon nahe flanken. Bon ken ©eneralen gehörten ju kiefern Kreife Scbarnljorft, 
Rüdjel unk phull. Baju famen ©clehrtc wie ker <Sofdjidjtfdjrcibcr 3°h aJl nes non BlüUer, 
auch Klcpaitker non Ifumbolkt unk Kncillon. IITan fank fidi jufammen im fjaufc kes 
prinjen Couis, wo phull militärifdje Borlefungen hielt, oker in Bcllenue unk bei kem 
prinjen Kakjiwill, keffen ©emahtin Cuife, kie Sdjwefter kes Prittjen, non manchen als „kie 
Seele kes weiblichen fjaffes gegen Hapolcon" betrachtet wurke. tjarkenberg mußte um kiefe 
Beftrebungen , ohne inkeffen unmittelbaren Kn teil karan ju nehmen. Heben kem Prinjen 
Couis wurken allmählich, wohl kurd; ih” h au P t f‘5cl>lidi beeinflußt, auch ankere prinjen kes 
föniglichcn fyiufes ins (Einnerftänknis gejogen, wie kie Brüker unk ker Schwager kes Königs, 
kie prinjen fjeinrich unk IDilljcIm unk ker prinj non CDranien --^ulka. Ilm aber auf ken 
König felbft ju wirfen, fdiien kie Unterftüßung ker Königin unentbehrlich. So war es 
Königin Cuife, ker ker IMinifter Stein am fO. Hlai 1806 kureb kie ©räfin Bog jene 
berühmte Benffchrift überreichen lieg, in ker er kie ,form ker Kabinettsrcgicrung unk kie 
perfönlichfeiten ker Kabinettsräte felbft, fowie ken ©rafen fjaugwig unk ken ©eneral Köcfrife 
einer fchneikenken Kritif unterwarf. Bie Königin, wie fie einige tPocben fpäter kurdi 
Jürft IBittgenftein an fjarkenberg fehreiben lieg, fpenkctc ker Benffchrift ihren „hödjften 
Beifall"; allein fte fank kie Kuskrücfe Steins „ju h c f*'9 u, ik ju leikenfchaftlich," fo kag 
man kantit „mehr fdiakett als mitten" würke, unk nahm kcshalb Knftank, kie Schrift 
kem Könige mitjuteilen. 

Es ift gewig, kag Königin Cuife ken Hoffnungen ker Patrioten, kie pon ihr eine wirf* 
fante llnterftügung erwarteten, kamals wie fpäter ttodt manchmal, nidit entfprochen hat. Es 






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Urudf mit .franfrtid; 



war por allem doch öas Derfjältnis jum König, bas itjr porfidjtige 5urücfhaltung auferlegte. 
Sie tjatte, wie wir wiffen und wie ^rau pon Berg einmal f pater an Stein fcfjrieb, aus 
©attinnenpfliAt fiefj gewöhnt, „alle Beigungen uni) Meinungen öes Königs ju teilen, diejenigen 
ju perteibigen, die er perteibigte." 3 m lebten XDintcr batte fie ifjrc abweichenden Knficbten 
oft genug nadiörüdlidj pertreten, und es war darüber zu „IDortwechfeln" gefontnten, öic 
nidjt ju einer wirflidjen ©ntfrembung 3 U fleigem fte ängftlidj bekiffen fein mujjtc. Bejfer 
als andere fannte unö perftanö Cuife Öen ©igenfinn öes Königs, Öen ju überwinöen faft 
unmöglich fchien. Sie mochte es als eine IDamuug empfinöen, öajj fchon pon Spannung 
unö ©rfältung jtpifchen ihnen gefprodjen wuröe, öajj man fich felbft erzählte, ihr ©emahl 
wenöe feine Beigung anöcrcn grauen ju. Der König, in öcm Brief wechfel mit feiner 
©emablin, öer öie ungetrübte ^nnigfeit ihrer Beziehungen auger allem ^tDeifel fegt, bat 
öarüber gefpottet; aber öie Königin felbft fanö es öoeh nötig, in ihren Briefen, auch on 
Kaifer Klejranber, folchen allgemein perbreiteten ©erlichten entgegenzutreten. 

Königin Cuife war feine Kampfnatur. Kuh« unö ©intracht in ihrer jamilie unö 
mit ihren ©efchwiftem, Kuh« unö friede auch nach äugen war ihres fyrjcns Sehnfucht. 
So fchrieb fte, noch im Jebruar (806, öem Bruöer ©eorg: ,,©ott weijj, öap öie ©inigfeit 
im 3 ™«™ hoch öas ©in$ige ift, was ©lücf zu nennen ift. Hebrigens ift auch alles fo affrös 
um unö über mir, öer Horizont fo fchwer unö grau, weil öie (Teufel UTacht hoben unö öie 
©erediten untergehen follen, öajj ich mehr ob jemals öas ©lücf erfenne, einen folchen ITlann 
unö folche ©efchwifter zu hoben. Kch ja, befter ©eorg, öas Diaöem ift fchwer, wenn man 
gut unö ehrlich bleiben will; wenn man nicht fehlest mit Schlechten werben will . . . 3<*l 
bin wieöer einmal recht herunter an Ceib unö Seele, unö gerne gdbe ich 20 3 a h rc meines 
Cebens h' 11 unö hotte ich nur noch im 1 ’' 5 U leben, wenn öaöurch Kufje in Deutfchlonö unö 
©uropa zu erlangen wäre." 

©s öarf nicht übcrfchcn werben: neben öer Hücffichtnahnie auf Öen König unö 
öeffen ©igengeiten war es auch öas ©cfühl förperlicher Schwäche, öer leiöenöe ,5 u ftottö 
ihrer ©efunöheit, was öie Königin jegt unö oft pon tatfräftiger (Teilnahme an Öen 
politifcgcn Kämpfen ausfcglog. Sie war nie feljr fräftig gewefen. lüieöer holte ©rfranfungen, 
häufige lPocbenbetten , nach betten fte fich nie lange fchonen öurftc, hotten ihr Befinden noch 
mehr beeinträchtigt. Schon (7*)9, auch bie Berichte öer ©efanöten erwähnen es, fprach 
man pon cinent ernften Cutigenleiben. Die Krifen im berbft unö IDinter 1805 unö 1806 
hotten bann ihre geringen Körperhafte pölüg erfchöpft. Dazu fam gegen ©ttöe Iliärz öie 
tödliche ©rfranfung ihres jüngften Kindes, öes prinzen Ferdinand. Km 30. IHärz ntufjte 
Cuife noch, beni XDunfchc öes Königs gehorchend, an einem glänzenden ;Jeftmahl teilnehmen, 

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fprang aber in ihrer Kngft pom ftfebe auf, um ju intern Kinbe ju eilen. 3 n 6er gweiten 
Itadjt barauf ftarb es. „UKe piel hotte bie järtlicfje ITiutter gelitten," fcfjreibt ein Kugen* 
jeuge, „nie werbe ich pergejfen ben rüljrenben Knblicf, fie bingebeugt ju fe^en über bas 
Bett bes fämpfenben Sohnes. Sie Ijiclt feine f)anb in ber ihrigen, iijre tippen ruhten auf 
berfelben unb fie fpracb bie rüljrenben IDorte: „BTein ^erbinanbeben, wirb Did) ©ott mir 
u>oi)I wieber febenfen?" . . . Den (Toten aber f?at fie bann glücfltd) gepriefen, ba er pieler 
Schmach unb pielem Ungeheuren entgangen fei. 

©ben in biefen lagen {dimeren perfönlichen Ceibs fam eine politifebe Hacb riebt, bie 
bie Königin aufs neue erregte. Die Verträge mit ^ranfreidj hotten fdjon 3 U unangenehmen 
^roiftigfeiten mit perfdjiebenen Staaten geführt. 3 ur grbgten v frcubc ber Königin, bie immer 
nodf ouf Kleranber rechnete, gelang es jwar, mit Xufilanb bie alten freunbfchaftlichen Be* 
Siebungen aufrecht ju erhalten unb felbfl im tiefften ©ebeimnis, ohne THitwiffen bes Kabinetts 
unb bes ©rafen ijaugwih, allein burch fjarbenberg, eine noch feftere unb innigere Der* 
binbung por$uberciten. 2Ttan buchte auch, infolge einer Anregung Kaifcr Klejanbers, an 
eine Dermählung bes Prinzen Heinrich mit einer rufftfehen ©rofjfürftin, tpofür ficb befonbers 
Königin fuife intcreffierte. 3 n mitlcn rufftfdjer (Truppen, bie fidj in Stettin nach >h rcr fjeimat 
einfehiffen follten, feierte fie mit bem König biesmal ihren ©eburtstag ((0. ITTärj 1806). 
Dagegen fam es, houptfäd)ti<h infolge ber Sperrung ber Horbfeehäfcn unb Cübecfs, ju 
einem pölligen Bruch mit ©nglanb, ber bem preufjifdien fjanbel unermef liehen Schaben 
gufügte. Kuch bas Dcrbältnis ju Schieben gcftaltete fiefj hoch ft unerquicflich; non Scbmebifcb* 
pomment aus hotten fehwebifebe (Truppen bas honnopcrfdfc Cauenburg befe^t, aus bem 
ftc nur mit ©ewalt pcrtrieben »erben fonnten. 3 n &en erften Xpriltagcn nun erhielt man 
bie nachriebt, bajj ber neue fjcrjog non Clepe unb Berg, Bapoleons Sch»agcr 3 oac *!' m 
BTurat, bie Xbteien ©ffen unb iPerben unb etwas fpäter noch fiten h a be beferen Iaffen, 
bie erft (802 als ©ntfdjöbigungen an preufjen gefontmen »aren. Don franjöfifdier Seite 
berief man ftch barauf, bajj biefe brei Kbtcien nach 'h ret lanbftänbifchen Dertretung unb 
ihrer Steueroerfaffung fürglich mit bem im parifer Dertrag abgetretenen fjerjogtum fiepe 
pereinigt feien, ©inige preufjifdje (Truppen, bie in ©ffen ftanben, tpurben leicht jurücf* 
gebrängt; ber in IDeftfalen fommanbierenbe ©enetal Blücher lieg bann aber burch ein 
ftärferes preufjifches f ruppenforps IHurats proflamationen in ben Kbteien abreifen unb bie 
preugifchen Kbler »icber anfchlagen. Königin Cuife, ber ber König biefe nachridjten mit= 
teilte, antwortete ihm, einen (Tag nur nach Jcrbinanbs (Tobe: „3<h rate Dir, pon Bonaparte 
barüber Sedjenfchaft ju forbem . . . Uebrigens beweift bas immer wieber, baß feine politif 
nichts achtet; je mehr Hadjgiebigfeit man ihm 3 eigt, uni fo mehr macht er fidj über bie 

U« 



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iLufel 14 




Königin Cutfc 
Kupfrrftid? von diclfcr, t7**8 



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luftig, öic fo gutmütig finö. La force contre la force, voilä la seule chose ä mon avis, 
nous avons un bon alliö, profitons-en" . . . 

Aucg fonft nagm Königin Cuife nocg in polilifcgen fragen bas tDort, menigftens 
fobalö fte bamit nicht hem IDillctt bes Königs gerabeju entgegenganbelte. Sie batte 
fjarbenbergs Hücftrittsgebanfcn befämpft unö ign inftänöigft gebeten, Öen Dienft öes Königs 
nicgt ju perlaffen; if>r fei es ein Iroft, fo gatte fie igm gefcgrieben, öic ©efcpäfte in öen 
fjänöen öes acgtungsroertcften ITtannes ju roiffen, öer öa lebe. 2 Tlit öem ©ntlaffenen, 
öem ja aucg öer König fein Dertrauen nicht entjog, blieb fie öurcg öie ©räpn Bog unö 
burch ^ürft JDittgenftein in Derbinöung, unö pcrmittelte igm in igren Zimmern ^ufammen« 
fünfte mit öem König. IDas igr aber am meiften am fjerjen lag unö was fie trog igrer 
Scgmäcge unö trog igrcs Xugebebfirfniffes immer nocg Kraft fanö ju föröern unö $u pflegen, 
öas mären öie Bejicgungen }u Xuglaub unö 3 U Kaifer Aleranber. IDenn öiefe in Jrage 
famen, trug fte fein Beöenfen, nacgbrücflicg Partei 3 U ergreifen. 

Der rufpfchc ©efanbte Alopeus gatte es permieöen, amtlicg mit ©raf fjaugroig ju 
perfegren, öer öarüber 3 U Anfang JTtai öurcg öie preugifcge ©efanbtfcgaft in Petersburg 
Sefcgmerbe fügten unö öen IDunfcg nacg Abberufung pon Alopeus anöeuten lieg. Königin 
Cuife, öer öer (Erlag nacg Petersburg mitgeteilt mürbe, fpracg igre Beöenfen gegen Combarö 
aus. Sie erinnerte öatan, toie man cs tpägrenö öer Krife mit Jranfteieg jugelaffen gäbe, 
öag öer franjöfifcgc ©efanbte Caforcft, ftatt mit fjaröenberg, mit igm, Combarö, nerganöclte; 
ebenfo fönne jegt öer ruffifcge ©efanbte mit öem ©rafen Keller petganöeln, öer öamals als 
jipeitcr ober öritter Kabinettsminiftcr neben fjaugroig in Ausftcgt genommen mar. ©s 
märe beflagensroert unö nacgteilig, roenn ein fo guter preugenfreunö, mie Alopeus, öurcg 
einen anöercn ©efanöten erfcgt meröen follte. Die Angelegengeit fcgicn igr roicgtig genug, 
um pe auch nocg fcgriftlicg ju erörtern. Sie fcgrieb eine „parallele öes Bergaltens, öas 
man gegen Caforeft unö gegen Alopeus gejcigt gat", morin pe unter Angriffen auf 
Combarös ©itelfeit, öer mit Caforefts Betragen jufrieben gemefen fei, jene Beöenfen mieöer» 
gölte, jugleicg aber öie emfte potitifege Beöeutung öiefes Diplomatenftreites geroorgob. IHan 
gatte minöeftens, meinte pe, mie gegen Alopeus in Petersburg, fo gegen Cafotep in paris 
porgegen rnüffen. 3 C 9* jeige man peg fegmaeg gegen öen, öer allen anftänöigen Ceuten 
pergagt fei, unö laufe ©efagr, an Stelle pon Alopeus, auf öeffen ,Jreunöfcgaft man peger 
bauen fönne — fein Bergalten im fferbft öes porigen 3agres mar igr gemig niegt unbefannt 
geblieben — , einen jmeifelgaften Hacgfolger ju ergalten, öer pielleicgt preugen mit Kuglanö 
entjmeie unö cs feiner legten Stüge, öen König feines magren ^reunöes beraube. „Dann 
gegen mir ifoliert gegenüber öem infamen Kolog Hapoleon. Unö öas eben ift öas 3'^ 





feinet politif . . . Ulan fagt immer, man 6a rf ftdj ntrfjt mii jranfreich Überwerfen , mit 
biefem Ungeheuer an IHadjt, un6 idj antworte: ZTtan muf ganj ebenfo oorftdjtig fein, (ich 
feine ^rcunbe ju erhalten, 6ie emsigen, 6ic uns nügen un6 als Stüge gegen 6ies Ungeheuer 
bienen fönnen, bas feine ,-freunbe fennt. <£r »ill nur Sflapen als IDerfseugc feines IPillcns. 
Unb ich bin überseugt, baß jeber preufje lieber ben legten Blutstropfen Ijingeben, als fid) 
SU ber 3nfamie emiebrigen wirb, Perbünbcter ober 5 flaue — »as fynonym ift — ber 
^ranjofen su »erben. Paljin aber arbeitet man, bapon bin id) überseugt." 

3ns»ifd?en nahm bie Sdjmädje ber Königin su, iljr € eiben »urbe ficfjtbarer. 2Us 
fie am Karfreitage 1806 in ber Hifolaifirdje bei propft Xibbecf bas Kbenbmaf^l feierte, 
erfd)ien fie ben Knroefcnbcn ,,»ie eine fjeilige". Küljrenbe Knljanglidifeit beunes Ujr in 
biefer ,geit if?re Schwägerin, bie prin$effm oon ©ranien A fulba, ber cs su»eilen gelang, fie 
etu>as aufjubeitern, »äfjrenb ber König nach feiner ©cwohnheit auch jefet im ©heatcr 3er- 
ftreuung fudjte. Pa iljr ^uftanb ftdj aber immer nerfdjlimmerte, fo traten bie Ceibärjte 
Uufdartb unb Bro»n su einer Beratung sufammen unb erflärten eine Babefur für 
unerläßlich- Königin Cuife hat fjieruon felbft bem König in einem Schreiben HTitteilung 
gemacht, bas für ihren ©harafter »ie für ihre Besiehungen su ihrem ©emaljl su beseichnenb 
ift, als baß es hier nicht plag finben müßte. Sie fdjrcibt bem Könige, ber in potsbam 
per»cilte, aus Berlin am 12. Kpril 1806: 

„Befter ,freunbl Pie Uerste wünfehen ernftlidj mit Dir reben su fönnen »egen meiner 
miferablen ©efunbljeit, bie, ich fann es nicht leugnen, »irflich burch Seelcnfunmier, ber feit 
bem September unaufhörlich an meiner Ccbensfraft nagte, feljr herunter ift. Pu fennft 
meine ©efinnungen, meine £iebe für Pich, Du fannft Pir alfo leicht benfen, baß eine 
(Trennung pon 5 ober 6 IDocben grabe in einer <3eit, »o Pu meiner bebarfft, mir piel 
foftet, aber ich glaube, um eine längere su perhüten, bin ich mir unb unfern Kinbern 
fchulbig, alles su thun, um mich s u erhalten. ©ijuc ich nichts ©mfllidies biefes 3ahr, fo 
»irb mein ^uftanb ber Schwache unb (Entfräftung mit jebem ItTonat ärger, unb ich »erbe Pir 
in einem 3ab r « pielleidjt f<hon sur Caft, ein ©ebanfe, ber mir manche bittere ©braue foftete. 
€s ift alfo beffer, ich 8*h *> wohin ber Husfprud) ber Kerjte mich fdiicft, cs ift beffer, baß 
»ir uns auf einige |Jcit trennen, als balb auf immer. Bin ich geftärft, geheilt, fo bin 
ich bie alt« »ieber, Pir eine heitere ©cfellfdjaft unb ^rcunbin, (beim mein frohes ©emüth ift 
jegt mit einem Hebel umsogen), unb meinen Kinbern eine nügliche Stüge. Pergieb biefe feilen, 
bie Pir piclleicht einen Kugenblicf Hligmuth perurfachen »erben, allein bie Hoth»enbigfeit 
meines guftanbes machten fte nöthig. Ciebc immer Peine treue Cuife. 

Pie Kerste fommen um 10 Uhr, um mit Pir su fprechen." 

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3 rud? mit Jranfrfid? 



Das Schreiben ift ein rül)renbes Zeugnis ber felbftlofeit Eingabe futfens an ben 
©ernat)!: nur mit ängftlid)er Scheu eröffnet fte ifjm bic IZotwcnbigfcit iljrcr Kbreife, benn 
fie weif, wie ber t freubIofc unb ©infame burd) eine Crcttnung pon tljr leiben wirb; unb 
wenn fie ihre ©efunbheit wiebcrjucrlangen roünfcht, fo ift es um feinetwiUen, bem fie nidjt 
jur £aft fallen, ben fie in trüben (Tagen auffjeitem unb in emften ftärfen unb ftüfen will. 

Der König, fo fdjmer iljm bie Trennung würbe, willigte fofort ein; febon am nädjftcn 
(Tage fonnte ©räfin Pof freubig in iljr Cagebud) fdjreiben, baf man nad) pyrmont gehen 
unb baf fie bie Königin begleiten werbe. Dod) follte erft bie bcjfere 3 a bresjeit abgewartet 
werben. Das ^rüfjjafjr, mit bem gewohnten Kuf enthalt in Potsbani unb Ctjarlottenburg, 
brachte ber Königin feine Befferung. Die politifdie tage Dcrfdilimmertc fid) burd) bie Per« 
fefjärfung ber Streitigfeiten mit ©nglanb unb Schweben. 2Han war eifrig bemüht, burd; 
Kaifer Klejanber auf biefe KTädjte pcrföhnenb einjuwirfen, ohne bamit ©rfolg ju haben. 
£uife felbft fdjrieb ihm pon Charlottenburg: „Sie finb meine gatije fjoffnung, bas wahre 
Wohlergehen 3h rcs ^reunbes wirb 3*)nen mehr am fersen liegen, als bas 3 n,ct{ ff e 
©nglanbs." Sie gebuchte babei bcs gemcinfamen Kufenthaltcs in Cl)arlottcnburg am 
29. ©ftober (805, wo ber Kaifer bas Sdjlof im Sdjnee fennen gelernt hatte, unb wünfdjte 
ihn h (c bei, um ihm Charlottenburg in ber Blülenpradit eines ungewöhnlich fchönen 
frühlings ju äcigctt — fd)metd)clnbe Cräumc, bie fte über bie traurige IPirflidjfeit flüchtig 
hinwegtäufdjten. „Denn," fo fügte fte h'nju, „im ©runbe finbe idj wenig ©lücf in mir 
unb auf er mit . . . 3^ fall auf ärjtlidjcn Kat nad) pyrmont, unb ich werbe im 3 un i 
hinreifen, um ju fef)cn, ob es ein ZTIittel gibt gegen fcelifdje Ceiben." 

Bütte 3uni trat bie Königin pon potsbam aus bic Keife nad; pyrmont an, mit 
einigen fjofbamen unb ben Kammerherren non Schüben unb pon Puch; ©räfin Pof war 
bereits porangereift. ©rofe fjife unb fanbige Wege, namentlich Don Branbenburg ab, 
machten bie Keife ungemein befd)werlid>. Daju fatuen häufige Begrüfungen unb BewiU« 
fontmttungen, ©inlabungen jum Jrühftücf ufw., benen bie ©tite ber Königin trof ihrer 
Sd)wädfe ftch nidit entjicfjen mod)te. Der König fehlte, ber fonft bie fid) h<tanbrängcnbe 
Begeiferung abjuwehren pflegte, unb fo fonnte bie Bepölferung ihre ftürmifchc (Teilnahme 
unget)inbert bejeigen. PöUig erfd)öpft fani Cutfe am erften Cage in DTagbcburg an, wo 
alle „fymorojionett " — fo fdireibt fie felbft — fte empfingen unb fo umbrängten, baf fie 
wie fdjwebenb in ibjr gitttmer getragen würbe; unb bann muffe fte nod) bic £iebenswürbige 
fpielen, wührenb fie por Crmübung faft umgefunfen wäre. Km näd)ften Cage, wieber 
in Staub unb t)itjc, ging es über fjalberftabt nad) Braunfdjweig, por beffen Coren ber 
alte fjersog Karl Wilhelm Jetbinanb ber Königin entgegenfam. €r hohe in ben leften 



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ZTTomiton auf Sitten bes Königs fid) ber f dimeren BTifjton unterbieten muffen, perfönlich 
in Petersburg bie bureb bie neuen Verträge mit Jranfreidt gefäljrbeten Bejahungen 
ju Hufilanb ju befeftigen. <Es fonntc nicht fehlen, baf bei 6 em 3ufammentreffen mit 
ber Königin auch Me IDeltlage jur Sprache fam. 5 ur Ueberrafcfjung 6 er Königin, Me 
ihn fonft als unfdjlüffig un 6 fchwanfenb fannte, jeigte er ftcfj je$t feft un 6 beftimmt. 
IDäbrcnö Cuife meinte, es »erbe ein wahres ©lücf fein, wenn man ein aber 5 in ei 3af?re 
Hube haben fönne, erwiberte er: „Bas märe wohl ju wünfehen , . . . aber baran ift nicht 
$u benfen. <Es ift eine <0)’ m ärc. König muf fiefj entfdjeibcn, wen er in biefem 
Kampfe unterftüBen will." $\it wen nach feiner Hnficht Preufen partei ergreifen follte, 
jeigte feine H>antung r>or Hcfrutierungen in fiartnoper, bie bamals beabfichtigt waren. 
„ 3 eber gute preufje," meinte er, „muff bem König bannoucr müufcben, aber es ift un* 
möglich, baff er es behält, unmöglich, bas würbe ihn ins gröjfte Unglücf ftürjcn, unb uns 
fiefrer mit unferem wahren Perbünbeten unb ,freunbe entjweien, unb bas ift bet wahre 
Porteil, ben ( franfrcicb bapon erwartet" . . . 

lieber fjilbesheim, bas, obgleich erft feit wenigen fahren preuffifch, ber Königin einen 
jubelnben (Empfang bereitete, unb bas bisher haunopcrfchc fjamcln, beffen (Einwohner faum 
grüjften, erreichte Königin fuifc am 19 . 3uni Pyrmont, wo fie als ©räfin pon fjohenftein 
im Babehaufe IPohnung nahm. 

Ber (Erjahler perweilt gern bei biefer Babereife, fo wenig fie an fictf im Ceben ber 
Königin bcbcutct; wie man ben fchwinbenben ©lanj leßter Sonnenftrahlen noch möglicbft 
ju geniefen fucht, ehe bas Bunfel ber Hacfit hereinbriebt. 

Pyrmont — Schiller lägt befanntlich feine „berühmte Frau" baljin reifen unb ITTatthiffon 
wählt es jum ZTIittelpunft feines Feenreiches — pyrmont war noch immer bas ITtobebab 
ber pomehmen ZDelt, bie fid) in feiner berühmten Cinbenallce bamals jufamntenfanb, wie 
heute etwa in Baben Babens Cidjtenthaler Hllee. Bei Königin Cuifens Knfunft, bie gleich 
am erften Hbcnb unter ben Cinben fpajieren ging, gab es in fo früher 3 a h rcs J°i* 
nur erft wenige Babegäfte: einige furlänMfche F a, »ilien, ber ITlaler Scijröbcr, ber Me 
Königin bort malte, ber Bluftfer fjimmel, ber Ceibarjt ljufelanb, ber bie Kur ber Königin 
leitete. Ber Königin in ihrer noch fchmermütigen Stimmung war Me Stille eben recht; fo 
lebte fte anfangs, ba auch bas IDetter fühl unb regnerifcf) war, feljr jurüefgejogen, nur mit 
Brunnentrinfcn unb Baben befchäftigt. lUlmäblicii würbe bas IDetter fommerlicher unb bie 
©efellfchaft jahlreichet: es würbe pyrmonts glänjenbfte „Saifon". Ulan fann fief) benfen, 
wie Königin Cuifens Hnwefenljcit ©äfte Ijerbeijog. Bur wenige (Tage fpäter als Cuife 
fatnen ihr Pater, fjerjog Karl, feit faft 40 3ahren ein treuer Befucher Pyrmonts, ber 

ISO 









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Srndj mit Jranfrnd} 






©nfel ©rnft unb iljr B ruber ©eorg, ber immer ^roijftnn um bie angcbetete Schweflet ju 
verbreiten mußte, unb pielc anbere beutfdje dürften unb Prinjeffmnen unb ablige Familien 
pon fern unb nah- Befonbers Heb mar ber Königin bie Unwefenheit pon Kaifer Kleyanbers 
Schweflet, ber cblen ©rbprinjcffin pon IDetmar, ITlaria pawlowna, bie man als „OTaria 
Zlngelira" in IDeimar faum weniger pereljrte als Königin Cuife in prcußen. Die (Erb* 
prinjefftn Halle fdjon im lebten tDinter bei ihrem Aufenthalte in Berlin bie .freunbfdjaft 
Cuifens gewonnen; injwifdjen war auch iljr ein Kinb geftorben, unb ber gemeinfante Seffmerj 
wie gemeinfame polüifdjc Zlnftdjten führten jetsl bie beiben ^ürftinnen noch näher jufammen. 
Pon h a,,K 'l n füllten oft ©ffijiete bcs bort gamifonierenben preußifAen Kegimentes ptinj 
pon ©ranien, pon Utünfter ©eneral Blücher, ber bie Königin fdjwärmerifch bewunberte, unb 
bei iljr, wie alle frifdien unb tatfräftigen Baturcn, in großer ©unft ftanb. Ku* ,frau 
pon Berg fanb ftdj ein, jum Kummer ber ©räfin Poß, ber ihre 3ntimität mit ber Königin 
wieber grimme ©iferfuAtsqualen bereitete, 

3n biefem Kreife, beffen Ciebe unb Perehrung fte wobituenb umgab, unter ber günftigen 
©inwirfung ber pon tjufelanb ftreng überwachten Kur, erholte fidj allmählich Königin Cuife 
unb fonnte balb an ben 3 cr f trcuun 9 cn unb Pergnügungen bes Babelebens teilnehmen. Sie 
hat uns felbft, in ausführlichen Briefen an ben König, mit bem fte feljr regelmäßig 
forrefponbierte, ihr Ceben gefd)ilbert Bei ben erflcn Klängen bes ©borals, im flüchten 
weißen Htorgengewanb, ben ©rinfbecher in ber tjanb, erfchicn Königin Cuife am Brunnen. 
Sie pflegte bie Stahlquelle mit etwas ©felsmild) ju trinfen unb babei fleißig fpajieren 5 U 
gehen; benn anljaltenbe Bewegung im freien hatte tjufelanb 5 ur großen ©enugtuung be* 
Königs r>or allem empfohlen. Um 10 Uhr würbe unter ben Cinben an langen ©ifchen in 
großer ©cfellfcfjaft bas ^rühftücf eingenommen, $u bem eine ber Jürftlichfeiten ober auch 
ein beftimmter Kreis ber ©efellfchaft einjulaben pflegte. Bann babetc bie Königin unb nach 
furjer Kühe unternahm fie, meift ju pferbe, wieber in größerer ©efellfAaft, einen Ausflug 
in pyrmonts Umgegenb, nach bem ^riebenstale, auf ben Königsberg, jum tDalbecffehen 
Schloß, ober woljin fonfl bas fdjöne UX’ttcr locfte unb ©raf Bcmftorff, meift Ceiter biefet 
Kusflüge, bie ©efellfchaft führte. Bach ber Kücffehr würbe ju mittag gefpeift. ©egen 
Kbenb pereinigte man fich im Kurfaal junt ©ee, wobei auch Weine tjajarbfpiele nicht 
ausgefAIoffen waren; jeitig würbe $u Kbenb gegeffen unb jeitig bie Kühe gefucht. Zuweilen 
aber gab es auch Konjertc unb Bäüe; unb bie Königin felbft, nachbem tjufelanb es geftattet, 
hat ft* am ©anje beteiligt. 

IDir beftfeen für biefc ©age noch eine anmutige Schilberung ber Königin; eine ablige 
Dame aus fjannoper hat fte aufgejeichnet, bie 1806 in Pyrmont war, $9 3 Ü *? K fpäter 



m 




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3tu4) mil ,f rartFrf irfj 



bas Bab wieier befucbte uni babei tfjcc (Erinnerungen an iie Königin auffrifdite. „Königin 
Cuife," fo erjagt fie, „trug, wie iic junge ©rojjfürftin, mit ier fie gern ganj gleich mar, 
ein meines flarcs ©ewani, ieffen Saum uni ©ürtcl leidjte Silbcrfticferei beefte; weif? uni 
ftlbetnes Banb im Ijaar, einen Strauf non (Draitgenblüten uni Kofen. 3h rc Schönheit, 
wenngleich pon weidjftcr jrauenmilbe uni mann belebt Don ien fdjönften färben uni iem 
feelcnpollen Kusirucf ier fonnigen Kugen, fyattc etwas Statuengleiches, etwas burchaus 
llnfterblicfjes; eine Schönheit, pon ier iic Blüte ier Ijinweggeftrcift werien fonnte, 

oI)ne fie 5 U perringern. Ceifc IDefjmut . . . umgab, wenn fie f di wieg, ihren füfsen BTuni, 
übcrfchleiertc iie kudjtcnicn Kugen; nichts aber glich ihrem Cädjeln, ihrer bolbfcligen 
Jreunilidjfeit, wenn fte fprad;. Ben hatte ein liebliches ©efdjtcf umfangen, ier eines 
lüortes pon Ujr ftdi rühmen fonnte . . . Königin €uifc war immer non engclglcidfcr fjuli 
uni Ijcrabtaffung, nicht allein für iie Kreife, iic 3 unäd)ft fie umgaben, nein, für alle" . . . 
Sie fah bann iie Königin eines Kbenis beim Ball im Kurfaal. „3 d; fah fte tanjen . . 
Sie fdjwcbte ialjiit, nidit wie eine Staubgeborene, uni nieniani wäre erftaunt gewefen, 
hätte fte ihr Jlügelpaar plöhlid) entfaltet" . . . 

Cuife fühlte ftch unenilid) wohl in ien heiteren ©enüffen iiefes juxtnglofcn Baie» 
lebens; langfant famen ihr iie perlorencit Kräfte wieier, beren fte halb fo iringeni 
beiürfen follte. fjättc nur iie ieiiigc politif nicht aud; h’er wieier in bas fonnige ©lücf 
iunfle Schatten geworfen. Bie Königin, wir wiffen es aus ihrer Unterrciung mit iem 
fjcrjog pon Braunfdjwcig, fehntc ftdi unausfprcdjlidj nach Kühe. 3*? r £}ajj 0 o 9 cn Hapoleon 
blieb immer ier gleiche; aber ier iDurtfd) nach ^rieben ringsum überwog ioch jeie foldie 
Ceiienfchaft. €s war gattj in ihrem Sinne uni hatte ihren polleit Beifall, wenn König 
Jrieirich IBilhelm, ier fonjl nicht geraie gern jur Jeier griff, „in einem Unfall polififdjcr 
Deroe", wie er felbft fagt, iem ruffifeben Kaifer iamals ausführlich ien plan entwicfelte, 
ier feinen cigenften politifdjen ©eianfen in ftdi fchlofj: Ulan folle Kühe halten uni ien 
übermächtigen ^ranjofenfaifer burch anfd)einenie Keftgnation in Sicherheit wiegen, um in 
ier Stille alle Kräfte ju einer umfaffenien Koalition bebäd)tig ju fannneln. Königin Cuifc 
lobte iie Benffdjrift ies Königs als ias IDerf „feiner fjani, feines fjerjens uni feines 
©eifles"; fte ermunterte ihn, fo fortjufahren uni überhaupt mehr Selbftpertrauen ju faffen, 
ias allein ihm fehle. 

IBie wenig aber fannten beiie ihren ©egner, wenn fte ernftlid) glaubten, baf? er ihnen 
baju laffen werbe! IDährenb Cuife noch in Pyrmont weilte, h^rte man pon ien 
Utnwäljungen, iie ftdj in Beutfchlani porbereiteten ; man erfuljr auch, baf Hapoleon Sadjfcn 
uni fjeffen, ieren 5 u 3 c härigfcit jur preugifdjen 3 "tereffenfphäre bisher ftets geachtet war, 

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an ftd} ju jidtjcn fucfje. Don prcugifcher Seite muffte 6cm entgegengearbeitet werben. 
Königin £uife fclbp tjiclt cs für angezeigt, gegen 6en Kurfürften pon Reffen, 6cn fic ju 
einem Befuche in pyrmont pcranlafjte, 6ie £iebetiswürbige 5U fpielen, um, wie ftc fagte, 
6em König „einen ,frcunb mit 25000 2 TJann 5 U erfjaltcn". Der König billigte 6 as höchlich, 
obgleich er im übrigen wütifcfitc, baff 6ie Königin im 3 ntcreffe itjrcr ©cfunbljeit 6er potitif 
fiel» möglicfjfl fem balle. 

Kudj 6ie innerpolifif<b cn Bewegungen in preuffen trugen ihre Unruhe bis nach 
pyrmont. Steins Dcnffdirift gegen 6ie Kabinettsregierung war, wie wir uns erinnern, 
nicht an 6en König gelangt. Da nahm fyuöcnbcrg ftdj 6er Sache an. Un6 h&hf* be« 
jeichnenb für 6ie 6ama(igcn 5 u Pänbc in preuffen wie für 6ic Stellung 6er Königin ift es, 
in welcher IDeife 6as gefchah- Uuch fjarbenberg perzweifelte 6aran, auf 6en König, mit 6cm 
er hoch nach feinem Kücf tritt in naben Beziehungen geblieben war, unmittelbar ju wirfen; 
auch er glaubte 6ie Demtiftelung 6er Königin nicht entbehren ju fönnen. <£r wanbte ftch an 
6en preufnfehen ©efanöten in Kaffei, 6en dürften lüittgcnftcin, 6er ftch gleichfalls 6amals in 
pyrmont aufbielt, um öurch ihn 6cn Kat un6 6ic Unterpügung 6er Königin $u erlangen. 
Der König, fo erflärte er ihm, febe 6ie „traurige, fchintpfliche unö gefährliche tage" nicht, 
öic feine Katgcber ihm pcrfcbleierten ; auf 6er „richtigen ©nftcht, 6em Patriotismus un6 
6em €b r «cfübl" 6er Königin allein beruhe noch bie einjige ftoffuung. IDie folle man 6cm 
König öie Sache porftellcn, 6er IDabrfjeit bei ihm (Eingang rerfchaffen? Sollen mehrere 
cs zugleich tun ober einzelne? Un6 wann? Ucber alle biefc fragen folltc 6ie Königin 
cutfcbciöcn. Der Kat 6er Königin entfprad) Öen Dorfcfjlägcn ffaröenbergs; in einem punfte 
aber ging ftc über öeffen Unflaten hinaus ober pielntehr trat ihnen gerabezu entgegen. 
Sie empfahl, wie IPittgenftein an ftaröcnbetg fchrieb, beut König öic Sache in einem 
Kuffatj fcfjriftlictj porzuftellen, 6cn mehrere, auch „UZänncr pon ©erpicht bei 6em UTilitär" 
untcrfchreibcn foüten; aber fte riet, auch fyuigwih mit zur Unterzeichnung tje-ranzuziehert, 
unö rerfprach, Öen ©rafen felbft öafür z u gewinnen, wie fte überhaupt im füllen 
wirfen werbe. Der rerbafite Harne 6cs ©rafen Ifaugwitj genügte, um fjarbenberg ab= 
Zufchrecfen; er lieg Öen ©cöanfcn einer (Eingabe an öen König fallen, 6er bann erft fpäter, 
wie wir fehett werben, aber ohne lUitwirfung 6er Königin, ron anbercr Seite wieber auf- 
genommen unö perwirflicht würbe. 

3'tzwifchen ging bic für pyrmont urfpninglich in Kuspdp genomtnene <§eit zu <Enbc. 
Königin Cuife, wie es fcheint, wäre nicht ungern in öem Babe, in bent fte ©enefung gefucht 
unb wenigpetts Befferung gefunben, noch länger geblieben. 21 Ue Kräfte, bie fte bort gewinne, 
foüten hoch nur, wie pe rcrftcherte, bem Dienpc bes Königs gewibmet werben, „follten ihm 



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tragen helfen, was 6er trimme! ihm befdjieien habe". „3a, mein Jrcuni," fdjrieb fu iljm 
frattjöftfch, „meine ftingabe an Didj ifl ohnegleichen, 6ann fommen meine Kinier uni ier 
Staat uni" — fo fährt fte ieutfd) fort — „mein Ceben ift nichts, wenn ich ^uch glücflicl) 
machen fönnte, wenn nur ein Porteil für Dich, mein befter ^reuni, iaraus entftehen 
fönnte . . . 3* bin an Deinem tjerjen uni gottlob in Deinem fjerjen auf ewig Deine 
Cuife." Sie regte felbft an, iaj auch b«r König nach Pyrmont fommen möge, uni ier 
König wäre fefjr geneigt iaju gewefen. Das müfjige Baielcben mit feiner ^wanglofigfeit 
war ganj nach feinem ©efebmaef. 3 n Potsiam uni Charlottenburg langweilte er fich ohne 
feine ©cmahün fürchterlich. „3^ ntufj ausfehen, wie iie perförperie uni wanielnie fange» 
weile, wenn ich mich < n ben ©arten fchleppe", fchrieb er felbft. Cr las iie ihm iamals 
übergebenen Briefe ,fricbrichs ies ©rogen an ien eben perftorbenen fjcrjog Jriebricf) Kuguft 
pon Braunfef)w«ig ©ols uni fchrieb auch für feine ©emahlin intereffante Stellen iaraus ab. 
Cr Juchte 3 cr f ttcuun g in weiten Spajierritten uni im (Theater, wo er Sacharins IDemers 
„iPt'ihe ier Kraft", ias Cutherftücf, ias iamals in Berlin großes Kuffehen machte, anhörte, 
aber auch Ballette uni Cänjcrinnen bewunierte. Die auswärtige politif mit ihren Per» 
wicfelungen, iie unruhigen Bad)barn, Bapoleon uni ier fehwcbifdje „Don Quijote", waren 
ihm fo läftig wie je. 3mmerhin hotte er ein ©efühl uon iem Cmft ier 3 c 't, ier ihm 
eine Cntfenumg nicht geftattete, uni Cuife mugte fiel) jur Xücffehr entfcftliegen, ia ftc ioch 
am ©eburtstage ihres ©emahls nicht fehlen iurfte. 

So oerlieg iie Königin am 29 . 3“H Pyrmont, gefräftigt, im beften IDohlfein, wie 
fte fdjreibt, ooll Danf gegen ©ott. Unterwegs, in JTlagieburg, erhielt fte einen Brief ies 
Königs, ier ihr iie Bachricht 00 m Kbfcfjlug ies Hheinbunbes betätigte, iie fcboit iie 
©cfellfchaft in pymtont in Seftürjung perfegt hotte. „Das fann nicht fo bleiben," meinte 
Cuife, „Bapoleon ift eilt Clenier." Cittige ZTteilen oor potsiam fant ihr ier ©emahl 
entgegen, nicht ohne nach feiner IDeife portjer fich jeie „Cheaterf$ene" bei ier Begrünung 
perbeten ju hoben. „Du bift uni bleibft ioch bas liebfte, was ich auf Crien höbe," hotte 
er ihr eben noch mit IPabrheit ieutfeh gcfdjrieben; aber feine ©«fühle 5 U jeigen, gar por 
anieren ju jeigen, wäre ihm ein unmöglicher ©eianfe gewefen. Km f. Kuguft nahm ias 
föniglicf)« paar wieier im Charlottenburger Schlöffe IDohmmg, ieffen faniigen Porpiag 
ier König jur grogen ^reuie ier Königin in einen fdgönen Bafenplag hotte perwanieln 
laffen. Dort wuric auch am 3. Kuguft ier ©eburtstag ies Königs gefeiert. Iföfifcber 
©lanj, ^eftmagl, 3onilfchorenmuftf — cs fchien alles wie fonft, wie im 3 a b r « jupor. 
Kllein über allen Knwcfenien — einer iaoon, prin$ Couis ,fcriinani, hot iie Stimmung 
gefchiliert — lag iiesmal ein ©efühl irücfenier Schwüle, ias namentlich bei iem König 

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(Lafol 15 




Königin tuif« 

l'VUfmälöc reit Hötttifr, 1799 



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Srudj mit ^tanfteidf 




bemerfbar würbe. 3 mmcr beunruljigenber un6 bebrohltdjer lauteten bie Hadjrii)ten non 
ben Umwäljungen im Hetdje, non ben Belegungen 6er ftanjöpfdien (Truppen, 6en planen 
Hapoleons — nur wenige (Tage fpäter un6 aus biefen bumpfen Beforgniffen entfprang ein 
(Entfdjlug non nerijängnisnoUfter (Tragweite. 

IDir flehen nor ben Pcrwicfclungen, bie 511m Kriege non (806 unb jum ^ufammen» 
brud; bes alten preugen führten; wir muffen ihrer näher gebenfen, obgleich Königin Cuife 
gar feinen unmittelbaren Knteii baran gehabt Ijat, ober nielmcljr eben, um }u jeigen, wie 
bas ©efdticf preugens geh gatij oijne itjr ^utun nollenben follte. 

Die 2lUian$ mit .franfreuh, bie bem preufifdjen Staate f ebenere ©pfer in territorialer, 
fommcr5ieIler unb politifdjer Ijinftdit aufcrlegte unb bas Knfeljen Preußens int eigenen 
Canbe wie in ber ganjen IDelt tief Ijerabwürbigte, fjatte als einjige «Entfdjäbigung ben 
rerjidjt ^ranfreidjs auf fjannoner 5ur ^olge gehabt. tt>enn man aber burd; bie (Ent= 
fernung ber franjäfifdjen (Truppen aus fjannonor ben Bebrängniffen preugens ein €nbe 
ju machen geglaubt batte, fo ftellte geh bies balb als eine Cüufdiung heraus. 3 mmcr 
nodj war Deutfdilattb non fransögfdjen (Truppen überflutet, beren ^urücfjiehung non 
preugifdjer Seite wieberbolt unb bringenb, ftets aber pergcblid; angeregt würbe. (Es waren 
gerabe bie ©ebiete, beren Bcrteibigung gegen Jranfrcid) Prcugcn batte aufgeben muffen, 
Sübbeutfdjlanb unb ber Hieberrhein, non wo biefe Cruppeuanbäufungen prcugen unbequem 
würben. Oie persägerte Ausführung einiger Beftimmungen bes franjöftfdj.Sfterreicbifdjen 
Jriebens bilbete für Hapoleon einen wtUfommcnen üorwanb, ben größten (Teil feiner 
(Truppen in Sübbeutfdflanb surüefjulaffen, um fte auf frembe Koften ju ernähren unb 
jugleid; jebent möglichen lOiberftanb gegen bie Umgeflaltung Oeutfdjlanbs norjubeugen. 
3n Schwaben, Bayern, Sa^burg, ©idjftcbt ftanben franjöfifdjc Korps unter Cannes, Soult, 
Hey unb Oanout. ^ür preugen befonbers cmpgnblid; war bie Knwefenbcit ber ^ranjofen 
in Ansbach unb ber ©berpfals; ber Orucf ihrer ©egenwart mad)te geh in Bayreuth unb 
bis ( nad; Sadjfen gilt fühlbar. Hiebt minber läftig würben ge am Hiebcrrhein, wo ge in 
IDefel, bas Hapoleon gleich nad; ber Abtretung burch preugen mit Jranfrcid) pereinigt 
hatte, einen neuen Stütjpunft fanben. Schon Anfang 3 u h fdjien bas ilebergewid)t ber 
frattjögfdjett (Truppen an ben preugifeben ©rensen fo brohenb unb fo gefährlich, bag man 
in Berlin im tiefften ©eheimnis bie Hotwenbigfeit militärifdjer Sdjugporfehrungen erörterte. 

Oie Beforgniffe ber preugifd;cn Staatsmänner würben noch burd; bie tage ber 
europäifdjen Politif unb ber beutfehen Angelegenheiten gefteigert. Ulan wugte, bag wie 
jwifdjcn ^ranfreidi unb Kuglanb, audi swifdjen ^rattfreid; unb ©ltglattb über einen 
Jriebcnspcrtrag perhanbelt würbe. lOic nun, wenn ©nglanb bie Hücfgabe fymnopers jur 

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unumgänglichen Bciingung machte uni ^ranfreicg trog aller Verträge iarauf einging? 
Uni in ier Cat: gleich nad) ier Knfunft eines englifchen llnterbönblers in paris bief 
es, iag ier König pon Englani fein Kurfürftentum jurücfperlangc uni Preugen es 
n>crie herausgeben ntüffen. So erjagte man geh in Berlin, uni fo hörte man auch > n 
Pyrmont. gleicher < 5 C '* erfuhr man pon ien Dcrganilungen Jranfreicbs mit einer 
Knjagl ieutfcher Staaten über ien Kbfchlug eines Sonierbunics außerhalb ies ieutfehen 
Hcicbspcrbanics. preugen, ias iie füiieutfchen Stänie felbft ier Dorbcrrfchaft ^ranfreichs 
preisgegeben hatte, fonnte an ft<h einem folehen Bunie nicht mibcrfprechen; aber iie militärifche 
Uebemtacht Bapoleons in Peutfcglanb 30 g ioch iem Einguffe preugens auch < n Horibeutfeb» 
lani immer engere Schtanfcn uni fchien iie Hegemonie ^ranfreiegs auch über Reffen, Sachfen 
uni felbft iie fjanfaftäite porsubereiten. £)icr aber fani ias gurücfmeichen preugens ein 
Enic: in ier Bebrognng ier noriieutfehen Stänie fab ©raf fiaugmig einen Ungriff auf iie 
Efigenj preugens. 

Eigentümliegerweife fdiion geraie iurch iie Entwicfelung ier ieutfehen Uugelegenheiten 
ier Bruch swifchen ^ranfreich uni Preugen, ier Unfang iroheni nahe war, noch 
permieien werieit ju follen. Um iie ZHittc 3uli wurie pon franjögfeger Seite ier preugifchen 
Kegierung iie Ittitteilung gemacht, iag ier Ubfcblug ies neuen Xbeinbunies unmittelbar 
beporftehe. Unter lebhaften Beteuerungen feines ZDoglwollens uni feiner Buniesfreunilichfeit 
uni mit ier Dcrgcbcrimg, iag er niemals in iie Hücfgabe Ijannopers willigen weric, lui 
ZTapoleon preugen ein, auch feinerfeits mit ien norüeutfehen Stänien einen ähnlichen 
Suni abjufchliegen. 3 n Berlin nahm man iiefe «Eröffnungen frcunilich auf, um fo mehr, 
ia ier ©eianfe eines Zioriicutfcbcn Bunies immer ein Cieblingsgeianfe ies ©rafen 
fiaugwig war, mit iem er geh auch ben legten ZUonatcn wieier befchäftigt hatte uni 
ieffen Benvirflichung er jegt fofort näher trat. ©leich am Cagc nach Empfang ier 
fran 3 öfif<hen Uufforierung, am 23. 3 l| b, begann er iie Derhanilimgen mit Kurfachfen uni 
Kurgeffen. „Der neue Suni," fo fchrieb ier König felbft iem l?cr 3 og pon Braunfcbweig, 
„foll nach meinen 3iecn fein anieres §iel haben, als Bertciiigung uni gemeinfamc Sieger» 
geil. Ulle follen für alle cinfteben." Ulan fürchtete wogt noeg iie nage UTöglichfeit eines 
neuen gufammengoges swifegen ^ranfreich uni ©efterreieg; ier eigenen Beforgniffe giclt 
man geh für ien Uugcnblicf übergoben. 3" bie neue ©rinung ier Dinge in Peutfdilani 
fani man geg unfegwer, obgleich ier König perfönlicg iureg iie iabei erfolgte Beraubung 
feines Schwagers, ies prmjen pon ©ranien ,fulia, empgnilicg berührt wurie; iie tatfäcglicge 
Uuflöfung ies Deutfcgen Ucicges, aus iem preugen fetbg geg längg megr uni mehr los» 
gelög gatte, wurie in Berlin im allgemeinen wenig bemerft uni faum beiauert. Der 

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23rtuty mit ^franfreidf 

Zlorbbeutfchc Bunö fehlen bie preugifcljcn Sonberintereffen fjinrcicfjcnö ju ftcfjem. ©fjnc bes* 
halb bas ZUigtraucn gegen Me napoleonifefje politif ganj aufjugeben, hoffte man bo<h burefj 
feftc Zlbgrenjung 6er beiberfeitigen 3ntereffenheife $u einem ruhigen unb fclbfl freunbfefjaft» 
liehen Perljältnis ber beiben Staaten gelangen ju fönnen. Hacf)bem bic Jranjofen aus 
fjannopet perbrängt unb bamit bie Urfacfje pieler Schmierigfeiten ber lebten 3al?re befeitigt 
mar, follte es nietjt möglich fein, bie politif pon 1795 unb (796 erfolgreich tpicber auf» 
junefjmen unb bie Hube unb Beutralität ZTorbbeutfdjlanbs unb bamit auch preugens auf 
bie Bauer fieber su (teilen? 

©in Ijinbemis aber ftanb einer foldjen frieblicfjen ©ntwicfclung naef; wie por entgegen: 
im XDeftcn wie im Sübcn fafj ftch Preußen pon überlegenen fransöfifcficn Streitfräften um» 
flammcrt, bie bei jebem Tlnfdjein eines ^ermürfniffcs Preußen im erften 2lnlauf überwältigen 
fonnten. IDar babei eine freie ©ntfcbließung, eine felbftänbigc politif benfbar? Durfte 
man Ijoffen, bie Hcubegrünbung bes Syftems ber norbbeutfefjen Zleutralität unter bem Drucfe 
folc^er f^eeresmaffen ungeftört buriifül)rcn ju fönnen? ©ben pon biefen Cruppen famen 
jegt naäjrid)ten, nad; benen bie fdjon geplante Zlnorbnung militärifdjer Scfjugmaßrcgcln ohne 
emfte ©efäfjrbung bes Staates niefit länger auffcfiicbbar erfdjicn. 

Jlus IDcftfalen mclbete ©cneral Blücfjer pon ber auffälligen Perftärfung ber franjöftfcffen 
©amifon in IDcfcl, pon ber ^ufammenjiehung eines Cruppenforps pon +0000 ZTTann an 
ber tippe, eines anberen bei Düffelborf; er fügte h' n 3 u, alle biefc ZHaßregeln fönnten nur 
gegen preußen gerichtet fein, bem man Me ©raffefjaft ZITarf unb ganj IDcftfalen nehmen 
wolle. 2lus Segensburg berichtete ber preußifcf;e ©cfanbte am Kcicbstagc pon ber ununter» 
brochenen Permehrung ber franjöftfcben Cruppen in Sübbeutfcblanb; überall fpreche man 
pon bem bcporftcbenben IDieberausbruch bes Krieges. IPenn er es babei jroeifelhaft lieg, 
ob fuh bie Bewegungen ber ^ranjofcn gegen Preufjen ober gegen ©eftcrrcich richteten, fo 
melbete ber ©cfanbte in HTünchen beftimmter, baß nach einer in Bayern allgemein per» 
breiteten Knficbt bie Jranjofen gegen Sachfen unb preugen porrüefen unb wie Zinsbach 
auch Bayreuth bem prcugifchen Staate entreißen würben. Pon Dresben felbft würben 
Befürchtungen por einem plögliefjen ©inmarfefj ber ,franjofen berichtet. 

ZlUe biefe Hacbricbtcn über bic Bewegungen ber franjöftfcben Cruppen, jufammen 
mit ben immer beftimmter auftretenben ©erüebten über bie Zlbfichlcn ZHurats gegen bie 
©raffebaft ZTTarf, Bayerns gegen Bayreuth, mugten burch ih r gleichseitiges Eintreffen in 
ben erften Cagen bes Zluguft (806 fehmere Beunruhigung in Berlin herrorrufen. 3"bcm 
man aber noch fchwanftc, ob man eine gegen preugen ober gegen ©efterreich gerichtete 
Zlbftcht annehnten folle, lief pon ber prcußifcfjcn ©efanbtfcbaft in paris bie Bachricht ein, 



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baß nad) ber Dlittctlung eines englifchen Diplomaten Itapoleon ben Cngiünbem Me 
Hücfgabe ftaimopers jugefagt habe. Damit fehien Me Cage geflärt: es mar nicht mebr 
jmeifelbaft, baß Me franjöftfcben (Truppen beftimmt feien, preußen einen neuen Vertrag unb 
neue ©pfer aufjunötigen. ®raf ifaugwiß, ber bie Urfaehc ber ungünftigen politifAen Stellung 
Preußens (Aon immer in feiner militärifcfjen Schwäche gegenüber ^Jranfreich erfannt batte, 
empfahl jeßt, was er bereits bei ben Krifen ber preußifchen politif in ben fahren (303 
unb 1804 empfohlen hatte: er riet bem König, auch feinerfeits militärifche Haftungen por* 
junehnicit, um auf alle Hlöglichfeiten porbereitet ju fein. König ^riebrieh HHlbelnt, ber 
fi* ber übereilten Hbrüftung im 3 anuar unb ihrer perlfängnispollen folgen erinnerte unb 
ben jeßt befonbers bie Hadmcbt übet Me brohenbe Hücfgabe fjannopers erbittert 5 U hoben 
fdjeint, ging auf ben Vorfcfjlag feines ITtinifters ein: unter bem 9 . Huguft mürben Me 
Befehle erlaffen, welche ben größten (Teil ber preußifchen (Truppen auf Kriegsfuß feßten 
unb ihnen sugleid; bie Stellungen anwiefen, aus benen fie einem Hngriff ber Jranjofen 
pottt Hieberrhein ober pon Sübbeutfchkmb her entgegentreten fonnten; benn nicht auf einen 
Bruch ober gar auf einen Krieg mit ^ranfreidi war es junächft abgefehen: nur gegen einen 
plößlichen Ueberfall, auf ben alles b'ttfuMuten fehlen, wollte man fiefj ftcher ftcllen ; nur bem 
Zwange einer militärifehen Demonftration wollte man nicht wieber waffenlos erliegen. 

Diefe Hüftungen, beren Knlaß unb <5wccf nur wenigen befannt würben, erregten in 
Berlin um fo größeres Kuffeljen, als fie offenfunbig pon ben bisherigen Vertretern ber 
Hllianj mit ^ranfreich ausgingen. 3 n Mn Kreifen ber Patrioten, bie wir oben fdjilberten, 
war es nicht unbefannt, baß gerabe liaugwiB auf bie (Ergreifung mililürifchcr Vorfichts» 
maßregeln am meiften h'ngebrängt hatte. Dennoch glaubte man aufs neue gegen ben 
leitenben IHinifter unb bie Kabinettsräte porgeljen ju müffen, unb 5 war hauptfächlich, weil 
man fürchtete, bas Verbleiben biefer ITlänner in ihren Hemtern werbe nicht bloß ben 
pa triotifchen 21 uffch wütig in preußen lähmen, fonbem auch Me befreunbeten Kegierungen 
mit mißtrauen erfüllen unb pon tatfräftiger Unterftüßung jurücfhalten. Eine neue Ein* 
gäbe würbe pon 3ot)anncs Hlüller entworfen unb, wie bie Königin empfohlen hatte, pon 
ben prinjen, Stein u. a. unterjeichnet, bem König am 2 . September in Charlottenburg 
burch einen Kbjutanten Hüchels überreicht. Sie perlangte ehrerbietig, aber beftimmt bie 
Entfernung non fjaugwiß, Contbarb unb Bcyme. König ^riebrich IVilhelm geriet, wie ftdj 
benfen läßt, burch Mn in preußen bisher unerhörten Vorgang in lebhaften Unwillen. Er 
warf ben BittfteUcm por, baß fte fclbfl burch ihr Verhalten bie öffentliche Dichtung irre führten 
unb bas fo notwenbige Vertrauen jur Kegierung fchwächten, fabelte ben herrfd)enbcn Partei* 
geift, ber ben Verfall bes Vaterlanbes herbeiführen werbe, unb perbat ftch übrigens für bi« 



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8rudj mit ^ranfreidj 



<3ufunft „feljr bcftimmt" berartige (Eingaben. Den in 6 er Krrnee bicncnben prinjen befahl 
er, ftd; fogleid) auf itjre poficn ju rerfügen. prinj Couis ^erbinanö baf nergeblidi um 
öie (Erlaubnis, ftd) pcrfönlid) com Könige perabfdncöen ju bürfen; aud) eine Kuöienj bei 
6 er Königin mürbe ifjin pcrmeigert. Don Scblof Bellepue aus nal)m er pon ihr in einem 
Briefe Kbfdjieb, über 6 em fdion 6 ie 2lt)nung 6 cs naben ©obes fdjroebte. „3<b fdjeibe," fo 
fdjrieb er 6 er Königin, „mit öem feften ©ntfdiluf , mein Blut für öen König un 6 mein 
Daterlanö 5 U pergiefcit, 6 od) oljne 6 ie Hoffnung, es retten 5 u fönnen." 

IDieberutn bat Königin Cuife hierbei öie Hoffnungen 6 er Patrioten enttäufdjen müffen. 
Sie war jugegen, als öie (Eingabe 6 er prinjen öem König überreid)t würbe, unö wenn 
ftc aud; in tiefer Bewegung iljrc ITräncn öabei nidjt perbergen fonnte, fo unterlief jie 6 od), 
wie man enpartet f)attc, auf Öen König im Sinne 6 er prinjen einjunnrfen. IDar fte, 
ipic il)re ©berfjofmeiflerin, 6 er Knficbt, öaf es öod) alles nid)ts nüfen werbe ? © 6 er 
ift cs ridjtig, was öamals piel erjäljlt unö geglaubt mürbe, baf, angeblich burd) IDittgen» 
ftein permitlelt, eine Knnäfjerung jmifdjen itjr unö öem ©rafen H au 9 ID '? ftattgcfunöen 
batte? prinjcffin Cuife Kabjiwill perfid)ert in ihren Kuf jeid)nungcn , ©raf Haugmife habe 
(mie früher fd)on Beynte) öem König porgcfdjlagen, öie Königin ju Öen polttifdjen Be 
ratungen beranjujieben. ©ine Beftätigung für öiefe ZTadiridit bat ftd) fonft nid)t gefunöen. 
©eroif ift aber, öaf Königin Cuife gegenüber öer ©emablin öcs Prinjen IDilbelm, öer 
öie ©ingabc untcrfcbricbcn batte, öen ©rafen fjaugwif perteiöigt bat, »ie fte aud) bei öem 
rufftfdteti ©efdjäftsträger, ©rafen Stacfelberg, für ibn eingetreten ift. Sie habe, fo fagte fte 
ibm, ntebr als anöcre Dorurteile gegen öen JHinifter gehabt, allein er habe ftd) in ihren 
Kugeu pöllig gerechtfertigt unö ihr betpiefen, öaf öie porgefomntenen fehler gegen feinen Kat 
begangen feien, unö ftd) öabei auf öen König berufen, „fjaugroif," fügte ftc tpieöerbolt 
binju, „ift ein ©brcnmann unö guter Patriot; id) habe ihm aud; erlaubt, fo oft mit mir 
ju rcöen, als er will." 3 n öemfelben Sinne bat öie Königin in einem Schreiben gegen Kaifer 
Klejanber felbft fid) ausgefprochen. Kllein geraöe hier erfahren wir mit aller ^uperläffigfeit, 
öaf öie Königin bei ihrer Derteiöigung pon fytugwif j m trcfentlichen nur öem bcftimmten 
IDiUen öes Königs fid) gefügt bat, öaf ftc aber wenigftens öie Bejahungen prcufens 
ju öen ^einöen Hapoleons, Kuflanö unö ©nglanö, öem ©influf öes ITlinifters gänjlid) 
entjogen wiffcn wollte. 3 n öenfelben ©agcn, wo fte öie Unterreöung mit ©raf Stacfelberg 
batte, lief fte burd) ,Jürft IDittgenftein öent rufftfchen ©efanöten Klopeus eröffnen, öaf fe öen 
Brief an Kaifer Kleranöcr mit öer Kpologic für fjaugmif nur auf ausörücflichen Befehl 
gefdjrieben habe unö nur unter biefem ©efdjtspunfte ju betrachten bitte. Sic befenne ftd) 
nid)t ju öen barin ausgefprod)enen Knftchten, wünfehe pielntehr, öer Kaifer möge öem König 






fdjrcibcn, baß er 5 trat weit entfernt fei, bie IDaijl 6er Perfonen becinfiuffen ju »ollen, beiten 
6er König fein Bertrauen fdjenfe; baß er aber infolge 6er jwifdjen ifjtten befteljenben 
Jrcunöfcbüft als eine ©efälligfeit non ifjm erbitte, bei allen Berfjanblungen mit Kußlanb 
nur 6en Jretfjerrn non tjarbenberg ju permenben. Die Königin fügte felbft ben IDuitfd) 
fjinju, baß non englifdjer Seite eine äljnlidje «Eröffnung erfolge (Bericht pon Klopcus pom 
ff. September). 

Das Bedangen 6er Königin ging rafdj in (Erfüllung: TDas IDittgenftein ju Klopeus 
geäußert, würbe non Kaifer Kleranbcr junt teil wörtlidj in einem Briefe an ben König 
pom 2^. September wieberljolt. Hatürlieb blieb es junüdjft ebeufo wirfungslos, wie alles, 
was bamals perfudjt würbe, um ben König pon fjaugwiß, Combarb unb Bcyme ju trennen. 

IDie weit oudj Königin Cuifcns Badjgiebigfeit gegen bie Heigungen bes Königs 

bamals gegangen fein mag, über ißre waßre ©cfinnung fann fein Zweifel befielen. Bon 

ifjrcr Babereife war fte in trüber Stimmung jurüefgefommen ; ber Kbeinbunb unb feine 
folgen, bie Unterwerfung bes Canbes iljrer fernen 3ugcnbtage unter franjöftfdje fjerrfdjaft, 
ber Untergang bes „Keidjs" erfüllte fie mit tiefem Sdjmerje. Sie entfdjulbigte bas iljr 
fo teure Ijaus fjeffen ; Darmftabt, bas, ber eifemen Hotwenbigfeit fiefj beugenb, bent Kljein» 
bunbe beigetreten fei; aber fte tabclte fdjarf bas Bereiten Dalbergs, bet ben Patrioten 
fpiele unb bodj nur ein abfdjeulidjer Egoift fei. Die ganje Uhidjt ifjres Zornes aber warf 
fte auf Hapoleon, ben (Teufel, ber ben beutfAen Staaten fage: „3dj nefjme euer Canb ober 

iljr gefjordjt mir als Sflapen" — wie ein highway-man, ber „bie Börfe ober bas Ceben" 

rufe. Sie faß ben (Tag fontmen, wo auf Befehl biefcs „Kusmurfs ber tjölle", für eine 
Sadje, bie blutige (Tränen fofte, ber Deutfdje ben Deutfdjen werbe erwürgen ntüffen. 

Croß biefer Erbitterung ber Königin gegen Bapoleon: an bem Ettlfdjluß jur fflobili« 
fterung, unfere Darftellung $cigtc es (Aon , ßütte Cuife feinen Knteil. Sie ßat felbft fpäter 
einmal, in einem Kugenblicf, wo abermals bie Entfdjcibung über Krieg unb ^rieben 
auf bes IITeffers Sdjneibe ftanb, im 3 a ^l rc 1^09. in einem Sdjrciben an Bruber ©eorg 
erflärt: fte ßabe (806 „itiAt ber Sadje ben KusfAlag gegeben", obgleidj es iljr immer 
naAgefagt werbe. „Über," fügte fte bann rafdj fjinju, „bie folgen beweine idj oft — nidjt 
aber bas prittjip ber fjanblung unb nidjt bie fjaiiMung felbft. Hie werbe idj beweinen, 
was Eljre unb Sclbftgefüljl fjeiligten." Königin Cuife war überzeugt, baß ber Krieg mit 
Bapoleon früher ober fpäter unoenneibiidj fei; fte befäntpfte jebe weitere Badjgiebigfeit 
gegen Jranfreidj; fie perlangte preußens Sdjußfjerrfdjaft über bie norbbeutfdjen Stänbe — 
aber wir Ijaben feinerlei Zeugnis, baß fte gerabe im Kuguft unb September 1806 irgenbwie 
ben Kusbrudj bes Krieges befdjleunigt ober nur gewünfdjt Ijätte. 

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Das £f?arafteri{Hfrf}c an tun: preußifd)en ITTobilmarfjuna doii (806 ift Dtclmctjr un 
Zweifelhaft, baß öicfer befreien!« ©ntfdjluß, ber in bem jwiefpältigen preußifdjen national« 
gefüljl eine gewiffe ©inheit wieber tjerftellte, ber erfte Sdjritt zur IDicbererhebung Preußens 
nad; tiefem ^alle, gcrabe pon ©raf fjaugroiß ausging, wie er aud) bie weiteren Der« 
hanblungen geleitet bat. IDas gefdwlj, war junädjft nur eine militärifdje Demonftration 
$ur Elbmehr eines etwaigen Eingriffes, ©raf fjaugwiß permieb alles, was auf eine neue 
Koalition tfätte Anbeuten fönnen; er »erharrte fo lange als möglich in ber ruhigen befenfmen 
Haltung, bie er t>on Einfang an eingenommen hotte. ©r felbft bat immer behauptet, baß 
er bannt nur für bie militärifdjen Vorbereitungen t^ibe geil gewinnen wollen. 3 nbcm 
man nun aber rüftete, brach in ber Elrmee wie im Volle bie ©rbitterung gegen Ilapoleon 
wieber in gellen flammen aus. „Die ©jaspetation," febreibt ber öfterreidjifdje ©efanbte 
aus Berlin, „ift fo allgemein, baß biefer Krieg unzweifelhaft ber populärfte werben wirb, 
ben preußen je geführt hat." ETlan naljm fiefj cor, biesmal bie IDaffen nid)t eher nieber« 
julcgen, als bis bie ©ntfemung ber franjöftfdjen (Truppen ben unerträglichen ^uftänben in 
Deutfdjlanb ein ©nbe gemacht hob*- Elur bann fönne aud) ber HorbbeutfAe Bunb ohne 
Störung unb in freier Selbftänbigfeit fidj bilben unb entwicfeln. ©s fd)eint nicht, baß 
©raf ftaugwiß felbft an einen freiwilligen Kücfzug ber ^ranjofen aus Dcutfdüanö geglaubt 
hat. JDenn nun ein neuer ©cfanbter, ber ©eneral con Kitobelsborff, mit bem Eluftrag 
nad; Paris gcfd)icft würbe, bie ^urüctjichung bet franjöfifdien (Truppen ju forbeni, fo 
fonntc Ijaugwiß fidi nid)t perhcfßen, baß preußen bamit $ur ©ffenfioe übergehe unb einem 
Bruche mit ^ranfreid) entgegentreibe. 

Elapoleon hatte anfangs bie Had) riebten pon ben preußifd)en Büßungen im Bewußtfein 
feiner (Überlegenheit mit (alter Kuh« aufgenommen; er traf felbft, wie es fd;eint, por« 
bereitenbe EHaßregeln zur gutücfnahmc ber franjöftfd)en Cruppen aus Deutfdjlanb, nadjbem 
©efterreid) ßd) mit ber lieueinrichlung Deutfcblanbs eincerftanben erflärt unb ein rufßfdjer 
Diplomat in paris einen .friebenspertrag unterzeichnet hatte, in bem bie Bäumung Deuffd)« 
lanbs pon ben Jranjofen pereinbart war. Ells er nun aber am 3 . September erfuhr, baß 
Kaifer Elleranber biefen rieben ju ratifizieren ablehne, lag es für ihn nahe, in bem 3 U - 
fammentreffen ber preußifdjeu Büßungen mit ber Verwerfung bes rufftfd)en jriebens bas 
Elnjeid)en für bie Bilbung einer neuen Koalition 311 erblicfen. ©r erflärte am 7 . September 
bem ©eneral Knobclsborff, baß er feine militärifchc ETtad)tßellung in Sübbeutfchlanb behaupten 
werbe, folange Kußlaub feinen rieben gefdjloffen hüte; bagegen forberte er jc|t feinerfeits 
mit allem Iladibrucf bie 5 ur üe(führung ber preußifdicn (Truppen auf ben jriebensfuß, 
wofür er Vcrminberung ber fran}öftfd)en (Truppen in IDcßfalcn in El us)id)t ftellte. 

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,für «Graf fjaugwi^ bedurfte es biefer 2lntwort Hupoleons nidjt mehr; er Ijatte 
minbeftens pon bem 21 ugenbHcf alt, wo er gegen <£nbe 21 uguft bie Hadjridjt pon ber 
Verwerfung bes rufftfdjen Vertrages burcfi 21leranber erhielt, jebe fjoffnung auf Trbaltung 
bes Jriebens aufgegeben. 21ber bet König ,friebridj XDilljelm unb befonbers bei feiner 
näcfjften Umgebung war bie Ueberjeugung non ber Unrcrmeiblicbfcit unb Icotwenbigfeit 
bes Krieges noch feineswegs burdjgebrungen. Von «General Köcfritj urteilte bie wieber feljr 
friegerifdj geftimmte «Gräfin Vof, „er fei bummer als je". 3 n ^riebricb IDtlbehns wiber- 
fprudjspollem Versalien offenbarte fiefj beutlidj ber uitfricgerifdje 3 U 9 feines IDefens. £r 
war feft entfdjloffen unb fpracfj es bem «Gefanbten bes Kurfürflen pon Jjeffen fdjon im Jluguft 
aus, „baf, fo lange nodj Jranjofen in Veutfdjlanb wären, er feine Truppen nidjt wieber 
nadj fjaufe gefiett laffen würbe": aber er fjielt es anfdjeincnb bodj nidjt für unmöglich, baf 
Uapoleon wirflid; feine ijeeresmaffen oljne Kampf jurücfjieljen werbe. € r fudjte im tiefften 
«Geheimnis burch feines Vaters Sdjwcfler, bie UTutter bes prinjen pon (Dranien, mit Cnglanb 
geljeime Verljanblungen anjufnüpfen, wobei er fidj gegen Versidjt bes König- Kurf ürften 
auf fytnnoper felbfl 3 U einem Kngriffsfrieg auf Hapoleon mit weit gefteeften fielen geneigt 
jeigte: eine friegsfreubige Stimmung aber war überall nidjt in iljm $u fpüren. 21us 
feinen büfteren unb trübfeligen Ulienen fdjien ber ga^e «Emft ber J“ fpredjen: bodj 
bie ^erftreuungen bes tjoflebens erfuhren audj in biefen Tagen feine Unterbrechung. <£s 
war faft wie im leisten IDinter, wo prin$ Couis Jerbinanb in IDorten flammenben Zornes 
bie Berliner Vergnügmtgsfudjt gegeißelt Ijatte , „wäljrenb man por einem gcfäljrlidjen unb 
langwierigen Kriege ftefje unb bem Perbcrben entgegeneile." ITlitten im tarnt ber Lüftungen 
unb jwifdjen ben Beftdjtigungen burdjmarfdjierenber Regimenter würbe wieber burd; Tattj 
unb Sdjaufpiel ber «Geburtstag bes (Erbprinzen «Georg gefeiert unb am 25. Kuguft ber 
Stralauer ^ifdjjug befudjt; man peranftaltete Kusflüge nadj ber pfaueninfel unb ^rüljftücfe 
im t)ofjäger unb ging faft allabenblid; ins Tljeater. Die Berliner unb Potsbanter Regimenter 
rücften aus, bie jelbcquipage bes Königs futjr ab, nur ber König felbft jögerte unb jögerte, 
obgleich Königin Cuife längft feine Kbreife wünfdjte. 

Den lefcten Sdjwanfungen madjte erft Knobelsborffs Bericht über feine Unterrebung 
mit Bapoleon, ben man fpät am Kbenb bes 16. September in Berlin erhielt, ein €nbe. 
3etjt mag aud; ber König erfannt hoben, baf ber Krieg unabweitbbat fei, unb bie Kbreife 
würbe enbgültig befdjloffen. Königin tuife follte ben «Gemahl begleiten unb bis 3 um 21us= 
brud; ber ^einbfeligfeiten im Hauptquartier perbletbcn. 21m ( 8 . September empfing bie 
Königin por ben Toren Berlins ihr Regiment. 3 n einem Reitfleib in ben färben bes 
Regimentes, blau mit ponceau« Kragen unb -Rabatten, begleitete fte es butdj Berlin nadj 

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&ru$ mit Jranfrcid} 








CJjarlottcnburg, »0 ben ©ffijieren im Sdjlof ein ^eft gegeben würbe, bei bein man bie 
©cfunbljeit bcs „portreffliAen" (Djcfs, wie bet Kommanbeur Kalcfreutb fagle, mit Sc« 
geifterung tranf. BoA an bemfclbcn (Tage nahmen König unb Königin KbfAieb non ben 
prinjen unb prmjeffmncn, bie in Serlin jurficfbleibcn follten. prinjeffm IDiltfelm fanb 
ben König blafj unb bewegt, aber ergeben in ©ottcs Rügung. Seine IDortc unb (ein 
Betragen rührten jte fo, baf fte Blitlcib mit itjm cmpfanb. 3 n Sellcpuc, bei prinjeffm 
£uife KabjiwiU, jeigte fid; ber König rutjig unb gefaxt, ohne Cäufdjung über bie Sdjwere 
ber beporftefjenben ©ntfAribung, aber roll Vertrauen in feine Krmee. Kucfj pon bem 
Brubcr ber prinjefftn, prinjen Couis Jerbinanb, fpraA er unb pon ben (Erwartungen, 
bie er auf itjn fe$c. prinjeffm Cuife geleitete beibe tjinaus. Ber König, feiner Bewegung 
nid)t mefjr BTeifter, fct)wang fldj eilig auf fein pferb unb fprcngtt im ©alopp bapon; bie 
Königin, bie im IDagen gefommen war, fiüftertc ber prinjeffm beim Kbfdiiebe ju: „Sagen 
Sie ifjm, ictj baue ganj auf ihn." 

Km 20. September pcrlief bas Königspaar Berlin, bas bie Königin wenige ZDodjen 
fpäter auf einige Stunben als Ul Alling, ber König erft nadj 3<A rcn wiebe rfcljen folltc. 
3n Cfjarlottenburg perabfdjiebeten fte ftdj unter (Tränen unb Küffcn non ihren Kinbem; 
„er gab mir einen langen ftarfen Kufi", fagte ber fleine fünfjährige Karl. Km näcf)ften 
(Tage fuhren fic pon potsbam ab, bie Königin, bie ifjre aus Sübbeutfdjlanb geflüchtete Schwefter 
^rieberife noch h^tte begrüben fönnen, mit ber ©berhofmeifterin ; ber König mit ©eneral 
Köcfrih, ber nicht aufhörte, feiner Knjufricbenhcit Kusbrucf ju geben, lieber Blagbcburg, 
wo ber König bie Jcftungsmcrfc befehligte, unb Halle erreichten fte am 23. September bas 
preufifAe Hauptquartier in Baumburg. 

•Erft in ber BaAt pom 2q. jum 25. September reifte Bapoleon t>on Paris ab, auA 
er mit feiner ©emahlin, bie ihn bis ITTainj begleitete. Es war wohl bas einjige, worin 
bie beiben Blänncr bantals fA gliA cn: ber preufsenfönig, beffen natürliA« SAwäAcn, 
UnentfAIoffenheit unb Encrgicloftgfcit, im Kriege nur noA ftärfer unb gofährli A cr h^mor- 
treten mußten, unb ber franjöftfAe 3 m P era,or , ber bie IDuAt feines IDillens unb bie 
SAlagfraft feines ©enius gerabe im Kriege ju ihrer h*Afl cn Spannung unb ju ihrer 
größten Ceiftung immer fteigerte. 




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Siebentes Kapitel 

3m Kriege 

(1806 — 180 ?) 

I. Hon Haumburg bis Stettin 

& 

•^m preufifefjen f^auptqiuirtier ju Haumburg fummelten fiefj um ben König unb ben 
fjerjog von Braunfeh tveig, bem ber Oberbefehl bes fjeeres übertragen mar, Me ©enerale 
unb bie Ceiter ber preufifdjen polilif, ber HTinifter ©raf fjaugmig mit bem bisherigen 
©efanbten in Paris, Cucchcfini, unb bem ©cheimcn Kabinettsrat fombarb. Don ben 
beutfdien dürften. Me ju preugen hielten, crfdjiencn ber immer treue unb entfdiloffcne fjerjog 
Karl Kuguft von Saehfen*lDeimar unb ber Prinj von ©ramcn^ulba; nach manchen 
Schmanfungen unb ^meibeutigfeiten fanb fidj auch ber Kurfürft von fjeffen ein, hoch ohne 
fidj politifch binben $u mollen. Heben ber Königin mit ihrem ©efolge tarnen noch anbere 
Bürginnen, bie Schmefter bes Königs, Kurprinjeffm Kugufte von tjeffen, unb bie ^reunbin 
ber Königin, €rbprin}efftn Hlaria pamlomna von Saehfen*H>eimar, bie jeboch noch aor 
Husbruch ber Jeinbfeligfciten nach Berlin reiften. 

Die Königin litt bei ber Knfunft in Haumburg an fchmerjhaftent Kopfreigen; erft 
nach einigen Cagen, als bie Sonne prächtiges fjcrbftivctter brachte, ivagic fie ausju fahren, 
mie gemöhnlich meig gefleibet, auf bem meift umhüllten Kopfe ein fjut mit Kornblumen 
unb Cyanen. 3 U bem Holte, bas auch hier in Kurfachfcn, mie überall, neugierig unb 
tcilnehmenb ihr folgte, fügte fie moljl, mie man in Haumburg erjählt: „(Ei, ihr Ceutdjen, 

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3m Kriege 



was lauft ihr mir benn fo nach, i d? bin ja auch weiter nichts als eine Solbatenfrau." Sie 
liebte cs, bie burchjiehcnben Cruppcn ju beftchtigen, unb an fdiönen Nachmittagen unter- 
nahm fte Ausflüge in bie Umgcgcnb, in bie Naumburger IDeinberge unb 5 U einer Zlnljöfyc 
jenfeit ber Saale, wo fte febon bei ifjrer Nrautreife unb im 3aljre (799 geraftet batte, unb 
wo je$t ein ©ebenfftein an Königin Cuife erinnert. Per König bat einmal t>on Naumburg 
aus bas nabe Sefjladjtfclö von Hogbach befugt. Hbenbs oereinigte bie Königin um ihren 
tCcctifcb ©enerale unb Piplomaten, wobei namentlich Cucchefinis ©rjählungen bie Untere 
baltung belebten. 

Pie Stimmung in Naumburg fchwanfte jwifchen Sicgesboffnungen unb Nieber* 
gefcblagenbeit. ©egen bie preugifebe Politif unb ihren oberften Nertreter, ©raf fiaugroig, 
war aud) je$t noch feineswegs alles Nliftrauen gefebwunben, unb in ber Heeresleitung 
oermifte man ben fortreijjenben Schwung ber ©ffenfipe. Per friegerifdje ©eift aber unb 
bie Kampfesfreube in ©ffijieren unb Solbaten weeften bie frobeften Hoffnungen; wenigftens 
bie erften .gufammenftöge mit Napoleon glaubte man fiegreicb befteben unb jebenfalls fo 
lange ftanbbalten ju fönnen, bis bie Hüffen unb pielleicht auch bie ©cflcrreidjcr ju Hilfe fämen. 

Kcbnlicbe Stimmungen lebten in Königin Cuife. Sie wujjte, bag es nun fein ^urfief 
mehr gab; h* n l et >h r - wie fie fdjricb, lagen „Feigheiten unb ©miebrigungen", porwärts 
winfte ber IPcg ber ©hre. Sie almtc wohl, bafs biefer IDeg auch jum Untergang führen 
fönne, unb fie war weit entfernt pon jebem törichten Siegesbünfel. Uber fie fanb ben ©eift 
ber Cruppen unb ihre Kampfesluft fo herrlich, bie (Erbitterung ber ganjen Nation fo fraft* 
roll, unb pon allen Seiten brachte man ihr fo picl Hingebung unb Daterlanbsliebe entgegen, 
bafi fie baraus „Ulut für bie gjufunft" fchöpfte. iPurbe hoch felbft ber König, bem fonft 
jebe Knnäherung feiner Untertanen eher läftig war, bapon gerührt, wie man feinen IPagen 
umbrängte unb iljn unb bie gute Sache fegnete. 2TUt pollem Dertrauen rechnete bie Königin 
auf Huglanbs H*lf c - Hod; pon Nerlin aus, wenige Cage por ber Kbreife, hotte fie bem 
Kaifer Kleranber gefdjvicben, bafs nächft bem preugifdicn H** re feine Freunbfdiaft iljr 
guperficht gebe. Hiit ber ganjen gefühlsfeligen Ucbcrfd)wenglicbfcit bes f 8. 3oh r *?unberts 
beteuerte fie ihm babei: „3dj glaube an Sic, wie ich on ©ott glaube, unb meine Freunb- 
fchaft für Sie wirb nur jugleidi mit meinem ©lüefe enben." Unb pon Naumburg aus 
wicberholte fie: „Pie ,5ufunft höngt wefentlich pon 3^ ,Kn , unb ich bin ganj ruhig, 

ba ich Sie fenne." 

3n politifcher liinficht war halb nach Ifnfunft bes Königs in Naumburg bereits 
bas entfeheibenbe IPort gefallen. Km 26. September würbe ein Kurier mit einem Schreiben 
bes Königs an Napoleon unb mit einer Note abgefanbt, worin in aller Form ber Kücfjug 




ier franjöftfdjen (Truppen aus Deutfdjlani uni ite freie uni ungeftörte ^ulaffung ies Vorb- 
beutfdjcn Sunbcs perlangt tmiric. IDürie eine befricbigenbc Untwort bis jum 8. ©ftober 
nidjt eintreffc«, fo follte jum Angriff gcfdjritten werben. Zlidjt um nod) eine (Tür für icn 
^rieben offen ju galten, an ien man nidjt ttteljr glaubte, gemährte man iiefe tefete Jrift, 
foniem allein um nodj einige (Tage für iie militärifdjen Vorbereitungen ju gewinnen, mit 
ienen es nur redjt langfam porroärts ging. 

Had) längeren Beratungen batte man ft* ju iem plane geeinigt, über ien (Tfjüringer 
TDali hinweg iie franjöftfdjen (Truppen in Sübbeutfdjlanb anjugreifen, iie man nod) r>or 
ifjrer Vereinigung überrafdjett ju fönnen meinte. Der ©ebanfe fatn nidjt jur Uusfü fjrung. 
IVollte man eine fo entfdjieiene Ungriffsbewegung not Ublauf ier im Ultimatum geftcllten 
,Jrift permeiben ? ©ier, was roafjrfdjeinlidjer ift, Ijiniertcn militärifdje Beicnfen, wie iie 
Hüdftdjtnaljmc auf iie eigenen nod) unpollenbeten Lüftungen uni iie perfpätete ZTTobiliftcrung 
ier fädjftfdjen (Truppen? ©ier lag iie llrfadje juglcid) audj in iem ©runiübel, an iem 
iie prcugifdje Heeresleitung ebenfo franfte wie porljer iie preugifdje Politif: an ier läljmettien 
litten tfdjloffenljeit ? 

©enug, iie (Tage perftridjen; erft Unfang ©ftober wurie iie H du P( anncc allmäljlidj 
näljer an ien (Tfjüringer IDali Ijeran nadj Süiweflen gefdjobett, uni erft am ©ftober, 
als ftdj iie Hadjridjt t>on ier Unfunft Hapoleons in IDürjburg ncr breitete, wurie audj 
ias Hauptquartier nadt (Erfurt oerlegt. Uls ier t 3ug ier IDagen uni ©efdjüge mit ien 
(Truppenniaffcn lang uni langfam fidj über iie 8 rüde pon Köfen bewegte, beobadjtctc iljn 
ier glänscnifte literarifdjc ©egner Bapoleons, ^rieiridj ©entj, ien ©raf IjaugtpiB 5 ur 
UTitarbeit an ient preugifdjen Kriegsmanifeft ju fidj berufen tjatte; er empfani, uni piel* 
leidjt nidjt er allein, iafj fidj in iiefem Uugenbliefe iie Entfdjeibung porbercitete über iie 
jreiljcit oier iie Knedjlfdjaft UTitteleuropas. 

(Erfurt bot iasfelbe Sdjaufpiel wie Haumburg: militärifdje Beratungen, fürftlidje 
Befudje, unaufljörlidje Cruppeniurdjjüge, ein unentwirrbares ©ewüljl uni Burdjeinattier 
pon ZTtenfdjen, pferien, Kanonen. Der König ftuiicrtc iort ien plan ier Sdjladjt non 
Uufterlife. Die Königin Ijatte iie ^reuie, iljre Sdjwefter, Herzogin Eljarlotte pon Hil&burg* 
Raufen, bei ftdj $u feljen. Sie befudjte ien petersberg uni lieg fidj mit ihren Damen 
abenis pon Cucdjeftni ©cfpenftcrgcfdjidjtcn crjäljlen. 3ljre fortiaueniie Unwefenljeit im 
Hauptquartier — feit iettt ©rogen Kurfürften Ijatte fidj fein preugifdjer Hcrrfdjer pon feiner 
©emaljlin ins ^eli begleiten laffett — crfuljt feljr perfdjieicne Beurteilung. IVäljrenb piele, 
pielleidjt iie meiften, iie Entfernung ier Königin audj um itjrer eigenen Sidjerljeit willen 
wünfdjten, hielten attiere, iie ftdj iljres Einguffes auf ien König ju beiienen geiadjten, 

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ifjre fernere ©egenmart für notroettbig. Sie felbft, hierin wie fonp, fügte ftcfj Iebiglid; bem 
IDillcn bes Königs, 6 er pe fo lange als irgenb möglich bei fiefj ju haben perlangte. 

3« Erfurt, am 9 . ©ftober, empfing Königin Cuife audj ^rieöricb ©cnp, 6 er eine 
ausführliche Aufzeichnung über Öen Berlauf feiner Aubienj unö 6 ie öabei empfangenen 
Einbrücfe tjinterlajfen Ijat. Die Königin äußerte pdj über öen Krieg in 6 em Sinne, ben 
mir fdjon fennen: Die politifcfjen Alotine Iiep pe beifeite, obgleich üjre IDorte fonp audj 
hierin fdjarfes Berftänbnis bemiefen. ^ür pe mar 6 er Krieg nicht 6 as (Ergebnis politifdjet 
Berechnungen, fonbem „ein ©ebot öer Ehre unö ber ppidjt". Uebrigens fei pe nidjt 
befragt morben, mie pe überhaupt bei öffentlichen Angelegenheiten nie ju Kate gejogen merbe. 
©anj nadj bem tierjen poit ©enfe maren bann ihre Acuperungen über (Defterreidj unb 
Kuplanb. Es mag nidjt böllig ohne politifche Abpdjt gemefen fein — ©en| mar ja nor 
einigen 3 J ^ rcn aus preupifdjen in öfterreidjifche Dienpe übergetreten — , aber es enlfpradj 
bodj au<fj, ®ie mir miffen, ihrem innerften Emppnben, menn pe pdj babei über (Defterreidj 
mit befonberer IDänne äuperte unb ©efterreidjs llngiücf mit Cränen in ben Augen beflagte. 
Aus „bem Keidjc" ftammenb, hatte pe eine angeborene Sympathie für ©efterreidj, momit 
ihre politifdje Ueberjcugung im Einflang mar. Sie rühmte Kaifer Alcjranbers Eifer, feine 
fjingebung unb feine perfönlidjen ©ugenben; allein für bie Jreiljeit Europas münfdjte pe 
bod; bie Einigung ber Deutfcben, bie Einigung por allem preupens unb ©efterreidjs. Es 
maren bie ©ebanfen, bie ©enb feit 3 a h rcn Pertrat, bie Prinz Couis ^erbinanb mit iljm 
teilte, unb bie audj bei ber Königin Eingang gefunben hatten. 

Ucberljaupt hat ©enp pon Königin Cuife bie allerbeften Einbrücfe gemonnen; er muple 
nidjt, mas er mefjr bemunbem follte: bie männlidje Energie unb Keife ihres Urteils ober 
bas edjt meiblidje ©emüt unb ©efühl, bas alles burdjbrang unb erfüllte. Sie erfdjicn ihm 
als eine unperglcidjlidje Bereinigung pon iDürbe unb Anmut, pon Bomcljmheit unb Surficf* 
haltung. Aus bem büperen ©emalbe, bas ©ettp in feinen Aufzeichnungen pon ben ^u» 
pänben unb perfönlidjfeitcn jener (Tage entmirft, ftrahlt allein bie ©eftalt ber Königin Cuife 
als eine pelle unb reine Cidjtcrfdjeinung. 

3njmifdjen mürbe in Erfurt, mie porljcr in Haumburg, (Tag für (Tag Kriegsrat 
gehalten. Der plan bcs Ueberganges über ben tOj flr i n 3 cr H?a!b mar leidjt aufgegeben; 
fdjmieriger mürbe es, einen neuen Entfdjlup ju faffen. Balb follte pdj bie gan;e Armee 
meftmärts jmifdjcn ©otfja unb Erfurt fonjentrieren, halb, ba bie UTelbungcn über einen 
nadj ©ften meit ausljolenben Umgeljungsmarfdj ber Jranjofon in ber Kidjtung auf bas 
Kurfürftcntum Sadjfen pdj bebroplidj häuften, follte oftroärts auf bas rechte Saaleufer 
jurüefgegangen roerben, um ben ^ranjofen ben IDcg 511 perlegen. Sdjlieplid; mürbe bie 



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Hauptarmee teils jurücf nach IDeimar, bas man erft am q. ©ftober paffiert hatte, teils fübtich 
bapoti nach Bianfenhain dirigiert, inäfjrcnö ein anberes Korps unter hem Befehl bes dürften 
iToijcnlohe, beffen Upantgarbe prinj Couis ^erbinanb befehligte, metir f üblich, jum lieber« 
gang auf bas rechte Saalcufer bereit, $wifd)en Kaljla unb Hubolftabt ftcfj aufftellte. IDas 
weiter gefchet)en follte, bafür erwartete man erft Bachrichtcu com ^eiitbc. 

Km IO. ©ftober erreichten ber König unb bie Königin mit einem ©eile ber ßaupb 
annee auf fdjlechteftcn IDegen Bianfenhain. <£$ war ein fd>recflidjcr Ubcnb, bem eine 
fchrccflichcrc Bad)t folgte, plößlid; fanb man fich mitten im Kriege. Bon allen Seiten 
hörte man ben Bonner ber ©efehüße; ringsum, überall, feffienen bereits ,franjofen. Ba 
fam gegen 9 Uhr abenbs bie Uachricht, baß bie Upantgarbe bei Saalfelb gcfdjlagen unb 
prinj Couis ^crbinaitb nach h^ löen m ü tigern Kampfe gefallen fei. Ber König brachte felbft 
ber ticferfchüttcrten Königin bie ©rauerfunbe, bie fid? rafch oerbreitete unb Beftürjung unb 
Schmer3 erregte. Ueberall erljob fiefj IDehflagen unb IDeincn um ben Prinjen, mit bem 
fo oicle unb fo fcfjöne Hoffnungen untergegangen waren. Balb folgten weitere Bach richten 
non gefaljrbrohenbfter Bebeutung. Bie Uebergänge über bie obere Saale waren in ben 
fjänben ber Jeinbe, Hubolftabt, unfem Bianfenhain, pon ihnen befeßt ; Hohenlohe hatte ftch 
etwas ofiwärts wenben muffen, um gefchlagene ©ruppen eines preußifchen Korps unter 
©auenßien aufjunehmen. Bianfenhain, baburch nach Sübcn rollig ungebeeft, ftanb einem 
feinblichen Bormarfch offen, bas Hauptquartier glich einer Borpoftenftellung. furcht unb 
Schrecfen brach über alle herein. 3 n beit Straßen in unb um Bianfenhain erbröljnte 
ununterbrochen ber ©eneralmarfch, um non allen Seiten ©ruppen 5um Schuß bcs Haupt* 
quartiers herbeijurufen. Bie ^elbequipagen bes Königs würben fchon weggefchieft. Biemanb 
hätte gewagt, ftcfj jur Buhe 3U legen. 3 mm * r SU eiligfter Jlucht bereit, non jebem Ularm 
aufgefchrecft, fo oerbrachte Königin Cuife mit ihren Barnen bie Bucht. 

