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Die besonderen Reclitszweige im Entwürfe
eines
biirgerlieben Ocsetzbuclis fTir das deutsche Reich.
Fortsetzung und Schluss
der den allgemeinen Bechtslehren angewandten Abhandlnng:
Der EntwTarf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich
und seine Beurteilung in einer kurzgefassten Uebersicht hergestellt
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^ }
von
Dr. Rudolf Leonhard,
Profetsor der Rächte »n der CDlTersltit Uerburg.
Marburg.
N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung.
1892.
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Sonderabdnick aux dem Hechtxgelccrd Magazljn
vcrCffentlicbt mit Zustimmung der V'erlagsbuchbandlung dieser Zeitschrift
(de Erven E. Bobn zu Haarlem).
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ni.
Die starken Abweichungen von den römischen Regeln ,
welche den besondern Rechtszweigen im Entwürfe ini Ge-
gensätze zu seinen allgemeinen Vorschriften eigentümlich
sind, haben verschiedene Wurzeln und verschiedene Ziele.
Sie stammen theils aus rein wissenschaftlichen , theils aus
wirtschaftlichen Quellen und stellen sich theils als Verarbei-
tungen der rörai.schen Gedanken dar, verbunden mit Fortfall
veralteter Zuthaten, theils als absichtliche Umgestaltungen,
welche dahin streben , eine in Rom bereits gelöste Aufgabe
nunmehr nochmals auf bessere Weise zu lösen, endlich drit-
tens als spätere Schöpfungen , die aus nachröraischen Schutz-
bedürfnissen oder Schutzmitteln erklärt werden müssen.
Die zuerst erwähnte Stellung nimmt der Entwurf vornehm-
lich auf demjenigen Gebiete ein , in welchem das römische
Recht sich die meiste Anerkennung zu verschaffen gewusst
hat, den besonderen Lehren des Forderungsrechtes. Gerade
hier ist aus den römischen Quellen selbst der Trieb herge-
leitet worden, unvollkommene Gestaltungen zu vollenden
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und Veraltetes ab/.ustreifen. Die Verfasser des Entwurfs sind
sich dieser Aufjrabe wohl bewusst gewesen. Es zeigt sich
die.s namentlich schon in den Grundgedanken der Anordnung,
welche von dem römischen System vielfach abweichen. Die
Schuldverhältnisse sind in 3 Gruppen geteilt:
1) . Verpflichtungen aus Rechtsgeschäften unter Lebenden
(also vornehmlich aus „Verträgen“);
2) , aus unerlaubten Handlungen;
3) . aus andern Gründen.
Wir finden hier im Wesentlichen die Dreitheilung in
obligatioues ex contractu , ex delicto und ex variis causarum
liguris nachgebildet. Weggelassen sind also die Gruppender
obligationes quasi ex contractu und der obligationes quasi
ex delicto ') , was weniger Bedenken erwecken wird , als es
der Fall sein sollte, da ihnen ein vernünftiger Gedanke zu
Grunde liegt, nämlich das Bestreben einer gleichen recht-
lichen Behandlung reohtsähnlicher Beziehungen. Mag man
gegen diese Eiutheilung .sagen , was man will , kein vernünf-
tiger Mensch wird bestreiten , dass mandatum und negotiorum
gestio, Societas und communio incidens zusammen gehören.
Natürlich giebt es weder „Quasikontrakte“ noch „Qua.side-
licte“, wohl aber obligationes, quae quasi ex contractu (nicht
ex qua.si contractu) nascuntur, d. h. Pflichten, die den Ver-
tragspflichten ähnlich sind , weil sie wie diese zum Besten
des Verkehrsschutzes von der Rechtsordnung anerkannt sind.
Dass diese Nichtachtung der römischen Systematik zu einer
völligen Verkümmerung der Quasidelictsobligationen , welche
von vielen Seiten beklagt worden ist, beigetragen hat, ist
wahrscheinlich.
Man hätte also eintheilen sollen :
1) . Schuldverhältnisse, deren Anerkennung dem Verkehrs-
schutze dient : a. aus Rechtsgeschäften ; b. aus andern Ereig-
nissen.
2) . Schuldverhiiltnisse , deren Anerkennung dem Schutze
■) Motive, Bd. 2 , S. 1 , 745.
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gegen Rechtswidrigkeiten dient: a. aus unerlaubten Hand-
lungen; h. aus andern Ereignissen.
Die dritte Klasse (Schuldverhältuisse zu andern Zwecken)
hätte sich dann ganz auilüsen oder jedenfalls vereinfachen
lassen.
Noch schwereren Bedenken unterliegt der Plan , nach dem
uns die Schuldverhältnisse vorgeführt werden (§§ 437 tf.).
Neben einander stehen unvermittelt: 1) Schenkung. 2) Dar-
lehen. 3) Kauf und Tausch. 4) Miethe und Pacht. 5) Ge-
brauchsleihe. 6) Dienst- und Werkvertrag. 7) Auslobung.
8) Auftrag. 9) Anweisung. 10) Hinterlegungsvertrag. 11) Ein-
bringung von Sachen bei Gastwirthen. 12) Gesellschaft.
13) Leibrente. 14) Spiel und Wette. 15) Vergleich. IC) Bürg-
schaft. 17) Verpfändungsvertrag. 18) Schuldversprechen (das
„abstrakte“ Versprechen ist xar’ so genannt). 19)
Schuldverschreibung auf den Inhaber.
Wir sehen, dass hier mit dem römischen Contractsystem
gebrochen ist. Dies kann nur gebilligt werden '). Der Bau dieses
Systems gliederte sich nach der Art und Weise, in welcher
die römische Entwicklung dem Grundsätze der Formlosigkeit
entgegen strebte. Nachdem das Ziel erreicht ist, ist der Weg
ohne Bedeutung für die gegenwärtige Rechtspflege. So musste
denn der stolze Bau zertrümmert werden. Allein schmerzlich
berührt es , dass nunmehr seine Stücke neben einander liegen ,
ohne zu einem neuen Ganzen verbunden zu sein.
Und doch war es wohl nicht allzu schwer , dieses Durch-
einander in wenige übersichtliche Gruppen zu ordnen. Das
römische System ist veraltet; allein das heutige Verkehrs-
leben drängt dem Beobachter einen vollwerthigen Ersatz auf.
Die drei Hauptgruppen: 1) Versprechen gegen Entgelt,
2) Versprechen ohne Entgelt, 3) Versprechen , das ohne An-
gabe des Schuldgrunds klagbar sein soll (sogenanntes abs-
traktes Versprechen), liegen nahe. Die Versprechen gegen
*) Für daaselbo erklärt sich übrigens wider den Entwarf BernhOfty
Kaufy Miethe und venoanite Verträge nach dem Entwürfe a. 8. w., Ber-
lin, 1889, S. 65.
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Entgelt (1) sind wieder Iheils a. Rückgabeversprechen (Dar-
lehen, Gebrauchsleihe, Verpfandungavertrag , Hinterlegung
und Aehnliches) , theila b. Austausehgeschäfte. Die Austausch-
geschäfte zerfallen wieder in «. Austausch hleibeuder Ver-
mögensvortheile (Kauf, Tausch, Leibrente , Spiel und Wette ,
Vergleich und dergleichen) und ff. in die Belohnung vorOher-
gehender Begünstigungen, nämlich aa. Austausch von Lohn
gegen Sachbenutzung (Sachmiethe) oder gegen Arbeitsbe-
nutzung (Dienst- und Werkvertrag), endlich ■//. in gegen-
seitigen Austausch von Mitarheitsthätigkeit zu gemeinsamem
Gewinne (Gesellschaft).
Die Versprechen ohne Entgelt (2) sind wieder theils o.
Versprechen aus Wohlwollen, nämlich a. Schenkung , ji. Auf-
tragsObernahme aus Gefälligkeit (so ist m. E. raandatum zu
verdeutschen ') ; denn der nicht übernommene Auftrag ist
zwar ein Auftrag, aber kein Verpflichtungsgrund) und b.
Sicherungsversprechen zur Verstärkung einer Zusage. liier
hätten nun «. die Conventionalstrafe — warum nicht Ver-
tragsstrafe? — und |i. die Bürgschaft untergebracht werden
können.
Die Versprechen ohne Pflicht zur klageweisen Schuld-
grunds-Erwähnung (Nr. 3, abstrakte Versprechen) würden
neben a. dem einfachen abstrakten Schuldversprechen auch
b. die Inhaberpapiere , nach der Meinung des Verfa-ssers
auch c. das Versprechen nach erfolgter Anweisung (g§ 605 —
613) umfassen müssen; denn auch bei diesem liegt eine
Schuldverpflichtung vor, in der die beiderseitigen Beziehun-
gen , in welchen sowohl Schuldner als auch Gläubiger zu dem
anweisenden Dritten stehen, verschleiert sind*).
In die allgemeine Lehre von den Verträgen würde die Aus-
lobung (gg 581 flf.) zu überweisen sein, da sie nach ihrem
Inhalte bald eine bedingte Schenkung, bald Werkvertrag,
bald Verkauf u. a. mehr sein kann und sich von den gewöhn-
') Vgl. hierzu auch La band, Archiv f. civ. Pr., Bd. 74, 8. 323.
^ Vgl. hierzu auch Lab and, Archiv f. civ. Pr., Bd. 74, 8. 331 (f.
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liclipii Verträgen nicht durch den Inhalt, sondern die Art
ihres Abschlusses auszeichnet. Auch das receptiim cauponum
und stabulariornni (§§ f>26 — G28) ist, seitdem die besondere
Klageformel unpraktisch geworden ist, nichts mehr , als eine
Summe von Sondervorschriften über eine ausnahmsweise stren-
gere Haftung in gewissen Miethsverhältnissen. Ein Anachro-
nismus dürfte es sein , hier noch von einem besondern Vertrage
mit dem Gastwirthe zu reden , der neben der Zimmer- und
Stallmiethe steht. Kein Nichtjurist wird begreifen , warum
bei solchen Geschäften zwei Verträge neben einander ange-
nommen werden sollen. Die Vorschriften, welche die Haf-
tung der Gastwirthe erschweren , gehören daher zu den all-
gemeinen Vorschriften über Steigerung der ursprünglichen
Verpflichtungen durch Schuld oder Zufall.
Nach diesem Blicke auf die Anordnung der Vertragspflichten
können wir sie einzeln an unserm geistigen Auge vorüber-
ziehen lassen.
Die Schenkung (§§ 437 — 4.52) setzt Annahmeerklärung
voraus , weil ihr Empfang gewisse Pflichten erzeugt Die voll-
zogene Schenkung ist formlos ohne Rücksicht auf ihre Höhe
(§ 441), nur das Versprechen muss stets gerichtlich oder
notariell sein. Es scheint hierbei weniger beabsichtigt zu sein ,
die Schenker selber vor den Folgen leichtsinniger Au.s.sprüche
zu schützen , durch welche sie in einer Geberlaune wohl-
thätige Verhei-ssungen aussprecben , die sie später gereuen.
Viel grösser ist vielmehr die Gefahr, dass lügnerischer Weise
formlose Schenkungen nach dem Tode des angeblichen Spen-
ders ohne Grund behauptet und durch einen Scheinbeweis
gekräftigt werden können. Wäre dies möglich , so würde es ,
wie die Motive ') richtig bemerken , ein Leichtes sein , die
Formvorschriften über letztwillige Verfügungen zu umgehen.
Eine Auslegungsregel , über deren Berechtigung sich strei-
ten lässt, die jedoch, wie alle Regeln dieser Art, in den
Händen einsichtiger Richter ungefährlich sein wird, liegt
*) Bd. 2, S. 298.
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in dem Satze, dass im Zweifel die Erben des Schenkers aus
dem Versprechen immer wiederkehrender Unterstützungen
nicht haften sollen (g 447). Der Widerruf soll (nicht wegen
nachgeborner Kinder, wohl aber) wegen Undanks möglich sein
und zwar unter ähnlichen Bedingungen (§ 449), wie sie
J u s t i n i a n anfgestellt hat.
Der Begriff des Darlehns ist nicht so weit abgesteckt,
wie es den Bedürfnissen eines höher entwickelten Verkehrs-
lebens entspricht (§ 453). Nicht jede empfangene Bereiche-
rung in Höhe einer bestimmten Summe soll als Grundlage
eines Darlehnsversprechens gelten , sondern nur die hinge-
gebene und die vom Schuldner zurOckbehaltene Summe.
Eine freie Auslegung wird freilich vielleicht auch andere
Fälle , z. B. auch solche Gelder dahin rechnen , welche
ein Schuldner dadurch erlangt , dass er eine Sache des Gläu-
bigers in dessen Aufträge verkauft; wenigstens ist nicht
einzusehen , warum hier keine Darlehnsgrundsätze gelten
sollen. Nach dem Vorgang des Preuasischen Landrechts ist
eine gesetzliche Kündigungsfrist für Darlehen bestimmt,
jedoch nicht, wie dort eine doppelte, sondern eine einfache
von G Wochen (§ 457). Viel zu lang ist diese Frist bei klei-
nen Darlehen , die im gesellschaftlichen Verkehr üblich sind ,
z. B. um einem Freunde auszuhelfen, der gerade kein Geld
bei sich hat. Allerdings führen solche Geschäfte nur selten
zu einer Klage. Dass das Versprechen, ein Darlehn zu ge-
währen (§ 458), bei erheblicher Vermögensminderung des
Darlehnsanwärters im Zweifel hinfällig werden soll , ist als
eine durchaus angemessene Auslegungsregel anzuerkennen.
Die Lehre vom Kauf ') (§§ 459 ff.) ist in 2 Punkten
(Haftung für Gefahr und Eviktion) schon besprochen. Ist
der Eigeutumsübergaug ins Grundbuch eingetragen , so soll
dies der Uebergabe auch insofern gleichstehn , als die Gefahr
damit auf den Käufer übergeht, was im Preussischen Recht
zweifelhaft war (§ 463). Dass auf den Verkäufer, der für
’) Vgl. zu ihr Laband, a. a. O., S. 299 ft".
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die verkaufte Sache Borgt, die VorBchriften über Geschäfts-
führung ohne Auftrag gelten sollen (g 464) , ist ein Gedanke ,
der zwar ohne erhebliche Tragweite ist, aber doch nicht
unbedenklich erscheint. Wer ohne Vertragspflicht für eine
fremde Sache sorgt, haftet bei Abwendung einer drohenden
Gefahr nur für grobe Fahrlä.ssigkeit (§ 750). Es ist nicht
gerechtfertigt, dass diese wohl verständliche Begünstigung
auch den vertragsmässig Verpflichteten zu Gute kommen
soll. Dass niemand Preis und verkaufte Sache zugleich aus-
nutzen soll (g 467), hält Beruh oft') für eine veraltete
Vorschrift des römischen Rechts. Die Verkehrssitte macht
nur für den Handel von Kleinkaufleuten mit dem Pu-
blikum hiervon eine Ausnahme. Wegen des Verkehrs unter
Geschäftsleuten über grö.ssere Gegenstände (Miethshäuser ,
Fabriken u. dergl.) em]ifiehlt sich die Beibehaltung der durch-
aus billigen Regel. Wenn der Entwurf es für nöthig hält,
dem Versteigerer den Selbstkauf zu verbieten (g 468), so
kommt es daher , dass seine Verfa.sser ein Contrahieren eines
Menschen mit sich für denkbar halten, so dass z. B. jemand
eine Sache für sich erwirbt und zugleich für einen andern
veräus.sert '). Es ist dabei z. B. an einen Vormund gedacht ,
der eine Mündelsache als Vertreter seines Schützlings sich
selbst verkauft und dergleichen. Diese neuerdings vorherr-
schende Ansicht ’) vermag der Verfasser nicht zu theilen.
Dies Geschäft ist wohl nur deshalb nach römischem Recht
nicht verboten, weil es nicht möglich ist. Würde jetzt der
Entwurf ein solches Geschäft ausdrücklich anerkennen ,
dann wäre es ein einseitiger Erwerbs- und Verpflichtungs-
akt unter besonderen Bedingungen, niemals aber ein Ver-
trag, da zu solchem gegenseitige Erklärungen abgegeben
werden müssen. Ein Schauspieler kann zwar zwei Rollen
im selben Drama bekleiden , nur dürfen dies nicht solche
') A. a. O., S. 56.
•) Vgl. Motirt, Bd. 3, S. 94 , 182, 826.
Vgl. hierüber insbesondere M. Rümelin, das Selbstcontrahia'en
des Stellvertreters. Freiburg^ 1888, bes. S. 276 ff.
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Personen Bein , die zugleich auf der Bühne in einem Dialoge
erscheinen müssen. Dass ein .solches Selbstcontrahieren für
die Vermögenslage des dabei vertretenen abwesenden Geschäfts-
herren viel zu gefährlich ist, um seine Einführung herbei-
zuwünschen , bedarf wohl keines weiteren Beweises.
Die ,in dieni addictio“ (§ 474) erscheint als „Vorbehalt
der Annahme eines bessern Gebots eines Dritten.“ Das an-
genommene bes.sere Gebot soll keinen für alle verbindlichen
Rückfall der Sache an den Veräusserer begründen , .sondern
eine blosse Forderung auf Rückgabe (§g 474 , 427). Diese
Abweichung vom römischen Recht erklärt .sich wohl, wie
vieles andere, aus der durchgreifenden Rücksicht des Ent-
wurfs auf etwaige redliche Dritte.
Die Vorschriften über Wiederkauf, persönliche Vorkaufs-
rechte und Erbschaftskauf (§§ 470 — 501) enthalten im We-
sentlichen nur angemessene Auslegungsregeln, die auf dem
Boden der neueren Pandektenlehre erwachsen sind.
Der Tausch soll dem Kauf gleichstehen (§ 502). Zur Er-
möglichung dieses Grundsatzes ist die Vorschrift beigefügt:
„Jeder der’ Vertragschliessenden ist in Ansehung der von
ihm versprochenen Leistung gleich einem Verkäufer und in
Ansehung der ihm zugesicherten Leistung gleich einem Käufer
zu beurtheilen*. Wenn es erlaubt ist, die römische Rede-
weise heutzutage anzuwenden , so sollen hierdurch zwei An-
sprüche entstehn, die beide den Vorschriften über actiones
empti unterliegen; die Vorschriften über actiones venditi da-
gegen sollen bei dem Tausche einfach ausser Betracht bleiben.
Die Lehre von der Miethe und Pacht (§§ 503 ff.) enthält
eine Vorschrift (§§ 509 ff.), die einen wahren Sturm der
Entrüstung hervorgerufen hat, die Beibehaltung des Satzes
„Kauf bricht Miethe“ '). Dieser Satz ist übrigens ge-
') Ueber sie liegt bereits eine ziemlich umfangreiche I.itteratur vor,
vgl. die Outaebten von Kck und Fischer in den Verhandlungen des
19ten Juristentages f Bd. 2, S. 229 ff., S. 312 ff. Ein einstimmiger Be-
schluss des 19ten Juristentages (Bd. 3, S. 305) missbilligt den Entwurf ,
ebenso B e r n b ö f t , a. a. O. , 8. 72 ff. und ein Beschluss des preussischen
by tiewigle
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mildert durch die Bestimmung, dass der Miether, wenn das
Eigentum der Sache oder ein Recht, das ihn beeinträchtigt ,
von einem Dritten erworben wird , wenigstens während der
gesetzlichen Kündigungsfrist in der Sache verbleiben darf.
Die weitgehenden, maaslosen Folgerungen, welche man aus
dieser Vorschrift auf den „Geist“ des Entwurfs gezogen hat,
sind überaus ungerechte. Mag man die.selbe noch so hart
verurtheilen , die Verfasser des Entwurfs haben sie zweifellos
aus keinem andern Grunde angenommen, als weil sie that-
sächlich in breiten Flächen Deutschlands gilt, die Orte, in
denen dies der Fall ist, z. B. Frankfurt am Main und Ham-
burg, sich durch wirthschaftliche Blüte auszeichnen und
die .Turi.sten und das Volk in diesen Gegenden mit diesem
unbequemen Rechte schliesslich leidlich zufrieden sind. An-
dererseits giebt die viel gerühmte Regelung dieser Ange-
legenheit im Preussischen Landrecht zu vielen Bedenken
Anlass. Nach diesem wird dem Miether im neuen Hausherrn
ein neuer Vermiether aufgedrängt, z. B. statt eines lieben.s-
würdigen Vertragsgenossen ein zänkischer. Dies kann härter
sein als die Exmission. Der Verfasser beabsichtigt übrigens
in dieser vielerörterten Frage keineswegs, geradezu wider
den Strom zu schwimmen. Er erkennt an, dass auch nach
seinem Gefühl etwas Barbarisches darin liegt, den Satz
„Kauf bricht Miethe“ im Sinne der gemeinrechtlichen Lehre
anzuwenden. Er hält ihn aber nicht für römisch. Die Römer
verlangen vom Miether nur , dass er den neuen Herrn in’s
Haus hineinlässt, damit dieser es besichtigen kann, nicht
aber dass er .selbst hinausgeht. Der Miether bleibt vielmehr
Vertragsgenosse des bi.sherigen Vermiethers und hat gegen
den neuen Herrn, der das Verhältniss kennt, zum Schutze
seines Miethsrechts ra. E. nach allgemeinen Grundsätzen
eine exceptio doli. Wenn man in Deutschland dies allerdings
nicht beachtet und die Rechte der Miether arg geschmälert
LandeK-Oekonomie-Colle(;iam8, a. a. O. , S. 131 nr. 11. Vgl. auch .1 a-
cobi, Miethe und Pacht, Berlin 1889, und die 3/o(ire, Bd. 2 , 8. 380 ff.
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hat, so war dies wohl eine Folge des Hediirfiiisses nach
einer baulichen Umwandlung der mittelalterlichen Städte
nach den Bedürfnissen der Neuzeit. Ohne Verletzung der
Miethsrechte hätte sich dieser Kulturaufschwung schwer
durchführen lassen. Im Osten lag dies Bedürfniss aus be-
kannten Gründen weniger vor; daher dort der Satz .Kauf
bricht Miethe“ gar kein Verständnis findet. Allein auch im
Westen des Vaterlandes hat er seine culturgeschichtliche
Aufgabe erfüllt; ein anderes Recht sollte ihn ersetzen, am
Besten das oben geschilderte wahre römische Recht; im
Nothfalle lässt sich aber auch mit dem preussischen Rechte
auskommen, das sicherlich unter dem Drucke der öffent-
lichen Meinung noch Anerkennung finden wird.
Eine besondere Beachtung hat auch des Vermiethers ge-
setzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Miethers
gefunden (§ 521) '). Der Vorschlag es auch auf solche ein-
gebrachte Sachen auszudehnen , welche dem Miether nicht
gehören , hat nur hinsichtlich des Vermögens seiner Frau
und seiner Kinder den Beifall des Juristentags gefunden ').
In der Gebrauchsleihe (§§ 549 ff.) .sind commodatum und
precarium verschmolzen. Hiernach gilt das Recht des Coni-
modats auch bei Sachen , die einem anderen zur beliebigen ,
eigenthumsähnlichen , aber jederzeit widerruflichen Benutzung
hingegeben sind und die Empfänger solcher Leihe werden in
Zukunft nicht blos für grobes, sondern für leichtes Versehen
einstchen müssen (§ 558). Dasselbe gilt wohl von den im
Entwürfe nicht erwähnten precaristischen Verhältnissen , bei
denen Jemand einem andern auf äViderriif die Mitbenutzung
einer Saehe gestattet , die der Gestattende selbst nicht aus
der Hand giebt, so wenn eine Person ihrem Stubengenossen
erlaubt, auf ihrem Clavier raitzuspielen , die ihr gehörige
Kleiderbürste zu benutzen, oder wenn jemand gestattet, dass
') Vgl. Cohn und Boyens, in den Gutachten a. d. Anicaltstande ,
8. 159 ff. u. 723 ff.
‘) Verhandlungen d. iOten d. Juristentags, Bd. 4, 8. 204. Vgl. die
Gutachten von Thomeen u. Lewineohn, Bd. 3, 8. 152 ff., 207 ff.
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ein fremder Wanderer des Nachts in seinem Hause schläft.
Für solche schenkungsähnliche Verhältnisse würde eine we-
niger strenge Haftung mindestens begreiflich sein.
Der „Dienstvertrag“ des Entwurfs (§§ 559 — 566) ist weit
weniger wegen dessen angefochten, was bestimmt ist, als
was man zu bestimmen unterliess '). Dass mit dem Wegfall der
Sklaverei hier eine grosse Lücke entstanden ist, die ausge-
füllt werden muss, ist zweifellos. Der Entwurf rechnet dabei
offenbar auf Ergänzung durch das Reichsrecht , das neben
ihm in Geltung bleiben soll , namentlich die Reichsgewerbe-
orduung , die Handelsgesetzbuchs- Vorschriften über Handels-
gehülfen und die im Flusse begriffene Arbeitergesetzgebuug,
deren Endziel noch niemand vorhersehn kann.
Die Werkverdingung (locatio, conductio operis) ist als
„Werkvertrag“ (§§ 567 ff.) dem Kaufe gegenüber in gleicher
Weise abgegrenzt, wie nach römischem Rechte, d. h. wer
den Stoff neben der Arbeit liefert, ist Verkäufer, nicht Werk-
meister (§ 568). Dies ist nicht unangefochten geblieben ’).
Bedenkt man aber, dass mit dem Verkaufe oft Arbeiten an
der Waare verbunden sind, z. B. Verpacken des verkauften
Gegenstands, Aufstellen ‘der verkauften Maschine u. dergl.,
und dass die Grenze zwischen solchen Handlungen und den
wirklichen Arbeitsleistungen eine verschwimmende ist, so
wird man zugestehen müssen , dass der römi.sche Grundsatz ,
der bei der entgeltlichen Lieferung verarbeiteter Stoffe ein
für alle Mal Kauf annimmt, jedenfalls der Rechtssicherheit
dienlich ist. Dass die vom Werkmeister gelieferte Arbeit nur
dann bezahlt wird, wenn der Besteller sie abgenommen hat,
nicht aber auch daun, wenn sie fertig und tadellos war, aber
vor dem Empfange zu Grunde gegangen ist, ist eine Abän-
derung des römischen Rechts, deren Härte nur durch den
') Vgl. Damentlich Menger, das bürgerliche Recht und diebesitzlo-
sen Volksklassen ,8. 104 ff.
’) Dagegen namentlich aus wirthschaftlichen (iründen : Ehrenburg,
Jahrbücher f. Dogmatik , Bd. 27 , S. 253 ff.
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Gedanken ;;eniildert wird , dass ihr Anwendiingsgehiet ein
geringes ist.
Dem Werkmeister wird für Lohn und Auslagen ein Pfand-
recht an den von ihm bearbeiteten beweglichen Sachen ge-
währt (§ 574). Dies nach dem Vorbilde des französischen
Uechtes auf unbewegliche Sachen auszudehnen, beantragte
zn Stuttgart ') ein Ausschu.ss des Innungsverbandes Deutscher
Baugewerkmeister. Dagegen erklärte sich w'ider diese (voraus-
sichtlich nicht sehr bedeutsame) Neuerung eine Abtheilung
des 20*'“ d. .Juristentags, freilich nur mit der Mehrheit einer
einzigen Stimme ’).
Nicht ohne Grund ist tadelnd hervorgehoben worden’),
dass der Entwurf bei den entgeltlichen Dienstleistungen zwi-
schen höheren und niederen Dienstleistungen nicht unter-
scheidet. Man hält freilich neuerdings auch diese Unterschei-
dung für eine plutokratische Schrulle der Römer , die nicht
zugeben wollten, dass auch das Honorar nur ein Arbeits-
lohn ist. Allein noch jetzt besteht der Unterschied zwischen
höheren Diensten , denen sich die Eigenart ihres Urhebers
aufprägt, und den niederen, die unter sich gleichwerthig
sind , mögen sie vorgenommen worden sein , von wem sie
wollen. Er mag mit der Sklaverei im Zusammenhang ge.stan-
den haben , aber er ist nicht mit ihr weggefallen. In Wahr-
heit sind die Mandatsvorschriften für das Versprechen höherer
Dienste noch heute passend , namentlich das freie RUcktritts-
recht gegen Ausgleichung des verursachten Vermögensscha-
dens, welches eine Realexecntion zur zwangsweisen Herstel-
lung eines Kunstwerks unmöglich macht , und die Aufhebung
des unausgeführten Vertrages beim Tode des Bestellers. Nicht
blos aus Achtung vor der Würde der Kunst und Wissenschaft ,
sondern aus Zweckmässigkeitsgründen im Hinblick auf die
') Am 4 Septbr. 1888. Vgl. IIÜBe, in Kohlcr's Archiv f. bürg. R.,
Bd. 2, 8. 73—80 und in den Verhdl, dev 20. D. Juristentags, Bd. 1,
B. 218 flf. , daselbst auch Staub, B. 248 ff.
’) Verhdl., Bd. 4, S. 238.
') Zuletzt auf dem aoeben in Hamburg abgebaltencn Anwaltatage.
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Werthlosigkeit der erzwungenen höheren Leistung hätte dies
Rechtens bleiben sollen. Durchführbar ist der Unterschied zwi-
schen niedern und höheren Diensten , weil die ersteren mit
einem festen Marktpreis versehen sind , die letzteren aber einen
Marktpreis nicht zu haben pflegen. Dass die Bezahlung des
höheren Dienstes als Entschädigung für Zeitverlust empfun-
den wird, nicht als Lohn des erreichten Erfolges, hängt
hiermit zusammen ').
Beim Hinterlegungsvertrage (g§ G14 ff.) ist Entgeltlichkeit
als möglich anerkannt, aber nicht bestimmt, woran man im
einzelnen Falle bei entgeltlicher Hinterlegung einer Sache
erkennen soll , ob ein entgeltlicher Hinterlegungsvertrag oder
eine Lagermiete vorliegt. Hoffentlich wird die Praxis stets
das letztere Geschäft annehmen und dem entgeltlichen Hinter-
legungsvertrag , diesem Kinde einer unzulänglichen Quellen-
exegese, nur ein rein theoretisches Dasein übrig lassen.
In der Ordnung des Gesellschaftsvertrages (§§ 629 ff.),
dessen Anlehnung an das römische Recht ’) besonders scharf
angefochten worden ist ’) , ist dem Inhalte des Handelsge-
setzbuches insofern eine Ausdehnung zu theil geworden, als
die Gesellschafter auch ausserhalb des Handelsrechts die
Befugniss erhalten sollen , sich dem Rechte der offenen
Handelsgesellschaft zu unterwerfen.
Die Thatsache , dass der Staat , seitdem man der römischen
Processwetten nicht mehr bedarf, an der Klagbarkeit der
Wette in keinem höheren Maasse interessiert ist, als an
derjenigen des Spiels, ist vom Entwürfe mit Recht aner-
kannt worden (§ 664). Indem er zugleich die Rückforderung
bezahlter Wett- und Spielschulden verbietet, bringt er die
KQr die gobübrondo Schätzung der höheren LeUtungen insbesondere
liöwenfeld in den Gutachten aus dem AnKalistandt ^ S. 858 ff.
^ Vgl. insbosondoro Aber dos ^Kinstimmigkeitsprincip^* : Motive^ Bd.
2, S. 602.
’) Oierke, der Entwurfs 8 . 252 ff.; Peraonettgemeinschaften und
Vermogeniinbegriffe^ S. 95 ff. Bojens, in den Gutachttn aus d. An^
waltstande^ S. 1015 ff.
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Gebote des Rechts und des Anstands mit einander in Einklang.
In dem Biirgschaftsrechte (§§ 668 ff.) sind fidejussio und
constitutum debiti alicni unter einander und mit dem Credit-
auftrage verschmolzen, .soweit nicht ein anderer Wille der
Vcrtragschliessenden erhellt“ (§ 680). Das beneficium excus-
sionis (§§ 674 ff.), das dem römischen Recht entnommen
ist, ist Gegenstand eines Angriffs geworden').
Von grösster Bedeutung ist die gesetzliche Anerkennung
des sogenannten .Schuldver.sprechens“ (g 683). Dies ist, wie
der Entwurf definiert, ein Versprechen, bei dem ein beson-
derer Verpflichtungsgrund nicht angegeben (oder nur im
Allgemeinen bezeichnet) ist. Hierzu ist zu bemerken , dass
strenge genommen solche Versprechen überhaupt nicht Vor-
kommen. Leute, die bei gesunden Sinnen sind, geben immer
unter sich den Verpflichtungsgrund an, sofern .sie einen
Schuldvertrag schliessen , etwa mit alleiniger Ausnahme des
Versprechens aus der Anweisung, bei dem der angewiesene
Schuldner und der Empfänger seines Schuldversprechens
durch Hervorhebung der Thatsache , dass jeder im Hinblicke
auf das Vermögen des anweisenden Dritten handelt, die Art
ihrer Beziehungen zu diesem Dritten verhüllen können. Das
abstrakte Versprechen ist also nicht ein solches , dessen
Grund bei der Abrede verhüllt bleibt, sondern dessen Grund
bei einer etwaigen späteren Klage auf Erfüllung soll verhüllt
bleiben dürfen. Die Praxis wird wohl in diesem Sinne den
Gesetzestext auszulegen wissen.
Da die Vor.schriften über die Vorbedingungen einer gül-
tigen Klage öffentlichen Rechtes sind, so würde ihre Aus-
Bchliessung durch die ge.schilderte Abrede ohne besondere
Gesetzesvorschrift nicht gültig sein, obwohl das Gegenteil
in neuerer Zeit längst herrschende Meinung geworden ist.
