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Full text of "Schatzkästlein. Westfälischer Dichtkunst in hoch und plattdeutscher Sprache. Herausgegeben und mit ... Anmerkungen versehen von H.H"

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SCHATZKÄSTLEIN. 
WESTFÄLISCHER 
DICHTKUNST IN 
HOCH UND... 


Hermann HARTMANN (Dr. 
Med., of Lintorf.) 














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Derausgegeben von 


Dermann Dartmann. 


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Minden i. Weſtſ. 
IC.C.Bruns Verlag. 





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Dartmann. 
Saabkäflen werfäliiher Dihtkunf, 


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hatzkäftlein 
Weſtfäliſcher Dichtkunſt 


in hoch- und plattdeutſcher Sprache, 


Berausgegeben 
uno mit kurzen Webenshefchreibungen der Dichter und 
erläuternben Anmerkungen berfehjen 


von 


bermann Dartmann. 


7 


„Andre (Westfalen) wenden ihren Eifer den 
Künften, der Poefte, der Gefchichte zu. Kurz, 
alles, was Menichen zu erforichen möglich ift, 
getrauen fie ſich erfafien zu können.“ 

Werner Rolevinf, vom £obe des alten 

Sadylens, jet Weſtfalen genannt. 





Minden i. Weſtf. 
J. C. C. Bruns' Verlag. 
1885. 


Gedructt bei J. C. C. Bruns in Minden i. W. 


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Frau Mathilde Gaben 


gewidmet. 


Weſtfalia. 
Rarl Guftau Korte. 


Zi 


Wie heißt das Land, das [ron in grauen Beiten 
Verwund'rung ſich vor aller Welt errang ? 
Das mit Der Weltbeherrfcherin zu fhreiten 
Vermocht' und einft das folge Rom bezwang? 
hr kennt es wohl, ihr alle wißt es ja: 
Das tapf’re Land, es heißt Woeltfalia. 


Wo ſchlug Armimius die Legionen? | 
Wo Hat fi Varus in fein Schwert geftürzt? 
Do ſieht man nad; zweitanfend Tahren wohnen 
Den alten Stamm noch rein und unverkürzt? 
Ihr kennt den Stamm, ihr alle wiht es ja: 
Das Deutfihe Land, es heißt Weſtfalia. 


Wo hat einft Wittekind dem großen Kaifer 
Getroht ein games Alenfchenalter durch? 
Wo fand das dentfche Weich ftets freie Weifer, 
Wo deutſcher Mund fiets eine Waffenburg? 
ihr kennt das Land, ihr alle wißt es ja: 
Das Dentfche Land, es heißt Weftfalia. 


Wo ift die heil’ge Feme einft erftanden, 
Die unfichtbare, ſtrenge Rächerhand, 
Damals die mächtigfte in dentſchen Landen, 
Der firh kein Frevler ungeftraft entwandt? 
Das Land der „roten Erde” kennt ihr ja; 
Es if kein and’res, als Weftfalia, 


— — — — — — — —— — ie ur ans * 2* z wer ur nen 


Ihr kennt die Wefer, die von Kampf und Liegen 
Die Runde fröhlich im die Lande ranfıht. 
Ihr kennt die Lippe, die von Römerkriegen 
Erzählt dem Volke, das der Sage laufdt. 
Ihr kennt die Ströme, wißt es alle ja: 
Sie wogen ftets durdys Land Weltfalte. 


Ihr kennt die klare Ruhe, die ſchöne Lenne, 
Ihr kennt den Hellweg, kennt das Süderland, 
Ihr kennt das Land ringsum anf Feld und Tenne, 
Euch it der Städte Regfamkeit bekannt. 
Ihr kennt es wohl, ihr alle wißt es ia: 
Das Land voll Leben heißt Weſtfalia. 


Im Bürgerhaus, m Burg und Bauerhöfen 
Grünt Frauentrene, blüht der Iungfrau Bucht. 
An Amboß und am Herd der Hammeröfen 
Trotzt Aännerkraft in fefter Arme Wucht. 
Das ift ein Volk! Ihr wißt es alle ja, 
tloch Schrot und Korn giebt’s in Weftfalia. 


Da ſteh'n die alten Burgen, wie die Eichen 
Noch ſtark und grün nach taufend Tahren ſteh'n, 
Da bleibt der Kern, wie ralch ſich auch die Speidyen 
Am Rad der Breit umſchwingend mögen dreh'n. 
e dir, mein Volk, ihr wißt es alle ja: 
273, Hand und Mund gilt in Weſtfalia. 


Da regen lic; die Hände um die Wette, 
Wenn es ein großes Werk zu fchaffen gilt, 
Da fteht der Männer Schar, wie eine Kette, 
Bu ſchirmen tren das heimifche Gefild! 

Ihr kennt das Land, ihr alle ftehet ja 
Mit Gut und Blute für Weltfalia. 


— EEE —— — 


Vorrede. 


— —— 


Wenn neben den Gedichtſammlungen anderer deutſcher 
Länder, ſelbſt einzelner Städte, nun auch eine weſtfäliſche erſcheint, 
ſo bedarf dieſes eigentlich keiner Rechtfertigung, denn das wegen 
ſeiner geiſtigen Schwerfälligkeit eben jo lange als ungerecht ver— 
ipottete Land Weſtfalen ſteht feinem andern im deutſchen Reiche 
in der Anzahl tüchtiger Poeten nad; es find Dichterfürften unter 
ihnen; ja die anerkannte Königin der deutschen Dichterinnen, 
Annette von Droite-Hülshoff, Weitfalens Stolz, iſt ein 
echtes Kind der roten Erde. So ſoll das Schagfäftlein weit: 
fäliſcher Dichtkunſt zeigen, wie ungerecht jener oft wiederholte 
Borwurf it, und durch feine NReichhaltigfeit und Gediegenheit 
bisweilen, daß die weftfäliichen Jünger des Apollo in den ver- 
schiedenen Arten der Dichtkunft fih die höchiten Ziele geftedt 
baben, denn aber auch den jüngeren und weniger hervorragenden 
weſtfäliſchen Dichter neben den Sängerfüriten, deren Gedichte 
in vielen Ausgaben und Sammlungen verbreitet jind und nicht 
unferer Nachhülfe bedürfen, die Befanntichaft des großen deutjchen 
Vuhlikums vermitteln und zulegt die einer unverdienten Ver— 
geſſenheit anheimgefallenen älteren dieſer wieder entwinden. 

Bei der Auswahl der Gedichte haben mwir bei gleichen 
Rerdienften denjenigen, melde ſich mit der roten Erde, ihrer 
Natur, ihren Bewohnern, deren Sitten und Gebräuden, den 
veſtfäliſchen Frauen, der weitfäliihen Gejchichte, Saae und 


——— 


Märe beſchäftigen, den Vorzug gegeben. Dieſe pflegen ſich durch 
ein warmes und wahres Kolorit auszuzeichnen, während Die 
Dichtkunſt weit hergeholte Stoffe wohl mit dem vollen Reize der 
Phantaſie auszuſchmücken, aber jelten mit dem richtigen Lokal— 
tone zu verjehen vermag. So lajjen wir denn die mweitfäliichen 
Dichter bald als die begeifierten Lobredner ihrer Heintat, bald 
auch als gutmütige Tadler auftreten, und dadurch wird das 
Schatzkäſtlein mehr als eine bloße Gedichtiammlung, e3 wird 
zu einer kulturhiſtoriſchen Arbeit. 

Bei Ähnlichen Gedichtiammlungen wird gewöhnlid die 
Methode befolgt, die verſchiedenen Gedichte eines und desielben 
Poeten je nad) ihrer Art unter verichiedene Gruppen zu ver— 
teilen, und fo den Dichter gewiſſermaßen auseinander zu reißen 
— disjecta membra poötae —. 63 find ſolche Gedichtiammlungen 
allerdings überfichtlich, aber auch monoton, wenngleich doch zuge- 
geben werden muß, daß es nicht unintereilant ijt, zu verfolgen, 
wie verichieben verfchiedene Dichter denſelben Gegenstand, tie 
3. DB. Natur, Liebe, Vaterland u. j. w. behandeln. In dem 
Schatzkäſtlein wejtfälifcher Dichtkunſt haben wir einem jeden 
Dichter in feiner Abteilung feinen befonderen Plag nad der 
Anciennität angewiejen, und an diejem feine Gedichte in einer 
im ganzen feitgehaltenen Reihenfolge aufgeführt. Erſt fommen 
die lyriſchen Gedichte, welche jich mit der Natur, Liebe, dem 
Baterlande, der Gottheit, der Unsterblichkeit beichäftigen: religiöſe 
und weltliche Lieder, Oden, Hymmen und Elegien, dann folgen 
Iyriih=epiihe Dichtungen: Balladen und Nomanzen, oder 
epiihe Poeſien: erzählende Gedichte und Auszüge aus epiſchen 
Dichtungen, auch jolde aus dramatiichen Werfen, und den 
Schluß machen bei einigen Dichtern Sprüche ımd Epigramme. 

Der erite Teil enthält die ausgewählten Dichtungen von 
pier und ſechzig mweitfäliichen Dichtern und Dichterinnen*) in 


*) Mir veritehen unter diefen nur folche, welche in Weitfalen 
geboren find, und haben auch diejenigen ausichliegen zu müſſen geglaubt, 
welche jest zur Rheinprovinz gehören und in Lebensweiſe, Gefinnung 
und Anſchauungen zu ARheinländern geworden find. 





ut 


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hegdenutiher Sprache mit Einihluß einiger meiner eigenen 
gingen Produktionen, welchen die Heimatliche als Muſe zur 
Seite geitanden Hat. Cine größere Zahl wollen wir vorerft 
nit bringen. SDoffentlid wird das ſpätere Gricheinen einer 
weiten Auflage uns Gelegenheit geben, dieſe durch Aufnahme 
ven Dichtungen jetzt übergangener oder neuer Dichter, von 
welchen auch ſchon ‚in der erften einige empfehlende Proben 
iirgeteilt werden, zu vermehren. Die Dichtungen find in fol: 
genden Gruppen untergebradt: Minden-Ravensberg-Lippe, 
Baderborn, Marf-Sauerland, Münfter und Osnabrüd. 

Dem Gejchichtsforicher kann e3 nicht auffallend jein, daß 
das Fürftentum Osnabrüd, welches bi! zur Auflöfung des heil. 
Römiſchen Reiches deuticher Nation zu den ſelbſtändigen weft 
räliichen Bistüntern zählte und viele und lebhafte Beziehungen 
einerſeits nad Minden, anderjeits nach Münſter unterhielt, in 
ſeinem Volksleben noch eine große Ähnlichkeit mit dem in der 
neuen Provinz Weltfalen darbietet. Auch unter den Dichtern 
tritt die alte VBervandtichaft vorzüglich in der Wahl und Behand: 
ung der Stoffe in den verichiedenen Dichtungsarten deutlich 
hervor. So ift es nicht die Provinz MWeitfalen, jondern das 
alice Weſtfalenland, das Land der roten Erde, auf deſſen 
Boden die am Ende des vorigen und im Verlaufe dieſes Jahr: 
hunderts erblühten Blumen der Dichtkunſt geſammelt find. 

Ein zweiter Teil bringt Dichtungen in plattdeutſcher 
Sprache. Schon immer haben unſere weſtfäliſchen Dichter neben 
hochdeutſchen auch in plattdeutſchen Dichtungen ſich verſucht. Es 
war dieſes auch natürlich, da die plattdeutſche Sprache ſelbſt in den 
gebildeten Familien in den Städten und auf dem Lande noch lange 
Umgangsſprache geblieben iſt. Seitdem aber die dichteriſchen Er— 
zengnifſſe im derſelben durch Klaus Groth und Fritz Reuter 
jalonfähig geworden find, haben auch, vorzüglich die Münſter— 
andiſchen Dichter, durch ihre poetiſchen Leiftungen in weftfäliicher 

Mundart viele Anerkennung gefunden. In diefen Dichtungen 
erirt die Stammesverwandtſchaft noch mehr hervor, als im den 


hochdentichen. Gehören doc die ſämtlichen Kreiſe zu dem Mi: 


— XI — 


und Di- Gebiete der niederdeutihen Sprache, im Gegenſatze zu 
dem Mek- und Def: Gebiete. Wenn der zweite Teil noch weniger _ 
Anſpruch auf VBollitändigfeit machen kaun, als der erite, jo liegt 
dieies hauptiächlich daran, dat die mundartlichen Dichter wenig 
über ihren Kreis hinaus befannt werden und alio jchwer zu 
finden find. 

Einem jeden Dichter wird eine furze Lebensbejchreibung 
und eine Angabe der von ihm herausgegebenen hauptiädhlichiten 
Dichtungen vorausgeichict, und die Sammlung von erläuternden 
Anmerkungen begleitet. 

Das Gefühl der Dankbarkeit treibt mid, am Schluſſe 
diejenigen Berionen zu erwähnen, die mich bei meinem Unter: 
nehmen vorzugsweiſe unterftüßt haben. Es find Diejed Herr 
Profeſſor Chr. Schlüter, der fo vielen Anteil an dieſem Werke 
genommen und fich auf deſſen Ericheinen freute; leider ift der Herr 
inzwifchen geftorben. Ebenſo die Herren Profeſſor W. Stord 
in Münfter, Konrektor %. Brümmer in Nauen, Oberbergwerfö- 
Sekretär Kampmann in Dortmund, Fabrilant Otto Weiter: 
manı in Bielefeld und Gymnafiallehrer Dr. O. Weddigen 
in Hamm. Diejen Herren verdanke ich Anregung und wieder— 
holte Aufmunterung, welche ich um jo mehr bedurfte, als mir, 
wie das bei ſolchen Unternehmungen nicht außszubleiben pflegt, 
auch manche Enttäufchung zuteil wurde. 

Sp möge denn dem Schaßkäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt 
ein follegialiiher Pla neben den Gedichtiammlungen anderer 
deutfcher Stämme gütigft zugeftanden werden, und dieſes jelbit 
dazu beitragen, das ungerechte Vorurteil gegen das Land der 
roten Erde immer mehr ſchwinden zu machen. 


Lintorf i. H. November 1884. 
Dr. Hermann Hartmann. 
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Inhalts - Der 





zeichnis. 


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Seite, 
forte, Karl Guſtav. 

Wetfalla ‚vu 

Il. Teil. Hochdeutſche Dichtungen. 
1. Minden-Ravensberg-Lippe. 
Seite. | Seite. 
- Bei Grabbes Tod . . 30 
Weddigen, Peter — | Freiſtuhl zu Dortmund 41 
gchensbejchreibung : 5 | es Kaiſers Segen . . 45 

Fruühlingslied 5 Am Teutoburger Walde . +46 

Yn die Religion 6 Hurra, Germania! 48 

ee . N Die Tronipete von Vionville 50 

Unſterblichkeit 

Ariebenslieb . - s ı Heidbreede, Guſtav. 

Eine fefte Burg war unier Gott . 52 
Uonne, 3. ©. C hriftiun. Bun 
Beim Ferer am 18. Sftober.. . 11 Altenbernd, Ludwig. 
2ebenäbeichreibung ... BM 
Var mbaum, Friedrid,. . Bilder ansdem Teutoburger Walde. 

An die Grafſchaft Ravensberg 13 1 Die Senne . . er: 
(2 1 Pen: rs Am Donoper Teiche . 56 
Grabbe, Chriſt. Dietr. am) Die Hünenfavelte 57 

Lebensbeſchreibung 15 Der lette ‚reier 58 

Ton Juan und Fauſt 15 | Einer Scheidenden . 59 

Die Hermannsichladht 2 — 60 
* er Irrwiſch #1 
ZTacobi, Ofto. Der Geifterfeber . «2 

Frühlingsanfang = | Der Avfelbaum btübt.. . 65 

Mailieder 1. be 2 

Der m Ialer Stella 2 | Backhaus, Wilhelm. 
Freiligrath, Fer dinand. — IE = 86 

Lebensbeſchr eibung 32 | Der erſte Weilchenftrauß . 7 

Bilde rhivel 32 Der rechte Engel 68 

Der Yiebe Dauer 34 zrühlingsmahung . 68 

Huhe in der Geliebten 35 Sand nach Dein BE 69 

Im Mulde 36 Ahasvera . j 70 

Tie Ansmwanderer . 37 | Titanenjchidial . 70 





l De — ! (Fin altes Yied . — 
Weite 2 Ne hran ung ne ne — — EEE 
Dem Kaller . . ar a I Sipert SIT: 
Sprüde und Fpigrammme. 4 hiver, mein yırl 
Der Dome Deng . . ., . AS I a wunb . ., , .„, .. . 8 
Unzertrentih -. . ». .. 7 Bahn 2. Bi 











Unerlähtich I —— a 2 
Ausnahme . . . . | 7 Lebenäbefehreibung 22.8 
Bleiher Wert . . . 14 Dt —— Mi 
nbeupt — — Traum 87 
Invermeidliih . 3 mechr um Abend BE 
. rs te tet EN. 88 
Felimtruns, Sohn Te 5 
Zuittefind® Veihenfeiet . . . . 75 NSutbumfemtianm 9 
Bi ———— So einsyrüh ling het nicht wieh 90 
AT | Das deutihe — 9 
Fahrige Arien 70] Nn Sie Rorbfe i 92 
Der alie Metiter . . . Seh’ ich bie He matberg ge blauen . 92 
2. Paderborn. 
Seite, Seite. 
Drrmbanien, — a — von. Eine That 2 2222.20.0.190 
benaheichrerh E prreme — — 
* * Lolle Mel 
Sat BORD . — * Den Leichtlebinen . . ., . , „131 
BEHOBEN = 7» = = + > 5 _, . , „zu 
SEE EEE. .- Des Lebens Kem — 
2 ‚| .. P} P} Pr} . - * . Fi * INT f r 
a Be ua ze ee — — 
— —— Abichenlih! . 2» 2 21832 
+ Fr * 
— artin. Löher, Franz von. 
. BER. Lebensbejchreibung 220,18 
409 1 Dberft b Wegiment ,—. —. —. 138 
Schau dich auf der fhönen Erde . 102 —— ——— ————— 


er Milbach 77 


Au Dad Toy DIED atnserte * 1 SEI ec, 48 dief. 
Dun [okt mih chn —— —— 142 





Die Zrompetereihe . . . . „Im rer SchTäfe aa Eee 
er Jchlummmernde Senabe . . „ 107 | Serjrene, — 
m Bettler . . IR Som Are Mirchtein 2 

Hermansburg . . . 14 
Weber, 8 viedeich Wilhelm. Das Lieb vom dunklen Wafier . 147 

2 Sbeid __ 409 | Dad ene Hindlein . . 5 147 

am ET ; — 109 ver Stretenbaum bei ber 

Das A— — te an HE 2 . 2 Ha 

Bor der Dimmelsthür . . . . 113 u ee 
2 HHrd je 5 — 2— Lion ng — . 14 

Sawienttoß . -» .» » 2 2.2. 116 Borfr 1 ——— 


Neues Leben 





— — — 
12. 14. 16. 129 | Das Zeftamentdestandwehrmanng 154 


— X V 


3. Mark. 
Seite, 
Keichsgr. 3. Bentheim-Terk- 


Ienburg-Rheda, Hoch. 
Lebensbeichreibung _ . 157 


L ubenarde — 15% 
—— — 

senzbeichretbimn — 

RT: ur! ch und eine 


Langewieſche, Wilhelm, 









Gebenöbeichreibung . . . . 170 
Jinglings Scheimni® . . . . 1 
Der Liebe Wideriprüde . . . . 171 
Des Menihen Geburt . . . .172 
Attilaß Tod und Grab . , .„ .173 
Der Krämer in Tür — . . 174 
Mönig Ohumadt . . . . + 175 
Rind „Krifehna a (7 
Fin Ser ‚engefpräd Fe: |. ii; 
„So Yollei ihr beten!“ | 


Dig, Katharina. 
Nebensbeichreibung . . . . 170 


Hagar — 
Faia Morgana .....18% 
Die — am Kreuze Il. . . „181 
Die Fhebredherin 3°. . . 182 
Kuſtige, Ueinrich von. 
Lebensbeſchreibung . . . 188 
veib thut's mir XIX. . . . .18 
Vier Bäume . 184 
Aus Ungarn. Ron den Sufaren . 188 
Huf dem Berge. . . . 189 
zoldbatenleben . . 191 
Keimeund Fräumeim Duntelarreit 
Alien F - . r » . 192 
Deutiger Mari . . .. 189892 
Lincke, Gisbert von. 
tebensbefchreibung 2.0.19 
Wed. . ...1 
Lenzauber Pe |.) 
Rom fleinen Sunſon ie ne ie 10 
Wanderfunde . 2 2 2 202. 1% 
Sonette VI. IX. . . 2 202.19 
Der bſtblätter VIII. 20. .19 
Ser Sachſen Urjorung . 2.0.18 
Der Meberfal . . 4199 
Johann von Yenden .. . . . 201 
Tıe meine Yıilie von Gorvey ... 202 
Alle. 1. Die Schenfe. . . . .%08 
11. Die Wette . 202020. 204 
nı. Der Ritt. 2 2 2 ....%205 


Sauerland. 


‚ Müller, Adolf. 


| 


Sebenäbeiäireibung 
Schifferleben I. R 


IV, 
Das Kind von Frantreich 


Schulte, Eduard, 


Zebensbeichreibung 
Gin Markaner Lied . 
Die Inbuftrie Pas 
Der Weihnachtsbaum . 


Ohrimme, Fr. Wilhelm. 


gobensbefchreibung 
Sruß j 
Frithlin öftimmen . 
Berfchluß . : 
Hochlandsfieder 3 . 


Aug der Stinderftube, 


1. Du ſiehſt mich grobäugig an 


Wart' es ab! 
Pitwinter . ’ 
Dont grünen Hafen 
Der Hagedorn . . 
Das Buch der Natur . 


Kampmamı, Friedrich. 


Lebensbeihreibung 

Liebesklänge. I: 28, ; 
2 

Unterm Fliederbaum . 

Der Molte gleich 

König Goldemar . . 

Das Brunnengeivenft zu tie 

Loft von Strünfede . . 

Florian Gener . 


Des deutfchen Knaben Raiferlich 


Die Weſer an Schiller . 
Awei Weltanihauungen . 
Maler und Dichter . j 
Anſchauung. Empfindung R 


Mor? ., 


Serujalen . 


Pape, Zofef, | 


— ——— 
Das Volkslied . . 
Wildgrafs Jagd 
(Serräumt . 
Rofenbrechen . 
Das verlorene Reich. 
Klage um das Weich . 
Von den Felſen 
fteigen . . 


wird er 


is ENT. se 


Seite, 

Das erſtandene Neid. 
Die Kämpfe in SEHON: an 

Der erite April 

Lohmann, Peter. 
Lebensbeichreibung . . . . 244 


Liebedermadhen . 2 2 22020. 245 
An die Geliebte. . 2 2 22.245 
An meine Diutter . 2 2 2020.46 
Künftleritol . . 2 2 202020. 246 
Völkerfrüähliua . 2» 2 222.7 
Beim erften JSahnen . . . ..M7 
Kinterding, Ludwig. 
Lebensbeſchreibung . . . os 
Die beiden Serriher . . 2. ...248 
Der wm. 2 2 2 22. 248 
Im Der 2 22222. 2 
Winteried ni 


| 





| 


4. Münfter. 


Krummacher, Fr. Adolf. 


Lebenäbeichreibung 222.39 
Dad Rotlelden . . » 2.2... 
Sagar . . ZT — 
Die Aehre und die Difter 2.0. 260 
Das Flänmden . . N 
Grbbeerlid . . . . 262 
Bueren, Bernhard Mottfr. 
Lebensbeichreibung . . . „as | 
Driburgs —— | 
Die Heren. . un. 264 
Sägerlid . . . . 267 


vonnenberg, F. A. 2. von, 
Lebensbejehreibung 222.200 


Softnung . . u TED 
Milda . —20 
Gott, dem Weltrichter u . 271 


Schücking, S. K. geb. Buſch. 


Lebensbeichreibung — - . 


Die Plume . . . 2.2.2 
Meinem Enhne Vebin . 2... 
Die ftille Tugend . . 277 


An die Deutichen im Jahre 1814 . 279 


Diepenbrork, Melchior von. 


Lebensbeſchreibung Bl 
Der gotiihe Dom . . . . 2981 
Vor Gott gift ohme Liebe nichts . 282 
Fufras und Banfrad.. . . . . 284 
Drofte-KHülshoff, A. von. 
Lebensbeihreibung . . . . 287 
Ungaftlich oder niht?. . . . .397 


Das Haus in der Heide. . . .289 


| 
| 
| 
| 





Seite. 
Dornröschen . ae; |) 
Das heil’ge Meer bei Hopiten 251 
Im Abendſcheine . . .. 2361 
Auf dem Friedhof . . 252 
Der Freund . } . 252 
Mahre Kunſt. . 22 
Sprud . . 252 
— Barl Ernft 
zebenäberäirelbung 253 
Kindesglück . 258 
Der Buchenbaum 254 
Mein Troft . nd 
Schlummtern . 255 
Hoffnung . 365 
Kampmann, C Clara ⸗ — 
In der Frühe .. 2066 
Im Moſe 290 
eine Toten, 291 


Das Fegefeuer des weitfäifchen 
dei . . . 292 
Lorgeihicte . . 294 
Gethſemane 247 
Schlüter, Chr. Bernber). 
Lebensbeſchreibung 299 
Sonette LXXXI. . , . 299 
COCIX. . B00 
CCCLVIII. . 300 
CCCLXXV, . 300 
Sonnenaufgang . . 501 
Rüichhbaus . . 30) 
Der Pfarrer und der Turmwächter 303 
Der, Klar von. 
Yebensbeichreibung . 306 
Das weiße Sachſenroß . 306 
Die Gloden zu Speyer . . 808 
Die drei Templer , 308 
Junkmann, Wilheln. 
Lebeusbeichreibung >81 
Miiniterland. 3. Die Kinder . 311 
Die Mondnadt . . 313 
Auf der Se. 313 


An eine Wiinfterländerin anı Boden: | 


fee . 


Schücking, Levin. 


Sebenzbeichreibung 
Sejegnet ei . 
Meitfalen . 


Der 5 
Die 


riedensfaat üı in Münfter 
teeräburg . . 


Stork, Wilhelm. 
kebenäbeichreibuung 


Runih. . 
änderſpiel 

is? eina! ch 

sine gute Partie 
isıbfehler . 

Der Mutter Traun: 
nis de Gamodens 


Landois, Hermann. 


—— 
Seite. Seite 
Gehorſam.. . 338 
Heidefinds — . 338 
177 
34 Gierſe, Albert. 
. u | 
324 | Lebensbeſchreibung 340 
. 325 | Auf der Heide. Stinmmungsbilber 340 
. 326 | Dineta . . . 341 
. 296 | Bei dem Tode Sreifigraths 342 
. 327 Die Waldfce . 3 344 
. 308 Sigenmerlied . 344 
An die Nacht 345 


| art, Heinr. und Snline 








Lebensbeſchreibung 8209 De hefchre 246 
Funf friiche Baſiliskten-Gier . 4 | — um en 
obann non genden . F . 330 | 2 Diaienzeit 348 
Tarwiniftifches aus Weftfalen. . 381 | Bu dir, zu Dir 34 
Noch nicht . 344 
Tal Autonie. _ Seiumeh — 
ühlinaswehe u alm . . . 350 
Schön = Klie . 333 — biefem Leibe. . 351 
— | raumleben . . . * . 352 
Dahn. Thereſe. Sebendige Poeſie 353 
An der Seide . 335 Im November . 34 
“bichieb nom Elternhaus . 837 — Allvernichterin 355 
Zur Nacht ; . 837 Semitterr . . 356 
Echniudt . . 338 Auf der Fahrt nad) Berlin. 357 
Osnabrüd. 
Seite. Seite 
Srortermang, Ch. Wilhelm. | Ruperti, F riedrih 
Lebensbeſchreibung 361 | — — 378 
ershel . ... . 361 ur ſtehſt por mir . . 378 
en ied . 369 ! Ich fteh am Fluffesrand allein . 379 
Gmoindungen bei Möſers Tod . 368 | nun en 879 
€ ü ht 376 
g Thorbecee, Karl. Politiſche Sonette. (An Metternich) 380 
Wer Hat die Sterne je gezählt . 366 | Arentsſchildt, Lonis von 
Hagemann, Suftns. | Die Linde. . . . 381 
Frauenmwert ; 867 | Jr Dh .. . = 
rinn . 3% 
Witthaus, Tohann Ludwig 1 . 388 
Die Mutter Iefu” . . 369 | ‚obernen Wittertum \ = 
Brück, Anton Theobald. Rolke Barl | 
Lebensbeſchreibung . 371 i ir 
Die barmherzige Schwelter . . 371 Sebenkbeiäireibung : = 
= ring Reit{djen * Sie! vie * Meeresgrunde * 
— — Me 5 * — z72 Auf dent Nenenburger See . 388 
2. Der weiße Jar . . . 374 | Schwanengefang ’ B8H 
—— 5 | Bavaı, Mathilde. 
Ay: n u . u ” 21 
Hulba 34 | Lebenäbeichreibung 30 
21 a R en — auf der Heide . . . a 
Münide . . 87 erjunfen . . ie 
+ 377 | Mas mir geblieben 2.89% 
il 


Hartmann, Schagfäftlein weitfäliicher Dichtkunft. 


—— m 
— XVID — 
Seite. | Seite, 
Mein Wunfeh . 392 ! F6668 
Mofes . ? . 392 | N le Wie — 
Aus Schwanwitt 2 a94 VI. — . 403 
| 2 Be . 404 
| annenramichen . . 44H 
Dincklage, Emm von. | An die Heimat . 405 


. 397 


Lebensbeſchreibung 


Der Frühling 3 J 
Du bift mir —ãS — wilffontmen 397 Hartmann, Hermann. 
Zwei Wunder 00.3085 Vebensbeichreibung . 406 
Tie Heide . BR Augenderinnerung . . . 4060 
Das Kreuz US | Widmung an die Stadt Osnabrück 407 
Die wunde Hinde flieht zum Wald 394 Um Grabe Bischof Benno IT. zu 
Die Mufdel . . . . . 399 Aburg . 0. O8 
An Seeftrande . . 390 | Die Söljagd . . . HN 
Xeben -- ftreben ‚Im. Die Sünengrüber auf dent wiers 
Naſeweisheit. . 400 felde .. 169 
Die Babilonie 410 
Eye, Anguft von. ' Die Heimtehr ans der Rerbannung 411 
Ledensbeichreibun . 401 Aut » . 
Sonetie. 1. — ee Brill, Ludwig. 
JJJ466 Aus: Der Singidwan . 113 
m. 3082 | Aus; Bertram Gomez. Sadıfenart 414 
ne nn —— 
II. Teil. Plattdeutſche Dichtungen. 
” yr 
1. Minden-Ravensberg: Lippe. 
Seite. | Seite. 
Minden. | Sage . 426 
N | Bettelmanns Hochzeit . . 427 
Luhmann, Paul. De feh Günfe 428 
Dat Weferichart —F ..49 | 
Dei Häffter um dei Tortelduwen . 421 | Lippe. 
BReiavensberg. Oeſterhaus, Wilhelm. 
Heidbreede, Guſt. Ludw. Lebensbeſchreibung . 431 
Integer vitae scelerisque purus „4224 | 1. — Leufte. 
| 5. Jetttken ſuine Freutuit . 431 
Obedichte ungenannter | 12. Friggerot . 432 


Autoren, 
De witte Dume . 


45 | 


I. Mösmerafe Spelle. 7. Druifiagd 433 
111. Ollerhand. Deu Morgeniter'n 434 


2. Paderborn. 


Seite. 
De Tobafsichmoifer . . 439 
Glyckwunſt 440 


Seipräfpür der Oftpoorte by Seifefe 440 


| 


Das Lied vom Falfenftein . 435 

Stite, 
Aus „Twei rore —— 441 
Heimmweth . . 4 


— XIX 


3. Mark. 
Seite. 
Diark. 
Langewieſche, Wilhelm. 
Te Wiärtouff 4 . 445 


Müller, Adolf. 


Prühß Ztidäfes, Tweih Stücks— 


Lebeusbeſchreibung 


Sauerland. 


Seite, 
Wann Lime met Liwe teſammen 
ftaiht — ar Ar 
Sauerland. 


Grimme, Friedr. Wilh. 


Daar ginten, daarliifet de Strauten J 


kes fa — Vincke. I. 447 | f r > * 
Sgelmftüctes 1. re Ar 1 an onpet Strunzerbal . . 453 
I. | 1. Dat froibtiche Froibiohr 454 
wriegstieber 1870 1871. an der 8 $ Sainfucht 455 
Nacht op der Wacht . 450 | 2 Arichaid \ et 
1,5 Br 3 H 5. Die Schwalen . 46 
Prümer, zarl. '  Froibjohr . —F . 457 
Trü Weſtfolen . sol | Winter... .. .467 
Im Sraubiohr . . 452 |  PFriggen is de beite Roth . 458 

r 
Nünſter 
Seite Seite. 
BZueren, Bernh. Gottfr. J et 41 
An Sophie S: — — Ya DE J Burentaffe BE | 
Sc Bistop Lit . : 33 „De Dilfige Ludgerus un de Gäuſe 474 
Ü € 

fs 

 Kandeis, Kermanır, 
unkmann, Wilhelm. BE Bat Y — ——— 
ünfterland . ». . 464 | Xeed vom Rajtoor fiene Koh 483 
1. Die Erſcheinumg 465 | 
2. Rorgejchichte 5, Giefe, Fran. 
Sumbroock, Ferdinand. Sebensbeſchreibung . 483 
g b h 2e Bure von Bändfen von Gaolen 488 
5* sbejchrel ung De kurjofe Fricer . . 493 
2a Y Ü . . . . . 
Ariäten at Naudb . . 467 | Markus, Elias. 
Zpazeerganf int Frölhlaohr 468 | Wat ick ſien möchte 448 
a Zpageerganf 470 | Miene Därne 499 
sn queden Raod met up de Rai ie 472 | De Damert . 499 

’ 
5. Ösnabrüd. 
Seite. | Mr 5 ; Seite. 
> Tr | Am Naamensdaage des Heern 
Klöntrup. Aegidins. Caplanus Matthias Seling 509 
503 Das Mädchen-Inſtitut 310 
Far Fenſterbeer 503 
Jooſt un Jan 04 | 

Ro fi alles ännert 504 


Kırca, Friedrich Wilhelm. 


sebensbeidhreibung 
Dans Saftenfaärn . 
Handwerker⸗Feſtgruß. 


. bu 
e 505 
Pet Sunft 507 


henup 


Teling, Joh. Matthias, 


—— 512 
Der Krug Bier . 512 
Die zwanzig Handwerker 513 
Klage und Troit bes gemeinen 
Manne® . . 2» 22... 56 
Tanz der Alten. . .. biy 


ur 


—— 


Seite. 


Dincklage, Emmy von. 


De Scheper . . .521 


Anle plattdütske Lerder 


und aule Vertellſels. 
Aule plattdütske Leeder. 1. : . 522 


wie 

ar 
Le) 
a 


X 


a 


Seite. 
Aule platidütsfe Vertellſels. 
1. De Buer un de Jägerdmann er 
2. De Taskenuhr . . 
Neujahrs- und heil. Dietönine: 


Xieder, 1. 2. . 528 
Martinälied . - 2 2 2202.59 
Auwendaebät . 2 2 20. .529 
Nau Gene. 2 22 4329 
Räutiel . en er. u 
Faftnachtäruf . “2. 0...580 
Kinderruf auf VBögel ar > | 


Verzeichnis der Dichter. 


— — 


Verzeichnis der Dichter des |. Teiles, 


Altenbernd, KLudwig 
Arendsſchildt, Komis vo . 
Backhaus, Wilhelm Emanuel 


Bentheim = Teclenburg: Rheda, Moritz Neichsaraf von. 


Bömers, Karl 
Brill, Ludwig 


Prortermann, Theobald Wilhelm j 


Brück, Anton Theobald 
VBueren, Bernhard Gottfried 
Bund, Eudwig 


Dahn, Thereje, geb. ven Droſte. Bülshoff 


Diepenbrod, Meldytor von 
Dieez, Katharina . 

Diudlage, Emmy von. 
Droste: Bülshoff, Unnette von 
Eye, Auauft von 

Freiligratb, Ferdinand . 
Gierſe, Albert 

Srabbe, Chriitian Dietrich 
Grimme, Friedrich Wilhelm . 


Seite 

54— 65 
381-386 
66— 74 
157-160 
79— 86 
413-414 


361-365 
371—377 
263 — 265 
149 — 154 
335-8339 
281-— 286 
179—-182 
397 —400 
287 —298 
401-405 


322 51 
340-345 
15— 27 


217— 226 


XXII 


Hagemann, Juſtus 

Hart, Heinrich 

Bart, Julius . 

Hartmann, Hermann 
Heidbreede, Gnitav. 
Binterdina, Ludwig . 
Homriabanfen, Karl Ernit 
Honcamp, $ranz 

Butterus, Johann Marlin 
Jacobi, Otto. 

Jellinghaus, Johanna. 
Jüngſt, Untonie . 
Junfmann, Wilhelm 
Kampmann, $Sriedrich . i 
Kampmann, Clara £erdinande . 
Korte, Karl Guſtav ö 
Krummacher, Friedrich Adolf 
£andois, Hermann . . . 
Kangemiejche, Wilhelm 
Köher, franz von 

Kohmanı, Peter . 

Müller, Adolf ; 
Xonne, J. 5. Ebriftian 
Oder, Mar von 


Oeynhauſen, Friedrich Adolf Kudwig von . 


Pape, Joſeph ’ 

Raven, Mathilde, geb. Bedmanı. ; 
Rölfer, Karl . a 308 
Ruperti, Friedrich ec 
Auftige, Heinrich von . . » 2... 
Schlüter, Chriftoph Bernhard 


Schüding, Sibylla * Biſc 


Schücking, Kevin. 
Schulte, Eduard . 
Seiler, Jojef . . } 
Sonnenberg, franz — Jen von. 
Stord, Wilhelm . RER 
Thorbede, Karl . 


Seite 
367 368 
346—351 
352— 358 
406-412 

n2— 53 
248-252 
253- -255 


161-169 
101 108 
28— 31 
75— 78 
332 — 334 
311—315 
227—235 
256 

vo 


259—262 
329--331 
170—178 


133 -141 
244247 
207—212 
11— 12 
306-310 
935—100 
236— 243 
390-—396 
387-389 
378 —380 
183—193 
299-—305 
275— 280 
316—323 
213—216 
142— 148 
269—274 
324—328 
366 


— — ee Br Dr rn Ur Ann Mine du m — — — 
er 
7 


XXIII - 
Seite 
Dinde, Gisbert von . 2 2 2 2 2 2 194 206 
Vormbaum, Sriedcih - >» 2.2.2. 2 143434 14 
Weber, Friedrich Wilhelm . . . 2 2 410909 -182 
Weddigen, Friedrich Bemrih Otto 2 2 2 87— M 
Weddigen, Peter Florenn.. en > - 10 
Mittbaus, Johann Kudwia . 2 2 2 22 369 - 370 


Verzeichnis der Dichter des Il. Teiles. 


Seite 
Vueren, Bernhard Gottfried - . 2 2 2 2 2 2 nn. 461-468 
Dincklage, Emmy von. . . 2 2 5 HR 521 
Gieſe, franz . 488-497 


Grimme, Sriedrich Wilhelm. 2 2 2 2 2 2 m nn. 453-408 
BHeidbreede, Guſtav Ludwig. 2 220 424 
Junfmann, Wilheln 2 2 2 2 on nn 464 -465 
Klöntrup, Aegidius. 503-304 
Landois, Hermann.. 481487 
Sangewiefhe, Wilhelm . 2. 2 2 2 nn 445446 
£uhmann, Paul . » » 2: 2 2 2 en nn Inn. 0. 419-433 
£yra, Friedrich Wilhelm . . . » 2 2 2 2 202020. 505-511 
Mareus, Elisss. 49898-500 
Müller, Adofffff..447450 
Oeſterhaus, Wilhelhnnn.. 24431 436 
Prümer, KRarr....... 451452 
Seling, Johann Mattlias . » 2 2 2 2 512520 
Zumbrood, Ferdinand.. nn. 466— 480 


— ** Et — 





Alpbabetilhes Derzeichnis. 


I. Teil. Hochdeutſche Dichtungen. 
Seite, | Zeite. 
Aber wozu? frug der gahrende Moft . 235 | Blumen bring’ ich, Diefe Rofe . . . MZ 
Ah, Mutter, berzliebite Mutter .147 Bojarbo jang von Eiihnen Kittern 383 
a. Bernauer. . . 151 ! Dümm'’rung! — Das Lager . . 30 
Allmächtiger, ich höre deinen Gang . 139) Da komm' ich, ach, vor viebhen« Haus 375 


8 


Das erſte Glas in jedem AMreis zu 
' Das feſte Haus zu Schwalenberg . . ih 
ı Das Slödtein flingt und ruft: herein 215 
Das it der Wonnen Mond, der Mai Zus 
Das iſt ber alte Burhenbaum ir. 24 
| Das find die alten Berge wieder . . 4 
| Das find nicht die armen Heiden bloß Liz 

Das war eine — ————— 116 
| Das tvar ein Schuß! j ‚14 
| Das war bordem . . 
ı Tas welfe Laub fällt von den Zweigen 59 


Als Chriſtus tag im Hain Gethſemane 

Als Hagar ausgetrieben war 

Als ich noch ein Fleiner Stnabe . 

Als jüngit die Nadıt . 

Als Kind ging ih in einfanı ftilfer 
1) egend . . 


His unfer Herrgott einſtens mal 
Am Simmel fteigt hevauf . 

Hm Itranfenbett in letzter Nacht 
Am tiefen See bei Hopiten ftand , 
And’re, denen Leid geichehen 


w 





FI 


Blondhaar, mein Lieb. . a a Der Nachtmwind fiber Die Wüfte fauft 30 
Plühe, blüh’, o holder Mail... 3 ‚ Der Bajcha ift ein reiher Mann . 


27 
290 | 
. 200 
. 197 | 
‚1227| 
Attila, der Hunnenkönig . . ‚18 | Daß Hulda fieben Sprachen ipridt . 377 
Auf Adlerſchwingen ſtürmt die Zeit . 180 | Deine Mauern zerbrach zwar . . 235 
Auf dem Sande weiße Schwäne . 128 | Dein Müuüſſen und dein Mögen . . 131 
Auf den hohen Felſenzinken . 203 | Dem Kaiſer, dem Kaiſer . . . 234 
Auf der weiten See im Kahme . . .„ 312 Den ganzen Abend hat es Den gegroui 356 
Auf! Hümmlings Förſter und Jäger 267 | Dente far. } 14 
Auf, mein Deutichland, MR bein | T Den kennſt du nicht?! . . Bat 
Saus . J . 122! Der Bosporus erglänzt' im Abend: 
Auf meinem Tiiche stehn XF „120| ftrable . . 372 
Auf Pjalter, opf're Lob und Danf . 92 | Der Bosporus erglängt' im "Morgen: 
Auf! Söhne Deutfchlands, gürtet euch ſtrahle —— 
Aufſpringt aus dem Schlaf . . 313 | Der (Erbe Brantitand war längit vorbei DS 
Aus wüjten Trämmten . . 206 | Der Franfe fommt, der Frante ‚414 
Bald gleicht mein Leben . . . 300 | Der Friedhof lag im Abend-Dämmers 
Bedente, was du beute thuſt ..12| icheine . . . 2h2 
Beim Yampenichimmer jah ich ftill . LI | Der Frühling kehrt wieder . 2a 
Bei Rhe vom Nichtplag ſchreitet ſacht 21 | Der Frühling naht . . 247 
Bei St, Goar am Rheine 51 ı Der Heidebauer Ichnt gemach . Ba 
Bei Werl da ift ein Birkenbaum R Us | Der Lenz it ba. . ‚im 
Biſt du wieder mir erſchienen R Der Yiebe Auge ſiehet ſcharf 11 
207 
29 


es 

















. — —— ———— — — — 
— XXV — 

Seite, | Selte. 
Der Kitter Joſt von Strünfede fing ein pfiffiger, armer Schlucker 174 
Ter Simfon war gauch einmal . 195 Es gehen über die Heide. . . 406 
der Tag hat feine Mühe _. 132 Es harrt anı hoben Bortale 67 

Des Augenblicteß Sklaven, feile Seelen 246 , (68 bebt ſich mil mächtigen Mauern: 
Tes Jahres Füllhorn ſtrömt . . . 204 | frau. . . 984 
Des Sommers Flammenbaupı verianf 354 Es jagt ber Sturm im grünen Ward 306 
T Ste Flocken fallen nieder . 75 Es ift ein Stern gefallen . 342 
< ie Büchſe ber Laubora liegt verfihiute 403 (58 klingt ein Licd gar traurig . 233 
Die Erd' tft vo Blumen. . 398 Es jchlummert Die Welle. . . Ah 
Tie Irnte kam; der Schnitter mäht' . 367 | + ſchwebt ein Gebilde . . 69 
+ Sruhlingsftimmen werden laut . 218 € 8 ſtehn vier Bäume rings im Kreiſe 184 
Tie Heide jo weit, die Heide jo ſtill 395 Es ſteht ein Kirchlein alleine 145 
Tr Sermannsihlaht . . . 25 Es tönt der Laute Silberflang ei 

Die Yuttor ſprach zum Töcterlein . 82|G8 war in be& Novembers finft'ren 
Die paime wünfdr ich mir am hoben Tagen . . .131 
Bulk. 22 22 299 | Eufrag, ia verborg'nem Willen. . 284 
Des md die Kindın, beide morih . 41 | Fand fich niemand hier im Länbdihen 326 
Tr Some ſinkt im fernen Weiten . 88 | Wahr’ wohl, du Schmale Kammer . . 337 
Die Steinbanf unterm liederbaum . 228 Finft're Nacht und falter Regen 128 
Tie wunde Hinde flieht zum Wald . 399 | Flamme empor!., . . nd 
Tingenes troch in das Faß. . . .132 Fluch dieſem Keibe. . 351 
zu Juan und Fanit. . . 215 | Fortgerifien von des Meeres Fluten 341 
To rnrdschen ſitzt am Weidesfaum . 250 Freundin, BET ILEIEARUMÜERBEN RING: 8 
Dort drüben,“ fprad Der ——— 192 % rüh um ben Morgen , 29 
Fu biit mein Traum . . . 87! Fürdeldenthaten blühen Lorbeer: änze 27 
Zu Freund, aus Kindertagen u a, 8 Sin der Schwan den Tod am Herzen 359 
Du haft ben Schlüſſel ausgezogen . 218 | Gar nichts weißt du zu jagen . . 235 
Tr irticher, Schöner Morgen . . . 90: Gedanfe an Unfterblichkeit . 8 

Zu Nebe Stabi, in deren Mauern . 407 | Begrükt, o Rüſchhaus, Ländlich hie 
Turh Dahlheims Forſt der Wind Stätte — . 301 
zieht fait . . 199 Geh' ich einfam dich die Bische . 129 
Tu ſchauſt nun thränentrüben Blicks 255 | Geh’ ich einfam durch den Wald . 36 
Tu fiehft mich jo großäugig an . . an Seh’ nicht in. den finitern Wald 333 
Zu ſtauneſt, Freund, verdbugt wohl an Serechter Gott, der du die Welt . . 9 
Tu ftebit vor mir, der einft mein Ser 378 Geſegnet fel, der Dich ins Leben jandte 317 
Su ſtirbit, und fich" . . $ . 380 | Siebinir, o ind! mein Kind! die — 180 
Zu mwalbesarüne Einſamteit 151 | Gierig ſtrebt nach Beſitz ihr. . 7: 
Zu weißt, Dun ich Dich liebe . 227 Gilt's den Burgen beiner Berge . 217 
Du wirkt nie ungeftraft den Schleier Gleich wie das cchte Juwel. . 252 
heben . ; . 70 Glück der eigenen Tage . 1583 
gr milden, itolgen Fatten . 127 | Sriechifche Tempel, wie deutet ihr far 235 
Engel gebt mit dir durch's Leben 68 | Großmütterchen, fiehit du den . . . 65 
in frommer Yandbmann mit BES Groß ift der Serr!. . 7 
weißen Saar . . . 260 | Gutes und Böſes wachfen jujanmen 13 
nochegt von dunklen Tannen . .39| Harmonie durch Freiheit! E 12 
: bohes Glück ift mir beichieden . 253 | Heil, Weitfalen, vote Erde . 241 
ei. tieber hat, er fei auch, wer er mag 377 gt ihn geben . . 245 
Fin knäblein jah ich fpielen . . „2351| Hei! wie kommt der Bach geſprungen 103 
Frmal möcht’ ich wieder Schauen. . a Hell fließt dein gold'ner Schleier . . 350 
Fi Männlein war’ gar jonderbar . Hell und braum, wie veife Nüffe 324 
Fir, Magblein an des Felſens Rand 26 262 | Ser Sporf ritt in ein Dorf hinein . 137 
Ar Rotkehlchen fam in der Strenge. 2 | ı Hier ist Die Yadıung . ’ 13 
Finfam am gebräunten Tifhe . . . 3583 Hier ift der Ort, die alte "Stätte. . 54 
'#n Stern ift mach dem andern mir Hier, wo des; elfenitvoms genug 271 
gefunfen 401 Hurra, du ftol zes, jchönes Weib 48 
Sın Strahl, o 0 Sert.pon Deines Himmels 403 | Hoch oben bei dem Thore . . 209 
Gmit folte Hart, ben Großen . . . 159 Hoch über Felſen ift fie aufgebaut . 321 
Kin wielte strischna, der Gottesfohn 176 | Höhere Wonne . s5 
win Maid in Säulen, ichlant . . . 281 | Hoffnung, Hoffnung! höchfter Troft 269 
(rn weiches, friſches Wogen 317 Horch! in der Mujchel tiefftem Raum 394 
Kmofangt mich, Sriburgs heil’ge Da, freilich darfſt du deiner Frauen 132 
Schattengänge, 263 | Ich bin die ganze Nacht hindurch . 45 
Fr fteht mir ihr auein, ſo Hoch und hehr 182 | Ich bin der Derrjcher diejer Welt 248 


— 


XXVI 





Seite. Seite. 

Ach ging hinaus ins Land, ins Land 397 | Mir träumte von ben Palmen. 938 
Ach kam verzagtmwindfalten Weg daher 86 | Weit dem Säbel an der Seite 107 
Ic kann den Blick nicht von euch | Mit Ehr' und Pflicht . . 7 
wenden . .. 8 IF Dit Gichenlaub umtränzt die Scheitel 302 

Ich lieg! im Graſe hingeitredt . . 1m Mit roten Wangen 147 
Ich löſte leis die Schleifen deiner Möſer tot! Der unermüdlich wirfte . 363 
Flechten . ar | Moics, der Dirt, fteht einfam . 3% 

Ich möcht" es ben Sternen : . 170 Mühe gemug und wenig Gelingen 9 
Ich ſaß am Meeresitrande . . 111 | Nach den Bergen jehnit du Dich 377 
Ach ich ein Weib durchfichreiten alle Nach langer Wacht . : 144 
Lande j 70 Nach Straßburg und „bot über!“ 411 


Sch ſteh' am | Inffesrand. allein 
Ach wandle wie im Traumte 
Ich weis ein Sternlein Mar 


Ad) werde niedie Stunde mehr — 


Ich zog wohl in die Weite 

Ihr geht jo heut’, wie gelten . . 
Ihr lacht, derweil die Zeit verftreicht 
Im Sarten bin ich gangen ur 
Im Häuschen gegenüber ba wohnt 
Im fleinen Stübchen zu Lenden ſaß. 
Ju Ulmgebölze ſchweift des Irrlichts 
Im unterird'ſchen Schloſſe 
An Urwald ragt der Feld . . 
In deine Mugen laß mich ichauen 
Su Mittagsglut reit' ih . . . . 
Inmitten reifer, gelber Saat 


. 168 | 


. 198 
. 245 | Yun laßt mich geh’n, 


. 340 | Ob ein gut Gedicht es war? 
„398 | 


ı Nicht kann ich der ew'gen — 
geneien . 
Nicht länger kann ich’ s tragen 
Nichts geht mit une. Was wir mit Luſt 
ı Nieder an der Todeswunde . 

ı Nimm, — Kind, an deinem Lebens 
fefte . . RUE: 
330 | Noch deeft ein ahnungsreiches 

70 | Nun bab’ ich wieder abgetban . . 

. 410 | Nun tft es falt in Feld und Wald 
Nun komm, mein Mind, der Weg. . 
wohin ich mag 


© Deutichland, einst der Wölter Bier 








Nacht iſt's und öde Weg und Saflen : 
Nein! ipracı der Pfarrer faſt im Sturm 30: 


In den Bergen iſt's enge 314 | O Frühlingsluft, o Früblingswehn 332 
In der braunen Locke den Lorbeertran 214 O, glaub’ mir's, daß ich nicht zu leben 
In Sonntagsſtille liegt die Heide da 203 3| ſtrebe 48 
In tiefer Wölbung des Buiens . 261 | lieb', jo lang’ du lieben fannft! 4 
Johannistag, um Mitternacht . 146 Paris iſt froh! Kanonendonner 211 
Iſt Natur ein großes Buch . . . 226 ‚ Raftlos ichweift die Kleine Schwalbe . 38T 
Saum jprengt der erfte weiße Strahl 219 | Raſtlos und zu allen Zeiten. . 12 
stennit du die Waffen im Heideland 294 | Rings graue Heide und Door . 61 
Kinderflüßchen, Männerichritte . . 399 | Rufe mich und ich will kommen . . 388 
Klage denn nur gen Himmel enpor „ 99 Sag’, Knabe, was haft du im Walde 
Komm’ aus dem Thal . 397 | ehört? . 344 
Lachende Schenfin, berbei mit dem Gas | Scharfe Not im Walde Mirte- Winter 23 
Zängft fam die Nacht ins Thal . . 327, Schau’ dich auf der ſchönen Erde. . 102 
Lang umzog ich dich im Kreiſe 335 | Schlaftrunfen ſchaut vom Ylütenbaume 248 
Langweil'ger Narr, dich trifft . 325 | Schlumnt're, ntein Stleiner, in ſüßer Ruh 255 
“ah doch, laß doch die Thränen fein 188 Schmeichelnder Obem bes [ind BR 
Laß mid das Haupt . +19 fliehenden ß . 99 
Lenz ift kommen, jung und ichön R 28 | Schön ift bein Antlie . 8 
Licht der Nacht im Nebetichleier 47 | Schone mich, Venus, zeige voll "Milde 355 
Liebchen in dem grünen Kleide. 223 |; Schon tobte breißig Sahre . 105 
Lieblich ift der Frühtingstraum 158 | Schüßend ſteht er dir zur Seite 157 
vieblich find die Juninächte . . 121 | Schweigend im lichten Glanze . . 345 
Lind' und 5* nahen . 372 | Zeh’ ich die Heimatberge blauen m 
Yoögeriffen, losgerungen . 172 | Sein Mädchen ſprach zum Jäger ſtolz 237 
Machtvoll bit du auferjtanden . 9, Sein Silber und Gold iſt jerronnen . 377 
Mag auch die Welt mir alles rauben 254 | Selten bei der Sonne Schein 298 
Maienhauch —— den lichten Senke, Mutter Natur . “1 
Mether . + 275 | gie bauen jchon jo lange . 142 
Dancer wohl fragt Was Fehlt 109 ı Sie haben Tod und Verderben geipien 50 
Manch' Lied ift ſchon erflungen 166 ! Siehlt du den Gras am er 
Man hat mir die langen Locken 191 | dort? . . 108 
Mein armes Kindchen . . 247 | Sie küßten mich, ie. drüdten 382 
Meine Seele bürjtet nach Licht . 850 | Sie nennen dich den Muſenberg 220 
Mein Yeben ſchwand im Kampf . ee So beut ber Fels, un ben . . 6 
Mein Schritt ift jhwer . . . 85) &o it die tolle Welt! Sie läßt 131 
Mir griff des Lebens harte Fauft ; wg So laß mich figen obne Ende 36 


66 
1588 


oogle 











Seite, | Seite, 
zo neblich weht durch Gottes Welten— Warum der große Fritz 14 
garten > 20.0.0. Waruntnnr meiner Yaute Sai ten fingen un 
Zr ſteh' ih denn in dieſem Tempel Was flammt vom Auge dirr44 
wieder 408 | Mas in ber Ingend man wünſcht 327 
Zell betend will ich folgen euren Füßen 181 | Was noch ſteht ihr bier . . 4o 
zoll liegt die Heide — Nacdıtluft | Has ums der Maler entroift „ar 
umflieher ’ . 338 | Weh, Yothringen, du arges Yand. . 240 
Aranl des ent ichtwindenben Lichts . 1 | Weniges nur, fa wenig 10 
ochter mit bes Vaters Zügen . 400 | Wer das Käuzlein in der urnacht 264 
don ber Heimat, Tannenranſchen. Wenn das Mondlicht blinft . 4 
Tot iſt ber Stoff, denn Leben .Wenn der Frühling kehret wieder 5 
Tränmend et der greife Schiffer. „2 Wenn des Leuzes laue Lüfte . 12 
Traurig fist der Maler, Bang 29 Wenu div ein reicher Mamt . . 
Z raue nicht, traue nicht — nz Wenn fern im Dften . Job 
J er dag Moor zu etien . 2Wenn ich mit Jungen aller Menſchen 
Ueder die Häupter ber Menſchen .220 fpräche . . . 283 
lieber die Deide Der Sturm fegt . . 34h | Menm fich das müde Auge ſchließt Fri) 
Um den Mond und um die Sterne . 182 | Senn vor des Nachbars Thür . „AUS 
Ind all’ bie iugenblichen Blanzgeitalten 382 Wer cine txute Fahrt beginnt. . . Zu 


Iind baben zu Mainz die Sioden. . | Wer bat der Dornen mehr au tragen 


Ind ob auch Hunderte mich hajjen . >46 | Wer hat die Sterne je gezählt? 1713) 
Uns fol c& fein und muß es jen, . 12 | Wer will des Ruhmes Frucht genichen 74 
Und vor Münſter lag der Biſchof. 201 | Wie das Meer geheim im Srunde . 388 
Und weißzt du, als die Roöſen. 2Wie lange harrt’ ich ſehnſuchtsvoll 151 
Ind wenn Fein Obr es bören wollt’ . A Wie lauſcht, vom Abendſchein umzuckt W 
Und wollt ihr wiſſen, mo die Tocfie . 1D2 | Wie viele Thränen find aeflofien . . & 
Unermeßlich, unergründih . . . 92: Wieder wandelt leiſes Weben . 68 
Iingnittich hat man Dich genannt ET | Wie erregt tft noch die Kin . . . 868 
Unter hoben, grünen Yindenbäumen . 311 | Wie ift fo ftill und ichaurig. . . . Zi 
Later, der Du thromft im Simmel. . 18 | Wie der wilde Wolf in der. . 344 
”erloß dich nicht auf andrer Schuß . 24 | Wie ich dich liebe . . 448 
kom Hirfenwalle meit umſaumt 8 Willſt du, Poet, üctſpiegeln die Weit 25 
om blauen Simmel leibt die Sonne 72, Wo der jelige Hintmel . . 202 
Som ewigen Schöpfer war ich ein Hauch 177 | Wohl wünſcht' ich manches mir zum 

Rım Herzen ſtrömt das Leben. Eigentum . . : . 392 
zrn allem, was mir im Leben blüht 392 | Wit’ ich fie im fichern Safen — 
Kon deinem Mund beim Spiel. . 324 | — Ein altes Märden . „ 22U 


324 
Ron dem Ktaifer Karl, dem Großen . 144 | Yart und fein und hochgewachſen . . a 
Zon den Felſen wird er fteigen . „239 Neritreute Trümmer . 57 
Ron Stern zu Stern auf aold’ nen Zu Nache fam, wem Wut im Bergen . u 

Brüden . | Zum drittenntal Sind Hundert Aahr’ 

. 307 

’ 

R| 

} 


Ton Meften kam ich, — ſchwerer Seide: enttvichen 


Duft . ü dur | riedensjaal! . J et: 
Nor altem Ireb ift mir ber Lindenbaum 381 | Zur froben Feitverfammtungs = ‚eier 329 
2ırbei ife Mitternacht. . . 2 Bu Speier im legten Häanfelein . . 308 
ah einem Städtchen nah der Schente 133 | Yn vielen guten Dingen... . . Su 
Waächſt du, Lieber Stnabe? . . 360 ‚ Smwei Jahre find entichwunden. . . dit 
— — uw 
II. Teil. Plaitdeutfche Dichtungen. 
Seite. | Seite. 
A: id na ne Junfer wall, was id fo fiin 523 | Daar ginten, daar füfet de Strauten 
Aa if van llänern gonf fpageeren . 507 benup 


: . bil 
Dat Bileams Jiſel joraf, dat Nummer 504 
De bliende Joſt hadde 'ne Deeren . 427 
De Pisfop Dirk van Mönfter . . „AR 
De blanfe Stiettel ſtaiht all up ben Diit 477 
De Häbr fan Vaerſt woll friggen goahn 448 






Ast auer Ehr un Luabes bull. . . 43 
Dar fliclftert ter huowen De Srähene \ 

io floar.. . 450 

Rine Noft, De barr ne Deeren 


Dear bi rättt mi en Dööntten in. „527 


DU a „E02 * 


— XVII — 








Zeite. | Seite. 
Dei Herrgott hadd' dei Welt erichaffen 420 | Kindken, Kindten Retfus . 528 
Deip in de Dawert, deip in dat Holt 499 | Ktiwitt, wo bfieb id 530 
De Yung wurd‘ von fin Bar recht ährt 467 , Bang be Schippe . 521 
De nigge Tyit is fummen hiär . 457 | Kaot uff fing’ bat nie Leed 483 
De oablle Linde es befannt . . . 447 | Miäfens, o, beduert mi 26 
De Fipen baide recht in'n Damp . . 4 Min trugigstrü Meitfofenland 451 
Den Summe es oll funfen . . 20.434; Min tropper if de Schwalen 46 
De Dügelfes het niu teſammen ſit fingen 454 | Nu mal wi von de Saf en End . . 472 
De Wiärwulf es en ulslif Beeſt . . 445 | Nur fchint de Sunne fo bel un jo flaor 464 
Doah fällt mih noch en Stüdafen bih 449 | Och, wat id mie Doch fimelen mott . 516 
Dree graute Heerens harren Üif . 505 O Fräuhjohr, Fräubjohr, fiälge Tid 452 
Eck ſach minen Deren von Ralfenfteun 435 O Hiärtens beminte . . 461 
(en Buer hadde ſeß Gäuſe, de woll he O, wat iff dat Wiar nao mi Gera! 468 
HE fetten . 428 | '5 Auivends, wann 'Ena Bedde gaae 52 

Es't Chriſtendom hier anto foeten font 479 ! Sau'n Kröösken Beer wat fchmeft dat 
Et hiäwerſchiärt un is fa Böll . . . 508 | allerleeweft . 512 
Es is nui Minter, un Sente Kathryine 457 | Sin ick feer im frimmeden Land 41 
Fruwwe, ji jchollen na Huuſe fuomen 595 ! Sch’t bier den Mann . i . 500 
Soäd Jupiter was mol in jchlächter | Elött et halv achte. . 486 
Liune . 441 Son Mönfterjt wind dat im en Strict 481 
Gaoh if bi Rufthus bilör dat Holt . 493 E Epinn', mine lewe Pocdter . „523 
Hallop, ballop! . . 530 | Storf, Siort, Langebeen . 530 
Heran, Kameroden, an düffem Dage . 44 | Sui, Bormejiers Jettten. 2. . 481 
Hier ligg id a8 'ne Mtoh.. . ’ 529 | Sünte Marten, goe Marteıt . 529 
Hilgen drei Könige fin hoch gebor⸗ n ze Tees Wuinachtenobend . 432 
Hiroth — Niggenoth! ; . 458 | Töum Häditer fam an einen Dag .421 
Hörft bu ginnen bei Muſhte ... 40 | Up’n Thie daar ſtaa't twee Plauten 539 

Jan-Bärnd hadd' ne Koh verkofft BU a hädt bon Pänbfen man bon 
anfent, ſegg', wat wullt du meren? 513 Gaolen . . . 488 
an, riet doch ens bier in’ et Fenſter Vor uss ess Speell un Fans vorbie! 519 
herin.. . . 510 Wädor id en Mömfen . . . 498 
Ick bebb' et fo wat diülir en cene Wann Lime met Lime tefammen ftaiht 452 
ſchmieten.. 568 Mas wultu Frumblint in Weitfalen 463 
Ik kann't gar nich jegaen . . ...49 E Wat gift Ninges . . 504 
In'n Gaorn en Häsfen fat . . „526 \ Wat is in ber Welt för' m Drywen . 439 
Art Duorp iſſ Fuegelfchaiten . . . 475 ! Wat filt us de Stärnfes, . 46H 
Jo if weli no Duni . . ..8#5 | Mer nid Yeiges döt . 424 
Is was de Junfer Gegenfinn - .. 524 | Mer timmert dar unner? . . 425 
Renerd fitt in muinen Wenten . . 433 | Wual op ber bräien MWiägebräft . 455 


N { 
l y KstaK 8— 


e 


I. Teil. 
Huchdrutſihe Dirhtungen. 
—— 


Hartmann, Scagfäftlein weftfäliicher Dichtkunft. 1 


1. Mi 
inden— 
Ravensber 
g-fi 
Sippe. 


— 


1* 


Peter Slorenz Weddigen,” 


geboren am 18. Jum 1758 zu Bielefeld, befuchte das Gymnafium jeiner Daterftadt und 
bezog im Jahre 1778 die Univerjität Halle: Dittenberg, um fich theologischen, nebenbei 
auch andrchtlichen, philologifchen und litterarifchen Studien zu widmen. Vach abge: 
legtem tbeologifhen Eramen und nachdem er die Würd: eined magister liberalium 
srtium erlangt, wurde er 1781 £ehrer am Gymnaſium zu Bielefeld, Im Jahre 1793 
fam er als Prediger nach Buchholz; und 1797 nadı dem lieblich gelegenen Kleinbremen 
om furftentum Minden. Bier flarb er am 6. September 1809. Außer verfchiedenen 
bitortihen Schriften (er gründete im Jahre 178% das „Weſtfäliſche Magazin für 
Sevaraphbie, Hıftorie und Statiſtik“ und erhielt für feine Derdienite um die weſtfäliſche 
Geichichtsfunde außer der Doftorwürde von Friedrich Wilhelm I. im Jahre 180% die 
ülberne und 3805 die goldene Medaille für Kunft und Wilfenfchaft) erichienen von ihn 
dichtungen: Geiſtliche Oden und Lieder 1. Aufl. 1798, 2. Aufl, 1801, 

3. Aufl. 1812. Die 4. Auflage beiorgte fein Urenfel, O. Webbigen, Leipzig 1879. 


(Selftliche Oden und Lieder. 4. Aufl. 1879.) 


Frühlingslied. 


Der Frühling ehrt wieder, es rinnet der Schnee 
Bon Bergen und Klippen, e8 grünet der Klee, 
Es jpiegelt ſich wieder in perlendem Tau 
Die freundliche Sonne auf lachender Au’. 


Der Frühling kehrt ivieder, es ladet der Hain, 
Das Veilden im Thale zur Freude und ein; 
Der Nachtigall Lieder, das duftende Feld 
Derfünden die Liebe des Herrichers der Welt. 


Tot ichien dir die Erde; fie ſchlummerte nur, 
Der Schlummer gab Kräfte der ftarren Natur. 
Der Schlummer des Todes erichrede dich nicht, 
Er führet durch Gräber zum himmlischen Licht. 


Ss 


*, Nach der von Dr. D. Webdigen zu den „Geiltlihen Oben und Liedern“ 
feines Urgroßpaters geichriebenen Einleitung. 





N 


An die Religion. 


So beut der Fels, um den die Fluten brausen, 
Um defien Haupt die Stürme tobend faufen, 
Dem Sturm, den Ungewittern Hohn; 

So bieteit du, wenn frecher Frevler Rotten 
Den eg dir droh'n und deiner fpotten, 
Den Feinden Tros, Religion. 


Dein feites, göttlich heiliges Gebäude, 
Bewohnt von Tugend, Heiligkeit und Freude, 
Ward nicht gebauet auf den Sand; 
Gegründet ward es von dem höchiten Weſen, 
Dad Menichen für die Ewigkeit erleien, 
Schalten von der Allmaht Hand. 


Es werden Melten in ihr Nichts vergehen, 
Nicht mehr wird ih um ihre Pole ir de 
Die Erde, einft ein Raub der Zeit; 

Nur deine felienfeften Stügen 

Wird Gott, der Welten Herr, beihügen 

Bon Ewigkeit zu Gwigfeit. 


Du würzeit, Himmtliiche, des Lebens Freuden, 
Du linderit durch Geduld des Pilgers Leiden, 
Sm Kampfe richteit du ihn auf; 

(Srteileit ihm zur Pflicht erhöhte Kräfte, 
——— ihn zum Kreiſe der Geſchäfte 
Und endeſt herrlich ihren Lauf. 


Wenn in der Drangſal Hitze Frevler beben, 
Kann dein Verehrer froh das Haupt erheben; 
Ihn ſtärkt der Herr, der Welten Gott; — 
Du biſt's, die ihn den Vater lehret kennen, 
Und Jeſum ſeinen Herrn im Geiſte nennen, 
Den Sieger über Höll' und Tod. 


Wenn bei des nahen Todes letzten Streichen 
Die Welt, und mit ihr alle Tröfter weichen, 
Dann ftärkit du deinen —— mit Macht; 
Entfernſt von ihm der Gräber Furcht und Grauen, 
Stärkſt ſeinen Geiſt, in eine Welt zu ſchauen, 
Wo die gereifte Saat ihm lacht. 


O Himmliſche, daß deine lautre Quelle 
Durch alle Adern flöſſe klar und helle, 
Nie, nie getrübt durch falſchen Wahn; 
O, daß dein Geiſt des Menſchen Herz belebte, 
In Worten und in edlen Thaten webte, 
Wie ſelig wär' des Lebens Bahn! 


u Er 


Nur leerer Dünkel wagt's, dich zu verdrängen, 
Did) in des Nberglaubens Jod zu zwängen, 
Dich, uns zur Tröfterin gefandt; 

Bant Scheiterhaufen für die irr’'nden Brüder, 
Singt, Gott zu Ehren, bei den Flammen Lieder 
Und trennt der Bruderliebe Band. 

Dort treibt zu dir der Leichtjinn freche Rotten, 
Die deines Lebens Quell, wie dich veripotten, 
Wie? fragen fies Iſt auch ein Bott? — 

Sie hören ihn im Sturm, in Ungewittern, 
Vernehmen feine Stimm’ in fih; — fie zittern 
Und treiben mit der Gottheit Spott. 

Sie Sprechen fühn: „Der armen Chriſten Glaube 
It eitler Wahn. — Der Menſch, gebaut aus Staube, 
Iſt gleich dem Vieh, ein Raub der Zeit; 

Vom blinden Schidfal, das die Welten führet, 
Wird auch der Menichen Glück und Leid regieret; 
Fin Märchen iſt Unsterblichkeit.” 

Dod wie der Fels, um den die Fluten brauſen, 
Um deflen Haupt die Stürme tobend ſauſen, 

Bent Sturm und Ungemittern Hohn; 
So bieteit du, wenn frecher Frepler Rotten 
Den Untergang dir droh’n und deiner ſpotten, 
Den Feinden Trotz, Religion. 


=“; 


Tobgefang. 


Groß tt der Herr! Er ift der Gott der Götter, 
Ihn predigt Eonnenihein und Sturm und Metter, 
Die Mid’ im Soiunenftrahl, des Baumes Blüte 
Breit jeine Güte. ‚ 


Groß iſt der Herr! Auf jein allmädtig: Werde! 


Ward Sonn’ und Mond-und Himmel, Meer und Erde, 


Auf fein Geheiß verſammlen ſich im Meere 
Der Flüffe Heere. 


Groß ift der Herr! Gr läßt auf Felſenhöhen 
In tanfend Kräutern feine Huld uns fehen, 
Gebeut den Hügeln, jährlich uns zu geben 
Korn, Obft und Neben. 


Aus feinen Wolken träufelt mit dem Negen 
Auf dürre Meder wonnevoller Segen; 
Es rinnen Quellen aus der Berge Rüden, 
Uns zu erauiden. 


Fr fpricht. — Und öde Felſenklüfte füllen 
Die Luft mit Dampf; und Donnerwolfen brüllen 
Durd Thal und Wald und wandeln fi in: Segen 
Durch Blitz und Regen. 


In Luft und Meer und in der Erde Gründen 
Kannit du Beweife für fein Dafein finden. 
Es J ein Gott! lehrt dich der Wurm im Staube, 
Die Raup’ am Laube. 


Nur Thoren find’s, die dich, o Gott, verfennen, 
Die deine Wunder blinden Zufall nennen. 
Du, Ewiger, verlachſt die Frechen Notten, 
Die deiner fpotten. 


Sch aber will mit kindlichem Vertrauen 
Auf dich, den Schöpfer, meine Hoffnung bauen; 
Du, aller Welten Herricher und Negierer, 
Bilt auch mein Führer. 


Sch will dich loben, wenn bei Ungewittern 
Bor deinem Dräu'n der Erde Gründe zittern, 
Und wenn das Säufeln deiner fanften Weite 
MWiegt Baum und Neite. 


Sch will dich preifen, wenn die Fluten ſtürmen 
Und donnernd fich bis zu den Wolten türmen, 
Sch will dir danken, wenn im Blumenfleide 
Prangt Thal und Meide. 


Lobſingen will ich deinem großen Namen. 
Du bift gereht. Dein Wort iſt Ja und Amen! 
Du bift im Sturm und in des Baumes Blüte 
Der Gott der Güte. 


Ss 


Anſterblichkeit. 


Gedanke an Unſterblichkeit, 
Du biſt es, der das Herz erfreut, 
Gedanke voller ln du 
Belebit den Geift mit Troft und Ruh. 


Woher dies inn’re Selbitgefühl, 
Das laut mir jagt: Hier ift fein Ziel 

ür menschliche Vollkommenheit, 

ie reift nur für die Ewigkeit. 


PER 20 


Hoff' ich vergebens, wenn der Tod 
Mir Trennung von den Meinen droht? 
Täuſcht mich der Troſt, durch Wiederſehn 
Dort, dort mein Glüde zu erhöh'n? 

Kam er, der auch des Todes Macht 
Seritört und Leben und gebracht, 

Kam er, für dieſe Zeit allein 
Der Menſchen Licht und Troft zu fein? 

DO, nit für diefe Unterwelt 
Hat auf den Schauplag mich geitelit 
Dein Vater und NRegierer, nein! 

Sott will, mein Geift ſoll ewig fein. 

Seritört den Xeib des Grabes Ruh, 
Sch wirfe fort, ich nehme zu 
An Kräften, unbegrenzt an Zeit, 

An Einfiht und an Fähigkeit. 

Tod und Verweſung ſchreckt mich nicht. 
Bald, buld erhält mein Glaube Licht. 
Der Tod iſt Wohlthat, öffnet mir 
Zur höh’rer Seligfeit die Thür, 

Gedanke an Unſterblichkeit, 

Du biſt es, der das Herz erfreut; 
Gedanke voller Hoheit, du 
Belebit den Geift mit Troſt und Ruh. 

Du ftärfit zum Schöpfer mein Vertraun, 
Läſſ'ſt mich im Tode Leben jchaun. 

Dir wandelit Dämmerung in Licht, 
Das dur die Nacht der Gräber bridt. 


Der Menſch, den du jo hoch geehrt, 
Vergeſſe, Herr, nie jeinen Wert, 
Sr reife zur Vollkommenheit 
Und harre froh der Ewigfeit. 


“5 


Friedenslied. 


(Nach dem Schluife des fiebenjührigen Strieges.) 


Gerechter Gott, der du die Welt 
Mit Macht und Huld regiereit, 
Der du, den Waſſerbächen gleid), 
Der Fürſten Herzen führeft, 
Vernimm, Herr, unjern Lobgeſang, 
Vernimm den wonnevolliten Dank 
Für dein Geichenf, den Frieden. 


— 0 — 


Die Flammen tobten um uns ber, 
Des Landmanns Felder dampften 
Ron Hut der Brüder. — Mann und Roß 
Zerwühlten und zeritanıpften 
Die faatenreiche, fette Flur; 
Es ſchauderte ſelbſt die Natur 
Und ſeufzte nach Erlöſung. 


Der Donner brüllte; Berg und Wald 
Erbebten; Mond und Sterne 
Und Sonne, eingehüllt in Dampf, 
Sah'n ſchaudernd aus der Ferne 
Auf Ströme, welche Menſchenblut 
Gefärbt, auf Städte, die die Glut 
Des Feu'rs in Schutt verwandelt. 


Verlaſſen und von Harm verzehrt, 
Den Säugling in den Armen, 
Irrt hier die Mutter bang umher 
Und ſeufzet nach Erbarmen; 
Irrt dorten, mit zerrauftem Haar, 
Der Waiſen hoffnungsloſe Schar 
Und jammert nach Errettung. 


Gerechter Gott, der du die Welt 
Mit Macht und Huld regiereſt, 
Der du, den Waſſerbächen gleich, 
Der Fürſten Herzen führeſt, 
Vernimm, Herr, unſern Lobgeſang, 
Vernimm den wonnevollſten Dank 
Für dein Geſchenk, den Frieden. 


I. P. Ehriftian Nonne, 


geboren am 26. Anguſt 1785 zu £ippftadt, 1823 Pfarrer zu Schwelm, 
geitorben dajelbit am 29. April 1855. 


Beim Feuer am 18. Oktober, 


Flamme empor! 
Steige mit [oderndem Scheine 
Auf dem Gebirge am Rheine 
(Slühend empor! 


Siehe! wir ftehn 
Treu im geweiheten reife, 
Dich zu des Waterlands Preife 
Brennen zu ſehn! 


eilige Gint! 
Rufe die Jugend zuſammen, 
Daß bei den ziichenden Flammen 
Wache der Mut! 


Hier auf den Höhn 

Leuchte, du brennendes Zeichen, 
Daß alle Feinde erbleichen, 
Wenn fie dic) fehn. 


Finſtere Nacht 
Lag auf Germaniens Auen; 
Da ließ Jehova ſich Schauen, 
Der una bewacht. 


* Licht, brich herein! 

Sprach er; da ſprühten die Flammen, 
Schlugen in Gluten zuſammen 
Ueber den Rhein! 


— — 


Und er iſt frei! 
Flammen umbrauſen die Höhen, 
Die um den herrlichen ſtehen; 
Jauchzt, er iſt frei! 


Stehet vereint, 
Brüder! und laßt uns mit Bligen 
Unfre Gebirge beichügen 
Gegen den Feind! 


Leuchtender Schein! 
Siehe, wir fingenden Paare 
Schwören am Frlammenaltare: 
Deutiche zu fein. 


Höre das Wort; 
Vater, auf Leben und Sterben 
gi uns die Freiheit erwerben! 
ei unjer Hort! 


=) 


— —— — lu un EL ELELELE — — 


Sriedrich Vormbaum, 


geboren am 13. September 1794 zu Bleeke, Gemeinde Werther, 
geflorben am 2. Nopember 1875 als Seminardireftor zu Petershagen. 


An die Graffhaft Ravensberg. 


(Abgedruckt im „Deffentlihen Anzeiger der Grafichaft Rabdensberg“. Nr. 66 
bom 18. Auguſt 1858.) 


Hier iſt die Ladung. Auf, du Schöner Strid, 
Sand meiner Väter, man zitieret dich! 
Drei ftarfe Schläg’ vor’3 Thor erichallen durch die Lüfte. 
Hoch auf die Sparren, Ravensberger Land! 
Die roten drei, auf Silbergrund gelpanıt, 
Laß leuchten ihren Glanz bi3 in die fernen Klüfte. 


Sa, rüfte dich! Die Feierkleider vor, 
Damit du wallft durh Wieſ' und Feld und Thor, 
a. geſchmückt und froh zu deinem Felte. 

ie du der Väter Brauch und Vorgang ehrit, 
Mie dir dem Undank und dem Spotte wehrit, 
Das jollit du zeigen bald und zeige es aufs beite. 


(53 geht der Ruf durch's Navensberger Land, 
en ut den Schlag au jede Herzendtwand, 
fröhlich auf, o Volk, du ſollſt es jegt erfahren, 
E ſich, als — friſch und wahr 
Auf deine Sparr'n der brandenburg'ſche Aar 
Geſetzet hat vor fünfzig und zweihundert Jahren.*) 


Mit feinen Flügeln hat er dich bedeckt, 
Mit feinem Geiſte ja: er Dich geweckt, 
So daß du treten fannit ſtolz in der Gauen Mitte. 





+, Kurfürſt Johann Sigismund von PBrandenburg nahm 1609 ala erb— 
berechtigt von Ravensberg mit Kleve und Mark Beſitz. 


— 2 


Drum tritt hervor an deinem Aubeltag, 
Aus deinen Häufern komm, du kräft'ger Menichenichlag, 
Einfach und ſtark von Mefen, Ichlicht und derb von Sitte. 


Und ftehft du dann am diejent — 
Auf deiner roten Erd' im — ſo fr 
Nach Väter Brauch: Wer noch dein golbnes Sprüchlein ſuche? 
Schließ' dann den Kreis, der Schöffe tret hervor, 
Den Grafen in der Mitte, ruf’ im Chor 
„Wir ſtehn zum Waterland, zum Graf air Bibelbuche!“ 


+ * * + * 
Chriſtian Dietrib Krabbe,” 
geboren am 1. Dezember 1501 zu Detmold, bejuchte das Gymnafium feiner Daterftadt 
und ging, am die Rechte zu jiudieren, 1819 nach £eipzig und zu demielben Zwecke 
1822 nad» Berlin. Bier verfehrte er mit Heine und Uechtrig und fchrieb fein Trauer: 
ipiel: „Der Herzog von Gothland”, ſetzte aber auch feinen ungezägelten Kebenswandel 
fort. Seine Bemühungen, mit Tiefs Bälfe eine Anitellung an dem Theater zu Dresden 
zu erhalten, migglädten, ebenfo die von ihm in Braunfchweig und Hannover gemachten 
Derfnce. So jah er fih denn 1825 veranlaßt, zu dem Redhtsftubium zurüdzufehren., 
Er beſtand 1824 mit qutem Erfolue die Staatsprüfung, wurde 1827 Militärauditor in 
Detmold und verbeiratete fich 1835 mit der Tochter des Ardrivrats Kloftermeyer. 
Dieie Zeit war die glüdlichite feines Kebens. In geacdhteter Kebensftellung, wegen 
feiner dramatijchen Schöpfungen anerfannt, batte er die Genugthuung, jeine Tragödie 
„Don Juan und Fauſt“ (1829, 2. Aufl. Sranffurt a. M. 1862) in Detmold auf: 
geführt zu ſehen. Bald jedoch fing er fein cyniiches Keben wieder an, verließ Detmold 
and feine Familie und ſtarb nach einem vagabundierenden Keben, völlig zjerrüttet nach 
feiner Daterftadt zurüdgefehrt, dafelbft am 17. September 1856. 


Dihtungen: Sämilihe Werte, 2 Bände, herausgegeben von Rudolf 
Gottſchall. Leipzig 1370. 


Don Yuan und Fauſt. 


Eriter Akt. 
Zweite Szene. 
(Rom. Zimmer des Doktor Fauſt auf dem Aventin). 
Eine Lampe brennt. 


Faust (erhebt fih vom Schreibtiiche). 
Unſel'ge Nacht, willit du denn nimmer enden? 
— MWeh mir, fie hat erit eben angefangen — 
Noch ſchlug's faum elf. Zurück zur Arbeit alfo. 
— Zur Arbeit! Zum Studieren! Schmady und Sammer! 
Tötliher Durft und nie geftillt! Sandkorn 


*) Nach ber von Rubolf Gottfhall zu den „Sämtlichen Werfen“ gefchriebenen 
Einleitung. 





— 16 — 


Zum Sandkorn fammeln, grenzenloie 
Und immer grenzenlof're Wüſten um 
Sich ber zu bauen, und jodann darin 
Sid lagern, ſchmachtend und verzweifelnd! — Hu, 
Sin Raubtier wird man, bloß um fi zu nähren! 
Smpfindungen, Gedanken, — Herzen, Seelen — 
Den Menichen und das Leben — Welt und Götter 
Ergreift es und erwürgt es fich zur Beute, 
Und fchreit vor Zorn und Hunger, wenn es faum 
gehn Tropfen Bluts im ihren Aderu findet. 

er hat geitrebt, wie ih? Wo iſt der Pfad 
Der Kunft, der Wiſſenſchaft, den ich nicht Schritt ? 
Weit ferner, fühner (ohne Rühmen darf 
Ich's jagen) drang ich darauf fort, ala all’ 
Die Herren, die beim eriten Meilenitein 
Umkehren, voll von ihrer. Reife Wundern, 
Und als gelehrte, jelbitzufried’ne Thoren, 
Von größren Thoren angeftaunt, fich brüiten! 
Sch aber wanderte und wanderte — 
Es blieb die Sonne hinter mir zurüd, 
Und nur ein paarmal merkt’ ich, daß fie trübe, 
Falt wie ein rot geweintes Mutterauge, 
Mir durd die Nebel nahjah. Weg mit ihr! 
Es war ein ihön’res Licht, nach dem ich ſuchte! 
Und ichau, da iſt das Ziel: vor mir der Abgrund, 
In den die Ströme der Gedanken, des 
Gefühles, braufend niederihäumen, ohne Rückkehr, 
In deflen Brodem ſich des Yweifels Hyper, 
Mit roter Zunge giftig flammend, windet 
Und mäftet. — 

Golgatha, 


Du Scäbdelftätte, wo das Licht der Welt 
Der Todesnadht fih hingab, daß es fie 
Verkläre! Auch dein Strahl dringt nicht hieher! 
Du großes Bud, du Bibel (Feld des Glaubens jagt man), 
Bon Varianten voll und Doppelfinn, 
Volt Weisheit und voll fonderbarer Sprüde, 
Mit keinem jihern Laubdach überwölben 
An diefem Sturm mich deine Blätter; 
Welk, troden, fallen fie wie Laub des Herbites, 
Und wenn ich’ nicht im Innern ſpüre, führen 
Nicht taufend Bibeln, nicht taufend Paradiefe, 
Nicht alle Ewigkeiten mid) zum Heil! — 
O, welche Flammenichrift brennt mir im Haupte? 
„Nicht glauben fannit du, ch’ du es nicht weißt, 
Nichts willen kannſt du, eh’ du es nicht glaubit!* 
Kein ird’scher Geiit, der dieſes Rätſel ahnt, 
Und nicht nach ſeiner Löſung ſeufzte — Keiner, 


ei 


Der fie gefunden. Selig die, die ſchwach 

Genug find, um vom Schein geblendet, Schein 

Für Licht zu Halten — blindling3 glauben, weil 

Sie blindlings hoffen! Die fchlaftrunfnen Seelen! 
Doh !ieber will ih unter Qualen bluten 

Als glüflic fein aus Dummheit! — Erdball, Boden, 
In dem ich wurzeln muß, der mic geboren — 

Sin ausgeriſſſner, ausgedorrter Stamm 

Bin ich, wenn ih in Deinem Marf den Fuß 

Nicht faſſen, Kraft und Freude nicht D’raus ziehen kann, 
Wenn ich entwurzelt mid in jenen Abgrund, 

Der bfänlich über unfern Sceiteln dämmert, 

Voli der bigotten Hoffnung ftürzen foll, 

Daß dort in wüſter Unermeßlichkeit 

Und Ferne aufzufinden fei, was id) 

Im nahen, engen Raunt nicht —— 


ah! 
Was iſt mir näher, ald das Vaterland? 
Die Heimat nur kann ums beieligen, 
Verräterei, die Fremde vorzuziehn! 
Nicht Faust wär’ ich, wenn ich fein Deuticher wäre! 
D Deutichland! Baterland! Die Thräne hängt 
Mir an der Wimper, wen ich dein gedenfe! 
Kein Land, das herrlicher als du, fein Volk, 
Das mächt'ger, edler alö wie Deines! Stolz 
Und Stark, umkränzt von grünen Neben, tritt 
Der Rhein dem unverdienten Untergang 
An Niederlandens Sand entgegen — fühn 
Und jauchzend itürzt die Donau zu dem Aufgang — 
Unzähl’ge deutiche Adern rollen grad’ 
So ftolz und fühn als Deutichlands Ströme! — 


Schau, 
Hoch über dem u Gebirg’ 
Tirols erhebt der Adler jich zur Sonne, 
Als wäre da fein heimatlicher Horit, — 
Die Berge jchrumpfen unter jeinem Blid 
Zu Stäubchen ein — tief unten aber in 
Tirols beengten Thälern jchlägt für Kaiſer 
Und für Ehre manches Herz weit höher, als 
Der Adler wagt zu. fteigen. 
GSelbit dies Rom, 


Wer war's, der diejen Käfig brad, in dem 
Die Nationen römiſch erit, und dann 
apiitifch fiegen lernten? Da, bier war e3, 
o Alarichs, des gotiſchen, wo Karls, 
Des fränk'ſchen Landsmanns, wo der Hohenſtaufen 
Siegrauſchende Paniere flatterten, 


Hartmann, Schaätzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 2 


Geliebkoſt von der heiten Luft, die einst 
Die Kön’ge tötete! 
Hier ifi e&, wo 
Sankt Peters Kuppel sich einporgewölbt, 
Den Blid der Menjchheit ins Endloſe auf: 
Zufangen — ſchmählich jett qeboriten vor 
Dem Donnerrufe, der aus Wittenberg, 
Aus meiner Bateritadt, aus Yuthers Munde, 
AU meiner Zeitgenofien größten, über 
Die Alpen furchtbar berflang! 
Und — doch, o — doc! -- 
Auch Luther! Du! Den Wahn haft du verjagt, 
Zermalmt, zernichtet haft du wie der Blitz, 
Nur etwas Andres, Wahrheit, die beiteht, + 
Beruhigt, hast du nicht gegeben. Offner £ 
Als je thut fich vor dem enttäufchten Auge 
Die Tiefe auf. Zertrümmern, mit den Triimmern 
(Sin Trümmerwert erbau’n, das kann der Menic, 
Das kann er mit den Körben oder Eimern, 
Durd die er Stein zum Steine, Tropfen trägt 
Zum Tropfen, die er Kunſt und Wiſſenſchaft 
Benennt! 
Aus Nichts Ichafft Gott, wir ſchaffen aus 
Ruinen! Erit zu Stücden müſſen mir 
Uns ichlagen, eh’ wir willen, was wir find 
Und was wir fönnen! — Schrecklich Los! 
— Dod ſei's! 
(53 fiel auch mir, und folg’ ich meinen Sternen! — 
Deutihland! Baterland! — Und nicht einmal 
Im Schlachtfeld konnt' ich für dich fümpfend fallen — 
Du biſt Guropas Herz — ja, ja, zerrijien, 
Wie nur ein Herz es jein fann! 
Roma du! 
Dem Vaterlaud entfloh ich, als es mich 
Nicht Eonnt’ befriedigen — umd ich floh zu Dir, 
In mir die ganze Menſchheit aufzunehmen, 
Und mich in dem Genuß zu fütt'gen — denn 
Du Rom! bift der zerbrochne Spiegel der 
Umfaffenditen Vergangenheit, und Heldenbilder, 
Im Glanz des Blut der Nationen und 
Der eingebornen Bürger funkelnd, tauchen 
Aus dieſes Spiegeld Scherben mehr und mehr, 
Je tiefer man hineinblict, gleid den Sternen 
Aus dunkler Nacht! — Du biſt die Stadt, wo fid) 
Sm Augenblid Jahrtaufende verichmelzen: 
Bapft auf dem Capitol, und auf den Bantheon 
Epheu von geitern! 
Roma, Herricerin 


ee. JB 


Ter Welt! Mech’, dreimal Web’ ihm, der gleich mir 
Zu dir gekommen, daß du ihn erhebeit! 
Die Reiche alle ſanken hin vor dir zu Staub. — 
Warum? Weiß Niemand! Denn du warit nicht beifer, 
Als fie! — Und als dein Schwert nun Alles 
Dir errungen, fielſt du auch mit Allem wieder 
An Nacht ımd Barbarei. — Aus dieſer auoll 
Sin neues Blut, ein neues Licht hervor. — 
Umſonſt Haft du geitritten umd gewürgt — 
Der Klang nur von zerrii'nen Geiſtesfeſſeln, 
Die du um halb Europa wandelt, it 
(Heblieben — Frankreichs, Spaniens, 
Staliens Sprachen! 
Haben denn die Schladtei, 
Hat der Ruin der Völker nur den Zweck 
Bon Märchen, die erfunden zur Belchrung? 
Sind eltbegebenheiten weniger, 
Als MWeltgeihichte? Sammer über uns! 
Dem die Geichichte hat die Menschheit nie 
Gebeſſert! — Nur ein Don Juan vermag 
Inmitten unter der Zeritörung Lava 
An Millionen Blumen fih vergnügen 
Und nicht bevdenfen, daß es viele zwar, 
Doch alle audı vergänglid iind, — dab wohl 
Zerſtreuung, aber feine Sicherheit 
Und Ruhe da zu finden, wo die Eine, 
Die Unvermwelfliche, niht blüht! — 
Sp ſei's denn! 
Länger ertrag’ ich's nicht! ch ſucht' die Gottheit! 
lind ſteh' am Thor der Hölle — doch noch kann 
Ich weiter ſchreiten, weiter ſtürzen, wär’ 
Es auch durch Flammen. — Ziel, ein Endziel muß 
Sch haben! — Giebt es einen Pfad zum Himmel, 
So Führt er dur die Hölle, mindeitens 
Für nid! 
Wohlan, ich wag' es! 
Nicht erlernt’ 
Sch die Magie, mit der ich an den Wurzeln 
Des Erdballs rütteln, Sterne löſchen fann 
Mur nteine Zweifel nicht), auf daß fie nutzlos 
Als Theorie verfaure — Ha, dort liegt 
Mein Höllenzwinger (ad), kein Herzbezwinger!) — 
(Windsbrauſen binter der Szene. Faust tritt ans Weniter.) 
Hm, 
Spürt ihr’3, was ich beginne, Elemente? 
Bleich glänzt der Mond, und furchtiam flieh'n 
Die Wolken unter ıbm dahin. — 


20 — 


* 


(Er tritt wieder zurüd, nimmt den Ööflenzwinger, einen mit Ketten umwundenen 
Folianten, au& dem Berichluß uud legt ihn auf den Tiich.) 


Laßt fliehen! 
— Nufichlag’ ich es, das Buch der Tiefe — 
(Er ichlägt den Höllenziwinger auf, sogleich erliicht das auf feinem Tifche brennende 
Wachslicht.) 
Was da? Erlöſcht das ird'ſche Licht? Meinethalben! 
Nichts konnt' es bei zahllofen Nachtwachen, 
Am Pulte überſtanden, mir erhellen. — 
Ein andres, ew'ges Licht, aus jenen Schachten, 
Worin die Mittagsionne ſich auf ſtets 
Verdunkeln würde, ruf’ ich mir zu Dienften! 
Herauf und leuchte mir! 

(An der Stelle, wo Fauſts Yicht erlojchen ift, steigt eine glutrote Flamme auf und 
leuchtet ihm während der ganzen folgenden Scene. Fauft faßt ſich wie ſchwindelnd 
an die Stirn.) 

Weh’! Funken der Hölle! 
Bin ich verloren? 
Mut! Mut! Vorwärts! 
(In den Hollenzwinger blickend.) 
Welche 
Schriftzüge! Sch, ich jelbit war’s, der fie malte — 
Und jest; — Verwünſcht, der Mienich erkennt nur daun 
Wenn er’s bereits gethan bat, das was er 
Gethan, und Teufelshände 
Sind öfters unfichtbar im Spiel! — 
(Wieder im Anjchauen des Buchs verloren.) 
Wie giftiges Gewürme windet, dreht 
Sich's hier, — dazwijchen jchwefelhafter Schimmer! 
O Unheil und Verzweiflung! Was find Tiger? 
Was find Alligatoren, Krokodile? 
Nichts! Nichts! 'ne Albernheit, ein wahrer Spaß 
Hiergegen! — Dampf ummeht mich, den Fein fterblich 
Gemüt erträgt! (om Buch auffahrend und in die Leere ftarrend.) 
Sch Sehe fie! Die Pforten 
Der Hölle! Ehern, brennend heiß, vom euer, 
Das hinter ihnen lodert, hoch gerötet 
Gleich glüh'nden oder überſchminkten Wangen 
Der Jungfraun oder Huren! — Alles eins! 
Weh' dem, der je zurückblickt! 
Anklopf’ ich, bebt die Erd’ auch auf! — Adien, 
Shr Engel, lieben Kinder, dute Nacıt! 
Fort mit den Träumen, womit ihr mich oft 
Umpgaufelt habt und bitterlich getäufcht, — 
Erwachen, willen, daß ich wach bin, will 
Sc, jei es auch durch Stich der Höllenqualen! 
(Feierlih und jehr ernit, die Hand auf den Höllenzwinger gelegt.) 


a = 


Zatan! Ber jenem Namen, welcher dir 
Allein gebührt, vor dem du ftets erbleichit, 
Der ewig donnernd dir im Herzen rollt, 
Den nie ein Menſch gehört, der größer iit 
Als Du, der du ihn trägst, der bier gezeichnet 
Steht, ruf’ ich dich, erichein’, erichein’ und leiſt' 
Dir deine Dienitel (Wieder it die Leere ftarrend.) 
Ha! Auseinander fahren 

Die Schredenspforten! — Welch' Geraffel! — 
sin Flammenſtrom ftürzt ein auf meine Bruſt — 
Armſel'ge Flammen — ihr, ihr wärt's, mit Denen 
Die Gottheit die Verruchten droht zu ſtrafen? 
O, meine Bruft brennt heißer, als wie ihr! 
Doch Shan’! Da kommt es! Kommt es! Cine Schlange 
Dit gelbem Auge — ſchuppig — mit dem Schweif 
Die Sterne peitichend und den Tartarıs, 
Beweat fich ber — die Yuft wird mir zu enge — 
Ah kann nicht atmen — ſchon umklammert 
Tas Ungeheuer mein Haus, mich von der Welt 
Ablondernd, wie der Meeresarm das fern 
Entlegne Eiland! 

(Die Glocke ſchlägt zwölf Uhr Nachts. Fauſt horcht auf.) 


Weh' mir, dieſes war 
Der legte Klang, der, hoch vom Turm mir aus 
Der Menschheit Kreis entgegenichallt! — Sie hat 
Seichlagen, meine fegte, unter Menichen 
Menichlich verlebte Stunde! 


Es wird dreimal ftart an die Thür gepocht, jedesmal begleitet von einem heftigen 
Tonnerichlaae.) 


Horh! Das find 
Die Glockenſchläge, die ich fortan höre! — 
(Er naht, der Feind! — Nicht Hülfe ruf’ ih! — Eher 
In Tod und Ohnmadt, als in Furcht! — Herein! 
(Er ftürzt ohnmächtig ouf einen Seſſel.) 


Bierter Alt. 
Dritte Szene. 
(Montblanc. Zimmer im ZJauberfchloife des Fauſt.) 
Faust (tritt auf). 
Mas ich wünsche, muß ich haben, oder 
Sch ſchlag's zu Trümmern! Wenn ich Ihmadte, 
Sei's nad der Liebe oder nad) dem Himmel) 
So werd’ ich nicht, wie manche Sehnſuchtsnarren 
Rom Schmachten jatt und freu’ in füßlicher 
Melancholie und Selbitzufriedenheit daran mich, - — 


— 2) — 
Pre) 


Nein, nein, da halt’ ich's Lieber mit dem Tiger, der 
Sp lange Hunger fühlt, bis er der Speiſe 
Genug bat, und den Raub zerreißt, 
Auf den er lauert. — Muß man denn zerreißen, 
Um zu genichen? Glaub's fat, wegen der 
Nerdauung. Ganze Stüde ſchmecken ſchlecht —, 
Mir ſagen's Scel’ und Magen. 
Nie denn? Sie 

(D, welchen Inbegriff von Schönheit, Anmut 
Vezeichnet dieſes Sie! Was kann ein Wörtchen 
Bedeuten! Sie den Don Juan im Herzen, 
Sie, meine Einz'ge einen Andern? -- Als 
Die dunklen Locken ihres Haupts elektriſch, 
Gleich Wetterwolten, meinem Aug’ zuerit 
Zorichwebten — war's ein Zeichen, dab des Tages Schwüle 
Erſt nun mir mabte? Als mich, zwiichen Höll' 
Und Himmel irrend, jener Golfſtrom, der 
Aus ihrem Blick in Feuerfluten ſtrömt, 
Aus falten Schlamm, von der Verzweiflung Meer 
Umflutet, losriß, und acläntert an 
Der Wellen Oberfläche fpülte, -— war 
Es darum, daß ich itatt in freier Wüſte 
Des Alls mich zu verlieren, hingeriſſen 
Zu eines Mädchens Füßen, da zerſchmetterte? — 
Sie liebt mich nicht! Schon das ift Tod! Dod fie 
Liebt einen Andern — das it die Hölle! Floh 
Sch darum zu dem Satan, dak das Glück 
Ich ſähe, doch es nicht erreichte? — Und 
Mer iſt die Närrin? Vielen Geiſt verfpürt’ 
Sch nicht an ihr. Wenn Tugend für Verſtand 
Kann gelten, mag fie flug genug fein, und 
Ihr Körper, — nun, ſie iſt ein treffliches 
Gewächs, die Haut recht fein und weiß, das Haar 
Recht braun, — was jagt Das alles? Tauſend Weiber 
Sind dennoc ſchöner, als wie fie. — Und wer 
Bin ich denn? — Ach bin Faust, der himmelſtürmende 
Sigante, bin es, den die Schreckniſſe 
Der Unterwelt umfleiden. 

Und fie, — fiel — Ad, 


Sie iſt das Mädchen, das ich zärtlich liebe! 
Das Herz! Das Herz! Vernunft iſt rein und Elar, 
Doch aus dem Herzen fteigt der Sturm, 

Der fie verdunfelt. Wer geliebt, gehakt, 

Gehofft bat und gefürchtet, Gott verlaffen, 

Dem Teufel fich verichrieben, — in dem Herzen 

Hat’s ihm geflopft, da Scholl der Hammerſchlag, 
Der feines Wahniinns Schwerter fchniiedete, 

Da quoll der Dampf, und ſprühten all’ die Funken, 


vC_nnolo 
KIN < 


Die ihn bethörten! — 
Und mag’s inner sein, 
Taf fie mit Grund ihn vorgezogen. Nicht 
Erduld' ich ibre Kälte länger, nicht gewöhn’ 
Ich mich, gleich einem Hunde da zu ſchmeicheln, 
Wo man mich mit dem Fuß aurüditoßt Laut 
Hohnlachend warf ich Kunſt und Witfenichaft 
Beiſeit', als ich fie ſah. Ach tötete 
Mein Weib — und fie bermirft mich? 
Donna Anmna ftrit auf und erblickt den Faufı). Ha, 
Da Steht er! War’ Don Juan der Wetteritrahl, 
So ſchnell und feurig, als (daß zur Schmach ich's nur geitehel) 
Entzückend, jo iit Gr die Wetterwolke, 
Kein Blitz zwar, aber voll von Bligen, — ſcheuen, 
Nicht lieben kann man das Metter! 
Sc ſeh', es wird bald 
Zermalinend fid) entladen; doch was wär’ 
Zugend, könnte fie je zittern? Seit 
Dit ftolzem Haupte tret'ih vor ihn hin! 
Fau ſt (zu Donna Anna). Will 
Denn nie die Trauer enden? Zeit wär's endlich! 
Donna Anna. Xaß mich frei, wenn du Chre haft. 
Fauſt. Ich habe 
Die Kraft, und Kraft jchafft felbit ſich Ehre. 
Tonne Anna. Ehre 
Wird nicht geſchaffen. Aechte Kraft entſteht 
Aus ihr wur. 
Faust. Nach Belieben. — Ehre, Kraft — 
Sie Ichaffen, ichaffen nicht. — Sentenzen kehrt 
Man um wie Handſchuhe, — fie tragen ſich 
An beiden Seiten. Dod du redeit nad) 
Der Denfart deines Vaters. 
Donna Anna, Welder Ruhm, 
Gleich ibm zu denken und zu handeln! 
Fauſt. Sein Ruhm! 
Weshalb giebt's Zeit, giebt'3 Jahre, giebt es Stunden? 
Die Jüngern ſollen weiſer werden, wie 
Die Alten, — Kindet klüger, als der Vater, — 


Doch Alles eins. — 
Warum liebſt du den Don 

Juan ? 

Donna Anna Du fragit? Wenn ic ihn liebte, — giebt's 
Denn bei der Liebe ein Warum? — Es funfelt 
Die Zonne, tanbeperlte Fluren strahlen 
In ihrem Glanze, aus der Nacht zuct wild 
Und frei der Blitz hernieder, Roß und Reiter 
Erſchlagend — und wer fragt warum ? 

Fauſt. Ich! 


4 — 


Donna Anna. Frei 
Die Liebe, Sklaverei der Haß. 
Fauſt. Und haffeit 

Du Ton Juan? 

Donna Anna. Ne feur’ger ich ihn liebe, 

So heißer haſſ' ich ihn! 

Faust. Wie? Schlafen Haß 

lind Lieb’ in Einem Bufen? 

Donna Anna Schläft der Löwe 

Nicht in der Sonne? 

Faust. Da, er thut's, und er 

Sit aufgewacht in mir! Biſt du ein Fels, wahrlich, 

sch bin es aud. Laß fehen, wie wir uns 

Begegnen. Du berwirfit mich? Und biit du 

Der Engel Eriter, ih verwerf' dich wieder! 

Der Attila, der Grderoberer, ftürmt durch 

Die Lande, — fie find feine einz’ge Freude. — 

Sehnjüchtig ftredt er jeine Hand 

Nach ihnen aus, — fie weigern fi. — Er wirft 

Sie unter feiner Roſſe Hufen, pflanzt 

Die Feuerflamme als feine Fahne auf 

Und läßt von Horizont zu Horizont 

Sie ſich entfalten. Er vernichtet doc, 

Wenn er auch nicht erobert. Und du wähnit, 

Daß ich, der Welterob’rer, milder wäre? 

Nur eine Silbe brauch' ich auözuiprechen, 

Und tot finfft du zu meinem Fuß! — Du jchmweigit? 
Donna Anna. Sch denke meines Vaters und Oftabios. 
Faust. Die ftör’ ich in der Seligfeit des Himmels. — 

Du ihmweigit? 

Donna Anna. Nicht wert bift du der Antwort. Wärit du 

Kein Räuber und Entführer, — rathen würd’ 

Ich dir: mit Troße nicht, mit Anmut Mädchen 

Zu nahen. 

Fauſt. Das jag’ jedem Andern, 

Doc nicht dem Fauſt. Huld, Anmut find nur Schalen, 

Die Mahrheit it der Kern. Nicht ichmeicheln, beugen 

(Selbit vor Gott nicht) kann ich — doch mit Kraft 

Und Tod (icon hab’ ich es gethan) vermag 

Ic zu beweiien, wer ich bin, — willſt du mein jein? 

Sch warne dich! — Der Tod, der zudt Schon längſt 

Auf meinen Lippen, und du weißt, den Lippen 

Entfällt gar leicht das Unheil! 

Donna Anıta (von Fauft weggewandt, emporblidend). Du, 

Der Tugend goldne Blume, winde dich 

Um meine Scheitel, laß mid) fallen ala 

Dein Opfer! 

Fauſt. Mas ich jagte, jagt’ ich, es 


Bollführend, weil id e8 gejagt! — Beben! das — 
Mir bebt der Mund. Nicht Die Minute mehr 
Seufz' ich um dich, die ich mit einem Wort 
Zertrümmern kann. — Nie jeufzt’ ich, ohne 
Daß ich mich rächte! Haſſeſt du mich? 
Donna Anne Ja! 
Fauſt. Stirb! 
Donna Anna MWeh’ mir, — ich vergehe! «Sie ftirbt.) 


- 


— 


Die Hermannsihladit. 


Gin Drama. 


— 


u), 
Fuß der Grotenburg. 


Die 18., 19. und 20. Legion in Marjchordnung. 
Kriegsmuſik. 


Varus (geht durch die Reihen). Dein Schwert! 

Yegionär. Bier! 

Rarus Die Klinge hat Noit. 

Legionär. Gingefrejlenes Blut. Weiß nicht mehr, aus welchen 
Gefecht. Es iſt nicht abzumaicen. 

Varus. Zeig' mir die Bruſt. Sie atmet ſchwer. — Viele 
Wunden. — Doch das Hemd iſt grob und ſchlecht. 

Legionär. Es ward mir fo geliefert. 

Narıd. Es wurden mir ichönere Proben gezeigt. (Zu zwei Lit— 
teren), Verhaftet Die betreffenden Lieferanten! Jene Drei, die da 
von fern ängitlich meiner Muſterung zuſehn, find es — und beichlagt 
ihr Vermögen. «Gr geht weiter.) Deine offne Narbe an der Linken 
Schläfe? Weshalb brauchſt du feinen Wundarzt, Alter? 

Zweiter Legionär. Bleibe fie lieber friih und offen, als 
dab die Aerzte fie fliden und verpfufchen. Ich empfing fie jenes 
Morgens, als der göttliche Julius am Rubikon zauderte und jann, und 
wir lange unter den Pfeilen der gegenüberitehenden Pompejaner auf 
feinen Entſchluß zu warten hatten. 

Varus (areift für einen Augenblick grüßend an feinen Helm). Alle Ehre 
Deiner Narbe. Sie tft eins der Kommata der Weltgeſchichte. (Zu einem 
dritten &eniondr.) Was beugt du dein Haupt? 

Dritter Legionär Aktium. 

Varus sür fi). ES wäre ein endlos Gefchäft, weiter zu fragen. 
Fat alfe die beeiften Häupter tragen in Narben die Schriftzüge ihrer 
Ziege, Und diefe Heroen mit Knochen aus Erz und Haaren von 


BB 


Eilber muß ich gegen das nordiiche Gepack und ſein abſcheuliches 
stlima verwenden? — Mchtzehnie, Neunzehnte, Zwangzigite, ihr Drei 
eriten Kriegsdiamanten des Reichs, wetteifert nur untereinander, und 
Sermanta it unier. 

Gin Duäftor kommt. Die Bundestruppen find gemustert und 
gezählt. Siebenzigtaufend Dann. 

Barus. Das Fußvolk? 

Quäſtor. Buntes Gemengiel. Der eine trägt Hirichgeweih 
oder Nuerbahnsfedern und dergletchen auf dem Kopf, der andere hat 
in einen Knoten zuſammengeſchürztes Ktopfhaar, dem dritten weht es 
loſe wie Mähnen um die Schläfe, der vierte hat einen verrofteten 
Keſſel jo aufgeitülpt, dab man jein geitreiches Geſicht kaum ſieht, 
und die übrige Uniform beiteht aus Röcken von Luchs-, Bär- und 
Elentier-Fellen, und ich weiß kaum, was ſonſt nod Alles, immer 
quer und toll Durcheinander. 

Varus. Die Reiterei? 

Quäſtor. Der kann man ihren Aufputz und ihre MWildheit 
verzeihen. Unſere Turmen find Federwiſche gegen Die bergauf und 
bergunter fliegenden Schaaren. Jeden Augenblick glaubt man, das 
Volt bräde den Hals, und es kümmert fih int rajenditen Galopp 
höchſtens um die Kinnfetten feiner Gäule. 

Varus. Dieie Neiterei hat jogleich der unfrigen ſich anzuſchließen. 
(Der Quäfter ab. Hermann kommt.) Du zögerſt lang. 

Hermann. Ich grüßte erit mit ein paar Morten zu Haufe. 
Dann machte ich noch dieſe Wegkarte nach dem Harz, ſchickte weit 
umber nach Hilfe, jelbit bis zu den auf ihren im Meer bebenden 
Ländern wohnenden Chanken. Meine Nachbaren, die Marier umd 
Brufterer, find natürlidy nicht die legten, die ich einlwd. Mon dem 
Nhein kommen uns auch die Übier und die tapferen tenftriichen Reiter 
zu Hülfe. Kurz, bald iſt mehr als halb Deutichland, um euch feinen 
übermütigen Reit überwinden zu helfen. 

Varus. Dein Eifer für die aute Sache verdient alles Lob. 
Wie ſehr beförderit du dadurch in diefen Yanden die Humanität und 
Ziviliiation. 

Hermann für ih). Humanität? Gin Zateiner und Eroberer hat 
doch prächtige Ausdrüde für Tyrannei. Zivilifation? Das lautet 
Ihon richtiger, denn ich will euch zivilifieren und bei uns einbürgern, 
feit, ficher, drei Fuß tief in die Erde und Hügel von acht Fuß darüber. 
Oder noch befler, euer Fleiſch den Raben, enre Knochen dem Regen, 
das ſie gebleicht werden, wie das beſte Garn. 

Römiſche Soldaten. Donnert's? 

Hermann. Nein. Mein Stallknecht brummt, weil er einen Ver— 
weis bekommen hat, daß er den Sattelriemen nachläſſig zuknöpfte. 

Varus. Scone er fünftig feine ungeheure Lunge. Brumm— 
fliegen tötet man leicht unverjehens. — Vorwärts, marjch! 

Herma nn (blicdt auf die an ber Heeresitraße marfchierenden Römer). Die 
—— Schurken! Wie ſie unſern edlen Boden mit fremdem 

affenprunk beflecken! (Er ſieht ſich um) Deutichland, verlaß mich nicht 


— — 


mit deinen Fluren, Bergen, Thälern und Männern! Ach kämpfe ja 
nur deinethalb: Die Feinde ſollen deine Waldungen nicht zum Schiffs— 
ben zerſchlagen, Div Deine Herrlichkeit, deinen Söhnen ihr Blut und 
ihre Freiheit nicht nehmen! Du mit ewigem Grin prangender Rhein, 
du dDommernde Donau, du, meine Meier, und du, leuchtende Glbe, Die 
ihr alle in Fo vielen Sclahten uns zur Seite war't, helfende, 
bligende, unendliche Schwerter, — ihr ſolltet ipeichelledend fluten unter 
dent Brückengekett' des Nömers? Nein, wir find dankbar und werden 
euch erlöten. 


—X 


uzec 


b y Google 


Otto Jacobi, 


(Piendorym: Otto vom Ravensberg), 
geboren 1803 zu Bielefeld, tarb als Stadtgerichtsrat in Berlin im Jahre 1855. 


Dichtungen: Buondelmonte. Trauerfpiel in 5 Akten. Ratibor 1833. — 
König Hiarne. Trauerjpiel ins Akten. Berlin 1835. — Der böhmiſche 
Krieg. Tragödie in 5 Akten, bes breigigjährigen Krieges 1.T. Ebd. 1836. 
— Riharbetto. Drama in 1 Alt. Leipzig 1835. — Mansfeld und 
Tilly. Tragödie in 5 Alten. Berlin 1840. — Guftap Adolf und 
Wallenitein. Tragödie in 5 Alten. Ebd. 1540. — Gedichte. Ebd. 1853, 
— König Erich von Schweden. Traueripiel in 5 Aften. Ebd. 1356. 


(Gedichte. Berlin 1853. Geiftliche und weltliche Lieber.) 


Srühlingsanfang, 


Lenz iſt fommen, jung und jchön, 
Alles grünt und blüht: 
Holde Früblingslüfte wehn 
Mir auch durchs Gemüt. 


Auf der buntgeſchmückten Au 
Hüpft der Sonne Schein, 

Und der Himmel leuchtet blau 
Mir ind Aug’ hinein. 

Frohe Lieder ichallen weit, 
Wach find — und Thal: 
Meine Luſt und Freudigkeit 
Gleicht dem Sonnenſtrahl. 

Lieder, Lieder meiner Bruſt, 
Singt es fröhlich nach! 

Ihre Weiſ' iſt meine Luſt, 
Golden glänzt der Tag. 


=; 
*, Nach Fr. Brümmers Deutfchem Dichterlerifon. Eichftätt u. Stuttgart. 1876. 


nn — — —— 


ur, Bir 


Moilieder. 


1: 

Blühe, blüh’, o holder Mai! 
Blühe mir ohn’ Ende! 
Jeder deiner Blumen jei 
Eines Liedes Spende! 

Jedes Lied ein duftig Blatt 
An dem vollen range, 
Daß mein Auge Freude hat 
An dem reinen lange. 


Jede Perle Tau’ ein Wort 
Auf den keuſchen Lippen, 
Das die fleiß'gen Bienen fort 
Gleich dem Honig nippen. 


Jeder Nachtigallenſchlag 
Ton aus meinem Herzen, 
Und der Hain- ein Roſenhag 
Meiner Lieb' und Schmerzen! 


5 


(Balladen, Volkslieder und Romanzen.) 


Der Maler Stella. 


Traurig figt der Maler, traurig 
Stella in des Kerkers Haft; 
Nacht umhüllt ihn, bang und fchaurig, 
Und ſchon ſchwindet ihm die Kraft; 
Ach, fein Lager darf er fodern, 
Und jein Bett ift harter Stein! 
Unter jeinen Füßen modern 
Fühlt er Schädel und Gebein. 


Aus dem feuchten Boden fteigen 
Gift'ge Dünfte rings empor, 
Und im bleichen Flammenreigen 
Hüpft um ihn der Geifter Chor, 
Dumpf der Mörder Ketten Elivren, 
Und ihr Atem röchelt jchwer; 
Un den nadten Wänden fchwirren 
Eu’ und Fledermaus umher. 


Aber kann das Leid ihn drücden? 
Er ift rein ja, ohne Schuld! 
Hülfe wird der Himmel jchiden; 
Harre gläubig in Geduld! 


— 0 — 


„Heil'ge Mutter, Mutter ſende 
Deine Engel, ſchön wie du! 
Heil'ge, willſt du, o ſo wende 
Du mir deine Hoffnung zu!“ 


Und er betet; fteh, da lichten 
Sic die Räume heil und Kar, 
ie von himmlischen Gefichten 
Noch kein Raum erleuchter war! 
Und es dehnen fich die Wände, 
Zu den Wolfen Hoch hinaus 
Bauen unfichtbare Hände 
Ueber ihm ein Gotteshaus. 


Die gefrönten Pfeiler ſchwanken 
Mäctig ob des Malers Haupt; 
Durch die Gitterfeniter ranfen 
Blumen fnosvend, zart umlaubt, 
Und die Bogen und die Pfoſten 
Tragen das gewölbte Dach; 

Ein Altar eriteht im Diten, 
Und das Heiligite darnach. 


Stella fteht's, und zitternd wanken 
In Entzückung ihm die Knie”, 
Schaut die Mutter in Gedanfen 
Mit dem Himmelsfnaben bie, 
Schaut um fie die Heil’gen alle, 

Ad, und fühlt die Schmerzen nidt! 
Taghell ſtrahlt die dunkle Halle 
Durch der eignen Mugen Licht. 


Schnell das Wumderbild zu faſſen 
Strebt er auf dem nadten Stein; 
Aber hülflos und verlafien 
Sieht er ſeufzend fich allein. 

Pinſel und Balette fehlen, 
Farben der geübten Hand, 
Das Gebilde zu beieelen 

Auf der unbelebten Wand. 


Doc er ruht nicht, eine Kohle 
Hebt vom Boden er empor, 
Von dem Gipfel bis zur Sohle 
Zeichnet er den Hohen Chor, 
Zeichnet mit den Meiiterhänden 
Schön die Mutter jamt dem Kind, 
Ihre Gnadenblicke ipenden 
Segnend Troſt ihm ſüß und lind. 


— 


Auf den Wolken leicht hinüber 
Schwebt ihr ſanftgetrag'ner Fuß, 
Und die Engel hoch darüber 
Bringen ihr den Himmelsgruß. 
In den Armen hält ſie deutend 
Fromm den Knaben an der Bruſt, 
Und die heil'ge Schar geleitend 
Folgt ihr nach mit ſel'ger Luſt. 


Staunend vor dem Wunderbilde 
Steht der Meiſter noch entzückt, 
Schaut die himmliſchen Gefilde, 
Selbſt der Erde ſchon entrückt: 
Durch die engen Mauerjpalten 
Schimmert heil der Tag herein, 
Ihm das Bild nun zu entfalten 
In der Morgenſonne Schein. 


Sich, da öffnet jich die Pforte, 
Die auf eh’rner Angel rauscht, 
Io geheim am ftillen Orte 
Lang der Wächter ſchon gelaufct. 
Und der Richter fieht, o Wunder! 
Sicht den Maler jo beglüdt, 

Und die Mörderſchar darunter, 
Die fih vor dem Heiland bücdt. 


Lieſt das ſchreckliche Verbrechen 
Klar auf ihrem Angejicht, 
Die entitellten Züge Sprechen 
Das lebendige Gericht. 
Alle Höllenqualen treiben, 
ut, Verzweiflung, fie umher: 
Denn der Race Furien fchreiben 
Ihr Vergehn mit Blute fchwer. 


Doch der Maler vor dem Bilde 
Ruht in fel’ger Hoffnung Schoß; 
Denn ihm dienet Gott zum Scilde, 
Ihm erblüht der Frommen Los. 
Und der Richter ftaunt und rufet: 
„Diefer iſt der Schuld’ge nicht! 
Himmliſche, Ihr jelber ichufet 
In dem Sculd’gen das Gericht!” 


=); 





Serdinand Sreiligratb, 


geboren am 17. Juni 1810 zu Detmold, bejuchte bis zu jeinem fünfzehnten Kebensjabre 
das dortige Gymnaſſum und fchlug darauf gegen feine Neigung, durch Derhaltnifie 
gezwungen, die faufmännifche Karriere ein, welcher er bis zum Jahre 1859 treu blieb 
und fie dann verlief, um fich lediglich der Poefie zu widmen, Auf Das vom König 
sriedrih Wilhelm IV, ihm 1842 verliebene Jabrgehalt verzichtete er wegen feiner 
freibeitlichen Gefinnungen im Jahre 1844. Nach furzem Aufenthalte in Belgien, der 
Scdyweiz und London fehrte er 1848 nach Deutjchland zurück, mußte fein Daterland 
aber 1851, politiſch fompromittiert, wieder verlaffen und feine abermalige Zuflucht in 
£ondon fuchen. Seit 1868, da eine allgemeine Umneftie für politifche Verbrechen ihm 
die Räckkehr ermöglichte, nahm er feinen bleibenden Aufenthalt in Deutichland, von 
feinem Dolfe gefeiert und durch eine freiwillige Dotation geehrt. Er ſtarb am 18. Marz 
1876 zu Kannjtadt, 


Didtungen: Gedichte. Stuttgart u. Tübingen 1833. 2%. Aufl. 1569. — 
Gedicht zum Beften bes Kölner Doms. TDarmitadt 142. — Mein 
Slaubenäbefenntnis. Zeitgedichte. Main 154. — Ga ira. 
Sechs Gedichte. Herifau 1846. — Zwiſchen ben Garben. Stuttgart 
u. Tübingen, 1847 u. 1849. — Neuere politijhe und foziale Beit- 
gedichte Heft 1. Köln u. Düffeldorf 1349. Heft 2. Braunſchweig 
1550. — Sämtliche Didtungen. Stuttgart 1871. 2. Aufl. 1872. 


(Sämtlihe Dichtungen. 2. Aufl. Stuttgart 1872.) 
(Bermifchte Gedichte.) 


Bilderbibel. 


Du Freund aus Kindertagen, 
Du brauner Foliant, 
Oft für mich aufgeichlagen 
Von einer lieben Hand; 
Du, deſſen Bildergaben 
Mich Schauenden ergößten, 
Den jpielvergefi’nen Knaben 
Nah Morgenland verſetzten: 


_ 88 


Du ſchobſt für mich die Niegel 
Bon ferner Zone Pforten, * 
(Sin fleiner, reiner Spiegel 
Yon dem, was funfelt dorten! 
Tir Danf! Dur dich begrüßte 
Mein Aug’ eine fremde Welt, 
Sah Palm’, Kamel und Wüſte 
Und Hirt und Hirtenzelt. 


Du bradteit jie mir näher, 
Tie Weifen und die Helden, 
Wovon begeifterte Seher 
Im Bud) der Bücher melden; 
Die Mädchen, jchön und bräutlich, 
So ihre Morte ichildern, 
Ich ſah fte alle deutlich 
In deinen feinen Bildern. 


Der Patriarchen Leben, 
Die Einfalt ihrer Sitte, 
Wie Engel fie umichweben 
Auf jedem ihrer Schritte, 
Ihr Zieh'n und Herdentränfen, 
Das hab’ ich oft gefehen, 
Konnt' ich mit ftillem Denken 
or ihren Blättern ftehen. 


Mir tft, als lägſt du prangend 
Dort auf dem Stuhle wieder; 
Als beugt’ ich mich verlangend 
Zu deinen Bildern nieder; 

Als jtände, was vor Jahren 
Mein Auge ftaunend jah, 
In friichen, wunderbaren, 
Erneuten Farben da; 


Als ſäh ich im grotesken 
Verworrenen Geſtalten 
Aufs neue die Moresken, 
Die bunten, mannigfalten, 
Die jedes Bild —— 
Bald Blumen, bald Gezweig, 
Und zu dem Bilde paßten, 
An ſinn'ger Deutung reich. 


Als trät' ich, wie vor Zeiten, 
Mutter bittend hin, 
aß ſie mir ſollte deuten 
Jedweden Bildes Sinn, 
Sartmanı, Scagfäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 


— 34 — 


Als lehrte zu jedem Bilde 
Sie Sprüche mich und Lieder, 
Als ſchaute ſauft und milde 
Der Vater auf mich nieder. 


O Zeit, du biſt vergangen! 
Ein Märchen ſcheinſt du mir! 
Der Bilderbibel Prangen, 

Das gläub'ge Aug’ dafür, 

Die teuren Eltern beide, 

Der ſtillzufriedne Sinn, 

Der Kindheit Luft und Freude — 
Alles dahin, dahin! 


u 


=, 


(Zwiihen den Garben.) 


Der Liebe Dauer, 


O lieb’, jo lang’ du lieben kannſt! 
O lieb’, fo lang du lieben magit! 
Die Stunde kommt, die Stunde fommt, 
Wo du an Gräbern ftehft und Elagit! 


Und forge, daß dein Herze glüht 
Und Liebe hegt und Liebe trägt, 
So lang’ ihm noch ein ander Herz 
In Liebe warm entgegen Ichlägt! 


Und mer dir feine Brust erfchließt, 
O thu' ihm, was du fannit, zu lieb! 
Und mah’ ihm jede Stunde froh 
Und mac’ ihm feine Stunde trüb. 


Und hüte deine Zunge wohl, 
Bald iſt ein böfes Wort gelagt! 
O Gott, es war nicht bös gemeint, — 
Der Andre aber geht und Hagt. 


O lieb’, fo ne du lieben kannit! 
O Lieb’, jo lang’ du lieben magft! 

Die Stunde fommt, die Stunde kommt, 
Wo du an Gräbern ftehft und Elagit! 


Dann knieſt du nieder an der Gruft 
Und birgit die Augen, trüb und naß 
— Sie jehn den andern nimmermehr — 
Ans lange, feuchte Kirchhofsgras. 


Er 


Und ſprichſt: O ſchau' auf mich herab, 
Der bier an deinem Grabe weint! 
- ieb, daß ich gefränft dich hab’! 
ott, es war nicht böf’ gemeint. 


= aber fieht und Hört dich nicht, 
Kommt nicht, dak du ihn froh umfängft; 
Der Mund, der oft did küßte, ſpricht 
Nie wieder: ich vergab dir längſt! 


Er that’3, vergab dir lange ſchon, 
Doch manche Heike Thräne fiel 
Um dic) und um dein herbes Wort — 
Doch ftill — er ruht, er ift am Ziel! 


O lieb’, jo lang’ du lieben kannſt! 
O lieb’, fo lang’ du lieben magft; 
Die Stunde kommt, die Stunde kommt, 
Wo du an Gräbern ftehft und klagſt! 


5 


Ruhe in der Geliebten. 


1840. 


So laß mich figen ohne Ende, 
So laß mid) figen für und fürt 
Leg’ deine beiden frommen Hände 
a die erhigte Stirne mir! 

Auf meinen Knie'n, zu deinen Füßen, 
Da laß mich ruh’n in trunfner Luſt; 
Laß mid das Auge jelig ſchließen 
In deinem Arın, an deiner Bruft! 


Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, 
Der deines wunderbar erhellt; 
"Sn dem ic) rafte nun für immer, 
O du mein Leben, meine Welt! 
Lak e3 mich öffnen nur der Thräne, 
Die brennend Heiß “ ihm entringt; 
Die Hell und Luftig, ich's mwähne, 
Durd) die geſchloſſ'ne Wimper dringt! 


So bin id — ſo bin ich ſtille, 
So bin ich ſanft, ſo bin ich gut! 
Ich habe dich — das iſt die Fülle! 
Ich habe dich, — mein Wünſchen ruht! 


3* 


— 36 — 


Dein Arm iſt meiner Unraſt Wiege, 
Vom Mohn der Liebe ſüß umglüht; 
Und jeder deiner Atemzüge 

Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied! 


Und jeder iſt für mich ein Leben! 
J ſo zu raſten Tag für Tag! 

u lauſchen jo mit ſel'gem Beben 
Auf unſrer Herzen Wechſelſchlag! 
In unſter Liebe Nacht verſunken, 
Sind wir entflohn aus Naht und Zeit: 
Wir ruhn und träumen, wir find trunfen 
In ſeliger Verſchollenheit! 


6 


Bermiſchte Gedichte.) 
Im Walde. 


Geh' ich einſam durch den Wald, 
Durch den grünen, düſtern, 
Keines Menſchen Stimme ſchallt, 
Nur die Blumen flüſtern: 


O, wie wird mein Herz ſo weit, 
Wie ſo hell mein Sinn! 
Märchen aus der Kinderzeit 
Treten vor mich him. 


Ja, ein Zauberwald iſt hier, 
Was hier lebt und wächſt, 
Stein und Blume, Baum und Tier, 
Alles iſt verhext. 


Die auf dürren Laubes Gold 
Sich hier ſonnt und ſinnt, 
Dieſe Natter, kraus gerollt, 

Iſt ein Königskind. 


Dort in jenen dunklen Teich, 
Der die Hindin tränkt, 
Iſt ihr Palaſt, hoch und reich, 
Tief hinab geſenkt. 


Den Herrn König, ſein Gemahl, 
Und das Burggeſinde, 
Und die Ritter allzumal 
Halten jene Gründe; 


— 37 


lind der Habicht, der am Rand 
Des Gehölzes jchwebt, 
Iſt der Zaubrer, deſſen Hand 
Dieſen Zauber webt. 


O, wüßt' ich die Formel nun, 
Die den Zauber löſt: 
Gleich in meinen Armen ruhn 
Sollte ſie erlöſt, 


Von der Schlangenhülle frei, 
Mit der Krone blank, 
In den Augen ſüße Scheu, 
Auf den Lippen Dank. 


Aus dem Teiche wunderlich 
Stieg' das alte Schloß; 
Ans Geſtade drängte ſich 
Ritterlicher Troß. 


Und die alte Königin 
Und der König, beide, 
Unter ſamt'nem Baldadhin 
Säßen fie; der Bäume Grün 
Sitterte vor ‚Freude. 


Und der Habicht, jegt gewiegt 
Vom Gewölk und Winden, 
Sollte machtlos und befiegt 
Sid im Staube winden. 


Waldesruhe, Waldesluſt, 
Bunte Märchenträume, 
O, wie labt ihr meine Bruft, 
Lockt ihr meine Heime. 


Ss 


(Tagebudhblätter. Sommer 1832.) 


Die Auswanderer. 


Ich kann den Blick nicht von eucd wenden, 
Sch muß euch anſchau'n immerdar; 
ie reicht ihr mit geichäft’gen Händen 
Den Schiffer eure Habe dar. 


Ihr Männer, die ihr von dem Naden 
Die Körbe — mit Brot beſchwert, 
Das ihr, aus deutſchem Korn gebaden, 
Geröſtet habt auf deutichem Herd; 


— — 


Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe, 
Ahr Schwarzwaldmädchen, braun und ſchlank, 
Wie ſorgſam ftellt ihr Krüg' und Töpfe 
Auf der Schaluppe grüne Bank! 


Das find diejelben Töpf’ und Krüge, 
Oft an der Heimat Born gefüllt; 
Wenn am Miffourt alles ſchwiege, 

Sie malten euch der Heimat Pild. 


Des Dorfes fteingefaßte Quelle, 
2 der ihr ſchöpfend euch gebückt, 
es Herdes traute Feueritelle, 
Das Wandgeſims, das fie geihmüdt. 


Bald zieren fie im fernen Weiten 
Des leichten Bretterhaufes Wand; 
Bald reicht fie müden, braunen Gäften, 
Noll friſchen Trunfes, eure Hand. 


Es trinft daraus der Ticherofeie, 
(Srmattet, von der Jagd beitaubt; 
Nicht mehr von deuticher Rebenlefe 
Tragt ihr fte heim, mit Grün belaubt. 


O ſprecht, warum zogt ihr — ———— 
Das Neckarthal hat Wein und K 
Der Schwarzwald ſteht voll nftrer Tannen, 
Im Speflart klingt des Nelpler8 Horn. 


Wie wird es in den fremden Wäldern 
Euch nad der Heimatberge Grün, 
Nach Deutichlands gelben Weizenfeldern, 
Nach feinen Rebenhügeln ziehn! 


Wie wird das Bild der alten Tage 
Durch eure Träume glänzend mwehn! 
Gleich einer ftillen, frommen Sage 
Wird e8 euch vor der Seele ſtehn! 


Der Bootsmann winkt! — Sicht hin in Frieden! 
Gott Shüg’ euch, Mann und Weib und Greis! 
Sei Freude eurer Bruft beichteden 
Und euren Feldern Reis und Mais! 


=; 


— 89 — 
Gelegentliches.) 


Dei Grabbes Tod. 


Damm'rung! — Das Lager! — Dumpf herüber ichon 
Dom Zelt des Feldherrn donnerte der Ton 
Der abendlichen Lärnifanonen, 
Dann Zapfenitreih, Querpfeifen, Trommeljchlag, 
Zujammenflutend die Muſik darnach 
Von zweiundzwanzig Bataillonen! 


Sic betete: „Nun danket alle Gott!“ 
Sie ließ nicht mehr zu Sturmſchritt und zu Trott 
Die Büchſe fällen und den Zaum verhängen; 
Sie rief die Krieger bittend zum Gebet, 
Von den Gezelten kam ſie hergeweht 
Mit vollen, feierlichen Klängen. 


Der Mond ging auf. Mild überlief ſein Strahl 
Die Leinwand links, der nadten Schwerter Strahl 
Und die Mustetenppramiden. 

Und durch die Rotten jetzo: „Tzako ab!” 
Ind num fein Laut mehr! Stille, wie im Grab, — 
Es war im Krieg ein tiefer Frieden. 

Doch anders ging ed auf des Lagers Saum 
Im Weinſchank her; — da flog Champagnerſchaum, 
Ta hielt die Bowle und gefangen! 

Da um die Wette bligten Epaulett' 
Und Friedrihsd’or; da ſcholl's am Knochelbrett: 
„wer hält's!“ und Harfenmädchen fangen. 


Zumeilen nur in diefes wüſten Saals 
Getöſe ftahl ein Tom ſich des Choral3, 
Miſchte der Mondichein fih dem Schein der Lichter. 
Ich ſaß und fann — „Nun danfet —“ „Qui en veut?* 
Seklirr der Würfel — da auf einmal ieh’ 
Aug meiner alten Heimat ic) Gefichter. 


„Was, du?" — „„Wer ſonſt!““ — Nun Fragen hin und her: 
„Wie geht's? von wannen? was denn jest treibt der?“ 
Auf Hundert Fragen muß ich Antwort haben — 
„Wie?“ — „„Nun, mac schnell, ih muß zu Schwarz und Rot!““ 
„Sleih! nur ein Wort noh: Grabbe?“ — „„Der ift tot; 
Gut’ Nacht! wir haben Freitag ihn begraben!““ 


53 riefelte mir falt durch Mark und Bein! 
Zie ſenkten ihn vergangnen Freitag ein, 
Mit Lorbeern und mit Immortellen 
Den Sarg des toten Dichters ſchmückten fie — 
Der du die hundert Tage ichufit, fo früh! — 
Ich fühlte frampfhaft mir die Bruft erſchwellen. 





ar A 


Sch trat hinaus, ich gab der Nacht mein Haar; 
Dann auf die Streu, die mir bereitet war 
In einem Kriegerzelt, warf ich mich nieder. 
Mein flatternd Obdach war der Winde Spiel: 
Doc darum nicht floh meinem Halmenpfühl 
Der Schlaf — nicht darum bebten meine Glieder. 


Nein, um den Toten war's, daß ich gewacht, 
Ich jah ihn neben mir die ganze Nacht 
Inmitten meiner Leinwandwände. 

Erzitternd auf des Hohen prächt'ge Stirn 
— ich die Hand: „Du loderndes Gehirn, 
So find jet Afche deine Brände?“ 


Wachtfeuer jte, an deren ſprüh'nder Glut 
Der Hohenftaufen Heeresvolk gerubt, 
Des Korſen Volk und des Karthagers; 
Jetzt mild wie Mondſchein an durch die Nacht, 
Und jego wild zu greller Brunit entfacht — 
Den Lichtern ähnlich dieſes Yagers! 


So iſt's! wie Würfelklirven und Choral, 
Mie Kerzenfladern und wie Mondenitrahl 
Vorhin gefämpft um dieje Hütten, 

So wohl in diejes mächt’gen Schädels Raum, 
Du jäh Verſtummter, wie ein wülter Traum 
Hat ſich Befeindetes beitritten. 