König unb Königin haben biefe Schrecfensftunbcn nie nergeffen. Ber König fonnte 
fpäter ben Barnen Blanfenljain nicht nennen hären, ohne baß ihm gleich all fein Unglücf 
ftcf)tbar ror Uugen trat. Ber Königin, beren Kufjcichnungcn obige Schilberung entnommen 
ift, mag man es glauben, bafj fie ron jenem Uugenblicf an bas naljenbe Unheil ahnte. 

Um frühen UTorgen bcs 1 ©ftober, erregt burch ben ©ebanfen an ben ©ntfeheibungs* 
fampf, ber unmittelbar bcror5uftchcn fchien, perließ Königin Cuife Bianfenhain unb erreichte 
balb IDeimar, wo auch äer König mit bem IVrjog pari Braunfchweig unb bem ganjen 
©efolgc noch am Bachmittag eintraf. Bie Hauptarmcc 50g fich um IDeimar herum jufamnten, 
währenb ^ürft H 0 h cn l°h c fein Korps bei 3 { na fammelte. Ber Heft bes ©ages, ebenfo wie 
ber gan3c nächfte ©ag, pergingen abermals in frucfjttofen Beratungen. Ulan härte pon 

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3m Kriege 




weiterem Porbringen 6er ^ranjofen, un6 6ie Beforgnis mürbe immer ftärfer, baß man im 
©flen, in 6er linfen Jlanfe, umgangen werbe. Der £}erjog pon Braunfdjweig, rote 6ie 
Königin perfichcrt, fonnte un6 wollte 6as nidjl glauben. So blieb alles untätig ftcfjen, 
bis wieber erft Badjridjten pom .feinbe eine fntfdjlicßung aufjmangen un6 6ic fdjrperfällige 
Klaffe in Bewegung brachten. Bocb am (2. ©ftober fpät abenbs fam 6ie beftimmte 

2 UeIbung, baß 6ie Urmee in ißrer linfen ^lanfe tatfädjlich umgangen unö Baumburg 

bereits pon feindlichen (Truppen befeßt fei. Sogleich mürbe nun befdjloffen, Fetjrt ju machen, 
um über 6ie llnftrut uu6 Saale hinweg jmifeben Saale un6 (Elbe 6em Pormarfch 6es ^einbes 
entgegenjutreten. IDäljrenb bas Korps unter fjohenlofje jur Dccfung ber rechten plante 
etipas jurücfblieb, feßte fidj am 13 . ©ftober pormittags fpät, roafjrfcfjeinlid; 5U fpät, bie 
fjauptarmee in Bewegung unb 30g mit fdjleppenbem (Trog langfam auf ber großen Jranffurt* 
Ceipsiger ftanbelsftraße in norböftlicffcr Sichtung nach Uuerftebt 3U. 

Königin Cuife folgte am Badjmittag bes 13 . ©ftober pon IDeimar aus bem Por- 

marfdf ber Urmee; fo l)attc es ber König felbft geipünfcht, ber (id; auch jeßt noch nicht 

pon ifjr trennen mochte. Biit bem Kürafficr Kcgiment Koijenftein erreichte fie bie Strafe 
por Uuerftebt, wo ihr ber fjerjog pon Braunfchmeig entgegentrat. 

„<£s mar bas erftcmal," fo erjäfjlt bie Königin, „baß ich 'b n feine Zfleinung pofitip 
unb energifch ausfprechen härte." BTit ernfter ITTiene trat er an ihren IDagen heran unb 
fragte: „Um (ßottes millen, mas tun Sie hier?" Königin Cuife ermiberte: „Der König 
glaubt, baß ich nirgenbs ftcherer bin als hier im Kücfcn ber Srmec, ba ber tPeg, ben ich 
nach Berlin cinfcblagen follte, nicht mehr ficher ift." „Uber mein (Sott, fetjen Ulajeftät 
nicht bas Schloß pon (Ecfartsberga por fich? Dort ftnb bie Jranjofen, fie fmb hier gegen- 
über unb in Baumburg, unb morgen werben mir einen blutigen unb entfdjcibenben (Tag 
haben. Sie fönnen hier nicht bleiben, es ift ganj unmöglich." (Er riet ihr, nach IDeimar 
jurüefjufehren unb ftch bort pon (Seneral Küchel ben IDeg nach Berlin angeben 3U laffen. 
Die Königin ließ ben König rufen, ber fur$ norher mit büfterer unb forgenpoller Bliene 
an ihrem IDagen porbeigefonimcn mar, teilte ihm bie Befürchtungen bes Belegs mit, unb 
ber König entfdjieb: „IDcnn es fo iß, fo reife ab." U)ortlos brüefte er ihr 5um Ubfdjieb 
bie I)anb. Die Königin, in tieffter Bewegung, perließ ihren IDagen, einen Kampagne* 
wagen bes Königs, unb in ihrem Keifemagen, pon einem ©ffijier mit adjt Küraffieren 
geleitet, f ehrte fie nach IDeimar jurücf , bas fie erft wenige Stunbcn porßer perlaffeit hatte. 
Unterwegs begegnete fie bem prinjen pon ©ranien, ber bie erfte Dipifton ber liauptarmee 
befehligte, unb bem prinjen fjeinridj, Bruber bes Königs, ber in biefer Dipifion bie jmeite 
Beigabe fommanbierte, fomie ihrem eigenen Bruber p>ritij Karl, ber bem Keferpeforps 



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unter Kalcfreutl) angef)örtc. Von itjnen allen natjm fte Kbfdjieb, immer bemüht, babel 
ifjre Cränen jutücfjubalten, um nicht bie bem Kampfe entgcgengel)enben ZHänner meid) 
ju ftimnten. 3 n IDeimar angefommen, lieg fie ben ©eneral Küdyel rufen, ber, 5 U erregt, 
um felbft fdjreiben ju föitnen, Ujr burd) einen feiner Kbjutanten bie Keiferoute auf» 
$eid)tten lief. I>ie Königin foUte ben fjarj im IDeflen umgehn unb über Sraunfdjroeig 
nad) Berlin jurücffefjren. IDie erjablt wirb, fjat fte fid) bann nod) in ben Strafen 
IDeimars 5 U Juf ben burdjntarfdjierenben (Truppen gezeigt unb burd) iljre ©egenroart 
beren Blut angefeuert. 

Die Stimmung ber Königin am Kbenb pot bem (Tage, ber über preufens unb iljr 
eigenes Sdiitffal cntfdjeiben follte, jeigt ber Brief, ben fie bamals an ben König richtete. 
3n feinem Durdjeinanber pon richtigen unb irrigen Kngaben fpicgelt er ben IDirrtparr bes 
Kugenblicfs mieber, jugleid) aber bie 3 nn '3f c ’ t djrer Ciebe ju bem ©emafl unb König, 
bem fie aud) in biefent Kugenblicfe bas tym fo fcljlenbe Selbftpertrauen einjufiöfen fudjte. 
Sic fdjrieb itjm aus IDeimar am (3. (Dftober, 8 Utjr abenbs: 

,,©ott fegne Did) auf allen Deinen ZDegen, teurer, lieber ,freunb. ©s muf Dir gut 
gcljcn, benn Du bift ber brapftc ITlann Deiner 3 e it- 3^ balb was ©utes pon Deiner 
Krmee ju Ijören. KUe, benen id) begegnete, waren gans toll por ^reube, als fte fyörtcn 
(bie (Truppen näntlidj), baf bie ^ranjofen nalje unb gewif morgen eine ftarfe Ilffaire fein 
würbe, ©oft ftärfe Dich! unb gebe Dir eine tüchtig gewonnene Sd)lad)t. ZTTorgeit frül) 
um 5 UI)r, ben 14-, gclf idj pon f)ier weg über ©rfurt, Cangenfalja, BTüljlbaufen, Dingel» 
ftabt, fjeiligenftabt, wo id) ju ZTadjt bleiben will. Dann übermorgen, ben (5. will ich bis 
Braunfdtweig, wenn es möglidj ift (es ift .frifens ©eburtstag), unb ben ( 6 . nadj Berlin. 
Jäj bitte Dicfj fnieettb, fdjiefe mir bodi Hadmdit pon Dir, Du weift nun, wie id; gelje, 
unb fannft beredeten, auf weldjem IDeg Du am gefdjwinbeften midj etwas pon Dir fannft 
Ijörett Iaffen. Du begreifft, wie mir baran liegt in biefem Dloment! 3^! fpredje pon 
nid)ts, was uns fonft betrifft, es ift nicht ber Kugenblicf, fid; auf irgenb eine Krt meid) 
$u madjen. 3d) liebe Didj wal)r unb innig unb bete für Did)! Kbicu. Soeben fömmt 
bie Had)rid)t an ©cneral Küdjel, ber meine BTarfdjroute neben mir im Zimmer ber fyrjogin 
madjt, baf bie ^ranjofen bei 3 c,,a gefd)lagen ftnb unb baf ber ,Jürff hohenlobe fte per» 
folgt. Der ©ffijier, ber biefes bem ©eneral Küdjel melbet, tjat es felbft gefeljen, baf ber 
^ürft fte perfolgt l?at. Das ift ©ott £ob einmal was ©utes, unb morgen giebt es gewif 
nod) nteljr fid) 5 U freuen. 3d? bin t)ier nad) 6 Uljr angefommen, alle Kegimenter fd)riecn: 
Pipat, es lebe ber König unb bie Königin. Den ad) t Ceuten pon Quiljoro f)ab’ id) jebem 
einen Jricbrid)sb’or gegeben unb fte nod) eptra tradieren (affen. 3* bin auf bem Sdilof 



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(Eafcl 16 




Köllig Jrioöriii IDiUfclm III. 










3m Kriej« 




abgeftiegen, weil id) feine Küdje habe, unb bajj icfj mid) ijier oijne Didj nirgenbs fieser 
glaubte. Ubicu. ©ottes befter Segen mit Dir. Caf midj nur nidjt otjnc Uadjridjt. 2luf ewig 

Deine treue Cuife. 

,,©raf DToItfe wirb Dir biefes übergeben un 6 um 9 ofjngefäfjr wieber 5 U Dir abgetan. 
3 d} Ijoffc, bie Umftänbe bringen uns halb wieber jufammen. 

„3dj barf Did? nod; einmal bitten, nehme mehr 5 utrau?n }U Dir felber unb füfjre 
bas ©anje, es geht gewif beffer." 

Itadi einer fdilaflofen Hadjt t>oU Sorgen unb ilcngffen perlief Königin Cuife am 
2TIorgen bes perijängntspollcn ©ftober IDeimar unb eilte über ©rfurt, UTüljlhaufen, 
©öttingen, wo 2ldjim con ilmim fie faf? unb i£;r perftörtes Ungefidjt faum erfannte, über 
Braunfcfjwcig unb ©angermünbe nach Berlin, bas fie am £7. ©ftober gegen Zlbcnb erreichte. 

Die Seife war fdjon wie bie ^ludjt nach einer Uieberlagc. 

©äufdjetibe ©erüdjte über preufifdje Siege würben iljr unterwegs jugetragen, ©crüdjte, 
bie auch nadj Berlin brangen unb bort am 15. ©ftober, gerabe 5 ur ©eburtstagsfeicr bes 
Kronprinjen, einen ©aumcl ber Jreubc unb bes 3ubels cntfeffelten. ©rft am 17. ©ftober, 
wenige Stunben por Berlin, erfuhr Cuife burdi ein Schreiben bes ©eneralabjutanten ©berflen 
pon Kleift aus Buttelftcbt, ©ftober, bie fdjrccflidjc IDabrljeit: bie pöllige Hieberlage ber 
preufifefjen ©ruppen, fowoljl ber pom Ijerjog pon Braunfdjweig befehligten fjauptarmee 
als ber Korps pon Ijoljenlohc unb Südjel. „IDir wollen uns nur redjt jufammen nehmen," 
fagle' fie ju ihrer fjofbamc, ber ©räftn ©auenfien, „um nidjt biefen Sdtrecfen in Berlin 
ju perbreiten." 

Später erhielt fie audj ein Schreiben bes Königs felbft, auf ber .flucht in Söntmerba 
am 15. ©ftober gefcb rieben, bas ihr ben ganjen Umfang bes Unglüefs enthüllte: IDic aus 
bem unerwarteten ^ufammenftof mit einem Jcinbe pon unbefannter Stärfe bei Kuerftebt 
fidj eine Sdjladit entwicfelt hotte, in ber bie brei Diuifionen ber tjauptarmee, ohne redjte 
©rbnung, ohne redjten plan, ohne 3 u fammenwirfen in ben Kampf geführt, eine nadj ber 
anbern in pergeblichem Singen fiefj perblutet hotten. „3<h weif nidjt," fdjrieb ber König, 
„was aus ihnen geworben ift. Klles, was nod; lebt, läuft einjeln herum." Die Seferpe 
unter Kalcfreutlj, bie ju fpät Ijerangefommen war, hotte nur nod; ben Sücf jug beefen fönneti. 
Bei einbredjenber Hadjt war ber König mit bem Seft ber ©ruppen auf ber iDeimarer 
©Ijouffee am rechten 3buufer bis an bie Stelle gefommen, wo bie Königin pon ihm 
Ubfdjieb genommen hotte, als er bei Zlpolba franjöfifdje ©ruppen bemerfte, fo baf er 
fdjleunigft umfehren unb im Ungefidjt franjöfifdjer IDadjtfeuer ben Sücfjug auf bem linfen 
(nörblidjen) 3l mu fer fortfefen mußte. Unweit U>eimar aber, in UTielanbs früherem IDohnort 



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3"> Krieg« 



©smannftebt, erfuhr man Port einigen franjöfifcbcn ©efangenen, baf auch hohen lobe unö 
Küchel gefchlagen unö IPeimar felbft bereits pon Öen ^tanjofen befefct fei. Kbermals muffe 
umgebogen roerben, unö noch manchem unlieberen itmbertaften, wobei öie 'Kolonnen fich 
fcblief lieb auflöften unö 3 erfreuten, mar öer König über Buttelfleöt, ipo er öurch Flüchtlinge 
ausführlichere Icacbrichten über öie Hiebertag« pon ~« na erbielf, am 15. ©ftober in aller 
Früh«, pon Blücher, Kalcfreulb, öem Erbprinzen pon Sochfen Koburg unö einigen Offneren 
begleitet, nach Sömmerba gelangt. Er war 26 Stunben lang ununterbrochen unö ohne 
Habrung im Sattel geroefen. Kuf Knöringen feiner Umgebung fuhr er am näcbften (Tage 
nach Sonöershaufen unö Horöhaufen weiter, pon tpo er quer öurch öen 6 arj über 6 a Iber = 
ftaöt nach Hlogöeburg eilte. 

3n Berlin, wo öie Hacbricht pon öen Hieöerlagen jich fch°" om Hlorgen öes l?. ©ftober 
perbreitet hotte, fanö öie Königin alles in gröficr Erregung. 3^re Ktnöer ataren bereits 
nach Stettin geflüchtet, wohin auch öer Königin geraten rourbe fich ju retten. Die allgemeine 
Stimmung roar in Öiefem Kugenblicf noch feinesroegs mutlos oöer perjroeifelt, öie Erbitterung 
gegen öen perhaften Sieger piclmehr noch im Steigen. Erft öer pöUige ^ufammenbruch 
öer oberften Ceitung öes Staates unö öes fjeeres, roie er in öen Kapitulationen öer Fdb- 
truppen unö öer F^ftungen, in öer fchroäcblicben Unfähigfeit öes ©oupcmcments pon Berlin 
unö in anöeren fchmachpollen Borgängen jener (Tage ftcfj offenbarte, bot lähmenöen Scbrecfen 
unö Ijoffnungslofe Hieöergefchlagenljeit auch in öie breiten Blaffen öes Bottes getragen. 
Königin Cuife felbft hotte ihren Blut feinesroegs pcrloren; ihre Hoffnungen belebten fich 
an öer ftünnifchen unö begeiferten (Teilnahme, öie ifr Berlins Einwohner an öiefem 
unglücflichen (Tage bejeigten. Sie örängten fich grojien Blaffen an ihren IBagen, fte 
umlagerten bas Palais, nach prinjefi Cuife BaöjiroiUs Knficht freilich nle h r neugierig als 
teilnehmenö. Die Königin felbft aber empfanö, roas öer groge 6 iflorifcr Borns, Hiebuhr, 
öamals ausfprach: roie piel „Kraft, Ernft unö Ereuc" in öiefem Botte ungenutzt fehluinmerten, 
unö roie es nur „grofsfinniger Ceitung" beöürfe, um es „immer öer gaiijett IDelt unbejroing 
bar" 5 U machen. Die Scbulö öes Unglücfs tpollte fie, mit öer Bottsftimme im Einflang, 
leötglicb öem Iferjog pon Braunfchrocig unö feiner Unroijfenheit jufdjreiben ; nur eine anöere 
Führung für öiefe „göttliche" Krmee, unö alles fonnte noch gut roeröen. Sie empfahl 
ihrem (Semahle als öen heften pon allen öen Fürften oueb öer König 

injroifchen bereits öen ©berbefehl übertragen hotte. 

3n öiefer Stimmung fcfjrieb Königin Cuife öem König aus Berlin am 17. ©ftober 
um 9 Uhr abenös öurch Blajor Dorpille, öer öie Hachricht pon öer Hieöerlage nach öer 
Ifauptflaöt gebracht hotte: 



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„Seit jroci Stunden, mein liebftet ,freunb, bin ich tjier. ©raf Sdjulenburg münfd)t, 
bafs i d) jur größeren Sicherheit morgen nach Scbmcbt unb übermorgen nad) Stettin abreife. 
ITleine Kinber fnb alle Ijcute morgen por meiner Knfunft abgereift, unb ietj habe fie niefjt 
mehr gefunben. Da bas (Treffen pon Kuerftcbt fo geenbet hat, wie es geenbet bat, fo glaubt 
man, läfst fidj nichts Befferes tun, als Berlin perlaffen. Du bift mein cinjiger ©ebanfe 
gemefen ipäbrenb meiner galten graufamen, fcbrecflidjen Keife. Dich allein ohne mid) su 
miffen, ift fchrecflid). Uebrigens h°ffe ich, baß noch nid)t alles perloren ift, unb bajj ©ott 
uns nod; lyclfen mirb. Du bjcift nod) (Truppen, unb bas Dolf betet Dich an unb ift bereit, 
alles ju tun. ©ott fegne Dieb unb färfc Dieb in bem graufamften Kugenblicf Deines 
Cebens. €r gebe Dir allen nötigen ITtut unb perlaffe Diefj nicht, ©in töort oon Deiner 
fjanb mürbe mich febr beruhigen. Der tjerjog allein ift fefjulb an unferem Unglücf; er 
perftanb bie Krmee nicht ju führen, mie es allgemein heißt, ©ott erleuchte Dich unb laffe 
Dich einen tpürbigen ©eneral mähten $ur Rührung biefer göttlichen Krmee. — ITTimi, bie 
prinjejj IDilhelm, meine Schmefer, prinjejj Cuife, alle reifen morgen nach ben porhin 
genannten Stabten ab, bie einen jeitig, bie anberen fpät, ich um 6 Uhr unb bann bie übrigen. 
Ceb mol)l, lieber (Engel, marum fann ich n '<ht bei Dir fein unb mann merben mir uns 
micberfeljen? ©anj bie Deine fürs Ccben, Deine treue Jreunbin Cuife." 

Hach einer ruhelofen Had)t, in ber gepaeft mürbe, mas man in ber ©ilc jufammen« 
raffen fonnte, perlieg bie Königin Berlin; beim fjinaustreten aus bem Palais, ber Stätte 
ihres langjährigen ©lüefes, meinte fie, mie crjäfjlt mürbe: „3d? merbe biefe Schmelle 
mol}l nid)t mieber betreten." 3 n Sd)roebt traf fie mit ihren Kinbern jufammen. Der 
jmeite il;rcr Söhne, prin 5 IDilhelm, hat fpäter in feinem ©remplar einer Biographie ber 
Königin bie IDorte aufgejeichnct, mit benen bie UTuttcr ihn unb bie ©efchmifter begrüßte: 
„3h r feljt mid) in (Thronen; ich beroeine ben Untergang ber Krmee unb ihres Kuhnis; fie 
hat ben (Ermattungen bes Königs nicht entfprod)en." 

Km näd)ften (Tage, ff. (Dftober, traf bie Königin in Stettin ein. IPenn bei bem 
Kbfdjieb pon Berlin rielleicht ein Kugcnblicf Derjeiblicher Sd)mäd)e fie befallen hotte, fo 
mar jeßt all iljr IHut jurüefgefehrt. Sie härte mol)l pon .friebensgerüchten. Kber bie ©in« 
brüefe pon ber Dolfsftimmung in Berlin unb pon ber Begeiferung, bie ftch ihr allenthalben 
ungerufen entgegenbräugte, perbid)teten ftd) in ihr ju bem Kufe: „Hur um ©ottes millen 
feinen fchänblidjen ^rieben." So fchrieb fie am 20. (Dftober pon Stettin aus bem Könige: 
„Befer ^reunb! ©s märe pergeblich Dir bie ©mpfnbungen fchilbem ju mollen, bie idj 
empfanb, als id) potsbam unb Berlin mieberfaf). Das Dolf in Berlin, melches glaubte, 
id; fei gefangen, begleitete meinen IDagen unb fammelte fidj 5 U (Taufenben am palais unter 

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meinen .Jenftem unb fdjrteeit immer nad) ntir. Hein, (old; ein Polf giebt es nidjt mef;r. 
5®5Iftnufenb Bürger wollen ftcfj bewaffnen unb (5 ljunbert pon ben nomeljmften äuget 
ben (2 laufenb, (ftrib] ebenfalls bereit, Dir ju folgen unb für Dief? ju fcditen, wo Pu willft. 
Pie Hadjridjt ber unglüdfeligen Bataille, ftatt fte nieberjufdjlagen, tj-at fte nur nod) meljt 
erbittert gegen ben feinb, unb itjrc Anfjänglidjfeit, (Ergebenheit für Pidj, für if;ren König 
unb Paterlanb nod; uermelfrt. (Es ift unbefdjreiblid), was fie Pid) lieben, alle Aufopferung 
bereit ju bringen, ifjr Blut unb ©ut; Kinber unb Pater, alles ftcljt auf Pid; 3U fdjügen! 
Benugc bie ©elegenljeit ja, es fann was ©roges hcrausfommen. Hur um ©ottes willen 
feinen fdjänblidjen ^rieben. Aud) bie Ccgion ber Polen lag nidjt äuget ad)t. Per Augen» 
blief ift foftbar, tjanble, rnirfe, fdjaffe, überall wirft Pu im Canbe guten IDillen unb Unter« 
ftügung finben. ©benfo ift bie Stimmung fjier in Stettin. IDillft Pu mid) haben, fpredje, 
id) fliege ju Pirl ©ott, Pu allein, bas ift ein fd)redlid)er ©ebanfe. 3d; wohne wieber l)ier, 
wo id; t>or 6 BTonaten in Saus unb Braus lebte, wo wir bie wegfdntften, bie unfere Jjilfe 
jegt ftnb (bie Kuffen, pgl. oben S. f"6). Pie Kinber fmb alle woljl, fie fragen alle nad) Pir. 
3di füffe Pid; taufenbmal in ©ebanfen unb bin ewig Peine treue Cuife." 

3nbem Königin Cuife biefen Brief beenbete, erhielt fie aus IPriejen pom 19. ©ftober 
ein Schreiben, worin ber König il)r milteilte, bag er Htagbcburg am (8. ©ftober fdileunigft 
fjabe perlaffcn müffen, ba bie ^ranjofen, bie ein preugifdjes Kefcrpeforps bei Ijalle gefd)Iagen 
gatten, bereits gegen Hlagbeburg unb Berlin Ijeranrüeften. Per König war, oljne Berlin 
ju berühren, über ©angermünbe unb Bernau, wo er pon bem ruffifdjen ©cfanbten Alopeus 
bie Jludjt ber Königin nad) Stettin erfuhr, nad; IDriejen geeilt unb forberte nun feine 
©cmatjlin auf, mit il)m in Küftrin jufammenjutreffen. 

IPäbrenb bie Königin, erfdjüttert burd; bie neuen Unglüdsbotfdiaften, fid) rüftete, 
biefem Kufe ju folgen, trat nod) ein ^wifdjenfall ein, ber bamals bas grögte Auffei)cn 
erregte: bie ,feftnat)me eines ber uertrauteften Katgeber bes Königs. 

Per ©cljeime Kabinettsrat Combarb, ber ju Beginn ber ^einbfeligfeiten am ( l . ©ftober 
bas fjauptquartier pcrlaffen Ijatte, war bei feiner Kücffeljr nad; Berlin pon ben erregten 
Blaffen bcbroljt unb jur ^fludit nad; Stettin genötigt worben. Seine unjweifelf)afte Hin- 
neigung ju Jranfreid) würbe als erfaufte Perräterei gebeutet; man befdjulbigte ihn laut eines 
geheimen ©inpcrftänbniffes mit Jranfrcidi, ftdjcr ju llnretht. 3 n Stettin melbete er fid) 
am 20. ©ftober bei ber Königin. IDägrenb fie miteinanber fpradjen, erfdiienen bie prinjefjtn 
pon ©raitien, Sdjwcfter bes Königs, unb bie ©rbprinjefftn pon IDeimar. Sic peranlagten 
erft Combarb l)inausjugel)cn unb beftürmten bann bie Königin, il)n feftneljmen ju laffen: 
er fei ein Perräter, ben man nidjt bei bem Kronpriitjen unb ben anberen föniglidjen Kinbern 

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3m Kriege 






taffen dürfe. Die Königin weigerte fiefj anfangs, (anntc ftc doch am befielt das unbedingte 
Dertrauen des Königs ju feinem Kabinettsrate; erft als die prinjeffinnen itjr porfteliten, 
daß nadj itjrer Kbreife Combard der Dolfswut fdjuhlos preisgegeben fein werde, lieg fte ftcb 
überreden und gab ifjm eine IDacbc bei, attfef) einend metjr 3 U feinem Schüße als ju feiner 
Perhaftung. Kber man durchfucfjtc ihn, man nahm itjm feine Papiere roeg und behandelte 
ihn überhaupt mit der tjärtc, inic fte für einen erwiefenen Perrätcr angebratht fdjien. (Erft 
nach einigen (Tagen gab ihm ein Befehl des Königs aus Küftrin feine Freiheit wieder. 

Unmittelbar nach Combards Jeftnahme perließ Königin Cuifc Stettin, mit ihr die 
©räfin (Trudjfeß und der Kammerherr pon Buch, während ihre Kinder nach Danjig in 
Sicherheit gebracht wurden. Unterwegs, jwifchen Bahn und Schönfließ, begegnete fte dem 
2TTinif!er tfardenberg, der auf dem IDegc pon Küftrin nach Stargard war, und beftimmte 
ihn, ju ihr in den IDagen ju fteigen und nach Küftrin jurücf jufehren ; ftc fprach die fjoff 
nung aus, der König werde jeßt feinen Kat wieder hären wollen. Hoch fpät am Kbcttd 
desfelben (Tages erreichte fte Küftrin, wo ihr ©cmaljl fefjon am Pormittage eingetroffen war. 



II. Küftrin, ©raudenj, (Dfterode, ©rtelsburg 

3n Küftrin, h* n * cr b° n fcfjüßenden UTauem der ftarfen (Dderfcftung, fanden König 
und Königin nach äcn angftpollen (Tagen furdjtcjcpeitfcljter flucht die crflen ruhigen Stunden 
und das troftreiche (ßlücf ihrer IDiederpereinigung. „IDenn (Sott uns nur beifamttten läßt, 
dann wollen wir febott das übrige aushalten!" Eine IPocbc nur war perfloffen, feit fte por 
Kuerftedt poncinander Kbfdjicd genommen, eine IDocbc poll furchtbarfter Ereigniffe, die mit 
der Freiheit Xlorddeutfchlands auch das ©Iücf ihres eigenen Cebcns jertrümmert hotten. Das 
preußifebe fjeer war jufammengebrochcn, der ftoljc Staatsbau, den cs getragen, wanfte und 
brachte in allen .fugen; die ihn hätten ftüßen und halten follen, jeigtett Schwäche, Feigheit, 
Unfähigfeit. Ulilitärifch wie politifch fchien alles pcrloren. Eine Unglilcfsbotfchaft jagte 
die andere; fchneller noch flogen wilde (Serücbte. (Erfurt hatte fapituliert, mit der Bejahung 
piele pon den Schlachtfeldern geflüchtete h*5h cre CDfftjiere. Kurfacfjfen, pon Hapoleon um 
worben, drohte abjufallen. Die ^ranjofen in ihrem unwiderftehlichen Siegesläufe hatten 
die (Elbe fefjon erreicht, überfcfjritten, näherten fchon ftcfj der ©der und follten, wie fclbfl der 
König glaubte, bereits am 2 \. ©ftober Berlin befeßt haben. Ein ZUittcl allein fchien übrig, 
um den allgemeinen ^ufammenbruch noch abjuwenden: fcfjleunigftcr ^riedensfcbluß. 

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3m Krieg« 




©leid) am (Tage nad; 6er unglücflidjcn Doppelfcfjladjt, am (5. ©ftober, pon Sörmnerba 
aus, fpatte König ;Jricbridj IDilljclm in ©rtpibcrung auf ein mitten im Sdjladjtgetümmel 
erhaltenes Schreiben Hapoleons feinen Kbjutanten ©raf Dönhoff ju 6em Sieger gefanbt un6 
um ©inftellung 6er ^einöfeligfcilen gebeten. Bapolcon, 6er 6en ©rafen in IDeimar empfing, 
lernte 6as ab: er »olle, fagte er, feine Dorteile bis Berlin perfolgen, roo 6er Jriebe ftd) 
leichter »erbe fdjliefjen laffen ab in IDeimar. 21 Ues fomme 6abei auf 6ie ©pfer an, ju 
6encn preujjcn ftcb perftchcn werbe. ©rfdjrecft burdj 6iefe Keuftcrungen, bcpollmädjtigtc 6er 
König in ITtagbeburg am (8. ©ftober öen ITTarquis fuedjefini, mit Xlapoleon nidjt blojj 
einen IDaffeuftiUftanö, fonbem felbft $ rieöenspräliminarien 5U untcTjcidjnen auf ©runblage 
6er 2Ibtretung pon I)annoper, Bayreuth un6 alles preugifdjen £an6es linfs 6er IDefer. Dicfe 
©pfer, 6ie 6cm Könige fdjroerc Uebertpinöung fofteten, befrieöigtcn Uapoleon noch feines» 
tpegs; pon einem IDaffenftillftanb wollte er überhaupt nidjts roiffen; als ^riebensbeöingungen 
bejeidjnete et: 6ie 2lbtretung 6cs preufjifchcn ©ebietes linfs 6er ©Ibe (mit Kusnaljmc 
2T7ag6eburgs un6 6er 2Utmarf), 6en Derjidjt preujjens auf alle Derbinbung mit anberen 
beutfdjen Staaten unb eine Kriegsfoftcnentfdjäbigung pon (00 ITIiliionen Francs. 

lieber biefc ZZadjridjtcn, 6ie £ucd)efmi am 25. ©ftober aus potsbam abfanbte, mugte 
in Küftrin, wo ftc in 6er nädjften Badjt cintrafen, Befdjlufjj gefagt »erben. Die Umgebung 
6es Königs, bic 2I6jutantcn Köcfrig unb Kleift unb 3 a 3 OID < ber ITlinifter ©raf 

ffaugwig (Ijarbenberg, pom König füljl empfangen, Ijatte Küftrin gleich wieber perlaffen), 
tparen einig in bem lauten Kufe nadj ^rieben. 

Der König felbft, ohnehin nicht allju tief crfdjüttert, hatte in Küftrin leid;! unb rafefj 
feinen ©leidjmut wieber gefunben. ©r tpar immer gegen ben Krieg unb für ©rljaltung 
bes jricbens gemefen unb fanb nun eine bittere ©enugtuung barin, bag iijm bie ©reigniffe 
recht ju geben fdjienen. €r fammelte feine ©rinnerungen an ben Unglüdstag pon Uucrftebt 
unb fdjrieb einen Bericht barüber für fid) nieber, fo fühl, fo objeftip, wie mol)! nie ein 
Jürft über eine Schlacht gefdjrieben Ijat, bic faft bie fjälfte feines Keidies bem Jeiiibe fofort 
überlieferte. Den Kaifer Illejanbcr benachrichtigte er pon feiner Hiebetlage unb pon ber 
©inleitung ber ^riebensperhanblungen, fprad) il)iu aber jugleiij für ben Jall bes 2UigerfoIgs 
fein feftes Dertrauen auf rufftfdje tfilfe aus. Die Hoffnungen ber Königin teilte er nidjt; 
pon feinem Dolfe erwartete er nichts mehr. Balbigen ^fricbcnsfdjlug hielt er für ebenfo 
notwenbig wie feine fricgsfdjcue Umgebung. 

IDir wiffen nidjt, iuipictpeit Königin £uife fegt mit ber JriebensDcrtjanblung einper* 
ftanben war ober etwa wiberfprodjcn fjut. IDir erfahren nur, bag ©cneral ( ?5ciftroti> gleich 
bei ihrer llnfunft in Küftrin ihr bic Hotwenbigfcil bes tfricbens porftellte unb bag fie 




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darüber fcljr unglüeflid) war ; aber fie jeigte ftd) ergeben und bat aud) ihre Penpandten, 
nid)f ju fetjr darüber 5 « f lagen. 3 *? M innerfte ©efinnung war jwcifellos uiwerändert. 
Begreiflid) aber, wenn fte nadi dem {jereingebrodpnen Unglücf, fo wenig fie für den Krieg 
nerantwortlid) war, fidj Dorftdil und ^urücff)attung auferlegte. „Sie wagt es nidjt nteljr, 
mit dem Könige pon ©cfcfyäfteu ju reden," berichtet damals ein ruffifdicr Diplomat; „fie 
fann nur den ©infiujj beflagen, den infolge der ©reigniffe diejenige Partei wieder auf den 
©eift ifjrcs ©emaljls gewonnen Ijat, deren ©reulofigfcit feit langem all dies Unglücf per« 
fdjuldet." Denen, die die Königin in Küftrin faben, erfebien fte gebeugt, wie fie auf den 
IDällen der .feftung, die aud; bald auf fo fdjimpflid)c IDetfe den ^ranjofen übergeben werden 
folltc, neben dem Könige einfyerfdjritt, gefenften fjauples, oljne Blicf für ifjre Umgebung. 

So wurde in Küftrin in der ,fr üfje des 26. ©ftober nadj furjer Beratung bcfdjlojfen, 
auf der non Bapoleon geforderten Jriedensgrundlage weiter ju perljandeln, einige Hinderungen 
ju beantragen, insbefondere möglich)'! noch metjr Cand linfs der ©Ibc für Preufjen ju retten, 
nötigenfalls aber die napoleonifdyen Bedingungen anjuneljinen. 

Bod) elje ©eneral §aftrow, der dem Htarquis Cucdjefmi als jweitcr BepoUmadgigtcc 
beigegeben wurde, mit diefen ©ntfd)liegungen pon Küftrin abgereift war, am IJTorgen des 
26. ©ftober, Ijatte aud; das Königspaar die ^eftung bereits perlaffen müffen. Unaufljaltfam 
fluteten die ^ranjofen in ifjrem Sicgesjuge gegen die ©der Ijcran; fdjon wollte man fie in 
^ranffurt gefeljen tjaben. Bur die U)eid)fel fchien noch Schuft ju pcrfprcdien, bis ©rauben} 
alfo folltc die ,yiud)t geben. IDäljrcnb Bapoleon am 27. ©ftober feinen prunfpollen ©injug 
in Berlin Ijielt, eilte das preugifdie Königspaar weiter nad) dem ffiften der HTonardjic. 
Unterwegs, in Briefen, leuditete den Unglücflidien ein Uugcnblicf der Hoffnung auf. Dem 
dürften £)ot)cnIoi/c follte es gelungen fein, ftdj mit den Crümmcm des preugifdjen fjeercs 
an die untere ©der ju retten und in der Balje pon Stettin ein anfeljnlidjes ©ruppenforps 
ju fummeln. Sogleid) wurde in nordweftlicber Kidjtung umgebogen; nur wenige Hleilen 
aber por Stettin, in Stargard, erfuhr man, dag bfobeiilobe mit feinem Korps im Begriffe 
fei, }u fapitulieren, wie es aud) am 28. ©ftober gefebul). Bun muffte man wieder utnfet)rcn 
und fließen, nach ©ften, immer weiter nad) ©ften }u. ©I)iie Uufentl)alt ging es über 
Sd)iieidemül)I nad) Bromberg, bis man am 3. Bopcmbcr die ^eftung ©raudenj erreichte 
und damit wieder für einige Cagc Sid)erf)eit fand. 

Sid;erl)eit, aber nidjt Haft nod) Kube. Die Unglüdsbotfdjaften drängten fid). Stettin, 
Küftrin, Spandau fielen widcrflandslos in die fyinde des ^eindes. Die ^riedensftimmung 
frag wie fd)leid)endcs ©ift um fid). ©in erfolgreicher Kampf war auf die Dauer ja dod) 
unmöglid), friede, fchleunigftcr friede unerläglid). iüoju noch IDiberftanb leiften, ©pfer 

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3m Kriege 




bringen, Blut pergiefen? Das (jinbertc nur eine rafcfje Berftänbigung mit Dapoleon. Don 
Cbarlottenburg fant 6er ZTTajor oon liaucfj, 6er Öen ©eneral gaftroro begleitet hatte, unö 
brachte nach ©rauben} bie Dad) riebt, baf öie preufifdjen Bepollmächtigten öie Jriebens» 
Präliminarien Dapoleons am 30. ©ftober fjatten untergebnen muffen. ZHilberungen toaren 
nicht }u erlangen gewefen. Bielmehr liefen brohenbe Keuferungen Dapoleons für öen enb» 
gültigen Kbfcfjluf noch härtere Bebingungen befürchten. Dapoleon lebte in 6em ©ebanfen 
feines uniperfalcn Kampfes mit ©nglanb. Der Krieg mit preufen rourbe in feinen Kugen 
nur ein (Teil eines neuen Koalitionsfricges, bei bem er jeft tjouptfächlich bie Hebcrtpältigung 
Xuflanbs }u erreichen hoffte: preufen follte ihm gegen Huflanö, Huflanb bann gegen 
©nglanb bienen. ©r lief ben preufifchen Bepollmäcbtigten fagen, baf in öcm enbgültigen 
^riebensoertrag ber Durd>}ug frember Truppen burdj preufen perboten unb für getriffc 
^älle bie llnterftüfung Preufens }ugunften t fraufreichs gegen Kuflanb feftgefeft »erben müffe. 

3n ©rauben} fanb über biefe Dachrichten am 6. Dopember eine Beratung ftatt, an 
ber auf Befehl bes Königs aufer feinen Brübem pririj ffeinricfj unb prin} IDilljelm einige 
höhere ©encralc unb bie Dlinifter f}aug»if, Stein unb anberc teilnahnien. Dach & cm Bor* 
fchlage pon £)augtpilj erflärte bie Konferenj einmütig, baf man ben Krieg nicht fortfefen 
fönnc unb auf ©ruublage ber Charlottenburger Bebingungen ^rieben fchliefen müffe. Selbft 
ber Beitritt }um Kheinbunbe, falls ber Jricbc bapon ablfängc, follte unter gc»iffen Boraus* 
fefungen angeboten »erben; nur bie llebertiahme irgenb einer Berpflichtung }u Jeinbfelig* 
feiten gegen Xuflanb rourbe entfehieben abgelehnt. 

Dem König fiel bie ©ntfcbeiöung nicht leicht, ©r fanb bie Bebingungen Dapoleons 
fo graufam hart, baf er fich ihnen nicht unterwerfen }u fönnen meinte. Knberfeits: IDo 
jeigte fiefj ihm auch nur ^ er f cn,e fjoffnungsfehimmer einet glücflichen IBenbung, einer 
(Erhebung pon bem tiefen ^alle? Doch fehlte jebe Dachricht über ben ©inbruef ber preufifchen 
Dieberlagen in Petersburg, ©in ruffifcf)cr Diplomat, ber gerabe jetst in ©rauben} erfdjien, 
ber Jreiherr pon Benfenborff, ein Bruber ber ©räfin fiepen, äufertc fiefj h^hft bebenflich 
über bie ©efäljrbung ber ruffifefjen Truppen bei ihrem »eiteren Borrücfen unb »ufte auch 
für bie preufifchen Truppcnrefte nichts Befferes als ^ortfetjung bes Kücf}ugs }u empfehlen. 
„3ch habe feine Krmee mehr," geftanb ihm ber König, ber überbies fefjon einen Kufftanb 
ber polen fürchtete. 

3n biefer Bebrängnis genehmigte König ^v'wbndb IDilhelm bie Jriebenspräliminarien. 
3nmterhin glaubte er hoch auch f llc anberc Diöglichfeiten Borfehrungen treffen }u follen. 
©r fanbte ©eneral phull nach Petersburg, um bem Kaifcr Klejanber feine ,3»angslage 
por}uftellen, bie iljn }u einem ( fricbensfehluf felbfl unter brüefenben Bebingungen nötige. 




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3m Kriege 



Sollte aber Bapoleon cs sum 2 tcußerften treiben wollen, fo feße er pollcs Dertrauen in bie 
;Jreunbfd)aft bes Kaifers, ber alle ITlittel 5U feiner Ifilfe unb 3ur Derteibigung Kußlanbs 
aufbieten unb aud) ©eft erreich 3ur ITCitroirfung beftimmen werbe. 

Zugleich machte ber König nod) einen perfönlidjen Dcrfud) 3ur Iferabfebung ber 
fra^öfifdjen ^orberungen. ©r fdjrieb am 7 . Bopember feinem ©roßonfel, bem bainals 
ficbenunbfiebsigjäljrigen prinjen Jerbinanb, bem lebten nod) lebenben Sruber bes ©roßen 
Königs, ber in Berlin jurücfgeblieben war, unb bat iljn, fid) an Bapoleon $u wenben unb 
beffen Derjicbt auf IfalberftaM, Ijoßenftein, ben Saalefreis unb HTansfelb als eine perfönlid)e 
©nabe 5U erbitten. priii3 Jerbinanb entfpraef) bem IDunfcbe feines Beffen. „Jlls Bruber 
jriebrid)s II., als Jleltefter ber Familie unb einer ber älteften Solbaten Preußens" rief er 
ben franjöfifd)cu Kaifer um ITlilbc an für bas £anb, bas feine IDaffen beftegt hätten unb 
feine ©roßmut 5um jweiten BTale befiegen würbe. <£r bat ben Kaifer „um einen Kugen» 
blief ©etjör". Bapoleon ließ bie Bitte bes greifen prinjen ohne Kntroort; audi ein Schreiben 
an ITlurat batte feinen befferen (Erfolg. IDeber biefer, fo oerfidjerte prins ^erbinanb bem 
König, nodj Bcrtbier nod) Duroc würben je unaufgeforbert mit bem Kaifer über irgenb 
etwas 5U fpredjen wagen. So blieb ibm nid)ts übrig, als bem König bie gäi^lidje ©rfolg» 
lofigfeit feiner Bemühungen 3U ntelben; er fügte ben Kat [)inju, ben auch fucdjeßni unb 
^aftrow gaben: ber König möge Bapoleon fdjleuuigft um eine ^ufammenfunft bitten, bas 
fdimeidjle ber (Eigenliebe bes Kaifers unb fei bas einjige ITlittel, etwas 5U erreichen. Itllein, 
wie pieler Sd)icffalsfd)läge beburfte es nod), ehe ftd) König ^riebrid) IDilhelm 3U einem 
foldjen Sd)ritte perftehen mußte. 

Königin Cuifcns Ijaltung in biefen (Tagen 3cigt eine gewiffe Unfidjerheit; wie fo oft, 
fd)wanfte fte 5wifd)en ber Hücfjidjt auf bie llnfidjten unb Beigungen ihres ©emahls unb 
ihrer eigenen innerften llcberjcugmtg. IDäßrenb bie Konferenj tagte, entwarf fie ein Schreiben 
an Kaifer Kleyanber, bas erftc feit ben Unglücfstagen pon 3 ena unb Kuerftebt. Sie fcf)ilberte 
ihm bas llnglücf, bas über preußen hereingebrod)en , ben ,JalI ber Jeftungen, bie Kapitu- 
lation Ifobonlobes unb bie angeblichen ©reueltaten ber ^ranjofen unb namentlich ber Bayern; 
fie fprad) pon ben ,friebenspcrhanblungen unb ben fdjweren ©pfern, bie Bapoleon forbere. 
„IBir finb in ber entfeßlidjften Bezweiflung, rings llnglücf unb Derlufte, unb man lebt 
nod; ut| ä ftirl't nidft por Kummer." „21 lies hat bas llnglücf jerftört , nur nidjt meine 
^reunbfebaft für Sie, lieber Detter unb ^reunb." . . . „IDas foll aus uns werben? IDären 
Sie hier, wüßten wir ftdjer, welche folgen biefe Had)rid)ten bei 3 h non haben werben, bann 
würben wir uns erleichtert fühlen. 2 tüein alles aufs Spiel 5U feßen, fann ein König ein 
foldjes TDagnis por ©ott perantworten?" 




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Es ift ofyrte M« Stimm« öes Königs, ihres ©emaljls, öie aus öiefen unö äbn* 

lidjen jaghaften IDorten 6er Königin fpridjt; ifjr eigenftcs Entpftnben, mie uns juperläfftge 
^eugcn berichten, mar bod) ein anberes: fte mar unö blieb inncrltd; öurd)brungett pon 6er 
Hotmenbigfeit aus6auem6cn IDi6erftan6es. 

Der Jrcifyerr pon Benfettöorff, 6er jenes Schreiben 6er Königin an Kaifer Hlcfanber 
überbringen folltc, unö 6er 6ie bjaliung 6es Königs un6 feiner ganjen Umgebung in Öen 
fd)drfftcn Husbrücfcit perurteilt, fchreibt aus ©raubenj am 6. Hopember: „Die Königin allein 
empftnöet 6ie Schmach unö 6as Unheil, öas iljr fjeer unö iljr €anö betroffen t>at." Unö 
6er ^reihert pon Sdflaöen, früher preugifcher ©efanbter in UTündjen, öamals Diplomat im 
©efoige pon fjaugmig, nerjcicbnet am 7 . Hopember in feinem (Tagebuch«, 6er beften unö 
reichbaltigften Quelle geraöe für 6iefe (Tage, öie Königin habe jtd) mit öem liebensmürbigften 
Freimut unö mit einer über jcöes (Ereignis erhabenen Seclcngrögc gegen itjn ausgefproefjen 
unö öabei gejagt: „Hur fefle Kusöauer im IDiöcrftanb« fann uns retten." 

(Es fam bu' 5 u . bafj eben in ©raubenj Königin £uife pon öen nieörigen Schmähungen 
unö fd)ntugigen Derleumbungen erfuhr, öie Hapolcon in feinen Bulletins unö in feinen 
Leitungen gegen fte perbreitctc. (Er fpöttelfe über ihre Schönheit, öie ihrem fanöe ebenfo 
Derberben gebracht habe, tpic tjelenas Schönheit Öen (Trojanern; er perglich fte mit Caffos 
Urmiöa, öie in ihrem ZDahnftnn Öen eigenen palaft anjünöete. „Sie tpollte Blut." Dor allem aber 
berührte er roicöcrbolt unö in anjüglidjfter UMfc öie freunöfdjaftlidjcn Bejahungen öcr Königin 
5 u öem rufftfdjen Kaifer unö perl)<5l?nte, unter jipeiöeutigen Unfpielungen auf öie berüchtigte 
£aöy (Emma fjamilton, iljrc Hmpcfenhett bei öem Befudje öcr ©ruft ^rieöridjs öes ©raffen. 
Es ift erflärlicf), 6ag Königin Cuifens tpciblidjes <ScfütjI geraöe burdj öie ffinbeutungen 
auf iljrc Jreunöfdtaft mit Kaifer Ulejanöer auf öas tiefftc unö fdjnterjlidjfte perlegt mürbe. 
„Utit ftrömcnöen Kugen" bat fte in ©raubenj öanon gefprod)en unö ausgerufett: „3ft cs 
öiefem boshaften HTcnfcbert nicht genug, öem Könige feine Staaten ju rauben, foll auch 
nod; öie Ehre feiner ©cmablin geraubt meröen?" Unö in einem Briefe an öie ©räftn 
Dojj, in öem fte pon öen Schmähungen unö öem fjoljne Hapolcons unö öem roben Heber» 
mut öes Siegers in franjöfifchcr Sprache beneblet, bridjt fte in öie öcutfdjen U)ortc aus: 
„Unö man lebt unö fann öie Schmach nicht rächen." 

Es beifjt, bajj in öer Umgebung öes Königs felbft {ich Elenöe fanöen, öie Hapoleons 
Knfdjulöigungen ihrem fjernt b'nterbrad)ten, um öen Einflug öer Königin ein für allemal 
ju befeitigen. Jalls öas mabr ift, toie menig hätten fte öen König gefamtt! Es ift fein 
Unjeidjen porhanöen, öag öas innige Derbältnis öes Königspaarcs jueinanöer öantals audj 
nur öie leifefte (Trübung erfahren hätte. UX’nn aber Hapolcon felbft mit feinen fdjmäbfüdjtigen 

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3m Kriege 




unb unerhörten Ungriffen bie 2lbfid)t rerbanb, Königin £uife in 6er öffentlichen UTeinung 
herabjuroärbigen unb ihrem Unfeljen $u fdjaben, fo h a * er, wie bei feinem Dorgeljen gegen 
Ijarbenberg unb Stein, bas rolle (ßcgentcil erreicht. Picht einmal bei bcn Jranjofen, oon 
benen fo mancher, befonbers aus <£migrantenf reifen, bie ©aftfreunbfchaft bes preugifchen 
fjofes genoffen unb bie perfönlichfeit ber Königin bcwunbem gelernt halte, fanben Papoleons 
niebrige Unflagen (Eingang. 3 n preugen rollenbs, wie man im ©efolge Papoleons felbft 
beobachten fonnte, erregten biefe Perleumbungen nur Entrüfung unb Deradfung, unb bie 
Begeiferung für Königin £uifc wuchs gerabe jegt erft himmelan. ©ern rerjieh man ihre 
angebliche (Einmifchung in bie politif, beten IDirf ungen unb Bebeutung man oft überfchätjte: 
bie öffentliche Ufeinung befag ein richtiges ©efüljl bafür, bag bei ^riebrich IDilhelm burch 
fic unb burch f> c allein bie gefunben Empfinbungen ber Pation }u IDorte famen. 

Eben in biefen (Tagen follte ftcfj wieber jcigen, was inmitten ber hin unb her fchwanfenben 
Entfcgliegungcn am preugifchen fjofe Königin Cuifens hoher Sinn unb fefter Blut bebcutcten. 

Die Blarfen, Pommern, pofen, faft bas ganje £anb jmifchen ©ber unb IDeichfel 
waren in}wifdjen oon ben ^ranjofen überflutet worben, bcren ftreifenbe Scharen fchon am 
(5. Pooember gegenüber ©rauben} am linfen IDeichfelufer erfchienen. Poch am Bbenb 
biefes (Tages muffte bie Königin ©rauben} net [affen; ber König folgte ihr am nächften Cage 
morgens unb traf abenbs mit ihr in ©fterobe (©fipreugen) wieber jufammen. 

3n ©fterobe, wie norger in Küftrin unb ©rauben}, ftanb man t>or einer emften Ent* 
fcfjeibung; bie nädjftc ^ufunft bes preugifdjen Staates hing bauon ab. 

Bereits in ©rauben} hatte man erfahren, baff Papoleon bie uon ihm felbft auf* 
gefeilten ' unb non bem König angenommenen Bebingungen eines präliminarfriebens nicht 
mehr fefhalte, bag er in Hü cf ficht auf bie Be}ichungcn }u Huglanb überhaupt noch feinen 
befimmten Entfcglug über ben enbgültigen ^rieben gefagt habe. Um fo mehr brängten bie 
preugifchen Bevollmächtigten wenigfens auf ben Ubfcblug eines IDaffengiUftanbcs, ber ben 
unfäglichcn Ceiben bes preugifchen Canbes ein fö'el fegen follte. Papoleons Stimmung fam 
ihnen jetjt hierin entgegen; er beburfte für feinen Krieg mit Huglanb einer ©perationsbafis, 
bie er in Preugcn }u pnben hoffte, ©egen Ucbergabe einiger noch unbe}wungenen preugifchen 
Regungen unb gegen vorläufige Einräumung ber IDeichfelgrenje bewilligte er einen JPaffen« 
fillfanb, befen Bebingungen Cucdjefni unb ^aftrow am (6. Pooember in Charlottenburg 
unter}eichneten. Etwaige fchon auf preugifches ©ebiet vorgerüefte rufpfche Cruppen fällten 
über bie ®ren}e }urücfgchen, neue nicht }ugclaffcn werben. 

©leich bei ber erften Pachricht über biefe Jorberungen Papoleons, bie bie Ent* 
maffnung Preugens unb }ugleich ben Bruch mit Huglanb bebeuteten, fchieben ftcfj bie ©eiger 



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im (Befolge liönig .fricörich iDilljelms. IDäljrcnö einige wenige, rote Schlaöen, Öen IPaffen* 
ftillflanö unter folchen Hcöingungen für unroüröig unö peröerblich erklärten, roar (Sraf ßnugroife 
mit Öen meiften (Seneralen ju Öen roeitgetjenöften ^ugeftänbniffen an ^franfreich öurchaus bereit. 

Der König felbft roar unfchlüffig unö fdjroanfenö. <£s roar eine jener Krifen, in öenen, 
roie er felbft fpäter einmal befannt Ijat, unter öem Prucfe feines Derantroortlichfettsgefühls 
unö öer Hotroenöigfeit, jroiKbcn Krieg unö rieben wählen ju muffen, öer (Beöaufe öer 
Cfjroneutfagung iljm nahegetreten fein mag. Pie Kataftrophe, öie über fein Canb herein* 
gebrochen, h atto Öen Solbaten in ihm getroffen unö aufgerüttelt, fein IDcfcn fortft unberührt 
gelaffen. „(£r ift unperänöert geblieben," Nagten alle, öie ihn nach öem ungeheuren IPanöel 
öer Pinge in öiefen (Tagen jum erften ITtale roieöerfaljen. Hefonberen Knftop erregte es 
öantals, öag öer König, öer fortft befanntlidj öem eölen IDeiöroerf feinesroegs bolb roar, in 
(Dfteroöe eine (Elchjagb peranftalten lieg, obwohl öie Königin, öie burch eine flüchtige 
Keugerung Öen Unlag öaju gegeben, alles tat, um ihn öapon abjubringen. Pie Berichte 
öer ruffifchen unö englifehen Piplomatcn, öie in (Brauöenj unö (Dfteroöe um König 
^rieörich IDilhelm waren, ftnö roll pon immer neuen Klagen über feine (ßleichgültigfeit, feine 
Kpatbio, feine Heigung für öie öefchäftigung mit „^utilitäten", feine Scheu por grogen 
unö rafchen (Entfchliegungen. „Pie Königin Nagt," berichtet Krüöener, „öag ihr (Bentahl 
öa nachgibt, roo er nicht follte, unö oft öen Katfch lägen iDohlgeftnnter eine unangebrachte 
unö unerfchütterliche ffartnäcNgfeit entgegenfegt." „<£r hat, fdjeint es, noch Königreiche 
5 u rerlieren," fchreibt Benfenöorff; „er peröient fein befferes Cos." Unö nicht minöer 
fcharf als öie ^remöen haben feine (Dffijicre, fein l>of, feine nächflen Perroanöten öamals 
über ihn geurteilt. 3 n (Dfteroöe trafen (Dffijiere öer (Baröeöuforps, öie öer (Befangenfchaft 
entgangen waren, mit öem König roieöer jufantmen: fic erfchrafen über feinen !Ton, über 
feine Kcugerungen. „<£r fprach non Öen unglücflichen (Ereigniffen roie pon einer fremöcn 
(Befchichtc, nicht roie pon öer {einigen ; taöelte, als wenn er nicht öer Sichter öer einjclnen 
unö öer Cenfer öes (ßanjcu roärc, ein (Ton, Öen er feit öem Itnglücf öes Paterlanöcs faft 
immer annahm." Hoch harter urteilt öie (Dberhofmeifterin; fie fchreibt am 30. (Dftober: 
„Pie Uncntfchloffenheit öes Iferrn, feine Caune, feine Perblenöung für feine Umgebung fmö 
unfer Unglücf." Unö öes Königs Schwager, öer prinj pon (Dranien, fchreibt einige Itlonate 
fpäter über ihn: „Pas Schlimmfte ift, öag öer grögte Jeinö öes Königs, öie fjaupturfache 
feiner Unglücfsfälle unö ein groges ffinöemis für eine glücfliche iDenöung öer Pinge 
Seine ITlajeftät felbft ift." 

Uuöerfeits machten ftch jetjt hoch auch <£inroirf ungen auf Öen König gcltenö, öie 
eine Heiguug jum IDiöcrftanöc gegen Hapoleoits maglofe ^oröerungen in ihm roeeften: fte 

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gingen aus pon 6cm Pcrhältnis ju Kuglanb, 6em ftärffien politifdjen UToment im Ceben 
König Jriebrich IDilhelms III. Km (g. Uopember, noch in ©rauben j, mareu, lang ermattet 
un6 erfeljnt, cnblich Hachrichten aus Petersburg cingetroffen, 6ie jeben ,öa> eifei an 6er Bunbes- 
treue unb ber Ijilfsbcrcitfdiaft Kuglanbs befeitigten. Kaifer Klejanber felbft fdjrieb auf bie 
erften nadjridjten pon ben preugifeben Pieberlagen bem König am 3. Uopember: cs gäbe 
feine Knftrengung, fein (Opfer, ju bem er als Jreunb unb Perbünbeter nicht bereit fei. <£r 
fünbigte ben Knmarfcfj jroeier ruffifefjer Krmeen unter Bennigfen unb Burbötoben an unb 
fcblog mit ber UTahnung: „Pereinigen mir uns inniger ab je unb bleiben mir treu ben 
©runbfäljcn ber €Ijre unb bes Kulmes." Hapoleon batte bie Pereinbarungen mit preugen 
abhängig gemacht pon feinen Bejahungen ju Kuglanb: bie natürliche Küefmirfuttg mar, 
bag auch ^riebricb IDilhelm bas Kbfommen mit ^ranfreieh feinen Begebungen ju Kuglanb 
unterorbnete. IDenn er nur jmifchen Hapoleon unb Kleranber ju mahlen hatte, fonnte ihm bie 
€ntfcbeibung nicht fchmer fallen. Schon bie Sichtung feiner Sücfjugslinie bemies, roobin feine 
Heigung ging, fjaugmife unb Köcfrig hätten bie flucht nach <£lbing aber Königsberg por» 
gejogen ; ber König, nach furjem Schroanfen, hatte (Oftcrobe gemählt, bauptfächlich, meil er fich 
auf biefem IPege ben anrüefenben rufftfehen Cruppen näherte. Diefer Stinimungsmechfel in 
König ^riebrich IPilhelm mirftc bereits auch auf feine Umgebung; man bemerfte, bag 
einige ^riebensfreunbe mieber Kujeichen pon friegcrifchem UTut bliefen liegen. 

Bei allcbem, mie König ^riebrich IDilhelm einmal mar: bie (Entfcfjeibung für ben 
Krieg aus (ich heraus ganj felbftänbig ju faffen, märe et faum imftanbe gemefen, um fo 
meniger, ba gerabe jegt bie Haehrieht Pom ^alle Ulagbeburgs eintraf; minbeftens follte bie 
Perantmortlichfcit, bie ihm allein ju fchmer mar, geteilt merben. <£r berief ©enerale unb 
Ulinifter, pon Königsberg her auch Stein, nicht aber fjarbenberg, ju einer Kottferenj nach 
©fterobe — eine bebenf liehe UTafrcgel, benn bie meiften ©enerale unb einige Ulinifter 
maren für bie Untermerfung unter Papoleons IDilleit. 

Um fo bebeutungspoller mag in biefer Krifis bie fjaltung ber Königin Cuife gemefen 
fein, menn uns auch beftimmte Kngaben über ihre ©inmirfung auf ben König fehlen. IPir 
roiffen aber juperläffig, bag ge geh fchon in ©rauben} für bie Permerfung bes IPaffen*’ 
ftillftanbes ausgefprochen hat, fo bag ©raf Baugmih unb ©encral Köcfrig ben Perfui} 
machten, ge pom König ju trennen. Pcrgcblieh, ^riebrich IDilhelm blieb babei, bag ge 
ihn nach ©fterobe begleiten folle. Die ©egner ^ranfreichs anberfeits rechneten ebenfo 
fehr auf ihre ©egenmart in ©fterobe, mie bie Jriebensfreunbe ge fürchteten. Stein bat 
Jjaröenberg, an bie Königin ju fchreiben, bantit ge auf ben Ulinifter Schrotter unb ben 
©encral Kalcfreutf? einmirfe; fjarbenberg lehnte bas ab, aber er fehrieb an Schrötter 

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3m Kriegt 



unter fdwrfer Parteinahme gegen ben IDaffenftillftanb uni) bat il)n, fein Schreiben ber 
Königin mitjuteilen. 

Die Beratungen, Me nun am 20. unb 2 {. ÜODcmber in ©jterobe ftattfanben, Ratten 
ein überrafd)enbes ©rgebnis. Die ITleijr^eit jroar ber Kurocfenbcn ftimmte für Knnafjme 
bet franjöftfdjen Bebingungen; mit ben Htiniftcm Bog unb Stein aber perroarfen jefst gcrabe 
bie nädjften Bettrauten bes Königs, Kicfrife unb Beymc, ben tDaffenfiillflanb. 3 m Sinne 
biefer 2Tlinbert?eit entflieh ber König. IDie es bamals J}ief, mar cs aud) bie proflamation 
Bapoleons über bie Kbfegung bes Kurfürften pon ijeffen, bie ben König in feinem ©nt* 
fdjlufj beftärftc. Km 22. Bopembet eröffnete er felbft bem Kbgefanbten Bapoleons, Duroc, 
ben er anfangs nid)t einmal tjattc empfangen tpollen, baf er ben IDaffenftillftanb ablcbne. 
<£s ift einer ber folgenfdjroerften ©ntfdjlüffe im Ceben ^riebrid) IDilljelms. Der ©ebanfe 
einer neutralen Stellung preujjens jroifd>en ben ftreitenben IDeltmädjten mürbe eigentlid) 
jefst erft enbgültig übermunben, bie Berbinbung preufjens mit Kuflanb, bie Bapoleon hatte 
5 erftören mollcn, fefter gefdjloffen als je: fie mar unb blieb für alle 5 C >> ber leitenbe ©ebanfe 
in ber politif bes Königs. „3 d) merbe bie IDaffen gegen ben erflärten Jeinb ber 
Unabhängigfeit ©uropas nidjt nieberlegen," fdirieb er nod) pon ©fterobe aus bem ruffifdjen 
Kaifer, „als roenn 3h tc 3 T '* ere ff cn - &' e DOn »un an unauflöslicher als je mit ben meinigen 
perfnüpft finb, cs 3*? wen feü’ft münfdjensmert madjen," unb einige (Tage fpäter: „3d? bin 
unerfdjütterlid; entfdjloffen, nur eine unb biefelbe Politif mit 3^ ncn S u Ijnben." Dem 
Kbgefanbten Klepanbers, ©raf Hlicbael IDorongoro, ber iijnt ben Brief bes Kaifers über* 
brad)t Ijatte, perfidjertc er, er fei entfdjloffen, ftdj ganj in bie Krme Kufilanbs ju merfen; 
bie ZTTaflojigfeit ber franjöjifdjen Borfdjlägc perbiete, an irgenb ein Kbfommen ju benfen, 
aud; roenn nidjt bas Beifpiel bes Kurfürften pon Reffen pon neuem bemiefe, mas man pon 
Bonaparte ju ermarten Ijabe. Diefen ©ntfdjlüffen entfprad) alles, mas in ben ©agen non 
©fterobe unb gleid) barauf nod) gefdjafj: bie Knfnüpfung befferer Bejahungen ju ©nglanb, 
©efterreid), Scbmeben unb Dänemarf, bie Unterftellung ber preufifdjen ©ruppenrefte unter 
rufftfd;en ©berbefeljl, bie erften Knfünge ber Kcorganifation ber Krmce. Die Cäljmung 
nad) bem betäubenben Donnerfdjlag non 3 cna unb Kuerftebt fdjien ju roeidjen; ein neuer 
©eift, pielnteljr ber altpreufjifdje ©eift begann fid) ju regen. 2lus Sd)Icften, bas man fdjon 
aufgegeben Ijatte, famen Kbgefanbie, jroei Ijerren pon Cüttroig, bie um Unterftügung für 
bie ju jähem IDiberftanbe entfdjloffene unb ju allen ©pfem bereitmiUigc Propin j baten: jte 
haben ben Uugenblief nie pergeffen, mo Königin Cuife in „majeftätifdjer Sdjönlyeit" roie 
„eine Borflärte" fte empfing unb burd; ifjrc Ijulbnollen IDorte ifjrc „jur Kettung für Batet* 
lanb unb König entflammten Seelen nod) mehr anfeuerte". Bad) Sdjlefien mürben mit 

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3m Kriege 







aufjerorbentliehen Pollmachten 6 er ^ürft pon Knhalt«plefi un 6 6 er tapfere ©raf ©ö£en 
gefanbt, 6 ie 6 eit ruhmpollen IDiberftanb 6 er proninj gegen 6 en fctn 6 lidj«n ©infall organifierten. 
Dem ©rafen ©ö%en erflärte 6 er König beim Kbfdjieb, 6 a§ er unroiberruflich entfdjloffen 
fei, etjer auf feine Krone 5 U oerjidjten, als fchimpflichen Bebingungen ©ebör 5 U geben, ©r 
gewann es felbft über ftcfj, fieh bal 6 6 arauf Don 6 em bisherigen feiler feiner politif, 6 em 
©rafen fytugmiij;, ju trennen un 6 bas Blinifterium öes auswärtigen 6 em ^reiherrn 
rom Stein anjubieten. 

Der Knteil, 6 en Königin fuife an öiefem llmfdjmung anfdjeinenb gehabt hat, ift 6 och 
fefjon bamals fehr h<xh angefcfjtagen worben. Die ©ffijiere, 6 ie oon ©ftcrobe naef) Königs- 
berg famen unb bort bie ungünftigen Hach richten über bas Perhalten bes Königs perbreiteten, 
mögen aud; bas fob ber Königin perfünbet haben, ©in Zeugnis bafür bietet wohl ber 
Brief, ben fjeinrief) pon Kleift aus Königsberg am 6 . Dejember an feine Sd)wefter fcfjrieb, 
unb in bem er pon ber Königin urteilt: „3n biefem Kriege, ben fte einen unglüdlidjen 
nennt, macht fie einen größeren ©ewinn, als fte in einem ganjen Ceben Poll ,f rieben unb 
^reuben gemacht haben würbe. Blatt fteht fie einen wahrhaft föniglichen Cbaraftcr ent» 
wicfeln. Sie hat ben ganjen grojfen ©egen)lanb, auf ben es fetjt anfommt, umfajjt; fie, 
beren Seele noch *x>r furjent mit nichts befdjäftigt fcfjien , als wie fte beim ©anjen ober 
beim Keilen gefalle. Sie oerfammelt alle unfere großen Btänner, bie ber König oemachläfftgt, 
unb non benen uns hoch nur allein Kettung fommen fann, um (ich; ja fte ift es, bie bas, 
was noch nidjt jufammengeflürjt ift, hält " 

Der IPaffenftillftanb war perworfen; pon neuem begann bie flucht, nach bem IDiQen 
bes Königs ben rufftfefjen .Jrcunben entgegen. Hoch am 23. Booember erreichte bas Königs- 
paar ©rtelsburg, pon wo aus ber König bie ruffifcfjen ©ruppen in pultusf befugte, 
währenb bie Königin auf einem Canbgute in ber Bähe IDohnung nahm. Sie war auch 
je$t weber mutlos noch perjweifelt, aber über alle Blaffen traurig, trauriger oiclleicht, als 
auf irgenbeiner ber Stationen biefes feibensmeges. 3 U bem Unglücf bes Paterlanbes 
gefeilten ftch beängftigenbe Bachriclften übet bas Befinben ihrer Kinbcr in Königsberg; 
juerft war Klefanbrine leicht erfranft, bann fehr emftlich an einem Beroenfteber prinj Karl. 
3hr bangenbes Blutterherj perlangte nach Königsberg ju ben Kinbem; aber fie muffte aus 
Kücfftcht auf ben König in ©rtelsburg ausharren, wo epibemifche Kranfheitcn ben Kufent 
halt immer unerträglicher machten. Damals, am 29 . Hooember, fehrieb fie bem Pater nach 
Beuftrelifs: „©s ift eine prüfungsjeit, aber ber gerechte ©ott wirb beffere ©age fchaffen . . . 
IDas uns angeht, fann ich nichts fagen, als bajj bie BTenfchen, bie bie fiebe, Kehlung, 
Knhänglidjfeit ber ©beln für ftch haben, nie ganj ohne Ejilfe , nie ganj unglücf lieh fein 

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fönnen. So geht ’s aud) mir, id) fef>c mit Kühe auf alles, was nttd) umgibt. Denn in 
mir ift ^rieben, bas fei 3*J n * n 2? Arge, befter Dater, bafj bas Kcufcre nidit riel auf mich 
permag, befonbers Dinge, bic mehr bie Urheber grell jeidpten als ben ©egenftanb, ben es 
berühren foll." Die Scelcngröjje ber unglüeflidjen Königin, wie fle aus biefen IDorten 
fpridjt, würbe auch r>on ben ^remben wohl bemerft. „Die arme Königin", berichtet ber 
(Englänbcr 3 a ^° n aus ©rtelsburg, „erweeft burch ihre würbeoolle Kefiguation unb ihren 
©haraftcrabel in allen Prüfungen unb in allem llnglücf nod) mehr (Teilnahme als felbft 
burch ihre grojje Sdjönheit .... Sie mufj fehr porfidjtig fein, in IDorten wie in ffanblungen, 
benn ber König ift äujjerft fchledjt gelaunt unb taub gegen ihre IDorte. Sic inbeffen lägt 
feine IThitlofigfeit in ftch auffommen unb perfäumt feine ©elegenheit, ben Jcatf di lagen pon 
Köcfrih unb ©enoffen entgegenjuwirfen." 

3n ©rtelsburg war es audj, wo Cuife in eines ihrer Cafdjcnbüdier — Jrau pon Berg 
wenigftens erzählt es, bas Buch felbft ift nicht mehr porljanbcn — bas Cieb bes fyirfncrs 
aus ©oetfjes IDilhelm Bleifter eintrug; 

U?er nie (ein Srot mit (Tränen a§, 

XDer nie äie fummcrro[lrn ITäcbte 
2Inf feinem Sette tueinenb fa§. 

Der fennt endj nid?t, iljr Ifimmlifdjen ZTTäcfyte! 
fütfrt ins £cben uns hinein, 
laßt ben 2(rmen fd?ulMq werben; 

Dann überlast iljr iffii ber pein. 

Denn alle Sd?ulb radyt fut? auf (Erben. 

3m ITTunbe ber Königin finb bie IDorte Kusbrucf tiefften Scelenfchmerjes, ber Kuf* 
fdirei einer Itnglücflidjen , bie pon ber l)öhe irbifdien ©lücfs in ben Kbgrunb bes <£Ienbs 
geftürjt ift. Kudi ein Sdiulbbefenntnis? Dielleicht in bem Sinne, bafj fic an bem felbft» 
jufriebenen ©enufleben bes Berliner f)ofes ihren Knteil gehabt t^ttc wie an ber Kbncigung 
ihres ©cmaljls gegen jebe politifdie Betätigung. Keineswegs aber, als hätte fte iljr (£in= 
greifen in bie politif bereut. Kudi jetjt lieg fte ftdj pielmehr wieber in bic (Erörterung 
einer ber fehwebenben fragen b'neinjieben. 

©raf fjaugwilj war gegangen, aber ber fein Hachfolgcr werben follic, ber Freiherr 
porn Stein, weigerte fidi ju fommen. Don ©rtelsburg aus würbe er abermals aufgeforbert 
unb ii^wifchen ber ©cbeiine Kabinettsrat Beyme mit ber Jüfjrung ber ©efchäfte beauftragt. 
Diefe IPahl erregte pielfadje Unjufriebenheit, befonbers bei bem ruffifchen ©efchäftsträger 
^reiherm pon Krübener, beffen f)of ben Kabinettsrat für einen ^ranjofenfreunb anfah- IDie 
es mehr unb mehr üblid) würbe, wanbte Krübener fid; nun an Königin fuife, um ben 

2t* 



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(Difel l? 




Königin fuifc 

p<iftcUgcm31!>t roit rduöbcr um twK) 



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3m Kriege 



König ju bcftimmen, bafj Beyme entfernt werbe unb Stein bas UTinifterium übernehme. 
Die Königin rerteiöigte Beyme ; aber fte erflärte Krübctter, bajj Stein non neuem ein» 
gelabcn werben follc, nach XDeljIau ju fommen, wohin bcr König ftch begeben »olle, unb 
bajj fic nicht jweifle, er »erbe bem Befehle folgen. Die Königin, beren Blut unb Staub’ 
haftigfeit in allem Unglücf auch Krübener bewunbernb rühmt, fprad; bann noch mit tränen» 
erfticfter Stimme pon ber ^rcunbfdjaft Kaifer Kleranbers, bie je^t iljr unb ihres (ßemabls 
einjiger (Troff fei. 

Balb barauf, am 5. Dc$cmbcr, pcthejj Königin Cuife ©rtelsburg. 



III. Königsberg unb Ulemel 

Km 9- Bejember, nad) fu^ern Kufcnthalt in IPefjIau, fam Cuife in Königsberg an. 
Cmpfangen non einer saljlreidjen JITenge, in ber pielc (Tränen für fic floffen, geführt pom 
Kronprinjen unb prinjefj Cijarlottc, flieg fie bie Stufen ju bem alten Königsfchlofj empor, 
wo bie nach bem Schlojjhof gelegenen Zimmer für fte eingerichtet waren. 3h r cr f* cr ©ong 
galt bem Kranfenbette bes Meinen Karl, beffen Befinben ft<h gebeffert tjatte, bann ihrer 
Schwägerin, Prinjefftn ITilljelm, bie injmifchen in ben Sdjrecfen ber flucht Unfäglidies 
crbulbet, iljre beiben Kinber burefj ben ©ob perloren bjatte. 

Km nächften (Tage traf auch König ^friebriefj IDilljelm in Königsberg ein. Ilm ifjrt 
fammclten ftch noch einmal bie UTänncr bes alten preufien, bie Schulcttburg, Bof, Schröttcr, 
Beyme, Knobelsborff, Köcfrifc unb Kalcfreutfj, auch ,3aftroro unb Cuccfjeftni, bie pon iljrer 
Senbung an Hapoleon erft jetst jurüeffamen; es fehlte eigentlich nur fjaugwig, benn felbft 
Combarb hotte ftch eingefunben unb fühlte ftch balb gan 5 „im alten Kreife", als wäre er 
mit bem König „auf einer Kcpucrcifc". jh nc " gegenüber ftanben bie beiben Itlänner, bie 
auch ous bem alten preufien hen'orgegangen waren, jefst aK’r bie IDcge ju einem neuen 
preujjcit fuchten: fyirbcnbcrg unb Stein, ^wtfehen ben Parteien bewegte ftch ber König, 
mit ben einen wie mit ben anberen perljonbelnb, pom 5 K,an ü c &er ©reigniffe porwärts 
gebrängt, aber bo<h beftrebt, pon feiner alten Umgebung möglichft piel in bie neue 5cit 
hinüberjuretten. Barübcr fam es jetjt junt Streit. Ber Kusgang war bcr Bruch bes Königs 
mit ben Illännern feiner eigenen ^ufunft. fiarbenberg reifte am 20. Bejentber nach UTcmcl, 
pott wo er pergcblich um feine ©ntlaffung bat; Stein, nach heftigen Kuseinanberfegungen 
mit bent König, perlieg im Februar (807 Königsberg, um ftch au f fein ®ut in Haffau 
jurücfjujichen. Bie Ceitung ber auswärtigen Kngclegenheiten würbe bem ©eneral f^aftrom 

2t? 



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übertragen, auf bem bie Erinnerung an bie Unterjridjnung bes Charlottenburger tDaffen« 
ftiüpanbes laftete. 

Königin £uife bat, wie es fcbeint, anfangs bie Kbftdjt gehabt, in biefe Streitigfeiten 
permittelnb einjugreifen. ©leid; am (Tage nach ihrer Knfunft in Königsberg lief fie 
fjarbenberg $u fiefj rufen, mit bem fie bie tage eingebenb befprad), wobei fie für Beyme 
eintrat, beffen Entfernung r>om König Stein unb fjarbenberg hauptfäcHich forberten. Kn 
ben weiteren Derijanblungen fonnte fie feinen Knteil mehr nehmen ; währenb ber fleine Karl 
genas, erfranftc fie felbft an einem heftigen Zteroenpeber, bas ihr Ceben seitweife emftlich 
gefährbete. IDeihnachten war fie wenigfiens fo weit hergefteilt, baf jie am ^eiligen Kbenb 
bie Kinber um ihr Bett pereinigen unb ju ihnen fpred)en fonnte. Kn Ujr Bett würbe auch 
am tleujahrstage 1807 in feiner neuen Uniform ber fleine prins IPilbclm geführt, ben 
ber König bamals burch Ernennung jum ^ähnridf ber ©arbe in bie preufifcbe Krmee 
aufnahm, — bie Krmee, bet er in ihrer tiefflen Emiebrigung eingereiht würbe, unb bie er 
$u ihrem höchften ©lanje erheben folltc. Kaum hatte ftd) bann bie Königin Don ihrer 
Kranfljeit etwas erholt, als fchlimme Zladjrichten Dom Kriegsfdjauplaf pe auch aus Königs* 
berg pertrieben unb jur Jludjt nach ITlemel nötigten, in ben leften 3 *pM preufifchen Canbes. 

Das weitere Vorbringen ber Jranjofen über bie IDeicfjfel hatte am 26. Desember 
nörblich oon IDarfdwu, bei pultusf, ju bem erpen emperen treffen mit ben Hüffen geführt, 
wobei ©eneral Sennigfen jwar ben franjöpfchen Kngriff pegreich abwies, fdjlieflich aber 
hoch $um Hücfsug in norböpli<het Kiditung in bas oppreufifche Seengebiet pch peranlaft 
fab. ©leidjjeitig waren auch bie preufifchen truppen unter C’Eftocq bei Solbau angegriffen 
unb nach tapferem IDiberftanbe jum Hücfjug bis Kngerburg gcjwungen worben. 3 n Königs* 
berg ging es, wie noch f° manchmal bei ben wechfelnben Kriegsnachrichten : am 30. Desember 
brachte Hlajor Don IDrangel mit blafenben Popillonen ruffifdje Siegesbotfchaften, jubelnb 
begrüft pon ben Volfsmaffen, bie ftcfj halb su taufenben um bas Sdpof brängten; nach 
Stpei tagen erfuhr man ben Hücfsug ber Hüffen, ben Hücfsug C’Eftocqs. Kein preufffdjer 
ober ruffifefjer Solbat ftanb mehr jtpifeffen Königsberg unb bem Jeinbe. Zlun h> f t es 
wieberum ffüd)ten. Die Königin, obwohl noch feinesmegs genefen, feffwanfte nicht: ,,3d) 
will lieber in bie fjänbe ©ottes fallen als biefer ZHenfchen", fagte fie ihrem Krste. Schon 
am 3. 3<H'iiar \807 fuhren ihre Kinber ab, s®ei tage fpätcr bie Königin felbft. Dem 
Vater fdjrieb fie unmittelbar por ber Hbfaljrt, es fei ber 26. tag ihrer Kranfheit, aber 
fie fei „sum Erftaunen wohl". Sie war hoch noch fo fehwaef), baf ffe in ihren IVagen 
getragen werben ntufte. „IITatt unb enthaftet", fo crjäf^lt ihre fjofbame Bertha Don truchfcf 
als Kugenseugin, „lag bie fchöne ©eftalt in bem Seffel; bas h'mmlifch blaffe ©eftdjt fah 

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man nur tranig burdj ben übergcroorfenen Schleier; langfam mürbe jte bi« breiten Schloff* 
treppen tjinuntergetragen." Unb nun begann an einem fdjncibcnb falten IDintertagc bie 
Fahrt Aber bie Kurifdje Hehrung, jenen ftellenrocife fauni 2 km breiten Streifen äben taubes, 
ber fid; jtnifdjcn bem Kurifdjen tja ff unb ber (Dftfee norbroärts bis Stemel fjinjieljt. tjäufige 
Segengüffe Ratten ben Soben aufgemeiebt; bas Stcer, non Januarftürmen gepeitfdjt, broljte 
bas £anb ju überfluten, bas £anb ftdj im ITteer ju perlicren. STan fam an einem IDracf 
porbei, über bem bie Stellen jufammenfdjlugen: es fdjien tute ein Bilb bes preufifdjen 
Staates. 3m fjeulen bes Sturmes, im Braufcn bes ITtecres backte einer ber Flüchtlinge 
an bie Sacht, in ber König £ear feinen Cäcijtem fluchte, unb fanb fte ruhiger als biefe 
Sächte ber Kurifchen Seljrung. „Die tage", crjütjlt ein anberer, „brachten mir teils in 
ben Sturm mellen bes Steeres, teils im ©ife fabrenb, bie Höchte in ben elenbeften Quartieren 
5 u. Die erfte Sacht lag bie Königin in einer Stube, mo bie Fünfter jerbroeben maren unb 
ber Schnee Ujr auf bas Bett gemorfen mürbe, ohne erquiefenbe Itabrung. So hat noch 
feine Königin bie Bot empfunben." „3h r 2Tiut unb ihr h'romlifches ©ottcertrauen 
fic aufrecht unb es belebte uns alle." Drei Cage unb brei Höchte ging fo bie Fahrt; enblich, 
am 8. 3anuar, erreichte man Stemel. Kuf ben Krmen eines Dieners mürbe bie Königin 
in bas fjaus bes Kaufmanns Confentius getragen, basfelbe Ijaus, in bem fte roäljrenb ber 
^ufammenfunft mit Kaifer llleranber 1802 gemohnt hatte. „tDie fchmerjlich mögen ihre 
©ebanfen gemefen fein," fchrcibt ber ©nglänber Hobert tDilfon an ebenbiefem tage, „als 
fie heute morgen in bie Köunce gebracht mürbe, mo fte noch jüngft gemaltet hatte, fo bolb, 
fo mächtig, fo glücftich!" 

Doch bas Uncrmartete gefdjah: F“^ 1 * un & frtfefje £uft hatten bie ©enefung ber Königin 
munberbar geförbert, fie erfchien roie perjüngt. Sobert IDilfon, ber unermübliche Befämpfer 
Hapoleons, ber ihr bamals fein Buch über ben F C '&J U 8 ' n Kegypten überreichen burfte, mar 
pon ihrem Kusfehen roie pon ihrem IDefen hingeriffen unb begeiftert. „3ch mürbe ben 
preuffen perachten," fchrieb er, „ber nicht freubig fein £eben für eine folcbe Königin h»«“ 
geben mollte." 

Die nächften IDocben in Stemel perliefen perhältnismäfjig ftill unb ruhig. Durd) bas 
^ufammenftrömen picler Frentben, Kuffen, Cnglänber, Sdjroeben, entfaltete ftcb in ber fauberen 
fleinett fjafenflabt ein reges gefelliges £ebeti. Die Königin erholte ftcb mehr unb mehr, fo 
baff fte halb, jum erften Stale feit ber Kbreife pon potsbam, bie Kirche befudjett unb fleine 
Spajiergänge „Unter ben £inbcn", ber feit 1802 Zllejanberftrafie genannten Ijauplftrape Stemels, 
0 machen fonnte. Sudj mcitere Uusflüge mürben unternommen, tttan fuhr im Schlitten $ur 

„tjoUänbifcben Stühe", einer fleincn Knhöfjc in hübfd)ct Umgebung, pon ber bie Königin 

219 



.y" • 

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Jm Krieg* 




enljücft tr>ar — auch prinjcffm IPilhclm fanb bie fanbfcbaft „offianifdi", — 3um Stranbe, 
um Scfjiffc abfahren ober einlaufen ju fcfjen, jur ITTole unb jum Ceudjtturm, pon tro man 
eine »eite Kusftchi in bie (Dftfee genop. Kbenbs percinigte man ftdj 3um Cec bet bet 
Königin, bistpeilen auch bei ber prinjefftit JDiüjeim unb prinjeffm Habjiu’ill, mit benen bie 
Königin am meißelt perfeijrtc. Knfangs »urbe außer bet ©rafin Dop nur fiufelanb 
jugejogen, ber ber Königin burch feilte ticfreligiöfe IDeltanfdjauung befonbers gefiel; balb 
er»eiterte ftdj bet Kreis, es »urbe »ieber, fdireibt prin3cfftn lüilbelm, ,,»ic in Potsbam", 
unb bamit (am auch bie potsbamer £ange»eile. Bud) las por „in faber ZDcife fabe 
Komane", wie Delbrücf urteilt, bie Damen jupften Scharpie, ber König befafj Kupferfticbe 
unb Bilbermcrfe; man fpiclte allerlyanb Spiele, Kommers unb „jeux d'esprit“, ober fud)te 
nach einem pcrfterften Singe, »obei es oft recht Idmiettb Verging. Die Königin naljm an 
allem teil, fte fang felbft juroeiten »ieber; aber übet iljrem ZDefett lag babei eine rüfjrenbe 
Sd;»ermut; bie priiijcffinncn IDilbelm unb Cuifc, in itjren nertraulidjften Keuperungen, 
fönnen nicht genug rühmen , »ie fo gut, fo fanft unb liebens»ürbig fte gerabe bamals 
ge»efen, mit »eldier ©ebulb unb (Ergebung fte alle bie f dimerett Prüfungen ertragen habe. 

Der Krieg würbe in$»ifefjcrt mit »edjfelnbem Erfolge fortgefüfjrt. Die Jranjofen 
hatten ihren Domtarfd; eingcftcllt, ohne Königsberg }u berühren. Hapoleon traf bereits 
Knftalten für bie IDinterquartiere, als bie Kuffett ifjrerfeits jum Kngriff übergingen unb 
bamit ben ju einem fräftigen ©egenftop fjerausforberteu. Km 7. unb 8. Jebruar 

(am es einige ZTtärfd)e (üblich poit Königsberg jur Sdjladjt ron preuptfdj'Eylau, »o es 
ber jäljen Capfer(eit ber Kliffen unter Bemtigfen mit preußifdier fjilfe abermals gelang, 
ben Kngriff ber .fraitjofen jurüdjufcblagen unb ihnen fd)»cre Derlufte beijubringen. Die 
Stellung Hapoleons mit feinen jufammengefehntoljenen unb crfchöpftcn (Truppen in bem 
ausgefogenen Canbe, mitten im harten norbifeben IDinter, »urbe baburdi fo fch»ierig, bap 
er fidj auf Kitregung Calleyranbs 5U einer Knnäherung an preupen entfdilop. Er beantragte 
einen Sonberfrieben auf ©ruttblage ber bereits in Charlottenburg am 30. (D(tober (806 
pereinbarten Bebingungen. 3nbem er jugleidt barauf rerjiditete, fein Perhältnis ju preupen 
nur im ^ufammenhang mit einem allgemeinen ^rieben 3U regeln, blieb ber haut' tfächlicb fte 
©cftditspunft feiner politif bod) nad; »ie por bie ^erftörung bcs engen Bunbes 5»ifdten 
preupen unb Kuplaub; nur bap er jefet nicht mehr gerabeju bie Parteinahme preupens 
gegen Kuplanb jur Jriebensbebinguitg machte. 

Der franjöftfd>e Kbgefanbte ©eneral Bertranb, ber am (5. Jebruar mit biefen Knlrägen 
in Klemel eintraf, erbat unb erhielt am nädiften Cage auch eine Kubienj bei Königin £uife. 
Bertranb erflärte, pon Bapoleon ben Kuftrag ju h^hen, fidj nach ihrem Befinben }u 

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erfunbigen ; bc r Kaifer bebauet« fefjr bie gegen fte gerüsteten (Jcitungsangriffe, unb fdjmeidjle 
PA, bag fte oon ihren Porurteilen gegen itjn jurüeffommen unb mit ifjm ^rieben fcftliefen 
werbe; et hoffe Ar bann in l'f Cagen int SAlog 5U Berlin feine Aufwartung maAen 5U 
fönnen. Die Königin, ber cbenfo wie bent König fdjon bie perfönlidjfcit bes ilnterljänblers 
IjöAfi unangenehm war, begnügte ftA mit ber fdjlagfertigen <£rwiberung: „Sic wiffen, bag 
grauen niAt Krieg führen unb ftA niAt unt politif fümntent." 

Der Ceiter ber auswärtigen politif preugens, ©eneral «Jaftrow, wäre geneigt gewefen, 
auf bie PorfAlägc Zlapoleons für einen Sonbcrfriebcn einjugeben; aber König ^ricbriA 
UHlhelm, wie es feine IDcife war, wenn er naA langem SAwanfen einen (EntfAlug 
gefügt hatte, perharrte unerfAütterliA bei ber einmal ergriffenen politif ber rücfhaltlofen 
Anlehnung an Huglanb, 3 n ben Beratungen, an benen auf feinen Befehl nun auA 
tjarbenberg jum erften 2 Tiale wieber teilnahm, würbe bie Ablehnung ber Anträge Hapoleons 
unter Berufung auf bie Allianj mit Kuglanb bcfAloffen; Königin Cuife fanb babei ©clegcnljcit, 
fjarbenberg ins ©br ju flüftem : „BeljarrliAfeit". AuA ben König fclbft bat fte brittgenb, 
„feft 3U bleiben". ATit ber ablehnettben Antwort würbe ©berft Kleift 5U Hapoleon gefanbt, 
ber ftA if?m gegenüber pon neuem 3U einem Sonberfrieben bereit erflärte, aber auA auf 
einen Kongreg unb Perhanblungcn über einen allgemeinen ^rieben eingchen wollte, wenn 
man nur junäAft über einen ZDaffcnftillftanb ftA perflänbige. 

Unbeirrt burA folA« Cocfungen hielt König ^ricbriA ZDilhelm an ber rufftfAen AUiattj 
feft, unb bettt politifAcn Bünbnis ber beiben Staaten traten fegt auA wieber bie perfönliAen 
Beziehungen jwifAett ben beiben tjcrrfAcrhäufcrn jur Seite. IDährenb ber König ber Anfunft 
Kaifer Aleranbers auf bem Kriegsfebauplag entgegenfab, entwicfelte ftA jwifAett Königin 
Cuife unb ber UTutter unb ber ©emablin Alejanbers, ben Kaiferimten ZTIaria tfeoborowna 
unb ©lifabeth Alejejewna, ein reger BriefwcAfel pon h er jli Aft« m <£S ard fte r - Die beiben 
Kaiferinncn fanbten pon Petersburg ber Königin ©efAcnfe, einen SA«I unb rufftfAen (Lee; 
pe pcrmittelten il;r aus ITeuftrelig Briefe bes Paters, pon bem Cuife monatelang ohne 
HaAriA 1 geblieben war. Aufmerffamfeiten, bie fte um fo inniger rührten, je tiefer fte ihr 
Unglücf fühlte. „(Eure Ulajeftät", fAricb fte ber Kaiferin (Elifabeüj, „ftnb nie fo unglücfliA 
gewefen wie iA; Sie fönnen PA alfo niAt porftcllcn, wie wopl es tut, wenn man gute 
unb teilnehntenbe IDcfett in einer fo abfAeuliAcn Ufelt pttbet, wie bie ift, in ber wir leben." 

AuA biefe äugerliA ruhigen Tage, bie ber SAIaA* non preugifA <£ylau folgten, 
waren für Cuife »Tag« harter Ceiben. Der Krieg war burA ben Aücfjug ber Jrattjofen 
hinter Alle unb paffarge porlüupg 3unt Stillftanb gefommen, aber auf bem unglücfliAen 
preugenlanbe lag fA»er bie £)anb bes unbarmherzigen (Eroberers. Ufas Königin Cuife befonbers 



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entrüfiete, »ar bie Beteiligung bec Hljeinbunbtruppcn; baß Darmftübter, baß Babener in 
feen Seiten bet ^rattjofcu gegen preußen foditcn, erregte immer pon neuem iijrcn gom 
unb iljren Sdjmcrj. Dabei litt ifjre ©efunbljcit, »ie audj bie ber iljrigen, unter bem feuerten 
unb falten Klima in Ulemel, »o ber tDinter fein <£nbe ju neunten frfjien unb bie .früljlings* 
fonne pergeblid) gegen bie eifigen OTeerespürme anfämpfte. So fcfjrieb tuife am 26. ITJärj 
bem Brubcr ©eorg: „3d; bin ganj fjergeftellt, aber noch nidit pöllig n>ol)l — fetjr empfinblid) 
für alle (Ein»irfung ber f uft. Das Klima ift fcfjrecflidj. (Eis unb Sdinec. Kein Deildien 
gibt es tjier, bod) cs grünt nodj in meinem fj er 5 cn unb meine ^uoerftebt }u ©ott ftirbt 
nie." Sic bat ben Bruber juglcid;, itjr Büdjer ju fenben, bie fte fefjr entbehrte. 

