Die neuen
deutschen
Erwerbungen
in der Südsee
Kurt Hassert
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Die neuen
DEUTSCHEN ERWERBUNGEN
in der
Die t.
Karolinen, Marianen und Samoa-Inseln-
von
Dr. Kurt Hassert
der Geographie an der Handels- Hochschule zu Köln.
Nachtrag zu DEUTSCHLANDS KOLONIEN.
1903.
Verlag von Dr. Seele & Co.
DigitizfQI 3y Go<
Druck von C. Groinbach in Leipzig.
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DO
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Vorwort.
Da mir aus verschiedenen Gründen, insbesondere wegen eines zwei-
maligen Wechsels des Wohnortes und wegen anderweiter litterarischer
Arbeiten, die Bearbeitung einer zweiten Auflage meines Buches „Deutsch-
lands Kolonien" (Leipzig 1899) bisher nicht möglich gewesen ist, so
habe ich mich, einem langgehegten Wunsche der Verlagsbuchhandlung
Rechnung tragend, entschlossen, wenigstens die neuesten deutschen
Besitzungen im Stillen Ozean, die in jenem Buche noch nicht enthalten
waren, in einer zusammenfassenden Übersicht zu schildern. Die Ein-
teilung und Behandlung des Stoffes erfolgte nach denselben Grund-
sätzen wie bei „Deutschlands Kolonien". Karten und Abbildungen
dagegen sind dem Nachtrag nicht beigegeben worden.
Köln, im November 1902.
K. Hassert
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Inhalt,
I. Die neuen deutschen Erwerbungen in der Südsee ........
i
. 32
. . 6?
S. Kolonialer Nuttwert der neuen deutschen Erwerbungen in der Südsee . .
. .' 90
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i. Die neuen deutschen Erwerbungen in der Südsee.
Das überseeische Deutschland hat seine hauptsächlichsten Grund-
lagen in Afrika, in Ostasien und in der Südsee. Von diesen drei
Kolonial- und Interessengebieten hat die Südsee lange Zeit hindurch
die Aufmerksamkeit am wenigsten auf sich gezogen, obgleich gerade
die Verteidigung des deutschen Südseehandels schon in den siebziger
Jahren des 19. Jahrhunderts unsere spät begonnene Koionialpolitik ein-
leitete. In neuester Zeit hat aber ein völliger Umschwung Platz ge-
griffen, und die Veränderungen, die so überraschend schnell und mit so
ungeahnter Tragweite in der allgemeinen Weltlage eintraten, haben auch
dem Stillen Ozean und damit der Stellung Deutschlands daselbst eine
ganz andere Bedeutung verliehen. Denn die Herrschaft über den Stillen
Ozean ist die Frage des 20. Jahrhunderts.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Paciftk ein stilles Meer im
wahrsten Sinne des Wortes. Handel und Verkehr schmiegten sich
ängstlich an die Küsten und Inseln der ungeheuren, schwer erreichbaren
und wenig belebten Wasserwüste mit ihrem gering entwickelten wirt-
schaftlichen Leben, um so mehr als die eingeborenen Südseevölker, die
schiffahrtskundigen Malayen und Polynesier nicht ausgenommen, nur
eine beschränkte Seetüchtigkeit entfalteten. Auch den Europäern galt
bis zu Cooks berühmten Weltumsegelungen die Fahrt über den Paci-
fischen Ozean als ein Wagnis, so dass zwischen Asien und Amerika sehr
geringe Beziehungen bestanden und der Pacifik eher ein völkertrennendes
als ein völkerverbindendes Weltmeer war. Die Politik beschäftigte sich
ebenfalls bloss vereinzelt mit jenen entlegenen Gegenden, die im Welt-
handel erst eine Rolle zu spielen begannen, als sich die Kopra in Europa
bezahlt machte und als man die kräftigen Bewohner gewisser Inselgruppen
als Pflanzungsarbeiter schätzen lernte. Spät und zögernd stellten sich
dort Kaufmann und Missionar ein, und noch ein volles Jahrhundert sollte
verstreichen, ehe das prophetische Wort unseres Georg Forster in Er-
füllung ging, dass die Inselwelt der Südsee dereinst eine Königin der
gesamten südlichen Welt werden würde.
Dieser Fall ist eingetreten mit den wirtschaftlichen und politischen
Deutschland» Kolonien.
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Folgen des Japanisch-Chinesischen Krieges und des Boxeraufstandes.
Erst ein kommendes Geschlecht kann voll und ganz die weittragende
Bedeutung jener Ereignisse erkennen, welche die ganze mongolische
Welt wie aus tiefem Schlummer erweckt und sie aus vereinsamter Ferne
in den Mittelpunkt des Weltverkehrs, Welthandels und der Weltpolitik
gerückt haben. Das ungeheure Chinesische Reich, das in Jahrtausende
langer strenger Absperrung sich selbst genügte, ist europäischen Ein-
flüssen zugänglich gemacht worden, und als jüngste Grossmacht ist
Japan selbstbewusst auf dem Plan erschienen, ein moderner Kulturstaat,
der in kluger Weise abendländische Kultur und europäisches Wissen
nicht bloss nachäfft, sondern sich ihnen mit Wahrung seiner nationalen
Besonderheiten zweckmässig anpasst.
Infolge jener Umwälzungen ist aber auch die Südsee erwacht und
in die Weltgeschichte eingetreten; und wenn nicht alle Anzeichen trügen,
so beginnt dort eine neue Zeit, etwa derjenigen vergleichbar, die durch
die Auffindung des Seeweges nach Ostindien und die Entdeckung
Amerikas am Ende des 1 5. Jahrhunderts angebahnt wurde. Fast scheint
es, als ob nach der mehr oder minder gewaltsamen Erschliessung Chinas,
die von allen Seiten her einen mächtigen Verkehrsstrom anzieht, der
Pacifik den Atlantischen Ozean, der bisher der eigentliche Schauplatz
des Weltverkehrs war, allmählich ablösen wird, genau so wie im Ent-
deckungszeitalter der Atlantische Ozean das Mittelmeer überflügelte.
Ein scharf beobachtender, weitblickender Staatsmann, der diesen
grossartigen, Europas Vormachtsstellung schwer bedrohenden Umwande-
lungsprozess vor sich gehen, der einen neuen weltgeschichtlichen Schau-
platz und neue Wirtschaftsgebiete entstehen sieht, muss rechtzeitig Vor-
kehrungen treffen, um den Thatsachen Rechnung zu tragen und seinem
Volk den notwendigen Platz an der Sonne zu sichern. Das hat unsere
Politik gethan. Zu einer Zeit, wo alle Grossmächte darnach trachten,
sich im Pacifik festzusetzen und den zukunftsvollen Südseehandcl in
ihre Hand zu bringen, hat auch die Reichsregicrung nicht versäumt, den
deutschen Interessen im Stillen Ozean eine feste Stellung zu schaffen.
Die Einreihung der Karolinen, Marianen und Samoa-Inseln in unsern
Südseebesitz, der bisher mit der Marshall-Gruppe und dem Schutzgebiet
der Neu Guinea-Kompagnie ohne rechten Zusammenhang war, hat ein
einheitliches, in sich geschlossenes Kolonialland entstehen lassen. Im
Süden sind Kaiser Wilhelmsland und der Bismarck- Archipel, die nicht
nur räumlich, sondern auch wirtschaftlich die erste Stelle einnehmen,
die wesentlichsten Stützpunkte und der Kern unseres Südseereiches.
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Im Westen breiten sich die Karolinen mit ihren sicheren Häfen aus,
im Norden bildet Kiautschou die Eingangspforte für ein gewaltiges
Handelsgebiet, und im Osten erscheint Samoa wie ein Wegweiser zum
Mittelamerikanischen Weltmeerkanal. Seine Vollendung wird das Ver-
kehrsleben der Südsee, aber freilich auch den Einfluss der Vereinigten
Staaten entschieden fördern, die deshalb das lebhafteste Interesse am
Bau und Besitz des Panama-Kanals haben.
Die Politik der Vereinigten Staaten ist von dem Bedürfnis ge-
tragen, im Westen, im Bereich des Stillen Ozeans, denjenigen Einfluss
zu gewinnen, den ihnen im Osten, im Gebiet des Atlantischen Ozeans,
die europäischen Staaten beeinträchtigen. Obendrein führt durch den
Pacifik der Weg von der wirtschaftlichen Weltmacht der Zukunft,
Amerika, zum wichtigsten Absatzgebiet der Zukunft, Ostasien : ein Weg,
der in seinen Hauptrichtungen durch die amerikanischen Etappenpunkte
Hawaii, Tutuila, Guam und die Philippinen bereits vorgezeichnet ist.
Ein zweiter durchaus nicht verächtlicher Mitbewerber im Kampf
um den Stillen Ozean ist Russland, das durch sein kraftvolles, ziel-
bewusstes Vorgehen seinen paeifischen Küstenbesitz aus eisumstarrten,
schwer zugänglichen Gebieten in südlichere Gegenden vorgeschoben hat,
die ihm die Herrschaft über Ostasien sichern. Namentlich seit der
Fertigstellung der sibirischen Eisenbahn und der Besetzung der Mand-
schurei treten die Russen dort immer mehr als gebietende Herren auf.
Die dritte und älteste paeifische Grossmacht, die, allen anderen
Staaten voraneilend, zuerst auf dem Australischen Festland Fuss fasste
und dann einen nicht unerheblichen Teil der Paeifischen Inselflur an sich
brachte, ist England bezw. der neue Britisch-Australische Staatenbund.
Als jüngster Nebenbuhler und als Bundesgenosse Englands ist endlich
Japan zu nennen, das schon durch seine Lage auf die wirtschaftliche
und politische Mitherrschaft über die Südsec hingewiesen wird.
So stehen sich heute im und am Pacifik zwei gewichtige Elemente
kampfbereit einander gegenüber, hier die alteingesessene gelbe Rasse,
vertreten durch Japan und China, dort die neu angekommene weisse
Rasse, vertreten durch Engländer, Franzosen, Russen, Amerikaner und
Deutsche 1 ). Der Stille Ozean ist über Nacht zum Tummelplatz der
verschiedenartigsten, sich durchkreuzenden Interessen geworden, und im
Mittel- und Schnittpunkt dieser Gegensätze steht vermöge seiner geo-
graphischen Lage der deutsche Südseeantcil. —
>) Der elend verwaltete spanische Südseebesitz ist nach dem Zusammen brach des
spanischen Kolonialreichs in deutsche und amerikanische Hände übergegangen.
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Das deutsch-englische Abkommen vom Jahre 1885 hatte uns einen
Raum als Interessengebiet zugesprochen, in welchem auf der einen Seite
die eng zusammengehörigen Gebiete Kaiser Wilhelmslandes und des
Bismarck-Archipels, auf der andern die wirtschaftlich ein Ganzes bilden-
den Karolinen und Marshall-Inseln lagen. Die Besitznahme der Karolinen
stiess aber auf unerwartete Schwierigkeiten.
Nachdem nämlich der Portugiese Diego da Roche, die Spanier
Saavedra, Salazar und eine Reihe anderer spanischer Seefahrer im Ent-
deckungszeitalter einige Eilande der Karolinen aufgefunden hatten,
nahmen die Spanier von der Inselflur Besitz. Doch wurden die Ent-
deckungen nicht weiter verfolgt, weil lockende Schätze auf den ein-
samen Inseln nicht zu finden waren und der Seeverkehr zwischen
Mexiko und den Philippinen nördlichere Wege aufsuchte. Erst in der
zweiten Hälfte des 1 7. Jahrhunderts, nach der endgültigen Besetzung der
1521 von Magellan entdeckten Marianen, trat Spanien in nähere Be-
ziehungen zu den Karolinen, und zwar erfolgte diese Annäherung durch
die Mission, indem spanische Jesuiten die Eingeborenen gewaltsam zum
Christentum bekehren wollten. Aber ihr Vorhaben scheiterte nach einer
Reihe misslungener Versuche ; und als 1733 wiederum mehrere Missionare
— darunter Pater Cantova, ein vortrefflicher Mann, der damals die voll-
ständigsten Nachrichten über den Archipel sammelte — ermordet wurden,
ohne dass man ihren Tod gerächt hätte, geschah seitens Spaniens nichts
mehr, um die Karolinen zu kolonisieren oder Hoheitsrechte auf ihnen
auszuüben. 1 )
') Auch die weitere Erforschung des Archipels geriet infolgedessen völlig ins Stocken.
Erat 1783 entdeckte der englische Kapitän Wilson gelegentlich eines Schiffbruches die Polau-
Inseln, und der Amerikaner Mortlock fand die nach ihm benannte Gruppe. Doch wirkten
diese und die späteren Entdeckungen eher verwirrend als klärend, weil man die zahllosen
Inselchen astronomisch und kartographisch nicht mit Sicherheit festzulegen vermochte, wes-
halb sie wiederholt entdeckt und sehr verschieden benannt wurden. Grundlichere Unter-
suchungen verdankt man dem russischen Kapitän Otto v. Kotzcbue, an dessen Welt-
umsegelung auch der Dichter und Naturforscher Adalbert v. Chamisso teilnahm, und dem
Franzosen Duperrey. Am glänzendsten waren jedoch die Leistungen des russischen Kapitäns
Lütke und seines deutschen Begleiters v. Kitt Ii tz, die 1827/28 auf der Korvette „Senjavin"
die gesamte Inselflur durchkreuzten und die noch heute unentbehrliche Grundlage für deren
geographische Kenntnis schufen. Die wissenschaftliche Speztalerforschung der Palaus wurde
in erster Linie von dem deutschen Zoologen Karl Semper, die der Karolinen durch Dumont
d'Urville und die Vermessungen des englischen Kriegsschiffes „Lame", ferner durch den
Kaufmann Hernsheim und den amerikanischen Missionar Dr. Gulick durchgeführt. In
jüngster Zeit haben sich zwei Forscher besondere Verdienste um die Karolinen erworben :
der Reisende Kubary, der 15 Jahre hindurch vornehmlich als Sammler für das um die
Erst seit 1852 begannen protestantische Sendboten der amerika-
nischen Hawaii-Mission zu Boston (American Board of Commissioners
for Foreign Mission) auf Ponape und Kusaie eine im allgemeinen erfolg-
reiche Wirksamkeit, worauf die Spanier 1875 bei einem diplomatischen
Streit mit Deutschland und England ihre Besitzansprüche auf die Karo-
linen wiederum geltend machten. Gelegentlich der Ausklarierung einiger
deutscher und britischer Handelsschiffe nahm nämlich der spanische Konsul
in Hongkong plötzlich die Oberherrschaft und das Zollerhebungsrecht
Spaniens für den Archipel in Anspruch, trotzdem sich weder ein spa-
nischer Beamter noch Soldat, folglich auch keine spanische Regierungs-
gewalt dort befand. Obwohl beide Mächte Verwahrung einlegten und
die spanischen Besitzansprüche nicht anerkannten, hielt es Spanien nicht
der Mühe für wert, die ihm überreichten Noten zu beantworten. Somit
sahen Deutschland und England die Inselgruppe als herrenlos an, zumal
seitens Spaniens nichts geschah, was man als ein Zeichen thatsächlicher
Besitzergreifung hätte deuten können. 1882 unternahm sogar ein bri-
tisches Kriegsschiff eine Strafexpedition nach den Palau - Inseln , ohne
dass Spanien Einwendungen erhoben hätte. Erst zwei Jahre später
teilte ein spanisches Kriegsschiff an die Häuptlinge mehrerer Karolinen-
Inseln spanische Flaggen aus.
Deutschland hatte bisher keine erheblichen Interessen an der Insel-
flur gehabt, die erst mit dem raschen Ausbreiten des deutschen Süd-
seehandels erhöhte Bedeutung gewann, so dass sich das Reich 1885 auf
Grund des Abkommens mit England zu deren Besitznahme entschloss.
Denn einmal waren die Karolinen wirtschaftlich grösstenteils, mit 8o°/ 0
der Handelsbcwegung, bereits in deutschen Händen, und dann trat der
dort ansässige Händler O'Keefe gegen Konkurrenten wie gegen die
Eingeborenen so rücksichtslos auf, dass ein Einschreiten dringend ge-
boten schien.
Inzwischen hatte aber in Spanien eine gereizte Stimmung gegen
Deutschland Platz gegriffen, die durch von aussen hereingetragene Ur-
sachen genährt und verschärft wurde. Als nun die deutsche Regierung
der spanischen in freundschaftlichster Weise mitteilte, dass sie die Be-
setzung der Karolinen beabsichtige und ihren Kriegsschiffen die ent-
sprechenden Weisungen gegeben habe, beschloss der später von den
Anarchisten ermordete Minister Canovas de Castillo, diesem Vorhaben
Südseeforschung hochverdiente Hamburger Handelshaus Godcffroy thltig war, und der eng-
lische Missionar Christian, der 9 Jahre lang auf der Inselflur weilte.
zuvorzukommen und dadurch seine aus mancherlei Gründen wankend
gewordene Stellung wieder zu festigen. Er protestierte unter Hinweis
auf ältere spanische Rechte gegen Deutschlands Vorgehen und beauf-
tragte den Gouverneur der Philippinen, die Inselgruppe sofort zu annek-
tieren. Zu sehr gelegener Zeit fand sich auch ein Schriftstück vor,
nach welchem spanische Kriegsschiffe schon vor fünf Monaten von
den Karolinen Besitz genommen hätten.
Um seinen Forderungen grösseren Nachdruck zu verleihen, reizte
der Minister die öffentliche Meinung auf. Eine heftige Pressfehde gegen
Deutschland setzte ein, und in Madrid erfolgte eine grosse deutschfeind-
liche Demonstration, an der über 30000 Menschen teilnahmen. Einige
Zeitungen verlangten sogar, der deutsche Gesandte solle seine Pässe er-
halten und König Alfons XII. seine deutschen Orden zurückgeben, und
einer der Hauptschrcier, der General Salamanca, schickte das ihm ver-
liehene Grosskreuz des Roten Adlerordens mit einem Begleitschreiben
zurück, in dem es u. a. hiess: „Die von dem deutschen Geschwader
auf den Karolinen verübte That, welche die rudimentärsten Gefühle der
Freundschaft und des Völkerrechtes verletzt, entzieht besagter Dekoration
den einzigen Grund, der mir gestattete, sie ohne Schädigung meiner
Ehre anzulegen. Deshalb gebe ich sie zurück, indem ich mir vornehme,
die Lücke, die dadurch auf meiner Brust entsteht, durch eine andere,
im Kampf gegen Deutschland erworbene Auszeichnung auszufüllen."
Als General v. Loe, an den Brief und Orden zur Weitergabe abgesandt
waren, Aufklärung forderte, lenkte der Prahler ein, wurde aber trotzdem
als Patriot gepriesen und mit Albums und Ehrensäbeln beschenkt. Da
er ungeachtet verschiedener Bemühungen seinen Orden nicht los werden
konnte, erbarmte sich schliesslich die Preussische Regierung seiner und
teilte ihm mit, dass er auf seinen Wunsch aus der Liste der Träger
des Roten Adlerordens gestrichen sei.
Inzwischen zog die Bewegung immer weitere Kreise und erreichte
ihren Höhepunkt, als die Nachricht einlief, dass das deutsche Kanonen-
boot „Iltis" im Angesicht zweier spanischer Kriegsschiffe auf der Insel
Yap die deutsche Flagge gehisst habe. Wohl hatten die wenige Tage
vorher angekommenen Spanier bereits Baumaterial und einige Haustiere
ausgeladen, doch war die eigentliche Besitzergreifung noch nicht voll-
zogen, und nunmehr kamen ihnen die Deutschen zuvor. Diese That-
sache wirkte in Madrid wie ein Donnerschlag. Wütende Volksmasscn
warfen die Fenster der deutschen Gesandtschaft ein, rissen Wappen und
Fahnenstock herab und verbrannten sie unter den Rufen: Nieder mit
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Deutschland! Krieg mit Deutschland! Dann brachte die Menge vor der
französischen Gesandtschaft eine Ovation aus und konnte erst später
durch Militär langsam zurückgedrängt werden.
In Deutschland hatte man die ganze Angelegenheit sehr ruhig und
zurückhaltend aufgefasst. Nachdem Fürst Bismarck für die der deutschen
Gesandtschaft zugefügte Beleidigung Genugthuung erhalten hatte, erklärte
er sich bereit, die Streitfrage einem Schiedsgericht zu unterbreiten, und
nach längeren Verhandlungen wurde Papst Leo XIII. als Vermittler ge-
wählt. Nach eingehender Prüfung kam er zu folgender, von beiden
Mächten angenommenen Entscheidung: Auf Grund der in neuester Zeit
vollzogenen Akte und aus älteren Ansprüchen ist Spanien die Ober-
hoheit über die Karolinen zuzuerkennen. 1 ) Doch verpflichtet es sich,
dort baldmöglichst eine geordnete und zum Schutz der Europäer aus-
reichende Verwaltung einzurichten. Deutschland bekommt volle Freiheit
des Handels, der Schiffahrt, der Gründung von Plantagen u. s. w. in der-
selben Weise wie spanische Unterthanen und erhält das Recht zur An-
lage einer Schiffs- und Kohlenstation. Doch machte es auf Wunsch
Spaniens von dieser letzten Vergünstigung nach der Erwerbung der
Marshall-Inseln keinen Gebrauch.
So klang der leidige Zwischenfall friedlich aus, und es war ein
Zusammenstoss vermieden, der die Handelsbeziehungen beider Länder,
insbesondere unsere sehr beträchtliche Einfuhr nach Spanien, ohne
Zweifel schwer geschädigt haben würde. Um einen solchen Preis und
im Hinblick auf die gewährten Zugeständnisse kam der Verzicht auf
die kleine Inselgruppe mit ihrem geringfügigen Handelsumsatz kaum in
Betracht. In den spanischen Theatern konnte man in jener Zeit öfters
eine Posse hören, in der sich die Kinder Hispania und Germania um
die Puppe Carolina zankten, bis Papa kam und den weisen Spruch
fällte, die Puppe gehöre der Hispania, Germania aber dürfe mit ihr
spielen. —
') Wenn der Papst in seinem schiedsrichterlichen Gutachten auf die Handlungen hin-
wies, die Spanien zu verschiedenen Zeiten zum Wohle der Karolinier vorgenommen haben
soll, und wenn er den wohlthatigen , auf die Eingeborenen unverkennbaren Einfluss rühmt,
so kann sich das wohl nur auf die verunglückten Missionsversuche beziehen. Will man
indes religiösen Unternehmungen überhaupt politische Rechtsansprüche beilegen, so hatte sie
die amerikanische Mission am meisten verdient. Wie die Spanier im übrigen zum Wohl
der Eingeborenen sorgten, das beweisen die von ihnen fast ganz ausgerotteten Marianen-
insulaner. Auch den Karoliniern würde es nach den Erfahrungen der letzten Jahre kaum
anders ergangen sein.
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Auch nach dem Schiedsspruch kümmerte man sich in Spanien
zunächst wenig um den so lange vernachlässigten und darum in seiner
politischen Zugehörigkeit zweifelhaft gewordenen Besitz, der erst dann
etwas an Wert gewann, als er für eine andere Macht begehrenswert er-
schien. Im Juli 1886 landete endlich ein spanisches Kriegsschiff auf
Ponape Beamte, Soldaten und Sträflinge. Allein mit dem nunmehr er-
folgten wirklichen Einzug der spanischen Herrschaft war der Friede
vorüber, ohne dass die Inselflur dem Mutterlande erheblich näher gerückt
worden wäre. Im Gegenteil, man sah sich sehr bald in die Notwendig-
keit versetzt, in der unruhigen Kolonie, deren Behauptung viele Menschen-
leben kostete, zwei starke Militärstationen zu errichten, während der
Handel ganz und gar von Fremden, vorwaltend von deutschen Firmen
betrieben wurde. Im folgenden Jahr wurde an der Nordküste von Po-
nape die Niederlassung Santiago angelegt und von spanischen Kapu-
zinern eine Missionsstation gegründet, die, wie zu erwarten, sehr bald
mit den protestantischen Sendboten der bereits dort ansässigen Bostoner
Mission in Streit geriet. Der spanische Gouverneur Hess die amerika-
nische Missionsanstalt mit Beschlag belegen und deren Leiter, als er
Verwahrung einlegte, als Gefangenen nach den Philippinen bringen unter
der Beschuldigung, er habe die Eingeborenen zum Aufruhr verleitet.
So ging trotz zugesicherter Religionsfreiheit das 35 jährige Bekehrungs-
werk der Bostoner Mission auf Ponape wieder zu Grunde. Die von
Haus aus friedfertigen Insulaner wurden ebenfalls in so herausfordernder
Weise behandelt, dass sie nach kaum drei Monaten verzweiflungsvoll
zu den Waffen griffen und sich in offener Empörung gegen ihre Bedrücker
auflehnten. Nachdem sie eine spanische Truppenabteilung aus dem
Hinterhalt überfallen und aufgerieben hatten, erstürmten sie die Festung
Santiago, wobei der Gouverneur und 20 Soldaten niedergemetzelt wurden.
Die amerikanischen Missionare, in denen die Eingeborenen ihre natür-
lichen Freunde sahen, blieben unbelästigt, und der Aufstand brach auch
gerade am 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfest, aus, was damals
auf Ponape viel zu denken gab.
Das erwartete Strafgericht trat nicht ein, weil der neue Gouverneur
trotz der ihm zugewiesenen Truppenmacht von 600 Mann mit Unter-
stützung der sprachkundigen amerikanischen Missionare, deren Oberhaupt
wieder freigelassen wurde, den Zwist friedlich beilegte. Doch bald begann
die Gärung von neuem. Denn die Kolonie sollte in echt spanischer
Weise fiskalisch ausgenutzt werden, zu welchem Zwecke man drückende
Steuern, harte Frondienste verschiedener Art und ein an Sklaverei gren-
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zendes Arbeitssystem einzuführen suchte. Im Jahr 1890 brach ein
zweiter grosser Aufstand aus, und in mehreren Zusammenstössen fochten
die trägen, feigen Insulaner mit solchem Mute, dass über 160 Soldaten
das Leben verloren. Natürlich waren auf seiten der schlecht bewaffneten
Eingeborenen, deren Widerstand von den namhaft verstärkten Spaniern
blutig niedergeschlagen wurde, die Verluste weit grösser. Immerhin
erforderte die feindselige Stimmung der Unterworfenen die ständige
Anwesenheit einer über 800 Mann zählenden Besatzung, und da der
noch dazu mit einem kostspieligen Beamtenapparat verwaltete Besitz
nur Unkosten verursachte, ohne etwas einzubringen, so war man schliess-
lich froh, als sich eine Gelegenheit fand, um sich der einst so stürmisch
begehrten Kolonie mit Vorteil entäussern zu können.
Der verhängnisvolle Ausgang des spanisch-amerikanischen Krieges
hatte Spanien um die letzten bedeutenderen Reste seines einst so ge-
waltigen Kolonialreiches gebracht. Ausser einigen wenig wertvollen
Besitzungen blieben ihm in Asien bloss noch die Karolinen und die
kleineren Inseln der Marianen, da die grösste Insel der letzteren Gruppe,
Guam, und die Philippinen von den siegreichen Vereinigten Staaten
behalten wurden. Mit geschickter und schneller Benutzung der poli-
tischen Verhältnisse entschloss sich nun die Reichsregicrung, die in
Deutschland immer populär gebliebenen Karolinen auf friedlichem Wege
zu erwerben, und entsandte noch während des Krieges ein Kriegsschiff
zu einer längeren Erkundungsfahrt in die dortigen Gewässer. Anfangs
erhoben sich nicht geringe Schwierigkeiten. Doch konnte das Aus-
wärtige Amt nach dreivierteljährigen Verhandlungen endlich mit Befrie-
digung wahrnehmen, dass die Vereinigten Staaten ein anerkennenswertes
Entgegenkommen zeigten, während die Spanier, die einen Kaufpreis
von 40 Millionen Pesetas verlangt hatten, von ihren Forderungen er-
heblich nachliesscn. Nachdem dafür gesorgt war, dass der Widerspruch
anderer Mächte kein Hindernis bereitete, kam am 30. Juni 1899 der
Vertrag mit Spanien zu stände, durch den eine Inselgruppe endgültig
deutsches Eigentum wurde, von der im Jahre 1885 niemand ahnen
konnte, dass sie die Spanier 14 Jahre später freiwillig an ihren alten
Gegner abtreten würden. Deutschland erhielt gegen eine Geldentschädi-
gung von 25 Millionen Pesetas (16750000 Mark), die der Reichstag in
einem Nachtragsetat genehmigte, die Karolinen und Marianen mit Aus-
nahme Guams samt allen Hoheitsrechten. Andererseits gewährte es
spanischen Handels- und Wirtschaftsunternehmungen und spanischen
religiösen Ordensgesellschaften dieselben Vergünstigungen wie den eigenen
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Unterthanen. Endlich sicherte sich Spanien das Recht, auf den Insel-
gruppen drei Kohlenstationen für seine Kriegs- und Handelsmarine an-
zulegen und sie auch in Kriegszeiten behalten zu dürfen.
So hatte unsere Diplomatie einen erfreulichen Erfolg errungen. In
Spanien rief der Vertrag keine besondere Misstimmung oder Über-
raschung hervor, da man im Weiterbesitz jener Archipele keine wirt-
schaftlichen Vorteile mehr sah. War doch unmittelbar vor Beginn des
spanisch -amerikanischen Krieges und wiederum aus religiösen Gründen
ein neuer Aufstand ausgebrochen, der zu einer empfindlichen Niederlage
der Spanier und zur Belagerung von Santiago führte! Seit der Abtretung
ist aber sofort Ruhe und Ordnung auf der Inselgruppe eingekehrt, ob-
wohl die deutsche Verwaltung mit den einfachsten Mitteln arbeitet und
auf die Anwesenheit einer starken Militärmacht von vornherein verzichtet.
Die neuen Erwerbungen unterstehen dem kaiserlichen Gouvernement in
Herbertshöhe. Doch ist wegen der grossen Entfernung des Hauptver-
waltungssitzes den Beamten möglichste Selbständigkeit gelassen und die
weitzerstreute Inselflur, wie schon in spanischer Zeit, in drei durch die
geographischen Verhältnisse bedingte Verwaltungsbezirke eingeteilt worden.
Die Marianen und die westlichen Karolinen sind Bezirkshauptleuten unter-
stellt und werden von Saipan und Yap aus verwaltet. Der dritte und
wichtigste Bezirk umfasst die östlichen Karolinen und hat einen Vize-
gouverneur für das ganze Schutzgebiet mit dem Sitz in Ponape.
Im gleichen Jahre erfolgte im Stillen Ozean noch eine zweite Er-
werbung, die in Deutschland ebenfalls mit lebhafter Genugthuung be-
grüsst wurde: Der Gewinn der Samoa-Inseln, die so lange ein Schmer-
zenskind unserer Kolonialpolitik gewesen waren.
Wegen seiner zentralen Lage inmitten der Inselwolken des Pacifik
und wegen der Fruchtbarkeit seines Bodens war der Archipel seit dem
Ausgang der 50 er Jahre der Mittelpunkt für die grossartigste kauf-
männische Unternehmung innerhalb des Südseegebietes, das Hamburger
Handelshaus Cesar Godeffroy, geworden. Der deutsche Handel war
auf Samoa der älteste und bedeutendste, der deutsche Plantagenbesitz
der ausgedehnteste und am besten entwickelte; auch der Kopfzahl nach
standen dort die Deutschen an erster Stelle. Leider hatte das Reich
den rechten Augenblick zur Besetzung Samoas versäumt und sich
mit einem Handels- und Freundschaftsvertrag begnügt, der ihm eine
für die kohlenarme Südsee nicht unwichtige Kohlenstation, den Hafen
Saluafata, und die volle Gleichberechtigung mit England und Amerika
sicherte, die wiederholt die Inselgruppe an sich zu bringen versucht hatten.
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Da boten die Zahlungsschwierigkeiten der durch schwere Ver-
luste infolge des Sinkens der Koprapreise erschütterten Firma Go-
deffroy eine willkommene Gelegenheit, Samoa unter deutschen Schutz
zu stellen und damit der Gefahr vorzubeugen, dass der umfangreiche
Landbesitz jenes Hauses und im Anschluss daran die politische Besitz-
ergreifung des Archipels an England übergehen würde. Um diesen ver-
nichtenden Schlag von der allgemein anerkannten und bewunderten
deutschen Kulturarbeit abzuwenden, brachte der Reichskanzler Fürst
Bismarck 1880 die sogenannte Samoavorlage im Reichstag ein. Allein
der freisinnige Abgeordnete Bamberger setzte die Ablehnung derselben
durch ; und wenn auch der bedrohte Besitz von der deutschen Handels-
und Plantagengesellschaft für die Südsee übernommen wurde, so begann
doch seitdem für die deutschen Interessen auf Samoa und für die Insel-
flur selbst eine lange Leidensgeschichte. Denn die Nebenbuhlerschaft
der drei an Samoa interessierten Mächte Deutschland, England und
Amerika nahm nicht bloss ihren Fortgang, sondern spitzte sich noch
zu, indem die Briten und Amerikaner in immer schärferen Wettbewerb
mit dem deutschen Einfluss traten, dessen rasches Anwachsen sie schon
lange missgünstig verfolgten. Eine erwünschte Handhabe hierfür waren
die von jeher unter den Eingeborenen herrschenden Zwistigkeiten , die
aber erst dann für den europäischen Handels- und Pflanzungsbetrieb
verhängnisvoll wurden, als sie das politische Ränkespiel sich dienstbar
gemacht hatte. Fortan war der Friede von den Inseln geflohen. Un-
aufhörliche Kriegswirren zerrütteten bis in die neueste Zeit den Wohl-
stand der Ansiedler und der Insulaner und untergruben das gute Ein-
vernehmen, das zwischen ihnen bisher bestanden hatte.
Statt eines allgemein anerkannten Oberkönigs gab es auf Samoa
drei grosse Parteien, deren Oberhäupter den Titel Malietoa, Tamasese
und Mataafa führten und sich gegenseitig erbittert befehdeten, weil keiner
sich dem andern unterordnen wollte. Der von den drei Mächten als
Vertragskönig proklamierte Malietoa Laupepa wurde vollständig von
England und Neuseeland gewonnen und wiederholt veranlasst, die britische
Regierung um Einverleibung Samoas zu bitten. Obwohl dieses Vorhaben
stets an dem nachdrücklichen Widerspruch Deutschlands scheiterte,
fühlte sich der König infolge der ununterbrochenen Aufhetzungen so
mächtig, dass sein feindseliges anmassendes Auftreten ein bewaffnetes
Einschreiten des Generalkonsuls Dr. Stuebel, unseres jetzigen Kolonial-
direktors, veranlasste. Nunmehr stellten sich die Engländer und Ame-
rikaner offen auf Malietoas Seite und erkannten ihn damit in aller Form
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als Gegner der Deutschen an, deren Bundesgenosse Tamasese, der alte
Widersacher Malietoas, war. 1887 glaubten die Engländer ihren Schütz-
ling dem Ziele nahe zu sehen und spornten ihn zu energischem Vor-
gehen an. Als er indes Gewaltthätigkeiten gegen die deutschen Pflan-
zungen begann und die geforderte Genugthuung verweigerte, wurde er
zum Erstaunen und Missbehagen seiner Protektoren von den Deutschen
gefangen genommen und in die Verbannung geschickt.
Leider wurden dadurch die Zustände nicht besser, indem dem
deutscherseits anerkannten und von der grossen Mehrheit der samoa-
nischen Häuptlinge gewählten Tamasese ein Gegenkönig in dem von
den beiden anderen Mächten begünstigten Mataafa erwuchs, der einen
regelrechten Krieg gegen Tamasese begann und den deutschen Plantagen-
betrieb ebenfalls empfindlich schädigte, üm Leben und Eigentum der
Unterthanen zu schützen und Mataafa gewaltsam zu entwaffnen, wurde
auf Veranlassung des deutschen Konsuls Dr. Knappe eine Truppen-
abteilung gelandet, die aber in einen Hinterhalt geriet und trotz an-
erkennenswerter Tapferkeit gegen die von dem Amerikaner Klein, einem
heruntergekommenen Zeitungsreporter, geführte Übermacht 1888 bei
Vailele eine verlustreiche Niederlage erlitt. Sie vereitelte nicht nur die
geplante Entwaffnung der Gegenpartei, sondern kostete auch zwei Offizieren
und 1 5 Mann das Leben, während ein Offizier und 38 Mann verwundet
wurden. Dreien der Getöteten war von den Samoanern der Kopf
abgeschnitten, einem der Hals durchgeschnitten worden. England
und Amerika waren natürlich über Deutschlands Vorgehen empört und
setzten die Abberufung des Konsuls Knappe durch, der in schwieriger
Lage durchaus richtig gehandelt hatte und später wegen seiner Ver-
dienste in allen Ehren rehabilitiert wurde. Um das Unglück voll zu
machen, brach im März 1889 ein furchtbarer Orkan aus, der die deutschen
Kriegsschiffe „Adler" und „Eber" und zwei amerikanische Kriegsschiffe
an den Korallenriffen des Hafens von Apia zerschellte. 93 deutsche
und 1 1 7 amerikanische Seeleute fanden dabei den Tod in den Wellen.
Ausserdem gingen sämtliche auf der Reede befindlichen Handelsschiffe
unter oder strandeten. Uneingeschränktes Lob verdiente bei dieser
schrecklichen Katastrophe das Verhalten der Samoaner, die, alle
Feindschaft vergessend, sich todesmutig an dem Rettungswerk beteiligten
und als tollkühne Schwimmer furchtlos ihr Leben einsetzten, um ohne
Unterschied Freund und Feind dem gierigen Ozean zu entreissen.
Um den Wirren endlich Einhalt zu thun, traten die Bevollmächtigten
der drei Schutzstaaten in Berlin zur Samoakonfercnz zusammen, die ein
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grosses freiwilliges Opfer Deutschlands bedeutete, weil England und die
Vereinigten Staaten nach langen Verhandlungen das erreichten, was sie
bis dahin nicht zu fordern gewagt hatten, nämlich die Anerkennung der
Gleichberechtigung auf Samoa. Die für unabhängig und neutral erklärte
Inselgruppe stand nun thatsächlich unter der Oberaufsicht der drei
Mächte, und ein vom König von Schweden ernannter Oberrichter übte
die Verwaltung aus. Ferner setzten England und Amerika die Rück-
berufung ihres Günstlings Malietoa und seine Ernennung zum ersten
und einzigen allgemein anerkannten Oberkönig durch. Dadurch kamen
die Deutschen in die wenig angenehme Lage, ihren einstigen Gegner
gegen die befreundete und eben noch von ihnen unterstützte Tamasese-
partei zu schützen. Der einzige greifbare Vorteil, den sie erlangten,
war das Verbot weiterer Landabtretungen von den Samoanern und die
Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der Besitzanrechte der fremden
Ansiedler. Die Arbeiten dieser Kommission waren erst 1894 beendet
und lieferten überraschende Ergebnisse. Von den deutschen Ansprüchen
wurden rund 35000 ha oder 56°/ 0 des gesamten Landbesitzes als
berechtigt, d. h. als durch gültige Kaufverträge erworben, anerkannt. Von
den amerikanischen Forderungen dagegen wurden bloss 8000 ha oder
7 °, 0 , von den englischen gar nur 4000 ha oder 3 % bestätigt, obwohl
die Briten für ihre Ansprüche etwa 1 2 500 ha mehr geltend gemacht
hatten, als überhaupt Land vorhanden war. In solcher Weise hatten
die Engländer ihre vermeintlichen Interessen übertrieben, während sie
in Wahrheit zusammen mit denen der Amerikaner erst den dritten Teil
des deutschen Besitzes ausmachten.
Wie vorauszusehen, war auch das Aushilfsmittcl der Samoakonferenz
bei der gegenseitigen Eifersucht der drei Mächte wirkungslos und Hess
einen ganzen Rattenkönig neuer Misshelligkeiten entstehen. Die Ver-
hältnisse blieben eben so unhaltbar und beschämend wie früher, und die
Ordnung konnte nur mühsam durch die ständige Anwesenheit der fremden
Kriegsschiffe aufrecht erhalten werden. Denn der Malietoa Laupepa
war bloss durch den Willen der Vertragsmächte, keineswegs aber nach
dem Willen der Samoaner Oberkönig geworden, und da der Oberrichter
keine Macht besass, so dauerte der Bürgerkrieg fort und artete immer
mehr aus. Als der Gegenkönig Mataafa gefangen genommen und ver-
bannt wurde, gingen die Wogen der Erregung so hoch, dass man ihn
wieder zurückrufen musste; und wie beliebt und einflussreich er war,
geht daraus hervor, dass er 1898 nach Laupepas Tode mit erdrückender
Mehrheit von allen samoanischen Parteien, sogar von seinen früheren
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Feinden, zum Oberkönig gewählt ward. Damit wäre ganz Samoa
endlich wieder einmal geeint und der langjährige Zwist beigelegt gewesen.