Um bei dieser schwierigen Streitfrage keiner Partei Unrecht
■) Von Ungor, der ca nach deutschen Rechtganschauungon für über-
flüssig hält: Jahrb. f. Dogm., Bd. 29, S. 1—26. Zur exceptio divi-
»ionis. Vergl. Sokolowski in der Zeitschrift der Saeigmj- Stiftung .
Bd. U, 8. 278 fl'.
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zu thun , muss man zunächst auf das römische Recht blicken.
Dieses gab aus der cautio indiscreta eine Klage und verur-
theilte , falls der Verklagte keinen glaubwürdigen Wider-
spruch gegen den Schein erhob. Geschah dies, so fiel die
Beweislast auf den Kläger; er musste den Schuldgrund
nachweisen. Es ist das zwar bestritten ; allein ohne diesen
Satz wären die vielen Verbote wucherlicher und anderer
unerwünschter Verträge prakti-sch völlig werthlos gewesen.
Da der Wucherer sich ohne Zeugen einen Schuldschein aus-
stellen zu lassen pflegt, so würde sein Opfer eine Gesetzes-
vorschrift , welche ihm gegen abstracte Schuldscheine ein
Anfechtungsrecht gewährt, als eine brauchbare Hilfe nicht
empfinden ‘). Da die herrschende Meinung hiervon nichts
wissen will, so ist es auch nicht verwunderlich, dass der
Entwurf in dem abstrakten Schuldscheine den Wucherern
eine neue Waffe in die Hand drückt'). Das würde nicht
möglich sein , wenn nicht in der vom Entwürfe angenom-
menen Lehre ein wahrer Kern läge , nämlich ein Widerspruch
gegen unsere strengen (nachrömischen) Klagebegründungs-
schriften , welche bei der cautio indiscreta schon in der
Klageschrift einen Nachweis des Schuldgrunds verlangen.
Den unangefochtenen Schuldschein ohne Schuldgrund wird
man in Zukunft als zureichenden Klagegrund ansehen dürfen;
darin liegt ein Fortschritt. Wird aber der Einwaud des
fehlenden oder unerlaubten Schuldgrunds erhoben, so wird
nunmehr die Beweislast darüber , wie es sich mit dem Schuld-
grunde verhält, auf den Verklagten fallen, und dies wird
ein empfindlicher Nachtheil sein. So soll z. B. das abstrakte
Versprechen , wenn es eine Schenkungszusage in sich birgt,
nach § 440 an deren Form gebunden sein. Diese Vorschrift
wird jedoch nur dann wirksam sein können , wenn nicht
dem Schuldner die meist unerschwingliche Beweislast darüber ,
') Giorke, der Entwurf, 8. 226.
’) Dagegen auch der in v. Kir c ben h ei m's Centralblatt , Bd. ItC ,
S. 131, unter nr. XII abgedruckte Beachlusa dea preuaaiachen Landca-
Oekonomie-Kollegium.
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dass dem einfacheu Schuldversprechen eine Schenkung zu
Grunde lag, aufgebürdet wird.
Auch in dem Schuldversprechen auf den Inhaber (g§ ü85
ff.) ') hat die herrschende Lehre einen Triumph gefeiert.
Die Creationstheorie ist anerkannt , die Schuldverschreibung
soll verpflichten, nicht das Versprechen, das in der Ausgabe
liegt. Dass diese Gestaltung der Dinge übrigens nicht blos
vom theoretischen , sondern auch vom praktischen Stand-
()unkte schweren Bedenken unterliegt, hierüber möchte der
Verfasser auf die neueste Auslassung seines sehr verehrten
Herrn Collegen Heinrich Lehmann (Professor in Mar-
burg) verweisen ’).
In der Lehre von den unerlaubten Handlungen *) bewegt
sich die Reichsgesetzgebung in der Hauptsache in den rich-
tigen Bahnen. Zunächst stellt sie einige allgemeine Lehren
auf, die zum Theil Uber die Grenzen des Gesetzgebungs-
befehls in das Gebiet unwandelbarer psychologischer Erschei-
nungen , welche vom Gesetzgeber nur beobachtet , aber nicht
beeinflusst werden können , hinUberreichen.
Die Frage , was eine Uebelthat (oder widerrechtliche Hand-
lung) ist, ist merkwürdiger Weise nur halb beantwortet. Es
ist nämlich in § 705 mitgetheilt, dass die schädliche Hand-
lung gegen die guten Sitten .auch“ als widerrechtliche Hand-
lung gelten soll; was aber sonst, also in erster Linie dafür
zu gelten hat , darüber ist geschwiegen.
Die Delicte werden in vorsätzliche und fahrlässige einge-
theilt. Dolus malus ist also hier (g§ 704 ff.) als Vorsatz über-
setzt*), nicht als .boshafter Vorsatz“. Vielleicht wird die
’) Vgl. hierzu Koch, Geld und Werthpapiere, 1889, S. 36 ff. —
8. J a 0 0 b y , in den Annalen dee Deutschen Reichs f. Geselzgeburtg u. b. w. ,
1888, 8. 583 ff.
■) Festgaben der juristischen FacuUät zu Marburg für Georg Wilhelm
Wetzeil, Marburg, Eiwert 1890, 8. 285 ff.
’) Vgl. 0. 8chmidC, in den Gutachten aus dem Anwaltstande , 8.
1183 ff.
Vgl. hierzu von Liszt, Beiträge, 5tei Heft, § 4, 8. 14 ff.
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Praxis hier durch einschränkende Auslegung nnchhelfen. Es
giebt bekanntlich auch ein vorsätzliches Unrecht aus Edel-
mnth , z. B. wenn die Schwester eines Physiologen einen Vogel
aus Mitleid wissentlich davon fliegen lässt, um ihn den Qualen
der Vivisektion zu entziehen '). Wenn der Gesetzgeber der-
artige Fehlgriffe als Schlechtigkeiten und nicht als Willens-
schwächen behandelt, so macht er sich derselben Gefühls-
härte schuldig, welche zu bekämpfen seine Beruf'spfiicht ist.
Die schwierige Frage , ob zur verschuldeten Schädigung
auch eine Voraussehbarkeit des Schadens gehört , ist im Ent-
würfe (§ 704) in einer so wenig klaren Weise beantwortet ,
dass die getroffene Bestimmung auf einen erheblichen prak-
tischen Einfluss nicht würde rechnen können. Es soll nämlich
in der Kegel nur auf Voraussehbarkeit der Entstehung, nicht
des Umfangs des Schadens ankommen, ausnahmsweise aber
auch auf die erstere nicht, wenn schuldhafter Weise „das
Recht eines Anderen verletzt ist* (§ 704). „Als Verletzung
eines Rechts im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch
die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit,
der Freiheit und der Ehre anzusehen“. Hier befremdet es,
Guter, die das Staatsgebot nicht zu geben vermag, wie
Leben und Gesundheit, als „Rechte* bezeichnet zu sehen.
Im Grossen und Ganzen wird also zum Begriffe der Schuld
Vorhersehbarkeit des thatsächlich eingetretenen Schadens
nicht verlangt. Was allerdings z. B. ein Bahnwärter , der
aus Schlaftrunkenheit eine Weiche falsch gestellt und eine
Entgleisung verursacht hat , vorhersehen konnte , w’ar nur
ein unbestimmtes Nebelbild des Eisenbahnunglücks, ein Chaos
von zertrümmerten Wagen, zerbrochenen Gliedern, getöd-
teten Menschen und Thieren und dergleichen. Wann und
wie die Entgleisung stattfinden werde und mit welchen
Folgen, konnte er nicht genau wissen; was er aber immer-
hin vorhersehen konnte, wareine unendliche Menge möglichen
Unheils und er sollte nur für dasjenige haften, was inuer-
*) L. 7 § 7 Dig. de dolo male 4, 3.
7
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90
halb dieser als möpilich denkbaren Unprlücksmasse lieRt.
Insofern also hätte die Vorhersehbarkeitslehre allerdings eine
Anerkennung verdient.
Dom heutigen gemeinen Recht entspricht die grnndsiitzliche
Beseitigung der actiones , qnae poenam persequnntur. Die
Strafklagen sind fallen gelassen. Sie sind allmählich ver-
schwunden . vermuthlich nicht ohne Einfluss des Morulgebotes .
das die Rachsucht verwirft. Nur soweit die Privat.strafe in
besonderen Reichsgesetzen unter dem Namen der Busse fort-
lebt, i.st sie beibehalten (§ 721).
Wenn alle Schadensersatzansprüche in 3 .lahren nach
dem Vorbild des prenssischen Rechts verjähren (§ 719), so
lässt .sich dies aus demselben Grunde rechtfertigen , der oben
für die blos einjährige Anfechtbarkeit der durch Trug und
Zwang veranla.ssten Geschäfte angeführt wurde. Dass die
Bereicherungsansprüche länger dauern sollen, als die Er-
satzklagen , ist eine Art Nachbildung des bei der actio doli
gültigen römischen Rechts.
Der Titel, welcher die Deberschrift trägt , einzelne uner-
laubte Handlungen“ (gg 722 ff.), enthält nur einige Anw'ei-
sungen für Schadensersatzbercchnungen in gewissen zweifel-
haften Fällen, Tödtung, Körperverletzung, nicht aber etwa
nach Art der Pandektenlehre die einzelnen haftbarmachenden
Delicte. Vielmehr ist mit dem römischen Rechte, das aus
verschiedenen Uebelthaten verschiedene Ansprüche gab , ge-
brochen und der naturrechtliche Satz , den auch schon das
preussische Recht aufstellte, dafür eingetauscht, dass jede
widerrechtliche Handlung ersatzpflichtig macht. Hinsichtlich
der böslichen Uebelthaten ist dies sicherlich ein Fortschritt.
Es war ein Misstrauen gegen den Richter, welches die
Römer erst spät dahin führte, die actio doli als „everriculum
malitiarum“ wenig.stens subsidiär zuzuhassen. .Jetzt hat .sie
gewi.sser Maassen alle ihre Vorgänger in .sich verschlungen.
Dass dagegen die actio legis Aquiliae von den Verletzungen
und Entziehungen der körperlichen Gegenstände auf alle
\^ermügen.sschädigungen erweitert ist, entspricht zwar einem
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natürlichen Gefühl . nicht, aber Her von Her Snchkeimtni.ss
geleiteten höheren Einsicht. Dass wir alle fortwährend in
einer gewissen Schuld uns fortbewegen, von Uebereilung in
Süuraniss stürzen und umgekehrt, kann nur derjenige läug-
neu , der sich in den Anforderungen gegen sein Gewissen
durch unerfreuliche Genügsamkeit anszeichnet. Dass wir
nun durch unsere Schuld fortwährend mehr oder weniger
Schaden anrichten , der sich schliesslich häufig in baarer
Münze geltend macht, steht gleichfalls fest. Man denke nur
an den verhängni-ssvollen Einfluss schlechter Bücher . böser
Beispiele , verkehrter Rathschläge u. dergl. Soll all solche
Schuld ersatzpflichtig machen? Das wird die Praxis nun
und nimmermehr annehmen , auch wenn es bestimmt sein
wird. Dazu kommt, dass das verschuldete Unglück oft fort-
zeugend neues gebärt. Aus der von uns verschuldeten Ver-
niügensverletzung des Nachbarn kann sich sein Selbstmord ,
aus diesem der Untergang seiner Kinder entwickeln und so
fort. Die Voraussehbarkeit des Schadens vermag hier keine
Grenze zu ziehen, und auch der ,blos mittelbare* Schaden ,
von dem man gesprochen hat , ist ein praktisch werthloses
Wort, dem kein genau bestimmbarer Begriff entspricht. Das
römische Recht zog hier eine feste Grenze, indem es einen
sichtbaren beschädigten oder entzogenen Gegenstand als
Vorbedingung der Krsatzpflicht voranssetzte ; das zukünftige
Reichsrecht überlässt hier die unvermeidliche Abgrenzung
dem richterlichen Ermessen , woraus eine gewis.se Reebts-
nnsicherheit entstehen kann. Ersatzklagen leichtsinniger Kläger,
die ihr Glück versuchen, und rauthloser Verzicht auf wohl-
begründete Schadensersatzansprüche würden sich in Folge
dessen möglicher Weise häufig einstellen.
Dass die obligationes quasi ex delicto so gut wie gänzlich
beseitigt sind, ist mit Recht beklagt worden. Unschuldige
sollte das Recht ausnahmsweise dann haften lassen , wenn
diese Haftung einerseits nicht allzu beschwerlich , anderer-
seits aber durch ein allgemeines Interesse erwün.scht ist.
Statt dessen ist die strenge Haftung Unschuldiger bei der
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sogenannten actio de effusis ve! dejectis /,n einer blns-^en
Vermutung zn Ungunsten der Leute , aus deren Wohnung
etwas herausgegossen oder geworfen worden ist , abgeschwächt
(g 729), und im gleichen Sinne ist auch der Fall der römi-
schen actio de positis vel suspensis der Veraltung wieder
entrissen worden (§ 733). Auch den Inhabern von Thieren
ist ihre Haftung, namentlich gegenüber dem strengen französi-
schen Rechte, sehr leicht gemacht; sie sollen nur für eigene
Verschuldung haften (§ 734) , nicht wie nach römischem Recht
für ungewöhnliche Wildheit des Thieres, deren Folgen vom Ver-
letzten nicht erwartet und daher nicht vermieden werden konn-
ten (sogenannte Gefährlichkeit contra naturam sui generis).
Die cautio danini infecti .soll dadurch ersetzt werden ,
dass (§ 735) jeder Hausbesitzer sein Gebäude erhalten muss
und für die Folgen eines Einsturzes haftet. Dadurch wird
den Besitzern werthloser Ruinen , die durch ihren Einsturz
ein ko.stbares Nachbarhaus bedrohen , eine oft unerschwing-
liche Last auferlegt, vor der sie sich durch Preisgeben des
werthlosen Bauwerks bei Zeiten werden sichern müssen.
Die römische Haftung dos lüchters , qui male judicavit,
ist , dem neueren deutschen Rechte entsprechend , in dop-
pelter Veränderung beibehalten (§ 736). Einmal ist sie auf
alle fahrlässigen Amtshandlungen auch nichtrichterlicher Be-
amten ausgedehnt und zweitens nach dem Vorbilde des
Deutschen Rechtes für die Rechtsprechung erleichtert wor-
den (§ 736, 3). Sie soll bei Pflichtverletzung im Leiten
oder Entscheiden einer Rechtssache nur da eintreten , wo
auch das Strafrecht den Pflichtvergessenen eine Haftung auf-
legt. Der strengere römische Kcchtsgriindsatz mag sich vor-
trefflich bewährt haben , als man die Privatgeschworeneu
nur aus reichen Leuten wählte und für die Rechtskenntnisse
der Urteiler noch keine Gewährleistung in den Staatsprüfun-
gen besass. Uns müsste ein gleicher Druck auf die Richter
Angesichts der vielen Schwierigkeiten und Dunkelheiten des
Rechts als eine zwecklose Härte erscheinen.
Die obligationes ex variis causarum figuris („Einzelne
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Schuldverhältnisse aus underen Gründen“) haben zunächst der
aus dem Entwurf verbannten Klasse der obligationes quasi
ex contractu eine Zufluchtsstätte gewährt *). Wir finden daher
hier die Bereicherung, die Geschäfufühiung ohne Auftrag und
die Gemeinschaft behandelt. Bei der allgemeinen Haftung
für grundlose Bereicherung (§§ 737 fl.) sind einige besondere
Fälle ausgezeichnet: die condictio indebiti (die merkwürdiger
Weise nach § 738 bei den zu frühe getilgten betagten Ansprü-
chen ganz Wegfällen soll), die condictio ob causam datorum
(§§ 742 fl’.), die von Neueren sogenannte condictio causa
data, causa finita (§§ 745 ff.) und die condictio ob turpem
causam (§ 747). Die übrig bleibende condictio sine causa
(§ 748) hat somit die condictio ob injustam causam in sich
verschlungen ’). Eine auflfallende Abweichung vom römischen
Hecht liegt darin , dass bei diesen Bereicherungsklagen
(mit Ausnahme des § 748) nicht von Rückgabe der zur
Zeit der Klage vorhandenen Bereicherung die Rede ist,
sondern einfach von Rückerstattung des .Geleisteten“ (S§ 737 ,
742, 745, 747). Wer z. B. einem Bräutigam eine Mitgift vor
der Hochzeit in baarem Gelde geschenkt liat, wird, wenn
die dafür gekauften Möbel unversichert in Flammen auf-
gehen und die Verlobung sich auflöst, das .Geleistete* ver-
langen dürfen. Aus dem Satze , dass es unbillig ist, wenn
sich jemand mit dem Schaden des anderen bereichere, wird
man also in Zukunft diese Klage nicht mehr begründen
können. Vielleicht hängt hiermit der Wegfall derjenigen
Fälle der negotiorum gestio zusammen , welche man eine
.unechte“ negotiorum gestio genannt hat, nämlich der ne-
gotiorum alienorum gestio sui lucri causa. Die Bereicherungs-
Klage soll hier an Stelle der in den Quellen gewährten
Haftung aus der Geschäftsführung ohne Auftrag treten (§ 761).
') Vgl. zu dom Folgenduo Hurt mann, in den Gutachttn a. dem
Amraltslande j S. 323 fT.
Eine aueserordontlicbc Vereinfachung; dieser Vorschriften bringt
Zitelmaiin in Vorschlag (Dit liechUyeachUfte im Entwurf u. s. w. ,
Theil II, ö. I«5).
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Tn der I^eljre von der Oenieiuscliaft ist der Fortfall dea
ric'literlicheu Zuaclilaffsurteils in Theiluugspro/.esaeu hervor-
'/.uiieben (§ 7ü9). Wenn die I^arteien sich hinsichtlich der natür-
lichen Theilung des gemeiiisauien Grundstücks nicht einigen ,
so soll ein Verkauf für ihre Kechnung erfolgen müssen.
Alle die Forderungen, die man noch sonst bei den obli-
gutiones ex variis cau.sarum figuris zu suchen gewöhnt ist,
sind zu den Üechtszweigen gestellt worden, zu deren Unter-
stützung diese Ansprüche vom Staate gewährt sind. So ist
die Ergänzung des Grundeigenthunisrechts durch Ansprüche
der Nachbarn unter einander in das Sachenrecht verwiesen
()5§ 8ö0 ö.) , die Ernährungsansprüche aus verwandtschaft-
lichen Beziehungen haben im Familienrechte eine Unterkunft
gefunden (§g 1 480 ft.). Nur die dem l’rocessrechte als Er-
gänzung dienende actio ad exhibendum ist der Forderungs-
lehre treu geblieben. Sie erscheint als erster Theil des
Titels „Vorlegung und Offenbarung* (§i; 774 — 777). Die
„Offenbarung“ erklärt sich daraus, dass ein auskunftsjifiich-
tiger Geschäftsführer , der über mehrere Vermögensstücke
Hechenschafl zu legen schuldig ist, seinen Bericht durch
einen Manifestatiouseid ergänzen muss. Dieser Eid, den man
bei der Verdeutschung unserer technischen Ausdrücke wohl
zum .Auskunftseide“ hätte stempeln können, hat bereits in
der Reichs-Civilprozessordnung den Namen Offeiibarungseid
erhalten. Der Name klingt für die nüchterne Sache, die er
bezeichnet , ein wenig feierlich. Wenn ein Krämer von seinem
Lehrling über einige Früchte, die dieser für ihn verkauft
hat, eine Auskunft erfragen wird, so wird man die Antwort
in der Sprache des Entwurfs eine .Oßenbarung“ nennen
müssen.
Da.s Sachenrecht (Buch 3) ') ist in seinem Inhalte weit
*) Vgl. M. Wolff, in den Gutachten a. d. Anwaltstande, S. 619 ff.
— Coauck, das Sachenrecht mit Ausschluss des besonderen Hechts der
unbeweylichen Sachen im Entwurf, BurliuOSS9.
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mehr von den Wandlungen der nachrömischen Rechtsge-
Bchichte beeinflusst, als die Grundsätze des fordorungsrecht-
lichen Verkehrs. Wir finden hier Nachwirkungen der mittel-
alterlichen Landwirthschaftsverhältuisse wie des bevormun-
denden Polizeistautes , sowie die Spuren des modernen
Creditwesens. In der Anordnung dagegen ist das Vorbild
der PandektenlehrbOcher unverkennbar. Der Abschnitt 1.
beginnt mit einer allgemeinen Sachenlehre, wie man sie
wohl anderweitig auch im allgemeinen Theile der Pandekten
als Seitenstück der Lehre von den Personen findet. Hierauf
wird der Besitz vor den Rechten abgehandelt, das ,that-
sächliche Abbild“ der dinglichen Rechtsbefugnis.se vor dem
[Trbilde, einem Schäften vergleichbar, den das eigentliche
Sachenrecht vor sieh hervvirft (Abschnitt 2.). Ehe nun im
Folgenden die einzelnen dinglichen Rechte durchgesprochen
werden, ist im Abschnitt 3. noch ein fernerer allgemeiner
Theil aufgestellt: „Rechte an Grundstücken“. Er enthält
die Hauptgesichtspunkte des Rechtes der unbeweglichen
Güter, dessen Scheidung von dem übrigen Sachenrechte
eine Errungenschaft der nachrömischen Rechtsgeschichte ist,
die wohl ursprünglich aus der politischen Bedeutung des
Grundbesitzes die Hauptkraft ihrer Geltung entnahm , später
aber als Grundlage und Quelle unseres Creditwesens unent-
behrlich wurde.
Hinter dem Eigenthum (Abschnitt 4.) finden wir dort,
wo uns die Erinnerung an die Pandektenlehrbücher die em-
phyteusis und superficies vcrmuthen lässt, das Vorkaufsrecht
(Abschnitt 5.) und das Erbbaurecht an Grundstücken (Ab-
schnitt (5.). Dies erklärt sich daraus , dass ersteres als
Surrogat der nicht aufgenommenen Erbpacht betrachtet wird ,
letzteres aber eine verkümmerte superficies ist. Dass in die
Aufzählung der dinglichen Rechte hinter den Dienstbarkeiten
(Abschnitt 7.) die Pfandrechte aufgenommen (Abschnitt 9.)
'V.und vor ihnen die Reallasten (Abschnitt 8.) eingeschobeu
'nd, erklärt sich aus der Auffassung des dinglichen Rechts ,
sie dem Entwürfe vorschwebt und die nicht ohne An-
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9(i
fechtun>5 geblieben ist. Will man unter den dinglichen Rechten
nur solche Befugnisse verstehen , bei deren Ausübung der
Berechtigte die dienende Suche anfasst oder betritt oder doch
wenigstens (wie im Balkenrecht) durch eine dauernde Anstalt
berührt, so sind nicht blos die besitzlosen Pfandrechte , son-
dern auch die servifutes prnhibendi aus diesem BegritFe aus-
zuscheiden ; will man unter dem dinglichen Recht ein nach allen
Seiten geschütztes Verhältniss zu einer Suche verstehen '),
so würde es keine actiones in personam in rem scriptae geben
können. In Wahrheit aber i.st das Merkmal der Dinglichkeit in
Bezug auf bestimmte körperliche Sachen sehr wohl zu finden
und in etwas ganz. Anderem zu suchen , nämlich in der
Wirkung des verbietenden Rechtsbefehls, welcher den Be-
rechtigten schon jetzt nach allen Seiten sichert, und in dem
dauernden Einflüsse , den dieser Befehl auf die Schicksale
der Sache hat. Jeder Rechtsbefehl beeinflusst freilich zunächst
nur Menschen , nicht Sachen , denn nur Menschen können
ihn vernehmen und befolgen; allein indem sie es thnn, er-
leidet die Sache ganz andere Schicksale , als ohnedies der
Fall sein würde, z. B. ein Platz bleibt wegen einer Aus-
sichtsgerechtigkeit unbebaut. Das Recht drückt hemmend
auf die Seele des sonst baulustigen Platzeigenthümers und
somit auch auf den Platz , von dem es das Gebäude fern-
hält, das sich ohne jenes Recht auf ihm erheben würde.
Aus diesem Gesichtspunkte beeinflusst auch die Hypothek
die Schicksale ihres Gegenstandes ; sie zerstört z. B. Ver-
kaufsgelegenheiten oder Baupläne, welche ohne ihr Vor-
handensein verwirklicht werden würden. In diesem Sinne
ist der Begriff des dinglichen Rechts genau festgehalten
worden.
Auch noch in einer andern Richtung hat sich der Ent-
wurf bei der Unterscheidung der persönlichen und dinglichen
Rechte nicht irre machen lassen , indem er das jus ad rem ,
wie es diis Preiissische Landrecht der Wissenschaft seiner
') So Fuchs, Das IFssen der Üinglichkeit , Berlin 1889.
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Zeit entnommen hatte, verwarf '), allerdings nicht ohne Wider-
spruch zu finden '). Es handelt sieh bei dieser Zwischen-
bildung um den Anspruch auf bestimmte Sachen (z. B. auf
einen erkauften Gegenstand) und darum , dass ein Dritter ,
der in Kenntniss dieses Anspruchs die Sache vom Schuldner
erwirbt, dem hierdurch Beeinträchtigten wegen seiner Bei-
hülfe zum Vertragsbrüche des Schuldners haften soll. Aus
den allgemeinen Sätzen über .dolus“ lässt sich — wenigstens
nach der herrschenden Lehre — eine solche Haftung nicht
herleiten. Will man sie anordnen , so kann man dies jeden-
falls durch Schöpfung einer besonderen Delictsforderung in
einfacherer Weise bewirken, als durch die Annahme eines
Mitteldings zwischen persönlichen und dinglichen Rechten.
Neben den Sachenrechten fehlen die sonstigen durch all-
oder vielseitige Befehle geschützten Rechte , nämlich die
Rechte zur ausschliesslichen Benutzung bestimmter Erwerbs-
quellen, das geistige Eigenthum, das Recht an Photogra-
phien und Bildwerken u. s. w. ’). Diese ganze , im Wesent-
lichen nachrömische Rechtsgruppe der allseitig geschützten
Erwerbsrechte ist den besonJern Reichsgesetzen überlassen
geblieben , auf denen ihr Schutz beruht. Hier hätte freilich
eine Zusammenfassung vereinfachen und für die weitere
Rechtsentwicklung die.ser monopolartigen Erwerbsvorrechte
eine feste Grundlage schaffen können.
Wenden wir uns nunmehr dem Sachenrechte des Entwurfs
im Einzelnen zu.
Die in Ab.schnitt 1. vorangeschickte allgemeine Lehre von
den Sachen, welche von den rechtlich wichtigen Sacheigen-
schaften der Dinge handelt , kann ihren lehrhaften Charakter
') Vgl. hierzu Motive, Bd. 2, 8. 5, 281, 384.
^ Vgl. die Schrift von W, Kindel, das Hecht an der Bres-
lau 1889, welche Bich mit den grundlegendüten Sätzen uoBerer Pandek-
tenduktrin in einen »chrolfeD WiderBprueb BCtzt.
’) Auch hinsichtlich des \S'a8serrechta ist eine Ergänzung des Ent-
wurfes Torgescblagen von Metz, in den Gutachten aus dem Anwalt^
Stande^ S. 9ö5 ff.
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nicht verleugnen. Wenn irgend etwas eine bio.sse Betrach-
tung ist und kein Befehl, so sind es die Begriffsbestimmungen
der Vertretbarkeit, Beweglichkeit und ähnlicher Dinge. Man
vergleiche z. B. § 781 , Absatz, 1 : .Unbewegliche Sachen
sind die Grundstücke“. Merkwürdig ist auch, dass z. H.
nach dem Wortlaut des Entwurfs in einer Kunsthandlung^
die dort verkäuflichen Marmorstatuen als verbrauchbare Sachen
gelten müssten'), wais doch offenbar nur in ganz bestimmten
Beziehungen wahr sein soll, z. B. insofern, als ein Niess-
brauch an einem solchen llaudlungsgeschäfte dem Berech-
tigten die Veräusserung derartiger Stücke ge.statten soll.
Im Begriffe des Zubehörs (Pertineuz) sieht der Entwurf
nichts , als ein Mittel zur Auslegung von Rechtsgcschällen
(g 790), d. h. was von der Hauptsache bestimmt ist, gilt
im Zw'eifel auch vom Zubehör. Dies ist mit Lebhaftigkeit
augefochten worden , freilich , ohne dass m. E. dieser nüch-
ternen Auffassung eine gleich brauchbare abweichende Lehre
eutgegengestellt worden wäre ’). Bei der Dotinition des g 792 :
„Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der letzteren und
diejenige sonstige Ausbeute aus derselben, deren Gewinnung
zur bestimmungsniässigen Nutzung der Sache gehört“ ist
offenbar vergessen worden hervorzuheben , da.ss e.s sich nur
um eine solche Ausbeute handeln kann, die von Zeit zu
Zeit in gleicher Art wiederkehrt *). Ümnis definitio periculosa.
Das schon oben besprochene Streben des Entwurfes nach
einem möglichst vielseitigen Schutze des redlichen Dritten
’) § 780, 2, „Ala verbrauchbare Sadieu geiten auch diejenigen be-
weglichen Sachen, welche zu einem SacliiiibegrifTe gehören, desaeti
»tinituungsuifisbigo Nutzung m der VeräuKserung der einzelnen Suchen
büftleht.“
*) Vgl. hierzu Köhler, in Jhering^a Jahrb.^ Bd. 26, S. 23 ff. —
Die Gutachten von Hachenburg und Köhler, in den VerhantUungen
dm 20/tfH d. JuviattnUig» y Hd. 3, S. 122 ff., 145 ff. — ferner die Ver~
handlungeHy Bd. 4,8. 138 ff.
*) Vgl. hierzu CoBuck, Diia Sachenrecht mit Ausschlnim dm henon-
deren Recht» der unbetceglichen Sachen im Entwürfe «.«.♦«»., Berlin
1880, 8. 3 und 4.
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zeij;ft sich auch in dem Satze , dass niemand auf seine Ke-
fugniss zur Verfügung über ein ihm gehöriges dingliches
Recht mit Wirkung gegen Dritte verzichten kann (tj 79(5).
(Dieser Satz hat auch zu der keineswegs unbedenklichen Vor-
schrift geführt, dass das pactum de non cedendo nicht gelten
soll, § 295, 2).
Dass die Vorschriften über Besitz und Inhabung (§§ 797 ff.)
nicht allgemeine und unbedingte Anerkennung finden würden ,
war vorherzu.sehen ‘). Es ist vielmehr ei’staunlich genug,
dass auf diesem Gebiete, auf dem ein lebhafter Streit tobt,
überhaupt ein geschlossenes Ganze entstanden ist. dessen
Stil nicht mit Dnrecht besonderes Lob erfahren hat ’).
Die Verfasser haben in der Besitzlehre die beiden Haupt-
aufgaben ’) richtig erkannt. Zunächst mussten Besitzorwerb
und Verlust deshalb nonuirt werden, weil von ihnen eine
ganze Reihe anderer Vorschriften abhängen soll, z. B. Eigen-
thumserwerb durch Erbeutung, Eigenthumsübergang durch
Besitzüberlassung u. dergl. mehr. Sodann kam es darauf an ,
festzustellen, wann und wie der Besitz geschützt werden soll.
Die Entstehung des Entwurfs hat sich hier deshalb unter
besonders ungünstigen Bedingungen vollzogen , weil für sie
nicht nur das genannte Werk J h e r i n g’s noch nicht benutzbar
war, sondern auch eine andere vielfach bahnbrechende Dar-
stellung einiger Hauptpunkte der Besitzlehre *) so spät er-
schienen ist, dass von ihrer Beachtung nicht die Rede sein
konnte. Es scheint überhaupt , als wolle eine Zeit der Klä-
*) Vgl. hierzu Wondt, im Archiv f. civ. Praxis^ Bd. 74, S. 13ÖtF.
— V. Jhering, der Bcsitzwi/Ie^ Jena 1889 (eine der bedeutsaiUBtea
Publicationcu der neuesten Zeit), S. 470 — 534. — MoiHchcider, die
alten Streitfragen gegenüber dem Entwürfe u.e.w.^ 1889, S. 76 fF.
') Von Koatz, iu den Gutachten aue dem Anwalteiandcy S. 749.
Für den Entwurf vgl. Planck, Archiv f. d. civ. Praxis y Bd. 75, S.
394 ff.
*) Vgl. den Bericht in V. Kircbenheim's CV;i//*ö/W(i((,Bd. 7 (1888),
8. 240.
^) Graf Leo Pininaki, der Thatbestand des Sachbesitza'wei'hs y
Leipzig 1885, 1888.
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run«; in diesem Gebiete, dessen Aufgaben für viele der
Quadratur des Cirkels gleiehstehen , heraufdäinmcrn. Zunächst
wird man die Fragen, warum der Gesetzgeber llesitzverhältnisse
schützt , und unter welchen tliiitsächlicheu Bedingungen er
sie schützt, trennen müssen, und die ersteie mit J h e r i n g
unl)edingt dahin zu beantworten haben , dass dies nicht aus
Rücksicht auf den Einzelwillen des Besitzers, sondern aus
Rücksicht auf praktische Bedürfnisse des Gemeinwohls ge-
schieht. Was dagegen die zweite Frage betrifft, so haben
hier gro.s.se Mi.ssverstündni.s.se in Folge verkehrter Quellen-
übersetzung gewaltet. Wie mau in dem „acquirere pos-
sessionem corpore“ schon längst nicht mehr einen Hin-
weis auf ein körperliches Betasten oder Betreten des Erwerbs-
gegenstandes sieht , so wird eine spätere Zeit auch in dem
,animus“ beim Besitze nicht mehr einen dauernden Seelen-
zustand des Erwerbers sehen , sondern an eine nach Raum
und Zeit bestimmte Erklärungshandlung denken, die, wenn
sie erst einmal vorgenommen ist, bis zu ihrem Widerrufe
fortwirkt ').