Uud) ber König fränfelte. <Er Ijatte ben (Entfdjluß jur ;fortfeßung bes Krieges gefaßt, 
ba er fidj nidjt non Hußlanb trennen ntodjtc; aber in feinem 3nneni uxillte feine Hoffnung 
meljr auffommen; feine trübfelige Stimmung, feine üble Caune lafteten fjart auf feiner 
Umgebung unb erftieften in ifjnt felbft »ie in anberen (Entfdjloffenljcii unb Catfraft (Er 
fdjalt unb tabelte, falj allenthalben Klüngel, im Staate »ie in ber Urntec, fanb aber nie 
ben IDiUen ju rücffiditslos über allen IDiberfprudj ljin»cgfdjreitenben Keformtaten. (Er tjatte 
Combarb unb f ucdicfmi cnblidj entfernt unb fjarbenberg »ieber Ijerangcjogcu, »eil bas bie 
aus»ärtigen Bejieljungen insbefonbere ju Hußtanb nohpenbig madjtcn, aber er befielt juglcid; 
3aftro» bei, bem bie befreunbeten ZHädjte mißtrauten unb beffen Jricbcnspolitif er felbft 
nidjt billigte. 5 ut Staatsleitung bcmüljte er fidj nad; »ie ror ilnpcreinbarcs, UTänner bes 
abfterbenben unb bes jufünftigen Preußen, ju pereinigen, »ie er gleidjjeitig mit Bapoleon 
unb beffen Jeinbcn erfolglos oerljaiibeln ließ. Uud) bie Stiftungen jur ^ortfeßung bes 
Krieges famen babei nidjt porroärts. Perfprengte unb ber ©efangenfdjafi (Entronnene ober 
„Kanjionicrte" fammelten fidj }u Caufenben in ©ftpreußen; man brängte fidj ju ben jfreiforps; 
überall befunbete fidj ber befte EPillc unb bei jebeni ^ufammcnftoß mit bem ,feinbe jeigte fidj 
ein lieuer ©eift in ;füljrem unb Solbaten. Ullein es fefjlte an ber rcdjtcn £eitung, an einem 
ftarfen unb fdj»ungpollen Untrieb, ber bie reidjeit unb »illigen Kräfte bes Canbes in einmütiger 
Begeifterung ertjoben unb gegen ben ^einb fortgeriffen Ijättc. Der König jerfplittcrtc feine tEätig» 
feit in Ueußerlidjfeiten, in Uniformänberungen, bie bie Stiftungen meljr hemmten als förberten. 

So pergingen in unfruchtbaren (£r»ägungcn uub Beratungen, in taftenben Detfudjcn 
bie IDodjen nad; ber Sdjladjt pon preußifdj=(£ylau, in beren Sdjoße pielleidjt eine Settungs« 
möglidjfcit für preußen fd)lummertc. (Erft Unfang Upril, »ieber burdj ruffifdjc <£in»irfung, 
fam cs »etiigftens in einigen Hauptfragen ju einer entfdjcibenben IDenbung. 

Um 2. Upril traf Kaifer Ulej-anber in 2Tlemel ein, pom preußifdjcn Königspaar mit 
Ijcrjlidjftcr ,freunblidjfeit aufgenommen. Der alte 5 au bcr feiner perfön Udjfeit »irfte »ieber: 

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all« f^rjen flogen ihm }u. U)ie her oon her Dorfeljung erforene Befreier (Europas, fo 
erfdjien er unh fo fdjilbert iljn her prinj oon (Dranien, her iljn am 3. Upril fpradj. Sein 
entfcbloffenes iluftreten, feine friegerifdjen Ueuf erungen ermecften hie gcfunfenen Hoffnungen 
ju neuem £eben. (Tief beu>egt mar oor allen Königin Cuife, hie bei her Begegnung mit 
hem Kaifer ifjre tränen nicht jurücftjalten fonnte. IDieher fafj jte in ihm has „(Emblem 
aller Cugenben", ein 3^1 non PoUfommenfjeit, hem man ftdj bemunbemb unh nach« 
eifemh anfdjliefen mufte, juglcidj aber hen fjcI6ctt, heffen rettenbe Hanh fie felbft, ihren 
©emaljl unh Ujr Canh nach fcbtoereni Sturje roieber emporrichten follte. Der Sdjroefter 
Ch<refe fcfjricb fie balh harauf: „Du fannft Dir moljl henfen, mas her König unh ich alles 
bei hem IDieberfeljen eines folgen Jrcunhes enipfinhen mußten. Unfer Setter, unfere Stufe, 
unfere Hoffnung. Bein, es läfjt ftcfj nicht miebergeben, roas ich empfanh, als ich ihm hänfen, 
ihm unfere (Erfenntlichfeit aushrüefen mollte. Bie trollte es mir gelingen, tränen erftieften 
jehes IDort, unh er felbft mar fo bemegl, fo traurig unh hoch fo grof , fo ehel, menn er 
mit einer aus hem ©ruttbe her Seele fontmenhen Ucberjeugung fagte: er tue nur feine Pflicht. 
Du fennft feine Seele unh Du mirft nicht mehr sroeifeln, roenn ich »an feiner Pollfommen« 
heit fpredje" . . . 

©leidj am tage feiner Unfunft fudjtc Kaifer Ulejranber Hachenberg auf, mit hem er 
eine lange unh oiel bemerfte llnterrehung hatte. <Es mar fein JDunfdj, unh er fpradj ihn 
auch im Barnen her eitglifdjen Segicrung hem König aus, baf Hardenberg mieher hie Ceitung 
her preufifdjen politif erhalte. Sdjon in her Badjt oom 3. sunt g. Kpril oerlief er hann 
ITTemel, um in Kyhullen unh ©eorgenburg an her ZTlcmcl anrüefetthe rufjifdje Perftärfungen 
Su befidjtigen. Kuf feine Einlabung folgten ihm Jriehridj tDilljelm unh £uife, henen ftch 
Harhenberg anfdjlof, nidjt jehoch <3 a ftroro, obgleich audj er hasu aufgeforhert mar. Er 
ermiherte, er molle nidjt Harhenbergs Sefretär fein. Damit mürbe etthlidj eine Etttfdjeihung 
herbeigeführt: in Kyhullen ernannte her König Harhenberg sunt erften Kabincttsminifter unh 
übertrug ihm hie Rührung her ausmärtigen Politif, fomie balh harauf audj hie £eitung aller 
mit hem Kriege sufamntenljätigcnhen Kngelegenljeiten, mit Uusnaljme her rein militärifdjen. 
Es ift ein Ereignis in her preufifdjen ©efdjidjte, haf bei hiefer Seife ein BTinifter hem 
Könige sunt erften 2TIale ohne Oasmifdjenfunft eines Kabinettsrates unmittelbaren Portrag 
hielt. Stil Harhenberg gelangten aber audj hie 3been eines grofen Koalitionsfrieges gegen hie 
napoleonifdje Ucbemiadjt sum Siege. 3 n Sartenftein an her Ulle, fühöftlidj oon Königsberg, 
moljin fidj hie beihen dürften mit Harhenberg oon Kyhullen aus begaben, murhe am 
26. Kpril smifdjen Preufen unh Suflanh ein neuer Pertrag abgefdjloffen, her hie ^jurücf« 
hrängung jfranfreidjs über hen Sljein, hie ttHeberljerftellung preufens, hie Unabhängigfeit 





223 



3m Kriege 

Deutfeh lanös in Kusficht nahm. Englanö, ©cftcrrcid), Sdjweöen follten 3 um Beitritt ein* 
gclaöcn rneröen, preufjen unö Kußlanö öic IDaffen nur gemcinfam nieöerlcgen. 

Biemanö fonnte über öiefen llmfcbwung glüeflidjer fein als Königin Cuife, öie, wie 
wir uns erinnern, ftaröenberg immer befonöers gefebäßt unö jeßt piclleicfit 3 U feiner 
«Ernennung mitgewirft hatte. Sie war 6 cm König, wie er es wünfebte, nach Kyöullcn 
gefolgt unö fyattc an öer Befkfjltgung öer ruffifeben ©aröe leilgenommen, notl lebhafter 
Bewunöerung für öic fdföne (Truppe, aber mit porfichtiger ^urücfbaltung gegen Kaifer 
Klefanöer, um nicht pon neuem ©elcgcnheit ju Klatfcb unö Dcrlcumöungen ju geben. Schon 
am 10 . Jlpril perlicj; fic Kyöullen, unö nach einer mündigen ^abrt, „ringenö mit IDinö 
unö IDetter unö Schmub", auf entfe|lichen IDegen, öie öurcfj plößlich eintretenöes lauwetter 
mit tiefen unö 5 äljen Kotmaffen beöecft waren, erreichte fte nacb jwei (Tagen Königsberg, 
wo fic bei Schweflet ^rieöerife, im tjaufe öes ©rafen Schlichen, IDobnung nahm. Das 
Schloff war ihr öureb öic Erinnerung an öie öort im Dejember (806 überftanöene Kranf* 
heitsscit perleiöet. Sie hatte eigentlich über Königsberg nach DTcmcl jurüeffebren follen, 
aber aus Kücfficf;t auf ihre ©efunöheit, öer eine ^'ortfetjung öer Keife gefährlich weröen 
fonnte, war auch öer König öamit einperftanöen, öafi fie juuädifi in Königsberg perblieb. 
21us öer furjen Erholungsfrift wuröe fchließltch ein jweimonatlicher Kufenlhalt, nicht geraöe 
reich an ©efeijehniffen, aber beöeutungspoll für öie Königin. 

Cuife, fo wenig ihr öas Klima Königsbergs jufagte, erholte fidj öoeh balö pon öen 
Knftrengungen öer Keife, unö mit Öen ptjyfifcbcn Kräften, wie fie felbft empfanö, famen 
auch bi* Scelenfräftc jurücf, lebten lliut unö Hoffnung frifch wieöcr auf. Die Erfolge 
pom pultusf unö Eylau, öie tapfere Perteiöigung pon Kolbcrg, ©rauöcnj, Danjig, öie IHacbb 
ftellung f)aröcnbergs, por allem öer fefte ^reunöfchaftsbunö mit Kaifer Klejanöer, Öen ju 
pflegen fie Öen ©alten unermüölich mahnte, erfüllten fie mit einer gewiffen ^uperjicbt, öafi 
„noch alles gut gehen" unö eine glücflicbcrc ,?)eit für preußen anbrechen weröe. 

Durchörungen pon folcbcn Empfinöungen, wirftc jetjt Königin Cuife gleidjfam als 
Derbünöete Ijaröenbergs in öer altpreujjifcbcn fjauptftaöt: wie öer ITTinifter Bartenftein, fo 
machte fie Königsberg ju einem ITlittelpunfte öes IDiöerftanöes gegen Hapoleon. 

Die erfte unö größte Sorge öer Königin, wie (ich perfteht, galt Öen (Truppen, Öen per* 
wunöeten wie Öen fämpfenöen. ©leid) nach ihr« Knfunft in Königsberg befud)te fie Baracfen 
anlagen unö fjofpitäler, öie mit Berwunöeten pon öer Schlacht bei Eylau überfüllt waren, 
tröftetc unö ermutigte öie preufhfehen Solöatcn unö CDffijiere , öie in öer ju einem ITtuftcr* 
lajarett hergerichteten fran$öfifch refonnierten Kirche lagen, unö fpenöete reichliche ©elömittel, 
wie fie öas febon im Februar pon JTTemel aus getan hatte, ^rau pon Krüöener, öie IDitwe 

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eines früheren rufftfdjen ©efanbten in Berlin, mit 6er Königin Cuife pier ^reunbfepaft fchlog, 
unterftüpte pe bei biefer weiblichen Ciebcstätigfeit. Sic naljm ficfj audi gefangener polnifcher 
3nfurgenten an, beren paric Bcpanblung ipr ZTUtlcib erregte. Ben ©eneraltpirurgen ©oerfe, 
6er fidi um 6ie «Einrichtung 6er fjofpitälcr 6ie gröften Derbienftc erworben patte, jeiepnete 
fie befonbers aus. Sie fdjmücfte it?n felbft mit bem ipm non Kaifer Ztlejanber Dcrlicpenen 
Knnenorben, unb fie befürwortete es nacpbrücflid; bei König ^riebrief) JDtlpelm, baf ipm 
bas „Portepee unb ein Rang in ber Krmee" ocrliepcn werbe. „Du muft etwas für ipn 
tun," f cf; rieb fie bem ©emafjl, „fonft fagt man: ber König weif nicht Derbicnft ju lopnen 
unb $u encouragieren." Der König fträubte ficfj anfangs gegen eine folcpe ^Teuerung; nad; 
einigen 2TZonatcn aber erfjielt ©oerfe in ber Cat (Dberftenrang unb Portepee. 

2ttit bemfelben Eifer forgt Cuife für bic Cruppen, bie in Königsberg $um Kampfe 
ausgerüftet werben. Sie befichtigt bie prcuftfdjcn ( freiforps, beren buntfdiedigc Uniformen 
fie an U)allenftcins Cager erinnern, unb bie rufpfepen Cruppen, bie unter bcs jüngeren 
Kamensfoy Bcfepl jur Dcrftärfung ber ©amifon in Danjig bienen follen. Sie perroenbet 
pep für ©fftjiere, wie Hatsmer, bie ausgcwcdjfelt ju werben perlangen, für folcfjo , bie in 
Dienft treten ober einem ber «Eppcbitionsforps jugeteilt werben wollen, ,für jeben ©fpjier, 
ber ifjr feine Kufwartung maefjt, feine IDünfrpe porträgt unb oft feine Pcrlcgenljeiten flagt, 
pat fie einen pulbpollcn Blid, ein ermunternbes IDort, im HotfaU ein paar .friebridtsbor. 
Dem Ceutnant pon fjcllwig, ber im ©ftober 1806 burep einen tapferen fjufarenpreid; 
(0000 preufifdjc ©efangene befreite, patte fie fepon in ZTTemcl „mit rüprenben unb fcpmeicpel* 
fjaften IDorten " felbft bas Kreuj bcs pour - le - märite - ©rbetts angelegt. Die Bilafdjen Rufarert, 
bie pep wieber japlroid; in Königsberg jufammenpnben, bittet fte nicht „unterjufteefen", 
fonbern als Korps jufammenjulaffen, „jur ZTadjeiferung für anbere". 2Tlit befonberer 
Ccitnaljme begleitet fie bie Stiftungen für bie Eppcbition, bie nad; Pommern beftimmt ift; 
baf Blüeper ben ©berbefefjl über biefe Cruppen erpält, fdjetnt ipr bie benfbar befte IDapI. 

So frei fte fid; babei bewegt, nie pergift pe bie jarte Rüdpcptnaptnc auf ben König. 
Sie bittet für bie Bilafehcn fjufarcti, aber pe unterlägt nidjt pinjujufügen, baf niemanb 
barum wiffc. IDenn anberfeits ber König felbft iljrc Knpdjt in einer ber fdjmebenben 
fragen perlangt, bann äufert pe pep mit um fo gröferer Entfdjiebcnpeit. 

Salb nad; fjarbenbergs Ernennung jum erften Kabinettsminiftcr patte ©eneral ^aprow 
feinen Kbfdjieb als 2Tliniftcr er palten, war aber unter Beförberung }unt ©encralleutnant 
jum jweiten Befcplspaber bes C’Eftocqfchen Korps ernannt worben. 5 a f ,ro w napm bas 
nidjt an, bat pielmepr um feine pöllige Entladung unb um bie Erlaubnis, pep franjöpfcpe 
Reifcpäffe naep pofen unb Berlin ju perfepaffen. fjarbenberg unb Beyme, ber ^aftrow für 



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Öen „gefährlichften 2Ttann im Siaate" erflarte, wünfd)ten feine Beftrafung, öer König, 
unentfdjloffen unö gutmütig rote fonft, zögerte rntö fragte feine «Scrnafjlm um itjre Hnficbt. 
Königin €uife mar entrüftet über 3 a ftro®. Sie wünfebte tängft öie gänjlidie (Entfernung 
öes HTannes, öer Öen Charlottenburger IDaffenftillftanö unterzeichnet l?abe unö öer nie gut 
tun wetöc — never never good, wie jie fdjreibt. ©in ZTTann, öer, wie öer König felbft 
iljr mitgeteilt, ihm eilt öiplomatifehes Sdjriftftücf unterfdjlagen höbe — eine gegen ^afiro® 
gerichtete englifdje ©rflärung — , fei zu allem fähig. Sie erinnerte öen König öaran, tr>ie 
öer ©eneral felbft bei öent fürzlicben Kebertritt öes ©berften pljull aus preußifdjen in ruffifcbe 
Dienfte pon Perhaftung unö Jeftung gcfprochen habe. Sie fchien ihm tin fo!cf)es Schicffat 
ZU wünfcf)en. fjaröenberg jeöoch, mit öem fie öarüber fprach, fanö eine fo ungewöhnlich« 
Strenge mit öem Charaftcr öes Königs nicht im ©inflang unö riet zu leichter Perbannung 
ins Kuffifche. Demgemäß fcfjrieb fie öem König (22. HTai): „^afiroro fennt erftlicfi Deines 
bjerzens ©üte, zweitens befonöers Deine Kbneigung, Dich in Kollijionen zu finöen, öie Dir 
peinlich fein fönnten unö wo nur ein „3<h will" öer Sache ein €nöe machen fönnte .... 
Sein Hefus zur Krmee zu gehen ift unter aller Kritif, unö ich glaube. Du fannft es nicht 
unbeftraft laffen, ohne Deine Kutoritöt, ohne öas bißchen guten ©eift, öer noch in unferen 
Truppen ift, zu erftiefen . . . IPillft Du alfo nach meinem Hat Ijanöeln, fo gib ihm Öen 
Hbfdjicö unö epiliere ihn aus Deiner Höhe. Cr hot paffeports perlangl nach pofen unö 
Berlin, um ©otteswillen nicht . . . 3<h glaube alfo, Du fcfjicfft ihn zuriief, weit ron öer 
Krmce, ins Hufftfcbe . . . Strafft Du il;n nicht, wie er es ueröient unö wie es Deine Ch rc > 
öie ©h rc öes Dienftes unö Deine Kutoritöt perlangt, fo haft Du eine nie abzufehenöe 
Kabale gegen öie gute Sache unö gegen fjaröenberg, öen Du öo<h jeßt allein mit Kraft 
unterftüßen mußt, wenn Du willft, öaß er etwas ©Utes ftiften foll . . . 3<h bitte Dich, fei 
feft, ftauöbaft, ganz HTann in öer Sache" . . . 

Jrieörich IDilljelm entfehieö fchließlich im wcfentlichen nach öem Hate tjaröenbergs 
unö öer Königin: er entließ ,3aftrow unö perbot il;m, fich mit öem König an einem ©rtc 
aufzuhalten oöer in öie rom Jcinöe befeßten Propinzcn zu gehen. 

IDie im Kampfe gegen ^oftrow, fo hot Cuife auch fonft öen König unabläffig gemahnt, 
an fjaröenberg feftzuljalten unö öas zaghaft begonnene Heformwerf nachörücflicb unö rücf« 
fichtslos öurebzuführen. Sie fonnte ftaröenberg unö öeffen neue ZHitarbeiter — öie Schön 
unö Hiebuhr, Klewiz unö Staegemann — öie „erften Köpfe öes Staates" — nicht genug 
rühmen. Hur Kusharren! Hur ^cftblcibcn! Hur einmal ein früftiges „Car tel est mon 
plaisir“ gegen öiejenigen, öie immer pom wahren IDobl, oon Pereinfacbung öer ©efdjöfte ufw. 
reöen, unö bann bei jcöer Heuerung fdjreien! Hur einmal „ein Strafgericht" gegen öie 

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3m Kriege 




gaftrotr, Sdjrötter un 6 Dof, bie in XTIemcI einen ®ppofitionsfycr 6 , „ein flcines ZHosfau" 
bilben, Me auf f)arbenberg fcgeltcn , alles bcfrittcln, Me Stimmung perbcrbcn unb nacf) 
^rieben rufen. Es war bod) niefit möglich, ftärfer unb beutlidicr 5 um Könige 3 U fpreegen, 
als wenn feine ©emaglin igm erjätjlte : bie ©berhofmeiflerin ©tägn Bog fjabc igren 
Hoffen, einen ber 2TTinifter, bie gegen bie neue ©efcgäftspcrtcilung bem Könige Borftcllungcn 
gemacht fjatten, jomig gefragt: „Ratten Sie bas ^ricbridi bem ( 5 tr,c ’ ,CM getan?" 

©lücflicgc ©age in Königsberg! 3 n &cm fdirccflicgcn 3 a b rc bes furchtbaren Krieges 
Cuifcns befte ,3eit, wo bie hoffnungsfrohe ITlitarbeit an bem grogen Kampfe um bie Freiheit 
(Europas iijren Seift weitet, itjrc Kräfte fteigert, igren Hlut beflügelt. Sie fielet in bem 
Kriege nicht einen Kampf nur jwifegen pretigen=KugIanb unb ^ranfreid). Sie erfennt, 
bag cs gi* r fjögercs gilt, bag jegt um „bie Freiheit ber IDelt", um bas ©lücf, „bie 
Unabhängigfeit ber fünftigen ©encrationcn" gerungen wirb. Das pollc Hewugtfein ber 
Bebcutung biefes Kampfes unb ber ©röge ber 21 uf gäbe, bie preugen babei sugefaüen ift, 
hebt bie Königin empor 5 U einer f)öfje ber ©cgnnung, 5 U ber feine Knwanblung ber 
Schwäche heraufreicht Hie fommt iljr ber ©ebanfe, bie Kettung preugens burch einen 
Sonberfrieben mit Hapoleon ju erfaufen. Sic hot eine lebhafte (Empgnbung bafür, bag fte 
burch biefe Haltung bie ©h re Preugens rette, unb bas macht fte „ftarf bis in ben lob". 
Her fchwebifche Hiplomat 23 rindmann, ber fonft, wie wir uns erinnern (ftehc oben S. 1 76), 
recht bitter 5 U urteilen pflegte, rühmt gegen <£nbe bes Kampfes ähnlich wie ©eng am 
21nfang: „Hie Königin hot feit Beginn bes Krieges nicht einen 21ugcnb!icf ^elbenmut unb 
Stanbhoftigfeit perleugnet." 

Unb alles was fie umgibt, was fiefj ihr nähert ober was fie an geh jieht, fuegt bie 
Königin mit bem ©eifte ju erfüllen, ber ge felbft bcfeelt. 21 ls „Canbesmama", wie ge geh 
in Königsberg einmal nennt, fügll ge geh glücflich, pon „ben getreuen Untertanen" geliebt 
unb gefudit $u werben. Keine ©bergofmeifterin wehrt jegt eiferfüchtig ben 5 u 3 ong jur 
Königin, feine Cour wirb gehalten. Hie Hamen, bie geh niclbcn lagen, gnb millfommcn, 
werben mit einer Cage Cee bewirtet unb mügen mit Scharpie jupfen. (Ein gäugger ©aft 
ift ,Jrou pon Krübencr, bie juweilcn aus ihren Schriften porlieft. Heben ben preugifchcn 
©eneralen, Blücher, bet geh por feiner 2lbrcifc nach Pommern pon igr perabfegiebet unb 
Briefe für ben Haler in Heuftrelig erhält, Küchel, bem ©ouperneur pon ©ftpreugen, unb 
Kegel, bem neuen Kommanbanten ber ©arbe, bem ©rafen unb ber ©rägn Bofjna Sehlobitten, 
beren nier Sögnc im ^clbe ftanben, fommen jaglreichc Hiplomaten, wie Corb Ijutcginfon, ein 
typifeg fteifer unb wunberlicger (Englänber, unb picle Kugen, 21Iej-anbers ©ünftling, ber 
prcugenfeinbliche pole Cjartorysfi mit feinen ^rcunben Howofglgow unb Stroganow, unb ber 








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ITTinifter bes Auswärtigen, Dubberg, für ben ftc beim König um Öen Scffmarjcn Ablcrorbett 
bittet. 3mmct, bei folgen ©cfeilfchaftcn, bei frcunblicffcn Aufmerffamfeitcn befonbers gegen 
©nglänber unb Hüffen, fühlt fte fidi im Dieuftc 6er guten Sadte. Hoch über biefen gewohnten 
Kreis hinaus aber behnt fie ihre Empfänge: fte fieijt ben alten Kriegsrat Sdieffner, beffen 
wir noch näher gebenfen werben, ben prebiger Borowsfi, beffen „Kemprebigten nach alter 
Art ihrem fjerjen ein wahres Cabfal ftnb", unb Pertreter ber jungen beutfeben Dichtung: 2Hap 
pon Scffencfenborff unb Achim pon Arnim. 2Man fährt auf bem Schloffteicff in Känigsberg 
unb auf bem pregel fpajicrcn, unb Königin £uife, beren Boot IDilfon lenft, fingt mit 
Scffwe(ter ^fricberife jur ©itarre aus bem eben erfchienenen IPuttberhorn : „(Es ritten brei 
Heiter jum Core hinaus“. 

©lücf liehe tage in Königsberg! Die Königin flagt wohl einmal über bie norbifche Sonne 
bort, bie leuchte offne $u wärmen: fte felbft in ftdb — Drüber ©eorg ffat bies ©leichnis 
einmal gebraucht — trug eine Sonne, beren Strafflen iffre Umgebung erleuchteten unb erwärmten. 

Allein, feit Hlitte Jftai fchon, färbte fich bie ffoffnungsfroffe Stimmung trüber unb 
büfterer. Cuife ffatte bereits gelegentlich, in böfer Poraffnung, ju Schweflet Jrieberife 
geäußert, fte fehe biefe glüeflichen Cagc „nicht als Belohnung pergangener unglüefliher 
feiten an, fonbern als eine Quelle ber Stärfung ju neuen llnglücfsfällen". Hun fam aus 
ZTTemcl bie Hacffricht txnt einer fchweren ©rfranfung Alcranbrincns, was bie JTTutter fo 
erregte, baff fte fchon im Begriff war, nach Hlemel absureifen, als beruffigenbere Hlelbungen 
tfufelanbs fte jurücfffielten. Schlimmer noch quälte bie Königin bie Sorge utn Danjig unb 
bie ©ntrüftung über bie Hnbeweglichfeit ber groffett rufftfhen Armee. 3 m mer enger fcffloff 
ftch ber eifeme Heif ber Belagerer um bie non Kalcfreutff tapfer perteibigte Stabt, offne baff 
Bennigfen ernftliche t)ilfspcrfucffe gemacht hätte. Königin Cuife felbft wanbte fteff am \8. HTai 
an Kaifer Alcranbcr mit ber Bitte, Danjig nicht fallen ju laffen unb burch ein Porgeffen 
ber f}auptarmee eine Ablenfung bes Jeinbes herbeijufüffren. IDas fte freilich injroifchen 
burch iffren ©emaffl pon bem rufftfehen Ijecre erfuffr, perffieff wenig Ausftcht auf ben (Erfolg 
aller ihrer Bemühungen. 

Seit bem \ 6 . April bereits weilte König .friebrieff XDilffelm mit Kaifer Alcranbcr bei 
ben rufftfeffen Cruppen in Scffippenbcil unb Ba rtenftein. Die perfönlicffen Bejahungen ber 
beiben 2Uonarcffen jucinanber hätten nicht fferjlicffer unb pertraulicffer fein fönnen; Kleranber, 
bet fteff inmitten feines fjeercs wie ber fjausfferr füfflte, war pon rüffrenber ^uporfommen* 
ffeit gegen ben König, beffen (Einfachheit cs ber Aufmcrffamfeiten manchmal felbft juoiel würbe. 
3" ben Staatsangelegenheiten machte Ifarbenberg meift ben Permittler jwifchen iffnen; bagegen 
fanben fie fteff immer jufammen in ihrer gemeinfatneti Hcigung für bie Aeufferlicfffeitcn 

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be s IMilitärwefens. ITTandje rufgfdje ©inridjtung erhielt bainab (Eingang in bie preufifefje 
2lnnce, roäfjrenb früher bas Umgefegrte ber ^fall gewefen ir>ar. Uadj Klejanbers Beifpiel 
fing ^riebridj IDUbcIm an, einen (Tfdjafo ju tragen, unb lieg feinen Schnurrbart machten, 
was if?ti anfangs nicht redjt fleibete unb fpäter, wie es Ijiefj, in (Tilgt Uapoleon miggel 
(Er lieg gdj jetst ben <j5opf abfcfjncibcn, ber bei ben Solbaten fdjon feit einigen ITConaten 
abgefdjafft war, unb fdjicfte iljn feinet (ßetuablin, bie ifjn forgfältig aufhob unb ben Sturj 
biefcs Symbob non Kltpreugen mit bemerkenswerten IDortcn begleitete. Sie fdjrieb bem 
Könige am 6. ItTai: „Vor jwei 3 a h cen ^dtte man in Preugen nidjt an biefe Uenberung 
ju benfen gewagt, wegen ber 3& M unb bcs JDertes, ben man bem alten Koftüm ber 
preugifdjen Krmee beimag. Der Siebenjährige Krieg Ijafte feinen mädjtigen (Einflug bis auf 
bie fjaartradjt ausgebefjnt, unb wer ge hätte änbem wollen, hätte ein ZTCajeftätsoerbredjen 
begangen. Dagegen Ijut ber mädjtige «Eingug ber franjögfdjen Revolution biefe Kenberung 
gegattet, benn, meiner (Treu, niemanb wirb einen 3°Pf tragen wollen, um bas Knbenfen 
an ben (Tag bes 14. ©ftober ju verewigen, ber gegen bie Revolutionäre oerloren ging. 
3ebenfalls gäbe idj (Tränen geladjt über bas Säpfdjen, unb es foll aufbewahrt werben 
unangetaftet bis an ber IDelt <£nbe." Unb fpäter nodj einmal: „3dj mug Dir nodj fagen, 
bag bas ©efdjenf Deines Kopfes mir wirflidj Dergnügcn gemadjt Ijat; benn idj wünfdjte 
biefe ©oilettenänberung längg; alles was im Kriege bie (Toilettebebürfniffe vereinfachen fann, 
ift wirflidj gut." 

König ^riebridj IDilljelm ging an Klejanber mit feget (Treue unb mit unerfdjütter« 
lidjem (Slauben; „fein fjcrj ift fo gut," fdjreibt er einmal über ihn, „fein IDille für bas 
©utc fo begimmt, feine Ubgdjten gnb fo ebelmütig." 21 Hein bas Dergalten Bennigfens 
unb bie UTigftänbe im rufgfdjen fjeere, bie Unorbnungen unb 2Iusfdjreitungen, liegen feine 
(guvcrgdjt in ihm auffoninicn. Dergeblidj würbe, unter fjarbenbergs eigener feitung, von 
preugifdjer Seite alles aufgeboten, um ben Unterhalt bes rufgfdjen fjeeres gdjerjuftellen: 
immer von neuem flagte Bcnnigfcn über Perpgegungsfdjroierigf eiten, bie iljm jebe Bewegung 
unmöglich machten, unb lieg bie (Truppen, bie er einmal, gegen ITTitte ITTai, bereits $u einer 
Kngriffsbemcgung $ufammenge 5 ogen gatte, wiebet auseinanbergegen. „Parturiunt montes“, 
meinte ^riebrid; IDilljelm. Dabei mugte ber König „mit blutenbem fjetjen" 5 ufefjen, wie 
bas reidje Canb an ber 21Ue verwüget, bie unglücflidjen (Einwohner ausgeplünbert, genüg* 
ganbelt unb vertrieben würben. Die graufamftc (Enttäufdjung für ihn war es, ab er ftch 
allmählich überjeugte, bag aud; bie längere perfönlidje Knmefengeit Kleranbers feine 
©rbnung in bie eingewurjelten ITligbräudje im rufgfdjen fjeere bringen werbe. „3dj fdjänte 
midj in bie Seele bes Kaifers", fdjrieb er feiner ©cmaljlin. 3 n folcfjer Stimmung verlieg 

23 » 



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ber "König am 20. 2 Tiai bas ruffifcfje Hauptquartier, wo bie ©rlcbigung 6er biplomatifcben 
«Sefd^äfte ihn länger als et gewünfcht feftgeljaiten hatte, un6 ging mit Kaifer Klejanber 
nach fjeiligertbeit, am ^rifdjen Raff, um öort fein eigenes flcincs Cruppenforps ju befidjtigen. 
€r erfüllte 6amit crtMicfj einen IDunfch, 6en Königin Cuife fefjon wieberholt, Dorftdhtig aber 
nachbrücflich, if)m angebeutet Hatte. ©r überreicfjte £’©ftocq, öer für ben Sieger non preufifdt* 
©ylau galt, bas gelbe Banb bcs Schwaben Kblcrorbens , uert eilte Blebaillen unter bic 
Solbaten unb richtete ermuntembe IDorte an fte, „fo gut ictj es pertuoebte" — wie er felbft 
befdreiben fcfjrcibt. Dann eilte er weiter naefj Königsberg ju feiner ©ematjlin, bic et in 
biefer ganjen c ?>eit nur einmal befuebt Ratte , wäljrenb Kaifer Kleyanber nach Ciljit reifte, 
wo ruffifche Derflärfungen erwartet würben. 

IDenige (Tage nur waren ^riebrief) IDilljelm unb £uifc in Königsberg wieber pereinigt, 
als bie llnglücfsbotfcbaft eintraf, bajj Banjig, naebbem ein fcRlecfjt angelegter Rilfspcrfuch 
unter großen Deriuften gefcf; eitert war, am 26 . ITTai ehrenooll fapituliert habe. ©in neuer 
Schlag für £uifcns Hoffnungen! „Banjig! Banjig! ift baljin", fcfjrcibt fie bem Bruber, 
„feit geftem in frattjöfifchen Ränben ! in biefen perljajjten, über alles gräflichen Ränben". . . 
Kber fie bleibt ungebeugt, fein ©ebanfe an Sonbcrfriebe, an (Trennung pon Kujjlanb. 
„©laubc besfjalb nicht, bajj mein ©eift auf ber ©rbe liegt, fo gebeugt, bajj ich ben Kopf 
nicf)t mehr heben fann . . . ITas aus uns werben wirb, weif ©ott. Doch gebe ich Dir &ie 
lleberjcugung, bajj gewifj nichts gegen bie ©Ijre preujjens getan wirb, ©in Scparatfrieben 
ift ein Bing, was wir gar nicht fennen. ITtit bem Kaifer ift fo eine Jntimität, in ben 
Kabinetten auch, nnt hoben uns fo mit £eib unb Seel’ an ben guten ©ngel pcrfcfjriebcn 
(nicht an ben Doftor Jauft wie ^aftrow wollte), bajj nichts in ber IBcll gcfcheljen fann, 
als mit ihm unb burch iljn. Biefe Beruhigung gibt mir bann Kraft, wenn alles in fcfjmcren 
©ewitterwolfen neben mir unb um mich ift, unb ber ©ebanfe, ber Jrattj ben ©rften fo ftarf 
belebte, als er auch im gröjjten llnglücf war, Tout est perdu, hormis l'honneur, foll mich 
ftarf machen bis in ben (Tob " . . . 

Königin £uife begnügte fich nicht mit Klagen; fte perfudjte noch, ba KbRilfe 5U fdjaffen, 

wo fte am nötigften fchien: in ber Rührung bes rufftfehen Reeres. Ber König hatte ihr 

angebeutet, bajj Klcjunbcr, felbft unjufrieben mit Bennigfen, an bie Ucbcmaljmc bes (Ober- 
befehls benfe, unb bajj bies wohl bas hefte wäre, wenn er nur gute Katgebcr fänbe. Sie 
entwarf am (. Juni ein Schreiben an Kaifer Kleranber, in bem fie, unter lebhaften Be« 
fcfjwcrbcn über Bennigfens Untätigfeit, bettt Kaifer ben IBunfcfj äußerte, er möge ftch 

felbft au bie Spitje feiner lorbeergefrönten Krmee flellett. Sie crfchraf bann hoch über bie 
Kühnheit ihrer Bitte, unb Rarbenbcrg, ben fte wieber um Kat fragte, empfahl ihr, 

230 






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ben Kusbrurf igres Munfcges megjulaffen unb nur bie Hoffnung auf neue rufftfege Siege 
bei guter Ceituttg 6 er Cruppen ausjufpreegen. Die Königin miQfagrte 6 em Bedangen 
fjarbenbergs, 6 er 6 as abgeän 6 erte Segreiben felbft 6 em Kaifer nadt Cilfit überbradjte. 

IDenige (Tage fpäter fanötc fie Klejranber einen jtpeiten Brief, biesmal roefentlicg 
perfönlidjen 3"g <, I !s - Sie gebadjte benagten fjersens bes 10. 3uni, 6 es erften (Tages 6 er 
|jufammenfunft, bie fünf 3 agre notier in Memel ftattgefunöen Ejatte , un 6 6 et für igr 
3nnenleben fo bebeutungspollen Befanntfdjaft mit Kaifer Klejanbcr. 3"^ em f lc igu 6 aran 
erinnert, beflagt fie jugleitg, bag 6 as „Ungeheuer Bonaparte" 6 ie unfdjulbigften ^reutib» 
fegaftsbanbe ju jerr eigen perftanben gäbe unb fie baburd) bes ©lüdes beraube, bem Kaifer 

in igrent eigenen Canbe, in (Tilgt, non mo fie einfl ben erften Brief an ign- geftgrieben, bie 

fdjulbigen <£fjren 5 U ericeifen. Kber fte rüfjrt bodj audj an bie politifdje Seite biefer 
Bejiegungen. Die Unmanbelbarfeit feiner ^freunbfdjaft für ben König, fo fagt fte igm, fei 
jegt itjre einzige fy>ffnungsqueile. (Dgne ign mürben ber König unb fie felbft perlemen 
müffen 5 U goffen. 

€s fdjeint faft: bie Mitteilungen bes Königs über bie <3 u ftänbe in ber rufftftgen 
Krmee unb über bie madifenbe ©ppofttion gegen Kleyanbers polifif gatten ^coeifcl unb 
Beforgniffe in Königin Cuife ermerft, bie nur 3 U balb fid) traurig bemagrgeiten follten. 

tt?as ber jäge IDiberftanb pon Danjig nicht pcrmodjt gatte, bemirfte etiMicg beffen 

Jaü: Bennigfen, ber nun eine ©ffenftoe Bapoleons befürdjten ntugte, aueg mogl pon 
feinem Kaifer aufgerüttelt mürbe, entfdjlog fug jegt felbft an ber KOe auftpärts jurn Kngriff 
porjugegen. Bacg einigen unbebeutenberen (ßefeegten fam es am 10 . 3uni füblieg Bartenftein, 
bei f^eilsberg ju einer 5<glad)t, in ber bie Xuffcn unter erfolgrekgcr Mitmirfung preugifdjer 
Kapallerie einen un 5 meifelgaften Sieg errangen. 

Königin Cuife, bie gcrabe an bemfelben Cage Königsberg perlaffen unb natg jmölf* 
ftünbiger ^agrt in brücfenbfter fjige Memel erreidjt gatte, crgielt bort erfl 3 mei (Tage fpäter 
bureg einen Boten igres ©emagls, ber fidj in 3 mif<gen 3 U Kaifer Klejanbcr nadt tTUfit begeben 
gatte, bie IXacgricgt non bem ruffifdjen Siege. Der König gielt bie Scglacgt tatfäcglüg für 
einen bebeutenben (Erfolg, menn er aueg nadj allen trüben ©rfagrungen ber legten Monate 
feine grogen Hoffnungen baran fnüpfte. Die Königin mar „auger fteg por Jreube", fte 
eilte felbft ju Köcfrig, um bem unbefegrbaren pefftntiften bie Siegesnacgridjt ju bringen. 
Nafdj füllten fteg bie Stragen mit jubelnben Menfdjenmaffen; bie Mufif ber (Barbe fpielte 
por bent E)aufe ber Königin. Cuife mar uncnblieg glücflidj, befonbers über ben Siegesanteil 
ber tapferen preugifegen fegroarjen fjufaren. Bei allebcm — eine rücfgaltlofe ^reube mollte bodj 
nidjt in igr auffontmen. „(Sott molle jebe Hiobspoft pergüten," fegrieb fte am näcgjlen 

2M 



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3m Kriege 



Cage bem König, „es wäre ju graufam. 3d? muf Dir freilidj gefielen, bajj nach ju 
großen Unglücfsfällen mein fjerj jidj nidjt pöllig unö mit gan$er guDerftdft 6er ©lücfs« 

Hoffnung überlaffen fann. 3cf) bin gar ju Ijod; pon meinem fjimmel geftürjt IDer 

fönnte mehr als Du un6 ich an 6er nationale!;« leiten? UHr haben noch pielcs gut $u 
machen, aber mit ©ottes fjilfc werben wir cs auch. Kbicu, abieu. ©ott wolle fernerhin 
bie nicht perlaffen, bie an ihn glauben unb auf ifjn hoffen ewiglich." 

Cuifc hatte faum biefc feilen gef dj rieben, am 13. 3uni, als bie befürchtete „bjiobspoft" 
eintraf unb bie ftürmifch laute ^rcube in cbenfo tiefe Biebergefchlagenheit perwanbelte. 
Bennigfen, um nicht in feiner rechten .flanfe überflügelt ju werben, hatte an ber Zille 
abwärts ben Kücfjug antreten müffen. „Da lies, fo gewinnt Bennigfen Schlachten unb 
fo perliert Bonaparte fte" — mit biefen IDorten fanbte ber König iljr bie Bach richten über 
Bennigfens Kücfjug. 3 tDC > tage fpäter, am 15. 3uni, traf ber König, trüber Khnungcn 
potl, felbft bei ber Königin in Kieme! ein. 

3n ber Jreube biefes IDieberfehens ahnten beibe nicht, baf fchon am Tage porher 
ihr Schicffal entfehieben war: am H- 3 un ' hatte bei ^rieblanb in einer neuen Schlacht 
Bapoleon bas rufftfdje Reer rernichtenb gefchlagen. 



:s 2 





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Ccifel 18 




Königin Cuifc 

©flijcmälSt reit llTeiame Pigce It Srun, (so;. Jlusf^nilt 



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siebtes Kapitel 

Äöntgirt fuife in Cilfit 

(180?) 



ypt« rtad^ridjt pon 6er Hieberlage 6er Ruffen bei ^rie6lan6 gelangte am (6. 3uni natfj 
Rccmel, nur einen (Tag fpäter, naebbem bort König ;Jriebridj IT tl beim III. un6 Königin 
Cuife ftrf) »icber pereinigt Ratten. Der König blieb gefajjt un6 ruhig; er fjatte roenig gehofft 
un6 6arum »enig perloren. Sein ©roll »an6te fich gegen Sennigfen; er meinte, un6 mit 
i^m felbft mancher Ruffe, fo oiele ^eljler fönne 6er ©eneral niefjt oljne geheime Ubficbten 
begangen Ijaben. Die Königin, öie noch eben 6en Sieg 6er Ruffen bei fjeilsberg in jubelnber 
f)offnungsfeligfeit gefeiert Ijatte, »ar tief entmutigt, faft perjmcifelt; aber fie fan6 bal6 (Croft 
unb fjalt in iljrem fefjlicfjten ©ottpertrauen un6 in 6em erljebenben 23e»uftfein eines Unter« 
ganges mit Clären. Das ©tbifche in Königin Cuifc, ibr fittlichcs jeb blieb erleben über 
©lücf unb Unglücf, über Sieg unb Xlicöerlage. Die garten Sdncffalsfcbläge ftäljlten bas 
fonjl fo »eiche ©emüt: unerfdjrocfen unb ungebeugt ftanb fie unter ben (Trümmern itjres 
©lücf es. Unb nie offenbarte fiel) ber Reichtum ebler ©efüfjlc, ber jte befreite, tiefer unb 
fchiner als in ben Keuferungen gerabe aus biefen Unglücf stagen: Briefbenfmale pon 
unvergänglichem IDerte, in benen ber ftol$e Schmer} nicht perbienten Unglücfs ergreifenbften 
Uusbruef finbet. „©laube an uns," fchreibt fie bem B ruber, „benn »ir glauben an ©ott 
unb bie Cugenb. 3a, fo lebt unb fütjlt ber eble UTenfcb unb fo erhält er fief; Triebe in 

:53 




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Königin £uifc in Cilftt 



feinet Bruft, menn bes Sdffcffals Stürme übet ihn ftadjen , menn Königreiche untergeben, 
menn bas Cafter ffegt." Unb an ben Pater: „3®*i Croggrünbe tjab’ idj, bie mid) über 
alles ertjeben; ber erfte ift ber ©ebanfe, mir finb fein Spiel bes Schicffals, fonbem mir 
fteben in ©ottes fjanb unb bie Porfebung leitet uns; ber $meitc, mir geben mit ©Ijren 
unter. Per König bat bemiefen, ber lüclt bat et cs bemiefen, baf er nicht Sdjanbe, fonbem 
©b K mill. preugen mollte nicht Sflaocnfetten tragen. Hud) nicht einen Sd)ritt b at ber 
König anbers banbeln fönnen, ohne feinem £l)arafter ungetreu unb an feinem Polfe 
Pcrtüler ju merben. IDic biefes ftärft, fann nur ber fühlen, ben roabres <£fjrgefüf)I burdi« 

ftröint Hoch einmal, befter Pater, mir geben unter mit ©b rtn » geachtet unb gefehlt 

pon Pationen, unb merben immer unb eroig Jreunbc haben, meil mir cs perbienen . . . 
Pod; eins $u 3b tcm £rog, nämlich bag nie, nie etroas t>on unferer Seite gef<beb«n roirb, 
roas nicht mit ber ftrengftcn ©b tc perttäglidi ift . . . Per König gebt mitten im Unglücf 
ebrmürbig unb charaftergrog ba" . . . 

Uud; in biefen Stunben, mo bie Perjmeiflung nach ihrem fersen griff, nicht einen 
Hugenblicf bat Königin Cuifc bereut ober nur bebauert, mas mit ihrer ,§ugimmung gefcheben 
mar. 2Uochte fte bie folgen beroeinen, mie fte fpäter einmal gefagt bat, nicht bas prinjip 
ber ßanMung — ©b rc unb Selbftgefübl — unb nicht bie fymblung felbft. Pas ftolje 
Bcmugtfcin, recht unb fittlicb gcbanbclt ju haben, blieb ihr unerfchüttert. „2luf bem IDcg 
bes Hechts leben, gerben," febrieb fte bem Pater, „ja menn es fein mug, Brot unb Sal 5 
effen, nie, nie merb ich unglücflicfj fein . . . Pur Unrecht, nur Unjupcrläfftgfeit bes ©uten 
unfererfeits bringt mich ju ©rabe, ba fommc ich nicht b* n , benn mir fteben ju b oc h“ ■ • • 

Bei allebem mar bie Königin barauf gefagt, bei meiteren Jortfdmtten bes ^einbes 
über bie rufftfcffc ©renje ffüdjten ju muffen, menn ge auch entfchloffen mar, bis jum 
Ueugerften ausjuharren, um biefer Pemütigung ju entgehen. ,,©ott mirb mir helfen," 
fehrieb fte, „ben trüben Kugenblicf }u begehen, mo idj über bie ©renje meines Seiches mug. 
Pa mirb es Kraft erforbem, aber ich hefte meinen Blicf gen fjimmel, pon ba alles ©ute uttb 
Böfe fommt, unb mein fefter ©laube ift, er fcfiicf t nicht mehr, als mir tragen fönnen" . . . 
3« ihrer Umgebung rüftete man fdjon jur flucht auf bie Schiffe ober über bie ©renje 
hinrncg nadj Kiga. 3 n beffcn trafen roieber beruhigenbere Pachrid)ten ein über ben ge» 
ftdjerten Hücfjug ber preugifd) * rufftfdjen (Truppen, bas langfanic Pachrücfcn ber ftegreichen 
^rattjofen, ben StiUftanb ber Operationen an ber UTemel, burd; bie beibe fjecrc getrennt 
blieben. Pie ©cfaljr, bie einen Uugenblicf in unmittelbarer Pähe gebroht hatte, fdjien 
mieber in bie jeme gerüeft, fo bag König ^riebrich IDilbelm felbft am 20. 3uni früh 
ITTemel perlaffen fonnte, um nach Sjaml ju reifen, einem ©ute bes dürften Suboro in 

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Königin £utft in Eitflt 



Samogitien, tnotjin itjri Kaifer Hlejanber ju einer ^ufammenfunft gelabert Watte. bjarben« 
berg war bereite babin porausgegangen. 

,Jür bie in Stemel 5 utücfbleibenbe 'Königin fam eine qualpolle < 0 eit bangenben fjarrens, 
Cage, in benen bie bunfel por iWr fteft ausbreitenbe ^ufunft nur (eiten nod) pon einem 
fjoffnungsftraljle erhellt würbe. (Einigen Croft unb juroeilen eine (Erweiterung gewährte itjr 
ber Umgang mit Prin 5 e(fin IDilljelm unb prinjefftn €uife Habjiroill, mit benen fic aud; 
jeßt Ttod; niandjmal im Hingfpiel ^erftreuung fudite. 3 n Stemel ging ber Cärm friegerifdjer 
Stiftungen tpeiter, auf ber Uefjrung tuurben Scrf d)anjungen aufgetporfen, im J)afcn Kanonen» 
boote bewaffnet; unter Öen ^enftem ber Königin porbei jogen in langen Seiten bie ISagen 
5 ur Quaibrücfe. Die Stabt füllte ftdj mit ben ^lüditlingen pon Königsberg, mit perwunbeten 
Hüffen unb preußen. 3" ber Hot unb Spannung bes Kugettblides beruhigte junädjft bas 
©erüdft pon bent ilbfdjluffe eines IDaffenftillftanbes, bas ftdj balb nad) ber Hbreife bes 
Königs perbreitete. Die Stimmung neigte fdton ju einem ^rieben. Sei ben unfäglidjen 
Ceibcrt unb ber Erfdiöpfung bes Canbes, bei ber gegenfeitigen (Erbitterung jwifdjen Hüffen 
unb preußen, bie burd; bie lebten unglüdlidjen (Ereigniffe tpenn nicht Ijernorgerufen, bod; 
gefteigert war, erfdjien auch für Preußen bie ^ortfeßmtg bes Krieges als eine Unmöglicßfeit. 
Unter ben Hüffen perlautete, bie Preußen perbienten nid)t, was man fdion für fic getan 
Wabe; pon ben preußen würbe laut auf Sennigfen gefdjolten, ber ftd; an ben für bie Urmee 
beftimmten fieferungen bereidjert Wabe. Zuweilen fdjnteicfjelte man ftdj mit ber Stöglidifeit 
einer KusföWnung mit Hapoleon; es hieß fd;ott, ber Kronprittj folle iWm bann f (breiten 
unb um Hücfgabe ber Unbenfcn an ^riebridj ben ©roßen unb anberer geraubter Jamilien* 
ftüde bitten. 

Da aber famen aus Ssawl Sriefe bes Königs mit ber Sadj ridit pon einem pölUgen 
Umfdjwungc ber politif Hußlanbs, bas nadj einer Serftänbigung mit ^ranfreid) übereifrig 
Winftrcbte, non ber DerWanblung über einen ruffifcben IDaffenftillftanb, wobei pon franjäfifdier 
Seite bie (Einräumung ber nodj perteibigten preußifdjen .feftungen pillau, ©raubenj unb 
Kolberg geforbert würbe, fogar pon ber U)aWrfdjeinlid)feit einer ^ufammenfunft mit bem 
„Slenfdjenfreunbe" Hapoleon. lüie tief perleßenb unb erfebütternb brangen biefe Hadiridjten 
in bas 3nnerfte ber unglüdlidien Königin! Serjweiflungspoll faW f(e jufammenbredjen, 
worauf fie mit gläubiger ^uoerfidit immer gebaut Watte. Der Hbf all Hußlanbs insbefonbere 
fdjmerjte unb entrüftete fie, oWne freilidj iWr Dertrauen in Kaifer Uleyanbcr ju jerftören. Sie 
glaubte noch, nad; 2lrt bes früWer geplanten Horbbeutfdicn Sunbcs, an bie IHöglidifeit eines 
großen norbifdjen Sunbes, bei bem „alle für einen, einer für alle" fteljen follten. 3 1 ' einem 
rüWrenben Sriefe fleWte fte ben Scbwadjen unb Ungetreuen um Sdjuß für iWren ©emaWW 

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für ihre Kinber. „Sic werben," fdirieb fie ihm am 25. 3 un ’< «in biefem graufamen Kugen* 
Mief nicht ^bren freunb unb eine Sadie perlaffen wollen, bie 3hrem fjtrjen immer teuer 
gemefen ift; auf bies fjerj, bem alle ©ugenben eigen fmb, grünbet ftdi alle meine fjoffnung 
für bie ^Jufunft . . . Kdj, lieber Detter, pcrlaffen Sie uns nicht! . . . Kleine ©cfunbljeit 
ift burdi all biefe Unruhe etwas geftört, . . bodi mag idj erliegen, wenn nur ber König 
gerettet wirb, wenn nur meine Kinber ein Coos, eine ^ufunft haben, wenn nur ber König 
unabhängig, glücflidi lebt, wie glüdlid; wäre ich, bafür bas ©pfer ju fein." Klien ihren 
l>ajj unb alle ihre Perachtung warf bie Königin auf Benntgfen, ben Beficgten pon f rieb’ 
lanb, — ber in feinen Zlufjeidjnungen hoch mit hoher Bewunberung pon ihr fpridjt — 
unb auf ben ©rofjfürften Konftantin, bie ©riebfeber ber neuen ruffifdfcn politif. ,,3d) 
fönntc ihn prügeln," fdirieb fie, „unb feinem ^rcunb unb Pcrteibiger ins ©cfidit fpeien." 
JTtit einer gewiffen Sd)abenfreube hörte fie, bajj Konftantin Polen erhalten folle, bas gönnte 
fte beiben: ben polcit foldien fjerrfdier, bem ©rofjfürften foldt ein Polf. ^iel fdion ber 
Knfang ber Unterhanblung, ber IDaffcnftillftanb, fo ungünftig aus, wie fehlest mujjte ba 
ber ^riebe werben. BTit bitterem Sdmterje buchte bie Königin ber fdiwcren ©pfer, bie 
Preufcn für bie ^ortfe|ung bes Krieges gebracht hotte — unb nun bei ber Dummheit unb 
Böswilligfeit ber anberen, fo piel tapferes Blut unnütz pergoffen! 

2JTit wahrhaftem ©ntfefeen aber erfüllte fie bie Hachricht pon einer beporftehenben 
(Öufammcnfunft ber ZTtonardien mit Bapoleon. KUes, was rein unb cbel, menfdjlid) unb 
hodjherjig in ihr war, empörte fidj gegen biefen ©ebanfen. Sie perftanb cs itidjt, wie 
Kaifer Kleranber nach biefer ^ufammenfunft h'nbrängen fönne, nach bem ^ufammentreffen 
mit bem IHanne, in bem fte bie Bereinigung poii allem, was gemein, mit allem, was 
boshaft erblicfte. für ihren ©entahl felbft fürchtete fie gleidjfam eine (Entweihung, eine 
©ntfittlichung pon ber Berührung mit biefem „unreinen IDefen", biefem „fjöüenfohnc". 
Denn fo fehr fte felbft unter all bem Sd)recflid)en litt, was um fie her porging, fdjwerer 
noch laftetc auf ihr ber Kummet um ben ©emaljl unb beffen Ceiben, unb in rührettben 
IDorten fpenbete fie bem Unglücflichen ©roft unb fjoffnung. „€ebe wohl," fdirieb fie 
ihm, „möge her ©ott bes (Erbarmens Did) fegnen unb Dir bie IDohltaten erweifen, bie 
idj Dir münfcfie. Das ©cbet ftärfe Dich, er perlägt bie rtidjt, bie ihn nicht perlaffen. 
Ttur Stanbljaftigfcit , feine IZadigiebigfeit , bie Deiner Unabhängigfeit Uaditeil bringen 
fönnle . . . Kbicu, taufenbnial abieu, ©ott fei mit Dir, wie bie IDünfche Deiner freunbin, 
bie Dir fidjer ftnb." 

Unb nodj hotte fic faum bie Utöglidifcit einer 3 u fammcnfunft faffen wollen, als fie 
fchon bie iDirflidifeit felbft erfuhr. 



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Königin fnifc in (Dipt 



m 




21 m 2(-3uni war in Tiljit jwifdjen ruffifdjcn unö franjöftfdjcn SepoUmächtigten ein 
IDaffenftillftanö untcrjeichnct worben , bei 6cm juglcidi Jriebcnspcrbanblungen unö 6er 
Kbfcßluß eines IDaffenftillftanbcs auch jtrifeben ^ranf reich unö Preußen porbeljalten würben; 
6ie .Jorberung 6er (Einräumung 6er preußifeben ^eftungen batte Kaifer 2Uc;anöer für Kuß^ 
Ian6 juriiefgewiefen. Sei biefen Derbanblungen nun flellte Hapoleon 6ic injglicbfeit einer 
Vergrößerung Kußlanbs bis an 6ie IDcichfcl in Uusficbt, jeigte überhaupt ein fo unerwartet 
weites (Entgcgenfommen, baß pon rufftfdyer Seite mit njadjfenöer Sercitwilligfeit auf eine 
intime Perftänbigung mit ^ranfreieb, felbft auf 6en ©ebanfen eines Sünöniffes eingegangen 
tpuröe. IDic pon einem unwiberftehlichen Triebe fortgeriffen perließ Kaifer Klejranbet fefjon 
am 22. 3uni Sjarol unö erreichte nach furjem Uufenthalt in Tauroggen, u>o Jriebrich 
IDilbelm ftcb ibm wieöer anfebioß, mit öem König jufammen am 2^. 3uni picfhipößnen, 
einen ^Iccfen pon wenigen fjäufern, am rechten Ufer 6er Stemel, feine Steile mehr pon 
Jtapoleons Hauptquartier am linfen Ktcmelufcr in Tilftt entfernt. Hoch gegen 2lben6 
öesfelben Tages crfchien Hapoleons ©berljofmarfchall Suroc, um öen ruffifeben Kaifer ju 
einer ^ufammenfunft einjulaben. 2t uf einem .floß im ITTemelftrom trafen am näcbften 
Tage, 25. 3 un >> Hapoleon unö Ulcfanbcr jufammen, wäbrenb König .fricbrich IDilbelm, 
in einen rufftfdtjcn 2Tlantel gehüllt, inmitten ruffifcber ©ffijicre, unter ftrömenöem Kegen 
am Ufer wartenb jufah- IDelch ein 2tugenblicf in Preußens ruhmreicher ©efchiebtcl Ser 
König hotte injmifcbcn erfahren, 6aß Hapoleon bei 6er Vcrtjanölung über öen preußifchen 
IDaffenftillftanö picle Schwicrigfeiten mache, 6aß er bie (Entlaffung pon fjaröenberg unö 
Küchel foröere unö insbefonöcrc auf (Einräumung ber örei .feflungeit beftefjc. (Er fanö 
geraöe noch 5>oit , Kaifer Klejanber öapon in Kenntnis ju feßen, öem es gelang, öen 
franjöfifchen Kaifer pon biefen .forberungen porläußg abjubringen, fo baß einige Tage fpüter 
öcr preußifh * franjöfifche IDaffenftillftanö jum Kbfcbluß fam. 

2tm 26.3uni würbe auch König .friebricb IDilhclm ju einer ( 3ufammenfunft mit öen 
beiöen Kaifem mehr jugelaffen als eingelaöen. Ilapoleon jeigte ihm öabei eine höflich« 
Kälte, feinerlei juporfommenöe 2tuf merffamfeit ; er ließ feine Kbneigung gegen preußen, 
obgleich « r «in* Unterhaltung über öie .friebensbebingungen permieö, öeutlich öurchblicfen. 
Sem König imponierte Uapoleons Haltung feineswegs, fic fchien ihm recht gewöhnlich; bas 
„Ungeheuer" flößte ihm einen IDiöerwiDen ein, öen er nicht ju perbergen wußte. <£r 
fühlte tief öen pollfommen unausgleichbarcn ©egeitfaß jwifeßen fich unö öem gefrönten 
Sohne bet Kenolution — ein ©egenfaß, öcr auch ouf öer anöercn Seite empfunöen 
unö beinerft würbe. Sie Einbrüche öiefer erften ^ufammenfunft waren bleibenö unö 
entfeßeibenb. 



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Königin tuife in (DIfrt 



Der ganje Derlauf ber ^ufammenfunft uni iie babei gepflogenen Befprecljungen 
entflammten aufs neue ien jomigen SAmerj ier ftoljcn Königin. Der papillon auf iem 
Htemelftrom war nur mit ien 3nitialen ier Hamen Hapoleons uni Kleyanbers gefcfjmücft; 
ier Jranjofenfaifcr unterließ, iem König feine Umgebung porjuftellen; er fchloß itjn aus 
pon feiner (Tafel. IDie iurfte iiefer (Teufel, „ier fiefj aus iem Kot emporgcfchwungen," 
einen König in ieffen eigenem fanie fo ju beijanieln wagen ? „Hun, es lebt iodj nod) 
ein (Sott, ier wirb iljm fefjon ien £ofjn geben, ien er perbient." Uni was oerlangte 
Hapoleon? Die (Entfernung fjarienbergs, oon iem er gleidifam eine (Ohrfeige erhalten su 
haben behauptete, fjarbenbergs, ieffen politif ier Königin ebenfo gefiel, wie fle feine ©efehäfts* 
gewanitheit uni feine ©efAicflichfcit befoniers im Umgang mit ient Könige fchätjte uni 
ien fle icsffalb für unerfeßlich hielt. £eiAter in ier Cat erfefflenen iffr iic geforierten 
Kbtretungen, fo fehr ihr £?erj an ien alten prcujjifAen „Kemprooinjen", Kltmarf uni 
UTagicburg, hing, als ias ©ebot ier Entlaffung fjarienbergs. H)as fle aber am meiften 
beängftigte, war iie furcht, iie unausgefproAen aus allen ihren Briefen in jenen (Tagen 
herausfehaut, iic ^urcf)t, iafl Hapoleon iie UTortardiie ^rieiridjs ies ©roßen ju einem 
Kheinbuniftaate herabiniefen werie. Sie fal) fefjon ien ihr perljaßten ©cfaniten Hapolcons, 
£aforeft, wie einen franjöflfchen präfeften in Berlin fehalten uni malten. Blochten ganje 
propinjen, mochte iie l)älfte ies Canies oerlorcn gehen: was ihm blieb, follte ier König 
frei beberrfhen uni beglücfen, nach eigenem Hechte, nicht gebeugt unter ien IDillen Hapoleons, 
nicht unterjocht uni ernieirigl wie ein Kheinbunbfürft. 

Unter folchen Einirücfen uni Empfiniungen, in iiefer uerjweiflungsoollcn Stinnnung, 
iie ien Untergruni ihres innerften U)cfens erfAütterte uni aufwühlte, in ohnmächtigem 3 orn 
uni leiicnfchaftliAem SAmerj , jugfcich in oetjehrenier SebnfuAt nach fjilfe für ihr Ijaus 
uni ihr £anb, reifte Königin £uife ier fhwerften Prüfung ihres £ebens entgegen. 

Km 29. 3 uni hatte iie Königin im Kreifc ihrer Kinier ien ©eburtstag ies prinjen 
Karl gefeiert, unfrohen Ijerjens, in wehmutspolier Erinnerung an ien glücflidjcn (Tag por 
feeffs 3 af?tcn, ier ihr ien iritten Sohn gefhenft. Km näAften (Tage erhielt fle einen Brief 
ies Königs mit einem Schreiben Kalcfreutljs, ier nach iem Kate eines Ungenannten — es 
war ZTTurat — eine Keife ier Königin nach Cilflt empfahl, iie auch Hapoleon anfeheineni 
münffhc uni iie jcienfalls eine gute IPirfung haben werie. König ^rieirich U)ilh«lm, 
ohne rechte ZPillensäuferung auch * n btefem Kugenblicfe, hatte flh begnügt, ihr ien Brief 
mit ier Bewertung 511 überfenien, baß ihr iie Sache gewiß recht unangenehm fein würie. 

Der EntfAluß ier Königin war im Hugenblicf gefaßt. Der ©cianfe ies ^ufammen* 
treffens mit Hapoleon war ihr nicht ganj neu, nicht ganj überrafcheni, wenn fle ihn auch 

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bisfjer tote etwas Beflecfenbes t»on fief? abgeroehri hatte. Sdjon als fte aus Sjawl pon ber 
ZTWglidjfeit eiltet .Jufammeufunft 6 er Hlonatchen hörte, hotte fte ftdi glücflidi gepriefen, 
öurcf; beit unwegfamen Sanb 6 er Hehruttg por einem Befucfje Hapoleons gefd)üt;t ju tper 6 en. 
Unb ipieöcr, als fte pon 6 er ©inlabung Hapoleons an Klejanber, pon 6 er Unterre 6 ung auf 
6 cm $lo$ in 6 er ZHentel tjörtc , hatte fte mit bitterem Spotte gemeint: ob Seine HTajeftät 
Hapoleon, um bas ,feft in ©iffit ju frönen, nid;! audi fte einlaben werbe: fie liebe itjn fo 
feljr, unb es würbe ihr folche ^reube machen! Hun war bie Kufforbcrung ba, unb fte 
badjte nicht baran, ft di il;r ju entziehen. Sie hatte biefem Canbe unb feinem König fchon 
fo manches Stücf iljres Selbft hingegeben: follte fie ihnen bas ©pfer ihres Stoljes als Jrau 
unb als Königin weigern? Hie hätte ihre fjeigcnsgfite einen folchen Dorwurf ertragen. 
HHe fte auch ben 2 TTann pcrabfcheuen mochte, ber fie unb bie 3 hrigen ins ©lenb gejagt, ber 
ihr aus taufenb IDunben blutenbes geliebtes preufenlanb mit (fügen trat, ber „Quell alles 
Höfen", bie „©eifei ber IDelt", fte war bereit, nach Wftt $u eilen, wenn fte hoffen burfte, 
für ihren gemighanbelten ©emahl, ihr gemighanbeltes £anb etwas „©utes 511 ftiften". 
„Dann", fo fcfjrieb fte bantals an Küchel, „fliege ich bahin, wo mein tjerj nie fein wirb, 
unb trinfe ben IDemiui unb leere ben öedjcr mit ber IDürbe , bie ber preugen Königin 
jufömmt." llebrigetts gab fte noch feineswegs alles perloren, immer unb immer wieber 
ermahnte fte ben König jur ^eftigfeit, $u ftanbhaftem Kusharren; man fei nodj lange nicht 
fo weit, „Sammetpfötchen" machen ju ntüffen. 

3it quälenber Jlngfl unb Sorge perfloffen ber Königin bie nöchften Cage; mit flopfenbem 
fjerjen nahm fte jeben Brief aus picftupöljnen entgegen. IDohl hörte fte, bag Hapoleon im 
rafchen IDedifel feiner Caune auch einmal höflich unb freunbltch (ich jeige: er hotte nach 
ihrem unb ihres eben pon fcfiwerer Kranfheit genefenen Kinbes, ber Prinsefftn Klejanbrine, 
Befinben gefragt unb bem Könige bie Hoffnung ausgefprochen, bag aud) fte nun ihren 
^rieben mit iljm machen werbe; er hotte ben König ju ©aft gelaben unb bei bem HTaljlc 
fein ©las erhoben unb auf ihr IDohl getrunfen. Klient ber ©runbjug feines IDcfens trat 
hoch immer wieber abfdjrecfenb hernor, ber horte tjerrifche IDille, unb ebenfowenig perfdjwanb 
aus feinem Herhalten bie gleichgültige migaehtenbe Kälte gegen ben König, ber unter bem 
Drude ber auf ihn einftürmenben Katfchläge ficf> nach Klejanbers Beifpiel ihm befliffen 
unb pertrauenspoll ju nähern perfudjte unb ihm gelegentlich — er f a 9 t cs felbft — wie 
ein „IDadjtmeifter" nicht pon ber Seite wich. Die Königin iljrerfeits, bei bem IDorte Pont 
rieben, ben fte machen folle, gebuchte aller ber fdjmubigen Schmähungen, mit benen ber 
rohe Sieger fte in feinen Bulletins unb feinen Leitungen überhäuft hotte, unb bas ©rauen 
fam wieber über fte por ber Berührung mit bem 21bfdteuli<hen, beffen Möge Hähe entwürbigte 



25t 





unb entgttlicgte, unb, was Ufr eben noch faft leicht crfdjienen nxir, banor bebte ftc jegt jurücf 
rote por etwas Scgrecflicherem als (Tob. Sie wollte, falls ber König cs gegattc, geh cinfchliegen, 
franf werben, tfjr Bett nidjt perlagen, wenn nur bas Entfeglicbe igr erfpart bleibe. 

SUein, wie fie bem Könige fchrieb: fte follte ben Kelch bes Ceibens bis auf ben ©runb leeren. 

Die Jricbenspcrganblungen mit Hapoleon riieften nicht porwärts, bie längft perfpnxffcne 
fdjriftliche Etflärung über feine Kbgcbten lieg immer noch auf fiefj tparten. IDenn er auf 
Sdjlegcn, bas er juerft für feinen Bruber 3 cronK geforbert gatte, jegt perjidften su mallen 
fdjien, fo perlangte er um fo beftimmter alles pteugifche £anb möglich ber Elbe, womit ber 
König fictj ja fchon einperftanben erflärt Ijabe, unb polen, bas er einem dürften geben 
tpolle, ber u>cbcr Suglanb noch <Dcftcrreicfj beunruhigen fönnc. Bas alles erfuhr man aus 
flüchtig gingemorfenen Keugerungen, aus unbeftimmten Knbeutungen Hapolcons, bie Schlimmes 
fagten, Schlimmeres befürchten liegen. Slejranber felbft, fo erjäljlt Jricbrich IBilhelm, fiagte 
über bie Scgroierigfciten ber DerbanMung, über bie b)interlift ber napoleonifcgen Anträge. 
Er mugte ftdj juweilen pon Hapoleon wie ein „Scgulfnabe" ausfragen laffen: übet bie 
Bogmcn ber ortboboyen Kirche, über bie rugifegen Jinanjcn, über ben Ertrag ber £udc r» 
fteuer, über bie jährliche Einnahme aus bem peljganbel, über bas Dergällnis pon (Einfuhr 
unb Susfugr überhaupt. 

3u ^riebrich IBilhelm pollenbs hotte fich Hapolcons Pergältnis noch perfchlechtert. 
Ber König hotte geh baran gewöhnen müffen, aus picftupögnen, tpo er im Schulhaus 
wohnte, rcgelmägig nachmittags nach bem neutral crflärtcn unb ron gen (Truppen ber brei 
Illächte befehlen (Tilgt gerüberjufommen unb an allen Berangaltungcn teiläunegmen, bie 
Hapoleon für feinen neuen rufgfdfen jrcunb in Ssene fegte. Er mugte bas Korps, nor 
bem er bei Kucrftebt 5 urücfgewicgen war, unb anberc franjögfche (Cruppen manöpricren 
fegen, an beren Kusfcgen unb Haltung unb felbft an beren Htugf er manches ausjufegen 
fanb. Er trug ben ©rben ber Ehrenlegion, ber „fföllcnlegion", wie er ge nannte, unb fpcifte 
fpät abenbs in brei Bicrtclgunben ju mittag, was alle igm teuren Cebensgewogngcitcn auf 
ben Kopf gellte. Er atmete jcbesmal auf, wenn er (Tilgt unb ben ITtemelgug im Süden 
gatte unb mieber in feinem füllen Scgulgaus in picftupögnen fag. Er fonnte unb wollte 
gicg mdg barin gnben, bag gerabe ign bas Segicffal in eine fo perjweifelte tage gebracht, 
bag es gerabe ign, ben ^riebferügften aller ZTtenfcgcn, aus feinem galb länblicgen, galb 
gögfcgeii Stilleben gerausgerigen unb neben einen KIcrunber unb einen Hapoleon auf bie 
Bügite bet IBelt gegellt gatte. Er ermag bie Klug, bie ign pon bem einen wie pon bem 
anbern trennte. Ber Egrlicge gärte nicht auf geh $u perwunbem, wie Kaifer Klcjranber, 
an begen ^reunbfegag er gleidfwogl feftgielt, geg fo leicht unb rafeg in feine neue Solle 

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7 . ,/_ chez 

•-' jlm 7 : 



i^7 £ & ßfttuie wilderen, e oü le baren Hardenberg hit aiissi. II dina>ici, 

^ chez 1# Roi, Hardenberg, Ifrinckmann et l’waroff et les notres* 

lu MonsTetir, if ne vTnt ijtle tard, cetait le grand ecuver M "d< 

me lew de labte, I* Reine »int c»«uite, il ft« de* rtemand 

ftlt uMe. RtazR.exudtlie, jrofts retjumames avec. la Keine et 1 l_tm>, 

-* ^■‘rwT/ xjCo i ^j, ~ 0 f f_ V~i 70 * T / Va 

de ne^ pomtan£^a^flsi(^ee «jin me fit grand plaisir, i<Ja aorait oenote tropTl*i 

£7 **) 7 ~} 4^Äni4Ha aytÄ'TRnifibrem. .^^»öuÄVrpelmea le, tbe. le Jo** et la duuica*6' 1 

loug^ient avec nous. _\ljr^3, 
etc assez rüste *pas 

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y ‘ , passe 1(^ pont vol^lnt ef'arriyd'i Tilsiu< r j iruH 

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fcjek/ , vu *Rt- dW. '1‘itut. *•!«*.. ^»0^1 

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u ’lii fjin'^6 v JjoiV 1 MörrSb limi/E eIo» .iisi&la hai^ iä arn iu^vaix Jü»iiT t 13 JU Jnroq an 9b 

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TVppvfc*wi| bafl^ ofct-Ö/ 'MftMfa iWififJbot illJ liovV iki/ucNi sn , -> ■ v> 

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^Ui.r Kt?*' kiA 4t'-'' üt»!f *1 UÄ*H| jtsi o!f wjjfiiSi 'iHiiliiö/ 11 , l^nusJ e «i»V iirl \-ji: ■ tJinilir. 
wft itmtM «ll ;;KwagK>aaniMO' • tta»U 1 UfooBKiM ; bki ’iö-j^üÄ! Sfftifid fif) ab rii.rä (I 
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Königin fnife in ItlfH 




gefunben tjabe, wie er auf Hapolcons fripole Scherjc eiligere unb ftcfj ganj an feinem 
plage $u füllen f chcine. t für Hapolcons perföitlidjfcit fehlte es ifjm feineswegs an Her 
ftänbnis. (Es ifl hoch eine feine unb fluge Bemerfung, mit 6 er er Hapoleons IDefen un 6 
juglcidj öeffen ©egenfag $u feiner eigenen Hatur glücflidj djaraftcrificrte, wenn er t>on iljm 
fagte: „Ulan braucht ifjn nur einmal reiten $u fegen, fo erfennt man 5en ganjen Hlann. 
(Er geljt immer in Karriere, unbefümmert was tjinter iljm fällt unb flürjt. €r hat ein 
pferö, worauf er fich octlaffcn fann, unb fo ifl er fieser, wenigftens fich burdjsubringen. 
Das ifl benn bic fymptfadje." <£r bewunberte fogar in gewiffer IDeife ben franjöjifdjcn 
Kaifer, ben Umfang feiner Kenntniffe, bie Klugheit feiner Kegicrungsgrunbfägc. IDie fchabe 
nur, meinte er, bag ein foldjer Kopf lieber bie ©eigel als ber lüobltäter ber HTenfdjljeit 
fein wolle! Denn babei blieb er: Hapoleon war für iljn ein „hämifdjer (Teufel in Hlenfdjen» 
geftalt", unb nadjbem ihm fein Unnätjcrungsperfudj mißlungen, war er um fo mefjr bemüht, 
gegen biefen „Upenturicr mit feinem fatattifdjen £ädjeln" fich nichts 5 U pergeben. 

Hapoleon feinerfeits perbarg nid)t bas Hligfallen, bas iljm bes Königs ganje perfön= 
liebfeit cinflögte; er fpottete übet fein Benehmen, fein Ueugeres, bie ,3a bl feiner ©amafetjen- 
fnöpfe. (Er perwies ibn auf bie Klüngel im preugifefjen Staatswefen unb im preugifefjen 
bjeerc unb belehrte ihn überlegen, wie man regieren müffe. Hör allem aber: er permieb 
nach wie por mit ihm jebe politifcbe Unterhaltung. (Es bieg, er gäbe gefagt, mit bem 
Könige fei überhaupt feine Herljanblung möglich; unb aud) Ulepanber follte gef lagt hüben: 
ber König wolle immer ben ,3wecf, aber nicht bie Hlittel; er perberbe alles. 

U>o war in biefer Hot bjilfe 5 U fiuben? Sollte bie bejwingenbe Unmut unb €iebens= 
würbigfeit ber Königin, ber „fee enchanteresse“, bie fünf 3afjre früher bei ber ,3ufammen 
fuuft in Hlemel ben ruffifdjeti Kaifer bejaubert hotte, nicht jefet bet bem ^ranjofenfaifer 
ein U)unber wirfen? Hapoleon felbft, fo erfühlte man fich, habe ju Ulejranber gefagt: „3cb 
bin gewig, bag bie Königin bie politifchen ©efchäfte weit beffer als ihr ©entahl beljanbeln 
würbe." Hiebt mehr Kalcfrcuth allein, auch fjarbenberg glaubte jegt an bie HTöglidjfeit 
eines IDunbcrs. Sie überjeugten ober überrebeten ben König, ber fich anfangs fträubte, 
„bag eine cinjige Unterrebung ber Königin mit Hapoleon mehr bewirfen werbe, als alle 
ihre Herhanblungen", unb am 2. 3 l, l* fehrieb ^riebrich IDilljelm feiner ©entahlin: „fjarbem 
berg bittet mich feinen Uugcnblicf ju perlierett, um Deine Seife 5 U befchlcunigen, ba bie 
Uugenblicfe foftbar fmb, unb was für bas ©ute gefdjcljen fann, fchnell gefd)eljen mug . . . . 
IPaffne Dich mit IUut, unb benfe nicht mehr an Hlöglidjfeiten, bie nicht permirflicht werben 
fönnen, fonbern an bie Zwangslage, in ber wenigftens preugen fich befitibet, nadjbem Suglanb 
feinen (Entfdjlug gefagt tjat." 



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2t m 3. 3uli, man feierte in Klentcl gerade ben ©eburtstag öes Prittjcn UKlljelm, 
Srubers öes Königs, erhielt Königin Cutfc Öen Brief, öcr fte in fo öringenöen IDorten jur 
Seife nach Picftupöljnen aufforöerte. Pie Königin gefjordjte: fte fühlte fidj im Pienfte öes 
Königs unö öes Paterlanbes, fte wufte ftch in öer bjanb hbfcrer ©eroaltcn. Pem Könige 
antwortete fte: „3<h fann Pir feinen größeren Beweis meiner Ciebe unö meiner fjingabe 
an öas £anö, öem ich angeljörc, geben, als inöcnt ich baljin fomme, wo ich nicht begraben 
fein möchte." Km nächften Cage }um ©eneral Kcffel noch wie ein Kuffdjrci öes unglücflichen 
(Opfers: ,,©s ift mir, als wenn i<h in Öen (Tob ginge, als wenn öiefer KlenfcJj mich würbe 
umbringen [affen; er bat meine ^amilic, er bat ganj Preußen unglücflich gemacht." Klan 
tröftete fie: „nur fte allein fönnc öem Sdjicffal eine beffere IDcnöung geben, öiefer ©ebanfe 
möge fte aufridjten." Pann, unter taufenö tCräncn, nahm Königin Cuifc Kbfdjieb unö beftieg 
Öen Klagen, öcr fie öurch öic im frifcheften ©rün prangenöen ©beiten Citauens non Kieme! 
nach picftupöljnen trug, öem forftfdjen 3mperator entgegen. 

3n öem pcrjmeiflungsDollcn ©entüte öer Königin war fein Saum für öie fjoffnung. 
„Je me Hatte de rien“ hatte fte auf öen Befehl öes Königs erwiöert unö fdjon porljer bet 
einem Silbe Hapolcons hatte fie an ihren Cieblingsbidjler Schiller gebacht, an öas IPort 
öer Klaria Stuart por Königin ©lifabetlj: „Kus öiefen 3ü9«i fpricht fein fjerj." IDas fte 
unterwegs noch bureb einen Brief öes Königs erfuhr, öie 3 ur ücfnahmc öer für Kbtretung 
öer linfselbifdjen Canöe anfangs öurch Kapoicon pcrfprodjcuen ©cbietsentfchäöigung im 
Umfange poii etwa 600000 ©inwotjncm, öie auf Kapoleons wieöerljoltes ©ebot polljogene 
©ntlaffung fjaröenbergs, öie Schwäche Klepanöcrs gegenüber Kapoleon, erhöhte öie Per« 
jtpeiflung öer Königin, ftärftc aber juglctd) ihren ©ntfdjluf, alles was möglich f c ' für bas 
IPohl ihres Canöes ju perfuchen. 

Hach jcljnftünöiger .fahrt, am 4. 3uli gegen Kbenö, begleitet pon ihrer ©berljof« 
meifterin ©räfin Bojj, öcr Ijoföame ©räfin (Ccmenpicn unö öem Kammerherm non Buch, 
traf Königin Cuife in picftupöljnen ein, wo fte in öem Meinen einftöcfigen pfarrljaufe 
abftieg. ©egenüber lag öie IDotjnung öes Königs. Pie Königin empfing noch am Kbenö 
fjaröenberg, öer fte für öie Unterreöung mit Kapoleon porbereiten follte. So hatte fte felbft 
gemünfefjt, öenn, wie fte fagte, fte wollte woljl „par coeur“ mit Kapoleon fpredjen, aber 
nicht „de cceur“. Sorgfältig las unö bewahrte fte öie Katfdjlägc, öie fytrbcnberg ihr auf« 
fchrieb; fte würben öic ©runölage ihrer Unterhaltung mit Kapoleon. 

Km nächften (Tage, 5. 3“!', fam Kaifer Ktepanber, öer einige Sdjriftftücfc Kapoleotts 
ntitbrachtc mit Kngabett über öie .frieöensbebingungen; fte enthielten öie beftimmtc ^oröerung 
öer Kbtretung öer preujifebett Canöe littfs öer €lbc, über öie Kapoleon perfügen follte, 

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Königin Jtuife in gilfit 



unb rechts bcr Klentel, um Huflanb eine natürliche ©renje 5U ftdjern, wofür preufen 
anöcrroeit entfcfjäöigt werben fönne. IDöhrenb 6er Kaifer mit 6cm König un6 6er Königin 
fpeifle, fam Hapoleons ©berftallmciftcr Caulaincourt, um öie Königin ju ihrer Knfunft ju 
beglüefwünfehen un6 nach ihrem Befinben ju fragen. Der Kaifer bebaucre, bas neutrale 
Cilfit nicht perlaffcn 5U fönnen, werbe aber bie Königin, wenn fte nach Cilfit fomme, befuchen 
unb einlaben. Caulaineourts Komplimente würben höflich erwibert; bem fteifen unb eitlen 
Formalismus feines Rcrm gegenüber hielt man es aber für angemeffen, bie Seife ber 
Königin nach Cilfit sunädjft noch t^inaus^ufdjicben. Die Königin fprad) bann mit Srincf« 
mann, bem fcfjwcbifchcn ©efanbten am preufifchen fjofe; feine teilnehmenben Keuferungen 
erwiberte fie mit ben IDorten, bie ben gansen Kbgrunb ihres Sdimcrjes bejeidjnen: „ 3 ch 
bin erft breifig 3 a h r e, aber ich habe mich febon felbft überlebt." 

Km ZTacbmittagc bcs 6. 3 “ü «ft, naebbem fie am Dormittage noch ben perhaften 
Bennigfcn gefprochen, fuhr Königin tuife — fte hat uns felbft biefe Fahrt gefchilbert — 
mit bem Kammerherm pon Buch, ben ©räfinnen Dof unb Cauentjion, geleitet pon einer 
Kbteilung preufifdjer ©arbebuforps, mitten burch rufftfeh« unb franjöflfcfje Truppen, bie bei 
ihrem Knblicf bewunbembe Kusrufe laut werben liefen, wäfjrcnb in ihr felbft £jaf unb 
Kbfcheu wieber aufflammten, jut ITTcmel unb über eine Fäh« 5“ bem nahen Quartiere bes 
Königs, ber ihr nach Cilfit poraufgegangen war. Unterwegs hatte Kalcfreutl) fte begrüft, 
ber ihr noch einmal für bie Unterhaltung mit Uapoleon gute (ehren ju geben fucfjte. Bei 
bem Könige traf fte Kaifer Kleranber unb ©raf ©olf, ben Hacbfolger fytrbenbergs als 
Ulinifter bes Kuswärtigen: beibc waren troftlos über ben Stanb bcr Derbanbluttgen ; beibe 
befchworen bie Königin, in ber bie Iefte Hoffnung ruhe, ben Staat ju retten. 

Sie hatten faum einige IDorte mit bcr Königin gewechfelt unb ftch bann entfernt, 
als bie Knfunft bes franjöftfchen Kaifers gemelbet würbe, ©r felbft im fehlichten buttfei» 
grünen Unifonnrocfe, mit weifen Unterfletbem, aber umgeben pon einem grofen unb 
glättjenben ©efolge, in bem por allen 2 Tiurat burch bie bunte pracht feiner Uniform auffiel. 
Pon bem Kammerherm pon Buch auf ber Strafe, pon ber ©berhofmeifterin unb ber fjof» 
bame an ber fyiustüre empfangen, eilte Hapoleon bie Creppe hinauf - — ein Kugenblicf, 
unb er ftanb auf bem Flure ber Königin gegenüber. 

Die Schönheit ber Königin, bas perfidem alle Kugcnseugen, ftrahltc niemals heiler 
als in ben bunflen Tagen pon Cilfit. Die glänjenb grofen Kugcn in Schwermut leicht 
perfchieiert, bie fonft fchon $ur Fülle neigenbe ©eftalt, bie jetjt burch jebrenben Kummer 
3U jartem ©bcnniaf perfeinert, pergeiftigt fchien, gehüllt in ein weif es ftlbetburcbwirftes 
Krcppfleib, beffen Falten anmutig an ben fdflanfcn ©liebem herabfloffen, auf bem biegfamen 




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I)al(c bas ftolj erhobene ftaupt unter bem perlenbiabem — fo ftanb Königin Cuife ba, in 
Sdjntcrj uni» (Trauer, in hingebenbem (Opfermut eine rüfjrcnöe Perförperung non grauen 
fdiönheit unb t frauenbof)eit. Per Anblicf Uapoleons brachte ihr eine Uebcrrafdiung. Per 
König hatte ihr gefagt, er Ijabe etwas ©emcincs in feinem Ausfeljcn, fie fonnlc bas nicht 
finben. Sein Kopf erfdjicn ifjr non fchöncr t form, ber Ausbrucf ber (Reficfjisjüge perriet 
ben Pcnfer unb ben fjerrfdjer; befotibers gefiel ihr ber läd)clnbe IHunb, unb an ber ganzen 
(Erfcbeinung erfannte fte ftaunenb ben (Typus ber Cäfaren. Aufatmenb unter bem unerrpartet 
günftigen Einbrucfc, frei unb unbefangen trat fie ifjnt entgegen unb lief ftef) non itjm in 
ein ^itnmer führen, währenb ber König jurücfblieb unb fich mit Hl u rat unterhielt Sic 
fprach ihnt ihr Bebauern aus, baß er eine folche Treppe ju ihr habe tjinaufftei^en muffen, 
beftagte mit leifer Ironie für ihn unb feine (Truppen ben Aufenthalt im norbifeb rauhen 
Preußen. Hapolcon, ettpas perlegen, wie bie Königin bemerfen wollte, antwortete mit 
Komplimenten. Pann, ohne Schwanfen, ohne Scheu, fam bie Königin rafch auf bas, was 
fie hv’ r gcführt h Jttc - Per Kaifer, fo begann fte, habe fie angeflagt, ftdj juoicl in politif 
5 U mifchen, ein Porwurf, ben fte nicht perbient 5 U hoben meine — Hapolcou unterbrach 
fie mit ber Beteuerung, baß er felbft biefe Ausftreuungen nicht geglaubt habe — glcicbpicl, 
fte wolle ihn aufflären über beit Schritt, ben fie tue. Ab (Sattin, bie bes Königs Beforg- 
niffc unb Kummer teile, unb ab Hluttcr müffc fte ben 21ugcnblicf bonufecn unb freimütig 
mit ihm fprecheti. Sie fönne nicht amtehmen, baß er feinen Sieg mißbrauchen werbe. 
Icapoleott erwiberte, cs fei nicht feine Schulb, wenn es }uni äußerften gefommen fei; 
preufett Ijabe nach ber Schlacht pon 2lucrftebt jebcs freunbfchaftlichc Abfommen jurüefgewiefen 
unb feine Porfchläge nach Eylau faum angehört. Pie Königin erinnerte mit Kocht baran, 
baß bie ^riebensperhaitblungen nach Aucrftebt nicht pon Preußen abgebrochen feien, ging 
aber auf bie Erörterung ber Pergangcnheit nicht weiter ein, fonbern wiebcrlwltc, baß fte 
ab Hluttcr ju ihm fpreche, ber bas Schicffal ihrer Kinber am Ijersen liege. Auf bie Per« 
ßdjerung Ttapoleons, baß pon ber Pcmichtung Preußens nicht bie Hebe fei, bemerfte ße: ber 
^riebe bürfe aber auch bie Pcmichtung in ^ufunft nicht rorbereitett, preußen brau die einen 
erträglichen Jriebett. Sie gebe fidj feiner Täufchung über bie Sage f;iu unb miffc, baß 
®pfer gebracht werben müßten. Aber man folle hoch pon preußen nicht proninjen trennen, 
bie feit 'wbrhunbcrten baju gehörten, man folle ihnen nicht Untertanen nehmen, bie ihnen 
wie Cieblingsfittber teuer feien. Sie fpradj pon bem preußifdjen Polfe, bas feinem Königshaufe 
fo rührenbe Beweife ber Anhänglichfeit gebe unb an bas fte mit fo pielen Banben gefettet 
fei. Sie bat für bie liufselbifdjett Canbe, namentlich für Hfagbeburg, bas ihnen befotibers 
wert fei. Hapoleon perwies auf bie allgemeinen politifdjen Kombinationen, bie ben befonberen 



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Hücffichten oft entgegenftänben. Dann ccrfudjto er abjulcnfcn. IPie es feine Urt war 
Damen gegenüber, begann er non Coilettefragcn ju fprechen, in benen er gern Öen Kenner 
ju fpielen liebte. „Sic tragen öa ein febönes Kleiö," bemerfte er. „IDo ift es gearbeitet? 
in Breslau? Ulacht man Krepp in 3*! ren .fabrifen?" „Sollen wir pon pu$ rcöen in 
biefem Uugcnblicfe?" erwiberte bie Königin. Unbeirrt Ienftc fte jurücf. Bor bet fjölje 
ihres fittlichcn «Ernftcs pcrftummtcn Uapoleons leicfjte Sch er je; er muffte, er bat es fpäter 
felbft geftanben, it>r bie Rührung ber Unterbaftimg laffen, ber erflen, ber einigen pielleicbt, 
bie er nicht beherrfebt unb geleitet hätte. nochmals fuchte fie ben IDcg ju feinem Iferjen, 
ju feinen ebleren (Befühlen. Hache fei beffen nicht würbig, ber fie miberftanbslos ausüben 
föitne; feine Siege würben ibm hoppelt (Ehre machen, wenn er fich auch Hechte auf Danf* 
barfeit erwerbe. Stanbbaftigfeit im Unglücfe fönnc in feinen Uugen fein Unrecht fein. 
(Er werbe bie Ulanen jfriebrichs ebren, inbem er beffen lDcrf nicht jerftöre; bas (Benie 
werbe bas (Benie achten. Ulit rübrenben UJorten pon (ßüle unb (Ebelfinn, pon (Brojjmut 
unb fjoebherjigfeit — UDorte, bie ihr TDirflichfciten bebeuteten, bem anberen nur ibeologifcbe 
Pbrafen — fuchte fie bem Unbannberjigcn Ulitleib unb Hfenfchlichfcit abjugewinnen. Sie 
fpracb unb bat — „ein Seelenergup gegen ein Jjerj pon Bronje", wie fie fpäter fagte — 
aber ihre Bitten jwangen ibm nur Komplimente ab, höfliche, freunblichc IDorte, „wir 
wollen feben, ich werbe baran benfen." Unb boeb, fo glaubte inan bamals, nach Ueufferungen 
Hapoleons felbft, fam ein Uugenblicf, wo ber Unbeugfame ju fefteren <5ufagen willig febien, 
als ber «Eintritt König .friebrich IDtlhcIms III. ber Uuterrebung, bie febon faft eine Stunbe 
gebauert, ein (Enbc machte. Hoch einige Komplimente, fühl unb gemeffen wie fonft, eine 
(Einlabung ju (Tifche, unb Uapoleon fprengte bapon, in feinem 3>incrn rieUeicbt bewegt, aber 
unerfebüttert, unerbittlich wie bas waltenbe Scbicffal, bem er felbft fo gern ftcb perglicb- 

X)offnungsfrob blieb Königin Cuife jurücf. Ufas fie bem (Bcgncr abgetungen hatte, 
waren nur I)öflichfeiten, weniger als halbe Berfprecbungcn, bie ben Sieger ju nichts per* 
pflichteten, in bas fjerj ber Unglücflicben aber wie I)immelstau gefallen waren, fjatte fie 
hoch fo wenig erwartet! Um Ubenb fuhr fie jum (Elfen ju ihm; er empfing fte auf ber 
Straffe, h°b fie aus bem IDageu unb führte fie hinauf. Der Berlauf bes Hlaljles, an bem 
auffer bem preuffifebett Königspaare unb Uapoleon noch Kaifer Hleranber, prinj fjeinrich 
pon Preuffcn, Kronprinj Cubwig pon Bayern, (Srofffürft Konftantin, Ulurat unb bie 
(Bräfin Bojf tcilnafjmcn, fteigerte noch bie freubig bewegte Stimmung ber Königin. Die 
Unterhaltung war lebhaft, felbft fcherjenb. Uapoleon neefte bie Königin mit bem (Turban, 
ben fie nach bamaligcr Ulobe trug; bas fei anjüglicb für Kaifer Hleyanber, ber mit ben 
(Dürfen Krieg führe; bie Königin erwiberte, ihr (Turban fönne hoch höcbftciis ben Ulantelucfen 

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Königin Euife in Cilfit 



Kuftam intereffteren. ITlan fpracf; bann pon bem bcenbigten Kriege, pon 6er ©efatjr 6er 
Königin, in IDeimor burd; Hapoleons ftufarcn gefangen ju werben. 3 n 6iefcm ,3ufammen= 
bange mag es gewefen fein, baß Hapoleon fragte, wie nur Preufjen mit feiner geringen 
Stacht Ijabe einen Krieg gegen ihn anfangen fönnen, un6 bajj Königin £uife 6ie berühmte 
Hntwort gab: „Der Kuijm friebridjs 6cs ©rojjen fiat uns über unfere Hiittel getäufdit." 
Sor 6em Statten 6es großen Königs — tCallcyranö fjat es gefagt — wie Mein erfetjie« 
plö|lich Hapoleon! 3 nnt ttten 6es frcunölicfjen fjin un6 f)cr 6er Unterhaltung fonntc 6er 
„Meine (Tiger", wie 6en Korfen feine £anbsleute nannten, nicht umhin, juweilen 6ie Krallen 
ju jeigen. So wenn er eine Sängerin, 6ie einft auch feine (Beliebte geroefen mar, rühmte 
un6, jur Königin gewanbt, pon 6em £ie6e „Regina guerriera“ fprad). Dem HTitiageffen 
folgte eine neue Unterhaltung mit Hapoleon, bei 6er 6ie Königin nochmals ihre IDüufdje 
portrug, 6abei fehr eingebenb, melleicfjt, roie prinjeffin £uife Habjtnüll urteilt, ju eingebenb 
6ie Einjelheiten 6er f<hn>eben6en politifdjen fragen erörtemb. Sie bat, fcfjeint es, nochmals 
befonbers für 2tTagbeburg, wollte eine Hofe, 6ie Hapoleon ihr bot, nur mit 6em Dcrfpredjen 
6er Hücfgabe UTagbeburgs annehmen. 

