Karl Gutzkows leben und schaffen
Heinrich Hubert Houben
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&eiim4> Hubert i^otiben
Sonbmibbrud! au»: Barl ©ugPoros ausgcrväbltc Tüctfe
in jttxMf -önnben. ^etrau*gcgcben i^on />ein c i d> /)ubci*t
boubtn.
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map Reffes Verlag.
1306.
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?(usgem«l)ltc tt>erfe in jroolf Bänbc
fjerausgegeben Port
^cinrid? Hubert r>oubc»t.
mit 3 iJilbniffen unb einem Briefe als fyinbfdjriftprobe.
3n <k Setttcitbäubctt m. 8.—. $etne Ausgabe HL
■
£imts-2lusgabe Itt. 16.-
Überfidjt:
12.-
3nl?alts^
Karl «Butifotr» Ceben unb
W Rahb I.
“^k • «djaffen.
Raub II. Dramen I: Einleitung —
fjamlet in UKttenb?rg — Ritbarb Saoage —
Werner — c t>opf unb Schwert.
Pa nb III, Dramen 2: Das llrbilb bes
Cartfiffc — Uriei Kcojia — IPuUemueber.
Uanb IV. Dramen 3: Der Königs»
leutiiant — ^rembes (Pfürf — Elia Rofe.
Raub V. Kleine Romane unb Er«
jötjlungcnt: Einleitung — Kanarien-
vogels Siebe unb Ceib — Der Sabbujöer oon
Kmflerbam — PergangentJLage (tPallr, bi*
gineifieTin) — Schaufpieler uotn Hamburger
Serge — Die Seibittaufe V5- 4 * ->.•
Ranb VI. Kleine Romane unb Er»
— - jAhlu.njen 2: phantaftelleb* — Der Em»
V>or Wirf Die Kurstauben — König irgnt
in iontairteWeau — Die RüjiIi{Jeni
Klrtne
Ertdljlnngen 3: Der Pfeffer »tUattbe:
— W* ‘ ' ‘
Dtafoniffin — Kus bem Schwaben
ianbe (Remefis) — Das ©pfer — IDerwolf
Raub VIII. DjrmifdjteSdfrif ten I
Raub VIII. permifdjteSdfriften I
Einleitungen. — (Öffentliche Cbaraftere. —
Uber «Boethe Int IDenbepunfte «weter 3af?t
«Boetljf Im IDenbepunfte jweier 3»^
bunberte.
Raub IX. Dermifd)t* Schriften 2
3« Eefrfjichte unferer geit. — Helfeeinbriicf*
Sanb X. Cebenserinnerungen |:
Einleitung — Kus ber Knabenjeit — lPe<h‘
feinbe Stimmung in fiebern u. Epigrammen.
RattbXI. Cebenserinnerungen 2:
RücfblMe.
Ran b XII. Cebenserinnerungen 3:
Das Kaflanleniudibchen in Rerlin — Der»
gangenbeit u. (Pegenujart — giuei «Befangene
— Kus Enipfangsjimmern — Ein Schiller»
feftfpruch — <Knt CetbejHom — Refudj bei
‘Cornelius - Por ^reube jlerben. — Regijter.
r-’ ' ^ Raub VII. Kleine Roman* unb
T\ie Werfe bes waeferen Kämpen gegen 'Heaftiou unb 0rtf]öboyte
^ werben nt ^ief.er wohlfeilen Husgabe mit ^freube begrübt unb gern
gelefett werben. Piele (einer Arbeiten/ bie bet allen liberalen unb
fatalen Ceubenjen bod> immer bas Fänftlerifdje «Element unb bie geiftige
5
t>jerttefuug bes Stofflichen au bie erfte Stelle fetjeu, haben rollen 2tn*
(prttdj barauf, tiictt mieber itt Dergeffenljett 3» geraten, fie feffelu uns
jefct ebenfo, wie fte poii feinen <£ci tgettoffen bamals mit ftiirmifdjem
Seifall begräbt worben flttb.
ZHefc nodf t>or Jlblattf ter gefcttlteben 5d>uljfrift er-
fdieinenbe wolftfeile <PutjFotr-2lu»gal’e
freuitbcn auf bas wärmfte empfohlen.
fei allen Citeratur-
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zXT7.
Ilus t>tm corpus imaginutn ber phototjrapMfd’fn ©efellfd’aft in Berlin.
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Karl (Bu^forrs ;
Ccbcn unb Scfyafjm
Bon
1|einrtrf| l&xbtxt Routen.
V
mit &tei BUlmiflfen nnb einem Briefe als {jan&fdjrifiprobe.
SonberabbrncF aus: Karl (Sutjfotns ausgeroäblte XPerfe in 3t»3lf
Bänbcn. bjerausgegeben t>on £?einrid? Hubert I^ouben.
2Tl(iy fjcffcs Derlaa.
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ÖO 5 , 5 p
co "'^
MAR 12 1920
I o rt m , i 't
%x CLryV,
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£ar[ ©utsforps Heben unb Schaffen.
„28er bie SKenfdfljdt nid)t in ifjren itiebrigen ©paaren
erlannt ^ot, ber begreift fie nimmer in if>ren Jpöfyen" — bie§
2Bort beS origineflen Söogumil ©oljj na^m ©u&foto junt iDZotto
m feiltet liebenSioürbigen 18tid)leinS „?luS ber ^nabenjeit", in
bem er, ein gereifter ÜDiann üon 41 fahren, mit ber tiefften
Siebe eines ftinbeS J« feiner §eimat beit Ort betrieb, too
er am 17. ßRärj beS toein= unb fometenreid)en 3fafyre§ 1811
geboren mürbe, ©in plumpes ^»äuferquabrat einer ©rofjftabt
barg ©u^foroS SBiege, baS alte 2lfabemiegebäube Unter ben
Sinben in Berlin, baS bis 1910 bem SReubau ber löniglidjen
23ibtiotl)ef oößig gemieden fein toirb unb fd)on feit 3>a|rs
jefjnten in feiner traurigen S3erioa(jrlofung nidjtS mel)r Don
ber bunten 2$ielfeitigfeit oerriet, ber feine 83orber*, Seitens
unb Ouergebäube üor fjunbert $>af)ren beftimntt toaren. SDie
gront itad) ben Sinben ju enthielt bie Seljrfäle unb ©amm=
lutigen ber ?lfabemie ber fünfte; bie UniöerfitätSftrafje hinunter,
bie oor ©rünbung ber Unioerfität ©tallftrafje l)ie|, refibierte
itjrc ernftt)aftere ©dgoefter, bie 2Ifabemie ber 2Biffenfd)aften,
in il)ren ©ifjungSfäleit unb iljrer frembfprad)lid)en SDruderei;
in ber $ront ber 3)orot^eenftra§e erfjob fic^ bie ©terntoarte
mit iljrem oergolbeten ©lobuS, unb auf bem üierten Slügel,
ber ©barlottenftrafje, fdjroang bie üßfebijin iljr graufige§©$epter:
hier lag bie Anatomie mit if)ren 2ef)rfälen unb iljrem regele
mäßigen Skrfeljr üon frifdjen unb jerfdjnittenen Seidjen. ?lber
bamit tuar ber mäcfjtige ©teinfolofj noch lange nidjt gefüllt.
2ln ber ©de ber ©Ijarlotteus unb SDorotbeenftrafje, gegenüber
bem ®opf ber üßiittelftrafje, berriet baS geräufdjöpüe Sebett
einer Ulanentoadje, bafj aud) ÜDZarS ^ter fein Säger aufgefdjlagen
l)atte. &urd) einen Seil ber Ipauptgebäube unb burd) bie
Ouergebäube jogen fiel) ju ebner ©rbe lauge ©täße, in Denen
bie ^ferbe cei SJiilitärS unb beS £>ofeS einquartiert toaren,
l*
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JPavI ©u{j!otü§ fiebert unb Scfjaffcn.
oor allem ber 9J?arftalT ber ©rinjeffin SRaria $fnna unb ifjreS
©emahf§, be§ grinsen SBtl^elm, ber ein ©ruber beS re bicrenben
SönigS griebricf) SBil^elm III. mar. Söagenremifen, ©erät*
fdjuppen, ©attefböben öffneten fiel) mie bie ©taffe naef) ben
inneren tpöfen ju; f)ier tjerrfd^ten f^elbtuebel unb ©taHmeifter,
hier mürben fRemonten jugeritten unb bie liinftigen ©freit*
roffe an ©d)fad)tmufif unb ©ufperlnaff gemöljnt, ^ier Ifang
bie trompete nnb Inadte bie ©eitfd)e. 28a8 bann noch SSiffen*
fdjaft, Sunft unb 9toft an Seien unb SSinfeln übrig fielen,
biente ben ©talfmeiftern unb Spechten unb bent fonftigen ©e*
amtentrofj jur ®ienftmohnung. ©o fchfidf) fid) bie SfbpUe
auch in biefeS färmenbe ©anbamonium ber ©rofjftabt, bie
fümm erliche ©oefie ©erfiner £)interhaufer fugte au§ ben mit
gefbbfü^enber treffe unb rotbfü^enben ©offnen überranften
mauertiefen fjenftem, bie auf bie ©eiten* unb ^nnterftrajjen,
meift auf ftifle £öfe fjinauSblicften, bie burcf) bie Sreuj* unb
Cuerjüge ber innern ©ebaube mie ©d)uhmehren für Stunft unb
SBiffenf^aft abgeteilt maren. ipier fanb fid) benn audb bie
Saube mit milbem 2Bein, f)ier marf fogar ein alter 5Ruj)baunt
feinen ©chatten auf ein fRafenffccfdfjen , ein ©fumenbeet unb
eine ©artenbanl, bie bem erften SRoffelenler beS SönigS ge*
hörte unb eiferfiicf)tig Por ber maffeufjaften übrigen $ugenb
be§ ^aufe§ gehütet mürbe. ÜRur ben Singeborenen mar biefeS
©emirre Pon Jpöfen, kreppen, ©ängen unb burgartigen ©e*
mauern sugänglicf); für baS neugierige Sinberauge, für ben
unternefymenben Snabenfinn bebeutete e£ eine oiefgeftaltige SBeft.
^n einer biefer ©ienftroofptungen (©tallftrafje 17), bie
au§ einer ©tube unb ber mit bem ©adjbar in Sintracf)t unb
$anf geteilten Süche beftaitb, mürbe Sarf ©u£fom geboren,
©ein ©ater, gleichfalls Sarf geheimen, mar erfter ©ereiter beS
©rinjen SBifljelm, ein öfterer ©ruber be£ ©ater§, Sluguft,
Sammerbiener beSfelben $errn. 8118 pommerfd)e ©djulmeifter*
föf)ne, beren ©tammbaum bielfeicl)t bis ju ben beutfdjen ©rafen
©ufcfom in ber Ottonenjeit jurücfreid)!, maren fie nach bem
frühen 2obe ihre§ ©aterS im bitterften Sleitb anfgemachien,
hatten e8 aber bod) mit eigenfinniger $ähigfeit *u einem
fofiben^anbroerf gebracht; Sluguft mar ©d)neiber, Sari StRaurer
gemorben. ©on ©tettin manberte ber ältere juerft nad) ©erlin
Scriin, ©tatlftrajic 17.
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auS unb erlangte balb ben ^often eines KammerbienerS bei
betn ©rafen Karl Slbolf bon SBrüf>J, bem ©r$ief)er ber ©öl)ne
?$riebrid) SBilfielmS II. Karl folgte iljm, arbeitete junädjft
als SDtaurer, mürbe aber bann nacf) einem in feinem lpanb=
mert erlittenen Unfall ebenfalls toom ©rafen in S)ienft ge=
nommen, ba er Don l^ugenb auf mit ber SSartung unb pflege
ber ijSferbe bertraut loar. 211S bann ber britte ber Sßrinjen,
ber 1783 geborene SSilljelm, einen eigenen Jpofftaat errötete,
mürben bie beiben 5 uberläffigen unb gemanbten 93rüber biefem
einberleibt. 211S beS iüngern SruberS jüngfter ©obn, unfer
Karl ©u$fom, 1811 geboren tnurbe, mären beibe ÜUiänner
mit i§rem 3)ienftl)erra burdj mehrjährige Krieg§famerabfd)aft
aufs engfte berbunben, fie batten bei Sluerftäbt unter iljm
gefönten, baS breijäfjrige ©jil beS IpofeS in Königsberg
mit il)m erlebt unb bienten meiter unter i^m in ben 5Se=
freiungSfriegen, bei Süfjen, ßeipjig unb auf bem ÜUtarfd) nad)
^SariS. ®ie Sftudfeljr beS SBaterS auS grmtfreid) mar ber
erfte große ©inbrucf, ben ber bierjä^rige ©oljn Karl meljr auS
ben ©rjäf)lungen ber SJtutter jmar als auS eignem ©djauen
in ©rinnermtg befielt. Sftadjmirfenber unb im eignen Söes
mußtfein fich abfeßenb mar bie tatenlofe $eit nad) bem Kriege.
2>aS bieljährige Sagerleben, ber lange Slufentfjalt in geinbeS*
lanb Ratten bie ^Brutalitäten ber Scanner entfeffelt, über*
mütigeS ©iegerleben, 2/runf unb ©piel Ratten ben ©iitn für
lpäuSIid)teit unb gamilie faft böHig berbrängt; bie fdjnauz*
bärtigen ©ef eilen tonnten fid) bon 2)egeit unb ©eitengemepr
nid)t fo balb entmöfjnen unb gingen barauf auS, bie ungebun*
benen KriegSfitten aud) im Rieben fortjufe^en. SDeS $>ienfteS
immer gleidjgeftellte Ufjr mit feinen fleinlidjen ^ladtereien,
bie nidjt einmal mit einem fran^öfifcben glucke abgemeljrt
merben tonnten, mollte ben menigften besagen, unb eS beburfte
mannigfacher häuslicher Kämpfe unb ©rlebniffe, bis bie Seiben*
fchaften fomeit beruhigt mareit, um mieber unter ber niebrigen
$ecfe einer SDienftmotjnung, in einer ©tube boll Kinber, oijne
ÜDäirren unterjubuden. ©ingang feines StomanS „®er
Kaßenfteg" ^at Ipermann ©ubermann in großen $ügen unb
grellen färben ein 93ilb beS bamaligen $)eutfd)lanb gezeichnet;
nidjt menigcr fdjroff unb rauf) malte fid) ttad) ber $iücffef)r
6 Sari ©ufefotuS Cebeit unb Sdjaffeit.
be§ S3ater* aud) im bc§ jungen $arl ©uftlom bie enge
|eimifd)e 2Belt.
Ter pljnntaftifdjen £eibenfd)aftlicf)!eit be§ 5ßater§ ftanb
al§ ^eilfame Schuftmehr bie ftiHe geftigfeii einer SÜtutter
gegenüber, bie beit iÜcangel ihrer ®ilbintg burd) eine urfprüng*
lici)c $lug|eit be§ Stopfet mie be§ JperjenS botlauf erfeftte unb
burd) natürlichen TaK be§ ©ernüteS ber jerfefteitben SSirfuitg
bäterlidjer ©emalttätigfeit begegnete. Unb bennod) lotfte ber
romantifd^e Sebeitägang be§ £ktcr§ ba§ fdilummernbe ^ntereffe
be§ Stnaben um fo ftärler, al§ biefer öater ein ungemöljn*
lidje§ Erjäljlertalent befaft, ba§ um Erinnerung unb Erfin*
bung nie berlegen mar. Tie Sphäre be§ ißferbeftalleS mar
bie erfte, bie ben Stinbera be§ prin^lidEjen 53ereiter§ al§ eine
djarafteriftifdhe fid(j ^erau^fdjätte. Ta§ mar ein anbere§ als
bie ^ugenbfpiele in ben Treppenläufern unb ben ibpttifdfjen
£öfen, al§ bie erften felbftäitbigen iJluSflüge über bie (Strafte
in ba§ ©emirr bon ©artenlanb, SSMefen unb £>oläfdjuppen,
ba§ fid) mit ber Torotheenftrafte, bie barnafö „leftte Strafte“
ftieft, bi§ jur nod) nidit Überbrüchen Spree f)in erftreche, aben=
teuerlidjer, meil unberftäitblidjer al§ bie erften Einbrüche in ben
gegenüberliegettben ßintmerplaft, ben heutigen Uniberfitätä*
garten, unb in ba§ nod) mit ftofter Dtauer umgebene Äaftanien*
mälbdjen hinter ber Uniberfität, mo ber Rebell bie Äaftanien*
räuber unb Saubfiiittenbauer §u paaren trieb. $n ben Ställen
unb Stemifen unb ben SBo^nungen ber 9iad)barn unb Kollegen
be§ SSaterS fpielten fich Ereigniffe ab, bie Den Stinberfinn auf§
tieffte betroffen machten, bie fragen mectteu, auf bie ber
Eftutter bie Stntmort fehlte, unb bie fid^ erft fpäter in ber
Erinnerung beS Ermadjf eiten härten. $n bem $8ud)e „3lu§
ber Stnaben^eit" h a * ©uftfom mehrere biefer Ereigniffe feft=
gehalten, fo ben Tob ber Keinen Marianne, über beren in ber ge=
meinfamen JSüdje aufgebaljrten Seidje ftd) bie berfeinbeten SJiütter
berföljnt bie $änbe reiften, unb ben Selbftmorb be§ 23ater3
biefeS ®inbe§, be§ „frönen Sorenj", bürgerliche Tragöbien,
mie fie leine ^oetenpftantafie ergreifenber auäftnnen fönnte.
2lber alle biefe Ereigniffe blieben bod) immer noch inner*
ftalb ber engeren Sphäre be» meitfdjichtigen 53aterhanfe§. 9tur
menii ber Keine Stnabe an bie $ront be§ grofteit ^Habende*
SSater unb SJfutter.
7
gebäubeS fchlüpfte unb Por fid) ben weiten ^Slan ber „ßiitben"
auSgcbreitet fnf), erwedte biefe majeftätifdje StnfdjauungSwelt
ein ©efühl in ihm, baS ifjnt ba^eim fremb war, unb für baS
er nad) feinem fpatern ©eftänbniS feinen anbem SluSbrud
hatte, als „eine unenblidje, namenlofe ©ehnfud)t nadj 2id)t,
Klarheit, irgenb einer tüchtigen SSewährung im großen ©anzen".
(Sein Süd roeitete fid) unb Hieb an bem ©rofjen, ©ewaltigen,
2Beltgefd)idjtlidjen haften, unb gerabe biefer, burd) ben SSorzug
ber ©rofjftabt gewedten Biegung famen nun bie padenben ©r=
Zählungen beS SSaterS entgegen, ber ein weites ©tüd SBelt
unb ben ffteflej großer ©reigniffe mit nad) Haufe gebrad)t
hatte, wofür beibeS bem fjeranmadjfenben Knaben immer gelter
ber ©inn aufging.
SDiefe Seb^aftigfeit, baS SSebürfniS in SSorten ju geftalten,
Perlief} ben SSater aud) nid)t, als nad) bem erfdjütternben Stöbe
feine§ intimften greunbeS Soren§ fein ganzes Innenleben eine
plö^tidje SSeränberung erlitt. ®ie im Kriege aufgewühlte
$raft beS SSSiberftanbeS war Perbraudjt, bie Slnlefjnung an
ben gleid)gefinnten SfriegSfatnerabeu fehlte, ber Hinterbliebene
Perlor feinen H a ^ unb berfiel nun in baS entgegengefefjte
©jtrern, baS ihm wohl Pon jeher im SSlute ftaf. Unter bem
fßroteftorat feiner fürftlid)en Herrin, ber ^Srinjeffin Marianne,
würbe er ffrönimler unb ^fßietift, baS ©olbatenleben würbe
ihm guwiber, er nahm halb feinen Slbfdjieb unb erhielt bie
©teile eines Unterbeamten im ®riegSminifteriunt. H atte früher
fdjon bie ÜDUtüer auf ein rechtzeitiges ©rwadjeit beS c^riftlic^en
SSewufjtfeinS bei ihren ßinbern, zwei Knaben unb einem
Räbchen, Söert gelegt, fo erging fid) je|t ber SSater in einer
religiöfen ©d)Wärmerei, ber felbft bie befonnene ©attin ab
unb zu einen Bügel anlegen nullte. ®ie ®ird)en S3erliuS
würben baS Biel aller SBanberungen, zu Sßinfeltheologen unb
in bie wiberfpred)enbften religiöfen Birfel Perirrte fid) baS
Page SSebürfniS religiöfen SlnfdjluffeS, ber SSibelftunben würben
immer mehr, unb bie SSorlefungen auS ©efangbud), 5)Softille
unb *|Srebigtfammlungen babeim Perbrcingten bie ©piele ber
$inber. ©etragen Pon ber lärmenben ^nbrunft beS SSaterS,
geförbert Pon ber felbftfidjern ©ottfeligfeit eines anbern OnfelS,
beS „SSetterS Söilhelm", ber bie Einlagen z» einem $afob
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8
Äavl ©iifctolug ßcben unb Schaffen.
Böhme befaß unb burd) unb burdh ein Original mar, mußte
biefe intenfibe religiöfe Stimmung aud) bie öerjen ber S'inber
mächtig ergreifen, folange nicht anbere Bebürfniffe if>r miber=
ftrebten, unb tatfäcßlicf) t;at aud} ber Keine ©lijjfom bie ganzen
©djaiter frommer 3erfnirfd)ung unb brünftigften ©otteSglaubenS
burd)gemad)t. ®ie Jubelfeier ber Deformation 1817 mar baS
erfte Seitereignis, baS in bem bumpfen ©haoS finbifcßer Be=
griffe Kar berftanben mürbe. Dcben ber Bibel mar eS be-
fonberS bie Prebigtfammlung eines ©djmeijer Geologen
£afeli, mit ber ber ftdiabe, bom fiebenten Jal;re an gögltng
einer Bürgerfcßule nahe ber Xorotheenftäbtifdjen Sfirc^e, biele
©tunben einfamer Slnbacßt berbradhte, unb fie gerabe mürbe bie
berbinbenbe Brücfe auf bem langen unb Eampfreidjen Sege
bom ©ottfud^er jurn gmeifter. SöaS fie bon ößnlicßen Serien
unterfdjieb unb gerabe ben jungen ßefer an fie f eff eite, mar
bie poetifcße gülle, bie füe r ? nadj bem Borbüb ßabaterS, unter
ber ©inmiriung ber Koffifd^en ßiteratur, bie tljeologifdjen
begriffe umrnudjerte unb auS ber ^Dumpfheit ber Kirchen
unb Betftuben in eine freiere poetifdje ßuft ^inauSfüfjrte.
®aS innerfte BebürfniS beftimmte |ier bie Saljl, nad)=
bem ber branbenburgifdEje Kinberfreunb jeriefen mar, unb
leitKe bon felbft auf Bücher f)in, bie burd) einen glücflid^en
3ufaU bem Kinbe in bie tpänbe gerieten, auf ©oetheS
„Sauft", auS bem aber nur erft bie tpejenfiidhenfeenen ber*
ftanbeit unb burd) ben Befud) eines Puppentheaters miterlebt
mürben, unb auf „$on Buichotte", beffen SeEtüre fogar ber
bigotte Bater unb ber bedürfte fetter im häuSlid)en Greife
bulbeten.
®ie ÜDiutter ©ufcfomS mar eine ed)te Berlinerin alten
Stils, bie Xocßter eines ©iebemeifterS Berg, ©ophia, cßaraKers
feft, refolut, berebt, meltflug unb gutmütig; Iefen fonnte fie,
aber nid)t fdjreiben, unb ißr Siffen ging über bie Kenntnis
i^reS täglichen ßcbenS unb einen Keinen @d)a£ bon Kinber=
liebem nidt)t hinaus. SDabei mar fie in einen Ungeheuern
Knäuel bon gamilienbejiehungen bermicfelt. ©ie mar baljeim
bie ältefte unter adjtjehn ©efdhmiftern gemefen, mobon jmar
mandje ftarben, aber hoch fo biele fid) behaupteten, um eine
cnblofe 9feil)e bon Xanten unb Onfeln, Bettem unb Bafen 51 t
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Ciauä uitb Schüfe.
9
bilben. 2)ie3 ©emimmel fleiner (£fiftenjen, berbunben mit
bem £roß ber 9iad)bam im Sltabemiegebäube, mu<h§ bem fefcon
friit) fdjarf beobachteten Sbtabcn in§ £mu§, bie bunteften
©d)icffale marfen tfyten SBiberfdjein in bie Heine Söohnung
be§ Unterbeamten, ©lüd unb ©c^merj, Übermut unb (Sorge,
©üte unb £>interli[t, (£^rlirf)feit unb Verbrechen, ßeben unb
$?ob, ba§ afle§ fpann fo tu nädjfter 9?ä^e ein fd)ißernbe§
Sftejj, baß bie unerfdjöpfliche ©tofffüße beS-fpätem ©d)rift=
fteCterS, ber ungeheure 9teid) tum befoubcr§ feiner großen
Spontane an fold) Keinen Sebemefeit au3 allen ©tänben bereits
in biefer bielfdjauenben $jugeitb gufammengetragen mürbe.
Unb halb meiteten fidf) bie engen Greife ber Sünberjahre. $)er
ältere Söruber mibmete fid) bem ©olbatenftanb; er lag ab=
medbfelnb in ber benachbarten SlrtiUeriefaferne am Shtpfer*
graben ober in ©panbau, unb bie gan^e fßoefie be3 ©olbateit=
lebend mürbe nun auch 00,1 & em Jüngern mitgenoffen; eine
Spifobe ber „.fnabenäeit", „2>a3 9ioß be§ ÄönigS", jeigt ben
9teid)tum bid^terifd^er ÜRotibe, bie ein finniges Vuge fd)on im
®inbe§alter aufjufangen oermag, unb üielfad) berjmeigt Aiehen
fid) biefe Sugenbeinbriide burch ©ul)fom§ not>eHifti)cf)eS ©epaffen
hin. ®ie ©chule mit ihrem neuen ^ntereffe, ihren neuen
Vefanntßhaften, ihrer ©ntmicflnng erfter ©elbftänbigfeit trat
hin^u; bie Unermeßlichfeit ber ©roßftabt begann aßmählich
beit jungen SJerftanb $u befdjäftigeit, bie eignen (£ntbecfung3=
reifen führten immer meiter, über bie Spache am Dranien*
burger 2mr, mo ber S3ruber Sofien ftanb, hinauf jur ©hante
unb junt ^nOalibenheint, in bie fümmerlidjen Triften ber
$att!e, burd) ben fanbigen Söebbiitg nach $egeh ä um ^aHefc^eit
ior in bie ipafenhaibe, ba& (Slborabo ber Turner, in bie
^ungfernheibe, jum ©algen bor bem fUofenthaler Xor, nad)
©dhönhaufen, mo ber fjßriru SBilhelm im ©ommer refibierte, nach
Sichtenberg unb anbern Vororten, ©o mürbe aßmählicf) ba§
SBeicßbilb ber ©tabt unb ihre Umgebung erobert unb ber
©runb gelegt au jener ..genauen Kenntnis feiner 33aterftabt
unb charafteriftifdjer Örtlichfeiten überhaupt , bie bem
fpätem ©dhöpfer ber „Vitter bont ©eift" unb mancher in
Verliu fpielenben Lobelien trefflid) pftatten laut. 2)er ütfater
hatte in bie SÜnbcr einen ©inn für Vatur gepflanzt, ber feiten
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ff ad ©u^tomä geben unb ©djaffen.
baS ©rbe ber ©rofjftabt $u fein pflegt, unb bie ©rgebniffe
biefei ©treifjüge um fo mehr bertiefte.
©§ fonnte nid)t bie 2tbfid)t ber ©Item fein, ihren ©ohn
$arl anberS als in ber ©infalt be§ <perrn §u erziehen, in ber
fie felbft ifjr Behagen fanben. Sie Bürgerfd)ule, bie er bont
fiebenten ^afjre an befugte, toermittette bie nottbenbigften
elementaren Äenntniffe, barüber hinaus bie Anfänge beS grau*
äöfifdhen unb einige Brocfen Satein. 9tuS ifjr fonnte ber fpätere
©d)riftfteller unb fßoüjljiftor nid)t Verborgenen, unb bie ©r=
jiehungSpläne ber ©Item gingen nicf)t entfernt auf eine ge^
lehrte Bilbung. ©in grember mar eS, ber ben gunfen ber
Üernbegierbe in ©upom jur flamme entfachte, bie alle 23iber=
ftänbe julefjt ju berühren ftarf genug mar. ©in ©pielfamerab
auS ber 9?ad)barfd)aft führte ben armen, aber immer fauber
gepulten STnaben in baS boruehme £>au§ feiner ©Item in ber
©eorgenftrafce; aucf) bie ©d)roeftern V atten fid) befreunbet;
beibe ©eftfpbifterpaare führten biefelben Statnen, beibe Familien
ftammten auS ^Sommern. ®arl SDfinter, fo §iefe ber neue
Sreunb, mürbe mit feiner ©chroefter baheint unterrichtet, unter
unmittelbarer 2tuffirf)t beS BaterS, ber bie ©rjief)ung feiner
ftinber §u einem Seil feiner SebenSaufgabe machte. „Iperr
©leantl)", mie er in ber „Sfrtabenjeit" genannt ift, mar ur=
fpriinglid) ÜDialer, ohne jebod) Zünftler ju fein, unb in rirf)=
tiger ©rrenntniS feiner ^ähigfeit warf ’ er f e in ^nfent auf
praftifd^e gertigfeiten, gittjographie, ßanbfartenjeidt)nen, Sed)nif.
©r mar reich, fpefulierte jubem mit BerftänbniS unb fonnte
fidf) foldje ©jperimente erlauben, allen neuen ©rfinbungen auf
ihren praftifcheit Sftufjen nachjugefien. $n biefer feiner raft«
lofen Betätigung mar er ein burd) unb burd) moberner URenfch,
ein SIpoftel beS poIt)ted)nifd)en ßeitalterS, baS ^eraufjog.
Sabei feineSmegS einfeitig ober materialiftifd); er fu^te bieU
mehr aud) bem $bealen, baS er mit BerftänbniS pflegte, feine
praftifdje ©eite abjugeminnen. $n biefer 2lrt experimentierte
er aud) mit feinen stinbera, unb bie jmei neuen ßöglinge,
bie ihm fein ©ohn inS £>auS brachte, roareit ihm gleichfalls
baju roittfommen. Ser häuSlid)e Unterricht mürbe mit ©trenge
unb Äonfequen* gehanbljabt unb auch baS ©piel im 3intmer
mie im ©arten itetS fo gemählt, bafj ein Stefultat beS ©rleraten
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„£err Sleantlj*.
n
übrigblieb. SVüjjjiggaug in finnlofen (Spielen war berpönt.
Dabei würbe ©ert gelegt auf bie äußere gorm, forrefteS Ve=
tragen würbe anerzogen, alles ging auf Sicherheit beS
persönlichen Auftretens t)inau§; fogar bie ©alanterie gegen*
über bem weiblichen ©e(d)tec^t würbe freunblid^ernfthaft ge-
nommen, wie überhaupt jebe gorberung mit ©üte aber geftig*
feit geftettt würbe, waS atlerbingS nict)t auSfdjlojj, ba| eine
Verfehlung h^r nnb ba auf ^anbgreifliche ©eife furz ge*
ahnbet würbe.
DaS war benn ein märchenhafter ®ontra[t gegenüber ber
bürftigen ©intönigfeit beS VaterfjaufeS. Jpier Vefcf)Tänftheit
auch in &en befcheibcnften ©enüffen, bort behagliche gülle an
allem, waS beS E’inbeS Sperz erfehnte; hier lärmenbe ßurecht*
weifung, Verurteilung uhb ßwang, bort baS fßrinjip beS ©e=
WährenlaffenS, beS Seitens ju eigner (Erfahrung unb Über*
Zeugung bom Veffern; fp er Mangel, abfichtlid^e Verachtung
aller Vilbung unb gemaltfame Anregung nur nach ^ er retigiöfen
Seite hin, bort Reichtum an Sfenntniffen auf allen ©ebieten,
Drang beS SernenS, beS VerfudjeitS beim Vater wie bei ben
Sinbern, fröhliche Eroberung ber materiellen ©eit. DieS
Doppelleben würbe mehrere ;gahre hinburd) geführt, Alltags*
unb SonntagSejiftenj wechfelten regelmäßig ab, unb „bie
reine, fdjöne, blaue Suft ber lepteren ftieg über bie erfte wie
über trübe Vebel empor". Vicht ohne fd)mer^lid)e innere
Steoolutionen erfolgte biefer Sieg; bem $inb ber Armut war
bereits ein Stempel aufgebrüeft, ben feine anbere Umgebung
gänzlich berwifd)en fonnte; aud) in ber neuen ©eit war
mancher $wang ju erbulben, ben bie häusliche Ungebunbenheit
nie geahnt; Dro£ unb Verzweiflung mufften überwunben
werben, unb bie Seele, bie bon bunfleren ©eftaben fam,
fonnte fid) niemals ganz in ben fteten Anblicf beS SichteS
finben. 3fnt Äinbe erzeugte baS eine taftenbe SKittelftellung,
ein bergleichenbeS, fritifcheS Veobad)t?n beiber ©jtreme, unb
auch & er 3Kann h«t nad) ber ©rfämpfung eines eignen DafeinS
nie bieS ©rbe feiner Heimat berwunben, biefe Angft bor ber
reftlofen Eingabe an baS Schöne, wo fobiel beS Jpäfjlichen
lebte; bie büftem Varzen, bie feine ©iege umftanben, hoben
fich ihm nie böllig z« heitern SJhifen gewanbelt
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12
ftnvl ©ujjfotüS ße6en unb Sdjnffcn.
gür bic ©ntwicflung be§ $nabcn war bicfe ©rjiehung
auberhalb be§ SSaterhaufeS entfdjeibenb. (Sie bahnte natürlich
bie ©ntfrembung bon feinen ©Item an, um fo mehr, als ber
neue ©rjieber religiös bötlig freifinnig mar unb feinen gög«
lingen baS Sbeal tätiger ^Bewährung im ßeben als ba§ jumeift
erftrebenSmerte nic^t aufjwang, fonbem auf ber (Saite beS
eignen Smtern §um klingen braute, ©ine Sftüdffeljr in bie
hcimifcbe (Sphäre mar baburdj unmöglich geworben, unb als
im ga^re 1821 jurn troftlofen ©d)nterz ber gugenbgenoffert
unb sgefpielen eine ftaattic^e Berufung bie gamilie hinter
nad) SSarfdjau entführte, mar ber »ent ber $ßerfönlid)leit in
bem Knaben fomeit zur Sfteife gebraut, um fidf) nid)t mehr
erfticfen ju laffen. Ohne Anlehnung nach beibeit ©eiten mar
fie ganz auf fidh felbft geftettt ©egen ben ©chmerz ber
®inber nidjt unempftnblidE), machten bie ©ttern ber ftehenben
Söitte beS ©ol)ne§: „©tubteren mödht' i<h, lernen, lernen!" ein
gugeftönbniS; fie erlaubten ihm ben IBefuch be§ ©t)mnafium3
unb berlieben baS Slfabemiegebäube, um in ber ÜDiauerfirafjc
am gietenplajj eine geräumigere 2 öol)nung gu beziehen, bie ben
gleib beS ©djülerS ermöglichte. SRit ber gamilte ÜRinter, mit
beut S« 0 enbfreunbe $arl blieb ©upfow noch lange in per*
fönlicher Sßerbinbung, unb immer hat er mit heilem ©anl be§
©egettS gebaut, ben hier ein guter äRettfdj auS feinem Überfluß
einem armen finblidjen SebenSmanberer zuteil werben lieb- <5o
fchrieb er einmal, als er nach langen Satten beiberfeitiger
Trennung ben Sugenbfreunb mieberfehen füllte, an feine erfte
©attin Amalie: „SDu weibt, Wie fepr ich mich oft berurteilte,
bab id) meinen ©Itern fo gar nidjtS mehr mar, bab id) ihren
SebenSlreifen entrücft bin, unb bab id) mit SBefümntern baran
benle, bab audj unfere Änaben einmal un§ entmadhfen unb
Don unferer SebettSbahn fidh trennen werben. $>urdj äJünterS
bin id) eigentlich juerft meiner h^uSlidhen ©phäre entrücft
worben, äßenn ich ein ©lüdf nennen mub, oaS z u fein,
ma§ ich geworben bin, fo berbanf ich t>ie§ ©lüd SDiinterS,
burdh bie mir ein anbereS 2 ebenSeIement juftrömte, burch bie
id) jene, wie füll ich jagen, SBomehmljeit erhielt, bie mich bon
meiner ©eburt emanzipierte. Sch berbanfe ihnen biel, unb
WaS mein ©eiftigeS anlangt, bielleidht atleS "
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©tunbengeben.
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50?it beni Eintritt ©upfomS in baS fsriebrid^SBerberfdhc
©pmnafium Dftern 1821 begann für ihn ein SDejennium
ernfter Arbeit unb entbehrungsreicher ©elbfterziehung. $aum
maren bie erften klaffen überraunben, ba galt eS baS (Erlernte
fepon z« bermerten , ju ben fpärltcpen ©tipenbien, bie [ein
gleifj erlangte, burep ©tunbengeben baS au öerbienen, roaS
Zur ©eftreitung ber fteigenben Unfoften feiner ©tubien un=
umgänglich mar. SDurcp ganz ©erlin trieb ipn biefe ©aleeren=
arbeit in ©ommerhipe unb SBinterfälte. grüp am borgen,
im ungeheizten gimnter oor bem grüpftüd, unb fpät in bie
Sftacpt hinein mürben bann bie eignen Arbeiten mit unermübeter
©orgfalt erlebigt unb obenbrein nocp freimiEig mancpeS oer*
fucht, maS bem auffeimenben eignen rci|fenfd)aftlid)en i^ntereffe
entfprang; bie ©ormürfe ber Butter über ben großen ©er*
brauch an Öl in ber ©tubierlampe mufften mit ergebenem
©chmeigen ertragen merben. SDiefe bis in bie erften ©tubenten*
femefter immer fiep gleichbteibenbe 9?oilage unb bie böEige
©erftänbniSlofigfeit ber (Eltern gegenüber ben maepfenben An*
fprücpen einer fich entmidelnben miffenfcpaftlidhen SnteEigenz
mußten bie immer zunehmenbe ©ereinfamung, Abfdilieffung,
aber aud) bie in ©elbftbemufjtfein unb £top erftarfenbe
geftigung bcS jugenblichen ©harafterS begünftigen; baß manche
Bitternis bei einem fo früh au f ft<h allein angemiefenen Seben
bahingenommen merben muffte, mar fetbftüerftänblicp. Auch
in ber ©chule ging ber $nabe faft mie ein Autobibaft borait.
SDaS ©pmnafium am griebrich^SBerber hatte bamalS feine
unter bem Aufflärer ©ebife erlebte ©lütezeit längft hinter
fich unb fd)ien einem fcpnellen ©erfaE entgegenzugehen; SDireftor
unb Sehrerperfonal maren uneinS, baS loderte audh jebe
S)i§Zipün unter ben ©cpülern; maS ©upfom an „ßeprer*
originalen" fc^ilbert, ift befchämenb. SDie SKehrzaffl gab nur
Seprftoff mieber, ben fie mit Sftot auS tpanbbücpern ZHfammen*
raffte, bie ben fpürenben ßuhörern niefjt lange oerborgen
blieben, unb ber groffftäbtifdjen ^ugenb, bie zu jebem ©(pober*
nad aufgelegt mar unb in ber Ausbeutung aEer ©dhroächen
ihrer ßeprer einen graufamen ©eparffinn bemieS, trat feine
©erfönlicpfeit gegenüber, bie ben Übermut fdjeuepte unb
burcp fich felfeft hem (Ernft ber ©ad)e zum ©iege oerhalf;
14
ffarl ®ufcfoto3 Ceben unb <Scf)afftn.
menn ber 3 eid)entehrer in ber klaffe bic 3 e ^enutcnfUten
Perfaufen burfte, mußte ex fid) gum mad)tfofen ©pietbatt
jugenblichen tpohneS ^ergeben. ©rft nad) bent Abgang beS
$5ireftor§ 3 intmermann, ber an fid) ein tüchtiger SÜZathemaiifer
mar, unb nad) einem furjen, nod) übleren Interregnum fam bie
Seitung mieber in eine energifd)ere tpanb. ®er Philologe
St. g. Sftibbecf trat mit Oftober 1827 an bie ©pifce ber Slnftalt;
er mar fürS erfte ben ©Gütern feine fpmpathifche ©rfdjeinung
burd) feine (Schroffheit unb feinen fdfpieibenben SStf), bie fid)
aber altmähtich mitberten ober auch öon ben fidh gemö^nenben
©d)ütern meniger empfunben mürben. SDiefer „päbagogifdfe
Slntonio" überrafd)te unb feffette gleidjmohl burdf) bie giiÜe
feine§ ftetS gegenmärtigen SBiffenS unb burdf) bie Energie
feiner äJZet^obe; er mar ein SDZeifter ber fofratifdjen Slmft in
ber Vermittlung Pon S'enntniffen unb ©efidftSpunften, unb
feine H pf)iIofopfifcf)e Sßropäbeutif" in ber ^ßrirna mürbe 51 t
einer mafjren geierftunbe bcS Unterrichts, menigftenS für ben
begabteren Xeil ber ©dbüter, au§ bem fid) halb eine Strt
©elefta, ein philofophifcfjeS XriumPirat abfonberte, mo ( ^u fid)
ber fpätere Pfarrer fpermann Vöttcher, ber fpätere ©reifS*
malber 5ßf)ilofophieprofeffor ©eorge unb ©uf}fom bereinigten.
2) a fiel benn manches SBort auf guten ©oben, unb ber Sit e=
raturunterrid)t bon $arl ^ßafforo, bie £acitu§interpretation
bon ©iefebredjt, fefbft ber phpfifatifd)e Unterricht be§ berühmten
®obe — ein gad), für baS ©uffforo meber Veranlagung nod)
Vorfenntniffe mitbradhte — famen bei ber fid) jum ©rnfte
fammetnben ©dhüfergemeinbe ju banfbarer ©eltung. ®er 9lb=
iteigung gegen ben Verliner $)iateft, mit ber SRibbecf als eine
öfthetifche Statur fofettierte, hat fid) audh ber fpätere ©chrift=
ftetter ©ufcfom nie entfd)Iagen fönnen. SSar bor SZibbecfS
3) ireftorat bie Seftiire ber Slaffifer nidf)t über ein rein pfjifo=
logifdheS $naupetn am einzelnen SSort hiaauSgefommen, fo
übertrieb er mieber baS „furforifd)e" Sefen, unb auch nur auS
Phifotogifd)en ©riiitben; baS ^ntereffe am (Stoff, am Inhalt
be§ ©efefenen unb feiner hiftorifchcn unb fufturellen Vebeu=
tung, bie nur ber eine ©iefebredjt im XacituS berüdfid)tigte,
blieb böllig ber 2 Baf)l beS ©dfjüterS fetbft iiberfaffen, ber ficf)
mie ©u^fom berftecft unter ber $nabcnbanf ober baheim in
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^rimanerforgcn.
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ben bantal? ja^treich et]d)einenben Überfettungen Bohrung für
feinen ©toffljunger fud)te. Qjebe? Bemufjtfein ber ©egenroart,
fogar bie Erinnerung an bie jüitgfte ruhmbotle Bergangenheit
fßreufjen? mürbe mit ängftticf>er Borfid)t in jener geit nacf)
ber drmorbung ®o£efme$ unb ben $arl?baber Befdjlüffen
ferngehatteu unb bamit bie Bilbung ber @d)üler nadj biefer
Stiftung hin böHig anbem, zufälligen Einflüffen anfjeimgeftettt.
©emedt burd) ben £eben?gang be? Bater?, burd) bie Ers
Ziehung im 2Jiinterfd)en Ipaufe, unb geförbert burd) frühzeitige
Seftüre ^iftorifc^er ©driften mar ba? polUifd)e ^ntereffe
fom? fdjon fo früh tebenbig, bajj ber ©tubent ßubmig ©aub,
ber Bförber ®ojjebue?, ihm bereit? in ber ©loriole eine? Bol!?*
hetben erfd)ien; feine Jpinridjtung legte in ©uftfom ben „©runb
ju einer 2eben?anfdjauung, bie mit mof)lgemuter Ergebung
auf eine öaufbaljn ber- SBärthrerfdjaft hinau?geben moflte".
§llle? für eine? einfefjen, biefer ^elbenmut bermod)te fdjon ba?
§erz be? zehnjährigen Knaben mit „ ©dauern ber glühenbften
^bcenahnungen" zu überriefetn. $>er Befreiung?fampf ber
©ried)eit, ^ahn? ^öeutfdjtum unb Xurnziel mürben in bem*
felben (Reifte aufgefafjt, Napoleon? £ob mit patriotifcher Be=>
friebigung bemommen. ®ie ^ßolitif ber f£age?ereigniffe lag
natürlich bern 31uge be? Knaben nod) fern; er teilte nur mit
^frtbrunft bie allgemeine ©timmung, bie fid) au? ben Burfdjen=
fd)aften, au? ber bermeigerten Berfaffung, au? unterbrüater
Brefcfreiljeit, au? ber allgemeinen ©ehnfucf)t nach imaginärer
Freiheit zufatnmenfehte. 9Bit ben Eltern, befonber? bem im
lleinen Beamtentum immer mehr berftodten Batet mar über
berlei fc^on gar nirfjt mehr zu reben, um fo meuiger, al? bei
bcnt ©ohne längft au bie ©teile ber Beligion bie Siteratur
getreten mar. l)n? maljre SBort eine? im übrigen untaug*
lid)en Sehrer?: „Sefen ©ie, ich Mdpböre ©ie, bie in
Sh*en jetzigen jungen fuhren! $m 91tter berliert fid) bafür
bie Empfängtitf)feit!" hatte * n ®u&fom gezünbet unb lief) ihn
nicf)t zur Buhe fomnten, al? bi? er ben gefamten ©dja))
ber beutfd)en Siteratur für fiel) zutage geförbert hatte. 2ßit
ben fünftlerifdjen 3lufd)auungen ber Slntife burd) ernfte?
©tubium bertraut, blieb er inftinfiib ber feid)ten Bfobeleftüre
fern; felbft E. X. 31. ftoffmann mürbe zurüdgemiefen; aber
Jigmzeo uy vjuu
'8 le
16
STarl ®u|jton>8 ßeben unb ©Raffen.
bem SReije SBalter ©cottS ergab fid) ber ©c^üler mit ganzem
^erjen, unb bie b!aue 83lume ber jftomantif ermud)S aud) ifjm
in ihrer üoUen prad)t; ÜJioöaliS mar eS, ber ben merbenben
Poeten p feiner erften „Dbe an bie ©lerne" begeifterte, bie
aud) in ^äringS „berliner SonberfationSblatt" gebmcft morbett
fein fott. Sie 2Jiärd)enbranien SiecfS fdjufen eine 2BeIt, in ber
für beS 9l!tmeifterS ttfoöetten nod) fein Staunt mar, unb bie
erfte 58efanntfd)aft mit Uf)lanb erfd)ien bem ©efunbaner mie
„ein ©onnenftraf)! in einer bunfelit Sommer". Pon ben
Slaffifem mürbe $ean Paul im tiefften ©iitne beS SßorieS
fein £e!b, fein Sührer, fein 3ftea! unb Porbüb; bie Prüde
p ben ©djriften PörneS unb SttienmelS unb ber gefamten
neuen probuftion ihrer Stiftung mar bamit gegeben. Stehen*
bufjler erhielt ber Perfaffer beS „Sit an" erft burdj ©bafe*
fpeare unb ©alberon, bie laut p remitieren fein Sopf*
fdbüttein unb fein ipofjn ber Umgebung |inbern fonnten; bie
übliche jugenblidje Sheaterbegeifterung fjatte aud) ©ußfom
burdjgemad)t; Jperr (Steant!) f;atte bafür geforgt, baß bie
©djmärmerei für baS Puppentheater bem Srang pr mirf*
lid)en Püljne piaß machte, babei aber aud) biefen nid^t in
blinben Saunte! auSarten taffen. Ser üötangel aller pnt
Sheaterbefud) nötigen SJtitte!, bie befdjroörenbe SSarnung beS
PaterS, feine Abneigung gegen atteS Somöbiantentum, unb
nid)t pleßt aud) baS bon Staupad) unb Sonforten be^errfc^te
Oiepertoire ber föniglid)en Piifjne hatten bann bie Sheaterluft
pm ©tittftanb gebracht, l)öd)ftenS ermöglichte hier unb ba bie
©abe eine§ greibiüettS ben Pefud) ber königftäbtifdjen Pühne,
mo bann ©ußfom für baS burdj Singelt) ufm. entfeffelte fomifdje
(Element nid)t ohne @mpfinb!id)feit blieb; baS mühfame,
aber bodj erfolgreiche Söatten in feinem fe!bftgefd)affenen Steife
hatte ihn jmar in ber überfprubelnben SebenSfreube geflirrt,
aber bod), mie feine ©d)ulfottegen fpäter p berichten mußten,
eine ftitte §eiterfeit, baS Prohuft feiner ©etbftfid^erheit, in
ihm erzeugt, bie oftmals p liebenSmürbigcnt 9!uSbrticf fam.
Sie $bee, ©djaufpieler merben p motten, reifte noch befonberS
p jenen ©hafefpeare* unb (Salberottübungen. ©djifler unb
©oetlje mürben ihm erft fpäter im ^nnerften fpmpathifd); ber
meichliche ©oettjefultu», mie er bama!S in Perlin graffierte,
Sitcvarifdje Slnfnnge.