Da jedoch Mataafa Katholik und vor allem ein kluger patriotischer Kopf
war, der die englisch-amerikanischen Absichten wohl durchschaute, so
bestritt der Oberrichter Chambers unter dem Einfluss der ihm eng be-
freundeten englischen Mission sehr bald die Rechtsgültigkeit der Wahl
und fand trotz dieser offenbaren Vertragsverletzung bei England und
den Vereinigten Staaten Zustimmung. Sie stellten einen von einer ganz
geringen samoanischen Minderheit gewählten Gegenkönig auf, während
Deutschland im Einklang mit den Bestimmungen der Samoa-Akte den
alten Gegner willig bestätigte und neutral blieb. Statt also den Frieden
zu erhalten, wofür er eingesetzt war, führte Chambers das Wieder-
aufflackern des Bürgerkrieges geradezu herbei, und der Gang der Er-
eignisse Hess keinen Zweifel darüber, dass das Vorgehen des Ober-
richters vornehmlich gegen die Deutschen gerichtet war, die in der
Folge als Schwächere eine Reihe bitterer Demütigungen hinnehmen
mussten.
Als die Gegenpartei zu Beginn des Jahres 1899 von Mataafa bei
Apia völlig geschlagen wurde und die gereizte Stimmung zwischen den
Vertragsmächten in beunruhigender Weise wuchs, eröffneten die britischen
und amerikanischen Kriegsschiffe, angeblich um Mataafas Anhänger zu
vertreiben, ein Bombardement auf die hauptsächlich von deutschen
Händlern und Pflanzern bewohnte Stadt. Diese rücksichtslose Bedrohung
deutschen Lebens und Eigentums, die obendrein eine schwere Verletzung
früherer Abmachungen bedeutete, erfolgte in passiver Anwesenheit eines
unserer Kriegsschiffe, wobei auch ein Granatsplitter im deutschen Konsulat
einschlug. Noch mehrere Wochen lang beschossen die englischen Schiffe
die nur von Frauen und Kindern bewohnten Küstendörfer, worauf die
Verbündeten nach Eintreffen von Verstärkungen ein Landungskorps
aussetzten. Es geriet jedoch, wie früher die Deutschen, in einen
Hinterhalt und wurde von den erbitterten Leuten Mataafas bei Fangalii
empfindlich geschlagen. Sieben Engländer und Amerikaner, dazu 38
Samoaner ihres Anhangs fielen, und die ungeschulten, schlecht be-
waffneten Gegner erbeuteten überdies zwei Schnellfeuergeschütze, die
man in eiliger Flucht zurücklassen musste. Nunmehr suchte man, wie
kurz zuvor den deutschen Polizeichef von Apia, Fritz Marquardt, als
Anstifter und Zuträger der Eingeborenen den Kapitän Hufnagel ver-
antwortlich zu machen. Beide wurden von den Engländern verhaftet,
mussten aber auf entschiedenen Protest wieder ausgeliefert werden und
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blieben an Bord des deutschen Kriegsschiffes, bis sie, was sehr bald
geschah, ihre Unschuld klar erwiesen hatten.
Zur Untersuchung der beklagenswerten Zwischenfälle wurde eine
gemischte Kommission eingesetzt. Es gelang ihr, die erregten Gemüter
zu beruhigen und eine teilweise Entwaffnung durchzusetzen, bei der
über 5000 Gewehre zur Ablieferung kamen. Um ferneren Streitigkeiten
vorzubeugen, wurde das samoanische Königtum ganz abgeschafft, und
die Regierung sollte ausschliesslich durch die so unheilvolle europäisch-
amerikanische Dreiherrschaft weitergeführt werden. Immerhin war ein
zeitweiliges Einvernehmen zwischen den Vertragsmächten erzielt, und
die Samoa- Angelegenheit begann allmählich in den Hintergrund zu treten.
In Amerika gewann eine einsichtigere Beurteilung der Dinge die Ober-
hand, und England wurde in den südafrikanischen Krieg verwickelt, der
das öffentliche Interesse ganz in Anspruch nahm.
Da erfolgte zu allgemeiner freudiger Überraschung die unerwartete
Kunde von der Aufteilung der Samoagruppe unter Deutschland und die
Vereinigten Staaten, und zwar gerade zu einer Zeit, als die Hoffnung,
dass wir nach zwanzigjährigem Wettbewerb den Sieg erringen würden,
ihren tiefsten Stand erreicht hatte. Nicht zum wenigsten scheint das Ab-
kommen eine Wirkung des Burenkrieges gewesen zu sein, der England
durch fortgesetzte Niederlagen zunächst in eine sehr missliche Lage brachte.
Auch die Reise des Zaren Nikolaus nach Deutschland mag für das Ein-
lenken Englands, das sich ohne zwingende Gründe wohl kaum nachgiebig
gezeigt hätte, mitbestimmend gewesen sein. Denn wenige Stunden vor der
Ankunft des Zaren in Potsdam kamen die so lange hingeschleppten Ver-
handlungen plötzlich zum Abschluss.
Der Vertrag vom 14. November 1899, der unter Vorbehalt der
rasch erlangten Zustimmung der Vereinigten Staaten zu stände kam,
sicherte endlich eine dauernde Auseinandersetzung zwischen den drei
Mächten. Er hob die Samoa-Akte auf und bestimmte, dass die Ent-
schädigungsforderungen für alle bei den letzten Wirren erlittenen Ver-
luste durch ein Schiedsgericht geprüft werden sollten. Vor allem aber
wies er die Hauptinseln Upolu und Sawaii samt allen westlich des
171. Längengrades gelegenen Eilanden an Deutschland, während dio Ver-
einigten Staaten Tutuila und die Manuagruppe erhielten. Denn die
paeifischen Interessen Amerikas waren allmählich derart gestiegen, dass
es Tutuila als Stützpunkt nicht preisgeben konnte. Dort besass es
schon lange die Kohlenstation Pago-Pago, über welche die zukunfts-
vollen Schiffahrtslinien zwischen Nordamerika und Australien führen.
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Englands Interessen dagegen waren so gering und die ihm zugebilligten
Entschädigungen so ansehnlich, dass es ihm ein leichtes war, sich
aller Rechte auf Samoa zu entäussern. Denn Deutschland entsagte
zu gunsten Grossbritanniens seinen nicht unerheblichen Ansprüchen auf
die Tonga-Inseln und verzichtete auf seine bis 1902 währenden
exterritorialen Rechte in Sansibar. Waren diese Rechte auch mehr
formeller Art, so ist doch mit ihrer Preisgabe der letzte Faden zer-
schnitten, der die Insel noch mit Deutschland verknüpfte, und wir stehen
vor der unabänderlichen Thatsache, dass unmittelbar vor unserer ost-
afrikanischen Kolonie eine britische Insel liegt, die unser Küstenland be-
herrscht und stark entwertet. Ferner erhielt England die beiden deutschen
Salomoneninseln Choiseul und Ysabel nebst den zugehörigen kleineren
Eilanden, allerdings mit dem ausdrücklichen, für das Wirtschaftsleben
der Südsee wichtigen Vorbehalt der ungehinderten Anwerbung von
Plantagenarbeitern. Da wir die Salomonen wegen ihrer im allgemeinen
europäerfeindlichen melanesischen Bevölkerung wirtschaftlich noch gar
nicht ausgenutzt und die als Arbeiterlieferanten wertvollen Inseln Bougain.
ville und Buka behalten haben, so will dieser Verlust nicht zu viel be-
sagen. Schmerzlicher ist die für uns ungünstige Aufteilung des bisher
neutralen Salagagebietes zwischen Deutsch-Togo und der englischen
Goldküstenkolonie in Westafrika, wo wir bei der Neubegrenzung unseres
Schutzgebietes den kürzeren gezogen haben.
Alles in allem kann man sich dem Empfinden nicht verschliessen,
dass die unsererseits für Samoa gewährten Gegenleistungen recht be-
trächtlich waren und dass die schlauen Engländer, wie bei allen kolonial-
politischen Verhandlungen mit Deutschland, auch diesmal die meisten
Vorteile zu erringen verstanden. Andererseits darf man jedoch nicht
vergessen, dass unsere Diplomatie mit nicht geringen Schwierigkeiten
zu kämpfen hatte, weil sie nicht in der Lage war, durch maritime
Machtmittel einen Druck ausüben und ihren Forderungen Nachdruck
verleihen zu können. Deshalb fand, und mit Recht, das Samoa-Abkommen
in Deutschland eine günstige Aufnahme. Hatte es doch den ewigen
Bürgerkriegen auf der Inselflur ein Ziel gesetzt und, wenngleich erst
spät, das 1880 in unbegreiflicher Kurzsichtigkeit verschuldete Versäumnis
wieder gut gemacht, das uns zwei Jahrzehnte hindurch so schwere Opfer
an Geld und Menschenleben kostete und eine ganze Reihe bitterer Er-
fahrungen und tief schmerzlicher Demütigungen auferlegte. Seiner Zeit
hätten wir ganz Samoa für 300000 Mk. haben können. Weil das aber
dem Reichstag zu teuer war, so haben wir allein bloss für die Stationierung
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unserer Kriegsschiffe vor Samoa von 1879 bis 1899 über 25 Millionen
Mark ausgegeben. So war es eine Ehrenpflicht, einen Besitz zu be-
haupten, der uns durch deutsches Blut und deutsche Arbeit kostbar ge-
worden war und dessen Preisgabe die überwiegende Mehrheit des Volkes
sicherlich als eine nationale Demütigung empfunden haben würde. Dass
wir nicht ganz Samoa bekamen, darf uns die Freude an dem Erworbenen
nicht beeinträchtigen. Freilich ist es nicht angenehm, hier und auf den
Marianen die Vereinigten Staaten als unbequemen Nachbar inmitten
unseres Kolonialgebietes zu haben. Doch haben wir erreicht, was unter
den obwaltenden Verhältnissen zu erreichen möglich war.
Dr. Solf, der bisherige Präsident der Municipal -Verwaltung in
Apia, ein genauer Kenner von Land und Leuten, wurde zum ersten
Gouverneur von Deutsch-Samoa ernannt, und am I. März 1900 fand in
dem alten samoanischen Königssitz Mulinuu bei Apia unter festlicher
Beteiligung der Fremden und Eingeborenen die Flaggenhissung statt.
Seitdem sind aus unserer jüngsten Kolonie nur erfreuliche Nachrichten
über die fortschreitende Beruhigung und Besserung der Dinge in die
Heimat gedrungen, so dass Samoa immer mehr die Perle der Südsee zu
werden verspricht, als welche man die Inselflur schon so lange gepriesen hat.
Deutschland» Kolonien.
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2. Die Marianen.
Die Marianen und Karolinen liegen östlich von den Philippinen
und gehören nebst den deutschen Marshall-Inseln und dem britischen
Gilbert-Archipel geographisch zu Mikronesien, das seinem Namen Klein-
inselland mit vollem Recht entspricht. Denn allen seinen Inseln ist die
Kleinheit ihres Umfange» und das entschiedene Vorherrschen niedriger,
kaum mannshoher Koralleneilande gemeinsam, die meist als sogenannte
Atolle oder Ringinseln mit ihrem schmalen, weissleuchtenden Korallen-
kalkband eine ruhige Lagune umsäumen. Trotz der weiten Ausdehnung
über ein Gebiet, das in Europa vom Kanal bis zum Don und vom
Kap Skagen bis Rom reichen würde, hat die gesamte mikronesische
Inselflur mit 3545 km' Fläche noch nicht einmal die Grösse des Gross-
herzogtums Sachsen-Weimar.
Aus jener ungeheuren Wasserwüstc und aus der Unzahl flacher
Riffe und Koralleninseln ragen nur wenige höhere Inseln vulkanischen
Ursprungs empor. Die meisten und grössten finden sich in der Gruppe
der Marianen, der nördlichsten Inselreihe Mikronesiens, die 1521 vom
Weltumsegler Magellan entdeckt wurde. Wegen des diebischen Cha-
rakters ihrer Bewohner taufte er sie Ladronen oder Diebesinseln. Da-
neben wurden sie nach der dreieckigen Form der Segel, die an
lateinische Segel erinnerten, Isias de las Velas Latinas, die Inseln der
Lateinischen Segel, genannt. Später erhielten sie nach der Witwe des
spanischen Königs Philipp IV., Maria Anna, den heute allgemein ge-
bräuchlichen Namen Marianen.
Die Nord-Süd verlaufende Inselflur erstreckt sich in Gestalt eines
leicht gekrümmten, nach West offenen Bogens über eine fast 1000 km
lange Strecke von 12 — 21° N., die, nach Deutschland verlegt, den Raum
von der deutsch-dänischen Grenze bis zum Bodensce einnehmen würde.
Durch einen unterseeischen Rücken hängen die Marianen mit den von
Japan aus südwärts laufenden Bonin-lnscln zusammen, während sie von
den Karolinen ein gewaltig tiefes Meeresbecken scheidet, das bei der Insel
Guam bis zu 8800 m herabgeht und nach der Tongatiefe die zweitgrösste,
bis heute gelotete Meerestiefe ist. Die zugehörigen 17 Inseln und
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Inselchen haben insgesamt 1140 km 8 Flächeninhalt und gewinnen nach
Süden immer mehr an Umfang, um mit Guam ihr grösstes Areal
(514 km*) und ihre dichteste Bewohnerzahl (9000 Seelen) zu erreichen.
Da Guam amerikanischer Besitz ist, so bleiben für den deutschen An-
teil der Marianen nur noch 626 km*, d. h. kaum soviel wie Zweidrittel
der Insel Rügen, mit 1938 Einwohnern (1253 Chamorro, 650 Karolinier,
35 Fremde) übrig. Doch hat sich unter deutscher Verwaltung die Volks-
zahl durch einen Geburten überschuss von 50 Seelen und eine aus Guam
erfolgte Zuwanderung von 144 Köpfen 1900/01 auf 2132 Köpfe gehoben,
die sich hauptsächlich auf den drei ständig besiedelten Inseln Saipan,
Rota und Tinian zusammendrängen.
Die bergige Inselgruppe ist durchaus vulkanischen Charakters und
scheint gleich dem Bismarck -Archipel an eine Bruchspalte gebunden zu
sein, längs deren die vulkanischen Auswurfsmassen emporquollen.
Während aber die nördlichen Eilande rein vulkanisch sind und neben
vielen erloschenen auch noch thätige Feuerberge besitzen, ist bei den
südlichen Inseln, von Saipan bis Guam, der basaltische Kern bis zu den
höchsten Gipfeln mit einem Panzer von gehobenem Korallenkalk um-
geben, der nach Süden zu immer mehr überhand nimmt und schliesslich
das vulkanische Gestein überwiegt. Schon aus der Ferne ist der Unter-
schied der geologischen Zusammensetzung in der Umrissgestaltung der
Inseln erkennbar. Hier steigt der Korallenkalk in scharf abgesetzten
Terrassen an; dort erheben sich die regelmässigen Formen der Vulkan-
kegel, die meist unbewohnt und, weil in den lockeren Aufschüttungs-
massen die Feuchtigkeit rasch einsickert, trocken und wasserarm sind
und nur ein spärliches Pflanzenkleid tragen. Auch die Ausdehnung der
die Inseln umkränzenden Korallenriffe, auf denen kleine Riffinselchen
im Entstehen begriffen sind, nimmt von Nord nach Süd zu, weil das
Meer äquatorwärts wärmer wird und weil die südlichen Inseln älter als
die nördlichen zu sein scheinen, so dass die riff bildenden Korallen
bei ersteren früher mit ihrer Thätigkeit beginnen konnten als bei letz-
teren. Manche der kleineren Eilande bestehen überhaupt bloss aus
einem einzigen, von Regenrinnen oder Barrancos tief durchfurchten und
am Fusse von den Mcereswellen angenagten Vulkandom. Nicht wenige
solcher stattlichen Kraterberge mögen auf diese Weise von der Erosion
ohne Mitwirkung vulkanischer Katastrophen abgetragen und wieder
vom Meer verschlungen worden sein. Alle Inseln sind hafenarm und
werden von einer starken Brandung umtost, die das Landen erschwert
und rings um die kleinen, steil ansteigenden Vulkaneilande so heftig
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auftritt, dass die meisten derselben bloss während der ruhigsten Jahres-
zeit zugänglich sind. Erdbeben und heisse Quellen sind auf den
Marianen nicht selten und erinnern im Verein mit den ständig
rauchenden Vulkanschloten an die im Innern schlummernde vulkanische
Kraft, die auf den ruhigeren Karolinen längst erloschen ist.
Das nördlichste Eiland des Archipels ist die einsame Vogelinsel,
auch Urracas oder Farallon de Pajaros genannt. Sie wird von einem
mächtigen, in lebhaftester Arbeit begriffenen Vulkan eingenommen, der
zwischen den Trümmern der älteren Insel aufgestiegen ist und in
Zwischenräumen dichte Aschenmassen und Steine unter donnerndem
Getöse auswirft. Sein auf ausgebrannten Lavafelsen ruhender Aschen-
kegel trägt weder Baum noch Strauch. Nur Millionen von Seevögeln
benutzen die am Fuss des Kraters sich ständig erneuernde heisse Asche
zum Ausbrüten ihrer Eier oder tummeln sich in dem unaufhörlich empor-
dringenden gelbbraunen Rauch.
Der kleine Vulkanrest Maug, der fälschlich ebenfalls Urracas ge-
nannt wird, aber mit dem vorigen nicht zu verwechseln ist, stellt das
Überbleibsel eines einst gewaltigen Kraters dar und besteht aus drei
Inselchen, die einen tiefen, geräumigen Hafen mit breiten, anscheinend
auch für grössere Schiffe zugänglichen Einfahrten umschliessen. Hier
wie auf Farallon de Pajaros haben zahllose Seevögel eine lockere Guano-
schicht aufgehäuft. Doch entbehrt Maug auch nicht reichlicherer Vege-
tation, die hauptsächlich aus Savannengras und Buschholz zusammen-
gesetzt ist.
Das Eiland Assongsong, spanisch Asuncion, ist wiederum ein regel-
mässig gestalteter, von tiefen Schluchten zerrissener Vulkan, der schwache
Rauchsäulen ausstösst und mit 950 m (nach anderen nur 640 m) Meeres-
höhe als höchste Erhebung der Marianen gilt. Die weltabgeschiedene
Insel hat Überfluss an Kokospalmen dank der Anwesenheit zahlreicher
Kokoskrabben, die dadurch zur Verbreitung jener nützlichen Palme bei-
tragen, dass sie die Kokosnüsse verschleppen, um sie für späteren Ge-
brauch zu verstecken. Nicht selten finden sie jedoch die Vorratskammern
nicht wieder, so dass die Nüsse keimen und bald hier, bald dort ein
Palmenhain emporwächst.
Agrigan ist ein 750 m hoher erloschener Vulkan, der mit steilen
Wänden und Schluchten eine 34,2 km 2 umfassende Grundfläche bedeckt.
Er trägt ebenfalls nicht unbedeutende Kokoswaldungen, die, von 37 Ar-
beitern ausgebeutet, jährlich gegen 100 Tonnen Kopra liefern und seitens
der deutschen Verwaltung durch Aussaat von Kokosnüssen noch ver-
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mehrt worden sind. Sonst macht Steppengras den vorwaltenden Vege-
tationstypus aus, der indes vielerorts von höherem Baumwuchs unter-
brochen wird.
Die Doppelinsel Pagan, mit 97,2 km 2 die grösste der rein vulka-
nischen Marianen, setzt sich aus zwei durch eine flache Ebene verbun-
denen Feuerbergen mit 300 m hohen Gipfeln zusammen, die zum
Zeichen ihrer Thätigkeit stets von einer Rauchwolke verhüllt werden
und breite, erst jüngst erstarrte Lavaströme in die erloschenen Krater
einer dritten, älteren, fast bis zum Meeresspiegel versunkenen Vulkan-
gruppe entsenden. Die Ausnutzung der Insel wird insofern erleichtert,
als ihre hohe, steile Felsküste, die bloss an wenigen Punkten eine Boot-
landung gestattet, einen guten sicheren Hafen besitzt, der allerdings
wegen der von den Meeresströmungen angespülten Schlamm- und Sand-
massen öfterer Ausbaggerung bedarf. Ferner sind heisse Quellen und
genügendes Trinkwasser vorhanden, und unter der stellenweise üppigen
Pflanzenhülle spielt längs des Strandes die Kokospalme eine solche Rolle,
dass die von 137 Arbeitern gewonnene Kopra auf jährlich 200 Tonnen
geschätzt wird.
Alamagan ist nichts anderes als ein einziger mächtiger Krater von
800 m Meereshöhe, der scheinbar erloschen ist und in dessen schroffe
Böschungen der Regen tiefe Schluchten gewühlt hat, während der breite
Fuss des Berges von der Brandung unterwaschen und zum Einsturz
gebracht wird. Auf der kleinen Insel werden von 18 Arbeitern jährlich
50 Tonnen Kopra gewonnen. Denn die deutsche Regierung hat Pagan,
Agrigan und Alamagan für 8000 Mark an eine aus zwei Chamorros und
einem Japaner bestehende Gesellschaft verpachtet und den Unternehmern
gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt, in jedem Jahr eine bestimmte
Fläche neu mit Kokospalmen zu bepflanzen- Leider richten die Ratten
grossen Schaden unter den jungen Beständen an.
Das nun folgende Guguan besteht aus drei Kratern, von denen
der südlichste nur noch zur Hälfte erhalten ist, da seine Südwand und
mit ihr ein Teil der früher grösseren Insel der Erosion zum Opfer ge-
fallen ist. Als Bezirksamtmann Fritz Guguan betrat, waren sehr viele
Pandanussträucher, aber keine Kokospalmen sichtbar, mit deren An-
pflanzung unverzüglich begonnen wurde.
Umgekehrt trägt der fruchtbare Humusboden der Insel Sarigan,
deren 600 m hoher Krater erloschen ist, viele Kokospalmen und dichten
Baum- und Buschwuchs, der einer Unzahl brütender Vögel zum Auf-
enthaltsort dient.
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Anatahan wird ähnlich wie Pagan von zwei ausgebrannten, durch
eine Ebene verbundenen Vulkanen erfüllt, deren tief durchschluchtete
Steilhänge bis 8c» m ansteigen und mit hohem Steppengras überzogen
sind. In der Nachbarschaft des Meeres gedeihen stattliche Kasuarinen
und Kokospalmen, und zum Zweck der Kopragewinnung, die jährlich
etwa 60 Tonnen und 1000 Mark Pacht einbringt, sind 11 Arbeiter auf
der Insel ansässig. Die ergiebige Verwitterungskrume soll sich auch zum
Anbau von Mais und Zuckerrohr eignen; doch herrscht leider die Ratten-
plage gerade hier in sehr bedenklichem Masse.
Die letzte der rein vulkanischen Inseln ist das an Seevögeln und
an Guano überreiche Farallon de Medinilla. Kokospalmen wurden auf
dem Eiland nicht beobachtet, weshalb Bezirksamtmann Fritz bei seiner
dreistündigen Anwesenheit 100 Kokosnüsse und verschiedene Gräser
aussäen Hess.
Unter den grösseren Inseln der Südhälfte, die durch die Vergesell-
schaftung von Basalt und Korallenkalk ausgezeichnet sind, ist als wich-
tigste und umfangreichste (185,2 km 3 ) unter den deutschen Marianen
Saipan erwähnenswert. Es besteht im allgemeinen aus niedrigem Hügel-
land, das nach dem Innern zu bergig ansteigt und nur am Nordendc
von einem 500 m hohen tafelbergartigcn Vulkan überragt wird. Die Küste
umsäumt ein tiefgründiger, der Kokospalme sehr zusagender Sandboden ;
doch macht der jährliche Kopraertrag wegen der Faulheit der Einge-
borenen erst 200 Tonnen aus. Landeinwärts folgt rötlicher Lehmgrund
und an den teilweise aus gehobenem Korallenkalk aufgebauten Bergen
ein dunkler, tiefgründiger Humusboden. Ausgedehnte Grassavannen
mit starrem, hochwüchsigem Gras, die als Viehweide dienen und einst
das Kulturland der rührigen Urbewohner, der Chamorro, waren, be-
stimmen den landschaftlichen Charakter der Insel; doch fehlt auch dichter,
wertvoller Wald nicht, der namentlich die höheren Erhebungen des nörd-
lichen Teils bevorzugt. Verwilderte Rinder, Schweine und Hühner sind
in Menge vorhanden und könnten bei sachgemäss betriebener Viehzucht
in lohnender Weise nutzbar gemacht werden. Auf der Insel giebt es
bloss zwei grössere Siedelungen, Garapan mit 1032 und Tanapag mit
205 Einwohnern. In ersterem Orte, der, zwischen Palmen versteckt,
sich um eine ehemalige spanische Kaserne gruppiert, befindet sich das
kaiserliche Bezirksamt und die Postagentur. Tanapag erfreut sich eines
geräumigen, von Untiefen freien Hafens, der durch ein Riff und ein vor-
gelagertes Inselchen geschützt wird und trotz der schmalen, durch Klippen
bedrohten Einfahrt wohl der beste Ankerplatz der gesamten Inselflur ist.
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Ein einmündender Fluss versorgt ihn jederzeit mit ausreichendem Trink-
wasser.
Eine 6 km breite Meerenge trennt Saipan von der ebenfalls flachen
und hügeligen Nachbarinsel Tinian (130,2 km*). Die bloss von 70
Menschen bewohnte Insel bildet eine nach West geneigte Kalkscholle,
deren harter Korallenfels entweder bloss liegt oder von einer tiefen
Schicht roten Thones verborgen wird. Nur im Süden erreicht die
Platte beträchtlichere Höhen, bis zu 200 m, und trägt nur dort statt-
lichere Waldungen. Sonst verschlingen sich übermannshohes Gestrüpp,
windenartige Schlingpflanzen und ein seidelbastähnliches Schmarotzer-
gewächs zu einer dichten Decke, unter der ein keineswegs üppiges
Gras gedeiht. Diese weitaus vorherrschende Savannenvegetation, die
das Überwiegen der Viehzucht bedingt, stirbt in besonders trockenen
Monaten vollständig ab, um sich zur Regenzeit wieder einzustellen.
Trotz reichlicher Niederschläge ist fliessendes Wasser auf der Insel nicht
anzutreffen, doch schützen drei Lagunen und mehrere Brunnen, die gutes
Trinkwasser liefern, vor Mangel. Die 30 — 50 m hohe Steilküste, um
die eine starke Brandung steht, besitzt bloss am Südende der Insel
einen bequemen und gefahrlosen Landeplatz. Leider bietet er nur
kleineren Fahrzeugen Aufnahme, während grössere Schiffe in einiger
Entfernung vom Lande Anker werfen müssen.
Rota (114,2 km 2 ), die südlichste Insel der deutschen Marianen,
wird von einem Korallenriff umkränzt und ist infolge der hohen Bran-
dung, die sich an dem durchlassarmen Riffkranz bricht, noch schwerer
zugänglich als Tinian. Den Strand zieren Kokoshaine, die jährlich
45 Tonnen Kopra einbringen. Sonst besteht die Insel, deren 491 Be-
wohner sich in einer einzigen Ortschaft zusammendrängen, im wesent-
lichen aus einem 300 m hohen Berg, der nach drei Seiten in scharf
abgesetzten Terrassen abstürzt und sich nur nordwärts langsamer zum
Meere abdacht. Er ist fast ganz aus gehobenem Korallenkalk aufgebaut,
der den vulkanischen Kern der Insel umgiebt und wegen seiner Klüftig-
keit — an der Südwestseite befinden sich zwei geräumige Höhlen —
den reichlich fallenden Regen rasch aufschluckt. Dagegen sammeln sich
die Niederschläge im Bereich des schwer durchlässigen Vulkangesteins
und seiner thonigen Verwitterungshülle zu ständig Wasser führenden
Flüssen an.
Die Hauptinsel des Archipels ist Guam oder Guahan, dessen riflf-
umkränzte Steilküsten ein von massig hohen Gebirgszügen oder Einzel-
bergen erfülltes Innere umschliessen. Die 50 km lange und bis 1 5 km
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breite Insel setzt sich im Norden aus wasserarmem Korallenkalk, im
Süden aus Basalt zusammen und trägt trotz unglaublicher Verwüstungen
immer noch prächtige Wälder, wenngleich die Steppenformation über-
wiegt. An guten, meist bloss für kleinere Schiffe benutzbaren Häfen
ist kein Überfluss. Der wichtigste und beste Ankerplatz, zugleich der
Hauptort der Insel und Sitz der amerikanischen Verwaltung, ist Agana
mit der berühmten Caldera von Guam.
Das Klima der Marianen ist echt tropisch, doch keineswegs un-
gesund und frei von ansteckenden Krankheiten. Nur die Frambösia
genannte Hautkrankheit, die vielfach irrtümlich für Syphilis, Lupus oder
Lepra gehalten wurde, scheint ziemlich häufig vorzukommen. Die Regen-
zeit fällt in die Monate Mai bis Oktober, ist aber ziemlich verwischt,
weil die reichlichen Niederschläge über das ganze Jahr verteilt sind.
Trotzdem sind wegen des durchlässigen Kalkbodens und wegen des
lockeren vulkanischen Aufschüttungsmaterials die Wasserverhältnisse im
allgemeinen nicht günstig und lassen Dauerflüsse bloss auf Saipan und
Rota entstehen, obwohl wirklicher Wassermangel kaum beobachtet
wird. Namentlich der schwere rote Thon, der als gemeinsames Ver-
witterungsprodukt des Korallenkalkes und des vulkanischen Gesteins die
Thäler erfüllt oder sich auf den Terrassen ablagert, hält dort, wo er in
grösserer Mächtigkeit auftritt, die Feuchtigkeit lange fest.
Dank dem fruchtbaren Humusboden und dem feuchtwarmen Klima
war die Vegetation von Haus aus üppig. Doch ist der Hochwald, der
vornehmlich die grösseren Inseln bis zu den kegelförmigen Gipfeln über-
kleidete und stellenweise noch undurchdringliche Dickichte bildet, im
Laufe der Zeit stark gelichtet worden, so dass heute der Steppen-
charakter entschieden überwiegt und das landschaftliche Bild bestimmt.
Eine Aufforstung scheint daher nicht bloss dringend geboten, sondern
auch erfolgversprechend zu sein, weil das hohe Savannengras die
Feuchtigkeit zurückhält, zur Humusbildung beiträgt und dadurch den
Boden für späteren Baumwuchs vorbereitet. Um die Wiederbewaldurig
zu fördern, hat Bezirksamtmann Fritz entsprechende Massregeln ge-
troffen und auf der Inselflur bereits über 15000 Kokosnüsse aussäen
lassen.
Das Pflanzenkleid der Marianen ist verschieden reich und schliesst
sich hauptsächlich an die Vegetation der Philippinen an. Die Jahr-
hunderte lange politische Verbindung beider Inselgruppen hat die Ein-
führung einer Reihe philippinischer Nahrungs-, Genuss- und Nutz-
pflanzen wie Mais, Sago, Tabak, Indigo, Baumwolle, Kaffee und Kakao
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I
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zur Folge gehabt Die Baumwolle überzieht auf Tinian ganze Berg-
lehnen, und die Apfelsine kommt überall verwildert vor, wie überhaupt
die meisten der neu eingebürgerten Kulturen unter der spanischen
Herrschaft verwilderten und vom Savannengras überwuchert wurden.
Zuckerrohr und Reis fanden die Europäer bei ihrer Ankunft bereits
vor; denn die Chamorro bauten allein von allen Südsec- Insulanern
den Reis an. Dazu benutzten sie noch den Pandanus, Süsskartoffeln,
Taro, vier Arten von Brotfruchtbäumen und von Palmen hauptsäch-
lich Areka- und Kokospalme, so dass ihre Nahrungsweisc derjenigen
der Karolinier und der heutigen Marianen-Insulaner entsprach.
Die Tierwelt des Archipels ist wie auf allen paeifischen Inselwolken
arm, insbesondere arm an Landsäugetieren und Landvögeln. Sie wird
vertreten durch fliegende Hunde, die bei den Eingeborenen als Lecker-
bissen gelten, ferner durch Ratten, Tauben, Kokoskrabben, Flusskrebse,
Schildkröten und eine auf der Indischen Inselflur weit verbreitete
Schlange (Typhlops bramina). Die Vogelwelt zählt 56 Arten und stimmt
in der Hauptsache mit der Avifauna der Karolinen überein.
Einen eigentümlichen Bestandteil des Tierlebens machen auf den
Marianen die Herden verwilderter Haustiere, insbesondere von Hühnern,
Schweinen und Rindern, aus, die vor allem die einförmigen Savannen
und die Bergwälder von Tinian bevölkern. Sie sind erst von den
Spaniern, wohl aus Mexiko, eingeführt worden und haben sich so ver-
mehrt, dass man bei einer Wanderung durch die Insel wie in einem
grossen Dorf unaufhörlich von dem Krähen der Hühner begleitet wird.
Schweine sind gleichfalls in solcher Menge vorhanden, dass wöchentlich 10
bis 14 derselben in Schlingen gefangen und in Saipan lebend zum festen
Preis von 4 Mark für das Stück verkauft werden. Das Gebirge be-
völkern wilde Ziegen noch in grossen Rudeln. Die Rinder dagegen
haben sich infolge unausgesetzter Verfolgungen so vermindert, dass ihre
Jagd schon unter spanischer Herrschaft mehrere Jahre lang eingestellt
werden musste und von der deutschen Verwaltung ganz verboten worden
ist. Auch die Bestände prächtiger Axishirsche, welche die Spanier von
den Philippinen mitbrachten und auf Rota und Tinian aussetzten, sind
stark gelichtet, weshalb für sie ebenfalls eine unbestimmte Schonzeit
angeordnet wurde. Die von den Spaniern eingeführten und verwilderten
Hunde endlich hat man grösstenteils wieder abgeschossen oder sucht
neuerdings ihrer Vermehrung durch eine Besteuerung der Hündinnen
Einhalt zu thun, weil sie zu einer unerträglichen Landplage wurden und
erheblichen Jagdschaden anrichteten.
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26 -
Die Urbewohner der Marianen, die Chamorro, waren bei der Ent-
deckung der Inselgruppe sehr zahlreich, und überall stösst man noch
inmitten des Waldes oder der Savanne auf die Trümmer von Nieder-
lassungen, die Zeugnis von der einst viel dichteren Besiedelung der
Inselreihe ablegen. Erst 1668, also 147 Jahre nach Magellans erstem
Besuch, nahmen die Spanier den Archipel in Besitz und errichteten dort
eine Jesuitenmission. Damals waren alle Inseln bewohnt, und man
schätzte die Gesamtmenge der Eingeborenen auf 40—60000, ja sogar,
was aber übertrieben scheint, auf 100—150000 Köpfe, die wie alle
Polynesier Hochseefischerei trieben, in lebhaftem Verkehr miteinander
standen und eine nicht unbedeutende Kultur besassen. Obgleich ihnen
Magellan nicht ohne Grund diebische Eigenschaften nachsagte, traten
sie den Europäern freundlich und zutraulich entgegen, versorgten sie
im Austausch gegen Stoffe und eiserne Geräte mit Lebensmitteln und
zeigten bei aller Unbeständigkeit und allem Leichtsinn grosse Anhäng-
lichkeit. Sehr bald aber trieben die gewaltsamen Bekehrungs- und
Knechtungsversuche der Fremden das stolze, tapfere, unbeugsame Volk
zu verzweifeltem Widerstand gegen die drückende Zwingherrschaft und
gegen den religiösen Fanatismus, der sich in blindem Eifer gegen alles
Heidnische und gegen die althergebrachten Sitten kehrte. 30 Jahre hin-
durch, bis 1699, dauerte der blutige Vernichtungskrieg, in dem viele
spanische Soldaten und Missionare das Leben verloren, bis schliesslich
die Chamorro unterlagen, nachdem sie fast vollständig aufgerieben waren.
Viele, die nicht im offenen Kampfe umkamen oder dem religiösen Ver-
tilgungseifer zum Opfer fielen, gaben sich freiwillig den Tod. Auch die
Frauen brachten die neugeborenen Kinder um oder machten sich ab-
sichtlich unfruchtbar, weil die heldenmütigen Eingeborenen, die ihre
Freiheit über alles liebten, eher aussterben als noch länger ihren
Peinigern unterthan sein wollten.
Zur Erleichterung der Regierung und um die Unterworfenen besser
unter kirchlicher und militärischer Zucht halten zu können, wurden alle
Marianen-Inseln von den Spaniern absichtlich entvölkert und die Über-
lebenden auf der Hauptinsel Guam zusammengepfercht, wo Krankheiten
das ihrige thaten und die Zahl der Chamorro 17 10 auf 3678 zusammen-
schrumpfen Hessen, von denen 80 Jahre später nur noch 1639 Seelen
übrig waren. Bloss die Entvölkerung von Rota, wo sich der Hauptherd
des Widerstandes gegen die Spanier befand, gelang nicht völlig, weil
die zahlreichen Höhlen den Bedrängten willkommene, schwer zu ent-
deckende Zufluchtsstätten darboten. Die erschreckende Bevölkerungs-
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abnähme bcwog die bestürzten Spanier, die Lücken durch freiwillige
oder zwangsweise Einführung von spanischen Sträflingen, Karoliniern
und philippinischen Tagalen einigermassen wieder auszufüllen. Infolge
dieser künstlichen Volksvcrmehrung nahm die Bewohnerzahl allmählich
wieder zu und war auf 9500 gestiegen, als 1856 eine verheerende Seuche
fast die Hälfte derselben wegraffte. 1887 gab es nach amtlichen An-
gaben wiederum 10276 Insulaner, von denen weitaus die meisten (8655
Köpfe) auf Guam ansässig waren. Doch auch diese grösste Insel des
Archipels, die einst 180 stattliche Dörfer gehabt haben soll, birgt gegen-
wärtig nicht mehr als 10 armselige Ortschaften.
So hat sich die unvernünftige Politik der Spanier bitter gerächt.
Denn wenn sich auch die fremden Seefahrer gegen die Südseevölker
viele bedauerliche Übergriffe zu schulden kommen Hessen, so haben sie
sich an ihnen doch noch lange nicht in dem Masse versündigt, wie die
Spanier an den unglücklichen Chamorro, denen die Berührung mit den
Europäern wie keinem andern paeifischen Volksstamm verderblich ge-
worden ist. Das kleine Häuflein der jetzigen Insulaner ist eine minder-
wertige Mischrasse aus Chamorro, Tagalen und Spaniern, während die
Karolinier sich mit den uransässigen Elementen nur wenig vermischt
haben. Bloss auf Rota haben sich aus dem oben genannten Grunde
noch reine Nachkommen der alten Chamorro erhalten. Sonst ist deren
Schilderung heute nichts anderes als eine Erinnerung an Tote.
Die Chamorro waren unzweifelhaft ein mikronesischer Stamm, etwa
in der Mitte zwischen Polynesiern und Tagalen stehend. Gleich den
heutigen Mikronesiern waren sie sehr einfach bekleidet und gingen ent-
weder ganz nackt oder trugen nur einen schmalen Faserschurz, während
die Vorliebe für reichen Schmuck und für Zierraten verschiedener Art
um so ausgeprägter war. Dagegen scheint man die auf den Karolinen
gebräuchliche Tätowierung nicht geübt zu haben.
Nach echt polynesischer Sitte gliederten sich die alten Marianen-
insulaner in zwei streng voneinander geschiedene Stände, die Vornehmen
und die ihnen in allen Beziehungen untergeordneten Gemeinen. Ledig-
lich die ersteren, die wiederum in die beiden Klassen der eigentlichen
Häuptlinge und der mit geringeren Vorrechten ausgestatteten Häupt-
lingssöhne zerfielen, durften Krieg führen, Seefahrten unternehmen, Boot-
bau und Handel treiben und waren im Besitz alles Grundeigentums.
Die letzteren hatten die Ländereien der Vornehmen zu bebauen und
im Kriegsfall den Proviant herbeizuschaffen. Sonst war jeder Verkehr
mit der Geburts-Aristokratic aufgehoben, und die Gemeinen durften sich
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den Vornehmen weder nähern noch ihre Geräte berühren und hatten
ihr Leben verwirkt, wenn sie sich vor ihnen nicht tief verneigten. Auch
insofern war die Scheidung zwischen Adel und gewöhnlichem Volk streng
durchgeführt, dass Ehen bloss innerhalb der beiden Klassen geschlossen
werden durften und dass die Heirat eines Vornehmen mit einem
Mädchen niederen Standes den Tod des ersteren nach sich zog.
Wie bei den Karoliniern gab es auch bei den Chamorro einen in
zwei Klassen geteilten Priesterstand, dem die Ausübung des im wesent-
lichen auf eine Ahnenverehrung hinauslaufenden religiösen Kultes oblag.
Die Schädel der Verstorbenen wurden aufbewahrt und, weil man ihnen
übernatürliche Kräfte zuschrieb, als siegverleihend in die Schlacht mit-
genommen. Gegen die Überlegenheit der spanischen Waffen konnten
sie freilich nicht helfen. Im übrigen waren Kriege unter den Chamorro,
weil die Rachsucht einen Grundzug ihres Charakters bildete, zwar
häufig, verliefen aber meist unblutig und endeten nach dem Verlust von
2 — 3 Toten gewöhnlich mit der Unterwerfung der einen Partei. Die
Toten kamen nach der Mythologie der Chamorro und Karolinier ent-
weder ins Paradies oder in die Hölle.