Die bisher übliche Eintheilung des Besitzes in „wahren
Sachbesitz mit aniinus domini“ und „Detention mit animus
alieno nomine rem habendi“ entspricht ungefähr den beiden
Ausdrücken des Entwurfes: Besitz und Inhabung ’). Es ist
dies aber nur ungefähr der Fall; denn der gemeinrechtliche
Sachbeaitzer ist allerdings der „Besitzer“ des Entwurfs und
der gemeinrechtliche sogenannte Detentor heisst nun „In-
haber“ ; im Uebrigen aber geht der Begriff der Inhabung
im Entwürfe noch weiter, er bezeichnet die „thatsächliche
Gewalt über die Sache“ (g 797), wie sie der Sachbesitzer
noch neben dem Be.sitzwillen hat, also nicht ein Seitenstück
') Vgl. hierzu neuerdings auch Baron, in J heri n g’a Jahrb. f. Dogtn.,
Band 29, S. 192 ff., der eich in den wesentlichsten Punkten an J be-
ring anschliesst. Vgl. ferner eine Abhandlung Hekker's in Bd. 30
derselben Zeitschrift: zur 7{c,'or»i i/rs JSi'»iVrrrc/i/cs (wührend des Druckes
dieses Aufsatzes dem A'erfasscr zugegangen).
*) Vgl. über diese Terminulogie auch Baron, a. a. 0., S. 236.
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101
des Sachenbesitzes , sondern eine Seite seines Thatbestandes.
Hiernach wird man auch von einer unwissentlichen Inhabung
reden können , die wir z. B. an einem Packet haben , das
ein Laufbursche ohne unser Wissen und Willen in unserem
Garten hinterlegt hat. Ja, man wird, sofern nicht eine ein-
schränkende Auslegung aushilft , solchen Verhältnissen .sogar
(nach § 809) einen klageweisen Schutz zusprechen müssen ,
obwohl der durch sie Begünstigte eines solchen keinesfalls
bedarf.
Im Uebrigen sind die Grundgedanken des Besitzesschut-
zes insofern den römischen Vorschriften über Besitzklagen
ähnlich , als der Besitzer keineswegs gegen jede Beeinträch-
tigung des Besitzes geschützt ist, sondern nur gegen beson-
ders schlimme Formen der Besitzstörungen, im Entwürfe
.verbotene Eigenmacht“ genannt (§ 814). Den Vorwurf der
Besitzstörung braucht sich niemand gefallen lassen , der un-
befangenen Sinnes ein fremdes Besitzthum berührt hat. Nur
bei einem besonderen Frevel, den der Verletzer beging, ist
die strenge Haftung gerechtfertigt. Zu den Störungsfällen ,
den Sünden des Besitzrechtes, gehören bekanntlich nicht
nur gewaltsame und heimliche Antastungen von Sachen ,
sondern auch der Missbrauch einer bittweisen üeberlassung
einer Sache (des .precario“ Hingegebenen). Von dieser letz-
teren Veranlassung zur Besitzklage spricht der Entwurf nicht ;
vgl. § 814 : .Niemand darf, soweit nicht das Gesetz für
besondere Fälle ein Anderes bestimmt , ohne den Willen des
Inhabers einer Sache demselben die Inhabung entziehen oder
ihn darin stören (verbotene Eigenmacht)“. Wer sich hier-
nach eine verkäufliche Sache z. B. betrügerischer Weise zur
Ansicht erbittet und unter Missbrauch des geschenkten Ver-
trauens sie als sein angebliches Eigenthum zurUckbehält ,
der wird in Zukunft den Vorschriften über Besitzstörungen
nicht unterliegen. Dies ist eine Aenderung des Rechts,
welche schwerlich ein anderes Bedürfniss befriedigt , als das-
jenige nach Vereinfachung der Rechtsvorschriften.
Die beiden Hauptunterschiede der Besitzklagen von den
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102
Rechtsklarrcn , wie sie das gemeine Recht kennt, siiidin den
Entwurf aufgenommen ; zunächst die (»rössere Leichtis^keit ihrer
Durchführung, welche darin liegt, dass der Kläger keine
Einreden aus dem Rechte des Verklagten zu dulden braucht
(S 822), sodann als die unvermeidliche Kehrseite dieser
Medaille: der geringere Werth des klägerischen Sieges in
Besitzsachen, welcher die Rechtsfrage unberührt lässt. Nur
in einem Punkte stimmt der Entwurf weniger mit dem rö-
mischen Recht überein, als mit neueren Doktrinen, näm-
lich in der Ausdehnung des Besitzschutzes auf die blosse
Inhabung ();§ 819, 820). Diiss der blosse Detentor , welcher
die Sache für einen andern besitzt, z. 15. ein Miether , wegen
Besitzentziehung nicht klagen kann , ist eine zwar herr-
schende, aber mit gutem Grunde angozweifelte Lehre, da.ss
ihm jedoch bei blossen Besitzstörungen (ohne Entziehung)
der Interdictenschutz versagt wird , Ist für das gemeine
Recht unbestritten. Nun verletzt es allerdings unser Gefühl,
dass wir den wohl verständlichen Schutzbedürfnissen eines
solchen Menschen in nichts entgegenkommen dürfen, und
diesem Gefühle gab der Entwurf nach , indem er es voll
und ganz befriedigte. Allein der lebhafte Widerspruch, wel-
chen seine Vorschrift gefunden hat'), beweist, wie gering
der Werth des blossen Empfindens bei Gesetzgebungsfragen ist.
Man bedenke z. B. , dass mir nach dem Entwürfe unter allen
Eraständen das Recht gewahrt bleiben soll, einen Bösewicht,
der mich aus meinem Hause herausgeworfen hat, in seinem
fehlerhaften Besitze zu stören (§ 820 .Absatz 2). Hat nun-
mehr der Üebelthäter das eroberte Haus an einen Unschul-
digen vermiethet oder sonst zur Inhabung überhassen . so
ändert dies nach gemeinem Recht meine Störungsbefugniss
nicht, da der Miether als solcher wegen Störung keinen
Klageschutz haben .soll und dem Vermiether die Einrede
fehlerhaften Besitzes entgegenstehen würde. Ein gewaltthä-
') Vgl. z. B. Meischei der, dieallen Sireilfragen, n.a.O.',y. .Ihe-
ring, s. a. O.; BShr, in der Krit. VJSchr., Bd. II, S. 481 ff.
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103
tiger Eindringlinr; kann sich also nach römischem Recht
nicht dadurch gegen Störungen schützen , dass er einen un-
schuldigen Inhaber in die Sache hineinsetzt. Dies wird sich
in unerfreulicher Weise ändern , wenn derartige entweder
wirklich oder doch dem Anscheine nach redliche Miether
in solchen Fällen werden klagen können. Mehr noch , als
gegen Dritte, ist aber auch der Besitzschutz des Miethers
wegen Storungen gegen seinen Vermiether misslich. Dieser
pflegt auf das Recht, die vermiethete Sache zu berühren
oder zu betreten , nicht gänzlich zu verzichten (z. B. nicht
soweit er sie zum Zwecke nothwendiger Reparaturen be-
sichtigen will); ob er nunmehr hierin zu weit gegangen ist
oder nicht, diese Frage lässt sich in einem Besitzprocesse ,
der von allen Rechtsfragen grundsätzlich absieht, kaum
erörtern. Allein weit mehr, als dieser wenig beachtete Um-
stand , ist ein anderer wider den Entwurf in’s Feld geführt
worden. Man hat mit Recht den Schutz des Detentors ver-
schieden beurtheilt, je nachdem jemand meine Sache zu
eigenem Vortheile mit Recht besitzt (so der Niessbraucher,
Miether, Pächter) ') oder sie blos als Diener eines andern
in seiner Hand hat. Das.s ein Gutsinspector oder ein Reit-
knecht seinen Herrn , der ihm sein anvertrautes Eigenthum
entrei.sst, wegen verbotener Eigenmacht soll verklagen kön-
nen , das ist ein Ergebuiss der Entwurfsbestimmungen , wel-
ches entweder im Gesetzestexte oder doch durch eine ein-
schränkende Praxis wird verbessert werden mü-ssen.
Dem Besitzrechte fremd , aber doch ihm einvcrleibt ist
‘) Bähr redet in Anlehnung nn die Ausdrucksweisc Eck’« (Köhler'«
Archiv für bürg, liecht, Bd. 2, 8. 118) von „Sulzbesifr.“ im Gegcn-
«Rtzo zum „Eigenthumsbeeitze“; v. Jliering, der Besitztcilie, unterRchei*
det, 8. 510 ff.: 1. dR« häusliche, 2. das prokuratorische, 3. das momen-
tane Dicn«tvcrhältniss; C o «r c k, r. a. O. , 8. 5 ff. : Eigenbesitz, Unterbesitz
und Oewnhrsam ; Strohal in den Jahrb. f. Dogm., Bd. 29, 8. 336
ff. will neben dem Eigenbe«itzer und dem Nutzbesitzer auch noch den
auf ein unentziehbare« Recht gestutzten Verwaltungsbcsitzer geschützt
wissen.
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104
eine Beweisregel {§ 825). Bei Klagen wegen Entziehung oder
Beschädigung einer Sache soll vernnithet werden , dass ihr
blosser Besitzer den entzogenen oder geminderten Werth der
Sache verlangen darf. Es ist dies ein guter Gedanke, der,
wie wir sehen werden , auch in der Gestaltung der reivindicatio
strenger hätte festgehalten werden sollen.
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IV.
An den Besitz reihten sich, wie wir oben sahen, .allge-
meine Vorschriften über Hechte an Grundstücken“. Von be-
sonders grossem Einflüsse war hier das preussische Recht,
sowohl in seinen älteren als auch in den neueren Strömungen.
Im Streben , aus den unzulänglichen Verhältnissen des heiligen
römischen Reichs deutscher Nation herauszukommen , stand
Preussen auch hier in erster Linie. In ihm wirkte die Natur-
rechtsbewcgung , welche den geschichtlichen Ballast über Bord
zu werfen einlud , mehr als anderswo. Der Zweifel an der
Älleingültigkeit römischer Grund.sätze war wohl nirgends von
so zerfressender Schärfe , wie dort. Aber auch in un.serem
.Jahrhunderte war Preussen vor allen anderen Staaten be-
müht, den wirthschaftlichen V^orspning Frankreichs vor den
deutschen Landen, der sich sehr fühlbar gemacht hiitte , so
viel wie möglich einzuholen. In dem Streben , den völlig
veränderten wirthschaftlichen Verhältnissen, namentlich dem
Immobiliarcreditwesen , Genüge zu thun , hat sich die neuere
preussische Gesetzgebung vor allen ausgezeichnet ‘).
■) Vgl. Kreoh, Die Rechte a» Grundetilcken mich dem Entwürfe
M. «. KJ., üerlin 1889.
S
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lOG
So ist denn hier der Entwurf, ebenso wie das neuere
preussische Recht, dem Streben nach Kapitalsanlage ver-
möge einer Grundsttlcksverschuldung allerdings in hohem
Maasse entgegengekommen ') und hat hierfür in durchgrei-
fenden Sätzen des Immobiliarrochts zunächst eine feste Grund-
lage gelegt. Dieser dritte Abschnitt hat eine eingehende Er-
gänzung in dem inzwischen veröflentlichten „Entwurf einer
Grundbuchordnnng“ ’) gefunden , dessen Bedeutung am Besten
mit den eigenen Worten seiner Motive ’) dahin angegeben
wird , dass die äussere Einrichtung der Grundbücher durch
die Vorschrift des Einführungsgesetzes im Allgemeinen der
partikularen Regelung üborla.ssen worden ist, es aber doch
unumgänglich erschien , gewisse reichsgesetzliche Anforde-
rungen an sie zu stellen.
Das Grundbuchwesen steht bekanntlich überall auf nachrö-
mischer Grundlage. Sein P’ormalismus dient weniger der Ver-
kehrssicherheit (dass ein lebhafter Handel mit Grundstücken
nicht erwünscht ist, ist unbestritten) als dem Creditwesen,
das sich auf der Sicherheit der Grundeigenthumsverhältnisse
aufbauen soll. In seinen geschichtlichen Wurzeln mag das
Grundbuchwesen freilich mehr der Rechtssicherheit , nament-
lich der Beseitigung von Beweisschwierigkeiten und der
Klarstellung desjenigen Augenblicks , in welchem der Eigen-
thumsübergang erfolgt, gedient haben, späterhin aber dräng-
ten sich andere Gesichtspunkte in den Vordergrund. Das
von socialistischer und agrarischer Seite hart angefochtene
Creditwesen findet in diesem Grundbuchwesen eine feste Stütze,
und man könnte hier in der That von „Kapitalismus“ des
Entwurfes reden, insoweit als in dem Immobiliarrecht des
Entwurfs ein Hauptmittel zur verzinsbaren sicheren Kapitals-
Wider dieses Streben vgl. Schneider, Utber die demnächstige
Gestaltung des Gnindbesitzrechts in Deutschland ^ insbesondere die Ver-
wirklichung eines Heimstilttenrechtes ^ Leipzig 2890. Dieselbe Schrift be-
gehrt eine erhöhte Sorge dafür, dass der Qrundbuchsinhalt und die
wirkliche Besitzlage sich möglichst decken.
3) Berlin, Guttentag, 1889.
3) A. a. 0., ö. 19.
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107
anlage gefestigt worden ist. Allein dieser „Kapitalismus* ist
eine Erscheinung , die eine unvermeidliche Folge wirth.schaft-
licher Umwälzungen war und von unserer Privatrechtsord-
nung schwerlich getrennt werden kann. Sie dient der unum-
gänglichen Vereinigung der Arbeitsmittel mit der Arbeitskraft.
Als der Kapitalist den Arbeiter selbst kaufte , da mochte das
Creditwesen nur als eine vorübergehende Aushülfe in wirth-
schaftlichen Nothlagen in Frage kommen , desgleichen als
der Bauer an die Scholle gefesselt in einer sklavenähulichen
Lage sich befand. Seitdem der Arbeiter frei und der Capi-
talist genöthigt i.st, ihm seine überflüssigen Arbeitsmittel
anzuvertrauen , bedarf der Credit neuer fester Stützen , damit
nicht das angesammelte Capital für die Menschheit nutzlos
werde und die Arbeitskraft ohne die Möglichkeit der Be-
thiitigung verkomme. Insoweit unser Creditwesen beides hin-
dert , erweist es sich als eine Grundlage unserer Gesellschafts-
ordnung. Wohl behaupten deren socialistische Gegner, dass
dieser Segen durch Nachtheile überwogen werde, weil er
eine unbillige Ausbeutung der arbeitenden Classen mit sich
bringt. Wie dem auch sein mag, hier marschirten die Ver-
fasser un.seres Gesetzbuches mit gebundener Marschroute.
Selbst wenn sie Anhänger der socialistüschen Lehre gewesen
wären, welche in dem Fortfall der bestehenden Verbindungs-
forin zwischen Arbeitsmittel und Arbeitskraft einen Fortschritt
erblicken will und überaus gewagte , unerprobte Ersatzmittel
für den bisherigen Bechtszustand für zulässig erachtet , selbst
dann würden sie mit der geltenden Rechtsordnung nicht haben
brechen dürfen. Der unverkennbare Wunsch ihrer Auftrag-
geber verbot ihnen dies nicht minder, als der Gedanke an
die Unmöglichkeit, für sozialistische Reformpläne die Zu-
stimmung der Gesetzgebungsträger zu erreichen '). Ihre Auf-
gabe war daher hier nicht eine Neuordnung, sondern eine
Abklärung von Zweifeln und Rechtsverschiedenheiten. So
<) Etwas anderes ist die Frage, ob cs nicht möglich wilre, die Härten
unseres Verscbuldongswesens durch das sog. Ueimstättcnrecht zu mil-
dern; vgl. hierzu die angeführte Schrift von Schneider.
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108
erklärt es sich , warum hier mehr als sonst feste , unbeug-
same Grundsätze aufgestellt sind , ein modernes ,jus stric-
tum*, dessen Strenge und Härte sich von den milden Grund-
sätzen des spätrömischen Rechts scharf abheben , wie auf
einem alterthiiralichen Gebäude ein in neuerem Baustile er-
richteter Thurm.
Ein Bruch mit den spätrömischen Rechtsgrundsätzen liegt
aber namentlich in der grundbuchrechtlichen Begünstigung
der abstracten Verträge. Die dinglichen Verträge des zukünf-
tigen deutschen Grundbuchrechtes sollen (§ 829), wie über-
haupt alle dinglichen Verträge, durchaus abstract sein'),
dafür sollen sie aber zur Gültigkeit der Eintragung bedürfen
(Eintragungsprincip) und nicht als blosse einseitige Erklä-
rungen des Belasteten dem Grundbuchamte eutgegentreten ,
sondern als gegenseitig gebilligte Anordnungen, also als Ver-
träge (§ 828, .sog. Konsensprincip). Nur der Verzicht auf
eingetragene Rechte wird — in der Regel — in blos ein-
seitiger Form vor dem Grundbuchamte zugelassen (§ 834),
uni entweder sogleich oder durch Eintragung wirksam zu
werden. Hierbei ist auch die Zulassung einer einseitigen Ver-
zichterklärung auf das Eigenthum angeordnet, eine Vor-
schrift, die wohl weniger einem praktischen Bedürfnisse
genügen sollte , als einem theoretischen Streben nach voll-
ständiger Berücksichtigung aller denkbaren Fälle.
Dass das Grundbuch öffentlichen Glauben haben soll (§ 820,
Grundsatz der Publicität), entspricht seinem eigentlichen ge-
genwärtigen Hauptzweck : diejenigen zu sichern , welche an
dem Grundstücke ein Recht erwerben wollen , sei es nun , da.ss
es für sie bestellt werden soll oder sei es , dass sie ein be-
•stehendes in ihr \''ermogen aufzunehmen wünschen. Sofern sie
nicht die Unrichtigkeit des Grundbuches kennen , also eines
') Vgl. Motive, Bd. 2, S. 3. Einen Freund findet dieses allgemeine
Princip in Krech, die Rechte an Grundstücken nach dem Entwurf
u. s. w., Berlin 1889, 8. 13; Gegner in Wendt, Jahrb.f. Dogmatik,
Bd. 29, S. 35 ff. und Klöppel, in den Beiträgen u. s. w. , Bd. 32, 8.
644 ir.
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Schatzes {jegeii dieselbe nicht bedürfen , sollen sie sich auf
dessen Inhalt verlassen können. So wird der fälschlich ein-
f'etra^'ene Eigenthümer einem redlichen Gläubiger gültige
Hypotheken bestellen können, und der Geschädigte wird auf
eine Ersatzforderung nur gegen ihn , nicht gegen den red-
lichen Erwerber, angewiesen sein (§§ 837 ff.).
Dass für die Eintragungen dinglicher Rechte der Grund-
•satz ,prior tempore potior jure* beibehalten wurde (§ 840),
bedarf keiner Rechtfertigung. Ohne ihn wären alle Pfand-
rechte gegenüber der Gefahr weiterer Verpfändungen völlig
werthlos. Dagegen hat zu vielfachen Beschwerden ‘) die Vor-
schrift (§ 841) Anlass gegeben, welche die Abtretung des
Vorrechts eines vorstehenden Pfandgläubigers au einen nach-
.stehenden regelt (Prioritätscession). Es ist dies mehr als ein
blosser Austausch zweier hinter einander stehender Hypo-
theken , weil bei ihm an die Stelle des begünstigten Rechts
ein ganz anderes treten soll. Zu solchem durchaus nicht
seltenen Ge.schäft soll nicht blos Eintragung seines Inhalts
nothig sein (wogegen sich schwerlich etwas einwenden Hesse),
sondern auch noch die Zustimmung sowohl des Grund.stücks-
eigenthümers als auch aller zwischenstehenden Berechtigten.
Diese letzteren werden allerdings beeinträchtigt, wenn z. B.
eine unanfechtbare, bessere Forderung statt der bisher vor-
stehenden, schlechteren ihren Rechten in Zukunft Vorgehen soll.
Als eine Schutzmassregel gegen die Gefahren der Glaub-
w'ürdigkeit des Grundbuchs dient die Möglichkeit, sich durch
einen mit richterlicher Hülfe einzutragenden Widerspruch
(Vormerkung) gegenüber seinem Inhalt ein Recht auf Ein-
tragung oder Löschung zu sichern (§ 844) ’).
Dass die Verjährung wider den Grundbuchsinhalt ausge-
schlossen sein soll , ist nur eine unvermeidliche Folge des
Publicitätsgrundsatzes (g 847). Mit ihm hängt auch die streng
') Vgl. z. B. Fachz, in Kohler's Archiv für bürg. B., Bd. 2,
S. 7—30.
») V. Meib om, ün Archiv f. civ. Praxis, Bd. 74, erklärt sich, S.
364, für eine Ausdehnung dieses Rechtszweiges.
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gononimen unausführbare Bestimmung (i^ 835) zusammen,
dass dingliche Hechte an Grundstücken nicht mehr durch
Confusion wegfallen sollen. In Wahrheit handelt es sich
freilich hierbei nur um da.s sofortige Wiederaufleben der
durch Confusion erloschenen Rechte, sobald es wieder mög-
lich wird , sie einem Nichteigenthümer zuzutheilen ; denn der
Satz, ; ,nulli res sua servil“ spottet als logi.sche Nothwen-
digkeit der Macht des Gesetzgebers.
Das Eigenthum (Abschnitt 5) *) ist in 5 Titeln abgehan-
delt worden. Der erste spricht von , Inhalt und Begrenzung
des Eigenthuras“. Hier finden wir unter anderem auch die
alte Lehre von der Luftsäule über dem Grundstück , in der
dem Eigenthüraer der freie Aufblick zum Himmel nicht ge-
schmälert werden darf (g 849). Schon vor Abfassung des
Entwurfs vielfach angefochten , ist sie auch nach seiner Ver-
ötTentlichung wieder Gegenstand des Spottes geworden ’).
Allein selbst ihre Anhänger werden nichts dagegen haben,
dass jenes Recht auf Unberührtheit der Luft.säule nur insoweit
gelten soll, als es einem vernünftigen Bedürfnisse dient,
soda.ss z. B. durchfliegende Brieftauben, Eisenbahnviadukte,
die in schwindelnder Höhe über fremdem Eigenthum schwe-
ben, davon nicht betroffen werden, und mit dieser Ein-
schränkung, welche sogar durch Gesetzesauslegung erreich-
bar sein würde, kann man sich allenfalls zufrieden geben “).
Das Nachbarrecht ist in vielen Punkten den Landesge-
setzen Vorbehalten (§ 867), in anderen allerdings reichs-
rechtlich geregelt (§§ 850 — 865). Da die Gefälligkeiten,
welche ein Nachbar dem andern leisten kann , ohne sein
Eigeuthum zu entwerthen , nur geringfügig zu sein vermögen ,
so gleicht dieser Rechtazweig nur einer Welle , mit der die
gute Sitte den Rand des Rechtsgebietes bespült, und ist
somit von minder schwerwiegender Bedeutung. Hervorzu-
heben ist hier die gesetzlich anerkannte (g 857) Nothwen-
‘) Vgl. RieBS, in den Gutachten aus dem Anwattstande, 8. 747 ff.
’) Vgl. I. B. Oierke, der Entwurf, 8. 323,
’) Vgl. auch Dernburg, Pandekten, Bd. 1 § 198.
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clii'keit gt'gen verletzende Grenzüberschreitungen durch Bauten
sofort Widerspruch zu erheben, widrigenfalls der Bau un-
versehrt bleiben muss und nur eine Entschädigungsforderung
eintritt. Diese letztere kann in der langwierigen Form einer
Rente (§ 857) oder in der bequemeren einer verkaufsweisen
üeberlassung des rechtswidrig bebauten Landes (§ 859) an-
erkannt werden. Hier wird den Bauten ein Schutz gegen
Zerstörung gewährt , den nach rörni.scheni Recht vielleicht
die Praxis anerkannte, jedenfalls aber die herrschende Dok-
trin nicht anerkennt. Noch klarer weicht der Entwurf vom
römischen Rechte in Anlehnung an einen älteren deutschen
Brauch darin ab, dass er das „Ueberfallsrecht“ zulässt (in
einer eigenartigen Fictionsform , § 802; „Die Früchte, welche
von einem Baume auf ein Nachbargrundstück hinüberfallen,
werden wie vom Boden getrennte Früchte der letzteren an-
gesehen“). Hier ist der Entwurf, indem er dem Grundherrn,
der die über die Grenze gefallenen Früchte seines Baumes
abholen will, die Thüre verschlies.st, germanistisch und doch
.unsozial“.
Der Eigenthumserwerb wird unserem gegenw'ärtigen
Rechte entsprechend bei Grundstücken (Titel 2) und bei
fahrender Habe (Titel 3) besonders behandelt. Die Eigen-
thunisveräusserung durch Vertrag ist nach dem Vorgänge des
neueren preussischen Rechts von einer Eintragung abhängig ,
der ein abstracter Vertrag vor dem Grnndbuchamte vorher-
gehen muss. Bei diesem muss der eine .sein Eigenthura fort-
geben und der andere es entgegennehmen (§ 868). Diesem
Geschäfte , einer Ausgeburt modernen juristischen Denkens
und Erwägens, haben seine Verfasser dadurch eine gewisse
Volksthümlichkeit zu verleihen gewu.sst, dass sie ihn mit
einem Namen versahen , der einerseits einen ofienbaren alt-
deutschen Ursprung verräth und dennoch dadurch , dass er
längst in Vergessenheit gerathen war und von den Todten
auferweckt wurde, des Reizes der Neuheit nicht entbehrte,
dem Worte: „Auflassung“. Diese „Auflassung“ ist aus dem
preussischen Rechte in den Entwurf hinübergewandert.
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112
Die Occupatioii hat bei dem allgemeinen Streben nach
Verdeutschung der juristischen Kunstsprache ein allzu gutes
Loos gezogen ; ihr ist der schöne Name .Zueignung“ zuge-
fallen *) , der unserem Sprachgefühle freilich fUr die Thä-
tigkeit des Jagens oder Plünderns allzu sinnig erscheint.
(§ 872, bei Mobilien vgl. gg 903 — 909) Der Ausdruck .Erbeu-
tung“ würde vielleicht dieselben Dienste haben leisten können.
Die Veräusserung beweglicher Sachen (§§ 874 ff.) hat der
römischen Tradition angepasst werden sollen, d. h. der Tra-
dition, wie die neuere Wissenschaft sie sich vorstellt. Man
hält sie neuerdings für ein abstractes Geschäft. Es erklärt
sich dies aus dem bekannten Satze, dass die Tradition auch
dann gültig ist, wenn die Vertragsgenossen über ihren Zweck
in Folge eines Missverständnisses Widersprechendes wollen,
z. B. der eine schenken und der andere ein Darlehn empfan-
gen will. Die Unschädlichkeiteinessolchenunbewu.ssten Wider-
spruchs beweist jedoch keineswegs ihre abstracte Natur'). Eine
solche entspricht weder den Quellen noch würde es zweck-
mässig sein , abstrakte Erklärungen bei formlosen Verträ-
gen zu begünstigen , weil durch sie für unsaubere Geschäfte
ein unredlichen Leuten erwünschter Deckmantel gewährt wird.
W'as oben vom abstrakten Schuldscheine gesagt ist, muss
auch hier gelten. Bleibt in diesem Punkte der Entwurf un-
verändert, so wird in Zukunft der Richter eine vollkräftige
Eigenthumsübertragung als geschehen annehmen müssen ,
wenn ihm ein Schriftstück vorgelegt wird , in welchem der
bisherige Eigenthümer sich einfach unbedingt oder für einen
gewissen f'all einen Nachfolger ernennt ’). Obwohl die Gül-
tigkeit derartiger Urkunden unseren Anschauungen wider-
spricht , so werden sich doch gar bald Leute ßnden , die
eine gesetzliche Anerkennung solcher Schriftstücke für ihre
') Vgl. hiergegen Bekker, Syatem und Sprache dea Entuurf» u. s.
w., § 60 .
*) Vgl. Strohal, in Jhering'a Jahrb. f. Dogm., Bd. 27,8. 336 ff.
•) Vgl. hierzu inebeeondere Oeraon, in Kohle r’a Archiv für bürg.
R,, Band 2, 8. 63 ff.
Digiti.; ed by Güogic
113
Zwecke Verwerthen werden, und diese Zwecke werden nicht
immer die besten sein ').
In der Behandlung der Tradition ist eine der wichtigsten
Abweichungen vom römischen Rechte enthalten, welche allen-
falls auch bei der rei vindicatio hätte erledigt werden kön-
nen , der völlige Bruch mit der alten Regel: ,Ubi meam
rem invenio, ibi vindico“ (§§ 877 ff.). Hier hat die im Ent-
würfe immer wiederkehrende Begünstigung des sog. redlichen
Erwerbers ’) ihren Höhepunkt erreicht , nach dem Vorbilde
des französischen Satzes: ,En fait de meubles la po.sses.sion
vaut titre“ ’). Es ist hart für den Eigenthümer, ohne Grund
seine Sache zu verlieren. Es ist aber ebenso hart für den
redlichen Käufer, eine vom Nichteigenthümer erworbene Sache
herausgeben zu müssen. Eine dieser Härten ist jedoch für
den Gesetzgeber unvermeidlich ; er muss von beiden zwei-
fellosen öebeln das kleinere auswählen. Das römische Recht
sah die Schmälerung des redlichen Erwerbers als das kleinere
an; trotz der Blüthe des Welthandels wurde der Eigenthums-
schutz bei den Römern höher geachtet, als die Gefahren,
welchen kauflustige Erwerber entgegengingen. Das neuere
deutsche Recht hat hier Erinnerungen an altdeutsche Vor-
schriften aufgewärmt (hand muss hand wahren) , die wahr-
scheinlich weniger auf einem nationalen Empfinden beruhten ,
als auf dem Grundsätze einer unga.stlichen , verkehrsarmen
Zeit , welche es für nnvonsichtig hielt , Sachen vertrauens-
selig aus der Hand zu geben , und deshalb unvorsichtigen
V’ermiethern oder Verleihern die Vindicationsrechte gegen
Dritte abschnitt. Dieser Gedanke hat aber unter ganz ande-
ren Wirthschaftsverhältnissen eine ganz neue Bedeutung ge-
wonnen. Er schützt jetzt den Kleinhandel , namentlich den
Handel mit alten Gegenständen , gegen den gefährlichen
') Vgl. hierzu auch Menger, s. a. 0., S. 79.
^ Den Schutz des guten Glaubens innerhalb des Sachenrechts im
Entwurf entwickelt in zusammenfassendor Darstellung KlOppel, Gutach-
ten aus dem Anwaltetande , S. 1415 if.
Art. 2279 Code civil.
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114
Ankauf von Sachen, die den Veräusserern nicht «ehören.
Das ma<; insofern ein Fortschritt sein, als der pliitokratische
Römer der späteren Kniserzeit in diesem Punkte den Klein-
kaufleuten eine mindere Nachsicht gezeigt hat; wir dürfen
aber nicht vergeasen , dass jene menschenfreundliche Vor-
schrift nur allzu oft der Hehlerei zu Gute kommt, und in-
dem sie den Hehler sichert, auch den Stehler ermuthigt ').
In dieser Richtung bewegt sich auch das preussische Recht ,
indem es (auch hei verlorenen und gestohlenen Sachen) dem
redlichen Erwerber einen Gegenanspruch für seine Aus-
lagen (Lösungsanspruch) dem Eigenthümer gegenüber zubil-
ligt*), obwohl die Redlichkeit eines solchen Erwerbers oft
genug mit dem Satze ,Quisquis praesumatur bonus“ steht
und fällt. In gleichem Sinne bestimmt das Handelsgesetzbuch
für die gewerblichen Veränsserungen der Kaufleute , dass das
veräusserte Gut, sobald es weder gestohlen noch verloren
ist, sogar in das volle Eigenthura des redlichen Erwerbers
übergehen soll (Art. 306). Heide Grundsätze, der preussische
Lösungsanspruch und die handelsrechtliche , dem französischen
Rechte nahe verwandte Regel , sind gewisser Maassen im Ent-
würfe vereinigt (§g 877 — 870 und § 939)*). Hiernach bleibt
lür die ordentliche Ersitzung kein Raum mehr. Für Grund-
stücke verbietet sie der Glaube des Grundbuchs, für beweg-
liche Sachen erscheint sie darum überflüssig , weil der red-
liche Erwerber nicht mehr ein Eigenthum würde ersitzen
können , welches ihm .schon ohne Zeitablauf gegeben werden
soll. Nur für die gestohlenen und verlorenen beweglichen
Sachen *) bleibt dem Erwerber neben seinem Lösungsan-
spruche auch noch die Möglichkeit der Ersitzung übrig und
zwar ist sie als zehnjährige ausserordentliche (d. h. vom
') Vgl. daher die EinBchrankungon in nrt. 2279 und 2280 des Code civil.
’) Art. 2280 Code civil thut dies nur unter besondern Bedingungen.
’) M enger sieht darin eine erhebliche Abschwächung des Eigcn-
thumsschutzes (a. a. 0., 8. 77, 82, 83).
Mit Ausnahme des Oeldes, der Inhaherpapiere und üfTeitlich ver-
steigerten Sachen (§ 879).
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115
Nachweise der Erwerbsthatsaehen iinabhänpge) Ersitzung
den redlichen Erwerbern gewährt (§§ 881 ff.).