17
unb bie fßerfönüd)Eeiten feiner Präger waren üjin früh unb
auch fpäter ^uwiber. Sw übrigen aber lieb er baS betrieb*
fatne iiteranfdje fieben ber preufjifd)en jpauptftabt in un*
befdjränftem üftafle auf fid) einftrömen. @S Eonzentrierte fid)
ihm borerft noch in ben äa^Uofen beüetriftifchen ^eitfchriften,
in bie gerabe ju jener $eit ber ipumorift ©aptjir burd) feinen
immer matten 2Bi£ unb feine oft genug niebrige fßolemiE
einige^ Seben gebraut hatte; in ©apljirS „©djnetlpoft", einem
ber üielen bon ihm gegrünbeten TageSbiättdjen, erfdjien int
©pätberbft 1829 ©ufjEowS erfte Lobelie „$luS bem Tagebudje
unb ßeben eines ©ubreEtorS", bie ben ©df)üler Seait fßaulS
burcbauS berriet. Ter Iport ber .ßeitfdjriften wieberunt waren
bie ßefeEabinette in ben berliner Konbitoreien, unb ju ihnen
waUfaljrtete benn aud) fdjon ber Primaner minbeftenS jebeit
©onnabenb, wenn bie neuen SBod)ennummern auflagen, um
fiel) jene berblüffenbe ©elefenljeit, bie erftaunlicbe Kenntnis
aud) beS unbebeutenbften ©djreiberleinS in beutfdjen ©auen
ö u erwerben, bie ifjn fpäter manchem ©egner fo gefäprlidj, jum
diebaEteur unb junt ©eEretar ber ©djitlerftiftung fo brauchbar
machte. fßolitifdje Tageszeitungen würben nod) beifeite geflohen.
Tiefe frühe SournalleEtüre zeitigte benn aud) ben ©ntfdjluff, fdjon
als fßrimaner ein eigenes belletriftifdjeS 331att herauszugeben,
baS hanbfdjriftlid) erfdjien unb in ber Klaffe Eurfierte, „SBerfudje
in fßrofa unb fßoefie" ; gleidjgefinnte ©dptlEollegen, wie 9lbolf
ßidjt, ^ermann SSöttdjer, 33ernharb Ulrici, fogar ein ©ohn
beS SDiinifterS bon Kampf), beS gefürchteten TemagogeitjeinbeS,
beffert perfönlicfjer ©uuft fid) ©u^Eow als ©pmnafiaft unb
nod) als ©tubent rühmen burfte, hätten fid) mit bem tperauS*
geber bereinigt unb fteuerteu bie ©rftlinge it)reS ©djrifttumS
bei, bis nach einem Tupenb Hummern gefränfte Slutoren*
eitelfeit ben poetifdjen Sßerein zerfprengte. Tie erfte bon
einem ber Sugenbfreunbe noch aufbewaljrte -Kummer enthielt
als Beiträge bon ©uhEow bie Überfejpng einer ©apphifdjen
Obe unb mancherlei Philologie „KleinigEeiten"; ein s Euffap
„Ter Slpoftel fßauluS" in einer fpätem Kummer bewies, ba§
©upow fdjon bamalS ernftlid) an baS ©tubium badjte, baS
für iljn, ben ©oh« ber $lrmut, baS einzig erreichbare fein
muffte, bie Theologie. Tabei war eS gerabe bie Religion, bie
©ufcfol», Slusg. Kette. I. 2
18
ffarl ©ufcfotitä Sieben unb ©cfjaffen.
ben Bruch mit bem ©Iternhaufe §u einer uniiberbrücfbaren
Kluft erweiterte, grüf) fcl)oit würbe ©u^tow bon feinem
bigotten Bater unb bon Setter SBilhelm all ein bem Teufel
unrettbar Berfallencr betrachtet. Sßiffenftfjaft unb Siteratur
nahmen bie $eit böllig in 51nfprud), bie früher unter bent
elterlichen .ßwang bem waljllofen Befuch ber Kirdjen gewibmet
Worben war; ber ber Alma mater iuftrebenbe ©hmnafiaft
berbradjte bagegen feine furzen ©rholunglftunben in einem
burfchenfchaftlidjen Kränken, bal ein entfjufiaftifcher, burdf
Begeiferung unb fRebegabe mitfortreifjenber Kommilitone auf
feiner Bube abhielt, bie er, burdj ben Santi fotdjer ©ijjungen
allenthalben ejmittiert, oftmals wecbfeln muffte. dennoch
war bie retigiöfe Überfchwenglichfeit ber Kinberjaf)re feine!*
wegl einer (Steidjgültigfeit ober ©eringfchägung gewichen.
ÜRur ber blinbe ftumpfe (Staube bei ©Itenthaufel war ab-
geftreift; ber Knabe hatte unterfdjeiben gelernt, unb bie ©tunben
bei ßweifell an adern traten mit jener inneren SRotwenbig*
feit auf wie einftmall bie Sage berjüdter Stnbadjt. ©ine
Philologifdje Satfadje, %. 2t. SBoIfl Ipomerfritif, hatte biefe
Ütebolution in (Sugtow juwege gebracht; fie warf „mit Be=
geifierunglfchwingen ben Zweifel in bie Bruft all Führer
für§ ganje Seben". Ser (Sebanfe, Sheofoge 5 U werben, batte
babei feiitelwegl etwa! ©rfd)re<fenbel; ©djleiermadjerl ber*
ehrte! Borbilb fdjuf ja bie 3Röglid)feit, ba! gefühllofe Sogma
in ein fdjöne! Menfdjentum, in eine ffteligion ber Humanität
§u wanbeln. ©ine bolle Beruhigung aber modjte auch Ü e
nicht gewähren. Senn all (Sugfow Oftern 1829 nach glänjenb
beftanbenem 5lbiturientene;ramen bie Berliner Uniberfität bewg,
lieg er fidf äunädgt in bie phtlofophifche Safultät einfdjreioen,
um bann im Saufe bei erfteit ©entefterl in bie tbeologifd)e
überjutreten, unb jwar, wie er felbft jugab, aul gwecfmäfjig*
feitlgrünben , ermünfdfer ©tipenbieit wegen; aul ihr trat er
im Sluguft 1831, nadjbem er fcfjon öffentlich all ©djriftftetter
fi<h bemerfbar gemacht b a *te, wieber in bie pfjilofophifche
gafultät juriicf. SJiit ber ^mmatrifulation bod^og ficf) aud)
bie räumliche Srennung Pom häullichen Iperbe: er bejog eine
eigene Söohnuttg, Kronenftrage 65.
©inemfeftumriffenenBrotftubiunt fid) einfeitig auljulieferu,
Swifdjen Sfjeoloflie unb $t)iIologie.
19
mit beni einzigen ,8iet eines batb abjulegcnben QfyamenS, mar
aber meber bte 91bfid)t beS Geologen nod) beS Philologen.
löeibeS entfprach ja im ©runbe feinem innerften, aber nod)
Unflaten dränge nicf)t ; nod) fteuerte er in eine bötlig bunfle
#ufunft hinein, nur auSgerüftet mit feiner Kraft unb feinem
Sillen jur Arbeit, j*u möglicpft umfaffenber SluSbehnung
feines SiffenS. ©o fdjmanft benn aud) baS Repertoir feiner
in ben erften ©emeftem belegten unb mit peinlicher 3fjeget^
mäfjigfeit befugten S3orlefungen jtoifdjen beiben Siffenfdjaften,
^ß^ilologie unb dheologie; neben ©d)leierma<hcrS „jEh eo ^°9‘f^ e
©njpflopäbie" unb ReanberS „Sirdbengefd)id)te M trat fcfjon im
erften ©emefter Stuguft löoecfhS „Grnjpflopäbie unb S0?et^obo=
logie ber Philologie". daS -^ite ©entefter ermeiterte ben
pfjilologifdjen Kreis fdjon um bie ©ermaniften Sad)ntann unb
öon ber ipagen, für meid) leptem ber eifrige ©tubiofuS fogar
eine &anbfd)rift beS „diturel" fopierte, unb baS ©tubium ber
Phüofophie, bei Ritter unb Sknerfe oorbereitet, begann mit
^tegelS „Sogif unb SRetaphpfif" unb „Raturphilofopl)ie" im
britten ©emefter, fdjon burd) bie perfönlid)feit beS SeljrerS,
über ©d)Ieierma<herS „dogmatif" baS Übergewicht ju geminneit.
die enjpflopäbifd)e Richtung beS ©tubiumS mad)te fi<h mit
ben junehmenben ©emeftem immer mehr bemerfbar. dafj er
fchon im iperbft 1829 nach SIblauf beS erften ©emefterS Oers
tretungSmeife in Seifjenfee bei Berlin eine Prebigt hielt —
ein ©reigniS, baS er im erften 93anbe feines RomanS „Sßlafe*
bom unb feine ©ohne" mit liebenSrnürbigem ^wmor gefd)ilbert
hat — , mar eine Kraftprobe jugenblid)en Übermuts, um bie
Pormiirfe ber ©Itern unb ber Sermanbtenfippfchaft glün^enb
*u miberlegeit; für eine fefte ©rgreifung beS theologifdfen
Berufs bercieS eS ebenfomenig, mie bie Sieberholung biefeS
Prebigtoerfud)eS auf ©d)Ieiermad)erS Kanjel in ber dreifältig*
feitSfirdje am erften Pftngfttage 1832, alfo ju einer $eit, mo
fchon bie erften literarifd)en Sehrjahre hinter ihm lagen, ohne
baf? jept auch & er ßntfcfjlufj, ©d)riftfteller ju roerben, bereits
unumftöfjlid) feftgeftanben hätte. SaS $unäd)ft in ©ujjfom
jum Sichte rang, mar ber Reformator auf allen biefen ihm
miffenfchaftlid) erreichbaren ©ebieten, ber am liebften ben"
Priefter, S3olfSerjieher, $ugenblehrer, fogar ben ©taatSmann
2*
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20
5?avl ©u^lowS Seöen unb ©cfjaffcn.
in fiel) bereinigt tjätte unb bem in biefem (Sinne jebe SBiffeit*
fepaft teuer war. Sbenfo alb bab 93ebürfni§ nod) einer tüdf«
tigen fieiftung überhaupt, atb bie gotge feineb ftarfen Sfjr*
geije§ ift eb ju bewerten, wenn er bie ÜUtufjeftunben beb
britten «Semefterb ber Söfung einer afabemifdben Treibarbeit
„De diis fatalibus“ wibmete unb witfüd) unter fünf ^Bewerbern
ben (Sieg babontrug.
Ser Sag ber Treibberteilung Würbe itjm in ganz aitbrer *
unerwarteter SÖeife jum Srtebnib. Sb war ber 3. Stuguft
beb Sommer» 1830, atb tpeget im Slubitorium mayimunt bie
tarnen ber (Sieger berfünbete. Sie Stufmerffamfeit ber jaf ) U
reifen $ut)örer war aber nur jum fteinften Seite feinen Sr=
Öffnungen jugewanbt. Sie ÜDieprzapt, bie Seitungen lab, war im
Söanne ber üftaepriepten, bie aub bon ber $ulirebotution
foeben perübergebruitgen waren, unb Sbuarb ©aub, ber Staat»*
redjtbteprer, mepr ÜJürabeau atb ^Sxofeffor, lieg Briefe feineb
Stouegen griebriep bon fftaumer jtrfutieren, ber jene folgen*
fd)Weren Sreigniffe foeben mitertebt unb iprn berietet patte. SJitan
fteefte bie Stopfe jufammen, unb mit ber würbigen «Stimmung
beb afabemifdjen $tubitoriumb fontraftierten fettfam bie §lb*
fepung beb Stönigb $art unb bie Sinfejjungber SBotfbfouberauität
im ÜRacpbarreicpe, unb pm erften ÜDiate gefepap eb, bafj eine
a!tuette politifepe 9?acpricpt wie mit Sonuerfcptägen in bab
£>pr ©upfgwb brang. gaft betäubt bon biefem 9ieuertebten,
ipn felbft Überrafcpenben napm er bie gotbene 2ttebaiIIe mit
bem Söilb beb ®öitigb im SBert bon 72 Salern aub ber tpanb
.yjegelb entgegen, bie ©tücfwünfdje feiner 53erwanbten unb
Süefannten pörte er niept, nur ein ©ebanfe trieb ipn, fiep bon
ber Söaprpeit ber Tarifer Sreigniffe fofort ju überzeugen. Unb
fo eilte er benn in bie ^onbitorei ju Stepetp, um bort ber
ijlnfunft ber offijiöfen „Staatbzeitung" mit ber iöeftätigung ber
franzöfifdjen Stiacpridjten in pöcpfter Spannung unb Aufregung
entgegenzuparren. $on biefem Sage an würbe er ein Seitungb*
tefer, für ben bie politifdjeu Blätter in bie erfte 9ieipe rürften.
„Sie Söiffenfdpaft lag pinter, bie ©efepiepte bor mir“, fo be=
Zeidjnet er fünf Stotze fpäter btefeb innere ©rtebnib, bab
feiner ganzen Öaufbapn eine anbre SRicptung geben foÜte.
33om feften ©oben ber ^S^ilofopl^ie aub gebadjte er fi<p
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9t!a&cmifrf)e ^vei3or6dt.
21
nun ber ©efdjichte gu bemächtigen; im folgcnben bierten
©emefter hotte er bei £>egel „ ©efrf)id)te ber fßhitofophie", unb
beffen „ffteligionSphilofophie" fdjlofj ficfj im fünften an. £atte
fchon furj Dörfer ber |>egelfche ©afc „2Ba3 ift, ift bernünftig"
unb bie barin ruheitbe ©rlenntniS be§ fßroblemS be§ SBerbenS,
ber ©ntmitflung wie ein „$Dama§fu§munber" feinen ©eift er?
leuchtet, fo ging nun ber neugeborene philofophifd)e fßauluS
unter ber ßeitung ipegelS an eine Sftebifion unb einen Sfteu?
bau feiner ganjen SSeltanfchauung, unb bie Sßeite be§ §egel?
fchen ©ebanfenfreifeS erfüllte ben anbädjtigen Zuhörer mit
ehrfürchtigen ©djauern, bie 3JZett>obc feiner ®ialeftif grub fid)
bem jungen 51bepten fo tief ein, ba| er nie böEig bon ihr
loSfarn, au<h §u einer ßeit ni<hh al§ ftch feine immer machen
Vorbehalte ju energifchen Zweifeln an ber Hnfehlbarfeit beS
ßeljrerS au§gemad)fen hotten. ®ie ©ehnfud)t nach bem „grofjen
©trom be§ ßeben§", mie e§ fpäter im „Uriel Slcofta" heißt,
fanb in bem ©tubium &egel§, in Buftitnmung unb ®onfliften
mit feinen Folgerungen bie tieffte Vefriebigung, bie 2Wgemein?
heit nahm nun feftere ©eftalt für ihn an: ber Sflann ber Öffent?
lid)leit begann fid) ju regen.
Sfan fc|oh mit einem HKale alles üppig in bie §alme,
ma8 bisher h Q lb unbemufjt uitb berftecft in feinem Fnnem
begetiert hotte. 3)ie fchemenhaften träume ber Vurfdhenf^aft,
benen ftch e ‘ ne bon ©ujjfom unb feinen ©chulfreuitben ge?
grünbete «Societas bibatoria“, allen SBarnungen ber alabemifdien
Vel)örben junt 2roh, bi§ jum ^ohte 1831 mit ßieberfang unb
Vedherllang h* n 9ob, midhen jc£t ben tatfäd)Iichen Problemen
ber ©efdpchte unb ©taatShinft; VönteS ©Triften mürben mie
mit neuen Organen gelefen, unb mag ein SJZann mie SBolf?
gang SRenjel mit feiner $ritif ber öffentlidjen $uftänbe, ber
2Siffenfdhaft unb ßiteratur, mag beffen 2Ber! „35ie beutfche
ßiteratur", ba§ fchon ber fieb^ehnjährige fßatriot berfdjlungen
hatte, ihm bebeutete, mürbe ihm rnohl je^t erft flar bemufjt.
„Für jebe Form ber ®id)tfunft, für jebe 5)i§jiplin ber SSiffen?
fchaft fud)te aKenjel bie Verbinbung mit ben teuerften ©ittern
ber Station Ijerjuftellen, mit bem üerlorenen unb Aurücßuer?
obemben ißallabium ber 9?ationalgröfje, mit ftänbifd)er Frei*
heit, mit öffentlicher F»9enber$iehung, mit Reform nadj allen
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22 ßarl (SufeforoS Ceben unb ©djaffen.
©eiten Ijin." ÜDiit biefen Sorten t)at ©upfom nodj im äfftet
opne ©rott unb H a fj bie mächtige Sirfung ber $erfönlid)feit
SRenäelS auf fein jugenblicfyeS $>enfen bejeidjnet. ®iefem äJianne
öffentlich jur ©eite ju treten, fid) für ifjn ju befennen, ber
burd) feine ®ritif befonberS in 5ftorbbeutfd)lanb, burd) feinen
eifernben 2:rop gegen ©oetf)e gerabe in 53erlin eine Unjaljt
geinbe befafc, brängte eS baS ju fcf)U)ärmerifd)er Eingabe
bereite ©emüt, unb fo erfolgte ©upfomS erfteS literarifdjeS
Auftreten im ©ternbilbe SRen^elS, beS fftebafteurS am „ßitera=
turblatt" pni ©tuttgarter „SRorgenblait".
SRitte Januar 1831 erfcbien in Berlin baS -erfte Heft
einer „antifritifdjen OuartalSfcprift", bie fidf) „gorum ber
Sournakßiteratur“ nannte. SDer $nt)alt beS in ftoljer Antiqua
gebrucften ^>efte§ beftanb auS einem feine eigene ©jiftenj
redjtferiigenben Stuffap „Emanation beS DbjeftS auS bent
©ubjeft“, ber burd) feine Überfidjt unb SHaffifijierung ber be=
ftefjenben Journale eine ungemeine SÖelefenpeit betuieS, unb
einem gmeiten großen Slrtifel „Sotfgang 9Ren*et unb bie über
ifjn ergangenen Urteile". ®aS ga§it biefer ?lpologie, bie ben
SBerfaffer ber „®eutfd)en Sitcratur" mit grofjer Särme unb
nid)t geringem ©djarffinn gegen feine jafflreidjen fritifdjen
ßefer berteibigte, ttmr bie ©rftärung, bafj bie neue 3dtfd)rift
hiermit i|r ©laubenSbefenntniS auSfpredje unb baS 3iet f)abe,
in garbe unb ©efinnung bom korben per bem fübbeutfcpen
SRitfiimpfer fdjirmenb an bie ©eite §u treten. 2lm ©djlufj
beS ^)efte§, nad) etlichen ®Ieinigleiten unb rebaftionetten S0e=
merfungen, nannte fid) als Herausgeber beS ©anjen $arl
©upfora; urfprünglid) rooKte er anont)m bleiben, ibie er in
einer etmaS fdjroülftig berflaufulierten Steridptigung geftanb,
aber baS ©ebot ber ^ßoligei hatte ipn auS feinem SSerftecf
perborgetrieben. 2>afj ©upfotb in einer unter fo brüdenben
3enfurberpältniffen feufjenben 3eit, in einem burd) politifcpe
SPonftifte nad) innen unb aufjen fo gefpannten Sapre bie @r-
laubtiiS jur Herausgabe einer eigenen 3eitfd)rift erhielt, hatte
er feinem ©önner bon ber ©cpuheit per, bem 9Rinifter bon
Sfampp §u berbanfen, unb beffen gürfpradpe ging fo rneit, bajj
©upfotb, als er nad) ben erften jroei fcbroerfättigen OuartalS*
heften bie 3 e *h^ T Ut i 11 eine leichter be)cpn>ingte Socpenfcprift
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23
„gorum bev 3ournoI-ßiteratur w .
ummanbelte, fogar bie ©rlaubitiS erhielt, 43otttifd^e 2)inge
barin §ur ©pradpe ju bringen, fomeit fte mit ber Journal*
literatur jufammenpingen. 2)iefe gefäprlicpe $)3robe beftanb
aber ber junge ©ntpufiaft, mie borauSpfepen mar, fepr fdjlecpt.
£rop größter SSorficbjt unb gepeimniSbottfter 3ei<^enfprac^e
patte er feine oppofitioneflen ©elüfte nicpt ganj unficptbar
madpen fönnen, unb bereite am 26. (September 1831 erfdpieu
bie 13. unb lepte ber SEBocpennuntmern beS „gorumS". ©ine
SSieberbetebung in anberer gorm unb unter anberem tarnen
ermieS fiep atS nnmögtid). ®er fedEe 93erfucf) mar aud), mie
ber Herausgeber fetbft fitp nidpt berbarg, einer bötligen Suter*
effelofigfeit begegnet; ber Verleger SSitpelm Sogier, ber fiep
ju einem SBorfcpuß ber born Herausgeber äurüdjujaplenben
HerftetfungSfoften bereit gefunben fjatte, fepte bon bem erften
Heft fiebrig ©jentplare ab, eine 3apl, hinter ber ber S3er!auf
ber übrigen Hummern meit jurüdEblieb, unb ©ußEom muffte
nodp bis ©nbe ber hiesiger Sdpre an ben ©ructerfdpulben ab*
jat)len, bie iprn baS fo befcpeibene „gorum" auferlegt patte.
®ie gleidpjeitige Sournatiftif mar aud) menig babon erbaut,
fiep bon einem jungen ©tubenten ben £ejt lefen ju taffen,
unb meitn fie bie fonberbare ©rfcpeinung überhaupt berück
fieptigte, gebadpte fie iprer in ber geringfdpäßenbften unb
ßöpnifcpften Slrt. ©egreiftidpermeife rnaepte nur äRen^e! babon
eine StuSnapme. ©leicp nadp ©rfdpeinen patte ©upforo ipm
baS erfte H^ft jugefanbt, nebft einem Briefe, ber mit 2?erep*
rung nidpt geijte, aber gteicpmopl fepon ein ficpereS SBemußtfein
feiner eigenen Snbibibualität bemieS, bie feineSmegS barauf
auSging, nur ein Slnpängfet beS beraunberten SJianneS ju
merben. Slber aud) SJienjelS, beS Eritifcpen ©oliatpS, ©intreten
für ben berliner 2Dabib fonnte bie ^urjtebigfeit beS Unters
nepmenS nidpt berlängern. $ür ©upEomS ©ntmidfelung ift
natürtiep ber Snpatt biefer erften ©dprift bon großer Sßebeu*
tung. ©r pdufte in biefen auS einer fjütte bon SSiffen unb
gegriffen nod) rnüpfam ju Elarer ®i!tion fidp burdparbeitenben
erften $luffäpen atteS jufammen, maS ber freigemorbene £peo=
löge, ber fcpuEmäßtg auSgebilbete fßpilologe, ber beutfdpe Patriot
ÜERenjelfcper ©efinnung unb ber ßeitungSIefer unb merbenbe
Siterat auf bem H er ä en patte, unb er rnoeßte ber großen
24
Sari ®ii^loU)S 2e6en unb Sdjaffen.
SKehrgaht ber batnaligen Journale, bie er nacf) ben berfd)ies
benften 9üd)tungen f)in mit ©djarfftnn unb SSip in ihren
geilem unb ©djmädjen auffpicfjte, red)t unbequem fein burd)
eine Betrachtung ber Siteratur, bie fid) nur bei ben aller=
ljöd)ften 2lnfprüd)en befriebigen taffen moüte. Uniüerfalität
be§ ©eifte§ oor altem mar e§, ma§ er an ben Staf fitem,
an ben erften 9?omantifern fo tief beraunberte, ma§ er bei ben
3fiomanfcf)mierern, ©penbid)tem, Sprifern unb ben jahltofen
SSinfelpoeten, bie fid) in ber Squmaliftif gefährlich breit
malten, mit 9fie<ht öermifjte; ba§ Übermiegen ber f$orm über
bie $bee, bie ftct§ ba3 9tüdgrat großer Dichtung ift, bejcic^nete
er al§ einen franfhaften ßuftaub ber beutfdjen Siteratur. SDie
Leitung fönne nur fornmen burd) eine 5lufnaf)nte ber neu-
geitlicpen $been auch in bie ^robuftion be§ bid)terifd)eu
©eniul, unb erft baburdj merbe bie ^Dichtung mieber ba§
^altabium be§ BolfeS merben. ©rft baburdj fönne bie Siteratur
fid) mieber gum 9iationatintereffe erheben, ba§ ihr tängft »er*
ioren gegangen fei, unb fo erft mieber eine neue ©pocf)e ber
beutfdjen Siteratur etuporfteigen. SSenn ber junge Sffebafteur
öoit biefeit ^beaten fdjmärmte, bann machte fein ©tit fid) frei
ooit bem noip mit SBiffenfd)aftlid)feit fofettierenben ©cpmulft,
ber phitofoppifche Xerminologien befonber§ )pegel§ burd)-
eiuanbermirbelte, unb läuterte fid) gu bem entpufiaftifchen,
hinreipenben 9tebeftrom bieter feiner fpäteren SBerfe, unb aud)
eine anbere h^rborftechenbe ©eite feine§ latentes, bie ©abe
beifjenber ß'riti! unb triftiger Ironie, trat in feiner SRufteruitg
ber ^Journale mopl bemehrt unb giemlidj ftachtig gutage.
Brachte bie Verausgabe be§ „gorumS" )einem Siebafteur
auch nur ©chulbeu ein, journatiftifdje ©egtier unb obenbrein
bie fehr unmittfommene Befanntfdjaft mit ber 3enfur, fo ge*
mann er bamit bod) baS Bertrauen beS äftanneS, an ben fid)
fein ©laubenSbefenutniS in erfter Sinie gerichtet hatte, unb
SBolfgnng SOiengetö $reunbfdjaft mar feine BunbeSgenofftit,
auf bie hi« fid) in ber Blütegeit be§ mächtigen „SKorgens
blatteS" fd^on etmaS magen liefj. 9U3 nad) bem ©ingehen
bcS „gorumS" bie Sage be§ SierauSgeberS in Berlin immer
briidenber mürbe, tarn beim aud) Ooit Stuttgart bie Slufforbe -
ruitg, feine 3 e tte im ÜNorbeit abgubrerijen unb in baS bcl)ag=
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Kbfdjieb »oit öevlin.
25
liefere ©djmabenlanb als SRitarbeitcr be§ „ßiteraturblatteS"
unb anbrer mie beS „JpefperuS", für ben ©u^fom
bur cf) feinet ©öunerS Vermittlung fdjon bon Berlin auS tjatte
lorrefponbieren bürfen , übergufiebeln. Einfang 9?ooember
fdfptürte alfo ©ufetoro fein Vünbel unb langte nadj gmeiunb*
gmangigtägiger, burd) bie (Eljoleraquarantäne oergögerter Steife
in ber fd)mäbifcf)en ^auptftabt an. 2BaS er hinter fid) liefe,
mar eine bon ber ©eucfye gu einem ßagareit umgemanbelte
©tabt, eine fdjon in iljren Stnfängen berfracf)te titerarifebe
(Erifteng unb eine tpeimat, bon ber er fid) längft Ijatte ab*
löfen muffen. (Erfdjmert mürbe ber Stbfd^ieb nur burd) bie
Trennung bon einem äfläbdjen, baS bereits niefet mefer baS
erfte Ereignis in unferS 2)id)terS ßiebeSleben mar, mol)l aber
baSjenige, baS in feinem ipergen am tiefften fid) feftniftete
unb beffen (Erinnerung, als eS gu (Snbe mar, ^ergenSnarbett
für ein gangeS ßeben fjinterliefe. ®ie ^ugenbefeleien ber
©cfyülerliebe tonnten nur gur fpätern l)umoriftifd)en Vetrac£)=
tung be§ ßebenS beitragen; baS Abenteuer mit einer f lugen
©cfeönen, ßeopolbine ©polpt, bie ben ber momentanen ©tim=
mung erliegenben, nod) menig fidjent ad^etpi jährigen ©tu=
benten ifjrer ©cfjroefter, bie er in 23aljrf)eit umfdjmärmte, als
iljren eignen Verlobten Porfüljrte, mar ein (Erlebnis, baS
ber (Erfahrung unb bem p)üd)ologifd)en ©d)arffinn gugute
tarn. S)aS Verhältnis gu Sftojalie ©d)eibemantel aber, einem
SBefen bon ßiebreig unb Vilbung, trug menigftenS bon ©uk s
foroS ©eite bie bollfte ©ernähr ber SDauer in fid), unb ber
Kanbibatentraum bon ber balbigen ©rünbung eines eignen
JpauSftanbeS liefe nod) gmei ^al)re fjmburd) bie traulid^e $uS=
fiebt auf ein befdjeibeneS Slmt im ©taate obfiegen über ben
enogiiltigen (£ntfd)lufe gum freien ©d)riftftellertum. ®ie Übers
fiebelung nadE) ©tuttgart mar ein ©t)mptom biefeS Kampfes,
bie STat einer momentanen ©tärte, bie mit bem Stufe iDfengelS
ben Vorgang einer neuen ber|eifeungSrei(t)en .Qufunft aufge£)en
gu fefyen glaubte.
©ufctoro mar bereits gu felbftdnbig, um etma feinem
©önner SäJtengel bie tpauptforge für feine ßulunft gu über*
laffen, gu arbeitSfreubig unb gu betriebfam, um fid) nid)t mit
allen Kräften beS neuen ifjn umgebenben SJfilieuS gu be=
zed by Google
26
JtavI ®u|j!ott>8 Seben unb ©djnffen.
mastigen, unb bie fdjmäbifdje Ipauptftabt würbe ihm, wenn
auch nidjt zu einer neuen £eintat, fo bod) 51 t einer mit ßüifer
ftubierten OperationSbafiS, ju ber er bie näd)ften brei $al)re
binburdj immer wieber zurüdleljrte, bis feine fdjriftfteÜerifdje
©yiftenj in granlfurt am äJiain 1835 einen feften fftüdijalt
gewann. ©r blieb aud) nur biefen erften SBinter bauernb in
Stuttgart, um fid) unter StenzelS gü^rung in bie neue Um=
gebung einzuleben, bie Verljältniffe unb bie 2tenfd)en befon=
berS beS öffentüdjen SebenS in bem politifcf) freieren unb
baher regeren ©üben leitnen ju lernen unb burd) eifrige
Mitarbeit am „äftorgenblatt" unb anbern Organen, mit beneit
it)n ein ©mpfehlungSmort SDlenzelS müheloS in Verbinbung
brachte, feinen tarnen unb feine Slrt Por ber Öffentlidjleit
barzutun. SDer perfönlicße Verlehr mit äJien^el geftaltete fid)
junädjft fo freunbfcöaftlicf) , wie ©ußlom bieg l;atte ^offen
bürfen, unb baS wof)Ibeftellte §eim beS fcßon don .§auS auS
derwöhnten SftebalteurS bot if)m aud) an familiärer (Srfjolung
trefflichen ©rfaß für ba§, mag er in Berlin fdjon längft
nid)t meßr genoffen §atte. $E)a§, maS bie beiben im Sitter
unb im äußeren fo derfdjiebenen SDienfdjen einanber naße
gebracht, unb dereinigt hatte, war naturgemäß juerft weitaus
in ber Übermaß!; baS mag fie trennte, tonnte erft aUmä^lid)
Ijerborwachfen. 35aß fich bie aufftrebenbe ®raft bei Süng=
lingg bem beßaglid) fiesem, oft rüdfidßSlofen SDefpotiSmuS
beS 99?anneS auf bie 5£)auer nicht unterwerfen lonnte, war
ein ©ebot ber Statur. SItenzel ßatte zweifellos mit feinem
jungen greunbe b{ e heften 5lbficf)ten. ©r felbft war auf bem
SSege dom Sdjriftftelter §um Sßolitifer unb mußte barait
beuten, fich burd) ben ©eminn eines fiesem Vertreters für
feine politifcfje Saufbahn rebaftionett ju entlaßen unb fid)
einen „Slbjutanten", wie ©ußlotd halb fdjoit nach feinem
Sluftreten in Stuttgart benannt würbe, ßeranzujießen, jum
wenigfteit aber einen VunbeSgenoffen auSzubilben, ber feine
51nfid)ten unb Überzeugungen, ja feine Liebhabereien teilte.
SDaß biefer junge Sttann ba „aud) einer" war unb nicht bie
9Ibfid)t ßatte, furzerhanb ein zweiter Stenzel 5 U werben,
baran lonnte eine fo lategorifdje Statur, wie bie feines Stten=
torS gar nießt beulen, unb auf bie Steigungen feine» Sdjüßi
2>er Slbjutcmt ®tenjeI3.
27
littgä einjugehen, bad fid) ißm anoertrauenbe junge Talent
ju beobachten unb in feinen inbiüibuetlen Anlagen ju för=
bern, lag gart* außerhalb feiner gäljigfeit. ajienjet mar
burdjauä ein ©iicfjermettfcf), Pott ©cßarffinn bem gebrucften
SBort gegenüber, ein ©chulmeifter mit ber geber, g e miß tein
fßäbagoge; -ba^u mochte feiner (Selbftfic^er^eit mof)l auch bie
Siebe fehlen. @r Derfc^affte feinem jungen greunbe jebe
SSerbinbuttg, bie biefem geminnbringenb fein fonnte, er führte
ihn in bie greife ber ißolitifer unb politifdjen Slournaliften
mie SRottect, ©d)ott, 9töbiger, ©djulä; er ließ ihn ausgiebig
für ba§ „ßiteraturblatt" rejenfieren unb forgte bafiir, baß aud)
ba§ „SÜforgenblatt" bie nobeUiftifcf)en iöerfudje ©ußfomä
aufnabm unb anbre 93lätter mie bie „SWgemeinen Politiken
Slnnalen" fich feinen Beiträgen öffneten; er machte ifjn mit ben
Richtern ber fd^tuäbifd^en ©d)ule, ©uftao ©chmab, $uftinu£
ferner, ©uftab ^fi^er befannt, unter benen bamal§ aud)
9?ifolau§ Senau ftd) auffjielt, unb in ÜHenjetö Jpaufe begegs
nete ©ußtom ,^um erfteit fötale bem ©cßaufpieler $ari ©etibeU
mann; unb fajließlich mußte er ben mächtigen Verleger Crotta
für ben jungen berliner ju intereffieren, ma§ für beffen
nächfte ©ntmidlungSjahre Oon großer iöebeutung mürbe. @3
mar aud) jebenfall§ ©ubfom§ eigenfte ^nitiatiüe, menn er 50 =
näcfjft feine ^iftorifd^en unb theologifcf)en Äenntniffe in beit
®ienft be§ „Siteraturblatteä" fteUte. SBo aber SDienjel auf
©uftfomä jugenbliche $ßrobuftion einen bireften ©influß au»=
übte, ift biefcr nicht jum tpeile gebiehen. 9Jfod)te er aud) bie
Iprifdjen 33 erfud)e, bie fid) bei bem Jüngling fdjon gu einem
58änbd)en angefammelt hatten, für unbebeutenb halten unb baher
ihre SBeröffentlidjung mißbilligen, ber tpauptgrunb, roe§ljatb er
Pon ihrem ®rud unb bon ber Eingabe au bie ßprif überhaupt
abriet, mar eine ©eringfchäfcung biefer ©eite be§ poetifchen
Könnens, für ba$ äRengel fein Organ befaß; nur ber äRangel
an jebem plaftifdjen ©efüßl, an ber (Smpfinbung für ben
$lang eine§ £5id)termorte§ überhaupt fonnte ihn gu einem fo
ftumpfen ©oethefeinb gemacht haben, al§ ber er fid) bamai§
fdjon mit ©tolg fühlte. SDiefe ©cßule mußte für eine nodj
unreife 9lnfd)auung£meife berl)ängni§boll merben unb hat aud)
in ©u^fom ihre ©puren ^interlaffen. Unb menn äRengel
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Sari ©u&fotoä Cebeit unb ©djaffen.
feinen jünger, ber al§ 9?obeIlift mit jeanpaulifierenben
Silbern auä bem Verliner Vollziehen raie „®ie Singefranj*
d)en u , „®ie Sterbefaffierer" im „ÜDiorgenblatt" auftrat, auf ba§
unfruchtbare (gebiet beZ fatirifd^en Romani bei achtzehnten
3?ahrhunbertZ jurüchoieZ, fo legt auch bieZ bon feiner poe=
tifdjen @infid)t ein benfbar bürftigeZ 3 eu 9 n ^ ab/ £rat nod)
ein geraiffer Übermut unb ®ünfel ber Unfetjlbarfeit ^iitju,
ber fic^ an ber Spiße eineZ fo einflußreichen DrganZ wie beZ
„SiteraturblatteZ" mit berbem SSiß be^agtid^ breit rnadjte, fo
barg bie greunbfdjaft SUlenzelZ genug in fidj, waZ über bie
willlotnmenen @rleid)terungen beZ SlugenblicfZ zu mannigfachen
tnnern unb äußern Sl'onfliften führen mußte.
ViZ Dftern 1832 hielt ©ußtow in (Stuttgart auZ unb
f ehrte bann nach Verlin jurüd, bon wo er feine $ritifen
ebenfogut, feine ^orrefponbenjen weit beffer liefern fonnte,
jeßt nacf)bem er baZ politifdje Seben SübbeutfdjlanbZ im
(Segenfaß z u feiner preußifcßen Heimat fe^r genau fenneit
gelernt hatte. $er fid)tbare ©rtrag feinet (Stuttgarter ^luf-
enthaltet mar baZ SJianuffript eineZ erften Vud)eZ, baZ eben=
fallZ unter 9D?enzelZ nid)t roohltätigem ©influß feine enbqültige
$orm gewonnen hatte. Ursprünglich alZ Lobelie in SÖriefeit
gebaut, hatte SRenjel, ber felbft unter bem (Sinfluß ber eben
erfd)ieneneit Vömefd)en „Vriefe auZ VariZ" ftanb, ber ener=*
gifd)ften Äußerung ber Vriefliteratur jener $eit, baju geraten,
bie jeanpaulifierenben „Vriefe eineZ 9?arren an eine SJlärrin"
in eine politifche Satire um§umanbeln unb unter bie 9?arren=
fappe alleZ baZ z u ftecfen, waZ an 9läfounementZ über bie
Zeitgenöffifchen guftänbe, Schlaglichtern unb altuelten 2ln=
fpielungen in ber erften SluZgabe beZ VudjcZ z u finben ift
unb bie Settüre nicht wenig erfdjwert, ba bon biefem üppig
ttmdjernben Straudgoer! bie Konturen beZ nobefliftifdjen
jßfabeZ faft ganz überwad)fen finb. Sfud) einen Verleger
hatte üüienzel für biefe SrftlingZfdjrift f eineZ SdjüßlingZ be=
reitZ §ur Jpanb, benfelben föoffmann unb (£ampe in Hamburg,
ber VörneZ Schriften berauZgebracht hatte. $Iber ehe (Sußfow
baZ SKanuffript an biefen abgehen ließ, berfud)te er nod) ein*
mal eine Vermittlung mit feiner Vergangenheit; bie ©inbrücfe
ber Heimat, baZ SBiebcrfehen mit ben dltern, befonberZ aber
Strn ©djeibdcege.
29
mit SRofalie, mußten ben £raum beS „ Sötcibc im Sanbe unb
näljre bid) reblid)" noch einmal mit feinen lieblichen Farben
üorübergiehen laffett. ©ooiel hatte er im halben Fabre noch
nid)t üergeffen, bafj er nicht, unb nodj bagu auf ®d)leier=
madjerS fanget, eine Prebigt, öermutlid) in Vertretung eines
Vefannten, hätte halten, bafj er nid)t noch 8uüerfid)t bem
©taatSeyamen beS Oberlehrers hätte entgegenfehen Jönnen. ©o
toenig gefeftigt in ber Saht feines VerufeS h fl tte ihn felbft
bie bod) red)t erfolgreiche ©tuttgarter ©pifobe, bafj er fid)
mirflidj gum ©yamen melbete unb fogar bie fd)riftlid)en
Prüfungsarbeiten in biefent ©ommer 1832 üollenbete; bie
Slblegung beS münbtichen ©yamenS gog fich bann bis in baS
nädjfte Fahr hinein, roo er über feine $ufunft anberS be=
fdhloffen hatte, Fn biefem felben ©ommer erlangte er aud)
ben afabemifdjen ®of torgrab, ber ihm oon ber Unioerfität
Fena auf ©runb feiner philologifdjen PreiSarbeit ohne meitere
Formalitäten erteilt mürbe. Vei atlebem machte bie innere
Ungeroijjl)eit ben ©ommer biefeS Falles gu einer einzigen
Ouat. Mancherlei plane mitffen bem jungen ^erluleS am
©d)eibemege burd) ben $opf gegangen fein. 2lbroeid)enb Oon
ber üblichen Siegel, fdjeint er fid) irgeitb eine miffenfdjaftlidje
Sirffamfeit im ©taate gurechtgelegt unb feine bieSbegüglidjen
Sünfdje bem SJiinifter oon ft'ampj}, feinem ehemaligen Ve=
fd)üj)er, Oorgetragen gu haben, ©ine Oerftedte Stnbeutung in
feinem 1833 erfctjienenen Vornan „Sftaha ©uru" üerrät unS
fo eiroaS, aber aud) bie ©nttäufd)ung, bie ber Vittfteller oon
feiner 5lubieng heimbrad)te unb bie ihn gu bem ©ntfcf)luj) betrog,
fofort baS SOianuffript feiner Siarrenbrtefe nad) Hamburg gu
fenben, Oon mo baS Vud) auch ©Pätherbft biefeS felben
FabreS erfd)ien. Slber ber Diame beS VerfafferS mürbe babei
Oerfdjmiegen, unb fo mar aud) bieS nod) fein ©djritt, ber
einem Verbrennen ber ©djiffe pinter fid) gleidjfam.
Vei allebem forrefponbierte er fleißig für bie fübbeutfchen
Vlätter unb fd^rieb eine grofje 9feifje Oon ©rüifen für baS
„Siteraturblatt"; unb gerabe auS biefer journaliftifdjen ‘Jcitig*
feit ermudhS if)ut baS VebürfitiS, fein Siffen aud) auf juriftifd)e
unb ftaatSmiffenfdjaftlidje ©ebiete auSgubehncn. Sar er mit
feinen einunbgmangig F n h«u fdjliefjlicl) nicht aud) jung unb
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3 7 O
30
ffavt ®up!oiu3 8eb«n unb Schaffen.
ftarf genug, um noch einmal bon borne anpfangen unb fidj
in einem anbern Verufe feine bürgerliche SebenSftellung p
erringen, bie i(jn meniger pm ©Haben amtlicher Vorgefepter
machte unb ben 2Bünfd)en Der Vraut, ben fategorif^en gorbe*
ruitgen ber ©chmiegerrnutter pfagte?
©o lehrte er benn im ©eptember 1832 nach ©übbeutfcf)*
lanb prücf unb ließ fid) in fteibelberg in ber juriftifdjen
^afultät immatrifulieren, hörte Vorlefungen über SSölferrec^t,
3nftitutionen unb Naturrecht, unb fepte biefe juriftifdjen
©tubien audh im ©ommerfemefter 1833 ju 9Nün<hen fort, roo
er fiep aßerbingS fchon bei ben „Ißanbettcn" beS ^SrofefforS
$Bud)ta nirf)t mehr recht fammein formte, ©r hatte feine
Straft überfd)äpt; er mar fd)on p fehr ©djriftfteßer, unb maS
ihm baS ©tubium beS NedjteS an neuen ©enntniffen ber=
mittelte, manbeltc fid) ihm unberfehenS p ÜNaterial unb
JpanbmerfSjeug beS Siteraten. $)a pbent bie Nachrichten auS
Berlin eS jmeifethaft erfd)einen liefen, ob er eS je ber SNutter
NofalienS merbe rec^t machen fönnen, fo fanf auch &alb biefer
geroaltfame ©ntfd)luß in nichts pfammen, unb ber merbenbe
©d)riftftetter behauptete baS $elb. 3m ^reibelberger SSinter
1832 33 bereitete fid) biefe SSanblung bor, im folgenben
©ommer fam fie pr Neife.
S)ie perfönlidje Verbinbung mit SNenjel blieb bon Deibel*
berg auS bie lebhaftefte, unb auch tn biefem SBinter meilte
©upforo manchen gerientag in ber fd)mäbifd)en £>auptftabt.
®aS Verhältnis beS NfeifterS pm ©chiiler fc^ien fogar noch
enger p merben, nadjbent ein HeineS literarifcpeS ©eheintniS
fie berbanb. $>ie ©röffnung beS 2öürttembergif<hen SanbtagS,
p bem SJfenpl fchon bor einem als Slbgeorbneter ge=
mahlt mar, füllte nun enblid) im Januar 1833 bor fich
gehen, unb bie bielett Politiken Debatten über bie 9luSfid)ten
biefeS SanbtagS, bie ©upfom in bem Vefanntenfreife 2Tien=
jelS im bergangenen SBinter angehört hatte, berbicpteten fidh
in bem jungen 3ournaliften ploplid) p bem ©infall, ber
Stammereröffnung eine Vrofcpüre boraufjufchicfen , bie bon
aßen ©eiten bie augenblicflidje politifd)e Sage Söürttem*
bergS beleud)ten unb nid)t piept auf bie borauSficptliche
SBirffamfeit beS neuen Slbgeorbneten ÜNenpl ein ^eüeö Sid)t
OOQl
31
fallen taffen füllte. 9J?en§el felbft apnte nicptS bon biefem
iiebenSwürbigen $l!t ber 2)an!barfeit feineS greunbeS unb
war nicpt wenig erftaunt, als ©nbe Iftobember biefe anonyme
©rofcpüre „®iötnation auf ben nädjften Sürttembergtfdjen
Sanbtag" bon öanau auS anS Sicpt trat. SDie ©rofcpüre
machte grofjeS 9luffepen, ba fie nicpt nur bon einer intimen
Kenntnis ber Politiken ©erljältniffe SübbeutfdjlanbS 3eugntS
gab, fonbern aud) bon einem praltifdjen SBlirf, ber jeben
UltraiSmuS lüljl jurütfwieS, unb bon einer biplomatifdjen
©ewanbttjeit, bie auf eine in folgen SDingen wofjlgeübte
geber fcpliefjen lie|; tatfädjlidj würbe Pon mehreren ©eiten
ber ÜÜtinifter bon Sangenljeim als Söerfaffer bermutet; eine
anbre Stimme beutete fogar SKenjel felbft als ben $>ibinator
an, unb ber fo berpeifjungSbolt begrüßte 2lbgeorbnete bon
©aljüngen war nicpt gerabe erbaut, als ©upfow eS in ber
SeiljnadjtSftimmung §u Stuttgart im SJlenjetf^en £mufe bocp
nicf)t überS Jperj brachte, ifjm ben wahren Sadjberpalt §u ber*
f Zweigen, ©rft bei bem .ßerwürfniS ber beiben, brei Sapre
fpäter, tarn biefe Stngetegenpeit audp öffentlid) jur Sprache.
ÜDienjel blieb feinem Politiken §erolb nicptS fcf)ulbig
unb rebandjierte fiel) halb burd) eine reicpltd) tobenbe S^ritif ber
„©riefe eineS Darren" im „Siteraturbtatt" (16. Januar 1833).
Stber er ftanb mit biefer feiner Stnerfennung fdjon nictjt metjr
allein; ein SionpmuS in ben ©rodpauSfdjen „©tattern für
literarifdpe Unterhaltung" war ipm bereits im 2)ejember
juborgefommen, unb baS war niemanb anberS als ber junge
Ipeinrid) Saube, ber foeben audp bie ©ebaftion einer eignen
.geitfdjrift, ber „ßeitung für bie elegante Seit", übernommen
batte unb hier im gebruar 1833 abermals auf baS ©udb beS
ipm nod) unbefannten ©erfafferS 5 U fpredpen tarn. Uno als
fcplieplicf) nod) ©örne felbft in ber gortfepung feiner „©arifer
©riefe" über baS ©rftlinaSwer! ©uplowS beS SobeS bofi war,
bereute lepterer bie ©erfcgweigung feineS 9?amenS fepr, ba alle
biefe günftigen Umftänbe ipn nur in bem ©ntfcpluffe beftärlen
lonnten, fiep ganj ber ßiteratur ju wibmen. ©in erfter
umfangreicher Vornan War aucp fdbon im Serben unb würbe
im Sommer 1833 in 9J?ünd)en aogefd)loffen; er erfdpien im
©ottafcpen ©erläge unb war baS erfte ©efultat einer für
32 JFavt ©ujjfoluS ßebcn imb ©djaffcn.
©uftfom feljr mertPoHen Serbinbung, bie i|nt -Dtci^et bet*
fc^afft Tratte.
SDiefer SDtündjener ©ommer ftanb für ©ujjfom bereit?
ganj im ßeidjen bet Siteratur. ©r fjatte ben inbuftrietten
Iiterarifd)en ßebemann Auguft Semalb fennen gelernt, unb
biefer führte iljn in bie äJtündjener ©djriftftellerEreife ein,
bie fidj audl) bamal? fdjon im ©af£ pfammenfaitben. Semalb
felbft, griebrid) Stornier, Seute bom Sweater unb ber SUtufiE,
mie ber Sßirtuofe Stiefftaf)!, unb bie nocf) erft im Aufgang
if)re§ ©<f)riftftellerruf)me§ lebenbe bamalige ©cljaufpielerin
Charlotte S3ird^= Pfeiffer itebft itjrem ©atten, gehörten ju
©u$!om? täglichem Umgang. SDiit ifjnen, benen fid) nodj ber
^Srofeffor ülJtaj ©djottfp anfdjlofi, mürben Ausflüge in ba§
baprifdje ©ebirge gemacht, unb bie (Stabt felbft frijon bot ber
Anregungen genug, bie bem roerbenben Autor bienlid) maren.
Sie Stedjtäroiffenfdjaft trat meljr unb me^r juriicf, bie eigne
fßrobuftion immer mefir in ben IBorbergrunb, unb roa? bie
Untemeljmungduft Semalb? nicfyt permodjte, ben ©ntfdjtufi
freier ©djriftftellerei enbgültig pr Steife p bringen, brachte
eine anbre S)efanntfd)aft pmege, bie biefem entfdjeibenben
©ommer einen erlebni?reidf)en Abfdfytufj gab. Stadl) ber
günftigen Aufnahme ber „Briefe eine? Starren" feiten? ber „Sie*
ganten 3eitung" mar ©ujjfom mit Saube in briefliche 5Ber=
binbung getreten, unb beibe üerabrebeten für ben Augitft eine
gemeinfame Steife nacl) Dberitalien. Am 3. Auguft hotte
Saube, begleitet boit einem faufmämtifdjen greunbe namen§
Ajenfelb, ©ujjfom in SJiündjen ab, unb jmei Sage fpäter
fuhren fie alle brei in rnoljlgemuter Stimmung ben Alpen
entgegen, über Salzburg, $nn?brud burd) Sirol, unb burdj=
ftreiften bom ©arbafee au? bie ©täbte Dberitalien?, Söerona,
Söicenp, Sßabua unb $enebig, um über trieft unb SBien,
Sßrag unb S>re?ben' f)eimpfef)ren. ©u^Eom mar ber jüngfte
biefe? Srio?, unb für ifjn mürbe biefe galjrt öou einfdjneibenb*
fter iöebeutung. Sie literarifdje Art feinet neuen Söefannten,
ben er halb greunb nennen burfte, mar jmar gar nidtjt bie
feine; auf ber Saljrt über ben ©arbafee la? er Saube? eben
gebrudte Siobelle „Sie $oeten", ben erften Seil be? „jungen
©uropa", unb ba? ftro^enbe Seben barin miberftanb ifjrn
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Karl (Sutjföro im 5 \. £ebeusjatire.