Die fjoffnungsfreube in öer Umgebung 6er Königin ftieg b®b* r - Klepanber unb 
auch einige f ranjofen beglücfipünfchten bas Köuigspaar ju bem (Erfolge, ben 6ie Königin 
errungen. Hapoleon felbft follte ju Kleyanber mit höd)fter Knerfennung pon 6er Königin 
gefproefjen haben, pon ihrem ©eift unb ihrem Seelenabel; er toäre geneigt, etwas für fie 
ju tun: ftatt ihr eine Krone ju nehmen, wäre man perfudjt, ihr eine ju fügen ju legen. 
Der Königin fdgen bas Ergebnb bes (Tages in hoppeltet fjinficht bebeutungspoll unb 
porteilhaft: pon Hapoleons perfönlicfjfeit unb feinem ZDcfen hatte fie einen nicht ungünftigen 
Einbrucf gewonnen; polilifdj hielt fie ftdj $u ben heften Erwartungen berechtigt. Schmeidjelnbe 
f)offnungsträume, bie nur eine furje Sommernacht währten! 

fjatte Hapoleon feinerfeib eine Enttäufdjung erfahren? Scheute er bas perabrebete 
jweite 3 u famntentreffen mit ber Königin? fürchtete er für ftdj einen 2(ugenblicf bet 
Schwäche, bie HTöglichfcit pon ^ugeftänbniffen? Um ber HTenfchheit willen möchte man 
es glauben, baj? auch c ' n 2?apoleon ben rüljrcnben Sitten einer unglücf liehen Königin 
nachgeben ju muffen beforgte. Um wenigften roahrfcbeinlich ift, wenn es auch am preufifd)en 
Ijofe faft allgemein unb felbft pon ber Königin geglaubt würbe, bajj Calleyranb einen 
©efmnungswechfel herbeigefüfjrt habe. U>ie bem fei, ilapoleon, ber mit Kujilanb jum 
Einperftänbnis gelangt war, befdilog auch mit preugen ein Enbc ju machen, ©leid) am 
nädjftcn Hormittage, 7 . 3uli, lieg er ben ©rafen ©olg rufen, bem er in fchneibenb harten 
IDortcn bie 23ebingungen anfünbigte, unter benen, ohne 2luffd)ub unb ohne Serhaublung, 



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Känigin £uif< in Cilfit 



ber Triebe 5ioifdjen ^ranfreidj unb prcugen gefdjloffen roerben muffe. IDas er bcr 

Königin gefagt, feien nidjb als fjöflidjc pfjrafen gcmefen; 6er König 6anfc feine (Erhaltung 
nur Kleyanber, ofjne ifjn mürbe er 6ie Bynaftte perjagt un6 feinen B ruber 3 erornc jum 
König non Preugen gemalt fjaben. (Einen Verfudj non ©olg, 6urd) fjinmets auf 
politifdje 3ntereffcn BTilberungen ju erlangen, mies Ha po Icon fdjroff $urficf. „IDas tjat 
3br fjerr," rief er, „in 6ie tDagfdiale ju legen, mas mid; peranlaffen fönnte, itjni beffere 
Bebingungen ju gemähten? KUe Banbc jmifdjen uns finö jerriffen, idj beöicne mid} 
meiner Kedjte. (Euer König Ijat mid; baju gejmungen. Die tjeit 6er Verljanblungen ifl 
porüber!" Un6 als ©olg, mie Königin £uifc, burdi Berufung auf feinen (Ebelmut feine 
©itelfeü 5U rühren pcrfudjte, bradi er los: „Bas erfle <E>efüt?I, bas mid; in biefem Jlugen« 
blief belebt, ift bas bcr Hadje, einer perfönlidjen Kadje. 34 t?abe eine intime KUianj mit 
preugen gemünfdjt ; lange habe idj alle ©ajolerien angemanbt, bie mau an eine Ijübfdje 
^rau pcrfdjmenbct; einen Kugen blief habe tdj mir gcfdjmcidjelt, fte gemonnen $u tjaben, 
aber biefc unfluge Kofette t>at alle IDelt täufdjen mollen, unb ift enblid; gefallen als Opfer 
ihrer eigenen Creulofigfeiten . . . 34 fenne itjn fegt, (Euren König," rief er bann aus, 
„idj fenne iljn ausmenbig non einem (£nbe bis 3um anberen; biefer ITlann ift nidjt gemadjt, 
bie Vergangenheit ju pergeffen; er bat mir emigen Sag gcfdjmorcn, ich meig es, idj fütjlc 
es, er l)at mid; $u fetjr beleibigt, um auf eine perfönlidje Verföljnung redeten 3U fönnen, 
unb id) mitl nidjt bie Bupe einer foldjen politif mie bie (Eurige fein. ZDemt bie Kadje 
mir bie Pemidjtung preugens ab ©rogmadjt biftiert, fo merben meine politifdjen Kombi- 
nationen bie 3ntereffen ^ranfreidjs ft eher ju gellen miffen." Bann fpradj er pon ber 
Königin: „Sie ift nie meine ^reunbin gemefen, idj meig es moljl, aber idj pergebe es itjr 
leidjt. Kb Jrau Ijatte fte es nidjt nötig, bie politifdjen 3ntcrejfen genau abjumägen. Sie 
ift für ifjre 3tnpetuofttäl beftraft, aber fdjlieglidj, ge Ijat Cfjarafter im Unglücf bemiefen. 
Sie Ijat mir über üjre Stellung mit pielem 3 ntcrc ff c gefprodjen, oljne irgenb einen Sdjritt 
3u tun, ber iljre lüürbe beeinträchtigen fönnte. Blatt mug iljr bie ©credjtigfcit miberfaljrcn 
laffen, bag fte feljr perftänbige Binge gefagt Ijat, unb meldjes audj iljre Vorurteile fein 
mögen, fte Ijat mir menigftens meljr Vertrauen bemiefen ab ber König, bet cs nidjt für 
augemeffen gehalten Ijat, mir bas feine ju fdjenfen." 

Bie Bebingungen, mie fte bann (Calleyranb ben preugifdjen Bepollmädjtigten ©olg 
unb Kalcfreuth oorlegte, jeigten feine Sput einer milbemben (Einmirfung ber Königin. Sic 
erfdjienen eher nod) fdjmercr, noch brüefenber ab früher: bie (Elbe ab ©renje, bie Kbtretung 
bes grögten (Teiles ber polntfdjen (Ermerbungen preugens, moraus ein f)erjogtum IDarfdjau 
für ben neuen König pon Sachfen gebübet roerben follte, mährenb ein Stüef an Kuglanb 






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abgetreten mürbe, Derjicfjt auf ben Perfebr mit Englanb, Gablung 6er nach rücfftänbigen 
Kontributionen. Calleyranb bemerfte 6a bei ausbrücflich, bag Ulüberungen niefit ju erwarten 
feien un6 bag 6er Triebe in jwei (Tagen unterjeidjnet fein muffe. 3 n ber ^ at blieb jeber 
Derfudi einer fkrabfeßung 6er franjöfifeben jorbenmgen pergeblich. €s fchien felbft, als ob 
Bapoleon nach feiner IDeife feine jorntge, ntitleiblofe Stimmung noch fünftlieb fteigere. Ulit 
König ^riebriefi IDilbelm fam es babei ju einem heftigen perfönlicbcn Zufammenflog, in bem 
fiefj ber bei beiben angefammeltc (Sroll Cuft machte. Kls Bapoleon non ber Perleiflung bcs 
fjerjogtums IDarfebau an ben König ron Sachfcn fpracb, bemerfte ber König in bitterem 
©rimni: „Das ift wohl bie Belohnung für ben Pcrrat, ben er gegen midi geübt“; worauf 
ein leibenfdjaftliebcr TDutausbrucb Bapoleons erfolgte. Kleranber, ber beibe laut fefjreien 
fjörte, eilte herbei unb fanb, wie er felbft erjagte, ben König „ganj rot ror Z otn "> ben 
Kaifer „grün por lPut". IDährcnb Kleranber beruhigenbe U)ortc fpracb, fdjric leapoleon: 
„3a wolfl, ich bin boshaft, idi bin racbfüd)tig unb pcrjciljc nie perfönlidie 3"fultcn, bas 
ift mein (ßrunbfatj unb babei bleibe icb". Er batte ein (Scfötjl bapon, tpie bie Saat bes 
ffaffcs, bie er felbft hoch ausgeftreut, in preugen aufgehen werbe. „Sie perlangcn," fagte 
er ju Klejanber, „bag icb mich mit einem ZITanne ausföhne, ber felbft in biefent Kugen 
bliefe bie tt)ut nicht perljehlen fann, bie fein Ifeij jerfrigt, unb ber biefe Empflnbungcn 
allen feinen Untertanen einflögen möchte. KUe preugen, wie fie finb, brennen por Begier, 
fleh an mir pcrfönlidj ju rächen, unb Sie wollen, bag ich >h ncn bic Büttel baju gebe? 
Hein, ba idi hoch auf feine aufrichtige Kusföljnung rechnen fann, fo mug ich es preugen 
unmöglich machen, je etwas gegen bic 3 n tercffcn ^ranfreichs $u unternehmen." 

Königin Cuife erfuhr biefe Porgänge, als fle am Bacbmittag besfelbett (Tages wicbet 
pon picftupöhiten in (Tilgt eintraf. Zweimal fab man Bapoleon an ihrem fiaufe porbei« 
reiten; boeb ber erwartete Befuch blieb biesmal aus. Bcrlhicr fam bann, bic Königin 
abjubolen. 3 n bemfclben Staatswagen, mit bemfclben Zeremoniell wie tags jupor, fuhr 
bie Königin ju bem prunfmable Bapoleons. Kber wie attbers waren biesmal Stimmung 
unb Unterhaltung! Bapoleons erhißter Unwille, ber Königin Cuife echte (Trauer, bie 
büflercn ITlicnen König ^riebriefj tDilflelms lafteten auf ber (Tifchgcfcllfdiaft. UDenig nur 
unb (Sleidigültiges würbe gefprodien. Erft nadi (Tifcbe fanb bie Königin (Gelegenheit, 
einige bittenbe IPorte an Bapoleon ju richten; eine rohe Kbweljr war bic Kntwort: „IDie 
fönnen Sie mir noch ju guter Ccßt etwas abpreffen wollen!" Die Königin fonnte nur 
ihrem Scbmcrjc Kusbrucf geben. Boeb einmal, fo berichtet wenigftens prinjeffln KabjiwiU, 
fpracb Bapoleon bann ron bent 3»tereffc unb ber Kditung, bie fle ihm einflöge unb bic 
er ihr beweifen wolle; bie Königin erwibertc: „Bas hängt pon 3h ncn «b, nodj ift es Zeit, 

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Königin £utfe in (Eilfit 

unfer ©lücf liegt in 3*) rcn fjänben". So f (hieben Cuifc unb Hapoleon porteinanber unb 
haben ftdj nicht roicber gefeiten. 

21 n bemfelben (Tage, 7. 3uli, würbe jwifchen ;franfreich unb Kuflanb ber ^riebens» 
pertrag unb ein Sünbnis unterjcicfjnet, bejfen ©runblagc, wie befannt, bie 21 ufteilung 
ber europäifdjen Cürfei unb ber genicinfame 21ampf gegen (Englaub biibeten. Kuch über 
preufens fünftige ©eftaltung würben babei fcfiou bie entfdjeibcnbcn Beftimmungen getroffen. 
21m nädjften Cagc, roäljrenb bie Königin in pieftupöhnen jurücf blieb, lief ftch ber König 
biird; Kleranbor wiberftrebenb beftimmen, mit feinem Brubcr prinj IDilbelm wicberum bei 
Hapoleon in Cilftt 511 fpeifen. ©rofi allem, was am ©age porher gefdyetjen, fdjetnt er noefj 
einmal eine politifdje Unterhaltung mit feinem unbarmfjersigen ^einbe perfudjt 5 U haben; 
Hapoleon wies ihn fchroff 3 urü<f: „Eure HTajcftät pergeffen, baf ich nur mit Kaifer Klepanbcr 
perhanbele". Km folgenben (Tage trennte man (ich: Hapoleon, nadibem er nodi uad] feiner 
©cwohuljcit eine theatralifdje Kbfdjiebsfjene mit bem ruffifdien Kaifer reranftaltet, eilte über 
Königsberg unb Bresben nach Jranfreid}, Kaifer Klcranber über Cauroggen nach Petersburg. 
König Jriebrich IDilhelm III., ber ftdi mit feinen Brübern Heinrich unb UHlljelm poh 
Hapoleon fürs perabfehiebet hatte, blieb mit ber Königin noch in Pieftupöhnen surücf, um 
bie Unterjeichnung bcs prcufifcbsfrai^öfifchen t friebenspcrtragcs abjuwarten, bie erft fpät 
abenbs am 9 . 3uli in Cilfit erfolgte. 2lm nächften (Tage feierte bas Königspaar nach Kieme! 
3 urücf, ber König jufrieben, baf alles porüber unb bie ^ufammenfüufte unb ilnterrebungen 
3 U Enbe, bie Königin in tiefftem Schmer} über bie erlebten Erfahrungen unb in cmften 
©ebanfen über bie neuen unb fehweren Kufgabcn, bie ihrer nun warteten. 

politifch, wie nicht naher ausgeführt 3 U werben braucht, war bie Keife ber Königin 
nadj Cilfit unb bie ^ufammenfunft mit Hapoleon ergebnislos gewefen. Unb hoch war 
ihre Knwefenljeit in ©ilfit pon hoher Bebeutung unb non grofer lüirfung für ihre Stellung 
in ber IPelt wie für ihr eigenes 3 eh. 

^ranf reich unb Kuflanb hatten in Cilfit über preufen unb Beutfchlanb bas Cos 
geworfen. 3 n Hapoleon unb Klcjanber fdjien bie ©cfamtmacht bes feftlänbifchen Europa 
rcreinigt unb perförpert, wie in ^riebridj IPilhelm bie preufifdje ©hnntacht. Bcutfdilanb 
war politifch tot. IPas pon Beutfchlanb rtod) lebte, beutfeher 3bealismus, beutfeher ©eift unb 
beutfdies ©emüt, alle jene lebenbigen Kräfte, bie bie fittliche unb geiftige unb halb auch bie 
politifdje IDiebergeburt preufens unb Beutfchlanbs herporriefen, fte hatten ben Healpolitifem 
Hapoleon unb Kleranber gegenüber ihre Perförperung gefunben allein in ber 3bealgeftalt 
ber Königin Cuifc. Bas empfanb man in Beutfchlanb, bas ahnte man felbft in ^ranfreich. 





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Jludj bie IDirfung auf Königin Cuifens Innenleben trar unb blieb fiärfer, ab man 
fundcbfl anneljmen mödite. 

Unter bem (Einbrucfe ber Hieberlagen ber preuftfdjen £)ee re unb bes jätjen ^ufammen* 
bruches ber altpreufjifchen IHonardjte batte ficb in Königin Cuife ein Umfdjwung porbereitet, 
ber burdj bie «Ereigniffe por unb bei ber ^ufammenfunft pon Oft! pollenbet rpurbe. IDer 
fo ®ie bie Königin auf ben flöhen glücffeliger fjoffnung unb burdj bie (Tiefen ber Der* 
jroeifluitg gewanbelt mar, wer bie Kugen einer IDelt auf fidj gerietet gefeljen butte, formte 
nicht trieber binabfhtfen in bie KUtäglidjfeit häuslichen Selbftgenügens. Das ©pfer, bas 
bie Königin gebracht unb beffen ©röfje fie poU empfanb, erhob fte über ftdj felbft: es gab 
ihrem IDefen tieferen ©djaH, böb ertn Schwung unb eine unvergängliche IDeifje. 

Heimlich mirfte boeb fdjliejilich auch bie IDanblung in ihrem Derbältnis ju Hapoleon. 

IDieberljolt ift ljier berporgeboben worben, bajs ber (Einbrucf ber perfönlidjfeü Hapoleons 
auf Königin Cuife anfangs feineswegs ein ungünftiger gemefen ift; es fann b' n 5 u gefügt 
werben, baff trog aller lEnttäufdiungen unb bet babureb bercorgerufenen »Erbitterung auch 
bie lebte IDirfung ber ^ufammenfunft in (Tilgt bamit jufammenftimmL Das fam junädjg 
bapon b«, bafj feit (Tilgt Hapoleons perfönlicbes Derbalten ber Königin gegenüber ein 
anberes würbe: bie rohen Ungriffe, bereit ^iclpimft fte gewefen war, perftummten völlig; 
fafl nie mehr anbers als in oft wohl abficbtlicf) übertriebenen Uusbrücfen fj&hg** Kehlung 
fpracb fortan Hapoleon pon Königin Cuife. <£s ift unperfettnbar, bag bantit eine gewiffe 
Beruhigung in bas tief perlebte ©emüt ber Königin einjog. (Es mag ihr baburdj auch 
erleichtert worben fein, in ben Kugenbticfen febwerfter (Befahren, wie fte ben prcugiftfjen 
Staat nur ju halb wieber bebrobten, ftd? brieflich unmittelbar an Hapoleon ju wenben. Doch 
wenige IDodjen por ihrem (Tobe fte felbft eine neue Begegnung mit ibnt für möglich 
gehalten, .ferner aber: Königin Cuife war bei bet ^ufammenfunft in Oft! bod; inne 
geworben, welcher Kiefe ben prcugtfdjen Staat ju Boben geworfen hotte, fie hotte gleidjfam 
perfönlid) bie fjanb bes Sdjicffals über gdi gefpürt. »Eine gewiffe Kefignation ntifdjt ftd; 
fortan in ihr ©efüfjlsleben, freilich ohne es aus$ufüllcn ober ju beberrfdten. 

Hein. Sie refignierte nidjt. Sic hotte bie ungeheure Uebennacht gefebett, bie äugen» 
blicflid) unwiberfteblich triumphierte; allein fte batte bodj jugleidj auch bie ftttliche lieber» 
legenbeit ihrer eigenen IDclt über bie IDelt Hapoleons ftärfet unb inniger als je jupor 
empfunbeu, unb ihr frommer ©laube jweifelte nicht an bem enbltdjcn Siege ihrer IDelt. 

Diefe .^ufunft , fo fern fte fdjeinen mochte, mitwirfenb porjubereiten, bann fab 
Königin Cuife gerabe feit (Tilgt ihre Hufgabe. 



:so 



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Hcuntcs Kapitel 

Königin futfe uni» ber ^reifferr pom Stein 

( 180 ? — 1808 ) 

I. 3« 2TWmel. 1807 

"i^er ßriibe war gefcfjloffen, Hapoleon abgereift, bas Königspaar nadj IHemel jurutf- 
gefelitt. ©n 2 lufafmen ging öurd; bie Canbe, bie bas ©liicf batten, noch preufttfd) 5 a 
bleiben. IDohl war bie Derwüftung entfehlid), furchtbar bas ©enb in ben ©egenben, wo 
ber Krieg julefit gewütet, befonbers in ben Canbftridjen jwifdjen Königsberg unb Cilfit 
unb felbft janfeben Cilftt unb HtenieL Diele Dörfer waren niebergebrannt ober cntoölfcrt; 
häufig begegnete man Bettlern, bie ©elb pcrfdjmäbtcn unb flctienb nach Brot fdjrien. 
2Iber bas Segenswort „ t fricbe" fdiicn Kühe. (Erholung, lüieberaufbau ju oerljeifen. 

21udj Königin tuife öffnete iijr Oerj wieber ber Hoffnung. 21 Is Königin, als 
©attin, als Iltutfer batte jie llnfägltdvs erbulbet, am fdfwerften piellcidit bas KeinmenfAlidje 
in % gelitten, if)r ©emüt, itjr inniger (Blaute an (Bitte unb ©röjje. „Seid) an (Erfahrung, 
arm an ©lauben," fo f ehrtet fte am 5. Kuguft 1807 bem Bruber, „lege id; mein mübes 
ffaupt an Deine Bruft. 21A, ©eorge, welches Sdficffal, welche ^ufunft, weldje Dergangenbeit ! 
3 ft es möglich, baf foldje 2 Ttcnfcben pon ©ott erfdjaffen werben, als id) habe fennen 
lernen? Die ©Uten tun bas Böfe, bie (Teufe! brüten es aus unb lernen es ihnen. Das 
tft, was id) gefehen habe pon 2 lngcfid)t ju 2 lngeftdtt. ©an$ erfüllt pon bem grafen 

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©eianfen meiner tjeiligeii pflidjt, flog idj nach (Tilfil uni fpradj ias, was mir ©ott 
eingab, allein id; fpradj nidjt 5 U einem IHenfdjen, foniern ju einem — ju einem IDefen 
oljne menfdjlidj Jjcrj." 

3 « iljrem finilidj fdjlidjlen ©ugeniglaubcn fjatte fie nidjl anöers meinen fönnen, als 
iajj ron einer ^ufammenfunfl ireier gefrönter fjäupter ein Segen für iie ZTTenfdjfjeit 
ausgeljen muffe. „Statt ieffen finic idj, als idj tiadj (Cilftt fam, einen ©oben, 6 er 
angebetet wiri . . . uni ier iie anieren beiien ©efrönten geraie$u mit ^üfen tritt" 
„27 ZTtarfdjällen uni ©enerälen bat er iie Domänen ics Königs in polen ocrfdienft uni 
iem Sadjfenföitig ias ausgefogene, unjufrieiene, Ijicbft unglücflidje £ani, was fo betrogen 
ift, wie nod; feines. Uni unfere UTagicburger, Ultmärfer, fjalberftäiter ufrn. an 
3erome König pott IDeftfalen. 3f* cs ä unt Ueberlebcn?" Sie tjatte ias 8 öfe taufcnimal 
fürdjterlidjcr gefunien, als iljr ©eift es gealjnt. Über audj Kaifer Klefaniers Derbalten 
batte ihre ©rwartungen bitter gctäufdjt, uni es erfdjütterte fte, „gute 2 flenfdjen untergeben 
ju feben, Ijoffnungen aufgeben ju müffen, iie auf Cugeni gebaut roarcti." 

Croftlos waren iie (Erfahrungen ier Dergangenljeit. Uni iie ^ufunft? ©ine ^ufunft 
ohne fjarienberg? Dem fjerm non Sdjlaien (cgi. oben S. 210 ) batte fte Kbfdjieisgrüfje 
an ien Sdjciienien aufgetragen. Kein ©pfer, lieft fte ibm fagen, würie iljr ju fdiwer 
fein, ibnt iljre ©rfenntlidjfeit ju bejeigen, uni nie würie fie iie rübrenien 23cwcife pon 
©eilnabmc uni ^reunifdjaft pergeffen, iie fte uni ier König pon ibnt empfangen bitten. 
Dem Sruier aber fdjrieb fte: „Ueber ien Derluft ron fjarienberg b fl| ( c >dj (Tag uni 
Hadjt. Der König batte ibm enilidj ias fo lange periiente Dcrtrauen gan 5 gefdjenft, 
fjarienberg tpar ibm fo attadjiert, wie Hiemani biettieien. Denn iie ©bre, ias fDobl 
ies Staates war ibnt Klles, feine perfon, fein 3^? nichts. IDie bat ftd; ier 2Tlattn 
betragen, ©eorge, wie ein ©ott! IDcnn nur ein ©eianfe an ibn felbfl ibn bcfdjäftigt 
batte, nein, nur mit iem Staat, mit ien 2Uitteln, wie ier nod) ju retten fei, wie iiefes 
getan, jenes pcrmieien werien müfjte, fo bewies er fidt, bis ia§ er uns ein ewiges Ccbe» 
woljl in pieftupöbnen fagte. 2 Uit iiefem Dilie ier waljren männlidjcn tEugeni erfüllt, 
muffte ich ienn ju iem Xlapoleon eileit, ier uns iiefes Kleinoi entriß, um ias 23öfe icfto 
leichter au uns ausjuübcn, weil er uns 3 ugleidj audj aller 2Tlittel beraubte, ias wieier 
gut 3 U madjett, was er mit teuflifdjer Kunft uni Jreuie fo b or riblc böfe uni perwicfelt 
gemadjt batte." 

©mftere Sorgen nod), bei iiefem 23licf in iie 3 u ^ un f*< fanten ier Königin pon ier 
perfönlidjfcit ihres ©entaljls, ies Königs. Sic mag wäbreni ies Krieges feine Un 3 uläng« 
lidjfeit gegenüber ien großen Kufgabcn ier <j>’tt beimlid; juweilen ftdj eingeftanien haben : 

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fein Kustjarren, feine ftanbljafte Bunbestreue gegen Klejanbet halten fcfiließlich bo<h ihre 
Bewunberung gewonnen. Der König war juleßt gejwungen worben, ftdj $u unterwerfen; 
allein wie ihr feines ctfyifdjes ©efühl iEjr richtig fagte: et war ftltlich frei geblieben, unb 
biefc fittliche ^frciljeil mußte 5ur politifdjcn führen, 6er J riebe, fo fdjmätjlicfj er war, preußen 
cinft Segen bringen. Kucf) öas Perfjalten 6es Königs träljrenö 6er Perfyanölungen in 
Cilfit billigte un6 würbigte fte; fte freute ftch, baß er nicht wie Klepanber 6er Citclfeit 
Papolcotts gcfchmeidiclt habe, un6 meinte, baß fein innerer IPcrt geraöe in Cilßt erft 
recht offenbar geworben fei. „Cr ift in biefem Kugenblicf nie! größer als bie, bie über 
ihn triumphieren, unb bie, bie als Perbünbcte uns haben 5ugrunbe gelten Iaffen! Hber 
ber gegenwärtige Kugenblicf ift nicht alles, unb um biefe ©röße $u bewahren, um $u 
bleiben, was man in ber öffentlichen IHeinung ift, muß man ßanbeln unb ba fängt meine 
Sorge an." 

Iwrbenbcrg hat bamals geurteilt, König Jricbrich lüilhelm hefige woljl ben Blut ju 
bulben, aber nicht ben Blut ju Ijanbeln. Heimlich entpfanb Cuife. Btit tiefem Kummer 
bemerfle fte, wie bie guälenbe Caft ber Cilfiter läge (Reift unb (Semüt ihres ©emafjls 
nachwirfenb ßerabjog. „IPas biefer Blantt gelitten, bcfcfjroibt ftch nidjt. Pierjeljn (Tage 
in bie Roller gefpannt, um ftch bie ärgften Sachen fagen ju Iaffen, wenn er alles aufbot 
aus reiner Paterlaiibsliebc, um feine älteftcn proi’injen wenigftens aus Ceufelsflauett ju 
reißen." Hun jeigten ftch „Kbfpatmung unb Hicbergefchlagenheit, Schwäche unb Sorg« 
lofigfeit unb bas alte mißtrauen in ftch felbft." Cuife fürchtete „Ungcfchicflichfeiten ba, wo 
mit etwas mehr Caft unb etwas weniger fyirtnäefigfeit alles ju gewinnen war." „Kus 
ber Raut möchte man fahren," fdjrcibt fte, „wenn man bas fo fleht unb nicht helfen barf." 

Cuife half hoch. Cs war in biefen fchweren Cagen wohl iljre fdjwerfte Kufgabe: 
ben Döllig niebergeworfenen König wieber aufrichten, non llebereilungen unb ilnbefonnen* 
heilen jurücf halten, ihm Blut, Hoffnung unb Pertraucn einflSßen. Cr buchte ernftlicf) baran, 
absubanfen: bie Königin hot ben ©ebanfen „mit aller 3 *tbignation" befäntpft. Unb wenn 
fte bann non ber Kücfteljr nach Berlin fprachen, fo mußte fte ihm ausreben, baß er aus 
Schamgefühl ftch nicht jeigen, „bei Pacht uttb Hebel" ftch in feine fjauptftabt gleichfant 
einfcfjleichen wollte. 

IPie hätte Cuife babei ber Derjmeiflung Kaum geben bürfen? Schon bie Pot 
wenbigfeit, bem ©ebrochenen als einige Stüße 3U bienen, hielt fte aufrecht. Kn feiner 
Schwäche erftarfte fte. Pas Bewußtfein Ältlicher Pflichterfüllung erhöhte jugleich bie Kühe 
bes ©emüts, bie in ber glücflichen Harmonie ihres IDefens feft wurjeltc unb ben Sdjicffals* 
fchlägen nott außen unerreichbar blieb. „IPas ftnb alle Hebel ber IPelt?" fchrieb fte an 



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igre alte .freunbin, Jrau pon Klcift; „wenn man nur ben ^rieben in feiner Brug bewahrt, 
erträgt man alles fo gut, unb bas ift mein t fall." Unb in megr religiöfer Färbung an 
bie fromme ©rogmutter: „lDas ift bas ©lücf gienieben? IDagt man barauf ju rechnen? 
fyit man niefjt fegt recht, bie Blicfe immer gen fjimmel ju wenben, wo unfere wagre 
Jfeimat ift, unb ben ©rögen biefer IDelt niegt juriel IDert beijumeffen, fonbem bas f)er$ 
ben ©ebanfen ju öffnen, bie uns über alles ©rbenleib ergeben?“ 

Bei allebcm war es für bas Königs paar wie für beffen Umgebung ein Segen, baff 
fic ben ganjen Umfang unb bie ganje Dauer ihres Unglücfs nicht agnten. 

^unäcgft fchien mit wiebergcrgeftelltem ^rieben alles nad) ÜJunfd; $u gehen. 21m 
12. 3uli war in Königsberg jwifegen Bertfjier unb Kalcfreutg eine Konpention abgefchloffen 
worben, wclcf;c bie allmäglicgc Käuntung ber pom ^einbe noch hefteten Canbesteile in 
begimmten Cerminen regelte. 3 n &rr »erliegen bie Jranjofen im 3“^ Königsberg 
unb ©ftpreugen bis jur paffarge. Uebet bie unfreiwilligen Bewogner lUcmcls (am eine 
goffnungsfroge Stimmung. UTan rechnete auf balbigfte Xücffcgr nadj Berlin ; man tjoffte 
baneben noch auf irgenb ein IDunber: auf bie güitftige UHrfung rufjtfdjer ^ürfpracfje, 
auf einen englifcg-fransSgfcgen ^rieben, bei bem preugen wenigftens ZTtagbeburg jurücf- 
erlfalten follte. 

So fanb man fiefj anfangs niefft allju fegwer in bas 2T!emelcr Derbannten leben. Das 
Klima jwar war Ijart 5 U ertragen. „Die Blätter fpriegen Ifier erft im 3 un *''> fegreibt bie 
Königin einmal, „unb bie früegte reifen nie." Die leiegtgebauten ffäufer erjitterten oft 
unter ber IDucht ber Scegürme, unb bis weit in ben Sommer lf inein mugte man geijen. 
Dann famen übermägig Ifeige unb troefene Cage, unb es entwicfelte geg eine 21 rt Babe- 
leben. igelte mürben am Straube aufgefcglagcn, ber König babete, wägrenb bie Königin 
pyrmonter Brunnen tranf. 2Uan lebte piel im freien, faft regclmägig würbe in bem 
©arten bei 2trgelanbers Ifaus, wo bie älteften prin^en mit ilfrem ©rjieger Delbrücf 
woljntcn, gefrügftücft unb Cce getrunfen. Kufgfcge, englifege, fegwebifege Diplomaten, 
barunter ©. 3<><ffon unb Brincfmann, belebten bie ©efclligfeit. ^ürftliche Befucher famen, 
bie auf ber 2?eife pon ober naeg Petersburg 2Ttcmel berührten, wie bie fferjogin Dorothea 
pon Kurlanb unb ber ©rbprinj pott 2Ttecflenburg*Scgwcrin. Die fferjogin fonnte bie 
Königin niefft genug rüfjmen unb bewunbern: „IDic rüljrenb erfefjien ge mir," fegreibt ge, 
„wie grog im Unglücf . . . Bewunbcrnswert für ben König, igren Kinbern ergeben, 
egrerbietig als Coegtcr, ausgejeiegnet als Scgwefter, pollfommcn als ^reunbin, begeigert 
für bie €gre igres Canbes, war ge bas ©lücf igres fiaufes, ber (5 au ^ cr bes fjofes unb 
ber Kugm igrer Untertanen!" 2Uan luftwanbeltc jufammen in ber Cinbenallce, wo prinj 

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Kabjimill mit feinem golbblonben Cöd)terd)en ©life por feinem tjaufe faf unb jumeilen 
jur ©itarre fang, ftäufige Kusflüge mürben nach tTauerlaufen gemalt, einem unmeit 
2TfemeI gelegenen ©rtc, beffen IDicfcn unb ©id)eu an paretj unb bie pfaueninfel erinnerten. 
Bort mürben im Kuguft bie ©eburtstage bes Königs unb bcs ©rbprinjen ©eorg gefeiert, 
mobei faft bie alte ^röljlidjfeit mieber bjcrrfcfite. Klan pergnügte fiel) auf bem 3afjrmarft 
in ZTTemcI, als märe man auf bem Berliner IDeihnadjtsmarft ; man fal) bem ©ferjieren 
bes erften ©arbcbataillons 5 U, als märe man jur ^rübjaljrsrcDue in potsbam. Bern König, 
fo nicbergefdjlagen er mar, gefiel cs bei ber gmanglofigfeit biefes Stillebens jenfeits aller 
©tifette fdjlieflidi nicht übel in ZTTcmel; pon einer Ueberftebclung nadj Königsberg, $u ber 
man ihn brängte, mollte er nkfjts Ijören. 

Kllein nod) im faufe bcs IHonats Kuguft erlitt biefc ermartungsfrohe Stimmung 
empfmblichc Störungen; bie Hoffnungen fanfen. Klan erfuhr pon 2Haf «gelungen, mit 
benen bie ^tanjofen felbft auf preufifebem ©ebiete gegen bie ^cier bes 3. Kuguft 
eingcfdjritten maren. 2Hit inniger Küljrung las bie Königin einige an biefem (Tage 
gehaltene unb im Brucf peröffentlidjte preMgten. Kbfdnebsgrüfe aus ben rcrlorencn 
Canbestcilen, tief ergreifenb in ifjrer fcblicbtcn Creue unb Herjlidjfeit, gelangten nad) KtemeL 
x Beputationen ber märfifeben unb ber fdjleftfdjen Stänbc (amen. Bie Vertreter ber KTarf, an 
ihrer Spife ber Kammerherr pon ©elfen, ein alter ^reunb H ar b«ubergs, fanben üble 
Kufnafjme; ber König perjiel) ihnen nidjt, baf fie fid) mit feinem IHiniftcr r>on Kngem 
übermorfen batten. Ben fcblediten ©inbruef biefes ©mpfanges mufte bie Königin burefj 
hoppelte fjulb gut machen. Kuf Bitten ©elfcns permanble fte fid) aud) — ihr einjiges 
©ingreifen in bie inneren Kngelegenljcitcn biefer (Tage — für ben ZTlinifter p. b. Hed, ber 
mit anberen IHiniftern, bie Bapoleon gefchmoreu halten, bamals feine ©ntlaffung erfjielt. 
3*?rc ^ürfpradje mar pergeblid); ber König, ber fid) perfönlidj perlest füllte, blieb unerbittlich. 
Kud) bie fdilefifd)en Beputicrten Ratten eine Kubienj bei ber Königin, pon ber fie „mit 
Cränen in ben Kugen unb tief erfdjütlcrt" Ijerausfamen. 

fjädjft peinlich mar bie llnfid)crhcit unb Sdjmierigfeit ber inneren tage, fjo^&cnberg 
mar nad) Higa gegangen; ber Freiherr pom Stein, ben et felbft $um Itad)folger empfohlen, 
meilte in Haffau unb erft gegen ©nbe Kuguft traf bie Ilach riebt pon ihm ein, baf er bem 
Kufe bes Königs folgen merbe. 3 n 3 tt, 'f < h in permaltete eine noch pon l)arbenbcrg eingefefte 
„fombinierte 3 ,,,mc biatfommiffion" bas, mas bie ^feinbe geräumt h all<;n > Citauen unb 
preufen redjts ber paffarge, ein ©ebiet pon 728000 ©inmohnem, genau fopiel mie heute 
beibe Kledlenburg an Bepölferung jählen. ©raf ©olf, früher ©efanbter in Petersburg, 
leitete bie ausmärtigen Kngeiegenheiten; bem König ftanb als Kabinettsrat mieber Seyme 

2SS 



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jur Seite. Cs mar ein Interregnum mie gefdjaffen für 3 n,r igen aller 21 rt. namentlich 
pon Kalcfreuth roirb bericljet, baß er 21nftrengungen machte, um felbft UTinifter ju »erben; 
er rühmte ftdj bes Vertrauens Vapoleons unb fah fein fjeil für preußen als iit inniaftem 
llnfcfjluß an Jranf reich; ftlbß Pom Beitritt jum Kheinbunbe n>ar babei mieber bie Hebe. 

Die ßhwerfte £aft unb fchlimmfte Qual aber mar unb blieb ber macfjfcnbe Drucf einer 
unbarmherjigen ,frembherrfchaft. Ulan erfannte halb, baß ber Triebe nur eine ^fortfefeung 
ber Knsplünberung Preußens in etroas regelmäßigeren formen bebeute; faft fein Cag 
perging ohne bie Hach riebt pon irgenbeiner Cat ber IDiUfür ober ber (Bemalt. Der 

2lb}ug ber Jranjofen, faum begonnen, mar febon an ber paffarge jum Stillftanb gefonmien. 
3um Vormanb biente ihnen eine Beftimmung ber Königsberger Konpcntion, »cld?e bie 
Käumung pon ber pölligett 2lbtragung ber bem Caitbe auferlegten Kriegsfontributionen 
abhängig machte. Die f)öhc ber Schulb mar nicht angegeben. 3°h t brachte ber fran$bfifch e 
Bepollmäcbtigte in Berlin, Daru, 2lbrechnungen 511111 Vorfcbein, nach benen bie fduilbige 
Kriegsfteuer noch über 150 BTillionen Francs betragen follte. Dies Kcchnungscrgebnis hatte 
Hapoleon iljni felbft ausbriicflidj porgefebrieben. <Es febien , als ob ber frait3ößfcbe liaifer, 
ber tpührcnb bes Krieges jcittpcife bie Vernichtung Preußens unb bie llbfeßung bes fjaufes 
hohenjolleni geplant hatte, bie aus Kücfßcbt auf Kußlanb in Cilfit gemachten ^ugcftänbniffe 
fdjon bereue unb möglichft rücfgängig 5U machen fudje. 3ebenfalls baebte er nicht baratt, 
feine beherrfchenbe Stellung im ©ften aufsugeben. Die Verhanblungeii über bie Regulierung 
ber preußifchcn ©retten gegen Dai^ig unb polen, fomie über bie Einräumung pon Durch' 
gangsftraßen für ben Verfel;r jtpifdieit beut Königreich Sachfen unb bem l}et5ogtum IDarfchau, 
gaben iljm piele unb millfommene ©elegenljeit, ben niebergemorfenen Staat immer t>on 
neuem feine fchtrere Raub fühlen 311 laffen. 

Unter folchen Bebrängniffcn im 3 nnfrn im & pou außen mürbe bie Stimmung 
namentlich ber höheren Beamten unb ©fßjierc in 2ITcmeI immer trüber unb immer 
gebrücfler. Sie famen fich por, fo äußerte Scharnhorft, mie Schiffbrüchige auf einer oben 
3>'fel. hoffnungslos fahen fte auf ben ©ang ber Dinge in Europa. Da bie piänc 
llapoleons unb lllej-aubers gegen bie Cürfei fein ©eheinmis blieben, fo mußte man noch 
mciterc Ummä^ungcn ermarten. Klan fürchtete ernftlicb, Hapoleon molle es mieber 3U111 
Bruch uiit preußen treiben, ©efterrcicf), h' c 0 es, werbe bann Schießen erhalten, Kußlanb 
bie Propins preußen, unb bas neue Königreich XDeßfalcn bis an bie ©ber pergrößert 
merben. 3 n Berlin perbreitete ßch einmal bas ©erfleht, ber König habe abgebanft, ben 
Kronprin5eti ber ©nabe llapoleons empfohlen unb für ßch felbft nur um bie Erlaubnis 
gebeten, in Berlin als pripatmann leben 5U bürfen; anbere ließen ihn nach €nglanb 

25 « 



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(Eafel 20 




Königin Cuifc 

0d$em5lto poh 3°f r Pl? «Srafft, isu 2 



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flüchten. (Eine ,gufunft für Prüfen uni bas fjaus fjoijensollern , «per tjütte boran jeljt 
noch glauben mögen? 

ITactjricbten aus Jranfreich fteigerten bie bcrrfcbcnbc Bcfotgnis. 21 m \ 2 . September 
fam ©raf Karl £ehnborff, ber friegsgefangen gemefen uxir, aus Paris mit HTelbungen über 
bie fdjledfte Kufnaljme, bie ber naef) bem ifriebcnsfchluf an liapoicon gefanbte preugifetje 
Bcpollmäcbtigte, reifere pon Knobelsborff, bort gefunben habe. Cefjnborffs ©inbruef pon 
bet £age unb ber Stimmung in ZTTemel mar recht ungünftig: „KUes", fo febrieb er feiner 
BTutter, „geht fdjlaff unb ohne Kraft unb oljne Saft hier, mie immer, unb bas betrübt 
mich- Der befle IPiüe erfeböpft ftd; unb aller ©nthufiasmus, mit bem man $um ©uten 
ober bodj jum linbemben ^mc<! mitten möchte, fd] eitert an ber ©isflippe ber ©Icicfj» 
gültigfeit unb Unentfetjloffenfyeil, bie noch immer bafiebt unb bie fein ©reignis ummetfen 
fann." Oer König crfijien €ef)nborff peränbert unb leibenb, bie Königin, bie er bei 
prinseffin KabjiroiU traf, ebenfalls peränbert, aber „immer noch göttlich fdjön unb 
liebensmürbig". 

Die parifer Hacf;ricf)tcn, mit anberen 5®ifehenfällen jufammentreffenb, erfebütterten 
bie Königin fo, bafs fte mieber anfing ju fränfeln. Sie hatte fid? in ben ^rieben, fo hart 
er mar, gefunben. Oer unperminberte Orucf aber, bie befpotifdjen Caunen unb ©emalttaten 
ber IDerf}euge Hapoleotts, por allem bie quälenbe Kngft um bas Blorgen mürben iljr 
unerträglich Oer treuen Berg fcfjrieb fte gleich am (Tage nach Celjnborffs Knfunft: „So 
mie es uns Ijier gehet, glaubt man nid)t UTatfdjall Soult unb ben polen ihren ,forbe= 
rungen preisgegeben, bie mit einer IDillfür perfahren, täglich neue ^orberungen machen, 
foroohl an ©elb unb £anb, beffen fte uns täglich unter ben fdjirnpflichften Keujjerungen 
mehr abforbern, ift nicht }u ertragen, ©eftem erhielten mir auch Bachrichtcn non Knobelsborff, 
ber behanbelt mirb, mie ein £aquais. Seine Dorftellungen an Hapoleon ju bringen, ift 
unmöglich, ba er nur einmal unb mie pon oljngcfähr eingelaffen mürbe. Oer prinj pon 
Babctt unb ©ambacercs roaren im Zimmer, unb Hapoleon hat ihn mie ein Krümchen 
Brobt aufgenommen. Oie übrigen feute ftnb ebenfo geftempelt, unb unter anbem hat ihm 
Champagne gefagt: man mürbe feigen, mie fich preuften jetjt nehme, hübfh nachgiebig in 
Bapoleons IDtUen (benn alle Scffulb liegt immer an uns, an unferetn böfen IPillen, menn boch 
ber Jriebenstracftat baliegt), banach mürbe bie Behanblung bes Hapoleon gegen uns in ber 
^ufunft eingerichtet fein ufm. So mirb uns auch je$t ein ©eil bes Schießens fortgeriffen, 
mas unter bem Hamen Heu - Schlcftett im .friebenstraeftat eppreg uns ausgemacht mürbe 
ju behalten. Darauf hot ©hampagny ju Knobelsborff gefagt, biefes märe ein Schreibfehler 
unb 3nrtum, als biefer ihm beshalb Borftellungen machte. — Sagen Sie mir nun, ob biefes 



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nid)t jum Petjweifeln ift? 2t cf), mein ©ott, warum fjaft bu mid) perlaffat, fömmt mit 
manchmal in Jeber unb 2Ttunb. Cer Kaifer pon Xuglanb fdjläft, du moins il ne repose 
pas sur ses lauriers, antwortet niefjt unb tut nichts .... 2ltles erlitt icf) mit Raffung, 
aüein 6« ©ebanfe, Berlin biefes 3af)r nid)t wieber ju fefjen, bringt mid) jur Derjweiflung." 

©inige Beruhigung in biefem ©Ienb gab ber Königin bie 2lusfid)t auf bie beporftefjenbe 
2infunft Steins, für ben fie wohl burd) prin jeffin XabjiwiU unb burd) ,frau pon Berg 
gewonnen war unb ben fie fcf)nfücf)tig erwartete. „Oo bleibt benn Stein?" fei) rieb fie ber 
Jreunbin, „bas ift noef) mein legier türoft. ©roger Kopf, umfaffenben ©ciftes, weif er vielleicht 
Xus woge, bie uns jeft perborgen liegen. IDenn er nur fämel" 

©nblid), am f. (Dftobcr, traf Stein in BTemel ein. €r fanb ben König pon ber 
Ueberjeugung niebergebrüeft, bag if)n bas Derf)ängnis nerfolge, unb immer noch geneigt, 
ber Krone ju entfagen; bie Königin „weief;, poll Sorge, aber auef) poll Hoffnung". Steins 
Xnfunft weefte allenthalben frolye ©rwartungen. Sogleich erhob fich aber eine 5cf)mierigfeit, 
bie alles wieber in ^rage (teilte. Stein wollte nicht in alter IDeife ZTTinifter fein: er 
wollte unmittelbaren Zutritt $um König unb Bortrag hoben, niemanb jwifchen ftdj unb 
bem IRonarchen bulben; et perlangte Seymes ©ntfemung. Cer König weigerte fiel) hart 
näcfig. Beyme felbft bat um feine ©ntlaffung aus bem Kabinett. „Cas machte freilich 
ber Sache ein ©nbe," febreibt bie Königin, „aber ben König fchmerjte es unb bann war 
biefes hoch nicht ein ©ntfdjluf unb eine Sache, bie in einer Sefuube abgemacht war, unb 
bie Sefunben, bie bajwifchen pief pidf machten, waren ©rbftöfe, bie piel Schwefel unb böfe 
Cflnfte auswarfen." ©s fam fd)liegli<h ju einem Kompromiß, wonach Beyme $um 
präfibenten bes Kammergerichts beftimmt würbe, vorläufig jeboch, etwa bis jur Xücffet)r 
nach Cer lin, bei bem Könige pcrbleiben follte. 

Ciefe ©inigung, bie ©runblage pon Steins fegensreidjer Oirffamfeit, war ohne 
Zweifel hauptfädilid) bas Derbicnft ber Königin Cuife. Sie bereitete bamit ben Soben, 
auf bem fid) bas lüerf ber Xegeneration Preufens aufbauen fonnte. Oie fie bie ©egen« 
füge pon Süb unb Borb, pon Ceutfd)lanb unb preugen in ftch felbft übermunben hatte, 
fo führte ihr ausgleid;enber unb perföhnenber ©enius ben König unb Stein jufammen, beren 
©haraftere einanber fo wenig entfpradjen. Oie fd)abe, bag wir nicht wiffen, wie fte ju 
bem König gefprod)en haben mag! Kn Stein aber fd)rieb fie: „3<h befd|wöre Sie, haben 
Sie nur ©ebulb mit ben erften 2Tlonaten. Cer König hält fein Oort, Beyme fommt weg, 
aber erft in Berlin. So lange geben Sie nach- Baf um ©ottes Oillen bas ©ute nicht 
um 3 2Honate ©ebulb unb Seit über ben Raufen fällt 3 <h befdjwöre Sie um König 
unb Batcrlanb, meiner Kinber, meiner felbft willen barum. ©ebulb. Cuife." 

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K 



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21udj Me fjanb 6 er ^rau non Berg fjat ixm fernher an 6 iefer Derftänbigung mit» 
gearbeitet. Hod) im September tjattc fte an Stein gefdjticben: „Caffen Sie ftcfj bodj nidjt 
burdj 6 ie erften llnbequemltchfeitcn abftojjen. 3A bitte Sie, fi<4j 6 er Königin ju näijem; 
wenn Sie 6 ie Heinbeit itjres IDefens fennen, fo werben Sie ifjr beiftimmcn unb fie lieben. 
Sie Derfdjmäfjt 6 ie fleinen ITlittel, weldjc tljr Dladjt geben fönnten, man muß fie um fo 
Ijöljer adjten. (Es gefdjieijt in öem ©efüljl iljrcr pflidjt als (Battin, baß fie ftdj Ijittgibt, 
baß fie alle Heigungen unb IHeinungen bes Königs teilt, baß fie Mcjenigen perteibigte, 
welche er perteibigte, fönnte man iljr baraus einen Dormurf madjen? 3 n ^*ff en ’ß bas 
Unglücf ber feiten fo groß unb fo graufam gemefen, baß iljre 21ugen über piele Dinge 
geöffnet fmb. Sie ift Hlutler unb bie .gufunft ifjres Soljnes, iljrcr Kinber fann fie nidjt 
gleichgültig laffen. DajU bängt fie innig an iljrem Canbe. Die Königin ift nidjt geeignet, 
in bas «Einjelne ber Derwaltung einjugefjen . . . über Me Königin muß eine Stüße finben. 
Sie muß fte finben für jeben fittlidjen fimtd, für Sicherung ber Umgebung bes Königs 
gegen Htenfcfjen, Me feine unb bes Canbes lüofjlfafjrt unb (Eljre > n ©efatjr bringen, für bie 
©rjictjung ifjres Soljnes unb für jeben Erntet, ber bie IDürbe bes Königlichen fjaufes unb 
bas IDofjI bes Staates 5 U erhalten bient. Seien Sie alfo Mefc Stufte. Caffen Sie fid; burefj 
bie erften Unbequemlidjfeiten niefjt aufregen unb abftoßen!" . . . 

Der ^reiljerr pom Stein Ijat bie f lugen Hatfdjläge ber alten ^reunbin. Me ifjn unb 
bie Königin fo gut fannte unb fo treffenb beurteilte, woljl befjerjigt. 21ti fid; fonnte itjm 
bas niefjt fdjwer werben. 3 tD 'f c ß fn Königin Cuife unb Stein beftanb im 3nnerften iljrer 
perfönlidjfeitcn eine IDefensncrwanbtfdjaft, bie in einer genieinfamen fttllidjcn 2X>elianfdjauung 
auf ber ©runblage eines Iebenbigen Cijrifienlums beruhte. UTancfjes IDort Cuifens flingt 
wie eine 2leußerung Steins, unb wenn Stein fagt: „ob unb wie ©olt fjelfen wirb, wer fann 
bas jeßt fetjon wiffen? Uber feftes fjoffen unb Perirauen nadj oben, bas fjeißt auf ©ott, 
muß bie Beffercn aufridjten", fo meint man Königin Cuife $u hören, lüotjl empfanb bie 
Königin pon pomljerein bie ©efaljr, bie aus ber felbftljcrrifdjcn 21 rt Steins erwacfjfen 
fonnte. 3 ns ß c f on & ere faij fie poraus, wie fdjwer ber König, perwöljnt burctj ben ge» 
fcfjmcibigen fjarbenberg, mit bent fteifnaefigen Jrcifjernt pom Stein ausfommen werbe. 
Sie war barüber nidjt oljne Sorge. „IDcnn nur Stein", fdjtieb fie 6 cm 23 ruber, „in feinen 
formen fjerr ift unb immer weniger fein will als er ift, bann gefjt bie Sacfje. Diffentieren 
niefjt Disputieren ift bie fjauptfaefje unb piel ©ebulb. Der König bängt an fanfler eljr» 
erbietiger Jorm fefjr unb fjarbenberg iß einjig barin. Uniftrahlt pon tEugenb trat er immer 
als ein Derflärter herein, madjte feine Dorftellungen mit einer 2lrt, baß ber König immer 
König blieb, unb bas ift piel." 21Uein fte fdjäßtc anberfeits an Stein „Calent unb IDiUe, 



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Königin fuife unb bfr ^rriljerr uom Stein 



Kraft un6 (Energie", unö uertraute, öag er Me fcblumnicmMn Kräfte 6es Canöcs, an Me 
fte fcfl glaubte, ju weefen iniftanbe fein werbe. 3h re HUtarbeit, in ben engen Sdjranfen 
ihrer Stellung unb nact) bem bcfchcibcncn Hlafje ihrer weiblichen Kräfte, war ihm babei fteber. 

Das gemeinfamc IDirfen ber Königin unb bes 2Tlinifters nahm fogleicl) feinen Knfang. 
IDenige (Tage nach Steins Knfunft trafen beruhigenbere Ba<hrichtcn ein, bie namentlich 
bie Königin perfönlidj angenehm berührten. Sie fühlte fidj ja febon jufrieben, wenn einmal 
ein (Tag nichts Schlimmeres brachte als ber porhergehenbe. Kus Petersburg fam ein 
Schreiben Kaifer Kleranbcrs, ber eine bereits erfolgte Derwenbung jugunften preufjens 
mitteilte unb bie Scnbung eines rufftfehen Botfdiafters nach paris, bes ©enerals Colftoi, 
mit ähnlichen Hufträgen anfünbigte. Kus paris melbetc Kuobelsborff eine leichte Bcffcrung 
in ben Beziehungen ju ^ronfreict). Km willfommenften aber war ber Königin ein 
Schreiben ihrer Schwcfler Ofcrefe, bie im 3 n t* r *ff* bes liaufcs (Thum unb Caris nach 
paris gegangen war unb pon woblwollenbctt unb fchnieichelhaften Heujjcrungen Bapolcons 
über bie Königin berichtete. Sie fei bie liebenswürbigfte unb intcreffantefte rau, hohe ber 
Kaifer }u feiner (ßemahlin gejagt; er bebauere, fie nicht früher gefannt ju hohen, ffabe er 
Dorurteile gehöht, fo fei er ganj bauon jurüefgefommen unb beflage cs, baß bie politif 
ftärfer gewefen fei als fein IDillc. 

ITir fennen Cuife unb ihr fjerj, bas nicht [affen wollte, an bas (Rute im KTcnfdjcn 
ju glauben, mochte es ftd) um Klejanber ober um Bapoleon honbeln. Die Blitteilungen ber 
Schweflet — unb flc waren längft nicht bie cinjigcn biefer Krt — über Bapolcons aner= 
fennenbe IDorte riefen alle Hoffnungen, alle 3Uuftonen in ihr jum Cebcn. Sic litt um ihr 
unglücflichcs preufjenlaitb, unb fte fchntc ftch hinweg aus DTemcl, wo nach wenigen heißen 
Sommerwochen ber IDinter mit falten Hegentagen früh eingejogen war; fte glaubte, bajj 
Bapoleon auf folchc petfönlidje IDünfchc unb Bebürfniffe Kücfftcht nehmen unb bas Canb 
non feinen (Truppen räumen werbe, um iljr bie Hücffebr nach hem geliebten Berlin ju 
ermöglichen. Seiner Kehlung hielt fte ftcfj perfide rt ; warum folltc ihre Stimme, bie „mit 
IDürbe unb Knftanb Hecht forbere", nicht feiner (Eitelfeit fcfjmcichcln unb „für ben König 
unb fcdjs Hlillioncn unglücf lieber Hlcnfchen etwas (ßutes hemorbringen" fönnen? 3 n hiefen 
(Tagen trafen fo piele beutfehe dürften in paris jufammen, warum folltc nicht auch f ,c hört 
auf Bapoleon einjuwirfen pcrfuchcn? 3 n hen Beratungen jwifchen bem Königspaar unb 
Stein über bie lebten Bachrichten hot Königin Cuife — anfeheinenb nicht jum erften Klale — 
porgefchlagen, fte nach paris reifen ju laffen; bics neue ©pfer — beim als folcfjcs empfanb 
fte es — follte ihr juglcich bie Beruhigung gewähren, in einer ^cit, „wo man nur pon 
inneren Kapitalien lebt, fldj fagen ju fönnen: Du tjoft alles getan." 

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Stein mar mit 6 er Königin öatjin cinocrftanben, baff man Hapokon fo meit als 
möglich en (gegen fommen unb cor allem „angelegentlich fuch«n müffe, ihn ju cerföhnen". 
Dem Hnerbieten öer Königin aber, felbft nach Paris 5 U gehen, (teilte er ein „Hoch nicht" 
entgegen. ©s mürbe bann ein Schreiben ber Königin an Hapokon corgefchlagen, benn 
gan 3 petfönlicfjcr 11 rt follte nun einmal bie ©inmirfung auf ben Kaifer fein; ffhliefflich 
einigte man fich auf ein oftenfibles Schreiben ber Königin an ihre Sd)roefter Cberefe, bas im 
©incemchmen mit Stein entmorfen mürbe (7. ©ftober). Her König felbft cerfprad) (ich 
roenig bacon, aber er lief gefchefjen; 3 U Brincfmann meinte er: „Sie miffen ja, man glaubt 
gern, mas man mürifdit." 

Has Schreiben ber Königin entfprad) ber llnnahme, con ber alles ausging: man 
feffte bei Hapolcon ein 3 n *creffc für ih rc perfon coraus, auf bas nur fräftig eingemirft 
roerben müffe, um ihm ^useftänbrnffe abjufchmcicheln. Königin Cuife fpridjt ber S<hmefter 
ihre ©enugtuung aus über bas llnbenfen, bas ber Kaifer ihr bcroafjrc. Sie flagt über 
bie Ceute, bie alles, mas man in preuffen tue, cutftellten unb baburch cerurfachtcn, baff 
man ben ^rieben nur bem Hamen nach fenne. Her König, ber (ich ben mofjlcerbienten 
Huf ber Kcchtfchaffcnljcit erroorben h fl be, merbe feinen Perpflichtungen ficher treu bleiben. 

Ulan gebe fich bafür ber fjoffnung h' n , baff ber Kaifer feinerfeits aus perfönlicher Hücfffcht 

für ben König unb für fic felbft 5 ur Beteiligung aller Zniffcerftdnbniffe beitragen merbe. Sic 
felbft münfehe cor allem bie Hücffehr nach Berlin, als Königin, als ©attin, als ZTlutter. 
„©rftens leibet bas €anb, an bem ich f° f°h r fjünge, beffen ©lücf bie ©rutiblage meines 
©lüefes bilbet, ernftlich unter ber Hmrcfenbcit einer Hrmce; feine Hilfsquellen rnerben 

cemichtet. Streitens, meine Söhne fcfjreiten im lllter cor, in allem übrigen jurüdF, unb 

ich fürchte, baff ihre cielen fchönen unb guten ©igenfehaften fich nicht mehr entmicfeln fönnen, 
menn fie nicht recht jeitig geroeeft rnerben. Hu begreif ft, mas ich babei leibe, ba ich meine 
Kinber als eine järtlicbe ITlutter liebe, bie an ihr ©lücf benft. Hann fomrnc ich 5 U mir 
felbft. Has Klima taugt für mich burdjaus nicht. Kleine ©efunbheit ift gefch macht unb 
mein gegenmärtiger 3 u f ,ar, b hoppelt peinlich. Hie 5*it meiner ©ntbinbung rücft heran. 
3<h bin an Pflege gemöljnt, bie ich nur in Berlin haben fann." Hringenb bittet fte besljalb 
um Häumung bes Canbcs unb ber fwuptftabt, um (Erleichterungen für bie Hontributions» 
jafjlung. llllc ihre fjoffnunegen fefft fie auf bie ©erectjtigfeitsliebe bes Kaifcrs, beffen 
Knbenfen iffr fchmeichelt. tEljcrefe foll mit ihm fprechen, mit ihrem Briefe machen, 
mas fie mollc. 

Bis baljin (prüft Cuife bauptfachlich con fich, 'h rcn £ eiben unb ihren lüünfhen. 
5um Schluff erheb» fte fich über ihr eigenes llnglücf. „Könnte ich nur noc h einmal meine 






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Königin fuife n nb ber Jrciljrrr uom Stein 



^reunbe glücflich unö bie (Tränen 4er meinenben Jamilicn getroefnet fcljen. Dicfer Knblicf 
tt>ir6 meinem fersen troblluti un4 pcrfiechenbe Kräfte in mir mieber beleben. Vous savez 
que je vivais du bonheur d'autrui — en partie", mie (ie bcfd)ciben einfügt. 

Schon 4ie nädjften ©age aber brachten mieber Itad) richten , non benen jebe ber Königin 
eine neue IDunbc fcblug. ITTan erfuhr aus Berlin, baf bie ^ranjofen bie Bcftänbc ber 
Königlichen Porjellanmanufaftur perfauften, baf feit bem 1. ©ftober bie Canbeseinfünfte 
mieber für franjöfifdje Sedjnung erhoben mürben. DajU fam bas ©erüdjt, König Jerbinanb 
unb Königin Karoline t>on ZTeapcl hätten Sijilien perlaffen unb übers Stccr flüchten muffen, 
©s traf fiel}, baf eben in biefer 5eil ber nach paris beftimmte ruffifche Botfchafter ©cncral 
©raf ©olftoi auf ber Durchreife einige ©age in Ktemel permeilte. €r mar bem Königspaar 
nicht unbefannt unb fanb ben frcunblicfjften ©mpfang, ben er burch aufrichtige ©eilnahme 
für bie Ceiben preufens ermiberte. Seine 3nftruftion befahl ihnt ohnehin nachbrücflicfje 
üerroenbung jugunften preufens in paris. Königin Cuife befprach mit ihm alle bie 
franjöfifchen Ungerechtigfeiten unb ©emalttaten, burch beren eingehenbe ©rörterung ftc felbfl 
pon neuem bemegt unb erfchüttert mürbe. 

Die smifchen tiefer IZiebcrgcfchlagcnhcit unb Icichlen fjoffnungsregungen fchmanfenbe 
Stimmung ber Königin in biefen ©agen jeigt ein Brief an Jrau ron Berg pom (2. ©ftober. 
Die Königin fchreibt: „Klfo ben einen ©ag ho* oben, ben anbern ganj bamicber, fo baf 
man glaubt, bu blcibft in biefer ©ciftcs*©miebrigung; unb hoch ben anberen ©ag Kraft, 
es mit ber ganjen IDelt aufjunehmen — fo geht es 3hncn, liebe Berg, unb fo geljt’s mir, 
fo geht es mir j. B. heute, eben jefet, ba ich 3^? ncn (* tc 'ke. ©eftem mar ein horriblcr 
©agl Hachrichten, um ftch bie fjaare ausjuraufen; eine ^ortfefung beren, bie ich 3*? n * n 
fchon einmal mittheilte. Daju fam, baf ber ©raf ©olftoy , Kufftfcber Kmbaffabcur, grabe 
hier mar, ein mahres ©lücf, ba er Sugcnjcugc ber Behanblung mar, bie mir jefet brei 
DTonate im ^rieben erbulben, er las nehmlidj bie Supporte, bie einfanten unb bie ©riginab 
aeten. Diefes fjicrfcin peranlafte mich aber, in meitläufigc Details einjugch«n; ob biefe 
angenehm ftnb, frage ich Sic? Blcine Knficht ber Dinge ntufte er miffen, bamit er fafj, 
baf fein Kleinmut mich bcfeelte, fonbern nur bas fo natürliche ©efühl ber ©erechfigfeit, 
bie uns burchaus permeigert mirb. ©s mar ein entfcflidjcr ©ag, benn all’ mein fjoffen 
mürbe fchmäcbcr unb mein Sehnen immer ftärfer. ©r nimmt bie ftrengften Befehle feines 
Kayfers, unferes fielen ^rcunbes, nach Paris mit, unb biefes ift unfere leiste Hoffnung. . . . 
Kleine ©emütsftimmung pon heute ifl benn mieber hoch oben; unb bas beshalb, meil ©olftoy 
pon unferem Unglücf ganj unterrichtet ift, tief gerührt banon, feit geftern 3 Uhr auf bem 
IDeg nach Paris ifl. IDcnn bie Sachen nur nicht ftoefen, bie Säber nicht ftillcfteljen, 

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fo ift nod; immer fjoffnung ba, unb fjoffnung ift bie Stüße bes Cebens, ift cs, was mir heute 
meinen gebeugten 2 Hut wiebcr aufrecht emporijilft. ®ott fann uns nief)t ganj perlaffen, 
cs ift nicfjt möglid). IDafjr ift es, wir haben gräjjlidje Beifpiele in ben neuen IDcltbegebem 
heilen por Kugcn. Der König Jerbinanb unb bie Königin Caroline fdjwimmen auf bem 
ZHeere, haben aud) Sicilien perlaffen miiffen, ben lebten ^ufludjtsort ifjrer traurigen Cjiftenj, 
pon 3 wey ZHädjten mächtig protegirt unb — perlaffen. IDtrb ober pielmeljt fann bas 
aud] nidjt unfer Sdjicffal fein? Kliein Jriebridj IDilljclm ift fein Jerbinanb, unb tdj feine 
Caroline. ©in Croft bcs moralifdjen Znenfcfjen. ©b es aber fyelfen wirb in biefent 
bronjenen Scculum? IDo Cugenb nidjt tjerrfdjt, nidjt gilt, wenigftens nidjt im Süben. . . . 
3dj wünfdjte, unfere Kgonie wäre nidjt lang, will man uns ijcrausjagen, nun fo tljue 
man cs balb." 

Cs fdjien faft, als folle ftd) biefer IDunfdj ber Derjwciflung rafdj erfüllen, bas Cnbe 
fommen. Km 29 . ©ftober, gegen ZHorgen, traf aus Berlin bie Zladjridjt ein, Hapoleons 
Bepollmädjtigter, Daru, perlange pon ben f 12 IHillionen Kontributionsfdjulbcn , bie er 
jeßt nadj pielen Kbjafjlungen nodj ijerausredjncte, 12 IHillionen in barem (Reibe, 50 IHillionen 
in Promeffen ober pfanbbriefcn unb jur Sidjerfjeit für beren Cinlöfung bie Befeßung 
preujjifdjer Heftungen, für ben Heft pon 50 Blillionen aber preujjifdje Domänen jwifdjen 
Clbe unb ©ber, bie mit allen Cigentumsrcdjten bem Kaifer jur Dcrfügung geftellt werben 
follten. IDenige Cage fpäter würbe beftimmter angegeben, bajj fünf efturigen geforbert 
würben, in beren jebcr 8000 IHann Befaßungstruppen auf preujjifdje Koften unterhalten 
werben follten. 

Diefe Icadjridjten , namentlich bie unerhörte Jorberung ber Domänen, perbreiteten 
Sdjrecfen unb Beftürjung in 2Hemel. Die einen meinten, llapoleon wolle ben König jur 
Cljronentfagung jwingen, bie anberen fanben in Hapoleons ©erhalten, in feinen Kcujjerungen 
gegen eine Berliner Deputation wie in bem Betragen feiner ©enerale unb Beamten über 
(jaupt ben Beweis, bafj er bas preujjifdje ©olf felbft jum Kbfall pon feinem Königshaufe 
brängen wolle. Cinig waren alle in ber Knfidjt, baß nadj Kbtrctung ber Domänen ber 
König nidjt mehr Souperän in feinem Canbe fein würbe. 

Soldje Befürchtungen ergriffen auch bie Königin. Sie falj fdjon ben Cag nahe, an 
bem fic ben hoffnungslofen Kampf für bie Crljaltung ber prcujjifdjen IHonardjie erfdjöpft 
aufgeben unb jenfeits ber fdjwarjweifen ©renjen eine , 3 uflud]tsftätte fudjen würbe, wo fte 
mit ben 3hrigen leben fönne — ftill, aber nidjt glücflidj, beim wo bie Cugenb unterlag 
unb rohe ©ewalt triumphierte, gab es für Königin £uife feine IHöglidjfeit bes ©lüefs. Hodj 
am 29 . ©ftober rief fte Stein ju jidj, um in ihrem Sdjmerje bei ihm Croft ju fudjen unb 

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„bas Urteil eines fluten, gefühlooüen ZUannes ju tjören". <Bleicf) nad) feer Unterteilung 
mit igm, feie ifjr mcnig ZJcruljigung gebracht $u gaben fdjeint, fd)rieb |te feie nadiftehenfee 
Zlufjeidjnung niefeer, in feeren ungclenfen Sägen feie tiefe Erfchütterung iferes 3nneren jittert. 

„Preugens Urteil, nämlich unfer Cobesurteil ift gesprochen. preugen criftiert nidjt 
me^r. Der König ift nichts mehr als tjerjog oon preugen, weniger als feiefe fonft 
waren, fea fte Ccutc Ratten, feen Sofeen ju bearbeiten, feer jcfet nidit bearbeitet wirfe, weil 
Kranfgeit feie Einwohner morfeet, unfe feas, was nicht tot ift, feen Jranjofen ^rognarbeit 
tun mug, feie Erbe alfo unbefäet unfe feie Hungersnot gcwifj balfe alles $erftören wirfe. 
Kaifer ZTapoleon nimmt feie Domänen fees Königs in Z3cftg unfe lägt fie für ftdj burd) 
perfogncn, feie er feaju beftimmt, afentiniftrieren, feiefe Domänen foüen feie nädjften an feem 
Königreich XDeftfalen grcnjenfe fein. Die in ZUagfeeburg feiesfeits feer (Elbe in feer ZUarf 
unfe pomntem jwifdjen feer (Elbe unfe ©feer gelegenen prooinjen follcn feie fein, feie feer 
König abtritt unfe unter franjöfifehe Kfeminiftration gibt. 

„Die ©renjen, fo in ZDejtpreugen jegt reguliert ftnfe, haben alle Stipulationen über, 
treten, unfe feer Heine (Teil, feer baoon noch übrig bleibt, fdjeint auch als franjöftfcges 
(Eigentum angcfeben ju werben, ba Kaifer ZTapoleon fdjon jwei Donjäncn ©üter, feem 
König gehörig, barin förmlich oerfchenft hat. Uebrigens Jollen feie Heftungen oon .franjofen 
befegt werben unfe feie Cruppen barin anftatt feer preugifchen ocrpflegt werben, welches bann 
feem König wohlfeiler fätne als jegt. ZUfo auch feas ZTiilitair hört auf ju epiftieren, fea an 
feer Stelle fees Preugifchen ZUilitairs feas ^frattjöfifche oom Könige foll unterhalten werben. 
Die Jonfes oom Canfee fowie feie ZTcoenuen ftnfe unfe bleiben (nur mit feem Unterfchieb, 
bag es bet König felbft jegt fanctionieren mug) in Jrunjöfifchcu f)änfeen bis jur Zibtragung 
feer Kontributionen. Dag alsfeann, wenn feie 3eit um ift, feie ^ranjofen, feie ftch in feem 
ZTCagbeburgifchen, in feer ZUarf, in Pommern jwifchen feer Elbe unfe ©feer recht eingenigtet 
haben, nicht herausgehen werben, fonfeem aus allcrhanfe ZTorwänfeett erftlid) ihren Zlufentgait 
oerlängem werben, ift begreiflich, fo wie feie Einoerleibung preugens ju feem Königreich 
ZDcftphalen feagegen fojufagen gewig ift. fuife. 

„Welche Entfchlüffe jegt ju faffen ftnfe, ift uns noch erlaubt; feas geigt infofem man 
uns nicht als ©efangene anfiehet, fernen man gewiffe Diftricte anweift, in welchen ge leben 
müffen. ZDir hoben alles oerlogren. Ceben tun wir noch, unfe feiefes £eben weniger 
unangenehm ju machen, fann jegt unfere einjige Sorge fein. Ein Elima ju fuchon, was 
milfeer ift unfe gefünber als feie Sümpfe preugens, bleibt uns alfo noch übrig. IDir müffen 
hoch nun balfe feiefes ianfe räumen, welches einer ZDüfte täglich ähnlicher wirfe. Zilfo fege 
feer König eine Regierung in Prcugen niefeer unfe feft, feie feas bischen jufammengalte. Unfe 

-*d 



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mir nebft unferer ^amilie nehmen ben IDanberftab in ffänben, unb fuegen einen IDinfei, a>o es 
füg beffer leben lägt als gier. ©lüeflii) mogl nie megr, benn in einet IDelt, iro es fo gergeget, 
rno ©ugenb eine füge unb Cafter nur gebeitet, fann man ba mogl nexg glüeflieg feinl" — 

2ludj Stein mar bureg bie legten Berügtc, mie Cuife fdireibt, jum erftenmal „ju Stein 

gemorben". Kber er ermog fügt bie ^orberungen Darus in allen ©injclgeitcn unb entmarf 
©egenporfegläge, gauptfädilicg, um bie Domänen ben franjöftfcgen tjänben ju entgegen; 
er fanb aueg, bag Daru bei ber Knjabl ber verlangten Regungen bie IPeifungen Hapoleons 
noeg überboten gäbe, ,Jugleicg aber fam er auf einen ©ebanfen jurxlcf , ben er fegon bei 
feiner Knfunft in ITIemel geäugert gatte: er feglug vor, ben jüngften Bruber bes Königs, 
Prinj IDilgelm, naeg paris $u fenben, um ber ©itelfeit Hapoleons ju fegmeiegeln unb 
bureg unmittelbare Derganblung mit bem Kaifer 5 U einem ©inpemegmen übet bie fjdge 
ber Kontributionen unb bie Käumung bes Canbcs 5 U gelangen. Die Königin mar niegt 

fegt cinperftanbcn mit biefer HTiffton; fte gatte fein reegtes Dertraucn ju ber perfönliegfett 

bes prinjen. Kueg ber König fträubte fidt bagegen, einen t^ogcnjoUcrnprinjcn als Bitifteller 
an ben I)of Bapoleons $u fenben, aber er meinte fcglieglicg, mo bas Dolf fo piele ®pfer 
bringe, bürfe bie Dynaftic niegt jurüefbleiben. So mürbe bie Scnbung befegloffcn. Kueg 
ein Bünbnis follte ber Prins anbieten, fomogl jur Derteibigung mie jum Kngriff. Der 
Kaiferin^ofepgine, ber man befonbere ©üte unb Perfögnliegfeit jufegrieb, follte er perbinblicge 
Komplimente ber Königin ausriegten. 

Dian begnügte fieg giermit niegt. Scgon gatte bie ©räfin Dog, in igrer lebgaften 
Ceilnagme für bie unglüefliege Königin, einen Brief an Hapoleon entroorfen, ber aueg 
Steins ^ufHmmung fanb, ber aber von bem ©efanbten in paris fpäter jurüef gegolten 
mürbe, meil bie friegerifege ©räfin bei Hapoleon ju übel angefegrieben fei. Uber aueg bie 
Königin felbft entfcglog fieg jegt, an Hapoleon 5 U fegreiben. Der Brief miebergolt in fnapper 
unb beftimmterer Raffung ben 3 n galt bes friigeren Segreibcns an Cgerefe. Die Betonung 
bes guten unb bauemben ©inpemegntens mit jranfreieg, ber t^inroeis auf bie Bebeutung 
ber ( freunbfegaft unb ber Hilfsquellen Preugens aueg für ^franfreieg, laffen bie IHitarbcit 
Steins erfennen. Das Segreiben, vom 4 . Hopember, lautet in ber Ueberfegutig: 

„Sire, prin} IDilgelm, ber biefem Briefe unmittelbar folgen mirb, ift mit Dorfeglägen 
für ©ure IHajeftät beauftragt, bereit glüeflieger Kusgang uns por allem am f) cr 3 {n liegt. 
IDünfcgcnsmert unter jebem ©efiegtspunft ift bie fjerftelliin.g eines guten unb bauemben 
©inpernegmetts jmifegen ^ranfreieg unb preugen. 3* balle meiner Segmefter, ber 
prinjefftn pon Cgum unb Caris gefegrieben, ba icg aber niegt meig, ob fte ©elegengeit 
gehabt gat, ©ure HTajeftät von bem 3 n galt meines Briefes ju untergalten ober ign 5 U 

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3hrer Kenntnis ju bringen, fo »age i cf; hier nochmals ju »ieber holen, ioas ben giühenbften 
IPunfd; meines fjerjens ausmacht: Die Käumung bes tanbes, »elcfccs burd) bie Zlmpcfenljeü 
ber Jlrmeen enlfeljlich leibet; feine Hilfsquellen »erben unroieberbringlid) pemiefctet, trenn 
bas fo fortgeht; es roirb (ich nie erholen (innen unb feine Hoffnung mehr bieten, tueber 
uns nodf unferen Jreunben. Da E». ITlajeftät ber unfrige fein (innen, fo berauben Sie 
fteh felbft einer H'If Sc l uf Ue, auf bie Sie ficher rechnen bürfen. Die nahe Kücffeljr nach 
Berlin ift noch eine natürliche joige t>on bem, was ich Euerer ITlajeftät bargelegt höbe. 
Sie ift befonbers »ünfebensmert für mich, mehr als irgenb ein anberer förperlich unb 
geiftig leibet. 211s järtliche Ututter liegt mir bie (Erziehung meiner Kinber fehr am 
Herjen, hier fann nicht bafür geforgt »erben. 2TTeine ©efunbheit ift rollig jerftört, ba ich 
bas feuchte unb falte norbifcf)e Klima nicht rertragen fann. 3*h n»9* bies als einen ber 
©rfinbe bei E». Ulajeftät gcltenb ju machen, benn ich nwig aus eigener (Erfahrung unb 
aus allen 3h ren 2leuferungen über mich, bajj Sie ftch für meine perfon intereffieren. 
(Eure ITlajeftät fennen mein Dertrauen $u 3h ncn ; ich habe 3h I,fl ’ barüber in Olftt gefproehen, 
unb ich fchmcichelc mir, bajj Sie biesmal ber Stimme 3h tts H l ' r 5 cns folgen unb preufjen, 
bem König unb mir bas ©lücf surüefgeben »erben, ein ©lücf, beffen IDert »ir hoppelt 
fehlen »erben, »enn »ir es aus ben Ijönbcn E». ITlajeftät empfangen." 

Das Schreiben ber Königin ift »ie ber 2Ingftruf einer Unglücf liehen, ber Käuber bie 
Kehle jubrüefen. Dennoch mochte man »ünfdjen, bie Königin hotte ben Brief nicht 
getrieben ober Stein bie 2lbfenbung rerljinbert. ®b er ftch «Erfolg baron »irflich rerfprach? 
3ebcnfalls erlofeh bei ihm alle aitbere Kücfjicht in bem glühenben IDunfche, preufjen ron 
bem Drucf ber franjöftfcben 21rntccn 3 U befreien unb ben König erft »ieber als Zllleinherm 
in feinem tanbe ju fet)cn. 

2tm 6 . Horember trat prin} IDilhelm bie Keife nach ran (reich an. 2Iuch ber 

Bruber ber Königin, Erbprinj ©eorg, »ar furj norlfer nach Paris gereift, um ITlecflenburg» 
Strelih gegen angebliche Ulebiatificrungsgelüfte pon ITlecflenburg Scb»erin ju fcfjühen unb 
bie Kuf naljme bes tanbes in ben Hljcinbunb ju cr»irfcn. Er traf bort Sch»efter Ch crc fe 
noch an, bie mit ihren Bemühungen für bas H aus £h urn unb Caris ben beften Erfolg 
hatte. Hapoleon felbft fünbigte ihr eines Cagcs an, bajj bie in H°Uanb befchlagnahmten 
Befilmungen bes H üu f es <0? urn unb Cafis freigegeben mürben; »ar es eine 2lnfpiclung 
auf feine Unterhaltung mit Königin tuife in Cilfit, »enn er ihr babei fagte: „Das ift 
eine Blume, bie ich 3h n en anbieten fann?" 

Die Kufinerffamfeit ber Königin roanbte ftch jetjt nach Paris, pon »o fie bas 
XDort erwartete, bas fie aus ber Perbantiung in ITlemel, bie ihr mit jebem Cage 

2 <« 




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unerträglicher würbe, erläfen follte. Bet ©elegenheit 6er Senbung 6es prinjen tDtlhdm, 
am 5. Hopember, hatte pe 6em Bruber un6 6er Sdjmeftcr noch einmal bas ©lenb bcs 
£an6es un6 6ie eigenen £ei6en un6 (Entbehrungen gefchilbert. „©ott bewahre", fdjrieb fie, 
„ade UTenfchen por folch einem £eben; es ift nicht 5 U befthreiben, 6enn es hoi noch nie 
epiftiert . . . übrigens muf man 6ie Knfcrtaue fappen un6 bas Schiff 6er Jlut überlaffen, 
fiefj auf ©ott perlaffen, wo menfchliche fjilfe fruchtlos wirb . . 3h r ein$iger Croft 
babei war Steins Knwefenhcit; auf ihn oertraute fie, mit ihm befprach fie bie wichtigen 
einlaufetiben Berichte unb Schreiben; er feinerfeits, wie auch ©neifenau, jeigte fich oon 
ihr „begeifert". „©ottlob, baf Stein h' or ift," fefjricb £uife am (0. Hopember ber 
^rau pon Berg, „bas ift ein Beweis, baf ©ott uns noch nicht ganj perlaffen hot. 
Biefes ift unfere fürchterliche £agc, in ber alles hier bamieberliegt. Buch mich nerläft 
nun halb alle Kraft, ©s ift fürchterlich hott, entfetjlich hört, befonbers weil es unper* 
bient ift ... . Kleine Zukunft bie allertrübfte, benn ift un mieux $u h°ffen, fo fann 
man nicht fort pon hier als ©nbe 3 d nuar, bann fann ich nicht mehr reifen . . . IDenn 
wir nur Berlin behalten, aber manchmal preft mein apnungspolles f)erj ber ©ebanfe 
fcfjrecflich, baf in feiner HHith er es uns entreift unb es ju ber ftauptftabt eines anberen 
Königreichs macht, bann habe ich nur einen lüunfcp — ausjuwanbem, weit, als pripatleute 
ju leben unb ju pergeffen womöglich- Kd} ©ott, wo[hin] ift cs mit preufen gefommen . . . 
Hut Stein geht es fepr gut ... . Saoary hot perfuh«rt, baf Kuf lanbs Berwenbung nichts tpun 
würbe, hot uns aber ben guten Halb geben laffen, bie 3uwelen unb Koftbarfeiten ju 
peräufem, was fagen Sie baju? So flug waren wir auch f<hon ohne ihn, aber biefes 
fagen ju bürfen"!! .... 

3n biefer fhmerjlichen Stimmung fühlte fich £uife noch befonbers emppnblich getroffen 
burd) einen Brief tEherefens aus Paris, ber Bütte Zlopember in Blemel eintraf. Die 
Schwefer fchrieb ihr, baf Itapoleon alle Schulb an ben Schwierigfeiten ber £age auf 
Preufen feffebe, beffen Zögerungen er nicht begreife. tOjcrefe fügte eine HTenge wohl* 
gemeinter Xatfcbläge unb IDarnungen h'nju: „Du fjaft einen fo trefflichen ©cift", fo fchlof 
fie. „Ciebcr (Engel, alle Beine ©ntfchlüffe fnb fo flug gewefen, faffc auch ben, biefe Sache 
ju einem guten (Enbe ju führen." Bas Schreiben, bas alles Unrecht auf preufifher Seite 
ju finben fcfjien, perleftc bie Königin tief. Hiebt ohne wieber mit Stein Kücffpracfjc ju 
nehmen, antwortete fie ber Schwefter fogleich mit einem oftenfiblcn Briefe, an bem auch 
ber König fclbft mitarbcitete. 3h rc „3nbignation" unterbrüefte fie, aber fie perfhwieg ber 
Schwefter ben Schmerj nicht, Preufen unb ben König fo perfannt ju fehen. IDie fönne 
man, bemerfte pe, Zohlung einer hohen Kontribution perlangen, wenn man juglcich burep 

2 «; 



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Königin fnifr unö ber .fretberr pom Stein 



6 ie ©ffupation alle Hilfsquellen bcs £anbcs uernidjte? „Das ift bie reine unb ungefdiminfte 
IDaljrljeit, bas £anb ift arm, ber 21 bei ebenfalls, Du weifit bas fo gut wie ich." 2Ttan 
fdjeine in ^ranfreid) ju glauben, bajj es nod) einen Staatsfcfjafj gäbe, bas fei ein 3nrtum. 
©er König fjabe bei feiner Cljronbefteigung bie Kaffen leer unb nur Sebulben porgefunben. 
IDieber unb wieber fuebt fie bann bcs Kaifers perfönliche (Teilnahme für fiefi unb Ujr Unglücf 
rege ju machen. IDie gerne wünfebe fie ihm banfbar ju fein, wenn er fie nur aus bem 
Elenb befreie, bas fie jugrunbe ridjtc unb töte. 

3 n einem ©riefe an Jrau pon ©erg Ijat Cuife bamals gefdjriebcn : ,,©as übrige ©ott 
befohlen, benn bie ©icnfdjen unb ifjre Scrccfjnungen über alle ITaljrfcffcinlidjfeiten ftnb 
nichts gegenüber Hapolcon, il ne ressemble a rien." 2TTan fielet: Cuife fommt juwcilen 
einer richtigeren 2Iuffaffung Hapolcons nafje; aber ftc weiß foldje Erfcnntnis nicht feftjuhalten 
unb nidjt an 3 umenbcn. Sei ifjrem pon ©efühlsimpulfen beberrfchten lüefen wirb fie immer 
mieber burdj ein paar frcunbliche IDorte in 3 Uufionen gewiegt unb 5 U bem ©erfuche per» 
leitet, in bie großen fragen bcs ©Slfcrlebcns unb in bie furchtbarftc Kraftentfaltung jener 
(Tage, in bie napolconifdie IDeltpoIitif, mit Sentimentalitäten einjugreifen. ©ewif trug jefet 
neben ber Caft bcs Unglücf s, bas fie erbrüefte, bas ©eroufttfein ihrer Schwäche h'erju bei 
21 ber jene Hcigung ihrer weiblichen Hatur war fchon rerftärft worben burch bie uupolitifche 
2ltmofphäre am König ^ricbrich IDilhclms III., beren «Eigenart auch hierbei auf bie 
Königin nicht günftig einwirfte. 

Soweit Hapoleon überhaupt irgenb einem ©efühle auf feine politif Einflug geftattete, 
war es Preußen gegenüber — h' or ’ n ift bamals bie europäifche ©iplomatie ganj einig — 
ohne Zweifel bas ©efühl bes baffes. Er fonnte unb wollte feine fj an ^ nicht pon ber 
©eute laffen, bie ihm in Cilfit entfdjlüpft war. 2llle bie Streitigfeiten über f) ä h e nnb 
^ahlungsfriflcii ber Kontribution waren nur lUittcl 5 um gehörten, wie feine 

Dertrcter fügten, nicht in bie 2 Irithmetif, foubcrn in bie politif. 2 Ius preußen fchlug ihm 
eine flamme bes f)affos entgegen, fo ftarf unb fo heiß, baß er baran perjweifelte, biefen 
Staat in fein „^öbcratipfyftcni" eingliebem ju fönnen. H attc bie Kiicfftchtnabme auf 
Rußlanb ihn gejwungen, feinen ©emidituugsplänen ju entfagen, fo follte preußen wenigftens 
noch weiter $erftücfelt werben, um anberen politifcfjcn Kombinationen Raum 3 U geben. 
3n paris crjählte man fid) glaubhaft, bem neuen König ron lüoftfalen , 3eromc, fei bas 
preußifche Canb bis jur ©ber mit ©erlin beftimmt perfprodjen worben. Jür eine foldfe 
Scraubung, wie unb in welchem Umfange fie aud) geplant fein mochte, war ber gute IDille 
Rußlanbs unentbehrlich. Hapoleon fam auf ben ©ebanfen, bie Räumung Preußens pon 
ber Räumung ber burcf; ruffifdj« (Truppen befefeten ©onaufürftentümer 21Iolbau unb IDalacfjei 

2 SB 




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abhängig ju machen, überhaupt bas ©cfdjicf preugens mit btt iti Tilgt {räderten Teilung 
ber Türfei ju perfnüpfen. Don ber Begel}rlid)feit Kuglanbs im CDflen , bie er ju reisen 
nid)t mübc mürbe, crljoffte er bie preisgebung preugens. 

Hicfjt an ben gegenben Bitten einer unglücf lidjen 'Königin, auefj niel)t an ber rcd>t» 
Seifigen ^at;lung einer größeren ober geringeren Kontribution tjing preugens Sefjicffal : 
wie fo oft febon würbe cs betjerrfefjt pon bem Dertjältnis Kuglanbs su ^ranfreidj. 

Kaifer Klerauber war in Tilgt por ber Uebennadjt ^ranfreidjs jurücfgerpicben, gegen 
bie jeber IDiberftanb iijm junächft hoffnungslos erfebien, unb h at, ° mit Hapolcon ein 
Bünbnis gcfdjloffen, bas igm auf Koften Schwebe ns unb ber Türfei erhebliche Dorteile in 
Kusgdjt (teilte. Don preugen erwadete er biefelbe (Ergebung in politifd>e llotwenbigfeiten, 
bie er fclbft äugerlich sur Schau trug; allein innerhalb bcs Syftems ber fransögfcfjcn KUians 
hielt er bod? bie Derbinbung mit preugen feft, bie ftaatlictje 3ntercffen wie perfönliche 
Kücfgdgen ihm wünfehenswed madjten. IDie ^riebrid) IDilhelm auch nach ^rieblanb unb 
Tilgt ausrief: „Hein, pon Klerauber laffe ich nicht", fo war in biefen Tagen ber tiefften 
©hnmacht preugens Klepanbers ,freunbesh<mb bodj bie einsige fjilfe, bie geh non fernher 
bem gebeugten König sur IDieberaufricbtung barbot. 

Der rufftfehe Botfchafter ©raf Tolfloi t^attc bas €Ienb preugens mit eigenen Kugen 
gefehen, jugletef; aber auch b'c beftimmte lieber seugung gewonnen, bag llapoleon über 
preugen hinweg feine lllaehtftellung weiter nach ©gen gegen Kuglanb felbft porsufchieben 
fuche. Kn bemfelben Tage, wo prins IDilhelm Königsberg oerlicg, erhielt er feine Kubiens 
bei llapoleon. ©leid? am nächften Tage, 7 . tlooember, begann er geh in naehbrücflichfter 
IDeife für preugen su perwenben. Kudj Kaifer Klcjranber felbft perfannte nidjt, wie bie 
preugifdjen Regungen in fransöftfd)en fjänben weniger ein pfanb für Kontributionssahlungen 
als eine mögliche ©perationsbags gegen Kuglanb bcbcuteten. 3 n feinen Unterrebungcn 
mit Sapary wies er ben Derfud) Hapoleons, bie Käumung ber Donaufürgentümer unb 
Preugens miteinanber su perbinben, weit pon geh- Hid)t um bie ganse Türfei, rief er 
aus, wolle er eine weitere Schwächung preugens $ugcben; es fei für ihn eine (£h rcn f a< *! e < 
auf Erfüllung ber Derfprechungen su begehen, bie Hapolcon ihm in Tilgt für Preugen 
gegeben hübe. Dicfe unb anbere (Erflärungen Kuglanbs waren fo unsweibeutig unb fo 
nadjbrücflich, bag llapoleon geh su einer porläuggcn Kenberung feiner politif genötigt fah- 
©hne bie f)öhe feiner Kontributionsforberungen im minbefteu su ermägigen, locferte er 
bod; leife ben Drucf feiner ,fauft auf bem unglücf lidjen £anbc: er erfläde gef) mit 
lleberlaffung pon brei Regungen begnügen su wollen unb traf Knorbnungen sur Käumung 
bes £anbftrid)cs swifdjen paffarge unb IDcichfcL Das gnansielle Kusfaugungsfyftcm blieb, 

2i<) 



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Königin fuife unö öet Freiherr pom Slein 



bie poliiifdje unb militdrifdjc 8cfd)Iagnahme lief nad), um fo mehr, 6a Bapoleons 
Bufmerffantfeit ftdi 6er Untermerfung Portugals un6 Spaniens jumanbte, mo er ft eher mar, 
6«m IDiberftanbe Kuglanbs nidjt su begegnen. 

Die Zlad)ridjten über 6icfe günftige IDenbung trafen feit 6em 23. Ilopember in 
Dlemel ein. ^uerft famen aus Petersburg Briefe pon Kleyanber an ^riebrid) IDiIE;eIm 
unb fuife, in benen ber Kaijer feine unmanbelbare Jreunbfdjaft für bas prcugifdje Königspaar 
unb feine unermüblidje ^ürforge für bie preugifdjen 3 ntcrc ff on beteuerte. ©in pradjtnolles 
©efdjenf, ein Sdjal, begleitete bas Sdjrciben an bie Königin. Don franjöfifdjcr Seite 
aber mürbe mitgeteilt, bag bie unterbrochene Käumung bcs fanbes nun fortgefetjt merben 
mürbe unb bog bie Königin bann itjre IDodjen in Königsberg galten fönne. Dian fügte 
in Dlemel roicber ctroas Blut. ©s mürbe bcfdjloffen, bie finanjiellen Bnfprüdje Dapoleons 
nad; Dlöglidifcit ju befriebigen, meitergehenben Knforberungen aber, namentlich ber Kbtretung 
ber Domänen, unbeugfamen IDiberftanb entgegenjufegen. 