Die Lehre vom Eigenthumserwerb durch Verbindungen
oder Vermischungen gehört zu den Rechtszweigen, deren
Schwierigkeit zur Seltenheit ihrer praktischen Bedeutung in
einem gewissen Missverhältnisse steht und die vielleicht aus
diesem Grunde bi.sher noch nirgends zur vollen Klarheit
durchgebildet worden ist. Auch der Entwurf wird hier manche
Zweifel unerledigt lassen. Aus einem Streben nach Verein-
fachung erklärt sich, ditss .Verbindung, Vermischung , Ver-
arbeitung“ in einen einheitliclien Rechtszweig verschmolzen
■sind (g§ 890—897), namentlich insofern jede durch derartige
Eigenthumsverschiebungen erworbene Bereicherung ersatz-
pflichtig machen soll (t; 897). Das Gesetzbuch sucht die
Hauptfragen dieser dunkeln Lehre vornehmlich durch zwei
bekanntlich sehr zweifelhafte Begriffe zu lösen: „Wesent-
lichkeit“ und „Werth“. Die Wesentlichkeit einer Verbin-
dung soll ihre Untrennbarkeit bestimmen , was wohl , streng
genommen, auf eine Tautologie hinausläuft'). Der VVerth
verbundener Sachen soll die Hauptsache feststellen (§ 891)
und auch für den SpecificationshegrifF von Bedeutung sein
(§ 894). Nur leider lässt sich nach geschehenen Verbindun-
gen der frühere Werth ihrer Elemente nicht immer erwei-
.sen ; auch haben gewisse Dinge , namentlich Kunstwerke und
Antiquitäten , also gerade Sachen , die verbindenden Hand-
werksarbeiten in besonders hohem Grade au.sgosetzt sind , oft
überhaupt keinen sicher feststellbaren Verkaufswerth. Rich-
terliches Ermessen wird hier nachhelfen und von der Wissen-
schaft genauere leitende Gesichtspunkte verlangen müssen ’).
In der Lehre vom Fruchterwerbe (§§ 898 — 902) werden
Im Uebrigen gewähren gerade hier die A/o/ire vortreffliche Kriäute-
rungon : Bd. 3, S. 40 fl*. , woRelbRt S. 41 dat) Schwergewicht auf das
durch Trennungen gefährdete volkswirthachaftliche IntercsBC mit Kecht
gelegt wird.
*) In der Regel wird es wohl darauf ankommen , wer von den Herren
der verbundenen Sachen schwerer getroffen wird, wenn er statt seines
Gegenstandes eine blosse Oeldabflndung erhalt.
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es die Meisten als einen Fortschritt betrachten , dass nicht
blos der redliche Besitzer, sondern auch der Niessbraucher
schon dann die Früchte erwirbt, wenn sie von der Haupt-
sache getrennt sind (§ 899). Und doch kann diese Verein-
fachung der Vorschriften nur durch eine Minderung der
Rechtssicherheit erkauft werden. Nehmen wir z. B. an , dass
eine zum Niessbrauche berechtigte Wittwe im Spätsommer
mitten in nächtlichem Schlafe stirbt, so sind die in dieser
Nacht abgefallenen Früchte, welche sich loslösten, bevor
die Lebensuhr der Niessbraucherin abgelaufen war , nach
dem Entwürfe das Eigenthum ihres Erben , die später abge-
trennten aber gehören dem Gründstücksherrn. Man kann
sich dies Beispiel leicht vergrössern und vervielfältigen und
wird sehen, dass es misslich ist, ein Erwerbsrecht an den Au-
genblick eines Todesfalls anzuknüpfen, der bekanntlich zuwei-
len so ungewiss ist , dass seinetwegen der ganze Rechtszweig
der Verschollenheitsvorschriften entwickelt werden musste. Zu
erwähnen ist hier noch , dass in einem Beschlüsse des preus-
sischen Landes-Oekonoinie-Collegiums ') der Wunsch geäus-
sert worden ist, die Fruchterwerbsregelung des Entwurfs auf
den Grundsatz zu stellen: ,Wer säet, der mähet“, d. h. der
die Saat ausstreuende Eigenthümer soll ein Recht auf die
Ernte haben. Dieser Satz empfiehlt sich allerdings unserem
Billigkeitsgofühle, jedoch nur in.sofern wir nach seiner vor-
aussichtlichen praktischen Tragweite nicht fragen. Thun wir
dies, so erkennen wir, da.ss er die Auseinandersetzung zwi-
schen Fruchtbezugsberechtigten und ihren Vorgängern oder
Nachfolgern erschwert, weil er die Nothwendigkeit hervor-
ruft , bei der nächsten Ernte nochmals abzurecbiien.
Bei der Zueignung beweglicher Sachen hat die Bienen-
zucht durch einige besondere Vorschriften eine Berücksich-
tigung gefunden (g§ 906 — 909), die im Wesentlichen mit
Anerkennung begrüsst worden ist ’).
') Abgedruckt in von Kirchonheim’s CaUralblatl , Bd. 9, S. 133
nr. 32.
’) Vgl. Kölligs im Archiv f. civ. Praxis, Bd. 74, 8. 433 ff. nnd
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117
Die Behandlung gefundener Sachen im Entwürfe ($;§ 910 —
928) ist im Wesentlichen eine Fortbildung ähnlicher Vor-
schriften des preussischen Rechts, das seinerseits auf deut-
scher Praxis beruht (Pflichten des Finders, Fundlohn, Auf-
gebot, Eigenthumserwerb am Gefundenen unter gewissen Be-
dingungen, u. s. w.). Die Verpflichtung, gefundene Sachen
bei der Obrigkeit anzumelden , ist bei geringwerthigen Sachen
(bis zu 3 Mark) grundsätzlich fallen gelassen (§ 921).
In der Behandlung des Eigenthuinsanspruches (§§ 929 —
945) finden wir vorwiegend Anlehnungen an bekannte ge-
meinrechtliche Doktrinen. Dieser Anspruch wird , abweichend
vom preussischen Rechte , dem Eigenthümer allein gegeben ,
nicht dem blossen Inhaber. Der der Sache beraubte bisherige
Besitzer hat zwar als solcher nach § 825 ohne Weiteres
einen Entschädigungsanspruch auf ihren Werth; dass jedoch
die hierin liegende Vermuthuug eines Rechtes für ihn aus-
reichen soll, um darauf einen Eigenthumsanspruch zu grün-
den, ist nirgends gesagt. Der Eigenthümer wird hiernach
wohl in Zukunft seinen Erwerb voll nachweisen sollen und also
auch bei einem abgeleiteten Erwerb eine volle Ahnenreihe
früherer Eigenthümer bis zu einem ursprünglichen Erwerbs-
acte abzurollen genöthigt sein (sog. probatio diabolica) '). Dass
dieser überaus unpraktische Klagebegründungszwang nicht
römischen Geistes und auch nicht römischen Rechtes ist,
daran hat der Verfasser seit vielen Jahren keinen Zweifel
mehr ’). Es ist erfreulich , dass der unerschütterte Besitz-
stand, dessen er sich innerhalb der herrschenden gemein-
rechtlichen Lehre erfreut, nunmehr neuerdings auf dem Boden
der Quellenexegese eine Anfechtung erführt ^). Hoffentlich
den Beschluss des preussischen Landes-Oekonomio-Collogiams , nr. 29,
a. a. O., 8. 132.
') Hiergegen im Sinne des preussischen Rechts; Co sack, a. a. 0. ,
8. 52 ff.
Vgl. seine Ausführungen in den Verhandhmgtn de> Ißten d.
Jurütentags, 6d. 1, S. 299, bes. Anni. 1.
’) Vgl. Wendt, im Archiv f. civ. Praxis, Bd. 76, S. 397 ff. Für
den Verfasser scheint als Gegengrund wider die herrschende Lehre von
besonderer Wichtigkeit die 1. 5 pr. D. si usnsfr. petctur (VII , 6). zu sein.
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wird ihm im Entwürfe oder weni;jstens doch in seiner Aus-
legung der Boden entzogen werden.
Dass neben den Eigenthiimsschut/. ein entsprechender (Pu-
blicianischer) Schutz des redlichen Erwerbers gestellt ist ,
war zu erwarten (§ 945).
In der Miteigenthumslehre (§§ 940 — 951 , zu ergänzen
aus den §§ 703 — 773) ist der Entwurf, um in der Sprache
seiner germanistischen Gegner zu reden, „unsozial* und „in-
dividualistisch“, und zwar beides nach römischem Vorbilde.
Es zeigt sich dies in einer grossen Unabhängigkeit, welche
er den Einzelnen gewährt , wie in seiner Gunst gegenüber
der Auflösung dieses Verhältnisses (g 707). Allein da ein-
mal das Wort „coramunio raater rixarum“ gilt und der
Wunsch nach freier Bewegung in einem gesonderten Herr-
schafts-Kreise vom Standpunkte der Privatrechtsorduung als
berechtigter gelten soll , so wird man auch zugeben müssen ,
dass es nicht die Aufgabe des Rechts sein kann , Miteigen-
thümer zur Tugend der Nachgiebigkeit zu erziehen. So darf
man denn auch die Absonderungs- und SelbständigkeiLsge-
lüste des Miteigenthüiuers nicht für völlig verwerflich ansehen.
Nachdem der Entwurf (§§ 952 — 900) für die Erbpacht in
dem dinglichen Vorkaufsrechte einen schwerlich zureichenden
Ersatz zu bieten gesucht hat, will er auch statt der römi-
mischen superficies in dem „Erbbaurechte“, wie schon der
Name sagt, eine Beschränkung dieses Instituts verwirk-
lichen (g§ 901 — 905). Das römische Erbnutzungsrecht des
Superficiars greift bekanntlich über Bauten hinaus, berührt
einzelne Theile von Gebäuden und der richtigen Meinung
nach auch Bäume und Pflanzen. In diesem weiteren Umfange
soll es nunmehr wegfallen. Das in einzelnen Theilen Deutsch-
lands viel verbreitete Stock werkseigenthum ist somit gleich-
falls dom Entwürfe fremd und hat nur im Einführungsge-
setze Anerkennung gefunden '). Was aus den Bäumen werden
') Allerdings nur in einer gekünstelten Verquickung mit dem Mit-
eigenthumsrechte, vgl. KinfObrungsgesetz, Art. T3, und hierzu die ifolice,
S. 197.
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soll, welche man auf fremden Landstrassen unpflanzt, um sich
eigenthumsähnliche Rechte an ihnen vorzubehalten , bleibt
hiernach eine offene Frage.
ln der Lehre von den Dienstbarkeiten ist das Eintragungs-
princip festgehalten, d. h. auch diese Rechte sollen ohne
Eintragung nicht entstehen können. Dagegen hat sich eine
Abtheilung des IO*®" deutschen Juristentages erklärt ').
Obwohl von einem besonderen Schutze des „Rechtsbesitzes“
im Entwurf nicht die Rede sein soll , da ihn der weitgehende
Besitzesschutz des Inhabers in seinen Hauptanweudungsfällen
entbehrlich macht ’), so ist doch der Zustand, welchen
man so nennt, bei Grunddienstbarkeiten rechtlich geschützt
(§ 979).
Der Niessbrauch ist mit besonderer Genauigkeit geregelt
(§§ 980 — 1043). Die Bestellung des Niessbrauchs verlangt
Uebergabe (§ 983), m. E. ohne Grund. Der Nachtheil,
welchen die gleiche Vorschrift beim Eigeuthume ab wehrt,
besteht in einer Verdunkelung der Eigenthumsverhältnisse
innerhalb der Verkehrsbewegungen durch eine Trennung von
Besitz und Eigenthum. Bei den viel seltneren Niessbrauchs-
bestellungen kann eine gleiche Besorgniss kaum in Betracht
kommen.
Dass der Niessbraucher nicht erst durch ein besonderes
V^ersprechen , sondern unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet
ist, für Schonung und ordnungsgemässe Rückgabe der Sache
zu sorgen (§ 991), ist ein Ergebniss der gemeinrechtlichen
Gewohnheit; die entgegengesetzte veraltete Vorschrift des
römischen Rechts erklärt sich wohl nur aus einer Lücke des
alten jns civile , in welchem noch nicht vorhergesehen war ,
dass sich später derartige Rechte auf dem Boden des Ver-
tragsrechts und der Testierfreiheit bilden würden.
') VerhanfUunffen f Bd. 3, S. 130. Vgl. jedoch auch Krech, a. a. 0.,
S. 96 ff und V. Meibom, im Arch. f. cic. Praxis^ Bd. 75, S. 451.
Oomildert iut die Strenge diesoa Eintragungszwunges durch Art. 109
des Einfflhrungsgesetzes zum Entwurf.
■) Klöppel, Gutachten aus dem Anwaltstaiide , S. 1426.
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Eine mehr scheinbare , als wirkliche Aenderunj^ steckt in
der Vorschrift (§ 1011), dass in Zukunft der Niessbrauch
dem Rechte , nicht blos der Ausübung nach , übertragbar
sein soll'); denn auch in Zukunft soll der Niessbraucher
weder die Pflichten , die ihm infolge seines Rechts obliegen ,
dadurch abwälzen können , dass er sein Recht einem ander-
ren abtritt*), noch soll es einer niessbrauchberechtigten
Greisin möglich werden , das mit ihr zum Sterben reife Recht
dadurch zu verjüngen, dass sie es auf die Schultern eines
Kindes legt; ihre eigene Lebensdauer soll vielmehr auch
nach der üebertragung des Rechts diesem ein Endziel stec-
ken (§ 1011, 2 und 1014). Dass also die üebertragung
eines Niessbrauchs weder den Veräusserer von seiner Pflicht
befreien noch seinem Rechte eine neue Lebensdauer erwer-
ben kann, das war aber gerade wohl der Punkt, welchen man
im Auge hatte , wenn mau die Uebertragbarkeit des Rechtes
bestritt und nur seine Ausübung als veräusserlich betrachtete.
Eine besondere Cautionspflicht (§ lOOö) des Nie.ssbrau-
chers soll nur noch Platz greifen, wenn er die Unversehrt-
heit der Sache durch sein Verhalten gefährdet; dann freilich
wird ihre Geltung oft genug zu spät kommen.
Der Niessbrauch an Rechten und an einem ganzen Ver-
mögen ist besonders geregelt (§g 1021 — 1043).
Unter den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (>5§
1044 ff.) hat der Entwurf nur bei dem Wohnungsrechte
angegeben, worin es ira Zweifel bestehen soll (§ 1050).
Die Reallasten, ein absterbendes Rechtsiustitut , sind nur
durch wenige Vorschriften geregelt (§§ 1051 — 1061) und nur
für den Fall, dass nicht die Landesgesetzgebung ihr Fortbe-
stehen ausschliesst ’).
') Eine iihulicho Ansicht vertraten früher Dernburg, in Linde 's
ZeiUchrift, N. F., II, 2, und Elvers, die rSm. Sensitutenlehre
Vgl. Arndts, Pandekten, § 179 Anm. 4.
>) Allerdings lüsst ihn § 1013 von der Vcnlusserung sh nur als selbst-
schuldnerischen Bürgen für seinen Nachfolger haften.
’) Art. 70 des Entwurfes eines Einführungsgesetzes.
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121
Dass (las Pfandrecht im Kutwurfe nicht mehr als einheit-
liches Ganzes behandelt wird, sondern in 4 Gruppen zer-
apalten ist ') (Pfandrechte an Grundstücken , Grundschulden ,
Pfandrechte an beweglichen Sachen uud Pfandrechte an
Rechten), beruht nicht blos auf der bekannten Schwierig-
keit der Aufgabe , alle pfandrechtlichen Erscheinungen unter
einen Hut zu bringen. Eine ganz allgemeine Begriffsbestim-
mung dieser Rechtsgebilde Hesse sich wohl allenfalls dahin
fassen, da.ss das Pfandrecht die Befugniss ist, ein fremdes
Verraögensstück zu beeinträchtigen , um sich dadurch wegen
einer erwarteten Leistung zu sichern. Nach der Verschie-
denheit der Beeinträchtigungsformen und ihrer Vorbedingun-
gen sind dann Unterarten zu bilden, und da diese Beein-
trächtigungsformen bei Rechten andere sein müssen , als bei
greifbaren Dingen , so müssen auch die Pfandrechte an beiden
einer gesonderten Behandlung unterstellt werden. Was ferner
die Trennung des Grundstückspfaudes von der verpfTindeten
beweglichen Sache anlangt, so ist sie ein Ergebniss der
schon oben geschilderten neueren Creditverhältnisse. Diese
machen die Grundstückspfander zu regelmässigen Formen
der heutigen Capitalsverwerthung , während die beweglichen
Pfänder hierzu untauglich sind , weil sie der Gefahr unter-
liegen, von den Verkehrswellen weggespült und den Blicken
des Gläubigers entzogen zu werden. Dadurch hat das Leihen
auf bewegliche Pfänder bei uns dieselbe Natur behalten ,
welche der richtigen Meinung nach in Rom auch das Grund-
stückspfand niemals abgestreift hat , nämlich die Zweckbe-
stimmung, in vorübergehenden Nothlagen als eine gelegent-
liche Hülfe zu dienen. Es zeigt sich dies schon darin , dass im
Entwürfe die Grundstückspfäuder Geldleistungen sichern , die
beweglichen Pfänder auch andere Schulden (§ 1145).
Auf dem Gebiete der Grundstückspfäuder dagegen tritt uns
nunmehr eine weitere Mannigfaltigkeit entgegen. Der Entwurf
') Vgl. za dem Folgenden BSIir, Kril. Vierteljuhrsschriß , Bd. 30,
ä. ÖI8 II'., und Oberhaupt zu dem Plandreclite : Scholler und Wer-
ntck in den Gutachten aus dem Anicattstanäe j ä. 35 ff., 376 ff.
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huldigt hier dem Grundsätze: ,Wer vieles bringt , wird man-
chem etwas bringen* ; denn in nicht weniger als vier Formen
lässt er Grundstückspfander zu , für welche gewisse allgemeine
Vorschriften gemeinsam sind ') , während sie im fiebrigen
einer verschiedenen Behandlung unterliegen. Wir finden neben
einander; 1. Buchhypothek’); 2. Brief hy pothek ; 3. Sicher-
heitshypothek; 4. Grundschuld (die, wie wir sahen, nicht
unter, sondern neben die übrigen Grundstückspfänder gestellt
ist), alle verschiedenen Grundsätzen unterworfen. Dass der
Verkehr aus der Häufung so verschiedener Mittel zu ähn-
lichen Geschäftszwecken leicht in Verwirrung gerathen kann ,
ist geltend gemacht worden ’) und wird sich schwerlich be-
streiten la.ssen. Immerhin bedarf es jedoch einer geschicht-
lichen Erklärung dieses merkwürdigen Auseinaudergehens
eines einheitlichen Rechtsverhältnisses in so viele Unterarten.
Es scheinen hier ähnliche Kräfte gewaltet zu haben , wie bei
der Entstehung der Inhaberpapiere, namentlich der Wech-
selschulden. Die Neuzeit ist, wie wir sahen, darauf ange-
wiesen , Kapital und Arbeitskraft durch Creditgewahrung
zusammenzubringen. Der Hauptbebel dieses wirtschaftlichen
Erfolges ist aber die Hoffnung, eine durch Creditieren er-
worbene Forderung im Nothfalle verwerthen zu können. Die
Beitreibung ist jedoch nur die eine, langwierigere Verwer-
thungsform , die andere, bequemere ist der Forderungsver-
kauf. Ihn begünstigen heisst die Creditgewährungen befördern.
Wie nun die Wechselfordernngen durch Sondervorschriften
an Veräusserlichkeit gewinnen, so lag es nahe, auch den
Hypotheken eine gleiche Eigenschaft auf ähnlichem Wege
zuzuwenden. Auf zwei Arten ist vornehmlich die Wechsel-
forderung übertragbarer gemacht, als die gewöhnliche For-
‘) Ueber diese vergleiche Klöppel ia den Gutachttn aus dtm An-
waltstande, S. 1446.
>) Diesen Ausdruck schlägt namentlich Brettner in Kohle r's Ar-
chiv f. bürg, S., Bd. 2, S. 182 vor. Der Entwurf spricht von einer
Hypothek ohne Hypothekenbrief.
’) Ygl. Dernburg in den Verhandiungen dts 20lsn Deulschm Juris-
tenlags, Bd. 4, S. 238.
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deruug es ist: durch ihre Anknüpfung an ein Papier, au
dem sich der Uebertragungsakt vollziehen kann ohne jede
Rücksicht auf den abgetretenen Schuldner, und zweitens
durch ihre erhöhte Unempfindlichkeit gegen Einreden. In
ähnlicher Art den Hypotheken nachzuhelfen , rechtfertigte
sich dadurch , dass sie ihren Zweck , eine Schuld zu sichern ,
für den Gläubiger auf zwei Arten erreichen können : durch
Beitreibung und durch Veräusserung ‘). Wenn es hiernach
ein begreifliches Streben der Gesetzgebung ist , dem Hypo-
thekenveräusserungsbedflrfnisse entgegenzukommen , um zum
Besten der Landwirthschait die Creditgewiihrungslust auf
Gründstücke hinzulenken , so mussten andererseits alle die
schweren Ausbeutungsgefahren, welche bekanntlich das Wech-
selrecht mit sich führt, sich auch hier in hohem Maasse
geltend machen. Nirgends lässt ein Gesetzgeber ungestraft
Klagerechte aus Verabredungen von den Vertragszwecken
abstrahieren. Der leichtsinnige Schuldenmacher , der auf Kos-
ten eines zukünftigen Erwerbes , vielleicht sogar zukünf-
tiger Erbschaften, schon jetzt sein Leben geniessen will, und
der Wucherer, der in ihm sein Opfer sucht, diese beiden
Erscheinungen sind die unzertrennlichen Begleiter der ab-
strakten Geschäfte innerhalb der Rechtsgeschichte. Wo Wohl-
stand, Verkehr-skenntniss und Gesittung sie wenigstens in der
Regel unschädlich machen , da kann der Gesetzgeber über
ihr Vorhandensein allenfalls hinwegsehen (dies gilt nament-
lich für die grösseren Handelsplätze , welche zugleich die
Sammelstellen wirthschaftlicher Einsicht zu sein pflegen) ;
wo dies nicht der Fall ist, namentlich in abgelegeneren
Landstrecken, da werden sie sich in unliebsamer Weise be-
merkbar machen und nur durch ein künstliches Steigern
der Volksbildung nach der wirtschaftlichen Seite mildern
lassen. Die Gesetzgebung eines grossen Gebietes findet sich
') Dass sie tuben dem Sioheron^szweck ,den Zweck haben , Gegen-
stand des Verkehrs zu sein" (so der Bericht in von K i rc h e n h ei m’s
Centralblau, 1888, Bd. 7, S. 245) ist somit nur insofern richtig, als
der zweitgenannto Zweck ein Mittel für den ersteren ist.
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124
liier in der Übeln Luge, einheitliche Vorschriften für ver-
schiedene Schutzbedürfnisse aufstellen zu sollen. Der solide
Geschäftsbetrieb redlicher und einsichtiger Geschäftskreise
begehrt eine Degünstigung der verkehrsbelebeuden abstrak-
ten Geschäfte ; dagegen erschallen aus weiten Landgebieten
Klagerufe über eine Ausbeutung der geistig und wirlhschaft-
lich Armen durch gewandte Speculanten. Eine Grenze zwi-
schen der Heilsamkeit und der Verderblichkeit jener Geschäfte
zu ziehen , ist kaum thunlich ; die eine Seite allein zu be-
tonen, würde verfehlt sein. Die preussische Gesetzgebung
von 1872 war hierin vielleicht zu verkehrsfreundlich, indem
sie als ihre beiden PfandrechLsfornieii nur die abstrakte Grund-
schuld und eine gegen Einwendungen in hohem Maa.sse un-
empfindliche Hypothek zuliess. Indem nunmehr der Entwurf
im Hypothekenrechte dem Verkehre verschiedene Formen
bietet, die gewisser Maasseu eine Scala der Gefährlichkeit
für den Schuldner zum Besten des Gläubigers bilden (wie
er ja auch neben der Wechselschuld die gewöhnliche Schuld
bestehen lässt) , hilft er vorsichtigen Creditsuchern wenig-
stens insoweit zu der Möglichkeit, den Grundbesitz in einer
minder strengen Art zu verpfänden , als nicht ihre Noth sie
zu den ihnen ungünstigeren Creditformen zwingt. So rettet
sich der Gesetzgeber aus einem unlösbaren Zwiespalt der
Schutzbedürfnisse , indem er den Parteien .selbst eine Ge-
legenheit bietet, sich vor einer allzu strengen Haftung zu
schützen.
Auf dieser viersprossigen Stufenleiter der Gefährlichkeit
bildet den untersten, unbedenklichsten Grad die Sicherheits-
hypothek, den obersten die Grundschuld. Dazwischen finden
wir, näher an der erstgenannten Form, die Buchhypothek
und, der Grundschuld näher verwandt, die Briefhypothek.
Die Sicherungshypothek (g§ 1125 — 1134) ist wohl deshalb
so genannt, weil bei ihr der Schuldner nicht schlimmer be-
lastet wird, als der Sicherung-szweck der Hypothek es unbe-
dingt erfordert, nämlich durch Herstellung eines streng
accessorischen Hechts , das uneingeschränkt denselben Ein-
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125
reden unterliegt wie die Hauptschuld. Strenge genommen
sichern alle Hypotheken eine erwartete Leistung , daher bes-
ser gewesen wäre von „unselbstständigen“ oder „abhängigen“
Grundstückspfandern zn reden.
Diese .schlichte Form soll auch bei der sogenannten Kau-
tionshypothek (§ 1 1 29) gelten , sowie bei den Zwangs- und
Arresthypotheken (§§ 1130 ff.). Sie ist die an Eintragungs-
zwang gebundene Hypotliek des römischen Rechts.
Den Erwerber der Buchhypothek dagegen schützt das
Gesetz in ähnlicher Weise, wie den Wechselindossatar gegen
überraschende Einreden (vgl. §g 1083, 1084, 1108), um
gutgläubige Erwerber gegen Enttäuschungen zu sichern. Sie
ist aber, sofern sie ohne Brief begründet ist, einer schwer-
fälligeren Veräus.serungsform unterstellt, insofern ihre Ueber-
lassung an andere Gläubiger lediglich durch Bucheintragung
möglich ist'). Hierdurch wird der neue Erwerber genöthigt ,
alle diejenigen Einwendungen kennen zu lernen oder doch
kennen zu müssen , welche das Grundbuch ersichtlich macht.
Die Briefhypothek dagegen ist auch ohnedies abtretbar,
nämlich durch gerichtliche oder notarielle Deberlassung und
Uebergabe dos Briefs (§ 1112), ohne dass ihr üebergang
eingetragen zu werden braucht.
Die Grundschuldsbestcllung, welche das Grundstück nicht
für eine Schuld, sondern einfach für eine Summe haftbar
macht (g 1135), ist diejenige Verpfändungsart, deren Begrün-
dung am Meisten von allen der Papiergeldfabrication ähn-
lich ist ") , denn sie sichert nicht eine Schuld , sondern nur
eine erwartete Zalilung. Darum ist auch die Schattenseite
der Papiergeldserzeugung ihr nicht fern geblieben , die Ent-
stehung von Werthpapieren ohne Deckung, mit anderen Wor-
') gesea diese Vorschrift: v. Meibom, \m Archiv f. civ. l‘raxi)i,
Bd. 75, S. 450.
') Neue nnregende Ucsichtspunkto über dieses llcelitsgobildo erülfnet
Bühr in Kohler’s Archiv für bärgerlichvs Recht, Bd. Z, 8. 175.
Vgl. auch die gedankenreiche Schrift von Kühnast, die Grundschuld
des Knttpurfs u.s.w., Berlin 1888.
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12 ()
ten die starke Ueberschuldung der Grundstücke über ihren
Werth durch derartige abstrakte Belastungsscheine. Dass solche
Papiere trotz ihrer Werthloaigkeit oft genug Käufer finden
und die Solidität des Verkebrslebens gefährden, ist dem Ver-
fasser aus eigener Anschauung in früherer richterlicher Thä-
tigkeit vor Augen getreten. Immerhin hat diese Verptän-
dungsform, deren Gefahren vor ihrer Einführung in Preussen
vorhergesehen wurden und welche daher nicht ohne Wider-
sjiruch in das neuere preussische Recht eingedrungen ist,
sich auf die.sem Gebiete doch so viel Freunde erworben, dass
ihre Heibehaltung mehrfach Billigung gefunden hat ').
In diese Viergestaltnng der Grundstückspfänder '), welche
an die Stelle der preussischrechtlichen Hypothek und Grund-
schuld vier Arten setzt, würde sich höchstens durch eine
Beseitigung der Buchhypothek eine Vereinfachung bringen
lassen , eine Streichung der sog. Sicherungshypothek aber sich
schwerlich rechtfertigen ’).
Die grosse Räthselfrage , ob es eine Eigenthümerhypothek
giebt, oder ob dasjenige, was man so benennt, eigentlich
etwas ganz anderes ist, hat der Entwurf dahin entschieden,
dass er dies Recht einfach zuliess und regelte (§§ 107ti,
1094 — 1101, für Grundschulden vgl. § 1142), ein Pfand-
recht ohne accessorischen Charakter, gewisser Maassen ein
neben dem Eigenthume stehendes Recht am Grundstfick-
werthe *). Dabei bleibt die Frage offen, ob nicht die Form
die.ser Anordnung einen Widerspruch in .sich selbst enthält,
weil sie dem Eigenthümer das Recht auf den Wert seiner
Sache als eine besondere Befugni.ss gewährt, während es schon
iin Eigenthume liegt, und weil daher der Vortheil , der dem
') Sogar durch einen Beschluss des preussischen Landes-Oekonomie-
Collegiums, a. a. 0., nr. 20, 8. 132.
’) Vgl. Aber sie auch Levy in den Verhandlungen des 20len deut-
schen Juristentags, Bd. 8, 8. 261—286.
’) Die Formen der Rovenuenhypolhek und des sog. Nutr.pfnndcs sind
dem Entwürfe fern geblieben. Vgl. Brettner in Kohler’s Archiv f.
bürg. R., Bd. 2, 8. 179 if.
*) Klöppel, B. s. 0., 8. 1445 hiilt es geradezu für eine Orundschuld.
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Bof^en. Pfandgläubiger an eigener Sache zusteht, genau be-
trachtet nicht ein ihm eigenthümliches Reclit ist, sondern
eine Beschränkung der Rechte der Nachhypothekare , also
nur eine Ausnahme ihres grundsätzlichen Nachrückens ').
Diese Frage liegt jenseits der Grenze des Gebiets, welches
der Gesetzgeber zu beherrschen vermag, und wird die Wis-
senschaft auch in Zukunft beschäftigen.
In der Faustpfandsregelung treten vornehmlich zwei Unter-
schiede vom römischen Rechte hervor , welche sich allge-
meiner Billigung erfreuen, nachdem das preussische Land-
recht ihnen einen grossen Geltungskreis verschafft hat. Der
eine liegt in der Erschwerung der Verpfändungsform, der
andere in derjenigen der Veräusserungsform bei beweglichen
Pfändern. Beseitigt sind hier die Pfandrechte aus formloser
Abrede (§§ 1147, 1196) und der private Pfandverkauf (g§
1171 ff.), der letztere freilich nur, sofern er nicht im beider-
seitigen Interesse des Pfandgläubigers und des Pfandeigen-
thümers liegt, ein Fall, über dessen Vorhandensein aller-
dings leicht ein Streit entbrennen kann. Dass es sich bei
diesen Abweichungen vom römischen Rechte um nationale
Gegensätze handelt, wird mit Unrecht vielfach behauptet.
Die Gründe , welche sich für das neuere Recht ins Feld
führen lassen, müssen sich auch schon im römischen Ver-
kehrsleben einsichtigen Rechtspflegem aufgedrängt haben.
Beide Vorschriften haben vielmehr einen bevormundenden
Charakter und steuern gewissenlosem und trügerischem Ge-
bühren. Die Unzulässigkeit, Sachen, deren Besitz man nicht
weggeben kann , einem Pfandrechte zu unterwerfen , macht
den Eigenthümern eine betrügerische Doppelverpfändung
ihrer Sachen zu deren vollem Werthe unmöglich und ver-
hindert Handwerker so wie andere Arbeiter leichtsinniger
Weise ihr unentbehrliches Werkzeug als Grundlage eines
*) Das System der so(f. festen Prioritäten , welches den OrnndsaU des
Nachrflekens verwirft, ist in den Entwurf nicht aufgenommen, vgl.
hierüber die Ontachten von Staub und Arnheim in den Gutachten
aus dem Anwalt/tande , 8 . 40" ff., 1086 If.
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Credits aiiüiisclien. Andrerseitsistuberdie.se Verbotsvorschrifl
leicht zu umgehen ') und beraubt wichtige Berufsstände (Vieh-
züchter, Fabrikanten, Handwerker u. dergl.), welche ihre
Betriebswerkzeuge nicht aus der Hand geben können , der
Möglichkeit, auf das in diesen Sachen steckende Capital in
wirlhsehaftlichen Nolhlagen Darlehnssummen aufzunehmeii *).
Abgeschaffl ist die sog. retentio Gordiana (§ 1194), d. i.
das für den Verkehr nur wenig bedeutsame Recht des Ffaud-
gläubigers, nach Tilgung der Hauptschuld das Pfand wegen
sonstiger Forderungen gegen de.ssen Eigenthümer zurückzu-
behalfen *).
Der letzte Titel des Sachenrechts (Pfandrecht an Rechten,
1206 — 1226) zeichnet sich durch da.s nicht unbedenkliche
Streben aus, sehr ungleichartige Dinge, wie es die Pfand-
rechte an den verschiedenen Rechten sind , unter einheitliche
Rechtsregeln zu bringen.