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Sommer ln 2Jlttncf)en.
83
burd)auS; baS übermütige ©tubententum, baS ßaube nodj jefct
roie ein faffrenber ©djüler beS EßittelalterS jur ©d)au ju
tragen liebte, roar ihm auch redjt unbequem, uub an bie
frifd)fröl)lid)e Söcltauffaffung ber beiben ßeip^iger fic^ ju ge*
roölfnen, roar feinem AJefen ganj unmöglich, ©rft je^t mochte
©u^lora merlen, roie ernfthaft er bereite roar, unb auch über
bie Urfad)eit biefer Veranlagung, nid)t ohne eine bittere
©mpfinbung, nad)brüten. SBo er auSjog, bie ©d)ä&e feinet
SESiffenS ju mehren unb mit ber ganzen SBürbe feiner hunta*
niftifeben Vilbung auf ben ©puren ber ©efd)icf)te roanbelte,
um eine in jeber Ve^iebung flare geiftige f|5^t)fiognomie beS
©efebenen mit nach ftaufe ju bringen, fab er bei ßaube üor=
roiegenb bie urfprünglichfte greube am «eben unb ©rieben
unb bei ben bebenflid)ften VitbungSlütfen eine fo b erau ^ s
forbernbe Art beS „Nil adrairari“, baff fein bei aller ©elb=
ftänbigfeit nodb an ben Autoritäten ber ©efd)i(^te hmigenbeS
SSefen allentbalben Perlest rourbe. ®ie fHcifeberichte, bie
©u£foro fpater fürS „fDiorgenblatt" lieferte unb 1885 unter
bem $Uel „©ommerreife burd) Öfterreich" als erften SEeil
ber „©oireen" berau^gab, trugen im ©egenfafc ju ßaubeS
luftigen „SfteifenooeEen" biefen felben ernftbaften, roiffenfehaft*
lieben, faft pebantifdjen ©harafter U11 ^ fonnten nur gleich
geftimmte ßefer finben, bie ebenfo roie ©ufjforo baS ßeben
al§ eine Aufgabe, nicht als eine ßuft betrad)teten. SDie über«
mütige ©id)erbeit beS neuen SreunbeS, fein geroanbteS Auf=
treten, bas fich nicht ocrblüffen lieb, war aber beneibenSroert,
unb biefe ©abe roar eS, bie ßaube feinem 9teifegefät)rten
geroiffermafjen als ©aftgefc^enf barbrachte. Aud) ©u^foroS
©elbftgefühl h 0 & im Anblicf biefer unbefümmerten Ve*
tütigung eigner $raft, unb ber enbgültige ©ntfd)lufj, feine
Bulunft gan^ auf feine geber §u fteEen, fefcte fidf burch
biefeS ©rlebntS unroiberruflich feft S)ie ©elbftanbigfeit gegen
Eftenjel rourbe bamalS cbenfaES roachgerufen, ber Siebafteur
ber „©leganten Leitung" machte auS feiner Abneigung gegen
ben fftebafteur beS „ßiteraturblatteS" tein §el)l, h atte er b*><h
unb ebenfo fein 2ftitarbetter unb feiger ©teEoertreter, ©uftaP
©chlefier, ben ©oetheoerächter fchon längft jurn ©tidjblatt
ihrer fritifd)en AuSfäEe ertoren. Uub als ©ufjforo nach
©ujlo». ftulg. BJerfe. I. 3
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34
Jtart ®ufcfott>8 Selten unb ©Raffen.
©eenbigung ber Steife gunädE)ft einige Senate in fleißiger Arbeit
in Berlin »erlebte, bann aber bie greunbfchaft mit ßaube jurn
Anlab nahm, im Januar 1834 auf einige Beit nad) Seip^ig
übenufiebeln, tonnte er fid^ ben ©rüitben ßaubeS unb Sd)lefier§
}u i^rer Abneigung gegen aWen^el fcf)on nid)t mehr entjiehen.
©in brieflid)er ©eridjt über biefen Seip^iger Aufenthalt an
ben Stuttgarter ©roteftor mar fdmn mehr eine Rechtfertigung,
bie bie innere ßoSlöfuitg Pon Riegel burchfchimmem liefe,
©ine befdjeiberte SDofiS $etffjeit hatte ©ufefom au§ bem Um=
gang mit ßaube bereits baPongetragen. Sie hätte er e§ fonft
über fich gebraut, in ber ©orrebe ju feinen im grühjahr bei
föoffmann unb ©ampe erfcheinenben „RooeHen", mit bem
Saturn: „©erlin ben 6. Januar 1834" fo fdjerähaft auS fid}
herauSjugehen unb Rfenjel gleichfam lachenb auf bie Schulter
ju tlopfen mit einer Anfpielung, bie nur baburch einen bo§=
haften Radjgefchntacf erhielt, bafj fie ganj gemifj ber Sahr=
heit entfprad); ein Unglücf, baS ©u^fora in feinem ßeben
noch öfter miberfuhr unb ihm fopiele heftige geinbe oer=
fchafft h fl l- Auch eine birette literarifdje ©inmirtung ßaubeS
auf ©u^fom ift nicht ju Perfennen; ber einzige ©eitrag, ben
©ufeforo für beS greunbeS 3eitfd)rift lieferte, ift eine ©harafte=
riftif beS ©rofefforS Schottffe, mit bem ©ufeforo im lebten
Sommer eine luftige ©ebirgStour gemalt hatte; unb biefe
©harafteriftif, bie einer falschen £obe§nad)richt äU 5 ufd)reiben
mar, biefe ©ufeforo fonft ganj ungemohnte breite Details
malerei, bie allenthalben nedif^e unb fatirifche ßid)ter aufs
fe£te, Perrät burdjauS baS ©orbilb beS ßaube|d)en Rad)rufe§
auf feinen Perftorbenen greunb $art Schall. Seit tiefer
aber ging ber ©influfe ber äfthetifdhen Debatten jroifdjen ©ufe=
fom, ßaube unb jenem Sdjlefier, ber bamalS fid} ju einem
ber beften jungbeutfchcn Sd)riftfteUer entroideln ju mollen
fdjien, Pon £>eine fogar fch on fo genannt mürbe, ©erabe
roährenb ©ufeforo in ßeipjig meilte, ging ber überfdfeoenglid)
lobeitben ©efpredjung feineS RomanS „SRalja ©uru" burd)
ÜRenjel im „ßüeraturblatt" (Rr. 20 f. Pont 24. unb 25. gebruar)
eine feineSmegS fo anerfennenbe Äritif burch Sdjlefier in ber
„©leganten Beitung" (20. gebruar) Porauf, unb bie baran
anfnüpfenben AuSeinanberfejjungen bemirften in ©u^fom eine
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„Sftalja ©uru".
85
förmliche SRebolution. SBemt er fie fpäter aud) als feine
ijeiliame betrachten burfte nad) beit grüßten, bie fie if)tn ge*
brad)t, fo mar bodj bie Slufmüblung feiiteS Innern, bie er in
ßeipgig erfuhr, ein ©rlebniS, baS er bur<bmad)en muffte, um
oon ben Söanbeit feiner SSergangeit^eit loSäufontmen. ®a| er
eS nic^t glüdlidjer auSnüjfte, mar lebiglid) ein SDZangel feinet
Talentes ober menigftenS bie Solge ber faft abfidjtlicben
UnliebenSmürbigfeit, momit ber fo auS feinem Rieben ©es
riffene ftd) gab, um nur aUeS Sentimentale, Sdjmädfticbe unb
Alltägliche ju ocrmeiben. Sdftefier, ber offenbar ein fdjarf*
finnig üeranlagter $opf mar, f)atte halb meg, bafj fid) ©ufftomS
„ÜDZalja ©uru" nicht üiel anberS laS, als etma SßoltaireS
„©anbibe", unb ber Mangel beS perfönlidjen ©rlebniffeS, ben
fold)e Sßrobuftionen ju oerraten fdjienen, empfanb er alS
bollige Unnatur; babei ftettte er in feinen literarifdjen $rins
jipien, bie fid) bamalS ju einer nie fertig gemorbenen
ßiteraturgefd)id)te oerbidften feilten, aufjer ben geiftigen An*
fprüd)en, in benen ©ufftoro mabrlid) nid)tS ju münfdjen übrig
liefe, aud) lünftlerifche, bie er beim Stubium ©oetbeS fid) an=
geeignet hatte. ®af? aufjer bem Inhalt auch bie Sonn gur
5J3oefie gehöre, bafj jeber Stoff feine eigne fünftlerifdje gorm
Perlange, baS maren allerbingS fdjoit Ahnungen, bie ©ufcfom
bereite ebenfalls aufgeftiegen maren unb nid)t auS ber Scfeule
SRenjelS flammten, ber ©upfomS noöellifttfdje DZarrenbriefe
fur^erbanb umfrifierte, fid) mit Sebagen auf ben ©rfolg be=
rufenb, ben feine gleiche ÜJZanipulation fieben 3;abre oorber
bei £>auff3 „ÜDZann im SÖZonbe" errungen batte. 2JZit ber
felbftPerftänblicben SBeftimmtbeit üorgetragen, mie bieS bie Art
eines jungen 5>oltrinärS mie Scfelefier mar, rüttelten fold)e
Sorberungen ©ujftom in ber $iefe auf, unb für feine Schrift*
fteUerei begann in ber $at eine neue ©podje.
S'lar tritt biefe innere Häutung jutage, menn mir auf
bie eben erfdjeinenben jmei Häubchen „UZooellen" bie S*ad)t
beS Sommers 1834, bie 9fooeUe „55er Sabbujüer Oon Amfter*
bam" folgen feben. 55ort btftorifd) oerbrämte ©egebenbeiten,
hinter benen überall bie fa'irifd) lädjelnbe Überlegenheit beS
AutorS fid)tbar ift, fo bafj fid) bie jroei fdjon genannten ©er*
Uner ÜDZilieuftubien fe^r ungefdjicft in folc^er 92ad)batfcbaft auS=
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36
ffart ®u$foto8 Sebctt unb ©djaffen.
nehmen, pfpdjotogifdje Stoffe, ju benen e8 fc^noer ift, noch ein
tntimeS GerhältniS ju geminnen unb bie eben nur burd) ben
Sßecpfel ber Gegebenheiten 9 ieij erhalten. Unb h* cr bet
9 Heberfd)lag eines eigenen ©rlebniffeS, ooH $raft unb über*
jeugenber Wahrheit unb baher in Stoff unb gorm noch paefenb
ju jeber $eit.
®er Gefudj in ßeipjig tonnte natürlidb ein foldjeS SSert
nicht juroege bringen. ©u^lomS Gertiner Gerbältniffe forgten
bafür, baß bie innere Granbung nicht §ur fftupe tarn, fonbem
fid) ju einer ^erftörenben Sturmflut fteigerte. AuS ber $eit,
ba ©ufcforo tn Seipjig raeilte, liegen Griefe SftofalienS an
©ußforo öor, rührenb einfache, ^erätg = liebeöolte Griefe, bie
baS befcheibene 2 )afein be§ SüiäbchenS mit ber mehr unb mehr
ängftlid) befrembenben ©jiftenj beS SchriftfteüerS vermittelten.
SSeldje ©efühle mosten fid} feiner beim Sefen biefer Griefe
bemächtigen! Sie jauberten ihm eine gbpfle Vor, bie er 3er*
ftörte, menn er nur an ihre Getmirflid)ung bad)te. ®ie ©es
liebte hatte fid) ih m in ben Kämpfen ber brei gahre, feit
benen er fie fannte, geiftig genähert; bie Griefe mären nicht
geiftreich, aber bon jener liebebotlen Originalität, bie jebeS
Urteil öermhrrt. Sie mar beherzt genug geroefen, ben £raum
bon einer theologifchen SBirlfantfeit ipreS AuSermählten §u
bergeffen, felbft bie Sftutter hotte fich in ben ©ebanfen ges
funben, einen Oberlehrer jum Sdhmiegerfohn 511 erhalten. Gon
bem abermaligen SSedjfel feineS ©ntfchluffeS, ber ihn nad) Deibels
berg trieb, hatte ©ußforo bietteid)t nid}t§ ben beiben grauen
berraten; fd)on Anbeutungen führten eine ®rifi§ h er ^ e ^ bie
jeitroeilig jebe Gerbinbung mit Gerlin abbrach- ®ann mar
e§ boch mieber jum grieben§f c^lug gefommen. ®er (Srfolg
bon ©ußforoS erfter fd)riftftelleri)d)er 2ätigfeit fonnte fd^lieg=
lief) nicht ohne Söirfung auch auf bie Springe Gilbung unb
ben fleinbürgerlid)en Sinn beS Scheibemantelfdien $aufe§
bleiben. SBährenb ©ußfomS Aufenthalt in ßeipjig fehen mir
bie beiberfeitigen gamilien im engften freunbfd)nftlid)en Gers
lehr, beffen üDiittelpunft naturgemäß baS jufünftige junge
Gaar bilbete. Aber mar e§ nicht gerabe bie§ familiäre ÜDiilieu,
ba§ ben fo anber§ gearteten Gräutigam bebrüdte, biefe ent*
feßliche gamilie, bie bie §er^enSgeheimniffe ihrer fölitglieber
SRofaHe ©c^elbemantel.
37
an fiel) rifj unb mit berfelben taftlofen Siebe jum ©egenftanb
if)reS SifchgefpracheS machte! @ie miffen nicht, maS fie tun,
aber beleihen läßt e§ fidh ebenfomenig! ga, wenn er tttofalien
auS biefem ganzen Söoben hätte berpflanjen lönnen, meit, meit
fort! ©ie mar ja nod) jung unb bie Stnfäße ju anberm
2Badh§tum fdhienen borhanben! Slber biefem Sßlane, ber auch
auSgefprodhen mürbe, miberfefjte fid£) in natürlichem ^nftinft
bie ttftutter mit all ihrer temperamentbotten Stutorität. Unb
menn er felbft tttofalien in biefem Greife mit ber ©rajie ber
Sötte 2Bertfjer§ galten unb malten, in bem SSerfefjr mit ben
greunbinnen, im häuslichen 2un, in ihrem Kirchgang ju
©chleiermacherS $rebigt mit innerfter öefriebigung aufgehen
fah, fühlte er ba nicht eine unfaßbare ©dheibemanb smifchen
fid> unb ber beliebten, bie forträumen ju motten eine innere
Slpung ihm alS unmöglidh bemieS? §ier begann ein SSirbel
bon Problemen, ber alles fortjureijjen brohte. gm Slpril 1834
bradEjte baS „üttorgenblatt" ©u^fomS niebliche ©li^e „$aitarien*
bogelS Siebe unbSeib"; bie mochte Anfang beS galjreS, biel*
leidjt in Seip^ia felbft gefdhrieben fein unb mar burd)au§ eine
gronifierung feines 33erhültniffe3 $u ttiofalien, ein fdpnerj^
lidheS Säbeln über biefe &uSfid)tSlofigIeit einer Siebe, bie ihn
noch mit botter Seibenfchaft umfing. Stber nod) ehe fie er=
fchien, mar baS Unbermeiblidhe bereits eingetreten, ©eit ber
Verausgabe beS „2J?aha ©uru" hatte fidh ber Verleger ©otta
allen ©rnfteS bemüht, ben bielberfprechenoen jungen Slutor fo
feft mie möglich an feinen SSerlag gu feffeln. ©r hatte ihn
nidht nur $u ^Beiträgen für bie „Slttgemeine 3eitung", baS im
©üben bamalS auSfd)laggebenbe politifche Organ, aufgeforbert,
fonbem ihm eine fefte tttebaftionSftettung in SlugSburg an*
Ö en; Anfang 1834 fdjmebten biefe SSerhanblungen nod), ba
im mit einer bemunbernSmerten Objeftibität baS gür unb
SSiber einer foldjen ©tettung abmog, bie beS ©hrenbotten im b
tttei^enben gemifj bieleS bot, aber feine freie $robu!tion ebenfo
fidjer beeinträchtigen muffte, fomohl.burcf) ihre geringere $8e*
megungSfreiheit, als auch borcf) bie Überladung mit politifdjer
gournaliftif. Stber er hatte gleid)mohl fich fchon p regele
mäfjijjer ttftitarbeit an ber „Slttgemeinen Leitung“ eingefunben
unb in bem bergangenen SBiitter mancherlei Stuffä^e für fie
3d by Google
38
Äarl ©ufclotoS Sebeit unb ©djaffert.
getrieben. ®a ftarb am 12. gebruar 1834 ©djteiermadjer,
unb fein £ob gab Söeranlaffung ju einer ©parafteriftif be§
berühmten fßrebigerS, bie roeii abmidp non ber äftaffe ber be=
fonberS in Serlin erfdpeinenbeit Sftefrologe. ©upfom pob im
©egenfap ju ben ortpobojen (Stimmen, bie ben £oten als
einen ber irrigen beanfprucpten, bie freie geiftige ©ntmicfiung
©cpleiermacperS pertmr, bie nur in ber ©cpmädpe unb bem
9iupebebürfni§ be§ 2IlterS, ba§ felbft einer „Union", mie fie ber
$önig griebricp SSilpetm III. bamalS ben beiben lutperifdpen
$ird)en aufoftropiert patte, bei$uftimmen fdpien, ipr natürlidpeS,
menn aucp bebauernSmerteS ©nbe gefuttben pabe. tiefer
Sftefrolog ©upfomS macpte in Söerlin ba§ größte Sluffepen.
giir fftofalien mar ©dpleiermadper ber Inbegriff ber Religion
felbft gemefen, unb beitnodp öerbarg ©upfom ipr ben Slujfap
unb feine Sßerfafferfcpaft nidpt. 35a§ mar jubiel! üßit bem,
ber bor ber pepren ©efiatt ipreS angebeteten SßrebigerS feine
©prfurcpt mepr patte, fonnte fie feine ©emeinfamfeit mepr
paben! S 8 i§ pierpin unb nicpt meiter! SBenn audp ba§ |>etj
berblutete, — pier ftanb fte auf iprer fDiutter ©eite, bie boU
©ntrüftung ben „©otteSIeugner" bon ber ©dpmeHe mie§.
$icfe fdpledpt beftanbene $robe ber ©eliebten marf ben
fidp nur ber maprften Triebe bemühten ©u|fom banieber;
förperlidpe Sfranfpeit, bon ber er in feinen jungen ^apren
öfter peimgefudit morben ju fein fcpeint, erpöpte nocp bie
feelifdbe ®epreffion, unb ju allebent begann jept audp ber
?lnpalt an SSolfgang SRenjel ju manfen. ®em Uterarifdpen
®iftator in Stuttgart patte ber Übermut feinet ©cpüplingS
in ber 33orrebe ju ben „Lobelien", bie ipm §u biefer 3eit in
bie Jpäitbe tarnen, ganj unb gar nicpt gefallen, unb er fanbte
ipm eine fepr energifcpe Stbftrafung. ©r fonnte natiirlicp
nidpt apnen, in melcp franfpaft überreiztem ftuftanbe fie ben
©mpfauger treffen mürbe. ®ie fofortige Sünbigung feiner
SKitarbeiterfdpafi unb bie 3urücffenbung eines SöauenS 51 t
re^enfterenber 33üdper Härten ipn erft bariiber auf, bap er bei
©upfom einen munben fßunft getroffen patte.
$u§ biefer ber^meifetten Sage, in ber ein ganje^ ©tiicf
feines SebenSbaueS über ©upfom jufammenäuftürsen bropte,
befreite ipn ein greunb auS SDtüncpeu, namens Äarl Sömentpal.
itized by Goog
„&er Sobbujäer ton Ämfterbam".
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9lt§ ©tubent ber Siebte patte er fiep an ben SSerfaffer be§
„2J?apa ©uru" angeftptoffen unb ipm eine per^licpe greuttb*
fcpaft entgegengebracpt. @r batte unterbeö fein ©tubium be=
enbet unb gebaute, fid) bem Söucppanbet ju roibmen. ©r befafj
eine ©mpfinbung bafür, bafj in ben jungen SDicptern jener
©podje etroa§ 9ieue§ fiep emporrang, unb bafj untemepmenbe
Scanner nötig roaren, biefe§ 9ieue au§ ber bueppänbterifepen
£aufe ju peben. Sin ber ©pipe biefer feiner s $täne ftanb für
ipn ber 9inme ©uptoro, unb biefen fuepte er jept auf, um
mit ipm ben ©ntrourf feiner Brunft ju madjen. @r befreite
ben greunb 5 unäepft au§ einer Umgebung, bie roie mit Ringern
auf ipn roie§, unb napm ipn mit nad) Hamburg, roo an ber
fd)önen Stifter eine gemeinfame SEBopnung bezogen mürbe. 5)ie
Neuheit be£ Orte§, bie 2tu§fpracpe mit bem greunbe, ber
SSerfepr mit ©efinnungSgenoffen roie ßubotf SBienbarg unb
perborragenben ißerfönliepf eiten roie ©abriet 9iiefjer, bie ©cpön*
beit ber Umgegenb unb bie leben§frifcpe -Diiene ber alten
^panfeftabt, bie§ atte§ fcf)eitdf)te altmäplicp bie ©Ratten bon ber
©tim, macpte ba§ Stuge roieber Itar unb ben ©inn roieber
munter; ba§ bropenbe Unroetter begann fern am ^rorijont ju
berfcproinben, unb auf ben blauen SSetten ber Stifter gtiperte
bie ©onne. Stt§ ©upforo im tperbfte Hamburg bertie|, roar
er roieber gefunb, teibtiep unb geiftig, unb er patte jenen
tiefften ©cpmerj feiner jungen $apre nicpt nur at§ SJienfd)
überrounben, foitbem aucp at§ ®id)ter niebergeäroungen. Slu§
feinen eigenen Kämpfen roar ba§ öefennerfcpidfat ltriet
Stcofta», au§ 9tofatien§ Stbfatt ber beriidenbe Sluffcproung unb
fcptiefjtiepe Kleinmut ^ubitpS bidpterifd) emporgeroacpfen. S8a§
er in ber hobelte „®er ©abbujäer bon Stmfterbam" nieber*
gefcprieben, roar bie ©efcpicpte feiner ©eete. Sie Sicptfunft
roar ipm bon ba ab nicpt nur eine Xättgleit be§ ©eifteS,
fonbem ein ©tüd feine§ Sebent.
SBöUig frei boit alten pemmenbenSRüdficpten, unumfd)ränfter
$>err feiner felbft im S3eroufjtfein feinet SatenteS, napm nun
©upforo bie ©eftattung feiner Bufunft feft unb jietberoufjt in
bie ipanb. Sie näcpfte Stufgabe roar, fid) ein eigene^ Organ
§u fdjaffen. Sen Stnträgen ©ottaö roicp er au3; er roottte
nidjt auf bie Eßotitif unb auf mancpertei mit ber StugSburger
y Google
40
ffart ®ufcfoto8 Seben unb ©Raffen.
Stebaftion öerfnüpfte med)anifd)e 5Eätigfeit öerpfli htet fein.
Sein Hamburger Verleger Jpoffmann unb ©ampe backte au bie
©rünbung eines SiteraturblatteS, unb ber SSerfaffer ber „Sriefe
eines Darren“ wäre if|m fd)on als IperauSgeber red)t gewefen.
Sie Stüdficbt auf bie mangelnbe ijßrefjfreihett burchfreugte aber
bie Serroirtltd)ung be§ ißtaneS; ©amOeS gefamter Vertag war
bamat£berSörnef<hen ^ßariferSQriefe wegen inißreufjen Oerboten.
Söwenttjal !onnte nod) nidE)t gu eignen Unternehmungen auShoIen,
ba feine ©Item feinen planen wiberftanben unb ba^er
bie Mittet fehlten. Stuf ber Stüdreife bon Hamburg ben Sthein
hinunter fe|rte ©upow mehrere Sage im ©tternbaufe feines
greunbeS ein, unb ber giinftige ©inbrud be§ jugenblid)en
Autors loderte wenigftenS ben ©oben, ber benn auch im
nädjften 3ah re toie oerabrebet bebaut werben fonnte. Sie
Serbinbung unb ben guten SSilten ©ottaS gebachte [ich aber
©ufcfow gu erhalten, unb nad)bent er nodh einige gerienwod)en
mit ßöwenthat im Sabe Schwatbad) gugebrad)t hotte, wo fie
wieber mit grau Sirch^ßfeiffer gufammentrafen unb ben
Münchener Umgang fort festen, eilte ©ufjtom gunüdbft nad)
Stuttgart, um mit ©otta bie Serabrebungen gu treffen, bie
er felbft für bie geeignetften hielt. Saraufhin begann er für
bie „Stilgemeine Leitung“ eine Serie Oon ©harafteriftilen ber
bebeutenberen potitifdjen ^erfonen gu fdjreiben,.. bie im
$erbft 1835 auch at§ Such unter bem Xitel „Öffentliche
©haraftere" an§ Sicht traten unb burd) ihren Steidljtum an
Sßiffen, burd) bie Überlegenheit beS ©efid)t§punfte§ unb ihren
geiftreidjen Stil fogar in bem öfterreidjifchen StaatSfangter, bem
gürften Metternich, einen aufmerffamen Sefer fanben. Ser
Slufenthatt in Stuttgart hotte aber noch einen anbern 3^ed.
©S galt, bie Unflarheit in bem SerljättniS mit Menget auf
trgenb eine SBeife gu befeitigen. Siefer muß mittlerweile
ntilbere Saiten aufgezogen hoben, unb fein früherer Slbjutant
war wieber foweit befänftigt, baf? auch ber SBunfd), Mengein,
ber nach Stalien reifen wollte, behilflich gu fein, gu ber Steife
nach Stuttgart beigetragen hotte. Sie perföntitf)e ^Begegnung
brachte fie aber nur nodh mehr auSeinanber; fte fdbieben in
heiter gehbe, unb im Stoüember fdjirieb ©ufcfow an ben Seif)=
giger greunb Sdhtefier einen Srief, in bem er ihm feine 2o8=
Google
S5a§ ßiteratuvtilatt junt
41
fagung bon ERengel mittcitte unb befreit gange auf Bernidjtung
auSgehenbe $ampfeS»oeife gegen bie junge ßiteratur, »nie er
fte im folgenben $al>re tjerDorfefjrte, im borauS prophezeite.
©upfotoS fritifche Sätigfeit am „ßiteraturblatt" fyörte bamit
auf; ©ottaS ©unft hielt i^m aber baS „fDiorgenblatt" nodj
offen, unb ^ier erfdjienen im Oftober „'Ser ©abbugäer bon
51mfterbam", im Segember bie bramatifdje ©tubie „Marino
galieri" unb mehrere Fragmente auS ber Sragöbie „SRero",
bie er fdjon feit bem grühi a h r in Arbeit hatte, ©d)on als
©u^fott) mit ßaube auf ber ffteife nad) Italien »nar, patte er
gur Überrafchung feines Begleiters bie »Äußerung getan, baß
fre beibe eigentlich für bie Bühne arbeiten mufften; ber Ber*
feljr mit ßeroalb, ber jeßt auch mieber in ©tuttgart meilte
unb mit bem ©djaufpieler ®arl ©epbelmann unb bem fRe*
giffeur 2Rorib einen anregenben UmgangSfreiS für ©u^foro
bilbete, mußte bie probuftibe Sätigfeit beS ©djriftftellerS auf
baS Sweater htnlenfen. SßaS er ihnen aber an folgen Salent*
proben borfepte, begegnete einem ungläubigen ®opffchütteln
unb nicht mit Unrecht bem Bortourf ber Bühnenunmöglichfeit,
für bie biefe praftifdjen Sheaterleute naturgemäß ein fcharfeS
Sluge hatten. Sie ©mpfinblidjfeit beS Si<hterS mürbe baburdj
aufS tiefrte berleßt, uitb mtt ben „bramatifchen Umriffen"
„Hamlet in SBittenberg", bie 1835 in ßetoalbS „Sheater=
rebue" erfdjienen, unb ber SluSgabe beS „ÜRero" fdfrofren
©u^fomS erfte bramatifd)e Berfuche borläufig ab.
Sen Berluft beS 2Rengelf<hen „ßiterahirblatteS" fonnte
©ußforo mit fftuhe entbehren, benn ©nbe 1834 hatte er baS
£>auptgiel biefeS £jah*eS erreicht: er hatte fein eigenes Organ
in ber bon bem Budjhänbler ©auerlänber unternommenen
grühlingSjeitung „Bhöitij", gu ber er attmödjentlid) ein ßite=
raturblatt fdbrieb. 5lm 7. Januar 1835 erfchien bie erfte
Kummer biefeS ßiteraturblatteS unb am 28. ßluguft, nadjbem
auch biefer SöirfungSfreiS ihm gu eng gemorben, bie lebte.
Slber in biefen acht SRonaten beS „fßhönij" ftecfcn bie tt»tch=
tigften ßeugniffe für ©ubforoS ©ntmicfelung felbft unb für
ben ©eift ber gangen lüerarifchen ©poche, fotoeit fi<h if)re
Bertreter gur $ugenb, gum „jungen Seutfdfranb", rechnen
fonnten. Sie Blätter beS „fßhonij" felbft brachten frifdje
42
J?arl ©ußtotoä Seben unb ©Raffen.
UnterhattungStüeratur, unb ju ben Mitarbeitern ^äffttcn, außer
bem SRebafteur ©buarb 5)uUer, latente wie ©eorg ©üdjner,
Subwig Sedjftein, griebridf) öon ©aEet, Seopolb ©djefer,
greifjerr öon ©aubß ; felbft ^uftinuS ferner ift hier bertreten, unb
SRüdert begrüßte bie junge ©arbe mit wohlgemutem 3 ufprucf).
®a§ ßiteraturbtatt aber fcßrieb ©ußfow felbft, unb ba§, wa§
er fidj hier -$um Qkle feßte, pofitiöe fdtjöbferifcße ®ritif ju
liefern, ift fein Ieere§ 23erfpredjen geblieben. $aS Siteratur*
blatt 5 um „*ßhönij" t>atte ein anbre§ Sluäfetjen wie ba§ jum
„Morgenblatt", begann nid)t mit ben 93uc^titeln in ermübenber
Häufung, fonbern ging öon ben ^erfonen au§, öon ben großen
S 8 e§ügen, bie djarafteriftifd^e £t)pen unb auffaEenbe Eiidjtungen
ber $ e ü barfteEten. 2tEer ©eift, aEer ©ntt)ufia§mu§, aEer
2Biß unb aEe Malice, bie ©ußfow fo reichlich 5 U ©ebote
ftanben, fammelte er fjier in literarifcfjen Manifesten, bie mit
ißrem pridetnben, fubjeftiüen ©til ba§ literarifd)e Milieu jener
3 eit nicht weniger flar wiberfpiegeln als? bie Fragmente ber
SRomantifer ein Menfd)enalter üorher. ©ie finb öon einer
grifd)e unb Unmittelbarfeit, bie ben jungen Slutor, ber fidh
jum erften Mate böEig rücR)aIt!o§ unb unbefümmert geben
tonnte, gan-j im Söanne feiner immer groß erfaßten Stufgabe
hinfteEen, unb fie Perfekten aud) ihre jünbenbe SBirfung nicht;
ob ihrer (Streitbarleit waren fie nid)t nur in ber trauten 9Mhe
ber fchwäbifchen ©djule, fonbern aud) unter ben mitftrebenben
©enoffen be§ „jungen ®eutfd)lanb§", bei föeinrid) Saube unb
^heobor Munbt, nicht wenig gefürchtet, ©ußfowc? betebenbe
Stätigfeit führte bem „^^ 011 x 5 " junge Kräfte ju, unter benen
bie bebeutenbfte ©eorg Söücf)ner war; fein „^Danton" ift be=
fannttich im „^hönij" juerft erfcßienen, unb ©ußfowä ^nitiatiöe
ift e§ ju üerbanfen, baß biefe Stat be§ genialen 2 )id)ter§,
Wenn audh nicht in ihrer urfprünglidjen ©d)tljcit, an bie Öffent*
lid)feit gelangte. 5Die betriebfame -Matur ©ußfowS war in ber
Etebaftion eines angefetjenen 23latteS in ihrem ©lement, unb
weitere Unternehmungen Uterarifd^er 2t rt würben gleichfalls mit
finbigem OrganifationStatent erfonnen. 3 « einer Überfeßung
be§ franjöfifchen EiomaniiferS SSiftor £>ugo wußte ©ußlow
Mitarbeiter wie greiligrath, S3üd)ner, $fißer, ßaube u. a. $u ge*
winnen; ju einer gortfeßung ber ßkhtenbergfchen ©rtlärungen
SSortebe $u Scf)(eiermacf)er8 Cucinbetifctiefen. 43
<pogartljfd)er ®upferftid)e fchrieb er eine ©orrebe, unb ju Untere
nehmungenberftollegen, äu 2 e»palb§ „S^eaterrePue" unb feinem
„©absAlmaitad)" ufm. hatte er ftet§ .einen Beitrag jur £anb.
„fftero" mürbe ootlenbet, unb au§ ben „Cffentüdjen S^arafteren*'
ermud)§ ein ©uri). SDabei lebte er nid)t mie ein Stuben*
gelehrter in feinem granlfurter Ipeirn, fonbent freute fid), in
ber bortigen ©efeUfrfjaft eine gute gigur p madjen, ^ielt
humoriftijche ©orträge in bem herein „SÖßufeum", unb lebte
ben größten 5£eit beS SommerS über auf Reifen mit Söroen*
ihat jufammen in SDlannheim, ^eibelberg, ©oben* ©oben,
Sdjmalbad), perfekte mit Auerbadj unb 2enau unb trieb über*
fjaupt in einem (Strome Pon Anregungen, ber bie mannig*
faltigfte ©robuftion mit fid) brachte.
Ob aber nid)t biefe§ Unftete be§ 2eben§, biefe fieberhafte
fftafitofigfeit ber Arbeit Au§ftral)tungen einer innern Unruhe
mären, bie ba§ feelifcbe Alleinfein jur Clual machte nnb fid)
nur in einer immer madjen Aufregung, einem fortmäprenben Abs
gejogenfein burcf) anbre ©inbrüefe erftiefte? Afte§ fprid)t für
eine foicf)e ©ermutung, »Denn mir bie intintfte ©robuftion
0 )ufjforo§ in biefem ^af)re in§ Auge faffen. QDer fftefrolog
auf Sdjleiermadjer mar burd) feine Oerl)ängni§ooiIen Söirfungeit
auf ben 2 iebe§mut 9iofalien§ mit ©u|jfom§ (Srlebniffen auf§
engfte oermadjfen; fein Söunber, bafj ber 9fame Sd)leiermacf)er
i^m »Die ein f)öhnenbe£ @^0 im £)f) re Mie&- SBunber,
ba| aller ©roH, alle ©itterfeit, bie fid) in ihm angefammelt,
nod) einmal burd) biefen Sfameit machgentfen »ourben. ®ie*
felben üßänner, por beren ®emeinfd)aft ber Dfefrolog feinen
gelben hotte fdphen fotten, gebachten bem £oten burd) eine
Sammlung feiner SBerfe ein ®enfmat 5 U fefceit, aber e§
»Durbe halb befannt, bafj bie pifante Arabe^fe auf biefem
$)enfmal, Sd)leiermad)er§ ©riefe über ben erotifdjen fRoman
„2ucinbe" Pon griebrid) @(f)tegel, baPon au§gefcf)loffen merben
foüe. ®a§ burfte nid)t gefdjehen, um fo meniger al§ ber
©egenftanb biefeä Perpönten ©ud)e§, ba§ Problem moberner
Sittlidjfeit, auch ber jun_gbeutfd)en ©egenmart roie ein Alp
auflag. Unb fo entfdjlofj fid) ©unfern furjerhanb, biefe ©riefe
Sd)leiermad)erä fofort neujubruefen, unb er leitete fie mit
einer ©orrebe ein, bie in ber STat mie eine praffelnbe „Dfafete
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ftotl fflufefotoS Seben unb Staffen.
in bie ftidenbe Suft ber proteftantifdjen Geologie unb fJJrü*
berie" f)ineinfuf)r. Kott £>ol)n unb (Spott gegen bie „®e=
fdjeitelten“ , Poll ©arfa§mu§ über bie mifjberfranbene meib-
lid)e Sugenb, bie beit „füfjen Kerfeljr ber Gefd)led)ter" jur
Unnatur manblc, boH propl)etifd)en 3otne§ über ba§ ganje
Gefpinft bon Süge, unter bem fid) bie lanbläufigen begriffe bott
Siebe berftedten, malte er eine „Genialität ber Siebe“, beren 93e=
urteilung nic^t bom Sittlichen, fonbem bom ©d)önen au§gel)t
unb über bie ttnfiitlicf)feit ber moralifcben Gemoljnljeit bie
feufdje ©ünbe be§ „entjüdenben SlugenblicteS" fefct. ®a§ alleä
mar fdjon bor if)m gebaut morben, Gu^tom mar nur ein
©lieb in ber Sette, an ber, bergeffen mir ba3 nidjt, bie
jüngfte Gegenmart eifriger fdjmiebet benn irgenb eine frühere
Gpodje; aber fo gerabe$u, fo mit unmittelbarer Slnmenbung
auf ben Stugenblid, fo mit gingern meifenb unb l)of)nlad)enb
l)erau§forbernb, hatte man foldj Gbangetium nod) nid)t ber=
nommen, unb e§ märe gemifj ungefdjrieben geblieben, hätte
nicht fein ülutor fid) felbft bamit ba§ ^erj erleichtert. Kur
bie innerfte fdjmerjlidjfte Gntriiftung fonnte bie äfeenben
SSorte, bie bermunbenben SSenbungen biefer SSorrebe finben,
unb nur ber felbftquälerifd)ften Kefigitation lonnte e§ miber*
fahren, bah fte felbft bie berlorene Geliebte in biefem 3^*
fammen^ange mie eine Gibe8f)elferin mit -Kamen blofjftellte.
2)ie SSorrebe madjte in Berlin befonberS ba§ peinlid)fte
§luffel)en, unb Gupfom hatte triftige Grünbe, im grül)ialjr
1835 feine Katerftabt, bie er eben jefct nad) ber 9lu§gabe be§
Keubrudä ju befudjen gebaute, ju meiben. ülber felbft biefe
Slnllagefdjrift gegen baä $pi)iliftertum ber 3 ß ih bem
^arabieäbogel feiner Siebe fo graufam alle bunten Sehern
auSgerupft, genügte bem 5>id)ter in Gujjfom nicht; burd)
einen Kornan modte er biefe Grunbfäfce nod) einbringlidjer
pr 21nfd)auung bringen.
©djon im Januar 1835, al£ er bie Sßorrebe fdjrieb, trug
er fich mit biefem Klane, ber $ob ber Gbarlotte Stiegli^
hatte ihn im I^nnerften getroffen; aber befonbere Greigniffe
traten nod) Ijinju, um feinen uuficfyer fdjmanfenben poetifdjen
Gntfdjlufj ju beftimmen. SSar fd)on bie t^eologifdje ©timmung
jener 3eit überaus ftarf, in bem ©inne menigftenä, bajj bie
„SSattt), bie Stoetflerin".
45
S8efd)äftigung mit reltgiöfen Problemen alle $öpfe bemegte,
trat ©u^fora felbft öon biefer Stimmung feit Sugenb auf
befeelt, fo Jam gerabe im grühiahr 1835 bie reltgiöfe Debatte
ju einer befonberS ftarfen Entlabung. 2) et erfte £eil beS
„Seben Sefu" öon ©trauß trat erfdjienen unb tnirfte trie
ein ÄriegSruf auf bie Orthobojie. 3)aS roar Saffer auf
©ußfomS 2Küf)le, unb fofort [prang bet ©ebanfe berror, bem
iapfem Xübinget §ur ©eite ju treten. SDeffen Stellung gegen»
über feinen ©egnem mußte bie Erinnerung an Sefftng unb
feinen geinb, ben $aftor ©ö£e, rneefen, unb fie brachte
©ußforo auf ben §auptgegenftanb bet theologifdfen Kämpfe
SejftngS, auf bie Solfenbütteler gragmente,, beS NeimaruS,
bie ber Solfenbütteler SBibUothefar an bie Öffentüdjfeit ge»
bracht fjatte. ®en ©ebanfeninhalt biefer gragmente ben Beit»
genoffen raieber in Erinnerung ju rufen, in neuer ©eftalt
burcf) auSsugtneife SSiebergabe, unb fie pietteidE)t mit einer
ähnlichen tßorrebe §u berfehen, mie bie @d)leiermacf)erfd)en
Sucinbenbriefe, tnurbe nun furjetijanb befdjloffen. 2lber ber
Verleger ^poffmann unb Sampe, bem gurdjt fonft nicht eigen
trar, fdjeute jutücf Por einer Begegnung mit ben Nachfolgern
beS ^aftorS ©öße, unb biefeS Buch blieb ungebrueft. ©ein
Snbalt mürbe aber mit bem Noman rerfc^moljen, ber unter»
beS butd) ein neues Erlebnis in fturmifdjen gluß gefommen
mar. Sn einer ©efettfd)aft bei bem granJfurter Slrjte Sluguft
.ElemenS Jam ein jungeS 9Näbd)en, beffen blühenbeS SluSfehen
unb beitete öaune ©ugfom fdjon öfter angesogen Ratten, bei
jufauiger ^Berührung ber tfjeologifdjen ©treitigfeiten beS SageS
unb ber EhriftuSfrage in eine erfdjrecfenbe Aufregung. SNit
beiben £>änben abroefjrenb, bie Slugen meit aufgertffen, rief
fie ihm entgegen: „$aron reben ©te nicht! 2ln all baS nur
SU benfen mad)t mahnfinnig!" ©upfom mürbe burd) biefe
Sorte um fo mehr erfchiittert, alS er für biefeS SDläbdjen
eine lebhafte Neigung empfanb, ohne baß eS jebod^ $u einer
entfdjeibenben Annäherung gefommen mar. Abgefehen ron
bem mächtigen Snteveffe, baS biefe religiös »pipd)ologifd)e
^atfac^e in bem Beobachter ermeefte, [teilte ber Noman alfo
eine „perfönlidje unb reine ^erjenSangelegenljeit" bar. SeneS
Angfimort hallte in ihm nach- 3)ie s ^robe auf 3 u f*änbe, in
46
ffnrl ©ufcfoto« Seben unb «Scfjaffen.
tt»etcfic bie ßftenfdjheit faßen würbe, and) wenn fic aufhörte 511
glauben, wa§ im SfatechiSmuS ftefyt — eine ^erfpeftioe, mit
ber fcf)on bte Sorrebe ju ben Sucinbenbriefen gefd)loffen
hatte, würbe fein ftänbigel ©rübeln. ®a§ abftrafte Problem
war plöplid) in unmittelbarfter SÖerförperung auS bem Seben
beraub üor i^n hingetreten. ®a§ war ber entfdjetbenbe
SJioment. Um ben $ern be§ SluSjugeS auS ber „Schupfchrift
für bie üernünftigen Verehrer ©otteS" be§ SSolfenbütteler
gragmentiften entfitanb „SSaßt), bie ßweiflerin". Wiener ü 8 or=
faß, ber wie ein $Hip im (Seifte be§ Richters jünbete, be=
jeidjitet aud) in wenig öeränberter ©eftalt in bem 58erhältniS
be§ Ütomanhelben ©äfar $u Söaßp eine entfcbeibenbe SSeitbung.
©upfow woßte ben ©egenfap jwifchen bem „fcbeinbaren
Seidjtfinn einer gebanfenlofen flupenfeite" unb ferneren
inneren dampfen fd)ilbern. SBaßp betäubt burd) ein geräufdj=
bofleS Seben bie religiöfen 3weifel in thter Stuft, bis fte
burcb bie Siebe ju einem geiftreicben , fribolen Sfeptifer in
ben «Strubel wieber hineingeäogen wirb, wo fie bann, für
folcpe Kämpfe nicf)t erlogen, ber ^Bezweiflung feine anbre
$raft entgegenjufteßen üerrnag, al§ ba§ „bifjchen Sterbens
woflen". einem inneren ©rlebniS ift alfo bie poetifcbe
©runbform ber „SBaßtj" ermadjfen, unb fie mufj für jene 3eit
ebenfo als ein StimmungSauSbrud betrachtet werben wie
©oetpeS „Söertfjer" für ein f>at 6 e§ !j$abrhunbert juüor, mag
aud) bie poetifcbe gorrn nur eine biirftige fein. 2 )ie
gorm war fdjon baburd) ^erbrochen, bap bie poientifd)e Sen*
benj gegen £h eo i° 9 i e u °b ®ird)entum weitaus bie ^)auptfacf)e
War unb* bie romantifd)e ©infleibung mit ihrer fo befdjeibeuen
©rotif ganj bapinter jurüdtrat. ©in StimmungSauSflup ber
©podje, ift biefe „SBaßtj" burcp ihren gelben ©äfar aud) ein
33ilb bon ©upfowS eignem Innern; er objeftibierte fich fo weit,
um auS Äonfliften, bie er felbft beftaitb, bie ft'onfequenjen
sieben ju fönneit auf einen ©fjarafter, ber nicht wie ©upfow
feloft in einem arbeitSreidjen Seben einen Jpatt gewonnen hat.
©upfow featte feineSwegS bie Stbficht, mit ber fchledjt be-
rufenen „ 3 erriffenheit" beS „^tmgen ®eutfd)lanbS" ju fofet=
tieren, wenn er auch einmal furj borper einem greunbe ge=
ftanb, bap fein ganzes Seben nur auS 'Jtefignation beftepe.
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$ie „Jeutfcfje JRetme".
47
3m Gegenteil, er wollte fid^ nid)t unterfriegen taffen, er
wollte fiel) burcßfeßen, fetbft auf Soften mancher polijets
Wibrigen 3beale. SSie er einmal an öüdjner fcbrieb, wollte
er fid) freiljalten bon ber Sxanffjeit jener 3eit ; ber „Scham,
nicf)t ungtücftid) ju fein", unb er halte fid) mit feftem Mute
in bie jahlreidjen ju erwartenben ipinberniffe feiner ©c^rift=
fteUerlaufbahn gefunbeit. Gr wollte nid)t l)erau§forbern, aber
e§ gärte in igm 51 t Ijeftig, unb er fta! ju fe|r in biefen
Gingen brin, fo baß er feine SDiftanj mehr ju ihnen halte-
rn ber gefteigerten Gmpfinbung jener 3eit unb unferä 9Iutor§
im befonberen glaubte er fid) nod) wunber wie mäßig unb
unterfdjä^te bie Tragweite feiner SBorte böllig.
Gr foUte halb eine§ befferen belehrt werben. Sll§ eins
mal ber 9ioman im gluffe war, fd)rieb er ihn in brei Söodjen
nieber, unb ebenfo fd)neU würbe er in granffurt gebrucft,
ohne baß ber Verleger Söwentljal, ber mit biefem Sudje feines
greunbe§ fein S 8 erlagagefd)äft eröffnen wollte, Dorier eine
3 eile babon gelefen l)atte, unb am 16. Sluguft würbe bie
„3SaHt)" abgegeben, obgleich ber Verleger itidjt wenig ob
be§ bebenflidjen 3nl)altc§ erfdjrocfen war. Gußfow aber batte
noch fein 'ülrg. Gr bereitete bielmebr jeßt ben £>auptfcf)lag
biefe§ 3ahre§ bor, bie Grünbung einer großen neuen 3ettßhrift
„Deutfcße 9febue", ju ber er fid) mit einem Geifteägenoffen,
£ubolf Sienbarg, berbünbet batte, unb er berbanbelte eifrig
mit berfd)iebeneit Verlegern. Gotta feiert fogar $u biefem
au£fid)t§reid)en fßlane geneigt, fonnte ficb aber, wobl mit
9tücffid)t auf ba§ „Siteraturblatt", beffen Gjiftenj burdj bie
Sfteugrünbung gefäfjrbet war, nidjt fofort entfd)ließen; fo gab
Gutjfow suleßt feinem greunbe Söwent.hal ben Sßorjug, unb
am 14. September 1835 erfuhr bie Öffentlich feit, baß bie
„®eutfd)e jRebue" bon Gußfow unb SSienbarg in SöwenthalS
Verlag erfcßeinen werbe. ®ie Stufforberungen jur Mitarbeiters
fchaft unb jahlreidje Gjemplare be§ bon Gufcfow berfaßten,
fdjwungboüen $rogramm§ waren bereite bon Gnbe §luguft ab
berfanbt worben, unb manche 3 uftimmung unb 3 ll f a 8 e tt>ar
fd)Oit in granffurt eingelaufen. 5)a führte ber fRebafteur beä
gefährbeten „SiteraturblatteS", SBolfgang Menjel, ben großen
©d)lag gegen ba§ „gunge $eutfri)lanb", gegen bie junge 58rut,
Google
48
ffarl ®ufj?oto8 Sieben unb ©hoffen.
bie unter feinem eigenen Scpupe grofe geworben mar. Unter
ber Überfcprift „Unmoralifcpe Siteratur" liefe er am 11. unb
14. September eine ®ritif ber „SSafip" unb bann noch etliche
„Slbfertigungen" öom Stapel, beren uRafelofigfeü unb befeproö*
renber $roppetenton aEe§ in Aufregung perfekten unb beren
lärmenber SIppeE an bie Staatägemalt iprem ©erfaffer mit
boEftem ffteepte ba§ ERal be§ ®enunjianten in bie Stirne brannten.
®urdp ©ienjelS J^ritif fcpieiten bie 3enfurbepörben unb ber
©unbeStag bie öffentlicpe SReinung hinter fiel) ju paben, unb fte
freuten fiep ber miEfommenen Gelegenheit, mit ber ganzen
jungen literarifepen Stiftung, bie fepon feit einigen §apreit
ju fo manchen eiitjelnen 3*nfurberboten SInlafe gegeben
hatte unb auep, befonber§ bie granffurter, potitifcp pöcpft ber=
bächtig erfepien, einmal grünblicp aufjuräumen. ©creit§ am
24. September mürbe ©uptoroS „SBaEp" in fßreufeen ber=
boten, halb nadjper in kapern gar fonfi^iert, unb fofort
barauf rnaepte auep bie babifd)e Regierung burep ein minifte*
rieEe§ fReffript auf biefe§ bebenfliepe ©uep aufmerffant. $önig
griebridp SSilpelm III. felbft patte ba§ ©uep gelefen unb bar=
über an ben babifd)en ©rofeperjog berieptet. S)araufpin
mürbe e§ am 13. ÜRobember in äRannpeim befdplagnapmt
unb gegen ©uptom unb feinen ©erleger am 16. SRobember
ein gericptlicpeä ©erfapren eröffnet, granlfurt unb SSSürttems
berg folgten mit $onfi§fation am 26. SRobember b§m.