Obwohl das Mutterrecht nicht so ausgeprägt war wie bei den
Karoliniern und Marshall -Insulanern, hatten die Frauen einen grossen
Einfluss und erfreuten sich guter Behandlung. Der Mann hatte bloss
eine gesetzmässige Frau, dazu aber mehrere Nebenfrauen. Ehebruch
wurde für beide Teile streng geahndet. Doch galten die Frauen als
keusch, während die Mädchen viele Freiheit hatten. Ungezwungener
geschlechtlicher Verkehr mit den im Gemeindehaus lebenden Junggesellen
war für sie eben so wenig anstössig und entwürdigend wie für die
Armengols der Palauer und bildete hier wie dort kein Hindernis für
eine spätere Verehelichung. Obendrein gab es noch Gesellschaften, die
keinen anderen Zweck als Befriedigung der sinnlichen Gelüste hatten
und zur Feier ihrer Orgien, die bis zur Blutschande ausarteten, in ein-
zelnen Dörfern eigene Häuser besassen. Kindermord dagegen, wie er
besonders auf Tahiti im Schwange war, wurde ursprünglich nicht aus-
geübt und fand erst in den furchtbaren Rassenkämpfen gegen die
Spanier als Verzweiflungsmittel Eingang.
Die Werbung geschah durch eine weibliche Verwandte des Mannes.
War sie angenommen, so musste der Bräutigam für den Unterhalt der
Braut sorgen und ihr bis zur Hochzeit dienen, die erst nach sorgfältiger
Prüfung aller Verhältnisse statt hatte und mit grosser Feierlichkeit be-
gangen wurde. Feste waren überhaupt sehr beliebt und wurden bei
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jeder Gelegenheit abgehalten. Eine Hauptrolle spielten dabei Tänze und
Gesänge, die von Musikinstrumenten begleitet wurden. Auch an poetischem
Talent fehlte es den Chamorro nicht.
Diese alte Kultur ist unter der spanischen Herrschaft so vollständig
zu gründe gegangen, dass nur noch verwilderte Anpflanzungen und
höchst eigentümliche Hausruinen, die man auf Tinian, Rota und Ala-
magan antrifft, an die glänzendere Vergangenheit erinnern.
Die Chamorro kannten zwei Arten von Häusern. Die einen, die
noch jetzt gebaut und vom ärmeren Volk bewohnt werden, waren
niedrige Holzhütten, die unmittelbar über dem Erdboden auf 6— 8 Palmen-
stämmen von 3—4 m Höhe errichtet und mit Palmenblättern oder
Rohrgeflecht ausgekleidet waren. Daneben bemerkt man im Walde ver-
steckt mächtige Steinsäulen, die, stets in zwei Reihen angeordnet, sich
nach oben verjüngen und auf der Spitze ein halbkugeliges Kapital
tragen, dessen Boden nach oben liegt. Diese Bauten finden, abgesehen
von den merkwürdigen Steinfiguren auf der Osterinsel, im Stillen Ozean
nirgends wieder ihresgleichen und haben deshalb nicht mit Unrecht
Aufsehen erregt. Sie sind wohl nicht, wie man vermutete, alte Königs-
gräber oder Tempel, sondern stellten das steinerne Gerüst von Häusern
dar, die auf den Marianen heute gänzlich ausser Gebrauch sind, während
man sie früher oft benutzte. Da nämlich die eben beschriebenen Hütten
zur Regenzeit feucht und unbequem waren, so setzten die Vornehmeren
unter Beibehaltung der sonst üblichen Hausform ihre Wohnungen auf hohe
Pfeiler. Sie bestanden aus einer Mischung von Sand, Kalk und kleinen
Steinen oder aus behauenen, durch Mörtel verbundenen Korallenkalk-
blöcken, weil es für die bloss über sehr primitive Steinwerkzeuge ver-
fügenden Eingeborenen viel leichter war, die überall zerstreuten Kalk-
stücke zu verwenden, als einen Baum zu fallen. Auf den Säulen ruhte
ein starker Fussboden, in dessen Mitte ein Loch den Zugang gestattete,
und da die Pfeiler von aussen durch das grosse überhängende Blätter-
dach, im Innern vom Fussboden verdeckt waren, so konnte es leicht
geschehen, dass die sonderbaren Bauten den Spaniern nicht weiter auf-
fielen und erst nach dem Verfall ihrer Hülle zum Vorschein kamen.
Da für die wirtschaftliche Erschliessung der Inselfiur und die geistige
Hebung der Eingeborenen fast nichts geschah — die von den Spaniern
errichteten Schulen sind wieder eingegangen — so ist die unternehmungs-
lustige Bevölkerung, die hohe Kultur mit ausdauerndem Fleiss verband
und wegen ihrer regen Handelsbeziehungen erfahrene Bootbaucr und
seetüchtige Schiffer lieferte, tief gesunken und hat mit ihrer Freiheit
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auch Wagemut, Frohsinn, Thatkraft und Selbstvertrauen verloren. Die
Nachkommenschaft der alten Chamorro oder richtiger die heutige Misch-
bevölkerung der Marianen hat die Sprache der Vorfahren zu gunsten
des Spanischen verlernt und ist ein gutmütiges, ängstliches und unter-
würfiges Völkchen , das der katholischen Religion anhängt — seit 1848
hat die Genossenschaft der spanischen Augustiner-Rekollekten auf Saipan
Missionsstationen errichtet — , aber bei aller Frömmigkeit sehr aber-
gläubisch ist und in der gedankenlosen Übung religiöser Gebräuche
einen kümmerlichen Ersatz für das alte Heidentum gefunden hat. Auch
die Gewerbthätigkeit und die alten Kunstfertigkeiten der Urbewohner
sind bei den verarmten, gleichgiltigen und im höchsten Masse trägen
Eingeborenen völlig in Vergessenheit geraten. Ackerbau und Viehzucht
werden trotz des günstigen Bodens und Klimas in sehr beschränktem
Masse betrieben, und die Bodenkultur kann sich trotz des Ersatzes
der primitiven Geräte durch eiserne Werkzeuge in keiner Weise mit
den sorgsam gepflegten, durch kunstvolle Berieselungssysteme aus-
gezeichneten Pflanzungen messen, die einst die Inseln in einen einzigen
grossen Garten verwandelten und das lebhafte Erstaunen der Reisenden
des 17. Jahrhunderts erregten. Die jetzigen Insulaner sind vielmehr zu
einem Jägervolk herabgesunken, indem sie der Jagd auf die verwilderten
Tiere, welche an die Stelle der verschwundenen Menschen getreten
sind, mit einer gewissen Leidenschaft obliegen. Endlich wurde das
Verkehrswesen seitens der Spanier so sehr vernachlässigt, dass der seit
dem Ausbleiben der Walfischfänger wirtschaftlich fast wertlos gewordene,
bloss noch als Verbannungsort dienende Besitz immer mehr verarmte
und bis zu seiner Abtretung bloss einmal im Jahre Postverbindung mit
den Philippinen besass. Auch zwischen den einzelnen Inseln des vom
grossen Verkehr kaum berührten Archipels bestanden nur gelegentlich
geringe Verbindungen, seit die Spanier einige Unglücksfälle als will-
kommenen Vorwand benutzt hatten, um den ihnen unbequemen Ver-
kehr zwischen den verschiedenen Stämmen zu verbieten. Der Be-
förderungsdienst wurde für amtliche wie private Zwecke von den auf
der Inselflur ansässigen Karoliniern ausgeübt, weil die plumpen Ein-
bäume der heutigen Chamorro höchstens zur Küstenfahrt tauglich sind.
So ist es im allgemeinen ein trübes Bild, das uns die Schilderung
der Mariancn-Insulaner entrollt, und die deutsche Verwaltung hat eine
Reihe schwieriger Aufgaben zu lösen. Immerhin beginnen sich unter der
neuen Herrschaft, die verständnisvoll und fürsorgend sich ihrer Schutz-
befohlenen angenommen hat, bereits die ersten leisen Anklänge an eine
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bessere Zukunft bemerkbar zu machen. Es ist gelungen, eine wohl-
disziplinierte Polizeitruppe aus Eingeborenen zu bilden und täglich
30 — 60 freiwillig sich meldende Arbeiter mit Aufforstungsarbeiten zu
beschäftigen. Ebenso sind einige der nördlichen Marianen an Chamorro
verpachtet, die willig allen Verpflichtungen nachkommen und durch das
Vorbild fleissiger Arbeit auf ihre Landsleute anfeuernd wirken. Vielleicht
glückt es der deutschen Herrschaft, die verödete Inselflur und ihr schwer
geprüftes Volk bald wieder besseren Zeiten entgegenzuführen und die
letzten Reste der Chamorro vor völligem Untergang zu bewahren.
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3- Die Karolinen.
Von allen Südsee-Archipelen nimmt derjenige der Karolinen den
weitesten Raum ein und macht den grösseren Teil Mikronesiens aus,
indem er seine zahllosen Eilande in langer Reihe von West nach Ost
gruppiert und von den Philippinen bis zu den Marshall - Inseln reicht.
Im ganzen halten die Karolinen die Breitenlage zwischen dem Äquator
und io° N. fest und sind einschliesslich der Palaugruppe über eine
Fläche ausgebreitet, die in Europa einen Raum von mehr als der
doppelten Länge Deutschlands bedecken und in der Breite von den
Deutschen Meeren bis zu den Alpen sich erstrecken würde. Doch sind
die Inseln, gegen 710 an der Zahl, als weit zerstreute Häuflein in un-
gefähr 40 Gruppen gleich einem Mückenschwarm über diesen ungeheuren
Meeresraum ausgesäet, da sie trotz der Ausdehnung über 35 Längen-
grade und 10 Breitengrade nur 1450 km 2 Flächeninhalt besitzen. Die
dem Menschen zugängliche Fläche der Inselflur ist somit nicht viel
grösser als das Herzogtum Sachsen-Altenburg. Etwa 107 Inseln sind
ständig von rund 35000 Eingeborenen bewohnt. 1 )
Die Inselflur erhielt ihren Namen in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts nach der Gemahlin des spanischen Königs Karl I.
*) Die wichtigsten Karolinen-Inseln sind Kusaie, Ponape, die Mortlocks, der Insel-
kern des Rnk-Archipels, Naraonuito, Uleai, Uluthi, Yap und die Palaus. Die südlichste
Gruppe des Archipels ist das aus fünf flachen, gut bewaldeten Eilanden bestehende, an sich
gänzlich unbedeutende und lange Zeit hindurch fast unbekannte Lagunenriff Mapia, das bloss
6 km' Land besitzt und dessen rein karolinische Bevölkerung grösstenteils von papuanischen
Piraten vernichtet oder weggeführt wurde. Weil das Atoll bereits in den Gewässern von
Holländisch-Neuguinea liegt, so machten nach der Abtretung der Karolinen die Holländer
Besitzansprüche auf Mapia geltend, mit der Begründung, dass ein holländischer Kaufmann
vom Sultan von Tidore, der sich als Herrn des Archipels ausgab, die Erlaubnis zur Anlage
einer Faktorei daselbst erhalten habe. Obwohl der deutsch-spanische Vertrag von 1885 die
Mapiagruppe ausdrücklich als spanisches Eigentum bezeichnete, ernannte die Niederländische
Regierung 1898 einen Posthalter für Mapia. Das Abkommen von 1885 lässt aber an der
Zugehörigkeit des Atolls zu den spanischen Karolinen keinen Zweifel, weshalb es mit deren
Verkauf 1899 ohne weiteres in deutschen Besitz überging. — Die westlichste Gruppe der
Karolinen ist die der Palau-Inscln, den östlichsten Pfeiler stellt die Insel Kusaie dar.
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Doch wurde ursprünglich bloss die Insel Yap Carolina genannt, und erst
nach und nach ging diese Bezeichnung auf den gesamten Archipel über.
Die räumliche Anordnung der Karolinen und Marianen, sowie die
Tiefen Verhältnisse der umgebenden Meere machen nach Max Frie-
derichsen ehemals engere Beziehungen und Landzusammenhange mit
einem alten Austral-Asiatischen Erdteil wahrscheinlich. Einmal spricht der
in Inseln zerstückelte Gebirgsbogen, der sich von den Sunda-Inseln über
Neuguinea bis Neuseeland zieht, für einen hier einst vorhanden gewesenen
Kontinent aus archäischen und Schichtgesteinen, während jenseits des-
selben fast nirgends mehr Sedimentgesteine, sondern bloss noch Korallen-
und vulkanische Gesteine jugendlichen Alters anzutreffen sind. Ferner
beginnt die eigentliche Tiefsee mit ihren über 5000 m betragenden Ab-
gründen erst nördlich der Karolinen und östlich der Marianen und scheint
von beiden Archipelen durch eine schmale Tiefenrinne getrennt zu
werden, die den Aussenrand der Inselgruppen umsäumt und in der
Gu am tiefe bis 8184 m, in der Tongatiefe sogar bis 9427 m abstürzt.
Da ähnliche unterseeische Gräben vorzugsweise an den Rändern von
Festländern vorkommen, so liegt nach Friederichsen die Vermutung
nahe, dass solche Abstürze, denen man heute fern von einem Erdteil
begegnet, auf einen einst hier verlaufenden Kontincntalrand hinweisen.
Der Einbruch jener alten Festlandsscholle war von vulkanischen Kraft-
äusserungen begleitet, denen die hoch vulkanischen Marianen und die
vulkanischen Hochinseln der Karolinen ihre Entstehung verdanken. Dass
die Senkung des Untergrundes noch fortdauert, beweist für Anhänger
der Darwinschen Theorie über die Bildung der Koralleninseln der zweite
Inseltypus der Karolinen, nämlich derjenige der niedrigen Korallen-
eilande, die in Bodenbau und Pflanzenbedeckung durchaus von den
hohen Inseln abweichen.
Weitaus die meisten Karolinen-Inseln — ausgenommen sind nur
die wenigen von Korallenriffen umsäumten Hochinseln vulkanischen
Charakters — stellen winzigkleine korallinische Flachinseln dar, die als
junge Aufschüttungen auf einem in sich geschlossenen, einem verzogenen
Kranz ähnelnden Korallenriff ruhen und mit ihm ein bloss auf einem kleinen
Teil seiner Fläche bewohnbares Lagunenriff oder Atoll zusammensetzen.
Schroff fällt es nach aussen zu den gewaltigen Tiefen des offenen Meeres
ab, sanfter neigt es sich nach innen unter den Spiegel der Lagune, deren
ruhiges, seichtes Wasser im Gegensatz zum blauen, brandungsgekrönten
Ozean meist grün gefärbt ist und sichere Ankergelegenheiten darbietet,
wenn auch draussen ein wütender Sturm tobt. Als märchenhaft zauberische
Deutschland» Kolonien. «
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Gebilde erscheinen in den kristallklaren Fluten die buntfarbigen Korallen-
bauten mit wunderbarer Deutlichkeit, und prächtig schimmernde Fische
schiessen in dem phantastisch gestalteten Labyrinth geschäftig hin
und her.
Meist führen mehrere genügend breite und tiefe Lücken, die des-
halb für die Schiffahrt wertvoll sind, als sogenannte Passagen oder
Durchlässe durch das Riff. Bei Ebbe, wo es ganz oder grösstenteils
den Meeresspiegel überragt, kann man beobachten, wie die stock-
artig miteinander verbundenen Korallen namentlich an der Nordostscite
der Inseln das Riff weiterbauen, da ihnen die Brandung unter dem Ein-
flüsse des Nordostpassates nach dieser Seite hin die meiste Nahrung
zutreibt. Deshalb sind alle Atolle der Karolinen- und Marshall-Inseln
nach Süd und West schwächlicher, zerrissener und reicher an Durch-
lässen, nach Nord und Ost dagegen erscheinen sie massiger und ge-
schlossener. Auf der Windseite liegen auch die meisten und höchsten
Inselchen, und ihre Vegetation zeigt eine verhältnismässig kräftige Ent-
wickelung, während die entgegengesetzte Seite unfruchtbar ist und ganz
oder grösstenteils von der Brandung überwallt wird. Die Zahl und
Grösse der dem Riffkranz aufgesetzten Inselchen ist sehr verschieden;
doch kann man sie allesamt der Quere nach meist in wenigen Minuten
durchwandern.
Kaum zu Manneshöhe, selten mehr als 4 m, überragen die
Flacheilande das Mittelwasser mit ihrem aus fest zusammengepressten
Trümmern lichtgrauen Korallenkalkes bestehenden Boden, der nach der
Mitte der Inseln zu immer mehr von gelblich-weissem Kalksand und
bereits gebildeter Humuserde überdeckt wird. Deshalb blieben die
Atolle den Seefahrern lange unbekannt. Denn nur bei unmittelbarer
Annäherung verraten die weisschäumenden Brandungskämme und die
hohen Wipfel der Kokospalmen dem Schiffer die Anwesenheit von Land.
Beim Näherkommen erblickt man niedrigeres Baum- und Strauchwerk,
bis endlich hinter der Brandung fahle Sandstreifen die durch Passagen
getrennten Riffinseln verraten, die wie Perlen an eine Schnur aufgereiht
erscheinen und hinter denen das grüne Wasser der Lagune hervor-
leuchtet. Da diese niedrigen Inseln die Stürme nicht aufzuhalten ver-
mögen, so brausen sie mit voller Wucht über sie wie über einen un-
unterbrochenen Wasserspiegel hin. Dann binden die Karolinier Weiber
und Kinder an Baumstämme und flüchten sich selbst in deren Kronen.
Nicht selten wird ihnen aber durch die aufgeregte See der locker ge-
fügte Boden der überschwemmten Insel buchstäblich unter den Füssen
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fortgerissen. Sturmwetter vermag auf solche Weise die mannigfachsten
Veränderungen hervorzurufen, indem die Fluten das Riff stellenweise
inselleer fegen, um anderwärts den Kalkschutt wieder anzuhäufen und
insulare Neubildungen zu schaffen. 1 )
Während der dichte Urwald der Hochinseln die Feuchtigkeit fest-
hält, fehlt den flachen Korallcneilanden trotz des feuchten Tropenklimas
und der fast täglich niedergehenden ergiebigen Regengüsse jede Quelle
und jeder Bach. Eingegrabene Löcher und Zisternen füllen sich bei
der Durchlässigkeit des Kalksteins und des lockeren Aufschüttungs-
bodens bald mit Brackwasser, so dass die Eingeborenen das Trink-
wasser in Baumlöchern auffangen müssen oder Kokosmilch als haupt-
sächlichstes Getränk benutzen.
Die Atolle liegen einsam oder gruppenweise dicht beisammen.
Ihre Flächenausdehnung ist im allgemeinen wenig verschieden, indem
die Länge 4—8 km, die Breite bis 3 km beträgt. Zu den Ringinseln
gesellen sich einfache Koralleninselchen ohne Lagune, und diese wie
jene sind einander so täuschend ähnlich, dass die Schilderung einer
niedrigen Koralleninsel auf alle andern passt.
Man teilt die gesamte Inselflur der Karolinen gewöhnlich in die
Palau-Inseln und in die grössere Hauptgruppe der eigentlichen Karolinen,
die wiederum in die westlichen und östlichen Karolinen zerfallen und
unter sich wie von den Palaus durch breitere, inselfreie Meeresabschnitte
geschieden werden.
Die abgesonderten Palau- oder Pelew- Inseln sind die grösste Insel-
wolke des Archipels. Sie bestehen aus sieben bewohnten und dreimal
sovielen menschenleeren Eilanden, die als ein klassischer Boden für das
Studium der Korallenbauten gelten müssen, da sich alle drei Rifftypen,
Saumriffe, Wallriffe und Atolle, auf engem Raum zusammendrängen.
Der inselreichc Hauptarchipel wird mit Ausnahme der nördlichsten und
südlichsten Insel von gewaltig ausgedehnten, teilweise mehrfach hinter-
einanderliegenden Wallriffen zu einem schwer zugänglichen Ganzen
zusammengeschlossen. Was indes die Eigenart Palaus ganz besonders
ausmacht, ist wie bei den Marianen die Thatsache, dass es sich geo-
logisch in zwei scharf getrennte Teile gliedert und dass hier wie dort
vulkanische Eruptivmassen und grobkörniger gehobener Korallenkalk
eine innige Verknüpfung miteinander zeigen. Das vulkanische Gestein
') Die Ngatikgruppe wurde 1897 durch eine Flutwelle und eine nochmalige achttägige
Überschwemmung im November 1898 schwer heimgesucht. Sämtliche Brotfruchtbäume
starben ab, die Hälfte der Kokospalmen ward entwurzelt, und alles Vieh ging verloren.
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ist ein tertiärer Trachyt von lichtgrauer Farbe, der öfters von Basalten
durchsetzt wird und in Gesellschaft grosserer Tuffmassen auftritt. Die
Grenzen zwischen beiden so gegensätzlichen Gesteinsarten, die als
gemeinsames Verwitterungsprodukt eine Schicht roten Thones über-
lagert, sind noch nicht bekannt, ebensowenig ihre gegenseitigen geo-
logischen und tektonischen Beziehungen. 1 )
Die Insel Baobeltaob (Babelthaub) ist mit 300 km« Fläche die um-
fangreichste Insel des insgesamt 446 km* umfassenden Archipels und
grösser als alle übrigen Palau-Inseln zusammengenommen. Sie bildet
eine überwiegend vulkanische, im Süden jedoch aus Korallenkalk zu-
sammengesetzte Landschollc, die nordsüdlich langgestreckt ist und stark
angenagte Küstenränder besitzt. Die Erosion hat überhaupt die Palaus
in tiefgehender Weise angegriffen und nicht bloss die mürben Vulkan-
tuffe, sondern auch den festen, widerstandsfähigeren Kalkstein zerstört.
Das beweist die Unzahl dicht gescharter Felsklippen, in welche sich die
vielfach ein- und ausgebuchtete Küste aufgelöst hat. Sie deuten den
früheren Umfang der einzelnen Inseln an, deren kalkige Oberfläche wie
im Karst vom Regen narbig ausgefressen und infolgedessen höchst un-
eben ist. Die Palaus selbst scheinen in ihrer Gesamtheit die Reste
einer einst zusammenhängenden Kalkplatte zu sein, die von der Meeres-
brandung zertrümmert wurde. Auf Baobeltaob steigen einige Gipfel bis
zu 600 m an. Hier allein giebt es reichliche Bewässerung, und ansehn-
liche Flüsse, darunter als längste Wasserader der Karolinen der aus
einem kleinen See kommende Enkassar, haben zahlreiche Schluchten
ausgewühlt. Doch sind sie meist nur dem vulkanischen Gestein eigen,
da der klüftige Kalk keine Bäche besitzt. Auf Baobeltaob ist auch
stark verwitterte Kohle, wahrscheinlich jugendliche Braunkohle, nach-
gewiesen, die aber minderwertig und als Heizungsmaterial kaum brauch-
bar zu sein scheint. Die höheren, oft stufenförmig sich erhebenden
Binnenflächen sind von eintönigen Grassavannen mit eingestreuten Ka-
suarinen und sparrigen Pandanusbäumen bedeckt. Auf der fetten Lehm-
') Während auf den Marianen und Palaus die tektonischen Kräfte den Korallenkalk
zu beträchtlicher Höhe emjvorgehobcn haben (vgl. S. 19), stellt innerhalb der eigentlichen
Karolinen das Fclsinselchen Fais (Feys) östlich vou Yap das einzige Beispiel einer gehobenen
Koralleninsel dar. Das den Meeresspiegel um 30 m überragende Eiland birgt ein steil-
wandiges, wohlbebautcs Becken, das mit seiner tellerartigcn Gestalt als die ehemalige,
jetzt trocken gelegte Lagune des Atolls erscheint. Sonst ist die mit senkrechtem Ausscn-
rand abstürzende Insel hafenlos und wird durch ein rasch fortwachsende» Küsten ri ff, das
sich dem Strand dicht anschmiegt, noch unnahbarer gemacht.
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und Humusschicht der tieferen I^agen dagegen hat sich eine üppige
Tropenvegetation eingenistet.
Auch die übrigen Eilande des Inselschwarms zeigen die Vergesell-
schaftung des gehobenen Korallenkalks und des Trachyts und die ent-
sprechenden Erosions Wirkungen. Die nächstfolgenden Inseln, die für den
Verkehr wichtig sind, weil zu ihnen gute Zufahrten ohne Riffgefahr
führen, sind aus Eruptivgestein aufgebaut. Von ihnen ist vor allem
Korror durch gute Häfen ausgezeichnet. Von Urukthapel ab nach
Süden beginnen plötzlich die aus reinem Korallenkalk zusammen-
gesetzten Eilande, deren unebene, vielfach durchlöcherte Karstfläche bis
zu 160 rn ansteigt.
Innerhalb der eigentlichen Karolinen giebt es nur wenige vul-
kanische Hochinseln, die aber — Yap, Ponape, Kusaie und die basal-
tische Rukgruppe — zusammen mehr als zwei Drittel des Gesamt-
flächeninhaltes der Inselflur ausmachen. Sie werden entweder von
Küstenriffen umsäumt und zwar so eng, dass kein Platz für den Schiffs-
verkehr bleibt, oder ausgedehnte Wallriffe ziehen sich in weitem Um-
kreis um den Inselkörper herum und lassen eine Anzahl von Passagen
frei, die durch das Aussen rifT zu einer Reihe guter Häfen führen. Die
thonige Verwitterungshülle des ihnen allen gemeinsamen Basaltgesteins ist
der unerschöpfliche Nährboden für eine zum Teil sehr üppige Pflanzen-
decke. Wasser ist im Gegensatz zu den niedrigen Atollen ebenfalls reich-
lich vorhanden, so dass die Hochinseln, von munteren Bächen durch-
rauscht und von majestätischem Urwald überkleidct, von vollendeter
landschaftlicher Schönheit sind und mit ihren ausdrucksvollen Bergen
einen malerischen Anblick darbieten. Anzeichen neuerer vulkanischer
Thätigkeit sind auf ihnen zum Unterschied von den Marianen nicht
beobachtet worden. Bloss auf Yap, das nach Semper den Palauern
unter dem Namen Ascheninsel bekannt ist, dürften vielleicht noch in
geschichtlicher Zeit Ausbrüche stattgefunden haben. Bemerkenswerter-
weise sind auf dieser Insel auch Erdbeben ziemlich häufig; sonst kehren
sie im Archipel äusserst selten wieder. 1 ) Die hohen Inseln erfreuen sich
reich gegliederter Küsten, denen wiederum vom Hauptkörper abge-
schnittene Nebenmselchen vorgelagert sind. Da aber die kleinen Atolle
im Verhältnis zu ihrer Fläche eine grössere Küstenentwickehmg haben
als die Hochinseln, und da die Eingeborenen in ihren Daseinsbedingungen
an die Nachbarschaft des Meeres gebunden sind, so haben die niedrigen
J ) 1900 wurden auf Yap 6, 1901 4 Erdstösse beobachtet.
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Koralleneilande — ein Gesetz, das man überall in der Südsee be-
obachten kann — eine verhältnismässig dichtere Besiedelung als die
vulkanischen Hochinseln. Die letzteren sind wegen des die Nieder-
lassung erschwerenden Urwaldes und aus dem eben angegebenen Grunde
im Innern fast menschenleer. Doch scheint nach Finsch das bergige
Binnengebiet von Kusaic und Ponape einst bewohnt gewesen zu sein, weil
dort auf den höchsten Erhebungen Kokospalmen wachsen und weil die
Kokospalme fernab vom Meeresstrande nur als Kulturbaum vorkommt.
Das keilförmig gestaltete Yap (Uap) wird durch zahllose Vorsprünge
und Buchten besonders reich gegliedert. Namentlich der enge, aber für
Seeschiffe zugängliche Kanal der Tomilbai dringt mit seinen Seitenästen
so tief ein, dass er die nach Süden spitz zulaufende Insel fast entzwei
schneidet und dass nur ein ganz schmaler, neuerdings durchstochener
Isthmus die beiden ungleich grossen Landhälften noch zusammenhält.
Yap entspricht mit 213 km 2 Fläche dem Bremer Staatsgebiet und be-
steht zu vier Fünfteln aus grüngrauen Schiefern. Der Basalt, der auf
den übrigen Hochinseln eine so wichtige Rolle spielt, tritt hier auf-
fallend zurück und baut bloss die nördlichen Teile auf. Darum ist
die Oberfläche Yaps weit einförmiger gestaltet als die der andern vul-
kanischen Eilande. Die Nordosthälfte steigt rasch zu einem 300 m
hohen Plateau an; der grösste Teil der im übrigen bis 400 m hohen
Südwesthälfte wird von einer fruchtbaren Niederung eingenommen. Nur
diese Niederung und ein schmaler Küstenstreifen, den die von den
höheren Erhebungen des Innern herrührenden Abschwemmungsmassen
aufgebaut haben, eignet sich zur Bodenkultur und ist das Hauptwohn-
gebiet für die etwa 8000 Seelen zählenden Eingeborenen, die den
küstennahen Wald in eine einzige fruchtspendende Parklandschaft um-
gewandelt haben. Das Innere dagegen ist wegen des allzu rasch ab-
laufenden Regens, der die Zersetzungskrume mit fortführt, meist baum-
los und trägt einen ausgesprochenen Steppencharakter. Da die Tomil-
bai den besten und zugleich den einzigen für Dampfer zugänglichen
Hafenplatz der Insel darstellt, so hat hier in den ehemaligen spanischen
Regierungsgebäuden die deutsche Verwaltung für die Palaus und West-
Karolinen ihren Sitz aufgeschlagen. Die Schwierigkeiten der Einfahrt
sind dadurch wesentlich gemindert worden , dass der deutsche Vize-
Gouverneur sofort nach Übernahme der Amtsgeschäfte alle Riffkanten
und Untiefen durch Seezeichen kenntlich machen Hess.
Die 132 km* grosse Rukgruppe (Hogoleu) ist nicht wie Yap und
Kusaie eine einheitlich zusammenhängende Landmasse, sondern ab-
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weichend davon ein Inselkomplex, der aus 17 bis 300 m hohen Basalt-
insein beschränkten Umfanges und 80 korallinischen Aufschüttungsinseln
besteht. Letztere sind meist unbewohnt und erfüllen die von Korallen-
bänken durchsetzte Lagune oder folgen in linearer Aufreihung dem weit
ausgespannten Wallriff, das, 75 km lang und bis 60 km breit, mit un-
regelmässig fünfeckigem Umriss den vulkanischen Inselkern umzieht.
Die von der Kultur noch wenig berührten Inseln sind durchweg gut
besiedelt und schön bewaldet. Kokos- und Steinnusspalmen, Brotfrucht-
bäume und Kulturfrüchte gedeihen auf ihnen in Fülle, so dass die Er-
richtung einer Regier ungs-Nebenstation für diesen nicht unwichtigen,
volkreichen Archipel in Aussicht genommen ist.
Die grösste und wichtigste aller Karolinen, die freilich mit 347 km 2
Fläche erst den dritten Teil Rügens einnimmt, ist das rundliche Po-
nape (Bornabi, Bonebe, Puinipet, Hunnepet, auch Senjavina-Insel genannt).
Zur Hauptinsel gesellen sich innerhalb des bis 4 km entfernten und mit
kleinen Koralleneilanden besetzten Aussenriffs inmitten der bis 60 m
tiefen Lagune noch 33 kleine Inselchen, die stattliche Kokoshaine bergen
und mit Ausnahme einiger Basaltinseln niedrige Koralleninselchen sind.
Ponape ist überwiegend aus Basalt zusammengesetzt, dessen wild zer-
klüftetes, trümmerbesätes Berggewirr von tiefen Wasserrissen durch-
zogen wird. Die in sanft gerundeter Kegelform ansteigenden Gipfel
sind höher als auf irgend einer andern Koralleninsel und erreichen im
Tolokome (892 m) ihre grösste Höhe auf der Inselflur. Längs des
Strandes verläuft ein sumpfiger Mangrovegürtel , der reich an gutem,
hartem Holz ist. An ihn reiht sich ein schmaler, zum Ackerbau ge-
eigneter Streifen, dem auch die kleinen Dörfer der Eingeborenen an-
gehören. Dahinter folgt ein von Mulden, Thälern und Hochflächen er-
fülltes Gebiet, das gegenwärtig menschenleer ist, sich aber in den an
fruchtbarem Schwemmland reichen Thälern trefflich zum Plantagenbau
eignet. Im Innern der Insel erheben sich wilde Basaltgebirge, deren
ausgewaschenes, tief zerklüftetes Gestein eine sehr spärliche Pflanzen-
hüile trägt. Ein dichter Moosteppich überzieht Bäume und Felsen; eine
der Arekapalme ähnliche Palme, grosse Farne, Schlinggewächse und ein
verkrüppelter Baum mit sehr hartem Holz sind die Hauptvertreter der
Gebirgsvegetation. Wenngleich die durch Riffe gefährdete Lagune auf
weite Strecken hin nur für flache Boote zugänglich ist, so giebt es an-
dererseits auch eine Reihe besserer Ankerplätze. Am bekanntesten sind
der Metalanimhafen und der Hafen von Santiago (Langarhafen), einst
spanischer, jetzt deutscher Verwaltungssitz und Hauptmittelpunkt der
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katholischen Kapuziner-Mission. In dieser grössten europäischen Nieder-
lassung des Archipels liefen 190 t 36 Handelsschiffe mit 6851 Tonnen
Rauminhalt ein, wie überhaupt Ponape wegen seiner sicheren, räumlich
allerdings beschränkten Häfen und seines Reichtums an Trinkwasser,
Nahrungsmitteln und Brennholz schon seit langem der Hauptsammelplatz
der Walfischfänger war.
Die letzte und östlichste der vulkanischen Hochinseln ist das wie-
derum von einem Wallriff umkränzte Kusaie (Ualan). Die 112 km*
grosse Insel ist viel reizvoller als Ponape. Denn obwohl ihre Basaltberge
nicht über 657 m hoch sind, überraschen sie aus der Ferne durch ihre
kühnen Felsgestalten mit scharfen Graten, spitzen Hörnern und schroffen,
turmartigen Gipfeln, die ausdrucksvoll die tief durchschluchteten, wal-
digen Gehänge überragen. Auch hier schiebt sich zwischen das vom
Regen fast vollständig abgewaschene Gebirge und den sumpfigen Küsten-
saum der Mangroven ein Streifen schmalen Kulturlandes, auf dessen
fettem Lehmboden die Pflanzungen und Hütten der Eingeborenen liegen.
Als brauchbarster Ankerplatz gilt der Chabrolhafen mit der Insel Lele,
der trotz seiner engen Einfahrt mit seiner schützenden Bergumgebung
einen guten Zufluchtsort darbietet.
Das Klima der Karolinen ist erst in den allgemeinsten Zügen be-
kannt. Die äquatomahe Lage des Archipels, die Kleinheit und geringe
Meereshöhe der meisten Inseln und die das ganze Jahr über hohe Meeres-
temperatur bedingen die den Tropen eigentümliche sehr gleichmässige,
hohe Luftwärme und die beträchtliche Luftfeuchtigkeit. Die Wärmeschwan-
kungen sind gering und dürften tagsüber 3— 4 0 C nicht überschreiten.
Auf Yap bewegte sich die Temperatur innerhalb einer siebenmonatlichen
Beobachtungszeit zwischen 25 und 31 0 C, auf Ponape wurden als höchster
Wärmegrad 31,7° C, als niedrigster 21 0 C, als Jahresmittel während
eines dreijährigen Zeitraumes 28,3° C. beobachtet. Doch dürfte diese
von Gulick herrührende Angabe etwas zu hoch gegriffen und die mitt-
lere Jahreswärme des gesamten Archipels wie diejenige der Marshall-
Inseln auf 26— 27 0 C zu veranschlagen sein. Auch die Wasserwärme
ist sehr gleichmässig und geht nicht unter 20° C. herab, da sonst die
Korallen nicht gedeihen könnten. Die Luftfeuchtigkeit mildert zwar die
Hitze, macht aber die Wärme drückend fühlbar und wirkt erschlaffend,
weil die Hautausdünstung in der mit Wasserdampf übersättigten, feucht-
warmen Treibhausluft der Tropen geringer ist und weil es wegen der
Gletchmässigkeit des Temperaturganges, der die einzelnen Jahreszeiten
kaum voneinander unterscheiden lässt, an der Erfrischung des Körpers
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durch Abkühlung fehlt. Zum Glück weht den grösseren Teil des Jahres
hindurch, namentlich zur Trockenzeit, ein frischer Nordostpassat. Er
bringt klare Luft, und ihm verdankt der Archipel vornehmlich seine für
ein Tropengebiet überraschend günstigen Gesundheitsverhältnisse, indem er
die Malariakeime vertreibt und die schädlichen Ausdünstungen von Sumpf
und Urwald wegfegt. Das Klima sämtlicher Inseln scheint den Europäern
zuträglich zu sein, und gefürchtete Tropenkrankheiten wie Malaria, Dysen-
terie und Beriberi sind unbekannt. Nur im Sommer (Juli bis Oktober),
wo mit der Verschiebung des Passatgürtels nach Norden die Karolinen
und Marianen in den Bereich wechselnder Winde (meist aus Südwest)
und häufiger Windstillen eintreten, ist das Klima für Europäer wie für
Eingeborene eine unangenehme Plage. In glühender Mittagshitze kann
dann der dunkelfarbige Schlamm zwischen den Mangroven fast kochend-
heiss werden, während ein darauffolgender Platzregen um so erquickender
wirkt. Die Eingeborenen wollen von ihm allerdings nichts wissen.
Gegen unmittelbare Berührung mit dem kühlen Regen tauchen sie den
Körper bis zum Hals in das laue Meer, und auch bei ihren Feldern er-
richten sie Schutzhütten gegen plötzlich hereinbrechende Niederschläge.
Die Zeit der veränderlichen Winde ist zugleich die Regenzeit. Die
Niederschläge fallen hauptsächlich in der zweiten Hälfte des Jahres
(Juni bis Oktober) und sind sehr stark. 1 ) Wenn aber auch der feuchteren,
niederschlagsreicheren Jahreshälfte eine vom Dezember bis Mai dauernde
trockenere Zeit deutlich gegenübertritt und längere Trockenperioden
unter Umständen nicht ausgeschlossen sind, so ist doch im allgemeinen
kein Monat ohne Regen. Lange anhaltende Landregen sind allerdings
eine Ausnahme. Die Regengüsse haben vielmehr einen böigen Charakter,
indem schnell herbeieilende Wolken unter starken Windstössen sich
plötzlich entladen, worauf wieder heiterster Sonnenschein folgt.
Gegen den Anfang des wieder einsetzenden Nordostpassates, seltener
gegen seinen Ausgang stellen sich mit- besonderer Vorliebe die für diesen
') Beobachtungsstation
Jahr
j.'ihrl. Regen*
hfthe in mm
regenreich-
ater Monat
dessen Regon -
hohe In mm
Jährliche
Regentage
Malakal (Palau) ....
1901/2
3<>34,o
Juli
75 6 .4
209
Lamotrek (West-Karolinen)
1900/01
2852,8
Dezember
1-1
1900
2782,2
Oktober
338,o
213
1901
3513.7
Oktober
640,0
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Auf Ponape schobt die jährliche Regenmenge mit mehr als 4000 mm Regenhöhe
ani grftssten zn sein.
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Teil der Südsee so verheerend wirkenden Taifune ein. Mit jenen furcht-
baren Südweststürmen, die unter Umständen ganze Wälder entwurzeln,
die Stämme abdrehen und die Früchte abreissen und statt einer grünen
Insel ein kahles Korallenriff übrig lassen, ist sehr zu rechnen, wenn
man den Nutzwert der auf den Karolinen und Marianen anzulegenden
Pflanzungen in Betracht zieht. Zwar setzen die Taifune mitunter fünf
Jahre und länger aus. Dann aber kann es geschehen, dass sie in jähr-
lichen oder noch kürzeren Zwischenräumen drei bis viermal hintereinander
wehen und so ein schweres Hemmnis für den Plantagenbetrieb bilden.
Gewitter und elektrische Entladungen sind selten und nicht be-
sonders heftig. Auf Lamotrek wurden 1901 18 Gewitter beobachtet.
Da die abgelegenen Inseln infolge ihrer Entstehungsgeschichte nie
mit dem Festland zusammenhingen und als junge Bildungen keine
ihnen eigentümliche Flora mit endemischen Formen zu entwickeln ver-
mochten, so besteht ihre Pflanzendecke lediglich aus zugewanderten
Arten, die sie durch Winde, Strömungen und Vogelflug oder durch Zu-
thun des Menschen von älteren Landmassen her erhielten. Die Ein-
wanderung erfolgte in Übereinstimmung mit den im Sommer vorherr-
schenden Südwestwinden und der durch sie bedingten äquatorialen Gegen-
strömung von West nach Ost und erklärt es, dass die Pflanzenwelt der
Karolinen einen überwiegend indomalayischen Charakter zeigt und sich
besonders eng an die Flora der Philippinen anschliesst. Dabei wird sie
nach Westen, nach dem Ursprungsgebiet der eingewanderten Gewächse
hin immer reicher und erhält in zunehmendem Masse ein asiatisches
Gepräge. Auf den westlichen Inseln z. B. ist die echt indomalayische
Gattung der Sagopalme zu Hause, die den östlichen Karolinen völlig
fehlt. Eine solche, ausnahmslos aus eingewanderten oder eingeführten
Arten zusammengesetzte Flora muss naturnotwendig ärmlich und ein-
tönig sein, und die durch Forsters überschwengliche Schilderungen her-
vorgerufene Anschauung, dass die Südseeinseln ein irdisches Paradies
seien, ist immer mehr als stark übertrieben oder als irrig erkannt worden.