Kud; bie Königin, bie gleich am 23. Bopember eine lange Befpredjung mit Stein 
Ijatte, atmete micber auf. Dem ©rufen Colftoi in paris banfte fte felbft. ilcbrigens mar 
ftc meit entfernt, fidj unb ihren Bemühungen ein Derbienft an ber eingetretenen Befferung 
jujufdjreibcn. ©s beutet pielmeljr auf eine realere Duffaffung ber in ber IDcltpolitif 
mirfenben Kräfte, menn fte jegt bas fjauptmotip für Bapoleons Ieifcs §urücfmeichen in 
beffen lüunfdje falj, bie franjöftfdjen Cruppen anbermeit ju gebrauchen. „Das IDort: 
,braud;en‘'', fdjrieb fte bem Dater, „ift t>on pielem ©emidit, benn e Ije bie Kmbition nid)t 
neue Befdjäftigung erfduif, mürben mir fte nidjt los unb hätte ber König bar jmeimal 
fopiei befahlt, als man pon itjm forbert." Daneben triumphierte ftegreid; ihr frommer 
©Iaubc. Das Hadjlaffcn bes Drurfes, fo geringfügig es mar, fdjien ihr roie ein IDunber, 
bas ihr ©ottpertrauen erhöhte unb fte für meitcrc Prüfungen ftärfte. Denn Knlag jum 
Kummer gab es nodt genug. Die fleinen ©rrungenfd)aften auf ber einen Seite mußten 
mit ®pfem an anbercr Stelle bejaht merben. Kuf Knbringen üuglatibs unb ^ranfreidjs 
perftanb ftd; preugen enblid) baju, jebe Derbinbung mit ©nglanb abjubredjett unb bem 
englifchen ftanbel bie fjäfen ju fperren, fo bag ber Sdjiffsperfehr auf hörte, ber ben 
Kufenthalt in Biente! belebt unb erträglicher gemacht hatte. Bie Dertretcr tjannopers unb 
©nglanbs, beten Bcporjugung in Blcmel ben rufftfdjen ©efdjäftsträger Krübener fchon 
eiferfüdjtig geftimmt hatte, perfdjmanben pom preugifdjen fjofe. 3 n äen Derganblungen 
mit Danjig, bie am 6. Dejember burd) einen Dertrag beenbet mürben, mugte preugen fth 
ju meitgehenben 3 u 9 c ftänbniffen bequemen, bie ber Königin mieber tiefen Sdjmerj per« 
urfadjten. Daju famen bie ©infdjränfungen im f}off)alt, bie Stein mit unerbittlicher Strenge 

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Königin f Ulfe uni) ött Jreilferr oom Stein 



burdjführte; mutbe mau bod; halb aud; junt Einfd;mel 3 eii bes golbenen Serpices genötigt. 
Es war nidjl bie Königin allein, bie über Entbehrungen flagte; aud; prinjefjtn UHlbeltn 
fdjrieb bamals: „IDir hoben faum 3 U effen." Km meiften litt bie Königin nad; wie not 
unter bent Klima in preugen. „3n 5übbeutfd)lanb erjogcn," fo fdjrieb fie 6 em Bruber, 
„hatte id) (djon Blühe, mid; in Berlin $u afflimatifieren , aber was ift bas Klima non 
Berlin im Bergleid; 311 preugen!" 

Eine ,frcube wenigftens warb jegt ber eblen Bulberin. Icad; Kbfdjlug bes Bertrages 
mit Bansig räumten bie ^franjofcn tatfädiiicb bas rcd)te IPcidjfclufer, aud; Braunsberg unb 
(Elbing, wo ZTTarfd^all Soult bisher gefd;altet fjatie; nur bei Ularienburg blieben einige 
Caufenb Ulann fielen. Zlun crft bemirften bie erneuten Borftcllungcn ber Königin unb 
Steins, bie fjufelanb unterftügte, bag ber König wiberftrebenb in bie Berlegung ber Hefibens 
nad; Königsberg einwiUigte. Km l^. 3anuar 1808 würbe in tEauerlaufcn an einer mächtigen 
(Eiche, um bie man geh oft 3 U fröhlichem Spiel nerfammelt hatte, nod; ein Kbfdjiebsfeft gefeiert. 
Unter bem Sdjnce pflücfte bie Königin einige © rasante, bie fie 5 ur Erinnerung an bas 
„liebe Cauerlaufen" aufbewaljrte; bann fuhren ^riebridi IDiltjelm unb £uife nad; Königsberg, 
wo fie swei Cage fpäter eintrafen. Hidits war rerabfäumt, ber Königin ben Kufentgalt 
im Sd)Iog behaglich 3 U machen. Ulan hotte >h rc 3’ mmct tmt ©emälben unb anberen 
Erinnerungen aus ben Berliner Sdjlöffem gefdjmücft, fte fanb ein grilnfamtenes Kuljebett 
unb eine basu paffenbe IDiege, ©efdjenfe ber Bürger, bie ihr befonbers willfommen waren 
in einem Kugenblisf, wo, wie fie fagte, „pon allen Seiten alles gefdjieljt, um fie non uns 
los 3 ureijjen." 

Die Königin war gifte? lief;, Ulentel enblid; perlaifen 3 U leiben, um fo glüeflidjer, 
ba fie Königsberg als eine Etappe auf bem IPege nach Berlin anfat;: fie ahnte nicht, bag 
ber Kufenthalt bort nod; faft 3 wei 3 a h rt bauern follte. 



U. 3n Königsberg. (808 

Salb nachbem man fid; in Königsberg eingerichtet, am l. Jebruar 3808 , genas bie 
Königin leicht unb glücflich einer prin 3 cfjin, bie am 28. Februar auf bie Hamen ber Ulutter 
£uife Kugufte IBilhelmine Kmalie getauft würbe. Stein hotte seitweife baran gebad)t, 
Hapoleon bie Patenfchaft anjutragen. Ber König aber beftimmte 3 U alleinigen Eaufseugen 
bie Stäube non (Dftpreugen, aud; bie Bertreter bes „tiers etat“, wie ©räfin Bog fchreibt 
Bie Caufe war eine erljebenbe feier, „ein i^errlidjcs Bolfsfeft" nach Jr. Belbrücfs Urteil, 



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unb bi« fleine Cuif« — fpöter bic ©cniafjlin bcs prinjen ^rieöticfj b«r Hieberlanbe — 
nuirbc balb als bcr IlTulicr (Ebenbtlb allgemein cercfyrt. 

Sic politifdjen Perbanblungen riieften injimfcben nid)t Dorroärts. prinj IDilljclm war 
perfön lid; in paris Don Hapoleon freunblid) aufgenommen. (Ein Knerbieten bes prinjen 
aber, als ©eifcl für bie (Erfüllung ber preugifdjen Perpgid)tungcn ju bienen, lernte ber 
Kaifer ab unb Der mies bic Perbanblungen über bic Kontribution an Saru, feinen Berliner 
Bcoollmädjtigten. Stein entfeblog fidj besbatb, unmittelbar nad) bcr (Eauffeier felbft nad) 
Berlin ju geben. (Er Dcrftänbigtc fidj bort mit Saru rafd) über einen Pertrag, beffen Hatigfation 
Bapolcon jebod) erft Derjögcrte, bann fdjlicfslidi ablcbnte. Ser Kaifcr münfdjte nidjt ftdj 
gegen preugen $u binben, um bas unglüdlidje Canb immer als Pcrljanblungsobjcft gegen 
Huglanb benähen ju fönnen. Klefanber aber lieg feit feinem Briefe uom Hopembcr 1807 
nidjts mehr non geh l>5rcn, obfdjon fein Botfdjaftcr in paris bie preugifdjen Bemühungen 
nad; roic por unterftügte. Königin Cuifc empfanb bas 5d)tpcigcn bes Kaifers um fo peinlicher, 
als fie feine Permenbung aud) für Utccflenburg-Strelitj angerufen batte. Sie traute ibtn bod) 
nicht r ed)t. „3<b rncig nidjt," fdjrieb fte bem Pater, „ob er lebt ober tot ift . . . (Er bat 
immer guten IPillcn. IPer aber ben Ogter ^rieben unterfdjrieb, fann aud) mübe merben 
im ©uten." Piel ^reube batte Cuife bagegen an ihrem Bruber ©eorg, ber bei einer 
Unterrebung mit Hapolcon tapfer für bic Sdjmcflcr unb beren ©emabl eintrat. 

Seit bic Königin jene tiefe Erfdiütterung übermunben, bie in ber Kufjeidjnung Dom 
29 . ©ftober unb in bem Schreiben an Hapolcon vorn Hooember 1807 ihren Uusbrucf 
gefunben bat, mar eine gemiffe Kühe über fie gefommen. „3nmitten alles Kummers", 
fd)rieb ge nod) Don IHemel aus ber ^rau r>on Berg, „habe id) Tage, mit benen id) jufrieben 
bin. Sic HTenfdjcn freilich haben baran feinen Kntcil, id) rcrfdiaffc mir alles felbft, auger 
bcr ^reunbfd)aft bcs Königs, feinem Pertrauen, feiner ©ütc unb ,3ärtlid)feit für mid), bie 
roirflid) mit jebem Tage junebmen." Unb an bcmfclben (Tage an Bruber ©eorg: „Set 
©ebanfe, bie Caft, bie mid) I) cu te nicberbrücft, nidjt perbient ju haben, gibt mir für bas 
Sittliche übernatürliche Kräfte, unb meine Seele geniegt inmitten Don allem einer Kühe, bie 
id) faft bie Kuh« bes ©«rechten nennen möchte, rocim bas nidjt jupicl gcroagt märe." 

©ine Stimmung bcr Kcggnation fpridjt aus foldjen Xüortcn. ©egenüber ben 
berrfdjenben lPeltmädjtcn mochte bie Königin bcr eigenen ©bnmadjt mehr unb mehr inne 
geworben fein. tPic eifrig batte ge nod) por furjem in bie auswärtige politif eingegriffen, 
wie lcibenfd)aftlid) namentlich für bie Näumung bes Canbes gefämpft, bie igr für Preugen 
wie für ge felbft eine Cebcnsfragc bebeutetc. jn Königsberg fcheint ge ben Kampf fag 
aufjugeben. Sic siegt gd) überhaupt mcl)r jurücf. Selten nod) nimmt ge an ben gemeinfamen 

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iLafe! 2 1 






Pie Kaiforlidi Kufftfdjo Familie un6 IZapoIcoii 
[. Kdtfrrtn «Slifabctb Klerejctrna pon Kufilanb. 2. Kaifer Kleranbcr ron Knßlanb. 3. Kaifertit' Illutter 
ITlaria .fcoboronma. 4. Kaifer Hapoleon I. 5. (SroftfnrfHn Helena poii Rußland, (Erbprinjeffin pon ITTerflen* 
bimvfAireriii. 6. \Erbprin3 pon HTccflenburg-f djipcriu. 7 . (5 roß für ft in 2 lnna poii Rußland. 8. (Sroßfürft 
£onftaiittn pon Rußland. 9. (Sreßfiirftiii ITlaria ron Rußland, ^rbprinjefftu pon 5 ad>fen -Haimar 



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2TTat}l$<iten teil, mci(l fpeift ge mit bem König allein, ber in feiner feelifdjen Bieber* 
gefdjlagenl^eit au<f) förperlici) fränfelte, fo frag Me Königin mit Stein über eine Babereife 
nadj Kuboma perljanbeltc, unb ihrer aufheiternben Ciebe mef)t als je beburfte. Denn €cib 
unb Sorgen midjen niefjt oon ber Scfjroelle bcs Königsfdjloffes; immer fpürten bie llnglürf» 
liefen bas Scfjmert bes Eroberers am Harfen. 3 n Königsberg war ein franj{gf4er Konful 
eingejogen, ber, wie Brinrfmann febreibt, bas Königsberger Kabinett befpotifdj regierte unb 
gegen beffen ^errifefjes Huftreten Cuife Steins fjilfe anrief. Salb war bann wieber pon 
ber Abtretung biefer ober jener prorinj bie Hebe, halb pon bent unoermeiblidjen Beitritt 
jum Hljeiubunbe, ben, wie wir wiffen, Cuife befonbers perabfdjeute. Brohenb unb bunfel 
lag nadf wie por bie ^ufunft por iljr — wenn es no4 eine jjufunft für fie gab. ©ft f>at 
fte aud; baran perjweifeln wollen. Bann fucfjto fte wo^I Cr oft in ber ^ufpradje bes ©ber» 
hofprebigers Borowsfi, ber bem Königspaare bie alles überwinbenbe Kraft bes lebenbigen 
©laubens prebigte, unb in ber heiligen Sdjrift, befonbers in ben pfalmen, bie iljr leib« 
do 11 es t)erj aus Berjweiflungs tiefen ju frobefter ^UDerfidjt emporljoben. IDie füllte 
g4 Borowsfi im 3 nncr f* cn ergriffen, wenn Cuife mit ihrer „melobifchen Sprache" bie 
IDorte bes 126. pfalms roieberholte — t>on benen, bie mit Cränen fäen unb mit freuben 
ernten — „als fliege ein entjürfenber (Befang aus ihrem reich befaiteten fjerjen". 3h m 
gefiel bie Königin jeljt faft noefj mehr als früher, mit ben „weifen Hofen auf ihren 
IDangen" unb mit bem „milben Husbrurf einer fünften IDehmut" unb „füllen Sefjnfucht" 
in ben Kugen, benen man freilich anfah, bag ge Diel geweint hatten unb noch weinten. 

Cuifens Sümmung in biefem Frühjahr 1808 fpricht am fi)önften aus einem Schreiben 
an ben Dater, bas jugleich ihr ethifch « politifches ©laubensbefenntnis enthält. 3^) r ©emüt, 
in feiner Heinljeit, Hulj« unb liefe offenbart (ich barin, freilich °h n< bie Kämpfe, in benen 
ge geh 3 U biefer Kbgeflärtheit hinburebgerungen hat. 

Sie fcfjreibt, wahrfcheinlich im Hpril: „Befter Dator! JTCit uns ift es aus, wenn 
auch nicht für immer, hoch für jegt. mein Ceben h°ff° «4 n id)ts mehr. 34 habe 
mich ergeben, unb in biefer »Ergebung, in biefer Rügung bes fjimmels bin ich je ft ruhig 
unb in folcher Huhe, wenn auch ”>4' irbif4 glürfli4. bo4, was mehr fagen will, geiftig 
glürffelig. (Es wirb mir immer flarer, bag KUcs fo fommen mugte, wie es gefommen ift. 
Bie götlli4e Dorfehung leitet unoerfennbar neue IDelt 5 ugänbe ein, unb cs foll eine anbere 
©rbnung ber Binge werben, ba bie alte g4 überlebt hat unb in g4 felbft als abgeftorben 
iufammenftürjt. IBir gnb eingef41afen auf ben Corbeeren ^riebriebs bes ©rogen, wel4er, 
ber fjerr feines 3ah r h un ^ crts > eine neue 3 c 'l f4 u f- IDir gnb mit berfclben ni4t fort» 
gef4ritten, beshalb übergügelt ge uns. Bas gehet Hiemanb flarer ein, als ber König. 



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nodj eben Ijatte id) mit itjnt darüber eine lange Urtterrebung, unb er fagte in ftdj gefeljrt 
»iebcrljolcntlidj: „Das muß audj bei uns anbets »erben" .... €s »ärc Cäfterung, ju 
fagen, ©ott fei mit iljm [Bapolcon], aber offenbar ift er ein IDerfjeug in bes HUmädjtigen 
fjanb, um bas 2Ute, welches fein Ceben meljr (jat , bas aber mit ben üugenbingen feft 
perwadjfen ift, ju begraben. 

©ewifj »irb es beffer »erben; bas perbürgt ber ©laube an bas oollfommenfte IDefen. 
über es fann nur gut »erben in ber IDelt burd; bie ©Uten. Deshalb glaube id> audj 
nidjt, bafj ber Kaifer Hapoleon Bonaparte feft unb ftefjer auf feinem, jeßl freilicf) glänjenbem 
(Thron ift. Jcft unb ruljig ift nur allein IDaljrljeit unb ©eredjtigfeit, unb er ift nur politifdj, 
bas fjeifit flug, unb er richtet fidj nidjt nadj ewigen ©efefjen, fonbem nadj Umftänbcn, »ie 
ftc nun eben fmb . . . Dabei ift er ohne alle üläfigung, unb »er nidjt ZTTafj fjalten fann, 
perliert bas ©Ieidigc»idjt unb fällt. 3d) glaube feft an ©ott, alfo auch an fittlidie IDelt« 
orbnung. Diefe fcfje id) in ber fjerrfdiaft ber ©emalt nidjt; besljalb bin idj in bet fjoffnung, 
bafj auf bie jeßige böfc £e\i eine beffere folgen »irb . . . ©anj unperfennbar ift Ülles, 
»as gefdjetjen ift unb »as gefdjicljt, nidjt bas Cefste unb ©ute, »ic es »erben unb bleiben 
foll, fonbem nur bie Baljnung bes IDeges $u einem beffem Siele Ijin. Diefes fdjeint 
aber in »eitcr (Entfernung 5 U liegen, »ir »erben es »afjrfdjeinlidj nidjt erreidjt feljen unb 
barüber fjinfterben. IDie ©ott »iü; Hlles »ic er »ill. über id) ftnbc (Troff, Kraft, ZTiulfj 
unb fjeiterfeit in biefer ßoffnung, bie tief in meiner Seele liegt. 3f* äodj Hlles in ber 
IDelt nur Hebergang! IDir müffen burd). Sorgen »ir nur bafür, bafj »ir mit jebem (Tag 
reifer unb beffer »erben" . . . 

Cuifc gebertft bann ber Besiefjungcn 5 U iljrcm ©emaljl unb iljres ungetrübten ©Ije» 
glüefes, cdjt »eiblid? bem ©arten ben »efentlicbften ünteil an biefem ©Iücf jufdjrcibenb, 
bas bodj fjauptfädjlidj itjr eigenes Berbienft »ar. 

,,©em »erben Sie, lieber Dater, Ijören, baß bas Hnglücf, »cldjes uns getroffen, in 
unfer eljclidjes unb tjäuslidjes Ceben nidjt eingebrungen ift; rielmctjr basfelbe befeftigt unb 
uns nodj »ertljer gemadjt Ijat. Der König, ber befte IHenfdj, ift gütiger unb liebepoller, 
als je. ©ft glaube idj in iljm ben Ciebljabcr, ben Bräutigam $u feljen. IHeljr in fianb^ 
lungen, »ie er ift, als in IDorten erfetje idj bie üufmerffamfeil, bie er in allen Stücfen 
für midj Ijat, unb nodj geftern fagte er fdjlidjt unb einfach, mit feinen treuen üugen midj 
anfcljenb, ju mir: „Du, liebe Cuifc! bift mir im Hnglücf nodj »ertljer unb lieber geworben. 
Butt »cif? idj aus «Erfahrung, »as idj an Dir Ijabe. Blag es braufjen ftürmen — roenn 
cs in unferer <Etje nur gut IDettcr ift unb bleibt. IDeil idj Didj fo lieb Ijabe, Ijabe idj 
unfer jüngft geborenes (Tödjtcrdjen Cuife genannt. Hlöge es eine Cuife »erben." — Bis 

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5 U tTtjränen rührte mich öiefe (Süte. €s ift mein Stolj, meine ,freuöc unö mein (ßlücf, 
öie Cicbe unö ^ufricbcnhcit öes beften IHannes $u beftgen, unö weil ich ifjn pon fjerjen 
urieöcr liebe, unö n>ir fo mit einanöer (Eins ftttö, öag öer IPille öes (Einen auch öet IPille 
öes Knbem ift, wirb es mir leidjt, öies glücfliche (Einperftänbnijj, welches mit öen 3afyren 
inniger geworben ift, ju erhalten. ITJit einem IPortc, er gefallt mir in allen Stüefen unö 
ich gefalle ihm, unö uns ift am ipoblften, trenn mir jufammen finö . . ." 

Itadj öem (Satten fpricht Cuife pon Öen Kinbern, befonöers non öem Kronprinjen 
unö öeffen „porjüglichen (Talenten". „Unfcre Kinber fmö unfere Schatte unö unfere Kugen 
ruhen roll SuWeöenljeit unö poll fjoffnung auf ihnen .... Kleine Sorgfalt ift meinen 
Kinöem gewibmet für unö für, unö ich bitte (Sott täglich in meinem fte einfcfjliefienben 
(Sebete, bag er fie fegne unö feinen guten (Seift nicht non ihnen nehmen möge .... (Erhält 
(Sott fte uns, fo erhält er meine beften Sdjälje, öie Hiemanö mir entr eigen fann. (Es mag 
fommen, was öa will, mit unö in öer Pereinigung mit unfern guten Kinöem werben mir 
glücffelig fein" . . . 

IPie fchon öies Schreiben ahnen lägt, gab öie Kuh« bes (Scmüts, perbunben mit öem 
^urücftrcten öer auswärtigen JDolitif , öer Königin roieber (Tage innerer Sammlung unö 
reicherer (Seiftesarbeit. 

Bereits in Klemel hotte öie Königin riel gelefen: öie Corinna öer ^rau pon Stael, 
befonöers aber hiftorifdje IDerfe, wie Schillers (Scfdjidjtc öes öreigigjährigen Krieges. „Jdj 
lefe fleifig öie <Befcf)icfjtc", fdtrieb fte in Königsberg, „unö lebe in öer Pergangenheit, 
weil öie nichts mehr für mich ift-" Kbcnös am Ceetifch las fte felbft jutpcilen 

wieber por, -aus Öen „Cebensgeiftem" öes (Srafen BenseUSternau, aus franjöftfcben 
(Erjählungen ; Pelbrücf bejeugt, wie gut fie franjöftfch las. Bajroifcheii, junt nicht geringen 
Perbrug öes Königs, perfdjmähte man am tjofe auch öie Cagesliteratur nicht, jene ^lug= 
fchriften unö Pamphlete, öie wie fchmugige Staubwolfen aus öen ftürjenöen Kuinen öes 
alten Staatsbaues aufflogcn; wir hören , baff (Ephraim, Buch hol], Klaffenbach gelefen 
wuröen. Pie Königin felbft hat fid? befonöers mit Combarös „Klaterialien jur ©efdiihte 
öer 3 a hre 1805, 1806 unö 1807" befefjäftigt, öie in öer Königsberger t}ofgefellfchaft riete 
Cefer unö Bewunöeter fanöen. Pie Bemerfungen , öie ffe, wie fte fagt, auf IBunfch eines 
anöereit öa 5 u nieöerfchrieb unö öie erft fürjlieh peröffentlicht wuröen, ftnö ganj im Sinne 
öer Kritif gehalten, öie fjaröenberg in feinen Penfwüröigf eiten gegen Combarös Schrift 
richtet. Kucff öie Königin taöelt öie Uebergriffe öer Kabinettsrätc unö im g5ufammenhang 
öamit öie preugifche Beutralitätspolitif. Perfönlichcrc Färbung haben begrciflichormeife ihre 
Kcugerungen über öen König, fo porffdiiig unö jurücfhaltenö fie ftnö; eine Bemerfung 



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feiert bann öfter wieber: bic Klage über ben unbegrünbeten Klange! an Selbflpcrtraucn bei 
bem König. IDaren bie Kufjeicpnungen piellcidit gerabe für ^frtebricb IDilpcIm felbft bcpimmt? 

Das ^urücfgepen ber Königin auf ftd) felbft, bie (Entfaltung regerer geiftigcr Cätigfeit 
mürbe noep burd) jtpei Klomentc geförbert: burd) bic Knroefenpeit ber ^rau pon Berg unb 
burd) bie geiftige Ktmofppäre pon Königsberg überhaupt. 

,Jrau pon Berg war unmittelbar nad) ber Entbinbung ber Königin auf bcren IDunfd) 
in Königsberg eingetroffen; fte blieb bis Enbe Kpril (808. Km fjofe perglid) man ipre Er» 
fcpcinung mit Klaria Stuart. Sie pcrfcprte faft täglid) mit ber Königin unb las »ieber fletpig 
mit ipr. Den tiefften Einbrucf machte bantals auf Cuife ^acfjarias IDemcrs fut 3 rorper 
erftpienenes bramatifcpes ©ebicpt: Die Söpne bes (Tals. Sie begeiperte ftd) für ben lebten 
©ropmeifter bes Cemplerorbens, ben „eblen Klolay", unb für ben fcpottifcpcn Kitter, ben 
„ftarfen Robert". IDemers Drama mit feiner gepeimnispoll nacp oben weifcnben (Tenbenj 
erfcpien ipr wie eine Krt Bibel, unb fie legte cs „nicpt optte tieffite Rüprung unb fjotje 
Entfcplüjfe" aus ber fjanb. Kud) bie politif, wie ftctj pcrftcpt, würbe jwifcpcn ben beiben 
grauen erörtert: „Die gute Berg" palf ber Königin „treu bic böfen Kaepridjten aus paris 
tragen"; unb Cuife meitjte bie ^reunbin ein in alle bie Seelenftürme bes lebten 3 J P ros < 
insbefonbere aud) in bie Hoffnungen unb Enttäufepungcn, bie ipr aus ben 8c$icpuitgcn ju 
Kaifer Ktepanber erwucpfen. Beibe — trop allem — modjten fte nidjt aufpören an ipn 
ju glauben, unb tuenn ftd; in ber Kirdjc iprc Stimmen ju bem Ciebe pom IHorgcnpem 
pereinigten, fo gebuchten fie bes ritterlicpen Kaifers im fernen ©pen, ber aus anfepeinenber 
Perbunfelung eines (Tages leudjtenb aufgepen unb aud; bem unglücflupen preupenlanbe 
Helle (Tage bringen trürbe. 

3n Königsberg perrfepte bantals ein reges geiftiges Ccbcn, bem bie Hiepfung auf bie 
Regeneration bes Staates ein neues unb befonberes ©epräge gab. Es pnb bie (Tage, t»o 
ber Staat in ben breiten Klaffen bes Dolfes breitere ©runblagen fudit unb bic Kation 
ju felbftänbiger politifdjer Krbeit, ju ©emeinpnn unb pingebenber Paterlanbsliebe aufruft; 
ipo bie Durdjbringung bes alten parten preupentums mit bem ©eifl ber neuen beutfdten 
Bilbung beginnt, politifdj aus Deutfcplanb ausgefepieben, wücpft preupen geiftig um fo 
fefter unb inniger in bas Deutfdjtum pinein. Unb anberfeits: tpas in Deutfcplanb nod) 
frei ip unb frei füplt, Püditct ftd) $u bem beutfdjen Staate, ber bas 3°<P bes Rpeinbunbes 
nidjt trägt. Kn ber Spitse biefer Klänner, getragen unb gepöben pon bet fittliepen ©röpe 
feiner Kufgabe, pept ber ^reip err pom Stein, bie wueptigfte perfönlicpfeit, ber fraftpollfte 
Eparaftcr, pom König mepr gefüreptet als geliebt, pon ber Königin poepgefepäpt, aber bod) 
nicpt pereprt wie H at bettberg. Klepr nad) bem Herjen bes Königs war Scpamporft, ber 



27 « 




ftiU uni fränflicfj, rnte er mar, mit jäher «Energie bie IDaffen für ben Befreiungsfampf 
fchmiebete. Diefem „Kiefen" gegenüber bejcichnete ©neifenau flcfj felbft als einen „Pygmäen", 
er 6 ie ftoljeftc unb geminnenbfte ZHunncsgeftalt unter ben Reformern. Sie alle mürben oft 
5 ur Föniglichcn Tafel gejogen, obgleich Ijöfifcbes €eben unb Treiben ihnen eigentlich jumiber 
roar. 3n ifjrem Kreife fpracfj bic Königin moljl einmal, mie ©neifenau berichtet, „mit 
hinreifjenbem ©ntljufiasmus non einer befferen ©rbnung ber Dinge." Scham tjorft fanb, 
bajj fte in Königsberg uncnblicf) großer unb liebensmürbiger mürbe, als fte jemals gemefen. 
©neifenau mar tief beroegt non ihrer Teilnahme, als fte unter Tränen ben Danf las, ben 
bie Stabt Kolberg ifjrem Dertcibigcr öffentlich ausfpradj. Habere Bcjicfjungen ju ibjr hat 
bocfj nur Stein geijabt. Don ©cneralen crfcfjienen bei fjofe noefj ber fnorrige fjorcf, 
ber Hachfolger Küchels als Kommanbant ron Königsberg, unb ©Ibrnig non Hammer, 
ber Kapitän ber erften Kompagnie ber neugebilbeten ©arbe, ber fiebling ber Damen. 
«Einige geit Ijinburcf) mar auch ©raf ©ötsen in Königsberg, ber in Sdjleften in tiefer 
EjoimlicfjFcit alles für eine nalje «Erhebung rorbereitete, unb Sefjili, ber nolfstümlidjfte ron 
allen, um ben bie ZHcnge ficty brängte. 

gu ben HTitarbcitern ober Hachfolgcrn Steins an bem grofjen Kcformtrerfe, bie 
norübergeljenb ober bauemb in Königsberg ficfj auftjieltcn unb gelegentlich ju fjofe gclaben 
mürben, gehörten bic ZlTitglieber ber oben ermähnten gmmebiatfommiffion, Hiebuljr, 
Kltenftein, Schön, Staegemann, Klemij, ron benen befonbers ber lottere bem König gefallen 
ju Ijaben fdjeint, unb Kuersmalb, Sacf unb Dincfe, bie fpäteren ©berpräjibenten. gm 
galjrc ( 8 O 9 traf auef) IDilljelm ron fjumbolbt aus Korn in Königsberg ein, ber bie Seftion 
für Kultus unb Unterricht im ZTUnifterium bes gnnern übernahm. IDiberftrebenb f) at le er 
ftdt baju entfefjloffen ; Königsberg mijjfiel ihm anfangs grünblich, halb aber gemöljntc er 
fth ein unb erfreute ftcfj an bem Derfeljr mit Königin Cuife unb an ben Ubenben bei 
Priujeft Cuife Kabjimill unb ihrem funftfmnigen ©atten, ber bort feine Kompojitionen jum 
Jauft jur Kufführung brachte. 

Heben biefen h$h crcn Dermaltungsbeamien beroegte ficfj noch ein Kreis ron profefforen 
unb ScfjriftfteUem , junt Teil mit jenen in enger Derbinbung burch perfön licfjfcitcn , mie 
Staegemann, ber auch a ls Dichter unb Publijift tätig mar. Die Unirerfttät hotte jrnar 
Kant unb Krauf bereits ocrloren; einjelne ihrer Celjrer aber mirften auch jetsf in bie 
IDeite, ror allen Sürem, ber im IPinter ron 1807 auf 1808 rielgerühmte Dorlefungen 
über bie beutfebe ©cfcfjichte ron Karl bem ©rojjcu bis auf bie ©egenmart h'*U* mar 
ber fittlich'<rjieherifche ©ehatt feiner Dorträge, ber bie guljörcr feffelle. Sürem mar für 
Königsberg, mas ju gleicher geit für Berlin burch bie Koben an bie beutfdje Hation 

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;Jidjte rouröe, mit öem er ftdj pielfadj berührte. IDir ermähnen nod) ©eorg Scheffner, 6 er 
als Kriegs» unö Domänenrat f7?q nach einem ^ermürfnis mit Jrieörid; 6 em ©rojjen 
feinen Abfdjicö genommen un 6 nun als Sicbjigjäljrigcr in polier geiftiger Xüftigfcit in 
Königsberg lebte, unö Hlaj- pon Sdjenfenöorff, Öen jugenölidjen Heferenöar, in öeffett 
©eöidjten öic allgemeine Peteljrung für Königin Cuife ifjrcrt fdjönften poctifdjcn Ausörucf fanö. 

3n öiefen Kreifen unö ihren politifdj= literarifdjen Begebungen, im Anfdjlufj mofjl 
an ältere Cogcnpcrbinöungen, entftanö öamals öcr , , Sittlich- tri ffenfdjaftlidje Pcrein", befannter 
unter öem Hamen „Der Eugenöbunö", öem fjeroorragenöe Beamte, ©ffijierc unö ©eleljrte 
beitraten. (Er l?at nur in Öen erften Hlonaten nad) feinet ©rünöuug eine gemiffe Beöeutung 
gehabt, als er ju einem geeigneten IDcrfjeug für öie Erhebung ju werben rerfprach; öantt 
fanf er ebenfo rafcb, wie er emporgefommen nur, unö oerficl Anfang 18 fO faft unbemerft 
öer Auflöfung. IDic öer Cciter öes Percins, profeffor Krug, perfidjert, „ftanö öie Königin 
unter Öen Jreunöcn öes Pereins obenan", ftc intereffierte fich, orjäfylt er, „für alles ©ufc 
unö Schöne, unö öa ifjr öer Perein in öiefem Cicfjtc crfdjien, fo beehrte fic iljn auch mit 
iljrem hoh en Seifall.* Höheres freilich ’f* öarüber bisher nidjt befannt gemoröen. 

Dagegen finö u>ir gut unterrichtet über öie Begehungen öer Königin ju Säuern unö 
S<h«ffner. Scheffner hotte fchon 1807 öie Prinjcfftn Solms fennen gelernt unö öurch ihre 
Permiltelung auch öie Königin bei öeren jtpcitcni Aufenthalt in Königsberg, im April unö 
Htai öesfclben 3aljros. Die frifefjc ilrfprünglichfeit öes treuherzigen unö freimütigen 
©reifes, Öen Staegemann öen „.frauflin pon öer ©ftfee" nennt, fcheint auf Cuife befonöers 
anjiehenö getuirft ju hoben. Sie fprachen miteinanöer über Öen franjöftfchcn ©eneralftab 
unö Prinicnerjiehung, über fy>flcbcn unö fjofetifette, unö Scheffner, begeiftert non öer 
unuerfennbar hohen Begabung öer Königin, fudjte fic 511 ftärferer geiftiger Betätigung 
anjuregen. Dabei erging cs ihm iric anöeren. Cuife begegnete feinen Mahnungen mit 
öem bjimueis auf „öic Pflicht einer Ehefrau, fid) gan 5 öem ©efdjmacf ihres Blannes ju 
fügen unö felbft Dinge, öie ihr pieles unö tpahres Pcrgnügen machten, öem aufjuopfem, 
mos ftc iljm ju feiner Beruhigung, Erholung unö *3ritfürjung für itüelidi unö nötig halte." 
Scheffner lieg fich öaöurdj nicht abfdjrecfen. Auch nach Hlemel hin, in profa unö in Perfett, 
mit Emft unö mit ©ffenljeit, foröerte er öie Königin auf, „alles ju neuent tätigen Ccben" 
3 U befreien, „Preußens IPunöertäterin" ju tueröen. Er befämpfte nadtörüdlidi öie unnötige 
Perlängerung öes Aufenthalts in Hlemel, überhaupt öie gefährliche Porliebe öes Königs 
für öic Bequemlichkeit eines bürgerlich häuslichen Cebctts unö örängte auf balöige lieber» 
fteöelung nad} Königsberg. Die Königin, öie an öiefem Freimut leinen Anflog nahm, ließ 
balö nad; öer Anfunft in Königsberg Sdjeffner ju fid; bitten, um öen früheren perfönlidjen 

27S 



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Umgang pon neuem aufjuneljmen. IDieber bemühte fid) Sdjeffner, auf fte einjumtrfen, 
ungcfäfjr in bem Sinne, wie ^rau non Berg. Gr fdjenfte iljr jum Geburtstage, (0. UTarj (803, 
Ca Bruyires „C^araftere", Me einft fdjon prinj fjeinrid? ber Königin empfohlen f>atte 
(f. oben S. U3). Gr würbe nicht mübe, in fie ju bringen, bag fie „ben iijr pon Gott 
perlieljenen Geift baljin bringe, ben Kcidjtum itjrer Gaben föniglidj ju brauchen." „Die 
Preujjcn", fdjrieb er iljr, „halten juperläfftg €w. Königliche UTajeftät für bas einjige 
IDefen im Staat, welches bem Benehmen im grogen unb Meinen einen anberen porteil» 
haften Schwung unb bem ben König unb bie Kation pereinenben Banbe Unauflöslichfeit 
fdjaffcn fönnte." 

Durch Sdjeffner würbe bie Königin auch mit Supern befannt. 3m Sommer (808 
erhielt fie nach unb nach bie f)efte feiner hfftorifdjen üorlcfungcn, bie fie mit größtem Gif er 
puMerte unb beren bemerfenswerte Stellen fte mit Bieiftiftftrichen — „Hieroglyphen ihres 
Herjens" — bejeidjnete. Uhr fenncn ihre pernachläffigte Bilbung: es warb ihr nicht leicht, 
ft d? burch biefe Dorträgc burdjjuarbeiten. Uber fie befaff ben fchönen UTut, por bem 
ehrwürbigen Scheffnet ihre Unfenntms einjugcfteljen unb wie „ber Sdjulfnabe ben gütigen 
Cehrer" um (Erläuterungen ju bitten, „^rägt man nicht unb f<hämt ftdj feiner Ginfalt 
gegen jeben, fo bleibt man immer bumm. Unb ich h a ff e entfeglidj bie Dummheit." So 
fragte fte nach ben punifdjen Kriegen, nach ben Gracchifchen Unruhen, nach ber Bebeutung 
bes IDortes: Hierarchie. Scheffnet erwiberte, auf bie Kamen fomme cs nicht an, fonbem 
auf bie Grfaffung bes Gei fies ber Perfonen unb fymblungen. So nerftanb es auch bie 
Königin, wenn fie ihm fdjrieb: „3d| empfinbe recht tief bie fchönen TDahrfjeiten, auf ber 
fein (Süpcms) ganzes Prinjip ruht; unb hoppelt fühle ich mich h' n 3 c riffen , bie Uufgabe 
meines Cebens: mid; mit flarem Bewujjtfein ju innerer Harmonie ju bilben, nidjt ju 
perfehlen, fonbem ihr ju genügen .... U)ollten nur bie UTenfdjen bie Uugen nadj innen 
wenben, pielleidjt fänben fie nodj Kraft, bas Sflapenjodj abjufdjütteln; aber tun fie es nidjt, 
fo flehen feine alten Kitter auf, für bas Kedjt, ben Glauben unb bie Ciebe ju fämpfen. 
UTit wahrer Unbadjt fniete ich ©ebanfen an bem Ultar ber Burgfapelle unb betete für 

beffere feiten 5« bent UUmädjtigen. Griebe id; fie audj nidjt mehr, geht es nur meinen 
Kinbem unb burdj ihnen meinem Dolf einmal wohl! 3^ meig, bie feiten madjen fidj 
nidjt felbft, fonbem bie UTenfdjen madjen bie beswegen follen meine Kinbcr gute 

UTenfdjen werben, um wohltätig auf iffr ,3 f 'lalter ju wirfen." 

UTan fieht: bie Königin erblicft in fittlidjer Gmeuerung unb innerer Keife bie 
Porbebingung für äugere Freiheit, — wie ifjr anberfeits bie läuternbe IDanberung burdj 
leiben unb Sdjmerjcn als ber TDeg ju ihrem 3beale innerer Harmonie erfdjien. Sie 

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fdjenfte damals Sdjeffner ein Pctfdiaft, mie fie es fclbft oon Jrau pon Berg erhalten hatte, 
mit einem traubentragenben Kebfloef unb 6er Umfdjrift: „Vid)t ohne (Tränen". ZHenfth 
un6 Rebe reifen niefjt ofjne Cräncn. 

Heber Süpem f di rieb 6ic Königin 6er ,frau pon Berg (8.3uli (808, franjöfifch): 
„3<h Icfe außerorbentlid? fleißig in Süpem. 3<b bin beim 9- E^eft, un6 Karl 6er ©roße 
fteljt in feinem ganjen ©lattje, feiner ©rößc un6 (Tapferfeit cor mir. ©r, 6er Sef?5pfer 
6es beutfdjen Zeitalters, ift für mid) faft ein ©egenftanö 6er Zlnbetung, aber meniger als 
(T^eoberid), 6er fd)Iid)t öeutfd) mar, un6 beffen ©rabheit, Ciebe $ur ©eredjtigfeit un6 jum 
©Uten, perbunöen mit (Tiefe un6 ©belmut 6cs fjerjens un6 6es Cfyarafters midi mehr 
anjicljen, als jener Dom jranfentum fdion etmas oeröorbene Charafter. 3d) machte neulich 
öie Befanntfdiaft Süocms, mas mich etmas in Verlegenheit gefaßt tjat ; 6enn er fagte mir 
etmas, mas ich menig perbiente, nämlich, mein Urteil märe für ifjn h&*?ft fdimeichcüjaft. 
Hun fonnte aber bod; eine Unmiffenbe mie idj Ujn nur intereffteren unb iijm fdimeidieln 
burd) bie UTajeftät, bie mid; umgibt. Cief burdibrungen t>on biefer iDabrljeit appellierte 
idj an fein fjerj, benn ©emüt E>at er, unb ermibertc ihm: mein Urteil fönne feinen IDert 
für i^n hüben, aber ber ©ebanfe möge ihm als ©ntfdjäbigung bienen, baß er in biefen 
fd)rccflid)en Z f ’* cn bes Unglücfs unb ber (Tränen ba}u beigetragen habe, jemanb glücflidie 
Stunben unb Kugenblicfe 5U perfdjaffen, ber mit fopiel Dan f barfeit pon ihm lerne." 

mit Sdjeffner unb juglcidi mit bem Jreibcrm pom Stein (joi fuife auch biejertige 
Kngclegenhcit mieberholt unb cingchenb erörtert, bie ihr neben ber Räumung Preußens 
bamals moht am mciften am fjerjen lag: bie .frage ber ©rjicljung bes Kronprin$en. 
U?ir müffen näher barauf eingeljcn, bie <0>a r artere aller Beteiligten offenbaren ftdj habet 
in befonberer Schärfe unb Peutiichfcit: ber König in feiner Hnentfdiloffanheit, Stein in 
feinem rücfftdjtslofan Vormärtsbrängen, bie Königin in ihrer permittelnben Stellung 
jmifdjeti beiben. 

Unter bem Drucfe ber furchtbaren Ucbermacbt, bie auf bem fanbe unb bem Königshaufe 
lüftete, hatte Cuifa ber Hoffnung entfagt, felbft nod; einmal bas ©lücf beffercr (Tage genießen 
ju fönnen. Uber fie glaubte feft an eine Zufunft für bas fommenbe ©efdjledjt. ,für ihre 
Kinber erhoffte fte, mas bas graufame Sdjicffal ihr felbft perfagt hotte: ein geiftig höheres, 
politifdj freieres Cebcn. Bas eigene Dafein erfdjien ihr mie eine Vorflufe für biefe Zufunft 
ihrer Kinber ; fte mar bereit, alle bie Vorjügc, bie bie bemunbembe Ulitmclt an ihr rühmte, 
allmählich pon ftd) auf ihre Kinber übergehen ju fatjen. So fdjrieb fte im ZUai (80? an 
ihren ©emahl: ,,3d) überlaffe meinen Kinbem mit Vergnügen bie Vorteile, bie ich hott*, 
als idj fte jur UMt brachte unb bie id) perliere, mährenb idj bas ©lücf habe, fte madjfan 

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unö gebeibcn ju fctjcn ; bas ift fein mirflitfier Derluft, benn öic Belohnung ift ju fd)ön. 
Unö menn flc gut roerben, wenn fic fagen : mir haben bas pon papa unö 2Tlama gelernt, 
fo ift ias alles, mas mir an ©lücf münfdjcn föunen." 

Die liinfecr mudjfen ijeran: prinj IDilljelm, naefj 6cm Urteil 6er STutter, „mie fein 
Pater, einfach, bicber un6 perftänbig"; Charlotte, „rein mie ©olö, gut un6 fanft", „(jinter 
einer fdjeinbar falten £}ülk ein marmes, tljeilneljmenbes ßerj", aber juroeilen fo ausgelaffen, 
6ag Cuife, 6ie 6er (Tochter „glänjcnbe ^ufunft" alimc, an iljre eigene Kinbbeit erinnert 
mur6e; Karl, „gutmütig, fröhlich, bie6cr un6 talentpoll", oft unartig, aber immer liebens» 
mür6ig; Klcfanbrine, „anfdjmiegcnb unö finblich", bod; auch „bcjieöicrt", mie eine „fleine 
Uutofratin". Pon 6er Keinen Cuifc roünfdjte unö hoffte öic 217utter, fic möchte „ihrer 
Uhnfrau, öer liebensroüröigen unö frommen Cuife pon ©ranien ähnlich meröen". Die 
meiften Sorgen machte geraöe öer, an Öen ftch Cuifens 5 u f un ftshoffnungen mütterlich 
anflammerten: öer Kronprinj. 

Kronprinj ^fricöricfj IDilhelm mar ohne ^meifel ungemöhnlicf) begabt. (Er befug 
im allgemeinen rafches unö fcharfes 2tuffaffungspcrmögen, ©eiftesgegenmart unö Schlag»- 
fertigfeit. (Er hotte öer Ulutter empfänglichen Sinn für alles ©roge unö Schöne, befonöers 
öas regftc 3 ntcrc ff c für öie ©cfdjichic öcs ©cfcfjlccfjtcs, öem er entflammte. Sein ©emüt 
mar meieh unö järtlich, leicht h'nfchmeljenö in ©efühlen unö (Tränen. 2 blanche Porjüge 
einer reijbaren Künftlematur fehienen ihm eigen, aber oiellcicht mehr noch »an öeren 
ZUängein unö Schmähen. ©ine lebhafte ©inbilöungsfraft jauberte ihm gefchichtliche 
©rcigniffe unö Klltagsporfälle in Silbern por, öie er mit öem ^eidjenflifl gefchieft feftjuhalten 
perflanö. Uber er mar auch unberechenbar in feinen Cauncn, heftig in feiner £ eiben- 
fdjaftlicfjfcit, h crr 'f<h in feinem Crog. „Seine mattieren", urteilt öie Königin im ©ftober ( 807 , 
„pnö noch öeteftabel unö erforöent all meine Strenge unö Kufmerffamfeit; öenn öas 2leugcre 
hat gar jupiel ^ufammenbang mit öem 3 ,ln em. IDer lieber mit öem ©llcnbogen flögt 
als mit öer fjanb fanft unö hMli<h (nach Umflänben) f cfjiebt, um etmas binmeg« 
juräumen ober jemanö aufmerffant ju machen ufm., öer hat etmas Kehnlidjes in 
feinem ©emüt." Die 2Ttutter, öie pielleicht gegen fein äugeres Schrägen manchmal ju nach» 
pchtig mar, fuchte pornebmlich feinen Sinn für ben ©mft öer ^eit unö für feine ^ufnnfts' 
aufgaben ju öffnen. 

Pa<h öer Kücffeljr pon QTilfit hatte fte ihn porgenomnten unö ihm gefügt: „3<h mill 
Dir einmal recht umftänölich er3ählen, melches groge <Dpfer ich öem Könige, meinen lieben 
Kinöem unö öem Canöe gebracht habe; es hat mir piel Kraft gefoftet, aber ©uer ©lücf 
ift mir lieber, es ift mir alles." Der Kronprinj meinte fo, bag er fich gar nicht erholen 

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fonntc, uni fctjien feljr nadiicitflid). Auch an feinem [2. ©eburtstage in IHemel fani fie 
es nötig, ihn mütterlich liebcpoll uni öod) mit heiligem ©ruft $u ermahnen uni icn, ier 
einft t)errfrf)en follte, not allem ©ctjorfatn ju lehren. Sie fdjricb ü;m: .... „Unter 
traurigem Umftänien tjuft Du noch feinen ©eburtstag gefeiert, preußens ©röße ift öabin. 
Dein Datcr recht unglücFlich iuref) ias ©Icni, welches fein DoIF otjne feine S4;uii leibet, 
ier Staat aufgelöft uni perarmt. Diel, ja uncnilich piel wirb es wieber f offen, Kräfte, 
Uadjienfcn, fefter IDillc uni Aufopferung jeier Art, um ias wieber aufjubaucn, was 
$eljn Atonale Krieg pemiefjtet. Utuß nidjt ier fo natürliche IDunfd) in jeies ©uten 23rufi 
erwachen, alle feine Kräfte auf ju wiegen, um iem ©anjen ju helfen uni $u näßen? Der 
Kräfte hat, wenbot fte an uni nähet fchon, ier fie erwerben fann, um einmal ju nähen, 
bilie fie mit Anftrengung uni ,JIeiß aus, uni iiefes ift ier heilige ©ntfcbluß, ien ich Pan 
Dir, lieber .friß, gewiß erwarte. Als järtlidjer Sohn wirft Du gewiß Deinen ^flciß 
perioppeln, um recht gut, recht ausgcjeichnct ju werien, um Deinem guten Dater, wenn 
er etwas pon Dir perlangt, mit ©ätigFeit uni Siebe beijufteljen uni iurch Deinen ©ehorfaitt 
ien übrigen mit gutem Deifpiel poraussugcljcn, ieitn bloß iurch fheenges ©ehorchen Fann 
man ©roßes hetporbringen ; uni unterstehen ftd) iie erften iiefem ftrengen ©eljorfam, iürfen 
iie anieren nicht flagen, uni fo wirft Du iem König uni Daterlani piel leiften. Sollte 
Dir manches iunfel fein, fo fprich mit Dclbtücf iarüber, er wiri cs Dir aufflären uni 
jeigen, baß reine Siebe jum Könige, ju Dir uni ju iem Daterlani mein I)erj uni ©eift 
befeelen." . . . 

^rieirich Delbriicf, an ien iie Königin h' or ien Sohn perweift, jeigte fief) weier als 
Sehrer noch als ©rjicher feiner Aufgabe gewachfen. ©s feljlte ihm an allgemeiner Diliung, 
an Umfang uni ©iefe ics IDiffens, er blieb immer abhängig pon feinen Schrbüchcm, ohne 
fich ju einem anregenien freien Dortrag erheben ju Finnen. Der Unterricht namentlich in 
ier ©efcfjkhte war recht oft iem ^ufaU ier ©agesereigniffe unterworfen. IDie bei feinen 
Dücherempfehlungen für iie Königin, fo pergriff er flcfj häufig auch in ien Schriften, iie 
er mit feinen ^ägbngen las; auch hier gab er oft weichliche, ungefunie Koft. DebcnFIicljcr 
war, iaß iiefelbe IDcidjheit auch iie ©rjichung beberrfebte. Das war wenig gefährlich bei 
iem jüngeren prinjen IDilhelm, einem folgfamen uni ruhigen Knaben, um ien man ftij 
nicht piel Fümmerte. .für icn Kronprinjeit wurie es pcricrblich. Eigenwillig uni wiier* 
fpenftig, pon wecbfelnien Saunen uni ©infällen h* n= uni hergetrieben, beiurfte er eines 
,3ucbtmeifters, wie cs etwa .frieiricb IDtlbelm I. für feinen großen Sohn gewefen war. 
Delbrücf, ier immer mehr auf ias ©entüt als auf icn IDiUcn ju wirFen fudjte, war jufrieien, 
wenn er nach einer Strafprciigl ien Kronprinzen in ©rauen ier Kcue jerfließen fal;. 

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(Es begreift fiefj , bajj burdj 6ie Kricgsmirrcn Hnlcrritäjt un6 (Erjictjung nod) mehr 
litten, Knberfeits traten gera6e in 2Ttentel un6 Königsberg, wo man fo eng aneinanber 
fafi, öie Sd)n)äd)en unb ^etjler 6es Kronprinjen offenfunbiger beroor. Es fdjiert juweiien, 
als ob ein böfer Dämon ihn treibe, (inen nadj bem anbern aus feiner näctjften Umgebung 
ju hänfen unb ju perlenen; er neefte unb quälte ©efdjwifier unb Eoujtnen, bis fidj alle 
pon il;m jurüefjogen unb ftd; ipeigerten, mit ifjm ju fpielcn. Die Klagen über fein 
Benehmen mürben fo laut unb fo allgemein, tag fr« auch bas Königspaar erreichten. 
Dclbrücf felbft fdjob bie Sdjulb, unb jum Ceil gewif nicht ganj mit Unrecht, auf bas 
fjof leben , auf bas beftänbige ^ufammenfein mit jüngeren ©efdjwiftern unb Dcrwanbten, 
bas ben tjeranwadjfenben Kronprinjen immer tpieber ju finbifchem QI reiben Ijerabjog. Er 
tpünfehte bie (Entfernung bes Kronprinjen Pont bjofe. Stein unb Sdjeffner aber hielten bie 
perfönlicbfeit bes (Erjiehers felbft für unjulänglidj; es fehle ihm an IDelt unb HTenfcfjcn« 
fenntnis, um ben Kronprinjen ju feinem fünftigen Berufe fjeranjubüben. Die Königin 
trat biefer Knficbt ohne weiteres bei; in ihren Unterrebungen mit Stein würbe im Jebruar (808 
bereits Kneillon, beffen Schriften bie Königin gern las, als Hadjfolger Delbrücfs in Kusftdjt 
genommen. IDäljrcnb feines Kufentijaltes in Berlin perhanbelte Stein felbft mit Kneillon, 
ber fief) jur Ucbemahme ber (Erjiehung bes Kronprinjen bereit finben lieg. Die Königin, 
burch Jrau pon Berg Ijtorübcr unterrichtet, fpradj noch im 2Uärj 1808 mit bem Könige, 
ber, wie fte an Stein fdjrieb, „nicht nein fagte", aber nach feiner ©ewoljnheit bie 
(Entfcheibung pertagte. Hach ber Hücffeljr Steins war cs ber Kronprinj felbft, ber bie 
^ rage bes Erjichungswedjfcls wieber in Knrcgung brachte. Bei einem großen militärifchen 
.fcftmabl, Knfang 3“li 1808, war fein Betragen fo unausfteijlidj, bajj bie Hotwenbigfeit 
einer Henbcrung allgemein empfunben würbe. IDie fdjwer aber fiel es ber Königin felbft 
in biefer .frage, bie bodj recht eigentlich ju ihrem IDirfungsfreis gehörte, bem ©cmaljl 
einen Entfdjlufj abjuringen! Stein unb Sdjeffner brängten. Ulit rücfhaltlofem Freimut 
fdjrieb Sdjeffner ber Königin bie mahnenben IDorte , „wenn im Htutterljcrjen nidjt Blut 
genug fei, beim Dater auf eine Kenberung anjutragen unb barauf ju beftetjen, wer werbe 
es bann permögen ?" So entfcblofj fidj bie Königin ju fpredjen, unb ber König gab nach. 
Km 12. 3uli eröffnete Stein bem Erjicljer, ber Kronprinj folle einen militärifdjen ©ourerneur 
erhalten; Dclbrücf möge bie (Erjiehung ber jüngeren prinjen übernehmen. Dclbrücf fegte 
weitläufig auseinanber, bajj ber Jehler nidjt in feiner perfon unb in feiner ZTTctijobc liege, 
fonbern in allerlei Hcbenumftänben. Die Knftellung eines militärifdjen ©ouremeurs erflärte 
er für perfrüht; er wünfdjte bie Erjiehung bes Kronprinjen nod; jwei 3 d l? rc 3 U behalten. 
3n bemfelben Sinne fdjrieb er audj ber Königin. 

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Königin Cuife fdjäfte Delbrüd als einen „Ehrenmann" uni) wegen feiner befonberett 
©abe, „junge ©emüter rein ju erhallen". Uber, wie fie an Jrau non 23 erg fdjrieb, 
„man fann nidjt mehr ron itjm perlangen, als er ron öer Hatur erhalten i>at." „«Eine 

Erjieljung," fdjreibt fie fdbft ganj im Sinne Steins auf öie (Eingabe Delbrüds, „öte 6 en 
Kronprinjett nur ju einem rcdjtfdjaffcnen, religiöfcn, moralifcfj guten 2TTcnfchen maefjt, ifi 
nodj nidjt genug. Er muf ridjtige Kenntniffe öes Canöes fjaben, er muf öeutlidje Begriffe 
her politif haben; er muf ferner jidj eine grofe Knftdjt öer Dinge $u eigen machen, öie 
i!jn fäfjig madjt, grofe (Taten ju unterneijmen unö ju poUbringen. Diefes liegt nidjt in 
Delbrüd. Um öiefe grofen Hefultate Ijcrbeijufflljrcn, muf erftlid) öer Stamm befeftigt 
werben, auf Öen man öiefe bjoffnung ftüfen öarf. Der Kronprinj Ijat Derflanb, ijat 
Einbilöungsfraft, fjat IDifbegicrbe, aber öiefe Eigenfdjaften werben nadj öen Knfidjten fiuger 
ZTtänner nidjt genug benuft. Es muf öatjer ein Ztlann fommen, öer öen ©eift öes Krön» 
prinjen faf t, ergreift, ji dj feiner bemädjtigt, um iljm öiefe gewünfdjtc Kidjtung 5 U geben ! " 

Einen foldjen 2TTann glaubte öie Königin in KnciUon gefunöen ju Ijaben, öen ja 
audj Stein empfaljl unö rüljmte. Uber fte wollte öod; porfidjtig oerfaljren, mit möglidjfter 
Sdjonung öes Krön prinjen, öeffen fidjtlidjer Sdjmerj über öen öroljenöen Erjieljerwedjfel 
iljr ZTluttertjcrj nidjt ungerüljrt lief. Durch Jrau pon Berg fefte fte ftdj mit KnciUon in 
Derbinöung, um öeffen Knftdjt über öie beftc Krt öer (Trennung öes Kronprinjen non 
Delbrüd ju Ijören. 3*l r Schreiben öarüber fdjeint djarafieriftifdj genug, um nadj feinem 
bjauptinljalt ijiet plaf ju finöen; leife öeutet ftdj öarin öer ©egenfaf an, öer fie von Stein 
bereits trennte unö balö für immer fdjeiöcn foUte. 

Königin fuife fdjrieb am 7. Kuguft an Jrau ron Berg (franjöftfdj): ,Das 

jweite, was idj 3h mn 5 U fugen Ijabe, betrifft öas ©lüd unö öie (?>uFmift meines Soljnes. 
3 dj Ijätte faft Ijinjugefügt: unö öas ©lüd öer Dölfer, welche öie Dorfefjung ifjm beftintmt 
Ijat. 3cfj öadjte im Kugenblid nidjt an öas böfc prinjip, weldjes Ijerrfdjt, weldjes regiert, 
unö öas über alles itt öer IPelt entfdjciöet. Kber öie 3ufunft meines lieben Kinöes wirö 
fünftig Ijauptfädjlidj in öen bjänöen öes würöigen KnciUon liegen. Der König ijat ftdj ju 

feinen ©unften entfdjieöen. Diefer ©eöanfe Ijat für niid; etwas feljr (Tröftiidjes. Ein 

Ulann pon foldjem Efjaraftcr, non foldjem ©eift unö Port foldjen Kenntniffen, perbunöen 

mit angeneljtnen 2Hanieren, mit einem Keufem, weldjes guten ©efdjmad anfünöigt, öas 
fjeift, weldjes anfünöigt, öaf er immer in öer heften ©efeUfdjaft perfeijrt Ijat, ein foidjer 
2 TTann ift gemadjt, einen jungen 2 Henfdjen ju leljren, öaf man glüdlidj fein fann, 

unabhängig Pom SdjidfaL Sagen Sic iljm redjt, öaf ich grofes Dertrauen in ihn fefe, 
aber öaf idj, um nidjts ju peröerben, feine ©eöanfen über öie Krt ju wiffen wünfdje, 



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rote man am befielt meinen Soijn non Delbrücf trennen unb itjm bie Hotwenbigfeit eines 
IDechfels begreiflich machen fann. Stein ift ju feljr Stein in biefern punfte, bas bleibt 
unter uns: er fagt, ein Kinb muf gehorchen unb nicht räfonnieren. Die grauen empftnben 
feiner, wie man fagt, unb es ift etwas in mir, was mir unaufhörlich fagt: bas ift nicht 
bie 2lrt, bie für ^ri§ angebracht ift, er h at fcf?on juoicl ^eftigfeit bes Charafters unb bes 
UMens, um fich jufrieben ju geben, mie ein anberes Kinb. (Kr hängt mit grofer 
^ärtlidjfeit an Delbrücf. Dor allem muf man fid; hüten, einen Hopf unb ein fjerj ju 
verbittern, bie in allen punften ausgejeidinet ftnb. KnciUort f>at ein gutes ^elb $u 
bearbeiten, bas ift gewif unb ich bin überseugt, baf er feinen Schüler lieben wirb. 21ber 
es barf nichts überftürjt werben, um nichts $u verberben." 

IDenige (Tage fpäter trieb £uife bie ^rau pon Berg ju größter (Eile. „3ch h a ^ 
Stein perfprodjen, baf in 12 Tagen ich Antwort hätte, laffen Sie mich rttdjt im Stich . . . 
Stein me tue et me taxe sans cela de femmelette qui est trös superficielle. Montrez- 
lui donc le contraire." 

Die Derljanblungen sogen ftdj noch bis in ben September hin. Da traten (Ereigniffe 
ein, bie bie Sorge um bie (Erjiehung bes Thronfolgers vor ber Sorge um bie <£jiften$ 
bes Königs felbft unb bes Staates in ben fjintergrunb brängten. 

21m 31. 2Ttai war Stein wieber in Königsberg angefommen. Bad; Kbfdiluf ber 
Konvention mit Daru war U;m in 23erlin nichts mehr gelungen; Bapoleon, gans mit bent 
Unternehmen gegen Spanien befefjäftigt , entjog fich jeber Derhanblung mit preufen, lief 
aber bie 21usplünberung bes £anbes fyftematifd; fortfefen. ©ppofitionelle Stimmen, bie nie 
gans vermummt waren, begannen ftdj lauter unb fchärfer gegen Stein ju auf ent; fein alter 
©cgner Beyme regte fid; wieber uttb natürlich aud; ^ftrow. Die Königin, bie baoon hörte, 
war entrüftet, baf man ben Jeinb nicht nur pon aufen nun, fonbem aud; im 3 nncm 5 U 
fürchten höbe. Sie warnte Stein felbft, fowie burch Dermittelung ber Jrau pon Berg, unb 
brängte auf feine Kücffehr. 

3n Königsberg traf Stein eine Stimmung, bie im £aufe bes Sommers immer 
gefpanntcr unb unruhiger würbe. Die Bad; richten über öftcrreidjifd)e Küftungcn, bie fteg* 
reidje (Erhebung ber Spanier, bie im 3*di ein fransöftfdjes Truppenforps bei Baylcn jur 
Kapitulation swangen, ber 21bfall ber pon Hapoleon nad; Düncmarf gefanbten fpanifdjen 
Truppen, bie auf englifd;en Sdjiffen in ihre fjeimat surüefgeführt würben, alle biefe (Ereigniffe 
weeften frohe Hoffnungen auf eine nahe (Erlöfung aud; für Deutfdjlanb unb riefen eine 
friegerifche (Erregung h ert> or, bie einen Beobachter an bie Berliner Stimmungen im 
September 1806 erinnerte. Kucfi Sdjamhorft, ©neifenau unb fdjlicflid; Stein felbft halten 

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Königin fuife nnb ber ^reit^fir com Sttin 







Jen Kugcnblicf einet ciitfAeibenbcii SAitffalsroenbung für gefomnten. Sie traten an bie 
Spife 6er Bewegung, 6ic auf eine allgemeine Polfserfjcbung gegen Bapolcon fjinarbeitetc. 
Sie mären ftcfj pollbcwuft, baff fie 6amit einen SA ritt 6er Pcrjweiflung magen wollten, 
aber gab cs 6enn jwifdjcn „Untergang mit Sdjanbc" un6 „Unabljängigfeit mit (Ehren" 
nodi einen UKttclweg? IDas fjattc alle UaAgicbigfcit gegen 6ie franjöftfdjcn ;forberungen, 
fomeit man 6arin unter Steins .füfjrtmg gegangen, was Ijattc alle Selbftemicbrigung 
genüfet? Pie Uftfifjanblung 6es €an6es ging unbarmljerjig weiter; bas ©efüljl 6er Unftdjer- 
(jeit 6er ftaatliAcn Criftenj lag läljmcnb über allen: immer wieber Ijörtc man non Kbficbtcn 
rtapolcons auf öie ©berlinie, auf Sdjlefien, unb immer lebte man unter 6er .furAt, eines 
(Tages als Untertan rtapolcons ober 3«omcs ju erwachen. ZluA bic Scnöung bes prinjen 
IDilfjelm fyaitc 5U feinem (Ergebnis geführt. Sobalb er einmal ju einer Pcrftänbigung 
über Pcrtragsgrunblagen gelangt war, famen Hapoleons Pertreter mit neuen unb härteren 
^orberungen, bic bic Derfyanblung wieber auf ben Kusgangspunft jurüAwarfen. Schon 
im 3uli lief man besljalb bem prinjen buref) feine ©emaljlin anbeuten, er möge ftA barauf 
norbereiten , unter irgenb einem Porwanbc paris ju perlaffen. IPenn er am (2. Kuguft 
noA angewiefen würbe, ben .Jranjofcn ben Kbfdjlujj einer Kllianj mit Prcufen porjufAlagcn, 
fo fügte man jugleid; Bcbingungcn Ijinju, beren Kblebnmtg man mit Beftimmtbeit 
erwarten fonnte. 

IPäljrenb fo auf ber einen Seite ber BruA mit ttapolcon bebädjtig porbereitet würbe, 
fudjtc Prcufcn auf ber anberen Seite ^üljlung mit ben Kräften unb Ulädjten, bic jum 
Entfdjeibungsfampfc gegen .franfreiefj bereit fdjicncn. <Es gärte in ben patriotifAcn (ßefjcim» 
bünben, beren Hef PcutfAlanb überfpannte. ITtit (Englanb würben burA ben früheren 
©efanbtcn in fonbon, ben .freiljcrrn pon 3acobiKlöft, im tiefften ©efjeimnis Perbinbungen 
angefnüpft. Por allem aber ftrebte man naef; einem engeren (Einpcrflänbnis mit bem 
flärfften ©cgner itapoleons auf bem ^cftlanbe, mit ©efterreid;. (Ein beutfAer Bunb mit 
©efterreiA war Steins Ijcifeftcr IPunfdj. 2lm 27. 3“l> (808 erörterte er biefe .frage in 
einer befonberen Denffdjrift für ben König. 2ln Stelle ber alten Kbncigung unb (EiferfuAt 
jwifdjcn ben beiben ITtädjten, fo führte er aus, müffc Pertrauen unb (EintraAt treten; nur 
fo fönne man tjoffen, PeutfAIaub feine Unabljängigfeit wieber ju erringen, nur fo fönne 
bie allgemeine IPoljlfaljri neu erblühen. 

3n biefem Kugcnblicf unb in biefem ^ufarmuenljaug wirb auA Königin Cuife wieber 
in bas (Betriebe ber politif hincingejogen: wie im 3 a b r4 juoor mit Barbenbcrg, arbeitet 
fie im Sommer (808 mit Stein jufammen an ber Btlöung eines Pölferbunbes gegen bie 
napoleottifdjc Uebennadjt. 



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Seit Knfang 3 un ' lebte Cuife mit igrem ©emagl r>or ben (Toten Königsbergs, in 
fjippels ©arten „auf ben fjuben", in einem fjäusAen mit wenigen Zimmern, an bas ftd) 
aber ein fdjöner unb ausgebegnter ©arten anfefgog, wo unter einem großen ^cli gewötjnlid) 
gefpeift würbe. Pie älteren Kinber famen täglid) heraus unb tummelten ftd) im ©arten, 
fpielten Kegel ober übten jtdj im Scbeibenfd)iegcn. Stein, Sdjamborft unb ©ncifenau 
waren häufige ©äfte. Pie Ccbensweife war ganj länblicf), ganz einfach. ,,3d) gäbe $wei 
Zimmer," fdjrcibt Cuife an ,frau pon Kleift, „ber König eins, bie Kammerbiener unb 
meine grauen je eins, unb eins fann im HotfaU jum Speifen benufei werben. Sie werben 
gefteljen muffen, bag bas gerabe feine föniglicge IPognung ift, aber in biefer abfcgeulicgen 
^eit ift man glücflid), wenigftens bas nod) $u haben ; benn unfer £jeim wirb pon fcfjr 
feg haften Ccuten bewohnt. Per ©arten ift h'ibfdi, id) hatte mid) gern barin auf, unb biefe 
Kühe in ber Höhe ber Hatur tut mir gut. Pen ganzen HTorgcn bin id) in ber Cuft, 
trinfe Pyrmonter Brunnen, bann fomntt bas ,frühftüd, ein Spaziergang, etwas Ccftüre 
unb bann ein Bab. Pie HTugf nimmt babei piel 3eit, auch, trog fjufelanb, bas Brief« 
fegreiben" .... 

„Sic perftanb ju entbehren," tja* ^riebridi XDilgclm einmal pon feiner ©emaglin 
geurteilt. Hie fjat Cuife bas mehr bewiefen als bei bem Kufentgalt „auf ben fjuben", in 
bem fdjmalen Räuschen, beffen leichte ^enfter feinen Stgug gegen Stürme boten, fo baff bie 
Königin zuweilen auf bem ^lur fid) betten muffte unb igr ©efolge nur burd) bie ^enftcr 
in bas £)aus gelangen formte. Pennod) fühlte fte fid) bort ruhig unb zufrieben. 3m Sommer, 
fanb fic, lieg geh alles Ungentad) Ieidjter ertragen, ©gnegin war fre ja lärtgft gewöhnt, 
wirflid)es ©lücf unb wirflidjes Unglücf nur aus ben Porgängen bes 3nnenlebens herzu-- 
leiten; unb im Bewugtfein bes ©lüefs, ihr 3d) burd; alle Stürme htnburd) gerettet zu 
haben, fonnte fie bem Bruber nad) paris fchreiben: „3n meiner Bruft ift Jricbe". 

3nbeffen erfdjütterte ber Sturz ber fpanifchen Bourbonen ge aufs tieffte. tDer gdjerte 
bas preugifd;e Königshaus gegen ein ähnliches Scgicffal? IDenn Hapoleon aus Kücffid)t 
auf Kuglanb heute nod) por bem bjogcnjollcmtbrone halt machte, wer bürgte für morgen? 
IPo!)! war bie Königin auf alles gefagt, hatte gd) mit allem Hnglücf, bas nod) foinmcn 
fonnte, im poraus abgefunben. Kber ber ©ebanfe an bie 2TtögIid)feit einer pielleid)t „nagen 
^ludjt aus ©uropa" erfüllte ge bod) mit Schreiben. „Seit Spanien feinen reegtmägigen 
König perlor," fchreibt fte bem Pater, „ber erfte ^reunb unb treue KUiierte, was fann 
man ba nod) ljaffen? IPenn ©oft nicht iDunbcr tut, fo ftnb wir alle perloren.“ „llnfer 
Scgicffal ift fchrecflid), aber id) fürdrte, bag wir nodi niegt einmal jur fyilfte bes ©rauet« 
fpiels ftnb unb bag bie ^ufunft ober pielmegr bas €nbe ogne ,§ufunft für uns fein wirb." 

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<gu bem Kummet um bie trofllofe Cage bes Canbes fam 6er Sladjel Ijäuslidjer Sorgen: 
Die Jrage 6er Erziehung öes Kronprinsen unb 6ie Sdjmierigfeit 6er TDaljI eines milildrifcfjcn 
©oupentcurs für ttjn, 6ie Unjufriebenljcit 6es Königs mit iljrcm Bru6er Karl un6 6eni 
Prinjcn Solms, 6ie fte befdjroictjtigen mußte, enblidj — am 6. un6 7. 3“Ii — 6ie quälenöe 
(Erinnerung an 6ie Sdjmadj non (Tilfit. „3<h trage, wie Ktlas bie IDclt, eine Caft ron 
Kummer auf meinen armen Schultern," flagt Cuife am 8. 3“H 6er treuen Berg. „Bor» 
geftern ift cs ein 3aljt feit 6er erften gufammenfunft mit Hapoleon un6 geftem 6ie leßte 
jurifdjen iljm un6 mir. Kd], welche Erinnerung, was Ijabe idj gelitten für mid) un6 an6ere, 
idj beweinte 6ic Cicbe jur HTcnfdjljeit, unfer llnglüd un6 bas prinjip, bas 6ie IDelt lenft, 
unb idj a>ar nur ein IDeib! pbyftfd) fdjmadj, aber ergaben über biefe Elenben unb guten 
Sdjwädjlinge." (Bon Ijier ab öeutfd). ) „Kdj (Bott, cs ift nie! über mid) ergangen. Du 
tjilfft allein. Jd) ölaube an feine gufunft meljr, ©ott weiß, wo idj begraben werbe, 
fdjwerlidj auf preußifdjcr Erbe, ©efterreidj fingt fein Sdjroanenlieb unb bann abc!" 

Eben mit ©efterreidj folltc Cuife bie Banbe enger fnüpfen, follte in ©efterreidj miffen 
laffen, baß für bie bcutfdje Bolfserljebung Bunbcsgenoffen im Horben bereitftänben. 

2Tlan mag cs woljl bejwcifcln, baß Stein bie Königin in ben gansen Umfang unb 
bie ganje Kütjnljeit feiner plane eingeweiljt (jabe. Jür bie Berbinbung mit ©efterreidj 
aber gewann er fie um fo Icidjter, als ein beutfdjer Bunb mit ©efterreidj, wie wir uns 
erinnern, immer ein Cieblingsgebanfe Cuifens gewefen ift. 3 n benfelben (Tagen, wo Stein 
bem König bie Hotwenbigfeit ber Beglaubigung mit ©efterreidj ans Cjcrj legte unb ©raf 
©äßen jur Jörbcrung biefer Bcjicljungen nadj Sdjlefien jurücffeljrte, beftimmte Stein bie 
Königin, fid; ber jungen öfterrcidjifdjen Kaiferin 511 näljcrn, ZTTaria Cubowifa, ber britten 
©emafjlin bes Kaifers Jranj, bie mit ©raf Stabion für bie Seele ber öfterreidjifdjen Kriegs» 
Partei galt. 3*? re Bermäljlung, bie fdjon im ganuar (808 ftattgefunben fjatte, gab ben 
Borwanb $u einem nadjträglidjen ©lücfwunfdjfdjreiben, beffen eigentlidjen 3ni)alt bodj Steins 
©ebanfe non ber ©emeinfdjaft preußens unb ©efterrcidjs für bie gute Sadje unb bas 
allgemeine IDotjl ausmadjt. Cuife fdjrcibt ber Kaiferin (25.3uli 1808, eigenljänbig, franjöfifdj): 

„Kleine ,frau Sdjwefter. Seit langem wünfdjte idj Eurer Kaiferlidjen Hlajeftät ju 
fdjreiben, um 3faen meinen aufridjtigen Knteil an bem Ereignis ju befunben, bas Sie 
mit bem Kaifer perbunben Ijat unb bas 3^? ,,{n glüdlidje (Tage perljeißt. Die pon iljm 
getroffene IDaljI muß iljn auf ben ©ipfel bes ©lüefs erljcben, unb idj wünfdje, baß audj 
auf 3fy rc n (Tagen bas ©lücf ruljen möge wie auf allen Unternehmungen, bie Seine Kaifer* 
lidje Hlajeftdt perfudjen wirb. Jd} weiß, Eure HTajeflät ftnb pon fdjönem Eifer für 
bie gute Sadje befeelt unb ftnb übetjeugt, baß cs witflidje IDoljIfaljrt nur in bet 



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Königin £uife unb her Freiherr rom Sfttit 




allgemeinen Wohlfahrt geben fann. Weine Wünfefje für 6ie allgemeine Wohlfahrt 
fönnen nicht rcrbächtig fein, benn bas perfönlidje ©lücf unb eine fclbftänbige ©jiftenj 
Rängen pon biefem allgemeinen ©lücfe ab." 

©anj in bemfelben Sinne manbte fidj tuife auch an bie mutter ber Kaiferin, bie 
©rjherjogin Waria Beatrif, aus bem fjaufe ©fte, bie, mit ©Item unb ©emaljl pon ben 
^ranjofen aus Italien pertrieben, in ©efterreich eine Zuflucht gefunben hatte. 3 *) r fcCfrieb 
Cuife am 28. 3uli uni« ©lüefmünfehen für bie Dermäfylung ihrer (Tochter: „Untere Seelen 
begegnen fidj, ofjne baf mir uns fennen. ©s ift tpoljl natürlich, bajj ich in biefem 

Uugenblicfe roünfdje, ©urer Königlichen mitjuteilen, baf bas Unglücf meine Seele 

nicht hui emiebrigen fönnen. 3^ bitte ©ott, ben ©Ejebunb $u fegnen, foioie alle bie grojjcn 
Unternehmungen, bie Seine Wajeftät ber Kaifer in Ungriff nimmt. Die allgemeine 
Wohlfahrt für uns alle, bas h«ft bie Unabhängigfeit muff baraus herporgehen." 

3n blutigen Kriegen hatten preujjen unb ©cfierteich fid) bis $ur ©rfdjöpfung befämpft; 
jahrjelintelaiig hotten mißtrauen unb ©iferfucht fie getrennt gehalten, auch ols fie bie 
Waffen nicht mehr gegeneinanber führten. 3 c hi ftredft bie Königin pon preujjen ber Kaiferin 
pon ©efterreidj, bie Jrau ber Jrau bie fjanb entgegen ju innigfter ©emeinfehaft im Kampfe 
für Ueutfdjlanb, unb über bem Bunbe, ber fiefj norbereitet, maltet ber ©enius bes größten 
Beutfchen biefer Cage. 

Sdjmerer mürbe es Stein, ben König felbft für feine politif ju geminnen. 3 n einer 
Beratung, bie am 23. Uuguft mit Stein, Schomhorft unb ©neifenau gehalten mürbe, lehnte 
ber König bie auf Borbereitung einer Bolfserljebung gerichteten Unträge ab. Die ©efahren 
pon t franfrcid), mit benen man ihn ängftigte, fchienen ihm im Uugeitblicf nicht brohenb; 
gerabe jefst hörte man pon Kücfjugsbemcgungen ber Jranjofen in ben Warfen unb in 
pommem. Un ©efterreich mollte er fich erft anfchliejjen, menn es ©rfolge errungen hob«, 
auf bie er innerlid) hoch faum rechnete, gunädjft 30 g er es oor, ftch an Kaifer Ulejanber 
ju roenben, ben er pon bem Stanbe ber Bcrhanblungen Preujjens mit ^ratifreicb unb pon 
feinen Befürchtungen über bie folgen eines öfterrcichifch ' franjöfifcfjen Krieges in Kenntnis 
fe|te, sugleich aber um Uuffldrung über bie rufftfch»fran 5 öfifchen Begehungen erfuebte. 
Des Königs ablehnenbe fjaltung fchrccfte Stein unb feine Jrcunbe um fo meniger 5 urücf, 
als fie fchmetlich etmas anberes ermartet hoben fönnen. Unbeirrt festen fie ihre Borbereitungen 
fort; fte mochten hoffen, int Uugenblicf bcr ©ntfdteibung ben König hoch noch m it fort* 
jureijjen; aber bcr eine ober ber anbere hot motjl ouch baran gebacht, menn er ftch oerfagc, 
fcblicjjlich felbft ohne ihn jur (Tat ju fchrcitcn. 3 n biefem Jalle, feffeint cs, follte bes Königs 
Sruber, prinj Wilhelm , bie preujjifchcn fjeere jum Kampfe führen, ©r hotte ftch burch 



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Königin f iiifc unb ber Jrf ibert com Stein 



bas Einfegen feiner Perfon am (Tage von Auerfiebt, bann 1807 in ben lebten ITIonalen 
bes Krieges bei ben Stiftungen ausgejeidjnet unb eine rafdje Polfstümlidjfeit erroorben. 
Sdjarnfjorft fcfjrcibt über iljn: „Er trirb als ein guter Solbat unb ein Iiebensmürbiger prinj 
oon uns abgöttifch pereljrt"; ber Englänber IDilfon nennt ü;n „bie Hoffnung bes König* 
reidjs". Kuf ifjn richteten ftcfj jetjt bie Hoffnungen ber Patrioten. Stein insbefonberc, ber 
iljm für ben Aufentfjalt in Paris non oomljerein auch bie Beobachtung ber militärifchen 
(Einrichtungen Jranfreidjs bringenb empfohlen gatte, rerlangtc feine Xücffegr. Ein Anlag 
roar balb gefunben. Als bei ben Derganblungen in Paris pon frat^öftfeher Seite abermals 
neue ^orberungen erhoben tnurben, fdjlug Stein in einer Denffchrift pom H. September 1808 
bie Abberufung bes prinjen por. An bemfclben (Tage aber lief er bie prinjeffin IDilljelm igrem 
<S5emaf)I nad) paris einen gemeinten Brief fdjreiben, aus bem erft ber recfjte Sinn ber 
Abberufung flar roirb. (Es ift ein Auf an ben Prinjen, jurüefjufegren unb fidj an bie 
Spige bes Befreiungsfampfes ju ftellen. 

Die prinjeffin fdjrcibt am lg. September: „Die Stimmung ber Alenfchen ift fo ganj 
anbers, als bie mar, als Du uns perliegeft, unb mir fegen grogen Ereigniffen entgegen; 
ntaege nur, bag Du fommft, id) perfpreege Dir im poraus alle Eblcn ju Deinem Anfang. 
Die ATenfdjcn gaben ftcfj , fonberbar genug, in Deiner Abmefcnfjeit an mieg geridjtet, unb 
baburch bin ich pott allem genau unterrichtet morben .... Der partJjevgeift ift eingeriffen 
unb man fjofft ftarf auf Didj jur Stüge ber magren unb fegönen parthev — man fjofft 
als Anführer im Jelbe auf Dicfj, furj, man ermartet Dich mie ben ZTTefftas." Sie erinnert 
ben prinjen an bie ZDorte IlTay Piccolominis: 

.tPott! bem (Sanjm, ftn&et 

„Sidj einmal (Einer, ber ein ntittelpnnft 

n ,Jnr ciele (Eaufenb icirb, ein Ejalt ; — (id; bmfirill 

„H.’ic eine fefie Söul' , an bie man fi<b 

.mit Infi mag fdjtießen unb mit guoerfidjt." 

Unb enblid) ruft fte igm ju: „IDir brauchen feinen Eracftat, mir braudjen nur 
Didj, brum fomme jurücf, mein tgeurer UM U gehn." 

Hod) etje biefer Brief Königsberg perlieg, mar in paris bereits bie porläuftge Ent* 
fcheibung über preugens Schicffal gefallen. 

Bad; längeren Derganbluttgen gatten Aleranbcr unb Bapoleon ftch über eine neue 
^ufammenfunft perftänbigt, bie gegen Enbe September 1808 in Erfurt ftattfinben follte. 
Am 6. September fam bie erfte Bachridit hierüber nad) Königsberg, (g®«' tage fpäter 
erhielten König Jriebricg IDilljclm unb Cuife Briefe pon Alejanber, in benen er unter 

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Derpcherungen herzlicher .Jreunbfcheift feine beporpehenbe Dutdjreife burch Königsberg nach 
Erfurt anfünbigte. 

Die nabe Uuspcht auf grojje politifebe Entfcfjeibungen unb auf bas unerwartete 
HHebcrfefjen mit Ulepanber erregte einen Sturm wiberpreitenber ©efüfjle in Cuifetts Bruft. 
Schwärmerei für bas cinp perehrte jöoal, bent immer noch ein plan in ihrem Jjerjen 
gehörte, unb bitterer ©roll über Bernachläfpgung unb Enttäufcf)ung, Befürchtungen über 
eine U)icberfjoIung ber Sdimadi pon CTpt in (Erfurt unb fcbmeicfjelnbe Hoffnungen, bie 
fein „göttlicher Brief" icieber bei ihr fjerporrief, alles bas penpirrte . ftcfj in ihr $u einem 

„Chaos", bas ihr ben Schlaf raubte, pe im lieber hin» unb h criüJr f unb unter bem pc 

faft jufammenbrach- Der Derftanb fagte ihr, was fie gleich am 8. September bem ©rafen 
©olp fchrieb unb einige Cage fpäter bem Dater wieberholte: „Es ift nichts ju hoffen, ei 
wirb bie 5 weite Uuflage pon Cilfit werben." 3 n ihrem H cr i cn ater püftertc es: „IDenn 
ich fh n retten fönnte, wenn ich fein guter Engel, fein Schufsgeift werben, ihn por ber 

Hmgamung burch ben Böfen bewahren, feine Cugcnb, fein befferes Sclbft wieber erweefen 

fönnte, für ihn, für uns, für Europa, für bie Utenfchheit." 

IPic bei Cuife natürlich: bas Ejerj pegte. 

©Icich nach Empfang pon Ulepanbers Brief entwarf Cuife ein Schreiben an ihn, pon 
bem wir freilich nicht roiffen , ob es je in feine fjönbe gelangt ift, ein Schreiben, ganj 
perfönlich in ber Betonung eines gewiffen Unrechtes ber Brieffchreiberin an bie pttliche f^h 4 
wie an ben Bubm bcs Briefempfängers, unb sugleich ganz polilifd) in ber Erörterung ber 
.frage, bie für bie nächfte mehr unb mehr in ben Dorbergrunb tritt: ber Stellung 
Hufslanbs zu bem brohenben Bruch ©eperrcichs mit .Jranfreicf}. Jür Cuife felbft war bas 
mehr eine pttliche .frage als eine politifdje. Bodj immer war pe erfüllt pon ben 3mpulfcn 
einer etlichen ©efühlspolitif, benen pe auch Ulepanbcr zugänglich glaubte. Eine Partei* 
nähme Uuplanbs für franfreich gegen ©efterreich erphien ihr nicht blop herabwürbigenb 
für feinen Kuhm, fonbeni fchlcctphm unptllidi. So bittet pe ben Kaifer, nur auf bie 
Stimme feines f)erzens ju hören , nur ben Eingebungen ber Cugenb }u folgen unb ben 
Cocf ungen Hapoleons ju wiberftetjen, ben er boct? perabfeheue, wie pe felbft ihn rerabfeheue. 
Bor allem möge er pch nicht gegen ©efterreicb gebrauchen laffen. „ 3<h befchwöre Sie, 
lieber Detter, mit aller Zärtlichkeit, beten meine .freunbfebaft fähig ift, feien Sie auf 
3hrer t}ut gegen biefen gewanbten Cügner unb hören Sie auf meine Stimme, bie nur 
für Sie fpridit, für 3h r ett Kupm, ben ich liebe wie ben meinigen, laffen Sie pch 
nicht ju Unternehmungen gegen ©eftcrreich fpnreijjen". . . „Jldi, lieber Detter, warum 
fann mein ©eifl Sie nicht unpcfjtbar begleiten, um 3h r fdiüpenber ©enius ju fein? 



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Königin tuifc unb ber ,f reiberr com Stein 



(firm Sie auf meine Stimme, bie Stimme einet Jreunbin, wie Sie feine 3 wctte auf 
ber IDclt Ijabcn." . . . 

Keine swcite? €s gab in Petersburg eine eble ^tau non gleidj bod) [jetziger ©eftnnung, 
mit ber tuifc fidj halb in ©efüljlcn innigftcr ^reunbfcfjaft jufanimcnfinben follte. Die Kaiferin 
Klutter ZTlaria ( fcoborowna Ijat in eben biefen Tagen ifjren faiferlicfjert Soljn in einbring-- 
lidjen unb rüljrcnbcn IDorten r>or ber Keife nad) (Erfurt gewarnt. IDie fdjön ift hoch in 
biefem Uugenblid, ba in bcn Tiefen bes Dolfsgeiftcs in ©eflerreidj unb preußen ber Kampf 
um bie bcutfdjc Freiheit ftd) porbereitet, bie t)altung ber brei grauen: ber KatferimlTIuticr 
pon Kußlanb, ber Kaiferin pon ©eflerreidj, ber Königin pon preußen; wie bebeutfam bie 
Stellung Cuifens jtptfcfjen ben beiben Kaifcrittnen: mit ber einen bie Jäben ju bem ließe 
fnüpfenb, bas bem Unterbrüder über ben Kopf geworfen werben foU, mit ber anberen ben 
ruffifdjen Kaifer non bem 8 unbe gegen bie jrciljeitsfämpfcr jurüdbaltenb. IDie groß ift 
babei bie patriotifdjc Selbftloftgfeit ber Königin: fein IDort itt iljrem Briefe nad? Kußlanb 
pon preußen unb bejfen Böten; für ©cfterrcid) allein bittet fie ju Kaifer Klepauber. 

Das Schreiben an Kleranber gab ber Königin bie Kulje nidjt wieber. 3(jr Kopf unb 
iljr Ijers, bie fie in ftrenger Cebensfcfjulc jur (Einttadjt hoch erjogen fjattc, perljarrtcn im 
ijwicfpalt. IDo war ber Scelenfricbe, bie glüdlidje fjarmonie itjres IDefens? 3 n ernfter 
Selbftprüfung befragte fie iljr 3™cres, aber ifjr Sinn, fonft fo rein unb flar, perftanb ftdj 
felbft nidjt meljr. Sie füllte nur ifjre ©Ijnmadjt, ber IDiberfprüdjc in ftdi l)err 5 U werben. 
IDie fonntc fie immer nodj an 3b n glauben, auf 3bn fjoff en , 31jn nercfiren, ber iljrem 
3beale fo wenig entfprodjen, iljre (Erwartungen fo fdjmäljlid) cnttäufdjt Ijatte unb immer 
pon neuem cnttäufdjte. DoUfommen war fie ftdj bewußt, baß iljr fjerj, iljr ©eniüt, iljr 
Realismus, bie feinften Kusftraljlungcn iljres weiblichen IDefens, bas perfönlidjfte ifjrer 
perfönlidjfeit bem Kaifer frentb unb fem bleibe, baß — um bas IDort 3 U wicberljolcn, 
bas fie felbft einmal gebraudjt Ijat, — baß iljre „Seelenliebe" bei feiner finnlidj obcrfiäd) 
lidjen Uatur fein Dcrftänbnis finbe. Uralt ewige ©egenfäße unb Knnätjcrungcn 5 weier 
Kaffen: cs ift bas Deutfdic in Cuife, bas ftdj pon bem Slawifdjen in Kleranber 5 ugleidj 
angejogen unb abgefloßen füljlt. 

Cuifens Unrulje wudjs, je näljer ber Tag ber Knfunft Kleyanbers Ijeranrüdte. Sic 
wußte, wie ftreng man in Königsberg, in ganj preußen Klepanbers Derljalten beurteilte, 
wie tief ber einft fo fjodigeftcllte in ber öffentlidjen ITTeinung gefunfen war. Sie falj fdjon 
alle Blide auf itjn gerichtet unb las fdjon in jebem Süd — „beim cs finb lauter preußen, 
bas Ijeißt: lauter Unglüdlicfje" — ein Derbannnungsurtctl über bcn Kaifer, bas iljr in bie 
Seele fdjnitt. Sic felbft ließ ftdj ben leßten Fünfen Ijoffenben ©laubens nidjt neljmen. 

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Könnte ftc itjn nur allein fpreetjen, um wenigfteits einen Perfud) 5U machen, it?n ju rühren ! 
Denn trotj allebem: trenn 6er Staat Preußen in feiner Sd)wäd)e pcrfagle un6 6ie Stimme 
6er polilifdjcn 3 ntcrc fT'?> 1 nirgenbs ©cf)ör fanb, fo mußte als äußerftes ITCadjtmittel öoeb 
wieber 6er Räuber 6er pcrfönlid)feit angerufen werben, fo mußte fuife $u Kleyanber fpredjcn. 
Stein fclbft, wie f)arbenbcrg por Cilfit, folite itjr eine Anleitung 6aju geben ; man beruhigte 
fid) in 6cm ©ebanfen, 6aß eine ^rau manches fagen fönne, was für einen 2Ttann unpa)fcn6 
wäre. Cuife war bereit; aber nad) allen Enttäufd)ungen wollte feine rechte < 3 uperfld)t in iffr 
auffommen. „ 3 <h werbe pcrfuchen, was id) ©utes tun fann, aber wenn idj feinen «Erfolg 
Ijabe, wenn bas Böfe ju tief eingewu^elt ift, bann werbe id) troftlos fein, weil unfer 
llnglücf unwibcrruflid) unb preußen auf ewig gefneebtet ift." Sic war unglücflidjer faft 
als por Cilfit, unb t>on ihren tippen ringt fidj ber Derjweißungsfdjrei: ,, 3 d) fönnte mich 
mit meinen f)änben 5crreißen, wie mein 3"ncres jerriffen ift burd) Kummer unb Sorge." 

3 njwifd;en begann bie Durdjreifc ber Kuffen burd; Königsberg nad) (Erfurt, ©leid) 
auf Klejranbcrs Brief folgte am 9. September fein KTiniftcr bcs Kuswärtigen, Bumianßoro, 
ber ßd) jum Kummet ber Königin als ^rattjofenfreunb „bis auf bie Knodfen" offenbarte. 
Km 16 . abenbs fam 6er „wilbe Stürmer", wie Delbrücf if)n nennt, ©roßfürft Konftantin, 
beffen Itad)äffen Hapoleons unangenehm auffiel unb ben man burd) ein fc()r füll verlaufenes 
Jcftmal)! ehrte. Km 18 . September reifte er weiter. Kn bemfelben tage gegen Kbenb 
crfd)ien Kaifer Klcjattber fclbft, pom König por ben toten Königsbergs begrüßt, von ber 
Königin im Schloß „mit t)rr$lid)cr ^reunbfdjaft" empfangen. Klan fanb ben Kaifer per* 
legen, ben König in ber Jjaltung würbcooller, in feinem Keußercn fd)öner, bie Königin 
ernft unb bewegt. Km näd)ftcn tage würben poliüfche Beratungen gepflogen, an betten 
aud) Stein unb ©raf ©olß teilnahmcn. ©inen Bunb mit preußen unb ©efterrcid) 
gegen Hapolcon lehnte KIcjanber ab. „Q 7 as follen wir machen?" fagte er ju Stein; 
„er rennt uns alle über". Kber er gab bas fefte Dcrfprcdjen, in Erfurt für preußen 
nad) beften Kräften wirfen, bie Xäumung bes Canbes unb erträgliche Bebingungen für 
bie Kontributionsjahlung forbern 5U wollen. Kel)nlid)e 5 u f t <h crutI 9 cn machte er aud) 
ber Königin, bie ©elegenheit I^he, ihn ohne 3 cu 9 cn 3“ fpredten. Km 20. September, 
gegen Kbenb, von bem Königspaar eine Strecfe IDcgcs in offenem IDagen begleitet, reifte 
ber Kaifer wieber ab. 