8. ©ejember. fßreufeen erliefe unterm 14. SRobember ein
©erbot afler ©erlagSartifel ber ßömentpalfcpen ©ucppanblung
unb aEer Sdpriften bon ©upfom, ßubolf SSienbarg, tpeinriep
ßaube unb fcpeobor STRunbt in ©egeftmart unb ßuhmft;
burd) ein SRaeptrag§berbot mürbe auep tpeine jenen bier
SRamen beigefellt; ©örne patte man in ber @ile bergeffen.
Unb biefem ©orgepen fßreufeen§ folgte ber gefamte beutfepe
©unbe§tag am lö. ^ejember, inbem er ebenfaüä bie SBerfe
aEer biefer ScpriftfteEer in bie 31cpt erflarte. ®a§ Scpictfal
ber „5)eutfdpen SRebue", bon ber bie preufeifepe ©erfügung
befonber§ Dtotij napm, mar bamit befiegelt; bie SRitarbeiter
mürben, fomeit fie in amtlicpen SteEungen fiep befaitben, bon
obenper beranlafet, bon biefer ©erbinbung juriicfyutreten, ma§
fie audp faft aEe prompt beforgten; monatelang jiepen
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$te Slcljtimg beS „jungen $eutf<f)Ianb8".
49
fiep biefe patb berlegenen ©rftärungen unb ©egenerfförungen
burcp bic ißreffe pin, unb mepr als ein $5u£enb glugfcpriften
mürben Pon greunb unb §einb in biefem „Sallp" Kampfe
gemecpfelt. 9?ad)bem SEen^el eine 25uetlforberung ©uploroS,
bie Sienbarg überbracpte, abgelepnt patte, muffte ber ganje
literarifcpe 3roift eine ftarf perfönlicpe Färbung annepmen,
ba bie ßiteraturblattfritif biefen £on ja fräftig genug an*
geflogen patte, unb ©uplom, aucp pier bon Sienbarg |efun=
biert, fcpleuberte gm ei Sörofcpüren gegen SRenjel, feine „$er=
teibigung gegen SOZenjel unb öericptigung einiger Urteile im
fßublihim", unb ein lepteS Sort „Appellation an ben gefunben
2Jienfcpenberftanb", beren Unborficptigfeiten ipm bei ben ©egs
nern nur nocp mepr fcpabeten unb beren fluge unb berftänbigc
Sorte in bem allgemeinen Särm überhört mürben, ©rojj
fcpien bie 3ßpl ber ©utgefinnten, bie fiep mit ©ntriiftung über
ipn unb baS „$unge $eutfcplanb" äußerten, Kein bie3api berer,
bie unter ber nocp grünen unb rauben «Scpale ben tüchtigen
$em nicpt bekannten; ju legieren gehörten befonberS einige
fteifinnige Geologen, mie ber fötrcpenrat SßauluS in .'peibel-
berg unb einige anbere Sttationaliften.
©uftforo pielt in biefem ©türm mehrere 9D?onate ben
®opf tapfer aufrecht, er ftaf bereits mieber in einem neuen
Vornan „«Serappine", unb ma§ mistiger mar für bie Stanb*
paftigfeit feines ©parafterS in biefer fataftroppenreicpen 3eit:
er fanb bie £anb eines ÜDiäbdpenS, bie fiep feft unb bers
trauenSboll in bie feine legte xum bauernben Söunbe. ©itpfom
mopnte in granffurt in bem $aufe beS fdjroebifcpen ©eneral*
fonfulS ftreinSpcim, unb beffen «Stieftodjter Amalie ßlönne
mar e§, mit ber ber Sßerfaffer ber „Sattp" eine folibe bürgen
licpe @pe einjugepen gebacpte. 33ermutlicp maren fiep bie
beiben eben in biefen Sagen ber SBerfolgung napegefommen,
unb ju ber gegenfeitigen Neigung, bie ba§ nodp jugenblicpe
SDMbcpen unb ben bierunb§manäigjaprigen «ScpriTtfteÜer ber=
banb, trat nun nocp baS erpebenbe ©efüpl be§ tropigen SSer=
eintfeinS einer ganjen Seit gegenüber, baS ipre Siebe ju
einem $beal erpob; in biefer ungemöpnlicpen «Situation lag
aber bielleicpt auep gerabe bie ©efapr für bie 3nfunft biefeS
93erpültniffeS. Sie ficirat mürbe offenbar fepr fepnett be=
SfuSg. SSerfe. I. 4
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iParl ©u^foiDä Sefcen unb ©Raffen.
fdjloffen; am 13. Dftober madjte ©ußfow eine ©iitgabe an
ben fjranffurter Senat um ©rlangung be§ ^Bürgerrechts, ba
er fid) mit Slmalie berfjeiraten unb in granffurt enbgültig
nieberlaffen wollte; er lebte einftweilen immer nod) mit einem
preußifcfjen SluSlattbSpaß, ber im SJZobember ablief; ba er
feine Antwort erhielt, erneuerte er fein ©efud) am 17. ÜJZo=
bember, gu einer 3^it alfo, wo baS iiterarifche ©rbbebeit um
iljn §er fdjoit in bollern ©ange war. 9iod) patte er, als bie
„Teutfdjc fftebue" unb Söwent^aB Sertag in iljren ?ln=
fangen erfticft worben, in bem Sudjfjänbler Sarrentrapp einen
Serleger für eine anbre boit ifjm allein gu fdjreibenbe Seit*
fc^rift „Teutfdje Slätter" gefunben, aber aud) biefe fiel ber
je|d aufgeftadjelten SerfolgungSwut beS SunbeStageS gum
Cpfer, unb nur gwei Hummern würben probeweife gebrueft.
Strn 23. üftobember würbe ©ußfow auf bem granffurter
ißoligeiamt bie Sorlabung bor bal ©erid)t gu S0?ann§eim
übergeben, am 25. würbe feine Sitte um baS ^Bürgerrecht
mit einem SluSmeifungSbefeljle beantwortet, 3;cßt erft würbe
er unruhig. ©nbloS war ja bie Öteilje ber Demagogen unb
politifcßen ©efangenen, bie wegen unbewiefenen Serbad)te§
jahrelang in ftrengfter Jpaft gefoltert worben, benen eine
jugenblic^unbefonnene Teilnahme an einer Surfd)enfd)aft,
ber ja aud) ©ußfow naljegeftanben, bie gange ©jifteng ger*
ftört fjatte, oft erft nad) Sauren, als fie felbft fcl)on biefe
Siinben böUig bergeffen Ratten; als ©itßfow im „$l)önij"
ben Tidjter beS „Danton" auf ben Sdjilb erhob, war Südjner
felbft bon einem Stecfbrief berfolgt auf ber ^turf)!; granffurt
war ber Sdjauplaß politifd)=bebenflid)er Si'ongentrationen.
£>atte nidjt Saubc bis gum grütjjaljr btefeS IgaljreS in auS=
fidjtSlofer föaft gefeffen? Sollte aud) er fid) bem auSfeßen?
Ter ©ebanfe an gludjt nad) granfreid) würbe immer mächtiger;
aber waS bann? Turfte er alles im Stidje taffen, waS er ba*
beim fid) erobert? Ter ©ebanfe an feine Sraut war auS=
fdjlaggebenb. SDZit ÜDZut unb Vertrauen wollte er fid) bem
@erid)t ftellen; bielleidjt baß bieS ber günftigfte SluSweg war.
Sein Sertrauen geriet allerbingS halb inS SBanfen. Um einen
Sroteft gegen bie $8efdjlagnal)me ber „Söallp" gu berfudjen,
war er nad) Karlsruhe gum babifd)en SJänifter SSinter gereift
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3m TOannfjeitnet fflefängniS.
51
unb ^attc bon biefcm bie SBcrfidjerung erhalten, baft bor
©ntf Reibung beS ©erichtS feine perfönlirfje ^'ceifjett ungefäfyrbet
fei. 5luf biefeit Sefdjeib ^in mar er mit „w'ampfeäluft, ja
mit @iege§borfteßungen M nad) SERannljeim gereift, benn mit
ber Freiheit unb ber fERöglichfeit ber ©elbftoerteibigung
fdfien afleä gemonnen. 2lm 30. SRobember ftanb ©ufcfom bor
bem ©tabtgeridjt in ßRannheint. S)ie SIrt be§ S3erpör§ mar
fcfjott eine söerurteilung. -Der 5tmt§rid)ter ©ocfel pflücfte bie
in ber „SöaUp" über ©tjriftentum, ^Religion unb £ugenb ge*
faßten Urteile forgfältig herauf unb beanfprudjte fie burd)au§
al§ SEReinung be§ Mutorä! 9ll§ ©uffom am SERittag jum ©ffen
enttaffen mürbe, begteitete ihn eine $oli§eimad)e, unb nadjbem
ba§ Verhör am 9iad)inittag fortgefe&t morben, mürbe er in
£aft genommen; man ^atte bon feinen gludjtgebanfen 28inb
betommen. 2lße ^rotefte unb ber Slppeß an ben SRinifter
SBinter Ralfen nicf)t§; bie Berufung mürbe am 5. ^bbuar
bermorfen. SRacb fecl)^möd^entUc^er ipaft fanb am 8. Januar
enblid) bie münbtidje JCerljanblung bor bem ipofgericbt ftatt, unb
©u|foro burfte nod^ bon ©lücf fagen, bafj bai baoifcfje Recht
bem 9lngellagten bie mimblidje ©elbftoerteibigung geftattete.
$n einer umfangreichen s lnflagefchrift hatte ber <3taat3anroalt
äRinet ©otteSläfterung, £Beräd)tlichmachung be3 djriftlichen
©laubenS unb ber Kirche unb SDarfteßung ungültiger ©egen*
ftänbe au§ ber „SSaßt)" nachptmeifen gefugt unb gegen ©ufc=
!om ein Sahr, gegen Sömenthal brei SERonate 3ud)thau§ be=
antragt! $5a§ Urteil, ba§ am 13. Sanuar berlünbet mürbe,
lautete aber nur auf einen SERonat ©efängni§, hoch ofine Sin*
red)nung ber Unterfuchung§haft. SRur bie „beräd)tliche ®ar*
fteßung be§ ©laubenä ber chriftlid)en Religion§gefeßfcf)aften"
batte ber ©eric^t^of aufredjterhalten. ®ie (3taat§anmalt=
fdjaft legte Berufung ein, ba bem gi§fu§ gmei drittel ber
Soften auferlegt morben mar. Um bie Unterfudjung§haft nicht
gu berlängern, erflärte fic^ ©ufcforo am 14. Januar gum fo*
fertigen Antritt ber ©efängntöftrafe bereit, unbefdjabet ber
^Berufung, bie fein Slnroalt nunmehr aud} einreid^te. 3u einer
meiteren Rterhanblung aber Eam e§ nicht mehr. £>er $er*
urteilte mar mübe gemorben, bie lange ßaft mit ihrer martern*
ben Unficherfjeit h at * e feine ÄonipfeSIuft gebrochen; nun er
4 *
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52
ffarl ©ufcfotoS Se6en unb ©Raffen.
eine niefjt aflp fchlimme (Gemifiheit hatte, hegte er nur ben
einen Sunfd), bafj bie AuSficbt auf balbige S^ei^ett nid)t
mteber burdjquert merbe, unb em Bittgefuch an ben SKinifter
Sinter, if)n mit ber Qual meiterer Betöre ju Perfdjonen,
hatte (Grfolg: am 3. gebruar nahm ber ©iaatSanroalt bie
Appellation jurücE, unb am 10. gebruar mürbe (Gu^tom frei.
SDer gleichseitigen AuSmeifung au§ Baben lonnie er nicht fo=
fort golge leiften, ba bie ^aft ihn franf gemacht hatte. 3Damt
lehrte er nad) granffurt ^urücf unb erreichte menigftenS hier,
bafj man feinen Aufenthalt roeiter bulbete.
•Kodt; einmal Pon oorne mar nun bie Sofung. Aud) im
(Gefängnis mar er nidht untätig gemefen. -Kach anfänglicher
©trenge mar bie ihm roiberfahrene Behanblung baib milbex
gemorben, er burfte fid) befc^äftigen, 93efuc±>e empfangen unb
erhielt §ule£t auch Süd^er gur Seftüre. $)ie „Allgemeine
Leitung" halte if)m auch je^t ihre ©palten nicht oerfd)loffen.
gn ih* erfd)ienen ohne Kamennennung einige Abfd)nitte fomohl
auS ber ©dprift „^ß^Uofop^ie ber (Gefdjichte", einer Art geift=
reifer AphoriSmenfammlung mit gelegentlicher Stellungnahme
gegen §egel, als auch auS bem Söiid^lein „(Goethe im Senbe=
punlte jmeier gahrhunberte"; beibe maren im roefentlid)en in
ber (Gefangenfchaft PoÜenbet morben. Auch bie oortreffliche
©harafterifti! BernabotteS, bie baS erfte Ipeft ber „$Deutfd)en
IReoue" fc^miicfen follte, mar in ©ottaS Leitung gebrudt morben;
ben neuen Üioman „©eraphine" mit (GufcloroS -Kamen ju
Perlegen, lehnte aber (£otta nunmehr ab. SDie (Goethefdhrift
erfdjien fogar mit (Genehmigung ber preufjifd)en 3enfurbehörbe,
mit ber (Gu^lora fid) nach feiner greilafjung auf guten gufj
ju fteUen fudjte; fie ift eine tüchtige Berteibigung beS gauft=
®id)terS gegen SQienjel unb (GeroinuS, unb faßt -pm erfteit
9Kale auSführlid) bie ©tellung ber jungen ©dhriftftettergene-
ration ju (Goethe in Sorte. Sie „Bhilafophie ber (Gefchidjte" '
mie auch bie ganje 9teihe ber näd)ften «Schriften (GuporoS
mürben in ißreufjen aber nach ro ie üor verboten. ©dhon biefer
Umftanb befagt, bafj bem auS bem (Gefängnis (Sntlaffenen
bie Behauptung feiner (Sjiftens nicht leicht mürbe, befonberS
na<hbem er burd) feine am 18. $$uli 1836 Polljogene Ber*
binbung mit Amalie unb bie am 28. April 1837 erfolgenbe
3 «n 0 e gtje
58
©eburt eine? erften SohneS für einen eignen $au§tjalt ju
forgen hotte. ©er fd)on im Borjahre begonnene fRoman
„Seraphine", in bem ©uhfom eine SiebeSepifobe feiner ^ugenb
in fc^arfer, gerabeju Berber pfpdjologifcher ©ialeftif berroertete,
mürbe junädhft bollenbet, burdj mancherlei neuere Sebent
erfahrungen bereichert unb bon ^»offmann & Campe ans
genommen, Sobiel äJiut aber mar bei anbem Verlegern nicfjt
ju erhoffen, unb fo berfiel ©ujjfom bei feinem näd)ften SBerfe
auf ben HuSmeg, fiel) eines ^feubonpm§ ju bebienen; er
roä^ttc baju fein geringeres als baS be§ biel gelegenen ©.
S. Bulmer. ©c^on 1834 hotte er bem bamalS ihm 6 es
freunbeten Buchhänbler ßiefdjing ein SBerf über bie 8 eitge=
noffen in SluSfidjt geftettt, mar aber ,^u biefer fritifdhen 8 er '
glieberung burdj baS BebürfniS nach rünftlerifcher ^robuftion
nidht gefommen. $efct nahm er ben fßlan mieber auf, unb
im SBinter 1836 bis 1837 entfianben „®ie $eitgenoffen. 3h*e
Schief fale, ihre ©enbenjen, ihre großen ©horaftere." Um ben
©horafter beS englifcf)en ißfeubonpinS möglichft ju mähren,
mürben fie als Supplemente ber mehreren Überfeßungen ber
Bulmerfdhen äBerfe bezeichnet unb eine fReilje englifcher ©harafs
tere auS ber ©rfirtbung herauf hineingezeid)net; bocf) ^telt bie
©äufchnng nid)t lange bor, unb ©ußforo mürbe halb als ber
mahre Slutor erfannt, nicht ohne baß ihm biefe Ijormlofe
fUipftififation als fdhmereS Berbrechen angefreibet morben märe.
©iefeS SBerf ift eines ber bebeutenbften unter ©ufjfomS jugenbs
liehen Schöpfungen unb mirb noch einmal als herborragenbe
Duelle für bie Kultur jener ©pod)e $u ©h ren lommen. ©S
Perfudht ein ööUigeg ©emälbe beS bantaligen materiellen unb
geiftigen SebenS ju geben unb zeugt nicht nur bon einem
ftupenben Söiffen, foitbern bor allem bon einer Schärfe ber
Beobachtung, bie auch ben fteinften Umftanb für bie Bes
tradjtung c^arafteriftifcfter 3nfammenhänge auSbeutet unb
fchon botlftänbig ben (pätern Schöpfer grofjer geitgeniälbe
im SEßerben berrät.
$tlS biefeS Buch im grühjahr 1837 erfd)ien, hotte ©ufes
fom bie nieberfd)metternben golgen feiner „SBattü"s$ataftropbe
überrounben. 3 n feiner befd)eibenen, faft bürftigen $>äuöli(^=
feit unb bem hormonifchen ßufammenfein mit ber lebensfrohen
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54
Äorl ©u{jfoh>$ Sfben un& ©cfjaffen.
Amalie mar ipm ein fefter fftüdpalt ermacpfen, eine fixere
3 uftucpt, bon ber au3 bet $ampf um meitere SBemöprung mit
3uberiicpt geführt merben tonnte, unb biete ^Dämonen ber
eigenen 23ruft tarnen in biefer fröptidjen 3^it ber jungen ©pe
§um ©dpmeigen. Unb ma§ jum tägücpen Seben nötig roar,
aud) bie§ patte fidp gefunben; ©uptom befafj roieber ein eignet
SBIatt, benn bon ben öucpponoraren mar unter ben bamaligeu
Umftänben bie ©jiftenj nidpt ju beftreiten. 3d>ar mar ber
» bie SRebaftion be§ „granffurter ®onbexfation§btatte§",
eitage ber offamfen „DberpoftamtSjeitung", §u ge»
mimten, geheitert, unb aud) bie ÜJiitarbeit an fremben Unter»
ncpmungen, an 2 ematb§ „©uropa", an $otb§ „Jgiftorifdpem
£afcpenbucp" unb fpaier an ber „SJiinerba" bon griebrid)
$ 8 ran erroie§ fidj at§ menig erfpriefjtid). Stber greunbe fanbeit
fic^, bie burdp ©apitatifierung unb ^ergäbe ipreä 9?anten§ bie
©rünbung einer eigenen Leitung mögtid) machten, ©o er»
fcpien am 1. ©eptember 1836 bie „^ranffurter Söörfenjeitung"
mit bem „Sßribitegium eine§ tpopen ©enat§", ba§ man natür»
tid) nidpt bem nur gebulbeten berliner ©uptom, fonbern bent
angefepenen granffurter Söörfenmann unb Äomponiften 2 SU»
pelm ©peper erteilt patte, ber aud) at§ berantroortticher
fRebafteur jeicpnete. 2Ran moüte ben anbern 3eÜungen, ote
am SRorgen erfdpienen, nacpmitiagS fd)on juborfommen. ©upfottt
mar ungenannt bie ©eele be§ ganjen Unternepmen§, er fiiprte
bie IRebaftion unb fcprieb bie täglichen 2eitartifet, „®ombi»
nationen über bie laufenbe ©efcpicbte", bon benen er -jmar
fetbft geftepen mupte, bap fie metjr beobadjtet at§ bead)tet
mürben. 2 Die fdpmerfte Arbeit mar ipm babei, ipnen ba§
„grette unb berräterifdpe Kolorit" ju nepmen. ®ie 3 citung
mar aber bocp nicpt genügenb funbiert, um lange einen ©r»
folg abroarten 5 U fönnen. 5tud) al§ fie mit Januar 1837
auä bem ©etbftbertag in ben tßertag bon SSilmannS
überging, patte ein 5lppett „an unfere alten unb neuen Sefer",
ber „bie unbeftrittene SSicptigfeit" ber 3^itung „für ba§ ganje
öftlicpe ©uropa" in ber Sjerbinbung ber fßolitif mit bem
9Rerfantiti3mu§ pinftettte, fo menig ©rfotg, bap auf eine gort»
fepung gteidp berjidjtet mürbe. ®a§ jept neu geplante Beiblatt
aber, ber „fjrantfurter Setcgrapp" mürbe fetbftänbig fort»
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25er „granlfurter Xelcflrapf)".
55
gefegt imb formte ft cf) mit erfreulicherem ©rfolgc behaupten.
2Bil|eIm (Speper jeic^rtete auch |ier al§ IRcbafteur, bon 9lr. 11
ab jebod) (jbttarb ©eurmann, ber bcfannte »ie i f e f d) r i f i fte Her,
ber bamalä in granffurt meilte unb mäf)renb feiner greunb*
fdfjaft mit ©uptom unb ben übrigen jungen <Sd)riftfteffem
eine nicht ganj einmanbfreie ©erbinbung mit Metternich fjatte,
bie aber toietleidfjt ©ujjlom in bem (Sinne förbertitf) mar,
baß ber beutfdje ©unb i|n unter biefer 2luffid)t gemäfjren ließ,
©ießeidjt gingen bem junädjft 21f)nung§Iofen afimäfjlich bie
Sfugen auf unb er bacfjtc an ©eurmann, menn er fpäter in
ben „SRücfblicfen" Pon ben „(Sparern unb Angebern" erzählt,
bie bi§ in§ Snnere ber gamilie brangen. Sn ber 9iebaftion
biefe§ „Selegrapfj" ift für bie nädjften Saljre ©ußforoS mirf=
farnfte unb umfangreichfte Sätigfeit ju fud)en. &ier gemann
er fd)tittmcife ben ©oben jurüd, ben man i$m ftreitig gemalt
batte; biefe angeftrengte rebaftioneße Sätigfeit glättete bie
j)ocf)gef)enben SSogen be§ <Sturm§ unb SrangS, ber in iljm
getobt patte unb burd) Momente ber ©efignation nod) feinet
meg» beruhigt mar; in einer bemußten Mäßigung feftigten
fid^ bie Slrtfd)auungen, ftäplte fid) ber ßf)ara!ter: ber geringere
©rab ber ©erantmortung unb ba§ barau§ ftießenbe ©efüljt
ber «Sicherheit ließen mieber freier aufatmen nad) bem fdjmeren
Srucf eine§ Sah r e§, unb bie 9?otmenbigfeit be§ @rmerb§
fpannte ifjn ju «Stubien att, häufte bie bielfeitigften Arbeiten
unb führte au mancherlei 2lnfnüpfungen. Süchtige Mitarbeiter
fammelten fid) um bie rührige SRebaftion: gran^ Singelftebt,
$einrid) ffönig, ©abriel Gießer, §tfeyanber SSeiß, $afob
©enebep, Sffejanber $ung, ber eben in feinen „©riefen über
bie neuefte Siteratur" tapfer für ben „Ungenannten" ©upfom
auf getreten mar, unb biefe anbere finb mit ©eiträgen fd)on im
erften ftftanlfurter Sah r 9 an 9 be§ „Selegrapp" bertreten. Sogar
eine fünftlerifctje ©eifage berfucpte man; ber junge SfitbreaS
Sfcheitbadj, ber bamalä in granffurt meifte, h at mehrere
farifierenbe SafjTntarftSfäenen ä u ©uploroä 3eitfd)rift bei=
gefteuert. Sie 9tebafteure maren natürlich am tätigften. ©or
aßen Singen ©ujjloro fefbft, beffen geber man aßenthafben
eilfertig unb fdhmungboß über ba§ Rapier laufen fieht. ©ine
9lu§maf)t ber beften biefer üluffäfje ergaben im fofgenben
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56
JTarl ©ufcfotog ßefien unb ©djaffen.
3>aljre ein ©ucfj: „©ötter, Jpelben, Don Quichotte. Stöftimmungen
jur ©eurteilung ber literarifdfen ©pocf)e." ©ötter finb ©fyellep,
©eorg ©üd)ner unb ©rabbe; ber Nachruf auf ©eorg ©ücfyner,
ber erfte unb bebeutenbfte, ber über ben Didjter bon „D)an=
ton§ Dob" erfdjien unb ©ußtomS perfönlidfye ©ejietpmgen 5 U
bem grüf)öerftorbcnen barlegte, and) ©riefe beSfelben mieber*
gab, ift befannt. Die gelben ftnb ©dfyabom, f$r. b. fRaumer,
fß. bon 9iel)fuß, ^mm ermann, ©amfyagen, Seo, §eine,
SRunbt, Saube unb ©djlefier; bie Don Quichotte SRincfroiü,
Soel $acobp, g. 51- Söffler unb ipenrif ©teffenS. Sille bie]e
Sluffäfje gehören ju ben frif Reffen unb femigften, bie ©u£tom
bamal§ gefrfjriebcn ; fetbft ^mmermann, ber Ijier feine§tt>eg§
bergöttert mürbe, belehrte fidj baburd) bon feiner Slbneigung
gegen ba§ „3>unge Deutfd)lanb" unb fud)te eine freunbfdjaftlidje
Slnfnüpfung mit ©ufjfom. ©inen ebenfo ftarfen ©anb mürben
aber nodj bie fpäter nid)t gefammelten Sluffü^e ergeben, ^ritifen
über lpeine§ „Don Duicfiotte", über SRobetlen bon Saube, über
©trauß unb SRenjel, über Reform be§ ©ud)fjanbel§, über bie
©d)icffal§ibee ber alten SSelt — ein SluSjug au§ ©uß?om§
$rei§= unb Doftorarbeit — unb biele anbere. Siebenter
laufen bann manche poletnifdje Slrtifel, fo gegen bie 3 ettfcf}rift
„fßijönij", bie jejjt unter ßaroo 6 § ©infhif? eine erbitterte
geinbfd)aft gegen ©ußfom geigte, unb audl) ©ußtoroä gelegent=
lidje fReifen, mte jum ©utenbergfeft in 9Rainj, ftnb t)ier feffelnb
betrieben.
$n granffurt a u e in tonnte aber bie bormiegenb litera=
rifdbe ßeitfcljrift nid^t auf iljre Soften tommen, unb au§mürt&
tjielt bie ßenfur alle Söege berrammelt. SRact) mehreren ©eiten
l)in machte ©u|toro ©erfucfye, ben „Delegrapl)" anberäroo
unterjubringen, fogar ©erlin mürbe emftljaft in§ Sluge gefaxt.
©§ liegt ein gemiffer .‘pumor barin, baß ber ipauptfeinb be§
„jungen DeutfdfjlanbS", ber SDänifterialrat Djfctjoppe, bereigent=
lid^e Slutor be§ preufjifdjen ©erbotet Pom 14. SRobember 1835,
ben berfemten ©cfjriftfteller am liebften baljeim gefefjen Ijätte.
ÜRan fürchtete, bafj fiel) ©u^fom, über beffen meift anonyme
Dätigfeit Pon ben Diplomaten be§ ©unbeätagS nur Ungünftige§
berietet mürbe, fd)ltefjltcf) boctj baä grantfurter ©ürgerredjt
ermerben unb fid) burd) ftönbige SRieberlaffitng im „Slug*
57
Überftebelung nacf) Hamburg.
lanbe" bem 3 CRacf)tberei(f) ber preufjifchen ©olijei töllig ent=
Sieben würbe. Sw $?erbft 1837 oerweigerte man ihm bafjer
Die ©erlüngerung feine» fßaffeS unb ©upfow reifte nun bireft
nach ©erlin, um p fepen, wa§ er bort erretten fömie. Unter
3 enfur be§ bafür befonberS beftallten 3 en f 0r § Sot)n wollte
man ihm bie ©djriftftellerei 5 war geftatten, aber feine Stebaftion
mit Nennung feines StamenS. Sin eine 3 u rücfnahme beS
SSerboteS feiner (Schriften war noch oiel weniger p benfen.
SDieS Sotl) War für eine erfolgreiche gortfepung beS „Telegraph"
natürlich unerträglich, unb fo wanbte fiep benn ©upfow nach
Hamburg, wo ftoffmann & Satnpe mit Slblauf beS SapreS
1837 bie granffurter geitfdfrift übernahm.
gür feine fjetmatlidje ©epörbe hatte alfo ©upfow Oer-
geblid) biefeS 3 a h r in eifriger unb nicht herauSforbernber
airbeit öerbracpt. $luf bie Öffentlichfeit eine 3 eitlang 511
refignieren, erlaubte feine Sage nicht; aber ber gührergebanfen,
bie ihn an bie <Spipe beS jungen ®eutfcf)lanb§ geftellt hatten,
hatte er berfucf)t, fidh eine Seile p entfd)lagen. (gelegentlich
hatte er im „Telegraph" geäußert: „üötan hat gefagt, baß
bie gegenwärtige beutfcpe ©chriftftetterepoche nur bap beftimmt
fd)eine, einer pfünftigen ben Seg p bahnen. S<h Staube
baS bon Iperjen. Sie oft bieten fich unS nicht junge Talente
pr Teilnahme am Siteraturwefen an! 3<h ermuntere niemanben.
©ie mögen bichten unb benfen; fie mögen bie Seit fo nehmen
wie fie ift unb fidh mit bem ©efteljenben aufS bebädhtigfte
abfinben. SDtan fann ber literarifcf)en Sugenb ®eutfd)tanbS
wahrlich feinen aufrichtigeren 9tat erteilen."
Slber gan^ üergeblich war bie ftiHe Slrbeit bocb nicpt ge=
wefen. 5113 (gupfow auf jener Steife Sena uno Seimar
befucpte, bann einige Soeben in ©erlin pbraepte unb fchlie^
lieh nach Hamburg ging, fah er an ber Stuf nähme, bie ihm
allenthalben würbe, bei ©ettina fowohl wie beim $onfiftoriat=
präfibenten ©eucer in Seimar ober bei Solf in Sena, ber
fidh feineö „gehaltenen einfachen SefenS" unb feiner £erjenS*
güte freute, bafj bie granffurter 3 e ü reiche grüchte getragen
unb bie Stebaftion beS „Telegraph“ trop Pieler geinbe i|m
minbeftenS ebenfo üiele greunbe gewonnen patte, bie fein
Sirfen nach Hamburg hin begleiteten.
58
Äarl ÖufefotoS ßeben unb ©Raffen.
Sie bamit anbredjenbe Hamburger ©pod)e war für ©ujj=
fow§ ©ntwicfelung öon entfd)eibenber Vebeutung. $ter baute
er nunmehr in größerem (Stile fein Sebeit auf, ^ier ooü§og i
fid^ bie bebeutfame ©ntwicfelung Dom 9?oüe(Ii[ten unb 3ouma=
iiften junt Sramatifer, unb tjier öerwudjS er mit ber geiftigen
©ntwicfelung SeutfdjlaitbS fo tief, bajj feine fpäteren 9ioman=
gemälbe neben bem poetifc^en ben größten fulturgefchicht*
licken SSert beanfprudjen bürfen, ber irgenb einem SBerfe ber
fd)önen Siteratur beS neunzehnten $ahrl)unbert3 jugefd)rieben
werben fann.
Sie 3eit bot fetbft bie Haub, einer jungen 3eitfd)rift ba§
VorwärtSfommen ju erleichtern, bie ©reigniffe, bie eine öffent=
Ud)e Vefpredjung forberten, jagten fid), unb mit feiner un= I
gewöhnlichen journaliftifdjen Begabung tunkte ©upfow ihnen
geregt §u merben. Ser fpätere „föulturfampf" mar barnalS
au§gebrod)en. Ser ©rzbifchof öon &öln, Sroftes Vifdjering,
hatte in ber Streitfrage ber gemachten @h en eine &ie 3^egie=
rung IjerauSforbernbe Stellung eingenommen unb mar fur^cr*
fjanb mit ©ewalt feines 5lmte3 entfept worben. SieSfeit unb
jenfeit ber 9llpen erfcf)otI ein grojjeS SBehflagen über biefe,
öon bem pietiftifcf) angefränfelten H°f e Weber erhoffte nod)
gefürchtete 2Jiaf$vegel; ^ofeph ©örceS erhob feine weithin
fdjallenbe, grottenbe «Stimme in feinem „5ltl)anafiu§", unb ber
fübbeutfdje UltramontaniSmuS fdjrie Verrat gegen bie norb*
beutfd)en $eper. ©ujjfow antwortete auf ©örres’ Streitfdhrift
mit feiner Vrofdjüre „Sie rote Sttüjje unb bie Kapuze", worin
er bie reüotutionäre Vergangenheit beS früheren ^afobinerS
biS ju biefer neueften Umwanblung in einen ftreitbaren fta=
pujiner mit Pietern ©eift unb betn ganzen Aufgebot feines
fdhwungöoüen StileS barlegte. (£3 War ein luftiger 3ufaÜ,
bafj ©ujjfowS Oppofition gegen bie 3«ntutungen ber Hierarchie
an bie nad) bürgerlicher unb religiöfer Freiheit ringenbe
©eneration, ebenfo wie H e i nr ^ SaubeS gleichzeitiger s $roteft
in feiner anonymen Vrofdjüre „©orreS unb mhanafiuS", mit
ben 3>nterejfen ber preufjifchen Regierung, bie ihre eigenen
Anwälte, bie SUtänner beS gortfchrittS unb ber Slufftärung,
geächtet hatte» jufammentraf. Siefe Streitigfeiten, bie mit
benen über bie HermeSfdje Sehre, eine Spaltung innerhalb
3m ®ienft ber Seit.
59
ber latholifdjen Strebe felbft, föanb in öanb gingen, gaben ber
neuen Hamburger 9lra be§ „Selegrapf" ungenteffenen (Stoff
p „Streifpgen in ber Kölner Sad)e". -Rieht meniger im
BrennpunEt be§ IgntereffeS ftaitben bie fjannotierfefje Ber=
faffung§frage unb bie ©ntlaffung ber „©öttinger Sieben",
unb ein anbereS fo^iaispolitifcheS Problem, bie Subenfrage,
mar bantalä in ein entfdjeibenbeä Stabium getreten. BefonberS
biefe leptere grage oertnicfelte ©upEom, trop feiner engen
$reunbfd)aft mit Hamburger $uben rcie Dr. Steinheim,
Dr. Slffing mtb ©abriel SRieper, in mannigfache ißolemiE, unb
auc| mit ben iungbeutfcljen Kollegen Stjeobor SJhmbt unb
©u|ia» Äühne mürbe mandje Sange gebrochen. So erfd^ien
Dom gebruar bi§ Sfpril 1888 im „Selegrapp" ©upEomä
fatirifcbe§ Härchen „Siterarifcpe ©IfenfcfjicEfale", roorin faft feiner
ber Scprifftetter jener Sage leer auäging unb @upEom§ genaue
Kenntnis ber literarifdjen Strömungen unb Unterftrömungen
peinlich genug für bie Betroffenen peroortrat, unb auch mieber
»erföhnlidj, ba bicfe§ 2Rärd)en ein ^abinettftücf geiftreidjer
Satire unb nerfenben §umor§ mar. gaft jebe Stummer, be=
fonberS im erften Hamburger 1838, brachte einen
jolcpen, meithin Stuf [eben maepenben Slrtifd, unb meift maren
e§ Arbeiten, bie ein geitraubenbe§ Borftubium erforberten unb
baburch eben bem fpäteren Schöpfer ber „9iitter Pom ©eifte"
unb be§ „3auberer Oon 92om" bie ungeheure güUe & 01l
Stoffen unb ÄonfliEten »ermittelten.
Ser probuEtioe Sd^riftfteffer blieb babei niefjt gurücE. (Sr
fanb noch SRupe unb §umor genug, einen breibänbigen
Eomifdjen 92oman gu fdjreiben: „Blafebom unb feine Söhne",
ber im Sommer unb £>erbft 1838 h^»u§font unb morin
©upEom ba§ Problem ber ©rgiepung, ba§ ipn fein gangeä
Seben pinburd) nadjbenElidj befd)äftigt ^at, innerhalb eiite§
Eieinen, mit aller Siebe gum Setail gefdjilberten S)2ilieu§
üariierte unb mit mancherlei autobiograppifepen ©pifoben au§=
fcpmücEte. Bmifcpenburd) befepäftigten ipn literarifcpe ^tane
mie eine Biographie be§ 1837 geftorbenen ©eorg Büchner,
beffen „Seng" unb „Seonce unb Sena" er bamal§ im „Sele«
graph" veröffentlichte ; bie SluSführung fc^eiterte fcplieplicp an
bem maitgelnben ©ifer ber gamilie Büdner.
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60
ffarl ®u|j!oto3 Seien unb ©djajfen.
©omoljl ©upfomS ftuffäpe tote aud) feine ja^trettfjett
Rriefe qu§ biefer Kpodje geigen, mit meldiem Repagen er in
bem ©trome liternrifcfjer Regierungen fd)mamm, bie ber
„Telegraph" nad) aßen ©eiten anfnüpfte, mie ber neue
Roben feine $raft geftä^lt ^atte unb eine neue Umgebung,
ein anregenber Rerfehr unb feine freubige $lrbeit§luft über
manchen ärger hinroeghalfen, ber it)m aud) fiter nic^t erfpart
blieb unb ber für feine eigene ©dfüberung jener $eit, in ber
Rergrämtheit be§ älterS, beit ©runbton abgab, al§ ob ftetS
bie unbehagliche ^Dämmerung, bie ihn in feiner büftern SSol)*
nung auf ber Slbcftrafje gmang, feinen „Telegraph" aud) am
£age bei ßampenlid)t gu rebigieren, über biefem gangen
Hamburger SSirfen gelaftet hätte- ©leidjgeitige Rriefe fepen
hellere färben auf, unb er h Q tte auch ©runb, mit feinen
Erfolgen gufrieben gu fein, ^atte er fd)on auS grantfurt
eine tüchtige Remannung für fein literarifd)e§ ®rieg§fd)iff
mitgebracht, fo fließen jept noch gasreiche junge Kräfte gu
feiner gat)ne, bie fid) fpäter gu gearteten unb heroorragenben
©chriftftellern au§roud)fen, fo ÜDiortp Karriere, ben ©upfom
furg borher in Rerlin fennen gelernt hatte, ber Ribliograph
Sari ©öbefe, ber bamalS noch unter bem fßfeubonpm $art
©tahl nach ben ßorbeeren be§ Eiooettiften unb $)ramatiler£
ftrebte unb bielbemerfte hannoberfche ®orrefponbengen lieferte;
ferner ßebin ©djüding, ber greunb ber Slnnette bon 2)rofte=
tpiiI§hoft; helfen Slnfnüpfung mit bem „Telegraph" fid) gu
einer ßeben§freunbfd)aft mit ©uplora ummanbelte; gtiebrid)
Hebbel trat hier in Hamburg ©upfom gum erftenmal gegen*
über, mit langfam abgemeffenen ©djritten, toie auf bem
Kothurn, Kr hatte feine graufam ferneren ßehrjahre übers
ftanben unb lehrte Slnfang be§ ©ommerS 1839 nach Hamburg
gurüd; bie Snftang, an bie er fi<h naturgemäß guerft menben
muffte, mar ber Rertag ^offmann & Kampe unb bie
9?eba!tion beS „Telegraph“ unb fomit ©upfom. 3*»« Sflänner
traten fid) gegenüber, bie bon gang berfdjiebenen $lu§gang§=
punlten au§ auf ein bennoeb gleid)e§ $iel gufteuerten, ma§
fte fpäter auch, fangen ßid)tbliden ber greunbfd)aft, er*
fannten. Ipebbel mar noch fo gut raie unbekannt, aber als
Slutobibaft bon einem um fo majjloferen ©elbftbemufjtfein.
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Die Mitarbeiter beB „Sclegraf^".
61
©upfom burfte, Wie Oerfcf)ieben audj feine einzelnen Seiftnngen
beurteilt merben mochten, auf fdjon je^n $jjahre Iiterarifd)er
SBirffamfeit jurucfblirfen, bie über feine bielfeitigen Sähig=
feiten unb feine arbeitfame (Energie feinen greifet pliefe.
©upforoS freunblicf)em (Sntgegenfommen unb feiner »barmen
Anerfennung ber poetifdjen ßeiftungen beS jmei $ahre
jüngeren bitfymarfifcben ®id)terS, mofür ©upforoS ®ritif über
„Subith" fofort nad) ihrem (Erflehten 1840 unb bie mandjers
lei Anregungen, bie §ebbel fic^ bon iljm gefallen liefe, un*
miberleglid)e $eugniffe finb, fepte föebbel SRißtrauen unb
grunbfäplid)e ©eringfehäpung ber ganzen $ätigfeit eines
©djriftfteflerS entgegen, ber iljm als ©proffe in ber Seiter
feine§ SRuhmeS niept ungelegen fam; er mar aud) eljrlidj
genug, ftc^ unb anbern barüber nichts §u berljefjlen. ©d)arf=
finnig unb ein gerabeju unbehaglicher ÜRenfchenfenner, roie
©upfom mar, mufete er biefe tiefinnerlicpe Abneigung JpebbelS
balb empfinben, unb fo ergab fid) ein Verhältnis, baS auS
bem froftigen 3 u f* an ^ e gelegentlicher SCRitarbeit am 㟣ele=
grapp" unb ber barauS folgenben ©efettigfeit ntd^t herauSfam.
SBenn Hebbel bie burep bie Umftänbe natürliche ©uperiorität
©upfomS mie ein ihm felbft angetanes Unrecht bitter empfanb,
fo pat gerabe feine Skrftocftfyeit mefentlic^ baju beigetragen,
eine gleiche SRitgift ber SRatur in ©ußforo berauSjuforbern,
unb folcpe (Erfahrungen maren eS, bie fid) im Saufe ber Sapre
*u einem Vobenfap oon Vitterfeit unb Ingrimm anfammelten,
tn bem fo manches ©ute bei ©ußforo erftiefte. ®amalS mochte
©ußforo bieS noch leichter öerichmerjen, um fo mehr, ba feiner
rebaftionellen uno fcpriftftellerifchen Satigfeit genugfam §ul=
bigungen bargebraefet mürben, raenn fie aud) niept ade fo
überfcproenglicb maren, mie bie eines jungen ©djroaben, ber
fiep eben peinlichen Vorfällen in feiner Heimat entzogen halte
unb nicht lange barauf als ber SSerfaffer ber „©ebiepte eines
ßebenbigen" gang 2)eutfdjlanb burch ben pellen ®Iang feiner
mie ein ©ebroert funfelnben Seier in einen fiegeStrunfenen
Taumel berfeßte, bie ©eorg IperroegpS, ber ihm am 1. Suli
1838 jurief: „©tauben ©ie mir, icf) pabe bie (Entroicfelung
SpreS ©eifteS jum förmlichen ©tubium gemacht unb roeife
alle AuSftrahlungen beSfelben auf einen gemeinfamen SCRittel*
62
Jfarl ©ufclotoS Sefiett unb ©djaffeit.
punft jurütfjufü^ren. ©§ gibt ^er^ett, bie Sie berftehen.
geh bin ftotj barauf, bet einzige Schwabe ju fein, bet 3h nen
aufrichtig unb gan-$ ^utbigt. " SSeit ehrentwller war e§ für
©uptow, bafj einet bon ber ätteren ©eneration . fiep §u il)nt
belannte unb fogar SBert batauf legte, bafj biefe Überwinbung
älterer Abneigung ber ÖffentUdjfeit nicpt borenthalten werbe,
ein SJtann, helfen lautere ©efinnung unb ehrenhafter ©paratter
feinen tarnen in feltener SBeife rechtfertigten, ©upfow hotte
in feinem Suche „©ötter, Jpetben, Son Cuicpotte" aud) einen
feinfinnigen ©ff ah über $arl gmmermann Veröffentlicht, nnb
biefer banfte ihm am 3. September in einem Schreiben, bas
©uptow auf eigene Seranlaffung be§ Stbfenber§ im „Sele=
grapp" abbrucfen burfte. Sabei hotte ber Sichter be§ fürj= |
lid) erfd)ienenen „SNündibaufen" in biefem Sioman gerate
©upfow unb feine „SSalth“ feparf gegeißelt. gnt Dftober
beleihen gapreS folgte ein Sefucp $mmermann§ in ipamburg,
Wobei fiep ber jüngere mit bem älteren ©enoffen noch beffer
berftänbigte; teiber hot gmmermannä halb barauf erfolgter
Sob biefe§ Sanb attäufrüp jerriffen.
©inen Seit ber ^Mitarbeiter be§ „Setegrapp" tourte
©upfow noch ju einem anbem Unternehmen ju bereinigen,
bem „Jahrbuch ber Siteratur für 1839"; e§ brachte Seiträgc
bon Singelftebt, Scpücfing, Subwig SSipt, ©. $ottof, $. Stieget,
St. Oppermann unb gr. St'pou (^feubonpm für griebridp
Stabewelt); bon ©upfow felbft ben h 0{ i)»üid}tigen fritifch=
autobiograppiiepen Sluffap „Sergangenpeit unb ©egenroart"
unb fcpliefjlicp bon tpeinrid) |)eine ben „Scpwabenfpieget".
Ser Stattenfönig bon $oIemif, ber fiep an ben tepteren Sei*
trag anfcplofj, erftiefte bie gortfepung be§ gaprbucpS. tpeine§
Stuffap war bon ber 3enfur arg berftümmett worben, unb
ber Serfaffer lehnte barauf bie Slutorfcpaft ab mit ber 33e=
hauptung, bafj biefe Serftümmetung „im gntereffe ber barin
befprodiencn ^jßerfonagen", burch bie „heimliche Setriebfamfeit
ihrer SBapIoermaubteu" berantajjt worben fei; er meinte ba=
mit ben Serleger ©ampe felbft unb Sitbwig SSipt, ber
Stebaftionäbienfte beim „Setegrapfj" tat, unb in tepter Ign*
ftan§ aud) ©upfow, ber fiep al$ Sefcpiiper ber Sdjwäbifcpeu
Schute fonberbar genug auänepmen mochte, £>eine Wu^te,
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S)q 8 „Saljrbucf) bcr ßiteratur".
63
baf? ©ufclow feinen „<2djwabenfpiegel" int Slßanuffript gelefen
fjatte; urfprünglid^ war er ja al§ 9Jad)rebe ju ipeineS „9?euen
©ebidjten" gebaut, unb nacf) beren Seftüre im äßanuffript
tyatte ©ujjlow am 6. Sluguft 1838 einen Sörief an £eine
geridjtet, worin er iljn bei feinem grojjen bicf)terifd)en $lnfel)en
befcfywor, biefe gortfejjung be§ „$öud)e§ ber Sieber" einer
moralifdjen genfur b u unterwerfen unb eine 9teif)e bon für
©upowi (Smpfinben unfittlidjen ©ebidjten barau§ fortjulaffen.
Jpeine folgte bem 9iaie, unb bie „Sfteuen ©ebkf)te" erfdnenen
erft 1844. $n feiner Antwort bom 23. Sluguft banne er
if)m „mit einer jener i|m eigentümlichen, au§ Ironie, fd)ein=
barer ©utmütigleit unb bonte|mer Serüdfidjtigung jufammens
gefegten äBenbungen" bafür, bafj ©ufclow if)n auf ben «Splitter
in feinem 2luge aufmerlfam gemadjt fjabe. S)er örennftoff
für ein polemifd)e§ gcuerwerl war bamit borbereitet, unb ba§
@df)icffal be§ „<5d}WabenfpiegeB" fdjlug wie ein S31i^ in ba§
fßulberfafj. 2lm weiften $u leiben hatte babei Subwig Sßi^l,
ben £>eine al§ ben „Jpunb Ipeftor" graufam mitnahm. ®u&=
low trat für feinen greunb energifd) ein, unb halb barauf
gofj Ipeine burch fein 53ud) über 53öme Öl in§ geuer. ®u£*
low ergriff, al§ ber erfte unb fjeute nod) nid)t überholte S3io=
graph 58örne§, bie Partei be§ lepteren; bie SSorrebe ju feiner
Biographie 58öme§ war eine Slbfertigung, bie mit allen
Söaffen be§ 2Bi£e§ unb be§ entrüfteten ^atljoä bie bem Stoten
angetane ©djrnad) in für jenen Slugenblid gerechter 23eife
ftrafte, mochte and) Jpeine nodj fo bo§^aft barüber wipeln,
bafj ©uftfow bie fßolitil Ijöfjer al§ bie $oefie, ben Sljaralter
über baä Talent ftelle. fßerfönlid) war allerbing3 ©ufjfow
um fo bitterer baburcf) gereift, baf? Gfampe fein söuch, ba§
fdjon 1839 fertig war unb burch Benufcung be§ Sörnefd^ett
9iad^laffe§, burd) jatjlreidje SDiitteilungen feiner greunbe unb
befonberS ber §rau @trauB=?öohl über ihn, bon großem
fad)lid)en ^ntereffe war, bi§ nad) ©rfdjeinen ber tpeinefchen
<3d)rift äurüd^ielt. @o würben auch biefe beiben äftänuer
bie unöerföl|nlid)ften gehtbe, bie bon ber jungbeutfdjen
©d^riftftettergeneration am erften baju gefdjaffen waren,
freunbfchaftlid) gu ribalifieren.