Gleichwohl können die Karolinen gegenüber den landfernen Korallen-
inseln des östlichen Pacifik immer noch als reich gelten, und ihre we-
nigen Arten, hauptsächlich Kokospalmen und Brotfruchtbäume, sind so
formenschön und malerisch in immer neuem Wechsel gruppiert, dass
man fast überall einem üppigen Pflanzenschmuck begegnet.
Kaum ist auf einem Korallenriff ein Inselchen aufgeschüttet, so
überzieht es sich mit Vegetation. Besonders einige strauchartige Ge-
wächse, deren rascher Aufwuchs die schleunige Bildung von Dammerde
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fördert, leiten die Pflanzenansiedelung ein, die menschlicher Niederlassung
die Wege ebnet, allen voran eine Scaevola mit grossen, hellen, saftigen
Blättern. In dem durch sie und eine Reihe überall gleichartig wieder-
kehrender Gewächse vorbereiteten Boden erheben sich schon nach we-
nigen Jahren Sträucher und Bäume zum beginnenden Wald, der nach
der offenen See zu regelmässig von den schlanken Stämmen der ge-
sellig wachsenden Kokospalme umsäumt wird, so dass das landschaft-
liche Bild der Koralleninseln, vom Meer aus gesehen, fast stets das
gleiche ist. Die Kokospalme ist bekanntlich der eigentliche Charakter-
baum des Stillen Ozeans und macht neben Strauchwerk nicht selten den
einzigen Baumwuchs der Atolle au9, weil die Kokosnuss durch den
Schutz ihrer doppelten Schale vorzugsweise zu langem Umherschwimmen
im Salzwasser eingerichtet ist.
Viel abwechselungsvoller und interessanter als die Flora der nied-
rigen Koralleneilande ist diejenige der vulkanischen Inseln, die sich,
überall deutlich erkennbar, in die drei Formationen der Mangrove, des
Kulturlandes und des bergigen Binnenlandes gliedert. Auch hier sind
es freilich immer nur wenige hundert Arten von Gewächsen, aus denen
sich in stets neuen Gruppierungen die reichere Pflanzenwelt der Hoch-
inseln zusammenfügt.
Wo ein vorgelagertes Riff die Brandung abhält, nistet sich auf dem
bei Ebbe meerfrei werdenden Strand der Mangrovewald ein, der düster
und unschön ist und dessen Stille bloss vom Girren der Tauben unter-
brochen wird. Er besteht hauptsächlich aus der mehr buschartigen Rhizo-
phora und der baumartigen, durch eine dichte Blattfülle ausgezeichneten
Sonneratia. Die Stämme ruhen auf hohen Stelzwurzeln, die sich zur Flut-
zeit unter Wasser befinden, zur Ebbezeit aber freistehen. Zu ihnen gesellen
sich eigentümliche Atmungswurzeln, die, senkrecht emporstrebend, auch
bei Hochwasser den Meeresspiegel überragen und den unterirdischen
Teilen unmittelbar aus der Luft Sauerstoff zuführen. Von den Bäumen
hängen ebenfalls lange Luftwurzeln herab, und endlich entsenden die von
Schlinggewächsen übersponnenen Äste selbst lange Zweige nach unten,
die gleich den Luftwurzeln im Schlamm Fuss fassen und neue Triebe
zum Wachstum bringen. So bildet die Mangroveformation ein schwer
durchdringbares Gewirr, das zahllose Insekten birgt und zwischen seinen
dicht gedrängten Waldinseln ein Netz natürlicher Kanäle für den Boot-
verkehr freilässt.
Stellenweise wird der Mangrovegürtel , der die Küsten aller Hoch-
inseln umgiebt und wertvolles Nutzholz liefert, durch eine Sandstrand-
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flora ersetzt. Ihr hervorragendster Bestandteil ist die Kokospalme, während
unter den kleineren Gewächsen die am Boden hinkriechende und fast
allen Tropenküsten der alten Welt gemeinsame Ipomoea pes caprae
einen dichten Teppich erzeugt. Auch eine prächtige weisse Lilie und
einige niedrige, lianendurchflochtene Bäume sind am Sandstrand heimisch,
darunter eine schöne Borraginee, deren grüner Wall zuweilen jeden
Durchblick hindert, und der Hibiscus tiliaceus, ein Baum aus der Familie
der Malvaceen, der sich etwa zwei Monate hindurch vom Morgen bis
zum Mittag mit schwefelgelben Blüten bedeckt, die allmählich dunkler
werden und gegen 1 ,'o3 Uhr abfallen. Sonst bietet der Strand nichts
bemerkenswertes.
Hinter dem Mangrovesaum oder dem Küstenbusch folgt auf dem
trockener werdenden Boden die angebaute und bewohnte Kulturland-
schaft der Küste. Sie erscheint als ein vielgestaltiges, inniges Gemisch
von Natur und Kunst, indem die Eingeborenen den Wald stark gelichtet
und die offenen Stellen mit den verschiedensten Kulturgewächsen be-
pflanzt haben, so dass das Ganze im Verein mit nutzlosen Bäumen,
Sträuchern und Kräutern den Eindruck eines verwilderten Parkes macht,
der wiederum durch die Kokospalme sein Gepräge erhält.
An den schmalen Kulturstreifen schliesst sich der fast undurch-
dringliche Urwald an. Als echter, von Schmarotzerpflanzen erfüllter
tropischer Regenwald überkleidet er das Gebirge und zeigt unter der Ein-
wirkung der reichlichen Niederschläge wie des fruchtbaren vulkanischen
Verwitterungsbodens eine strotzende Entwickelung, die sich allerdings
mit der unendlichen Pflanzenfülle des amerikanischen oder indischen
Tropenwaldes in keiner Weise messen kann. Statt der seltener wer-
denden Kokospalme stellen sich zierliche Arekapalmen und breitschir-
mige Baumfarne ein, die unter allen Pflanzen die meisten Vertreter auf
der Inselflur haben und durch ihr Vorherrschen den Charakter des ka-
rolinischen Urwaldes nicht zum wenigsten bedingen. Zu ihnen kommen
die Sagopalme (auf den westlichen Inseln) und einige in der Südsee
sonst bloss noch auf der Fidschigruppe wiederkehrende Koniferenarten.
Ebenso sind mehrere zur Verarbeitung geeignete Nutzhölzer vorhanden,
vor allem die Stein- oder Elfenbeinnuss, die für die Knopfindustrie wert-
voll ist. Im Dickicht gedeiht ferner die Banianenfeige mit ihrem riesigen,
auf Luftwurzeln ruhenden Blätterdach, dazu ein majestätischer Muskat-
nussbaum namens Nun, die Barringtonia mit zierlichen, lebhaft gelbgrünen
Blatterbüscheln und prächtigen weissen Blüten mit langen, roten Staub-
fäden und endlich der Lo, eine Hibiscusart mit wagerecht wachsendem
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Stamm und rechtwinklig ausstrahlenden langen Zweigen. Den unteren
Rand des palmenüberragten Bergwaldes schmückt die Rhexia, ein auch
auf Hawaii häufiges Gesträuch mit dicht stehenden, kleinen, grellroten
Blüten. Eine verhängnisvolle Zierde des Urwaldes sind zahllose Lianen
und andere schlingende, windende oder würgende Schmarotzerpflanzen,
die Baum mit Baum durch ein engmaschiges Netzwerk fest verknüpfen.
Das Tierleben des feuchten dunklen Waldes ist spärlich. Nur zuweilen
huscht eine flinke Eidechse über das Gestein, und zwischen den Stämmen
flattert geisterhaft leise der fliegende Hund. Singvögel lassen sich selten
hören; um so häufiger ertönt der Lockruf der als Jagdbeute geschätzten
Fruchttaube.
Im innersten Bergland zieht sich der Wald nur vereinzelt bis zu
oen Liipiem ninaui. .sonst macnt er einer eintönigen sa\anne mit olt
mannshohem Gras und gelegentlich eingestreuten lichten Beständen von
Schraubenbäumen (Pandanus) und Kasuarinen Platz, weil das rasch ab-
laufende Wasser den lockeren Humusboden beständig abspült. Nament-
lich das Innere Yaps, etwa drei Viertel der ganzen Insel, wird ganz von
solchen steoDcnartiL'cn Grasflächen eingenommen.
^ — mm: mm mr m 1 *** p— ' m — * * — • ™ ■ m* * mmr • — ■— • * m^ — ^ mmi mpmmi mmmm-m V^. — — • ^— mmmmmm ^* mm •
An den Nährgewächsen des Paciftschen Gebietes herrscht auf den
Karolinen kein Mangel. Wohlschmeckende Früchte liefern mehrere
zuckerhaltige Pandang- oder Pandanusarten mit schmalen, schilfartigen
Blättern und runden, goldgelben Fruchtknollen. Die genügsamen Bäume
ruhen auf Luftwurzeln wie auf Stelzen, nehmen mit dem schlechtesten
Boden vorlieb, und ihre dicht fallenden, dunkelgrünen Blätter, die auch
zur Bedachung der Häuser sowie zur Matten- und Segelverfertigung
dienen, tragen wesentlich zur Erhöhung und Verbesserung der Humus-
schicht bei. Merkwürdigerweise verlieren die ausgesaugten Früchte ihre
Keimkraft nicht, so dass man an Stellen, wo sie häufig verzehrt wurden,
dichte Gruppen junger Pandangs aufschiessen sieht. Der vielästige
Brotfruchtbaum, der ebenfalls in mehreren Arten angetroffen wird und
mit der Fülle seiner handförmigen Blätter unserer Eiche ähnelt, ist aus
seiner südostasiatischen Heimat vielleicht erst durch den Menschen
hierher gebracht worden. Drei Viertel des Jahres spendet er seine
kopfgrossen, fleischigen, mehlhaltigen Früchte in solcher Menge, dass
10 Bäume zur Ernährung einer Familie ausreichen. Das Zuckerrohr
wird feldmässig angebaut, weü sein süsses Mark eine Lieblingskost
der Eingeborenen bildet. Ähnlich verhält es sich mit der in vielen
Spielarten vorkommenden Banane und den Caladium- Arten. Von letz-
teren pflanzt man hauptsächlich den Taro (Caladium esculentum) an,
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der, leicht kenntlich an seinen dunkelgrünen, auf mannshohen Stielen
sitzenden Pfeilblättern, zusammen mit der an hohen Stangen sich empor-
rankenden Yamswurzel und dem Maniok eine Art Mehl liefert und den
gänzlich unbekannten Getreidebau überflüssig macht. Eine nicht un-
wichtige Kulturpflanze ist auch eine Aracee namens Lack mit 4 m
langen Riesenblättern. Zu nennen sind endlich Mangos, Orangen, Me-
lonenbäume (Papaya) und die auch in ausserordentlich grosser Zahl ver-
wildert vorkommende Ananas, dazu eine Reihe von Zierpflanzen, weil die
Eingeborenen Blumen sehr lieben und die Wege mit schön blühenden
Hecken einfassen. Auf Yap und Palau war schon vor Ankunft der
Europäer der Tabaksbau bekannt.
An Tieren ist das umgebende Meer überreich. Bei Niederwasser
entfaltet sich innerhalb des Riffs und im Mangrovegürtel ein reges Tier-
leben, das dem Vergnügen und noch mehr in gegenseitigem Vernich-
tungskrieg dem Kampf ums Dasein nachgeht. Die See selbst wimmelt
von zahllosen, häufig wunderbar bunt gefärbten und eigentümlich ge-
stalteten Fischen aller Grössen und Klassen, darunter grossen Haien
und Rochen, deren Fang nichts weniger als leicht und ungefährlich ist
Seeigel und Seesterne haften am Meeresgrund, und träge ruhen in ihrer
Gesellschaft bis meterlange Seegurken oder Trepangs, eine Holothurien-
art, die eine kostbare Ware für den chinesischen Markt darstellt. Da
aber viele Trepangfelder stark erschöpft oder fast abgefischt sind, so
ist ein Verbot weiteren Fanges erlassen worden. Die Zahl der See-
schnecken und Muscheln ist Legion. Unter ihnen ist für die Insulaner
neben der Perlmuschel besonders die Riesenmuschel von Belang, aus
deren Schalen mancherlei Geräte verfertigt werden. Einige giftige See-
schlangen sind vorhanden. Schildkröten dagegen sind selten, weshalb
ihr Fleisch meist nur den Häuptlingen zusteht. Bloss noch ganz ver-
einzelt erscheint infolge der unausgesetzten Verfolgungen der Dugong,
ein Seesäugetier, aus dessen Atlaswirbel die Palauer das hochgeschätzte
Kliltarmband gewinnen.
Um so ärmer an Arten und zwar weit ärmer als die Flora ist die
Landfauna des räumlich beschränkten Inselgebietes. Sie weist mit ihren
Hauptvertretern ebenfalls auf indo-malayischen Ursprung hin. Die erst
zur Tertiär- und Ouartärzeit entstandenen landfernen Inseln entbehren
wildlebender Säugetiere gänzlich und haben ihre vierfüssigen Bewohner
erst durch die an treibende Pflanzenmassen sich anklammernden Fleder-
mäuse oder als blinde Passagiere wie die durch den Schiffsverkehr ein-
geführten Ratten und Mäuse oder wie die Haustiere absichtlich von
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den fremden Seefahrern erhalten. Die sehr dreisten Ratten sind zu
unangenehmen Hausmitbewohnern geworden und schädigen oft die
Kokosprtanzungen, indem sie an den leicht geneigten Stämmen empor-
klettern und die Früchte herabholen. Deshalb bringt man, wie Kittlitz
von Kusaie berichtet, in der Mitte des Stammes ein Gitter an, um die
ungebetenen Gäste fern zu halten. Am charakteristischsten ist der in
mehreren Arten weit über die Südsee verbreitete Fliegende Hund
(Pteropus), der als Leckerbissen gilt, aber unter den Brotfruchtbäumen
ebenfalls grossen Schaden anrichtet. Diese im Fluge bis zu I m span-
nende schwarzbraune Fledermaus, neben der noch ein anderes Fieder-
tier (Emballonura) beobachtet wird, fliegt zur kühleren Tageszeit ge-
räuschlos herum. In den heissesten Stunden dagegen krallt sie sich,
den Kopf nach unten, an Baumäste fest, wo man die Tiere im Schatten
zu Dutzenden wie Schinken in der Räucherkammer hängen sehen kann.
Eine unschöne kleine Hundeart, die gleich dem Papuahund nicht bellen,
sondern bloss heulen kann, wird um des Fleisches willen, daneben auch
als Schosshund für die Damen auf Ponape gezüchtet und mit Brotteig
förmlich genudelt wie bei uns die Gänse. Bei Festen werden Hunderte
dieser Hunde gebraten und verspeist. Schweine besass man ursprüng-
lich nicht; sie fanden erst spät als Haustiere und Festspeise Eingang
und waren bei Lütkes und Kittlitzs Anwesenheit auf Kusaie so
selten, dass sie den Reisenden als etwas ganz besonderes vorgeführt
wurden, die darauf zur Vermehrung der Aufzucht ein Mutterschwein
zurückliessen. Auf der Insel hat sich auch das von der Amerikanischen
Mission eingebürgerte Rind gut akklimatisiert, während es auf Palau
verwilderte. Damit ist der gesamte spärliche Bestand an Säugetieren
erschöpft.
Zahlreicher sind wegen ihrer grösseren Bewegungsfähigkeit die
Landvögel, die mit 80 der indo-malayischen Vogelwelt angehörigen
Arten, darunter nicht weniger als 56 auf Palau, die artenreichste Wirbel-
tierklasse des Inselgebietes sind, jedoch nur wenige eigentümliche Formen
aufweisen. So findet sich bloss auf Ponape ein Scharrhuhn und eine
Eulenart, ausschliesslich auf Palau ein Grossfusshuhn, nur auf Ruk und
Ponape eine Erdtaube. Den westlichen Karolinen ist ein schwarzer
Glanzstaar, den centralen Karolinen ein unserer Drossel ähnelnder Sing-
vogel (Calamoherpe syrinx) eigen. Über den ganzen Archipel dagegen
ist eine grosse, wohlschmeckende Fruchttaube und unser Huhn ver-
breitet, das wohl nicht erst als verwilderter, sondern von Haus aus als
wilder, echter Waldvogel die Inselflur bewohnt und nur im Dickicht
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lebt. Die Eingeborenen erfuhren erst durch die Europäer, dass Hühner-
fleisch essbar sei, nachdem sie dem Vogel vorher lediglich um seiner
Federn willen nachgestellt hatten. Ferner giebt es malayische Schwalben,
welche die bekannten essbaren Vogelnester liefern, und als Strandvögel
Würger, Fliegenfänger, Eisvögel und prächtig gefärbte Honigsauger.
Unser Kuckuck und eine neuseeländische Art sind bei ihren Wander-
zügen auf den Palaus nachgewiesen, wie überhaupt viele nordische Zug-
vögel, die Kitt litz auf Kamtschatka gesehen hatte, trotz der ungeheuren
trennenden Meeresflächc bis zu den Karolinen fliegen, um dort den
Winter zu verbringen.
Eine Froschart und drei Landschlangen giebt es bloss auf Palau,
bis wohin sich zuweilen auch das indische Leistenkrokodil verirrt.
Häufig sind Eidechsen, unter denen ein über I m lang werdender
Leguan und auf Yap eine grosse Warneidechse bemerkenswert sind
Gleich den meisten Südseeinseln' sind die Karolinen sehr spärlich mit
Insekten ausgestattet, selbst die in den Tropen so mannigfache Käfer-
welt tritt ganz zurück. Dasselbe gilt von den Schmetterlingen. Bloss
Zikaden lassen ihr Gezirp ertönen, die Hausfliege ist häufig, und Mos-
kitos peinigen zur Regenzeit. Am lästigsten fallen einige Ameisenarten,
die alles Essbare angreifen und selbst das härteste Holz rasch zerstören.
Öfters trifft man im Busch auch Krebse. Es sind Beutelkrebse (Birgus
ladro) und Einsiedlerkrebse (Pagurus), die ihren weichen Hinterleib in
ein leeres Schneckenhaus wie in einen schützenden Panzer bergen und
mit ihm bis in die höchsten Baumwipfel klimmen.
Der Archipel wird gleich den benachbarten Marshall-Inseln von
Mikronesiern bewohnt, d. h., da es eine besondere mikroncsische Rasse
nicht giebt, von einer etwas ins Papuanische überspielenden, nur gering
veränderten Abart der aus den Malayen hervorgegangenen Polynesien
Dass neben Zuzügen aus Westen auch solche aus Osten erfolgten, dafür
spricht die auf Nukuor ansässige samoanische Kolonie und die Thatsache,
dass neun Zehntel der angetriebenen Gegenstände aus Osten stammen.
Volkens hält sogar eine Einwanderung aus Amerika nicht für unmög-
lich, weil zwischen den Malayen und den Eingeborenen Yaps auffallende
körperliche Unterschiede bestehen und weil die eigentümliche Sprache der
Palauer mit ihren Auslauten unwillkürlich an die Indianersprachen Mittel-
amerikas erinnert. In der neuen Heimat gingen die Polynesier gewisse
Kreuzungen mit Papuastämmen ein und erfuhren noch von anderer Seite
her Beimischungen. Darum findet man auf der Inselflur als das Ergebnis
von Schiffbrüchen, freiwilligen und unfreiwilligen Wanderungen den
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malayischen, melanesischen , polynesischen und japanischen Typus oder
Angehörige der schwarzen, braunen und gelben Rasse in wechselnden
Zusammenstellungen nebeneinander. Dazu gesellen sich auf Ponape,
Ruk und einigen Eilanden der mittleren Karolinen Niederlassungen
räuberischer Orang Laut, eines Stammes, dessen bekannteste Vertreter
die Seeräuber des Sulu-Archipels und die kopfjagenden Dajaken sind.
Auch unter den Palauern und den Mischbewohnern der Rukgruppe
scheinen nicht unerhebliche Mischungen mit Melanesiern stattgefunden
zu haben. Doch sind die 200 Bewohner des kleinen Nukuor- Atolls
reine Polynesier und zwar Samoaner. Oberhaupt waltet das malayisch-
polynesische Element so entschieden vor, dass sich trotz der Aufnahme
fremden Blutes eine Mischrasse im eigentlichen Sinne, wie Christian an-
nehmen möchte, nicht herausgebildet hat. Im einzelnen weichen natür-
lich, je nach dem Masse der Vermischung, die Bewohner der verschie-
denen Inselgruppen in Sprache, Körperbau, Sitte und Brauch nicht un-
erheblich voneinander ab, so dass eine allgemein gültige ethnographische
Schilderung für das ganze Inselgebiet trotz weit verbreiteter Überein-
stimmungen nicht möglich ist.
Die grosse polynesische Spracheinheit fehlt, und man trifft statt
ihrer die papuanische Sprachenvielheit. Denn die Palauer reden ihre
eigene Sprache, und auf den Karolinen zählt man ohne Mundarten
mindestens 6 — 8 verschiedene Sprachen, unter denen sich als überall
verstandene Handelssprache, gleichsam als lingua franca der Karolinen,
der Dialekt der handelseifrigen Mortlock-Insulaner allgemeine Geltung
verschafft hat.
Wie alle Mikronesier sind die Karolinier von der Natur körperlich
ausserordentlich begünstigt. Sie sind von mittlerem, wohlgestaltetem
Wuchs, ebenmässig, kräftig und gelenkig, jedoch nicht herkulisch ge-
baut. Die Hautfarbe ist braun mit verschiedenen helleren und dunkleren
Schattierungen, wird indes durch Einreiben mit Curcumawurzel und
Kokosöl beeinträchtigt, die der Haut eine gelbe Tönung geben. Das
wohlgeformte, unserem Geschmack allerdings nicht als schön zusagende
Gesicht wird durch hervortretende Backenknochen, die platte, breite
Nase und die aufgeworfenen Lippen verunziert und hat einen etwas
groben, nicht besonders durchgeistigten Ausdruck. Die Frauen stehen
an Körpergrösse auffallend hinter den Männern zurück. In der Jugend
nicht unschön, altern sie früh und werden dann sehr hässlich. Die
lebhaften Augen und das Haar sind bei beiden Geschlechtern stets
dunkel. Das schwarze, in einen Knoten zusammengefasste und mit
Deutschland* Kolonien. 4
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einem dreizackigen, weitzinkigen Kamm verzierte Haar ist meist schlicht
oder schwach gelockt. Mehrfach zeigt es auch eine an Papuaart er-
innernde Kräuselung, und ebenso bildet der keineswegs seltene, wenn-
gleich spärliche oder durch Auszupfen ganz beseitigte Bartwuchs des
Mannes einen papuanischen Zug. Besonders Palau und Ruk sind reich
an dunkelfarbigen Leuten mit ausgeprägtem Papuatypus, stark ge-
krümmter jüdischer Nase, dichtem Bart und üppigem Kraushaar. Doch
dürfte das wollartig gekräuselte Haar vieler Eingeborener nicht zum
wenigsten auch von der intimen Berührung der weiblichen Bevölkerung
mit der schwarzen Mannschaft der zahlreichen Walfischfänger herrühren,
die jährlich die Inseln aufsuchen und wochenlang dort verweilen, um
sich mit Nahrung zu versorgen oder Ausbesserungen vorzunehmen.
Die Charaktereigenschaften der Karolinier haben eine sehr verschie-
dene Beurteilung erfahren. Die Eingeborenen machen im allgemeinen
den Eindruck einer stolzen, sympathischen Bevölkerung, die durch Güte
und Gerechtigkeit leicht zu lenken sein wird, während sie die spanische
Gewaltherrschaft zu tapferem Widerstand aufreizte. Im Gegensatz zu den
fremdenfeindlichen Papuas, deren verschlossenes, grausames, heimtückisches
und dabei feiges Wesen die Verwaltung und wirtschaftliche Erschliessung
der Melanesischen Inselflur aufs äusserste erschwert, kamen die Karo-
linier wie alle Polynesier den Fremden freundlich und verständnisvoll
entgegen. Vom schlimmsten Papualaster, der Menschenfresserei, scheinen
sie frei geblieben zu sein, und ältere Reisende sind des Lobes voll über
die Sanftmut, Friedfertigkeit, Gutmütigkeit und Zutraulichkeit des be-
scheidenen, gastfreien Volkes. Leider hat der Verkehr mit den oft recht
minderwertigen europäisch -amerikanischen Elementen und die schlechte
Behandlung seitens der Spanier den Charakter der Eingeborenen höchst
ungünstig beeinflusst , und das schlechte Vorbild der Weissen l ) trägt
vielmehr als die melanesischc Rassenmischung die Schuld daran, dass
man die einst über Gebühr gepriesenen Insulaner später als die mise-
rabelsten aller Kreaturen bezeichnet hat, die unaufrichtig, geizig, lüg-
nerisch, diebisch, unfreundlich und in schlau berechnender Gewinn-
sucht nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien. Das ganze Denken
und Handeln der Eingeborenen, vor deren seeräuberischen Gelüsten
man wiederholt warnte, gehe darauf hinaus, möglichst viel zu nehmen
und möglichst wenig zu geben. Sicherlich ist diese Betonung der schlech-
') In den 50er Jahren des 19 Jahrhunderts wurden sämtliche Miiuncr der Xgatik-
gruppe von Walfischlllngern und Eingeborenen aus Ponapc ermordet, um die dort auf-
gespeicherten Schildpattschitie zu erbeuten.
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ten Eigenschaften übertrieben, und unter der geordneten deutschen
Verwaltung sind bereits mannigfache Wandlungen zum Bessern einge-
treten. Namentlich die Yaper haben sich als höchst willig und bildungs-
fähig erwiesen, und für die ziemlich hohe Entwickelung der geistigen
Fähigkeiten spricht unter anderm die Thatsache, dass die 30 Yapleutc,
die sich in die Polizeitruppe einreihen Hessen, schon nach dreimonat-
licher Ausbildung es im Exerzieren und Schiessen mit jedem deutschen
Soldaten aufnehmen konnten. Der Versuch, Palau-Insulaner zum Polizei-
dienst zu verwenden, hat ebenfalls ein unerwartet gutes Ergebnis
gehabt.
Sittenschatz und soziales Leben zeigen gleichfalls mancherlei Be-
rührungen papuanischer und polynesischer Eigentümlichkeiten.
Polynesisch, aber in starkem Verfall begriffen ist die schroffe, zum
Teil sehr verwickelte Ständegliederung und patriarchalische Verfassung,
die einer geordneten Verwaltung eine willkommene Handhabe bietet.
Man unterscheidet zwei grosse Klassen, die der Häuptlinge und Adeligen
und diejenige der Untergebenen oder Gemeinen. Dazu kommen auf
Yap noch Unfreie oder Sklaven, die fast den vierten Teil der Insel-
bewohner ausmachen und in besonderen Dörfern wohnen. Die Gemeinen
besitzen in der Regel kein Grundeigentum. Sie müssen die Vornehmen
mit Nahrungsmitteln versorgen, ihre Felder bebauen und andere Arbeiten
verrichten . und dürfen weder Haarkamm, noch Muschel- oder Schildpatt-
schmuck tragen, so dass die Rangunterschiede schon äusserlich erkennbar
werden. Der Freie darf eine Sklavin, ein Sklave aber nie eine Freie
heiraten. Doch sind wegen des stark ausgeprägten Kastengeistes Ver-
bindungen zwischen den beiden Ständen äusserst selten und finden
meist bloss innerhalb der einzelnen Klassen statt. Die Kinder von
Sklaven sind wieder Sklaven.
Die Häuptlinge sind denselben Gesetzen unterworfen wie das ge-
wöhnliche Volk. Ihre Macht beruht vor allem auf ihrem persönlichen
Einfluss , und ihr Vorbild entscheidet, ob ihre Untergebenen gut oder
schlecht sind. Es giebt 12 Rangklassen von Häuptlingen mit verschie-
denen Würden, die alle mit grosser Unterwürfigkeit behandelt werden.
Dem König darf man sich nur in gebückter Haltung nähern und leise
mit ihm sprechen. Die Etiquette verlangt sogar, dass dem Handkorb
des Königs die gleiche Verehrung wie ihm selbst gezollt wird. Der
König geht aus der Zahl der grösseren Häuptlinge hervor und hat
eine Art Minister oder Nebenregenten zur Seite, während die Bezirke
von den Bezirkshäuptlingen, die Ortschaften von den Dorfhäuptlingen
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verwaltet werden. Sie alle muss der König bei wichtigen Angelegen-
heiten um Rat fragen.
Zum Adel gehören auch die Priester, die wiederum in zwei Klassen
zerfallen. Die Hauptrolle spielen die Oberpriester , weil sie in ihrer
Person die Eigenschaften eines Arztes, Regenmachers, Zauberers, Wahr-
sagers und Traumdeuters vereinigen. Sie verstehen sich auf die Kenntnis
giftiger und heilsamer Kräuter, und ihnen liegt die Ausübung des reli-
giösen Kultes, die Leitung der Feste und die Beseitigung von Hungers-
nöten, Dürren und anderen Notständen ob. Neben den Priestern ver-
mitteln auch die Häuptlinge den Verkehr mit den gefürchteten Geistern,
um so mehr als sie selbst die meiste Anwartschaft haben, nach ihrem
Tode als Geister verehrt oder gefürchtet zu werden.
Echt polynesisch ist ferner die Sitte der Kawabereitung und der
Tabuverbote, die sich vornehmlich auf die Fischerei und die zeitweise
Benutzung der Baumfrüchte beziehen, so dass dem religiösen Brauch ein
praktischer Beweggrund, die Schonung der Nahrungsmittel, zu gründe
liegt. Echt papuanisch ist dagegen die politische Zersplitterung und
Kleinstaaterei, die selbst der uralte Schiffsverkehr zwischen den Inseln
nicht zu beseitigen vermochte. Auf der central gelegenen Rukgruppe
hat der besonders lebhafte Warenaustausch Vertreter sämtlicher Stämme
der mittleren Karolinen zusammengeführt, die sich aber gegenseitig fremd
d. h. feindlich gegenüberstehen und, in zahlreiche kleine Gemeinschaften
aufgelöst, entweder in offenem Krieg oder in unsicherem Frieden mit-
einander leben. In den übrigen Teilen des Archipels giebt es ebenfalls
Kleinstaaten in grosser Menge, zwischen denen Reibungen und Zu-
sammenstösse leicht und häufig sind. Fast jede Insel oder jedes Dorf
ist für sich ein politisches Gebilde, von denen auf den grösseren Inseln
so viele vorhanden sind, dass Yap in 58, nach anderen sogar in 80 unab-
hängige Bezirke mit eben sovielen Häuptlingen zerfällt, von denen jedoch
einige im Bundesverhältnis miteinander stehn. Palau gliedert sich in
18 selbständige Inselreiche, deren Macht wechselte, bis Korror mit Hilfe
schiffbrüchiger Engländer, die Feuerwaffen und Mannschaften stellten,
sich im 18. Jahrhundert mehrere Nachbarstaaten unterwarf und seine
Oberhoheit nach und nach über ganz Palau ausdehnte. Eigentümlich
sind jenem Archipel noch die Klubs, die Kaldebekel oder Klöbbergölls,
in die sich das regierte Volk teilt. Jeder Klub besitzt einen dem Häupt-
ling verantwortlichen Führer und ein eigenes Klubhaus oder Baj, das
den Mitgliedern als Schlafraum dient. Die Mitglieder dieser Klubs, in
welche schon die Knaben eintreten müssen, haben bei schwerer Strafe
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gemeinsame öffentliche Arbeiten zu verrichten und erlangen gleich den
ähnlich organisierten Bruderschaften auf Ponape unter Umständen einen
solchen politischen Einfluss, dass sie auf eigene Faust Krieg führen
und dass selbst mächtige Häuptlinge vor ihnen nicht sicher sind. Auf
Palau haben auch die Frauen ihre eigene unabhängige Regierung und
ihre Damenklubs mit besonderer Gerichtsbarkeit und einer Königin, der
mehrere Häuptlingsfrauen zur Seite stehen. Die weibliche Regierung ist
ebenfalls eine Macht, mit der die Häuptlinge rechnen müssen. Sie über-
wacht die Ordnung unter den Frauen und hält Gericht über weibliche
Angelegenheiten, ohne dass die Männer sich einmischen dürfen. Um
die gesellschaftlichen Einrichtungen Palaus noch schwieriger zu
machen, übt endlich auch die Priesterschaft eine theokratische Neben-
regierung aus.
Die Strafen bestehen ausschliesslich in Geld, das im Leben der
Karolinier eine Hauptrolle spielt. Mit Geld ist alles zu machen, mit ihm
kann selbst die Todesstrafe abgewendet und ein Mord gesühnt werden.
Auf Palau ist ein eigentümliches Geld aus Glas, Jaspis, Porzellan,
Emaille und künstlichen Perlen im Gebrauch, das genau wie unser Geld
von Hand zu Hand geht und sich in drei Hauptgruppen mit 15
verschiedenen Wertsorten gliedert. Doch kennen die meisten Palauer
nur den geringsten Teil derselben, da die teueren Stücke im Werte bis
zu 15000 Mark sich bloss in wenigen Exemplaren in der Hand der
Reichen und der Häuptlinge befinden und meist ausser Umlauf sind.
Die Herkunft dieses Geldes ist dunkel, und die Palauer schreiben ihm
göttlichen Ursprung zu. Da man aber nirgends in Polynesien seine Her-
stellung versteht, so muss es unzweifelhaft eingeführt sein und stammt
wahrscheinlich irgendwoher aus Asien. Diesem Umstände verdankt es
seine Wertschätzung. Die Bestrebungen fremder Händler, das einhei-
mische Geld durch moderne Münze zu verdrängen, sind ebenso ge-
scheitert wie die Versuche, es nachzumachen. Denn die Eingeborenen
wissen die echten Stücke von den unechten leicht zu unterscheiden, in-
dem sie dieselben beim Abschluss eines Geschäfts genau besehen, be-
lecken, beriechen, abwischen, an der Nase reiben oder gegen das Licht
halten, um sich von ihrer Beschaffenheit zu überzeugen.
Auch auf Yap ist seit alters Geld als Zahlungsmittel bekannt. Zum
Unterschied von dem handlichen Palaugeld besitzt es aber eine höchst
eigentümliche, schwerfällige Gestalt. Es besteht nämlich aus runden
Steinen von der Form und Grösse eines Schweizerkäses bis zu Mühl-
steingrösse, und zwar aus Aragonit, einem rhombisch kristallisierten, fein-
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körnigen Kalk, der auf Yap selbst nicht vorkommt, sondern aus seiner
immerhin weit entfernten Heimat, den Palau-Inseln, unter Schwierigkeiten
aller Art herbeigeschafft werden muss. Nachdem der Häuptling seine
Einwilligung gegeben hat, fährt eine Anzahl junger Leute unter Benutzung
des Nordostpassates nach Palau, holt von dem dortigen Häuptling gegen
Erlegung von Geschenken die Erlaubnis zur Ausbeutung des Stein-
bruchs ein und beginnt dann mit der Arbeit, die wegen der einfachen
Instrumente, mit denen sie vorgenommen wird, ausserordentlich mühsam
ist und mehrere Monate in Anspruch nimmt, worauf man mit dem im
Sommer einsetzenden Südwestmonsun wieder nach Hause zurückkehrt.
Da aber die Boote für derartige Lasten nicht eingerichtet sind, so müssen
Flösse, die von den Canoes gezogen werden, den Transport vermitteln,
was bei kompassloser Steuerung und stark bewegter See wiederum
höchst mühselig und keineswegs ungefährlich ist. Gar mancher hat
den sauer gewonnenen Schatz und in dem Bestreben, die kostbare Last
zu retten, das eigene Leben verloren. Das Brechen, Behauen und die
Verschiffung des Steingeldes verlangen also viele Arbeitskräfte, Unkosten
und Beschwerden, und in dieser Unsumme von Arbeitsleistung oder
richtiger Arbeitsverschwendung ist der hohe Wert des Steingeldes be-
gründet, der es mit sich bringt, dass die grösseren Stücke, die behufs
leichterer Fortschaffung in der Mitte ein Loch zum Durchstecken eines
Stabes haben, meist Eigentum der gesamten Gemeinde sind. Sie
werden mehr zum Ansehen und Prahlen als zum praktischen Gebrauch
vor den Gemeindehäusern und längs der Wege aufgestellt, so dass auf
Yap das Geld im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strasse liegt. Mit
einem schön behauenen grossen Stein erkauft man im Kriege Bundes-
genossenschaft oder zahlt Busse, so dass das deutsche Bezirksamt durch
die eingegangenen Strafgelder im buchstäblichen Sinn steinreich geworden
ist. Als Scheidemünze dienen kleinere Stücke desselben Gesteins oder
auf Schnüre aufgereihte Perlmutterschalen. Mit einem Stückchen Stein-
geld von Tellergrösse und Armcsdicke deckt eine Familie den monat-
lichen Bedarf an Lebensmitteln. Da aber heute europäische Schiffe den
Transport des Steingeldes besorgen und grosse Mengen desselben nach
Yap bringen, so ist infolge der erleichterten Zufuhr der Kurswert des
Geldes erheblich gesunken. Immerhin mag es noch lange dauern, bis
die Yaper ihm ganzlich entsagt und sich an weniger unhandliche Um-
laufsmittel gewöhnt haben werden.
Wo die Mission ihren Einfluss noch nicht geltend gemacht hat,
herrscht Vielweiberei, die insofern von praktischer Bedeutung ist, als
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die Frauen und deren Hilfskräfte, die Kinder, durch ihre Arbeit den
Wohlstand des Hauses vermehren. Doch haben nur die Wohlhabenden
mehrere Frauen, die sich überall einer angesehenen Stellung und guten
Behandlung erfreuen. Der Mann zieht meist zum Stamme seiner Frau
und kehrt nach deren Tode gewöhnlich mit Zurücklassung der Kinder
in sein Dorf zurück. Nach dem im gesamten Pacifik gebräuchlichen
Mutterrecht richten sich Vaterlandszugehörigkeit und Nachkommenschaft
nach dem Stand der Mutter. Dem König folgt in der Regierung nicht
der eigene Sohn, sondern der Sohn seiner Schwester. Dieses Erbrecht,
das wahrhaft chaotische Verhältnisse entstehen lässt, verliert indes immer
mehr an Bedeutung.
Die eheliche Treue der Ehefrauen wird überall gerühmt, während
der geschlechtliche Verkehr der Unverheirateten wie allerorts in der
Südsee sehr frei ist. In Mikronesien ist nämlich die papuanische Sitte
verbreitet, dass die ledigen Jünglinge im Gemeinde- oder Klubhaus
schlafen. Dort finden sich aus auswärtigen Ortschaften heiratsfähige
Mädchen, die Armengols oder Armunguls der Palauer, ein, mit denen
sich bald ein zwangloser Verkehr entspinnt. Hat ein Mädchen mit 10
bis 12 Jahren noch keinen Mann bekommen, so geht es als Armengol
in einen fremden Bezirk und lebt dort mit allen Männern des Bajs oder
als Geliebte eines derselben so lange, bis es die eheliche Frau eines
Eingeborenen geworden ist. Oder es kehrt reich beschenkt und ohne
an seinem Ruf Schaden gelitten zu haben, nach Hause zurück, wo es
wegen der mitgebrachten Ersparnisse als Ehefrau ebenfalls sehr gesucht
ist. Da auf Palau auch die verheirateten Männer in den Klubhäusern
schlafen und mit den Armengols in wilder Ehe leben, so ist dort ein
eigentliches Familienleben kaum vorhanden, um so mehr, als die Frau
noch für den Unterhalt der Armengols zu sorgen hat. Ist sie ihrem
Mann böse oder hat sie sonst einen Grund zur Unzufriedenheit, so
siedelt sie ebenfalls für kürzere oder längere Zeit ins Baj über. Aus
diesem Brauch hat sich eine eigenartige Keimform der Prostitution ent-
wickelt, die zugleich eine Lockerung der ehelichen Verhältnisse bedeutet.
Kein Wunder, dass die Ehen, die eben so leicht geschlossen wie gelöst
werden können, zu drei Viertel kinderlos bleiben. Die meisten Palauer
entstammen dem freien Umgang mit jenen fahrenden Mädchen. Adoption
von Kindern ist ebenfalls allgemein üblich und hat eine verwickelte
' Kette von Verwandtschaften im Gefolge.