IDenige Stunben fpäter, in ber Had)t pom 20. junt 21- September, weefte man ben 
König. Ein Kurier war angefommett mit Bad) richten aus paris von fd)werfter unb 
emftefler Bebeutung. Bapolcon, fo berichtete prinj Wilhelm, h a ^ c einen Brief Steins an 
ben dürften IDittgcnftein abgefangen, in betn ber Kftnifter t>on bem Einbrucf ber Ereigniffe 

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in Spanien fprcchc, non ber tpachfenben (Erbitterung in Deutfcblanb, pon Perbinbungen in 
Reffen unb IDeftfalen. Unter bem ^tpange ber feinbfeligen Drohungen, mit bene n Hapoleons 
Vertreter bie Vorlegung biefes Briefes begleitete, überjeugt, bap er nur jtrifeben Uadjgeben 
ober Krieg ju wählen habe , hatte ber prinj (ich am 8. September $ur Unterzeichnung eines 
Vertrages bringen laffen , ber jtnar bie Käumung bes Canbes in Kusftcht fteüte, jugleich 
aber bie fjölje ber preupifehen Krkgsfchulben auf (40 ZTtillionen unb ungünftige .Jahlungs* 
bebingungen feftfepte. .Jür einen Krieg mit © efterreich muffte preupen ein fjilfsforps 
perfprechcn. lleberbies folllen bie brei ©berfeftungen Stettin, Küftrin unb ©logau ron 
franjöfifcbeu Truppen befept unb bie Stärfe bes preuptfehen feeres in ben nächften jetjit 
3at;ren auf 42000 IHann befchränft bleiben. „3a, lUarianne," fchrieb ber prinj am 
9. September feiner ©emaplin, „mit blutenbem fferjen ift geftem ber Tractat unterfehrieben 
toorben, welcher uns auf bas fehreeflichfte alle JHusfeln ber Kraft jerriffen bat — urteile 
aber nicf)t, bis Du mich roiebergefeljen baft. — Der aufgefangene Brief wirb Diefj entfepen — 
cs ift mir unbegreiflich — So ein IHann unb fo ein Unglücf. Es blieb feine IDabl, bie 
©efapr mar auf’s Huperfte geftiegen. ©enug bapon. Du wirft mich begreifen — bie anberen 
jum Teil — ber König pielleicfjt — ©ott gewif." 

Um Königsberger fjofe mirften biefe Berichte trie bie Bachricht pon einer perlorenen 
Schlacht. Der UTinifter bes Uuswärtigen ©raf ©olp brach foglcich nach Erfurt auf. Der 
König fchrieb an Uleranber: „IDenn (Eurer IHajeftät boebherjige .fürforge uns nicht aufrecht* 
hält, fo ift es aus mit preujjcn!" Die Königin pcrgojj Tränen, bie fte por ihrer Umgebung 
pergebens ju perbergen fuchte. Stein felbft blieb ruhig unb fallblütig; man erjählte ftch, 
er habe bem König geraten, ihn nach pillau bringen ju laffen. i£r bat fogleich um feine 
Entlaffung, bie ber König jeboefj oenpeigerte, tpie er auch bie Katififation bes parifer 
Pcrtrages junächft binausfcfiob. Hapoleon felbft, nachbem er feinen ^roeef erreicht, fcfjicn 
einer ntilberen Uuffaffung Kaum ju geben. Er hatte in ben Pertrag Pom 8. September 
eine Beftimmung aufnehmen laffen, nach ber preupen feine Untertanen aus feinen abge» 
tretcncn propinjen im Dienft behalten bflrfe; er meinte bamit Stein befeitigt 3U haben. 
Hun äußerte er (ich in ber Ubfdiicbsaubicnj gegen Prinj iPilhelm feljr perföhnlich unb 
entgegenfommenb, betonte feine Kehlung unb fein Pertrauen ju bem König, perlangte aber 
rücfhaltlofen Knfcblup an ,franf reich, wofür er Erleichterungen in ber Kontributionsjahlung 
unb felbft befchleunigte Käumung ber Heftungen in Uusficht ftellte. Uuch ber Königin 
gebachte er, unb fprach bie fjoffnung aus, bap fie ihren Einflug unb ihre Kenntnis $ur 
Erhaltung ber Eintracht jmifeben preupen unb ^ranfreich ampenben möge. Er fchrieb 
felbft höfliche Briefe an ben König unb an bie Königin, ber er feine Jreube ausbrüefte, 

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Königin fuife anb ber J rcibrrr pom Stf in 



bag ber (Erfüllung tfjrcs IDunfdjes, nad) Berlin jurücfjufotjrcn, nun fein ffinbemis mehr 
im tDegc ftctjc. 

Der Bericht bcs prinjcn über Hapolcons Keugerungen unb bic Briefe bes Kaifers 
madgen in Königsberg einen günftigen Einbrucf. Kuf Unraten pon 3acobi«KIöft unb 
Stein beantwortete ber König bas Schreiben IZapolcons fogleid) pcrföitlid) mit ber bringenben 
Bitte um fjerabfegung ber ^aglungsbebingungcn. ^ugleid) entfcblog er fid), ben September« 
Bcrtrag, roie er mar, obgleid) bie Jcftfegungen über bie Kontribution unausführbar fd)ienen, 
$u ratiftjicrcn ( 29 . September). Ulan hoffte bamit »enigftens ber fremben (truppen enblicb 
Iebig ju »erben, beren Uufcntgalt im Canbe, »ie fid) mel)r unb mei)r gerauspcllte , bie 
fd)»erften frttlidjen unb »irtfdiafllidien Sd)äben perurfaegte. Stein felbft erfdjien in Ijcitcrer 
Stimmung; man meinte, bag ber ^roifd)eufall mit feinem Briefe feine »eiteren folgen 
haben »erbe. Ungebulbig er»artete man Uad)rid)ten über bic ^ufammenfunft in Erfurt, 
ron bereu Ergebniffen bas fernere Sdncffal preugens unb Steins felbft abhängen mugte. 

Kud) Königin Cuifens ganje Kufmerffamfeit blieb in ängftlicger Spannung auf Erfurt 
gerichtet. Das ^ufammentreffen mit Kaifer Ulejanber »ar ruhiger perlaufen, als pe porger 
befürchtet hotte; mit ©enugtuung bemerfte fie bic gute IBirfung, bic fein frcunbfd)aftlid)es 
Bcrgaltcn bod) »ieber berporgebraegt ju hoben fegien. Sie benachrichtigte ihn bann felbft 
pon ber Xatipfation bes September»Dertrages mit ber inflänbigften Bitte, für bie JHilberung 
ber graufamen unb unerfüllbaren Bebingutigen bei Ttapoleon cinäutrcten. Seife erinnert fie 
ihn babei an fein eigenes 3 n| ereffe, bas namentlich burd) bie ©ffupation ber preugifdjen 
Regungen berührt »erbe. Seine Besprechungen gatten 'h r fjoffnung unb Bertrauen 
wiebergegeben, ohne jebod) alle Beunruhigung pon ihr $u nehmen. Das ©leicggeroicgt 
jroifdjcn Kopf unb £)crj »ar unb blieb geftört. Die Königin »olltc igr (Befühl ausfdialtcn, 
»ollte pd) j»ingen, in ber augenblicflid)en Bermicflung nur eine politifcbe Ungelcgcngeii ju 
fegen, nur „bie grogen ^ntereffen ber Bationen" ins Uuge 5 U faffen. Einen Eag glaubte 
ge »obl einmal über pd) felbft gegegt 3 U haben unb freute pd; bet fegwer errungenen 
„fjannonie". Kber bann fprad) ih r Iferj »ieber lauter unb pe geftanb pd) egrlid), bag 
bod) nid)t blog politifeges 3ntcrcffc biefc Spannung unb Erregung igres 3nneren gerporrufe. 
Sic »are glücflid) gewefen über bie Befreiung preugens, ober »enigftens über bie Erleiditerung 
feiner Caften, hoppelt glücflid), roenn pe bas 3h m < gerabe 3b m rerbanft hätte; unb noeg 
einmal glücflid), »enn er aus tiefet innerer (Teilnahme für pe, gerabe für pe geholfen 
hätte. 2 Benn er nur nid)t »ieber fd)»ad) »urbe, pd) niegt perführen lieg! Ütlit eiferfücgtiger 
Sorge gärte pe pon ben Bergnügungen, bie Bapoleon für bie Untergattung feines crlaudpen 
©aftes in Erfurt porbereitete. Könnte pe ign bod; immer umfegweben, um ign por fripolen 

29s 




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I 



,3<rftreuungcn 31t brüten, unb tfjn auf 6er Bafyn 6er Cugenb, btt feiner grofjen Uufgabe 
feftjubalten ! ^ur Kirdje ging jie un6 betete für 6en ©rfolg feiner Unternehmungen in 
(Erfurt: „Ulk guten ©eifter fteljt iljm bei, geleitet itjn". 

3n banger ©rtparlung perrann 6er Königin Cag um ©ag. ©nblid), als man alle 

l 

fjoffnung fdjon faft aufgegeben, fam am 18. (Dftobcr mit Berieten pon ©ol(5 un6 Briefen 
6es €rbpritt3cn ©eorg, 6er pon paris nad; ©tjüringen gereift tpar, ein SAreiben Kaifer 
Utejranbers aus IDeimar Pont H- ©ftober, tporin er melbete, 6ap auf feine Denncnbung 
6ie Kontribution um 20 HTillioncn Ijerabgcfe^t un6 6ic ^afjlungsfrift perlängert fei. Die 
Käumung 6er nod) befc^ten fanbftriAe tper6e in$urifAen t>or fidj gelten. Dajj er 6afür 
auf einen Krtifel 6cs Ciljiter Jriebens pcrjidjtet tjatte, 6er preufen für 6en ^all 6er ©in- 
pcrleibung fjannopers in 6as Königreich IDeftfalen eine ©ntfAäöigung auf 6em linfen 
©Ibufer 3uftcberte, überging er mit Stillfdjavigen. 

Hur 5tpei ©agc fpüter traf 6er Kaifer felbft ein. ©r trat auf mit unperfennbarem 
Selbftbeipufjtfein, mit Siegermienen; fpraA pon 6cn rertrauliAcn Verbinbungett, 6ie er mit 
Hapoleons nüAftcr Umgebung, namentlich mit ©alleyranb angefnüpft hotte, un6 beutete 
an, bajj Steins pöllige ©ntlaffung nidjt erforberlid) fein roerbe. Dem Verlangen Hapoleons, 
einfd)üAtom6 auf ©efterreid) ju brüefen, hotte er fid) gefdjicft entjogen. Beim Kbfdiicb, 
am 24. ©ftober, lub er bas Königs paar nad} Petersburg ein, u>as 6er König und) feiner 
©etPol}nf}eit ipeber annahm nod} ablebnto. 

Diefer j uxite Hufenhalt Kaifer Klepanbers in Königsberg beöeutet einen IDenbepunft 
König ^riebrid) UHlbelm fügt ftdj in bas rufftfdj = fran jöfifdje Syftem, bei bem er nad; 
allen Stürmen unb ©rfdjütterungen ber lebten 3oh re enblidj Hulje 3U finben Ijofft. Der 
©ebanfe an einen Befreiungsfampf, ber bei iljm ohnehin nur an ber ©berfiädje ©ingang 
gefunben Ijatte, tpirb auf gegeben, um fo mefjr, ba nad) allen Hadjridjten aud) ©efterreid) 
tpenigfiens oorläufig an feine ©rfyebung mehr 3U benfen fdjeint. Der geheime Untcrhänbler 
mit ©nglanb, 3ocobi=KIöft, perläjjt am 25. ©ftober Königsberg, um ftdj auf feine ©üter 
jurücfjujicben. Dafür fpriAt man an bemfelben ©age bei fjofe sunt erften HTale roieber pon 
ber naf}eit Kücffeljr nad) Berlin, ©ine Stimmung ntüber Hefignation, Ijerporgegangen 
aus einem tiefen Kutjebebürfnis, bemädjtigt fidj bes Königs unb feiner Umgebung. 

©s gab aber in Königsberg nod; einen HTann, ber bies Bebürfnis nid)t empfanb 
unb biefe Stimmung nidjt teilte, ber nad) feinen eigenen IPorten „Hufregung unb ©ärung" 

3U perbreiten für feine Hufgabe bjielt. 

Stein l)ütte aud) trabrenb ber gufannnenfunft in ©rfurt bie Vorbereitungen sum 
Bcfrciungsfampfc unbefümmert fortgefe^t, insbefonbere bie geheime Derfjanblung mit 

= 9 « 



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©efterreicg »eil über tDiffen unb IBillen bes Königs hinaus geführt; er gatte jur Hafijifation 
bes September Vertrages geraten, mit bem fjintergebanfen freilieg, t£jn bei erfter bc|ter 
©elegengeit 511 bredjen. 2 Tlit bem engen Unfcgiug bes Königs aber an bas rufftfeg* 
franjöfifd)« Syftem mürbe feine politif unmöglich unb feine Stellung unhaltbar. Hapolcon 
feibft 3 war permieb es, feine (Entfernung ausbrüeflieg unb beftimmt 3U forbem; auch ,fricbricg 
IBilgelm, ber ftefj trog allem ungern pon igm trennte, jögerte, bie miebergolt erbetene 
(Entlaffung ju bewilligen. Hoch ZTCitte Hopember mar fogar bapon bie Hebe, bag ber 
König ben franjöftfcgcn Kaifer gerabeju um Beibehaltung Steins angegen falle. Uber 
fonft erhoben ficti allenthalben bie (Segnet, bie feinen Jvücf tritt forberteu : franjöfifcge ©encrale 
mie goge Beamte bes preugifegen Staates. IPenn fteg auch eifrige Stimmen für ifjn 
ausfpradx'tt, fo jeigte fäetj bod), mie Stein, abgefegen Pon bem allgemein beflagten ober 
perurteilten Briefe, bur<g fein fAroffcs U)efen unb feine rücffugtslofen llmmäijungen jidj 
jaglreitge perfönlicge unb politifdjc Jeinbe unb menig ^reunbe gefegaffen gatte. 

IDo maren bie tapferen grauen, bie por faunt einem feine (Ernennung fo 

freubig begrübt gatten? Seit bem (2. ©ftober pcrmeilte ^rau pon Berg, bie Königin Cuife 
in igren Seelenfämpfen ^erbei^erufen Ijatte, in Königsberg; fto fuegte anfangs ju Steins 
©unften ju Permitteln, ftanb aber halb bapon ab unb erflärte fidt gegen i£jn. ©räfin 
Bog — Stein tut ber maderen ßrau unreegt, roenn er ge mit bem Sdjroäcgling Ködrig 
gleicgftellt — ©räfin Bog, bie jebem patriotifegen (Entfcglug immer jugefümmt gatte, fonnte 
jetst Steins (Entfernung faum erroarten. Selbft bie prin$cffmncn maren, fegeint es, fühlet 
gegen ign geroorben; in Cuife Xabjiwills Zlufseicgnungen finben fteg ftrenge Urteile über 
Stein; prinjeg IHarianne, fo fcgmerjlieg fte naegger feinen IDeggang bcflagtc, gat tgm ben 
„preux Chevalier“ f}arbenberg ausbrüeflicg porgejogen. 

Uucg Königin Cuife, bie noeg por wenigen UTonatcrt bei ben Borbereitungen jum 
Bcfreiungsfriege feiner ^ügrung millig gefolgt mar, gatte igm allmäglieg igre ©unft 
entsogen. „Dcutfcger Patriotismus", gat Bismaref befanntlieg gefagt, „bebarf in ber Kegel, 
um tätig unb mirffam ju merben, ber Bermittlung bynaftifeger Ungänglicgfeit." Bei Stein 
trifft bas nidjt ju: fein beutfeger Patriotismus mar bereit, über jebe Dynaftie, auch über 
bie ber f^ogcnjollern , ginmegjufegreiten. Dem Königspaare pnb biefe Unfcgauungen 
fAmerlicg ganj perborgen geblieben. 5 U bem König gat ein inneres Bergältnis übergaupt 
nie beftanben. „ 3 <g gäbe ign nie geliebt", gat ^riebrieg IDilgcIm fpäter befannt. Stein 
feinerfeits mar es jufrieben, pon bem König „gefürdjtet" 5U merben. Die Königin 
mar igm in goffnungsfrogcr 45 uptr f>4l entgegengefommen unb gatte igm rücfgaltiofes 
Bertrauen beroiefen, aueg als fte fiefj ber trennenben IDcfcnsuuterfdjiebe längft poübemugt 

29? 



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geworben war. IPeibliche Anmut unb weibliche Ciebenswürbigfeit tjaben über Stein 
niemals Alacht befeffeu. ©r oerfannte biefe Porjüge an ber Königin nicfjl; aber er fanb 
— fo weit wir nadi feinen fpälcren Auflehnungen urteilen bürfen — , baß itjr ©efüljl 
für bas ©ute ber Ausbauer entbehre unb bag fte iljre £eit unb iljre Heigungcn bem 
König }u willig opfere unb barüber felbft iljre IMutterpfiicbtcn pemaehläfftge. Seiner 
emfteti IDürbe mißfiel iljre in Schmer} unb ^reubc leid;! überquelfcnbe Ungezwungenheit, 
wie er iljre „blinbe Ciebe }u ihrer .familie" unb bie — angebliche — Parteinahme für 
fyiugwiß im fjcrbft (806 tabelte. Die Königin fühlte wohl, baß fie in ben Augen Steins 
nur eine „femmelette“ war, ein IDeiblein, auf beren Schwächen feine tatfräftige l)errert* 
natur geringfebätsig Ijcrabfal). Auch wenn fie in ber Sache mit igm cinperftanben war, 
permißte fie in ber Schroffheit feines Auftretens jene warme perfönlichc Anteilnahme, bie 
tjarbenberg nie unterlaßen hatte }u }eigen. ©leichwohl hatte fte auch na* bem ^wifchenfall 
im September feine Beibehaltung als 2Tlinifter junächfl gewünfeht unb ftd) bei Alcjanber 
für ihn oerwenbet. Allein fie würbe allmählich mehr unb mehr innc, wie feljr bie IDegc 
bes Königs unb bcs IHinifters auseinanbergingen. €s fcheint ftcher, bag König unb 
Königin pon Steins weitgetriebenen ©rljebungspläncn Had) rieht erhielten. IDic leicht fonnte 
bas rüefftdjtslofe Porwärtsgehen auf biefem IDege }u einem oemichtenben ^ufammenftoß 
mit .franfreich führen! ©ewig ift, bag ber Pertreter bes abwefenben ITTinifters ©olß, 
ber Staatsrat Haglcr, ben bie Königin bamals fich gewöhnte in auswärtigen fragen }u 
hören unb ber ein entfehiebener ©egner Steins war, in biefem Sinne auf fte cingewirft 
hat. Pon geringem (Einflug nur war eine Ateinungsperfchiebenheit über bie Keife nach 
Petersburg, bie Stein anfangs nicht gerabe}u mißbilligte, fchließlidj aber h'naus}ufehieben 
empfahl, währenb bie Königin fte aus perfönlidjen unb noch mehr aus politifijen ©rünben 
fehnlich wünfehte. 

Pon größter Bebeutung aber war ein attberes Ereignis. f)arbenberg, ber bisher in 
Oft an feinen Denfwürbigfeiten gearbeitet hatte, fam auf ber Keife nach ATarienwcröer 
am (0. Horember burcf; Königsberg, wobei er bem Königspaar begegnete. Kein IPort 
würbe gewechfelt; aber ben König unb fjarbenberg faß man in (Tränen, njäfjrcnb bie 
Königin an fyirbenberg fchrieb, rermittelten Pagler unb fein Schwager Altenftein am näcbften 
(Tage in Kalgen bei Königsberg eine ^ufammenfunft, bei ber garbenberg bie Hotwenbigfeit 
ber ©nilaffung Steins nacfjbrücflich betonte unb }uglcich bie Keife nach Petersburg billigte. 

.für Königin Cuife war bas Ergebnis biefer Begegnung entfeheibenb. Pon jenem 
Augenblicfe an, Prinjefftn Kab}iwiU perftchert es, faßte fte ben ©ebanfen unb bie tjoffnung, 
an Steins Stelle ßarbenberg wieber als erften KTinifter Preußens walten }u fehen. 

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Kudj bie ©ntfdjliefung bes Königs über Stein würbe balb barauf gefaft. Ba$u 
mag bie Knftdjt Ijarbenbcrgs unb bes Königs llnjufriebenljeit mit bem ungewöljnliijen 
Porfdjlagc Steins ju einem Kufruf an bas preufifdje Polt beigetragen Ijaben; bie lefte 
©ntfdjeibung aber brachten bie tvränberten Bejieljungcn ju Jranfreidj. Km ( 8 . Hopcmbcr 
tarn ©raf ©olf non (Erfurt über Perlin, wo er mit Baru einen Kusfüljrungspertrag jur 
Scptember-Konrention gefdjloffctt Ijatte, nadj Königsberg jurücf; er lief feinen Zweifel an 
bem Perlangen ber Jranjofcn nadj ber ©ntfemung Steins. IDcnige (Tage fpäter, am 
23 . Bopcmbcr, erfuhr man, baf bie ^ranjofen wirflicb Knftalten }ur Käumung bes Canbes 
träfen unb in Berlin bereits ben preufifdjen Bcljörbcn bie Kaffen übergeben Ejättcn. Bas 
Perfjältnis ju Jranfreidj fdjictt bamit cttblidj auf eine fefte ©runblagc gefteüt, eine frieblicfjc 
©ntwictlung perbürgt $u fein. Km 24 - Hopcmbcr empfing Stein, ber noch feibft bie Kliffe l 
für ben erften (Termin ber Kontributionsjaljluiig bereitgeftellt Ijatte, feine ©ntlaffung. ©inen 
eigentlichen Badjfolgcr erhielt er niefjt ; 5 U Kliniftem würben ernannt: KItcnftein für bie 
Jinanjcn, Beyme für bie 3uftij, ©raf Boljua für bas 3nnere; bie auswärtigen Kngclegen» 
Ijeitcn befielt ©raf ©ol£. ©inige (Tage fpäter nafjm Stein pon bem König unb ber 
Königin Kbfdjieb. Km 5 . Bejcmber perlief er Königsberg, bie Stabt, in bie er pier 3aljre 
fpäter als Befreier einjiefjen follte; bie Königin Ijat er nidjt wieber gefcljcn. 

3n ben Cagen, wo Stein perabfdjiebct würbe, fdjeint bie Keife nadj Petersburg 
enbgültig befdjloffen ju fein. Paglcr unb ber preufifdje ©efanbte in Petersburg, ber ,£reiljcrr 
pon Sdjlabcn, hielten fie für politifd; jwccfmäfig unb empfahlen bringenb, ber ©inlabung 
Kleranbers .Jolge ju leiften. Bie Königin beriet nod; einmal barüber mit prinjeffin 
IDiltjclm unb mit ßtau pon Berg. Sie fagte ber prinjeffin, fte wolle mit bem König 
nadj Petersburg, um Kloyanbcr ju bewegen, „etwas ©ntfdjeibenbcs für Preufen ju 
bewirten". Klariamte meinte, an Kleyanbcr fei jwar „fjopfen unb Ktalj perloren", wollte 
aber übrigens ber Keife nidjt wiberfprcdjen; nur bie Beteiligung ber Königin fdjien iljr nidjt 
paffenb. Ber Jrau pon Berg geftanb bie Königin, fie wünfdje freilidj bie Keife als 
©ntfdjäbigung für jweiunbeinijalb 3 J *? r Unglücf; „allein," fügte fte Ijinju, „wenn bie ©Ijre 
bes Königs unb bas öffentliche ZPotjl ber Keife wiberfprcdjen, fo perjidjte idj barauf in 
aller ©ffcnfjeit, oljne fjintergebanfen, unb mit allem bem guten IPillen, beffen mein fjcrj 
unb mein (Efjarafter fäljig finb." 

Bem König mag nadj feiner ganjen Hatur ber ©ebanfe einer Petersburger Keife an 
fidj wenig willtommen gewefen fein. IBettn er ftd; bodj baju cntfdjlof, fo beftimmte ifjn, 
wie et feinem ©nfel, prinj Jerbinanb, nadj Berlin fdjrieb, bie wicberljolte ©inlabung 
Klcyanbers, ber er fidj anftänbigerweife nidjt entjieljen tönne; bann aber, was er gegen 

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Königin fuife unb bfr ^mbcrr nom Stein 



feinen ZUinifter bes Kusroärtigen, ©raf ©olß, betonte, öio politifefje Sü<fjid)tnahme auf 6cn 
Kaifer, 6er Diel für Preußen getan un6 notfj mef)r guten IDillen bcfun6et ijabe unb beffen 
Unterftüßung man nod) oft braudjen tnerbe. Snberfeits mirfte freilief) auf biejenigen, bie 
in Klefanber nur einen „treulofen ^reunb" erblieften, bie Had)rid)t non ber beoorfteljenben 
Seife nad) Petersburg tpie ein „Donnerfdjlag". 

Die Derabfdjiebung Steins unb bie Seife nad) Petersburg, bie nun für <£nbe Dejember 
feftgefeßt mürbe, ftnb bamals unb fpätcr $uroeilen in einem urfäd)Iid)en gufammenljang 
aufgefaßt morben. 3 n IDafjrljeit ftnb beibe ©reigniffe gleichmäßig ©rgebniffe unb ftdjtbare 
^eidjen eines unb bcsfclben politifdien Siditungsroedjfels. Unter ber Ceitung non Stein 
hatte Preußen fid) ©efterreid) genähert, ohne baß bie Dcrbinbung mit Sußlanb ganj 
aufgegeben märe; jeßt fdjließt es fid) nad) bem IDillen bes Königs aufs engfte mieber an 
Sußlanb an, ohne baß man auf bie Derbinbung mit CDeftcrreid) unb auf bie an ©efterreid) 
fid) fnüpfenben 5 u ^ un f te t? 0 ff 1lUT1 9 cn 9 an 5 »«rjidjtet hätte. 3 n liefen ©leifen bemegt fid) bie 
preußifdje politif ber näd)ften Seit; fo entfpridjt ihr Ch ara ^er aud) ber 21nftd)t ber Königin. 




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^ebntes Kapitel 

tDäfyrenö bes öfterretd)ifd?en Krieges 

(1809) 



27. Dejcmber (808 traten ^ntbrid) IDilboInt unb £uife oon Königsberg aus öte 
Seife nach Petersburg an; ©räfin Pojj war mit ©räfin ITToltfe einige (Tage früher auf= 
gebrochen; bie Prinjen Kuguft unb IDilhdm, bem Scbamhorft beigegeben war, fdjloffcn 
ft<h unterwegs an. Pon ber rufjtfchen ©renje ab fafj fich bas Königspaar non ber ©afl» 
freunbfcbaft Kaifer Klejanbers umgeben, ber fiefj an ©h^^ejeigungen unb Kufmerffamfeiien 
aller 2Irt nicht genug tun fonnte. Durch h°h e CDffijiere mit Kofafcnfcfjmabronen geleitet, in 
ben Stabten von Vertretern bes Kbels unb ber Bürgerfcfjaft empfangen, überall mit paraben 
ober Ballfeften gefeiert, erreichten König unb Königin am 6. Januar ( 8 O 9 Strelna, bas 
Schloß ©rofsfürft Konftantins. Km nächften (Tage, 7. Januar, jwifhen ben Seihen oon 
40 Bataillonen 3nfanterie unb $ Regimentern Kapallerie Irinburcb, h^H** 1 f lc *h rtn ©"fug 
in bie Stabt peters bes ©rojjen. Hoch t, °f beit (Toren war ihnen Kaifer Hlejranber felbft 
entgegengefommen; im QTinterpalais empfingen jte bie Kaiferin ©lifabeth Klejejewna unb 
bie KaiferimHTutter HTaria ^eoborowna mit ihren Söhnen unb (Töchtern, ben ©ro^fürften 
unb ©rofjfürftinnen, unter benen ftch auch tuifens ^reunbin, bie ©rbprinjefftn oon TDeitnar, 
befanb. Die IDobn räume, in bie König unb Königin bann geführt würben, neben ber 
berühmten ©alerie ber (Eremitage gelegen, waren mit perfhwenberifcher Pracht ausgefiattet; 
500 Krbeiter, fo berichtet ber franjöftfdje Botfchafter, hatten wochenlang (Tag unb Hacht 

50 t 




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an 6 er (Einrichtung gearbeitet. Bodj am 21 benb 6 es erften Tages, trotj aller Ermübung, 
wohnte bas Königspaar 6 er 2lufführung einer ©per un 6 eines Balletts bei. 

(Es folgte eine ununterbrochene Keilje glatt jpollcr Jcftlichfeiten: gegenfeitige Bcfuche, 
große (Empfänge, Theateraufführungen, bei benen namentlich bie Tragöbin CBeorgcs 
bewunbert mürbe, Ballfefte, v feier ber Berlobung ber ©roßfürftin Katharina pawlowna 
mit bem prntjen ©eorg pon ©lbeitburg, IDafferweifje auf ber Bema, efte im Erjiehungs^ 
inftitut ber KaiferimBlutter unb im Taurifchen palais; alles mit einem wahrhaft orientalifchen 
Cujus, ben Königin £uife immer mteber beftaunte, ohne hoch baron gcblenbct ju werben. 

Der (Einbrucf, ben Jriebrich IPillxIm machte, foll nicht günftig gewefen fein: bet 
Räuber pon Cuifens 21nmut unb Schönheit aber rerfagte auch h' cr nicht, ©leidf, tri* fte 
am 21rnt bes Kaifers bie Sdjloßtreppe h'naufftieg, — eine rufftfdie fytfbatne erjählt es — 
in ber 21 nmut ihres noch jugenblicf) frifdjen Kntlitvs, beffen lichter ©ianj ftch oon bent 
bunflen fjintergrunb bes jobelbcfeßten blaufeibenen peljes, eines ©efefjenfes Kaifer 
21lejanbers, h*U abhob, wie fte mit leichtem Beigen bes fjauptes unb freunblichen Blicfen 
bie ehrerbietigen Berbeugungen bes perfammelten f)ofes erwiberte, flogen ihr bie fjerjen 
entgegen. Unb pollenbs bann, einige Tage fpätcr, bei bem großen Empfang, als Cuife in 
föniglidjer ITTajeftät bie Borftcllungen entgegennahm, firahlenb in ber funfelnben Pracht 
ihres Scbmucfes, mehr noch burch bie Schönheit ihres IDuchfes, ben Heichtunt ihrer blonbcn 
haare, bie leuchtenben B liefe ihrer blauen 2 tugen, bie ungewöhnliche hannonie pott 2 (nmut 
unb IDürbe ihrer ganjen Erfcheinung, ba h' e § es unter ben bewuttbemben ^ufchauem: 
„Sie ift bie Scffönfte ber Schönen, fie hat feine Bebenbuhlerin auf ber lüelt." 

Bebeutungspoll für Cuife war es, baß auch bie beiben Kaiferinnen, bie ihr anfangs nur 
mit gemeffener höflichfeit begegnet waren, burch ihre Ciebenswürbigfeit pöllig erobert würben. 
Sie hatten bem Befudfe ber Königin nicht ohne Borurteil entgegengefefjen. Der ganje rufftfdy« 
f)of wußte ja, baß fte auf Kaifet 21lejanber einen ftarfen Einbrucf gemacht hatte; baß ber Kaifer 
ihre großen Eigcnfchaften, ihre ibeale ©ciftesrichtung begeiftert rühmte. ZTTan fprach besfjalb 
pon ihrer ©efallfucht, ihrer Kffcfliertbeit, ihrem IPunfch ju glänjen unb bewunbert ju 
werben. Bichts pon allebem bemerflen bie Kaiferinnen; fie perftanben es nicht einmal, 
wie man fo habe über bie Königin fprechen fönnen. „IBir leben alle untereinanber," fchrieb 
Elifabeth an ihre ITCutter nach Karlsruhe, „als ob wir uns feit ITlonaten fennten . . . 
ilnfere ©äfte ftnb wirflich bie beften JTTenfchen pon ber IDeit, es iß unmöglich, >h lu ’ n ntdjt 
wohl ju wollen, fte haben eine fjerjlichfcit, bie ich mit größtem Bergnügen wiebergefunben 
habe ... Es ift unmöglich, beffer 5 U fein als bie Königin." 21 us Cuifens 21Tunbe 
meinte bie Kaiferin fjeimatflänge $u hören; auch mit Prinj IDilhelnt fprach fte gern beutfeh. 

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iraffrenb bes 6f*erreid?if<ijen Krieges 





Cuife iljrerfeits war eutjücft pon feen beiben Kaiferinnen, pon 6er uttausfpre*li*en mütterli*en 
©üte 6er Kaiferin ITtaria, pon 6er fanften Ciebenswürbigfeit 6er „ljerrli*en" Kaiferin 
©lifabctfj. 3®'f* en 6en b 0 b on grauen f*lofj ft* raf* ein inniger frcunbf*aftsbunb, 6ent 
wir eine Keiljo (ebener Briefe 6er Königin per6anfen. (Hs f*eint felbft, 6a g na* ^rauenweife 
au* f*ou fjeiralspläne erörtert würben, 6ie, foweit fte in 6ic porausgriffen, 6o* 

a*t 3ai;rc f pater 6ur* 6ie Vermählung 6es britten Sohnes 6er Kaiferin Klaria mit 6er 
älleften to*tcr ^riebri* ZDilljelms unb Cuifens ihre Verwirfli*ung finben feilten. 

3n 6er ^fülle non Vergnügungen, mit benen Kaifer Klefanber ni*t abfi*ts!os feine 
©äfte überf*üttetc , blieb wenig plafe für bie politif; gan 5 gefehlt bat fie 6 o* ni*t. 
Klejanber lief bem König feinen Zweifel, bajj er an bem franjöftf*en Bünbnis feftjuljalten 
gebenfe; er beutete an, baf er bei einem öfterrci*if* = fran 5 öftf*en Kriege jur fjilfcleiftung 
für Uapoleon pertragsmäfig perpfli*tet fei. Dem König empfahl er bringenb, au* 
feinerfeits ft* in bie Bejahungen ju ranfrei* ju fügen; bafür perft*crte er iljtt innerhalb 
biefes Syftems feiner llnterftügung, unb, wie bie Bcri*te bes franjöftf*en Sotf*afters 
(Taulaincourt beftätigen, perwanbte er ft* bantals micberfjolt unb na*brücfli* für preufen. 

Ha* 2Do*en rauf*ettber t feftli*feiten fam enbli* bie Kbf*icbsftunbe. Km öf 3 atlu ar, 
mit einem tiefen Seufjer, f*ieb Cuife pon ben glänjenben Häumcn, in benen fte, wenn 
ni*t bas ©lücf, bo* wenigftens jeitweife Vergeffettljeit ifjres llnglücfs gefunbett Ijatte. <Hrft 
in Strelna nahm bie faifcrli*e Familie Kbf*ieb. Cuife felbft Ijat *n betrieben: „Klient* 
halben floffen (Tränen. Die Kaiferin >UTutter fegnete mi*; i* glaubte ju *ren ^üfen 
nieberjufinfen. Kaiferin «Hlifabettj brü.fte mi* in *re Krme, ben egte mi* mit iljren 
tränen. Der Kaifer Ijatte alle Ulübe, Haltung ju bewafjren, bent ©rofjffirften Konftantin 
ftanben (Tränen in ben Kugen. Bie ©rojjfürftinncn übcrljäuften mi* mit Cicbfofungen, 
UTaric weinte unb war blei* wie ber (Tob. 3^? war aufgelöft in Daitfbarfcif, unb nur 
ein ©ebattfe: bu gcfjft in bein Unglücf wieber Ijinein, ftörtc mi* nian*tnal. So fliegen 
wir bie (Treppe Ijinab. Die Kaiferin = 2Tiuttcr unb alle famen mit bis an ben IDagen. 
<Hs war f*recfli*. Ber Kaifer fonntc ni*t meljr fpre*cn; i* fonnte gcrabc no* fagen: 
„3* entpfefjle 3b ncn unfer S*icffal unb bas ©lücf meiner Kirtber unb alles was mir 
teuer ift, Sie finb uttfere Stüge." Unb fo unter taufenb tränen im IDagen. Bie Kaiferin 
©lifabetlj perging por S*nterj, bie Kaiferin* Vlutter fegnete uns, weinte unb ma*te bas 
Kreuj auf bem IDagen unb auf uns, als wir bas ^enfter no* einmal fanbett um ju 
winfen; fo ging es enbli* fort. Ber König weinte, i* f*lu*$te. Ber ©roffürft ritt jur 
Seite bes IDagens. Kn ber Stelle, wo bie ©sforte abgclöft würbe, ma*ten wir galt, er 
ttaljm Kbf*ieb pon uns; ber Kaifer, ber uns tto* gefolgt war, ftieg aus bem S*littett, 



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tMIjwrt &es dfttrrtiAifdfm Krieges 




um uns ein leßtes Hlal ju umarmen. Bann würbe bas IDagcnfenfler gefdjloffen unb 
alles war porbeiü" . . . £uife unb Illeyanber haben ftch ntdjt wicbergefehen. 

21m \0. Jebruar, wäljrenb bie ©locfen „ITutt banfet alle ©ott" läuteten, trafen 
.friebrich IBilbclnt unb £uife wieber in Königsberg ein. 

Bie Königin hat, wie über bie .gufammenfunft in ZHemel, auef) über bie Petersburger 
Keife ein (Tagebuch geführt, bie umfangrcichfte unb pollftänbigfte 2lufjcichnung, bie ftch uon 
ibjr erhallen Ijat. Es war hauptfächlidi für ben Bruber ©corg beftimmt, ber wäljrenb 
feines parifer 21ufentl?altcs ebenfalls ein Tagebuch geführt hatte, aber auch für bie anberen 
©efdjwifter, überhaupt „pour tous ceux que j'aime“, wie Cuife felbft in bet lleberf<hrift 
fagt. Bie Königin h at barin alle bie glai^pollcn .fefllicbfeiten befchrieben, mit benen fte 
gefeiert würbe. Doll Sewunberung fpriefjt fie pon bem Curus, mit bem man fie umgab, 
pon bem (Rolb unb Silber, ben ©emälben unb Spiegeln, UTarmot unb Bronje; poll 
Banfbarfeit pon ber ©üte unb fjerjlichfeit, mit bet bie faiferliche Jamilie, por allem bie 
beiben Kaiferinnen fie überhäuften. IDas in ihrem 3nnem babei rorging, wirb man bodi 
pergeblid) barin fuchen; pielleicht auch, pon .feft ju .feft gejagt, betäubt pon ber IDucht ber 
neuen unb überwältigenben Einbrücfe in Petersburg, würbe fie ftch ihrer innerften (Scbanfen 
unb Etnpfinbuitgen felbft nicht pollfommcn bewußt; man fühlt nur hinburdj, baß £uifc, 
leibenb wie fie war, bie .fülle ber Vergnügungen mehr über ftch ergehen ließ, als lebenbig 
baran 21nteil nahm. Erft nach bet Kücffehr, in Königsberg, in ben trüben (Tagen, ba 
eine tiefe Erfchöpfung fte oft unb lange an bas Zimmer feffelte, ift fte fid) über bie IPirfung 
unb Bebeutung feiefer Petersburger Keife für fte felbft, für ihr 3 nn °nlcben Mar geworben. 

£uifc hatte nun ben bewunberten Kaifcr in feiner IDelt gefehen unb beobachten fönnen, 
in ber falten prad)t feiner Umgebung, jwifdtcn feiner unglücflichcn ©emahlin unb feiner 
©dichten, ber ©räfitt Ilaryfchfitt, bie bei bem großen Empfang ber Königin ant 9- 3anuar 
fchmucflos, nur in bem £idjt ihrer bunflcn Schönheit geglänjt hatte. 2Tlit polier Klarheit 
entpfanb fte jeßt : biefe IDelt war nicht ihre IDelt, fte war ißr ju „materiell", nicht „geiftig" 
genug, unb biefer Kaifer war nicht ihr Kaifcr, nicht bas eiitft pereljrte 3&ea! , nicht ber 
2iaifer ihrer (Traume, ihres Schwärmens. „Ein ITtcnfcf), — fcijreibt fte ber^rau pon Berg — 
ber nur .form unb .färbe liebt, ift bo<h feljr wenig." Unb wie in ihrem Verhältnis ju 
Kaifer Illepattber perfönliche uttb politifche Bejiehungen immer untrennbar perbunben ftnb, 
fo war auch ihre Enttäufchung jeßt jugleich perfönlich unb politifch- Hur einmal hatte fte 
mit bem Kaifer, ber jeber pertraulichen Begegnung mit ihr eher ausjuweieften fcfjicn, über 
„©efdjäfte" fpredten fönnen. 2In ber Stelle, wo fte in ihrem (Tagebuch biefer Unterhaltung 
gebenft, fügt fte, mehr in forgenben ©ebanfcii an ißre Kittber, als an ftch felbft, hinju: 

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Cdfcl 22 




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^ricöridj lPiIt?eIm III. fiityrt 6er Königin Cuife 6en 511111 ©fjijicr ernannten Kronprit^cn $11, \8U5 
C*5cflcHi>cit rou Krdhlon» (1807) nad? ZKlhling 

To» liufs nadf rcdjts: priutrffm ^lleranbriuc, prinicffitt tLfjarlottc, Kouiain fiiift, ,f riefend? IPilbclm III., 
Kroiipiinj jfrirferirf» Wilhelm, prinj Karl, prinj Wilhelm 




„Kd? Sufunft, warum beflemmft bu mein £}tt$ uttb warum fteigen ©ränen bet iBebmut 
in meine Kugen?" Sie batte ft dt enbgültig überjcugett muffen, bag bie Sache 6 er ,freil;eit 
pon Klejranber nichts $u hoffen habe. Seltfam iciöerfprudisDolIe IDirfung biefet Peters- 
burger Keife auf bas Königs paar! Derftänbiidi hoch burcfe ben IDefensunterfcbicb jwifdjen 
bem König, ber bas Ujm ©elaffettc erhalten null, unb ber Königin, bie bas ihr ©ntriffene 
wicbcrgcwinnett möchte. XDäfjrenb ^riebrid) JBilhelm nur nod> enger an ben tufftfcben 
^rcunb fid) anlebnt, beffen breite Bruft allein Sd)uh perheijjt, menbet fidj Cuifc mifmutig, 
faft geringfcbätjig pon U)m ab; fte entfernt ihn aus ihrem 3 nnenleben wie einen fremb» 
förper; was fie an Belehrung ihm gemibmet habe, fchenft fie feiner Blutter unb feiner 
©attin, beiten fie fortan gern ihr Ijerj öffnet. Bern Kaifer banft fie auf ber tjeimreife pon 
Blemel aus am 9 . Jcbruar für feine ©üte unb .feeunbfdjaft unb empfiehlt ihm bie 3 ntcreffen 
bes Königs, bas ©lücf ihrer Kinber unb ganj preufen. Bann fdjreibt fte ihm nodj einmal, 
»ielleidjt jweimal, ©ntpfehlungsbriefe, aber nie mehr ein JBort über politif. 

©nttüufcht in ihren Hoffnungen, ernüchtert in ihrer Betputtberung, befennt Cuifc bem 
Brubcr ©eorg: „®an$ Petersburg unb feine ,fefte waren mir Pein unb Strafe," unb ber 
^rau pon Berg: „3<h freue mich je? 1 - bafi ich nichts bort orbentlich gettofj , benn nun 
hab ich feine Störung in meinen emftfjaften Keflepionen gelebt. 3*h bin gefommen, wie 
ich gegangen, nichts blenbet mich mehr, unb ich fagc 3hnen noch einmal: Klein Seid; ift 
nidft »on biefer JDelt." (27. ,februar.) 

KUes, was in Kiefen lagen gefdjah, trug baju bei, bie forgenpollc Stimmung ber 
Königin ju fteigern. 

König ^riebridt IDilheltns erfter unb näcbfter politifcher gjwecf war audj jetji bie 
©rhaltung eines JSuftanbes ber Kühe unb bes t friebcns, roährenbbeffen preufjen ftch ber 
IBieberherftellung unb ©ntfaltung feiner fjUfsquellen mibmen fonnte. Bie Schwierigfeit 
lag aber in ben Bejahungen ©efterreichs ju ^ranfreid), beren immer bcbrohlidfore Spannung 
burdj bie übcrrafchenbe Kücffehr Hapoleons aus Spanien jutage trat. Ber König fürchtete 
einen plöfclichen Kngriff ©efterreidts gegen ^ranfreid), burdt ben er felbft in fdjwere 
Bebrüngnis geraten muffte. 3 n biefem Sinne äußerte er fidt auch 5 U bem ©efanbten 
©efterreichs am ruffifdjen H°f f < bem dürften Schtparjenberg, bem et furj nach feiner 
Kbreife aus Petersburg begegnet war. ©r perfdjwieg il>nt nicht bie IDahrfdjeinlidjfeit ber 
ruffifdjen Parteinahme für ^ranfreidj gegen einen öftcrrcidjifdjen Kngriff. ©anj befonbers aber 
wies er auf bie perfönlidje ©efaljr l;tn, in ber er ftdj mit feiner Familie in Berlin befinben 
würbe, wo er bem Kriege fdjmcrlidj fembleiben föttne, unb fpradj felbft pon Blaffenerhebung 
für ben bann unpenneiblidjen Perjweiflungsfampf: „€r fei, bemerfte er, ju ben äufjerften 



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Snftrengungen bann entfcgloffen, uni molk, trenn es fein muffe, liebet rubmooli enben als 
bas £os 6er fpanifeben Königs familic teikn." 

21Ueiit biefe tapferen 2lcugcrungcn bezogen ftdfj bod) nur auf öie ITC5glid)feit, iag 6ie 
flammen öes Krieges iljn in Berlin ergreifen mürben. ,Junädjfi fd)ob er 6ie Ueberfieölung 
nad) feiner alten ffauptfiabt hinaus, obgleich auch non franjöftfdjer Seite 6a ju geirängt 
murie. fjauptfädjlid; aber fudjte er ganj in 6er alten IDeife iurd) gutes ^ureien ien 
irofjenien Sturm ju befegtpören. 3 n UTien mantte er tpiebergolt por einem übereilten 
Sngriff, 6er Suglanb an franfreidjs Seite treiben müffe. 3 n Petersburg fdjlug er einen 
gegenfeitigen ©arantieuertrag in 6er form einer Defenftpallians jmifdjen Huf lani, ©eflcrreid) 
uni preugen por, moiurdj ©efterreidys Kriegsluft geiäntpft, preugens (Ejriftenj geftdjert, 
ja Bapolcott felbft $ufricbengefiellt merien follte. Diefe Derfudye, mit f cf) machen Hauben 
in 6as grogc poHlifcge IDcltgetriebe einjugreifen, blieben mie immer erfolglos, ©efterreid) 
rüftete meiter unö feinen grogen uni urtperbobknen Knftrengungen antmortete eine meljr 
uni mef)r anfdimellenie Bemegung in Horüeutfcf)lan6. Kaifer Kleranier lehnte ien 
Porfdtlag einer Defenftoallians mit ©efterreich uni preugen ab, betonte rielmefjr 
nadjbrücflid) feine Verpflichtungen gegen franfreich. 

Die Kntmort Kleraniers, iie iie Hoffnungen iet Patrioten nieierfcfjlug uni bet 
ien Schantborft, ©neifenau uni ihren freunien bitlerften CCaiel fani, äniertc nichts an 
König frieirief) 2Dilf)elms politifdycr Haltung. Unterreiungcn mit iem rufftfehen ZTTiniftcr 
Suntiangom, ier im 2Ttär5 iurd) Königsberg fam, bejlärtten ihn nod) iarin. „<£r ficht 
nur iurd; iie Kugen Kaifer Klejaniers," flagte man in Königsberg. ©r märe, minieftens 
junäcbft, jufrieien gemefen, pon Jllejranier eine 21 rt Sdjugbricf ju erhalten, ier iie ©riftenj 
preugens aud) für ien fall fidjerte, iag Itapoleon ctroa bei unpünftlid)er Kontribution*» 
jabtung ju ©eroaltmagregeln, mie jur ZDieierbefegung preugifd)en ©ebietes, fd)tciten follte. 
für Königin £uifc beieutete ias Verhalten Kkpanbers iie ^erftörung ies legten Slücfes 
igrer jUufionen: iag Kleranier iie fd)öne ©rhebung ies öfterreidjifeben Poltes, ier fte 
ntit ier innigften Ceilnahme uni mit leifen Hoffnungen entgegenfah, an ier Seite f ranfreiebs 
mit tDaffengemalt nicierfcblagcn molle, ias tötete in ihrer Bruft ias legte ©efügl für ien 
Kaifer. Sie geiadtte einer Bemerfung, iie fte gelefen: „iag nichts fdjrecflidjer fei, als iie 
gute 2TTeinung, iie man pon einem 2Tlcnfd)cn h uttc , jurflefnehmen ju ntüffen," uni ihr 
reiner uni eiler Sinn empfanb fdjmcrjlid) iie bittere IDahrbeit iiefer IDorte. „2TIeine 
Seife", fdjreibt ge im 2Ttärs 1809 ier frau pon Berg, „b at k ntid) non einer gemiffen 
3Uufton geheilt, uni Sie follcn einen Sing pon mir erhalten mit einem Stern uni mit 
ien IDortcn: ,,©r ift crlofdicn." llber man fonnte fid) ju feinem Hacbteil äniem, ohne 

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ITSIjrmb b« JfierrtidjiftfKn Krieg» 







babei bodj €fjcc, gefunben HTcnfdjenperftanb unb Tugenb abjufdjwören." Unb wenn es 
nun wirflidj baljin fommen follte, baß Xufjlanb an ber Hiebcrwerfung ©efterreidjs leilnaljm, 
muffe bann nidjt audj preußen ju ber „infamen Partei übergeben?" Der ©ebanfe an 
eine foldje OTöglicbfeit erfüllte bie Königin mit ©ntfeßen : „3<h beginne an alles ju glauben, 
was infam ift, unb bie ©fiftenj bes ©Uten unb ber Tugenb $u leugnen . . . 3d) bin 
außer mir bei bem ©ebanfen, baß alles ©Ute erftieft ift. Hein, icfj fann cs nidjt aus« 
fpredjen , was id) fütjle, wie es in mir tobt, bie Bruft jerfpringt mir faft . . . Kd) ©ottl 
ift es ber Prüfungen nodj nid)t genug?" 

©s war ein hartes ^rüfjjaljr für Königin £uifc. Bei aller ihrer unter fooiel Kämpfen 
unb ©pfem errungenen Seelenruhe erlebte fie (Tage, wo „bie IDelt mit allen ihren Sünben 
auf ihr lag". Sie litt förperlidi unb geiftig, ihr Blut fdjien gebrochen, Ujre febensfraft 
faft erlofdjen; teilnahmlos, wie in pölliger ©rfdjlaffung, fpann fie fidj seitweife in ihre 
fjäuslidjfeit ein, in ihr KUtagsleben, beffen pon ber ©räfin Hof immer wieber beflagte 
©införmigfeit nur pon plaubcrftunbcn mit ben Prinjefftnnen Blarianne unb fuife, mit 
Hagler unb fjufclanb, unb juwcilcn burdj eine furje Kusfabrt unterbrochen würbe. ,3 U 
ber Trennung pon Kaifer Klcfanber fam nodj ein Zerwürfnis mit Sruber ©eorg, ber in 
einem Briefe an ,frau pon Berg über Demadjläfftgung burd) Sdjwcftcr £uife gcflagt hotte: 
„ihr Sdjweigen töte ihn." Die Königin, tief betrübt über bie Bor würfe bes Srubers, 
redjtfcrtigtc fidj mit ihren £ciben unb mit bem fjinmeis' auf bas Petersburger Tagebuch, 
bas bodj houptfädjlidj für ihn gefdjrieben fei. Kber ©eorg fdjien an ihrer fdjwefterlidjen 
£iebe ju jweifeln, unb bas traf £uife im fjeiligften iljres fjerjens. „Dein Brief hat midj 
jemidjtet. 3ft cs möglich , baß Du an mir perjweifeln fannft? Kennft Du Deine £uife 
nicht mehr? Hein, biefen Brief hätte id; nimmermehr pon Dir möglich geglaubt. Kleine 
Tage finb ja fdjoit bitter genug, als baß id; biefes hätte pon Dir 5 U erleben geglaubt!" 
©leid; barauf cntfdjulbigte fie ftdj bann wieber, baß fte ihm „mit Bitterfeit unb £aune 
unangenehme Dinge" gefagt habe, unb ber Jricbc jwifdjcu ben ©cfdjwiflem war halb 
wieberhergeftellt. „©ottlob," fdjrieb Cuifc bem Bruber, „bie £icbe, bie in uns ift unb 
uns pereinigt, fann er (Hapoleon) bodj nidjt pertreiben, nodj erobern, nodj perbieten." 

3nsmifd)cn rücfte bie XDahrfdjcinlidjfeit bes Krieges jwifdjen ©efterreid; unb ,franfreidj 
immer näher unb bie Kusfidjt auf bie Kücffcljr nadj Berlin fdjwanb babei in immer 
weitere Jcme. HTit unerträglichem Drucf laflete bie fdjwüle Spannung biefer Tage auf 
bem Königspaare. Das längere Cerbleibcn in Königsberg war nidjt unbebenflidj, ba bie 
©egenwart bes Königs in Berlin jur Beruhigung ber fteigenben nationalen Bewegung 
erforberlidj fdjien unb pon ben Berliner Bcljbrben bringenb geforbert würbe. 3 mnKr h' n 




SOI 






H>äl?rtii& i>es äfterrtirfjifdfm Krieges 




befand man fidj in Königsberg einigermagen in Sicherheit, während man in Berlin inmitten 
franjöfifdjer und rheinbündifdyer Truppen jedem Xleberfall faft wehrlos preiswerten war. 
Kamen doch pon perfdjiedenen Seiten IParnungen por Anfdjlägen Hapoleous, 6er 6em 
preugifeben Königspaare 6as Sdjieffal 6er fpanifdjen Bourbonen sugedadjt tjabe. IDas war 
in foldjcr Seit, t>on folgern Pfanne nicht ju fürchten? Xjatte er nicht erflärt, dag feine 
Pynaftie ba!6 6ie ältefte in (Europa fein werbe? UTan dachte deshalb daran, falls das 
Königspaar doch noch nach Berlin überficdeln würde, die älteften prinjen unler dem 
Porwande poti Ilniperfttätsfludien in Königsberg jurüefsulaffen. Und wenn nun der Krieg 
wirflich ausbracb und auch preugen in feine XPtrbel rig? Bei der Xlcberlegenljeit der 
franjöfifdjen Streitfrage in Pcutfdjland 3 weifelte die Königin nicht, dag Berlin dann foglcidj 
wieder pon ihnen befefet werde. „3fi es denn nicht ganj fürdjterlidj," fefjrieb fie dem 
Bruder, „dag wir den Enthufiasmus und die ticbe der guten Pommern, UTärfcr und 
Berliner fo muffen perrauchen taffen?" 

3» folchcr Stimmung erlebte die Königin am 10. Ulärj 1809 ihren 35. ©eburtstag. 
Pie Stadt Königsberg, die den Tag durch Einführung der neuen Städteordnung feierte, 
gab der Königin ein groges Jeft im Börfenfaalc. 3fyr« Empfindungen dabei fiat Cuife 
einige Tage fpäter der Freundin cjcfdjildcrt ; wir wiederholen die XPorte, wie fie ihr aus 
der $tber floffen: „N'on, comme tout cela etoit triste. Pas fjerg war jerflcifcht. J'ai danse! 
— j'ai souri — j'ai dit des choses honnetes, et je ne savois, por Unglücf nicht wohin. 
XPem wird pteugen in ein(ent) 3 a h rc gehören? XPo werden wir alle jerftreut fein? ©ott, 
Allmächtiger Pater, erbarme dich-" 

Pie nädjflett XPodjen brachten Feine Sefferung der tage. XPährend einseine Kegietungs 
mitglieder, auch der XHinifter des Auswärtigen, ©raf ©ole, pon den S ur ücfbleibendcn 
nicht wenig beneidet, nach Berlin überfiedelten, blieb das Königspaar mit dem f)ofc in 
Königsberg, ohnmächtig, tatenlos, hoffnungslos, auf das £osbredjen des Xlnwetters horrend, 
das den fjohenjollemtljron uniftürjen fonnte. Per ,faU ^aragojas, den man Ende UXärj 
erfuhr, crfdjütterte aud) den König; es fdjien ein böfes Porjeidjen für den Ausgang der 
öfterreidjifdjen Erhebung. Xlnter befonders fdjlimmen (Einbrüchen ftand die ,feier der 

CDftertagc (2. und 3. April). Pie f leine £uife lag franf an einem falten lieber, und die 
XTtutter durfte nidjt pon ihrem Bettdjen weidjen. Am !■ April fam über Kopenhagen die 
Hadjricht pon einer Hepolution in Sdjweden, die den König ©uftap IV., den Ieibenfdjafb 
lidjftcn und hartnäcfigften ©egner Bapoleons, pom Throne flieg. friedlich XPiltjclm erfannte 
darin eine neue Stärfung der Uebermad)t ^ranfreidjs und Xuglands, eine Perfdjlcdjterung 
der Ausfidjten für ©efterreidj. Pie Königin war um fo tiefer pon diefem neuen Unglücf 







ergriffen, als ©uftars ©cmahlin «int babifche prinjeffin uni «ine Sdjmcftor ber Kaifcrin 
con Kuglanb war. Zugleich aber meinte fic bann bie fianb Hapoleons ju erfennen, unb 
in bem Schicffal bes f<fjrocbi(d;cn Königspaares bas eigene Scbicffal Dorausjufeljen. (Es 
iiberfam fic wie eine an ©ewigljeit grenjcnöc Kirnung, bag auch für bas preugifdjc 
Königspaar bie Stunbe ber Pcrbannung halb fchlagen inerb«. KUc Kraft ihres frommen 
©laubens nahm fie jufammen, um fiefj für biefen fdjinerftcn Kugenblicf mit Störfc unb 
^eftigfeit ju rüften; benn fo fegt ftc jebes Unglücf als Prüfung unb Cäutcrung aufjufaffen 
fub gcujöfjnt fjatte, fo füllte fie boef) noraus, bag fie ben Sdjnterj ber (Trennung „non 
allem was Preußen fjeift," um nidtjts weniger tief empfinben inerbe. Pen Bruber bat ftc: 
„Pcrfpricfj mir, bag, incnn man uns aus bem Unfrigcn nertreibt, Pu ju mir fommen 
inillft, wohin cs auch fei." Kn 5 rau non Kleift fchrteb fte am 1. Kpril: „(Es ift eine 
fchwerc ber Prüfung über uns aufgegangen, unb nur ber ©ebanfe, „(Es ift ©ottes 
fianb, bie alles leitet", unb bie Ueberjeugung, bag wir nur burc* Prüfung nerebelt unb gebeffert 
unferer Beftimmung entgegenreifen, fann uns emporhatten in jeijiger 5 c 't • • • IPofjl 
tja ben Sie redjt, liebe ^reunbin, bag wir bas Unglücf, bas uns alle traf, nicht leidjt 
aufnetjmen follten . . . 2Ttcin befferes 3^ ift auch nicht untergegangen, unb cs ift eine Kuh« 
in mir, bie mir alles ift. Peswegen bin ich unb bleib’ ich &°<h Bienfeh, unb rufe oft mit 
Ehräncn bet innigften IPehmuth aus: Kleine Seele ift bebrüeft jum Cobt. Per Ulomcnt 
bes ltnglücfs, ber Prüfung ift immer fürchterlich! . . . wenn bann nur bie fjilfe non 
innen nicht ausbleibt, um alles wieber in ©rbnung $u bringen." Km näehften (Tage, 
2. Kpril, fügte fie Ijiniu: „3ch war auch h culf $ur Contmunion. Pie fjanblung ift 
mir, wie immer, feljr feierlich gewefen, unb meine heiligen Entfchlüffc, hoffe ich, follen 
erhöret werben." 

„3* bin auf alles gefügt," fchricb Cuifc bem Pater (7. Kpril), „nur bie ©nabe ©oltes 
erhält mich ftarf, aber allein auch nur ber ©laube an ihn unb feine Porfefjung," unb 
ebenfo an Kaifcrin Elifabeth, ber fte ihre Ccilnahmc ju bem Unglücf ber Schwcfter in 
Stocfholm ausfprach. Es war aber hoch noch etwas anberes, was Cuife aufrecht hielt, was 
fie mit ftoljer Kuh« bem Untergang entgegenfefjen lieg. Sic beutet es an, wenn ftc an 
Kaifcrin Elifabeth fdjrcibt: „Pie Krone hat für mich nicht grogen Keij, welchen fie 
woljl für anbere hot, ich wage ju fagen: es ift nicht mein cinjiger Porjug, uerfteheit Sie 
mich recht, cs ift nicht ber grögte Porjug, ben ich glaube ju befitjcrt, unb wenn es hoch 
etwas ftolj unb amnagenb Hingt, fo D«rjeil)en Sie cs einer fetjr unglücflichcn Königin, 
bie ju beutlich rorausfu'ht, bag fic halb in bie £agc oerfegt fein wirb, . . . ganj allein auf 
ihren inneren IDert bcfchränft ju fein." Unb in bemfelbcn Sinne an ben .(fürfthifebof 

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3ofepf) t>on ©rmlanb, einen geborenen prinjen t>on f^ofjenjollern , mit bem fie in biefcn 
fdjwercn Tagen ^reunbfchaft fdilog: „Seien Sie überjeugt, es fommc, was es wolle, idb 
werbe immer über mein Sdjicffat erhaben fein, benn ber ©eift ©oties Ietjrt mid), ©tücf unb 
Unglücf aus bem wahren ©eftdjtspunft etfennen." 

2TTan ftcfjt: es war, auf religiöfer ©runblage, ein ftoljcs perfönlidjfeitsgefühl, bas 
Cuife befeclte unb crfjob, ein Bewufjtfein, aud; oljne ben ©lanj ber Krone burd; iijr eigenes 
3d) etwas ju fein unb ju bebeuten. Damit hängt es jufammen, baff bie Königin, als 
bas brofjenbe Unwetter nun wirflid) jum Kusbrudi fam, itjrc Polle Kube unb Selbft= 
beherrfdjung halb wiebergewann. 

Uad) langer unb nerbcrblidier Zögerung fdjritt ©efterreid; Unfang Upril enblid) jum 
Ungriff. IDäbrcnb bie ftauptarmee unter ©rjherjog Karl in Bayern einmarfdjierte, rücfte 
©rjljerjog 3°h <lnn in 3* a l' e n, ©rjherjog Jerbinanb in bas fjerjogtum tDarfdjau ein, unb 
in Tirol warf bas Dolf in ftegreidjcr (Erhebung ^ranjofen unb Bayern aus bem Canbe. 
©ine tiefgefjcnbe Bewegung lief burd; ganj Borbbeutfdjlanb, beffen Beoölferung an piclen 
®rten junt Uufftanbe bereit war. Sdjon fam es $u einzelnen Unruljcn, in ber Höhe ron 
ZTlagbeburg, fowie im alten Kurljcffen. (Zahlreich eilten preufjifdje ®ffi$iere ju ben öfter* 
reidjifdjen Jahnen, unb am 28. Upril perlieg 2Uajor SdjiU mit feinem Kcitcrregiment 
Berlin, um auf eigene Jauft ben Kampf für IZorbbeutfdjIanbs Freiheit ju eröffnen. Der 
©inbruef ber Tiroler ©rljebung lyauptfädjlidj hatte ihn hingeriffen. 

Die IDirfuitg biefer Dorgängc war aud; in Königsberg augerorbentlid;, ber polfs* 
tümlid;e Ch ata f* cr bcs Krieges würbe allgemein empfunben. Die Uufrufe bes ©rjherjogs 
Karl an feine Truppen unb an bie „Deutfd;e Bation" unb bes Kaifers Jranj, bie in nie 
gehörten IDortcn pon Freiheit unb Bation fpradjen, würben pon einem bem anbem gejeigt, 
gelefen, befprod;en unb weeften freubige Begeifterung. Die adjtjigjährige ©räfin Dojj meinte 
pon ber ©rfläruitg bes Kaifers Jranj: „fie ift ganj wunbcrpoll, er fprid)t $u feinem Polfe 
wie ein edjter Pater unb ein echter ZTlonard;." ©ine proflamation bes Königs pon Bayern 
empfanb man als empörenb im ZTlunbe eines bcutfd;en Jürften. Begierig las man bie 
Berid)te, wahre unb falfche, über öftcrreidjifd;e Siege; bie pon bem franjöftfdjen Konful 
eifrig perbreiteten napoleonifdjen Bulletins fanben feinen ©lauben. 

Uud; König Jriebrid; UHlhelm oermodjte ftd; bem ©inbruef biefer ©reigniffe nid)t 
ju cntjichen. Bidjt als ob ber Sdjwung ber bcutfd;en Bewegung aud; ihn ergriffen f>ättc. 
Seiner politifd;en llcberjeugung nad; hielt er feft an bem Bünbnis mit Xufjlanb, unb nur 
in ©emcinfdjaft mit Ulejranber hätte er ftd; auf bas IPagnis eines Kriegsbunbes mit 
©efterreid) eingelaffen. Da hieran nicht ju benfen war, h°ffte er ftd; jwifdjett ben fämpfenben 

3(0 




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IDcltmadtlon hinburchminben }u fönnen, — „biaiser", roie fein Cicblingsmort lautete, — 
um menigftens bie ftaatlidje (Epftenj Preußens su retten. Denn er glaubte burdjaus nicht 
an einen (Erfolg ©efterreidjs gegen Hapoleon, falj piclmefjr immer „fcfimarj", mie feine 
Umgebung (lagt, unb mehrte bereit Begeiferung mit ben IDortcn ab: fie merbett bodi 
gefchlagen merben. ITTit tiefftem ZUiftrauen unb mit größter llnjufriebenheit bliefte er auf 
bie nationale Bemegung in feinem eigenen Volfe. 3 m Vollgefühl feiner guten Ubftcfjten 
»erlangte er, mie mir miffen, rücfhaltlofes Vertrauen, uubebingte ^olgfamfeit; bie felb* 
ftänbigen Hegungen ber öffentlichen Uleinung, bie ihnt Ratgeber, Vermaltungsniaffregeln, 
politifdie Richtungen aufbrängen mollte, mären ihm mibermärtig unb eigentlich unperftänblicfj. 
fjinter bem fogenannten Patriotismus argmöhntc er nur (Egoismus. IDas ihn pollenbs in 
biefem Rugeublicf »erbitterte, mären «Serücfjtc »on angeblichen Verfchmörungen, bie ihn 
pom !Th ronc flofen unb ben pri^en U>ilhelnt an feine Stelle fe$en mollten. Rn bemfelben 
(Tage — [ 2 . Rpril — , mo Königin Cuife in bem Schreiben an Kaiferin (Elifabeth über 
eine (Throncntfagung fpricfjt, erörtert auch ^riebrich IDilhelm in einem fchriftlichen Selbft« 
befenntnis biefc UTöglichfeit. Sie hotte für ihn burchaus feine Streifen: ein unabhängiges 
unb ruhiges €eben als pripatmann „in feinem geliebten Vaterlanb", im Kreife feiner „ihn 
liebeitbcn Jamilie", hätte er bem „^Iitterglanj" einer Krone an ftch porgejogen. Rnberfcits 
befeelten ihn hoch mieber ein aus religiöfer IDurjel ftamntenbes Pflichtgefühl unb ein gemiffet 
©laube an feine fönigliche ZUiffton, fo baj er entfdjloffen blieb, „mit unerfdjrocfencm Utut 
unb feftem Vertrauen auf <ßott" feinen eigenen U)eg unbeirrt meiter ju manbeln. 

Die IVucht ber (Ereigniffe mar hoch ftarf genug, ihn »on ber bisher innegehaltenen 
politif abjubrängen — menigftens jeitmeife. 

^unächft »erfchlechterten ftch bie Bejahungen ju ^ranfreich. Die auch »on bem König 
für nötig gehaltenen militärifchen Rüftungen »erfchlangen alle »erfügbaren Cßelbmittel, 
moburcf) pünftliche (Tilgung ber Kontribution unmöglich mürbe: am 8. UTai blieb preufen 
5 um erften IHale bie fällige (Teiljahlung fchulbig. Von franjöftfchcr Seite famen bagegen 
gereijte unb brohenbe Befchroerben über bie preugifchen Cruppenbemegungen, über bie 
Unruhen an ber preufjifch-mcflfälifchen ®renje, bas Unternehmen Schills, bie perjögerte 
Ruslieferung ber Domänenpfanbbriefe. 

Rnberfcits gingen bie IVogen ber nationalen (Erregung immer höher, fo bag bie fremben 
©efanbten in Berlin ben Rusbrucf) einer Reoolution unter ber Bepölferung, felbft unter 
ben (Truppen, jeben Hugenblicf ermarteten. Ruch äie erften Hieberlagen ber ©efterreicher 
bei Regensburg bämpften bie erbitten Stimmungen feinesmegs, obfehon fte, mie ber meft- 
fälifche ©efanbte fcfjreibt, in Berlin aufgenommen mürben, „als fei bie Schlacht »on 3ena 



SU 






jum jrocitcn Nlale perloren." Von allen Seiten beftürmte man Öen König, um itjn $um 
Unfchluf an ©efterreich fortsureifen. ZTtan fdjrecfte itjn mit Öen folgen öer Ucberwältigung 
©cfterreichs, mit öer Sache Napoleons, Me nach allem was porgegangen unausbleiblich 
fei, mit neuen uni> ftärferen Susbrüchcn öer nationalen Ceiöenfdjaft. „Der jetzige Krieg", 
berichteten ©eneralc unö ZUiniftcr gemcinfam öent König dus Berlin, „wirb pon allen Unter* 
tanen als eine öie <£Ijre unö Jreiljeit öer gefamten öcutfchen Nation intereffierenöe grofe 
Nationalangelcgentjcit angefeben" (f. 2TTai), unö öer polijeipräfibent ©runer: „es gilt öie 
Hube öes Canöes, Öen (Thron öes ZTTonarchen — — öie Knnee roanft." (3. Nlai.) Sud; 
öer fonft fo fühle ITtinifter öes 2luswärtigen, ©raf ©olts, öer feit <£nöe ZTTärj in Berlin 
mit öem öfterreichifchen ©efanbten t frci Herrn pon U>effenberg pcrhanöelte, örängte unermüölich 
Öen König ju einem fraftpollen ©ntfchluf , 5 ur Ueberfteölung nach Berlin, 5 um Bünönis 
mit ©efterrcich. „Der Krieg wirb unfehlbar €w. 2Tlajeftät fuchen, wenn Sie ihn nicht 
fuchen," fcfirieb er, unö nach & crn Kusmarfch Schills: „ 3<h befchwöre Sic, fiefj fortan als 
im Kricgsjuftanö mit Jranfrcich ju betrachten." Unö als öie erfehnten Untn>orten aus 
Königsberg ausblieben, perfuchte er, was in ähnlichen fritifchcn tagen anöere por ihm 
getan hatten : er tpanöte ftcfj am 3. ZTtai unmittelbar an Königin Cuife mit öer Bitte, 
geeignete Schritte bei öem Könige }u tun, nachöem feine eigenen Porftellungen pergeblich 
geblieben feien. „(Es bcftcljt öie größte ©efaljr für öie öffentliche Kuhc," fchricb er ihr, „fein 
Kugenblicf ift mehr ju pcrliercn. Die gehäffigen unö fühnen Umtriebe öes pormaligen 
ITlinifters Baron pon Stein, öer immer mit allen möglichen teufen in Pcrbinbung blieb, 
haben pon langer bjanö her eine Kepolution porbereitet, öie unfehlbar fofort ausbrechen trirö, 
trenn öer König noch fdjwanft, im Sinne öer für ben Krieg mit ^ranfrcich entflammten 

öffentlichen ZTlcinung einen ©ntfchluf ju faffen 21 lies ift rerloren, wenn öer König 

ftch nicht entfcfjlieft, fofort nach Berlin jurüefjufehren." Per König jögerte noch immer, 
obgleich auch f°' nc Brüöer, wie alle Niinifter unö ©eneralc, öeren Sat er einholte, mehr 
ober minöer entfehieben ftcfj für Öen 2lnfchluf an ©efterreich ausfprachcn. Pie Bewegungen 
in Berlin, öer 2lusmarfch Schills, erfchütterten unö entrüfteten ihn; „faft nie habe ich", 
fcfjreibt Delbrücf, „auf öem ©cfuht öes Königs einen folchen 2lusörucf öes Schmerjes 
gefehett" (6. 2Uai). 3 n fcfjarfcit IPortcn taöclte er öas fchwächlichc Perhallen öer Berliner 
Behöröen gegenüber öem „©eift öer frcpelhaften Unruhe“; aber allmählich lief boef) auch 
er (ich pou öer allgemeinen Strömung weitertreiben, als er urfprünglicf) gewollt h a he. 
©üblich, am 9- Utai, rolljieht er eine cntfchiebcne UDenöung $u ©efterrcich hi”- Bie 
NTitteilungen unö Porftellungen öes prinjen ron ©ranien, öer pon JPien aus über Berlin 
an öem genannten (Tage in Königsberg eintraf, mögen jur ©ntfchlicfung öes Königs 

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beigetragen, pcrtraulidjc nadjriefjtcn aus Petersburg, baß Kleranber nur einen Sdjeinfrieg 
gegen ©efterreid) führen »erbe, itjn barin beflärft t)aben. 

£o faßt benn König ^ricbrid) IPilbeim bcn Entfdjluß , an ©cfterreicbs Seite in ben Krieg 
gegen ^ranfreicb einjutrcten, aUerbitigs noch unter gewißcn Borausfefcungcn unb erft nach 
Kblauf einer jur Bollenbung ber preußifdjou Stiftungen erforberlicben r frift, — immerhin 
aber mit einer gewiffen Beftimmtfjeit. Km 12. ITTai bereitet er ben rufftfdjen Kaifer barauf 
ror, baß er genötigt fein fönne, fich pon bem rufftfdjen Syftcm, an bem er mehr nod) 
mit bem fjcrjen als aus Politif gegangen habe, auf furjc ,3 eit 5 U entfernen, unb hefdjwört 
Kleranber, aud) bann ifjm feine jjreunbfdiaft ju erhalten unb niemals Preußens ^einb ju 
werben. Unter bem (4. ZTTai, in einem wortreichen Erlaße, ben ber prinj pon ©ranicn 
nach Berlin mitnaljm, roirb (Sraf (Solß ermächtigt, mit IPeffcnberg bic Bebingungen 
für einen Knfdjluß Preußens an ©efterreidj 5 U pcrljanbeln. Kn ben Crjherjog ^orbinanb, 
ber wtcbcrholt an ben König unb bic Königin gefdjriebcn unb jur Befißergrcifuug IDarfdjaus 
aufgcforbert Ijattc, tpirb ein l^öljerer ©ffijicr mit ber Erflärung abgefanbt, baß ber König 
an bem Kriege ©efterreichs teilnefjmen werbe, „fobalb er feine Borbereitungen bcenbet unb 
feine Krmee imftanbe fein »erbe $u agieren." §ur Bcrtjanblung mit Englanb, pon bem 
man <5elb, IDaffen unb BTunition erwartete, wirb 3acobi Klöft nach Königsberg befdiieben; 
pon Petersburg aus HTajor Sdjölcr Ijerbeigerufen, ber als Bertrauter Kaifer Kleyanbers unb 
als befter Kenner feiner Politif galt. Eine Kommifßon für bic Stiftungen wirb eingefeßt, 
$u ber auch ©tteifenau unb Knefebecf Ijerangejogcn werben. 

tjat Königin Cuifc einen beftintmenben Knteil an biefem Umfdjwung gehabt? fjat 
iljr bas oben erwähnte Schreiben pon (Rolf; 5 U einer cntfcbeibcnbcn Einwirfung auf ben 
König Kniaß gegeben? IDas wir pon Königin Cuifens Berßalten in biefen beißen IDodjen 
juperläfßg wiffen, fpridjt nidjt bafür. Sie batte bisher ftrenge ^urücfljaltung beobachtet, 
jebe laute Parteinahme permieben. IDic ibf ©cmahl, pcrmodjte ße nidjt redjt an einen 
glücflidjeit Kusgang bes öftcrrcidjifdjcH Krieges 5 U glauben, unb fic fürchtete, für bie 
rerbcrblidjen folgen einer Beteiligung Preußens mitpcrantwortlicb gemacht ju werben. 
Die (Erinnerung an 1806 unb an bie Schmähungen, beren ©pfer fic gewefen, fdjrecfte ße. 
,, 3d? weiß, was ich will, befannte fic fdjon am f. Kpril ihrem Bruber ©eorg, hoch es 
fommt nichts mehr über meine Cippen, ba mein Sat foldje fürchterliche folgen geljabt. 
3<h weiß jwar wohl, baß ich nidjt ber Sache beit Kusfdjlag gab, allein es wirb mir bodj 
porgefagt, ab wäre es fo." Bas fcfjlojß nidjt aus, baß Königin Cuifc in tiefer (Erregung bem 
©angc ber Ercigniffc folgte, unb baß alle ihre Sympathien ©efterreid) gehörten, beffen Sadje 
ihr auch bie Sache Preußens fdjien. Sie las mit eifriger (Teilnahme bic öfterreidjifdjen Kufrufe 

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tmi> mit bitterem Schmerje bann bie Hadjridjtfn über Me Hieberlagen (Erjberjog Karls; 
mären ifjre Hoffnungen biesmal audj nicht feljr poch geflogen, fo füllte fie p<h boefj fd?n>er 
erfcf)üttcrt: „(Roti, <Rott, foll benn alles was ebel ift untergeben", fdjricb fie ihrem älteften 
Sohne. Hie Hnnähcrung bes Königs an ©efterrei* gab ihrem ftünuifd) erregten 3nnerrt eine 
gereifte Kühe; pe begrüßte Mefe IDenbung mit (Renugtuung, reetm pe pch auch fein rechtes f}er$ 
ba 3 u faffen fonnte. Sie mugte, bag bas Schicffal preugerts, bas Scfjicffal ihres tjaufes nun 
auf bem Spiele ftebe, unb fte blieb auf alles llnglücf gefagt. Her Bcrfucftung, wie fonft 
reopt in tEagen ber Uugft unb Hot, an Uleranber 5 U fchreiben, miberftanb pe; aber bie 
beiben Kaifcrinnen IHaria unb (Elifabetp bat pe in rüprenben IHorten um ihre Bcrreenimng. 
IBir bemerfen pier wieber bie innige (Rcrneinfcbaft, bie pch swifthen ^riebrich IDilpelm unb 
Cuife auch in politifcben fragen perausgebilbet hatte. ITtit bcnfelben IHorten reie ber König 
an ben Kaifer, fehreibt bie Königin an beffen HTutter: „Her König roirb vielleicht burefj 
bie Umftänbe genötigt werben, bas politifcfjc Svftcm bes Kaifers, 3h rcs Sohnes, für einige 
5eit ju perlaffen, ein Sypem, an bem er noch mehr mit bem H cr 3 e n hing, bas feinem 
erlauchten Jreunb fo aufrichtig ergeben ift. Hie (Reifter pnb fo erbifet unb bie Kufregung 
unb bie (Rärung pnb fo grog, bag ber König alles aufs Spiel fegt, trenn er nicht bie 
Partei ergreift, an ber bie Hation mit Porliebe unb fap mit IDahnpnn bängt. 3 n einem 
foldjcn ,falle wagt ber König unb trage auch '<h pon ^cr mapren ^reunbfehaft bes Kaifers 
ju erwarten, bag er nichts gegen uns unternehmen wirb, ba wir ohnehin fchon unglücflich 
genug pnb." Unb an Kaiferin (Elifabetl): „Henfen Sie an mich, liebe Coupne! 21 ch, Sie benfen 
an bas unglücflichfte aller IDefen. lleberall felje ich nur llnglücf, Ubgrünbe, Serpörung .... 
Her König ift verloren burep bie Unruhen in IHeftfalcn unb ben Kusmarfch Schills. IHic 
foll Hapoleon an feine Unfchulb glauben .... Hielleicht ntug pch ber König von ber politif 
bes Kaifers trennen. (Es wäre Hapoleons grögter, aber auch graufamger Triumph, wenn 
er biefc ^reunbfehaft jerftören fönntc, bie für bie (Emigfcit gemacht mar, benn ihre (Rrunb* 
läge war bie Tugenb unb aUes, was es im HTcnfchcitherjcn (Erhabenes gibt." . . . 

Hie innerpe Stimmung ber Königin in biefer fcpicffalsfchmeren ^eit pnben wir, wie 
immer, in ihrem Briefroechfel mit ber ,frau von Berg. 2lm 15. 2lTai fchrieb pe ber 
reunbin : „ 3 ch beeile mich, 3 h n en beute 3 U fchreiben, um 3 h'>eu ju fagen, bag ich ruhiger 
bin, als ich w f**l minbeftens brei Hlonaten war. ©lauben Sie nicht, liebe Berg, bag ich 
infolge biefer Kühe mich > n irgcnbweldien ^ufunftspoffnungen wiege, ober bag bie Hoffnung 
burch ihren < 5 auber mir Kuh« gibt, nein, ich hoffe nichts mehr. Hies fcfjwörc ich 3hnen! 
Uber ich bin pcher, bag ber König nach feinen jetzigen (Entfchlüffen immer grog, ebel unb 
achtungsmürbig bei allen IHoplgepnnten erfdjeinen wirb. Unb ba bleibt mir nichts 5 U 

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IPäbrcnb öes öftmeidpfd?en Krieges 



tpünfdjeti übrig. Hie fann bot IHcnftf) für ben Jlusgang feiner Unternehmungen ftefjen, 
heute weniger als je. IDenn nur immer bic (Ehre gerettet wirb, wenn nur bie ©ntfchlicßungen, 
bie man faßt, einen guten gwecf haben, fo muß man im übrigen fagen: Vogue la galcrel 
£eibet man Scfjiffbrucfj, fo wirb man immer HTcnfchen unb Hationen finben, bie bie Unglücf« 
liehen aufnehmen, bie erhobenen fjauptes auf bic allgemeine Kdjtung unb auf eine groß« 
hefige ©aftfreuubfehaft Knfpru cb machen fönnen". . . 3 ” bentfelben Sinne unb an bentfelben 
(Tage beantwortete bie Königin jefet ben Brief bes ©rafen ©o!ß; fie febrieb ihm: „Das 
Unglücf, bas auf ber ganjen IDelt laftet, fann uns fcbließlicb uöllig erbrüefen. Uber wenigftens 
werben wir ben (Troff haben, unfere Caufbaßn mit (Ehren 511 enben. Unb was fann man 
in <5°’t cn ®ie bie unfrigen mehr uerlangcn?" 

Ber Königin hatte bic Knnäherung an ©efferreieb ihre Kühe wiebergegeben; für ben 
König famen mit ben ©ntfchlüffen, bie nicht aus feiner eigenften Uebetjeugurtg Ijeroor* 
gegangen waren, nun erft recht (Tage ber Scbwanfungen unb ber Beunruhigung. Schon 
am 20. HTai flagte Hagler „einigermaßen Derjweifelt 1 ' ber ©räfin Boß wieber über „bie ewige 
Unentfchloffcnheit" feines fjerrti. Klcjanbcr beantwortete bic UTitteilung über bcn bepor* 
ftehenben Syftemwecbfel mit einem bebcutfamen Schreiben, in welchem er in JDortcn uoll 
tiefen politifcfjen <£mftes unb boeij mit h«rjli<her perfönlicher (Teilnahme ben Knfdiluß an 
©efterreich wiberriet. ^iiglcicfj mit biefer rufftfehen IDamung fam bie Hacbricht pon ber 
unmittelbar bcporftehcnben Bcfcßung IDiens burch bic ^ranjofen. Der König hätte pieUcicfjt 
bie ißm abgebrungenen friegerifchcn IDeifungcn nicht ungern jurüefgenommen. Dem ©rafen 
©olß wenigftens fdjärfte er cigenhänbig jeßt „bei ber tage ber Dinge in ©efterrcid) ein 
fluges unb oorficbtiges Benehmen" ein. Kuch ber Sieg (£rjh«3og Karls bei Kfpern, ben 
man am fjofe mit jubelnber Jreube begrüßte, hob bas Königspaar nicht aus feiner hoffnungs* 
lofen Stimmung. Die Königin, auf bie bet pefffmismus iljres ©emabls nicht ohne (Einfluß 
blieb, meinte, Hapoleons ©enie werbe ben ITtißcrfolg febon wieber gut ju machen wißen; 
„Sic werben es fehen," feffrieb fie ber Kaiferin ©lifabeth, „wir werben feine Sfiapcn fein. 
IDie pon meiner (Efiftcnj bin ich bapon überjeugt, baß, wenn ©efterreieb unterliegt, wir 
morgen entthront unb hinweg befretiert werben." Der König würbe bureb bcn unfruchtbaren 
Sieg ber ©efterreichet nur in feiner Ueberjeugung pon ber ungeheuren pcrfönlicbcn lieber» 
legenljcit Hapoleons beftärft. IDie gewöhnlich in folcbcn Krifen, wo bas ©efühl ber 
Bcrantwortlichfeit mit erbrüefenber XDucbt auf ihm laftcte, jeigte er fich in büftcrer Stimmung, 
in übelfter Caune. „Du weißt ja," feffrieb Jrau pon Berg an ihre (Tochter, „baß bie üble 
Caune immer eine Jolge ber Unentfchloffcnheit ift . . . . 3 <h begreife pollftünbig, baß bie 
Königin unb ber prin$ pon ©ranien roll fjoffnung waren, beim ber König hat bas (Talent, 

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alle IDelt unb ricllcicbt ftdj fclbft übet feine Empfinbungen irre ju führen. Allein mertn 
6 er 21 ugcnblicf sunt fjanbeln fommt, offenbart ftcfj bann alles." 

Die 2nißftimmung bes 'Königs trat befonbers heroor gegenüber einem öfterrcidiifchen 
21bgcfanbten, bem ©berften pon Stcigentefcfj, ber 2TTitte 3 u »i in Königsberg erfdjien, um 
über bie 21 rt ber 2TTitmirfung Preußens gegen ^ranfreich 5 U perljanbeln. Die 2?litmirfung 
felbft nahm man nach ben Berichten bes prinjen pon ©ranien als gefiebert an. Der König, 
bem er am 17. 3 un > ben ^meef feiner Senbung erläutern rooüte, unterbrach ihn unmülig: 
„idj meiß cs fdjon, es foll permutlid; fein, bamit ich bie EIjre habe, jugleidi mit ©efterreiefj 
Sugrunbe ju geljen." (Einige Tage fpälcr, in ber 21bfdjiebsaubienj, fpradj er jrnar feine 
Hoffnung aus, „ber guten Sache beiftefjen 5 U fönnen" unb piellcidjt nicht allein, aber er 
micbcrljoltc: „losbredjen" fönne er erft nad) einem öfterrcidjifdjen Siege unb nadj Pollenbung 
feiner Küftungen. 

21m 17. 3uni mürbe Sleigentefd) ber Königin porgeftellt, bie er „im Hamen ber 
guten Sache" bat, „ihren allpermögenbcn (Einflug" geltenb 5 U machen. 21ber auch bie 
Königin betonte ganj im Sinne ihres (Bemafjls bie Hotmenbigfeit, bei einem foldjen 
Kampfe auf lieben unb Tob erft „bie 2T!ittel forgfältig 5 U prüfen"; fdjließlich bradj bodj 
iljre manne Teilnahme burdj: „Pertrauen Sie mir, roenn Sie aud; fonft fein großes 
Bcrtrauen in unferen feften unb fchnellen Entfdjlüffen haben folltcn, beim es ift ja unfer 
aller Sadie, unb bebenfen Sie, baß id; 2Hutter pon Kinbern bin, benen ber König fudjen 
muß, ihr (Eigentum unb bas (Erbe ihrer Bäter ju erhalten." Die Königin fonnte ihre 
Bütjrung nicht länger beherrfchen, Tränen füllten ihre 21ugen unb fte entließ ben ©berften 
rafch burdj eine Perbeugung. Steigentefdj fügt ju biefer Trjählung bie Bcmerfung Ijinju: 
„21udj folche 2lugcnblicfe, bie ber König, wie man fagt, oft erlebt, fdjeinen auf ihn, obn>ofjl 
er mehr fjauspater als König ift, nidjt mehr 511 mirfen, ba fein befferes (Befühl bem 
Drücfenbcn ber 21engftlidjfeit untergeorbnet ift." 21m nädjften Tage hatte ber ©berft feine 
21 bfdjiebsaubien 3 bei ber Königin, bie ihn mit ben IPortcn entließ; „Hur ein Sieg pon 
3hter Seite, unb alle Ijinberniffe ftnb aud; in Königsberg befiegt." 

Unter fnappen Tagebudjbemerfungen aus bem Sommer 180<j h al Königin Cuife neben 
ber Hadjridjt pon ber Schlacht bei 2lfpcm notiert: „Ix 17 je fis la connaissance du colonel 
Steigentesch.“ <£s mar ber einjige 21nlaß, bei bem fie politifdj h m ’ or trat ; an ben 
Sdjmanfungen ber preußifchen politif hatte fie, treu ihrem pon 2lnfang an gefaßten Borfaß, 
fonft feinen 2fnteil. (Ein (Ereignis in ihrem Eigenleben nahm fie beflo ftärfer in 21nfprudj. 

fängft hatte fuife fidj nach Bruber (Beorg gefchnt, ben fte feit September 1806 nidjt 
mehr gcfeljcn unb ber pon ben (Bcfdjmiflcrn ihrem fterjen bodj am nädjflen ftanb. 21nt 

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IT jbrnib brc öftrrrcttiufd’en Krieges 



6. 3uni fam fter Stuftet enftlid) an, unft mit il)m fam fter ^uuber jener innigen ©efd)mifter 
liebe unft jener tjoiftcii Schmärmcrci, ftcr Cuifens Ceben folange perHärt fyatic. Dergeffen 
mir mit ften glücklichen ©efdjmiftern, ftajj in eben ftiefer ^eit an fter Donau un> Deutfdjlanfts 
Sdjicffal gefämpft mirft, unft Ijären mir aus ©eorgs ZlZunfte ftie Erjählung ftes IDicfter= 
ftbens pon Srufter unft Schmefter — ein ©efüfjlsiftyll in maffenflirrenften tagen. 

©eorg fdjrtcb am 20. 3unt an Sijmefter Charlotte nad; fjilftburgljaufcn: „3<h gehe 
gleidj ju ftem über, mopon ju Ijötcn Dein fjcrj gemijj fd)on lange mit llngeftulft fdjlug, 
feit Du ftiefes Slalt in Ränften Ijälift — ju unferem (Engel, ju ftiefem Engel, fter es mehr 
ift, als je! Kd), Ijätteft Du ftiefes ZDiefterfehen feljcn fönnen! Sie mußte tag unft geit 
meiner Knfunft unft mar mir ftafjer mit ftem guten Könige unft fter trudjfeß bis ju einem 
©arten entgegengefahren, fter l;art an fter Cauftftrafje liegt. 3* tuufjte ftaron nidjts, ftenfe 
Dir alfo ften Einftrucf, als idj Cuifens ©eftalt pon ferne erblicfteü! ZDir maren nod) fo 
meit, ftajj id) es mir nicht einjugefteben magte, fie fei es mirf lieft, meines noch ftafturch 
permeljrt marft, ftajj jte, gleichfalls mäftnenft, id; fönnc fie nod) nidjt feljcu, aud) nicht 
minfte. Jlber mein fjerj — o mein afynenftes fjer$ fagte cs mir, ftenn es molite fpringen. 
Die .folge ftiefes namcnlofen Dranges fter ©efüfjle, mo immer Ijödjfte teufte mit Ijödjfter 
^urdjt ihrer Dereitelung abmcdjfcltc, fannft Du Dir ftenfen. 3^ f<*j? ftarrenft unft 
fprachlos, ftie beiften fjänfte auf ftie portiere geflemmt, in ften Kugen allein meine gatije 
Seele. Enftlid) (o nie merfte id) ften HZoment pergeffen) fprang ein Seftienter !)erpor, ftem 
poftillon ju minien .... Die befannte €iprce, ftas IDinfen, ein Schrei unft sum ZDagen 
heraus, unft ©ott, ©ott, fo bin id) nod) nie geflogen. Der gute König erreichte mid) juerft, 
unft nun, nun lag id) miefter an ftem Engclsherjen, um fteffen Seiften id) beinahe felbft 
hinübergegangen märe, fühlte mirflid; miefter fteffen Sd)lagen an ftem meinen nad) beinahe 
ftreijähriger trennung. © Cotte, Sötte, meldje Engelsjungen fönnten ftiefen Klommt 
fd)ilftern? unft ftod), roo ift ftas IDefen, ftas ihm beffer ganj nad)cmpfänfte als Du? IDorte 
hatten mir nid)t, aber tränen, ©ottlob, id) fage nochmal ©ottlob, ftenn mas märe aus 
mir gemorften, wenn ftie moljltätigc Zlatur nicht aud) mich ftiefes im h&hftcn Seifte mie in 
höchfter ,f teufte gleich unfehäßbaren ©efchenfs hätte teilhaftig metften laffen? Sei ftem 
Engel maren es inftes nur milfte tautropfen, recht einer Pertlärten ähnlid); ftenn roahrlid), 
menn Du mich fragft: „IDie ift unfere Suife?" fo fann id) nur fagen; „Eine Derflärte, 
unft nad) foldjen Seiften, bei foldjem Semujjtfein unft bei ftiefer fo ganj einfachen, reinen, 
hohen Satur fonnte cs aud) nid)t anfters fommen. © fönnteft Du fie fei)en, fd)öner mie 
je, unft ihr Kusftrucf fter pollc Kbglanj ihrer Seele. 3 l "h habe nie nidjts Kührenfteres, unft 
id) fann mol)l fagen, nichts tjerrlicftores gefehen*. . . . Die Königin in il)rem frommen 

Mt 



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Sinne crblicftc in bem IDieberfehen mit bent geliebten Bruber eine ©nabe bes Himmels, 
„ein fid)tbares 3«' c *! cn < bag ©ott fie liebe unb befdjüge." 

prinj ©eorg bejog eine IDobnung auf ben „fjuben", wohin bas Königspaar furj 
vor feiner Unfunft übergeficbelt war. Der Ubjutanl bes prüfen, Sdjmalenfee, fanb bas 
föniglidjc £anbf)äusd)en „fo beengt, bag es faum einem genügfamen Privatmann tjinreidjen 
bürfte." Uber bie ©efdjmifter, in täglichem traulichem Umgang miteinanber, lebten bort 
glücflidje (Tage, bie ©egen wart ferntjaltenb, in bie Pergangenljcit flüdjtenb, in ©rinnerungen, 
wie Cuife bem Pater fdjrieb, „an ifjre glücflidje Kinbheit unb 3“Senb." Zuweilen fuhren 
fie nad) Königsberg ins Idealer, n>o bie Berliner ©ragöbin Betfjmann als ©müia ©alotti 
groge ©rfolge hatte. ©inmal befugten fie ben Dom unb befidjtigten bie ©ruft ber fjodj* 
meiftcr unb ber preugifdjen fjersöge; Königin Cuife fügte babei ein befonberes 3”lereffe für 
ben erften fjcrjog, ben t^ofyenjoUer UIbred)t, wie fte aud) ben alten iDaljlfprudj ber ©rbens» 
ritter „Hedjt, ©laube, Ciebe" (ich auf ein petfdwft ftedien lieg. Uuf ben hüben mar auger 
prinjeffin ZTiariannc unb prinjefftn Cuife Uabjiwill namentlich £}ufelanb ein läufiger unb 
willfonimener ©aft, nur ber ©räfin Pog unbequem, ba bei feinet Unrocfenf)ctt bie Unter» 
Ijaltung fidj ben Ijödiften fragen bes ntenfd)lid)en Dafeins jujuwenben pflegte. 