Das Familienrecht des Entwurfs ist in drei Theilen be-
handelt, die sich aus den natürlichen Beziehungen der Haus-
genos.sen zu einander ergeben: 1. Eherecht; 2. Verwandt-
schaftsrecht, 3. Vormundschaftsrecht. Die an zweiter Stelle
.stehende „ Verw'audtschaft“ ist eine Erweiterung der Vor-
schriften über väterliche Gewalt, welche die übliche Lehre
zwischen Eherecht und Vormundschaftsrecht einzuschieben
gewöhnt ist.
Eine Scheidung des sog. reinen Familienrechts vom Fanailien-
güterrecht ist vermieden und zwar mit gutem Grunde. Beide
Rechtszweige suchen auf eine angemessene Gestaltung der
') Vgl, über diesen Punkt Leist, die Sicherung von Forderungen
durch Uebereignung von Mobilien, Jena 16S9, 8. 6 ff. Vgl. auch Cosaok,
a. a. 0., 8. 14, 15.
’) Vgl. des Verfassers Ausführungen in den Ueiträgen zur Erläute-
rung des Deutschen Rechts, Bd. 25, 8. 177 ff., und hierzu Weriiick
in dun Gutachten aus dem Anwaltslande, 8. 376 ff. auch Khrlich iu
den Wiener Juristischen BhWrr« 1891, Nr. 1 1, 8. 123 ff., Nr. 12, 8. 135 ff.
’) Für dasselbe ans Rücksicht auf das Vorkchrsloben : Poland, De-
merkungen zu d. Entwurf u. s. w., 1888, 8. 13.
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120
häusslichen Verliältnisse hinzuwirken und man würde sie
wohl nicht so oft von einander gesondert haben , wenn nicht
rechtsgeschichtliche Ursachen auf dem Eherechtsgebiete dazu
gedrängt hätten. Eheschliessungen und Ehetrennungen galten
lange Zeit als kirchliche Sachen , ihre Verweltlichung liegt
in dem Entwürfe als das Endergebniss einer langen Ent-
wicklung vor uns ').
Die kirchliche Herkunft dürfen diese Gebiete jedoch niemals
gänzlich verleugnen. In der Sonderung der reinen Familien-
rechte von den Vermögensangelegenheiten liegt eine Aner-
kennung der Menschenwürde , der stärkste Rückschlag gegen
die Gleichstellung der Hausgenossen mit den vernunftlosen
Sachen , von der einst das altrömische Recht ausgegangen
war. In diesem Sinne bahnt das Einführungsgesetz zum neuen
Gesetzbuche in einigen Bestimmungen , welche dem Entwürfe
-selbst bereits in der Form von Anmerkungen beigefügt sind
(§§ 027a — 627c), einen bedeutsamen Fortschritt an , den Ver-
such, die Familienrechtsprocesse in ihren Hauptgrundsätzen
zu den vermögensrechtlichen Streitigkeiten in Gegensatz zu
stellen , und beugt namentlich für derartige Processe Rechts-
veränderungen vor, welche in Folge einer unsachgemässen
Processführuug eintreten könnten ’).
Im Beginne des Eherechtes ’) bemerkt der Entwurf (§ 1227):
.Durch das Verlöbniss wird eine Verbindlichkeit der Ver-
lobten zur Schlie.ssung der Ehe nicht begründet.“ Einem
ungenannten Beurteiler des Werkes (in einem Zeitungsartikel)
') Scheurl, Archiv f. eiv. Praxis, Bd. 74, 8. 387—398, führt mit
Recht hierzu aus, dass das protestantische Eherechl dem weltlichen
Eherechte des Staates den We^ gebahnt hat.
') Umfang und Ziel dieser durchgreifenden Reform hat der Y e rfa sser
zuin Gegenstände einer besonderen Schrift gemacht: Die Eideszuschie-
bung in Familienrechtsprocessen Marburg, Eiwert 1890 (in den Fest-
gaben der juristischen Faculiät zu Marburg für Georg Wilhelm Wetzcll ,
Marburg, Eiwert 1890, S. 25 ff.).
’) Vgl. zu diesem Berolzlieimer in den Gutachten aus dem An-
waltstande, 8. 295 ff.; auch Pfizer, Ehe, Staat und Kirche, Ham-
burg 1890 (Deutsche Zeit- und Streitfragen, Nr. 73).
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130
erschien dies so wunderlich , dass er (glaubte , hier müsse das
, nicht“ auf einem Druckfehler beruhen*). In VVahrheitwill
der angeführte Test die Treulosigkeit der Verlobten nicht
geradezu als berechtigt hinstellen , sondern nur eine klag-
bare Verpflichtung ablehnen. Er hält offenbar bei einem
Zerwürfnisse unter Brautleuten das Auseinandergehen für
ein geringeres Uebel als eine widerwillige Eheschliessung.
Auf dem Gebiete des Eheschliessungsrechtes hat das Deutsche
Einheitsbedürfniss die Entstehung der neuen Privatrechtsord-
nung nicht abgewartet, sondern zu dem Reichs-Gesetze vom
6*'“ Februar 1875 geführt, das für ganz Deutschland die
unumgängliche Civilehe angeordnet hat. Der Inhalt dieses
Gesetzes liegt mit wenigen Abweichungen , die es den übri-
gen Theilen des Entwurfs anzupassen suchen , dem Eheschlies-
sungsrechte des Entwurfs zu Grunde. Unter den Ursachen
ungültiger Ehen werden Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe
unterschieden; jene sind die Gründe einer Ungültigkeit, welche
von einer Anfechtungserklärung unabhängig sind , diese die
Gründe einer solchen, welche von einer derartigen Erklä-
rung abbängen *). Die ,nur auf Wunsch eines Gatten zer-
störbare“ Ehe und die ,auch wider den Willen beider Gatten
zerstörbare* Ehe, das ist ungefähr der Gegen.satz zwischen
der anfechtbaren und der nichtigen Ehe in der Redeweise
des Entwurfes.
Dabei ist ein Einklang zwi.schen der Ausdrucksweise des
Eherechbi und derjenigen des allgemeinen Theils (§g 1 08 ff.)
zwar angestrebt, inde.ssen keineswegs hergestellt. .Nichtig“
heis.st sonst das ohne Anfechtungserklärung ungiltige; in
diesem Sinne giebt es (abgesehn von § 1252, Absatz 2)
nichtige Ehen überhaupt nicht. In Anlehnung an das gemeine
Recht be.stimmt vielmehr der Entwurf (§ 1252, Absatz 1),
dass in der Regel jede thatsäcblich (d. h. in gehöriger Form)
•) Vgl. auch Stoltcrfoth, Beitrage zur Beurteilung des Entw.,
Leipzig, 1890, S. 82.
’) Vgl. hierüber Fiecher in Jhering's dogm. Jahrb,, Bd. 29,
S. 248 ff.
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131
•jesclilossene Ehe so lanpre gütig ist , bis eine richterliche
Nichtigkeitserklärung sie zerstört. Die Rücksicht auf die
vielen am Bestände einer Heirath betheiligten Dritten duldet
keine Rechtsunsicherheit in der Frage , ob eine Ehe gütig
ist, und darum auch keine unsichtbare, nicht obrigkeitlich
anerkannte üngiltigkeit eines so wichtigen Verhältnisses. Die
scheinbare Ausnahme, welche hiervon gemacht ist (§ 1252,
2), ist keine wahre Ausnahme. Die wegen Formmangels
unzulängliche Eheschlie.ssung soll auch ohne Nichtigkeitser-
klärung keine Ehe nach sich ziehen. Dies folgt aber schon
daraus, dass hier gar keine Ehe.schliessung vorhanden ist,
nicht einmal eine nichtige, sondern höchstens, so zu sagen,
der Versuch einer Eheschliessung. Die Verwechslung des
Nichtigen mit dem überhaupt nicht Vorhandenen ist ein
hartnäckiges Grundübel der neueren Wissen.schaft, und die
Redeweise des Entwurfs passt sich ihm an. Wo der Thatbe-
stand eines Vertragsschlusses vorliegt, da kann man immer-
hin von einem Vertrage reden und ihm das Beiwort .hohl“
oder „nichtig“ anhängen, sobald er unfähig ist, die in ihm
angeordneten Folgen hervorzurufen. Wo jedoch ein solcher
Thatbestand gar nicht vorhanden ist, da sollte man von
einem Vertrage überhaupt nicht reden, auch nicht unter
Hinzufügung eines Beiwortes , das seine Werthlosigkeit kenn-
zeichnet. Hinsichtlich der Anfechtungsgründe darf nicht ver-
schwiegen werden , dass hier unter der Nachwirkung älterer
individualistischer Doktrinen den Wünschen der Einzelnen
gegenüber dem allgemeinen Bedürfnisse nach Erhaltung der
Würde der Ehe ein sehr weiter, vielleicht ein zu weiter
Spielraum gewährt ist, namentlich hinsichtlich der Anfech-
tung der Ehe wegen Betruges (§ 1259) ').
') Der VerfttBser hat dies näher ausgefflhrt in seiner Schrift: Der
Irrthum ah NicJitigkeitsgrund , §§ 70 ff. , Verhandlungen de« 20len
Jurislentages, Bd. 2, S. 92 ff. Vgl. auch HioBchius im Areh. f.civ-
Praxis, Bd. 74, 8. 69 ff. — Schilling, Aphorismen zu dem Ent-
teurfe u.s.w., Cöln 1888, S. 15 meint , dass, wenn der Entwurf mit dem
Eherecht als integrirendem Bestandtheile zur Abatimmnng im Reichstag
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Unter den .Wirkungen der Ehe* (g§ 1272 ff.) versteht
der Entwurf theils allgemeine Grundsätze , die da.s Verhält-
niss der Gatten regeln , theils die Lösung der sehwierigen
Frage de.s ehelichen GOterrechts, vielleicht der schwierigsten ,
welche den Verfassern des Entwurfes vorlag ’). In der allge-
meinen Auffassung des ehelichen Verhältnisses hat das Ge-
setzeswerk sich von der ungeschichtlichen Anschauung früherer
Zeiten, welche auf dem Privatrechtsgebiete die Wünsche des
Einzelnen überall den allgemeinen überzuordnen geneigt war,
durchaus freigemacht. Er fasst den Lebensbund zwischen Mann
und Frau als das innige Verhältniss auf, welches es schon
aus Rücksicht auf die menschliche Würde sein soll und muss ’).
Damit hängt ein Übergewicht der Stimme des Mannes als
des Vorkämpfers des Familienwohls (g 1273) nicht minder
zusammen, als das Recht der Frau, den Mann im häus-
lichen Wirkungskreise zu vertreten (§ 1278).
Bei der Lösung der schwierigen Fragen des ehelichen
Güterrechts wurde die Gesetzgebungscommission ganz auf
das Gebiet der germanistischen Privatrechtswissenschaft liin-
übergefUhrt , deren bedeutendste Vertreter zugleich die ent-
schiedensten Gegner des Entw urfes sind ’). Und doch ist
gerade hier nicht ohne Glück ein überaus kühner Wurf ge-
wagt worden : Herstellung eines einheitlichen gesetzlichen
Güterstandes gegenüber einer Unzahl zersplitterter Rechts-
systeme *). Gerade auf dem Eherechtsgebiete schien der Deut-
gubracht wurden eullte , die katliolischen Abgeordneten dem Ganzen ihre
Zustimmung würden verengen müssen.
') Mitteis in der Xeiluclirifl für Ja« Pricat- und öffentliche Recht
der Gegenwart ^ ßd, 16, S. 545.
^ Dieser Gedanke durchzieht auch den vortreiSich geschriebenen vier-
ten Band der Motive.
>) Vgl. hierzu namentlich Gimlie, der Entwurf, 8. 393 ff. — SchrOder,
das Familiengilterrecht in dem Entwürfe u. s. w., 1889. Etwas günstiger
bcurtheilt diesen Theil des Entwurfes hinsichtlich des Inhalts (nicht
hinsichtlich der Form) Mitteis, in Grünhut's Xeitechrift f.d. Privat-
und öffentl. R. der Gegenwart, Bd. 16, 8. 545 ff.
') Allerdings ist gerade hier die 8chwerfälligkeit der Form in beson-
ders hohem Grade angegriffen worden. Rühr hat deshalb im Archiv
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133
sehe Particularisinus besonders berechtigt zu sein ; die Sess-
haftigkeit des Hausstandes erschien vor allem zu erheischen ,
dass seine rechtliche Regelung an die Scholle gebunden blieb,
und zwar an die althergebrachten Formen, die sich auf ihr
eingenLstet hatten '). Ja selbst bei der Veränderung des W ohn-
sitzes hielten viele die Un Wandelbarkeit des ehelichen Rechts
für das Natürliche. Hier war es ein Wagniss, den verän-
derten Zeit- und Verkehrsverhältiiissen Rechnung zu tragen,
insbesondere die Folgen der Freizügigkeit ins Auge zu fassen
und Deutschland auch da zu einigen , wo es bisher die Son-
dereigenthümlichkeiten seiner Theilgebiete am hartnäckig-
sten gewahrt hatte. Neben einer einheitlichen regelmässigen
Ordnung des Güterreehts sind mehrere Ausnahms-Systeme
aufgestellt, nur um den Parteien zur Auswahl dienen zu kön-
nen. Beseitigt ist der Fortbestand aller der andern zahlreichen
Systeme, welche in Deutschland gelten, sogar die Möglichkeit,
sie durch Privatverträge von den Todten aufzuerwecken ’).
Wenn man aber die grundsätzliche Einigung des Güter-
rechts, seine nähere Ausgestaltung in der regelmässigen Form
wie in den Ausnahmssystemen würdigen will, so muss man
sich von zwei Gedanken frei machen , welche , wie die Kri-
tiken des Entwurfs beweisen, auf diesem Gebiete einen über-
grossen Einfluss ausgeUbt haben : einer Ueberschätzung des
Einflusses, den das Recht überhaupt auf das Familienleben
auszuüben im Stande ist, und einer übertriebenen Schätzung
des Werthes der Nationaleigenthümlichkeiten für die Gestal-
tung des ehelichen Güterrechtes.
/. bürg. II. (Bd. 1, X. 3, S. 233 — 266) einen Oegenentwurf vorSITcnt-
licht, durch welchen er veranschaulichen will, dass sich die Lehre vom
ehelichen Qüterrecht mit weit geringeren Mitteln hätte verständlich
machen lassen.
') Wider die vom Entwürfe vertretene Einheitlichkeit erklärt sich
daher Bähr in Kohle r’s Archip f. bürg, ff., Bd. 1, S. 233 ff. Vgl.
dagegen Mommsen, Ärcb. f. civ. Praxis^ Bd. 76, S. 162.
Hierdurch wurden die Uebergangsbestimmungon zu diesem Theilo
des Rechtes von ganz besonderer Bedeutung, vgl. über sie die Motive
zum Einführungagesetze, S. 280 ff.
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134
Zunächst hat die im Entwürfe vielfach gewährte Möglich-
keit von Processen zwischen den Gatten wohl in zu hohem
Maasse die Besorgniss erweckt , dass das Mögliche auch wirk-
lich werden und das zukünftige Eheleben in eine Kette ge-
richtlicher Streitigkeiten ausarten könnte. Was das Uecht
erlaubt, verbieten oft Sitte, Religion und natürliche Liebe;
ja selbst den Befehlen der Staatsordnung stellen diese un-
sichtbaren Mächte häufig genug eine hemmende Kraft ent-
gegen. Die deutsche Ehe würde sich in ihren Vorzügen
durch keinerlei Gesetzesvorsclirift verunstalten lassen und
eine mangelhafte Ge.setzgebung würde höchstens eine Ent-
werthung des Rechtsschutzes bewirken , nicht eine Zerstörung
der Verhältnisse, welche dieses Schutzes bedürfen. Wäre
es die regelmässige Gestaltung der Ehe, welche der Gesetz-
geber zu bestimmen hätte, so würden allerdings seine Vor-
schriften in hohem Maasse räumlichen und zeitlichen Ver-
schiedenheiten anzupassen sein. Da aber jene Gestaltung
vornehmlich der Sitte gebührt und es lediglich die Auf-
gabe des Gesetzgebers ist, die Störungen abzuwehren ,
welche einer solchen Gestaltung von Seiten der in Raum
und Zeit immer wiederkehrenden menschlichen Schwächen
drohen , so ergiebt sich , dass gewisse Gefahren , denen das
Recht vorzubeugen sucht, immer wieder Berücksichtigung
verlangen. Die Ausbeutungsgeloste und der Leichtsinn des
Mannes wie das Misstrauen und die Herrschsucht der Frau sind
Untugenden , mit denen die Gesetzgebung überall zu rechnen
haben wird. Richtig ist nur , dass das Recht seinen Schutz
nicht stets und überall in der gleichen Stärke den Bedürf-
nissen beider Parteien gewähren kann. Der gewaltige Um-
fang der Mannesrechte in der altrömischen Manusehe, ein
Überrest einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung, und
die rücksichtslos durchgeführte Gütertrennung in der Zeit
des Sittenverfalls bilden zwei extreme römische Gestaltungen
des Eherechtes, gewLssermaassen ein patricisches und ein
plebejisches Ideal , zwischen denen sich die Deutsche Ent-
wicklung überall in der Mitte hält. Allein auch die Richtung
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der erwünschten Mittellinie wird nicht stets und überall die-
selbe sein können, und zwar werden hierbei die nationalen
V^erschiedenheiten der Rechtssätze weniger in Betracht kom-
men, als der allgemeine Entwicklungsgrad der wirthschai't-
licheu und gesellschaftlichen Verhältnisse des Volkes. Leider
fährt überall und auch bei uns die Entwicklung nicht bei allen
Volksschichten zu denselben Schutzbedürfnissen. In der Be-
merkung eines Kritikers ') des Entwurfes, dass für die ver-
schiedenen Vermögensklassen verschiedene VVirthschaftsord-
nungen angemessen sind , liegt zweifellos ein richtiger Kern.
Für die meistbegünstigste wohlhabende Volksschicht , in wel-
cher Geschäftskenntniss ein Vorrecht des stärkeren Geschlechts
zu sein pflegt, hält er eine Verwaltung-sgemeinschaft mit
überwiegenden Mannesrechten für angemessen ; für den Mit-
telstand, in welchem Manu und Frau oft mit einander ar-
beiten , eine Errungenschaftsgemeinschaft , für die ärmeren
Klassen , in denen jede der beiden Ehehälften mit gleicher
Kraft den Nahrungssorgen zu steuern sucht , die Güterge-
meinschaft, wogegen freilich zu bemerken ist, dass bei den
Armen der Unterschied zwischen Errungenschafts- und Güter-
gemeinschaft kein grosser ist, und die Selbstständigkeit der
weiblichen Berufsthätigkeit hier eher die Gütertrennung als
passend erscheinen lässt. Allein diese Verschiedenheit der
wirthschaftlichen Bedürfnisse ist nur von geringem Werthe
für unsern Gesetzgeber, welchem die politische Lage ver-
bietet , Kasten zu bilden. Der Mittelstand hat keine scharfen
Grenzen , weder nach oben noch nach unten ; die erwähnten
drei Volksklassen gehen in der Wirklichkeit unmerklich in
einander über, wie die Farben des Regenbogens. Darum ver-
langen sie für sich ein einheitliches , kein dreifältiges Recht.
Dass der Entwurf hierbei nicht die Mittelstrasse der Güter-
gemeinschaft eingeschlagen hat , ist ihm zum Vorwurfe ge-
macht worden ’) , weil diese Rechtsordnung der Innigkeit des
') H enger, daa bilrgerlieha Recht und die besitzlosen Volksklassen,
S. 32.
5) Von Mommsen im Archiv f. cit. Praxis, Bd. 76, 8. 171 ff.
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13t)
ehelichen Lebens in huhem Maasse förderlich ist; nur sind
leider die erheblichen Verraögensopfer , welche sie den Gatten
xumnthet , ein für diesen Zweck übermäasig starkes Mittel.
Überhaupt ist der geschäftstreibende Mittelstand derjenige ,
welcher noch am ersten im Stande ist , ein unpassendes ge-
setzliches Güterrecht durch Eheverträge von sich abzuwehren.
Bei der Wahl zwischen der Verwaltungsgemeinschaft und der
Gütertrennung gab aber der Entwurf der ersteren den Vor-
zug'), nicht, wie Menger meint’), aus Missgunst wider
die Armen, sondern in der berechtigten Hoffnung, dass mit
steigender Gesittung und zunehmendem Wohlstände allmäh-
lich auch die unteren Klassen die Fähigkeit gewinnen werden ,
sich der Lebensordnung der höheren anzupassen. Allerdings
sind dem Gedanken der Gütertrennung starke Zugeständnisse
gemacht worden. Die Hechte des Mannes sind in erheblichem
Maasse abgeschwächt, um den Zeitverhältnissen Kechnung
zu tragen. Bei dem Streben nach einem nicht blos der Deut-
schen Art , sondern auch ihrer gegenwärtigen Entwicklungs-
stufe entsprechenden Rechte war sogar das römisch-plebejische
System der unbedingten Gütertrennung durch beachtenswerthe
Stimmen aus dem Volke empfohlen worden ’). Es erscheint dies
nicht wunderbar, da es, wie gesagt, den untersten breiten
V'ülksschichten besonders zuzusagen scheint und einem neueren
vielverbreiteten Streben nach Frauenemancipation entspricht.
Indem jedoch die Gesetzgebungscommission in Anlehnung
an die germanistische Wissenschaft die Gütertrennung nicht
zur normalen Form erhob, hat sie nicht blos im national-
deutschen Sinne ein gutes W erk gethan , sondern auch vom
') ln Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des 12ton und ISten
Juristentags (Verhandlungen, Bd. 2, 8. 33—80, 302 ff. bezw. Bd. 2, S.
65—137, 407—415), in denen namentlich Schrüder’s Kingreifen von
grossem Einflüsse war.
5) A. B. 0. , 8. 33.
’) Vgl. das Organ des allgemeinen Deutschen Frauenvereins; Xene
Bahnen , nr. 8— 1 1 , und einige deutsche Gesetzesparagraphen über die Stel-
lung der Brauen, herausg. vom allg. Deutschen Frauenvereiii , Leipzig
1876, ungezogen in den Motiven, Bd. 4, 8. 143.
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137
ull^femein inenschüchen Standpunkte einer Einseitij^keit der
Rechtsordnung vorgebeugt. Der Schutz der Frau ist, wie wir
oben sahen , doch nur die eine Seite des ehelichen Güterrechts ;
neben ihm und den Interessen redlicher Dritter, welche mit
den Ehegatten in Beziehungen treten, bedarf auch die Würde
des vermögenslosen Mannes , der für den Unterhalt des Hauses
verantwortlich ist, des Schutzes. Tn dieser Hinsicht sind ganz
besonders von germanistischer Seite Bedenken gegen den Ent-
wurf erhoben worden, namentlich deshalb, weil er das Mo-
bilienveriiusserungsrecht des Mannes streicht '). Man hat von
„Handschellen“, die dem Manne angelegt sind , und von einer
„undeutschen* Gestaltung des vaterländischen Familienlebens
geredet. Allein auch hier handelt es sich im Grunde nicht
um eine blos nationale Frage. Bei allen Völkern drängt die
Entwicklung dahin, die Lage der Frau mehr und mehr zu
verbessern. Je schwächer und ärmer der Staat ist, desto
wichtiger ist Selbsthilfe und kampfesfreudiges Auftreten vor
Gericht und im Verkehr. Dort muss die Frau ihr hilfloses
Dasein dem Manne völlig opfern , um Sicherheit und Schutz
zu erlangen. Je strenger die Staatszucht wird , desto milder
werden die Sitten und desto weniger bedarf die Frau der
Vertheidigung durch den Ehemann. In der Zeit unbedingten
Faustrechts nahezu genöthigt, sich einer Dienerin gleichzu-
stellen, wird sie da, wo das Beamtenthum und die Anwalt-
schaft ihr hilfreichen Beistand leisten und ein entwickeltes
Verkehrsleben sie mit einer Schutzmauer umgiebt, selbst-
ständig und schliesslich sogar leicht zur Tyrunnin des Hauses.
Nirgends ist diese Entwicklung zu so scharfer Ausprägung
gekommen , wie in der römischen RechLsgeschichte auf dem
Wege von der alten Manusehe bis zur Gesetzgebung .Justi-
nian’s, welchen man einen „legislator uxorius“ genannt hat.
Es mag also immerhin richtig sein , dass dem neuesten römi-
schen Recht eine allzu scharfe Betonung der weiblichen Inte-
ressen innewohnte. Indem Deutschland aber in der Lage war ,
‘) Vgl. insbesondero Solirödor, Verhandlungen des 2Uen Deutschen
Juristentags, 8. 167.
10
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138
eine der römischen ähnliche Entwicklung nochmals darchzn*
machen, konnte es sich von vorn herein davor hüten, sie
ausarten zu lassen. Auch in Deutschland mus.ste die Lage
der Frau mit der Möglichkeit eines unabhängigen Auftretens
sich verbessern, und ein radicaler Evolutionismns drängt dabin,
diesen Entwicklungsgang bis aufs äusserste Maass der Frauen-
emancipation fortzutreiben. Geht man jedoch davon aus , dass
die werthvollen Gedanken früherer Zeiten in die höhere Cul-
turstufe so viel, wie möglich , hinfiberzunehmen sind , so muss
man aus der altdeutschen .gewere zur rechten Vormund-
schaft' so viel zu retten suchen , als den veränderten Zeit-
verhältuissen entspricht. Insofern ist also der Kampf der
germanistischen Wissenschaft gegen eine allzu starke Ein-
schränkung der ehemännlichen Hefugnisse grundsätzlich zu
billigen. Nur darf nicht übersehen werden , dass das deutsche
Haus der Gegenwart sich seit der Zeit des Sachsenspiegels
nicht bloss äusserlich fortentwickelt hat und dass die neu-
deutsche Abweichung vom altdeutschen nicht ohne Weiteres
, undeutsch“ ist ').
Dass das mitgebrachte Gut der Frau z. B. nicht mehr den
vorehelichen Schulden des Mannes zum Opfer Tällt , also das
Sprüchwort: .Die den Mann traut, traut dessen Schulden' nicht
gelten soll, ist ein Fortschritt gegen ältere Hechtszustände,
denen kein weibliches Opfer für die Ehre des Mannes hoch
genug schien. Dass es sich bei solchen Fragen nicht um eine
deutsche NationaleigenthQmlichkeit, sondern um eine Beson-
derheit der niedrigeren Entwicklungsstufe handelt, beweist
ein Blick auf die altrömische Manosehe. Ein Gegendruck
gegen die Beutepläne verschuldeter Lebemänner und ver-
unglückter Speculanten , welche sich bei ihrem leichtsinnigen
Treiben die Ehe als einen Rückzugshafen Vorbehalten und
in der Gattin nur die wirtschaftliche Erretterin suchen , ist
unter der Undurchsichtigkeit der modernen Lebens- und Ver-
mögensverhältnisse nöthiger geworden als früher. Insoweit
‘) Vlg. Planck, Archiv f. civ. Praxi», Bd. 75, S. 352.
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139
also liefet in diesen Grundsätzen der Gütertrennung ein be-
achtenswerther vom Entwürfe anerkannter Kern. Dagegen
ist aus der altdeutschen Zeit her der Grundsatz gewahrt,
dass das Mitgebraclite , nicht blos insoweit zu Wirthschafts-
zwecken ein besonderes Haushaltungsvermögen als dos be-
stellt ist, sondern vollständig als „Ehegut“ in des Mannes
Verwaltung tritt, soweit es die Frau nicht eigener Verwal-
tung Vorbehalten hat (Vorbehaltsgut). So ist und bleibt er
Herr, auch im Hause der Frau, und dessen Vertheidiger
nach aussen. Dass er auch die Nutzniessung des Ehegutes
ganz behält und daher alle Ersparnisse für sich und nicht
für die Frau zurücklegen darf, entspricht gleichfalls alther-
gebrachten , heutzutage allseitig verbreiteten Anschauungen ,
welche sich übrigens doch wohl kaum in alle Zukunft er-
halten werden. Dass der Mann aus dem Frauengute zum
Nachtheile der Frau und ihrer Kinder und zum eigenen Besten,
sowie zum Wohle der Kinder aus einer früheren Ehe, Er-
sparnisse machen darf, dies dürfte wohl ein üeberrest seiner
unumschränkten Uerrschergewalt sein, wie sie eben nur auf
der niederen Entwicklungsstufe dem Schutzbedürfnisse der
Frau entsprach *).
Am Meisten hat der Entwurf die Sicherheit des Frauen-
gutes insofern begünstigt, als er die Veräusserungsrechte
des Ehemanns in hohem Maasse beeinträchtigt (vgl. § 1319).
Er bricht hier allerdings mit dem deutschen Satze; „Wem
ich meinen Leib gönne , dem gönne ich auch mein Gut“ ’) und
mit deutschrechtlichen Gesetzgebungsvorbildern ’). Soweit der
*) Der Verfasser glaabfc, dass die Zukunft dem Manne nur den An*“
Spruch auf Deberweisun^ eines angemessenen Hausbaltungskapitals zu
unbeaufsichtigter, aber verantwortlicher YorwaUung gewähren wird.
Vgl. Schröder, Verhandlungen dee 2Uen Deutschen JuristentagSy
Bd. 1 , 8. 166. Bei den Tüchtern unseres Zeitalters weicht die Empfin-
dung der reichen Erbin, welche sich glficklich preist , wenn der Erwählte
des Herzens ihr Out dahinnimmt, in der Regel vorsichtigeren Erwägun-
gen, und es ist fraglich, ob der Qesetzgeber die Macht besitzt, sie zu
der opferfreudigen Denkweise früherer Zeiten zurückzudrängen.
’) Schröder, a. a. 0., 8. 168, Anm. 4.
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140
Mann für die Hauslialtungswirthscliaft handelt, erscheint seine
Beschränkung vielleicht zu hart; soweit er jedoch darüber
hinaus Veräiisaerungsvvünsche hegt, ist die Strenge des Ent-
wurfs nicht ungerechtfertigt. Die Gefahr einer Verschleude-
rung des Frauengutes während der Ehe ist sehr gross, nicht
minder gross, als die Gefahr seiner Verschuldung. Nicht blos
sträflichem Eigennutze , sondern auch einem berechtigten Ge-
fühle der Selbsterhaltung und der Kindesliebe entstammt der
Wunsch der Frau, nicht ein Opfer ihres Mannes zu werden.
Durch die neuere Entwicklung sind die altdeutschen An-
schauungen durchbrochen. Das Vertrauen der Gesetzgeber in
•schlichten , ländlichen Zuständen , die arm an Versuchungen
und an Mitteln zur Befriedigung unerlaubter Gelüste waren,
passt nicht mehr auf entwickeltere Lebensverhältnisse. Dies
hat schon das neuere preussische Recht zu weitgehenden
Interventionsrechten der Frau geführt , einem Seitenstücko
zu dem Pfaiidprivileg, mit dem die ostromische Gattin ihre
dos den Gläubigern des Mannes entreissen durfte. Ja , das
berechtigte Schutzbedürfuiss der Frau geht noch weiter. Ihr
liegt nicht nur an der Erhaltung ihres Kapitals, sondern
auch au einer solchen Verwendung ihrer Einkünfte, welche
der Lebensführung des Mannes dient , dessen Namen und
Wohl mit dem ihrigen eng verknüpft ist. Einer derartigen
Erwägung entstammt die Vorschrift, dass auch die Früchte
des ehelichen Nutzungsrechts des Mannes seinen Gläubligern
entzogen sein sollen, soweit sein standesgemässer Unterhalt
es verlangt (§ 1299).
Der Erwerb der Frau während der Ehe ') ist auch erst
nach der üeberwindung einfacherer wirthschaftlicher Verhält-
nisse von gesetzgeberischer Bedeutung geworden. Ursprüng-
lich kam er nur im Dienste der ehemännlichen Wirthschaft
in Frage; insoweit führt er auch jetzt nur noch zum Man-
*) Brühl epricht von einem „Arbeitsvermögen“ der Frau, das von
ihrem „Kapitalvermögen“ grundsätzliuh gesondert werden soll (Archiv
f. civ. Praxis, Bd. 73 , 8. 400; Bd. 74, 8. 390 If. , und Veritandlungen
des 'ZUcii Deutschen Jurisleiilags , Bd. I, 8. 172 ff., besonders 8. 205).
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141
noserwerbe. Das soiistij.'e Einkoiuinen soll in Zukunft freies
Eigeuthum der Frau werden (§ 1289).
Neben diesem regelmässigen Güterrecht.ssysteme , das mau
mit dem neuerding.s üblichen Ausdruck VertcaUungaeinheit
bezeichnen kann, überlässt der Entwurf dem Frivatbelieben
der Gatten einige Ausnahm.sformen zur freiwilligen An-
nahme ').
Diese Verträge .sind zum Schutze redlicher Dritter an ge-
wisse öffentliche Formen geknüpft; insbesondere dient hier
ein „eherechtliches Register“ (§§ 1435 ff.) zur Sicherung
des Verkehrslebens. Die Güterrechtsordnungen , welche auf
die.se Weise gütig werden können, sind drei Gütergemein-
schaftsformen (die allgemeine Gütergemeinschaft, die Errun-
genschaftsgemeinschafl und die Gemeinschaft des beweglichen
Vermögens und der Errungenschaft), und eine zu Gunsten
des Mannes beschränkte Gütertrennung. Bei dieser letzteren
finden wir einen neuen beachtenswerthen Gedanken. Die Frau
muss aus ihrem Erwerbe einen Beitrag zu den ehelichen
Lasten leisten. Hier ist ein neues eheniännliches liecht aus-
geprägt: Anspruch auf Beitrag zu den ehelichen Lasten').