Sei's! dieſen Mantel werf ich drüber hin! 
Du warst ein Dichter! — Kennt ihr auch den Sinn 
Des Wortes, ihr, die kalt ihn. richtet? 
Dies Haus bewohnten Don Juan und Fauſt; 
Der Geiſt, der unter dieſer Stirn gehauſt, 
Zerbrach die Form — laßt ihn! er hat gedichtet! 


Der Dichtung Flamm' iſt allezeit ein Fluch! 
Wer, als ein Leuchter durch die Welt ſie trug, 
Wohl läßt ſie hehr den durch die Zeiten brennen; 
Die Tauſende, die unterm Leinen bier 
In Waffen ruhn — was find fie neben dir? 
Wird ihrer einen, fo wie dich, man nennen? 


Doch fie verzehrt; — ich ſprech' es aus mit Grau'n! 
Sch Habe dich gekannt al3 Füngling; braun 
Und fräftig gingit dem Knaben du vorüber. 
Nah Sahren drauf erichaut’ ich dich als Mann; 
Du warit jo bleich, die hohe Stirne ſann, 
Und deine Schläfen pochten wie im Fieber. 


ee HE 


Und Male brennt fie; — durch die Mitwelt gebt 
Einſam mit fHammender Stirne der Poer: 
Das Dial der Dichtung ift ein Kainsſtempel! 
(3 flieht und richtet nüchtern ihn die Welt! 
Und ich entichlier zulegt; in einem Zelt 
Träumt ich von einem eingeftürzten Tempel. 


5 


Freiſtuhl zu Dortmund. 


(Zur Einleitung des „maleriſchen und romantiſchen Weſtfalens“.) 


Stod, Stein, Gras, Grain. 
Loſung der Vehme. 


Dies ſind die Linden, beide morſch und alt! 
Rechts die zerbarſt; — ſie klafft mit jähem Spalt 
Auf von der Wurzel bis zur Splitterhaube. 

Weit aber greift ſie mit den Aeſten aus; 
Faſt wie die Schweſter prangt fie grün und kraus 
Und ſchmückt Die Stirn mit frühlingsfriichen Yaube. 


Dies iſt der Tiſch; — hart unterm Lindenpaar 
Erhebt er ſich; — dur kannſt des Neiches Mar 
Zur Stunde noch auf jeiner Platte Schauen. 

Der Stadt des Neiches flog fein Adler vor; 
Hier auf dem Tiſche, dort auch über'm Thor 
Und in den Kirchen weiſt er jeine Klauen. 


(Sin tot Getier! — Der Welichland überflog, 
Um Syrien! Palmen fühne Kreiſe zog, 
Das heil’ge Grab und Golgatha beichirmte, 
Der mit dem Wappenleu'n Gaftilias 
Auf einem Ded, auf einer Flagge ſaß 
Und durch die Wälder der Kaziken ftürmte. 


Die Zeit erlegt’ ihn! — Steine find ſein Pfühl! 
Mer weckt des Kaiſers troßig Federſpiel? 
Im Steine träumt es, wie der Falk im Ringe — 
Sein Träumen aber? — Schlachtfeld und Gelag, 
Blutbann und Blut: — auf diefem Tiiche lag 
Des nackte Schwert einit und die Weidenjchlinge. 


DO träume zu! — Der Wandrer ſtört dich micht! 
Und doch — aud er will hegen ein Gericht! 
Sr weiß das Wort; er ift befugt, zu jchlichten! 
Ein neuer Freigraf, tritt er fühn heran; 
Sein Auge bligt: — in roter Erde Bann 
Die rote Erde jelber will er richten. 


Sein eigner Frohne, ichritt er durd das Land! 
Sr that den Schlag an jede Trümmterwand, 
Sr hieb den Span aus jeder Turmespforte, 
Zu Burg ımd Kloster flog jein Yadungäbrief, 
Um Mitternaht zu dreien Malen rief 
Auf jedent Kreuzweg dräuend er die Worte: 


„Horch auf! — Die Ladung! Du verichrie’ner Strich, 
Yand meiner Väter, ich berufe dic)! 
Keck vor dem Stuhle laß dein Banner ftrahlen! 
ie Forit und Strom und friichgepflügtes Yand 
Dreifarbig ſchimmern lafie dein Gewand, 
Grün, weiß und Schwarz, — To ftelle dic; MWeitfalen! 


Tu bift vervehmt, cö rubt auf dir die Acht, 
(53 hat das Weich dich in Gerücht gebracht! 
Begegn' ihm stolz! was ſchlummerſt du am Herde? 
Die Rüger harren — rings die Lande find’s! 
Sie rufen laut: das Fohlen Wirtefinds, 
Sin Schladtroß weiland, ſank zum Ackerpferde! 


Nicht Schalt fein Wiehern wild mehr im Gefecht; 
Nicht zäumen Freiherr mehr und Edelknecht 
Sein trogig Haupt zu ritterlihem Stechen. 
Sein Aug’ iſt alanzlos und fein Mund it ſtumm; 
Auf öden Heiden treibt es ſich herum 
Ind weidet träg an namenlofen Bächen. 


Auf feinem Naden herricht ein rauher Stamm; 
Gr treibt es ab auf steiler Berge Kamm, 
Sr läßt es träumend über Moore jchwanfen, 
Zahm und geduldig ſchirrt er's vor den Pflug; 
Des gelben Haarrauds dunftig Nebeltuch 
Umweht alö Dede flatternd jeine Flanken. 


Wo fih der Thormeg hebt, von Rauch gebrämt, 
Vom grünen Fichfamp ſaſſiſch noch umzäunt; 
Wo des Gehöftes Halmendäcder ragen; 
Wo, von dem Kranz der Bilgerin umweht, 
Der Schrein des Heil’gen dicht am Wege fteht; 
Da lebt es dumpf und hat verlernt das Schlagen. 


Kannit du es hören? — Su dem Klageruf, 
Der dich befehdet, donnert nicht dein Huf? — 
DO, jag’ heran, laß deine Mähnen fliegen! 
Mit deinen Eideshelfern: Berg und Fluß, 
Tritt vor den Richter, der dic richten muß, 
Und überfieb’ne deiner Feinde Rügen! 


In ihr Geichelt und in ihr lautes Drohn 
Miſche des Feldbahs und der Quelle Ton, 
Die um das Eijen deiner Hufe lecken! 


Wirf ab die Hülle, — deiner Thale Duft! 
Yak deine Berge fteigen in die Luft, 
Wie Zengenfinger, die zum Schwur fich reden. 


Lab deine Wälder flüfternd dich ummehn, 
Lab deine Klippen dir zur Seite ftehn, 
Laß deine Burgen fih ins Stromthal neigen! 
Lab deiner Dome farb’ge Scheiben glühn, 
Laß deiner Gilden alte Pfeile ſprühn — 
All' deine Helfer, laß fie nahn und zeugen! 


Mein Ruf gilt allen, ernit und richterlich! 
Durh deine Pforte, blaue Wefer, brich 
Ind flute fanft um deine Buchenhügel! 
Die Herde blödt, das weiße Segel ſchwillt, 
Auftaucht die Stadt — o fo, wie einen Schild, 
Yeige den Klägern deinen Wellenipiegel! 


Und ihr — gerötet von der Hämmer Glut, 
Als färbte Zornesfeuer eure Flut: 
Umbligt von Schladen und gefärbt von Kohlen! — 
Ruhritrom und Lenne, wild und mit Gebraus 
Vernehmt die Rüge! ichäumend tretet aus, 
Die Schmach zu waschen von Altiachjens Fohlen! 


Dann ihr im Sande! — Springt und wühlt euch durch! 
Friſch durch den Schutt der Tempelherrenburg! 
Friſch Durch der Senne dorniges Geftrüppe! — 
Laßt Waffen reden! — an das Ufer werft 
Haſtatenſchwerter, die einſt Rom geichärft! 
Laßt eure Schädel reden, Ems und Lippe! — 


Und nun ihr Berge, iteil und laubverkappt! — 
Mie ihr voll Troges euch aelagert habt 
Rings an der Flüſſe kiefigen Geitaden; 
Wie euch umtönt des Habicht Furzer Schrei, 
Wie euch durchbricht des Hirfches braun Geweih! 
So fommt und zeugt, und fo auch jeid geladen! 


Nicht F allein: — auch, was auf euch gebaut! — 
Die von den Bergen ihr herniederſchaut, 

Grauſtirn'ge Mahner dem Geſchlecht im Thale, 

In eurer Trümmer moosbewachſ'ner Pracht 

Hört meine Stimme ſchallen durch die Nacht, 

Burg und Kapelle, Schloß und Kathedrale! 


Und euch auch mein’ ich, moriche Vilder ihr! 
Sei's unter Harniſch, Helmbuſch und Viſir, 
Sei's mit der Inful und dem Hirtenſtabe, 
Verſehrt vom Regen und vom Wetterſtrahl — 
Verlaßt des Münſters und der Burg Portal 
Und ſchreitet her, umkreiſt von Dohl' und Rabe! — 


> A 


Wandeln die Steine, mag das Erz auch nahn! 
MWeithin erglänzt 8: — Male ruf ih an 
Der Batrioten und der Volksbefreier! 
Das Schwert in Händen und die „Phantasien“ 
Legt ab eu’r Zeugnis: Möfer und Armin! 
Du ichon erhöht, — du noch im Eſſenfeuer! 


Und du zulett, der alles inne hält, 
Wald und Gebirge, Strom und Nderfeld, 
Aus deinen Hütten fomm, aus deinen Hütten! 
Ob du verdienit des böfen Leumunds Schmach, 
Zeig’ es dem Stuhle, kräft'ger Menichenichlag, 
Einfach von Weſen, fchlicht und derb von Sitten! 


Laß dic erichau’'n, wie du die Hand mir drüdit, 
Wie an den Herd du meinen Seſſel rüdit, 
Wie du mich bittet: Iß, ala wär’s dein eigen! 
MWie dur der Väter Brauch und Vorgang ehrft, 
Wie du den Stahl redit und die Ernte fährit, 
Wie du dic ſchwingſt im luſt'gen Schügenreigen! 
Sch lad’ euch vor, ich lad’ euch allefamt! 
Die Nacht ift un, die Morgenröte flammt, 
Das Schwert ift nadt, der Schöffenfreis geſchloſſen! 
Er ift mein Volk! Er ſteht und wartet Still, 
Dem Munde lauichend, der euch richten will, 
Baarhäuptig ſtehn fie, meine Vehmgenoſſen!“ 


So ſcholl fein Ruf! — Die Ladung ift geichehn! — 
Und jeßo harrt er, wo die Yinden ſtehn; 
Die Sonne wirft ihr Streiflicht durch die Blätter. 
Wohin er ſchau'n mag, Yicht und Leben nur! 
Bor ihm des Hellweg! reiche Nehrenflur, 
Und über ihm des Lerchenlieds Geichmetter! 


Und dort die Mauer, zadig einst umzinnt, 
Die Reinhold Ihügt, das kühne Heymonskind, 
Sn die er einzog, eine blut’ge Leiche! 

Auf der, ein licht! und ſtrahlend' Heldenbild, 
Gr oft erichienen iſt mit Schwert und Schild 
Und abgewehrt hat der Belag'rer Streiche! 


Die Sage dringt, das Leben auf ihn ein! — 
Die er berief, fie nahn in dichten Reih'n; 
Durch Seine Seele dröhnen ihre Schritte. 

Gr hört des Fohlens —58 ge 
Die Sonne bligt — To faß fein Richter noch — 
Auf diefem Stuhl in der Geladnen Mitte! 


Und jo dann freudig hegt er jein Gericht! 
Den Boden wechjelnd, die Gefinnung nicht, 
Wählt er die rote Erde für die gelbe! 


Die Palme dorrt, der Wüſtenſand verweht: 
Ans Herz der Heimat wirft fich der Poet, 
Ein anderer und doc, derielbel 


5 


(Zeitgebichte IL.) 


Des Raifers Gegen. 


St. Goar, November 1843. 


Ich bin die ganze Nacht hindurch 
Den Rhein hinaufgeichritten, 
Bon Dracdenfeld und Wolfenburg 
Bis, wo die Linzer jchnitten. 


Bei Rhöndorf unterm Dracdenlod 
Anband fein Boot der Ferge; 
Zu Honnef fang ein Mädchen noch: 
„Stand ich auf hohem Berge.” 


In Breitbach ftellte mich die Wacht, 
In Unkel trank man Neuen, 
In Erpel ſchlug e8 Mitternacht, 
In Erpel vor der Leyen. 


Und hinter Erpel in dem Feld, 
Da iſt er mir begegnet, 
Der große Karl, der Frankenheld, 
Der feine Trauben jegnet. 


Er ging mit ernitem Angeſicht 
In feinen Grabgewanden; 
Er ging einher in Glanz und Licht, 
Zum Segnen auferſtanden. 


Und um ihn ſangen Reb' und Moos, 
Dazu die Felſenblöcke: 
„Er ſegnet nicht im Rheingau bloß 
Die ſtolzen Herrenſtöcke! 


Er feit nicht blos am Oberrhein 
Des Fürſtenwinzers Meſſer; 
Er macht den Großen nicht allein 
Und Reichen volle Fäſſer! 


Er denkt auch an den irdnen Krug 
In ſtrohgedeckten Hütten, 
Und ſchüttelt Moſt und Wein genug 
In armer Halfen Bütten. 


— “6 — 


(Fr weiß: der ächte Feuertrauk 
Springt leider nur den Fürſten, 
Und friert das Volk und liegt es krank, 
Sp muß es nah ihm dürften! 


Doch labt und ftärft es nod) zur Friſt 
Der Segen berbrer Reifer; 
Und daß an dem fein Mangel iſt — 
Auch dafür jorgt der Sailer! 


Und darum wallt er feierlich 
Stromunter durch die Stäbe, 
Bis wo am allerlesten fich 
Feſtrankt die legte Rebe! 


Der Kaiſer weiß, was allen frommıt 
Am ganzen grünen Strome! 
Sanft ruh' er, bis er wiederfommt, 
Zu Machen in dem Dome!“ 


Sp raumt es flüfternd durch die Naht — 
Der Schemen war verſchwunden. 
Sch habe durd die Ranken ſacht 
Nach Haufe mich gefunden. 


5 


(Neueres und Neueftes,) 


Im Tentoburger Walde. 


1969. 


Das find die alten Berge wieder, 
Das iſt das alte Buchengrün; 
Das iſt, von Feld und Halde wieder 
Das alte luſt'ge Quelleniprühn. 
Das jind fie raufchend alle beide, 
Der alte Wald, die alte our 
Ach ſeh' auf Wieſ', ich ſeh' auf Weide 
Die alten treuen Blumen blühn. 


So blühten fie, als ich ins Leben 
inauszog bon den Hügeln hier; 
So jah ich fie die Köpfchen heben 
Und leiſe bitten: Bleibe bier! 
Sch aber ſchwang mich von der Stlippe 
Hinab die Bergwand durchs Geitrüppe; 
Zum Meere wielen Ems und Lippe 
Mic, durch der Senne braun’ Revier. 


— — 


So zog ich fort! Ein halb Jahrhundert 
Verrann ſeit jenem Tage faſt! 
Hier war's! ich ſeh' mich um verwundert: 
gu Haus und dennoch ichier ein Gaſt! 

er braun als Knabe ausgerfahren, 
Kehrt heim mit eifengrauen Haaren, 
Und hält mit jeiner Laſt von Jahren 
In feiner Heimat Länder Raſt! 


Wie Rip von Winfle, jener alte 
Waldläufer und Gefell der Jagd, 
Am Hudfon in der Bergesipalte 
Mir Geiftern zechte eine Nacht, — 
war eine Nacht, die Jahre währte, — 
Wie träumend dann, das grambeichwerte 
Haupt auf der Bruft, zum Dorfe kehrte 
Graubärtig in zerriff'ner Tradıt: 


Ein junger Dann war er geichieden, 
Ein alter Mann fam er zurüd; 
ra nicht gefannt mehr, ſchier gemieden, 
ak er die Welt mit jcheuem Blick; 
Fin neu Geichleht wogt in den Gaſſen, 
Und faum vermocht' er es zu fallen: 
Wo er ein Königsland verlaifen, 
Da fand er eine Nepublit. — 


So kehr' auch ich, — gepreßt, beklommen: 
Kennt mic denn Jemand noch im Land? 
Da brauſt ein hundertfah Willfommen 
Um Berg md Schlucht und Felſenwand! 
Die Blumen wiegen fih im Weite, 

Die Bäume ichütteln ihre Neite, — 
Und o, das iſt das Alferbeite, — 
Die Freunde ichütteln mir die Hand! 


Dank euch, ihr Lieben, Guten, Treuen! 
Ihr ohne Falſch und ohne Wank! 
hr alten Freunde und ihr neuen! 
Dank euch, aus vollem Herzen, Dank! 
Und ihr, wie Roſen anzuichauen 
Beim Männervoff, den bärt’gen, rauhen, 
Eud allen Dank und aber Dant! 

* * * 

Kun aber leg’ ich ſtillen Mutes 
Im Wald mid auf ein Felſenſtück, 
Und träum’ und finne, was mir Gutes, 
Seit ich hier ſchied, zufiel vom Glück. 





— 48 — 


Die Summe zieh' ich meines Lebens 
Am Ausgangsorte meines Strebens, 
Und ſag': Ich ſtrebte nicht vergebens, 
Und ſegne dankbar mein Geſchick. 


Geliebt zu ſein von ſeinem Volke, 
O, herrliches Poetenziel! 
Los, das aus dunkler Wetterwolke 
Herab auf meine Stirne fiel! 
Ob ich's verdient? Ich darf nicht rechten! 
Ihr wollt nun einmal Kränze flechten! 
Ich Halte ſtolz ihm in der Rechten, 
Den mir zu Flechten euch gefiel. 


Wohlan, ich greife froh zum Becher 

Und gieße voll ihn bis zum Wand, 

Und heb' ihn, ein bewegter Zecher, 

Und halt ihn hoch mit feiter Hand; 

Und ruf’ hinaus in alle Gauen, 

So meit ich deutiches Land mag ſchauen, 
Yaut ruf’ ich’3 von des Berges Brauen: 
Ich danke dir, mein Vaterland! 


. 
Hurra, Germania! 


25. Juli 1870. 


Hurra, du ſtolzes, ſchönes Weib, 

Hurra, Germania! 
Wie fühn mit vorgebeugtem Leib 
Am Rheine ſtehſt du da! 
Im vollen Brand der Auliglut, 
ie ziehft du viih dein Schwert! 
ie trittit du zornig, frohgemut 
Zum Schutz vor deinen Herd! 

Hurra, hurra, hurra! 

Hurra, Germania! 


Du dachteſt nicht an Kampf und Streit: 
In Fried' und Freud' und Ruh', 
Auf deinen Feldern weit und breit, 
Die Ernte ſchnitteſt du. 
Bei Sichelklang im Aehrenkranz 
Die Garben fuhrit du ein: 
Da plöglid, horch, ein andrer Tanz! 
Das Kriegshorn über'm Rhein! 
Hurra, hurra, Hurra! 
Hurra, Germania! 


u A 


Da warfit Die Sichel du ins Korn. 
Den Aehrenkranz dazu; 
Da fuhrit du auf in hellem Zorn 
Tiefatmend auf im Nu; 
Schlugſt jauchzend in die Hände dann; 
Willſt du's, jo mag es fein! 
Auf, meine Kinder, alle Dann! 
Zum Rhein! Zum Rhein! Zum Rhein! 
Hurra, hurra, hurra! 
Hurra, Germania! 


Da raufcht das Haff, da rauſcht der Belt, 
Da ranicht das deutiche Meer; 
Da rüdt die Oder dreift ind Feld, 
Die Elbe greift zur Wehr. 
Kedar und Weſer ftürmen an, 
Sogar die Flut des Mains! 
Vergeſſen it der alte Span: 
Das deutſche Volk ift eins! 
Hurra, Hurra, hurra! 
Hurra, Germania! 


Schwaben und Preußen Hand in Hand; 
Der Nord, der Süd ein Heer! 
Was ift des Deutichen Vaterland, — 
Wir fragen’s heut’ nicht mehr! 
Ein Geiſt, ein Arm, ein einz ger Leib, 
Ein Wille ſind wir heut'! 
Hurra, ———— ſtolzes Weib! 
Hurra, du große Zeit! 
Hurra, hurra, hurra! 
Hurra, Germania! 


Mag kommen nun, was kommen mag: 
Feſt ſteht Germania! 
Dies iſt All- en Ehrentag: 
Nun weh’ dir, Gallia 
eh’, daß ein Näuber dir das Schwert 
dreh in die Hand gedrüdt! 
(uch ihm! Und nun für Heim und Herd 
Das deutfche Schwert gezückt! 
Hurra, hurra, Hurra! 
Hurra, Germania! 


Für Heim und Herd, für Weib und Kind, 
Für jedes teure Gut, 
Dem wir beitellt zu Hütern find 
Nor fremdem Frevelmut! 


Hartmann, Schagtäftlein weftfälifcher Dichtkunft. 


— 0—0 — 


Für deutſches Recht, für deutſches Wort, 
Für deutſche Sitt' und Art, — 
Für jeden heil'gen deutſchen Hort, 
Hurra, zur Kriegesfahrt! 

Hurra, hurra, hurra! 

Hurra, Germania! 


Auf, Deutichland, auf, und Gott mit dir! 

Ins Feld! Der Würfel klirrt! 
Wohl ſchnürt's die Brust ung, denfen wir 
Des Bluts, das fließen wird! 
Dennoch das Auge fühn empor! 
Denn ſiegen wirst du ja: 
Groß, herrlich, frei, wie nie zuvor! 
Hurra, Germania! 

Hurra, Viktoria! 

Hurra, Germania! 


* 


2* 


Die Trompete von Vionville. 


Sie haben Tod und Verderben geipieh’n, 
Wir haben e3 nicht gelitten, 
Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterie'n, 
Wir haben fie niedergeritten. 


Die Sübel geihwungen, die Zäume verhängt, 
Tief die Lanzen und hoch die Fahnen, 
So haben wir fie zufammengeiprengt, 
Küraſſiere wir und Ulanen. 


Doch ein Blutritt war's, ein Todesritt; 
Wohl wichen fie unjern Hieben, 
Doch von zwei Regimentern, was ritt und was ftritt, 
Unſer zweiter Mann iit geblieben. 


Die Bruft durchſchoſſen, die Stirn zerklafft, 
So lagen fie bleich auf dem Naien, 
In der Kraft, in der Jugend dahingerafft, — 
Nun, Trompeter, zum Sammeln geblaien! 


Und er nahm die Trompet’, und er hauchte hinein; 
Da, — die mutig mit Ichmetterndem Grimme 
Uns ba in den herrlichen Kampf hinein, — 
Der Trompete verfagte die. Stimme! 


Nur ein Hanglos Wimmern, ein Schrei voll Schmerz 
Entquoll dem metallenen Munde; 
Eine Kugel hatte durchlöchert ihr Erz, — 
Um die Toten flagte die wunde! 


—— 


Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein, 
Um die Brüder, die heute gefallen, — 
Um fie alle, es ging und durch Mark und Bein, 
Erhub fie gebrocdenes Lallen. 


Und nun kam die Nacht, und wir ritten hindann, 
Rundum die Wadtfeuer lohten; 
Die Roffe jchnoben, der Regen ranı 
Und wir dachten der Toten, der Toten! 


> 


4* 


Guſtav Beidbreede, 


geboren zu Bielefeld am 19. Auguſt 1812, 
geftorben als Neftor zu Burgbolzhauien, am 4. Mai 1879. 


Eine fette Burg war unfer Gott. 
(Mitgeteilt durch Otto Wejtermann im Bielefeld.) 


Auf Pſalter, opf’re Lob und Dant, 

Wie wenn in hohen Weiſen 

Die heil’gen — im Geſang 

Den Herrn der Welten preiien, 
Der durch Sturm und Nacht 
Uns ans Licht gebracht, 
Und nad) ſchwerem Krieg 
Läßt auf Triumph und Sieg 
Die Friedensionne jcheinen! 


Sein Segen ſchirmte fort und fort 

Sm Sturm die Zollerneiche, 

Daß fie eritarfe, einſt ein Hort 

Zu fein dem deutſchen Reiche. 
Drum in Sieg und Ehr’ 
Schwang vom Feld zum Meer 
Sich der Zollernaar, 
Wie's jegt offenbar, 
Durch Führung ohne Gleichen. 


Schon ſcharte feit um Preußens Thron 
Der Rordbund ſich zufammen, 
Da züngelten im Weiten jchon 
Der Sceelfuht Zornesflammen. 
„Wagt der Zollernaar 
Sich voran uns gar! 
Duldet ſolchen Hohn 
Die große Nation? 
Nein, Kampf auf Tod und Leben!" 


Allein „Beichließet einen Rat“ 
Hat d’rauf der Herr —— en, — 
„Ihr ſä't euch ſelbſt Verderbens Saat, 
Habt euch den Stab gebrochen!“ 
Und das deutſche Land 
Eint ein Bruderband; 
Aus des Glaubens Vorn 
Aufſprudelt Heil’ ger Zorn. 
„Drauf los in Gottes Namen!” 


Als ob der heil’ge Michael 

Des Reiches Banner trage, 
Stürmt man von Sieg zu Siege ſchnell 
Dit der Vernichtung Schlage. 

Huf der Trümmerſaat 

Baut der Fürſtenrat 

Kaiſerthrones Zier. 

„Heil, Kaiſer Wilhelm, dir! 

Wie hat der Herr geholfen!“ 


Ein' feſte Burg war unſer Gott, 
Wie half er durch den Seinen. 
Mild läßt er jetzt nach Kriegesnot 
Die Friedensſonne ſcheinen. 

Gott allein die Ehr'! 

Herr, den Glauben mehr'! 
Laß in Geiſtes Zucht 

Uns bringen rechte Frucht, 
Und gieb uns deinen Frieden! 


«)S 


Ludwig Altenbernd,”) 


geboren am 24. November 1818 als Sohn eines Landichullehrers zu Auguftdorf, einem 
in der lippiichen Senne gelegenen Dorfe. Durch die Bejchräanftheit der Mittel jermer 
Eltern, wie auch durd eine Laähmung an den Füßen verhindert, fich an einem größeren 
Orte feine Bildung zu verjcharren, hat er fi mit der eines Autodidakten beaniaen 
mußten. Neue Spracden und Arithmetif waren diejenigen Wiſſenſchaften, die er als 
Erwerbsauellen bejonders pflegte. Später zog er nach Dermold, wo er noch jetzt als 
Privatlebrer und Rechnungsbeamter lebt. Außer einer Heberiegung des Mazeppa 
pon Byron, Detmold 1865, und der Aunafrau vom See von Walter Scott jchrieb er: 

Dichtungen: „Frühlingsblüten und Herbitblätter", Gedichte. Detmold 

1872, 


(Frühlingabfüten und Herbftblätier., Detmold 1872.) 


Bilder aus dem Teutoburger Walde. 
J. 
Die Henne. 


Hier iſt der Ort, die alte Stätte, 
Mo auf der Heide dürrem Sand. . 
Nor langer Zeit mein Wiegenbette 
Am engen Vaterhauje ftand. 
Das Vaterhaus! — von diefer Stelle 
Längſt ſchwand es in der Jahre Lauf, 
Und gaftlich nimmt die fremde Schwelle, 
Das fremde Dad den Wandrer auf. 


Auf diefer Flur, jo öd' und stille, 
Sang, als der jange Winter fchied, 
Die Heidelerche und die Grille 
Den Stnaben einst das MWiegenlied. 
Ach mein’, ich müßt’ ihn heut’ noch hören, 
Den Nachtwind, in den Wipfeln hoch, 
Wie durch die Birken und die Föhren 
Er wunderſeltſam raufchend 309. 


*) Nach Fr. Brümmers Deutfhem Dichterleriton (f. o.). 





— 55 — 


Es ſang, es klang wie leiſes Klagen, 
Daß ſie noch lag, wenn rings die Au 
Sich ſchmückte in den Maientagen, 

Im Alltagskleide, Grau in Grau; 
Daß fie, gemieden und vergefien, 
Das blöde Stieffind der Natur, 

Im Winkel ftand, wenn unterdeifen 
So bräutlich lachten Wieſ' und Flur. 


Da wob, als längſt der Mai verglühte, 
Der Sommer ihr das Hochzeitskleid, 
Flocht ihr ins Haar die Heideblüte, 

Und ſchön im ihrer Dürftigkeit, 

Der Armut Kind im ichlichten Kleide, 
Beſtrickt fie dich, du weißt nicht wie. 
Das ift die Poeſie der Heide, 

Ter ftillen Senne Poeſie. — 


(5 raucht fein Schlot auf dieſer Fläche, 
Hier ſchimmert nicht der Oefen Licht; 
Es fronen Dampf und Mühlenbäce 
Und laute Hammerwerfe nidt. 
Hier front der Menjch mit feinem Mrıne 
Vom Frührot bis der Abend graut, 
Schier unermüdlich, gleih dem Schwarnte 
Der Bienen bier im Heidelrant. 


ern von der Straße, die der volle, 
Der breite Strom des Leben rollt, 
Hängt er an feiner dürren Scholle 
Und nimmt gelaffen, was fie zollt: 
Des Feldes farg gemeſſ'ne Gaben, 
Den Bienenfleiß der Sommerzeit; 
Zufrieden, wenn gefüllt die Waben, 
Und wenn die Knollenfrucht gedeiht. 


Schon früh in meiner Kindheit Tagen 
Hat mich von hier mein Lebenslos 
— Ich dank’ es ihm! — hinweggetragen 
In reichgeſchmückter Fluren Schoß; 
Wo mit den fruchtbeladnen Auen 
Sih milden Wald und Wieſengrün; 
Wo Herden läuten, Berge blauen, 
Und filberbelle Bäche zichn. 


Da tranf ich an dem friichen Borne 
Der vielbewegten Gegenwart, 
Und nahm, was in gefülltem Horne 
Wir Lieb und Leben aufgejpart. 


u — 


Die neue Zeit mit mächt'gen Schwingen, 
Das Große, was fie angeitrebt, 

Hab’ ich geiehn in ihrem Ringen 

Und mitgefühlt und mitgelebt. 


Und dennoh — mitten in der Fülle 
Des Lebend oft und der Natur, 
Zieht's wie ein Heimweh mich zur Stille, 
Zum Frieden diejer Heideflur. 
Sp kreiſ't die Schwalbe ums Gemäuer, 
Wenn heimmwärts fie vom reihern Süd 
Zum alten Neit, an alter Scheuer 
Am jonn’gen Frühlingstage zieht. 


=; 


II. 
Nm PDonoper Weiche. 


Es ſchlummert die Welle, die Erle fchweigt, 
Kein Lufthauch, der flüfternd die Halme neigt, 
Die Fichten träumen im Mondenlicht, 

Der Wald im Schlafe, er regt jih nicht. 


Es dedt ihn — ein Flortuch von jelt'ner Bradt — 
Der duftige Nebel der Frühlingsnadt, 
Und still feinen Schlummer bewachend ftehn, 
Gleich ſchweigenden Wächtern, die fernen Höhn. 


Er ſchläft — Doc auf Waſſer und Buſch und Baum 
Liegt ausgegoſſen ein heitrer Traum, 
Ein Lächeln, als hätt' ihm der Traum entdeckt, 
Was unter dem Mantel der Nacht verſteckt. 


Er hört wohl ertönen mit zen 
Der Maiglödchen Längen das Thal entlang; 
63 regt ſich, gewedt von dem ſüßen Schall, 
In den ichlummernden Kelchen der Blumen all’. 


Die Nymphen erwachen, die Elfen ziehn 
Sm Tau fich badend durchs Waldesgrün 
Und ordnen zum Spiele, zum Tanz die Reihn, 
Und der Glühwurm leuchtet mit hellem Schein. 


Es flimmert im Teih und im Schilf und Moos, 
Und wunderfam Elingt es im Waldesſchoß; 
63 läutet im Thal, und es ſummt und rauicht, 
Und der Wald — er fhlummert und träumt und laufcht. 


5 


LIT: 
Die Ssürenfapelle. 


(Das Hermaunsdenkmal und der Teutoburger Wald. Dermolb 1875.) 


Zeritreute Trümmer, band= und mörtellos, 
Geſunkne Pfeiler, eingefallne Bogen, 
Ummwucert von Seitrüpp, bon Heid und Moos 
Vielleicht feit taufend Jahren überzogen; 
Rings um des Berges iturmgepeitichten Grat 
Die überwachi'nen, fteinerbauten Wälle, 

In ihrem streife diefe Triimmerjfaat, 
Senannt die Hünenfirche, die Kapelle. 


Fern des GCherusfers Bild am dunklen Teut, 
Um deſſen Gipfel ſonn'ge Lichter ſchwanken, 
Verflärend ihn, jo ſcheint's, von Zeit zu Zeit, 
(Hleich wie des Weiſen Stirne die Gedanken! — 
Hier weht's wie Odent alter Zeit fürwahr, 
Wie das Geflüfter lang’ entihwundner Tage, 
Doc dad Verborgne macht’3 nicht offenbar, 
Hier Ichweigt der Stein, und ftumm iſt ſelbſt die Sage. 


ob einst mit dem Gebraus des Abendwinds 
Sich einte hier des Kriegeshorns Geichmetter, 
Ben auf dem Plan die Scharen Wittefinds 
Um Sieg anriefen ihre heim’ichen Götter? 
Ob hier am eriten chriftlichen Altar 
Der Dankeshymnus ſcholl ſiegreicher Franken, 
Nachdem der Sachſen Reihen, Schar um Schar, 
Im Kampf für ihren Herd und Glauben ſanken? 


Ob einſt in dem zerbröckelten Geſtein, 

Tiefſinnend über dunkeln Zeichen hockend, 

Fin Klausner lebte, mit dem Heil'genſchein 

Die Gläub’gen durch den Sand der Senne lodend? — 
Grau Tiegt der Schleier der Vergeſſenheit 

Auf diefem Steingetrümmer, jenen Grüften, 

Die in der braunen Heide rings zeritreut, 

Und feine Hand vermocht' es, ihn zu lüften. 


Vom Thal herüber tönt der Slode Klang; 
Ach ſeh' im Geiſte gläub'ge Scharen ziehen 
Den Berg hinan in andachtvollem Drang 
Und Still auf dent getveihten Boden knieen, 
Ob Heid’, ob Chriſt, — fein Römling weiſt zurüd 
Den Manpderer bon biefes Betraums Schwelle. 
Die Glocke ſchweigt, ein legter Sonnenblid, 
Und wie ein Amen haucht's durch die Kapelle. 


X 


HE — 


Der lebte Freier. 


(Lippiiche Landeszeitung.) 

Der Erde Brautitand war längit vorbei 
Fin kurzes Erblühn und Erblaſſen! 
Der erite Geliebte, der goldne Mai, 
Er hat fie geküßt und verlaiien. 
And der Sommer fam und hat fie gefreit, 
Gin Gatte gar bieder und wacder; 
Wohl heiß war der Mittag der Lebenszeit, 
Doc füllten ſich Wieſe und Ader. 
Sie freut ſich der lachenden, fröhlichen Schar, 
Des häuslihen Zegens, den fie ihm gebar. 

Und der Sommer itarb mit der Drofiel Sang, 
Und leer ward’ im Hauſe und ftille, 
Auf bleichenden Fluren nur trüb noch Hang 
Das klagende Zirpen der Grille. 
Im Witwenſchleier nun ſaß fie allein 
Und dachte mit ſehnendem Sinnen 
An der Jugend Roſen und Sonnenſchein, 
An des Frühlings Lieder und Minnen. 
Ein liebliches Traumbild dann zog ihr vorbei, 
Der erſte Geliebte, der goldne Mai. 


Da kam ein Ritter in ſtolzem Gewand, 
In des Reihtums prunfender Fülle; 
Er warb io jchmeichelnd um ihre Hand 
In der augenbeitrictenden Hülle. 
Er ſchenkt einen Schmuck ihr von blendender Pracht, 
Sewänder von Zammet und Seide; 
Wie war fie fo ichön in der leuchtenden Tvadıt, 
So ſchön wie im bräutlichen leide! 

Er reichte ihr Früchte und perlenden Wein 
er mag wohl der Freier, der prächtige, jein? 
Sie fühlte, wie einſt in der Frühlingszeit, 

Der Lüfte weich fachelndes Koien; 

(53 blaute der Himmel vol Herrlichkeit, 

Und wieder erblübten Die Noien; 

Und wieder ſah fie der Vögel Schar 

Die prangenden Wälder beleben — 

Da 309 durch den Busen ihr wunderbar 

(Fin jugendlich Ahnen und Beben, 

Und im Herzen erflang’S wie ein Freudenſchrei: 
Er iſt es wieder, der Mai, der Mai! 


Und fie flog ihm ans Herz in der Liebe Drang 
Und hoffte, in feinen Armen, 
Um den fie getvanert jo lang, jo bang, 
Noch einmal, wie einit, zu ertwarmen. 


——— 


Doch kurz war die Freude und kurz der Traum, 
Verwandelt zu bald war der Freier; 

Wie Die Rofe verwelkt und das Yaub am Baum, 
Erloſchen die Lieb’ und das Feiner. 

Umwölkt feine Stirn und fein Odem Ealt, 

Und fein Auge blickt finfter auf Flur und auf Wald. 


Er itreift ihr dom Haupte mit rauher Hand 
Den Schmud, den er einit ihr verlichen, 
Entreiät ihr den Strang und das Feltgeivand, 
Und des Waldes Sänger entfliehen. 
Entfeſſelte Stürme dann ſchickt er wild 
Hinaus über Felder und Heiden, 
Und die Erde, der darbenden Armut Bild, 
Muh einiam und glanzlos vericheiden. — 
Sie ichlunmert und träumt unterm Sturmeswehn 
Non Yerchengelang und von Wiederjehn. 


=, 


Finer Scheidenden. 


(Zippiiche Kandeszeitung.) 


Das welfe Laub fällt von den Zweigen, 
ie müde auf des Mandrers Fuß, 
Der Lenzluſt und des Sommers Zeugen 
Schickt mir der Wald als legten Gruß. 
Vorüber ziehn die Eleinen Sänger 
Der Ferne zu im MWanderdrang, 
Im Walde tönt ihr Lied nicht länger, 
Das einit fo friſch und froh erklang. 


Huch du mit bräumlichem Gefieder, 
Ich fenne Dich und deinen Schall, 
Du biſt's, die Königin der Lieder, 
Du biit’s, geliebte Nachtigall! 

Auch du verlorſt auf deiner Reife 
Sen Süden über Land und See 
Die wunderfame Liedesweiſe, 
Beritummt vielleiht im Heimatweh. 


Du haft im furzen Liebesleben, 
Vielleicht in mander Frühlingsnacht 
Die Grüße, die ich dir gegeben, 

Der Herzgeliebten hingebracht, 

Wenn Roſen ihren Duft und lieder 
Ins offne Fenfter ihr geichict, 

Und durch das EN hernieber 
Sn ihr Gemad der Mond geblidt. 


— 60 — 


Sie wußte, wenn dein Lied erklungen, 
zu deuten feinen holden Klang: 

as Lied war's, das ich ihr gelungen, 
Den ganzen lieben Sommer lang; 
Das alte Lied von Lieb’ und Treue, 
Ob fie mir nah, ob fie mir fern. 
Du ſangſt es ihr in höh’rer MWeihe, 
Und fie, gewiß! vernahm es gern. 


Nimm meinen Dank mit auf die Reife! 
Und fern auf jonnigem Gefild 
Verlerne nicht die ſüße Meife, 
Die tief dir aus dem Herzen quillt. 
Und kehrſt du übers Jahr ung wieder, 
Dann fing’ vor ihrem Fenſterlein 
Ihr wiederum Die alten Lieder, 
Vielleicht dann noch gedenkt ſie mein. 


Ss 


Horboten. 


(Lippiiche Landeszeitung.) 


Der Heidebauer lehnt gemad) 

An des Gehöftes Fichtenzaun; 
Braun ragt fein niedres Halmendadı, 
Und rings die Heide tot und braun. 
Der Spatherbitabend, grau und Ealt, 
Zieht übers Teutgebirg herein; 

Es dunkelt, durch der Thüre Spalt 
Nur blinkt des Herdes Feuerichein. 


Des Yandmanng Auge hängt im Weit 
Fern an der Heide dunklen Rand, 
Wo abgeitorb’ner Tannen Reit 
Bedeckt des Hüneniteines Wand. 
Sr prüft den Wind, der Krähen Flug, 
Ob wohl der Winter auf dem Pfad — 
Sieh da, welch” wunderbarer Aug, 
Der drüben von der Bergſchlucht naht! 


Voran mit Rüden und mit Roß 
Hod in der Luft ein wildes Heer, 
Das fattel=, zaum- und bügellos 
In Sturmeseile brauft daher. 
Ein Wagen dann; vier Nappen ziehn 
Ihn bligichnell durch den Nebelitreif, 
Wie Kohlen Aug’ und Nüfter glüh'n, 
Ein mwallend Feuer Mähn’ und Schweir. 


Und in den Lüften ballt und gellt 
Es ſüdwärts hin, die Heid’ entlang, 
Wie wenn die Meute heult umd bellt 
Beim Jagd: Hallo und Hörnerklang. 
Der Habicht ne t von feinem Horit, 
Die Eul’ entflieh t mit leifem Flug, 

Es duckt das Wild fich tief im Forft, 
Bis ſtill die Heid’ umd fern der Zug. 


Der Bauer laufcht; die Luft ift rein, 
Fern Häfft der Fuchs nur dann und warn, 
Er zündet dann mit Stahl und Stein 
Die ausgegang’ne Pfeife an: 

„sh dacht's! Der Sommer fährt vorbei, 
Sankt Martin wird der Winter wach; 
Wir bringen morgen nod) die Streu, 

Und Kraut und Nüben unter Dad.” ' 


5 
Der Irrwiſch. 


(Lippiſche Landeszeitung.) 


Rings grame Heide und Moor und Sumpf, 
Nicht gold’'ne Saaten auf diejer Flur; 
Gebrocdhner Föhren bemooiten Stumpf 
Umfproffen die Bin’ und das Heidefraut nur, 
Zerfallene Hütten, ein ärmlih Dorf — 

Die Biene ernährt's und der braune Torf. 


(Seht heimwärts abends ein Mütterlein, 
Dann steht fie wohl ftill am Moor, 
Denn drüben huſcht mit den bläulichen Schein 
Der Irrwiſch durh Schilf und Rohr: 
Bald hüben, bald drüben in zitternder Haft, 
Was ſucht er im Moore, der ruhloje Gaft? 


Ein irrender Geiſt iſt's — mit bübiicher Hand 
Die Habe der Waiſen einst hat er gekürzt, 
In dunkler Stunde den Grenzitein entwandt 
Und hat ihn in's Schweigende Moor geitürzt, 
Und wie er gefunfen tief auf den Grund, 
Berließ den Frevler die Ruh’ zur Stund”. 


Vom Kirchhof, wo einſam die Fichte fteht, 
Schwebt's nächtlich heran mit dem bläulichen Schein; 
Der Geift ift’8, der in der Irre gebt, 

Gr ſchwebt überm Moore und ſucht den Stein. 
Gr ſucht und jucht mit dem eigenen Licht 
Den Stein und die Ruh’ — er findet fie nicht. 


— — 


Die Heide iſt ſtille, der Nachtwind ſchweigt, 
Im Föhrenwipfel der Kauz nur ſchreit, 
Das Moor wird dunkler, der Nebel ſteigt, 
Dem Mütterlein graut's in der Einſamkeit; 
Sie ſchlägt ein Kreuz und murmelt dazu: 
„Gott gebe der armen Seele Ruh'!“ 


* 


=), 


Der Geiſterſeher.“ 


Lippiſche Landeszeitung.) 


Vom Birkenwalle weit umſäumt, 
Wie ftill der Heidhof Liegt und träumt! 
Das Haus mit feinen grünen Planfen, 
Wo wilder Wein und Epheu ranken, 
Springen und Hollunder blühn, 

Ruht halb verftedt im Lindengrün. 

Es mwob die laue Matennadt 

Um Buſch und Baun den Schleier ſacht; 
Vom Apfelbaum am Schlafgemad) 

Zönt hell der Nachtigallen Schlag; 
Behende, wie ein Elfenkind, 

Fährt durch's Gezweig der Frühlingswind, 
Und mit des Flieders Blütenreis 

Pocht necdend er ans Feniter leis, 

Durch das die Maienabendluft 

Ins Kämmerlein den Tau und Duft 
Von Blatt und Blüte Find und fühl 
Weht um des Lagers weichen Pfühl. 
Des vollen Mondes Silberichein 

Fallt durch's Gezweig vom wilden Wein, 
Umifpielend dort dem Schläferpaar 

Am Brautgemade Stirn und Haar. 

Auf blütenweißem Lager rubt 

Ein junges Weib wie Milh und Blut. 
Kaum über dieje friihen Wangen 

Sind zwanzig Sommer hingegangen. 
Des Haares Wellen, braun und licht, 
Umfließen Brust und Wange dicht; 

Den vollen Mund, geichloffen kaum, 
Umipielt es wie ein froher Traum. 





*, Im Volksmunde: Spöfenlicker. Denfelben Stoff bat auch Annette von 
Droſte-Huͤlshoff in ihrem Gedichte „Vorgeſchichte“ (j. u.) behandelt. 


Erſt heute ward die junge Braut 
Dem düſtern Schläfer angetraut, 

Auf deifen Antlig, ernit und fahl, 
Unheimlich rubt der Eulte Strahl. 


Dem hat die Wange früb vielleicht 
Ein finſteres Geſchick gebleicht. 
In feinen SJünglingstagen ſchon 
gait er, der düſtern Heide Sohn, 
Gin ftiller, träumeriicher Knabe, 
Des doppelten Gejichtes Gabe. 
Es trieb ihn, wenn auf Heid’ und Hag 
Des Vollmonds bleicher Schimmer lag, 
Von feiner Lageritatt, mit Grau'n 
Den nah’nden Leichenzug zu ſchaun, 
Mie er in feierlihem Gang 
Den Saum der Heide 309 entlang. 
Dann mit dem Auge des Propheten 
Sah er den Horizont fid) röten, 
Sah nad dem Wetteritrahle jadı 
Sih Flammen mwälzen über's Dad, 
Und wie in funfenjprüh’nder Glut 
Verſank des Nachbars Hab und Gut! — 
Und wortlos, ftill, in Haus und Feld 
I er fein Tagewerf beftellt; 

ohl lohnt’ es Jahr um Jahr ihm reicher, 
Doch bleihh ward jeine Wang’ und bleicher, 
Denn Schon amı Feierabend dacht’ 
Er an das nah'nde Grau'n der Nacht. 
So ilt die Jugend ihm verfloffen, 
Fern Spiel und Tanz, fern den Genofjen, 
Dis daß zulegt wie Sonnenstrahl 
Die Liebe ſich ins Herz ihm stahl, 
Rein Füngling mehr — in reifen Jahren 
Erſt ſollt' er ihre Macht erfahren; 
Doch wie des Sonnenlichtes Fülle 
Durhbricht des Morgens Nebelhülle 
Und wedt die Blumen auf der Au, 
Don Nahtwind ftarr und falt vom Tau — 
So wird's ihm licht, jo keimt's ihm nei, 
Als ob im Herzen Frühling jei. 
Bon feiner Bruft entweicht der Alp, 
Srlöft dünft er fich halb und halb 
Und Hoffend pilgert er zum Rhein, 
Stniet bor der Jungfrau heil’gem Schrein 
Sm Slofter dort und hat geweiht 
Drei Kerzen ihr auf ew'ge Zeit, 
Und reiche Gabe, gold’'ne Spende, 
Gelegt in ihrer Diener Hände. 


— BE — 


Durch gb Segen dann gefeit, 
Hat er fein junges Lieb gefreit, 


Vom Kirchturm fern, grau überdacht, 
Ertönt der Auf der Mitternacht 
Und ſchreckt, wenngleich gedämpft und matt, 
Den Schläfer von der Lageritatt. 
Als ob er ferne Stimmen höre, 
Entgeiſtert ftarrt fein Bli ins Leere. 
Dem Haus enteilt er jchnell und jacht, 
Gezogen mie von finitrer Macht, 
Und jchrill begleitet feinen Schritt 
Des Käuzchens Ruf: „Komm mit! Komm mit!“ 
Vom Gartenthor dann zieht’3 den Mann 
Zur Screinerwerfitatt nebenan. 
AM’ Abend dort hängt Reih’ an Reih’ 
Des ſcharfen Werfzeugd mancherlei 
Geordnet an gebräunter Wand, 
Bis früh des Meiiters fleiß’ge Hand 
Mit friiher Kraft für Weib und Kind 
Aufs nen’ das Tagewerk beginnt. 
Hielt ihn jo ipät die Arbeit wach? 
ober denn hier der Hämmer Schlag? 
Woher zu mitternädht’ger Zeit 
Der Werkſtatt laute Thätigkeit? 
Sm tweiten Raum, vom Mondlicht heil, 
Schafft weder Meifter noch Gejell, 
Und dennoh wie am Schnürden geht 
Gar mwunderjeltiam das Gerät. 
Wie wühlt die Säge dort, die blante, 
Sic durch die zähe Fichtenplante! 
Geformt find fchnell vom fcharfen Beile 
Drei große und zwei fleine Teile; 
Dann wirft des Hobels ſcharfer Zahn 
Vom rauhen Breite Span um Span, 
Und an einander nad) und nad 
ügt fie de Hammers muntrer Schlag. 
it ſchwarzer Farbe dann in Haft 
Fährt drüber hin der feuchte Quaſt, 
Und blinfend auf der dunflen Latte 
Liegt des Beichlages Silberplatte. — 


Still, ohne Regung, fieht der Mann 
Das wunderfame Treiben an; 
Sieht ftarren Aug’s, die Wange fahl, 
Auf das Gehäufe, lang und jchmal. 
Auf dem Geſtell fteht'3 fertig num, 
Und Hammer, Beil und Säge ruhn. 


® 


Da dedt Gewölk des Mondes Bahıı, 

Hell auf dem Heidhof Fräht der Habn, 
Verſchwunden iſt das nächt’ge Grau'n, 
Und ichweigend lehnt am Gartenzaun 
Der bleihe Mann, ımd weich und lind 
Zieht durdı fein Haar der Frühlingswind. 


Nach ſieben Maientagen haben 
Sie ihm ſein junges Weib begraben. 


er: 
Der Apfelbaum blüht. 


(Zippiiche Landeszeitung.) 


„Srogmütterchen, fiehit du den Apfelbaum blühn? 
Der Herbſt iit gekommen, die Stare ziehn; 
Großinutter, nun kommt er, nun fommt er gewiß! 
Er ſagt's ja, bevor er im Mai uns verlich; 
Eine Hochzeit nun giebt es; der Schag tit nicht weit, 
Wenn der Apfelbaum blüht in herbitlider Zeit.” 


„Sa, ja, 's ift der Schatz oder Tod in der Näh'; 
Mein (Ende bebeutet’3, 's iſt Seit, daß ich geh’, 
Am Roden nun fig’ ich ſchon fiebenzig Jahr, 
Es zittert die Hand mir, und weiß fit mein Saar; 
's tit Zeit, daß ich gehe, die Welt wird mir fremd, 
Ich jpinne, mein Kind, mir das Totenhemd.“ 


„O dent nicht an's Scheiden, Großmütterlein! 
Noch ſpinnſt du den Faden jo feit und fein; 
Du ſpinnſt mir das Brauttuch, du thuſt es ja geri, 
Der Hochzeitätag, ahnt mir, iſt nimmer fern. 
Das ſchneeweiße Tüchlein, die ſchönſte Zier, 
Großmutter, nicht wahr? Du ſpinnſt es mir?“ 


Großmütterlein nicket und ſpinnt und ſpinnt, 
Der Rocken wird leer, und die Zeit verrinnt. 
Schon will der Apfelbaum blühen aufs neu', 
Die Schwalbe verkündet, daß Frühling ſei; 
Großmütterlein figt umd jpinnt und ipinnt 
Das Totenhemd — für ihr Enkelkind. 


> 


Sartmann, Schaßfäjtlein weirfäliicher Dichttunſt. 5 


Milbelm Emanuel Badhaus,” 


geboren am 26. Murz 1826 zu Petershagen an der Wejer, empfing bis zu feinem 
15. £ebensjabre Privatunterricht und widmere fich dann der Handelswiſſenſchaft. Seit 
1846 lebt er als Kaufmann in Bremen, wo er zwölf Jahre Mitglied der gejeggebenden 
Körperichaft war. Er iſt Mitbegründer und war eine zeitlang Redafteur der Zeitung 
Norddeutſche Hanſa“ und hat verſchiedene politiiche, funitwiffen: und vollswirrjichaft: 
liche Schriften herausgegeben. 
Diiungen: Zum Gedächtnis Schillers. Ein Igriiches und allegortiches 
Spiel. Bremen 1859. — Ein dem Fürften Bismard gewibmeter 
Lob: und Preisgeiang. Bremen 1880. — Haußaltäre, ein 
Familienalbum. Bremen 1882. — Seine übrigen Dichtungen find zer— 
ftrent und größtenteils ungedrudt, die gefammelten follen bem Drude 
dbemnächit übergeben werden. 


(Driginatbeiträge.) 


Spielmannslied. 


Und wein fein Chr es hören wollt! — 
Ich ſänge doch mein Xied! 
Ich ſänge doch aus voller Bruſt, 
Was durch die Seele zieht. 


Ze Ach „ginge in den tiefiten Wald, 
X _Da wär’ ich ganz allein, 
Da jänge ich beim Mondenglanz, 
Beim gold’nen Sonnenschein. 


Den Sternen jänge id; mein Leib, 
Der Sonne meine Luft, 
Und mir erichlöffe fich wohl tief 
Die ahnungsvolie Bruft. 


Bon einem Berge ſäng' ich wohl, 
dd über Berg und Feld, 

Es prieie laut mein fröhlich” Herz 
Die weite, ſchöne Welt. 


.) Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 


a 


Und dieſe weite, ſchöne Welt, 
Sie wär' mein ſtolzes Reich, 
Und einem König fühlt' ich mich, 
Ja, einem König gleich! 


Und wenn die Leier mir zerbräch', 
Die in dem Arm ich halt': 
Noch von den Lippen kläng' das Lied, 
Daß weit hinaus es ſchallt'. 


Und wenn man mir verſchlöſſ' den Mund, 
Zur Feder griff ich gleich, 
Und aus den Zeichen kläng' es hell 
Wohl durch das ganze Reich. 


Und wenn mir auch das Wort erſtirbt, 
Wenn alles, alles flieht: 
Im tiefſten Buſen klingt es fort, 
Das wunderſel'ge Lied. 


* 


“> 


Der erſte Veilchenſtrauß. 


Es harrt am hohen Portale 
Ein ſchönes, blaſſes Kind, 
Umhüllt vom ärmlichen Kleide, 
Und eiſig weht der Wind. 


Im Auge glüht eine Bitte, 
Der Mund ſpricht zögernd ſie aus: 
Ich bringe des Frühlings Grüße, 
Den erſten Veilchenſtrauß! 


Ich nahm ihn aus ihren Händen 
Den lieblichen Blumenbericht, 
Da verklärte ein Lächeln der Freude 
Ihr kummerbleiches Geſicht. 


Wie des Lenzes freundliche Gaben 
Begleitet die nagende Not, 
Wie nah bei einander ſie wohnen, 
Des Lebens Luft und der Tod: 


So quellen die ſüßeſten Lieder 
Hervor aus dem bitteriten Leid; 
Die duftigiten Blüten des Geiſtes 
Sind Kinder der Traurigfeit. 


5 


5* 


— 68 — 


Der rechte Engel. 


Gin Engel geht mit dir durchs Leben, 
Er tit dir nah und eng verwandt 
Und er vollführt dein beites Streben, 
Reichſt du ihm nur die treue Hand. 


Und wenn Gefahren Dih umrauſchen, 
Es tritt für did; dein Engel ein, 
Tu mußt nur feinem Worte lauichen, 
Gehorſam feinem Winfe fein. 


Ind joll ich dir den Engel nennen, 
Der wirft mit jolcher Wunpderfraft? 
Du mußt zuvor dich recht erfennen, 
Denn nur in dir er wirft und jchafft! 


Und diefer Engel, den ic; meine, 
Er it bein bejj’res Selbit zumal; 
Sr glänzt dir vor in feiner Reine 
Als deines Weſens Ideal. 


=; 


Frühlingsmahnung. 


MWieder wandelt leiſes Weben 
Fort und Hain und Feld und Flur, 
Und es ſtrömt ein neues Yeben 
Durch die leuchtende Natur. 


Doch eriteh'n kann nicht vom Leide 
Selbit zur Wonnezeit das Herz, 
Feld und Hain und Wald und Weide, 
Ach, fie mildern nicht den Schmerz! 


Andern iſt der Lenz gekommen — 
Mic doch kehrt' er nicht zurück! 
Andern feine Gaben frommen — 
Mir erblüht fein neues Glück! 


Sie, Die einzig mir geboren, 
Die mein Leben war und Licht, 
Frühling, fie, die ich verloren — 
Diefe Blume bringit du nicht. 


Pal 


=“, 


nF 


— 68 -- 


Die Jagd nad dem Glüke, 


(Bremer Dichter des neunzehbnten Jahrhunderts. Bremen 1975.) 


55 ichwebt ein Gebilde in zanb’riiher Brad, 
Eine Königin finnlicher Mächte, 
Bor der Menichen Blicken bei Tag und bei Nacht 
Und gebietet dem feigen Geichlechte. 


Und alfüberall ertönet ihr Lied 
Non berauichendem, lodendem lange, 
Und wen es gelungen, den mächtiglid zieht 
Es hin zum Sirenengejange. 


Eine goldene Krone vom Hanpte ihr ſtrahlt, 
Es flattern die Locken, die dunkel, 
Und Siegesgewißheit im Antlig ſich malt, 
Die Nugen verheißungsvoll funkeln. 


Der ichlanfe, ätheriſche Leib iſt umwallt 
Bon einem güld’nen Gewande; 
Die wunderbar reizende Luſtgeſtalt 
Durchfliegt berüdend die Lande. 


Und hinter ihr her in gigantiichem Zug 
Die Menfchen atemlos rennen; 
Es lechzen die Seelen nach glänzendem Trug, 
Und die gierigen Blide brennen. 


Sie rennen und rafen in tobender Jagd, 
Es finfen und jtürzen jo viele, 
Und hinweg über fte, noch bevor man's gedacht, 
Die andern ftürmen zum Ziele. 


Und allen voran, von Yuft berauicht, jagt 
Ein blühender, kecker Geſelle; 
Er hat ſein Leben, die Seele getvagt, 
Zu gewinnen die föftliche Stelle. 


Und nahe und näher fommt er dem Bild, 

an wachſen im Fluge die Schwingen; 

Ihren Odem ichon trinkt er, fo glühend und wild, 
Das Herz will vor Luſt ihm zeripringen. 


Er ſtreckt jeine Hand, zu empfahn ihre Gunit, 
Seine Augen leuchten wie Flammen, 
Da zerrinnt das Gebilde in Nebel und Dunit, 
Und jchaudernd bricht er zufammten. 


5 


— 70 — 


Ahasvera. 


Oskar Blumentbal& Deutsche Dicbterhalle. Bd. IT. Jahrg. 1873.) 


Ich ſeh' ein Weib durcdhichreiten alle Yande 

Mit ſtieren Blicden, abgehärmten Wangen, 

Die Haare wild um Haupt und Schultern bangen, 
Der Ichlaffe Leib in härenem Gewande. 


Als ob hier wandelte die nadte Schande, 
So faßt Beſitz und Macht ein ſcheues Bangen, 
Und Themis jelbit fühlt heftiges Verlangen, 
Zu ichlagen diejes Weib im eh'rne Bande. 


So wandelt es jeit vielen, vielen Jahren; 
Zumeilen nur jah man fein Auge flammen, 
Wollt’ e3 der Welt fein Elend offenbaren. 


Dann Scharten fih Geſetz und Macht zuiammen, 
Groriffen es bei jeinen lojen Haaren 
Und ftraften es mit Hunger und Verdanmen. 


a 


=, 


Titanenſchickſal. 


(Bremer Dichter des neunzehnten Jahrhunderts. Bremen 1875.) 


Du wirft nie ern den Schleier heben, 
Der det des Weltgeiſts tief geheimites Walten, 
Die Wunder, die er und will vorbehalten, 

Die Rätfel, deren Löſung wir erftreben. 


Die Götter neiden dir dein ganzes Leben, 
Wenn du es wagit, dich ihnen gleich zu halten, 
Verſuchſt, wie fie, zu herrſchen und zu fchalten, 
Am Weltenichikial weile mit zu weben. 


MWer reiner Wahrheit Fadel will entzünden 
Und der Gefege legten Grund ergründen, 
Der Welt ihn triumphierend zu verkünden: 


Dem wird ein neid’fcher Gott das Auge blenden, 
Sein Wiffen und fein Können jähling3 enden, 
Sein jchrantenlofes Streben rückwärts wenden. 


Ss 


ARE... ı EDER 


Königlich Gebet. 


(Dar Moltkes Neuer deutſcher Parnaß. 1882.) 


Senfe, Mutter Natur, ewiger Liebe voll, 

Süßen Wohllautes Geift tief in mein dürſtend Herz, 
Daß ich lebe dir, Schönheit, 
Heil’ge, himmelentiproffene! 


Laß mich wachlen und blühn, ficher in deinem Schuß, 
Frei und fröhlich empor! Wehre mit güt’gem Sinn 
All' dem Gifthauch der Seele! 
Daß mir fromme des Lebens Mai. 


Laß mich fünden dein Lob, deines Gelege: Wort! 
Brieiter treu mid) dir fein, Schaffen das Gurte gut! 
Meile beifernd die Menſchen, 
Daß da komme der Wahrheit Neid). 


Wenn das Alter mir naht, vühre mit junfter Hand 
Leiſe dann mir das Haupt! Barnne hinweg mir ftill 
Ron der Schläfe die Sorge, 
Lächle freundlicy dem Genius! 


Sinft die Sonne hinab, dunfelt mir Auge und Sinn, 
Nimm dann, Mutter, mid auf liebend in deinen Schoß! 
Eins mit dir, la mid; wachen 
Ewig durd) die Meonen fort. 


Ss 


(Driginalbeiträge.) 


Monismus. 


Bon Stern zu Stern auf — Brücken 
Schwebt durch das All der Weltengeiſt, 

Und um das All im All zu ſchmücken, 

Er flammend um ſich ſelber kreiſt. 


Bon Ewigkeit hat er gewaltet, 
Doch ewig neu find Kraft und Glanz; 
Denn was er fchafft, das nie veraltet, 
Es ſchwingt ſich fort im Zirkeltanz. 


Nach feſten, ewigen Geſetzen 
ie er vollführt der Schöpfung Plan, 
Sr jelber kann fie nicht verlegen 
Auf ferner großen Wandelbahn. 


Was er zertrümmert, baut er wieder, 
Nichts hemmt den wundervollen Lauf; 
Denn was da lebt, das finfet nieder, 
Und was da fant, blüht wieder auf. 


Kein Weſen geht im All verloren, 
Was war umd ift, lebt allezeit; 
Verwandelt wird es, neu geboren, — 
Sin Abglanz ew’ger Herrlichkeit. 


Ex 


=, 


Fin Gleiches. 


Raſtlos und zu allen Zeiten 
Sternenheere flammend ſchreiten 
Durch die ungeheuren Weiten! 
Welten gegen Welten ſtreiten! 

Und die hochgebenedeiten 

Uralt ew'gen Götter leiten 

All' die Sonnen, die gefeiten, 
Raſthos und zu allen Zeiten, 
Ew'ges Xeben zu verbreiten 
Wunderbar nach allen Seiten 

Bis in alle Gwigfeiten. 


Raſtlos vorwärts mußt auch ftreben, 
Du, o Menich, im kurzen Leben! 
Und am Zeitenwebituhl weben! 
Stilfftand it ein totes Kleben 
An dem Stoffe, und daneben 
Feiglich weibiiches Erbeben 
Vor der Pflicht, die uns gegeben. 
Raſtlos vorwärts mußt du ftreben, 
Stei der Wahrheit treu ergeben: — 
Gute Geifter dich umſchweben 
Und dir ew’ge Schüte heben. 


5 


Weiſe Beſchränkung. 


Harmonie durch Freiheit! Ordnung durch ew'ge Geſetze! 
Predigt der Sterne iſt's, Himmel den Himmel es lehrt. 

Alles beſchränkt ſich im All, bringt Opfer an eigener Freiheit, 
Denn nur das Freie iſt frei, bannt es ein weiſes Geſetz. 

Doch in der Menſchenwelt, der Krone der irdiſchen Schöpfung, 
Herrſchet mit eiſernem Sinn Willkür und Selbſtſucht allein. 

Wann wird kommen die Zeit, da der Menſch mit Bewußtſein vollführet, 
Was von Ewigkeit ſchon leiſtet bewußtlos Natur. 


=; 


— I 


Dem Roifer. 


(In Separatabdruck, auch durch mehrere Zeitungen und Sammlungen verbreitet.) 

Das erite Glas in jedem Kreis 

Set ihm geweiht, dem Heldengreis! 

Dem Kaiſer, Deutichlands Hort und Schild, 

Der ſtets gerecht it, wahr und mild; 

Der unser Führer, unier Held, 

Bewußt und groß im Rat und Feld; 

Der Deutichland über Alles Tiebt, 

Am höchſten Glanz noh Demut übt. 

Dem Kaiſer, der im Silberhaar 

An Mut und Kraft ein Jüngling war, 

Da er mit ſtarker Eiſenhand 

Die Wende ſchlug in ihrem Land, 

Und ung in raſchem Siegeslauf 

Tas deutsche Neich nen baute auf! 

Der Recht und Ehre recht veriteht, 

Und die Nation hat hoch erhöht! 

Die Seel’ uns ſchützt und geiftig Gut 

Nor der verichmisten Lügenbrut! 

Und nimmer ruhet früh und ſpät — 

Die rechte, echte Majeität! 

Der, mehr als Majeftät, im Land 

Der Vater Sei des Volks genannt! 

Sp leb' er Deutſchland allezeit 

Als Schutzgeiſt feiner Herrlichkeit! 


Ss 
(Driginalbeiträge.) 


Sprüde und Epigramme. 


Der böchfte Beſitz. 


Gierig ſtrebt nad Beiig ihr und Fremdes nur wollt’ ihr bejigen; — 
Doch wer fich jelber beiigt, der nur ift reich und beglüdt. 


5 
i Unzertrennlich. 


Gutes und Böſes wachen zufammen 
Und in der Seele fie wohnen; 
Werft ihr das Unkraut in die Flammen, 
Sp könnt’ ihr den Weizen nicht fchonen. 


Ss 


—— 


Guter Nat. 
Verlaß dich nicht auf andrer Schutz, 
Verlaß dich lieber auf deinen Trutz, 
Vertraue Gott und eigener Macht, 
So gehit du ficher in dunfler Nacht. 


Fa) 


=; 
Memento. 


Denfe flar, 
Rede wahr, 
Trotz' der Gefahr! 


“Ss 


ZAinerläßlich. 
er will des Ruhmes Frucht genießen, 
Muß fleißig fie mit Schweiß begieken, 
=; 
Ausnabme. 
Mit Chr’ und Pflicht 
Verhandle nicht. 


2; 


Sleicher Wert. 
Warum der große Frig den großen Leſſing mied? 
Weil jede Sonne ihre eignen Bahnen zieht. 
Denn Friedrih war ein Leifing auf dem Throne, 
Und Leſſing trug, wie Friedrich, eine Krone. 


=“, 


Unbemwußt. 
Wenn dir ein reicher Mann 
Von — Armut ſpricht, — 
Die Wahrheit ſprach er dann, 
Doch wußt' er's ſelber nicht. 
Ss 
Znvermeidlich. 


Du ſtauneſt, Freund, verdugt wohl an 
Des Meiſters Können und Willen; 

. Der Meifter hat, wie Jedermann, 
Auch Lehrjunge fein müflen. 


5 


Johanna Jellinghaus, 


geboren am 10, April 1831 zu Schlüffelburg bei Minden, 
geitorben zu Bielefeld am 4. Oktober 1830. 


Wittekinds Leichenfeier. 


(Mitgeteilt durch Dr. Jellinghaus in Segeberg.) 


Dichte Flocken fallen nieder, 
Granfig beult der eif’ge Wind, 
Käuzlein flattern hin und wieder 
Um die Burg des Wittefind. 
Seine Starken Heldenglieder 
Lähmt des böfen Fiebers Gut. 
Wird fein Schwert er Schwingen wieder 
Jemals mit gewalt’gem Mut? 
Trauernd itehen all’ die Seinen, 
Und ihrer ſchwacher Glaube bricht, 
Trauen nicht auf den Dreieinen, 
Laufchen, was die Drude ſpricht. 
Möchten fragen weile Frauen, 
Die dur ihres Zauber Macht 
Ahnungsvoll die Zukunft ſchauen, 
Die beihwören Wotans Macht. 
Und fie bringen ihr Begehren 
Vor des franfen Helden Ohr. 
Dod) dem Heidenfinn zu wehren, 
Hebet er die Hand empor: 

„Das verhüte Gott in Gnaden 

Und Maria, heil’ge Magd, 

Daß in eures Königs Gadem 

Die Araune Wotan fragt. 

Ir den Bögen abgeſchworen, 
ete Jeſum Chriſtum an, 

Der zu retten, was verloren, 

Bon des Himmels Throne kam. 

Bin dem Völkerhirten eigen, 

Treue hält ein deuticher Manıt, 


— 6— 


Will Er Gnade mir erzeigen, 
Weiß ich, daß Er helfen fann. 
Sterbe ich, fo werd’ ich fommen 
Zu der hohen Königsſtadt, 

Die zum Erbteil aller Frommen 
Unier Gott erbauet bat. 

Wenn ich liege auf der Bahre, 
Laßt die Kreuzesfahne wehn, 

Und begrabt mid) am Altare, 

Wo des Prieſters Füße ſtehn. 
Tretet näher, meine Mannen, 
Nehmt die Hand zum Abſchiedsgruß, 
Und nun gehet ſtill von dannen, 
Weil mit Gott ich reden muß.“ 
Stille wird es um den Recken, 
Und er blickt zum Himmel auf, 
Will dem Herrn ſein Herz entdecken, 
Schließt ihm ſeine Sorgen auf: 
„Himmelskönig, reich an Ehren, 
Gott, dreiein'ger, höre mich, 
Wollſt mein Volk zu Dir bekehren, 
Neige Dich mir väterlich, 

Laß es Allmachtswunder ſchauen, 
Gieb mir neue Lebenskraft, 

Daß es lerne, Dir vertrauen, 

Der alleine Hülfe ſchafft.“ 

Sanfter Schlummer ſenkt fich nieder 
Auf des kranken Königs Aug’, 
Und die Wolken flichen wieder, 
Golden ſteigt der Mond herauf. 
In der jchneeig weißen Hülle 
Ruh'n die weiten Sachſengau'n, 
Und die mitternächt’ge Stille 

Legt ſich jegnend auf die Au'n. 
Rofig dämmert Schon der Morgen, 
Als der Held vom Schlaf erwadt, 
Und entflohn find alle Sorgen, 
Hülfe hat ein Engel bradt. 

Sa, das Fieber ift verſchwunden, 
Die en fühlt er jchon, 
Jubelt, daß Erhörung funden, 
Sein Gebet vor Gottes Thron. 
Und er hebet jeine Augen, 

Hebt die Hände himmelwärts: 
„Lak mein Sinnen vor Dir taugen, 
Prüfen mich des Volkes Herz.“ 
Winket d'rauf in ne Nähe 
Seinen treuen Albion: 


— EN 


„Sottes Wunder an mir jehe, 
Meine Krankheit iſt entflohn. 
Doch dem Wolfe follit du künden, 
Daß der Sacjienherzog tot, 
Möchte feinen Sinn ergründen, 
Willen, wer mich ehrt im Tod. 
Fünfzig Boten ſonder Weilen 
Sende in die Gauen aus, 
Meine Treuen, heiß' fte eilen, 
Tragen mid in Gottes Haus." 
Und zu ihres Königs Grabe 
Gilen mit gebeugtem Sinn 
An dem Enot’gen Eichenſtabe 
Die getreuen Mannen bin. 
Much des Volkes dihte Scharen 
Sieht man zu dem Müniter ziehn, 
Wo um ihres Königs Bahre 
Shwarzverhüllte Frauen knie'n. 
Mit des Meihrauhs Wolken wallet 
Frommes Fleh'n zu Gott empor, 
Und ein Sterbelied erjchallet 
Aus der Mönche ernitem Chor. 
Als nun bei des Segens Worten 
Eich verneiget die Gemein’, 
Schau, da öffnen fich die Pforten, 
Und es tritt der Herzog ein. 
Alle ringsumher erbeben, 
Doc er öffnet feinen Mund: 
„Zaget nicht, ich bin am Leben, 
Grüß euch Gott zur frohen Stund! 
Geſtern, als der Tag entihwunden, 
Rief ih Ihn mit Flehen an, 
Gnade hab’ ich vor Ihm funden, 
Wunder hat Er mir gethan. 
Seine Engel ftiegen nieder, 
Streuten Fanften Schlunmer aus, 
Riefen mich ind Leben wieder 
Von des Todes dunklem Haus. 
Wollte eure Tren’ erproben, 

ab’ fie funden reines Gold, 
Seid zu Metern all’ erhoben, 
Wiſſet, daß euch Wieking hold. 
Habt im Tode mic geehret, 
Wie es frommer Christen Brauch, 
Drum jei Ehre euch gewähret, 
Euch und euren Enkeln audı). 

ier an diefem Hochaltare 

ol auch eure Bahre ſtehn, 


— —— 


Und mit ſechs der Rappen fahre 

Man den Sarg zum Münſter hin. 
Tranergloden Tnilen’3 tragen 

Bon den Türmen durd die Luft, 

Daß die Stunde hat geichlagen, 

Wo euch winkt des Grabes Kluft!“ 

Alſo Hat der Held geiprocen, 
Königsworten fol man trau'n. 

Wiekings Wort ward nicht gebroden, — 
Könnt's noch heut’ zu Enger ſchau'n. — *) 


> 


*) Hartmanı und Weddigen: „Das Buch vom Sadhjenherzog Witiefind“ 
Minden bei Y. E. E. Bruns, ©. 32 u. 33. 


Karl Bömers,“ 


geboren am 17. Juni 1648 zu Blomberg im Fürſtentum Kippe, beiuchte von tern 
63 bis 1868 das Gpmmnafium zu Detmold, ftudierte bis Michaelis II auf den 
Univerituten Tübingen, Leipzig und Göttingen Die Rechtswifienjchaft und lebt jeit dem 
i. Oftober 1879 als £andrichter in Büdebura. Außer Novellen und Feityedichten, 
welche in perichiedenen Seitichriften erichienen find, jowie kleineren rechtswiticnichaft: 
lichen Schriften, jchrieb er. 


Dichtungen: Heideblume. Ein Sang von Lenz und Liebe. Verlin 1871. 
— Fahrtgeihichten. Ein Stinerarium. 2, Aufl. Sturtgart 184. 


(Fahrtgeſchichten. Gin Itinerarium. 2. Aufl. Stuttgart 1994.) 


Rom blauen Himmel leiht die Sonne 
Dem Silberftrome gold’'nen Strahl, 
Gott jegne deine Matenwonne, 

Du buchmwaldgrünes Mejerthal; 

Die Herden ziehen auf den Weiden, 
Die Amſel fingt im Blütenjchnee, 
Und mich bedrückt ein ſchweres Weh, 
Das id; von dieſer Luft ſoll icheiden. 


Ind doc gelüftet mich, zu Schauen, 
Was hinter jenen Bergen Lebt, 
Was dort in berggeichted'nen Ganen 
Den Himmel ſucht, die Erde gräbt. 
8 Berg- und Thalfahrt wohl bereitet, 
Die Hoffnung in dem Wappenſchild, 
Sch’ ich der Ferne lodend Bild 
Am gold’'nen Frühlicht ausgebreitet. 


Und jollt’ ich mir ein Glüd erjagen 
Rei fremden Wolf, in fernem Yand, 
ch will es in die Heimat tragen 
Und forglich hüten, was ic) fand. 


*, Nach Fr. Brlimmers Deutichem Dichterlerifon (ſ. 0.) und des Dichters 
eigenen Mitteilungen. 


— — 


Ob ich mich von der Heimat wende, 
Fin Heimweh trag’ ich in der Bruſt, 
Gott ſegne dieſe Wanderluſt 

Und führ' ſie an ein gutes Ende. 


Pr 


=D, 


Der alte Meiſter. 


Zu vielen quten Dingen 
Uebt' ih in Köln am Rhein 
Das Geigen und das Singen 
Bei einem Meiiterlein; 
Und eines Abends frank und frei, 
In meines Meiſters Haug, 
Tranf ih mit durſt'ger Kumpanei 
Den Wein im Keller au». 
Es ſprach der alte Meiiter: 
Für diesmal will ich dir verzeihn, 
Jedoch zum andern Male, 
Da möcht’ es nimmer jein; 
Mir kann das wenig paſſen, 
Du Saufewind, du Brauſewind, 
Mein Haus jollit du verlafien, 
Sa, Lasten. 


Zu Köln der alte Singer, 
Der hatt’ ein jchmudes Kind, 
An Schönheit nicht geringer, 
Denn Hönigsfinder find. 
Und einit, wir wähnten uns allein, 
Zu fpäter Abenditund', 
stüßt’ ich des Meiiters Töchterlein 
Wohl auf den roten Mund. 
Es ſprach der alte Meifter: 
Für diesmal will ich dir verzeihn, 
Jedoch zum andern Male, 
Da möcht’ es nimmter fein; 
Mir kann das wenig vaſſen, 
Du Sauſewind, du Braniewind, 
Mein — ſollſt du verlaſſen, 
Ja, laſſen. 


Zu Köln dem Fiedelaeren 
Ward ſchon der Scheitel grau, 
ung, jcherzbereit in Ehren 
War noch des Meiiters Frau; 





— — 


* —— mb 
Hartmann, 


a 


Ind eines Tags mit leiten Sinn 


Rahm, jonder Schimpf und Harn, 
Ich meine junge Meiſterin 

In meinen jungen Arm. 

Da ſprach der alte Meiſter: 

Das kann ich nimmer dir verzeihn, 
Geſelle du unfeiner, 

Es muß geſchieden ſein; 

Mir kann das wenig paſſen; 

Du Sauſewind, du Brauſewind! — 
Sein Haus mußt' ich verlaſſen, 
Ja, laſſen. 


=), 
Das Rofenfpiel. 


Bei St. Goar am Rheine, 
Da iſt ein Strudel blanf, 
Der tritt vom Felsgeſteine 
Ginher mit jtolzem Gang; 
Der breite Waſſerſchwall 
Wirkt ein bieltönig Rauschen 
Und wedt den Wiederhall. 


Es war eine Markgräfinne, 

Wo jener Strudel gellt, 

Die hatt’ anf hohe Minne 

Ahr fühles Herz geitellt, 

Sie ſprach zur Pfingſtenzeit: 
„Nun macht euch, junge Degen, 
Sum Roſenſpiel bereit.“ 

Und einen Kranz bon Roſen 
Mit güldenen Garn fie wand, 
Und in des Strudeld Toien 
Warf ihn der Jungfrau Hand: 
„Wer bringt den Kranz zurück? 
Ihm lacht in meinen Armen 
Der Minneſaelde Glück!“*) 

Jach ſchwang vom Raſenſtreifen 
Sich mancher in die Flut 
Und haſchte nach dem Reifen 
Voll roter Roſenglut, 

Nur Einer griff das Pfand, 
Und den verichlang die Rheinflut 
Und warf ihn auf den Strand. 


dv. Glück, Segen. 
Schatzkäſtlein weitfäliicher Dichtkunit. 


— 82 — 


„Weh',“ ſprach die Markgräfinne, 
Im Krampf hub ſich ihr Leib, 
„Weh' mir und meiner Minne, 
Ich unglückſelig Weib; 

Und iſt mein Friedel tot, 
Den Kranz ſoll er behalten, 
O weh’, ihr Rojen rot!“ 


Da hat fie die Kapelle 
Am Rheine aufgericht't, 
D’rin Hang ein Glödlein helle, 
Und brannte ein ewig’ Licht; 
In tiefem Herzeleid 
Sa dort die Jugendichöne, 
Eine Jungfrau allezeit. 


=; 


An den Weinlauben. 


Lachende Schentin, herbei mit dem Glas, 
Mußt auch vorher daran nippen, 
Gut ift der Mein, noch beſſer das Naß, 
Rührten es erſt deine Lippen. 


Sonderlich Volk giebt es allwärts genug, 
— oft närriſche Knaben, 
Kränzten mit knospenden Roſen den Krug, 
Wollten ihn duftiger haben. 


Würzkraut nahm mancher und that es hinein, 
Frei von Stenglein und Rippen, 
Mich dünkt gekränzt und gewürzet der Wein, 
Rührten ihn nur deine Lippen. 


=, 
Ein altes Lied. 


Motto: Ich räte juch juncfraumen, 
Ir jollt den man nicht trauen. 
Die Mutter jprad) am Tödterlein: 
Und merfe auf mein Wort, 
Seh’ heute nicht zum Buchenhain, 
Schwertfnehte tanzen dort. 
Den Flachs jollit du veripinnent, 
Ein Brautkleid dir gewinnen, 
Wie Schnee in flarem Sonnenichein, 
Lichtfarben muß es fein. 


Zr — 


Am Fenſter ſaß Dominika, 

zu ſpinnen ſie begann, 
trat mit Gruß dem Fenſter nah 

Ein junger Reitersmann: 
„Was ſitzeſt du am Rocken, 
Wo hell die Geigen locken? 
Am Buchenhain die Fiedel klingt, 
Und alles ſingt und ſpringt.“ 


Sie ſprach: „Und wenn die Fiedel klingt, 
So klingt ſie nicht für mich, 
Wenn alles ſingt und alles ſpringt, 
Ich wirke Strich um Strich; 
Den Flachs muß ich verſpinnen, 
Ein Brautkleid mir gewinnen, 
Wie Schnee im klaren Sonnenſchein, 
Lichtfarben muß es ſein.“ 


Was nahm er von dem Eiſenhut? 
Einen Strauß von Blumen rot; 
„Sei du mir hold, ich bin dir gut 
Und treu bis in den Tod; 
Sch hab’ im Lande Steier 
2 Hof, Gewäld’ und Weiher, 

ir biet’ ich Herz und Hand und Haus 
Mit diefem Blumenftrauß.“ 


Aufihante bang Dominifa, 
Sie trug geheime Scheu, 
Dod in des Neiterd Auge ſah 
Sie nichts ala Lieb’ und Treu’! 
Süß lodten ferne Geigen, 
Forteilte fie zum Reigen, 
Den Reiterftrauß in Liebesluſt 
Trug fie an ihrer Bruſt. 


Und als nad) lautem Reigenihall 
Sie fam ins stille Haus, 
Da waren welt die Blumen all’ 
An ihrem grünen Strauß; 
Die Luft war bald zerronnen, 
Der Flachs war ungeiponnen, 
Der lag im Staub am Fenfterlein 
Und wurde nimmer rein. 


5 


6* 


— — 


Malnz. 


Und haben zu Mainz die Glocken ein wunderfein Geläut, 
Heller klangen ſie nimmer, dumpfer nimmer als heut', 
Sie ſagten und ſie klagten mit tönereichem Schall, 
Tot iſt die liederreichſte meißniſche Nachtigall. 


Und durch die Straßen wallte ein dunkler Trauerzug, 
Manche Thräne rollte auf ſchwarzes Trauertuch, 
Die Vögel in den Lüften umflatterten den Sarg, 
Der ihren Liederbruder in fchwarzer Hülle barg. 


Flatternde Kirhenfahnen, fadernde Fadeln und Kerzen, 
Taufend weinende Augen, taujend trauernde Herzen, 
Männer und Weiber folgten, feiner blieb zu Haus, 

Als man den Meifter Frauenlob zum Münfter trug hinaus. 


Den Sarg, mit grünen Yorbeers uniterblihem Gewinn, 
Trugen edle Frauen zum hohen Münſter Hin, 
Dort tönte himmelitrebend Antiphonienflang, 
Ron Saitenichall gehoben und mächtigem Chorgefang. 


Und als den Sarg man jenkte zur Gruft im Gotteshaus, 
Streute man der Kränze duftige Fütte aus, 

Und Wein entgoß jo reichlich der Frauen weiße Hand, 

Daß er im weiten Münſter ſchuhhoch am Eitrich ſtand. 


Ein Weib ftand an dem Grabe, das Auge thränenleer, 
Schaute iibernähtig mit wirrem Blick umher, 
Und war in dieſem Auge zu Iefen folch! ein Leid, 
Als wäre nun begraben alle Grdenfeligkeit. 


Sch aber dachte: Meifter, liedfundiger Frauenlob, 
Und ſäh'ſt dır dies Gepränge, du freuteit dich darob, 
Denn jolche Grabesleite hat nimmer man gejehn, 
Soviel in deutichen Landen auch Sängerfärge ftehıt. 


Und weiter dacht’ ih: Meifter, was freute dich zumeift, 
Könnt’st du herniederichauen, ein Lichtverflärter Geiſt; 
Mehr als der Wein, die Blumen, der Liebe Angebind”, 
Wohl freuten dich die Thränen, die hier gefloffen find. 


Und freudiger und länger al3 an dem Thränentau 
ingſt du wohl an dem Auge der thränenlofen Frau; 
Um dich, den Sänger, heben fie all’ dies lagen an, 
Die weint mit trof’nem Auge um dich, den ganzen Mann. 


=, 


— BE 


Höhere Wonne. 


Höhere Wonne 
Begehre ich nimmer, 
Als ein Leben in Waldesrub; 
Weckt mich der Sonne 
Soldiger Schinmer, 
Trink' ich ihr herzhaft den Jagdbecher zu; 
Gluck — Gluck — 
O, wie ſelig verſtreicht, 
Wie wohlig und leicht 
Das Leben im grünen Walde. 


Seit ich zum Walde 
Den Glückspfad ergründet, 
Bin ich erſt frei, wie in Lüften der Weih, 
Und von der Halde 
Der Kuckuck verkündet, 
Daß es ſobald mit der Luſt nicht vorbei; 
Kuckuck — 
Gluck — Gluck — 
O, wie ſelig verſtreicht, 
Wie wohlig und leicht 
Das Leben im grünen Walde. 


Und muß ich ſterben, 
Will mich nicht länger 
Tragen zu Walde das wanfende Knie, 
Brech' ih zu Scherben 
Bogen und Fänger, 
Blafe den Wald und der Welt Halali! 
Gluck — Gluck — 
Kuckuck — 
Halali — 
O, wie ſelig verſtreicht, 
Wie wohlig und leicht 
Das Leben im grünen Walde. 


6 
Mein Scritt iſt ſchwer, mein Fuß if wund. 


Mein Schritt iſt ſchwer, mein Fuß iſt wund, 
Ich ſpüre kühles Wehen, 
Früh bringt der Herbſt die Abendſtund', 
Mir thut dies kühle Wehen kund: 
Du mußt zu Hauſe gehen. 


Im falben Busch ein Vogel fingt, 
Eintönig klingt die Weife: 
Ich ch nur eins, das Glück dir brinat 
Schau, ob die Heimkehr dir gelingt 
Und ende deine Reiſe. 


Mein Schritt iſt Ächwer, mein Fuß iſt wund, 
Ich fpüre kühles Wehen, 
Früh bringt der Herbit die Abenditund’, 
Mir thut dies kühle Wehen fund: 
Du mußt zu Haufe gehen. 


5 


Was ih fand. 


Sch kam verzagt windfalten Weg daher, 
Ihr brachtet mir den Willkommgruß entgegen, 
Und ob mein Reiſebündel leicht, ob ſchwer, 
Euch galt es gleich, weil meine Wiederkehr 
Als einziger Wunſch am Herzen euch gelegen. 


Ihr fragtet nicht: Was haft du mitgebracht, 
Zu unserer Luft, zu unſerem Behagen; 
Ihr hättet ftumm und ichamrot mic gemacht, 
Wenn ihr gefragt: Haft du von all’ der Pracht 
Da draußen denn für uns nichts heimgetragen? 


Nicht Elingt, ob man es schüttelt, mein Gewand, 
Arm, wie id fortgegangen, fam ich wieder, 

Heimbracht' ich nur, was ungelucht ich fand 

Auf ſteinigem Boden in dem fremden Land, — 

Ein ftarfes Herz und dieſes Buch der Lieder. 


5 


Yy ⸗ ⸗ 7 * * 
Sriedrich Deinrib Otto Weddigen,“ 
geboren am 9. Februar 1851 zu Minden in Weſtfalen, erhielt feine erſte Ausbildung 
in Ner Dateritadt. Die ſchöne Umaebung derielben erwedte in dem munteren Knaben 
ion früb den Sinn für Natur und Dichtfunft. Nach Ublegung des Abiturienten: 
eraniens trat er 1870 als freiwilliger begeiitert in die Armee ein und Ddichtete feine 
Schmwertlieder, welce, als loje Blätter von Hand zu Hand gebend, vielen Beifall bei den 
Kameraden fanden und Dann 1880 als „Schwertlieder eines Freiwilligen“ gedruckt worden 
iind. Nach feiner Geneſung aus einer ſchweren Kranfheit, welche ihm die Strapazen 
des Feldzuges zugetragen, bezog er die Univerfitäten Halle, Straßburg und Bonn, um 
fih dem Studium der Philojophie, Gejchichte, neueren Sprachen, vorzüglich aber dem 
der Neitbetif und der neueren europätichen fitteraturen zu widmen. Nach erfolater 
Promotion und Ublegung des Staatseramens übernahm er Oſtern 1874 eine Kchrer: 
elle an dem Großberzogl. Realgrmnafium zu Schwerin und 1878 Ffonnte er nach 
einem geliebten Weſtfalen zurüdfehren, inden er als Lehrer an das Königl, Gymnaſtum 
zn Hamm berufen wurde, Bier wirft er noch jegt, vielfach litterariich beſchäftigt. 
Im Nabre 1883 babilitierte er fich für neuere Litteratur an der techniſchen Hochichuie 
zu Sannover. Da aber das Minifterium die Mittel für eine Profeffur in dem 
gerannten Fache an den technifchen Hochichulen Preußens nicht bewilligen fonnte, jo 
zerſchlug Die Sache fidt wieder. Außer vielen litterar:biftoriichen Schriften, Gedicht: 
famıınlungen aus deutjcher, framzöfticher und engliſcher Errif, Sagen: und Märchen: 
jammlungen, Vorjchlagen zur Gründung einer Profefiur für neuere fitteratur an den 

Dentichen Bodtichulen, ſchrieb er: 
Tichtungen: Schmwertlieder eines Freiwilligen aus bem Feld: 
auge bon 1870-1871. 185890. — Gefammelte Dihtungen. 
I. 2b. Gedichte, Dramen. II. Bd. Novellen. Minden 1854. — Neue 
Gedichte und Neue Novellen. 1885. 


(Geſammelte Dichtungen. Grfter Band. Gedichte, Dramen. Minden 1884.) 
(Zieber.) 


Du bit mein Traum, mein füßer Traum. 


Du biit mein Traum, mein füßer Traum, 
Nenn alles ringsum ſchweigt, 
Wenn ſich der Sterne gold’ne Pracht 
Am Himmel freundlic zeigt. 
. *) Nach der im Vorwort zu ben „Geſammelten Dichtungen“ enthaltenen Lebens— 
beichreibung. 


- 88 — 


Wenn fi des Mondes Sichel wiegt 
Am fernen Himmelszeit, 
Daan webt um mich fo hold, jo leis, 
Die Sehnſucht eine Welt. 


O, hätt’ ich eines Zaubrers Macht, 
Did) zaubert’ ich hervor, 
Yu deinen Füßen blickt' ich danıı, 
Mein Stolz, zu div empor. 


=; 


Heimkehr am Abend. ”) 


Die Sonne ſinkt im fernen Welten, 
Es dunfeln Thäler, Wälder, Höh’n, 
Die Vöglein ſchlummern in den Meften, 
Ningsum die yriedensengel gehn. 


Es ſchaut jo still die Mafferrofe 
Hernieder in den Grlenteich, 
Sie harrt, ob jemand mit ihr foie 
Port aus dem naſſen Nirenreid. 


Der Mond blickt freundlich auf mich nieder, 
Er leuchtet heim mir auf dem Pfad; 
Sc finge ihm die Schönsten Lieder, 
Die heut’ mein Lieb gelungen bat. 


5 


Des Glühes legten Traum. 


Wie viele Ihränen find gefloſſen, 
Seitden du weileit in der Fern', 
Mit dir iſt all’ mein Glück entwichen, 
Du, meine Wonne, du, mein Stern. 
Sch halt’ ein Blümlein in den Händen, 
Sch ſchau' es an, ich glaub’ es kaum, 
Es will mein Herz vor Weh' zeripringen: 
Bon meinem Glüd der legte Traum. 


Ih Stand gelehnt am Lindenbaume 
Und fchaute weit ins Thal hinaus, 
Sch ah’ dich ziehn am Wanderitabe, 
Du Eehrteit nicht ins Vaterhaus. 


*, Komponiert von Adalb. Staab, 


— 89 — 


Nun prangen wieder Wald und Fluren, 
Es blühet auch der Lindenbaum, 

Doch iſt das Blümlein welt geworden: 
Von meinem Glück der legte Traum. 


Die Wolken zieh'n in weite Ferne, 

Sie zieh'n zu dir, Geliebter, hin. 

zo * nicht enden, kann's nicht wenden 
Daß fort mit ihnen ſchweift mein Sinn. 

Im Purpurglanz der Abendröte 

Hebt ſich ein breiter, gold’ner Saum 

An Horizont -— ich ſteh' und ſeufze: 

Von meinen Glück der legte Traum. 


DS 


Schufudt nad der Heimat. 


Wenn der Frühling fehret wieder, 
Neues Leben ringsun winkt, 
Wenn das Vöglein munt’re Lieder 
Dankbar jeinem Schöpfer fingt; 
Wenn die Büchlein ſanfter rauſchen, 
Himmelsbläu’ die Erd’ umipanıt, 
Burſch' und Mägdlein Pfänder tauchen, 
Strebt mein Herz zum Heimatland. 


Nicht des Südens ſchöne Fluren, 
Seines Himmeld Purpurglüh'n, 
Nicht der Alpen eiſ'ge Spuren, 
Shrer Thäler lachend’ Grün, 

Nicht der Nord mit feinen Schäßen, 
Nicht des Meeres weiter Strand, 
Können nur entfernt erfegen 

Mir das teure Vaterland. 


Dort, wo ich zuerit erblicdte, 
Gold’ne Sonne, deinen Strahl, 
Blumen auf dem Anger pflüdte, 
Tummelte mich froh im Thal; 
Wo zuerit an die Gejpielen 
Knüpfte mich der Liebe Band, 
Dort! — wer wird nicht Gleiches fühlen? — 
Sit des Herzens Schnfuchtsland. 


Fragſt du mich nach feinem Namen, 
Der die Seele ſtolz erhebt, 
Der in der Geihichte Nahnıen 
Ewig unauslöſchlich lebt; 


— — 


O, ſo ruf' ich boll Entzücken: 
„Rote Erde“, wohl bekannt! 

Und mit frohen, heit'ren Blicken 
Nenn' ich dir's Weſtfalenland! 


=; 


Maldaufenthalt, 


Du friicher, Ihöner Morgen, 
Du lockſt midy in den Wald, 
Ich eile, frei von Sorgen, 

Zu dir, Luſtaufenthalt. 


Da nidt Schon jedes Blümlein 
Mir frob den eriten Gruß, 
Sein thaubehang’nes Kelchlein 
Erſchloß des Morgens Kup. 


Im muntern Chorgelange 
Erſchallt der Vöglein Lied, 
Und fern beim Flötenklange 
Des Schäfers Herde zieht. 


O jeliges Entzüden! 
O ichöner, grüner Wald! 
stönnt’ ich ans Herz dich drüden, 
Seliebter Aufenthalt! 


=‘ 


Gola ein Frühling kehrt! nicht wieder, 


Rift du wieder mir erichienenn, 
Holder Lenz, in deiner Pracht? 
Anger, Wälder, Hügel grünen — 
Welch’ ein Leben ift erwacht! 


Aus dem Herzen quellen Xieder, 
Ungezählt’, weiß felbit nicht wie; 
Solch' ein Frühling fehrt nicht wieder, 
Solchen Frühling ſah id) nie. 


Rauſchet, rauichet Melodieen, 
Naufchet über Berg und Thal! 
Und wo Blumen einjam blühen, 
Grüßt und küßt fie tauſendmal. 


Frühling, welch' ein ſüß Empfinden 
Weckſt du auf in meiner Bruſt! 
Nimmer dacht’ ich mehr zu finden 
Solche Seligfeit und Luſt. 


a u 


Schwingt euch auf, ihr, meine Lieder, 
fliegt’ zum Lieb, beglückt aud) fie, 
Solch' ein Frühling fehrt nicht wieder, 
Solden Frühling jah ich nie. 


5 


(Baterländifche Gedichte.) 


Dos deutfhe Reid, 


Machtvoll bift du auferſtanden, 
Deutiches Weich, aus ſchweren Banden, 
Stolzes Glied im Völkerkreis; 

Wohin jich die Blicke wenden, 
Laut ertönt an allen Enden 
Deines Nomen: Ruhm undPreis. 


Strahle mild im gold’nen Frieden! 
Sei der Freiheit Schild hienieden! 
Hoch die Fadel der Kultur! 

Oeffne weit an allen Orten 
Kunſt und Wiſſen deine Pforten, 
Segen ſpendet ihre Spur. 


Duldiamkeit, die edle, übe, 
Schlinge feit das Band der Liebe 
Rings um deiner Söhne Schar; 
Weh! wenn fie durch bitt’re Reden 
Voller Argwohn fich befehden, 
Droht dem Vaterland Gefahr. 


Xeihe Schuß den fchuldlos Armen, 
Hab’ mit ihrer Not Erbarmen, 
2 entfeimet folcher Saat; 

och mit der Vernichtung Streicyen 
Sud)’ die Frevler zu erreichen, 
Welche fpinnen dir Verrat. 


Jede Bruſt für dich erglühe, 
Mohlitand froh in dir erblühe, 
Fleiß und Treu' reich’ fich die Hand; 
Segen fleh’ ich auf dich nieder, 
Jubelnd fing’ ich immter wieder: 
Deutiches Neich, mein Waterland! 


=; 


— 935 


Vermiſchte Gebichte, Balladen und Romanzen.) 


An die Uordſee. 


Sommer 1532, 


Unermeßlich, unergründlich 
Yiegit du vor mir, ftolzes Meer, 
Spiegel meiner Sehnſucht, ſtündlich 
Sie’ ich ſtill am Felienwehr. 

Wie verliert in jüßes Träumen 
Sich die Seele, Leite, Lind, 
Wenn die MWogen brauſend ſchäumen, 
Sanft die Stirn mir fühlt der Wind. 


Wenn die Sonne purpurftrablend 
In die nalen Wellen taucht, 
Luft'ge Wolfenbilder malend, 
Zaub'riſch, rofig hingehaudt. 


MWeltmeer! Deines Reiches Schranken 
Sucht vergebens nur der Blid — 
Meines Sehnens ohne MWanfen 
Wirfſt du jo ein Bild zurück. 


fr 
=“), 


Seh’ ich die Heimatberge blauen. 


(Sriginalbeitrag.) 


Sch’ ich die Heimatberge blauen, 
Seh’ ich dich rauſchen, Heimatitrom, 
Durch jaft’ge Triften, Blumenauen, 
Vorbei an dichter Wälder Dom, 


Sp Strahlen heller meine Blide, 

Und fchnellern Laufs das Herz mir jchlägt, 
Sehnt nach der Stätte ſich zurücde, 

Die Spuren feines Glüdes trägt. 


Ihr lieben Berge, till, beicheiben, 
Wie der Bewohner Sinn im Thal; 
Wer dürfte euch darum nicht neiden — 
Seid mir gegrüßt viel taufendmal! 


O, ſenkt man einft mich m die Erde, 
Planzt ichattend auf mein Grab ein Reis 
Der Berge, nah dem Heimatherde, 

Als eurer Liebe ſchönſten Preis! 


5 


2. Paderborn. 


AN 


‘ * * 1 
Sriedrih Adolf Ludwig v. Oeynhauſen,“ 
geboren mit feinem Smwillingsbruder Karl am 4. $ebruar 1795 auf dem väterlichen Gute 
Örevenburg bei Steinbeim im damaligen Fürſtentum Paderborn, Ihre erfte Erziehung 
erhielten die Zwillinge in Grevenburg, dann 1807 in Stuttgart, zuleßt 1809 in Mann: 
heim. Mach abfolviertem Eramen begannen 1811 beide Brüder die bergamanniiche Kaufs 
bahn in Eisleben, bezogen dann 1815 die Univerfität Göttingen. Nach der Schlacht 
bei £eipzig machten fie den Seldzug gegen Sranfreichb mit. Hurüdgefehrt nach Göttingen, 
erwachte in Sriedrich v. Oeynhanſen mächtig die Neigung zu dichterijchen Derfuchen, 
doch jete er auch die Fachftudien mit Eifer fort, fo daß er als Berg-Eleve in die praftifche 
£aufbahn eintreten fonnte. Im Jahre 1820 entjagte er jedoch diefer, um ſich in 
Beidelberg, jpäter in Bonn ganz dem philologiſchen Studium und der Poefle zu 
widnıen. Dante wurde fein Kieblingsichriftiteller, von defien Werfen er einiges über: 
jegte. Da ſich unterdeffen die Derbältnifie des väterlichen Gutes unter langjähriger 
Derpadtung jehr verfchlechtert hatten, übernahm er jelbft die Bewirtfchaftung. Unter 
der mühfamen, ungewohnten, alle £ebensgenüffe ausjchliefenden Arbeit find jeine 
beiten Dichtungen, die Elegien, entitanden. &s gelang jeiner Energie, das Gut 
wieder empor zu bringen und ihm eine gedeibliche Eriftenz zu fichern. In den Jahren 
1850 und 1831 war er provijorifch Eandrat in Brafel,. Lach dem Tode feines Bruders 
lebte er fehr zurädgezogen, und dem einjamen Greife wurde noch die hohe Freude 
zuteil, die Einigung und Größe Deutichlands nadı dem Kriege 1870 und 1871 begrüßen 

za fönnen. Bald darauf ftarb er am 20. Dezember 1871. 
Dichtungen: Gedichte aus dem Nadlak. Ein Andenken für feine 
Freunde. Paderborn 1872. 


(Gedichte aus dem Nachlaß. Baderborn 1872.) 
(2ieber.) 


Statt Vorwort. 
Rückblick auf die Nahre 1813—1815. 


Zu Rache fam, wen Mut im Herzen 
Und gutes Blut im Bufen quoll. 
Sie Itanden auf voll bitt’rer Schmerzen, 
Vom Feu’r des Zorns die Scele voll; 


*) Nach der in der Borredbe zu ben „Gedichten aus dem Nachlaß“ enthaltenen 
Zebensbeichreibung. 


— 96 — 


Und ließen Alles rückwärts liegen, 
Was jemals nur das Herz erfreut, 
Und wollten ſterben oder ſiegen, 
Nicht zum Bedenken war da Zeit. 


In Sonnenbrand bei Durſtes Qualen 
Hinaus ins heiße Tolenfeld, 
In Wetternacht bei Blitzes Strahlen 
Auf Vorhut einſam hingeſtellt, 


Bei Schnee und Reif, bei Froſt und Regen, 
Im Sturme ſchlaflos hingewacht, 
Dem nahen Feinde ſtill entgegen 
Hinaus ins Morgenrot der Schlacht! 


Vor der Geſchütze Wetterſcheine, 
Wenn's in den Reih'n der Krieger ruckt, 
Wo durch zerriſſene Gebeine 
Des Todes letzter Schrecken zuckt. 


Wo Schweiß und Blut im Staube kleben, 
Vergeſſen auf der durſt'gen Flur — 
Da blickte zitternd, Herr, mit Beben 
Zu dir, Herr, deine Kreatur! 


Und gnädig ſtandeſt du zur Seite 
Und zeigteſt deine ſtarke Hand. 
Die Sieger aus dem ſcharfen Streite 
Zieh'n heim ins teure Vaterland. 


Und hoch in Lüften weh'n die Fahnen, 
Frei rollt das Siegspanier ſich aus, 
Es rauſcht fo jtolz, daß ſelbſt die Ahnen 
Sich freu'n in ihrem ſtillen Haus. 


Und Siegesgruß aus heil'gen Eichen 
Weht geiſterbrauſend durch den Hain; 
Von allen Bergen Flammenzeichen 
Glüh'n lodernd in die Nacht hinein. 


Obwohl um manchen lieben Toten 
Zu trauern in des Grabes Nacht, 
Sei hoch willkommen, lieber Boden, 
Des Kampfes Müh' iſt all' vollbracht. 


Und nun, du Schwert, ſo hold zum Grimme, 
Vertauſche mit der Leier dich, 
Jetzt wandelt deine Eiſenſtimme 
Zum zarten Ton der Saite ſich. 


— 97 — 


So tönt denn, ſüße Minnelieder, 
Und jchläfert janft die Seele ein! : 
Wenn's wieder donnert, ſteh'n wir wieder, 
Und Gott mit uns, in Todesreih'n! 


5 


. Hlumengabe. 


Blumen bring’ ich, dieſe Roſe 
Laß fie Dir empfohlen fein, 
Sieh, fie ſchließt mit ihrem Schoße 
Berlen reinen Taues ein. 


Rings umglüht vom farb’gen Wallen, 
Wie fie vollaufblühend ftrahlt, 
Sich auf ihren Blättern allen 
Liebesmorgenröte malt. 


Laß es freundlich dir gefallen, 
Was fie fo taumweinend jpricht, 
Wie die Thrän' hineingefallen, 
Wie, warum, ich weiß es nicht. 


5 


An den Mond, 


Licht der Nacht im ee 
Wie fo oft in heil'ger Au 
Sah'ſt du freundlich jchon der Feier 
Meiner itillen Nächte zu, 
Nenn beim Zauberfpiel der Muſen 
Heimlich klagender Gefang, 
Mir ſo ahnungsvoll zum Buſen 
Leiſ', wie Geiſterodem, drang. 


Ruhig wandelt deine bleiche 
Scheibe von der Erde weit, 
Ueberſieht all' ihre Reiche 
Ihre Pracht und Herrlichkeit, 

Sieht die Sorg' und Angſt hienieden 
Und der Menſchen regen Sinn, 

Und du blickſt voll milden Frieden 
Stets gelaſſen auf fie Hin. 


Hartmann, Schagkäftlein weitfälifcher Dichtkunft. 


— 96 — 


Und es blicken Millionen 
Wohl zu der Erſcheinung auf. 
Grüße all', die drunten wohnen, 
Im vorübergeh'nden Lauf, 
Leuchte freundlich auch hernieder 
Auf ihr Haus im ftillen Thal; 
Ach! wann leuchtet endlich wieder 
Mir auch ihres Auges Strahl! 


5 


(Sonette.) 


Ruß. 


Schön ift dein Antliß, wenn e3 ruht und finnt; 
Schön iſt dein Mund, wenn er fich freundlich fchließet; 
Noch Schöner, wenn ihm Nede hold entfliehet, 
Alflieblih, wenn ihn Lächeln leis umrinnt. 


Was foll das alles mir, geliebtes Kind? 
Das Auge nur, das Ohr auch wohl genteßet, 
Allein der Liebe höchites Glück entipriehet 

Den Bollgenuß, wenn Mund auf Mund fich find’t. 


Aus tiefiter Bruft der Lebensflamme Haucen, 
In deinen Odem will ich niedertauchen 
Und will den meinen gießen in den deinen, 


Und Lipp’ an Lippe brennend dir vereinen, 
Daß fie jo ganz zufammen ſich vermweben, 
Von Mund zu Mund ein Hauch nur ift’s, ein Leben. 


=; 


Elegieen. 
J. 


Freundin, der ſüß melancholiſchen Klag' ſanft trauernde Stimme, 
Trauliches Heimchen, du wohnſt nah an dem häuslichen Herd, 

Wo die Genoſſen ſich oft in der Stunde der Dämm'rung verſammeln, 
Wenn du ſchlaflos des Lieds ſilberne Töne beginnſt, 

Daß ſich ganz anfüllt das Gemach von der zitternden Stimme, 
Die nicht ſchweiget. Der Schmerz ſtillt ja ſo ſchwer ſich, ſo ſpät! 

Daß mir keiner dich je beleidige, noch dich verletze, 
Weil du ein Kindlein ja biſt im gemeinſamen Haus. 

Töchterchen, weile denn nur! Denn ach! ja ſo innig dem Herzen 
Biſt du geliebt und vertraut, ſüßer, geſelliger Schmerz. 


IV. 

Mühe genug und wenig Gelingen, beitändige Hoffnung, 

Eifrig eriehntes Glüd, ängitliches ?slieh'n vor dem Web, 
Wünſche To viel und Sorgen, unrubig Verlangen und immer 

Neues Verlangen, das jelbit noch im Empfangen verlangt 
Thränen, die Schnell fi in Lächeln, und Lächeln, das wieder in Thränen 

Schnell fich verkehrt, und Genuß, der im Genufle verfieht — 
Das iſt der Sterblihen Los, im verderblichen Leben ein Spiel nur, 

Gitel zu ſpielen, ein Spiel, voll von dem bitteriten Ernit. 
Ah! nur Ruhe begehrt die ermüdete Bruft, nur Ruhe, 

Fern von Freuden und Leid mal nur in Frieden zu ruhn. 
Innigiter Wunsch dies Cine zulegt. Ach! Spät in dem einen 

Scließt das entjagende Herz alle die anderen ein. 


vu. 


Schmeichelnder Odem des Lind hinfließenden Schlummergejanges, 
Endlid einmal no ganz wiegit du die Klagen in Ruh’. 

Ad! der ermüdete Blick ſchließt gern fich, willig verrinnet 
Balde das Wort und jchweigt. Selbit der Gedanke verrinnt, 

Und in den Buſen zurüd ſinkt jegliche heiße Bewegung. 
Sinke denn, neige dich jelbit, tiefer, o Seele! in bie. 

Stille Kan wird ed und mild, und Erquickung hauchet von ferne. 
Aber der Schmerz in dem Schlaf quillt von dem Herzen jo feucht, 

Und an dem dunfelumfchlummerten Aug’ hängt quillend die Thräne, 
Wie nach dem Sturm der Tau hängt an der Stille der Nadt. 


X. 


Früh um den Morgen wie blühten fo farbenbejchinmert die Fluren, 
Knospen der Hoffnung fo viel fproßte die grünende Saat. 
Ja und die Sonne, zu an ſolch' Fülle des Segens, erfreute 
Selbſt fih, hob hd far golden am Himmel und goß 
Alausbreitend ihr Licht reich aus, der unendlichen Liebe 
Heilig erwärmende Glut. Aber die Schwüle des Tags 
Lockte die Schau’r des Gewölks und die jählings treffenden Wetter, 
Hoch in den Wolken erjchien jelber der Dämon des Sturnts, 
Stand in der Schwärze der Nacht zornleuchtend, der jchnelle Verderber. 
Rettungslos liegt rings da die zerichlagene Flur! 
Löſet fich leife der Sturm, und die Heitre des Abends erjcheinet 
Sanft, unD am Saume der Nadıt glühet der rofige Schein. 
D, du dämmerndes Licht, was ſuchſt du? Gil’ und verblühe! 
Aber du Lächelft und weilit über der Klage jo mild. 
XIX. 
Hage denn nur gen Himmel empor, o, wehre dem Schmerz nicht, 
Liebebedürftiges Herz; will’, e8 geziemet die Klag'. | 
Ninget doch auch hinsterbend der Fiſch, an dem Ufer verichmachtend, 
Schmerzlich, weil ihm geraubt wurde fein traut’ Element. 
Und da follte das Herz nicht Klagen, der Liebe beraubet, 
Welche das erft’ und das legt’ all! Elemente vereint? 7* 


— Yo 


XXIV. 
MWeniges nur, ja wenig und nicht gar Freundliches einmal 
Braucht der Menich, um still duldend und heiter zu jein. 
Seht, wie genügſam dort der Behagliche felbit ſich gefällig 
Sein alltäglich Geſchick preift, und man nennt ihn beglüdt. 
Sa, auch jelbit der Bedrängte, der Leidende, Sorgenbedrüdte, 
Seufzet wohl oft, doc hängt gierig am Lichte fein Aug’. 
O, wie wurde fo feſt an das Leben gebunden die Seele, 
Jedem der Odem fo lieb, der ihm den Buſen beengt! 


XXXI. 


Mancher wohl fragt: „Was fehlt dir nur, o Beſter? Zerſtreuung 
Suche, ſie heilet gewiß.“ „Aber du kränkelſt vielleicht 

Eile zum Arzte“ rät' dieſer und jener vertraulich: „O Freundchen, 

Laß es dir jagen, du ſelbſt nähreſt dich ſelber mit Sram, 

Faſſe doh Mut; man lebet ja leicht in leichter Gejellichaft.“ 
Mancher wohl redet alfo, eilend vorüber des Wegs. 

Denn es bannt ja die eigene Sorg’ und die eigene Freude 
Segliben immer zumeift ftreng in den eigenen Sreis. 

Aber fürwahr, was jelber du jelbit nicht leidend empfunden, 
Nimmer am andern je möchteft du ſolches veriteh’n. 


XLV. 


Strahl des entichtwindenden Lichts, der über die Fluren jo golden 
Hin du noch ftreifeit zulegt wieder mit duftigem Glanz, 

Allweg findeit bewegt du das Laub, und es träufeln die Blätter 
Feucht noch nieder, am Halm hat fid) die Blume geichmiegt! 

Aber du grüßeft und weckſt neu quellend die zarte Empfindung, 
Einmal noch gießeit du all’ über das traurige Bild 

Deinen verflärenden Reiz, und entgegen ins Auge fo jehnlich 
Blicket das Glück und grüßt zitternd noch einmal zulegt. 

O du Natur, fo hold in dem jchnellen Entflieh’'n der Gricheinung, 
Warum biſt du fo ſchön, ach! erit im Schmerze fo ſchön! 


5 


Johann Martin Butterus,”) 


geboren am 28. Jult 1810 zu Brafel im vormaligen jürftentum Paderborn, beiuchte bis 
1819 die Elementarichule in Mänfter, 1820-1827 die Gymnaſien zu Rietberg und Pader- 
born, widmete fich in den Jahren 1828—183L dem Studium der Nechte auf der Uni: 
verfität Bonn, trat 1852 als Ausfultator in den preußischen Staatsdienft und wurde 
1850 als Regierungsrat nach Trier verſetzt. Hier erichoß er fich infolge einer fehmerz- 
buften ITervenaffeftion am 3, Dezember 1865, 

Dichtungen: Gedichte. Trier 1857. 


(Gedichte. Trier 1857. — Vermiſchte Gedichte.) 


Srühlingsklänge. 
I 


Der Lenz ift da, der Lenz iſt da, 
Er pocht an deine Zelle; 
Nun geh’ hinaus und ſchau' dich um, 
Du trauriger Gejelle! 


Nun Schaue, wie an Baum und Straud 
Die jungen Blüten glänzen, 
Wie felbit die düſtern Felſen ſich 
Die grauen Häupter Fränzen. 


Nun horche, wie all überall 
Ein Singen und ein Klingen, 
Und laß den Sang und laß den Klang 
Dir tief ind Herze dringen. 


's iſt eine Sünde traun! vor Gott, 
So trüben Sinn zu hegen, 
Wenn er mit vollen Händen rings 
Ausftreuet feinen Segen. 





— — 


*) Nach Fr. Brümmers Mitteilungen. 


ik 


Sch lieg’ im Grafe hingeitredt, 
Ummogt von grünen Halmen, 
Die Lerche jauchzt zum Himmel auf 
Die hellen rgenpialmen. 


O Lerche, nimm mein leidboll Herz 
Auf deine leichten Flügel, 
Und trag’ es hoch und trag’ es weit 
Wohl über Thal und Hügel. 


Und halt’ es hin dem Sonnenftrahl, 
Und halt’ es hin den Lüften, 
Daß feine Rofen wiederum, 
Die welfen, blüh'n und büften. 


— mich ein Lied, deſſ' Klang erfüllt 
Die Wälder und die Hame, 

Ein Lied, ſo friſch, ein Lied, ſo fromm, 
So fröhlich, wie das deine. 


6 


Shan’ did; anf der ſchönen Erde. 


Scan’ dih auf der jchönen Erde 
Nur mit off'nen Sinnen um, 
Auf daß dir enthüllet werde 
Mandy’ ein ſüß Myſterium. 


Neig’ dich zu den Blumen nieder, 
Sprich einmal zu einem Stern, 
Und mas gilt’S, fie reden wieder, 
Stern’ und Blumen plaudern gern. 


Blick’ hinab auf Fluß und Quelle, 
Folge liebend ihrem Lauf, 
Und e3 hört die [oje Welle 
Nimmermehr zu Shwagen auf. 


Wandle, wenn die Vöglein munter, 
Lauſchend durch den grünen Tann, 
DO, du glaubit nicht, was für Wunder 
So ein Wald erzählen fann. 


Stern und Blume, Wald und Quelle, 
Alles wird dir Rede fteh’n, 
Wenn dein Auge, Tonnenhelle, 
Wird in ihre Tiefen ſpäh'n. 


— 18 — 


Sag’ nicht, daß du feine Flügel, 
Did zu ſchwingen himmelwärts, 
Ohne Flügel trägt und Bügel 
Dich empor ein fröhlich Herz. 


*5 


Der Mühlbach. 


Hei! wie kommt der Bach geſprungen 
Jubelnd an das Licht der Sonnen, 
Froh, daß er der Felſenhaft 
In des Waldes Schoß entronnen! 


Hei! das ift ein luftig Wandern 
Thalentlang im Weidenichatten, 
Tauſend Blümlein fteh’n am Weg, 
Srüßend aus dem Grün der Matten. 


Schmucke Falter, loſe Finken 
Sind fein fröhliches Geleite, 
Und fo geht es wohlgemut 
In die Welt und in die Weite. 


Armer Bursche, wirt nicht lange 
Deiner Freiheit dich erfreuen, 
Einem nüglichen Beruf 
Muß fi, was da wandelt, weihen. 


Weh'! ſchon jeh’ ich eingefangen 
Meinen muntern MWaldgeiellen, 
Und ein mächtig Mühlrad wälzt, 
Wälzt er mit den feihten Wellen. 


Hornig greift er in die Speichen, 
Gleich als woll’ er fie zertrümmern, 
Und weithin, wie Demantitaub, 
Seined Zornes Funken Flimmern. 


Manchmal wenn im Sonnenitrable 
Farbig feine Wellen ſchäumen, 
Muß ihm von den Blumen wohl, 
Von den grünen Auen träumen. 


5 


— 14 — 


Uun hab’ id wieder abgethan. 


Nun hab’ ich wieder abgethan 
Des Tages Müh’n und Laſten; 
Nun iſt mir in des Schlummers Schoß 
Vergönnt ein ſelig Raiten. 


Nun nimm in deinen Zauberkahn 
Mich auf, du Gott der Träume, 
Und ſteu're mich hinaus, hinaus 
In deine Wunderräume. 


Laß mich auf deiner Wogen Schaum 
Von Frühlingslüften ichaufeln, 
Und deine bunte Märchenwelt 
An mir vorübergaufeln. 


Zu jenen Inſeln führe mich, 
Zu jenen Ufern wieder, 
Wo ih von Lenz und Liebe fang 
Einſt meine eriten Lieder. 


Mo die Gebilde wiederum 
Der Jugend mich umringen, 
Und um den jeligq Lauſchenden 
Bekannte Stimmen flingen. 


Und willit du wie mit Himmelstau 
Die Seele mir ergquicen, 
Daß mir im wachen Herzen nod) 
Nachzittert dag Entzüden, 

So laß zwei liebe Arme mid 
sin Liebeshuld umfangen, 
So lat zwei ſüße Lippen ſich 
An meine Lippen bangen. 

Und alio laß mid an der Bruit 
Der Liebe ruh'n und raften, 
Bis mich ein neuer Morgen weckt, 
Zu neuen Müh'n und Laften. 


5 
(Ziebes- Leben.) 


Erinnerungen. 
II. 

Sc löſte leis die Schleifen deiner Flechten, 
Schlang um die Hand mir deine Locken dann, 
Kühl-duftig weht es, wie in Sommernädten, 
Mih wie aus feuchten Blumenkelchen an. 


— 


Und: „nun in meine Macht biſt du gegeben,“ 
Sprach ich’ „und jo gefeſſelt ganz und gar 
alt’ ich dein Denken, Fühlen, Lieben, Leben, 
die diejes weiche, reihe Lockenhaar.“ 


Du ſchwiegſt und lächelteit zur Seite nieder, 
Ich aber ftrich dir bald die Locken glatt 
Und wühlte (08 fie bald und flocht fie wieder, 
Und wurde nicht des Süßen Spieles ſatt. 


Du ſchwiegſt und ließeſt jchalten mich, du Lofel — 
Da ward mir Har, daß ich der Sklave Sei, 
Und thöricht mit dem eignen Feſſeln koſe, 
Ind zürnend gab ich deine Locken frei. 


5 


Uun laßt mid gehn. 


Nun laßt mich geh'n, wohin ich mag, 
Und forscht nicht meinen Wegen nad, 
Ach, gegen Tod und Liebesleid 
Waͤchſt noch kein Sträutlein weit und breit. 


Sc) grub deinen Namen in einen Stein 
Und warf ihn in Die Flut. hinein, 
Der Stein der ruhet tief im See, 
Doch mir im Herzen blieb das Weh'. 


Die mir zuerst umſtrickt den Sinn, 
Deine Locke gab id den Flammen bin, 
Die Flammen haben die Xocde verzehrt, 
Doch meine Liebe blieb unverſehrt. 


Da warf ich die Vlättlein in den Wind, 
Darauf deine Schwüre geichrieben find, 
Die Blättlein flogen von dannen ſchnell, 
Die Liebe wich nicht von der Stell’. 

Nun laßt mich geh’n, wohin ih mag, 
Und forjcht nicht meinen Wegen nad, 

Ad), gegen Tod und Liebesleid 
Wã Ai t noch fein Kräutlein weit und breit. 


5 
(Lyrtich = Epiiches.) 
Die Trompetereiche. 


Schon tobte dreißig Jahre 
Der Sriegeslärm durchs Neich, 
Schon hieben dreißig Jahre 
Die Völker Streid auf Streid). 





— 106 — 


Biel’ Tag’ man konnte reiten 
Wohl in die Kreuz und Tuer’, 
Man hörte fein Glöcklein läuten, 
Man ichaute fein Saatfeld mehr. 


Wer mag die Dörfer zählen, 
Die Feuers Grimm verzehrt, 
Die Städte und die Burgen, 
Die Feindes Wut verheert! 


Zu Münſter auf dem Rathaus, 
Da tagten viel' weiſe Herr'n, 
Viel würdige Perücken 
Mit Ordensband und Stern. 


Sie hatten gered’t und geratet 
Gar manches liebe Jahr, 
Und immer noch kein Ende 
Des Nedens und Ratens war. 


Die Wälſchen, ja, die Wälichen, 
Die Ipielten die Herren im Haus, 
Die rupften dem Doppeladler 
Die beiten Federn aus. 


Und als der Mar gerupfet, 
Da kam man überein, 
Daß e3 nımmehro Friede 
Sn Lande jollte fein. 


Bei Schmeheim Schwed’ und Deuticher 
Juſt ftanden fampfbereit, 
Es luden die Fanfaren 
Aufs neue in den Streit; 


Da traf in beiden Lagern 
Die Friedensbotſchaft ein, 
Da ſteckten ſie hüben und drüben 
Die ſchartigen Schwerter ein. 


Und einen Trompeter ſandte 
Der eine dem andern zu, 
Daß er ihm kund in Haſten 
Die fröhliche Zeitung thu'. 
Wo hoch auf Berges Gipfel 
Einſam ein Eichbaum ſteht, 
Da ſtießen aufeinander 
Der Deutſche und der Schwed'. 
„Wohin, du, vom Kaiferheere ?* 
„„Du Schwedengejelle, wohin?““ 
„Den Frieden will ich euch blaſen,“ 
„„Daß trag’ auch ich im Sinn.““ 


— 17 — 


Da reichten die Zwei fih die Hände: 
„Kanı'rad, erit einen Schlud, 
Dann blafen wir droben vom Baume 
Ein luſtig Reiterſtuck.“ 


Und als ſie aus der Flaſche 
Gethan einen wackern Zug, 
Da ſchwangen fie zur Eiche 
Hinanf ſich wie im Flug. 


Und huben an ein Blafen, 
Da3 Hang durch die Thäler weit, 
Das klang wie Lerchenjubel 
In wonniger Maienzeit. 


Die Krieger in den Lagern, 
Die lauſchten dem fröhlichen Klang, 
Und wie aus einer Kehle 
Ginfielen fie mit Gefang. 


Bei Schmeheim hoch vom Berge 
Schaut noch die Eich’ ins Land 
Und die Trompetereiche 
Wird ſie noch heut’ genannt. 


=; 


Der fhlummernde Knabe, 


Mit den Säbel an der Seite, 
Mit der Peitiche in der Hand, 
An des Hundes Hals gelehnet 
Spielend dic) der Schlummter fand. 


Wie fo trogig dir die blonden 
Locken wallen um die Stirn! 
Birgt ſolch' trogige Gedanken 
Drunter auch das kleine Hirn? 


Segt ein mildes Lächeln zuckt dir 
Um den blütefrifhen Mund; — 
's ift dag Regen eines Traumes 
Wohl auf deiner Seele Grund! — 


Mög’, wie du hier vor mir ruheſt, 
Blonder Knabe, ſanft und mild, 
Möge alfo ſich geitalten 
Gin auch deines Lebens Bild! 

Will die Feigheit dic verhöhnen, 

rüg’le mit der Beitiche drein, 

ritt der Mut dir keck entgegen, 
Haue mit dem Säbel ein. 


— 18 — 


Wie der Hund dir dient zum Schuge 
Und zum weichen Pfühl zugleich, 
So auch diene bir die Treue, 
Daß du ficher ruhſt und weich. 


Auf der freien Stirne throne 
Sinnig dir des Mannes Ernit, 
Dod nicht alfo, daß darüber 
Du das Lächeln auch verlernit. 


Und wenn müde ob des Lebens 
Spiele ſenkt dein Auge ſich, 
Dann umfange, ſanft wie dieſer, 
Auch der ew'ge Schlummer dich. 


yo 
Ein Bettler, 


Siehſt du den Greis am Thore dort? 
Es hält fein Wams nit Stich noch Faden, 
Und dennoch, Schau! wie ftolz er blickt! — 
(Sin Bettler iſt's von Gottes Gnaden. 


Wohl mancher, der im Schoß des Glücks 
Geboren, nagt des Hunger: Rinde, 
Dem aber hing der Bettelſack 
Schon an der Wieg’ als Angebinde. 


Der hat gewiß nicht Herz noch Hand 
Grwärmet je am Baterherde, 
Und feine Heimat iſt, wo ihm 
Sin Lager beut die Muttererde, 


Der hat wohl nimmer einen Traum 
Von Freud’ und Glück fih ausgeiponnen, 
Dod iſt ihm feine Hoffnung auch 
In Luft und Nebel je zerronnen. 

Nicht läßt der Neid ihn wider den, 
Der da beſitzt, die Hände ballen, 

Ihm iſt die Armut nun einmal 
Als 203 vom Himmel zugefallen. 

Ob Negen oder Sonnenicein, 
Ob's wintert eben oder maiet, 

53 ift gen Sturm und Wetterbraus 
Dies alte, graue Haupt gefeiet. 

Ob Kupfer- oder Silberitüd, 
Wenn es geflungen nur im Hute, 
Iſt es cin Teil doch des Tribut, 
Den er an aller Welt zu gute. 


5 


Sriedrich Wilhelm Weber,” 


geboren am 26. Dezember 1815 zu Albauien in Meitfalen, bejuchte das Gymnaſium zu 
Paderborn und ging im Jahre 1835 an die Univerfitäten Greifswald und Breslan, 
um Medizin und alte und neue Sprachen zu ftudieren. Da feine Eltern nicht ver: 
mögend waren, fo mußte er fich fehr einjchränfen, aber feine echt mweftfälifche Aus: 
dauer fie ihn alle Binderniffe überwinden. Im NJabre 1838 promovierte er und 
macte in Berlin fein Staatseramen. Später hatte er das Glück, langere Reifen in 
Deuticyland, Frankreich und Italien zu machen. Darauf ließ er fich als praftiicher 
Arzt in Dem reizend gelegenen Kurorte Driburg nieder. Im Nahre 1856 ward er als 
Brunnenarjt nach dem Bade £ippipringe bei Paderborn berufen, wo er fidh den 
Ruf eines gejchidten Arztes erwarb. Durch feinen Gejundheitszuitand gezwungen, mußte er 
diefe Stellung aufgeben. Im Frühling 1867 309 er nach dem Schlofie Ihienhaufen 
bei Steinheim, wo er auch jegt noch wohnt. Seit 1861 ift er £andtagsabgeordneter. 
Im Jahre 1880 wurde er von der Univerſität Müänjter zum Dr. phil. hon, c. ernannt. 
Außerdem ift er Sanitätsrat. Außer einer balneologifchen Schrift und Ueberjetzungen 
aus dem Engliihen und Schwediichen veröffentlichte er im Jahre 1878 das Iyrtich- 
epifche Sedicht: „Dreizehnlinden“, das ihn mit einem Schlage in die Reihe der 
beliebteften Dichter unferer Nation ftellte, Das Buch batte einen beiipiellofen Erfolg 
und erlebte in wenigen Jahren I7 Auflagen. 


Dichtungen: Dreizehnlinden. Baderborn. 1. Aufl. 1878. 22. Aufl. 
1884. — Gedichte. Paderborn. 1. Aufl. 1851. 7. Aufl. Ebd. 1884. 


(Bedichte. Erites Buch. 3. Aufl. Paderborn 1583.) 


Am Amboß. 


Mir griff des Lebens harte’ Fauſt 
Schon in die frauen Stinderloden; 
Den Sinaben bat es derb gezanit, 
Hat ihn umfungen und umſauſt 
Und wahrlich nicht mit Blütenfloden! 
*) Nadı 5. W. Weber. Sein Leben und feine Werfe im Spiegel der Kritik. 
Babderborn 1883. 


— 110 — 


Und „ſchaffen!“ rief's; „die Stunde flieht!“ 
Und trieb mich aus der Mutter Kammer: 
„Nur der hat recht, der recht fich müht; 

Du jelbit biit deines Glückes Schmied.” 
Sch weint’ umd faßte Zang’ und Hammer. 


Weit fuhr ich, wie die Sehnſucht fährt, 
Don Rieſen lernt’ ih und von Zwergen; 
Und braun und ſtark zurückgekehrt, 
Beſtellt' ich friſch den eignen Herd 
In meiner Heimat grünen Bergen. 


Da hub ich an mit Mut und Fleiß 
zu erniten Schlägen auszuholen; 

en jpröden Stahl bezwang mein Schweiß, 
Und mancher Tropfen, herb und heiß, 
Fiel ziſchend in der Eife Sohlen. 


Und ob im Lenz die Schwalbe jang, 
Ob draußen Roi’ und Lilie ſproſſen; 
Ob fern vom stillen Waldeshang 
Der Herdengloden Läuten klang: 

Ih ftand am Feuer unverdroffen. 


Und wenn im falten Sanuar 
Die Winterftürme nimmer ruhten, 
Ob ſpiegelblank das Eis, ob Elar 
Im Schnee des Gabler Fährte war: 
Ich ſchürte trogig meine Stuten. 


So Mond auf Mond, jahraus, jahrein, 
So Tage lang und halbe Rächte! 
Stet3 brannte meines Feuers Schein, 
Mie Veſtas Feuer, hell und rein, 
Und hoch den Hammer fhwang die Rechte. 


Wohl träumten mir-im Herzen tief 
Viel wunderbare Melodieen, 
Ein —— der ſchlief und ſchlief, 
Den keine Frühlingsſonne rief, 
In Frühlingsſchönheit aufzublühen. 


Mir war ein andres Ziel geſtellt, 
Mir blieb nicht Zeit zu ſüßen Weiſen. 
Oft war die, Bruſt wohl hoch geihiwellt: 
Doch „ſchaffen, ſchaffen!“ rief die Welt, 
Und rüftig griff ich nad) dem Eiſen. 


Auweilen nur erguoll mein Sang, 
Wenn feuriger die Bulfe — 
Zum ernſten Schlag der Kling und Klang, 
Nur Funken, die beim heißen Drang 
Der Arbeit mir vom Amboß ſprühten; 


— 11 — 


Der Arbeit, die da nüst und nährt 
Und vorwärts trägt der Menichheit Fahnen, 
Die Mut verleiht und Manneswert 
Und Adel, troß des Kaiſers Schwert 
Und langen Reih’n verfcholl'ner Ahnen! — 


Ob mir’3 gelang bei Tag und Nacht, 
Mein Glück, mein eignes Glück zu Schmieden? — 
Oft hab’ ich andre froh gemadıt 
Und ftet3 an mic zulegt gedacht: 
Sch diente, — und mein Lohn ift Frieden. — 


Nun mählich wird Die ven mir müd', 
Bald ſchlaf' ich in der ftillen Kammer. 
zu Häupten legt dem toten Schmied 

en Amboß und fein legtes Lied, 
Legt ihm zu Füßen Yang’ und Hammer. 


5 


Das Glühsthiff. 


Ich ſaß am Meeresitrande 
Mit meinen Geſellen gut; 
Mir fangen frohe Lieder 
Und hatten friſchen Mut. 
Das Glücksſchiff jollte fommen, 
Mir hatten es beſtellt, 
Das jollt’ uns wiegen und tragen 
Hinaus in die Schöne Welt. 


Der Wirt zum gold’nen Anker, 

Der übte dort den Schanf; 

Der Wirtin unge Töchter 
Kredenzten una den Trank. 

Das war ein Lippenfpigen 

Nah Krug und Mädchenmund! 
Das war mit heitren MWigen 

Ein frei Turnier zur Stund! 


„Hellauf mit ftolzen Sinnen, 
Viellieber Geſelle traut! 
Du wirft das Glüc gewinnen, 
Das Glück iſt deine Braut. 
Nun laß die Gedanken jchweiten, 
Weitaus wie Falkenflug; 
Sm Alter zu verfteifen 
Iſt immer noch früh genug. 


= ae 


Nun laß mit Seide ſticken, 
Mit Silber dein Kollett; 
Nun laß die Feder nicen 
Von blauen Samtbarett. 
Nun laß den Mein dir frommen, 
Nielwerter Gejelle mei: 
Bald wird das Glücksſchiff kommen, 
Das nimmt dich gerne ein!“ 


Wie fangen die Zecher jo munter, 
Mie rollte das Gold und Die Zeit; 
sie gaben wir Beiden mit Lachen 
Ein luſtiges Reiſegeleit! 
Wie wehten die bunten Fahnen 
Hoch über dem grünen Zelt: 
Das Glücksſchiff mußte kommen, 
Wir hatten es ja beſtellt! — 


Und mählich wurde ſtiller 
Das jubelnde Gelag; 
Fern hinter Roſenwolken 
Verglomm ein Frühlingstag. 
Und mitten im Rauſch der Freude 
Beſchlich mich ein ſehnend Weh: - 
Da flog mit breiten Schwingen 
Ein Schiff hinaus in die See. 


Es glitt ſo leicht von hinnen, 
Die Woge wiegt' es ſo lind; 
In ſeinen weißen Linnen 
Spielte der Abendwind. 

Die gold'nen Wimpel wehten 
In abendroter Glut, 
Und fromme Lieder ſchwebten 
Ueber die blaue Flut. 


Es war's! Das Glücksſchiff war es, 
Das leiſe vorüberfuhr; “ 
In duftiger Abendbläne 
Nerdämmerte feine Spur. 

Es war's, es harrte under, 
Dod) hatten wir fein nicht acht: 
Mir hatten zu Initig gelungen, 
Wir hatten zu laut gelacht. 


Verſtummt und jäh verichollen 
Iſt Lachen umd Liederflang ; 
Tiefdunkle Wolfen rollen 
Das Hochgebirg’ entlang. 


— 113 — 


Troſtloſe Blicke durchirren 

Des Meeres Unendlichkeit: — 
Wie fern das Schiff, wie ferne, 
Wie weit das Glück, wie weit! 


=; 


Hor der Himmelsthär. 


Das find nicht die armen Heiden bloß, 
Die Seehumdäfänger, die Eskimos, 
Die nicht in den Himmel der Mönche wollten, 
Meil fie die Robben entbehren Sollten: 
Mancher, der Grönland nie betrat, 
Doch jeinen fetten Seehund hat. 
So war es und fo tft es noch heute. 
Viel reiche Leute und Chriitenleute 
Bräcten mit jich felber zugleich 
Gern ihren Götzen ins Himmelreich: 
Der Bergamente und Wappenſchilder, 
Der Orden und Ehren, der Bücher und Bilder, 
Der Kilten und Saiten, von Golde fchwer, 
Und einer gar jein Jagdgewehr. 


Der Wirt zum Hirſchen in Bullerborn, 
Im ftattlihen Haufe am Marfte vorn, 
(Serade der Kirche gegenüber, 
Der that im Leben nichts länger und lieber, 
ALS ftreifen und ftöbern mit Büchſ' und Hund 
Den Berg entlang und den Wicjengrund. 
Zur Winterzeit und in Sommertagen 
Stets eifrig war er zum Hetzen und Jagen, 
Bis endlich, achtzig Jahre alt, 
Er ſcheiden mußte von Feld und Wald. 