3wei U)od;en etwa genoffen bie ©efdjroifter bas langentbcfjrte ©lücf innigen ^ufammen» 
lebens. Dann, gleid) nad) ber Ubfchicbsaubien 5 von Stcigentefdj, erfranfte bie Königin an 
einem Riebet, bas fie mit furjen Unterbrechungen bis ©nbe 3 u b an bas Kranfenbett fcffelte. 
3 >i 5 wifd)en glitten bie IDeltereigniffe an itjr vorüber, oljne bag fte tiefer bavon berührt 
würbe. Die preugifet)en Küftungcn gingen bei bem grogen Ulangel an Hilfsquellen laitgfam 
vorwärts, bie Perfjanblungen mit ©efterrcicf) fainen nidjt jum Ubfdflug; ber König blieb 
babei, erft einen Sieg über Hapoleon abwarten 511 wollen. Uber am 5. unb 6.3*di würbe 
©rjberjog Karl bei Ulagram gefchlagen, unb mugte eine Waffenruhe erbitten, ber fein 
Xücftritt halb folgte. ^riebensDerbanblungert würben eingeleitet. 3 n Königsberg — ber 
Königin würbe ber UlaffenftiUftanb anfangs vert)eimlid)t — geriet man in groge Uufregung. 
Der König jwar triumphierte; alle feine ungünftigen Porljerfagungen fdiietten ftdj ju erfüllen. 
UUein er fonnte ftd) ber ©efaljr ber Cagc für preugen bod) nidjt verfdiliegen. ©in plöglicher 
^rieben jwifdjen ©efterreid; unb Jranfreidi fchien bebenflicher nod) ab bie ,fo rt feh u,u J bes 
Krieges. U>ol)l jeigte Uapoleon, ber es nad) ben Ulorten feines UTinifters für unnötig hielt, 
„ftd; in preugen einen Jcinb mehr $u fdjaffen", überrafd)enbc Hadjftdit, felbft gegenüber 
ber ©inftellung ber Kontributionsjahlung. Um fo ftärfer aber fürchtete man feine Hache 
nad) bent ^riebensfd)lug. Dasu fatnen Had)rid)ten über Umtriebe ber polen jur IPicbcr* 
herftellung ihres ehemaligen Keidjcs bb an bie ©ftfec unter Davout ab König, Beforgniffe 

3(8 



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lUäfjrcnb bes Öftmctdjifdjcti Krieges 



cor Kbfiditcn Sa d)fcns auf Scfjleften, 3 cromes auf Berlin uti6 bie ©berlinie. Knberfeits 
fehlte es aud) nid)t an UTelbungen, welche bie Sebcutung bes napoleonifcbcH Sieges in 
Zweifel jogen unb Me ungebrochene IDiberftanbsfraft ©cfterreichs rühmten. Unter biefen 
©inbrüefen lief fictj ber König wiberftrebenb baju beftimmen, ben ©berftleutnant 
con Knefebed in bas öfterreiefjifche Hauptquartier ju fenben, hauptfäd)üd) um ben Stanb 
ber Derhanblungen jicifchen ©cftcrrcid) unb ^ranfrcidi ju erforfdjeu , aber aud) mit ber 
©rmäcbtigung, bei etwaiger ^ortfefung bes Krieges „bie coUe Kooperation preujjens" 
com (. September ab pertragsmäfig ju perfpredjen (2$. 3uli). Kn bemfelben Cage würbe 
aud) Sdjfiler nad) Petersburg mit einem Schreiben an Kleranber {uriiefgefanbt, in welchem 
ber Kaifer nod) einmal {um Knfchluf an ©efterreid; bringenb aufgeforbert würbe. 

KUen biefen Begebenheiten blieb Me Königin fern; nur ein einziges politifdjes Cebcns» 
jeicheu ift aus biefer ^eit Don ihr erhalten. 

Kur{ cor feiner Kbreife con Königsberg hatte Sdiölcr einen Brief an Hagler gerichtet, 
in bem er ftd) übet bie ©haraftere Kaifer Klefanbers unb ^riebrid) U>ilh«lms äußerte. 
€r fanb bei beiben HTonard)en einen ZTCangel an föniglichem <£hrgei{, „an bem innigen, 
im perfönlichen ©efüM begrünbeten 3 n * crc ff e " an bem ijcrrfcherberufc, ja, wie er aus ihrem 
eigenen ZTtunbc gehört haben wollte, „eine roirflidje Kbneigung" gegen biefen Beruf. Der 
König habe ihm „mit bürren IBorten" gefagt, „bajj er es nod; für beffer halte, über ben 
fleinften Keft feiner Staaten {u regieren als gan{ auf{uhören." Klejanber aber fenne biefe 
©efinnung bes Königs feljr genau unb beruhige fid) infolgebeffen babei, „preufen nur 
fortejifiieren ju fehen, anftatt bahin {u ftreben, es auf feine porige ©röjje, ober bodj ih c 
fo nahe als möglich ju h^’en." Unb als hätte Schölcr jene Kufjeidinung bes Königs com 
\ 2 . Kpril gclcfen, beren wir oben gebachten (S. 3U), fo perteibigt er jugleidi bas preufifdje 
Polf gegen „bie ungerechten Befd)werben" feines Königs; „bie Kation, " fdjreibt er, „liebt ben 
König, fte unb alle Staatsbiener würben ihre pflichten pollftänbig erfüllen, wenn fte gehörig 
angcleitct würben, unb baf bies gefdjehc, ift wieber eine Pflicht bes Kegenten." 

Königin Cuife hat bies Schriftftücf gelefen unb bie bcmcrfcnsmcrten IDortc barunter 
gefd)rieben: „©in f)öd)ft trauriger Brief, ber midi {um tiefften Hadjbenfen gebracht." 

3« biefen fdilimmen (Tagen , wo Cuifens {arter Körper unter bem Drucf innerer unb 
äußerer Ceiben faft fd;on erlag, hat fid) ihr ff tr 5 m ’t um fo tieferer 3nbrunft im frommen 
©tauben {u ©ott erhoben. IDic fte bemutspoll, in finblid)em Dertrauen, fid) in ©ottes 
Paterbanb hingab, erweefte immer wieber bie Bewunberung ihrer Umgebung. „Sic ift ein 
«Engel, Kcfignation unb Religion laffen fic alles ertragen", fd)reibt ©räfin Dofj am 2 \. 3“li- 
Die ©inbrüefe, bie Cuife {wei 3ahce früher im Umgang mit ber fd)wärmerifd) frommen 



st» 




3uliane pon Krüöcner erhalten, öer Perfebr mit Boromsfi uni anderen ©eiitlidxn Königs» 
bergs , 6 te ©efprüi»« mit ffufelanö, uni baju 6 er Slicf auf öie IPcltbegcbenbctlcn , öos 
ohnmächtige Hingen 6 er reifet gegen 6 en f inen , 6 ie „©ottesgeißcl", in 6 em fie boeh 
nicht umbin fonnte ein IDerfjeug 6 et Porfebung ju erHicfen, wirften 5 ufammcn $u 6 iefer 
Steigerung ihres religiöfen tmpnnöens. HHe 6 em frommen ©lauben 6 ie iröifcbe IDell nur 
als Porbereitung auf 6 os erfcbeint, fo fab €uife in ollen ihren £ei 6 en nur Prüfungen, 

un 6 ihre fchmcrjensrciche ©egenmart fehlen ihr immer nur Porbereitung für eine jufünftige 
hebere Bafeinsftufe. Cer Kaiferin Blaria Ich rieb fte furj t>or ihrer trfranfung tfranjöjifetf): 
„Sie münfchen, ich foU 3h n{n fagen, was in meinem 3 nnf m porgebt. Iti, liebe Schwefter, 
Sie wiffen nicht , was Sie rerlangen, o 6 er Sie bähen £uft, traurige un 6 fchwermutSPoUc 
Hugenblicfe ju erleben. . . . ITtr u>er 6 en jugrunöc geben, alles perliercn un 6 meine Kin 6 er 
feine ^uPunft haben! Cos ift cs, ums in meinem 3*mcm porgebt. Seligton un 6 ©ebet 
geben mir 6 ie 'Kraft, 6 en ©e 6 anfen att 6 iefe ^ufunft ju ertragen, un 6 ©ott anrö mich im 
entfiieibcnben Hugenblicf nicht perlaffen." llnö 6 ann öeutfd? fortfohrenö: „34 fteb< in 
feiner ßanö; es fällt fein f>oar pon meinem £)aupt, er weiß cs. £r trirö mich ftärfen, 
haß ich ohne dürren als fein Kin 6 , als eine mähre tbnftin mich ftnöe in feine Hatfchlüfie. 
So liegt mein fjerj offen por 3bnen une por ©ott, täglich bitte ich um 6 ic nötige Kraft, 
feine Satfäilüffe ju ertragen. 21 II cs mos er tut, tut er jum IDoble 6 er Pölfer, wie 6 er 
einzelnen, unö 6 arum fage ich: Kiäit wie ich will, fon 6 em wie 6 u tuillft Ces lierreu 
Harne fei gelobt auf ctpig. Knien." Un 6 ju ^rau pon Berg am <£nbe ihrer Kranfbeit: 
„llianchntabl 6 robt 6 er Perftanöt fülle 5 U flehen. Pod? einen iHoment lleberlegung, un 6 alles 
bat wieöer feinen angciriefenen plaß in 6 er IPclt, 6 ie ©ottes Porfebung lenft. Cos 21uge 
empor gehoben, 6 ie Seufjet jum fiitnmel gefhicft, ein ©ebet um neue Stärfe, fo gebet es 
gewiß, 6 enn ©ott perläßt nicht 6 ie, 6 ie ihn lieben unö pertrauen." 

21us Cuifens unerfchöpflich reichem unö in ollen Schicffolsftürmen unwanöelborcm 
Ifcrjcn quoll ihr finölich frommer ©laubc, quoll auch ihre mcufchcnfrcunölicbe ©üte, öie 
fich felbft in öiefeu leiöensfchweren tagen nicht perleugnete. 

Knfang 3 un * hatte fuife pon ihrer Schwefter tberefe einen 23 rief pon ^Jräulein 
pon ©elieu erhalten , öie öurd) unregelmäßige Zahlung ihrer penfton in Perlegcnbeit geraten 
mar. Hugcnblicflidj, noch am felbigen tage, lief 6 ic Königin öurch einen Jrartftürter 
Baufier öie nötigen ©elöer an weifen, unö am nächften tage bat fte in rübrenöen IDorteu 
ihre alle ©rjieberin um ©ntfchulöigung: wohl habe ihr 23anfier in Berlin ftrenge lüeifung 
ju regelmäßiger , 3 abl u,, 3 gehabt, aber fie hätte ftd) auch öarum flimmern fotien, ob man 
ihre Befehle ausführe. „IBelche HbfAeulichfeit, 3hncn öas Hotwenöige fehlen ju taffen, 

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•Tafel 23 




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Die Kdnigltefje t familie im parf i’on vEhitrlolteiti’uw um ( HO.") 
tfeßodpn rort ll>. Meyer nach Päljlttta 

Ton linfs ttad) rcdjts: Tom fitycnb Prittj IPilhelm und prittjrffin vlbarlotte, ba^iutcr ficbcnb Kronprinz *fricbriib JPilffelm, prittjeffirt Rleraiibriue, 
priit} Karl, .friebriib Wilhelm III., priiij llMbclm ö. Kr., Koiiujiu £«ife, priiij iiciiirid?, priiijcfftu Marianne 




3fyuen, bie Sie 3h re fdjänften 3ah cc ba$u perwatibt hoben, mein fjetj ju hüben, bainit 
mir nid)t im © lücf unb nicfjt im Unglücf bas foftbarfte ©ut fefjle, ein reines ©ewiffen 
unb bie Huije, bie baraus folgt .... 3<*? bitte Sie UMionen Ufal um Pergebung, icfj bin 
hoppelt traurig, benn id) ocrftcfjere Sie, teure .Jreunbin, es ift unmöglich, aufrichtiger alles 
anjuerfennen, was ich 3h nen fdbulbe, was Sie für micf; getan Ijaben, Sie mefjr ju lieben, 
mit mehr ^rtlidjfeit ju achten, als icf) es tue unb bis ju meiner lebten Stunbe tun werbe." 
©benfo fanbte bie Königin ©nbe 3“l* ber ^rau r>on Kleift 50 Dufaten für bie ©rjiehung 
ihres Sohnes Kbolf, bcs fpäteren ©bertribunalspräfibenten, unb fügte Ijirtju : „Don 3b rit 
Jreunbfdjaft erwarte icf), baß Sie mir fagen werben, ob Sie in einem Ijalben 3 J i? rc eben» 
fopiel brauchen, ober alle pier XtTonat. Diefe außergewöhnlichen feiten geben Hechte, welche 
in ruhigen tTagen nicht angebracht wären. Sie finb in einer bebrängten Cage, ber Sturm 
hat alle fd)önen Hoffnungen jerftört unb pon allen Häuptern ben Ueberfluß pertrieben. Hur 
bas ©ute bes Herjeus unb ber Seele ift uns geblieben, bas ©ute in uns. Pflicht aller 
Hed)tfd)affenen ift es, biefen Keim fopiel als möglich $u entwicfeln, ju pflegen, wo man ihn 
finbet. I>as ift mein höd)fter Beruf als UTutter unb als Königin bes taubes, bem ich f® 
ganj angefjöre. ©rbliefen Sie in biefem Knerbieten nur bas Bebürfnis meines Herjens, 
bie große Scbulb ju tilgen, bie ich Segen bie ganje XTlenfchheit h a be." 

(Erft Knfang Kuguft erholte ftd) bie Königin fo weit, um an bem teben ihrer 

Umgebung wieber teilnehmen ju fönnen. Sie jeigte ftch in froher Caune bei ber ©eburtstags» 

feicr ihres ©emahls (3. Kuguft) in UTebenau bei Königsberg, wo jie ftch > n anhaltenbem 
Hegen wettet eine ©rfältung jujog, bie ben König fchwer beunruhigte , fowie bei bem 
^efte, bas am 12. Kuguft jum ©eburtstag ihres Brubers ©eorg in bem Schlöffe ber 
Dönhoffs, in ^riebrichflein, gegeben würbe. Sie befugte bie Konjerte bes prinjen HabjiwiU, 
Himmels unb Reiters, bes befannten ©oethefreunbes unb profeffors an ber Berliner KunfU 
afabemie, ber bantals in Königsberg ftch aufhielt; fte fuhr mehrmals }u ben UXanöpern, 
welche bie in ^elblagem jufaminengejogenen Cruppen bei Königsberg ausführten. 3 nntr - 
lieh UW fte babei nach ®ie Dor an bem Untergang ihrer perfdjwiegenen XDünfdje unb 
Hoffnungen. „Das ift ein 3 a *? c » ein Sommer, eine 5«'*/" fctjreibt fte am 8. Kuguft ber 
frau pon Berg, „eine Sd)wangerfd)aft, bie werbe id) Seit nteines Cebetts nicht Pcrgcffen. 

Sehn Cage fal)’ ich ©eorge gefunb unb ad)t XDodjen bin ich nun franf! — Unb weldje 

Begebenheiten! — Unb welche bangen (Erwartungen ! ... ©eorge ift öfters mein Croß, 
bod) für alle IDunben gibt es feine Heilung, nur Raffung, Stärfe fönnen wir bem fürdjter» 
liehen Sdjicffal cntgcgenftcllen .... U)ir lachen nidft oft, ©(eorge) unb id), wir lefen auch 
nid;t." Sie fpridjt bann pon ber Kbftdjt, mit bem Bruber pillau }u befuchen, babei benft 






fte an Berlin unö an 6ie Hlarf, uni» öie Ciefe unö 3nnigfeit üjrcs £jcimatgefül)b äujjert fidj 
in 6en rüfjrcnö fcbnfüditigen iüorten : „(ging i<fj nur nadj Berlin, öatjin, öaljm mödjt ich 
jefci gleid) jictjen ; es ift mirflidj ein fjeimtpel;, was mief; öabin jiefjet. Unö mein Charlotten* 
bürg! Unö alles mein, fogar mein lieber tiefer Sanö öen lieb’ id;." 

Hadj öreimonatiidjem Hufenthalt, am 6. September, petliefj ©rbprinj ©eorg Königs* 
berg. Der Ubfdbieö pon öem Bruöer erregte bei öer faum genefenen Königin einen lieber» 
rücffali mit Bruftfrämpfen, fo öaf fie auf Bedangen I}ufelanös fdjleunigft pon öen tauben 
in öas Königsberger Sdtlojj gebracht weröen mufte. ©egen <£nöe September fam 5ur 
großen ^rcuöe Cuifens Sehroefter ^rieöerife ju Befudj. Das IDieöerfeljen mit öer Sdnpefter 
u?ar faum tpeniger gefüljlsben>cgt als porljer mit öem Bruöer. „Denfen Sie fuh", febreibt 
^rieöerife öem Pater, „mein ©lücf, meine Ueberrafcbung, ab idj öen ©ngel erblicfe, ja öen 
©ngel in jeöcni Betragt, foipoljl am ©cift ab am Körper." Sie fanö öie Königin „in 
jeöer tEugenö fefter unö erhöhter, ein maljres UTufter für alle Jrauempelt." 

IDenige tage nach Hnfunft öer Sdjtpefier, (Dftober, genas Cuife ihres jeljnten Kinöes, 
eines prinjen, öer in öer Caufe am 8. Hopember, in (Erinnerung an öen erften ßeqog 
preufjens, öen Hamen Hlbredjt erhielt. Die Königin mar febträdjer unö fränfelte länger 
ab nach ihren früljeren (Entbinöungen ; erft inj Caufe öes Hopember, unter öer ftrengen 
Uuffid)t fjufelanös unö öer liebepollen pflege Jrieöerifens, gefunöcte fte allmählich, rooju 
öie IDcnöung öer JPcltlage jum ^rieben unö öie Husficbt auf balöige Hücffeljr nach Berlin 
tpefentlid; beitrugen. 

Die Derfjanölungen Knefcbecfs mit öen ©efterrcichem , nur pon öem friegsluftigen 
preufifdjen Kbgefanöten eifrig geföröert, blieben ergebnislos, träbrenö öer ^rieöensfdjluf 
jtpifd?en ©efterreid; unö ^ranfreidt immer maljtfcbeinlidjer muröe. Über in ©irol erhob 
ftd), troij öes IDaffenftillftanöes unö trofe öes ilbjugs öer öfterreid;ifdien Cruppen, öas Polf 
5um öritten Hlale: am Hapoleonstagc, 15. Jluguft, 50g öer Sanömirt pon paffeyer, 
Hnöreas fjofer, nochmals ftegreieb in 3 nns brtK'f ein. Königin Cuife tpar begeiftert unö 
fjingcriffen. „Huf öen Bergen ift öie Freiheit", fdjricb fie ihrer Jreunöin, „flingt öiefe 
Stelle, öie idj je$t erft perflelje, nicht wie eine Prophezeiung, rnenn Sie auf öas fjoch* 
gebirge blidcn, öas fub auf öen Kuf feines fjofer erhoben fjat? IDelch ein ITIann, öiefer 
Hnöreas fjofer, ein Bauer tpirö ein ^clöberr, unö »as für einer! Seine IDaffe — ©cbet; 
fein Bunöesgenoffe — ©ott." Der König, öer längft bereute, im Hiai unö 3uli feinen 
Katgebem $u piel nadjgegeben 5U haben, mar l)<3d)ft peröriefi lidj über öen ©ang öer Dinge. 
<£r 3tt»eifeltc nicht an öer balöigen Pcrftänöigung strifeben ©efterreich unö ,franfreidj unö 
tpünfebte fchon Unfang September einen Hnnäherungspcrfuch an Hapoleon, cttPa öitrcb öie 




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Scnbung eines feiner Kbjutanten mit einem eigenfeänbigen Schreiben. Kber erft nacfebem 
btr Bliniftcr bes Kusmärtigcn, ©raf ©olß, am 6. ©ftober non Berlin in Königsberg 
eingetroffen mar, polljog firij ein Htttfcfewung ber preußifefeen Politif im ftanjofenfreunblicfeen 
Sinne, sweifcllos unter unmittelbarem 3ntpuls bes Königs, ©raf ©olß gab feinen IDiber* 
fpruefe gegen eine Senbung an Bapoleon auf, ber König willigte in bie balbige lieber« 
ficbelung nad) Berlin. Km (8. ©ftober würbe ©berft Krufemarcf an Bapoleon mit einem 
©lücfrounfcfefcfereiben bes Königs abgefanbt, bas nad) einer ftarfen Sefeilberung ber pölligen 
©rfcfeäpfung preußens um ©rlcicfeteningen in ber Kontributiousjablung bat. Kurs nad) 
Krufemarcf s Kbreife non Königsberg fant bie Bad) riefet pon bem am ©ftober erfolgten 
Kbfcfeluß bes Jriebens jwifchcn Jranfreicfe unb ©efterreid). 

3n Jontaincbleau, am 5. Bopentber, feattc Krufemarcf Kubienj bei Bapoieon. Bafem 
ber Kaifer noefe Hücfficfet auf bie ^reunbfefeaft Klerattbers für Preußen? IPofel überhäufte 
er ben Kbgcfanbfen mit Klagen unb Befefewerben über bie Un$upcrläffigfcit ber preußifefeen 
politif, wofei fdnnäfete er immer unb immer wieber ScfeiU, ben „Briganten unb Dieb", 
aber er erflärte: er werbe barum Preußen nicht befriegen unb auch feine Canbabtretung 
perlangen. Bur in ber .frage ber Kontributionen blieb er unerbittlich. Pon bem König 
fprad) er im gattjen mit Btäßigung, bodi forbertc er unter Drofeungen beffen Hücffefer 
naefe Berlin. Pon ber Königin perfiefeerte er, er liebe unb aefete fte, unb fprad) feine 
Perwunberung aus, baß fte bie Dinge niefet beffer }u leiten gewußt feabe, benn fte beftfee 
piel ©eift unb wäre fte früfeer nad) Oftt gefommen, bepor alles fefeon abgemacht war, 
fo würbe er ftd) wofei mit ifer perftänbigt haben. Km näcfeflen (Tage erfeielt Krufemarcf 
ein Kntwortfcfereiben Bapoleons, bas in burefeaus freunblicfeent ©one gefealten war. 

Bereits (4 (Tage nady biefer Unterrebung mar Krufemarcf wieber in Königsberg, wo 
er bem König unb ber Königin Beriefet erftattete. Btan atmete erleicfetert auf, eine unmilteU 
bare ©efafer fefeien niefet mefer $u fürefeten. Die Kbreife nach Berlin fonnte nun enbgültig 
auf Blitte Dejember feftgefeßt werben. 

Königin Cuifens .freube bei bem ©ebanfett an Berlin war unausfprecfelicfe: „es wirb 
einem ganj elenb por Scligfeit, wenn man baran benft," feferieb fte bem Bruber. Sie 
füfelte ftd) wofeiet unb glüefliefeer als feit langem: bie Permeferung iferer geliebten Kitiber - 
fefear burefe ben fleinen Klbrecfet, bie blüfeenbe ©ntwiflung iferes Cieblings Cuife, bie 
Knwefenfeeit Scfewefter ^rieberifens unb bes Brubers, prittj Karl, beit ber König wieber 
in bie preußifefee Krmec aufgenotttmen featte, alles bas fefeien ifer llrfacfee genug, „©oft 
mit finblicfeem fjerjen unb mit finblicfeer ^reubo ju banfen." Sie nafem auefe wieber einen 
gemiffen Knteil an ber Politif, inbent fte pon Knefebecfs Bericfeten aus ©efterreiefe einjelne 



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pom König befonbers bemerfte Stellen abfdirieb. Hub nun bie Kücffehr na* Berlin! „An 
jwei Blomente" , fcfjrieb ffe, „fann ich nid)t benfen ohne (Tränen: wenn ich 5 um erfien ITlalc 
bie (Türme non Berlin crblicfe, unb wenn ber IDagen pon ber Brücfe linfs biegt unb id) 
fühle, wie u>ir bie Kampe bes patais hinauffahren." 

€lje bie Abreife aber angetreten tr erben fonntc, rr>ar noch eine Angelegenheit ju orbnen, 
bie ber Königin unausgefeßt fchwere Sorgen bereitete. 

Sd)on in Petersburg batte Königin Cuife ben Erjiehungsfragen eine befonbere Auf* 
merffamfeit gewibmet, mit ber Kaiferin barüber gefprochen unb beren großartiges ^räulein» 
ftift beffd)tigt. 3 n Königsberg, im Hlärj , las fie bann bas neue Eoangelium ber religiös* 
ffttlidien Erjieljung auf ber ©runblage ber ^amilic, „Cienharb unb ©ertrub" pon Peftalojji. 
Bie £ebre: „baß bei Heiden unb Armen bas Fjerj in ©rbnung fein muffe, tpenn fte 
glüeflid) fein follen", bie Jorberung: „baß bie fittlicfjc «Erneuerung nidjt als Befehl ober 
©efdjenf pon außen fommen, fonbem als ein innerliches ©rieben ffd) polljidjen muffe" — 
was hätte Cuifens innerften ©ntpffnbungen mehr entfprechen fönnen? „Es ift mir wohl 
in biefem Schweijer Borfe", fdjrieb fie über £icnharb unb ©ertrub. „IDöre id; mein eigener 
tferr, fo feßte id) mich in meinen IDagen uttb rollte ju peftalojji in bie Schweij, um bent 
eblen ATann mit (Tranen in ben Augen unb mit einem F)änbebrucf ju banfen. JBie gut 
meint er es mit ber 2Henfd)heit. 3a, in ber 2Tlcnfd)heit Barnen banfe id) ihm!" Sie 
bewies lebhaftes 3ntereffe für bie peftalojjifdie ITletljobc, für bie auch IBilhelm pon fjumbolbt 
als €ffef ber Unterrid)tspcrtpaltung bamals roirfte unb ju beren Einführung ein Sdjüler 
Pcflalojjis, Karl Auguft geller, nad) Königsberg berufen würbe. Sie ließ biefen öfter ju 
fid) fommen, um Erjicl)ungsgrunbfäße mit iffm ju erörtern, unb befud)te Anfang Bcjember 
bas pon ihm errichtete Bormalinftitut. „3d) feierte einen fdjönen ©ottesbienft in 3h r er 
Anftalt", fdjrieb ffe iffm balb barauf. „3<h liebte ©ott in ben Hlenfchen, wie nod; nie, unb 
fühlte feine Bähe, unb fein ©eift war mitten unter uns." 

3n Pcftalojjis ©eift unb jugleid) nad) ihrem eigenen frommen Sinne fud)tc Cuife 
aud) bie Etjirffung ihrer eigenen Kinber ju leiten. 3 n einem bemerfenswerten Schreiben 
an iffren Pater hat ffe, wenn wir fo fagen bürfen, ein Programm bafür aufgeftcllt unb 
jugleid) iffre fjoffnung auf Erfolg ausgefprochen. Sie fdireibt über ihre Kinber: „3<h habe 
ben heiligen ©lauben an ©ott, ben ihnen bie Batur gab, gelehrt; id; habe ihnen gejeigt, 
wie unfer ffttiid)cs ©efüf)I uns eine neue tDelt, bie Ewigfeit, bie Seligfeit eröffnet; ich 
habe ihr Ceben für bie Cugenb begeiftert. Unbcfümmcrt um bie folgen für ffe felbft, für 
iffr ©iücf, für ihr Jortfommen lehrt’ ich ffe nur biefen ©lauben an ©ott, an bie Ewigfeit, 
an (ich felbft fcffhalten. Bein, mein Pater, ich &arf nidjt fürchten, baß eins pon meinen 

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"Ktnöern feine Sefiimmung Dcrfeblen »irb. Sie fönnen arm, peradjtet, perfolgt, perfpottet 
»erben, aber nie unglücfltd;, nie lafterfjaft; ftc fönnen oielleidjt por ZTTenfdjen Jittern müffen, 
aber nie nor fiefj felbft, por 6em Tobe ober por (Sott; fte fönnen pielleidjt bcn (Slaubcn 
an bie ^reunbfchaft perliercn — o (Sott behüte fie bapor ! — aber nie tperben fie aufhören 
bie ZTTenfcffen ju lieben unb ihnen »oljljutun, »eil bas ihre Pfüdjt ift, Sief es Ceben fann 
für fie eine finftere ZTlitternadjt poll Seufjer unb 3<>mmcrs »erben; aber ber Straf;! ber 
©»igfcit, ber bas fcfte fjcrj mit ber j»eifelnben Pemunft pereinigt, »itb nie perlöfdjen." . . . 

IDie fdjanerig es aber für bie Königin »ar, itjre guten Kbfidjten ausjufüfjreu, jeigt 
»icber bie ^rage ber ©rjiet;ung bes Kronprinjen. 

3m 217i3 rj (8CK) »ar ©cneral Piericfe $um ©bergoupcmeur ber föniglidjen 
prinjen cniannt »orben, einige IDodjen fpäter 2Tlajor (Saubi jum befonberen ©ouoerneur 
bes Kronprinjen. Pen llnterridjt leitete nad) »ie por Pelbrücf. Kndllon, ber um 
(Entfdjcibung über feine Stellung bat, »urbe auf bie 2?ücffel;r nad; Berlin pertröflet. Pie 
Bcjie^ungen Pelbrücfs ju ben beiben ©ffijiercn gefialtetcn fid; nicht erfreulid), es fam ju 
allcrhanb Reibungen. ^ür bie ftauptfadie, bie ©rjiehung bes Kronprinjen, »ar, »ie jtef; 
balb berausftclltc, »cnig gewonnen. Bei perfdjiebenen 2lnläffcn, namentlid) im £aufe bes 
Kuguftmonats, trat bes Kronprinjen jügellofe Unart fo fdjroff Ijerpor, bag bie Königin 
einen grünblid^n IDanbel für unertäglid; fjielt. Kud; fie »ünfdjte, »ie Pelbrücf längft, 
eine 21bfonberung pon bem F)ofc , namentlid; pon ben jüngeren ©efdjmiftem. ©aubi, hoffen 
©utadjten fie einforberte, crfannte Pelbrücfs Pcrbicnfte um „bie Reinheit unb Sittlidifeit" 
feines ^dglin^ lebhaft an, erflärte aber einen befonberen „3nftituteur" nicht meljr für 
not»enbig unb perlangte für bcn Kronprinjen eine ausfchlieglich militärifdje Kusbilbuttg. 
Bei biefcm iPiberftreit ber 2lnftd)ten »urbe, »ie ge»öfjnlid), fein (Entfchlug gefagt, bis 
bie na^e Ueberficbelung nad; Berlin einen »eiteren 21uffd;ub unmöglich machte. Kud; 
Piericfe brängte auf enblidjc ©ntfcheibung. So perfügte ber König am 5. Pejember, baf 
Pelbrücf „mit Panfbarfeit unb porjüglicher ,3 u fricbenl)cit" entlaffen »erbe unb bem Krom 
prinjen nicht nad; Berlin folge. Pie Königin felbft banftc Pelbrücf h<juptfädjlid) für bas, 
»as iljr bas »id;tigftc »ar: bag er immer bemüht ge»cfen fei, „Cugenb unb Religion in 
bas jartc £;erj ihres geliebten Kinbes als ©runb feines ganjen Seins früh cinjugraben." 

Pen Kronprinjen aber erfd)ü»terte ber ©ebanfe an bie broljenbe (Trennung pon Pelbrücf 
fo leibenfchaftlid; , bag er erfranfte. (Er l^itte manche heftige Sjene mit feinem ©rjicljcr 
gehabt; jegt bat er in be»egenben IPorten ben Pater, »enn et »ieber gefunben folle, ihn 
nicht pon feinem „einjigen Pelbrücf" ju trennen, »enigftens ju geftatten, bag fein ©rjieher 
ihn bis Berlin begleite. (Er föitnc ohne Pelbrücf nicht glücflich fein. Per Pater, unter 

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gutem unb wohlmcinenbem ^ureben, antwortete ablefjnenb, baf „in bei pon iijm getroffenen 
Derfügung feine Kbänberuttg ftattfinben fönnc." Die Königin fügte einige freunblicbe 
feilen ijinju, in benen fic ifjren Soijn auf bas Beifpiel feines Detters Prinj $ncbrii> 
permies, ber fid; geljorfam non feinem (Erjietjer Heintann trenne. Kllein ber Kronprinj 
beruhigte fiefj nicht, er blieb franf im Bett, meinte unb fdjric, fo baf bie Kerjte beben flieh 
würben, unb ber König fdjlieflid; bie iUitrcifc Delbrücfs nadj Berlin geftatten muftc. 

Km 15. Dejeniber enblid), nach einer Heilje von Kbfchiebsfeftliehfeiten, perliefen 
^riebridj IDil^clm unb Cuife Königsberg, wo fte jwei 3<>h re in Sorgen unb Ceiben perlebt 
hatten. Unterwegs in Stargarb, am 2f. Desember, trafen fte ben tapferen Dcrtcibiger 
Kolbergs, ben alten 3°<tdjim Hettelbecf, beffen Knfprache ben König ju tränen rührte. Die 
Königin ftreidjelte bem ©emabl babei ieife bie IPangen unb weinte gleichfalls. Itettelbecf 
fpracb bas Dolfsempfinben aus, inbem er bei biefem Kublicf rief: „(Sott erhalte Sie, meine 
gute Königin, 5 um Erofte meines Königs, benn ohne Sie wäre er fefjon pergangen in 
feinem llnglücf." 

Km 23. Dejember, einem prachtpolleu IDinterfonnentage, $ogen fte in Berlin ein, 
ber König ju pferbe, bie Königin in bem non ber Stabt gefdieitften, mit lila Samt 
ausgefchlagcnen IDagen, in einem altbeutfchen t^rmelinbefeften Kleibe pon bunfelblauctn 
Samt. Unermcfliche Ulenfehenmaffen begrüften bas Königspaar, unbefdjreiblich war her 
3ubet. 3nt Schlöffe, halb ohnmächtig por (Erregung, fanf Cuife ihrem alten Dater, ber 
aus Hcuftrclits f^crbci^ceill war, in bie Krme. ©ebadjte fte ihrer Einholung als Braut, 
faft auf ben tag 3 J h re juoor? Der ^rau pon Krübener fdjrieb fte: „3dj batte nur 
einen flaren ©ebanfen: wie füf ift es, fo geliebt ju werben!" 

Den fdjönftcn Kusbrucf aber für bie Stimmung in Berlin gibt ein IDort bes Erb» 
prinjen ©eorg, ber am Kbenb, „mehr getragen als gefahren", bie Beleuchtung ber Stabt 
befehligte; er fagt: „3cb fanb mein fjerj überall!" 



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Elftes Kapitel 

Königin €uife unö £?ar&enberg 
( 1810 ) 



her Hucffeijr bes Königs paar« nadt Berlin fd)ien aud} bas fjofkben faß in allem 
©lanje wicber auferfianben. Km Heujab rstagc 1810 war großer ©mpfang; „nk falj tdi", 
erjabll Cuife KabjiwiU, „bie Königin ebkr, fdjöner, rübrenber, als an biefem Tage." «Ein 
neuer rufftfdjer ©efanbkt, ©raf fiepen, würbe porgeßeßt, beffen ©attin bk <5>mmet, bie 
©inriditung, bk Kleibung bet Königin cntjficfenb fanb, aber bmjufügt: „elle-mcme ötait 
mieux que tout cela “ ©s gab nodi niele anbere ©mpfänge unö Kubicnjen, Paraben unb 
Cruppenbcßdjligungen , Bälle unb Kinberfomööien, ^amilknbincrs bei ben ^erbinanbs 
unb ber allen prinjefftn pon ©ranien, Sdimefkr ^riebrid; HXlbelms II ZTUt föniglidjem 
prunfe würbe am (8. jamiar bas eft bes erweiterten Koten Kblerorbens gefeiert. Bie 
©efclligfeit würbe belebt bureb Befudic beutfdjcr dürften unb .fürftinnen; aus pommern 
fatn ©eneral Blüdjer, aus Sdjkßen ©ber ft von ©ößen. König unb Königin blieben aber 
audj riel unter fidi unb mit ben 3(jrigen. 3n ftiller Sammlung befudßeu fie bie alten 
Stätten ihres ©lücfs in potsbam unb <£b ar kttcnburg, wo bie Königin in tiefer Bewegung 
ber Septembertage non 1 806 gebadete, au benen bort bie Kbreife $ut Krmec befdßoffcn unb 
ber Krieg entfdjieben würbe, ©rofe Kufinerffamfeit fdjenfte man ben Iladjriditen über 
Hapokons Dermä^lungspläne. Bie Königin war entfeßt, baß poit öfterreiebifdjer Seite 
Sdjritte für bk IBaljl einer ©rjbetjogiu gefdjeben feien: ,,'Tun iß alles ntöglid;," fdjrieb 

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Königin fnife nnb fjarbfitborg 



ftc öem Pater, „im ©runbe ift es, um blutige (Tränen ju »einen, bafj es foweit gefommcn 
ift mit Öen HTenfdjen, mit öem 3 anlmcr auf ©rben." Sie pries es als ein ^eii)tn öer 
unerforfcf)Iicf)en IDeisijeit öer Porfeljung, ja als ein ©lud unö eine ©naöe, bafj ifjr eigenes 
©ödjterdjcn (79<i tot jur IDclt gefommen unö itjr öaöurdh je$t möglid)erweife öie furd)t= 
bare Qual erfpart fei, jmifchcn öer Hufopferung öer ©inen unö öem Perjicht auf öie 
Heftung ron HTillioncn mahlen ju müffen. Hod) ein anöcrer Tjeiratsplan befchäftigte (ie 
lebhaft. €s febroebten Perijanölungen über eine Permäfyiung öes Kronprinjen Cuöttng 
t>on Bayern mit itjrer Hid)tc Cfjerefe, öer Codjter öer fjerjogin ©harlottc r>on Sacfjfen* 
fjilbburghaufen, wobei non baycrifdjcr Seite öer Hebertritt öer prinjeffin jum fatholifdyen 
Befenntnis perlangt tpuröc. Cuife mar öarüber hödift unwillig, fte riet öer Sdywefter, iijr 
3a oöer Hein jcöenfalls nicht ju übereilen, befämpfte aber entfdjieöen Öen ©eöanfen an 
einen liebertritt unter Berufung auf bas Bibelmort: IDas tjülfc es öem HTenfdien, fo er 
öie ganje IDelt gewänne unö nähme hoch Schaben an feiner Seele. Pie Permäblung würbe 
einige HTonate fpäter otjne ©laubenswechfel öer prinjeffin gefchloffen. 

Heber öiefem Ceben aber, feinen ^reuöen unö feinen Ceiöen, feinen Hoffnungen unö 
feinen Sorgen, lag nad) wie por öunfel unö gcfaljrbroljenb öer Sdjrecfen öer napoleonifchcn 
©ewaltberrfcbaft. 

Hoch am (Tage feines ©injugs, am 23. Pcjember, fjatte "König 5 rieb rieh XDilbelnt 
öen franjöfifdjeit ©efanöten ©raf St. HTarfan empfangen, öer bereits feit einem Jatjre in 
Berlin perweilte, einen ehemaligen faröinifchen ©ffijier pon wohlwollenöer, pomehmer 
©efinnung. €r pcrficherie öem ©efanöten, öer öas IPefen öes Königs „aufkroröentlidj 
offenherjig unö loyal" fanö, öaf er entfdjloffen fei, unrerbrüd)lichc ^reunöfdjaft mit ^ranf- 
rcidj ju h d l tcn '> er werbe jur ©tfüllung öer eingegangenen Pcrpflichfungen fein ©pfer 
fcheuen, rechne öabei aber auf öie ©rojjmut öes Kaifers. ©anj in öemfelben Sinne fprad) 
fid) öer König am näihften (Tage in einem Schreiben an Hapoleon aus. ©r teilte ihm als 
Beweis feines ©ntgegenfommens mit, öajj öer prcuftifchc ©efanöte in Paris, Brocfhaufen, 
über Öen Hapoleon feine Hnjufricöenheit geäufert hatte, abberufen unö öer Kommanöant 
pon Berlin, £’€fioeq, öeffen fdjwadje Ballung bei öem Husmarfcb Sd)iIIs getaöelt würbe, 
öurch Öen franjofenfreunölidjen ^elömarfd)all Kalcfreuth erfeijt werben folle. Krufemarcf, 
öer jum ©eneral beförbert unö ju Brocfhaufens Hachfolger ernannt würbe, brachte Öen 
Brief öes Königs nad) paris. 

Km 8.3anuar (8(0 hatte Krufemarcf wieöer Kuöienj bei Hapoleon. Per ©mpfang mar 
weit weniger freunölidi, öer Kaifer jeigte (ich ungleich jomiger unö erbitterter, als jwei HTonate 
porher. 3 n fd)arfen Pforten flagte Hapoleon über öie ©inftellung öer Kontributionsjahlungen, 



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bie er houptfädjlicb ben unnötigen Kusgaben für bi e Krmec jufdjricb; ber König möge bie 
galjl feiner (Truppen auf 6000 2tlann herabfetjen. Scblieglid) bracf) fein innerfter ©cbanfe 
burch: „Der König Ijai unterfdjrieben, er tnug jablen. U)enn er nid)t jafjlcn fann, fo foU 
er eine promnj abtroten; pagt itjm bas nicht, fo mag er mir feine Domänen überlaffen." 

©s waren bie Cage, ba neben ber urfprünglich geplanten ruffifefjen fjeirat bereits bie 
IDat)rfd)ein liebfeit ber Permät)lung mit einer öfterreid)ifd)en ©rjherjogin auftauchte unb bie 
Perfyanblungen Uapoleons mit Xuglanb über polen suweilen fdjon einen gereisten (Ton 
annafjmen. Die IDanblung in ben Besiegungen Jranfrcichs 3U Kuglanb fpiegelt ftch wie 
immer fogleid) in bem Perhalten ju preugen wieber. Sah Hapoleott hinter ber öfterreiebifdjen 
fjeirat ben Schatten eines rufftfehen Krieges erfd)einen, für ben er fid) nach feiner ZDeife 
frütjjeitig porbereiten wollte? Zliemanb mugte beffer als er, bag preugen bie 98 IHillionen 
Francs, bie er jegt ab prcugifdje Kriegsfdjuib nodi ijerausre ebnete, in ber pertragsmägigen 
.frift nicht werbe tilgen fönnen. So war er auf ben ©ebanfen gefomtnen, bie ,3at)lungs-- 
unfätjigfeit Preugens ju einer augerorbentlidjen (Erweiterung feines DTadjtbcreidjs nad) 
©ften, gegen Kuglanb, ju benagen, ©in erhebliches Stüd Sd)leficns mit ber Regung 
©logau war es, worauf feine Kbftdjt ging unb was er an fid) SU reigen h°ft* c - Damit 
wäre bas unter einem f)errfcbcr pereinigte Königreich Sadjfen unb bas fytrjogtum Q?arfd)au 
in eine ununterbrochene territoriale Perbinbung gebracht, Preugen pon ©efterreid) getrennt, 
Papoleons fjerrfchaft pom Ktlantifdten ©jean bis an ben Bug ausgebegnt worben. 

Die ITad)rid)ten über Hapoleons neue Jorbe rangen, bie am (9- 3anuar anlangten, 
erweeften in Berlin groge Kufregung. Der König perlangte fofort pon feinem ^inanj* 
minifter Kltenftein bie Befdjaffung Pott ©elbmitteln, um 5 ran ^ rc '^! wenigftens eine 
2lbfd)lags5ahlung 3U leiften, unb bie nad)brücflid)e Betreibung ber Knlcige, über bie feit 
längerer §eit in ftollanb perhanbelt würbe. Klicnftein, ber bie Kriegsfd)ulb an ran f reich 
nur auf 92 IHillioncn berechnete, perfprad) burd) eine 21 rt ^njan^sanlctljo in pier bis 
fechs iPochcn 5 Millionen Jrancs aufjubringen. Kugerbem follte bie hoüänbifdje Unleifje, 
beren wahrfdjeinlidjes ©rgebnis man auf 38 UMionen anfchlug, ferner eine ^agresrente 
auf bie Domänen in £)öge pon einer Biillion, was man einem Kapital pon 20 DMionen 
gleid)fegte, unb eine Knjagl ausftehenber .Jorberungen preugens, im gansen eine Summe 
pon über 6? ITHUionen an .Jranfreid; überladen werben; für ben Heft pon 2^ bis 25 
BTillionen Francs wollte man fid) auf bie ©rogmut bes Kaifers perlaffen, äugerften .falls 
biefe Sd)ulb pcrsinfen. KItenftein erflärte biefe Porfchläge für bas „Ultimatum phyfifd)er 
2TlögIid)feiten"; an Krufemarcf, bem fte ©nbe Januar überfanbt würben, fd)rieb man: 
„Damit fmb wir mit unferem Catein am ©nbe." 

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Königin £uifc unö Tarifen bcrg 



Dem König genügten 6iefe Porfdjläge feineswegs; et mag oorausgefchen haben, 6a § 
fte in Paris hoch wteber abgelebt werben mürben. Beunruhigt burct; bie Keugerungcn 
Hapolcons, namentlich wegen einer ©ebictsabtrctung, unjufrieben mit ber fjaltung feiner 
ZTIiniftcr überhaupt, glaubte er ftdj noch nach anberen Hatgebem umfeljen 3U follen. Schon 
mäljrcub bes 3 a ^l rcs 1809 waren bem franjöfifchen ©efanbtcn in Berlin roiebcrljolt 
Knbeutungen über bie gweefntägigfeit einer Kücfberufung fytrbcnbergs gemacht toorben, 
Knbeutungen, bie r>on 5 t. Hlarfan nach Paris berichtet, bort aber unbeachtet gelaffen waren. 
3 c£t — 22. 3 anuar (810 — beantwortete ber König ein fchon pom 15 . Dejembcr 1809 
batiertes ©lüetwunfcbfchreiben fjarbenbergs }ur Kücffehr nach Berlin mit einigen IDorten 
bes Banfes, inbem er bie pon fjarbenberg mit einem fjinweis auf Hapoleon begrünbete 
^urücfhaltung billigte, $ugleich aber hoch bemerfte, bag es ihm pcrfönlidj feh r angenehm 
gewefen fein würbe, feinen alten BTinifter „in perfon" in Berlin ju treffen. Blünblich 
erflärte er ftdf beutlicher. ©egen IDittgenftein, ber ben Briefwechfel permittelte, fprach er ben 
IDunfeh aus, f)arbenberg 5U fehen; er benfe nicht, bag feine Kücffehr bei bem franjöfifdjen 
©oupemement einen nachteiligen ©inbruct machen würbe. Die Königin, bie ebenfalls für 
einen ©lüefwunfeh banfte, äußerte fich mit größerer lüännc. „fjätte ich Sie, ftatt eines 
Briefes, h'cr getroffen," fcfjrieb fie an Ifarbenberg, „fo wäre meine ^reube größer unb 
meine Sorge geringer gewefen. ©s ift eine ber pcinlidjften Bebingungcn unferer gegen« 
wattigen ©jiften$, bag Sie bem König unb ben ©efefjäften fembletben müffen, unb ich 
insbefonbere wäre wahrhaft glücflich, Sic bei uns ju fehen, ba ich Sie grünblich fenne 
unb eine ^reuubfebaft für Sie empfinbe, bie nur ber 2 l<hlung gleichfommt, bie Sie in jeber 
fjinfidjt perbienen. 3 <*J fpreche 3U 3 b ncn nicht pon bem, was uns betrifft. IDir fmb immer 
noch hö<hft unglücflich. 3 n ^ e ff c " >f* bas Ceben h'er in Berlin erträglicher als in Königsberg, 
©s ift wenigftens ein glänjettbes ©lenb mit fchönen Umgebungen, bie einen jerftreuen, 
währenb es in Königsberg wirtlich ein elenbes ©lenb war. ©rjählen Sic mir, bitte, pon 
3 hrm planen. IPären wir frei, unb hätte ich Stimme im Kapitel, ich geftetje 3 h TU ’ n offen, 
ich täte alles auf ber IDelt, um plänc 31c Inntertrciben , bie Sie pon uns entfernen 
fönnten." Königin €uife benterft bann noch, bag bem gefamten JUinifterium bie (Erfahrung, 
bie groge Cehrmeifterin, fehle, fpriüit jeboch mit Knerfennung pon Kltcnftein unb Hagler, 
benen man ihre Schulung unter fjarbenberg amtierte. 

Das ©reignis ift nun, bag geh 3ur Seile biefes UTinifteriums eine Hebenregierung 5U hüben 
anfängt, juerft unter JTUtwirt ung bes Königs, allmählich mehr unter ber Ceitung ber Königin felbft. 

^unäciift gefchah bas Ungewöhnliche, bag König Jriebri * lüilbelm, ber fonft biploma« 
tifchen Unterrebungen mit fremben ©efanbten gern auswich, f'^l burd; bie Königin 3U einer 

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pon 6cm oberften Kammerfjcmi, ^ürft IBittgenftcin, »ermittelten <7jufammenfunft mit 6em 
©rufen St. UTarfan bcftintnicn lief, 6ie am 13. ^ebruar bei 6er ©räfin Bojj ftattfan6. Kud) 
6er König flagte 6abei über 6ie Unjulänglictjfeit feiner UKnifter, 6ie redjtfdjaffene Ceute, 
aber nur gute „Buraliften" feien un6 nidjts weiter un6 i»e6cr bei iijm felbft nod) bei 6em 
publifum Dertrauen genöffen; er fügte 6en 6ringen6en IPunfd; Ijinju, 6af 6er Kaifer iljnt 
geftatten möge, fyirbenberg i»ie6er in feine Dicnfte 3U nefjmen, 6er 6en Staatsfre6it ijerfteüen 
werbe un6 6er übrigens »on 6er Botwenbigfcit einer engen Derbinbung preujjens mit 
^ranfreid; pollfommen überjeugt fei. fjarbenberg t»ür6e jtdi gern felbft in paris 6ent 
Kaifer porftellen un6 mit 6effen ©cncljinigung bann jum Konfcilspräfibenten ernannt »erben. 
Kucb 6ie Königin fanb fiefj fcbliejflid; 5U 6er Unterrebung ein. St. UTarfan glaubte gern, 
»as man iljm crjäljlte , baj» fte gegen Kujjlanb fetjr füljl geworben unb fogar }u einer 
Keife nach paris geneigt fei. 

Der franjöfifcbc ©cfanbte Jjattc babei burcbblicfen laffen, baf ein Schreiben ber Königin 
an Bapoleon piellcidjt günftigen (Erfolg ijaben fönne. Dies meinte aud] Scbrocfter Cfycrefe, 
bie felbft einen (Entwurf ju einem berartigen Brief aus paris einfanbte. Die Cage »ar bodj 
fo ernft, bajj man ein foldjes UTittel nicht glaubte pon ber fymb »eifen 3U follen. Unter 
bem f7. Jcbruar, in Knlcljnung an bie Borfdjläge Ojcrefcns, fctjrieb Cuife an Bapoleon. 
Sie erinnerte iljn an bie ^ufammen fünft in Cilfit, fdjilberte bas Elenb in preufen, bas bei 
ber gänjlidien Unterbrücfung bes fjanbels unfähig fei, gegenwärtig bie geforberte ©clbfummc 
auf5ubringcn, unb feblug por, Bapoleon möge entweber ftef? in ben nädjften jefjn 3at;rcn 
mit einer Gablung ber 5> n f cn &er fälligen Schulb begnügen, ober bie ^afjlungsfrifi für bas 
Kapital perlängem. Sie fjob babei berpor: preujjen ftrebe feineswegs nad; einer fjerab-- 
fefjung feiner Kriegsfdjulb, cs fudjc pielmeljr gerabc nad; Bütteln fie abjutragen ; fie redjne 
babei auf bas (Entgegcnfommen Bapoleons, pon bem fie nicht anncljmen fönne, baff er 
bie Schöpfung ^riebridjs bes ©rojicn remidjten wolle. 

Bas Schreiben würbe erft einen Ulonat fpäter burdj prinjeffin Cfycrefe bem Kaifer 
überreicht (f?. UTürj), natürlich oljnc baf es irgenbeine lüirfung jugunften preufens 
geljabt Ijätte. Bapoleon befjarrte auf feinen ^orberungen unb wieberljolte auch ber priiyefjin 
gegenüber: „iüenn ber König midj niefjt K’jaljlen fann, fo mag er mir Sdjleften — er 
nannte es — abtreten." 

3fyren fjöfjepunft erreichte bie Krifts gerabc 3um ©eburtstage ber Königin, 10. UTärs 1810. 
Km Cage porfycr, 9- ZTlärj, war ©raf Sdjwcibnilj, ein Derwanbter bes ©rafen ©olts, als 
Kurier pon paris angefommen mit einer Bote bes fran5Öfifd;en Ulinifters bes Kuswärtigen 
an Krufemarcf, worin alle Borfcblägc Kltcnfteins runbweg abgclcfynt unb ftrenge Erfüllung 

SSI 



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ber beftehenben Dertragsperpgtchtungcn nad)brücflid) geforbcrl rourbc. ;franfreid) bcanfprudjte 
ben rollen «Ertrag 6 er Ijollänbifdjen 2lnlcif)C auf einmal, augerbem, Dom f. 3anuar 18(0 
ab gerechnet, allmonatlich H HliUtoncn Francs. Bod) bcunruljigenber flangcn 6 ie (Erlaufe* 
rungen, bic Krufcnmrcf nad; 6 en münblidjcn (Eröffnungen 6 es franjöfifdjen ITTinifters 
hinjufügte. Ulan örolje mit Cruppcnfcnbungcn an 6 ie ® 6 cr. Bapoleon, pcrpdjerte 6 er 
©efanbtc, fjalto 6 cn 'König un 6 bas preujjifcf)c Dolf für feine pcrfönlidjen ,Jcinbc; er fühle 
rool)l, bag er ihnen riet ju Diel ju feibe getan habe, als bag es anbers fein fönne. (Er 
Derlange 2lusfüljrung eines unausführbaren Dertrages, um ben König ju jroingen, eine 
neue ©ebictsabtretung als ©nabe $u erbitten. 2 TIit allen Zllitteln ber ilcberrebung fudje 
aud; ber franjöftfdie Blutiger bic Vorteile einer foldjen ZTTafrcgel für preugett einleudjtenb 
$u machen. 2lUcin, fdffog Krufemarcf, felbft wenn ff dt ber König ba$u rerpelje, roerbe 
nichts iljn not neuen 2lnfprüd)en Bapoleons fd)ügen. 

Pen (Einbrucf biefer 2TIittciIungcn in Berlin 3 eigt ein Schreiben bes franjöftfdien 
©efanbten, ber gleidj am ( 0 . 2Härj barüber nad) Paris berichtete. „2lus guter Quelle 
rocig id), bag man über biefe Bad) richten fehr betroffen ift. Pie Sd)B)äd)e unb bie 3nbolenj 
bes 2Tlinifteriums fmb berartig, bag meine früheren Dorfteilungen nid)t ben gehörigen 
Einbrucf gemacht hatten. 2Ban fd)meid)elte pd) immer, bag bie Kntmorten aus Paris 
felbft anbers lauten mürben. Bur ber König unb bie Königin (chcincn fofort bie Botmen* 
bigfeit empfunben 3 U hoben, bie äugerften 2Tlittel anjuroenben. Per König ift f)öd)ft 
aufgebracht über feine Blinifter, er hat geftent bei bem Eintreffen ber parifer Bad)rid)tcn 
ausgerufen: ,3d) habe es ja immer gefagt, bag pe nur Pummheiten madjen, bag pe ju 
nichts taugen unb roeber bei mir nod) beim publifum Dertrauen beptjen. 1 " „3ft aber 6 er 
erfte Stunn porüber," fo fährt St. 2Tlarfan fort, „fo macht if)" feine groge Sdjroächc jum 
Sflaocn feiner 2ninifter; übrigens fagt er felbft, er roiffe nid)t, mo er beffere 2Tlinifter 
hemehmen folic; er perftehe nidjts pon Jinanjopcrationen unb menn man ihm fage, bag 
alle fjilfsquellen erfdjöpft feien, fo roiffe er feine anjugeben." 

Pie Kunbe pon ben neuen Jorberungen unb Prohungen Bapoleons perbreitete pd) 
rafdj in ber ©efellfd)aft, bic am ( 0 . 2Ttärj jur Jeier bes ©eburtstages ber Königin im 
Berliner Schloff perfammelt war. 2Tlit Beftürjung hörte man jugleid), bag bas 2Tlinifterium 
in ber Eat geneigt fei, bie 2Jnfprüche Bapoleons burdi eine ©ebietsabtretung }u befriebigen, 
unb bag Sd)lepen — roenigftens ein groger Eeil baron — jum ©pfer auserfehen fei. 
ZDdljrenb König Jriebrid) IDilpelm feine Dligftimmung unb feine Beunruhigung mehr 
burd) roortfarge ^urücfhaltung burd)blicfen lieg, fprad) bie Königin ihre Sorge unb ihren 
Kummer gegen einen ber Jeftteilnehmcr, ben dürften IDittgcnftein, offen aus. 3 n bem pe 



332 



Königin £uife unb fyirbmbtrg 



ifyrc un6 ifyrcs <5cmafyls Cntrüftung über bk jugemutete Abtretung lebhaft äugerte, foröerte 
fie iljn auf, aud; feinerfeits bafür $u forgen, bag man fid; mit ber Sefdjaffung pon 
©clbmitteln bcfdjäftige. 

Bies Sallgefpräd; ber Königin mit jürft IDittgenftein trurbe 6er Kusgangspunft für 
einen bebeutfamen Umfdjmung 6er preugifdjen ©efdjidjte. 

^ürft IDittgenftein, 6er früher felbft (Ceilljabcr eines Krcbitinftitutes in Kaffcl gemefen 
war un6 »ägrenb un6 nad; bem Kriege txm 1806 mit 6ent reidjen Kurfürften pon 
fjeffen Kaffcl über eine Knlcifje für preugen unterljanbelt Ijatte, naljm ftd; 6er Sadje mit 
größtem (Eifer an, Er befragte ©olg un6 Kltenftein, 6ie itjm bei6e adjfeljucfenb erroiberten, 
es fei fein anberer Kus»eg porljanbcn, eine Canbabtretung unpermeiblid;. Selbft 6em 
franjöfifebeu ©efanbten batte ©olg bereits 6ie ©eneigtfjeit 6es ITTimfteriums ju einem 
foldjen (^ugeftänbnis mitgeteilt. 

IDittgenftein lieg fidj nidjt abfdjreefen. ©leid; am nädjften Eage befprad) er fid; mit 
einigen Berliner Banfiers, unb in 6er Hadjt pom auf 6en \2. Hlarj arbeitete er eine 
Benffdjrift aus, in 6er er 6en Kbtretungsgebanfen entfd)ieöen penparf unö 6ie Erhebung 
einer Krt ^»angsanleige porfdjlug. ^ünfunbjujanjig Eaufenb preugifdje Bürger folltcn 
6urd)fd;nittlidj jeber 4000 Euler bergeben, ein Dicrtel in barem Selbe, ben Heft in Staats« 
papieren ober Obligationen, öie jur Hationalfdjulb erflärt »erben unb jur ©runblage einer 
Hationalbanf bienen follten. Kuf biefe IDeifc ȟrbe fid; bie Kontribution tilgen unb ber 
Krebit mieber tjerrftcüen laffen. IDittgenftein glaubte bie Ceitung biefer ^inanjoperationen 
felbft beanfprudjen ju bürfen, berief fid; aber jugleid; auf fjarbenberg, ber mit if;m 
polifommcn einperftanbeit fei unb beffen Kat er immer ein^olen ȟrbe. Hod> por 
Beenbigung feiner Krbeit lieg er eine porläufige Zeitteilung barüber an bie Königin gelangen, 
bamit nidjt et»a übereilte Sdjritte im Sinne einer fanbabtretung gefdjägen. 3m Caufe 
bes 12. ZHärj überfanbte er feine Benffdjrift bem König. 

Kn bemfelben Eage erftattetc aud; bas ITtinifterium Beridjt. Es ging bapon aus, 
bag bie Efiftcn3 preugens nur burd; ben engften Knfdjlug an ^ranfreid; gefiebert »erben 
fönne; ju biefein ^medi muffe man fid; aud; ju einet Canbabtretung pcrfleljen, auf bie 
Hapoleons Kbfid;t nun einmal geriefte! fei. <5 ur nähren Derfgjnblutig unb um ju retten, 
»as fid; retten laffe, »urbe bie Senbung bes ©rafen ©olg nad; paris mit „uneingefdjränftcr 
Dollmadjt" empfohlen. Biefer Beridjt trügt bie Unterfdjriften pon ©olg, Kltenftein, Doljna, 
Beyme, Sdjamgorft, — Hamen, bie in ber preugifd;cn ©efefjiefjtc mit Kugm ober mit Kus 
jeidjnuttg genannt »erben: Kltenftein, ber fünftige Kultusminifier, Sdgimgorft, ber Keorgani« 
fator bes preugifdjen tjeeres. IDie fam es, bag biefe HTünner einem Dorf d; läge iljre 

332 



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^uftmtmung gaben, beffen 2 Iusfübrung bas Cobesurteil für preupen bebrütete ? ©ine 
Stimmung bumpfer Derjweiflung baue n± ihrer bemächtigt. Sie warm in ihrem 3nncrfien 
ber Ucberjeugung, bap Itapolcon eigentlich gar nicht bejaht! werben wolle, bap er rielmehr 
nur eine ©ehetsabtretung beabnebtige unb bap beshilb jebe 21 nftrengung preupens jur 
Ciigutig feiner Kriegsfhulb, jebes ®pfer, bas es bafür bringe, hoch rergtblih fein werbe. 
Kein Zweifel, bap bie ITIinifter barmt aerobe ben geheimen IDürrfchen Bapoleons willig 
entgegenfamen. 2 lus Kücfjtcbt auf Kuplanb unb ® efterrei A , benen bie Segrünbung eines 
fäcbfifh = fhleftfch polniihcn Seiches glcichmäpig wiberwärfig gewefen märe, permicb er cs, 
eine Kbtretung in Sehlefien ofnjiell unb ausbrücflich ju forbem; weim aber preupen jur 
21blöfung feiner Kriegsfhulb felbft ein foldics 21 n erbieten mochte, was batten bie beiben 
anberen Staaten bagegen einwenben fönnen? 

21m (4. IHärj überreichte Sehambo rft bem König bas ©utohten ber Ulinifter. Die 
Königin, bie gleich baoon Kenntnis erhielt, fdirieb fofod an IDittgenftein: „Cieber Jürft! Der 
König trägt mir auf, 31jnen ju fagen, er wünfehe Sie beute por pier Ubr ju feben. <£r trill 
nämlich, bap Sie in feiner ©egenroart mit Kliniker 2Iltenftein bisfutieren fallen. Das DTemoire 
ber ITIinifter ift angefommen unb burcbgefallen, es ift aber auch böebft erbärmlich. Der König 
wünfht, ba er non bem 3hrigen ©ebrauh machen will, barüber $u reben. Kommen Sie ja 
por pier Uhr. PicUeiht fönnte ich 3bnen bas ITlemoire noch ju lefen geben. 3 n ©Ie. tuife." 

IDittgenftein beeilte ftch, bem Kufe ju folgen, unb las ben Bericht bet ITIinifter. 
Dann crfcfjien auch 21ltenftein, bem man IDittgenfteins Denffchrift 5 U lefen gab. 3 n 
©egempart, aber ohne Beteiligung bes Königs, mürbe hierauf bie ^inanjfrage erörtert 
21ltenftein erflärte IDittgenfteins plan für pöUig unausführbar, hauptsächlich mögen bes 
mangels an Bargelb in preufen; molle man gleichwohl einen Derfuh mit 5mangs= 
anlciljc unb Banf machen , fo werbe bas $ur Kerolution führen. Der König beenbete 
bann bie Disfuffion, inbem et feine Un 5 ufriebenheit mit bem minifteriellen ©utachten 
äußerte, bas pon ber BTöglichfeit einer Canbabtretung fprehe , bie er hoch bem ITIinifter 
bes 2 lusmärtigen gegenüber bereits entfliehen abgelehnt f^he. <£r befahl 21 ltenftein, bie 
Sache tpeiter in ©rwägung ju jiehen unb ftch mit IDittgenftein ins ©inpemehmen ju fepen. 
Hahbem er ftch entfernt, fam es noch J u einem lebhaften IDortwechfel jroifchen IDittgenftein 
unb 21Itenftein, ber bem dürften einen Dorwurf baraus machte, bafi er nicht juerft ihm 
feinen plan mitgeteilt habe. Dann griff bie Königin ein, fie lief IDittgenftein 5 U ftch 
rufen, unt bie fchwebenbe ^rage mit ihm ju befpreefjen. 

2TTan fann pon Königin €uife fagen, was ©neifenau pon Blücher geurteilt h a t: fte 
war immer für bie tapferften ©ntfcblüffc, für bie (Entfchlüffe, in benen preufens 



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Königin luiff 

lag. Das politifdje Programm, bas ftc jegt mit Wütgenflcin vereinbarte, mar einfach : 
Kücfberufung Ijarbenbergs, feine neue Abtretung. Sie fdjrieb fofort, noch am 1$. IHärj, an 
fjarbenberg, ber in einem Briefe an Me ©räfin Pojj bes ©eburtstages ber Königin gebucht 
unb non feiner beabfidjtiglen Kücffeljr in bie 2Tlarf Branbenburg gefprodjen tjatle: „JTUt 
Pergnügen fjabe idj erfahren, ba§ Sie balb in unfere ©egenb jurüefjufebren gebenfen. Sie 
mürben mir ein grofies Vergnügen machen, wenn Sie biefen Kugenblicf befcblcunigen wollten. 
3hrc Höhe fann nur günftig für uns fein, unb ich mürbe bas als einen neuen Beweis 
3hrer ^rcunbfdjaft betrachten. Jürft Wittgenftein wirb 3h ncn ausführlich über biefen 
Wunfdj fdjreiben. ©rofer ©ott, in welchem 3 u f* an ^ c befinben wir uns! 3 ^? bin ganj 
franf! ©ott fegne alle ehrlichen Ceute. Das will fagen, idj bete für Sie!" IDitlgenftein 
übernahm es, bas Schreiben an fjarbenberg 5 U beförbern unb bie nötigen (Erläuterungen 
Ijinjujufügen. 

©s waren wieber harte Cage für Königin Cuife, (Tage fo reich unb febroer an Sorgen 
unb Kengften, wie fte beren nur je in ZTTcmel unb Königsberg erlebt hatte. Die Permäljlung 
Bapoleoits mit einer öfterrcichifchen ©rjberjogiu, in ber man anfangs ein ^riebenspfanb 
ju fehen geneigt war, erfdjicn jctjl bebenflidj, ba man Xlapoleons Knttähcrung an ©efterreid) 
mit feinen Kbfidjten auf Schlcficn in Perbinbung brachte. Heberbies fpradj man allgemein 
fdjott pon ber IDafjrfdjeinlidjfeit eines Bruches jmifdjen ^ranfreidj unb Kujjlanb, burch 
ben Preugen in bie allerfchlimmftc tage geraten muffte. IDilbe ©crüdjte fdjwirrten wieber 
umher: bie Könige pon Bayern unb Württemberg follten nad) Spanien unb Portugal 
perfekt, aus Sübbeutfchlanb bis nach 3Uyrien h' n Mn neues Seid; gebitbet werben — 
©erüdjte, bie, wie bas Berliner BTinifterium refigniert einmal bemerfte, barum nidjt 
unwahrfcheinlidjer waren, weil fte unglaublich fdjienen. Weldjer (O)ron ftanb benn nodj 
feft, folangc ber ©ine in Paris Cänöer unb Pölfer burdjeinanber wirbelte wie ber Sturm 
bie Schneeflocfen? Sdjon härte man, bajj er feine Drohungen wahr mache, bajj er feine 
Cruppen in ber Bähe pon Diagbeburg in Bewegung fege. Königin Cuife glaubte wieber 
alles befürchten ju müffen; bent ruffifd)en ©efanbtcn erflärte fte: ber König werbe nie aus 
freien Stücfcn itt eine Canbabtretung willigen; fte müften fich auf bas Sdjicffal ber fpanifdjen 
^amilie gefafjt machen. Sie wäre bamals gern nach Beuftrelitj geeilt, wo bie alte ©rojj 
mutier, bie fte feit fedjs 3 abren nidjt gefeljcn, am < 6 . Xliärj ihren 81. ©eburtstag feierte. 
Kber fte glaubte, wie im ©ftober 1805, ihren plafe an ber Seite ihres ©emaljls nicht 
perlaffen ju bürfen. „Die eingetretenen llmftänbe," fdjricb fte gleichfalls nodj am 14. Klärj 
bem Pater, „madjen es mir sur pflidjt, nidjt non meinem poften, ben ©ott mir angewiefen 
hat, ju weichen unb feft barauf 5 U flehen. Bapoleon ift ganj toll mit feinen Jorberungcn 

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Xinura £arf« sn4 fkuöevtorg 



unb bat uns all« in ben tiefften Kummer geitürjt. 3* f jnn unb barf in btefer Krife 
Öen König niAt periaffen; er ift febr ungiücfliA unö bebart einer treuen Seele, auf bie er 
bauen fann. Hur in bei {Kennen Erfüllung meiner Pfliiten fann iA 3brer ganj mürörg 
(ein, unb bes fAönen Hamens jhrer CoAter miA würöig fühlen. £s ftebt fAledbt. Opfer 
unb Ztufopferung finb mein €eben" .... 

tage fAwerer Ceiben traren es für Cuife, aber auA tage ftarfer unb fruchtbarer 
polilifAer Krbctt. Her ©ebanfe an bie <5 u fuuil ihrer Kinber gibt ber SAwaAen Kraft, 
ber Herjtpeifelten ^uncrnSt Her König lagt fte gewähren. Enblicb einmal fann ite 
bie Schwingen ihres (Bei fies frei unb weit regen. HiAl mehr non äugen , auch mebt 
ron Petersburg, enrartet Cuife fiilfe. Sie fuAt bie Kettung ror allem in p*reugen 
felbft , junächft, tute mir wiffen, in Barbenbergs KüJberufung. Über für ben boeb mAt 
unmabrfAeinliAen Jall, bag Hapoleons ©roll bem allen Ulinifter ben Kücfweg perfperre, 
mußten noch anbere Borfebrungen getroffen, mugte bas Hliniflerium , wie es einmal irar, 
in eine anbere KtAtung gelenft, mit einem anberen ©eifte erfüllt werben. Königin Cuife, 
obwohl infolge ber Sorgen unb Kufregungen etwas fränfelnb, übernahm auch biefe Hufgabe. 
Sie entwarf eine Benffchrift, bie bebeutenbfte politifAe UufjeiAnung, bie wir ron ihr hefigen, 
jugleirf; bas fdjönfte unb lebenbigfte 5*ugnis für We f>'h< unb ©röge ihrer KnfAauung. 
IDie fte 180* ben Kampf preufien Kuglanbs gegen Hapoleon in feiner unicerfalen Bebeutung 
aufgefajjt Batte (oben S. 227), fo fah fte jegt in bem Streit um bie KriegsfAulbenlilgung 
etwas mcf)r als einen Streit um ©elbmitlelbefAaffung. jnbem fre ben unfruchtbaren 
pefftntismus ber Hlinifter befäntpfl, ihnen Hlut einjuflögen fucht, weift fie jugleiA auf bas 
höhere ^iel hut : auf bie «Errettung ber preufjifchen Hationalität, auf bie fterftellung ber 
ibealen (Einheit pon König unb Hation. ^wifchen ben feilen weht ber ©eift einer neuen ^eiL 

Hie Königin fchreibt, etwa am (7. Hlärj: „3A gehe pon bem ©runbfag aus, bag 
ber Iflenfef), ber jtA bem ©ebanfen überlägt „Preugen ift boA perloren" ein ITTenfA ift, 
ber ju gar feinen größeren Dorfei) rungen taugt, unb es ber unriAtigfte ©efiAtspunft ift, ben 
man nur haben fann, unb ber mit Kecht ein Reinlicher ©eftchtspunft genannt werben fann. 
Biefer ©ebanfe wirb nicht nur alle grogen Hlaagregcln hemmen, fonbem er macht ben 
HlenfAen, ber bapon ausgehet, ganj unbrauchbar, weil er immer in feyn nichts jurüJfällt, 
ba er ftcfj immerhin fagt: „Heine Blühe ift boA umfonft." Hiefer BlenfA alfo wirb, ftatt 
grofje Hlagregeln 3 U ergreifen, nur fleine ober halbe im ©ange bringen; unb fo ben graben 
ZBeg auf preugens Untergang etnfd) lagen, ftatt ftch bem cntgege^uftcllen. 

„€s ift leiber fo weit in unfern tagen gefommen, bag man ftch auf alles gefagt 
mad)en mug; wer ftch aber bas traurigfte benft unb jum Ceitfaben feiner C^an&lun^cn 

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Üiifel 24 






7 8 



Per Königin futfe nafyeftcfycnöe Perfoncn 

I. cSencral ron Kocfrift. 2. (Srdfin Po§. 3. Ddbrürf. 4. <Sraf ^angroitj. 5. ,f rc >*? erT Stfin. 
6. ftaatsfanjlrr tfarbenberg. 7. £cibar3t fuifclaui». 8. ,frau ron 5&rg. 9. «Seff. Kabiiiftt**Kat Heyme 



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macht, ber perfehlet (befonbers ftctjcn folcfje ITtcnfchen an 6er Spiße 6er ©efcßäfte) ganj 
6en Bjofjcu Beruf, ju welchem er eigentlich 6a ift, nefjmlidj Patt ju fyelfen, hilft er am 
Untergeben arbeiten. 

„(£in wahrer Staatsbiener muß oon 6cm ©eift bcfeelet feyn , alle UTitiel erftlidj 
aufjufinben un6 jweiiens im ©ange ju bringen, um 6en ^orberungen, 6ie 6em Staat 
gemacht werben un6 obliegen, ©enüge ju leiften, 6amit aller Dorroanbt fcfjminbe, 6er nur 
einiger Ulaaßen einen gewaltfamen Schritt bes ^einöes gegen benfelben rechtfertigen fönte. 
<£r muß pon 6em großen un6 einjig roafjren ©eßchtspunft ausgehen, baß por allen Dingen 
6ie Nationalität gerettet werben muß; baß 6er JTation alles baran liege, unter bem 
Sjepter eines Cugenbhaften Königs pereinigt ju bleiben; baß um biefen Dorjug unb biefes 
©lücf ju genießen, fte gewiß bereit fey, große Opfer ju bringen. Diefer ©ebanfe alfo, 
bem König bas gefamte Dolf unb bem gefamten Dolfe feinen rechtmäßigen 
König ju erhalten, biefer ©ebanfe alfo ift es, ber bie Seele aller Staatsmänner anfeuem 
muß, unb ber einjig unb allein ben Ceitfaben ihrer fymblungen ausmachen mäße. Dann 
werben ße (ich aus ben fleinligen Hücfßcfften heraus winben fönnen; bann werben fte Stoff 
ftitben , biefen ©ebanfen laut unb allgemein ju perbreiten; unb ben 2Hutb ben ©emüthem 
einjußößen, große ©pfer ju bringen unb ju tragen, um große Dortheile ju ßcf)ern." 

Die Königin ließ bem ©eheimen Staatsrat Dagier ihre Denffchrift juftellen unb 
forberte ihn jugleidj perfönlich auf, eine Derftänbigung feines Schwagers Ultenftcin mit 
IDittgenftein herbei juführen. Unb faum h al ße ih n gefprochen, fo fchreibt ße ihm bereits 
wieber in ihrer ungebulbigen Sorge {18. ZlTärj): „fjaben Sie ßch meines Uuftrages entlebigt? 
<£s liegt mir, wie Sic leicht benfen fönnen, alles baran, ba jeßt muß gehanbelt werben unb 
nicht bie alte Ceyer abgeleyert, bie ju nichts hilft, ©elb will ber UTcnfcß. Unb ©elb ju 
fehaffen muß jeßt bas Uugenmerf 3hres Schwagers fein." Ultenftein muß burchaus mit 
IDittgenftein Kücffpractjc nehmen. „tEbut er bas nicht, erfdjöpft er nicht alle Quellen, woraus 
ihm Kath unb fjülfe fommen fann, fo genügt er nicht feiner pßicfjt, unb hanbelt eigenßnnig." 

Das ITtinißerium ließ ßch junäcbß nicht in feinem gemächlichen ©ange ftören. Die 
franjößfetjen ^orberungen beantwortete man am 2{. UTärj mit bem an St. UTarfan gerichteten 
Untrage: Hapoleon möge ßch mit Ubtretung ber h°Uänbifchen Unleihe einperftanben 
erflären, wofür bie Käumung pon ©logau erwartet würbe, unb für bie Tilgung ber Seftfchulb 
pon ^8'/, UTUIionen ^ranrs eine ^rift pon UTonaten gewähren, ©leichjeitig würbe 
befcfjloffen, wie bas Krufemarcf angeregt hatte, ben Jelbmarfifjall Kalcfreuth nach Paris 
ju fenben mit einem ©lüefwunfehfehreiben bes Königs jur Demtählung Uapoleons. Doll» 
macht ju einer Untcrhanblung empßng er nicht; es würbe ißm nur aufgetragen, ben 

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Königin £ntfe uni) fturbrnbtrg 




franjöftfdicn Kaifer, bem man eine befonbcre ©eneigtheii für Kalcfrcuth jufcfjrieb, ju 
größerem IDoblmolIen für preußen unb bcfonbers jur Knnahme ber Ickten preußifchen 
Porfchläge ju beftimmen ; Kalcfrcuth erhielt auch ein pon Knrillon entworfenes ©lücfmunfch« 
fcbrciben 6er Königin an 6ie neue Kaiferin 6er ^ranjofcn , an JTTarie Couife, worin 6ie 
Hoffnung ausgefprodjen würbe, XIapoleon möge in öicfen (Tagen allgemeinen ©Iücfs un6 
allgemeiner .freube auch preußen einen Kugcnblicf 6es IDohlmollcns fchenfen un6 6effen 
Cei6en Iin6em. 



3njwifcheit blieben 6ie Bemühungen 6er Königin erfolglos; XIagler antwortete aus= 
mcichcnb o6er ablebncnö. Kud; 6ie perföhnenbe Dajwifchenfunft 6es Königs war ebenfo 
Dergcblid;, wie ein Perfuch IPittgenfleins, 6en .finanjminifter ju beruhigen. Pielmehr ging 
nun Kltcnftcin feinerfeits junt Kngtiff über. (Er wanöte fidi am (8. Ulärj an 6en König 
mit einer überaus umfangreichen (Eingabe, in 6er er IDittgenfteins (Einmifijung jurüefwies 
un6 6iefcn felbft mit außerorbentlicher Schärfe un6 Ceibenfchaft perfönlich angriff. (Er 
fprach t>on 6em Ceichtfinn , 6er .flüchtigfeil, 6en felbfüchtigen Kbftditen IDittgenfteins; 6ie 
Berufung auf fjarbenbergs 3 u ftimmung fei gerabeju eine Cüge. Die liationalbanf wer6e 
ju einer Hationaloerfammlung, 6ie Uationalperfammlung ju einer Kenolution führen, man 
wer6e 6en König nicht por fiunger fehüben fönnen. Die unleugbaren Schwächen 6er IDittgen» 
fteinfehen Porfchläge wies er unfeh wer nach; poßtipe Knträge enthielt feine Denffchrift nicht. 

Die Königin beeilte fich, IDittgenftein auch pon 6iefein Sdmftftücf wenigftetis im 
allgemeinen in Kenntnis ju fe|en. Sie fchrieb Ujm: „Die bewußte De6uftion ift angelangt, 
fie ift nicht fo angefertigt, als man es pon einem treuen Staatsöiener, 6er fcbnell hanöeln 
foll, erwarten fonnte. (Er ift heftig un6 grob gegen Sie, gröblich grob, öenn er bcfchulbigt 
Sie bcr füge. Der plan fei nicht pon fiaröenberg." Der König, 6er IDittgenftein 6ie 
Eingabe porfichtiger IDeife nicht mitteilte, fam nun im ©ebränge 6er ftdj befämpfenben 
Knfichten auf 6en Kusrncg, auf 6en 6ie Königin fdjon hingebeutet hatte. (Er erflärte 
6em ITtiniftcrium feinen „emftlichcn IDillen", es folle jur Bejahung 6er Kriegsfchulb 
„auch äas anfeheinenb Unmögliche mit Kufbietung aller Kräfte möglich" gemacht werben, 
.ferner aber befahl er, 6ic ganje Streitfrage fjarbenberg porjutegen unb ihn ju einem 
©utachtcn aufjuforbem. 

So perwirf lichte fich, was bie Königin pon Knfang gewännt hatte: fjarbenberg 
würbe wieber ju ben ©efchäften h^angejogen, pon einer Canbabtretung an Jranfrcich war 
nicht mehr bie Kcbe. 







Königin fuifc unb Rarbcnbcrg 






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(Butadien uni ausführliche Schreiben IDittgcnfleins, fowie jenen Brief 6er Königin Dom 
iq. ZTtärj, Öen 6er Jürft bis ju öiefer ftdjcren ©ekgenfjeit jurücfgebalten Ijalle. Der 
anberc Bote, Kriegsrat Scfjammebcr, brachte Denffdjriften unö Briefe doh Hagler unö 
Kltenftein. JDte gctjeimnisDoil bie Sache betrieben würbe, jeigt ein Schreiben Sdjarnmebers, 
6er ficfj unterwegs pon KTagbeburg aus als Kriegsfaffcnfcfjreiber bei bjaröenberg anmelöete 
unö ifjm fdjrieb : „Kleine Keife betrifft 6ie Untänöerung öes ganzen IDirtfchaftspIanes unö 
einen Streit, 6er öarüber jwifdfen öen IDirtfchaftsinfpeftoren enlftanöen ift. Da öie 
Beftellungen por 6er Cure ftnb, fo ift es eilig unö öringenö." fjaröenberg empfing beiöe 
Botfcbaften am 30. ITlärj in 6er Hälje (Böttingens, auf bem fjarbenberg. JDie er ofjncfjin 
3 U tun im Begriffe ftanö, pcrliep er gleich öarauf bjanuorer unö reifte öurd} Cbüringen 
unö Saebfen na* Branöcnburg, wo er in öer Bäbe Berlins Bedungen batte. Unterwegs, 
pon Horöbaufen unö Sangerbaufen aus, beantiportetc er öie ibm 5 ugegangenen Schreiben. 
Iler Königin fprad} er fein tiefes Bebauern aus, baj? bas beftimmte Berbot Hapoleons 
ibn zwinge, ftcfj bem preupifeben f}ofe noch femzuljalten. 3 n ^ or Streitfrage über öie 
Kontributionsaufbringung nabm er fofort entfd)ieöen gegen öas ITlinifterium partei, 
namentlich gegen KItenftein. Cr erflärte ji<h grunöfäplicb einperftanöen mit bem plane 
einer ^mangsanleibe unö einer Bationalbanf ; öer (ßeöanfe einer Hationalpertrelung fdjrecfte 
ihn nicht, er befürwortete ihn pielmebr. 

2luf öer IDeitcrreife, in fübben, erhielt Rarbenbcrg ein Schreiben IDittgenftcins mit 
öer Hacbricht, öap öas Königspaar ihn in Beesfow feben wolle. Der König gab fid) Öen 
Knfcbein, öort rufftfebe KTatrofen, öie in ihre £)cimat jurücffebrcnöe Bejahung jweier an 
Bapoleon übcrlaffenen rufftfehen Schiffe, beftchtigen ju wollen. 2lm f^. Kpril fanö öie 
^ufammenfunft ftatt, jeöocb ohne öie Königin, öie infolge einer Crfranfung ihrer Cochter 
Cuife in Berlin jurücfgeblieben war. Dafür batte öer König Scbamborft mitgebraebt, öer 
ficb pergeblich bemühte, eine Berftänbigung jmifdjen fjaröenberg unö Kltenftein berbeijufübren. 
Beftimmte Betabrebungen würben noch nicht getroffen, fjarbenberg betonte, öaf er fich 
erft über öie Finanzlage unö Öen Staub öer Bcrbanblungctt mit ^ranfreich unterrichten, 
por allem aber öie Borlage öes neuen Jlltenftcinfcben ^inanjplanes abwarten müffe. €s 
bauerte bann bis junr f. 2Ttai, ehe fjaröenberg, öer fld> abwechfelnö auf feinen (Bütern in 
Cempclberg unö in tiebtenberg bei Berlin aufbiclt, Kltenfteins neuen plan erhielt, Öen er 
nun im Caufe öes Illai mit Rtlfe Schamwebers unö einiger ^inanjbeamten, wie öes 
(Bebeimcn Staatsrats C’Kbaye, öes öurch feine Beröienfte um öie Cntwicfelung pon 3 l, öuftrie 
unö (Bewerbe fpäter fo berühmt geworbenen Beutb, unö anöerer prüfte unö begutachtete. 
Rarbenbcrg fanö Kllcnfteins Borfchläge „unzulänglich, unjuperläffig unö unbrauchbar" ; 

22 * 

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bem pefftmismus 6 c r ITCiniftcr fe^te er feinen glücflichen (Optimismus, feinen feften ©lauben 
an 6 ie reichen Hilfsquellen Preußens entgegen, ©r machte ftd) an 6 ie Ausarbeitung eines 
neuen ©ntmurfes jur (Tilgung 6 er franjöfifchen Kricgsfdjulb un 6 $ur Keform 6 es preujjifchen 
^inanjtoefens überhaupt. 

Darüber pergingen lange IDodjen ohne ©ntfdjeibung. Der Auffdjub führte unper» 
mciblid) ju Sd)roierigf eiten, fAlieplid) ju unhaltbaren un 6 unerträglichen 5 u f ,lin ^ ;n - 
IBährenb Hapoleon 6 ie Z a b' un 9 6 er 'Kontribution aud? bem fonft freuublicb auf= 
genommenen Kalcfrcuth gegenüber unerbittlich forberte, roaren auf Deraniaffung fiarbenbergs 
mehrere t>on Altenftein eingeleitete Jirtanjmapregeln fiftiert unb einige ,finanjbeamte, mie 
ermähnt, }u ihm abfommanbiert morben. Altenftein hatte nicht unrecht, menn er flagte, 
bajj ihm h' cr 6 urch bic feitung ber ^inanjgefchäfte unmöglich gemacht merbe, bajj bie 
Staatsmafchine jum Stillftanb fommen müffe. Die 5ügel ber Regierung feijlciften am 
Boben; um fo leibenfchaftlicher mogte ber Kampf ber Parteien, bie fid) je nad; ih rcr 
Stellung 5 U H ar 6 enberg in jmei fcinblicfj« Heerlager fpalteten. 

Auf ber einen Seite ftanbcu ber Hlinifter Altenftein unb ber ©eheime Staatsrat 
Hagler, beibc einft burdj H at 6 °nberg in Ansbach Bayreuth emporgefomnten, jetst feine 
erbitterten ©cgner, unb ber mit ihnen engperbünbete 3“ft'J'ninifter Beyme, mäljrcnb frdj 
©raf ©olfe mehr smifdjen ben Parteien beroegte. Altenftein unb Hagler ergingen fich in 
ben heftigften Auflagen gegen ZDittgenflein mie gegen jeben, ber frd} bem aufgehenben Stern 
Harbenbergs jumanbte; ihnen allen mürben bie felbfüdjtigften pcrfönlidjen ITCotiue nachgerebet. 
Bon H ar 6 enbcrg h u ’t? es, er fei nicht arbcitfanr unb fönne ohne Altenftein unb Hagler 
nichts madjen; überbies h<*be er fich burch fein Borhalten mährenb ber Berljanblungcn pon 
(Tilftt bei Kaifer Aleyanber unmöglich gemacht unb Hapoleon merbe ihn nie mieber als 
Hlinifter julaffen. 3 n 6 er ©effentlidjfcit mürbe perbreitet, Altenftein Habe ftch ber über= 
flüfftgen Atifchaffung pon Bärenmühen für einige ©arbetruppen miberfept unb fei barum 
in llngnabc gefallen. Z u Altenftein h>«tt fid? auch fein bisheriger Hlitarbeiter, ber ©eheime 
Staatsrat Hiebuhr, ber unter H'nmeis auf bie „beifpiellofe Zerrüttung unb Auflöfung" 
bes Staates am 23. Hiai ben König um feine ©ntlaffung unb um eine ©efdndjtsprofcffur bat. 

Jür H^röenberg mirfte nor allem Königin Cuife felbft. 3^ rc Berohrung für ihn 
mar auperorbentlid;; ftc erflärte [aut, bajj fte ihm biefclben ©efühle ber Achtung mibmc, 
roie ihrem eigenen Bater. IDie fie für H ar 6 enberg uncrmüblich tätig mar, fo arbeitete fie 
anberfeits gegen bas Htiniftcrium. Sie fdjrieb bamals bem König : „Könnte id; bod? burch 
meine ©egenmart allen Kummer unb alle Staatsforgen non Dir femljalten! ©ott molle 
Dich fernen unb erleuchten mit feinem beften ©eifte, unb in ben IBegen bes ©Uten unb 

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IDabrori ftärfcn. Das ftnb meine aufricfjtigftcn IDütifdjo. 3 <f) bcfchwöre Did), fei blofj 
auf Deiner fjut. Die ITtinifter in ihrer Schwäche unb Dummheit werben Dir gewijj 
fchlcchtc Xatfchlägc geben." Sefonbcrs erbittert war fte gegen Bagler, ber pon papieren 
ber Königin, bic er in fyänben hatte, permutlicf; wegen einiger Jteuf erungen über Bapoleon 
gefagt haben follte: „mit biefen feilen fann ich fic perberben." „Er benimmt fiefj heimlich 
gegen mich," fdjreibt fte über ifjn, „wie 3ulius Cange" (einer ber ^ritungsfehreiber, bie fie 
1806 angegriffen batten). „UIfo wieber eine Schlange an meinem Sufen." 

(Eifrige ^uftimmung unb Unterftüfcung fanb bie Königin bei ihren ©efehwiftem, 
Erbprinj ©corg unb ^rieberife, bic in Heuftreli^ in lebhafter Spannung bent (Sange ber 
Dinge folgten, unb prinj Karl, ber wieber als Ulajor in ber ©arbe cingeftellt war. 
€cibenfcbaftlicfje Jlnljänger t)arbenbergs, waren fte alle Ijöchfl unjufrieben mit bem Kuffdjub 
ber Entfdieibung, ben fte hauplfächlicb ber Schwäche unb Unentfcfjloffenljeit bes Königs 
jufebrieben, unb fte bewunberten um fo mehr ben „Engel", bie geliebte Sdjwefter Cuife, bie 
trofs il?rer Kränfiidifeit unb bei aller fjingabe an bie Eigenheiten bes Königs boeb jugleicb 
fo fräftig unb fo erfolgreich > n bie Politif eingriff. Bei Erbprinj ©eorg perbanben ftch 
mit ber fchwärmerifchett Begeifterung für bic Sdjwcftcr unb lebhafter (Teilnahme für bas 
preufjifchc Königshaus auch ber prcufjifcbc Staatsgebanfe uttb ein ftarfes beutfehes Bationah 
gefüljl, Empfinbungcn, bie ftch butch ben Umgang mit ^rau pon Berg unb ben Kufenthalt 
im Kuslanbe, namentlich > n Paris, fräftig entwicfelt hatten, „fjittge ich weniger an 
betten, für bic ich taufenb Ceben h' n 3 c ben würbe," fdjrieb er an Jrau pon Berg, „weniger 
an bem Staat, weniger an Deutfchlanb, pon bem biefer Staat bas letzte Stücf ift, fo würbe 
ich meinen Scbnecfengang gehen wie es fo piele anbere tun, aber fo greifts ins Ceben." 
Ebenfo wie Jrau pon Berg beflagte er aufs lebhaftefte, bajs bei ber Ungunft aller 
Bcrhältniffe bic fchönc unb retdte Begabung Cuifens nicht jur Entfaltung unb nicht jur 
Kuswirfuug fontme. „®ott, was hätte bas werben fönnen, werben müffen, wenn bas 
eherne ©efebief ftch nid)t unüberwinblich bagegeit geftemmt hätte ! 3*? r fjcrj, ihre Hetnhrit, 
unb alles was nur Cugcnb heilen fann, ift freilich faum mehr noch ber Bcrpollfommnung 
fäljig, aber ihr ©eift, ihre Eätigfeit unb alles, was baf)in gehört, 0, es ift fchrecflidj! 
Denn ich mufs es noch einmal wieberholen : bie pollfommcnften IDeiber jebes 3°dalters 
hätten ihr weichen müffen!! . . . IDic hat fie ihr Bewujjtfein bei biefem llnglücf herrlich 
jur Keife geführt!!" Unb an Sebmcfter Ebarlottc: „3<h fann Dir nichts Befferes wünfehen 
als fte wieberjufehen. Du follft fehen, bann fällt plö^Iicb alles Erbenleib pon Dir ab, 
unb es ift beffer als ein Cruuf aus bem Cetlje, benn nur bas Schlimme löfdjt fte aus uttb 
jebes ©ute glänjt perflärt in ihrem eigenen Cicbt. Selbft bas llnglücf, bas biefen Engel 

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Königin Cuife unb £>arbenberg 



öodj fo furchtbar perfolgt, crfcfjcint burd; öie 21 rt, wie fte cs erträgt, in feiner eigentlichen, 
bas (jeißt müröigen ©eftalt ... Da ift feine Spur non Kleinmut un 6 Unruljc, unö noch 
weniger pon Bitterfeit unö Caune. Sie beug» iljr eöles fjaupt geöulöig, weil ftc cs ftch 
fugen öarf: 3 * beuge es rein unö um>eröicnt unö trage nur öas Unabänöerlicfje, bas nicht 
wiöer öie ewige Cicbe ftreitet, wenn es audj aufljört mir begreiflich 3 U fein. Croßöem 
fönnen öie ffugcnblicfe tieffter Erfdiütterung unö öer (Tränen freilich ntcfjt ausbleibcn . . . 
IDenn fte ftdj öaun wieöer ermannt tjat , fo ermannt ftc ftch au & tjanj, wie fte alles ganj 
ift, was fte einmal ift, wieöer Ijcitcr, wieöer empfänglich für alles, wieöer teilncljmenö, 
fjelfcnö, gattj für anöere lebenö unö in ihrem ©lüd öas ihrige finöenö." 