©upfow war (Sitbe 1837 allein nacf) Hamburg gefommen,
64
ftarl ©ujjtotoS Seben unb ©Raffen.
feine ©attin Amalie roar in granffurt geblieben unb meilte
au cf) fpäter nur f|od)ften§ einige SDionate f)intereinanber in
ber ihr unfempatfjifdjen (Stabt. ©o war ©u£fom barauj
angemiefen, fic^ fein ^äu§Iid)e§ Seben Pormiegenb burdj
freunbfcl)aftlid)en Verteljr ju geftalten. Turcf) Theobor ÜRunbtS
Vermittlung mar er in bie gamilie be§ Dr. Slffing unb feiner
©attin üiofa SJlarta, ber ©chroefter VarnhagenS, aufgenommen
morben unb gehörte Ufr halb als enger IpauSfreunb an. 23a§
er biefem Ipaufe Perbanfte, ^at er mehrfach in fcfjönen Söorten
auSgefprocfjen, befonberS in ben beiben f)iacf) rufen auf biefel
©fjepaar, bie gu feinen beften Sfjarafteriftifen jählen.
bem Keinen £äu§<hen 51fftng£ in ber fßoolftrafje perfammelte
man fid) ju fröhlicher ©efelligfeit, an ber bie jungen früh-
reifen Töchter Ottilie unb Submitta ben regften Anteil
nahmen. Tie Siteratur unb ihre Slnnalen bilbeten ben
ÜUättelpunft ber Unterhaltung, man bereinigte fiel) §u litera?
rifcfjen Slbenben, mo mit berteilten Lotten alte unb neue
Sflteiftermerfe ber Siteratur gelefen mürben. Teilnehmer ber*
felben roaren Dr. (Steinheim, ©abriel fftieffer, SBihl, ©life
©lomann, Subolf SEBienbarg, fpeinricb $eife unb anbre; bas?
Sefefrän^dhen fanb abroechfelnb bei 9lfftng§, ©teinheimS ober
©ufjfom felbft ftatt, unb frembe ©äfte mie Uffo £orn, ^mmer-
mann, ber altbefreunbete 3tiefftai)I, geobor 28ef)l unb bie
SDJitglieber ber Hamburger Theater maren milllommen. 3Iudj
©ufjtoroS eigene SBerfe erlebten hier bie erfte fjßrobe, befonbetS
feine Tramen, bie je£t in ben Vorbergrunb traten. $11S ©u^=
!om Hamburg 1842 perliefc, mar fein £>auptintereffe unb ber
größte Teil feiner fßrobuftion bem Theater jugemanbi.
©§ mar Anfang Slpril 1839, als ©ufctom im „Tele=
graph", in einer Slntmort auf einen Eingriff ViebermannS
gegen ihn in ben „^aEUfdjen Jahrbüchern", folgenbe Sin*
beutung machte: „Sßer roetfj, ob id), Eaum in meinem SSefen
Pon ihm (Viebermann) f^einbar fixiert, nid)t im ftitten längft
in einem ©ebiete, ba§ ber Slnatom nicht ahnte, meine ©chmer*
traft gefunben ^abe." Jn biefem Frühjahr fj a tte er ben
©prung auf baS Theater gemalt, „einen ©alto mortale au3
ber ganzen ©rbärmli^feit imfereS Uterarifchen Treibens h eti
auS," mie er am 25. Slpril an SePin ©chücting fc^rieb.
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Hamburger gteunbeSfrtlS.
65
„Somme mir ba nacf), wer Witt — SRunbt, Stüljne, Saube,
£eine, 9tuge, wer ruitt! $d) will mid) lieber ber Striti! ber
ßofalblätter überantworten, alä bem f)ämijd)en Treiben jener
Seute, bie meine geinbe finb! ©lüden meine Fronten, jo ift
ba§ parterre mein fKidjter, nidjt bad $ompenbium ber >öege=
fingen ober bie perfönlicpe 9tad)e berer, bie nod) fd)limmer
finb, al§ bieje 3Doftriuäre ... ©3 ift ein ©ewaltmittel, um
mid) öon bem {ewigen ttnfuge in ber Literatur ju befreien,
©elingt e§ nid)t, jo bleibt mir immer nod) ber Vornan übrig."
SDJit erftaunlicfjer Sllarfjeit bejeicfpiet Ijier ©ufjfow bie beibett
©cbiete, auf benen er feine ©ebeutung nod) ju erweijen fyatte
unb erwieä.
gremb war iljrn ja al§ ®id)ter ba§ ®rama nid)t. ifpatte
er bod) fdjon 1833 bie ©ewifjfjeit öon einer möglid)en 3Birf=
famfeit ber jungen ©djriftftellerwelt auf ber löütjne in fid)
getragen, al§ Saube über fold)e ^tjantaftereien nod) ungläubig
ben $opf fdjüttelte, irotjbem biejer fcfjon 1830 auf ber Söre§=
lauer Söüfjne eine Xragöbie „©uftaö ?lboIf" Ijatte auffüljreu
laffen. ©ujjfow Ijatte bann 1835 fdjon öon einer neuen ©podje
be3 Xfjeater§ geträumt, bie öon ©epbelmann atö S)arfteller,
öon if)m al§ Siebter auSgeljen fönne, unb e§ ift bejeicfjnenb für
feinen praftifdjen 93licf, bajj er gerabe öon einer folgen IBer*
binbuitg einen Umfd)Wung erhoffte. Slber für feine erften
SBudjbranten, für „y?ero", „fandet in Söittenberg" unb
„Sftarino Salieri" war er gerabe bei ben Xfjeaterpraftifem
auf mefjr Vlbweifung al§ Sförberung geftoften, unb jo war bie
mirtlidie $8üf)ne für iljn nod) ein unentbedte§ 2anb. 21ber fd)on
fein „Stönig ©aul", in bem er 1839 bie tnobernen fird)lid)en
©treitigfeüeit burd) eine poefiereidje ©pifobe be§ alten £efta=
menteö fpmbolifierte, war ein wofjl überlegter Slbfdjieb öom
Sucbbrama gewejen. 93ei feiner bie Sebittgungen ber IBüfjne
beaeptenben 9iieberfd)rift füllte ©ujjEow ba§ Stegen einer neuen
Straft in fid), unb öon biefem ^afjre 1839 ab, warf er fid) mit
ganzer ©nergie auf bie bramatijdje Üßrobuftion unb mit ber
ernftf)afteften Stbfidjt, bie Siiljne ju erobern. 5lu§ einem
inneren ^Drängen perau3 gejtaltete er junädift nid)t; e§ war
öielmeljr ein faltblütig beredjnenber Sßerfud), bafj er fein erfte§
93üf)nenftüd, ben „ s Jtic§arb Saöage", fdjrieb, unb er Ijielt fid)
(Äujftom, SluSg. SSert«. I. 5
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6ß Sari ©ufcfotoS Geben unb ©Raffen.
ftreng an einen t)iftorifc^en Stoff, lebiglid) um fein Talent
für bramatifdje ©eftaltung ju prüfen, ©ine Hamburger
SEanbalgefd)id)te führte ihm aufjerbem biefen Stoff bamalS
leibhaftig bor klugen, unb fo entftanb „Düicfjarb Sabage" üt
enger Anlehnung an bie fjiftorifdje gäbet, gefc^icfter Set*
fnüpfung ihrer gäben unb forgfältigerer SJZotiöierung ber ©r=
eigniffe. $>a§ Stüd tourbe oljne Nennung feinet AutorS am
15. guli 1839 jum erften 9JZale in granEfurt ant tUZain auf=
geführt unb ber ©rfotg mar ein unbeftrittener.
SSon ber Uraufführung biefeS ©ußEomfchen ©rftlingS*
merEeS „9Zid)arb Sabage" batiert fid) bie ©efcf)id)te beS neueren
®rama§. Son biefern Stage an mürbe mieber eine anbre
Dichtung ber Probleme unb Stoffe auf ber 'Sühne
bie burd) 9laupad) unb. ,^otjebue, burd) Slum unb Stopfer,
burd) bie fran^öfifdjen Überfehungen £t)cobor unb bie
SBiener unb Serliner Söffe mit ihren jaljllofen ^Zad)*
ahmungen auf ein tiefes» -ÜZioeau gefunEen mar, unb ein ©ruft
begann hier mieber ju malten, beffen fid) bie SöireEtoren unb
Sd)aufpieler längft entmöhnt hotten. ©ußEom mar eS, ber
für ba§, roa§ bie jungen ©eifter beroegte, bie Äunft mieber
gemann, bie fid) nach A. 223. Schlegels 223ort am meiften in
ben gefelligeit Serfehr mifc^t unb auf bie Allgemeinheit ben
mcitauS tiefften ©influß auS^uüben bermag. Unter feiner
Anführung hoben bie mit unb nad) ihm, bie jahlreidjen jung=
beutfehen SDratnatiEer, bie nunmehr erftanben, eine ©ntmitf=
lung angebahnt, bereit Sphäre mir unS h euie uodj m feiner
Söeife entzogen hoben. Sie fdjufen bem beutfdjen S)rama
mieber eine neue, breite fokale ©runblage, fie brachten ben
Stampf gegen baS morfdje hergebrachte, gegen ber Urbäter
houSrat, gegen prübe Vorurteile unb fimplen Aberglauben,
gegen mißöerftanbene Stonöenienj unb berEnödjerte Sitte unb
all biefe geheimen Schöben ber bürgerlichen ©efetlfd)aft auf
bie Sretter, meldje bie SSSelt bebeuten, uub pvoElamierten bie
3JZenfd)enred)te für jebe ©jiftenj, ba§ ütedjt ber Snbiüibualität, ,
mie mir heute fagen. ©uftEora mar e§, ber ben SBeg bereiten 1
mußte, auf bem bie anberit bequem boranfdjritten. „©u^Eom ]
ift ber erfte unter ben neueren Sdmftfteüem gemefen, ber |
fid) beS StljeaterS mieber ju bemächtigen gemufft hot, feine ]
I
$a8 jmtßbeutfcfje ®rama.
67
©tüde Werben auf allen Sßü^nen gegeben, ftf)on au§ biefem
©runbe muff man feiner gebenfen, roenn man über bie
^Regeneration be§ Srantaä fpridjt." ©o urteilt niemanb
anberS al§ fein großer SRioale griebrich Jpebbel felbft, unb
ein weitere^ Urteil $ebbel§, ber al§ Beitgenoffe unb SOfit*
ftrcbenber bafür bie juüerläffigfte ©mpfinbung haben muffte,
trifft genau ba§, wa§ bie 2iteraturgefd)id)te ©u|>lowä Sratnen
immer juerfentten muff: baff ©ufdoro juerft „ba§ fokale
Shenta aufgeuoittnten" t)abe unb baff feine ©tüde „beit ge*
fetlfcf)aftlicf)en Buftanb in feinen Ipöhen unb ÜRieberungen mit
fd)arfen, fdtjneibenben £id)tern" beleuchteten. ©d)on au§
biefem ©runbe ift jener 15. Buli 1839 ein äRarlftein in ber
©efd)ichte uitfere§ Srama§ unb Sheater§, genau fo wie ber
27. fRooember 1889, an bem ©uberittann§ ,,©hre" jutu erften
SRale ba§ Sicht ber Rampen erblidte. Sod) mit biefer jeit*
licken ^Priorität, bie au§ ber ©ntfernung fo leicht unb uns
wichtig erfdjeint unb hoch im gegebenen SDioment fo ungeheuer
fdjtoer unb bebeutfant ift, mit biefer $8orläuferfd)aft ift meber
©ubermanit§ nodj ©ubfomä iüebeutung oollfotitnten erfd)öpft.
(Sin großer Seil ber ©utdomfdjen Arbeit gemiff mar nur ein
SRittel jum 8^ed, bie äöege ju bereiten für bie ßufnnft, in*
bem fie einen ööUigeu Umfdjmung Por adern baburd) herbei*
führte, bab bie fühlte mieber in beit ÜQiittelpunft ernfteit
Blutereffe» geriidt unb burch bie ©d)lag auf ©djlag erfolgen*
ben Eingriffe fc^liefelidb bann Pöllig erobert mürbe. $ber
über biefc3 Sßergäuglicpe, ba§ einem Ipebbel fo gut anhaftet
wie ©ufcforo unb jebem anbern, über biefeä Butter für ^uloer
hinauf h at ©ujjfom al§ Sratnatifer SBerfe gefchaffen, bie bie
©ernähr ber Sauer in fidj tragen unb and) bi$ jurn heutigen
Sage offenbarten, nicht nur Pom äeitgefd)id)tlichen, fonbern
audj Pom fünftlerifdjen ©tanbpuuft au£.
Sa3 gan^e ttädjfte 8ah r ä e h nt in ©ujjfomS Seben fte^t
unter bem Beiden be» Srama§; e§ führte ihn pon glüdlid)ett
©rfolgen in buntem 2öed)fel burch ÜRieberlageit unb Sriumphe
unb julefjt in eine praftifche Sheatertätigfeit at§ Sramaturg,
bie, ftatt ben Sichter gaiij in biefer Laufbahn feft^uhalten,
ihn Piclmehr mieber auf bie (Eroberung eine§ neuen Serrain§
Permieä, be§ SRomanS, baä fiel) ©ubfow in ben oben jitierten
5 *
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68
5tarl ©u{jloh>3 Se&en unb 6d}affen.
Sorten au8 bem 3>a^re 1839 al§ eine befonbere ®omane nodj
borbehalten ^atte.
S)er Erfolg be3 „IRfdjarb ©aoage" in grantfurt foftofjl
toie auf ben jaftreidEien anbern 5ööt)nen, bie fid) ihm öffneten,
mar eine nad^brücfli^e Slufforberung, nid)t nadj^ulaffen, unb
e§ fügte fid) glüeflid), bafj fid), gegenüber ber ^nbolenä unb
SRüdEftanbigfeit ber $§eaterintenbanten unb =2)ireftoren, ©d)au=
fpieler fanben, bie fid) freuten, mit ber Siteratur föanb in
Hanb ju gehen, unb barauf brannten, ben Beitgenoffen bie
fßroblcme ber ©egenmart ju berförpern. E§ ift in erfter
SReihe Emil ®cbrient§ Verbienft, t)ier borbilblid) gemirft ju
haben, inbem er feine ljerrfd)enbe (Stellung am SDreSbener
|)oftf)eater jugunften berjungen ®ramatifer ©ujjfom, Saube.
greptag, fßru| unb anberer auSnupte unb burd) feine jahl*
reichen ©aftfpiele biefe SRobitäten aud) über bie fleinften
S3ü§nen brachte. V. Vaifon in Hamburg, ÜRorip in ©tutt*
gart, toirften in ä^ntiefjer Seife; $art ©enbelmann toar fd)on
bem Stöbe ju nahe, um ©ubfom§ frühe Hoffnungen nod) er*
füllen ju tonnen.
©ujjfom8 Erftling „fRidfarb ©abnge" mar aber mehr
mie ein blofjeS bramatifd)e§ fRed)enejempel; bie tiefere 53e*
beutung biefer SebenStragöbie be§ englifd)en SDid)ter§, in ber bie
fjocbgefteUte föhitter in fleinlidfer ©epam über ihre Vergangen*
heit ben ©ofm berleugnet unb bem Elenb prei§gibt, hoi H ers
megh fehr fd)ön in bie Sorte gefaxt bon ber ipeimatlofigfeit
be§ $)id)ter§, ber um bie Siebe feiner ÜRutter bettelt, feine§
VaterlanbeS. Unb e§ festen, al§ fei e§ ©ubforo bergönnt,
fi«h biefe $u ermerben. ÜRidft mit einem §meiten, auf bie
f£heatermirfung aUein nüd)tern beredfneten ©tüde, fonbem
mit ber $rud)t eiite§ innern Erlebniffeä, ba§ ju bid^terifdjer
©eftaltung brüngte. Vei feinem lebten Vefudje in Berlin,
Enbe 1837, hatte er fRofalie miebergefehen, nur gefehen unb
ihren Vater gefprochen, unb bie Greife ber Vetannten, bie
er hie* auffud)te, fo bie Bamilie SRärcfer unb fein Eltern*
hauä felbft — alle§ ba§ h at te ihn an eine Vergangenheit
erinnert, bie unmieberbringtid) bahin mar. Er mar nidft
ftarf genug, bem mieber aufjuefenben ©djrnerj ganj ju ge*
bieten; bielleidjt bafj er bamalö in Erinnerung an biefe ihn
litized by Coogli
„SRicf)arb ©aöage" unb „SSerner". 69
tief erfdjütternbe Begegnung feinem Sageäfalenber bie ©erfe
anoertraute:
9118 »t>tr un3 beibe einft getrennt,
3d) bellet $orn, bu nid)t in ^rieben,
Sa ließt bu mir, bu riefft fie felber nicht —
Sie quälenbfte ber ©umeniben.
Sa§ melandjolif<he ©dfo biefer ©erfe menigfteiB ließ iljn
nidjt lo§, unb ihrer ©runbftimmung bemädjtigte fich nun
feine bidjterifche Kombination. Qu raeldjen KonfUften mußte
e§ führen, Wenn folc^e Begegnung nad) $ah r unb Sag fid)
zmifchen jmei SDZenfdjen, bie fid) einft natjegeftanben, unter
Umftänben ereignete, bie ein 2tu§roeidjen unmöglich madjten?
Sie ©ntroidlung biefer (Situation ergab ba§ bürgerliche Schau*
fpiet „SBerner", ba§ am 22. gebruar 1840 in ^amuurg
feine erfolgreiche kremiere erlebte unb fid} burd) feinen
lebenlbollen Konflift bei aller meinerlichen Sentimentalität
unb manchem ^fflanbfchen gigurenapparat auf ber beutfchen
©üljne jahrzehntelang behauptet h at - ®a§ „tppifche Stüd
ber ©egenroart" h at $einrid) Saube noch aB ©urgtheater*
bireltor e§ fpäter genannt, unb e§ barf immerhin aB eine
bidjterifche Sat angefetjen merben, burd) eine folctje ©ehanb*
lung eine§ ehelichen KonflifteS fd)lummerube ©ntpfinbungett
ber .Qeitgenoffen madjgerufen zu haben.
Sluf ba§ bürgerliche Milieu fid} zu befdjränlen, toäre
für einen echten Sohn jener $eit eine Unmöglid)feit gemefen.
Sie politifdje ©mpfinbung mar feit ber ^ulirepolution fo
allgemein unb ftarf gemorben, bafj man fid) allenthalben
burd) bie Sage§ereigniffe an bie herPorragenbften Säten ber
©efd)id)te erinnert fühlte, unb bie ^fß^antafie be§ bramatifdjeu
Sichter^, ber aB Seutfdjer, aB ©reuße, bazu aB Schrift*
fteller unb Sfournalift bie politifche ©ntmidlung feine§ ©ater*
ianbe§ in allen ^fSljafen mitmachte, mürbe baburd) belagert
Pon Schatten per ©ergangenheit, bie itad) 2Bieberauferftef)ung
lechzten. Surdh bie gern iß fd)iefe, aber auch mieber äufjerft
fcharfe ©rille ber ©egenmart betrachtet, löften fich au§ bem
unermeßlichen Sobe§zuge ber ©efd)id)te bie ©eftalten mit ben
Ilagenb erhobenen £)änben, bie nacf) Sühne für erlittenes
Unre^t riefen, nach fftache unb ©ergeltung für ihr Pernidjtete^
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70
ffarl @u^!oh)3 ßefien unb Sdjaffen.
9Jienfd)erttum. 2luS biefer fogialen ©nipfinbuttg heraus mürbe
bie jungbeutfdje Dramatif bormiegenb eine anflagenbe unb,
bei einer nodj taftenben Ded)nif, eine tenbengiöfe. Die t)ifto*
riffelt Dramen ©ujjfomS finb alte bon biefem ©eifte erfüllt
Sdjon als er „SBemer" feprieb, lag bietleidht baS Fragment
einer foldjen erften SEragiibie bor ober nmrbe bodh unmittelbar
hinterher begonnen, gmei 2tfte ber „©räfin ©fther", ber „ebeln
2Jfaitreffe", bie fid) ihrem ©ebieter l)ingibt, um ihn unmür=
bigeren fmnben gu entreißen unb ihm bie Siebe beS 33olfeS
gu bctoafjren; eS mürbe nie bollenbet, meil bie büfjnenlunbigen
greunbe mie Söaifon fdjoit mit Sttüdfidjt auf bie genfur pi e
2luffül)rbar!eit eines foldjen Stoffes begmeifelten unb
bon feiner meitern SBerfolgung abrieten. 5h re löebenfen
mufften fid) ebenfo gegen einen anbern (Stoff richten, bon bem
fid) ber Dichter aber je^t nid)t abbringen liefj; eS mar baS
tragifdje ©nbe beS ruffifefjen ©eneralS ^atful, beS ©efanbten
fßeterS beS ©rofjeit am fäd)fifd)en föofe, ber bom Könige
Sluguft II. nach bem Rieben mit bem Scfymebenfönig S'arl xiL
biefem, feinem SEobfeinbe, auSgeliefert unb bon ihm 1707
graufam Ijingeridjtet morben mar. DiefeS politifd)e SBerbredjen
al§ ein anflagenbeS Symbol unerhörter befpotifd^er SSillfür
brantatifdb barguftellen, mit ber ganzen pathetifdjen SSud)t,
bie bem piftorifdjen Drama gu ©ebote fteht, mar eine bidjte=
rifd)e ftergenSfache, unb baS Söerf berrät in allem bie tieffte
Slnteilnahme feines SdjöpferS. Drop bieler 3enfurbebenflid)=
feiten, bie if)ttt allgernein begegneten, fam eS fogar auf ber
^Berliner tpofbüljne gur Aufführung, unb als ©upfom gur
kremiere am 22. 9Nai 1841 in SBerlin meilte, mad)te ber
bortige ^ntenbant ©raf bon Gebern bem erfolgreichen jungen
Autor AuSficf)t auf ben ^often eineS offijieEen Xt)eaterbic^ter§ ;
bie 9tücEfitf)t auf 9taupad), ber bereits biefe Stelle innehatte,
bereitere aber gulept ben $lait. ©ine foldje Stellung eines
Df)caterbid)terS unb Dramaturgen fepien fd)on bamalS ©upfom
erftrebenSmert, nidjt nur ber materiellen Sicherheit roegen, bie ihm
ein ungeftörtereS unb behaglidjereS Sdjaffen ermöglichen fonnte
unb ihn bon ber literarifd)en DageSfron befreite, fonbem auch,
meil er ben Drang in ftdf) fühlte, an ber Dteuorganifierung
unb ffteubelebung beS beutfd)en DheaterS, bie fid) unter ber
f
by
£enbenjbrcimattf.
71
SBirfung einer anregenben beutfd)en ©ramenprobuftion bereits
fühlbar machte, praftifcf) mitjumirfen, unb bis jum Jahre
1846, wo er biefeS $iel tatfät^lid^ erreichte, tauften bie 51uSs
fidjten auf eine SDramaturgenfcbaft ©ufjfowS an ben ber*
fd)iebcnften ^orijonten beS beutfdgeit 33iibnenlebenS auf.
Jnt „Ütidjarb ©abage" ruft einmal ber Journaüft ©teele
bent £>id)terbelben §u: „Suftfpiele, ©abage, Suftfpiele! $>ie
2J2enfcf)en finb ber Xrauerfpiele fatt, (Suret wafinfinnigen Könige,
Qrurer pänberingenben Jungfrauen, @urer ©eifterbefebmörungen:
fatt, fatt — Suftfpiele, ©abage! Seine gefeflfd^aftliAe !öe*
äietjungen, fatirifdje ©ernälbe beS SebenS ber ^ötjeren ©tänbe,
Jronien auf bie Ülbbofaten, auf bie Slrjte, auf bie ißriefter
— baS ift ein Selb, ©abage; SSijj, SSifj, SSi^!" SDiefe Sporte
tbaren ein Programm, baS fidj ©iipom im Anfang feiner
Saufba^n aufftefite, mäfjrenb er felbft nod) Srauerfpiele frfjrteb,
unb wenn tbir bie ©tiiefe ©u|fomS jufammenftetten, bie fid^
beute noch auf ber 93übne erhalten haben, „Uriel Slcofta",
„Urbilb beS £artuffe", „Jopf unb ©cbwert" unb „SönigS*
leutnant" , fo geigt fid), baff brei bon ihnen Suftfpiele finb,
ein $8emeiS, baf} ber ©djmerpunft feiner bramatifeben Xätiq*
feit nadb ber fomifd)en ©eite binneigte, er hier wenigftenS bie
bauernbften Seiftungen gefdjaffen Ijat. ®aS ©tubium feiner
gablreidien bramatifeben ©ntwürfe, bie nur im ÜDianuffript er*
palten finb, führt ju bemfelben fftefultat.
®er Übergang bon ber£ragöbie jumSufifpiel bottjog fid) bei
©u^foib im 28interl840— 1841, unb jwar mit einem ©tücfe, baS
bon S^unben wie ©epbelmann überfdjmenglid) begrübt mürbe,
aber feinem SSerfaffer an bem Orte, wo eS juerft baS Sampen*
liebt )ab, in Hamburg, bie febmerfte DJieberlage bereitete, bie
er jemals erlitten hot unb bie burd) ihre Solgeit auf bie ©e*
ftaltung feines SebenS bon ungewöhnlichem ©influfi werben
follte. ©ufcfow ^atte fid) bureb bie Arbeit ber lebten Jahre
eine gemiffe bürgerliche 9(d)tung, bie er 1835 faft ganj aufS
©piel gefegt, wieber erobert, fein Stuf hatte fid^ burdj bie
9teif)e pofitiber bid^terifdtjer Seiftungen erweitert unb befeftigt,
als Herausgeber einer berbreiteten unb angefehenen 3eitfd)rift
hatte er fid) einen literarifdjen Anhang erworben, unb alles
bieS hatte ihm aud) unter ben (Einwohnern Hamburgs mandjerlei
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72
ßnrl @u^!oh)8 8e6en unb ©Raffen.
{
gefettfhaftlihe ^Beziehungen unb greunbfhaften eingetragen.
2Rehr roie an anbem Orten feinet bisherigen Aufenthalts mar
er in Hamburg in ber Sage, biß SBebölEerung fetbft in allen
ihren (Spielarten fenneit §u lernen, unb bieS befähigte ihn aud)
fpäter, in feinem „tauberer bon fftont" eine fo lebenSboUe
©d^ilberung ber alten ^anfeftabt ju entmerfen. SDafj ihm,
ber in fo anberen S3erhältniffen aufgemahfen mar unb fi<h
entmicEelt hatte, in bem bormiegenb Eaufmännifhen SDZilieu
mandheS entgegentrat, maS ihm unbehaglich mar, feine ©nt=
riiftung unb feinen $orn herauSforberte, mar nicht bermunber*
lief), unb er mochte mof)l aud) felbft (Gelegenheit gehabt haben,
ni^t nur bie S3erftänbniSlofigEeit eines £eilS ber Süufmqnnfhaft
für geiftige Arbeit ju empfinben, fonbern auch hen Übermut
ber profcigen SBörfenjugenb gegenüber benen, bie nicht if)reS
©tanbeS maren, Eennen ju lernen. 3)aS tttefultat fold^er ©e*
oba<htungen, bie burch mancherlei Vorgänge an öffentlichen
Orten SamburgS, befonberS in ben bornehmen ©afdS an ber
Alfter hiftorifet) ju belegen finb, mar baS ©haufpiel „SDie
©hule ber Reichen", baS burch feinen ©toff unb feine braftifdjen
2)?otibe ber ©ptjäre beS fatirifcE>en ÖuftfpielS angehört. ©uüEom
hatte ein populäres SBolESftücf fdjreibeit motten, in bem fich ber
rohe Übermut einer jungen $aufmannS=©entrt) auStobt, bis
fchliefjlich ber finanzielle SQanEerott aud) ihren menfhlidjen
S3anEerott blofjlegt; bie erzieherifdje 9Jiad)t beS ÜnglitcES
fottte bann jule^t atteS mieber jum ©uten menben. S)ie
Xenbenj gegen baS projjenhafte ^arbeniitum mar mit Abficht
etmaS berb aufgetragen, unb baS ©tabttheater §u Hamburg
mar gemifj nicht ber Ort, mo ein foldjeS ©tücf eine mirEliche
fßrobe beftehen Eonnte. Am 25. OEtober 1841 mürbe bann
audh bie „©hule ber ttteihen" mit ^ßauEen unb trompeten
auSgejifdjt, unb eS entmicEelte fih ein ©haufpiel im ©hau*
fpiel, baS burh bie angeroanbten äRittel beS lärmenben SeilS
ber gufdjauer bie bom 3)id)ter beabfihtigte ©atire nur um
fo nahbriicEliher rechtfertigen muhte, ©in SBijjmort: „$)ie
9ieicf)en motten niht in bie ©hule gehen" bradf bem ©tücfe
bottenbS ben JpalS. ©inen Sag fpäter fanb in SBieit auf bem
JBurgtheater bie erfte Aufführung beSfelben ©tücfeS ftatt unb
mit beftem ©rfolge. Aber biefe tröftenbe tttahrih* Eam ju
„$ie ©<fcule bcr SRcic^cu".
73
fpät, um bie nieberfcf)metterabe Söirfung beä Hamburger ©r*
eigniffe§ auf ®u$foro abäufd)Wäd)en.
Ser 3wftanb mehrlofer SBerjmeiflung, ber fid) nach biefer
9?ieberlage feiner bemächtigte unb ben er in ben „fRütfblitfen"
pacfenb gejd)übert hat, bauerte mehrere Sage; er mar wie
gefdjaffen baju, ben böEig niebergeworfenen Sichter, ber feine
in granffurt weilenbe ©attin fcf)mer$lidj genug entbehren
muf?te unb ficf) bor allen ^reunben menfdienfdjeu juriicf^og,
anbern ©inflüffen austyuliefem, wenn fid) biefe in fd)meidjelnber
gorm näherten; eS war jener SDloment, ben ©ujjforo in feinen
Spontanen fo, oft gefd)ilbert, ben er felbft mehrfach erlebt hatte:
bie oöflige Überantwortung an einen Sroft, ber in*fold)en
9lugenblitfen am wirfungSboEften bon weiblicher ©eite fommt.
Ser einfame unb tief unglücfliche Sid)ter muhte fiel) nadf) einer
Sluäfprache, nach üebenber Teilnahme feljncn, bie ihn mit ber
Söelt berföhnte unb ben ©laubeit an fid) wieber herfteUte.
Unb biefe Teilnahme warb ihm benn auch auf eine über*
rafdjenbe 9lrt. (Sä war jwei Sage fpäter, ba flingelte
e§ in ber 9lbenbftunbe an feiner Sür. ©r öffnete felbft.
33or ihm ftanb ein Siener in eleganter Sibree. Sen be=
trefjten $ut aietfenb, überreichte er ihm ein jierlich gefaltetes
SÖillett unb bat um fofortige Slntmort. Sie Slbfenberin war
eine Same ber höh eren ©efeEfdjaft. ©ie fcEjrieb bem Sichter,
fie habe ber UngliidSborfteEung beigewohnt unb fiel) über bie
fD?ad)ination ber fiegreidjen Partei geärgert. Ser bernünftige
Seil beS ißublifumg hätte ben ©ang unb bie EJioral beS
©tüdeS in feinem ©inne auf fidh toirfen laffen. ^njwifdjen
habe fie fid) in bie SßorfteEung feiner Sßerftimmung hinein*
berfejjt unb forbere ihn auf, fid) in ihrem Jpaufe aufjuheitern.
Sh* ©atte fei berfelbeit Meinung. 9lm befien fäme er gleich
am nödhften Sage ju Sifdj.
SBeldje Antwort ©ujjfow im erften Hugenblicf gab, be§
fonnte er fid) hinterher nicht mehr entfinnen. ©r fannte bie
©dhreiberin beS ©riefeS bon Slnfehen unb bon Siamen fehr
gut. ©ie war eine Slblige, bie Sod)ter beS ruffifd)en ©e*
fanbten bon ©trübe, bie ©attin be§ ruffifdjen ©eneralfonfulS
bon 5Bad)erad)i Oft War er ihrer anmutigen ©rfcheinung
begegnet in ber 9ieitbal)n ober auf ben SBegen an ber Elfter,
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74
Jtart ®ufctoto§ Se&en unb Schaffen.
1
I
unb manchmal begleitete fie bei ihren Steitübungen ein alter
Staümeifter, mit bem er felbft jumeilen in JpamburgS Um-
gebung SluSflüge 511 Pferbe machte, ^n ber 9 teget aber
hatte bie ftetS anmutig lädjetnbe fd)öne grau nod) einen Sin*
gehörigen beS 2 )iplomatenfreifeS um fid). Igeber, ber 8 ur
höheren (S^efetlfd^aft ?u geboren fcf)ien, grüßte fie. Pater
mar ein SBohltäter ber Sinnen. Sie felbft, fo fagte man,
ohne jeben Stolj, bie föerablaffung felbft.
@0 oft unfer Siebter bie fc^öite grau reiten unb in bie
SBelt hinauSlädjeln gefeben, mar fie ibm mie ein emiger SDiai
erfdjienen. (Sr muffte auch, baß fie eine Kollegin bon ber
geber mar; unter ihrem Romainen „ Stherefe" fotte fie ein
Pud) mit 9 teifebefcbreibungen unb SIphoriSmen herouSgegeben,
„Briefe auS bem ©üben", (Singebungen beS fiitblidjen ^erjenS,
bie fie bon einer groffen, bis in bie Sürfci auSgcbehnten
Steife an ihre ÜDtutter gerichtet h°tte unb bie erft lange
nachher burch einen t»&terlicfjen greunb, ben greifen b. Stroms
beef in SBoIfenbüttel, gefidf)tet unb ber Öffentlicfjfeit unterbreitet
morben maren. Por einigen ÜDtonaten erft hotte ©ußforn baS
Pud), baS bie Parifer unb Petersburger Sd)ule in mannen
Reinheiten beS Stils erlernten lief?, gelefcn unb in feiner $eits
fdjrift „Telegraph" mit SBärtne gelobt. ^eßt foüte er ber
fchnell befannt gemorbenen Perfafferin als ber dichter eines
auSgepfiffeneit StücfeS entgegentreten.
Stad; langem Sdjmanleit entfd)loß er fiel), ber (Sinlabung
§u folgen. S)er £ag, an bem er jum erftenmal ihr JpauS
betrat, fofltc für ihn ju einem (SreigniS merben, baS fieben
bolle gaßre erfüllte unb beffen Spuren burd) fein ganjeS
Seben hbtburd) fid) nid)t bermifd)ten. (SS mar eine fü()ne
£at bon feiten einer grau, ber in ihrem Salon berfehrenben
©efeöfchaft 511m Xroß, ben ®id)ter ju fiel) ju bitten, ber bon
einem Steil eben biefer ©efeHfcßaft in Sicht unb Pann getan
morben mar, unb OHtßfom hot biefent fchönen greintut ein
bleibettbeS ®enfmal gefeßt. Pergegenmärtigt man fid) feinen
©intritt in SljerefenS Salon, fo fteigt unmiflKirlid) baS Söilb
SubithS auS bem jmeiten Slft beS „Uriel Slcofta" bor unS
auf, bie unbefümmert, ja ftolj ben bom Kirchenbann Petroffenen
in baS öauS ißreS Pater» uttb in bie ©efcllfcf)aft ber reeßts
J
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Stiercfe bon ©adjcracfjt.
75
gläubigen $uben führt, unb mir empfinben beuttid), mer ba§
Urbitb biefeS fügten S0?äbcf)en§ gemefen ift.
®ie SRiebertage ber „Sd)ute ber fReid)en" blieb gteidfmoht
für ©u^fott) eilt ©reigntö, ba§ ihm ben meiteren ülufenthatt
in Hamburg unbehaglich mad)te; ein fofortigeS ©ertaffen ber
(Stabt berbot ihm fein Stotj, unb ben SBinter über mottte er
nod) au^harren. ©r hoffte auf bie Ipeiltraft ber $eit un ^
gebadjte aud) bie ^erbe ©rfaljrung ju feinem innern heften
au$$unu|en. Sangfam begann er feine $elte in Hamburg ab»
pbrec^en, unb ber nadjfotgenbe SBinter bebeutete eine fjkttfe
in ber Sätigteit ber leiten beiben 3«^e. ©in 5 meite§ Suft»
fpiet, „$ie ftiEe gamilie", ba§ er bereite im (September 1842
fertig hatte, 50 g er Pon alten ©ühnen äurücf unb machte fidj
an eine neue Shtrdfarbeitung feiner erfolgreichen Stüde, um
bamit eine (Sammlung feiner ®ramen ju eröffnen, bie bon
1842 ab nach un ^ nach int Verlag bon $• ©teber er»
fdhieu. ©beitfo ftettte er für benfetben ©erlag eine Sarnnt»
lung feiner „©ermifdjten Sdfriften" gufammen, bie in brei
©äuben bie beften feiner Stuffäjje au§ bern „Telegraph"
bereinigten. Sie übrige $eit beS 2Binter§ mürbe burdh bie
rebaftionelte Sätigfeit in Stnfprud) genommen; er hoffte, aud)
biefe tbieber jurüd nad) granffurt bertegen ju föttnen. Sie
^Reibereien mit bem ©erteger hatten feine frühere ©erbe unb
9iebaftion»begeifterung immer mehr herabgeftimmt, unb hinju
fam, bafj am 28. Segember 1841 mit bem gaumen ©ampefcheit
Verlag and) ber „Telegraph" in fßreufjen berboten mürbe.
Ser SJUtarbeiterftab ber geitfdjrift hatte fid) in ben lebten
fahren nod) ftattlid) ermeitert; poetifd)e, fritif^e ober politifdfe
Beiträge finben ficf) bon 3 utiu§ SKofett, Slart ©ed, Stuguft
Mahlert, ©ntanuel ©eibet, ^of- bon ©idfenborf, Hermann
$Ietfe, Suife bon fßtoennie§, Seberedft Srebeä, ®arl ©udjner,
9 t. bon Stentberg, St)- bon ®obbe, SBitljelm Ipamm, 9tbolf
Sörr, Otto 9Rütler, griebricf) Dettfer, ltffo föont unb gabt»
reichen anbem; fetbft ein -Rante mie 9Raj Stirner ift f)ier
bertreten, unb bie äRehrjaht ber altern SRitarbeiter blieb
mährenb ©ufjtom^ fRebaftion bem „Telegraph" treu. Unter
©u^ ott) ® eigenen ©eiträgen finb bie ©erid)te über feine .fReifen,
fo fein ,,Sagebudj au§ ©erlin" im Sommer 1840, feine Sheater»
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76
ffart ©ufcfotoS ßeben unb ©Raffen.
fritifen unb feine gasreichen polemifdjen Strtifel gegen jung*
beutfcpe Kollegen, Verleger ittib Vud)hänbler ^eroorpleben.
©upfow wibmete fid) gern ben praftifd^en fragen be§ Sd)rift=
ftcüerftanbeS, er führte heftige Kämpfe gegen ben üppigen
Starijbrucf, bie Überfe^ungSwut ufw. unb trat befonberS tapfer
ein für ba§ Slnfehen unb bie fogiale Stellung beS Schrift*
ftellerS. 3)ie Verbreitung be§ VlatteS fjatte erfreulich gu*
genommen, unb feine mafjgebenbe Stellung n»irb öon Sern*
tefjenben wie $heobor Montane begeugt. SSoHte ©upfow
eine geiifchrift, bie neben ben färglidjen Tantiemen be§
©ramatiferS einen STeil feiner ©jifteng beftritt, aufgeben, fo
muffte er fid) nadb anbern Duellen umfeijen. Sein Sßunfd)
ging bahin, fid) leoiglid) auf feine fßrobuttion gurücfgiehen gu
tonnen.
$nt HJiärg 1842 machte er be^atb feine erfte Steife nach
fßariS, wo bai ^ulifönigtum bereits unfid)er gu werben begann
unb fid) langfant ber Umfturg 1848 öorbereitete. ©ubtom
blieb gwei SDionate bort unb legte feine fßarifer ©inbrüae in
gwei Vänben „Vriefe auS fßariS" nieber, bie bei 31. Vrocf*
pauS erfd)ienen unb iljn gum erften SJtale mit biefem Verlag
in Verbinbung brachten, mit bem er in ber widjtigften 3eit
feineS SebenS in engfter ©emeinfdjaft bleiben foUte. ®ie Vriefe
enthalten einget)enbe Stubien über ba§ frangöfifdhe ßeben, wie
eS fid) in ber Dffentlidjteit abfpielte, befonberS über bie
potitifdhen unb fogialen Strömungen, unb bie Ijeröorragenben
fßerfönlidjfeiten ber fßolitif unb ßiteratur fd)ilberte ©u^foro
auS eigener 3lnfd)auung, benn feine Vegieljung gu bem SDiplo*
maten öon Vai^erat^t hotte i|m gasreiche Vefanntfdhaften öer=
mittelt unb Xüren geöffnet, bie bem beutfdjen Sdjriftfteller
öerfchloffen geblieben wären. $>er ©rfolg ber Vriefe übertraf
©uptowS ©rwartungen, unb bie beutfd)e $oflegenfchaft förberte
ihn nur, wenn fie ben Verfaffer beS Vertraueu£brnch§ be*
fd)ulbigte, weil er feine Unterrebungen mit Staatsmännern
Wie StjierS unb ©uigot barin öeröffentlid)t l;atte.
$0tit feiner Steife nach ^Q*iS h atte ©upfow üorläufigen
Stlbfdjieb öon Hamburg genommen; er blieb ben Sommer
über in ber Schweig unb in granffurt bei feiner gamilie, bie
nunmehr au§ ©attin unb brei Söhnen beftanb, unb tehrtc
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„Briefe aus 'Pari«".
77
erft im ©pätfjerbft jum enbgiiltigen Slbfdjlufe nacf) Hamburg
auf turje 3 *tt jurüd, um feinen £)au§balt auijulöfen unb
feine gefdjäftlidjen SBerf?ältniffe ju orbnen. ©ier fanb er alles
üermüftet; mittlermeile hatte ber furchtbare Vranb im $Rai 1842
faft bie f)d&e ©tabt jerftört, unb nictjt nur bie ©tätten feinet
SebenS unb feiner Xätigleit, bie 5)niderei ©ampe§ unb fo
mancher Ort, berfreunblicbeSrinnerungen barg, maren oernidjtet.
91 ncf) bie greuitbe, bie ign an Hamburg feffelten, maren 5 er*
ftreut, ba§ itjm liebfte £>au§ Effing aufgeiöft, fRofa 9Raria
mar geftorben unb furj nachher ihr ©atte aud). ÜDiit Sampe
einigte er fid), bie fRebattion be§ „ Telegraph " Pon granlfurt
au§ ju übermachen; er hatte früher gehofft, einmal Seoin
©chüding ober äRorib (Jarriere bie fRebaltion ju übertragen,
mä()renb (fantpe auf Hebbel fpelulierte. $efjt übernahm einer
feiner Jpamburger äRitarbeiter, ber ihm auch freunbfchaftlidh
nahe ftanb, ©eorg ©d)irge§, bie Vertretung be§ abmefenbeit
fRebalteurS, unb fo lehrte benn ©ufjlom am 5. SRooember 1842
nach granlfurt jurüd, um bie näd)ften bier $«h re bauernb
hier ^u bleiben.
$n biefer mohltäiigen fßaufe hatte ftdj ber ®ramati!er
mieber jurechtgefunben. SSätjrenb ber ©(üroeijer unb granl*
furter (IrholungSmochen hatte er mit iRuge unb bidjterifchem
Vehagen ein neue§ ©tüc! oollenbet, ba§ auf ber Vafi3 beä
„Sßerner" ein „©emälbe gemütlicher $onflilte" bot, in benen
fid) (SufdomS ÜDlufe bamal$ am mohlften fühlte. ®er ®onflift,
ben ©u^fom, fein eigene^ Seben barfteßenb, fo oft behanbelt
hat, bie ©tellung etne§ 3Ranne§ jmifchen jmei grauen, ohne
bafj biefe SDoppelempfinbung burd) ben einfadjen ©egenfafj
fßflicht unb Siebe böllig be-\eid)net märe, biefer ®onflitt mar
ihm nad) feiner Velanntfchaft mit Sfjerefe unb feiner fRüd*
lehr nach granlfurt — igerefe mar im ©ommer 1842 auch
feine fReifegefährtin — auf§ neue jurn Vemufjtfein gelommen,
unb er ift in betn ©djaufpiel „(Sin meifje§ Vlatt" mit feffelnber
©infadjheit unb frei bon jeber tenbenjiöfen 3 «tat behanbelt.
$>er Erfolg ber erften Sluffühmng in 2 )rc§ben am 18. ©ejember
1842, ber ©ufcloro mit ungemöhnlicher Slufregung entgegenfah,
entfchieb jugunften be§ ©ramatilerä, ber bie SRieberlage be4
Porigen $ahre3 mettgemad)t hatte. ©amit begannen Pier gaf)re,
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78 ffarl ®u$sfolt)$ Cebcn «nb Sdjnffeit.
bie ©u$fom bic größten bramatifdjen (Srfotge feines £ebcn?
brachten. grüt)jat)t unb einen ©eit be§ ©otnmerS üerlebte
er in Italien; im „Albergo Sieidjmann" ju Siailanb hatte er
ftd) ein „ftilteS, red)t§ unb linl^ nur oon roohtftingenber
ÜUiufif unterbrochenes (Sinfiebterleben" gefci)affen, unb ein^ßrobrft
biefer mohtigen ©timmung, ber er fid) bamalS monatelang
hingeben fonnte, mar baS Suftfpiet „3opf unb ©chmert", ein
SBerf oon edjtem, liebenSmürbigftem §umor, graziöfer ©zenen*
führung unb mirffamen Situationen, baS eines ber toenigen
guten iiuftfpiele ift, bie baS neunzehnte Sahrfjunbert geboren
hat unb bie eS überlebt hoben, foiftorifcf) ift eS in bem ©inne,
atS eS ganj unter bem (Sinbrucf eines refpeftabeln Duetten*
merfeS, ber „Memoiren üon grieberife ©ophie SBilhetmine,
ber SÖSarfgräfin oon Saireuth", getrieben unb im ©eifte
biefeS Sud)eS erfunben ift. ©er (Srfotg ber kremiere in
©reSben am 1. Sanuar 1844 mar ein enthufiaftifdjer, ber fief)
auch au f b« übrigen Sühnen übertrug, fomeit nicht bie $enfur
ben Stufführungen ©cfjroierigfeiten in beit SBeg fcfcte. (Sine
neue preufjifd)e Verfügung, bie jebeS Stuftreten oon äJiitgliebern
fürftlirfjer Käufer auf ber Sühne als Serfonen eines ©ramaS
üerbot, beraubte ben ©ichter oon „3°Pf «nb ©chmert" ber
meiften t$rüd)te, bie ibtn biefeS SBerf einzutragen geeignet mar.
®aS @ube beS SahrcS mar ein üieKeid)t nod) größerer
Triumph. Stm 15. Dezember 1844 ging in Dtbenburg, am
1. Januar 1845 in ©reSben baS „Urbilb beS ©artüffe" über
bie ©zene, unb tp er mie allenthalben mit fo burdhfehtagenber
SBirfung, baff fid) ©upfom für mandjertei gd)tfd)läge audj
biefer beiben Sah« reiflich entfd)äbigt fah- SJiit einer un*
gefügen ^iftorifchcn ©ragöbie „Sugatfcbem", bie ben fatfehen
Srätenbenten für ben ©hron $aifer fßeterS III. Oon Üiufclanb
behanbette, hatte er SiaSfo erlebt, unb ein Suftfpiet ,,©ie beiben
StuSroanberer" , nach einer matten Stufnahme in SBieSbaben
am 30. Dftober ,,©ie neue SBelt" benannt, hatte bem an*
mefenben Slutor fo menig gefallen, baff er eS oon allen
größeren Sühnen zurüdzog unb fo oerftimmt mar, baff er
faum magte, baS fdjon fertige „Uvbitb beS ©artüffe" zu oer*
fenben. (Sin ©ragöbienftoff „Herzog Sernharb oon SBeimar"
mürbe aufgegeben, ba SutiuS ÜRofen mit feiner ©ramatifierung
1
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Suftfpiele.
79
5 uDorgefommen roar, unb baä fftefultat be£ I^ahreä 1845 roar
aud) roeiter lein günftigeä. SBom „Urbilb" bil jum „Urtel
Slcofta" roar nod) eine tiefe SHuft ju überfpringen, bie burd)
bie einbrucfölofeit SDarftellungen be§ Sd)aufpiel§ „®er brei=
jefjnte SRooember" unb be§ ßuftfpielä „Slnonpm" Derurfacbt
»porben roar. %n allen biefen Stücfen geht Selbfterlebte§ mit
refoluter unb manchmal aUju roenig roä|terijd)er ©rfinbung
£anb in tganb. ®ie beißenbe Satire auf bie $enfur im
„Urbilb" roar allen 3 e ttgenoffen au§ ber Seele gefd)rieben
unb auf ber l)iftorifcf)en golie mit einer überlegenen Xedjnif
ju lünftlerifcf) reiner SBirfung gebraut; ba§ ©runbmotio für
bie 3eic^nung be§ üöiolibre, SRifjtrauen unb Slrgrootjn, ^olte
©ufjloro au§ feiner eigenen Söruft ober aber au4 feiner ©r=
innerung an $arl Sepbelntamt, bem biefe ©haraftereigenfd)aft
einen £eil be§ Sebent Derbüterte, unb aud) im „Sireijehnten
•RoPentber", ben ©ujjforo fd)on 1841 plante, roa§ roir eben auä
Briefen Sepbelmannä roiffen, trat eine Stimmung plage, bie
mit biefer ^ntenfität nur jene§ Sd)aufpicler§ leßte 2eben§jaf)re
beherrfd)te. Söie tief ©uf)loro§ SDramen mit feinem innerften
©rieben Derroadjfeit finb, gefjt Por attern au§ feinem „Uriel
Slcofta" ^erpor, ber bie reife 2frud)t be§ 3al)re4 1846 rourbe.
®a§ S)rama ift in $ari§ gefdjrieben, wohin ©ußloro nacf) bent
9Rißerfolg feines ÖuftfpielS „Slnontjm" in granffurt geflüchtet
roar, im SRärj unb s 2lpril 1846. Sein gebemütigter ©hr*
geij fud)te unb faitb in biefer Arbeit neue Söefriebigung,
feine burd) mannigfache S3erbriefflid)teiten bi§ pr SBerjroeifs
luitg Ijerabgebrücfte Stimmung neue ©rljebung; baher aud)
ber elegifdje £on, ber burd) bie Söerfe biefeS $ramaS nad)=
gittert unb bie erfdjiitternben bramatifdjen SBirlungen beS
Pollenbeten 2xd)itifer§ rooljltuenb bämpft. 2Rit allen Wafern
»oar bieS Stüd mit ©uftforoS Innenleben Derroad)fen, unb e§
enthält !autn ein 2Bort Pon Söebeutung, beffeit ©ntftef)ung nad)
Inhalt unb ©mpfinbung nid)t in ©ufjforoS ganzem ßeben
nadiproeifen unb p Pcrfolgen ift. 2Bie muffte e§ if)n fdjon
ergreifen, burd) ben Stoff be§ „Uriel Ülcofta" prücfgefüljtt §u
roerben in ba§ DerhängniSDotlfte ©rlebniS feiner Bugenb, unter
beffeit SBirfung er feine 9iooelle „®er Sabbujäer Don Prüftet*
bam" 1834 gefc^rieben hatte! ©nbe 1844 hatte ©ufjloro be*
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80
flatl ©ufcromg ßeben unb ©djaffen.
gönnen, ber «Sammlung feiner ©tarnen eine Sammlung feiner
profaifchen 28erfe an bie Seite $u [teilen, bie in jroölf Sanbm
1845 — 1846 bei Sftütten & Söning in granffurt erfc^ien, 1852
noch um einen breije^nten Sanb bermehrt mürbe. ®ie Qa=
fammenftellung biefer 2lu§gabe hotte ihn auch §ur ©nrchfiht
jener üßooetle geführt ©abei mar ihm bie fsenifdje Steige«
rung biefe§ Stoffel aufgefatten, unb mit einem fcf|on fertigen
Szenarium jum „Uriet Acofta" mar er nadj $ari§ gefommtn.