Nur ungern gab er fih auf die Reife. 
&r ftand vor dem Himmel und Hopfte leiſe; 
Unwirſch Sankt Peter trat herfür: 
„Wer biſt du und was willft du hier?” 


„Ei, Herr," verjegt’ er, „wir fennen uns lange! 

Dan trug euch ftet$ beim Kirchumgange 

Bei meinen Haufe am Markt vorbei. 

Nun Schaut mich an, ob ich e3 nicht jet, 

Der heimlich dur das Fenſter blickte 

Und immer freundlichen Gruß euch nidte. 

Sankt Peter, jänftiget euren Zorn: 

Sch bin Franz Sänger aus Bullerborn!“ 
Hartmann, Schagfäftlein weitfäliiher Dichtkunſt. 


114° — 


„Biſt du's, der Wirt aus dem braunen Hirichen, 
Du Freund vom Klappern und Knallen und Birichen ? 
Du zeigit wohl deinen Kagdichein bor 
ALS Einlaßkarte zum Himmelsthor? 

Am liebſten jchict’ ich dich fort, Franz Sänger, 
Du Hafenmörder, du Iltisfänger; 

Doch will der Herr dir gnädig fein 

Aus reiner Erbarmung: tritt herein! 

Nur jag’, wo bift du jo lange geblieben? 

Drei Tag’ haft du dich umhergetrieben 

Auf deiner Reife von Bullerborn!” 


„Ach Herr, es ging durch Diftel und Dorn, 
Durch Gründe und Schlünde, durch Straud und Steine, 
Und müde wurden die alten Beine. 

Drei Tage find e8? Die Zeit vergeht, 
Menn man fo ftapft und Stille ſteht. 
Als ich mich ſchlug durch die Berggehänge, 
Sagdruf vernahm ich und Hörnerklänge; 
Laut gab im Holze der Braden Schwarm, 
Das Wild war body, die Fährte warın. 
dert, wie das Haffte Iuitig und munter, 
ie Höhe hinauf, das Thal herunter! 
Und wie ich lauſche, da kommt mir jegt 
In Kernſchußnähe borbeigejegt 
Ein mächtiger Hirih von vierzehn Enden, 
Und ich, da Stand ich mit leeren Händen; 
Weh that das Herz im Leibe mir! 
Dod Sagt, wes iſt das Jagdrevier?“ 


Der greiſe Pförtner ballte die Brauen: 
„Ha, Menſchenkind, mich faßt das Grauen! 
Du haſt den Hakelbernd gehört, 

Der mitten durch die Hölle fährt.“ 


„War der's? Mag ſein; mir gefiel die Meute, 
Der Hakelbernd hat ein luſtig Geläute; — 
Indes, wie iſt's mit dem Wildſtand hier?“ 

Er wies mit dem Daumen zur Himmelsthür. 


Da raſſelte laut mit dem Schlüſſelbunde 

Sankt Peter und rief: „Heilloſer Kunde, 

Du gingſt wohl gern in den Himmel ein 

Mit Horn und Hund, mit Schießen und Schrei'n, 
u ftören der Frommen heiligen Frieden, 
er Lebensmüden, der Leidensmüden! 

Hier hat ein Ende dein fträflid Thun: 

Willſt du nicht endlich raften und ruh'n? 


— —— 


Franz Sänger ſtrich ſich die grauen Locken 
Vom Ohr zum Scheitel und ſprach erſchrocken: 
„Hier keine Jagd? Das hör' ich nicht gern: — 
Doch wohl ein wenig Privat für die Herr'n?“ 


„Gar nichts,“ verſetzte der Pförtner mit Eifer, 


„Gar nichts, du Strolch, gar nichts, du Streifer!“ 


„Gar nichts für die lange, ewige Zeit? 
Gar nichts? — Sankt ‘Beter, das thut mir leid; 
Das thut mir leid! — Jedoch, — indeilen — 
Mir deucht — ich habe den Stock vergeflen; 
Ad) nahm ihn doc mit; wo mag er fein? 
Ganz recht! Dort unten, es fällt mir ein, 
Dort bei der Jagd, beim Horchen und Paſſen 
Im Buſchwerk hab’ ich ihn ſtehen Laffen. 
Ein Schlehdorn, Herr, mein Wandergenoß, 
Seit id) den Seiler am Rehberg ſchoß. 
Das war ein Burjch, und weldhe Hauer! 
Wir fanden ihn an der Heidenmauer 
Beim Sadjjenborn; dann ging’s zu Thal: — 
Dod das erzähl’ ich ein andermal. 
Segt will ich exit in die Schluchten nieder 
Und holen den Dorn, dann komm’ ich wieder. 
Laßt nur das Pförtlein offen ftehn; 
Ihr wißt, ich bin alt und muß langjam gehn.” 


Und haftig trolft’ er hinab zum Grunde: 
War’ um den Stod, war’3 um die Hunde? — 
Sankt Peter ftrich fich den van Bart: 
„Franz Sänger, du haft jo deine Art; 

Ein jeltfam Kräutlein warſt du immer, 

Gut wär’ es, wäre nur feiner jchlimmer. 
Sch denke, du findeit den Stof am Straud, 
Und dann zu mir den Rückweg auch.“ 


5 
Der Wildſchütz. 


Das feite vr zu Schwalenberg, 
Das iteht auf hohem Steine: 

Da ſitzt im allertiefiten Turm 

Der Xiebite, den ich mteine. 


Er figt im allertiefiten Turm, 
Wohl hinter Stäben und Stangen; 
Graf Simon ſchwor beim roten Wein: 
Der Wildihüß, der ſoll hangen! 


8* 


— 16 — 


Graf Simon, gebt den Sinaben frei, 
Graf Simon, habt Erbarmen: 
Bier kleine Schweitern fleh'n für ihn 
Mit ihrer Mutter, der armen. 


Und eine, die am meiſten fleht, 
Die laßt Erhörung finden: 
Sie will euch dienen fieben Jahr 
Für Walter und trodne NRinden. 


Sie will euch ſchaffen in Scheun’ und Stall, 
Sie will euch hüten Die Herde, 
Sie will euch treu Sein, wie ein Hund, 
Und jchlafen auf bloßer Erde.“ — 


Das feite Haus zu Schwalenberg, 
Das steht auf hartem Steine: 
Piel härter iſt Graf Simon? Herz, 
Das klag' ich Gott alleine. 


O, dab ich Finkenflügel hätt’, 
Ans Gitter wollt’ ich mid Schwingen, 
Dem Liebiten von Berg und Thal und mir 
Den legten Gruß zu bringen! 


DO, dak ih Taubenflügel hätt, 
Ans Fenfter wollt’ ich ſchlagen, 
Dem Liebiten, wie er fo lieb mir ift, 
Zum legtenmal zu jagen! 


Ein Glödlein Klingt, und die Blätter im Wald 
Vergeſſen all ihr Plaudern, 
Und all’ die Blumen büden ſich 
Ins Gras und weinen und jchaubern. 


Und all’ die Vögel find heute ſtumm, 
Die ſonſt jo Luftig fangen; 
Graf Simon ſchwor beim roten Wein: 
Der Wildſchütz, der muß bangen. 


“Ss 


bachſentrotz. 


Das war eine fröhliche Sachſenfahrt 
Ins Frankenreich nach ſächſiſcher Art: 
Sie ſchlugen, ſiegten und ſangen. 

Ein Häuflein irrte im wilden Wald, 
Sie ahnten nicht Tücke, nicht Hinterhalt; 
Graf Walo nahm fie gefangen. 


Graf Walo ipornte fein rotes Roß, 
Gr führte die Zwölf wohl auf fein Schloß: 
„Seid ſchön willtommen, ihr Gäſte!“ 
Ter Wälihmann lachte fo Liftiglidh: 
Du deutiches Blut, nun hüte dich, 
Zrug lauert im heimlichen Neite! 


Und als der Abend zu dämmern begann, 
Da rief der Graf: „Auf, ſchickt euch an, 
Die Tafel lieh ih uns richten. 

Mich hungert ſehr und durftet noch mehr; 
Doch erit thut ab die eiferne Wehr!“ 
Herr Sindulf ſprach: „Mit nichten! 


Zwölf Sachfenmänner find wir im Saal, 
Die Euren in Waffen die Doppelzahl: 
Mie möchten wir euch entfliehen ?* 
Die Kämpen ſaßen am Tiſch zuband, 
Den Helm am Haken, den Schild an der Wand, 
Das Schwert feft zwiſchen den Knieen. 


Nun ward geipeiit, num ward gezecht, 
Die Sachen thaten dem Mahl fein Recht, 
Sie aßen, tranken und ſchwiegen. 
Pechfackeln warfen ſo düſtren Schein; 

Es rannten die Diener hinaus und hinein, 
Beladen mit mächtigen Krügen. 


Und als es fan um die Mitternacht, 
Da ipürten die Franken des Trinkhorns Macht, 
Keck ipöttelte mancher Geſelle; 
Doch finiter ſchauten die Sachen drein, 
Sie tranfen grimmig den feurigen Wein, 
Wie kühles Waffer der Duelle. 


Graf Walo rief: „Ihr ſächſiſchen Herrn, 
Ihr lacht doch gern, ihr jcherzt doch gern, 
Auch zankt ihr euch gern beim Schmauſe: 
Mie habt ihr heute jo jchweren Mut? 
Mein Meth ift Stark, mein Wein ift gut: 
Thut ganz, als wär't ihr zu Haufe! 


Man jagt, im luſtigen Sachſenland, 
Da gehe die Harfe von gu zu Hand, 
Menn lauter die Becher Elingen: 
MWohlauf, ihr Helden, mit Vergunſt, 
Iſt euch gegeben der Lieder Kunſt, 
Mohlauf, jo mögt ihr uns fingen!“ 


— 18 — 


Der greife Sindulf ſprach alsbald: 
„rei fingt der Vogel im grünen Wald 
In wonnigen Früblingstagen; 

Im Bauer ſitzt er wie taub und blind: 
Wir wiſſen, daß wir gefangen find, 
Wir müflen ichweigen und klagen.“ 


„Und wißt ihr, daß ihr gefangen feid, 
So wißt ihr auch, wer hier gebeut; 

drt an, was ich gebiete: 

ser jingt, iſt frei, er räume das Land; 
Wer nicht, mein iſt er mit Hals und Hand: 
Den Reit erwägt im Gemüte.“ 


„Herr Graf, ich lebte ſchon manches Jahr: 
Kurzweil mit Männern bringt Gefahr, 
Herr Graf, das mögt ihr bedenken. 

eid flug, wir löſen uns, wie ihr wollt, 
Mit Roß und Rind, mit Silber und Gold; 
Den Hohn, den müßt ihr uns fchenten.“ 


„Ihr meint zu entwiichen für Kuh und Kalb, 
Die eine grau und das andere falb, 
Nein, nein, bier frommt fein Sperren. 
Die harten Köpfe, die mady’ ich weich, 
Den Sadjentroß, den brech' ih euch: 
Nun räufpert die Kehlen, ihr Herren!“ 


Herr Sindulf redte den narbigen Leib: 
„Das wird ein jeltiamer Zeitvertreib; 
So lakt das Spielzeug bringen! 

Du, Sigwin, biit der jüngfte Mann: 
Befinne dich erit und beginne dann; 
‚Sch werde den Schlußreim fingen.“ 


Jung Sigwin war ein verwegener Fant, 
Er faßte die Harfe mit kecker Hand 
Und lachte hell und heiter; 
Mit dem Fingernagel gar ſäuberlich 
Er einmal über die Saiten ftrid) 
Und lachend gab er fie weiter. 


Der zweite nahm fie und murrte dazır: 
0 heiße ee: laßt mich in Ruh 
Mit Knaben: und Weiberwerken. 
Uno ob es biegt und ob eö bricht, 
Was ich nicht will, das thu’ ich nicht; 
Das mag der Mann fid) merken.“ 


— 119 — 


„Hort mit dem dog!" rief Adalbrecht; 
„IIch ſänge mid), traun! zum geichornen Knecht, 
Gehorcht' ich ſpöttiſcher Laune. 

Seht meine Locken, jo licht und lang! 
Oft hat fie geicheitelt bei Spiel und Sang 
Schön Ndalinde, die braune.” 


Herr Baldrik blies auf die Harf’ und jprad): 
„Das Ding iſt dünn und viel zu Schwach, 
Ich darf daran nicht rühren. 

wei Bärentagen, jo breit und ſchwer, 

ind nur gewohnt, den Gichenjpeer 
Und wuchtigen Stahl zu führen.“ 


Herr Dudo drauf: „Im Weſerwald, 

Da loden und zwitichern mannigfalt 

Die Finken in allen Zweigen; 

Sch Habe mit ihnen viel tauſendmal 

zur Mette geiungen durch Berg und Thal, 
och heute behagt mir zu ſchweigen.“ 


Herr Ratpert grolfte: „So alt ich bin, 
Nie fam das Singen mir in den Sinn, 
Id will es auch Fürber lafjen. 

Zum Kettenhemd und Eifentopf 
Auf meinem alten, greifen Kopf 
Bil ſolch' Geihwirr nicht paffen.“ 


Herr Kralo ziſcht' im den roten Bart: 
„sch weiß ein Lied befondrer Art 
Bon blauen fränfifchen Rüden; 
Ich fing’ es euch zu anderer Stund’ 
Im fonnigen Saal, auf grünem Grund: 
Habt acht, es wird mir noch glüden!“, 


Herr Burkfhart late: „Ich heiferer Mann, 
Gern ehrt’ ich beffer, als diefer gethan, 
Des Wirts gaftfreundliche Liebe! 

err Graf, die ſächſiſche Höflichkeit 

ft unbeichrie’n, doch weit und breit 
Kennt man die fächfifchen Hiebe.“ 


Herr Ansfrid raunte in fich hinein: 
„Ic ließ der rofigen Knaben neun 
Am Herd in der großen Halle. 

Sie erben einft, der dies, der das: 
Doch meinen zornigen Frantenhaß 
Den erben die Buben alle.“ 


Herr Tankulf war der zehnte Mann; 
Gr ſah die Harfe verächtlich an: 
„Der Spaß ift euch mißlungen! 
Mit meinem Töchterlein Sigelind 
Sigt Frau Thietberga daheim und ſpinnt; 
Sie weinten, hätt’ ich gejungen.“ 


Herr Sturmi ſchob das Spielwerf fort: 
„Dein Brot ift bitter, noch bitt’rer dein Wort, 
(58 wird dir noch zun Leibe: 

Doch das iſt nun mein bitterite® Weh, 
Daß ich mit dir nicht draußen ſteh' 
Auf blutrot blühender Heide!“ 


Und als die Harfe an Sindulf kam, 
Wie ſchaute der Alte ſo grimm und gram: 
„Hier mußteſt du ſieglos bleiben! 

Ch’ magſt du knicken den EKichenklotz, 
Ruhmrediger Mann, als Sachſentrotz 
Aus ſächſiſchen Köpfen treiben!“ 


Die Harf' er gegen den Pfeiler ſchwang, 
Daß ſie in Scheiter und Scherben ſprang: 
Da jauchzten die Sachſenkinder. 
Doch Baldrik ſprach mit Bedacht und Ernſt: 
„Das Ding war dünn, und du, Wälſchmann, lernſt, 
Dein Schädel iſt es nicht minder.“ 


Graf Walo, rot und bleich vor Zorn, 
Riß auf das Fenſter und ftieß ins Horn, 
(53 ftürzten herein viel Knechte: 

„uf, knebelt diefe, und ums Genid 
Hängt jedem Dieb einen hänfnen Strid: 
Verfallen find fie dem Rechte!“ 


Herr Sindulf fchnellte von Stuhl empor: 
„Baldrif, verwahre das Hallenthor, 
Des Plauderns iſt num ein Ende! 
Jetzt fommt die Schmad zum Hohn und Spott: 
Beim alten Woden, dem Nabengott, 
Sekt giebt es blutige Hände! 


Schirmt euch, ihr Franken!“ — Ein jaufender Schlag, 
Und röchelnd der Graf auf dem Eſtrich lag, 
Und dann ein wildes Gemetzel, 
Ein Krachen und Klirren, ein Stöhnen und Schrei’n, 
Und die Fadeln warfen jo düſtren Schein, 
Die im Saale des Königs Etzel. 


— 121 — 


Doch Sindulf rief: „Laßt finfen die Mehr! 
Seht nur, die Thoren, vom Weine fchwer, 
Serhaden ſich hüben und drüben. 

fui, Knechte, jeid ihr mit Kalk bemalt? 

‚sort zäumt ums die Roſſe; die Zech' ift bezahlt, 
Diesmal mit ſächſiſchen Hieben.“ 


Der Morgen dämmerte grau und alt, 
Die Helden ritten im grünen Wald, 
Bluttriefend die Wämſer und Klingen. 
Und Wolfgrim ſprach: „Wir ſpülen am Quell 
Die Wunden rein und die Kehlen hell, 
Und dann, dann wollen wir fingen. 


Ein Neiterbube jegte daheim 
Auf Sachſentratz einen guten Neim, 
Den Reim, dem will ich euch lehren. 
Du, NRatpert, ob du auch niemals ſangſt, 
Heut’ ſingſt du mit, es ſchrei'n dor Angſt 
Die Kälte, wenn fie es hören. 


Und jo lange die Nuhr noch rauscht durch das Thal 
Und den Hammer treibt, der uns härtet den Stahl, 
Und die Eichen, die fnorrigen, wachſen: 

Nie wird ein Sachſe zum blöden Knecht! 
Hellauf: e3 blühe das ſtolze Geſchlecht 
Hartmutiger, trogiger Sachſen!“ 


=; 


Dreizehnlinden. 
V. 
Am Opferſteine. 
Lieblich ſind die Juninächte, 
Wenn des Abendrots Verglimmen 
Und des Morgens frühe Lichter 
Dämmernd in einander ſchwimmen; 


Wenn der Lenz in roten Roſen 
Raſch verblutet, und die kleinen 
Nachtigallen um den Toten 
Ihre letzten Lieder weinen; 


Wenn im Kelch der Lindenblüte 
Unterm Blätterbaldachine 
Schläft, gewiegt von lauen Lüften, 
Die verirrte, müde Biene. 


ee 


Tränmeriih im Neſt der Schwalbe 
Zirpt die Brut und zwitichert leiſe 
Von dem großen, blauen Himmel 
Und der großen Südlandsreife. 


Und im Weizen fchlägt die Wachtel, 
Jedem Pflüger liebe Kante, 
Liebe Laute all’ den Körnern, 
Die er fromm der Flur vertraute. 


Durch die frifch entiproßnen Aehren 
Haucht ein Säufeln und ein Singen, 
Als ob holde Himmeldgetiter 
Segnend durch die Saaten gingen. — 


Rings der Wälder tiefes Schweigen! 
Aus des Ihales Nebelhülle _ 
Hob die Iburg ihren Scheitel 
An die fternenflare Stille; 

Alter Hain, aus deffen Wipfeln 
Sonft die Irminſäule ragte, 
Die zum Schmerz und Schred der Sachen 
König Karl zu brennen wagte; 


Götterftätte, jest umwuchert 
Von Seitrüpp und wilden Ranfen, 
Und als Mohnort dunkler Mächte 
Scheu gemieden von den Franken. — 


Lieblich war die Nacht, die Furze, 
Vor dem Tag der Sonnenwende; 
Auf der Iburg ſtumpfem Segel 
Fladerten die Opferbrände; 


Auf der Iburg ſtumpfem Kegel 
Hatten fi) zum Balderfeſte 
a eſchart die Heidenleute, 

——— fremde Gäſte. 


Unter Eichen auf dem Raſen 
Stand der Opferſtein, der graue; 
Neben ihm mit blut'gem Meſſer 
Eine rieſenhafte Fraue, 

Swanahild, die greife Drude, 
Ihres Prieſteramts zu walten, 
Erzgegürtet; weißes Linnen 
ob um fie in reichen Falten. 

Werinhard, der freie Bauer, 
Nahm den Stahl aus ihren Händen; 
Fulko, Schmied von Bodinkthorpe, 
Wühlte ſchürend in den Bränden. 


— —— 


Und im breiten Kupferkeſſel 
Auf des Herdes glühen Kohlen 
Brodelte mit Lauch und Miſtel 
Das geweihte Opferfohlen: 


Freies Tier des freien Waldes, 
Das den Hals vor Pflug und Wagen 
Nie gebeugt, und deſſen Rücken 
Einen Reiter nie getragen. 


Elmar, Herr vom Habichtshofe, 
Blickte träumend in die Gluten; 
Sah er, wie das Opferfüllen, 

Auch das Sachſenroß verbluten? — 


Ehrfurdtsvoll und ſtumm im Kreiſe 
Stand die Menge; nur ein Flüſtern, 
Nur ein Schauern in den Bäumen 
Und der Flammen Sprüh'n und Kniſtern. 


Godo kam, der Opferdiener, 
Beiter Fiſcher an der Nethe, 
Zubenannt der fraufe Otter, 

Weil fein Haar fid) lodig drehte. 

„Alles ficher,” jprad) er leije: 
„Nusgeitellt find rings die Wächter; 
Stören wird die fromme Feier 
Kein Berräter, fein Verächter.“ 


Dreimal dann mit nacdten Füßen 
Schritt die Prieiterfrau, die hohe, 
Um den Herd und Segen iprechend, 
Warf fie Körner in die Lohe. 


Und mit Donard Hammerzeichen 
Spendend Heil und Kraft dem Subde, 
Das Geficht zum Nord gewendet, 
Traurig ernit begann die Drude: 


„Naht in Ehrfurcht, naht in Andacht, 
Und was unbold, bleibe ferne; 
Unſre Zeugen — die Götter, 
Stummer Wald und ſtille Sterne. 


Fern ſei jeder Ungezwagte; 
Wollt ihr opfern, wollt ihr beten, 
Reiner Hand und reines Herzens 
Sollt ihr vor die Ew'gen treten. — 


Balders Sterbetag zu feiern, 
Sind wir an den Stein gekommen; 
Ihm, dem Frömmſten, nachzutrauern, 
Wohl geziemt es allen Frommen. 


— 124 — 


Seit ihn ſchlug fein blinder Bruder, 
Iſt des Tages Glanz verblichen, 
(Hötterfriede, Menjchenfriede 
Aus der dunklen Welt gewichen. 


Ahnt ihr, was der große Vater 
Seinem vielbeweinten Toten, 
Seinem Sohn ind Ohr geflüftert, 
Als die Scheiter ihn umlohten? 

O, es waren hohe Worte, 
Hoffnungsreiche, holde Lante, 
Lichte Auferitehungsworte, 

Die er tröftend ihm vertraute: 


Seiner Wiederkehr Geheimnis 
Aus dem Neich der Nimmerfatten, 
Wo in nebeldüftren Schluchten 
Traurig gehn die bleichen Schatten. 


Wann? — Der Wala jelbit verborgen 
Blieb der große Tag der Sühne; 
Zeit und Stunde fennt nur Einer, 
(Fr, der alte Hinmelshüne. 


Gr nur weiß e8, wann im Kampfe 
Untergehn die hohen Götter, 
Wann im Sturm vom Zeitenbaume 
Weh'n die herbitlich gelben Blätter; 


Wann auf feuerfarbnen Roſſen 
Muſpels Söhne nordwärts rennen, 
Um mit ungeheurer Zohe 
Erd’ und Himmel zu verbrennen; 


Un uralte Schuld zu rächen, 
Daß im Frühlingsmorgenhauche, 
Jung und grün, aus Waflerwogen 
Eine neue Erde tauche, 


Nings bewohnt von ftillen Menichen, 
Die mit Morgentau ſich nähren: — 
Dann, jo ipricht die weile Wala, 
Dann wird Balder wiederfehren; 


Und der Niemalsausgeſprochne, 
Er, der Aelteſte der Alten, 
Wird für immer aller Dinge, 
Aller Menichen liebend walten. — 
Kam die Zeit, und ift der Meike, 
Den die Chriiten laut befennen, 
Den Allvaterd Eingebornen 
Und das Friedensfind fie nennen, 


— 15 — 


At er Balder? — O, er bradte 
Kampf und Krieg der Männererde! 
Iſt er Balder? — O, er madıte 
Friedlos uns am eignen Herde! 

Was wir jeh'n, ift Haß und Haber: 
Bor den Fremden, uniren Schergen, 


Muß fich jelbit Gebet und Opfer 


Scen in tiefer Nacht verbergen. 


Dennod, mag die jonnenlofe 
Dunkle Zeit fi) dunkler trüben, 
Treu der Lehre, treu der Sitte, 
Laßt den Väterbraud uns üben. 


Ihr mit Kranz und Binfenkörben, 
Tretet in den Ring, ihr Mleinen, 
Singt den Reim, wie wohl ihr heute 
Klüger thätet, till zu weinen. 


Dennoch fingt; den jungen Naden 
Schmerzt noch nicht das Joch der Franken; 
Singt, und mag es traurig lauten, 

Wie dad Singen eines Kranken.“ 


Und die Knaben und die Mädchen 
Huben an mit leiter Stimme: 
„Scirm’ uns, Balder, weißer Balder, 
Vor des Chriftengottes Grimme! 


Komm zurüd, du ſäumſt jo lange, 
Sich’, wie Erd’ und Himmel Hagen 
Komm zurüd mit deinem Frieden 
Auf dem goldnen Sonnenwagen. 


Weißer Balder! weiße Blumen, 
Wie an Badı und Rain fie fprießen, 
Weiß, wie deine lichten Brauen, 
Legen wir bir gern zu Füßen. 

Sieh’, wir geben was wir haben: 
Arm find unſre Fruchtgefilde; 

Laß Geringes dir genügen, 
Weißer Balder, Gott der Milde. 


Gott der Liebe, weißer Balber, 
Neige hold dich unfren Grüßen: 
Blumen, rein wie unſre Herzen, 
Legen wir dir gern zu Füßen.” — 

Und den Opferftein ummandelnd, 
Warfen fie bie Kräuter, 
Lichte Gloden, lichte Flocken, 

Lichte Sterne auf die Scheiter. 


— 16 — 


Dann mit leiſen Wilpelmorten 
Nahm die Prieſterin die Schale: 
„Zrintt des weißen Gottes Minne, 
Eh’ ihr hebt die Hand zum Mahle!“ 


Dur die Nunde ging ein Raumen 
Und gedämpftes Becherflirren, 
Wie in herbitlich dürrem Rohre 
Abendlüfte heimlich ſchwirren. 


Und der krauſe Opferdiener, 
Aus des Keſſels weiten Bauche 
Gab er jeden von dem Fleiſche, 
Von der Miftel, von dem Lauche. — 


O, e8 war fein Mahl der Freude! 
Stets des Ueberfalls gewärtig, 
Saß die Schar der Ingetauften, 
Stets zum Flieh'n, zum Trogen fertig, 


Wölfen gleich, die fern im Walde 
ri einen Raub verzehren 

nd in jedem Blätterraufchen 
Hund und Jäger fommen hören. — 


Sprad die Drude: „Dankt den Göttern; 
Löſcht die Glut und nehmt die Brände! 
Dunfles brittet zwijchen heute 
Und der nächſten Sonnenwende; 


Denn nicht alle fommen wieder, 
Und nicht jedem ift zu trauen. 
Fort! die Sterne ſchimmern blaffer, 
Und der Tag beginnt zu grauen.“ 


In die Gründe glitt die Menge, 
Wie verftoben, wie verfunken; 
Seide Morgenwinde fpielten 

it der Ajche, mit den Funken. 


Don der Sonne eriten Strahlen 
Glühten rot die fernen Gipfel, 
Und der Schrei der wilden Habe 
Klang im höchſten Eichenwipfel. 


5 


— 127 — 


XVIII. 
Hildegundens Trauer. 


„Andre, denen Leid geſchehen, 
Dürfen klagen, ich muß ſchweigen 
Wankt mein Mut in Furcht und Trauer, 
Heitre Miene muß ich zeigen. 


Die mir ratend helfen könnte, 
Schläft hier unterm kalten Steine; 
An der Linde ihr zu Häupten 
Sitz' ich oft und weine, weine. 


Leiſe nur; ein Mutterſchlummer 
Iſt ſo leicht, fie würd’ eö hören; 
Nein, e3 darf des indes Klage 
Ihre Seligkeit nicht ftören! 


Wenn es fchauert hoch im Wipfel, 
Neig’ ich mich zu bangem Laufchen: 
Sind es leije Flüfterworte? 

Ad, es iſt nur Mindesraufchen! 


Weiß fie nicht, was mir gefcheben, 
* euch, daß ihr es ſaget, 

leine En "a, die ihr Botichaft 
Zwiichen Erd’ und Himmel traget. 


O, fie würde, Urlaub heifchend, 
An der goldnen Pforte jtehen; 
D, fie würd’ im Simmel weinen, 
Wüßte fie, was mir geſchehen!“ 


2. 


„Sinen wilden, ftolzen Falken 
— ich mir zur Luſt gezogen; 

it dem Todespfeil im Herzen 
Iſt er fort, weit fort geflogen. 


Liebt' er Ring und Lederkappe? 
O, ins Weite mocht' er ſtreben, 
Durch die Wälder mocht’ er ſchweifen, 
An den Wolken mocht’ er jchweben, 

Frei und Fühn, ein Ziel dem Neide! — 
Weh’, ihn traf ein fremder Schüße, 

ig "verfteckt, nah Schächerweiie, 

ordlih mit verruchter Spige. 


— VOR 


Seid’ne Bänder wollt’ ich winden 
Um jein glänzendes Gefieder, 
Silberfäden, gold'ne Schnüre, 

Käm’ er nur, o, füm’ er wieder! 


Weh’ um ihn, den Hocdhgemuten! 
Den ih mir zur Luft gezogen, 
Mit dem Todespfeil im Herzen 
Sit er fort, weit fort geflogen.“ — 


3. 


„Finſtre Nacht und kalter Negen, 
Und der Wald erfeufzt im Winde; 
D, ihr Stürme, wilde Wetter, 
Wenn er lebt, o, jeid ihm Linde! 


Zreibt jein Kiel auf dunklem Meere, 
Ueber Klippen, über Schlünde, 
All' ihr Waffer, all’ ihr Wogen, 
Wenn er lebt, o, feid ihm linde! 


Irret er auf öder Heide, 
Suchend, wo er Obdach finde, 
Führt ihn, all’ ihr guten Sterne, 
Wenn er lebt, o, jeid ihm Iinde! 

AM ihr Engel, ihr, der reichen 

immelsburgen Ingeſinde, 

o er ringe, wo er fümpfe, 

Ro er Sei, o, jeid ihm Linde!“ 


4. 


„Auf dem Sande weiße Schwäne, 
Schwanenjungfrau'n, die fich baden, 
Die zum lauen Süd fi jchwangen 
Von des Nordlands Eisgeſtaden. 


Weite Schwäne, wilde Mädchen, 
Schön ift euer Los zu preiien; 
Durd die Wellen könnt ihr rudern, 
Durd; die Wolken könnt ihr reifen. 

Hätt’ ich eure Federhemden, 
Dur die Himmelsräume flög’ ih; 
Ihn zu finden, den ich ſuche, 
Durch die Erdenreiche zög' ich. 

Ihn zu finden, den ich fuche, 
Schweift’ ic rings in allen Meeren, 
Wär's nur, einmal ihn zu grüßen, 
Und dann trauernd heimzufehren.” 


5 


ZIx: 
Elmar in Stloftergarten. 
182. 

„Geh' ich einjam durch die Büfche, 
Sig’ ih einſam in der Zelle, 
Unablälfig mir zur Seite 
Folgt ein treuer Sprechgeielle. 


Immer ſurrt er: „harre, harre!“ 
Immer raumt er: „bleibe, bleibe; 
Alles fügt ji, eh’ im höchſten 
Sommer iteht die Sonnenicheibe!” 


Und ich harre, weil ich tiefer 
In mein Suchen mich verienfe, 
Und ich bleibe, — und ich bleibe, 
Hilda, weil ich dein gedenfe. * 


14. 

„Wüßt' ich ſie im fichern Hafen, 
Mit den Stürmen kämpft' ich gerne; 
Ale Schmerzen wollt’ ich dulden, 
Bliebe jeder Schmerz ihr ferne. 


Mär’ ihr beifer, möcht’ ich lieber, 
Daß fie feine Schmerzen trüge, 
Dar, fo oft fie mein gedenket, 
Banger nicht das Herz ihr jchlüge? 


Daß fie mein nicht mehr gedächte? 
Herbites Wort von allem herben! 
Bittrer Tod; Vergeflenwerden 
Iſt noch bitterer, als Sterben. 

(Sinne Lieb’ ift Feine Liebe; 

Daß fie durch zwei Herzen gehe, 

Iſt ihr Necht, und beiden bringe 

Schnend Leid und wundes Wehe.“ 
16. 

„Wunderlich! Ein altes Märchen 
Däucht es mir, gehört im Traume: 


Sinnend, einen Kranz im Schoße, 
Sat fie unterm Apfelbaume. 


Meike Blütenblätter ſtreifend 
Von der Achiel, aus den Loden, 
Gab fie mir den Gruß zurüde, 
Hold errötend, ſüß erichroden. 
Hartmann, Scasfäftlein weitfäliiher Dichtkunft. 


— 10 — 


Eines hatt’ ich ihr zu fagen; 
Statt des Ginen jagt’ ich immer, 
Was ich nicht zu jagen Hatte, 
Mas id) Hatte, jagt’ ich nimmer. 


Bon dem großen, grauen Wolfshund, 
Ihrem treu’ften Me —5 en, 
Von der Brut im Neſt der Amſel 
Sprach ich, und des Bachs Forellen. 


Wunderlich! Geſchliffne Aexte 
Sah ich furchtlos auf mid zücken, 
Und vor einem Mädchen Stand ich 
Zaghaft mit geſenkten Blicken.“ 


5 


(Gedichte. Zweite Buch.) 
Eine That, 


Auf Adlerihiwingen ftürmt die Zeit; es naht 
Shr Schnitter dir, der Tod, mit leiſem Schiweben. 
Dein Staub gehört dem Staub; dein beſſ'res Leben 
Gott und der Welt, und beiden deine That. 

Ihr Schuldner bift du längft, ſchon längſt gewejen: 
en. fäumft du noch, dein altes Pfand zu löſen? 
O, Süngling, eine That, jo Pr noch heiß 
Und ehrbegierig beine A ichlagen! 
Bu eine That, ein Frommes, Friiche Wagen, 
O, eine That noch vor dem Sterben, Greis! 
Und fannit du nicht durch Denken oder Dichten 
Auf deiner Bahn ein ftolzes Mal errichten, 
Und kannst du nicht mit Meikel oder Schwert 
a r jpäte Enkel in die golden Scheiben 
ie deinen Namen ſchreiben: 
Befcheide ich! Des Werks Verdienit und Mert 
MWird nad des Mannes Sinn und Straft gemeifen: 
Mer feinen Brüdern 1 bi bleibt unvergeifen. 
Grab’ einen Duell aus dürrem Wüſtenſand, 
Pflanz’ einen Baum in ödes Heideland, 
Auf daß ein Wandrer, der nad) vielen Jahren 
An deinem Born fih labt und Früchte bricht 
Bon deinem Baume, froh dich ſegnend, fpricht: 
Ein guter Menich ift dieſes Wegs gefahren. 


5 


— 131 — 


Am Hovember. 


Es war in des Novembers finftren Tagen, 
Die Sonne fern, verblihen Blatt und Blüte; 
Die Flur, daß fie der Armut Blöße hüte, 
In graue Nebelichleier eingeichlagen. 
Sch blickte tief hinein in mein Gemüte; 
Mit Walther, meinem Freunde, mußt’ ich fragen 
Vol Harn: „wie man zer Welte jolte leben ** 
Ratlos, wie er, wußt ich nicht Nat zu geben; 
Mich überfanı ein Trauern und Verzagen; 
Und wieder griff ich zu dent heil’gen Buche, 
Das vielen ward zum Segen, aud zum Fluche, 
Weil fie, den Geiſt verfennend, Worte lallten. 
Ich las und las mit Sinnen und Betrachten, 
Und dann, da ftand’3, bei St. Johann, am Achten: 
„Sch bin das Licht der Welt!" — Da mußt’ ich halten. 
Sch trat ans Fenſter; lange dacht’ ich, lange, 
ind bot der Nachtluft die erhitte Wange. 
Der Nebel glitt hinab am Hügelhange: 
Mein Rätjel war gelöft. Hell ichien im Norden 
Der Angelitern, und ich war ftill geworden. 


5 


Tolle Welt. 


So ift die tolle Welt! Sie läßt 
Dom leerften Schwäger fi den Glauben, 
Ihr beites, ichönites Kleinod, rauben; 
Den Aberglauben hält fie feit. 


2% 
Den Leichtlebigen. 


Ihr lacht, derweil die Zeit veritreicht, 
Leer bleibt der Kopf, das Herz noch leerer; 
Gewiß, das Leben ift euch leicht, 

Das Sterben wird eud um jo Ichwerer. 


=; 
Müſſen und Mögen. 


Dein Müffen und dein Mögen, 
Die ftehn fich oft entgegen: | 
Du thuft am beiten, wenn du thuft, 
Nicht was du magit, nein, was du mußt. 


5 
9* 


— 12 — 


Greif zu! 


Der Tag hat feine Mühe: greif zu, fei feit und wach! 
Das Schwerite thu' am eriten, leicht folgt das Leichte nad). 
= viel Geduld mit andern, mit dir hab’ nie Geduld: 

ie ungethane Arbeit ift unbezahlte Schuld. 


=, 


Des Lebens Kern. 


Redenke, was du heute thuit, 
Bedenk' audı, was du morgen mußt; 
Zumeiſt bedenke, deinem Leben 
Durch Arbeit Kern und Halt zu geben. 
Sin Leben ohne Arbeit gilt 
Nur was ein Nahnen ohne Bild. 


Fu 


25 


Uur Mut! 


Und ſoll es ſein und muß es ſein, 
Da hilft kein Zieren und Flennen: 
Greif' in die Neſſeln friſch hinein, 
So werden ſie dich nicht brennen. 


2 
Diogenes. 


Diogenes kroch in das Faß, 
Um mit Enthaltſamkeit zu prunken: 
Der greiſe Schalk, wann that er das? 
Als er es leer getrunfen. 


=; 


Abſcheulich! 


Ja, freilich darfſt du deiner Frauen 
Jedwed' Geheimnis jo vertrauen, 
Daß fie verichweigt mit großem Fleiß 
Jedwedes, das ſie jelbit nicht weiß. 


5 


Stanz von Löher, 


geboren am 15. Oktober 1818 zu Paderborn, Nachdem er fidy auf den Univerſitäten 
Balle, $reiburg, Münden und Wien juriitiichen, Geſchichts und Kunititudien gemidrntet 
hatte, wurde er Referendar am Stadtgerichte jeiner Daterftadt und bereiligte fich im 
lebbafter Weiſe an dem dortigen Gefibichts: und Alterthumsvereine. Im Jahre 1846 
trat er eine Reiſe über England nach Umerifa an und fehrte 1547 über Frankreich in 
feine Vaterſtadt zurück. Dach YMusbruc der Jebrnarrevolution beteiligte er ich im 
liberalen Sinne an der pPolitif, wurde von feiner Vaterſtadt ins Abgeordnetenhaus 
nab Berlin und fputer zum Stadiverordtenvoriteber gewählt. Im Jahre 1853 babi: 
(itierte er fich als Privatdozent der Nechte in Göttingen und wurde 1855 als Profeffor 
der Geichichte nach München berufen, wo er ipäter als Mitglied der Akademie der 
Wiffenichsften wertvolle, aeidyichtliche Arbeiten veröffentlichte. Im Auftrage Köntg 
Marimilians 1. unternahm er im Jahre 1863 eine Reiſe zu wiffenichaftlihen Sweden 
nah Rom und Ilinteritalien. König £udiwig TI. ernannte ihn zum Direfror des 
bayeriichen Reichsarchivs und erhob ihn 1866 in den Adelitand, Außer verſchiedenen 
Fachſchriften, einer Schrift: Geſchichte und Zujtände der Deutſchen in 
Amerifa, Göttingen 1848, 2. Mufl. 1854, eines Werkes: Neapel und Sicilten, 
München 1864, Geſchichte des Kampfes um Paderborn 1597 —1604, Berlin 
1874, ſchrieb er: 

Dichtungen: General Spork. Dichtung. Göttingen 185. 2. Aufl. 

Ebd. 1856. 


(General Sporf. 2. Aufl. Göttingen 1856.) 
Zweites Buch. Erſtes Stapitel. 


Oberſt und Regiment. 


Vor einem Städtchen nah der Schenke, 
Von Lindengrün beichattet, ſtanden 
Aus Stein gehauen Tiih’ und Bänke, 
Ein Pläschen, das die Zecher kannten. 
Dort jaken ſonſt, bis ſternenklar 
Die Nacht ſich wölbt’ auf Fluß und Yluen, 
Die Bürger und ihr Ingeſinde. 
Auch manch’ veritohlen Yicbespaar 
Konnt’ heimlih man da fofend Schauen 
Am Schuß der Stillen, alten Linde. 


— 134 — 


Nun lärmten da gar and're Zecher, 
Die Pidelhaube war der Becher. 
Der Degen blanf am Schwertgehäng, 
Der Koller um die Hüfte eng, 
Die Bruit im braunen Wams von Leder 
Und auf dem Hut die Neiherfeder, 
Das prangte auf dem grünen Nain. 
Es lief der Schenfe aus und ein, 
Man rief ihn dort, man rief ihn bier, 
Es war ein luſtig Zechgewirr, 
Und Karten, Würfel, Waffentlang, 
Das Ichallte auf dem Tiſch von Stein, 
Und ging umher ein Rundgefang, 
Fiel jubelnd jeder Zecher ein. 


Wer kannte nicht die Sporfihe Schar, 
Die froh beim Spiel, froh bei Gefahr! 
Sporf führt’ ein Völklein auserforen, 
Herzfriiche Geſell'n mit Falkenaugen, 

An bligender Wehr und Elingenden Sporen, 
Zum ganzen Werf mußt jeder taugen. 
„Hältit du dich zum General zu ſchlecht, 
Biſt du auch mir ein arger Knecht,“ 

So ſprach er oft, und jeder ſann, 

Mit Mannlichkeit ſich wohl zu zieren. 
Auch jenes 5* den Preis gewann, 
Daß er’s erhob zu Offizieren, 

Dem in der Knaben Spiele ſchon 

Er audgeteilt den Ehrenlohn *). 

Nur Jöſtchen mollte fchlecht und recht 
Nichts fein, ala Sporf ein treuer Knecht. 
Dazu ſaß er dem Trinfen vor, 

Und weil er fingen, wie ein Hahn, 

Und predigen konnt’ im Initigen Chor, 
So hieß er nur der Feldkaplan. 

Ein Schladtlied hub er an zu fingen, 
Das gab jogleih ein Fröhlich Klingen: 


Seil, drauf, unverzagt! 
seit Ichließt! ganzer Macht 
Stürmet an, Me ein, 
Legt ſie hin in Reih'n. 
Die Klingen laſſet klirren, 
Die Lüfte Loſung ſchwirren, 
Degen, Spieße, lange Rohr', 
All' hervor 
Und das Feldgeſchütz. 
Der Rittmeiſter Liborius Evers und Böſe, wahrſcheinlich Sporls Ad— 


jutant. Biete und Joſt Nolte waren feine Jugenbgenoffen, bie mit ibm aus ber 
Heimat entwichen und unter bie Soldaten gegangen waren. 








— 15 — 


Seht, dort, heil im Feld 
Seht ein Siegesheld, 
Unfer Herr Obriiter, 
An der Spigen ber. 
Gar grimm thut er regieren, 
Sein Völklein tapfer führen, 
Nie ein Löwe anzujehn, 
Seht ihn gehn 
Donnernd in die Schladt. 


Her, ber! Alfe her! 
Hart jteht Feindes Wehr! 
Neiter vor, Mann und Knecht, 
In die Ordnung bredit. 
Sein’ Fahnen reiht in. Flittern, 
Laßt Speer und Harniſch Iplittern, 
Ob er eitel Teufel wär, 
Alle ber! 
Muß er doch in Grumd. 


Fort, fort! SHinterdrein! 

All' muß unfer fein, 
Reitet ſcharf, fattelfeit, 
Nehmet aus das Neſt! 

Sein Zelt hat Gold und Seide, 

Giebt Wonn' und Augenweide, 
Eiſern' Säbel unſer Pflug, 

Geld genug 

Schafft er uns in Sad. 


Trinkt, iſt's Werk vollbracht, 
Wein ſchmeckt nach der Schlacht. 
Stoßet an! Rebenglut, 

Fröhlich Neiterblut. 
Der Fluß gedeiht dem Fifche, 
Dem Reiter Meines Frifche, 
Ewig Leben iſt im Wei, 
Sonnenschein, 
Schenkt den Helm mir voll. 


Das Hang fo fchmeiternd in die Runde 
Und an die Wolfen hoch hinauf. 
Die Becher gingen flinf vom Munde, 
Den Takt fie läuteten E auf. 
Und als das Lied zu End’ gebradt, 
Sie ſahn von fern den Oberſt fommen, 
Er hatte qut Quartier gemacht, 
Dem Regintent zu Nug’ und Frommen. 
Der Bürgermeiiter und der Rat 
Die bradıten ihn bis vor die Stadt 


en a a Ti te aa a EI Te Tee 


— 136 — 


Und bückten fih und neigten ſich, 
Als Spork von ihnen grüßend ſchied. 
Die Reiter aber freuten ſich 

Und fangen ftolz ihr Oberitlied: 


Wer mag denu unſer Oberſt fein? 
Ein Ritter, ſtolz und bieder. 
Er legt gar bald, ſchlägt er darein, 
Ein' ſtolzen Kerl darnieder. 

Kein beif’rer Mann wird noch geborn, 
Er thut kein' Schlacht verlieren, 
Und was er allzeit nimmt aufs Norm, 

Wir müſſen es prosperieren. 


No kommt denn unſer Oberſt her*)? 
Die Pferde thät er hüten. 

Nun iſt er worden ein großer Herr 
Von Städt' und Landgebieten. 
Denn was da in des Feindes Land 
Geht auf die grüne Weide, 
Wir nehmen es ſogleich zur Hand 

Und zahlen es aus der Scheide. 


Was thut der Oberit im Quartier? 
Gr macht die icharfe Runde, 

Ob alles hält fih nach Gebühr 
Und fertig jede Stunde. 

Nimm dich in acht mit Zeitvertreib, 
Laß dich fein Ding verführen, 
Wien Donner fährt er auf den Leib, 
Du jollt e8 gar hart verjpüren. 


Was Ipricht der Oberſt um Morgenszeit? 
Ein Sprüchlein, Gott zur Ehre. 
Sr iit ein’ Fackel der Frömmigkeit 
Und betet: „O Herr, beichere, 
Daß ich das Feld voll Feinde ſeh, 
Vol Schweden ımd Franzofen, 
Sie jollen dir Ipringen in die Höh', 
Die Kleinen und auch die Großen. 


Mo iit der Oberſt auf dem Zug? 
Das kann ich euch nicht jagen, 

Der Weg’ und Stege find genug, 
Ic ſah vorbei ihn jagen. 


*) Der berühmte faiferlihe General, Graf Johann von Sporf, genannt 
„Der Türkenhammer“, wurde gegen 1600 als Bauernſohn auf dem noch heute 
beitebenden, in ber Nähe ber von Mietberg nach Deibrüd führenden Straße 
gelegenen Sporthofe geboren. 





Bald iſt er hier, bald iſt er da, 
Bald vorne und bald hinten, 
Er Schaut, ob wo uns Feinde nah, 

Zu legen uns ſchlimme Finten. 


Was trägt der Oberft auf dem Hut? 
Sin’ Feder für die Neiter. 

Das iſt fürwahr ein’ Fahnen qut, 
In tiefer Schlacht uns Xeiter. 

Und ſeht ihr hoch die Feder wehn, 
Ihr Striegsleut” auf der Yauer, 

Da joltt ihr feit vorm Feinde ftehn 
Als wie eine ftählern’ Mauer. 


Was will der Oberit nad der Schlacht ? 


Sein Volk joll ſich vergnügen. 
Gr hält uns eine treue Macht, 
Wenn wir vorm Bapfen liegen. 
Herr Oberit, haft ein’ wilden Mut 
Und grimmig thuſt du Schauen, 
Tod) darf ein jeder Neiter gut 
Sein Herze dir ganz vertrauen, 


Drum lieber Gott im Himmelreich, 
Mußt uns den Oberft hüten, 

(Fr forget für uns all’ zugleich 
In väterliben Güten. 

Und find’it du, daß Hier einer fißt, 
Ein' bübiichen Geiellen, 

Der nicht jein Blut für ihn veriprigt, 
So wirf ihn hinab zur Höllen. 


=), 


Zweites Kapitel. 


Heimmeh. 


Herr Eporf ritt in ein Dorf hinein, 
Tod fein Bewohner war zu Handen, 
Kein Ton ward laut, fein Kinderſchrein, 
Halb ausgebrannt die Häuser ftanden. 
Verlaſſen war’s jeit Jahr und Tag, 
AU Volk verdorben und geitorben, 
Unheimlich rings ein Grauen lag. 
Dem Tod war Beute hier erworben. 
Soweit des Dorfes Ackerflur, 

Schlug grünend Waldgeftrüppe auf, 
No ſonſt der Plug das Feld befuhr, 
Da wechielte nun Gewild den Lauf. 


— 13 — 


Sporf stieg auf ödem Kirchhof ab, 
Er wollt’ vom Turm ins Weite fehen. 
Da war mand’ aufgewühltes Grab 
Verwachſen ihon von wilden Schlehen. 
Dom halbverfall’nen Kirchendach 
Hing Gras und Moosgeflehte nieder, 
(3 ward das fchene Nuachtgefteder 
Bon feinen hallenden Schritten wad). 


Da mitten in dem müften Kriegen 
Befiel ihn ein unfäglich Leid. 
Denn in der Seele aufgeitiegen 
War ihm ein Bild voll Lieblichkeit. 
Vergeſſen konnt’ er nicht das Gretchen, 
Das —— wilde Mädchen, 
Vergeſſen nicht die Heimatluft, 
Nicht ſtiller Heiden würz'gen Duft. 


Erſt treibt ja den Weſtfalen fort 
In ſeiner Bruſt ein tiefes Sehnen 
Zur dunklen Ferne und Gefahr, 
Und ift manch' wechſelvolles Jahr 
Sewandert er von Ort zu Ort, 
Dann locdt das Heimweh feine Ihränen, 
Dann zwingt es ihn zurück zur Stelle, 
Wo Blumen Still in Mondeshelle 
Auf vielgeliebten Gräbern blühn, 
Und zu des Herdes Abendglühn 
Sih Pflug und Rinder heimwärts wenden. 


So wollt’ auch Spork fein Heimweh enden, 
Und als er einit nah Helfen kam, 
Er ohne Aufſehn Urlaub nahm, 
Ritt hin mit Jöſtchen ungefehn, 
Wo Delbrücd’s alte Eichen ftehn. 


Mie ftärkte ihn jo wunderbar 
MWeftfäliiche Luft, jo weich und Lind. 
(63 war ein Abend, mild und Klar, 
Wo jeder jchmweigt und jeder jinnt. 
O, Stiller, ftiller Abendglanz, 

Wenn auf den Heiden See und Grün 
In roten Sonnenlichtern glühn, 
Wenn fern am blauen Bergeskranz 
Die hellen Metherwöltchen ftehn, 

Und mit der Lifte fühlem Wehn 

Im Spiel des Heidefrautes ziehn 

Die leis Hinflüfternden Melodien. 


— 139 — 


Spork war der weichen Wehmut voll. 
Das war ein Frieden, ad), ſo tief, 
Als ob hier all’ das Stürmen ſchlief, 
Das ringsum durd die Länder jcholl. 
Er dachte nur mit innerm Grauen, 
Wie oft er nächtlich mußte ichauen 
Am dunfeln Himmel Feueritraßen, 
Die Nammerzeichen, wo das Raſen 
Des Krieges zog mit Mord und Brand. 


Der Mond in dunkler Bläue itand, 
Leis füllte ji Die Sternenau 
Und bligte nieder ſtill und klar 
Und blinft’ geheim in Grün und Tau. 
Da kniete Spork in Frieden bin, 
Wo feiner Eltern Ruhſtätt' war, 
Und betete mit frommem Sinn. 
Dann ritt er fort in Herzensruh' 
Zum Sporkhof auf bekannten Wegen. 
Die Eichen raufchten ihm entgegen, 
Gar freudig hört’ er ihnen zu 
Und jaß an feines Bruders Herd, 
Ein Gaſt, viellieb und hochgeehrt, 
Und ließ fich alles treu berichten, 
Der Freunde und des Lands Geihichten, 
Und war jo recht von Herzen froh. 


Nun aber war nit zu verſchweigen, 
Daß Gretchen*) hatte Mann und Eigen. 
Da fuhr er auf, wie lichterloh, 

Ging aber bald zur Kammer jacıt, 
Schlief aud nicht viel die erite Nacht, 
Doch ſchritt am Morgen er hervor 

So freudig mild, wie heller Tag 

Nach Donner und Gewitterichlag, 

Und trat in alter Freunde Thor. 

Da es e3 Lachen und Gerede, 

Es konnten ſich die hübjchen Frauen 
Nicht ſatt am ſchmucken Oberit ichauen, 
Der fie noch fannte all’ und jede. 

Und auc die * am Hagedorn**), 
Wo man noch offen ſprach das Recht, 
Den Haspelkamp***), wohin das Horn 
Die Männer rief im Mordgefecht, 

*) Dieje Heißgeltebte ſoll ihm, als dem jüngiten, nicht erbberedhtigten Sohne 
auf dem Sporfhofe, einen Korb gegeben und die Verzweiflung hierübersihn unter bie 
Soidaten getrieben haben. 

**) Ir biefer, auf dem Kirchhofe zu Delbrück gelegenen, nach bem Markte 
hin offenen Halle wurde von ben NRatmannen unter des Gogräfen Vorfig bis zum 
Jahre 1807 ir geſprochen. 

ER Die Burg des Delbrüder Landes, wohin bei gelungenem feindlichen Ein: 
bruch das BVolf mit der beften Habe fich flüchtete. 


— 140 — 


Ten Schlinghof, wo nah altem Braud, 
Bevor das Yandgericht durft' tagen, 
Des Fürften Richter mußte jagen, 

Ob er das Recht wollt! nehmen aud) 
Im Yande, oder ihm es bringen, 

Um neues Recht ihm aufzudringen*), — 
Das alles jah er wieder an. 

Auch jab er ichleihen einen Mann, 

Auf deifen Haupt der ftille Fluch) 

Des heimlichen Gerichtes ſchlug. 

Der war auf immer ausgeichieden 

Aus jeiner Nachbarn Recht und Frieden, 
Bon Graun bewohnt fein Hof verfiel, 
Wo niemand fam zu Luſt und Spiel, 
Wo hilflos er und ohne Rat 

Gebückt ins Alter mußte jchleichen, 

Und mit dem linheilsblid, dem bfeichen, 
Nachitieren jeiner Miſſethat, 

Die ihm gebracht fo langen Gram**). 


Auf weiten Umweg endlich fam 
Sporf auch zu Gretchens Hof und Haus, 
Neritohlen Schaut fie nah ihm aus. 
Und als fie ihn num wieder ſah, 
Da wurde Gretchen blaß und rot, 
Und Spork ftand wie ein Sünder da, 
Bis ruhig fie die Hand ihm bot, 
Den Stuhl ihm rückt nadı Yandesbraude 
Und ihm jo berzig ſah ins Auge: 
„Johannes, hört, viel Jahre lang 
Hab ich das Leid um Euch getragen, 
Wie ſchwer es war, wie weh und bang, 
Tas kann ich nimmer ganz euch jagen. 
Da gab's mein quter Engel ein, 
Das jolhes müßte jündlich fein, 
Und dacht' ich: beſſer, ein braves Weib, 
Als fremder Kinder Zeitvertreib.“ 
Sp ſprach die Gretchen, fromm und Lieb. 
Und Sporf das Wort nicht ſchuldig blieb: 
„Haft wohlgethan, du gold’nes Herzw**).“ 


*) Menn des Firftbiichofs von Paderborn Richter, um das große Jahres 
gericht e halten, an bie Landesgrenze zum Schlinabofe kam, fo wurde nicht eher 
der Schlanbaum aufgetban, als bi er erffärt hatte, er wolle nach dem Delbrüder 
Serfommen richten. 

**) Vergleiche den Patriotenfasper in Immermanns Münchhauſen (Oberhof). 

+++), Sporfs Anſprache an feine alte Belichte: „Greitken, wei’t don häbbe!“ 
und ihre ſchnelle Antwort: „Johänken, wei’t wieten hädde!“ it im Delbrückſchen 
noch jest ſprichwörtlich. 

=; 





4.25 


Viertes Huch. Zweites Kapitel. 


Türkenköpft, 


Der Paſcha iſt ein reicher Mann, 
Das gefällt uns jehr. 
Hat gold’ne Wehr und Waffen aı, 
Freut uns deito mehr. 
Denn faffen wir ihn nur beim Scopf, 
Sei's bei Tage, ſei's bei Nacht, 
So läßt er uns auch wohl den Kopf 
Sant der Waffenpracht. 
Heran! Heran! 
AM ihr Reiter, Mann für Mann. 
Allhier! Allbier! 
Zum Paſcha reiten mir. 


Das Schönfte hat er in dem Zelt. 
Ei, was ift denn das? 
Das Türfenmädel mir gefällt, 
Hab’ zu ihr kein Haß. 
Denn wer die Heine Heidin füht 
Auf den Mund und auf die Wang’, 
Der bleibt annody ein quter Chriſt 
AU fein Lebelang. 
Heran! Heran! 
AU ihr Reiter, Mann für Mann. 
Allhier! Allbier! 
Zur Schönften reiten wir. 


Wo fährt der tote Pascha hin? 
Friſch hinab zur Höl., 
Was führt du mit der Dirn’ im Sinn? 
Gleich zur Kirch’, Geſell. 
Thu’ auf die Pforten, Lucifer, 
Schlägt fie jonit der Türk’ dir ein. 
Und ihr, Herr Pfaff, Weihwaſſer her! 
Tauft mein Schäschen fein. 
Deran! Heran! 
AM ihr Neiter, Mann für Mann. 
Allhier! Allhier! 
Zur Kirche reiten wir. 


«5 


Joſef Seiler,” 


geboren am 15. Januar 1825 zu Lügde, bejuchte einige Jahre das Gymnaftum zu 
Paderborn, widmete fih dann litterarijchen und muſikaliſchen Studien, hielt fich 
von 1852—1854 zur Dervollfonmnung derjelben in Dresden auf, wo er mit Reißiger, 
Iobann Schneider und anderen Muſikern in Derbindung trat. Er war bis 1859 
Organift an beiden Kirchen in £ügde, begab fih dann nach Nlüniter, wo er neben 
litterarijchen Beichäftigungen den Organiſtendienſt an der Stiftsfirche zum h. Mauritius 
bei Müniter verjah. In diejer Stellung iſt er gejtorben am 29, Mai 1877. Er jchrieb: 
Sagen und Märchen aus Heimat und Fremde. Kaſſel 1849, (I. Ubteil.: Sagen 
und Legenden des Landes Paderborn.) Alte Münſterſche Stadtgeichichten, 
Sagen und gute Schwänfe. Mlünfter 1860. 


Dichtungen find zeritreut, u. a. in von Bindes „Sagen und Bilder 
aus Weftfalen“. 


(Gisbert bon Vindes „Sagen und Bilder aus Weſtfalen“. 2. Aufl. Hamm 1857.) 


Drei Shläfer, 


Sie bauen Schon jo lange der deutichen Einheit Haus, 
Ob's feiner mag vollenden, ob's feiner bauet aus? 
Einmal, da war es einig, einmal da war es ganz, 

Kein Blatt och war verloren aus feinem Eichenfranz. 


Der Kaiſer Karl, der Alte, der war gewwaltig itarf, 
Gr hielt an feinem Herzen die weite deutiche Mar, 
Dom Belte bis gen Roma, das ſchöne große Land, 

Er hatt’ es fich zu eigen, er hat es fein genannt. 


Der Karol, der ging fchlafen, er wurde müd’ und alt, 
Und von der deutichen Ginheit die Mär vergaß man bald. 
Man teilte und man feilfchte, man jchneitelte und ſchnitt, 
Und jeder nahm der Beute fein Teil nah Haufe mit. 


— 


*) Nach E. Raßmann, Nachrichten von dem Leben und den Schriften 
Münſterländiſcher Schriftſteller. Münſter 1866. Neue Folge. Münſter 1881. 


— 13 — 


Er hat es wohl erfahren, er Schlief und war nicht tot, 
Sr mußte all erleben des WVaterlandes Not. 
Gr ruhtin „neejem Berge“ — Weſtfalen heißt der Grund — 
Wenn's Zeit ift aufzuftchen, er weiß die rechte Stund'. 


Einmal iſt mir’3 geworden, daß ich ihn felbit geſehn, 
Wie um ihn ber die Hünen, und wie die Zwerge stehn. 
Bor ihm lag das alte, blutbeichriebne Buch, 

. Darin ſteht viel des Segens, darin manch' ſchwerer Flud). 


Drin fteht des Volkes Name, des Volkes Luft und Schmerz, 
Buchſtaben jind’s von Feuer, von Golde und von Erz. 
Flüſternd in halben Träumen der alte Kaiſer lieſt, 

Und ſeufzet, das noch ferne, ferne der Morgen iſt. 


Ein Blatt it in dem Buche, wenn das der Kaiſer ſieht, 
Sein gramgebleichtes Antlig im Schlummer ſelbſt erglüht. 
Das iit die Schönste Stelle in feinem alten Buch, 

Und nie lieft er fich müde an dem gewalt’gen Sprud). 


Von feinen zwo Genofien das Pergament befagt, 
Die auch mit Sehnſucht harren, daß bald der Morgen tagt, 
Daß bald die Zeit verrinne, daß bald der Ring fich ſchließt, 
Und einig, einig, einig das ganze Deutichland ift. 


Das find gar alte Schläfer: Hermann und Wittefind, 
Doc Find dem Waterlande ſie ftetS noch treu gefinnt. 
Tief in Weitfalend Marken die Hermannsburg fich hebt, 
An ihrem Fuße forglo3 der Bauer den Acer gräbt. 


Doch unten in der Tiefe, da ruht der Alte aus 
Seit achtzehnhundert Jahren von feinem NRömerftrauß. 
Am Ende wird ihm bange bei feiner langen Naft: 
Grimm, daß die Funken ftieben, jein roſtig Schwert er faßt. 


Wo ih Weitfalens Pforte auf vor dem Wandrer thut, 
Dort Wittefind, der ftarke, in Berges Schofe ruht. 
Auch ihn will es bedünken, der Tag jei nicht mehr weit, 
Er ſchlief ja und er träumte jo lange, lange Zeit. 


Und wenn der Oftermorgen anbricht nad) langer Nacht, 
Dann kommt der alte Kaiſer hervor aus Berges Schacht, 
Mit ihm die Seinen alle, fie eilen froh herzu 
Und weder die Gefellen, die zwo, aus ihrer Ruh’! 


Sie ziehn zu golden Siegen, zu fel’gem Frieden aus, 
Sie bau'n der deutichen Einheit ein ewig feite3 Haus. 
Wohin fie fommen, jeder erhebet fih mit Macht, 
ie lang’ er auch gelegen in böjen Wahnes Acht. 


Die drei, die alten Meifter, die wilfen wohl den Stein, 
Der zu dem Fundamente der rechte möge fein. 
68 wird der Dom fid) heben, wird rageır ſtolz empor, 
Die Völker werden fommen, beten in feinem Chor. 


= AU 


Und wenn dann feiner fremde mehr und verlaffen weint, 
Wenn al’ die deutichen Brüder das deutiche Yand vereint — 
Dann legen fich die dreie nieder zur legten Ruh’, 

Dann dedt die Alten, Müden die eine Erde zur. 


79 
Kaiſer Karl zu Herfelle. 


Bon dem Staifer Karl, dem Großen, fündet eine alte Sage, 
Wie mit viel getreuen Rittern er im Schoß der Berge ruht. 
An der Wefer ſind's die Felſen, wo der Alte viele Tage, 
Manch’ verronnenes Jahrhundert, ſchlummert in getreuer Hut. 


Einſt hat auf den ichroffen Spigen eine goldne Burg geitanden, 
(init hat Karl in ihr gehauſet, einst in wundervoller Zeit. 

All' die Pracht iſt nun verjunfen, liegt in tiefen Zauberbanden, 
In der Bergestiefe Gründen ruht die alte Herrlichkeit. 


Aber wenn die heil'gen Nächte, da der Herr eritand bom Tode, 
Kenn fie ſegnend niedertauen auf die arme Menfchenmelt: 
Dann wird's drunten auch lebendig, ew'gen Lichtes mächtige Yohde, 
Flackert auf in jenen Klüften: — es erwacht der fromme Held. 


Mit ihm alle feine Nitter, mit ihm feine goldne Veſte, 
Auf des Berges jäher Zinne blickt fie hell im Mondenlicht. 
Wie in längit vergangnen Zeiten, fieht man eilen frohe Gäfte 
Durch die Säle, durch die Hallen, jelbit der Kaiſer fehlet nicht. 


Auf der Klippenſchwelle fteht er in dem purpurnen Talare, 
Durch Die greiien Locken ſchlingt fich ihm der Krone heller Glanz. 
Mit dem Schwerte in der Rechten steht der Kaiſer da, al3 wahre 
(Fr, der Held von tauſend Liedern, bier des armen deutjchen Lande. 


Und zwei Nitter ſieht man fteigen aus dem bunten Thalgelände 
Zu dem Schloffe, zu dem Kailer, der da oben ihrer harrt. 
Ernſthaft fteigen fie und ſchweigend über ſcharfe Felſenwände, 
Raſten nicht und ſchau'n nicht um fich auf dem Pfade fteil und hart. 


Bis fie endlich auf des Berges Zinnen vor dem Kaiſer ftehen, 
Da beginnen fie, ſich neigend, ihrer Rede ernftes Wort: 
„Herr, wir ha’n im deutichen Lande noch die Eintracht nicht geſehen! 
Und zeripalten und zerriffen blutet es noch immerfort. 


Feiges Mißtrau'n hält die Herzen deines Volks einander ferne, 
Jene Thatkraft ift verſchwunden, jener heil’ge Kampfesmut, 
Die's in alter Zeit beſeelten für die Freiheit. Trübe Sterne 
Scheinen ob dem armen Lande mit unheimlich bleicher Glut.“ 


Schwere Seufzer ſich entringen Kaiſer Karols großem Herzen, 
Seine Stirne furcht ſich tiefer, ſinken läßt die Hand den Stahl. — 
Wieder regt ſich's in den Tiefen, — und der Morgenröte Kerzen 
Streuen purpurrote Funken über all das weite Thal. 


— 15 — 


Länger darf er nicht verweilen, länger nicht in Pracht bier oben, 
Und des Berges dunkle Gründe thun fich donnernd wieder auf. 
Schloß und Haifer, Saal und Ritter — längft ift alles fchon veritober, 
Schweigend ruhn die Fellen wieder, eh’ vollbradıt der Sterne Lauf. 


=; 


Dom einfamen Kirchlein. 


Es ſteht ein Kirchlein alleine 
Im allertiefſten Wald; 
Im Chor die Litaneie, 
Die iſt ſchon längſt verhallt. 


Die Beter, die ſonſt wallten 
am uralt heimlichen Haus, 

ie blieben jeit manchem Jahre, 
Die blieben gar lange ſchon aus. 


Die Leute find klüger geivorden, 
Die haben viel andres zu thun, — 
Du arme, alte Kapelle, 

Magſt einfam harren und ruhn! 


GErlofchen im hohen Chore 
Iſt längſt das ewige Licht, 
Um des Altares Säulen 
Sich nagender Moder flicht. 


Finſtere Eulen wohnen 
Jetzt in der Safriitei, 
Und niemand itöret ihre 
Nächtige Kleriſei. 


Im Turme aber hangen 
Die Gloden noch immerdar, 
Die einst die gläubigen Beter 
Gerufen zum Altar. 


Und auch die Orgel ſteht noch 
An ihrem alten Ort, 
Und füme nur der Meiiter, 
Ertönte fie ſoſort. 
Doch alle haben vergeſſen 
Das ſtille Kirchelein, 
Ja, alle, bis auf einen, 
Der ſtellt bei Nacht ſich ein. 
Hartmann, Schapfäftlein weſtfäliſcher Dichttunſt. 10 





— 16 — 


Sr fommt wohl gar bon ferne 
Und läutet die Gloden im Turm, 
Er läutet fie gewaltig, — 
Der mitternächtige Sturm. 
Dann fährt durch die offenen Thore 
(Sr in den zerfallenen Dom, 
Die Pfeifen alle erklingen 
In mädtigem Liedesitrom. 
Weithin ob den Wipfeln der Bäume 
Tönt die wilde Melodei, — 
Der Sturm hat jie gelungen, 
Der blieb dem Kirchlein treu. 


“=; 


Hermannsburg. 
Sohannistag, um Mitternadt, 
Des Berges Tiefe iſt erwacht! 
Hab’ acht des Berges, es ift dein Glüd: 
Gehſt arm hinein, kehrt reich zurück. 
Der Schäge ſchlafen da unten viel, 
Find'ſt ihrer fein Maß und findeit fein Biel. 
Doch merfe wohl auf Zeit und Stund’ 
Gar manchem jein Reichtum balde verichwund. 
Ging einer auch in alter Zeit 
Hinein den Berg gar twohlgemeint. 


'3 war Mitternacht, Die Zeit verrann; 
Das dachte nimmer der gierige Mann. 


Wohl warnten die Zwerge: „Hab' acht, hab’ adıt! 
Gar balde vermwehet die Mitternacht!” 


Der Mann fieht nur des Goldes Schein, 
Die Warnung muß ihm verloren fein. 


Die Mitternacht fliehet, die Glode ruft eins — 
Da ſchließt fih das Thor des wilden Geiteins. 


Den Mann hat fein Auge wieder geiehn, 
Wer weiß, wann der wird auferitehn! 


2; 


* VBerwieſen — bon Geiftern durch Zauberei verlodt. 


ei UT 


Das Lied vom dunkeln Walter. 


Mit roten Wangen, 
Mein Kindelein, 
Am dunkeln Waſſer 
Seh’ nicht vorbei. 


Das Waffer iſt dunkel, 
Das Waller tft tief; 
Durch feine Fluten 
Die Geiſter ziehn. 


Und wenn fie dich ſehen, 
Mein armes Kind, 
Sie regen, fie heben 
Sich gar geſchwind. 


Mit. Zaubergefängen, 
Mein armes Kind, 
Mit tollen Märchen 
Bethören ſie dich. 


Hörit du ihrer Lieder 
Verlockenden Klang? 
Es zieht did) zur Tiefe, 
Zur Tiefe hinab. 


Drum hüt’ dich, mein armes, 
Rotwangiges Kind: 
Die Wafler im Thale 
Sind ichwarz und tief. 


=; 


Das verwieſene Rindlein.”) 


„Ach, Mutter, herzliebite Mutter, 
Laß mich hinaus in den Wald; 
Horb, wie die Vögelein fingen, 
Wie locdend ihr Rufen ſchallt!“ 


Ach, du mein Sind, mein letes, 
Deine Brüder nahm mir der Tod; 
Nicht laß ich dich von hinnen, 
Schon glüht das Abendrot!” 


Die VBöglein fangen jo ſüße, 
Es lauſcht jo lüitern der Wald — 
Die Mutter war entichlafen — 
„Und, Kindlein, fommit du bald?“ 


10* 


ir BAR 


Unter den mächtigen Bäumen 
Stand ftaunend das Kind allein, — 
Wer hat es wohl gerufen 
An all’ den Zauber hinein? 


Die WVögelein hört’ es ferne 
Und immer ferner ziehn, 
Die Abendröte ſah es 
Zeile, leiſe verglüh'n. 


Die Schritte kann es nicht hemmen, 
Es eilt den Vögelein nach, 
Es ruft der Abendröte: 
„Werde noch einmal wach!“ 


Du Kindelein, du armes, 
Es iſt ſchon lange her, 
Daß du waldein gegangen, 
Deine Mutter find'ſt nimmermehr!“ —*) 


Fa 


I, 
Der Sirkenbaum bei Werl, 


Bei Werl da iſt ein Birkenbaum, 
Ein wunderjames Reis, 
Dem hat ſchon mander nachgefragt, 
Der jein Bedeuten weiß. 


Don Süd und Norden kommen fie 
Einst zu dem Birkfenbaum, 
Da fchlagen fie die legte Schlacht 
Auf roter Erde Raum. 


Und feiner weiß die rechte Zeit, 
2 feiner des Bericht, 
Wer ſich von dieſem Birkenbaum 
Den Kranz des Sieges flicht. 


Verlaſſen ſtehet er und dorrt 
Auf all der mwititen Heid”, 
Doc ruht in ihm des Lebens Kraft 
Still bis zu feiner Zeit. 
Und wenn er grünt und wenn er blüht, 
Dann fteht es nah’ bevor, 
Dann öffnet fich dem deutichen Yand 
Der Eintracht goldnes Thor! 


*) Denfelben Gegenſtand hat auch Antonie Jüngft in dem Gedicht: „Schön 
Elſe“ (j. u.) behandelt. 


=), 


Ludwig Bund,” 


geboren am 28. April 1828 zu Brafel in Weſtfalen, machte unter der Anleitung jeiner 
dichterijch begabten Mutter, der Tochter eines polnischen Emigranten, die eriten Derje, 
Bis zum 15. Lebensjahre befuchte er die Elementarjchule feiner Geburtsftadt und trat 
dann als fiebzehnjahriger Jüngling in die Unteroffizierjchule zu Potsdam. Bier fand 
er bei einem hochbegabten Wffizier viele Teilnahme und Anregung. Dann durch das 
Soldatenleben vielfach unhergeworfen, fam er im Jahre 1850 nad Berlin, wo die 
Befanntfchaft miffenichaftlich gebildeter Manner, wie auch der Beſuch afademijcher 
Dorleiungen ihn in feinen Studien weiter förderten. Im Jabre 1855, als Feldwebel 
der Garde: £andwehr nad Düffeldorf verjegt, verließ er 1859 die militärische Kauf: 
bahn und trat als Beamter in die Bezirksregierung ein. Der Derfebr mit mehreren 
Malern der Akademie fam auch feiner fchriftitelleriichen Thätigkeit zu gute. Er redi: 
gierte einige Heit das leider eingegangene Däffeldorfer Künftleraibum und verfaßte 
verichtedene Anthologien, wie „Weihnadhtsflänge” (1866), „Cieder der Heimat‘ 
(1868), 8. Nufl., „Hugo: Beder : NMibum’ (1869), „Immergrün” (1872), 3. Unfl., „Genre: 
bilder der Poefte” (1880), 2. Mufl., „Maßliebchen“ (1880), „Ruhmeshalle“, Anthologie 
von Krieasliedern (1885). Er lebt als Königl. Kanzleifefretar zu Düffeldorf. 


Dichtungen: Nahtichatten Kin Bändchen Soneite (1857). Die übrigen 
Dichtungen find zerftreut und bislang noch nicht geſammelt. 


(Originalbeiträge.) 


Vorfrühling. 


Nah langer Nacht, ſieh, wie ſich ſchwinget 
Das Licht in Strahlen dur die Luft. 
Dankopfer ſchon die Erde bringet: 
Schneeglöckchen hebt ſie aus der Gruft. 


Noch kämpfen wild die Molfenheere 
Hoc oben um den Sonnenthron; 
Ihr Führer aber floh zum Meere, 
Des rauhen Nordens kalter Sohn. 


Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 


150 


Die Amſel fingt, veritummt, ihr Klagen! 
Was dich bedrängt, floh weit zurüd; 
Es weht, von Zaubermacht getragen, 
In jede Bruft ein Hauch von Glück. 


DO, nur Geduld, Geduld ein Weilchen, 
Dann bietet dir des Stindes Hand 
Mit ichenem Gruß das holde Veilchen, 
Des neuen Yenzes Licbespfand. 


Zum Segen wird der fleine Tropfen, 
Der glänzend an der Rnobpe hängt; 
Die Säfte durch die Zweige Hopfen, 
Bis ihre Flut die Feſſel Iprengt. 


Dann auferitchn wird es in Farben, 
Wenn aus der Haft die Fülle bricht; 
zu nenen Blüten, neuen Garben 
Treibt alles jest das Sonnenlicht. 


Nun Halte weit die Augen offen, 
Es naht die rechte Wunderzeit, 
Die mit Erlöſung krönt das Hoffen, 
Die Ballam bringt für jedes Leid. 


Und harre froh, ihn zu empfangeı, 
Den Lenz, den königlichen Saft, 
Wenn du in reinem Glutverlangen 
Die Wohnung ihm bereitet haft. 


Wie er das Heil auf alle Pfade 
Verjüngend an die Erde legt, 
Sei eingedent der großen Gnade, 
Daß did noch warm das Leben trägt! 


5 


Neues eben. 


Auf meinem Tiiche ſtehn Die Fruͤhlin Szeichen, 
Schneeglödcen ſind's don meines Weibes Hand; 
Wie fie mir künden, daß der Winter jchwand, 

Muß Hoffnung auch den Freudenbecher reichen. 


Glück auf! Es regt der Saft fih in den Eichen; 
Die Sonne, die noch faum die Höhen fand, 
Sucht bald die Thäler in dem tiefiten Land, 

Und linde muß das Starre fich ermweichen. 


Nun falle Mut, wer da in feinem Harme 
Den dunklen Tag jah auf und niedergehen — 
Auch auf die Felſen itreut der Lenz die Blüten. 


Die Droffel fingt, der Wind das lebenswarme 
Sriehnte Wonnelied vom Auferiteben, 
Das jagt den Winter fort mit allem Wüten. 


I; 


Waldeinſamkeit. 


Du waldesgrüne Einſamkeit, 
Zu der ſich hier der Fuß verirrt, 
Durch welchen Geiſt biſt du gefeit, 
Daß mir ſo wohl im Herzen wird? 


In dieſem Grund ſo ganz allein; 
Kein Laut, als meines Herzens Schlag, 
Und Teiles Tropfen vom Geftein — 
Mich überkommt's wie Feiertag. 


Und friedensvoll, wie im Gebet, 
Durch das der Stindheit Wünsche wehn, 
Läßt mid Natur voll Majeftät 
Hier engbegrenzt ein Wunder ſehn. 


Der Fels, der Duell, der Bäume Fier, 
Das Moos, das alles überipinnt, 
Die Keinen Blumen finden mir, 
Wie felig bier die Stunde rinnt. 


DO, wie's mid trägt mit ftarfem Flug 
Hin über Raum und Ort und Zeit; 
Und was ich Leids im Herzen trug, 
Du nahmit es fort, Waldeinſamkeit! 


Fa 


=), 


MWillkommene Böotſchaft. 


Illuſtrierte Leipziger Zeitung, 1883.) 

Wie lange harrt’ ich ſehnſuchtsvoll der Zeilen, 
Nachdem er jüngit begeiftert um mic warb: 
„Willſt du des Lebens Schäte mit mir teilen ?” 
Der Glaube floh, die junge Hoffnung itarb. 


Kun aber, wie des Frühlings warme Tropfen 
Die Blätterfülle weden über Nacht, 

Bricht unter meined Herzens ſel'gem Klopfen 
Auch mir hervor der Lenz in voller Pracht! 


Mas ift die Ferne, Die uns jet noch ſcheidet? 
Auf goldnem Bogen fliegt mein Geift ihm zu; 
Und wenn die Liebe in der Sehniucht leidet, 
So findet ſie in ihr nun auch die Ruh. — 

Bin ich dieielbe, die noch vor Sekunden 

Dit leerer Brut vor leerem Dajein ftand ? 
Mir iſt's, ich hätte plöglich aufgefunden 

Die Zauberblume an des Abgrunds Nand. — 


Willlommen deiner Schrift geliebte Züge! 
Vertrauen will ich dir, du erniter Mann. 
Aus deinen Worten flüftert feine Lüge, 

Mein iſt das Heil, das ich fo leicht gewann. 
In Demut will ich deine Huld empfangen, 
Doch ſtolz mich ſonnen an dem reichen Glüd, 
Nur jege mild ein Biel mir dem Berlangen, 
Und fehre bald, o, kehre bald zurück. 


u 


=), 


Dorf. 


(Driginalbeitrag.) 


Und wollt ihr willen, wo die Poeſie 
Erhaben thront auf ihrem Fürftenfig ? 
An ihrer Seite rubt Melancholie, 
Vor beiden jchweigt der Menichen armer Witz. 


Am Fuß der Wartburg liegt ein Friedensport, 
Un: den des Waldes grüne Schleier wehn. 
Gar viele ftumme Schläfer raiten dort 
Und träumen feierlich vom Nuferiteh’n. — 


DO, Madıt der Liebe, wie fie da fo reich 
An allen Formen ihre Gaben beit! 
Durch Trauerweiden rankt der Nojenzweig, 
Der niederwärts die Blütenkelche itreut. 


An nied’rer Mauer reiht jih Stein an Stein, 
Die immergrün der Eppich janft umichlingt; 
Sie wollen jedem da ein Mahner fein, 

Der um der Erde eitle Schäge ringt. 


— 15% 


Und doch, auch dort des Lebens Wibderftreit: 
(53 halten Kinder auf dem Raſen Tanz, 
Und drüben kniet ein Weib im Trauerkleid, 
Die Urne Shmüdend mit dem friihen Kranz. - - 


Ich jah die Stätte heil im Morgenitrahl, 
Sie gab mir Raſt für meinen müden Fuß; 
Ich gab dafür gar manchen Totenmal 
In stiller Wehmut meinen Wandergru. 


Fa) 


a 


In Gedanken. 


Glück der eigenen Tage, was hier zu mir ſpricht, 
Keine Schieffalsfrage — alles Farbe, Licht! 
Gleich dem Meteore bricht’s auf mich herein, 

Und aus offenem Thore flammet Morgenicein. 
Sa, aus dieſen Blättern grüßt mein Lebenslauf 
Und aus allen Lettern fteigt jein Bild herauf. 


Was ihn mir verbumden, ihn fo wert mir macht, 
Sit in stillen Stunden glanzpoll aufgewacht. 
Nicht die Kraft der Jugend, die ihn blühend trägt, 
Seine Männertugend mir das Herz bewegt; 
Seiner Seele Feuer, feinem edlen Sinn 
Gab ich mich mit treuer, ew’ger Liebe hin. 


Als er aus dem Kampfe damals heimgefchrt, 
Braun vom Bulderdampfe, mit dem Ehrenſchwert; 
ALS ihm ungemeſſen fam der Thaten Lohn, 
War die Not vergeiien, und das Leid entfloh'n — 
Denn aus Trennungsichmerzen, aus der Aengſte Qual, 
Flamnıten Hochzeitöferzen auf in hellem Strahl. 


Wie die Tage eilen, wie die Monde flich'n; 
Meine Wünfche weilen, Freiien nur um ihn. 
Wenn ich Still mich ſchmücke, wenn die Laute Eingt, 
Daß ich ihn beglücke, iſt's, was dazu zwingt. 
O, in diefer Wonne, die nur wir verfteh'n, 
Möchte doch die Sonne niemals untergeh’n! 


Will nicht weiter lejen, daß fein Schatten fich 
Dränge an jein Weſen und befümm’re mid); 
Will nur raitlo3 jinnen, wie ich halten kann, 
Immer mehr gewinnen den geliebten Mann. 
Das ſoll meinem Leben einzig Glanz verleih’n, 
Alles ihm zu geben, jeiner wert zu fein! 


“Ss 


— 14 — 


Dos Teſtament des Landwehrmanns. 
(Ruhmeshalle. Düffeldorf 1883.) 

Das war ein Schuß! — Verdammter Franfenhund! 
Doch nein, nicht fluchend will ich von hier jcheiden; 
Denn fterben muß ih — legt mich auf den Grund! — 
Sei's denn ein Ende ohne langes Leiden. 

Ach habe kämpfend meine Prlicht erfüllt, 
Die legte Kugel fteckt in meinem Laufe — 
Was haltet ihr die Augen euch verhüllt ? 
Es ſtirbt fich ſchön in heil’ger Feuertaufe. 


Ha, wie fie fielen, plötzlich bingeitredt! 
Die Salven krachten und die Kugeln pfiffen. 
Was nicht zerichwmettert, hat, zu Tod erichreckt, 
Beim Feinde drüben fchnell die Flucht ergriffen. 
Wohl itand der Tod auch hoch in unjern Reih'n, 
Ich mochte nicht nach feiner Ernte ſchauen; 
Mag ich nun jelbit aud feine Beute jein — 
Serettet find die teuren deutihen Gauen! 


Halt feit mein Herz noch eine Spanne nur! — 
Kommt, Nameraden, reichet mir die Hände, 
Da ich durch euch zur fernen Heimatflur 
Den legten Gruß, die legten Wünſche ſende! 
Nehmt mir vom Finger ab den gold’nen Neif, 
Und wen von euch das heiße Blei verichonet, 
Der bring’ ihn — weh, die Glieder werden jteif — 
Zu meinem Weib, das mweinend ihn belohnet. 


Mein armes Weib! Die Kinder friich und rot, 
Ich ieh’ fie vor mir mit den blonden Haaren; 
Sie follen Hagen nicht um meinen Tod, 

Doch ihre Liebe treulich mir bewahren. 

Mein Knabe ſoll, wenn er zum Mann gereift, 

Und wenn der Franzmann, wie er's jetzt getrieben, 
Mit ſchnöder Gier um unſ're Grenzen ſtreift, 

Ihn rückwärts jagen unter Schuß und Hieben. 


Die Sonne weicht, verſchleiert naht die Nacht, — 
Horch, hört ihr nicht den Jubel in der Ferne?! 
Sieg, rauſcht es, Sieg! Gewonnen iſt die Schlacht — 
Nun nehmt mich auf, ihr ew'gen Himmelsſterne! 
Dort iprengt der König — richtet mich empor — 
Die Hörner fingen und die Fahnen fliegen ; 
DO, Deutichland — größer warit du — nie zuvor — 
Nie Eönnen deine — Söhne — unterliegen! — 


3. Mark. Sauerland. 


AN 


Morik Reibsgraf zu Bentheim: 
Tedlenburg-Rheda,”) 


geboren am 16. Januar 1798 zu Rheda in Weſtfalen, trat 1819 in heifiiche Militair: 
Dienfte, worin er bis 1828 verblieb, und dann als Kammterherr in den kurfürſtlich— 
heiftichen Bofdienit. Im Jahre 1836 ſchied er aus demielben aus und lebte nun teils 
auf feinem Gute Wafferlos bei Ajchaffenburg, teils in Würzburg. Bier ftarb er am 
27. Ianuar 1877. 

Dichtungen: Auserleſene Dichtungen. 2. Aufl. Würzburg 1874, 


(Huserlefene Dichtungen. 2. Aufl, Würzburg 1974.) 


Der 5chutzengel. 


Schützend ſteht er dir zur Seite 
Von der Wiege bis zur Gruft, 
Daß dein Fuß nicht ftrauchelnd gleite, — 
Hör’ ihn, wenn er mahnend ruft! 


Will Verführung dich umgarnen, 
Loden von der rechten Bahn, 
Wird er ſtets dich forglic warnen, 
Bis dich flieht der ſchlimme Wahn. 


Sit dir Mißgeſchick beichieden, 
Das bei jedem Schritte droht, 
Sieht ins Herz er dir den Frieden, 
Hilft dir tragen Leid und Not. 


Wil nicht alles gleich gelingen, 
Und erfaßt dich Ungeduld, 
Lerne zeitig fie bezwingen, 
Sonft verläßt dich feine Huld. 


_ — — — 


*) Nah Fr. Brümmer's Hausſchatz deutſcher Lyrik ſeit 1849. Eichſtädt und 
Stuttgart 1878. 


—— 


Will die Welt dein Thun verkennen, 
Ernteſt Undank du ftatt Lohn, 
Wird er tröſtend den dir nennen, 

Der da trug die Dornenkron'. 


„Harre, dulde!* wird er mahnen, 
„Sieh' nicht hier dein Glück, mein Sohn, 
Wandelit ja auf Dornenbahnen; 

Jenſeits winkt dein Dulderlohn!“ 


Wenn du auf dem Strankenbette 
Schier vergeht in Pein und Angft, 
Bei der legten Schmerzenäfette, 
Bor der legten Stunde bangit: 


Führt er liebreich eine Schale, 
Trost verbeißend, dir zum Mund, 
Und macht dich nıtt einem Male 
Wieder von dem Weh gefund. 


O, vertrane jeinem Walten! 
Er verläßt die Guten nicht; 
Leiten wird er dich und halten, 
Dis dein müdes Auge bridt. 


=; 


Glük und Jugend ſchwinden ſchnell. 


Lieblich iſt der Frühlingstraum, 
Hold die Zeit der Roſen, 
Wenn auf Blüte, Strauch und Baum 
Wieder Bienen koſen; 

Wenn durch's Thal zum Berg empor 
Die Schalmeien klingen, 
Und im hellen Jubelchor 
Munt're Hirten fingen. 


Dir aucd lächelt Lenzesglüd 
In der Jugend Tagen, 
Wo ſtets heller Sonnenblid 
Sceuchet alle lagen; 


Wo die Pruft vom Jubelklang 
Freudig überfließet, 
Und dem friichen Lebensdrang 
Eich das Glück erichlichet. 

Wohl dir, wanfet nicht dein Mut, 
Wenn die Jugend iveichet, 
Bei des Abends matter Glut 
Wunſch auf Wunſch entweichet. 


— 159 — 


Glück umd Jugend ſchwinden ſchnell, 
Nicht jo ſchuell das Leiden ... 
Schöpfe d'rum am Lebensquell, 

Eh' die beiden ſcheiden; 


Er wird ſtärken dein Gemüt 
Für Die lange Reife, . . . . ... 
Iſt die Jugend einſt verblüht, 
Bangt es nicht dem Greiſe. 


Ss 


Oudenarde. 


Einſt jollte Karl, den Großen, 
Stadt Oudenard’ empfahı ; 
Geipannt die quten Bürger 
Dem Herrn entgegen Jahn. 


Nat, Schöff’ und Bürgermeiiter 
Am Thore harren fein, 
Vom eriten Hahnenſchreie 
Bis ſpät zum Sternenſchein. 

Und thäten ſo drei Tage 
Ausharren heldenhaft, 
Den Vätern doch verſagte 
Zuletzt dazu die Kraft. 


Es ſprach der Bürgermeiſter 
Zum Türmer: „Halt' gut Wacht! 
Auf Wagen, Noß und Reiter 
Hab’ recht getreulich acht! 


Laß hell dein Horn erichallen, 
Sobald der Kaifer naht, 

Daß ſchnell erſcheint am Platze 
Ein hochwohlweiſer Rat!“ 

Die Luft war ſchwül, die Herren 
Begaben ſich zur Ruh, 

Es fielen ſelbſt dem Türmer 
Die müden Augen zu. 

O, gutes Dudenarde, 

So gut auch ſonſt bewacht! 
Dein vielgeſunder Schlaf hat 
Dir vielen Spott gebradıt. 

Hoch wirbeln Staubeswolfen 
Die Heerftraß’ weit entlang . . . 
Die Stadt erwedt fein Hornruf, 
Nicht Sang und Glockenklang. 


160 — 


Der Kaiſer naht dem Thore, 
Doch das iſt unbeivacht, 

So öd' ift Dudenarde, 
Als wär's um Mitternadt. 

Grit als er eingezogen 
Mit Saus und Schall durchs Thor, 
Da ftürzt aus Haus und Hofe 
Erſchreckt der Nat herbor. 

„Ihr pflichtvergeff’ne Herren, 
Die den Reſpekt verlegt, 

Des follt ihr Schaden nehmen 
An eurem Sädel jegt! 

Um taufend güld’ne Gulden 
& pön’ die träge Stadt!“ 

So herrſchte Karl, — verduget 
Vernimmt’3 der Magiitrat. 

Da fleht der Bürgermeifter: 
„D Herr, vergebt in Huld! 
Verzeihung, großer Kaiſer! 

Sch bin an allem jchuld. 

Wohl gab ich ftreng Befehle, 
Doch find fie ſchlecht vollführt, 
Dieweil ich hab’ zum Wächter 
Den faulen Knecht erfürt. 

Blöd, Herr, find meine Augen, 
Der Nat ficht auch nicht weit; 
Submiffeit find zu zahlen 
Die Strafe wir bereit!” 

Mit Glimpf verjegt der Sailer: 
„So hört, was ich gewillt! 
Hinfüro führ’ eine Brille 
Die Stadt im Wappenſchild. 

Und joll mit diefem Wappen 
Bemalt fein jedes Thor, 

Und fol am Rathaus prangen 
Und ragen body empor!“ 

Held Karl bei diejen Worten 
Mit Lachen ritt er fort; 

Gar pünktlich aller Orten 
Die Stadt vollzog jein Wort. 

Und daß nicht au ins Wappen 
Die Zipfelmüß’ gerat’, 

Ließ nimmer fich ertappen 
Gin hochwohlweiſer Rat. 


— 


Stanz Boncamp,” 


geboren am 24, Mai 1805 zu Welver bei Soeft, bejuchte von 1822—1824 das Seminar zn 
Soefi und wurde 1825 £ehrer der Mufif an dem neu errichteten katholiſchen Seminar zu 
Büren, an dent er, mit Ausnahme des Jahres 1832, weldyes er zu feiner weiteren muflfa: 
lifchen Ausbildung in Berlin zubradyte, ausichlieglid gewirft hat, Wegen eines in 
Diefterwegs ‚Rheinifchen Blättern‘ veröffentlichten Auffages: „Der Ultramontanismus 
und Die Dolfsichule” wurde er auf Betrieb des Bijchofs von Paderborn juspendiert 
und 185 vom Staatsminifterium in den Ruheſtand verjegt. Er lebte jeitdem als 
Privatmann in Büren und ftarb daſelbſt am 6. Januar 1866. 


Dichtungen: Dramatiihe Gedichte. Soeft 1847. 
(Dramatijche Gedichte. Soeſt 1847.) 


Agnes Bernauer. 


Trauerjpiel in fünf Akten. 
IV. Akt. 4. Szene. 
Auf Burg Straubing. 


(Agnes, mit weiblichen Arbeiten beichäftigt, und Frau Gertrud. 
Sn einiger Entfernung Georg mit einem Saitenfpiel.) 


Georg (ipielt und fingt). 


„Wunderjame, ſüße Töne 
Singen WVöglein durd den Hain, 
Auf der Heide blühen ſchöne 
Blumen hold im Frühlingsichein; 
Alſo blüht mein hoher Mut 
Mit Gedanten ihrer Güte; 
Neich beichenkt fie mein Gemüte, 
Wie's der Traum den Armen thut.“ 


„Es iſt gar ein hoch Vertrauen, 
Das ich ihrer Treue bringe; 
Auf die Hoffnung will ich bauen, 
Daß mein Heil daraus entipringe; 


*) Nach Fr. Brümmers Deutſchem Dichterlerifon (ſ. o.). 
Hartmann, Schatzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 11 


— 192 — 


Dies Vertrau'n mich viel erfreut; 

Gebe Gott, daß nie es ende, 

Daß fih nie mein Glaube wende, 

Der mir hohes 'Slücd verleiht.” 

Agnes. 
Halt ein, Georg! ’S ift wohl ein ſchönes «ich, 

Sein Lieblingslied fogar; doch macht's mich traurig, 
MWenn ich e3 höre, weil er fern mir ift. 


& rg. 
Das Lied ift aus dem „Frauendienft“ des „Herrn 
Ulrich von Lichtenitein“ — die vierte Weiſe. 
Soll ich ein andre Lied euch fingen? 


Agnes. 

Nein, 
Gripare den Geſang zu feiner Heimkehr; 
Sinn’ auf ein Lied von freud’gen, hellem Klange, 
Das ihm die Seele ichwellt, das Herz erfrifcht, 
Das ihm das Leben jchöner, als es iſt, 
Die Freude roj’ger malt; daß er vergefie, 
Was ihm die Brust beengt. O, könnt’ ich dichten; 
Ein ſolches Lied, wie ich ihm fingen wollte, 
Mär’ nie gedicd)tet, nie gejungen worden. 


Gertrud. 
Ich glaub’ es wohl. (Sie beihaut die Arbeit.) Ei, wie Die 
Arbeit fördert! 
Die weiße Roi’ iſt unvergleichlic jchön, 
Als wenn fie lebte, wenn fie niedernicte. 
Kann ich vielleicht am Hintergrund euch helfen? 
(Georg zieht ſich zurück.) 
Agnes. 
Nein, nein! Ich gönne dir nicht einen Stich. 
Ich will die Arbeit ganz allein vollenden, 
Das muß ihn freu'n, wenn er es hört; nicht wahr? 


Gertrud. 
Gewiß, gewiß! 
Agnes. 
Ich ſinne ſtets darauf, 
Ihm irgend eine Freude zu bereiten; 
Doch gar jo wenig iſt's, was ich vermag. 
Es iſt ein Glüc, daß er jo viel Vergnügen 
An Blumen hat. 
(Sie fteht auf und gebt zu den Blumen.) 


ei "FRE 


Hör’, was mir einfällt, Gertrud: 
Rir wollen fein Gemach ihm freundlich ſchmücken, 
Dann, wenn er heimfehrt, wird er überraict; 
Der Knabe foll uns helfen. Den Kamin, 
Die Spiegel wollen wir mit friihem Moos 
Und Epheulaub umfränzen. 


Gertrud. 
Sa, das ift 
Genug im Garten. 
Agnes. 
Weiß' und rote Roſen, 
Die Khönften, die ich habe, ftellen wir 
Auf das Geſims am Feniter; und Reſeda 
Darf ja nicht fehlen; du mußt wiſſen, Gertrud, 
Den ſüßen Duft, den die Nejeda haucht, 
Den liebt er jo vor allen Blumendüften. 
Er jagt, als er zum erften Mal zu Augsburg 
In unfvem Stübchen ſei geweſen, hab’ 
Refedaduft ihn Tieblich angeweht; 
Geitden jei er dem Pflänzchen nun jo hold. 


Gertrud. 


Gr liebt euch fo; gewiß, ihr jeid recht glüdlich. 
Ah danke Gott, daß ich den Tag erlebte. 


Agnes. 
O, kehrt' er bald zurück! Faſt kindiſch iſt 
Die Sehnſucht, die ich habe; doch die Zeit, 
Sonſt ein unbändig Roß mit Flügelſchwingen, 
Hinkt lahm und träge heut' von Stund' zu Stunde. 
Ich möcht' es peitſchen. 

Gertrud. 


Deito lahmer geht «8. 
Seid Still; er kehrt wohl morgen ſchon zurüd. 


Agnes. 


Wenn nur die Reiſe Segen bringt und Heil, 
Wenn Albrecht nur den Vater uns verſöhnte! 
Wenn keiner lebt, dem ich ein Dorn im Auge, 
O dann — wes Glück iſt meinem Glück dann gleich. 
Doch ahnt mir Gutes! — Horch, was war das? Still! 
63 iprengen Reiter auf den Hof. — Sollt’ er 
Zurückgekehrt fein? Nein, das iſt der Hufichlag 
on jenem Pferde nicht. 

(Sie geht ana ik 
Srfers Vorbau 
Verbirgt fie meinem Blicke. Geh’ hinunter, 


ich’ 3 es ilt. 
Sieh", wa —7— 





— 164 — 


Seo tg (vortretend). 
Laßt mich hinunter, Herrin! 
Agnes. 
Nein, bleib’ du bier. (Gertrud eht.) 


Man wird doc feinem Fremden 
Das Thor geöffnet haben. Sind die Knechte 
Auch zuverläffige Leute? O, gewiß, 
Der Ritter fennt fie ja. 


Georg. 
Sollt's der Kaplan .. . .? 


Agnes. 
Ich glaube nicht; Johannes reitet langſam. 


(Man hört draußen mehrere Stimmen, und unter ihnen Gertruds, laut gegen 
einander jprehen und näher fonmen.) 


Gertrud (praufen). 
Verweg'ner! Wag' es nicht! 


Agnes. 


Weh' mir; was ift das?! 


(Georg tritt, die sm am Degen, vor. Die Thür wird aufgeftohen, und herein 
treten artimi und — * Fronboten. Gertrud verſucht erfolglos, ſie zurüczubalten.) 


— — — — — — 





Ein Fronbote. 

Im Namen Seiner Hoheit 
Des Herzogs Ernſt und kraft des Reichsgeſetzes, 
Agnes Bernauerin, verhaft' ich dich! 


Agnes (weicht erbleichend zurück). 
Veronika Deſinge! — — — Meine Ahnung! —*) 


Gertrud (macht ſich von dem Gerichtsdiener los.) 
Gott, fie erbleiht! Sie wanket! O Herr Jeſus! — 


Ein anderer Fronbote. 
Ahr feid auf Tod und Leben angeklagt, — — — 


Agnes (wieder gefaht). 
Auf Tod und Leben? ih? Das ilt nicht möglich! 
Mas hab’ ich denn Fluchwürdiges gethan? 
Mir laitet fein Verbrechen auf dem Herzen. 


* Anfpielung auf ein äbnliches Los, 


en — 


Nein, nein! DO, feht mid an, ihr guten Männer; 
Ihr hattet mit Verbrechern oft zu Schaffen 
Und laſ't auf ihrer Stirn, um ihren Mund, 
Wie die Natur mit leferliher Handichrift 
Dahin ſchrieb: „Sieh’, ein Sünder, ein Verruchter!“ 
Ahr wißt ja, wie die böſen Menichen ausiehn; 
Gewiß, ihr jeht mir's an, ich bin nicht böje. 
Ich habe nichts verbrochen; 's iſt ein Irrtum, 
Daß ich auf Tod und Leben angeklagt. 
Auf Tod und Leben! — Welch’ ein jchredlih Wort! — 
Dem, der mich böslich angellagt, gelingt's 
DBielleicht, mich ſchuldlos zu verdammen, — 
Das könnt ihr hindern; einen Tag nur zögert, 
So rettet ihr vielleicht mein junges Leben, 
Und Herzog Albrecht dankt's euch lebenslang. 
DO, gönnt mir Aufichub, reichlich wird er's lohnen, 
Wenn ihr Barmherzigkeit au feiner Gattin übt. 

(Die Gerichtäboten fehen einander und Martin an.) 


Martin. 


Na, thut, was ihr nicht laffen könnt, ihr Männer. 
Agnes. 

Ihr habt ein traurig Amt, das ihr verwaltet, 

Ihr lebet von Verbrechen eurer Brüder, 

Und eure Bflicht macht andern Menschen Bein. 

Die Welt hat Freuden taufendfält'ger Art; 

Ihr jeht in ihr nur Thränen, hört nur Seufzer 

Und Fluch und lagen, wo ihr geht und ſteht. 

(Sin traurig Los! Dazu hat Armut euch 

Und Not getrieben, nicht die freie Wahl; 

Und wären Grdengüter euch verlichn, 

Wie taufend andern, ja, ihr wähltet anders. 

Ich will ench alle reich und glücklich machen, 

Ahr ſollt ein jorglos, freies Leben führen, 

Ahr ſollt euch zu den heitern Menfchen ichlagen, 

Im Sonnenfchein mit Weib und Kind luſtwandeln, 

Nicht mehr Die Luft der feuchten Kerfer atmen. — 

Und fein Vergeh'n begehr’ ih drum von euch: 

Ihr follt mur thun, was billig, menſchlich it; 

Nur wenig Stunden Aufſchub mir vergönnen. 

Vielleicht ſchon it der Vote unterwegs, 

Der Hülfe bringt und Nettung aus der Not. 


Sin Fronbote. 
Mir ſcheint's unbillig nicht, was fie begehrt. 
Gin anderer. 
Sie bliebe unter Aufficht hier fo lange. 


Agnes. 
Wohlan, ihr Männer, thut nun, was ihr müßt! — 
Ich ſeh' es ein, die Loſe ſind gefallen. 
Ich folge euch, führt mich, wohin ihr wollt; 
Ich zürn' euch nicht und dank' es euch von Herzen, 
Wenn ihr nicht allzu rauh mit mir verfahrt. 
Ehrt eures Fürſten Weib in mir; 
Ob ich auch falle, bin ich doch ſein Weib, 
Bin eure Fürſtin, eure Herzogin! 
(Bewegung unter ben Leuten.) 
Albrecht, mein Gemahl; wo biit du? Albrecht! 
Ahnt dir das Schickſal deiner Gattin nicht? 
Komm’! — Rette! — Hilf! — O Gott! 
(Sie fält in Ohnmacht; Gertrud fängt fie in den Armen auf.) 
Der Vorhang fällt. 


=, 
Des 5tauffachers Fran. 


(Schtermeierd Auswahl deuticher Gedichte, Halle 1966) 
Manch' Lied it Schon erflungen 

Bon Winfelricd und Tell; 

Es ward fo frisch geſungen, 

Es Hang fo rein und hell, 

Weil Freibeit fie gewonnen, 

Erkämpft mit eig’'nem Leib: 

Doc, wer das Werk erionnen, 

Das war ein fchlichtes Weib. 


Dem Werner Stauffady ſtehet 
Erbaut ein ſchönes Haus. 
Der Nogt vorüber gebet, 
Der Werner tritt heraus. 
„Bes ift,“ der Landvogt fragte, 
„Dies Haus, Schön, groß und neu?“ 
Werner von Stauffach jagte, 
Daß es jein eigen jei. 


„Mein Gut iſt Königs Lehen,” 
Sprad er. Der Vogt darauf: 
„sch will euch's unterſtehen, 

Ahr Bauernvolf zuhauf, 

An Königs Statt euch wehren, 
Daß ihr als Herren lebt, 

Sa, ich will’3 noch vorfehren, 
Dat ihr dag Haupt erhebt!“ 


Das Wort des Landvogts machte 
Dem Werner Bein und Laſt; 
Er hat bei Tag und achte 
Davor nicht Ruh’ und Raſt. 
Da hub viel an zu fragen 
Sein treues Ehgemahl, 
Bis er ihr mußte klagen 
Des Herzen! Sorg’ und Qual. 


Und als fie das vernommen, 
Da iprach fie: „Lieber Man, 
Sich’, dahin iſt's gekommen, 
Daß man nicht anders kann. 
Groß it in unſern Landen 
Des Vogtes Wiüterei, 

Sie haben ausgeitanden, 
Daß Gott geflaget jei. 


Das Joh muß Uri tragen 
Und Unterwalden aud). 
Wer darf zu fordern wagen 
Gut Recht und alten Brauch? 
Gut wär’ es und von Nöten, 
Da alle, die ſolch' Leid 
Dedrüct, die Hand ſich böten 
In dieſer Ichweren Zeit. 


Ihr müßt treulich beraten, 
Wie ihr vereinet bald 
Euch ſicher wollt entladen 
Unredlicher Gewalt. 
Ihr müßt ein Bündnis machen; 
Gott hilft euch, zweifelt nicht; 
In ſo gerechten Sachen 
Schafft er, was euch gebricht.“ 


Werner von Stauffach meinet, 
Nicht bös ſei dieſer Rat, 
Und weil's ſo brav ihm ſcheinet, 
So führt er's bald zur That. 
Viel' Männer, die ihn hören, 
Nah'n zur geheimen Stund, 
Im Rütli zu beſchwören 
Den heil'gen Schmweizerbund. 


Was fi) darans entiponnen, 
Das preiit man aller Land; 
Doch die das Werk erfonnen, 
Hat man nicht oft genannt. 





Manh Denkmal anerfennet 
Der fühnen Streiter That; 
Wohl keine Inſchrift nennet 
Des Weibes kühnen Rat. 


Doch wo ſie fort noch lebet, 
Wohl weiß ich einen Ort: 
Im Frauenherzen webet 
Ihr Odem fort und fort, 
Iſt ſich auch gleich geblieben 
In dieſer jungen Zeit; 
Den Mann hat ſelbſt getrieben 
Das Weib zum heil'gen Streit. 


Der Sinn wird nie entweichen 
Aus deuticher Frauen Bruſt, 
Es wird ſich wieder zeigen, 
ch bin es mir bewußt. 
Wenn Männer itehn und zagen, 
Glaubt noch das Weib und fpricht: 
„Ihr müßt es mutig wagen, 
Gott Hilft euch, zweifelt micht!* 


* 


=), 


VUachbar Helm und feine Linde, 


(Ebendajelbit.) 


Im Häuschen gegenüber da wohnt ein Zimmermann, 
Heut’ vor dem Haus die Linde Hub er zu füllen an. 
Sch ſprach: „Bott grüß’ euch, Nachbar! Doch Sagt, was ihr beginnt? 
Der Baum beihüst das Häuslein vor Wetter doch und Wind.“ 


Da hielt er ein und jchaute von feiner Arbeit auf 
Und jah mich an und blickte zur Linde hoch hinauf; 
Dann legt’ er beide Hände till auf jein Arbeitszeug, 
Lehnt’ an den Baum und fagte: „Nachbar, ich danfe euch. 


Die Linde pflanzte mein Vater, als ich geboren war, 
Sie grünt und blüht alljährlich ichon über fiebzig Jahr; 
Mein Weib am Hoczeittage — fie war ein junges Blut — 
Steckte mir von dieſem Baume ein Zweiglein an den Hut. 


Viel Säfte thät ic) laden, zu enge war das Haus, 
Hier unter diefer Linde da hielten wir den Schmaus; 
Ein Sohn ward uns geboren, da gab fich’S viel zu freu’n. 
Und feinen Namen grub ich in dieje Linde ein. 


= Ja 


Die Linde wuchs und prangte, der Knabe ward ein Mann; 
Zu Leipzig in der Ebne ftand er im Heeresbann; 
Zum Kampfe ziehend trug er zwei Lindenzweig' am Hut; 
Bei Leipzig an den Wällen verraun fein junges Blut. 


Nun hängt in unf’rer Kirche die Tafel an der Wand, 
Da steht: „Franz Helm, geitorben für König und Vaterland.” 
Mein Weib und ich, wir meinten viel um den quten Franz, 
ir wanden um die Tafel friicdh einen Yindenfranz. 


Seht, meine beiten a. die waren nun dahin; 
Der Franz lag meiner Alten zu jehr in Herz und Sinn; 
Sie konnt' ſich nicht mehr freuen, ich konnt’ es auch nicht mehr, 
Gott hat fie heut’ erlöfet von Sammer und Beichwer. 


Seht, Nachbar, nun beginn’ ich die Linde umzuhaun; 
Ich will für meine Alte draus einen Sarg erbaun; 
Sch hab’ den Baum gemejlen, wohl hält er Holz zu zwei'n; 
Bald zimmer’ ich auch den andern, und ihr — legt mich hinein.“ 


«)‘ 


* * + 
Wilbelm Langewieſche,“ 
(Pleudonymen: MW. Jemand und L. Wiele.) 
geboren am +. Dezember 1807 zu Möllenfotten bei Schwelm in Weitfalen, erlernte 
in Efien den Buchhandel und war von 1829 bıs 1859 als Gehilfe in einer Buchhandlung 
in Berlin thätig, wo er mit dem Dichter franz Horn und dem jetigen Profeilor 
K. Rojenfranz; nähere Befanntichaft flog. Im Jahre 1830 gründete er in Iſerlohn 
eine eigene Buchhandlung, die er A837 nach Barmen verlegte und bis 1872 leitete, Seit: 
dem lebt er als Privatmann im reizenden Godesberg bei Bonn. 

Diytunnen: Der ewige Nude. Didaktiſche Tragödie von W. Jemand. 
Sierlohn 1831. — Diaboliihe Dichtungen von W. Jemand. — 
Weſtfäliſche Bolfsfagen in Liedern von 2. Wiefe. Barnten 1841. 
— Sagen: und Märchenwald im Blütenfhmud, IL Ebd. 18H4— 
1842. — Borhofflänge von einem Wahrbeitfucher. Ebd. 1856. 3. 
vermehrte Aufl. 1869. Neue Folge. Ebd. 1873. — Kindermärchen, 
dem deutſchen Volk' entfeimt und nicht mehr ungereimt. 2. verbeflerte und 
vermehrte Aufl. mit 8 fein folorierten Bildern von 3. B. Sonderland. 
Godesberg. — 


(VBorhofflänge. 3. Aufl, Nebſt einer neuen Folge. Leipzig 1873.) 
Jünglings Geheimnis, 


Sch möcht’ es den Sternen, die droben flimmtern, 
Sch möcht' es den Blumen, die unten ſchimmern, 
Den Wögelein, die im Gebüſche fich jagen, 
Den Friichlein des Baches möcht’ ich e3 Tagen, 
Sch möcht’ e3 Ichreiben in jede Rinde hinein: 
Mein Lieb hat mich lieb, mein Lieb will mein eigen fein! 


Noch aber ſoll ich's nicht jagen, nicht jchreiben, 
Es joll noch ein ſüßes Geheimnis bleiben. 
Sc joll noch von feinem menschlichen Weien 
Mein Glück in den Augen mir laffen leſen, 
So jchließ’ ich’S denn ein in meines Herzens Schrein: 
Mein Lieb hat mich lieb, mein Lieb will mein eigen fein! 





*) Nach Fr. Brümmers Deutſchem Dichterlerifon und des Dichters eigenen 
Mitteilungen. 


— 11 — 


Doch — ſchwimmen die Filchlein nicht muntrer und jchneller ? 
Und fingen die Vöglein nicht voller und heller? 
Und blühen die Blumen nicht ſchön, wie noch nimmer? 
Und war wohl ſchon je ſolch' Sternengeflimmer? — 
Ach Gott, ſchon weiht' ich fie-al!’ ins Geheimnis ein: 
Mein Lieb hat mich lieb, mein Lieb will mein eigen jein! 


6 
Der Liebe Widerſprüche. 


Der Liebe Auge fichet jcharf: 
Es lieit in Blicken, im Geſichte 
Wie viel fie hoffen, wagen darf; 
Die Wiürfelaugen, die fie warf, 
Erkennt es auch bei Sternenlichte. 


Und doch, wie ift Die Liebe blind! 
Wohl nimmer fchauen Lieb’ und Liebe 
Ginander, wie fie wirklich find: 

Sin deal it, was man nimmt; — 
DO, wenn’s dod nur als joldhes — bliebe! 


Das Ohr der Liebe höret Fein: 
Es höret des Geliebten Lallen 
„sc liebe dich, — o werde mein!“ 
Und der Geliebten „Ewig dein!” — 
Noch eh's Den Lippen iſt entfallen. 


Und Doch, wie iſt Die Liebe taub! 
Wenn Lieb und Lieb fich recht verpflichten, 
So kann die halbe Welt — ich glaub’ — 
Laut donnernd ftürzen in den Staub — 
Und fie vernehmen es mit nichten. — 


Der Liebe Arm hat große Straft: 
Er ſchleudert fort, die ihn befehden, 
Defreit aus Banden und aus Haft, 
Kämpft durch bis an ihr Ziel und jchafft 
Aus Ärmiter Wohnung ihr ein Eden. 

Und doch, wie ift die Liebe Schwach! 
Wie mancher lich, von ihr betroffen, 
In einem erniten Lebensſchach, 
In einen heil’gen Kampfe nad, — 
Zu hegen nur jein Liebeshoffen. 

Der Liebe Anker ruhet feit, 
Sofern er ruht in Gegenliebe, — 
Die Liebe nicht von Liebe läßt, 
Wenn mächtig aud von Oft und Weit 
Je einen Keil man zwiichentriebe. 





— HR 


Und doch, wie oft im Leben ſchon 
gut Lieb’ von Liebe losgelaſſen, 

enn nur erflang ein falicher Ton! 
Mie oft ſchon hat die Lieb’ in Hohn 
Sich umgewandelt und in Haffen! — 

O Liebe, wie begreif’ ich dich ? 
Von unten bift du und von oben, — 
Ein Augenblif und ewiglid, — — 
Sin Tropfen Tau, — in welchem ſich 
Verienkt der ganze Himmel droben. 


=, 


Des Meuſchen Geburt. 


Losgeriſſen, losgerungen 
Hat der Liebe Frucht ſich jetzt, 
Iſt ans Tageslicht gedrungen, 
Mitten in die Welt geſetzt. 


Unter ungeahnten Schmerzen 
Ward die Mutter bürdefrei; 
Was ſie hegte unterm Herzen 
Und ſie ſelber — ſind nun zwei. 


Wie ein Held die Siegesſonne 
Grüßt nach heißem, hartem Streit: 
Strahlt das ſchöne Weib von Wonne 
Trotz der tiefſten Müdigkeit. — 


Tod und Leben haben heute 
Hier geringen hart und heiß, 
Und dem Leben ward die Beute, 
Ward der ſchönſte Siegespreis. 


Unverletzt und unberloren 
Ward ja aus der Mutter Schoß 
Hier ein Menſch zur Welt geboren; — 
D, dies Wort — wie ift es groß! 

Non des neuen Weſens Herzen 
Ringt fich los fein eriter Yaut; — 
Ad, es iſt ein Schrei vor Schmerzen, 
Doch wie klingt er ihr jo traut! 


Alles, was fie heut’ gelitten, 
Sie vergißt's bei diefen Ton, 
Hat fie doch damit eritritten 
Sic den höchſten Kampfeslohn! 


— 13 — 


Diefes Kindlein, ihr gegeben, 
Das fie jegt im Arme hält, 
Iſt ihr Lieber, als ihr Leben, 
Lieber, als die ganze Welt. 


Nur der liebevolle Gatte 
Gilt vielleicht ihr doch noch mehr. 
Sieh’, ihn winkt die Selig-Matte 
Zärtlichit zu dem Kleinod her! 


Iſt es doch nicht ihr alleine, — 
Er hat’s ihr, fie ihm geichentt. 
Und wie ihr Herz, iſt das jeine 
Tief in Seligfeit verfentt. 


Sieh’, ein warmer Kuß nun zeiget, 
Wie das Paar einander danft; 
Und aus Beider Herzen fteiget 
Auch der Danf, den Gott verlangt; 


Gott, der Geber aud) des Gebens, 
Der zu geben nimmer ruht! 
Gott, der Urgquell alles Lebens, 
Der noch immer Wunder thut! 


Dieſes Kindlein, wie der Morgen, - 
Dies verkörperte Gedicht, 
Drin die Seele ruht verborgen: 
Iſt's ein größtes Wunder nicht? 


=, 
Attiles Tod nnd Grab. 


Attila, der Hunnentönig, der mit jeinen wilden Scharen 

Naubend, mordend und erobernd war die halbe Welt durchfahren, 
Der durch Mord des eig’nen Bruders fich Alleingewalt errungen, 
Der auf Leichen und Ruinen zu „Unsterblichkeit“ gedrungen, 

Der Gebieter vieler Völker und der ganzen Menschheit Schreden, — 
Der nur in den fchöniten Armen höchſte Wonne wollte ſchmecken: 

In dem gold’nen Brautbeit mußt’ er, weil ihn von den innern Gluten 
Aufiprang eine mächt'ge Aber, Häglich, jämmerlich verbluten! 


In der Mitte weiten Raumes ward ein ſeid'nes Zelt errichtet; 
Drunter ftellte man den Leichnam, den nun alles Volk befichtet. 
„Weine niemand Waflerthränen! Blutig war fein Lauf auf Erden, 
Blutig war fein Tod, und blutig joll er auch betrauert werden!“ 
So erſcholl's. Und es zerfragten jest die rohen Hunnenmannen 
Sich die Stirnen, daß ſtatt Thränen Blutestropfen niederrannen. 
AM die vielen taujend Krieger, denen er jo lang geboten, 

Zogen in gemeſſ'nen Reihen um das prächt'ge Zelt des Toten. 


— 114 — 


Alle weinten blut’ge Thränen: — Bei des Abends blut'gem Scheine 
Brachte man ins Zelt drei Särge: von gedieg'nem Gold der eine, 
Feinsten Silberd dann der zweite und der dritte nur von Eiſen, — 
Alfe drei fo kunſtreich prächtig, daß fie ihren Meiſter preifen. 

In den eriten fam die Leiche, — die vom Tag nocd nicht gelitten, — 
Diefer Sarg dann in den zweiten und der zweite in den dritten. 
Und es ſprach zu dreißig Männern jest der Erbe höchſter Würde: 
„Zragt in einfam öde Gegend dieje foitbar ſchwere Bürde! 


Mählet dort zum Grab des Helden eine Stelle recht verborgen: 
Macht es tief und macht's geräumig und vollendet's vor dem Morgen. 
Dann den Sarg ins Grab verfenfet, — auch des Königs Schwert 

und Dolche, 
Daß er, wenn er auferwwachet, nicht mit Zorn vermiſſe ſolche! 
Füllet, wenn nun alles drinnen, wieder aus die Gruft mit Erde, 
Und bededt fie jo mit Najen, daß fie unerfennbar werde!“ 
Schweigend gingen drauf die Dreißig mit der teuren LZaft von dannen, 
Während die Zurücgeblieb’nen friih das Totenmahl begannen. 


Auf Geheiß des Fürften wurde bier des Weins jo viel geboten, 
Daß fi) Taufende beraufchten, — auch zu Ehren ihres Toten. — 
ALS der nächte Morgen ftrahlte, kehrten jene Dreißig wieder ; 

Hatten alles gut vollführet, — — und man hieb fie alle nieder: 
Weil kein Lebender die Ruhſtatt des Erobrers ſollte wiſſen, 

Mußten fie, die ihn begraben, kurzer Hand ihr Leben miſſen. — 
Niemand wohl, du grauier Schläfer, wird dein reiches Grab berauben; — 
Aber wird auch deine Blutichuld, fanft zu ruhen, dir erlauben? 


=; 
(Meftfältiche VBolfsjagen in Liedern. Barmen 1841.) 


Der Rrümer in Türs Bufh.” 

63 fing ein pfiffiger, armer Schlucder 
Zu handeln an mit Leinen und Yuder. 

Damit's ihm recht viel Nugen trage, 
So wog er den Zuder mit falicher Wage, 

Und maß mit faljcher Elle dad Tuch), 
Das och dazu nicht breit genug. 

Das alles nahm er fo pfiffig vor, 
Daß er die Kundſchaft nicht verlor. 

So ward er bald ein reicher Mann, 
Reſpektvoll ſah ihn jeder an, — 

Obwohl er für allzu pfiffig galt, 
Und Hein und krumm war von Geitalt. — 

Doch hatt’ er mur für feine Erben 
Betrogen, — denn er mußte fterben. 


*) Sine Miünfterfche Sage. 


— 15 — 


Und ab, nun konnt’ er nicht Selig werden, 
Unielig weilte fein Geift auf Erden. 


Der Teufel holte aus dem Laden 
Fin Schwer Stüd Leinen von feinem Faden. 
Das macht’ er 'glühend mit Hölfenichladen 
Und band e8 dem Krämer auf den Nacden. 
Dann holt’ er geichwind auch her zur Stelle 
Die falihe Wag’ und die faliche Elle. 
Und beides macht er jo heik, wie Brand, 
Drauf gab er dem Dann’ die EU’ in die Hand 
Und jegte die Wag’ ihm auf den Kopf. 
O weh, der arme, arme Tropf! 
Die Leinwand brennt ihm den Nacden immer, 
Die Wage verlegt den Kopf noch jchlimmer, — 
Die Elle brennt ihm die Hände wund; — 
Und Ruhe hat er zu feiner Stund’. 

Im Türsbuſch läuft er hin und ber 
Und heulet jtet3 und ächzet jehr: 

„Schmal’ Leinen, falihe EM und Wage — 
O, wie fo ſchwer ich daran trage!” — 

Und tragen muß er fo lange daran, 
Dis einen, der gleiche Sünde gethan, 

Sm Walde er totichlägt mit der Elle; 
Der kommt alddann an jeine Stelle. 

Nun kamen mitunter wohl jolche daher; 
Doch waren die immter fchneller, als er. 


Er ift ja klein und ift ja krumm, 
So geht er wohl noch lange um. 


6 
König Ohnmacht. 


(Vorhofklänge. Parabel. — Ballade.) 


Nieder an der Todeswunde, 
Die des Königs Feind geſchlagen, — 
Kämpfend mit der letzten Stunde, 
Lag der Feldherr, ruhmgetragen. 


Und es trat mit vollem Herzen 
Jetzt der König an das Lager, 
Sah des Feldherrn Todesichmerzen, 
Sah das Antlig, blaß und hager. 


— 176 — 


Und er redete im Tone 
Stolzen Mitleid zu dem Helden: 
„Woll’, o Eriter meiner Krone, 
Deinen legten Wunſch mir melden!. 


Forderit du die größte Gnade, — 
Freudig will ich fie gewähren; 
Denn du haft in felt'nem Grade 
Treu gewirkt zu meinen Ehren.” — 


Und der Held im Todesſchweiße 
Stammelte mit mattem Tone: 
„Wohl denn, Herr! — Dem Tode heiße, 
Daß er meiner noch verfchone !* 


Wie vernichtet ftand der König, 
Bitt're Scham in feinem Herzen. — 
„O, jo lind’re nur ein wenig 
Meine fürdterlihen Schmerzen!” 


Alſo, mit verhalt'nem Drange, 
Sprad) der Todesfrante wieder, 
Und es fiel auf feine Wange 
‚Eine Königsthräne nieder. — 


„Run, To jorge, wenn ich ſterbe,“ 
Sprad) der kranke Held aufs neue: 
„Daß ich, als ein Gotteserbe, 

Mich des ew'gen Heils erfreuel! — 


Und dem ftolzen Fürſten graute; 
Stumm entfloh er, jonder Frieden. — 
Doc der Feldherr aufwärts fchaute, 
Betete — und war verjichieden. 


5 


Rind Kriſchna. 
Nach einer Legende der Hindus. 
(Blumenthals und Edfteins „Deutſche Dichterhalle“. Leipzig.) 


Einst jpielte Kriſchna, der Gottesjohn, 
Mit Kindern irdiicher Väter. 
Nicht Glorienichein, nicht Hoheitston 
War feiner Abkunft Verräter. 
Und wenn er auch ſchön, wie der andern feins, 
Sr fühlte fih nur als der Kinder eins. 


Nie jpielten die Kleinen jo friich und frei! 
Jetzt liefen ſie jauchzend nach Zielen. 
Die Mutter jtand im Kreiſe dabei 
Und folgte bewundernd den Spielen. 


Die Kriſchnamutter war fat jo entzückt, 
Wie einft, als Gott Wiihnu ans Herz fie gedrückt. 


Jetzt ſtrauchelte Kriſchna und fiel auf den Grund 
Ganz dicht vor der Mutter Füßen, 
Da jah fie ihm durch den off’nen Mund 
Bis tief in den Leib, den fühen. 
Was fchaute fie drinnen? — o Wiſchnumacht! 
Den ganzen Himmel in vollfter Pracht! 


Die Sonne, den Mond und der Sterne Heer, 
Dazwiichen die ewige Bläue: 
Das alles erblicdte — und wohl noch mehr — 
Im eig’nen Kind fie mit Scheue. 
Dem aber war all das unbewußt, — 
Aufiprang es und fpielte fort mit Luft. 


* 
* * 


Und leſt ihr „Chriſtus“ ſtatt „Kriſchna“ gern, 
Wer könnte daran euch hindern. 
Ein innerer Himmel, Stern bei Stern, 
Iſt immer in Gotteskindern. 
Und wo es ſich findet, ſei Ehr' und Preis 
Dem Schönen, das von ſich ſelbſt nicht weiß! 


5 
(Originalbeitrag.) 


Fin Seelengeſpräch. 


„Vom ewigen Schöpfer war ich ein Hauch, 
Bin Seele geworden in irdiicher Sphäre.” — 
„„Ans Seele*) zu nennen, it thörichter Brauch, 
Nur Tröpflein find wir im Schöpfungsmeere.“* — 


„Bas irgend entdünitet den Ozean, 
Es zieht, — fih ſammelnd — davon in Lüften; 
Als Negen fällt’ auf den Feſtlandplan 
Und bildet auch Seen in Thälern und Hlüften. 


Den Waſſern gleich’ ich, — bin geiitiger See, 
Bon göttlicher Urſee fern und geichieden. 
*- Und darum erfüllt mich unſagliches Weh, 
Tief inneres Sehnen nad Gott und nach Frieden.“ 


— — — — 


*) Nicht gelehrten Seelen liegt es des offenbaren Scheines wegen nahe, das 
Wort „Seele“ * eine berbildlichte Siminutivform von „See“ zu halten. Aber auch 
unſere gelehrteften Forſcher bezeugen ga dab beide Wörter „See“ und „Seele* 
gemeinfamen Urjprungs find und zunächſt von dem gotijchen saiv abftamınen, welches 
foviel wie „lebendig und in reger Bewegung fein“ heißt. Anm. bes Beer 


Hartmann, Schagfäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 


— HT 


Sa, wirklich, du biit ein geiftiger See. 
Wie wimmelt’S und flimmert’3 in dir — von Gedanken, 
Von Leben und Streben, von Wonn’ und Weh, 
Bon Fiſchen, Schiffen und Trünmerplanfen! — 


O Menfchenfeele, du Geiftesmeer, 
Wie janft oft, wie mild oft zeigt fich dein Wogen! 
Bald lagern ob dir Gewölke ſchwer, 
Bald lacht dir der Teuchtende Himmelsbogen. — 


Danch’ Negentröpflein fommt wieder hervor, 
Und wär’ es gefallen in einen Srater. 
So fteigt auch aus dir oft etwas empor, 
Zu finden das himmlische Heim und den Vater. 


Und was aus den Waffern nicht aufwärts fteigt, 
Es ſucht in Nigen und Bächen und Flüffen 
Sich Wege, bi! e3 das Meer erreicht. 
Das laſſe dir dienen zu Troftesichlüfien ! 


Der himmlische See, wie dem Ozean, 
Geht, hoffen wir's, nichts für immer verloren. 
Was ausging von Gott, — nad) irrender Bahn 
Zurüd zu ihm kehr' es in taufend Poren! 


2, 


„so follet ihr beten!“ 


Vater, der du thronit im Himmel, und des Name fei geheitiat! 
Mög’ dein Waterreich fich weiten, dran auch uns du haft beteiligt 

Es geicheh’ dein heil’ger Wille, wie im Himmel jo auf Erden, 

Auch in Menichenherzen mög’ er, auch in uns verwirklicht werden! 
Sieb uns täglich, was und nötig für den Leib und für die Seele! 
Und vergieb uns uns’re Schulden, unf’re Sünden, unſ're Fehle, — 
Wie auch wir vergeben wollen denen, die uns ſchuldig blieben, 

Allen, die uns feindlich waren, wider uns ihr Weien trieben! 

Führe uns nicht mi Verfuhung! jondern wolle von dem Bien, 

Bon dem äuß’ren, wie vom innern, Herr, in Gnaden uns erlöjen! 
Dein ja ift der Welten Krone, dein die Kraft und Herrlichkeit; — 
Du allein bift anzubeten, allerorts und allezeit! Amen. 


«)S 


* ’ * 
Ratharina Diez,” 

aeboren am 2, Dezember 1809 zu Lietphen bei Siegen in Weftfalen, fand nadı dem Tode 

ihrer Eltern bei ihrer Schweſter Elifabeth, verehelichten Grube in Düsfeldorf, eine zweite 

Heimat, und ihr fchon frühzeitig entwideltes dichterifches Talent frijche Unregung. Nach 

zweijahrigem Aufentbalte in Berlin, fehrte fie 1848 nach Düffeldorf zurüd, wo fie nun 

in ihrem Ddichterifchen Schaffen eine große Fruchtbarkeit entwidelte. Im Jahre 1864 

wurde fle von der Königin Elifaberh, welche die von ſchweren Kranfbeiten heints 

gejuchte Dichterin jchon früher durch eine Fleine Penfton unterjtütt hatte, obgleich 

eine Bürgerliche, zur Ehrenitiftsdame des adeligen Stiftes Kuppel ernannt, Sie ftarb 

in ihrer Beintot am 22. Januar 1882. Außer verjchiedenen Jugendjchriften und Er: 
zählungen fchrieb fie: 

Dihtungen: Liederfranz. Düffeldorf 1842. — Wiefenblumen und 

Feldblumen vom Rheine Ebd. 1847. — Die Landbgräfin 

Eliſabeth von Thüringen. Ep. Dichtung. Eſſen 1845, — Früh— 

lingamärden. Berlin 1551. — Didtungen nad dem Alten 

Teitament. (bb. 1852. — Neue Märden aus Feld, Wald und 

Wieſe. Ebd. 1854. — Joſeph, Gedicht nadı dem Alten Teftament. 

Ebd. 1855. — Agnes Bernauer, Gedicht. Ebd. 1857. — Biblijche 

Frauen. Ebd. 1863. — Jephthas Opfer, Trauerjpiel. Ebd. 1875. 


(Hausihag deuticher Lyrik jeit 1849. Herausg. von Franz Brümmer, ‚Gichftätt und 
Stuttgart 1878.) 
(Ditungen aus dem Alten Teftament.) 


Hagar. 
II. 


Nun komm, mein Kind, der Weg iſt rauh und ſchwer, 
Du haft nicht Hütte, Feld und Garten mehr, 
Kein Tiſch iſt dir gedeckt, nicht ſteht bereit 
Ein Lager dir, dich ſchmückt Fein feitlich Kleid. 


Nicht wirst du Kangans janfte Traubenhöhn, 
Nicht mehr des Jordans blaue Fluten jeh'n ; 
Dir jänfelt nicht mehr Mamres PBalmenhain, 
Rings ftarrt nur uns der Wüfte rauh Geitein. 


+), Nach Fr. Brümmers Deutichem Dichterlerilon (j. o.) 12* 


— da ei 


Es geht dein nacter Fuß im heißen Sand, 
Auf deinem Scheitel glüht der Sonnenbrand, 
Kein Bogel fingt, nicht rauſchen Duell und Baum, 
Der Samum weht, der finftern Wüfte Tram. 


Sehovah! ftreng und hart ift dein Gebot! 
Warum der Liebe Trennung — Schmach und Tod? 
Der Liebe, die, ein ſchüchtern Kind, fich Ichmiegt 
An ihren Herrn und ihm zu Füßen liegt. 


Ha! Sarah blieb bei ihm, fie iſt jein Weib; 
Er baut ihr Haus, er ſchmücket ihren’ Leib, 
Sie geht geehrt und froh und ſtolz und reich; 
Ihr Kind ift wie ein friiher Blütenzweig. 


Liebt fie ihn mehr, als ich, die nied’re Magd ? 
Bon Haus und Hof hinaus in Schmac gejagt? — 
Jehovah! düfter ruht auf mir dein Zorn, 

Im Herzen brennend fticht der Wüſte Dorn. 


Mein armes Kind! wie biit du matt und müd', 
Es bebt dein Knie, die Stirne brennt und glüht, 
Komm an mein Herz! lehn' dich an meine Brust! 
Mein Leben du, mein Schmerz und meine Luft! 


Nimm diefen Tranf! Nun iſt das Strüglein leer, 
Dies Stüdlein Brot — nun hab’ ich feines mehr; — 
Dein Vater gab es uns, o, ſegn' ihn Gott! — 

Auf, auf, mein Sohn, uns treibet fein Gebot. 





IV; 
Fata Morgana. 


Sieb mir, o Kind! mein Kind! die Hand, 
(53 wankt mein Fuß, das Auge bricht, 
Aufwirbelt hoch der Wüſte Sand, 

(53 zuckt um mid) ein gelbes Licht, 
Hinſchwinden all’ mir die Gedanken 
In dieſem unermeif’nen Raum, 

Den Boden fühl’ ich zitternd wanken, 
Dein ſüßes Aug’, ich ſeh' es kaum. 


O Gott! ein Troſteszeichen gieb! 
O, meine nod den Tod mir ab; 
licht mir — nein, dieſem Kind au lieb’, 
Dem ic allein nur Schutz und Stab. 
um Himmel heb' die reinen Hände, 
ie meinen finfen matt und jchwer, 
O, bete, daß er Rettung jende 
Sn dieſes Sandes wüſtem Meer! 


— 1831 — 


Dod Sieh, am Himmel welch’ ein Schein! 
DO, welch ein wunderjames Bild! 
Sch ſehe Hebrons Quell’ und Hain, 
Da3 weite, blühende Gefild’ — 
Ach! wo ich feines Kornes Halmen 
Zu Garben auf dem Felde trug, 
Den Baum, wo ich zu heil’gen Pſalmen 
Für ihn der Harfe Saiten ſchlug. 


Ich ſeh' fein Haus, es fteigt empor 
Des Rauches Säule aus dem Dad); 
Die Pforte alänzt, aus der hervor 
Er wie die Morgenröte brach. — 

Der Brummen quillt, wo ich mich bückte, 
Zu fchöpfen ihm den frischen Tranf; 
Der Garten blüht, wo ich ihm pflückte 
Den Strauß für feiner Augen Dant. 


Das Fenſter glüht, in dem fich brach 
Des Mondes ſüßer Zauberſchein, 
Wo ich an feinem Herzen lag 
Und fchlief in feinem Kuſſe ein. 
Ich ieh’ den Wald, an deilen Saume 
Sch, jeine Herde hütend, ſaß, 
Und in der Liebe ſel'gem Traume 
Die ganze, weite Welt vergaß. 


DO, wie das Bild jo leuchtend fchwebt, 
Verfläret in des Himmels Blau, 
Auf Purpurwolken fich erhebt! 
Es träuft auf mich wie Morgentau; 
Und war die Hoffnung auc gejunfen, 
Nicht fchmerzet mehr der Wüſte Dorn, 
Sch habe Mut und Kraft getrunken 
Aus der Erinnerung ſüßem Born. 


5 


Die Frauen am Brewe. 


1 


Still betend will ich folgen euren Füßen, 
Ahr frommen Frauen, welche trauernd jchreiten, 
Den Herrn zur Todesitätte zu begleiten, 

Wo für die Schuld der Menschheit er ſoll büßen. 