Die heimatliche Natur gab den Karoliniern trotz vieler kleiner
Sonderzüge eine wesentlich gleiche Lebensrichtung. Die andauernd
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hohe Temperatur machte die Kleidung fast entbehrlich, so dass sie viel
unvollständiger als bei den Polynesiern ist. Papuanisches Nacktgehen
soll früher unter den Männern in Patau allgemein üblich gewesen sein
und ist dort auch heute noch nicht überall abgekommen. Innerhalb
ihres Wirkungsbereiches hat die christliche Mission eine unschöne
Kleidung eingeführt, leider nicht selten auf Kosten der Gesundheit,
weil die Eingeborenen die Kleider, auch wenn sie durchnässt sind, stets
auf dem Leib behalten und sich dadurch naturnotwendig Rheumatismus,
Erkältung und andere Krankheiten zuziehen müssen. Sonst begnügt
man sich mit einer schmalen Schambinde, mit feinen Matten oder einem
einfachen Lendenschurz aus bunt gefärbten Blättern und Bananenfasern,
den man auch unter der europäischen Kleidung trägt. Sehr beliebt ist
ferner ein kurzer Rock aus Kokosblattstreifen, und um vornehm und
elegant gekleidet zu sein, muss man mindestens sechs solcher Röckchen
anziehen. Zuweilen bedeckt man den nackten Oberkörper mit einem
ponchoartigen Überwurf und trägt beim Fischfang einen breiten, spitzen
Hut aus Pandanusblättern. Da Hosen- und Rocktaschen fehlen, so hat
man beim Ausgehen stets ein aus Palmblattstreifen geflochtenes Körbchen
in der Hand, in dem Tabak, Feuerzeug, ein Holzkeil zum Spalten der
Kokosnüsse und andere unentbehrliche Kleinigkeiten des täglichen Ge-
brauches enthalten sind. Auch eine flach gepresste, wie ein längliches
Brett aussehende Blattscheide der Betelpalme wird von den Männern
beim Ausgehen stets mitgenommen, um sich unterwegs darauf setzen
zu können. Auf einigen Inseln wird als merkwürdige Zuthat zur Klei-
dung ein Gürtel benutzt, der aus mehreren Hunderten fein geschliffener
Muschelscheibchen oder aus 15 — 20 nebeneinander laufenden Schnüren
aus kleinen, runden Kokosscheibchen besteht, deren Zahl bei einem
zwanzigschnürigen Gürtel auf 12000 und mehr solcher Blättchen geschätzt
wird. Dieses mühsam anzufertigende Schmuckstück ist daher der ge-
schätzteste Teil der Tracht.
Der Schmuck, bei dem die verschiedensten Kleinigkeiten, nament-
lich Muscheln, Schildpatt, Federn, Kokosschalen und Blumen zur Ver-
wendung kommen, ist überhaupt sehr beliebt und reichhaltig wie wohl
nirgends wieder in der Südsee. Ein Mikronesier, der bei Festlichkeiten
seine sämtlichen Zierraten an sich trägt und am ganzen Leib mit Schnüren
und Ketten bedeckt ist, macht einen überladenen Eindruck. Beide
Geschlechter lieben Armringe, Halsbänder und Ketten und durchbohren
die Ohrläppchen, um sie mit allerlei Gegenständen, Pflöcken, Blättern,
wohlriechenden Blumen, Perlen, Tabakspfeifen und Rauchgerät zu
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schmücken. Oft werden dadurch die Öffnungen so erweitert, dass
die Läppchen bloss noch als dünne Hautstränge erscheinen, deren
Inhalt in unförmlichen Klumpen auf den Schultern liegt. Die früher
beliebte polynesische Sitte der Tätowierung, die hauptsächlich Oberarm
und Oberschenkel mit zierlichen dunkelblauen Streifenmustern bedeckt
— das Gesicht bleibt frei — , kommt wegen des grossen Schmerzes,
mit dem sie verbunden ist, und unter dem Einfluss der Mission mehr
und mehr in Abnahme. Sklaven dürfen sich nicht tätowieren. Im
übrigen steigt die Tätowierung mit dem Rang. Nicht allein aus Eitel-
keit, sondern auch wegen der wohlthätigen Wirkung auf das Wohl-
befinden des nackten Insulaners und um das in den Tropen weit ver-
breitete lästige Hautjucken zu mildern, wird die Haut gern mit dem
Pulver der Gelbwurz (Curcuma) eingerieben. Bei der vielfach herrschenden
Unreinlichkeit sind Hautkrankheiten nichts ungewöhnliches. Besonders
häufig ist ein die äussere Erscheinung beeinträchtigender, aber nicht als
Leiden empfundener schuppiger Ausschlag. Viel schlimmer ist die
stellenweise nicht seltene Lepra.
Grundverschieden von den Karoliniern erweisen sich die Palauer
beim Tragen von Leibesschmuck. Bei den Frauen beschränkt er sich
auf eine dünne Schnur aufgereihten Steingeldes, und der einzige Männer-
schmuck ist der Klüt, ein aus dem Atlaswirbcl des Dugong verfertigtes
manschettenartiges Armband, ähnlich dem aus bearbeiteten Exemplaren
der Kegelschnecke bestehenden Jatau der Yaper. Der Klilt ist kein
Zeichen der Würde, auch kein Orden, dessen Tragen lediglich den
Häuptlingen zusteht, sondern nichts anderes als ein sehr teures Arm-
band, dessen Wert in seiner Seltenheit und darin beruht, dass die
Häuptlinge das Vorkaufsrecht für jeden gefangenen Dugong haben.
Der Preis jenes Seesäugetiers steigt bis 1500 Mark, wozu die Verferti-
gungskosten für das Armband kommen, so dass bloss reiche Leute sich
den viel begehrten Schmuck anschaffen können. Da man die Wirbel-
öffnung nur wenig erweitert, so ist das Überstreifen des Klilt höchst müh-
sam und verursacht oft schwere Beschädigungen der Hand, weshalb der
sonderbare, mit vielem Geld gekaufte und mit grossem Schmerz angelegte
Schmuck bloss unter ganz besonderen Umständen abgenommen wird.
Am buntesten schmückt man sich zu den Tänzen, denen man
leidenschaftlich ergeben ist und meist bis in den frühen Morgen hinein
obliegt. Zuweilen sind sie unentbehrliche Bestandteile des Gottesdienstes
oder finden zur Erntezeit auf Anordnung der Häuptlinge statt, um die
Geister und Gottheiten friedlich zu stimmen. Sie sind entweder obseöne
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Bewegungen auf der Stelle oder elegant ausgeführte Reigen mit kunst-
vollen, schwierigen Verschlingungen, die öfters monatelanger Einübung
bedürfen. Eifersüchtig wacht jeder Erfinder eines neuen Tanzes darüber,
dass ihm ein Nebenbuhler nichts nachmacht. Auf den Marshall-lnseln
hat sogar ein Häuptling einen andern wegen Tanzfigurendiebstahls oder,
wie wir sagen würden, wegen Verletzung des Musterschutzgesetzes ver-
klagt. Die Tänze werden von Gesängen begleitet, und es giebt einen
besonderen Dichter- und Sängerberuf, der in hohem Ansehen steht und
auf grossen Festen die neugedichteten Lieder prüft. Doch sind ausser
auf Ponape Musikinstrumente unbekannt; nur die zum Kriegsruf dienende
Muscheltrompete findet Verwendung.
Hauptbeschäftigung sind Ackerbau und Fischfang. Die Flecht-
industrie und die im gesamten Südseegebiet bloss auf den Karolinen
heimische Handweberei liegen in der Hand der Frauen. Die Weberei
ist am vollkommensten auf Kusaie entwickelt, während sie auf Yap nicht
mehr geübt wird und auf Palau gänzlich unbekannt geblieben ist. Sie
wird mittelst eines primitiven Webstuhls betrieben, der, ein Unikum in
Polynesien, dem Webstuhl von Santa Cruz, einem Unikum in Melanesien,
sehr nahe steht. Auch das Anfertigen von Matten, Körben und Gürteln,
die auf verschiedene Weise gelb, rot, blau und schwarz gefärbt werden,
sowie die Zubereitung der Speisen und die Führung des Haushaltes ist
Sache der Frauen. Von ihnen wurde endlich noch und zwar ohne
Drehscheibe die den Polynesien! völlig fremde, in Neuguinea dagegen
wohlbekannte Töpferei betrieben , eine Kunstfertigkeit , die seit 'Einfüh-
rung eiserner Geschirre so gut wie ganz aufgehört hat.
Die Lieblingsbeschäftigung der Männer ist der Handel. Die Karo-
linier, insbesondere die Bewohner der centralen Gruppen, sind wohl das
rührigste Handels- und Kaufmannsvolk des Stillen Ozeans, und schon
vor Ankunft der Europäer bestand ein lebhafter Verkehr von Insel zu
Insel. Er führte 1788 zur Entdeckung des seitdem regelmässig und
ohne Kompass von grossen Gesellschaften benutzten Seeweges nach den
Marianen und zur Entstehung der blühenden karolinischen Kolonie auf
Saipan. Untereinander tauschten die Karolinier die Erzeugnisse ihres
Ackerbaues und Gewerbfleisses, vornehmlich die nur auf wenigen Inseln
angebaute, aber von allen dringend verlangte Gelbwurz aus oder kauften
die Waren gegenseitig in aller Form um Geld, während von den Euro-
päern Waffen, Geräte und geistige Getränke eingehandelt wurden.
Dass ein so handelslustiges Volk tüchtige Bootbauer und er-
fahrene Schiffer besitzen muss, ist selbstverständlich. Die Boote sind
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7 — 20 m lange ausgehöhlte Einbäume mit spitzem Kiel oder bestehen
aus mehreren Stücken, die durch Taue und Schnüre zusammengehalten
oder gleichsam zusammengenäht werden. Vorderes und hinteres Ende
sind gleich spitz gebaut und werden auch abwechselnd gleichartig benutzt.
Ein seitlich angebrachter Ausleger oder Schwimmbalken macht die langen,
schmalen Fahrzeuge erst zur Schiffahrt brauchbar, indem er sie aufrecht
hält und bei bewegter See vor Kentern schützt. In der Mitte der Fahr-
zeuge, zwischen Boot und Ausleger, befindet sich eine Plattform, die
durch ein Dach oder eine Hütte geschützt werden kann und zur Aufnahme
von Personen und Gepäck dient. Die oft mit zierlichen Schnitzereien
versehenen Boote führen ein dreieckiges Mattensegel an beweglichem
Mast und leisten, wie die grosse Zahl freiwilliger und unfreiwilliger
Hochseefahrten beweist, trotz ihrer Gebrechlichkeit Erstaunliches. Erst
1901 haben vom Sturm verschlagene Karolinier einen Weg von mehr
als 2000 Seemeilen zurückgelegt. Die einzige Sorge der Schiffer besteht
darin, jederzeit genügend Trinkwasser und Nahrung zu haben. Für
kurze Fahrten bedient man sich ausschliesslich der Ruderboote.
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Natürlich ist den Karoliniern eine genaue Kenntnis des Himmels
und der wichtigsten Gestirne eigen. Sie verstehen geschickt die
Dünung zu benutzen und ihre Erfahrungen in eigentümlichen Stäbchen-
karten, den Mcdos der Marshall -Insulaner, niederzulegen. In jedem
Boot befinden sich stets zwei Navigateure, die nach den Sternen zu
steuern verstehen. Von früher Kindheit an wird nämlich eine Anzahl
Knaben in dieser Art der Orientierung unterwiesen, und erst wenn ihre
unter sachkundiger Leitung ausgeführten Probefahrten befriedigend aus-
gefallen sind, wird ihnen die Führung ausgedehnterer Hochseefahrten
anvertraut, welche Europäer ohne nautische Hilfsmittel kaum wagen
würden. Die geographischen Kenntnisse sind infolge dessen sehr be-
merkenswert, und mehrere weitgereiste Karolinier zeichneten Lütke
recht brauchbare Karten der Karolinen und Marianen.
Der Hausbau, der namentlich auf Palau eine durch besondere Bau-
meister geübte Kunst darstellt, die sich vom Vater auf den Sohn forterbt,
ist ebenfalls hoch entwickelt und gehört mit dem Bootbau und der Weberei
zu den Glanzleistungen der Eingeborenen. Die Wohnhäuser sind trotz
grosser Verschiedenheiten im Einzelnen meist rechteckige Hütten von
10—12 m Länge und 5—6 m Breite, die sorgfältig gebaut und oft ge-
schmackvoll verziert werden. Das hohe Giebeldach der luftigen Hütten
ruht auf niedrigen Holzpfeilern und geflochtenen Mattenwänden, deren
Thür- und Fensteröffnungen mit Matten aus Rohrgeflecht verschliessbar
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sind, während die einzelnen Hausteile, die sich fachweise herausnehmen
lassen, nicht durch Zapfen, sondern durch Kokosfaserschnüre fest ver-
bunden werden. Die Behausungen der Wohlhabenderen sind schon fast
vollständig aus Brettern oder sogar ganz aus Stein erbaut. Das solide,
wasserdichte Dach aus Palmblatt- oder Pandangblättern wird von den
Stürmen öfters abgedeckt. Der Giebel, der hoch und spitzwinklig ist, um
die heftigen Regengüsse rasch abfliessen zu lassen, wird gern noch mit
einem besonderen Schutzdach unterhalb des weit vorstehenden Haupt-
daches versehen. Oft ist das gesamte Haus nichts anderes als ein einziges,
steiles Giebeldach. Der mit Matten belegte Bretter- oder Steinboden ruht
wie das ganze Haus auf einem 5—6 Fuss hohen steinernen Unterbau aus
Korallenkalk- oder Basaltblöcken. Das saubere Innere besteht meist bloss
aus einem Raum und ist sehr einfach eingerichtet. Als Feuerherd dient
eine flache, mit Steinen ausgelegte Vertiefung, und der geringe Hausrat
beschränkt sich auf Körbe, Matten und einiges Küchengerät. Die in
Mikronesien noch mehr als bei den Papuas in den Vordergrund tretenden
Gemeinde- oder Klubhäuser sind weitläufiger und gewöhnlich länglich-
sechseckig gebaut; sie werden auf Kosten der gesamten Gemeinde er-
richtet. Die Häuser sind zu zerstreuten Dörfern vereinigt, die inmitten
der Pflanzungen und Fruchtbäume stets in unmittelbarer Nachbarschaft
der Küste liegen und von gepflasterten, heckenumsäumten Wegen durch-
zogen werden.
Zu den Waffen und Geräten benutzte man wegen des gänzlichen
Mangels an Eisen hauptsächlich Holz, Fasern, Knochen, Fischzähne,
Schildpatt und Muschelschalen. Als Waffen dienten mit Widerhaken
versehene Lanzen und Wurfspeere in mehreren Formen, Schleudern aus
Kokosfaser und wuchtige Keulen aus eisenhartem Holz. Bogen und
Pfeil sind den Mikronesiern unbekannt. Doch haben europäische Feuer-
gewehre — unter spanischer Herrschaft blühte ein ausgedehnter, jetzt
streng überwachter Waffenschmuggel — die alten Waffen fast völlig ver-
drängt, so dass sie, weil keine neuen mehr verfertigt werden, bereits zu
den wertvollsten Gegenständen der ethnographischen Museen gehören.
Ebenso sind die primitiven Beile, die aus geschliffenem Basalt oder aus
der Riesenmuschel hergestellt und durch zähen Kokosfaserbast fest mit
dem Axtstiel verbunden waren, längst durch eiserne Beile und Messer
ersetzt worden. Zur wenig mühsamen Bodenbearbeitung genügte ein
Holzspaten oder ein zugespitzter Grabstock.
Die Karolinier führen eine einfache Lebensweise und sind im
wesentlichen Vegetarianer, da die früher (vgl. S. 45) erwähnten Nähr-
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— Öl-
früchte ihre Hauptnahrung ausmachen. Zu dieser Grundlage des täg-
lichen Lebens liefert die Landfauna Tauben, Hühner und einige andere
Vogelarten; auf Ponape gelten Hunde, wo Schweine eingeführt sind,
diese als Festspeise. Vor allem aber liefert das Meer die notwendige
Fleischnahrung und Zukost in Gestalt von Muscheln, Krebsen und
Fischen, die man in eigens ausgebrochenen Gruben täglich auf dem
Riff fängt, wenn das Meer zur Ebbezeit zurückweicht. Noch häufiger
benutzt man zum Fischfang Reusen, Netze und Speere oder bedient
sich als eines besonders wirksamen Fischgiftes der Liane Derris elliptica,
deren zerstossene und ausgestreute Wurzeln schon nach einer Stunde
die Fische töten oder betäuben. Ein wochenlang andauerndes Freuden-
fest bildet für die leichtlebigen, vergnügungssüchtigen Insulaner der Fang
der fliegenden Fische. Ganze Flottillen ziehen nachts aufs Meer, um
die Tiere durch Fackelschein anzulocken und sie zu Tausenden zu er-
haschen. Die Nahrung wird nach polynesischer Art nicht auf offenem
Feuer, sondern, in Blätter eingewickelt, zwischen heissen Steinen zu-
bereitet. Doch bedient man sich zum Kochen immer mehr der von
den Europäern eingeführten eisernen Öfen, während die Verwendung
von Salz und Gewürzen nach wie vor unbekannt ist. Wasser und
Kokosmilch sind die gewöhnlichen Getränke. Auf Kusaie und Ponape
trinkt man auch Kawa, deren Wurzeln jedoch nicht gekaut, sondern in
reinlicherer Weise zerstossen und mit Wasser vermischt werden. Der
Tabak ist erst von den Europäern eingebürgert worden, wird aber jetzt
allgemein benutzt. Auf Palau und den westlichen Karolinen ist auch
die Sitte des Betelkauens heimisch.
Das 19. Jahrhundert fügte die Karolinen allmählich ins Getriebe
des Welthandels ein. Die Trepangfischerei gab den ersten Anstoss,
worauf Walfischfängcr, Händler und Missionare den Eingeborenen euro-
päische Gesittung brachten. Das war vielfach ein Danaergeschenk, weil
desertierte Matrosen und andere fragwürdige Elemente die ersten Kultur-
träger waren. Sie verbreiteten Unzucht und Trunksucht und schädigten
die Insulaner an Körper und Geist. Doch hatten auf der andern Seite
auch die abnormen ehelichen Verhältnisse, die zum Teil künstlich ver-
ursachte Unfruchtbarkeit der Frauen, übermässige geschlechtliche Aus-
schweifungen, Sittenlosigkeit und nicht zuletzt die infolge der Klein-
staaterei fast unaufhörlichen Stammesfehden einen erschreckenden Rück-
gang der Volkszahl hervorgerufen. So häufig aber die oft aus Trunkenheit
oder aus andern sehr geringfügigen Ursachen entstandenen Zusammen-
stösse waren, so unblutig verliefen sie ursprünglich, da sie nach Verlust
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weniger Toter schnell wieder zum Frieden führten. Die Unterlegenen
wurden nicht weit verfolgt, die Pflanzungen der Besiegten bloss in geringem
Mass verwüstet. Die Gefangenen schonte man; nur in sehr seltenen
Fällen wurden sie dem Kriegsgott des Stammes geopfert. Auf Ponape
wurde der Krieg feierlich angezeigt und Tag und Schlachtfeld bestimmt.
Auf Palau ging man einem offenen Zusammenstoss möglichst aus dem
Wege und suchte nach feiger melanesischer Art den Gegner hinterlistig
zu überfallen oder irgend ein wehrloses Mitglied eines andern Stammes
zu erschlagen, um den abgeschnittenen Kopf als Siegestrophäe heimzu-
bringen und ihn gegen Geld in den befreundeten Gemeinden zur Schau
zu stellen. Viel furchtbarer als diese Kriege, die allerdings auf Ruk zu
rücksichtsloser Zerstörung der Ortschaften und Pflanzungen ausarteten,
haben die von den Europäern mitgebrachten Krankheiten gehaust und
die zu wiederholten verlustreichen Aufständen führenden Drangsalierungen
der Spanier gewirkt. 1854 rafften die Blattern, die durch das gewissen-
lose Aussetzen eines an dieser bösartigen Seuche erkrankten Matrosen
eines amerikanischen Schiffes auf Ponape eingeschleppt wurden, 2000
Menschen weg, nachdem die unglückliche Insel schon 1843 durch Dysen-
terie, 1845 durch Influenza schwer heimgesucht worden war. Noch in
jüngster Zeit, bei Übernahme der deutschen Verwaltung, herrschte eine
starke Keuchhusten -Epidemie, die weder Kinder noch Erwachsene ver-
schonte und eine grosse Kindersterblichkeit verursachte. Auch das
sympathische, bildungsfähige Völkchen der Yaper wird durch Schwind-
sucht, Gonorrhoe, Syphilis und andere in schwerer Form auftretende
Krankheiten, die zweifellos eine Folge der früheren Berührung mit den
rohen Abenteuerern aus aller Herren Länder sind, in erschreckendem
Masse gelichtet. Doch bemerkt Robert Koch, dass das, was man
häufig für Syphilis hält, nichts anderes sei als die in der Südsee weit
verbreitete Frambösia.
Wenn indes die Zahl der Kusaie-Insulaner binnen 25 Jahren (1855/80)
trotz des Christentums von 1 100 auf 400, die der Palauer in 100 Jahren
von 40000 auf 4000 zurückgegangen ist 1 ), ohne dass verheerende Seu-
chen die Schuld trugen, so ist es vor allem der Missmut über den ver-
l ) Nach einer woh! übertriebenen Annahme zählte Palau um die Milte des 18. Jahr-
hunderts 40 — 50000 Einwohner. Semper schätzte sie bei seiner Anwesenheit auf 10 000,
während Kubary für den gleichen Zeitraum ((862) bloss noch 5000 annimmt. 1884 ver-
anschlagte man die Menge der Palauer auf 4000, 1902 wurden 3823 gefunden. Überall
findet man auf Baobcltaob verlassene Hausruinen und verwilderte Pflanzungen als Zeugen
einer einst dichteren Bevölkerung.
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sagenden Erfolg im Wettbewerb mit den Weissen, das Erlahmen der
Kraft und die geistige Versumpfung, die diesen Naturkindern am Leben
zehren und ihre alten Sitten, Tracht, Lebens- und Anschauungsweise
und ihre Schaffensfreude verkümmern. So schreitet rascher noch als
der Rassentod das Absterben der ursprünglichen Eigenart und alten Kultur
über die Inseln als eine Wirkung der europäischen Zivilisation, die oft mit
dünkelhafter Überlegenheit und in völliger Unkenntnis der bestehenden
Verhältnisse die vielfach recht praktischen, als gut erprobten und einen
keineswegs niedrigen Bildungsgrad verratenden Einrichtungen der soge-
nannten Wilden zerstörte, ohne Besseres an ihre Stelle zu setzen. Die
Folge war ein anarchischer Zustand, an dem der Eingeborene als
schwächerer Teil allmählich zu Grunde gehen muss. Die alten Künste
und Gewerbe, welche die Karolinier als eines der begabtesten Südsee-
völker erscheinen Hessen , schwinden angesichts der vollkommeneren
europäischen Waren und eisernen Werkzeuge rasch dahin oder sind
bi-reits in Vergessenheit geraten, weil den fremden Erzeugnissen gegen-
über die eigenen Arbeiten, die man mühsam mit primitiven Werkzeugen
anfertigen musste, als minderwertig und wenig brauchbar erscheinen.
Die einst so hoch entwickelte Schiffahrt geht rasch zurück, die aus-
gedehnten Seereisen haben aufgehört und erstrecken sich nicht mehr
weit über das die Inseln umsäumende Aussenriflf hinaus, der Bau der
alten Boote, die Herstellung kunstvoller Waffen und Schnitzereien wird
immer seltener, seit man diese Gegenstände viel besser und billiger von
den Europäern erhalten kann. Zahlreiche Dinge des täglichen Lebens
vermag man schon nicht mehr anzufertigen, weil die Einfuhr europäischer
Waren und Geräte sie reichlich ersetzt und weil obendrein durch diese
Erleichterung des Kampfes ums Dasein die angeborene Faulheit des
Insulaners noch vermehrt wird. Wozu soll er sich anstrengen, um
nach alter Sitte durch Reiben zweier Hölzer Feuer zu machen, da
er jetzt die Zündhölzer um einen geringen Preis kaufen kann? Unter
der Gunst des Klimas und eines leichten Lebenserwerbes ist auch der
Trieb zur Arbeit leicht geschwunden. Die Befriedigung der Lebens-
bedürfnisse erfordert geringe Anstrengungen, und alle Wünsche werden
beim Tauschhandel gegen Kopra leicht erfüllt. Nur auf den ärmeren
Inseln hat das harte Ringen um das tägliche Brot den Gewerbfleiss
und den nautischen Wagemut der Insulaner noch aufrecht erhalten.
Allerdings haben die eingeführten fremden Erzeugnisse die Daseins-
bedingungen und das ursprüngliche Volkstum hier ebenfalls aufs schwerste
erschüttert
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Die grossartigste Erinnerung an die glänzendere Vergangenheit und
das Gegenstück zu den Ruinenstätten der Marianen sind jene staunens-
werten Cyklopenbauten aus riesigen Basaltblöcken, die haushoch und in
stadtartiger Anlage in Ponape auf dem Riff von Metalanim, auch Nan
Matal oder Nan Tauatsch (Platz der Wasserwege) genannt, und auf dem
Inselchen Lele oder Pot Falat im Hafen von Kusaie angetroffen werden.
Die Bedeutung dieser von Mangroven und Schlingpflanzen überwucherten,
mehr durch ihre gewaltige Grösse als durch sorgfältige Herstellung wir-
kenden Trümmerreste, die als stumme Zeugen längst entschwundener,
von einem einheitlichen Willen beherrschter Thatkraft früherer Ge-
schlechter im Stillen Ozean nicht ihresgleichen haben, ist noch unsicher.
Wahrscheinlich waren sie Königsgräber, Unterbauten von Häusern, Wohn-
stätten und Verteidigungswerke. Da einzelne Blöcke mehr als 4000 kg
wiegen, so kann man sich kaum vorstellen, wie sie die Insulaner auf
ihren schwachen Fahrzeugen fortzuschleppen vermochten und wie sie
bei dem Mangel aller mechanischen Hilfsmittel die einzelnen Quader
5 — 10 m hoch übereinandertürmten. Man hat deshalb gemeint und
diese Vermutung mit allerlei phantastischem Beiwerk ausgestattet, dass
die Ruinen von einem ausgestorbenen Kulturvolk oder gar von spanischen
Freibeutern errichtet wurden und dass sie ursprünglich auf dem Lande
lagen, bis sie eine Strandverschiebung unter Wasser setzte und die
ursprünglichen Strassen in Kanäle verwandelte. Da indes steinerne
Hausunterbauten, wie man sie in Metalanim und Lele findet, noch heute
im Karolinen-Archipel allgemein gebräuchlich sind und da die in meh-
reren Grabkammern entdeckten Skelettreste und Schmuckgegenstände
mit denen der jetzigen Eingeborenen durchaus übereinstimmen, so sind
allem Anschein nach deren Vorfahren die Schöpfer jener Bauwerke ge-
wesen, die unter allen Umständen eine erstaunliche Leistung eines in
voller Steinzeit lebenden Naturvolkes sind. Die heutigen Insulaner frei-
lich stehen ihnen völlig teilnahmlos gegenüber und wissen bei dem
Fehlen jeder Überlieferung nichts über ihre Entstehung zu berichten.
Die Ruinen von Metalanim bedecken eine Fläche von 417 qm und
sind auf 50—60 rechteckigen Inselchen angelegt. Zwischen ihnen ver-
läuft ein Netzwerk schmaler Kanäle, die jetzt grösstenteils durch Sand-
und Schlammanschwemmungen zugefüllt sind, während ein fester Wellen-
brecher längs der tieferen See hinzieht und die schweren W r ogen ab-
hält. Das Material zu den gewaltigen Bauten lieferten die benachbarten
Steinbrüche, und man kann in einem derselben die behauenen, trans-
portfertigen Steine noch deutlich erkennen, während andere Basaltblöcke,
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die unterwegs verloren gingen, bald hier, bald dort im seichten Wasser
zerstreut sind.
Die Trümmerstätte von Lelc ist weniger sorgsam ausgebaut. Sie
besteht ebenfalls aus einem Labyrinth von Steinwällen, die von engen
Gässchen durchkreuzt werden und zahlreiche gehöftartige Innenräume
umschliessen. Die mauerumsäumten Höfe waren noch zu Lütkes Zeit
dicht mit Gärten und palmenüberragten Häusern erfüllt und bergen zum
Teil noch heute Kokoshaine, Banancnpflanzungen und andere Kultur-
anlagen. Metalanim dagegen, das mikronesische Venedig, ist völlig
menschenleer.
Endlich giebt es auch auf Palau umfangreiche, mühsam aufgeführte
Steindämme, die bis 3 km weit ins Meer laufen, 3 m breit sind und
selbst die höchste Flut überragen.
Die Religion der Karolinier ist ebenfalls in zunehmenden Verfall
geraten. Sie war ein Ahnendienst, für den es besondere Priester gab,
und bestand in der Anbetung der Vorfahren oder Ani, namentlich der •
verstorbenen Häuptlinge, die nach ihrem Hinscheiden in den Körper
von Tieren oder Pflanzen übergehen sollten und unter deren Gestalt
verehrt wurden. Eigentliche Götterbilder und Tempel waren nicht be-
kannt. Da die betreffenden Vögel, Fische, Bäume u. s. w. geschont
und gepflegt wurden, so war mit dem Geisterglauben zugleich eine Art
Totemismus verbunden. Jede Familie, jedes Dorf, jeder Berg, jeder
Waldfleck, jedes Thal und selbst das Riff hatte einen solchen Schutz-
gott, und alle Krankheiten, Todesfälle, Geburten und sonstige Ereig-
nisse wurden übernatürlichen Wesen guter und böser Art zugeschrieben.
Die Toten wurden begraben, verbrannt oder ins Meer geworfen und
kamen nach dem Mythus der Ponaper entweder ins untermeerischc
Paradies oder in die unterirdische Hölle, deren kaltes, finsteres Reich
,-. von zwei grimmigen Weibern bewacht wurde.
Seit 1852 hat auf den Karolinen die Mission Fuss gefasst und zwar
zuerst die amerikanische Boston -Mission, die anfänglich auf mancherlei
Schwierigkeiten stiess, dann aber rasch Anklang fand. Sie besitzt heute
zwei Hauptstationen (Kusaie, Ponape), zahlreiche Nebenstationen und
7500 evangelische Bekenner (2i°.' 0 der Gesamtbevölkerung) und arbeitet
mit farbigen Lehrern aus der Südsee, vornehmlich mit Eingeborenen
aus Hawaii und aus Ponape selbst, die unter der Aufsicht der weissen
Missionare stehen. Zur protestantischen Mission gesellte sich unter
spanischer Herrschaft die römisch-katholische Gegenmission der spa-
nischen Kapuziner, die 12 Stationen mit 6 Patres und 8 Laienbrüdern
Deutschland Kolonien. 5
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besetzt und von ihren Hauptsitzen Ponape und Yap aus die westlichen
Karolinen ihrem Einfluss dienstbar gemacht hat. Beide Missionen
haben mehrere Seminare und Schulen errichtet und die Kunst des
Lesens und Schreibens mit ziemlichem Erfolg verbreitet. Namentlich
die kulturlich verhältnismässig hochstehende Bevölkerung von Kusaie
kann geläufig lesen und schreiben und spricht ein ziemlich gutes Eng-
lisch. Interessant und erfreulich ist ferner die Thatsache, dass in den
von der Mission bearbeiteten Bezirken die Bevölkerung neuerdings
wieder langsam zunimmt. Im übrigen sind die Insulaner über die
äusseren Formen des Christentums nicht weit hinausgekommen. Der
alteingewurzelte Aberglaube besteht noch fort. Auch hat sich die amerika-
nische Mission dadurch nicht wenig geschadet, dass sie in übertriebenem
Eifer gegen die landesübliche Kleidung und selbst gegen harmlose Ge-
bräuche, wie Einreiben des Körpers mit Gclbwurz, zu Felde zog und
dass sie mit übermässiger Strenge die Durchführung der Temperenz-
gesetze sowie das Verbot des Tabakrauchens und der Vielweiberei zu
erzwingen suchte. Misshelligkeiten mit den Kautieuten blieben wegen der
Interessengegensätze zwischen Mission und Handel ebenfalls nicht aus.
Denn leicht erklärlicher Weise begünstigten die Händler den Wafifen-
und Branntweinverkauf, während die Mission ihm ebenso entschieden und
nicht ohne Grund entgegentrat.
Die heutige Kopfzahl der Karolinier lässt sich nicht mit Sicherheit
angeben. Christians neueste Schätzung ist mit 50000 Köpfen wohl eben
so übertrieben, wie Meineckes Annahme von 25000 Seelen hinter der
Wirklichkeit zurückbleibt. Wahrscheinlich überschreitet die Volksmenge
nicht mehr als 35000 Seelen, von denen 3823 auf Palau, 8—9000 auf
Yap, 3165 auf Ponape, 9000 — nach Hahl nur 5000, nach Vahlkampf
dagegen 1 1 200 — auf Ruk und bloss noch 400 auf Kusaie entfallen.
Eine viel dichtere Besiedelung als die Hochinseln haben, wie überall in
der Südsee, wegen ihres grösseren Küstenumfangs die Flachinseln, soweit
sie überhaupt bewohnbar sind (vgl. S. 37). Die drei kleinen Mortlock-
Atolle z. B. erreichen mit 3300 Seelen auf 13 km 2 Fläche sogar die
Dichteziffer des Königreichs Sachsen.
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!
4. Die Samoa-Inseln.
Inmitten der inselerfüllten Wasserwüste des Stillen Ozeans, zwischen
13 und 14 0 S. und 168 — 173 0 W., erhebt sich nördlich der Tonga-
gruppe der Archipel der Samoa-Inseln auf einem OSO — WNW gerich-
teten Bogen, der mit 500 km Länge der Entfernung zwischen Breslau
und Hannover entspricht. Die Inselflur blieb bis ins 18. Jahrhundert
hinein unbekannt. Erst 1722 wurde sie von dem holländischen See-
fahrer Roggeveen gesehen und 46 Jahre später von dem französischen
Weltumsegler Bougainville, dessen Namen noch heute eine der
deutschen Salomonen - Inseln trägt, 1768 wiederentdeckt. Weil sein
Fahrzeug hier den Kurs mehrerer anderer Schiffe kreuzte, nicht
wegen der Seetüchtigkeit der Eingeborenen, nannte er die Insel-
gruppe die Navigator- oder Schifferinseln : eine Bezeichnung , die
heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Dagegen hat der ein-
heimische Name Samoa, herrührend von dem sagenhaften Gott Moa,
der die ersten Einwanderer auf den Archipel gebracht haben soll, oder
von dem in der neuseeländischen Volkssage eine Rolle spielenden Riesen-
vogel Moa — die Samoa-Inseln sind wahrscheinlich von Neuseeland aus
bevölkert worden — sich allgemeine Geltung verschafft. Samoa wurde
von späteren Reisenden wiederholt besucht. Als aber, höchstwahrschein-
lich nicht ohne Verschulden der Fremden, der französische Admiral
Lap^rouse bei einem Zusammenstoss mit den Eingeborenen 13 Offi-
ziere und Matrosen verlor 1 ), gelangten die Samoancr lange Zeit hindurch
in den unverdienten Ruf blutgieriger Wilder, so dass erst seit dem
Jahre 1830 die eigentliche Erforschung des Archipels einsetzte. Sie
wurde eingeleitet durch die Mission, insbesondere durch die Londoner
Mission und die Wesleyanisch-Methodistischc Missionsgesellschaft, worauf
das um die wirtschaftliche und wissenschaftliche Erschliessung der Süd-
see hochverdiente Handelshaus Godeffroy die Forschungsarbeiten fort-
setzte. Auch neuerdings ist die Inselflur Gegenstand eingehender Unter-
suchungen, vornehmlich auf wirtschaftsgeographischem Gebiet, geworden.
*) Ein Denkmal in der seitdem so genannten Massacre-Bai auf Tutuila erinnert auf
dem Grabe der gefallenen Franzosen an diesen ersten Kampf zwischen Samoancrn und
"Weissen.
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An Flächeninhalt, der mit 2787 km 2 etwa demjenigen von Mecklen-
burg-Strelitz entspricht, ist Samoa nach dem Hawaii- Archipel die um-
fangreichste polynesische Inselgruppe. Auf den deutschen Anteil ent-
fallen 2572 km 2 mit 32815 Einwohnern, der Rest gehört den Vereinigten
Staaten von Nordamerika.
Die Inselflur, die wegen der landschaftlichen Schönheiten ihrer
wechselvollen Bodenplastik, wegen ihrer Wälderpracht, ihres Wasser-
reichtums und ihres milden gesunden Klimas einen seltenen Reiz von
Lieblichkeit erhält und mit vollem Recht als Perle der Südsee gefeiert
worden ist, besteht aus vier grösseren Inseln, deren Fläche von West
nach Ost abnimmt. Zwei derselben, Upolu und Sawaii, sind deutscher,
die beiden andern, Tutuila und Manua (Tau), amerikanischer Besitz.
Zu diesen bergigen Hauptinseln gesellt sich eine Anzahl kleinerer Ei-
lande, die ebenfalls vulkanische Hochinseln sind. Bloss das einsame,
flache Inselchen Rosa 1 ) ist ein echtes Atoll, das bis auf zwei an Kokos-
palmen reiche Riffinseln zur Flutzeit ganz unter Wasser gesetzt wird
und eine fischreiche Lagune umschliesst. Sonst sind Korallenbauten
selten und unbedeutend. Barriereriffe fehlen ganz, auch Küstenriffe um-
säumen die einzelnen Inseln nur in beschränktem Masse und werden
auf weite Strecken von breiten Passagen unterbrochen.
Die Samoa -Inseln stellen eine zusammenhängende Reihe von
Kratergruppen dar, die in 2 — 3000 m Meerestiefe auf einem gemein-
samen submarinen Rücken ruhen und als die höchsten Gipfel eines
unterseeischen Gebirges erscheinen. Da diese Gipfel bis zu 1646 m,
d. h. über Schneekoppenhöhe ansteigen und der unmittelbar benach-
barte Ozean bis zu 5000 m Tiefe absinkt, so würde sich nach dessen
Verschwinden hier ein malerisches Gebirge erheben, das mit 7000 m
Höhe und steilem, zackigem Relief den gewaltigsten Hochgebirgen der
Erde gleichkäme.
Die Gesteinsschichten, aus denen der Sockel dieses Gebirges be-
steht, sind unter einer mächtigen Hülle tertiärer Basalte und Trachyte
samt den zugehörigen Tuffen und Laven begraben, die an einer der
Längsrichtung der Inselflur folgenden, also OSO— WNW ziehenden
Bruchspalte emporquollen und das Grundgerüst bildeten, auf dem nach
und nach die zahlreichen Kraterberge als jungvulkanische Bildungen auf-
') Das Atoll wurde von Freycinet nach seiner an Bord befindlichen Gemahlin
Rosa benannt. Doch hatte, wai ihm unbekannt geblieben war, Roggeveen die Insel
schon viel früher entdeckt und T'Vuile getauft.
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gebaut wurden. Die vulkanische Thätigkeit hielt bis in die jüngste Zeit
hinein an und ist allem Anschein nach schrittweise von Ost nach West
erloschen. Denn je weiter man in dieser Richtung wandert, um so besser
sind die Krater erhalten; nach Osten hin sind sie in immer stärkerem
Masse der Verwitterung und Meeresbrandung zum Opfer gefallen. In
Manua und Tutuila sind die meisten der ehemaligen Feuerberge kaum
noch erkennbar, da sie die Erosion in ein wildes Gewirr von Zacken
und Graten aufgelöst hat. Aber noch 1866 fand zwischen den Inseln
der östlichsten Gruppe eine unterseeische Vulkaneruption statt, indem
östlich von Olosenga ein dichter Aschenregen mehrere hundert Meter
hoch aus dem Meere aufstieg, der einige Wochen lang andauerte und
viele Fische tötete. Die Ostseite von Upolu ist ebenfalls nichts anderes
als ein bis zur Unkenntlichkeit zerstörtes Trümmerwerk alter Krater.
In der Mitte der Insel dagegen sind sie als runde, mit Urwald aus-
gekleidete Kessel noch wohl erkennbar, und der westliche Eckpfeiler
Tofua (980 m) ist ein isolierter Vulkankegel von typischer Regelmässig-
keit mit einem riesigen Kraterkessel. Auch die Zersetzung des ba-
saltischen Untergrundes nimmt von Ost nach West sichtlich ab. Weite
Strecken sind mit wirr übereinandergetürmten weitporigen, scharfrandigen .