üftadjbem e§ ihm mit Ipilfe ber fremben Umgebung unb ber
mof)Ituenben (Sinbrücfe ber franjöfifchen Ipauptftabt gelungen
mar, feiner Stimmung öerr ju merben, hotte er fid^, um mit
ÜRanaffe im „Uriel 21cofta" ju reben, fein Seben „in ben
Sann be§ eigenen SehagenS eingepfercht" unb überliefe ftdj
ganj bem „SegeifterungSraufdh", ber ihm bei bem neuen 28er!
bie führte, gn fünf 2Bo<hen mar bie erfte üftieberfdjrift
boüenbet, unb am 27. April mar ba§ 28erf fdf)on jum jmeiten«
mal überarbeitet. (Einem in $ari§ meilenben jübifcfjen greunbe
Slleyanber 28eill la§ er jeben 2lft frifd) bon ber geber meg
Por, um auch in rituellen gragen jebe Unma^rfc^einlid)feit ju
bernteiben. ©herefe Pon Sad)eracht, bereit greunbfc^aft für
bie (Sntmicfelung ber meiblichen Ipelbin gubith Pon ber üftooeGe
^um ©rama entfdjeibenb mar, meilte jur felben $cit in 5ßari8.
•Jieu geftärft unb frifdjen $Diute§ f ehrte ©uj 3 fom Slnfang SCRai
nadf granffurt juriicf, unb bie grofeen (Ermartungen, bie er
auf ba§ im Saufe be§ Sommerä nochmals? überarbeitete 28crf
fe^te, mürben nicht nur erfüllt, fonbern bei meitern übertroffen.
9?odf) ehe aber bie erfolgreiche Saufbahn be§ „Uriel 21cofta"
mit ber fßremiere in ©re§ben am 13. ©ejember 1846 ein«
fefete, hotte auch ©uhforo§ äufeere§ Seben eine entfdjeibenbe
SSanblung erfahren.
Selbft eine fo unermüblidhe SlrbeitSluft, ja fieberhafte ©ätig«
feit unb unerfd)öpflicf)e $robuftion§fähigfeit mie bie ©ufefomS
maren ju jener Beit nicht imftanbe, bem ernfthaften Schrift«
fteHer feine bürgerlidf>e (Ejiften* ju ftcljern. ®ie ^a^lung
einer ©antieme bon ben Aufführungen ber ©ranten mürbe
erft feit 1844 bei Perein gelten Sühnen eingeführt, unb fie
hatte auch fp c * feine rüdmirfenbe $raft, fo bafe bie (Erfolge
Pon „28erner", „gopf unb S^mert" unb „Urbilb be§ ©artüffe"
„Uriel acofta".
81
in biefer ©ejielfung für ihren ©erfaffer fo gut Wie Perloren
waren. Stritt aucf) ber 'Sramatifer Gufef om in biefen Pier*
jtger fahren weitau? in ben ©orbergrunb, fo war er neben*
bei bod) baranf angewiefen, burd) eine umfangreiche anber*
Weitige $ätigfeit einen Seil feiner Ginfünfte ju beftreiten.
©o fdjrieb er für ba? Stafd)enbud) „Urania" mehrere SRopetten,
1843 bie „SBettenbraut", 1844 „®ie ©elbft taufe" unb 1846
„Smagina"; mit feiner Überfiebelung nach Stanffurt war bie
Ziehung jum „Telegraph“ halb toder geroorben, unb Gnbe
1843 hotte er bie SRebaftion ganz an <Sd£)irge§ übergeben.
Stuwer gelegentlichen ©eitrügen, Äfitifen unb $orrefponben$en,
bie bei ber „2tug?burger Stilgemeinen 3eitung", ber „ßeip*
jiger SlÜgemeinen 3eitung" unb ben gröberen ©erliner
©lüttem wittfommen waren, Perpflidjtete er fid) jeitweife auch
ju regelmäbigen ©eitrügen, fo bei ber „®ölnifd)en 3eitung"
unb bei SSeber? „SRoPettenzeitung"; bocf) Ratten fotche ©er*
binbungen meift furzen ©eftanb, obwohl biete biefer feiner
geuitteton? fritifd)er unb polemifdfer Strt Sluffehen machten;
brannte ihm fold) eine Strbeit unter ben £>änben, fo berlangte
er aud) bon ben SRebaftionen bie fofortige ©eröffentlichung
unb fühlte fid) über ©erjögerungen betfelben ober gar über
finnentftellenbe 25racf fehler fo freuzunglütflid), bab i^m bie
ßuft an ber weitern fölitarbeit Perging, ganz abgefehen baPon,
bab er in feinen lponoraranfprüd)en meift gorberungen ftettte,
bie nur wenige fRebaftionen ju erfüllen Witten? waren.
ttRandferlei Sllmanadhe unb Stafdjenbücher, wie ßeoin ©d)ücfing?
„fRheinifche? Jahrbuch", SÖii)l? „^atfrbud) für ®unft unb
fßoefie", „©enelope", 3eitfd)riften mie ßewalb? „Guropa",
„Sutli grutti", „Söeltgegenben" unb anbere enthalten weiter*
hin ©eiträge Gu^tow? ber Perfd)iebenften Slrt. ®ie Stu?gabe
ber ®ramen, Pon benen einzelne halb einer zweiten Stuflage
beburften, brad)ten einige fidjere Ginfünfte, unb bie ©amm*
lung feiner profaifchen Söerfe ermöglichte e? Gubfow jum
erften SRale in feinem ßeben, feine finanziellen ©erhültniffe
einigermaben ju orbnen. ®ie Unfidjerheit ber Gfiftenz, ba§
bon ber £>anb in ben SRunb leben blieb babei ftet? unoer*
änbert, unb e§ ift baher begreiflich, wenn Gufcfow mit fRücf*
fid)t auf feine ffatnilie ben Gewinn einer feften ©tettung an*
fflufctolü, SCuSfl. SBcrfe. I. 6
aogle
82
$arl öujifotüä Sieben unb Schaffen.
ftrebte, bie mit feiner fdjriftftellerifdfen Arbeit »eretnbar mar.
Dem Dramatifer erfdfien bafjer baf Amt eines Dramaturgen
alf ein 3i e h aufä innigfte ju münfd)en, unb ba in ber fRegs
famfeit bef bantaligen Dheaterlebenf bie (Einrichtung folder
©teilen SJiobe mürbe, burfte er mit 9ied}t hoffen , baß auch
i^m bie ©rlanguttg eines folgen ißoftenf nicht fe^lfAIagert
mürbe. Daf $ahr 1846 brachte bie (Erfüllung biefer Hoffnung.
(Er hatte ben Sommer baheim in granffurt »erbracht, mit
ber lebten Aufarbeitung bef „Uriel Acofta", ber SRieberfdjrift
ber „Smaqina“ unb ber Siebaftion feiner Serie befdfäftigt;
aber ber ©ebanfe, granffurt ju »erlaßen, mar 511m ©ntfcßluß
gereift, unb ©ufjfom bacfjte an eine Überfiebelung nach ©erlitt.
Amalien »erriet er nichts, ba ihr ein ©erlaffen ber £>eimat
unb ber (Eltern erfahrungsgemäß großen Schmerj öerurfachen
mürbe, unb reifte am 8. Oftober 1846 ab, um *unäd)ft nad)
Seimar ju gehen, rnoßin ©uftab S'iihne einen SchriftfteUers
tag entboten hatte. Sd)on auf ber ffteife erfuhr ©ußfom, baß
biefe 3ufantmenfunft int lebten Augenblid abgefagt fei; er !am
barauf nach Seip^ig, unb hier traf ißn burd) einen Sörief ©mil
Debrientf bie überrafdt)enbe üRadjricht, baß jefü ©elegenheit fei,
bie Dramaturgenftelle in Drefben ju erobern, ©eit mehreren
fahren mar ber ijjoften unbefe^t; ©buarb Debrient, ber fett 1844
Üttbroig Diedf einftmeüiger 9?ad)folger gemefeit, hatte bie 0ber=
regie im gebruar 1846 niebergelegt, unb ohne ©ntilf 3uftitnmung
mar ber $laß nicht leicht bott bent millenffchmadjen $nten=
banteit ju beferen, ©ußfom mar im erften Augenblid uns
fd)lüffig unb jmeifelnb, ob er auf biefen Antrag entgehen
foüte; er moHte fiel) nicht anbieten unb fidb in jebem gaüe bie
äfößglichfeit fid)ern, 33ebingungen ju fteUeit. Auf Debrientf
mieberholtef Drängen reifte er am 15. Oltober nach Drefben
unb mürbe aud) fcljon beim erften 23efud) mit bem ^atenbanten
»öUig einig. Am 23. Oltober mürbe ein probiforifchet $ons
traft junächft auf brei ^ahre gefcf)toffen, mit $ünbigungfredbt
bif junt 30. September 1847. Alf ©ehalt mürbe ihm bie
Summe bon 600 Datera fürf erfte Sah^ 800 Dalern für bie
folgenben $ah*e jugeficbert, bei einer Dätigleit, bie ihn mährenb
ber langen Df)eaterfaifon faft ben ganzen Dag in Aitfpruch
naljm. ©län^enb mar alfo baf ©ngagement in leiner Seife;
ttberflebelung nacf) $>re$ben.
88
aber ©unfern) feinte firf) nacf) einer giyierung feines ßebenS, fo
ungern er auef) feine giceif)eit berfaufte, unb mit SreSben
tonnte fid) feine gamilie bieHeicßt nod) am erften berföhnen.
Sie §lncrfeitnung, bie biefeS (Engagement immerhin beraieS,
tbar ißm zubem eine freubige (Genugtuung, unb ^ufrieben in
biefem ©emußtfein reifte er am 25. Oftober nacf) ©erlin, bort
bie (Genehmigung beS fächfifcßen Königs abzumarten. Unter
zahlreichen ©efueßen alter ßireunbe,. im ©erfeßr mit Xßerefe
bon ©aeberaeßt, bie ebenfalls in ©erlin meilte, bergingen bie
Sage. Sie föniglicfje ©eftätigung blieb auS. ©on Sag 51 t
Stag bergrößerte fid) (GußforoS Unruhe. $n feiner burd) ein
fcßmerzßafteS Ohrenleibeit noch berftärften fd)marjfef)erifd)en
ütefignation mar er fd)on gemiß, baß baS föniglicße Sefret
überhaupt nid)t eintreffen unb baS ganze freubige Erlebnis
mit einem großen Sfanbale enbigen merbe. Aufgeregte ©riefe
flogen bon ©erlin nach SreSben: Sebrient unb ©iircf rieten,
bureß feine perfönlkße Anmefenßeit bie Entfcßeibung ßerbeizu*
führen. Sdjon entfeßloß fiel) (Gußforo nach langem $ögern,
naeß SreSben zurürfjureifen, ba fonnte ihm enblicß am 21. 9?o*
bember Sebrient melben, baß bie Unterfcßrift beS Königs ba
fei; am 25. lehrte nun (Gußfom nad) SDreSben jurüdf; ber befi=
nüibe ®ontraft ift bont 23. batiert.
9D?it boller ©egeifterung marf fich ber neue Dramaturg in
feine Sätigfeit. Er muffte erft ben ©oben fennen lernen, bie
Scßaufpieler ftubieren unb alles für feine ungemohnte SBirffam*
feit borbereiten. SeS ^ntenbanten fnunblicßeS Entgegenfommen
bermehrte feine Arbeitsluft. Entfdheibenb für feine ganze
Stellung mußte aber bie Erftauffül)rung feines neuen SramaS
fein. Am 13. SDejember 1846 fanb fie ftatt unb bebeutete
einen granbiofeit Sriumpß, mie ber Süßter beS „Uriel Acofta"
feinen ßößeren erlebt hat- Ser ftiirmifcße Erfolg biefeS fo
manche Empfinbungen ber (Gegenmart mächtig aufriittelnben
SramaS mürbe aber Pom föniglicßen Jpofe als eine politifd)e
Semonftration aufgefaßt unb am näcßften Sage bie 28ieber=
ßolung berboten. Sarauf reichte (Gußfora furz entfd)loffen
feine Entlaffung ein, noch &ebor er fein Amt offiziell ange=
treten hatte, benn er faß mit lfted)t borauS, baß bie an fid)
feßon geringe Autorität beS SramatiferS unter ben ®cßau=
6 *
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ffarl @ufcfoh)3 2e6en unb (Sdjaffen.
Vielem burd) eine fold)e StRaffregel böttig untergraben mürbe.
SieS entfdjiebene Auftreten imbonierte. fßrinj Sodann befatn
ben Auftrag, baS ©tücf äenfurgemäff einjurichten; er begnügte
fid) bamit, einige roenige ©triebe an^ugeben unb etliche beben!«
lid^e Sßorte wie fßriefter, ßirche ufro. burd) minbergefährlüfye
mie Rabbiner, Salmub ju erfejjen. 3J?it biefen Shtberungen
burfte ficb „Uriei Ülcofta" nad) 14 Sagen mieber auf bem $of«
tbeater fegen taffen unb begann bon SreSben feinen Sriumpt)«
äug über alle beutfdjen Söügnen. ©ubforo nafjm fein (Ent«
IaffungSgefud) jurüd, unb fo entfdjieb fid) nun bie grage feiner
Überfiebetung nad) Sterben, roo er bis 1861 bleiben fottte.
^n biefer feiner SreSbener Beit erreichte er ben ^ohepunft
feines SBirfenS; hier manbelte fid) ber Sramatifer §um fRontan«
fdjriftftefler, unb t)ier bertebte er eine 9ieif)e bon S^ren, bie
ju ben beüften (Epifoben feines bom @lüd nur fpärtief) be«
bad)ten Gebens gehören. Sie SreSbener B e *t ift bie tickte,
menn aucf) nid)t molfenlofe fööhe feines SebenS unb feines
©djaffenS; aber ehe er fid) $u ii)r burebarbeitete, fjatte er audj
^ier nod) Sah re auSfichtS« unb freubelofen SampfeS unb fernere
©djicffalSfd)läge ju überroinben.
Sie greube über bie $lnerfennung, bie feine Berufung auS-
brüefte, mar fc^on burch baS lange Ausbleiben beS föniglidfen
latentes jiemtid) bergäut; bie erften (Erfahrungen feines SreS«
bener 2tmtS, baS unfid)ere ©d)icffal fehteS neuen ©tücfeS taten
baS Sh ri Ö e baff batb bon bent ganzen freubigen (Er«
eigniS nur bie Saft unb ber SBirrroarr ber Überfiebetung feines
IpauSftanbeS unb ber (Einroohnung in bie neue Umgebung als
fefjater Ü3obenfaf) übrig blieb. (Erft (Enbe SRärj tonnte bie
Bantitie bon granffurt nadjfommen, unb biefe lange ©argon«
mirtfdjaft madjte i^m bie erften Monate ju einer häuStid)en
fßlage. ©eine ©tettung am SreSbener Stjeater mar oben«
brein eine unbehagliche. (Er gab fid) barüber aud) feinen
Stlufionen hin, unb mit feinem burd) ein frühes ÜRifftrauen
berfdjärften 33licf iiberfah er batb feine Sage in allen ihren*
unangenehmen ^onfequenjen. (Er muffte feine beften Sßor«
mittag bem Sheater roibmen, fottte fid) für bie „fßrobuftion
bon ^pinj unb $unj" iittereffieren, alten groben muffte er
beimohnen, eine Un^af)! bon fd)ted)ten Sramen tefen, unb
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Stramahttflfnjett.
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tjattc fdhliefjlidj bocf) nur ©orfchläge ju machen uitb nichts ju
entfrfjeiben. !^beS abgelebte Stüd fc^uf ihm geinbe; baS
fteUte fid) fdjon in beit erften Monaten heraus, als ©uftaü
greptag feine „Valentine" eingefanbt hotte. Der 3 nten bant
Von 2üttid)au roar aufjer ftd) über bie Unmoral beS StücfeS,
unb ©upforoS $nberungSöorf<hläge mürben bon greptag ^urüc!=
geroiefen. Die fd)liefelid)e Aufführung fanb erft 1848 ftatt
mäljrenb einer äufättigen Abroefenheit ©upforoS, als bie polU
tifcpen (Sreigniffe ben gntenbanten boriibergefjenb §u liberaleren
Anfcpauungen vermocht Ratten, unb batnit mar in ben klugen
ber gernftehenben ©upforo all baS §inberniS ber Aufführung
ermiefen. Diefe Vorgänge hotten eine perfönlidje ©ereijtheit
jroifchen ©upforo unb greptag jur golge, bie fiep fpater au
einer heftigen geinbfcpaft entmicfelte. Auch bie erft fehr freuno-
fdjaftliche ©ejiehuitg ju Otto Subroig führte ju feinem brama=
turgifcpen IRefultat; in einem ©riefe bom 15. 2J?ärä 1847 an
©upforo {fixierte ßubroig jroar beit erften ©ntrourf fetneS
„©rbförfter", bocp bauerte bie Ausführung noch ä roe i Jgaljre,
unb ©upforoS cmfte Abficht, baS „grtiulein bon Scuberp"
? ur Dar|tellung 5 U bringen, fcpeiterte fchlieftlicf) am SSiber*
tanbe beS DidjterS felbft. Die äRitteifteßung beS felbft
probujierenben Dramaturgen jmifhen ber gntenbanj unb ben
auf Annahme ihrer Stüde brängenben Autoren mar eine
üuperft fcproierige; nadf auffen hin roar er ber ©turmbod, unb
bie ©orroiirfe über ©ernacf)läffigung, ©ergeroaltigung ber <Stücfe
ufm. famen auf fein $onto, ber er bodh nur eine beratenbe
•Stimme hotte. Den fo lautmerbenben ©erbädbtigungeit auS^
jumeidhen, erforbcrte eine Diplomatie, bie ©upforoS Sache
abfolut nicpt mar, unb ber ärgerlicpfte SSiberftreit jmifdjen
bem auSführenben ©eamten unb bem Scf)riftfteIIer mar burdf)*
meg für ©upforo baS fßefultat feiner bramnturgifcpen ©e=
ntühungen. Schon bie furje Dauer feiner Dramaturgenfdhaft
machte alle ffteformberfud)e ergebnislos unb febeS jielbcrouBte
Söirfen jum gragment. ! 0 fit melcher ©eroiff enhaf tigf eit fidh
aber ©upforo feinem Amte mibmete, mie ausführlich er feine
Ablehnungen frember Stüde motivierte unb mit melcher ©ereit=
miHigfeit er ben Autoren mit Sftatfchlägeit jur £>anb ging, um
bie .Aufführungen burchjufepen, bemeift feine umfangreidhe
86
Star» ©u^fotog Beben unb Sdjaffen.
®orrefpoitben$ auS biefer 3eit. ©roße (Ereigniffe bot^ogen
fid) mäßrenb ©ufcfomS SDreSbener ®ramatuiißenfchaft nicf)t,
unb bie Autoren, benen er jurn SSorte bethalf, »raren burq*
»reg ^»reiten ©rabeS. ®ie launenhafte Qintenbanj, ber über*
empfinblidje fßniglidje $>of unb bie ÜDfodjtftellung einjelner
Sd)aufpicler »raren gaftoren, bie fid) Prn heute auf morgen
nicht beseitigen ließen, unb eine Sluffithrung et»ra §ebbelfd)et
©türfe auch nur anjuraten, märe beim ^ntenbanten Pon ßütticfjau
auf eine (Entgegnung geflogen ron noch »reit heftigerer Xonart
al§ bie, in ber jener gretjtagS „Valentine" charaEterifiert
hatte. Vei jäJieinungSPerfchiebenheiten pflegte Süttidjau feinen
Dramaturgen auf feine „$nftraftion" §u Permeifen, laut ber
er fid) in erfter Sinie feine, beS $ntenbanten, ßufriebenheit ju
er»perben fjabe. ®aS Verhältnis §u beit Sd)aufpielern geftaltete
fid) auch nicht erfreulicher. ®ie bontinierenbe Stellung einzelner
Kräfte mie SDtotie Vatjer, (Emil Sebrient u. a. legte geffeln
auf, bie abfd)üttetn gu mollen fopiel mie bie Sftiebetlegung
feines StmteS gemefen märe; ber S^eaterfefretär <pofrat SEöinfler,
ber unter bem ^feubont)»n Sth eo ^ or Hell maffenhaft fran^öfifche
Stüde überfe|te unb als ber Vertraute ber ebenfalls probu=
gierenben tjSrinjeffin Slntalie galt, (Ebuarb SDePrient, ber mit
feinem Vruber ^erfaßen mar unb fid) bei feinen häuslichen Vor*
iefungen leidet als ber beffere, beifeite geflohene Dramaturg
borfommen mochte, maren ebenfalls ^nftanjen, beren jebe ihren
eigenen ßmedeit na^ging unb hoch berüdfid)tigt fein mollte.
Vebeutenbe neue (Engagements abjufchließen, gelang ebenfo*
menig. @ufjfomS Abficf)t, ben noch gänj^d) unbefannten
Vogumil ®a»oifon an SDreSben ju f eff ein, Eam, Permutlich
burch beS Zünftlers Söiberftanb, nicht jur 'üluSführung, unb
unter bem ungefdjidten Siebhaber Submig ©abilton, ber ftch
bamalS bem SreSbener Sweater antrug, ben jufünftigeit
(Eharafterfpieler ju erfennen, befaß ©ußfom nod) nicht Übung
genug unb roohl aud) nicht ben Sdjarfblid Heinrich SaubeS.
Dod) betrat unter ihm $arl Sontag jnnt erftenmat bie
Vühne; eine roeiblidje $raft, auf bie man große Hoffnungen
feßte, SJiathilbe Schlegel, ftarb fdjon nach ^ em elften halben
3fahre ihres SDreSbener Aufenthaltes; ©ußfom hat ihr einen
ergreifenben 9?elrolog in Verfen geroibmet. (Erfolg bebeutet
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{Berliner SJtävjtüße.
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auf ber ©üljne afleS, unb fein Mangel entzog bem Xranta*
turgen audt) nod) bie geringe Autorität, bie er, unter bem
Sntenbanten ot)ne ©elbftänbigfeit, ben ©cbaufpielern gegen*
über etma befaff. ©eine bramaturgifdjen Ginridftungen
Jtaffifdfer SSerle mie „Goriolan", „$önig $ol)ann", „©tanb*
hafter ^rinj" maren nur üorubergetjenbe ßicfjtpunfte, unb ein
intereffantel Gjperiment mie bie ©ühneneinridjtung einer
Gpifobe auS „Sauft" II. Steil unter bem Xitel „9taub ber
Helena" lag fdjon außerhalb feiner amtlichen Xätigfeit, ebenfo
mie ber Grfolg beS ßuftfpielS „X)er ÄönigSleutnant", baS er
als Seftfpiel jum ©oetfjetage 1849 fcfjrieb. SDer ©rfolg beS
„Uriel Slcofta" mar feinen nädhftfolgenben Xramen nid)t ber*
blieben. SDiit feinem „SSuUcnmcber", einer bebeutenben bid)=
terifdfen Arbeit, mar er in jeber ©ejichung über baS ©üfjttens
rnafe fjinau^gegangen , unb bie attju ^erbe $fpcf|ologie
eineö tiefpoetifdjen ©olfSftüdeS mie „ßicSli" fanb nur bei
menigen ©erftänbniS. $lHeS bieS tarn jufammen, um feine
©teuung nadf jmei Sohren unhaltbar ju mad)en. ©dfon als
er im SJiärj 1848, einen längeren Urlaub antretenb, nad)
©erlin reifte, fdpen eS nur eines äußeren DtnftofjeS ju be=
bürfen, um bie ßöfung feines X>ramaturgenberf)ältniffcS in bie
Diäfje ju rüden. Gr mar im IjeUften $mift mit feinem Sn 5
tenbanten gefd^ieben, unb faum in feiner ©aterftabt angelangt,
mürbe and) er üon ben Stellen ber fDiärärebolution fort=
geriffen. dincr fo impulfiben Statur mie ber ©upfomS märe
eS unmöglich gemefen, böllig unbeteiligt beifeite ju fteljen,
unb fo befanb auch er fidj unter ben ©ollSrebnern ber Stär^
tage, febod) unter benen, bie bei aller ©pmpatl)ie für baS
^Srinjip ber ©emegung an ficfj jur SDiäjjigung rieten unb in
ben ©erfammlungen ben SJZut eigener Meinung seigten, aud)
menn biefe nid^t mit ber ber §auptfd)reier übereinftimmte.
(Sine biefer Dieben lief? er unter bem Xitel „2Infpracf)e an baS
©olf" als Slugfdjrift „bon ©." im Xrud erfdjeinen. Slud)
©u^fom redptete bamit, 511 benen 511 gehören, bie burd) baS
©ertrauen beS ©olfeS jurn Sranlfurter ©arlament entfanbt
mürben, ©olcben (Sntmürfen ber $ufunft aber mad)te bie
(Srlranfung uno ber Xob feiner ©attin Slmalie ein furcht-
bares (Snbe. ©ie hatte jju DtuSgang beS ^afpeS 1847 bereits
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88
$arl ©ufctotuS Se&en unb ©Raffen.
eine frühzeitige ©ntbinbung burcffgemadhi unb mar mit Mülje
bem Tobe entgangen. Platte fie ihren ©atten in bie Serien
begleitet, um fiel) ju erholen, unb ihren jüngften ©ohn mit*
genommen, bcr halb nad) ber Anfunft in Berlin erfranfte.
Tie pflege beS SHnbeS mar eine Anftrengung, ber ihre eigene
Schmähe nicht geträufen mar. Tie rebolutionären ©reig=
niffe, benen ihr lebhaftes fübbeutfdjeS Temperament mit entlju»
fiaftifcher Teilnahme folgte, berfe^ten fte in eine i)ocf)grabige
©rregung, eine ©rfaltung trat f)inju, unb ein 9?erbenftebet
brad) auS, bem ihre gefdhmädhte ©efunbfjeit am 22. April
erlag. ®urd) biefen ferneren «Schlag in ben SBinfel feines
perfönlidfen ©d)icffalS gurücfgefd)leubert, teerte ©ujjfom in
fein bermaifteS TreSbener §eim gurüd, um fidf bann nach
Sßerforgung feiner $inber nach SBarmbrunn jtrrüajujie^en, mo
er bie erften SSodjcn ber Trauer in faffungSlofem ©d^merj
unb bitterer ©elbftanfloge berbradjte. Sn foldher (Stimmung
berfanbte er ben gebrucften „23rief an greunbe", in bem er
bon AmalienS Tob Mitteilung machte. Unb als ob mit bem
Eingang feiner ©attin auch fein ganjeS früheres Seben in fidf
jufammenfänle, begannen bie ©tilgen feiner ©jiftenj ju manfen.
©eine Tranten mie „SieSti" fd)lugen fehl; über ein neues
©tuet, baS er in ben Tagen bor ben berliner Aufregungen
begonnen unb in äßarmbrunn botlenbet hatte, „Dttfrieb", eine
Tramatifierung feiner Lobelie „©elbfttaufe", mar er felbft fo
unfid)et, bafj er eS bem TreSbener Theater gar nicht ein*
reifte. Auch ber eigentliche ©rfolg beS „SünigSleutnant"
fe£le erft fpäter ein. ©eine ©tellung jum Qfntenbanteu mar
immer fd}toieriger gemorben, unb ber Aufftanb in TreSben
im Mai 1849 führte jur borüberge^enben Auflöfung be§
Theaters unb aller nidht lebenslänglichen Sontralte. ©upom
unb ßüttichau maren beibe jufrieben, auf biefe äöeife getrennt
ju merben; nur bie Ausarbeitung beS Programms jur ©oetl)e=
feier im Auguft 1849 unb beren ßeitung blieb if)m noch bor»
behalten. Ter Verleger feiner Tramen ©. Sö. ßord, ber erft
bor brei fahren bie ©ammtung bon S. SSteber übernommen
hatte, geriet in 3ahlungSfd)mierigfeiten, bie jur golge hatten,
bafj ber 33erlag ber bramatifdjen SSerfe in bie föänbe bon ,
A. SSrocfljauS überging, ©ine öffentliche Stellungnahme
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SBcmblungett.
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in ber Sßotitif batte er butcf) bie hüuSlidjeu ©reigniffe ber*
faumt; feine ©cbrift über ba§ granffurter Parlament „Seutfdj*
lanb am Voraoenbe feinet gaHeS ober feiner ©röfje", eine
poIitifd)e Sßljantafie, mürbe infolgebeffen !aum beamtet. Unb
ma§ ©utjtoro ^at)te hinburd) ein innerer Halt bei ben Oieten
Äataftrophen feinet SebenS geroefen mar, aucf) bie greunb*
fdjaft mit ^berefe bon Vadjeracht bracb ^ufammen. Sftach bem
Sobe Amalien» hatte ^ie non ihrem ©atten getrennte grau
Hoffnungen auf eine Verheiratung mit ©u^tom gebegt, unb
gefd)äftige greunbe, bor alten gannty Sematb, roaren an ber
Arbeit, baS al$ bie Erfüllung einer barjufteüen, maS
bocb nur ein freier ©ntfcblufj fein tonnte. Surd) gannty
ßeroalbS ©ajmifdjengreifen tarn e§ in SreSben ju einer ÜluSs
einanberfebung, bie in f^roffem SOfiftflang enbete. Ser Sob
ber ©attin, bie unter ber greunbfd)aft mit Sberefe gelitten,
ber Broeifel, ob bie bom ©lüd bermöfjnte grau bon Stbet fiel)
bem Haushalt eiueS bürgerlichen ©chriftftellerS anbaffen fönne,
ein Sfteft bon proletarifcbem ©tolj, ber ben Vürgerlid)en fpröbe
gegen ben Slbel mad)te, ber ©tel bor ber £)ff entlief eit, bie
baS Verhältnis burd) eine ©h e geminnen merbe, alle biefe
©ntpfinbungen tarnen jufammen, um auch bie tleinfte lieber
bolle Saftlofigteit, ben geringften (Schein ber gorberung unb
Mahnung in ein unfühnbareS Vergehen ju bermanbeln, über
baS fich ber 2 ftann nicht hinmegfefjen tonnte. 3 n ben „fKittem
bom ©eifte", in ber$lu§einanberfebung jmifdhenHelene b’^imont
unb bem Vrinjen ©gon, hat ber Sichter fpäter biefe 5lbfchieb§*
ftunbe bon Sgerefe feftgehalten, unb auch baS in biefer 3 e it
bollenbete Srama „Ottfrieb" ift ein IHbbilb ber Stonflifte, mit
benen er bamatS rang: im ©egenfafc ju ber nobeHiftifchen
gaffung beS ©toffeS lehrt ber Hdb be» SramaS reuebotl ju
ber betrogenen Vraut jurüct; eS mar mie eine Vitte um Ver*
gebung in SlmalienS frif^eS ©rab hinein, ©o gingen ©u£=
fomS Üöege unb bie SherefenS auSeinanber; fie heiratete im
nädjften jgafjre einen Vetter unb manberte nach Sana auS,
um halb 511 fterben. Unb auch er entfdjlofj fich Ä u einem
neuen ©h ebun be m it einem jungen 2 Räbd)en, baS eine ©oufine
feiner erfteit grau unb mit feinen ©öhnen als eine ältere
©efpielin herangemachfeu mar. 3<n ©ommer 1849 roeiltc er
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9Ö ffarl ®ufcfott)8 Ccben unb £cfjaffeit.
längere $eit in granffurt, im Greife ber gatnilie feiner erften
grau, unb lehrte al§ Verlobter prücf; am 19. September
fanb bie Trauung ftatt, unb ein neue§ Seben brach für ben
faft SBierjigjä^rigen an, nirfjt nur ben üDZenfcfyen, fonbern aud)
ben ©cfyriftjteUer. Ali ob biefe oöHige Umgeftaltung feiner
©jiftenj, ber oöllige Söruch mit ber Vergangenheit unb ber
mutige Eingriff auf eine neue $uhmft taufenb fchlumntembe
Kräfte in ihm befreit h^tte, machte aud; feine bic^tcrifd^e
^Srobuftion eine entfdfeibenbe Sßenbung. gn einer Samm-
lung feiner bramaturgifdjen Schriften gebaute er pnädjft bie
üergangene ©podfe abjutun; burd) eine Sammlung feiner
9?ooetlen au§ ben oiergiger gahren foüte ber Übergang p
einer neuen Sd)affen§pertobe angebahnt merben. ©a über*
rafchte ihn felbft ber unbep)inglid)e Sd)affen»brang, fo bafj
Pon ber Sftoüellenferie nur ein SJieubrucf „gmagina Unruh"
(1849) erfd)ien unb bie bramaturgifd)e Sammlung gaitj aufs
gegeben mürbe; Stiicfe baöon mürben 1850 p bem bierteit
Vanbe ber „Sßermifdjten Schriften" mit bem befonberen ©itet
„33ors unb ^adhmäräliche§" Pereinigt. $8ereit§ im0ftoberl849
mar ©uftfom üötlig in ber Arbeit an einem groben Slontan
oertieft, neben ber nid)t§ anbere§ mehr auffarn; fein ©itel
lautete „©ie 9iitter Oom ©eifte". gm gebruar 1850 mar ber
fünfte 93anb im SERanuffript Dollenbet, unb al§ Oom 7. guli 1850
an bie erften p>ei ©üdjer be§ 9toman§ in ber SörodhauSf^en
„©eutfdjen Allgemeinen geitung" erfd)ienen, mar bie erfte
ÜJiicberfdjrift be§ ganzen äßerfeS int Umfange Oon neun ftarfen
SSäitben beenbigt. gm Iperbft 1850, fomie ber geuilleton=
brud abgefd)loffen mar, erfchienen Söanb I unb Söaitb II unb
botn ganuar 1851 bii pm ÜRoöember bie übrigen fieben
löänbe. Am 2. Auguft 1851 hatte ©ufcfom ba» brudfertige
SJianuflript be» Sd)lufjbanbe3 bem Verleger ©rocfhauS per*
fönlich in Seipjig überreichen fönnen.
©ie ungeheure Schnelligkeit, mit ber ba§ SBerf unter ben
.ftanben raud)§, befagt fcfjon, mit melier. Eingabe ©ufdoro in
biefer ©idjtung aufging. ©§ mar eine Überrafd)ung für bie
3eitgenoffen, in gafjre^frift ein folc^eS fRiefemoer! entftehen
p fehen, eine Art 9?aturfd)aufpiel, al§ ob ein an fid) f^on
ftattlirfjcr Strom plö^Iirf) über bie Ufer tritt unb fich p einem
9ieue8 Seben.
91
flemaltigen ©ee . ermeitert. Unb habet nirgenbS ein 33emei3
für mangelttbe Überlegung, ffi§§enljafte 2 )urd)fül)utng, Sßlan*
lofigfeit ober Unflarfyett. (Sin mäd)tige§ SBdtgemälbe mürbe
entmorfen unb programmäßig bi§ in feine 3)etailä au§geful)rt.
SDer SBiograpf) mu| Jjinjufügen: olpte eine ©pur öon 33or*
bereitung, foroeit foldfe im fid)tbaren ©ammein bon SDlaterial,
Sftoti^en öon (Sinjelfjeiten, ©fi^en unb (Sntmiirfen, ober aud)
nur in mannigfad)em Überbenfen be3 ganzen Sßlatteä befielt unb
fiel) eine folctye Vorbereitung in Säuberungen münblidber ober
fdjriftlicfyer Slrt bemerkbar madtft. ©o ^aljlrcicf) briefliche
®olumente über ©ußfom§ Seben in jener IJeit finb, fie über*
rafdbeit burd) bie im Cftober 1849 gelegentlid) mitgeteilte
STatfadje, bafj ber erfte Söanb bereite in Arbeit ift. SSeld) ein
©eftaltenreicftum muf} ben Siebter gerabc ( su gequält, meid)
eine güüe boit Problemen iljn beftiirmt ^aben, benen er mit
feiner brantatifdjen unb fonftigen Sßrobuftion nidjt mel) r geredet
merben fonnte, fo bafj er jept ju ber 9tomanform griff, bie
er im lebten ^a^rje^nt nur nebenbei gepflegt fjatte, allerbingS
immer mit ber mefjrfad) geäußerten ©emi)"jl)eit, bafj e§ feiner*
feit§ nur eben eineä (Sntfd)luffe§ bebürfe, um aud) in biefer
poetifd^en gorrn etma§ ju leiften, ma§ an bie ©pifce ber
jeitgenöffifdjen Sßrobuftion treten mürbe. (Sr Ijatte mit fluger
©efbftbermaltung ben 3 eitpuntt abgemartet, mo ba§ Söerf be§
©raniatüerä ju einem £öl)epun!te unb ju bem uttoermeib*
liefen ©tiUftanb gefommen mar. Singeregt bon allem, ma§
ber $ag brad)te, mit allen Sßljafen ber 3 eitgefd)icf)te feit feiner
Politiken ©eburt 1830 aufä engfte bertraut, unb aufS tieffte
ergriffen bon ber politifcf)en 33eraegung, bie fidj 5 U ben ©türmen
ber $af)re 1848 unb 1849 aufraffte, ntu|te aud) er fiel) in
einer 3 ^it, mo fobiele fid) ju Vettern be§ beutfdjen S3oll§
erforen glaubten, ju einer politifd)ett SDüffiott» berufen füllen.
SDie ^ranl^eit feiner grau ^atte il)n bon ber Stebnerbüfjne
abgerufen, unb in ber 3 eit, roo e§ galt, bie gül)rung ju über*
nehmen, hatte er mit feinem perfönlidjen ©dpdfal §u ringen
gehabt. $>er ganje 9leid)tum bon $beali§inu§, ber fiel) bei
einem Spanne mie ©ußfom in ben bormärälidtjen galten an*
gefammelt unb beffen ©laubett unb hoffen mit einem 2 Me
beit ©dfjein einer 2öal)rl)eit unb Sßirflidjleit annaljm — auf
Google
92
ffart ©ujjfotoS Ceßett unb Schaffen.
1
biefen ganzen Sfteichtuin an ^bealiSntuS (egte nunmehr ber an
politifd)en Säten arme Siebter ©efcf)lag unb oerwanbte iljn
jur ©egrünbung eines SUienfdjens unb ©ölferbunbeS, ber unter
ber gleichgültigen glitte ber äuffern ©rfcheinung alle eblen
unb lebenskräftigen (Elemente ber ©eqenwartSmenfchen ju bem
gemeinfamen ©au einer befferen 3ufunft bereinigen füllte, ju
ber bidjterifdfen ^iftion bon einem ©unbe ber „SHitter bom
©eifte". 2öie ©utdow bie berfrfjiebenften ©tänbe in bem ©e=
biirfniö nacf) einem folgen geiftigen 3 u f antmen f < i)Iuffe fic^
finben läfjt, wie er baS ©eftänbniS biefeS SBunfdjeS feber
einzelnen ©jiftenj enttoeft, fo bajj eS ju einer gewaltigen
©pmphonie jufammenfdjmiHt, wie er bie $0iögli<hfeit einer
praftifdjen ©erwirflidhung anbeutet unb ben immer zahlreicher
werbenben ©unb barauf Einarbeiten läfjt, wie fief) alles fd)üejj=
lid) in eine Utopie auflöft unb fidj eben nur ber eingeftanbene
SBunfdj unb SBitte ju einem folgen eblen 3ufammenfd)lujj
in gemeinfamer Arbeit als baS frucfytbringenbe Sftefultat bcS
©anjen |erau§ftetlt — biefeS ganje gewaltige ©ergwer! beS
SftomanS auef) nur in feinen f)auptfäd)lid)ften gunftionen
fd)ilbem ju wollen, würbe weit über ben Stammen biefer
Sarftellung hinauSgeljen. Unb ebenfowenig läfjt ftd) über bie
Quellen biefeS Romans, über bie 3 u f<unmenl)änge awifchen
©rlebniS unb ©rfinbung, über bie ©orbüber feiner zahlreichen
©haraftere, über bie Anregungen ju ben maffenljaften (Sinket*
motiüen, über bie ©djaupläfje feiner ©egebenljeiten @ntfd)ei=
benbeS fagen, ba eS ^ierju einer ausführlichen Darlegung ber
3eitüerhältniffe bebürfte unb in ©rmangelung aller ©or=
arbeiten nur gragntentarifd)eS fid) ergeben miifjte. §n biefer
Sftotwenbigfeit, eine ©!iä§e beS ytomanS in unb auS feiner
3eit heraus $u geben, liegt auch baS bergänglidje ©lement ber
Sichtung. Sftidjt’ in bem ©unbe ber „9iitter bom ©eifte" felbft,
ber baS ©ebürfniS einer feben ©egenwart fein wirb, bie noch
ben 9ftut h at / nn ih r e ©ufunft zu glauben; fonbern in ber 1
©cf)ilberung ber ©erljältniffe felbft, bie jenen SBunfdb gebären,
ber SDiaffe, auS ber er emporf<haUt. Sie ©h ara “ ere &' mat
finb unS auch h e nte noch berftänblid), ba fie mit einer un*
gewöhnlid)en bidjterifchen ®unft gefdjilbert finb; ©eftalten wie
Rädert, S'uftiä™* ©cljturcf, Seibenfroft, ßuife ©ifolb unb §aht-
a
„$)ie Witter öom ©elfte".
93
reidje attbete mirfen nodj ^eute fo mie SJfenfdjen, bie ber Sefer
irgenb einmal in näd)fter Vertrautheit fennen gelernt hat,
unb e§ fann nicht genug herborgehoben roerben, bah bon ben
{amtlichen 9iomanbict)tem jener 3eit in biefem fünfte feiner
©ufcfom erreichte. £>ier brauchen mir feine jeügefchichtliche
Unterlage; hier brauchen mir nicht ju miffen, bah bon ben
bamaligen Sefem eifrig nach ih ren Urbilbern geforfcf)t, bah
*. V. ißropft ©elbfattel mit bem Theologen £engftenberg ober
Dem Vifchof ©plert, Volanb toon ber föahnenfeber mit bem
fathofifchen fjßolitifer unb fpäteren SJiinifter bon fftabomijj,
9fod)u§ bon SBeften mit bem ^Diplomaten oon ^rofefd) 5 0ften,
ßberfommiffär $aj mit bem 1848 berüchtigten ®onftabler=
obriften ^a^fe, fßauline bon Iparber mit ber ©räfin ^>a^n=
Jpahn, grau bon Srompetta mit biefer unb jener Verüner
ipof baute in engfte Vejiehung gebracht mürbe; biefe ©Ijaraftere
leben, audh menn bon ihren bermeintlichen Urbilbern nichts
befannt ift. ®ah biefer aftuelle Veigefcf)macf ben ©aumen
be§ SefepubüfumS fijjelte, lieh fid) ber ®id)ter behaglich ge==
fallen, ohne jebod) ben einzelnen Deutungen redjtäugeben.
Unb auch bie ^atfadje, bah ber 3foman an ben befannteften
Örtlichfeiten SöerlinS fpielt, bah ba§ ©d)loh ©anSregret nichts
anbereS als ©anSfouci, ba§ Vatlofal gortuna ba§ $roUfd)e
©tabliffement, bie 972afcf)inenfabrif ba§ Vorfigfche Unternehmen
mar, biefer enge 9lnfcf)luh an ©elbftgefeheneS, bem ®id)ter
bon !gugenb auf Vertrautes gibt feinen Slnlah ju bem Vor=
murf, bah fid) ber 9fomanfd)riftfteIler bie Arbeit leicht gemalt
unb bie §lftualität an bie ©teile bid)terifd)er ©d)ilberung unb
©Ijarafteriftif gefd)oben hätte. ©cf)mieriger aber roirb für ben
heutigen ßefer fdjon ber fReubunb, ber in einem 1848 ge=
grünbeten antibemofratifdjen Sreubuitb fein Vorbilb hat, unb
baS umfangreid)e 9?eh bon politifchen gäben, beren 99?ögüch=
feit unb £>altbarfeit heute nur nod) bem ^iftorifer ber hier*
giger gahre berftänblidh fein fann. Sefjt, mo bie 3eit ber
SRärjrebolution unb bie jahrzehntelange Öubertiire baju fo
meit hinter un§ liegt unb eine bölltg anbere ©eftaltung ber
®inge eingetreten ift, ermeift e§ fid) in ber £at, bah bie 3eit
nicht ohne ©puren ju hinterlaffen an biefem Vornan borüber*
ging, ba un§ biefer gattje büftere $ori$ont entfdjmunben ift
3gk
94
itarl ©u^toirä 2e6cn itnb ©Raffen.
unb bet $)eutfdpe fidp feiner nur ju ungern 3 U erinnern pflegt
Lüfter ift biefer ^orijont unb grau in grau bie SReprzapl
ber ©paraftere unb SBerpältniffe gemalt; mie pätte audj fonft
baS ©ebürfniS nacp 2id)t ju einem foldjett SluSbrud, mie bem
Jöunbe ber „fRitter bom ©eifte", gelangen fönnen! Slber bocp
ift aucp bon biefen Elementen ber SBergänglicpfeit nidpt alle!
fo tot, mie bieS bem oberflächlichen Urteil auSgemadpt erfcpeint
©S finb Probleme barunter, bie fiep biS zur ©egenmart et*
palten pabeit unb einem mobernen ©cpriftfteller nod) zur 33afiS
einer 2 Beltanfd)auung bienen fönnen. 2 utfadpe ift, bap fiep
gmifepen ben SRomanen ©mile BolaS, bie er bie „©bangelien"
nannte, unb ©upfomS „Gittern boin ©eifte" japlreiepe mört*
lidpe Übereinftimmungen fiitben. $n jener fRomanferie ber*
fuepte Bola, baS ©pftem beS franjöfifdpen ©ojialiften goutier
in neues Seben umjufepen; mit ber patpeüfcpen SBuept beS
fßroppeten berfünbete er baS fdpöne ©bangeltum, bap bie
Arbeit nidpt zur Dual beS SOienfcpen gefepaffen fei, fonberit
bei geredpter Drganifatiou bie eigentliche SebenSfregbe be=
beute. $n ©upfomS fRornan bringt einer ber öauptpelben,
93 rinj ©gon bon ipopenberg, jene gourierfdjen Slnfcpauungen
in feine beutfdje Jpeimat mit, in feinem greunbe SouiS Slrmanb
unb beffen ganzem SebenSf reife merben fie in bie SBirflicpfeit
umgefept. ©upfom unb B°^ a Hingen auf biefelben Duellen
juriief; eS mup an biefem Problem etmaS fein, baS iprn eine
im füllen fortlobembe $raft berleipt; für bie „fRitter üom
©eifte" mar gourier ber SluSgangSpunft, rtiept bie Söfuitg, mie
bei bem franjöfifdpen fRomanciet; unb folcper ÜRerben, bie nodp
in ber ©egenroart f ortjuden, bürften in bem ©upEomfdpen
fRomaite gerabe auf feiner fulturpiftorifepen ©eite nod) mandpe
blopzulegen fein. 5>ap ©upfomS „fRitter bom ©eifte" ipre
einzigartige fulturpiftorifdpe Söebeutung befipen, bebarf nidpt erft
beS SÖemeifeS. Slber bieS mar niept ipreS SDiipterS 3^1 allein,
©r mollte ein pofiübeS ©ebilbe fepaffett, baS aud) bauernben
fünftlerifcpen SBert befape, unb aucp pierin pat er mepr erreiept,
als bie lanbläufige Siteraturforfdjung iprn jugeftepen möcpte.
®ie Sunft ber ©parafteriftif ift fdpon perborgepoben; bie $unft
feiner $ompofition mirb nod) manepe äftpetifepe Unterfud)ung
perauSforbern. Sie ©cpöpferfraft, bie ein fold)eS SSeltbilb
2>er Vornan be§ „92e6eneinanber".
95
berborpuberte, bet meüe ©lief unb bie Stetheit ber 2SeXt=
anfepauung, feinet ganzen ^roblem§, bie unbeirrte Sicherheit,
mit ber er biefe SDtaffen in S3emegung fepte unb an§,3iel
führte, finb p jeber 3eit bemunbern§mert. 2lu§ biefer Über*
Iegenf)eit ber 28eltanf<|auung, biefem ^Jlblerbticf über eine un*
ge^eure gläcpe ergab fidj aud} bie äft^etifdje Sfjeorie, bie
©upfom, al§ er felbft auf feine Sd)öpfung prücfblicfte, im
SSormort jum erften ©anbe berfünbete: ba§ „^ebeneinanber"
be§ mobernen fRomanä im ©egenfajj p bem „-Radbeinanber"
älterer Romanfdjöpfungen, eine Sljeorie, bie eben nur in einem
fo uniberfeilen ©eifte roie bem ©upfom§ fiep prägen fonnte.
©ufcfom mar aÜerbingä niept Sprifet genug, um fidj in bie
21u§malung augenblicfiicper Stimmungen p berlieren; baper
ift fein 28erf melobienarm unb e§ gleicht bielmepr einer großen
orcpeftralen Schöpfung, au§ ber fitf) ber mitgeriffene Ipörer
bie Iptifdien SRotibe perauSfinben mujj. ©ufcfom mar immer
nod) p }e^r ®ramatifer unb ftrebte raftlo§ naep ^anblung,
ber $8au be§ ©anjen ftanb tfjnt immer bor 2lugen, unb fo
begnügte er fid) in mandjen ©injelpeiten mit ber Einbeulung
ber Sinie. ©r mollte bie Sefermelt feffeln unb patten im
Sntereffe feiner großen $bee unb roufjte, bajj fie ofjne ben
$Rei§ einer fpannenben ipanblung bei ipr niept auSparren mürbe.