Ihr geht, um ihn zum legtenmal zu grüßen, 
Im Geiſt mit ihm zu leiden und zu ftreiten 
Und eurer Liebe Mantel auszubreiten, 

Mo feines heil’gen Blutes Ströme fliehen. 


a TER 


O Kreuzesweg der Liebe, blutgetränfet ! 
Wer ihn mit frommen Mute nicht gegangen 
Hat noch der Liebe Weihe nicht empfangen, 


In ihre Tiefen fich noch nicht verſenket, 
Und nur, wer ihren Schmerzensteldh getrunken, 
Durchglühte ihres ew'gen Lebens Funken. 


2. 
Drum feid gejegnet mir, ihr hehren Frauen, 
Shr drei Marien, die fo feſtlich jchreiten 


Durch wüſter Sünden tiefe Dunfelheiten 
Bis zu des Todes, zu der Hölle Grauen. 


In eurem starken, himmlischen Vertrauen, 
Womit ihr ſtehet an des Kreuzes Seiten, 
Zieht es wie Siegesglanz dur alle Leiden, 

Und tröftend it es, nach euch hinzuſchauen. 

hr ſeid die Blumen auf der Schädelitätte, 
Die fanften Palmen, die jich flüſternd neigen 

Auf ihres Dulders rauhes Felſenbette, 

Die Friedensengel, die mit grünen Zweigen 

Die Ätarren, blütenlojfen Dornen ſchmücken, 

Die blutig feine heil’ge Stirne drücden. 


X 


Die Ehebrecherin. 
3. 


Er ſteht mit ihr allein, ſo hoch und hehr, 
Sie fühlt: das iſt der einzig Sündenreine,“ 
Wird er fie treffen mit dem Nichteriteine? 
Sie blict ihn an und atmet bang und ſchwer. 


(Sr ahnt der Tugend ftille Wicderfehr 
Und weiß es, was fie retten kann, alleine, 
Er hat fein NRichterwort, als nur das eine: 
„Geh' hin und ſündige fortan nicht mehr!” 
Sie gebt dahin; gerettet hat die Huld 
Des Himmels, was die Welt vernichten follte, 
Die nur den Leib, den ird'ſchen, töten wollte; 


Er traf der ew’gen Seele ſchwere Schuld 
Und hub aus tiefem Schutt aufs neu die Blüte 
Der Tugend durch den Sonnenftrahl der Güte. 


=)‘ 


Beinrib von Ruftige,” 
(heinrich Sranz Gaudens,) 

geboren am II. April iSi0 zu Werl in Weitfalen, verriet ſchon im Unabenalter Talent 
und £uit zum Zeichnen und trat deshalb nadı abfolwiertem Gymnäaſialſtudium im 
Herbſt 1828 als Schüler in die Kunftafademie zu Duffelderf ein, wo er acht Jahre 
blteb. Dann fiedelte er mit Retbel, U. Uchenbach und anderen Kunftgenoffen nach 
Frankfurt am Main über, wo er fechs Jahre am Städel'ſchen Kunftinititute thatig 
war, nnd nahm dann einen längeren Aufenthalt in Paris. Im Jahre 1845 erfolgte 
feine Berufung als Profefior an die Königl. Kunftichule in Stuttgart, wo er nodı 
heute als €ebrer und Doritand der Königl. Staats» Gallerie und der Privat: Gemälde- 
Sammlung des Könias wirft, Mit der Verleihung des Königl. Kronenorwdens 1. Kl, 
war feine Erhebung in den Adelftand verbunden, 

Dichtungen: Gedichte. Frankfurt a. M. 1845. — Filippo Yippi, Dr.in DM. 
Stuttgart 1852. — Attilla. Tragödie ins. Ebd. 1853. - Konrad 
Wiederhofd. Schaufpiel mn 5 M. Ebd. 1860. — König Ludwig, 
der Bader. Hiſtor. Schaufjpiel in5 A. Ebd. 1860, — Eberhard 
im Bart. Hiſtor. Schauspiel in 5A. Ebd. 1863. — Reime und 
Träume im Dunfelarreit. Ebd. 1079. 


(Gedichte. Frankfurt am Main 1845.) 
(Stizzen aus dem Liebesbuche.) 


Leid thut's mit, 
XIX. 


Um den Mond und um die Sterne 
Thut's mir oft im Herzen leid, 
Daß der Mond iit gar fo ferne, 
Daß die Sterne find jo weit. 


Leid auch thut's mir um die Roſe, 
Daß ſie blüht jo dornenvoll ; 
Leid auch um die Fleine Loſe, 
Daß fie mich nicht lieben fol. 


*) Nah Fr. Brümmers Mitteilungen. 


5 


tr ra Se 


Hier Bäume, 
Gelldunkel.) 


Es ſtehn vier Bäume rings im Kreiſe, 
In ſelt'nem, ſinnigem Verein; 
Wer ſie gepflanzt in ſolcher Weiſe, 
Fürwahr! er könnt' ein Dichter fein. 


Da fteht in stolzer Kraft die Ciche, 
Die Tranerweide lehnt daran, 
Als ob der tück'ſche Tod beichleiche 
Den frifchen, Tebensvollen Mann. 


Die Tanne mit dem Nachtgezweige 
Steht bei der Buche, jung und licht, 
Als ob ein Schwarzes Bahrtuch neige 
Sich um ein findlic Angeficht. 


Und wie der Wind mit leichten Schwingen 
Sich durd die Blätterhallen zieht, 
Da flüitert, rauſcht ein ſeltſam Klingen, 
Mie ein verhallend’ Sterbelied! 


Was habt ihr Bäume denn zu Hagen? 
Tragt ihr denn auch, wie ich, ein Leid? 
Denkt ihr in diefen lichten Tagen 
Vielleicht ſchon künft'ger trüber Zeit? 


* 
* * 


Nicht lange ſinnt — dann ſpricht die Eiche: 
„Du ſiehſt mich jetzt noch friſch und ſtark, 
Bald lieg' ich eine Rieſenleiche, 

Und die Verweſung frißt mein Mark. 


Man ſtürzt die Krone mir vom Haupte, 
Man ſchlägt die Glieder mir vom Rumpf, 
Die Axt, die mir das Leben raubte, 

Sie ſchändet noch den toten Stumpf. 


Zu Stüf und Stückchen ſchnöd' zerhanen, 
Fügt man die wunden Glieder dam, 
Sich Dad und Fach davon zu bauen, 
Mich legend in verfluchten Bann! 


Da hör ic) dann in Küch' und Kammer 
Jahraus, jahrein zum Ueberdruß, 
Des Menschen Elend, Qual und Sammer, 
Sp aus der Welt ſich flüchten muB. 


Statt in der freien Gottesionne 
Das Haupt zu baden in der Luft, 
Umtönt von ew’ger Sangeswonne, 
Umwogt vom friichen Waldesduft, — 


=: — 


Muß id; in den verdumpften Mauern, 
Für Lebende ein Sarkophag, 
Mein Leben kummervoll vertrauern, 
Dis meine legte Faſer brach !” 

* — 

Und weiter ſpricht darauf die Buche: 
„Du haft gehört der Schweſter Not, 
Du hait gehört von jenem Fluche, 
Der fie verfolgt bis in den Top. 


Ich will beftürmen mit jo harten, 
So herben Klagen nicht dein Ohr, 
Muß ich auch bald, wie fie, erwarten 
Den Tod, den feiner noch beichtwor. 


Wohl Iterb’ ich nicht im Abendrote 
Hier auf dem grünenden Gefild, 
Doc zeigt das Leben mir im Tode 
Noch ew'ger Liebe Frühlingsbild. 


Wohl fonımt fein Vöglein mehr, das fchmiege 
Sein warmes Neit an meinen Mit, 
Doch breit’ ich liebend mic als Wiege «“ 
Um einen andern holden Gait. 


Wohl ieh’ ih an de3 Himmels Auen 
Nicht mehr der Sterne freundlich’ Licht, 
Doch ſchön're Sternlein darf ich Schauen 
An eines Kindleins Angefict. 


Wohl ftreut der Lenz mit ſüßem Koſen 
Nicht Blüten mehr mir in das Haar, 
Doc ſeh' ich blüh’n zwei ſchön're Rosen 
Auf eines Kindleins Wangenpaar. 


Wohl frömet nimmer Gottes Somme 
Auf mich des Lichtes ſegnend' Gold, 
Doch ſtrahlt in ſel'ger Glückeswonne 
Der jungen Mutter Antlitz hold. 


Wohl weiß ich, daß mit ſüßer Kehle 
Kein Vöglein mein Gezweig durchzieht, 
Doch lieblicher, als Philomele, 

Klingt einer Mutter Wiegenlied. 

Wohl ſterb' ich nicht im Abendrote 
Hier auf dem grünenden Gefild, 

Doch zeigt das Leben mir im Tode 
Noch ew'ger Liebe Frühlingsbild!“ 


# 
* * 


— — 


Und weiter ſpricht darauf die Tanne: 
„Ich hab’ auf jedes Wort gelauſcht, 
Ich hab' gehört, mit welchen Banne 
Einſt unſre Freiheit wird vertauſcht. 


Wohl glücklich preif’ ich meine Schweſtern, 
Die beiden, die mich hier umſtehn, 
Und nur ob Sang und Vogelneſtern 
Eo traurig in die Zukunft jehn. 


Ich jamm’re nicht, gleich jenen beiden, 
Sp kläglich eitlen Dingen nad; 
Zu Hagen hab’ ich größ're Yeiden, 
Wenn man doch einmal Flagen mag. 


Was joll ich hier, jo nackt, jo nüchtern 
Und io allein in diefem Sumpf, 
Bei dieſen blaſſen Milchgeſichtern, 
Bei Buche, Eich' und Weidenſtumpf? 


Dort oben, wo die dunklen Forſten 
Der Wolken feucht' Gewand umwebt, 
Wo Gemſen klettern, Adler horſten, 
Wo kühn der Fels zum Himmel ſtrebt; 


Dort ſollt' ich ſtehn im Kreis der Meinen, 
Zur Sonne ragend, frei und ſchlank, 
Statt daß ich bier bei Franken, Kleinen 
Geſellen jchier im Schlamm verſank! 


Bald endet freilich diefer Jammer, 
Wohl iſt das Eiſen jchon gewetzt, 
Das mich aus dieſer dumpfen Kammer 
In eine dumpf're noch verſetzt! 


Der Säge ſcharfgezackte Zähne 
Zerichneiden Enirichend mein Gebein, 
Daß jede Fafer, jede Sehne 
Zerriſſen ächzt vor Höllenpein. 


Und bin ich dann zu Brett und Brettlein 
Nach Zaun’ und Luft zerhackt, zeripellt, 
Fügt man daraus das jhmale Bettlein, 
Das feiner für ſich jelbit beitellt. 


Und unter dumpfem Grabgeläute, 
Kenn laute Wehklag’ füllt die Luft: 
Sch ſinke mit der ftarren Beute 
Des Todes in die düftre Gruft. 


Ze: BE Ze 


In der Verweſung graufem Neiche, 
Dem eflen Wurmgezücht zum Naub’, 
Da harr’ ich, Leiche, — bei der Leiche, - 
Dis alles Moder, alles Staub !* 


* 
* * 


Drauf endlich ſpricht die Trauerweide: 
„sc rede füglich wohl zuletzt, 
Bedenfend, daß all’ eurem Beide 
Ich werd’ als Krone aufgeſetzt. 


Nicht mancher Tag mehr wird berrinnen, 
Die nächſte Stunde ruft vielleicht 
Zur Stillen Au mich Schon von binnen, 
Wo Halm’ und Roſ' auf Gräbern bleicht. 


Mit lauter Klage mich umklammernd, 
Die Hände ringend himmelwärts, 
Um die zu früh Entichlaf’uen jammernd, 
Kniet mir zu Füßen bleih der Schmerz. 


Da weint die Witwe um den Gatten, 
Der Jüngling klagt um Xiebchens Tod; 
Da weint in meinem Trauerichatten 
Die Waiſe jih die Augen rot. 


Da steh’ ich zwiſchen Urn’ und Vaſe, 
Bei ſchwarzem Kreuz, bei bleichem Stein, 
Umſeufzt von hohem Kirchhofgraſe, 
Beichattend ſchlummerndes Gebein. 


Sich’ dort den jungen Mann, den bleichen, 
Der jest uns naht mit ſchwankem Tritt, 
Der mit der Harf’, der liederreichen, 
Frohlockend einst dies Thal durchſchritt; 


Jetzt hat der Tod um jie geworben, — 
Für die fein Herz allein gefühlt; 
Sie ſank dahin — und ad! geitorben 
Sit auch mit ihr — fein Glüd, — fein Lied! 


Sein trüber Blick hat mich getroffen, 
Bald iteh’ ich auf dem jungen Grab, 
Für alles Glück und alles Hoffen 
Ein troitesarmer Bettelftab ! 


Benegt von heißen Jammerzähren, 
Bei Trauernden der Trauer Bild, 
Muß Schatten ich dem Tod gewähren, 
Bis mic der Tod — in Schatten hüllt!“ 


=, 


— 18 — 


Ans Ungarn. 
{Bunte Bilder.) 
Von den KHufaren. 
Laß doc, laß doch bie Thränen ſein, 
Was ſoll das Weinen frommen? 
Laß ſagen dir, mein Schweſterlein, 
Er wird ſchon wieder kommen! 


Du weißt, der Wein iſt kühl und gut 
Dort in der Heideſchenke, — 
Wir ſaßen froh und wohlgemut, — 
Da nah'n Huſaren, — denke! 


Erſt einer, dann zwei, drei, fünf, acht 
Und bald ein ganzes Dutzend; 
Sie zechten, ſchwaßten laut und ſacht, 
Die Bärte keck ſich ſtutzend. 


Dann ſangen ſie in lautem Chor 
Ein Loblied der Huſaren. 
Wir dachten, mag uns Gott davor 
Behüten und bewahren. 


Dann kamen zwei an unfern Tiich 
Und thaten gar vertraulich, — 
Und prieien uns ihr Leben friſch 
Noc einmal ganz erbaulic. 


Wir aber blieben dumm und ſtumm 
Ob all der ichlauen Ränke, 
lind jcherten uns den Teufel drum 
Und lachten ob der Schwäne. 


Das wurmt die Brut, — und wie der Blitz 
Schlägt’s ums zu Boden nieder; — 
Doc lagen für den frechen Wit 
Gleich vier zur Erden wieder. 


Dann mit den Meſſern fchlugen wir 
Nie Teufel auf die Kerle, 
Und in der Schenfe dort und hier 
Fiel manche blut’ge Perle. 


Gin Dußend die, und wir mir zwei! 
Ob wir wie Männer fochten, 
(53 war wohl feine Hererei, 
Daß zwölf uns unterjochten! 


Es fällt wohl auch ein Bärenpaar, 
Gehetzt von vielen Hunden! 
Man führte uns gen QTemesvar, 
Gefnebelt und voll Wunden! 


— AB 


Der Janos ging zur Seiten mir, 
Sein rechter Arm war blutig; 
Wie Ungewitter brannte fchier 
Sein Auge zornesglutig ! 


Ein Reiher flog an uns vorbei, 
Leicht über Strom und Heide; — 
Ha! er iſt frei, — das Tier ift frei, — 
Und Knechte nur wir beide! 


Dart an der Donau führt der Weg, — 
=. wer da drüben wäre! 
Die Freiheit baut fit Weg und Steg 
Wohl über Ström’ und Meere. 


Das Herz mir an die Nippen jchlug 
So laut, jo freiheitsfuitig; — 
Noch jah ich fern des Neihers Flug, — 
rei oder todt, — eins mußt’ ich! 


Sin Augenblidt — und einer noch, — 
Ich ſchwamm im Donaubette! 
Mie rief ih: „Janos, Janos!“ dod 
Zermalmend meine Slette! 


Und eh’ ich's ſelber kaum gedacht, 
Stand id am andern Ufer, — 
Und hab’ verhöhnt und hab’ verlacht 
Den Fluch, das Droh’n der Rufer. 


Dem Janos aber zornentbrannt 
Sie zeigten ihre Säbel, — 
Und zogen weiter, bis verſchwand 
Die Rott’ im Abendrrebel. — 


Doch, Schweiterlein, jei unverzagt 
Um Janos, den Zyngaren; — 
Sieh! dort kommt er herangejagt 
Aufm Rößlein des Hufaren !* 


5 


Auf dem Berge. 


Allmächtiger, ich höre deinen Gang 
Tief unter mir in lautem Donnerhallen ; 
Auf Wolfen jchwebt lobpreifend Wettgefang, 
Auf Wolken, die gleih Opferdüften wallen, 
Und wie mit Orgeltons gewalt’gem Klang 
Der Seraphim geweihte Lieder ſchallen! 
Groß bift du, Gott! im laut=beredten Sturm, 
Und groß im ftummen, ftaubgebornen Wurm! 


— — 


Von heil'gen Schauern ahnungsvoll durchbebt, 
Fall' ich entblößten Hauptes betend, nieder; — 
Ich fühle, wie dein Odem mich umſchwebt, 
Der ew'ge Geiſt ſpricht zu dem Geiſte wieder; 
Wie Baum und Blume nach dem Urlicht ſtrebt, 
Erſchließend ihm der Blüte Augenlider! 
Dich ſieht, o Herr! mein Aug', dich hört mein Ohr, 
Geöffnet ſteht des Himmels Sonnenthor. 


Ich bin allein; — der dichte Nebelſtrom 
Verhüllt ringsum die Welt und ihre Wogen; 
Hier iſt, Allheiliger! dein ſchönſter Dom, 
Getragen von des Himmels eh'rnem Bogen! 
Hier iſt Jeruſalem, hier iſt mein Rom, 
Wohin, ein gläub'ger Pilger, ich gezogen! 
Hier leg' ich nieder mein erglühtes Herz, 
Hier heb' ich meine Arme himmelwärts. 


Hier kann ich beten, Herr! ich bin allein, 
Kann ſtimmen in die gottgeweihten Pſalmen, 
Womit der Engel lichtumſtrahlte Reih'n 
Dich feiern, in den Händen gold'ne Palmen! 
Hier kannſt du, Herr, auch mich zum Engel weih'n. 
Dar ſchaffſt ja Eichen aus den ſchwächſten Halmen! 
Eiu Tropfen wird in deiner Hand zum Meer, 
Ein Funfe wird ein leuchtend’ Sonnenheer! 


Hier atm' ich frei; mich drückt nicht Menichenipott! 
Mein Geiit tritt aus der Nacht in deine Helle! 
Ach bin allein, — bier kann ich beten, Gott! — — — 
So tritt bei ſchwüler Sommerglut zur Quelle 
Das durft’ge Reh aus dunkler Waldesgrott’ 
Und negt das heiße Blut mit kühler Welle; — 
So taucht fich duritend auch der Seele Blut 
Sn deiner Gnade nie verfiegte Flut. 


O, hör’ mein Wort: im Worte tönt der Geiit, 
Den du uns in dem Worte haft gegeben! 
Das Wort, das dich in ſel'ger Stunde preift, 
ill nur zurück zu feinem Bater ftreben! 
Sp jprüht der Stern, der um die Sonne kreiſt, 
Zu ihr zurücd fein lichte Strahlenleben; 
So führt der See in Sommernächten mild 
Dem Mond zurüd fein zitternd’ Strahlenbild. 


Und ſtänd' ich hier voll Schuld, voll irrer Nacht, 
ge fänd' ich Troft und heilende Belehrung, 

ie einst ob Deines Lichtes Wunder - Macht 
Sich Paulus neigte, gläubiger Befehrung! 


— 11 — 


Hier Ticht die Seele Tabors lichte Pracht, 

Und feiert ihre himmlische Verklärung; 

Sie kann dich, Herr, im Feuerlichte jeh’n, 

Wie Mojes einit auf Horebs Flammen -Höh’n! 

Des Donners laute Klänge find verhaltt, 
Verhallt, wie Glocken nach der Diterfeier; — 
Ein leuchtend’ Meer vor meinen Bliden wallt, 
Die Sonne riß von Thal den Nebelichleier; — 
Der Vögel tauſendſtimmig' Loblied ſchallt 
ge durd die Lüfte, frei und freier; — 
Sntzücden rauscht umher; — ich jeh’ die Welt, 
Wie jauchzend fie and Herz der Gottheit fällt! 

Sch ſeh' die Welt und ihre Pracht zumal, 
Nie jie am Schöpfungstag fih mochte ihmüden ; 
Der Himmel füht das duftgewürzte Thal, 

Wie eine Braut in Liebenden Entzüden! 

Das Leben fonnt ficd rings im Freudenſtrahl 
Und fühlt, o Herr! dein Segnen und Beglücken, 
Ob du in finſtren Donnerwolken ſchwebſt, 

Ob du die Welt mit Roſenlicht umwebſt. 

O, hier auf Erden ſchon iſt, Herr! dein Reich; 
Es führt den Menſchengeiſt auf hell're Bahnen, 
Daß er des Dajeins Gnade und zugleich 
Die ew’ge Herrlichkeit vermag zu ahnen! — 

O, laß mich einst, wenn auf mich todeäbleich 

Mein Engel ſenkt die weißen Friedensfahnen, 
In deiner Liebe ew’gen Himmel geh’n, 

Wie nun ins Sonnen= Thal von diefen Höh’n. 


5 


Soldatenleben, 


Man hat mir die langen Locken 
Dom Kopfe gezwidt und gezwadt, 
Man hat mich geichunden, geichoren, 
Pfui Teufel! wie abgeſchmackt! 

Segt ſoll ich den Tſchako tragen 
Statt des leichten Samtbaretta, 
Jetzt ſoll ich gar blutrot zeichnen 
Mit Säbel und Bajonett. 

Soll ftatt der lieben Mappe, 
Doll Skizzen mancherlei, 

Nun fchleppen die lederne Taſche, 
Geſpickt mit Pulver und Blei. 

Jetzt fol id) das Geh’n noch lernen, 
Suft, wie ein jähriges Kind, 

Bald langſam, wie eine Ente, 
Bald flüchtig, wie der Wind; 


— 192 — 


Bald ſteh'n auf einem Beine, 
Wie weiland unjre Gans, 
Bald mit dem andern jchwenfen * 
Grad’, wie im Gontre- Tanz! 

Jetzt ſoll ich gar noch lernen 
Subordination! — 

Das wird dir jauer werden, 
Du, gold’ner Freiheit Sohn! 

O toller Schickſalswechſel! 
Ein Maler ward Soldat, 

Der dieſes Liedchen brummend 
In den Bart gelungen hat. 


=; 


Reime und Träume im Dunkelarreft. 


Alfert. 
„Dort drüben,“ ſprach der Bittenfeld, „Liegt Alien überm Sund, 
Das bischen Waſſer ichadet nicht, das Baden ift gejund! 
Heut’ Abend, wenn e3 dunkel wird, heißt „Alſen“ die Parol', 
Da Hopfen wir dem Dänen aus fein ftaubig Kamiſol!“ 
Wie ſchwammen da die Preußen fchnell, als dunkelte die Nacht, 
Das haben fich die Dänen wohl im Schlafe nicht gedadıt. 
Und als fie keck gelandet find im Uferihilf und Rohr, 
Da ſummt und brummt’s den Dänen gar unheimlid; um das Ohr; 
Da gab e3 ein Erwachen voll des Schredens und der Not, 
Und gab's ein blutig Mühen noch auf Leben und auf Tod. 
Wie Haute da das Eiſen und wie ſauſte da das Dei, 
Mie bliefen da die Hörner laut mit gellendem Geichrei! 
Und oben auf der Diine hoc) der blutigrote Schein, 
Der flammt wohl überm Sund bis weit ins deutiche Land hinein. 
Der ſchwinget mächtig fih empor, ein ftolzer Feuergar, 
Und leuchtet hell zum Siegesfeſt der mut’gen Preußen Schar. 
Da ſchmunzelte der Bittenfeld und fchrieb dann per Kurier: 
„Erw. Majeität, wir liegen heut’ auf Alfen in Quartier.” 


=; 
Deutſcher Marſch.“) 


Stuttgart 1859. 


Auf, mein Deutichland, ſchirm' dein Haus; 
Stelle deine Wachen aus! 





+) Obiges von Küken fomboniertes Marjchlied ift mir vom Berfaffer hand» 
ichriftlich mitgeteilt. 


BEE... 


Keine Zeit ift zu verlieren, 

Schlägt der Erbfeind an das Schwert! 
Laß maridieren, 

Laß maricdteren, 

Daß die Grenze jet bewehrt. 


Oeſtreich, noh im Siegesglanz, 
Fürchteft feinen Waffentanz; 
Lak hellauf die Trommel rühren 
Bon der Donau bis zum Bo! 
Lab marſchieren, 
Lab marfchieren, 
Deine Völker folgen froh! 


Preußen, zieh’ dein jcharfes Schwert, 
Wie's der Blücher dich’ gelehrt. 
Kannit fürwahr den Reigen führen, 
„Vorwärts“ ſoll die Loſung fein! 
Laß marſchieren, 
Laß marſchieren, 
Von der Weichſel bis zum Rhein! 


Bayern, Schwaben, allzuhauf, 
Pflanzt die Bajonette auf! 
Mit den deutſchen Schladhtpionieren, 
Sachſen, Heflen! friih voran! 
Laßt marſchieren, 
Laßt marſchieren, 
Was die Wehre tragen kann. 


Deutſchland, ſo voll Mut und Mark, 

Biſt du einig, biſt du ſtark, 

Recht und Ehre wird dich führen! 

Muß es ſein, ſo ſchlage drein! 

Laß marſchieren, 

Laß marſchieren, 

Dann iſt Sieg und Friede dein! 

Anſtatt des letzten Verſes iſt erſt auf beſonderen Wunſch 1870 der folgende entſtanden: 

Volk von Elb' und Weſerſtrand, 
ommern und Weſtfalenland, 

Laßt ihn deutſche Hiebe ſpüren, 

Der den Frieden frech zerriß! 

Laßt marſchieren, 

Laßt marſchieren, 

Auf, im Sturmſchritt nach Paris!*) 


*) Selbfiverftändlihd muß dann, um ben Berbältniffen bon 1870 vollends 
gerecht zu werben, die zweite Strophe wegfallen. 


5 


Hartmann, Schatzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 13 


Gisbert von vincke 


(Karl Sriedrih Gisbert.) 
geboren am 6. September 1813 zu Bujch bei Hagen in der Srafichaft Marf, Sohn des 
befannten Oberprafidenten, erbielt jeine Symnaftialbildung jeit 1826 in Bielefeld und 
ftudierte von 1830-34 in Heidelberg und Berlin die Rechte. Don der juriitifchen Kauf: 
bahn trat er jedoch bald zur Dermwaltung über, leate 1842 jein Staatseramen ab und trat 
furz darauf als Mitglied in das Regierungsfollegium zu Potsdam ein. Im Jahre 
1846 wurde er als Regierungsrat nach Münjter verjett, jchied aber 1860 weaen eines 
Augenleidens aus dem Staatsdienjt und lebt augenblidlih abwechjelnd in freiburg im 
Breisgau und auf feinem Gute Üftenwalde bei Osnabrück. Außer verſchiedenen 
Beifebildern, Romanen, Überſetzungen aus dent Engliſchen (drei Shakeſpeareſche Schau— 
ſpiele) ſchrieb er: 
Dichtungen: Sagen und Bilder aus Weſtfalen. Hamm 1856. 2. Aufl. 
1857. 3. Aufl. Berlin 1884. — Gedichte. Berlin 1860. 2. Ausg. 
Dierfohn 1863. — Luſtſpiele. Münfter 1869. — Anno 70 in drei 
Liedern. Ebd. 1871. 


(Gedichte. 2. Ausg. Iſerlohn 1863.) 
(Grites Buch. Wanderichaft.) 


Lied. 


Im Garten bin ich gangen, 
Die Böglein ſchwätzten fo laut, 
Jetzt hab’ ich über der Heden 
Ein'n Reitersmann geichaut. 


Derfelbig’ hat geſeſſen 
Auf feinem Roß To fchlanf, 
Und er hat mir den Gruß geboten, 
Und ich hab’ geſprochen: „Schön Dan!“ 


Drauf iſt er weiter geritten — 
An die weite Welt hinein, 
Ach, wärſt du bei mir geblieben, 
Oder könnt’ ich mit dir ein. 
=; 


*) Wach Fr. Brümmers Dentihem Dichterlexikon (j. o.). 


— 1% — 


Fenyanber. 


Menn des Lenzes laue Lüfte 
Winters eiſ'gen Hauch geicheucht, 


Wenn die Schwalbe wieder fleucht, 


Lieder wogen rings und Düfte; 
Wandle dann in Waldesuact, 
Suce dir den MWaldesmeiiter 
Und verwandte Pflanzengeiiter, 
Diefe bring’ in deine Macht. 


Sperre raſch die Waldgeſellen 
In Eriftall’nen Sterfer ein, 
Tränke fie mit deutichem Wein, 


Der da fleußt in güld’nen Wellen ; 


Zucderflippen, ſchimmerndblank, 
Säume nicht hineinzumälzen, 


Laß durch Geiſtermacht fie Schmelzen: 


Fertig iſt der Zaubertranf. 


Maienblüte, Weinesblume, 
Weineskraft und Waldesduft 
Gatten ſich in tiefer Gruft 
zu des weiſen Forſchers Ruhme. 
Trinke, trink' den Zauberwein — 
Und du hörſt der Elfen Lieder, 
Und ſie ſteigen zu dir nieder, 
Und du ſchlummerſt ſelig ein! — 


=; 


Vom kleinen Simfon. 


Der Simſon war auch einmal ein Sind, 
Meit anders, als jonit die Kinder find: 
War ſchon ſchlecht mit ihm Kirſcheneſſen, 
Hat ſich nicht in der Schul' verſeſſen, 


Haßte jedes gedruckte Buch, 

Weit lieber blutige Köpfe ſchlug. 
Und alltäglich hatt’ er vielmehr 
Schwänke mit einem wilden Bär; 
Mochte darum ihn feiner nahen, 


Sorgten, e8 wird’ das Tier fie fahen. 


Simion jein eigen Herre blieb 
Und jein ungejchlaht Weſen trieb. 


13 * 





— 1% — 


Siehe, da ward im Judenland 

Sin jonders neues Tränklein befannt, 
Heß das Bier — warum, weiß ich nit, 
Aber gar fein hinunterglitt. i 
Prieſen's darob auch alle Leut', 

Waren männiglich hocherfreut. 

Dachte die Mutter Simſons nun: 
Möcht' e8 vielleicht das Tränklein thun, 
Daß der Geielle folgte mir, 

Wenn er jchmedete von dem Bier ? 
Goß drum voll einen Eimer rund 

Und mit diefem zum Fenſter ſtund. 
Draußen der wüſte Buriche jap, 

Spielt’ mit dem Bären auf dem Gras. 
Nief die Mutter: „Du Söhnelein, 

Hab’ einen Trunf für dich gar fein!“ 
Und dermweilen zog Schon der Duft 

Non dem Bier hinaus in die Luft. 
Riecht's der Knab' und fpringt zu der Thür, 
Nuft: „Ci, Mutter mein, tritt herfür!* 
Sprit fie: „Nein, mich fürchtet der Bär.” 
Lacht er: „Der foll nicht ſchaden mehr.“ 
Band Simjon zuerit den Bären an, 

Als er des Bieres Stunde gewann: 
Sind demnad ſpäter in guten Stunden 
Beim Bier viel Bären noch angebunden. 
Simſon ward aber ein itarfer Held 

Und hat alsbald die Philijter geprellt! 


=; 


Wanderkunde. 


Ich zog wohl in die Weite, der Lande jah ich viel, 
Und in den Landen Leute, dab mir es baß gefiel. 
Da fam ich zu dem Strome, der heißt der Iuft'ge Rhein, 
Und fchauen graue Burgen und grüne Neben drein. 


Und alſo zog ich weiter: da wird das Land gar flach, 
Den Wipfeln fern entraget ein ftrobgefeitigt Dach; 
Die braune Heide ftredt fich jo einfam und jo tot, 
Und wo id) Einen frage, der fpricht nicht mehr, als not. 


Wohl dünkt’ es mid) gar fremde, doch Gines lernt’ ich dort: 
Der Spruch, auf den fie halten, der heißt: „Ein Mann, ein Mort!“ 
Ein and’res merkt’ ich ftille, daß mir's nicht Schaden brädt: 

Sie zeigen derbe Fäuſte für alte Sitt’ und Nedht. 


5 


— — 


vonette. 
VI. 
Am Himmel ſteigt herauf die ſchöne Nacht, 
Vom Himmel ſteigt ſie zu der Erde nieder — 
Dann ſenk' ich nicht zum Schlaf Die Augenlider: 
Ich weiß, daß noch ein andres Auge wacht. 


Sch weiß, daß noch ein Herz an mich gedacht, 
Ind an dies Herz gedenft das weine wieder, 
Und nun erwacend fingen meine Xieder 

Den Himmel, der aus jenem Auge lacht. 


Und Liebeswort und Traumesglüd, die beiden, 
Sie reihen als Geſchwiſter fih die Hand, 
Sind von einander bald nicht mehr zu icheiden. 


Und wenn nun Naht und Traum dem Tage ſchwand, 
So joll das Lied nicht einſam trauernd leiden, 
Weil zu dem Wort ein andres Wort fich fand. 


IX. 


Laß mid) das Haupt an deinen Buſen neigen 
Und hören, wie das Herz dariınen jchlögt, 
Dann ruhet, was mir jonit die Bruſt bewegt, 

Und meine kühniten Wünsche müffen jchweigen. 


Dein Herz iſt mein, du gabft es mir zu eigen 
Mit allem, was es tiefverborgen beat: 
Nun laufch’ ich Selig, wie es fir mich ichlägt, 
Die Stunden meines Glückes mir zu zeigen. 
DO, ſtets zu dir das Auge muß ich lenken, 
Ich möchte deines Bildes Schatten fein: 
Schon wie dein Schatten folgt dir all mein Denen! 
Und Leben wollt’ ich dir und Seele weihn 


Doch ah! ich habe nichts mehr zu verichenfen, 
Denn was ich hab’ und bin ift lange dein! 


=“, . 


Herbſtblätter. 
VIII. 


Beim Lampenſchimmer ſaß ich ſtill daheim 
Und kramte ſuchend in vergilbten Blättern, 
Mein Auge fiel auf manch' verklung'nen Reim, 
Gedanken rankten ſich um tote Lettern. 


— 18 — 


Und bei verblich’'nen Schleifen, welfem Strauß 
Lag hier ein Ring aus eng verſchlung'nen Locken — 
Mir war’s, als rief aus tiefer Flut heraus 
Das FFeierläuten von Vinetas Glocken. 


Und bei dem Stlange teilet ſich die Flut, 
Es fliegt der Blick hinab und hängt bezwungen 
An dem, was auf dem Grund jo herrlich ruht, 
Als wär's der reiche Hort der Nibelungen. 


Zwei treue Wächter find beitellet dort, 
Die hüten Liebesglanz und Zauberihimmer, 
Sich manderler erzählend ohne Wort — 
Zwei Herzen wahren deſſen, achtlos nimmer. 


Und Elfen fteigen nieder lei’ und ſacht, 
Sie Ichwingen fich durch unermeſſ'ne Räume 
Und freu’'n ſich an der Edelfteine Pracht — 
Die Elfen aber find die wachen Träume. 

Die Fei Morgana itrahlend fährt daher, 
Non ihren Rädern ſprühen glüh’'nde Funfen — 
(3 ringt jih aus der Bruit ein Seufzer Ichwer, 
Und all der lite Zauber iſt verjunken ! 


m. 
we, 


(Sagen und Bilder aus Weftfalen. Hamm 1856.) 


Der Sadlen Urſprung. 


Im Urwald ragt der Fels, fein moojig Haupt 
Bon alter Fiche mächtig überlaubt; 

Tief drangen ihre fnorr’gen Wurzeln ein 
Mit zäher Kraft ins harte Felsgeſtein; 

Die höchſte Kuppe frönt des Adlers Horit, 
Und Bär und Ur durchziehn den dichten Forit. 


Der wilde Sturm fährt ob des Berges Kamm, 
Das Land zerftäubt, nicht bebt der Eiche Stamm. 
Des Himmels Feuer fplittert das Geäft: 
Die Krone ſinkt, der Eiche Schaft ſteht feit. 

Im Oſten wird es hell, ein Sonnenitrahl 
Flammt zündend auf, trifft Eich’ und Fels zumal. 
Und aus der Tiefe grollt's, wie dumpf Gewirr 

Von Stimmen, wie von Waffen dumpf Geflirr. 


Da kracht der Fels und flafft zum weiten Riß: 
Der Tag vericheucht die träge Finiternis. 


= 400 2 


Und aus den zad’gen Thor zum Lichte dar 
Tritt hochgewachlen eine Mannesichar, 


An einer Hand den Bogen ſamt dem Pfeil, 
Die andre Ichwingt ein wuchtig fteinern Beil. 


Ahr Auge fieht, vom Bann der Nacht befreit, 
Zum eritenmal die Welt — io frei, jo weit. 


Stolz fliegt der Blid umher, voll Drang zur That, 
Ins friſche Leben fucht der Fuß den Pfad. — 


Bon wilden Roſſen ſtürmt heran ein Hauf: 
Die Männerichar hat ihn ereilt im Lauf. 


Hinauf! Die Mähne fliegt, die Nüſter ſchnaubt, 
Das Auge blitt, hoch trägt der Mann das Haupt. 


Und in die Nacht des Waldes iprengt der Troß, 
Der erite Sachs, — das erite Sachlenroß. 


5 
Der Ueberfall. 


(11. April 1516.) 


Durch Dahlheims Forit der Wind zieht Falt, 
Die Abendnebel fteigen, 

Koch blätterlos der Eichenwald 
An Dämm'rung ruhet und Schweigen. 

Und zwiichen den Stämmen, da blinkt es fait 
Nie Harniſch und Pickelhauben — 

Horch auf! War das ein knarrender Aſt, 
War's eines Roſſes Schnauben? 


Am hundertjährigen Eichbaum ſteht 
Verborgen ein harrender Reiter. 

Sein Aug’ in die dämmernde Ferne ſpäht, 
Sein ſcharfes Ohr ſpäht weiter. 

Nicht achtet er not ein Eiſenkleid, 
Vom Helm nur wallet Die Feder, 

Sein jchneidiges Schwert tit lang und breit, 
Da genügt das Koller von Leder. 


Die Linke des Hengſtes Mähnen zauft, 
Schlaf hängt die Rechte hernieder: 

Von Eiſen ift die gewaltige Fauſt, 
Bon Gifen Finger und Glieder; 

Und dennod führt fie — Streich, 
Daß Schienen und Nieten ſpringen. 

So iſt nur einer im deutſchen Reich, 
Der Götz von Berlichingen! 


Und der Neiter laufcht, und es lauſcht der Rapp’, 
Jetzt ſpißt er die Ohren beide — 

Und vernehnibar kaum klingt's hohl fernab, 
ie Hufichlag über die Heide. 

Kin Mint den Genoſſen, fie ſpringen aufs Pferd, 
Straff hält die Hand den Zügel, 

In der Scheide lüftet ein jeder das Schwert, 
Felt ſtemmt Fich der Fuß im Bügel. 


Und über das Eintfeld ſchallt es daher, 
Gelächter im fröhlichen Haufen; 

Nachläſſig Elirrt an dem Sporn die Wehr, 
Die trabenden Roffe ichnaufen. 

Das iſt Graf Philipp vom Waldecker Land, 
Des Jülicher Herrn Statthalter, 

Von den nad) Ravensberg jest geſandt 
Als des Herzogs Yandesvermalter. 


Sie nahen dem Wald im Dämmerſchein, 
Da tummelt fich’3 unter den Eichen, 
Es bricht wie ein Hagelwetter herein 
Mit gewichtigen Stoͤßen und Streichen: —- 
Stürzt Noß ımd Reiter zum Knäuel geballt, 
Nach dem Schwert weiß feiner zu langen, 
Und Gögens mächtiger Auf erichallt: 
„Glück zu, Graf Walde, — gefangen! 


Die Herren von Padberg habt ihr bedroht, 
Sp treulich zu mir geitanden, 

Da ic Fehde dem Mainzer Erzitift bot, — 
Solch' Wort ſollt' werden zu Schanden! 

Eu'r Kleid thut ab und die Gnadenkett' — 
Flint, Herr! — Wir wollen’ euch danken! 
Verzeiht, heut’ kann ich euch bieten fein Bett -— 

Wir reiten noch heut’ gen Franken!“ — 


Bald iit es getban. Schon brechen fie auf, 
Die Schar zieht ichweigend weiter, 

Voll Zorn Graf Philipp mitten im Hauf, 
Gekleidet als ſchlichter Neiter. 

Die Nacht iſt Schwarz und es blinkt fein Stern, 
Wut neßet des Grafen Wangen: — 

Sie führen des Landes eigenen Herru 
Durchs eigene Land — gefangen! 


=; 





Iohann von Leyden. 
(12. Juni 1535.) 
Und vor Müniter lag der Biſchof, längit verrann des Jahres Friſt: 
Steile Wälle, ſtarke Mauern wehrten aller Kunst und Yiit. 
Schrecklich iſt ſein Bund'sgenoſſe: Hunger fchleichet durch die Stadt, 
Und das Wolf der Widertäufer wandelt bleich, hohläugig, matt. 


Nur in deſſen Prunkgemächern, der ſich Zions König heißt, 
Herrſchet ſchwelgeriſche Fülle, — Wand und Herzen, alles gleißt. 
An des Speiſeſaales Dede prangt in gold’ner Lettern Bracht 
Demutſtolz des Königs Wahliprud: „Meine Kraft iſt Gottes Macht!“ 


Diener tragen gold'ne Schliffeln, ihre Kleidung grau und grün, 
Dentend: Tod des alten Menschen und des neuen Auferblühn; 
Und ein weiß’ Barett giebt Kunde, daß das Volk der Unschuld Hold, 
Daß die Nächitenlieb’ unendlich, zeigt der Fingerreif von Gold. 


An der Tafel jchwelgt der König, deifen Haupt die Kron' umzirkt, 
Angethan mit Scharlachſammet, reich von Spigen, golddurchwirft. 
Dinter ihm zwei Knaben halten — der des alten Bundes Bud), 
Der das Schwert: dak Leib und Geifter feine Macht in Feſſeln ſchlug. 


Ihm zur Seite üpp’ge rauen aus der Königinnen Schar, 
Frech der Blick, die Nede lüſtern, güld’'ne Krönlein in dem Haar. 
Krechting, feig und bleich zu ſchauen, flüftert ihm verſchmitzten Rat, 
Knipperdollings düftres Antlit kündet Mord und wilde That. 


Und der Orgel mächt’ge Klänge Fluten durd den fünd’gen Raum, 
Der Bofaune mahnend Nufen ſtöret nicht den wüſten Traum. 
Alle Triebe find entfeffelt, Luft in wilden Flammen lobt, 
Heberitrömen die Pokale, — draußen heult das Volf um Brot. 


Langſam öffnet ſich die Pforte, tritt ein Schönes Meib herein, 
Und der Lärm des Mahls verftummet, jchal im Becher wird der Wein; 
Ihr vom Haupt zum Auße niederfliehet jchlicht ein weiß’ Gewand. 
Ninge bringt fie, Demantipangen, Berlenichnüre, gold’nen Tand. 


Feten Schrittes geht fie fürder zu Johanns von Leyden Sik, 
Kniet und redet, fonder Zagen vor des Auges drau'ndem Blitz: 
„Wenig Monden find’, da haft du mich zur Königin erwählt, 
Dir zu Füßen leg’ ich nieder, Herr, die Bürde, die mich quält; 


Dir zu Füßen das Gejchmeide, weldhes deine Hand mir bot, 
Schwerer drüdt’3, als eh'rne Ketten, wenn die Armen fleh’'n um Brot. 
Sins noch mögit du mir gewähren, der du mir fo viel verlichn: 
Arm, wie du mich haft gefunden, laß mich, Herr, von dannen ziehn!“ 


Schweigend ftarrt die Tafelrunde, zornig ruft Sohann: „Genug! 
Endlich kommt dein Herz zu Tage, voll von Argliit und Betrug. 
Wehe, wenn im eig’'nen Haufe wanft der Treue ftarfer Wall! 

Mir verlieh der Herr die Nache! Ruft das Volk mit Glockenſchall!“ 


202 


Dumpfe Glodenichläge rufen ſchreckverzagtes Volk herbei, 
Bleiche Neugier in den Zügen, was der Stlänge Deutung jei. 
Mit dem Hofitaat zieht der König, wie zu luſt'gem eitvertreib, 
In Trabantenmitte wandelt ohne Furcht das ſchöne Weib. 


Anf dem Markte niet fie nieder, Ichweigend ftarrt des Volkes Kreis, — 
Und der König ſpricht: „Bethörte, hört durch mich bes Herrn Geheiß! 
Nicht mit Klagen und Verzagen dient ihm, wenn er zürnend droht, 
Buße thut für eure Sünden, ch’ die Nacht kommt, das iſt not! 


Wer verſtockt und unbußfertig nährt den Hochmut in der Bruſt, 
Den ereilt dad Schwert der Rache: jo dies Weib voll böſer Lust!“ 
Und die Klinge ichwirrt, zur Erde rollt das Haupt! Gin frevler Zpott, 
Schallt Gefang der Königinnen: „Ehr’ und Ruhm und Preis jei Gott!“ 


= 


Die weiße Tilie von Corvey. 


Vorbei iſt Mitternacht. Des Mondes Licht 
eilt zögernd auf den Zinnen von Corven. 
Doc nicht dem Tag achorct die heil'ge Pflicht: 
Schon regt ſich's in den Zellen der Abtei. 


Zur Matutin der Glode Ruf erichallt, 
Den Herrn der Welt zu preiien mit Geſang; 
Schlaftrunk'ner Mönche jchwerer Tritt verhallt 
Sintönig im gewölbten Ktloftergang. 


Am Kirchenraum herrſcht dämmernd öde Nacht, 
Die ew'ge Lampe fladert ungewiß, 
Den Monditrahl dämpft der Scheiben farb'ge Pracht, 
Und in den MWinfeln niſtet Finsternis. 


Ein feiter Schritt durchmißt den Gang mit Halt, 
Der erite tritt Mareward von Spiegel ein, 
Dem kaum ein wilder Jugendtraum verblaßt; 
Da fucht er überfatt Die Ruh' allein. 


Zum hohen Chor eilt Marcward — ſteht gebannt, 
Als ſchaut er in den tiefiten Höllenpfuhl, 
Nach feinem Betituhl ftarrt er underwandt — 
Die weiße Lilie liegt auf feinem Stuhl! 


Die weiße Lilie hing jeit manchen Jahr 
Am hohen Chor an einem eh’rnen Kranz, 
Und feiner jagt, wo fie erblühet war, 
Dod ewig unverwelklich iſt ihr Glanz. 


Naht eines Mönches legte Stund’ heran, 
So thut es ihm die weiße Lilie fund; 
Auf feinem Betftuhl findet er fie dann 
Im Gotteshaus zu früher Morgenſtund'. 


— 108 — 


Wohl hat fih Marcward aus der Welt verbannt, 
Dod) zahlt’ er nicht dem Leben Abſchiedsſold — 
Die weiße Lilie fchleudert feine Hand 
Aufs Pult des greifen Bruders Weribold. 


Den Alten padt’3, daß er darniederlag, 
Um fpät von jchwerer Krankheit zu erftehn. 
Darcward von Spiegel ftarb am dritten Tag. 
Die weiße Lilie ward nicht mehr gejehn. 


5 


Alke.“ 
I. 
Pie Schenke. 


In Sonntagsftille liegt die Heide da, 
Viel’ Stimmen ſchallen aus der Heideichente, 
Kirchgänger figen hier von fern und nah, 
Und immer dichter füllen fich die Bänke. 

Das hat dem Schenkwirt Alte wohl bebagt: 
Der Glockenklang verballt im Lärm der Kannen. 
Zum Aufbrucd drängt der Kasper**). Alte fragt: 
„Barum? Die Kirche rennt euch wohl von dannen ? 


„Es ift noch Zeit. Ihr wißt, ich geb’ es gern. 
Habt ihr der Sünden gar fo viel zu beichten?“ — 
Und ſtets zu Ende war der Dienst des Herrn, 
Wenn fie dann ſpät das Gotteshaus erreichten. 


Sp trieb er’3 Jahr für Jahr mit frevlem Sinn, 
Und leerer ward die Kirch’, die Schenke voller. 
Der Orgelklang zog durch die Dede hin, 

Im Kruge ging die Wirtichaft toll und toller. — 


Und aber liegt die Heide jabbatitill, 
Und aus der Schenfe jchallt ein wild’ Frohloden ; 
Doch in den Lärmen, der nicht enden will, 
Tönt plöglich feierlicher Klang der Gloden. 


Zwei neue Gäste Ipringen auf zur Stund', 
Der Alfe ruft: „Bleibt nur! Hab's auch vernonmten. 
So ſoll mein Haus verjinfen in den Grund, 
Wenn ihr nicht Zeit genug habt, hinzukommen !* 


Da kracht ein Wetterichlag! Tief klafft der Grund. 
Es wanft und weicht das Haus aus Fug' und Bändern, 
In Schutt und Graus verichlingt der ſchwarze Schlund 
Die Heideichenfe jamt den Sabbatihändern, 


*) Sagenſchatz Weſtfalens, (ſ. o.) S. 319. 
**) Der Taufname Gottfried, wie im Original, iſt im bortiger Gegend 
gänzlich ungebräudlich; ich habe anjtatt deſſen Kasper gejest. 


— — 


Zwei Bauern führt ihr Weg vorbei dem Ort, 
Die ſuchten ſtaunend, was ſie nicht mehr fanden. 
Ein tiefer, trüber Waſſerpfuhl war dort, 

Wo geſtern noch der Alken-Krug geſtanden. — 


Es weiß das Volk, wer nachts zur zwölften Stund’ 
Hier nad dem Alfe rurt, hat ihn beichworen. 
Der ſchießt als feurig Rad empor vom Grund, 
Und ob der Nufer flieht, er iſt verloren! 


II. 
Die Wette. 


Des Jahres Füllhorn ſtrömt vom Ernteſegen, 
Die gold'ne Saat ſtand niemals voller, dichter. 
Der Bauer iſt um Raum allein verlegen, 

Und allwärts glänzen lachende Geſichter. 


Am Abend figen fie bei voller Kanne 
Und jprechen von des Tags ergieb’gen Laſten 
Und rühmen ihre fräftigen Geſpanne 
Und ſehn die harten Thaler ſchon im Kaſten. 


Dort prahlt ein Dreiblatt am befondern Tiiche, 
Bei jedem Kernipruch pochen feine Fäuſte. 
Kaum lautbar wird der andern leis Geziſche, 
Denn jene wiſſen itets das Allerneufte. 


Ste find ded Dorfs Gebieter und Tyrannen, 
Die gutes Wetter oder böjes machen 
Und Sorge fchaffen oder Sorge bannen, 
Drum will das Volk ihr Antlig überwachen. — 


Grad ruft der Grumfeld:*) „Ih muß das veritchen, 
‘a, Nachbar, euer Fuchs**) hat brave Knochen — 
He, Wirt! — Doch meinen Schimmel jollt ihr ſehen — 
Füll' nod einmal! — Da ilt er ausgeſtochen!“ 


„„Hoho! Ein Pferd wird’S fein wie and’re Pferde!““ — 
„Blig! nein. Ich Sag’, ein Laufen iſt ihm eigen, 
Hui! wie der Sturmmind fegt er ob der Erde!“ 
„„Der Schimmel wird uns auch nicht? Neues zeigen.” — 


*) Grumfeld ift ber richtige Name, nicht Grunfeld, wie im Original. 
**) Scheden bat der dortige Bauer nicht. Ich habe daher Fuchs ſtatt 
Scheden, wie im Original, gefegt. 


— 20 — 


„Verdammt! Er foll ench jetzt was Neues zeigen, 
Den Alfe reit’ ich an mit diefem Gaule 
Und ruf’ ihn furchtlos! Bringt euch das zum Schweigen? 
Was gilt’5? Was ſetzt ihr mit dem loſen Maule?* 


„„Ho, Grumfeld, recht! das war ein Wort geſprochen! 
Für neun Pfund Silber will ich das erleben, 
Ihr jeßt Schon eure Seel’ und eure Knochen!““ — 
„Die neun Pfund Silber halt’ ich noch daneben!” 


II. 
Der Ritt. 


Aus wüſten Träumen fährt der Grumfeld auf, 
Mit Spufgeitalten füllten fie das Hirn. 
Der Abend wird ihm Har und fein Werlauf, 
Die Wette dann — er Schlägt fi) vor die Stirn. 


Wohl dünkt ihn jegt die Sad)’ ein böſes Spiel, 
Er ſpricht: „Verhieß ich's nicht, jo war's geicheidt! 
Doch was ein Manı gejagt, er bringt’s zum Ziel!“ 
Und geht ans Werk, macht alles Fuchs bereit. 


Und pugt den Schimmel, reitet hin gerad 
zen Alfenpfuhl im hellen Sonnenschein. 

er Schimmel fpigt das Ohr: neu it der Pfad! 
Und leicht-auftretend fieht er flug darein. 


Er führt das Roß bis an des Waflers Nand 
Und unterweilt es bald in jedem Stück. 
Die Stunde drängt. Das Roß, als hätt's Verstand, 
Trägt ihn im jühen Lauf nad Haus zurücd. 


Gr zeigt ihm, wie der Dehle Doppelthor 
Weit aufitch’, fte zu bergen vor dem Feind; 
Dann jet er ihm das beite Futter vor, 
Und reitet fürbaß, als der Mond erjcheint. 


Der Grumfeld ſchickt zum Herrn ein ftill’ Gebet, 
Befichlt io Leib als Seel’ in deifen Hut. 
Weil's dod ein Muß ift, daß er dies beiteht, 
Möcht' er’ mit Ehr' und hat getroften Mut. 


Sie find zur Stelle. Keine Wolke zieht, 
Die Nacht iſt Still, niht Fuchs noch Eule ſchreit. 
Der Schimmel ftehet ruhig, reqt Fein Glied, 
Sie find allein auf weiter, öder Heid”. 


Das Ohr hat ſcharf des fernen Kirchturm adıt, 
Doch bleiern wandelt der Minuten Schritt. 
Set hebt der Hammer aus zur Mitternacht, 
Und Grumfeld ruft: „He, Alte, willit du mit?“ 


— 20 — 


Die Flut erglüht und fiedet bis zum Rand, 
Vom Grund der Alfe fteigt empor im Horn. 
Indes der Grumfeld hat das Roß gewandt, 
Verhängt den Zügel, giebt er ihm den Sporn. 


Der Nenner ftredt die Sehnen aus zum Flug, 
Das Straut der Heide itreift er mit den Bauch, 
Und ſauſend pfeift um fie des Windes Zug, 
Vorüber fliegen taumelnd Baum und Straud. 


Der Alte hinterdrein, ein feurig Nad*), 
Das ſchwirrend in des Roſſes Hufen ſchießt: 
Rüdwärts die Heide dampft auf feinem Pfad, 
Wo vorwärts kniſternd Funk’ auf Funken iprießt. 


In Strömen rinnt der Schweiß von Roß und Mann, 
Schon drängt der Alte hart an Mann und Noß: — 
Das Haus winkt! Heilig ift fein Fried’ und Bann! 
Un Gott! wer warf das unt're Thor ins Schloß! 


Der Reiter bebt. Das Roß rafft fich empor 
Und jest gewalt’gen Sprungs zum Haus hinein. 
Der Alfe jaufet in den Pfoſt am Thor, 
Er knirſcht: „Dein Glück! fonft warst du Teufel mein!“ 


Auf jeinen Knien der Grumfeld dankt dem Herrn: 
„Du haft mein Wort gelöft in höchiter Not, 
Und fürder bleibe folch’ ein Wort mir fern!" 
Dem Schimmel will er danken — der liegt tot! 


i *) Das Giersfeld bei Ankum, worauf der Alkenpfuhl liegt, iſt wegen 
feiner acht mächtigen Hünenbetten und vielen Sagen berühmt. Der Name Alte, io 
en die Erwähnung des feurigen Rabe laſſen auf einen früheren Wodanfırltus 

ließen, 


5 


Adolf Müller,” 


geboren am 16. uli 1818 zu Sagen in Weitfalen, bejuchte das Gymnafium, fpäter die 
Univerſität zu Wetlar, um Theologie zu fiudieren. Als tüchtiger Schwimmer rettete 
er hier mit größter eigener Gefahr ein Kind aus den Sluten der Lahn, büfite aber 
dabei jeine Gefundheit ein. Erft eine Badefur auf Helgoland jtellte diefe wieder her. 
Aus jener Zeit ſtammen jeine erjten Gedichte in hoch: und plattdeuticher Mundart, 
Nadıdem er als cand. theol. eine Stelle als Hauslehrer in Mitau zwei Jahre ver: 
mwaltet hatte, trieb ihn die Kiebe zur Heimat nach Hagen zurüd, wo er als £ehrer an 
der Töchterjchule angeitellt wurde, Seine ſchwankende Geſundheit lie ihn dieſe Stellung 
wieder aufgeben und die ihm angebotene Kindererziehung bei einem Jugendfreunde 
übernehmen, welche er zehn Jahre lang bis an fein Ende mit großer Pflichttreue 
und Bingebung leitete. Er ftarb im Januar 1872 am Berszichlage. 
Dichtungen: Plattdeutihe Gedichte 2. mit einem Anhang hoch— 
deütſcher Gedichte vermehrte Aufl. Hagen 1876. 


(„Blattdeutiche Gebichte.* 2, mit einem Anhang bochdeuticher Gedichte vermehrte Aufl. 
Sagen 1876.) 


(Helgoländer Gedichte.) 


Scifferleben. 
1: 


Bart und fein und hochgewwachien 
Sind auf Helgoland die Frau'n, 
Und die Männer ftarfgegliedert, 
Sturmerprobt und wetterbraun. 


Wenn der Schiffer fühn vom Lande 
In die wilden Wogen führt, 
Zagt daheim die Frau am Strande, 
Betend, daß er wiederfehrt. 

An den fteilen Stufenwänden 
Macht fie müde öfter Nait; 
Leichter trägt fih ja auf Händen 
Als im Herzen eine Laſt! 


*), Nach veriwandtihaftlihen Mitteilungen. 


208 — 


Von der Klippe Schaut fie droben 
Angitvoll nad) dem Boote aus; 
Schlaflos hört den Sturm fie toben 
Nächtlih um ihr einiam Haus. 


Und mit bangen Mutterforgen 
Wiegt fie ihren Kleinen ein: 
„Schlaf, mein Kind, vielleicht Schon morgen 
MWirit du eine Waiſe fein!“ 


II. 


Auf den hohen Felſenzinken 
Steht des Schiffers trautes Haus; 
Aus der Ferne ſieht er winken 
Frau und Kinder froh heraus. ” 


Und er eilt in ihre Mitte, 
Hochwillkommen tritt er ein 
Aus der dumpfigen Kajüte 
Sn die Stube fhmud und rein. 


Sorglos vor dem Herde droben 
An der bunten Eitrihwand, 
Hört er draußen Stürme toben 

nd die Brandung tief am Strand. 


Freut fich bei des Windes Stöhnen, 
Daß fein Schiff vor Anker rubt, 
Und erzählt von grauen Scenen 
Draußen auf der wilden Flut. 


Und er fpridt von Kampf und Mühen 
Und von wackerm Seemannstod ; 
Seiner Knaben Wangen glühen, 
Lautlos horchend, feurig rot. 


„Vater“, lallt der fee Junge, 
Der ihm auf den Sinieen ritt, 
Mit noch ungelenfer Zunge: 
„Ich will auch zu Schiffe mit!“ 


Mit den fleinen Händen beiden 
Zerrt er ihm den rauben Bart, 
Und der Water fpricht vor Freuden: 
„Das iſt echte Seemannsart!“ 


Doc der Mutter von den Wangen 
Zeile eine Thräne rinnt. 
War es Freude oder Bangen 
Um das heiß geliebte Kind? 


— 209 — 


III. 


Hoch oben bei dem Thore, 
Das von der Hlippe führt, 
Wo man des Mindes Atem 
Am allerraubften jpürt, — 
Da hab’ ih an der Brüftung 
Mit Staumen oft gejeh'n 
Den Lootien mit dem Kinde 
Auf jeinem starken Arme ſteh'n. 


Er war bon riefenhafter, 
Sewaltiger Geitalt ; 
Aus breiter Bruft jein Notruf 
Hat Stürme überjchallt, 
Und hielt er feinen Knaben 
Hoch an der Brüftung Rand, 
Derihwand er rings umichloffen 
Beinah’ in feiner Niefenhand. 


Das Kind war feines Vaters 
Leibhaftig Ebenbild, 
Sein blaues Auge blidte 
Gleich fühn und eben mild; 
Dod war des Vaters Farbe 
Vom allertiefiten Braun, 
Und feines Kindes Wange 


Wie Milh und Blut iht anzuichau'n. 


Und rührend war zu fehen 
Der raube, itarfe Mann, 
Nie er jein blondes Knäblein 
So jorglid faßte an, 
Als könnt es ihm zerbrechen 
An feiner rauhen Fauft, 
Als wollt’ es ihm entführen 
Der Wnid, der um die Klippen fanit. 


Gr bielt den holden Knaben 
In feinem ftarfen Arm, 
Und deckte vor dem Winde 
Mit feiner Brust ihn warm, 
Gr ftand und ließ ihn ſchauen 
Weit übers wilde Meer. — 
Da zogen rings die Schiffe 
Mit vollen Segeln fliegend ber. 


Unbändig find die Kleinen; 
Doch dieſer jchaute ftill, 
Bedurfte nicht der Wiege 
Und nicht der Klapper Spiel. 
Hartmann, Schasfäftlein weitfäliicher Dichtkunft. 


14 


— 210 — 


Das Meer war feine Wiege, 

Der Sturm fein Wiegenlied, 

Sein Spielzeug war das Segel, 

Das jchwellend vor dem Winde flieht. 


Mit feiner Brut, kaum flügge, 
Umfreiit der Aar den Horit, 
Früh führt der Leu die Jungen 
Auf Beute in den Forit; 
Und was ein guter Seemann 
Zu feiner Zeit Toll fein, 
Das muß ihon in der u 
Sich an dem Sturm und Meere freun. 
IV. 
Träaumend fitt der greiſe Schiffer 
An dem Herd, 
Von dem Meere alterämüde 
Heimgefehrt. 
„Du halt mich geboren,“ ſprach er, 
„Heil’ger Strand; 
Sterben will ih auf der Inſel 
Helgoland !* 


Ruhend wie der Mar hoch oben 
Auf der Hlippe, 

Regt fich träumend unabläffig 
Seine Lippe; 

Aus der Tiefe ichallt die Brandung 
An fein Ohr, 

Mit des Sturmes Flügelichlägen 
Dumpf im Chor. 


Geiſter der vergang'nen Tage 
Sind erwacht, 

Und er fpricht mit den Genofien 
Manche Nacıt, 

Wo er mit dem Schaum der Wogen 
Hart gelämpft 

Und der Stürme wildes Toben 
Stark gedämpft. 


Rings am weiten Horizonte 
Sri fein Blid; 

Schiffe fehren reich beladen 
Dort zurüd; 

Von den Maiten winkt ihm Grüße 
Fremder Strand, 

Tauchen fieht er aus den Wogen 
Fernes Land! 


= 8 


Rings dor feinem Geiſte Schwimmen 
Freinde Zonen; 

Ragen ſieht er in der Wüſte 
Balmenfronen, 

Auf dem Meer im hohen Norden 
Berge Eis 

Und des Nordlichts flammenroten 
Strahlenfreis. 


Unter hoher Balmen Schatten 
Sanft er ruht, 

Und des Südens heiße Sonne 
Wärmt jein Blut; 

Der Harpune eijen schweren, 
Starfen Schaft 

MWirft er auf des Eismeers Walfiſch, 
Jung an Kraft! 


Von der Jugend Tagen träumend, 
Rinnt die Zeit; 

Bon der Greife Traum zum Schlafe 
Iſt's nicht weit, 

Tag auf Tag in weichen Träumen 
Still veritreiht, — 

Bi! der Tod die müden Glieder 
Sanft beichleicht. 


Auf der Klippe hohem Gipfel, 
Nah beim Turm, 

Ruht er auf dem engen Friedhof; 
Hört den Sturm, — 

Hört des Sturmes Stimme rauschen 
Tief hinab, 

Ind er kann ihr träumend lauichen 
Noch im Grab. 


=; 


Patriotifche und politiiche Gedichte 


Das Rind von Frankreich. 
(1856) 

Paris iſt froh! Kanonendonner 
Bom Haus der Invaliden hallt; 
In Notre Dame taujenditimmig 
Zum Himmel dad Tedeum jchallt. 
Den Sohn des Kaiſers preiſt ala Heiland 
Baris, die feile Schmeichlerin; 
Heut’ ruft fie trunfen: Hoſianna! 
Und morgen ruft fie: Kreuz'ge ihn! 


— 212 


Unichuldig Kind! o, ſchlaf in Frieden! 
Noch ſchlummerſt ſanft und glücklich di. 
Wer weiß, wie lange dir beichieden 
Der Kindheit ſüße Gottesruh ! 

Noch wölbt des Friedens Strahlenbogen 
Um deine Wiege feine Pracht, — 

Doch Schneller fommt der Sturm gezogen, 
se rojiger der Morgen lacht. 


Es haben deiner Schmeichler Kniee 
Sich den Bourbonen auch gebeugt, 
Und frob, daß ibm ein Erbe blühe, 
Sic) aucd dem Orleans geneigt; — 
Dem Ahnberrn treu geiellt zur Beute, 

ur PBrofcription der Republif, 
Sp buhlen fie im Staube heute 
Um deines Waters fühnes Glück. 


Na, eitel find die Yu iaungen, 
Gleich eitel, wie der “Friede ift, 

Und wie das Lied, das dich bejungen 

Und dich als Heil der Welt begrüßt; 
Schaum ift der Jubel, Schaum und Züge 
Der Pomp, womit man did umkränzt, — 
Falſch jelbit das Gold an deiner Wiege, 
Wenn e8 dir echte Treue glänzt. 


Ich höre bang die Freudenſchüſſe 
Und fchrede auf bei ihrem Hall; 
Mir ift, als ob die Luft zerriſſe 
Des Aufruhrs und der Schlahten Schall. 
Wie Trauerpialn ballt das Tedeum 
MWehklagend hin von Dom zu Dom: 
Wo jeid ihr, Söhne der Bourbonen ? 
Graf von Paris? König von Rom*? — 


*) Der Dichter ift bier zum Propheten geworden, Der Prinz Louis Napoleon 
fand nad dem Sturze der Dynaſtie, wie befannt, am 1. Juni 1879 in der Nähe bes 


Kraal von Edut 
fojen Tod. 


u im Lande der Zulufaffern unter ihren Affagaien einen ruhm— 


a 5 


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Eduard Schulte,” 


geboren am 30. Dftober 1825 zu Mltena an der Lenne, bejuchte die höhere Bürger: 
jchule zu Eüdenicheid und die Gewerbeichule zu Hagen. Wegen einer Kranfbeit verlief; 
er legtere and wahlte nadı feiner Geneſung die £itbographbie als feinen Lebensberuf, 
erlernte jolche in Crefeld und Düfjeldorf und übte fie von I8IT—I85I in Köln jelb- 
ftändigq aus. Don da zog er nad Hagen. Bier wurde er wegen feines Gedichtes: 
„Arm und reich’ in einen Preßprozeß wegen Erreaung von Klaffenhaf verwidelt, 
von den Gefchworenen aber freigeiprochen. Er farb am 22; Auguſt 1870 zu Bagen. 

Digtungen: Gedichte. Köln 1550. — Gedichte 2. Aufl. Dagen 1862, 


(Gedichte. 2. Aufl. Hagen 1802.) 
Kin Markaner-Lied.” 


Es tönt der Laute Silberflang 
Zu unſ'res Liedes Weile. 
Froh jubelt unser heller Sang 
Dir, Ihöne Mark, zum Preiſe; 
Es bieten fich die Hügelreih'n, 
Die Felienarme zum Verein, 
Gleich wie zum Männerbunde; 
Die Höhen ragen ſtolz gekrönt, 
In den verfall'nen Burgen tönt 
Noch mande Heldenkunde. 


Und in der Tiefe jchafft der Gnom 
Mit unfichtbarem Walter, 
Die Quelle eilt zum Klaren Strom 
Aus Ichroffen Felienipalten. 
O Lennefluß, du Felfenfind, 
63 it die Nuhr dir hold gefinnt,. 
Sie eilt, dich zu empfangen, 
Die raihe Enn'pe hüpft ins Thal 
Und bleibt beim eriten Morgenitrahl 
Schon in den Rädern bangen. 


+, Nach verwandtichaftlichen Mitteilungen. 
**, Komponiert von Bernhard Linden in Hagen. 


Bl 


Es glänzt und bligt der tiefe Schacht 
Bon Kohlen und Metallen, 
Hoch wölben ſich in ew'ger Nacht 
Die unterird'ichen Hallen, 
Mit Sternen Shmüdt das Grubenlicht, 
Das in Ktriftall fich farbig bricht, 
Die Stollen und die Schaditen; 
Wohl freut fich manches deutiche Herz 
An deinem feiten Eiſenerz 
Im Sturme heißer Schlachten! 

Durh Berge und dur Thalesfluft 
Stredt ſich die Eiſenſchiene, 
Laut tönet durch die friiche Luft 
Der Pfiff der Dampfmaſchine! 
(Fin jeder, der die Tugend ehrt, 
Der wird am traulich muntern Herd 
roh in den Kreis gezogen; 
Man baut der Wahrheit und dem Necht, 
Der feuihen Liebe, treu und ect, 
Erfrent den Chrenbogen. 


=), 


Die Induſtrie. 


In der brammen Locke den Lorbeerkranz, 
Das beflügelte Rad im Schilde, 
Umhüllet vom Bienenmantel ganz, 
Die Stirne, die hohe, umitrahlt von Glanz, 
Im Auge den Geiſt und die Milde; 
So ſehen wir dich, o Herrliche, geh’n 
Einher auf rühmlichiten Wegen, 
Wo deine friedlihen Fahnen weh'n 
Und die rauchenden Ghrenjäulen fteh’n, 
Da waltet dein föttlicher Segen; 
Zu jpendeit von deinen erhab’'nen Thron 
Dem rüftigen Fleiße den gold’'nen Yohn. 


Den gewalt'gen Rieſen hältit du aebannt, 
Sr muß wie ein Sklave dir dienen! 
Fr folgt dir an kluger, lentender Hand, 
Wie ein Schwan am roienfarbigen Band; 
Er belebt mit Kraft die Majchinen! 
In feurigen Zungen ſpricht ſein Mund! 
Du beieelit das Gritarrte und Tote! 
Du macht dem laujfchenden Erdenrund 
Im Nu die Geichicke der Völker fund, 
Der Blitz iſt Dein feuriger Bote! 
Die Nationen fich Freundlich nah'ır, 
53 grüßen fich Wölfer, die nie fih ſah'n. 


— 215 — 


„Glück auf!" jo tönt es mit fröhlichen Yaut 
Sn den tiefiten Stollen und Gängen! 
Der Stnappe, der Gott und dir vertraut 
Und den Schag aus den Blöcen der Felſen Haut, 
Er preiit dich in hellen Geſängen! 
Du jammelft die kleinſten Scherflein ein, 
Die im Hauche des Windes verwehen! 
Die legten jollen die eriten jein! 
Die Aiche, den Staub, den zerbrödelten Stein, 
Das Niedere willit du erhöhen! 
Du Ichaffit aus dem kleinſten, geringiten Atom 
Die Zierde zu deinem friitall’nen Dom. 
Wohl rauscht die Seide im Marmorfaal, 
63 bligen die Girandolen, 
age blinken im jilbernen Strahl, 
u des Feſtes jauchzendem Freudenmahl 
taßt die lichbliche Braut una holen! 
Du aber, erhab'ne Induſtrie, 
Du hast fie jo reizend gekleidet. 
Der Bradt, die deine Güte verlich, 
Sie wird des ftrahlenden Schmudes, o ich’! 
Bon flüfternden Schönen beneidet! 
Doch nur aus dem niederen Staube ſchuf 
Den blendenden Schimmer dein Zauberruf! 


Es läßt das zerriff'ne Bettlergewand 
Der Nermite am Wege liegen, 
Du bebit e8 auf mit liebender Hand 
Sp gütig wie den diamant’nen Tand, 
Mit ihm willſt du kämpfen und fiegen! 
Aus deinen Händen gebt es hervor, 
Verklärt und das Schöne verbreitend! 
Die Bildung zieht ein durchs goldene Thor! 
(3 Ihtoinget der Geiſt fich glänzend empor, 
Für das Licht und die Wahrheit ftreitend! 
— ch trete zu deiner dich ehrenden Schar 
Und lege dies Lied auf deinen Altar! 


6 
Der Weihnachtsbaum. 


Das Glöcklein klingt und ruft: Herein! 
Ihr jubelnden Mädchen und Knaben! 


Der Chriſtbaum funkelt mit prächtigem Schein 


Und pranget voll föitlicher Gaben, 

63 bangen an feinem grünen Gezweig 
Die goldenen Aepfel und Nüſſe; 

Nun feid ihr, o Kinder, wohl alle reich 
Und danft euren Eltern duch Küſſe. 


— 216 — 


Wenn die Roſe alübt, wenn die Droſſel ichlägt 
Zu Seiten der Lieder und Chöre, 
Dann blühet fein Baum, der Schöneres trägt, 
ALS jegt dieje Atrahlende Föhre; 
Denn ihrer Blüten jchimmernder Kranz 
Erglänzet an Achten und Spigen; 
Statt Düfte entiendet er lichten Glanz, 
Gewoben aus funkelnden Bligen. 


Als die Tanne noch ftand am Bergesbang, 
Die Wurzel durch Felſen geichlagen, 
Umtönte fie jchallender Donnerflang 
Und der Nachtigall flötendes Klagen. 
Sie ftreifte der Giche zum freundlichen Gruß 
Die zadigen Aeſte entgegen, 
Es wuchſen die Beeren zu ihrem Fuß 
In den dunklen Waldesgehegen. 


Und nun umjauchzt fie die Kinderichar 
Mit verflärten Blicken und Mienen, 
Sie reiht ihr Die edeliten Früchte dar, 
Weil der göttliche Heiland erfihienen; 
Denn wo fie pranat in der Weihnachtazeit, 
Da muß fich der Jubel erheben, 
Da müſſen die Herzen, nad; Kampf und Streit, 
Sich alle frohlockend vergeben. 


Und das arme Kind, das da betteln geht 
Mit zerriffenen Kleidern und Sohlen, 
Das an der Machine emſig ſteht — 
Heut’ darf es die Spenden ich holen! 
O dır milde Hand, die mild und weich) 
Sich; öffnet, die Armen zu ſpeiſen; 
Deine Gabe ift vor dem Allgüt’gen reich, 
Herzinniglich biſt du zu preiien! — 


— Die Flammen und Perlen des Baumes ſprüh'n 
Wie zu himmlischen Sternen entzündet, 

Durch die Heilige Nacht wird leuchtender glüh'n 
Das Wort, das der Herr uns verkündet: 

O, liebet doch unter einander euch, 

Ihr Völker — dann Frieden euch allen! 

Denn die Liebe nur jpendet das Himmelreich, 
Und den Menſchen das Wohlgefallen! 


5 


Sriedrib Wilhelm Grimme,” 


(Pieudonn: Sirunzertbäler.) 

geboren am 25, Dezember 1827 zu Aſſinghaufen, einen Dorfe im jogenannten fölnijchen 
Sauerlande (Provinz; Wejtfalen), als das fiebente von acht Hindern eines Dorfichul: 
Ichrers, Nach Abjolvierung feiner Symnajialjtudien in Brilon und Arnsberg, ſtudierte 
cr in Müniter Philofophie und Geſchichte und machte im Berbite 1852 fein Staats: 
eranıen, Nachdem er darauf fein gejegliches Probejahbr am Gymnaſium zu Arnsberg 
abgehalten, wurde er 1855 Bilfslebrer am Gymnaſium zu Brilon, 1855 am Gymnaſium 
zu Münjter, 1856 ordentlicher £chrer am Gymnaſium zu Paderborn, 1862 an demſelben 
zum @berlehrer befördert und 1872 zum Direktor des Gymnaſiums zu Heiligenitadt 
{Provinz Sachen) ernannt. Er gab außer projaiichen Werfen, wie „Dolfstalender”, 
„Das Sauerland und jeine Bewohner”, „Weihnachtsbüchlein“, Erzablungen: „Ein 
Stein auf dem Kerzen”, „Menfchen machen’s jelten gut“, „Man joll feinen Jungen 

eriaufen“, „Schlichte CLeute“, heraus: . 
Dichtungen: Gedichte. Münfter 1855. — Sprideln un Spöne. Ebd. 
1858. — Spargigen. Ebd. 1858. Die beiden legten Sammlungen ver- 
einigt als Schwänfe und Gedichte in ſauerländiſcher Mundart. 
Baberborn, 5. Aufl. 1872. — Balladen und Nomanzen Scaff: 
haujen 18559. — Grain Tuig. Schmwänfe und Gedichte. Soeſt 1863. 
Miünfter, 3. Aufl. — Verſchiedene Luftipiele: Jauft un Durtel 
ober: De Kiärmiſſengank, De Koppelihmiced, Hemmer up de ollc 
Hade, De Mufterung, Die Hinder aus der Muſengaſſe. -- 
Galantery » Raar. Schwänfe und Gedichte. Soeft 1867. — 

Deutſche Weifen. Gedicdte. Geiamtausgabe. Baberborn 1881. 


(Deutiche Weiſen. Gedichte. Paderborn 1881.) 


Gruß. 


Gilt's den Burgen deiner Berge, 
Grüner Strom der Rubr, 

Was du rauicheit? — oder meinst du 

Jenes Stille Hüttchen nur, 


*) Nach Fr. Brümmers Deutichem Dichterlerifon (ſ. o.). 


218 — 


Das in deines Ufer Weiden 
Seine Mauer fchüßt, 

Defien Klare Fenitericheiben 

Deiner Wellen Schaum bejprigt? 


Düſter ſchau'n die Burgen nieder, 
Grauer, kalter Stein — 

Aber von des Hüttchens Feniter 

Winken rote Röfelein. 


Laß die Burgen, laß jie stehen, 
Grüner Strom der Nuhr! 

Du mit Nauicen, ich mit Singen, 

Grüßen wir das Hüttchen nur. 


6 
Frühlingsfimmen. 


Die Frühlingsitimmen werden laut, 
Die Weiſen ſüßer Yiebe; 
Und alles, was jein Lieb erichaut, 
Singt Weiten ſüßer Liebe. 
Die Droſſel ſingt's der Droffel zu, 
Der blaue Quell dem Yichte; 
Und dir, mein vofig’3 Liebchen du, 
Silt, was ich fing’ und dichte. 


In meinen Liedern geb’ ich's fund, 
Wie ich jo warm Dich liebe; 
Da ruft's in alle Welt mein Mund, 
ie ich fo warm dich Liebe. 


Doch, Liebchen, dir — o, könnt’ es jein — 


Möcht' ich es heimlich ſagen, 
So ganz allein, ſo ganz allein — 
Sprich, Holde! Dürft' ich's wagen? 


—X 


Verſchluß. 


Du haft den Schlüſſel ausgezogen 
Aus deinem Schränfchen, liebes Kind! 
Sp haft du's ja noch nie geflogen — 
So anders bift du jegt gefinnt? 


Biſt du bejorgt, ein Auge jchiele 
Mit Gier nad deinen Schägen hin? 
Und daß der Diebesfinger wühle 
In Diamanten und Rubin? 


— 219 — 


Du haft doch bei jo frühen Zeiten 
Nicht andre Sächlein in Verſchluß? 
Etwa jo erite Heimlichkeiten, 

Die nicht ein jeder wiſſen muB? 


Vielleicht ein Briefchen oder Schleifchen? 
Vielleiht auch, was von Gold gemacht, 
Fin Spänglein oder zierlich Neifchen, 

Für runde Fingerlein erdacht? 


Du bältit den Schlüffel wohl verholfen — 
Doch ſchließ', joll alles ficher fein, 
Much jene Seufzer, balbverftohlen, 
Und die verliebten Augen ein. 


m. 


I, 


Hochlandslieder. 
9 


Kaum ſprengt der erſte weiße Strahl 
Des Himmels nächtlich” Grauen, 
Und Bergeswand und finftver Wald 
Noch jede Sicht verbauen. 


Sei treu, mein Roß, und ftrauchle nicht, 
Du kennſt ja meine Wege; 
Und laß die jeltnen Stimmen dich 
Nicht wirren im Gehäge. 


Der Uhu thut den legten Schrei, 
Weil er den Morgen toittert; 
Es fährt der Hirich pom Yager auf, 
Daß rings die Holzung fnittert; 


Es gadert fer das Auerhuhn, 
Sein jüngites Ei zu finden, 
Und brauiend grollt der wilde Bach 
In feinen finitern Schlünden. 


Sei treu, mein Roß! — Sich’, roter Streif 
Fahrt durch die Buchenichläge; 
Es klärt die Stirn der düſtre Fels, 
Es klären fi die Wege; 


63 fpringt hervor das liebe Thal 
Aus weißen Nebelgrüften, 
Daraus mit frohem Morgengruß 
Die Lerche fteigt zu Lüften. 


Und num, ja, nun ein trautes Dad 
In weißem Blütenkranze — 
Darüber iteht der Morgenstern 
Mit tauverkflärtem Glanze. 


7 


Sie nennen dich den Muſenberg — 

O ſtolzes Wort! den Muſenberg — 
O Gott! wie iſt der Muſenberg 

Ins Sauerland gekommen? 
Was ſoll doch jenen Schweſtern neun, 
Die heimiſch ſind im Lorbeerhain, 
An Delphi's Quellen ſilberrein, 

Das graue Heidland frommen? 


Dort ewig klares Aetherblau 
Und Sonnengold und Maientau, 
Und hier die Luft ſo nordiſch rauh 
Und Nebel, feucht und finſter — 
Wie ſchlängen ſie den Reigentanz 
Und flöchten duft'gen Liederkranz 
Aus fahlen Mooſen ſonder Glanz, 
Aus Heid' und Stachelginſter? 


Sei's, wie es will, darum bewandt: 
Ob Griechenland, ob Sauerland, 
Die holden Schweſtern ſind zur Hand, 
Die Leier in der Linken. 
Im Wüſtenſande Blütenau'n, 
In Grönlands Eis den Lenz erbau'n, 
Das iſt ja dieſen Wunderfrau'n 
Nur eines Fingers Winken. — 


Ein Wink auch hier: — mit einem Mal 
Ergießt ſich über Berg und Thal 
Der Schönheit gold’ner Zauberſtrahl, 
Wie Sonnenregen : Schauer. 
Wie blinkt der Thäler grüne Bucht, 
Und Bad und Strom in tiefer Schlucht 
Und, hingeſtreckt in weiter Flucht, 
Ter Wälder grüne Mauer! 
Und Freude rings von Höh'n zu Höh'n! 
Von Thal zu Thal welch' Luitgetön! 
O Gott, wie ift mein Land fo jchön, 
Ob auch fein Name — Sauer! 
Und in dem Lande meld’ Geſchlecht! 
Die Männer frei und Ächlicht und recht, 
Der Frauen Herz wie Gold fo echt, 
Und ihre Treu’ von Dauer. 


= — 


O Heimat, meine Grüße dir 
Bon dieſem Muſenſitze bier, 
Wo Mufengunit mit Liedern mir 
Umwindet, was ich ſchaue; 
Wo's aller Enden ſingt und klingt, 
Und leicht ein wilder Kranz ſich ſchlingt, 
Und jubelnd mir zu Häupten ringt 
ie Heidelerdy’ ins Blaue. 


5 


Aus der Kinderftube. 
„Dit fiebft mich fo großäugig an.“ 


Du ſiehſt mich jo großäugig an? 
Mein Büblein, ja, ich dichte. 
Iß deinen Apfel und ftör’ mir nicht 
Die dicht'riſchen Geſichte! 
Du ſchmiegſt dich an, du ſchmeichelſt mir, 
Auf meinem Knie zu reiten? 
Wie ſoll ich da zu kühnem Ritt 
Den Pegaſus beſchreiten? 


Du greifſt nach meiner Taſche aus, 
Des Uehrleins Takt zu hören? — 
Da, nimm's ans Ohr! Doch darfſt du nicht 
Der Verſe Rythmen ftören. 


Nun ſingſt du gar mir Töne vor, 
Die unſre Reimzeloten, 
Herr Rezenſent und Kritikus, 
Bei Bann und Acht verboten? 


Und plauderſt mir ein ſolches Deutſch, 
Neu meinem Leſerkreiſe, 
Das keine Gnade finden wird 
Vor Adelung und Heyſe? 


Und nun getollt und nun gelärmt? 
Die Trommel auch geichlagen 
Mein Kind, o weh! die Mufen fliehn — 
Sie können's nicht vertragen; 


Die Muſen fliehn, Akkorde fliehn, 

Die Prim, die Terz und Quinte — 
Zum Schluß noch gieß' ich aufs Papier, 
Statt Sandes, eitel Dinte. 


Hinweg den Quark! — Komm her, mein Kind, 
Sei an mein Herz gezogen, 
Und wird die liebe Nachwelt auch 
Um ein Gedicht betrogen. 


— 222 — 


Dein Blick, dein Kuß, dein lallend' Wort, 
Dein Arm um mich geſchlungen, 
Iſt hell're Poeſie, als je 
Ein Dichter hat geſungen. 


5 


Wart' es ab! 


Traue nicht, traue nicht, 
Traue feinem Neiterömann! 
Hält vor deinem Pförtlein an, 
Lobt dein blankes Angeficht, 
Wirft ein Küßlein div hernieder, 
Stedt ein Nöslein dir ans Mieder, 
Sekt fein Pferdehen dann in Trab — 
Wer fommt wieder? — Wart’ es ab! 


Muſikanten traue nie! 
Blajen ſchön vor deiner Thür: 
„Komm, Feinsliebchen, komm herfür !* 
Nber nad) der Melodie: 
„Andres Städtcheyg, andres Mädchen, 
Heute Gretchen, morgen Käthchen“ — 
Segen dann ihr Hörnlein ab — 
Wer fommt wieder? — Wart’ es ab! 


Wanderburſchen traue nicht! 
Luftig Hütlein ichwingen fie, 
Luftig Liedlein fingen fie, 
Über von der Treue nicht. 
Haben jie- mit dir jcharmieret, 
Did zum Tanze aufgeführet, 
Greifen fie zum Wanderitab — 
Wer fommt wieder? — Wart' e8 ab! 


Halte feit, halte feit, 
Halt’ zu deinem alten Schatz! 
Stetig bleibt er auf dem Platz, 
Wie der Spaß im Mauerneit; 
Pünktlich ift er auf der Lauer, 
Sieh’ du ſüß und fieh’ du jauer — 
Wirt ihn felbit die Trepp’ hinab; 
Er fommt wieder — wart’ es ab! 


=, 


— 1223 


(Balladen und NRontanzen.) 


Mittwinter. 


Scharfe Not im Walde Mitte» Winter, 
Wenn im Schnee die fchwarzen Kuppen ftarren, 
Und im Eis die Rinden jich verglafen — 
Moos und braune Gräfer find verjchüttet, 
Und der Hafe ſchält die Apfelitämme, 

Hirſch' und Rehe gnappen an dem Reifig, 
Oder flüchtig auf der leifen Dede 

Färben fie den Schnee mit blut’gem Knöchel. 
Wechſelnd um die Säume itreift der Rotfuchs, 
Mittert in Die Luft, und in dem Quellarund 
Giert er nad) dem Fraß auf falfchem Eiſen. 


Schlimme Zeit im Dorfe Mitte» Winter! 
Flattert vor dem Scheunenthor die Ammer, 
Und die Bretterfalle winft verlodend. 

Auf der Straße feine Menjchenfeele, 

Als der Fuhrmann mit bereiftem Barte, 
Mägde mit dem eiöberingten Eimer, 

Und der Hauer, unter deſſen Beile 
Klingend die gefrornen Scheiter Ipringen. 
Frühe Nacht — und alles jucht nach Haufe, 
Knarrend jchließen fi die Pforten — aber 
Draußen heult der Straßenhund vor Kälte. 


Sucht nun feiner Blumen, ald der Lambert; 
Aber rote Roſen pflückt der Junge — 
Blüht nun feine Blume, als die Lore; 
Aber wie die Roſe blüht das Mädchen. 
Gia, brauner Jung’ und blondes Mädchen! 
Lieblich ſitzt es ih am Flammenherde, 

Da der rote Schein die Wangen malet; 
Nah’ und näher rüdt man nur zufammen, 
Sieht um jich den Blüthenmai erglänzen, 
Wann draußen wild die Flocken wirbeln, 
Wann der Straßenbund vor Kälte winjelt, 
Und im Walde fern die Füchſe bellen. — 


>78 
Dom grünen Hafen.” 


Liebehen in dem grünen leide, 
Srüne, wilde Nägersmaid! 
Lauſche meinem Jägermärchen 
Aus der alten Märchenzeit. 


*) Im Osnabrück'ſchen find die geſpenſtigen Haſen blau. 


Alle Morgen z0g der Jäger 
In den wilden Forſt hinaus — 
Jeden Busch im Holze kannt’ er, 
War int Walde wie zu Haus. 


Klafft' die Rüde noch fo ferne, 
Wußt er gleich den fihern Stand: 
Brad der Hirichbod durch die Büſche, 
Wurd' ihm auf das Fell gebrannt. 


Dennoch einst im tiefen Holze 
Stieß ihm auf ein feltiam’ Ding. 
Freilich dünkt ein armer Haſe 
Manchem Jägersmann gering; 


Aber mancher Sonntagsjäger 
Würde vor dem Haſen flieh'n, 
Stände plötzlich vor der Flinte 
Ihm ein Haſe graſegrün. 

Nicht ſo unſer edler Jäger. 
War es gleich der letzte Schuß, 
Den er in der Flinte hatte, 
Sandt’ er ihm den Abendgruß. 


Aber Wunder! wie zeritoben 
War der jeline Haſe fort — 
Nur ein Flöckchen grüner Wolle 
War zu ſeh'n nod an dem Ort. 


Aber in dem Bulverdampfe, 
Der in Ningeln aufwärts auillt, 
Wähnt der Jäger zu erichauen 
Gar ein zauberifch’” Gebild: 


Helm’ und Loden, Frau'n und Nitter, 
Turm und Grfer und Balkon — 
Aber mit dem blauen Dampfe 
War das fchöne Bild entfloh'n. 


Ward ihm feltfam doc zu Mute; 
Aber ſeltſam allermeiit, 
Als am zweiten, dritten Abend 
Sich dasjelbe Ding erweiſt; 


Sp am vierten, fo am fünften 
Wiederum das grüne Wild, 
Wieder nur die grüne Flocke, 
Wiederum das Yauberbild. 


Und am jechöten huſcht vorüber 
Gin vergilbtes Mütterlein: 
„Willſt du ſolche Hafen jchießen, 
Yade Gold und Silber drein!* 


— 


Narrheit! denkt der edle Jäger 
Bei ſich ſelbſt im Heimwärtsgeh'n. 
Doch er ſah zum ſiebten Male 
Dort den grünen Haſen ſteh'n. 


Alſo drückt' er, loszuſchießen — 
Doch die Flint' und die war leer; 
Laden wollt’ er — doch im Beutel 
War nicht Schrot noch Kugel mehr. 


Riß er raich vom weißen Hemde 
Sich die Silberfnöpfe los, 
Warf fie haftig in die Flinte, 
Stampfte, fpannte, zielte, ſchoß. 

Dampf und Knall! — doch aus dem Dampfe 
Sprang das feinite Mägdelein, 
Tanzte lahend um den Jäger, 
Nidte, knixte, grüßte fein. 

Tanzte ſich in feine Arme, 
Küßte fih an feinen Mund, 
Daß dem Jäger war, als gingen 
Erd’ und Himmel mit ihm rund. 


Goldgelodte Dienerinnen 
Sprangen an von fern und nah, 
Reihten um das Baar und fangen: 
„Hei! der Bräutigam iſt ba!“ 


Panzer, Helm und Federbüſche! 
Sang und Hörnerichall: „Trara! 
Hei! der Zauber it gelöjet! 

Hei! der Bräutigam ift da!” 

An dem Arm der Königstochter 
30g er in das Schloß hinein. 

„Was zur Nechten, was zur Linken, 
Troß und Schloß ift mein umd dein. 


Aber alles dein zu nennen, 
Biſt dir, Liebiter! auch bereit?” 
„„&i, ja wohl! wo wär’ mir beifer! 
Sal in Herrgotts-Ewigkeit!““ 
Liebehen in dem grünen Kleide, 
Grüne, wilde Jägersbraut! | 
Sag’, was ſchauſt du denn jo jchelmiich? 
Sag’, was lachit du denn jo laut? 
Sa, ja, ja! jo grüne Häslein 
Seid ihr Mädchen allzumal. 
Kann man laufen, kann man jagen, 
Kann man zielen hundertmal: 


Hartmann, Schagfäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 15 


2. Di 


Doch mit Laufen, Jagen, Bielen, 
Wird am Ende nichts erreicht — 
Nur mit Gold- und Silberhagel 
Trifft man jedes Mädchen leicht; 

Nur mit Gold» und Silberhagel 
Wird die Zauberei gebannt, 

Hängt der ganze Zauber jelber 
Eich dem Jäger an die Hand. — 

Aber lauter lacht mein Mädchen, 
Und das Schelmenmädcden fpricht: 
„Wär' es wirklich, wie du jagteft, 
Hätteft du mic nicht gekriegt!" — 


* 


=, 


Gedanken und Sprüde. 


Der Hagedorn. 


Mer hat der Dornen mehr zu tragen, 
ALS der Hagedorn? 

Wer wird vom Sturme mehr zerichlagen, 
Als der Hagedorn? 


Und doc, wer zählt der Rojen miehre, 
Als der Hagedorn? 

Mein trauernd’ Herz, nimm an die Lehre 
Bon dem Hagedorn! 


5 


Das Buch der Natur. 


Iſt Natur ein großes Bud), 
Vol von Bildern und von Lettern. 
Kinder find die meiiten Menſchen, 
Die darin nur flüchtig blättern; 

Treu zu leſen Zeil! um geile, 
Das gelingt Shon wenig Leuten — 
Doch der Dichter erit veriteht, 

Das Geleſ'ne aud zu deuten. 


a); 


[3 — * 
Sriedrich Kampmann,“ 
geboren am 6. Februar 1828 zu Oberwengern in der Grafichaft Marf, beiuchte die 
Realichule in Elberfeld. Seinem lebhaften Wunfche, fich wiifenichaftlichen Studien 
zu widmen, wegen befchränfter Dermögensperhältniffe entiagend, widmete er fih auf 
Zureden des Daters dem höheren Berg: Subalterndienite, dontizilierte, feinem Berufe 
folgend, nacheinander in Wengern, Bochum, Berlin, Bodum, Dortmund, Köniasborn 
und jeit 1874 wieder in Dortmund, wo er als Königl. !berbergamts : Sefretär lebt. 
Dihtungen: Gedichte. Berlin 1868. 


(Gedichte. Berlin 1868.) 
(Lieder und Berivandtes.) 


Fiebes-Klänge, 
I.**) 


Du weißt, daß ich dich liebe 
Von Herzen ganz und gar; 
Doc wie mein Gerz dich liebet, 
Ward nie dir offenbar. 


Tief in das Meer, das blaue, 
Dringet der Sonne Licht; 
Des Meeres Grund zu fchauen, 
Das nur vermag fie nicht. 


— — 


II. 


Blondhaar, mein Lieb, o, wie biſt du ſo ſchön, 
Wenn um die Schläfe die Locken dir weh'n! 
Haſt wohl der Sonne die Strahlen geraubt 
Und fie als Fäden gejchlungen ums Haupt! 

Blondhaar, mein Lieb! 


Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 


++), Komponiert von F$arl Granım. 15* 


— 8 — 


Blauaug', mein Lieb, o, wie leuchtet dein Blick, 
Strahlt mir die Farbe des Himmels zurück! 
Schön iſt der Himmel, ſo tief und ſo klar, 

Tiefer und klarer dein Auge fürwahr! 
Blauaug', mein Lieb! 





IV.*) 

Selten bei der Sonne Schemm 
Schlägt die Nachtigall; 

Aber bricht die Nacht herein, 
Tönt ihr füßer Schall, 

Tönet über Berg und Thal 

. Fernhin durd die Luft, 

Koſet mit des Mondes Strahl, 
Mit der Noie Duft. 

Darum, weil du ferne mir, 
Meine Sonne du, 

Drängt auch mich die Sangbegier 
Sonder Raſt und Ruh. 

Und es ftrömt der Lieder Klang 
Aus der vollen Bruft, 

Koſet mit der Sehnjuht Drang, 
Mit der Hoffnung Luft. 


Br 
Anterm Zliederbaun. 


Die Steinbank unterm Fliederbaum 
Sit ein gar ichöner Platz. 
Dort ſaß ich geftern Abend 
Allein mit meinem Scab. 
Wir herzten una und füßten uns, 
Wie Vögelein im Mai, 
Und blieben bei einander 
Ein Stündehen oder zwei. 
53 zogen viele Wandersleut’ 
Wohl auf und ab die Straß’, 
Doch feiner jah die Stelle, 
Mo meine Liebite ſaß. 
Wißt denn, fie jaß nicht neben mir, 
Nicht hinter mir veritedt — 
Sie jaß in meinem Herzen, 
Da blieb fie unentdedt. 


5 


*) Komponiert von Karl Gramm. 


— mM — 


Der Wolke gleich. 


Ueber die Häupter der Menſchen, 
Die hohen und niedern, 
In dunkler Majeität 
Screitet einher 
Das Verhängnis, 
Der Molfe gleich, 
Die auf des Sturntes Fittichen 
Donnernd rollt, 
Aus ihrem Schoße 
Tod und Leben ſpendend. 


Aus dem Schoße der Molke 
Züngelt der Blitz, 
Der totverfündende, 
Auf der Eiche 
Ragendes Haupt. 
Und die Königin des Waldes — 
Dem Atlas gleich 
An Wuchs und Stärke, 
Mit tauiend Armen 
In der Erde wurzelmd, 
Mit tauſend Armen 
Kac dem Himmel greifend 
Ind des Sturmes jpottend 
Sn ihrer Macht — 
Bricht zufammen, 
Ein verftümmelter Leichnam. 


Aus dem Schoße der Wolfe 
Tränfelt Yabung 
Auf die lechzenden Gräfer, 
Die niedriggebornen, 
Auf deren Häuptern 
Der Staub lieat, 
Ihrer Herkunit Zeuge. 
Ueber der Eiche Wurzeln 
Sproſſen fie hin, 
Kümmerlich fich nährend 
Bon dem Broſam 
Der Gewaltigen. 
Doch die ſegnende Molke 
Küffet den Staub weg 
Von ihren Häuptern, 
Und richtet empor fie 
Zu neuem Leben. 


Ueber die Häupter der Menfchen 
Die hohen und niedern, 


— u — 


An dunkler Majeltät 

Schreitet einher 

Das Verhängnis, 

Der Wolfe gleich, 

Die auf des Sturmes Fittichen 
Donnernd rollt, 

Aus ihrem Schoße 

Zod und Xeben ipendend. 


u), 
(Balladen und Romanen.) 
König Goldemar.“ 


Gin Männlein war's, gar fonderbar, 
Man hieß ihn König Goldentar. 
Seine Haut war wie Leder, fein Haar wie Werg, 
Sr war ein Zwerg, ein gar häßlicher Zwerg. 
Doch wenn er fang und die Saiten ichlug, 
Anbielt ein jeder den Atemzug: 
So lieblid Hang die Harfe! 


(Fr war bald hier, er war bald dort; 
Ihn 309g fein Spiel von Ort zu Ort. 
Graf Niblung aud auf den Harbenitein 
Moct’ fi der Kunſt des Zwerges freu'n. 
Er lud ihn zu Ach auf jein Schloß 
Und ſprach: „Sei du mein Tiichgenoff’, 

Denn lieblich Elingt die Harfe!“ 


Und wenn der Zwerg zu fpielen beganıt, 
Am Schloffe laufchten jo Weib als Mann: 
Es lauſchte auch ſchön Gotelind; 
Zum Ohm, dem Grafen, kam ſie als Kind. 
Ihre Haut war wie Samt, wie Seide ihr Haar; 
Ahr Auge glänzte wunderbar, 
Wenn lieblih klang die Harfe. 


„Mein werter Gaft, behagt dir die Gunit 
Des Mägdleins, fo zeig’ ihr au harfen die Kunſt!“ 
Sprach lachend der Graf einst, dem Zwerge gefiel’, 
Er lehrte dem Mägdlein die Negeln des Spiels. 
Wohl war ihr’3 graufig, wenn’s geichah, 
Daß fie dem Zwerg ins Antlig ſah; 
Doc lieblih klang die Harfe. 


Schön Gotelind ward des Lernens nicht müd’, 
Sie fang zur Harfe manch’ lieblich' Lied. 
Der Sommer verblicd, und der Winter zerranı, 
Und die Sonne jtieg höher im Bogen hinan. 


*) Siehe: „Sagenihag Weftfalens” (i. 0.) ©. 160. 


— 231 — 


Da hielt es den Zwerg nicht länger im Haus: 
„Ich muß in die klingende Welt hinaus!“ 
Und lieblich lang die Harfe. 


Wer gab dem Zwerge das Geleit? 
Schön Gotelind fchritt ihm zur Seit’! 
Im Schloffe hatte des niemand act; 
Es mocht' auch feiner hegen Verdacht. 
Wohl jpähte vom Söller des Grafen Blick, 
Doch Gotelind kam nimmer zurüd — 
Zu lieblich Hang die Harfe! 


** 


Das Prunnen-Gefpent zu Elſei.“ 


Bei Rhe vom Richtplatz fchreitet ſacht 
Ein Mägdlein noh um Mitternacht. 

Sie nimmt gen Eljei ihren Gang, 
Die Heide und das Feld entlang. 
Die Toten fchreiten leiſe. 

Ihr leid ift weiß, ihr Antlig bleich. 
„Du fommft wohl aus dem Totenreich, 
Du bleiches Bild, ſteh' Rede mir, 

Was treibt dich aus dem Grab herfür ?” 
Die Toten reden leife. 

Zum Stiftplag lenkt fie ihren Schritt 
Und jchwingt ſich auf den Brunnentritt. 
„Bas Ichaffit du hier zur nächt’gen Stund’, 
Iſt's Böſes nicht, jo gieb es Fund 2“ 

Die Toten reden leiie. 

Nach Kett' und Krücke greift fie drauf, 
Der Eimer finkt und kommt herauf. 
„Was fuchit du auf des Eimer Grund? 
Im Namen Gottes ſprich jegund !“ 

Die Toten reden leiſe. 

Sie ftarrt hinab zum finitern Grund, 
Sie jtarrt hinauf zum Himmelsrund. 
„So helf' dir Gott, im Brunnen ruht 
Wohl gar dein eigen Fleiſch und Blut!” 

Die Toten reden leiſe. 

Da fräht der Hahn, die Nacht ift um, 
Das Mägpdlein ichleicht von dannen ftumm. 
Sie nimmt zum Richtplag ihren Gang, 
Das Feld und dann die Heid’ entlang. 

Die Toten jchreiten leiſe. 


— 5 


*) Siehe: „Sagenihag Weſtfalens“ (j. 0.) ©. 178. 


— 2. 


Joſt von Strüinkede. 


Der Ritter Joſt von Strünfede, 
Der war ein ſchlimmer Held. 
Die Bürger und die Bauern, 
Wie hat er fie geprellt! 
(Sr mordete und mauite 
Sm Lande mweit und breit, 
Kein Sarras war ihm lang genung, 
Kein Säckel ihm zu weit. 


„Borm Ritter Joſt von Strünfede 
Gott ſchirm' uns früh umd ſpat!“ 
So beteten die Bürger 
Zu Dortmund in der Stadt. 

Sie beteten mit Inbrunft, 

Gr aber tranf Derweil 
Dortmunder Bier, die Mauer dort 
Deucht nimmer ihm zu ſteil. 


Der Nitter Joſt zu Strünfede, 
Er liebte baß das Fleiich, 
Und nahm’s den Recklinghäuſern 
Ohn' fonderlich” Geräuſch. 
Ihm dünkten ihre Ferkel 
Die fettſten in der Rund', 
Und mancher ſchöne Schinken ging 
Den Weg durch ſeinen Schlund. 


Der Ritter Joſt von Strünkede 
Kam einſt in Nöte ſehr: 
Sein Keller war in Würden, 
Doch ſeine Küche leer. 
„Auf denn, in Recklinghauſen 
Sind morgen wir zu Gait!“ 
Die hüben aber rochen e3 
Und rüfteten in Halt. 


Der Nitter Joſt von Strünkede 
Mar pünktlih auf dem Plan. 
Hei! wie die Waffen Flirrten! 
Sie fohten Mann an Mann! 
Pr manch ein wad’rer Bürger 
Hinſank im heißen Streit, 

Doc aud die Knappen bluteten 
Aus Wunden tief und weit. 


Dem Nitter Joſt von Strünfede 
Ein Gegner ward zu teil, 
Der ſchwang in feinen Fäuften 
Fin mächtig Metgerbeil. 


— 288 — 


„Willſt du von mir die Metzig, 

Nehm' ich dein Haupt zum Pfand!“ 

Da knirſcht das Beil, da rollt das Haupt 
Danieder in den Sand. 


Dem Ritter Joſt von Strünfede 
Sein ſterbliches Gebein, 
Zu Herne in der Kirche 
Da gruben fie es ein. 
Gr jchläft bei jeinen Vätern 
Die lange, lange Nacht, 
Doch über feinem Grabe hält 
Sein Ruf die Totenwadt. 


=; 


Florian Geyer. 


63 flingt ein Lied gar traurig 
Aus alter, ferner Zeit, 
Wie einit für Volfesrechte 
Ein Ritter zog in Streit, 
Und wie er hin fein Herzblut gab. 
Am Schönen Fraufen liegt jein Grab, 
Bei Limpurg auf der Heide. 


Schwer auf dem Wolfe ruhte 
Des Adels eh’rne Hand, 
Da war’3 Herr Florian Geyer, 
Der zu dem Volke ftand. 
Dem Volke fchlug in treuer Bruft 
Sein Herz, o, daß es binten mußt’ 
Bei Limpurg auf der Heide! 


Da3 war ein grimmig’ Streiten, 
Doch ad), das Volk erlag! 
Der Herr ließ es geichehen, 
Gr weiß, wie'3 werden mag! 
Das Volt all wie zertreten war, 
Es ftritt nur noch die Schwarze Schar 
Bei Limpurg auf der Heide. 


Mer focht voran im Streite? 
Herr Florian, der Held! 
Sein Schwert mäht in der Runde, 
Wie Senf’ im Erntefeld. 
Da zuckt er auf im Todesſchmerz — 
Ein Söldner rüdlings traf fein Herz 
Bei Limpurg auf der Heide. 


— MM — 


„Leb' wohl, mein Wolf, id) ſterbe! 
Leb' wohl, verzage nicht! 
Sch ſeh', ich ich’ die Sonne, 
Die durdı das Dunkel bricht!“ 
Da ichwang fein Geiſt fich himmelwärts! 
Am ſchönen Franken ruht jein Herz 
Bei Limpurg auf der Heide. 


— 
Des deutſchen Anaben Kaiſerlied. 


(Deutſche Monatsblätter. Bremen 1878.) 
Dem Kaiſer, dem Kaiſer 

Ertöne mein Geſang! 

Das Lied ſoll wiederhallen 

Den weiten Gau entlang! 


Dem Kaiſer, dem Kaiſer — 
Hab’ nimmer ihn geſehn, 
Doch jah ich jüngit im Traum’ ihn 
Nor meinem Lager ftehn. 


So Stand er, der hohe, 
Der königliche Greis: 
Den Lorbeer um die Schläfe, 
Sein Haar war filberweiß. 


Sein Auge, hellglänzend 
Am klaren Mondenlicdt, 
Sah mild auf mich bernieder; 
Mild war fein Angeſicht. 


Mir iſt es, als hört’ ich 
Noch jeiner Stimme Klang: 
„Sei mir ein wadrer Bürger, 
Mein Sohn, dein Leben lang! 


Ein Bürger, ein rechter, 
Am Herd und aud im Nat; 
Und droht der Feind, ein echter, 
Sin tapferer Soldat!” — 


Mein Kaiſer, mein Kaiier, 
Ich halte dein Gebot, 
Wie ich’3 don dir vernonmen, 
Sm Leben wie im Tod! 


=; 


(DOriginalbeiträge.) 
Epigramme, 
Die Wefer an Heßiller. 


Gar nichts weißt dur zu fagen von mir? Nun, ih weiß mich zu 
tröiten, 
Die ih Armin und Tiber und den Germanifus trug! 


5 
Bwei Weltanfbauungen. 


Griechiſche Tentpel, wie deutet ihr far auf ein irdiſch' Genügen! 
Gotiſche Dome, wie kühn ftrebt ihr zum Himmel empor! 


=); 
Maler und Dichter. 


Was uns der Maler entrollt, das zeig’in der Ruhe Bewegung! 
In der Bewegung Ruh’ atme des Dichters Gebild. 


=; 
Anſchauung. Empfindung. 


Willſt du, Poet, rücipiegeln die Welt in lebendiger Schönheit, 
Nimm in das Auge, doch auch in die Empfindung fie auf! 


=, 
Wozu? 


„Aber wozu?“ frug der gährende Moſt. Antwortet’ der Gott ihm: 
„Das erfährit du, jobald du mit der Stlärung beginnft!“ 


=; 


Serufalem. 


Deine Mauern zerbrad zwar das weltbeherrihende Rom einft, 
Doch ald Ruine bezwangft du noch die ewige Stadt! 


a) 


Joſeph Pape,) 


geboren am 4. April 1851 zu Eslohe im Sauerlande, abfolvierte von 1849 nadı jedhs 
jührigem Aufenthalte das Gymnafium zu Arnsberg, befuchte dann bis 1852 die Uni 
verfitäten München, Tübingen und Berlin als Student der Rechte, beitand 1857/58 das 
juriitiiche Affeflor : Eramen, fungierte als Aſſeſſor bei Gerichten am heine und in 
Weitfalen, wurde 1861 als Reditsanwalt und Notar zu Hilchenbach im Siegerlande 
angeftellt und wohnt, im Jabre 1866 in derfelben Eigenihaft nadı Bären verfeht, daſelbſt 


Dichtungen; Der treue Edart. Epos. 3. Aufl. Paderborn 1883. — 
Schneewitthen vom Gral. Epos. 3. Aufl. Ebd. 1883, — Waters: 
Tändiihe Schauſpiele: „Herzog Ernft“ oder „Der Sieg auf dem 
Lechfelde“, „Das Liebespaar von Andernach”, „Aus beuticher Notzeit“. 
2, Aufl. Ebd. 1875. — Gedichte. 3. Aufl. Ebb. 1875. — Jut 'm 
&iuerlanne, Erz. E66. 1879. — Das cwige Ecben. Erz. Ebd. 1881. 
Ghe Bölfer waren. Geb. Ebd. 1882, 


(Gedichte. Dritte bedeutend vermehrte und verbefierte Aufl. Baberborn 1875). 
(Natur, Heimat und Liebe.) 


Das Bolkslied. 


Das iſt der Wonnen Mond, der Mai, 
Da wandern alle Sänger frei 
Und ſingen aller Orten 
Nor aller Schönen Pforten. 


An ihrer Harf’ ein grünes Band, 
Ein Roienzweiglein in der Hand; 
Sie fchlafen unter Pinden, 

Wenn fie kein Obdach finden. 


Des Morgens, da noch ſäumt der Tag, 
Erweckt fie frommer Wachtelichlag ; 
Die Waldesmufifanten 
Begrüßen die Verwandten. 


*) Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 


Und weifer Sprüche ftehn genug 
Sn einem großen, grünen Buch; 
Dazu iſt auch vom —— 

Manch’ Reimlein eingeſchrieben. 


Draus ſingen ſie von Ort zu Ort, 
In alle Lande ſingt ſich's fort — 
Die Sänger find geftorben, 

Die Weiſen unverdorben. 


5 


Wildgrafs Jagd. 


Sein Mädchen jprach zum Säger ftolz: 
„Und zieht du in des Wildgrafs Holz, 
Muß ich mein Glück verweinen.“ 

„Wie ließ ich da8? Die Braden zerr'n 
Schon all’ an ihren Leinen. 


Wie ließ ih da3? Zum hohen Tanı 
Entbot der Wildgraf feinen Bann, 
Allſtolze Waidgejellen — 

Darum den Abſchiedskuß, mein Kind! 
Des Grafen Hörner gellen.““ 


63 brach der Hirih, das Wildſchwein ſank; 


Sie ging, ihr Herz von Sehnſucht Frank, 
Wohl in den Tann, zu laufchen. 

Was Ichlugen gell die Braden an? 

Die Wipfel Hagend rauchen. 


Die weite Hindin ftreifte fie — 
Jetzt,“ rief der Jäger, „oder nie!“ 
Ein Schuß! Die Braden ſchwiegen; 
Die Hindin ſah er fern entflichn, 
Sein Lieb im Blute Tiegen. 


Gr rief: „Erſchoſſen! Weh und Not! 
Mie färbt des Mägdleins Blut jo rot 
Die Zaubern und die Movie!“ 

Gr grub ein Grab ihr in dem Tann 
Bei einer wilden Roie. 


„Run duft' ihr, rotes Nöfelein! 
Nun ftrahlet, Stern’, ihr gold’nen Schein! 
Waldvögel, helft mir Klagen! 
Der Welt mit aller ihrer Freud’ — 
Der will ich heut’ entjagen.“ 


5 


er BAR: 


Geträumt. 


Mir träumte von den Balnten, 
Sie raufchten über die See; 
Die Nachtigallen fangen 
Dazu ihr fühes Weh; 
Die Sommerroſen glühten 
Und blühten ohne Sahl; 
Es hatte mich mein Liebchen 
Geküßt zum eritenmal. 


=, : 
Kofenbreden. 


Und weißt du, als die Nofen 
Wir brachen, holde Maid? — 
Du mollteit ewig lieben mic 
In Freud’ und frober Zeit — 
Daran erinne’ ich dich. 

Und weißt du, als vom Stiche 
Des Dorn dein Finger rot? — 
Du wollteit ewig lieben mic 
Sn Kümmernis und Tod — 
Daran erinur' ich dich. 


5 


(Dem Baterlande.) 


1. Das verlorene Reid, 


1850 — 1870. 
Klage um das Weich. 
O Deutichland, einst der Völker Zier, 


Du führtelt ihren Reihen! 
Mein Herz begehrt allein nad) Dir, 
Nach deinem grünen Maien. 


Wenn tief im Thal 

Frau Nachtigall 

Den Maien fingt mit hellem Schall: 
Nur fein, nur jein gedenf’ ich. 


Den Maien, jo mein Herzbegehr, — 


Laut will ich ihn verfünden: 
Zu feines Reiches alter Wehr 
Soll ſich mein Volk verbünden. 


Im tiefen Thal 

Frau Nachtigall, 

Fall’ ein mit deinem vollen Schall, 
Mit deiner helliten Stinme! 


— 289 — 


Wir ſtritten, ach, im Bruderſtreit 
Und ſtanden fern vom Glücke: 
Komm, Himmelskind, komm, Einigkeit, 
Bau' uns des Friedens Brücke. 
Im tiefen Thal 
Frau Nachtigall, 
Du wandteſt dich zu Trauerſchall: 
O, ſing' uns frohe Weiſen! 
Auch ruft zum Himmel, Mann und Weib, 
Daß Freiheit nimmer fehle: 
Die Einigkeit, das iſt der Leib, 
Die Freiheit iſt die Seele. 
Im tiefen Thal 
Frau Nachtigall, 
Sie fingt nicht Halb fo ſüßen Schall, 
Als nur der FFreiheit Name. 
Das Lied vom Neich, wie lang iſt's doc 
Vergeſſen und verflungen ! 
Wie lang, wie lang wohl währt es nod, 
Dis neu e8 wird gelungen? 
Im tiefen Thal 
Frau Nachtigall! 
Uns iſt veritummt dein heller Schall: 
Wann tönt dein Lied uns wieder ? 


39 
Don den Felſen wird er eigen. 


(Alte Prophezeiung.) 
„Bon den Felſen wird er ſteigen,“ 
Wo ihn Himmelshauch umtweht, 
Ch’ zum Kampf der Sieger geht; 
Denn er wird bon Gott gejendet, 
Der der Völker Siehtum wendet — 
„Bon den Felfen wird er ſteigen.“ 


„Bon den Felſen wird er fteigen,“ 
Hocdhgeboren, wie der Mar, 
Der der Tiere König war 
Und das Reich, der mutbeieelte, 
Sich zu neuem Flug erwählte — 
„Bon den Felſen wird er iteigen.“ 


„Bon den Felien wird er fteigen,“ 
Wie der Fels der Firnen jäh 
Niederfchmettert aus der Höh', 

Wird im Rächergang verheeren, 
Was vermeflen, ihm zu wehren — 
„Bon den Felien wird er iteigen.” 


— 240 — 


„Von den Felſen wird er ſteigen,“ 
Deutſchlands Hoffnung in dem Leid, 
In dem Fluch und in dem Streit, 
Der uns zweiet, drin wir klagen — 
Unſ're Krone ſoll er tragen! 

„Von den Felſen wird er ſteigen!“ 


Der du ausgehſt von den Felſen, 
Sprich, viel Felſen ſind im Land, 
Sind es die an Nordens Strand? 
Sind's im Süd die Markenſteine? 
Welche Felſen, ſprich, ſind deine? 
„Von den Felſen wirſt du ſteigen.“ 


Der du ausgehſt von den Felſen, 
Sei's im Süden, ſei's im Nord, 
Uns willkommen, ftarfer Hort! 
Schreden weh’ von deinen Fahnen, 
Friede folge deinen Bahnen, 

Wirſt dur Steigen von den Felfen. 


=; 
2. Das erſtandene Reid. 


1870 und 1871. 
Die Kämpfe in Lothringen. 
Weh, Lothringen, du arges Land! „ 
Ergabſt di an des Feindes Hand, 
Der raubend dich umſchlungen: 
Nun färbt das Blut die Anger rot, 
Weil du ihm wardit entrungen. 


Wie lang hat fih der Wälſch' erfrecht, 
Der Deutichen uralt Markenrecht 
Gewaltſam zu verrüden — 

Aus deinem Schoß, o Lothringen! 
Da balfft du feinen Tücken. 


Von dir nun, dacht’ er, zieh’ er ein 
Auch in die alte Pfalz am Rhein, 
Wollt’ unser Balsgraf werden — 
Ha! Herr bei Rhein an Kaiſers Statt, 
Neihdgraf auf deuticher Erden! 


Da ward der Welt ein Wunder fund, 
Da ſah man in der Eintracht Bund 
Zwieträcht'ge Brüder gehen, — 

Sen Lothringen deflelben Tags 
Der Deutichen Fanhen wehen. 


— — 


DO Lothringen! In Burg und Wall 
Warit du gefangen überall: 
Die Burgen follten fallen, 
Wir hörten vom eritieg’nen Wall 
Den Siegesjubel Ichallen. 


Weh, Lothringen, du Schmerzendland ! 
Wie mander treuen Liebe Pfand, 
Das nie zurüd fie ſtellen, 
Wo deine Anger blutig rot 
Bon Heldengräbern jchwellen! 


Doc ſei's! Denn ieh, es mußte fein, 
Auf daß der Gräber heil’ge Reih’n 
Uns feitigten die Grenze: 
Nun drüben wälſch und hüben deutich 
Zu nenem Völferlenze! 


Ss 
(IV, Joſephine.) 


Der erſte April. 


Heil Weitfalen, rote Erde 
Mit dem Volk jo treu und ichlicht! 
Unter deutichen Volf und Lande 
Bilt du das geringfte nicht. 


ie in deinem alten Wappen 
Sich das weiße Rößlein bäumt, 
Das, voll deiner Kraft und Stärke, 
Nie gefangen, noch gezäumt! 


Euch auch grüß' ich, breite Marken 
Mit der Liebſten Vaterhaus, 
Dran ein luſtig Bächlein hinläuft 
Zu dem großen Strom hinaus; 


Dich, o Doppelflügel-Pforte, 
Draus mit jedes Morgens Glut 
Ihres Vaters Knechte ſchreiten, 
Bändigend der Rappen Mut; 


Während drin am Herd die Flammen 
Lecken um das dürre Reis, 
Das die ſtarken Mägde ſchüren 
Auf der Mutter Machtgeheiß. — 


In des Hauſes trauter Stube 
Saß ich traulich, ſaß ich ſtill, 
Der Geliebten Hand erfaſſend, 
An dem erſten Tag April. 
Hartmann, Scatkäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 


16 


„Wie To ſchweigſam,“ frug die Süße, 
„Dieler ſonſt beredbte Mund 
Gelt? nach einem fernen Glüde 
Sehnt ſich wohl dein Herz jegund ?“ 


„Nicht nach fernem Glück, o Teure! 
Denn mein Glück wer nie fo nah, 
AM mein Glück iſt, dir zu dienen; 
Heiße mich, dein Knecht iſt da.” 


„Zraurig, traurig Glück ift dienen, 
Doch die Liebe probt fich drin, 
Nadı des Heilands hoher Lehre — 
Hältit du dienen für Gewinn.“ 


„Ach! zu dienst ift meine Seele 
Dir vielwillig alle Zeit — 
Willſt du deinen Fuß drauf Stellen, 
Meinen Nacden fieh bereit.” 


„Auf denn!“ ſprach fie, „draußen liegen 
Grüne Weiden an dem Bad, 
Dort wohl gebt ein weißes Rößlein 
Seinen wilden Sprüngen nad); 

Sein begehrt’ ich lange Tage, 
Aber niemand fing's noch ein: 
Sch’ und fang’ das wundertwilde, 
Bring’3 — und hoher Ruhm ift dein.“ 


Als der Schalksmund fo geſprochen, 
Sprang fie eilig auf und fort, 
Eh' ich, um ihr Herz zu rühren, 
Noch eriann ein bittend Wort: 

Wie, auf einem zahmen NRoffe 
Feſt zu figen ungelehrt, 
Rimmermehr ich bänd’gen werde 
Diefes übermwilde Pferd. 


Hoffnungslos den Kopf verhängend 
Drauf verließ ich dad Gemach, 
Sah den Heinen Buben, reitend 
Auf dent Holzroß, traurig nad). 


Wohl die grünen Weiden fand ich, 
Füllen fprangen bin und ber, 
Luſtig Völklein, doc das weiße, 
Wilde Rößlein nimmernehr. 


Endlich mir zum Trofte jah ih 
Raſtend figen auf dem Pflug 
Ihres Vaters Knecht; der Alte 
Spähte nad) der Wolfen Zug. 


Des Getreuen Nat erbat ich, 
VNahm ihn mir in Cid und Pflicht ; 
Dod ein Lächeln fah ich ſpielen 
Auf des Guten Angeficht. — 


„Seid getroft, weil euch,” — verfegt’ er — 
„Richt der wilde Ritt geglüdt; 
Denn euch hat das Kind, das loſe, 
Heut’ in den April geichiet. 


Nicht auf unfern grünen Weiden 
Läuft das Roß, von dem fie ſprach; 
Seit es fprang ala wildes Füllen, 
Ging vorbei wohl mander Tag; 


Lebt’ es je, berdienen nimmer 
Würdet ihr des Zäumens Lohn, 
Wie's durch Gnade nur verliehen 
Jenem ſtarken Königsſohn, 


Der nach alter Sage Glauben 
Aller Nöten uns befreit — 
Ach, wie haben wir in Sehnſucht 
Sein geharrt ſo lange Zeit! 


Aber ihr,“ ſo ſcherzt' er lachend, 
„Seid bei Zeit auf eurer Hut; 
Denn das Kind hat euch gefangen, 
Bändigt’ euren wilden Mut, — 

Führt euch fe an feinem Zügel: 
Was man jung gefangen, ſeht, 
Hält man feit in fpätern Tagen; 
Hütet euch, bevor’3 zu jpät!“ 


5 


16* 


Deter Lohmann,” 


geboren am 24. April 1855 zu Schwelm in Wefifalen, erhielt im elterlichen Hauſe 
eine vortreffliche Erziehung, widmete fich feit dem 16. Jabre dem Buchhandel, welchen 
er bei &. D. Badeder in Effen erlernte. In jeinen Mußeftunden befchäftigte er fich 
vorzugsweife mit Muſik, die er Leidenfchaftlich liebte und in welcher er bedeutende 
Fortichritte erzielte. Nach überftandener Cehrzeit fonditionierte er feit 1853 in Hannover, 
wo die damals blühende Hofbühne ihn mächtig anzog und zu dDramatifchen Derfuchen 
anregte, aber ihm auch den gewählten Beruf verleidete. Er gab denfelben 1856 auf 
und fiedelte nach Zeipzig über, wo er ſich an der Redaktion der lluftrierten Seitung 
beteiligte. Im Berbft 1859 übernahm er mit Dr. $ranz Brendel die £eitung der 
Neuen Zeitfchrift für Muſik und die Redaktion der Anregungen für Kunſt, 
eben und Wiſſenſchaft. In den Schriften: Ueber die dDramatiiche Did: 
tung mit Mufif (Leipzig, 2. Aufl. 1864), Un dramatifhe Tonfeter (£eipzig 
1876) und Deutiche Dolfsbühne in Keipzig. Ein Vorſchlag (Leipzig 1877) hat er 
denn auch jeine jelbftändigen Anfichten niedergelegt. Seit Anfang der jechziger Jahre 
ift £ohmann Redafteur des bei J. I. Weber erjcheinenden Jlluftrierten Kalenders. 


Dihtungen: Dramatiſche Schriften. J. u. U. T. Hannover 1856. II, 
bi8 VI. T. Leipzig 1856. — Der Schmied in Ruhla. Schauspiel. 
Leipzig 1858, 8. Aufl. 1861. — Appius Slaundiuß. Trauerfpiel. 
— Oliver Cromwell. Hiftor. Schaufpiel. Ebd. 1858, 2. Aufl. 1859. 
Gin Sieg ber Liebe. Trauerfpiel. Ebd. 1859. Drei Operndich— 
tungen. Ebd. 1861. — Balmoda. (ine dramat. Geſangsdichtung. 
Ebd. 1862. — Dramatiſche Dichtungen, II. Ebd. 1862. — Frithiof. 
Eine dramatiſche Dichtung. Ebd. 1863. — Mafaniello. Trauerfpiel. 
Ebd, 1864, 2. Aufl. — Irene Eine Operndichtung. Ebd. 1865. — 
Dramatijde Schriften, MI. T., a. u. db. Titel: Muſitdramen, 
Ebd. 1866. — Wider ben Stadel. Dramat. Dichtung. Ebd. 1870, 
2. Aufl. 1872. — Gegen ben Strom. Dramat. Dichtung. Ebb. 1872. 
Die Shwarzenfteiner. Eine Erinnerung an den Aufgang des 
neuen Reichs. Gotha 1873. — Dramatijhe Werke, IV., 2. berm. 
Aufl. Leipzig 1875-1876. — Pantheon deutiher Dichter. Ans 

thofogie. 11. Aufl. Leipzig 1884. 





*) Nah Fr. Brümmers Deutſchem Dichterlerifon. 


Licbesermaden.*) 


(Pantheon beutjcher Dichter von BP. Lohmann, 11. Aufl. Yeipzig 1583.) 


Heißet ihn gehen; 
Er Toll nicht jehen, 
Wie meiner Jugend er’3 angethan. 


Ich lebte zufrieden, 
Hätt' er mich gemieden. 
O, daß ich ihn nicht meiden kann; 


Daß alle Gedanken 
Um ihn ſich ranken, 
Den trotzig übermüt'gen Mann. 


Ich ſollte ihn fliehen, 
Und fühle mich ziehen 
Mit tauſend Banden zu ihm hinan. 


=; 


An die Geliebte. 


(Aus dem Gejangsdrama „Balmoba”. Leipzig 1562.) 


An deine Augen laß mic Ichauen, 
In diejen Spiegel meiner Seele, 
Und all mein Hoffen auf dich bauen, 
In dich verfenfen meine Seele. 


In bangen Tagen nahtelt du, 
Als einſam ich in Zweifeln bebte; 
Du warſt der Frieden, warft die Ruh’, 
In die ih all mein Sein verwebte. 


Für meine Leiden Starker Troit, 
Für alles Hoffen froh Grfüllen: 
Ob auch die Welt dich gar verwirft, 
Sn meinen Schuß follft du dich hüllen. 


O, komm, birg dich in meinem Arm: 
Du biſt mir lieb, wie nichts hienieden, | 
Du meine Sehnſucht, höchiter Frieden — — 
Du warit, du biſt — — und bleibeit mein! 


5 


*) Komp. von Joſeph Huber, Theod. Kirchner, Theod. Curtius u. a. 


——— ——— —— —— — — 


—7 


An meine Mutter, 


(Berns Dentiche Enrif ſeit Goethes Tode. Leipzig (6. Aufl. 1883). 


Und ob auch Hunderte mic haſſen, 
Viel einft’ge Freunde mich verlaffeı, 
Und ob ich gar verhöhnet bin 
Bon Marftgewühl im bunten Flimmer: 
Ein einzig Lob aus deinen Munde, 
Nur eine einzige frohe Stunde 
In deiner Nähe läht vergefien 
Die ganze bitterernite Schmad. 


Und ob auch Taufende mich preiien 
In immer neuen, höhern Meiien, 
Und ob mein Name golden glänzt 
Auf Nuhmestafeln der Geichichte: 
Gin einz’ger Nat aus deinem Munde, 
Nur eine einzige traute Stunde 
In deiner Nähe macht mid) glüdlic, 
Wie nimmer Ehre das vermag. 


Und ob id) — ſtrebte, 
Im Sturm der Seelenkämpfe bebte, 
Und ob ſeit Jahren jeder Morgen 
Mir neue, größre Sorgen bradte; 
Ein einz’ger Troft aus deinem Munde 
Nur eine einzige Friedensftunde 
In deiner Nähe jpendet Ruhe 
Nach wilderregtem, wirrem Tag. 


95 
Künflerftoß. 


(Bernd Deutiche Lyrik 2c. ſ. 0.) 


Des Augenblides Sklaven, feile Seelen, 
Grlabt euch immer an des Ruhmes Schein, — 
Es kommt die Nacht, da euch die Freunde fehlen; 
Da wird euch angit um eure Ehren jein. 


Gebt acht, gebt acht: wenn erit der Naufch verflogen, 
So läßt der Narrenſchwarm euch feittwärts ftehn, 

eigt flugs der neu'ren Mode fich gewogen: 
Um eure Ruhmeskränze iſt's geichehn! 


Dir aber, edler Künitler, ob verborgen, 
Ob leer an Freuden, fern dem Feitesiaal, 
Strahlt ſiegesfroh, durch alle Zweifelsforgen, 
Im Eonnenglanz dein hehres Ideal. 


— 247 


Das bleibt dir treu, auch wenn Die Nacht gekommen, 
Und ſtreckt ſich machtvoll über Raum und Zeit, 
Und wirft, wenn längft dein Lebenslicht verglommen, 
Und leuchtet fort in alle Ewigkeit. 


—X 


Völkerfrühling. 


(Pantheon Deuticher Dichter ſ. 0.) 

Der Frühling naht! fo jubelt's allerorten, 
53 jauchzt die Lerche jo in Himmelsräumen ; 
Die Erd’ erichließet neu des Lebens Pforten 
Und läſſet taufend bolde Blumen feimen. 

Zum Friedenswerfe rufet die Natur: - 
O Menjchenfeele, horch der hehren Stimme, 
Ihr Völker all’, in deren Thatenſpur 
Der Hader ichleicht, laßt ab von eurem Grimme. 

An eure Herzen pocht der Lenz mit Macht, 
Sein Friedenswerf will euch zum Frieden mahnen; 
Vom einft’gen Völferfrühling fei das Ahnen 
Alfüberall in jeder Bruſt erwacht. 


N, 
Beim erften Bahnen, 


(Driginalbeitrag.) 

Mein armes Kindchen, mein armes Kindchen, 
So nagt aud Schon an dir umher 
Der Erdenleiden gierige3 Meer, 

Mit eritem Zahn die erite Plage 
Am eben noch jo heitern Tage; 

Und ift doch kaum erwacht der Sinn. 
Mein armes Kindchen! 

Geſtählt zur Reife, geitählt zur Reiſe! 
Und käm der Not ein ganzes Heer, 

Du zeigit die Zähne, Shmwingit die Wehr, 
Gewappnet wider jede Plage, 

Ein Held an jeden beißen Tage, 

Und jubelft Taut mit hellem Sinn: 
(Seitählt zur Reiſe! 

Es geht zur Neige, es geht zur Neige. 
Da ſchwankſt du wohl am Stab einher, 
Die Seele matt, das Dajein leer, 

Mit leistem Zahn die legte Plage ° 
Am lichtberaubten öden Tage. 

Und jeufzeit leis mit müdenm Sinn: 
Es geht zur Neige. 


* * « 3*. 

Ludwig Binterding,” 
geboren am 8. Oftober 1836 zu Meſum in Weſtfalen, erhielt ſeine Ausbildung auf 
dem Gymnaſium zu Rheine und Corsfeld, widmete fich fodann dem Bergfache, arbei: 
tete zu feiner praftifchen Nusbildung auf verjchiedenen Bergwerfen Weitfalens, Rhein- 
lands, Belgiens und Südfranfreichs, abjolvierte darauf die Bergjchule zu Düren, 
trat im Jahre 1862 in den Staatsdienft und fungiert auaenblidlich als Königl. Ober: 
bergamts : Sefretär zu Dortmund. 

Diptungen: „Auf roter Erde!“ Gedichte. Dortmund 1881. 


(„Auf roter Erde,” Gedichte, Dortmund 1881.) 
(Zieder und Balladen.) 


Die beiden herrſcher. 


„Ich bin der Herricher diefer Welt!“ 
Der Winter rief’s, der bleiche — 
„Ein Wort von mir macht Flur und Feld, 
Die Erde jelbit zur Leiche!“ 


Da hat der Lenz ihn ausgelacht: 
„Bilt nur ein leerer Schreden ; 
Denn mir ward noch viel größ're Macht: 
Die Tote zu erweden!* 


=», 


Der Tem. 


Schlaftrunfen jchaut vom Blütenbaume 
Der Lenz verwundert in die Welt; 
Es iſt ihm juſt als wie im Traume, 
So ſchlecht iſt alles noch beſtellt. 


*, Ludwig Hinterding iſt allerdings im Münſterſchen geboren, lebt aber ichon 
längere Zeit in der Grafihaft Mark und habe ich ihn feinem Kollegen, Kampmann, 
zugefelt. Dagegen iſt Profeffor W. Stord, zu Lethmathe bei Iſerlohn geboren, 
alſo ein Marfaner, wiederum der Abteilung Münfter zugewieien. Die Lebens 
“ beichreibung nach bes Dichters Mitteilungen. 


— — 


Und ſinnend ſchüttelt er die Locken, 
Da regen ſich in Feld und Hain, 
Zu ſammeln flink die Blütenflocken, 
Die Blumen alle, groß und klein. 


Ein glühend' Rot nimmt ſich die Roſe, 
Das Weidenkätzchen greift nah) Grau, 
Das Veilchen, tief verſteckt im Mooſe, 
Erkürt fid ein befcheid'nes Blau. 


Die Tulpe macht, die eit’Ie, tolle, 
Mit Not und bald mit Gelb fich breit, 
Die Lilie, die unſchuldvolle, 

Wählt fich eim fchlichtes, weißes Kleid. 


Sp ftreut er all’ die bunten Farben 
Mit milder Hand freigebig aus, 
Und muß er ichließlich ſelbſt auch darben, 
So madt er fich doch wenig d'raus. 


Sr freut jich, alles zu verjchenfen, 
Dis auf fein grünes MWerftagskleid, 
D'rin will er fih gemach bedenken 
Auf gold'ne Frucht zur. Herbiteszeit. 


=; 


Im Herbſt. 


Wie ift fo ſtill und fchaurig nun der Wald, 
So öde, wie der Vorzeit Tempelhallen, 
Kur hin und wieder nodı ein Naufchen ichallt, 
Wenn Icharenmweis die welfen Blätter fallen. 


Nur ab und zu, wenn ſich ein Windhauch regt, 
Anhebt ein Niederriefeln Ichwerer Tropfen; 
Kaum daß ein Käfer fich im Laub bewegt; 

Den Specht nur hör’ ich in der ‚Ferne Elopfen. 


Sonſt Schweigen rings und tiefe Einſamkeit, 
Gin Sehnſuchtsſeufzen nur noch in der Föhre; 
Sp ichaurig ſtill it’, daß ih Harm und Leid 
An meiner eig’nen Seele nagen böre. 
Da fommt auf mich ein Fröfteln eilig taft, 
Mein Herz durchzieht ein ahnungsbanges Dämmern: 
Mir iſt es juft, ala hört’ ich tief im Wald 
Die Jugend mein im Totenfchrein verhäumtern. 


5 


— 


Winterlied. 


Nun iſt es kalt in Feld und Wald, 
Doch ſind mir aufgegangen 
An Wintersnot zwei Nöslein rot 
Auf meines Liebchens Wangen. 


Hei, wie Die blüh’n und wie die glüh'n, 
Die denken wicht an’s Trauern, 
Die wiſſen wohl, daß Trug und Groll 
Bei der nicht lange dauern. 