Lavablöcken, wahren Stein feldern , übersät, die durch Auswitterung
der zwischen die Lavaströme eingeschalteten Tuffe und Aschen heraus-
gearbeitet wurden und trotz ihrer steinigen Natur wegen der ergiebigen,
fruchtbaren Verwitterungshülle sich trefflich zum Anbau eignen. Vor
allem ist Sawaii mit ausgedehnten Blockfeldern dieser Art bedeckt, und
die schwarzen Lavaergüsse sind dort stellenweise noch so frisch, dass
sich an Stelle des von ihnen zerstörten Waldes eben erst schüchtern ein
neues Pflanzenkleid zu bilden beginnt. Die Eingeborenen nennen diese
kahlen Lavaflächen merkwürdigerweise O le Mu, d. h. das Glühende oder
Verbrannte, so dass ihre Vorfahren den feurigflüssigen Lavastrom noch
gesehen haben mögen. Vielleicht fielen die Ausbrüche in die erste
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seitdem hielt man die Vulkane Sawaiis
für erloschen, und das üppige Pflanzenklcid trug ebenfalls dazu bei, die
wahre Natur jener Feuerberge zu verschleiern, als sie Ende Oktober 1902
plötzlich und unerwartet wieder zu arbeiten begannen. Im Innern der
Insel bildeten sich mehrere Krater, die Rauch und Flammen ausstiessen,
und deren ausgeworfene Aschenmassen die Umgebung 5 cm hoch be-
deckten. Doch sind Verluste an Leben und Eigentum nicht zu be-
klagen gewesen. Beredte Zeugen der immer noch nicht erloschenen
unterirdischen Gewalten sind endlich häufige, wenngleich nicht starke
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Erdbeben von kurzer Dauer, die meist in ost- westlicher Richtung
verlaufen.
Die Entwickelung der Korallenbauten, die stets erst geraume Zeit
nach der Beruhigung eines vulkanischen Gebietes Fuss fassen können,
ist ein neuer Beweis dafür, dass der Vulkanismus von Ost nach West
erloschen ist. Sawaii besitzt als jugendlichstes Vulkangebiet Samoas
erst Ansätze zur Korallenbildung, die Riffausstattung der folgenden Inseln
wird ostwärts immer reicher, und Rosa endlich ist ein unverkennbares
Korallenatoll.
Die Küsten, die für Siedelung und Bewirtschaftung an erster Stelle
in Betracht kommen, sind felsig und fallen meist steil und hoch ins
Meer, weshalb sie arm an guten Häfen sind: ein Nachteil, der sich be-
sonders auf Sawaii unangenehm fühlbar macht. Selbst kleine Segel-
schiffe und leichte Ruderboote vermögen nicht immer genügenden Schutz
zu finden. Überall dort, wo die Küste nicht schroff und tief ins Meer
stürzt, wird sie von Korallenriffen umsäumt, weil die riffbauenden Ko-
rallen nur bis zu einer gewissen Meerestiefe lebensfähig sind und des-
halb den Steilküsten fehlen. Hier tobt eine starke Brandung und übt
einen grossartigen Zerstörungsprozess aus, während sie sich im andern
Falle an dem weit vorgeschobenen Aussenriff bricht. Dadurch wird
zwar die Flachküste geschützt, aber die Annäherung sehr erschwert,
weil die immer weiter wachsenden Korallenstöcke schliesslich den ganzen
Raum zwischen Küste und Riffgürtel bis zum Niederwasserstand aus-
füllen, so dass der Schiffsverkehr bloss zu gewissen Stunden möglich
ist. Spuren säkularer Strandverschiebungen, Hebungen sowohl wie Sen-
kungen, die man hier und dort erkannt zu haben glaubte, scheinen auf
Grund genauerer Untersuchungen nicht vorhanden zu sein.
In mehreren Stufen, über die zahlreiche Bäche in malerischen
Wasserfällen herabstürzen, steigt das Gebirge rasch an und zeigt
trotz der dichten Waldbedeckung schroffe Böschungen und ausdrucks-
volle Umrisse. Doch giebt es auch, namentlich auf Upolu, ausgedehnte
Ebenen. Sie sind wie der Küstensaum der Sitz eines ausgiebigen Plan-
tagenbaues und einer dichten Bevölkerung im Gegensatz zum menschen-
leeren Urwald des Innern, weil hier wie auf den Karolinen und auf
allen Südseeinseln die Hauptdaseinsbedingungen, Kokospalme und
Fischfang, die Eingeborenen an die Küsten weisen.
Die westlichste und grösste Insel, das rhombisch gestaltete Sawaii,
besitzt bei 85 km Länge und bis 50 km Breite 1691 km* Flächeninhalt
und wird ganz von zwei vulkanischen Bergketten nebst einer Anzahl
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vulkanischer Einzelkegel erfüllt, die wild und zerklüftet und wegen ihrer
Unzugänglichkeit den Eingeborenen kaum bekannt sind. Als höchste
Erhebungen des gesamten Archipels steigen sie bis zu 1646 m an. Die
südliche Kraterreihe fällt schroff und unvermittelt zum nahen Meer ab,
so dass die steil abbrechende Südküste felsig und hafenarm ist und den
Verkehr der Eingeborenen untereinander fast ausschliesslich auf das
Meer beschränkt. Die nördliche Gebirgsmasse dagegen erscheint als ein
grosser einheitlicher Vulkandora, der allcrwärts mit parasitischen Kegeln
wie mit Warzen besetzt ist und sich langsamer zur Küste abdacht, so
dass hier und an der Ostseite breite Thäler und sanft geneigte Ebenen vor-
kommen. Leider sind viele von ihnen wasserarm, weil der noch wenig zer-
setzte lockere, trümmerhafte Lavaboden die reichlich fallenden Nieder-
schläge rasch aufschluckt und sie in unterirdischen Schlackengängcn spur-
los verschwinden lässt. Sawaii, insbesondere seine jugendliche Westhälfte,
gleicht deshalb einem ungeheuren Sieb und ist weniger fruchtbar, minder
stark bebaut und dünner besiedelt als Upolu, das, obwohl ungleich
kleiner, bezüglich seiner landwirtschaftlichen Benutzbarkeit weitaus den
ersten Platz einnimmt. Auch die Hafenverhältnisse Sawaiis sind wegen
der vorherrschenden Steilküsten im allgemeinen nicht günstig. Kleinere
Fahrzeuge vermögen zwar vielerorts zu landen, für grössere aber bieten
nur die Matautu-Bucht und die zukunftsvolle Asau-Bai an der Nordküste
einige Sicherheit.
Zwischen Sawaii und Upolu liegen innerhalb einer 11 km breiten
Meeresstrasse die kleinen Nachbareilande Apolima und Manono, die
zusammen 13 km 2 Fläche einnehmen. Apolima, die „hohle Hand 4 ', ist
ein erloschener Krater, der mit senkrechten Wänden 144 m hoch aus
dem Ozean emporragt und nur an der eingestürzten Ostseite eine
schmale, bei Niederwasser und hohem Seegang unpassierbare Einfahrt
besitzt. Sie führt in ein tiefes, geschütztes Wasserbecken, in dessen
Mitte ein zuckerhutartiger Ausbruchskegel aufsteigt. Das schwer zugäng-
liche Inselchen war für die Samoaner eine uneinnehmbare Felsenfestung
im Meer und bildete mit dem niedrigeren, wohlbebauten Manono, der
heiligen Stätte zahlreicher samoanischer Häuptlingsgräber, das Herz des
Archipels. Die Bewohner beider Inseln galten als die edelsten und
vornehmsten Geschlechter des samoanischen Adels und übten über die
umliegenden Inseln eine besondere Macht aus, bis sie in den 50 er Jahren
ihre einflussreiche Stellung verloren. Nationalstolz und Standesbewusst-
sein sind aber bei ihnen noch so stark entwickelt, dass bisher kein
Weisser sich unter ihnen festgesetzt hat.
— 72 —
Die wichtigste und fruchtbarste, am stärksten bebaute und am dich-
testen besiedelte unter den grossen Inseln Samoas ist Upolu, der Haupt-
sitz des Plantagenbaues und der europäischen Kolonisation. Bei 70 km
Länge, 5 — 26 km Breite und 220 km Küstenumfang ist Upolu die zweit-
grösste Insel des Archipels und kommt mit 868 km 2 Flächeninhalt etwa
der Insel Rügen gleich. Die nach beiden Enden sich verschmälernde
Insel wiederholt in mancher Beziehung den Charakter Sawaiis. Den
Westen nimmt eine mit Lavablöcken und dicht bewaldeten Lavaströmen
erfüllte Ebene ein, die vom mächtigen Kraterring des isolierten Tofua
überragt wird und, soweit sie nicht wasserarm ist, wegen ihrer Frucht-
barkeit den wirtschaftlichen Mittelpunkt nicht nur Upolus, sondern der
gesamten Inselflur darstellt. An sie schliesst sich ostwärts ein zwar
bloss mässig hohes (980 m), aber schroffes, kühn gestaltetes Gebirge,
das die reizvolle Insel in der Längsrichtung durchzieht und nach Süden
steiler als nach Norden abfällt, so dass auch hier die Südseite als eine
schroffe, hohe Felsküste erscheint. Das Gebirge ist aus mehreren Reihen
dicht bewaldeter Vulkane zusammengewachsen, deren gewaltige basaltische
Lavaergüsse die ganze Insel aufgebaut haben und bei genügend vor-
geschrittener Verwitterung den Pflanzen einen ausgezeichneten Nährboden
darbieten. Einer dieser erloschenen Vulkankegel, der Lanuto'o, südlich
von Apia, birgt in seinem ausgebrannten Krater einen tiefgrünen See
von 700 m Durchmesser, dessen wunderbar schöne Waldumgebung sich
seit Errichtung einer einfachen Erholungsstation durch das Kaiserliche
Gouvernement eines lebhaften Besuches erfreut, während die aber-
gläubischen Samoaner das in stiller, erhabener Bergeinsamkeit ver-
steckte Meerauge ängstlich meiden. Die Vulkanreihe teilt sich von
der Mitte der Insel ab nach Westen in zwei Hauptarme, zwischen
denen sich ein Hochplateau erstreckt, und lösen sich schliesslich im
Osten zu einem regellosen Gewirr von Kegeln, Kämmen und Ein-
senkungen auf.
Upolu ist überreich bewässert und wird von vielen Gebirgs-
flüssen durchzogen, die in steilwandigen, tiefen Tobein dahinrauschen
und selbst in den trockenen Monaten nicht versiegen. Zur Regenzeit
schwellen sie oft zu undurchschreitbaren Wildbächen an. In malerischen
Wasserstürzen, die vom Meer aus wie glänzende Silberfäden erscheinen,
müssen sie die unvermittelten Höhenunterschiede überwinden, die stellen-
weise so beträchtlich sind, dass einer jener Wasserfälle nicht weniger
als 235 m Fallhöhe besitzt. Andererseits wieder ist in den westlichen
Ebenen der vulkanische Boden so durchlässig und unterhöhlt, dass ganze
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Bäche in ihm verschwinden und erst am Meeresufer als starke Quellen
neu zum Vorschein kommen.
Das Gestade Upolus ist teils eine riffreie Steilküste, teils eine von
passagenreichen Korallenriffen begleitete Flachküste, an die sich aus-
gedehnte Ebenen anschliessen. Die Küsten sind viel mehr als die-
jenigen Sawaiis mit brauchbaren, auch für grössere Schiffe benutz-
baren Ankerbuchten ausgestattet. Selbst das hafenärmere Südufer
hat in dem geschützten Falealili- Hafen , in der Safatu-Bucht und in
der Le Fanga-Bai gute Zugänge. Eine weit grössere Auswahl bietet
die reicher gegliederte Nordküste. Erwähnenswert ist die tief ins
Land eindringende Fangaloa-Bai, die zur Zeit wegen mangelnden
Schutzes zwar bedeutungslos ist, aber durch Kunstbauten in einen
leidlichen Hafen umgewandelt werden kann. Zu nennen ist ferner
die alte deutsche Kohlenstation Saluafata, deren 2 km 2 einnehmende
Wasserfläche leider auf weite Strecken von Riffen durchsetzt ist,
die tiefgehenden Fahrzeugen nur einen beschränkten Ankergrund
gewähren. Doch ist die malerische Bucht den schweren Südsommer-
stürmen nicht ausgesetzt und dient zu dieser Zeit den deutschen
Stationsschiffen zum Aufenthalt. Denn das 17 km westlicher gelegene
Apia ist zwar der Mittelpunkt des samoanischen Handels, hat jedoch
leider keine besonders günstige Reede, die, räumlich beengt, nur einer
geringen Zahl von Schiffen Aufnahme gewährt und bloss vor dem im
Winter wehenden Südostpassat Sicherheit bietet, während sie infolge
ihrer nach Norden offenen Lage gegen die im Südsommer häufigen
Nordstürme nicht geschützt ist. Obendrein entsendet ein breiter, viel-
zackiger Riffgürtel, den eine starke Brandung umbraust, gefährliche Aus-
läufer und Klippen ins Hafenbecken hinein, die teils über, teils unter
dem Wasserspiegel liegen, die Einfahrt erschweren und bei plötzlich
hereinbrechenden Orkanen schon manchem Schiff den Untergang ge-
bracht haben. Als trauriges Denkmal des furchtbaren Unglücks von
1889 (vergl. S. 12) liegt auf dem Korallenriff noch heute das Wrack des
deutschen Kanonenbootes „Adler".
Die weit geöffnete Bucht, die eine Reihe kleiner Bergbäche auf-
nimmt und im Hintergrunde von waldigen Gebirgsketten umrahmt wird,
umsäumen halbkreisförmig die zwischen Gärten versteckten und von
schlanken Palmen überragten Häuser der Kolonisten und Eingeborenen.
Sie reihen sich zu einer 6 km langen Strasse aneinander, die in ihrer
Gesamtheit das schmucke Städtchen Apia, den Sitz des deutschen
Gouverneurs, bilden. Die anmutig gelegene Niederlassung, unter deren
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1300 Einwohnern sich 375 Fremde und 1 29 Mischlinge befinden, besteht in
der Hauptsache aus sieben Ortschaften. In der Mitte liegt das eigentliche
Apia mit Kirchen, Schulen 1 ), Niederlagen, Läden, Missions- und Verwal-
tungsgebäuden, Gasthäusern, Postamt und vielen Trinkstuben. Ostlich
schliesst sich daran auf breiter Halbinsel das überwiegend englisch-ameri-
kanische Matautu. Westwärts folgen nacheinander Mulivai, Matafele, Sa-
valalo und Songi, wo viele Geschäftsleute, Handwerker und kleine Beamte,
zum weitaus grössten Teil Deutsche, sich inmitten schattiger Gärten luftige,
villenartige Landsitze erbaut haben. Songi und Savalalo werden fast
ganz von den stattlichen Faktoreien, Schuppen, Warenlagern und Wohn-
gebäuden der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft für die Süd-
see zusammengesetzt. Den Beschluss bildet auf schmaler, weit ins Meer
vorspringender Landzunge das Eingeborenendorf Mulinuu, der alte samoa-
nische Königssitz und als solcher der Schauplatz vieler blutiger Kämpfe.
Hier haben der Gouverneur und der offiziell anerkannte Oberhäuptling
Mataafa ihre Residenz aufgeschlagen.
Die Upolu östlich vorgelagerten Eilande Fanuatapu, Nuutele und
Nuulua sind schwer zugängliche Felsklippen, vielleicht Reste eines mäch-
tigen alten Kraters.
Die dritte grosse Insel, Tutuila (134 km 2 ), die wildeste aller
Samoa-Inseln, ist ebenfalls aus der Zusammenhäufung alter Krater-
berge entstanden, die längst erloschen und grösstenteils der Ab-
tragung zum Opfer gefallen sind. Ihre Reste scharen sich zu einem
dicht bewaldeten Gebirge zusammen, das zwar nur 750 m hoch ist, aber
schroff und mauerartig die ganze Insel erfüllt. Zeitweilig öffnen sich
zwischen den Felswänden wohlverstcckte, geschützte Buchten, die nichts
anderes als alte Kraterbecken sind und die vielfach zerschnittene Steil-
küste in mannigfachster Weise gliedern. Einer dieser Einschnitte, der
allseitig von steilen Bergflanken umkränzte Hafen Pango-Pango, dringt von
der Südküste aus so tief in den Inselkörper ein, dass er ihn fast in zwei
Hälften zerschneidet. Er macht Tutuila strategisch zum Schlüssel ganz
Samoas, da er jederzeit leicht anzulaufen ist und da die geräumige,
gegen allen Seegang geschützte Wasserfläche nur durch einen
*) Besondere Erwähnung verdient die deutsche Schule in Apia (Matafele), die 1888
dank den Bemühungen des Deutschen Schulvereins gegründet und mit dessen Unterstützung,
sowie mit einer Beihilfe der Deutschen Regierung und der Deutschen Kolonialgescllschaft er-
folgreich weitergeführt worden ist. Sie wird in vier Klassen von ;o Kindern, darunter 50
deutschen, besucht und ist mit einem von einer Stmoanerin geleiteten Kindergarten ver-
bunden.
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schmalen, leicht zu verteidigenden Eingang mit dem offenen Meere in
Verbindung steht. Wird man Apia selbst mit erheblichem Kosten-
aufwand nie zu einem brauchbaren Ankerplatz umgestalten können, so
ist Pango-Pango, obwohl nicht frei von Schattenseiten, als Hafen ganz
vortrefflich. Die Amerikaner haben das wohl erkannt und arbeiten unab-
lässig daran, die alte Kohlenstation, die sie sich schon 1878 von den
Samoancrn hatten abtreten lassen, in ein festes Bollwerk zu verwandeln.
Die östlichen Hochinseln des Archipels fasst man unter dem Namen
der Manuagruppe zusammen. Die grösste der drei, insgesamt 80 km 2
einnehmenden Inseln, Manua oder Tau, ist nichts anderes als eine wohl-
bebaute und wohlbewässerte Vulkankuppe von 800 m Höhe, die jäh
und hafenlos ins Meer stürzt und von Korallenriffen umwallt wird.
Westlich von ihr liegen, durch schmale Mceresstrassen voneinander ge-
trennt, das doppelgipfelige Ofu und der schroff abfallende alte Vulkan
Olosenga (900 m).
Gleich den Karolinen und Marshall-Inseln besitzt Samoa wegen
seiner äquatornahen Lage und der entschiedenen Beeinflussung durch
die Wassermassen des Stillen Ozeans ein sehr gleichmässiges , heiss-
feuchtes, tropisches Seeklima, dessen mittlere Jahrestemperatur in Apia
25,8° C beträgt und dessen Schwankungen so gering sind, dass die
Monatsmittel sich nur zwischen 26,7 (Dezember) und 24 °C (Juli), die
absoluten Temperaturunterschiede zwischen 32 und C bewegen.
Die Wärme des Meerwassers ist mit 27 — 30 0 C noch erheblich
beständiger und zeigt tagelang keine merklichen Abweichungen. Infolge-
dessen herrscht auf der Inselflur ein ewiger Sommer ohne scharfe Tren-
nung der Jahreszeiten. Doch mildern örtliche Winde, tagsüber die See-
winde, nachts eine aus den Bergen kommende Landbrise, die Hitze,
so dass selbst die höchsten Wärmegrade nicht als drückend empfunden
werden. Nur bei Windstille herrscht eine unangenehme Hitze.
Das Jahr gliedert sich in eine regenreichere und niederschlagsärmere
Zeit. Erstcre fällt in die Monate Dezember bis April, d. h. in den Südsommer,
und ist zugleich die heisseste Zeit des Jahres, die Periode meteorologischer
Schwankungen und unbeständigen, unberechenbaren Wetters. Während
ihrer Dauer herrschen wechselnde Winde vor, von denen die aus dem
westlichen Quadranten kommenden gewöhnlich Niederschläge bringen.
Entsprechend dem Charakter aller tropischen Regenzeiten gehen sie ganz
plötzlich in Form kurzer böiger Regenschauer mit wolkenbruchartigen
Güssen nieder, die, mit heiterem Sonnenschein abwechselnd, unaufhörlich
einander jagen. Tage oder gar Wochen hindurch anhaltende Landregen
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sind selten. Dann dringt freilich die Feuchtigkeit in alle Räume ein,
Rost und Schimmelpilze überziehen jeden Gegenstand, und nichts bleibt
trocken. Diese Zeit wirkt erschlaffend, wenngleich nicht ungesund, und
auch den sonst durchaus nicht wasserscheuen Eingeborenen ist wie den
Karoliniern (vgl. S. 41) der kühle Regen ebenso unangenehm wie die
kalte Luft, weil ihr dem ewig gleichen Klima angepasster Körper bei
stärkerer Temperaturabnahme nicht mehr recht im stände ist, selbst-
tätige Erwärmung zu leisten. Ein Regenschirm gehört deshalb für die
Samoaner zu den geschätztesten Errungenschaften der Zivilisation.
Viel angenehmer und gesünder ist die regenärmere Zeit, die vom
Mai bis zum November dauert, also im Südwinter stattfindet. Sie ist die
Zeit des sehr regelmässig wehenden Südostpassates, der klare, kühle
Luft und Trockenheit bringt. Doch ist er keineswegs arm an Feuchtig-
keit, denn er verursacht starken Taufall und hat häufige Platzregen im
Gefolge, die vornehmlich der südlichen Abdachung der Inseln zu gute
kommen, weil die mit Wasserdampf gesättigten Wolken vom Gebirge
aufgefangen werden. Somit sind die Niederschläge über das ganze Jahr
verteilt, wenn auch der Südsommer die Zeit der grössten Regenhäufig-
keit ist. Die Regenmenge erreicht in Apia den hohen Jahresbetrag von
rund 3500 mm der das Sechsfache der in Deutschland fallenden
Niederschläge ausmacht und sich im Jahresdurchschnitt auf 196,3 Regen-
tage verteilt. Für das bergige Innere wird man, ohne zu hoch zu greifen,
wohl das Doppelte dieses Betrages annehmen können. Da die fast
ständig die Berggipfel einhüllenden Wolken den Flüssen immer neue
Nahrung zuführen, so sind die Inseln überreich an rauschenden Wasser-
adern, die einen belebenden Zug der samoanischen Landschaft bilden
und nicht wenig zur Fruchtbarkeit des Bodens beitragen. Stellenweise
verschwindet allerdings das Wasser im porösen Untergrund und läuft in
unterirdischen Flussbetten durch verborgene Höhlengänge, um erst am
Meeresstrande oder in einiger Entfernung von ihm als starke Quelle wieder
zu Tage zu treten. Um diesem Übelstande abzuhelfen, ist daher die
Untersuchung der Quell- und Grundwasserverhältnisse eine praktisch und
wissenschaftlich gleich wichtige Aufgabe.
Gewitter hat man selten, Wetterleuchten häufiger und zu allen Jahres-
zeiten beobachtet.
Im Sommer, vornehmlich gegen den Ausgang des Herbstäquinok-
') In manchen Jahren überschreitet die Regenhöhe 4000 mm, in anderen wieder ist
sie erheblich geringer (2500 mm).
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tiums (Januar bis April mit einem Häufigkeitsmaximum im März),
stellen sich verheerende Orkane ein, die meist von wochenlangen, regen-
reichen Weststürmen eingeleitet werden. Sie fügen nicht bloss der
Schiffahrt schweren Schaden zu — die trauervolle Katastrophe, die 1889
den wenig geschützten Hafen von Apia heimsuchte, ist noch unvergessen
— , sondern bedrohen auch die Pflanzungen, weil sie die Frucht-
bäume umwehen oder ihrer Blätter berauben, und weil die Palmen zur
Erholung und Wiederbelaubung geraume Zeit brauchen. Glücklicher-
weise kehren die furchtbaren Stürme nur in längeren Pausen wieder
und suchen das schon mehr ausserhalb ihrer Wanderbahnen gelegene
Samoa viel seltener heim als die benachbarten Inselgruppen.
Die Gesundheitsverhältnisse Samoas sind als überaus günstig zu
bezeichnen, da gefährliche Seuchen und Tropenkrankheiten kaum be-
kannt sind (vgl. Karolinen S. 41). Häufiger ist die Elephantiasis, die eine
Anschwellung der Gliedmassen nach sich zieht, aber bei einiger Vorsicht
leicht zu vermeiden ist. Wahrscheinlich ist sie eine Folge der Boden-
ausdünstung, da die Samoaner auf ebener Erde schlafen und da die
wenigen zum Lager dienenden Matten die starke nächtliche Ausdünstung
des Untergrundes nicht abzuhalten vermögen. Das kurz vor oder nach
der Regenzeit sich einstellende Samoafieber verläuft meist leicht und
gutartig und ist für die Eingeborenen fast gefährlicher als für Fremde.
Die Schwindsucht ist unter den Samoanern nicht selten und wird durch
das feuchtwarme Klima begünstigt. Hautkrankheiten sind, wie bei allen
Südseevölkern, nichts Ungewöhnliches. Im übrigen vereinigt jedoch die
paradiesische Inselflur mit den Vorzügen landschaftlicher Schönheiten und
beispielloser Fruchtbarkeit den Vorzug eines für Europäer durchaus zu-
träglichen Klimas, so dass sie — ein seltener Ausnahmefall unter den
Tropen — bei entsprechender Lebensweise ständig in Samoa leben und
ohne Schädigung ihrer Gesundheit schwere Arbeiten im Freien ver-
richten können.
Das warme, gleichmässige Klima, der Überfluss an fallendem und
strömendem Wasser und die unerschöpfliche Fruchtbarkeit des tiefgrün-
digen Verwitterungsbodens, der bis 3 m mächtig wird, reich an Stick-
stoff und Phosphorsäure ist und durch die fortschreitende Zersetzung
des freiliegenden Gesteins immer neue Nährstofle erhält, erzeugen eine
echt tropische Vegetation von strotzender Üppigkeit. Grossartig und
lieblich zugleich, beginnt sie unmittelbar am Meer, überzieht jeden Stein,
erfüllt jeden Riss und überkleidet Niederungen wie Berge mit einer
dichten grünen Hülle. Die Triebkraft der Pflanzen ist wegen der gün-
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stigen Daseinsbedingungen so erstaunlich, dass schon nach wenigen
Monaten ganze Bäume entstehen. Ferner zeigen viele Gewächse wegen
der klimatisch wenig verschiedenen Zeitabschnitte und der steten Regen-
zufuhr eine ununterbrochene Entwicklungsperiode, so dass sie in ihrer
Blüten- und Fruchtbildung an keine bestimmte Jahreszeit gebunden sind.
In dieser Thatsache besteht allerdings die Schwierigkeit, Gewächse, die
wie unsere mitteleuropäischen Pflanzen an den Wechsel der Jahreszeiten
und damit an eine Ruheperiode gewöhnt sind, in Samoa einzubürgern und
mit Erfolg zu kultivieren. Sonst hat indes die Plantagenwirtschaft die
zukunftsvollsten Aussichten. Nur auf den trockenen Aschen-, Tufif- und
Schlackenlagern und auf den schwer zersetzbaren jugendlichen Lava-
strömen fand die pflanzliche Besiedelung keinen günstigen Boden und
ist in diesen für Kulturen völlig ungeeigneten Landstrichen so langsam
fortgeschritten, dass sich hier erst eine steppenhafte Flora mit anspruchs-
losen Sträuchern, Kräutern, Farnen und Gräsern eingenistet hat, um mit
den eigenen Verwesungsresten für eine höhere Vegetation den Grund
zu schaffen.
Dringt man ins Innere der Inseln vor, so hat man zunächst den
Küstenbusch zu überwinden, ein fest verflochtenes Strauchgewirr immer-
grüner Rubiaceen, Myrtaceen und Urticaceen, das von Kokospalmen mit
ihren hellgrünen Fiederkronen, von Pandangartcn mit meterlangen, band-
ähnlichen, scharf gezähnten Blättern, von Brotfruchtbäumen, Mangos,
Hibiscusarten, stattlichen Barringtonien und riesigen Banianenfeigen, den
„Elefanten des Pflanzenreiches", überragt wird. Ein Heer von Schling-
pflanzen verwandelt den Küstenbusch in ein undurchdringliches Dickicht.
Trotzdem ist er erst eine sekundäre Bildung. Denn die mächtigen Bäume,
die ihn beschatten, sind die Reste und Wahrzeichen der ursprünglich
vorhanden gewesenen Waldbedeckung.
Weiter landeinwärts folgt das küstennahe Kulturland der Einge-
borenen. Kokospalmen und Brotfruchtbäume bestimmen sein landschaft-
liches Bild; aber auch andere Nahrungsgewächse wie Mangos, Zitronen,
Apfelsinen, Bananen, Taro, Yams und Zuckerrohr, gedeihen ohne sonder-
liche Pflege vortrefflich. Zum Papiermaulbeerbaum (Broussonetia papyri-
fera), aus dessen Rinde die Samoaner den feinen, weichen Tapastoff
bereiten, gesellen sich geschätzte einheimische Obstbäume. Auf den
europäischen Pflanzungen werden Kokospalmen, Kakao, Thee, Tabak,
Vanille und Zuckerrohr angebaut.
Allmählich wird der Wald dichter und höher und nimmt immer
mehr den Charakter des schwer passierbaren, menschenleeren Urwaldes
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an, der die schroffen Umrissformen der Inselflur ausgleichend verhüllt.
Schlingende, kletternde und windende Schmarotzergewächse, Orchideen,
Flechten und über 100 Moosarten, Strauchwerk, niedrigere Bäume und
baumartige Farne — die Farne sind hier und auf den Karolinen die
hauptsächlichste Pflanzenfamilie und kommen in mehr als 150 Arten
vor — verbergen die hohen Stämme der riesigen Bäume, deren meist
kleine Blätter wenigstens einen Teil des belebenden Sonnenlichtes auf
den feuchten Modergrund gelangen lassen. Stellenweise ist am Boden
ein Teppich abgefallener Blüten angehäuft, die den unsichtbaren Baum-
wipfeln entstammen und meist gelb oder weiss gefärbt sind. Doch ver-
breiten nur wenige von ihnen einen süssen, weithin wahrnehmbaren
Geruch oder zeichnen sich durch schöne Gestalt aus; die überwiegende
Mehrzahl ist klein und geruchlos. Natürlich ist der Urwald auch reich
an Nutz- und Farbhölzern verschiedenster Art, da mehr als 20 Baum-
arten festes, widerstandsfähiges Holz für Tischlerei, Drechslerei, Schnitzerei
oder für technische Zwecke liefern. Doch ist die Wegschaffung der
Stämme mit übergrossen Schwierigkeiten verknüpft, weil vorläufig noch
alle Mittel und Wege zur gewinnbringenden Ausbeutung der Wald-
schätze fehlen.
Endemisch oder der Inselflur eigen ist bloss eine verhältnismässig
geringe Anzahl von Pflanzen. Auch zum Australkontinent und zur
Melanesischen Inselwelt bestehen sehr geringe Beziehungen. Dagegen
hat die Flora Samoas einen ausgesprochen indischen Charakter und zeigt
eine unverkennbare Abhängigkeit namentlich von der javanischen Flora.
Im allgemeinen stimmt sie mit derjenigen des benachbarten Tonga-
Archipels überein und ist weder besonders reichhaltig noch charak-
teristisch.
Viel ärmer als die Pflanzenwelt ist wie auf allen polynesischen Inseln
die Tierwelt Samoas, die ebenfalls mit der tonganischen Fauna überein-
stimmt. Ganz spärlich sind die Landsäugetiere vertreten. Neben einem
fliegenden Hund von Rattengrösse und zwei Fledermäusen, die zu Tausen-
den in den vielen Lavahöhlen und Schlackengängen leben, finden sich
nur Schweine, Ratten, Mäuse und Hunde, die erst im achtzehnten Jahr-
hundert von Walfischfängern eingeführt wurden. Insbesondere die Ratten
sind zu einer wahren Landplage und die verderblichsten Feinde der
Hühnerställe und der einheimischen Vogelwelt geworden. Ausser dem
Huhn, das zum Teil verwilderte und sich ins Dickicht zurückzog, ist
das Schwein, das Lapörouse bei seinem Besuch bereits vorfand, das
einzige Haustier der Samoaner, und da sie kein anderes grösseres Tier
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kannten, so wandten sie anfänglich auf jedes derselben die Bezeichnung
Schwein an. Auch die Pferde wurden von ihnen Reitschweine genannt.
Die Schweine haben sich in der ihnen sehr zusagenden Umgebung trotz
eifriger Verfolgung seitens der Eingeborenen in so unglaublicher Weise
vermehrt, dass sie ebenfalls verwilderten. Die Samoaner jagen sie mit
den in allen Ortschaften reichlich vertretenen , zur Saujagd sehr geeig-
neten Hunden und fangen sie lebendig ein wobei es nie ohne Kampf
und selten ohne Wunden abgeht. Von Australien her sind Pferde, Esel
und Rinder eingebürgert worden und lassen sich verhältnissmässig billig
züchten. Freilich wird die Viehzucht nie für die Ausfuhr, sondern
lediglich für den eigenen Bedarf Samoas in Betracht kommen. Für
Schafe ist das Klima zu feucht. Um so vorzüglicher gedeihen die Rinder,
so dass von der Deutschen Handels- und Plantagengcsellschaft auf Upolu
gegen 1600 Stück zu Milch-, Zug- und Schlachtzwecken gehalten werden.
Sie haben zugleich die Aufgabe, das in den Kokospfianzungen wuchernde
Unkraut wegzufressen.
Die leichter bewegliche Vogelwclt ist mit 52 Arten verhältnismässig
reicher und macht im Verein mit der im Oberfluss vorhandenen Meeres-
fauna, die im wesentlichen derjenigen des Karolinenmeeres entspricht,
die Hauptmasse der samoanischen Tierwelt aus. An Raubvögeln sind
nur zwei Eulenarten beobachtet worden. Viel häufiger sind sperlings-
artige Vögel, Honigsauger, ein schwarzgrauer Star mit metallisch
glänzendem Gefieder, eine auch auf den Karolinen verbreitete (Tahiti-)
Kuckucksart, ferner Würgerarten, drei Papageien, deren Federn den
Samoancrinnen als willkommener Schmuck dienen, und neun wegen ihres
schmackhaften Fleisches eifrig gejagte Taubenarten, die in grossen
Schwärmen die Wälder bevölkern. Am zahlreichsten ist die Ordnung
der Wat- und Schwimmvögel vertreten, die auf den Korallenriffen un-
erschöpfliche Beute finden. Als zoologische Merkwürdigkeiten sind end-
lich erwähnenswert ein im dichtesten Urwald vereinzelt lebendes
Scharrhuhn, Moa genannt, und die im Aussterben begriffene Zahntaube
oder Manumea (Didunculus strigirostris) , der letzte lebende Vertreter
einer längst ausgestorbenen Vogelfamilie und der einzige Verwandte der
ausgerotteten Dronte von Mauritius. Die Zahntaube besitzt in Samoa
ihre einzige Heimat und wird dort noch heute gefangen.
Von Amphibien giebt es bloss einige ungefährliche Schlangenarten
und zwei Eidechsen. Auch die Insektenfauna ist nicht sehr reichhaltig.
Schmetterlinge sind viel häufiger als die sehr einförmige und artenarme
Ordnung der Käfer. Ameisen, Moskitos und viele Arten der mächtigen
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Tropenschwabe sind ebenfalls in unerwünschter Menge vorhanden. Ein
fast fingerdicker Regenwurm gilt den Samoanern als hochgeschätzter
Leckerbissen, ebenso ein mariner Borstenwurm, der Palolo, der sich
jährlich nur einmal im November und zwar bloss in der Morgen-
dämmerung bis zum Sonnenaufgang einstellt, dann aber in ungeheurer
Menge gefangen wird.
Die Eingeborenen der Inselflur gehören dem polynesischen Völker-
kreis an, der das gesamte Südseegebiet besiedelt hat. Bei diesen aus-
gedehnten Wanderzügen spielte Samoa, das wahrscheinlich mit am frühe-
sten, und zwar jedenfalls von Neuseeland aus, bevölkert wurde, wegen
seiner zentralen Lage eine wichtige Rolle und entsandte nach den ver-
schiedensten Richtungen hin strahlenförmig neue Wanderzüge.
Die Männer sind schöne, wohlgebaute, muskulöse Leute von grosser,
kräftiger Gestalt, erstaunlicher Gewandtheit und keineswegs unbedeuten-
der Körperkraft, die sie, wie Europäer und Amerikaner wiederholt er-
fuhren (vgl. S. 12, 14,67), im Nahkampf zu gefährlichen Gegnern machen.
Die Hautfarbe ist hellbraun bis bronzefarben , das Haar schwarz und
meist glatt, der Bartwuchs spärlich. Die Nase ist breit gedrückt, die
Lippen sind wulstig, die Gesichtszüge etwas derb, aber ausdrucksvoll
und in ihrem Gesamteindruck nicht unangenehm. Die Frauen sind
kleiner und gehören unstreitig zu den schönsten Polynesierinnen.
Von Natur sind die Eingeborenen freundlich und gutmütig, heiter
und höflich und in übergrosser Gastfreiheit stets bereit, ihren Besitz mit
Freunden und Fremden zu teilen. Diebstahl war bei ihnen so gut
wie unbekannt und galt als ein schwer schändendes Verbrechen. Noch
jetzt haben, abgesehen von Apia, die meisten Samoaner die Achtung
vor fremdem Eigentum bewahrt. Geistig erscheinen sie geweckt und
begabt. Während ihnen aber die einen hochentwickelte Intelligenz und
schnelles Auffassungsvermögen nachrühmen — lesen und schreiben
können die meisten, manche auch gut rechnen, und in Bibelkenntnis
und biblischer Geschichte leisten sie Erstaunliches — , wird ihre Bildungs-
fähigkeit von anderen bestritten mit der Begründung, dass die Samoaner
nur als Knaben gut lernen, dass aber später alle Mühe vergeblich sei.
Ein herrliches Klima und eine freigebige Natur, die ihren Kindern alles,
was sie zum Lebensunterhalt brauchen, reichlich und ohne sonderliche
Mühe in den Schoss wirft, hat die Samoaner träge und zu stolz zur
Arbeit gemacht, die bei ihnen eher als Schande gilt. Die Arbeit als
Mittel zum Zweck war ihnen ein völlig fremder Begriff und würde es
noch heute sein, wenn nicht durch die Weissen das Streben nach
Deutschland! Kolonien. g
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materiellem Vorteil und nach europäischen Waren in ihnen geweckt
worden wäre. Trotzdem entschliessen sich die Eingeborenen höchst
ungern zu anhaltender, harter Arbeit in den Pflanzungen, weshalb man
mit grossen Kosten auswärtige Arbeiter einführen musste. Essen und
Trinken, Spielen, Singen, Tanzen und Erzählen von Fabeln und Ge-
schichten , deren es eine Menge giebt , sind die Lieblingsbeschäftigung
des vergnügungssüchtigen Phäakenvölkchens , das sorglos und ohne
zu sparen einer heiteren Zukunft entgegenlebt. Eigentliche Musik-
instrumente sind unbekannt, wenngleich tönende Instrumente zur Be-
gleitung der Gesänge und Tänze dienen. Das wichtigste von ihnen
ist die Holztrommel, die wie bei einigen Negerstämmen Afrikas zur Aus-
bildung einer die Telegraphie ersetzenden Trommelsprache Anlass ge-
geben hat und auch an Stelle der Kirchenglocken die Gläubigen zur
Andacht ruft. Als Signalhörner im Kriege dienen grosse Muscheln.
Ackerbau wird in geringem Masse betrieben, und da der viel-
fach steinige Boden die Anwendung von Pflug und Spaten verbietet, so
ist das einzige Fcldgerät wie auf den Karolinen ein spatenartiger Stock,
während der fremde Pflanzer mit Axt, Hacke und Messer den stein-
erfüllten Untergrund bearbeitet. Um so eifriger liegen die Samoaner
der Tauben- und Schweinejagd ob, geradezu leidenschaftlich aber sind
sie der Hauptbeschäftigung, dem Fischfang, ergeben. Fischturniere ge-
hören zu den beliebtesten Wettkämpfen, bei denen ganze Dörfer ihre
Geschicklichkeit zeigen. Mit der Lebensweise der Fische ist man genau
vertraut, und jeder von ihnen wird nach besonderem Verfahren mit
Angelhaken, Pfeilen und Speeren, in Netzen oder durch Fischgift ge-
fangen. Als beliebte Betäubungsmittel dienen Pflanzensäfte, da der
früher gern verwendete Dynamit wegen häufiger, durch unvorsichtiges
Umgehen mit ihm verursachter Unfälle verboten worden ist. Abgesehen
von Meerestieren, Tauben und Hühnern — Schweinefleisch wird nur
bei Festlichkeiten verzehrt — ist die Nahrung der Eingeborenen vor-
wiegend vegetabilisch und besteht aus den bereits genannten Pflanzen
und Früchten. Das Kochen geschieht nach polynesischer Art ohne Töpfe
zwischen heissen Steinen und ist im allgemeinen Sache der Männer;
statt des Salzes benutzt man Seewasser. Nationalgctränke sind der als
Kokosmilch bekannte kühle Fruchtsaft der Kokosnuss und die Kawa,
ein schmutzig-graues, bitter schmeckendes Gebräu. Es wird dadurch
gewonnen, dass man die von jungen Mädchen gekauten oder neuer-
dings in reinlicherer Weise auf einem Reibeisen zerriebenen Wurzeln
des Kawapfeffers in einem Gefäss sammelt und mit Wasser übergiesst.