@t bat fie gefeffelt unb gepadt unb bainit gepmngen, einem
ibealen ©ebanfengange p folgen, ber fonft niept bie Spur be§
ßefepöbelä ju fein pflegt. ®ie grofje 2Raffe mar e§ auep nic^t,
bie bon Anfang an ben „fRittern Pom ©eifte" pjautpjte unb
boit biefem 28er! in feiner urfpriinglicpen ungefügen Raffung
bon meit über biertaufenb Seiten bier ftarte Stuf lagen forberte:
fonbern gerabe bie geiftige ©lite jener ßeit mar e§, bie fidb
in ber Slnertennung ber &icptung pfantmenfanb; SRänner bon
fo Perfdbiebener 2)entart unb auSeinanbergepenben ^ntereffen*
freifen mie griebriep Speobor SSifcf)er, 28illibalb EllejiS, 28. £>.
fRiepl, 23arnpagen bon ©nfe, ©ottfrieb Keller, gallmeraper,
griebriep £ebbel, 3>abib griebriep Strauß, 8ebin Sdbücfing,
SRubolf bon ©ottfcball, ^ermann Lettner, ÜDZorip ©arriere,
©ottfrieb Kintel, $>ieftermeg, Subroig Samberger, ®iugelftebt
unb biele anbere erfannten ben bebeutenben 2Surf, ben ©u£lom
mit ben „Gittern bom ©eifte" gemaept patte, freubig an, menn
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9G
Äarl ®u{jtott>8 2e6en unb Staffen.
aud) manche öon ihnen, ma§ bie rein fünftterifcf^e Ausführung
betraf, Vorbehalte geltenb machten, öon benen ber bie ftiliftifche
gornt betreffenbe nic^t ohne ©runb erhoben tourbe. ©ußfomS
Verhängnis, bafj er auSfcfjliefjlid) auf ben materiellen ©rtrag
feiner geber angewiefen mar unb bie $rüd)te feiner geiftigen
Arbeit, fo mie fte ihm in erfter ©eftalt ermud)fen, ber Öffents
lidjfeit preiSgeben mufjte, hat eS ifjm fdjon bei ben „SRittern öom
©eifte" unmöglich gemalt, an biefeS erfte feiner großen Sebent
merfe bie lepte öollenbenbe Hanb anjulegen. 2>en zahlreichen
©egnern ©ufclomS, benen fein nad) öffentlidper SBirtfamteit
unb bafjer aud) nad) SSirfung unb (hfolg ftrebenbeS 933efen
öon üornherein juroiber mar, benen er nod) in ben Itagen beS
„Telegraph“ felbft fritifd) entgegengetreten mar ober gar
roährenb feiner SDramaturgenfdhaft nicf)t batte roillfahren fönnen,
boten fid) bamit Vlöfjen, bie teilte Eingriffe ermöglichten, unb
fcf)on bei ben „fftittem öom ©eifte" mürbe bern 55)irf>ter bie
greube an bem unleugbaren ©rfolg burd) folcfje Stimmen beS
9ßrotefteS öerfiimmert, ja in baS ©egenteil öermanbelt. Ve=
fonberS mar eS ber SRitarbeiterfreiS ber $eitfd)rift „3)ie
©renjboten" unb in erfter Sinie beren fRebafteure, Julian
Sdpnibt unb ©uftaö greptag, bie ein behagliches ©efc^äft
barin fanben, ben Autor ber „fRitter" unb fein SBerf in jeber
Vejiehung berab^u^ie^en unb ju öerijobnen. greptag mar
bamalS noch nid)t ber berühmte Verfaffer öon „SoU unb
Haben", benn ©uljfomS „fRitter" fielen auch ber $eitfolge
nad) an ber Spifje einer ißeriobe, bie an nachhaltigen SRoman*
erfolgen reid) mar; mie in ber ©egenmart bie SBhrfung öoit
grenffenS „!görn Uhl", fo fd)eint auch bamalS ber ©rfolg ber
„SRitter" ben noch fcplummernben Sh'äften auf bem ©ebiete ber
fRomanbicf)iung ben s JDiut gegeben ju haben, mit anfprucpSöotlen
Arbeiten ber Art öor bie Öffentlicf)feit zu treten. Unb Julian
Schmibt üerbiente fich erft in biefem Stampfe gegen ©u^fom
feine fritifchen Sporen, bie allerbingS h eute längft roftig ge®
morben finb. Sdjon nadh ©rfdjeinen ber „fRitter" führte bie
t i|e beS ©efecptS zu persönlichen (£h Ten ^ T önfungen öon beiben
eiten, unb nur bie beruhigenben ßurcben öerftänbigeräRittelS*
perfonen hielten ©u^fom jurücf, greptag jurn ®ueü ju forbern.
5)en Herausgebern ber „©renjboten" mar bie totfichere ÄMrfung
Sömjjfe.
97
ihrer Angriffe fehr tuofjlbefannt, feber ihrer (Stiche mirfte bei
©upfom mie eine Blutbergiftung, unb fie berfäumten nicht,
biefen Vorteil 5 « benufjen. ©in böllig gefunber ®eift hätte
biefe fbftematifd)e Belagerung bieHeid)t ladjenb über ficfj er=
gehen taffen unb fid) mit bem getröftet, ma§ ihm bie ©egner*
fc^aft nun bodj einmal nid)t nehmen fonnte. Bei ©upfom
aber mar ber ©influß biefer bauernbeit fReipng ein ber*
beerenbet. $ie ©puren einer franf^aften ffteijbarfeit traten
(d)on in ben breiiger fahren bei ihm ^erbor, unb fie biibeten
fid) im Saufe ber Beit p einem BerfolgungSmahnfinn auS,
ber fc^Iiefeltd^ p geiftigen ©törungen ernftefter 9lrt führte unb
führen mußte. ©upfomS ganjeS ©emütSIeben unb fein fo
bielfacö berläfterter, bon anbern mieber fo ungemein gerühmter
©harafter entmidetten fid) unter bem ©inftuß biefer Slnlage.
©r mar bon Statur ntißtrauifdj unb mit einer literarifdjen
ÄriegSrüftung gleid)fam auf bie SSelt gelommen; mit ber
2Bad)famfeit eines Befolgten fpähte er umher, unb naturgemäß
biibeten fid) an iljnt bie gäßigfeiten befonberS ^erau§, bie p
Slbmefjr, Berteibigung unb Angriff bienten. 5Da|er feine un-
gemöhnlid) fcparfe Beobachtungsgabe, bie nid)t nur auS feiner
ganzen literarifcßen Xätigfeit allenthalben herborftidft, fonberrt
ihm aucß im perfönlid)en Berfehr eigen mar, für naibe, mit
feinem Innenleben nid)t bertraute Staturen ben Berfepr mit
ihm in ben erften ©tabien unb audh fpäter nod) fel)t er=
fdjmerte unb p bielen üDtißbeutungtn bis h eute hin Stntaf?
gab. ©r fonnte rücffid)tSIoS, bitter, ja boshaft fein, menn er
mit berfelbett SKün^e pf)& e / &ie cr 5 U empfangen glaubte, bie
Slugenblicfe unbefangener Eingabe mürben bei ihm immer
feltener, unb menn fie auftraten, führten fie p einem über=
ftrömenben ©mpfinbungSerguß, ber ihm bei fpäterer nüchterner
Betrachtung mieber felbft übertrieben, bloßftellenb, als ein
ÜDtoment ber ©chmädije erfchien unb ihn bebrüdte. ©0 ent*
micfelte fich in feinem Seben atleS mit ber Stotmenbigfeit eines
StaturgefeßeS ; fo fammelte fi<h alles Slufreijenbe um ihn, meil
atteä bon ihm mit ber $raft eines ÜÜtagneten angepgen mürbe,
unb bie $lut ber Bolemif, bie er felbft in feine ©puren teufte,
mud)S unb mud)S bis pr bemichtenben Überfcpmemmung.
©ine hunbertfältig p belegenbe Satfadje aber ift eS, baß
fflufeforo, StuSg. SBerle. I. 7
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08
ffnrl ©ufcfotvS Scbcn «nb Schaffen.
1
gerabe ber 1851 bcginnenbe offene ffampf mit ben ,,©ren,v
boten" bie gefnnbe SBiberftanb^fraft gegen jene? bcimonifdfe
©lement in ©uftfom mehr als irgenb ein anbereS ©rlebniS
gemalmt nnb fdjliehlid) gang bernid)tet ^at. Unb biefe SSiber=
ftanbSfraft mar groh, benn entgegen aller patf)ologifcf)en Siegel
trat ber 3ufammenbruch fernes ©eifteS erft in einem Sllter
ein, mo ber mit gleichem Slud) ber üftatur töelaftete feinem
83erf)ängniS fcfjon längft unterlegen gu fein pflegt. Stfur unter
biefem ©efid)tSpunft, ber bon ber ärgtlidhen 28iffenfd)aft feft=
gelegt ift*) unb bie übrigen pofitiben ©eifte§fäl)igfeiten ©ub=
fomS nicfjt im geringften beeinträchtigt, lann eine 9?atur mie
bie beS 3DicbterS ber „Witter Pom ©eifte" Perftanben, fann ein
fo unauSgefebteS unb Pielfad) unerfreuliches föampferbafein
ricljttg gemertet merben.
®ie Slrbeit an ben „fttittern Pom ©eifte", beffen <Schau=
plaf) h 0U Ptfächlich ®«lin mar, h<»tte bie ©rinnerung an bie
Vehnat unb ein poetifcheS Sßerfenleu in ihre D^eige fo lebhaft
gemacht, bah ber dichter ein $8ebürfniS fühlte, burcf) eine SDar=
leguitg feiner $ugenb ben ©tauben an bie Unpoefie feiner '
JBaterftabt gu miberlegen, unb fo entftanb fein überaus fd)öneS *
Söuch „21uS ber Süabengeit", baS fidf) mie eine liebliche $bt)He
gegenüber ber SSeltftabt beS 9toman§ auSnimmt unb abgefepen
Pon feinem autobiographifchen SSert burdh eine überaus feine
mobente ^fpchologie gu ben fchönften SSüchcrn biefer Slrt ge=
rechnet merben muh, f° Inenig man aud) bamalS, als eS er=
fdjien (Srühjahr 1852), bie Zartheit ber ©mpfinbung, Pon
ber eS biftiert, bie liebenSmürbige ©ragie ber ®arftetlung, mit
ber eS niebergefd)tieben ift, im ©etöfe politifcfjer Slufregung
nad)fühlen lonnte. SöemunberaSmert ift biefer 9Jeid)tum an
garben, ber betn SSerfaffer unmittelbar itad) SSoIlenbung ber
„fftitter" immer nod) gu ©ebote ftanb, als menn er auS uit=
ertnehlid)er Sülle fd)öpfte, unb nicht rninber überrafdhenb
ift ber llmftanb, bah fi<h ©u^fora, getragen Pon bem ©rfolge
feiiteS StonianS, eine meite ßefermelt hinter fid) miffenb, gur
Verausgabe einer $eitfchrift entfd)Ioh, bie möchentlich erfcheinen
*) SSfll. Dr. med. ®. g. batt SMcuten, „35ie ßeibeti3jaf)re ffart
totr§". („ßiterarifäjeä gcfjo". 1906.)
DiQitiz6ci by Gooslc
„UntevfjaltuiiQen am !jäu§ltcf)en §cvb", 99
fottte unb beren ganzen Snfjalt er felbft allein mit feiner $eber
ju beftreiten gebaute. XieS finb bie „Unterhaltungen am fyäuZ*
ließen $erb", bie Pom 1. Oftober 1852 ab im SrorfhauSfd)en
Verlage herauSfamen. 3 e h n Saßre lang, ju feiner Über*
fiebelung nad) 2Seimar im föerbft 1861 tjat ©ußfom bie 9ies
baftion biefer Beitfdjrift geführt, fie mar mit feinem Spanien
aufS engfte Perfnüpft unb lebte auch nicf)t mehr lange, als er
ihre Leitung nieberlegte, eine fo tüdjtige ®raft auch an feine
(Stelle trat in ®arl grenjel, ber bcm Xicßter fc^oit in ben
fünfziger fahren freuixbfdjaftlicf) oerbunbeit mar unb mehrere
Saßre hinburch, als ©ußfom burcß feinen streiten großen Vornan
auSfcfjließlid) in Slnfprud) genommen mürbe, bie 9tebaftion§-
gefcßäfte geführt hatte. Xer populäre Xitel fcpoit mar mit ®ußs
fomS 9?amen unlösbar oereint, unb bie äBodjenfcßrift mar be=
fonberS in ben erften fahren fo gut mie ein in Lieferungen
erßßeinenbeS SSerf Pon ($ußfom felbft. Xie urfprüngliche
Slbficßt, ben ganzen 3>nßalt felbft ab^ufgffen, mar nid)t lange
burd)fiihrbar. Obgleich baS in feinem äußern fo unfcheinbar
auftretenbe Statt eine Slbonuentensaßl Pon mehr als 5000
gemattn, maS für jene 3 e iten einen ungemöhntid) ftarfen
©rfotg bebeutete, reichte er bod) nid)t auS, um bent tper*
auSgeber eine oöltige Stonjentration feiner Arbeit nur auf
biefeS Unternehmen ju ermöglichen. So mußten benn frembe
Mitarbeiter in immer größerer 3aßl ju Jpilfe gerufen roerben,
unb eS tarnen 3eiten, mo bie Serfon beS , 'perauSgeberS meiter
jurüdtrat, als bieS für ben Seftanb beS Stattet juträglicß
mar. Xie 9fotmenbigfeit beS ©rroerbS burcßfreujte aud) hier
bie Sahn beS Sd)riftftellerS; bie streite ©he hatte §u ben brei
Söhnen, bie nun fdjon heranmucßfen, brei Xöcßter gefeilt, unb
©ußfotr hatte bie landläufige ($eringfd)äßung beS Schrift*
ftellerftanbeS Pon feinem erften literarifdjen Auftreten an immer
fo fdßmershaft empfunbett, baß er auf eine ftanbeSgemäße
Lebensführung, befonberS in bem rorneßmen unb gefeÜfd)aft=
lieh anfprucßSöolten Milieu ber fäcßiifdjen 9?efibenjftabt XreS*
ben, ein Pieüeidjt allju ftarfeS (Semidft legte. XieS jmang ihn,
über bie fftebaftion ber „Unterhaltungen" hinaus nod) übers
auS tätig ju fein unb Por allem feinen Staß auf bcm Xßeater
als Xrantatifer nicht preiSjugeben. ©leidjtooßl ift ber größte
7 *
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100
Jtarl (SJujjlotoä ße&en unb ©cfjaffcn.
S£eil feiner ^robultion bon 1852 bis 1857 unb bann mieber
bon 1859 biS 1861 in ben §eften biefer 3eitf<hrift §u fiteren,
gür fie fd^rieb er eine Sfteüje bon ÜRobellen, bie fic^ im ßRilieu
ber „fRitter bom ©eifte" betoegen, ©entälbe gefellfcfjaftlidjer
3uftänbe befonberS auS ber ©rofjftabt unb botl bon $)3ro=
b lernen, bie feine raftlofe Seobad)tung§gabe ober fein eigene^
©rieben ihm in unerfcfjöpflicfyer SJiannigfaltigfeit barboten, gm
erften ga|re bracfjten bie „Unterhaltungen" nidfjt meniger als
bier folc^er nobelliftifcfjen Slrbeiten ganz berfdjiebenen @e=
prögeS. „©in SRäbcpen auS bem Solle", fpater „Der ©mpor*
blief" betitelt, ein fc^arf gefeheneS unb mit realiftifdjer Straft
bargefteßteS SebenSbüb auS ben Sollst reifen , benen in ben
„SRittern bom ©eifte" Rädert unb ßuife ©ifolb angehören;
biefe SRobefle ift eine Slrt gortfefcung ber „SRitter bom ©eifte",
unb tbie unb anbere moberne fRomanfdjriftfteHer, laßt
©upfom Sßerfonen jenes SRontanS ^ter auftreten ober im ©es
fpräd) alS belannt ermähnen; toaren bie „ßiitter" eine 28an=
berung burdj baS innere ber ©rofjftabt bis in ihre buntlen
©tragen unb berftedten ^»interhäufer, fo berlegte ©upom ben
©chauplajj ber SRobeße in bie Sorftabt, bie Saubentolonien
unb fommerlichen ©rholungSorte, unb fo muf? ©uptoro alS
einer ber bamaligen fßfabfinber beS Serliner SRomanS, lange
bor 2:heobor gontane, bezeichnet merben. tiefem fo^ialen
Slachtftiic! folgten bie „SurStauben", eine pft)Aologifcf)e ©tubie
auS Der jübifrfjen haute finance; burch bie einheitliche ironifd)e
Tönung beS ©anjen ift fie ein fauber auSgefeilteS ®unftmert.
©ine britte üRobefle, „®önig granz in gontainebleau", in ber
baS ironifdhe Sädjeln in einem ard)aifierenben ©emanbe mit
©rajie bahertänbelt, ift eine ber ItebenSmiirbigften Heineren
Sßrobultionen unfereS ®id)terS unb zur Unterlage eiiteS 0pe=
retteneinalterS mie gefchaffen. „®er SRing ober bie ÜRihiliften",
fpäter nur „$)ie fRUjiliften" genannt, führt bagegen mieber in
baS politifche ÜRilieu ber „fRitter bom ©eifte" zurüd, aber in
bie Xage beS SRachmärz, in bie 3 e ü ber politischen 9feattion,
mo fo mancher ber ©tünner bon 1848, in bie ©nge getrieben,
erft fein politifcpeS iperz entbedte; eine fjelbin biefer ÜRobeße,
grieba, „baS $inb ©otteS", ift bielleicht bie lebenSboßfte, gemifc
aber bie liebenSmürbigfte grauengeftalt, bie bem ©haralter*
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SRotJcttcn ber fünfziger 3abre.
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Zeichner ©uh?om je gelungen ift. Sn ben fpäteren gahr=>
gangen folgten ber „ Pfeffer s2J£attheS", „SSie fam eS, bafj
iftouffeau feine ®inber auSfehte", „'Sie SftentefiS" unb rnans
derlei anbere Stählungen, nobetliftifdje ©üjjen, Sebents
bilber ufm., öon benen er eine AuSmahl in ber breibänbigen
(Sammlung „Sie Heine Sftarrenmelt" (1856) bereinigte. SSiele
folcfyer nobettiftifc^en Arbeiten bon ©uhfom toerben mit (Sicher*
f)eit gar nidjt feftjufteüen fein, ba fie anonym erfdfienen unb
bie fRebaltionSforrefponbenz ber „Unterhaltungen" nur zum
fleinften Seil aufbemahrt ift. ©ine llnmaffe aud) bon fremben
Beiträgen gehört mehr ober weniger ihm an, benn bie Sßopu*
larität feiner Beitfcfjrift ermieS fi<h aud) barin, baff eine grofje
3ahl literarifdjer Anfänger unb Silettanten ft<h an ihren
Herausgeber h eran brangte. Unb ©ubfom mieS foldfje 33er=
fud)e nidht bornehnt juriid, er freute fid) ber mannigfaltigen
ftofflidhen Ausbeute, bie ihm bon bidhterifdf beranlagten üfta*
turen auS allen (Stauben, bom Hanbwerfer unb Arbeiter bis
Zur SDZobebame, herbeigetragen mürbe, unb übernahm gern
bie formelle ©inÜeibung, ber er fid) mit einer faft unberftänb-
lidjen ©ebulb unb Aufopferung unterzog. Ser Autor ber
„9titter bom ©eifte", ber fcfjarfe Kenner menfd)Ii<f)er ©horaf=
tere, mar aujjerbem, mie fidh noch in sa^lretc^ett borhaitbenen
Slorrefponbenjen ermeift, eine Art öffentlichen ©emiffenSratS
gemorben, bei bem manche bebrängten ©emüter, in eigens
tümlidjften ®onfliften fchmantenbe ©paraftere, erfolglos fämp*
fenbe Männer unb unberftanbene grauen fidh Sroft unb Hdfe
juchten. Siefe 9J?itgift ber Berühmtheit mürbe ©ufjlom in
einem ungemöhnlid) reichen !>D£afje zuteil; fie berfdhaffte ihm
©inblide in Berhältniffe unb SebenSbebingungen, bie feine
fDZenfcjhenfenntniS ungemein ermeiterten; fie trug iljm fogar
zahlreiche «Stoffe zu literarifdjer Behanblung ein, bie freiroiuig
bagu anaeboten mürben, bann aber auch bielfad) eine gnan=
fprudhna|me materieller Art, bis zu ©rpreffungSberfudhen hinab,
jur golge hatten. AIS fidj bann ©u£!om noch feit 1855 an
bie (Spifje ber ju begriinbenben <5<hillerftiftung ftellte unb im
Sienfte biefer großen «Sacf)e mit ibealfter Aufopferung, noch
ohne amtliche «Stellung babei, ju arbeiten nie ermübete, fa mit
Hingabe feiner beften $raft unb 3eit felbftloS tätig mar,
10 ?
Sari ©ujjtotoS Sebcn unb ©Raffen.
mucߧ bie $aßl berer jur ßegion, bie nicf)t nur Unterftüßungen
ober fßenfionen, fonbern Verleger ißrer ungebrudten Vüdjer,
literarifdje Gcßrenrettungen unb (Sntbedungen ißrer eigenen
Verbienfte, ja 2eben3fiellungen öon ißnt erbaten unb fategorifdj
forberten. Unb jeben, bem er ju Söilleit war, bebrüdte halb
bie Sd)ulb ber 2)anfbarfeit, unb jeber Slbgemiefene mürbe ein
neuer geinb. äBa§ ©ußfom in biefer Slrt erlebte, ift feine§=
meg§ ^um größten Steif 2lu§geburt einer franfßaften Vß ans
tafie ober SBaßnöorftellung, fonbern ift in jafytreidjen SDofu=
menten nod) ßeute Har ju bemcifen. Unb berfelbe ÜRamt, ber
gerne ßalf, mo er e§ öermodjte, ber ebenfooiele, bei aller Über*
fcßmenglicßfeit maßre SDanfbriefe loie moralifeße Jperau3fo* s
berungen empfing, ber jerfaßrene Sjiftenjen bureß feinen Vcr=
feßr emporßob ober fie ju «Sdjreibern unb äflitarbeitem feiner
$eitfcßrift annaß m, biefer fetbc 2)innn mar faft immer in ber
iiage, nießt ju miffen, moüon er im näcßften SUionat feinen
naturgemäß foftfpieligeit JpauSßatt beftreiten mürbe. SDabei mar
er einer ber erfolgreichen Autoren feiner .ßeit, unb bie Summen,
bie ißm bie Verleger saßlteit, gingen meit über ba§ SDiaß beffen
ßiitauä, ma3 in $5eutfdjlanb bamalä an ber StageSorbnung
mar. ©ufcfom mar für ba§ Seben eine§ SDiogenel uießt ge*
feßaffen, unb il)m fehlte PöHig ba§ Talent, anbere für fieß
ß ungern $u laffen, mie bie§ £>ebbel einer @life Senfing gegen*
über au feinem ©liid befaß. SDiannigfacße Anregung bureß
Vcrfeßr ober Steifen mar für feine auf raftlofe§ $robujieren
gcftellte üftatur ein Vebürfni§, unb fo ftellten fid) felbft in ben
Siaßren feiner größten (£rfolge finanzielle Ärifen ein, bie jur
Verußigung be3 ©ernüteä am menigften geeignet maren. ©ennoeß
geßöreu biefe erften Soßre nad) bem Erfolg ber „Witter üom
©eifte" ^u ben freubigften, bie ©Hßlom je befeßert maren; bie
©emißßett einer ftarfen gernmhdung burd) feine fcßriftftelle*
rifeße Arbeit, ber gute Fortgang ber. „ Unterhaltungen", bie
ißn mieber ju einem SDiittelpunft bei literarifeßen SebenS
madßten, bie reidjen perfönlid)en Söejießungen, bie $re3bcn in
ftollegen* unb Äünftlerfreifen mit ißren einßcimifdjen unb
bureßreifenben Vertretern bot, unb bie Veßagücßfeit eiite§
bureß bie griidjte feiner geiftigen Arbeit glüdlid) gebeißenben
.<pau§ftanbeä, bie§ alle» fonnte ißm moßt zuzeiten bie ©emäßr
oogle
Mitarbeiter ber „Unterhaltungen".
103
fein, bafj e§ auch für ihn eine (Sonnenfeite be§ Seben§ gäbe,
wo aller Sturm jur 'Jiu^e fam.
®ie Siotmenbigfeit, foöiete Beiträge ju beit „Untere
Gattungen" p bearbeiten, oft ööltig neu 51t fcfyreibeit, fam
feiner urfprimglid)en Slbfid)t, bafj atleS gleidjfatn erft burd)
bie Sietorte feinet eigenen ©eifteS gehen fottte, fet)r entgegen,
fic entmiefette fid) aber aud) p einer rebaftionelten ©emohnheit,
bie faunt etmaS grembeS ohne eine eigene, manchmal üötlig
umftür^enbe St'orrettur in SDrucf geben tonnte, unb ber gälte
finb nid)t menige, mo Statoren ihm ba£ gejaulte Honorar
prücffanbten, meit fie baS S8eröffentlid)te nid)t mehr al£ eigene
Slrbeit anfatjen, toie bieS prn Söeifpiet Hermann ©rimnt
tat, ben mir in ben „Untergattungen" nod) atS Slobelliften
auftreten fetten. Sieben ihm finb Siameit mie Heinrich $önig,
33 ertt)otb Sluerbad), ß. St. granf l, ÜDiorifj Sieich, !gutiu§ Siobenberg,
9 ft. Sotitaire (Nürnberger), ßubmig^>abid)t ufro. oertreten; grie=
brief) Spielt)agöu erlebte in ben „Unterhaltungen" 511m erften
üDlale ben Sieij ber Dff entlief eit; Oon auSlänbifcher ßiteratur
traten bie SZormegerS»gemann unb S 3 jörnfon befoitberS h erö °r-
ßt)rifd)e Beiträge lieferten Siobert ^amerting, ©mit 9 iitterS=
hau§, ^)ieront)mu§ ßorm, Xheobalb ferner, geobor ßöme;
aud) ^ebbet ftiftete bie§ ober jenes, je nadjbem er mit bem
Herausgeber fief) jeitmeife mieber oerföhnte, ©ine befonbere
pflege mürbe ber Naturmiffenfd)aft unb ber populären ^hil° 3
fophie pteit; auf biefent ©ebiete finb bie „Unterhaltungen"
Oorbilbtid) gemefen; ^Srofeffor ©otta, Sßrofeffor Sd)öbtei’,
Dr. SS. SBunbt, SJiori^ . ©arriere, SDaOib griebrich Strauß,
S'art gorttage, guliuS grauenftäbt unb anbere maren hierin
gern gefel)ene SJlitarbeiter, unb im übrigen fteuerten bie alten
greunbe auS ben breiiger unb oierjiger Sah ren / Sllejanber
SBeitt, geobor SSeht, Start oon Rottet, Sllejanber gung, unb bie
neu gemonnenen, mie Start grenjet, Siubolf ©enäc, Siubolf
oon ©ottfchalt, SDaniet SanberS reid^lid^ bei, ber litera*
rifchen Stmapnenfd)ar nicht p gebenfen, bie eine gemattige
^hatanj hübet, gn ihrer Slrt epochema<f)enb maren bie ben
Sdjluf} jeber Nummer bilbenben „Stnregungen", StphoriSinen,
^Beobachtungen, ßeben§mahrt)eiten unb ^>inmeife ber mannig=
fachften Strt. Hi er ^ineitt flüchtete fid) pm Steil bie Stritif
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104
$arl ®ufcloh)8 Sekn unb ©Raffen.
unb ißolemit, bie Vetrachtung politifcher, t§eotogifcf>er unb
literarifcher Singe, bie bon bornhereiit auSgefc^altet fern follte.
3fm Saufe ber Satire mar jebodh bte§ ^rin^ip nicht mefjr auf*
redf)t ^u erhalten unb fpöter mürben bie „Untergattungen",
ma§ fte bei ber Stellung unb Steigung ihres <perau§geber3
fein mufjten, eine fe^r entfliehen Stellung nefjntenbe fftebue
über alle fragen be§ öffentlichen geiftigen SebenS in Seutfdh*
tanb. SBenn ftd) bie $eitfct)rift bennod} nicf)t länger al§ jmölf
Sahre behauptete, fo tag bie§ jum Seit an ber fchon gefeit*
berten Sage ihres §erau§geberS, bann aber bor auem an ber
mit einem Schlage fidEj allenthalben mächtig erhebenben $on=
furrenj, bie ftd) ben ©rfolg ber „Unterhaltungen" junu^e
machte unb über fie hinaus bie mobemen ifteijmittel ber
Sttuftration hinjufügte. Sie ©rünbung ber „©artentaube"
f<hon 1858 hat ber 3dtfct)rift ©ujjJomS am meiften Abbruch
getan, trenn audh noch ftetS eine gahtreidEje ©emeinbe ben
Sinn behielt für eine §lrt biretten titerarifdheii VerJehrS mit
einem ber erften Sdhriftftelter ber ©egemoart, toie er eben
in ben „Unterhaltungen" in ganj eigener SSeife jum §lu§=
bruct fam.
Stufjertjalb ber „Unterhaltungen“ ift bie 3aht ber ^rofa?
arbeiten ©ufjfomS in ben fünfziger Sah ren gering. §113 brei*
jehnter Vanb feiner gefammetten SSBerfe beranftaltete er auf
3urebeit beS Verlegers einen IReubruc! feiner „SSaUij", unter
bem Sitel „Vergangene Sage", rnobei er in einem Vormort
ausführlich auf biefe nun meit jurücttiegenbe 3eit ju fpredtjen
Jam. Obgleich ber Vornan fcfjon bantalS fetbft in ben Stugen
feines VerfafferS eine üterarhiftorifche £hiriofität mar, fdhien
eS eine 3eittang, als ob fich bie ©reigniffe beS 3ahre§ 1835
mieberhoten tuollten. Vapcm erneuerte baS Verbot beS fRo*
manS, bie StaatSanmaltfchaft in Verlin befdhlagnahmte fogar
ben SReubrucf unb forberte bom babifdhen §lppettation3gericl)t
in SRannheim bie Elften ein. Sftachbem biefe bann ein $ahr
lang „bearbeitet" morben, berlief bie Sache, bie ©upfom manche
Veunrupigung berurfacbte, im Sanbe; baS Dbertribunal nahm
fich mohl ben Sitel „Vergangene Sage" ju Joerjen. §lu&er
biefem 9?eubrudE erfcpien noch *>ie Lobelie „Sie SiaJonifftn"
(1855), bie nobelliftifche Vearbeitung eines SchaufpielS, baS
(Dramen ber fflnfjtger Qatjre.
105
©ufjfom bon ben Bühnen jurüdge$ogen f)atte. 3)ie Berfudfye,
baä frühere ©lüd auf bem Beater burd) neue Slrbeften mieber
an fid) ut feffeln, finb aud) in biefen fünfziger !galjren jafjl*
reid), aber fie fcljlugen nidht nte|r ju einem bauernben ©r*
otge burrf). Stuf §einrid) £aube§ Slufforberung Ifatte ©u£fom
ein alte3 Stüd „Slnonpm'' mebrfarf) umgearbeitet, otjne jebod)
dfliefjlid) bie Sluffüprung auf Dem Burgtljeatcr burdjfefjen ju
muten. ®er niebliclje Borfpielfd)er$ „grentbel ©lüd", ber
1851 getrieben mürbe, teilte ba3 Sdjidfal alter ©inafter,
bafj fie eine felbftänbige Bebeutung im Büljnenleben nidft er*
ringen tonnen, gm galfre 1852 entftanb bie „SDiafoniffin",
auf beren Sluffüfjrung ©upfom, nadjbem er ba§ Sdfaufpiel
jmeimat umgearbeitet Ijatte, berjidjtete. ©in calberonifieren*
be§ fjiftorifdfed Xrauerfpiel „Slntonio fßerej" (auch „fjßfyilipp
unb ^erej" genannt) bermodjte trofc großer poetifdjer Bor*
jüge in ©Ifarafteriftif unb «Sprache bei feinen Stuffüljrungeu
in £)re§ben, SUiündjen unb (Stuttgart 1853 feine butd)fd)lagenbe
SBirfung §u errieten unb erfd)ieit aud) erft $eljn galjre fpäter
pm elften SJiale im 2)rud. ©u£fom mürbe jufeljenbä un*
fidjerer in ber Bclferrfd)ung ber fjenifdjen ÜDiittel; jmei bid
brei Bearbeitungen, bie meift aud) al§ fDianuffriptbrude bor*
liegen, finb bei allen biefen unb ben fotgenben Stüden bie
Siegel. 3)ennodt) tiejj er nidfft nadfj. gm grü§ial)r 1854
fdjricb er „ßen* unb Söljne ober bie Somöbie ber Söeffc-
rungen"; it)re fdjarfe Satire auf bie falfdje SSJofyltätigfeit
führte naef) ber erften BorfteHung in $)rc§ben ju einem Ber*
bot biefeS Suftfpield. gm grül)j[at)r 1856 errang „©Ha Siofe"
an mehreren Orten guten ©rfotg, burdj ben Sieij eineä mo*
bernen fßroblem§ unb eine gefd)idte Säenenfüljrung; in biefeni
Studie unb aud) fdjoit in ber „Siafoniffin" l)atte ©ufjfom
berfudjt, bie grauenfrage bramatifch fruchtbar ju machen, gnt
£erbft beleihen ga|re§ fiel ba§ tpftorifege ©|arafterbilb „ßor*
beer unb ÜJiprte", ein Siteraturtuftfpiet in gamben, mieber
äiemtid) ab. Stile biefe nur junt geringen Xeil erfreulichen
Siefultate reichten lange nid)t an bie bramatifdfen Sriump^e
ber hierher galjre heran; bie Bühnenleitungen mürben ba|er
auch lau in ber geftfjaltung ber älteren Stüde ©ujjfomä; bie
früheren greunbe au§ ben Streifen ber Sd)aufpieler maren ge*
106
Jfarl ©ujjfoiuS Seben unb ©Raffen.
ftorben ober alt geworben; fetbft auf ©mit SDebrient mar nidjt
mehr biel gu rechnen, obgleich ©ujjlow gu feinem 25 jährigen
SDreSbener ©übnenjubiläunt eine bortreffüdje biograb^ifc^e
Stubie über biefen feinen greunb für Heinrichs ©ühnen*
alntanad) gefd)rieben fyatte. Unb bie jüngeren Scfjaufbieler
ftiefjen fid) wie ©ogumit Xamifon an ber ffreunbfdjaft ©u£s
towS mit ber älteren ©eneration unb hatten it)re eigenen
Sntereffen unb jüngeren greunbe. ©uhtowS Situierungen in
ben „Unterhaltungen", als fie allmählich wieber in baS Iritis
fd)e tSafjrmaffer eintenften, fein greimut in ©riefen unb feine
potitifdje Stellungnahme, bie leineSmegS immer gu feinem
engeren ©aterlanbe ©Teuften hinneigte, brachten aud) mandhertei
©erftimmungen atter guter ©egiehungen mtt fich; ber ©ertiner
Sntenbant bon hülfen ftrafte fogar ben Xicftter für feine
Stufterungen über ben ftreuftifcben ß'önig mit bötliger Slb*
fet 3 itng alter feiner Stüde bom ftiepertoire. Stile biefe Sdjwie=
rigteiten unb gehtfdjläge brängten ©uftlom immer mehr bon
ber ©ühne fort unb ber fftomanprobultion gu, in ber er feines
©rfotgeS nach wie bor gemift fein burfte, unb fo begann benit
1857 bie Strbeit an einem Seitenftiid ber „Witter bom ©eifte".
£)er ©tan gu biefem gmeiten neunbänbigen 9ioman, ber
ben Itaffifch geworbenen Xitel „X)er tauberer bon 9tom"
führt, liegt biet weiter guriicf, er mar bereits im ©runbrift
fertig, als bie „Witter bom ©eifte" eben erfdjienen waren.
Stber einmal gab ©uftlom bem eigenen Sunf<h unb bem bringen
ben 3uruf SaubeS, fich in ber theaterbürren 3 e »t mit neuer
®raft bem Xranta gu mibmen, länger nad), als er urfftrüngs
lieh beabficf)tigte, weil er fich ferner in ben ©ebanfen fanb,
hier nicht mehr ber frühere Gönner gu fein; bann fdjredte ihn
aud) bie Seitfd)ichtigteit eines gmeiten fo foloffalen Unters
nehmenS guritd, baS auf S a h re ht nau§ feine Sätigleit abfor=
bieren muffte, $al)re, bie meber mit Xanticmen unb Honoraren
für ältere Serie, noch mit ©orfdjiiffen auf baS neue beftritten
werben lonnten; unb fd)tieftlid) erforberte aud) ber Stoff fetbft
ein umfangreidjeS Stubium, ba er ihm bon £>aufe auS nicht
annätjernb fo bertraut fein tonnte, wie bie gange Seit ber
„9iitter bom ©eifte", ©ufVfow, ber ©roteftant, gab im „ßaus
bever bon s Jiom" ein umfaffeubes ©emälbe ber fatt)olifchen
Google
„®er 3aubercr tion SRom".
107
SSeft; er marf ein gcmaltige§ fRotnannef) über bie Sänbcr,
bie unter beut ©efid)t§minfel ber beutfd)cn ft'atfyolifen als
©runbfeften beS Katholizismus mie ein genteinfameS ©an^e
erfcf)einen, bie 9it)einlaitbe, SGSeftf alen ,* Öfterreic^ unb Italien.
25er „3auberer Pon fRom" ift ber ©egenbemeiS gegen bie
piclfad) Perbreitete 9lnfic^t, alS ob ©ufcfom nur ben XageSs
bebiirfniffen folgenb getrieben habe. (Sr entmidelte mit bem
ganzen Slufroanb feines bidjterifcben Könnens baS Problem
beS UltramontaniSmuS, baS burd) bie fircfylicfjen ©reigniffe ber
breiiger Sabre aufgerollt, burct) bie ^ropaganba ber 2 )eutfd)=
fat|olifen lebenbig erhalten mürbe, aber noch nid)t annä^entb
jum Vemufjtfein ber SlCfgemeintjeit gefommen mar, mie bieS
jmei Sabrjebnte fpäter im Kulturfampf ber Satt mar. ©uf 5 =
fom jmar empfanb biefe§ fRätfet ber beutfd)en «Spbinj fcboit
bamalS in feiner ganzen <Sd)mere, unb bie Kombination biefeS
9fomanS bat burdjauS ben (S^arafter einer ®ioination auf bie
3 uhtnft. ©ubfom tonnte fid) batjer au<b feinen unmittelbaren
©rfolg oon folgern SSerfe Perfpred)en; unb maS er PorauSfab,
traf Pöllig ju: ber proteftantifdje SRorben begriff nod) nidjt
red)t, mie fid) ein Sßroteftant fo in bie fatf)olifd)e Stage Der*
tiefen fönne, unb im fatf>o!ifc£)en 2 )eutfdjlanb judte man ent=
meber bie Sldjfeln barüber, bafi ficb l)ier ein ^roteftant mie
ein (Singemeifjter gebärbete, ober aber bie fatf)olifcf)en Ve*
börben, mie 5 . 18. in Dfterreid), festen ber Verbreitung beS
fRomanS (Sdfmierigfeiten in ben SBeg. ®ennod) bat audb biefer
fRornan trof) feines groben Umfanget bis 1872 Pier ftarfe
Auflagen gefunben. liefen ©rfotg Perbanft er junäcbft bem
Problem an fid), baS burd) baS fteiweme VebammgSPer mögen
ber fatbolifdjen Kird)e Piefleid)t nod) ^abrbunberte baSfelbe
bleiben mirb, unb bie Vergänglid)feit, bie mand)e§ in ben
„Siittern Pom ©eifte" abgebröcfelt l;at, ift bem „Sauberer Pon
9tom" noch Pöflig fent geblieben. 2)ann aber tarn bem 9iomait
zugute, ba| er im ©egenfafj ju ben „fRittern" meit mehr Per* #
föbnenbe, liebenSmürbigere (Elemente enthielt, bie feinen reidben
Inhalt an echter Voefic bem ©mpfinben beS SeferS leidster
Permittelten. Von ber ,§auptbclbin Sucinbe, einer Slrt mcib=
lid)em Rädert, abgefeljeit, ift eS ©liefern b^r gelungen, meib=
liebe ©barattere Pon beftridenbem 9{eij §11 zcidfnen, pon ber
DV Vj
1 08 ffctrl ®ufiloft>§ Seßen unb ©djaffen.
ferapbifdjen 5ßaula bi§ gu ber ibeaten 2J?enfd)eub(üte Slrmgart
unb oem einfachen ÜRaturlinbe Grübchen. Unb £benfo h oc h
fteht feine Gfharalteriftif ber fathotifdjen ©eiftlichfeit, bie er :
in allen ihren Spielarten, ber tiefen gotterfüllten ©läubigleit
eine§ 33onabentura, ber überlegenen philofopljifchen SJiilbe beS
5>ed)anten — DieUeidjt ber ^errlidf)ften gigur beS gangen
SSerfeS — unb in allen Schattierungen beS mühlenben gaua?
titerS unübertrefflich gegeichnet hat, wie bieS in fotdher 50?annig=
faltigleit leinem fpäteren, am menigften einem fafholifdjenSdjrift?
fteUer felbft gelungen ift. SDie gülle ber übrigen ©haraftere,
bie auf ben öerf^iebenen Sdhaupläfjen beS IRomanS auftreten,
ift niefit minber grofj unb mechfetboU mie in ben „fRittem",
unb Der häufige SBedhfet beS Sdjaupla^eS gibt biefem
gmeiten ßebenSmerfe ©u^lomS noch einen befonberen SReig.
25ie S^ilberung bon ßanb unb ßeuten in fRheinlanb unb
SBeftfalen ift ©ufclom in biefer Slbgellärtheit nirgenbmo anberS
gelungen. 55aS ift bie Stimmung, mie fie an ben Ufern beS
Öi^eiitcS lagert unb fiel) gleichfam bie Sonne auf ben ßeifi
flehten läfjt, aber aud) im auSgelaffenften greubenjaud)ger
Den Sttem anhält, menn ber Slbeglodengrufj über bie gelber
Hingt. 50? an mufj bie „rote Gerbe", baS ßefien in fi'öln unb
im 5J3arabieS beS SiefiengefiirgeS fennen, um gang biefen
Baufier gu fpüren, ben ©ufilom, ber feiner 5Ratur nad) gang
anberen ©efilüteS mar als ber SRfieinlimber, ber gmar einige
ßfahre in granlfurt gelebt, mit greunben manche gahrt ben
Strom fimauf unb hinunter gemacht, aber SBeftfalen nur auf
SReifen fennen gelernt hatte, in biefem fRontane aufgefangen
hat. SBäre ©u|lom &'atholi! gemefen — fein IRoman braute /
ifin fogar in ben $5erbad)t einer $onberfion — er märe ein
5Rationalbid)ter SBeftbeutfd)lanbS gemorben, aber ba er biefe
gange Stimmung ber !athoIifd)en SSelt nur herborgaufierte, .
um fie al§ eine SBelt beS fdjönen Scheins gu enthüllen, ber?
fiel er gerabe ba bem Saun beS 5Rid)tgeIefenmerbenS, mo er
am tiefften reformierenb gu mirlen hoffte. SBar fdjon bie 5ßer=
fpeltibe ber „5Ritter" eine imponierenbe, fo hat fdhmerlidb irgeitb
eine beutfcf)e 5Romanfongefition ein gemaltigereS SBeltoilb mit
feinem granbiofen ©ipfelpunlt ber fdjtiefilidjen 5J3apfimahl auf?
gumeifen als ©ufcfomS „Baufierer bon 5Rom".
SRomanpcrfpcftitett.
109
Die grage uad^ ber (Entftefiung beS StomanS, nad) feilten
Cuellen, feinen Sorbilbern unb ben (Sinflüffen, benen feine
Schöpfung auSgefeßt mar, läßt fid^ in biefcm 3ufammenfjange
nicpt beantworten. ©oöiel ift gewiß, baß (Gußfow ftd) fcfjon
in ben breißiger fahren für bie Probleme beS SatholiziSmuS,
für bie tfßolitif ber römifdjen ®urie aufS tieffte intereffierte;
baß er bie (Ereigniffe jener $eit, bie er ja and) joumaliftifd)
beljanbelte, auS ben Elften ftubierte, unb Weiter fann ßier nur
angebeutet werben, baß zahlreiche ^Serfonett, wie Sonaöentura,
beffen Urbilb ein (Geiftlicher in DreSben war, gelebt haben,
baß (Gujtfow nid)t nad) (Gutbünlen lombinierte, fonbern in
bielen gläubigen Satljolüen (Gewährsmänner fudjte, bie ifjr
SSiffen, ihre (Erfahrungen, ihre SebenSanfchauung ihm gern
erfdjloffen, unb baß baS ganze 28er! baS Ißrobult reicher
©hibien ift. Sor bem 9lbfd)luffe beS SRomanS, im ?frühi a h r
1858, bereifte er SSeftfalen, Reffen, bie 9tl)einlanbe, Öfter?
reich unb Italien bis nach Neapel hinunter, um noch einmal
alle bie (Einbrücfe aufeufrifchen, bie er in feiner fcßon bis jum
achten Sanbe fertigen Dichtung wiebergeben wollte, ben lieber?
f<hlag feiner bielen früheren Slufenthalte unb fReifebeobad)?
tungen, unb nach feiner Ipeimfehr im ©ommer würbe baS
ganze SRanuflript einer nochmaligen Durcharbeitung unter?
Zogen. SBeit langfamer wie bei ben „Gittern" fhritt baher
aud) bie leßte fftebaftion in ber Sorreftur felbft borwärtS.
(Gußlow hatte im Saufe ber 3eit infolge feiner oft überhafteten
Arbeit bie (Gewohnheit angenommen, ben fchon gefeßten Dejt
feiner SSerle einer bölligen Umarbeitung ju unterziehen, weil
baS (Gebrucfte fid) ihm weit leid)ter objeltioierte als baS (Ge?
fdjriebene; baS führte natürlid) ju manchen Differenzen mit
ben Verlegern feiner berfdjiebenen Südjer. Seim „gauberer"
war (Gußfow in ber enbgültigen (Geftaltung feincS DejteS fo
forgfam unb borfidjtig, baß fid) bie Seröffentlicfjung beS ganzen
jftomanS über brei Sahre hinauSbehnte; (Enbe 1858 erfcf)ieiten
bie erften Sänbe unb erft 1861 ber ©d)tuß. Die fdjon 1863
nötig werbenbe zweite Auflage würbe nochmals einer ein?
gehenben Durchfid)t unterzogen.
Unter folgen Umftänben Verteilte fich aud) ber ftattliche
(Ertrag einer fo bebeutenben Slrbeit auf mehrere 3al)re, unb
aogle
110
Hart ®u£fon>§ Se6en unb ©(Soffen.
ba ©ußfom faunt gur Dfebafttoit feiner 3ettfd)rift nebenbei
SJiuße übrig befielt, ift e§ begreifticß, menn troß angeftreng*
tefter Sätigfeit, bei bem naturgemäß guneßmenoen Slufmanb
fcine§ tpau*ßalte§, feine finanzielle Sage immer brücfenber
mürbe. ®ie Tantiemen feiner $ramen maren gering; aucß
eine öötlige Umarbeitung feinet anfprudjSlofen @cßaufpiel§
„©in meiße§ Statt" im gaßre 1861 ßatte feine aufmunternbe
Söirfung meßr. Sou einer 2tnftettung ©ußfom§ at§ Dramaturg
mar and) jeßt nod) Saßre ßinburcß bon biefer unb jener ©eite
bie fRebe geroefen, oßne baß etma§ SeftimmteS erfolgt märe;
gürftengunft gu fucßen, tag ißm böttig fern; obgleich er fcßon
feit ben biergiger gaßreu ben tpergog ©rnft bon S'oburg burcß
©mit ®ebrient, ber bi§ in fein 2Uter ßinein am $obitrger
tpofe ein gern gefehlter ©aft mar, perföntief) gut fannte,
mußte er fieß ben 9tufforberungen gu Sefucßen immer gu ent*
gieren; guteßt motibierte er feine fturücfßaltung mit ber
greunbfcßaft be§ §ergog§ gu ©uftab greßtag, ben er moßl
nicßt oßne ©ruitb, naeß feinen „©rengboten"*©rfaßrungen, für
einen feiner pringipietlften geinbe ßalten mußte; naeß SSeimar
ßatten greunbe ißn fcßon ©nbe ber breißiger gaßre gießen
motten; aud) eine birefte Slufforberung be§ meimarifeßen ©roß*
ßergog£ im gaßre 1858, fieß bauernb in feiner pauptftabt
niebergulaffeit, ßatte ©ußfom nicßt bon ©re§ben, ba» ißm an§
!perg gemaeßfen mar, abgießen föniteit; ber eingige fßoften, ben
er in SBeimar etma befteiben fonnte, ber eine§ tpoftßeater*
intenbanten, mar ja aueß feit 1857 bureß SDingetftebt neu*
befeßt morben. ©ußfom§ Sage ßatte fieß 1861 aber fo gu*
gefpißt, baß irgenb eine gemattfame Slnberung eintreten
mußte, menn er nicßt unter ber Saft feiner ©orgen gufammen*
breeßen fotlte. Unb mirftieß fd)ien ptößtuß bie ©rtöfung gu
fommen in gorm einer 3lnftettung at» ©eneratfefretär ber
©cßitterftiftung, bie fieß im Dftober 1859 gu $)re§beit fonfti*
tuiert unb at£ erften Sorort Söeitnar auf fünf gaßre gemäßtt
ßatte. ®ie erfte öffentliche Anregung gu biefer Unterftüßung»*
anftatt für bebürftige ©ajriftftelter mar bon gutiu§ Jammer
in 2>re§ben, einem bantate feßr guten greunbe ©ußtorog, au§*
gegangen, unb ©ußfom fetbft ßatte fieß, bietteießt in bem
buufetn Sorgefiißt, baß er fetbft noeß einmal einer tgitfe bon
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3g Ie
ätrbeit unb ©orge.