Zwar gebt fie ſtumm um mich herum 
Und dreht mir kalt den Rüden, 
Und trugiglic gar mißt fie mich 
Mit bitterböien Blicken. 


Doch ob fte ſchmollt und heimlich grolft, 
Das ſoll mich wenig ſchmerzen: 
Zwei Wänglein rot in Winterönot 
erraten Lenz im Herzen. 


* 


=), 


Dornröschen. 


Dornröschen fist am Walbesfaum 
Und ftrählt die braunen Locken, 
Der Nordwind pfeift durch Buſch und Baum; 
Dornröschen laufcht erichroden. 


Das zieht To kalt durch Herz und Sinn 
ie dumpfe Grabeälieder, 
Bang finnend ftarrt e8 vor ſich hin, 
Das Kinn geſeukt aufs Mieder: 


„Wie öd' der Wald und liebeleer! 
Ktein Bienchen kommt zu nippen, 
Und auch fein bunter alter mehr, 
Zu Kiffen meine Lippen! 


Dabin find Jubel und Geſang, 
Fort al’ die munt'ren Säfte!“ 
Dornröschen feufzt umd blickt gar bang 
Auf die entlaubten Weite. 


And fröftelnd hüllt es tief fich ein, 
Schließt müd’ die Augenlieder: 
„DO Lenz voll Lieb’ und Sonnenschein, 
Mann Eehrit du endlich wieder?“ 


=; 


Das heilige Meer bei Hopfen.” 


Am tiefen See bei Hopiten ſtand 
Sch einst zur Dämmerftunde, 
Der Sonne legter Strahl entichtwand, 
Und meithin alänzte See und Land 
Sm fahlen Swielichticheine. 


„Das iſt das heil’ge Meer," jo ſprach 
Zu mir der Hirtenfnabe, 
„sn längst vericholl’nen Zeiten laq 
Fin Kloſter bier, dem Volk’ zur lag’, 
Dem lieben Gott zum Hohne. 


Bis endlich unter Flutgebraus 
Eich öffnete die Erde, 
Und Stloiterhaus mit Mönch und Maus 
Juſt, als die Notte ſaß beim Schmaus, 
Hinabſchlang in die Tiefe.” 

Oft, wenn Die Uhr die Veſper weiit, 
Ertönt im See ein Klingen, 
„Das thut,* ſprach er, „der Mönche Geiſt, 
Der an der Kloſterglocke reiht 
Und um Erlöſung läutet.“ 


Da, hardy’, erklang's wie Glockenton 
Dumpf aus des Waſſers Tiefe — 
„Mit Gott, mein Herr, es dunfelt Schon!“ 
Sprach raſch der Knab' und 309 davon 
Heimwärts rıit feiner Herde. 


5 


(Stimmungsbilder.) 


Am Abendſcheine. 


Ein Knäblein ſah ich fpielen auf dev Au’, 
Am Abendwinde wehten feine Locken, 
Sein lichtes Auge glänzte wie der Tau 
Zu feinen Füßen auf der Blumen Gloden. 


Und forgjan fan die junge Mutter dann 
Und bog fich lächelnd zu dem Stleinen nieder, 
In ihrem Auge eine Thräne ranıı, 

Als fie gefüßt ihm Mund und Augenlieder. 


Da bob fie ihn empor fo fanft und mild, 
An Tönen halb veritändlicdy jauchzt der Stleine, 
Mir war’3, ala hätt’ ich eines Engels Bild 
Verklärt geſehn im stillen Abendiceine. 


) Eiche „Sagenihag Weſtfalens“, Seite 365. 


— 252 


Da fahte mich ein Heißer, ſüßer Drang, 

Kein Auge konnt’ ih wenden von dem Kinde, 
Und jeltiam e8 in meinem Annern Hang 
An Klängen, die ich niemals wiederfinde. 

Und ſtille finnend hab’ ich mich gewandt, 
Und meine Thränen itrömten heiß und linde: 
Als hätte meine Mutter ich erkannt, j 
Als hätt’ ich felbit geichaut mich in dem Kinde. 


=, 
Auf dem Friedhof, 


Der Friedhof lag im Abend-Dämmerjchein, 
Fin heimlich Flüftern ging durd die Cypreſſen, 
Ich ſaß gedankenvoll auf mooj’gem Stein 
Und hatte rings die Welt um mid) vergeſſen. 

Nicht fern von mir bemühte fih ein Sind, 
Sin Rabe war's mit thränenfeuchten Bliden, 
Das Lockenhaar umipielt vom Abendwind, 

Mit Blumen friſch der Mutter Grab zu jchmüden. 

Und wie es bat und was es fromm begehrt, 
Zu mir berüber leife fchluchzend drang es, 

's war das Gebet, das fie mich einst gelchrt, 
Die Mutter mein, in Tagen jüßen Klanges. — 

Da zog's wie Wehmut tief ins Herz mir ein, 
Als ob die Teure jelbit zu mir geredet — 

Und jcheidend hab’ ich für die Mutter mein 
Nach Jahren wieder kindlich fromm gebetet. 


=)‘, 
Fpigramme und Sprüde, 


Der Freund. 
Gleich wie das echte Juwel fich erprobt in der jengenden Flamme, 
Zeigt in der Stunde der Not erit fid) der Freund dir als Fremd. 
=; 
Wabre Stunft. 
Tot iſt der Stoff, denn Leben verleiht und Geftalt erit Die Kunſt ihn; 
Grit in den Strahlen des Lichts funkelt der echte Demant. 
=‘ 
Spruch. 
Ob ein aut” Gedicht es war? 
Das iſt eben daran kenntlich, 
Daran, daß es in fidy wahr, 
Tief und doch zugleich veritändlic. 


5 


Karl Ernft Bomrighaufen,” 


(Pieudonym: Rarl vom Berge) 


geboren am 19. September 1858 zu Berlebura im Kreiſe MWittgenftein, widmete fich 
anfangs dem kehrerfache und abfolvierte von 1875-1878 das Semtnar zu Bilchenbach. 
Weil die Begierung zu Mensberg es für gut hielt, daß der junge Lehrer erft einige 
Seit der Volksſchule diene, fo beftätigte fte feine Wahl als £ebrer un der Gewerbe: 
ichnle zu Hagen nicht, jondern übertrug ihm die dritte £ehrerjteile an der evangeliichen 


Dolfsichule in Kierspe in Weitfalen. 
letiten fonnte, jwang ihn, fein Amt niederzulegen. 


ntann in Kierspe. 
Diptungen: 


Kleine Lieber. Gedichte von Karl vom Berge. 


Rindesglük. 


(Originalbeitrag.) 


Ein hohes Glück iſt mir befchieden, 
Stein Paradies kann ſchöner fein, 
Sc wohne noch in trautem Frieden 
Bei meinem guten Miütterlein. 


Daheim in einiam ftiller Klaufe, 
Dem lauten Spott der Welt entrüdt, 
In meinem lieben Elternhauſe, 

Wie fühl’ ich mich beglückt, entzückt! 


Wenn abends in der Dämmerftunde 
Die teure Mutter jchlafen gebt, 
Und wenn von ihrem lieben Munde 
Sich regt ein herzlich Nachtgebet: 


Dann fleh’ ich zu des Himmels Güte: 
Sei bei ihr, Gott, in diefer Nacht, 
Vor allem Schaden die behüte, 
Die mich unendlich glücklich macht. 


7 


=; 


*) Nach des Dichters vigenen Mitteilungen. 


Eine drohende Derjegung, der er nicht folge 
Er lebt augenblicklich als Kauf: 


Kaſſel 1880. 


4 — 


Der Suhenbaum. 


(Kleine Lieder. Bon Karl vom Berge. Gaffel 1880.) 


Das tit ber alte Buchenbaum, 
Io oft wir beide ſaßen, 
Und liebeglühend alles Leid 
Der Erdenwelt vergaßen. 


Setzt Steht er noch in voller Pracht, 
Trog Sturm und Regenſchauern, 
Doch bald zieht durch fein Blätterdad) 
Des Herbites leife8 Trauern. 


- Bald wird des Mondes Silberglanz 
Auf welke Blätter fcheinen — 

Mein armes Herz, was pochſt du io, 
Was fängft du an zu weinen? 


=, 
Hein Troſt. 


(Originalbeitrag.) 


Mag aud) die Welt mir alles rauben, 
D Weib, du bift mein Paradies, 
Du biit mein Hoffen, Lieben, Glauben, 
Das mir ein gi: (Engel ließ; 
Pift mir ein Troft in trüben Stunden, 
Ein Talisnan für jede Qual; 
Den Himmel Dant, daß ich gefunden 
In dir der Liebe gold’nen Strahl. 


Wir haben mande harte Stunde 
Getragen unſ'res Schickſals Bein, 
Du haft geheilt die tiefe Wunde, 
Du, heißgeliebtes Weib, allein. 
Seführt haft du auf wilden Wogen 
Des Lebens halb geſunk'nen Kahn, 
Du haft mich liebend angezogen 
Und zeigteft mir die rechte Bahn. 


Du haft gelehrt mich, zu vergeffen 
Die Stunden voller Not und Bein — 
Komm’, laß dih an den Buſen preifen, 
Du teure Herzgeliebte mein! 

Sieh’, wie die roten Roſen blühen, 
Sie flammen in dem Sonnenicein, 
So joll auch unf’re Liebe glühen, 
Soll ewig wie die Roſen fein. 


5 


— 255 — 


Schlummre! 
(Preußiſche Lehrerzeitung. Spandau.) 


Schlummre, mein Kleiner, in ſüßer Rub, 
Schließe die ſchwarzen Aeugelein zu, 
Träume von Rojen und fommendem Glüc, 
Schnell eilet die Kindheit und kehrt nicht zurüd. 


Noch liegſt du in Frieden, den Engeln gleich, 
Dir blüht in der Wiege dein Himmelreich, 
Noch bift du der Unschuld holdfeliges Bild, 
Dir tobt in dem Herzen fein Sehnen wild. 


O, ſchlummre, es nahet auch dir die Zeit, 
Wo die Roſen des Lebens verwelkt, verichneit, 
Wo du weißt, daß das Leben voll Schmerz und Gram, 
Und die Freude verging, fo wie fie fam. 


Wo de3 Sturmes Zorn deine Blüten gefnidt, 
Daran ſich dein jauchzendes Herz erquidt, 

Wie der goldene Lenz mit der Blumenpracht 
Dahinzog in froitiger Herbitesnadt. | 
Drum ſchlummre, jhwarzlodiger Knabe du, 

Und jchließe Die lieben Aeugelein zu: 
Träume von Roſen und fommendem Glück, 
Schnell eilet die Kindheit und kehrt nicht zurück. 


* 


5 


Hoffnung. 


(Ebendajelbit.) 


Du ſchauſt nun thränentrüben Blick's 
gu auf die öde Flur, 

eflagit die Tücke des Geſchicks, 
Das Sterben der Natur; 


Du hörst des Sturmes Totenlied, 
Der durch die Wälder pfeift, 
Der guadenlos mit wucht’ger Hand 
Die Blätter abgeftreift. 


63 hat des Sommers gold’ne Pracht 
Der falte Hauch vermweht, 
Es ſchied in kühler Herbitesnacht 
Der munt’re Lenzprophet. 

Doc Haft du nicht den Gruß gehört 
Herab aus hoher Luft: 
Ich kehr' zurüd, wenn übers Jahr 
Mid) leis der Frühling ruft? 


=), 


Clara Serdinande Kampmann, 


geboren am 24. Dezember 1862, Tochter des Oberbergamts :Sefretärs Sriedrich 
Kampmann 3u Dortmund, lebt dafelbit im elterlichen Hauſe. 


In der Frühe. 


(Originalbeitrag.) 


Wenn fern im Oſten noch das Frührot alimm’t, 
Und ftiegeäfroh der junge Tag erwacht, 
Spreng’ ich die Felleln, die der Schlummer mob 
Ums Haupt mir, und entflieh dem Bann der Nadıt. 


Und ichredten bange Träume mich, die ſchwer 
Mie Bergeslait mir lagen auf der Bruſt, 
Du ſcheuchſt fie weg, o goldner Sonnenitrahl, 
Und laut nun jauchz’ ich auf in Freud’ und Luft! 


Und hoffend blick' ich auf zum Himmelsblau, 
Die heiße Stirn umfpielt von Morgenwind, 
Und leije zieht’3 durch meine Seele, wie 
Von fünft'gem Glück die Ahnung, jüß und lind. 


5 


4. Müiniter. 


HEN 


Hartmann, Schatfäftlein weitfältfcher Dichtkunſt. 


= _ u. . | em me — 7, 


Sriedrib Adolf Krummader, 


geboren am 13. Juli 1768 zu Tedlenburg in MWeitfalen, ftudierte auf der Univerfität zu 
Balle Theologie, war dann in verfchiedenen Schulämtern zu Bremen, Hamm und 
Meurs thätig und vertanfchte die legte Stellung 1800 mit einem Kehrftuhl der Cheologie 
in Duisburg, bei mweldyer Gelegenheit er auch die tbeologiiche Doftormwürde erbielt. 
Sein Wunfch, ftch dein Predigtamte widmen zu dürfen, aing in Erfüllung, indem er 
im Jahre 1807 zum reformierten Prediger in Krefeld berufen, dann Pfarrer im Dorfe 
Kettwig in Weftfalen wurde. Nach zwölfjährigem, trenem und ftillem, auch den Mujen 
aewidmeten Wirken fam er im Jahre 1819 als Confiftorialrat, Hofprediger und Super: 
intendent nach Bernburg. Jm Jahre 1824 nahm er einen Ruf als Paitor primarius 
an der St. Unsgarinsfirdye zu Bremen an, Im Jahre 1844 trat er in den wohlver- 
dienten Kuheftand und ftarb am 14. April 1845 zu Bremen. 

Dihrungen: Die Liebe. Ein Hymnus. 2. Aufl. Wefel 1809. — Barabeln. 
Duisburg. 1805. 4. Aufl. Eſſen 1850. — Die Kinderwelt. Gin Ge— 
dicht. Duisburg 1805 und 1813. Johannes. Religiöſes Drama. 
Leipzig 1816. 

(PBarabeln. 4. Aufl. Eſſen 1850.) 


Das Rotkehlden, 

Ein Rotkehlchen kam in der Strenge des Winters an das 
Fenſter eines frommen Landmanns, als ob es gern hinein möchte. 
Da öffnete der Landmann fein Fenfter und nahm das zutranliche 
Tieren freundlich in feine Wohnung. Nun pickte e8 die Brojamen 
und Strümchen auf, die von feinem Tiſche fielen. Auch bielten Die 
Kinder des Landmanns das Wöglein lieb und wert. Mber als mın 
der Frühling wieder in das Land fam, und die Gebüſche ſich belaubten, 
da öffnete der Landmann fein Fenſter, und der fleine Gaſt entilog in 
das nahe Wäldchen und baute jein Neft und fang fein fröhliches Liedchen. 

. Und ſiehe, al3 der Winter wiederfehrte, da fam das Rotkehlchen 
abermals in die Wohnung des Landmann und hatte jein Weibchen 
mitgebradit. Der Landmann aber ſamt feinen Kindern freuten ſich 
fehr, als fie die beiden Tierchen ſahen, wie fie aus den flaren Aeug— 
lein zutraulich umherſchauten. Und die Kinder fagten: Die Vögelchen 
fehen uns an, al® ob fie etwas jagen wollten! 

Da antwortete der Vater: Wenn fie reden könnten, jo würden 
fte jagen: Freundliches Zutrauen erwect Zutrauen, und Liebe erzeugt 


Gegenliebe! 
=; 17% 


— 260 — 


Hagar. 

Als Hagar ausgetrieben war von Abrahams Wohnung mit 
ihrem Knäblein Ismael, irrte fie umher in der Wüſte Berſeba, und 
der Waſſerkrug war leer, den Abraham ihr mitgegeben hatte. Und 
ihr Kind litt heftigen Durſt und jammerte ſehr, und es war nirgend 
ein Quell noch Born zu finden. Hagar aber weinte und ſprach: U, 
wird der Herr des unichuldigen Kindes vergejien? Gern will ich 
fterben, wenn er nur bes Knaben ſich erbarmet. 

Darauf legte fie den Knaben unter einen Baun und jegte ſich 
— von ferne. Denn fie ſprach: Ich kann nicht zuſehen des 

aben Sterben, und fie erhub ihre Stimme und meinete. 

Da erhörte Gott der Herr die Stimme des Knaben und that 
Hagar die Augen auf, daß fie einen Wafferbrunnen ſah. Da ging fie 
bin und füllete Die Flasche mit Waffer und tränkte den Knaben. 

Und Hagar war getröftet und ſprach: Die Thränen der Un— 
ſchuld und Liebe vergikt der Herr nicht, und wenn die Not am größten, 
iſt feine Hülfe am nächſten. 


2 


Die Achte und die Diſtel. 


Ein frommer Landmann mit filberiweißem Haar wandelte mit 
jeinem Enkel, einem Süngling, auf dem Felde zur Zeit der Ernte. 
Da jcherzte der Greis mit den Schnittern, wie fie nur Kinder gegen 
ihn jeien, der mehr denn jechzig Ernten gewältigt. 

Da reichte einer der Schnitter ihm eine Senje, der Greis aber 
nahın fie und mähete einen Schwaden zu Boden wie ein rüftiger 
Fe Und die Schnitter jautchzten und ftrichen die Senien ihm 
zu Ehren. 

Der Süngling, jein Enkel, aber forad) zu ihm: Mein Großvater, 
woher haft du jolch ein gutes Alter ? 

Da antwortete der Greis und ſprach: Siehe, mein Sohn, id 
habe von Jugend an auf Gott vertraut in guten und böſen Tagen, 
dadurch hab’ ich mir den friichen Mut bewahrt; ich habe fleißig meines 
Berufs gewartet und treu gearbeitet, dadurd gewann id) des Yeibes 
Stärfe und Gottes Segen; ich wandelte fromm vor Gott und friedian 
mit den Menfchen, dadurd habe ih mir Friede und Freudigfeit 
bereitet. Und mit den Sahren iſt ſolches alles durch Gottes Gnade 
in mir befeftigt und egründet worden. Thue desgleichen, mein Sohn, 
fo wird dein Alter fein wie eine volle Garbe, die der Herr der Ernte 
mit Freuden in die Scheune jammelt. 

Mem vergleichit du denn ein böſes Alter ? fragte der Süngling. 

Der Füngling wandelte jchweigend zur Seite des vedenden 
Greiſes, da nahm dieſer feinen Stab und zeigte auf eine Diitel am 
Mege und Sprach: Siehe hier das Bild eines unfruchtbaren, troitlofen 
Alters. Sie ftehet einfam und umbeachtet; ihr graues Haupt ift ein 
Spiel der Winde, die ihren Samen vermwehen. 


=; 


= u - 


Das Fläümmchen. 


In tiefer Wölbung des Bufens da wohnt 
Ein dunkles und heiliges Schweigen, 
Und über dem Dunkel des Heiligtume thront 
Ein Flämmchen gar heimlich und eigen 


Das Flämmchen ſtraählet fo ftill und fo Mar, 
Wie Sternlein, mit bimmliihem Schimmer; 
Die Bruft ift fein Tempel, das Herz fein Altar, 
Da leuchtet e3 immer ımd immer. — 


Umbüllt zuweilen des Dunfels Gewalt 
Und enget das Flämmchen zuſammen: 
Doh währt es nicht lange, in eigner Geitalt 
Beginnt es von neuem zu flammen. 


Es heilt dem Pilger die finitere Bahn, 
Ermutigt auf dornichten Wegen 
Die ftrebende Demut und führt fie hinan, 
Der ftrahlenden Höhe entgegen. 


Und wenn dem Kampfe der Streiter ſich naht, 
Dann regt ſich das Flämmchen von innen, 
Es ſtärkt ihm die Rechte zur herrlicher That, 
Und bilft ihm die Palme gewinnen. 


Und nad) den Siege — dann fehret zurück 
Das Flämmchen zur heiligen Stille: 
Ein Lichtitrom entquillt es dem fröhlichen Blick 
Des Siegers in lieblicher Fülle. 


Und wenn hinabwärts die lockende Luſt 
Den achtloſen Pilger will leiten, 
Dann zittert und wanket im Dunfel der Bruſt 
Das Flämmchen, den Abgrund zu deuten. 


Und löſ't ſich im flüchtige Funken und quillt 
Empor zu den glühenden Wangen, 
Durdjftrömet den Flopfenden Buſen und ftillt 
Das thörichte Langen und Bangen. 


Ihr Thoren, täuſchet, ach, täufchet euch nicht ! 
Ihr wähnet, das Flämmchen zu dämpfen! 
een wohl mögt ihr fein heiliges Licht, 
Doch wird es fich Freiheit erfämpfen. 


Schnell, eh’ ihr es ahnet, das Flämmchen erwacht 
Zu furchtbaren, lodernden Flammen, 
Und über euch fchlagen aus grau'nvoller Nacht 
Die wallenden Gluten zufamnten. 


Ss 


— 2162 — 


Erdbeerlied. 


(Lefebuch für Bürgerfchulen v. U. Lüben und C. Nade. Leipzig 1880.) 


Ein Mägdlein an des Felſens Rand 
Gin nacktes Erdbeerfträuclein fand, 
Bon Sturm und Regengüffen 
gersauft und losgeriſſen. 

Da ſprach das Mägplein leife: 

„Du arme, nadte Waiie, 
Komm mit mir in das Gärtchen mein, 
Du ſollſt mir wie ein Kindlein fein!” 


Drauf macht eö wohl die MWürzlein [os 
Und trug das Pflänzchen in dem Schoß 
Und jpähte, ſtill und wonnig, 

Sin Bläschen, fühl und ſonnig, 

Und mwühlte in der Grobe 

An emſiger Gebärde 

Und pflanzte nun das Pflänzchen drein 
Und ſprach: „Das foll dein Bettchen fein!“ 


Und als die Frühlingszeit erſchien, 
Begann das Pflänzchen jchon zu blühn, 
Wie fieben weiße Cine 
Das fah das Mägdlein gerne; 

Die wurden fteben Beeren, 

Als ob's Nubinen wären. 

„Belt,“ ſprach es, „es will dankbar Sein 
Und meint, ich jei jein Mütterlein.” 


)‘ 


Bernhard Gottfried Bueren,) 


geboren am 10. Auguſt 1771 zu Wolbed bei Münfter, beiuchte das Gymnaſium zu 
Münfter und ftudierte vier Jahre dafelbit auf der ehemaligen Univerſität die Rechte, 
widmete fich aber auch außerdem dem Studium der lateimtichen und ariechifchen 
Sprache und fitteratur, jowie der Mathematif. Nachdem er fodann Hofmeifter des 
jungen Grafen von £andsberg -Delen zu Delen geweſen und 1793 Kizentiat der Kechte 
geworden mar, berief ihn in demfelben Jahre der Dater feines früheren Föglings, 
weiber Guts: und Patrimonial: Gerichtsherr von Papenburg, zum Nichter dajelbit. 
Im Yabre 1809 wurde er dort Herzoglich Urembergiicher und 1811 Kaiferlich Sram: 
zöfticher Sriedensrichter. Er war Mitglied der Weitfälischen Gefellichaft für die Kultur 
und das Wohl des Daterlandes zu Minden, Er jtarb am 3. Auguſt 1845 zu Papen- 
burg. Die Serausgabe der Gedichte beforgte der Sohn, Dr. jur. B. U. Bueren, Ad⸗ 
vofat und Notar zu AUfchendorf, aus dem Nachlaffe feines Daters, 

Dichtungen: Ausgewählte Gedichte. Münſter 1868. 


(Ausgemählte Gedichte, Münſter 1868.) 


Driburgs Umgebungen. 
(1797.) 
Empfangt mich, Driburg3 heil’ge Schattengänge, 
Du boldes Thal, dem Lebensborn entquillt, 
Ihr waldumkränzten Berg’ und Felſenhänge, 
Wo die Natur in reizendem Gepränge 
Mir malt des Paradieſes Ebenbild. 


Wo joll mein hochentzüctes Auge weilen? 
An Tempel, wo der Lebensborn entquillt? 
An lichten Felien, die die Wolfen teilen ? 

Am grauenden Nuin, der wie die Ziffer: Zeilen 
Die Vorzeit hieroglyphiſch mir enthüllt? 


Am Steinberg joll mein Aug’ und Herze ruhen, 
Ein heil’ger Schauder fließt durdy mein Gebein, 
Da naht die Gottheit, fih mir aufzuthuen; 

D, heilig iſt der Ort, fi) zu entichuhen, 
Gr wird fürwahr wie einitens Horeb jein. 


*) Nach der ben „Ausgewählten Gedichten“ vorausgeſchickten Lebensbeſchrelbung. 


— 264 — 


Hier fühl' ich Gottes ſanften Seelenfrieden 
Im Säuſeln ſtiller Lüfte um mich her, 
Ich wähn', als wär' mir Sterblichen hienieden 
Die Seligkeit, die himmliſche, beſchieden, 
Und Leid und Gram dem Staubesſohn nicht mehr. 


Hier werdet ihr, ihr Männer Gottes, wohnen 
Im Grbteil, das die Vorficht euch beichied, 
Ind Seelenheil wird eure Tugend lohnen, 
Sie wird bei euch in heil’ger laufe thronen, 
Da fie der Fürften Goldpaläfte flicht. 


=; 


Die heren.“ 
(Ein Nachtgemälde.) 


Wenn das KHäuzlein in der Urnacht 
Mit dem Leichhuhn ein Duett heult, 
MWenn der Roßfuß feine Cour macht 
An die Nahtmähr’ und ihr Bett teilt: 
Dann erhebt ſich Die Here vom ichnarchenden Mann 
Auf dem Beſen in faufende Lüfte, 
Und reitet der graufige Jäger boran 
Weber Trümmer und modernde Grüfte, 
Umflimmert vom Schein des verirrenden Lichte 
Und umhuſcht von Geftalten des Vorgeſichts. 


Aus dem Grabmal, Hu! mit Dumpfton 
Sid) der Grenzrüder erhebt, 
Und als Flammengeiit nun der Sumpfiohn 
Zu dem Grenzitein übers Moor ſchwebt. 
Und dem Wanderer fträubet das Haar fih hinauf, 
Wie die ftahhlichten Borften am gel, 
Es bäumt fih das Roß in geipornetem Lauf, 
Und dem Reiter eritarren die Zügel, 
Und der winjelnde Pudel den Herren umfriecht, 
Der da jchauet den Spuf, der die Lüfte durchfliegt. 


Paſſagier ſchläft, Poſtillon flucht 
In der Sturmnacht, wo kein Stern blinkt, 
Er das Irrlicht als Station ſucht, 
Die da moorwärts ihm nicht fern dünkt; 
29. Seine in feinen jämtlihen Werfen, Hamburg 1867, Bb. 18, ©. 19, 
urteilt folgendermaßen über biejes Gediht: „Die Heren find —* —— der 
Verfaſſer fühlt gar wohl, mas durch metriſche Kunſtgriffe erreicht werden kann, er 
fühlt gar wohl die Macht ber Spondeen, beſonders ber ſpondeiſchen Reime. 








— 205 — 


Und er ipornet und peiſchet mit ſchrecklichem Fluch 
Die ſich bäumenden Nappen am Wageır, . 

Doch rücklings veriinfen jie matt in dem Bruch,*) 
Den fie vorn mit den Hufen noch Ichlaaen, 

Und ein Querjturz rüttelt die Blinden**) hervor, 
Und fie ſchauen den Tanz im erhelleten Moor. 


„Fi! gegrüßt ſeid, Paſſagierlein! 
Zu der Hochzeit, da ihr Halt madt; 
Denn die Braut***) wünſcht euer Hierfein, 
Die da Kreiſstanz mit dem Wald madıt. 
Zu dem Mahl ift geſchmückt der bezauberte Brud) 
Und erleuchtet von unten bis oben, 
Und gedeckt iſt der Tiich mit dem feiniten Tuch, 
Von der Naht aus Nebel gewoben,f) 
Und bejeget mit Gerichten von lieblihem Duft 
Da bereit für die witternden Gäfte der Luft.” 


Bei dem Gruß fteht die Station da, 
Und der Klauswirt läd't die Gäſt' ein, 
Und Madam’ ſpricht: „Roitillon, ha! 
Diele Nacht fol dir ein Felt fein. 
D, du follft da, gekleidet in Silber und Gold, 
Der Königin jelber kredenzen, 
Und eud, ihr Mamſellchen, dem Könige hold, 
Soll’n Perl und Brillanten umglänzen; 
Wählt hier von den Kleidern die ſchönſten euch aus.“ 
Ste thun es und jchweben zum duftenden Schmaus. 


Poſtillon glänzt nun von Pracht fchwer 
In dem Goldrod bei der Mahlzeit, 
Wo ald Mundichenf er der Nachtmähr’ 
Und dem Roßfuß den Pokal beut; 
Und es bligen die Dämchen in Perlen und Gold, 
Rings ſpiegelnd im blendenden Lichte, 
Kredenzen den Becher dem Belzebub hold, 
Und fie koſten die YZaubergerichte, 
Und verlodet von Glanz der bezaubernden Macht 
(Srliegen ſie gaufelnden Geiftern der Nacht. 


Don dem Hochfig Meiiter Fir lacht, 

Wie der Hofjud’, dem man „Hepp!“ ſchreit, 
Als die Nachtmähr' ihm den Knix macht 

Zu dem Kreistanz in dem Schleppfleid. 


*, Pruc ober Door. 
**) Blinde Paffagiere. 
*xx) Minbebraut. 

+} Derbitfäben. 


— 266 — 


Und die Hexen beginnen bacchantiſchen Tanz 
Mit des Beelzebubs loſen Geiellen, 

Die freifchend fie heben mit jchnellendem Schwanz 
Zu den Wolfen, wie fporudelnde Wellen, 

Und die Lüfte durchkreiſeln Mamijellhen und Frau 
Nach der Orgel des Sturm: mit Gebell und Miau. 


Und nun ſetzt auch's Poſtillonlein 
Sich zu Tiſch, trinkt den Pokal aus, 
Und ihm fact flink die Helen’ ein,*) 
Was zurüd blieb von dem Balihmaus; 
Und fie tanzen und Ichwärmen auf nächtlicher Bahn, 
Auf den nebelummalleten Matten, 
Bis mwitternd den Morgen jchon frähet der Hahn, 
Und entichwinden die huichenden Scatten, 
Da tummeln ich Wirtin und Blindpaffagier 
Mit dem taumelnden Schwager ins Nadıtquartier. 


Und der Klauswirt von dem Bock ichlägt, 
Das Geipann ſcheu aus dem Moor jpringt, 
lieber Stod und über Block jügt, 
Bis der Oſtſchimmer hervorblinkt; 
Da erwacht der Schwager vom fchredlidhen Traum, 
Als ob hätte den Alp er getragen, 
Und er ficht noch die Pferde bededet mit Schaum 
In dem Bruch am verſunkenen Wagen. 
Doc weg find die Blinden, es frähet der Hahn 
Rechts ab von der Hlauf’ an dem Wege nad) Wahn.**) 


Gr ins Horn ſtößt, daß es Not klingt, 
Und zu Hülf’ eilt die Geſpannſchaft, 
Die die Poſtkutſch' aus dem Not bringt, 
Um ein Frübftüd für die Mannſchaft. 
Und der dankende Schwager nun langet heraus 
Die Flaſche und gefüllte Paſteten, 
Die fein Lenchen geborgen vom nächtlichen Schmaus, 
Doc er findet nur Unfen und Sröten, 
Statt Hühner und Hajen nur Eul’ und Kanin, 
Statt goldenen Wein in den Flaſchen — Urin. 


Doch ein Kreuz ſchlägt nun der Poſtknecht, 
Als ein Käuzlem aus dem Schlag qudt: 
„Wohl befomm’ euch meine Kost recht 
Und der Leibwein, den ihr nahichludt!” 


*) Name einer Here. 
**) Ein Dorf nabe bei Sögel. 


— 2367 — 


Und er jagt nun mit Schreden die laufe vorbei, 
Hält an und erzählt es bei Meyer, 

Und o grüßt fein Helenchen: „Lieb Schwager, ei! ei! 
Euch gings wohl wie unjerem Beyer.“ 

Und der Sandwirt zog den Salender herbor: 
„Wahrhaftig, Walpurgis im Wippinger Moor!“*) 


Fa 


=; 


Jägerlied, 


geſungen im Börger- und Staverner-Wald 1809. 


Auf! Hümmlings Förſter und Jäger, 
Auf! auf! zur fröhlichen Jagd! 
Luſt winken die — Gehäge, 
In ſandigen Wüſten gemacht; 
Aus Emslands niedern Quartieren, 
Aus Marſchen, umrandet vom Deich, 
Zu Hümmlings hohen Nevieren, 
An Wild und an Denkmalen reich. 


Seh’t, wie fie uns winken, ihr Jäger! 
Zu altdeutjch- männlicher Luſt, 
Dort ſchlägt uns höher und reger 
Das Herz in der freieren Bruft; 
Drum auf in die weiten Gefilde! 
Soweit nur das Jagdhorn erichallt, 
Wird rührig das rege Gewilde 
Sm Börger= und Staverner-Wald. 


In immer grünenden Tannen 
Erhebt fein vielendig Geweih, 
Das faum drei Männer umipannen, 
Der Hirsch majeitätiich und frei. 

Nach ihm Doc laßt uns wicht dürften, 
Er Steht dort fo herrlich und jchön, 
Die Waldzier, die Wonne des Füriten, 

Drum mahne das Horn ihn, zu gehn. 


Was grafet bei filbernen Buchen 
Im twiefigten Erlenrevier? 
Dort wallt, fein Geäſe zu fuchen, 
Mit ſcheckigem Kalbe das Tier, 
Die Mutter, beim Pflegen und Warten, 
Nicht ahnend das tötende Nohr, — 
Des Fruchtbaums fhonet im Garten, 
Viel Früchte noch bring’ er hervor! 


*) In der Nähe bon Sögel. 


— 268 — 


Seht aber den Gabler und Spießer, 
Den Sechſer mit leichtem Geweih, 
D'rauf pirſchet, ihr munteren Schießer, 

Ihn treffe das tötende Blei! 
Piff! Paff! — wie ſauſen im Winde 
Die Kugeln aus jeglichem Rohr! 
Sie ſchlagen in Aſt und in Rinde 
Und kreiſeln ſich ſtäubend im Moor. 


Aufs neu! nicht immer ein Pudel! 
Hurra! welch' Jubelgeſchrei, 

Da ſtürzt aus dem huſchenden Nudel 
Ein Sechler mit leichtem Geweih; 
Auf! Burichen, her bringet die Beute, 
Des Waldhorns hallender Klang 
Tönt fröhlich ald Toten = Gelänte, 
Hurra, als der Toten = Gelang. 


Nun lagert zum ftärfenden Mahle, 
Sei frei nun der Hirich wie das Tier! 
Leert Holiter und füllet Pokale 
In Burgwalds hohem Revier! 
Beim Luſtmahl, würdig der Ahnen, 
Fleuß herzerhebender Wein, 
Zum Opfer den zürnenden Manen, 
Auf Suerwolds Riefen » Geftein. *) 


O Stein des gewaltigen Hünen, 
Biit Herden ein ſchirmendes Dad, 
Hier darf fih die Sprade erkühnen, 
Hier fchleicht fein Späher uns nad). 
Hier laßt und die Büchſen erheben 
Wie Schügen im freien Tirol: 
Der Kaiſer der Deutichen joll leben, 
Und mit ihm Germaniag Wohl!” 


*) Der jet verjhwundene Deeitein eines Hünengrabes, 20 Fuß lang, 10 Fuß 
breit und 6 Fuß di. Unter demfelben joll, der Volksſage mn ber Hünenkönig 
Euerwold begraben liegen. Siehe „Sagenihag Weſtfalens“, ©. 


«)) 


Sranz Anton Jojepb von Sonnenberg, 


(Franz Anton Joſeph Ignatius Marie, Sreiberr von) 

geboren anı 5. September 1779 zu Münfter in Weftfalen, Don fühner, aber ungeregelter 
Phbantafie entwarf er als zwölfjabhriaer Knabe auf dem Gymnaſium feiner Daterjtadt 
nach Klopftods Meſſiade den erften Plan zu einem Epos „Das Weltende‘. Später 
ftudierte er die Rechte, machte in feinem 19. £ebensjahre eine Reife durch Deutichland, 
die Schweiz und Frankreich und lebte zulekt, an einem zweiten Epos „Donatoa’’ mit 
dem ganzen feuer feiner Seele arbeitend, zurüdgezogen in Jena, wo er am 22, Ylov, 
1805 feinen Leben durd; einen Sturz aus den Fenſter ein freimilliges Ende bereitete, 
Don ihm ſagte Goethe, er habe den Imperator : Mantel nnter den dentichen Dichtern 
tragen fönnen. 

Dichtungen: Das Weltende. 12. Wien 1801. — Donatoa. 2 Bde. 

A Nubolftabt 1806. — Gedichte. Rudolſtadt 1808. 


(Gedichte, Nubolftadt 1808.) 
Hoffnung. 


Hoffnung, Hoffnung! höchſter Troft im Leben, 
Halt’, o Engel, mich empor! 

Gaukle mis, wenn Grauen mic umichweben, 
Deine Schmeichelbilder vor! 


Ohne Dornen blüht fein Kranz auf Erden, 
Luft vermählet fich der Bein, 

Und von taufend Freuden, die uns werden, 
Fit vielleicht kaum eine rein. 


Wenig Wünjche finden hier Gewährung: 
Slüf, wenn wir die Kunſt veritehn, 

Mutig, zwiichen Duldung und Entbehrung, 
Unſern kurzen Pfad zu gehn! 

Hoffnung, Hoffnung! Tröfterin im Leben, 
Halt’, o Engel, mich empor! 

Gaufle mir, wenn Grauen mic umſchweben, 
Bilder ſchönern Lebens vor! 


=; 


— 70 — 


Milde. 


(Gflegie.) 


Sm Ulmgebölze Ichweift des Jrrlichts Flamme, 

Des Hainbachs Murmeln Ihwärmt die Elf' entlang, 
Still lauſcht's umber, im alten, hohlen Stamme 

Zirpt nur ein Grilfchen feinen Sterbgeiang. 


Und längft eritorb’ne Jugendfreuden ſproſſen 
Wie junge Blüten lieblich mir empor, 

Mild, wie von bleihem Sternenlicht umfloffen, 
Reiht fie in Kränzen Phantafie mir vor. 


Hier, wo im mondbeglänzten Pappelhaine 
Vergangenheit an ihrer Hand mich führt, 

Und in dem bleichgewirkten Dämmerjcheine 
Den Irrgehegen meiner Jugend fpürt; 


Hier ſah ich, Milda, dich zum erſtenmale 
In deiner Schönheit Augendreizen gehn, 

Dein bräutlih Lockenhaar im Abenditrahle 
Dir flatternd um den Xiliennaden wehn. 


Im Antlig fanfte Engelmilde, glühte 

Im Blick die Schöne Hoheit wie von Gott, 
Die Wange zarte Frühlingsrofenblüte, 

Die Lippe junges Sommermorgenrot. 


Im lichten Schneegewand der Unſchuld mwallte 
Sie jo dahin am mondbeglänzten Hain, 

Auf den der Abenditern herniederftrahlte; 
Doc) liebliher war ihrer Mugen Scein. 


Hier J ich ſie, und ihres Buſens Beben, 
Ihr hold' Erröten, ihrer Blicke Glut 
Umwogte hoch mein Herz mit Jubelleben, 

Ich ſank in uferloſer Liebe Flut. 


Von ihren Roſenarmen eng umſchlungen, 
War ich, der ich nun nimmer wieder bin! 
Nur ihr beglückt mich jetzt, Erinnerungen, 
Und heitert freundlich mir den trüben Sinn. 


Schon ſah ich zweimal hier den Lenz verblühen, 
Und ſeiner Jugendblüten Erdenlos, 

Schon zweimal hier den Roſenhügel glühen, 
Wann jungen Maies Feuer in ihn floß. 


Der frühen Hoffnung junge Freudenſproſſen, 
Die mir im Lebensgrün der Gegenwart noch ſtehn, 
Vom fernen Morgenſtrahl des Wiederſeh'ns umfloſſen, 
Ach, werden ſchnell, wie Roſ' und Lenz, vergehn. 


— 71 — 


Sc ſchaue fehnend in die dunkle Ferne, s 
Bon goldumflammten Bergen rings umtürmt, 
Und grüße euch, ihr ewig heitern Sterne, 
Wo Stille wohnt, und nicht das Herz mehr ftürmt. 


=, 
Gott, dem Weltrichter.“ 


(Bei einem Gemitter.) 


ier, wo des Felſenſtromes Wogenſturz 
onnernd in die Shäumende Tiefe fällt, 

Will ich betend 

Zum Richter der Welt die Hände falten. 


O, Du, vor defien Allwiſſenheit ich einft 
Am Tage des Meltgerichtes zittre, 
Wenn die Erde vom Aufgang en Niedergang 
Gleich Sturz der Wäffer, von Auferstehung ranschet! 


Wann die zerfall’ne Aiche der Kinder Adams 
Vom Todesichlummer erwadhet, 
Und die Gemitteritimm’ der Pojaunen 
Ins Weltgericht rufet; 


Dann erbarme Dich meiner! 
Hier falt’ ich die zitternden Hände 
206 empor und weine zu Dir! 
ann erbarme Did meiner! 


Wie wirbeln die Wogen des Feljenitromes, 
Wie heben fich plöglich nun auf die Winde, 
Mie ziehen am fernen Himmel 
Sn stiller Feier blut’ge Wetterwolfen ernit herauf! 


Bit Du es, o Bluter Golgathas? 

Oder jchwebit Du auf den Wogen, Geiſt des Ewigen? - 
Biſt in dieſem flammenden Wetter? 
In diefem Braufen des Sturms? 


Wie raufchen im Winde die Ströme daher, 

Wie fallen die Blumen der Höh’n aufs Antlig! 
Vie wird der Ströme und Wälder Braufen Gebet, 
Wie wird es Anbetung! 


Mie heilig und hehr 

War jener entjegende Tag, 
Wie flogen der Rache 
Blutrote Wolfen daher! 


*) Das Erzeugnis ber ſchrecklichen Testen Stunden des unglüdlichen Dichters. 


— 272 — 


Die Flammen rauichten blutig durch die Mitternacht, 

Da nahmit Du die Flammen, Dir nahmit die Mitternacht, 
Du ſchufſt; 
Und die Todesengel gingen aus ihnen daher. 


Ahr Gang wie ſtürmiſch Braufen des Ozeans, 
Ihr Stu gleih düftrer Wetterorfanen Flug, 
Und Gräberichredfen hundertfältig 
Ringsum durchs Dunkele von fid) itrömend ; 


Und wann die Poſaunen des Weltgerichtes nun 

In tauiend Welten ertönend zum Weltgericht rufen, 
Wann vorüberwandelnde Erden und Monde 
Durch die ganze Natur den Donnerruf wiederhallen ; 


Wann Ström’ und Seen und Ozeane der ganzen Natur, 
Der Herrlichkeit Gottes entgegen braufen, 

Die Tiefe von ihren Sigen ihm aufiteht, 

Die Höhe vor ihm auf ihr Angeſicht hinfällt: 
Dann werden fie aus den Meltgerichtöwettern, 
Mit biutigem Nebel umfloflen, berunterflammen, 

Die Todestöne ihrer Flügel, 

Vor denen alle Ericaff’nen erzittern. 


Wie ein Sturm im Gebeinthal, 

Rauſchet und raffelt noch immer die Erde vom Auferſtehen; 
Aber nun finken die Monde, 
(53 welken die Blumen, die Samen und Morgeniterne. 


Fei'rlich leuchtet nun über der ganzen Grde, 
Vom Aufgang zum Niedergang, 
er Glanz des Gerichtäftuhls, 
Und Totenſtille herrſcht . . .. 


Heiliger! 

Furchtbarer! 
Allwiſſender! 
Ewiger! 


Wie faſſen mich deine Schrecken; 

Wie umſchatten mich die großen Gedanken jenes Tages! 
Laß mich nicht verſinken 
Im Strom der Verzweiflung! — — — 


Alle Völker vom Aufgang zum Niedergang, 
Wo die heiligen Toten ſchliefen, 
Und die Sünder ſchlafen werden, 
Fallen nun auf ihr Angeſicht; 


Ein Gebet ſteigt von der ganzen Erd' empor, 
Aus allen Tiefen der Seelen, 

Und die gefalteten Hände, 

Und die Thränen, die Siröme werden, 


— 2173 — 


Zu dir, dem ewigen Urquell aller Weſen, 
Der eriten und legten, ſtrömt's empor 
In ſchau'rlich Stiller Totenfeier 
Vom grenzlos weiten, offenen Gefild der Auferitehung. 


Erbarmer! Das Blut des neuen und ewigen Bundes, 
Am ummadteten Grdenaltar vergoffen, 

Es rufet laut 

Um Gnade! 


Sohn des Vaters, 
Erbarme dich des Endlichen dann! 
Sohn des ewigen Vaters, 


Nun donnern Himmel und Welten in allen Streifen 
Dom Aufgang bis zum Niedergang, 
Ins Unermeßliche tönen des Weltgerichts 


Schredenpoiaunen, 
Nun krachen Donnerfchläge durch taujend Welten herunter . 
Heilig! 
Heilig! 
Heilig! 


Der gegenwärtigen Gottheit! — 


Da flammt er hinab, 
Der rötliche Strahl, 
Um ftrömenden Himmel, 
Und Schreden beflügelt ihn!.. . 


Dumpf raunt in tiefer Ferne der rollende Donner 
Vom Abend herauf, 
Nun Ereifen fich Blitze, es heult auf den Gräbern 
Der Donnerſturm ... 


Wie ſchwimmt der Himmel in Feuer, 
Wie iſt er von Oſten bis Weſten entflammt, 
Wie praſſeln mit krachend erſchütterndem Sturz 


die Donnerſchläge 
Oben vom Weltbau! 


Wie rollen ſie nun hin von einem Pole zum andern! 
Sollen ſie mich an den Tag des großen Weltgerichtes, 
O um mich gegenwärtige Gottheit! 
Erinnern? 


An jenen Tag, 

Wo die Todesengel vor dir hergehn, 
Und die Adamiten, und unter ihnen auch mich, 
Den Gräbern entſchrecken? 


Hartmann, Schatzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 18 


— 1 — 


Doch, fie find deine Erſchaff'nen auch. 
Du, der du jene ſchufſt, 
Du ſchufſt auch mich, 
Drum wirft du in deinen Schreden auch mein Vater 
noch bleiben! 


Als Flammen um dich ftrömten, 

ALS graufenvolle Mitternächte um dich bebten, 
Und in allen Naturen öde Todesſtürme heulten, 
Da ichufit du die Todesengel. 


68 bebten die Höhen und Tiefen, 
Es brauften die Ströme und Meere in ihnen; 
Wie raufchen noch fort durch die ganze Natur, 
gleihh Donnerftürmen, 
Die nächtlich Ichattenden Flügel der Todesengel! 


Horch! der Donner verhallt num bumpf in den unteriten Tiefen, 
Die Wetterorfane verklingen 

In etitfernteren Welten, 

Wo der blutige Glanz des Gerichtsſtuhls düſter verdämmert. 


Das Blut der erwürgten Unfchuld, 

Die Flammenthränen der Gefallenen, 
Die jammernden Seufzer der bald Berirrten, 
Die Flüche der Verworfenen 


Winſeln um Rache . . . 

Um ewige Radıe .. . . 

— ſie mit wildem Geheul 

Der Verzweiflung, dem ewigen Tod entgegen? ... 


Hilf mir, Vater! ich ſinke 

Sm uferlofen Strome deiner Schreden! 
Sie gingen, wie der ewige Tod, 
Meiner Seele vorüber; 


Vater und Sohn! 
Und dir, o Geiit! 
Heilig Vereinte, 
Deren zürnendem Blick die Morgenftern’ erbleichen; 
Euch ſtrömt Anbetung 
Aus meines Herzens flammenden Tiefen! 
Gott! hier lieg’ ih und umfaſſe den Felſen, 
Wann dies geichteht, dann erbarme dich meiner! ... 
An fernen Gebirgen ift der Donner verrollt; 
Heiter lächelt der Himmel! 
Danf dir, Vater, du lächelſt in milderer Abendkühle 
Mir Erhörung zul... . 


5 


Sibylla Katharina Schüding, 
eb. Bufch, * 
— — — 


geboren am 6. Januar 1791 zu Ahlen im Mänſterſchen, kam früh nach Münſter und 
verkehrte dort in den geiſtig anregenden Kreiſen der Fürſtin von Galligin und des 
Minifters von Sürfienberg. Ganz befonders förderte und hegte Profefior U. M, Sprid: 
mann ihr hervorragendes poetifches Talent, Im Jahre 1813 vermählte fie fich mit 
dem Sriedensrichter und Arrondifjementsrat Paul N. Schüding, lebte zu Meppen, 
fpäter zu Klemenswerth und iſt daſelbſt geftorben am 2. November 1831. Sie war 
eine freundin von Unnette von Drofte, die fie in einem Gedichte als Weitfalens Dich: 
terin feiert, und die Mutter Eevin Schüdings, Mit liebenswärdiger, weiblicher, aber 
dody zu Ütrenger Beicheidenheit vorenthielt fie die Blüten ihrer Dichtfunft dem größeren 
Publitum, indem ſie die Erlaubnis zum Druck bejtimmt verweigerte, (Siehe das 
Gedicht: Die ftille Tugend.) 


(Deitgeteilt von der Enkelin Fräulein Theo Schüding.) 


Die Blume, 


Motto: Je ſchüchterner ſtille weibliche 
Liebe ſich birgt, dauert je feſter 


Luiſe Brachmann. 


Maienhauch durchſchwamm den lichten Aether, 
Liebe ſang die ſüße Nachtigall, 
Leiſe buhlten um die jungen Knospen 
Linde Weſte, warmes Sonnenlicht. 


Und ſie ſchwollen rot und immer röter, 
Oeffneten dem ſanften Liebeshauch 
Ihre Kelche, und in ſtolzer Fülle 
Blühte rings das lächelnde Gefild. 


Eine Blume nur ſtand tief verſchloſſen, 
In ſich bergend noch den ſüßen Duft, 
Und auch ſie umfächelten die Weſte, 

Sie umſchmeichelte der Sonnenſtrahl. 


Nach E. — Nachrichten von dem Leben und den Schriften Münſter— 
(Anbifdier eehriftteller (j. 0.) 18* 





— 2716 — 


Aber Ihüchtern nur, mit leiſem Beben 
Zu enthülfen ihre zarte Bruft, 
Deffnete dem warmen Matiaekofe 
Sie den düftenollen Blütenkelch. 


Und fie blühte noch in ihrer Fülle, 
Als ſchon kälter atmete der Hain, 
Als der Schmuck der warmen Frühlingstage 
Schon eritorben auf der bleichen Flur. 


Ach! nun mwehte falt der leichtbeichtwingte 
Weit, nun war der warme Sonnenftrahl 
Schon umwölkt von grauem Herbiteönebel, 
Und fie ſtand in öder Kälte da. — 


Seufzt' erichauernd: „Hätte ich doch nimmer 
Deinem Schmeicheln, buhleriicher Mai, 
Diefe Bruſt geöffnet; hätt’ ih nimmer 
Did empfunden, holde Frühlingstuft !“ 


=, 
Meinem Sohne Zevin 


an jeinem fünfzehnten Geburtstage. 


Nimm, teures Kind, an deinem Lebensfeite, 
Das in der Jugend zartem Nojenlicht 
Dir noch erglänzt, der holden Gaben beite, 
Den Kranz, den dir die Mutterliebe licht. 


Sie kann nicht länger forgend dich umjchirmen, 
Nicht länger fchüget dich das Vaterhaus; 
Den Kampf zu wagen mit des Lebens Stürmen, 
Must du in eine neue Welt hinaus! 


Noch lächelt dich mit lichten Wunderftrahlen 
Die Zukunft an, noch iprudelt rein und heil, 
Ergoſſen in der Freude goldne Schalen, 

An deiner Bruft der friiche Lebensquell. 


DO! laß, mein Kind, ihn ewig dir zu trüben, 
Die Thorheit nicht und nicht die Schuld ihm nahn, 
Nein! all dein Handeln, Hoffen, Wünfchen, Lieben 
Arbeite fördernd an dem Weltenplan. 


Die Weisheit, die von Himmelshöhen ſtammend, 
Zu Seligfeit und Himmelöfreude führt, 
Die janft und gut, nicht richtend und verdammend 
Mit milden Szepter ihre Welt regiert, — 


Sie fpende dir von ihren goldnen Schätzen, 
Sie füuge dih an ihrer Götterbruft 
Ein Manne, und dein innigſtes Ergötzen 

ei ihrer Sonnenblide Himmelsluſt. 


— 277 — 


Was du geſammelt in der Jugend Tagen, 
Was liebend dich die Göttliche gelehrt, 
Auf den Altar der Menschheit gern zu tragen, 
Sei deiner Liebenden Begeiſt'rung wert. 


Benuge drum die flüchtige Sekunde, 
Sin köſtlich Gut, du weiſt es, iſt die Zeit. 
Es liegt ein Lebensten in jeder Stunde, 
Die Anwartſchaft auf eine Ewigkeit! 


Sei qut und froh, wie eine Himmelsblüte, 
Die Duft und Tau im zarten Kelche heat, 
Beſeelt, wie Liebeshauc des Herzens Güte, 
Von Geiſteshauch zu reifer Frucht gepflegt. 


Ro Seift und Herz im Schönen Bund fich einen, 
Da ihmüct den gold’nen Lebenskelch der Kranz; 
Da wird die Wonne ihre Thränen weinen, 

Ein Eden blühn in lihtem Sonnenglanz. 


D, möchte an des Lebens Scheideivegen 
Dein Schußgeift warnend dir zur Seite fein, 
Dich Gottes Huld und deiner Eltern Segen 
Seleiten zu de3 Friedens Palmenhain. 


Zu Gott! zu Gott! erheben wir die Mide, 
Ihn feben wir mit heißen Bliden a, 
Er jei dein Schirm bei jeglihem Geichide, 
Dein treuer Führer auf der Xebensbahn ! 


* 


N; 
Die Rille Tugem. 


Für Heldenthaten blüben Lorbeerkränze, 
Der Helden Zugend lohnt Unsterblichkeit, 
Und Fama trägt bis an der Erde Grenze 
Den ! Yan der fieggewohnten Tapferkeit. 


Entflammt von des Triumphes ftolzgem Glanze 
Begannen Roms Beherricher einit die Schlacht, 
Und mit dem heiß erfümpften Siegesfranze 
Ward Jubeldank dem Kämpfer dargebradıt. 


Die hehre That voll Stärke zu vollbringen, 
Stürzt’ Curtius fih in den off'nen Schlund; 
Begetit'rung hat den großen Sieg errungen, 
Sie macht der Nachwelt feinen Namen fund. 


&o einst Leonidas im Perſerkriege — 
Der große Scävola beim Opferherd — 
Und was bis auf Eugen® und Friedrichs Siege 
Uns die Geſchichte noch bewundern lehrt. 


— 278 — 


Sie ſind — der Ruhm kränzt ihre Male 
Und zeigt dem Wandrer ihrer Statte Moos, 
In ihres Thatenglanzes ew’gem Strahle 

Sonnt ſich der fpäte Enkel kühn und groß. 


Wer aber fucht in ihren niedern Hütten 
Die anſpruchsloſe, ftille Tugend auf? 
Wer flicht den Kranz für engelreine Sitten, 
Mer lohnt den ſegensvollen Vebenslauf? 


D du, die, wie des Lenzes holde Blume, 
Beicheiden dih in dunkle Schatten hüllſt 
‚ohne Durft nad einem andern Ruhme, 
Nur deinen Kreis mit ſüßem Duft erfüllt: 


Dir fließt des Lebens ungetrübte Quelle, 
Voll reifer Früchte in der eig’'nen ruft, 
Und, gleich des blauen Nethers reiner Helle, 
Sit rein dein Herz, dein Leid und deine Luft. 


Mit Wonne kränzend jedes Weſens Leben, 
Beglückſt du freudig, was dir liebend naht. 
Wo fit der Sram, dem du nicht Troft gegeben, 
Die Thräne, die umjonit dein Mitleid bat? 


Zum edlen Wirken jchnell dich zu bejeelen, 
Bedarfs nicht Ruhmes, nicht des Beifalls Macht. 
Du wirft da® Gute, weil e3 gut ift, wählen, 
Und eh’ du mwählteit, Haft du es vollbradht. 


Auf deiner Stirn die Glorie ftiller Milde, 
Und Gngelgüte in dem Angeficht, 
Verflärt aus paradieſiſchem Gefilde 
Ein janfter Strahl dich in des Himmels Yicht! 


O ſtille Tugend, deine nied're Wohnung 
Umſchließt die höchite Grdenfeligkeit! 
Des reiniten Friedens göttliche Belohnung 
Erfüllt das Herz, Das —* dir liebend weiht! 


So ſei denn dir mein heißer Dank gelungen, 
Du wilfft ja nicht der Menge lauten Ruhm; 
Und nur der Liebe wahren Huldigungen 
Eröffneſt du dein inn’res Heiligtum! 


Sp ungefannt, wie deines Lebens Stille, 
Sei dir dies Lied, du Himmliſche, geweiht! 
Dir gilt des Herzens reine, warme Fülle 
Sa mehr, ald Lorbeer und Unſterblichkeit. 


5 


— 279 — 


An die Deutfijen im Jahre 1814.” 


Auf! Söhne Deutichlands, gürtet euch 
Mit Heldenfinn und Wut! 
Der ſüßen Rache Stunde Ichlägt, 
53 wage, wer die Waffen trägt, 
Im heil’gen Kampf fein Blut! 


Beginnt den ehrenvollen Streit, 
Daß Frankreichs Veſte bebt! 
Werft ab das fremde Sklavenjoch! 
geist, daß in euren Herzen nod) 

er Stolz der Väter lebt! 


Daß Hermanns grober Heldengeift 
Euch leite, daß der Mu 
Der lähmend ihrer bler Flug, 
Die ſtolzen Legionen ſchlug, 
Auf ſeinen Enkeln ruht! 


Es kam daher aus fremdem Land 
Ein Volk, ſo frech und kühn; 
Beſudelt noch von Königsblut 
Sahn wir's mit ſtolzem Uebermut 
In unſre Hütten ziehn; 


Von dem Despoten angeführt, 
Des ſchändlicher Verrat 
Der Deutichen folgen Naden bog, 
Um Glüf und Freibeit una betrog, 
Und Recht und \ Brauch zertrat. 


Mic war zu heilig und zu groß 
ür dieſes Frevlers Hand, 
Pie jelbit der Kirche heilig Haupt 
Der Freiheit und des Throns beraubt, 
In ſchnöde Feſſeln band. 


Ehrwürd'ge Männer, mühevoll 
sn Staatendienſt ergraut, 
Verſchmachteten vor Gram und Not; 
Vergebens rief um täglich Brot 
Ihr banger Jammerlaut. 


Umſonſt rang Mutter, Schweſter, Braut 
Wehklagend ihre Hand 

Er lachte der Verzweiflung Hohn, 
Nahm Bruder, Bräutigam und Sohn; 
Ihm galt fein heiltg Band. 


*) Unter der Zeitung ber Dichterin ftidten damals bie Frauen und Mädchen 
von Meppen die Landwehrfahne. 


— on 


— 280 — 


Da zogen ſie, die Armen, hin 
Und wußten nicht wofür; 
Im Falten Norden floß ihr Blut 
In Strömen feiner Herrſcherwut 
Und feiner Naubbeaier. 


Doch wer ift’8, der die Frevel all’, 
Die er verübte, fennt, 
Durh Threonenraub und Menichenmord 
Spinnt ſich die Blutgeihichte fort, 
Die diefe Gräuel nennt. 


O Deutiche! laßt vergebens nicht 
Dies Blut um Rache Schrein! 
Vergeltet ihm den Uebermut 
Und tauchet in Franzoſenblut 
Die deutſchen Schwerter ein! 


Zieht hin und bietet fühn dem Tod 
Die ſtarke Männerbruft! 
„Mit Gott für Recht und Vaterland!” 
Neicht euch zum Kampf die Heldenhand 
Und fümpft mit Heldenluſt! 


Dann mag, wie einit nah Hermanns Schlacht 
nt Teutoburger Hain 
Auguft die deutiche Siegerhand 
An Varus' Niederlag’ empfand. 
Des Wütrichs Schickſal fein. — 


Dann ſegnet euch Germania, 
Die eure Hand befreit, 
Gefeſſelt liegt die Tyrannei, 
Wir atmen wieder ſtolz und frei, 
Wie zu der Väter Zeit! 


Euch wird dem blut'gen Siegesfeld 
Unſterblichkeit entblühn, 
Und deutſche Mädchen werden euch 
Den Lorbeer und den Myrthenzweig 
Still dankend auferziehn! 


5 


Melbior von Diepenbrod,” 


geboren am 10. Januar 1798 zu Bocholt in Weitfalen, befuchte zuerit die franzöftiche 
Erziehungsanttalt zu Borg bei Mlünfter, dann die Militärfchnle zu Bonn und niachte 
als Offizier in den Jahren 1814 und 1815 den Feldzug gegen Frankreich mit. Nach 
Beendigung bdeifelben Audierte er anfangs anf der Univerfität Landshut die Kameral- 
Miiferichaften, wandte fit dann aber der Theologie zu, wurde 1825 zum Priefter 
gemeiht, 1830 Domfapitular, 1835 Domdechant und 1842 Generalvifar zu Regensburg. 
Am Nabre 1845 zum Sürftbiihof von Breslau ermählt, erhob ihn König Cudwig I. 
von Bayern in den Sreiberrnftand. Im Nahre 1848 wurde er ins deutiche Parlament 
abgeordnst und int Jahre 1850 zur Würde eines Hardinafs erhoben, Er jtarb am 
20, Januar 1853 auf feinem Schloffe Johannisberq in Defterreich : Schlefien. 
Dichtungen: Geiftliher Blumenſtrauß aus chriftliben Dichter— 


gärten. 4. verm. Aufl. Sulzbadı 1862. — Poetiſches und Profaiſches 
in Charitas. Neue Folge, 1. Nahrgang. 


(Seiftlicher Blumenſtrauß aus chriftlichen Dichtergärten. 4 Aufl. Sulzbach 1862.) 


Der gotifhe Dom. 


Gin Wald von Säulen, ſchlank, wie deutihe Eichen, 
Strebt himmelan; es mwölben fich die Kronen 
Zu hohen Hallen; Pflanzen aller Zonen 

Umranfen rings den Bau, den wunderreichen. 

Die Fromme Tierwelt zieht hinein, zum Zeichen, 
Sie diene gern den Heil’gen, die rings thronen, 
Indes, hinausgebannet, die Dämonen 

Als Ungetüm’ in hartem Dienite keuchen. 

Wo ſich der dunkle Säulenhain dem Lichte 
Erſchließet, Schaut in glüh'ndem Farbenglanze 

Entzückt das Auge himmliſche Geſichte. 


Sagt: iſt's ein Zaubergarten dieſes Ganze? 
Das Paradies iſt's: ward's durch Schuld zu nichte, 
So weiß die Andacht, wie fie neu es pflanze. 


=; 


+ Nah E. Raßmann, Nachrichten von dem Leben u. f. tw. (f. 0.) 


u BU 


Dor Gott gilt ohne Liebe nichts. 


Wahre Legende. 


„Wenn ih mit Zungen aller Menſchen fpräche, 
Wenn meine Nede wäre Engeljang, 
Und wenn dabei die Liebe mir gebräde: 
Ich wäre tönend’ Erz nur, Schellenklang. 


Wär’ ich erfüllt von der Erkenntnis Schäßen, . 
Durchſchaute alle Tiefen ich des Lichts 
Und hätte Glauben, Berge zu bveriegen, 
Allein die Liebe nicht: jo wär’ ich nichte. 


Und gäbe id den Armen all das Meine, 
Den eig’nen Leib felbit zum Verbrennen hin, 
Und nur die Liebe fehlte mir, die Eine: 

Sch hätte alles deflen nicht Gewinn.“ 


So hat und von dem Wert der heil’gen Liebe 
Sanft Paulus voll Begeifterung gelehrt. 
DO, daß dies Wort in jedes Herz ſich fchriebe! 
Drum hört, wie es einſt fchredlid; ward bewährt. 


Zu Antiochia in Syrien lebten 
Zwei Shriften — heidnifh war noh Stadt und Land — 
Sapricius, ein Priefter, und der Laie 
Nicephorus. Sie hatten Jahre lang 
Als Brüder fich geliebt in treuem Bund, 
Dann aber war’3 ded Satans Lit gelungen, 
Sie zu entzwei'n, und wie fie einft ſich liebten, 
Sp haßten fie ſich jeßt und mieden ſich. 
Doc endlich ward Nicephorus die Feſſel 
Des Haſſes allzuſchwer; jein edles Herz 
Beriprengt ſie fühn, er fendet nach dem Feinde 
Und läßt ihn bitten, daß er ihm verzeihe. 
Sapricius weiſt falt die Botichaft ab. 
Zum zweiten und zum dritten Mal erneuert 
Der and’re feine Bitte, doch es Icheitert 
AU fein Bemühen an dem harten Mann. 
Nun macht der Edle felbit ſich auf den Meg, 
Tritt in des Vrieſters Haus, fällt ihm zu Jußen: 
„O Vater! um der Liebe Chriſti willen 
Vergieb mir!“ fleht er, doch er fleht umſonſt; 
Sapricius beharrt auf ſeinem Trotz. 
Nicht lang' darnach bricht, auf Befehl von Rom, 
Von neuem die Verfolgung aller Chriſten 
Zu Antiochia aus mit höchſter Wut. 
Sapricius, der Prieſter, wird ergriffen 


Und vor Gericht geitellt. Der Prätor fragt ihn, 
Wer, was er ſei? „Sch bin ein Chriſt, ein Prieſter.“ 
Dan drobt ihm mit dem Tod, ſo er den Göttern 
Nicht opfert und dem Kaiſer. Jener ſpricht: 
„ir Chriſten haben Jeſum Chriſt zum König, 
Den einzig wahren Gott, den Weltenſchöpfer. 
Verflucht ſei'n eure Gößen, die zu helfen 

So wie zu ſchaden gleih unmädhtig find!“ 


Da läßt, ergrimmt, der Prätor auf die Folter 
Ihn ſpannen, um durch langgedehnte Qual 
Ihn zu erweichen. Doch Sapricius 
Erduldet alle Pein mit feſtem Mut, 
Und ſpricht zum Richter: „Ueber dieſes Fleiſch 
Haft du Gewalt, nicht über meine Seele; 
Site hängt nur ab von Chriſtus, ihrem Herrn.“ 
Der Brätor, unerfchütterlih ihn findend, 
Verurteilt ihn dann endlich zur Enthanptung. 


Nicephorus, jobald er dies vernommen, 
Und daß zum Tod’ Sapricins man führt, 
Läuft ihm entgegen, fällt ihm fleh'nd zu Füßen: 
„Du Martyr Jeſu Chriſti, ad) vergieb mir, 
Menn ich Dich je beleidigte, vergieb!“ 
Stumm geht an ihm Sapricius vorüber. — 
Der rafft fih anf, läuft vor zur nächſten Gaffe, 
Fällt nochmals vor ihn hin und fleht: „Wergieb !* 
Doc jener wendet weg von ihm das Haupt. 


Die Schergen, als fie den Nicephorus 
Sic fo abmühen jah'n, verhöhnten ihn: 
„Ber jah wohl jemals einen ſolchen Thoren! 
Der Mann ift auf dem Weg zum Hochgericht, 
Und du bewirbit dich noch um feine Gunft ?* 
Der Edle ſprach: „Ihr wißt nicht, was ich bitte 
Von diefem Zeugen Chriſti; Gott mur weiß e3.* 
Stumm geht Sapricius zur Richtitatt fort. 


Hier hält der Zug nun, und Nicephorus 
Wagt noch den legten, jchmerzlichen Verſuch, 
Das harte Herz des Mannes zu ermweichen ; 
Doch ad)! vergeblih; er erhört ihn nicht. — 
Da wich von dem Werhärteten die Gnade, 
Denn wer die Yiebe Chriſti jchnöd’ verlengnet, 
Kann jein Befenner nicht im Glauben fein. 


Man heigt ihn niederfnieen auf den Bloc, 
Den Schwertitreich zu enipfangen. Auf dies Wort 
Erhebt er plöglich fich, ruft zaghaft aus: 
„Erſchlagt mich nicht, ich bin bereit zu opfern!“ 


— 2834 — 


Nicephorus hört diefes Wort, dad Her 
Zerreißt es ihm: „O Bruder, teurer Bruder!“ 
So fleht er, „o, verleugne nicht den Herrn, 
Verliere nicht die reihgeihmüdte Krone, 

Die dur io viele Bein du ſchon erwarbſt!“ 
Doch taub ist des von Gott Verlaſſ'nen Ohr. 


Da ihn Nicephorus verloren fieht, 
Ruft laut er aus: „Ich bin ein Chrift! ich alaube 
An Jeſum Chrift, den Der verläugnet hat; 
So laßt mic fterben denn an feiner Statt!“ 
Und ihm geſchah alöbald, wie er begehrte. 
Sein Haupt fiel, — er empfing die Eiegeöfrone, 
Die jener ſchnöd' verfcherzt, zum ew’gen Lohne. 


+ — * 
Und gäbe ich den Armen all' das Meine, 
Den eig'nen Leib ſelbſt zum Verbrennen hin, 


Und nur die Liebe fehlte mir, die Eine: 
Ich hätte alles deſſen nicht Gewinn.“ 


* 


Eukras und Pankras.“ 


Nach Lucian, im Philopfeudes. 


Eukras, nach verborg'nem Wiſſen 
Lüſtern und geheimer Kunſt, 
Hat ſich lange ſchon befliſſen 
Um des Zaub'rers Pankras Gunſt; 
Schleicht ihm nach auf allen Tritten, 
Daß er was von ihm erſpäh', 
Liegt ihm auch wohl an mit Bitten, 
Doch der Zaub'rer hält ſich zäh. 
Einſtens in des Zaub'rers Kammer 
Saßen beide ganz allein; 
Heiß war's, Eukras Hagt mit Jammer 
Ueber heft’gen Durites Bein. 
„Bon dem Durft euch zu erlöfen,* 
Spricht der andre, „braucht's nicht viel ;“ 
Seht hinaus, faßt einen Beſen, 
Der dort lehnet, bei dem Stiel, 
Stedt in eines Mantelö Aermel 
Ihn und ftülpt den Hut darauf, 


*) Der Zauberlehrling ift nicht von Goethe erfunden, ſondern ichon vor 
1700 Jahren von dem Spötter Lucian erzählt. 


— : 


Spridt dann eine Zauberformel 
Und befiehlt ihm: „Buriche, lauf, 
Waſſer her!” Und fieh’, der Steden 
Iſt ein Ddienftbeflifi'ner Mohr, 

Der, zu Eufras’ freud'gem Screden, 
Shin den vollen Krug jest vor. 

Als fie jo bedient geweien, 

Murmelt Pankras was verdedt, 

Und der Mohr ift wieder Velen, 

Der in Hut und Mantel ftedt. 


Nur die erite Formel hörte 
Eukras, der fie nun auch weiß, 
Doch er merkt nicht, der Bethörte, 
Daß betont fie ward mit Fleik. 
Und nadı Haufe faum gekommen, 
Will er ſehen, ob's verfängt: 
Schnell den Beſen hergenommen, 
Hut und Mantel d'rauf gehängt, 
Nun den Zauberſpruch, und herriſch: 
„Burſche, hol’ mir Waſſer her!“ 
Und ſchon läuft der Mohr wie närriſch, 
Bringt den Krug ganz voll und ſchwer, 
Gießt ihn aus, und holt den zweiten, 
Holt den dritten, vierten Krug; 
Eukras ſtutzt, will ihn bedeuten, 
Ruft umſonſt: „Nun iſt's genug!“ 
Jener hört nicht, den begehrten 
Dienſt macht er in ſtetem Flug, 
Hinaus mit dem ausgeleerten, 

erein mit dem vollen Krug. 
Eukras wird vor Angſt ſtets blaſſer, 
Denn ſchon trieft das ganze Haus 
Von dem eingeſchleppten Waſſer, 
Und der Träger ſetzt nicht aus. 
Fleh'n und Droh'n umſonſt verſucht er, 
Jener lächelt nur und grinſt. 
„Waſſerteufel du, verfluchter! 
Mart’, ich lege dir den Dienſt,“ 
Schreit nun Eufras, und zum Beile 
reift er und ichlägt wütend d’rein, 
Daß der Mohr zerfährt in Teile, 
Links und rechts fliegt Arm und Bein. 
Doch, o Wunder! all’ die Glieder, 
Die er ihm vom NRumpfe jchlägt, 
Laufen jamt dem Rumpf hinmieder, 
Und ein jedes Waffer trägt. 


— 286 — 


An des einen Kobolds Stelle 

Sind nun vier und fünfe da, 

Und es ſchwillt des Waſſers Welle, 
Wie wenn eine Sündflut nah. 
Eukras ſtürzt vor Schreck und Grauſen 
Aus dem Hauſe, und zum Glück 
Findet er den Zaub'rer draußen, 
Der ihn lächelnd führt zurück, 

Leis ſein Karmen ſpricht, da fügen 
Sich die Glieder flugs zum Rumpf, 
Der am Boden bleibet liegen, 
Wieder iſt ein Beſenſtumpf. 

Und zum Schüler ſpricht der Meiſter: 
„Merk' nur, wie die Formel heißt: 
Rufe künftig keine Geiſter, 

Die du nicht zu bannen weißt!“ 


* 
* * 


So zwar ſchließt die alte Märe, 
Aber der Erzähler ſchließt, 
Daß der Zauber ſtets noch währe, 
Weil das Waſſer ſtets noch fließt; 


Und in jo geihwoll’nem Strome, 
Daß er fortreikt alt und jung, 
Unterwühlend Thron’ und Dome, 
Waffer falfher Aufflärung. 


Wann ericheint der rechte Meiiter, 
Der den Waſſerkrug zerichlägt, 
Und zu Beſen macht die Geilter 
Und damit die Tenne fegt? 


=) 


Annette von Drofte-Bulshoff, 


(Annette Elifabeth) 
geboren am 12, Januar 17298 auf dem Rittergute Hülsboff bei Mänjter, Ihre poetifche 
Anlage entwidelte fi früb, Im Jahre 1825 fam fie nach Köln, dann nach Bonn, 
wo fte mit Simrod und Johanne Schopenhauer befannt wurde, Nach dent Tode ihres 
Daters zog fie mit der Mutter auf den Witwenfig Rälchhaus bei Münjter, wo fie in 
lebhaften Derfehr mit den freunden in Münſter, Schlüter, Junfmann und Kevin Schüdfing 
trat. Ihrer Gefundheit wegen reifte fie nach dem Süden zu ihrem Schwager, Freiherrn 
Joſef von Laßberg, und ftarb bei ihm auf deffen Schloffe Meersburg am Bodenſee 
am 24. Marz 1848. Sie ift unbeftritten die größte deutjche Dichterin. 
Ditungen: Gedichte. Stuttgart und Tübingen 1844. 8. Aufl. 1873. — 
Das geiitlihe Jahr. Ebd. 1852. 2, Aufl. 1857. — Letzte Gaben. 
Hannover 1860. 2. Aufl. 1870. — Geſammelte Schriften, Heraus: 
gegeben von Levin Schüding. Stutigart 1878. 


(Geſammelte Schriften. Stuttgart 1878.) 


Ungaftlid oder nicht? 
(in Weitfalen.) 
(Zeitbilder.) 

Ungaftlih hat man dich genannt, 
WIN deinen grünſten Kranz dir rauben, 
Volt mit der immer off’nen Hand, 
Mit deinem argwohnloien Glauben ; 
O, rege dich, dak nicht die Schmad) 
Auf deinem frommen Haupte lafte, 
Und redlich, wie das Herz es ſprach, 
Sp ſpricht es nach zu deinem Gafte: 


—— an meiner Marken Stein, 
Mann mit der Stirne trüben Falten, 
O, greif’ in deines Buſens Schrein, 
Und laß die eig’'ne Stimme walten. 
Nicht ſoll beitochner — Schar 
Uns am beſtochnen Worte rächen, 
Nein, Zeug' und Richter, ſollſt du klar 
Dir ſelbſt das freie Urteil ſprechen! 

Fühlſt du ein Herz in dir, nicht heiß, 
Doch ehrlich uns entgegen ſchlagen, 
Dein Wort kein falſch' und trügend' Gleis, 
Befleckend, was die Lippen tragen; 


— 2883 — 


Fühlſt du ein Gaft dich, wie er lieb 

Dir an dem eignen Hausaltare, 
Dann friih heran — nicht, wie ein Dich, 
Nein, friich, mit fröhlicher Yanfare! 


Mer unired Landes Sitte ehrt 
Und auch dem feinen hält die Treue — 
Hier iſt der Sig an unjerm Herd, 
Hier unſres Bruderfuffes Weihe! 
Wer fremden Volkes Herzen stellt 
Gleich feinem in gerechter Wage — 
Hier unſre Hand, daß er das Zelt 
Sich auf bei unfern Zelten ſchlage! 


Doch Sagt ein glüh' Erröten dir, 
Du gönneft lieber einer andern 
Als deiner Schwelle gleihe Zier — 
Prih auf, und mögelt eilends wandern! 
Mir find ein freundlich’ ſtill' Geſchlecht 
Mit lichtem Blick und blonden Haaren, 
Doch unſres Herdes heilig Nedt, 
Das wiſſen Eräftig wir zu wahren. 


Die Luft, die unjern Odem regt, 
Der Grund, wo unfre Gräber blühen, 
Die Scholle, die und Nahrung trägt, 
Der Tempel, wo wir gläubig fnieen: 
Die joll fein frevler Spott entweihn; 
Dem Feigen Schmad; und Schamerröten, 
Der an des Heiligtumes Schrein 
Läßt eine faliche Sohle treten! 


Doch einem Gruß aus treuem Mut, 
Dem nicen ehrlid wir entgegen; 
Hat jeder dod) jein eignes Blut 
Und feiner eignen Heimat Segen. 
Wenn deine Ader kälter rinnt, 
Sp müſſen billig wir ermeſſen: 
Wer könnte wohl das fremde Kind 
Gleich eignem an den Buſen prefien? 


Drum, jede Treue ſei geehrt, 
Der Eichenfranz von jedem Stamme; 
Heilig die Glut auf jedem Herd, 
Ob hier fie oder drüben flamme; 
Dreimal gefegnet- jedes Band, 
Von der Natur zum Lehn getragen, 
Und einzig nur verflucht die Hand, 
Die nach der Mutter Haupt geichlagen! 


=“ 


— 289 — 


Das Haus in der Heide, 


(Heibebilder.) 

Wie laufcht, vom Abendſchein umzuckt, 
Die ſtrohgedeckte vw 
— Recht, wie im Neft der Vogel dudt, — 
Aus dunkler Föhren Mitte! 

Am Fenſterloche itrecdt das Haupt 
Die weißgeftirnte Stärke, 

Bläſt in den Abendduft und fchnaubt 
Und ſtößt ans Holzgewerfe. 


Seitab ein Gärtchen, dornumhegt, 
Mit reinlichem Gelände, 

Wo matt ihr Haupt die Glode trägt, 
Aufreht die Sonnenwende. 

Und drinnen tniet ein ftilles Kind, 
Das fcheint den Grund zu jäten; 
Nun pflückt fie eine Lilie Lind 
Und wandelt längs den Beeten. 

Am Horizonte Hirten, die 
Im Heidefraut ih ftreden 
Und mit des Abes Melodie 
Träumende Lüfte weden. 

Und von der Tenne ab und an 
Scallt es wie Hammerſchläge; 

Der Hobel rauſcht, es fallt der Span, 
Und langjam fnarrt die Säge. 

Da hebt der Abenditern gemad) 
Sich aus den Föhrenzweigen, 

Und grade ob der Hütte Dad) 
Scheint er ſich mild zu neigen. 

Es iſt ein Bild, wie ftill und heiß 
Es alte Meiiter hegt en, 

Kunſtvolle Mönche, und mit Fleiß 
Es auf den Goldgrund legten: 

Der Zimmermann — die Hirten gleid) 
Mit ihrem frommen Liede — 

Die Jungfrau mit dem Lilienziveig, 
Und rings der Gottesfriede, 

Des Sternes wunderlich' Geleucht 
Aus zarten Wolfenfloren — 

Iſt etwa hier im Stall vielleicht 
Chriſtkindlein heut’ geboren ? 


=, 
Hartmann, Schatfäftlein weftfälifcher Dichtkunſt. 19 


—— 


(Feld, Wald und See.) 


Im Moofe. 


Als jüngst die Nacht dem jonnenmüden Land 
Der Dämm’rung leife Boten hat gejandt, 
Da lag ich einfam noch in Waldes Mooſe. 
Die dunklen Zweige nickten jo vertraut, 
An meiner Wange flüfterte das Kraut, 
Unſichbar duftete die Heideroje. 


Und Flimmern fah ich durch der Linde Raum 
Ein matited Licht, das im Gezweig der Baum 
Gleich einem — Glühwurm ſchien zu tragen. 
Es ſah ſo dämmernd wie ein Traumgeſicht, 

Doch wußte ich, es war der Heimat Licht, 
In meiner eignen Kammer angeſchlagen. 


Ringsum ſo ſtill, daß ich vernahm im Laub 
Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub 
Mich leiſe wirbelnd Blätterflöckchen trafen. 
Ich lag und dachte, ach! jo manchem nad, 
Sch hörte meines eignen Herzen? Schlag, 
Falt war es mir, als jei ich Schon entichlafen. 


Gedanken tauchten aus Gedanken auf, 
Das Kinderjpiel, der friihen Jahre Lauf, 
Gelichter, die mir lange fremd geworden; 
Vergeſſ'ne Töne fummten um mein Ohr, 
Und endlich trat die Gegenwart hervor, 
Da ſtand die Welle, wie an Ufers Borden. 


Dann, gleich dem Bronnen, der verrinnt im Schlund, 
Und drüben wieder jprudelt au dem Grund, 
So ftand ich plößlich in der Zukunft Lande; 
Sch ſah mic) jelber, gar gebückt ımd klein, 
Geſchwächten Auges, am ererbten Schrein 
Sorafältig ordnen ftaub’ge Liebespfande. 


Die Bilder meiner Lieben ſah ich klar, 
Sn einer Tracht, die jest veraltet war, 
Mich ſorgſam Löjen aus verblichnen Hüllen, 
Löckchen, vermoricht, zu Staub zerfallen ſchier, 
Sah über die gefurchte Wange mir . 
Langſam herab die farge Thräne quillen. 


Und wieder an des Friedhofs Monument, 
Dran Namen ftanden, die mein Lieben kennt, 
Da lag ic) betend, mit gebrochnen Knieen, 
Und — horch! die Wachtel ſchlug; kühl ftrich der Hauch — 
Und noch zulegt jah ich, gleich einem Rauch, 
Mich Teile in der Erde Poren ziehen. 


— 291 — 


Ich fuhr empor und jchüttelte mid dann, 
Wie einer, der dem Scheintod erit entrann, 
Und taumelte entlang die dunflen Hage, 

Voch immer zweifelnd, ob der Stern am Rain 
Sei wirflidy meiner Schlummerlampe Schein, 
Oder das ew'ge Licht am Sarkophage. 


5 
(Gedichte vermijchten Inhalts.) 


Meine Eoten. 


Wer eine ernite Fahrt beginnt, 

Die Mut bedarf und frifchen Wind, 
Sr ſchaut verlangend in die Weite 
Nach eines treuen Auges Brand, 
Nach einem warmen Druck der Hand, 
Nah einen Wort, das ihn geleite. 


Ein ernites Wagen heb' ih an, 
So tret’ ich denn zu euch hinan, 
Shr, meine ftillen, ftrengen Toten! 
Sch bin erwacht an eurer Gruft, 
Aus Waffer, Feuer, Erde, Luft 
Hat eure Stimme mir geboten. 


Wenn die Natur in Hader lag, 
Und durd die Wolkenwirbel brad) 
Sin Funke jener taufend Sonnen, — 
Spreht aus der Elemente Streit 
Ihr nicht von einer Gwigfeit 
Und unerfhöpften Lichtes Bronnen? 


Am Hange jchlich ich, Frank und matt, 
Da habt ihr mir das welfe Blatt 
Mit Warnungsflüftern zu — 
Gelächelt aus der Welle Kreis, | 

abt aus des Angers ftarrem Eis 

ie Blumenaugen aufgeichlagen. 


Was meine Adern muß durchziehn, 
Sah ich's nicht flammen und verglühn, 
An eurem Screine nicht erfalten? 
Von Auge hbaudtet ihr den Schein, 
Shr, meine Richter, die allein 
In treuer Hand die Wage halten. 


Salt ift der Drud von eurer Hand, 
Erloſchen eures Blickes Brand, 
Und euer Laut der Dede Oden; 
Doc feine andre Rechte drücdt 
So traut, jo hat fein Aug’ geblict, 
Sp ſpricht fein Wort, wie Grabesbrodem! 


292 — 


Sc falle eures Kreuzes Stab 
Und beuge meine Stirn hinab 
Zu eurem Gräſerhauch, dem ftillen: 

umeilt geliebt, zuerit gegrüßt, 

Bt lauter, wie der Aether fließt, 
Mir Wahrheit in die Seele auillen. 


5 
(Ballaben.) 


Das Fegefener des weſtfäliſchen Adels, 


Wo der felige Himmel, das willen wir nicht, 
Und nicht, wo der gräuliche Höllenſchlund, 
Ob aud) die Wolfe zittert im Licht, 
Ob fiedet und qualmet Vulkanes Mund; 
Dod wo die weitfäliihen Edeln müſſen 
Sich jauber brennen ihr roitig Gewifien, 
Das willen wir alle, daS ward uns Fund. 


Grau war die Nacht, nicht öde und ſchwer, 
Ein Aſchenſchleier hing in der Luft; 
Der Wanderburiche fchritt flinf einher, 
Mit Wolluft faugend den Heimatduft; 
DO, bald, bald wird er ſchauen fein Eigen, 
Schon fieht am Lutterberg er fteigen 
Sich leiſe ichattend die Schwarze Kluft. 


Er richtet fih; wie Trompetenitoß 
Ein Holla ho! feiner Bruſt entiteigt — 
Was ihm im Naden? — Ein jchnaubend Roß, 
An feiner Schulter es raſſelt, feucht, 
Ein Rappe, — grünlihe Funken irren 
Ueber die Flanken, die fniftern und knirren, 
Nie wenn man den murrenden Kater ftreicht. 


„Jeſus Maria!“ — er jet feitab, 
Da langt vom Sattel es überzwerg — 
Ein eherner Griff und in wülten Trab 
Wie Wind und Wirbel zum Lutterberg! 
An feinem Ohre hört er es raunen 
Dumpf und hohl, wie gedämpfte Poſaunen, 
So an ihm raunt der geipenftige Scherg’: 


„Johannes Demweth! ich kenne dich! 
Johann! du biſt uns verfallen Heut’! 
Bei deinem Heile, nicht lady’ noch Sprich, 
Und rühre nit an, was man dir beut; 
Vom Brode nur magst du brechen in Frieden, 
Ewiges Heil ward dem Brode bejchieden, 
Als Chriſtus in froner Nacht ed geweiht!“ 


— 293 — 


Ob mehr geiprochen, man weiß es nicht, 
Da feine Sinne der Burfch verlor, 
Und ipät erit hebt er fein bleiches Seficht 
Vom Cftrich einer Halle empor; 
Um ihn Gejumme, Geihwirr, Gemunfel, 
Von tauſend Flämmchen ein mattes Gefunfel, 
Und drüber ſchwimmend ein Nebelflor. 


Er reibt die Augen, er jchwanft voran, 
An hundert Tiichen, die Halle entlang, 
AU edle Geichlechter, jo Mann an Mann; 
Es rühren die Gläſer fich fonder Klang, 
(58 regen die Meſſer fich jonder Klirren, 
Nechlelnde Reden ſummen und fchwirren, 
Wie Glocdengeläut’, ein wirrer Geſang. 


Ob jedem Haupte des Wappens Glait, 
An dem ein fchwellender Tropfen hängt, 
Und fällt er nieder, dann zudt der Gaft 
Und einen Moment jich zur Seite drängt; 
Und lauter, lauter danı wird das Rauschen, 
Wie Stürme die zornigen Seufzer taufchen, 
Wie in der Klippe die Flut ſich fängt. 


Strad steht Johann, wie ein Lanzentnecht. 
Nicht möchte der gleißenden Wand er trau’, 
Nod wäre der glimmende Sig ihm recht, 
Wo rutichen die Knappen mit zucenden Brau’n. — 
Da muß, o Himmel, wer follt’ es denten! 
Den frommen Herrn, den Friedrih von Brenten, 
Den alten, ftattlichen Ritter, er ſchau'n. 


„Mein Heiland, mad’ ihn der Sünden bar!” 
Der Jüngling feufzet mit ichwerem Leid: 
Gr * ihm gedienet ein ganzes Jahr, 
Doch ungern kredenzt' er den Becher ihm heut'! 
Bei jedem Schlucke ſieht er ihn ſchüttern, 
Ein blaues Wölkchen dem Schlund entzittern, 
Wie wenn auf Kohlen man Weihrauch ſtreut. 


O, manche Geſtalt noch dämmert ihm auf, 
Dort ſitzt ſein Pate, der Metternich, 
Und eben durch den wimmelnden Hauf 
ans von Spiegel, der Schenke, ſtrich; 
rälaten auch, je viere und viere, 
Sie blättern und riſpeln im grauen Breviere, 
Und zuckend krümmen die Finger ſich. 


El: 


Und unten im Saale, da Enöcheln frifch 
Schaumburger Grafen um Leut' und Land; 
Graf Simon jehüttelt den Becher riſch 
Und reibt mitunter die fnifternde Hand; 
Gin Knappe nahet, er furret leife, — 

a, welches Geſummſe im weiten Kreiſe, 
Wie hundert Schwärme am Hlippenrand! 


„Geſchwind den Seflel, den Humpen wert, 
Dem jchleihenden Wolf*) geihwind herbei!” 
Hord, wie es draußen rallelt und fährt! 
Barhaupt ftehet die Maffonei, 

Hundert Lanzen drängen nad binnen, 
Hundert LZanzen, und mitten darinnen 
Der Affeburger, der blutige Weih! 


Und als ihm alles entgegen zieht, 
Da ſpricht Sohannes ein Stoßgebet: 
Dann rich hinein! — fein Nermel ſprüht, 
Ein Funken über die Finger ihm geht. — — 
Voran! — da „ſieben“ ſchwirren die Lüfte, 
„Sieben, ſieben, ſieben,“ die Klüfte, 
„In ſieben Wochen, Johann Deweth!“ 


Der ſinkt auf ſchwellenden Raſen hin 
Und gegen den Mond hebt er die Hand, 
Drei Finger, die bröckeln und ſtäuben hin, 
zu Ach’ und Knöchelchen abgebrannt. 

r rafft ſich auf, er rennt, er jchießet, 
Und ac, die Vaterklauſe begrüßet 
Ein grauer Mann, von feinem gekannt. 


Der nimmer lächelt, nur des Gebets 
Mag pflegen drüben im Klofterchor, 
Denn „ſieben, fieben“ flüftert es ſtets, 
Und „ſieben Wochen“ ihm in das Ohr. 
Und als die ſiebente Woche verronnen, 
Da iſt er verſiegt wie ein dürrer Bronnen, 
Gott hebe die arme Seele empor! 


=; 


Vorgeſchichte. 
Kennſt du die Blaſſen im Heideland 
Mit blonden, flächſenen Haaren? 
Mit Augen jo Ear, wie an Weiher: Nand 
a4 Blige der Welle fahren? 
O, ſprich ein Gebet, inbrünitig, echt, 
Für die Scher der Nadıt, das gequälte Geſchlecht! 


*) Der ſchleichende Wolf iſt das Wappen der Familie Aſſeburg. 


So Har die Lüfte, amt Aether rein 
Träumt nicht die zarteite Flocke, 
Der Vollmond lagert den blauen Schein 
Um des ichlafenden Freiherrn Lode, 
Hernieder bohrend in falter Kraft 
Die Vampyrzunge, des Strahles Schaft. 


Der Scläfer ftöhnt, ein Traum voll Not 
Scheint jeine Sinne zu quälen, 
Es zuckt die Wimper, ein leiſes Not 
Will über die Wange fich ftehlen; 
Schaut, wie er woget und rudert und fährt, 
Wie einer, fo gegen den Strom ſich wehrt. 


Nun zudt er auf, — ob ihm geträumt, 
Nicht kann er fich deſſen entiinnen — 
Ihn fröitelt, fröftelt, ob's drinnen ſchäumt, 
Wie Fluten zum Strudel rinnen; 
Mas ihn geängitet, er weiß e8 auch: 
53 war des Mondes giftiger Hauch. 


O Fluch der Heide, gleich Ahasver 
Unterm Nachtgeſtirne zu kreiſen! 
Wenn ſeiner Strahlen züngelndes Meer 
Aufbohret der Seele Schleuſen, 
Und der Prophet, ein verzweifelnd' Wild, 
Kämpft gegen das mählich ſteigende Bild. 


Sm Mantel ſchaudernd mißt das Parkett 
Der Freiherr die Läng’ und Breite, 
Und wo am Boden ein Schimmer ftebt, 
MWeitaus er beuget zur Seite; j 
Er hat einen Willen, ex hat eine Kraft, 
Die jollen nicht liegen in Blutes Haft. 


Es will ihn frallen, es faugt ihn an, 
Mo Glanz die Scheiben umgleitet, 
Doch, langſam weichend, Spann’ um Spann’, 
Mie ein wunder Edelhirich fchreitet, 
In immer engerem Kreis gehekt, 
Des Lager Pfosten ergreift er zulegt. 


Da iteht er keuchend, finnt und finnt, 
Die müde Seele zu laben, 
Denkt an fein liebes, einziges Kind, 
Seinen zarten, ſchwächlichen Knaben, 
Ob deſſen Leben des Vaters Gebet 
Wie eine zitternde Flamme fteht. 


— 206 — 


Hat er des Kleinen Stammbaum doch 
Geitellt an des Lagers Ende, 
Nach dem Abendkuffe und Segen noch 
Drüber brünftig zu falten die Hände; 
Im Monde flimmernd das Pergament 
Zeigt Schild an Schilder, ichier ohne End’. 
Rechtsab des eigenen Blutes Gezweig, 
Die alten freiherrlichen Wappen, 
Drei Roſen im Silberfelde reich, 
Zwei Wölfe Ichildhaliende Knappen, 
Wo Roſ' an Roſe ſich breitet und blüht, 
Wie überm Fürſten der Baldachin glüht. 
Und links der milden Mutter Geſchlecht, 
Der frommen in Grabeszellen, 
Wo Pfeil' an Pfeile, wie im Gefecht, 
Durch blaue Lüfte ſich ſchnellen. 

Der Freiherr ſeufzt, die Stirne geſenkt, 
Und — ſteht am Fenſter, bevor er's denkt. 
Gefangen! gefangen im falten Strahl! 

In dem Nebelnege gefangen! 

Und feit gedrüdt an der Scheib’ Oval, 
Wie Tropfen am Glaſe bangen, 
Verfallen jein klares Nixenaug', 

Der Heidequal in des Mondes Hauch! 


Welch’ ein Gewimmel! — er muß es fehn, 
Ein Gemurmel! — er muß es hören, 
Wie eine Säule, jo muß er ftehn, 

Kann fich nicht regen noch kehren. 
55 fummt im Hofe ein dunkler Hauf, 
Und einzelne Laute dringen herauf. 

Hei! eine Fadel! fie tanzt umber, 
Sic neigend, fteigend im Bogen, 

Und nidend, zündend, ein Flammenheer 
Hat den weiten Eſtrich umzogen. 

AU Schwarze Geftalten im Trauerflor 
Die Fadeln Schwingen und halten empor. 


Nun alle gereihet am Mauerrand, 

Der Freiherr fennet fie ale; 

Der hat ihm oft die Büchfe geſpannt, 

Der pflegte die Roſſ' im Stalle, 

Und der fo luſtig die Flaſche leert, 

Der war fein Leibburfch, vor andern wert. 
Nun auch der würdige Kaftellan, 

Die breite Pleureufe am Hute, 

Den fieht er langſam, ichlurfend nahn, 

Wie eine gebrochene Rute; 


297° — 


Noch det das Pflaiter die dürre Hand, 
Verfengt erit geitern an Herdes Brand. 


Ha, nun das Roß! aus des Stalles Thür, 
In Schwarzen: Behang und Flore; 
O, iſt's Adhill, das getreue Tier? 
Oder iſt's feines Knaben Medore? 
Er ftarret, ſtarrt und fieht nun auch, 
Wie es hinkt, vernagelt nach altem Brauch. 


Gntlang der Mauer das Mufifchor, 
In Krepp gehüllt die Poſaunen, 
Haucht prüfend leiſe Kadenzen hervor, 
ie träumende Winde raunen; 
Dann alles ſtill. O Angſt! o Qual! 
Es tritt der Sarg aus des Schoſſes Portal. 


Wie prahlen die Wappen, farbig grell 
Am schwarzen Sammet der Dede! 
Ha! Roſ' an Roie, der Todesauell 
2 eipriget blutige Flecke! 
Der lt Hammert das Gitter an: 
„Die andere Seite!“ ftöhnet er dann. 


Da — wenden die Träger, blank 
Mit dem Monde die Schilder koſen. 

„O,“ — jeufzt der Freiherr — „Gott ſei Dank! 
Kein Pfeil, fein Pfeil, nur Roſen!“ 

Dann bat er die Lampe ftill entfacht 

Und fchreibt fein Teftament in der Nacht. 


95 
(Seiftliche Lieber.) 


Gethfemane. 


Als Chriftus lag im Hain Gethfemane 
Auf feinem Antlig mit gefchloffnen Augen, — 
Die Lüfte Schienen Seufzer nur zu jaugen, 
Ind eine Quelle murmelte ihr Weh', 
Des Mondes blaſſe Scheibe wiedericheinend, — 
Da war die Stunde, wo ein Engel weinend 
Yon Gotted Throne ward herabgeiandt, 
Den bittren Leidenskelch in jener Hand. 


Und vor den Heiland ftieg das Kreuz empor, 
Daran jah feinen eignen Leib er hangeı, 
Zerriffen, ausgeipannt; die Strike drangen 
Die Sehnen an den Gliedern ihm hervor. 

Die Nägel fah er ragen und die Krone 
Auf feinem Haupte, wo an jedem Dorn 
Sin Blutestropfen hing, und wie im Zorn 
Murrte der Donner mit verhaltnen Tone. 


— — 


Ein Tröpflen hört’ er, und am Stamme leiſ' 
— — ein Wimmern qualverloren. 

a ſeufzte Chriſtus, und aus allen Poren 
Drang ihm der Schweiß. 


Und dunkler ward die Nacht, im grauen Meer 
Schwamm eine tote Sonne; kaum zu ſchauen 
Mar noc des qualbewegten Hauptes Grauen, 
Sm Todesfampfe ſchwankend hin und her. 
Am Kreuzesfuße lagen drei Geftalten ; 

Er fah fie grau wie Nebelwolfen liegen, 
(Sr hörte ihres ſchweren Odems liegen, 
Bor Zittern rauschten ihrer Kleider Falten. 
DO, welch’ ein Lieben war wie feines heiß? 
Er kannte fie, er hat fie wohl erfannt; 
Das Menfchenblut in feinen Adern ſtand, 
Und stärker quoll der Schweiß. 


Die Sonnenleiche ſchwand; nur fchwarzer Rauch, 
Sn ihm veriunfen Kreuz und Seufzerhaud ; 
Gin Schweigen, graufer, alö des Donners Toben, 
Schwamm durch des Nethers iternenleere Gallen ; 
Kein Lebenshauch auf weiter Erde mehr, 
NRingsum ein Krater, ausgebrannt und Icer, 
Und eine hohle Stimme rief von oben: 
Mein Gott, mein Gott, wie halt du mich verlaſſen! 
Da faßten den Erlöſer Todeswehn, 
Da weinte Chriſtus mit gebrodinem Munde: 
„Herr, iſt e8 möglich, jo laß Diele Stunde 
An mir vorübergehn!“ 


Ein Blitz durchfuhr die Nacht; im Lichte ſchwamm 
Das Kreuz, o, Strahlend mit den Marterzeichen, 
Und Millionen Hände jah er reichen, 

Sich angſtvoll klammernd um den blut’gen Stamm, 
DO, Hand’ und Händchen aus den ferniten Zonen! 
Und um die Krone jchwebten Millionen 

Noch ungeborner Seelen, Funken gleichend ; 

Gin leifer Nebelraucd, den Grund entichleichend, 
Stieg aus den Gräbern der Verſtorbnen Flehn. 

Da Bob ſich Chriſtus in der Liebe Fülle, 

Und: „Vater, Vater,” rief er, „nicht mein Wille, 
Der deine mag geſchehn!“ 


Still ſchwamm der Mond im Blau, ein Lilienſtengel 


Stand vor dem Heiland im betauten Grün; 
Und aus dem Lilienfelche trat ein Engel 


Und ftärfte ihn. 


u, mn 


Chriſtoph Bernhard Schlüter,” 


aeboren am 27. März 1801 zu Warendorf in Weitfalen, bejuchte das Symnaflum zu 
Mlänjter und ftudierte nach Abfolvierung deflelben in den Jahren 1819—1822 Philofophie 
und Philologie auf der Univerfität zu Göttingen, ſetzte darauf feine Studien auf der 
Ufadernie zu Münſter fort, um als Gymnaſiallehrer angettellt zu werden, ward aber 
von der Eraminations: Kommiffion, da er auch in der Philoiopbie das Eramten 
machte, aufgefordert, fih der Phrlofophie zu widmen. Im Jahre 1827 trat er 
als Privatdocent an der philojophifchen Safultat zu Miünfter auf, erbielt 1845 
das Ehrendiplom eines Doftors der Philofophie von der Univerfitat Würzburg und 
war fett 1848 auferordentlicher Profefior der Philofophie an der Afademie zu Müntter. 
Am 14. Mat 1877 feierte er das SOjahrige Amts: Jubilaum als Profefior der Philo- 
jopbie und erbielt bei dieſer Gelegenheit den Roten Adlerorden IV. Klaffe, Seit dem 
Jahre 1828 war er erblindet. Er ftarb am 4. Sebruar 1854. Außer verichiedenen 
Gedichtiammlungen ans dem Portugiefiichen, Spanijchen und Engliſchen gab er 
„Driefe der freiin Annette von Droſte-Hälshoff“ und ihre Kieder: 
fompofsitionen, Müniter 1877, heraus. 


Dihtungen: Welt und Glaube. Eine Sonettenfanmlung. Müniter 1844, 
(Melt und Glaube. Eine Sonettenfammlung. Miünfter 184.) 


SHoneite. 
LXXXI. 
Die Palme wünſch' ich mir am hohen Hiele, 
Doch möcht’ ich Staub und Echweih der Rennbahn meiden, 
Mic lockt der Siegeskranz im Feſtesſpiele, 
Doch möcht’ ich von Gefahr und Leid mich jcheiden. 


Dich lockt am Abend der Oaſe Kühle 
Am Palmenquell; doch möcht’ auf grünen Weiden 
Am Tag ich weilen, ftatt in Sandesſchwüle 
Zu ichleppen meine Bahn und viel zu leiden. 
Und heiß begehrt die Siegesluſt zu teilen 
Mein Herz der Helden, doh am Tag der Schlachten 
Möcht' ih nicht gern im Pulverdampf mich zeigen. 
Ad, armes Herz, wie flug weißt du zu teilen, 
Du möchtet gar, wenn wir e3 redjt betrachten, 
Die Höh’ erflimmen facht’ im Abwärtsfteigen. 


— — — 


gegebenen eigenen Mitteilungen. 


—— 


CCCIX. 

Bald gleicht mein Leben blum'gem Wieſenplane, 
Bald läuft der Pfad durch öde Heiden hin; 
Doch in den ew’gen Sternen foricht der Sinn, 

Wie er auf Erden recht den Weg fich bahne. 


Bald ichwingt der Jubel jeine heit're Fahıre, 
Bald fcheint das Leben faum mir noch Gewinn; 
Doc wie es geht, und wo ich immter bin, 

Ich ſteure nicht allein im Lebenskahne. 


Mein Leben ift ein Lied, hoch in den Sternen 
Geordnet und gejegt vom hohen Meifter. 
Kein qutes Lied ohn’ Uebergang und Pauſe! 


Mag ſelbſt der Herr den Mißklang nicht entfernen, 
Der noch zum Wohlflang führt im Chor der Geiiter: 
Geduldet und gehofft, big wir zu Hauſe. 


CCCLVIII. 


Als Kind ging ich in einſam ſtiller Gegend, 
Herbſtabend war's und tief und klar die Luft, 
An Haſelwäldchens Saum in Bergesſchluft, 

Das grüne Hügel ſchützten rings umhegend. 


Ein Lufthaud; kam, nur leis die Blätter regend, 
Und tiefer drang ich in die grüne Kluft; 
Die Sonne fan, erquidend ſüßer Duft 

Des Herbits umgab mich, tief mein Herz bewegend. 


Mie Gold erglüht’ der Blätter Baldadin 
Vom legten Strahl der Sonne hier und dort, 
Am dunklen, duft’gen Hain, rings herrſchte Stille. 


Da hört’ ich Glodenton herüberzichn 
Bom fernen Kirchlein, hallend fort und fort: 
„Hier ift es leer, dort oben wohnt die Fülle.“ 


CCCLXXV. 


Ihr geht jo heut, wie geitern, eure Bahn 
Am purpurnen Azur, ernit, janft und groß, 
In still entzücktem Schweigen; euer 208 

Fit, Sterne, nicht dem Wechſel unterthan. 


Hart faßt nur uns ein rauhes Schickſal an 

Hier unten tief im iturmbewegten Schoß 

Der Muttererde, rauh und ſchonungslos, 
Spielt mit der Menſchen Herz des Lebens Wahn. 


4 
’ 


— 301 — 


Der Tag von geitern ſchloß mit Wonn’ und Freude, 
Befeſtigt ſchien gleich einer Felfenmaner 
Der Friede ung und äuß’rer Wohlfahrt Glüd. 


Der Tag von heute schließt mit bitt'rem Leide, 
Auf jenes Baues Trümmern fist die Trauer, 
Zu euch, ihr Ew’gen, richtend ihren Blick. 


=; 
(Originalbeiträge.) 


Sonnenaufgang. 


Noch deckt ein ahnungsreiches Morgendunfel 
Den Meierhof; prophetiich fräht der Hahn; 
Die Schäferhütt” hält tiefer Schlaf umfahn, 

Und längs den Hecken tönt ein leis Gemunkel. 


Noch ruh'n in Diel' und Kammer Senſ' und Kunkel. 
Der Morgenitern, hell wandelnd feine Bahn, 
Verfündet fchon des eriten Frührots Nahn; 

Noch nicht verglommen ift das Sterngefunfel. 


Vom Küchenherd tönt durd) des Hofes Schweigen 
Gintönig das Gezirp der ſüßen Heimen, 
Und aus dem Ferner Stall ein dumpf’ Geſtampf. 


Sanft rinnt der nächt'ge Tau von Gichenzweigen, 
Aus Miejen filbern fteigt der Nebeldampf: 
Zeit it’, nicht lange Ffann der Mufgang ſäumen. 


=; 
Ruſchhaus. 


(Kanzone.) 


Gegrüßt, o Rüſchhaus, ländlich ſtille Stätte, 
Seitab vom Wege, du, Weſtfalens Bild 
Aus alter Zeit, wie Römer es beſchrieben, 
Wo froh gelebt die Dichterin Annette, 

Die heit're, edle, gewaltet mild, 

Gedacht, gedichtet unter ihren Lieben! 

Was iſt dir, Haus, geblieben 

Vom Zauberreiz aus jenen ſchönen Tagen? 
Kann gleich ſich deinen Eichen 

Und Buchen nichts vergleichen, 

Und Tannen, die wie ſonſt gen Himmel ragen. 
Sei’, daß fein Zug in deinem Bilde fehle, 
Doch fehlt dir alles, denn dir fehlt die Seele. 


— BO — 


Enttönt den Wipfeln gleich im ſüßen Bunde 
Des Kuckucks Ruf mit Amſeln im Verein, 
Pirol und Widehopf auf allen Wegen, 

Hörſt du zur holden Frühlingsabendſtunde 

Den Flötenton Rotkehlchens, weich und rein, 

Und lacht die Schlüſſelblum' in den Gehegen: 
Doch tritt dir nicht entgegen 

Die Einz'ge in den blühenden Revieren 

Von fern mit Wort und Nicken, 

Mit Gruß und holden Blicken, 

Noch naht ftatt ihrer einer von den Ihren. 

Ad! längſt entichwebte fie, mit Itrengen Banden 
Umidließt der Tod ihr Grab in fremden Landen. 


Du nahit dem Haus, umſchützt vom tiefen Graben; 
Die ſchwere Glode tönt am alten Thor; 
Noch itehen Hag’ und He’ am alten Damme 
Und Garten, Treibhaus, Weiher. Selbit die Raben 
Im nahen Forſt noch krächzen wie zupor. 
Noch hackt der Specht, wie einit, am Gichenftamme; 
Die gaftlich lichte Flamme 
Loht auf am Herd mit feinem Nadgewinde. 
Doc fie und ihre Lieben, 
Ach; wo find fie geblieben ? 
Den alten Knecht allein und das Gefinde 
Siehft du; denkt er der vor’gen Zeit mit Sehnen 
Sp ſchimmern in den Augen ihm zwei Thränen. 


Und meh, im Haufe wie erloſch der Schimmer! 
Ded’ iſt der Saal, verjchloffen der Altar; 
Auf alles prägte ftrenge Zeit ihr Siegel. 
Spinnweben recht3 und links durchziehn ihr Zimmer, 
GSeitelle find der Schäg’ und Bücher bar; 
Tonlos und jaitenlos fteht tot der Flügel. 
Am Sig hier, wo vom Hügel 
Am Morgen und zur Mbendzeit durch Fenſter 
Oft ihre Augen jah'n 
Die Herden geh’n und nah’n, 
Herriht Staub und Schimmel, waltet’3 wie Geipenfter. 
Geift, Frohfinn, Kunſt und Poefie verklungen, 
Sie leben nur noch in Erinnerungen. 


Leis hauchend ſcheint ihr Geiſt dich zu umflüftern, 
Und ſchaurig füß, wie Luft, er dich ummeht, 
Und jcheint’s, als wolle leiß er weg dich führen 
Zum Weiher und zum Fichtenwald, dem dititern. 
Doch ichnell der freie Pfad zu Ende geht, 
In des verwachſ'nen Holzes Wildrevieren 
Sich völlig zu verlieren. 


— 308 — 


Hier ftellt er dich und flüftert leiſe, leiſe: 

Nicht bier, an beif’rer Stelle 

Blüht noch mein Leben helle. 

Such's anderswo, fuch’ es in and’rer Weife. 

ge it nur Leiche. Such’ in meinen Liedern. 
ort leb' ich, kann dein Wort ich noch erwidern. 


Der Abend finft. In den kriſtall'nen Teichen 
Erglänzt der Abenditern im Abendrot. 
Wie ſtill iſt's hier, von aller Welt geichieden! 
Ohn’ Regung ſpiegeln fich die alten Eichen ; 
Der Wald verſtummt, der Vögel Sang ift tot. 
Jedoch von ew’gen Sternen fteigt der Frieden, 
Der meiner Bruft bejchieden. 
Es kommt auf mich ihr ſtilles Angedenten ; 
Der Freundin Bild, der frommen, 
Sit fill in mir entglommen. 
Und in ihr Wort darf ic) die Seele ſenken, 
Und wie zu ihr Die Geifter aufwärts fliehen, 
Sprit jie zu mir in Himmelsharmonten. 


9; 
Der Pfarrer und der Tnmwähter. 


(uUrſprung der Zeit.) 


„Nein!“ ſprach der Pfarrer fait im Sturm 
Zum Wächter von Yambertiturm, 
Der droben nachts die Stunden bläit 
Und jelten nur den Turm verläßt, 
„Nicht möglich iſt's, dab man erträgt, 
Wie ſchlecht die Uhr die Stunden fchlägt ; 
Muß man doch jeden Augenblick 
Sie vorwärts itellen und zurück; 
Verhaßt auch iſt das Glodenfpiel, 
Das ſchon vor Jahren ganz zerfiel; 
Vol Lücken iſt die Melodie, 
Kein Menich, fein Hund begreifet fie, 
Und wer fie hört, meint, es jei Spaß, 
Und höchſtens fragt man: Was ift das? 
Drum warf ich aus des Turmes Haus 
So Uhr als Glockenſpiel hinaus. 
* iſt die Uhr, der Turin iſt hohl, 

ott ſendet eine andre wohl.“ — 
„„Was?““ Fragt erichredt der Wächtersmann 
Und fieht ihn mit Gritaunen an, 
„„Wenn feine Uhr im Turme mehr, 
Wo nehm’ ich dann die Stunden her?““ 


= BE: 


„Ha,“ jpricht der Pfarrer, „blafe nur 
Nach deiner eignen Taichenuhr, 

Und fei gewiß, geht fie nur recht, . 

Du bläfeft nicht die Stunde ſchlecht.“ — 
Allein dem Mann gefällt e8 nicht, 

Was da jo fe der Pfarrer fpricht. 

Er nimmt ein Herz fh und er fragt: 
„„Herr, habt im Ernſt ihr das geſagt? 
Fürwahr, nit all’ und jedermann 

Darf fünden uns die Zeiten an: 

Die Kirche weiß, was an der Zeit, 

Und ſoll es künden weit und breit, 

Sie anzuzeigen, iſt beftimmt 

Nur, wer fie von der Kirche nimmt.““ — 
Der Pfarrer ladıt, dann fraget er: 

„Bo nimmt fie dann die Kirche her?” — 
Der Wächter ftugt und fragt: „„Wie, was? 
Herr Pfarrer, bitte, jagt mir das!““ 
Doc dieſer kurz bedeutet ihn: 

„Die wahre Zeit fommt von Berlin.” — 
Doch wie er faum das Mort entließ: 
„„Herr Bfarrer, wie? ihr jagt mir dies?““ 
Doc der erwidert ihn: getroft: 

„Die wahre Zeit kommt zu der Poſt 
Mit Giienbahn und Telegraph 

Nah Müniter, wie ſichs eben traf; 

Doch von der Poſt fommt fie zum Dom, 
Der Stellt die Uhr, und wie ein Strom 
Verbreitet in der Stadt fie weit 

Von dort her fih nad jeder Seit’; 

Und jede Kirch’ und jede Uhr 

Kommt alfo auf die rechte Spur, 

Wenn anderd man zu diefer Friſt 

Ganz richtig in Berlin ermißt 

Der Sonne und der Sterne Lauf; 
Dorther nahm unfre Uhr fie auf." — 
Der Wächter finnt, dann bittet er: 
„„Herr, jagt mir nım noc etwas mehr, 
Und gebt mir näheren Bejcheid ; 

Macht denn die Sonne alle Zeit?““ 
„Die Sonne," fpricht der Pfarrer drauf, 
„Sie macht den Tag und Nahreslauf, 
Wie droben fie am Himmel thront; 

Den Monat aber macht der Mond, 
Jedoch die Woche, habe acht, 

Die Woche hat der Herr gemadt. 

Sechs Tage jchuf er, alles gut, 

Den jiebenten hat er geruht; 


— 305 — 


Jedoch der faliche Tag, das merk”, 
Bald kurz, bald lang, iſt Menfchenwerf. 
Sp Stunden- und Minutenzahl 
Und die Sekunden allzumal, 
Die er nach ſeinem Herzichlag mißt, 
Daß er fie nicht jo leicht vergißt. 
Sp wirken zu der Zeiten Wahl 
Gott, Sonne, Mond und Menſch zumal, 
Doch fieht den wahren Fortichritt nur 
Man an der großen Weltenuhr.* — 
Der Wächter laufcht und finnt und finnt; 
Sedoc alsbald er drauf beginnt: 
„Schuf denn der Herr der Emigfeit 
Nicht, wie die Woche, alle Zeit?““ 
„Gewiß,“ zu ihm der Pfarrer fpricht, 
„Noch waren Raum und Zeiten nicht, 
Bevor der Herr das ‚Werde!‘ ipradı, 
Bevor das Licht aus Dunkel brad). 
Doc; jeit dem vierten Tag erit mißt 
Die Zeit man bis zu dieſer Frift, 
Wo Sonnenglanz und Mondlicht klar 
Am Himmel wurden offenbar. 
Doch, find wir drüber auch gewitzt, 
Uns alles dieſes wenig nützt, 
Menn wir nicht richten in der Zeit 
Uns nad) der Uhr der Gmwigfeit.“ — 
Da führt empor der Wäctersmann 
Und Sieht erftaunt ihn fragend an: 
„Iſt's mit der Zeit denn je geichehn, 
Daß einer dieje Uhr geſehn?““ 
Indeß der Pfarrer jpricht ſofort: 
„Hältſt du dich treu an Gottes Wort, 
So richteit du ja in der Zeit 
Did nach der Uhr der Ewigfeit. 
Doch was betrifft die Erdenzeit, 
So ſchaffe jelber dir kein Leid 
Und richte immerfort did) nur 
—— nach meiner Küchenuhr; 

enn, nach dem Dom und nach der Poſt 
Geht ſie. So blaſe denn getroſt!“ 


5 


Hartmann, Schatzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 


20 


Mar von Ber,’ 


(Mar Joſef Sranz, Sreiberr von) 

geboren am 10. September 1806 zu Stromberg in Weftfalen, jludierte, nachdem er das 
Gymnaſium in Münjter abjolviert hatte, in Bonn, Berlin und Breslau die Rechte, 
Auf der letzteren Univerfität wurde er durch den Umgang mit £aube, Kühne, Reumont 
u. a. der Poejie zugeführt. Im Jahre 1851 als Referendar bei der Regierung in Erfurt 
angeſtellt, nahm er 1834 jeinen Abjchied und Iebte feitdem teils auf feiner Beftzung 
bei Urnjtadt, teils in Arnſtadt ſelbſt als Fürſtlich Schwarzburgifcher Nat. Er ftarb 
am 16. Augujt 1846 zu Erfurt. j 

Dichtungen: Meteorjteine (Gedichte) Erfurt 1835. — Balladen und 

Nomanzen. Ebd. 1837. 


Das weiße Sahfenroß. 


(Berjchiedene Anthologien, Ffiehe u. a. das Buch vom Sachſenherzog Wittefind. 
Winden 1883.) 
Es jagt der Sturm im grünen Wald, 
Er reitet und zwängt der Eichen Wucht, 
Die alte Wefer muß ihre Wellen 
Vor Zorn und Angit am Fels zerichellen, 
Und vom Gebirg’ und aus der Schlucht 
Des Donners Kriegesrufen hallt. 


Ein fränk'ſcher Mann, gar mid’ und ftill, 
Verlaffen irrt int fremden Land; 
Die Glieder brechen ihm fait zufammen, 
Dod) löjcht ihm nichts des Auges Flammen. 
Da iteht ein Hüttlein an dem Strand: — 
„Hallo, ein Fremder Obdach will!” 


Fin Sachſe, hoch, mit ftolzem Blick, 
Sieht lang’ und fremd den Franten an: 
„Kommſt du um Gaſtfreundſchaft zu bitten, 
So biſt du ſicher in Sachſenhütten.“ 

Da trat den Herd der Franke an, 
Er nahm den Becher und gab ihn zurüd. 


*) Na €. Raßmann, Nachrichten u. ſ. w. (j. 0.) 


— 307 — 


Sie figen ernit am heil’gen Herd," 
Sie jehen ſchweigend einander an, 
Und ftumm bewundert immer wieder 
Ein jeder des andern Heldenglieder; 
Da hebt zulegt der Franfe an: 
„Bei Gott, wir find einander wert! 


„Wen folcher viel’ das Sachſenland 
an Kampf ob unfern König ftellt, 
Sp möchte Karol bitter Hagen, 
Dat Sad’ und Frank’ nod Schlachten ſchlagen.“ 
Da führt der Sachſe ihn au der Hand 
Hinaus aufs regengrüne Feld. 


Ein weißes Roß, gar ftarf und Schön, 
Sprang auf der freien Meide frei. 
„O, laß das fchöne Roß uns fangen,” 
So ſprach der Franfe mit Verlangen. 
„Sefangen hat's noch Feiner geſehn, 
Doch auf mein Locken kommt es frei.“ 


Und wie er es gerufen mild, 
Da kommt es luſtig wiehernd nal 
Und bäumt die ſchlanken Vorderfüße 
Und bringet ſeine beſten Grüße. 
Da ſpricht der Sachſe: „Siehe da, 
Das iſt des Sachſenvolkes Bild!“ 


Der Franke reichet ihm die Hand: 
„Das war ein Wort zu ſeiner Zeit, 
Du ſollſt von fränk'ſcher Großmut hören, 
Dem Kampf der Völker will ich wehren, 
Du, denke diefer Stunde heut’, 
Sch bin der König Karl genannt. 


Der Sache reiht ihm auch die Hand: 
„Haft fränk'ſche Großmut du genannt, 
So lehr’ auch Sachlentreue kennen. 

Sch will dir deinen Gaftfreund nenneit: 
Herr Karl, du bift in mächt'ger Hand, 
Sch bin der Wittekind genannt.“ 

Da rief Herr Karl: „Sa, treit und frei! 

„Das edle Roß, das ift dein Bild! 
Kun Soll der goldne Frieden tageı, 
Du follit die Herzogsfrone tragen, | 
Das weiße Noß, das führ' im Schild, 

Für ewig fei es frei und frei!“ 


5 
20* 


ei BR: 


Die Gloen zu Speier. 


(Berichiedene Anthologien; ſ. u. a. Karl Gödete. Edelſteine. Hannover 1851.) 
Zu Speier im legten Häuſelein, 
Da liegt ein Greis in Todespein, 
Sein Kleid iſt Schlecht, ſein Lager hart, 
Viel Thränen rinnen in feinen Bart. 


Es hilft ihm feiner in jeiner Not, 
Es hilft ihm nur der bittre Tod! 
Und als der Tod and Herze fan, 
Da tönt’3 auf einmal wunderjam. 


Die Saiferglode, die lange verſtummt, 
Von felber dumpf und langſam jummt, 
Und alle Gloden, groß und flein, 

Mit vollem lange fallen ein. 


Da heißt's in Speier weit und breit: 
Der Kaijer iſt geftorben heut’! 

Der Katier ftarb, der Kaiſer ſtarb! 
Weiß feiner, wo der Kaiſer ftarb ? 

Zu Speter der alten Staiferitadt, 
Da liegt auf goldner Yageritatt 
Mit matten Aug’ und matter Hand 
Der Kaifer Heinrich, der Fünfte genannt. 

Die Diener laufen hin und her, 
Der Kaifer röchelt tief und ſchwer; 
Und als der Tod ans Herze fan, 
Da tönt’3 auf einmal wunderjant. 

Die Heine Glode, die lange veritummt, 
Die Armenfünderglode ſummt, 

Und feine Glode ſtimmet ein, 
Sie fummet fort und fort allein. 

Da heißt's in Speier und weit und breit, 
Wer wird denn wohl gerichtet heut’? 
Wer mag der arme Sünder fein? 

Sagt an, wo ift der Rabenftein? 


5 
Die drei Templer, 


(Ignaz Hub, Deutſchlands Balladen» und Romanzendichter. Karlsruhe 4. Aufl. 
1864— 1869.) 


Der Nahıtwind über die Wüſte jauft, 
Rom Ufer dumpf die Brandung brauft, 
Die Roffe wiehern durch die Nacht, 
Die Franken rüften fich zur Schlacht. 


=, — 


Drei Nitter vom Tempel in ihrem Zelt 
Beim Becher ſaßen, traulich gejellt, 
Und wie die Rede ernit und ſtill, 
Sp kreiſet auch der Becher ftill. 


Herr Balduin, der tapfre Greis, 
Von Armen ftarf, von Xoden weiß, 
Der ſprach: „Noch einmal schenkt euch ein! 
Vielleicht ift dies der legte Wein. 


Wir dachten an das Vaterland, 
An unſ'rer Loire grünen Strand, — 
Nur eins noch vor dem Morgenrot: 
Auf einen ehrlichen Schlachtentod!“ 


Herr Dliver vom Sige ſprang 
So heftia, daß fein Harniich Hang, 
Die bleichen Wangen rötet Glut, 
Die Augen bligen frohen Mut: 


„Du ſprachſt ihn aus, den Tiebjten Wunsch, 
DO, meinen jchönften, tiebiten Wunſch, 
Den einzigen, der mir übrig blieb, 
Seit mich verraten einft mein Kieb 1“ 


Herr Reginald gab ihm die Hand: 
„Auch meinen Wunsch hat er genannt, 
Der nach des Lebens reichitem Glück 
Allein und einzig blieb zurüd. 


Doch glüdlich bin ich gegen Did), 
Denn meine Agnes liebte mich; 
Sie jchied vom Leben treu und rem, 
Mit ihr des Lebens NRojenichein.” — 


Balduins Antlig finiter glüht, 
Und Unmut aus dem Auge jprüht: 
„Mit Ehren bin ich ergraut im Feld, 
ch heiße ein berühmter Held. 


Und mir allein ſchlug nie die Bruft 
Vor Liebesfchmerz und Liebesluft ; 
Das Scönite, was da mwird genannt, 
Sch Armer hab’ es nie gefannt! 


Euch hat die Liebe geliebt und betrübt, 
Mich aber hat niemand geliebt noch betrübt, 
Drum eins nod) vor dem Morgenrot: 

Recht bald einen ehrlichen Schlachtentod!“ 


— 310 — 


Herr Balduin hat fih abgewandt, 
Die andern reihen ihm ftill die Hand; 
Sr trinkt und beugt fich weit zurüd, 
Daß feiner ſeh' die Thräne im Blick. 


Noch einmal jchenfen die Freunde ein, 
Es perlt im Becher der legte Wein, 
Und laut ertönt beim Morgenrot: 
„Recht bald einen ehrlichen Schlachtentod!“ 


Zur Schlacht die Tempelritter ziehn, 
Sm Morgenrot die Helme — 
Die Roſſe ſchnauben, der Marſch erſchallt, 
Hochſtolz des Tempels Banner wallt. 


„Schilde vor, Lanzen ein! 
Gott will's, Gott will's! Drauf und drein! 
Hallo! hierher! drauf und dran! 
Hoch Beaufean, hoch Beaufean !* 

Als ſpät entfchieden der blut’ge Tag, 
Des Tempels Blüte gefallen lag. 
Und mitten vor des Sultans Zelt 
Drei Freunde lagen treu gefellt. 


Wilhelm Junfmann,” 


aeboren am 2. Juli ss zu WMlüniter, beſuchte das Gymnaftum friner Vaterſtadt, 
ſtudierte von 1822—1829 Philoſophie und Geſchichte zu Münſter und Bonn und ſetzte 
ſeine Studien zu Berlin fort, wo ſie durch den Demagogenprozeß unliebſam unterbrochen 
warden. Nachdem er verſchiedene Jahre an den Gymnaſien zu Münſter und Coesfeld 
als £ehrer gejtanden, wurde er im Jahre 1847 zu Bonn zum Dr, phil. promoviert, 
Als Abgeordneter hat er dem Parlamente zu $ranffurt, dem Abgeordnetenhauſe zu 
Berlin und dem Doltshaufe zu Erfurt in den Jahren 1349—1352 angehört. Im Jahre 
1851 habilitierte er ſich als Privatdozent der Gefchichte in Münſter, i854 fam er als 
auferordentlicher Profeifor nach Braunsberg, 1855 als ordentlicher Profeſſor der Ge— 
ſchichte nach Breslau. 

Didtungen: Elegiihe Gedichte. Miüniter iS36. — Gedichte, Ebd, 

1844 (2, verm. Aufl. der Elegiſchen Gedichte.) 


(Gedichte. Aweite, jebr vermebrie Auflage. Münfter 1844.) 


Münſterland. 
3. Die Kinder. 

Unter hoben, grünen Lindenbäumen 
Liegt verhüllt die Schule, Hein und weiß. 
Der Lehrer ſprach in Andaht das Gebet: 
Hinaus ſpringt nun, im ASubel dicht gedrängt, 
Der Kinder bunte, ungeduld’ge Schar. 
Noch einmal prüfen fie der Arme Straft, 
Noch einmal rufen ſich die Freunde zu, 
Und nedend zur Geipielin nocd das Mädchen ſpricht. 
Dann fchnell verläuft ich der lebend’ge See 
In lauten Bächlein durd dag waldesdunkle Yand. 
er fernen Elternhaufe gebt ihr Weg, 

ort hin durch braune Heidesweiten, 
2 durch die dunkelgrünen Wälder, 

ort mitten durch das kleine, goldne Mehrenfeld. 


Zwei bleiben friedlich beieinander, 
Ein Knabe und ein Mädchen jung; 
Sie jpielen mit den Sommermüden, 
Die fröhlich tanzen in der Haren Luft. 
Sie fommen in den tiefe, hochumwallten Weg: 


*) Nah E. Raßmann, Nachrichten u, ſ. w. (f. 0.) 





= BR. 


Da blühen Blumen einfam an dem Wall 
Im ftillen Sonnenlicht, da wimmelt Fleiner Käfer Neid. 
Horch! es fliegt empor Flagend ein Waldvögelein, 
Es fa, ſich duckend, auf dem braunen Neit. 
„D, fieh’ die Seinen, o, wie wachſen fie! — 
Nur nicht zu nah’! Die Alte flieht für immer ſonſt.“ 
Sp jprechen fie bejorgt einander zu. 
Nun treten fte auf die Heide weit. 
Die Sonne jcheint jo warn und Hat; 
Die Schatten langiam über die Eb'ne ziehn; 
Der Stiebig ſchreit, die Schwalbe fliegt, 
Wachholderſtrauch rauicht Leif’ im Wind. 
Da Steben fie am Bächlein, fait verſiegt 
Bor großer Dite, murmelnd kaum. 
Die flare Flut, der weiße Sand, 
Sie jehn jo- Still und freundlich auf. 
Tie Fiſchlein ziehn jo munter hin: 
Cie möchten gern bei ihnen jeit. 
Sie ſehn und ſchaun ſich voll und froh, 
Sie negen nun den fleinen Fuß. 
Sie gehn hindurch; es ſpielt der Klare Bad 
Leiſſ murmelnd nun die Füßchen, Fein und weiß; 
Der weiße Sand trägt gern die ſüße Laſt. 
Nun jcheidet ſich der Weg. 
Sie ſehn fih freundlich an: 
Gute Nacht! und hin der Knabe jpringt 
Weit über die braune Heide, 
Um mit den Schatten binzuflicht, 
Zu eilen mit dem Bögelein. 

Zum fernen Walde lenkt dad Mädchen feinen Schritt. 
Ganz einiam tft ihr Weg, ganz einfam iſt ihr Herz. 
Schon längſt aeftorben iſt der Vater, 

Im Grab die Mutter ruht. 

Es blickt Schon aus der Ferne Vaters Haus, 
Am Wald der Mutter Gottes Bild. 

Die Sonne ſcheint jo Har am Himmel, 

Nur ob dem Walde filberbelle Wolken zieh. 
Cie blict, fie finnt, es wollen Thränen rinnen, 
‘hr Auge fieht hinauf: 

Und auf der Wolken Silbergrund 

(Sricheint das Bild der Himmelskönigin, 

sm ſchlichten Haar die goldne Strom. 

Sie ichwebt, mild lächelnd, hehr im Silberglanz, 
Umringt von lichter Engel Schar. 

Ihr zu den Füßen fitt die Mutter: 

Sie hebt andächtig Aug’ und Hand, 

In Ringeln aufgelöft das lange, dunkle Haar. 


5 


— 33 — 


Die Mondnacht. 


Aufipringt aus dem Schlaf die emfige Magd: 
„Die Glocke ſchlägt, gewiß hat's getagt!“ 
Auf die Heide geht fie eilend hinaus, 
Zu leſen die Reifer zum Mittag aus. 


Die Heide fo weit, die Heide fo ftill, 
Sit Har wie am Tag: der Mond fcheint nur still. 
Die Heid’ hat ihr filbernes Kleid angethan, 
Sp wallend und weit; wer mißt ihre Bahn? 
Sie allein lebt auf Erden, fie feiert die Nacht; 
Die Vögel vergaßen der Morgenwact. 
Das Heidekraut flüftert einander zu; 
Die Bäume, der Weg find in tiefiter Ruh'. 


Der Mond in der Bläue fo ftrahlend weilt, 
Als ob er bei ihr in Liebe verweilt; 
Kein Wölkchen hemmt feinen ſchimmernden Brad, 
Tief unten nur Nacht fich gefammelt hat. 


Der Maid ift alles voll tiefftem Graus, 
Steht furdtfam zurück zum niedern Haus; 
Das blickt fo glänzend im Mondenfchein, 
Als lebt es nun auch, und für fih allein. 

Da in der er ein Wagen ericheint: 
Vier dunkele Roffe ftürmen geeint; 

63 kommt fein Rauichen, e& tönet Fein Huf, 
Und niemand lenket, fein eifriger Ruf. 


Und in die Wafler der Tiefe bin jprengt das Gefpann, 


- Nicht rauschen, nicht kräuſeln die Fläche begann; 
Der Mond jieht wie jonit im Spiegel fih an; 
Die Maid eritarret: da krähet der Hahn. 


>, 
Auf der Ser. 


Auf der weiten See im Kahne 
Ruder’ ich einfam, rüftig fort, 
An der hoben, ſtolzen Schiffe 
Meerumkrängtem, dunklem Bord. 

Meiter, weiter! Meine Stimmen 
Treiben mich ins offne Dieer, 
Wo der Ruderichlag im Mondlicht 
Goldne Flimmer ftrent umher; 

Wo fein Laut mein Obr berühret, 
Als des Ruders hohler Ton, 
Und das Plätſchern leifer Wellen 
An dem Kahne fterbend fchon. 


Sehr — 


Weiter, weiter! Meine Blicke 
Schweifen über Meeresgrau 
An den weißen Duft, der Himmel 
Eint mit Meeres ſtummer Au’. 
Auf den grenzenloſen Räumen 
Ruht mein ungeduldig' Herz; 
Doch ſo ſtumm auch wie die weiten 
Ernſten Fluten wird mein Herz. 
Unter mir die grauſe Tiefe, 
Todesöde, ſtumm und kalt; 
In die eigne Tiefe tauchet 
Sich der Geiſt voll Sehnſucht bald. 
Endlos in ihr nun entdeck' ich 
Lautlos Schweigen, endlos Grau, 
Drinnen ich, ein kleines Fünklein, 
Schwimm', ein Schiff auf Meeresau'? 
Aber ſieh', zur Rechten ſchimmern 
Goldne Wellen zu mir her; 
Tauſend goldne Funken flimmern 
Einen ſchmalen Pfad im Meer. 
Eine goldenhelle Säule, 
Hebt er ſich zum Himmel auf; 
Eine Welt, jo klar und lauter, 
Steigt der Mond darüber auf. 


Und in meinem Geiſte leuchtet 
Eine Sonne heller noch; 
Eine Sonne, ſel'ger glühend, 
Lebt in allem Leben doch. 

Folge ihren lichten Pfaden 
Auf des Lebens dunklem Grund; 
Folge ihres Lichtes Schimmern 
In der Seele Meeresgrund. | 

Schwimme, raſtlos Geiftesichifflein, 
Fröhlich, mutig diefe Bahn; 
Endlich in der heil’gen Liebe, 
Ewig, jelig, fommit du an! 

** 


An eine Münſterlünderin am Bodenſee. 
(Annette von Drofte- Hiülshoff.) 
Schluß.) 

In den Bergen iſt's enge, es zieht dich hinaus in die Weite: 
Endlos ſchließet ſich gern unſere Heimat dir auf. 

Gleichend des Meeres Gefilde, des Himmels unendlichen Weiten, 
Füllt mit Unendlichkeit ſie, labet mit ſinniger Luſt. 

Nimmer die Seele verwirren des Lebens ſchimmernde Reize, 
Einfach der Ginſter hier blüht, friedlich hier weidet der Hirt. 


—— 


Aber du höreſt mit inniger Luft das Zirpen der Grillen 
Oder des Kibitzes Schrei, trittit dir zu nahe dent Neit. 

Oper Die Lerche, fie jubelt empor, du fichit nicht die Schwingen; 
„Komme zu mir, zu mir!“ lautet ihr fröhlicher Ruf. 

Bald ericheint dir der San des Waldes, die einfame Wohnung, 
Langſam wirbelt der Rauch auf in die jonmige Luft. 

Still iſt und lautlos der Hof, beichattet porn Eichen und Linden, 
Bunt in der Kühle geſtreckt Liegen die Kühe in Ruh'; 

Während der mächtige Wall voll itrüppiger Eichen und Nußholz 
Heget das Feld und den Wald, hemmet den ichweifenden Blick. 

Ganz ungejehn im Grunde hinrinmet und murmelt das Bächlein, 
Und der wachſame Hund giebt dir vom Hof das Weleit”. 

„Seh’ nicht hinaus in Die Welt, in die Weite!” jo bitten ſie alle, 
„Bleibe bei uns und bei die, heiter und finnend allein.” 

Geht du zum wogenden Felde: die Mehren jährlich vergehen, 
Aber die Eichen ringsum, weißt du, wie lange fie ſtehn? 