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Von ausländischen Nahrungs- und Genussmitteln haben hauptsächlich
der von den Insulanern viel und sorgfältig angepflanzte Tabak, ferner
Hartbrot und konserviertes Fleisch Eingang gefunden. Dagegen sind
Branntwein und berauschende Getränke nicht recht in Aufnahme ge-
kommen und begegnen instinktiver Abneigung. Europäische Werk-
zeuge und Geräte wie Spiegel, Regenschirm, Petroleumlampe und
selbst die Nähmaschine erfreuen sich ebenfalls grosser Beliebtheit. Die
Nähmaschine ist ein unentbehrlicher Bestandteil vieler samoanischen
Haushaltungen und der Stolz der samoanischen Hausfrauen geworden und
wird von ihnen und den Mädchen geschickt gehandhabt.
Weil das Wasser das Lebenselement der Eingeborenen ist und
ihnen so viele ihrer Bedürfnisse liefert, so sind sie geschickte Schwimmer,
gewandte Schiffer und tüchtige Bootbauer, die ihre zierlichen, mit Aus-
legern versehenen Fahrzeuge durch Ruderkraft oder unter Benutzung
von Mattensegeln schnell vorwärts zu bewegen wissen. Doch werden
die alten Boote, darunter die bis zu 300 Mann fassenden Doppelboote,
immer mehr durch europäische Fahrzeuge verdrängt; und da auch die
früher so lebhaften Hochseefahrten nach andern Inselgruppen fast ganz
aus der Mode gekommen sind, so haben die Eingeborenen kaum noch
Gelegenheit, ihre reichen nautischen Erfahrungen und ihre genaue
Kenntnis des gestirnten Himmels praktisch anzuwenden. Dagegen sind
beim Fischfang die Kanoes alter Art den Samoanern noch unentbehrlich.
Da die Eingeborenen durch Lebensweise und Gewohnheit ans Meer
gebunden sind, so liegen ihre Wohnstätten ebenfalls in unmittelbarer
Nachbarschaft des Strandes. Die ordnungslos zwischen Kokospalmen,
Brotfruchtbäumen und Kulturanlagen errichteten Hütten vereinigen sich
zu weitläufigen Dörfern, denen niemals ein zu Festlichkeiten oder
Beratungszwecken dienender freier Platz fehlt. Hier steht das Haus des
Häuptlings und das auf gemeinsame Kosten erbaute Gemeindehaus, in
welchem fremde Gäste aufgenommen und bewirtet werden.
Die Hütten selbst sind einfach, aber dauerhaft und zweckmässig
angelegt Da das Klima nur Schutz gegen Sturm, Regen und Sonnen-
schein verlangt, so wird auf die Herstellung des Daches besondere Sorg-
falt verwendet, das mit steil geneigtem Giebel nicht selten bis 20 Fuss
Höhe erreicht und einen seltsamen, einem umgedrehten Boot ähnelnden
Anblick darbietet. Mit getrockneten Palmblättern bedeckt, ruht es auf
12—40 Holzpfeilern, und die Zwischenräume zwischen dem Fachwerk
werden von Matten verhüllt, die nach Belieben verschoben oder aufge-
rollt werden können. Tagsüber bleiben sie offen, um der kühlenden
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Seeluft den Durchzug zu gestatten; nachts schliesst man sie, um die
Moskitos fern zu halten. Als Lagerstätten dienen Matten, die über einer
den ganzen Fussboden 20 cm hoch bedeckenden Schicht glatter Rollkiesel
ausgebreitet werden und auch Stühle und Tische ersetzen. Der Innen-
raum ist sauber gehalten, allerdings sehr einfach eingerichtet. Denn
soweit sich nicht europäische Gegenstände eingebürgert haben , be-
schränkt sich der bescheidene Hausrat auf einige Körbchen, einige Kokos-
schalen als Trinkgefässe, auf die notwendigen Haus- und Fischereigeräte
und auf eine flache Holzschüssel zur Kawabereitung. Eine mit Lehm
ausgekleidete schüsselartige Vertiefung ersetzt den Feuerherd. Doch
kocht man nicht in den Wohnhäusern, sondern in abseits gelegenen
besonderen Hütten.
Dem Klima entsprechend, ist die Kleidung spärlich und beschränkt
sich auf eine Hülle von Kattun, der wegen seines billigen Preises die
einheimischen, zum Teil recht mühsam und zeitraubend herzustellenden
Gewänder rasch verdrängt. Der landesübliche Hüftschurz (Lawalawa)
besteht aus den roten Blättern des Ti-Baumes, aus gefärbten Baststreifen
des Hibiscusbaumes oder aus dem feinen papierartigen Tapastoff , der
aus geklopften und zusammengeklebten Stücken der inneren Rinde des
Papiermaulbeerbaumes gewonnen und mittels eines Holzstempels mit
einfachen roten, gelben und schwarzen Mustern bedruckt wird. Bei fest-
lichen Gelegenheiten trägt man noch feine, von den Frauen verfertigte
Matten, die zuweilen wahre Musterwerke der Flechtkunst sind und deren
etwa unseren Orden entsprechende Verleihung seitens der Häuptlinge
— jeder wichtige Akt ist mit der Verteilung solcher Häuptlings- oder
Regierungsmatten verknüpft — oft einen politischen Anstrich hatte. Die
feinsten Matten erben als kostbarer, unveräusserlicher Familienbesitz von
Geschlecht zu Geschlecht fort, weil sie Rang und Reichtum der be-
treffenden Familie gleichsam symbolisch andeuten.
So einfach die Kleidung ist, um so reicher ist der Schmuck. Ohr-,
Hals- und Armringe sind sehr beliebt. Um den Hals und im kurz ge-
schnittenen, durch Kalk rötlich gebeizten Haar trägt man Blumen und
Blätter. Wie bei allen Polynesiern ist auch trotz der Bemühungen der
Mission und trotz der sehr schmerzhaften Operation die Tätowierung
allgemein üblich, weil ein nicht tätowierter Jüngling als unmännlich und
nicht als echter Samoaner gilt. Die Tätowierung wird von einer be-
sonderen Künstlerkaste vorgenommen und besteht aus geradlinigen
Figuren, die an Stelle des Lendenschurzes vom Nabel bis zum Knie
aufgetragen werden. Die Feinheit der Ausführung steigt mit dem An-
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sehen der Person und der Höhe des dem Künstler gezahlten Preises.
Beim weiblichen Geschlecht ist die Tätowierung weniger gebräuchlich
und wird durch Parfüme ersetzt, die man in unglaublichen Quantitäten
und Qualitäten anzuwenden pflegt. Auf Reinlichkeit hält man grosse
Stücke. Bei jeder Gelegenheit, oft mehrmals am Tage, wird ein See-
oder Flussbad genommen.
Die Vielweiberei war früher erlaubt; doch hatten gewöhnlich bloss
die Vornehmen mehrere Frauen, die gut behandelt wurden. Ebenso kann
das Familienleben trotz mancher Absonderlichkeiten als glücklich be-
zeichnet werden, und die Ehe gilt mit gewissen Einschränkungen als
heilig, obwohl ihre Schliessung ebenso leicht ist wie ihre Lösung.
Mischehen zwischen Weissen und Voll- oder Halbblut-Samoancrinnen
sind keineswegs selten. 1 ) Der Ehebruch zog früher strenge Strafen,
meist den Tod, nach sich und konnte, wenn hohe Häuptlinge dabei be-
teiligt waren, sogar zum Kriege führen. Auch wachten die Vornehmen
streng über die Keuschheit ihrer Töchter, die stets in Begleitung älterer
Frauen ausgehen mussten und vor der Hochzeit genau untersucht wurden.
Waren sie nicht mehr Jungfrauen, so wurden sie mit Schimpf und Schande
zurückgewiesen. Unter besonders strenger Aufsicht stehen die Dorf-
jungfrauen oder Taupous, die mit vornehm zurückhaltendem Wesen
einen tadellosen Lebenswandel verbinden müssen. Sie werden schon in
der Jugend auf ihren zukünftigen Beruf vorbereitet und gehören stets
den edelsten Geschlechtern an. Jedes Dorf oder jeder Bezirk besitzt
mindestens eines dieser Mädchen, die neben ihren besonderen Pflichten
besondere Rechte haben und eine eigenartige sozialpolitische Rolle
spielen. Sie nehmen bei feierlichen Anlässen an der Kawabereitung teil,
sind bei religiösen Festlichkeiten als Vortänzerinnen thätig, bestimmen
mit den Oberhäuptlingen über öffentliche Veranstaltungen und entscheiden
über die weiblichen Glieder ihres Machtbereichs. Auch an Kriegszügen
sind sie beteiligt, um die Verwundeten zu pflegen und gefallenen Feinden
den Kopf abzuschneiden.
*) Die Samoanerin lebt sich rasch in ihre neue Stellung ein und hat wegen ihrer aus-
gezeichneten Hausfraueneigeuschaften schon ▼iele glückliche Ehen gestiftet. Dann bringt dem
Fremden der Eintritt in eine angesehene samoanische Familie insofern Nutzen, als er, wenn
er ein Händler oder Pflanzer ist, an den neuen Verwandten einen ausgedehnten Kundenkreis
rindet und von ihnen die so sehr begehrten Arbeitskräfte erhält. Freilich fordert der sehr
verschiedene geistige Standpunkt der Ehegatten und die Notwendigkeit, mit der Verwandt-
schaft der Frau in gutem Einvernehmen zu leben, auf der anderen Seite auch manche Opfer
und hat nicht wenigen bittere Enttäuschung gebracht, weshalb genaue Kenner im allgemeinen
vor Mischheirateu warnen.
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Wegen der mühelosen Befriedigung des Lebensunterhaltes wurde
Kindermord auf Samoa nicht geübt. Dafür war aus Bequemlichkeits-
gründen und aus Abneigung gegen allzugrossen Kindersegen die Ab-
treibung der Frucht um so häufiger.
Unter dem Einflüsse der Mission geraten die alten heidnischen
Religionsanschauungen mit ihrer zahlreichen Götterwelt und ihrer wohl-
ausgebildeten Mythologie immer mehr in Vergessenheit. Ebenso geht
die starre polynesische Kastensonderung in Vornehme und Gemeine, die
sich streng an die Schöpfungssage anlehnte — der Adel soll unmittelbar
von den Göttern, das gewöhnliche, geringschätzig behandelte Volk
dagegen von Würmern abstammen — zusehends der Auflösung ent-
gegen.
Es gab zwei Klassen von Göttern, zwischen denen jedoch keine festen
Unterschiede bestanden, nämlich die oberen ursprünglichen oder National-
götter, die kaum verehrt wurden und für den religiösen Kult bedeutungs-
los waren, und die aus den Seelen der verstorbenen Häuptlinge hervor-
gegangenen Bezirks-, Dorf- und Familiengötter. Jede Ortschaft besass
ihren Tempel und ihren heiligen Hain. Eigentliche Götterbilder gab es
nicht, weil man gleich den Karoliniern der Ansicht war, dass die Götter
irgend ein Tier, eine Pflanze u. s. w., die dann verehrt und geschont
wurden, zu zeitweiligem Aufenthalt wählten. Der Gottesdienst bestand
in Gebeten und in der Darbringung von Opfern essbarer Tiere und
Feldfrüchte. Der Tabuglaube war allgemein, ebenso der Glaube an ein
Fortleben nach dem Tode in der Unterwelt (Pulotu). Bezeichnend für
die schroffe Ständegliederung der Samoaner, die selbst vor dem Tode
nicht Halt machte, ist es, dass die Vornehmen, die feierlichst beerdigt
wurden, durch ein grösseres Loch am Westende von Sawaii in ihre be-
sondere Unterwelt eingingen, während die gemeinen Leute, deren Be-
gräbnis ohne sonderliches Zeremoniell erfolgte, durch ein kleines Loch
in eine andere Unterwelt kamen.
Heute sind sämtliche Samoaner Christen. Mit Ausnahme von 6600
Katholiken, unter denen die Maristen-Kongregation seit 1845 in *3 Sta-
tionen wirkt, und abgesehen von einigen wenigen Mormonen, gehören
sie dem evangelischen Bekenntnis an, das durch die Wesleyanische
Methodistenmission und die Londoner Missionsgesellschaft vertreten
wird. Die letztere fasste als älteste Missionsgesellschaft zuerst im
Jahre 1 830 auf der Inselflur Fuss, wo sie sich ohne Schwierigkeiten und
ohne jedes Blutvergiessen rasch ausbreitete, so dass sie heute auf ganz
Samoa über 200 festgefügte Gemeinden mit 23000 Mitgliedern be-
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sitzt. 1 ) Die aus mehr als 50 Häusern bestehende Missionsanstalt Malua
auf Upolu bildet die Hochburg der Londoner Missionsgesellschaft und
zugleich das Bollwerk des Engländertums in Deutsch-Samoa. Für das
Bekehrungswerk ist sie von hoher Bedeutung geworden, weil sich hier
das grosse Seminar befindet, in dem zahlreiche farbige Prediger und
ihre eingeborenen Frauen ihre Erziehung erhalten haben. Doch sind die
Eingeborenen trotz erstaunlicher Bibelkenntnis, trotz Sonntagsheiligung,
fleissigen Kirchenbesuches und eifrigen Betens wahre Christen nicht ge-
worden. Noch viele heidnische Gebräuche und Vorstellungen sind unter
dem zäh am Althergebrachten festhaltenden Volk lebendig, und unge-
achtet aller Bemühungen ist die Abschaffung der Tätowierung nicht ge-
lungen. Die barbarische Sitte, gefallenen und verwundeten Feinden den
Kopf abzuschneiden, ist ebenfalls unverändert geblieben. Sie wird sogar
von den bibelkundigen Insulanern mit Stellen aus der Bibel gerechtfertigt.
Die Mission hat aber das Gute gehabt, dass sie die Samoaner, die
infolge europäischer Übergriffe lange Zeit hindurch als gewaltthätige
Wilde und, was sie höchstwahrscheinlich niemals gewesen sind, als
Kannibalen verschrieen waren, mit der Aussenwelt in Verbindung brachte.
Zuerst kamen Walfischfänger, um Proviant einzunehmen, ihnen folgte der
Kaufmann, und die Leichtigkeit, mit der es möglich war, Grundbesitz zu
erwerben, gab seit 1857 Anlass zur Einrichtung ausgedehnter Pflanzungen,
die sich gedeihlich entwickelten Wohl sind die Samoaner ein kriege-
risches Volk, bei dem Freude am Kampf und Feigheit im Kampf neben-
einanderstehen und das, leicht empfindlich und grenzenlos rachsüchtig,
oft aus geringfügigem Anlass zu den Waffen griff. Aber diese Kriege,
die zu Lande wie zu Wasser geführt wurden, waren ursprünglich fast un-
blutig. 2 ) Sie galten mehr als ein allerdings gefährlicher Sport und machten
vor den fremden Plantagen Halt. Mit der Zeit nahmen sie jedoch einen
') Diesen überraschenden Erfolg verdankt sie in erster Linie ihrem berühmtesten
Sendboten John Williams, dem Apostel der Sudsee. Schon bei seiner ersten Landung
(am 22. August l8jo) wie bei späteren Besuchen wurde er von den Samoanem freudig em-
pfangen und geradezu stürmisch um Unterweisung in der neuen Lehre gebeten.
a ) Nur einmal, im Jahre 1830, spielte sich unmittelbar vor dem Eintreffen der ersten
Missionare eine schreckliche Scene samoanischer Grausamkeit ab. Die Eingeborenen von
Aana, der westlichen Landschaft Upolus, waren von den Mauono- Insulanern nach tapferer
Gegenwehr überwältigt worden. Noch am Tage des Hauplgefechts begannen die entmenschten
Sieger eine weite Grube auszuheben und sie mit Brennholz vollzufüllen. In das Feuermeer
wurden zwei Tage und zwei Nächte lang die gefangenen Alten, Weiber und Kinder. 200 — 400
an der Zahl, geworfen. Die eben vorbeifahrenden Missionare konnten vom Schiff aus die
Flammen der brennenden Dörfer und jenes Riesenscheiterhaufens wahrnehmen.
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immer heftigeren Charakter an, weniger infolge der massenhaft einge-
führten Gewehre, welche die alten Waffen — starke Speere mit Spitzen
aus Rochenstacheln, Keulen und Schleudern — fast ganz verschwinden
Hessen, als vielmehr wegen der unglückseligen Verquickung auswärtiger
und politischer Fragen mit den inneren Angelegenheiten der Samoaner.
Meist gaben Rangstreitigkeiten, insbesondere die Königswahlen, zu ernsten
Zusammcnstössen Anlass, weil die Königswürde nicht erblich war, sondern
von den 1 1 unabhängigen, einander voll Eifersucht gegenüberstehenden
Bezirken der Inselflur erbeten werden musste. Obendrein war die Macht
der Oberhäuptlinge oder Könige beschränkt, indem die Bezirkshäuptlinge
einen gewissen Einfluss besassen, der wieder durch die Dorfhäuptlinge
— mehrere Dörfer bilden einen Bezirk — bez. durch die Familien-
häuptlinge — mehrere Familien vereinigen sich zu einem Dorf, und die
Familie bildet die Grundlage des Staates — beeinträchtigt wurde.
Die unbefriedigenden staatlichen Verhältnisse und die politischen
Wirren haben leider die alten Sitten stark erschüttert und es mit sich
gebracht, dass die früher geübte ritterliche Kampfesweise, bei der man
vorher Ort und Zeit des Zusammenstosses bestimmte und weder nachts,
noch an Sonntagen Krieg führte, immer mehr abgekommen ist. Wochen-
lang lag man sich in befestigten Lagern in achtungsvoller Entfernung
unthätig gegenüber oder suchte einander durch heimtückische Überfälle
zu schädigen. Die Dörfer wurden verwüstet, die Kokospalmen umge-
hauen, die Brotfruchtbäume durch Ablösen der Rinde zum Eingehen
gebracht und die Felder zerstört, so dass trotz der erstaunlichen Frucht-
barkeit des Bodens sich in den Gegenden, wo viele Krieger versammelt
waren, Hungersnöte einstellten, welche die Eingeborenen zu Über-
griffen gegen die fremden Pflanzungen trieben. Der deutsche Besitz als
der älteste und ausgedehnteste auf der Inselflur hatte am meisten unter
diesen Diebereien zu leiden, und die Urbarmachung des Bodens geriet
unter der Ungunst der Verhältnisse ins Stocken. Die Plantagen konnten
nicht mehr erweitert werden, die angelegten Kapitalien lagen brach, und
ungeheure Mengen von Kokosnüssen verdarben, weil es zu ihrer Ver-
arbeitung und Verwertung an Leuten fehlte. So war es höchste Zeit,
dass endlich die politische Aufteilung Samoas und im Anschluss hieran
eine vom deutschen Gouverneur mit Glück durchgeführte Entwaffnung
der Eingeborenen folgte.
Die Gesamtzahl der Samoaner soll früher, was indes unglaubwürdig
scheint, gegen 180000, nach Laperouse sogar 400000 Köpfe betragen
haben, schmolz aber durch ständige Kriege so zusammen, dass man sie
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1 853 nur noch auf 34000 Seelen schätzte. Eine allmählich einsetzende
Zunahme wurde wiederholt durch Seuchen unterbrochen, welche die
Fremden als ein verhängnisvolles Geschenk nach Samoa brachten.
Namentlich Masern, Scharlach und Influenza haben ungewöhnlich viele
Opfer gefordert. 1894 traten die von einem europäischen Schiff ein-
geschleppten Masern zum ersten Mal in Samoa auf und rafften mehrere
hundert Insulaner weg, von denen allerdings die Mehrzahl bei vernünf-
tigem Verhalten hätte gerettet werden können.
Eine bald nach der Neuordnung der politischen Verhältnisse durch-
geführte Volkszählung ergab 1900 für Deutsch - Samoa eine Gesamtzahl
von 32815 Eingeborenen, unter denen 16894 männlichen und 15 921
weiblichen Geschlechts waren. Bei einer mittleren Volksdichte von
13 Einwohnern auf 1 km 2 verteilten sie sich über 101 Dörfer, und zwar
entfielen auf üpolu 17755 Seelen in 53 Ortschaften, auf Sawaii 14022
in 42 Siedelungen, auf Apolima und Manono 1038 in 6 Niederlassungen.
Zu den Samoanern kommen noch gegen 1000 melanesische Pflanzungs-
arbeiter und 400 Weisse, von denen 180 Deutsche sind. Die meisten
stehen im Dienste der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft,
die auch die überwiegende Mehrzahl der farbigen Arbeiter beschäftigt.
Die amerikanischen Samoa- Inseln enthalten nur 215 km* Fläche mit rund
4000 Eingeborenen.
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5. Kolonialer Nutzwert der neuen deutschen Erwerbungen
in der Südsee.
Als die Begeisterung über die Erwerbung der Karolinen und Ma-
rianeri einer nüchterneren Auffassung Platz gemacht hatte und als man
den politischen und wirtschaftlichen Wert des neuen Besitzes kritisch
zu prüfen begann, da drängte sich unwillkürlich die Frage auf: Hat
Deutschland mit dem Ankauf der lange vernachlässigten und vom grossen
Strom des Weltverkehrs abgelegenen Inselgruppen ein gutes Geschäft
gemacht? Thatsächlich fehlte es nicht an pessimistischen und ablehnenden
Stimmen, die sogar soweit gingen, dass man in den fernen Archipelen
bloss nichtsnutzige Inselchen und Spielzeuge der Herren Geographen sah,
von deren paar tausend Eingeborenen nichts zu gewinnen sei, weil sie
selbst nichts hätten. Man berief sich bei diesem herben Urteil auf
Bismarck, der nach dem glücklich beigelegten Streit mit Spanien von
der „Lumperei der Karolinen" gesprochen hatte, die einen Krieg nicht
wert sei. Das war aber im Jahre 1885 der Fall gewesen, wo Ostasien
und der Stille Ozean noch nicht im Brennpunkte der Interessen standen
und wo in Deutschland noch niemand an die Festsetzung in Kiautschou
dachte, während heute unter den von Grund auf veränderten Verhält-
nissen die paeifischen Inselgruppen eine ganz andere Stellung gewonnen
haben. Für Spanien waren die Karolinen und Marianen, wie der Reichs-
kanzler v. Bülow treffend hervorhob, nach dem endgültigen Zusammen-
bruch seines einst so stolzen Kolonialreiches nur noch wertlose, unnütze
Ausgaben verursachende Trümmer eines eingestürzten Gebäudes. Für
uns sind sie die Strebepfeiler eines neuen, zukunftsvollen Baues und ein
neues Glied in der Kette unserer Südseegebiete. Zunächst entspricht
ihr materieller Wert allerdings nicht der Höhe des aufgewendeten Kauf-
preises, und es wird sicherlich noch mancher Opfer und langer, müh-
samer Arbeit bedürfen, um das unter spanischer Herrschaft verwahrloste
Inselreich nutzbar zu machen.
Bezüglich seiner wirtschaftlichen Wertschätzung können wir unsern
mikronesischen Besitz weder jetzt, noch in Zukunft mit den ausgedehnten
Kulturflächen Kaiser Wilhelms-Landes und des Bismarck-Archipels ver-
gleichen. Wohl kommen der tiefgründige Anschwemmungsboden und
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die fruchtbare vulkanische Verwitterungserde der Hochinseln, die reich-
liche Bewässerung und das gleichmassige, feuchtwarme Klima der Ein-
bürgerung tropischer Nutzgewächse in jeder Weise entgegen, und die in
den Missionsgärten, sowie in dem neuen staatlichen Versuchsgarten auf
Saipan unternommenen Versuche kleineren Masstabs haben die besten
Ergebnisse geliefert. Namentlich Baumwolle, Kakao, Kaffee, Tabak, Vanille,
Zuckerrohr und Manilahanf gedeihen in vorzüglicher Güte, auf Palau haben
die Japaner mit der Anpflanzung von Indigo begonnen, und Nährfrüchte
wie Reis und Mais werden auf den Marianen mit solchem Erfolg gebaut,
dass die deutsche Verwaltung, um die verödeten Reisfelder des Innern
ihrer alten Bestimmung wieder dienstbar zu machen, auf die Neu-
besiedelung des verlassenen und mit der Zeit verwilderten Binnenlandes
eine Belohnung ausgesetzt hat. Für Pflanzungsunternehmungen grösseren
Umfangs ist aber das verfügbare Land wegen der Kleinheit der vul-
kanischen Hochinseln, die zum Plantagenbetrieb ausschliesslich geeignet
sind, viel zu beschränkt. Dann sind die Absatzgebiete weit entfernt,
und endlich wird der beste Boden bereits von den Kulturen der Ein-
geborenen eingenommen, oder das Land muss, wie auf den Marianen,
für die zunehmende Einwanderung eingeborener Kolonisten offen gehalten
werden. Tinian soll wegen seines Reichtums an verwilderten Haustieren
in erster Linie ein Viehzuchts- und Weideland bleiben. Die Rinderherden
sind als Regierungseigentum übernommen, da die Viehzucht wegen der
günstigen Lage der Marianen für den zukünftigen Südseeverkehr (vcrgl.
S. 99) einen lohnenden Gewinn verspricht und deshalb durch staatliche
Viehwirtschaften auf Rota und Saipan rationeller betrieben wird. Der im
Hafenort Tanapag angelegte Viehpark vermag in wenigen Jahren das
zur Verproviantierung der Schiffe erforderliche Schlachtvieh zu liefern;
Schweine und Hühner können schon jetzt in beliebiger Menge abgegeben
werden. Auch Ponape ist zur Viehzucht wohl geeignet: Klauenvieh aller
Art gedeiht dort vortrefflich, und Viehkrankheiten sind bisher nicht be-
kannt geworden.
Obwohl schon 1892 in Ponape eine Dampfsägemühle in Betrieb
gesetzt wurde, bleibt die Ausbeute des Urwaldes abzuwarten, weil die
Transportkosten wegen des Mangels an geeigneten Verkehrsmitteln ziem-
lich hoch sind und weil man die vorhandenen Nutzhölzer noch viel zu
wenig kennt. Eine Rolle spielt bisher nur die für die Knopffabrikation
und für Drechslerarbeiten wichtige Steinnuss, auch vegetabilisches Elfen-
bein genannt, d. h. das weissliche, anfangs flüssige, dann weiche und
zuletzt steinharte Sameneiweiss der Pandanusart Phytelephas macrocarpa.
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Die Pflege des auf den Karolinen wild wachsenden Ylang-Ylangbaumes,
aus dem auf den Philippinen das bekannte Parfüm gewonnen wird, er-
scheint ebenfalls lohnend, da die Vorliebe der Mikronesier für wohl-
riechende Stoffe schon heute eine lebhafte Parfümeinfuhr ins Leben ge-
rufen hat. Zu erwägen wäre endlich der Anbau der auf den Karolinen
überaus häufig vorkommenden verwilderten Ananas, die wegen ihrer
wohlschmeckenden Früchte und ihrer zu feinen Stoffen wie zu gröberen
Seilen, Schnüren und Fäden verwendbaren Fasern in Westindien mit
grossem Gewinn kultiviert wird.
Von den Schätzen des Meeres sind für den Welthandel bloss kleine
Mengen von Perlmutter, Schildpatt und Trepang erwähnenswert, die
keine hohen Erträge abwerfen. Obendrein bedarf der vom chinesischen
Markt sehr begehrte Trepang zur Wiedererneuerung der stark abge-
fischten Fanggründe dringend einer längeren Schonzeit (vergl. S. 46).
So nimmt im Aussenhandel der Karolinen und Marianen nur ein
Erzeugnis eine bevorzugte Stellung ein, nämlich die Kopra, die an
Menge und Wert alle anderen Ausfuhrgegenstände weit übertrifft. 1 )
Die Kokospalme, die Königin der Südsee, wie man diesen wich-
tigsten Baum des Stillen Ozeans genannt hat, findet nicht bloss seitens
der Eingeborenen die vielseitigste Verwendung, sondern bildet auch für die
Fremden die Hauptgrundlage des paeifischen Handels. Sie ist es gewesen,
die Deutschland zuerst und so fest mit dem Stillen Meer verknüpft hat.
Fällt eine Kokosnuss zu Boden oder wird sie vom Meer ans Land getrieben
— wegen ihrer eigentümlichen Dreiecksgestalt vermag sie sich leicht über
W r asser zu halten, und noch während des Schwimmens befördern
Feuchtigkeit und Sonnenwärme den Keimprozess — , so beginnt sie in
dem mageren Sand- oder Kalkboden Wurzel zu schlagen. Da der
heranwachsende Stamm lediglich von Unkraut, von Ratten und schäd-
lichem Ungeziefer frei zu halten ist, und da der genügsame Baum, der
zu seinem Gedeihen nur die Nachbarschaft des Meeres, salzhaltige See-
luft und tropisches Klima braucht, mit dem kümmerlichsten Boden vor-
lieb nimmt, so verlangt die Anlage und Unterhaltung einer Kokos-
pflanzung weder übermässige Kosten, noch hohe Anlagekapitalien. Trotz-
dem giebt es schwerlich ein lohnenderes, die aufgewendeten Mühen
reichlicher verzinsendes Massengewächs als die Kokospalme. Wenn
man bedenkt, dass für eine Tonne Kopra je nach dem Verkaufsort
») 1900/01 bewertete sich die Einfuhr auf 460000, die Ausfuhr auf 263 500 Mark.
Von letzterer Summe entfielen auf die Kopra nicht weniger als 250000 Mark.
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120— 260 Mark bezahlt werden und dass 60 volltragende Bäume jähr-
lich 1000 kg Kopra abwerfen, so bringt jede Palme im Jahresdurchschnitt
3 — 4 Mark und 1 ha Kokosland bei niedrigstem Marktpreis 500 Mark
ein, wovon mindestens die Hälfte als Reingewinn gelten kann. Da
ferner die Palme vom 8. bis zum 80. Jahre alljährlich 60 — 100 Nüsse
liefert, deren Zahl bis zum 30. Jahre stetig zu- und vom 40. Jahr ab
langsam wieder abnimmt, so macht sie durch ihren erstaunlichen Frucht-
segen das kleinste Atoll zu einer vegetabilischen Goldgrube. Allerdings
richten ausser den gefrässigen Ratten, den gefährlichsten Feinden aller
jungen Kulturen, auch verheerende Orkane, anhaltende Trockenheit und
Blattkrankheiten zuweilen beträchtlichen Schaden an. Auf Yap sind in
den letzten Jahren stellenweise 45 °/ 0 der Bestände an der Blattkrank-
heit eingegangen, so dass die Kopraerträgnisse starken Schwankungen
unterliegen. Nichtsdestoweniger bietet die Kokospalme eine der sichersten
Einnahmequellen dar, deren Förderung um so notwendiger erscheint,
als andere Kulturen aus den bereits angedeuteten Gründen den Plan-
tagenbau nicht lohnen oder auf dem dürftigen Boden der niedrigen
Koralleneilande überhaupt ausgeschlossen sind. Die wirtschaftliche
Weiterentwickelung der Atolle ist somit lediglich durch die Vermehrung
der Kokosbestände möglich.
Früher wurde der ölhaltige Saft der reifen Kokosnüsse von den
Eingeborenen mittels primitiver Pressen gewonnen und in Fässern zur
Versendung gebracht. Diese Art der Verfrachtung bedeutete aber nicht
bloss eine Raumverschwendung, sondern es ging auch viel Öl und vor
allem der wertvolle Rückstand verloren, dessen stickstofifreiche Zellmasse
den als Kraftfutter für das Vieh geschätzten kleienartigen Palmkuchcn
liefert. Konsul Weber in Apia, der einstige Leiter der Deutschen
Handels- und Plantagengesellschaft für die Südsee, führte daher das
heute allgemein gebräuchliche Verfahren ein, nach welchem das reife
Fleisch der Kokosnuss getrocknet und zerschnitten wird, um dann als
Kopra zu weiterer Verarbeitung nach Europa oder Amerika zu gelangen,
wo das ausgepresste Ol zur Herstellung feiner Seifen und Parfüme, bei
der Kerzen- und Kokosbutterfabrikation und zu anderen Zwecken viel-
fache Verwendung findet. So dient die Kopra einer ganzen Reihe von
Geschäftszweigen, bei denen in Zukunft eher eine Zunahme als ein
Rückgang erwartet werden darf und die es erklären, dass die Kokos-
nuss von Jahr zu Jahr auf dem Weltmarkt an Bedeutung gewinnt.
Da nun die Kopraerzeugung auf den Karolinen und Marianen, wo
sie augenblicklich erst 2 500 Tonnen im Jahre einbringt, durch geeignete
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Massnahmen erheblich gesteigert werden kann, so hat die Deutsche Re-
gierung zunächst die herrenlosen Palmenwälder in Besitz genommen
und sie mit Gewinn an einige Unternehmer verpachtet (vergl. S. 31).
Zugleich ist ihnen die Verpflichtung auferlegt worden, jedes Jahr eine
bestimmte Fläche neu mit Kokospalmen zu bepflanzen. Die Regierung
ist aber auch selbst mit der Anlage von Kokosplantagen ermunternd
vorgegangen und hat seit der kurzen Zeit ihres Bestandes bereits über
1 5 000 Kokospalmen auf den Marianen angepflanzt. Ferner sind die
Häuptlinge belehrt und angewiesen worden, die Vermehrung des für
Eingeborene und Fremde gleich wichtigen Baumes energisch in die
Hand zu nehmen. Die Karolinier kommen diesen Anordnungen bereit-
willigst entgegen, da sie den Wert der Kopra immer mehr verstehen
und sie als ein willkommenes Mittel zur Erfüllung neuer Wünsche und
Bedürfnisse schätzen. Aus diesem Grunde hat eine ganze Anzahl spe-
kulativer Häuptlinge schon ausgedehnte Kokospflanzungen angelegt.
Zu gleichmässiger Arbeit freilich haben sich die Insulaner noch
nicht aufgeschwungen. Da aber die Einfuhr fremder Arbeitskräfte er-
hebliche Schwierigkeiten und Kosten verursacht, so ist hier wie überall
in der Südsee die Arbeiterfrage eines der wichtigsten wirtschaftlichen
Probleme, und eine der vornehmsten Aufgaben der deutschen Verwal-
tung besteht darin, die bedürfnislosen Insulaner, denen die Natur frei-
willig ihre Gaben spendet, wieder an geregelte Arbeit zu gewöhnen und
sie zu zuverlässigen Menschen zu erziehen. Dieses Unterfangen ist
schwer, erscheint aber nicht aussichtslos. Denn einmal ist eine Reihe
von Karoliniern bereits im Dienst der Jaluit-Gesellschaft auf den Karo-
linen und dem Marshall-Archipel thätig. Dann ist das intelligente, leider
in raschem Rückgang begriffene Völkchen der Yaper mit bestem Erfolg
zum Polizeidienst herangezogen worden und hat im Wegebau Verdienst-
liches geleistet , so dass heute bereits 60 km Strassen , zum Teil kleine
Kunstbauten, die Insel durchschneiden. Ein rühmliches Zeugnis ihrer
Ausdauer, ihrer Geschicklichkeit und ihres Interesses sind ferner zwei
Hafendämme, von denen der eine, 360 m lang, in drei Monaten, der
andere, 916 m lang, in sieben Monaten fertiggestellt wurde. Endlich
haben die fleissigen Leute den 838 m langen Isthmus, der beide ftälften
Yaps verbindet (vergl. S. 38^, binnen acht Monaten durchstochen und
trotz aller Schwierigkeiten einen für Boote benutzbaren Kanal angelegt,
der für die zum Tomilhafen fahrenden Schiffe die bisher drei Tage
dauernde, durch hohen Seegang sehr erschwerte und gefährdete Um-
segelung der ganzen Insel auf einen Tag abkürzt. Auch den Palauern
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ist ein hohes Mass von Pflichtgefühl und gutem Willen eigen. Da aber
bei ihnen die Reichen und Mächtigen die Armen ungestraft ausplündern
konnten, so bauten letztere nur so viel, als sie zu ihrem Unterhalt
brauchten, weshalb die geringe Produktion der Inselflur viel mehr auf
soziale Misstände als auf die Unfruchtbarkeit des auf Palau weit ver-
breiteten Kalkbodens zurückzuführen ist. Das Kaiserliche Gouvernement
hat sofort die Verfügung erlassen, dass keine Leistung ohne eine ent-
sprechende Gegenleistung gefordert werden darf.
Auch sonst hat sich die Regierung der Eingeborenen in väterlicher
Weise angenommen, um den Hass gegen die Fremden, den die drückende
Gewaltherrschaft der Spanier grossgezogen, zu beseitigen und durch
verständnisvolles Eingehen auf die Anschauungen und Überlieferungen
der Insulaner deren wohlbegründetes Misstrauen gegen das neue Regi-
ment zu zerstreuen. Thatsächlich hat mit dem Einzug der deutschen
Herrschaft sofort eine Zeit friedlicher Entwickelung und offenbaren wirt-
schaftlichen Fortschrittes ihren Anfang genommen. Die Bewohner der
Marianen, die sich bei Ankunft der Deutschen in den Busch flüchteten,
sind die friedfertigsten Unterthanen geworden, so dass die neu ein-
gerichtete Polizeitruppe trotz ihrer geringen Stärke (40 Mann) für ihren
Zweck vollständig ausreicht. Jedes Jahr wandern aus Guam neue Ein-
geborene in unsern Anteil der Inselflur ein: ein erfreulicher Beweis
dafür, dass sie sich unter deutschem Schutz wohler fühlen als unter
der strengen amerikanischen Herrschaft. Die Karolinier, die mit den
Spaniern in unausgesetzter Fehde lebten und von ihrer 800 Mann starken
Besatzung nicht bezwungen werden konnten, bringen dem neuen Herrn
ebenfalls Vertrauen und Gehorsam entgegen, obwohl man auch hier von
vornherein auf den kostspieligen spanischen Militär- und Beamtenapparat
verzichtet hat und sich mit einer bloss 50 Mann zählenden Polizeitruppe
aus Eingeborenen begnügt.
Um den Rechtsanschauungen der Insulaner möglichst entgegenzu-
kommen und sie in ihren inneren Angelegenheiten möglichst selbständig
zu lassen, sind wie auf dem Bismarck -Archipel die Häuptlinge mit einem
Teil der Rechtspflege betraut worden, was bei dem verhältnismässig
hohen Kulturzustand der Eingeborenen ohne Schwierigkeiten möglich
war und schon erheblichen Nutzen gestiftet hat. Die Bezirksvorsteher
und Ortsschulzen, sowie deren Stellvertreter sind für Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung, für Einziehung der Steuern, Einrichtung und
Pflege der innerhalb ihres Gebietes befindlichen Wege und Kokospflan-
zungen verantwortlich und versammeln sich allmonatlich einmal im
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— 96 —
Bezirksamt, um Bericht zu erstatten und neue Weisungen einzuholen.
Im übrigen wird die Gerichtsbarkeit von den Bezirksämtern in Saipan,
Yap und Ponape ausgeübt.
Da die spanischerseits betriebene gewaltsame Entvölkerung der
Marianen den deutschen Anteil besonders schwer betroffen hat, so muss
jeder Menschenzuwachs für die der Arbeitskräfte bedürftigen Inseln
dringend erwünscht sein. Deshalb begünstigt man die Einwanderung in
jeder Weise und sucht die natürliche Vermehrung dadurch zu heben,
dass unter Beibehaltung der von den Spaniern für alle männlichen Ein-
geborenen von 15 — 60 Jahren eingeführten Arbeitsverpflichtung die
Ledigen 20 Tage, die Verheirateten dagegen nur 12 Tage im Jahre
unentgeltlich an öffentlichen, dem Gemeinwohl dienenden Unter-
nehmungen arbeiten müssen. Familienväter von mehr als fünf Kindern
bleiben ganz von der Frondienstleistung befreit. Auch wer seine Steuern
nicht bezahlen kann — die von den Spaniern erhobenen Abgaben hat
man als ein Zwangs- und Erziehungsmittel zur Arbeit ebenfalls bestehen
lassen — , muss eine entsprechende Anzahl von Tagen dafür arbeiten.
Als ein weiteres Erziehungsmittel wird die Unterdrückung der
Branntwein- und Waffeneinfuhr streng gehandhabt. Obwohl schon die
Spanier ein gleiches Verbot erlassen hatten, wurde es auf verschiedene
Weise umgangen. Infolgedessen nahmen Trunksucht und Habgier in
erschreckendem Masse zu. Der Erlös für die Kopra wurde Wochen
lang in schlechtem Rum vergeudet, und schliesslich arbeitete man über-
haupt nichts mehr, sondern borgte die Händler planmässig an, ohne je-
mals an die Wiedererstattung der Schuld zu denken. Weil hierdurch
jedes ehrliche Geschäft schwer geschädigt wurde und die aus der über-
hand nehmenden Trunkenheit entspringenden Streitigkeiten zu förmlichen
Stammesfehden ausarteten, so wurde im Interesse der Eingeborenen
und des allgemeinen Wohles bestimmt, dass geistige Getränke nur mit
besonderer Erlaubnis der örtlichen Verwaltungsbehörden verkauft werden
durften. Da man jedoch bald die Erfahrung machte, dass sich die
Karolinier nach Unterbindung der Spirituosenzufuhr in übertriebenem
Masse dem Genuss eines selbstbereiteten berauschenden Getränks, des
Palmweins, zuwandten, so wurde dessen gewerbsmässige Herstellung,
die obendrein die Palmen schwer schädigte, ebenfalls streng untersagt.