Besser wäre eine Verallgemeinerung die.ser Befugni.ss zu einem
Anspruch auf Ueberlas-sung eines Kapitals, de.ssen Zinsen zu
einer verhältnissmässigen Deckung der ehelichen Kosten aus-
reichend sind. In dieser Bestimmung ist eine lobenswerthe
Rücksicht auf die Würde und die Aufgabe des Mannes zu
sehen , welche die deutsche Rechtsentwicklung im Gegensatz
zur spätrömischen zu schonen verstanden hat.
Das Eherecht des Entwurfes schliesst mit dem Scheidungs-
rechte '). Diesem Theile des Gesetzbuchs lässt sich der Vor-
wurf einer allzugrossen Rücksicht auf die Bedürfnisse der
') Dau auch noch während der Ehe eine solche Wahl des Qflterrechts
erlaubt sein soll, hält Mommsen im Hinblicke auf die Creditverliält-
nisse für bedenklich {Archiv f. civ. Praxis^ Bd. 76, S. 192).
") § 1339. Klöppel, Guloehlen aus dem Anicallslandr, nennt diesen
Ausspruch „stark verklausuliert* (S. 1463).
*) Vgl. hierzu Thudichum im Archiv f. civ. Praxis, ]td. 16, S. 193.
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142
Kinzflnen ^'ej^enüber dem Wohle des Ganzen sicherlich nicht
machen. Der Entwurf sticht hier vielmehr in vortheilhafter
Weise von der gros.?en Freiheit ab, mit der das preus-sische
Landrecht das Ehescheidungsrecht behandelte. Leider blieb
hierbei ein gewisser Doktrinarismus nicht aus, d. h. eine
verfehlte Methode, nach der man nicht die einzelnen mög-
lichen Scheidungsgründe ihrer Zulässigkeit nach , den einen
hinter dem andern , prüfte , sondern schlankweg ein allge-
meines „Princip* suchte, das man denn in dem Satze fand:
,Ohne Verschuldung keine Möglichkeit, eine Scheidung
erdulden zu ntü.ssen“. So stritt man denn den Gatten
schlechtweg das Recht ab , wegen Geisteskrankheit des andern
Theils eine Scheidung zu erlangen. Diese Bestimmung ver-
warf als zu hart ein Beschluss des 20*'“ Deutschen Juristen-
tags '). Trotzdem wird man bei einer etwaigen Umgestaltung
die.ses Punktes hofl'entlich nicht übersehen , dass unmöglich
jede augenblicklich für unheilbar erklärte Geisteskrankheit
einen Scheidungsgrund geben kann’). Es giebt Formen dieses
Uebels , in denen es nicht blos für Hausgenossen ungefähr-
lich ist, sondern eine Untreue des gesunden Gatten eher
noch schärfer vom kranken empfunden wird , als im Zustande
der Gesundheit, ja in denen der unglückliche Kranke der
Pflege seitens des Gatten in besonders hohem Maasse bedarf.
Die Scheidungsgründe sind im Einzelnen : Ehebruch und
einige ihm gleichgestellte Verbrechen (§ 1441), Lebensnach-
stellung (§ 1442) und bösliche Verlassung (§ 1443). Ausser-
dem kann (nach § 1444) richterliches Ermessen diese Schei-
dungsgründe erweitern und die Ehe bald für einige Zeit (höch-
stens 2 Jahre), bald für immer trennen’). Den alten Namen
') Vgl. die Verhandlungen des 20len Deutschen Juristentags, Bd. 4,
8. S39 If. , S. 406; ,Die KhetcheidnngBgrfindo sind nicht auf die Fülle
einer Verschuldung zu beschrünkon.“
Sn der Wortlaut des Juristentagsbeschlusses, a. a. 0., 8. 407.
’) Auf Antrag Mayor’s befürwortete der 20te Juristeiitag eine Ein-
schrünkung dieser weitgebenden richterlichen Befugniss (Verhdt., Bd.
4, 8. 408). Vergl. hierzu die Gutachten von Mayer und Jacobi in
den Verhandlungen, Band 2, 8. 92 ff. , 110 ff. Daselbst auch Brie,
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143
»Trennung von Tisch und Bett* (§§ 1444 ff.) verwendet der
Entwurf als Namen der bloB vorübergehenden Scheidung bei
minder schlimmen Trennungsgründen. Die dauernde »Schei-
dung von Tisch und Bett“ dagegen hat er nicht aufgenom-
men , in Anlehnung an das Reichsgesetz vom G**“ Februar
1875, welches sie verwarf.
S. 235, über die EbeaoheidungsstrafeD , statt deren der Entwarf eine
blosse Unterhaltspflicht anordnet.
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V.
Der zweite Haupttheil des Funiilienrechta , welcher von der
Verwandtschaft handelt, zerflllt in acht Titel, deren Anord-
nung sich wohl verbessern Hesse. Drei haben einen allge-
meinem Inhalt. Nr. 1 redet von der ehelichen Abstammung
als der Grundlage aller gesetzlichen Verwandtschaft und
Nr. 2 von der Unterhaltspflicht der Verwandten, während
Nr. 8, von diesen Titeln durch fünf andere getrennt, die
Feststellung familienrechtlicher Verhältnisse betrifft und in
einem einzigen Paragraphen (§ 1032) die Allseitigkeit der
Rechtskraft der Urtheile in den wichtigsten Familiensachen
bestimmt. Die übrigen Titel sind dem Verhältnisse zwischen
Eltern und Kindern gewidmet.
In den Vorschriften über eheliche Abstaniraiing (!^§ 140(5
ff.) sind bekannte Vermuthungen über die Ehelichkeit der in
der Ehe geborenen Kinder im Wesentlichen dem gemeinen
Rechte nachgebildet ‘). Wie die angetraute Ehefrau zunächst
') Wider die alliugrosee Strenge dieser Yermutbungen West rum
in den Gutachten aas dem Anu^aitstande ^ S. 969—974. Ergiebt, S. 973,
folgendes Beispiel; ,Die deutsche Ehefrau eines deutschen Mannes, mit
dem sie bis in die letzte Zeit verkehrt, entflicht mit ihrem Liebhaber,
einem schwarzen Abkömmlinge unserer afrikanischen Besitzungen, und
bringt fast 10 Monate später einen kleinen Mulatten zur Welt. Soll
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145
die thiüsächlich erlan<;te Würde der Ehefrau bewahrt, bis
ihr die Eigenschaft der Gattin aberkannt ist , so geniesst auch
das von einer verheiratheten Frau in die gesellschaftliche
Stellung eines ehelichen Abkömmlings hineingeborene Kind
zunächst den Vortheil dieser seiner Lage, bis seine Ehelichkeit
ihm durch eine Anfechtung seitens des Vaters abgestreift
worden ist (§§ 1467, 1470).
Bei Regelung der verwandtschaftlichen Unterhaltspflicht
(S§ 1480 ff.) ist (im Einklänge mit dem preussischen Land-
rechte) bestimmt, dass auch bedürftigen Geschwistern ein
uothdürftiger Unterhalt zu gewähren ist (§§ 1480 und 1489);
freilich ist hiergegen ein wohlbegründeter Widerspruch er-
hoben worden ’).
Titel 3 — 7 sprechen von den rechtlichen Beziehungen der
Eltern und Kinder. Zunächst sind die gesetzliche» Kinder
erwähnt, sodann die Kinder aus ungültigen Ehen, ferner die
unehelichen Kinder und neben ihnen in einem besonderu
Titel (Nr. 6) ihre künstliche Erhebung zum vollen Kindes-
rechte (Legitimation), endlich die an Kindes Statt angenom-
menen Kinder. Die Eigenartigkeit dieser Eintheilung hängt
mit der geminderten Bedeutung der väterlichen Gewalt zu-
sammen , an deren Stelle eine auch der Mutter zugängliche
„elterliche Gewalt“ treten soll, ferner mit der Ab.schwä-
chung , welche der Satz „spurii sine patre sunt“ in der Deut-
schen Rechtsentwicklung erfahren hat , endlich mit der Ver-
kleinerung der Adoption.skraft , so da.ss es wohl nicht mehr
angängig erschien , Legitimation und Adoption einfach als
Entstohungsgrüude der väterlichen (oder elterlichen) Gewalt
hinzustellen.
Auf den Boden des französischen Rechts stellt sich der
Entwurf in der Grenze , welche er der kindlichen Hausab-
hängigkeit steckt (§ 1557, 1). Mit der Volljährigkeit des
dieser Mulatte ala Kind ihres Khemnnns gelten? Der Entwurf sagt ; ja!
Der gesunde Menschenverstand sagt; nein!“
') Von Ubbclohde im Archiv f. civ. Praxis, Bd. 75, 8. 36 ff.
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14ß
Kindes soll die elterliche Gewalt endigen '). Hierin liegt eine
Annäherung des väterlichen Gewaltsverhältniases an das
Pflichtverhältnisg der Vormundschaft. Die deutsche Rechts-
entwicklung hat hier die schon in der römischen Geschichte
erkennbare allmähliche Abschwächung des hausväterlichen
Rechts in derselben Richtung weitergefUhrt. Beseitigt ist
daher das Rechtsgeschiift der Kmancipation , das eigentlich
nur bei volljährigen , also voll erzogenen Kindern eine Be-
rechtigung hatte , bei minderjährigen aber leicht auf eine
pflichtwidrige Verstossung hinauslaufen konnte. So bat die
deutsche .emancipatio tacita*, welche sich an eine Haus-
standsgrflndung anscbloss, in ihrer Verschärfung durch das
französische Recht, dem die blosse Volljährigkeit zur Befrei-
ung aus der Gewalt genügt, die römische Vorläuferin ver-
drängt.
Der Umwandlung der väterlichen Gewalt zur Schntzpflicht
entspricht auch eine starke obervormundschaftliche Aufsicht,
die über der elterlichen Vermögensverwaltung steht (§§ 1544
ff.). Sie greift zwar nicht so weit, wie die dem Vormunde
auferlegte gerichtliche Controle , aber dämmt immerhin die
Macht des Hau.sherrn in empfindlichster Weise ein (vgl. auch
§ 1511).
Die Spuren des alten Gewaltverhältnisses, welches das
Kind mit allem , was es erwarb , dem Herrschaftsrechte des
Vaters unterwarf, sind jedoch keineswegs völlig verwischt.
Der Hauptunterschied zwischen Vater und Vormund , das
Nutzungsrecht des Vaters (§g 151G — 1537), ist beibehalten.
Wie die Nutzung des Eheguts nicht auf die Haushaltungs-
bedürfnisse beschränkt ist, so greift auch der Niessbrauch
am Kindesgnte über die Erziehungs- und Unterhaltungskos-
ten hinaus. Die Erfordernisse des Wohls des Schützlings setzen
hier nicht den Befugnissen des Beschützers eine Grenze. Im-
merhin umfassen die letzteren nicht das volle Kindesver-
*) Code civil, Art. 372. Motive^ Bd. 4, S. 727. Ebenso ein eioBtimmi'
ger Beschluss des 12ten Deutschen Juristentages, Bd. 8, S. 82 ff«
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147
mögen. Schon da.s neueste römische Recht unterschied das
vom Vater nutzbare Kindesgut (peculium adventicium regu-
läre) von dem nutzungsfreien Vermögen des Kindes; das
letztere zerfiel bekanntlich in drei Gruppen (castrense , quasi
raatrense , adventicium irreguläre) , deren Unterschiede vor-
wiegend aus geschichtlichen ür.sachen erklärbar sind , darum
auf Deutschem Boden keinen rechten Anklaug fanden und
schon im preussischen Rechte unter dem Namen des »freien*
Vermögens als ein Ganzes zusammengefasst waren. In glei-
chem Sinne unterscheidet der Entwurf nur unfreies und freies
Kindesvermögen (j§§ 151C flf.). Der Niessbrauch am unfreien
Gut soll jedoch bei verbrauchbaren Sachen nicht den allge-
meinen Niessbrauchsregeln unterstehen (§ 1523) '), damit
nicht der Gewalthaber durch Umsetzung des Kindesgutes in
Geld das Kind in die Lage eines Schuldners hinabdrücken
könne. Nur diejenigen verbrauchbaren Sachen , welche »durch
Verbrauch genutzt zu werden pflegen“ (ein sicherlich nicht
scharf genug bestimmter BegriflF) , soll der Gewalthaber ver-
äussern oder verbrauchen können.
Eine der kühnsten Neuerungen des Entwurfes (vom 19**"
Deut-schen .Juristentag gebilligt) *) ist die Herstellung einer
mütterlichen Gewalt mit ähnlichen Befugnissen , wie sie der
väterlichen innewohnen. Sie soll sowohl nach dem gänzlichen
Wegfall der letzteren, als auch, wenn diese ruht, an deren
Stelle treten (§§ 1501, 1555). Der Schwäche des weiblichen
Geschlechts , welcher diese neue Anordnung zu trotzen scheint,
ist dabei wenigstens soweit Rechnung getragen , als der Mutter
unter gewissen Bedingungen ein Beistand zur Seite treten soll
(gjS 1538 ff.). Diese elterliche Gewalt der Mutter wird sich
in vielen Punkten mit der schon jetzt zulässigen und häu-
figen mütterlichen Vormundschaft decken '). Somit erscheint
') Aehnliches bestimmt für Efaefranen § 1294 (S. Motive, Bd. 4,
8. 778).
’) Vgl. Pfaff in den Verhandlungen de$ 19/«» Jurislenlags, Bd. 2,
8. 153 ff. und Köhler, ebenda, 8. 220 ff.; Bd. 3, 8. 136, 137.
’) Vgl. Klöppel in den Gutachten aus dem Anicaltatande , 8. 1470.
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148
sie nicht nis eine willkürliche Neuschöpfnn^ , sondern verma«'
eine geschichtliche Wur/el nachzuweisen.
Die rechtliche Lage der Kinder au.s ungültigen Ehen ist
von ähnlichen Gedanken aus geordnet, wie sie für das ka-
nonische Recht bei seinen Vorschriften über matrimonia pu-
tativa leitend waren. Zur Sicherung Unschuldiger gegen allzu
schwere unverdiente Nachtheile Lst hier die Strenge des Rechts
gemildert (§§ 15t>2 — 1567).
Die unehelichen Kinder .stehen im Verhältnis.se zu ihrer
Mutter auf dem ihnen günstigen Roden des römischen Rechts
(g§ 1568 ff.); doch ist ihr nicht die elterliche Gewalt anver-
traut, sondern nur eine Sorge für die Person des Kindes
(§ 1570). Dem Vater ist die Pflicht zur Ernährung bis zum
vollendeten 14**" Lebensjahre auferlegt (gg 1571 ff.). Mit
dem franzö.sischen Grundsätze: ,La recherche de la patemite
est interdite“ ist also gebrochen worden. Es hat dies von
den verschiedensten Seiten den lebhaftesten Beifall gefunden ;
die Kritik findet sogar den Entwurf zu nachsichtig gegen die
Erzeuger der ausser der hihe geborenen Geschöpfe *), gegen
welche sie die bittersten Tadelworte richtet. Insbesondere
hielten mehrere Stimmen es für eine übergro.sse Milde , dass
demjenigen, der die Möglichkeit der Vaterschaft mit anderen
theilt, die „exceptio pliirium concumbcntium* gewährt wird.
Dass diese von einem Kritiker als „Einrede der Untreue*
bezeichnet wird, beweist, wie sehr er die einem solchen Ein-
wande regelmässig zu Grunde liegende Sachlage mit flbergros-
sem Zartgefühle auffasst. Der Entwurf hat hier offenbar einer
Schwäche des oft mit Unrecht sogenannten stärkeren Ge-
schlechts eine gewisse Nachsicht entgegengebracht (g 1572
Abs. 1), welche sich, wenn auch vielleicht nicht rechtfer-
tigen , so doch jedenfalls begreifen lässt.
Die Erhebung unehelicher Kinder zur Ehelichkeit (Legi-
timation) soll entweder durch nachfolgende Ehe erfolgen kön-
’) Vgl. nainentlicb Fuld, .•IitAip f, civ. I‘raxk , Bd. 75, 8. 68 ff.
Mongor, a. a. O., 8. 60 ff. L iuc k el mau n , in den Gutachten aas
dem AnwultHtande, S. 446 ff.
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14!)
iien (§§ 1579 ff.) oder durch Ehelichkeit-serkläruug (g 1583).
Es ist dies die alte „legitimatio per rescriptum principis*
im Gnadenwege, deren nähere Vorbedingungen den Landes-
geset/.en innerhalb gewisser reichsrechtlieher Schranken zur
Reglung überlassen sind. Durch den Familienzuwachs, der
in dieser Form ohne seine Mutter in des Vaters Haus ein-
tritt , sollen die Verwandten und die Ehefrau des Vaters
nicht berührt werden (§ 1596).
Die Annahme .an Kindesstatl (§g 1601 ff.) ist gegenüber
dem römischen Rechte vereinfacht. Diu Kindesannahme eines
Abkömmlings wird von den sonstigen Adoptionsl'ällen nicht
unterschieden , was sich schon durch ihre Seltenheit vollkom-
men rechtfertigt. Im Allgemeinen ist aber dieser Vertrag
immerhin wirkungsvoller, als nach Justinian's Vorschrift
die adoptio minus plena war; er soll im Grossen und Gan-
zem den Angenommenen die Stellung eines ehelichen Kindes
gewähren (g 1601). An Vorschriften, die gegen unziemliche
oder nachtheilige Adoptionen .schützen sollen, fehlt es nicht
(gg 1602 ff.). Die bei der Annahme bereits lebenden Abkömm-
linge des Wahlkindes brauchen nicht, wenn sie nicht wollen ,
ihrem Vater mit in die neue Familie zu folgen, und auch
die Verwandten des Wahlvaters werden von .solchem Fami-
lienzuwachse , der nicht durch die Bande des Bluts an sie
gefesselt ist, nicht berührt (§ 1620).
Auf dem Gebiete des Vorinundschaftsrechtes ') hatten die
Verfasser des Entwurfs eine leichte Arbeit. Hier lag ein
fertiges Werk aus neuerer Zeit vor, die preussische Vor-
mundschaftsordnung vom 5*®“ Juli 1875, welches mit den
strengen Vorschriften des Polizeistaates gebrochen und den
neuesten Verhältnissen Rechnung zu tragen versucht hatte.
Trotz manchen Anfeindungen, welche dieses Gesetz erfahren
und manchen üebelständeii , welche es mit sich gebracht hat ,
ist es ihm schliesslich doch gelungen , in dem Gesammtge-
') Vgl. hiorzu Brettner, in Kohler’s Archiv f, bürg. R., Bd. 2,
3. 197 ff. oad Foycrabend, im Archiv f.civ. Fraxi» , Bd. 76, S. 69 ff.
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150
biete deB preussischen Königreiches feste Wurzeln zu fas-
sen. Hierdurch rechtfertigte sich seine durchgreifende Be-
nützung in dem Entwürfe. Da.s Vorbild ist im Gro.s.sen und
Uuii'zen beibebalten und im Wesentlichen nur in soweit ura-
gestaltet, als es den übrigen Theilen des Entwurfes ange-
passt werden musste. Auch ist die Zügelung des Vormunds
durch das Gericht, welche gegenüber dem älteren preussi-
schen Rechte in der genannten Vorraundschaftsordnung sehr
gelockert worden war, nunmehr wieder etwas straffer ge-
worden. Namentlich sind hinsichtlich der Aufbewahrung von
Werth papieren , der Lieblingsform moderner Kapitalsanlage,
besonders sorgfältige Vorsichtsmassregeln getroffen (§§ 1670,
1671). Auch die Zahl der Geschäfte, bei deren Abschluss
der Vormund an die Genehmigung des Gegenvormuuds oder
des V'^ormundschaftsgerichts gebunden ist, ist erheblich ver-
mehrt (§§ 1669, 1674); endlich ist die letztwillige Befreiung
des Vormundes von den gewöhnlichen Verwaltungs.schranken
nur in geringerem Umfänge zugelassen (§§ 1690 — 1695,
1733, 1745).
Die scharfe Unterscheidung zwischen tutor und curator,
wie sie die Quellen des römischen Rechts kennen , findet sich
im Entwürfe nicht mehr vor. Schon ini preussischen Land-
rechte deckte sich die Unterscheidung des Vormundes vom
Curator nicht mit der genannten Redeweise der Quellen. Der
römische tutor ist grundsätzlich „Befehlsherr“, Träger einer
Erziehungsgewalt, der curator lediglich fürsorglicher „Ver-
mögensverwalter“, mehr Freund, als Herr. In überaus fein-
sinniger Weise haben die Römer die Altersstufe , welche von
der Pflicht zum Gehorsam befreit, niedriger ange.setzt, als
diejenige , auf welcher eine durchgereifte Willenskraft fremde
Fürsorge entbehrlich macht. Dies hat sich bei uns geändert.
Seitdem einmal nach dem Gebote der Reichspolizeiordnungen
der Vormund bis zur Volljährigkeit beibebalten werden mnsste,
also auch für eine Zeit , in der er mehr zum Ratheu , als zum
Befehlen sich berufen fühlen mochte, verwischte sich die
römische Unterscheidung des Vormunds von den Beschützern
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151
des Verschwenders und des Wahnsinnigen , denen gegenüber
von einer Eraiehungsgewalt niemals die Rede sein konnte. Um
so mehr aber machte sich das Redürfniss geltend , die Fülle,
in welchen ein Beschützer die umfassende Verwaltung aller
Geschäfte eines Schützlings führt , von den Besorgungen ein-
zelner Angelegenheiten und eines bestimmten Kreises von
Geschäften zu unterscheiden.
Jene Träger einer umfassenderen Vollmacht nennt das
Preussische Landrecht und ebenso der Entwurf „Vormünder“,
die mit dem minderen Geschäftskreise Betrauten ') heLssen
nunmehr, wie in der Vormundschaftsordnung, Pfleger (im
Preussischen Landrecht hiessen sie Curatoren ’) ).
Die Fälle einer möglichen Pflegschaft sind in der preus-
sischen Vormundschafts-Ordnung nach einer generalis clausula
geregelt, jetzt durch eingehendere Einzelbestimmungen (§§
1738 ff.). Hierbei ist auch der curator absentis als .Abwe-
senheitspfleger“ erwähnt (§ 1740)’).
Bei den Berufungsgründen zur Vormundschaft sind die
Spuren der römischen Rechtsgeschichte möglichst verwischt
worden. In Rom wuchs die Tutel aus einem Familienzusam-
menhalt heraus, der dem alten Geschlechterstaat entsprach.
Mehr und mehr trat das Interesse des Staates an den beson-
dern Familienbedflrfnissen zurück und demnach das Schutz-
bedürfnbs des Mündels in den Vordergrund. Im neueren
Recht beherrscht dasselbe diesen Rechtszweig ganz *). Das
zeigt sich schon in der tutela testamentaria. Nicht mehr die
väterliche Gewalt, welche die Macht der Familie absolutis-
tisch vertritt, befähigt zur Ernennung von Vormündern , son-
dern die elterliche Liebe, welche zu der dem Kinde segens-
') Theils fOr einzelne Qetchäfte, tbeile für alle Klassen kommen
Pfleger vor, ausnahmsweise für alle VermögensangelegenhoUen (§ 1739),
niemals für andere Oeschüfte.
’) Allgem. Landrecht, Theil II, Tit. 18, Abschn. 9.
’) Im preussischen Recht war er Vormund, nicht Pfleger {Motive,
Bd. 4, 8. 1011).
*) David, in den Gutachten de» AnvalUtande» , 8. 76, redet von
einer Verstaatlichung der Vormundschaft.
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reichsteu Wahl befähigt. Schon im römischen liecht erlangt
der Vater des emancipierten Kindes und die Mutter eine von
obrigkeitlicher Nachprüfung abhängige Vormundsernennungs-
befugniss. Jetzt darf jeder Vater in erster Linie und die .Mut-
ter in zweiter die Vormundsberufung anordnen (g 1635).
Die alte .tutcla legitima“ war schon dadurch sehr abge-
schwächt worden, dass ihr in Deutschland eine obrigkeitliche
Bestätigung folgen musste, was auch im Entwürfe angeord-
net ist*); jetzt ist sie so gut wie gänzlich beseitigt. Der
Satz; ,lJbi emolumentum hereditatis, ibi onus tutelae“ hat
für uns keine rechte Geltung mehr. Er verblasste mit dem
Schwinden der staatlichen Fürsorge dafür , da.ss das Mün-
delgut der Familie erhalten bleibt. Nur Grossvater und
Grossmutter werden hinter den von den Aeltern Ernannten
zur Vormundschaft berufen (§ 1635). Der erbgierige Verwandte
eignet sich überdies zuweilen zum Beschützer des Hilflosen
nicht besser, als der Bock zuin Gärtner.
Wohl finden wir auch im Entwürfe neben dem schon er-
wähnten Rechte der Grosseltern eine gesetzliche Vormund-
schaft bei volljährigen Schützlingen ; diese ist jedoch etwas
anderes, als die römische tutela legitima. Man sieht das schon
darin, da.ss sie der testamentarischen vorgeht (§ 1729, letz-
ter Abschnitt), nicht nachfolgt, und auf einen ganz geringen
Umfang beschränkt ist, sie betrifft nur Vater, Mutter und
Grosseltern (g§ 1729, 1733). Warum das älteste römische
Recht eine Bevormundung Volljähriger durch den Vater oder
die Mutter nicht vorsah, ist klar, da es die Emancipationen
ursprünglich nicht kannte (also auch kein Bcvormundungs-
bedürfniss bei Lebzeiten des Vaters) , und da die Frau erst
auf höherer Culturstufe zur Vorkämpferiu fremder Angele-
genheiten mächtig genug erschien. Dass jetzt, nachdem das
Ende der väterlichen Gewalt sehr häufig geworden ist, der
*) Die Motive (Bd. 4 , 8. 1010) nennen dies „Bostollun^princip*.
Eine vereinzelte Ausnahme soll die den Landesrechten üherlassene Vor-
mundschaft der Leiter von Vorpflegunpsanatalten hilden. Art. 79 des
KinlQhrungsgcsetzos.
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153
frühere Gewalthaber in erster Linie dazu befähigt erscheint ,
(las gewaltfreie Kind, falls es durch Wahnsinn oder aus
ähnlichen Gründen einer Bevormundung bedürftig wird, zu
beschützen und demnach die zu frühe verlorene Gewalt in
der neuen Form der Vormundschaft wieder aufzunehmen,
ergiebt sich aus seiner früheren Erziehungsthätigkeit nicht
minder, als durch die Nähe seiner Blutsverwandtschaft und
hat auch in den Befugnissen des parens uianumissor ein Vor-
bild.
Die Unfähigkeits- und Ablehnungsgründe des Entwurfes
(g§ 1640 ff.) sind in ähnlicher Weise gestaltet, wie im ge-
meinen Recht, und haben die Ueberreste römischer Natio-
naleigenthümlichkeiten völlig abgestreift.
Dos Vormundschaftsgericht soll sich unter Umständen aus
Verwandten eines Unmündigen zu einem Familienrath ergän-
zen (§§ 1712 ff.), in dem der Richter den Vorsitz zu führen
hat (§ 1714)'). Auch ohnedies können Familienmitglieder
bei Führung der Obervormundschaft zu Rathe gezogen werden
(§ 1678) und auch den Gemeinden ist ein gewisser Autheil
gesichert (§ 1725, Einführungsgesetz Art. 80).
Auf dem Erbrechtsgebiete hat der Entwurf die berechtigte
Erwartung einer Vereinfachung des gemeinen Hechtes in hohem
Maasse erfüllt. Die erbrechtliche Reichhaltigkeit des corpus
juris civilis steht in einem schroffen Missverhältnisse zu der
geringen Zahl erbrechtlicher Gedanken , welche die Anschau-
ungen unseres Volkes beherrschen. Es erklärt sich dies dar-
aus , dass gerade auf diesem Gebiete solche rechtsgeschicht-
liche Spuren vergangener Zeiten Justinian’s Rechtsbuch
aufgedrückt sind , denen die Naturrechtsschule eine instink-
tive Abneigung entgegeubrachte , wahrend die geschichtliche
') Dieser Familicnrath ist von der gleichnamigen Kinriohtung des
französischen Rechtes verschieden. Die letztere ist im Entwürfe besei-
tigt und zwar unter Zustimmung aus der Praxis (vgl. David, in den
Gutachten aus dem Aniealtetande , S. 79).
11
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154
imcliweist, dass sie einst eine Wolilthat waren und eben
darum für veränderte Verhältnisse eine Plage werden muss-
ten Wenn irgend wo, so musste man hier naeh Jhering’s
bekanntem Worte durch das römische Recht hindurch Ober
das römische Recht hinauskouimen. War dies ja schon iin
prcussischen Landrechte in weitem Umfange geschehen. Trotz-
dem ist dieser verwickelte Rechtszweig so reich an Vorschrif-
ten , dass auch hier nur die allerwichtigsten zur Besprechung
herausgegriffen werden können ').
Allerdings lässt die Anordnung des Krbrechts manches zu
wünschen übrig. Eis ergiebt sich dies aus den Überschriften
der sechs Abschnitte des fünften Buches (Elrbrecht: 1. All-
gemeine Vorschriften; 2. Letztwillige V'erfügungen ; 3. Ver-
trag (Erbvertrag); 4. gesetzliche Erbfolge; 5. Erbverzicht;
t). Rechtsstellung des Erben), und mehr noch zeigt es sich
in den Unterabtheilungen.
Den Systematiker befremdet zunächst hier, wie sonst, die
Ungleichartigkeit der Dinge, die als gleichwerthige Grössen
nebeneinander gestellt sind. Neben drei Berufsgrüudeu steht
der Erbverzicht, ein Grund des ausnahmsweisen Fortfalls der
gesetzlichen Berufung, welcher daher als Unterabtheilung in
die Vorschriften über gesetzliche Berufung hätte eingereiht
werden können. Ueberhaupt liessen sich die letztwilligen Ver-
fügungen und Erbverträge als zwei Unterarten einer einzi-
gen Hauptgruppe (der Anordnungen für den Todesfall) hissen
und als eines von zwei Gliedern des Rechtes der Berufungs-
gründe neben die gesetzliche Erbfolge stellen.
Diese Berufungsgründe könnten als thatsächliche Vorbe-
dingungen dos Erwerbes von Todeswegen die erste Hälfte
der besonderen Erbrechtsvorschriften bilden , während die
‘) Näheres vergl. bei Oiorke, der Entwurf, 8. 505 ff. Menge r,
a. a. 0., 8. 139 ff., besonders 8. 145 ff., wo selbst auch den neueren
Reformplänen auf dem Erbroohtsgebieto Beachtung geschenkt ist. Baron,
im Archir für civilUlischt 1‘raxia, Bd. 75, 8. 177. Eok, die Stellung
des Erben, dessen Rechte und Verpflichtungen in dem Entwürfe u. s. w.,
Berlin 1890.
DigilLcd by Glo^Ic
155
zweite die ,P’olgeii des Erwerbes von Todeswegeu“ uiiifiisseii
könnte. Diese zweite Hälfte mösste dann Titel G: „Rocbts-
stellung des Erben“ in sich aufnehiuen. Dann hätten wir zwei
Ilaupttheile des Erbrechts: 1. Vorbedingungen; 2. Folgen
des Erwerbs von Todeswegen.
lui üebrigen war es ein glücklicher Gedanke , dass die
in den Lehrbüchern übliche Trennung der Vermächtnisse von
den Erbschaften aufgegeben ist. Die Vermächtnisslehre ist
von der Testanientslehre untrennbar und wird auch bei den
Vorschriften über Erwerb der Erbschaft oftmals als bekannt
vorausgesetzt. Ein weiterer Vorzug der Anordnung des Ent-
wurfes liegt darin, dass in Abschnitt 4 die Pflichttheilserb-
schaft als Unterart der gesetzlichen Erbschaft erscheint. Die
durch Gesetz berufenen Gesamnitnachfolger , die nicht blos
in Ermanglung eines Testaments , sondern auch wider ein sol-
ches eintreten , hören dadurch nicht auf, gesetzliche Erben
zu sein ‘).
Dass die letzt willigen Verfügungen (Testamente) vor dem
gesetzlichen Erbrechte geregelt worden sind, hat Beschwer-
den hervorgerufen ’) , welche in dieser Anordnung wohl mehr
sehen , als zu finden war ’). Jeder Nachlassgläubiger oder
Nachlassrichtor , welchem es obliegt, festzustellen, wer der
Erbe eines bestimmten Verstorbenen ist, wirft sich hinter
einander die beiden Fragen auf: 1. Liegt ein Testament vor?
2. Sind gesetzliche Erben da? Da nun ein gutes Gesetzbuch
die Antworten auf die Fragen des Lebens bietet, so darf es
sich auch in der Reihenfolge dieser Antworten derjenigen
der Fragen anpassen. Diiss jedoch durch die Voranstellung
des Testaments der Einfluss, den das Familienleben auch auf
') Vgl. Motive, lid. 5, S. 353.
') Vgl. z. B. l’eturson, die Beruf u»;/ zur Erbschaft und die letzt -
utilligen Verfügungen überhaupt nach dem Entwürfe, Berlin, Gatten-
tag, 1889, S. 32.
’) Bin Buscblusa des preussisebon Lundus-Ockonoinie-Cullegiums
(v. Kircbenbeim’s Centralblatt, Bd. 9, S. 134) hält es für nötbig ,
eine Umstellung dieser beiden Oesetzbuchstbeile zu beantragen.
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160
den liihult der letztwilligen Verfügungen ausübt, missachtet
oder beeinträchtigt worden ist oder werden kann , ist eine
unhaltbare Behauptung.