Wallſt du auf dunkelem Weg’, vom Gebüfche der Wälle umwölbet, 
Singt dir das Vögelein gern ſelige Lieder ins Herz; 

Niemand begegnet dir, niemand vernimmſt du, wenn nicht die Sonne 
Blickt über den Steg freundlich did, Einſame, an; 

Wenn nicht ein Weg den deinen tiefichattig und lautlos Durchfreuzet, 
Wenn nicht das ſchmuckloſe Kreuz heil’ge Gedanken dir wedt. 
Bleib' in der lieblichen Heimat, o, bleib’ in der einfamen Stille, 

Nie in die Weite ja ſehnt, nur zu dem Licht die Natur. 
Siehe die Bäume, die Blumen und Berge, das lichtloje Waſſer, 
Selbit in der Tiefe dad Erz drängt fih zum Lichte empor. 
Hätteit du alles erlangt, was fröhlich blüht auf der Erde: 
Hätteſt du andrea erlangt, als was erblüht und vergeht? 
Alles wird’ dir entfliehen, je mehr du es hielteit, da alles 
Eilet mit raftlofem Zug in das umendliche Meer. 
Darum will unfer Volk nicht hinaus in die glänzenden Weiten, 
Neidet nicht füdlicher Luft, ſüdlicher Helden Geſtalt. 
Spurlos, fo icheint es, und dumpfig wir gingen über die Erde; 
Aber im Innern da quillt Liebe und Treu’ im Gemüt. 
Seit Jahrhunderten lebet der Landmann am jelbigen Herde, 
Alles noch ift es, wie einſt ſtaunend Der Römer e3 pries. 
Ihrer Väter uralte Rechte und Sitten fie 5 
Heilig iſt noch der Ort ſelbſt aus der heidniſchen Zeit. 
Sorgſam ſie pflegen die Gräber, die Wahrheit und Sittigung brachten, 
Schwand ein Jahrtauſend auch hin, nimmer der liebende Sinn. 
Heilige Felte verfnüpfen das Volk in fröhlicher Liebe 
Mit den Gefchledhtern ſo fern und mit den Edlen jo weit. 
Meere und Lande nicht, noch die enteilenden Zeiten 
Hemmen der heiligen Lieb’ alle vereinenden Drang; 
Nicht die wechjelnden Kriege, nicht traurige Feindichaft der Völker 
Brechen das göttlihe Band, das ung dem Himmtel vereint. 


5 


Levin Shuding, 
(Ebriitopb Bernbard Levin Anton Mattbias,) 


geboren anı 6. September 1814 auf dem Jagdfchlofje Klemenswerth bei Meppen *. Muf 
reine Geiitesanlagen und feinen künſtleriſchen Schaffungstrieb batte feine Mutter, 
Sibylla Katharina, geb. Buſch, die mütterliche Freundin von Unnette von Drofte: Büls- 
hoff (ij. o.), einen nachhaltigen Einflug. Im Jahre 1850 fam er auf das Gymnaſium zu 
Müniter, wo er Annette von Drofte: Hülshoff fennen lernte, die ſich nach dem Tode 
der Mutter freundlich feiner annahm, Nach dem weiteren Bejuche des Gymnaſtums 
zu Msnabrück bezog er 1853 die Univerfitat München, um die Rechte zu jtudieren, dann 
Heidelberg und Göttingen. Verſchiedener Hinderniffe wegen gab er die juriitiiche Car: 
tiere auf und widmete jich in Müänſter litterarijcher Chätigkeit. Auf Empiebluna 
feiner freundin Annette von Drofte:Hülshoff ging er im Jahre 1841 als Bibliothefar 
zu deren Schwager, Freiherrn von €afberg nad der Meersburg. Er übernabnt 
darauf die Erziehung der beiden Söhne des fürften von Wrede, in deffen Haufe er 
feine jpätere Gemahlin, £utfe von Gall, kennen lernte. Im Jahre 1844 30a er nach 
Augsburg, um fich an der Redaktion der Allgemeinen Zeitung zu beteiligen, und über: 
nahm jpater die Redaktion des feuilletons der Kölner Zeitung. Don 1852 an wohnte 
er abwechielnd in Münfter und auf Schloß Saffenberg bei Warendorf: in den lenten 
Jahren feines £ebens weilte er aber oft in Rom, Wien und München, Er ftarb am 
1. September 1885 im Bade Pyrmont, wohin er fich feiner Gelundheit wegen begeben 
batte. Außer vielen Romanen, welche fich durch eine jpannende Erfindung, lebendige 
Tharakteriftif und vorzüglich in feinen weſtfäliſchen durch einen feingeftinmten, 
hiitorifchen und landſchaftlichen Hintergrund auszeichnen, dem maleriichen und 
romantijchen Wejtfalen, Bildern aus Weitfalen und einen kebensbilde 
von Annette von Droite:Hülshoff fchrieb er 


Digtungen: Gedichte. Stuttgart und Tübingen 1846, 


*) Wenn auch Meppen zur Provinz Hannober, Landbrofteibezirt Osnabrüd, 
gehört, und die Notiz, daß Levin Schücking in ber — Weſtfalen geboren ſei, 
wie in den meiſten Litteraturgeſchichten ſteht, eine falſche iſt, ſo habe ich dennoch 
den berühmten Romanſchriftſteller und Dichter dem Münſterlande, wohin ihn alte 
— an ie und Intereſſen wiejen, und wo er ein feites Beſitztum hatte, 
gelaſſen. 





— 


— 317 — 


(Gedichte. Stuttgart und Tübingen 1846.) 
(Liebesgedichte.) 


Geſegnet ſei. 


Geſegnet ſei, der dich ins Leben ſandte, 
Den vollſten Klang von ſeiner Poeſie, 
Geſegnet, der dich an die Erde bannte, 
Ewig geſegnet, der dich mir verlieh! 


Geſegnet ſei, der dir der Anmut Schleier, 
Der Hoheit Mantel um die Schulter ſchlug, 
Sp gottgeweiht, wie bei der Krönungsfeier 
Je eine itolze Königin ihn trug! 


Geſegnet ſei, der dich fo hoch beanadet, 
Der dir gejalbt das dunfelbraune Haar 
Mit feinem Oel, in deffen Duft gebadet 
Noc jede helle Dichteritirne war! 


Der gleich dem Glodentone A Schalen 
Gemacht Hat deiner Stimme Melodie ; 

Der deinem Aug’ das halb verhüllte Strahlen 
Und diefes Blau voll frommen Sinnes lich. 


Der Leben fchenkte dieſem Angefichte, 
Der langen Wimper, dran die Zähre bebt, 
Wenn deines Herzens heilige Geſchichte 
Sn ftillen Schatten dir vorüberjchwebt ; 


Dem Lächeln, das bei deiner Seele Flügen 
Auf Lipp’ und Wangen plöglich dir erblüht; 
Wie es erblüht in eines Kindes Zügen, 
Wenn es im Traume feinen Engel fteht. 


Geſegnet jei der Arm, der dich getragen, 
Der Mund, des Schlummterlied dich Iullte ein, 
Dreifach gefegnet, der did) lehrte jagen: 

Ich bin auf ewig, bin auf ewig dein! 


5 
(Bermijchte.) 


Weſtfalen. 


Ein weiches, friſches Wogen, 
Ein harz'ger Tannenduft, 
Es weht, es kommt efen. 
Als grüße mich die Luft! 

Ich muß zurück und blicken 
Einmal ins ſtille Land 

Ich muß ein Reis mir pflücken, 
Das auf der Heide ſtand. 


— 318 — 


Wie Sommerfädenichimmter 
Die Heide überjpinnt! 
Sch ſeh' ihr heiß’ Geflimmer, 
Wie's flattert, webt und rinnt: 
Aus fraufer Nadeln Wolle 
Dringt des Wacholder Naud, 
Und über der braunen Scholle 
Steht gelb der Giniteritraud. 


Fernab, bewaldet, blanet 
Geſtreckt wie Wellenichlag, 
Der Hügel Zug; es fchauet 
Durchs Laub der Hütte Dadı; 
Der Rauch iteigt in Die Höhe, 
Als ob mit blauem Glanz 
Gin Reiherbuſch überwehe 
Des Waldhaupts Turbankranz. 


Im Hof, vor Holzesgattern 

Seh' ich die Eichen ſtehn, 

Seh' ihre Wipfel flattern, 

Ein friedlich' Bannerwehn. 
Der Epheu ſchlingt mit Ranken 
Saftgrün ſich dicht hinan; 
Geſchirrlos hinter Planken 
Geht weidend das Geſpann. 


Im Holz des Spechtes Hacken, 

Der Tauben tief Gegirr; 

Am Aſt ein Surren, Knacken, 
Daun ſachtes Laubgeſchwirr; 

Es ſäuſelt auf die Blende — 
Sankt Joſeph lehrt darin, 

Um die gefalt'nen Hände 

Den Kranz der Spinnerin. 


‘ch laß ins Moos mich gleiten 
Und träume wie der Wald, 
Bis helles Herdenläuten 
Heimkehrend borüberwallt. 
Dort, ha — die Oriflamme, 
Die nun der Welt entrolft! 
- Burpur leuchtet am Stammıe, 
Im Laube jmaragd’nes Gold. 


Sin Bligen und ein Glühen, 
Bon Blatt zu DBlatte ſpringt's, 
Ein rofig Strahlenblühen, 
Durch alle Wipfel dringt's; 


— 319 — 


Zugleich mit leiſem Scalle 
Wird fernher Tönen wach, 
Als rief's dem Sonnenballe 
Der Schöpfung Grüße nad). 
Es find die Aveglocken, 
Der fernen Stadt Getön 
Im Weit, wo PBurpurfloden 
Auf ihren Giebeln ftehn, 
Um weißer Spigen Nagen 
Der gold’ne Schimmer fliegt, 
Und blau um fie geichlagen 
Des Himmels Mantel Tiegt. 


Rest niet zum Abendjegen 
Das ganze weite Land! 
Auf all’ bie Scheitel legen 
Mög’ Gott die treue Hand; 
Mög’ all’ die Lider schließen, 
Sein Haud ob ihnen wehn, 
Sein Segen ſich ergießen, 
Wo nod ein gläubig’ Flehn. 
O, ſei gegrüßt zum Scheiden, 
Du Heimat, quite Nacht, 
Mit deinen fonn’gen Heiden, 
Mit deiner Wälder Pracht — 
Wie deine Hünenfteine 
Felt in uralter Treu’, 
Wie Tauben deiner Haine 
Verichlofien, rein und ſcheu! 
Mir gieb zum Angedenfen 
Dies Laub, dem Zweig entrafft; 
Am Hute will ich's ſchwenken 
Auf meiner Wanderſchaft, 
Mir unters Haupt es legen, 
Träum’ ih am fernen Strand — 
Noch einmal: Gottes Segen! 
Gegrüßt, gegrüßt mein Land! 


Ss e 
Der Friedensſaal in Münſter. 


Bei einem Pejuch bed Saales mit F. Freiligrath. 
1840, 


Zum Friedensfaal! — Es war ein jonn’ger Tag, 
Die Lind’ im Vorhof hauchte ihre Schatten 
Leis auf die bunten Scheiben, und es brad 
Das Licht der Strahlen in ein trüb’ Grmatten. 


= A 


Nicht in die düſtern Schauer wollt’ es ſehn, 
Durch dieje Bögen, die einſt Sachſen ſchlugen, 
Dran Kaiſer Karls und Heinrichs Bilder ſtehn, 
Die Heiligen, die Deutſchlands Krone trugen; 


Darob der Aar, des Reiches ſtolz' Panier, 
Der deutſchen Kaiſer ſchreckende Standarte, 
Die Flügel ſchlagend an der Stadt Zimier, 
An blanfer Zinne ihrer Freiheit Warte. 


63 ift ein düſt'rer, feierlicher Ort! 
Viel Bilder fchauen aus bergilbten Mienen — 
Hier Trautmannsdorff und Orenitierna dort — 
Als ob fie felber fich zu zürnen jchienen, 


Daß fie in dieſem Naume hier die Pracht, 
Die Straft, die Herrlichkeit des Reichs begraben, 
Und einen Frieden ſchmachvoll hier gemacht, 
Nach welihen Sinn mit welicher Zunge haben. 


Es ift ein düſt'rer, feierlicher Ort, 
Durch den verftorb’ner Tage Schatten ſchwanken, 
Und durch Jahrhunderte fo ſiecht er fort, 
Sin legt’ Aſyl geipenitiicher Gedanken. 


Rings steht von alten Panzern eine Zahl 
Mit Schien’ und Tartich’, verbogen und verroitet: 
Der lang beitäubten Ritterſchwerter Stahl 
Hat ion der Väter Blut nicht mehr gefoftet. 


„Nimm eins zur Hand! Schwing’ du des Kaiſers Schwert! 
So wie der Rotbart einit dein Spiel geichlagen, 
So biſt au du ed, Mann der Lieber, wert, 
In deiner Fauſt des Kaiſers Schwert zu tragen!“ 


„Mir diefe Wehr!” — Das mächt'ge Waffen Elirrt, 
Wir lafien fe es um die Häupter freifen: 
„Gekreuzt die Klingen!" — Ha, der Funke ſchwirrt, 
Und raftelnd wetzt die Scharten fich das Eiſen! — 


„Schwang jo dein Roland einst mit läß’ger Fauit 
Um Sarazenenktöpfe Durindane ? 
Hat Rotbart jo durchs Schlachtgewühl gebrauf’t? 
Du bift fo ſtark nicht wie dein grimmer Ahne: 


Gewalt’ge Wucht! Der Arm erlahmt und ſinkt: 
Da, laß den eg und die Helme itchen ; 
Sieh, wo im gold’nen Sonnenlicht uns winkt 
Mit Iuft’gen Flattern unjres Banners Wehen. 


Der Blütenzweig, gewiegt in blauer Luft! — 
Die herzgeformten Blätter diefer Linden, 
Der Liebe Heilig, opfern ihren Duft 
Den friihen Stunden nur, bis fie entichwindeı. 


| —— 


— 321 — 


Und lockt uns Kampf — das doppelſchneid'ge Wort 
Gilt es, wie blinkend hellen Stahl zu biegen, 
Zu ſtehn, wie keck behelmte Ritter dort, 
Wo Recht und Licht ob altem Dunkel ſiegen!“ 


RX 
Die Meersburg. 


Konradins Sitz um 1262 und 1267. 
1842, 
1 
Hoch über Felſen iſt ſie aufgebaut 
Am Seegeſtad, daran die Wellen ſchlagen, 
So hoch, — was über ihr die Wolke braut, 
Scheint fie mit grünen Zackenreih'n zu tragen. 


Inmitten iteht, den Dagobert geſetzt, 
Der Turm, in dem der Schild Martell3 geflungen ; 
(Sin feit Gemäu'r, fo ſtark und unverlegt, 
Als ob es fein Jahrtauſend überjprungen. 


Durd; feine Scharten ſchau' ih in das Land, 
Weit, weit hinaus, auf ſonn'ge Uferitreden, 
Den friihen Blumenfranz rings um den Rand 
Bon diefem ungeheu'ren Silberbeden. 


Die itillen Schiffe jeh’ ich, wie fie jacht 
Segel und Maften unterm Winde neigen; 
Wie einen Mait, daran die Wolfe flaggt, 
Sch’ ih das Alphorn in die Lüfte fteigen. 


Und diefe Burg: ein fabelhaftes Haus, 
Als ob's ein Mönch gemalt in feinen Pſalter! 
Mich überwölbt die Dede dieſes Bau's 
Mit bunten Träumen aus dem Mittelalter. 


Ein Hornesitoß! — es rafjelt unterm Thor, 
Die Speere Elirven auf den Wendeljtiegen. 
Dort auf der Warte wehet, hoch empor, 

Und ichlägt Die Lüfte, die den Habicht wiegen, 


Des jungen Konradin Panier, e8 ſteht 
Der Sonnenitrahl in feinen gold’'nen Falten. 
Er fommt! — Er hat dem Neiher nachgeſpäht 
Und uf der Fauft das Federipiel gehalten. — 


Jetzt auf die Zinne mit dem Arm geftüßt, 
Blickt er hinab, vom blauen See geipiegelt ; 
Sein träumend Haupt vom Abend angeblist, 
Vom weichen Föhn Atalias umflügelt. 
Hartmann, Scagfäftlein weſtfäliſcher Dichtkunft. 21 


— 39 — 


Italias! Es kommt wie Gruß geweht, 
Wie laue Bergesluft der Apenninen; 
War's nicht wie ſüßer Herzensduft, wenn ſpät 
Die Sonne noch den Pinienwald durchſchienen? 


Er fährt empor — ein Falk, der Beute ſieht — 
Das Herz hat Flügel, und die Lüfte tragen. 
Ta liegt's, da glüht’s, Apulien Gebiet, — 
Ind nun ein heiß’, ein Eönigliches Jagen: 


„O, Karl von Anjou — Anjou hüte did) ! 
Bon diefen Alpen fol er niederfommen, 
Wie jäher Bergiturz fommt es über did), 
Wie ſturmgepeitſchte Fluten angefhwommen. 


Verdanmt, Verdammt! noch in dies blanfe Schwert 
Fit feine Scharte Hingend eingehauen ; 
Zaut wichernd an der Krippe fteht das Pferd 
Und muß am Halfter feinen Schaum zerfauen.* 


Sr ſendet alühend feine Blicke fort, 
Die Alpenrieten vor ihm zu durchbrechen; 
Sie aber Stehen, düſt're Warner, dort, 
Wie Schilde hebend ihre Gleticherflächen. 


Ringsum in Wetter eingehüllt, daß ſchwer 
Um ihren Leib die Wolken niederhangen ; 
Blutrote Blige zufen daraus her, 

Als ſei's das Leuchten ihrer Gürtelfpangen. 


2. 
Das war vorbem. est fchüttelt euch die Hand 
Ein grauer Nittersmann und Spricht: Willfonmten ! 


Und fragt nach jeder Burg in eurem Land 
Und weiß Geichichten, wie ihr nie vernommen. 


Er kennt fie al’, — der Welfenlöme fteht 
Vor feines Auges leis verhüllten Sinnen; 
Er fieht des jechiten Heinrich Majeftät 
Den Reichsaar pflanzen auf Palermos Zinnen: 


Die Sänger kennt er, die ihr Haus geitelft 
Einſt auf den Bergen bier nad) allen Seiten. 
Er fann zu ihnen hin, wie's ihm gefällt, 
Und fie zu ihm zum Morgenimbiß reiten. 


Was fie gedacht, gedichtet, jedes Blatt, 
Es iſt als ihr Vermächtnis ihm geblieben: 
Das Bud von Barlaam und Joſaphat 
Hat ihm von Ems Herr Rudolph aufgeichrieben. 


— 328 — 


Der alten Meiſter Sälde und ihr Leid, 
Sie haben's ſeinem „Liederſaal“ geſungen; 
In alten Mären iſt ihm „vil geſeit“ — 
Da ſeht es ſelbſt: Das Buch der Nibelungen! — 


Und ſo wie einſt, ſo öffnet ſich noch heut' 
Vor edlen Meiſtern ſeiner Thore Gitter: 
Und wie ein Bild aus längſt verſcholl'ner Zeit 
Tritt ernſt der Sänger zu dem grauen Ritter. 


63 ift fein Traum. — Neigt eure Stirne tief 
Bor diefer Stirn, die eine Welt getragen! 
Was in dem Herzen feines Volkes ſchlief, 
Was in der Bruft des Einzelnen geichlagen: 


Der hat's gefühlt, gelungen und gejagt, 
Der hat der Zeit ihr altes Recht gefodert, 
Der hat das Wort, das flammende, gewagt, 
Das wie ein leuchtend’ Oiterfeu’r gelodert. 


Süß wie das Herz, das Coucys Kinabe trug, 
Enjtrömten die Gefänge jeinem Munde, 
Dod) auch vernichtend wie der „Sängerfluch“ 
Scharf wie der Schwerthieb feiner „ſchwäb'ſchen Kunde“, 


Geräuſchlos und beicheiden tritt er ein, 
Demütig fast, den Wanderftab zur Seiten, 

Viel „ſanfte Tage” laſſen ihren Schein, 
Fin vofig Wehn, um jeine Stirne gleiten. 

So kennt ihr ihn, geht er auch ſtill einher: 
Der Uhland iſt es — prunklos, ohne Flitter. 
Sin hoher Gaft, doch auch ein Wirt, wie der! — 
Gott ſegne beide! — Laßberg heißt der Ritter. 


— 


Wilhelm Stord,”) 


geboren am 5. Juli 1829 zu £etmathe im Kreiſe Iſerlohn, bejuchte von 1845— 1850 dus 
Gymnafium zu Arnsberg, jtudierte dann in München, Münſter und Bonn Philologie, 
beftand im Berbite 1855 zu Münjter das Examen pro facultate docendi, ſetzte nad 
einem am Gymnafium zu Paderborn geleifteten Probejahre feine philologiſchen Stu 
dien an der Univerfität zu Berlin fort, wurde daſelbſt 1858 zum Dr. phil, promoviert 
und 1859 zum auferordentlichen Profeffor der deutichen Sprache und £itteratur an der 
philofophiichen Safnltat zu Münfter ernannt. Seit 1863 iſt er Mitglied der wifienjchaft: 
lichen Prüäfungs:Kommiflton, wurde 1868 ordentlicher Profeffor und erhielt 1877 den 
Kronenorden III. Klafie. Er ift mehrerer gelehrten Geiellichaften zu Porto, Rio de 
Janeiro und fiffabon Ehrenmitglied. Außer verichiedenen pbilologifchen Abband. 
lungen und Schriften gab er das Buch der £ieder aus der Minnezeit (Müniter 
1872) und £uis’ de Camoens jamtliche Gedichte in deutjcher Heberjegung. (6 Bde,, Pa: 
- derborn 1880 ff.) heraus und fchrieb: 

Dichtungen: Y oje Ranken. Ein Büchlein Gatullifcher Lieder. Müniter 1867. 


(xoje Ranfen. Münfter 1867,) 


Wuuſch. 


Hell und braun, wie reife Nüſſe, 
Blicken lieb die Aeuglein her, 
Daß ich dir ſie küſſen müſſe, 
Küſſen dir nach Herzbegehr; 
Dreimal küßt' ich tauſend Küſſe 
Hundertfach und dann noch mehr, 
Bis die Zahl dem Sand der Flüſſe 
Käme gleich, dem Sand im Meer. 


* 


=, 


Pfũnderſpiel. 


Von deinem Mund beim Spiel, o Täubchen, 
Ein Küßchen hatt’ ich jüngſt gehaſcht; 
Nicht ſüßer ſind die Blütenſtäubchen, 
Die aus der Roſ' ein Bienchen naſcht. 


+, Nach €, Raßmann (j. 0.) und des Dichters eigenen Mitteilungen, 


2 ua er 


325 — 


Doch bracht' es bald mir bitt're Buße; 
gu gut entſinn' ich mich der Qual; 
Mir war's, als hing’ an Hand und Fuße 
Ich eine Stundelang am Pfahl. 
Entihuldigungen, die ich drehte, 
Sie brachten nimmer mir Gewinn, 
lind was ich bat und was ich flehte, 
(Frweichte nicht den harten Sinn. 
Denn kaum noch war das Glück genoſſen, 
Mit Waller netteft du den Mund 
Und riebeit raih und unverdrofien 
Mit flinken Fingerlein ihn wund. 
Und neßteit dann und riebeſt wieder, 
Was ich berührt und nicht berührt, 
Als hätteſt du durch alle Glieder 
Dom Kuß ein Sclangengift geipürt. 
Und ſchlimmer haft du stets und Schlimmer 
Und haft mich ſchonungslos gehekt ; 
So hat verichmähte Liebe nimmer 
Das Herz in Schmerz mir no veriekt. 
Am Ende ivard die liebe Labe, 
Die erit die Lippe ſüß beraufcht 
Wie duft'ger Saft der friichen Wabe, 
In bitt’re Galle mir vertauſcht. 
Willſt du für Liebe jo mich haſſen 
Und quälen jo mid ohne Grund: 
Du fannit dich ficher drauf verlafien, 
Nie wieder füfl’ ich deinen Mund. 


5 


Gewäſtch. 


Langweil'ger Narr, dich trifft das Sätzchen, 
Das ſonſt nur gilt den alten Klappern, 
Die gern zu Thee und Zucerpläschen 
Dinfigen und geihäftig plappern: 
Könnt’ einer Weiberzungen gerben, 
Das gäb’ ein wunderbares Leder, 
63 hielte noch dem zehnten Erben, 
Und braucht’ es fünfzig Jahr ein jeder. 
Und willft du all’ einmal uns töten, 
Mich, Vater, Vettern und Gevattern, 
Da haft du weiter nichts von Nöten; 
Nur ſchnattern mußt du, mußt nur jchnattern. 


Ss 


— 326 — 


Eine gute Partie. 


Fand ſich niemand hier im Ländchen, 
Kleiner fih im Nachbarland, 
Dem in Liebe du dein Händchen 
Gäbeſt in die Manneshand ? 


Sprid, warum man jenes Fäntchen 
Aug dem Ausland würdig fand, 
Daß der Liebe ſeid'nes Bändchen 
An das Milchgeficht dich band. 


Geld und Gut — dir und dem Täntchen 
Gab er, und der eitle Tand 
Bracht' aus Bändchen dich und Nändchen 
Und die Tant’ aus Band und Rand. 


25 


Erbfehler. 


Den kennſt du nicht?! — Fiſchweibern kann 
Lachs, Aal und Hecht nicht ſo bekannt ſein, 
Wie all' und jedem dieſer Mann; 

Sein Name muß dir ſchon genannt ſein. 


Bei jedem Theetopf hat er Sitz 
Und Stimme trotz allen ſeinen Neidern; 
Herr Grünling iſt's, ein Mann von Witz 
Und Lebensart und Modekleidern. 


Und gilt dabei als Dichtergeiſt; — 
Nun, Hinkel, laß doch dein Gekicher! — 
Denn Verſe, — tags zweihundert ſchmeißt 
Er aus dem Aermel, — das ſei ſicher! 


Ihm wächſt zugleich Frucht, Blüt' und Keim; — 
Wir andern, du und ich, wir kritzeln 
Den mühevoll gefund'nen Reim 
Auf alte Blättchen, kleine Schnitzeln. 


Er kennt Entwurf nicht noch Verſuch; 
Ins Reine ſchreibt er gleich, — und merke! — 
Mit gold'nem Schnitt ſtehn Buch an Buch 
Auf ſeinem Schreibtiſch „Grünlings Werke“! 


Wie denn die Verſe ſind? — Ich las 
Im dritten Band der Liederſammlung; 
Mich dünkt, der gute Mann vergaß 
Ein t, 's iſt eine Liederſtammlung. 


RE 7 


— 327 — 


Ein Straßenfeger könnte leicht, 
Hielt’ eine Viehmagd ihn zum Narren, 
Indes er jo das Pflaſter ftreicht, 
GSrünling’ihen Wuſt zufammenjcharren. 


Sat fieh ihn dir nur an, doch miß 
Sein Dichteln nicht nach feinem Witzeln; 
Sch weiß, daß manchen Witz er rik, - 
Der einen Murrkopf könnte figeln. 


Ihm freilich macht es wenig Spaß, 
Daß er des Frohſinns fichrer Zunder; 
Nur was gebiert fein Tintenfaß, 

Das ftaunt er an, als wär’s ein Wunder. 


Ein Lächeln Spielt um Aug’ und? Mund, 
Er reibt die * voll Ergetzen; 
Die Freunde ſoll der neue Fund 
Gleich morgen in Verzückung ſetzen. — 


Nun, lache nicht! — Ein jeder Kopf, 
Und kännt' er alle Pfiff' und Finten, 
Auch unſer Kopf hat ſeinen Zopf; 
Wir ſehn's nur nicht, er hängt nach hinten. 


R 
Der Matter Traum. 


(Originalbeitrag.) 


Längſt kam die Nacht ins Thal geitiegen; — 
Grhellt vom bleihen Mondenjchein, 
Ums stille Dorf im Kreiſe liegen 
Herbitlih und lautlos Flur und Hain. 


Die Mutter nur in öder Kammer, 
Stumm und verlaffen, figt und finnt 
Und twacht und weint in Gran und Jammer 
Um ihr geitorb’'nes, einz’ges Kind. 
Und Thräne fließt auf Thräne nieder, 
Bis leife — fie empfindet’s kaum — 
Der Schlaf umwebt die Nugenlider, 
Und ihre Seel’ ein lichter Traum: 


Zum Dorf heran vom fernen Walde 
Bewegt ſich raſch ein Kinderſchwarm; 
Sie wallen über Heid' und Halde, 
Die — Hand in Hand, die — Arm in Arm. 


Sn weißen Kleidern, und Gewinde 
Don Blumen ums gelodte Haar, 
Folgt einem hoben Weib geichwinde 
Und ruhelos die dichte Schar. 


— 8 — 


Im Traum die Mutter weilt am Stege, 
Und ihr vorüber wogt der Zug; 
Zuletzt von allen auf dem Wege 
Erſcheint ein Kind mit einem Krug. 


Sie Schaut es an — das holde Weſen, 
Erkennt's, umichlingt’3 und drückt's ans Herz, 
„Mein Kind!“ jo Äpricht fie, wie genefen 
Ind neu belebt nah dumpfem Edymerz. 


„Mein Kind! — doch wie du matt erfcheineit ! 
Was foll der Krug, jo hoch und breit?” — 
„Mutter, die Thränen, die du weineft, 

Bewahr' ich drin feit all der Zeit." — 


„Und wer befichlt dir denn, das volle 
Gefäß zu tragen, groß und ſchwer?“ 
„„Mutter, befohlen hat’8 Frau Holle; 
So weine denn nicht länger mehr! 
Sieh nur, fie winft, ich darf nicht bleiben." — 
„OD Gott!” fo ruft die Mutter laut 
Und fährt empor, als durc die Scheiben 
Der erite Strahl des Morgens jchaut. 


=, 
Luis de Camoens, 


10. Juni 1880. 
(Handichriftlihe Mitteilung bes Berfaffers.) 
Zum drittenmal find hundert Jahr’ entwichen, 
Seitdem die Königsſtadt im fernen Welten 
Luis de Camoens, ihrer Söhne beiten 
Und berrlichiten, im Tode ſah erblichen. 


Der truß’ge Sänger litt, vom Neid umſchlichen, 
Daheim Verbannung, Kerker und Gebreiten, 
Elend und Not auf Barken und in Beten, 

Schiffbruch und Seuch' in fremden Himmelsſtrichen; 

Schickſal und Schuld beichloffen fein Verderben, 
Doch Sieg verlicehn ihm Lieb’ und das Beftreben, 

Ruhm fih und feinem Volke zu erwerben; 


Mas hei er wünichte, ward ihm voll gegeben: 
Sein Vaterland, das mit ihm follte iterben, 
Sn ihm gewann e3 jich ein ew'ges Leben. 


=) 


Dermann Fandois,” 


geboren am 19. Mpril 1835 zu Münſter, ftudierte nach Abfolvierung des Gymnafiums 
feiner Daterftadt an der dortigen Akademie Theologie, wurde am 22, Juni 1859 zum 
Priefter geweiht, promovierte 1865 zu Greifswald zum Doftor der Philofophie und 
machte ebendaſelbſt fein Staaiseramen. Seit 1862 £ehrer der Naturmwiffenichaft an 
der Ackerbauſchule zu Boglar im Kreiſe Lüdinghauſen, feit 1865 £ehrer amı Gymnafium 
zu Müniter, habilitierte er fi im Jahre 1869 als Dozent der Zoologie an der Aka— 
demie, Im Jahre 18723 wurde er zum auferordentlichen Profeffor der Hoologie 
ernannt, nachdem ihm bereits 1874 die Direftion des zoologiſchen und anatomtjchen 
Muſeums übertragen war, Im Jahre 1874 richtete er ein an der Stadt Münfter 
gelegenes Areal, die fogenannte Inſel, zu einem weftfäliichen zoologiſchen Garten 
ein. Er ift außerdem Gründer des Dereins für Dogelichug, Geflügel: und Singvögel: 
zucht. Bei verſchiedenen Ausitellnngen erhielt er Medaillen, und ift forrefpondierendes 
Mitglied der zoologifchen Gejellihaft in Kondon. Außer jehr vielen tüchtigen Sach: 
ichriften, Jahresberichten des weftfäliichen Provinzial: Dereins für Wiffenfchaft und 
Zunft, des Dereins für Dogelihug u. f. w., dem in kieferungen herausfommenden 
Prachtwerfe „Weitfalens Tierleben in Wort und Bild“, mehreren Schriften 
gemeinnäßigen Inhalts und populärer Saffung, ſelbſt humorijtifcher, mufifalifdyer Con 
pofitionen fchrieb er: Frans Efiinf, fien Liäwen un Driewen äs aolt 
Mönftersf Kind. IL. Leil: Bi Liäwtiden. 5. Aufl. Münſter. II. Teil: Nao fienen 
Daud, 4. Nufl. Müniter, 


Dichtungen, bumoriftiihe: Fünf friihe Baſilisken-Eier, gelegt von 
einem alten Hahn, ber, wie ihr hört, brav krähen fann. 


(Sumorifttiches.) 


Fünf friſche Baflisken- Eier, 


Zur frohen Feltverfanmlungs = eier 
Der großen Foricher der Natur 
Weſtfalens und der Rhein'ſchen Flur, 
Der Nerzte, altbewährten Ruhms 
Und fonit’gen hohen Publikums, 
Gelegt von einem alten Hahn, 

Der, wie ihr hört, brav krähen fann. 


*) Na 6. Raßmann, Nachrichten u, ſ. w. (j. 0.) 





— 30 — 


III. 


Iohann von Leyden. 
(Melodie: Im ſchwarzen Walfiſch zu Askalon 2c.) 


Im kleinen Stübchen zu Leyden ſaß 
Ein armes Schneiderlein, 
Es hat nur Waſſer in dem Glas, 
Doch meckert's luſtig d’rein. 


Sein Nam' war Johann Bockelſohn, 
Ein Sohn vom alten Bock, 
Klebt aus Papier 'ne Königskron', 
Näht ſich nes Königs Rock. 


Mit Bügel, Scheere und Ellenmaß 
Giebt er fih auf die Reif’, 
Im Ranzen weder Geld noch Paß: 
Wohin? Er jelbit’s nicht weiß. 
Dod als er Münfters Türme Jah, 
Ward er vor Staunen ſtumm; 
Denn glei lag der Gedankt’ ihm nah, 
Wie hier Die Leut’ jo frumm. 
Zunächſt er nun prophetete, 
Und alle glaubten d’ran, 
D’rauf alles zweimal taufete, 
Nahm jich zwölf Frauen dann. 


Sr ftahl, brandichagte, föppelte 
Sogar ’ne eig’ne Fran, 
Und wie das Blut d'raus dröppelte, 
Tanzt’ er herum zur Schau, 

Die Stadt nannt’ er Jeruſalem, 
Sich König und Prophet, 
AUS war verfallen jeiner Fem', 
Mas nicht d'ran glauben that. 

Gr ftürmt die Bilder, fäll’t die Bäum', 
Trägt Kirchturmſpitzen ab, 
Bürg'meiſter muß Scharfrichter ſein, 
Bringt all's zum Bettelſtab. 

Sein letztes Stündchen war zwar ſchlimm, 
Obſchon um Grad’ er fleht, 
In einem Korb hoch hängt man ihm, 
Zambertiturm mur jeht. 

Stadt Münfter erfeunt nie einen an, 
Sei er nod jo gelehrt, 
Doch wer's am tolliten treiben kann, 
Wird als Prophet geehrt. 


5 


— 31 — 


V. 
Darwiniftifhes aus Weſtfalen“. 
(Melodie: Schier dreißig Jahre bift du alt ac.) 


Als unjer Herrgott einitensmal 
208 durch Weſtfalens Gau’n, 
Die Jünger mit ihm, zwölf an Zahl, 
Auch Petrus war zu Ichau’n. 
Sie ſah'n auf roter Erde 
'ne große Schweineherde, 
Sonst nichts, als Feld und Baunt. 


Der Petrus bat: „DO lieber Her, 
Bevölf’re doc) dies Land!” 
Das ſchmerzte unſern Herrgoit jehr, 
63 war ihm längſt befannt, 
Daß, ſollt' er Menichen jchaffen bier, 
55 gäb’ nichts Beſſ'res, als Getier 
Mit boritigem Gewand. 


Der Lehm der Erde war verbraudt 
Zu Adam längitens jchon; 
Ein Affe auch herum nicht Fraucht 
Zu werden der Schöpfung Kron'. 
Nur wenig fann er nach mit Lilt — 
Ein Fubtritt dann dem Schweinemiftt — 
Ein Menih entitand davon! 


Ein Kerl mit Knochen wie ein Nie’, 
Doc fehlte das Genie; 
So wie der Fuß ihn Ichaffend ftich, 
Schreit er: „Wat ſtäött he mi?“ 
Nun fagt, ob ein Weſtfal' nicht ift 
Der allerält’ste Darwinift? 
Sein Ahn' ein Borftenvieh! 


Und Petrus ſtutzt — mit gutem Nat 
Gr zum MWeitfalen lief: 
„Dank dem, der dich erichaffen hat 
Und dich ins Leben rief,“ 
Doch diefer dankt auf Münſterſch' Platt 
Und fagt: „Ick will em Ih... . wat, 
Mi döht noch weh min Lim.“ 


9 Sagenſchatz Weſtfalens, (f. o.) ©. 6. 


5 


Antonie Jüngſt. 


geboren am 13, Juni 1845 zu Werne a. d. Kippe, lebt bei ihrer Pflegemurter in Mänifter. 


Dichtungen: Konradin, der Staufe. Epiſches Gedicht iu 20 Geſängen. 
Vaderborn 1833. — Der Gloden Romfahrt. Gin Bilderkreis. 
Münſter 1884. 


(Driginalbeiträge.) 


Frühlingswehen. 


O Frühlingsluft, o Früblingswehn, 
Welch' wonnigliches Auferitehn, 
Menn rings die Saaten iprießen, 
Wenn Engel gehn in stiller Nacht 
Und jegnen all’ die Knospen jacht, 
Daß fie fih hold erfchließen ! 


O Frühlingswehn, o Frühlingsluft, 
Wie ſchwelleſt du die Menfchenbruft 
Mit jehnendem Verlangen! 

Wenn alles grünt und alles blüht, 
Im Roſenſchein des Lenzes glüht, 
Wer wollte da noch bangen? 


O Frühlingstuit, o Frühlingswehn, 
Wie jchwebft du über Thal und Höhn 
Auf leicht beihwingten Sohlen! 

Kein led jo öd' und unfruchtbar, 
Sp allen frohben Lebens bar, 
Du küſſeſt ihn veritohlen. 


O Frühlingswehn, o Frühlingstluft, 
Wie atmet Selig meine Bruft 
Die lauen, linden Lüfte! 
ne tief, tief in mein Herz hinein 
Mit VBogelfang und Sonnenſchein, 
Ahr fügen Maiendüfte! 


5 


— 333 — 


Schön -Eife, 


„Geh' nicht in den finitern Wald, mein Kind, 
Sn Später, dämmernder Stund’; 
Schon rauscht in den Blättern der nächtige Wind, 
Schon brauet der Nebel im Grund; 
Und dort aus der dräuenden Wolkenſchicht, 
Die überjchattet den Hain, 
Des Vollmonds glänzende Scheibe bricht 
Mit geiiterhaft hellem Schein. 


Seh’ nicht in den heimlich lodenden Wald, 
Sch rate dir gut, o bleib’; 
Von manchem fchon hört’ ich, der auf der Hald’ 
Verloren Leben und Xeib. 
Es Tauert am tückiſchen Weiher Gefahr 
Sm ſilbernen Mondenichein, 
Wenn nächtens fich reget der Geifter Schar, 
Und Elfen ichlingen den Reihn.“ — 


„„O Mutter, Mutter, fiehit du denn nicht, 
Wie goldig der Himmel fih malt, 
Und wie fo lieblih das Mondenlicht 
Die blauenden Berge beitrahlt? 
Und jpüreit du nicht das wonnige Wehn 
Das regt die fchlummernde Au’, 
Da fahten Scrittes die gütigen Feen 
Ihr ipenden baljamiichen Tau? 


O, halte mich nicht im Kämmerlein, 
Wo dumpfig atmet die Yuft; 
Laß mich hinaus in den Mondenſchein, 
Zu trinken des Maldes Duft!““ — 
Und wie auch die Mutter jie warnend beſchwört, 
Schön -Elfe hört fie nicht mehr, 
Von böſen Mächten umgarnt und bethört 
Eilt Hüchtigen Schritts ſie daher. 


Dod wie fie nahet dem ſchlummernden Teich, 
Wo Ichattend die Buchen ftehn, 
Dünkt plöglich das Licht fie jo geiſterbleich, 
Und ſchaurig die Yüfte wehn. 
Auf mondbeglängter, Duftiger Hald’, 
Verflärt vom nächtigen Tau, 
Mit ſeltſamem Schein es wogt und wallt 
Und jchwebt ob der blumigen Au’. 


Da flattern im flimmernden Mondenglanz 
Die Schleier der Elfen und Feen, 

Die, feſtlich geſchmückt zu Spiel und Tanz, 
Um Buchen und Weiher fich drebn. 


Doch wie fie das holde, zitternde Kind 
Erſpähen am Bergesha eng 

Da löft fi der luftige Kreis geſchwind, 
Und laut ertönet ihr Sang: 


„Gegrüßt du Liebliche, ſchöne Maid, 
Gegrüßt viel taufendmal 
Hier auf der nächtigen Bergesheid’ 
Im lockenden Bollmonditrahl! 
Komm', reich zum Bund uns die warme Hand 
Und ſchlinge mit uns den Reihn 
Wohl auf und nieder am Waldesrand 
Des Abends im wonnigen Mai'n.“ — 


Vergebens Schön-Elſe bittet und fleht 
Und weinend die Hände ringt, 
Des Mägdleins banges, verzweifelnd' Gebet 
Der Elfen Gefang verichlingt. 
Die Mutter harrei in Kummer und Not, 
Daß heim ihr Töchterlein ehr’; 
Wohl dämmert am Himmtel das Morgenrot — 
Schön: Elfe kehrt nimmermehr. 


Zuweilen nur in laulicher Nacht, 
Wenn filberne Nebel ziehn, 
(Srtönen von grüner Halde ſacht 
Die ſüßeſten Melodien. 
Im Schatten der Buchen, auf blumigem Grund, 
An ichimmernden Weihers Rand, 
Da lebt und fchwebt es zur Geifterftund”, 
Fügt fojend fih Hand in Hand. 


Doc ferne dem fröhlichen —— 
Leis klagend Schön-Elſe ſchlei 
In Thränen erloſchen der Augen Slanz, 
Die rofigen Wangen gebleidht. 
Sie fpähet hinab vom Waldesſaum 
Und jchauet nur underwandt, 
Wo einft, beichattet vom Fliederbaum, 
Das Hüttchen der Mutter ftand. 


56 


Thereie Dahn, 
geb. von Drofte-Bitlsboff,*) 


geboren am 28, Mai 1845 zu Münfter in Weitfalen, eine Nichte von Annette von 
Drofte-Hülshoff, ift jeit dem 3. Auguſt 1875 mit dem Profefior und Dichter Selir Dahn 
vermählt und wohnt in Königsberg i. Pr. 


Dichtungen: In den Gedichten von Felir Dahn. 2. Aufl. Stuttgart 1873. 
3. Aufl, Leipzig 1883. In diefer find die Gebichte von Thereie Dahn 
mit einem Ih. bezeichnet. 


In der Heide. 


(Originalbeitrag.) 
1. 


Lang umzog ich dich im Kreiſe 
— Nah des Wildhuhns ſcheuer Weiſe — 
Oede Hütte dort im Moor. 
en zerbrödelt, halb zerichlagen 
eh’ dein moojig Dad) ih ragen 
Mit dem Pferdefopf davor. 


— wie der ſich windet, 
Daß er Halt und Feſte findet 
Auf dem trügerifchen Grund. 
Leiſe ſchwankt er und verholen 
Aechzt er unter meinen Sohlen 
Schaurig, wie aus Geiftermund. 


Mie die Dämm'rung ſich verbreitet, 
Wie der Nebel ſteigt und jchreitet, 
Und der Herbitwind ſchrillt und ſchallt. — 
Heil was ftellt fih dort am Giniter 
Mir entgegen, gram und finiter ? 
„Wer du bift zeig’ die Geitalt!“ 


*) Nah Fr. Brümmers Hausſchatz deuticher Lyrik (f. o.). 


— 336 — 


Da iteht’3 vor mir: bärtig, wehrhaft, 
Dunkler Mantel, Breithut, Speerihaft! — 
Nun verſchwimmt's in Nebelflor; — 

Dort noch einmal jeh’ ich's jchreiten: 
„Warte, Wand’rer, mich zu leiten 
An die Hütte tief im Moor!“ 


Fort iſt alles — wie gefommen, 
Dunfel hat dich aufgenommten, 
Nacht und mwegewartend Grau’n.— 
Nieder zwing’ ih Schreck und Zagen, 
In die Hütte dringt mein Wagen 
Und den Wandrer will ich jchaun. 





> 


Ueber das Moor zu eilen, 
Schafft mir nimmer Bejchwer, 
Haftig, ohne Berweilen 
Treibt mich ein Herzbegehr; 


Lehrte mich ficher entwirren 
Heimlicher Wege Spiel, 

tag auch der Nebel flirren, 
Furchtlos ſchreit' ich ans Ziel. 


Nachtfroſt fühl' ich nicht Schneiden, 
Sonnenbrand fticht mid) nicht, — 
Meithin, durch Bruch und Heiden 
Spähend jchweift mein Geſicht: 


Krähen ſeh' ih am Weiher 
Flattern von Stein zu Stein, 
Grau gefiederten Reiher 
Slänzen im Nbendichein. 


Aber fern bei der Rüſter 
Fliegt's, wie Mantelgeitalt, 
Und dur das Windgeflüſter 
Naunendes Lied erichallt. 


Dorther fommt er geichritten, 
Dorthin Fliege mein Fuß! — 
Bald in der Heide Mitten 
Tauschen wir Blick und Gruß. 


= 


Abſchied vom Elternhaus. 


Mriginalbeitrag.) 


Fahr’ wohl du ſchmale Kammer, 
Das Schickſal pocht da draus’ — 
Fahr wohl! — in tiefem Jammer 

chreit’ ich zur Thür hinaus. 


Lang bauit ich bier verborgen 
Und heimlich reih an Glück; 
Aus Freuden wie aus Sorgen 
Stets kehrt ich dir zurüd. 


An deinen Wänden ranten, 
Als immergrüne Zier, 
Die heimlihen Gedanken, 
Die ich vertraute dir. 


Nur Sonne, Mond und Sterne, 
Die ließen wir herein, 
Daß fie aus Himmelsferne 
Mir Führer jollten fein. 


Fahr wohl num, treue Kammer, 
Nie kehr' ich mehr zurüd: 
Sc ziehe — voller Jammer 
Sn den Tod, oder in das Glüd, 


5 


dur Nadt, 


(Sedichte von Felix Dahn. 3. Aufl. Leipzig 1883.) 


Nacht iſt's und öde Weg und Gafien, 
Zur Ruhe längft ging alles ein; 
Nur bligend durch die Nebelmaifen 
Seh’ ich noch deiner Anıpel Schein. 


Wie könnt’ ich nun im Echlummter liegen, 
Da einſam rırhlos ich dich weiß, 
Und mic in weiche Kiffen jchmiegen, 
Da du dich müh'ſt in ſpätem Fleiß? — 


Sch ſchwebe wie im Zaubertanze 
Dem Strahle deines Lichtes nad, 
Und im geipenit'gen Dämmerglanze 
Betret’ ich leife dein Gemad). 


Hartmann, Schagkäftlein weſtfäliſcher Dichtfunft. 22 


— 333 — 


Und fiehit du's nicht am ſcheuen Lichte, 
Wie’ fein den friichen Luftzug fpürt? 
Und fühlſt du nicht dir am Gefichte, 

Daß es mein heißer Hauch berührt ? 


Die Feder nehm’ ich dir aus Händen, 
Die weilen Bücher jchließ’ ich zu 
Und führe längs den Epheumwänden, 
(Heliebter, dic zu ſüßer Ruh. 


PN 
sehnfuht. 
2 


Nicht kann ich der ew’gen Sehnſucht geneſen, 
Nicht kann ich vergeſſen, wie's all geweien — 
Und kann Dich nicht laffen und kann dich nicht meiden, 
Mag lieber die jühen Qualen leiden — 
Will lieber dich lieben und drum verderben: 
Für did; muß ich leben! für dich muß ich fterben. 


=; 


Gehorfam. 


Rufe mich und ich will fommten, 
Selig an dein Herz genommen, 
Immerdar bei dir zu fein; 

Heiß’ mid in Verbannung geben, 
Nie ſollſt Du wich wieder jehen; 
Glück it, dir gehorjan fein, 

Nah und fern dir bin ich dein. 


5 


Heidekinds Erlöſung.“ 


Still liegt die Heide — Nachtluft umfließet 
Wachholderſtrauch und duftend' Kraut, 
Und drüber geivenitifch” Licht ergießet 
Der Mond, der fahl vom Himmel fchaut. 
Hier ruft ein Vogel, ein Käfer ſchießet 
Dort ſchwirrend auf — fonit Stille weit —: 
Tief-ſüße Nacht zur Sonnwendzeit. 


*) Siehe „Sagenſchatz Weltfalens” ©. 236. 


— 839 


Nun kniſtert's im Moos und Nebel wallen: 
Das Heidefind fommt mit dem bleichen Geficht, 
Sonnfarben ihr Blick, rot die Locken ihr fallen — 
So wandert fie irr im Mondenlicht. 
Und jeitwärts fernher formen und ballen 
Die Nebel fih an in wirrem Gemaß’, 
Und über die Heide zieh'n fie fürbaf. 


Da ı hört fie Tritte, da rauſcht die Weide: 

Sie wendet den Blick — Ha! der Heidemanır, 
Da kommt er geichritten im Nebelkleide, 

Das die dunkle Geitalt kaum bergen kann; 
Sein Mantel ſchwar 14 fliegt über die Heide, 

Durch wallenden Dunst, durch Nebel dich 
Funkelt und ſprüht fein Feuerblick. 


Und raſcher ſie ſchreitet und raſcher daneben 
Folgt der Mann ihrer wirren Haſt. 
Bald vorwärts läßt ſie die Blicke ſchweben, 
Bald rückwärts Hält fie der Zaubrer gefaßt: 
Die Feueraugen jprühen und weben, 
Und nahe, ganz dicht iſt der mächtige Mann, 
Nun fühlt fie ihn atmen, nun fakt er fie au, 


O! wie ſich's ihr feit um die Schulter ſchmieget, 
Es weht um die Wangen fein Hauch ihr heiß — 
Und als er das Köpfchen ihr aufwärts bieget — 
Da muß fie ihn ſchauen — und beben lei’ - 
Auf dunklem Gelod der Nebelhut wieget; 
Sie ſchaut, bis die Mugen fie ſchließen muß, 
Da brennt auf den Mund fein berauichender Kuß. — 


Meit liegt Die Heide, der Mond ſtrahlt nieder, 
Ste wandern dicht an einander geichmiegt; 
Sein Mantel verhilft ihre zarten Glieder, 
Sein langer Bart im Nachtwind fliegt, 
Die Dünſte weben hin und wieder: — 
Und fern, two Ginfter und Diſtel Steht, 
Verrinnen die Zivei, wie Zauber zergeht. — 


Und über die Heide feiernd jpinnet 

Einſamkeit, ſtill, ſüß und tief, 
Der Nebel wogt, der Nebel rinnet: 

In Nacht und Schweigen das Land entſchlief. 
Nun hat der Geiſt die Elfe geminnet: 

Das Heidefind mit dem bleichen Geficht 
Mallt nicht mehr einfam im Mondenlicht. 


X 


Albert Gierje,” 


geboren am 31, Marz; 1851 zu Müniter, ſtudierte Gefchichrte, Jurisprudenz; und 

Neübetif, lebte darauf als Schriftiteller in feiner Daterjiadt, wo er Mitte der 

ftebziger Jahre mit Heinrich Hart „Die Deutjche Dichtung, Dierteljahrichrift für 

Dichtung und Kritik“ herausgab. Später mußte er wegen Geiftesitörung der rren: 

anitalt Marientbal bei Müniter zugeführt werden, wo er augenblidlich noch lebt. 
Dichtungen: Meteore. Gedichte. I. Teil. Naumburg 1878. 


(Deutfhe Dichtung. Münſter 1877.) 


Auf der Heide, 


Stimmungsbilder. 
L 
In Mittagsglut reit’ ich auf ſchnellem Roſſe; 
Das Heidefraut ächzt unter feinen Hufen, 
Wie ihaurig tönt vom stillen See der Steppe 
Der Waſſervögel unheimliches Rufen. 


Ein Falter irrt vorbei mit müden Schwingen: 
Du ſuchſt vergebens bier in diejer Leere 
Nach einer Nofe, die mit Duft dich labe 
Und deinen matten Flügeln Raſt gewähre. 


Nur eine Tanne ragt ernit im Die Lüfte, 
Gin janfter Hauch durchweht die Zweige leiſe, 
Hoch über ihr zieht, kaum dem Blick erreichbar, 
Ein Adler feine weiten, weiten Kreiſe. 


Mir iſt's, als hörte ich der Flügel Rauſchen, 
Die ſich im blauen, lichten Metber wiegen ; 
Und als ich hordhe, jenem Ton zu lauschen, 
Da iſt er meinen Blicken ſchon entitiegen. 


1. 
Es ragt ein Sichenwald am Heidejaume; 
Im Abendlichte glühn die qrünen Wipfel, 
Kenn Ihon die Sonne nach durchmeii’nem Raume 
Beftrahlt der fernen, fernen Berge Gipfel. 





*, Nach Fr. Brümmers Hausſchatz Deutſcher Lyrik (f. 9.) unb Privatumt- 
teilungen. 


341 


Hier weil’ ich oft, wenn ſchon der Tag verjunfen, 
Und graue Nebel durch die Heide wallen, 
Wenn aus des Waldes Dickicht liebestrunfen 
Der Nadıtigallen janfte Lieder Ichallen. 


Und ihre Laute zieh durch meine Seele 
Und weden alte Yuft vergang’ner Stunden 
Aus jener Zeit, da jonder Harm und Fehle 
Ich einft dein reines, liebes Herz gefunden. 


Bon jener Zeit, da du noch ganz die meine, 
Als heil’ge Liebe uns gefettet beide. 
Sie iſt dahin! — ich aber wein’ und weine, 
Weil jest mein Herz verlaflen, wie die Heide. 


111. 

Nacht iſt's; ich ſchreite ohne Ziel und Pfad 
Durchs Heideland nur folgend einem Sterne, 
Der hell und klar am Himmelsjaume ichwebt, 
Gleich einen Glück im unerreichter Ferne. 


Auf blauem Sternenthrone ruht die Nacht, 
Und leife, wie auf fanften Geiiterichwingen, 
Entſendet fie der Sterne mildes Licht, 

Der Welt dic heiß eriehnte Ruh’ zu bringen. 

DO, führe mich zu deinem Schattenreich, 

Wo nie ein Schmerz die Erdenbruft umdunfelt, 
Wo jel’ge Geiſter wallen, frei der Qual, 
Vom Sternenglanz, dem ewigen, umfunkelt. 


O, führe mich zu deinem Schattenreich, 
Es wohnt das Glück in jenen heil’gen Räumen, 
Laß mich der Jugend längit verrauichten Traum, 
Den Traum der Liebe, nur noch einmal träumen. 


Wie alles ſchweigt; ih wandle fort und fort. 
Der Stern erblaßt am fernen Himmelsraume; 
55 morgendämmert ſchon; die Sonne wedt 
Die Welt aus ihrem jorgenlofen Traume! 


ir 


5 
Yineta, 


Forigerifien von des Meeres Fluten 
Lebt Bineta nur noch im Geſang; 
Ihre Tempel liegen auf dem Grunde, 
Stumm ift ihrer Silbergloden Klang. 


Ihre Roſengärten ſind verſunken 
Mit den Schlöffern, die der Strand bewacht; 
Steine Säule fündet von der alten 
Marmorner Paläſte Pracht. 


— 32 — 


Nur am Oſtermorgen ſteigen leuchtend 
Ihre Zinnen aus dem blauen Meer, 
Und es dringen aus der dunklen Tiefe 
Wunderbare Glodentöne her. 


Mer ſie hört, der möcht” hinunterfteigen, 
Und jein Herz wird weid und ſehnſuchtsſchwer; 
Zange, lange hört er fie noch Elingen, 
Iene Grüße aus der Stadt im Meer. 


O Vineta, alte, meerveriunfne 
Zauberitadt, die meiner Jugend gleicht, 
Wenn fie aus dem irren Meer des Lebens 
Vor das Auge meiner Seele fteigt. 


Längit verdorrt find ihre Roſengärten, 
Denn der Liebe Mat iſt ſchon verblüht, 
Nur zumeilen zieht durch meinen Buſen 
Jenes Wild, für das ich einft geglüht. 


Ihre Träume find bverraufcht, verflungen, 
Gleich den Zaubertönen in dem Micer, 
Dod oft dringen fie gleih Glodenläuten 
Aus des Herzens Tiefen wieder her. 


Und e3 wird zum wehmutvollen Sange, 
Was das Herz jo heiß empfunden hat; 
Und es rauscht durch meine Seele mächtig, 
Gleich dem Lied von der verfunf’nen Stadt. 


5 


(Franz Bruümmers Hausihag Denticher Lyrit jeit 1849 ſ. 0.) 


Bei dem Tode Freiligraths. 


Es iſt ein Stern gefallen, 
Und eine Harfe ſprang, 
Und durd des Tempels Hallen 
Tönt düſtrer Klageſang. 
Gebrochen ein Sängerherze, 
Du, einſt Weſtfalens Glanz ! 
Sch weihe in ſtummem Schmerze 
Dir einen Lorbeerfrangz. 


(55 ziehen die kühnen Lieder 
Mir wieder durch den Geiſt, 
Ad) ſeh' die Wüſten wieder, 
Die deine Harfe preilt, 

Sch folge den Karawanen 
Durch Gobis glüh'nden Sand, 
Wo einſtens unſre Ahnen 
Erkämpft das heil'ge Land. 


— 343 o 


Wie ragen hoc die Zedern 
Des Libanon empor, 
Als wären’3 Niejenfedern, 
Die Allah ſich erfor. 
Wie ſanken auf felf’gem Grunde 
Am Berge Sinai 
Die Pilger zur Morgenftunde 
Andächtig auf die Knie! 


Das Rauſchen der Katarakte, 
Der wilden Schladhten Sarg, 
Es zieht in ſchnellem Takte 
Durch deiner Lieder lang; 
Da tönt's wie Engels Singen, 
Wodurd fein Mikton gellt, 
Um Kunde uns zu bringen 
Aus deines Herzens Welt. 


Als wir geiprengt die Banden, 
Wie jangit du hoffnungafroh, 
Als wäre auferitanden 
Riquetti Mirabeau. 

Da Freiheit wir errungen, 
Fand deine Harfe Ruh; 
Von allen, die geſungen, 
Sang keiner ſo, wie du! 


Fern von der roten Erden 
Schläfſt du, o Sängerherz, 
Dir ſoll ein Denkmal werden, 
Viel dauernder, denn Erz: 

So lange über die Heiden 
Das Abendlicht erglüht, 

So lange noch beim Scheiden 
Der Wand'rer ſingt ſein Lied; 


So lange noch Roſen glühen, 
Und Lenz und Liebe lebt, 
So lange noch Wolken ziehen, 
Von Morgenglut durchwebt, 
So lange noch Lerchen ſchweben 
Im Lenzlicht himmelwärts, 
Wirſt du unſterblich leben 
In deines Volkes Herz! 


Mir iſt's, als hört' ich Lieder 
Aus einem fernen Land, 
Wehmütig knie ich nieder 
An deines Hügels Rand; 


— 344 — 


Schlaf wohl, ich will nicht klagen, 
Blieb doch dein Geiſt der Welt, 
Doch lichte Engel tragen 

Dein Herz zum Sternenzelt! 


—R 


Die Waldfee. 


„Sag', Knabe, was haft du im Walde gehört? 
Bleih iſt dein Antlig, dein Blick veritört, 
O, jag’, was hat did; bedroht ?* 
„„O Mutter, die MWipfel jäufelten bang, 
(53 Hang aus dem Waldjee jo flagender Sang, 
Es waren die Niren in Not.““ 


„Mein Knabe, die Lüfte wehen fo Lind, 
Die Wellen find ſtumm, leis flüftert Der Wind, 
Was anders hat dich bethört.* 

„„O Mutter, es heulte der Wolf fo laut, 
Da bin ich geiaufen, es hat mich gegraut, 
Als ich den Wolfruf gehört.“ * 

„Mein Knabe, es it fein Wolf im Wald, 
Bis hierher tit noch fein Yaut verhallt; 
Was ander machte dir Bein.“ 

„„O Mutter, Mutter, ih will’s nur geitehn, 
Ach habe die Schöne Waldfrau geiehn, 
Ich ſah fie im Waldgrund allein. 


Sie ftieg ans einer Blume empor, 
(3 Hang ihr ſüßer Gefang mir ins Ohr, 
Sie winkte hold — die Fei. 
Es ſtrahlt' ihr Gewand im rofigen Licht, 
DO, nimmer vergeß id) das Angeſicht 
Und die himmlische Melodei . . . .““ 


Der Knabe Sagt’ es, jein Herz ward ſchwer, 
(Fr hat nicht gelacht, Still ging er einher — 
Der Mutter ward angſt und weh; 

Ind als verglühte der dritte Tag, 
Lag tot der Stnabe im Waldeshag — 
Bang Hagten die Wellen im Ser. 


5 
(Dentihe Dichtung, Minister 1877.) 


Bigennerlied, 
Wie der wilde Wolf in der Waldichlucht beult, 
Wie der Nabe krächzt und der Uhu jchreit, 
Wir wandern, wir wandern und hören es gern, 
Wenn's düftert um Mitternachtzeit. 


— 345 — 


Es liegt im Walde ein Leichenſtein, 
Da tanzen die Hexen herum und herum, 
Der müde Wandergeielle ſchlief, 

Der wurde für immer ſtill und ſtumm. 


Die Föhren find düſter, die Tannen To till, 
Es wandelt im Walde ſchwarz-dunkel die Nacht, 
Wir wandern, wir wandern ohn’ Pfad und Weg, 
Dis Morgendänmer am Heideſaum ladıt. 


Weit, weit ift die Steppe und öde das Moor, 
(55 klagt der Schnee in der Winternacht, 
Bald itarrt hinterm Fichtwald der Mond hervor 
Und Ichleiht übers Schneefeld jo ſacht. 


Wie der wilde Wolf in der Waldichlucht Heult, 
Wie der Nabe frächzt und der hu ſchreit, 
Mir wandern, wir wandern und hören es gern, 
Wenn’s düftert um Mitternachtzeit. 


26 


An die Nacht. 


Schweigend im lichten Glanze 
Thronſt du am Himmelszelt 
Und breiteit liebend die Arme 
Um die ichlummernde Welt. 


Leiſe ſeh' ich Dich wandeln 
Oben im Sternenreich, 
Wieder im Mondenlichte 
Glänzt deine Wange jo bleidh. 


Wo du Ichreiteit, iſt Ruhe, 
Wo du ſegneſt, iſt Glück, 
Tauſend weinenden Herzen 
Giebſt du den Frieden zurück. 


Hör' auf meine Gebete, 
Himmliſche Königin, 

Wende den Sturm der Gefühle 
Wieder zu milderem Sinn. 

Laß mich die Qualen vergeſſen, 
Welche der Tag mir gebradt: 
Sende auc mir deinen Frieden, 
Himmliſche Tröſterin, Nacht! 


5 


Beinrih und Julius Dart,” 


Wenn Heinrich Bart auch nicht in Weitfalen, jondern am 30. Dezember 1855 zu 
Weſel in der Rheinprovinz geboren ift, fo gehören doch er, der übrigens jchon als 
feines Kind nah Münſter fam, und jein Bruder Jnlius, geboren am 9, April 1859 
zu Münfter in Weitfalen, in ihren litterarifchen und dichteriichen Beftrebungen jo zuein 
ander, daf der eine ohne den andern nidır aufgeführt werden fann. Heinrich und 
Julius Bart bejuchten das Gymnafium und die Akademie von Münjter, ſpäter 
verjchiedene Univerfitüten. Dann wandten fich beide der fehriftftelleriichen Laufbahn 
zu, lebten in verichiedenen Stadten ihrem neuen Berufe und ließen fich zulegt dauernd 
in Berlin nieder, wo fie augenblidlich die „Kritifchen Waffengeange‘ herausgeben. 
Beide hatten ſchon fräber die „Deutichen NMonatsblätter” und den „Allge: 
meinen Deutjhen £itteratur:Kalender‘ herausgegeben, welcher legtere an die 
Derlagshandlung von W, Spemann in Stuttgart überging. Außerdem edierten beide 
das „Jtalieniihe Novellenbuch“ (Berlin), das „Buch der Liebe” (keipzig 
1882). Selbjtändig gab Julius heraus: „Biütenleje aus jpantijchen Dicdhytern“ 
(Stuttgart), „Orient und Occident“ (Minden) und „England und Amerifa“, 
5 Bächer englifcher und amerifanifcher Gedichte. (Minden 1884.) 
Dichtungen von Heinrib Hart: Weltpfingften. Gedichte eines Adealiiten. 
Bremen 1879, „Sedan.“ Tragödie, Leipzig. In Vorbereitung: „Das 
Lieb ber Menſchheit.“ Epos. 
Dichtungen von Inlius Hart: Saniara. Gebichtbud. Bremen 1878. — 
Die Tragddien: „Don Juan Tenorio;“ (Roftod). „Die Schau— 
ipielerin;" „Der Rächer;“ (Leipzi. In Borbereitung: „Das 
ſechſte Gebot.“ Noman, 


Deinrib Dart. 


(Weltpfinaiten. Gedichte eines Idealiſten. Bremen 1879.) 


Frühling, Frühling. 

Ueber die Heide der Sturm fegt Blatt um Blatt, 
Die morihen Sträuder ächzen, 
Im grauen Gewölf zerzauft und matt 
Die heiieren Naben krächzen. 
Die Wellen ſprudeln und zifchen empor, 
Gekränzt von mwelfen Blättern, 
Glüh' ringen die Nebel jih aus dem Moor 
Zum Kampf mit Licht und Mettern. 

Ueber die Heide der Sturm jagt Tag und Nacht, 
Daß Thor und Fenſter Elirren, 
Der First erdröhnt und die Brücde Fradıt, 
Die Eulen jhwirr'n und girren. 


*) Nach ber Dichter eigenen Mitteilungen. 


BR 


Auf, auf, mein Roßl! fo wettert es recht, 
Das find des Frühlings Boten, 

Nun fegt dahin, was ſchlimm und fchlecht, 
ur ew'gen Ruh’ der Toten. 


Weber die Heide, mein Roß, flieg’ zu, flieg’ zu, 
— dürſtet nach Kampf und Sonne — 

Fahr’ wohl, du ſichre Heimatsruh, 
Du jelige Liebeswonne. 
Aus den Schluchten raufcht der Brunnen Flut, 
Daß Fels und Eis zerfchlagen, 
Und Hammend führt des Himmels Glut 
Auf ſturmgewölktem Wagen. 


Ueber die Heide, mein Lenz, jchlag’ wirbelnd los, 
Daß aud) die Herzen erzittern, 
Koch träumen fie lieber im Dämmerungsſchoß, 
Als über des Morgens Gewittern. 
Schlag’ los und jcheuche die Nacht hinaus, 
Die höllengebor'ne, kalte, 
Und trage dein Licht ins Eleinite Haus, 
Ins junge Herz, ins alte. 
Ueber die Höhen ins Thal, von Grund zu Grund, 
Laß flattern die Siegesfahnen, — 
Trittit auch manch' grüne Knospe du wund 
Auf fturmgeihlagenen Bahnen; 
Was fragen wir weiter nad) Todesſchmerz, 
Am Lenz iſt's gut zu fallen, 
Da fliegt hinauf das junge Herz 
Durd blauer Lüfte MWallen. 


Ueber die Wolten empor ein Lichiitrom gebt, 
Die Kämpen hinaufzutragen, 
Die mitten im Siege hinweggemäht, 
Mutreih und arm an Tageıt. 

Ihr lihtes Haar, ihr Auge fo Far, 
dat den Göttern im Himmel gefallen. — 
Sie follten nicht welfen von Jahr zu Jahr, 
Nicht müde der Erde entwallen. — 


Ueber die Heide drum auf, Schon faulen zu Thal 
Die Nebel und Wolken und Schatten, 
Am Himmel fliegt leuchtend der Sonne Strahl, 
a füffen die harrenden Matten. 

ings flüſtert's und raufcht'3, der Frühling naht, 
In duftigem Ofterwehen — 
Auf, auf, ihr Herzen, der Frühling naht, 
Auch ihr jollt auferitchen! 


5 


=. BA 


dur Maienzeit. 
Wie ich dich fiche, 
euchtender Tag; 
Mie ich Dich ſuchte 
Am Wald und im Hag. 


Herz’ mich und küß' mic, 
MWaldlenziger Duft, 
Trage zum Himmel 
Mich, morgige Luft. 


Lag ich in Banden, 
Umdämmert und bang — 
Immer doch träumt’ id) 
Bon deinem Gelang. 


Zräumte dem Aar gleich, 
Im Horite verichneit; 
(ng war das Herz mir — 
Nun iſt es jo Weit. 


Reich' mir den Becher, 
Waldepheuumkränzt, 
Laß mich ein Aug' ſchaun, 
Das gläubig mir glänzt. 


Trug ich im Winter 
Viel Sorge und Leid — 
Du zeig' den Pfad mir 
In fröhliche Zeit. 

Rauſchend vom Berge 
Stürzt nieder die Flut, 
Weltweit und einſam 
Singt Lerche ſich Mut. 

Bald ſuch' ich aufwärts 
Die Liebe, bald hier — 
Sonne, dir folg' ich, 
Du führ' mich zu ihr. 


5 
3u dir, zu dir. 


Nicht länger kann ich’s fragen, 
Sch muß zu dir, zu Dir, 
Muß dir mein Sehnen jagen 
Und meiner Luft Begier. ° 
Die Heide glänzt im Mondenichein, 
Geſpenſtiſch fteht der Wald, 
Und aus dem Rohr, dem bangen, 
Seufzer um Seufzer ichallt. 


Bi 


Mie iſt's doch nur gekommen, 
Daß du fo lieb mir biit, 

Halt mir mein Derz genommen 
In eines Schauens Frift. 

Da fteigt hervor das weiße Haus 
Aus niedrem Birkenjchlag, 

Koh glänzt ein Licht im Erfer, 
Mer iſt's, der warten mag? 

Wie ſoll ich dir es Fünden, 
Wer dein hier harrend fteht? 
Kein Bote will fich finden, 

Der grüßend zu dir gebt. 
Nehm’ id; ein Steinden auf vom Weg 
Und werf' es keck hinauf? 

Nein, lieber will ich rufen — — 


Doch horch, ſchon geht das Fenſter auf. — 


5 
od nicht. 


Was flanımt vom Auge dir, vom Munde 
Sp heiß die Luft nah Kampf und Streit, — 
Noch darfit du jchlürfen bi$ zum Grunde 
= Becher ag — 

O, glaube mir, die Zeiten kommen, 
Mo du did ſehnſt nach Naft und Ruh’ — 
Und doch, das arme Herz beflommen 
Muß müh'n und ringen immer zu. 

O, glaube mir, es zieht dort unten 
Ein finitres Geifterheer der Nacht, 

Das Schon manch’ Herz mit feinen bunten 
Und wirren Träumen müd' gemacht. 

63 lockt auf ewig neite Auen, 

gum Siege, doch zum Frieden nicht — 

a3 ill dur jegt dir Schon verbauen 
Dein junges Herz — noch iſt es Licht. 

Noch iſt e8 Licht, noch ruht im Grabe 
Dir nicht fo manches liebe Glüd, 

Noch ſtehſt du weinend nicht am Stabe 
Und denkſt des fchöniten Traums zurüd. 
Noch weiß dein Herz von heißen Thränen 
Ob Schuld und Zorn der Liebe nicht, — 
Noch kannſt du rein und frei dich wähnen, 
O, bleibe bier — noch iſt es Licht. 

Hell zieht der Mai mit Duft und Rosen, 
Und Indend flattert fein Panier; 

Geh’, lab dein Herz mit Blüten fofen, 
Der Sonne folgen für und für. 


— 350 — 


Daß nicht in deiner Seele Feier 

Vor Zeiten dir die Unruh’ bricht — 
Trübt doch gar bald den ftillen Weiher 
Ein Steinden Ihon, — noch iſt es Licht. 


O, ziehe wie auf lichten Schwingen, 
So lang’ du kannſt, fo lang’ du magit. — 
Ch’ du in al’ das Müh'n und Ringen 
Der Erde dic herniederwagft, 
Da winken taufend grüne Auen, 
Dod eng am Abgrund führt der Steg, — 
Laß nicht zu früh dein Aug’ fie fchauen, 
Nie findeit rückwärts du den Weg. 


— 
Heimweh. 


Hell fließt dein gold'ner Schleier 
Hin über Berg und Thal, 
O, dürft' dem müden Reiher gleich 
Sch ruh'n in deinem Strahl. 
Wiegit alles doch in Frieden, 
Du füßer Abendichein — 
Trag’ aud) mein Sorgen und Bangen 
Fort auf den Schwingen dein. 

Ein trogiger Bube zog ich 
Aus Vater- und Mutter - Haus, 
(Sin jeliger Träumer flog ich keck 
In alle Welt hinaus. 
Den funfeinden Sternen zu folgen, 
Vergaß ich Lieb’ und Treu, 
Die Sterne find verglommen, 
Tief innen brennt die Neu. 


Das zuct mir durd die Glieder 
Und bricht den Mut mir jchier, 
ur Stillen Heimat niederzieht's 
Die ganze Seele mir. 
Nun rege dich und ringe, 
Du adlertrogig’ Herz, 
Ohne Zagen und Grmatten 
Durch Dunkel morgenwärts. 


=, 
Dalm, 


Meine Seele dürftet nach Licht, 
Ah, dak die Liebe lebendig würde, 
Und unter ihrem Fittid) 

Frieden fanden die Müpden. 


— 3 — 


Bange Träume fuchten mich heim bei Nacht, 
Einfam rang ich in wüſter Brandung — 
Brich ar, brich an, Weltfrühlingstag, 

Feg' aus die Dämmrung, morgige Sonne. 


Freudig trag’ ic dein Schlachtpanier, 
Und fall’ ich gleich im Kampfe der erfte — 
Den Tag der Liebe fah ich leuchten, 
Jauchzend wandle ich auf zur Sonite, 


5 


Fluch dieſem Leibe. 


Fluch dieſem Leibe, 
Dem unerſättlich lüſternen, 
Mit ſeinen Banden 
Schnürt er die Seele ein 
Und reißt in den Kot 
Die Sonnendurſtige. 

Aus allen Poren 


Schrei ich nach Freiheit, 


In alle Himmel möcht' ich mich recken, — 
Aber erbarmungslos 
Preßt mich das Elend 
Meiner Sinne 
Zurück in die Dienſtbarkeit. 
O Hunger 
Nach dem Ewigen — 
O Hunger! 
Wann kommt die Stunde, 
Wo ich alles vergeſſen, 
Alles hinſchleudern darf 
Und nur dich, einzig dich 
ſtillen vermag? 

eh', wenn die Flamme, 
Die in mir lodert, 
Mic brennend verzehrte 
Und nicht emporichlüg’ 
Welterleudjtend, 
Herzenentzündend. 
Fort, fort ihr Bilder 
Lockender Lüfte! 
Sch mwill feinen lat 
Am Mahle der Lebenden, 
Wo, im gligernden Licht, 
Schwarzäugiger Frauen 
Seide, lodernde Blicke 

ie Seele verjengen. 


— 352 — 


Ich lauſche den Toten 


Und horche, was jie verfünden, 


Und ich ſuche die Ungebornen, 
Daß ich wille, 

Was war und was jein wird. 
Einſam, einſam 

Will ich wandeln und ziehen, 
Ob fiebernde Brunſt auch 
Die Adern emporſchwellt, — 
Doch eines vergönn' mir, 
Allwaltende Weltmacht, 
Jedes Wort, das ich ſchmiede, 
Es werde zum Glied, 

Das die Menſchheit verkettet, 
Jedes Lied, das ich ſinge, 
Wie Tau laß es fallen 

Auf die Herzen der Armen, 
Der Sünder und Buhlen — 
Dann finde ich Frieden. 


— 


Julius Dart. 
(Driginalbeiträge.) 


Traumleben. 


Ich wandle wie im Traume, 
Als wäre mein Aug’ verhüllt, 
Und rings die Melt von düſter— 
Dümmernder Nacht erfüllt. 


Die Menjchen wallen vorüber, 
Stumm und geitaltenlos, 
Die lauten Straßen ruhen, 
Wie in des Todes Schoß. 


Die Welt ſcheint ganz geitorben, 


Verſunken in Schwarze Gruft, 
Doc; weht e8 über die Gräber, 
ie füher Nofenduft. 


Ich hör’ es in meinen Träumen, 


Wie Nachtigallenſchlag, 
Heimliche Weiſen tönen 
Wohl über den ganzen Tag. 


w 
w 
# 


Zwei dunfle Geiiteraugen 
Leuchten allein in der Nacht, 
Aus dämmerndem Scheine flimmert 
Deines Haares gold’ne Pracht. 


Um meinen Naden ichlingt ſich 
Ein blütenweicher Arm, — 
Es ruht auf meinem Munde 
Ein Frühling jung und warm. 


Sch wandle wie im Traume, 
ALS wär’ mein Aug’ verhüllt, 
Du haft mit deiner Liebe 
AU meine Welt erfüllt. 


Die Welt jcheint ganz geitorben, z 
Wir beide nur ruhen allein, 
Non Nachtigallen umklungen, 
In blühendem Roſenhain. 


26 
Lebendige Boefte, 


Einſam am gebräunten Tiiche | 
Unter dunkeln Stellerbogen, 
Schlürf’ ih von des Rüdesheimers 
Maienjonnigen Blütenwogen. 


Wie im Traum die Schläfe preifend, 
Träum' ich bei der fühen Labe, 
Und im Mein ruft’8 tauſendſtimmig, 
Daß ich deine Liebe habe. 


Sch’ ich lauſchen doch dein Antlitz 
Aus dem Tau der gold’nen Fluten, 
Funkeln deines tiefen Auges 
Feuergrüße, Liebesgluten. 


Wenn ſolch' duftig fühle Tropfen 
Ueber meine Lippen fließen, 
Sind's nicht deines Kuſſes Blüten, 
Die auf meinem Munde ſprießen? 


Fern bit du, doch deine Arme 
Halten mich, ih fühl's, umichlungen, 
Und mein Haupt ruht dir am Buſen, 
Nuht, von deiner Macht bezwungen. 

Rebenduft ımd deines Odems 
Düfte wehn um meine Stirne 
Süßbetäubend, und wie trunken 
Klingt und tönt es mir im Hirte. 


Hartmann, Schagkäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 23 


* 


— 354 — 


Nicht nach Reimen will ich haſchen, 
Nicht mehr Verſe kunſtvoll ſchlingen, 
Nicht aus Worten Ketten winden 
Und zum Reim zuſammenzwingen. 


Nein, ich weiß ein fernes Haus, 
Weiß, wo Augen mich erwarten, 
Und wo mich ein Mund erſehnt, 
Weiß der Liebe Zanbergarten. 


Durch das graue, nächt'ge Wetter 
Folg' ich meinen ſüßen Pflichten, 
Worte nicht, — nein, dir zu Füßen 
Will ich nun mein Leben dichten: 


25 
Im Uovpember. 


Des Sommers Flammenhaupt verſank 
In grauen Winterfluten, 
Wo biſt du, Nachtigallennacht, 
Du Tag der Sonnengluten? 


Das duftig grüne, ſeid'ne Kleid, 
Durchwebt von Roſenblättern, 
Zerriſſen liegt's und ſchnöd' zerfetzt 
Von wüſten Regenwettern. 


Wo biſt du, traubendunkler Herbſt, 
Von gold'nem Weine trunken? 
Dein laubumkränztes, volles Haupt, 
Wohin iſt es geſunken? 


Des Sommers Glanz und goldnes Licht, 
Die flammenfprüh'nde Sonne 
Sanf in dein Herz, — aufleuchtet nun 
Biel Ihön’re Luſt und Wonne. 


Dein Aug’ iſt heiß, wie Sonnenbrand, 
Und blau, wie Himmelslüfte — 
Dem ährenblonden Haar entitrömt’s, 
ie linde Blütendüfte. 


Dein Antlig iſt ein Pilienblatt, 
Von zartem Blut durdflofien, 
Dein roter Mund ein Nojenkeldh, 
Zu voller Glut erſchloſſen. 


Dein Wort, dein Sang, dein Liebeslied 
Tönt ſüß und träumeriſch leiſe, 
Als ſchlüg' im Buſen die Nachtigall 
Tiefichluchzend ihre Weiſe. 


— 355 — 


Den Wein aus purpurrotem Kelch 
Hab’ ich berauicht aetrunfen, 
Als meine Lippen voller Durit 
Auf deinen Mund aefunfen. 


Des Sommers duft’ger Tag verging, 
Die Fener raſch verglühten, 
Doch fanf er leuchtend in dein Herz 
Mit Liebesrojenblüten. 


% 


6 


(Sanſara, Gebichtbuch. Bremen 1879.) 


Venus Allvernichterin. 


Schone mid, Venus, zeige voll Milde 
Mir dein fürſtliches Angelicht, 
Blüten, entpflückt lenzgold'nem Gefilde, 
Schimmernd in leuchtendem Sonnenlicht, 
Lege ich Enieend auf deine Altäre, 
Lege ich knieend in deinen Schoß, 
Venus, du Fürftin der Erden und Meere, 
Laß aus deinen Banden mid) los. 


Herrſchend fchreiteit du durch die Lande, 
Huldigend rauscht dir Wald und Feld, 
Huldigend fingt dir Die Woge am Strande, 
Deinem Dienste jubelt die Welt, 

Gold’nen Wein aus Opferichalen 
Spendet dir nächtig die blühende Maid, 
Die bei des Mondes weißen Strahlen 
Deinem ſchrecklichen Dienste fich mweiht. 


Licht und Leben folgt deinen Spuren, 
Venus, hohe Gebieterin, 
Und von Roſen duften die Fluren, 
Wo deine Wagen vorüberziehn. 
Uber wen du im grollenden Zorne 
Schleuderft Die Yadeln ins zucdende Herz, 
Von des Lebens maiwonnigem Vorne 
Wandelt er abgrund- und höllenwärts. 


Schredlicd ift dein Nahn, dein Kommen, 
Wangen und Lippen werden blaß, 
Ueber die Böſen und über die Frommen 
Kommt der gleiche, finftere Hab. 
Von des Herdes heimlicher Stelle 
Reißt du des Haufe fladernden Brand, 
Und in feuerglühender Welle 
Brit des Haufes ragende Wand. 


23* 


— 36 — 


Schütze mich, Venus, du Süße, du Milde, 
Venus, hohe Gebieterin, 
Schau' mich hier vor deinem Bilde 
Knieen in frommem, demütigem Sinn. 
Wenn du einhergehſt in flammender Wolke, 
er das flatternde, mächtige Haar, 

O, ſei onäbig dem Harrenden Volke, 
Gnädig der betenden Mädchenichar! 


Laß nicht des Auges Gluten erblinden 
Unter der Thränen ftrömender Flut, 
Lak von den Wangen die Rofen nicht fchwinden, 
Aus den Herzen den ftreitenden Mut, 
Laß die junge Liebe gedeihen, 
Blüh’n, wie die Frucht am herbitlichen Baum, 
Komm’ über die Herzen, gleich wie ein maien— 
Süßer, feliger Abendtraum. 


Schone mid, Venus, und mit Kränzen 
Schmücke ich deinen Hochaltar, 
Plüten, die weiß wie Schnee erglänzen, 
Winde icy dir in dein lockiges Haar. 
Sieh’, die thräanenbefeuchteten Bangen 
Drude ich weinend in deinen Scho 
Venus, erhör' mein Beten und Bangen, 
Lab aus deinen Banden mic) [o8. 


Fa 


2; 


Gewitter. 


Den ganzen Abend hat e3 fon gegrollt 
Und bang geflüitert in dem dunklen Laube; 
Am Landweg fam im Wind der Staub gerollt, 
Die Wolke flog gehüllt in dunfle Haube; 
Scheu hat der Vogel ſich ins Neft gedudt; 
Der Haie barg fi in dem Laub voll Schreden, 
Als fern im Dit der erfte Blitz gezuckt, 
Der erite Negen ranichte durch die Heden. 


Nun iſt's herauf; hinfauft die tolle Jagd 
Des Sturmes durch den Schloßhof; in dem Weiher 
Wühlt dumpf die Flut; wie dunkle Winternacht 
gie über Turm und Dach der Wolkenichleier ; 

ie Wipfel ſauſen und das Scilfrohr pfeift — 
Sin toller Junker, geht’3 durch Teich und Binſen; 
Hei, wie der Nebeldunft vorüber jchleift, 
Sin Höllenzug mit Winjeln und mit Grinjen! 


Hahi und Huffa, wie das jagt und tofft! 

Der nr fährt zudend hin, auf erz'nem Wagen 
Kommt frachend hinterher der Donner angerolt, 
Vom Wolkenmantel dicht den Leib umſchlagen. 
Fin Feueritrahl fährt praflelid aus dem Wald, 
Und jach zum Himmel De Flammenfiuten, 
Drein jagt der Sturm, daß Hang und Heide hallt, 
Und peiticht die Lüfte mit rotglüh'nden Ruten. 


O, könnt’ ich doch auf dieſer Wolfen Nacht 
In Fenerlettern meine Dichtung jchreiben, 
Die Dichtung, heiß von Himmelsglut entfacht, 
Und mit dem Sturm durd alle Yande treiben! 
Dann follte, wie bei wirbelndem Trommelflang, 
Die Menjchheit aus dem trägen Träumen fchreden, 
Sclafmordend jollte mein Gelang 
Zu heil'gem Kampf die Müden weden. 


” 


— 


Auf der Fahrt nach Berlin. 
(Deutiches Herz und deutſcher Geiſt. Leipzig 1>>4.) 


Von Weſten kam ich, — ſchwerer Heideduft 
Umfloß mich noch, vor meinen Augen hoben 
Sich weiße Birken in die klare Luft, 
Von lauten Schwärmen Krähenvolks umſtoben; 
Weit, weit die Heide, Hügel gelben Sands 
Und binſenüberwachſ'ne Waſſerkolke; 
Fern zieht ein Schäfer in des Sonnenbrands 
Braunglüh'ndem Reich verträumt mit ſeinem Volke. 


Bon Weiten kam ich und mein Geiſt umipanı 
Weihmütig raſch entſchwund'ne Jugendtage, 
War’s eine Thräne, die vom Aug’ mir ranı, 
Stlang’3 von dem Mund wie jehnjuchtsbange Klage? 
Von Weiten kam ich, und mein Geiſt entflog 
Voran und weit in dunkle Zukunftsſtunden. 
Wohl bob er mächtig fich, fein Flug war hoch, 
Und Schlachten ſah er, Drang und blut'ge Wunden. 


Vorbei die Spiele; durch den Nebelihwail 
Des grauenden Septembermorgens jagen 
Des Zuges Räder, und vom dumpfen Schall 
Stöhnt, dröhnt und ſauſt's im engen Gilenwagen . . - 
Zerzaufte Wolfen, winddurdmwühlter Wald 
Und braune Felſen ſchießen wirr vorüber; 

Dort graut die Havel, und das Wajler jchwallt, 
Die Brüde, heil dumpf brauft der Zug hinüber. 


u BR 


Die Fenſter auf! dort drüben liegt Berlin! 
Dampf wallt empor und Tualm, in Schwarzen Schletern 
Hängt tief und fteif die Wolfe drüber hin; 
Die bleiche Luft dritt ſchwer und liegt wie bleiern. — 
Ein Flammenherb darunter — ein Vulkan, 
Von Millionen Feuerbränden lodernd, — 
Sin Paradies, ein ſüßes Kanaan, — 
Sin Höllenreih und Schatten bleich vermodernd. 


Hin dDonnernd rollt der Zug! Es ſauſt die Luft; 
Sin and’rer rast dumpfraiielnd riſch vorüber; 
Fabriken, rauchgefhwärzt; im Wafferduft 
Glänzt Flamm’ um Flamme, düſter, trüb’ und trüber. 
Sngbrüft'ge Häufer, Fenster, ſchmal und Hein; 

Rald brauft es dumpf durch dunkle Brüdenbogen, 
Bald blist es tief wie grauer Wafferichein, 
Und unter Kähnen wandeln müd' die Wogen. 


Vorbei, vorüber! und ein geller Pfiff! 
Weiß Hiegt der Dampf, — ein Knirſchen an den Schienen ! 
Die Bremſe ftöhnt laut unter ftarfem Griff — 
Langſamer num! es glänzt in allen Mienen! 
Slashallen über uns und lautes Menichenwirr'n, — 
Halt! Und „Berlin!” Hinaus aus engem Wagen! 
„Berlin! „Berlin!“ Nun hoch die junge Stirm, 
Ins wilde Leben laß dich mächtig tragen! 


Berlin! Berlin! die Menge drängt und wallt; 
Wirſt du verfinfen hier in dunklen Maſſen — 
Und über dich hinichreitend ſtumm und kalt 
Wird niemand dieje Schwache Hand erfaflen? 
Du ſuchſt — du ſuchſt die Welt in diefer Flut, 
Sudjit glüh’nde Rosen, grüne Lorbeerfronen, — 
Schau dort hinaus! — Die Luft durchqauillt's wie But; 
Es brennt die Schladt, und niemand wird did) Ichonen. 


Schau dort hinaus! — Es flammt die Luft und glüht, 

Hord, Geigenton zu Tanz und üpp’gen Reigen! 

Schau dort hinans, der fahle Nebel prüßt, 

Aus dem Gerippe nadt herniederiteigen — 

Zulammen liegt hier Tod und Lebensluſt, 

Und Licht und Nebel in den langen Gaſſen — 

Nun zeuch hinab, jo ftolz und jelbitbewußt, 

Welch’ Spur willit du in diefen Fluten laſſen? 


5 


5. Osnabrüd. 


AD 


Cheobald Wilhelm Brortermann,” 


geboren am 14. (P) Juni 177 zu Osnabräd, bejuchte das Gymnafium Carolinum 
daſelbſt. Schon früh entwidelte fich fein dichteriiches Talent. In feinen fechjehnten 
£ebensjahre ichrieb er ein Beldengedicht: „Benno, welches von Wieland in den „Lent. 
fchen Merkur” aufgenommen wurde, Don 1790-93 ftndierte er in Göittngen die Rechte, 
blieb aber auch hier den Muſen treu, gemäß feinem Wahlipruche: Super omnia Musae! 
Nach feiner Daterstadt zurückgekehrt, begann er hier 1794 die juriitiiche Praris, fonnte 
aber, da der ftrenge Pater verlangte, daß er fich diefer ausfchließlich widmen follte, 
den £eben dort feinen Geſchmack abgewinnen und entwich 1795 heimlich nadı Holland. 
Bier jchrieb er für den Wohlfahrtsausichufg der Provinz Geldern über Tagesfragen. 
In Jahre 1797 trat er als Archivar und Kanzleirat in die Dienite des Derzogs 
Wilhelm von Baiern. Er starb am 18. September 1800 zu München. 
dichtuugen: Benno, Biſchof von Ddnabrüd. Gin Traum aus meiner 
Bäter Zeit. 1759. — Gedichte, Miünfter 1794. Neue Ausgabe ats 
Poetiſche Erzählungen, Leipzig 1508. — Ehrgefühl und Liebe, 
oder: Der Cid, Trauerfp,, Brandenburg 1799. — Sämtliche Werfe, 
gel. und heransgeg. bon Ed. Wedekind. Osnabrück 1844. 


(Sämtliche Werke, ge), und herausgegeben von Ed. Wedekind. Dsnabrüd 1844.) 


Der Sal. 


Als ih noch ein Fleiner Knabe 
War, (mein Herz ein wohlgeltinmtes 
Saitenipiel, das jedem Lüftchen, 
Sedes Hauch Berührung anflaug; 
Immer reg’ und immer Ichaffend, 
Kleine, klare Bilder ſchaffend, 

Meine Rhantafie 

Eine magische Yaterne) 

Schenkt am lieben Jahrmarktsfeſte 
Miütterchen mir eine Trommel. 


Dumpf, mit dröhnenden Gepolter 
Prallte von der ftraff geipannten 
Haut mein eriter Schlag empor! 
Und erichroden warf ich eilig 
Trommelitoc hinweg und: „Mutter!“ 
Nief ich, „jag’, was iſt es, Mutter, 


*) Nach der den „Sänitlichen Werfen“ vorausgeihidten Biographie. 





— 362 — 


Das in dieſem Dinge wohnet, 

Und, auf meinen Schlag erzürnet, 
So lebendig brummt und hüpfet?“ 
Mutter ſprach: „Das iſt der Schall.“ 


Dacht' ich: Schall? und Phantaſie 
Knüpfte an dies Wort ein Bildchen. 
„Suter Schall! wer hat jo grauſam 
Hier dich Armen eingebannt, 

Um mit Schlägen in dem engen 
Haufe dich herum zu ängiten !* 


Dacht's und jchnell, wie mein Gedanke, 
Lief ich, und, geſchwind aus feiner 
Atemraubenden Baſtille 
Den Gefang'nen zu befreien, 

Holt’ ich mir das Ichärfite Meffer. 
„O! mit weldem froden Danfe 
Wird das Fleine, goldgelocdte 
Männchen, hellen Angelichtes, 
Schwirrend, jauchzend, händeflatichend 
In die Wind’ herauf ſich Ichwingen !* 

Dacht's, und fchnell, wie mein Gedante, 
Sest’ ih an, und ach! mein rascher, 
Mohlgemeinter Schnitt zerftörte, 

Was ich zu befrei’n gedachte! 
Und Beihbämung und Beitürzung 
Glühte vom geframpften Herzen 
Nieder in die Fingerſpitzen, 

Daß das Meſſer mir entſank! 


* u * 


Wie io oftmals, wie jo oftmals 
Denk' ich noch, wenn's von der Kanzel 
Boltert, oder in Geſellſchaft 
So gewaltig um mich lärmet 
An die Antwort meiner Mutter! 


=, 
Daterlandslied.”) 


Der weſtfäliſchen Landsmannſchaft in Göttingen gewidmet, 
Mit Eichenlaub umkränzt die Scheitel, krönet 
Die Becher ringd umher! 
Denn wir find deutſch, und, was noch ſüßer tönet, 
Wir find MWeitfälinger. 
*, Als Stubent ber Georgia Auguſta dichtere Brortermarn obiges Bırnbes: 


lied bei einem fröhlichen Gelage auf Ulxichs Garten, bon feinen Landsleuten dazu 
aufgefordert und eingeiperrt, binnen einer Stunde. 


| — 
3* 


— 363 — 


Weſtfalia! Du Name, der die Seele 
Mit Thatendrang erfüllt! 
Wo ſchlägt ein Herz, das nicht bis an die Kehle 
Bei deinem Klange ſchwillt? 


Wer lähmte dort, ſein Deutſchland frei zu ringen, 
In Winnfelds blut'gem Thal 
Dem Adler Roms die königlichen Schwingen? 
Ein Deutſcher, ein Weſtfal'. 
Wer hub, als Karl nah Herricherallmacht ſtrebte, 
Für eine Welt den Stahl, 
Die vor der Wut des Schwertapoftels bebte? 
Sin Deuticher, ein Weitfal. 
MWeitfälinger! laß uns Die Väter ehren! 
Vergeſſet ihrer nie, 
Beweiſ't, daß uns die Hermann angehören, 
Seid brav umd gut wie sic. 


Mer jest nur treu, nur edel fcheint und bieder, 
So lang’ in feiner Hand 
Der Becher blinkt, ſei aus dem Kreis der Brüder 
Auf ewig fortgebannt. 


Er aber, er, der ganz iſt, was er fcheiiet, 
Froh Schwing’ er dei Jotai, 
Und im Triumph ruf' er, mit uns vereinet: 
„Auch ich bin ein Weſtfal'!“ 


Wir alle ſind's! find wert des Vaterlandes, 
Brad gegen Freund und Feind, 
Sind alle wert des heil’gen, füßen Bandes, 
Das uns hier feit vereint. 


Sp trinft denn, trinkt! Bleibt auch in Greilenjahren 
Für unfern Bund noch warn, 
Bleibt bis and Grab, was eure Väter waren, 
Ein Herz, ein Mut, ein Arm! 


9 
Empfindungen bei Möfers Tode.) 


Im Januar 1794. 
Multis flebilis oceidit, 
Möſer tot! Der unermüdlich wirkte, 
Wie die Götter wirken, ging zur Ruh! 
Möſer tot! So rufen dur die Lande 
Von der Nordjee bis zum Donauftrande 
Sich die Beſſern, die ihn kannten, zu. 





*) Brortermanns Nünie auf Möjerd Tod wurde die wohlperdiente Ehre, in 
den Grumditein des von Drake Meifterhand gelaafienen, am 12. September 1336 


enthüllten und eingeweihten Möſerdenkmals zu 


Snabrii eingeichloffen zu werden. 


— 364 — 


O ihr Beſſern, die ihr tief im Buſen 
Faßt und fühlt, was der Verklärte war, 
Trodfnet eurer Wehmut heiße Zähren! 
Bringt zum Opfer, würdig ihn zu ehren, 
Danf ımd Preis dem — Schatten dar! 


Wie dem Pilger wird, der muntern Schrittes 
Durch den Tau der Dämm'rung fürder zieht, 
Und im erſten, vollſten Tagesſchimmer 
Noms erhab'ne, königliche Trümmer 
Unabſehbar ſich erheben ſieht. — 


Wohl iſt's Kummer, Grauen vor dem Wechſel 
Aller Größe, was ihn ſchnell ergreift — 
Doch wenn, unwillkürlich angezogen, 
Jetzt ſein Blick von einem Ehrenbogen, 
Einem Palaſt zu dem andern ſchweift; 


Wenn aus den Ruinen der Paläſte 
Heil’ge Schauder ihm entgegenwehn, 
Und mir diefem Schauder die Katone, 
Brutus’ Manen und der Scipione 
Majeſtätiſch vor ihm auferftehn; 


Wenn das Bild von ihren Götterthaten 
Seine ganze Fallungstraft erfüllt; 
Dann verflingt aus feiner Bruft der bange, 
Feige Kummer, der mit Feuerdrange 
Zur Bewund’rung plöglich überichwillt: 


So erhebt Bewunderung aller Herzen 
Ueber Schmerz und Thränen hoch empor, 
Wenn wir unfern Blif von. Sarge lenken 
Und die Ihaten des Entichwebten denken, 
Welchen jegt dad Vaterland verlor. 


O der Luft, wenn fchauernd unsre Seele 
Seines Geiſtes Wunderfraft ermißt, 
Die mit Ndlerflügeln ihn erhöhte, 
Daß er fern und ficher überjpähte 
Was vom Willen wiffenswürdig it! 
Dieſes Geiftes, dem Apollons Gnade 
Neichen Dichtergenius verlieh, 
Was er überfpähte, darzuftellen, 
Und es klar und lieblich aufzubellen 
Durd das Rofenlicht der Phantaſie; 


Der des Franken Wiß, der Britten Laune 
In die Werke deuticher Weisheit trug, 
Durch Gefühl den Fühlenden entzückte, 
Allbezaubernd jedes Herz erquidte, 

Das in feined Herzens Nähe ſchlug; 


— 365 — 


Dieſes Geiſtes, der mit ſeiner Fackel, 
Kühn hinauf dran zu der Vorwelt Höh'n, 
Daß wir, da die Nebel niederſchwanden, 
Wo die Forſcher ſonſt Nuinen fanden, 
Einen hehren, alten Tempel fehn! 


Ha! Wer hat die große Kunſt der Herricher, 
Menichen zu beglücden, fo gekannt? 
Jedes Staats und jedes Volks Geſetze? 
Wer hat diejer Kenntnis gold'ne Schäße 
Weiler und getreuer je veriwandt ? 


Moher fommt’s, daß wir mit folchem frohen, 
Kindlichen Gerechtigkeitsbertraun, 
Jetzt, da ganz Europa, tieferſchüttert, 
Da ſelbſt England vor Gedanken zittert, 
Auf die Lenker unſ'rer Wohlfahrt ſchaun? 


War nit Er's —? doch horch! verlorne Stimmen 
Klagen durch die nächtlich öde Luft! 

Welch' ein Zug! Ein Volk von Grabgefährten 

Solgt der heil'gen Aiche des Verklärten 
Schwarzverhüllet, langſam zu der Gruft. 


Welche Strafgerichte droht der Himmel? 
Fragt ein Fremder haftig und erbleicdt; 
Sit es Krieg — iſt's Hunger abzubitten, 
Daß mit matten, ungewiſſen Schritten 
Diefe Schar zum Tempel trauernd zeucht ? 


Fragt's, und mehr denn Hundert Finger deuten 
Auf die Bahre. „Fremdling, unser Freund, 
Unſer Water iſt der Erd’ entnommen!“ 

Nuft der Bürger, aber angitbeflommen 
Seufzt der Landmann himmelauf und weint. 


Waiſen, jetzt zum zweiten Mal verwaiſet, 
Wanken händeringend an das Grab; 
Witwen — ad! ihr Schüger iſt erblichen! — 
Starren iprachlos auf den fürdhterlichen 
Erſten, dumpfen Schaufelwurf herab! 


Aller Augen ftrömen, aller Knie 
Beben. Strömt, ihr Thränen, ungeltört! 
Dank und Preis, auch von den gold’nen Zungen 
Unerreichter Meiſter ihm gelungen, 
Ehrt den Toten nicht, wie ihr ihn ebrt. 


=); 


Karl Thorbede, 


geboren am 8. Mur; 1785 zu Osnabräd, jtarb bei Düfjeldorf am 18. Februar 1837.*) 


Wer hat die Sterne je gezählt? 


(Danuifript, mitgeteilt von Frau Lebebur zu Wetter.) 


Wer hat die Sterne je gezählt? — 
Wer fennt, was ung am tiefiten quält? — 
Was lebt von dem, das einst geblüht? — 


Die Sterne kann ich nicht benennen; 
Den Hummer fan ich nicht befennen; 
Doch Eines lebt, das immer blüht. — 


Nichts Freut fich, dem die Thräne Fehlt! 
Bleibt denn, ihr Sterne, ungezählt! 
Was immer blüht, iſt mir geblieben, 


O, gütiger Gott, ich glaube — Lieben. 


*) Eiche Franz Brümmers Deutihes Dichterlerifon (j. O). Die im dem— 
felben enthaltene Angabe, daß Karl Thorbede in den —— Jahren ala Finanz: 
rat in Staffel geſtorben jei, ift unrichtig. Bon den ebenbajelbit aufgezählten Werfen 
habe id) keins auftreiben können, felbft nicht bei den Verwandten, von welchen jedoch 


obige Notizen herſtammen. 


Juſtus Bagemann, 


(Pieudonym: I. Dagen) 


geboren am 10. April 1787 zu Osnabräd, ftarb am 10. Dezember 1855 als Kanzlei: 
Sefretär ebendajelbit. 


Dichtungen: Gedichte von 3. Hagen, Osnabrück 1848, 


Frauenwert. 
(Gedichte von J. Hagen. Osnabrück 1848.) 


Die Ernte kam; der Schnitter mäht'; 
Vom Luginsland herniederſpäht 

Der Raubburg junger Erbe. 
Ein Klausner ſtill vorübergeht, 

Der kennt des Fants Gewerbe. 


„He, Graubart! ſiehſt den Wagenzug 

Dort, wo es ſtaubt? Haſt oft genug 
Geplärrt für lump'ge Schnitter; 

Nun bet' auch einmal deinen Spruch 
Für einen wadern Ritter!" — 


„„Dein Ernten iſt dem Herrn ein Gräu'l. 
Fahr’ hin! Ich habe feinen Teil 
An dir und deinen Sünden. 
Blickſt du "mal um nah Seelenheil, 
Danır weißt du mich zu finden.““ — 


Der Klausner wandelt traurig fort. 

Gr hat fo manches fromme Wort 
Schon an den Gaud) verloren, 

Der Abt, das ganze Kloſter dort 
Gepredigt tauben Ohren. 


„O Frevelmut, o böje Brut! 

Und doch — al! Knabe war er gut; 
Ad, mög’ er jo nicht enden! 
Woll'ſt du, der Gnadenwunder thut, 
Ihm einen Engel jenden!“ 


— 368 — 


Und wiederum zur Ernte weiß 

Iſt jenes Thal, der fromme Greis 
Indes der Erd’ entnommen; 

Doc fein Gebet, jo andachtheiß 
Sit auch vor Gott gekommen. 


Wie Engel hold an Seel’ und Leib, 
Blickt dort vom Turm ein junges Weib 
Nun an des Nitters Seite 
Auf rege Leben und Getreib' 
In jener gold’nen Weite. 


„Sieh' dort gereihet wie zum Tanz, 

Acht Pärchen, Trauter! Sich’ den Glanz 
Der friedlihblanfen Klingen. 

Wie müht ſich's, bald den Erntekranz 
Dir mildem Herrn zu bringen. 


gerdı —— iſt Jubel wach! 
ie freundlich dort am klaren Bach 
Die nene Mühle rauſchet, 
Und manches neue rote Dach 
An grüner Waldung lauſchet! 


Mag auch der öde Winter nahn, 
Wir wandeln ruhig unſre Bahn 
Mit Gott und feinem Segen. 
Dein Haus und, was dir ımterihan, 
Beichirmt dein wadrer Degen." — 


Er blickt umher, er blidt auf fie — 
In Frieden nun des Meges zieh”, 

Du, Kaufmann und du, Wandrer! 
Derfelbe Burgherr ſteht noch bie, 

Und dennoch iſt's ein andrer. 


Und fommit du an der Warte —* 
Wohl magſt du einen Ehrengru 
Der edlen Frau entbieten. 
Ein fromm' Gemahl wirft mehr zur Buß’, 
Als PBriefter und Leviten. 


5 


— — 
wen 
, 


Johann Ludwig MWitthaus, 


geboren am 5. April 1795 zu Osnabräd, ftarb am 20, März 1849 als Prediger zu 
Badbergen. 


Dichtungen: Moreaus Tod. Gin Gedicht in zwei Sejängen. Osnabrück 
1815. — Dichtungen Hannover 1818. — Geiftlihe Geſänger. 
(Ebd, 1840, 


(Geiſtliche Geſänge. Hannover 1840.) 


Die Mutter Jeſu. 


Wachſt du, lieber Knabe? 
Komm zur Mutter, komm; 
Wenn dich Gottesgabe 
Ic am Herzen babe, 
Schlägt es leiht und Fromm. 


Zäglidy dämmert wahrer 
Dein Meſſiaslicht; 
Täglich jeh’ ich klarer, 
Schöner, wunderbarer 
Glänzen dein Geſicht. 


Ach, wenn ſo ich ſehe 
Dieſe Gottesſchrift, 
Sinn' ich ſtill, verſtehe 
Nicht, wie mich der Höhe 
Gnadenfülle trifft. 


Doch die Jungfrau weih'te 
Gottes-Gegenwart, 
Daß die Ungefreite 
Die gebenedeite 
Heilandsmutter ward. 


Sankſt du vor Ermaätten 
Tages in den Schlaf, 
Barg dich nicht mein Schatten, 
Wenn auf grünen Matten 
Dich die Sonne traf? 
Hartmann, Schagfäftlein weſtfüliſcher Dichtkunſt. 24 


Se — 


Habe nachts ich deinen 
Schmerz nicht treu bewacht? 
Fühlte nicht den meinen, 
Stillt’ ih nur dein Weinen 
In der ſel'gen Nacht. 


Mein darf ich dich nennen, 
Did, Sohn Gottes! mein; 
Und ob Haſſes Brennen, 

Ob des Neids Verkennen 
Sieg’ ich, denk’ ich dein. 

Wohl oft unterjochte 
gab und Hohn mein Herz, 

aß es heftig pochte, 

Kaum im Sturm vermochte 
Zu beiteh’'n den Schmerz. 


Doch ihr Unterfangen 

Tilgt’ ein Weihnactsitrahl 

Deiner Stirn’ und Wangen: 

MWonne ward mein Bangen 

Durch dein Gottesmal. 
Heilige Weihnachtögabe! 

Komm zur Mutter, komm; 

Menn dich, Jeſusknabe! 

Sch am Herzen habe, 

Schlägt es leiht und fromm. 


5 


Anton Theobald Brück,“ 


arboren am 29. September 1798 zu Osnabräd, jtudierte in Müänjter, Göttingen und 
Wien Medizin und promopierte 1818. Der Piychiatrie vorzuasweile zugewandt, reifte 
er im Jahre 1826 mit den beiten Empfehlungen veriehen nadı Petersburg, un an der 
dort zu errichtenden großen Jrrenanftalt eine Stellung zu finden. Da aber wegen des 
perfijchen Krieges die Angelegenheit fic ins Ungewiſſe verichob, ging er 1828 nady 
Göttingen und dozierte an der dortigen Liniverfität. Don 1829 bis 1884 war er ein 
ſehr geachteter und beliebter Badearzt in Driburg. Er lebt jetzt in Osnabrück 
als Geheinter Sanitatsrat in einem räftigen Alter. Außer verſchiedenen mediziniſchen 
und balneologifchen Schriften, von welchen die Balneologifhen Briefe. Osnabrüf 
1866, vielen Beifall fanden, fchrieb er: 


Didtungen: Auf Wiederjeben. Osnabrück 1876. 
(„Auf Wiederfehben.” Osnabrück 1876.) 


Die barmherzige Schwefter, 


Am Krankenbett in legter Naht 
Hielt die barnıherz’ge Schweiter Wacht. 
Ihr Betbuch hatte fie vergeſſen 
Und nahm zum Schlafvertreib indeſſen 
Aus ihrer Kranken Bücerichrein 
Ein Buch. Kein böjes konnt’ e3 fein: 
Mocht' e8 dem Dichter ſonſt gelingen 
Die heil’ge Schrift in Neim’ zu bringen? — 
Der Doktor früh am Morgen find't 
Die Augen von den lieben Sind 
Verweint, gerötet und entzünd't. 

Sie hatte noch den eriten Band 
Bon Friedrich Rückert in der Hand, 
Darin der „Liebesfrühling” ſtand. 


Ach, mög’ ihr Aug’ und Herz genejen! 
Sie hat die Nacht zu viel gelejen. 


j Ss 


*) Nach bes Dichter8 eigenen Mitteilungen. 





—— 


24 + 


— GW 2 


Die ſchlafenden Menſchen. 


Lind' und leiſe nahen 
Die dunklen Wogen der Nacht 
Und entheben die Menſchen 
Dem lauten, bunten Eiland des Tages, 
Und tragen die ſchwimmenden, 
Ruhenden, willenlojen 
Auf die ſtille, hohe See des Schlafes. 


Alſo fehren die Menſchen 
Allnächtlich zurück 
In den dunklen Schoß 
Der Allflut, der ſie entſprungen. 


Umſpült von den heiligen Wellen, 
Gereinigt und entſündigt 
Vom Schmutz des lärmenden Tages 
Im balſamiſchen Bade der Nacht, 
Ruhen die Schlafenden alle 
In verfüngender Unſchuld, 
Gleich Kindlein im Schoße der Mutter. 


Und aus der Wogen Tiefe 
Steigen dann wieder herauf 
Des Traumes beglückende Feen 
Mit alten, goldnen Kindermärchen, 
Voll Lieb' und Unſchuld, 
Welche der kluge Tag verlacht. — 
Aber die ewigen Sterne 
Und die ewigen Götter 
Lächeln verſöhnt herab 
Auf die ſchlafgefeſſelten Titaniden. 


=, 
Weſtöſtlige Terzinen. 


1. Die Fahne des Rrophbeten. 


Der Bosporus erglänzt’ im Abenditrahle. 
Bor feinem Kiosk ſaß Juſſuf mit dem Franken, 
Dem Gaitfreund, feinem Arzte, nad dem Mahle. 
Dieweil du mir, hub jener an, dem Kranken 
Geholfen in dem jchweren Leidensſtunden, 
Vernimm heut’ meine heimlichiten Gedanken. 


— 33 — 


Ich hab’ in dir den rechten Mann gefunden, 
Der weiß, daß Reden Silber, Gold ift Schweigen — 
Du kennſt den Spruch. — Die Zunge fei gebunden 

Turd) das, was deinem Ohre wird zu eigen. 

Du foricheft nach der Fahne des Propheten, 
Bor der man einit den Mujelmann fich meigen 

Und dann erheben jah in höchiten Nöten 
Des Reichs. So war es. Hımderttaufend Arme 
Erhoben fi, mit Feindesblut zu röten 

Die Klingen in dem wilden Striegsallarnıe. 

Der heil'gen Fahne folgten alle Strieger, 
Und alle waren Krieger, Reich’ und Arme 

Und Mt und jung, jeder ein Held, ein Sieger. 
Hamza, der Oheim des Propheten, ichwang 
Auer die heilige Standart’, als trüg’ er 

Die Blige Allahs in der Schlachten Drang. 

Und fo fortan, fo lang’ der Glaubensmut 
In den Osmanli glühete, bezwang 

Nie der vereinten Abendländer Wut, 

Niemals das Kreuz die Fahne des Propheten. 
Allah ferim! rief Juſſuf. Dunkle Glut 

Sah man die Stirn des greifen Türfen vöten; 
Sein Aug’ erglänzt’ in den Erinnerungen, 

Da fiegend noch des Halbmonds Flaggen wehten 

Am Mittelmeer und ftolz und unbezwungen 
Zu Lande rauſchten Muhameds Standarten. 
Allah billir! ſo fuhr er fort, entrungen 

Iſt unſern Händen jetzt das Heft. Es arten 
Die Söhne, wie mir deucht, nicht nach den Vätern, 
Die einst ſich um die heil'ge Fahne ſcharten, 

Den wilden Kämpfern und den frommen Betern. 
Mo find die Moslemin, die Stambul nahmen? 
Ste find eriegt bon ſeichten Bflaftertretern! 

Der Sultan Mahmud that nicht wohl: es kamen 
Auf jein Geheiß die Janiticharen um, 

Die legten Sprofien von der Väter Samen. 

Man ichalt fie wohl Barbaren, toll und dumm; 
Doch ale Paskiawitſch Stambul jelbit bedrohte,“ 
Im legten Kriege, da war alles ſtumm, . 

Troß des Padiichah zorn'gem Aufgebote, 

Selbit als die heil’ge Fahne war entfaltet. 
Das Glaubenöfen’r, das einst zum Himmel loh'te, 

Von diefer Fahn’ entfaht — es war erfaltet. 

Der Glaub’ eritirbt, indeflen der Gedanke, 
Das Wiſſen ſtets in weitern Kreiſen mwaltet. 

So unterliegt der Often, fiegt der Franke. 

Das Dampfichiff dort, fein Geiſt hat es erfunden; 
Man jagt aud, daß er Dräht’ an Drähte ranke, 


— 374 — 


Durch die fein Wort ichnell über tausend Stunden 
Dahinbligt. Was weiß ih? — Allah ift groß, 
Und jeine Pläne joll fein Menſch erfunden. 
Sch aber ſag' es kaum, ich denfe bloß: 
Wenn der Prophet noch einmal wiederfehrte 
Auf dieſe Welt aus Allahs heil’gem Schoß: 
Mir icheint, Daß er ſtatt Glauben, Denten lehrte. — 
Da tönte von dem nahen Minaret 
Der Ruf zur Andacht, den man weithin hörte. 
Und Juſſuf warf fih nieder zum Gebet. 


2. Der weiße Bar. 


Zwei Jahre find entihwunden, wo mir recht, 
Seitdem du, Freund, mit mir den Divan teilteit. 
Ihr Franken jeid cin ruhelos Geichlecht, 

Sprad Juſſuf zu dem Arzte, damals Heilteft 
Tu mich, Dant Allah, von dem fchweren Leiden. 
Du haft mir jeßt verfündet, wo du weilteft 

In fernen Yanden bei den wilden Heiden, 

Um Sräuter aufzuſuchen und Geſtein, 
Am Hochgebirg, in Wüſten und anf Heiden, 

Mit dir und deiner Wiffenjchaft allein. 

Ich will dafür an der Erzählung Faden 
Die Wunderperlen aneinander reih'n, 

Daß dir die Märchen pon Scheherezaden 
Alltägliche Geichichten ſcheinen jollen. 

Du weißt, wie body beim weißen Zar in Gnaden 

Schon längit der Moslem ſtand; er hat und wollen 
Vor Liebe, jo zu jagen, ganz erdrücen; 

Nur ichade, daß wir nie die weisheitvollen 

Ratichläge, die er gab, uns zu beglüden, 

Begriffen. Das verdroß ihn. Er warb grob, 
Beihloß, den hohen Divan zu beſchicken 

Mit feinem gröbiten Knecht. Der Wilde fchnob 
In feiner borit’ge gen N ade wie ein Eber. 

Die Herrn im Divan, hocherzürnt darob, 

(Sntließen ihn mit galferfilfter Leber. 

Und ſo begann der Krieg. Es hat indeſſen 
Der weiße Zar, der ſtarke Schwerterheber 

Nach Freunden umzuſchauen nicht vergeſſen 
— an England hat er ſich gewandt, 

en Gentleman zu ſpielen nicht vergeſſen 

Und dem Geſandten warm gedrückt die Hand. 
Es wohnt ein „kranker Mann“, hat er geſprochen, 
Mein teurer Seymour, an des Bospors Strand. 

Ein Liebeswerk wär's, eh' er ganz gebrochen, 
Ihn ſanft in unſre Arme aufzufangen, 


375 — 


Den kranken Mann mit ſeinen morſchen Knochen. 

Nach ſeiner Erbſchaft trag' ich kein Verlangen. 
Nur Ordnung müßte bei der Teilung fein!) 
Sch bin dem Himmliſchen Stets nachgegangen, 

Die Sorge nur ums Chriftentum ſei mein 
Im Lande des franfen Mannes. Doch verbünden 
Möct’ ich dazu mit England mic allein. — 

So ſprach der Jar. (Allah weiß feine Sünden!) 
Als England fich geweigert, ließ er gleich 
Dasielbe Bündnis Frankreich anderfünden. 

Dem Islam drohte nun der Todesſtreich; 

Dod bat ihn Allah gnädig abgewandt. 
Denn Frankreich und das große Inſelreich 

Hat uns zu Hülfe feine Macht gelandt. 

Die alten Feinde kämpfen jetzt, vereint 
Mit uns, gegen den Moskow Hand in Hand. 

Alio geſchah, was dir ein- Märchen fcheint, 

Daß Chriftenkrieger Stambuls Straßen füllen 
Als Freunde Freilich teure Freunde, meint 

Der Defterdar, und feine von den ſtillen 
Und wohlerzogenen . . . WAlah, fie find da — 
Und unſre Weiber mögen fich verhülen. 

Nun aber ftaune, was zulest geſchah! 

Wenn fich der Menih im Hochmutswahn vermißt, 
Ein Gott zu fein, dann it jein Ende nah". 

Der Zar, voll Stolz und Liſt, der frömmite Chriſt, 
Gr ward vom Todesengel abgerufen, 

Indes der „kranke Mann“ am Leben ilt. 

Die Nachricht drang bis zur des Thrones Stufen 
Vor Abdul Medichid (woll’ ihn Gott erhalten!) 
Unter des gläub’gen Volkes Jubelrufen. 

Der aber ſchwieg erblaffend. Bor dem Walten 
Allahs fih beugend, ſprach er zitternd dann: 
Gott iſt barınherzig! Meines Herzens Falten 

Durchſchaut er. Wenn ich gegen jenen Mann, 
Den Gott gerichtet, der mein großer Feind, 

Und Feind dem Islam war, nicht gqrollen fan, 

Dadurch zu jünd’gen hab’ ich nicht vermeint. 

Dem Toten möge Allah Gnade fchenten, 
Des Sonne über Fürſt und Sklaven fcheint! *) 


Nun, Freund, ſchloß Juſſuf, laß des Mahls uns denken; 
Die Sonne ſank; auch hören wir ſogleich 
Nicht den Muezzim, nein, die Fremden lenken 

Die Stunden jest!) den großen Zapfenitreid. 


*) Die edle Aeußerung Abdul Medſchids ift wörtlich, 





3. Der Abſchied. 


Der Bosporus erglänzt’ im Morgenitrahle. 

Vor feinem Kiosk ſaß Juſſuf mit dem Franken, 
Dem Gaitfreund, feinem Arzt, zum legtenmale. — 

Was hab’ ich alles, Freund, dir zu verdanken! 
Ein Balfamipender, ſprach der ernite Alte, 
Kamſt dur in jchlimmer Zeit zu mir, dem Kranken; 

(Fin Weisheitipender, haft du dann die falte, 

Doc klare Wiffensquelle aus den Weiten, 
Und wie der Geiſt jich freier dort entfalte, 

Eröffnet mir. Nun muß ich dich, Den beiten 
Der Franken, fcheiden ſehn. — Inſchallah! jagen 
Wir bei dem Unvermeidlihen, und tröften 

Sol mid die Hoffnung, günſt'ge Winde tragen 
Sur teuren Heimat dich. — Der Kriegsallarm 
Berhallte, und der Moskow liegt geichlagen, 

Ach, nicht Durch uns, nein durch der Fremden Arm. 
Die Riefenleichen jeiner Schiffe ruhn 
Im Hafengrund; das it fein tiefer Harn. 

Beichnitten find dem Moskowbären nun 
Die Nägel; doch fie wachen wieder neu, 

Und wiederfehren wird jein feindlih Thun, 

Indes der alternde Osmanlilen’ 

Vom Garn des europätichen GSleichgewichtes 

Umiponnen, ipürt der Diplomaten Treu'! — 
Es geht die Sage eines Weltgerichtes, 

Bon Allah über uniern Stamm verhängt: 

Nach vier Nahrhunderten, erzählt man, bricht e3 

(So Lange jind die Chrüten nun verdrängt 
Aus Stambul) über uns herein. Und wieder 
Vergeltend wird gemordet und gejengt. 

Und was vom Ghriftenichwerte nicht darnieder 
Gemäht ift, flieht nah Aſien. Neu erichallen 
Dann im Sophieendom die Chriftenlieder. — 

Gerecht iſt Allah! Was ihm mag gefallen, 
Geſchehe! Tief in unſ'rer Seele lebt 
Ein stiller Zug nah Alien, in uns allen. — 

Dort jiehit du Aliens Küſte; dort erhebt 
Der große Moslemleihenader fich, 

Auf dem zu ruhen jeder Gläub’ge ftrebt. 

Gr winkt auch mir. Wenn längſt der Hügel mich 
Bedect, vom Marmorturban überragt: 

Erfreu’n des Lebens reichite Gaben dich! 

Fahr’ mohl! fahr’ wohl, und wirke, weil es tagt! 


5 


377 — 


Sprüde. 


Hebnfucht. 

Nach den Bergen ſehnſt Du dich, den fernen, 
Nach dem Himmel, nad) den gold'nen Sternen. 
Ad, du jucheft erd- und himmelwärts 
Ewig nur — ein Menichenherz. 


=, 
Hulda. 

Daß Hulda ſieben Sprachen ſpricht, 
Und fertig ſpricht, wen wundert's nicht? 
's iſt aber eigen: 

In keiner kann ſie ſchweigen. 
=; 
Stoffwechlel. 


Sein Silber und Gold iſt zerronnen 
Im Glaſe; 

Nur Kupfer hat er gewonnen — 
Auf der Naſe. 


=; 


Die Wünfche. 
„Bas in der Jugend man wünfcht, das hat man im Alter die Fülle.“ 
Mas in der Jugend man hat, wünſcht man im Alter umionit. 
=; 


Schickſal. 

„Ein jeder hat, er ſei auch, wer er mag, 
Ein letztes Glück und einen letzten Tag.“ — 
Der Arme hat, cr thu auch, was er mag, 
Sein erites Glück an feinem legten Tag. 


2 5 


[2 * * 3 
Sriedrich Ruperti,” 
geboren am 25. februar 1805 zu Veuenfirchen im Osnabrüdichen, trat anfangs als 
Kadet in die bannoverjche Artillerie ein, verließ aber nach kurzer Zeit die mititäriiche 
£aufbahn wieder, befuchte nun das Gymnaſium in Bremen und bezog 1824 die Uni— 
verfität Jena, wo er Gejchichte, £itteratur und Sprachen ftudierte. Bier hatte er das 
Unglück, dag ihm in Folge eines Duells der redyte Urm gelahmt wurde, Mach Been: 
digung jeiner Studien fehrte er nach Bremen zurüd, wo er an der Bauptichule eine 
Anſtellung als £ehrer fand. Er ftarb dajelbit als Profeffor am U. Mai 1867. 
Tichtunnen: Dunkle Laub, Augendbgedihte. Bremen 18391. — Ge: 
Dichte. Ebd. 1545. 2. Aufl. 1849. — Politiſche Sonette. Gbp. 
1848. — Erzählende Gedichte. Ebd. 1850. — Gin Tag im 
Safthbofe. Luſtſp. Ebd. 1855. — Moetijdhe Kleinigkeiten 
Ebd, 1853. — Meime und Bilber aus dem Narsfeller unb der 
Kinftlerballe in Bremen, 1862. 


(Gedichte. 2. Aufl. Bremen 1849.) 


Du ftehft vor mir. 


Du jtehit vor mir, der einit mein Herz 
In Leid und Luft erbebte; 
Wie liegt das alles hinter mir, 
Als ob ich's nie erlebte! 


Und doch iſt die der füße Mund, 
Des Lächeln mich entzüdte ; 

(55 iſt der Füße Blick, der mic 
Zum Paradies entrüdte. 

Kann, was das Herz fo tief empfand, 
Gleich einem Traum entichweben ? 
Verfliegt das heiligite Gefühl ? 

O, eitles, eitles Leben! 

O jag’, hab id; dich je geliebt? 
Kaum fann ich mich befinnen ; 

Ich fühle, wie vom Auge mir 
Die heißen Thränen rinnen. 


= =; 


*) Nach Fr. Brümmers Deutſchem Dichterleriton und Privatmitteilunger. 


— 379 — 


34 ſteh' am Fluſſesraud allein. 


(Bremer Dichter des 19, Jahrhunderts. Bremen 1875.) 


Ach steh’ am Fluſſesrand allein, 
Die Wellen flüftern leise, 

Ste wallen fanft in Mondenichein 
Hinunter ihre Gleife. 

Es ift, als riefen fie mir zu: 
Sieh, wie jo ftill wir fliehen, 

Wie Mond und Stern in füher Ruh’ 
Auf uns ihr Licht ergiehen! 

Mas biit du doch fo wildbewegt ? 
Was treibt dich hin und wieder? 
Was mogt, von heikem Drang erregt, 
Dein Bufen auf und nieder? 


=, 
Dofthornklänge, 


(Gedichte j. v0.) 

„Da komm’ ich, ach, vor Liebchens Haus; 
O Kind, ſchau' einmal noch heraus, 

Heraus mit deinen Aeuglein Har, 
Mit deinem dunklen Locenhaar!“ 

So Eingt das Lied in der ftillen Nacht; 
Dem Mägpdlein, das in der Sammer wact, 
Schlägt body in der Bruft das pochende Herz, 
Und es rinnt ihr die Thrän' in bitterem Schmerz. 

Sie hat ihn jo lieb, den Poſtillon, 

Der die Nacht belebt mit des Hornes Ton, 
Und wenn er am Tage vorüberzieht, 

Sp feuchtet ſich Teil’ ihr Augenlid. 

Sie folgt’ ihm unter das nied’re Dad), 
Zum ärmlichen Herde jo gerne nad, 

Doch die Mutter, die harte, will es nicht, 
Ob ihr vor Summer das Herz aud) bricht. 

63 verhallt in der weiten Ferne fchon, 
Stets leifer Elingend, des Hornes Ton; 

Sie figt in der Kammer und weint und wacht; 
Gr reitet hinein in die finftere Nacht. 


5 
Wenn ih das müde Auge fließt. 
(Aus des Dichters Nachlaß. Bremer Dichter des 19. Jahrhunderts, 


Wenn fi) das müde Auge fließt, 
Nicht mehr den jungen Morgen grüßt, 


— 880 — 


Und in die kühle, ſtille Gruft 

Des Todes ſanfte Stimme ruft, 
O, nicht mit ſchwerem Leichenſtein 
Deckt dann mein ruhendes Gebein, 
Es hat im Leben ja der Schmerz 
Genug bedrückt das arme Herz. 


In lock'rer Erde gönnt mir Ruh, 
Mit grünem Raſen deckt mich zu 
Und pflanzt mit liebevoller Hand 
Mir Blumen um des Grabes Rand, 
Den Rosmarin, der Roſe Licht, 
Das liebliche „Vergißmeinnicht“, 
Daß heller Glanz und ſüßer Duft 
Sich rings verbreite um die Gruft. 


Nenn dann die liebliche Geſtalt 
Am Hügel einſt vorüberwallt, 
Um die in ängſtlich ſchnellem Schlag 
Das arme Herz im Tode brach, 
Und ſanft das blaue Blümchen ſpricht 
Mit leiſem Weh'n „Vergißmeinnicht“ — 
Dann ſinkt wohl eine Thrän' aufs Grab 
Aus ihrem Auge ſtill hinab. 


=, 
Politiſche Sonette. 


1848. 
(An Metternich.) 


Du ftirbit, und fieh’, vor deinem Ende jchon 
Sinkt, was du ſtolz gebaut, in Schutt zufammen ; 
Hier tobt der Sturm, dort wüten wilde Flammen 
Und fpredyen deinem eitlen Ringen Hohn. 
Die Völker greifen fühn trog deinem Drohn 
Nach ihren Rechten, die vom Himmel ftammen ; 
Den du nur Schmähen fonnteit und verdanmen, 
Der Geift der neuen Zeit beiteigt den Thron. 


Stirb und dein Name ſchwind' in leere Luft! 
Doch nein, er töne grell in jedem Lande, 
No man die Frevler an der Menjchheit nennt, 
Und würde jeder Fluch an deiner Gruft 
Zum Stein, fo ragte bald ein Mal der Schande 
Für dich empor bis an das Firmament. 


= 


* * — J = 
A — — — — — — ———— — — 


Louis von Arentsſchildt,“ 


geboren am 29. Juli 1807 zu Osnabrück, beſuchte militäriſche Bildungsanflalten, trat 
1825 als Kadet in die hannoveriche Armee, wurde 1826 Offizier und blieb bis 1835 
im Dienſt. Dann midntete er jich in Göttingen afademiichen Studien und 309 fich 
ipäter ins Privatleben zurüd. Außer einer Ueberſetzung der Sonette des Camoens 
ichrieb er: 
Dichtungen: Gedichte. Zerſtreute Gedanken. Sonette. Hannover 1841. 
Ebd, 1845. — Dihtungen. Neue Sammlıng. Ebd. 1850. — Schön 
Harold. Bejonderer Abdrud aus ber Hannoverichen Morgenzeitung. 


(Gedichte. Hannover 1845.) 


Die Linde, 


Vor allem lieb ift mir der Lindenbaum, 
Darunter oftmals ich geipielt als Knabe, 
Als Jüngling träumte meinen ſchönſten Traum, 
Der einſt noch blühen wird auf meinem Grabe. 


Er iſt mir geuge einer Ichönen Zeit; 
Viele gold'ne Märchen Klingen in den Zweigen, 
Mit denen einſt Großmutter ihn geweiht, 
Der ich gelaufcht mit andachtiel'gem Schweigen, 


Als Füngling dann an treuer Freundesbruſt 
In feinem Schatten hab’ ich oft gelegen 
Und ahnungsbang ſah ich mit trüber Luft 
Der Bukunt Schattenbilder fid) bewegen. 


Vergeſſen werd’ ich nie die legte Nacht, 
Die ih mit ihr, die mehr mir als mein Leben, 
Vor meiner Wand’rung traulic zugebracht, 
Den legten Kuß, den fie mir, ach! gegeben. 


Nach langer Zeit bin ich zurückgekehrt. 
Großmütterchen iſt längit im Land der Seelen; 
53 fiel der Freund im Kampf für Weib und Gerd, 
Vom Lieben wollte niemand mir erzählen. 


— 82 — 


Aus jener Zeit blieb nur der Lindenbaum, 
Darunter oftmals ich geſpielt als Knabe, 
Als Jüngling träumte meinen ſchönſten Traum, 
Der einſt noch blühen wird auf meinem Grabe. 


=; 
Ihr Bild. 


Sie küßten mid, fie drückten 
Die Hände mir fo warnı, 
As mich nah langem Scheiden 
Umfchloß der Eltern Arm. 


Ach ſchaute rings im Kreiſe 
Der Jugendfreund' umber; 
Ach, deine Augen fand ich, 
Dein Lächeln bier nit mehr! 


Ach, deine treuen Nugen, 
Sp freundlich, duntelklar, 
Die mich gefangen halten 
Fortan nun immerdar. 


Und trüg’ ich nicht im Herzen 
Dein Bildnis wandellos, 
Mich tötete die Ferne 
Selbit in der Heimat Schoß. 


5 


Erinnerung. 


Und all’ die jugendlichen Glanzgeitalten 

Mit ſchönen Augen, weichgelodten Haaren, 

Mit Ztirnen, die des Frohſinns Spielplag waren, 
Mit Lippen, die jo jüß den Kuß vergalten, 


Und Stimmen, die mit ZJauberallgewalten 

Verlockt mich in unzählige Gefahren: 

Wohin find jene anmutreihen Scharen ? 
Borüber, wie des Stromes Wogen wallten! 
Vorüber auch mit jenen Jugendlichen 
Iſt meiner Jugend Roſenglanz erblichen, 

Der Frühling Shwand mit feinem Blütenfranz. 
Doc jtrahlt ein warmer Sommer mir im Innern, 
Denn meines Herzens jeliges Erinnern 

Umgiebt die Schönen mit verflärten Glanz. 


26 


— 383 — 


Abſchled. 


Ich werde nie die Stunde mehr vergeſſen, 
Als du die Hand zum Abſchied mir gegeben. 
Da ſchwand der Lenz hinweg aus meinem Leben 
In Trümmer ſank, was ich jo froh beſeſſen. 


Ein Weh fühlt' ich mein Herz zuſammenpreſſen, 
Mein ganzes Sein im tiefſten Grund erbeben, 
Mein letzter Wunſch, des Herzens einzig Streben: 

Ein tiefer Schlaf im Schatten der Cypreſſen. 


Des Lebens buniverwirrtes Gaufelipiel 
Erſcheint mir wie des Mummenichanzes Hohn, 
Der falt vorüberziehbt an meinen Wegen; 


Und todesmüde jehn’ ich mid) ans Ziel, 
Und horche bang, um bei dem legten Ton 
Der Spielenden mic matt zur Ruh’ zu legen. 


6 
Modernes Rittertum. 


Bojardo ſang von kühnen Rittern, 
Die mit ſcharf geichliffnem Stahl, 
Gleich maitzerichellenden Gewittern, 
Den Feind verfolgt durch Berg und Thal. 


Es iſt die Nitterzeit verichwunden, 
Die Burg verfanf in Schutt und Staub, 
Das Scharfe Schwert ruht roftgebunden, 
Den Schild begrub das dürre Yaub. 


Was unfre Ahnen groß vollbradten, 
Das klingt im Liede fort und fort, 
x Das ftrahlt aus gold’nen Ruhmesſchachten 
Das raufcht im ftolzen Sängerwort. 


War groß die Zeit, die längit —— 
Wirkt, daß ihr groß auch unſre ſchafft, 
Auch fie hat Zaub’rer, Rieſen, Schlangen, 
Zum Schwerte greifet, greift zum Schaft! 


Der Scharfe Stahl ſei der Gedanke, 
Charaktertreu der jcharfe Speer, 

riprengt den Bann der Geiltesichranfe, 

haut feit mit reinem Bli umher! 


Laßt hell die Trifolore flammen 
Des Geiftes, der im Freien reift, 
Daun Scharen alle ſich zufammen, 
Die Ritter von dem heil'gen Geiſt. 


— — 


Die Lüge iſt der Feind, die Feigen, 
Das Schlechte, der Ideenmord, 
Das gleißneriſche, falſche Schweigen, 
Es iſt das Schwert, der Schild — das Wort. 


Das gold'ne Wort der Ueberzeugung, 
Das aus der Seele reinem Born 
Hervorquillt, mächtigſter Verzweigung, 
In heißer Liebe, kaltem Zorn. 


Der Sänger ſei der Held, der Thaten 
Vollbringe, die er einst verflärt, 
Daß feines Geiſtes gold’ne Saaten 
(Fin fommendes Jahrhundert ehrt. 


=; 


(Aus: Schön Harold. Hannover 1847.) 


Aönig Erek. 


Es hebt ſich mit mächtigen Manernfranz 
Sin Schloß auf feliigem Strande ; 
Bon feinen innen ein goldiger Glanz 
Strahlt über dad Meer und die Lande. 


Der Schwinge des Mars die Kraft verjagt, 
Bevor den Turm er erflogen, 
Um den ein rofiger Schimmer noch tagt, 
Wenn Nacht Schon dedet die Wogen. 


Jahrhunderte lang im Fruchtlofer Wut 
Den Strand die Wellen Ichlagen, 
Doch wie er feitgegründet auch ruht, 
Sie werden ihn dennoch zernagen. 


Einst Freifte dort Fröhlich der gold’'ne Vokal, 
Weit Ichallte das Horn von den Warten, 
(3 glänzten im Morgen- und Abenditrahl 
Biel’ Schilder und bunte Standarten. — 


Jetzt öd' und Leer iſt Hof und Hall’; 
Der Nacteul’ daunige Schwingen 
Nur, dom Geſims des Sandforns Fall 
Die Grabesrube durchdringen. 