111
fotdjer ©eite bebürfen merbe, mit feiner ganzen SlrbeitStraft
unb feinem OrganifationStatent biefer im ebelften (Sinne
fojialen ©rüitbung angenommen. ®ie midjtigften Stufrufe unb
Stppetle an bie Öffenttidjfeit f)atte er Perfafjt, feine ßeitfdjrift
mar baS erfte SßubtifationSorgan für atteS, maS bie SluSge*
ftattung ber Stiftung betraf, burdj feinen meiten ©inftufj unb
feine äa^ttofen perfönticfjeit unb brieflichen S3erbinbungen marb
er greuitbe unb görberer unb fjatte bor altem baS SSerbienft,
bie jur ©runbung ber 3meigftiftungen geeigneten ^erfonen
tjeraitgejogen unb baburcf) biefe mid)tige ^ropaganba altents
falben burdjgefütjrt ju tjaben. Über biefe feine SSerbienfte
mar unter benen, bie mit bem üorbereitenben ©efdjäftSgang
feit 1855 öertraut maren, nur eine Stimme, unb ebettfo bar=
über, baff, mettn überhaupt bie Stnftettung eines ©enerats
fefretärS früher ober fpäter nötig mürbe, feiner baau geeig*
ueter unb miirbiger gemäfjlt merben fönne. $)ingetftebt per*
föttlid) überbradjte ©u^fom im 5uti 1861 bie iöeftätigung,
baff man ifjn ju biefem Stmte in atter gorm berufen t)abe,
unb ©upforo mar bon biefer 9?ad)rid)t, bie it)m mit fedfS*
bunbert Katern jätjrlidjen ©elfatteS eine meitn aud) mefjr atS
befd)eibene Sidferung feinet SebenS unb feiner 3ufunft ä u
üerfjeiffeit fdfien, fo erfdjiittert, baff er bem itjm bamatS nod)
iöefreunbeten meinenb um beit .fpatS fiel unb itjn füjfte. So
groff mar feine 33ebrängniS, baff biefer armfetige fßoften i^nt
mie eine ©rtöfung, mie ber SBegintt eineS neuen beffem 2)a=
feinS erfdjieit, obfdjoit if)tn bodj feber Saitb feiner fRomane
mefjr einbracfjte als fotch ein 3|af)re§ge^alt. SHe böttige SBer*
fennung ber mirftidjen Situation bei bem fonft fo untrüg*
tidjen Scfjarffinn ©u^fomS fejjte hier bereits ein, fie mar
nictjtS meiter als eine gotge feines burd) 2Baf)nborfteltungeit
fdfon bamatS getrübten ©eifteS. 5)er JTantpf mit beit „©rett^
boten" mar nad) ©rfdjeinen beS „ßauberer" heftiger benit je
entbrannt, eS mar fogar junt Slitruf beS ©erid)tS gefommeit,
baS aber für bie ^Beurteilung fotd)er Xiterarifcfjeit SBorfälle
feine tpanbtjabe befaff; Julian Sdjmibt tjatte einige feiner
Stufferuttgen jurüdnefmeit müffen. fRatje greunbe ©u^fomS
maren fcfyon bamatS über bie junetjinenbe S3erfinfterung feines
©emiiteS tief bcforgt ttitb befdjmoreit it)n Pergeblid), fidj bieS
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112
ffarl ©ufclotoä ßeben unb ©djaffen.
alles auS bem Sinn §u fdjlagen unb feine SlufmerEfamTeit
beit freunblidheni ©eiten feinet ScbenS sujuroenben. SllleS
umfonft; fie fonnten ja nichts auS bet 2Belt fcfyaffen, ma§
biefe ©nimidfelung bet S'ranftjeit ©ußtomS narrte unb ma§
er mit bem ©pürfinn beS auf ben Xob ©erfolgten ringS um
fidj entbecfte. SJEit ber Stellung eines ©eneralfetretärS mar
eine Überfiebelung na<h bem ©ororte ber Stiftung, naA SSeimar,
bcrbunben, unb biefe erfolgte benn auch im OEtooer 1861.
©upEom berließ SDreSben, um einen Ort aufjufudjen, bon bem
er gerabeSmegS in 9?ad)t unb ,3öal)nfinit ftiirjen füllte.
Schon balb nach feiner Überfiebelung fah ©ußtom ein,
baff er fid) in eine SadEgaffe hotte loden taffen , auS ber ein
SluSroeg nur mit fcljmerften Opfern möglich mar. ©r fanb
in Söeimar, maS granj Sifjt, tjpanS bon ©iilom unb anbere,
menigftenS nad) ihren brieflichen Urteilen, bort gefunben
haben: eine Eieine 9tefibenä, in ber ber Streik beS tpofeS unb
ber ©eamten bie Oberhonb hotte, ba§ ©rbe flaffif^er 3äten
roie ein eigene^ ©erbienft bermaltet unb alles Sfteue hödfftenS
als talentboller ©erfu<h mit ©önnerntiene aufgenommen mürbe.
Scljon bah er bei einer ©ntpfangSfeierlichEeit als „Streben*
ber" im beften ©oetbefcf)en Sinne begrüßt mürbe, erfd^ieit
bem ©erfaffer ber „Witter" unb beS „3oubcrer" mie grau*
fanter föohn, obgleich barin nur eine gutgemeinte ^altlofigfeit
gefunben merbeit tonnte. ®afj bie ©rbeit ©oetheS fid? ber
Aufführung beS „$önigSleutnantS" in Söeimar miberfepten,
mar auch ein peinlicher Söilltomm. 3 U föofe ä u gehen, §u
©orlefungen befohlen ju merben, mar ihm beS neuen SJtilieuS
megen junächfi nicht gan$ jumiber, aber ber ©emotrat mochte
fidh in foldjer Situation Eomifch genug bortommen, unb e§
bauerte audh nicht lange, bis er im bertrauten Greife feinen
bittern SSi^ bariiber frei laufen ließ; er hotte babei nicf)t mit
ber 3 u ttö0erei unb $latf<hfudf)t ber Eieinen Stabt gerechnet;
für gelegentliche 9lufrid)tigfeiten mar hie* S u aßerleßt ein
paffenber ©oben. Auher etlidjen ©rologen fteuerte ©ußEom
ju bem SBeiinarer SKitfenbienft baS geftfpiel „@ine Spate*
fpearefeier an ber 3}lm" bei, ohne fich ober fonft an ben
©hatefpearetagen beS $rühjahrS 1864 §u beteiligen. 3)enn
mit bem hier bie fjühnmg ^ofecitbcn ^ntenbanten ®ingelftebt
Karl (Sutjfou) im ^7. £ebeitsjafire.
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SSeimar.
115
mar ©ußfom längft verfallen; bie ©efdjäfte ber ©djiHerftiftung
tjatten ju ÜIReinungSberfchiebenheiten geführt, bte in tjeftigfte
perfönlicpe geinbfd)aft auSgeartet maren. ©ußfom patte ju
fpät eingefepen, baß bie ©teile, bte er bei ber (Stiftung be=
fleibete unb für bie er bejaplt mürbe, in feinem 33erpältni§
gu feiner fdpriftftellerifdjen «Stellung ftanb, ttnb baß er an
biefe tatfadjlidje Inferiorität feiner beamtlidpen ©tetlung nicpt
glauben fonnte, ba§ mar fein UitglüdE. ©rft 1862 mar ißre
ÖebenSIänglicpfeit anerfannt morben, ltttb menn SRitglieber
be§ SöermaltungSrateS ober ber 3 meigftiftungen bagegen ge=
ftimmt Ratten, mcil fie bie ©Raffung eine§ folgen bauentben
SlmteS überhaupt mißbilligten, patte ©ußfom bie§ natürlich
als eine mopliiberlegte geinbfeligfeit gegen fiep aufgefaßt.
$pn patte eS feineSmegS itacp SSeimar gezogen, ttnb andj
anbere einflußreiche SRitbegrünber ber «Stiftung, mie ber
Unternehmer ber ©dpillerlotterie, SUJajor ©erre, patten ben
©cproerpmtft be§ ©amen lieber in SDreSben gefepen unb raollten
auf feinen ffaH bie Stiftung an SBeimar unter ba§ ^ßrotef=
torat be§ bortigen ©roßper^ogS gefeffelt miffett. SSemt ©uß;
fom für bett SBecpfel be§ Vorortes erbittert fämpftc, fo fätnpfte
er jugteirf) für fiep, benn er mottte nidpt jeitlebenS in SSeimar
bleiben. $)ingelftebt§ Sßeftreben aber mar, burcp eine möglicpft
ettge SBerbinbung ber ©tiftung mit ber Sßerfon be£ ©roß=
per^ogS feilte eigene ÜDZacptfppäre ju ermeitern, benn biefer
bom flehten @d)ulmeifter emporgernadifene, einft fo rabifale
„üftacptmäcpter" bemegte fidp auf bem fcplüpfrigen ^arfett beS
gürftenpofeS mit ber eleganten ©icperpeit unb bem über=
legenen SSiß eines geiftreicpen ^ofmarfdpallS, eine
um bie ipn ber uttgelenfe ©ußfom eprlidp beneiben mod)te.
©ußforoS Xracpten ging barauf hinaus, bie ©tiftung gänzlich
frei 51 t erhalten bon allen ©inflüffcn, bie fiep bei ber 58er*
teilung ber ©aben bemerflidh machen fonnten. ©r fühlte fidp
als ber ©acpmalter ber Sinnen, bie um Unterftüßung marben,
unb in feinem edpt menfcplicpen fühlen fpracp er immer erft
bon ber 9?ot, unb bann erft bon ber SBiirbigfeit; er mar
feine SBeamtennatur unb mollte in fällen, too bie bringenbe
Skbürftigfeit ermiefen mar, fofort geholfen fehen, ohne erft
ben oft langen ^nftanjenmeg abjumarten, unb am meiften ber-
8 *
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116 fforl fflujjfotoS Ceten unb ©djaffett.
abfcfjcute er bic SBcrtung bcr ©ittftellcr irndj iprem potitifc^en
Vorleben ober äpntidpen Slntejeben^ien. 2lnbrerfeit§ mar er
mieber pebantifcpsftreng, eine burd)au§ guDerläffige güprung
ber ©efcpäfte befonberS in ber ©ermaltung ber einlaufenben
©elber gu Verlangen, raoburcp er fidb fdjon halb nad) Über*
nannte feine§ $often$ geinbe gemacht patte, bie bon ipren
patriardjalifcpen ©emopnpeitcn nid^t laffen rnoKten. SDüt aller
Energie, ja mit Eingabe feiner gangen (Stellung fämpfte
©upfom al§ Sefretär ber Scpitterftiftung gegen ba§ unbe=
bingte fßringip ber Öffentlitpfett; er felbft nannte einen Seil
ber (Stiftung bie „fdjmubige SSäfdje ber Siteratur", bie man
nidjt aller klugen preiägeben bürfe, unb gleich ipm bauten
Diele, bie in erregten ©riefen erflärten, lieber auf jebe Unters
ftüpung beraten gu mollen, al§ öffentlich) Sllmofenentpfünger
genannt gu merben. SDiefer berfcpäntten Slrmen napm fic^
©upfom mit ipeftigfeit an, unb baburcp untergrub er feine
(Stellung böllig. ÜUian mürbe be§ Opponenten miibe, man
bebeutete iprn, baß er überhaupt nichts anbereS al§ eine
beratenbe (Stimme befipe, im übrigen nur ber „ejpebierenbe
Sefretär" fei; man entzog ipm in ben Sipungen ba§ 2öort,
ober rief ipn gar nicpt pingu, ba er feiner «Stellung nad) in
ber Sat nicpt ftimmfäpig mar; man pielt fiep burcpauS forreft
an ben ©uepftaben be§ ©efepe§. ©on allen (Seiten mürbe
er gur 9?upe bermiefen, unb allentpalben ftieß er auf fßara=
grappen ber Statuten mie auf gangeifen. Slber bgbei blieb
e§ nid)t. SJRan patte für feinen Satnpf gegen bie Öffentlicps
feit bte Auslegung, bafj er unter bem Scpup ber ©epeints
paltung öor allem feine greunbe mit ©aben bebenfen molte;
bie Elften ber Stiftung roerben bemeifen, mie gänglicp irrig
biefe noep peute mit gleiß genäprte 9lnfd)auung ift, mit
melcper bemunbemSmerten ObjeftiDität ©upfom al§ ©eamter
auep feinen ©egttern gerecht mürbe, unb mie er e§ mar, ber
gum ©eifpiel bie Sßenfion Otto Submigä, ber fein ©egiter ge=
morben, burep bie Sraft feiner Überrebung burdjfepte. Stl£
bann im griipjapr ©upfom felbft eine ber an perborragenbe
Scpriftfteller oerteilten ©prengaben erpiclt, mie§ er fie, um
ber üblen Sßacprebe ju entgehen , gurüd. ©§ gepörte natürs
lidp ©upfom§ franfpafte uno fdjon burep friipere Sümpfe
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©djiHerftiftunfl.
117
untergrabene Sttatur bnjit, um au§ all biegen Differenzen mit
bem Verwaltung8rat unb befonberä mit Dingelftebt bas> ©ift
ju faugen, ba§ ißn jule^t lärmte; in Dingelftebt bereinigte
ficf) fcEjtte^Iid) für ifyn afle§, wa§ auf offenbare Vernichtung feiner
^ßerfon abjuzielen fd£)ien , unb jum Unglüc! mußte aud} noch
ba§ nic^t unbegrünbete ©erüd)t auSfommen, baß feine gange
Berufung nad) SSeimar fein *5reunbf<haft§bienft be8 Kollegen
gewefen, fonbern ein wohlüberlegter Scffachzug be§ gewiegten
Diplomaten, um bie brohenbe Berufung |>ebbel8 p burch=
freuxen, benn Dingelftebt mußte, baß §ebbel, ber ihm felbft
gefährlich werben fonnte, gurüctnnch, wenn er in einem fo engen
Greife bereite einen Sßlah burch ©ujjfow befe^t finben würbe.
Sitte biefe Iper nur angebeuteten Umftänbe brauten e§
fcffließlich bagu, baß ©upom ficff in bem erbitterten $antpf
gegen Dingelftebt unb ben ihm folgenben 83erwaltung§rat
bötlig aufrieb unb um fo bergweifeluber, h a ^°f er würbe,
je mehr er bie §lu§ficht£lofigfeit biefe§ ®ampfe§ begriff;
er fah, baß biefe erfehnte 2eben§ftellung notwenbig in
Särge enben müffe; babei hotte er 1862 bie Sffebaftion ber
„Unterhaltungen" aufgegeben, unb mit ©nbe 1864 ging bie
geitfcßrift ein; bie ©effhäfte be§ Sefretärö mit all ihren
berhängnigreidfen folgen waren ihm über ben Sopf gemadffeit,
fo oaß an eine neue fßrobuftion faum gu benfen war; er
hatte nodj in DreSben bie Umarbeitung aller feiner Dramen
für bie neue 53rocfhau8fd)e Slu§gabe begonnen unb fie in
SBeimar beenbigt; auch ^ er „3 au & er er bon 9iont" würbe für
bie gweite Auflage gewiffenhaft rebigiert; ein neuer hifforifdjer
9toman „Ipohenfchwangau" fonnte aber in biefem Söirbel auf=
reibenber ©efdjäfte nur laugfam entftehen, unb fo würbe in
biefer erhofften ßufludjt SBeimar bie üage ©ipfoW§ ger=
rütteter benn je; er arbeitete ftet§ für fd) 0 it „gegeffene§ Sörot",
wie ber alte Verleger ©ampe 23orfd)üffe zu nennen pflegte.
Völlig zerfallen mit feiner Umgebung, niebergefchmettert itod)
burcß fd)tnerglid)e Vorfälle familiärer 9?atur, ben bölügen
3ufammenbrud) bor klugen, legte ©nßfow nach einer ftür»
mifd)en ©eneralberfammlung im Dftober 1864 feine (Stellung
nieber, unb feine ©ntlaffung Würbe it)tn einftimmig bewilligt.
©8 war unter ben entf^eibenben äßännern offenbar nid)t
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ffcirl ®utt!ott>8 Seben unb Sdjaffen.
einer, ber and) nur bie ©pur einer (rmpfinbung für bie
Qual eine§ fi<h jum ^obe gemartert gühlenben übrig hatte,
unb feine Stimme Ejätte aud) im Dljre ©u$fom§ nur tnie
Spott unb Jpoljn gelungen. $enn bie Überzeugung Pon
einer förmlichen Verfd)mörung gegen feine ©jiftenz, ja fein
Seben hatte ftd) feiner fdjon fo Pöllig bemächtigt, bah e * ba§
©nbe alter Eilige für fid) gef om men mähnte; Briefe, bie er
in biefen 93?onaten an greunbe fchrieb, Hingen mie Xefta=
mente unb enthalten auch *n ber $at le^troitlige Verfügungen.
®er äöeihnad)t3abenb fam, unb in ber häu§lid)en geftfreube, bie
fid) faum unter ber Sorge für ben Vater heroorroagte, fühlte fid)
biefer toie ein 9lu4geftohener, Pon allen Verfemter; er manbte
fid) ab unb brach taut meinenb zufatnmeit. 91m 19. Dezember
fd)on hatte er, feit bent Sommer ruhelos fpu unb her reifenb,
Start grenzet in Verlin aufgefud)t unb ganz ben ©inbrucf
eineö grren htuterlaffen; einen 3)old) führte er im Koffer
mit fid). Anfang Januar ging er roieber auf Steifen; ba§
angefangene SÜiannffript feineS neuen s Jfoman§ nahm er mit
unb manbte fid) auch und) füblidjcn ©egettben, mie um feinen
hiftorifdjcn Stubien nachzugehen. ®ie ganze gahrt mar eine
glud)t oor bem SDämon, ber i|n Perfolgte unb ihn fd)liehlid) in
_ griebberg (Reffen) ereilte. !pier machte ©ufcfom am 14. Januar,
als er feiner gamilie fd^on ganz berfd)otlen mar, einen Selbft=
morbnerfudh, tnbent er fich mit bem ®old) Stiche an ben
Firmen, am .ftalfe unb an bet Vruft bei6rad)te. Sa er bie
Sd)tnerzen§rufe nid)t ganz unterbrürfen fonnte, mürben bie
Vcmohner be§ $oteIS aufmerffam, brangen z» th m un b riefen
ärztliche foilfe herbei. 9lm 20. Januar mürbe ber Stranfe zu
Vermanbtcn nad) Qffenbach unb am 81. in bie ^eilanftalt
St. ©ilgenberg gebracht. ®ie Verrouitbungen hatten balb,
langfamer aber ging bie geiftige Teilung Ponftatten. ®ie
©efahr eines neuen SelbftmorbPerfud)eS beftanb noch SDfonate
lang; bis z iu u föerbft bauerte eS, bah ©ujjfom Pon einer 9ln*
fniipfung mit alten greunben ober feiner Familie etmaS miffcn
roollte. Überall fah er mir Xobfeinbfdjaft, Verfolgung, er
mar gemih, auf grauenerregenbe SSeife nicht nur getötet,
fonbern gemartert zu merben. $ingelftebt mar ber Slnführer
ber Verfhmörerbanbe gegen ihn, er hörte unb fah nur Spm=
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<5t. ©ügenbevg.
119
ptome ihrer 2Öiif)Iercten gegen iljn; alle Beileibäbejeugungen,
bie if)m in bie .'panb famen, jebe 3eitung§notiä, bie feiner
eljrentioU gebad)te, feber teilnehmende ©efi^töjug ber^errte
fidj ihm in ba§ ©egenteil, in Ironie uitb Spott unb offen*
baren fid)tlid)en §aff. ©r füllte aber nicf)t nur leiblid) ge*
tötet, fonbern auch literarifd) bemid)tct merben, unb mit gräff*
lidjern ^Raffinement traf feine Selbftqual boljrenb ba§ föerj
beä Sdjriftftellerä ba, mo ber ©laube an fiel), bom ©hrgei^
gehütet, nodj unberlefjt geruht hatte: man gehe bamit um, fo
argmöhnte er, ifjm bie Slutorfd)aft aller feiner SBerfe abju*
erfennen, auf bie blofjen Behauptungen etlicher Kollegen hi«/
bie bei ber ©ntftehung berfelben irgenbmie alä Berater beteiligt
gemefeit mären. Unb nun begann er fid) ju berteibigen unb
in langen $enffd)riften fein Riecht auf feine Schöpfungen ju
bemeifen, immer in ber fcf)recflid)en ©emiffheit, baff fein Ipilfe*
ruf ungel)ört bevhalle unb böCtige SluSlöfcbung feinet 9?amen3
ba§ ©itbe fei. SDabei mar im übrigen feine ©eifte§flarl)eit,
fein ©rinnerung§ber mögen nicht im geringften gefchmädft.
©rft im Iperbft begann er fid) ju beruhigen, bie fdjlimmften
Phantome fdpnanben, er begann fid) mieber jurecht ju finben,
befann fid) auf fid) felbft unb feinte fich nad) neuer Xätig*
feit. Sin bem Sebett ber Slnftalt nahm er intereffierten Sin*
teil, feine £odjter Selnta burfte ihm nahe fein unb ihm all*
mählich mieber bie ©rinnerung an SBeib unb ®inber machrufen;
jur ©röffnung be§ $au§theater§ am 30. September fdjrieb er
fagar einen Prolog, unb gegen SBeüjnachten hatte fich fein
3uftanb fomeit gebelfert, baff ber behanbelnbe Slr^t Dr. galfo
bem drängen be§ Patienten, entlaffen ju merben, nachgab.
Slm 3ßeihnad)t§tage 1865 mürbe er al§ geheilt entlaffen unb
reifte mit feiner gatnilie nach bem Süben, um junäcbft in
Bebet) am ©enferfee löngern Slufenthalt ju nehmen. Sßäl)=
renb feiner Sranffjeit hotten bie aahlreidjen greunbe fich ge*
regt unb allenthalben burd) Slufführungett ju feinen ©unften
unb Sammlungen einen ©uhforofonbä äufammengebradft, ber
jmar nid)t fo bebeutenb mürbe, al§ fie ermarteten, unb für eine
Sidferftellung ber 3ufunft nicht annähernb au§reid)te, aber
boch in Berbinbung mit einer ^ßettfioit ber Sei) i 1 1 erftif tun g
bem *5)id)ter erlaubte, feiner böltigen ©enefung mit Diuije ent*
120
Jtarl ®ufcloh>8 Ceben unb ©Raffen.
gegenjufefien. ®enn bötlig geteilt war ©ujjfom fetne§meg§,
unb gerabe biefe SRulfe, bie if)tn fo notmenbig mar, mollte
aud^ jefft nidft fontmeit, eben meit bie überftanbene Shcanftjeit
berftedt tue Her in iljm frafj, gelegentlid) aud) ju beutlicfjen
Stuäbrüdben laut, aber bann immer mieber fid) äurücf§ubilben
fdften, fo baff if)re Spmptome gemiffermaffen mit feinem
SSefen berfdfmoläen unb leiber jur golge Ratten, bafj if)m
met)r unb me^r ba§ afö @^aratterfei)ler attgeredfnet mürbe,
ma§ bod) nur bie 5tu§geburt fortgefeffter geiftiger Störungen
mar. liefern traurigen ©efd)id ift ba§ ©ebäc|tni§ unb ber
5Rad)ruf)m ©u£!om§ tatfäclftid) $um Dpfer gefallen; an feinem
beutfdf)en Sdfriftfteller l)at bie 92acf)mett, bie über feine malfre
Sßerfaffung in Unflarffeit mar, fo gefünbigt, mie an ©ufcfsm,
unb tut bie§ *unt £eil l)eute nod), unb an feinem ift ®oetffe§
SBort fo graufatn unb olfne eigenes 93erfd)ulben fo fd^recflicf) in
Erfüllung gegangen: „So mie einer bon fjinnen gefdfteben, fo
lebt er fort im ©ebädftniS ber fommenben ©efdftedfter."
©ufjfomS ganzes meitcreS Seben, bie breijefju bie
if)m nod) befdf>ieben maren, finb rufyeloS mie bie ÜJfonate bor
beut StuSbrud) feiner $ran!f)eit. Seine geiftige $raft mar
nicht gebrochen, menn fie fidf) aud) nidft meljr ju fo großen
Schöpfungen aufraffte mie cljemalS; fein Seben f)atte ben
§ö|epunft überfdfritten unb glitt langfam abmärtS. SRad) mie
bor lebte er in aufmerffamftem Slnteil an allen Söemegungen
unb ©rfdjeinungen feiner ßeit, aber feine 93etrad)tung mürbe
nteljr unb rneiir eine riicffdjauenbe, ber (glaube an bie ^ufunft
mar einer trüben fftefignation gemic&en; ma§ fonnte er nodj
für grofft SebenSfyoffnungen fjegen! @r mar jejft bierunbfünfjig
$af)re alt unb muffte, baff er fein SebenSmerf fjinter ficf» Ijatte,
nadfttem if)m fein trauriges ©efdjicf ein fo furcfftbareS |>alt!
jugerufeit. Seine $raft mar nod) bie alte, aber fein Stolj,
mar auf ben £ob bermunbet. Unermüblidf) tätig, lebte er bem
fRate GftrltfteS gemäfj: Arbeiten unb nidft Sßer^meifeln!
3unäd)ft galt eS bie SBoüenbung feinet neuen fRomanS,
ber ein auf grünblicfyen Ouetlenftubien beruljenbeS umfaffenbeS
©emälbe beS gan§en fReformationSäeitalterS merben foHte unb
in feiner jeitlidien s 2luSbe§mmg bie „fRitter" meit übertrumpft.
$iS jinn iXRai 1866 lebte ©upfom feiner (Srfjolung; bann reifte
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SltterSttJcrfc.
121
er in ^Begleitung eine? @ohne§ na* 53at)era, na* SKünd^en unb
•Jiümberg, um feine ©tubien an Drt unb ©teile mieber auf=
june^men; im Sluguft micberholte er bie gahrt, um befonber»
ben midjtigften ©djaupla^ feine§ 3öerfe§, ba§ ©dhlofi §o^en=
fcljmangau, ben ©i$ ber fßatrijier *)3aumgarten, nochmals ju
fe|en. S3om 15. $uni Q b hatte er fid) in bem Drtdjen Reffet-
ftabt bei |>anau niebergelaffen, im Anfang nod) felfr geftört
bon ben $riegSunruben, bie jene (Segenb in •’Öätleibenfdjaft
sogen. Anfang 1867 tonnte ber erfte SBanb be§ SHomanä er=
feinen; ber ameite folgte halb. 3Me 31u§gabe gefd)alj über=
eilt; aber er tonnte nidjt jur Stube tommen, ehe er nicht ber
Nation bemiefen habe, baff feine fjkobuftionäfraft nod) unber=
fefjrt fei. ®a^er ba§ gormlofe be§ ganzen 93aue§, beffen
©ingeltjeiten gleidjmof)! in (£l)ara!teriftif unb ©djilberung
ben ÜReifter berraten. 2)er ©toff mar if)m unter ben £änben
fo gemadffen, baff e§ ihm 3M§e machte, ihn auf fünf
Söänbe ju befd)ränfen; nur hier mareit urfbrünglid) bereinbart.
©o mürbe ba§ (Sebäube ^ule^t mit einem „Stotbacf)" berfehen,
unb im Februar 1868 mar ber fünfte ©anb abgefdjloffen. $ur
©rholung reifte (Sufclom im Wä rj 1868 na<J) Berlin. (fr
moute fe^en, ob nunmehr feine SSaterftabt, bie einen fo tapiben
Stuffd^roung genommen hatte, audj ihm bie fDtögIid)leit bot,
fict) mieber bort nieberjulaffen; er badete an eine fefte Sin*
fteUung bei einer bortigen Leitung ober an eine enge SSer*
binbung mit einem ^Berliner Verleger. SSeber ba§ eine noch
ba§ anbere erfolgte, unb fein „Sltombafein" in ber raufdjeitben
©tabt bebrüdte ihn, fo baff er nad) bier SSodjen mieber in
feine $effelftabter ©infiebelei jurücffehrte. 2)ie Steife hatte
aber bie SBegiefjung ju alten Gelaunten unb fjreunben mieber
angelnüpft; mit Sluerbacf) tjatte er fid) bcrfö^nt unb auch bie
greunbfdfaft mit grensel mieber ^ergefteüt, bie fid) in ben
lebten fahren gelodert Ijatte; bie alte Unbefangenheit mar febod)
nid)t mehr herjuftellen, ba burdj bie Stachmirtung feiner ft'ranf*
heit ber (Seift be§ üDtifjlrauenä aHeS trübte.
fEad^bem (Sujjfom nun bie fernere Saft be§ 9toman§, ber
auf ©chritt unb 2/ritt an feine unglüdlidje $eit in SSeimar
gemahnte, abgefdhüttelt hatte, manbte er fidh mit (Sifer journa=
liftifdhett SlTbeiten $u; ©tijjen, Lobelien, fritifd)e ©tubien
122
Jtarl ©ufefotrS Sefccn mtb Stfioffen.
entftanben in fdjneller golge. ®ie tx>icf)tigften biefer Arbeiten
finb bic autobiographifdjen 3 n f)alte§, (Erinnerungen an (Er*
iebniffe unb Begegnungen bon ber 3ugenb§eit bi§ in fein
SDianneSalter. 3^ 3eitfd)riften unb Leitungen erfdjienen „X)a§
$aftanienmälbchen in Berlin", „Au§ (EmpfangSjimmem",
„3toei ©efangene", „(Ein Bcfuch bei (Eorneliu§ in 9iom“ unb
ähnliche Stilen, bereu 90^e[)r^al;l, mit älteren Arbeiten ber*
einigt, in ber Sammlung „X)ie fchönerenStunben" Anfang 1869
in Buchform ^erau§gebracl)t rourben unb fdjnell eine pteite
Auflage erlebten, (Eine Sammlung bon Aphorismen unter
bem Xitel „Born Baum ber (ErlenntniS" , in ber ipauptfadje
eine .gufammenftettung ber „Anregungen" in ben „Unter*
baltungen am häuslichen Herb", fanb 1868 eine fo freunbliche
Aufnahme, baff nod) im fclben 3ah*e ein jmeiter X)rud nötig
mürbe. And) bie ÜRobetlen ba§ „Cpfer", „Xurd) 9?ad^t pm
ßidjt" ufm., bie ben Hauptinhalt ber breibänbigen Sammlung
„SebenSbilber" (1869 — 1872) auSmachtcn, entftanben in biefer
ßeit, unb ebenfo mürbe bie brantatifdje ^robuttion mieber
aufgenommen. X)aS Suftfpiel „Xer meftfälifcf)e Sriebe" hotte
jebod) bei feiner erften Aufführung in Mannheim Anfang
gebruar 1869 burd) feine gemaltfame ®ontif fo menig Sirfung
geübt, ba$ auch eine Umarbeitung, bie ©ujjforn bornahm, au§*
fid)tSlo§ erfd)ien; er benit^te ben anelbotenhaften Stoff p ber
Lobelie „Ißrüfe, mer fidh emig binbet", bie mie baS ßuftfpiel
an einer ermübenben Breite leibet, ber auch ein großer Auf*
manb geiftboller ©efprädje nid)t holte aufpelfen fönnen; fie
bilbet ben britten Banb ber „SebenSbilber". 9ia<h biefen
fleinen Ausflügen manbte fidh ©ufjfom mieber mit boller
Sammlung ber SRomanprobultion p. $unäd)ft bearbeitete er
bie „dritter bom ©eifte" ju ber gefügten bierbänbigen Au§*
gäbe, bie 1869 int Berlag bon £)tto 3ante in Berlin pr
(Eröffnung einer 9tationaIbiblioft)el erfchien. 3m April 1869
fiebelte er bon .deffelftabt nad) Bregenj am Bobenfee über
unb fdprieb mährenb be§ Sommert ben breibänbigen fßotnan
„Xie Söhne fßeftalojäiS" , in bem er bie ©efdjichte $afpar
HauferS als beS Urmenfdhen pr ftofflidjen ©runblage für bie
Söfung beS (ErphungSproblemS machte, baS ihn bon jeher
befd)äftigt hatte; in ber Rührung einer fpanneitben Honblung,
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3Zocf) einmal nadj Serlin.
123
ber (Hjarafteriftif ber *ßerfoneit unb ber feffetnben S'raft ber
«Säuberung fiept J>ier ©u^fotö nod) ganj auf beripöfye; unter
feinen SllterSwerfen nimmt biefcr Vornan bie erfte ©teile ein.
Ski feinem lebten Skfucpe in Berlin patte ©ufjfow, fo
übermächtig unb unbehaglich ihn feine oor Pier^ig 3>apren nod)
fo refibenjftitte 33aterftabt anmuten modjte, fid) bennod) über=
geugt, baf? fie fid) meljr unb mehr gum Zentrum be§ litera*
rifcpen 2eben§ in 5Deutfcplanb entwicfelt hatte ; ber rege $peater=
betrieb, neue 3eitfd)riften, unternepmenbe Verleger, bie Über*
hanbnapme ber 2age§preffc, fteigenb mit ber (Sntwicfelung be§
politifdjen 2eben§, ba3 aUe§ waren gaftoren, bie Skrlin mefjr
unb mehr gum ©ip ber ©d)riftfteder unb $ournaliften mad)ten
unb, wie nun einmal ©ubfowS 5£ätigfeit fich geftaltet patte,
für ipit gang unentbehrlich waren, Siacp langem ©dpoanfen unb
ohne innere greube entfchtofe er fid) im ©ommer 1869, nod)
einmal ben Skrfud) gu machen, in feiner Heimat feften $ufj
gu faffen, unb im Cftober begog er eine SBopnung in SBerlin.
(S§ fipien aud) einige 3 e ü, al3 ob fein Seben einen neuen
Sluffcpwung nehmen würbe. (Sr begann eine au§gebreitete
noPeUiftifdje unb fritifcpe Xätigfeit unb Perfudpte fid) loieber
in allen (Gebieten, in benen er fich früher getummelt hatte.
(SffapS unb anregenbe SKitteilungen, gu benen er ja nur au§
ber ungeheuren gülle feiner (Erfahrungen gu fd)öpfen brauchte
unb bie gern gelefen würben, erfcpienen allerorten; eine
hiftorifche Lobelie, ber „Söerwolf", war ber Vorbote eine»
breibänbigen piftorifcheit fRomanS „grifj (SUrobt", ber 1871
perauSEam. (Sr fcpilberte barin bie SebenSfdpitffale be» lebten
Jpopengollern griebrid) (Spriftian aub ber Sinie ©apreutp
unb oerfud)te ein unifaffenbeä 33ilb begenerierenber $lein=
ftaaterei gu geben, ba» in EunftPoller ftompofition burd) eine
grote§Ee 9tealiftif ben (Sinbrud einer S'arifatur im ©impli=
giffimuöftile pinterläjjt. 35er geiftreiche (Sffapift unb Pon (Sin=
fällen piftorifcper unb felbfterlebter 3trt überftrömenbe Sßlauberer,
ber fdjon bie Modellen ber lefjten ^ahre mehr unb mel)r gu
geiftreichen Unterhaltungen be§ Slutor3 gebend patte, trat
befonberä in biefetn Söerfe bent Siomanfdjriftfteller ftörenb in
ben SBeg, unb war fd)on „jpopenfcpwangau", wie fein 33er=
faffer im Siebentitel „Sioman unb Ükfdpichte" gugegeben hatte,
124
Jtarl ®ufcfott>2 Sefcen uitb 6<f}af[en.
eine HJHfdjurtg tiefer beibett SbreigniSfornten, fo trat biefer
groiefpalt in „grip ©Hrobi" noch meit mehr gutage. SaS
Sapreuther -iftiUeu hatte ©up!om fcfjon feit ben Sagen bon
„3opf unb ©dfmert" mit Siebe ftnbiert; in „föohenfchmangau"
patte er eS geftreift, in „grip ©flrobt" öerfudjte er eS gang
gu erfaffen, unb and) ein neuer Suftfpielberfuch „Ser ©e=
fangene bon 9ftep" ragte in bicfe «Sphäre ber Suobcgftaaten
hinein. Sie politifdfen ©reigniffe beS SapreS (Siebzig, benen
©upforn eine glugfcprift „SaS Suett rnegen ©niS" mibmete,
Ratten Ipn mit ganzer ©eroalt gepadt, fo bafj er bie Arbeit
an bem Vornan „$rip ©Urobt" unterbrechen muffte unb
eine neue bramatifcpe Arbeit auöfii^rte, baS „Oatertänbifd^e
geitbilb" „Ser ©efangene Oon SDiep". Sie Aufnahme
beS ©tüdeS am 10. Januar 1871 in Berlin mar aber ge=
eignet, dpt böüig bon ber Sühne gurüdgufdpredett, unb er
hat auch mit SluSnapme eines !aum mitgurecpnenben einaftigett
SuftfpielS „SfcbingiStpan", baS er 1874 fdjrieb, auf meiteren
bramatifchen ©prgeig bergicptet. Ser gefiirgten Ausgabe ber
„9litter" folgte 1872 eine gleiche beS „Sauberer bon 9tom",
bie hobelte „SopanniSfeuer" erfcf)ien im felben Sapte, eine
©ommerreife geitigte bie feffelnbe ©cpilberung „©in $ottattb=
gang"; feit 1871 mibmete er fid) mit unermüblicper ©ebulb
einer neuen unb allenthalben umgeftalteten Ausgabe feiner
Sramett, bie in gmangig Sänbdjen bei Hermann ©oftenoble
in Sfcna erfchienen unb beren §erbortreten burcb ben $tieg
bergögert morbett mar, unb bon 1872 — 1876 fcploff fid) ihr
eine gmölfbänbige ©ammlung feiner profaifcfjen Schriften an,
bie faft ausnahmslos eine burcpgreifettbe Dtebaftion erfuhren.
Sabei mürbe ihm bie Semältigung fdjon ber maffenhaften
®orrcfturarbeiten immer fchmerer; ein $lugettleiben brohte 1873
in SUitbpeit übergugehen, unb ©nbe biefeS SapreS begannen fiep
auch mieber bie ©pmptome feiner ©eifteSfranfpeit bemerkbar
gu machen, ©ie hatten bie lepten Salme über leineSmegS
gefdflumtnert unb ihm burd) fein IranfpafteS Mißtrauen unb
feine gereigte ©mpfinblidjfeit ben Serfepr mit greunben unb
Kollegen immer fdfmerer, fa faft unmöglich gemacht, fo bafj
er fcpliejflid) gänglicp ifoliert baftanb unb fich bon einem
£eer mirfltcfjer unb oermeintli<her fjeinbe umlagert glaubte.
aogle
SefcengauSgang.
125
Eingriffe, bie fein agreffiben SSefen naturgemäß ßerauSforbern
mußte unb bie ißm audp reichlich mürben, mucßfen fich in
feiner SBorfteHung §u mohlüberlegten 33emid)tung§plänen unb
Attentaten aun, er mahnte jt<f) auf ben Straßen toom $ßöbel
berfolgt, ben feine getnbe mobil gemacht, furj, fein ßeben in
Berlin mürbe itjm gerabeju ju einer ,§öße, ber er fid) im
Dezember 1873 im hofften fßarojinmun angftboller S3erjmeifs
lung burcf) bie $lud)t entzog. ®r reifte plöplicl) nadh SSenebig
in Begleitung einer Docker unb fam erft nacß einigen Monaten
mieber jur Sftuße; nod) auf ber gahrt mar er überzeugt ge*
mefen, unrettbar bem Dobe berfallen ju fein, ba feine geinbe
beabfid)tigten, ben (Sifenba^njug jur ©ntgleifung ju bringen
unb er überall, rao er Ijinfam, ben ßeuten bom ©efidfjte Ian,
baß fie üon ^Berlin aun orientiert, ju feiner Verhöhnung unb
öual befteUCt, bon einem fübifcf)4iterarifcf)en Vunbe ju feiner
Vernichtung auSgefanbt feien. Seit feiner $ranfßeit 1865
hatte er an Scplaflofigleit gelitten unb fid) feit ber ©ntbedfung
ben ©hloraln ain Arzneimitteln ben ©ebraudj biefen fcl)laf*
bringenben (giften jur ©emoßnßeit gemacht, fo baß eine
cßronifd^e ©hlotalbergiftung mit allen ihren jerftörenben folgen
aufgetreten mar. ©nbe SJtärz 1874 magte er fiel) bann mieber
nad) Deutfd)lanb hinein, machte eine Steife burd) granfreid)
unb ließ fid) in ber Stahe ,'peibelbergn in bem Orte SSieb*
lingen nieber, jurüefgezogen bon aller SSelt in ber (Sin*
famfeit einen fdjönen Varln nur feinen aufn neue unter*
nommenen Arbeiten, feiner ßelture unb feinen zahlreichen
brieflichen Verbinbungen lebenb. ipier fcf)rieb er im $agre 1875
feine „Stücfblicle auf mein ßeben", bie in ihrem berbitterten
freublofen Don nur ein Gcdjo feinen berzmeifelnben Seelen*
fampfen finb. Sie fd^ilbern feine (Sntmicflung unb fein ßeben
bin z^nt Aungang feiner Dramaturgen fdfaft in Drenben unb
haben eine gortfepung nidjt gefunben; bietteidjt baß ©uploto
felbft empfanb, baß ißm biefe fdjönften unb reid)ften 3ah re
feinen SBirfenn nicht mehr greifbar mären, unb er eine bunfle
Scheu hatte, ihre helleren Farben ber büftern Veleudjtung ben
Altern aunzufepen. $m |>erbft 1875 berlegte bann ©uplom
feinen SSohnfip in ban nahe ipeibelberg, unb hier entftanb
fein lepter großer Stoman „Die neuen Serapiounbrüber", ber
126
Karl ®u{jfoti>§ £e6en unb Schaffen.
noch feineSwegS ein 3eugniS abneßmenber Straft beS Sdfrift*
fteuerS bebeutet. «Sein Slufentljalt in Berlin unb fein un*
gefdjmälerteS $^ntereffe für affe ©reigniffe beS öffentlichen
ßebenS, ju benen er audf in §al)lreid)en fritifdfeit Sinterungen
Stellung naßm, Ratten i^m bie Söanblung ber fokalen ©nt*
widlung naße gebracht, unb fie bilbet ben SMntergrunb biefe»
SerfS, baS eine moberne gortbilbung ber „9iitter Dom ©eifte"
genannt werben tann. Studf in ^»eibelberg litt eS ©ußfow
auf bie Xauer nicht, unb im Iperbft 1877 jog er nad) Sadjfen*
Raufen bei granffurt. SDie leßte Station feines fermeren
ßebenSwegeS t atte er bamit erreicht. Sin größeren Arbeiten
auS biefer lebten 3^it finb eine Siobelle „öffi^ierSetre" unb
bie ©ffaßfammlung „3n bunter fReite" ju nennen unb außer*
bem bie «Streitfdfrift „XionßfiuS ßonginuS*', bie als eine nicht
unbegrünbete ©ntgegnung auf &ul)S £>ebbel*23iograpl)ie, im
übrigen aber als ein Eraßer SluSbrudf feiner geiftigen Störung
gewertet werben muß. XaS 3 a t r 1878 wibmete er ßaupt*
fädjlid) ber Umarbeitung feinet ungefügen StomanS „Rolfen*
feßwangau", ber nun unter bem Xitel „£)ie ^aumgörtner
bon tpofjenfdjwangau" in brei Söänben aufs neue erfdjeinen
füllte, beffen StuSgabe er aber nicht meßr erlebte, ©ben an
ben Slbf^luß biefer Stellbearbeitung angetangt, würbe er bon
einem tiicfifdjen Xobe ereilt: in ber Üftacßt bom 15. junt
16. Xejember 1878 erftidte er bei einem ßimmerbranbe, ben
er ßalb betäubt unter ber SBirfung beS genommenen ©IßoralS
felbß benirfadjt hatte.
Srucf Bott JC'efTe A Skcfcr In SelBjlfl-
*
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21t ä^ Reffes Heue £etpfi$er 2Uaffifet-2lu&$abett
£>om 3anuar 1908 ab erfd?eincu:
fcfiliriii) ^flllbf‘5 «rfomtltf Srrfe in 50 Siün.
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Unter UlitroirFung pon Ulbert tnnu'l
Ijerausgegeben pon Qetnridj Ifnbert Woubctt.
E3*i 20 Bättbe brofdjiert ITC. 50. — . 3 n 20 foliben £einenbänbett UI.60.
I 3 n 20 gefdjmacfpollen ffalbfranjbänben IR. so.— 4 '•'-*■ ^
"Hrum erften ITtale erfdjeint ein 5dpftjieüer bes „3ungett Deutf dt«
C*J lanbs" mit einer fo gut wie pollftäubigen Sammlung feiner
attJerfe auf bem HHdjerinarFt.
fp- fjeinridj £aubes IDtrFen unb Staffen ift aud? bem 3wan«
3igften 3<tl}r^unbert ttod? fo gegenwärtig, wie bie (Eat eines unter uns
£ebcitben; ber Dramaturg unb große (OjeaferbireFtor £aubc erfreut
•fid? nod> beute einer Popularität, beren ftdj Feiner feiner Vorgänger
«tinb ZIadjfolgcr rütjmen famt.
Unfere Ausgabe umfaßt alles, was burd? 3nl*glt ober ^orm nodj
I^eute parfen Faun, alles, was auf bas regfte 3 ntcrc ff e bes iefenben
Deutf(blanbs redjnen barf.
i £aubes litcrarifdjes Sdjaffeti ift fo weitfcbidjtig, baß fein pon ber
£iteratur» unb C^eatergefdjidjie. laugft anerFanntes, oerbieuft- unb er*
folgrcidjes lüirfen als DramatiPer unb Dramaturg bem Umfange
itxad? in biefer Ausgabe jurücFficbt. <gs fei baljer betont, baß t^ier
Jeinc fämtlidjen Dramen unb eines feiner pfeubonymeri Dramen
eingereifyt ftnb, .unb feine epoc^emadjeuben bramaturgifdteu
Sdjriften felbjtocrftänblid? in liiefenfofer .folge geboten werben.
iHine gan3 befonbere Sebeutuug barf aber£anbe alsprofaift,
por allem als Homanfd?riftfteller in Hnfprudj nefjnten. Sein
umfangretdjer Homau „Der beutfä^e Krieg", ber ein in jebem
Kapitel feffelnbes Kulturbilb bes breißigjäbrigeuDölFerPatnpfes aufrollt,
3äl}lt 3_u ben beften Ijiftorifdyen Homaneit aller feiten.
Die Kasgabe bringt eine tu Stoff unb .form buntwedjfelube Heitjc
roti Homanen uubHopellcu, barunter bie in Hucbform ttodj nn>
gebriufte £Iopelle „Stellwnnb Bulba " v , nadf ber t'Ä £aubes
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Da außer ben ©riginal-Husgaben and» bie uou £gube felbft tjeiaus»
gegebenen {6 Sättbe feiner aefammclten Schriften; bie nur ein Drittel
unferer neuen Sa nun ln ng enthalten, pölfigcer griffen ftnb, fo- 3’-
glauben wir mit biefer Uusgabe einem wahren £>cburfnis entgegen« --
3nPommen unb hoffen, baß bas beutfd^e £cfepubü!um mit freubiger iSc«
nugtuung bies nur mit großen «Dpferu crmöglidjtf aert begraben wi$* ’
•?- _3»lr«It*-ÜierfU*t auf Seit« * fciefe* UmfUtlag*.
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Zltay Reffes Heue £etpfi$er lUaffifer-Slusaaben
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öfinrirf) Vnuüee grfammrlte itrfe in §0 Äcn.
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3nf?alts-Uberficf?t:
I. Xomanc nnb Houellett. :< /. ‘
\.— 3. Banb: Das junge (Europa. $.—6. Banb: Kcifenot>ellen.
> .• ’• 7. Banb: tiebesbriefe. — Die Scbaufpielerin.. 8. Battb: (Slütf. 9. Banb:
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Die Banbontire. iO.— \2. Banb: (Sräfiti Cljatcaubriant. 13. Banb:
Der belgifdte (Sraf. — 22. Banb: Der beutfcfye Krieg.
II. Dramatifchetüerfe (mit ben „(Einleitungen").
23. Battb: ITToualbesdji. — r Kofofo. 29- Banb: Bernjieintjefe. —
Struenfee. 25. Banb: (Sottfdjeb unb (Sellert. — Die Karlsf<i?üler.
26. Banb: prin3 ^riebrtd?. — (Sraf (Effej. 27. Banb: <£ato pon €ifen.
— lllontrofe, ber fcbmarje UTarfgraf. — Der Statthalter non Bengalen.
28. Banb: Befe jungen. — Demetrius. — Sdjaufpteferei (pfeubonym
„IHühlbaum").
.•> >" 111. Dramaturgifche Schriften.
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' 29. — 30. Banb: Briefe über bas bentfrfje (Ehrtet. — _ Das Burgtljeater
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3*. Battb: Das ZTorbbeutfche (Eljeater. 32. Banb: Das IDietier Stabt-
tljeater.
IV. f^ijtorifcbe, politifdte, antobiographif d?e Schriften.
33.-3^. Banb: ^rattjoftfdte £nftfdjlöffer. 35. Banb: paris 1897.
36.-38. Battb: Das erjte betttfdje Parlament. (Das Dorparlament.
— DieKationalrerfatnmlnng. — Die Keidjsnerfammlung.) 39. Banb:
^ran3 (Srillpat3ers £ebensgefd?ichte. 90. — 91- Banb: (Erinnerungen
(1875. t882) mit ben fpäteren ^ortfefcuttgen.
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92. Banb: ^sbbrerier. — Kntjang: Die 3 a 9&fP ra< $ c *
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VI. (Stählungen ber Spät3eit. ^
93. Banb: Stella unb £}ulba. (Unneroffeutlichte Kor>eUe aus £aubes
ZTachla§.) 99- Battb: fouifon. 95. Banb: (Entmeber — ober. 96- Banb:
Die Keine pritefj. — Blonb mu§ fte fein. $7. Banb: Der Sd?aNen
JDilhelm. — $8. Banb: Kuben.
VII. Dermifchte Schriften.
- £ '?>■■’'%* . tär-ftö Banb: (EtjciraKeriftifen. gerjtreute Kufffitje ufn». '•
(Sefamt-Kegifter.
Der Be*«fl «et «rtte» BantUt verpfiicfctct xur Hbnattnt« «er voilttii«iae« merket.
tioUftanMjj M» ^crbft 1909. . '
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Drurf pp« Ijeffe & Scrfrr in Ceipitg.
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