Auffallend ist die gänzliche Beseitigung der ,codicilli‘
(§§ 1753, 1750). Diese Testamente zweiten Ranges begannen
bekanntlich ihr Dasein in höchster Freiheit der Form und
des Inhalts ; später wurden sie mehr und mehr unter die
Testamentsgrundsätze gezwängt und nun endlich sind sie
ganz vom Testament verschlungen worden. Für kleinere Ver-
mächtnisse wird ihre Wiederbelebung empfohlen '), jedenfalls
liegt in der Ausdehnung der Testamentserfordernis.se auf blosse
Vermächtnisse der richtige Gedanke, dass Anordnungen, deren
Urheber nicht mehr über die Echtheit der hinterlassenen
Verfügungen gehört werden können, und bei deren Herstel-
lung der Geisteszustand ihres Errichters nicht geprüft wor-
den ist, so wenig, wie möglich, ein Anrecht auf Gültigkeit
erhalten sollten.
Die Definition der Vermächtnisse als der letztwilligen Zu-
wendungen, die nicht Erbeseiusetzungen sind (§ 1750), ist
durch ihre verneinende Fassung , von deren Nothwendigkeit
mau sich nicht leicht überzeugen wird , mit Recht aufgefallen.
Die Regelung der Vorschriften über den Testamentsinhalt
ist fast durchweg ansprechend. Der »mortis tempore non-
dum conceptus“ soll nur als zweiter Erbe hinter einem anderen
(als sogen. Nacherbe) bedacht werden können, soda.ss die
Erbschaft nicht verwaist bleibt , während die Möglichkeit
seines Werdens in der Luft schwebt (§ 1757).
Dass den juristischen Personen volle Erbeinsetzungsfahig-
keit gewährt wird, beseitigt eine alte Streitfrage (§ 1758).
Der Satz: »Nemo pro parte testatus, pro parte intestatus
decedere potest“ ist fortgefallen (§ 1788). Wenn seine Geltung
wirklich, wie vielfach behauptet worden ist, eine logische
Nothwendigkeit wäre , so würde er sich nicht schon längst
haben durch das preussische Recht beseitigen lassen. Seitdem
') Baron, a. a. 0., 8. 245.
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überdies J ii s t i n ia ii's Gunst für fromme und milde Stiftuii-
(?en die noch unbestimmten Personen (personae incertae)
einsetzungsfäbig gemacht hat, ist es folgerichtig, auch die
zur Zeit der Testamentserrichtung ungewissen gesetzlichen
Erben neben den ausdrücklich genannten Nachfolgern als
stillschweigend eingesetzte Miterben zum Nachlasse zuzulassen.
Bei unsern vortrefflichen Standesregistern wird dies ohnehin
nur selten zu störender Hechtsungewissheit führen.
Uuzulänglich ist das über den „heres ex re certa* Gesagte.
Er soll im Zweifel im Sinne des Erblassers nur als Ver-
mächtnissnehmer gelten. Damit ist jedoch nicht der andere,
nicht seltene Fall geordnet, in dem der Erblasser einem
Erben lediglich eine bestimmte Sache (z. B. ein Landgut)
und doch die vollen Rechtsbefugni.sse des Erben zuwenden
will ').
Der Substitut hat ein deutsches Sprachgewand angezogen
und heis.st .Ersatzerbe“ (§§ 1800 flf.). Der Name passt aller-
dings nicht auf den Pupillarsubstituten ; dieser hat jedoch
keine Gnade vor den Augen des Gesetzgebers gefunden. In
einer Rechtsordnung, welche Nacherben (ex die) kennt, be-
darf es freilich einer solchen Einrichtung nicht mehr ’). Ihr
Zweck ist trotz der Schwierigkeit der ihr gewidmeten Texte
doch ein einfacher , der Schutz unmündiger reicher Erben
vor dem .periculum insidiarum* seitens seiner gesetzlichen
Nachfolger. Wenn die Motive hierzu bemerken, dass der
Schutz des Lebens und der Gesundheit nicht Aufgabe des
Gesetzgebers sein soll*), so halten .sie sich jedenfalls in
diesem Punkte von dem ihnen vorgeworfenen Individualismus
weit entfernt.
Der Entwurf kennt, wie soeben schon erwähnt wurde,
„Vorerben“ und „Nacherben“ (§ 1804). Der Satz: „semel
heres semper heres“ ist also fallen gelassen. Im Grunde ge-
nommen galt er in seinem praktischen Haupterfolge bereits
') Vgl. Baron, a. a. 0., S. 225 ff.
') Vgl. Klöppel, Gutachten aus dem Amraltstande , 8. 1490.
') Motive, Bd. 5, 8. 1S3.
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158
nicht mehr, seitdem der Universalfideiconimissar .heredisloco“
war. Das Universnlfideiconmiiss ist freilich wej;gefallen ; aber
die rechtlichen Vortheile, welche es ffewährte, sind als „Nach-
erbfolge“ erhalten. Hier folgt der Entwurf ganz dem Vor-
bilde des Preussischen Landrechts ') , auch insofern, als er
dein Vorerben grundsätzlich die Befugnisse eines Nie.ssbrau-
chers giebt. Der lebhafte Widerspruch , welcher gegen diese
letztere V'^orschrift erhoben ist ’) , muss daher durch den Ge-
danken daran abgeschwächt werden , dass hier ein praktisch
bewährtes Vorbild nachgeahmt worden ist.
In dem Satze „semel heres semper heres“ lag zweifellos
auch der Gedanke , daas Niemand allzuweit über seine Lebens-
grenze hinaus in fremde Schicksale und unbekannte Verhält-
nisse eingreifen soll. Wo jener Satz wegfällt, da muss .sich
derselbe Gedanke, wenigstens in anderer, abge.schwächter
Form, geltend machen, nämlich in der Beschränkung der
Nacherbfolge’). Nur einmal, nicht öfter, darf hinter den Er-
ben ein Nacherbe geschoben werden , der ihn ablösen soll
(§ 1812: „Die Nacherbfolge kann nur einmal eintreten“).
Wider Umgehung des Verbots einer letztwilligen Verga-
bung des eigenen Vermögens für eine allzu weite Zukunft
schützte auch der Satz: ,a legatario legari non potest“,der
schon bei dem laxeren Fideicommissrechte nicht galt. An dieses
lehnte sich bekanntlich in Deutschland eine eigenartige Schöp-
fung an , das Familienfideicommiss. Dieses hat der Entwurf
den Landesrechten überlassen*); es ist zweifellos eine künsU
liehe Nachahmung der alten Stammgüter und bezweckt, be-
') Th. I, Tit. 12, § 466.
*) Baron, im Archiv f. civ. Praxis, Bd. 76, 8. 236.
’) Dos prouss. allg. Landrecht, I, Tit. 12, § 55 lässt nur 2 Substi-
tutionen zu.
*) In dieser Hinsicht ist freilich eine reformirende Ergänzung des
Entwurfs begehrt worden in der Schrift des Grafen H. von Bothmor:
Die Jieform des adeligen Erbrechts, Dresden 1888. Sie tritt namentlich
fOr eine Verbesserung der Lage der jüngeren Geschwister von Majo-
ratsbesitzern ein.
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150
vorzugte Familien durch ihren ständigen Grundbesitz aus der
Masse herauszuheben. Die Errichtung von Farailienfideiconi-
inissen ist überall an besondere Schranken gebunden , und es
bedarf eines gesetzlichen Gegendruckes wider die Lust, solche
Schranken zu überspringen. Es könnte .sonst jemand ein Gut
als Vermächtniss an eine Familie binden, indem er gewisse
Familienglieder hinter einander in alle Zukunft hinein zu ihm
beruft. Dies würde darum möglich sein, weil der Entwurf
Nachvermächtnisse zulässt (§ 1884) und auch, die bei dem
Tode des Erbla.sser.s noch nicht im Mufterleibe befindlichen
Kinder Verniächtnissnehnier sein können. In dieser Richtung
ist die mit grosser Schwerfälligkeit .stilisierte Vorschrift zu
deuten (g 1860)'), dass ein Nachvermächtnissnehmer das
Zugewandte nicht erhalten darf, wenn dreissig Jahre seit
dem Erbfalle verstrichen , der erste mehrerer hinter einander
beschwerter Vermächtnissnehmer bereits gestorben und der
jetzt Berufene noch nicht empfangen ist. Einfacher und näher
liegender wäre es gewesen , für Vermächtnisse schlechtweg
blos zwei Berufungen hinter einander zuzulassen und zwar
nur an Personen, die beim Verniächtnissanfalle schon emp-
fangen sein mü.ssen.
Eine bedeutsame Aenderung uralten Rechtes (gg 1842 ff.),
die mit gutem Grunde angefochten worden ist ') , ist die Aus-
merzung der letzten Spuren des Vindicationslegats. Der Vcr-
inächtnissnehmer soll niemals mehr ein dingliches Recht an
dem Gegenstände der Zuwendung erhalten , immer nur eine
Forderung. Dass diese Gestaltung der Dinge neben Nacb-
theilen auch praktische Vorzüge vor der bisherigen hat, i.st
zweifellos ’). Niemals kann aber zugegeben werden , dass die
blos.se Möglichkeit, auf irgend einem Gebiete einen voraus-
*) Diese epricht zuerst von den „Beecliwerten“ und eugt dann hin-
terher, dnee mit diesem "Worte unter ümetSnden nicht er aelbet, son-
dern einer seiner Vorgänger gemeint sein soll.
') Dagegen ein Beschluss des I9ten Deutschen Juristentags ( Ko-Annd-
lungen, Bd. 3, 8. 105), der auf Antrag Dernhurg’s gefasst worden ist-
’) Vgl. Motive, Bd. 5, 8. 134.
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IfiO
Hiclitliclien Nutzen zu erreichen, dazu genügen darf , altehr-
würdige Einrichtungen , welche durch Jahrhunderte sich als
vortheilhaft erwiesen und zu ernstlichen Beschwerden keinen
Anlass gegeben haben, einfach wegzustreichen. Dieser Ge-
danke scheint deshalb um so richtiger, weil da, wo unsern
deutschen Rechtsinstituten eine feste geschichtliche Grund-
lage fehlt, dieser Mangel sich in der Arbeit des Gesetzbuchs
unwillkßrlich abspiegelt. Dies zeigt sich namentlich in der
mühevollen Aufgabe, welche die Lehre von der Testaments-
vollstreckung der Gesetzgebungscommission gestellt bat (§!§
1889—1910)').
Erst hinter dem Testamentsinhalte (§§ 1911 ff.) ist die
Errichtungsform erörtert. Der Grundsatz der Publicität ist,
wie im preu.ssischen Rechte, als Regel durchgeführt; nur
ist dem gerichtlichen Testamente das notarielle gleichgestellt
(g 1914), worin wohl ein Einfluss französischer Anschau-
ungen über die Bedeutung des Notariats zu sehen ist ’). Die
Zeugen werden verschwinden und mit ihnen ein Anachronis-
mus; denn in diesem Massenaufgebote von Menschen stecken
die Nachfolger der 5 Mancipationszeugen , deren Menge nur
in der Zeit allgemeiner Schreibensunkunde erklärlich war,
des libripens und des familiae emptor, zwei Wesen von nahezu
räthselhafler Alterthümlichkeit.
Dass die wechselseitigen Te.stamente beseitigt sind , hat
mehrfache Missbilligung hervorgerufen ’).
Die Verfügungen von Todeswegen durch Vertrag (Erb-
und Vermächtnissvertrag) sind dem gemeinen Rechte ent-
sprechend zugelassen (§§ 1940 ff.); doch bat ein beachtens-
') Vgl. hierzu die Gutachten Hartraann’e und von Cuny’a in den
yerhandlungen des 2Uen Deutschen Juristeiilaga , Bd. 1 , 8. 3 ff-, 8. 43 ff.
*) Vgl. hierzu 8tein, in den Gutachten aus dem Anu>altstande,
8. 470-486.
*) Vgl. hierzu in den Verhandlungen des 20ten Deutschen Juristen-
tags: Land (Rd. 1, 8. 3 ff.), 'Wilke (Bd. 1,8. 13 ff.), Ennecce-
rua (Bd. 4, 8. 314 ff.) und Eck (Bd. 4, 8. 328 ff.) Der Bcschluaa
des J uristentages (Bd. 4, 8. 337) richtet sich auf die Zulassung dieses
Rochtsgeschäftos für Gatten und Veriubte.
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IGl
werther Widerspruch gegen diese Einrichtung') dargethun ,
dass trotz den Jahrhunderten , während deren sie gilt , das
den Römern eigene Gefühl für die Gefahren , welche solche
Geschäfte, ohne gerade unsittlich zu sein, der guten Sitte
bringen, noch nicht eitödtet ist. Wer sich hinsichtlich seines
Nachlasses vertragsraässig bindet, kommt immer mehr oder
weniger in eine unwürdige Abhängigkeit von den undank-
baren Empfängern seiner Wohltaten, welche auf dem Hoden
ihres Vertragsrechts seiner Ungnade trotzen können. Freilich
wurzelt die Einrichtung der letztwilligen Verträge so fest in
unserer Gewohnheit , dass auf ihre Streichung kaum zu
rechnen sein wird.
Der vollständigste Bruch mit der römischen Rechtsan-
schauung ist auf dem Gebiete des gesetzlichen Erbrechts
geschehen’). Hier strebte man nach Einfachheit, Billigkeit,
Versöhnung von Gegensätzen ’) und griff in Anlehnung an
das österreichische Vorbild zu der Parentelordnung (Lineal-
system), ohne zu verkennen, dass die angeblich deutsch-
nationale Grundlage dieses Systems überaus zweifelhaft ist ').
Nach dieser Ordnung folgt der ersten Klasse der Abkömm-
linge, deren bevorzugter Platz über allen Zweifel erhaben
ist (§ 1965), die Gruppe der Eltern des Erblassers mit ih-
ren Abkömmlingen (§ 1966). Als dritte treten die Gross-
eltern mit ihrer Descendenz auf und so fort (g§ 1968 fif.).
Während die erste und die zweite Linie noch nach Stämmen erbt
(§ 1967), tritt von der dritten Linie Gradualerbfolge in den
Linien ein : d. h. der Nähere schliesst den Entfernteren
') Von Ubbelohde, Archiv f. cic. Praxi», Bd. 75, 8. 54 ff.
’) Vgl. hierzu Wilke, in den Gutachten au» dem Anwaltatande ,
8. 975 — 1014, der den Entwurf billigt (abgesehen von der den natür-
lichen Kindern erzeugten Ungunst). Hier, wie vielfach sonst, deckt
sich das Werk mit der hervorragenden Schrift Fr. Mommscn’s: Ent-
wurf eine» härgerlichen Keichtgeeetse» über da» Erbrecht neb»t Motiven.
Braunschweig, 1876 (vgl. hierzu Motive, Bd. 5, 8. 337).
’) Motive, Bd. 5, 8. 356, 357.
') Motive, Bd. 5, 8. 356.
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102
aus, um die Masse nicht zu sehr zu zersplittern (§ 1008) ').
Dies System ist verständlich , einfach und feinsinnig. Nur
eins fehlt ihm leider; man sieht nicht recht den vortheil-
haften Einfluss auf das Wohl der lletheiligten , welche diese
Ordnung vor anderen voraus hat. Ob sie sich in die breite
Mn.sse des V'olks einleben wird , ist überdies nicht zweifellos ,
weil nur der geübte Jurist sich die Familie in der Stamin-
bauniforra veranschaulicht, aus der allein .sich der Grundge-
danke des Lineahsystems empfiehlt. Ueberdies liegt in seiner
Verbindung zwischen Blutsgemein-schaft und Erbrecht ein
starkes Zuriickstreben zur Enipfindungsweise früherer Zeiten ,
welche gern Eigenschaften , die aus Erlehnis.sen nnd Erfah-
rungen hervorgehn , auf angeborene Eigenthümlichkeilen zu-
rOckffihrte und daher auch die durch Zusammenleben erzeugte
Fähigkeit zur üebernahme der wirthschaftlichen Stellung des
vertrautesten Lebensgenossen in einen unmittelbaren Zusam-
menhang zur Blutroischung setzte. Auch das Gradualsystem
erklärt sich weniger aus der Gleichheit des Bluts, welche
allerdings mit der Verwandtschaftsnähe steigt, als aus der
in demselben Grade wachsenden Innigkeit des Zu-sammenle-
bens. Nicht die Naturanlage, sondern die Lebensgeschichte
.sollte in erster Linie die Erbfolge bestimmen. Wer an der
wirthschaftlichen Gedankenwelt des Erbla.ssers als dessen
Vertrauter bei Lebzeiten ein Mitempfinden und Mitwissen
besessen hat , der ist in der Regel der geeignete Mann , die
IMänc seines Freundes nach dessen Tode in richtiger Weise
weiterzuspinnen. Dass in einem Ge.schlechterstaate , wie es
das alte Rom war, der Agnat als Namensträger dem Erb-
lasser , der selb.st keinen höheren Stolz kannte , als der
Träger seines Namens zu sein, am Niich.sten stand, ist
eben.so begreiflich, wie das Streben Justinian’s, diese
Denkart dadurch zu bekämpfen , da.ss er jedem , auch dem
entferntesten Cognaten dieselben Rechte gab , wie dem gleich
nahen Naraensträger. In der That sind die erste und vierte
') Motine, Bd. 5. 8. 364.
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163
Klasse J 11 s t i n i an’s nichts anderes, als die 12 Tafeln, aus
dem agnatischen in’s cognatische übersetzt. Dort der suus
und hinter ihm der nächste Agnat, hier der unmittelbare
Abkömmling und hinter ihm der nächste Cognat. DerPrator,
welcher bei dem Gten und 7tcn Cognaten .seinen ordo unde
cognati abschloss und dadurch die lachenden Erben vom
Nachlasse fernhielt, findet bei den neueren Juristen mehr
lieifall, als Justinian und der Entwurf, welche beide
den Nachla.ss in die entferntesten Winkel des Stammbaums
hinabgleiten lassen. Mit gutem Grunde ist von vielen Seiten
her der Antrag gestellt, die allzu entfernten Verwandten
vom Nachlasse auszuschliessen ').
Im Uebrigen war es jedenfalls von Justinian wohlge-
tlian, dass er zwischen den nächsten Descendenten und den
nächsten Cognaten noch gewisse nahe Verwandte einschob.
Man könnte sie (mit einem allerdings nur ungefähr richtigen
Ausdrucke) als das „Elternhaus“ bezeichnen. Die Personen,
in deren Nähe wir aufwachsen , sind allerdings in der Regel
vor allen andern die Kenner und Vertrauten unserer Lebens-
pläne. Um die Novella 118 richtig zu würdigen, mu.ss mau
bedenken , dass in späterer Zeit die sog. emancipatio Saxo-
nica das byzantinische Haus in ein im Wesentlichen von
ihm verschiedenes , deutsches Haus verwandelt hat. Der er-
wachsene Sohn hat bei uns in der Regel einen eigenen
Haushalt, die Enkel werden bei uns fast immer in die Ge-
walt des Vaters und nicht des Grossvaters hineingeboren,
und deshalb widerstrebt es uns, den nächsten Ascendenten
den verstorbenen Eltern gleichzustellen. Das Haus unserer
Grosseitem ist nicht mehr derselbe Sammelpunkt aller Ab-
kömmlinge, der es in der Regel war, als die väterliche
Gewalt erst mit dem Tode des Gewalthabers zu erlöschen
pflegte. Unser Neffe wächst somit nicht mehr in der Regel
mit uns im .selben Hause auf, wie es in Byzanz der Fall
') Vgl. *. B. Peterson, s. a. 0., S. 83. Ubbelohde, a. a. 0.,
S. 44 ff. Baron, s. a. 0., 8. 192. Eck, a. a. 0., 8. 92 und andere.
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lf>4
war , als erst der Tod des Groasvaters dua Eiikelkiud von
aoineni jjleichfalls gewaltunterworfenen Oheim zu trennen
pflegte. Indem das preussiache Landrecht und der Entwurf
nicht bloa Neffen, sondern auch unter Umständen Neffen-
kinder und Neffcnenkel den Brfidern des Verstorbenen gleich-
stellen, dehnen sie einen byzantinischen Rechtssatz, der för
unsere Verhältnisse ohnehin nicht mehr paaat, aus, statt
ihn zu beschränken. Nur Eltern und Geschwister verdienen
noch Vorzugsrechte vor andern , und zwar uuter ihnen jene
vor diesen '). Sie sollten zwischen den Abkömmlingen und
dem nächsten Verwandten stehen. Das Richtige wäre also
für unsere Zeit folgende Reihenfolge :
1. Kinder; 2. Eltern; 3. Geschwister; 4. der nächste Uluts-
verwandte bis zum 4ten (oder 5ten) Grade; 5. Staats- (oder
Gemeinde-)Kasse ’).
Nach dieser Ordnung wird der vermuthliche nächste Freund
des Verstorbenen berufen, wie er sich durchschnittlich nach
Beobachtung der wirklichen Lebensverhältnisse ergiebt.
In der Ordnung des Pflichttheilsrechts ist zunächst die Zahl
der Berechtigten be.schränkt worden. Dass nur die Eltern ,
nicht entferntere Asceiidenten , Pflichttheilserben sind , folgern
die Motive nicht ohne Grund aus der vom Entwürfe gewähl-
ten Pareiitelenordnung ’). Auch das gemeinrechtliche Pflicht-
theil.srecht der Ge.schwister gegenüber der persona turpis ist
weggefallen (§ 1975). Die letztere mochte wohl in der Regel
eine erbschleichende Person, z. B. eine Beischläferin, sein,
welche die Familie des Erblassers aus dem Hause hinaus-
drängte. Aehnlichc Zustände sind bei uns , namentlich in den
besitzenden Klassen , selten , so dass wir nach der Regel
»leges generaliter constituuntur* darüber hinwegsehn können *).
') Zu ähnlichen Ergebniagen gelangt Baron, a. a. 0., 8. 194.
') Die Bevorzugung der Oemcindekagge vor der 8taa(gkagge befürwor-
tet namentlich Ubbelohde im Archiv f. de. I^raxU^ Bd. 75, S. 48.
’) So Motive, Bd. 5, 8. 383.
') Andere begründen die Motive, Bd. 5, 8. 383, die Abweichung vom
rüm. Rechte.
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Eine weitere Verbesserung ist die Rückkehr zur einheit-
lichen Berechnung des Pflichttheils und dessen Festsetzung auf
die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils (§ 1978). Die Verdopp-
lung der alten quarta, die Justinian nur für kleinere Erb-
theile ganz durchgeführt hat, ist somit jetzt völlig verwirk-
licht, eine halbe Massregel also zu einer ganzen geworden.
Minder unbedenklich ist die Herabdrückung des Pflicht-
theilsrechts vom römischen Miterbrechte zum blossen per-
sönlichen Ansprüche (§ 1978), welche im Gebiete des Preu.s-
sischen Landrechts Gegenstand einer Streitfrage war '). Man
nimmt neuerdings an, dass Justinian in dem Rechte auf
Erbeinsetzung, das die Novella 115 ihren Notherben ge-
währt, lediglich einem zwecklosen Formalismus gehuldigt
hat'). Indessen es ist mehr als ein blosser Ehren Vorzug, dass
ein Sohn dagegen geschützt wird , abgefunden mit einem
persönlichen Anspruch von Haus und Hof des Vaters ver-
jagt zu werden , ohne Autheil an den Nachlass.stOcken und
an der Nachlassregelung und ohne Möglichkeit, bei der Ver-
äusserung der hinterlassenen Sachen mitzureden und die Be-
rechnung seines Pflichttheils gegenüber den Durchstechereien
erbschleichender Geschwister zu beaufsichtigen. Auch die un-
bedingte Vererblichkeit des Pflichttheilsanspruchs ’) , die dem
sog. Inofficiositätssystem zuwider ist, hat mancherlei gegen
sich*). Es war nicht blos eine geschichtliche Zufälligkeit,
dass die römischen Contumviru die querela inofficiosi als eine
Beschuldigung des Wahnsinns, als eine racheschnaubende
Klage behandelten. Es liegt vielmehr in jeder Pflichttheils-
klage eine Art Todtengericht , eine Gehässigkeit gegen den
Verstorbenen, dessen Andenken durch sie öfientlich herab-
') Gegen sie erklärt sich auch Wilke (Gutachten aus dem Anwalt-
etande, S. 075—1014), der auch daselbst die Gnterbungsgrande und
die Enterbung in guter Absicht bespricht.
’) Vgl. Dernburg, Pandekten, Bd. 3, § 152, 2te Aufl. S. 305.
Vgl. jedoch auch KQhnast, dat Erbrecht des Entwurfs u. s. w.,
1888, 3. 20.
') § 1992 r »Der Pflichttheilsanspruch ist vererblich und Obortragbar.“
*) Gegen eie auch Baron, a. a. 0., 3. 208.
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lUG
('eset/.t wird. Wer sich zu ihr aus Achtung vor dem Ent-
schlafenen nicht hat entachlies.sen können , der sollte , wenn
er aus dein Leben scheidet, mit dem Sicherheitsgefiihle ster-
ben , dass fremde Nachfolger, welche für sein Empfinden kein
rechtes Verstündniss haben können , nicht die befuguiss erlan-
gen werden , die von ihm versäumte Aufdeckung einer Schande
seine.s Hauses aus Gewinnsucht nachzuholen.
Eigenthümlich ist auch , dass der PHichttheil , welcher nicht
wider die Erben, sondern gegen den Empfänger einer über-
mässigen Schenkung eingeklagl wird , den Namen des .ausser-
ordentlichen Pflichttheils“ tragen soll (§ 2010), weilereine
Erhöhung des Pfliohttheilsbetrages bildet , der sich aus der
beim Tode vorhandenen Masse ergiebt ').
Der letzte Abschnitt: „Rechtsstellung des Erben“ enthält
acht Titel , eine verbesserungsfähige Anordnung , die z. B.
in Titel 4, 7 und 8 von Dingen redet, welche mit unter
die Ueberschrift des 3‘*“ Titels „Wirkungen des Erbschafts-
erwerbes“ fallen, nämlich von der Fürsorge des Nachlass-
gerichtes, dem luventarrechte und der Auseinandersetzung
der Miterben.
Der wichtigste Punkt in diesem letzten Gesetzbuchsab-
schnitte hängt mit einer starken Bewegung zusammen , die ,
vom Preussischen Landrechte ausgehend, den Deutschen Ju-
ristentag für sich gewonnen ’) und dem Gesetzgeber Beach-
tung abgenöthigt hat , nämlich dem Zurückstreben zu dem
altdeutschen Satze: „Der Todte erbt den Lebendigen“’).
Erbschaften sollen also durchweg ohne Antretungserklärung
erworben werden. Da nun die Erbschaften mehr Schulden
enthalten können, als Vermögenswerthe , also unter Umstän-
den Danaerge.schenke sind, so ist jener altdeutsche Grund-
satz nur dann ohne grosse Schädigung Unschuldiger durch-
zufUhren , wenn man auf die Interessen der Gläubiger für
') Vgl. hierzu Wilke in deu Gutachten aus dem Anwaltelande ,
8. 1010-1014.
’) Verhandlungen des ISten Juristentags , Bd. 2,8. 138— 171,415 — 421.
’) Vgl. ilotice, Bd. 5, 8. 458 ff. Eck, a. a. 0., 8. 1 ff.
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Itj?
Handel und Credit so weni;; Rücksicht zu nehmen geneif't
ist, wie es in der altgermanischen Naturalwirtlischaft möglich
war. Für unsere neueren V'erhältnisse, in denen die Erben
für Schulden des Erblassers eintreten sollen, ist jene Ein-
richtung kaum noch berechtigt. Der Laie begreift nicht , dass
ihm bei einem völlig werthlosen Nachlasse die Pflicht zu ge-
richtlichen Erklärungen oder Inventarisationen obliegen soll ').
Trotz dem glaubte das lebhafte nationale Bewusstsein der
neueren Zeit, hier Anlass zu einer erwünschten Abweichung
von römischen Sätzen zu finden. Der Gesetzgeber befindet
sich nun in der Übeln Lage , einerseits die Erben , denen er
die Erbschaft aufladet, ohne sie zu fragen, ob sie diese Last
wünschen , schadlos zu stellen und andererseits eine Schädi-
gung des Handels und Gewerbes zu vermeiden.
Der V^ersuch eines Ausweges aus dieser Calamität ist ein
wahres Schmerzenskind des Entwurfs, das sog. /»eenfa/rec/if ,
das von der Kritik mit allseitigem Tadel überschüttet wor-
den ist (§§ 2092 — 2150)’). Schon der Name hat Spott erregt.
Das , Inventarrecht“ kann nämlich ohne Inventar erworben
werden ’). Der Name stammt daher aus geschichtlichen Erin-
nerungen. Das Inventarrecht des Entwurfes ist dasjenige Recht
des Erben , an welches der romanistisch gebildete Jurist denkt ,
wenn von dem „beneficium inventarii“ die Rede ist. Eis ist
also, um deutsch zu reden, ,der Schutz gegen die Gefahr
des Erbschaftserwerbs“ oder ,das Recht yefahrlosen Erb-
') In Berlin heirathete z. B. ein« arme eugliaolie äprachlobrorin einen
Oatten, der bald darauf im Kriege fiel und kein Vermögen, wohl aber
viele Schulden binterlicas. Des Hechts unkundig erachtete sie cs nicht
fOr nöthig, eine gerichtliche Erkifirung abzugeben, obwohl sie allein
als gesetzliche Erbin berufen war. Nach Ablauf der Aussehlagungs- und
der Inventarisationsfrist, den die Qlilubiger abwarteten, verfiel sie ihnen
mit allem zukünftigen Arbeitserwerhe als Schuldnerin für den vollen
Betrag der Erbschaftspassiva.
*) Vgl. hierzu Bähr, in der Krit. VierUljahrsDcUrift, Bd. 30, N. F.
Bd. 11, S. 561 ff. Qierke, der Entwurf, S. 557 ff. Eck, die Stellung
de» Erben, 8. 7 ff.
’) ,Es ist also eine Benennung nach Analogie von lucus a non lu-
cendo*. Bühr, a. a. 0., 8. 561.
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Iü8
schafherwerbs“ . Justinian sagt von einem Inventarerben:
»hereditatem sine periculo habeat* '). Leider ist die Gefahr-
losigkeit dieses Erwerbs im Kntwiirte eine einseitige. Der
Erbe soll schlechtweg nur mit dem Nachlasse haften (§ 2092)
und hat deshalb eine sog. Abzugseinrede , deren Durchführung
mit sehr künstlichen Berechnungen verknüpft sein soll ’).
Die Gläubiger aber können ihn wegen versäumter Inventar-
errichtung nur dann haftbar machen , wenn sie ihn auf Her-
stellung dieses Inventars besonders belangt haben (§§ 2095,
2096). Vorher ist er zu ihr nicht verpflichtet. Gerade dies
hat lebhaften Widerspruch erfahren. Eine erhöhte Sicherung
der Gläubiger wird begehrt. Zwar ist man darüber einig,
dass in dieser Uichtung des Guten zu viel geschehen kann
und beispielsweise im österreichischen Rechte geschehn ist.
Dagegen ist das württembergische Recht mit seiner Fürsorge
für die Unversehrtheit des Nachlasses warm empfohlen wor-
den ’). Auch i.st der Vorschlag gemacht worden , dem Erben
eine gesetzliche luventarpflicht ohne Gläubigerantrag aufzu-
legen, bei deren Nichterfüllung er zur Strafe für die volle
Schuld haften soll, falls er nicht nachweist, wie viel im
Nachlasse beim Erbfalle vorhanden war *). Vielleicht kann
man auch so helfen , da.ss man die Frist zur Erfüllung der
Inventarisationspflicht nicht eher laufen lässt, als bis der
Erbe die Masse thatsächlich berührt hat. Erst von diesem
Augenblicke an beginnt die Gefahr, dass seine Nachlässig-
keit oder Bosheit den Erbschaftsbestand verdunkelt , eine Ge-
') L. 22 § 4 Cod. de jure delib. (VI, 30).
^ Vgl. hierober Dero, a. a. 0., 8. 118 ff. Munk, 8. 61 ff.
’) Von Probet, im Archiv f. eiv. Praxis, Bd. 75, 8. 1 ff. Auch
Mengor, a. a. 0., 8. 153, befürwortet eine Naolilaeerogulirung von
Amtewegen.
*) So Baron, a. a. 0., 8. 274, und Eck, a. a. O., S. 25. — Der
Verf. dieeer Abhandiung etellto am 11 Soptember 1801 in der ersten
Abtheiiung des 21ten Deutschen Juristentages in Cöln den Antrag, den
Wunsch nach Vereinfachung des Inrentarrechts und nach Erhöhung
des Schutzes der Nachlassgläubigor auezusprechen. Diener Antrag wurde
einstimmig angenommen.
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lOÜ
fahr, der die Errichtung eines Inventars zwar nicht unbe-
dingt, aber doch bis zu einem gewissen Grade entgegenzu-
treten vermag.