Am Ahnenſaal an heller Wand 
Vergilbte Fahnen wallen ; 
Um Helm und Schwert und Scildesrand 
Des Nachtwinds Klagen Ichallen. 

Ein hoher Greis am Fenſter lehnt, 
Meit Schaut er in die Ferne, 
Wo Wald und Meer fich endlos dehnt, 
Sm gold’nen Glanz der Sterne. 


⸗ 


„Beh dir, mein jchönes Vaterland, 
Sch kann dir nicht mehr nügen, 
Das blöde Auge, die welfe Hand 
Vorm Feinde nicht länger Dich ſchützen!“ 


Ein wüſter Lärm vom Strande fchallt, 
Aurlodern die roten Flammen, 
(53 bricht der mächtige Tannenwald 
In Funken und Aſche zufammen. 

Biel weiße Segel im Mondenlicht 
Und Selm und Banzer blinfen: 
„Das iſt Herr Holm,“ der Alte fpricht, 
„Den dürſtet's, mein Blut zu trinken. 


Die Eiche, die fo lange Zeit 
Geſchirmt des Landes Marke, 
Die nie erbebt in Sturm und Streit, 
Ward alt, verdorrt im Marke. 

Die nicht des Sommers Blig zerſchellt 
Und nicht des Herbites Stürme, 
Bricht mid’ zufammen, eine Welt, 
Dem Nagen der Gewürme. 


Es klingt nicht mehr der Vögel Schall 
Durch ihre fnotigen Aeſte; 
Es flohen Scheu bei ihrem Fall 
Des Frühlings flüchtige Gäſte. 

Mein Sohn, mein Sohn, im Jugendglanz, 
Was Tießeit du, ach, Dich verlocken! 
Wohl ſchmückte ichön der Siegesfranz 
Dir deine goldigen Xoden. 

Wohl lange ichon am fernen Strand 5 
Dir bleihen die Gebeine — 
Was ließeſt du im Heimatland 
Den Water jo alleine!“ 


Die Brandung braufet, mit lautem Schall 
Den Strand die Wellen jchlagen, 
Doch lauter viel, od Berg und Thal, 
Ein Lied die Winde tragen. 


Die vollen Töne, jo heil und Elar, 
Umkreiſen des Turmes Spigen; 
Dem alten Erek wunderbar 
Die Heldenaugen bfigen. 

Naih an dem Schwert aufzucdt die Hand, 
Als wär’ er Küngling worden; 
„Das iſt das Schlachtlied, ſchreckbekannt 
Rings an des Meeres Borden. 


Hartmann, Scakfäftlein weitfäliicher Dichtkunit. 25 


— 888 — 


O, ſei gegrüßt mir, Liedesaar, 
Ihr mutigen Geſänge! 
Im Herzen fühl' ich's tief, fürwahr, 
Das ſind des Nordlands Klänge!“ 


Der Turmwart bläſt, die Brücke ſinkt, 
Laut wird's von Roſſeshufen; 
Ein jugendlicher Schritt erklingt 
Hell auf den Marmorſtufen. 


Ein ſchlanker Jüngling, ſtolz und kühn, 
Tritt in die hohen Hallen; 
Die Lippen friſch, wie Nelken, blühı, 
Wie Korn die Yoden wallen. 


Die blauen Augen wunderbar 
Durch Ichwarze Wimpern bligen, 
Wie Frühlingshimmel, heil und Klar, 
Durd; Tannenwaldes Spiken. 


Der Alte reicht ihm dar die Hand: 
„Billlommen am heimiichen Herde! 
Leicht Liegt, da der Sohn zurüd mir geiandt, 
Auf meinem Grabe die Erde. 


Und doch! mich dünkt es wunderbar: 
Wie blühen deine Wangen! 
Es find entflohn ſchier zwanzig Fahr, 
Seit du zur Ferne gegangen. 

Leicht iſt ob deiner Locken Schein 
Der Jahre Wucht geflogen ; 
Als Füngling trittit du bier berein, 
Wie einst du fortgezogen !“ 

Der Jüngling ſchlägt den Blick hinab: — 
Der Alte ab fich wendet — 
„Es hat euer Sohn vom fernen Grab 
Den Enfel euch geſendet!“ 


Leis durch die Halle bebt der Ton. — 
Schwer hat der Greis gerungen ; 
Dann hat um feines Sohnes Sohn 
Die Arm’ er feit geichlungen. 


5 


Rarl Rölfer,” 


(Rari Johann Jodocus.) 


geboren am 14. februar 1808 zu Melle im Osnabrüdichen, bejuchte anfangs dus 
Gymnajium Carolinunt zu Osnabrüf und übernahm, nachdem er vier Wochen lang 
in Münjter den Normalunterrichte des um das Schulweien Münfterlands und Weit: 
falens hodjverdienten Overberg beigewohnt hatte, die neu eingerichtete Linterflafie an 
St. Johann in Osnabrid als Gebülfe feines Daters. Als legterer im Jahre 1824 ftarb, 
wurde den Jüngling auf Fürſprache der Pfarrgeiftlichteit die "berflaffe übertragen. 
An diefer katholiſchen Knabenſchule an der Johannisfirche hat Karl Röffer als Reftor 
bis zum Jahre 1873 gewirkt, in welchem er weaen Kränflichfeit in den Rubeitand trat. 
Dihtungen: Gedichte. Osnabrück 1882, 


— — 


Die Seeſchwalbe. 


Naftlos ſchweift die Fleine Schwalbe 
Auf den weiten Ozean; 

Kühn durchitreifet fie Die Ferne 
Hin und her auf wilder Bahn. 

Auf den krauſen Wellenhügeln 
Spielt fie mit beherztem Mut, 
Taucht und badet Bruſt und Flügel, 
Wiegt Sich Scherzend auf der Flut. 

Selten nur ſpäht fie im Fluge 
Nah willtommner Nubeltatt; 

Saum des Sturmes grimmig Toben 
Sagt die ftarfen Schwingen matt. 

Nur daheim im Felſenneſte 
Süße Ruhe ſie umfängt, 

Wo der Sturm die treuen Gatten 
Enger an einander drängt. — 

Seele, gleih der irren Schwalbe 
Schweifit du ohne Nait und Nuh! 
Immer ftrebit du neuen Zielen 
In entleg’ner Ferne zu. 

Doch wenn finitre Wetter toſen, 
Flatterſt du verzagt umher! — 
Ruhig blickt vom Felſenneſte 
Danı die Schwalb’ aufs wilde Meer. 


*) Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 95 * 


— 388 — 


Glücklich, wer mit feſter Ruhe 
Sturm und heit're Stille grüßt! 
Dreimal glücklich, dem die Liebe 
Alle Fahr und Not verſüßt! 


—XR 
Heimlich, wie im Meeresgrunde. 


Wie das Meer geheim im Grunde 
Vielgeſtaltig Leben hegt, 

So entzieht ſich auch der Kunde, 
Was die Seele tief bewegt. 

Perlen ſprießen und Korallen 
Farbenreich im dunklen Meer: 

Doch dabei ziehn gift'ge Quallen, 
Grauſe Ungeheu'r umher. 

So umſchließt der Geiſt Gedanken 
Hoher und gar nied'rer Art; 

Wie ſie durch einander ranken, 
Bleibt im Buſen ſtill verwahrt. 

Geiſteskämpfe, tief verborgen, 

Der Begierden wilde Schar, 

Lichtgedanken, finſtre Sorgen, 

Drängen da ſich wunderbar. 
hantaſiegebilde ſteigen 

Auf in ſinnberauſchter Luſt, 

Doch verhüllt ſie ſcheues Schweigen 

Tief in feſtverſchloſſ'ner Bruſt. 

Aeuß'rer Schein läßt oft verkennen, 
Was im Grund der Seele gährt. 
Ob da Leidenſchaften brennen, 

Oder Weh am Herzen zehrt; 

Ob der Geiſt nach Wahrheit ringet, 
Oder eitlen Ruhm erſtrebt, 

Ob ihn Sinnenglut durchdringet, 
Oder Andacht ihn erhebt. 

Heimlich, wie im Meeresgrunde, 
Birgt des Herzens Kämmerlein 
Manche nicht vernarbte Wunde, 
Süße Monnen, bitt’re Rein. 


7 


3 


Auf dem Neuenburger Ger. 
Wie erregt iſt noch die Flut 
Von der Sturmnacht grimmer Wut! 
Plätichernd rauscht der Woge Schwellen, 
Und die dunfelgrünen Wellen 


— 39 — 


Schütteln wild die weile Mähne — 
Ferneher erglänzt, wie Schwäne, 
Die ſich ſchaukeln rings im Bogen, 
Nun der Silberſchaum der Wogen 
In entwölkter Sonnenglut.— 

Zauberhaft zuckt mir's im Blut! 
Und ich träume ſchier zu ſchauen, 
Wie dort ſchöne Waſſerfrauen, 

Mit dem lüſtern argen Herzen, 
Neckiſch auf den Wellen ſcherzen, 
Tauchen auf und tauchen nieder, 
Ihre ſchwanenweißen Glieder 
Wiegend auf der grünen Flut. 
Sie entzünden ſüße Glut. 

Und ich ſchließe ſcheu die Augen, 
Ihren Reiz nicht einzuſaugen. 
Denn die holden Nixenkinder 
Sehnen fih nah uns nicht minder: 
Daß ihr Herz in Lich’ erwarnte, 

Ziehn ſie uns in ihre Arme 

Zu ſich in die kalte Flut. — 

Doch ich bin in ſich'rer Hut! 
Knarrend dreht das Schiff zum Strand, 
Und ich steige raih ans Land. 
Glücklich iit die Fahrt vollendet, 
Aller Zauber hat geendet. 

=; 
Scwanengefang. 

Fühlt der Schwan den Tod am Herzen, 

Sucht er den geheimiten See, 
Wo ihn fern von Yärm und Scherzen 
Nur vernimmt die MWaldeäfee, 
Und im Lied voll Sehnfuchtichmerzen 
Haucht er aus fein Todesweh. 

In des Abends Noiengluten 
Tönet dann fein ſchönſtes Lied, 
Wenn er auf den Silberfluten 
Sacht die legten Kreiſe zieht, 

Bis im Sternenliht dem Guten 
Kun die Seele janft entflicht. 

Ad, entwallte doch mein Leben 
Auch jo friedlich, till und mild! 
Nur bon Schönem hold umgeben 
Beim Entfliehn zum Lichtgefild, 
Möcht’ ich ſanft im Lied — 
Das der ſel'gen Bruſt entquillt. 


«5 


Mathilde Raven, 


geb. Hedmanı, *) 


geboren am 16. Februar 1817 zu Meppen, wo ibr Dater Königl, Bannoverfcher Kreis 
Einnehmer war, Begabt mit einer lebhaften Phantafie, ichrieb fie bereits int vierzehmten 
Jahre ihre Empfindungen in Gedichten nieder. Nachdem fie einige Jahre in Müntter 
gemweilt, lebte fte in Osnabräd, wohin ihr Vater inzwiichen verſetzt war, und lernte 
bier ibren fpateren Gemahl, den Kandidaten der Rechte, Karl Raven, kennen, mit 
dem fie fich 1833 verlobte, In Jubre 1855 ftedelte ſie mit ihrem Satten nach Celle 
über, wo diefer als Advofat am ÜWberappellationsgerichte ungeftellt worden mar. 
An den politiichen Bewegungen der fechziger Jahre nahm fir durch Im Intereſſe der 
national: liberalen Partei geichrrebene Slugichriften lebhaften Anteil. Im Jahre 
1870 verlor Mathilde Raven ibren Gatten durch den Tod; fie fiedelte alsdann nad 
Berlin über und wohnt auaenblidlich in Dresden, Außer verichiedenen Romanen, 
unter welchen der Roman Eversburg intereffante Schilderungen der YUntgegend von 
Osnabrüd enthält, ſchrieb fie: 
Dichtungen: Derz und Krone, oder Wilhein von Lecce, Traueripiel, 
Osnabrück 1545. Spätere Auflagen Gelle 1862 und Bremen ISA0. — 
Schwanmwitt “in Märden in 15 Gejängen. Düſſeldorf 1851. 6, Aufl. 


Bremen 1880. — Aus vergangener Zeit. Gedichte. Gelle 1868, 
legte Aufl, Bremen 1881. — Der erfte April, Dramat. Echer:, 
Erfurt 1870. — Der Zauberipiegel. Dram. Scherz. hd. 1571. 


(Aus vergangener Zeit, Gedichte. Leste Aufl. Bremen 1881.) 


Die Tanne auf der Heide, 


Warum nur meiner Laute Saiten klingen, 
Wenn bittres Leid die Wange mir gebleicht, 
Und warum ſtill nur Stets die Lippe ichweigt, 
Wenn in mein Herz des Glüdes Strahlen dringen? 


Sahit du auf brauner Heid’ die Tanne stehen, 
Wenn ftil die Luft, vom Himmel ar und rein 
Der volle Mond ergob den ſüßen Schein? 

Sie blickte lautlos zu den heitern Höhen. 


j *, Nah Fr. Brümmerd Deutſchem Dichterlerifton und der Dichterin eigenen 
Mitteilungen, 


DV Ast 2 k 


— 3891 — 


Und ſahſt du fie, wenn ſchwere Wolkenſchichten 
Am Abendhimmel dräu'n, vom Sturm gejagt, 
Der Negen ftrömt, der ſchwere Donner Fracht, 
Und gelbe Blige greli das Dunkel lichten? 


Und hörteft du das Rauschen und das Klingen, 
Das dann aus ihren Zweigen brach hervor, 
Bald braufend, wie ein lauter, voller Chor, 
Bald janft und weich, tote leiſes Klageſingen? 


Die Tanne war's, die meiner Laute Klängen, 
Die meinem Kleinen Lied zuerit gelaufcht; 
Sie * mir freundlich Beifall zugeranſcht, 
Sie hat das Haupt gewiegt zu den Gefängen. 
Ic Tag im Mondlicht unter ihren Zweigen, 
Ich lag im Sturm dort, — fie hat mic) gelehrt 
gu fingen, wenn mir Leid am Herzen zehrt, 
Und still beim Mondenglanz des Glücks zu Schweigen. 


=D, 
Derfunken. 


Eingehegt von dunklen Tannen 
Liegt ein tiefer, ſtiller Weiher, 
Schaurig Still, gleich einem bleichen 
Angefiht im Nonnenichleier. 


Einſt verſunken iſt ein Kloster 
In den dunklen Grund. Beim Flimmern 
Blaſſen Mondlichts anf dem Waſſer 
Sieht man noch das Turmkreuz ſchimmern. 


Und bei Nacht, wenn alles ſtille, 
Hört man leiſ' und fern Geſänge 
Klagend aus der Tiefe dringen, 
Und der Glocken Trauerklänge. 

Herz, mein Herz! Du gleichſt dem Waſſer, 
Unergründlich, tief und ſtille. — 
Unten in dem dunklen Grunde 
Ruht mein Leid in dichter Hülle. 

O, gar tief iſt's dort verſenket, 
Totenſtill am lauten Tage, 
Schweigend, wie der Kloſterkirche 
Glocken, ſtumm und ohne Klage. 

Aber nachts zieht durch die Seele 
Mir fein leifes, fernes Klingen, 
Ach, ich konnt’ es tief verſenken, 
Aber nicht zur Ruhe bringen! — 


5 


— 90 — 


Was mir geblieben. 


Von allem, was mir im Leben geblüht, 
Iſt mir gar wenig geblieben: 
Ich habe nichts, als mein trauerndes Lied, 
Ich Habe nichts, als mein Lieben. 


Gleich wie im dichtverwachſenen Wald, 
Wohin kein Wanderer dringet, 
Des einſamen Vogels Sang verhallt, 
So auch mein Lied verklinget. 


Nie eine Heidblum' auf fahler Höh', 
Wo Kälte und Sturmmwind wüten, 
Sich einſam härmt, ſich fenft vor Weh, 
So auch meiner Liebe Blüten. 


9, 
Mein Wunſth. 


Wohl wünſcht' ich manches mir zum Gigentunt, 
Wohl reizten mich des Lebens reihe Gaben, 
Gold, Ehre, Freundichaft, Liebesglükf und Ruhm! 
O, folder Wünjche hab’ ich viel begraben ; 
Nur einen hab’ ich nie zur Ruh' gebracht; 
So lang’ die Sonne mir vom Himmel lacht, 
So lang’ der Frühling jährlich wiederfehrt 
Mit Blütenpracht und Duft und Harmonie, 
Wünſch' ih nur eine Bitte mir erbört: 
„O, dab mein volles Herz nie matter ichlage, 
Daß nie erlalte jeine tiefe Glut! 
Was mir auch bringen mag der Zeiten Flut, 
Nie führ' ich gegen dich, o Schickſal, Klage, 
Bleibt mir das Herz nur rein und friich und jung, 
Wird's ſtumpf dem Schmerze nicht, tot nicht der Freude, 
Glüht e8 in Andacht und Begeifterung, 
Durchbebt es Mitleid tief bei fremden Leide.” 


2 


Mofes. 


Moſes, der Hirt, ſteht einfam. — Scharf beſtimmt 
Hebt ſich fein Bild vom blauen Hintergrunde, 
Endlos dehnt fih der Wüſte stille Nunde 
Vor feinem Blick, der Nbichied von ihr nimmt. 

Die Sonne ift neben ihm hinabgeiunfen: 
Ob ihres legten Strahl: unruhig’ Licht, 
Ob feines eignen Blides Feuerfunfen 

Sein Angeſicht erhellt, ich weiß es nicht. 


u BO 


O, diejed Haupt, es troßet den Geſchick! 
Im xebensiturm kann diefer Mann nicht wanfen. 
Welch’ eine Welt uniterblicher Gedanken 
In diefen Adlerzügen, diefem Blick! 
Die Gluten, die in diefer Seele wallen, 
Sie werden zünden auf dem Erdenrund, 
Und durch Jahrtausende wird es erichallen, 
Das laute, große Wort von dieſem Mund. 


Er Steht allein nicht auf der Wüſtenhöh', 
Ob aud kein menschlich” Weſen fein Geführte. 
Tie Himmelsbürgichaft auf der dunklen Erde, 
Die itarfe MWeltbejiegerin: dee, 

Sie blieb dem Auserwählten treu zur Seite, 
Als er verbannt fein Jugendland geflohn; 
Sie blieb getreu dem Mann im Hirienkleide, 
Wie der Pharonentochter Pflegeſohn. 


Sie wölbte ihm ein ſchattenreiches Dach, 
Wenn heiß des Mittags Strahlen niederglübten, 
Sie war ein Schirm ihm bei des Sturmes Wüten, 
Sie hielt an feinem harten Lager Wach”. 
Ste wob in feiner Träume Nebelichleier 
Der göttlichen Geſichte here Pracht; 
Der Dornbuſch flammt' durch fie im heil'gen — 
Sie gab der ftarren Lippe Redemaächt. 


Bor diejer Nede lautem, itarfem Ton, 
O Fürft Aegyptens, wird dein Herz erzittern, 
Sie wird bis in den tiefiten Grund erichüttern 
Den blutbefledten, den Tyrannenthron. 
Denn ſieh'! ein mächt'ger Rächer iſt erſtauden 
(Der Herr der Himmel iſt ſein Schutz und Hort) 
Aus jenem Volke, das du ſchlugſt in Banden, 
In deſſen Hütten du geſandt den Mord. 


Die Körper zwinget wohl Tyrannenmacht, 
Was hilft's, du haſt den Geiſt nicht zwingen können. 
In der Hebräer wunden Herzen brennen 
Des Haſſes Gluten, täglich angefacht. 
Dem Sturme gleich, naht Moſes, der Verbannte, 
Die Zeit iſt da, gereift ſein großer Plan; 
Der Freiheit Banner trägt der Gottgeſandte, 
Der Glaube ebnet ihm zum Sieg die Bahn. 


=; 


— 804 — 


(Aus „Schwanmwitt”. 5. Aufl. Bremen 1870.) 
2 


Wenn das Mondlicht blinkt, 

Wenn die Nachtigall fingt, 
Wenn auf Fluren und Haine und Seen 
Stille ſich lagert und tauige Kühle, 
Tauchen empor die Wafferfeen, 
Sich zu ergögen im Tanz und im Spiele. 


Auf den Wieſen am See, 
lleber Blumen und Klee, 
Schwingen fie fich in Iuftigen Reigen, 
Bis es ſich rötet am Himmelsbogen. 
Eh' noch die Strahlen der Sonne fi zeigen, 
Sind fie wieder von dannen gezogen. 


Morgens zeigt Die Aur 

Noch die glänzende Spur 
Von den Tänzen der Waſſerfeen. 
Wo ſie im Kreiſe den Reigen ſchleiften, 
Zeigt ſich ein Ring; die Halme ſtehen 
Feucht, wo die langen Gewänder ſtreiften. 


Vor des Mittags Glut 
Bergen fie unter der Flut 
Bis zum Abend die leuchtenden Glieder. 
Aber, die droben am Ufer lauichen, 
Hören deutlich die lustigen Lieder, 
Hören fie plaudern und lachen und raufchen. 


Luſt und Lachen ruht 

Nimmer Im Schoße der Flut 
Rauſchet ohn' End’ das Neden und Scherzen. 
Nie fie fih fren'n auf den Abend, die Feen! 
Nur ein Nicchen mit jchwerem Herzen, 
Sieht man traurig und ſchweigend ſtehen. 


Schmerz drüdt ihre Bruft 

Pei der Schweitern Luft. 
Lieblih und leicht wiegt ih Schwanwitt vor allen, 
Aber fie darf nicht ans Land zu den Tänzen; 
Loden wie Seide ihr Autlig umwallen, 
Aber fie darf nicht mit Blumen fie fränzen. 


Denn die Mutter jpricht: 
„Kind, beim Mondenlicht 
Droben am Strande, bei Tanz und Spiele 
Droht dir die ſchlimmſte von allen Gefahren. 
Unter den Wellen, in friedlidher Kühle, 
Will ic) dich, Schwanwitt, mein Liebling, bewahren.” 


Zur B0b: 


Mag auch Schwanwitt Flehn, 

Mögen Ihränen ihr ftehn 
Hell in den Augen: es beugt ſich der Wille 
immer der Mutter. Dem plaudernden Chore 
Lauſchet fie ſchweigend drum, traurig und ftille; 
Aber fie laufcht mit begierigem Ohre. 


Wenn fie hört vom Kranz 

Goldener Sterne, vom Glanz 
AL der Herrlichkeit über den Wellen, 
Wo die Blumen duften und blühen, 
Singen die Vögel: dann fühlet fie ichwellen 
Hoch das Herz, und die Wangen erglühen. 


Einſt, fie weilt allein 

In dem jchrweigenden Hain 
Dunkler Korallen, da fieht fie herunter 
Aus den Wellen ein Nirchen fih Schwingen, 
Sieht, wie die Locken jie ſchüttelt, und munter 
Hört fie dies Lied von den Lippen ihr Elingen: 


„Ich ſende Gruß und Kuß zu Dir, 
Du holde Liebe, Quell der Luſt! 
Wie pocht, wie glüht mein Herz in mir, 
Seit es geruht an deiner Brust! 


Wie lächelt alles meinem Blick, 
Seit mich dein Feueraug' gegrüßt! 
653 fingt mein Lied nur Wonn' und Glüd, 
Seit meine Lippe du gefüßt. 


Wie bift du, Liebe, Schön und hofd! 
Sn deiner Hand ruht Seligfeit, 
Du wandelit, wie im Zonnengold 
Der Regen ftrahlt, in Glück das Leid. 


Wo du erſcheinſt im grünen Hain, 
Dringt froher Vogelfang hervor, 
Und mo dein Fuß betritt den Rain, 
Da Iproßt poll Duft die Blum’ empor. 


Du machst der Nächte Dunkel Licht, 
Du machſt den Armen reih und groß. 
Der, dem du zürnelt, kennt Freude nicht, 
Doch dem du lachit, der preiit fein Los.“ 


Schwanwitt hat dem Lied 
Still gelaufht. Es glüht 
Hell ihr das Antlig; in fchnelleren Schlägen 
ocht ihr das Herz. Gedankenſchwer 
innt fie: „Die Liebe? — Auf meinen Wegen 
Fand ich fie nimmer. Sie wohnt nicht im Meer. 


— 396 — 


In der ſonnigen Höh', 

An den Ufern der See 
Wird ſie blühn. O, dürft' ich ſie ſehen!“ 
Sie verſtummt, denn plötzlich erklingen 
Töne, ſo klagend wie Nachtwindswehen, 
Töne, jo weich wie Nachtigallſingen. 


Still hemmt fie den Gang, 

Yaufchend dem Trauerklang. 
Wallenden Haared, mit Augen voll Thränen, 
Sieht fie ein Meerweib mit bleiher Wange 
lieber die Harfe voll Trauer ſich lehnen. 
Schwanwitt bebt, als fie laufcht dem Geſange: 


„O, wärft du nimmer mir genaht 
Auf meinem Pfad, 
Furchtbare Liebe, Quelle der Leiden! 
O, wenn mich nie der Feuerblick 
Aus deinen Augen traf, vom Glück, 
Vom Yeben braucht’ ich nicht zu ſcheiden! 


Die Blume, die der Wurm zernagt, 
Früh, wenn es tagt, 

Wenn faum das Aug’ fie aufgeichlagen ; 

Der Baum, den Bligesitrahl zerfnidt, 

Wenn er fih faum mit Grin geihmücdt; 

Wohl mögen fie ihr Los beflagen: 


Doch weh’! wenn in ein junges Herz 
Der bittre Schmerz 

Der Liebe ſchlug die jcharfen Krallen! 

Das iſt viel bittrer, als der Tod 

Der Blume, früh im Morgenrot, 

Viel bittrer, ala vom Blitzſtrahl fallen !* 


Schwanmwitt atmet faum; 

Wie in wachen Traum, 
Wandelt fie jchtweigend, in Sinnen verloren, 
Wechſelnd durchſchauert von Bangen und Sehnen. 
Immer erklingt es vor ihren Chren: 
„Xiebe, Die Quelle der Luft und der Thränen.” 


«)) 


Emmy von Dindlage,” 
(Amalie Ebrengarte Sopbie Wilbelmine) 


geboren am 15. März 1825 auf dem Ritteraute Campe im Emslande, zeigte früh für 
Poeftie Empfänglichfeit und verfuchte fich fchon als Kind in zahlloien Reimereien. Als 
die Eitern der Erziehung der Kinder wegen im Jahre 1852 ihren Wohnſitz nadı Büde: 
burg verlegten, erhielt fie durch den Umgang mit Diftor von Strauß, fowie durch den 
Derfehr mit Elife von Hohenhaufen, Elife Rüdiger-Hobenhaufen und Elife Polko aus 
dem benachbarten Minden vielfache Anregung zu jchriftitelleriicher Thatigfeit. Don 
förderlihem Einfluffe auf fie wurde bejonders Julius Rodenberg. Seit 1866 ift fie 
C[onventualin des hochadligen freiweltlichen Damenfliftes zu Börftel im Osnabrüdijchen. 
Bauptjächlich berühmt wurde fie ducch ihre Erzählungen aus dem Emslande, 
Int Sommer befindet ſich Enımy von Dindlage meiſt auf Reifen, welche fie im vorigen 
Jahre felbit nach Amerifa ausdehnte, wo ſie fehr gefeiert wurde, Im Winter wohnt 
fie in £ingen an der Enıs. 


(Driginalbeiträge für das Schapfäftlein.) 


Der Frühling. 

Ich ging hinaus ins Land, ins Land 
Mit meinen fröhlihen Gedanten, 
Da jah ich an der Wieſe Rand 
Das erite Frühlingsblümchen ſchwanken. 

Gott jegne Dich, Gott ſegne Bid, 
Darfit nicht vor meinem Schritt erbeben, 
Ein altes Frühlingsfind bin ich, 
Und du — du bift ein junges chen. 


5 
Du bit mir taufendmal willkommen. 


Komm’ aus dem Thal, fteig’ von der Höh', 
Zieh' durch das Land, Schiff’ übern See — 
Und welden Pfad dein Fuß genommen, 

Du biſt mir tanfendmal willkommen. 


+) Nah Fr. Brümmers Deutichem Dichterlerifon. (f. o.) 


398 — 


Komm’ jung und froh, komm' alt und trüb, 
Bring’ Schmerz und Leid, bring’ Luft und Lieb — 


Das made nie dein Herz beflommen, — 
Du bift mir tauſendmal wilkommen. 


Wie du auch biſt — ich frage nicht, 
Was du auch bringſt — ich klage nicht, 
Hab’ ich dies eine nur vernommen, 

Du biit mir gut und du willit kommen. 


=, 
Zwei Wunder. 


Die Erd’ ift voll Blumen, 
Der Himmel voll Sternenlicht, 
's wär’ doch ein Wunder, 

Ich Tiebte mein Mädchen nicht. 


Die Sterne verbleichen, 
Und kurz iſt der Mai — 
's wär' doch ein Wunder, 
Ich bliebe ihr treu! 


—RX 
Die Heide, 


Die Heide jo weit, die Heide fo ftilf, 
Sp ftill und meit mein Herz, 
Lerſandet, bemooſt, wie das — 
Der alte Jugendſchmerz; 


Doch der trotzige Geiſt, der die Streitaxt ſchwang, 


Die hier verſcharrt mit dem Streiter, 
Er ſchreitet, ich fühl' es in tiefſter Bruſt, 
Noch über die Heide weiter! 


=), 
Das Arm. 


Inmitten veifer gelber Saat 
Das Kreuz des Herrn erhaben jteht, 
Der Landmann küßt es, der ihm naht, 
Und murmelt flüchtig ein Gebet. 


Ich ſchlug fein Kreuz auf meiner Bruft, 


Mein Blick verſank im Nbendrot: 
„Herr, dir ift all’ mein Fleh'n bewußt, 
Sieb täglich Erd- und Himmelsbrot.“ 


=); 


BO 


Die wunde Hinde flieht zum Wald. 


Die wunde Hinde flieht zum Wald, 
Daß einfam fie verichmachtet, 
Wo nichts, als ihr Geächz, erichallt, 
Und tiefer Schatten nachtet. 


Der Tiger, dem der Schne Schwung 
Den Todespfeil geiendet, 
Erhebt fich in gewalt'gent Sprung 
Und ſtürzt und iſt verendet. 

Und in die Wellen taucht der Schwan, 
Blut rötet fein Gefteder, 
Empor auf jeine lichte Bahn 
Trägt nur der Tod ihn wieder. 


Da aber, wo ein Menichenberz 
In dunklen Weiſen flutet, 
Da wiſſe, daß der Dichterichmerz 
An Liedern ſich verblutet. 


=‘, 


Die Mulchel. 


Horch! in der Muschel tiefftem Raum 
Da ftingt der alte Meerestranm, 
Klingt Tag auf Tag und Jahr auf Jahr, 
Es rauscht und brauft fo wunderbar 
Ihr altes, ew’ges Wogenlied — 
Wie's heimlih in das Ohr mir zieht, 
Mir in der Bruft das Herz bewegt, 
Das auch ein fü’ Erinnern hegt, 
Wie in der Michel Grund jo ſcheu, 
Wie in der Mufchel Tiefe treu! 


=), 
Am Seofrande, 


(Borkum.) 
Kinderfüßchen, Männerſchritte, 
Frauenſpuren rings im Sande 
Eingedrückt, mir iſt's als glitte 
Vor mir her die Geiſterbande, 
Männer, Frauen, Kinder, Gatten, 
Ungejehne ftille Schatten. 


Wo der grobe Stiefel weilte, 
Wo der nadte Fuß geftanden, 
Wo die ſchmale Sohle eilte, 
Spuren fich durch Spuren wanden. 


— 400 — 


Einſam ift es, fait zum Grafen, 
Und die Meereöfluten brauſen. 


Sieh, da tummelt eine Welle 
Hoh hinauf, um jäh zu branden 
(Srad’ an jener Uferitelle, 

Mo ich finnend lang’ geitanden. 
Und die nächſten Wellen alle 
Folgen ihr mit lautem Schalle. 


Ach, nun ſind's nur wenig’ Stunden, 
Und es ſchäumen da Die Wogen, 
Wo dic Menichenipur verfhwunden, 
Die am Strand fich hingezogen. 
Ebbt es dann, wer mag noch fagen, 
Was die Flnt dahin getragen ? 


5 


Ichen — ſtreben. 


O, glaub' mir's, daß ich nicht zu leben ſtrebe, 
Nur muß ich, weil ich lebe, ſtreben. 
Das lohnt's, daß ich mein armes Leben lebe, 
Daß ſeine Armut ich durch Streben hebe! 
Wenn ich mein Beſtes ſchweigend eben gebe 
Und niemals für mein Selbſt daneben bebe, 
Des Glückes Grabkleid ſtill ergeben webe, 
Wie kann ich's, wenn um mich kein Streben ſchwebt, 
Das an der Scholle nicht mit meinem Leben klebt? 


— 
Naſeweisheit. 


Töchter mit des Vaters Zügen 

aben Glück, ſo ſpricht die Baſe, 
Darum blick' ich mit Vergnügen 
Immerdar auf meine Naſe. 


Später hab’ ich auch erfahren, 
Wie jo recht gehabt die Baſe, 
Denn ad, ſchon jeit vielen Jahren 
Führt das Glück mich — an der Naie. 


—X 


ri: 
Auguſt von Eye,” 
geboren am 24. Mai 1825 zu fürftenau im Osnabrüdichen, beiuchte das Ratsgymna: 
ftum zu Osnabräd, ftudierte in Göttingen und Berlin und promovierte 1848 an der 
erftgenannten Univerfität, Durch Naturanlage den Beruf zum Künftler in ſich ver- 
fpürend, durch den Munich der Eltern aber zum Juriſten bejtinmt, vermittelte er, 
indem er das Rechtsſtudium aufgab und mit dem der Gejchichte und Philofopbie ver: 
taufchte, Nachdem er als Bauslchrer an verſchiedenen Orten fungiert und in Düſſel— 
dorf in der Nähe der geliebten Kunft privatifiert hatte, traf ihn der Huf als Dorjtand 
der Kunſt- und Altertumsfammlungen am neugegrändeten Germanifchen Muſeum zu 
Nürnberg. Nachdem er diefes Umt unter fchwierigen Umftänden zwanzig Jahre lang 
verwaltet, im Jahre 1874 auf das Unerbieten einer Profeffur in Rio de Janeiro hin eine 
Reiſe nach Brafilien unternommen hatte, um die dortigen Derhältniffe perfönlich fennen 
zu lernen, berief ihn, zurüdgefehrt, die ſächſiſche Regierung zur Erridytung eines Kunit: 
Gewerbe : Mujeums nadı Dresden. Ein heftiges, langwieriges Kopfleiden nötigte ihn 
fhon nach einigen Jabren, dieſe Stellung aufzugeben, und auch die Beteiligung an 
der Herausgabe einer Zeitichrift in Berlin wurde ihm durch die dortigen Derhaltniffe 
verleidet, fo daf er, nun mit feiner Samilie, wieder das Palmenland auffuchte, wo er in 
Joinpille Wohnung nahnı, Im Verlaufe dieirs Sommers nach Deutjchland zurüdgefehrt, 
weilt er augenblidlich in Berlin, um feine Erfahrungen in Beziehung auf Kolonijation 
und Auswanderung zu verwerten. Außer verjchiedenen philojophifchen Werfen, Sam: 
melwerfen, wie die Balerie der Meiſterwerke altdeuticher Holzſchneide— 
funft, Nürnberg 1857, einer Biographie Albrecht Dürers unter dem Titel: £eben 
und Wirfen Albrecht Dürers, Nördlingen 1860, einer Schriftiteller  Yovelle 
Eine Menfchenfeele aus dem 18. Jahrhundert, ſchrieb er: 
Dichtungen: Torquato Tafio. Dr. Dsnabrüd 1859. — Die Braut 
bon Cypern. Luſtſpiel. Nürnberg 1876. — Beatrice Cenei und 
Johanne Gray, beide Dr. Berlin 1881. — In Brafilien find erfchtenen 
bie Dramen: Königin Quife und Dornröschen. 


(Originalbeiträge.) 


Sonette, 


J. 
Ein Stern iſt nach dem andern mir geſunken, 
Und eine Hoffnung nach der andern ſchwand, 
Die Kraft verfprüht in taufend eitlen Funken, 
Die heiß der Seele Tiefen fih entwand,. 
+, Nah Fr. Brümmers Dichrerleriton (f. 0.) und des Dichterd eigenen Mit: 
teilungen. 
Hartmann, Schagfäftlein weſtfäliſcher Dichtkunft. 26 


— 48 — 


Der ganze prächt’ge Reichtum mußt' zeritieben, 
Der Glüf und Ruhm veriprad für ew'ge Zeit. 

Was ward mir zum Griag, was it geblieben 2 
War ich nicht wert jo hoher Herrlichkeit? — 


An Em’gen darf Zeritörung nimmer walten; 
Gefallen ift nur, was nicht mochte halten: 
Sc fühle frei mich, wie ich ſteh' entblößt. 


Mein Leben lag in bunten Traumgefledhten, 
Es ſchwankt' im halben Glanz von Sternennäcten, 
Jetzt hat’3 zum Tag, zur Sonne fich gelöft. 


11. 


Mein Leben Ichwand im Kampf. — Wo iſt der Sieg? 
Wo harrt der Preis, zu dem ich dDurchgedrungen, 
Wo mweilt das Glück, zu dem ich mich geichwungen, 

Wo ragt die Höh’, zu der ich aufwärts jtieg ? 


Nicht einen Fußbreit Yandes nenn’ ich mein. 
Saum leiht man mir den Grund, die müden Glieder 
Darauf zu ftreden; zweitelnd schlag’ ic nieder 

Die Augen vor des Tages falbem Schein. 


Kaum anders noch, als durd der Glieder Schwere 
Fühl' ich bezeugt mich in der großen Leere, 
Doch fühl' ich, dat ich bin und don mir weih. 


Stolz zog ich aus, den Erdfreis zu gewinnen, 
Getröftet Sch’ ich, wie er licht von binnen, 
Wir jelber find uns Ziel und Glück und Preis. 


II. 


Nichts geht mit und. Was wir mit Zuft erftrebten, 
Als unſers Streben höchſten Preis erlebten: 

Srreicht, tritt es beijeit und bleibt zurüd; 

Es ſchwinden Furcht und Hoffnung, Leid und Glück. 


Dentit einmal, heilsbedürftig, du ohn' Bangen 
An des Genuſſes vollem Mund zu bangen, 
Dem Augenbli zum Troß, der raſtlos eilt, 
Das Land gefunden, wo die Stunde weilt, — 


Du denkſt und fiehit auf tollen Roſſes Rücken 
Das flücht'ge Glück enteilen deinen Blicken, 
Die Stunde rennen, die den Raub noch hält. 


Nichts geht mit ung; wir ſind's allein, die bleiben. 
Tief unter una Des Lebens Wogen treiben, 
Und in ung jchwebt der Geiſt ob feiner Welt. 


— 


—— 


IV. 
Die Büchſe der Pandora liegt verſchüttet, 

Wo nur ein Menſchenfuß den Weg gebahnt. 
Das Uebel jcheint an feine Spur gefittet, 

So lang das Schickſal ihn geführt. Geahnt 
Hat feiner noch, der eine Schwelle fügte, 

Ob er dem Leid, ob er der Luft gebaut, 
Wenn er die Balken aneinander ſchmiegte, 

Die Zufunft erit, ob früh, ob ſpät, macht's laut. 
Wozu das Leid, dies Uebermaß der Plage? 
Mißt's uns ein Gott, der mit gerechter Wage 

Den Sterblichen die Loſe zuerteilt ? 

Srtragen wir e8 zum Entgelt der Sünden? 
Wir willen mindeitens, daß wir’s empfinde, 
Und was empfindet, Icht; was lebt, das heilt. 


V. 
Vom Herzen ſtrömt das Leben durch die Pforten, 
Die offen ſtehn zu Rede, Fuß und Hand; 
Vom Herzen ſteigt das Leben zu den Orten, 
Wo ſich der Geiſt entſiegelt unverwandt. 


Was wär' geſchehen, wenn nicht die Kohorten 
Des Unrechts unſern Haß zur That geſpannt? 

Was wohl geſprochen, wenn in Flammenworten 
Nicht Lieb' und Glaube wären heiß entbrannt? 


Nur glaubend, liebend fteigit du zu den Höhen, 
Wo die Erfenntnis thront. Des Zweifel Wehen 
Befallen mur ein brünſtig liebend’ Her. 


"Und hieß der Zweifel jeden Glauben gehen, 
An den gelehnt er felbit nur kann beftehen, 
Hebt iterbend er uns mit fi himmelwärts. 


VI. 
Ein Strahl, o Gott, von deines Himmels Lichte, 
Ein Wiederichein aus deinem Angeſichte! 


In meiner Brut ein einzig Dankempfinden — 
Und von mir weicht das ganze Neid) der Sünden. 


Soll fih im Aug’ der Seele Bild erheitern, 

Muß in der Bruſt die Seele jich erweitern; 
Ein Keiner Funke dient ſchon zum Gntzünden; 
Entzinde mich, und flammend aufivärts winden 


Wird fich mein Geift. — Was, zu des Lichtes Bahnen 
Wollt ihr uns mit des Dunkels Loſung mahnen, 
Zum Himmel fchreedfen durd der Hölle Not? — 


a: AOL“ 


Erſchließet, richtet auf, gebt wahre Spende! 
Den Anfang fest vergebens ihr ans Ende; 
Des Leben? Nahrung ift niemals der Tod. 


VII. 
So lieblich weht durch Gottes Weltengarten 
Des Lebens Odem, weht in meine Bruſt. 


Auch ich darf meines Blumenreiches warten; 
Wie alles grünt und blüht in reger Luſt! 


Heil, Heil der Sonne, die darüber ſcheinet, 

Der Wolke, die den reichen Segen wägt, 
Der Balſamluft, die Sonn’ und Garten einet, 
Der Erde, die Gewächſ' und Früchte trägt! 


euch, ihr Hände, die ihr ſeid beſtellt, 
u ofiege n diefes blüh’nde Gottesfeld, 
Zur Ehre ihm und euch zum Luitgewinne! 


| geil Teure, dir, für die die Sonne glüht, 
ie Erd’ empfängt, der Garten treibt und blüht, 
Für die nur Ichaffen Herz und Hand und Sinne. 


5 


Tannenrauſchen. 


Ton der Heimat, Tannenrauſchen, 
Du vor allem biſt mir lieb. 
Deinem ſüßen Lied zu laufchen, 
Reden mit dir auszutauschen, 

Glück der Jugend, das mir blieb! 


MWiegenlied, das mir gejungen; 
Märchen, das zuerjt mir Hang; 
Lobgelang von Engelözungen, 
Der zum Herzen mir gedrungen, 
Als mein Sinn empor ji rang! 


Süßer Friede raufchet nieder, 
MWohnet unter grünem Dad; 
Kindesipiele, Knabenlieder, 
Faſt Hi tönen wieder, 
Goldne Träume werden wad). 


Ton der Heimat, Tannenraufchen, 
Glück der Jugend, das mir blieb; 
Deinem Liede will ich Taufchen, 
Traute Reden mit dir taufchen, 

Du vor allen bift mir lieb! 


5 


— 405 — 


An die Heimat. 


Einmal möcht’ ich wieder ſchauen Nordens ftolze Pracht der Eichen, 
Die der Väter Dach beſchützten und dem Sturm der Zeit nicht weichen; 
Zief verftect in Föhrengrunde, eingewiegt von Tannenrauichen, 
Sinmal wieder ftiller Geiſter Wundermelodieen lauichen ; 

Wandern Durch die weite Heide, am bemooften Hünengrabe, 

Darauf, gleid) dem Urahn, frächzend ruft der jchwarzbeichwingte Nabe, — 
Pfadlos breitet fid) die Oede; fern am grauen Waldesfaume 

Steigt der Rauch vom niedern Dache, zeigt das Piel in weiten Naume. 
Hinter off’ner Pforte, einſam wachend bei des Herdes Scheine 

Weilt die Hausfrau, reicht dem Gaſte aus dem rauchgeſchwärzten Schreine, 
Was fie mag zur Zabung bieten: weiße Milh und braune Brocden, 
Neich gemeſſen; da darf Hunger fih nur felbit zum Mahle loden. — 
Land der Armut, Yand der Stille, Land der alten, deutichen Sitte, 
Heimatland, dein will ich denken auch in Paradiefes Mitte! 
Rojengärten, Myrtenhaine find dir fern, doch auf den Wangen 
Deiner Jugend, unvergänglich, ſiehet man die Roſe prangen, 

Und in deiner Jungfrau'n Loden, unverwelklich, blüht die Myrte. — 
Heintat, ftolz gedenk' ich deiner! — Daß ich fern von dir nicht irrte! 


5 


Dermann Bartmann, 


(bermann Gottlieb Friedrich) 

geboren 22. Marz 1826 zu Anfum im Osnabrüdjchen. Die vielen auf dem benadh 
barten Heiden liegenden Hünenringe, im Dolfe verbreitete Sagen, eine reichhaltige 
Sammlung altgermaniicher Altertümer im elterlichen Haufe lenften ichon früh die Auf- 
merffamfeit des Knaben auf die alten Schuge der Heimat. Nachdem er das Rats: 
Gymnaftum zu Osnabrüd abjolviert hatte, bejuchte er von 1845— 1349 als der Heilfunde 
Beflifiener die Univerütaten Heidelbera, Göttingen, Würzburg, Berlin und Wien, promo: 
vierte im Jahre 4848, machte im folgenden Jahre das Staatseramen und wurde im 
Jabre 1850 praftiicher Arzt in Kintorf bei Wittlage. Im Jahre 1873 erhielt er den 
Charafter eines Sanitätsrats. Don ihm erjchienen außer den Bildern aus Weit: 
talen, Osnabrück 1870, als deren Sortiegung eine Neue Folge, Minden 1883, ange: 
jeben werden kann, Sageniamlungen, jo das Buhvom Sachſenherzog Wittefind, 
Minden 1885 und der Sagenſchatz Weftfalens. Ebd. 1583. 

Dichtungen: Bilderaus Weftfalen II Teil. Gedichte. Ddnabrüd 1870, 


(Bilder aus Weftfalen. II. Teil. Gedichte. Osnabrück 1870.) 
Iugenderinnerung. 


Es gehen über die Heide 
Gin hober, edler Greis 
An fchwarzem Brieiterfleide; 
Sein Haar iſt filberweiß; 
Und neben ihm ein Knabe 
Mit blauem Augenpaar, 
Es wallt an leichtem Stabe 
Sein blondes Lodenhaar. 


Es hört von alten Zeiten 
Sp gern der raſche Knab'. 
Da zeiget fich von weiten 
Ein hohes Hünengrab. 


Sie lenken ihre Schritte 
Nah einem grauen Stein, 
Der auf des Grabes Mitte 
Der Wächter fcheint zu ſein. 


3 A: 


Die Sonne will im Sceiden 
Vergolden noch den Stein 
Und weit die Heide kleiden 
In purpurroten Schein. 


Der Alte ſteht am Steine, 
Der wird nun zum Altar. 
(53 bildet die Gemeine 
Der blonde Knab' fürwahr. 


Er ichauet auf zum reife 
Ins fromme Angelicht ; 
Er ſieht ihn beten leiſe, 
Doch ſprechen hört er nicht. 


Der Greis iſt längit geitorben, 
Der Knabe — der war ich. 
Sc hab’ das Bild erworben 
Im Herzen innerlich. 


=; 


Widmung an die Stadt Osnabrück. 


Du liebe Stadt, in deren Mauern 
Ach zog als Knabe zögernd ein, 
Wo nich zuerit mit Wonnejichauern 
Grfüllt der Kirchen Säulenreihn, 
Wo ih mit heißem Lernbeitreben 
Der Wiffenichaft mich hingegeben, 
Sei mir gegrüßt im Frühlingsſchein! 


Wie Ichön fie iſt! Die Aetherräume 
Durddringt der Tiirme ſchlanker Bau, 
Und durd die weißen Blütenbäume 
Bringt fie der Häuſer Zahl zur Schau; 
Und Köſtliches bewahrt im Innern — 
(Auch mich ergreift ein ſüß' Grinnern) 
Die Königin im Halegau. 


So fteig ich von den Bergen nieder 
Und ziehe ein durchs alte Thor. 
Doch zögernd hemm' den Schritt ich wieder, 
Wie da als Knab' ich ſtand davor. 
Sch halt’ ein Buch*) in meinen Händen, 
Es joll für mich den Dank dir jpenden, 
Verichließ’ ihm nicht dein gütig Ohr. 


5 


*) Die Ueberjegung der Vita Bennonis vom Abte Norbert. 


— 408 — 


Am Grabe Bifhof Bennos N. zu Iburg. 


So iteh’ ich denn in diefem Tempel wieder 
An Biſchof Bennos Ichlichtem Leichenitein ; 
Un dheil’ge Scheu durchriefelt meine Glieder; 
(55 stellt die Thräne mit Gewalt fich ein. 
Du edler Dulder, Märtyrer der Treue, 

Die du dem Kaiſer bielteft ohne Neue, 
Hier liegt in Ruh' und Frieden dein Gebein. 


Verlaften von den Freunden ohn’ Erbarmen, 
Warſt du der Freundichaft itet3 getreuer Wirt; 
Verbannet aus der Kirche Mutterarnen, 

Warſt du den Deinen doch ein guter Hirt; 
Verſtoßen von des eig’nen Volkes Herzen, 

Haft du geheilt, wenn fern auc, feine Schmerzen, 
Des Waterlandes Vater unbeirrt. 


„So ichlafe wohl!”*), der du mit müden Schritten 
Durdwandelt halt der Alpen Schwindelpfabd, 
Der du des Wetters Ungunſt oft erlitten 
Am Dienste deines Kaiſers früh und jpat. 
(53 wurd’ dein Nam' in Liedern einft gelungen, 
Es hat des Dankes Stammeln dir geflungen ; 
Es leuchtet rein dir der Geſchichte Blatt. 


26 
Die Jöljagd.“ 


Wenn vor des Nachbars Thür' auf den Stufen wir ſaßen am Abend, 
Kinder, für Schauer empfänglich, der Mägde gelehrige Schüler, 
Rückten wir näher zuſammen und horchten ae rer ten. 
Immer von neuem erzählt in flüfterndem Ton — dem Erzähler 
Seder zur Hülfe bereit, denn ſtocken nicht durfte der Vortrag. 
KM: dem Rölkenberg jchleicht ſpukend zur nächtlihen Stunde 
Feurigen Augenpaars ein Hund mit Stettengeraffel, 
Nächtlicher Wanderer Schreck!“ — jo lautete meiſtens der Anfang. 
Lieber noch wandten wir uns zum Sagengefilde der Vorzeit. 
Reich war bebaut dies Feld und bot zur gefälligen Auswahl, 
Mas vor allem behagte, Geipenitergeichichten die Menge. 
Denn es mußten dem Bolf die beliebteiten Göttergeftalten 
Sih umwandeln am End’ in geipenitige, finitere Weſen. 
Wodan, den mächtigen Herrn, den Geber des rühmlichen Sieges, 
Machten zum Jüger fie flugs, der wild und tobend umberzicht. 
„Wenn mit graufem Hallo und Nüdengekläffe die Jöljagd 








*) Schluß der Grabichrift. 
**) Gagenihag Weſtfalens, Seite 318. 





— 409 — 


Sauſet durch finitere Lüfte, vorbei dem nächtlichen Wandrer, 
Welcher verirrten Schritt3 durdhitreift die nächtliche Heide, — 
Sternlos wölbt fih der Himmel, es leuchtet dem Armen Fein 
Lichtlein — 
Beugt er ſich ſchnell vor dem Zug und macht das Zeichen des Kreuzes. 
Wehe dem Spötter, der keck und frevelnden Mutes ihm nachruft! 
Raſch nahm mancher den Lohn, der den Mund ihm ſchließet für 
immer.” 
Alſo begann der Erzähler verwarnend; es frenten fich alle 
Wieder zu hören die Mär. „Ein Siemermann, Bauer in Yangen, 
Kühnen, verwegenen Sinns, ruft raich und entichlofien den Zug an, 
Der hoch über jein Haus mit lautem, wirrem Getöfe 
Sicht zur Mitternachtsitund. Gr mocht' im YZechergelage 
Daben berfänmt die Zeit und der Mut ihm geworden zur Ungeit. 
‚Gebet mir'ab! fo ruft er. Doch faum find entflohen die Worte, 
ALS mit großem Geheul und dräuendem Stimmengewirre 
Ueber ihm ſchwindet Der Zug, umd zu Füßen taumelt dem Frevler 
Schwarz und verdorrt eine Hand. Er jelber entweichet ins Haus 
zwar, 
Eilig verriegelnd die Thür, und glaubt vor dem art fich geborgen. 
Aber ihm folget die Hand und wählet zur Wohnung den Schranf ſich, 
Melcher mit feitem Verſchluß dem Bauer bewahret den Geldichak. 
Hier nun beharret fie feit und ift nicht zu barmen, twie viel ſich's 
Koſten auch läſſet der Wirt, den beichwerlichen Gaft zu entfernen. 
Tief in den Schoß der Erde, mit Schwerem Geſteine belaitet, 
Gräbt er fie ein und fchwört, jegt fehre fie nimmter ihm wieder. 
Dennod macht fie fi) los und liegt von neuem im Schranke. 
Weit weg über die Lande, bis wo die Wogen Des Meeres 
Spülen des Ufers Geftein, trägt jelbit die graufige Hand er, 
Schleudert jie weit ins Meer; doch ruhig, als 0b fie geblieben, 
Liegt fie wieder im Schrank und fpottet der Rückkehr des Wirtes. 
Teuer verzehret fie nicht, und es nagt nicht freſſender Fäulnis 
Hungriger Zahn an ihr. Nicht Prieiter und kirchlicher Bannſpruch 
Halten die Hand entfernt: fie liegt wie immer im Schranfe. 
Bleich und ermatteten Augs, dem felten Sich nahet der Schlummter, 
Schleicht der Bauer einher, fich jelber zum Grauen geworden, 
Während dod ruhig im Schrank ihm liegt der treibende Schreden. 
Eudlich erlöit ihn der Tod.“ Und der Schrank? jo fraget ihr alle. 
Alt und morſch, jo heißt's, von niemand beionderd geachtet 
Steht er bei altem Gerümpel, doch joll auch hr Hand ihm nicht 
ehlen, 
Zeigen fie niemand jedoch; austweichend dem Frager, der zweifelt, 
Laden verihmigt fie und gehn. Sie ehren den graufigen Wächter, 
Welcher ganz ohne Geräuſch ihr Weſen behütet vor Dieben. 


=; 


— 40 — 


Die Hünengräber anf dem Giersfelde.”) 


Was noch ſteht ihr bier, der grauen, heidnifchen Vorzeit 
Mächtige Zeugen, getürmt auf Hügeln der bräunlichen Heide, 
Weit von des Tages Geräufch und des Lebens befahrenen Wegen 2 
Niemand juchet euch auf; nur flüchtig weilet der Jäger, 
Emfigen Schritts aufſuchend das Wild, das die Heide verbirget. 
Auch weiß nimmer der Schäfer, pon wannen ein Schauer ihn ankommt, 
Menn zur nächtlichen Raſt ihm folget die wollige Herde. 
Nur der Empfindfame läßt mit Seufzern reichlihe Thränen 
Niederträufeln auf euch, gar läſtig mit feinem Geftöhne. 


„Sorge nicht, Fremdling, um uns; und find wir von allen verlafien, 
Einſam ftchen wir nicht, gedenfend auch befferer Tage. 
Nimmer vergeſſen ung wohl die Götter, nimmer die Helden, 
Säfte Walhallas den Ort, wo Ruh’ ihr ftarfes Gebein fand, 
Wenn des Wagens**, Geftirn mit freundlichem Lichte uns leuchtet, 
Dann fommt Wodan zu uns, der Gott, es fommen Walhallas 
Heldenſchatten zu uns. Es belebt fi) die nächtliche Heide. 


Henn unter Donnergeroll und wütendem Sturmesgebrauſe 
Zadige Blige erleuchten die Nacht, dann fchleudert die Keile 
Donar mit eiſerner Fauſt und grüßt una mit flammendem Warte. 
— Ihn anfacht er aufs new’, und mächtiger dDröhnet der Donner — 
Und wenn fallend der Schnee mit weihlich Ichimmernden Flocken 
Decket die Heide und Flur: dann birgt der freundlichen Holda***) 
Sorgende Götterhand auch uns mit wärmender Hülle.“ 


=), 
Die Babilonie. 


1870. 
(Wanderungen durch das MWiehengebirge. Br. Oldendorf 1576.) 
Im unterird’schen Schloife 
Sn Babilonier Berg, 
Umgeben von dem Trofie, 
DBedienet von dem Zwerg, 


Auf gold’nem Stuhle fißet 
Der König Wittefind; 
Sein dunkles Auge blißet 
Und muftert das Gejind. 


*) Es lagen auf bem Giersfelde bei Ankum (ſiehe von Vinfes Gedicht „Alfe“ 
Seite 203), deffen Name das Feld ber reife, vom alth. chirih abgeleitet, bedeutet, vor 
der teilweiſen Zeritörung acht Steinfreife oder Hünenbetten, zu welchen man wohl at 
die 400 Granitblöde oder Finblinge von 6-12 Fuß Länge und 4-6 Fuh Breite zu— 
ſammen gelegt hatte. 

**) Wodanswagen, das Geftirn des großen Bären. 

***) Wenn e8 jchneit, macht Frau Holle ihr Bett. 


= A 


Ein mächtiger Karfunkel 
Bringt hellen Tagesichein 
Und leuchtet bis ins Dunkel 
Des Vorgemachs hinein. 


Hter figen an der Wiege, 
Die filbern und von Gold, 
Drei Jungfrau’n, die zum Siege 
Die Banner oft entrollt. 

Sie wiegen bald und fingen 
Von alter Herrlichkeit. 
Den Schatz kann man erringen, 
Er liegt darin bereit. 


Und wer die rechte Blume 
Grwirbt, der kommt hinein; 
Sr trägt mit hohem Nuhme 
Den Schag fort, der ift Sein. 


Wie heikt die rechte Blume? 
Ste heißet hoher Wut. 
Mer trägt fie fih zum Ruhme? 
Sie trägt der Kaiſer gut. 


Der Schaß, der in der Wiege? 
Des Reiches Herrlichkeit. 
Wer mehrte fie durch Siege? 
Der Kaiſer allezeit. 


=), 


Die Heimkehr aus der Derbannung. 


Am 27. September 1870, 
(Deutſche Dichterftimmen. Krefeld 1883.) 


& 
„Nach Straßburg!” und „hol’ über!“ 
So ſchallt es übern Rhein. 
Der Fährmann reibt die Augen: 
„„Wer mag der Rufer ſein?““ 


Es iſt ein Zug Verbannter 
Mit heimwehkrankem Blick. 
Nach langen, langen Jahren 
Kehrt endlich er zurück. 


Und mit der goldnen Leier 
Steigt Gottfried aus dem Kahn: 
„Ach, Straßburg, liebes Straßburg, 
Wir lange dich nicht ſahn!“ 


— 42 — 


Ihm folget Meiiter Erwin, 
Zum Dom lenft er den Schritt 
Mit fromm verklärten Blicken, 
Der Geiler, der geht mit. 


Fr öffnet raſch die Thore 
Und jchreitet hin zum Chor, 
Und die gewalt’ge Stimme 
Ein Danklied ſchickt empor. 


Und Gutenberg betrachtet 
Non fern fein Ebenbild, 
Und ala er iteht am Dome, 
Begrüßt er Haus und Schild. 


Doch draußen in den Straßen 
Gehn tranlih Hand in Hand 
Der Doktor Johann Filchart, 
Der Rat Sebaitian Brant. 


Und Goethe jchließt den Reigen, 
Er murmelt einen Reim, 
Am Dom geht er vorüber . 
Und eilt nah Seſenheim. 


„Rah Straßburg!” und „hol’ über!” 
So ſchallt es übern Rhein. 
Der Fährmann reibt die Augen: 
vn Ber mag der Nufer jein?"* 

Es naht im Stegesfranze 
Der deutiche Kaifer Dir, 
Du ihöne Stadt, jebt wieder 
Des Reiches Hort und Bier. 


=) 


thatig. 


Ludwig Brill,” 


geboren am 15. Februar 1838 zu Emlichheim in der Niedergrafichaft Bentheim, tft ſeit 
1868 als fatholifcher Religionslehrer und Lehrer der neueren Sprachen in Quafenbrüäd 


Dichtungen?! Der Singihmwan. 


Lyriſch-epiſche Dichtung. Miünfter 1882. 


4. Aufl. 1585. — Bertram Gomez. Epifche Dichtung. Ebd. 1. und 


2. Aufl, 1884, 


(Der Singſchwan. Lyriſch-epiſche Dichtung. 4. Aufl. Münfter 1885.) 


Ah weiß ein Sternlein Elar, 
Das leuchtet wunderbar 
Ins dunkle Weltgetriebe ; 
So treu fein andre brennt 
Am weiten Firmament: 
Der Stern heißt Mutterliche. 


Und wenn ein Kindlein weint, 
Sogleich der Stern ericheint 
Und bringt’3 zur Ruhe wieder; 
Und ſchläft's in dunkler Nacht, 
Der Stern wohl treulich wacht 
Und ſchirmt die müden Xider. 


Er ftrahlet früh und ſpat 
Auf nahtumhültem Pfad 
Voran zum ew’gen Lichte; 
Verirrt fih auch ein Kind, 


Er führt's zurück 


eſchwind 


Mit mildem Angeſichte. 


Und ſinkt das Sternlein einſt, 
Du ſchauſt ihm nach und weinſt, 
Doch wird ſein Blick nicht trüber; 
Und noch aus jener Welt 


Es deinen Pfad Sr 
Bis du auch gehit 


inüber. 


Ss 
*) Nach des Dichters eigenen Mitteilungen. 


(Bertram Gomez. 


— 44 — 


Epiiche Dichtung. 3. Aufl. Münfter 1885.) 


Sadfenatt, 


Der Franke kommt, der Franke, 
Ihr Sachſen, auf zum Streit! 
Da trat mit Schwert und Schilde 
Wietulf vor jeine Maid. 


„Du liebſt mich, Nojamunde, 
Mehr als den eig’nen Leib, 
Kun fordert mich der Franfe 
Zu blut’gen Zeitvertreib. 


Doch Fanın vielleicht ich retten 
Das Land mit meinem Blut — 
Nun jage, was ein Sachſe, 

Ein echter Sachſe thut! 


Ob er von Liebe ſchwatzend 
An deiner Seite bleibt ? 
Ob er dem Feind die Antwort 
Auf Stirn und Wange Schreibt ?* 

Die Maid brach von der Eiche 
Den grünen Zweig zur Stund’: 
„Zieh' hin! mach’ frei die Eichen, 
Dann freie Roſamund'!“ 


10, 


II. Teil. 
ANattdeutſche 
— 





Vichtungen. 





Anmerkung. 


* un 


Die Meftfalen gebören als plattdeutich Iprechendes Wolf zu dem 
mi- und di-Gebiete und zwar die Bewohner der Bistümer Minden, 
Münster und Osnabrück und der angrenzenden Grafichaften ganz, 
während die im füdlichen Teile des Bistums Paderborn ins mik- und 
dik-Gebiet hinüberftreifen. Eine feite Orthographie giebt es im Blatt: 
deutjchen nicht, daher die verichiedene Schreibweile der Schriftiteller. 
Die richtigite ift jedenfalls die, welche die Ausiprache des Volkes mög— 
fichit genau wiederzugeben jucht. Uebrigens ift dieſe fait in jedem 
Dorfe eine verjchiedene, je nachdem eine mehr oder weniger große 
Anhäufung von Vokalen ftattfindet, 3. B. ja = jan = jau — jeau. 
Das Sc, kennt der Weitfale nicht; er ſpricht es aus wie Sg, Sgriever, 
Sginner — Schreiber, Schinder. Es wird daher den Weitfalen jchwer, 
im Hocddeutihen das Sc auszufprehen. Er jagt nicht Häuschen, 
fondern Häusgen, Schinken, jondern Sginken, Sinfen, und ift 3. ©. 
legtered Wort das Schibboleth des Weitfalen, vorzugsweiſe des Müniter- 
länders, woran man ihn immer, auch den gebildeten, erkennen kann. 
Auch beim Sprechen fremder Sprachen verrät der Weitfale ſich durch 
die eigentümliche Ausſprache des Sch. — 


5 


1. Minden-Ravensberg- Lippe. 
ZEN 


Hartmann, Schakfäjtlein weitfäliicher Dichtkunſt. 27 


linden. 


geboren am 14. Januar 1862 zu Minden, bejuchte von 1868 bis 1878 die Bürgerichule 
feiner Daterftadt und widmete fich dann dem Baufadhe. 


 Originalbeiträge.) 


Dat Weſerſchart. 


Dei Herrgott hadd’ det Welt erichaffen 
Met Planten, Diertern, !) Minsken, Affen 
Und döh fick recht im Stillen hägen, ?) 
Dat ſei fön herrlich ollerwegen. 
Beſonners döhen fiene Blicke 
Met Wohlgefall'n an jennem Stücke, 
Wo hei den Harz met ſienen Schätzen 
Erböuet hadde, ſick ergötzen. 

Un ferner up dei ſchönen Gauen 

Am Weſerſtrome döh hei ſchauen, 

Un wo dei lipp'ſchen Lanne liggen. 

Un ollermeiſt keik met Vergnügen 

Het up den kräft'gen Minskenſchlag, 
Den bei in oller Unſchuld jagg. 

As hei nu noch ganz häglik jatt 

Un fick erfreute öwer dat, 

Tratt Satan denn an öhn heran 

Und keit Schilluh?) den Herrgott an. 
Dei ohle Nacder ſagg met Neid 

Dem Herrgott fiene stille Freud’. 

Dei Herrgott ſprak: „Nab, ohle Sinner, 
Die mot woll wat vom Herzen rünner? 
Spred frei herut, wat die bedrückt!“ 
Und grinjend up dei Düwel kieckt 


) Tiere, %) freuen. * eiferfüchtig, mißgünſtig (franz. jaloux), 





27* 


Te . — mm * ” 


Un ſeggt töum Herren: „Senne Gauen 

Sind jeg woll leiwlich antöuschauen ; 

Doc lättit du mie getroft in Ruh, 

Sch deck ſei tön. Wat weddeit du? — 

Wenn eck bet nägite Middernadt 

Dei Sate ſöun wiet häwwe bradt, 

Dat jenne Thaler ganz verſchwinnen, 

Met ollem, wat darup um innen, 

Schall jenne Flag'!) denn miene fien, 

Met ollem, wat darıp un in?" — 

Dei Herrgott lächelt fill förr ſick. 

„Du bift und bliwwſt ein Galgenftric,“ 

Säh hei met rnit. „Ed häww' ut Nichs 

Dei Welt erichaffen, ferrig fichs, 

In ſöß mal veer und twintig Stunnen. — 

Mollan, dei Wedd’ häft du gewunnen, 

Wenn du nu in derſülw'gen Tied 

Met dienem Werke of ſön wiet, 

Dat jenne Thäler ganz berichwinnent, 

Met ollent, wat darup un innen; 

Dod hör noch, einet merke Die, 

Dat du nich eh’r beginneit mie, 

As bet dei Sunndag is tau Enne!“ — 

Un fröhlid tog dei Düwel denne, 

Hei dacht dat chrder dat vollbradit. 

As nu dei Tied um Middernact, 

Maft hei ſick an dei Arbeit an 

Un jchuftet?) los. Gt was fien Plan; 

Hei woll den Weferftrom upbämmen 

Un jöu dei Gegend öwerſchwemmen; 
— Gelang öhm dat, dann was't ja klar, 

Dat ſei verſchwund denn ganz un gar. 

Hei döh ſick ſchon im Stillen hägen, 

Wat woll dei leiwe Gott mögt ſeggen, 

Wenn bei bet Samstag-Middernacht 

Sien Werk oll dickeweg vollbracht. 

Jedoch ſöu Lichte güngt nich an, 

Woll hei töurecht met ſienem Plan, 

Woll hei dei Gegend öwerſchwemmen, 

Moßt hei veel hunnert Fout hoch dämmen 

Un veele hundert Stunnen lang. 

Dartöıt gebruft hei männ’gen Gang. 

Un jenne Flag, wo hei töum Damım 

Dei Jrd un Steine denne nahm, 

St was Diem Oldenburger Land, 

Dei Dümmerſee darnach entitand. 


ı) Fläche. 2) farret. 


421 — 


Söu farrte nah und nah hei dann 
Dei Weferberge mäuhſam an, 

Nom Harz bet an dat Möniterland 
(As ſei us hüte find befannt) 

Bet up dat Flag, wo hüt’ger Tied 
Dat MWejerichart ein liggen fübt, 
Dei ſchalle denn dat Läſte ſien, 

Dar ſchall dei läfte Ladung rin. 

Hei moßt' dei ganze Weeke racken) 
Un jümmer Ird un Steine paden. 
Schon nahte Samstag = Abend fid, 
Wo forken hei of regte ic, 

Et ging töu Enne öhm dei Tied, 
Denn Middernadht was nich mehr wiet. 
Twars fehlt öhm eine Ladung nod, 
Dei toppen konn' dat läſte Lock. 
Het ielte los, bo!’ glüdt öhm dat, 
Auft bie der lage was hei grad, 
Wo ein dei Bölhorit Hüte füht — 
Dar ſchlöng et twölm’, — iim was bei Tied. 
Hei fippte ſchwank' dei Karren ut 
Un leip darvon in willer Wut, — 
Wo hei düſſ' läſte Ladung leit, 

Siet jenner Tiet dei Bölhorſt ſteiht. 
Sön find dei Weſerberg entitahn, 
Dei Bölhorit of. Det Düwels Plan, 

Söu wiet hei öhm gelungen 18, 

Is göud förr us, dat iS gewiß. 

Un dör dat Weſerſchart hennſchwemmt 
Dei Weierwogen ungehemmt. 

Un jenne wunnerſchönen Gauen, 

Dei eis dei Satan woll’ verjenten, 
Kann jederein noch hüte jchauen, 

Un vele Minstenfinder lenfen 

Dei Schritt’ darhenn un weidet fick 
An öhrer Bradt met hellem Blick. 


Dei Hähfter? un dei Tortelduwen. 


Töum Hädfter fam an einem Dag 
Dei Tortelduwen henn un jprad): 
„O leiwe Häfiter, ihr mie du’t, 
Mo man ein Örnd’tlic Neft woll but! 
St ward fu veel darvon eiprafen, 
Du könnſt jou schöne Neiter maken.“ 


— — — — 


9 ſcharren. ) Elſter. 


— 41 — 


„„Dar kümmſt du vorr dei rechte Schmäde,““ 
(Srgreip dei Häkſter un dei Rede, 

„Bie mie jie adub dat lehren Eönt, 

GE fin von jung up dat gewöhnt. 

Eck böu ein Neit, dat Storm un Wind 
Göud trogen fann. Nu kumm geſchwind 
Un tiefe recht dat Ding die an. — 

Bie mie woll ein wat lehren kann!““ 
„Ja,“ ſäh dei Duw, „man töu, häww't hilfe !).“ 
„„Nah,““ veip dei Häditer, „„ſinnig, stille. 
Sin mot uw oll'ns ſick irſt bejinnen, 
Will hei ein örnd'tlick Werk beginnen. 
Dan ruhig Blöud, giww paß?) up bat, 
Wat ef nu döuh, um merf die dat.“ 
Nun keik dei Häckſter fick demm ümme 

Un ſäh darup met wicht’ger Stimme: 
„Irſt fochite ut 'nen Twielenaſt, 

Kiek, düſſe dartöu juit ſchon paßt,““ 

Un wieſt ſo'n At, „„iis die dat klar?““ 
„O ja,“ ſäh ſei, „dat is of wahr! 

nen Twielenaſt, dar häſt Du recht, 
Darin ward denn det Neſt geleggt! 

Dat is mie klar, doch füdder man.“ 
„„Man ſachte, hör mie ruhig an. — 
* ſöck'ne Twiele du efunnen — 

Doch merke die, ſone echt geſunnen, 
Denn is dei ein der beiden Aeſte 

Schon mörr, denn ſteiht dat Neſt nich feſte, 
Un wenn denn eis dei Stormwind geiht, 
Denn breckt dei Aſt un't Neſt verweiht. 
Drumm häwwe paß up olles ja!““ — 
„Man töu,“ ſäh denn dei Duwen da. 
Drup jah dei Häffter denn töu öhr: 
„„Biſt du ſön wiet, denn kummſt du ber 
Un ſochſt die ein'ge Spricker) ran; 

Als düſſe hier, kiek ſei die an.““ 

„Ja, ja, eck ſeih't, doch füdder nu“ 

Säh ſei, dunn hei: „„Un denn leggſt du 
Söu krüz und quer dei Spricker denn 
Söu tüffen beide Aeſte henn““ — — 
Doch füdder nich dei Häfiter kam, 

Denn lut dei Dim’ dat Wort mu nahm: 
„St kannt, eck kannt, eck weit Beſcheid!“ 
Un flog darvon. Dei Häfiter ſteiht 

Und Eieft verblüfft der Dumwen nah 

Un ſeggt tauläſt: „Nah, düt veritah, 





eilig. 9 acht. #) kleiner, verdorrter Zweig. 


Bee > 


Wer düt verfteiht, ed äwer mid. — 
Dat twör doch ſchier verivunnerlich, 
Wenn ſei dat mır all ihren konn, 

Sei ſagg ja doch noch nichs darvon.““ 


Jedoch dei Duwen ſochte fick 
'ne Twielen ut un'n Hümpel) Sprick 
Un packt' dei Läſten dar man in, 
(Sin Neſt man’t garnich nennen könn. 


Un ſiet der Tied dei Duwen but 
Sin Neſt, dat jüht ganz ſchäwig ut, 
Dat oft jo schlecht töuhope höllt, 
Dat öhre Brut heruterfüllt. 


Söu geiht et veelen Minsken of, 
Dei holt förr wieſe ſick um klönk, 
Sei ſind bie ollen Dingen da 
in forſchen garnich füdder nah; 
Sei kieket blos den Anfang an 
Un häwwet dann gemöug daran, 
Un ob et richtig wetet ſei, 

Is öhnen denn ganz einerlei. 


1) Haufen. 


—X 


Ravensberao. 





Guitav Ludwig Beidbreede. 


(Xebensbejchreibung ſiehe im I, Teil, Seite 52,) 


Integer vitae scelerisque purus. 
frei in die Napenäbergiiche Munbari übertragen, 
(Deffentlicher Anzeiger der Graffchaft Ravensberg. Bielefeld 1858, Nr. 63.) 

Wer nich Leiges!) döt um en got Gewiäten 
Hät, de, Reiter, kann fiene Stroten*) ftäfer 
Goh'n; ſien Meft, PBiltollen un Efenfnüppel 
Lät he to Huſe, 

Kümmt he van der Dönte*) allein in Düftern, 
Van der Hochtiet, oder der Hallsken Kiärmeß) 
Dür den Barenbiärgd), wenn et araumt‘) tor Nadıttiet, 
Schint auf de Mond nid). 

Os ic left”) mi Hadde verlaupen, Peiter — 
Blaut an Greten dacht’ id — up enmol ftond ic 
Bi de Papenkamer; do leep en Voß mi 
Tüsken“) de Beene. 

Lache nich; feen Rüe nich, keene Ratten 
Hät fau Icharpe Tiäne nid, 08 en Voß hät — 
De find Flauſtiäk“) giegen den boifen Voßtan — 
Wat ick verjagt'') Be 

Ober „Grete!“ reip ick — an je juli !?) dacht id 
Lie!3),wat leep de Voß met den Start no adıter! 
Un de Hiägert '*) reep van de haugen Böken 
Achter den Voß hiär. — 

Wenn dat lewe Lüt mi, de Grete, got is, 

Goh' ick dür den düſterſten Wald alleine; 
Denk' ick an ihr frundliket Plapperſchnütken ’) 
Schiärt mi!) keen Voß wat. 

!) Böjes. ?) Straße. 3) Haushebung. 9 Halle, Kreisſtadt im Ravenebera— 
chen. 9 Der Barenberg zwiichen Halle und Burgholzhauſen. 9 Ein Aechzen bes Windes. 
’) neulih. 98) Praffenfammer, eine Berahöhle in ber Nähe bon Burgholshauien. 
9) zwiſchen. 1%) Flohftiche. *') erichroden. ) eben, 1) Leute, u) Häher. 5) Vlop 
vermündchen, ?*) Fümmert mich. 


Gedichte ungenannter Autoren. 


De witte Duwe. 


Firmenich, oh. Matthias, Hermanien® Völkerſtimmen, L, 258 F. Berlin 1843-- 1566.) 


„er timmert dar unner? Maft cener Siarke?) 
Et find doch de Lüe inner Kiarke!“ 
„„De Timmermann fdert nau fien Biel. 
He timmert 'nen alien in grauter Jel.““ 


„Sägg mi, wer fall an den Galjen ſtiarben? 
O ſegge un kiek nich jo bediarben!” °) 
„„Wenn de Sunne vom Abend umner geit, 
Bringt he di inne Ewigkeit.““ 


„Un mott ick dann ſtiarben dür den Sginner, 
Dann ſuarge Gad far miene Kinner; 
Dann giewe he ju ein Teiken auk, 
Dat ick unsgüllig liee den Daud.“ 


He was verklagt wiagen Grüwweldaäten. 
Bi en walen ftuhrdür®) fief Soldaten. 
De güngen up um dal var de Dühr 
Met blanten Säweln un Gewihr. 


Se fetten en Namdags oppen Wagen; 
Witt was fien Hiämd un witt fien tragen. 
Twei Bapen ſeiten an fiener Siet, 

De bia'n fliedig — de Wäg was nich wiet. 


Un as je feimen an einen Garen, 
Leip eine Fruwwe annen Karen: 
„Mien Willem, Gad make di licht den Daud! 
Gad giwt dienen Rinnern un mi wal Braud! 


He gad tar de Hand: „„Mien Wiesfen, dar buabe 
Sind unsgüllie Lüe good uphnaben!““ 
Sp föerden wieder. De Köſter ſank 
Met den Saölern ein Leed, bedrömwet um lanf. 


Särge. 2) Häglich, traurig. *) fortwährend. De Sunne war früber in 


ravensbergifcher Mundart Maseulinum., 


= MOB Ne 


Un as je an den Galjen keimen, 
Dan den Karen fe en herunner neimen. 
Danı moit’ he stiegen de Yeddern häran. 
Dar unnen ftönnen je Mann an Mann. 


De Richter las ſien Urtel helle: 
„Belinne, jo kümſt du nich in de Helle!” 
De Willem awerſt anwerde dar: 

„„Gad mafe ju miene Unsguld klar!““ 


He bia. Da nam den armen Sünner 
Bi de Hand de graute, raue‘) Spinner. 
De jmeit dat Seil em ümme dat Knick. 
Do henk he inner Zucht?) am Strid. 


Wat word dar nu bemiarket vom Wolfe? 
(St Leit fick häraf eine witte Wolke. 
(Sine witte Duwe flaug härut 
Un ſank met beionneren föten Zub. 


Se flaug üm den Stiärbenen dreimal Tiefe — 
Se janf eine ſöte bejonnere Wieſe. 
Dann flüögen twei Duwen tom Hiämel hörnp. 
De witte Wolke nam auk ſick up. 


(St dei ſick up de Hiämel, un Engels 
Sag man ſtahn ned witte Yiljenitängel®. 
De Duwen worden tiwei Engels dar. 

Do was dem Volke Willms Unsguld Klar. 


De Lüe fellen uppe Kneie un bian. 
Et i3 feine, de nich griäne drunner wian?) 
Se floppen fi alle anne Boft: 
„sa, düſſe hät unsgüllig ftiarben most.” 


=‘ 
Klage. 


(Aus d. Bolksmunde im Ravensberg., mitgeteilt d. Stantor a. D. Brött in Bielefeld.) 

Miätens, *) 0, beduert mi, 

IE mot ſüß ), nod ganz vergoen, 
Jäten und Drinfen jmedt mi nic, 
Kann up feenen Been mehr ftoen. 
Täh’ id mi ut, täh' id mi an, 
Dent id an mienen Kriſtian. 

He att noch forlieben ®) mol 
Met den Sleef Weeten -Klümpe, 
Un ic jatt er tiegen’) an 
Stöppede miene F ündagaftrümpe. 
Säh id nu den Sleef mol an, 
Denk ick an mienen Kriſtian. 


Y rohe. NLuft. 9) getveien, Mädchen. ionft. Obor längerer geit. ’i neben. 


427 — 


Da hängt ſien Fliegel an de Wand, 
Den he got to föeren woßte 
Met de grauten Diäskerhand, 
Menn het Korn diäsfen moßte. 
Säh ic nu den Fliägel an, 
Denk if an mienen riftian. 


Up den Jeſel namm he mi, - 
Os wi van de Dönte!) famen. 
Wat hä ſiä?), dat ſegg ick nich, 
He gaff mi ſükke) jöte Namen. 
Säh' id nu den Jeſel au, 
Denk id an minen Kriſtian. 


So*) if für dat Stleerichapp ®), 
Werd et mi ganz flau to Mute, 
Rod und Büre hängt fo flapp, 
Denn mien Krisjan is er ute. 
Säh' ik Rod un Büre an, 

Denk if an mienen Kriſtian. 

Wo mag denn woll mien Krisjan ſien, 
In Rußland oder in Polen, 

O, fünn te doch dat lewe Kiend, 
Met mienen Triänen holen! 
Täh' ick mi ut, täh’ if mi an, 
Denk id an mienen Kriſtian. 


2 


= 


Bettelmanns Hochzeit.“ 


(Aus dem Vollämunde im NRavensbergiichen, mitgeteilt von Kantor a. D. Prött in 
Rielefeld.) 
De bliende Joſt hadde 'ne Deeren, 
De wull he van Harten geeren 
Bringen in den rechten Stand, 
De van Gott was toerlannt. 


Wat hadde be in fienen Hot? 
Genen halben Swinefoet, 
Gen Stüf Speck un 'n Heringsiteert. 
Was dat nich wol friggenswert ? 


Nappbdefapp, jo biet de Pape, 
Kamm met fiener Mienfestappe, 
Krieg fien Kaddegiſſembook, 
Gaff ſe een, twee, dree tohop. 
1) Haushebung. *) ſagte. 3) ſolche. ) gehe. 5) Kleiderſchrank. ©) Ver— 
gleiche unter Osnabrück: Aule plattdüütske Leeder. 


Er... 


Lux, der Zgriever, was auf ropeıt, 
Kam net jienen Sgrievtüg lopen: 
Zgriever ſgreiv woll up den Breef, 
Wat de Deeren mettefreeg. 


Eenen Bort un eenen Sleef, 
Seß Paar Liäpels, krumm un ſcheef, 
Eenen Rock, ſeß Eelen wiet, 
O, watt früggede ſick dat Lüt! 


Eenen Stohl und eene Bank, 
Gene Tunne Zuegedranf, 
Eenen Emmer, eenen Piüel’), 
Seggt ji Lüe, is dat nich viel? 


Eene ſwarte Yuerkappen ?) 
Un twee aule Nibbelapvpen ®), 
Un auf för de beuje Welt 
Sch Dreentipper*) an baar Geld. 


Abends ging de Hochticd an, 
Lustig wören Fru un Mann, 
Luſtig wören olle Gäſte, 

Dree brode’) Häringe was dat Beſte. 
„sung, drin, et ſmekket ſöte.“ 
„„Een Sgiuner auf, dat is Gefröte, °)** 
„Junge, drink, et is Brannewien, 

Is ein Klumpen Sukker rin!“ 


Twiälf Uhr gingen je to Hues, 
„Donnerlier, dat was 'n Schmues,“ 
Siä de dide Schulte Drull, 

„Donner, wat is min Wampen?) vull!* 


Un de düt Leed us fungen hädd, 
Dat was de aule Fahnenſmedt, 
De up de Hochtied auf met fratt 
Un tiegen Lux, den Sgriever, ſatt. 


=D, 
De ſeß Gäuſe. 


(Mitgeteilt von Fritz Offszanka in Vielefeld.) 


Sen Buer hadde ſeß Gäuſe, de woll he fick fetten, 
Drüm leet be je in ſienen Gauſeſtall ſetten, 
Do woll he ſe mäſten un ſchlachten un ſalten 
Un anknemeden Winter den Kaul dormet jchmalten. 


1) Pfühl. 9 Müge. 9) ein Eleines Leber, auf welchem ber Flachs aufgr- 
rippt wird, d. h. gereinigt von allen Faferu. Nur zu dem jogenannten „Duengarn“ 
wurde ber Flache „gerippt“. *) drei Mattier, aleih 1 Guten Groſchen, gleich 15 
leichten Piennigen. 3) gebratene. ®) jchlechtes Getränke. ) Wanſt. 9 mebcı. 





ED 


Se wören nagroe oll nett in’e Toage,') 
Do hädde't den Buren doc baule bedroagen, 
Un’t wöre em apartig ganz leige dr'met aohen, 
Hadd’ he nich m vernünftiget Inſehn dirbi dohen. 


Gens Obends ftä de Aulske: „Ann-Marik-Trine! 
Wenn du de Kohbeeiter hält foert un de Sivine, 
Denn gif auf den Gäufen wat in ehren Trog 
Ut der ächterſten Kiſten, dat weeßt du doc.“ 


Man näigeit der Kiſten, bien Wasteliteene 
Do ſtund nau ne annre, Dat was juft jau eene, 
Do wören Hliggen?) met Brammewiensdranf 
For de Ferfelluegen ’) drin tofettet, denn de was Franf. 


Des Nohbers Herm-Hinnerk ftund achter der Dühren, 
De hadd’ wat met Ann-Mrik-Trine to führen ; 
Se jchnad’den een Präusfen von dütt un von datt, 
Met des greip dat Lüüt in dat unrechte Fatt. 


De Gäuſe de Löten’t fick mütte god ſchmecken, 
Dan baul’ füngen fe an, ji in’n Strögafel*) to ftreden, 
Ce tückden un rögg’den nic Kopp un nich Veen, 
Se wören verredet, man’t Lüüt hadd't nich jehn. 


Gt ſprunk wier na'n Spinnrad um tröcd fine Filfen, >) 
Man de Moder de lüünskede“) un fünf an to giſſen,) 
Un konn ſick nich bergen vor Niesgier un Nied, 

Denn je dacht’ manch's nau geren der aulen Tied. 


„Watt woll di Herm-Hinnerk, ick fonn’t nich verftohen ?“ 
„„De Toll mi de afjchlietenen Holsfen upflohen.““®) 
„Füll' nich auck ſaun' Wörtfen von Friggen bito?®) 
Tüß, höt di vor de AJungens, et is no to froh!” 


Dat Lüüt hadd’ des Morgens bi'n Dasfen torehet !°) 
Un den ganzen Nomiddag Brauddeege knieäet. 
Dorvon was et möhe, 'd fonn nis mehr bejchiden 
Un fünf achtern Wocken recht baul’ an to niden. 


Un bujahnt!’) um japede: „O Herr, wat fin’f möhe, 
Na'n Beddesgohn wör wollt Beite, wat 'ck dähe. 
Wat meene Fi, Moder, fol ick fortens man gohen? 
Dann könn id Morgen ſauviel fröher upftohen.* 


„Jo,“ ſiä de Aulske, „et ichlät wiſſe glieks niegen, 
Du magſt voran gohn, ick heww'r nicks tiegen, 
Doc kiek erſt na eenmol na de Kögge un de Swiene, 
Denn biſt auck good — Gooe Nacht, Ann-Mrik-Trine!“ 


i) im Zuge. 2) Kleie. ) Mutterſchwein. 9 Streu. 5) Faden. ©) forjchte. 
?, mutmaßen. # Die abgejchliffenen Holzichube wieder aufflögen. 9 Am Osnabrüd- 
ichen bat dieſes Gedicht hier: „FJöllt'r nich aud jau'n Kärrn van Sünt-Annen bito 2" 
mit berjelben Bedeutung. 0) Die Dröfche aufgeleat. “) gähnte. 








— — —ñ 


— 430 — 


De Kögge un de Swiene, de hadd'n ehr Genögen, 
Man bi de ſeß Gäuſe, do gafft wat to ſchwögen: 
„Wi blootsarmen Kinner, wo kuem wi to Mote, 

DO du leewe Straublad!!) — de Gäuſe find dote. 


Dat günk uufe Aulsken dür Mark un dür Knoaken, 
Se hädd' fid wol leewer de Hoore utloafeı. 
„Bier id niene Hülpe mehr!“ fchrega’de de Fru, 

„Mo kannt eenen doch gohen, wat maade wi nu? 


Oh, Ann-Mrik-Trine, wenn de Vader dat höret, 
Dann fin wi unglück's, dann werd he verfehret, 
Du weißt wol, in'n Twiedunfel dann nimmt he fick eenen, 
Wo he uns dann todrinket, dat heww' wi to jehen. 


Dat Lüüt ſiä: „Ick will je in'n Meſſe tofleggen, 
Dann ſall'e nien Hahn oder Hohn mehr no kreggen. 
Wi kuent denn jo ſeggen, de Voß hädd' fe hahlt 
Un wör' darmet gienten na'n Berge ben diwahlt.”?) 


Düt gooe Bedenkjel gefüll wol de Aulen, 
Doch wol je auf geeren de Feedern behaulen. 
„Kumm' to, Lüüt, um ſpööt?) di, erit plücde wi je kahl 
Un ſchmiet' je dann in'ne Meßkuhlen, actert Hus in'n Ahl.“ 


Met'n Uemſehn Hadden ſe de Feedern utrieeten 
Un de Gäuſe na der Riege in de Meßkuhlen ſchmieeten, 
Doc hadd' ehr de Schred oder dat Waater andohen, 
De Dauen wören olle jeße wier upftoben, 


Un maaf’den ſaun unwies Spitafel dor bunten, 
Dat de Buer upftund um keik dür de Ruthen*): 
„O Moder, kumm kiek ens, de Donner’) ſchlo mi daut, 
Do ſtohet ſeß Gänse jplinter nadend un blaut!* 


He habd’r feen Arg van, he hadd nau nich ſproaken: 
„Wat Düwel, wer hädd den de Feedern utloaken?“ 
Stund de Aulsfe un de Docter oll bi en mit Trohnen 
Un jäen, je wollen man Ollens geitohen. 


Soft gaff ſick up chriftlide Wieſe tofrie 
Un üaberlegde et ſanftmödig bi ſick um fiä: 

„Süllt de naadeden Gäufe nich elend verreden, 
Miet’ wi’n wol tohaupe 'n Uüawerrock antrecen.“ 
He leep nau' Snieder un köfft'n End Laaken, 
Do lät be je Jaden un Bückſens von maaken, 

Do pattket je nu um rivet und ſchrewwet,“) 
Bet dat fe eene cegene Mundirung wier hewivet. 


8 Jeſſ, Mri, Joſep“ im katholiſchen Miinfterlande und Odnabrüdichen. 
9 gelaufen, 9) jpute dich. * Scheiben. 5) „De Dros“ im Minfterfchen. N ſchnaa— 


tern und jchreien, 
=); 


Sippe. 
Wilhelm ©eiterbaus, 


geboren am 9. März 1840 zu Detmold, bildete ſich im dortigen Seminar zum Volks— 
ſchullebrer aus, wirkte ſeit 8357 als Lehrer auf dent Kande und ſeit 1868 in ſeiner 
Daterftadt, wo er gegenwärtia am Gymnaſium thätig iſt. 


Dichtungen: Julie Platt. Gedichte. Detmold 1882, 


(Juſe Platt. Gedichte. Detmold 1832.) 


I. Tichlers Teufte. 
5. Dettkien fuine Zreutuit.?) 


Sui, Bormejiers Jettken, dat muntere Ding, 
Geut manken den Büsfern, ſui do an den Brink! 
Et ſöcht in den Schörten van bleumten?) Kattiun, 
T ſind Schopribbet), Heufen 5) un triupdürentiun.®) 


Niu ſteut et um kicket, et fällt enn' wat in. 
„Den Kunrod, deu will mui doch nich int den Stun!“ 
Ban ollen den Jungens es nenne ſeu risk, 
Seu fluidig, ſeu fründlick, ſeu fran und ſeu frisf, 


O, wann heu teu Tuiten ſeu trubbhertig kickt, 
Jo, wann heu mui anſuit, un wann heu dann nickt, 
Dann wert mui, ek feul' et, den Wangen fen raut; 
Doc; juit et den Mömme, gero'ek in Maut. 


Dann fchellt fen: „„Diu Hält jo deu Stiee,’) häſt Geld, 
Deu Junge nennt garnides ſuin in der Welt. 
Met düffen, dat geut mol muin Liebe nich an, 
Den Hansmejjer, ſui mol, deu es nau eun Mann! 


!; Siegefers Liebe. Eine Eigentümlichfeit des Kipper Ländchens ift die jähr- 
liche Auswanderung von taufenden von Arbeitern, welche in der Ferne als Ziegel: 
arbeiter ihr Brot ſuchen und im Winter zu Haufe bon den Erivarnifien leben. 9) Früh: 
ling. *) geblümten. 9 Schafgarbe. 5) Quflattig. *) Gundelrebe. ) Haus und Land. 


— 411 


Auk Meijer, ei Settfen, deu hät dod en Hoff, 
Dat wöre 'ne Lage!““ „Deu es mui teu groff, 
Deu tellt jo deu Grütte, !) do kannſt din up liu'rn! 
Ek will en nich häbben, den griddigen ?) Biur’n.* 


Seu geut et ol’ Dage! Deu Mammon, dat Geld! 
Verlieden ?) ging Hunrod dorüm in deu Welt, 
Heu tichelt #) gimt biuten, o, ichleug’ et man in! 
Vellicht wör’ deu Mömme dann annerft teu Sinn‘. 


SE kann mut nich fröggen, wo fcheun auf deu Welt — 
To ſui mol deu Wügel, ei, wo ſeu nich ſpellt! 
Bui Winterdag find ſeu fen luſtig nich weit. 
Niu ſingt ſeu und Ipellt ſeu und bubbet dat Weit. 


Deu Bleumen, wo feuät ſeu wunnerlick int, 
Seu nidköppt, off wören ſeu Bruimen un Briut. 
Den Appelbaum blögget, wo jcheun dat doc lätt! 
Deu Läuberfens >) figget, deu Minsken fingt met. 


Deu Maivugel®) ſchwiebet, nin hür um niu gint, 
Wo frögget fi deu wal, ef din’rhaftig?) Kind, 
Muin Kunrod es wege, wer weut, wo et wert; 
Den duiiteriten Winterdag hät ct, muin Hert. 


Doch wenn dann gint Herbeit®) deu Vügel verteut, 
Den Bleumen verblögget, deu Weuten upgeut, 
Kümmt Kunrod teurügge un jeu ef d'rup fto’, 
Segat ſülbenſt deu Mömme vellichte doch: „Jo!““ 


Im wenn et auf ſchwor hölt, doch wenn et feu wert, 
Dann fümmt dui deu Freutuit, muin unriuig Hert, 
Dann reupt wui et oppen um fruiweg beriut: 

„Deu Kunrod es Bruimen und Settken den Briut!“ 


5 


12. Friggerot.°) 


T e83 Wuinachtenobend, wo warm is deu Stoben! 
Sui Jettken, et fitt met den Nae bui'n Oben, 
Oll neienlang blifft en deu MWüppreuen 19) fto’n 
Et trett um et trett, doch dat Rad will nich go’n. 


Deu Kunrod, den hät et 'ne Weden nid) droppen, 
Mat kürt niu deu Luie? Suin Linern un Hoppen 
Wör' ollet umſüß, denn eum ruiferet Luit 
Auf wacd’ret, dat hedd' heu fuit euniger Tuit. 


» Iſt jo geizig, daß er die Grüße zählt. ) geizgigen. 3) neulih. *) macht 
Biegel. *) Verden. 9) Schmetterling. 7) bedauernswert. 9 im fommenden Herbft, 
9) Verlobung. 9) Wipprute, die das Nab treibt. 





— — — — 


=. WER. = 


„Un fürt ſeu fen vell auf, ek kann et nich Leuben, 
Um eune, den LZeufiten konn’ ef lange teuben, 
Un wat fen auf quaddert um fürt, e& mich wohr, 
Sen maket mui Armen dat Herte man jchwor.” 


Deu Mömme, deu hät et oll männ'gmol anfeden, 
„Ei!“ jeggt feu, „ef mott it den Dräumen diu wecken, 
Niu fegg mol, diu Jettken, two denkſt diu wal an? 

An’t Friggen? paß up diu, ek jorge för'n Wann!“ 

„Ei Mönıme, ei Mömme,“ — et fängt an teu gruinen — 
„St je’et dui jünmer, ef haule am muinen! 

Un fruig’ ef den Kunrod, den Hertleufiten nid, 
O, leuf et, ef bluibe muin liebelang frigg!“ 


Dür’t Fenſter fit Mömme. „Bernünftige Aulen, 
Den ſorget, vannobend wert Friggerot haufen. 
Nui ſui man teufriee, heu kümmt oll herin, 
Ek leube gewiſſe, heu es diu no'n Sinn'.“ 


Do kummt oll wer goön, dat Luit, wo ct biebet! 
Do Eloppt et — „Herein!“ — Un dat Jeitken, wo liebet 
Et up, un — „Muim Kunrod!“ — ſeu jiucht et, „len lang 
Hät et Dinert, jo, Mömme, den niem’ ef met Dank!“ 


Niu lacht et, niu grinnt et, dat Jettken, vör Freuden: 
„Muin Kunrod, din Mömme, wo geut find jui beuden!“ 
Deu glinftrigen ') Threinen, ei, wo ſeu'n doch ſto't! 

T e5 Wuihnachtenobend un wed’ Friggerot! 


5 


N. Mösmerske? Spelle.” 
T. Prutifiagdt). 
„Keuerd>) fitt in muinen Weuten, 
'k günn’ enn geren, wat heut frett; 
Obberſter, mui kann't verdreuten, 
Dat dat Beuſt ſeu vell vertrett. 


Secker ftinen heu teu verdruiben! 
Doch, ek könn teu Schaön®) go'n, 
Jut den Kauern?) mott ef bluiben, 
Hault, ef weut hür Rot teu ſchlo'n! 


Stoffel ſe't un reup deu Knechte, 
Nam deu Schweppen?), dügend lang. 
„Dregt mui up de Wagenflechte, 
Jungens, bür't, niu vörwärts, ſchwank! 


) Glaͤrzenden. 2) Moſſenberger (Moſſenberg, eine Ortſchaft in der Nähe von 
Detmold), gleich den Kleinebergern, Beckumern, Wechtern die Schildbürger Weſtfalens. 
S. Sagenſchatz Weſtfalens S. 128 und ff. und S. 254 und F. 9 Märchen. 9 Treibjagd. 
s) Hafe (Kampe). ©) Schaden. ) Korne, °) Beitiche, 


Hartmann, Schagkäftlein weitfälifcher Dichtkunft. 28 


— — — ————  . \ — — — — 


— 434 — 


Vörwärts ging't dür Weuten, Robben’), 
Wo deu Ballerſchweppen?) klang! 
Geren woll heu Keuörd hobben®); 
Oebber düſſe, wo heu ſprang! 


Ned’ deu Beune, ſtreck' deu Auörn, 
Hot un ha ging't, Stoffel drapp*) 
Nich den Grutien®), dür dat Kauern 
Ging't met Klipp un ging't met Klapp. 


Endlick wort deu Haſe meus?), 
Stilleken nam heu Verleuf, 
Stoffel reup: „Heu löppt, ef ſeué 
Ginten geut deu Schelm, deu Deuf. 


’ fin in nenne Früchte goën, 
Obber, feut, wo ollet lätt! 
Sol eun Minske wal erroen, 
Wat jeun lüttket Beuſt verträtt ?“ 


-; 


IN. Ollerhand. 
Deu Morgeniter’n. 


Mag aud die Liebe weinen; 
Es fommt ein Tag des Herrn! 
Nach dunkler Nacht wird fcheinen 
Ein heiler Morgenſtern. 
FM Krummacher. 
Deu Sunne es oll ſunken, 
Seu kümmt, deu duiſt're Nacht. 
Vell' Steren, helle Funken, 
Seu hault an’n Heben?) Wadıt. 


Deu Grautenborg *) ligt duifter, 
Un duiſter jende Grund. 
In jenner aulen Ruiſter“) 
Schlopt Bügel, ſchwart um bunt. 


Deu Jul“) wert fülbenft jchlopen, 
In'n Dörp rögt fi nid, 
Gint achter bui den Schopen 
Walt blaus deu Scheiperfir'') 


Deu Luis ſchlopt in Frieé 
Wal olle, geut un ſchlecht, 
Man blaus up euner Stieö'?) 
53 nau dat Feniter lecht. 
1) Roggen. 2), Ballerpeitiche,. *) hauen. *) traf. 5) Grauen für Haie, ift 
auch im Osnabrückſchen gebräuchlich. #) mübe. ?) Himmel. #) Grotenburg bei Detmold. 
9), Ulme. 10) Eule. u) Schäferhund. 12) Stelle. 


— 435 — 


Do an den Kranfenbedde, 
Bui ſuinen einz’gen Luit, 

Sitt Linchen, jo dat hedde 
Vellicht ne bettre Tuit. 

Dat, hedd’et nich no'n Herten, 
Nor Mömme Willen frigat. 
Nut hölt et vuller Schmerten 
Deu Hänne vör't Gefücht. 

Gewiſſe, et wert gruinen, 
Un’t hät wal Recht doran. 

Niu beit et; „Nammit mui muinen, 
Den geuen, leuben Mann. 


Ek weut et, muine Aulen 
Sind für muin Schickſal blind. 
O, Gott, ek möcht” behaulen 
Muin eunßig, leuber Sind. 

Ek will enn’ geren lehren 
Deu Trubbe?) giegen Gott, 
Un dui, den Högiten ehren 
In Leufte, funner Spott. 

Un es mui nicks nich blieben, 
Of" Kummer, Sorge, Naut, 
Wo geren will 'k enn' gieben 
Muin läßtet betten Braut. 


D’rum [ott, ef be’ dui Heren, 
Woten?) wui Kinner find, 
Mui’t läßte up der Eren, 

Dat leube, jeute Kind!“ 

Do ſui — — deu Lippen rögt et, 
Un: „Mömme* jeggt deu Mund, 
Un met deu Augen ſöcht et 
Deu Mömme, ’t wert gefund. 

Wo Linden upwärts kicket, 
Wo danft et Gott den Her’n, 
Un dür dat Fenſter nicket 
Deu lechte Morgenſter'n. 


=; 
Das Tied vom Falkenftein. 


(In lippiſch-plattdeutſcher Mundart, wie es nod in den vierziger Jahren im dem 
Spinnftuben gefungen wurbe.) 


EE ſach minen Heren von Falkenſteun 
Na fuiner Burg upruiten; 
En Schild feu're boineben fit her, 
Blank Schwerd an fuiner Suiten. 


1) Treue, ?) wozu. 28* 


— 436 — 


„Bott gruiffe jiih Heren von Falkeniteumn, 
Suin jui des Lannes cun Here? 
Säo gievet mui wedder den Gefangenen muin, 
lomme oller Jungfruggen Ehre!“ 


Den Gefangenen, den eck gefangen hebbe, 
De eß mui worden fieur: 
De ligt täorn Falfenfteun in dem Tauern, 
Darin ſoll heu verfiulen. 

„Sall heu täorn Falkenfteun in dem Tauern, 
Sall heu dorin verfiulen ? 
Ei ſäo will eek gigen de Muiren treen 
Un helpen Leufken träorn.“ 


Un 03 je wal gigen de Muiren tratt, 
Heure je chr Leuffen drinne: 
„Sall ed juch helpen, dat ed nid kann, 
Dat nimmt mi Wit un Sinne.“ 

Na Hui! na Hui! Jungfrugge zart, 
Un henilet jugge arme Waiſen. 
Niemt juh up dot Johr eunen annern Mann, 
De juh kann helpen träoren. 

„Nimm ef up dot Johr eunen annern Manın, 
Bui enne möſt eck ichlopen ; 
Säo len ee dann auf muin Träoren nich, 
Schleug heu muine arme Waiſen. 


Gi ſäo woll ec, dat eck eunen Zelter hebde, 
Un olle Sungfruggen rien, 
Säo woll ed met Seren von Falkenſteun 
Homme muin Fuinleuffen itruiden. 

O nei, o nei, muin Jungfrugge zart, 
Dep möſt ed dregen Schanne; 
Niemt jui juggen Lauffen wal bui de Hand, 
Tredet jui domie iut den Lanne. 


„Jut duinen Lanne treck eck ſäo nid), 
Diu gifſt mut dann en Schruiben, 
Wann ed niu fomme in fremde Land, 
Dat ec dorin kann bluiben.“ — 

Os fe wal in de graut Heude fam, 
Wo liude de je do fingen: 

„Niu kann ed den Heren von Falkenſteun 
Met muinen Wäoren twingen. 

Dor ed et niu nich henne jeggen kann, 
Dor will ed denn henne fchruiben: 

Dat ed den van Falkenſteun 
Met muinen Wäoren kann twingen.“ 


=) 


2. Daderborn. 


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De Tobanksfhmeiker, 


int dent dullen Johre achtteihnhunnert achtunverzia. 


Wat is in der Welt för'n Drowen, 
i Un wat geiht et funterbunt! 

Nä, ſeo kann et doch nich blywen; 
Dänn et is te arg jetzund. 

Lot ſe kühren, oll' dei Heeren, 
Wat dat Tuig mänt hallen kann; 

SE will mif?) der nich an kehren, 
Sticke foärts myn Pypken an. 


Wat dat Parlemänt beſinne, 
An dem ganßen grauten Tropp, 
Is am läften End ſeo minne, 
Geiht in mynen Pypenkopp. 
Kamm wat Klaukes van den Lüen, 
Wat us Biuern nütten kann? 
Nichmol wat för mynen Rühen, 
Drüm ſtick' ik myn Pypken an. 


Kyk mol, wiu dei Knaſter glimmet, 
Und de Damp ſtiggt in de Lucht, 

Juſt ſeo, oſ' de Damp verkümmet, 
Is et nix, of’ my beducht 

Met den Dummenkraten-Gäcken; 
Goht my, wo jy 0 för find! 

SE lot’ my dat Pypken jchmeden, 
Blof’ de Grillen in den Wind, 


Ss 
1) Uns: „Niu luftert mol!“ Plattdeutiche a und Anekdoten im 
Paderborner Dialekt. 2. Aufl. Gelle und Leipzig 1877. 9 Der Berfafler „ein Sohn 


ber roten Erde” muß aus dem füblichen Teile ber Diö zeſe — — wo 
man für hochd. mich „mi“ und ‚mik“ neben einander hört, während im Ar a 
derbornſchen, wie überhaupt in Weftfalen, nur die eine Form „mi gebräuchlich iſt 


a — 


Giykmwunfk 
einer weſtföliſten Schwabron, bo be leiwe un gude Rittmeſter terügge fehrte. 


Heran, Kameroden, an düſſem Dage 
Do willt mh jiuchen un Vivat raupen; 
Wei nich helpet, iS nich van juſem Schlage, 
Dei kann mänt gohn, dei kann fit verlaupen. 


Weſtföliſte Jungens, dei meint et van Härten, 
Drum Führt je auf ehrlif un uprichtig Platt; 
De Kumpelmänten mafet us Schmiärten, 

Sn Münster un Sauifte'), do wietet je dat. 


Wy wünſket, Herr Rittmeiter, olles up Geren, 
Wat ſei ſik ſölwer wünifet un wellt; 
Goäd fall ühnen vaken Froide beicheren 
Un Glüde, wat of’ en Balfenjähl?) hält! 


6 
Gelpräk vür der Oſtpoorte by Geiſeke. 


Parodie up 9. Heines Geſprät up der Paderböärniten Heide. 


Hörit du ginnen dei Mufyfe, 
Bäſſe brummen, Geigen Eryifen ? 
By dem luſtigen Geſtryke 
Danßet Druiſken un Lowyſten. 


Gude Fründ, wal tinne Wieken! 
Dat is keine Vigelyne; 
Kleine Fickeln ſind am Quiken, 
Und dar Krunkſen deot de Schwyne. 


Hörſt diu dei Geſänge ſchallen? 
Lutt et nich oſ' in der Kiärken? 
Engelkens mött Kiärke hallen, 

Dat find feine Schwyn' und Fiärken. 


Gude Fründ, je hätt nich ſungen, 
Lot dik Doch nich fen verlocen! 
Gienen find de Gäfejungen 
Met den Göſſeln hönne troden. 


Hör dei Klocken up dem nohen 
Stiftsthorn lühen, klor und helle; 
Suih dei Kiarkenluie gohen 
Na'r Maria-Hülps-Kapälle. 


Gude Fründ, dat ſind dei Schellen 
Van den Oſſen un den Köggen, 
Dei na öhren duiſtern Ställen 
Langſam teihet, lot dy ſeggen! 


9 Soeft. 9) Balkenſeil (Strich. 


weit. 


= 


Suth mol, gienen an der Biefen, 
Mo üt jyne Lämmer dränket, 
Steiht en wunnerwader Miefen, ') 
Wat met igner Schürte wenfet. 


Gude Fründ, din bift im Draume; 
Gienen up dem jchmalen Batte 
By dem haugen Linnenbaume 
Geiht de alle Bujelfatte. 


rund, din denfeit, dat wal mangeft 
Ik nich rächt im Koppe wöre; 
Mak dy dorüm keine Angeſt, 
Ik weit, wat ik ſeih' un höre. 


=; 
Aus „wei vore Jungens“.) 


Euftipiel in zwei Akten in Paderborner Mundart. 


God Jupiter was mol in ſchlächter Yiune; 
„Ik mill en Undier mafen,” raip bei tut, 
„Sn gank geföhrlif, giftig Kriut;“ 
Hei ſoh en gel kriupen unnerm Tiune, 
Un ſchmät en in en grauten Kitel rin, 
Doteo ne Katt, ’en Apen un en Voß; 
Am Kitel ging niu dat Spektakel loß, 
AS fait de Duiwel wit der Helle drin. 
Un Zeus dei Shmät nau drei Bund Uißen rin, 
Toläft en Vugel, diäu me Dörendrägger nennt, 
Hei id auf 05 Neuntöter wal bekennt. 
Dei Kitel briufet up, en Undier kümmet riut, 
Sp griulich, dat dem Jupiter de Hiut 
Gewaltig jchuddert, un vull Angeſt räp bei iut: 
„Heh, Nower, hy! Vulkan, kumm my te Hülpe! 
Mak für dat Undier do ne graute Stülpe; 
Ik weit nich, wo ik Dat Gedierze lote!“ — 
Et wur' im Doärp en Wintelaffefote. 


=; 
Heimmeih.” 


Sin if feer im frümeden Land, 
Nümmes leiw un mwoählbefannt 


1) Mädchen (Geſeker Dialekt). ) „Nir för ungud!“ Plattdeutſche Erzählungen 
und Anekdoten nebit einem Luftipiele im Paderborner Dialekt. Celle und Leipzig 1878, 
Aus „Lähm up!” Mat de Trängſalbote Mattiges Pappftoffel, bei met ſynem Pas 
fteoer im Franßeoſenlanne wiäſen i3 anplas KHöfter, vam grauten Kryge to bertellen 
Grlebniffe im Feldzuge 1870-1871, im’ Paderborner Dialeft mitgeteilt, 


und Leipzig 1878. 


— 42 — 


O, dänn dent’ if, dat de Mynen 
In der Heimat üm mif grynen; 
Sin if feer im Frankenland, 

Nümmes leiw un woählbefannt. 


Na der Heimat ſteiht myn Sinn, 
Mächtig tüiht dat Hiärt mit hün; 
DU myn Sehnen, ol! myn Liewen 
Is jo do terünge bliewen. 
Na der Heimat ſteiht myn Sinn, 
Mächtig tüiht dat Hiärt mif hün. 
Ach, de Heimat is ſeo ſchoin, 
Mer’ ick je je wiederſeihn? 
Sinen Griuß nau möcht ef jennen, 
Gi, ick mot min Liewen enmen, 
Ad, de Heimat 18 ſeo fchoin, 
Mer’ ick je je wicderfeihn ? 


Wiederſeihn! — Wiederfeihn! — — 


— 


3. Marf. Sauerland. 
(FR 


Marf. 
Wilhelm Langewieice. 


(Zebendbeichreibung ſiehe im I. Teil, Seite 170, geftorben zu Godesberg bei Bonn am 
24. März 1854.) 


(Weftfäliiche Volksjagen in Liedern. Barmen und Leipzig.) 


De Wiürwulf.“ 


De Wiärwulf es en aislik Beeit; 
Hä fünft, territt un rowt met Geeft. 
Hä 08 en verwannelt Mensk im Grunne, 
Dä met tem Swatten steht im Bunne. 
De Wulfögeitalt de niemt he an, 
Damett mä'n nich erkennen fanı. 
Mär wern en Kind en iſern Dinf, 
Als Tange, Schiäre ader Rink, 
Em op den Rüggen jmit, um ſuell 
Et dann wier opgript ent vam Fell, 
Ch’ dat de Wiärwulf Tiht gewinnt, 
In Stüde te rieten das ahrme Rind: 
Dann maut das Ungehüer asbald 
Sid wiſen in finer wahren Geitalt. 
Doch hiät me met tem flimmen Gait 
DE dann noch fine leiwe Laſt. — 
Ens tog en Miärwulf üm Ergte biär, 
Wie en lebendig Donneriviär. 
Da wor of ut ter Wulfögeftalt 
Gebracht op ’te Art, aß ef vertallt. 


Da war et dann op ehnmal Klar, 
Dat hä en Mann ut Ergte war. 


*) Gine Probe plattdeuticher Mundart der Srafichaft Mark. 


— 46 — 


Mi band met Kietten den Böſewicht 
Un bragg en na Limburg tam Halsgericht. 


Dat gaw ten Beftäl, met tem Gejellen 
De Waterprowe anteitellen. 
Vam Weöggeriteene ſmet me tän 
Des annern Dages in de Liänn'. 
Wenn hä nu uowen om Mater bieif, 
Co war hä en Herenmeiter un Deif; 
Mä hädd en fattens dann verbrannt 
Zar Wahrnung füär det ganze Land; 
Doch jag mä en te Grunne gaen, 
Sp moften fen Eriegen un lopen laen. 
Ku bleew hä lange, lange buawen; 
De Buren daen Guatt all Inamwen. 
Hä amer reip ten Düwel an: 
Op ehnmal gong hä unner dann. 
Et war ne Natel an finem Rod 
So fwar gewor’n, dat je te diäl en trod. 
Nu hadde hä den Prozeſſ gewunnen. 
Se troden en ’rut, — hä es eutrunnen. 
Bald gonf hä wier as Wiärwulf im, 
Un tärgerde alles üm und tim. 
Hä madte, wat hä freg, Faputt; 
Kuat um! hä was nach butter as butt.— 
Bis ens det Nachts, as hä jleip, fin Wiew 
Aem Füer lagde an fin Liew. 
Da woll em fine Kunſt mich frommen; 
Ganz jümmerlid es hä ümgekommen. 
Doch ha de Satan — darop es Verlat — 
Gewiß allball et niggen prat. 
Un wänn en Wulf düärch de Feller tüht, 
Dü klauk ut gleinigen Ogen ſüht, 


Sp denf da an, wat ef vertalt, 
Un lop dann, wat de Lappen halt. 


O 


Adolf Müller. 


(Lebensbeſchreibung fiehe im I. Teil, Seite 207.) 


(Blattdeutſche Gedichte. Hagen 1876.) 


Prühßge Stükskes, 
Tweib Htüdshes — oabllen Vincke. 


De vahlle Vincke m befannt; 
Hä wah de beite Mann im Land. 
Im bloahen Kiehel eil’e goahn, — 
Mäh Sihde fonn nit biätter ftoahn; 


Moahls Iutter cij’e goahn alleihne; 
Bih Tiehen waſſ'e opp de Beihne, 
Unn fahm ch bih'nem Hähren füdähr 
Unn keihl füöäär Dahge um de Düdähr. 


De Mahget ftond bih'm Füher bih, — 
Unn kuoakkede den Noggenbrih, — 
Mäh hädde'ſe den Winde kannt, 
Se ha’ müh Guoadd den Brih ferbrannt 


„Boah!“ jagg’he, „raup mi eß den Hährn!“ 
„Joah,“ hiett'ſe ſaggt, „eck raup'n uh gährn; 
Mäh röühern mait ih mih den Brih; 

Süß, guodde Fröünd, ferbriennt'e mih. 


Häh ſtallte ſick füööäärt Uoahwenluoack, 
Aß wöähr 'he en galährden Kuoack, 
Souh hiett'e mahket ſiehne Sahten 
Däh ock wuoahl’ eß den Brih beſmahken. 


Unn aß de Hähr eß runner goahn 
Unn ſoahg Hähr Vinck' füöär't Füher ſtoahn, 
Doah hiett'e krühz'get ſick unn ſiäggnet, 
Dat ſohnnem Mann ſouh watt begieggnet. 


— 448 — 


Häh ſoll't doch nit füöäär unguodd niämmen! 
„Du Deihrne,“ ſagg 'he, „ſollſt dih ſgiämmen!“ 
Mäh Vincke ſagg: „Souh Kleihd, ſouh Mann! 
Se ſoahg mi füdär'en Buher an.“ 


Unn lachcherde: „Souh Mann, ſouh Kleihd! 
(st Röühern ch mih gar nit leihd; 
Boah röühert wätt en guodden Brih, 
Doah eß de Binde gährn derbih! 


Oaff Roaht, vaff Brih, eß eihnen Daun; 
(St geiht drümm, dapper inntehaun ! 
Unn batt de Vinck' hiett innerouhert, 
Datt hiett noch lutter guodd efouhert!“ 


“5 


Soelmftürkes, 


Bu de Hähr fan Vaerſt 
te Huhs Enne (Callenberg) et anfonf, dat he met twiälf lahbennige 
Kinner doch noch de tivedde Fran freigh ; unn ock en Stücksken fan Wetter. 
1. 
De Hähr fan Vaerſt woll friagen goahn 
Unn t’eß iäm Ahles wuoahll geroahn; 
Ha waffen Haufen Wieddemann 
Unn pod't am rächen Enne an. 


Hubs Enne waſſ'en netten Plaß, 
Hä hadde Holt unn Koahn unn Graß, 
Unn — unn Kaih en ganzen Tropp, 
Unn Sinner — mähr aß Hoahr' am Kopp. 


Unn aß de' Bruht noah Enne kahm, 
Unn fi’ et Huhs in Obbacht nahm 
Unn ſoagh'et Feih im Salle ſtoahn, 
Unn op de graine Wieſſgen goahn, — 


Doah ſagg 'ſe: „Höätt' eß, laihwe Hähr! 
St wöähr mih rächt, bann Eihnt nit wöähr; — 
Gewiſſe Lüh hett mih eſaggt, 
Ih wöährt met Kinner guodd bedacht.“ 


„„Batt?““ ſagg'he, „Kinner? Guoadd ter Hähr.““ 
Aß bann'e hühlensmoathe wöähr, 
„„Batt führt ih!““ ſagghe. „„Frau unn Kind 
Daip inn'ter koahllen Aehre ſind!““ 


„Bann dat eß — guodd! en Woahrd en Mann! 
Eck well uh tröühßen, buh ed fann! 
Hier eß de Hand! ed mag uh lieh’n! 
So droalj’et geiht, fall Hochtiehd ſien!“ 


— —— 


Bat dat ne fiene Hochtiehd waß! 
Dat waß ne Fraihde opp dem Plaß! 
Twiälf Kinner ſähten rouhd unn friß 
Aß Uöärgelpiehven ümm den Diß! 


„Bat müohget dat füöär Kinner ſihn? —“ 
„„Däh Kinner, Frau, find ahle dien!““ 
„Batt! ahle mien däh twiälfe doah?! 

Dann hett ih mich beluoahgen joah!“ 


„„Neih, Frau, ba'ck ſagg, waß ahle woahr, 
St waß de Woahrheit opp’ et Hoahr; 
Eck ha'ſe in den Seller doahn — 
Nuh — find’ie wicher oppeitoahn!“* 


II. 


Doah fallt mih noch en Stücksken bih; 
Ed hewiw’et hoahrd fan oahlle Lüh. 
Te Wetter waß eß moahl en Mann, 
Däh fonfet boahlle näml'ck an. 


Hö nahm de Bruht met oppe't Feld 
Unn däh, aß höährde iäm de Welt; 
ga weihs iär hier unn doah en Stück, 

uh't grade paßt unn opp guod Glück. 


„Däh Lappen“ ſiett'e, „däh höätt mih, — 
Unt däh — unn däh höätt ouck derbih!“ 
Unn lutter, bann'e weihs unn ſagg, 

Dann däh'he opp ſien Knaih en Slagg. 


Häa badde Rächt! on fienem Beihn 
Doah ſähten Lappens duonn' oppeihn, 
Unn boah'he henndrahp, bann'e ſlaug, 
Doah gaww'et ümmer Lappens g'naug. 


Ann't Leßte waß de Sgelm ſo gan, 
Unn raip unn holl de Ouhgen rau! 
„O Hähr, bat wäf'fi riehke Lüh! 
Batt ed nuh fat, höätt ahle mih!“ 


De Bruht ſaht üöäwwerkopps im Glück 
Unn miärkede nicks fam Sgelmenſtück; 
Mäh aß'ſe waßne Frau, de Bruht, 

Doah kahm'et Sgelmenſtück heruht. 


Bat woll ſe dann? ſe mochche ſwiehgen; 
Se mochche ſelwer iäm betühgen, 
ä hä’ de Ouhgen taueklappet 
Un ter düöhgen wöähr de Bückſe lappet. 
6 


Hartmann, Schagkäftlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 29 


— 50 — 


Rriegslieder 1870-1871. 
In der Nacht op der Wacht. 


Bat fliefftert ter buowen de Stährne fo kloar 
Su der Nadıt, 

Bat ch dat füör en foalt Niggejoahr 
Op der Wadıt. 

Te Sneih jo witt unn et Blaut jo rond, 

Et Liäwen jo Euott unn jo fwanf kömmt de Dond 
In der Nacht op der Wacht. 


Kamroad, die deit de Köälte nit weih, 
Du ildäpeft nu wahrm deip unner dem Sneih; 
Du lieſt un dröümſt di weg ut dem Krieg, 
Tu dröümft fan de Heihme, du dröümſt fan Sieg. 


Bat fiefet de Moand unn de Stährne jo glau, 
Se fiefet mi an aß de Sinner unn Fran. 
Franzouſe komm an mä, hieit de nod) Mauth, — 
Füör Frau un füör Sinner load gärne mien Blaut. 


Nu weid eek nis mä fan Köälle unn Fuoaſt, 
Eck denke an't ißerne Krüz op de Buoaſt, 
Unn mien Gewiär dat hoall ed im Ahrm, 
A wöret mien laiwe Sind jo wahrm. 


Glückſälig Niggivahr, ji igaitet et an, 
Fi ſgaitet Paris mit Kanunnen et an; 
Glückſälig —5 — du dütſge Riek, 
Glückſälig Niggjoahr uſſem Kaiſer tegliek. 


5 


"7 eg — 


Karl Prümer 
* 
geboren am 25. Mai 1846 zu Dortmund, lebt daſelbſt als Haupt: Agent, 
Dichtungen: De weitföliiche Ulenſpeigel. 180. — Weſtfäliſche Volksweisheit. 
1851. — Weſtfäliſche Schwänke. 1882. — Geſtalten und Geſchichten ut 
Weſtfolen. 1883. 


Tri Weſtfolen.“ 


Ariffbetten un Ktaſſbetten.“ Plattdeutſche Gedichte. Denabrikdk 85) 


Min trutzig — trü Weſtfolenland, 
Du büſt mi leif un wert, 
Sau wit auch Guodes Sunne ſchint, 
Hef ek käin Land ſau ehrt. 


Wo mi de Mauder lehrde fromm 
'n billig trüen Sang, 
Do dent ef dran in Luft und Leid 
Min ganzet Liäwen lang. 


Wo gollen = giäl de Ahren lacht, 
Un ef de Leiwite fand, 
Ut Hiärtensgrund: Guot fiägne di, 
/ Min trü Weitfolenland ! 


Un jchlät de leute Stunne min, 
Leg ek de Hand op't Hiä’t: 
Begraft mi in Meitfolenland! 
Dat 18 min leßt Gebiät. 


Dann rufcht it haugen Eiken wild, 
St Stürme bruit met Madt, 
tem, raue Erde, dinen Suon; 
Leif Hätnte, quede Nacht! 


=; 


') Dortmunder Sprechweife. 


Wann Time met Liwe tefammen Haiht.') 


— 42 — 


Im Fräuhjohr. 


O Fräubjohr, Fräujohr, fiälge Tid, 
Mu mäfit du't Hiärt jo graut un wit! 
Füör Arm un Rik, an jeden Ort, 
Do klingt 'n hillig Fräujohrswort. 


De Vüegel fommt van Noh und Fern, 
'n Jedet fingt: Nu luowt 'n Hern! 
Du Menſchentind gedull di fin, 
Et ſall bi di auk Fräuhiohr ſin. 


Un Blaumenglocken lüt ſau wit: 
Wacht op, et is jetzt Fräuhjohrstid! 
Do ſind, ut dunkler Grawesnacht, 
Vüel duſend Blumen opgewacht. 


O Fräubjohr, Fräuhjohr, ſiälge Tid, 
Wu mäbkſt du't Hiärt ſau graut un wit! 
De Gloden litt, a3 wö't Gebiät, 

Diän Friän auf Di, auf di in't Hiä't. 


=; 


Wann Lime met Liwe teſammen ſtaiht, 
'n Stücksken vam Himmel no Grden gaiht, 
Vüörbi iS dat Elend, püörbi de Pin, 


Dann maut et im Hiärten wuohl Yräujohr fin. 
De Glocden, fe füt us diän Friän in't Land, 


Mo 
St 
St 


Liwe un Lime ſik räifet de Hand; 
Knospen, it Rauſen, wu jeiht it ut! 
fift ut de Bleimfes de Leiw' herut. 


Un fühlt du mol Lime bi Lime ftohn, 
Dann jaft du in Andacht vorüöwer gohn; 


Mu boll’ ſtirwt de Blaume, de di noch hüt lacht, 


Blobleimkes un Lime vergot üöwer Nacht. 


) Diet Lied is m’ olt fteirifchet Volkslied un was noch nit druggt. (BE hef 


diäm Schelm von Alpenkind, dat ef in fine Häime opfum, 'n anneren Ro 


bamet et mol in 


Meftfolen ſpazäirn gohn kann. 


5 


antrocken, 


Sauerland. 


Sriedrich Wilhelm Grimme. 


(Lebensbeſchreibung fiche im I. Teil, Seite 217.) 
(Schwänfe und Gedichte in jauerlänbticher Mundart. 6. Aufl. Paderborn 1876.) 


Luafgefank oppet Strnuzerdal. 


Bat aller Ehr und Luawes vull, 
Dia Ehre well if mehren — 
SE luave myi myin Strunzerdal, 
Dat Kraun' op Guaddes Geren. 


Saih Hi de Ruhr, dai graine Ruhr 
Bam Biärge runner fpringen,: 
Wual in de Grund, dai fryie Grund!) 
Met Riusken un met Klingen ? 

Saih’ yi dat Biärg’ op baider Syit 
Bit in de Wolfen raiken, 
In tärem grainen Sumerftoot, 
Met himelbhaugen Aeiken? 


Saih’ yi dai ſwarten Leggen nit, 
Bo ments de Schiuwiut ?) neftet ? 
Dian haugen Thraum, bo ff alltyit 
De Himel oppe reitet? 


Un latt ug op der Höchte nit 
De KHaulebuarn ?) taum Drunfe? 
Hör Hi nit ryiſen Sprint an Sprint 
Byi jedem Stäin un Strunfe? 

Un hör yi no dem Springe nit 
Den Raihbock runner anfen, 
Den Raihbock, diäm des Jäggers Blyi 
Is Ichlagen in de Flanken? 

Hyi briännt de Büſſen üwerall 
Op Hiärteböck un Raihe, 
Un luſtig knaller't op der Palz 
Des Muargens halwer twaie. 


J ) Der freie Grund Aſſinghauſen, früher mit beſonderen Freiheiten belehnt. 
2) Uhu. °) KHühlborn, ein Quell auf dem Asberge. 


Wann dyi de Biärg te hauge i3, 
Dann ſaſte Fraide finnen 
Wual in der grainen Wieſegrund, 
Wual unner failen Linnen. 


Do riusker't van der Wiefenichladht': - — 
Te Ruhr dai bleufet helle, 
Un düär det flore Mater fchütt 
De ſchlanke, blanke Frälle.) 


Dotau do Ichällert alleriyits 
En Singen un Gefrooel, ’) 
Wual tut dem Buſt de Nachtegall, 
Wual tut der Schlucht de Droofel. 


Un frauhe Luie ſtemmet in 
Zaum grainen Qugelfange; 
Se gruißet ug met Sang un Klank 
Op jedem Patt und Gange. 

Sai bait ug fröntlit Dagesthit, 
Un giew’ yi ug ter Kunde, 
Dann faihl’ yi wual nu häimisk ug 
Foort in der äiſten Stunde. 

Glyik fin pi Frönd un Zächkumpier 
Byim luſtigen Geloge; 
Un mait' yi endlik födder gohn, 
Det Schäien gäit ug noge. 

Myi ſelwer find te Stroten niu 
Ganz anders füär geſchriewen: 
Doch alltyit is myin Hiärt' un Sinn 
Im Strunzerdal verbliewen. 

Un bo ik goh' un bo ik ſtoh', 
Well if ſyin' Chr’ vermehren; 
Ik luawe myi myin Strunzerdal, 
Düt Himelryik op Eeren. 


5 


Derlaimet Tuig. 


1. Dat froibfiche Froibiohr. 
De Vügelkes het niu tefammen ſik fungen, 
Niu finger Te, fpringet je, het fe fit laif; 
Viel Blaimefes fint an der Bieke“) entiprungen 
In waigelt un jpaigelt im Water ſik daip; 
Un myi hiät det Froihjohr en Blaimefen bradıt, 
Dat myi in de Augen, in’t Hiärte rin lacht. 


[un mn nn 


8 1) Damm oder Wehr zum Bewäſſern der Wieſen. ) Forelle. *) Zwitſchern. 
ı Bad). 


—— — — — — — 


Yan Blaimekes wual is de Wieſegrund belle: 
Doch awer myin Hiärte is heller vielmol; 
Viel Singen wual klingelt in Biärg un in Delle): 
Myin Hiärte mehr Elingelt af’ alles temol, 


Un alles, wyil’t Froihjohr myi'n Blaimeken bradt, 


Dat myi in de Augen, in’t Härte rin lacht. 


Det Singen der Vügelkes duret nit immer, 
De Blaimefes weert imme Hiärweſte frank, 
Doch Laiwe, doch Laiwe verblögget jo nümmer, 
Un äiwig ſall klingeln myin helle Geſank: 

„St hiät myi det Froihjohr en Blaimeken bracht, 
Dat myi in de Augen, in't Hiärte rin lacht.“ 


3. Sainſucht. 


Jo ik well no dyi, 

Jo ik mott no dyi, 
Laiwe Miäcksken! 
Schäien doh ſau läie, 
Söchten is ſau bitter, 
Jomer dött ſau waihe, 
Laiwe Miäcksken! 

Jo ik well no dyi, 

So if mott no dyi, 
Laiwe Miäcksken! 
Midden imme Schnaie 
Blögget raue Rauſen, 
Wann ik wier dik ſaihe, 
Laiwe Miäcksken! 


Jo ik well no dyi, 
Jo ik mott no dyi, 

Laiwe Miäcksken! 
Wann't ok Fuer Ipiggei, 
Wann de Himel briefet 
Wann et Bränne fchnigaet, 

Laiwe Miädöfen ! 





4. Affſchaid. 
Wual op der bräien MWiägebröit 
Bläif if bedraiwet ſtohn, 
Lait myine fırhten Augen 
Wuall ümm' un ümme gohn. 


1) Senkung, Niederung, Thal, 


— — 


To konn if nit erfennen mehr 
Myin gurre, laime Kind, 
NE ſoh men täre Daifsfen !) 
Nau wäggen diär den Wind. 


Niu was fat wiäg, dat Duarp was wiäg — 
Ik macht’ ala ümmer Halt — 
Do ſoh ik ments den Thauern ?) 
Rau kyiken üwern Wald. 


De Thauere wiäg, um alles wiäg, 
Un was myi nie mehr fund — 
To hort' if doch de Klocken 
Nau genten iut der Grund. 


Met Guadde3 — Heeren — Stlodenflanf, 
Wual met diäm hellen Schall, 
Gruiß if tem leßten Mole 
Dif üwer Biärg un Dal. 


Met Guaddes — Heeren — Klockenklank 
Salt diu befallen ſyin 
In Guaddes — Heeren Hänne — 
Adjüs! un denke mıyin. 
a. 


5. Die Schwalen.’) 


Niu troppet ſik de Schwalen, 
Ft iS wual an der Tyit; 
Sai finget froid am Muargen: 
„Adiüs, wyi maitet wyit!“ 


Doch myi is Gryinens-Moote, 
Mi Schwalen frank un fryi, 
O, könn’ if met ug flaigen, 
Bo if terhäime ſyi! 


(St is jo doch myin Häime 
Nit, bo myin Huisfen ſtäit — 
Es 18 jo doch allälne, 

Bo if moin Glücke wäit. 


Ni Schwalen op der Reife! 
Un wann vi Sai bo. faiht, 
Vertellet iär, vertelfet, 

Dat if ſai gruiken lait. 


— — — 


) Tuch. D Turm, 9) Die Schwalben. 
=; 


— 47 — 


Ztsihjoht. 

De nigge Tyit is kummen hiär 
Met Sunnenihyin, met hellem Wiähr, 
Met Elovem Maienriägen, 

Met Guaddes vullem Siägen. 


Anal ftet de Bauffinf: witt witt witt! 
Vyi awer finget: mit mit mit! 
Et fall op wyier Eeren 
Niu grain und luſtig weeren. 


De andern Bügel in dem Wald 
Het us ganz anders wat vertallt, . 
Un finget Tiuter Sumer, 
Un Sumer, ümmer Sumer. 


Ktein Schrawel, dai verichluatten blitt — 
De Droßel kann füär Wiällmauth nit 
In düſen Fraidentyien 
Sik loten oder lyien. 


De Schwalen in der Lucht vertellt 
Viel Nigges int der wyien Welt! 
De Nachtegall abſunder 
Wäit Wunder üwer Wunder. 


Do mott et blöggen met Gewalt — 
De Stäine ments, dai biyiwet Falt, 
Un füllte Lu’ alläine, 

Dai jelwer find van Stäine. 


Vyi find nit item Stäine hogat, 
Un bet us glyik tau'm Kranze jocht 
De Blaumen op der Haiden 
Un hundertdiuiend Fraiden. 


=, 
Minter. 


Et i3 mut Winter, un Sente Kathryine 
Hiät Schmieten den hätten Stäin intem Rhyine, 
Doch mag et of wintern ſau nog’ und Tau wyit, 
En roihläch Gemaithe hät Sumer alltpit. 


Et is nin Winter — de Stüärfe find tuaggen, 
Det Lauf von den Boimen is ſtuawen und fluaggen, 
Nit Blaume, nit Farwe, jau wyit a8 if jaih': 

Mets haug’ in den Wolfen do blögget de Schnai. 


Et is niu Winter — de Welt i8 verichnigget: 
Do ſinget fain Vugel, de Mile ments jchrigget; 
Do tveert fain Saib op der Strooten nit hoort, 
Det Water hiät ſelwer ſyin Riusken verlohrt. 


=: 468. =: 


Et is niu Winter — et windielt dobinten, 
Vyi maitet us all in de Huiler verichliuten ; 
Vyi jaiht ments de Welt düär Gligen ’) un Glas — 
Bin was et doch Ichoiner, bo Sumer nau was! 


(St is niu Winter un alles berjtuarwen, 
Der ganzen Welt is de Fraide verduarwen, 
Und bat je nit ſelwer im Hiärten drit, ?) 
Dat finnet fe fiefer dobiuten mit. 


Im Winter, bo alles vergohn um verfallen, 
To matt me ſik graine Gedanfen erballen; 
Daun mag et of wintern jau nog’ un ſau wyit, 
En froihlich Gemaithe hiät Sumer alltyit. 


. 


—X 


Friggen is de beſte Koth. 


Hiroth — Niggenoth!“ 

Friggen is de beſte Roth *) 
Niggen Rock un niggen Haut, 
Nigge Schauh un niggen Mauth. 


Hiroth — Niggenoth! 

Friggen is de beſte Roth. 
Müll un Grüs un Spinnewiäwen 
Alles wert to intefiäget. 


Hiroth — Niggenoth! 
Friggen iS de beite Roth. 
Käm' of ſüs nir Niages tau, 
Giet et Doch 'ne nigge Frau. 


Hiroth — Niggenoth! 

Friggen is de befte Roth, 
Hoalt dat allen Düppens®) hiär, 
Zuot je binfen füär de Düähr! 


Hiroth — Niggenoth! 

Friggen is de beſte Roth. 

zann ik myi myin Graitken frigge, 
Weert de ganze Keerel nigge. 


i) Risze. ?) trägt (von dbriägen). 9) Neue Naht. *) Nat. 5) Töpfe. 


25 


4. Müniter. 


(EX: 


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Kottfried Bueren. 


(Kebenöbeichreibung fiehe im I. Teil, Seite 263.) 
(Ausgewählte Gedichte. Münfter 1868.) 


An Sophie £. 
179, 

D Hiärtens — beminte, o myne Sophi! 
Bi Daag un by Nachte verlang’ if na dy; 
Wa'k gaa oder ſtaa, in Busk ader Feld, 
Da, här'k dyne Stemme, da jee if dyn Beld. 