Ebenso ist man dem unter spanischer Herrschaft blühenden Waffen-
schmuggel, der namentlich von japanischen Händlern betrieben wurde,
nachdrücklichst entgegengetreten.
Das in seiner Entwickclung weit zurückgebliebene, durch die un-
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ruhigen Zustände der letzten 15 Jahre noch mehr herabgekommene und
an natürlichen Hilfsquellen nicht übermässig reiche Inselgebiet der Karo-
linen ist erst kürzlich in den Weltverkehr einbezogen worden, indem Yap
und Ponape durch die Postdampfer des Norddeutschen Lloyd sechswöchige
Verbindung mit Sydney und Hongkong erhalten haben. Den örtlichen
Verkehr und, so lange der dem Gouverneur bewilligte Regierungsdampfer
noch nicht fertiggestellt ist, auch den amtlichen Verkehr innerhalb des
Schutzgebietes vermittelt ein Anschlussdampfer der Jaluit -Gesellschaft.
Den Marianen dagegen, die schon in spanischer Zeit sehr stiefmütterlich
behandelt waren (vergl. S. 30), fehlt noch immer jede regelmässige Ver-
bindung. Sie werden nur in unbestimmten Zwischenräumen meist von
japanischen Seglern angelaufen, weil die probeweise versuchte Ein-
beziehung in die über die Karolinen führende Postdampferlinie sich als
verfehlt erwies und wieder aufgehoben wurde. Auch eine telegraphische
Verbindung mit dem Neuguinea-Schutzgebiet besteht zur Zeit noch nicht.
Doch werden in den drei Bezirksämtern Ponape, Yap und Saipan Post-
anstalten nebenamtlich verwaltet.
Im Handel mit den Marianen steht Japan an erster Stelle. Der
Handel mit den Karolinen dagegen lag schon lange vor ihrer politischen
Besitzergreifung zu 80 Prozent in deutschen Händen, und zwar war es
das Hamburger Haus Godeffroy, das hier in den sechziger Jahren die
erste Station errichtete und auch in diesem Teile der Südsee als erster
Pionier des vaterländischen Handels erschien. Die Niederlassungen
wurden später von der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft
für die Südsee übernommen, der sich das Hamburger Haus Hernsheim
u. Co. hinzugesellte. Aus der Vereinigung beider Firmen ging die Ham-
burger Jaluit -Gesellschaft hervor, die auch den Marshall- und Gilbert-
Archipel ausbeutet und somit ganz Mikronesien wirtschaftlich beherrscht.
Obwohl sie über 40 Haupt- und Nebenstationen verfügt, denen erst
8 Niederlassungen fremder Firmen gegenüberstehen, so macht sich doch
deren Wettbewerb in zunehmendem Masse fühlbar. Auf den westlichen
Karolinen beginnt der Einfluss eines amerikanischen Geschäftes mit aus-
gedehntem Wirkungskreis zu überwiegen, auf den östlichen Karolinen
streiten sich Deutsche, Engländer, Amerikaner und die rührigen Japaner
um den Vorrang. Das einzige spanische Handelshaus auf dem Archipel
ist von untergeordneter Bedeutung.
Sind unsere mikronesischen Kolonien alles in allem weit entfernt,
im Welthandel eine Rolle zu spielen, so darf man doch über den wirt-
schaftlichen auch politische Gesichtspunkte nicht vergessen, und gerade
Deutschlands Kolonien. 7
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sie sind für den Ankauf der Karolinen und Marianen nicht zum wenig-
sten entscheidend gewesen. Man kann manchmal die Überzeugung
hören, dass wir beide Archipele bloss deshalb genommen hätten, damit
sie keiner andern Macht zufielen. Das mag richtig sein. Oft ist es
jedoch politisch klug, etwas zu erwerben, nur damit es kein anderer
bekommt, und Deutschland musste ein ganz besonderes Interesse daran
haben, dass zu einer Zeit, wo alle grossen Handelsstaaten wegen der
zukünftigen Bedeutung der Südsee in jenem viel umworbenen Weltmeer
nach Besitztiteln streben, kein Keil zwischen seinen melanesischen und
ostasiatischen Besitz geschoben wurde, der die Schaffung eines für den
weiten Weg zwischen Kaiser Wilhelmsland und Kiautschou so notwendigen
Stützpunktes vereitelt hätte. Nachdem wir einmal im Pacific Fuss gefasst
haben, wäre es ein schwerer Fehler gewesen, wegen der Geringfügigkeit
des Kaufgegenstandes und der Höhe des Kaufpreises das spanische An-
erbieten zurückzuweisen, und wir sind unserer Regierung Dank schuldig,
dass sie rechtzeitig einer solchen Möglichkeit vorzubeugen wusste.
So aber hat der Gewinn der Karolinen unsern Südseebesitz ab-
gerundet und auf die ungefähre Grösse des Australkontinents erweitert.
Freilich bezeichnet das neuerdings so beliebt gewordene Schlagwort Ab-
rundung mehr einen geometrischen Begriff, und diese Abrundung ist
nicht einmal vollständig, weil sich inmitten des deutschen Südseeanteils,
auf Guam, der besten, grössten und volkreichsten Marianen-Insel, die
Vereinigten Staaten als unbequemer Nachbar festgesetzt haben. Auf
der andern Seite ist uns durch die neue Erwerbung eine Seeprovinz zu-
gefallen, die, vor den Thoren Chinas sich ausbreitend, trotz ihrer weiten
Entfernung von Asien und vom direkten Wege nach Kiautschou die
chinesischen Gewässer überwacht und eine fast ganz unter deutschem
Einfluss stehende Brücke von Neuguinea nach Deutsch-China schlägt.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil besteht darin, dass uns
die Karolinen und Marianen nicht bloss schlechte, von furchtbaren Tai-
funen, den Geissein jener Gewässer, bedrohte und an frischem Trink-
wasser arme Atollhäfen eingebracht hat, wie wir sie bisher auf der
Marshall-Gruppe besassen, sondern sturmsichere Berghäfen im Schutz
der wohlbewässerten, fruchtbaren Hochinseln, die nach sachgemässem
Ausbau zu Kohlenstationen 1 ), Zufluchtsstätten und Ausfallsthoren für
') In der kohlenatmen Südsee erlangen Kohlenstationen eine ganz, besondere Be-
deutung. Unseren maritimen Stützpunkten werden in absehbarer Zeit die deutschen Berg-
werke in Schantung die Kohlen liefern, nachdem kürzlich der erste Kohlenzug aus den
Gruben von Weishien in Tsingtau eingetroffen ist.
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unsere Kriegs- und Handelsschiffe wie geschaffen sind. Vor allem
ist der geräumige Hafen Tanapag auf Saipan einer der besten
jenes Gebietes, viel besser als alle Küstenplätze des amerikanischen
Guam. Nach Fertigstellung des mittelamerikanischen Weltmeerkanals
werden sämtliche Südsee-Inseln als Haltepunkte und Zwischenstationen
für Kabel- und Schiffahrtslinien, als Kohlenstationen und aus strategischen
Gründen erheblich an Wert gewinnen. Da nun die Marianen dank ihrer
Lage im Schnittpunkte der grossen paciftschen Zukunftsstrassen zwischen
Japan und Australien, zwischen Ostasien und Mittelamerika, zwischen
den Philippinen und San Francisco die günstigsten verkehrsgeographischen
Bedingungen aufweisen, und da auch die Marshall-Inseln und Karolinen
durch eine vom Nicaragua- oder Panamakanal nach den Philippinen ge-
zogene Linie geschnitten werden, so ist zu erwarten, dass sich die wirt-
schaftlich wenig wichtigen, politisch- und verkehrsgeographisch aber um
so wertvolleren Inselwolken unseres mikronesischen Besitzes trotz des
unausbleiblichen Wettbewerbs der Vereinigten Staaten zu einem zukunfts-
vollen Stück deutscher Erde entwickeln werden.
Gleiches gilt von Samoa, dem wegen seiner zentralen Lage schon
jetzt eine hohe Bedeutung zukommt. Denn über die reizvolle Insel-
gruppe, die überdies den einzigen maritimen Stützpunkt Deutsch-
lands im südlichen Pacifik darstellt und wegen ihrer Fruchtbar-
keit die gleichzeitige Verpflegung mehrerer Kriegsschiffe gestattet,
führt der kürzeste Weg von Hongkong nach Valparaiso. Ebenso
wird sie von den Dampfern und unterseeischen Kabeln berührt, die
zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada einerseits, Australien und
Neuseeland andererseits die Wasserwüste des Stillen Ozeans durch-
kreuzen. Da somit Samoa für den Weg zwischen Amerika und Austra-
lien stets eine Hauptstation sein wird, so erklärt es sich, dass die Ver-
einigten Staaten mit Zähigkeit an der Behauptung der Insel Tutuila fest-
hielten und dass sie Millionen aufwenden, um den ihnen zugefallenen
Hafen Pango-Pango zu einem starken Bollwerk auszubauen. Dorthin haben
sie auch ihre früher über Apia gehende Dampferlinie verlegt, so dass
ein kleiner Anschlussdampfer die deutsche Post nach und von Apia
bringen muss, wo das kaiserliche Postamt für Deutsch-Samoa errichtet
worden ist. Zur Schaffung eines Gegengewichts ist unsererseits die
Anlage eines Kriegshafens, für den wegen der Mangelhaftigkeit der
Reede von Apia die einen guten Unterschlupf gewährende Asau-Bucht
auf Sawaii (vergl. S. 71) trotz ihrer Abgelegenheit und trotz des Mangels
an fruchtbarem Hinterland am geeignetsten erscheint, ebenso notwendig
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wie die Gründung einer deutschen Schiffahrtslinie, die unserer jüngsten
Kolonie noch völlig fehlt und sie von englischen und amerikanischen
Gesellschaften abhängig macht. Doch ist dankbar anzuerkennen, dass
sowohl die amerikanische wie die neuseeländische Dampferlinie sich in
wirksamer und glücklicher Weise an der Entwickelung der Inselflur be-
thätigt haben. Das kleine Samoa vermag noch keine Frachten für grosse
Dampfer zu sichern, so dass ohne einen ansehnlichen Reichszuschuss
die Einrichtung einer deutschen Schiffahrtslinie nicht möglich wäre.
So sehr jedoch Samoa und die andern Südsee-Archipele den zu
erwartenden pacinschen Verkehr zu fördern vermögen, ebensowenig
darf man deren zukünftige Bedeutung überschätzen. Denn auch nach
der Vollendung des Panama- oder Nicaraguakanals wird der europäische
und ein Teil des amerikanischen Schiffsverkehrs mit Ostasien nach wie
vor den alten kürzeren Weg durch den Suezkanal oder um Afrika herum
beibehalten, so dass der mittelamerikanische Kanal niemals die Wichtig-
keit des Suezkanals für den internationalen Verkehr erlangen wird.
Dann können sich die pacinschen Inseln wegen ihrer Abgelegenheit und
räumlichen Kleinheit nie mit den grossen Erzeugungsgebieten der Erde
messen, wenngleich ihre wirtschaftliche Entwickelung noch sehr beträcht-
lich gesteigert werden kann.
Deutsch-Samoa ist wegen des Mangels an Gold und andern Schätzen
lediglich eine landwirtschaftliche Kolonie. Unter den Kulturgewächsen
stellt auch hier wieder die Kokospalme den für die Eingeborenen wie
für die Fremden nützlichsten Baum dar, dessen Erträgnisse den weitaus
überwiegenden Anteil an der Ausfuhr ausmachen. Weil aber die Kopra-
gewinnung nicht unerheblichen Schwankungen unterliegt — ■ 1899 fand
eine ungewöhnlich reiche Kopraernte statt, die 7792 Tonnen zum Ver-
sand brachte, worauf die Erträge infolge schwerer Stürme und an-
haltender Dürren, die den Palmen grossen Schaden zufügten, stark
zurückgingen — , so wird dadurch die Ausfuhr und von ihr wieder die
Einfuhr sehr entschieden beeinflusst. 1 ) Man hat deshalb für eine wesent-
') Den Rückgang der Aus- und Einfuhr teigt folgende Tabelle (in Millionen Mark):
«»97
1899
1900
1901
1 384 446
» 954 4'5
2 105 81 1
» 571 093
Ausfuhr ......
1 004 032
1 485 41t.
l 265 799
1 00; Sq7
Summa
238X478
.M39 83I
3 37 » 610
2 576 990
Davon entfielen 1900 auf die Ausfuhr von Kopra 1 257 700 Mark, auf diejenige von Kawa-
wurzeln nur 5000 und von Kakao erst 1900 Mark. An der Einfuhr sind in enrtei Linie
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liehe Vermehrung der zur Zeit 120000 Stück zählenden Kokospalmen
Sorge getragen, indem , die Plantagen vergrössert und die Eingeborenen
durch entsprechende Verordnungen angehalten wurden, auf ihren brach-
liegenden Ländereien jährlich mindestens 50 Kokosnüsse auszusäen, so
dass sich in absehbarer Zeit die Kopraerzeugung verdoppeln oder ver-
dreifachen wird. Ferner hat man, um die grossen Schwankungen der
lediglich auf Kopra beruhenden Ausfuhr auszugleichen und um die ge-
samte Handelsbewegung zu steigern , dem Anbau anderer tropischer
Nutzpflanzen, die bisher gegenüber der Kokospalme eine ganz unter-
geordnete Rolle spielten, erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Auf Grund
der gewonnenen Erfahrungen darf man mit gutem Grunde annehmen
dass alle feuchttropischen Kulturen, soweit sie nicht an ganz besondere
Lebensbedingungen geknüpft sind, in Samoa trefflich gedeihen und
reichliche Erträge versprechen, vorausgesetzt, dass ihr Anbau verständ-
nisvoll und umsichtig betrieben und gegen pflanzliche und tierische
Schädlinge ausreichend geschützt wird. Für diese Zwecke wäre ein
Versuchsgarten, wie sie bereits in unsern andern Kolonien bestehen,
von grossem Nutzen.
Von den in Frage kommenden Nutzgewächsen gedeiht der Tabak
ausgezeichnet und wird von den Eingeborenen viel und sorgfältig an-
gebaut. Die Baumwolle entwickelte sich ebenfalls vorzüglich und lieferte
1 Million Pfund Wolle. Doch wurde ihre Kultur 1894 wieder ein-
gestellt, weil sie sich zu wenig lohnte und weil in der Zwischenzeit die
neu angepflanzten Kokospalmen tragfähig geworden waren. Die Kaffee-
pflanzungen sind leider durch den gefährlichen Kaffeeschädling Hemileia
vernichtet worden. Um so erfolgreicher sind die Anbauversuche mit
Zuckerrohr, Thee, Bananen, Apfelsinen und Ananas ausgefallen, und
gleiches kann für alle Gewürzpflanzen, wie Ingwer, Muskatnuss, Gewürz-
nelken, Zimmet, Vanille und Pfeffer, ferner für eine ganze Reihe von
Flecht- und Fasergewächsen behauptet werden, von denen zahlreiche
Vertreter und Abarten als Bestandteile der einheimischen Flora auf der
Inselflur wild wachsen. Auch an farbstoff- und gerbstoffhaltigen Pflanzen,
Australien und Neuseeland beteiligt, weil sie wegen ihrer Nachbarschaft die meisten Lel*ns-
mittcl für die Weissen und die bei den Eingeborenen so beliebt gewordenen Hattbrote und
Fleischkonserven (vgl. S. 83) liefern. In weitem Abstand folgt Deutschland, das inzwischen
die Vereinigten Staaten überflügelt hat. Die Ausfuhr dagegen liegt infolge des entschiedenen
Überwiegens der deutschen Pflauzungen verwaltend in deutschen Händen, wie überhaupt die
Inselgruppe schon lange vor ihrer endgültigen Besitzergreifung wirtschaftlich in engsten Be-
ziehungen zu Deutschland stand.
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an Harz-, Parfümerie- und heilkräftigen Gewächsen ist Überfluss vor-
handen, und die Verarbeitung der in vielen Pflanzen reichlich enthaltenen
ätherischen Öle dürfte ebenfalls erfolgversprechend sein. Endlich darf
man annehmen, dass auch der Urwald eine Anzahl gut verwendbarer
Nutz- und Bauhölzer birgt, an deren Verwertung bei den heutigen
mangelhaften Verkehrsmitteln allerdings noch nicht zu denken ist.
Die grösste Zukunft hat indes die Kakaokultur, da Samoa wegen
seines f nichtbaren Verwitterungsbodens und seines feuchtwarmen Klimas
mit den besten Kakaoländern der Welt wetteifert. Da auch der Kakao-
verbrauch stetig zunimmt — in Deutschland ist er in der Zeit von
1870— 1900 von 0,05 kg auf 0,28 kg für den Kopf gestiegen, und der
Wert der in Deutschland verarbeiteten Kakaobohnen beträgt gegenwärtig
28 Millionen Mark — , so haben nicht bloss die auf Samoa thätigen
Pflanzungsgesellschaften den augenblicklich sehr lohnenden Kakaobau in
grösserem Umfang aufgenommen, sondern 1902 hat sich ausschliesslich
zum Zweck der Kakaokultur die deutsche Samoa-Gesellschaft gebildet.
Die günstigen Aussichten und das immer mehr wachsende Interesse
für Samoa locken Ansiedelungslustige, darunter nicht zum wenigsten
Deutsche, in zunehmender Zahl auf die Inselflur, die noch Tau-
sende von Hektaren unbenutzten, aber anbauwürdigen Landes um-
schliesst. Ist doch erst der dreissigste Teil des überhaupt benutz-
baren Landes in Arbeit genommen worden. Für unternehmungs-
lustige, tüchtige Kolonisten bietet sich hier noch ein weites Feld erspriess-
licher Thätigkeit, aber nur für solche, die über genügende landwirt-
schaftliche Kenntnisse und über ein kleines Kapital verfügen. Denn gerade
die Anfänge der Plantageneinrichtung, die Rodung des Urwaldes und
das Reinhalten der jungen Pflänzlinge vom üppig wuchernden Unkraut,
sind schwierig, mühsam und kostspielig, und die ersten Erträge sind
beim Kaffee und Kakao nicht vor vier bis sechs Jahren, bei der Kokos-
palme nicht vor dem achten Jahre zu erwarten. Um einer ins Unge-
messene gesteigerten Bodenspekulation von vornherein einen Riegel vor-
zuschieben, wie sie früher in hoher Blüte stand, hat das Gouvernement
die weise Bestimmung der Samoa -Akte bestehen lassen, nach welcher
die Eingeborenen ihr Land nicht mehr an Fremde veräussern dürfen.
Denn wenn ein Samoancr sein Grundeigentum verkauft hatte, so pflegte
er den Erlös so schnell als möglich durchzubringen und dann in seiner
Unkenntnis über Verträge das Land zurückzuverlangen. Ob freilich
dieses Verbot dauernd aufrecht erhalten werden kann, ist eine andere
Frage. Denn die Samoaner sind nicht im stände, alles Land zu bearbeiten,
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und im Interesse der Kolonie kann man nicht zugeben, dass der grösste
Teil des kulturfähigen Bodens brach liegen bleibt.
Das in Kultur genommene Land umfasst heute etwa 7500 ha, von
denen über 4000 ha mit den Kokosplantagen der Deutschen Handels-
und Plantagengesellschaft für die Südsee bedeckt sind: eine erstaunliche
Leistung, wenn man die immer schwieriger werdende Arbeitergewinnung
und die schweren Schädigungen bedenkt, denen die Pflanzungen durch die
unaufhörlichen Wirren der letzten Jahrzehnte ausgesetzt waren (vgl. S. 88).
Die Sicherheit des Lebens und Eigentums, welche die Mission angebahnt
hatte, und die Leichtigkeit des Grunderwerbs lockten viele Fremde auf
die Inselflur, die später der Mittelpunkt für die weit ausgedehnten Unter-
nehmungen des mit der Begründung des deutschen Südseehandels und
der wissenschaftlichen Erforschung des Pacifik untrennbar verbundenen
Hamburger Hauses Godeffroy wurde. In der richtigen Voraussicht,
dass der Wettbewerb nicht ausbleiben würde und dass die Zukunft des
Geschäftsbetriebes nur durch die Entwickelung des Plantagenbaues ge-
sichert werden könnte, erwarb die Firma, eine der grossartigsten und
genialsten der Welt, die zeitweilig 32 Schiffe im Stillen Ozean laufen
Hess, auf Upolu und Sawaii umfangreichen Landbesitz, der nach dem
beklagenswerten Zusammenbruch des in der Vereinigung kaufmännischen
und wissenschaftlichen Geistes einzig dastehenden Hauses 1880 an die
Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft für die Südsee überging.
Die neue Eigentümerin, deren weit verzweigte Handelsbeziehungen sich
auf zehn Inselgruppen und sieben Einzelinseln mit über fünfzig Stationen
verteilen, hat Samoa als Mittelpunkt beibehalten und den Pflanzungs-
betrieb so gefördert, dass er samt allen seinen technischen, maschinellen
und Wohlfahrtseinrichtungen für die gesamte Südsee vorbildlich geworden
ist. Der ganze Besitz ist eine Musterwirtschaft. Stundenlang fährt man
auf guten Wegen durch die einem wohlgepflegten Park vergleichbaren
Kokoshaine, grosse Viehherden halten den Grund von Unterholz und
Unkraut frei, und zahlreiche Stationen sind über die drei Hauptpflanz-
ungen Vailele, Vaitele und Mulifanua verteilt.
Leider steht auch hier die brennende Arbeiterfrage einer gedeih-
lichen Entfaltung der trotz ihrer Kleinheit so reichen und vielver-
sprechenden Inselflur entgegen und verlangt dringend nach einer be-
friedigenden Lösung. Weil Meer und Boden den Eingeborenen alles
das, was sie zu ihrem bescheidenen Lebensunterhalt brauchen, freiwillig
und ohne sonderlichen Gegendienst in den Schoss werfen, so sind sie
zu anhaltender, anstrengender Thätigkeit zu faul geworden und haben
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die segensvolle Notwendigkeit des Arbeitenmüssens niemals kennen ge-
lernt. Allerdings hängen die Samoaner mit Liebe an ihren kleinen
Pflanzungen und haben am Handel mit ihren Erzeugnissen reges Interesse.
Aber von den Fremden fordern sie selbst für die geringste Gegenleistung
die unerhörtesten Preise, und wenn sie sich einmal zur Arbeit ent-
schliessen, so lassen sie dieselbe liegen, wann und wo es ihnen gefällt,
unbekümmert um irgendwelche Verträge. Wohl ist es geschickten An-
siedlern gelungen, sich einen Stamm erprobter samoanischer Arbeiter zu
sichern. Doch ist deren Zahl noch viel zu klein, und die aufgewendeten
Kosten sind viel zu hoch, als dass diese Hilfskräfte für einen Plantagen-
bau grossen Massstabes in Betracht kommen könnten.
Da man aber mit der Anlage von Pflanzungen nicht so lange warten
kann, bis die Eingeborenen willige, zuverlässige Arbeiter geworden sind,
und da man auf der anderen Seite der Arbeitskräfte notwendig bedarf,
so muss man sich nach anderweitigen Bezugsquellen umsehen. Obenan
stehen die Bewohner der Melanesischen Inselflur, deren die Deutsche
Handels- und Plantagengesellschaft auf Samoa jährlich 600—1000 be-
schäftigt. Sie haben sich um so brauchbarer erwiesen und waren um
so leichter zu gewinnen, eine je bessere Behandlung sie erfuhren. Die
Arbeiter z. B., welche die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft
auf den Salomonen und dem Bismarck-Archipel angeworben hatte, waren
bei ihrer Ankunft mager, stumpfsinnig und von Hautkrankheiten ent-
stellt. Als sie nach dreijähriger Dienstzeit zur Entlassung kamen, sahen
sie dank zweckmässiger Unterbringung und reichlicher Verpflegung wohl-
genährt, kräftig und selbstbewusst aus, und viele schlössen sofort einen
neuen Vertrag ab, zumal es ihnen gestattet wurde, ihre Familien zu sich
zu nehmen. Leider gestaltet sich die Anwerbung immer schwieriger,
weil auch die andern Südsee-Inseln in steigendem Masse auf melanesische
Arbeitskräfte angewiesen sind und weil trotz aller Vorsicht viele von
ihnen in der Fremde zu gründe gehen oder Krankheiten mit nach Hause
bringen, so dass die Entvölkerung Melanesiens sichtlich fortschreitet.
Die Küstendörfer der Salomonen und des Bismarck-Archipels vermögen
bei der gesteigerten Nachfrage schon nicht mehr genug Arbeiter zu
liefern, und die in den Urwäldern des bergigen Innern versteckten Ort-
schaften sind bei der Anwerbung nicht zu erreichen.
Man hat deshalb daran gedacht, malayische, insbesondere javanische
Kulis einzuführen. Da jedoch auf den Sunda-Inseln selbst eine starke
Nachfrage herrscht, welche die wirklich brauchbaren Arbeiter im Land
hält und nur die schlechten, wenig brauchbaren Elemente an die fremden
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Kolonien abgiebt, so bleibt nichts übrig, als die viel angefeindeten
Chinesen nach Samoa zu bringen, die leicht und in Menge zu haben
sind. Die demoralisierenden Folgen einer chinesischen Einwanderung
und die durch sie heraufbeschworene Gefahr der Einschleppung des
Aussatzes sind nach dem Urteil erfahrener Kenner bei sorgsamer Über-
wachung und Untersuchung der Einwandernden keineswegs so schlimm,
als sie für gewöhnlich hingestellt werden. Denn neben vielen Untugenden
hat der Chinese auch viele gute Eigenschaften, unter denen Anspruchs-
losigkeit, Arbeitsfreudigkeit und Gewandtheit, die ihn zum Landarbeiter
ebenso geschickt macht wie zum Viehzüchter, obenan stehen. Für den
Kaufmann könnte der geriebene chinesische Händler allerdings ein nicht
ungefährlicher Nebenbuhler werden. Dieser Möglichkeit lässt sich indes
auf gesetzlichem Wege entgegentreten, indem die Niederlassung chinesi-
scher Kaufleute und die dauernde Ansiedelung chinesischer Einwanderer
überhaupt verboten wird. Der verstorbene Otto Ehlers hat auch den
Vorschlag gemacht, japanische Kolonisten, die sich auf Hawaii vorzüg-
lich bewährt haben, nach Samoa zu rufen. Da sie aber wahrscheinlich
schwer zu haben sein werden, so Hesse sich endlich in Erwägung ziehen,
ob man nicht diejenigen farbigen Arbeiter gewinnen könnte, die durch
Gesetz aus Queensland ausgewiesen sind und deren Eingabe, dort
bleiben zu dürfen, abschlägig beschieden wurde.
Um der Spekulation vorzubeugen, hat das Gouvernement das Werbe-
geschäft in die Hand genommen und beabsichtigt, zunächst chinesische
oder javanische Kulis nach Samoa kommen zu lassen. Die Regierung
hat damit aufs neue dargethan, wie sehr sie sich ihrer Pflichten bewusst
ist. Ebenso hat sie zur Erleichterung des Plantagenbetriebes schwer
zugängliche Gegenden durch Weganlagcn erschlossen und zwar ohne
besondere Kosten und fremde Hilfe, lediglich mit Unterstützung der
Samoaner. Eine weitere Neuerung ist die Gründung eines Gouverne-
mentsrates, der als ein beratender Ausschuss von sieben kaufmännischen
und landwirtschaftlichen Mitgliedern aus dem Kreise der Kolonisten dem
Gouverneur zur Seite steht und die Aufgabe hat, zur Hebung des Handels
und der Landwirtschaft die Regierung von Vorschlägen und Anregungen
seitens der weissen Ansiedler zu unterrichten.
Über den Angelegenheiten der fremden Bevölkerung hat man aber
auch die Wohlfahrt der Eingeborenen nicht vergessen. Im Gegenteil,
die Regierung betrachtete es als eine ihrer ersten und vornehmsten
Aufgaben, die durch den ununterbrochenen Kriegszustand erregten und
verbitterten Gemüter zu beruhigen und zu versöhnen. Hierbei musste
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sie mit diplomatischem Geschick und ohne fühlbaren Druck vorgehen,
weil ihr besondere Machtmittel nicht zu Gebote standen. Trotzdem hat
. der neue Gouverneur Dr. Solf dank seiner Umsicht und Erfahrung und
dank der berechtigten Rücksichtnahme auf Sitte und Brauch der Ein»
geborenen unter geschickter Benutzung und gleichzeitiger Entkräftung
der bestehenden Parteiverhältnisse mit gutem Erfolg die friedliche, ge-
deihliche Entwickelung Deutsch-Samoas in die Wege geleitet. Die Ent-
waffnung der kriegerischen Samoaner, die kein gewaltsamer Eingriff zur
Herausgabe ihrer Feuerwaffen und zum Gehorsam zu zwingen vermochte,
hat er 1901 ohne Schwierigkeiten und fast vollständig durchgeführt. Die
Eingeborenen lieferten gegen eine nicht allzu reichlich bemessene Gcld-
entschädigung ihr kostbarstes Gut, die Gewehre, freiwillig ab, so dass,
wenn der immer noch versuchte Waffenschmuggel unterdrückt werden
kann, die ewigen Stammesfehden hoffentlich dauernd ein Ende gefunden
haben.
Das zweitwichtigste Vorkommnis, zugleich ein neuer Beweis für die
rasche Festigung der deutschen Herrschaft, ist die Abschaffung der
samoanischen Königswürde und damit die Beseitigung der blutigen Partei-
zwistigkeiten gewesen, die vor und nach den Königswahlen zwischen den
verschiedenen Nebenbuhlern und ihrem Anhang ausgefochten wurden.
Statt der Königswürde ist die neue, vom deutschen Kaiser zu besetzende
Stellung eines Alii Sili oder höchsten Herrn geschaffen worden, deren
Inhaber als Mittelsperson zwischen dem Gouverneur und den Einge-
borenen steht, der aber, da er kaiserlicher Beamter ist und als solcher
bezahlt wird, alle Anordnungen nur auf Befehl des Gouverneurs treffen
darf. Weil der ehemalige König Mataafa auf dem Archipel den grössten
Einfluss besass, so ist er mit der neuen Würde betraut und nach an-
fanglichem Widerstreben ein williges, thatkräftiges Werkzeug des Gouver-
neurs geworden. Da man den Samoanern aus Zweckmässigkeits- und
Ersparnisrücksichten die Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten ganz
und gar überlassen hat, so steht dem Alii Sili ein Häuptlingsrat (Faipule)
zur Seite. Um die althergebrachten Einrichtungen möglichst zu schonen,
sind auch die 1 1 traditionellen Zusammengehörigkeitsbezirke der Samoaner
beibehalten und Bezirkshäuptlingen (Taitai Jtu) unterstellt worden, von
denen wiederum die Ortsvorsteher (Pule Nuu) und deren Polizisten
(Leoleo) abhängen. Die Verteilung feiner Matten an die Oberhäuptlinge,
die Mataafa als Entgeld für seine Wahl zum Alii Sili veranstaltete und
die als ein hochpolitischer, aber sehr gefährlicher Staatsakt früher aus
Neid und Feindschaft selten ohne ernstliche Verwickelungen abging
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— 107 —
(vgl. S. 84), verlief unter dem neuen Regiment zum ersten Male in fried-
licher Weise.
Ein weiterer Triumph der rasch erstarkten deutschen Herrschaft ist
die anstandslos und allgemein erfolgte Zahlung der aus früheren Zeiten
übernommenen, aber nie auch nur annähernd entrichteten Kopfsteuer,
der sich die Samoaner um so williger fügten, weil sie ausschliesslich
zur Bestreitung der Gehälter für die eingeborenen Beamten und zum
Besten der Steuerzahler verwendet wird. Auch die Volkszählung, die
als wichtige Unterlage für die Kopfsteuer diente, konnte ohne sonder-
liche Hindernisse abgehalten werden. Zu den bereits bestehenden Steuern
ist eine Waffensteuer hinzugekommen. Ausserdem sind die Einfuhrzölle
wesentlich, auf io°/o des Wertes, erhöht, dafür aber alle Ausfuhrzölle
abgeschafft worden.
So ist auch auf Samoa die deutsche Verwaltung einfach, billig und
gut organisiert und hat in kurzer Zeit mit geringen Mitteln Bedeutendes
geleistet, so dass der Ausblick auf die Zukunft unseres jüngsten über-
seeischen Besitzes, der eigentlich unser ältestes Schutzgebiet hätte sein
können und gleichsam die Wiege unserer Kolonialpolitik war, gewiss
nicht unerfreulich ist. Selbst bei nüchternster Berechnung kommt man
zu dem Ergebnis, dass sich Deutsch - Samoa wie unser ganzes Südsee-
reich langsam, aber sicher entwickelt und dass es sich in absehbarer
Zeit selbst erhalten wird. Ist doch seine Handelsbewegung schon jetzt
fast ebenso gross wie diejenige Neuguineas, der Karolinen und Marianen
zusammengenommen. Möge der reich gesegneten Inselflur nach langen
trüben Zeiten auch fernerhin ein fröhliches Aufblühen beschieden sein.
Denn Samoa ist, um mit Ehlers zu schliessen, des Schweisscs selbst
der Edelsten wert.
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Litteratur- Zusammenstellung.
Die in folgenden Zeitschriften enthaltenen Aufsätze sind nicht namentlich aufgezählt :
Alldeutsche Blätter. Organ des Alldeutschen Verbandes. Berlin.
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Berlin.
Ausland, Das. Stuttgart.
Beiträge zur Kolonialpolitik und Kolonialwirtschaft. Herausgegeben von der Deutschen
Kolonialgesellschaft. Berlin.
Deutsches Kolonialblatt. Berlin.
Deutsche Kolonial- Zeitung. Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft. Berlin.
Export. Berlin.
Globus. Braunschweig.
Internationales Archiv für Ethnographie. Leiden.
Koloniale Zeitschrift Herausgegeben von G. Meinecke. Berlin.
Mitteilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den Deutschen Schutzgebieten.
Berlin.
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Der Tropenpflanzer, Zeitschrift für tropische Landwirtschaft. Organ des Kolonial -Wirt-
schaftlichen Komitees. Berlin.
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Moderne Kaufmännische Bibliothek. Leipzig 1902.
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Verlag von Dr. Seele & Co. in Leipzig.
Hochschul -Vortrage für Jedermann.
Jedes Heft 30 Pfennig.
Heft i. Professor Dr Mar»hall: Die Wan- Heft Ig. Professor Dr. Burchard: Der Hin-
derungen der Tiere. heitsgedankc in der deutschen Rechtsentwickel -
Heft a. Professor Dr. von Hchu Uert - Hol- ung.
de in: Die soziale Bedeutung der ästhetischen Heft ia. Professor Dr. HteiudorA*: Das Kunst -
Bildung. gewerhe im alten Aegypten.
Heft 3. Privatdozent Dr. Hat**ert: Aus den Heft 13. Professor Dr. Heinrici: Die Entsteh-
Oebirgsländern der Balkan-Halbinsel .• Das Für- ung des neuen Testaments,
stentum Montenegro. Heft 14. Privatdozent Dr. Wa^Ber: Werden
und Vergehen der Steinkohle.
sienium Montenegro.
Heft 4. Professor Dr. Witkowsltl: Die An
finge des Deutschen Theaters. Heft 15. Professor Dr. Barth: Welche Beweg-
Heft 5. Professor Dr Conrady : Die Beziehung gründe giebt es /um sittlichen Handeln
der chinesischen Kultur zur abendländischen. Heft 16. Professor Dr. Beckmann: Wein und
o. Professor Dr. Hanek: Der Kampf um Bier,
die Gewissensfreiheit. Heft 17. Professor Dr. Trlepel : Die Entstehung
* 7. Privatdozent Dr Ht uniine: Nordwest- der konstitutionellen Monarchie,
afrika. Heft 18. Professor Dr. W. Hl«: (
Heft 8. Professor Dr. WOlker: Charl. Dickens Krankheit.
und seine Werke. Heft 23—88. Professor Dr. Bnrahall: Oesel-
Hett 9. Professor Dr. Wcig-nnd: Die natio- lige Tiere.
nalen Bestrebungen der Balkanvölker. Heft 19- aa. 29'. 30. Professor Dr.
Heft 10. Professor Dr. Bucher: Die wirthschaft- Chinas Kultur und Littcratur.
liehen Aufgaben der modernen Stadtgemcindc.
Fraisse, Professor Dr : Skizzen von den Balearischen Inseln. Aus der W'andermappe
eines Naturforschers. Mit 4 Vollbildern. Kart, mit Goldschnitt 2.—
Grothe, Dr. L. H.: Trlpolitanien und der Karawanenhandel nach dem Sudan. —.50
— Trlpolitanien. Landschaftsbilder und Völkertypen. 1.—
Der Herr Verfasser hat lange in den afrikanischen Ländern am Mittelmcer gelebt; er kennt
sie gründlich, schreibt anregend und schildert in Tripolitanien mit seinen nach dem Süden hin-
weisenden Beziehungen ein Gebiet, das wahrscheinlich sehr bald in politischer, wie handelspoli-
tischer Art eine hervorragende Rolle spielen wird. (Globus.)
Oberl'ainder, Seminar-Dir. Dr.. Der geographische Unterricht nach den Grundsätzen der
Ritterschen Schule historisch und methodologisch beleuchtet, 6. Aufl. Heraus-
gegeben von Schuldirektor Paul Weigeldt. Brosch. 4.—, geb. 4.80
Das Werk hat auch diesmal manche Veränderungen. Erweiterungen und Kürzungen erfahren,
wie sie durch die Fortschritte der geographischen Wissenschaft und Methodik bedingt waren.
Es ist noch immer die enapfchlcnwwerteatc Arbeit »junge Lehrer hineinzuführen in Ritters
Oeist und die besten Werke seiner Schule«. ' Die deutsche Schule 1902 Heft 5.)
— Sachsens Boden in Beziehung zur Geschichte und zum Kulturleben seiner
Bewohner. Festrede. —.30
I .m roiit/. Hans: Der Ideengehalt der Versunkenen 6locke. —.30
Wir können die Lektüre dieser Auseinandersetzung nur empfehlen, denn sie wird wirksamer und
zugleich nachhaltiger über Hauptmanns Werk informiren, als irgend eine noch so gründliche,
aber nüchtern trockene Wiedergabe. Neue Vogtl. Zeitung.
Traut. Oberlehrer Dr.: Die Hamlet-Kontroverse im Umrisse bearbeitet. 2.—
Wttkowski, Professor Dr.: Die Handlung des zweiten Teils von Goethes Faust. 1.20
Das' Büchlein, das sich durch ausserordentlich klare und gewandte Darstellung auszeichnet, ver-
dient beste Empfehlung. Münchener Allg. Zeitung.
>ou Warzbach, Wolff-anfr: Lope de Vega und seine Komödien. Mit Porträt
Bro ch. 6. — geb. 7.50
Leider hat bis jetzt ein Buch gefehlt, das den Lcbensg.ing des merkwürdigen Mannes und die
Gesamtheit srines litterarischen Schaffens der grösseren Lrsewelt dargelegt hätte. Diese Lücke
füllt in dankenswertester Weise Wolfgang v. Wurzbach mit gegenwärtiger Schrift au*. Ein aus-
gezeichneter Kenner des spanischen Dramatikers sowohl in philologischer als auch isthetischer
Hinsicht, brmeistert er den schwierigen und massenhaften Stoff mit vollkommener Objektivitit
und durchsetzt ihn, unbeschadet der Vt issenschaftlichkeit und Akribie der Behandlung, mit einem
behaglichen Humor, der das Lesen des Buches wirklich genussreich macht.
Prof. Dr. H. C Kellner.
(Wlssenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1899 So. 35.)
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■
Hassert, Professor Dr.:
Deutschlands Kolonien.
Erwerbs- und Entwickelungsgeschichte,
Landes- und Volkskunde und wirtschaftliche Bedeutung
unserer Schutzgebiete.
Broschiert 6.50,
einschliesslich, vorliegenden Heftes.
Deutschlands Kolonien von Kurt Hassert verdienen als eine vortrefflich
orientierende Arbeit über den gegenwärtigen Znstand unserer kolonialen Besitzungen
die weiteste Verbreitung. Kölnische Zeitung.
Wir zögern nicht, das Hassertsche Werk für das beste tu erklären,
das bisher über die deutschen Kolonien geschrieben worden
ist, und da die äussere Ausstattung in jeder Hinsicht dem hohen inneren Werte des
Buches entspricht, empfehlen wir es aufs wärmste. Findet es die Beachtung, die ihm
gebührt, dann wird es, weil mit warmem Interesse für die vaterländische koloniale
Sache geschrieben, auch „beitragen, die Kenntnis Neudeutschlands fördern zu helfen
und den alten Freunden der deutschen Kolonialbestrebungen neue Freunde zu
gewinnen." (Pädagog. Jahresbericht Bd. 61.)
Druck von C. Grumbach io Leipzig.
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THE UNIVERSITY LIBRARY
UNIVERSITY OF CALIFORNIA, SANTA CRUZ
This book is due on the last DATE stamped below.
To renew by phone, call 429-2756
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