Die Gemeinschaft der Erben ist nach römischem Vorbilde
geregelt. Hier , wie überall , ist das Gemeinschaftsrecht des
Entwurfes dessen germanistischen Gegnern in hohem Maasse
zuwider; das Streben, den Gemeinschaftsgenossen ihre An-
theile möglichst schnell und glatt zur Verfügung zu stellen,
das namentlich dem Satze „notnina ipso jure divisa sunt“
zu Grunde liegt, wird als eine romanistische , unsoziale Ver-
irrung getadelt. Die sehr umständlichen Miterbrechtsverhält-
nisse des Preussischen Landrechts werden dagegen als
deutschrechtliches Muster gerühmt. Diese Strömung ist so
stark und wird von so vielen in der Praxis wohlbewährten
Männern vertreten ') , dass ihr gegenüber die einfachen rö-
mischen Hechtssätze wohl kaum werden errettet werden
können. Nichtsdestoweniger möchte der Verfasser seiner
Ueberzeugung dahin Ausdruck geben , dass ihm sowohl in
gerichtlicher Thätigkeit als in der Ordnung privater Ange-
legenheiten das vielgerührate preus.sische Recht, welches
den Nachlass zunächst als ungetheilte Masse zusammenhält
und für die wichtigsten Verwaltungsmassregeln unbedingte
Einstimmigkeit der Erben erzwingt, immer sehr zeitraubend
und umständlich vorgekommen ist , namentlich wenn ein
Theil der Erben im Auslände wohnt oder gar vor vollende-
ter Erbtheilung verstirbt. Vom Standpunkte des Satzes , time
is money* schien ihm immer das römische Streben nach
schnellster Auflösung erbschafllicher Gemeinschaften als das
natürliche.
Auch die Feststellung der gesetzlichen Erbeseigenschaft
durch Erbschein (§§ 20G8 ff.) auf Grund öffentlicher Ur-
kunden wird mancherlei Mühseligkeit für Erbschaftsregelun-
gen gewähren.
') Vgl. die Verhandlungen des 20ten üeutachen Jurietenlage , Bd. 4,
8. 288 ff. und die Outaolitcn von StrOtzki und Cosaok, Bd. I, 3.
132 ff. und 199 ff. ; Eck, die Stellung des Erben , 3. 39 ff.
12
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170
Die Colliitioii ist als , Ausgleiclmtig des Vorempfangenen“
in angemessener Weise verdeutscht (§ 2157). In diesem stark
vereinfachten Rechtszweige ist der gemeinrechtliche Unter-
schied zwischen der älteren und der neueren Collation be-
greiflicherweise völlig beseitigt worden ; die Collation erscheint
durchweg als Beitrag des den Abkömmlingen zum Gewinne
einer selbstständigen Lebensstellung bezahlten Kapitals (nicht
aber der blossen Erziehungsgelder, § 2159). Die Ausgleichung
soll in der Form eines Geldbetrages geleistet werden (§ 2163).
Uebrigens soll sie nur bei gesetzlicher Erbfolge eintreten
(§2157). Bei te.stamentarischer bringt der Entwurf also der
Ein.sicht des Erblassers die Erwartung entgegen , dass er den
Vorausempfang bei seiner Anordnung mitberücksichtigen
werde ; während J u s t i n i a n bekanntlich ihnen ein gleiches
Vertrauen nicht gewährte.
Ehe wir von der vorstehenden Schilderung der Grundzüge
des Entwurfs zu seiner Beurtheilung übergehen, erscheint
es angemessen , dem Gesammtbilde der reichen , oben nur an
einzelnen Stellen berührten Literatur , welche sich an ihn
angeschlossen hat, einen Blick zuzuwenden '). Viel Gedan-
kenreichthum und Gesetzgebungsweisheit ist aus den verbor-
genen Tiefen des deutschen Geisteslebens herausgetreten ,
als die öffentliche Aufforderung, das neue Werk durch frei-
willige Beurtheilung zu fördern, ergangen war. Es wird
') Cntor den Beurtheilern dos Werkes sind namentlich ausser den
oben Oenannten hervorzuheben : Ludwig Goldsohmidt, KrittKht
Erörterungen zum Entwurf u. s. w., Heft 1, Leipzig 1889, ein Gegner
dos Werkes. Auch Dernburg tadelt es in der Vorrede zur zweiten
Auflage seiner Pandekten. Vgl. ferner Zrodlowski, Codificalionsfra-
gen und Kritik des Entwurfs u. s. w., Prag, 1888. Ein anerkennendes
Urtheil fällt Ryok, Die Lehre von den Schuldverhältnissen nach ge-
meinem deutschen Rechte, Berlin, 1889, in der Einleitung. AlsVerthei-
diger dos Entwurfes ist namentlich Planck zu erwähnen, Archiv f.
civ. Praxis, Bd. 75, S. 327 II. Eine vollständige Uebersicht der auf den
Entwurf bczflglichen Literatur wird zusammengostollt von Otto Mflhl-
b recht in Berlin (Verlagsbuchhandlung Puttkammer u. Hühlbrocht).
171
nicht allzu schwer werden, die Spreu vom Weizen zu son-
dern, und das Werk an zahllosen Stellen zu verbessern.
Unmöglich dagegen würde es sein, allen geäusserten Wün-
schen gerecht zu werden , zumal sie zu einem sehr grossen
Theile nicht berechtigt sind. Einer scharfen Gegen kritik
wird es bedürfen, um die Kraft vieler grundloser Angriffe
auszugleichen. Ein Theil der Gegner des Werkes hat sich
freilich an mehr als einer Stelle Blossen gegeben. Manchem
unerbittlichen Splitterrichter fehlt der Balken ira eigenen
Auge nicht; aus der Mücke eines untergeordneten Missgriffs
ist oftmals ein Elephant gemacht; die politischen und ge-
schichtlichen Schranken des Werkes sind vielfach übersehen
worden; unter mehreren möglichen Lösungen einer Gesetz-
gebungsaufgabe wurde die eigene oft für die allein denkbare
gehalten. Unglücksprophezeiungen über die voraussichtlichen
Folgen der vorgeschlagenen Rechts-Umgestaltung sind aus-
gesprochen worden , welche weit über den Gesichtskreis
hinausreichen, welcher selbst den erleuchteten Geistern von
der Natur der Dinge gesteckt ist. Von allen derartigen
grundlosen Beschwerden müssen wir vorweg absehu. Sodann
müssen wir aber erwägen, welche Aufgaben einer Gesetz-
gebung überhaupt nach dem heutigen Stande der Wissen-
schaft gestellt sind ') und welche jetzt für Deutschland ge-
löst werden müssen.
Die erste Frage ist unter allen Umständen auf geschicht-
lichem Boden zu beantworten. Von einem .reinen Privat-
recht“, einem Seiteustücke der reinen Vernunft, hat nur eine
vereinzelte Stimme gesprochen ’) und die wachsende Einsicht
in die zeitliche und räumliche Bedingtheit aller Geisteserzeug-
nisse wird schwerlich dahin führen , diese Eigenschaft gerade
den Rechtssätzen abzusprechen. Die Maassstäbe für die
Durchführbarkeit und Gemeinnützigkeit eines Gesetzbuchs
') Diese Frage hat der VerfoBoer in seiner Schrift; dit Kideszuschie-
bung in Familienrechtsprocessen, S. 1 ff., nSher behandelt.
') Kroch, Die Rechte nn Grundstücken nach dem Jinticurf n. 8. vr.
Berlin, 1889, S. 4.
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künneti also nur der Geschichte des Volkes entnuiumen
werden , dem es angepasst werden soll '). Nicht also nach
Nützlichkeitserwäguugen, die auf alle möglichen Zeiten und
Völker bemessen sind , sondern nach dem ganz besondem
Entwicklungsgänge Deutschlands ist dessen liecht abzuschät-
zen. In diesem aber musste au die Gegenwart angeknUpft
werden , an das Zeitalter des Kaisers Wilhelm, nicht an
die Zeit Barbarossa’s oder Ma x i mili an's. Die Gegen-
wart bestimmt die Durchführbarkeit und die Heilsamkeit des
Gesetzeswerkes , die Vergangenheit giebt nur die Richtung
an , in welcher die Aufgabe fortzuführen ist. Hierbei musste
allerdings die Frage entschieden werden, ob die politische
Erneuerung Deutschlands uns dahin treibt, die in unser
Rechtslebeu seit dem Mittelalter eingedrungeueu Anschauun-
gen der Antike wie einen kranken Stoff aus unserem Geis-
tesleben herauszubringen , um ihm statt dessen die Gedanken
einer entschwundenen deutschen Vergangenheit als frisches
Blut einzuflössen , oder ob ein derartiges Unternehmeu schäd-
lich und sogar unmöglich sein würde. Solche Frage kann
kein Rechtskenner anders beantworten , als aus dem Ge-
sammteindrucke seines Wissens von den Rechtsquellen und
den Lebensbedürfnissen ; darum vertritt hier jeder seine Ue-
berzeugung , ohne auf eine Bekehrung des Gegners zu hoffen.
Die Ansichten über den Werth des römischen Rechts gehen
himmelweit auseinander; der Glaube, dass es eine ,ratio
scripta* bt, scheint neuerdings in das gerade Gegentheil
umznschlagen ’). Der Verfasser kann sich in seinem Glauben
') Insoweit bedarf die geistvolle Bemerkung Bekker’s (b'ystem und
Sprache, S. 6b), der Vier haus (Deulschee Wochenblatt, 1890, S. 412)
zustimmt , dass die B'rage , ob unser Recht dem römischen gleicht , ebenso
gleicbgiltig ist, wie die Aehnliehkeit unseres Schwertes mit demjenigen
der rümisoben Legionüre, einer gewissen Einschränkung. Das Volk zeigt
in der Aufnahme von Privatrechtssätzen nicht dieselbe Subordination ,
wie das Heer bei der Annahme von Waffen.
') Vgl. z. B. das mit grosser Anschaulichkeit geschriebene Buch von
Wi Im an ns, die Seeeption de» rämiechen Rechtes und die sociale Frage
der Gegenu-arl, Berlin, 1890, ein getreues Abbilil der um sich grei-
fenden Abneigung gegen das römische Recht.
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an (len Geist hoher Milde und edler Menschlichkeit, welche
den römischen Satzungen innewohnt, sowie an ihre untrenn-
bare Verbindung mit den Wurzeln unserer nationalen Kraft
nicht irre machen lassen und ist eher geneigt, der Meinung
derer beizutreten, welche diesen Geist ini Entwürfe an vie-
len Stellen zu ihrem Bedauern vermissen '). Jedenfalls ist
der Glaube an die Brauchbarkeit der aus Rom übernomme-
nen bewährten Sätze in der Mehrheit unseres Beamtenthums ,
das unter allen Umständen bei der neuen Reform initreden
muss, herrschende Meinung. Dieses Beamtenthum, dessen
Einfluss sich auch in der weitgreifenden Rücksicht zeigt,
welche der Entwurf auf die Beschlüsse des deutschen Ju-
ristentags genommen hat, muss die Verantwortung für die
Rechtspflege tragen und kann daher keine widerspruchsvollen
oder unzweckniässigen Sätze dulden, selbst dann nicht, wenn
sie aus vaterländischen Rechtsquellen belegt werden *).
') In dieser Hinsicht verdient ^anz besondere Beachtung das von
Hartmann im Archiv f. civ. Praxis^ Bd. 73, S. 309 Ausgefübrte,
insbesondere über die ohne Grund den Pächtern geraubte remissio mer-
cedis, S 358 ft. u. dorgl. mehr. Nur für die in integrum restitutio (S.
351 ff.) und das 8. C. Vellejanum (S. 369), welche beide dem Entwürfe
fremd sind, kann sich der Verfasser nicht begeistern. Ersteres ist eine
Folge der in Deutschland nicht üblichen magistratlichon Unumschränkt-
beit, letzteres ein Sonderrecht für die vornehmeren Volksklasscn. Ein
offenkundiger Rückschritt des Entwurfs gegenüber dem rdmischen Rechte
ist dagegen, dass er das Verbot ebikanöser Rechtsausübung nicht kennt
(vgl. Baron, in Conrad's Jahrbüchern f. Nationalökonomie und Sta^
tistik^ N. F. Bd. 19, S. 234; vgl. auch Ladenburg, im Archiv f.
civ. Praxis^ Bd. T4, S. 445—461). Hiergegeu richtet sich der in v.
K i r c h on bei m Ceniralblatt ^ Bd. 9,8. 129 mitgetheilte Beschluss des
preuBsischcD LandcH-Oekonomie-ColIegiums, nr. 5.
*) Vgl. auch V. Gneist, den ehrwürdigen Leiter des deutschen Juris-
tentags, in den Verhandl. des tOten Detäschen Juri3tentag»^^d. fS.
Der Verf. mochte, um nicht missverstanden zu werden , versichern, dass
er den Werth der germanistischen Rechtswissenschaft in vollem 3(aasse zu
würdigen glaubt, insoweit sie sich nicht zu einer ungerechten Unterschät-
zung der antiken Beimischung in unserm heutigen Geistesleben hinreissen
lässt. Sie hat vor allen das Mährohen der Möglichkeit einer ewigen ,,ratio
scripta*^ widerlegt, von den deutschen Anschauungen, namentlich auf
ofrentlichrechtltchem Gebiete, unannehmbare Kigenthümlichkeiteii des spat-
174
Aber nicht bloa in dieaem Punkte musate die Commission
mit fremden Meinungen rechnen. In der Zeit des Absolutis-
mus war e.s leicht , auf die Durchführung eines Ge.setzge-
bungswerke.s zu hoffen. Jetzt, da die Mehrheiten eines Bun-
desraths und eines Reichstags für da.sselbe gewonnen werden
müssen, ist für kühne Neuerungspläne von vorn hereinkein
Raum ; eine möglichste Anpa.ssung an die vorhandenen Ver-
hältnisse und Anschauungen ist unter solchen Umständen
nicht l)los erlaubt und nicht blos heilsam , sondern geradezu
unvermeidlich. Darum konnte der Entwurf nicht eigentlich
schöpferisch sein ; denn er sollte es nicht sein.
Gesetzgebungsaufgaben sind überhaupt unter verschiedenen
Zeitumständen ganz verschiedenartige Dinge. Etwas anderes
ist die staatliche Neubegründung eines in Entstehung be-
griffenen Gemeinwesens , etwas anders die Codification un-
geschriebenen Rechtes und noch wieder etwas anders eine
innere Einung verschiedener Codificationen. Die letztere Auf-
gabe allein war diejenige der Commission ; die Codifications-
frage ist längst gelöst; denn auch das gemeine Recht hat
nicht blos da , wo es durch Landesrechte verdrängt ist , son-
dern auch durch die Abfassung der in der Praxis vorwiegend
geltenden Lehrbücher bereits eine Codification hinter sich.
Aus verschiedenen Gesetzbüchern ein einziges herzustellcu ,
welches mehr ist, als die blosse Wiederholung der Vor-
schriften eines der zu vereinigenden Gebiete, dies war die
eigentliche Hauptaufgabe der Commi.ssion. Eine andere durfte
sie sich nicht stellen , wenn sie hoffen wollte , ihre Arbeit
zur Gesetzeskraft durchdringen zu .sehen. Da das Gesetzbuch
den einzelnen Staaten Deutschlands nicht wider ihren Willen
aufgezwungen , .sondern ihren Bedürfnissen angepasst werden
soll , so durften diese verlangen und erwarten , von dem ge-
rümiachen Kaiseratiuites nbgowehrt, die nachrömische Kechtsenlwick-
lung gepflegt , die Lücken des nur theilweise bei nna brauebbaren rö-
miachen Recbta auageatepft und den Romaniaten durch die V'crbindung
dea Rechts mit den übrigen Cnlturaweigen ein noch nicht veil erreichtes
Vorbild culturgeachicbtlichor Rechtsdarstellung gegeben.
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i7r.
wohnten und bewährten Rechtsschutze keine empfindlichen
Verluste bei der geplanten Neuerung zu erleiden. Die Er-
reichung eines .solchen Ziels musste aber w'eit weniger eine
gesetzgeberisch-schaffende , als eine systematisch-sammelnde
Arbeit sein. So verschieden auch Gesetzgebung und Syste-
n)atik sind, im vorliegenden Falle mussten sich beide in
Folge der eigenthümlichen politischen Lage des Vaterlands
beinahe verschmelzen. Diese gab von vom herein dem neuen
Plane ein ganz anderes gebundenes Ziel , als es den unum-
schränkten Herrschern der Einzelstaaten und als es Napo-
leon, der auf den Trümmern einer zerstörten Gesellschafts-
ordnung mit freiem Belieben .schaltete , vorschwebte. Nicht
ohne Grund und nicht ohne Erfolg gewährte man daher dem
bewährtesten Systematiker Deutschlands bei der Arbeit den
grössten Einfluss. Das der Entwurf, wie man tadelnd hervor-
gehoben hat, vielfach nur das Pandekten-Lehrbuch Wind-
Rcheid’s wiederholt, gereicht diesem letzteren Werke mehr
zum Lobe, als den Nachahmern zum Tadel.
Um einem Missverständnisse vorzubeugen , mag hier daran
erinnert werden, dass die Systematik zw'ei verschiedene Auf-
gaben hat , eine niedere und eine höhere. Sie ist nicht blos
Anordnungskunst, sondern vor Allem Schutzwehr gegen in-
nere Widersprüche in dem Ganzen der Rechtsvorschriften.
In der ersteren Hinsicht wurden oben mancherlei Verbes.se-
rungsvorschläge gemacht; sie ist jedoch minder wichtig. Weit
bedeutsamer ist die zweite Aufgabe. In ihr ist die Syste-
matik mehr, als die blo.sse Dienerin des Inhaltes der Texte ,
vielmehr genügt sie selbst dem wichtigsten aller praktisch-
politischen Bedürfnisse , demjenigen nach Wirksamkeit der
Rechtsvorschriften. Ein Rechbsbuch, dessen Theile sich wider-
sprechen , gleicht einem Garten , in dem die zu eng an ein-
ander gepflanzten Bäume .sich gegenseitig vernichten. Ohne
Systematik keine Wirksamkeit der Rechtsordnung.
So mag es sich denn erklären , warum die einzelnen Theile
des Ganzen mit bewundemsw'erther Ausdauer sich gegcn.sei-
tig angepasst, zu einander in Beziehung gesetzt und in ein-
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17C.
ander Vfiwoben worden sind. Ein Missjrriff' war e.s freilicli ,
diesen innem Zusunmienhang durch unausgesetzte Citatc ,
welche oft die Geduld des Le.sers geradezu auf die Folter
spannen , in den Text seihst hineinziuspinnen '). Die Llerstel-
lung diese.s Zusammenhangs war jedoch überaus verdienstlich.
Dass in dieser Innern Einung eines mannigfachen Stoffes
etwas Ausserordentliches geleistet worden ist , ist wohl von
keiner Seite bestritten w'orden ’). Darum ist der Vorwurf des
Doktrinarismus ’), der bis zu einem gewissen Grade richtig ist,
nicht in vollem Umfange begründet. Die scharfe Unterschei-
dung zwischen einem Uehrbuche und Gesetzbuche lässt sich
nicht so streng durchführen , wie behauptet worden ist *). Einer-
seits kann ein gutes Lehrbuch schliesslich nichts anderes bieten,
als was in den Anordnungen steckt, die es schildert. Rechts-
wahrheiten , die vom Befehle irgend eines Gesetzgebers unab-
hängig sind, giebt es, genau betrachtet, nicht. Der Glaube
an sie ist der Üeberrest eines naturrechtlichen Irrthums.
Darum unterscheiden sich knapp gefasste Lehrbücher, wie
z. B. Puchta’s Pandekten, kaum von einem Gesetzbuebe.
Andererseits wird es schwerlich einen Lehrbuchsbestandlheil
geben , der sich nicht auch als Theil eines Gesetzbuches
rechtfertigen Hesse. Das Recht ist , wie in einem trefflichen
Worte*) gesagt worden ist, zugleich „Macht und Lehre“.
') Vgl. aber diesen »an allen Seiten geragten , abrigene ohne allzu-
grosee Mähe »ertilgbaren Uebcletand , statt vieler, 0 ie rke, der EnUrurf,
8. 66 ff. Vgl. hierzu auch Stolterfoih, Beitrüge zur Beurtheilung
de» Entieurfs u.e. w., Leipzig 1890, 8. 5.
*) Mit Recht eicht Jacoby, Entstehung und Inhalt des Entwurfs
U.8.W., Berlin 1888, S. 12 , hierin den Hauptvoriug des Werkes. Daeelhet
finden eich S. 27 und 28 Zahlenbelege für die KOrze dos Kntwurfs.
’) Be kk er 's Endurteil über das AVerk lautet: „nicht wissenschaft-
lich , sondern doktrinär** {System und Sprache des Entwurfs u. s. w., 8. 67).
') In dieser Hinsicht wendet eich namentlich wider den Entwurf
Holder, a. a. 0., und in seinem Vortrage: Ueber den Entwurf eines
deutschen bürgerlichen Gesetzbuches, Erlaugen und Leipzig 1889 ; ferner
Uierke, a. a. O., 8. 12, 55 ff., 243, 323 und suiist, und Ludwig
üoldschmidt, a. a. 0., cap. 2 ff., 8. 54 ff.
*) Von M 0 r k e I , j'uristiscAe Encyklopüdie , 1885, § 22, 8. 12.
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177
Ein Buch der Rochtssätze kann also der Lehrmittel nicht
entbehren. Selbst eine jede Definition, die es bietet, ist nur
ein Befehlssatz: „Du sollst dies Wort, wo es sich in meinem
Gesetzbuche findet, so und nicht anders deuten!“ Damit
werden alle die Gesetzesstellen, die das erklärte Wort ent-
halten , hinsichtlich dieses Au.sdrncks erläutert und ergänzt.
Jede Definition ist daher mehr oder weniger eine Collektiv-
interpretation und, wo der Gesetzgeber sie vornimmt, eine
collective Legalinterpretation. Dass eine solche zur Steuerung
des Missverständnisses hier und da nöthig ist,istzweifello.s,
und selbst logische Folgerungen ans einem Ge.setze darf
dessen Urheber dann anbefehlen , wenn er befürchten muss ,
dass sie ohne dies übersehen werden könnten.
Etwas ganz anderes i.st der Vorwurf des Doktrinarismus
in der Begründung der Gesetzesvorschriften , der in der Ver-
kennung des Satzes: „Non jus ex regula“ beruht '). Der
Richter steht im Dien.ste allgemeiner Sätze , der Gesetzgeber
aber ist ihr Herr. Wo der Richter zum Gesetzgeber wird,
bindet er sich zuweilen selbst ohne Noth an die gewohnten
Fesseln, die er als „Priucipien“ sich selbst auflegt. Dass in
dieser Hinsicht z. B. hinsichtlich der abstrakten Natur der
dinglichen Geschäfte und der Ehescheidungsgrüude nicht blos
die Motive , sondern auch der Gesetzestext geschädigt wor-
den sind , haben wir oben gesehen. Da es sich aber hierbei
um eine Krankheit handelt , deren Symptome genau fest-
steben , so würde ihre Heilung sicherlich möglich sein.
Dass hier und da in der Rücksicht auf die ärmeren Klas-
sen ein besserer Rechtssatz hätte gefunden werden sollen ,
als er aufgenommen ist*), und hier und da dem Einzelwil-
len hätten strengere Schranken gesetzt werden sollen , mag
wohl richtig sein. Es handelt sich aber dort immer nur
') Beispiele hierfür bietet "Wen dt in seinem Aufsätze: Rechtssatz
und Dogma, in v. Jhoring's Jahrbüchern für Dogmatik, Bd. 29, 8.
29— 106. Eine populäre Durstellung dieses Missgriffs findet sich bei
Ehrlich in der Zeitschrift ,Vnsere Zeit‘, 1890, Heft 7, 8. 25.
') So z. B. hinsichtlich der remissio morcedis, des Verbotes der ge-
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178
um einzelne Fragen, nicht um Grundlaf^en des Ganzen ^).
Nur in einem Punkte lässt sich der dem Werke entge-
gengehaltene Tadel schwerlich ahschwächen und dies ist
sein sprachliches Gewand. Schwerfällig und ohne Sinn für
die Schönheiten unserer Muttersjwache , insbesondere für
leichtgefögte Satzbildung und wohlklingende Wortformen,
spricht in den meisten seiner Theile der Entwurf zum Leser.
So sollte ein Gesetzbuch nicht zu einem Volke reden, das
sich einer schönen und edlen Sprache erfreut *). Man hat
aus der Noth eine Tugend machen und die ünschonheiten
der Redeweise des P^ntwurfs mit seinem lobenswerthen Stre-
ben nach Genauigkeit des Ausdrucks in Zusammenhang
bringen wollen *). Allein beides trifft nur zufälliger Weise
fährlichen abdtrakton Geschäfte, der Beibehaltung des OewohnbeiterechU
u. dergl. mehr.
') Don entgegengesetzten Standpunkt vertritt namentlich A. Menge r,
das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen ^ Tübingen 1890,
vgl. namentlich S. 17, 23, 33, 57, 69, 89, 151. Oierke hält die
Landbevölkerung für da« ^Stiefkind des Entwurfs* (8. 77) und auch
Opitz {Gutachten vher den Enhrurf eines bürgerlichen Gesetz-Buches ^
Leipzig 1889, 8. 36) spricht von einer „manchcsterlichen“ Bevorzugung
der Kapitalisten vor den Grundbesitzern.
*) Vgl. hierüber vornehmlich Gierke, der EnUrurf^ 8. 2 ff. Bek-
ker, a. a. O,, 8. 50 ff. Darum sind gerade unter Meistern in der Be-
handlung der deutschen Rede, wie Felix Dahn (in der Schlesischen
Zeitung^ 1888, nr. 834, zweiter Rogen; idgliche Rundschau, Jahrgang
1888, nr. 291), Bahr u. a., besonders scharfe Gegner des Entwurfes
aufgetreten. Vergl. auch die Schmerzensrufe Bernhöffs, Kauf, Mit-
the n. 8. w., 8. 62. Auch die sehr scharfen Angriffe, welche L. Gold-
schmidt, a. a. 0., gegen das Werk richtet, wenden sich vorzugsweise
wider seine Form. Allerdings hat auch diese Kritik gerade wegen ihrer
Form einen Gegenangriff erfahren (Planck, Archiv f. eiv. Praxis,
Bd. 75, 8, 429).
’) So z, B. Zit el mann, die Rechtsgeschäfte im Entwurf, Bd. 1,
S. 1 ff., auf den sich Planck, a. a. 0-, Bd. 75, S. 420 ff. bezieht.
Uehrigons enthalten Zitelmann's Gegenvorschläge, ebenso wie die
oben erwähnten Bähr’», zweifellose stilistische Verbesserungen. Soeben
erscheint auch eine Veröffentlichung fortlaufender Veibcsserungsvor-
schlnge von K och o 1 1 {Vorschldge zur Abänderung des Entwurfes u. s. w.
Erstes Buch. Breslau, 1890).
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17fl
'/.iisiitiimen. Nur insofern liegt darin etwas Richtiges, ah
wohlklingende Wendungen (wie z. B. die bekannten franzö-
sischen Sätze „en fait de meubles la possession vaut titre*
oder ,1a recherche de la paternite est interdite“) in der
Regel nicht ganz genau sind oder näherer Erläuterung be-
dürfen ’). Damit hängt wohl zusammen, dass dem Entwürfe
jedes Streben nach sprichwortartigen, geflügelten Worten
gänzlich abgeht. Die Motive beweisen , dass die Verfasser
die deutsche Sprache wohl beherrschen, wo es sich um
Gedankenreihen handelt , welche begründen und nicht be-
fehlen ; allein zwischen der juristischen Ausführung und der
festgeprägten Gesetzesregel ist ein gewaltiger Unterschied.
Die Fähigkeit, unantastbare, Gohorsara gebietende Formeln
abzufassen , will mehr geübt und gelernt sein , als jede an-
dere. In ihr wai’en die Verfasser des Entwurfs keine Meister.
Non omnia possumus omnes. Den Männern , welche ihr Werk
revidieren werden , wird es nicht allzu schwer fallen , sie
in dieser Hinsicht zu überbieten. Indessen wenn sie selbst
fähig wären , mit Menschen- und Engelzungen zu reden ,
so würden sie dem Wunsche nach einem volksthümlichen
Rechtsbuche doch nicht genügen können ’). Es ist ein unver-
meidliches Vorrecht der allgemeinen Regeln , über den Ge-
sichtskreis des unhelehrten Mannes hinauszugreifen ; das
Geltungsgebiet eines Satzes steht im umgekehrten Verhält-
nis.se zu der Grösse des Krei.ses, der ihn versteht, und ,le-
ges generaliter constituuntur*. Man wird daher gut thun,
auch in dieser Richtung auf unerfüllbare Wünsche von vorn
herein zu verzichten.
Und nun zum Schlüsse. Die Gefahr, dass die Arbeit der
Commission als gänzlich werthlos bei Seite gelegt werden
könnte, ist beseitigt, und zwar, wie der Verfasser glaubt,
zum Besten DeuUchlands. Die Gefahr , dass bei der Uraar-
') Vgl. hierzu Stolterfoth, Beiträge zur Beurtheilung des Knt-
Kurfs u. B. w., Leipzig, 1890, 8. 17 ff.
’) So mit Recht Moischeider, die allen Streitfragen gegenüber
dem Entwürfe u. s. w., 1889, 8. 34.
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180
beitimg des Werkes zu viel oder zu wenig geschehen köuiite,
dünkt ihm minder wichtig. Es ist nach nienBchlicher Vor-
aussicht wohl ziemlich sicher, dass aus demjenigen, was
vorliegt , ein einheitliche.s Reichsgesetzbuch hervorgehn wird.
Nehmen wir aber auch an, dass die gemachten Verbesse-
rungsvorschläge in weitestem Umfange Beachtung finden
sollten und ein gründlicher Umbau keinen Stein auf dem
anderen bestehen liesse, nehmen wir ferner an, dass erst
ein gänzlich unigestaltetes Werk Gesetzkraft erlangen würde,
selbst dann müsste das Hauptverdien.st an dem Gelingen
des grossen Unternehmens doch denjenigen zugeschrieben
werden, die zuerst seine Lösung als ein Ganzes zusammeuge-
schweisst haben. Ein jeder, der sich in schriftstellerischen
Leistungen versucht hat , weiss , welcher gewaltige Unter-
schied zwischen dem ersten Entwürfe eines vollständig durch-
geföhrten Gesammtbildes und seiner Austeilung im Einzel-
nen ist. Wer an jenem nicht gescheitert ist, darf mit Fleiss
und gutem Willen auch durch diese hindurchzukoramen
hoflen. So steht es auch hier. Die grosse That liegt in dem
Nachweise , dass die Herstellung eines einheitlichen Gesetz-
buchs für Deutschland möglich ist. Er ist gelungen und
den Männern, die ihn durchfilhrten , gebührt vaterländische
Anerkennung. Leider muss der vollste unserer Dankeskränze
auf ein Grab gelegt werden. Pape, der Leiter und die Seele
des Unternehmens, starb kurz nach Veröffentlichung des
Werkes unter den unfreundlichen Eindrücken, die dessen
erste Aufnahme hervorrufen mu.sste. Es liegt tief im mensch-
lichen Herzen die Neigung, grösseren Werken dann eine
vertrauensvollere Anerkennung entgegenzubringeii , wenn der
Glorienschein eines Martyriums über ihnen schwebt. Möge
der Gedanke an den unglücklichen Zeitpunkt, in welchem
einer der ersten Gesetzgeber Deutschlands starb , vom Glücke
getäuscht um die Frucht seiner bedeutendsten Leistung, die-
sem seinem Werke zum Geleitbriefe dienen.
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N. 6. Eiwert’sche Verlagsbuchbandlnng in Marburg.
In gleichem Verlag erschienen:
Baron, J., Die Gosaninitrechtsverhältnisse ini römischen Recht,
gr. 8. XVI, 5,^0 8. M. 7. .ÖO.
Bennecke, H., Zur Geschichte des detitsclien Strafprozesses.
Das Strafverfahren nach den linlländi.schen und flandrischen
Rechten des XII. utkI Xlll. .lahrlmnderts. gr. 8. XII,
134 S. M. 3. .öO.
— — Die strafreclitliche Lehre vom Eheln nch in ilirer historisch-
dogmatischen Kntwickelung. I. .Vhtlieilnng : Das römische,
canonische und das tlentsdie liecht bis zur Mitte des XV.
Jahrhunderts, gr. H. X. 147 S. M. 3. — .
Bnneccerns, L., Recht.sgeschiift, Redingung uiiil Anfangstermin,
gr. 8. IV, f.3!) H. M. 12. — .
Friedrich Carl v. Savigny und die Richtung der neueren
Rechtswissenschaft. Nebst einer Auswahl ungedruckter
Briefe, gr. 8. 77 S. M. 1. 20.
Festgaben der juristischen Facnltät zu Marburg zur fünfzig-
jährigen Jubelfeier der Doctnr-l’romotioii Seiner Fxcellenz.
des Grossherzoglich Mecklenburgischen Wirklichen Geheimen
Rath Georg Wilhelm Wetzell. gr. 8. 380 S. M. 8. — .
Daraus einzeln:
Frank, R. , Die neueren Disci]dinarge.setze der deutschen
evangelischen Landeskircbeii systematisch dargestellt,
gr. 8. 42 S. M. 1. 20.
Lebmann, H. 0., Zur 'l'heorie iler Werthpapiere, gr. 8.
53 S. M. 1. 50.
Leonhard,R.,Die Fide.szn.schiebuug in Familienrechtspiozessen
nach dem Fntwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuchs für
das Deutsche Reich. F.in Beitrag zur Lehre von den
Krfordernissen einer angeme.sseneu (iesetzgebungskritik.
gr. 8. 1711 S. M. 4. 50.
Lilienthal, K. v., Der Ort der begangenen Handlung im
Strafrechte, gr. 8. 24 8. M. 1. — .
Dbbelohde, A., lieber das Verhältniss der Inmorüm venditio
zum ordo judiciorum. gr. 8. 24 S. M. 0. 80.
Westerkamp. J. B., Das Bundesrecht der Rejmblik der Ver-
einigten Niederlamletl57‘.)-1795t. gr.8. 52 S. M. 1. 50.
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