HS de Mann an dem Hiemmel in füsfender !) Nacht 
Met goldenem Schyne de Aerde toladht, 
Sp jöete, To fällig, du leeweſte Wicht, 
So inniklid is my don Engel: Geficht. 

Dyn Dog äs de Hiemmel jo blälik un flaar, 
So ſmöe äffe Side dyn goldene Haar. 
Dyn lachende Mündfen äs Rooſen jo root, 
De ründliden Bäkskes äs Miälfe un Vloot. 

HS Düewkes in Unſchuld fick leew hebt um küſſt, 
So füften wy beyd’ us an Arg, ane Liſt; 
Ik drüdd’ dy de Hände, if nam du in Mara, 
Da wuard my myn Hiärte fo vull un jo warm. 

As wär’ ik in Hiemmel, jo fällig was it, 
St härd’ dyne Wuärde, if ſaag dynen Blick, 
Bergat myne Suargen, myn Kummer, myn Leed, 
Un Alles up Aerden jo wyt um jo breed. 

Wat wär my datieggen wial Salomon: Macht 
Un all ſyne Freuden un all ſyne Pracht, 
Un al ſyn Rickdom, un all fon Glück? 
Toſaam nich jo weert äs dyn enzige Blick. 

Wul waſſe mi) Salomons Pracht in de Welt 
So ſchön nich AS bleyende Lilijen in’t Feld; 
Men Schöner büs du, äſſe Yilijen men find, 
Affe Rooſen men bleyt, äs de Maane men fchint. 

DO! wär'k oof en Künninf met Septer un Troon, 
Un dröög ene gold’ne deimantene Kron' 
Un mwuend’ in Paläften, un liätwde in Pracht, — 
Mat wärt ohne dy? — men Droom in de Nadıt. 


) ) jüffen heißt in Schlaf wiegen. 


TRETEN 


— 


Un wären de wideſten Länder min Ryk, 
Wär’ kyner van allen up Aerden my glyk, 
Wärſtu nich de myne, wat hölpe’t my dann? 
Ik wär’ by dem Rykdom de aarmeite Mann. 

Met dy wuel if liäwen in Hummer un Nood, 
Met dy my begnögen met Waater un Brood, 
In't fleeneite Hüisfen, de aarmeite Mann; 
Doch quämen my Kayſer un Suinninf nid ar. 


=; 


De Biskop Dirk.) 


De Biskop Dirk van Möniter 
Un Marie Magdaleen 
Siert mannig Sterfenfeniter, 
Un jund mu nog bieen 
Int Baradies te ſeen. 


Iwelfhundert vyfuntwintig 
Up Marie Magdaleen 
Legd Biſkop Dirk, jo vindt ſick, 
Ter Kerk den erſten Steen 
Ban Marie Magdaleen. 


Te Marienveld, te wiehen 
De Kerke, nog jo ſchön, 
Quam Dirk in der Abdyen 
Met drei Biskops bieen 
Up Marie Magdaleen. 


Geboren un erwählet 
Up Marie Magdaleen, 
Up Magdaleen entieelet, 
Dekt em äs Lykenſteen 
Het Beld van Magdaleen. 


He däde ſtill berauwen 
Syn Sünd up Magdaleen, 
Ut Leefd' en Kerk her bauwen, 
Drum is he nog bieen 
Met hilge Magdaleen. 
Sin Felt drum will wy fieren 
Te Angelmudd’ alleen, 
Iy Heerens met Brevieren, 
Iy Brouwen im Vereen 
Up Marie Magdaleen. 


— =; 

!) Theodorich III., Graf bon — der 26. Biſchof von Münſter, iſt nach 
ber Chronik der Münſterſchen Biſchöfe auf Magdalentag geboren, auf Magdalentae 
zum Biſchof erwählt und auf Magdalentag geſtorben. 


== U 2 
Lied der Weſtfalen, 


als ihnen ein Fremdling zum König aufgebrungen wurbe. 


Was mwultu Frumdlink in MWeitfalen, 
In't alde vrye duitsfe Land? 
Met Roſſ un Mann kannſtu verdivalen 
In unſe Wölder, Moor un Sand. 


Doch Riekdom vindſtu nich ter Städe, 
De häſtu achtern Rhien genoeg, 
So laat us dann in Rüſt un Vrede 
By Vrau un Kind un Erw' un Ploeg! 


Du drüeſt? — Ha! Ruchen, Drüen und Pralen 
Haldt vaſte duitske Mannen gring; 
't het altyd heeten in Weſtfalen, 
Un't heet noch: „Doen, dat is en Ding!“ 


Kum up! wy wilt äs Mann us wäeren 
Vör Vrau un Kind un Erw' un Hues, 
Dy Nielink alde Moras leeren, 

As olden Tyds Arminius. 


Aarm ſyn wy wul, doch vry gebooren; 
Byt bruene Beer un't ſwarte Brood 
Hew wy nich unſe Kraft verlooren 
In't Feld to ſtaen frank vör den Dood. 


Us deckt kyn Slund, kyn Felſenſpitze, 
As 'thooge Vry — Tiroler Land, 
De Vryheits-Sinn is unſe Stütze, 
De Eenigkeit de Felſenwand. 


Dran haut het Sweert, ſtoot ſick de Lanzen 
As an demantne Felſen krum; 
Met Lieken wil wy drüm verſchanzen 
De Vryheit, unſe Hilligdum. 


Kum up met hundert dueſend Sklaven, 
Met Donnerſchott un ſnuewend Roſſ! 
Salt tummeln in dem bloedjen Graven 
Herunder van het Vryheits-Sloſſ! 


Vry wil wy ſyn; of alle ſterwen, 
Het bloedje Sweert in ſtarre Hand, 
Un redden vör de vrye Erwen 
Het underdrück'de Vaderland. 


J 
X 


Wilbeln Junfmann. 


(Zebenspefchreibung ſiehe im I. Teil, Seite 311.) 
(Gedichte. Ziveite jehr vermehrte Auflage. Münſter 1844.) 


Münfterland. 


1. Die Erfcheinung. 
Nu ichint de Sunne fo hell un jo flaor, 
33 Hiemel jo daip un jo wunderblao. 
Kin Wölksken will gaoen den widen Weg, 
Will laiver fi fünnen in Sunnenledt. 
Nu finget fin Vüglin in Hiemelsſchin, 
Wao de Biede lecht blenket, da ſſummert et in. 
Dat Land jüht jwigend in Hiemelsidin, 
Aes wull et ganz Liäwen, ganz Sunnenglanz fin. 
Sacht knaket dat Holt, lihs wiägt fid dat Blad, 
Still rusfend läop Biedlin fin’n fülvernen Bad. 
Wu en See jo Ichiemert dat Kaorn in Gold 
Un füg vuller Fraide de Straolen fo hold. 
Un vull von Siägen, vull fiäligen Sinn 
Jöver Aeohre de Aeohre ſo fröndlick ſüht hin. 
Daoch iöver dat wide, dat gliemernde Feld 
Süht Waoldes enjame, "bittere Welt; 
Un ſtreckt ſick to'r Sunne de Aeſte met Macht, 
Dao innen is ſwigende, aiſige Nacht. 
Ut der Daipe kümmt ftille de enſame Weg, 
Grao aollernde Eken ümraget dat Steg, 
Aes wull nu de Waold et fick herut, 
Aes wull be nu giewen fin egen Gelut. 
D, up dem Stege welt Hiemeldgeficht, 
Läot brungoldne Locen waihen in Licht; 
DO, dat Muge wu lecht, o, dat Auge wu flaor, 
Aes dat Water jo daip, äs de Hiemel jo blao! 
De witten Glieder jo fchiemernd um fin, 
Aes de biewende Zucht in den junnigen Schin, 


— A — 


So fröndlick un kindlick in frölicken Sinn, 
Et mög' wull en luſtiglick Rehelin ſin. 

Un haör in dem Waolde daor ſtig en Gelut, 
Un de Wind beginnt wiägen de Aeohren ſo lut; 
Und dat Klöcksken von fären giv liſeren Klank, 
Un de Quegel u finft luten Gejant. 

O wäg is nu alles! häv ick wakt odder dräumt? 
Dat Aowentraut nieden de Wolken all ſäumt. 


2. Vorgelchichte. 
Wat kit us de Stärnfes jo fröndlik an; 
O Moder, wat häv ick di laiv! 
O faih, wu fe fpielet un lachet us an, 
O Mopder, wat. häv id di laiv! 
Wat möcht! ick gärn ſpielen met är, 
Moder, könn id men fuomen to är! — 
De Moder küßt fwigend dat laive Kind. 
„Waörn Stärnfes di immer fo guet!“ 
Nu ſlutet jet düſtere Hüesken up, 
De Diör in de Hlinfe nu füolt. 


O Moder, wat rück nejle Hus jo fin, 
Mat iS ueſſe Kiücke fo graut! 

Moder, mat müegt dat für Lüchtkes fin, 
De waihet un fchinet jo raut? 

Bon Iuter Flämmkes ſo'n klainen Krink, 
De ſpielt wull up ueſſem Härd; 

Wat mot dat ſchön in'n Hiemel ſin 

Bi Stärnkes un Engelkes fin! 
De Moder küßt ſwigend dat laive Kind: 
„Min Engel, Got laote mi di!“ 
Dat Maorgenraut witte Händkes beſchint, 
De Moder fit fwigend un grint.*) 


*) Zur Erklärung biene, daß brennende Kerzen ober ein außergewöhnlich 
heller Schein dcs Hausbewohner den baldigen Tod anfagen. 


2 > 


Hartmann, Schagkäftlein weſtfüliſcher Dichtkunſt. 30 


Serdinand Sumbrood, 


geboren I817 zu Münfter, befuchte anfangs das Gyninafium feiner Daterftadt und war 
dann als Vefonomie: Eleve auf einem Gute des Sreiheren von Komberg bejchäftigt. 
Don den dreifiger Jahren an hält er fich wieder in feiner Daterjtadt auf, wo er als 
Rentner lebt. Im Jahre 1871 widmete er feine plattdeutichen Gedichte der Katjerin 
Auaufta, wofür er von derjelben ein eigenhändiges Danfichreiben erhielt. Die platt- 
deutjchen Gedichte von $. Zumbrood wurden bald populär, wovon die verichiedenen 
Auflagen — das erfte Bändchen ijt in der 10. Auflage erichtenen — Zeugnis ablesen. 
Dichtungen: Poetifhe Verſuche in weitfälifher Mundart. 1. Bochn. 
10. Aufl.; 2. Bochn. 3. Aufl.; 3. Bochn. 2. Aufl.; 4. Bochn., Münfter 

1875. — Neue Zimmermanndfprüde. 2. Aufl,, Münfter 1875. 


(Poetiſche Verſuche in weftfäliicher Mundart. 1. Boch. 10. Aufl., Miünfter 1884.) 


Halv adıte, 


„Slött et bald adıte, 
Ick nich mehr wachte, 
Laupe, wat giffit de, wat hält de, 
Nav mine Liebite un Beite! 


Süh’ dao! — min Brüdfen! 
Giff mi en Smütfen ’), 
Kumm an min Hiärt, mine Därne, 
Jeſſes! wat hävvp'k di doch gärne!“ 
„„ Bat blivvft jo lange? 
Ick waſſ all bange, 
Du mögft up Afwiäge fien, 
Wöärſt bi 'ne andre an’t frien.““ 
„Mißtruiſk Miäken, 
Undüegd Fiäken! — 
Moſt di je Blömkes eerſt halen, 
De ſaſt met Mülkes?) betalen!“ 


1%) Beides bebeutet: Küſſe. 


— 47 — 


„„Häſt't nich bergiäten, 
Will'k auf an'n Hiärten 
De Blömfes wahren un hiägen, 
Un drin will’E di alleen driägen.““ 


„sau Kind, dran holle! — 
Nich lange mehr! bolle! — 
Wädſt mine Frau auf för immer, 
Un trennen doh' w’ uſſ dann nümmer.“ 


„„Jan-Bänd!““i) — „Gathrine! 
Du biit de Mine! 
Guod de Här magt’ uff vergünnen, 
Dat wie uff’ Glück möchen finnen!“ 


„„Gued' Nacht! min Näpfen!“* ®) 
„Gued' Nacht! min Schägfen!” 
„„Beſſ Muorgen, jo um halv achte, 
Dann fünte nich, denn ick wachte!“* 


25 
Friäten ut Hand. 


De Jung wurd' von fin Var recht ährt, 
De Junge hadde flitig Lährt, 
Präcepter waor he eene Kär 
Up en Gued bi’n rifen Här, 

He waſſ lüd ſtiw, ſatt wo be ſatt, 
Manneeren hävv he gar nich hat. 

He waſſ geſund, recht ftramm um frisf, 
Att met auf an den Härendift, 

Lück unbeholpen waor be wull, 
Schanneeren däih he auf fick Full, 
Anfonders in de erite Tip, 

Dao feef he nich es up te Sid, 

Se däihn den Teller em full Supp, 
Den namm he hän un att en up. 
Nu gont de Nindfleejt- Teller rund, 
x nammt der aff beif up en Grund. 

e Här, de hadde recht fin Spail, 

De dacht, dat he verhüngert waſſ. 
Män Här Präcepter, — o Här jel 
Den wurd et juer — wat glemmde he! 
65 nut Gemöſ' jo bi em quamm, 
Namm he de Schütel auf wier an. 
Met dat Gemöſ' gonf’t jüft jo met, 
Eſſ't met dat Rindfleft gaohen hät. 


!, Bernhard, 2) Diminutiv don Bernhard, 30% 


— 468 — 
De annern hadden erite all J 
Recht ähre Kuorswill, ähr Gefall. 
Män wenn man doch ſo'n Hunger hät, 
Un eener alls alleene frett, 
Dann kann man doch verdraitlif wären; 
So gonf et auf de annern Hären! 
De Nentemeiter, de dao wall, 
De wurd verbaitlif bi den Spail, 
Den juckde, wat id licht begripe, 
Ganz gewiß de Hungerpipe. 
De inappede, es Präcepter jüſt 
An'n Broaden kreeg wier ſo'n Gelüſt, 
Den Teller för de Näſ' em we 
Un fagg to em recht breed um — 
„Nu id es, um dann du es wier, 
Du Kärl, du frettit jä ag en Dier! — 
Sch hab’ fo gut wie Sie 'n Magen, 
Das wollte ich nur eben jagen.” 
Un darbi gaff he em en Schupp! 
Präcepter feef beriteenert up, 
Verwündert lait he, — jüſte boll 
Es wann he ut de Wolfen foll. 
Em iprunf et es en Band von't Hiärt, 
e ftünde draimaol es en Piärd. 

nn fonf he lut to ropen an: 
„Ich danke Ihnen, lieber Mann! 
Hätten Sie das nicht gefagt, 
Sc hätte hier mich tot geplagt. 
Man jagte mir zu jeder Zeit, 
(58 fordere die Höflichkeit, 
Den Teller rein zu efien. 
Was Vater ſprach, hab's nie vergefjen: 
Junge, fitt mi grad un riff, 
Eſſ't ſick höäret an den Dijf. 
Wenn di auf de Hunger driff, 
Wachte, beſſ man di wat gift, 
Mat aower up den Teller iii, 
Dat mott herunder, dat iſſ will! 
Un es Präcepter dat hadd függt, 
Dao gonk ähr alle up en Lecht. 
Kin Wunder waſſ't auf, dat he fatt, 
Un in drai Dag’ nicks wier att. 


5 
Spazeergank int Fröjaohr. 
Stoffer. 


DO, wat iſſ dat Wiär nao mi Gefall! 
Et iſſ jo warm nu üöwerall 


—— 


De Sunne ſchint fo warm binao, 
Wat iſſ de Hiemel rain un blao; 
So grön, ſo friſk iſſ't buten mu, 
Un wat en Blömkes! — kik es du. 


Bänd. 
Wat ſind de Füegelkes ant Singen, 
Se könnt de Zabe nich betwingen; 
Kik, ſe wietet in der Daod 
Aehre Kuorswill doch fin Raod. 
Dat Nacht'gallmännken ſingt ſo ſöte, 
= fe fin Wiwken in de Möte; 
Se jliept un ſläört ähr allerbeft, 
Beil dat je't ferdig hävot dat Neft. 
Sa, un häppt ſe't dann jo wid, 
Dann brödd dat Wiwken fuller Flit, 
Un he, — he ſitt dann immer döär 
Un ſng ſin Wiwken nett wat föär; 
Un bi den allerwelſen Sank 
Dao wärd em dann de Tid nich lank. 


Stoffer. 
Nu ſüh es an! 'ne Henn' iſſ dao! 
Wull vertain Küken laupt ähr nao! 
Süh! wat ſe kluckt un Soarge hät, 
Un finnt je wat, wat tuckt je nett 
Un ichuddert män de Kükskes ſick, 
Mat mäd fe ſik dann frus un dic, 
St böht de Fiädern all ut een’, 
Se laupt der under all bi’n een’, 
Se brödd je nu ganz tutke wier, 
Gt iſſ ganz nütlick met ſo'n Dier. 
O Jees! — dao kümp de Rüh’ ut’t Hus! 
D Jees, wat wärd fe dull um krus, 
Sih, je dedt den ganzen Tropp, 
Se —D den grauten Rühn nao'n Kopp! 
Nu kik, de Rüh hävp nid et Hiärt, 
Knipp tüsfen fine Been’ den Stlärt, 
Un g sh der döär, fo gau — e kann; 
Dat füht ſick doch plaſſeerli 
Wöär jide Mor jo för ähr Kind, 
Eſſ't — för de Küken ſind, 
Sau, Bänd, dat Dingen, dat iff flaor, 
Dat wär würklick wundergor! 


Bänd. 
Süh, de Piard find in de Waide; 
Wat de Flof find; — alle baide! - 


— 470 — 


Staoht fatt bi’n eene, Piärd an Piärd, 
Wao't een’ en Kopp, häbpt anner'n Stiärt, — 
Slaot mät den Stiärt nu immter to, 

Un wiäret fick de Flaigen jo. 


Stoffer. 


Wat 'ne Klockheit iſſ dat wier! 
Man ſöllt nich ſäggen! — kik ſo'n Dier! 


Bänd. 


Ja, dat iſſ wiſſ, dat jider Mann 

Auf von de Diers viel lähren kann. 
Stoffer. 

Ja woll, ja woll; — dat függ ick met, 

Guod de Här mokt gued um nett. 

So Meniten, de full Laighaid find, 

DO, wäören fe män nich fo blind, 

Se möflen ftaohn un fäggen bier: 

Wi find doc dummer es ſo'n Dier! 


Ss 


(Boetiiche Verſuche in weſtfäliſcher Diundart. 2. Bündchen, 3. Aufl. Münfter 1872.) 
De Spazeergank, 


De Pipen baide vecht in’n Damp 
Gonk Hiärm un Giärd von Kamp to Kamp: 
„sc gläum’, dat et gud Wiäder wäd; — 
Süh wat de Wait nu prächtig lät!* 
„„Jau,““ — ſagg Giärd, — „dat's ftäödig Kaorn, 
Dat Wiäder föll nu ümme ſlaon?““ 
„Jau,“ — ſagg Hiärm, — „mi dücht et fo, 
De brunen Sniggen, HE män to! 
De fliepet nu fin Merde mehr, 
Un dann wäd't immer gued Wiär.“ 
„„Ao well dao all an gläuwen kann!““ 
„sau! dao kannſt du fait up an! 
Un de Paop) hävp nich mehr ichrait, 
De — aower grühlik kraiht!“ 
Giärd aower ſagg: „„Wat ’E ſäggen kann, 
Dat P'rometer iſt ant Stiegen an!““ 
„Ao wat! — da ſwig män ganz von ſtill, 
Dat döht jä raine, wat et will! — 
Gued Wider wäd't, un dat gelt düffe Pipe, 
Giſtern hävp et drommt de dicke Mike!“ 


) Pfau. 


— 41 — 


„„Mike, Mike! — hän un hiär; — 
Man häört jä nix es Mike mehr! 
Gued Wiär? — Gott giew et män, 
Et ſapket nu all vertain Dag ſo hän! — 
Nu ſüh! — wu ſchön dat Flaſſ dao lät!““ 
Ick fett’ min Piep', de Mike hät —!“ 
„„All widder Mik' — de Donner hal! 
So nu laup den Baum der dal! 
Ick gläum’, die gaiht't es uffe Hang, 
Kollersk biſt du dörhän ganz!“ 
„Ao! — wat is dat nu för'n Küren!“ 
Jau, Kärl, du biſt ant Slüren; 
Mäkſt immer nu ſo'n Kalvsgeſicht, 
Un drinken döhſt du es en Wicht!““ 
Se gongen, Hiärm keek ut de Sit, 
He ward för't erſt kin Wäördken quit. 
* gonk, un wao en Blömken ſtonn, 

ao plückd' he't von den Grunde von 
Un drückd' et ſtille an fin Hiärt. 
„Ei, wat i8 dat mı wier?“ ſagg Giärd. 
„„Wu jo? wu denn? — ao, aol““ 
„Bit du verrücdt? — wat daihſt du dan? 
Du biſt en dummen Baos, 
En rechten Narrenflaos! 
Wel melket dao? — kik dao hän! — kikel“ 
„„Der Donner ſlao! jau, dat is Mike!““ 
Un he trock dat Wams torecht, 
De Halsdok ſatt em auf to ſlecht, 
Stoaf in de Taſt de Pipe 
Un gängelde nao Mike 
„Guden Aobend Mite! 
Süh! — de Koh is bolle like!“ 
„„De hävvp ſik gud — nich waohr?““ 
„sau, dat häbv je — ſtump ganz raor! 
Wat fannit du dao met ferdig wären!“ 
„„Wat man a fann, dat mott man führen, en 
„Dat is jo! — ä — häm! — et wäd - 
Nu Aobends al — nett!“ 
„All? et is jä Midde Juni boll!““ 
„Ja Midde Juni, — ja woll, ja woll! 
Et is hier aower ſo nett — hier!“ 
„„Bis du gärne bi de Dier?““ 
„Jau! — aower ſo — ähäm! — ſo — 
Maind' ick't nich — de Koh“ — 
„„De Koh is bolle like!““ 
„Ne! — verſtaoh mi recht, du Mike! 
Wao du bift, dao geföllt mi’t jo!“ 
„„Ao ung’! — nu gaoh doch to!““ — 


— 412 — 


„Ne 'tt8 appatten mi bedacht, 

Min Moder hävv erit d'räöwer lacht, 
Antleſt' — dao häpo je aower jagt" — 
Un nu entitonn 'ne Grämiterie, 

Mike melfede forbi. 

„Se häpv faggt: Dat ich, wenn di't geföll, 
Di män en Mülken giewen fol.“ 

Un Hand in Hand, jo ftonnen baide, 
Midden in de gröne Waide, 

De Maone quamm 

Un keek je baide an; 

De Köhe laggen dao un bier, 

Un fauden wier; 

De Iſel Schraide nao den Stall, 

Un Giärd feef to, lag achtern Mall, 
Dao gafft' en Mülfen fo un fo, 

Un fin Hiärt freeg fe derto. 

Un nao’n Jahr, off To, 

Hadd' Mike ähre egne Koh. 


Ss 


En gueden Kaod met up de Kalle, 


Nu mal wi von de Sak en Erd, 
Wat id all lang di drühbe, 
Du wärft in Hus mi to verwend, 
De ſaſſt bi ann’re Lüde. 


Un wat id di mu jäggen will, 
Dat niem di recht to Hiärten, 
Un wuſſt du klok daohn, Anzibill! 
Dann moſſt du't nüms vergiäten. 


Staoh' fröh up, propper kleed' di dann, 
Un gaoh' in Goades Kiärke; 
So fank du jieden Dag män an, 
Dann ſiägnt he dine Wiärke. 


Sägg nett de Menſken Tid von'n Dag, 
De di kummt in de Möte. 
Doh' alles nett met Oäwerlag, 
Un ſie flink up de Föte. . 


Goah riſk up, duk' nich jo in'n cem’, 
Grip driſt an, fie nich blaide, 
Un fann’t nich eene Hand alleen’, 
Dann niem fe alle baide. 


— 413 — 


Sie auf nich faorts jo ängſtlik, Kind! 
Un biew' nich es ne Rüſke, 
Wär auf nid iwrig to geiwind, 
Gaiht dit nich nao de Müſtke. 


Sie nich to aitel, hang’ di an 
Nich all’rhand dumme Dinger, 
Un wat id gar nic liden kann, 
Snüt di mid in de Finger! 


Un ſittſt du Middags bi den Diff, 
Laot baide Hände faihen, 
Sitt up den Stohl recht grad um riff, 
Laot an den Kopp dat Klaihen! 


Jät' rejolut, dat draff wull fin, 
Moſſt aower nid fo fmaden, 
Dat Häwerlaote du de Smin, 
Kür’ nich met fulle Baden. 


Dat Burren in de Niäſe laot, 
Dat mag ic gar nich liden, 
Un moſſt dur gapen, fie paraot! 
De Hand fürn Mund bi Tiden! 


Bit di de Niägel auf nich aff, 
Snid’ mankit je met de Schäre. 
Un wat man nüms veradten draft, 
Dat is 'ne gude Lähre. 


Un daorüm niem du minen Naod 
Di auf jo recht to Hiärten, 
Dann gaiht dit gud — jau in der Daod! 
Goad wärd di nich vergiäten. 


Doch Iufter, Kind! dao is noch mat, 
Dat mott ic di noch fäggen, 
Söll, — et paffeert jä dit um dat, 
Sic es din Hiärt lück weggen, 

Ick maine, du verſtaihſt mi wull, 
Söägſt du en Mann es gärne, 
Dann handle nich es wahn un dull, 
Fraog' din Vernüll erſt, Därne! 


Jau fraog de Eldern erſt üm Raod, 
Laot ſe nich ſien de Leſten, 
Günn du ähr faorts dat erſte Waod, 
Se main't met di am beſten. 


Denn gaiht dat Hiärt met den Verſtand 
Un met der Eldern Raoden, 
Nich immer hüpſke Hand in Hand, 
Dann könn't wull es geraoden; 


— 414 — 


Dat di de hil’ge Eheitand 
Noch würd’ tor waohren Bine, 
Denn Kärls, de fpielt, hävo nog ick fannd, 
Un Rärls, de ſupt cs Swiene. 


Dann wahr auf dine Tunge nett, 
Den?’ erite, wuſſt du füren, 
Wenn man dat Hus ant briänen hät, 
Is laig de Brand to itüren. 


Nu gaoh, min Kind, Gott ſiägne di! 
Mofit immer flitig lähren, 
Dan gaiht de Tid auf gau förbi, 
Holt di in Tucht un Ehren. 
=; 
(Poetische Versuche in Weitfälifcher Mundart. 3. Bändchen, 4. Aufl. Münſter 1881.) 
Ian -Bärnd w'n Gafhof. 
San: Bärnd hadd' ne Koh verfofft 
So aud, es he’t nich hadde glofft, 


He wull fit wat to gude daohn, 
Un iäten ſick'n gebraoden Hohn. 


In'n fienen Gaſthof, duſend jau! 
So prächtig es een Schloß genan, 
Dao gonk he breedſpoarig herin, 
Un förderd' ſick ne Pulle Wien. 
So'n Bürſtken met'n koat't Jäcksken an, 
Se nommden Kellner all den Mann, 
Dat putkede för em händal, 
Um ledd em in en grauten Saal. 


Dao waſſ't fo ichön, un an de Wand 
Dao hongen Belder allerhand, 
Un lange Diſke, ipiegelblank, 
De ſton'n den ganzen Saal entlanf. 


Un wao hän he feef, ſaog he ſick 

Met dat Geficht fo raud un did. 
He jetted’ fick an'n Diff heran, 
De Kellner brochd' den Wien em dann. 

Un nu daih em de Kellner hier 
Auf in de Hand een lank Papier: 
„Hier iſt die Speifefarte! wie 
Und was davoı befehlen Sie?“ 

Wat Spieſekarte! dachd' uſſe Mann, 
Wat helpt't, wenn man nich liäſen kann? 
He dachd' bi ſick; wat is to daohn? 
Beſtelld' ſick een gebraoden Hohn. 


Dewiel drunk he met fullen Fliet. 
Un fpeeg recht dapper up de Sied, 
Wat wull den Stellner nich gefoll, 
De't Hohn em brochde alljoboll. 


Denn ſobts daorup quamm he in'n Saal 
Un ſettedd'n Spieguapv em dao dal. 
De ſpeeg ut, wat be män konn, 
Män nich dan, woa de Spiegnapp ſtonn. 


Dat Dingen waſſ von fien PBorz’lain, 
So'n Dingen hadd’ he nümmer ſaihn, 
Un dat he dao in Ipiegen joll, 

Waſſ't, wat em wife nich infoll. 


De Kellner quamm nao foate Tied, 
Stellt Näppfen an de and're Sied, 

Dao fpeeg de Buer wier wat he fon, 
Dao hän, woa’t Näppken gar nich ftonn. 
De Kellner dachd': 'tis doc fatal! 
Beritelld’ den Spiegnapp noch een Maol, 

Dao leggd' de Buer de Gaobel hän 
Un fchoaf den Spiegnapp wier dao dänn 


Un fagg jo recht weſtfäöliſk frech: 
‚Bliffſt du nich met dien Dingen weg, 
Dann ipieg’ ick di in dullen Sinn, 

So waohr'k bier fitte! midden drin I 


5 


(Boetiiche Verfuhe im weſtfaliſcher Mundart. 1. Bändchen.) 


Dat Fuegelſchaiten. 


In't Duorp iſſ Fuegelſchaiten, 
Un dat ſind kiene Klainigkeiten, 
Wat da iſſ, herute mott, 
Kin Wim bliff up den Füerpott. 
Scmedderrenftenten! Dao kummt fe an, 
Aoll' un Junge, Mann an Mann; 
För up gaiht de Klanette, 
— Poſaune un Trompette, 
ann folget de beblömte Fuegel, 
De aolle Künink, en Kerl rund eff ne Kuegel, 
De Büörgermeiter kümp ſodann, 
Auk en ſtöädgen, ſtrammen Mann, 
Un m de andre lange Strank, 
Met Donnerbüffen, did un lanf. 
Se ftäft den guepel up de Stange, 
Se trummelt ’n lück, dann duert't nich lange; 


ui 


— 46 — 


De nu de aolle Künink if, 

De döht den Schuſſ; män he gonf mifl. 

De Small, de waſſ wull ſtark genog, 

Sp dat he boll an'n Grunde flaog, 

Män de Fuegel miffd’ fin Oahr, 

De Fuegel bleev ganz eff he waor. 

Te Büörgemefter ſchuot nu wier, 

To leede däih be nits dat Dier; 

Nu quamm aoll! Jans: „Wacht Fuegel! 

Hier doh'k der in de diärde Kuegel, 

SE will di Mores lähren!“ — 

De Fuegel däih ſick niks drüm fchiären. 
Dewiel mı alle waor'n ant Schaiten, 
Paſſeerden allerhand Klainigkeiten. 

Jan Giärd Strieper, 

De oalle Schlieker, 

Den waor dat Schaiten ſiemlick glik. 

De ſtonn immer bi de Muſik; 

De Poſaun' gonk up un aff, 

Wat em dat meerite Wunder gaff; 

Tolegt pod he denn unden an: 

„Billicht, dat ick ju helpen fann, 

Ji krig't 't alleene nich herunder! 

Dao iſſ de End — dat giff mi Wunder!“ 
De aover namm den End wier an 

Un ſtuok en wier der uppe dann; 

Dat gaff nu Jan-Giärd noch mehr Wunder; 
„Ick dacht' wöärſt froh, du hädd'ſt t herunder. 
Min'twiägen ſchuf in igkeit, 

Jedweder häpp’ fin Egenheit!“ 

Un dör de Hiegen hän un wier 

Glurden Wichtkes blank un ſchir, 

De Fötkes wull'n nich ſtille ern 
Wull’n aps'lut tom Danzen gaohn. 
Un de Fuegel jatt noch immer up de Stange, 
Bänd - Hiärm män mof em eenmaol bange. 

„St wat, ei wat!“ Dao quamm wull hän un wier 
Eſſ dör de Strüf’ en Frier, 

Män inäpit waor jide Därne, 

Danzen wull'n je alle gärne, 

San Giärd quamm auf heran 

Un keek fick iſſ de Wichtkes an. 

„Düthin’, wat biit du wader, 

De Fuegel eff en taoh'n Rader; 

Din Melcherd ftaiht dao auf, min Rind, 

Schütt Iutter Yöcer in den Wind! 

De ſon'n graut Dier nich driäpen kann, 

Den näim E doch nicht to'm Frier an!“ 


= 4m 


„„Du ſöll'ſt et wull nich biäter mafen, 
Du könnſt dao wiſſe auf niks rafen!* * 
„Ao Därn’! — ick mak ne Wedde, 
Wann ick Verlöf män hädde, 

Dat'k di teihn Mülkes giewen dröff, 
Dat'k immer midd'n upt Mülken tröff!“ 
Endliks, eſſ de Sunne ſunk, 

Dao beſluoten Aoll un Junk, 

Den Fuegel wull'n ſe h'runder krigen, 
Bänd-Hiärm ſöll Künink bliwen; 

Unt met de Bile gonk't nu loſſ, 

Beil de Fuegel wiken moſſ. 

Nu waor'n de Wichtkes alle froh, 

All's laip up den Künink to, 
Bekränzden em ganz dör un dör, 

Eſſ wann he ſölv'ſt ne Blome wör, 
Gerdrüken waſſ nao ſinen Sinn, 
Gerdrüken wurde Künigin, 

Un all de andern hakden in 

Met Därnkes ganz naoh ähren Sinn, 
Un nao den Danzbüen gonk de Trupp, 
De Muſik immer fören up. 

Dao gonf et recht vergnöglif to, 

Beil en Uhr off veere fo; 

Un de Künigin 

Waſſ Bänd - Hlärmen ganz nao 'n Sinn; 
Män cent, bat waſſ doch to beflagen, 
Se häwwi ſick nich eff ſlagen. 


26 


Burenkaffe. 


De blanke Kiettel ftaiht all up den Diſk, 
De Smand iff fett um friff; 
Knabbeln, Stuten, al’s ii 
De Buotter giäl eff Gold un — eſſ' ne Nuet. 
Seſſ Taſſen ſtaoht dao blank un fin, 
En grauten Kaffe ſall dao ſin. 
De Meerske fi al fat herut, 
Se ſüht noch nifs, häört fin Gelut. 
Dao bliek’t de Rühe, wat he kann, 
Un fühl! — dao fummt fe alle an: 
Meerske Maihoff, Gerbrüf Maſſel, 
Mithin, Greit’ un Miele Haffel. 
„Dät'ſſ ja gued, dat jt der find, 
Nur to! — nu fettet ju geſchwind!“ 
Un dei Kiettel päk je an, 
Sett’t en up den Wippup dann, 


— 418 — 


De Wippup gaiht nu up un dal 

Dane Maot un oane Tal. 

Bi den Stuten, bi den Knabbeln 

Sind ſe immer dör te krabbeln; 

Alles ſmäck ähr garnich ſlecht, 

Se verändert ſick es recht. 

„Nu ſägg eſſ, Miek, wu't an juhen Huſe gaiht, 
Wu dat Koarn, dat Flaſſ dao ſtaiht?“ 
„„Oa! — dat Koarn, dat gaiht, un dat Flaſſ dat lät 
Nu ganz äislik nett; — 

Et hävn de Blomen in de Mule!““ 
„St uffe, dat ligg rain in’t Fule, 

Dao up de Signik, weeſt du wull, 

Dao höllt dat Water ſick to dull!“ 
„Srait’, wu iſſ't met juhe Köhe dann?“ 
„„Oa, dat gaiht noch an! 

Dei up Wittkopp un de bunt' 

Eind de Köh' noch all geſund!““ 
„Meersfe Maifel, ji töwet wier, 

Reek't mi eſſ ju Schöälfen hier!““ 
„Ick dank’, ick drunk all ſiewen!““ 
„Wu gaiht dann Jan Hinniksken?“ 
„„De iſſ al an de graute O‘!““ 

„u jügg’ e8 an, nu gach’ doch to!“ 
„„Män de Magiiter ſagg mi lest, 

He begreep nich up et Bet’! 

He hädd' nu all drai Wiäk an de graute „O* fährt, 
Un möc’t dod immer noch verführt!“ 
„Da, wat maint denn auf de Mann, 
So gaiht dat auk nich an, 

Ick hadde met dat Bokſtebeeren 

Wiſſ' drai Jaohre wat to wehren! 
Mithin' ſitt dao eſſ en Pöälken, 

Alloh Därn, drink noch'n Schöälken!“ 
„„Jau! — män ſachte, ſachte, 

Düt iſſ mine achte!““ 

„Wu iſſ't nu met de Frierie?“ 

„„Da, de Jung' dögg' nich för mi! 
Immer bi de Fueſelpullen, 

Dann ſick in de Gravens rullen, 

Dat, ſägg't es ſölvſt, ſo en’tu Mann, 
Off id den niämen kann!““ 

„Ne! — dat’3 waohr, dat laot du blitwen, 
Kannſt noch wull en andern frigen! 
Meerske Maihoff, wu iff et danıı? 
Aet't doch ei en Butteramm!“ 

„Jal ik Hävo’ all düftig giäten, 
Häpv’ auf all fo lange ſiäten!““ 


„Net — nu fangt boch ſölk's nih an, 
Müet't ji wieder nao den Mann?“ 

„„Dao häbv’f doch nicks von in den Sinn, 
SE weet wull, dat'k den wieder finn!““ 
„Boa ifj he dann 

Nu juhe Mann?” 

„De fitt an de Müer 

Un jpigg in’t Füer!““ 

„sa, dat Mannslühtüg! — de min, 

De fall nu wull ant Koaten fin!“ 

„„Jä, nu wäd et aover Tid, 

Ick hävve noch ein Stündken wid !”* 

„Un ji andern, auf all goahn ?* 

„„Ja! — dat fall fit wull verſtaohn! 
Weeſt wull, wenn de Statt’ ut'n Hufe gaibt, 
De Mühſe up de Bänke EHaiht!“ 

„„Wi fägget Dank för Kaffe un Butteramım, 
Nu ſpriäk't eff bolle bi uſſ an!“* 


=; 
(Boetiiche Verfuche in weftfäliiher Mundart. 2. Bochn. 3. Aufl. Miünfter 1872.) 


De hillige Zudgerus un de Gänfe, 


Es 't Chriftendom bier an to foeten fonf, 
Yudgerus noch up Merden gonk, 

Dao gonk de hill’ge Mann, es je vertellt, 
Bi Billerbief es däwer Feld. 

He quanım nu. alle Wil förbi 

An io 'ne lütke Kiötterie; 

De Kiötter, de juft hodd' de Koh, 

Gonk life up Yudgerus to 

Un jagg: „OD Här, wat häbp’f 'ne Naud, 
Ick hol’ in’t Shapp fin Stücksken Braud! 
Mi kummt jo viele Gäuf’ up't Land 

Un maft mi ſtump doch all's to Schand! 
SE hävp' je jagd, fo viel ick konn, 

Sc Erieg de Diers der gar nich von!“ 
Dao lachede de hill’ge Mann: 

„„Ao wat, — ao wat!““ fo fong be an, 
Du büs jä 'n dummen Bur, 

Sägg to de Gäufe e8 recht tur: 

So faorten ſchiärt ju all’ 

In minen Suegenftall!“* — 

Un daomet gonf be weg bon dao, 

De Buer feef ent verwindert nao, 

Män dat bearep he doch derbon, 

Dat, wenn’t nid) badden, auf nicks ichaden konn. 


He gonf der hän und raip ganz bäufe: 
„Bat daoh’ ji up min Land, ji Gäuſe? 
Pakt ju, un fchtärt ju al’ 
— in den Suegenſtall!“ — 
n effen hadd' he't 6 dat Woard, 
Dao putkeden ſe alle foart, 
So gau, es't effen gaohen konn, 
Sn den Stall, de aopen ſtonn! 
De Bur de trude nich fin Auge, 
He wünderde fick baumeshauge, 
Män he mogg fiefen, wat he wull, 
De Stall, de waſſ von Gäufe full. — 
Den annern Dagg frogg bi den Mann 
De billige Yudgerus an: 
„„Wu is't nu met de Gäuſe gaohn?““ 
Dav hävvb de Buer en er daohn. 
„Här!“ ſagg de, „Te fittet all 
Ganz ardig in den Suegenitall!” 
Dao lachede de hill’ge Dann 
Un feef den Stall full Gäufe an 
Un drüh’de met den Finger faot: 
„„Da ji nich ut den Stall wier gaoh't!““ 
De Gänfe blewen nu auf all’ 
In den Kiötter finen Stall; 
Un de waſſ daorüm wiſſ' nich bäuie, 
De wurde rief met fine Gäuſe. 
Un dat in Billerbief noch hüt 
Man jolfe wahne!) Beddens ſüht, 
Tom minnften bi de Würde doch, 
Dat kümp von düffe Gäuſe noch. 


’) unmäßig groß. 


5 


DBermann Landois. 


(Lebensbeichreibung ſiehe im 1. Teil, Seite 329.) 


(Franz Eſſink fien Liäwen un Driewen äs aolt Mönftersf Kind.) 
(1. Sumoriftiiher Teil: Bi Liämwtieden. 5. Aufl, Münſter 1833.) 


De Mönfterfke Junge. 
(Melodie: Ich bin der Doftor Eijenbart.) 


So'n Möniterif sind dat iſſ en Strid 
AU von den eriten Nugenblid; 
Menn he fümp an’t Dageslicht, 
Mäd he faorts en froh Geficht. 


Strampelt mit de Beene dann, 
Schreit män, wat he jchreien kann, 
Dreiht je em auf in den Puck, 
Schläöp nid) bis he hät en Schlud. 


Waffe döht je hennig io, 
Män iſſ weerig äs der to, 
Fief Bullen Miälk' en eenen Dag, 
Twee Eier he all gärne mag. 


Hät he erit 'ne Pure an, 
Kleit up Stöhl’ und Diffe dann, 
Mäck in Hufe graut Gepolter, 
Schläött auf mankſen Stolterbolter. 


Kümp be in de Schol’ herin, 
Wiff he faots den dullen Sinn, 
Aergert immer den Hallähr, 
Kloppt fick met de Jungs ümher. 


Spielen döht he auf nu vull 
Met Bäskes un Pottholper wull, 
Ball in Kühlod, blinde Koh, 
Retber und Schandarm derto. 


Hartmann, Schagkäftlein weſtfäliſcher Dichtkunft. 31 


= "ARD, 


Schmitt met dicke Kiejelfteene, 
Trätt de Damen up de Teene, 
Blinde Müſe mott he jagen, 

De Polſei frigg em bi’n Kragen. 

Schole läöpp he oft vüörbi, 
Denkt, dat iſſ män Aperie, 
Vüör de Paot' an alle Hiegen, 
Schüddelt he de Jäckertiewen.) 

Met ne Naodel un Padgaorn 
Rann he ftundenlank wull ftaohn 
An de Gräfte un de Ao, 

Stidlinge de fünf he dao. 

Vüör Leigheit kann he gar nich duren, 
He tredt von’t Rad dat Lüns?) den Buren, 
Appeln, Prumen nimmt be met, 

Kerigg auf mankſen dao fien Fett. 

Met Fligenbuogen geiht he looſſ, 
Steiht an'n Baum ftill äs en Kloſſ, 
Schütt up jiden Vuegel gliek, 

De män fümp in fien Berief. 


Siene Freude iſſ oft graut, 

ät he'n Stück Johannisbraut, 

temmkokenwater in de Flaske, 
Un den Dopp in ſiene Taſte. 


En Windvuegel den läött he ſtiegen, 
Sappholt weet he nog te kriegen, 
Knallbüſſen mäck he met Geſchick, 

In dat Plümms dao bad’t he ſick. 


Kümpt he ut de Schole denn, 
'n Meſter ſöch de Vader em, 
Krigg mehr Schliäge äs te friätten, 
Läött ſick aower gar nix miärken. 


Sunndags Naomdags hät he frie, 
Geiht all up de Frieerie, 
Nao'n Maikuotten met de Därne, 
Spielt he dicke fette Kärne. 


Ein! zwei! drei! nu Wittmann los, 
Drinkt ne Kruke Keit dao blos, 
Un ſien Wicht dat drinkt noch met, 
De findt dat ſo eislik nett. 


Wao't män wat te danzen giff, 
Bes to't Ende he ſicher bliww, 
Den Galopp un Reichsverweſer, 
Lährt he bi de aollen Heeſer. 


Maitafer. 2) Achsnagel. 


zu, "ABO. 


Si he äs Gefell mu riep, 
Rauft he eene lange Piep’, 
Beſöch Concert he un Theater, 
Alle Aowend werd’t em later. 


Aollen Klaoren günnt he fid, 
Mandien wädd he fnüppeldid, 
Gütt he Schnaps um Beer herunder, 
Kümp in’t Höfffen, iſſ't fien Wunder. 
Män he iif luftig immer to, 
Sien Bader waſſ jä täbenfo, 


Stautet an, dat mein’ ick iäben, 
Dat Mönſterſk Kind, hauch fall et liäben! 


=), 
feed van Paſtoor fiene Koh. 


Solo: Laot uff fing’'n dat nie Leed, 
Mat bi Möniter iff pafleert: 
Don Paſtoor fien’ Koh! 
Chor: Trialo, trialo, von Paſtoor fien’ Koh la loh! 
Trialo, trialo, von Paſtoor jien’ Koh! 
De Melodie fteiht up de Düör, 
De Oſſe ſölwſt brüllt je ju vüör. 
Dat waſſ wat Aol’3 un allbefannt, 
Dat de Paſtraot den beiten Schmand. 


De Kinder wuffen’t äs en Book, 
De Handfeif’ doch am beiten jchmoof. 


Auf up en Markt uff man et gued, 
De Buotter ſöt waſſ äs ne Nuett. 


aftoor drumf gärne reinen Wien, 

agg: „Miälk' draff auf nich taufet ſien.“ 
De Möers in’t Kindbett luowden ehr 
Dat ſtiew'ge Kärnemiälkswarmbeer. 


Dat Korn wäſſ doch am allerbeſt — 
Sagg Schulte — nao den fetten Meit. 


Dat Dier wurd’ nu up eenmaol franf, 
De Gicht trof in den Rüggeitranf. 


De Koh de led nu graute Pien, 
Marpinger Water waor Med’zin. 


Un 48 dat Wicht fe quamm te melfen, 
Don wieden häört je all dat Bölken. 


u AB 


Giſtern waſſ je guet un wall, 

Vom Dage lagg fe daud in'n Stall. 
Se tröden’t Dier gau up de Diäle, 
Un ftüöden’t Meſſ ehr in de Kiähle. 
at waor dat füör’'n Blotvergeiten! 
Man jaog et düör de Gauste?) fleiten. 


altor un Juffer waoren fieſt, 
Se moggen nic dat daude Bielt. 


Se jetten’t drüm in't Tiedunköblatt: 
„Well't mag, Erigg füör'n Paar Pennind ſatt.“ 
Filet, dat lederfte tom Braoden, 

Dat famm nao't Guet füör Ew. Gnaoden. 
De Hatte leide üöwern Hagen, 

Se hadde't ganze Hiärt in’n Magen. 
Major de ſchnaude an den Burschen: 

„Dat billje Fleisch geh nachzufurſchen!“ 
He! dao ſprank de Rüe üöwern Turm, 

He hadd' de ganze Wamke in’t Mul. 

De gräödige Frau mok gärn Paraode, 

Se ſtreek in’t Haor de Markpomade. 


ottmanns Jänsken blaofi jo gärn, 
e namm to’t QTuten dat eene Häörn. 


De Meerſte hadde met de Gicht ſo'n Laſt, 
Se namm den Stiärt to'n Beddequaſt. 


Büörgemeſters Schriewer freeg auf wat, 
He mok ut’t Häörn en Enterfatt.?) 


Paſtoor deeh fit den Jüd belangen: 
„Hier nimm dat Strid, di uptehangen.“ 
Mat fräögg en — Bur dernao, 
Wenn't Haſtfleeſt noch jo ſchrao un taoh. 
Dicht bi't Duorp en Küötterbürken, 

Hol ſick gau dat fette Nürken. 


De Milt’, man konn der nir met dohn, 
Man brach je nao de Verfuchſtation. 


Sanitätsraoth dachde hen un hiär: 
Waoran dat Dier wull ftuorwen wäör? 


De Küötterſt' met en Rummel Kinder 
Trafteert fif an den ledern Spünder. 





ı) Goſſe. 9 Dintefah. 


— 485 — 


De Dokter ſagg: „Nu iſſ ſe daud!“ 
Aes he ſaog dat Mopkenbraut. 

O, wat ſchmoken Settken ſöte 

Met Schalee de ſchmoorden Föte. 

De erg deih't hiärtlick leed, 
Dat ut dat Fell man Reimens ſchneet. 


Jännken kamm nich recht in't Klaore, 
Hadde in't Gemös de Haore. 


De Kaplaon waſſ auk kien Napp, 
Namm de Aohren to'n Fleigenklapp. 


Jung! wat ſchmakt de Wuorteln nett, 
't kümp von't ſchöne Nürenfett. 


As Hilgerdum ut aoller Tied 
Wurde man de Butten quiet. 


De lutterſke Paſtoor kamm wahn in’t Schweeten: 
„Wie kann man ſolchen Kram anbeten?“ 


De Struotte de waor eislik nette 
Vüör Nätzken Kuortmanns äs Trumpette. 


Sans deih nid) in de Taosken ſpiegen, 
Doch waor’t ne Kunft, je klein te kriegen. 


Dat Hirn, wao de PVeritand in serie 
Gaff man en unwies Menik te friätten. 


Verfiefert waor je fitör'n Luisd'or, 

Un den freeg de Här Paſtoor. 

Siewen Wichter Tölögen fick 

Alle män um eenen ZTitt. 

De Bäder wull Wuoritbrödfes baden, 

He deih von'n Stiärt ſick Endkes baden. 
üör den armen Daudengriäwer 
leew gar nir to begraben üöwer. 

De Schulte fratt am allermehriten, 

De Bu, de wull em baolle biärften. 


De Vikarius wall vergnögt und ſchweeg, 
Aes he de Wlundermiälfe Ereeg. 


De Breefdriäger, gans hadenlamm, 
Sic Ungel intefchmiären namm. 


Apthefer mok ſick Salmiaf, 
Ut't Water von den Blaoſenſack. 


— 6 — 
De Köſter waſſ unnüeſel froh, 
He brukt de Klaon'n äs Dömphäörn fo. 


Magiſter hadde viel Vernüll '), 
He kreeg de Blaof’ tom Tabaksbül. 


Duorpmufifant freeg for den Baß, 
Ick gleiw’ dat et de Quinte wafl. 


Den Wärth waor juit de Galle red, 
De Bitt’re ſchmok dervon nich Ichlecht. 


Ganz Koesfeld leit den Raoth nich jchlaopen, 
Bes he den Kopp in't ſtädtſte Waopen. 


Den halwen Stiärt, fo di un lant, 
Den bruften fe to'n Klodenftranf. 


Ne Fleige hätt viel Unheil ftiftet 
Met ähren Stich, de waſſ vergiftet. 


Den Bandwuorn, de in’n Liewe ftätten, 
De namm de Schnieder fid to't Mitätten. 


Zechtiuffer ſoch je all bi’n eene 
To’n Rauſenkrans de Galleniteene. 


De Klaonen jatten nich mähr dran, 
De Hadd’ de Klaonenkasper (d. i. Teufel) an, 


Mat in de Wüörſt' man alles Erigg, 
Da meet ſölwſt uffe Herrgott nich. 


Man ftoppt de Haore van dat Veh, 
Aes Piärdehaor in’t Ranapee. 


De Siegge wuord' fofaotens franf, 
Verfonf fi an den furen Dranf. 


De Blinddiärm’ namm Gertrud an't Hed, 
De mok daovon fon Salbendred. 


Daomet kureert je lamme Schuoden, 
Un Lüd, de Hals un Been’ terbruocken. 


Beßvader konn baoll’ nich mähr tätten, 
He Leit fit gau de Tiän’ infetten. 


Ut Leigheit in Paſtoor jien Hot 
Guott Jänsken ſtill en Schleif vull Blot. 


Den kluoken Stadtraoth buod man an 
De Kiedde met de Klocke dran. 


Wat de Bur nich kennt, dat lött he ſtaohn, 
So hätt't de Knufflaufswüörſte gaohn. 


1) Glück. 


— 497° — 


Met de Kuſentiänne fchmeerde man 
Den Nollerdhumsverein noch an. 


De Grautknecht hadde ſick verichluoden, 
Verkährt in'n Hals en ſpitzken Knuocken. 


Paſtoor waſſ Schuld an ſienen Daud, 
Gans Holland quamm in graute Nauth. 


De Juffer jchlog en graut Halloh, 
Mott de Geichichte enden jo? 


De Richter fett fe in’t Prifon, 
Friefpriäfen be je doch nich Fonn. 


—X de ſtarw ut lutter Graom, 
e kürde noch bi'n letzten Nohm?). 


In'n Himmel gaff't en graut 
Paſtoor de danzt met ſiene Koh. 


allelujah häört man nich mehr, 
ſüngen Trialo dervüör. 


Aes de Magiſter nix mehr wuß, 
Sank he noch Trialo tom Schluß 
Von Paſtoor ſiene Koh! 
Trialo! trialo! von Paſtoor ſien' Koh la loh! 
Trialo! trialo! von Paſtoor ſien' Koh! 


) Atem, 


PR 


Sranz Gieſe, 


geboren am 25. Dezember 1845 zu Münfter, beſuchte von 1855-—-1864 das Gymnaſium 
feiner Daterftadt, ftudierte dann bis 1868 an der Königlichen Akademie ebendaielbf 
Philoloate und GBejchichte. Im Jahre 1868 zum Doftor promoviert, bejtand er 1569 
die Prüfung pro facultate docendi, wur ein Jahr Probefandidat am Gymnaſium zu 
Münfter, dann zwei Jahre Reftor der höheren Stadtidyuie zu Rüthen, Regierunasbesirf 
Arnsberg, von 1872—1374 Grmnaftallehrer zu Münſter, darauf bis 1880 in derſelben 
Stellung in Poien und zulegt ein Jahr in Paderborn. Don 1881 ab längere Zeit zu 
Mänſter privatifierend, wird er im nächiten Jahre wieder in den Staatsdienft treten. 
Außer einigen, mit vielem Beifall aufgenommenen plattdeutichen Erzählungen, mie 
Mönjtersf Stillliamen, Münſter 1881, fchrieb er: 


Dichtungen: Gedichte. Miünfter 1876 — Mönftersfe Chronifa at 
ofen un nieen Tiden. Lüſtige Plattbütjte Rimſels, Miünfter 1883. — 
Mönfterst Platt in Bertellfeld um Rimſels, Minfter 1883, 


(Mönitersfe Chronifa ut ollen und nieen Tiden. Münſter 1883.) 


De Sure von Bändken von Gaolen.” 


Biel häört von Bändken man von Gaolen, 
Sin eigen, Buchen un fin Praohlen, 
Dat unner'n Biſchofsrock de Mann 
Alltid en Küraß hadde an, 

Un dat he weſt iſſ in de Daod 

Viel weiniger Biſchof es Saldaot. 

Wu hett he Mönſter Moras lehrt, 

De halwe Stadt boll maſſakreert 

Un, es nix anners holpen hett, 

Se bes tom Hals in Water ſett't. 

Härr man nich malt de Paoten uoppen, 
Dann wäör de ganze Stadt verfuoppen, 
Un metverfuoppen wäörn wi all, 

Der nu der laupt, in düſſen Fall. 


’) Bernhard von Galen, Fürfebifhof von Münfter von 1650-—1678, 


k 


— 489 — 


Dat Bändken quamm di manfs deran 
Met ganze ſeßtigduſend Mann; 

Füör daotemaol waor dat en Haupen, 
Un alle Finde gongen laupen._ 

Wu haud’ & Holland up de Snut', 
Sölwit de Franzoſen rietten ut, 

Un üömwerall, jo nao es vüör, 

Satt’ Bändken finen Willen düör 


Reſpekt, jega if, Füör fonnen Mann, 


Wenn man auf all® nic luowen kann, 


Füör fine Tid waor Bändken füſſ, 
at Bismarck hüt'ges Dages if: 
En Mann, de tie vergiewens — 
Un alls, wat ſik nich bögg, terbreckt 


Doch ſtill dervon, dao ik den Jux 
Vertellen will von Bändkens Bux, 
De, es de Chronika uff lehrt, 

Jüſt vüör twechunnert Jaohr’ paffeert. 
Ik Heft de Bure ſölwer ſeihn, 

Se waor es nie, ganz heel un rein, 
In't Ständehus püör ſiewen Jaohr', 
Es Diözeſan-Utſtellunk waor. 

Dat Hiärt hett mi in Liwe lacht, 

In minen Sinn dao heff ik dacht: 

An düſſe Büxe kann man ſeihn: 

Nir Gueds ſall unbelaunt geſcheihn. — 


In't Kiärſpel Roxel liäwd' en Buer, 
En rechten Twiäſſfahm von Natur, 
De manks unnüeſel dullereerde 
Un Frau un Kinner kujeneerde, 

Drei Jungens rt he un een Wicht; 
De Dan’ waor ſchön von Angeſicht; 
Se waor di waffen drall un an, 
Met Aeügkes blao um glau un blanf; 
De ganze Kopp vull flaſſne Haor', 
Mao jede Haor en Löcksken waor; 
Dat Fell jo witt, de Bäckskes raud, 
Sölwſt Füſt' un Föte nich te graut; 
Kuortüm, von Lilebettfen Dohr 

Sun fin je konnt de Ankemoer. 

Jüſt ahtein Jaohr' waor Drütsfen old 
Un frieen wull fe met Gewolt. 

Ehr Hiärtfen häörd' chr nich mehr to, 
Dat hädıd’ en Jungen, qued un froh, 
De fit ſeß Monat’ Förster wäör 

Gient in en Buff, de Bändken hädr. 


— 4190 — 


He dei fin Arbeid gans met Schid, 
Band holl up em en mächtig Stüd, 
Hädd' auf fin Steen in Weg em fmietten, 
— he men von dat Frieen wietten. 
Men denkt ju düſſen Jaomer an: 

Dat Wicht ſin Va'er, de dulle Mann, 
Bleef faſt un ſtramm derup beſtaohn: 
Sin Drüksken ſöll in't Klauſter gaohn. 
Beslank brogg von de Frierie 

Kin Menſt en Stiärwenswaod em bi, 
Doch eenes Dags, e8 bi de Gef 

Giärd Drücksken küſſede ſöt um week, 
Stonn tom Malhör de olle Buer. 
Jüſt achter'n Meſtfall uppe Luer. 

He ſprunk der faots up to es wahn 
— Füor Schreden freihden Hohn un Hahn — 
Un trod met Schimpen un Gebruß 
Dat Wichtken bi de Kladden in’t Hus. 
Deſölwe Stunn’ nod) ſpann he an 

Un föhr dat aame Drüksken dann 
Nao’t Klaufter, wao de würd’ge Moer 
Verwandt wall met fin Vadersbroer. 
„So,* jagg be, „düſſe wiälge Düne 
Heft if es Va'er von Hiärten gäne, 
Doch kann if ſölwer ehr nid ftüren, 
Se fleit mi üöwer Tun un Müren. 
Niem' ji de Dän’ es in de Male, 
Denn ji verftaoht ju up de Sale, 

Un fuorgt düör Arbeid un Gebett, 
Dat je en biiftig Nünnfen wädd. 

Ju Schaden fall dat jüft nich fin — 
SE lachte neigitens en fett Swin. — 
Dao fatt fe nun, de aame Dän’, 

Wu ſaog fe Busk un Wift jo gän', 

Nu ſaog fe men de nafde Wand, 

Un och! fin Giärd waif bi de Hand. 

De Thraonen fluotten up ehr Kleed, 

Se waor rein nir es Hiärtensleed. 

Up eenmaol geiht de Düdre up, 

De wird’ge Moder met fon Swupp 
Smitt ehr ne Bure innen Schaut, 

Dat Druͤksken wädd vüör Schreden raud. 
„So," ſegg fe, „dir verfteihit te neih'n, 
Un düffe Bure will ik feihn, 

Eh' noch twee Stunnen gaoht in’t Land, 
Wierflickt um ſtoppt an’t Nechterpant. 
Dat Neihtüg fteiht dao unner’t Bedd', 
Do’ dine Arbeid gau nu nett.“ 


— 491 — 


Dao röpp nu manniger wull: „Hoho!“ 
Doc ganz natürlif gonf et to, 
Sn olle Tid ſpielt min Gedicht, 
Dao gong et eenfach to un licht. 
Sn Möniter un in Mönfterland 
Waor Stolt un Haufaohrt unbekannt. 
Finkeiſerie de füllen lehren 
Wi erit von uſſe nieen Bären. 
Hadd' dao an Weit’ of Bur’ of Rod 
En geistif Här en Niet of Lock, 
Dann ſchickd' he to de neigiten Nunnen, 
De all de rechte Hölpe funnen. 
Auf dürfe Nünnkes deien dat, 
Wao Drüksken nu in’t Klauſter fatt, 
Un Drüksken harr füör düſſe Kehr 
Ne gan gewöltig graute Ehr’: 
De Bure, de fe ſtoppd' um flickde, 
An eene Sit’ gans nie boll ſtückde, 
De Bure häörde — aohne Praohlen — 
Den Fürſt un Biichof Band van Gaolen, 


Twee Stünnkes de find boll vüörbi 
Bi jonne wahre Flicferie. 
Doch gau gonk't Drüfsten von de Hand. 
Es nu wier heel dat Xechterpant, 
Dao fitt dat leiwe, ſöte Kind 
Un drömt um fimeleert un finnt. 
Se denft an ehren leiwen Giärd, 
Un dat nich breckt dat aame Hiärt, 
Tredt ut ehr Taff den leiten Breef, 
Den he ehr giſtern Muorgen fchreef. 
Se “ un left en wier bon vüör, 
Dao of up eenmaol geiht de Dior, 
De würd’ge Moder trett herin 
Un Drüf’, vüör Schreden half von Sinn 
Stedt di — füörwaohren nich tom Sur — 
Den Breef in Bändfen fine Bur. 


De Olle harı tom Glüd nir in 
Süß könn’ de Sak ſik anners dreibn; 
Se nimmt de Bux', bekik je ſik 

Un finnt de Arbeid gans nao Scid. 
Dann geit fun tein Minuten later 

— 68 Neg juft jeß in Heöwerwater — 
Sitt uffe Bänd wier vuller Jux 

In de bequeme, Schöne Bux. 


Henn be in düſſe Bure fatt, 
Dann waor he garnid) ftreng’ un hatt, 


— 402 — 


Dann waor he üörndlik gued un weerk, 
En Mann, de uppen Engel gleek. 

Dat iſſ nich Iuogen, dat iſſ waohr, 

Un auf de Grund if klipp un klaor: 
Wenn mi ed Rod of Bure knipp, 

Si glits de quede Zune wipp, 

Un, dao de Menft en leighaft Dir, 
Sinip’ if dann anner’ Lüde wier 


Nu ſtak he in de Tafl’de Hand: 
(Sn Breef? wao bleef denn min Verſtand? 
Mott’ if de Taf met Breewe ſpicken? 
Un dann de Bur’ de Nünnkes ſchicken? 
Wat Grauts wädd dao doch wull nich ſtaohn, 
Süß hädd' ik in de Nietteln daohn, 
Sind je auf billig düör um düör, 
Se find doch Fraulü’ nao es vüör. 


So laſſ be Giärdken finen Breef, 
Wao uſſe Jung’ — ——— 
Von Vader ſine eegnen Mucken, 
Wat alls ſe hädden uptepucken, 
Doch dat füör ſonne trüe Leiw' 
Uſſ' Härgott auk ſin' Siägen geif, 
Un dat he up den Biſchof reik, 
In den dat beſte Hiärt doch ſteik. 
e ſſuot: Laot du dat Dink fin Laup, 
at Bändken brenkt uſſ noch tehaup. 


Dao ſprunk de Biſchof in de Höcht': 
De Jung' hett waohr un richtig ſeggt, 
Mag Bändken Fraulü' auk nich liden, 
He döt en Inſeihns doch bi Tiden, 
ge mäft auf, dat et men jo knallt, 

at muorn jt von de Kanzel fallt. 

So hett de Biſchof Teggt un daohn, 
Un alla iſſ gued ım prächtig gaohn, 
Son Felt heit Roxel nonnich feihn, 
En Lüden waor't, en Blomenitrein, 
De Brüdigam un fine Brud 

De wuorn von Bändfen fölwer trut. 
Wu gonk't auf up de Hochtid her, 
Dao drunfen Fätte je vrıll Beer, 
Un liäwen leit to duſend Maolen 
Man Fürft und Biihof Bänd von Gaolen. 
In olle Schriften iff et fchriewen, 
En Steen fall’t in de Kiärke giewen, 
Wao Dag un Stimm’ te liäſen find, 
Tor Frei’ von Kind un Hindesfind. 


— 43 — 


Gent owwer, gleiw' if, iſſ nich recht, 
— En Buer in Rorel heit mi't ſeggt — 
Dat Bändken ſölwer bes toleft 
Es Gaſt wäör up de Hochtid weit. 

Un es de Luſt ſo recht in Gank 

Härr he ſik ümdreiht gan um jwant 

Un ſeggt: „Nog kenn ji mi don vüören, 
Si ſöllt mi jo auf kennen lehren: 
Zerecht quomm düſſe Eheſtand 

Alleene — döör min Aechterpant.“ 


=; 


De kurjofe Frierr, 


Gaoh' it bi Rüſkhus düör dat Holt, 
Dann wär’ ik recht von Hiärten ftolt: 
So lang’ dat Möniterland beſteiht, 

So lang’ Weſtfäölske Eeken weiht, 
So lange hett auk uſſe Land 

Men een' Annette Droſte kannt. 
Stonn auk dat männlike Geſlecht 

An erſte Stiedd' alltid met Recht, 

Et hett doch mankſen Fraulü' giewen, 
De düftig uſſ den Stolt verdriewen. 
Tellt man ſe up, ſo ſettet man 
Annette Droſte buowen an. 

Viel dütſke Dichters ſind der weft, 
De dicht’ un Jungen hebbt up't Reit, 
Men mag man reits un links auf fiken, 
Se müettet al’ Annette wilen, 

Un Schiller höchſtens if un Göthe 
Es effen jode Käls begröte. 

Sau, kuemm'k bi Rüſthus düör dat Holt, 
Dann wär’ if recht von Hiärten ftolt: 
Dao bett je wuehnt, dao liäwt un dichtet 
Hett Hiärt un Sinn up’t Höchite richtet, 
Up dat, wat ewig nu beiteiht, 
Dao’t däör Annettens Leeder mweiht. 
Füörwaohr, m Puchen iſſ't un Praohlen, 
u. if bier fe kgs: In ganz Weitfaolen, 
Ruhr, an Weſer treffet man 
Sin Hilligdom es Rüſthus a. 
Vüörüöwer föhrt mi nich min Fot, 
Fromm niem' ik af un deip den Hod. 


Un doch — üm't Gued, dao geiht ne Gräft', 
So es man hier wull viele trefft; 


— 494 — 


Wenn ik de Gräfte ſeih' of ruk', 
Dann holl'k väör Lachen mi den Buk. 
Wat met de Gräft' es iſſ paſſeert, 
Hett man ſin Liäwdag nonnich häört, 
Sp luſtig iſſ't, dat if up Stell’ 

Dat wahne Dönken ju vertell. 


Annette hadde auf ein Hiärt, 
Gonk't anf nich e8 en Lämmerſtiärt, 
So harr je doch es junge Dän’ 
En ſchönen, jungen Käl wull gän. 
In ehre Leeder kann man ſeihn 
De Leiwe briännen manks un gleihn. 
Wäör auf en Wicht wull uppe Welt, 
Mat nich to eene Kehr jo füllt? 
Doch mag de Leim’ auf noch jo drangen, 
Se fönnt je nid in Rime brengen. 
Un wenn ſe't doet, Här Gott, dann ſtaoh 
UN bi, dann find je auf dernao. 


Et iff mi würffi nich bekennt, 
Well eegentlit Annette mennt, 
Meer Leeder find et odder fif, 
Worin von düffe Leim’ je jchriff. 
Doch waor’t en Käl met brune Haor', 
Met Augen frift un blao un klaor, 
ge waor di waffen fait um drall, 

on Buoſt jo breed, üm’t Lif jo imall, 
Trü un unihüllig es en Kind, 
Un doch en Snak, es wen'ge find. 


Von Rüſkhus af ne halwe Stunn 
En anner adlik Gued ſik funn; 
De Junkers, de dao waſſen wären, 
De hollen Jagd un Süep in Ehren, 
Doch waor'n met Klokheit un Verſtand 
Se'n gans Deel wein'ger bi de Hand. 
Wat anbetroff den Junker Frans, 
Dat war bi ſölwſt en Faſelhans, 
De in den Kopp nich vüllig Elaor, 
Un vull furjofer Infäll' waor. 
Gott Amor, de di vuller Nüeken, 
Moſſ up nu düffen Junker ſtüerkern, 
Dat he ut Leiwe to Annett’ 
Di bolle ſtaken unwis wädd. 
In hauge Beime dei he klei'n, 
Uem ſe von fären men to ſeihn. 
Man ſaog em niäwen ehren Wagen 
Met ſine eeg'nen Beene jagen; 


— 495 — 


* plückde es ut ſinen Gaoren 
De Blomen alle, de der waoren, 
Un ftell’ dat griejlide Bouquet 
Ehr Nachtens up et FFeniterbrett. 
e ſmeet de Kippe in de Höch', 
uamm ſ'em tofällig innen Weg, 
Un danzde es en Riten fo flinf 
Uem ehr herüm wull innen Krink. 
He drog an Bure, Rod un Weite 
Hülshoff'ſke Farwen uppet Beite, 
Schreef anner Lü' Gedichte af, 
De he ehr as fin’ cegen’ gaff, 
Holl if verftoppt in Rogg' um Weiten, 
Quamm, ſaog be fe, deran te fcheiten, 
Un ftemmd’ up't Woldhäöhn dann un warn 
De griefelifiten Stüdsfes an. 
Sin Sagdrüe dei Annette heiten, 
Den raip he met fon eegen leiten, 
Dann — dat Dir un ſprunk nich ful 
Un füßd’em met fin graute Mut. 
De Heinen Droiten, ehre Bröer, 
De trod he mankſen wat dran her, 
Un ſagg, dao können fe an feihn, 
Wu weh de Hiärtenfliäge dei’n. 
An ehren Namensdag vüör allen 
Dao leit be Büſſ' un Böller Enallen, 
Un Kopp je jo met Pulwer vull, 
Se fnall’n un fprungen auf manks es dull. 
Well, Fraog’ if, leit et nu wull bliwen, 
Met jonnen Sünden WIE te driwen? 
Am mweinigiten de junge Mann, 
Den if nic neiger nennen kann. 
Dilliht — Verleimde find düördriewen — 
Soll düffe Sat’ em Hölpe giewen, 
Dat em fin een’ der achter keek, 
Wu ſöllwſt he im Annette ſtreek, 
Un dat auf nümms em quaim in’t Klaor', 
Wu gued fe ſölwer auf em mwaor. 


He geiht to uffen Junker Frans: 
„Nett' iſt im di verfchuotten ganz, 
Füörwaohr, je hett en graut Gefall 
An dine Schönen Stückskes all’. 

De find Bewiſe trü um will, 

Dat du verleift von Härten büff, 
Up ſowat quaim fin Menſtk, up Chr’, 
De nich füör Leiwe unwis wär”. 


— 496 — 


Doch raod’ if di, du moſſ de Safen 
En gueden Deel noch biätter mafen, 
Dann gleiw' mi, Frans, if ſegg' di't, jau, 
Sn ſeß Wiäk' iſſ je dine Frau.“ 
„Ja,“ ſegg nu Frans, „dann aiff mi'n Naod, 
Du ſchinſt te wietten gans afraot.“ 


„Beſonner' Freide bett je di 
An Stolterbolt un Turnerie; 
Du moſſ in Buff un Willen malen 
Sp allrand nette Turnerjafen. 
Kannſt uppen Kopp du nich wull ſtaohn? 
Rad ſeßmaol nao enanner flaon ? 
Wäör't auf en dutzendmaol un mehr, 
Nir mäk de Dän’ fon wahn Pläſeer.“ 


Boll konn in Buſk un Wiſtk' man ſeihn 
Dat Wunerbaorlikſte geicheihn. 
Von Buren ſtonn der'n ganzen Tropp: 
„Iſſ de auf richtig wull im Stopp?“ — 
„Je, Janns, dat moste men verſtaohn, 
Dat kümmp alleen von’t Tömiggaohn.” — 
„Von't Tömiggaohn? Dat iff Doch will, 
Dat dat de juerfte Arbeit if! 
Un läggſt du'n Daler mi up’t Brett, 
Ik ftolterbolterde nic) met.“ — 
„Kumm to, wi willt nu weggaohn, Mann, 
Dao gient kümmp't gnäödge Fräulen an.“ 


Aımette namm nu ehren Gant 
De Wiſke, wao he turn’, entlanf, 
Se mok ſon lächerlik Geficht, 
En Rimſel up den Käl villicht. 
De dudd' dat Lachen es Gefall, 
Un dach: Füer fangen hett ſe all, 
Men immer futt ut alle Macht, 
Nu kik en Menif es, wu je lacht. 
He turnde mu, — froh, 
Met Radſlaon di up Rüſkhus to. 
Se konn et prächtig, dat iſſ waohr, 
en ichade, dat de Sak' jo daohr, 
Un dat he nich bi Tiden ſacht 
Harr an de ädf’ge Gräfte dadt. 
Noch eenmaol fteiht he uppe Hänn’, 
Dao endliks iff de Will to Enm’, 
Dat neigite Rad, dat geiht di glik, 
Nich blaut, es man fo ſegg, in Dyk, 
Dat geiht in Dyf, dat’t men fo ſnüff, 
Un Frans gans unner Water bliff. 


= A. 


De Knechte waoren gliks tor Hand, 
Man brogg den Junker an dat Yand, 
Man trod en ut, lagg em in Bedd', 
Un hiägd’ um pliägd’ em gued un nett. 
Doc freeg he di en — Freiſen, 
Dei de Beſinnunk auf verleiſen. 

Gt waor de teind’ of elfde Dag, 

Es he fureert waor von den Slag. 
De Dokter harr all jeggt un wict: 
Ik gleiw’, dao iff en Kürken glückt, 
Dat bett, nich fonne Doktersfur, 
Hier holp uff Tofall un Natur,“ 


Un ſüh, de Dokter freeg di Recht! 
Half unwis hadde Frans fit leggt, 
Un eö be upftonn, waor he klaor, 
Es he't bislank noch nimmer waor. 
He jagg: „Guod fiägnede den Dag, 
68 if dao in de Gräfte lagg, 
Dat Water iff dat Element, 
Waomet man [öfket, wenn et brennt. 
Annettken, wuſſ du Leiwe finnen, 
Dann för bi mi nich mehr von binnen, 
IN nid) te äöſig dat Geichäft, 
Dann ſök' — dao unnern in de Gräft'!“ 


— 


Hartmann, Schatzkäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 


32 


Elias Marcus, 


geboren am 26. Januar 1854 zu Münjter, lebt dajelbit als Kaufmann. 


Dichtungen: Zerftreut in „Kriffbetten und Kaifbetten.” Plattdeutiche 
Sedichte. Osnabrüd 1885. 


Dat ik fien möchte. 


(Driginalbeitrag.) 

Wäör if en Blömken, 
Watt wull if bleiben, 
Wenn män mien Dürnten 
Mi wull anjeihen; 
Deih mi dann briäeken, 
An de Buorſt ſtiäeken, 
Wäör ik en Blömken, 
Wat wull ik bleihen! 


Wäör if ne Nachtigall, 
Wat wull ik ſchlaohen, 
Wenn blos mien Wichtken 
Effen bleef ſtaohen, 
Häörde mien Singen, 
Luſtert' up't Klingen; 
Wäör if ne Nachtigall, 
Wat wull if ſchlaohen! 

Wäör if en Stiärnfen, 
Wat wull if glemmen, 
Deih ik dao buowen 
Au Himmel ſchwemmen, 
Lachte mien MWichtken 
.> in’t Geſichtken; 

ädr if en Stiärnten, 
Wat wull if glemmen ! 

Wäör if de Sunne 
An Himmel buomwen, 
Wat wull ik jchtenen 
In ähren Stuoiwen, 


— ———— MET U 


— 49 — 


Küßt up de Stärne 
Fröndlik de Diärne; 
Wäödr if de Sunne 
An Himmel buowen! 


5 


(„Sriffbetten nnd Kaſſbetten.“ 


Miene Därne. 
Ik fann’t gar = Icagen, it häw fe fo gärne 
Miene leiwe Annekathrine, 
Se iſſ io me flietige, proppere Därne, 
Miene Bruut, miene Annakathrine! 


In'n Gaoren bleiht Rauſen um viel Maternaolen, 
Auf Lilgen bi'n Sunnenſchiene, 
Män ſchöner bleiht aower, un dat iſſ kien Praohlen, 
Miene Bruut, miene Annekathrine! 


De Baden find rauth, ehre Augen find Stärne, 
De löchtet fo fröndlik in miene, 
Un je geibt nüms tömig,*') iff ne hennige?) Därne, 
Miene Bruut, miene Annelathrine! 

Un find auf nich all te klein ehr beiden Föte, 
SE mak mi daorüm kiene Biene, 
Dann meiht je nich im, kümp ehr'n Wind in de Möte, ®) 
Miene Brut, miene Annefathrine. 

Wenn je Buotter kärnt, dat ſeih if jo gärne, 
Und auf wenn fe foert de Schwiene, 
Hann kuockſt du füör mi, miene hiärtige Därne? 
Miene Bruut, miene Annekathrine? 


Wenn de Geitlintt) fien Kr mäk im neigiten Jaohre, 
Dann wädd je endliks de Miene, 
Dann grönt de Bruutkranz in ehrem Flaſſhaore, 
Dann ſtaoh ik met ehr in de Kiärk am Altaore 
Met miene Bruut, miene Annekathrine! 


5 


De Dawert.“) 
Deip in de Dawert, deip in dat Holt, 
Dao ligg ne moratſchkige Kule,“) 
Uemwaſſen van Böcken un Eeken, ſo aolt, 
In Summer ſölwſt iff et dao ſchurig un kaolt, 
Do nöſtet de Hafk un de Ule; 
Un wann Nielegt kümp, un wenn Niemaond iſſ, 
Dann bliewt wiet daovon, wiet weg wahret iu, 
Dann iff et nochmaol jo grißlik äs ſüſſ:) 
Kuott Jäll', ſchmall Laken, licht Gewicht, huhu! *) 


1) niemals müßig. ) ſchnell. entgegen. ) Schwarzamſel. 9 Urwald im 
Münſterland. 9) Tümpel. fon H)furze Elle, ſchmales Laken u. ſ. w., — — 
32* 


=. 


Sen Jägersmann hadde ſick maol verdaohn, 

In den Buff den Patt ganz berluoren, 

Up maol an de deipe Kul hätt he ſtaohn, 

Sen Wipplücht ') dat jaog he daorüöwer gaohn, 

Een Solen auf famm em to Dohren. — 

Un äs he dann fuemmen ij garnich nao Huus, 

Da hadde jien Wiew un de Sinner nih Ruh — 

Se funnen em daud bi dat Water, o Gruus: 

Kuott Jäll', ſchmall Laken, licht Gewicht, huhu! 
Eeen Kraomer, en aollen gitzigen Mann, 

De liäwte vüör viel, vielen Jaohren, 

De hätt eene Wiedfrau bedruogen, un dann, 

Mes je hadde ehr Järwe?) verluoren, 

Wu he hadde verkofft ehr dat Huus, Bett un Piärd, 

As je grient lut im Braud, röp de Mann noch ruh: 

„Goh weg, miene Rüens jüf laupen die lährt!“ 

Kuott Jäll', ſchmall Laken, licht Gewicht, huhu! 
Aes de Wiedefrau düſſe Wäörde hat häört, 

Dao ſchreit ſe lut up, lut un helle, 

Dao wall ehr dat ganze Vernüll“) verſtört, 

De jchraven *) Arms gien den Himmel fe büört 

Un flöfte?) den Mann up de Stelle: 

„Du Hund, de de MWied’fraun un Waiſen bebrügt, 

Im Graf fall di wären nüms Raſt und nüms Ruh, 

Sait ſpöken gaohn, wao de Ule flügt!“ 

Kuott Jäll', ſchmall Laken, licht Gewicht, huhu! 
„An wu du de Rüens häſt jagt ächter mi, 

Sp ſall't diene Seele auf gaohen, 

De Dümel jall laoten in Friäden di nie, 

Saft wören den Menjchen tom Schreden un Schü, 

Mien Flok laot di rühig nüms ſtaohen!“ — 

Aes dat Miev dat hät ropt, dao ſackt je bincen, 

Dao mwaif et vüörbi, dao hadde je Ruh, 

Lag daud vüör fien Huus, daud up en Eteen: 

Kuott Zar’, ſchmall Laken, liht Gewicht, huhu! 


Un deip in de Damwert, deip in dat Holt, 
Dao ligg ne moratichlige Kule, 
Uemwajlen von Böden un Eeken, jo aolt, 
Dao funn man all Dag's drup em daud ſtiew um kaolt, 
Wao nöftet un neigt! Haft und Ule. 
Un wenn Nieleht fümp, und wenn Niemaond ff, 
Dänn bliewt mwiet daovan, wiet weg wahret ju, 
Dann iff et noch maol jo griſlik äs fü: 
Kuott Jäll', ſchmall Laken, liht Gewicht, hub! 





) Irrlicht. 2) Erbe, 9) Verſtand. * magere. 5) fluchte. 


5 


5. Ösnabrüd. 


EN 


Aegidius Klontrup, 


geboren zmifchen 1750 und 1760 zu Osnabräd, tüchtiaer Jurist, fchrieb „Ulphabetiiches 
Bandbuch der befonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochſtifts Osnabräd”, 3 Bde, 
Osnabrüd 1768, und hinterließ ein Wörterbuch der niederdeutich : wefifüliichen Mundart 
in Manujffript, welches in den Befit des Hatsaymnafiuns zu Osnabrüd überging. 
Er ftarb im Jahre 1830 oder 1831 auf der Rüdfehr nach Quakenbrück, wo er zuleht 
ſich aufhielt. 
Dichtungen, hoch- und plattbeutiche, zeritreut. 

(A. Klöntrups Gedichte in „Lyras plattdeutichen Briefen“. 2, Auf. Osnabrück 1856.) 


Dat Feuſterbeer. 


Et hiäwenſchiärt) un is ja köil, 
Nich mehr fa babdig*) as giſtern; 
De Wolken de trecket, de Wind, de geht, 
De Sunne brennt nich mehr fa heet, 
Nich mehr ja glöönig as giftern. 
Man giftern, al was et ja baddig un heet, 
Sa was id dach biäter to Moe?); 
IE mas ja luſtig, fa goder Teer‘), 
Wat fröig ic viele na Wind un Wiär, 
Ick höilt em vul to Goe. 


Dar war in der Buurskup an Fenſterbeer?), 
Wi göngen dar nütte to Stere®). 
Da gönk de Viole, dar gönf de Bas; 
Wi drunfen des Beeres ja manniq Glas, 
Un göngen dar mütte to tere. 
Dar wören de MWichter, de Lütens all, 
Mari-Lüt un Gret’ un Sofie; 
Se wören ja luftig un goder Teer, 
Se füngen un dansden un fprüngen fa ſehr, 
Man feene fa fin a3 Marie. 
Dar 18 pörwarn fen Wicht as et 
Up Gades Eren to finen; 
Gewislick, de dat nich n ſegt und füt: 
„Mari-Lüt 15 wual dat beſte Lüt!“ 
De is nicht recht bi Sinen. 
1, Et hiäwenſchiärt — der Himmel iſt unruhig, bedeckt. 9 ſchwül. 9 au 


Mute. %) Zehrung; ſinnbildl.: Dinge, 9 Richtiger: Fenſterteer, ein Gelage 
(5. Bilder aus Weſtfalen. Osnabrück 1871, S. 70 u. 71). 9% unbändig. 


— 504 — 


Dar wöören de Jungens, ſe äügden na er, 
't verdraut mi ut der Mauten; 
Se juch’den un ſprüngen a8 wören je dul; 
Da was if mines Sinne! fa bull, 
Un fon et dad ſülwen nich lauten. 


SE was ſau bedierwe?), dat hölp mi nich, 
Se feif ut den Augen ja fünger; 

Ick droft et nich waugen un danſſen mit er, 

Mi bimde dat Harte, et fchlödig mi fa fehr, 
lin je wa3 up’n Föiten fa tänger. 


De Föite fa tänger, de Augen fa heil! 
Se fonn vor mi julwen nich bliwen, 
Was dad) jo Frödig un wualgemoot, 
Gr —— as Miälk un Bloot! — 
Ick weet et nich al to beſchriwen. 


Dar is vörwarn ken Wicht as et 
Ip Gades Eere to finen; 
Gewislick, de dat nich 'n ſegt un ſüt: 
„Mari-Lüt is alldach dat beſte Lüt!“ 
De is nich recht bi den Sinen. 


I, 
Zoot un Ian. 


„Wat gif't Nigges,“ feggde Jooſt to Jan, 

— De drööpen ſick unnerwieges an — 

„„Vull Nigges, man nicks Gooes,““ ſeggde Jan to Jooſt, 
„„De Paapſt iS up den Düüwel erbooſt; 

Dann tüsken 'r Hell' un'n Fiegefüür 

Is in e fallen de olle Müür'; 

Un mu kann, na miinen Giſſen, 

De Paapſt de Mitüren gar nich miffen.”“ 

„Dat gift'n P'rzeß,“ ſiä Jooſt to Jar. 

„„Jau wual, un'n P'rzeß, de wat lange dunren kann, 
Dann't meeſte Geld hett de Paapſt ſünner Twiiwel, 
Aawers de meeſten Avekaaten heft de Düüwel.““ 


= 
Wo fih alles ännert, 


Dat Bileams Yifel ipraf, dat Wunner 
Was vor de Tiien graut, wual wahr! 
Dach, wo fi alles ännert, jeßunner 
Preddiget Jiſels ſagaar. 


bedachtſam. 


y,* . . 

Sriedrib Wilhelm Lyra, 
geboren im Juli 1794 zu Uchelriede im Osnabrüdichen, focht in der Schlacht bei 
Waterloo mit Muszeichnung. Er war der jüngfte und einzige Dfitzier in feiner Kom: 
pagnie, der mit dem £eben davonfam, An der Spite des Osnabrüder Bataillons 
drang auf Mont St. Jean der Oberſt Halfett in die fliehende Kaifergarde ein, holte 
den General Cambronne an den Uchielichnüren herans und übergab ihn als Gefan: 
genen an £yra. Später trat dieſer in den Sivildienft und wurde Kanzlei : Regiftrator 
zu Osnabrüäd. Bier ftarb er am 16. Novpember 1848. 

Dichtungen: Plattdenutfhe Briefe, Erzählungen und Gedichte. 
2, wohlfeile Ausg. Dönabrüc 1856, 


(Plartdeutiche Briefe, Erzählungen und Gedichte. 2, Aufl. Osnabrüd 1856.) 


Hans Gaftenkäärn. 


Uu'tn Engelsfen van Nobert Burns, 'n Schottäfen Buuren.) 
Dree grante Heerens harren fid 
r Hand un Waart up gieiwen, 
Se wollen Hänsken Gaſtenkäärn 
An ſiin blootjunge Liewen. 
Se greipen Hans und ftopp’den en 
In d' Gerden met Ploog un Jiſen, 
Un ſcholl'n 'n Eed wual ſchwuaren hebb'n, 
De Junge ft ’r wieſen. 
Mar fründlid kwam de Mey in't Land, 
Sant Suomerſchuurs to’r Gerden, 
Süh daar ftönd Hänsken nigges risk, 
Dat ) alle ſick verichrden. 


De Middentuomers Sünne ichein, 
Da wöörd he graut um dicke, 
Un Spette wuöſſ'n em ümm'n Kopp, 
De drüww' den grümtelife. 


Man a3 de Nitpeltiidt 'r was, 
Dau wöord he ault un leige, 
He knickebeend' un wadelfoppd', 
Et gönf met em tor Neige. 


He quiinde toſeh'ns mehr un mehr 
Un lööt de Ahren bangen, 
Un as de Herſkup dat vernan, 
Siä'n fe, nu miöt' wie 'n fangen. 


— 06 — 


Se haalden Jiſen, lanf un jchaarp 
Um ſchniien 'n düür de Hacken; 
Dann bäunen ſſem en Seil ümm't Liif 
Un neimen 'n up de Nacken. 


Drup ichmeiten je en rügg'lings daal 
Un geiwen fi an’t Floppen, 
Un ſiäen: Hans, de Dofter haal’, 
Du ſchaſt us bett nich foppen! 


Se tröd’n 'n fplinterraafet uut 
Un jödgen 'n in alle Eden; 
Man fiinen waarmen gielen Rod 
Droft' he nich wier antreden. 


Se ſchmeiten 'n in'n Waaterpool; 
De aarme ‚Hana Gaſtenkäären! 
Wann he 'r nich in verſuupen woll, 
Moit he wual ſchwemmen leeren. 


Se fiskeden 'n wier hermut 
Un liä'n en up de Dielen; 
Daar wöörd he ſtüſſelt un hanteert, 
Se lööten nich nau 'n to quielen. 


Se daar'den üãwer n glöön'gen Füür 
Dat Mark em uut 'n Knnaken; 
Dann kreigen ſe'n tüsken twee Miölenſteen', 
Daar wöörd he elennig e bruaken. 


Dann tapp'den ſe'n dat Hart'bloot af 
Un drünken't in der Runne. 
Je mehr je jäupen, mo uter wöörd 
Ger Wiälmoot un eer’ Wunne. 


Hana Gaſtenkäären was'n Held, 
Konn fick in alles ſchicken, 
Un gläum’t mi, wer fin Bloot e ſchmeckt, 
Schall’r wual dat Muul na liden. 


Et is de wahre Licwensdranf 
Vor de Grauien un Geringen; 
Un wat’f ſau geeren liten mag, 
De kann'r ſau ſchäun bi fingen. 


Nu nieme Elf’) den Kroos to’r Hand 
Un ftäute an, dat’t flappet; 
Haar’n je Hänsfen nid) jau met e nuamen, 
Wösör' nümmes Beer unttappet. 


5 


’) Ein jeder, jedermann. 


— 57 — 


Hantmwerker- Seftgruß. 
Met Gunft! 


As if van Uänern) gonf ipageeren 
Dau fwan et mi jau vor den Sinn, 
Dat wi to Jahr fau luſtig wöören 
Bin Handwierksfeſt, un nicks to minn ?) 
St auf van Daag’ wual komen fin. 


Wi hebb’t fint def een Jahr düüſchlennert; 
N heft ſich nicks verännert; 

önk baule liike, baule twas ®), 
Is't dach in'n ganzen bliewen as't was, 
De Aemter um de Gilden alle*) 
Sind nau in eeren aulen Talle 5) 
Un blögget verfarts®) auf nid) immer vorwahr, 
As in aulen Tiien, un affe to Jahr; 
Dann de Schnitder, de maafet nau Bückſen un Nöde; 
De Disfer Schäppe un Schreene un Plöcke; 
De Schoofter Stieweln un Pantuffeln; 
De Kürßner Pelße un Hatten un Muffeln ; 
De Schlächter ichlachtet nau Offen un Schmwiiene; 
De Krämer handelt met Kaffe un Wiine; 
De Schmedt, de fchmieet nau Hengte un Schuuten; 
Dat Scyilderamt pinjelt un bietert de Ruuten; 
De Bäder ſchüt den Deeg in'n Uawen 
Un bodet us Strieflinge, Stuuten un Kluawen; 
De Gierwer gierwet un fchrappet de Felle 
Um maatt daarvan Handsken un Reemen un Bälle; 
De zäher ) lähet dat grööne Lieer 
To Schäften un Suahlen, a jeder Begiehr 
De Wüllker $), verwäumkes)! wann de 'r nichen wöör, 
Dann göngen wi meeſtig wual naaket' hier; 
De Goldichmedt maaket nau Riten um Ringe 
Um alle ſöcke düüre Dinge; 
De Bookbiiner Eliiftert un liimet de Bööker; 
De liefet man fliitig, dann weeret ji Elööfer; 
De Wandriiter handelt met Multum un Luuren !®); 
De Prüüfmaafer früllet de Pritüfen un Tuuren; 
De Kuärwker flechtet nau Kuärwe un Weegen, 
De kaupet bi Tiien, ſüß konnt' fu bedreegen; 
De Blaufarvers leef't mi den Krimskrams to jehr, 
Waar kriig't je dach alle de Muſters wual hier ? 


1) heut Nachmittag. ?) nicht minder. °) quer. *) Die odnabrüdiche Bürger- 
ichaft teilte fich in Gilde und Wehr, Die Gilde umfaßte Die jogenannten eilf Aemter, 
welche in dem Gedichte aufgeführt werben. Jedes Amt hatte feinen Gildemeiſter 
oder Borfteher. Aus den Gildemeiftern wurden durch die Mitgildemeifter bie 
Alterleute gewählt. Diele ſaßen mit im Stabtrate, nahmen alfo an der Regierung 
teil. 9) Zahl, 9% jet. 7) Lohgerber, *) Tuchweber. 9 fürwahr. 9) Widelbänber. 





— 08 — 


De Hootmaafer filtet nett a3 vor'n düſſen 
De Haare to Höden un Pajagmürfen, 
De Baartputzer ſchieret all’ wiſſ weg den Baart 
Met blaubunter Seepen, na'r aulen Aart; 
De Büüfer ') biönet dat Pickelfatt; 
De Steenhöwwer pickert de Steene glatt; 
De Müürker un de Timmermann, 
De bowwet Hüüſer allfaart an; 
Dan de Brüwwers, de bruwwet en niggemoods’t Beer. 
Dat is vull föppsfer ?) as tovöör. 
Prooſt! 


Ick hebb' et ſau wat düür en eene ſchmieten 
Un hebb'k vellicht een of den andern vergieten, 
Dat niem't mi nich üüwel; — de Düüwel mag wieten, 
Wat't hüüt to Daag' alle vor Handwierker gift, 
Un in welker Riige je Hüggelmegger?) ſchrift. 
Doch Summe-Summooren, je find nett ſau bliewen, 
As ſe wöören, as wie een un vertig ſchriewen. 


Man, leewe Confraaters, Een's mot ick ju ſeggen: 
De upſtunds voran will, de mag ſick wual weggen9; 
Dann't geht all' wiſſeweg an een Erfiinen 
Van Mekanismus un Dampmaſchienen, 

Blitz, warn wi doch nu mau Geſellen wöören! 

De gah’t nich mehr wandern, je lautet ſick föhren 

Up Silenbahnen, von Studert?) na Naden; 

Wat moften wi ehrdaag's us anners afraden.‘) 

IE gläum’ de Bedenkſels gah't baule Sau wiet, 

Dat je to Pierde üäwer den Ocean riet; 

To'm Minnften beliew’f’t nan, alfe mi ducht, 

Dat wi tohaupe aſſe Lüüninge?) fleeg't düür de Lucht, 
Un wann nuſe Herrgatt nich ännert ſiinen Sinn, 

Sau fusk't je Em fülwent in't Handwierk henin; 


Dach leewe Confraaters, ſiid man nich to bange, 
He ſtüürt de Bäume, dat wiet' wi al lange; 
Alldach ſii Jeder bi der Hand, 

Et geht 'ne ichwaare Tiid düür't Land; 

Dann alle Gewierwe, de grauten um kleenen, 
Gah't all’wiif'weq vuörwerts up Steltenbeenen; 
Un Jeder mag wual ſpintiſeeren, 

Wo he will etwas Nigges lehren. 

An Middeln feggelt et Keenen van us, 
Daarvor ſuarget unfe üpperite Technikus 


9) vBoiccher. 2) bergauſchender. ) Hüggelmeier gab ein beſchreibendes Gedicht 
über die ehemaligen eilf Amter heraus, *) rühren. 9 Stuttgart. 9) abaualen. 
N Sperlinge. 


— 509 -- 


Un fiine Gehülpen . . . . Wann me dat beriefet, 
Wat de fick tohaupe de Köppe terbriefet, 
Mo je üs klööker maaken willt, 
Dann is une Harte met Danke erfüllt. 
We biddet, fe willen us faarten belehren 
Un u3 de niggemoodsfen Bedenkſels erfläären. 
Brooit! 
De goven Titen find längſt verliien. 


Siewen Klauſterknechte dröögen eene Flechte ); 
De Schulte rööp: Doo't ju nich ſeer,) 
'r find der Knechte je na mehr. 


=; 
Am Naamensdange des Heein Gaplanus Matthias Seling ” 


to Offenbrügge, den 24. Februar 1842. 
De Manı gefällt mi ganz in fiiner Xart, 
Wer em man folgen will, id goot berwabrt. 
Seh't hier den Mann, den Baas in Allen! 
Gen dönnernd Vivat müüg 'em ſchallen, 
De us belehrt, beräth un ſinget 
Un Riimſels maafet, de goot klinget. 


He fitt ganz vull van luſt'gen Schnurren, 
Up’n Handwierksfeſt' lööt he fe turren 
All'wiſſeweg nut fiiner Mowwen,“) 

As he met Gunst den Aarm droft’ Elowiven.®) 


Wer füht dann nich unt fiinen Nücken 
De Lehr! un Witsbeet faarts düürblicken? 
Dat he't ſau infleed, laut’t man gaunen: 
Jedweddereene kann't veritaunen. — 


Heft viel nau in'n Sad behaulen, 
De find tofruaren bi den faulen 
Decemberwier; man ſau to feggen, 
Schiöl’t je al’nhand aud wual üpdeggen. 


Inn' Winter, warn et früit un jchnüt, 
Seht He nich geeren alltowiit ; 
Dann maaft be LXeeder, platt un hauge, 
To Stüir un Wiir der Brannwiensplauge. 


Un Mumends mag he dann jau geeren 
En Stündfen offern, un belehren 
De Lüüe näwer de Geichichten 
Der Mäffigfeit, un cere Pflichten. 
!) Seitenbrett am Miftwagen. ) webe. ®) Der berühmte Mäßigfeitsapoftel. 
4) Nermel. 3) reiben. 


= 46 = 


Man warn wi Suomerd gab’t landdaagen) 
Na Heuie?), Wieksborg, Darum, Hagen, 
Is Seling alltiidt an der Spige, 
Trotz Riegen, Wiind und Sünmenhige. 


Un löpt den ganzen Wen to Foote, 
Un füürt un fingt, dat em de Stroote 
Toleft ganz heeſer wert. Ic meene, 
De Minske heit Queckſülwerbeene. 


IE hebb’t, dat ſegg' ick aune Praulen, 
Al met Mancheenen unt e haulen; 
Man mei den Heeren is't to jchtwite,°) 
Strict he voran, fann Nümmes mie. 


Un ſeh' win up den Spinnefeiten 
Umsingelt van den lütken Gäften, 
De Wedde ſpinn't un fröhlid finget 
Un em de vullen Spoolen bringet: 


Wahrhaftig, et is to bewünnern, 
Wat he dann nüüdlick met den Kinnern 
To Wierfe gebt .. Sau funder Traunen 
Kann Nümmens van den Feten gaunen. 


Dann geht't em recht na de — 
Dann dregget be de ſchwarten Müſſen 
Wual duuſentmal . . . O leewen Lüue! 

Kuomt, ſeht — un bringt 'ne Baate) miie. — 


In Summa, he is unverdreetlick 
To allen Goven; unermöödlick 
Richt't alles he in't Wierk, wat fligget °) 
Un fiinen Neigiten deent un digget.®) 


He heft veel Gooes daun fiin Liewen, 
Drum werd em Gatt de Kroone giewen; 
Dad bidde wi den leewen Seeren, 

He laut’n hier nau lange geiveeren. 


=, 
Dos Mäden- Iufitut. 


Ian, kiek dach ens hier in’et Fenſter herin; 
Daar ſitt't di wat fiine Mamiellefens in; 
Se ſegget, je leeren daar Franst un Latiin, 
Man’t Meeite fall dad) wual man Spieleri fin. — 


1) (uftwandeln. ) Dejede (Dorf bei Odnabrüd). ) au arg. Beifteuer, 
Gabe. 9) nügt. © gebeiht. 





— 5il — 


Dat Gene, dat lachet, dat Andre dat gnittkert, 

Dat Drüdde dat wippitert’t, dat Veerde dat flittlert ; 
Dat flaaret, dat pluudert, dat ſchnaatert jau jehr. 
Liifhaftig a8 want in’n Gawieitall wöör. 

Un Summe Summooren, bat ſehe ick wıral, 

Bor uuſe Greetliesfen iS dat nine Scaul. 


m, 


=, 
Daar ginten, daar kiiket de Stranten henup. 


Daar ginten, daar fiifet de Strauten benup, 
Daar Steht wual’n half Stiige Fruusvolk in'n Trupp: 
De Anntke, de Hildfe, de Gerdrut, de Siltke, 
De Esbeen, de Neulike, de Triintke, de Täültke; 
Wann de fick entmöötet, 
Dat niiget, dat gröötet, 
Dat flaaret, dat jchrewwelt, dat jchnaatert jau ſehr, 
Liifhaftig ad wann't in'n Gaufeitall wöör'. 


Nu kuome es Gener un ſtüüre mi de, 
t'heft ſick wat ſtüüren, je jool’t jünmer me (mehr), 
Dan Flaſſ, un van Linsen, van Braafen, van Spinnen, 
Dan Masken, van Weefen, van Büüken un Bleefen, 
Ban Nauteln un Tiweerent, 
Ban Kunrad un Beerend; 
Dat jiwwelt, wo länger ei dunret, togliit, 
As quaakeden duuſen — Poggen in'n Di”, 


Man kiiket auck es in dat Wertshuus, henin, 
Daar ſitt in'n Gelaage 'n Süuüpergeſinn', 
De Aarend, de Lübbert, de Kooft un de Dübbert, 
De Nobbert, de Zappe, de Knobbert, de Tappe; 
Wann de fi to prooftet, 
Dat flöckt fick, dat hooitet, 
Dat ropt fi, dat Eopp’t ſick, dat Gegrt uäwerall, 
As bölk'den vergrellede Oſſen in'n St 


Na Middernacht kuomt' je bejuapen to Huus, 
Dann kriiget de Witwer up’n Pudel den Gruuß; 
Dann ſchlaa't fe in Bieten!) de Schötteln, de Näppe, 
De Diste un Stödle, de Schreine un Schäppe; 

Dat Iaarmet, dat zanket, 

Dat joolet, dat anket, 

Dat ichleit fick, dat tei't fi, dat bitt ſick toleit, 
As fiirden de Düüwels in’r Höllen 'n Feit. 


1) in Bieten: in Stücke, entzwei. 


«)S 





Jobann Matthias Seling, 


geboren am 2. Dezember 1792 im Kirchſpiel Gesmold im Osnabrüdichen auf einem 
Bauernhofe, widmete ſich anfangs in Holland dem Kaufmannsitande, Im Yabre 
1812 mußte er in den franzöflichern Kriegsdienft eintreten und bracte es bis zum 
Seraeant»Mlajor. Im Nabre 1814 fehrte er, aus der Armee enilaffen, nach Hauſe 
zuräd, Don nun an widmete er fich den Wifjenichaften und jtudierte, nachdem er das 
Gymnaſium Carolinum zu Osnabräd abjolviert hatte, in Münſter Theologie. Im 
Jubre 1818 erhielt er in Osnabrüdf die Priejterweihe, 1819 wurde er £ehrer am Caro 
linum zu Osnabrüd, 1829 erfter Pfarrfaplan an der St Jobannisfirche daſelbſt. Selinas 
Hanptverdienjt liegt in der Hebung des Volkswohls durd; Anleitung zur Arbeit, Ord— 
nung und Mäßigfeit, Er richtete Spinnftuben ein und war zwer Jahre lang als 
Maäßigkeitsapoftel unermüdlich in den Diöcejen Osnabräd, Hildesheim und ım Groß: 
berzogtum Oldenburg thätig, um überall Mäßigkeits-Vereine zu gründen. Er itarb 
an 27, November 1860 zu Osnabrüd. 


Dichtungen: Neue Lieder für Spinnftuben, Haus und Feld. Dr 
nabrüc 1838 und 1839. — Mäfkigeitslieder. 3. Aufl, Paderborn 1804. 


Der Krug Bier. 


Mel.: Bekränzt mit Laub ꝛc. 


Sau'n Kröösken Beer — wat ſchmeckt dat allerleeweſt! 
O ſinget em een Leed! 
Un haulet alle juſt de rechte Wieſe — 
Un dat et munter geht! 


Sau'n Kröösken Beer — wat ſchmeckt dat allerleeweſt! 
De Wien ess düür un ſuur! 
He ess kein Drank vor uss in Weſtfalen. 
En drink' der rhienske Buur! 


Sau'n Kröösken Beer — wat ſchmeckt dat allerleweeſt! 
Weg mit dem Brannewien! 
He ſtigt to Koppe, tehrt an Lief un Lewen. 
He ess een wahr Vernien !*) 


*, Sift. Venenum., 


— 513 — 


Sau'n Kröögfen Beer — wat ſchmeckt dat allerleeiveft ! 
Un't koſſet grauts fein Geld! 
Sau dann un warn fann’t jeder wol bethalen, 
Wenn he’ t’ er man to jtellt. 


Sau’n Kröösken Beer — mat ichmedt dat allerleeweit! 
Un’t mafet nid; knüll un die! 
Doc) ftillt et den WVordreet un auf den Merger 
Un maaft vergnögelif! 


Sau’n Krödgfen Beer — wat ſchmeckt dat allerleeweit! 
Un et befümmt auf good! 
Et maakt nich fault, et maakt auf nich to hikig, 
Et paßt in’t düütske Blood! 


Sau'n Kröösken Beer — wat jchmedt dat allerleciweit ! 
Un maafet ftarf un ſtolt! 
Drüm drünfen’t auf de aulen düütsken Helden! 
Dat heww't de Nönter follt! 


Sau'n Kröösten Beer — wat jchmedt dat allerlecweit! 
Sau mwunnerleef un ſööt, 
Dat fülfs de Fruwwe met den leewen Kinnern 
133 geern beichehen döht! 


Sau’n Kröösfen Beer — wat ſchmeckt dat allerleeweſt! 
Drüm ftäutet alle an! 
Un jeder drink’ un rope em tor Ehre 
Dat Höchſte, wat he kann! 


9% » 
Die zwanzig Handwerker, 


Mel.: Prinz Eugen, der eble Ritter. 
(Handwerfälieder, Osnabrück 1850.) 


Sanfent!), jegg’, wat wullt du weren? 

Hör, du moßt een Handwerk lehren! 
t Handwerk nähret fienen Mann! 

E will din Stiege Stück beichrieiven. 

Söök di ut, wat wullt du driewen? 
Un dann gliet un flinf daran! 


Meiter Eene glöhet Iſen, 
Schleet et danı nau Takt un Wiejen 
Det dem Hamer lütk un graut — 
Maket Hengfels, Klinkens, Schlöte, 
Handwerkstüüg um Huusgeräth, 
Un be hefft un mag fien Braud! 


1) Zunger Burfche. 


Hartmann, Schatztäſtlein weſtfäliſcher Dichtkunſt. 33 


— Werne 


Meiter Twee maakt Schoh un Stiefel, 
Un he maaft je funner Schiefeln 
Stark van Peckedraud un Leer. 
Stitt darbie up fienen Stowen, 
3 Winters achtern warmen Owen, 
Un he fitt daor good in Schmeer! 


Meiter Dree de nett un badet, 
Waar een jeder geern nau padet, 
't leewe Braud in Witt un Schwart. 
Will men em een Braud afhalen, 
Mot men’t good un glief betalen, 
He gewinnt un werd nich narr't. 


Mefter Veere löh't un germwet 
Tele, dat fe nich verderwet, 

Un als Leer vull Denfte doot. 
Kann he man good Leer beree'en 
ill em Meſter Twee wol bee’en 

Un dann steht he fick wol good. 


Meiter Fiewe Ichnitt um nähet, 
Wenn't dar bunten gütt un wehet, 

Wol verwaart up fienem Dis! — 
Nähet Tüüg dor Riek un Arme, 

Kledt je alle hübsk un worme, 

Schrifft um blifft, ess flügg un frisk! 
Meiter Sefie maakt van Fellen 
Hausſchoh vor et Fingerfellen, 

Tüüg von Plz, gans week un waarnı. 
Wenn’t im Winter früsst um ſchnieet, 
Un be fi een beetfen flieet, 

MWerd He rief, nich baule aarın. 


Meſter Sewen ſchlachtet Höhe, 
Dat gifft Fleesk un fette Bröhe, 
Worſt un Bra'en an et Spett) — 
Schlachtet Oſſens, Rinner, Kalwer 
Un verköfft ſe Vordeels halwer — 
Un be ett auf ſülwens met! 


Meiter Achte maafet Ruten 
Sn de Feufters, dat van buuten 
Lecht infällt um’t Weer nich dööt — 
Stridt de Feniters un de Düren? 
Mader an un mault de Müürens, 
Wat j'em good betahlen mööt! 


Meiter Neegen maaft den Sadel, 
Taum um Tügel vor dem Adel, 


’) Spieß. 





— — — — 


— 535 — 


Un vor jeden, de man haalt. 

He auf maaket Jück un Sehle!), 
Pulſtert Wagens, Bänk' un Stöhle — 

Un he kriggt et good betahlt. 
Meſter Tehen bindt de Böker, 

De uss frommer maakt un klöker, 

Schön un ſtaark in Leer un Papp; 
Un — wat fröher nich ess weſen — 
Jeder kann un well nu leſen, 

Darum geht ſien Werk nich ſchlapp. 
Meſter Elwen maaket Diske, 
Hüwelt, rifft fc wiske wiske 

Met Vergnögen ſpegelglatt. 

Sau auf maakt he Stöhle, Bänke, 
Screene, of up Hochdüütsk Schränfe; 

Un be ett un drinfet ſatt! 

Meiter Twölmwe maakt in't Nunne 
Manich Verrel, manih Tunne, 

Manich anner hölten Fatt! 

Will he good un flietig küpen, 
Willt de Kunden fick wol hüüpen, 
Dann verdeent un heift he wat! 


Meiter Drüttehn gütt um ſchmieet 
Gold of Sülmwer, un vermieet, 

Da he jau man nicks verlüſt — 
Maafet Kräße, Lepels, Ringe, 

Alle ditüre, Schöne Dinge — 

Winnt un liewet gans gerüft ! 
Meiter Veertehn farwt um drücket 
Zinsen, Wüllen, dat et ſchmücket, 

Wat men fülwens ipinnt un tüggt?). 
Nau de Blomen, nau de Striepen 
Wil dat junge Volk wol griepen, 

Un fe gift, wat em man dücht! 
Meiter Füftehn howwet Steene, 
Baht un leggt je juſt up eerte 

Un daar tüsfen Half met Sand. 
Sau vullföhrt je graute Werte, 
Bowwet Stallung, Huus un Kerke, 

Un dat brinkt em Geld tor Hand. 


Meſter Sestehn ſchnitt un howwet 
Block un Baum, un timmert, bowwet 


Schuur un Scheer un Oeverwiend — 


Bowwet Böhnens und Gemäcker, 
Bowwet Giewels un de Däcker 
Lewet good met Fruww' un Kind! 


) Joch unb Stränge. 9 bereitet. 


33% 


Meiter Seew'ntehn ſchnitt un Floppet 
Alec tohaupe, un he itoppet 

Dann de Naut met Tinnen dicht. 
Sau nu maalt he Lampen, Luchten, 
Allerhande Bleckgeſchichten, 

Un be hefft ſien Braud wol licht! 
Meiter Ahttehn maafet Kwäſte 
An de Fahnen to de Feſte, 

Bowen’t') Bedd' un war fe paßt — 
Drehet Schnöre, nüdet Bänne, 
Flechtet Böötfens, fnüppet Ränne — 

Lewet funer Sorg’ un Lait! 

Meiter Neeg’ntehn drehet Hören — 
Knoken, Iſen auf all geren, 
Lewer aber kroſſig Holt. 
Wenn de Späune luſtig Fleeget, 
Un de Kımbden nich bedreeget, 
Werd’ er feine Armood follt! 


Meiter Twüntig maalet Uhren, 
Tiedverluit ess to beduuren, 

Allens fordert ſiene Tid! 

Gaut de Uhren met der Sünne, 
Maaket je em gooe Frünne?), 

Un betahlt em fienen Fliet! 
Sanfent, jegg’, wat wullt du weren? 
Sau een Handwerf moßt du lehren, 

't Handwerk nähret fienen Mann! 
k heww' di'n Stiege Stüd befchriewen, 
Söök di unt, wat wullt du driewen? 

Un dann gliek um flink daran! 

Janfent: 
Baar, ick will ju enns wat ſeggen! 
’f will nich lange öwerleggen — 

Seder Handwerk hefft fien Good! 

drt, ji mööt ju nich verfehren, 

t will je alle twüntig lehren, 

Wenn ji mi dat Geld man doot! 


[u 


“;, 
(Neue Lieber für Spinnitube, Haus und Feld. Osnabrüd 1838.) 


Alage und Troſt des gemeinen Mannes. 


Ob, wat ic mie doch kwelen mott 

Den Tag bet in de Nacht! 

De Rieke — wat heff dee’t doch good — 
De fitt ſau weef um jacht! 


») über. ?) Freunde, 


— 517 — 


Wie glücklich iſt der a’ringe Mann, 
Der ſchwere Arbeit thut, 
Da er die Nacht durchichlafen kann 
Und ganz erquickend ruht. 


2. 


Daar ess nin Weer ſau wunierlif, 

IE ſegg'er wat van nau! 

De Riefe — de vorheget ') fick, 

Un wart fick füss un fan! 
Wie ftarf ift Doch der Bauersmann! 
Er troget Sturm und Wind! 
Haut mic ein fleines Yüftchen an — 
DO meh, id armes Find. 


3 


Wat kümmt'er grauts up mienen Diff? 
Daar ess jä gar nicks an! 
De Rieke — de heff Fleesk un Fisk, 
Geiaaen ?) un gebraa’n! 
Wie ſchmackhaft ipeif’t der Landmann doch, 
Und hat nur ein Gericht! 
Der Hunger ift der beite Koch, 
Sc hab’ ihn leider nicht! 


4, 


Daat faule Waater ess mien Drant, 

Dat Beer ess mie to bitür! 

De Rieke — dee fitt ſtunnenlank 

Bie'n Wien um glöd’et af’ Füür. 
Der Arbeitömann, der MWaffer trinkt, 
Wie ſchlürft er es mit Luft! 
Ob mir der Mein im Glaſe blinkt, 
Sch trink' ihn unbewußt. 


5. 


Mien Kleid, mien Huus ess alltomett °) 

Nich wacer, nich bekwäm. 

De Niefe heff dat alle nett, 

Gans Ihäun’ un angenäm. 
Den Landmann ziert fein Kleid wohl fein. 
Sein Haus paßt auch für ihn. 
Und meins muB immer anders fein — 
Iſt nie nach) meinem Sinn. 


) pfleget. 2) geiotten. 9 mitunter, zuweilen, 


Ick ben alltied 'en armen Blood! 
Mien Bühl ess jümmer lieg! 
De Rieke — dee heff Geld un Good — 
Dan Bang’raad ) weet be nid). 
Wohl dem, der nur To wenig hat! 
Ein folder wünſcht nicht viel. 
Die Habſucht wird doch niemals jatt. 
Sie kennt fein Maß und Ziel. 
7. 


Mien Anſehn — dat ess auf nich gqraut, 
Man heif mie vor’en Spaaß! 
De Niefe — dee führt Pradt un Staut, 
Un be ess Heer un Baas! 
Beglückt, wer ftill in Einfalt lebt, 
Und andern gern fih fügt! 
Denn wer nad) Ehr’ und Anfehn ftrebt, 
Mird überall befriegt. 
8 


Wat id doch num auf klagen mag, 
De Rieke flaagt mie nau! 
'en Jeder heff fien Hartgelag, 
Ick ſüss, de Rieke ſau! 
9 


De Welt ess een verdorwen Spell — 
Vor Lütk un auk vor Graut! 
Nin Minſk' hefft, aſſ' het hewwen well! 
'en Jeder hefft to kwaud?). 
10. 
Drüm will'k auch nich meer klagen, Herr! 
Du moſſt mie düt vergiewen! 


Ick meende, de ſau rieke wöör', 
De könn vergnögder liewen. 
11. 

Et gau mie krumm, et gau mie ſcheef — 
Wat mie auk drücken möge: 

Du Godd un Vader heſſt mie leef — 
Dat ess dien Sohne Tüge! 
12, 

Auk ſeh'k ’et ſülwens düd'lik in — 
Du moſſt uss Kinner divingen. 
Dööſt du alltied na uujen Sinn — 
To Nicks kannft du uss bingen, 


) Banger Rat: Eorge, °) ichlecht, 


519 — 


19. 
Nur frieltf ben ik wol ein Kiend, 
Doch, dat dööt Nicks tor Safe, 
Gt ess doch Spell un Rauk in Wiend, 
Waar ick fau veel uut maafe. 


14. 
Verderfit du, Herr, mie nu dat Spell, 
Sp kruupe id to Krüße — 
Un denfe, wat dat bringen weil, 
Wenn’t man gebüllig bike. 
15. 
Un darditür fom’f dann up den Meg, 
Den mie dien Sone lehrde, 


Un folge em g ieden Steg 
Un achte nien Beſchwerde. 


16. 
Un, wat 'en Glück! ſau kom id dann 
To die, na den wie ſtrewet, 


De allens heff um weet un kann, 
Den all’et Gooe lewet. 


17. 
Un to de Engeln, ſimner Tall — 
To alle gooe Minſken! 
Dann bee un heww' ick duuſendmal 
Meer, aff ick hier kann wünsken. 


=, 
Tanz der Alten. 


1. 
De Aulske. 
Vor uss ess Spell un Dans vorbie! 
Wie mööt'en uss in giewen, 
Un danken geren Godd, dat wie 
Im Sitten nau könt fiewen, 
Un dat wien beter Leinen fennt 
Un dat wie em fau meige find! 
2. 
De Aule. 
IE kann't nich länger mehr anfehn — 
SE mott en Dänsken mafen! 
Kumm, Möörfen, up et beite Been! 
Wie doht et nich mehr vafen !)! 


— ‚ee 


Wat fünmert uss de aule Dag? 
Gif di man 1888 um weer'ens wach! 


3. 
De Aulske. 
Ick meende, du wöörſt aultun ſtief! 
Ick hör' di jümmer klagen! 
Nu wult du nau mie aule Wief 
Im Dans herümme jagen! 
Doch wenn du meenſt, ſau kumm man an! 


Ick will ens ſehn, wat ick nau kann. 
(Sie tanzen.) 


4, 
De Aule. 

O Mörfen, halt, mien Stopp, mien Kopp! 
Mie biewet alle Knoten! 
O Möörken, halt, mien Hopp, mien Hopp! 
Ick glaum’ et ess mi brofen! 
O, Möörken halt, ic were krank! 
O, help mie lachte up de Banf! 


5. 
Beede. 


Vor uss ess Spell un Dans vorbie! 
Wie mööt' er uss in giewen 
Un danfen geren Gott, bat wie 
Sm Sitten nau könt licwen, 
Un dat wien beter Lewen kennt, 
Un dat wie em ſau neige find. 


5 


Emmy von Dindlage. 


(Zebensbeichreibung fiebe im I. Teil, Seite 397.) 


De Scheper. 
(Drtiginalbeitrag.) 
Lang de Schippe') 
Un de Kippe?) 
Un de Hoife®) van de Wand! 
Kleppt de Miffe, *) 
Driew ick wiſſe 
Mine Schaap in't Heideland. 
Holla ho! 
Kamt ſe alle 
Ut en Stalle, 
Mine Schöptes bünt) nich mad, ®) 
Se willt ſpringen, 
Ick will ſingen 
Mit min Brügge) imn'n Sad. 
Holla ho! 
Wenn ick breide®) 
Up de Heide, 
Wort de Dag mi mangs to kott; 
MWies*) ick ſlape, 
Mine Schaape 
Uſe Hündken möten !%) mot. 
Holla ho! 
Kam ich binnen,“) 
Sit fo Spinnen 
Achtert Weel 12) de Tütfe Maid. 
Man de Buer 
Kick fo fuer, 
't 18 doch beter up de Heid! 
Holla ho! 
!) Spabe, Schaufel; hier Schäferfteb. ) Mämermüge. ) Mantel. 9 Wenns 
zur Meſſe fleppt. 5) find. 9) müde, matt, ſchwach. ) aroße Butterſchnitte. ®) ftride. 


®) während, 30) hüten. m) nad) Haufe. ») MWeelrad, Spinnrad. Sämmtlihe Nuss 
brüce find im Osnabrüdichen an der ojtfrieflichen Grenze, gebräuchlich, 


— 


m. 


Aule plattdüütske Leeder un aule Vertellſels, 


Aule plattdüätske Leeder. 
1.3) 
Bliine Joſt, de harr 'ne Deeren 
De woll he van Harten geeren 


Bringen to den rechten Stand, 
De van Gott is to erfannt. 


Klecks, de Schritwer, de wörb roopen, 
He kwam möit dem Schriimtüg loopen, 
Un be ichreew wol in den Breef, 

Wat de Deeren mit c freeg: 


Seren Pott un eenen Schleef, 
Seſſ Paar Leepels, frumm un Icheef, 
Eenen Rod, ſeſſ Eelen milt, 

O, wat frögde ſick dat Lüt! 


Eenen Kiſt und eenen Schrank, 
Eene Tunnen to'n Schwiinedrank, 
Twee ole Küſſen, eenen Pöhl, 
Segge ji Lüe, was dat nich veel? 


gang heit de Pape, 
He kwam mit de Mönfesfappe, 

Nam en old Katgiſſenbook 

Geew je een — twwee — dree hohoop. 


Abens güng de Hochtied an, 
Fröhlick wören Fru un Mann, 
Fröhlick wören alle Gäſte: 

Tree brade Herink was dat Beſte. 


„Jösken, ſchmeck' es to, wo fööte!“ 
„„Donnerhal, et is je Kriede.““ 
„umge, et is ja Brannewiin, 
Un en Klütken Sucder drin.“ 
?) Eiche: „Hartmann, Bilder aus MWeftfalen, Osnabrüd 1571. 8.207. Du 
Verfaſſer bat dieſes und die folgenden beiden Lieder aus dem Munde jeiner Mutter. 


— 528 


Uſe Hans, nu dull und vull, 
Küſſt fin Gretfen, dat nich wull. 
Bats! freea be een up de Schnuute: 
„Jeſſ, Mar’, Joſeep, miin Aug' is untel“!) 


2. 

„Spinn’, mine lewe Dochter 
Saft hemm me nie Müſſen.“ 
„Ach, mine lewe Moder, 
Dann woll ick die wol küſſen. 
Kann man nich ſpinnen, 

Mie ſwäret de Finger 
Un döt mi jo weh.“ 


„Spinn’, mine lewe Docter, 
Saft hemm en nie Kleid.” 
„Ach, mine lewe Mooder, 
Dat wör mi ne grote Freud. 
Kann man nich ſpinnen, 

Mi ſwäret de Finger 
Und döt mi ſo weh.““ 


„Spinn', mine lewe Dochter, 
Salt hemm en nien Hot.“ 
„„Ach, mine lewe Mooder, 

De ſteht mi ſo goot. 
Kann man nich ſpinnen, 
Mi ſwäret de Finger 
Und döt mi ſo weh.““ 


„Spinn', mine lewe Dochter, 
Saft hemm 'n jungen Mann.“ 
„Ach, mine Ietve Mooder, 

De ſteht mi wol au. 

Nu kann ick wol Spinnen, 
Nu ſwärt mi kiin Finger, 
Nu döt mi nix weh.” 


3 


As id na ne Junfer waſſ, waſſ id jo fin, 
So fin, ad man ne gnädig Frölen mag fü. 
Da waif id jo wader un jo fin, as derto, 
Nu fitt ick bi de Meigen um finge ei, ei, 

(Fi, eia popeia, ei, eia popei! 

) Diefe Strophe, die im Ravensbergiſchen nicht vorfommt, ift auch im Mün— 
jterichen gebräudhlih, wenn aud) die Form etwas anders. Siche: Steinmann, 
Münſterſche Geichichten und Sagen. Der Nusdrud „Ich, Marie, Joſeep“ weiſt auf 
fatholifche Länder hin. 


— 54 — 


Wenn up den Märften mir wall to daun 
Dann konn if up'n Amend mit den Spinnrad utgaun, 
Dat fang fid, dat ſpann fit vor Luit un Plaſeer, 
Dann fengen de Jungens: Biſt doch ne wader Deer. 
Nu ſitt id bi de Weigen un finge ei, ei, 
(Fi, eia popeia, ei, eia bopei. 


AS id na ne Junfer, da wall et mi paß, 
Da ging de Viole, nu geht de Brummbah. 
DO, wör ick doch ewig ne Junfer blewen, 
In harr' mt nich up dat Friien begeiven. 
Nu ſitt id bi de MWeigen um finge ei, ei, 
(Si, eia popeia, ei, eia popei. 





4.9) 
⸗ Is was de Junfer Eegenſinn, 
In Gooen nich to tiämen, 
Un ſtriiwd' mi faaken hier un hen 
To giewen un to niemen. 
De Hiemel weet't, wo et kwam, 
Dat id ſau nääe?) gaf un nam. 


Daun kwam 'n jungen Rlumenbaart 
Anmöödig un bull Liewen, 
De wüſte met der beſten Aart 
To niemen un to giewen. 
Dau meet de Hiemel, mo et kwam, 
Dat id ſau geeren gaf un nam. 


Ick mierk'de waar he gönf un ftönd, 
Up jedder'n fiiner Winte, 
Un greip he miine rechte Hand, 
Gaf'k em auf faarts de Linfe. 
De Himmel weet’t, wo et kwam, 
Dat ic ſau fründlid gaf un nam. 


In'n Nottbusk tröcd he mi met fick 
Un’t der Metipieler® Schwaarme, 
He gaf mi ſiinen Aarm, un ick, 
Ick nam en in de Aarme. 
De Hiemel weet't, wo et kwam, 
Dat ick ſau fröödig gaf un nam. 


Wi ſeiten in'n ſchmööen Stott?) 
Un wöören nett an'n Küüren; 
Ick gaf den Karr'n unt miiner Nott, 
Nam de van ſiinen wieren. 


Syra, F. W., Plattdeutſche Briefe, Erzählungen und Gedichte, Dfnahrüt 
1856. S. 175. *) ungern, bedenklich. >) in'n jchmöden KFott: in einen weichen Lager 


— 525 — 


De Hiemel weet't, wo et kwam, 
Dat ick ſau arglaus gaf un nam. 


Dau häärden wie den witten Patt 
De Mooder, roopend, kuomen, 
Wual harr ick ſüß, ick weet nich wat, 
E giewen, af e nuomen. 
De Hiemel weet't, wo et kwam, 
Dat ick ſau willig gaf un nam. 


— — — 


5.1) 


„Fruwwe, ji jchollen na Huuſe kuomen, 
Sue Mann un de 15 franf.“ 

„Is he frank, 

Gatt ſie Dank! 

Nu na'n Dänsken ’r twee of dree.““ 


„Fruwwe, ji ſchollen dach baule kuomen, 
Juuen Mann will't ſe berichten.“ 

„„Willt ſe'n berichten, 

Mag he bichten. 

Hopp! na'n Dänsken 'r twee of dree.““ 


„Fruwwe, ji ſchollen doch gawwe kuomen, 
Juue Mann un de will ſtierwen. 

„Will he ſtierwen 

Kann ick ierwen, 

Erſt na'n Dansken ’r twee of dree.““ 


„Fruwwe, to, ji miötet kuomen, 
Inue Mann un de is daut.“ 
„Js he baut, 
Frett he nin Braudt. 
Such! na'n Dänsken 'v twee of dree.“” 


„Fruwwe, nu ſchiöl' ji wual kuomen, 
r is'n Frigger, de is vor ju.“ 
„„Wat ſegge ji, 
n Srigger bor mi? 
Dann 18 vor dütmal 't Danſſen vorbi.”* 


1, tyra, a. a. D. ©. 186, 





=; 


_ 339 — 


Aule plattdütshe Vertellſels. 
1: 


De Böuter un de Jägersmarm.?) 
(Ein Bertellfel van mine Beßmoder.) 


In'n Gorn en Hösken fait, 
Brunen Kohl gar luſtik fratt, 
Kam de Buer daher getreden, 
Wull hen fingen gan un beden, 


Nam de Bibel mit Geichid, 

Schmeet das Häsken in't Genid. 
„Buer, di ſall dat Donnerwedder, 
Kummt de Jäger di up't Ledder!“ — 
Sönndags mott dat Häsken d'ran, 
Werd gebraden in de Pann. 

Blitz! wat heft de Buer gegnabbelt, 
Heft ſick Latz un Bort beſabbelt. 


Van fären kummt de Jägersmann, 
Rückt, wat de man rufen kann: 
„Buer, di fall de Dümel flan, 

Mat hält du dat Hüsfen dan?" 
„Min Herr Säger, in den Goren 
Sait dat Häsken ganz verfroren, 
As en Klut tohaupedan. 

Süh' he mine Bibel an, 
Sülwerne Ecken finn daran, 

Iſſ mi ut de Hand e flogen, 

Heft dat Häsken dodt e ſlogen.““ — 
Seggt de Jäger: „Dat is brav, 
As du fündigit, friegit du Straf.“ 
Heft de Eden aff'ebroken 

Un in fine Ranzen itofen. — 


Um den Buer jin Hus herum 
Schlit de Jagdbhund, dat was dumm! 
Sachtchens! heft de Buer gedacht, 

Dat vergell ic di, gift Acht! 
He bredt Ecken, ick breck Knoken, 
Heft de Tähn em utebrofen: 
„Mu kannſt du na Hufe gan, 
Din Herr fall mi wuol veritan! 


2) Plattdeutſch im nördlichen Teile des Fürftentums. 


5 


ei RT 
2 


De Taskenußr!). 

Daar bi fällt mi en Dööntken in, 
Dat mo’gt bier wual to Paſſe fien: 
Bor hundert Jahren fäund'n Buer 
me ſchäune blanfe Taskenuhr. 

He, mi nicks, di nicks bück'de fick 
Un dacht': „Du ſchaſt in miine Fick; 
Blank biſt du, as'n Daaler is, 

En'n Daaler gellſt du ganz gewiß“. 

Dach, ad he ſ'neiger bi bekickt, 
Dau häärd' he, dat dat Dinges tickt; 
Still lööt he't liggen an der Eer', 
He mende, dat't de Düüwel wöör! 

De Schreck bedrüüßelde!) en ganz, 
„Wat het dat Beeſt vor'n langen Schwanz!“ 
Rööp he vull Anaft un Schreden nut, 

Keick hott un haa na Kopp un Schnuut’! 

Met eenmal nam he mwier en Hert', 

He pad’de 't bi den langen Steert, 
Un bölt 'n Käären met Gemad 
An’t Ahr; dau fiä et: fick, tick, tad! 

Nu bleiw em gaar nin Twiiwel mehr, 
Dat’t de Liifhaft'ge ſülwent wöör'; 

Et wöörd em ganz blööm'rant vor'n Augen, 
He ſchmeit 'ne, da de Stücke flaugen. 

„Tööw!“ ſiä he, „ſchaſt de Kränke kriigen, 
Ick will di up'n Kittel ſtiigen; 

Vergaunen Shall dit Sehn un Häär'n, 
Schalt ninen Minsken mehr verföhr'n.“ 

Un paukede in dullen Sinn 
Met ſiinen Priekſtock up en in, 

Kloppd' ümmerto in eenen Tag, 
Dat Füür un Flamme uut en flaug. 

D’rup gönt he wilder; un hust! hust! 
Sprinkt Gener vor em uunt'n Busk 
Un rööp em to: Miin leewe Buur, 

Fäundſt du nic miine Taskenuhr. 


„Den Düüwel,“ ftä he, „heww' if Frunen, 
He ligt van hier 'ne Berrelituns 5 
Ick gaf em fanrtiers jün.s Melt, 
Nu is he vaut, wir is'r weit.“ 


ı) Lyra a. a. O. ©. 76 u. ff. Plattdeutſch im ſüdlichen Teile des Fürſtentums. 
2, betäubte. 


— — — * — * 0 Zu 





— des — 


Sau was vor'n düſſen hier de Buur; 
He kennd' un drödg niine Taskenuhr; 
Nu driägt je j’ met 'ner Sülwerftie 
Un doo't fif unwiis dick'r miie. 


Van Jahr to Jahr geht't häuger up; 
Stönd'n hundertjährske Daaen up! 
Bekeiken all's van Enn' to Wenn'n, 

Se ſcholl'n de Welt mual nich mehr kenn'n. 


5 


Uenjahrs- und heil. Dreikönige-Fieder. 
1 


Kindken, Kindken Jeiſus, 
Givv us ein Pund Deigus (Teig). 
Lütke Stücke 
Grot Gelücke! 
Sel'ges nies Jahrs Abend, 
As de Kinner nar Schaule gingen, 
Hadden ſe gern wat eten, 

adden nich einen beten. 
Leiwe Mauder, gaht na'n Spiker, 
Säuket wat ji finen könnt, 
Keiſe un Brod, 
Gottes Lohn! 
Ein Stücke van de Teuten (Torte), 
Da könn wi ſchön na fleuten. 
Ein Stücke van den Schinken, 
Da könne wi gaud na drinken. 
Roſenblatt! 
Schöne Stadt! 
Schöne, junge Deeren 
Sept us wat! 
Drei Mide (Meile) Weges is jo wiet, 
Gevt us wat, jo were ji us quiet! 





2. 


„Bilgen drei Könige fin hoch gebor’n, 
Marie Mauder Gottes hepot Kindken verlor'n. 
Kindken was in Gipfenland (Aegypten), 
Siprenlan wog mol bekannt. 
Da jeiten drei Diinfonz an mine Dör, 
De eine was folt, de anre was Wurm, 
De drüdde nahm Marie Mauder Gottes tu’: Arm.“ 


Ss 


— 529 — 


Martinslied, 


„Sünte Marten, gue Marten, 
De us alles giewen fan, 
Ron Appel un von Bieren, 
De Nüöte gaht wol miren (mit). 
Roſenblatt, ſchäune Stadt, 
Schäune Jungfern giewt us wat! 
Laut' us nich jo lange ſtaun, 
Wi must nau wiet na Köllen gan. 
Köllen is jo füren, 
Da kuömt wi ninmmermehren. 
Rojenblatt, 
striege wi auf wat?“ 


=; 
Anmwendgebät. ) 


’3 Auwends, wann'k na Bedde gaae, 
Legg'k mi in Mariggens Schaut; 
Mrigge id miin’ Mooder, 

J'annes is miin Brooder, 
Jeſus is miin G’leidesmann, 


De mi'n Weg wual willen kann. 


Maar ick ligge, gaae und ſtage, 
Sind mi veerteen Engel naar: 
Twee to miinen Koppe, 

Twee to miinen Fööten, 

Twee to miiner rechten Sit’, 
Twee to miiner linfen Sit’, 
Twee de mi dedet, 

Twee de mi wecket, 

Un twee de mi'n Weg na'n Hiemel wiiſ't. 
Jeſus is miin Hätken 

J'annes is miin Schättken, 
M'rigge ligt mi in'n Sinn, 
Met de dree ſchlaup' ick in. 


=; 
Hau Eene, 


(Kort un goot.) 
Hier ligg’ ick a3 'ne Rob; 
Nu jeh’ unſe Derigott 10, 
Dat wi nin Düüwel wat doo. 


26 


ı) Lyra, a. a. O. ©, 187, ebenſo „Nau Ene“ und „Räutſel“ S. 185. 


Te er 


Räutfel. 


Up’n Thie') daar ftaa’t twee Plauten, 
Up de Plauten ſiga't twee Staafen, 
Up de Staaken fteht ne Tunne, 

Up de Tunnen ftebt 'n Trecter, 
Up den Trechter fteht 'n Ball, 
An den Balle fitt 'n Mitülert, 
Uäwer den Müülert fitt 'n Schnüütert 
läwer den Schnitütert fitt’t twee Gleppers, 
Uäwer de Gleppers ſteht 'n Wauld, 
Darin huuſeret Junk un Ault. 
(Wat is ju dat?) 


— 
Faſtnachtsruf. 


„Hallop, hallopꝛ N. N. hevpt Hedewegge to kop, 
Schmedt io jeute, as erfenfeute. 
Stedt der ein betfen Botter in, 
Schmeckt je no eis jo jeutel* ' 


=), 
— auf Vögel. 


„Stork, Stork, — 
Häſt din Vaar wol hangen ſehn? 
Tüsken de glönigen Tangen zu 
— din Vaar wol hangen. 
Da hängt din Baar, din Baar!” 
oder: „Stork, Storf, Langebeen, 
Wann wült du wier ut den Lanne tehn?“ 
„„Wenn de Noagen riepet, 
Wenn de Wagen quif ſeggt.““ 
oder: „Etorf, Storf, Steene 
Mit de langen Beene,, 
Hepvt en rohet Nöcsfen an, 
De mi un di (eu Brörfen or Süfterken) bringen kann.“ 


2. 


„Kiwitt, wo blieb id, 
Wenn de Welt vergeht, 
6 Un sie mehr ſteht ?“ 


Yy Thie: Sammelplaß in den Dörfern. 


E55