Das rüljrigftc 2Tlitglieö öer Partei fjarbenbergs war unö blieb IDittgenftein, „2TIittlcr", 
wie iljn ^rau pon Berg nannte. Er war uncnuübltch unterwegs jwifdjcn potsöam unö 
Berlin, jwifdjen Berlin unö (Tempelberg, perljanöelte balö mit St. 2Tlarfan, balö mit 
fjarbenberg, trug Botfdjaften poti einem jum anöem, nerfafte felbft in feinen fehweren unö 
breiten Scfjriftjügcn ©utadjten unö Briefe oöer auch (Epigramme gegen 2Iltenftein, Hagler 
unö Beyrnc unö warb öabei immer neue Bunöesgenoffen für öie Sache fjarbenbergs. 

2luch IDilfjelm pon fjumbolöt, ©etjeimer Staatsrat unö im ITltnifterium öes 3 nuem 
<Eh«f &«r Unterrichtsubteilung, würbe in biefe ©egenfäßc perwicfelt, obgleich er ftch ron 
eigentlicher Parteinahme fern hielt. Er ftanö hoch in 2lnfctjcn unö ©unft bei Erbprinj 
©eorg, öer ihn in Hont fentten gelernt Ijutte. Bei einer öantals geplanten Beljöröen» 
organifation, öie an Stelle öes pon Stein porgefchlagcnen Staatsrats ein Konfeil fetten 
follte, wuröe öen ©eheinten Staatsräten eine ungünftigere Stellung jugemiefen. fjumbolöt 
fühlte ftch öaöurch fjcral> 9 cfc^t unö gefränft, fo baß er feinen Hbfcbieö ju nehmen befdtloß. 
Die ©efehwifter öer Königin gerieten öarüber um fo mehr in Erregung, als ftc glcidjjeitig 
erfuhren, baß BcYttte öen ftrenggläubigen König por fjumbolöt gewarnt hob«, weil es 
iljm an Heligion fehle, prinjeffin ^rieöerife erinnerte öaran, baß man geraöc fjumbolöt 
öie Einführung öer Pcflaloyifdjen BTctljobe unö öie Einrichtung öer ^oUcrfoficrt Schule in 
Königsberg perbaufe, woöurch öoeh Kcligiofttät unö Sittlichfeit geföröert würben. „IDenn 
öer König", fcf)rieb ftc an Jrau pon Berg, „fjumbolöt gehen lägt, fo müffen wir (Trauer 
anlegen, unö wenn fjarbenberg nicht wieöer in öas 2 TTiniftcriunt eintritt, fo müffen wir 
öiefe (Trauer unfer ganjes Ceben lang tragen." Sehr bemerfenswert aber ift, wie fjumbolöt 
felbft perfuhr. Er berichtete bem König am 23. 2fpril, öaß er jurüefjutreten geöenfe. 
Schon porljer jebodj, am ( 2 . 2fpril, wanöte er ftch an jrau pon Berg in einem ausführlichen 
Sdjreiben mit einer Klage über öie ihm broijenbe £>urücffeßung unö mit öer ausbrücflidjen 
Bitte, audj öer Königin öapott Mitteilung ju madjen. 3'* öer (Tat nahm ftdj Königin 




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Königin Cuift unS fiarbcnfacc^ 



Cuifo fjumbolbts fogleid) Tiadjbrücflidi an. Sie fprad) ntdjt allein ntii 6cm Könige, fie 
beauftragte auch IPittgenfiein, fjarbenbergs Kufmerffamfeit auf Qumbolbt ju lenfen. „<£r 
will abgeben," f di rieb fte ibm; „mir haben leiber feine eminenten Köpfe jupiel, unb es märe 
fdjabe, uienn mir biefen, bemährt er ftdj als fo(d)cr, nerlieren." Sie äußerte gerabeju ben 
Klunfdi, baß fjumbolbt Hlinifter »erbe, bjumbolbt erhielt halb barauf roenigftens ben 
Hliniftcrtitel unb mürbe jum ©efanbten in IDicn ernannt. 3 n einem Schreiben, bas er 
barübet an ben prinjen «Seorg richtete, anerfanntc er banfbar bie ^ürfpradjc ber Königin: 
„3dj meiß, mie fehr ich bas ber moblmollenbcn unb gütigen (Teilnahme ber Königin, 
beren ©nabe unb Pertrauen mid) tief unb innig gerührt haben, perbanfe, unb es ift 
meinem fjerjen Bciürfnis, tcuerfter prinj, 3h nen < ber Sie fo ganj ben IDert biefer einjigen 
unb nie genug verehrten Königin fennen, bas ju fagen." fjumbolbt hatte nicht lange 
porl)cr bem prinjen auch Perfc ©oetf)es für bie Königin jugefanbt, anfebeinenb bie 
„Stanjcn" über bie romantifche poefte. 

IDic fdjon bas Perhalten l)umbolbts jeigt, erfdjien als bie eigentliche Seele ber Partei 
ber Königin unb fjarbenbergs hoch ^rau pon Berg. Kn Begcifterung für „ben ©ngel" 
mürbe fte piellcidjt pon Prinj ©eorg übertroffen, in ihrem preußifdien Patriotismus non 
niemanb. Sie vermittelte ben Perfeljr ber Königin mit ben ©efchmifteni in Heuftreliß, 
betten fte faft täglich Bericht erftattete. So mie bie Königin auf ihren ©emafjl, fo mirftc 
fte felbft auf bie Königin: mahnenb, anfeuernb, megemetfenb. 3 n einem ihrer Briefe aus 
biefen Cagcn fdjilbert fte bödjft d)arafteriftifd) ftch felbft, ihre politifchc IPirffamfeit unb 
beren unüberminbliche Scbraitfe: bie Sd)tpäd)e unb Kränflidjfcit ber Königin. Sie fchreibt 
ben ©efehmiftern (franjöftfd), (8. Kpril): „Ber ©ngel ift ganj 3hrer Knftcht unb mirb alle 
3hre Ktigabcit unb 3h ro Sitten befolgen, ©ott molle ihr nur phvftfdj« Kräfte geben. 
3* fchmöre 3h"en, baß ich »ad) jebent Kugenblicf fpäljc, mo ihre Heroen nidjt ju angegriffen 
finb, um fte ju ben großen 3»tereffen bes Kugenblicf s jurüefjuführen. 3* füge mid} in 
alles, bränge mid) beinahe auf, um fte ju fpred;cn, man mirb fd)ließlid) micber fagen, baß 
id; e ' nc 3 n, rigantin bin, id) laufe ©efahr, ben lieben ©ngcl perbricßlidi ju machen, nichts 
mirb mid) entmutigen, id) feinte nur bie eine unb cinjige Kücfftd)t, bie Kücfftdjt auf ihre 
©efunbheit, ba fehlt mir bie Kraft, unb bas f)erj blutet mir, fte immer mit traurigen 
©ebanfen belaßen ju müffen, memt id) fte fdjon fo niebergebrüeft fefje. Uitb märe cs nur 
eine unangenehme HTebijin, bie ntan einmal nimmt unb bie barauf piellcidjt mirft — mie 
anbers ließe ftd) bann ber unangenehme Bedjer reichen! Statt beffen ift unfer <£ngcl 
perurteilt, ein Sifypljusrab ju brehett. — IDoher foll fte Kräfte nehmen? ©lauben Sie 
mir, id) habe nur einen bcfjerrfdjenben ©ebanfen, ben id) unermüblid) perfolge, mit aller 

3<3 



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Energie meines (Reifles uni meinet (Empfindungen: 6 as ift 6er ©edanfc, die Königin und 
iljre ^familic errettet, den Staat für fic erhalten ju fe^cn. 2lber es gebt jupicl 5 c 't 
perloren — in allem. Seit pier XDodjcn find wir pon der ©efahr unterrichtet, die uns 
bedroht, und nichts gcfd)iebt — ja, nach der Pcrgaugcnbeit ju urteilen, muß man leider 
fagcn: Zlidjts wird gefchehen!" . . . Kriegsrat Scbammeber, der in Hardenbergs 3«tereffe 
mit ^rau ron Berg in Derbindung trat, fand fic „fetjr geiftpoll und interejfant" und 
meinte, fic perbinde „mit praftifdjen ©efühlen und richtigen Knfid)tcn eine unbegrenstc 
(Ergebenheit" gegen fjaröenberg. „Sie find ihr 3deal," fcbricb er dem Btinifter, „und fie 
rerftcberf, daß Sie es nicht minder für die Königin find." Sdjamweber rechnete darauf, 
daß auch Scharuborft fcbließltcb auf Hardenbergs Seite treten werde und durch 'h n wof^ 
auch die Btinifter Dohna und ©olß. „fjierju", meinte er, „die Königin, ^frau pon Berg 
und die Siebe und das Dcrtraucn des H errn > f° mu i die Partie für gewonnen gellen." 

KUein die Entfcheidung über diefe „Partie", deren Kämpfe und IDcchfelfälle die 
allgemeine Kufmerffamfeit auf fich sogen und sugleich den ©ang des Staatslebens in 
preufen lähmten, fonnte nicht in Berlin fallen: fie muffe pon paris fommen. 

21m 10. Kpril war das Königspaar mit dem tjo fe in alter IDeife nach Potsdam 
übcrgcftedelt, wo auch das übliche ©rerjieren und Blanöpricren bald wieder begann. Die 
Königin, die Potsdam nicht liebte, fehrte häufig nach Berlin surücf su der fleinen Cuife, 
die dort lange franf lag. <5 ur politifchen Hot gefeilten ftefj , wie fo oft, häusliche Sorgen, 
namentlich um den Kronprinsen, deffen unbändiges IDefen immer pon neuem der BTutter 
(Eingreifen erforderte. „IPer Dir porredet," fdjrieb fie ihm am 26. Kpril, „daß dies Charter, 
daß dies wahre Freiheit ift, ift ein Barr oder ein falfcher freund. Die wahre Freiheit 
befteht darin, daß man nur tut, was gut ift ... Deinen IDillen bändigen, felbft wenn et 
im IDiderfpruch ift mit Deinen Beigungen oder mit Deinem ©efefjmaef oder mit Deiner 
Bequemlichfeit, das heißt Eljarafter haben." Dorfichtig und febonend leitete fie jeßt feine 
allmähliche (Trennung pon Dclbrücf ein. IDährend der bisherige (Ersieh« in Berlin surücf« 
blieb, nahm fie den Kronprinsen mit nach Potsdam, wo Knrillon, den fte, wie wir uns 
erinnern, auf Steins Empfehlung suni feljrer und (Erzieher ihres Sohnes erwählt h al, e, 
ihm Unlerrichtsftunden erteilte. Kncillon, deffen überlegene und umfajfende Bildung in 
ihren wellmännifcben formen der Königin imponierte, febeint bald einen gemiffen Einfluß 
auf fte gewonnen su habe», getftig fotrobl wie politifcfj. Kuffallend ift cs wenigftens, daß 
die Königin, fopiel wir wiffen, in dief« 5«'* nur fransöfifcbe Büch« las: neben KnciUons 
Schriften, die fic auch dem Pater empfahl. Je gönie du Christianisme“ pon Chateaubriand 
und J’esprit de l'histoire“ pon Jerraud, aus dem fie für den Kronprinsen geeignete Stellen 



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li-afcl 25 




Königin Cuifc im Kcitflcibe 
pjftrllarmj[>( reit (Errititf, ibio 



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abfdjrieb. politifcf; mar 2 lnctllon mit 6 fr Königin 6 a rüber einperftanben, bag jurjoit nieste 
übrig bleibe, als ftdj ^ranfrcich $u fügen, benn man inüffe t>or allem bod} erigieren; 
man molle „bie ©egenmart mit IDiiröc tragen, um bic ^ufunft ju perbienen." Küeffefjr 
Rarbenbergs unb Knlefptung an jranfreid] (eigenen eng miteinanber perbunben. 

Km 2 . ITlai famen auf ber pfaueninfel ber König unb Ratbenberg abermals 
jufammen ; bicsmal unter Teilnahme ber Königin, bic fclbft burdi IDittgenftein ben Hliniftcr 
baju eingelaben Ratte, fjarbenberg trat fetjr bcftimmt auf: er mollte ganje Krbeit machen, 
einen pollftänbigcii ITliniftermedifel burcbgefüljrt fcRcn. Der König nach feiner IDcifc fuchte 
ju pennitteln, perteibigte Hagler unb Beyme , münfehte Rarbenberg als oberften Katgcbcr, 
als Ijödifte 21utoriiät in jfinanifragen, als Präjibcnten im Konfeil, aus Kücfgdjt auf ^ranf* 
reich aber ogne unmittelbaren Knteil an ber ausmärtigen politif. Eine Entfcbcibung 
mürbe auch jc|t noch nicht getroffen; ror allem galt es, geh ber ^uftimmung Hapoleons 
ju pergemiffern. ^mei Tage fpäter, am 2Tlai, mieber unter iPittgcngcins Permittclung, 

fpracb Rarbenberg mit St. 2tlarfan. Er bat ben ©efanbtcn um feine Pcrmenbung, bag 
Hapoleon ihm mieber bie Teilnahme an ben preugifeben Staatsgefchäften , insbefonbere 
junädjft bie llebematjme bes Präjibiums „einer aus ben beften Köpfen ber prorinjen 
unb ber Stabte sufammengefetsten Pcrfammlung" geftatte. 3 n einer für Bapoleon be 
ftimmten (dinglichen Erflätung oerficfjerte et jugleicfj feine unbebingte 2lnljänglicf)feit an 
bas franjöfifdjc Syftem, feine Sorge für bie Erfüllung ber übernommenen gnanjiellcn 
Perpflichtungen. 

Pas Pcrljalten St. Klarfans bei biefor llnterrebung mar fo freunblich unb fo entgegen» 
fommenb, bag man am Potsbamer Rofe Roffitung 3 U faffen anfing, ileberbics famen aus 
Paris Briefe pon Schmefter Tljercfc, bic pon einem allmählichen llmfehmung jugunften 
preugens berichteten, ju bem auch ber bamals in Paris meilenbe öftcrreichifchc Staats» 
fanjlcr Illettemich mef entlief; beigetragen Raben folltc. „Espörez, espörez“, rief Cljerefe ber 
Scgmeftcr ju. 3 n ber Cat mar bie Stimmung für preugen anfeheinenb günftiger gemorben 
als feit langem. 2Ttit ber Jlnnerion pon Rollanb unb ber ^erftücfelung Spaniens befdiäftigt, 
mochte Bapoleon eine Permicfelung in Peutfdilanb gem permeiben mollen. So fügte es 
auch Königin Cuife auf, menn fie am 2 (. ITTai nach Petersburg an Kaiferin Elifabetb 
fchrieb: „3<h atme mieber etmas freier. Pas Bleffer, bas man fdion gejücft hatte, um uns 
ben ©araus ju machen, hal eine anbere Sichtung erhalten, unb ba bie Pinge in Spanien 
fchlecht gehen, fo roerben mir für ben 2 lugcnblicf perfhont, feine IPut fann geh bort 
fälligen." IPas aber Cuife nicht mugte, mar, bag Hapoleon auch aus einem anfeheinenben 
Entgegenfommen gegen preugen noch einen befonberen Porteil ju sieben gebachte ; er 

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beabftd)tigte, auf 6cm Umwege über fjollanb un6 im tiefften ©eljeimnis felbft 6em preufifefjen 
Staat einen (Teil 6es ©elbes jur Sejaijlung 6er Kriegsfcffulbcn ju leihen, natürlich $u 
mucfjerifchen < 5> n f sn - 

Die erfte Hadjriijt pon 6en für fjarbenberg künftigeren Kusfidjten erhielt 6er preufifche 
tjof fdbon am 25. 21Tai 6urd) 6en franjöftfchen KonfuI Ctercmbault, 6er auf 6er Durchreife 
pon Paris na* Königsberg potsbam berührte. IDenige Tage fpüter, am 27. Mai, fonnte 
St. Marfan felbft 6ie amtliebe Mitteilung machen, baf Hapoleon gegen 6en ©intritt fjarben» 
bergs in 6as preufifdje Minifterium nichts ciujuwenbcn hübe. fjoeberfreut fdjrieb Königin 
Cuife noch an bemfelben Tage an IDittgcnftein: „3* habe 3h r * n Brief mit 6er unbegreiflich 
angenehmen Hadiricfft bei 6er ^urücf fünft aus 6cni Manöper befomnten . . . Meine 
^rcuöe ift unausfpreAlict), 6em e6len Mann ©ereebtigfeit roiberfaljrcn ju fcljen unb 6em 
König unb 6em Canbe einen flugen, portreffliAen Mann tpiebergegeben ju fefyen." Der 
König felbft fprad; fjarbenberg feine grofe ©enugtuung aus, betonte aber auch, toiepiel er 
pon ihm eriparte: ©inigfeit in ben ©efehäften, Befeitigung aller Meinen 3 nl rigen, Schonung 
6er im Dienft befinblidjen perfonen. Die Kunbe pon tjarbenbergs Kücffehr, obgleich fie 
noef) geheim gehalten »erben follte, ipurbc rafA befannt unb faft überall mit ^rcube 
aufgenommen. „Machen Sie fie mir gelücfli*," fctjricb bie ©räfin Dof ihrem alten ,freunbe 
IDittgcnftein, „ift es ipaljr, baf le gr(and) homme 5ugegeben, baf f}. fömmt?" 

Kllein bie größte SAwicrigfcit blieb noch ju überminben. König Jricbri* IDilhelnt 
mar bereit, f)arbcnberg an bie Spifc ber ©efAäfte ju fteüen, aber er mar feinesmegs 
geneigt, ftd) non feinen bisherigen Ratgebern ju trennen. €s beburfte micberholter 
Porftellungen fyirbenbergs unb jroeicr Untcrrebungen (2. unb 3uni), pielleiAt auch einiger 
©inmirfung Cuifens, ehe ber König fidj cntfctjlof, fjarbenberg als Staatsfanjler mit ber 
„Ceitung aller Staatsangelegenheiten " ju beauftragen unb Kltenflein, Bcyme unb ben 
ber Königin befonbers perhaften Icagler $u entlaffen. ©rft nachbem alles entfehieben unb 
bie neue Regierung in IDirffamfeit getreten mar, fcfjricb bie Königin an fjarbenberg: 
„Hchmen Sic, mein roürbigcr Jreunb, meinen aufrichtigften Danf für 3h rcn IDiebereintrilt 
in bas Miniftcrium. ©ott »olle mit 3h ncn fei” bei bem grofen IDerfe, bas Sie begonnen 
haben, unb 3h» <n gelehrige unb treue IDcrfjcuge in ben Männern geben, bie Sie 
mahlen, 3h ncn ju gehorchen unb 5U helfen in ber grofen Krbcit, bie auf 3h nc n laftet. 
3ch bin »eit ruhiger, feit ich Sie an ber Spifee poti allem meif!" 

Die ©efAwifter »aren entjücft. Sie fahen in bem IDiebereintritt fyirbenbergs haupt« 
fachlich boef) einen Sieg Cuifens, bie »ie ber pon ber IDahrheit geweihte Scbilb Kriofts bie 
lügenhaften 3 ntr i;5‘ rn pemichtet habe; einen Sieg, ber aber ber Siegerin auch neue pflichten 

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auferlege. „IDie oft habe idj", fchrieb Erbprinj ©eorg an ,frau pon Berg, „gefagt, was 
Sic mit jegt fdjreiben: bag cs nur ber Pcranlaffung bebarf, um bic grögten Eigenfdjaften 
in biefem (Engel ju erwecTen; bag alfo eigentlich noch nichts an biefem (Engel perloren ift, 
meniggens nid)ts perloren tpäre, wenn nur jegt cnblid) an ber trefflichen Kusbilbung 
itjrer trefflichen (Eigenfefjaften gearbeitet werben Tonnte. Dabet fällt mir aud) wieber ein, 
was wir gleichfalls fo oft fagten, nämlich in welchem t)<>h cn Klage Eigenfehaften porhanben 
fein muffen, ba fedjs 3al;re fo h'n^ebracht, fie nicht hoben perwifchen Tönnen." Er 
forbert bann bie ^reuttbiu auf, ber Königin begreiflich 5 U tnadjen, bag ber KugenblicT 
gefommett fei, wo fte mehr wie je ab Kegibe ihrer KölTcr wicbererfdieincn muffe, benn 
fie Tonne es, nachbem bie Porfcljung ihnen einen Klann wie tjarbenberg 5 urücf= 
gegeben habe. 

IDie wenig pcrmod;te biejenige, ber biefe IDorte galten, ben h°h cn Erwartungen bes 
Brubers ju entfpredjen. 

llujweifelhaft war es ein Sieg, ein Erfolg pon lange nadjwirTenber Bebeutung. 
£uife war glücflich über Harbenbergs Ernennung, fte betrachtete ihn ab einen „Engel 
in ber Hot", aber fte fühlte ftdj nid)t ab Siegerin unb in bem crfdjäpftcn ©runbe ihrer 
Seele wollten Jreubc unb fjoffnung nicht mehr gebeihen. Dicfe furchtbaren 3 u h tc mit 
ihrem IDcdjfel pon SdjrecTcn unb ©efaljren, bie immer 'wieberTchrten, unb pon fdmteid)eln< 
ben Erwartungen, bie geh nie erfüllten, hatten ihre f eh machen Kräfte fdjlieglidj hoch 
faft aufgejehrt. Sie crfdjien fo leibenb, bag wieber an eine Kur in pyrmont gebadjt würbe, 
©em hätte fte ber Heilquelle, bie ihr 1806 ©cfunbljeit unb Kräfte wiebergab, wie ge 
fagte, „eine (Eh'änc ber DanTbarTeit" geweint — „(Tratten ber Jrcube Tann id) nicht 
weinen" — aber bie bort erwartete Knwefenheit ber Könige pon tjaUanb unb IDcftfalen 
unb bie grogett llnTogen fdjrecTten fte surücf. „Da id) nie an mich, fonbent nur an bas 
©an$e benTe, fo habe ich ,11 ein' gefagt, unb babei bleibt es." Dagegen glaubte fte an bie 
KIöglicf)Teit einer anberen Keife pon politifcher Bebeutung. Es h>cg, bag Zlapoleon nad) 
JranTfurt a. Kl. Tommcn werbe, unb fte Hielt es nicht für ausgefdtloffen, bag bann auch 
ge mit bem König baljin gehen würbe — „aus Kemunftgrünbeti". Kucf) pon einer 
^ufammenTunft mit ber öfterrcichifd)en Kaiferin war bie Kebe. 

3n foldjen Stimmungen f dt rieb bamals Königin Cuife an Sdjwefter Cherefc: „Kleine 
Seele ift grau geworben burch Erfahrungen unb KlenfdjenTenntnis, aber mein I)erj ift 
jung. 3^? liebe bie Klenfdjen, id) h°ff° f° ü c m, unb habe allen, id) fage allen meinen 
;feinbcn perjiehett . . . 3^) habe gelebt unb gelitten; es ift wahr. Es mugte aber fo 
Tontmen, um niid» ju läutern unb feg ju gellen im ©lauben unb Demut por ©ott, ber 

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bie trabrc £rfenntnis ifL 3 n biefen wenigen feilen bafl Pu mein ganjes Bilb, unt roenn 
Pu mit folgft, fo wirft Pu immer in allen meinen Staublungen tiefe (Brunblinien meines 
Seins roieberertennen . . 

IPar ibre Seele wirflieb fehon fo „grau"? Pie unrertrüflliebe 3 u 9 fn bfa*f | ihres 
fierjens, tos in jubelnber freute noch ebenfo überftrömen fonnlc wie einfi im „2Uten 
palais" ju ParmftaM, offenbarte ftefe gerate jefet in ihrem Hcidjtum, als jur Hücffe^r 
nadj Berlin unt tem IDiebereintriti Hartenbergs noch tie trilte unt gröfte freute ibr 
befebieten mürbe: eine Befuebsreife ju Pater unt ©rof mutter. 







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Zwölftes Kapitel 
Z>er Ausgang 
( 1810 ) 



Atängft tjattc bie Königin beit fotjnlidioi IDuttf*, Bater unb ©rofmutter, bie btt itjren 
8 t 3at)ten ni*t junt (Einjug na* Berlin gefomnten n>ar, in Heuftrelif 5 U befugen; bod) 
erft im £aufe bes 3uni, na*bem mit fjarbenbergs (Ernennung bie politif*en S*wierigf eiten 
befeitigt f*ienen, jeigte 6 er König ftdj ni*t länger abgeneigt, bem Bedangen feiner 
©ematjlin nadijugeben. 3 n f°^ c einer Kubeutung, bie fte barüber na* Beuftrcli^ gelangen 
lief, fcljricb tjerjog Karl am (5. 3unt feiner (Tochter, wie fefjr er fte mit bem König iljrem 
©ematjl balb bei ft* ju feljen wiinf*e. ^riebri* UMUjclm jögerte; enbli* meinte er, na* 
Heuftrelif möge er ni*t; wenn fic aber baljin uorausgcljcn wolle, fo werbe er na* einigen 
(Tagen na*fommcn unb mit *r unb iljrem Bater na* ljoljen$icri$ geljen, bem einige 
ZtTeilcn entfernter gelegenen berjogli*en fanbljaus, bas *m woljl wegen feiner Kcljnli** 
feit mit paref gefiel. BoQ ©ntjücfen ging Cuife barauf ein. IDic finbli* fonntc fte 
fi* bo* freuen! IDas *r f*wergeprüftes fjerj an fonniger ^röljli*feit, an innigflem 
©lücfsgefüljl no* in ft* birgt, fprubclt unb jubelt in ben Briefen an Bater, ©e» 
f*wifler, ©rofmutter. 

Bem Bater f*reibt fte am 19. 3 un * : »Hefter päp! 3* bin (Tüll unb Barucfy. 
•Eben in biefen Kugenblicf Ijat mir ber gute liebeoolle König bie ©rlaubnif gegeben, ju 
3l?tt<n }u fommen, befler Bater! 3* bin gatt5 Coli, muf mi* aber famntlen, ba mir 

s« 




ber König eine JHenge Aufträge an Sie gegeben Ijat. Doch ein matjl idj fomme! Den 
JUontag fomme idj. Bleibe 6en Dienstag unb IHittmocb! allein; bann fömmt ber 'König 
ben Donnerstag, — bleibt ben freytag, wünfdjt ben Sonnabenb nad) Kljcittsbcrg ju gefjen, 
bleibt nodj ben Sonntag bey 3b nc n, unb geljet JTTontag wieber mit mir weg! fjalleluja!" 

„ITlit ©ottes fjülffc fo wirb alles fo gefdjeljen. 

„3dj Ijabe nur ganj grob oljne ^aeon baf fo bafjin gefdjmiert, weil idj fürdjtete für 
©liief es in ©rbnung ju pergeffen. Dun bic orbentlidje ©efdjidjts--©r5äljlung." 

£uife bcridjtet bann bem Datcr, a>ie alles gefontmen ifl, unb bittet ifjn, fie nur „oljne 
Sang unb oljne Klang unb ohne Ceremonte* als „feine ergebene Codjter" 5U empfangen. 
„®ott wie freue idj mid), nein idj fann es gar nidjt befdjrciben, cnblidj fann idj ber 
IDelt beweifen, wie fefjr idj roünfdje, 3^ nen nieine ©Ijrerbietung ju allen 3 c ' f en on ben 
(Tag ju legen." 

Jim nädjften läge an Sdjwefter ^rieberife unb an bie Brüber: „©udj audj, ifjr 
Cieben ein IDort ber $reu bt, bie mein gan3es £)crj burdjftrömt . . . 3 et? bin fo glücflidj, 
wenn idj baratt benfe, bajj idj <£udj beinalje adjt Cage in Streliß fcljcit werbe unb bie 
gute ©rofjmama, bag idj orbentlidje Crampolini friegen fönntc, 3* perfneif’ mir aber 
watjrljaft bie ^reubc, weil fo oft, wenn id; mid; gar fo ausgelaffcn gefreut Ijabe, ein Quer« 
ftridj gefommen ift, unb foldje Kreuj* unb Qucrftridje wären vraiment aflfreux jeßt." 
Sie malt fidj bann lebljaft aus, wie ber Kaftellan in Deuftrciife Dorfeljrungen für ifjre 
Jlufnaljmc trifft unb wie bie ©cfdjwifter fid; freuen: „Der JHartin geljt gewiß je$t mit 
SdjurjfeU unb JHafjftab im ganjen Schloß umljer, reitet atemlos nad; fjofjenjieriß unb 
fömmt jurücf unb fagt: „3dj Ijabe fie alle untergebradjt." Du unb ^ricberife, unb Du, 
©eorge, 3*? r tfjut brill; „aber ©eorge", „fjörc bodj riebe rife" gebts ben gan3en Cag. 
fjalleluja! ©ott fei ©Ijr in ber fjbljc unb auf ©rben. ©r bclotjnt bodj audj recht fdjön, 
wenn man in Dentutlj bittet unb fanften fjer$ens geblieben ift, wenn Steinljarie einen 
peinigten . . . fjuffafa, trallala, halb bin idj bei ©ud; . . . 

„Didc JTlildj unb etwas ©rbbeeren fdjaffet bem König jum (Efjee; wenn bas leßtere 
in Deinen Primaten nod; nidjt fo rötljet, fo fagts papa nidjt, fonft ängftigt es itjn . . . 
fjumbolbt geljt nadj IDien unb ift ©reellen; geworben. 3 d) bin nodj nidjt apancirt, als 
im ©lücf, weldjes midj halb mit ©udj pereinigt, fjalleluja! . . . fjeute ift es warm unb 
winbig, unb in meinem Kopf fiefjt es aus wie in einem illuminirten ©ueffaften. Jllle 
,fenfter mit gelben, rotljen unb blauen Dorfjängen ftnb (jell erleuchtet, fjuffa! (Ceufeldjen. 
Jlbieu! Ilun will idj ber ©rofjmama pernünftig fdjreiben." Jluf ber inneren Seite bes 
Bricfumfchlags bemerft fie noch: „IDir bringen feinen Jlrjt mit; wenn idj ben fjals bredje, 

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fo flcbl mir ttjn fyeronymi [bes Paters Ceibarjt] »ieber an" — IDorte pon erfegütternber 
Porbebeutung, trenn man ficg erinnert, tras fidj »enige IDocbcn fpäter ereignen follte. 

Per ©rogmutter fdiricb ge (franjöftfcb): „Häcbft 6er Kücffegr nach Berlin betrachte 
ich biefe Seife als 6ie grögte Belohnung, »eiche 6ie Porfehung mir nach 6en Ceibcn, bie ich 
erbulbet habe, geben fann. IDetm nur nichts bajroifcgenfömmt!" ... Sie fügt bann noch einige 
IDorte über ihren ©cmagl ginju: „Der König hat [ich für mich nicht geättbert unb feit feinem 
Unglücf ifl er jebenfaüs achtungsmerter als je. Sein f^erj hat fich gegen bie ITIenfchheit 
nicht oerfchloffett, er ift immer mit bem ©lücf feiner Untertanen befchäftigt unb mit ben 
ITUlteln, fein groges ^tcl ju erreichen. Der IDiebereintritt bcs .Jrcigerrn ron fjarbenberg 
ift ein neuer ganj unbeftreitbarer Be»eis für bas »as ich fage, unb es ift fidjer, bag bie 
3ntereffen bes Cattbcs fiefj in feinen befferen fjänben befinben fönnett, unter ber unmittelbaren 
Ceitung bes Königs, unb in benen biefes draraftergrogen, eblen unb goeggerjigen Ulannes." 

Km 2f.3uni fiebelte bas Königspaar nach Charlottenburg über. Der König perlieg 
ungern Potsbam; er meinte fpäter, es fei »ie eine Kirnung geroefett, bag er ficfi baburcf? 
pon feinem ©lüefe trenne. Die Königin liebte bas Charlottenburger Scfjlog, auch ben parf 
mit feiner fch»ennütigen ^ichtenallee, in ber ge fo halb ihre legte Kubeftätte gnben follte. 
Die Cage pergingen rafch in Scifcporbereitungcn unb anberen ©efchäften. Km 23. 3uni 
»urbe cnblich bie ^rage ber (Erziehung bes Kronprinjen entfehieben, Kncillon unter (Ernennung 
$um Staatsrat enbgültig 5 um Erjieger eingefegt. IDie bei fjarbenbergs Berufung an bie 
Spige bet Staatsleitung, fo meinte Königin Cuife, beren IDerf hoch beibe Ernennungen 
hauptfächlich »aren, mit Kndllon bie befte IDagl für ihren Sogn getroffen ju gaben. Km 
näcgften Cage, einem Sonntage, befuebte bas Königspaar bie ^eröinanbs in Bellepue unb 
bas palais in Berlin. Bei ber Kücf fahrt Unter ben Cinben fiel es bem König auf, »ie 
Cuife ben ©rügenben mit befonberer ^reunblicgfeit unb Kufmerffamfeit banftc — als ob 
ge jugleicg Kbfchieb negme. Km nachmittag roar noch groge ©efcllfdjaft im Charlottenburger 
Scgloffe, in ber ftcf> bie Königin froh unb fetter be»egtc. IDägrenb ber König feinen 
bisherigen 3ufHjminifter Scyrne in Kbfdgebsaubicnj empgng, perteilte bie Königin fegerjeub 
unter ben Knroefenben Meine ©efegenfe, meift pon igren alten Sachen. Hacg bem Cee 
ging fte auf ber Schlogterraffe, auf ber jaglrcicge Spa$icrgänger perfammelt »aren, 
mit ber ganjen ©efellfcbaft einmal auf unb ab fpa 5 ieren. „Hie »ar fte fegöner," erjäglt 
^riebrieg IDilgelnt, „ein neuer Stroggut ftanb igr allerliebft" .... 

Km näcgften Itlorgen, 25. 3 u ni, perlicg bie Königin, bie in froger Erregung bie 
Hacgt faunt gefcglafen gatte, Cgarlottenburg — jubelnbe ^reube im Ijerjen, über igrem 
fjaupte Schatten bes Cobes. 3 n Saab unb fjige erreichte ge ,f ürftenberg , ben erften 

sst 



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mecflcnburgifdjen ©rt, wo 6er Batcr, beibe Brüber unb Scf?wefter ,f rieben fe fte erwarteten. 
Boi 6cm IDicbcrfoijcn mit 6cn 3i?rigcn fonnte 6ic Königin il?rc Tränen itidii jurü Jfjallon ; 
Ujro Umgebung balle bcmcrfon wollen, baß fcbon beim llcberfdjreiten 6ct preußifcf?en ©renje 
Ujre Weiterleit (icfj plöijl'd? in IDefjmut gcwanbelt babc. ©egen Ubenb fam 6ie Königin 
in HeuftteliB an; Bürgcrfontpagnien 5U pfcrbe gaben tljr bas ©cleil; am Stabttor, unter 
einem (Triumphbogen un6 bei 6en Klängen 6er HTußf würbe fte oom Bürgermeifter will» 
fommen geheißen. Die Stabt war feftlid? gefdjntücft; oon fjaus 3U tjaus, über bie Straße 
hinweg, jogen ftd? Blumengewinbc. Allgemeiner unb herzlicher 3ubcl begrüßte bie Königin, 
bie fd?öne Cod?tcr 2TtecfIenburgs. 2lm ©ingang bes Sefjloffcs empfing bie ©roßmutter, 
Canbgräfin ©eorg, bie ©nfelin. Sogleich, obwohl „jittcridj unb bebend?" non beut emtübenb 
heißen (Tage, eilte bie Königin bem ©emahl ihre Unfunft ju melben; fte banfte ihm nod?» 
mals für bie Keifeerlaubnis: „Dein Harne, mein lieber ^reuitb, wirb h'cr überall gefegnet, 
benn burd? Deine ©üte ftnb bet beftc ber Bätet, meine Stüber unb meine Sdtwefter auf 
bem ©ipfel ber ,freube, unb id? ebenfalls." 

gwei (Tage barauf entfdiloß ftd? bie Königin ©mpfang ju halten, ©ine Uugenjeugin 
erjäl?lt barüber: U>ir bewunberten ihre perlen. „3d? liebe fte aud? fel?r," fagte fte, „unb 
habe fte jurü<fgcl?alten, als es barauf anfarn, meine Brillanten hinjugeben. Sic paffen 
beffer für ntid?, benn fie bebcuten (Tränen, unb id? l?abc beten fopiele pergoffen." 

Um nädjften (Tage, 28. 3 un *> fam ^riebrid? lDilf?clm. Cuife, pott ber ganjeit 
Familie unb bem l)ofe umgeben, empfiug ihn mit außerorbentlidier £?erjlid?feit. 3 n einem 
„halb frohen halb wehmütigen (Tone", ber bem König „fonberbar auffiel", äußerte fte ihre 
Jrcube, ben ©emahl jum erften HIale im Ijaufe bes Baters, als prinjeffin pon ITIecfleit» 
bürg begrüßen ju fönnett; „nun erft bin ich Sans glüeflid?," benterfte fte ju Bruber ©eorg. 
Dann fehle fte ftd? an ihres Baters Sdjreibtifd? unb fd?rieb auf ein Blatt papier bie feilen: 
Mon eher Pire je suis bien heureuse aujourdhui comme Votre fille et comme Epouse 
du meillcur des Epoux. Neu Strelitz ce 28 Juin 1810 Louise £s ftnb bie lebten 
IDorle, bie Königin Cuife gefdjricbett hat. Das Königspaar fuhr bann mit bem fjcrjog, 
ber ©roßmutter unb bem ©efolge nach ber Heuftrelißcr Sdjloßfoppcl, einem Cuftwälbcfjen, 
wo auf einem Xafenplat? unter einer ©id?e (Tee unb Hiilef? gereicht würbe. ITtit tiefer 
Küljrung gebuchte ^riebrid? lDilf?elm fpäter, wie Cuife f?ier alles ttad? feilten ihr befannten 
Heiguttgen uttb ©ewohnljeiten einridjtete. Had; einem furjen Spa5iergang beftieg man 
wieber bie IDagcn uttb fuhr burd? Heuftreliß binbttrd? nad; Ijohcnjierih. 

©in froher Tag war ihnen hier nod? pergönnt. Die gemeinfame Kücfreifc nad? 
Berlin war urfprünglid? bereits auf ben 2. 3«i' angefeßt. Cuife bat aber ben ©emahl 

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üafol 26 




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Königin Cuifc auf 6cm Sterbelager i» liobciijicnß am (<). 3uli |8|0 

(ßtßodfctt Port D. dreier tidd? Päfjlirtg 



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Der Jlus^atig 




tnftänMg, ifjrem Pater un6 tfyr fclbft Me JrcuM ju machen unb nod} einen tTag 3 u$uget>en. 
„Jlbfdjlagett mochte id) cs nid)t," erjäljlt 4c r König, „icfj (teilte mid) jeöod) fd)crjenö fo an, 
als ob id) nid)t barein milligen fönnte, un4 pcrflccfte mid) ju 4cm ©nbc unter 4er ©arten* 
treppe, mo fie mid) lad)en4 f)erausl)oIte un4 id) mid) ergeben mußte." 3 m ©arten, unter 
Kofenbüfdjen, mürbe bann Cce getrunfen; es mareu bie lebten Stunben, bie tuife im 
freien perlebtc. 

Jim näd)ftcn JTtorgen, 30. 3 un >» füllte bie Königin, bie fdjon am Jlbenb porter 
über Kopfmcl) geflagt fjatte, ftd) fo leibcnb, baß ber für biefen (Tag geplante Jlusflug nad) 
Rfxinsbcrg aufgegeben mürbe. 3 ,rlmcr a bet l)offte man nod), am 3. 3«!* gemeinfam 
abreifen ju fönnen. Die Kranfljeit, bie ber fjerjoglidje €eibarjt fjicronymi anfangs für 
ein f)ißigcs lieber erflärte, fd)ien leid)t unb unbebenflid); an ©efaljr bad)te niemanb. Die 
Königin felbft, bie iljrcn leibeuben ^uflanb in Jlnmefenljeit bes Königs möglid)ft ju perbergen 
fudjte, jeigte nod) eine Ijcitcrc Stimmung. Bulb überzeugte man (Id) jebod), baß bie Kranf 
fjeit roenn nidjt ernft, bod) jcbcnfalls langmierig fein mürbe, unb am 3. 3 u b mußte fid) 
ber König entfdjließen, allein abjureifen, mit bem Derfpredjen, halb roieberjufommen. Kaum 
in €i)arIottcnburg angelangt, erfranfte er aber fclbft an einem IDcdjfelfiebcr, beffen Jlnfälle 
ftd) breimal mit großer fjeftigfeit roieberljolten unb il)n längere 3 C >* ans 5* m mer feffclten. 

Die Kranfljeit ber Königin (teilte ftd) injmifdjen als eine Cungenentjünbung Ijeraus, 
bie junädjfl einen regelmäßigen unb gutartigen Perlauf ju neljmen fd)ien. prinjeffiu 
Jrieberife unb Jrau pon Berg midjen Cag unb JTadjt nid)t pon ber eblen Kranfcn, bie 
il)r Cciben mit rüfjrcnbcr Sanftmut unb ©ebulb ertrug. Da inbeffen ber quälenbe ljuften 
unb bas ftarfe lieber nidjt nadjlicßen, mürbe ber befannte Berliner Jlrjt ©eljeimrat fjeim 
Ijcrbcigcrufcn; fjufclanb mar furj porter jum König pon fjollanb gereift. l)eint, bet am 
|0. 3uli in Ijoljenjicriß auf am, fanb bie Königin redjt franf, il)re ärjtlidje Beljanbluttg 
aber burdjaus angenteffen, fo baß er nad) jmei (Tagen mieber abreifte. IDeitige (Tage fpäter 
aber, am |6. 3uli, nafjnt bie Kranfljeit plößlid) eine l)öd)ft bebenflidje IDenbung. lDäljrenb 
bie Cungencnt 5 ünbung langfant jurüefging, traten Störungen im Blutumlauf ein, bie bas 
fdjmadje f)crj nidjt ju überminben permodjte. 3 m Ijcrjen felbft cntftanb ein Blutgerinnfel, 
bas tjeftige Bruftrrämpfe unb fd)mere Beflemmungen perurfadite. fjeim, ber jurüefgerufen 
mürbe, erfannte fogleid) ben lebensgefäl)rlid)cn Cljarafter bes Ceibcns. €s fd)ien feine 
5eit $u perliereit. Jltemnot unb ©rftiefungsanfälle fonnten jeben Jlugenblid bas ©nbe 
I)erbeifül)ren. ©in (Eilbote mürbe an ben König abgefanbt. 

Jim |8. 3uü mittags, in potsbam, erstell ber König, ber ftd) eben erft pon feiner 
eigenen ©rfranfung erljolt fjatte, bie Had)rid)t pon ber (Tobcsgcfaljr, in ber feine ©entaljlin 



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fdjroebe. Seine Beftürjung nxir (o groß urtb fo überwäitigenb, baß et anfangs feinen 
(Entfdjluß 5U faffen permodjte. Erft auf bas ^ureben unb Prangen feines 2Ibjutanien, 
JTTajor IDrangel, fußr er mit feinen älteften Söhnen, bem Kronprinjen unb fVinj HKIljelm, 
gegen llbenb pon (Ojarlotienburg ab. 21 m anberen 2Tlorgen, 19. 3uli, gegen 5 lUjr früh 
erreichte er tjoijensieri^, n>o fjeirn Ujn empfing unb fogleid) $ur Königin führte, beren 
fdjott feljr peränbertes Kusfefjen ifjn heftig erfdjrecfte. König ^riebridj IDilfjcim fclbft bat 
bie ©efdjidjte biefes (Tages, „bes ungiücflidjfteu Cages feines Cebcns", noch am (9. 3uii 
niebergefdirieben. IDir bürfen feine fcblidjt ergreifenbe (Erjäblung b'er einfdjalten. 

„Sobalb fie midj gewahr würbe, rpar tf?r bie lebbaftefte ^reube in ben ©ejtdjtssügen 
}u lefen. ,€icbcr .freuttb, wie freue idj ntidj, Didj ju feben, gut, baß Pu ipieber ba bift,‘ 
unb halb barauf, ,es ift bodi beffer beieinanber ju fein, es ifl bodj mehr tTroft.' «Jugleid; 
fügte fie mid; ju perfdjiebenen JTialen mit ber berjlidjfteti 3^brunft unb febljaftigfcit, midj 
an ibr ficrj brüefenb. 21udj lange nachher noch unb ab unb ju bis 5U ihrem Ettbe mußte 
id; ißre fjanb ballen, bie fie öfter mit ber $ärtli<h|)en 3 r 'nigfeit an ihren 2Ttunb brüefte unb 
fußte. Pas galten ber fjänbe fehlen fie jugleieb wie eine 21 rt Beruhigung 5U betrauten, 
ba aud; bie Kerjte unb anbere amuefenben perfonen, unter anberen prinjeffin Solms unb 
^rau pott Berg ein gleiches fortmähtenb tun mußten ... Sie frug mich: ,8ift Pu in bet 
neuen Betarbe gefommen? 1 2Us idj ihr antwortete: ,Itein, im gewöhnlichen offenen IDageit/ 
erwiberte fte beforgt: ,3n ber 22adjt, nach Peinem Riebet? 1 211s idj 5u ihr unter anberem 
einmal fagte, wie leib es mir wäre, ihr nidjt Häßlicher werben $u fönnen, fagte fie mit 
liebcpollet Stimme: ,©enug, baß Pu ba bifl.‘ tPie natürlich, war gleidj bei meinem 
(Eintritt meine Raffung babin, unb alle im ^intmer bei meinet Knfunft befinblidjcn perfonen 
teilten ftdjtbarlidj bas Hübrettbe biefer Sjene . . . 

„IDie idj ju meiner ^rau fagte, baß u,, b 2Pilb«lm ba wären, freute fte ftd) febr 
unb begehrte fte fogleidj 5U feb«n. Sowie fte beretnfamen, fagte fte ju bent älteften: ,IPie 
freue idj mich, mrin lieber ^riß, Pidj wiebersufeben/ unb ebenfo ju bem anberen . . . 
2Tlan glaubte, eine (Entfernung ber anwefenben perfonen würbe piclleidjt meljr Beruhigung 
gewähren, besljalb ging idj auf mein ^imnter. Balb barauf fant tjeim unb feßte mir . . . 
bas ©efabrpollc ihrer £age auseittanber, unb baß 5war 27Töglidjfeit, aber feine IDabr- 
fcheinlidjfeit 5U ihrer Befferung porbanben märe . . . Bei biefer ©elegenbeit meinte fjeim, 
ber furj jupor, wie meine ,Jrau ihn fowie bie übrigen Kerjte frug, bin idj in ©efabr? 
fte Pont ©egenteil 3U übetjeugen ftch bemühte, baß, ba allcrbings bie allergrößte porbanben 
märe, es bodj pielleidjt ratfant fein fönttte, baß ich fuchen mödjte, allein mit ihr 311 fpredjen, 
ihr swar bas, was ihr bie Jlerjte gefagt, wieberbolen mödjte, 3uglcidj aber bod? bemerfen, 

ss\ 



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Sn Uusgang 



mie man bcnnodj nie genau miffen fönnte, was über uns befdfloffen märe, unb fie fragen, 
ob fie melleicf^t nod; ctmas auf bem fjerjen gatte ober fonft nod; irgenb einen IDunfd; 
t^egte. <£r roollte mid; rufen laffen, mcnn er ben 2lugcnblicf günftig glaubte. Dies gefdjag 
etma nad) einer Diertelftunbe. 3 1 *? 9 >'ig alfo in bas Zimmer unb fanb fie jmar um ein ©cringes, 
aber bod; nur fetjr menig beruhigt. Kaum gatte idj jebodj nur pon bem, mas bie 2lerjte 
gefagt, ju fpredjen angefangen, als fie ftd) beunruljigt füllte unb mid) jemanb rufen gicjj. 
Da bie Kerjfe jebodi bie ©efagr immer bringenber merben fagcn, fo mürbe balb barauf 
dom mir ein jmcitcr Dcrfudj gcmacgt, mo id; bamit anfing igr alles fo ju fagcn, roie fjeim 
cs gemeint gatte. ^ugleid; f<mf i<g an igrem Sette auf bie Knie, itjre fymb füffcnb, unb 
fprach ju igr ogngefägr in folgenbcn IDorten: ,<£s ift niegt möglid), baff es ©ottes IDille 
fein fann, uns 5 U trennen. 3^ bin ja nur burdj Did) glüeflid), unb nur burdj Didi gat bas 
Ceben nur allein nod; Heij für mid;. Du bift ja mein einjiger ^rcunb, ju bem idj Zutrauen 
Ijabe,' — ,unb Ijarbenberg', fiel fte ein, — .follte ©ott aber anbers gebieten, fo nimm mid; 
mit.* 21 Is id; fie frug, ob fie etma ctmas auf bem fjerjen ober fonft einen IDunfd) gälte, 
fagte fte juerft : .Sein', nad) mieberfjolter .frage aber: .Dein ©lücf unb bie ©rjieguttg ber 
Kinber.' Diefes ßefpräd), mobei mir allerbings öfter bie gehörige Raffung mangelte, Ijatte 
fie, obglcid; cs mit aller Sorgfalt beganbelt mürbe, benttod) fegt gerüfjrt unb angegriffen, 
unb balb nachher fagte fie: ,2Tlad)e mir nid)t nod; fo eine Sjene unb bebauere mid) nidjt, 
fonft flerbe id).‘ fjiermit brad; id) bas ©efprädj ab unb gäbe id) fte nachher nid)t mel)r 
allein gefprodjen. Sei biefer ©elegenl)eit fügte fie mid; jum legten 2TIale mit bem 2Tlunbe 
mit ber größten gärtlichfeit unb brüefte mir bie fjanb ebenfo lieberoll, als id) fte frug, ob 
fte mir nod; gut märe. 

„Die Krämpfe, obglcid) nidjt mit gleicher fjeftigfeit, hatten jebodj nur menig nad)* 
gelaffen unb bie Seflemmung blieb unausgefegt. Sie fürd)tete ftd; aujierorbentlicg, einen 
neuen 2 lnfall ju befommen unb öfter miebergolle fie: , 3 d) leibe unausfpred)lid), £uft, Cuft. 
2ld) ©ott, fjerr 3 c f us < erbarme Did).‘ 3 U fjeim fagte fte nochmals basfelbc mie ju mir, 
oljngcfäfjr in ber 21 rt: ,Der König ift fo gut, aber feine neue Sjene, fonft fterbe id;.' 
2Tlan fudite fie auf eine möglicgft fcgieflidje 21 rt hierüber ju beruhigen. Salb barauf aber 
manbte fte ftd) ju mir mit bett IDorten: , .fürchte Did; nidjt, id; fterbe nidjt.' . . . 3*’ ri 
linfe fjanb begielt id; itt ber meinigen bis ju igrem (Ettbe. 2 lUe nur erfittnlidicn frampf* 
ftiUenben unb anbere littbembe ZTlittel murbett fortmäljrenb, aber umfottft angemenbet. Die 
tage bes Kopfes mürbe iljr immer ängftlidjer, unb ba man iljr unter anberetn riet, bie 
2lrttte ctmas meiter abjuljalten, fte mürbe baburd) Cinberung erhalten, fagte fte: .Das bringt 
mir ben Cob,‘ unb balb barauf: , 3 d) fterbe pon oben getunter. 2 ld) fjerr ©ott, Ijcrr 



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3efus, Pcrlag mtd; nicht“, unb ganj julc^t , als bie Krämpfe itjr beinahe fdjon ganj freu 
Ktcm benahmen : ,f)err 3«fus, mache es furj“, unb wenige Kugenblicfe nadjfjer, nahbern jie 
einige Utale fonpulftpifcf) mit bent ©eficbt gejucft batte, perfdjieb fte. 3 ^ brücfte itjr bie 
ftarren, gebrochenen Kugelt ju" . . . 

<£s war 9 Uljr morgens, am (9- 3 U '' ( 8 ( 0 , als bies eble £eb«n erlofd;- Ungefähr 
eine Stunbe fpäter trafen nod? ber britte Sohn, prinj Karl, unb bie alle fte (Tochter, prinjeffm 
Charlotte, ein, gegen Kbenb bie beiben Schroeftern bes Kbnigs, bie prinjeffmncn IDilhelminc 
pon ©ranien unb Kugufte pon fjeffen<Kaffel. Km folgenben Cage ocrfamnteltcn (ich alle 
noch einmal um bie Cntfcblafene. Knienb unb fchluchjenb fügten jie ffanb unb Stirn, 
ber König ermahnte feine Kinbcr, „ftch einer folcben UTuttcr ftets würbig ju 5 eigen unb fo 
ihr Kubenfen wahrhaft ju ehren". Dann nahmen alle Kbfchieb pon bem entfeelten Körper 
unb fehrten nach Berlin j uni cf. (Einige Cage fpäter würbe bie Ceiche nach Berlin über* 
geführt, wo fte junädjft im Dom, bann, am 23. Dejember, bem ©ebcnftage bes jweimaligen 
(Einjuges (l"93 unb 1809 ) in bem pon König ^riebrich IDilhelm errichteten UTaufoleum 
in Charlottenburg beigefegt würbe. 

* • 

* 

„Sie ift burd)S bjerj gcftorben, fte, bie nur barin lebte", — fo urteilte über bie entfeclte 
Königin prinjeffm IDilhelm, bie ihr im Cebcn fo nahe geftanben. 

3n ber Cat: pon bem fjcrjen empfing fuifens IDefen all fein £icbt, jenes warme 
Cicfjt, bas fie über ihren ©alten, ihre Kinber, ihr £anb ausftrömte. 

„Ulan muff fein ©lücf ficfj erhafh«n, bequem mit ber l)anb nimmt man es nicht." 
Hach bicfent ©runbfafe hot £uife gchanbelt. HHr erinnern uns, in wie ftrenger Selbftjucfft, 
unter weihen Kämpfen fie mit bem (Einflang t>on pflih* unb £iebe bas rehte Behältnis 
$u ihrem ©alten, bas ehelich« ©lücf errungen uttb behauptet hat. IDie Kntigone, ©ottes 
ungefhriebeue ©efege in ber Bruft, ift fie ihres IDeges gegangen, ohne je ju irren, nur 
auf bie Stimme ihres tferjens hötenb. IDäfjrenb bie Komantif ben C>pus bes pom JUanne 
unabhängigen IDeibes binjuflcllcn fuefft, gibt £uife bas Beifpiel freubiger unb rücfbaltlofer 
Eingabe an ben ©atten, an beffen ©efhmacf unb Heigungcn. 

So fdjafft £uife mit ihrem ©entahl bem f)ohenjolIcrnhaufe ein Familienleben, beffen 
fhlihte fjerjlief)feit ben ^e'tgenoffen immer ein ©egenftanb ber Bewunberung, ben Hah* 
fontmen immer ein Borbilb gewefen ift. IDie umfafjt fte mit allem Keihtum ihres 
fyrjens ihre Kinber unb beren ^ufutift, wie fuht fte ihnen bie ©leihgültigfeit ber äujjeren 
Borgänge, bie alleinige Bebeutung bes 3 nn enlebens flarjumahen; fie beflagt es nid)t, in 

SS4 



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Her Jtusgang 



einem „bronjenen Scfulum" geboren ju fein, 6a fte piclleidit „©cfdjepfcn 6as Dafein gab, 
6ie jum IPoljle 6er ITTenfdjIjcit beitragen ir>er6en". IDir toiffen , die 6en Kinbem bas 
Knbenfen 6er Ulutter allcjeit heilig mar, die ifjr Segen ignen fyiufcr baute, ^rcilid), aud) 
ifjrer ©indirfung auf 6ie Kinbcr — wir fagen cs in 6er ©rjiegungsgefdjidjte 6es Krön* 
prinjen — mären enge ©renjen gejogen. 

So mar es eigentiidj aud; mit iijrem 2(ntcil an 6er preugifdjen Politif: überall ftanben 
iljr Scgranfcn entgegen. Unb bod; ftnb feit 1805 teenige groge ©ntfdicibungen getroffen, 
an benen fte nidit in bet einen ober anberen IDeife miigedirft i;ätte. Uas Ijing bod; tttogl 
bamit jufammen, bag alle Strömungen, bic bas preugifdjc Dolf bemegten, aud; burd; if>r 
fjerj gingen. JUit rüljrcnber 3nnigfeit liebte fte bies preugenlattb, die es einmal mar, 
— felbfl „mit feinem Sanbc" ; igre 3bealc lagen nie jenfeit ber fcgdarjdcigen ©renjen. 2TTit 
die rüdgaltlofem Vertrauen, mit die unbebingter guperftdjt fam fte bem grogen Heform» 
minifter, bem Jreigcrm t>om Stein, entgegen. ,,3d) r>erftd)crc Sie," fdjrieb fte noeg im 
Kuguft 1808 ber Jrau con Berg, „bag, denn id; iljn an ber Spige ber ©efegüfte deig, 
fo ift cs, als ob id; rnieg graber galten unb ben Kopf leicfjtcr t>on einer auf bie anberc 
Seite bedegen fönntc." IDie dirfte fte für f)arbenbergs Kücfberufung! 2TUt einem iljrer 
legten Ktcmjügc l;at fte bie Jreunbfcbaft junfdjcn ^riebrieg IDilgelm unb fjarbenberg bcftegelt. 
Unb als ber König uon f)obenjierig naeg Berlin jurfieffam, bat et feinem ZTlinifter bas 
IDort abgenommen, bag fte beibe miteinanber ausbarren dollten, bis ber Cob fte trenne. 
So fd)log fteg glcicgfant über bem Sarge ber Königin ber Bunb, ber alle 2Ued)fclfälie ber 
nädjften 3 a b ri überbauerte unb bie ©runblagcn für bas neue preugen fdjuf — Königin 
Cuifens legte, grögte unb dirfungsrollfte Cat. 



35 ? 




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Anhang 

Die 3eitgenöffifcf?en Bilbniffe ber Königin fuifc 



Pon 

paul Seiftet 

i Sp'ci ber jlluftrierung biefer Biographie 6 er Königin €uife ift bas ßauptgewicbt auf bie 
IPiebergabe ber beftcn Bilbniffe ber Königin gelegt worben, benen allein 18 Don ben 
28 (Tafeln gewibmet ftnb. Die allgemeinen Porftellungen pon ber äußeren <£rfcf)einung ber 
Königin finb fo wenig geflärt ober burefj niobernc Darftellungen beeinflußt, baß es por 
allen Dingen wichtig erfebien, bem €efer porsufübren, wie Königin Cuife ihren ^eitgenoffen 
erfchienen ift, uub ihm bureb bie Datierung biefer Bilbniffe bie lTlöglid}fcit ju geben, Ujre 
jablreicb porbanbenen unb ficb anfebeinenb oft wiberfpredjenben Darftellungen ju beurteilen 
unb ihnen ben richtigen platj in ber «Entwicfelung ber äußeren (Erfcbeinung ber Königin 
5 u geben. Don ber Darftellung ber ©ertlicbfeitcn , an benen Cuife gelebt bat ober bie für 
ihre Cebensfcbidfale pon befonberer Sebeutung geworben fmb, ift gänjlicb Kbftanb genommen 
worben, ffier ift bas überlieferte ZKaterial in feinem biftorifeben unb fünftlerifcben IDerte 
ein 5 U ungleiches, um in ben Kabinen einer Biographie wie ber porliegenben gewaltfam 
bineingejwängt su werben . 1 Dafür fonnte es bureb eine neue Krt ber IDiebergabe ermöglicht 

1 v f»r birjenigrti, bir bas hierin uorlfanbene material gern Pennen lernen »ollen, bietet bas ffoffen» 
3oUern-3ahrbud? in ber inet|rfa»ter Kuffätje von (ficbeimrat Baillen über bie Königin £uife 

pielfatbe «Selegentfeit. Pergleid>e ferner aud? meine 21nffd^e über „Königin £uife im öilbe iljrer Seit* 
im 3<>ltrgang »905 unb: „§ur <Sefd?id?te bes Kronprinjen • palais in Berlin, insbefonbere ber ehemaligen 
UVljming ber Königin £uife* im 3«iilTgnng 1907. 



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CUnbamj 




»erben, bag aus bem .Jamilien* unb ,freunbesf reife ber Königin Cuife allein ^5 Porträts 
»icbcrgegeben »erben fonnten. 

Ein jeber Deregrer ber Königin Cuife glaubt genau 3U »iffen, »ie ber „Sdjuggeift 
preufens" ausfag, aber im ©runbe ift es ein ©emifd) pon jiemlid; unbeftimmten Ein= 
brüefen, bie fiel) in ber «Erinnerung ju einem Silbe ber fdjönen Königin perbidjten. Die 
©rabfigur ron Saud), bas in jatjlreicfjen Seprobuftionen perbreitete mobernc Silbnis non 
©uftap Siebter unb bas Stanbbilb pon E. ©liefe im (Tiergarten bilben bei ber freute lebenben 
©encration »ogl bie f)auptbeftanbteile, aus benen bie gerrfdjenben Dorftellungen über Cuifens 
Erfebeinung fiel; jufammenfegen. Unb bodj fmb alle biefe nab bem Eobe ber Königin , jum 
(Teil über febjig 3a^rc fpäter, entftanbenen Darftellungen niefjt geeignet, uns ein richtiges 
Bilb pon Cuifens äugerer Erfebeinung gewinnen 3U laffen; es Fjat igr, im ©egenfag ju 
^riebrid) bem ©rogen, ein iUenjel gefehlt, ber mit fdjarfem Uuge unb fünftlerifdjem ©efügl 
alle giftorifdj beglaubigten Ueberlieferungen pereinigenb, ein abgefdjloffenes überjeugenbes 
Bilb pon igr ins Ceben treten lieg. Unberfeits ftnb uns fo piele Darftellungen ber 
Königin Cuife aus igrer ^eit erbalten, bag es einer Heufdjöpfung, »ie bei bem pon ber 
$eitgenöffifd)en Kunft fo arg pentadjläffigten unb migbanbelten ^riebridj bem ©rogen, gar 
nidjt bebarf, »enn ja auch bem Bebürfnis »citer Kreifc, bas Biibnis ber populärften aller 
preugifdjcti Königinnen für ben jeweiligen ©efdjmacf juredjtgemadjt 3U feben, bie Beredj= 
tigung nicht gänjlidj abgefprod)en »erben foll. 

UUerbings müffen wir uns bei biefer Betrachtung por allen Dingen flar »erben, bag 
es ein gewiffennagen einheitliches ihre perfcfjiebenen Cebensperioben erfdjöpfenb jufamnten» 
faffenbes 23 ilb ber Königin überhaupt nidjt gibt unb audj nidjt geben fann. IDie neben 
bem „Ulten ,frig" erft allmählich eine eingeljenbere fjiftorifdje Betrachtung audj ben jugenb* 
lieberen Jricbridj ben ©rogen in feinen Silbern ju feinem Hedjte gelangen lägt, fo roirb 
cs audj mit ber Königin Cuife gegen. Die Stenge will in iljren Bilbniffen bie fdjöne gereifte 
^rau, bie ©egnerin Hapoleons unb ben Sdjuggeift Preugens fegen, für ben tiefer 
bringenben ©eift aber gc»ägrt es einen eigenartigen Seij, bie Entoicfelung pon Cuifens 
perfönlidjfeit audj in igren Bilbniffen anberer feiten ju perfolgen , felbft wenn fle nidjt pon 
befonberem fünftlerifdjem U)erte ftnb, unb junädjft bapon abjufegen, »as in biefen Silbern 
bem eigenen ©efdjmacf fyiitpatgifd) unb jufagenb ift, fonbern bas Egarafteriftifdjc erfennen 
unb ȟrbigen ju lernen. 

Bei ben Bilbniffen ber Königin Cuife laffen fidj brei ©ruppen unterfdjeibeit , bie mit 
igrer förperlidjen Ent»icfeluiig in engem ^ufammengang ftegen. Pon ber Kinberjeit müffen 
wir abfegen, ba ftdj aus igr feine Bilbuiffe — »enigftens feine $»eifellofen — ergalten 




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haben, fonbem ich rechne hie erfle periobc ron her Brautjeit Hs jum ©nbe hes ^aljr» 
fjunherts, alfo has 17. Hs ungefähr 23. Cebensjahr her Königin umfaffenh. Die Silber 
hiefer 3**t feigen Cuife als eine jarte mähchcn hafte ©rfcheinung mit länglichem ©eftcbte, 
emficn juweilen träumerifchcn 2Iugen, unh reichen, locfigcn, blonben paaren. 21 us hiefer 
periohc ift uns eine fehr große 2lnjahl t>on Bilhniffen erhalten, hie ifjre jarte fanfte Shirts 
Ijeit jum teil in has hefte Cicht fefeen. Die jweite periobe möchte id) ixm hem Beginn 
hes neuen 3 a *) r ^unherts bis jum llnglüdsjahre 1806 hatieren unh fie jeigt uns Cuife im 
2llter ron 2^ Hs 30 3*if?rcn als roll erblühte fdtöne Jrau in wahrhaft föniglicher ftrahlenher 
unh auch itjrer IDirfung bewußter ©rfdfeinung unh ron unenhlicbem Ciebreije, wie fie uns 
fowof;! aus hen Sdjilheruugen hegeifterter 3eitgcnoffen trie aus hen Bilhniffen ron 21Tahame 
Pigöe le Brun unh ©raffi entgegentritt. Die hritte periohe, aus heren erften 3 a hren uns 
Bilhniffe non Beheutung aus naheliegcnhcn ©rünhen überhaupt nicht erhalten fmh, jeigt, 
baß hie hurch has Unglücf hes Paterlanbes, Kranfheit unh fermere jamilienforgen herror- 
gerufenen jahlreidjcn (Tränen hen ftrahlenhen ©lanj ihrer 2Iugen getrübt haben , unh baß 
bei ihrer ,figur eine wohl auch mit ihrer Kranfheit jufammenljängenbe frühjeitige 21nlage 
ju matronenhaften formen fteff bemerfbar macht. 3*? r (fließt fidi hann als rierte ©ruppe 
nod) He große 2lnjabl ron balh nach ihrem ©obe entftanhenen Bilhniffen an, hie alle mehr 
ober weniger unter Bcnußung her (Totenntasfe unh früherer Bilhniffe entftanhen finh. 

hom 1 hat in feinem Budje über hie Königin Cuife jum erftenntal ein angebliches 
Kinherbilh her Königin publijiert, has fie im erften Cebensjafjre hargeftellt auf einem 
©emälhe jeigt, has hie 2nutter in hen fjäuben hält unh auf has fie hurch eine fymbbemegung 
hinweift.’ Daß es fich um hie 2Tlutter her Königin Cuife, hie fjerjogin ^rieherife banhclt, 
ift jweifellos, ha has ©egenftücf ju hem Bilbe hen hurch feine eharafteriftifchcn ©eficbtsjüge 
unrerfennbaren Pater Cuifens harftcllt. 21ber hürfen wir ohne weiteres her (Trahition folgen, 
hie in hem Kinherbilh hie fpätere Königin Cuife fcljcn will? Bach meiner llcberjcugung 
liegt eine große llnwahrfd>einlid)feit bann, haß ein ©Itempaar fich unter Perleugnung feiner 
beihen älteren Kinber’ mit hem hritten allein porträtieren läßt, um her ©roßmutter ein 
©efchenf ju machen. So leih es uns tut, hiefes reijenhe Bilh nicht auf Cuife bejicljen ju 
hürfen, fann hoch nur als IPahrfcheinlichfeit erflärt werben, haß es fich hier um has erfte 



1 fjorn, Z>as 3?udf ron ber Königin tuife. Berlin ;e85. 

* Eigentum Seiner K3niglid?en fjoljeit bes (Srogfye^ogs pon treffen. €ine rerfletnerte alte Kopie im 
fio^m 3 oUem'irinfenm 3 eigt bie beiben Eltern anf einem i*ilbe pereinigt bargefteOt. Kbbilbungen im IVofyen- 
3 oIlem- 3 *>i?rbnd? 1905. 

■ £uife mar bas fedjfie Kinb iljrcr «Eltern, bodf blieben pon beti Alteren tSefdftpiflern nur jirei am £eben. 

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(Eafol 27 




Cotcumasfc un6 2lbguf 6cr L>uni> 6or Königin Cuifc 



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Kinb bes por ©lüef ftraljlenbcn paares banbeit, bas im Bilbe mit ben ©Item pereinigt 
feer ©roßmutter als ©efdjenf bargebraebt wirb. IPie faft alle prinjenbilber bes preußifeben 
Königsbaufcs aus 6er erften fjälfte bes 18. Jaljrljunberts im laufe ber 3 a b re beit Hamen 
Jriebridjs bes ©roßen jugeteilt befommen batten, wie alle im potsbamer Stabtfdiloffe 
porgefunbetien Spielfacben unb fonftigen Kiubergeräte ^riebridi bem ©roßen unb nichts bapon 
feftien brei jüngeren Brübern 5 ugef<b rieben mürbe, fo pennute icfj, baß aueb bei biefem 
Kinbcrbüb ber IPunfd) ber Pater bes ©ebanfens tourbe, inbem man auf ein Bilbtiis pon 
Cuifens ältefter Schwefter djarlotte, ber fpäteren Qerjogin pon Sacbfen=f)ilbburgbaufen, pon 
ber iticmanb etipas Näheres mußte, ben Hamen itjrer jüngeren, fo berühmt geworbenen 
Sdjtpefter luife übertrug. 21uf alle ,JäIIe ift uns in bem cmfprechenben Bilbe ein ficberes 
Porträt pon luifens HTutier überliefert, in beren jtrat nicht gerabe frönen, aber fympatbifeben 
uitb liebenstpürbigen 5ü9 en n?ir ailerbings, wenn wir nad; 2Xefj>ilicf)feiten mit ihrer (Eodjtct 
luife forfdjeit, weniger unmittelbare Bejiebungen ju entbeefen imftattbe fmb, als in 
benen iljrer Sdjwefter Charlotte, bie nadj ihrem <Eobc bie Stiefmutter ber fpäteren Königin 
luife würbe. (Dgl. (Cafe! 3, Hr. 1 unb 3 unb oben S. 17.) 

1. Königin luifens ©rfebeinung im Jllter pon ungefähr 17 bis 23 3‘>b rc, t- 

1793—1798. 

©ines ber früljeften uns erhaltenen jweifellofen Bilbniffe luifens rührt pon ber fianb 
iljres bantaligen Perlobten b er unb ift einem feiner Briefe Pom Kuguft 1793 beigelegt 
(Königliches fjausardjip). ©rmöglicbt biefes bilettantifdje wenn auch mit liebenber fjanb 
entworfene Bitbnis uns auch nicht, Schlüffe auf bie ©cficbtsjüge luifens als Braut $u sieben, 
fo bat es bod; ben befonberen IDcrt, bas einjige Bilb ber prinjefftn in ganjet ^igur aus 
biefer 3 c 't S u fein unb babureb uns ein Bilb pon ber Hrt ihres Koftüms in ber Brautjeit 
ju geben. (Mbbilbung (Tafel c|.) 

2lls fünftlerifdjer Darfieller ber ß5ügc luifens in ihrer Brautzeit fornrnt in erfter tinie 
unb fcheinbar als emsiger ber am Darmftäbfer f)ofe bamals picl befchäftigte Hliniaturmaler 
3<>hann ^riebtidj (Eielf er in Betracht, pon bem uns mehrere Darftellungcn luifens, wenn 
auch sunt (Teil nur in geftochenen Xeprobuftionen erhalten fmb. (Etwas leer unb uncntwicfclt, 
pielleidjt infolge ber bem Künftler ungewohnten großen Perhältniffe, wirfen bie <5üge ber 
prin$effin auf einer Profil$cichnung im flohen jollermHIufeum , bie burd) Unterfdjrift König 
^riebridf XDühelms III. als Bilbnis luifens aus bem 3al) rc l"9 3 (Eielfer beseugt wirb. 1 

1 ®uctfi abgebilbet im Qo^cnjoUcnt'^altrbud^ 1901, S. t2, roo biefe Unterfdjrift irrtümlich als pan 
ber t>anb Kaifer lUtlffclms I- Ijerrfitjrenb bejeidjnet mirb. 

3*1 



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Jtueg bei ben anberen Bilbniffcn (Eielfers bfirfen »ir niegt pergeffen, bog cs fid) um bic 
»eichen ^ügc eines nod) fcfjr jugenblicgen JlTäbdjens unb um einen pergältnismäjjig 
unbebeutenben Künftlcr gattbelt, beffen Arbeiten uns »ogl ben allgemeinen ©nbruef bet 
Jinmut feines JHobells gintcrlaffen fbnnen, aber für eingegenbere Stubien bet (ßcftegtsjüge 
fein genügenbes HTatcrial geben. Segr reijooü mug ein Hliniaturboppclbilbnis bet beiben 
brau Hieben Sd; rcefterti gemefen fein, bas ber Sdjtiüegermutter ber beiben prinjeffinnen, ber 
IMnigin ^rieberife, eine Porftcllung non igren beiben jufünftigen Sdjwiegertbdjtem gab, 
uns aber nur burd) einen Stieb non Soll übermittelt ift, ber in einer jur Pcmtäglung 
erfdjicnencn ^cftfdjrift auch bem gtogen publifum ein Bilb ber beiben jungen prinjeffinnen 
gewähren follte. 1 Jim fdjmädjften, roogl burd) bie Sdjulb bes Stedjers ,f. (Earftens, mirftn 
j»ei f leine profilbilbniffe ber Sd)n>eftem im Berliner Kalenber non \7yn, bie aud) pon bem 
Kronprinjcn fegr mißfällig aufgenommen werben, inbem er bei ber lleberfenbung am 
2. Dejember ( 793 an feine Braut fd)reibt; „Avez-vous jamais vu quelquc chose d'aussi 
abominable?“ ©n anberes pon Kardier (79^ tiad) (Eielfer geftod)enes fleines Doppel* 
bilbnis ber beiben Scgmcftcrn lägt gleichfalls bic Sdjroädjc bes Stediers erfennen. Sollten 
bie (Driginalbilbniffe ber Stidje jemals »icber ans Tageslicht fommen, fo »erben fie uns 
pennutlid) ein erfreulid)eres Bilb ron (Eielfers Kunfl gewagten, als biefe Seprobuftionen 
pon anberer f}anb.* Dag ber Kronprinj mit (Eielfers Ceiftungen nicht ganj jufrieben »ar, 
gefjt aud) aus einem feiner Briefe an Cuife pom (7. Dejember 1793 geroor, in bem er 
fegreibt, bog feine JITutter igm ein JTliniaturbilb Cuifens, pielleicgt bas oben genannte 
mit ben beiben Sd)»eftcm, gejeigt habe : ,Jc dois dire qu'on y reconnait votre visage, 
mais votre figure est tres tres mal copiee, et avec ccla M. Tielker vous a peinte 
dans un habillement peu avantageux.“ über um fo beffer, följrt er fort, man »irb 
jegt fegen, »ie piel fegäner bas ©riginal ift als bic Kopie. Trogbcm fdjeint (Eielfer 
uitausgefegt befdjäftigt gewefen ju fein, beim ein bejeiegnetes unb anfegeinenb (79^ batiertes 
anmutiges ITliniaturbilbnis in Berliner prioatbefig jeigt bas Kronprinjcnpaar im profil 
gefegen unb in ber Jlusfügrung ben genannten Stiegen »eit überlegen. (Jibbilbung Tafel ^.) 

Jlus einem Briefe fuifens an igren Pater pom 3 u 'ti (79? gegt ferner gerpor, bag 
fie fid; bamals »ieber pon (Eielfer malen lieg. Der Künftlcr gat fein uns niegt befanntes 

' fuifens unb ^frirbrrifens .... JInrunft mit» Permäblung in Berlin. 3m Dejember t7gs. 
Berlin 09*. 

* Dos lägt fid) au* aus feinem in biefer Seit entftanbrnen uub ans bem Batglag ber KJiiigin fuife 
ftammenben ITTiniaturbilbnis bes Kronpriujen im BohenjoUem-tnufeum folgern. IDabrfcbeinlicb i fr es biefes 
Bilb, bas bie Kronptinjeffin in einem OTebaiUon auf ber Brujt trug unb im 3 a *? r * 098 als bas befie ihres 
iSemagls bejeidfnelc. 



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Bilbnis felber in einem \ 7g3 batierten (ehr feltenen rcijenbcti Kupferfticf) wiebergegeben, 6er 
in 3 arien Tönen foloriert, 6ie junge Königin im profil in einem mit Xofcn ummunbenen 
ITieöaillonraijmen $eigt. 3 n 6em reichen locfigen fjaar ift ein ^eöerljut cingegod)ten un6 
bas weit ausgefdjnitlene Klcib lagt neben 6er befannten ßalsbinbe 6iefer 3ah tc eine j»eh 
fache perlenfette feljen. (Kbbübung Cafel l^.) 

Das erftc 23ilönis Cuifcns für ihren Verlobten aus 6er Brautjeit, 6as in 6en Briefen 
6es Brautpaares erwähnt »irb, ift mit Sicherheit lci6er niefjt mef)r nadjjuwcifen, auch 6er 
Barne 6es Künftlers »irb nidit erioäbnt. Zluf 6ic .frage .friebrid) ITtlljelms, ob fie bereits 
an bas ifjm pcrfprochctie porträt gebad;t habe unb bafür Sorge trüge, bag es äfjnlidj unb 
nid)t eine Karifatur ihres „charmant petit visage“ mürbe, antwortet fie: „Sie fragen, ob 
id) fdjon an bas Bilb gebadjt habe ? IDie fönnen Sie baran j »eifein. 3^ habe 3^ nsn 
perfproeben, es fo fdjnell als möglich machen $u laffen unb id) bin ein Btäbcfien pon IDort. 
Der Dlann ber mid) malt, gibt ftdj bie grögte ItTüIje, tdj habe ihm fdjon brei ITCale 
gefeffen, unb er hat nur erft bie ©röge ber Kugelt gemalt (bie $iemlid; flcin fmb, »ie Sie 
roiffen), ben Untrig ber Hafe unb bes Blunbcs, unb porlüufig fteht mir bas nod) gar nidjt 
ähnlidj. Das Bilb ift fo grog wie Sie cs mir an meiner fjanb gejeigt haben, id) habe 
ihm gefagt, mid) l)ödift einfad) ju malen, nid)ts auf ben Kopf unb weig gefleibet; id) weig 
bag Sic bas ©infadje lieben unb habe geglaubt 3h ren ©efdmtacf ju treffen." (Pgl. oben 
S. 35.) Bielleidjt hanbelt es ft d) hier um ein pon Sichert gemaltes BTiniaturbilbnis, bas 
uns in einem in Xötelmamer hergeftellten uttb Dannftabt (<9 3 datierten fleinen Stidjc pon 
Karl Sdiröber erhalten ift. 

Die Doppelhochzeit bes Kronprinjen unb feines Brubers mit ben beiben mecflen- 
burgifchett prinjeffntnen erregte natürlich in ben weiteften Kreifen bie grögte Teilnahme uttb 
bie Schönheit unb Bnmut ber beiben Sdjweftern madjte in allen fünftlerifd) intereffterlen 
Kreifen ben IDunfcf) rege, ihr Bilbnis in irgenb einer .form fünftlerifdjcr Tedjnif wieber 
jugeben, um als erfter bas allgemeine Bedangen befriebigen ju fönnen ober für bie Kunft* 
ausftellung ein befonbers a^icljenbes IDerf ju liefern. 

Sowohl aus ©rüiiben ber fünftlcrifd)en Qualität wie aud) ber ©enauigfeit ber förper« 
lidjen IDiebergabe beattfpruchen bie Darftellungen ber Königin Cuife pon ©ottfrieb Schabo» 
ben Dorrattg por allen anberen. Daju fontmt, bag uns pon Schabo» („Kunftwerfe unb 
Kunftanftdjten") felbfl bejeugt wirb, er habe für bie ©ruppe ber beiben Sdjweftem „bie 
Blage n ad) ber Hatur" genommen unb ihre ©arberobe ju feiner Verfügung gehabt, fo 
bag wir bentnad) berechtigt fmb, bei unferer Jeftftellung auf alle ©injelheiten ber Schabo» 
(eben Bilbwerfe böchften IDert ju legen. Schabo» ift aud) bie einjige Quelle bafür, bag 

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bie Kronprinjeffht in biefcn 3 a h cfn e ' nc Schwellung am fjalfe gehabt f/abt, ju bcren 
Derbccfuug ein auf allen itjrcn Bilbniffen biefer ^eit erfebeinenber eigenartiger Kopfpuß 
mit fjalsbanb bienen follte. 

Raffen wir bic Zeitteilungen bes Künftlcrs für} jufammen, fo ergibt fidj in bejug auf 
bie oo n ihm oerfertigten Bilbniffe ber Königin Cuifc, baß er im 3 a h rc (794 nach .fertig» 
ftellung einer Büfte ihrer Sdiwefter ber prinjefftn .fricberife, Büften oott fuife unb beut 
Kronprinjen .fricbrich IPilfjelm angefertigt hübe. Der Beifall, ben bie Büften ber beiben 
Prin$cfftnnen fanb, haben ben Ulinifter oon fjeinife oeranlaßt, eine ©nippe ber beiben 
Sdjtoeflem Ijerftellen $u laffen, bie 1795 ausgeftellt mar, unb beren Perfleinerung als 
Blobell für bie Ausführung in ber Königlichen porjellanmanufaftur bienen follte. Der 
große «Erfolg bes lebensgroßen Ulobelis bcioog ferner ben König, bic Ausführung in 
Ularmor bem Künftlcr in Auftrag 5 U geben. 

XDo befinben ftdj nun Ijeute bie oon Schabow genannten IDerfe? Das IHobell ber 
5d)»eftemgruppe ftefjt in ber Bationalgalerie, bie Ausführung in Utarmor in bem Ausbau 
ber Bilbergalerie bes föniglidjen Sdjloffcs in Berlin (Abbilbung Cafel 9 ) unb bas UTobell 
für bic pcrflcincrtc Ausführung in potjcllan in ber Königlichen porjellanmanufaftur. 
Auch oon ber Büfte bes Kronprinzen .friebrid) IDilfjclm laßt fich eine Ausführung in 
IHannor 1 im Badjlaffe Kaifer .friebridjs in Kronberg unb ebenfo wie oon ber Büfte ber 
Königin Cuife mehrere Abgüffe aus ©ips unb papiermaffe im tjotjcnjollem- JITufeum 
nad; weifen, unb oon ber Büfte ber prinjeffin .fricbcrifc gibt es gleichfalls einen Kbguß 
aus papiennaffc im f}ohenjollern» 2 TTufcum fowie ein erft f ürjlicf? aufgetauchtes feljr fchönes 
Ccrrafotta » ©f entplar in ber Bationalgalerie.* 

.für Sdjabow feficint bie Krbeit an bem Bilbnis ber prinjeffm ^frieberife oiel größeres 
3ntereffe gehabt ju Ijaben, wie an bem ber Kronprinjeffm, unb fie fommt auch bei ber 
Doppclgruppe fowobl wie bei ifjrcr Büfte beffer weg als bie ältere Schweflet. Das ift 
aud; burdj bas Baturell ber beiben Sdjweftern leidjt erflärlid). ^ür bie jüngere, eben 
fedjjchn 3ai ? rc alte lebensluftige unb übermütige prinjefftn ^fricberife waren bie Sißungen 
unb bie Unterhaltung mit bem Bilbljaucr ein amüfantcr ^citocrtreib, bas geht febon aus 
ben UTittcilungen Sdiabows über ihre intereffiertc (Teilnahme an bem ganjen Dorgange 
unb aus ihren Benterfungen l) cn 'or. .frieberife gibt nidjt nur ihre äußere ©rfdjcinung, 

1 Schaben« mrabnt nur cinr tTtarmorausfnlining, bie er als penbant ju brr bes Königs an* 
gefertigt bäte. 

* Dgl. £aban, 3- «-S. f-d.'abcu’S Conbüfte ber prinjefftn i ouis (^rieberife) non preugen in ber König* 
litten nationalgaterie. 3 J l)tl>ud; ber Kömglidj pteugifdjen Kunftfammlungen tjos. 

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fonbcrn audj tf)t 3*weres ben Augen bes Künftlers mit poüfter Unbefangenheit tjiti , unb 
ermöglicht ih n < , eine 6 er reijenbftcn, pollenbctften ^rauenbüften aller feiten 311 fchaffen. 
U>ic Schabow folcfjc unb ähnliche Aufgaben ju löfen fudjt, (jat er uns felber einige 3 a h K 
fpäter erjählt : 1 „IDeiblidje Säften finb eine 6 er fdj Werften Aufgaben in 6 er Kunft; 6 iefe 
ju löfen, höbe mir immer unglaubliche Uiüfje gegeben. Aefjnlidjfeit mit Unmut }u 
pereinigen, in einen UToment 6 en Hei} }ufammen}ufaffen, 6 er im Ccbcn burch bas Befreite, 
Bewegte, HTannigfaltige uncnblidi pieler IHomcnte liegt, erforbert ein }artcs Kunflgefüljl 
unb einen, möchte idj faft fagen, an £ift gren}enben Beobachtungsgcift." Die töfung feiner 
Aufgaben in biefem Sinne würbe ihni bei 6 er prinjeffin ,Jrieberifc leicht gemacht, unb es 
fehlte ihr aujjcrbem nidjt an ^5«it unb Cuft, bem Künftler ju ft$en unb ftdj in ber Unterhaltung 
mit ihm bic 3 e *t 3“ Pertreiben. So würbe es Schabow möglich, auch feine gan}e Seele 
in biefe Arbeit ju perfenfen unb wie Cabatt (a. a. ©.) ftdj treffenb ausbrüeft „eine formen* 
fprache ber Cieblidjfeit" }u geben, „bic }ugleich nichts als Hatur ift". Befonbers ber Blicf 
hat, wenn man bie Büfte im profil betrachtet, etwas unfagbar Be}wingenbes: es finb bie 
}arteften Auszahlungen ber Seele, bie feftgehalten über bas Bereid) ber Ausbrucfsmittel 
ber plaftif Ijinausjugehen fdjeint." Biefe Ausführungen waren nötig, um leichter }u per* 
ftcljen, was Cuifens Bilbnis }u fehlen fdjeint. 3h tc fowiefo ernftere }urücftjaltcnbc Hatur 
würbe burd; bic fdjeinbar ftänbige ©egenwart ihres förmlichen unb fteifen ©emafjls bei 
ben burd; Befudjc unb «Empfänge noch baju oft unterbrochenen Sitzungen bapon abgehalten, 
ftdj frei unb rücfljaltlos }u geben, unb es würbe baburch Schabow fehr erfdjwert, feine oben 
wicbcrgegebene Art ber Kunftübung bei weiblichen Büften mit bem «Erfolge }ur Anwcnbung 
}u bringen, wie bei ber leichtbeweglichen unb offenherjigen Sdjwefter. Berglei eben wir bie 
beiben Köpfe miteinanber, fo bleibt in bem tuifens immer etwas ^urücfljaUmbes, Unaus 
gefprodjencs, cs ift Schabow nidjt ganj gelungen, bem fdjönen Antliß bic Seele, bie (ich 
ihm auch wohl nidjt erfdjloffen hot, mit ihren lebten jarten Hegungen ein}uhaudjen. Bafj 
es ihm an ber ^fäfjigfeit baju nidjt gefehlt hoben würbe, ijot er burdj bas Bilbnis ber 
Sdjwefter glän}enb bewiefen. 

So piele Hadjridjtcn uns über bie fjerfteUung ber Porträts ber Königin Cuife pon 
©. Sdjabow erhalten finb, fo wenig wiffen wir über bie Art ber ©ntfteljung ihrer per» 
fdjiebenen }um ©eil fehr anmutigen pon 3- ,f- 21* ©ifdjbein gemalten Bilbniffe. Unfere 
Kcnntniffe befdjränfen fidj gan} auf bie Zloti], ba§ ©ifdjbein nach ber Angabe feiner 
©odjter in ben 3oljren (795 bis (800 in Beffau gelebt, pon bort aus Berlin befudjt unb 



■ Jrieblant&er a. a. O., S. n. 



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erx PwS'j»» >r ir-arT SAcwTvert rt tc'rs&zzSft zradl hx«. £~r Ot-ühcjS 
►/« 2Irt r% «r^r r.h Mir« xKThT, fcmocr tjs ra mySaS T^ai caesr ir-iier m 
ShjpcwC: TT^'rf.^rr ixi* vt l IcrkrfcS argc-aiä fv^x-r^irrT « ~e±trm± : *:»i S. XU 
st« 6 etru rt-yai-r fa-r.» Jai-rra baa tz Ür^tiAr', ht}r3»e ,f Trüben- :7£» sa 
p-rs^Ä'rfa«. Torri 5 7>e: er-.r~ fet"!' brr Krcxz Crrie scrt Tübeia 

wax ad bt — fräteTm r-.4t aas ihrer T "*^ fcr-r-.raben 5£ran i« jtohsesjüi 
17'// nr.virai< c'J eberSrUs aas i-Aetn ^yzbte fcz-rr -2 bss vfxrw Räiajs rc axsjcr 
.f'-.ttr, bas 6rs B'i 1 rdafcs -n fcer ti'vn m Strir-wr ri-de \± — jjj Pvs kön 
Dü, bryiünet rm „T^S-herr* C"£ irr jiabresjcH li^f, glnit 3 hohem Düse iem 
bn llirr.yn m iem D:tT'*Ü"-~.s brr be-.ita Sfe'recrT, Xs tm aas iem Srüv rvn 
Sinaovrrtit fmrun uni bürl aebtn bet J-.-ar pon Sdviiosc «seS int ensmntigit Der- 
fiepen) r.g irr Kinura Cutit aas irm IrKen Jahre ihn Krorpr_njdr---.tnjea. Hbb-iiang 
Cofrf 1 1 .j 

Derb li m an Btibntffcu irr Kimgin Care fo rrtivm £ci enÄrmmt aui ias (795 
bafirrle Doppeibtib irr iie BfifU ihres SebnntgerpjJers, its Kenias .fntirii UMbelm II., 
brfrär/nim brtben Sinrefirm pan .fnebrü Äecrg IPeiriii. jm Dcrglciäj ja irr Huf’ 
faffung Tifhbein*, brffen Doppelbilbnis ganj äbniii« Koßüme jeigl, eribeml Cuife förper’ 
li<ft ftattliAer uni f ruhiger, trnn biefet Tinbrui niiil burh üt ganje etwas grobfimige 
Drbanblung its Klaters perurfaebt fern follie. Hbbiiimng Cafel 7.) 

Don befortberetn Ciebreij ift bas ebenfalls biefer periobe mtftammenis: pafrcUbruftbili 
irr Hinein, irr« jufammm mil itm penbantbiibnis ihres (Betnahls irr Harne (Taffaert 
als Derfrrtigers traiitioncll anbaftet (hoben joUern'nufcumi. IDrnn nrir ianaii iirfr Sili» 
nifft irr Hlaltrin .frlutU (Eaffarrt, Cointr ies Dtlibaurrs Caffarrt in Brrlin jufcbrtibm 
ißrfen, müffrn fk pon irm Kinnen uni icm (Roibmai Mrfcr KünjUorin eine frbr aute 
Dorflrllunj rrtreifm. (Hbbiliung Cafcl 13.) Hrbnltb in irr Huffaffunä fmi ein Hein« 
Olrlbilinis Cuifens im Drfi&e ies (Rrafen IPinfeingeroie, ias als penianl ein Sili ihrer 
£<bn>efler .frieierife bat, uni ein aus icm Hadilaffe iiefer leiteten ftammenies fleines ©elbili, 
ias £ui(e mit ihrem ätieften Kinie, icm am 13. (Dftober 1795 geborenen fpäteren Kinig 
.frieiricb IDilbeim IV. auf bem Hnne iarftellt, uni fiA b iu, r ' m Befiße ies tjerjogs pon 
Cumlvrlaui in l>errenbaufen befiniet. (Hbbiliung (Tafel 8.) 

Die tTbronbefteigung am 16 . Hopember ("97 gab bet Künftlermelt neue Hnregung, 
Diliniffe ies jungen Kinigspaares brrjuflellen. So jeidjneten iie lfünftler t)einricb plöB 
uni Cbrtflian l)ornemann jufammen jtoei jetjt im f)obenjoUem ZHufcum befinilidje an« 
fpreebenie Diliniffc ies lfinigs ((797) uni ier Königin ((798), iie bann pon IHeno ßaas 

3t« 



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